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Full text of "Die Freiheit unter dem Schnee oder das grüne Buch : historischer Roman"

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U-uunc^L  75 -(o.  3%.^ 


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ajlrturuö  Söfttt: 

fie  jfreitfiH  wie?  kn  |4»ee. 


(Erjlcr  ßattb. 


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Googl 


o 


3h 


troteti  dem 


ober 


Jas  grüne 


§iftotifdjer  SRontan 


39?autu3  3>öfan 


Jtrphr  3an&. 


^repurg  &  ^eipjig. 

Vertag  t»on  ®at(  Stampfet. 
18*7©. 


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H^L  7 .  Vi .  5' 


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1. 

pie  % ofen  ^^neefefbes. 

®er  Sturmtoinb  t)at  bie  SBege  oerfchneit.  Ste  an 
bie  Knöchel  toaten  bie  $ferbe  int  Schnee.  3)a3  bunfle 
Saub  ber  bannen  beugt  fid^  unter  ber  Saft  ber  gloden, 
an  ben  biinnen  Stödten  be§  Unterholzes  aber  i ft  baS  non 
ber  Sonne  gefdjmol^ene  ©iS  toieber  in  bitten  Schichten 
angefroren,  unb  toenn  ber  SSinb  burd)  ben  2Balb  ftreidjt, 
erflingt  baS  eisbebedte  Saub  tuie  ein  jauberifcheS  ©lodenfpiet. 

Unter  rafdh  oorüber  flie^enben  SBoIfen  taudjt  manch¬ 
mal  ber  S3oümonb  auf,  bann  aber,  als  tjätte  er  genug 
gefe^en,  öerbirgt  er  fid)  toieber  eiligft  unter  gefpenftifcfyen 
Siebein;  baS  Saufen  beS  SBinbeS  burch  ben  2Balb  gleicht 
bem  3iUern  ber  fieberfröftelnben  Statur. 

Stuf  untoegfamer  ©bene,  burch  ben  in  Schnee  gefyüCU 
ten  SBalb  zieht  in  fpäter  Stacht  eine  SReiterfcftaar.  —  $ie 
langmä^nigen  Keinen  Sßferben  ertoittern  mit  oorgebeugten 
Siaden  ben  333eg ;  an  ben  jottigen  ^eljmtifecn,  an  ben 
langen,  jurüdgetjängten  Sanken  erfennt  man  bie  ©onfofafen. 

Sie  reiten  im  regelrechten  ®riegSzuge.  Sin  ber  Spifce 
baS  $i!et  mit  aufgezogenen  Karabinern  im  Slrm,  nach 
ihnen  eine  Slbttjeilung,  bann  eine  ffanone  mit  fedhS  Sßfer* 
ben  befpannt,  bann  ein  ganzer  Schtoarm  unb  toieber  eine 
Äanone,  auf  ber  bie  SlrtiÜeriften  fifcen.  hinter  biefen  aber* 
malS  eine  Sdjaar  Serittener  unb  toieber  eine  fedhSfpännige 
SJanone.  Sin  biefer  aber  fehlt  bereite  baS  SRohr.  ©ine 
menfchlidhe  ©eftalt  ift  an  feine  Stelle  befeftigt.  ®er  Sopf 
ber  SRenfdjengeftalt  hängt  nach  hinten  herum,  unb  toenn 
baS  SRonblicht  fye  unb  ba  herborblidt,  ficht  man  ein  bon 

3<5fat :  greifceit.  I.  1 


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2 


Sßein  oerjerrteS  ©efid^t,  üon  bem  jebeS  Bartfjaar  abge fdjnit* 
ten  ift  —  oiel!eicf)t  au$  abgeriffen.  9lucf)  baS  §auptl)aar 
fetjtt.  ffltunb  unb  Slugen  fittb  meit  geöffnet.  (Sine  grobe 
Sßferbebede  ift  über  ben  Sörper  fjingemorfen  unter  ifjrn 
befeftigt.  ®er  l)äugt  in  ben  ©cfjnee  fjerab.  ®er 

fjerabfjängenbe  Sappen  läftt  üon  Seit  ju  Seit  einen  Bluts* 
tropfen  in  ben  ©djnee  fallen,  ein  baft  ber  SDtann 

nodE)  lebt;  er  blutet  no cf).  ®er  Blutstropfen  im  Schnee 
üermanbelt  fid)  plö^lid}  ju  einer  Stofe. 

(Sine  rotlje  Blume  im  meinen  ©dfyneefelbe.  ®ie  ©efpenfter* 
Sßroceffion  mirb  üom  Stebel  üerl)ütlt. 

SBeiter  abfeitS,  immerfort  auf  ben  ©puren  ber  Steiter* 
fdjaar  trabt  auf  langmäljnigem  breitföpfigen  Stoffe  eine  SDtannS* 
geftalt.  $en  Dberförper  umljüHt  ein  bitter  $elj,  ber  ®opf  ift 
mit  einer  peljoerbrämten  ©jamarfa  bebedt,  ber  lange  ©dfjnurr* 
hart  mit  Steif  überfäet.  @r  reitet  üorfidfytig,  langfamen  ©drittes, 
als  fudjte  er  etmaS  auf  bem  Boben.  £)ann,  fo  oft  er  bie  rotlje 
Stofe  im  ©djnee  erblidt,  fteigt  er  üom  Stofs  fjerab,  fniet  nieber 
unb  mit  einem  golbenen  Söffe!  f)ebt  er  ben  in  ^rpftatt 
üermanbelten  Blutstropfen  auf  unb  Oerbirgt  iljn  in  einem 
emaiflirten  Steliquienf  öfteren.  Stun  trabt  er  mieber  meiter 
—  bis  aunt  näcf)ften  Blutstropfen. 

$)er  SBeg  füfyrt  ununterbrochen  burdj  einen  Urtoalb. 

(SS  ift  ber  SBalb  üon  Bjeloftof.  SlnbermärtS  in  (Suropa 
gibt  eS  feinen  Sluerodhfen  mehr.  ®iefer  SBalb  entfpridht  ihm 
nodj.  ®a  ift  noch  feine  21jt  laut  gemorben.  fein  Slnberer  als 
ber  ©emitterfturrn  faßt  £)ier  bie  Bäume.  (Sin  SBalb  ermädhft  auS 
ber  Bermefung  beS  anbern.  Buchen,  Sieben,  Sinben  metteifern 
mit  ber  hodjgeftredten  Sanne.  tiefer  Stadjt  miberljallt  baS 
©efreifd)  beS  SuchfeS,  baS  ©ebrüß  ber  Stuerfuh,  bie  ängftlid) 
nach  bem  fäugenben  Salb  ruft.  Stur  fein  -Btenfcfjenlaut  ift  Oer* 
nehmbar.  £ier  mohnt  Stiemanb.  SBäre  ber  SBeg,  ber  burdf )  ben 
SBalb  führt,  feine  ^eerftrafte  —  baS  ©eftrüpp  1 )ätte  ihn  längft 
übermadhfen. 

Sie  Blutstropfen  führen  ben  Steiter  immer  meiter 
unb  meiter.  3e$t  erfreuten  fie  nur  oon  fttit  ju  Seit  in 
meiteren  S^ifd^enräumen,  enblid^  ift  auch  bie  le|te  Stofe 


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3 


t)erfd)ttmnbett  —  bloS  baS  ®anonengeteife  bejeidhnet  bett 
SBeg.  Ser  Sfteiter  trabt  auch  auf  btefem  fort. 

Ser  an  bie  Saffette  gebunbene  9Kenfd)  ift  gefoiß  fcljon 
geftorben.  SBenn  er  geftorben  ift,  toirb  man  ihn  fidherlid) 
irgenbmo  begraben. 

9luf  ben  unermeßlichen  menfdEjenteeren  SBalb  folgen 
Stabte.  Stucf)  in  biefen  toof)nt  feine  menfchliche  Seele.  Stm 
Ufer  eines  großen  gluffeS  jtoei  gegenüberliegenbe  Stabte, 
toeldhe  auf  ben  ßanbf arten  beS  vorigen  ^ahrhunbertS  noch  als 
befestigte  Stabte  erfcheinen,  f)eute  aber  nur  mehr  atS  Ruinen 
bejeidhnet  toerben.  Samals  mürben  fie  noch  mit  tarnen 
genannt,  ich  glaube  S^imir  unb  StoanotDicje ;  fjeuteift  ihr 
Ulame  nur  mehr  SRuine.  3erfiörte  SKauern,  SdE)Utt  unb 
krümmer  auf  Stritt  unb  Sri tt.  Stuf  $tä£en  unb  Straßen 
ragen  Sfteffetftauben  aus  bem  Schnee,  brornbeerbemadhfene 
©aftefle,  Sirenen  unb  Sempel  mit  Strauchgefrönten  Sädhern. 
Ser  große  gluß  ift  jugefroren,  aus  bem  ©ife  ergeben  fidh 
noch  5ßfeilerrefte  ber  f)alboerbrannteit  3u9^rüdEe  —  neben 
ihnen  fü£>rt  ber  2Beg  über  baS  ©iS. 

Ser  einfame  Sfteiter  folgt  auch  fyzx  ben  Spuren. 
ber  SKitte  beS  3lußeS  mirb  fein  forfchenber  Xrab  ^tö^lid^ 
tmrdfj  eine  frifdfje  SSJafe  unterbrochen. 

Saß  fie  erft  gebroden  mürbe,  bemeifen  bie  umher* 
tiegenben  ©iSftücfe,  an  beren  Stelle  noch  feine  frifctje  Srufte 
tritt.  Sie  ©isfaalte  ift  länglich  öierecfig  —  mie  ein  offenes 
©rab.  Sarneben  ber  Schnee  ift  burch  bidhte  gußfauren 
niebergetreten,  unb  nicht  meit  bation,  auf  ber  glatten  Schnee* 
fläche,  jeidhnen  fidh  bie  formen  einer  SJtenfdhengeftalt  ab, 
i)ie  baS  ©eficßt  nach  unten  gefehrt  bort  gelegen  fein  mußte. 
4)ier  hai  man  Qftmanb  im  SSSaffer  begraben.  Sie  ließen 
ihn  hiimb  unteres  ©iS  (ein  fidjereS  Segräbniß),  ber  Sftiemen 
trägt  ihn  bann  ruhig  hina&  itt'S  9Keer. 

Ser  Steiter  hob  fidj  an  biefer  Stelle  aus  bem  Sattel, 
©r  fniet  Oor  ber  ©ishöhle  nieber,  nimmt  bie  SDtüjje  oon  bem 
^paitpt  unb  murmelt  etmaS  :  —  oieHeicht  ein  ©ebet.  3n  baS 
SSaffer  fällt  ein  Sropfen :  —  vielleicht  eine  Shtäne.  — 

3n  biefem  Stugenblicfe  leuchtet  ber  2Ronb  in  oottent 

l* 


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©lange  t)erab.  ®er  Sopf  be§  9Kanne§  toirb  ficßtbar,  eilt 
Sopf,  ben  man,  ein  SDlal  gefeljen,  nidjt  mefjr  Dergeffen  fonnte. 
(Sine  tjotye  ®opbelftirn,  in  beren  SKitte  ba§  §aar  fjinein- 
gemadjfen.  (S§  ift  bereite  grau,  in'£  SRötfjIidje  fpielettb  unb 
glatt  jurüdfgeftricfjen.  ®a£  Slntlifc  mager,  neroig,  SBacfen- 
fnodtjen  unb  Sinnlabe  tjeroorftetjenb,  eine  Üitjn  gebogene  Slafe, 
tiefliegenbe  Slugen,  ber  gaufige  Sart  ift  nacf)  Dorne  gelobt )nt  — 
baä  ganje  Stntti£  ber  ®t)bu§  Oerbiffenen  @cf)meräe3,  Der- 
fteinerter  Stage.  ®er  SJtonb  oerbirgt  ficE)  loieber  unter  SBolten. 
2)icf)ter  träger  Siebet  fentt  ficf)  auf  bie  ©egenb.  Urloätber  unb 
Stuinen  oerfcfjtoinben  —  bie  Sleitergeftalt  mirb  ^um  ©chatten. 
®urcf)  ben  bitten  Siebet  in  tiefer,  loatbfinfterer  Slad^t  Ringt, 
fauft  unb  brauft  e§  unfjeimticf)  fettfam.  —  S3ieÜeidjt  ift 
e3  ber  Ur,  ber  fein  $unge3  ruft  —  ober  Dietleidjt  fingt 
Semaub :  „Boze  cos  Polskeu.  — 


II. 

3te6er6iO>. 

Um  biefetbe  Seit  at§  ber  JBanberer  im  Sjetoftoter 
SBalbe  bie  blutigen  ©c^neerofen  am  SBegfaume  fammette, 
bereitete  fid^  ein  anberer  ffllann  an  ben  fernen  Ufern  beS 
©dfjtoarjen  3Reere§  gu  einer  langen,  tueiteu  unb  eiligen  Sleife. 
®ie  beiben  SHänner  eiten  bem  gleichen  ßiele  entgegen,  ©ie 
tjaben  einanber  nie  gefef)en,  nie  t)at  (Siner  be§  Stnbern  Slamen 
gehört  —  fie  tjaben  nie  ©riefe  mit  einanber  geloedjfett,  ben- 
noefj  loeiß  Seber  oon  ifjnen,  baß  ber  Slnbere  ejiftirt,  baß  gener 
mit  itjrn  ^ufammentreffen  loitt,  unb  baß  biefe  gufammentunft 
jum  beftimmten  $age  erfolgen  muß. 

®er  erfte  ber  SJtänner  |at  oieüeid^t  einen  türjeren  SEBeg, 
aber  er  !ann  nur  tangfam  reifen.  (Sr  muß  beoötferte  ©täbte 
ineiben,  bie  Släcfjte  ju  feinem  SSege  benähen,  bie  ®age  in 
abfeite  gelegenen  (Sfarben  gubringen.  —  ®er  2Beg  be8 
gloeiten  ift  länger  unb  lotberloärtiger,  aber  er  tjat  nur  ben 


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$ampf  ntit  ©öttcrn  $u  befielen,  mit  ben  ©öttern  ber  ©rbe, 
beS  SßafferS,  beS  geuerS  unb  ber  ßuf t,  bie  §u  befiegen  fiitb ; 
baS  fünfte  ©lement  —  ber  SKenfcf)  —  ift  itjm  tt)it[fät)rig  §u 
®ienften.  ®er  Sfteifenbe  trägt  bie  Uniform  eines  Dberften. 
©eine  niebrig  gerätsene  gigur  oergröfcert  er  burdf)  ben  f)od£) 
getragenen  Sopf  unb  burdf)  bie  ©tafticität  feines  Schrittes.  — 
biefem  ©dfjritt  erfennt  man  ifjn  unter  jeber  SftaSfe.  ®aS 
furjgefdjnittene  £>auptljaar  umrahmt  eine  breitgetoötbte  ©tim, 
—  fo  oft  ber  9Kann  fprid£)t,  tanken  bie  fd^tnarjen  Slugen* 
brauen  fortmäfjrenb.  gebe  ©eficfjtSmuSfel  nimmt  Xtjeil  an 
feinem  ©efpräd£)e  —  ja,  biefeS  ©eficfjt  fann  audf)  bann 
nodf)  fpredfjcn,  menn  bie  Sippe  fetjmeigt. 

@S  ift  ber  ooüftänbige  ©egenfa^  jn  bem  3tntti|e  jenes 
anberen  ffltanneS.  genes  oerbirgt  unbemegt  jebc  ©mpftnbung, 
biefeS  oerrätfj  im  Sorf)inein  jeben  ©ebanfen.  28ät>renb  ber 
fünf  äKinuten,  metdje  er  mit  bem  gem§fif  unterpanbelt, 
oerfudfyt  er  an  feinem  Sutjörer  Oon  ber  ©d^meid^etei  bis 
^ur  SButfj  bie  ganje  Stufenleiter  ber  2tuSbrücfe,  mie  auf 
einer  neuen  SSioline.  3)ie  §änbe  finb  formäprenb  in  Se= 
toegung.  —  günf  ginger  pält  er  bem  Sauer  unter  bie 
Sftafe,  fcfyfägt  ifjn  an  bie  Schulter,  ftöfit  ipn  in  ben  Saudfj, 
nimmt  if)n  beim  Srufttap,  fdjüttelt  iljn,  bann  umarmt  unb 
füfet  er  iljn  toieber,  ftreicpelt  ipm  tiebfofenb  ben  Sart,  ben 
er  batb  toieber  anfaftt  unb  ^auft,  bann  ftöfjt  er  ben  Sauer 
toieber  OOn  fidf)  unb  ettblid^  reicht  er  ifjm  bie  getbflafc!)e 
§um  Xtinfen,  f)ödf)ft  toaljrfd^einlid)  panbelt  eS  fid^  aber  um 
nidptS  toeiter,  als  ob  ber  SBeg  nadfj  gefafefciroStato  fapr= 
bar  ift. 

S)enn  toenn  im  Sjetoftofer  SSatbe  nodf)  f)oljer  ©dfjnee 
liegt  unb  auf  ber  ©isbeefe  beS  SRiemen  Sanonen  fahren,  tritt 
in  ber  $)njeper*  unb  ®ongegenb  fd^on  X£)autoetter  ein,  uub 
bie  gan^e  ©bene  ift  ein  9Jteer,  aus  bem  bie  rofjrumääunten 
©dfjtfffjütten  toie  einzelne  gnfetn  auftaudjen.  —  2ln  jebe 
£ütte  ift  ein  ®af)n  aus  einem  SBeibenbaum  befeftigt,  baS 
lebensgefährliche  einzige  Ser!ef)rSmittet  $ur  grü^aprSjeit, 
auf  meinem  ber  ^auStoirth  jur  SSeibe  t)inauSge^t,  nad^ 
ben  Sftinbern  unb  bem  ©eftüt  ju  flauen. 


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@o  toeit  ba§  Stuge  int  Umfrei§  reicht,  be-nt  fid^  enblo§  ^ 
bie  rot-braune  ®bene.  Sto-r,  Uitfraut  unb  @c-itf  -oben  i-r 
ttrintertic-e3  biirreö  ßaub  noc-  nic-t  abgefc-üttelt,  e§  fpielt 
je|t  in'3  lautere  Slot-  mit  ben  SBeibentrieben,  bie  ber 
Slbenb-intmel  felbft  feurig  beteuc-tet.  $a§  toetterfünbenbe 
Slbenbrot-  fejjt  bie  jerftreuten  Sc-afmötfd-en  in  Stammen, 
toetd^e  ben  inätüifd£>en  -eröortugenben  $imntel3bau  topa§- 
grün  erfc-einen  taffen.  Sn  SJt-riaben  burd-fc-mirrt  ba£ 
SBaffergefieber  bie  ßuft  unb  raftto§  erfüllt  e§  bie  (Sbene 
mit  feinem  ©eräufc-.  £oc-  oben  §ie-t  ein  ©djmarm  @d-mäne 
oorüber,  gotben  gefärbt  öon  ber  unterge-enben  Sonne,  bie 
-alb  unter  bem  ^ori^onte  öerfinfenb  i-re  Stra-lengarben  ben 
ftatternben  SBotfen  gufenbet  —  ein  üerfc-eibenber  ®önig  non 
^urpurtappen  unb  ©otb  umringt. 

Unb  bie  ganje  unenbli(-e  (Sbene  entlang  gie-t  fic-  nur 
ein  einiger  2Beg,  mit  SSeibenftangen  gebtelt  mie  eine 
©rüde.  Stuf  biefem  tauft  fic-  ber  Steifenbe  fort-etfen,  — 
benn  -ier  gibt  e§  fein  2lu3toeic-en. 

..  SBenn  man  ben  Stuft  öerlaffen  -at  —  oerfc-toinbet  aud- 
jebe  menfd-lic-e  S3e-aufung.  Stur  ba§  @d-miebefeuer  einer 
ßgieunercotonie,  bie  noc-  an  einer  §ügeKe-ne  niftet,  oerfenbet 
im  Slbenbnebet  toeit-in  i-r  ßic-t.  93atb  loirb  and-  bie§  oont 
finfenben  Siebet  begraben  unb  bann  -ofyert  ber  bretfpännige 
Darren  be£  Steifenben  bei  SJtonbbeteud-tung  meiter  —  ein 
S>urgan,  ber  fic-  -ie  unb  ba  in  ber  Steftfte  er-ebt,  ift  ba§  • 
einzige  3 eid-en,  baft  -ier  einmal  9Jtenfc-en  lebten  —  ein  SSotf. 

Sene  $f<f>uba§  auf  bem  §ügelfc-eitel  foaren  i-re  ©öt= 
ter.  Steinflöfce,  mit  ro-gemeifteltett  SRenfd-enföpfen,  Oer- 
fünben  toeit  -inab  bi£  junt  Stmur,  ben  einftigen  Seftanb  eineä 
untergegangenen  33olfe§,  ba§  nic-t  einmal  feinen  Stauten 
-interlaffen,  nur  feine  ©ötter,  metc-e  ba§  neue  Sotf  „$fc-uba" 
nennt  (gteic-  bem  ungarifc-en  SSorte  csuda,  baä  SBunber 
bebeutet). 

gür  bie  Stac-t  tnirb  ber  Steifenbe  in  bie  Verberge  eine£ 
S^abanen  oerfc-tagen,  ber  fic-  jufäfligertoeife  in  ber  Stä-e  be8 
SQSegeö  feine  £ö-te  gegraben  -at,  umgeben  üon  ber  ja-t- 
reichen  beerbe  feiner  @c-afe. 


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©er  Steif enbe  bemerft  in  feinem  ©agebudje :  ba§  um 
bie  Surgane  loohnenbe  §irtent>o!f  ift  elenb,  bumm  unb  riecht 
nach  Säfe.  —  ®e§  9Jtorgen§  läuft  ber  Darren  mit  feinen 
glodenbehangenen  5ßferben  immer  meiter  unb  toeiter,  bi3  it)m 
ber  überflutenbe  ©njeper  §alt  gebietet.  £ier  Reifet  e3  ben 
Sahn  benü^en,  ba§  ift  ba3  einzige  Serfehrämittet.  3unt 
©lüde  ift  ber  Strom  f)od)  genug  gefcfjtüoüen,  um  ben  Saf)n 
über  bie  berüchtigten  SBafferfäHe  bc§  §erobot  ju  führen,  ohne 
ihn  an  ben  Seifen  $u  §erfd)eüen.  Stur  oor  bem  Seiten  möge 
ber  Fährmann  ben  Steifenben  betoahren.  ®a£  ift  ber 
Stpenafchifefe  (ber  Unerfättlid^e).  ©ort  ift  e£  nid)t  geraden, 
beim  abenblid)en  SJtonblicht  ®ott  §u  oerfuchen.  —  „®3 
mu§  fein!"  befiehlt  ber  Steifenbe.  —  ©r  ©ite.  —  ®a3 
ift  toa£  2tnbere§.  ®a$  „muf$  fein"  fennt  feine  Unmöglich* 
feit,  ©arauf  gibt  e£  nur  bie  eine  Sinttoort :  „seisas“ 
(fogteich).  ©ie£  eine  SBort  charafterifirt  baä  ganje  Solf. 
@r  gelangt  auch  über  ben  lebten  Söafferfaü,  ber  Sahn  jer* 
fdjeüt,  aber  gährmann  unb  Steif  enber  fdjtmmmen  an7§ 
Ufer.  ®en  Steft  ber  Stacht  verbringen  fie  in  einer  gifchcr* 
hütte.  ©er  Steifcnbe  bemerft  herauf  in  feinem  ©agebudje : 
baf$  ba3  am  ©njeper  toohnenbe  Sdfjiffer=  unb  gifcperVotf 
elenb,  bumm  ift  unb  nach  Sifchen  riecht. 

91m  jenfeitigen  Ufer  ift  baä  ßanb  ber  3<tyo™gen,  bie 
auch  %en  ^tarnen  Von  ben  Söafferfäüen  entlehnt  höben, 
„zaporogi“,  neben  SDSafferfäden  SBopnenbe.  £ier  ift  bie 
Steife  nur  auf  bem  ^ferbefattel  möglich-  $ie  Stacht  bringt  ben 
Steifenben  an  bie  „Szetsa“,  bie  ein  ©orf  fein  fott.  ®ie 
Käufer  finb  ©rbhöhlen  mit  rafenbebedten  ©ächern:  man 
nennt  fie  „kurenyi“.  ©er  Steifenbe,  nachbem  er  mit  bem 
3aporogen  getrunfen  unb  gefungen,  bemerft  in  feinem 
©agebuche,  bajs  bie  Setvohner  ber  „kurenyi“  efenb,  bumm 
finb  unb  nach  SBagenfdjmiere  riechen. 

®a§  erfte  (Sefcpäft  be§  3aPor°Qen  ift,  feine  neue 
(Settmnbung  mit  ®heer  5U  tränten,  um  fie  bauerhaft  ju  madjen. 
Sei  bem  3aporogen  finbet  fich  bie  erfte  Spur  ber  Sepnfucht 
nad)  Freiheit,  bie  aüerbingä  primitiv,  aber  bod)  immerhin 
ettvaä  ift.  Sie  gipfelt  in  bem  SBunfche  nach  ber  Freiheit,  in 


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10 


(ärbe  erljebenb,  fetbft  am  fjofjen  SCRittag  empfinbet  man  ihre 
SSärme  nid)t.  Sa3  fReid)  beS  SßintcrS  ift  ba.  ge|t  fängt 
auch  bet  9Beg  an  fid)  ju  beüötfern.  gm  Reiche  beS  SEßinterS 
herrfcht  frohes  Seben.  ©anje  Schlittenreihen  mit  thurmhohen 
Saften  bewegen  fich  in  einer  Düdjtmtg  »orWärtS  unb  fchmucfeS 
§errengefäl)rte  weidet  beit  einfachen  Safoten  aus.  (äs  ift  ber 
lefcte  Sag  bet  SReife.  9lm  fjorijonte  beginnt  ein  glänjenber 
Streifen  ju  teuften  —  baS  jugefrorne  Sfteer.  Ser  Strei= 
fen  wirb  immer  breiter,  unb  wie  bie  Sonne  untertaucht, 
fteigen  am  Weiteren  Sternenhimmel  bie  Strahlen  eine? 
glammentranjeS  empor,  unb  pfeilfdinell  eiten  feine  geuer» 
garben  bem  genith  entgegen.  SaS  ift  bie  SJtorgenröthe  beS 
■JtorblichtS.  Unb  üon  biefem  zauberhaften  Strahtenmeer 
beleuchtet,  erhebt  fich  au 3  bem  Schneegefitbe  eine  Stiefenftabt 
mit  ben  Weißen  Fächern  ihrer  ißataftreihen,  ben  kuppeln 
ihrer  Kirchen  unb  Sollwerten  ihrer  geftungen;  Suppein 
unb  Safteien,  aüe3  blenbenb  Weiß.  —  9118  Wäre  eS  baS 
©efpenft  einer  Stabt,  weiß  auf  weiß  gemalt,  über  ißt  baS 
rofeurothe  SRorblicht,  hinter  ihr  ber  ftaßlblaue  9tebelfrf)teier. 
—  Ser  fReifenbe  ift  an  fein  $iel  gelangt.  —  9tber  ber  9lnbete, 
ift  auch  er  hicr? 


in. 

pie  m  bie  Herren  ßeftt  fügen. 

©8  ift  ber  le|te  Sag  ber  „Sutterwodje".  gn  ben 
Straßen  St.  Petersburgs  wimmelt  eS  tro|  grimmiger  Saite 
üon  einer  geräufchüotten  ffltenge,  —  heute  barf  man  noch 
gteifdj  effen,  morgen  beginnen  bie  großen  gaften,  jeber 
gleifcherlaben  mirb  gefchloffen,  burch  üolte  fieben  SBochen 
beherrfcßt  baS  Del  bie  SEBelt.  —  9lHeS  eilt,  —  fidj  heute  noch 
fatt  ju  effen.  Ser  lange  üierecfige  £>euplah  ber  „Szenaja 
Plostadt“  ift  heute  noch  bie  Sühne  ber  hungrigen.  Sa  finb 
in  langer  Steihe  üor  ben  gleifcfierbuben  bie  erfrornen  Dchfen, 
§irfd)e,  Schweine  auSgeftellt,  auf  üier  Seinen  im  Schnee  au8= 


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11 


gebreitet,  bie  erstarrten  Söpfe  empor  gerietet.  ®er  SRefcger 
Sägt  ober  f)aut  mit  einem  Seite  jebe£  au§gemäf)tte  ©tüd  für 
ben  Säufer  ab,  benn  ba§  SD^effer  miß  nid)t  fangen  an  bem  gu 
©tein  erfrornen  gteifdje.  ©ange  @d)icf)ten  Keinen  3ßitbe§, 
Raufen  non  £afen,  Stepppüpner,  gafanen,  Stuertjätyuen,  bieau§ 
fernen  Säubern  tjiepergebradjt  merben,  frifd)  erhalten  nom 
grofte,  Rängen  fie  in  gangen  Srängen  nor  ben  fetten.  ®ie 
Särenmefcger  f)aben  ipre  eigenen  9Rarftf)ütten,  unb  bie  SRitte 
be3  *ßta£e3  nehmen  bie  giftet  ein,  fjaigrofee  Raufen  unb 
bemäpute  ©eetömen  at§  Sodfpeife  barbietenb.  Stn  gef)ntaufenb 
Säufer  treiben  fid)  um  bie  Suben  tyerum,  git  gufte  unb  in 
ftingetnben  ©glitten,  gum  größten  Steile  grauen,  mätyrenb 
aße  Serfäufer  SRänner  finb.  §ier  gibt  e§  feine  ipödcrim 
neu.  —  ©etbft  bie  öietbegeEjrte  $eticateffe  ber  Suttermod)e, 
bie  „Stinniä"  merben  non  Männern  gebaden;  e£  finb  Omelette, 
non  Sutter  übergoffen  unb  mit  ©aniar  beftridjen,  unb  bie 
SRagnocfifen  finb  lauter  junge  Surfte,  bie  in  ifjren  taugen, 
in  ber  SRitte  mit  einem  ©urt  befeftigten  Sßelgmänteln,  bie 
Sette  umfreifen,  bie  Sorbe  auf  itjren  Söpfen,  boßgepfropft 
mit  aßer  Strt  notf§tt)ümtid)em  5Raf2E)merf§,  metcpeä  fie  mit 
nimmer  ermattenber  Set)te  bem  publicum  anpreifen.  „Sanft 
Sßirogo!  ©aifi§!  Smaft!"  —  ®ie  Xpeefdjänfer  fodjen  ben 
fiebenb  Reiften  X£)ee  in  ben  intmenfen  ©gamonar^  unb  in 
ben  Sranntmeinfd)änfen,  metdje  ba§  Sotf  „Sriige"  nennt, 
miß  bie  Xtjüre  nid)t  fielen  bteiben.  ®er  $irog  befoitberä 
nertangt  nadj  einem  noßen  Xrunf.  ©§  ift  ein  gfaben  mit 
fafd)irtem  gteifd),  gifcpen,  SRüben  unb  Sraut  gefüßt  — 
ein  foftbarer  Siffen,  unb  f)eute  ift  fern  tefcter  Xag  —  morgen 
barf  man  nid)t  einmal  baüon  träumen. 

©ang  $eter$burg  ift  je^t  auf  ben  ©tragen.  ©£  ift 
ein  prächtiger  SRärgtag.  Stid)t  ber  ®ag  ber  Seilten  unb 
Sengrofen,  fonbern  be§  StaupreifS  unb  ber  ©tegapfen.  Stach 
bem  geftrigen  Storbminb  fiel  ber  ®permometer  auf  14  ©rab. 
©in  tjerrti d)e§  SBetter.  — 

Um  gmötf  Uh*  9Rittag3,  eben  at§  bie  grofte  ©tode  ber 
3faf§fird>e  ertönt,  mengt  fid)  neuer  Särm  in  ba§  ©eräufd) 
ber  ©tabt.  Stuf  jener  taugen  geraben  Strafe,  bie  man  ben 


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12 


ßäarffoje*3elO'P?ofpect  nennt,  treibt  eine  ©djaar  nornebmer 
Säger  einejt  pracbtOoHen  3toitff?®ttber  nor  fic^  ^er. 

3u  fotdEjer  SabreSjeit  auf  §irf<f)e  §u  jagen,  verbietet 
fetbft  baS  gemeine  Sprecht.  SaS  neue  (Sefoeib  beS  £>irfcben 
ift  !aum  noch  ertoadjfen,  baS  §orn  ift  nodj  ein  ftumpfer 
knoten  non  §artem  gelt  überzogen.  Um  fo  meniger  aber  ift 
eS  geftattet,  eine  §irfd£)jagb.  inmitten  einer  großen  ©tabt  $u 
neranftatten,  unb  gerabe  in  ©t.  Petersburg  am  testen  Sage 
ber  9Jtaflicäa*2Bocbe.  Slber  biefer  ©efettfd^aft  fdEjeint  aud)  baS 
erlaubt. 

Sie  S^gerf^aar  beftetjt  aus  einem  Sufcenb  Sftänner 
unb  btei  grauen.  SaS  Sienernol!  unb  bie  SKeute  nicht 
*  mitgejähtt  —  eS  finb  ityrer  fünfzig.  Sie  mirbetn  bie  ganje 
©träfe  nor  fidE)  her  auf,  fo  toeit  fie  fidt)  bebnt. 

Sßabrfcbeinticb  !am  eS  fo,  bafc  bie  ©efettfdfjaft  ben  Stuf* 
trieb  im  SBilbparfe  non  ߧarf!oje*3eto  begonnen;  ber  £irfcb 
mochte  auSgebrodjen  fein  unb  nimmt  nun  feinen  Sßeg-  nach 
ber  ©tabt  —  bie  ©efettfcfjaft  if)m  nadE).  Ser  Sagbeifer 
fragt  nicht,  melcber  SBea  erlaubt  ift. 

.  SaS  nerfotgte  SSifo  galopirt  über  bie  gontanfabrüde. 
Sie  3°ßtoäd^ter  taffen  oergebenS  bie  ©dEjranfe  nor  itjm 
nieber,  fie  ift  im  Stu  überfefct.  Sa  erfennen  bie  SBädEjter 
bie  gagbgefettfd^aft  unb  motten  erfdf)redt  ben  ©cblagbgum 
toieber  aufrid^ten.  ,,Saff  fein!"  ruft  ber  norreitenbe  Seiger 
unb  hierauf  fotgt  bie  gange  ©efetlfdjaft  bem.SSeifpiet  beS 
SBitbeS  unb  überfpringt  bie  ©d£)ran!e.  Ser  §irfcb  §at  im 
(Tarrtere  bereits  eine  Imuptftrafce  erreidEjt,  bie  febäfernbe 
ÜDteute  überatt  auf  feiner  ©pur.  Sie  an  ben  ©trajseneden 
gaffenben  SuteSnifS  meidf)en  entfett  ber  ©djaar  aus,  bie 
nor  ihnen  t)erfprengt. 

SSor  ber  ©aferne  ber  faiferlicben  ßabetten  ftet)t  ein 
©renabier  ©ebitbttmebe.  @r  hält  eine  gtinte  im  Slrm.  Sßenn 
er  ber  Vernunft  folgt,  fdE)iefef  er  baS  gatopirenbe  Sßitb 
nieber,  bafe  eS  nidEjt  unter  bie  23otfSmenge  fprengt.  —  Slber 
©afernenreget  gebt  nor  Vernunft.  Sie  ©ebitbttmebe  erfennt 
ihren  Sorgefefcten  unb  fenft  präfentirenb  baS  (äctoebr.  SaS 
rebellifcbe  SBitb  aber  !ennt  {einerlei  Siegel,  eS  bringt  gerabe* 


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13 


WegS  auf  bie  3Badf)e  ein  unb  wirft  fie,  an  bie  Körner  faffenb, 
in  bie  Suft. 

®ie  ©<f)itbwacf)e  wirb  Waf)rfdE)einticf)  $u  S3oben  faßen 
unb  neuerbingS  präfentiren.  2lber  je§t  ^at  baS  SBilb  bereite 
in  bie  Ouerftrafje  eingebogen.  $aS  ift  eine  ber  belebteften 
Promenaben  ber  ©^arenftabt.  Sie  ftanirenbe  SRenge  ftiebt 
an  aßen  ©nben  auSeinanber.  Sluffdjreienbe  grauen  unb 
brüßenbe  SDtänner  —  beflenbe  §unbe  —  einer  wirft  ben 
Shtberen  über  ben  Raufen,  ein  ©glitten  überftür^t  ben 
anberen.  £irfd£)  unb  gägerfdjaar  fprengen  über  f)ingeftredte 
9Renfdf)en,  umgeftütpte  ©dritten.  SaS  gibt  eine  prächtige 
Untergattung  —  eS  !ann  ja  SRiemanb  oertefct  werben  —  ber 
©d) nee  ift  tief  genug. 

gefct  uerirrt  fid)  ber  £>irfc$  auf  ben  §euptafc.  ©inen 
Slugenbtid  lang  ftaunt  er,  atS  er  baS  riefige  Dom  SRenfdjen* 
gewütjt  erfüßte  SSiered  erbtidt.  Sann  aber  fäßt  ibjm  etwas 
in  bie  Stugen.  Sie  in  Steifen  aufgefteßten  i>irfd)e  oor  ben 
SBitbtäben.  @r  fjätt  fie  für  ein  Stubet  ipocfjwitb.  Unb  aßeS 
Sreibwitb  t)at  bie  ©eWofinfjeit,  jtd)  unter  ben  Raufen  $u  retten, 
fobatb  eS  ifjn  erblidt. 

Sttfo  frifct)  toS  auf  bie  üßienge!  SaS  ©ebrüfl,  ©efdjrei, 
©efludE)e  Wirb  jum  §ößentärm.  Umgeworfene  S3uben,  nieber* 
geftofjcne  gteifdjbänfe  bleiben  .unter  ben  ©puren  beS  einper* 
ftürmenben  SfjiereS.  ©obatb  aber  ber  $irfd)  oor  ben  SBitb* 
iäben  antangt,  unb  feine,  ßtüftem  mit  rafd£)em  gnftinct  baS 
S3tut  Wittert,  atS  er  feine  *3ud)t  mit  üerftümmetten  -©liebem 
Oor  fidf)  fiet)t,  gerätf)  er  ptö^tidj  in  SButlj,  unb  mit  Oor* 
geftredten  Römern  baf)nt  er  fid)  unter  witbem  ©ebrüfl  ben 
SBeg  in  entgegengefe^ter  Stiftung,  Wo  er  neuerbingS  in  bie 
©artenftrafce  gelangt,  unb  rast  fd)naubenb  birect  auf  ben 
©oftinoi*Swor  gu. 

SaS  ift  eine  ber  größten  SKerfwürbigfeiten  Petersburgs, 
ber  SBaarenbajar. 

SaS  ©ebäube  beS  ©oftinoi  Swor  bitbet  an  unb  für 
fidi)  ein  ganzes  ©tabtöiertet,  wo  man  t>om  Perferteppidj 
angefangen  bis  jur  biamantenen  $atsfette  afle  ®oftbarf eiten 
ber  SBett  bereinigt  finbei.  Ser  §irfd)  gtaubte  t)ier  ©df)ufc  ju 


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14 


fhtben.  Sitte  Spüren  tueit  geöffnet.  23on  ben  taufenb  Säben 
mät)tte  er  fich  gerabe  bie  SluStage  eines  üenetianifdjen  ©laS- 
hänblerS  jum  Slftyl.  9Keute  unb  gagbgefeflfdhaft  hinter  it)m 
her.  Sn  bem  großen  fäulengetragenen  Saat  finb  SDtaffen  bene* 
tianifdEjer  Srtyftaße  im  SBerthe  t>on  §unberttaufenben  angefam* 
mett,  uon  funftoerftänbiger  £>anb  zu  zauberhaften  $hramiben 
geftapett  unb  bie  SSänbe  ringsumher  mit  Spiegetgläfern  be= 
beit,  bie  bis  an  bie  $ede  reifen.  ®er  unglüdtiche  itatienifche 
£änbter  fdEjrie  93anferott  in  feinem  ©freien,  atS  er  ben 
|>irfch  in  feinen  Sauftaben  hereinbrechen  f^h,  unb  eS  mar 
ein  unenbtich  fomifcfjer  Slnblid,  mie  ber  arme  Signor  fammt 
bem  gauteuit  auf  ben  bilden  fattenb,  feine  beiben  güfee  ab* 
mehrenb  uor  fich  hiuftredte.  —  2llS  aber  bem  %fyext  aus  ben 
Dielen  Spiegeln  plöplidE)  eben  fo  met  £>irfcf>e  entgegenbtidten, 
Don  Sftüben  an  ber  gerfe  gepadt,  toon  jagenben  Leitern  Der* 
folgt,  bertor  eS  bottftänbig  baS  $8iSd)en  SSerftanb,  baS  eS  noch 
befeffen  —  tief?  ben  herumfuchtetnben  gtatiener,  ben  ber  $eitS- 
tanz  Dor  ©djrcden  ergriffen,  am  $tafce,  burdhbrach  bie  Sfteihen 
feiner  Verfolger  unb  fprengte  gegen  ben  nahe  gelegenen  Stppra* 
£in=S)mor,  mo  mieber  alter  alte  Sröbet  ber  SSett  angefammett 
tag,  bon  ben  aus  alten  -Kationen  ber  SBelt  burdheinanber- 
gemürfetten  SKäflern,  Srämern,  Suben,  dürfen,  Armeniern, 
Werfern,  Stein=  uub  ©roferuffen,  Soptfd£)en  unb  SRaSfotnifen, 
©rufen  unb  ginnen  auf  baS  Strafcenpffafter  gehäuft,  bamit  er 
bem  Säufer  mehr  im  SBege  liege,  ben  fie  zu  zßw  unb  breien 
an  ben  Strmen  faffen  —  ihre  SBaaren  anpreifenb,  bie  beS 
5RadE)barn  bertäfternb,  feifenb,  befdEjmörenb,  betügenb,  betrügenb, 
feitfdjenb,  mäfelnb  in  aßen  barbarifdjen  Sprayen  ber  ®rbe. 
®er  §irfch  mitten  hinein  unter  fie!  —  $aS  mar  nun  erft  bie 
redete  Unterhaltung.  SSie  ba  bie  ganze  ©emeinbe  ber  atar= 
mirten  Schacherer,  uon  bem  £>irfchen  über  ben  Raufen  ge- 
morfen,  nach  Slßah,  gehobaf),  gefuS  ©hriftuS  unb  aßen 
guten  ©eiftern  rief!  —  2Bie  aß  biefe  gröfcfje  bäuchlings 
unb  auf  aßen  Sieren  in  ihre  fohlen  frodhen,  als  bie  Säger- 
fdhaar  unb  bie  Sßleute  über  fie  f)inmegfe|ten,  mie  bie  pot= 
nifchen  Suben  fich  auf  ben  93oben  hiumarfen,  Sich  unb  Sßeh 
fchrien,  mährenb  bie  ganze  Schaar  über  ihre  Seiber  galopirte, 


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15 


unb  tote  bei  bem  SluSgange  baS  gonge  rebellische  93abel  heraus* 
ftrömte,  unter  btüflenbem  SBe^flogeit  ben  Slnbruch  be§  jüngften 
Sageö  üerfünbenb. 

Ser  LMth  flüchtete  hinweg  über  bie  Läupter  ber  brän* 
genbett  SDtaffen.  Sie  SDteute  unb  gagbgefeflfchaft  fonnte  ihm 
auf  biefem  SBege  nicht  folgen,  unb  eS  brauchte  geit,  bis  bie 
Karbatfchen  ber  Sreiber  unb  Imnbejungen  bie  lebenben  f?in= 
berniffe  aus  bem  SBege  räumen  tonnten. 

Unterbefj  gewann  ber  |)irfcf)  Sßorfprung  unb  rettete  fi<h 
auf  ben  SBouleüarb  beS  gontanfacanals,  überflog  bie  ©isbedfe 
bis  jur  Läuferreihe  beS  jenfeitigen  UferS  unb  Würbe  erft  am 
©nbe  ber  ©oronochajaftrafje  üon  ber  gägerfctiaa«  erreicht. 

Lier  befanb  fich  jur  geit  uitferer  ©rjähiung  (1825)  ein 
fßalaft  oon  einem  großen  fßarle,  bem  99ulaSfhs©arten  um* 
geben.  Sie  große  geuerSbrunft  im  gaf)re  1862  hat  ihn 
fammt  bem  SlpprajimSwor  eingeäfcfjert,  unb  gegenwärtig 
ftehen  bie  Sagerljäufer  beS  ©äaröfoje*,8elo*58ahnhofeS  an 
feinem  fßlahe. 

Sie  Einlage  ift  oon  einem  gr'ofjen  oergolbeten  ©ifengitter 
umgeben,  burdj  Welches  fich  eiSumljüßteS  Sannenlaub  brängt. 
Ser  ipirfch  hält  fie  üiefleicht  für  einen  Sßilbpart.  Sticht  Weit 
tont  ‘parle  unb  fßalafte  in  berfelben  Sinie  liegt  bas  grojje 
0tmcftoW=Spitat.  günfhunbert  fiechenbe  SDtänner  unb 
grauen  (meift  ©pileptifdje)  tarnen  gerabe  oon  ber  gegenüber* 
liegenbe  Strafte  her.  Sie  waren  jur  ©omunion  an  biefem 
Sage  gegangen  unb  fommen  eben  oon  ber  SreieinigteitSfirche. 
3e|t  lehren  fie  nach  bem.  «Spital  jurücf.  SBenn  baS  fcheue 
SBilb  unter  biefe  Krüppel  bricht  —  Werben  fie  afle  Oon  ber 
gaßfucfit  ergriffen,  für  fie  gibt  eS  fein  ©ntweichen.  Sie 
gelähmten  ©lieber,  ihre  Krücfen,  ihr  ftumpfeS  ©ehirn  helfen 
aus  teiner  ©efahr.  Ser  Scftreden  aflein  fann  ben  2eib  tobten, 
in  bem  bie  Seele  nur  mehr  ihr  Sterbelager  fucfit. 

Stur  bet  ©horuS  eines  erfchüttemben  SBchrufS  ertönte  üon 
ber  ohnmächtigen  SDtenge  her,  Welche,  Wie  üom  Semite  ergriffen, 
erftarrt  oor  ber  unbegreiflichen  Slttaque  ftetit.  —  Sie  Kraul» 
heit  mattet  nicht  nur  bie  güfte,  fonbern  auch  ben  Kopf. 

2lber  trojj  aßebem :  „Luffa!  ooran!" 


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16 


SBie  nun  ba£  verfolgte  Shier  an  bem  §auptthor  be$ 
93ulaO£fi=©arten£  oorbeiftürmt,  fradEjt  it)m  aus  bent  Sh ore 
ein  Schüfe  entgegen.  Ser  £irfd)  fpringt  auf  ben  Schuft  jur 
©eite,  wirft  ..feine  £>örner  in  ben  SRüden,  bann  finft  er  in 
bie  ©prünge,  unb  fich  nod)  einmal  aufraffenb,  jie^t  er  mit 
blutenber  SRafe  breite  gurdjen  im  ©<h_nee,  —  bann  aber 
ftredt  er  fich  nerfdjeibenb  t)in  —  ben  ®opf  mit  bem  blutigen 
©eweih  an  bie  Shorfdjweße  legenb,  wie  jum  Saufe  für  genen, 
ber  it)n  mit  einem  wohtge^ielten  ©chufte  non  feinen  Ser* 
folgern  befreit. 

Sie  Unterhaltung  ber  gagbgefeflfd)aft  War  oerborben. 


IV. 

&eine  'gieße n  .  .  . 

Unerhörte  Kühnheit  —  bie  Unterhaltung  ber  h°f)en 
Herren  fo  unliebfam  ^n  ftören! 

„2Ber  hat  biefen  ©d)uft  gethan?"  rief  ber  ooranrei* 
tenbe  ©aoalier,  inbem  er  bie  brohenb  gefdhßmngene  Sßeitfche 
fttaßen  lieft. 

Sie  SKeute  ftür^te  Wüthenb  auf  baä  geöffnete  Shor 
ju,  au3  welchem  -ber  ©d)uft  her&orgebrochen;  auch  bie 
SRüben  Waren  in  ihrer  gagbehre  öerlept. 

Sie  grage  toar  in  ruf fif d^er ^  ©pracfje  gefteßt,  unb  bie 
©efte  paftte  genau  ba^u,  obgleich  baä  Slnttip  be3  ßtitterä 
nach  fan^öfifcfter  2lrt  ganj  glatt  rafirt  toar,  wäljrenb  aße 
Slnbent  halbe  Sadenbärte  trugen. 

„3<h  toar  fo  frei!"  antwortete  eine  grauenftimme, 
unb  unter  ben  Sannen,  bereu  ßweige  fich  über  bem  Shore 
umfdjlangen,  trat  eine  granengeftalt  heroor,  ftatttid),  fchlanf 
Wie  bie  Slmajonen  ber  £elbenfage  „Kalevala“,  ba§  lang' 
lidje,  blaffe  2lntlip  Wirb  oon  bem  röthlichbtonben  frei  herab* 
faßenben  §aar  Wie  oon  einer  SöWenmähne  umflutet,  eine 
feine,  grabe  Sftafe,  bie  aufgeworfenen  Sippen  erinnern  an 


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17 


bic  giguren  ber  9liobe-©ruüüe,  ttmfjrenb  matt  beim  Slnbtide 
biefer  großen  ftammenben  Singen  boß  f)inreif$enben  3auber3 
eine  $ßeri*©rf  Meinung  au£  ber  „Safuntata"  bor  fidfj  ju 
fefjen  glaubt.  —  ©ine  gee,  bie  ben  9Jtytf)o3  breier  |>im~ 
metöftrictje  in  fid)  bereinigt. 

,,3d)  t)obe  e3  gemagt!"  fagte  bie  grau,  metdje  allein, 
oljne  aße  Segteitung  fjerbortrat.  Unb  mit  ber  tinfen  £>anb 
bie  anftürmenben  §unbe  leidet  abmetjrenb,  ertjob  fie  bie 
Sßiftote  in  ber  9ted)ten  unb  legte  auf  ben  grager  an.  „Studfj 
tjabe  iä)  nodf)  einen  Sdjup  für  Sie,  menn  Sie  bie  erhobene 
PSeitfcbe  nidp  finlen  taffen." 

®ie  $unbe  umfc^nupperteu  bemütfyig  bie  grauengeftatt, 
metdfje  fie  einen  Moment  bortjer  nodt)  jerreipen  moßten,  unb 
aud)  ber  ©abatier  mar  bem  ßauber  nidtjt  unzugänglicher, 
at§  bie  üöieute.  $)ie  $eitf<he  in  feiner  §anb  umfetjrenb, 
präfentirte  er  fie  grüpenb  unb  antmortete  nunmehr  franjö^ 
fifdj,  in  ber  Sprache  ber  ruffifd£)en  bornehmen  ©efeßfchaft : 
,,©3  ift  nid£)t  nötfjig,  SKabame,  bap  Sie  jur  Sdjupmaffe 
greifen,  ba  Sie  in  gljren  klugen  zmei  fo  mächtige  geuer* 
maffen  befi^en."  2)er  ©abatier  berrietf)  bie  Serfaißer  Schute, 
tt>o  man  mit  Komplimenten  Srieg  $u  führen  unb  mit 
©atanterien  ben  SRüd^ug  zu  beden  meifc. 

3)er  anbere  %ty\i  ber  gagbgefeßfd^aft  mar  jefct  gteichfaßä 
unter  bem  Xt)°re  angetangt. 

Sie  Herren,  ate  fie  fa£)en,  mit  mem  ber  erfte  ©abatier 
fpridht,  fetten  ihre  Steitpferbe  zurüd,  atö  moßten  fie  bei  bem 
©efprädhe  nicht  zugegen  fein,  nur  ein  älterer  &err,  an  beffen 
Sßetzrod  ein  Siamantenbefehter  Drben  glänzte,  trat  näher, 
©ine  ber  grauen  gatopirte  birect  auf  ba§  Xhor  ju  unb 
blieb  bort  gegenüber  ber  anberen  fteljen.  $Rur  ba3  erfdfjoffene 
SBilb  trennte  fie  bon  einanber. 

Sie  Leiterin  trug  eine  blaue,  mit  gud>3petz  berbrämte 
3ade  unb  gleichfarbige  SKüfce,  unter  meldjer  ba3  reiche  lichte 
btonbe  §aar  in  SRingeßoden  &  l’anglais  auf  bie  Sputtern 
fiel.  Sa3  Slntlife  mar  bi§  an  bie  2tugen  bon  ©ifer  unb 
fdmeibenber  Satte  gerötet,  unb  bie  brenn enbe  ©efidhtäfarbe 
lieh  ben  etmaS  ^erborfte^enben  2tugen  nur  noch  ein  lebhafteres 

$ö!ai :  gfei^eit.  I.  2 


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18 


©lau.  ®ie  feinen  fdimalen  Sippen  Waren  falb  geöffnet,  baS 
blaue  ©anb,  welcfeS  i£>r  Sinn  üor  ber  Saite  fcEjü^te,  unb 
ber  btaue  Scfteier,  ber  um  bie  Stirne  gelegt  War,  geftattete 
nidjt  mefr  ju  fefen.  ©or  ber  anbern  ®ame  angelangt  aber 
fdjob  bie  ffteiterin  baS  Sinnbartb  juriid,  üieHeicft  um  freier 
fpredjen  ju  lönnen,  unb  erlaubte  ben  Slnblid  eines  fübfdfen 
rofigen  Sinnes,  reijenb  burd)  ©ritbdjen  in  jWei  Steile 
gefcfieben. 

„SBie  tonnten  Sie  eS  Wagen,  biefen  $irfd)en  ju 
töbten?"  ruft  fie  ber  anbern  ®ame  ju.  „Sßiffen  Sie  nidjt, 
bafj  baS  faiferiicfjeS  SSilb  ift?" 

„3Bie  tonnten  Sie  eS  wagen,  ben  £irfdjen  gegen  baS 
Spital  ju  treiben,  Wufjten  Sie  nicft,  baf?  bieS  baS  Stfpl 
ber  Srüppeln  ift?" 

,,3d)  puffe,  Sie  anerfennen,  baf  ber  erfte  §err  in 
Sftujjlanb  ber  ©jar  ift." 

„555er  erfte  £>err  in  aller  SBelt  ift  ber  Srante." 

„Sie  finb  toßfüpn,  SJlabame." 

„®aS  gebe  icp  ju." 

®ie  Leiterin  ri|  jeft  aucf  nodi  ben  Soleier  üon  ber 
Stirne  Ijcrat) .  ©S  War  ifjr  Ijeif?.  ®ie  9teitpeitfcf)e  fpielte 
unruhig  in  iljren  ßänben, 

„SBarum  bin  id)  jept  fein  SDtann?"  murmelte  bie 
junge  ®ante  äWifcpen  ber  Serienreife  ifrer  Scifne. 

®er  ©aoalier  mit  bem  glatten  ©efidjte  las  aus  ben 
3ügen  biefeS  judenbeu  StntlifeS,  aus  bem  burdjboprenben 
©lid,  baf  eS  fiep  pier  nod)  um  SSeitereS  panbelte,  als  um 
ein  erfdfoffeneS  SSilb,  er  beugte  fiep  jur  Leiterin  perab  unb 
rebete  fie  pörbar  genug  in  beutfcper  Spracfe  an. 

®enn  bie  frangöfifdpe  Spradje  (bie  beS  geliebteften 
geinbeS)  ift  bereits  bie  Spradp e  aller  SBelt  in  ber  ruffifcpen 
§auptftabt,  wäptenb  bie  beutfdje  (bie  beS  beftgepaften 
greunbeS)  nur  öon  ben  2luSerWäplten  gefprodjen  wirb.  Sütan 
fpridjt  alfo  ®eutfdj,  wenn  man  oon  ber  Sienerfcpaft  nicft 
tierftanbeu  werben  will. 

„©iefleidjt  eine  ©ebenbufleritt?"  frug  ber  glattrafirte 
©aüalier. 


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19 


Sie  Sfteiteritt  Warf  tteräcgtticg  igre  Sippen  auf,  unb 
bie  Augenbrauen  gufammengiegenb,  antwortete  fte  laut  genug 
in  heutigem  gbiorne : 

„Seine  Sieben .  .  .  .* 

Sie  grögte  Beteibigung  einer  grau. 

gene  anbere  Same  gatte  bie£  beuttidg  ttentomnten  unb 
ba§  eine  9togr  ber  ©cgugwaffe  in  igrer  §anb  war  noeg 
<jetaben. 

Slacg  biefem  AuSfprucge  erbtagte  fetbft  bie  Leiterin, 
Wie  ein  Sueltant,  ber  feine  SBaffe  abgefcgoffen,  ben  (Gegner 
bamit  tterWuubet  gat  unb  nun  fiegt,  bag  biefer  ficg  aucg 
^um  ©cguffe  bereitet. 

Sie  blaffe  Same  aber  tgut  ba§  niegt.  gibt  ja 
SBorte,  BtidEe,  Bewegungen,  bie  tiefer  Wirten  atö  bie  töbt* 
liege  SSaffe.  SBie  ba§  gingeftredEte  SBilb  ba  gu  igren  giigen 
lag,  fefete  Pe  einen  3ng  auf  fein  ©eWeig.  @o  ber  Leiterin 
gegenüberftegenb,  lacgte  fie  igr  in’§  ©efiegt,  unb  um  bie 
gerauäforbernbe  gnfutte  noeg  gu  tterftärfeu,  ergob  fie  bie 
SBaffe  unb  fegog  bie  Sabung  in  bie  Suft.  Senn  bie  SBaffe 
in  ber  £>anb,  ttertiert  bie  gnjurie  gegenüber  bem  SBegrtofen 
igre  ©pipe.  —  gept  War  fie  wieber  gewonnen. 

Sa§  Anttip  ber  Leiterin  flammte  ttor  3orn.  2Bie  eine 
©egtange  Winbet  fieg  bie  Sleitpeitfcge  in  igren  §änben,  at$ 
überlegte  fie,  ob  fie  ba£  üertepenbe  Säcgetn  auf  jenem  Anttig 
fcamit  Wegfegen  fottte. 

Bon  ben  anberen  beiben  Samen  War  bie  eine  ein  junget 
SKäbcgen,  taum  noeg  megr,  at3  ein  Sinb.  ©in  ©efiegt  tton 
tabettofem  Ottat  mit  feinem  fpigen  Sinn,  fteine  rofen- 
Jnofpenbe  Sippen,  groge  bunfetbtaue  Augen,  bie  in  ber 
gerne  Wie  fegwarge  au§fegen,  gerabe  feintienige,  fegwarge 
Augenbrauen  unb  ftagtgtängenbe  |margöpfe.  gm  gangen 
<$efidgt§au3brucfe  ba$  unerfegtoffene  Staunen  einer  $enfion3' 
(Stettin.  Sa§  ©onberbarfte  ift,  bag  fie  in  einem  Herren* 
fattet  reitet,  bem  aucg  bie  gange  Sracgt  angepagt  ift,  ber 
tfegerfeffifdge  BeSgmet,  bie  Weite  Weige  ©atattar,  goge 
Stiefeln  unb  ein  breiter  Safcgmir  mit  gerabgängenbem 
Sinbg3at. 

2* 


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20 


2TOe  aufter  iljf  Wuftten,  was  jene  beibett  grauen  ein- 
anher  jagen.  SBer  bie  Spraye  nicht  fannte,  berftanb  bie 
Bewegungen,  baS  bernid)tenbe  3u*n  ber  ©ejicfttSzüge,  baS 
Sreuzfeuer  ber  Blide.  —  $aS  Stäbchen  berftanb  aud)  baS 
nid)t.  —  Sie  flaute  nur  berwunbert  brein.  —  ®ie  jluet 
grauen  waren  fet)r  erbost  auf  einanber  —  baS  fah  fie  — 
Wegen  eines  £>irfcf)geWeif)S. 

®ie  SReitpeitfche  wanb  fid)  jo  lange  in  ber  fräftigen 
|>anb  ber  SReiterin  —  bis  fie  entzweigebrochen  war.  ©ie 
brauste  eine  anbere  SBaffe. 

„Bathefaba!"  rief  fie  ber  ftaunenben  Jungfrau  zu  unb 
rebete  fie  bann  in  einer  Sprache  an,  bie  aufter  ihnen  beiben 
Seiner  berftanb  —  bielleicht  tfdjerfeffijch  —  aber  ber  9luS= 
brud  ber  ©predjenben,  baS  fdjredenSbleiche  Slntlifc  ber 
Slngefprocftenen  jagte  beiläufig  golgenbeS  :  „3)u  frägft  mid), 
Wie  ber  Seufel  auSfieht?  —  ©ieh  gelte  an  —  ba  t;aft  $u 
it)n!"  —  2>aS  junge  Stählen  tief  ben  Sopf  finfen  unb 
betreute  fidj,  nur  einen  befohlenen  Blid  aus  ben  großen 
bunfetblauen  klugen  auf  bie  grau  werfenb,  bie  ber  Seufel 
in  leibhaftiger  ©eftalt  ift.  25ann  aber  feierte  bie  Simazone 
ihr  $ferb  um,  unb  gleichzeitig  bie  beS  SßferbeS  erfaffenb, 
auf  Welchem  baS  Stäbchen  faft,  jprengte  fie  als  bie  (Srfte 
Zurüd,  bon  Woher  fie  gefommen  War,  bie  gagbgefeüjchaft 
unb  bie  Steute  ihr  nad).  ®aS  erfdwffene  Sßilb  blieb  auf 
ber  Strafte  liegen. 


V. 

<£rieg$pf<tn  gegen  ein  peiß. 

Stuf  bem  ganzen  SSege  bis  zum  Calais  ©hebimin  War 
natürlich  bon  nichts  Slnberem  bie  Siebe,  als  bon  ber  erregten 
©eene,  bie  fid)  foeben  abgejpielt. 

„Parole  d’honneur!"  jagte  ber  glatte  SRitter,  mit 
feiner  $eitfd)e  auf  bie  eigenen  fReitftiefet  fdjlagenb,  „bie 
ganze  SESelt  ift  berfehrt!  SBenn  fich  zur  3eü  ber  ©zarin 


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21 


©fifabetf)  eine  Stau  gegen  eine  gürftin  Bon  ©(jebintin  fold)' 
eine  gnfulte  ertautit  f)ätte,  mit  ber  Knute  fjätte  man  fie 
gepdjtigt,  bie  Qunge  batte  man  if)r  anögefdinitten,  wie 
ber  Saponfljin."  „Saö  f^ben  wir  ber  übertriebenen  $f)i= 
lantfjropie  p  oerbanfen!  Sie  mar  nie  für  un§  befdjaffen, 
—  ber  SottairianiömuS  bringt  unä  um.  —  SBie  fann 
Slrafäejeff  bie§  butben?“  „Sie  grau  ift  toocf)  etwa  feine 
SRuffin?"  „93ieHeitf>t  eine  cngüitfje  ober  beutle  Same,  bie 
fjerfam,  um  unö  p  ärgern  unb  unter  bem  Sdju$e  ber 
©efanbtfdjaft  ftefjt  ?  gürwatjr,  im  gafjre  1816,  alö  id)  pm 
testen  Male  p  §aufe  war,  würbe  man  fidj  bergleidjen 
nidjt  erlaubt  fjaben!"  „Siefe  gremben!  Sod)  gleicf)üiel! 
Söenn  ber  ißotijeipräfibent  über  feine  Strafe  für  fie  bcrfügt, 
Werben  wir  felbft  bie  ©nute  in  bie  §anb  nehmen.  —  9tur 
gfjre  ©egenwart  f)ielt  midj  aucf)  bieömat  jurücf,  gürftin 
Maria  Sllejiewna,  id)  fdiWöre  e§  gljnen ! " 

„ge  nun!  Sie  wiffen  nidjt,  Wer  ba§  SEBeib  ift." 

„©leidibiet,  ob  and)  eine  gürftin." 

„  Meljr  at-3  ba3. " 

„Sßemt  aud)  eine  ejpatriirte  Königin,  etwa  oon  ©eor» 
gien." 

„Still !"  Sie  Same  rnadite  ben  Stifter  mit  einem 
warnenben  SBlide  auf  ba3  itjr  pr  ßinfen  reitenbe  Mähren 
aufmerffam. 

„Sie  üerftefjt  ja  nidjt  beutfdj.  Sftfo  ift  baö  grauen» 
jimmer  eine  Königin?" 

Stuf  biefe  grage  fing  bie  Same  an  taut  p  ladjett. 

„greilid)  eine  Königin!  2Baf)rf)aftig  eine  Königin! 
Stegierenbe  gürftin!  Sine  abfofute  Monardjin.  Sßir  alle  finb 
ifjre  Untertf)anen;  aud)  Sie,  aud)  ic£(,  aucf)  Sllejei  Majimo» 
Witfd).  Sine  Königin,  bie  man  au§  iljrem  Steife  nidjt  mit 
Kanonen  oertreibt,  fonbern  mit  biefem  ba!" 

Sie  Same  f)ielt  ba§  an  bem  ©riffe  ber  jerbrodjenen 
SReitgerte  befinblidje  tfifeifcEjen  bem  ©aoalier  f)in. 

„SBie?  ©ine  ©omöbiantin?" 

„gawof)l.  2Baö  foHte  fie  Stnbereö  fein?" 

„SU),  I)at)a !  gür  bie  ba§  pfeifen  eine  fReüolution 


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22 


bebeutet,  bereit  X^rott  burd)  $ifd£)en  geftürgt  merben  famtl 
211),  SDtaria  Sllejiemna,  fcfjenfen  Sie  mir  biefeS  Pfeifdjenl 
Sd)  merbe  bamit  für  Sie  fämpfen,  mie  ber  Witter  ofjite 
gurdfjt  uttb  Xabel." 

$ie  Xante  überliefg  bie  merfrnürbige  ipöllenmafdfjine, 
mit  melcfjer  bie  33ül)nenpotentaten  an  bie  Suft  gefegt  5a 
merben  pflegen,  bem  ßaöalier,  als  berfelbe  im  Peftibule  beS- 
©tjebimin'fclen  Palais  if)r  aus  bem  Sattel  tyalf. 

Xer  ©aualier  füfete  bie  §anb  ber  Xante,  mofür  biefe 
bie  SEBange  beS  SaualierS  füftte,  baS  fcf)öne  9Räbcf)en  bei  ber 
$anb  nafjm  unb  mit  il)r  auf  ber  breiten,  burdj  eine  breifadje 
©laStljür  abgefperrten  bemalten  Xreppe  fjinaufftieg. 

£>ier  löfte  fid^  bie  gan^e  SagbgefeHfd)aft  auf  unb  gab 
fid)  für  ben  9lbenb  SftenbeaöouS  in  ber  Dper. 

Xa  flopfte  ber  fdjmeigfarne  befternte  §err,  ber  fidf) 
bisher  nid)t  in  baS  ©efprädf)  mifdjte,  bem  bartlofen  ©anatier 
mit  ber  flauen  £>anb  auf  ben  Etüden. 

„Xu  aber  9lifolai  Sergiemitfcf),  fomm  $u  mir  herauf, 
auf  ein  333ort." 

„93efefyle  über  mic§,  5llejei  2Wa£imomitfdf)." 

Sie  ritten  gum  äCraftSefefffdEjen  Palais. 

Sn  St.  Petersburg  gibt  eS  feine  uralten  Paläfte.  Xie 
ganje  Stabt  befielt  erft  anbertfyatb  Satyrljunberte.  Xer  Palaft 
beS  ©ünftlingS  beS  Klaren  liegt  auf  bem  ÜJtemSfi=Profpect 
unb  ift  el)er  für  bie  93equemlid)feit,  als  prächtig  eingerichtet. 
Xen  SBinter  l)inburdE)  merben  felbft  bie  flauem  burd)  unter- 
irbifdje  SRöljren  bei  Xag  unb  5ftad)t  ermärrnt,  jebeS  geitfter 
ift  mit  breifadfjen  ©laStafeln  nerfcf)toffen  unb  bie  3iroroer 
finb  mit  §artf)oläplatten  auSgelegt. 

Xie  Don  ber  Sa9^  §eimfef)renben  ermartete  ber  t)eif$e 
Xtyee  mit  2lraf  unb  einem  fonberbareu  ©emifcf),  baS  aus 
Kayennepfeffer  unb  fpanifdjen  gliegen  jubereitet  mirb.  ©in 
9Refferfpi^dE)en  baoon  ermärrnt  bie  erftarten  ©lieber;  unter 
einem  anberen  Klima  märe  es  ©ift. 

Xer  ©rof^err,  ben  mir  je^t  bereits  non  feinem  Patafte 
ljer  fennen,  SlraftSejeff  fperrte  bie  3immertfyüre  hinter  ficf> 
ab,  fdfjob  bann  einen  amerifanifdf)en  Sdf)aufelftuf)l  oor  ben 


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23 


Sarnin  für  feinen  ©aft  f)in,  bot  ifym  einen  *ßlafc  an  unb 
ftedte  ifjm  einen  Sfdjibuf  in  ben  SJiunb,  er  felbft  aber  fteüte 
fid^  nor  bent  ®amin  f)in. 

„Stifotai  SergietnitfdE),  f)öre  ntidE)  an!  Sag  $feifdf)en, 
tneldEieg  Su  non  ber  gürftin  befamft,  lege  $u  beinen  Sfteli* 
qnien  unb  tnenn  Su  bantit  pfeifen  tnillft,  ge|e  in  ben  SBalb, 
bag  Jage  idj  Sir;  benn,  tnenn  Su  bag,  tnag  Su  ber 
gürftin  $ugefd£)tuoren,  tfjuft,  bift  Su  ant  anberen  Sage  auf 
bem  SBege  nadE)  3r!ut§!  unb,  beim  $immel,  id)  tneifc  nid£)t, 
tnann  Su  jurüdfömmft." 

„SBie?" 

„Stun,^  ber  ©§ar  Ijält  bafür,  bafj  er  fotdEje  gürften,  tnie 
Su  einer  bift,  punbert  in  einer  Stunbe  machen  fann;  aber 
non  Sängerinnen  tnie  3e*m*m  gtmarinen  gebärt  ein  Qfaljrs 
^unbert  nur  eine." 

„SU)!  SUfo  biefe  Same  ift  ßeneiba  ^tmarinen,  bie 
berüchtigte  (£imarofa=§elbin  ?  Slüe  Sichtung!  Sei  biefem 
SBorte  rauche  idf)  nidE)t  mepr.  Site  i<$  ber  gürftin  ©tjebimin 
fdjtnur,  tnufcte  ich  nidE)t,  non  toern  bie  §tebe  ift.  Sag  entbinbet 
mich  beg  ©elöbniffeg.  ©egen  bie  „göttliche"  3eneiba  fann 
man  fefbft  ber  „engelgleid£)en"  9Karia  Sllejietnna  ju  Siebe 
nicht  renoltiren.  ©her  gegen  ein  §eer  non  legitimen  £>err* 
fdt>ern!  —  SBie  bumm  id)  bin!  Sicherlich  ift  mir  bag  Jpirn 
in  biefer  großen  ®älte  erfroren,  tnie  bag  Quedfilber  im 
Stjermometer.  Sag  ^abe  idE)  ja  bereite  braunen  gehört,  baft 
bie  „Sina"  Sßrotegee  beg  Sparen  unb  ber  ©garetnna  ift  — 
unb  überbieg  bie  ©eliebte  beg  tnadem  gtnan  2Jla£imotnitfch. 
Slug  bem  3tüiegefp»räd^ef  tneldEjeg  bie  §tnei  grauen  miteinanber 
führten,  ^ätte  ich  entnehmen  fönnen,  bafj  bie  ©attin  unb 
bie  ©eliebte  zufällig  jufammentrafen." 

„Se^t  mußt  Su  nodE)  ein  SJiittel  augfinbig  machen,  um 
Sich  in  bie  ©unft  beiber  grauen  gu  fefcen :  in  bie  ©unft 
ber  ©attm  fotnnEji,  tnie  in  bie  ber  ©eliebten." 

„Sag  ift  ein  SeidEjteg!  SKan  trägt  9?ad£)ridE)ten  non  ber 
©inen  jur  Slnberen." 

„Sei  ber  ©attin  tnirb  eg  leidet  gelten,  benn  bie  ift 
aufrichtig,  einfach,  leibenfchaftlich ;  bei  ber  ganoritin  aber 


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24 


biirfte  eg  fdEjmerer  fein,  benn  biefe  oerftetjt  audfj  im  Seben 
fo  vielerlei  Stoßen  $u  fielen,  mie  auf  ber  Sütjne.  Unb 
Seine  ©ad£)e  ift  eg,  $u  erfahren,  toelcfje  bie  matjre  ift?" 

„@o  matjr,  alg  i d£)  ßf)et>alier  ©alban  ^eifse !" 

„Stun  atfo,  ßtyeoatier  ©alban,  bag  oermagft  Su  Sir 
öoraufteßen,  bafj  eg  einen  mid£)tigen  ©runb  gehabt  Ijaben 
mul,  alg  mir  SidE)  aug  S3erfaißeg,  mo  Su  ung  bag  marft, 
mag  bag  Sluge  unb  bag  Ot)r  für  ben  SJtenfdEjen  ift,  ttadE) 
ipaufe  riefen.  Su  fjaft  eg  meifterljaft  erlernt  mie  man  bie 
gef)eimften  biblomatifdtjen  Xruggemebe  burd)  bie  meibtidjen 
^erjen  entbeden  fann,  unb  liefceft  SidE)  nid&t  fangen.  Sefet 
mu|t  bu  3U  ipaufe  ba Z  SJteifterftüd  in  biefer  ®unft 
machen." 

„23ie?  Sa§  Zeitige  Stufclanb  l)ätte  ©eljeimniffe,  benen 
bie  ^ßoligei  unb  ber  *ßo.pe  nidEjt  auf  ben  ©runb  fornmen 
fann?" 

„Sieber  ©tjeüalier  ©alban,  unfer  guter  ßfyutfin  l)at 
genug  mit  ben  Sieben  %u  tfjun  unb  t)at  audE)  mit  biefen 
menig  ©lüd.  3d)  ratlje  Sir,  menn  Su  9tadE)tg  aug  bem 
©lub  fommft  unb  3[emanb  Seinen  ©dritten  aufljält,  bann 
gebe  ifym  nur  rufjig  beine  33örfe;  benn  rufft  Su  um 
Sßatrouiße,  fo  nimmt  Sir  ber  ©olbat  aucfy  nodfj  ben  $elj 
meg.  ©erätfjft  Su  in  bie  §änbe  eineg  ^oligiften,  fo  raubt 
er  nidfjt  nur  ben  Sieb  aug,  fonbern  aud)  Sidlj.  Ser  tyapt 
aber  fjat  gerabe  fo  öiel  toie  nidEjtg  bei  unferen  Seuten  §u 
fudEjen:  beginnen  fie  ja  btog  bamit,  bafc  fie  ©ott  leugnen." 

,,©o  meit  finb  mir  gefommen?" 

„3a,  fo  meit.  ©eneral  Sutufoff  Ijat  mafjr  gefprodfjen, 
alg  unfere  Xruppen  aug  bem  franjofifdEjen  getb§uge  jurüd- 
festen :  „Ser  ©§ar  tb)äte  je§t  am  beften,  bag  ganje  fiegreidfje 
£>eer  in  ber  öftfee  §u  ertränfen."  Sie  $urüdfel)renben  Stegi- 
menter  maren  afle  00m  Siberaltgmug  inficirt  unb  ftedten  bie 
ganje  Strmee  an.  3df)  fann  SidE)  oerfidEjern,  bafj  fämmttidje 
junge  öfficiere  ben  „®ated)igmug  beg  freien  üßtenfdjen"  unb 
ben  „SSerfaffunggentmurf"  in  ifyrer  Xafd£)e  tjerumtragen." 

„SBotjer  fjaben  fie  bag?" 

„Sie  müffen  eine  geheime  Sruderei  Ijaben." 


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25 


„9Ran  geftattetc  ihnen  $u  lange  mit  ber  grcifecit  jii 
fpieten." 

„®aS  mar  bie  geringere  ©efahr.  So  lange  mir  ihnen 
baS  ©aufelfpiet  ber  greimaurerei  geftatteten,  trieben  fie  McS 
offen,  9luf  ben  £of ballen  rebeten  fie  oor  ben  0l)ren  bcS 
G^arS  bon  greiheit,  bebattirten  über  SßotfSrechte,  Srnancu 
pation  ber  Seibeigeneu.  äber  atT  baS  mar  nur  afabcmifd^cr 
$iSput.  9ltS  man  aber  bie  greimaurerlogen  fperren  liefe,  als 
man  bie  geheimen  9lb§eid^en  §um  Spotte  auf  bern  Jgubeiu 
marfte  beS  2lprajin=®mor  berfteigerte,  mürbe  baS  geheim- 
gehaltene  Uebel  um  fo  fdhtimmer.  ®ic  greintaurcr  beS 
SJtomonoff  maren  piöptid)  in  fünf-,  jederlei  ©eftalten 
auferftanben.  2>ie  einen  nannten  fidj  ben  „® ereilt  für 
©etneinmohl."  Sein  £aupt  mar  Ortoff.  $)ie  aitberen  piefecu 
„szojus  spacinia.“  bie  britten  „£)elbenbunb",  ber 
9lame  beS  bierten  Vereines  mar  „szojus  blagodens* 
toiga“.  ©S  gibt  einen,  ber  fiep  unter  bent  Planten  „9tepu- 
bli!  ber  adpt  Stabenböifer"  conftituirte;  jeine  ÜÖtit^ 
glieber  tragen  als  ©rfennung^eidjen  einen  aefjt^arfigen  Stern, 
bie  gnfeferift  beS  einen  $aden  Reifet  Ungarn.  Sie  ber  mehren 
fich  mie  bie  *ßit5e.w 

„Säuerlich!  2ludh  ju  meiner  $eit  gab  eS  Klubs,  bie 
geheime  3ufammenfünfte  hielten.  2tber  boit  ftaatSgcfährlichcn 
Singen  mar  bort  feine  Sftebe.  SBenn  bie  betrogenen  Ehemänner 
feine  Kinmenbung  bagegen  patten,  bie  Sßolijei  fonnte  uttS 
getroft  ungefähren  taffen." 

„33on  fotzen  ift  pier  nicht  bie  SRebe,"  ermiberte  ?lraf* 
tSefeff  aufgebracht.  —  ®r  hatte  bie  ©emopnpeit,  menn  er 
in  feiner  Öepaufung  geheime  93efud£)e  empfing,  unauSgefefet 
einen  Stodbegen  in  ber  |>anb  ju  halten;  bamit  burrfjboprtc 
er  fpanifepe  S3änbe  unb  Vorhänge,  als  mollte  er  fortmäp* 
renb  porepenbe  Spione  auffpiefeen,  unb  menn  er  bie  8tocf- 
tafche  feines  ©afteS  burdh  ein  Safcpentucp  ober  ein  9loti^ 
budp  aufgebaufdht  fah,  bohrte  er  auch  ba  hinein,  um  ju 
erfahren,  maS  brinnen  ftedt. 

„Sie  finb  überall  unb  nirgettbs  ^u  finben.  gpre 
ßufammenfünfte  miffen  fie  burdh  ©alle,  Soncerte,  Orgien 


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26 


gu  ntaSfiren  unb  fktagen  alf  unferen  Spionen  ein  ©knipp* 
cfjen.  —  SBeifet  ®u  toopl,  baf$  fie  ein  93ud^  paben,  ein 
förmlich  SfteikStagSprotofotU  ®ie  Eonferengen  aller  $ro= 
oingoertreter  finb  barin  oergeiknet,  toie  in  9tu|tanb  eine  fpfte* 
matifke  fRetJolution  gu  organifiren  fei,  toeldjer  Slrt  bie  Son= 
ftitution  fein  ntüffe,  toaS  mit  ber  ®pnaftie  gu  gefc^e^en  tjabe, 
tirie  baS  9teik  eingekeilt  toerben  foll,  ob  ftänbifke  ober 
SSolfSOertrotung?  Unb  eben  biefeS  $roto!oÜ  enthält  baS  ooß' 
ftänbige  SßamenSOergeiknifj  ber  $Berfc£)toörer,  bie  im  gangen 
3fte idjSgebiete  oom  ©ktoargen  SDteere  bis  gum  ©iSpote  bie 
gäben  b eS  3ße§eS  in  $änben  galten.  Unter  einanber  nennen 
fie  eS  „,,®aS  grüne  23uk"".  SBo  ift  biefeS  93uk?  ®aS  ift 
bie  grage." 

„Sk  antworte  mit  einer  ©egenfrage.  —  Stber  ftikfe 
meinen  Sftocffragen  nikt  forttoä^renb  mit  biefem  fanden 
©tilete !  —  £at  Sentanb  biefe^  S3uk  gefepen,  nnb  toenn  er 
eS  gefe^en,  ttmrurn  fagt  er  nikt,  too  er  eS  gefeiten?" 

„Sind)  baS  follft  ®u  erfahren.  Stile  SSerfktoörer  finb  in 
brei  Staffen  gekeilt.  ®ie  erften  finb  bie  „33rüber".  ®a  ift 
Sebent  Antritt  geftattet,  für  ben  ber  ©infüprenbe  Sürgfknft 
übernimmt.  ®iefe  aber  toiffen  nikt  rnepr,  als  baf$  fie  3Jtit~ 
gtieber  ber  SSerfkmörung  finb  unb  an  ben  3ufammen!ünften 
keitnepmen  bürfen.  ßur  gtoeiten  Etaffe  gehören  bie  „SJtänner". 
®aS  finb  bereits  erprobte  Seute,  bie  auf  ein  beftimmteS  SofmtgS- 
toort  auk  gu  panbetn  beauftragt  finb.  3u  biefen  fannft  ®u 
ein  ®rittet  beS  DfficiercorpS  reknen.  Sie  fönnen  toeiter  niktS 
Oerratpen  als  fik  fetbft  unb  i£>re  Slufträge.  ®ie  SDtitglieber 
ber  britten  Eiaffe  finb  bie  „S3ojaren",  bie  Senfer  beS  ©angen. 
Sn  if>ren  ®reiS  gu  gelangen,  ift  ungemein  fkloierig,  unb  toer 
einmal  gu  itjnen  gehört,  oerrätt)  auk  fein  Sota." 

„§aben  fie  feine  grauen?  feine  Siaifonen?" 

„Äuf  biefe  grage  bin  ik  tängft  gefommen.  @S  ift  niktä 
SßeueS,  baft  man  ©epeimniffe  am  teikteften  burk  grauen 
erfährt.  ®iamanten  unb  fdjöne  Singen  erhellen  mank^S 
®un!el  —  eine  alte  ©efkikfe!  ®a§  ,f9*üne  93uk"  tnirb 
oon  einer  grau  bettmljrt;  baS  ift  ungtoeifeknft.  25iS  jefct 
finb  toir  aber  mit  unferer  ©pionage  ftetS  aufgefeffen.  2Bir 


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27 


erfuhren,  bie  ©etiebte  Drtoff’S  fei  im  Sefi^e  beS  grünen  SudjS. 

—  2113  Preis  bafür  bejahten  mir  enorme  @d)ä|e.  Unb  maS 
fanben  mir?  ©ine  iReiiie  fcanbatöfer  2Ine!boten  aus  bem 
Petersburger  Seben,  bie  mir  ohnehin  tannten.  —  ©5ann  tarnen 
mir  auf  eine  anbere  ©pur.  ©)a3  grüne  Sud)  befinbe  fid)  in 
.Öätiben  ber  „SJtartiniften".  gljr  präfibent  habe  eine  ©etiebte, 
bie  if)tn  mit  fanatifdjer  Streue  ergeben  ift.  2tfle3  ©olb  üer= 
mochte  nichts  über  fie.  —  ©ineS  Staats  überrafdjten  mir  bie 
grau  in  ihrem  gimmer,  Xielsen  fie  binben,  hoben  bie  fielen 
aus  bem  Soben  unb  fanben  baS  „grüne  Sud)".  —  ©5a3  aber 
enthielt  nichts  meiter  als  atfieiftifdje  Siefen.  233er  tümmert 
fid)  barum?  SSJtag  man  gegen  ©ott  renoltiren,  aber  nur  nidjt 
gegen  ben  ©jar.  ©nblidj  mürbe  uns  tierrntfjen,  baf;  bie  ©eete 
ber  Serfdjmörung  jene  Siga  fei,  bie  fid)  „Serein  beS  StorbenS" 
nannte.  ©5a3  §aupt  berfelben  aber  ift  gürft  ©hebimin." 

,,©>en  teufet  aud)!" 

„ga  mul)I.  ©)ie  bem  Jdirone  junädjft  ftel)enben  Herren, 
©r  mufj  im  Sefifce  beS  „grünen  SudjeS"  fein.  ©3  mar  bei  iljm. 
233ent  2lnberen  fönnte  man  fotd)'  einen  gefährlichen  ©d)a| 
anoertrauen,  a(S  feiner  eigenen  grau?  2tber  ber  ©atte  trug 
ben  ©djlüffet  ber  eifernen  Sabe,  in  meldjer  baS  Such  Oertnahrt 
tag,  ftetS  an  feinem  §atfe.  pater  §ilariu3  fagte  bie  grau  bei 
ber  retigiöfen  ©eite  unb  überrebete  fie,  ben  ©djlüffet  Oom 
§atfe  ihres  ©atten  ju  töfen,  ats  biefer  eben  bemufjttoS  im 
ShpljuS  tag.  ®ie  grau  muffte  niete  ©ünben  abjubitten  haben, 
a(S  Süße  beging  fie  ben  fleinen  Setrug  unb  td)  nerbradjte  eine 
ganje  Stacht  mit  bem  bei  ©hebimin  erforfdjten  „grüuen 
Suche." 

„Unb  bann?" 

„S5amt  marf  idj  eS  ju  Soben.  ©5er  gnljatt  beS  SucheS 
beftanb  in  lauter  gefährlichen  ©)octrinen!  2lber  meiter  nidjt3! 
PureS  abftracteS  ©Xjefenmert,  pijitofopheme,  ©foffen,  unb  nor 
2lßem  fein  einjiger  9t ante  eines  SerfdjmörerS.  233aS  fümmern 
midh  bie  2tuSfprüche  ©eneca’S,  Stouffeau’S,  ©aint=guft’S? 
geh  miß  miffen,  maS  bie  SDturamieffS  unb  ©mrgenjeffS  fagen. 

—  2tu<h  baS  mar  Setrug.  —  ©5er  fdjtaue  ©hebimin  traute 
feiner  ©attin  nicht.  @r  gab  ihr  ein  Sud)  in  Sermaljrung,  bem 


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28 


ber  ßenfor  —  Wenn  fie  e§  iftm  nerratften  ftätte  —  gerne  eine 
®Iafter  £>oI§  toibmen  mürbe,  bem  geheimen  ^ßolijeipräfibenten 
aber  mar  e§  um  ba§  Del  leib,  ba§  mäftrenb  ber  Seetüre  ner= 
brannte." 

„Sßenn  fi eft  aber  ba§  redete  „grüne  Sucf)"  nicf)t  bei  feiner 
grau  finbet,  muft  e3  feine  ©eliebte  befifcen  unb  ba§  ift  3eneiba." 

„ßrratften!" 

„3ft  fie  eine  grembe? 

„Stein,  unfere  Untertftanin  —  ein  finnifd(je§  SJtäbdfjen 
au§  §elfingfor§.  Som  ®§ar  befonberä  beäftalb  reidfj  begünftigt, 
meil  fie  ben  ©tolj  unfereä  fReid^e^  —  bie  ßatatani  befiegt 
ftat.  Sludt)  bie  ßgarenma  ift  iftr  ftolb.  ®u  meiftt,  baß  ©eine 
SDtajeftät  ein  großer  SJZufiffreunb  ift  unb  nidfjt  geftatten  mitt, 
baft  bie  ©dfjule  ßünarofa'S  unb  *ßaefietlo§  bureft  ben  ntobernen 
fRoffini  geführt  ioerbe.  3^^  glmarinen  fingt  nie  h)a3  non 
Stoffini.  —  Um  jebe  ©tunbe  f )at  fie  Betritt  jur  faiferlicften 
gamilie.  2Bie  oft  lieft  man  mieft,  ja  ben  ©roftfürft  Sticolauä 
ihrethalben  antieftambriren!  Sei  ben  §offoir6en  beftanbelt 
man  fie  mie  eine  regierenbe  gürftin,  unb  bie  SieblingSblunte 
ber  ß^aretona,  bie  toeifte  Stofe,  barf  nur  fie  allein  im  £>aare 
tragen.  $aft  man  naef)  ber  SRetJolte  ber  finnifd^en  ©tubenten 
bie  |>eIfingforfer  Unioerfität  nidfjt  nacty  Sieto  neriegte,  ift  einzig 
unb  allein  ber  fdEjönen  ©timme  3eKeiben3  5U  banfen,  bie 
eben  fo  feftön  §u  bitten  aU  §u  fingen  toeift.  ®er  ߧar  tnottte 
fie  bereite  einmal  §ur  ^ergogin  maeften,  unb  —  toa3 
antwortete  bie  Serftätfcftelte?  —  „ßure  SDtajeftät  Wollen 
midfj  begrabiren?"  m 

„Unb  biefe  grau  fönnte  an  einem  ßomplot  gegen  ben 
ß^ar  tfteitne^men?" 

„SBenn  fie  bie  ©eliebte  be§  $aubte§  ber  Serfdfjwörer 
fein  fann,  eines  £er§ogS  non  ©ftebimin,  beS  mäcfttigften 
unter  ben  §mölf  in  Stuftlaub  fterrfeftenben  gamilien,  beffen 
Seibeigene  unb  ©üter  meftr  abwerfen,  als  ber  Sefi£  beS 
Königs  non  SBürttemberg.  Sergift  nieftt,  baS  SJtäbdfjen  ift 
eine  „®alenaine," 

„Unb  WaS  für  Sln^eicften  beS  SerbadfjteS  finb  nor= 
ftanben?" 


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29 


„3<h  fogte  ®ir  fdmn,  bag  bie  SSerfchmörer  bie  Sache 
fefjr  gefdhidt  gu  führen  miffen.  Sie  öerfriecfjen  fich  nicht  in 
bunfte  ©affen,  in  mtterirbifche  ©emöfbe,  fonbern  fudjen  tuet 
nteJjr  bie  ÜJtenge  unb  machen  ©eräufdf)  um  fid)  fyx,  menn  fie 
fRat£>  galten  motten.  Sag  hoben  fie  ben  *ßoten  abgelernt,  bei 
benen  bie  Sftitgtieber  ber  „^h^oreteg"  unb  „S3enbita"  meifteng 
auf  S^rmärften  gufammentreffen.  3e£t  fommen  bie  Saften. 
Surdh  fieben  SßodEjen  ift  jebe  öffentliche  Unterhaltung  oer= 
boten.  Sag  SSotf  ntufj  fehen,  baf$  fich  auch  bie  Herren  fafteien. 
93eim  Sirdhengang  barf  man  nid£)t  festen.  Stber  mag  nachher 
beg  Slbenbg  bei  oerfcf)toffenen  Sf)üren  gefetzt,  barnacf)  fragt 
Nientanb.  Sie  ©eheimuifjfrämerei  hot  eine  gang  gute  Sirma. 
Sie  ©etabenen  hotten  J^ine  potitifchen  ßufammenfünfte,  fie 
motten  feine  ©onftitution  creiren,  fonbern  btog  traten  effen. 
„Softenöerächter"  nennen  fie  fich.  SBenn  fie  bie  Sßotigei  über- 
rafd£)t,  mürbe  fiemahrfcheiittich  aufgefdhnitteneg  SBitb,  bampfen- 
beg  Noftbeef  auf  ihren  Sifcfjen  finben,  oietteid^t  fogar  ein 
paar  ©äfte,  bie  über  ben  Surft  getrunfen  höben.  Sie  mürbe 
faum  Oerfäumen,  bie  „Sünber"  gu  beftrafen,  aber  mag  in 
ben  inneren  ©emädfjern  gefehlt,  mirb  Niemanb  erfahren. 
Unb  hier  ift  bie  Sühnenfönigin  noch  im  befonberen  9Sor= 
theile.  Sag  Sdhaufjneterootf  hot,  mie  Su  moht  meifet,  überall 
feine  eigenen  ©efefce.  323er  in  alter  S23ett  mirb  bei  Sängerinnen 
unb  SRirnen  ftrenge  Sitten  fudtjen?  Sie  ^Soligei  hat  tängft 
ein  Singe  über  bie  Sonberbarfeiten  gugebrüdt.  323er  einmal 
fo  gtüdtidh  mar,  in  bie  Satong  ber  geneiba  gimantten  gu 
einer  großen  gefdhtoffenen  Saftenfoiree  getaben  gu  merben, 
ber  finbet  äße  leichtfinnigen  Schönen  beg  SSaltetg  unb  ber 
Dper,  bie  gange  jeunesse  doree  ^ßetergburgg  beifammen  unb 
mirb  fidh  faum  über  ben  SRanget  an  feurigen  Slugen  ober 
feurigen  323einen  gu  beftagen  hoben.  SRan  fönnte  fich  &er= 
brennen  an  ihnen.  Samt  er  fich  ober  in  att'  bem  Sauntet  auch 
einige  Nüchternheit  erhotteu,  fo  mirb  er  bemerfeit,  bafc  fich  ein 
Sheit  ber  ©efettfdjaft  tangfam  aug  bem  Saale  Vertiert." 

„Sag  fann  ja  auch  anbere  Urfadhen  hoben." 

,,©emif$.  3Ran  fönnte  fich  beifbietgmeife  gum  Noutette 
gufantmenfinben  in  ben  geheimen  ©emächent.  Ser  ©gar  öer= 


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30 


bietet  ba§  SRoulette  auf'§  Strengfte,  unb  men  man  habet 
ertappt,  ber  mirb  ohne  ®nabe  nad)  Sibirien  gefd^icft.  ®§  ift 
fidjer,  baft  $eneiben£  Serleuntber,  befonber£  bie  grauen,  meldhe 
fie  beneiben,  ba§  ©erüdjt  verbreiten,  baft  fie  Sftoulettebanf 
f»ält,  um  bamit  ihren  feenhaften  Sup§  ju  beden.  —  geh 
Vermutl)e  ma§  2lnbere3." 

,,©a§  haft  ®u  für  ©rmtb  ba§u?" 

„Sei  ben  Soireen  ber  Schaufpielerin  ift  aRidjaet  $nr- 
genjeff  ein  ftetiger  ©aft.  ©r  gehört  auch  ju  genen,  bie  nach 
aRitternadjt  in  bie  aiebenfäle  verfcfjminben.  3Richael  Sur* 
genjeff  aber  ift  ein  unb  Puritaner." 

„Sludh  bie  Sßhilofophen  ha&en  Stoifdhen  frönen  grauen 
unb  guten  ©einen  ihre  lueida  infcervalla." 

„SCßir  fennen  aRicfjael  länger,  gef)  habe  thn  noch  feit 
feiner  ®emi=®ecemviren5eit  im  Singe.  @r  mar  ber  ©innige 
unter  feinen  gugenbgenoffen,  ber  an  feiner  ber  mobernen 
SluSfdhmeifungen  theilnahm.  @r  bereifte  ©nglanb,  granfreich, 
Seutfdjtanb,  aber  überall  fudjte  er  nur  bie  großen  ®idjter, 
hodjfliegenbe  ©eifter  auf,  bei  ben  gerftreuungen  be£  leidjt* 
finnigen  Schmarrn'3  mar  er  nie  gu  finben.  aiidjt  einmal  in 
$ßari§!  Uub  bort  ift  bie  ßuft,  ba§  Vergnügen’  eine  fyen* 
fdjenbe  Religion,  ©ie  fönnte  e£  ihm  atfo  einfallen,  fykx 
im  ©eheimen  an  bem  Slltare  §u  opfern,  ber  bei  un§  unter 
bem  Sanne  be3  ®öpenbienfte§  ftefjt?  —  ®ie  ©egenmart 
biefe£  einzigen  aRenfcfen  Verrätf)  genugfam,  baf$  man  bort 
3lnbere§  unter  gefd£)toffenen  Spüren  Verbirgt  at£  eleufinifche 
aRpfterien." 

„Unb  ba£  tonnte  man  bi§  jept  nicht  erforfdjen?" 

„So  mic  fid)  $eneiba  am  Slrme  be§  ^erjog'ä  au§  ber 
©efeflfdfjaft  entfernt,  nimmt  bie  Unterhaltung  ben  ©harafter 
be§  aRplittafefteä  an.  ®ie  teic^tfinnigen  Speoterfeen  nehmen 
alle  Sinne  ber  gurüdbleibenben  gefangen,  unb  be£  anbertt 
Xag§  meift  geber  nur  barüber  SKecpenfchaft  ju  geben,  baf$ 
er  fidh  vortrefflich  unterhalten,  ©enn  ein  „Sruber"  fiep 
retten  miü,  um  ben  „Sojaren"  §u  folgen,  umringen  ihn  bie 
Sirenen,  bringen  ihn  §urüd,  ertränfen  ihn  in  füf$en  ©einen 
unb  füfjen  Hüffen,  in  lieben^mürbiger  Serfdpmörung.  — 


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31 


Um  fie  ju  Überliften,  um  bired  bie  fpohepriffterin  beS 
SDtpfteriumS  felbft  ju  erobern,  bebarf  eS  gerabe  eines  in 
aßen  olpnipifchen  «Spielen  fo  fiegreicEjen  gelben  wie 
einer  bift. " 

„Sehr  fc^meic£)elt)aft  für  mich-  SBann  fott  ich  bamit 
beginnen?" 

„Stoch  fjeute.  ES  ift  ber  le|te  Sag  ber  SRaSticawocfje, 
bie  le|te  SßorfteÜung  im  0pernf)aufe.  $eneiba  tritt  in  ber 
Mariage  secret  unfereS  Eimarofa  auf.  2)aS  ©ebrörtge  wirb 
groß  fein.  Sobalb  bie  Ufjr  9Jtitternacf)t  fcfdägt,  ertönen  bie 
©locfen  aller  Sirci)tf)ürme,  unb  mit  ©tocfengetäute  beginnen 
bie  großen  goften.  SMeS  ftrömt  bon  ben  Straßen  bem  fjaufe 
ju  —  jur  Süße.  Qm  fReid^e  ber  ©ühnenfönigin  aber 
beginnt  bann  ber  gafchiug!  ißrinj  Earneoal  mit  feiner 
luftigen  ©efeüfchaft  f)ält  feinen  feftlidt»en  Einjug  in  bie 
glänjenb  erleuchteten  Säle,  burd)  beren  gefdgfoffene  genfter 
fein  Sidjtfttahl,  fein  SOtufifton  bringen  fann.  ®u  mußt  ®id) 
ju  biefer  Unterhaltung  einlaben  taffen." 

„9t ad)  bem  großen  Slffront  oon  heute! ?" 

„®u  bift  in  bertei  “Steiftet. " 

„Qdj  höbe  ber  gttrftin  ©hebimin  oerf proben,  ihre 
Stibalin  noch  heute  auSjupfeifen. " 

„SDtir  aber  haft  ®u  oerfprodjen,  fie  noch  heute  ju 
erobern. " 

„3)ie  Seit  ift  furj." 

„3)odj  bie  ©elegenheit  günftig.  Qch  erfuhr,  baß  geftern 
in  ber  §auptftabt  jwei  SMänner  eintrafen,  beren  Erfreuten 
hier  ungewöhnlich  ift.  ®er  eine  ift  Srijfanowljfi  aus 
fßolen,  ber  anbere  Dberft  fßeftel  oon  ber  Sübarmee.  SBeibe 
erhielten  bereits  Einlabungen  ju  geneiba’S  fogenannter 
Janjunterhaltung.  Stur  bort  fannft  E)u  mit  ihnen  jufam= 
mentreffen.  ®u  mußt  oon  ihnen  erfahren,  weshalb  fie  hierher 
fatnen?" 

„3<f>  tuerbe  bort  fein." 

„S55ie  Wittft  bu  eS  anfangen?" 

„SBie  man  bei  unS  SiebeSgef  Richten  ju  beginnen  pflegt : 
mit  ©efdjenfen." 


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32 


„Ofj!  Siefe  gee  ift  reidjer,  atä  Su.  SSiergigtaufenb 
Sftubet  erfingt  fie  fid^  bei  einem  ©oncert.  2öiß  fie  Siamanten, 
fudfjt  fie  fi$  bafür  bie  fcf)önften  au£,  unb  toitl  fie  ©dfjönereS 
at£  Siamanten,  fo  verteilt  fie  biefe  Summe  unter  bie 
Sirmen.  Seinem  ©efdjenfe  fönnte  e§  paffiren,  baft  & 
Verboppett  gurüdffd^idft. 

,,Sd)  merbe  i£)r  ein  ©efdfyenf  machen,  ba£  itjren  93ei- 
fall  erringen  mirb  —  ein  2ldf)tgefpann." 

mie  e£  nur  ber  ©gar  befi^t?" 

„©in  fotd^e^  £>at  fetbft  ber  ©gar  nicf)t.  Su  mirft  felgen, 
mit  biefem  ©efpann  merbe  id£)  burdt)  bie  Pforte  be£  geen- 
fcfjtoffe^  fprengett.  Sa§  Uebrige  übertaffe  mir.  Sßenn  ein 
„grünet  Sudfj"  ejiftirt,  merbe  id E)  e3  fetjen." 


VI. 

Pie  Putrfi(ftgeßlie6 ene. 

f^ürft  ©tjebimin  binirte  f)eute  mit  feiner  ©ematin. 
SSeber  er  nodt)  bie  gürftin  traten  ber  ©eene  @rmäf)nung, 
metdfje  bie  §irfcf)iagb  befcfytofj.  ©§  ift  aber  unmöglich,  ba§ 
bie  SKacfjricfjt  fid)  nid)t  in  ber  gangen  ©tabt  Verbreitet  paben 
fottte.  83lo$  bie  Sßotigei  natjm  (eine  Senntnife  baVon.  ©elbft 
ber  erjagte  §irfd}  btieb  an  ber  ©teile  liegen,  mo  er  fiel. 
SBirb  man  if)n  erft  mit  eintretenber  ginfternife  fortfd^affen, 
bamit  Sliemanb  fetje,  mer  if>n  meggetragen? 

„SSerbe  id)  ©ie  f)eute  in  ber  Dper  fetjen?"  frug  bie 
gürftin. 

„3dj  meifc  nidjt,  ob  xd)  gef)en  famt!" 

„@S  märe  fdjabe  fortgubteiben.  gräutein  Stmarinen 
fingt  peute  gum  testen  -State  in  ber  „©etjeimen  £od£)geit" 
unb  e£  merben  gro|e  Ovationen  für  fie  vorbereitet." 

Sie  gürftin  glaubte,  man  merbe  ßeneiba  tjeute  au§= 
pfeifen,  unb  e£  märe  boef)  föfttidfj,  menn  biefeä  ber  gürft 
in  ber  Soge  feiner  ©ematjtin  vottftänbig  genießen  foflte. 


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33 


„3$  bebauere,  e§  nidtjt  Verfpredfjen  $u  fönnen;  bodE) 
muf$  id),  mie  Sie  fetjr  gut  miffen,  tjeute  9lbenb  meine  ©rof$~ 
mutter  befudE)en,  unb  bie  gute  grau,  menn  fie  rnidfj  einmal 
tjaben  fann,  täfct  midE)  nidE)t  metjr  meg.  Sie  fragt  nad£)  alter 
SSett  unb  menn  e$  SJtitternadfjt  fdjtägt,  forbert  fie  ftrenge,  baft 
idE)  midfj  in  ber  neben  it)rem  ftimmex  befinblidfjen  ©apette  $ur 
Drgel  fe|e  unb  bie  SBüfjermeffe  finge.  $ie§  !ann  idfj  it)r  nidf)t 
Vermeigent.  SBenn  Sie  aber  münfdfjeit,  ba§  mir  ben  feurigen 
Stbenb  jufammen  Verbringen,  fommen  Sie  mit  mir." 

,,ßf),  idE)  baute  für  ba§  Vergnügen,  id£)  finge  bie  SKeffe 
nid^t.  - 

„§aben  Sie  bocEj  meine  ©rofjmutter  nocf)  nidfjt  befugt, 
feitbem  mir  verntätt  finb." 

„Sie  miffen,  id(j  fürchte  midE)  vor  ben  lobten." 

„Stber  bie  3lrme  ift  ja  nodj'tebenbig." 

„Um  fe  fdEjlimmer.  Sie  ift  eine  lebenbe  Xobte.  Unb 
midf)  fdjauberfä  eine  ÜRumie  gu  feljen  unb  ju  benfen,  bafj 
idf)  einften£  aud£)  fo  au§fef)en  merbe." 

„9ßun,  bann  gute  Untergattung,  meine  Siebe!" 

„©ute  2tnbad)t,  mein  ©näbiger!" 

2)er  gürft  entfernte  fidE).  ®ie  gürftin  fdfjicfte  iljm  iljren 
gmerg  nadE),  bamit  er  —  amifdjen  ben  DrangegenfträudEjen 
be3  $reppen{)aufe£  Verborgen  —  forfd^e,  ob  ber  gürft  mirflidE) 
nur  in  ber  23of)nung  feiner  ©rofjmutter  unb  mie  lange  er 
bort  bleibt?  * 

3van  äßajcimomitfdE)  ©fjebitnin  begab  fidE)  mirflicfy  über 
ben  SSerbinbung^Korribor  in  bie  Sßoljnung  feiner  ©rofc 
mutter.  ®ie  atte  ®ame  bemofjnte  ben  mittleren  Sract  be§ 
©EjebiminfdEjen  $alai£,  beffen  genfter  $u  beiben  Seiten  naify 
einem  |>of  gingen. 

ßmanjig  Sa^re  finb  eä  bereite,  feitbem  SInna  geoboromna 
iEjre  ßimmer  nidEjt  verlaffen  f)at.  Selbft  ben  fdEjmülen  Sommer, 
eine  3eü,  tvo  atte  SBornefjmen  ber  £>auptftabt  auf  bie  Qnfetn 
ber  9iema  flüchten,  verbringt  fie  §mifd^en  ben  mit  ^e^mer! 
tapejirten  SSänben. 

3m  grüt)(ing  be§  3aJ&re§  1804  überfam  fie  ein  §art= 
nädfigeS  SKervenleibeu,  unb  feit  bamatö  bilbet  ber  in  einem 

Sötfli :  Srci^cit.  I.  3 


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34 


♦ 


SRoflftuhl  jurücfgelegte  SBeg  t»om  Spetfe=  put  Sarteuiifch  unb 
wiebet  pritcE  ba§  ©anje  ihrer  Sewegung.  Sie  färbtet  bie 
freie  Suft. 

grüner,  in  ben  erften  Satiren,  hatte  fie  noch  ©efeflfdhaft. 
@3  waren  bieS  brei,  intern  Sitter  angemeffene,  alte  grauen, 
bie  ju  ihr  tarnen,  um  SB^ift  p  Rieten  unb  p  Hatten.  9ladj 
unb  nadf  blieben  fie  aus.  ßuerft  eine,  batln  jWei,  pte^t  afle 
brei.  SRiemanb  wagt  eS  ihr  p  fagen,  baff  fie  geftorbeu  finb. 
9Ran  machte  fie  gtauben,  baff  e§  ihren  güjjen  ferner  fafle,  bie 
kreppe  hinaufpflettern.  Seit  jener  Seit  fpielt  fie  ganj  aßein 
SGB^ift. 

Sind;  je|t  trägt  fie  ba§  atte  Äattunjeug,  toetcfieS  1803 
fo  fehr  in  SRobe  tarn,  afö  ©jar  Sllejanber  bie  ©infuhr 
auSlänbifcher  Sdjafwoßftoffe  »erboten  hatte.  Sie  glaubt,  baff 
bieS  itod)  heutigen  'XagS  jebe  Same  ber  SRetropole  trägt  unb 
bap  ba§  S3arett  mit  ber  geber,  ba§  einem  Surbait  gleicht. 

Swötf  Sabre  finb  e§  bereit#,  feitbem  fie  ber  Ie|te  ihrer 
Seitgenoffen  befugte.  Slße  finb  fie  bereit#  beimgegangen  p 
ibreit  SSätern.  Stnna  geoboronma  aber  barf  ba§  nicht  wiffen. 
Slße  biefe  SRenfchen  leben  noch  unb  fdjicten  ibr  bei  feierlichen 
Stntäffen  ©rüfje  unb  ©ratulationen,  taufeben  no<b  je|t  mit  ibr 
geweihte  Suchen,  geflochtene  SBeugeln,  farbige  Dftereier,  unb 
am  Dftermorgen  liegen  auf  ihrem  'Xifdje  bie  bunten  SSifite» 
tarten  mit  bem  in  ©otb  erglänjenben  Spruch  „Chris tos 
wosskresz“. 

Sie  SBeltgefchichte  blieb  bei  ihr  bort  flehen,  Wo  bie 
Saifer  SRapoleon  I.  unb  Sllejanber  I.  für  ewige  Seiten  ^rieben 
fdjloffen  unb  gleichseitig  ihr  einziger  Sohn  SSRajin  SBaffilowitfdj 
oom  ©jaren  pm  ©ommanbanten  beS  neuen  georginifchen 
Uf)lanen=9legiment3  ernannt  Würbe,  ©eorgien  würbe  bamalS 
in  SRujjlanb  einoerleibt  unb  Stnna  geoborowna  rühmt  fich 
nod)  jebt  gerne,  bah  fie  eines  XageS  mit  iperacliuS,  bem 
ehemaligen  $aifer  oon  ©eorgien,  p  jprechett  bie  ©hre  hatte. 
Shr  geliebter  Sohn  SRajirn  führte  ihn  pr  ihr,  unb  obwohl  fie 
nicht  üerftanben,  Was  fie  mit  einanber  fpradjen,  benn  ber 
©jfaifer  fpracb  nur  perfifd),  waS  Weber  bem  SRuffifdjen  noch 
bem  granjöfifchen  ähnelt,  unterhielten  fie  fich  bennod)  fehr  gut. 


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35 


©on  ba  ab  forgte  bie  gamitie  bafür,  baß  nt cf)t£  üon 
bem  großen  ©etöfe  ber  9B ei tereigniff e  bie  9tut)e  ber  guten 
alten  grau  ftöre.  ©in  ©jemptar  einer  Beitung  mürbe  feparat 
für  fie  gebrudEt,  au§  bem  jef>e  ®rieg3nadfjricßt  meggetaffen 
tnar.  Sie  $errfd(jer  traten  nichts  9Inbere£  auf  biefer  ©Seit, 
at§  baß  einer  be§  anbent  Söd^ter  $u  grauen  nafjrn,  itjre 
Sauber  oerfdf)enften  fie  großmütig  unter  einanber,  ifjre 
©enerate  ^eidjneten  fie  of)ne  jebe  Urfadje  aus,  unb  —  bamit 
ba§  gafjr^unbert  benn  bocf)  nicf)t  ofine  ©Eutoergießen  fei  — 
mürben  auf  ber  fernen  gnfet  Senebo§  bie  Ungläubigen  ge* 
fcßtagen,  an  ben  ©rennen  ©erfien§  mürbe  ^ie  unb  ba  ein 
$urben=2lufftanb  unterbrücft,  unb  ©etgrab  oon  ©ferntyi 
©tyurfa  erobert. 

Stnna  geoboromna  mußte  fetbft  non  bem  fcf)recftid)en 
franjöfifdjen  getbjuge  unb  oon  bem  entfestigen  ©raube 
9RoSfau'§  nodE)  nicfjtä. 

gn  ber  ©djladjt  oon  ©orobino  aber  fiel  and)  if)r 
einziger  ©oßn  SMajim. 

gn  ißrem  ©tatte  ftanb,  baß  9Kajim  ©Saffilomitfdj  Oorn 
Sparen  §um  ©ouoerneur  üon  ©eorgien  ernannt  mürbe  unb 
fidj  bortfjin  begeben  ßat  —  ofjne  Slbfdjieb.  ©eitbem  läßt  er 
if>r  non  bort  SKacf)ridf)ten  jufommen  unb  fdjidEt  ©riefe,  metdfje 
if|r  ber  Siener  üortieft,  benn  if)re  klugen  oermögen  nidjt  mefjr 
bie  Sudfjftaben  ju  ©Sorten  äufammenjufaffen.  ©raüer  ©oßn! 
ber  nie  an  feine  SRutter  oergißt. 

Ser  Siener,  ber  gute  gfjnaäfo,  ift  i^r  Sitten :  ®oclj, 
©tubenmäbcfyen,  ©orlefer.  ©ud)  er  mag  feine  fünfunbfiebjig 
ga^re  §äf)ten  unb  fo  um  etma  fünf§ef)n  gaßre  jünger  fein,  aU 
feine  ©ebieterin.  ©in  anberer  Sieftbote  mürbe  biefen  Sienft 
nicßt  auäfjatten,  uub  audE)  ba£  mürbe  feiner  ertragen,  baß  er 
fidfj  jeben  Sag  ein  ©dE)loß  an  ben  üötunb  tege  unb  jebeä 
©reigniß  Oerf^meige,  ba§  braußen  gefdjießt;  am  menigften 
fann  bie§  Oon  einen  ©Seibe  oerlangt  merben.  ©udj  unter  ben 
SDtännern  finb  e£  nur  fotcije  im  ©tanbe,  mie  gßnaSfo. 

©efonberS  an  einem  fotdjen  gefttage,  an  metdjem  2lnna 
geoboromna  nidjt  harten  fpielt,  benn  bieß  märe  eine  ©ünbe. 
Umfomefjr  frägt  fie.  —  Bu  tljrem  ©lüdEe  ^at  fie  guten 

3* 


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36 


2lppetit  uttb  fann  non  alle  nt  ®acf  werfe  gehörig  effen,  baS  ihr 
„ihre  greunbimten"  am  lebten  SCRa^ticatage  fchidfen. 

„$u,  $hna^°>  mir  fdfjeint,  biefen  ShidEjen  f)at  Sofia 
SnanoWna  nicht  felbft  bereitet.  Sie  pflegt  aus  ben  3Jtalaga= 
tranben  bie  Seme  herauSännehmen.  33er fuch'  einmal." 

„SaS  ift  WirflidE)  Wahr.  Sie  fiel )t  eben  nicht  mehr 
red^t,  bie  gute  Seele." 

„3n  ber  Ifjat!  -Jhtn  fie  ift  alt  geworben,  fo  Wie  td); 
(Grmtb  genug,  um  nichts  gu  fet)en." 

(Sie  £aupturfache  ift  aber  bie,  baft  fed)S  guft  ©rbe 
jWifdjeit  ihr  unb  (Gottes  2Belt  liegen.) 

„Unb  bie  f leine  gürftin,  unb  bie  fchwar^e  (Gräfin, 
haben  bie  Sir  (Gratulationen  gum  heutigen  Sage  gefdjicft? 
Unb  bie  grau  (General=2ieutenant,  bie  fo  fcfjwer  fjört?" 

„9luf  bem  filbernen  Sifd)  finb  alle  bie  (GratulationS= 
fdEjreiben." 

„|>aft  Su  ihnen  aud)  geantwortet,  Wie  fidEi'S  gebührt." 

„Sofort  ^abe  ich  geantwortet." 

„Ser  grau  (General=2ieutenant  Ijätteft  Su  mit  großen 
S3udE)ftaben  fdjreiben  müffen,  benn  fie  ift  fehr  fdf)Werl)örig.  gft 
bie  alte  Bettlerin  um  bie  Warmen  Kleiber  gefommen?  £at  fie 
fid)  bariiber  gefreut?  prophezeite  fie  nidEjt  (Gutes  für  biefeS 
gahr?  ®ommt  fein  Somet?  2l<f)!  nur  ber  fomme  nicht!  — 
£>aft  Su  ben  (Groftfürftinnen  baS  Souquet  Eingetragen?" 

„Q>ch  trug  eg  fyn.  Sie  banften." 

„|>aben  fie  noch  nid^t  geheiratet?  SDlein  (Gott!  fie 
müffen  bod£)  fdfjon  heiratsfähig  fein." 

(S3eibe  haben  bereits  geheiratet,  noch  in  ihren  Sinber* 
fahren  —  ben  Weiften  Bräutigam,  ber  in  ber  anbern  SBelt 
Hochzeit  hält;  aber  Slnna  geoborowna  fagt  man  bieS  nie.) 

„S33ie  geht'S  benn  bem  alten  Sölanne?" 

„SSie  gewöhnlid^." 

„(Gebraucht  er  bie  ihm  non  mir  gefehlten  ©lifabeth5 
fugein  gegen  bie  (Gid£)t?" 

„Sehr  ftarf  benü^t  er  fie." 

„Saun  er  3tadE)tS  fd^tafen?" 

„©inmal  ja,  einmal  nicht." 


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„Klagt  er  nicht,  menn  üfteumortö  ift,  ober  wenn  ber 
SBinb  bläft?1' 

„feie  uttb  ba;  bocf)  befänftigt  er  ftc^  halb." 

„Siefe  fchänbliche  pfeife  J)at  er  fidherlich  immer  im 
SRunbe.  So  fipt  er  im  9tau<h,  mie  ein  Kohlenbrenner. " 

„9BaS  foüte  er  9lnbereS  thun?" 

„9la,  mart'  einmal.  Sa  fyex  —  trage  ihm  biefe  gute, 
toarme  ©d^tafmü^e  hinüber.  geh  felbft  habe  fie  aus  rother 
SEBoße  für  ben  alten  SDtamt  geftricft.  @r  hat  bie  rothen 
SRüpen  immer  gerne  gehabt.  Sage  ihm,  baft  ich  an  ihn 
gebadet  höbe,  nicht  fo,  mie  er  an  midf).  Stber  maS  f  bunte 
er  mir  auch  fdjiden?  ^ßfeifenafche?" 

(Sich,  ber  alte  SJtann  ift  felbft  bereite  Staub  unb 
Stfd^e.  @r  mar  ber  ©emal  ber  Stnna  geoborottma,  ein 
gichtbrüdfjiger  SKann,  ber  feine  ®attin  3ahre  hiöburih  nicht 
fah,  obmohl  fie  in  einem  §aufe  mohnten.  Keines  Don  SSeiben 
Oermochte  ju  gehen.  Sann  tonnte  bie  ©ine  bie  pfeife  nicht 
auSftehen,  ber  Slnbere  aber  tonnte  fie  nic^t  aus  bem  SDtunbe 
nehmen.  ©ineS  SageS  fanb  er  auch,  ba§  feine  ©ruft  in 
ber  Sllejanber  9temsfi=Kathebrale  ruhiger  fei,  als  fein  bis- 
herigeS  Säger;  aber  er  mürbe  in  foldher  Stille  begraben, 
baft  bie  alte  grau  üon  feinem  Sobe  nichts  erfuhr  unb  noch 
immer  für  ihn  gute  mar  me  SRühen  anfertigt.) 

„Slber  mo  bleibt  benn  ber  „S3ubi"  fo  lange?  ©r  mirb 
bodh  nicht  traut  fein,  ber  95ubi?  SaS  märe  fdfjön,  Wenn 
er  auf  mich  üergeffen  ^ätte,  ber  93ubi !  mürbe  ihm  tüchtig 
ben  Kopf  mafdjen,  bem  33ubi." 

ShnaSto  beruhigte  bann  bie  alte  grau,  baf$  ber  „33ubi" 
$u  einer  mistigen  Serathung  bei  Sr.  SKajeftät  bem  ©§ar 
gehen  muffte.  Sßahrfcheinlich  ift  mieber  üon  einem  ju  t>er= 
fdjentenben  Sanbe  bie  Sftebe. 

„SaS  änbert  bie  Sache!" 

Dh,  ber  S3ubi  ift  bereits  ein  großer  SDtann;  ein 
breifftgjähriger  ffllann  unb  S3efi£er  fämmtlicher  Drben  in 
^Brillanten.  SaS  ift  ber  ©ntel  ber  guten  alten  grau,  ber 
ftolge,  mächtige  gürft  !göa u  SKajimomitfd^  ©hebimin,  unb 
feine  ©rofftnutter  heifft  ihn  auch  je^t  noch  ben  „33uben." 


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38 


ßängft  ift  bie  ßampe  fdjott  angejünbet;  oft  toirb  fic 
bett  ganjen  lag  nidjt  auggelöfdjt.  Seim  geringftett  SBinbjug 
fdfjlieit  man  bie  genfter  p,  unb  eg  oergetien  oft  brei  big 
oier  Sage,  ot)ne  bafj  eg  im  3immer  tagt.  Sie  3immer= 
betoofynerin  tiat  audfj  nicEjt  nötljig,  auf  bett  Unterfdf)ieb  jtttifd^en 
Sag  unb  SKacfjt  p  adjten.  Sie  fteljt  ni<f)t  auf,  unb  (egt  fid) 
nid^t  niebet.  Sie  ergraut  in  ifjretn  gauteuil;  lommt  ber 
Sdfjlaf  über  fie,  fo  fdjläft  fie  ein,  unb  ertoadit  fie,  fo  Oerlangt 
fie  ju  effen  unb  jjat  guten  Appetit.  2lHe  Sonntag  läßt  fie 
fidj  tton  einem  toeiblidjen  Sienftboten  toaftfien  unb  anflei» 
ben,  unb  bag  ift  it»r  toieber  für  eine  SBodje  genug.  Sßenn 
9JlittetnacE)t§  alle  ©loden  ber  gfaafgfatljebrale  läuten,  toeifj 
fie  baff  Sonntag  in’g  Sattb  gejogen  ift,  unb  bringt  man 
iljr  eine  3ätung,  fo  toeifj  fie  baff  greitag  ift.  3uttie^en 
bigputiren  bie  Seihen  gar  über  bie  „fjöfjere  Ißolitit."  — 
^e|t  ift  eben  ein  gefpannteg  Serljättnifs  jtoifcpen  Iperrin 
unb  Sclaten.  S«  ber  B^itung  ftanb  nämlidl)  golgenbeg  :  „ber 
petbenmüt()ige  ©eorg  ßfarnpi  ertuarb  bie  geftuitg  Setgrab  ttom 
Sürten. " 

Sie  fterrin  toünfdjte  bieg  fo  p  oerftepen,  baff  Sfarnpi 
bie  geftung  mit  Sturm  einitaljm,  unb  bie  Ungläubigen 
inaff at ritte ;  ber  Siener  hingegen  naljm  bieg  bem  SBortlaute 
nacf),  baff  er  näntlidj  für  baareg  ©elb  bem  Sürten  bie 
geftung  abgetauft  fjat. 

Sarüber  ftritten  fie  feljr.  „Soän  foß  nur  tommen,  er 
toirb  fdljon  urteilen,  unb  toenn  Su  (Redfjt  fjaft,  betommft  Su 
einen  ganj  neuen  9tod  mit  gucfjgf eH ;  Ijab  idj  aber  (Redjt,  fo 
betommft  Su  mit  biefer  Sßeibenrutfye  günfunbpmnjig  auf 
beinen  (Rüden  üon  meinen  ipänbeu!" 

Son  iprctt  §änben,  bie  feine  gtiege  meljr  im  Stanbe 
toären  p  erfcfßagen!  —  — 

Slber  bie  alte  grau  ift  radjjüdjtig  unb  fjat  iljm  nun  fdjott 
pnt  britten  SRale  befohlen,  neben  fidfj  über  jtoei  Seffel  bag 
neue  SJleib  unb  bie  Seitfdjc  p  legen,  bamit  er  nadj  güan’g 
Slntunft  fofort  eineg  hon  beiben  befomme.  — 

Unb  bodfj  »ergibt  fie  auf  ber  Steile  iljren  3orn,  ganj  Set 
grab  uitb  ben  ©eorg  ©farnpi,  fobatb  ber  „Subi"  oor  if)t  fteljt. 


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39 


ßr  trat  fo  teife  ein  bei  ber  Seppichtbür,  baf$  fie  ihn 
erft  fah,  als  er  öor  ihr  ftanb. 

®er  „S3ubi"!  ßr  ift  ber  fdhönfte  ÜDlantt  ber  Stefibenj. 
ßr  ^at  eine  Statur,  mie  ber  ß$ar. 

ßr  blicfte  ernft  unb  tief  mit  ben  fchmadfjtenben  grauen 
Singen . 

„9tun  ®u  fchledhteS  ®inb!  So  fpät  mu§  man  fomtnen?, 
3ft  bie  Schute  je£t  erft  vorüber?  gürdhteft  ®u  nicht,  baft  ich 
$idf)  gleich  nieberfnien  taffe?" 

ßr  fniete  fcfjon  öor  itjr.  Unb  bie  alte  grau  brücft  ihre 
magere,  runzelige  §anb  auf  fein  ßefidjt,  mäljrenb  er  feinen 
®obf  in  ihren  Schoofj  legt.  Sie  Iac£)t,  unb  mit  ihrer  £anb 
Sauft  fie  fd^erjenb  fein  §aar. 

„$er  fc^limme  83ube!  SSie  er  f<f>meid)eln  !ann!  3Bie 
eine  $a£e!  ®ut!  ®u  foUft  feine  Schläge  befommen.  8dh 
nerjeihe  ®ir.  Söeine  alfo  nicht!  ßr  f )at  benfelben  ®opf  mie 
mein  SKajim,  nur  bafc  biefer  rnidh  mehr  liebt,  benn  er  fdEjreibt 
mir  alle  SKonate,  unb  ift  bod^  fcfjon  ein  grojjer  SKann.  gn 
beinern  Sllter  gierten  feine  Sruft  fchon  jmei  Serbienftfterne. 
®odh  maS  £>aft  ®u  fchon  get^an?  ^>aft  ®u  fchon  für  ßl>re 
gefämpft?  |>aft  ®u  ®einem  SSater  nachgeahmt?" 

®ie  §änbe  ber  alten  grau  T>etafteten  bie  33ruft  beS 
Jünglings  nnb  entbecften  bort  ben  ®iamantenftern  beS  Sllej> 
anber  9ßemsft)=£)rbenS,  morüber  fie  in  aufcerorbentlicfje 
greube  geriet^  unb  auSrief :  „®aS  ift  ja  gar  fein  Sreuj, 
fonbern  ein  Stern!  Unb  noch  ba§u  in  Srittarrten  gefaßt ! 
®u  §aft  beinen  SSater  beraubt,  benn  biefer  ®iamantenorben 
hätte  it)m  gebührt.  ®aS  ift  ein  §elb,  ein  großer  SDlann. 
3hm  tjätte  baS  ®iamantfreus  gebührt.  Slber  nicht  maf)r, 
auch  ef  h&t  baS  erfte  DrbenSfreus  bereite  erhalten,  ©ett 
ja,  mit  eben  fo  fdfjönen  ®iamanten  aufgelegt?"  (ga  root)t 
—  ja  footjl,  er  bat  eS  erhalten,  mit  glän^enben  Riefeln 
aufgelegt  im  fühlen  Sanbe,  am  SJtoSfmasUfer.)  „®odh 
nun  fte|  auf!  ®u  bift  ja  fchon  grofi,  unb  maS  mürbe  auch 
ber  ßjar  fagen,  menn  er  erführe,  bafj  fein  ©eheimer  9tatf| 
toor  feiner  ©rofjm.utter  noch  tniet?  Steh  auf,  unb  ergähte 
mir  non  micf)tigen  Staatsangelegenheiten,  $dh  fann  in  felbe 


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breinrebcn.  Df),  ju  ben  feiten  Saifer  fßaut’S  War  id)  in 
Stiles  eingeWeifjt.  ^d)  Ijiclt  ben  alten  SDtann  bon  ber  ©raf 
fßaflenfdjen  SerfdjWörung  jurüdE :  fonft  füge  er  je|t  in 
(Sibirien.  -Jtidfjt  waf)r,  Su  liebft  ben  ©jar?  So  gehört 
fidfj’S!  3Bie  oft  f)at  ©jar  fßaut  beinen  ©rofjbater  gef  plagen! 
©r  flagte  nicfjt  einmal!  —  2lber  je|t  finb  im  ganzen  Sanbe 
leine  ©omplote  gegen  ben  ©jar?" 

„Seine,  ©rofjmütterdien ! " 

„SSenit  Su  oon  einem  ©omplote  Ijörft,  jeige  eS  fo= 
gteidj  an!  Söenn  Su  unter  bem  Sette  Seiner  ©rofjmutter 
einen  Sieb  wüfjteft,  möditeft  Su  iljn  itidjt  anf  ber  Stelle 
bei  ben  Süfjen  tjerborjielien?  Um  bieleS  Zeitiger  ift  jene 
Seine  fjSflidf)t,  ein  ßomptot  gegen  bie  SJtajeftät  beS  ©jaren 
ju  tiereitetn.  333er  gegen  ben  ©jar  fianbelt,  wirb  beftraft; 
Wer  fid)  aber  um  if)n  Serbienfte  fammelt,  wirb  reidjtidj  be= 
toljnt.  3Bie  machte  er 'S  nur  mit  Sutufoff?  Sen  beften  ©bet= 
ftein  brad)  er  aus  feiner  Srone,  fdjenfte  ifjn  Sutufoff  unb 
liefe  an  beffen  Stelle  ein  gotbeneS  Statt  mit  ber  Sluffdfjrift 
„Sutufoff"  einfägen.  Sie  Suwitie  ber  ©fiebimin  ift  nidjt 
fdfjledfjter  als  bie  ber  Sutufoff!'" 

3wan  erblaßte.  Ser  -Karne  „©fjebimin"?  3a!  Unb  bie 

©jarentrone?  Sie  gehören  pfammen! - S3on  einem 

Sronettbrucf)  fann  batb  bie  Siebe  fein. 

„SKein  ganjeS  Seben  Weit)e  id)  bem  ©jar,  ©rof}= 
mütterdjen ! " 

Unb  bann  errötete  er  bor  fidj  felber.  Senn  er.fjatte 
unwahr  gefprodljen.  Unb  er  fann.audj)  nidfjt  Waf)t  fpredjen, 
nie  unb  ju  -Kiemanben!  SieS  ift  baS  einzige  ©efdfjöpf,  baS 
er  auf  ©rben  Wirflid)  oom  Serben  liebt,  .unb  audf)  fie  mufj  er 
täufct)en.  Son  grüf)  bis  in  bie  fpäte  9tad)t  fjinein  mufj  er 
immer  lügen,  ben  if)tn  in’S  ©eficfjt  felienben  ©tenfdjen  muff 
er  belügen,  mufj  lügen  für  bie  hinter  feinem  Sftücfen  Spio= 
ntrenben,  fo  baff  er  beS  -Kad)tS  nidfjt  wagt  $u  beten :  „§err, 
neige  mir  bein  Dl)r  $u!"  aus  gurdjt,  baff  er  aud)  oor  ©ott 
lügen  Würbe. 

„3dj  erwarte  Sief)  fd)on  lang.  gdfjljatte  einen  großen 
Streit  mit  SfjnaSfo,  unb  Su  mufft  barin  ber  SdfjiebS® 


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ridjter  fein. "  Unb  fie  erjagte  ben  ©egenftanb  be§  Streites  • 
„SEBer  otfo  f)at  recht?" 

Swan  tackte  tjett  auf. 

„Ser  ©rfatjrung  gemäß  Ijätteft  Su  recht,  ©roßmamä! 
benrt  geftungen  pflegt  man  in  ber  Sf)at  mit  SBaffen  einjw 
nehmen.  Stber  in  biefem  einen  gälte  tjat  ^tjnaefo  sJied)t, 
benn  ©eorg  ©fernpi  t)at  Setgrab  Wirtlich  um  „gutes 
©etb"  getauft,  ®ib  it)m  baf»er  ba§  Steib,  unb  nic£)t>  bie 
Seitfcbe." 

Sie  alte  grau  winfte  bem  Wiener. 

„frnft  Su  gehört,  g()nasfo?  ©o  muß  ber  geregte 
Stifter  urteilen!  ©r  muß  Wie  biefer  bem  Sieiter  Stecht 
geben  bem  §errn  gegenüber,  unb  fetbft  feine  eigene  ©roß= 
mutter  berurttjeiten !  greuet  euch,  Sötfer,  baß  euer  ©chicffat- 
in  ber  öanb  eines  SOtenfdhen  fein  wirb,  beffem  ffltunbe  nur 
2Bat)rf)eit  entftrömt!" 

.  gwan  Wanbte  fid)'  ab. 

„Somm*  boct)  näher,  feije  Sich  ju  mir  unb  beichte : 
Wann  Wirft  Su  heiraten?  Sie  ßeit  Wäre  fd)onba.  §aft  Su 
nocf)  nid)t  gewählt?" 

Unb  gwan  mußte  antworten :  „Stein!" 

©r  tonnte  if)r  bud)  nicf)t  fagen,  baß  er  fdfjon  Dur  brei 
Satiren  eine  ©attin  iit’S  §aus  führte,  bie  aber  fo  herjtoS  ift, 
fid)  ber  atten  grau  gar  nid)t  üorjuftetten,  Weit  fie  fie  Wegen 
i^reS  SttterS  unb  ihrer  Stunjeln  fürchtet,  —  b’rum  mußte 
er  mit  Stein  antworten. 

„3e|t  fiaft  Su  gelogen!  Saß'  midi  Seinen  fßuls  fühlen. 
Statürtid)  ßaft  Su  gelogen!  SCÖie  fottteft  Su  auch  noch  nid^t 
lieben?  Siet)’,  l)ier  in  meiner  ©djubtabe  bewahre  ich  ein 
Siabem  für  Seine  Sraut,  es  ift  baSfetbe  Siabem,  baS  id) 
trug,  atS  mich  ®ein  ©roßüater  an  ben  Stttar  führte.  SamatS 
War  noch  SRoStau  bie  tpauptftabt  beS  Steidjeä.  2tn ,  ber 
©teile  biefeS  herrlichen  fßataftcS  ftanben  barnats  noch  2öei= 
benbäume.  2lu<h  Seine  iBraut  fdhmüde  fid)  mit  biefem  Siabem. 
S<h  gebe  eS  Sir!  Stimm  eS !  Su  Wirft  am  beften  wiffen, 
Wen  e§  jieren  fott.  genes  SJtäbchen,  baS  Su  tiebft,  foK 
meine  tiebe  Schwiegertochter  fein." 


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3iWan  aber  Wußte  wirftid)  nid)t,  wem  ba§  Siabem  ge= 
büfire.  @r  fjatte  ein  2Seib,  baS  i£)it  nicf)t  liebte,  unb  eine  ®e= 
liebte,  bie  nie  fein  SSeib  werben  tonnte.  ®r  burfte  atfo  baS 
Siabern  feiner  twn  SSeiben  geben. 

,,3d)  werbe  eS  aufbewaljren,  ©roßmantadjen,  bis  bie 
Steife  baran  fömmt." 

„9tun  aber  Wirft  ®u  mit  ntir  foupiren,  nicf)t  Wafjr? 
3)aS  te|te  S8utternad|tmaf)t  Wirft  ®u  bei  mir  öerjefyren.  $u 
getjft  nict)t  in  ©efettfcfiaft  locferer  ©efetlen  trinfen,  wie  bie 
anberen  leitßtfimtigen  gungen,  bie  man  um  bie  äJtitternadjt» 
mette  auS  ben  übetbeteumunbeten  ©petunfen  jagt.  ®u  n ad)t= 
mafjlft  wie  ein  braöeS  Äinb  mit  deiner  ©roßmama." 

Unb  !gwan  mußte  effen  unb  mußte  ifjr  üorlügen,  baß 
ifim  b.aS  Souper  bortrefftidj  muitbe;  wäfjrenb  er  bodj  erft 
furj  Porter  oom  ®iner  aufgeftanben  War,  unb  im  @d)toß 
ber  frönen  $eneiba  ein  lucuttifc^eS  SEJiaEjt  feiner  fjarrte. 

SBenn  nur  ber  Sftagen  proteftirt  fjätte  gegen  baS 
Dpfer!  2lber  fein  ^erj  War  not ij  toiel  metjr  öbertaben. 

SBettß’  namenlofe  Stngft  mußte  fid)  feiner  bemädjtigen, 
wenn  er  badjte,  baß  bie  beteibigte  ©attin  eben  in  biefer 
Stunbe  il)re  ganje  fftad^e  auSgießt  über  jene  anbere  grau, 
öon  Wetter  alle  SBett  Weiß,  baß  fie  jarte  geffetn  au  i£>n 
fetten,  unb  Welche  er  gar  nidjt  fdjüßen  fann,  am  aßer= 
Wenigften  gegen  bie  Slngreiferin,  bie  feine  eigene  ©attin  ift. 
SBenn  ber  ©gar  gu  ,'pauje  wäre,  Wagte  fie  nidjtS  gu  tljun, 
aber  in  feiner  Stbwefenßeit  ift  2lüeS  ertaubt,  WaS  fein 
attmädjtiger  ©ünftting  geftattet. 

Slufridjtig  geftanben,  freute  fid)  $Wan,  baß  er  nid)t 
bort  fein  fonnte.  6r  War  ein  weither,  unfetbftftänbiger, 
gartbefaiteter  SOiertfcf),  nidjt  geWadjfen  ber  Situation.  ®t 
überragte  bie  ÜDtenge  um  einen  ®opf,  beSljatb  würbe  er  audj 
gum  güßrer  gewählt.  $)odj  biefe  ftfjwere  9toDe  machte  ißn 
ungtüdtid),  benn  er  fjatte  alte  gä^igfeiten  bagu,  außer  ben 
2Rut$! - 

$ie  meifte  Suft  ßätte  er  baran  gefunben,  eines  fdjönen 
SageS  atf  feinen  SBefijdßümern  unb  SunbeSgenoffen  fammt 
feinen  ißaläften  unb  bem  gangen  Ütuffenreidje  2lbieu  gu 


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fagen,  Beneiba  ott  ber  §anb  ju  neunten,  mit  it)r  in  bie 
meite  SBelt  §u  gehen  unb  bie  Tenorpartien  neben  ihr  ju 
fingen.  —  SSietteid^t  gefctjähe  e§  auch,  menn  Beneiba  nicht 
mehr  atS  eine  gemöhnlidfje  föünftterin  märe.  Stber  ber 
beunru^igenbe  ©ebanfe  ift  ja  ber  —  ma§  ^eute  auf  jener 
onberett  33üfyne  öorgehen  mirb?  Stuf  ber  einen  t)arrt  feiner 
©etiebten  vielleicht  ein  ©trotjfranz.  Stber  auf  ber  anbern? 
33on  jener  Sühne  pflegt  ba§  S3tut  ber  SRitmirfenben  fyexab* 
juftiefjen.  —  Unb  bie  gute  ©rofcmutter  fonnte  ihn  nic^t 
genug  jurn  ©ffen  aneifern.  ®agtDifcf>en  frug  fie  nach  SRaria 
Souifen  unb  bem  großen  SRapoleon,  nach  bem  Keinen 
Tömifdjen  ®önig  unb  anberen  fotzen  SRenfdfjen,  beren 
3eiten  vergangen  finb;  morauf  Sman  fortmährenb  fo  ber= 
lehrte  Stntmorten  gab,  ba§  if )n  ber  gute  gtmaäfo  nicht  genug 
jurechtmeifen  fonnte,  ba  er  au§  feinem  3e^un9^ötatte  non 
atT  biefen  Tingen  meit  beffer  unterrichtet  mar. 

2Bie  bann  bie  erfte  ©tocfe  braunen  ertönte,  nahm  bie 
alte  gtou  ptöfctidh  beit  Siffen  au§  ihrem  SRunbe  unb  legte  ihn 
juritd  auf  ben  Teller.  Qhnaäfo  aber  räumte  —  ohne  meitere 
Sefehte  abjumarten  —  bie  ©peifen  meg  unb  breitete  eine 
anbere  feibene  Tedfe  auf  ben  Tifcf). 

„Tie  Saften  finb  ba.  SBenben  mir  un3  ju  unferem 
göttlichen  Sater!"  ftüfterte  bie  fromme  Sitte. 

Sman  füfjte  bie  SBangen  feiner  alten  äRutter  unb  biefe 
bie  feinigen. 

Stu§  bem  Schlafzimmer  ber  SRatrone  führte  eine  fteine 
Thüre  in  bie  ©apetle.  i^man  trat  ein,  unb  mährenb  bie  atte 
grau,  ben  SRofenfranj  in  ber  §anb,  ihr  ©ebet  begann, 
*  ertönte  in  ber  ©apelte  Drgetftang  unb  eine  frifdhe  SRämter* 
ftimme  ftimmte  ben  geftpfatm  an. 

„Sßetch'  ein  guter  ©ohn  unb  guter  ©hr^t  ift  biefer 
3man  SRa^irnomitf^",  ftüfterte  Stnna  geoboromna  mährenb 
be£  ©ebeteS,  —  „unb  ma§  er  für  eine  prächtige  Stimme 
hat.  @r  mürbe  jum  ©hor  ^  ®äaren  paffen." 

Unb  unter  $fatmenfang  unb  Drgetftang  prie§  fie  an= 
bärtig  ©ott  ben  StUmächtigen,  unb  für  ßebenbe  unb  tebenbig 


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geglaubte  Sobte  betenb,  entfdjlummerte  fie  ruljig  in  iprent 
SlrmfeffeL  — 

Ser  *ßfalmenfang  unb  Drgeßlang  tönte  aber  nodfj 
immer  fort  unb  fort,  benn  biefer  Sman  3Rajimomitf4 
tjürft  ©Ijebintin  ift  gar  ein  unenbüd)  guter  unb  liebevoller 
Sof)n. 

greilidj  mar  aucp  baS  nur  eine  Süge.-  9tlS  igman  in 
bie  Kapelle  trat,  martete  bereite  eines  ber  Kljormitglieber 
beS  Klaren,  baS  man  burdj  eine  verborgene  Styür  einge= 
Xaffen  ^atte,  unb  feine  Aufgabe  mar  eS,  §u  fingen  unb  bie 
Drgel  ju  fpieten,  bis  bie  SRatrone  eingefcplafen  mar. 

Sürft  ©pebimin  aber  entfernte  fidf)  eilig  über  bie 
geheime  Sreppe  unb  ben  Verborgenen  ©ang. 

Sein  $alaft  ftanb  in  öerbinbung  mit  bem  ?tadf)bar^aufe. 
Sort  marf  er  fiep  in  eine  Serfleibung  unb  inbem  er  ben 
im  £>ofe  parrenben  ©erlitten  beftieg,  ertpeilte  er  bem 
®utfcper  Sefepl,  mopin  er  ipn  $u  fahren  pabe. 

2luf  bie  grage  ber  vom  Sweater  rüdfeprenben  gürftin 
antmvrtete  ber  Äutfcper  mie  ber  ßmerg,  bafe  Seine  Surcp* 
lauept  bapeint  mären  unb  bie  ©emäcper  ber  ©rofemutter 
noep  niept  verlaffen  Ratten. 


VII. 

Jl^tergefpanu. 

gürft  ©pebimin  verliefe  feine  gemeinte  SBopnung  in 
einem  einfachen  ©glitten  opue  SBappen;  ber  ®utfcper  trug 
leine  2ivr6e.  Ser  gürft  gab  bie  SBeifung,  naep  bem 
Sweater  ju  fahren. 

ßu  jener  ßeit  patte  bie  neue  Jpauptftabt  erft  ein 
einziges  gröfeereS  Sweater :  baS  DpentpauS.  §ier  mürbe 
Srarna,  öuftfpiel  unb  £>per  an  einem  unb  bemfelben 
91  benbe  in  einem  ßuge  gegeben ;  bie  SSorfteHungen  bauerten 
in  ber  Stege!  bis  SJtitternacpi. 


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©ben  ju  jener  3eü  nun  überfam  bie  Muffen  bie 
Segeifterung  für  bie  ©cfeaufpietfunft;  —  baS  eine  Sweater 
genügte  nid)t  meljr;  —  man  oerfiel  auf  ba£  StuSfunftS* 
mittel,  bafe  bie  reichen  Stynaften  fid)  in  i^ren  ^aläften 
$ßrioatbüf)nen  erri dfjteten,  auf  benen  fie  bann  oor  i^ren 
(Säften  non  itjren  eigenen  ©Saufpietgefettfcfyaften  ©tjafefpeare 
unb  9Koti6re  auffüfjren  liefeen.  ©etbft  in  ben  beiben  $atä~ 
ften  beS  ©$arS  im  SBinterpataft  unb  in  ber  ©remitage  gab 
eS  Sßrioatttjeater,  auf  benen  nur  §offd)auf:pieter  bebutirten. 
©in  fjeroorragenber,  f)od£)geftettter  2lbetiger  trieb  bie  ^ßaffion 
für  baS  ©cfeaufpiel  fo  meit,  bafe  er  feine  Xruppe  fogar 
auf  feinen  Sanbfi^  mit  fid)  na^m;  ba  aber  auf  bem  Sanbe 
§u  einer  guten  Sfjeateroorftettung  nidjtS  fernerer  §u  befdjaffen 
ift,  als  baS  P.  T.  spubtifum,  fo  tiefe  fid)  ber  SDtann  eine 
Sammlung  non  2Bad)Sfiguren  madfjen:  ©enerate,  Staats- 
rätfee  unb  elegante  tarnen;  mit  biefem  auSgeftopften 
$ßublifum  füllte  er  baS  parterre  feines  XljeaterS,  um  bie 
Sßufion  noltftänbig  $u  machen.  3U  bemerfen  ift,  bafe  biefe 
©djaufpietertruppe  aus  ben  porigen  unb  öeibeigenen  beS 
betreffenben  §errn  refrutirt  mürben;  bemnad)  ift  gar  nicfjtS 
UnmatjrfdfjeinlidfjeS  an  ber  2tnefbote,  melcfee  erjäfett  :  als 
eines  2lbenbS  Dttjetto  eben  im  beften  3w}e  mar,  feine  ®eS- 
bemona  §u  ermürgen,  begann  ber  ©runbljerr  in  feiner 
ßoge  ju  niefeen,  bafe  es  burcf)  baS  ganje  |>auS  fjatt te; 
ber  fcljmarae  SBüt^eridE)  tiefe  fofort  non  feinem  mörberifcfeen 
beginnen  ab,  trat  an  bie  9tampe  nor  unb  münfdfjte  bem 
gnäbigen  £errn  ein  untertljänigfteS  „gur  ©enefung";  bann 
erft  machte  er  fidfj  mieber  baran,  ©fjafefpeare’S  graufamen 
©infatt  gu  ooüfütjren. 

hieraus  mag  man  ermeffen,  meldje  Segeifterung  ein 
fo  aufeerorbentticfeeS  fünftterifdjeS  $f)änomen  ermeden  mufete, 
mie  eS  3eneiba  mar.  ©ie  mar  ein  Sinb  beS  eigenen  ßanbeS. 
(Sftterbing^  mürbe  ginntanb  erft  in  bemfetben  Saljre 
für  SRufetanb  geboren,  in  meinem  3eneiba  geboren  mar.) 
3eneiba  mar  ein  mastigerer  gactor  als  ein  SJtinifter.  Surfte 
eS  ja  bod)  fd£)on  in  ben  3eiteu  ®atf)arina*S  II.  eine  $rima= 
bonna  magen,  ber  ©jarin,  bie  itjr  oortjielt,  bafe  fie  bereits 


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fo  biel  ©et)att  begieße,  at§  bie  borneI)mften  ©enerale,  in'3 
©efidjt  ju  fagen :  „3e  nun,  fo  taffen  fid)  ©ure  SKajeftät 
bon  3tyren  ©eneraten  borfingen!" 

2)ie  größte  33eforgnif$  beS  dürften  ©fyebimin  mar  aud) 
ni(f)t  bie,  bafc  3e**eiben  irgenb  eine  unmürbige  Seteibignng 
miberfaljren  tonnte,  tt >a3  non  einer  bettelten  Siebenbuf)lertn 
immerhin  ju  befürchten  ftanb ;  er  fürchtete  bietmeljr,  baft  biefe§ 
SBeib,  mie  er  e§  fannte,  im  ©tanbe  fei,  in  bem  Stugenblide, 
ba  ber  erfte  $fiff  taut  mürbe,  an  bie  s$rofcenium§tampen  §u 
treten  unb  bie  SRarfeißaife  anjuftimmen;  begann  man  im 
§aufe  erft  einmat  @trot)frän§e  $u  merfen,  fo  tonnten  im 
näd)ften  Slugenbtide  fdjon  SfTlenfd^enföbfe  burd)  bie  Suft 
fliegen ;  e$  braucht  eben  nur  eines  Meinen  guntenS,  unb  bie 
ganje  ffliine  fliegt  auf. 

©ein  |>era  ^od^te  t)eftig,  als  er  fid^  bem  Dpernfyaufe 
näherte.  ®aS  $rötjnen  ber  ©toden  bon  tiunbert  türmen 
jumat  übertönte  jebeS  anbere  ©eräufd);  atS  aber  bann  bie 
©toden  fdjmiegen,  erbröfjnte  mit  einem  SÖlate  bie  lange  ©trafce, 
in  metdje  fein  ©dritten  eingebogen  t)atte.  ®ie  riefige  Stbenue 
mar  if)rer  ganzen  Sreite  nad)  bon  einer  tofenben  SRenfdjen* 
menge  bebedt,  metd)e  fid)  xtjm  entgegenmätgte.  3BaS  mar  baS? 
©ine  Sieb otte,  ober  ein  $riumpl)gug?  §unberte  unb  ljunberte 
bon  gadetn  flammten  über  ben  köpfen  ber  SJienge. 

©ein  £>erg  tlopfte  rafcfyer  unb  tauter.  @r  mar  fein  rebo= 
tutionör  angelegter  S^arafter;  er  gehörte  nid)t  gu  Senen,  metdje 
bor  SBonne  trunfen  merben,  menn  fie  baS  SömengebrüHe  ber 
entfeffetten  Sölaffen  t)ören;  feine  ©eete  fdjauberte  im  ©egen- 
tljeil  babor  gurüd.  Stber  er  mar  ein  ebter  ÜERenfd);  ein  SBtann, 
ber,  ob  aud)  £erg  unb  ©eift  fid^  bagegen  fträuben  mochten,  mit 
benjenigen  gu  fallen  muftte,  benen  er  Xreue  gefd)moren ;  ber, 
obmotjt  er  babor  gurüdfdjauberte,  feften  ©d^ritte^  bis  gurn 
Stutgerüfte  getjen  tonnte  für  bie  großen  Sbeen,  für  bie  er  fid) 
entflammt.  ©c|on  mel)r  als  ©iner  ift  baburd)  ein  §etb  ge= 
morben,  ba&  itjm  ber  3RutI)  fehlte,  bor  ber  ©chtad)t  SieiftauS 
gu  nehmen,  gürft  3man  blieb  unb  ermartete  bie  SKenge. 

®a  mit  einem  Sölate  fiel  it)m  etmaS  in  bie  Stugen,  maS 
iljm  in  ber  X^at  neu  mar. 


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inmitten  bcr  nom  gadelfcheine  beleuchteten  äRenge  glitt 
ein  nergolbeter  ©dritten  bahin,  beffert  ©chnabelbilb  einen 
gotbenen  ©chtoan  geigte.  ©3  mar  ber  moljlbefannte  Schlitten 
3eneiba'3.  bemfelben  faf$  bie  Sünftlerin,  in  ihren  foftbaren 
$obefyelg  gehüllt,  nnb  aufjerbent  über  unb  über  non  ©turnen* 
fträufjen  bebedt,  bie  nom  grofte  bereite  canbirt  erschienen;  ge* 
gogen  aber  mürbe  ber  ©dritten  non  einem  Sldhtergefpann,  non 
einem  ©efpann,  mie  e$  ber  ©gar  felber  nicht  nor  feiner  ©aroffe 
hat :  acht  nornehme  Sojarenföhne,  bie  ertefene  ©reme  ber 
jeunesse  dor6e,  gogen  ba3  ©efährte,  nnb  auf  bem  ffiutfcherfifce 
faß  ber  SRitter  non  ©atban  in  *ßerfon. 

gürft  ©hettntin  vertiefe  feinen  ©glitten  nnb  gab  mit 
ber  3Renge  ber  ffünftterin  ba§  ©eleite. 

$urch  bie  SRenfchenmaffen  arbeitete  fich  brängenb  unb 
ftofjenb  ein  SRann  hinburd),  in  bem  ber  gürft  ben  Safai  feiner 
©emalin  erfannte.  Sin  ben  Schlitten  herangelangt  überreichte 
ber  ©urfdje  bem  fftitter  ©alban  einen  riefigen  Strang  non 
£tjacinthen  nnb  flüfterte  ihm  einige  SBorte  gn.  ®er  ©henalier 
erhob  fich  nom  ®utf<herfifce  nnb  rief  mit  einer  ©tentorftimme 
hinab  : 

„# o  ho,  ihr  Herren!  3hr  eblen  Herren  Stöffer!  palt 
einen  Slngenblid.  S)a  fehet  eine  glängenbe  Xrophöe!  liefen 
©traufj  fammt  bem  briüantenbefefcteu  ©hünenhafter :  „mit 
bem  Slitöbrude  ber  Semunberung  für  bie  göttliche  Shtnft 
nnferer  göttlichen  geneibe  —  bie  gürftin  GMhebiminl1' 

Xaufenbfad)e  §urrahmfe  gellten  burcf)  bie  falte  Suft, 
bie  für  einen  Slngenblid  non  bem  fauche  be$  ©chreieä  mit 
einem  förmlichen  SRebel  bnrchgogen  mar. 

„Allons!  ©ormärtä,  eble  Kenner!" 

2)a3  Slchtergefpann  fe£te  fich  mit  bem  ©dritten  mieber 
in  £rab. 

Slnf  bem  SRüdbrette  be3  ©drittens  ftanb  ein  junger 
SRann.  Site  Seneiba  ben  Strang  entgegennahm,  beugte  fich 
biefer  junge  SRann  über  fie  hin,  fo  baf$  fein  ©eficfft  nerfehTt 
gerabe  nor  bem  ©efichte  ber  Sünftlerin  erfchien.  3»n  biefer 
Sage  erfennt  man  fetbft  ein  mohlbefamtteä  ©efidjt  nur  mit 
2Rühe. 


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48 


•  SiefeS  mttgefefjrte  Slnttifc  flüfterte  ber  Same  ju : 

„  Timeo  Danaos  et  dona  ferentes.“ 

„3<h  t»erftet)e  nicht  Satein,"  ermieberte  bie  Same; 
„übetje^e  mir  ba§  in  eine  anbere  Sprotte." 

Unb  ba§  umgefehrte  ©eficßt  gab'  ben  Safc  fofort  in  ber 
SanbeSfprache  in  einem  tabettofen  improoifirten  -ipejameter 
Wieber :  „Smmer  furcht’  ic|  ben  Stuften,  felbft  menn  mit 
fdjenfen  er  nahet. " 

„Set)  banfe  bir,  ißufdjfin!" 

Sie  Kitgtieber  be§  „SunbeS  beS  StorbenS"  nannten 
einanber  mit  ihren  gamiliennamen,  im  ©egenfafc  jur  alten 
ruftifefjen  ©epflogenfjeit,  Sebermann  mit  bem  Saufnamen  ju  . 
nennen  unb  biefem  bei  Könnern  ben  Stamen  be§  SaterS, 
bei  grauen  jenen  ber  -Kutter  tjinjugufügen 

Siefer  junge  Kann  io  Ute  atfo  ein  tßufdjfin  )o  erben. 
Sermaten  ift  er  eS  noch  nicht;  bermaten  ift  ernoef)  Stiemanb. 


'  YIII. 

gittc  ©rgie  auf  bem  $runbe  eines  ^ufßatts. 

Stur  ein  in  manchem  „Strauß"  non  ber  Strt,  mie  ber 
Si)eua(ier  ©alban  fie  ju  flechten  pflegte,  geftäfftter  Kämpe 
-mürbe  fid)  juredjt  gefunben  fjaben,  menn  er  in  ßeneiba’S 
ißataiS  eintrat  unb  fieß  mit  einem  Kate-  mitten  in  jenes 
feenhafte  Pele-m§le  üerfeßt  faß,  mie  eS  fonft  nur  auf  ben. 
ißarifer  DpetnbäHen  ju  feßauen  ift. 

SaS  ßeer  ber  ©äfte,  ©clabene  unb  audj  ©inbringlinge, 
füllte  ju  ßunberten  bie  glänjenb  erleuchteten  Säte,  .ßeneiba 
fpielte  heute  als  ©pilog  bie  Scßlußfcene  aus  „SetniramtS"; 
eS  gefiel  ihrer  Saune,  bie  Stolle  ber  2We§  erobernben  Königin 
auch-  außerhalb  ber  Sühne  burdjjufüßren ;  fie  mottte  ihre  2ln* 
beter,  ihre  Sctaöen,  ihre  Starren  um  fid)  gefeßaart  fehen. 

Sa3  ganje  Sollet  ift  hie*  berfammelt,  alle  in  bem  ©o= 
ftum,  in  meinem  fie  auf  ber  Sühne  getankt  hatten;  bie 


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49 


Sängerinnen  tragen  bie  ^runfgetoänber  perfifcfter  unb  mebifdjer 
Sürftinnen;  mit  iljnen  ift  bie  junge  unb  bie  alte  „jeunesse 
dor6ew  ber  pauptftabt  antoefenb. 

2tte  bie  $ame  be3  §aufe3  öon  iljrem  Xriumpftäuge 
jurüdgefe£)rt  am  2trme  ber  ©pefcalierS  ©alban  im  Xanjfaale 
erfd)ien,  ftimmte  bie  hinter  ber  Srüftung  ber  ©atterie  oer= 
boigene  9Rufi!cnpeüe  eine  93egrüftung£=Duöerture  an;  bie 
3Jtenge  ber  ©äfte  ftimmte  mit  allgemeinem  |>urral)  ein  unb 
bie  Sßädjftftetjenben  brängten  fid)  jum  |>anbfuft  tjeran. 

Snbeffen,  fo  ganj  glatt  fotlte  ba§  geft  benn  bod)  nic^t 
verlaufen. 

SRitten  im  ©aale  ftanb  in  öoUer  Uniform,  ben  ®opf 
mit  bem  ®a£ fet  bebedt,  ein  ^oligeiagent.  ®r  trat  bem  perrn 
unb  ber  ®ame  entgegen,  grüßte  fteif  unb  lieft  babei  ein  %tveu 
fadje§  $ifdjen  ftören,  meld)e§  er  jebem  @a|e  feiner  9tebe  afä 
©cftlufttoort  anfügte,  unb  toel d)e§  fobiel  Reiften  foüte  alä 
„©ubar"  unb  „©ubarinja,“  (Monsieur  unb  Madame.) 

,,©e.  ©jceHen^  ber  |)err  5ßoligeipräfibent  läftt  Sljnen 
bebeuten,  @.  ©.,  baft  tyeute  mit  bem  ©lodenfcftlage  ßmölf 
bie  groften  Saften  begonnen  fjaben.  ©.  ©.,  bemnad)  finb 
lanj,  9Rufif,  ©aftereien  unb  ©elage  Verboten,  @.  ©., 
bemnadj  fyaben  bie  ©äfte  tyeint  &u  geljen,  ©.  ©.,  ber  £>au§= 
tjerr  unb  bie  pau§frau  aber,  ©.  ©.,  mögen  ficft  fcfttafen 
legen.  ©.  ©  .  . 

geneiba  tadEjte  i^m  in'§  ©efidjt.  ©alban  Oerfcmnfcftte 
innerlich  ben  ^ßoliseiminifter,  ber  mit  feinem  ungefdjidten 
©tfer  am  @nbe  nod)  ben  fdjönen  $lan  oerberben  fonnte, 
ben  fie  Seibe  mit  2lraft3ejeff  entworfen  Ratten. 

geneiba  jog  brei  pfeilförmige  gotbene  Stabetn  aus  itjrern 
£aar  unb  reidjte  fie  bem  ^ßoli^iften  l)in. 

„®eft  fteim  ju  beinern  §errn  unb  geige  iftm  biefeä 
Symbol,  (Sr  toirb  baranä  erfennen,  baft  2lffftrien§  Königin 
ben  Surften  ber  ©armaten  jurn  Kampfe  labet." 

$er  ©tpl  toar  bem  ^olijeiagenten  ju  ftod);  aber  bie 
golbenen  Pfeile  naf)nt  er. 

„®ann  bin  id)  genötigt,  Sftre  Flamen  ju  notiren. 
2Bte  fteiften  ©ie,  mein  §err?" 

3dfai :  ^rci^cit.  I.  4 


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50 


©hetmlier  ©alban  ermieberte  ihm :  „SRein  Plante  if t 
©aracatta,  unb  biefe  $ame  ift  meine  ©emalin." 

®er  ^olijift  bictirte  fich  felber  getreulich  in  fein  Roti^ 
buch :  „£err  ©aracaüuä  unb  SRabame  ©aracatta." 

$ann  manbte  er  fich  an  einen  eben  hinjutretenben  §errn. 
@3  mar  ber  gürft  ©hebimin. 

„Unb  mie  heifcen  Sie?" 

„3$  heifee  „Regenbogen",  t)ier  meine  ©ifitfarte." 

3u  bemerfen  ift,  ba|  man  bie  Jpunbertrubet-Roten 
ihrer  bunten  Sluäftattung  megen  „Regenbogen"  nennt.  ®er 
Rame  gefiel  bem  Agenten  fo  mof)l,  bafj  er  meiter  gar  nicht 
mehr  neugierig  mar.  ©r  neigte  ben  ®opf  bi§  an  bie  ®nie, 
münf^te  gute  Unterhaltung,  trän!  auf  bem  SBege  bi§  $ur 
®f)üre  eine  fjtafche  ©hampagner  au§,  fneipte  eine  Heine  appe¬ 
titliche  ©atterine  in  bie  SSange  unb  eilte  bann  §um  $oli§eipräfi= 
benten  jurüd,  um  getreulich  $u  referiren,  im  5ßalai§  glmarinen 
fei  atteä  ruhig  unb  finfter,  mie  in  einer  Kirche,  unb  aufeer 
bem  portier  liegt  bort  alle  SBelt  in  ben  Febern. 

Slber  bantit  mar  ber  §inbentiffe  noch  fein  ©nbe.  ®aum 
mar  ber  ^ßoli^eiagent  jum  ®hore  hmau§,  f°  fan  ber  ®^plan 
unb  ber  Drganift  beä  proteftantifchen  Sßaftorä.  ®er  ©aplan 
fdhidte  fidj  ju  einer  falbungäöotten  Rebe  an,  beren  Schalt 
mahrfcheiulidh  ber  gemefen  märe :  bie  ®ame  be£  |>aufe3 
motte  al§  gute  ^roteftantin  ben  ©läubigen  ber  herrfc§enben 
Religion  nicht  Stnlafc  §um  Slergeruifc  baburch  geben,  baft  fie 
bie  erfte  Rächt  ber  großen  haften  burdj  ein  fo  heibnifcheä 
eineä  Jpaufettö  üon  ©aal&pfaffen  mürbigeä  Fefi  entheilige.' 

Sittein  geneiba  lief*  ihn  bie  Sßrebigt  gar  nicht  anheben, 
©omie  fie  ihn  gemahr  mürbe,  rief  fie  ihm  entgegen : 

„£>inauä  mit  Sud),  3hr  Pfaffen !  SBir  haben  nichts 
ju  fchaffen  meber  mit  ©aal  noch  mit  $ebaoth.  ©eitbem  mir 
©afu  annectirt  hüben,  ift  bie  Religion  ber  Feueranbeter  auch 
eine  anerfannte  Religion.  ®ie  alle  hier  finb  Feueranbeter 
unb  ich  bin  ihre  Dberpriefterin!" 

„#urrah!  £>od)  bie  Feueranbeter!"  rief  eä  Oon  atten 
©eiten;  man  faftte  ben  frommen  Sftann  oon  rechte  unb  linfö 
unb  hielt  ihm  Feuermein  entgegen.  „Irin!  Feuer!"  2Ran 


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51 


nötigte  i$n  $u  trinfcn  unb  barüber  feinen  Sermon  $u 
bergeffen. 

„9tun,  baS  mag  oorbe^atten  bei  mir;  ma$  aber  fage 
idj  bafjeim  bem  Superintenbenten?" 

„Sag  ißm,  mein  ^erjchen,"  fprad^  ßeneiba,  ,,icß  ^alte 
eben  bie  *ßrobe  ju  bem  großen  Soncert,  metcßeS  id>  im  Saufe 
ber  giften  jum  Seften  beS  proteftantifdjen  ®irdjtt)urmbaue3 
ju  geben  gebenfe." 

Kaplan  unb  Drganift  maren  bottfommen  beruhigt.  Sie 
gingen  fjeim  unb  referirten,  bie  gtaubenSeifrige  fßafroneffe  ^abe 
bie  erften  Stunben  ber  großen  gaften  mit  einem  gotteSfürcßtigen 
frommen  SBerfe  begonnen. 

9iun  erft  fonnte  man  bie  Stjore  f fließen;  nun  fomrnt 
bon  außen  feine  Störung  met)r;  unb  bie  Slnmefenben,  bie 
gehen  erft  morgen  2lbenbS  mieber  meg  bon  Ijier. 

®er  K^eoalier  ©atban  er  artete  eS  für  angemeffen,  ben 
9lrm  feiner  ®ame  bem  gürften  ©hebimin  ju  übertaffen. 

„Sd)  bin  ber  Kfjefcatier  ©atban." 

„geh  ßabe  baS  SSergnügen,  Sie  oott  S^em  guten 
tftenomm6e  \)tx  $u  fennen.  Sie  finb  ein  ^ejenmeifter  bei  ben 
55)anten." 

„§abe  id)  baS  nicht  etma  ^eute  auch  bemiefen?  ®a, 
mein  gürft,  feiert  Sie  fich  bocß  einmal  baS  Strmbanb  an,  mit 
bem  biefer  Slumenftrauß  gefaßt  ift;  Sie  erfennen  eS  nicht 
mieber?  9tun  benn,  fe^en  Sie  ficß  bieS  ®ing  ba  noch  ba* 
#u  an." 

®amit  jog  er  aus  feiner  SBeftentafche  baS  fitberne 
Pfeifchen  ^eroor,  metcheS  ben  ©riff  ber  9teitpeitf<he  bitbete, 
gürft  ©hebimin  fonnte  baran  fein  eigenes  SSappen  bemerfen. 

„2)aS  finb  bie  jtoei  Dii  termini  jmifchen  ber  £>irfcßjagb 
bon  heute  ÜDtorgen  unb  bem  Triumphe  bon  ßeute  2Ibenb." 

„Unb  biefe  SJletantorphofe  ^aben  Sie  ju  Stanbe  ge* 
bracht?" 

gürft  ©hebimin  mar  nahe  baran,  bem  Sljebatier  bie 
4?anb  ju  brücfen  bafür,  baß  er  feine  grau  erobert  hatte,  um 
fie  ju  vermögen,  feine  ©etiebte  unbehelligt  ju  taffen;  inbeffen 
berhinberte  bieS  jener  junge  9Rann,  ben  mir  ^ßufcßfin  nennen. 

4* 


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52 


hörten;  er  ftfjob  ptö|tich  feine  SSifage  jmifchen  ben  dürften  unb 
©albon  unb  entführte  if>n  bent  $änbebrud  beS  dürften 
burdf  eine  ftürmifche  Umarmung. 

„ZdravtvujtjS  ©atban!  3;d)  bin  ifßufcfjf in ! 

„Slh  pufchfin!  ©raüo.  3fch  Jjabe  öon  ®ir  gehört; 
®u  bift  ber  ootlenbete  franjöfifche  ©onüioant  in  ruffifdjer 
StuSgabe." 

„3<h  bin  ftotj  auf  biefen  Xitel."  @r  mar  inbef?  nichts 
meniger  als  ftotj  barauf.  ©S  fann  feine  größere  ©eleibigung 
geben,  als  menn  man  an  einem  ®id)ter  eine  ©igeufdjaft 
rühmt,  metdje  in  feiner  ©ejiehung  jum  parnafj  fteljt.  Se  nun, 
©alban  mar  fein  ©enfor,  er  fonnte  alfo  nicht  miffen,  mie  niete 
SJleiftermerfe  beS  ®icf)terS  niebergeftredt  tagen,  gemeuchelt 
burch  ben  graufamen  Stothftift.  „3<h  bin  ftolj  barauf,  ber 
Stinatbo  ber  Petersburger  ©aufeminbe  ju  fein  unb  in  biefer 
'-Beziehung  ®ein  befdjeibener  ©pigone.  SBenn  ®u  ertaubft, 
miß  ich  Xicp  fofort  mit  ben  geniatften  ©orpphäen  unferer 
©efettfdjaft  betannt  machen." 

®amit  legte  er  feinen  Strrn  in  jenen  ©atban’S  unb 
entführte  ihn  in  fo  recht  burfhifoS  luftiger  Sßeife  mitten 
in  bie  äJtenge. 

Sem  ©Ejeöalicr  mar  eS  recht.  ©eine  Stufgabe  mar  eS  ju» 
nädift,  mit  ben  b’er  jufammengeftrömten  StRatcontenten  ©e= 
fanntfdjaft  ju  machen,  unb  bieSbejügtich  mar  ihm  ein  fo  offen» 
tjerjiger,  gefprächiger  ®umpan  hödjft  mitlfommen.  Qnbeffen 
machte  er  atSbatb  bie  ©emerfung,  bafj  er  fidj  in  ihm  ge» 
taufet  hQbe. 

Ser  ©rfte,  mit  bem  pufcpfin  ben  ©heüatier  ®otban 
betannt  machte,  mar  ber  amerifanifche  ©efanbte,  SRr. 
©tad. 

2Rr.  Stad  h<*tte  nur  ein  ©ein;  bas  anbere  mar  ein 
fünftticheS,  maS  ihn  jebo<h  nicht  hinberte,  jeben  ©ontretanj 
bis  jum  ©chtuffe  mitjumadien.  UebrigenS  maren  alle  feine 
©emegungen  fo  medjanifch  unb  gemeffen,  atS  ob  ®opf  unb 
Strm  gleichfalls  non  Stabern  unb  Gebern  getrieben  mürben, 
unb  ber  ganje  ÜRettfd)  jeben  Slbenb  oor  bem  ©chtafengehen 
auSeinanber  genommen  mürbe. 


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53 


„9Kr.  Stad,  ber  joeiatfte  Äamerab  ber  2Bett.  @r 
t>erftef|t  Weber  frongöfifef»,  nod^  beutfct»,  Weber  griecfjifdj, 
itodj  ruffifdj,  er  fpricht  nur  englifdj;  baS  aber  öerfteßt  bei  unS 
•ftientanb;  er  ift  alfo  ftuntm.  Xroßbem  ift  er  ein  treujfibeter 
gunge.  gm  »origen  gaßre  batte  er  noch  einen  3Kenfd^en,  mit 
bem  er  reben  tonnte,  feinen  Secretär.  ®em  paffirte  aber 
baS  ÜRatbeur,  baff  er  il;n  im  Xecember,  in  ber  grimmig» 
jten  Satte,  in  ben  Sltejanber  SteWSfb=tSriebhof  mit  fi<h  nahm, 
bie  großartige  ÜJtiebertage  ooit  ©rabmonumenten  ju  beficßtigen. 
©in  @ranit=Dbeti§t  gefiel  bem  ©ecretär  ganj  befonberS.  Stuf 
bem  Stüdwege  goß  ber  SJiann  etwas  ju  üiet  Sranntwein  in 
fi dj  hinein  unb  erfror  auf  ber  Straße.  9Jir.  Stad  braute  ißn 
fdf)ön  jum  ©rabfteinf)änbtcr  jurüd  unb  taufte  ifjrn  bort  ben 
ObeliSf,  ber  itfm  fo  gefallen  hotte." 

Xer  Sorgeftettte  aßttte,  baß  ba  foeben  fein  2ob  gefungen 
Werbe;  er  beauftragte  fonacß  ben  betreffenben  Xßeit  feines 
gnbiüibuat=9Re<haniSmuS,  auf  feinen  ©efichtSjügen  ein  Säbeln 
gu  bewirten,  bann  fcßüttelte  er  bem  ©ßeöatier  träftig  bie 
4i>anb  unb  batte  fid;  oßneWeitereS  in  beffen  anberen  Slrm 
einw  Seibe  bugfirten  nun  ben  in’S  ©chtepptau  genommenen 
©atban  Weiter,  bis  ihnen  ein  britter  ßcrr  in  ben  SB  eg  tarn, 
ben  pufdjtin  bem  ©beoatier  mit  ben  SS  orten  »orftettte : 

„©ergiuS  ©umitoff  Sttejieüitf(ß. " 

„Stt),  ber  berühmte  9Jtt)ftificator !  gdj  ^abe  öiet  öon 
gßnen  gehört." 

XaS  SSort  „ÜRpftißcation"  unb  überhaupt  bie  gbee, 
btoS  jum  Sergnügen  bie  ßeute  jum  Starren  ju  hotten,  war 
ju  jener  geit  eben  erft  in  bie  SOtobe  getommen,  unb  jwar  in 
Paris;  wie  hätte  man  es  ba  iu  Petersburg  nicht  nach» 
machen  fotten? 

„©ein  neuefteS  Slbenteuer  ßoft  Xu  aber  bodj  nicht 
gehört,"  fiel  ihm  pufcßtin  in  bie  3tebe;  „bie  ©efchicßte  »oit  bem 
9legerfctaöen.  3ta,  bie  muß  ich  ®ir  erjagen;  ber  ©paß  war 
ju  töfttidj.  ©umitoff  matte  ficf)  baS  ©efidßt  fcßWarj  unb  gab 
ftd)  für  ben  ©ctaöen  beS  dürften  SOtitintoff  aus.  SEBir  hatten 
Sitte  Äenntniß  üon  bem  ©paß,  nur  ©raf  petronjefsti  nicht; 
er  War  baS  Opfer.  SJtungo  fpiette  Staoier  unb  ©uitarre, 


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54 


fpradp  griedpifdp  unb  tateinifcp  uttb  bectamirte  ©filier,  gemife 
auperorbentlicpe  gäpigfeiten  bei  einem  Slegerfclaöen.  ®abei 
muffte  er  pöcpft  itttereffant  ju  erjäplen,  wie  er  jur  3eit,  atö 
er  bapeim  nocp  S'önig  mar,  feine  SRinifter,  bie  ipn  beftoplen 
Ratten,  in  einem  SEJiörfer  ^erftampfen  tiefe,  ißetronjefäfi  ber= 
narrte  fidp  förntlicp  in  ben  Sieger  unb  ging  SRilinfoff  an,  er 
fotte  ipm  ben  Surften  bocfe  üerfaufen.  SRilinfoff  fträubte  fidfe 
erft  ein  toenig;  ber  Qunge  fei  fein  Siebling,  er  fönne  ficfe  oott 
ipm  nicpt  trennen  u.  bgt.  ©nbticfe  aber  mürben  fie  bocp  um 
fecpstaufenb  Slubel  panbeläeinig.  9113  ißetronjefsfi  ben  Se¬ 
trag  erlegte,  machte  itjn  SRilinfoff  aufmerffam,  er  fotte  ben 
Sieger  fdparf  im  Sluge  bemalten,  benn  ber  Surfcpe  t»abe  bie 
Untugenb  burcpjugepen.  $er  ©raf  meinte,  er  molle  fdpon 
Sldpt  paben.  Statürticp  mufcp  fiep  ©umifoff  in  ber  erften  Sladpt 
bie  dpinefifcpe  £ufcpe  au3  bem  ©efidpte  unb  fpajierte  mit 
meinem  Slntlip  gemütplicp  jum  Spore  be3  ißalai§  pinau3. 
gür  bie  fecpStaufenb  SRubel  arrangirten  mir  bann  ein  grof;= 
artige^  ©etage,  unb  ißetronjefäfi  feat  bi§  feeute  feine  Slpnung 
batiott,  baff  er  e§  mar,  ber  bie  gecpe  bejaht  patte.  Stocp 
peutigen  Sag3  iibertäuft  er  ben  unglücflicpen  fßolijeimeifter, 
er  fotte  ipm  feinen  Sieger  fcpaffen." 

darüber  burfte  man  Indien,  ©alban  tpat  c3  audp.  ®a= 
bei  bacpte  er  fidp  aber:  glaubt  benn  mein  neugebacfener 
greunb  mirflidp,  baff  er  mit  biefen  abgebrofdpenen  Slnecboten 
mi(p  fängt  unb  micp  üerpinbern  mirb,  ba§jenige  ju  fepen, 
mesmegen  idp  pergefommen  bin? 

Unb  er  fap  es.  Sr  mar  fepr  erfapren  in  ber  Sanft, 
bie  Seute  nadp  einer  ©dpitberung  $u  erfennen  unb  inmitten 
ber  geräufdpootlften  SRenfepenmenge  benfenigen  perauSjufinben, 
ben  er  fuept. 

Sr  erblicfte  in  ber  SRenge  juerft  jene  ©eftalt,  bie  man 
ipm  al3  bie  Ärijfanomgfi’S  gefcpilbert  patte,  —  unb  halb 
pernadp  benjenigeu,  ber  fßeftel  piefe. 

©r  tpat,  al3  ob  er  ganj  Dpr  märe,  bie  ©rofftpaten  be§ 
beriipmten  SRpftificator3  ju  oernepmen :  babei  fpäpte  er  aber 
unabtäffig  na  cp  ben  beiben  ©eftalten,  um  ju  fepen,  ob  fie 
einanber  mopl  begegnen?  ob  fie  fidp  mopl  bem  dürften 


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55 


©Ijebintin  unb  $eneiba  nähern?  Seines  öon  beiben  gefdjaß. 
Grafen  fie  einanber  gufätlig,  fo  gingen  fie  aneinanber  öor= 
über,  otjne  fidj  gegenfeitig  and)  nur  angubtiden,  «Qeneiba  aber 
fdjienen  fie  gu  tneiben.  @r  fal)  in  ber  tangenben,  jaucf)genben 
SJienge  nodf)  mehrere  martante  ©eftalten  auftauc^en,  bod^ 
fcfjienen  biefelbett  non  einanber  feine  -Kotig  gu  nehmen. 

*ßufdjfin  machte  jefct  einen  $orfdf)lag. 

„SBir  finb  unfer  SSier  unb  tönnten  eine  Partie  Fhombre 
ntadjen." 

Ser  ©Ijeoatier  ©atban  burd^btidte  biefen  33orfd)tag.  ®S 
toäre  gar  nidjt  übet,  ityn  je|t  an  einem  Spiettifcßcf)en,  in  einem 
abfeitS  gelegenen  SBinfet,  bei  bem  bemalten  Rapier  bie  gange 
9tadE)t  feftguf)atten. 

,,3df)  banfe;  idj  pflege  nur  |>agarbfpiete  gu  fpieten." 

„®ie  finb  bei  mtS  ftreng  Verboten." 

„2Bie  bie  S3äHe  gur  gaftengeit!"  bemerfte  ©atban 
tacßenb. 

$e£t  teufte  ein  neuer  Stufgug  bie  allgemeine  2tufmerf= 
famfeit  auf  fidj.  „Sie  Renner  fommen!"  f)ieß  eS. 

Sind)  in  9tuf$tanb  ift  ber  ßigeuner  ber  SKinftret  beS 
SSotfStiebeS,  toie  in  Ungarn.  Sonberbar  ift  babei,  baß  in 
Ungarn  bie  Sunft  beS  ß^^nnerS  bie  9ftufif  ift,  ttmfjrenb  in 
Sftußtanb  ber  ßigeuner  fingt.  Sie  Sanbe  giet)t  atS  ©efangS* 
©fjor  oon  Stabt  gu  Stabt  unb  barf  bei  Untergattungen  ber 
©roßen  niemals  festen. 

Sie  orientatifd^pittoreSf  gefteibete  ©ruppe  nimmt  in  ber 
SRitte  beS  SaateS  Sluffteüung  uub  toierunbgtoangig  SJtänner 
unb  grauen  taffen,  einen  SreiS  bitbenb,  bie  ©efänge  oon 
2Batb  unb  gtur  erfcfjaüen,  mäfyrenb  eine  einzelne  Sängerin 
jenen  eigentümlichen  Sang  auffüfjrt,  in  tüetdjem  ber  Sejt 
bcS  ßiebeS  fidf)  mieberfpiegelt. 

„Sd)au,  fd^au  bodj  unfere  fcfjnmrge  *J3erle  an!"  fagte 
Sßufcßfin,  mit  §itfe  feiner  greunbe  ben  ©tjeoatier  ©atban 
in  ben  SreiS  ber  3*9euner  jie^enb.  „93raoo,  Siabotfa! 
3eige  Sief)  beineS  Samens  ttmrbig !  Sieh  Sir  bocf)  einmal 
biefe  ©eftatt  an!  Sie  ift  ein  toafjrljaftiger  Seufet;  jebe 
ihrer  Setoegungen  ift  eine  Sertodung.  SBie  ihre  Stugen 


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funtetn!  Sie  ganje  |)öHe  brennt  in  ihnen ;  beneibengWertfj 
bie  Serbammten,  bie  bort  büßen !  SSenn  fie,  bie  langen 
aSimpern  gefenft,  fo  metancbotifcb  um  fidb  btidt,  Würbeff  Su 
fie  für  eine  reuige  Süfjertn  galten,  bie  mit  füjjem  Schauer  if)rer 
©ünben  gebenft.  SBie  bann  ptö|tidb  bag  bämonifdbe  fjeuer 
ausbridjt !  ijfjv  Sonj  ift  ba§  $beat  ber  Sftaferei.  ©g  ift  bieg 
fein  ftubirter  Sanj;  bie  Srunfeubeit  ber  ©inne  infpirirt  biefe 
ßonoutfionen.  Greift  ift  ber  Sanj,  bod)  ftetg  ctaffifd)  wie 
ber  einer  ÜRänabe.  23 ie  ifjre  9tugen  Seuer  fprüben;  Wie 
ihre  Weiten  3abnretf)en  auf  einanber  fdjiagen!  3br  ganjeg 
SBefen  ift  eine  giamme.  2Bie  fie  ba  um  fid)  fetbft  freift, 
gtaubt  man  jeben  Stugenbtid,  fie  müffe  in  Stammen  auf» 
ge|en.  Su  gtaubft,  fie  fei  erfdjöpft,  ermübet,  fie  wanfe, 
wenn  fie  fo  bie  beiben  Strme  über  ben  Kopf  ergebt,  bag 
,'paupt  matt  auf  biefe  ©ammttebne  finfen  läfd,  Wenn  itjre 
Slugenwimpern  fiel;  bebenb  fenfen  unb  ber  SKunb  tüftern 
offen  bteibt;  —  Su  gtaubft  bann,  fie  müffe  jufammen» 
breeben.  —  Srau’  ibr  nicht!  @o  madbt’g  ber  Siger,  wenn 
er  fid)  ptatt  auf  ben  Soben  brüdt  unb  fpäbt,  wie  er  fein 
Opfer  mit  einem  ©a|e  in  feine  (Gewalt  betommen  !ann. 
Ser  Siger  bei|t!" 

Sag  witbe  gigeunermäbebett  richtete  fidb  au§  feiner 
ermatteten,  ftatuenbaften  fßofe  ptögticb  auf,  fprang  auf  ben 
©beoatier  ©atban  tog,  umfdbtang  beffen  Jtaden  unb  tüfjte 
ibn  auf  bie  Sippen. 

„Sei  (Sott,  bie  ßomöbie  ift  gut  einftubirt!"  badbte 
ber  ©beüatier  ©atban.  bin  idj  burdb  bie  2lrme  eineg 

teuflifd)  fdbönen  SDtäbdbeng  gebunben.  üöteine  Serfdbwörer 
berfteben  fidb  auf  ibT  ImnbWerf." 

„Sraoo,  Siabotta!"  apptaubirte  Ißufcbfin  unb  im  9tu 
waren  bie  brei  |>erren  oon  ber  ©eite  beg  ©bebatierg  ©atban 
Oerfdbwunben  :  eg  war  nicht  mehr  nötbig,  ihn  ju  überwadben. 
2Ben  einmat  bag  Kreujgewebe  ber  Siabotfa  umfponnen,  ber 
ift  gefangen  unb  erbroffett. 

©beüatier  ©atban  burdbfehaute  auch  bag.  Sodj  war  er 
ju  febr  SSettmann  unb  befaß  ju  oiet  ©efdjmad,  um  ben  bar» 
gebotenen  Sedjer  jurüdjuweifen.  „|>eute  bift  Su  meine  Seu» 


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felin/'  ffüfterte  er  bem  äJtäbcßen  itt’3  Dßr,  tnelrfjeS  mit  bert 
eteftrifcß  jucfenben,  fammtweidjen  2lrmen  ißn  umfcßtungen 
ßiett.  Un5  gteicßfam,  um  fkß  mit  feiner  (Eroberung  ju  brüften, 
führte  er  ba§  3igeunermäbcßen  im  Sanjfaate,  im  SBuffet, 
im  fßattnenßain  umßer  —  ftetS  als  getreuer  cavaliöre  servente 
unb  babei  ununterbrocßen  bie  beiben  ©eftatten  im  Stuge 
beßattenb. 

@r  begann  waßrjuneßnten,  baß  S«te  benen  er  auf* 
lauerte,  Wieber  ißm  auflauerten.  Unb  fie  werben  bie  gerauft* 
öoßen  Unterßattungöfäte  gewiß  nidjt  oertaffen,  fo  lange  fie 
ißn  ßier  .feljert.  ©ein  ©tratagem  war  fertig. 

3ttö  er  mit  Siabotfa  jum  jweiten  9KaIe  bie  Sour  im 
©aat  machte,  üerfpracß  er  if>r,  fie  ju  ßeiratßen  unb  junt  3ei= 
cßen  ber  Sertobung  ftecfte  er  feinen  Sting  an  i£»ren  Singer. 
Sa8  SRabtßen  Oergaß  ißn  ju  fragen :  „SSie  ßeißeft  Sir?"  — 
ber  Stame  be§  ©teineg  aber,  ber  in  bem  9tinge  funfette,  War 
ißr  befannt :  e§  war  ein  Semant. 

„Unb  Wenn  Su  mein  SJtann  fein  wirft,  bann  fommft 
Su  mit  mir  in  ba§  tpüttenjett,  wo  wir  Reffet  fticten  unb 
„am  geftoßtenen  ipammetfleifcß  uns  gütticß  tßun?" 

„Stießt  fo  Wirb  e§  fein;  Wenn  Su  mein  SGBeib  fein 
Wirft,  bann  fommft  Su  mit  mir  in  mein  ©eßtoß ;  bort  Wirft 
Su  bieß  jeben  Sag  fünfmal  anfteiben,  wirft  in  fitbernen 
Settern  effen,  at§  ob  tägtieß  Jpocßjeit  Wäre." 

„3<ß  Witt  Sir  harten  auffeßtagen;  ba  Wirb  fi<ß 
■jeigen,  weffen  tßropßejeiung  in  .©rfüttung  geßen  wirb. 
Sotnm !  Verbergen  wir  un§  an  einem  Drt,  wo  unä 
Stiemanb  fießt." 

Siabotfa  War,  Wie  e§  fdjien,  in  biefem  äBatbe  ju 
fjmufe;  fie  wußte,  an  weteße  Seber  in  bem  ©etäfet  ber 
untnerftieß  in  bie  Sßanb  eingefügten  Sßüre  fie  ju  brüefen 
ßabe,  bamit  fieß  biefe  Sßür  öffne,  hinter  biefer  Sßüre  birgt 
fidß  ein  trautießeä  SSerftecf,  groß  genug  für  ein  gtücfticßeä 
'  fßaar.  Sie  Sßüre  feßtießt  fuß  wieber.  Sn  bem  geräufcßooBen 
©aale  merft  Stiemanb,  baß  jwei  SDtenfcßen  feßten.  SJtitten 
in  bem  Keinen  fftebuit  befanb  fieß  ein  runbeg  Sifcßtßen ; 
breßte  man  biefeä  Sifcßdjen,  fo  üerfanf  eä,  um  naeß  furjer 


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Beit  bebedft  mit  einem  tecferen  3Kaf) te  mieber  emporjutaudfjen, 
mit  einem  SRaljte,  bei  meinem  aucf)  ber  in  @ig  gefüllte 
©tyampagner  nid^t  fehlte. 

©tyeoatier  ©atban  lächelte.  Sag  märe  atfo  bie  gatte. 
Unb  jur  größeren  ©ic§erf)eit  f)at  man  fogar  bie  ®a£e  tjier 
eingefd^loffen.  Sie  Slermften!  ©ie  glauben,  man  fönne 
©drangen  in  einer  Sftaufefatte  fangen!  Snbeß,  er  mitt 
®ur^meit  treiben.  9Kan  muß  bem  geinbe  Beit  taffen,  ficf) 
in  @cf)tadf)torbnung  aufeuftetten.  Sie  glauben  jefct,  er  fei 
fd^on  gefangen.  SSer  ficf)  Siabotfa  übertaffeu,  gehört  ganj 
iljr.  Sie  glauben,  er  fei  fcfjon  aug  bem  SBege  geräumt. 
3e|t,  ba  fie  öor  feinen  ©päfyeraugen  fidler  finb,  treffen 
fiel)  bie  3ufammenget)örigen  jur  großen  Begegnung.  —  Slber 
mo  finbet  biefe  Begegnung  ftatt?  in  meinem  Serftecf  biefeg 
geljeintnißootten  ©ebäubeg?  Siefe  ©ebanfen  gingen  if)tn 
burdf)  ben  ®opf. 

Sfcfjirr!  ftatfcfjte  bag  an  ben  Sifcf)  gefcf)teuberte  ©tag, 
in  taufenb  ©ptitter  $erfd£)ettenb. 

„SSenn  idj  an  S einer  ©eite  bin,  bann  benfe  an  nid^tg 
3tnbereg!  SBenn  Su  in  meine  Stugen  Mieten  tannft,  bann, 
ftarre  nietjt  in  bie  SSett!  Ober  fürdfjteft  Su  mict)!  SBittft 
Su  etma  nüchtern  bleiben?" 

©atban  bemieg,  baß  er  fie  rtid^t  fürste  unb  nicf)t 
nüchtern  bteiben  motte.  @r  ergriff  bie  gtafdje  unb  tranl. 
©r  mochte  feine  ©rünbe  ^aben,  birect  aug  ber  gtafdfje 
$u  trinten.  bie  ©fyampagnerftafdEje  tann  .man  feinen' 
©d^taftrun!  mengen,  benn  menn  fie  geöffnet  mirb,  tauft  itjr 
Igntjatt  aug;  in  bag  ©tag  aber  tann  man  teidtjt  ein  ©cf)taf= 
mittet  unbemertt  ^ineinprafticiren. 

Saß  in  bem  ©fjeoatier  ©atban  ber  Serbadfjt  auftauctjte, 
man  tönnte  it)n  f)ier  audfj  burc§  ein  -Jtarfoticum  unfd^äbtid^ 
machen,  erftärt  fic§  einfach  burc|  ben  Umftanb,  baß  er  fetbft 
ein  fotdfjeg  ©cf)tafmittet  in  ber  Safdfje  mitgebradfit  ^atte,  in 
ber  Sorfidfyt,  fattg  if)m  irgenb  ein  Unbequemer  in  ben  SBeg ' 
fomtnen  fottte,  fidE)  feiner  $u  enttebigen. 

SDtan  tann  nid)t  §mei  Singen  gleichzeitig  tauften,  bem 
Sßoctjen  beg  ^ergeng  unb  bem  Siefen  ber  Uljr. 


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Ser  mit  ber  Sinnen  Soft  ypiclt,  bat  eS  mit  einem 
galßhfpieleT  $n  thuu,  ber  bic  3*  *  nicht  mißt*  (Salban  wußte 
bieS  aus  grfahrung.  Sr  mußte  ber  fchmarzon  Scbönbeit 
rechtzeitig  Io#  Werben  —  unb  baS  3*9cuncrmabd>cn  warb 
bon  Sein  nicht  trunten.  Sie  hatte  ichon  aüc  ©lafcr  jer= 
fdjlagen  unb  ftc  tränten  abwecßielnb  aus  ben  glafchen, 
benen  fie  borher  bie  §ä(fe  brachen. 

ffltit  einer  folgen  giafche  mußte  fte  unfchablich  gemacht 
Werben.  ®aS  War  fehr  (eicht.  Senit  man  ber  in  SiS  getühl* 
ten  giafche  ben  §alS  abbricht,  ba  fxitb  hier  günftel  beS  Seinem 
gefroren.  ®aS  Schlafmittel,  baS  ba  hiueingefchüttet  wirb, 
bermengt  ftch  nur  mit  bem  pfiffig  gebliebenen  Sein.  Ser 
juerft  barauS  trintt,  ber  hat  baS  Schlafmittel  getrunten.  Ser 
fpäter  trintt,  ber  befömmt  ben  auS  bem  fchmelzcnbcn  Sife 
Wieber  gewonnenen  Sein,  ber  ihm  nicht  fchabct. 

$>ie  überfchäumenbe  Suft  2)iabolta'S  wich  plöfclich  einer 
geWiffen  Srfdjöpfung;  ihre  Sinne  fanfett  bon  bem  Staden  ihres 
(Salbatt  fchlaff  herab.  Sie  begann  zu  gähnen;  ihr  $aupt 
fant  jurüd.  gür  einen  Slugeublid  raffte  ftc  fidh  empor,  als 
ob  fie  zur  ©efinnung  tarne  unb  ein  ßid)t  in  ihr  aufbäntmern 
Würbe :  fie  bürfe  jefct  nid^t  fdhlafen,  weil  barauS  eine  große 
©efahr  entftehen  *  f önnte !  Sie  fudfie  ben  Safferfntg.  — 
Slllein  baS  SÖtittel  war  zu  ftarf.  Stachbent  fie  ztoci  Schritte 
gemacht,  begann  fie  zu  Wanten.  Stoch  h^'tt  fie  bic  $anb  auf 
ber  Stirne,  hoch  fcßlief  fie  fchon.  „Segt  bie  ©ärcit  an  bic 
Sette"  —  ftammeite  fie.  Sie  träumte  fd)ott  bon  ber  Silftc, 
bann  fant  fie  in  ihrer  ganzen  Säuge  auf  bem  ©oben  I)iit. 
®er  ©hebalier  ®alban  hob  baS  SDtäbchen  bom  ©oben  auf, 
legte  baSfelbe  auf  ben  5J5füf)l,  brürtte  einen  Suß  auf  feine 
Sippen  unb  berließ  es. 

®ie  geheime  Xfyür  öffnete  fidf)  unb  er  befattb  fiel)  wieber 
im  5ßalmenhain.  ift  bieS  ein  fed)S  Slafter  hohes  Winphi= 
theater,  angefüllt  mit  ben  feltenften  Pflanzen  aus  ignbien  unb 
bon  ben  Ufern  beS  Senegal,  bie  man  h^*  mittelft  falfcher 
Särme  unb  imitirten  SonnenfcheineS  bethören  Will,  bamit 
fie  im  ßanbe  beS  ueunmonatlichen  Sinters  grünen  unb 
gebeihen. 


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fiinter  einem  riefigen  3reigen=GactuS  »erborgen  faäfjte 
ber  ßt)eoalier  ©alban  in  ben  Stebenfaat. 

Sert  faf)  er  baS  S8itb  einer  tuilben  Orgie,  bie  Weber 
bie  ©rinnerung,  noch  bie  fßfwntafie  oerewigen  mag.  Sie 
intereffirte  ihn  auch  nicht.  SSaS  er  fe£)eit  wollte,  war :  ob 
bie  ©eftalten,  bie  er  in'S  2tuge  gefaxt  hotte,  an  ben  eleu» 
finifchen  9Rt)fterien  theilnehmen?  @r  fal)  feine  einzige  ber» 
jetben.  @S  war  in  ber  Xf)at  ein  SDtaSfenball;  ber  ©all 
fefbft  War  bie  SDiaSfe,  unb  bie  fie  tragen,  finb  nicht  auf 
bem  ©all. 

SSo  finb  fie  bann? 

Sie  waren  fämmtticf)  üerfdjwunbeu,  fefbft  fßufchfin, 
ber  ©rofjmeifter  ber  ©rüber  ßieberlidj. 

©r  madjle  fich  auf,  um  fie  p  fucf»en. 

©9  war  bieS  ein  fchwierigeS  unb-riSfirteS  Unternehmen. 

@9  galt,  in  einem  ihm  ooHfommen  unbefannten  fßalafte, 
ohne  Drientirung,  fich  auf  bie  Suche  p  machen,  ben  ihm 
etwa  ©egegnenben  auSpweichen,  ben  ©erWunberten  burch 
fimufirte  Srunfenheit  p  tauften,  gleich  einem  ©etrunfenen, 
ber  bei  jeber  Sljür  eintreten  will;  eS  galt  bon  ben  jefben 
geftörter  Sdjäferftitnben  1)0  unb  bort  IhnowSgeWorfen  p 
Werben.  Unb  finbet  er  enbfich  ben  Ort,  wohin  bie  feparirte 
©efeßfdjaft  fich  prücfgepgen,  fo  ift  eS  feicht  möglich,  baf} 
bort  eine  SSache  aufgeftettt  ift,  um  bie  Verborgenen  üon 
bem  $erannafjen  eines  ©erbächtigen  p  oerftänbigen.  Siefen 
SSädjter  mujjte  er  meuchlings-,  überfallen;  ihm  bie  ©iftole 
an  bie  ©ruft  fefcen.  Senn  wo  ein  .perolb  oor  ber  Sf)ür 
fteht,  ba  lauert  hinter  ber  Sl)ür  bie  ©erfdjwöruug.  Sann 
galt  eS  burdj  bie  Shür  einpbringen.  3ft  bie  Sbür  gefdfjloffen, 
bann  ift  ber  ©erbacht  „begrünbet :  bann  ift  über  biefen 
fßalaft  baS  Urtheit  gebrochen ;  berfelbe  wirb,  wenn  nöthig, 
bis  auf  ben  lebten  Stein  jerftört.  3ft  bie  Sljür  offen, 
bann  gilt  eS  einptreten  mit  bem  Stufe :  ,,3m  ©amen  beS 
GprS,  Sie  finb  meine  ©efangenen!"  ©S  ift  möglich,  ba| 
fie  ihn  fofort  niebermachen,  aber  oiel  W/ihrfd)einlidjer,  bafj 
fie  eS  nicht  thun.  ©ine  entbecfte  Gonftnration  ift  bemorali» 
firt.  Sßenn-  fie  bie  SS  orte  oernehmen  Werben :  „gallS  ich  bis 


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morgen  grüf)  nidjt  $n  Slrafteejeff  ^urücffefire,  gerätsen  alle 
3ene,  bie  fid)  fjier  im  ^Satafte  befinben,  in  bie  $cinbe  ber 
9Rad)t!"  —  ba  merben  fie  erftarrt  fein  unb  bie  pan be  ben 
geffeln  felbft  entgegenftrecfen.  Unb  fd^iefttidj)  ift  eä  fein 
SSeruf.  ®er  ©ine  ftirbt  fo,  ber  Slnbere  mieber  anberS.  ®er 
©olbat  meijs,  bafc  man  auf  if)n  fdfjiefct,  er  gefjbbodj  oormärte; 
ber  Seemann  meifc,  bafc  e§  im  3Reere  feine  Salfen  gibt,  er 
Oertraut  fid)  ityrn  böd)  an.  $er  ©ine  tritt  bem  ^enferbeit 
füf)n  entgegen,  ber  3tnbere  bem  5)oldj :  beibe£  ift  £erotemu3. 

Unb  bann,  menn  er  bie  gurüdge^ogenen  nid^t  oor  bem 
„grünen  93udf)",  fonbern  am  grünen  finbet,  mo  fie  bei 
ber  Oerboteneu  fRonlette  i^r  ©elb  oergeuben?  Eh  bien! 
bann  fefct  er  fid)  ju  i^nen  unb  mirb  bem  2trafteejeff  nidjte 
fagen.  ®a§  ift  nic|t  bie  Aufgabe  eineä  ©entteman. 

©r  befaft  $u  biefen  $Ka$forfcf)üngen  gemiff  ermaßen 
einen  2Triabne=gaben,  gleid)  bem  auögeftreuten  liefet,  ber 
—  mie  e§  in  ber  gäbet  fyeifjt  —  ba$  oerirrte  Sinb  au£ 
bem  aOSalbe  mieber  ^erauäfüfjrt. 

geneiba  mar  im  ©oftüm  ber  ©emiramte  nad)  $aufe 
gefommen.  Sf>r  reidjeS,  rötf)lid)e§  |)aar  mar  mit  echten  perlen 
burdfjflodjten.  s2tte  ber  ©fjeoalier  ©atban  ber  im  Xrinmpl) 
nad)  |>aufe  geleiteten  Sünftierin  befjilftid)  mar,  ben  ©afdjlif 
oom  Üopf  au  nehmen,  fjatte  er  oorfä^tidj  eine  perlen* 
fcfjuur  unbemerft  griffen.  ©ine  $eittang  fann  ba3  bidjte 
£>aar  bie  oon  ber  ©djnnr  fidj  abtöfenben  jßerten  auffangen, 
bod)  ift  e§  unmöglich,  baf$  mä^renb  be§  ®egen§  nicfjt  l)ie  unb 
ba  eine  Sßerle  $ur  ©rbe  fade. 

©ine  f)at  er  im  5ßalmenf)ain  fd^on  gefnnben.  —  ©ie 
rnufete  atfo  f>ier  burc§gefcf)ritten  fein.  —  ®ie  jmeite  $erle 
fanb  er  in  einem  ©orribor.  —  Sie  britte  oerrietfj  if)nt  fdfjon 
bie  ©djmede  ber  SBo^nräume,  burcfy  metcfye  bie  Same  Oer* 
fcfjmanb.  —  Unb  mo  fie  ift,  ba  müffen  audfj  bieUebrigen  fein. 


* 


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IX.  -  - 

3>o:  grüne  Qifä  ttttb  bas  grölte 

Ser  ©aal,  in  Welkem  ber  „©unb  beg  SRorbeng"  feine 
©jungen  piett,  mar  mit  hoppelten  Spüren  berfepen;  in 
ruffifcpen  ©atäften  nicptg  UngeWöpnticpeg,  ba  ntan  burcp  bag 
©djtüffettocp  folget  X£)üren  nicpt  fpioniren,  nicfitS  erpor» 
c^en  !ann. 

Sie  SRitte  beg  ©aateg  occupirte  ein  maffioer  Sifcp, 
bietmepr  ein  Saften,  beffen  obere  gtäcpe  bie  SRoutette  bitbet. 

Sie  ©etbrotten  —  toaprfcpeinlicp  gmperiate  entpattenb 
(in  ©anfnoten  toirb  SRoutette  nicEjt  gefpiett)  —  finb  in  Steipen 
aufgeftettt,  baneben  liegen  bie  tangftietigen  Srücfen  beg 
©roupierg.  gebet  neu  ©intretenbe  nimmt  am  Xifdje  ©tap 
unb  legt  feine  ©örfe  bor  fiep  bin.  ©efpiett  aber  mirb  nicpt. 
Stil  bag  ift  eben  nur  ©autetei.  ©o  oft  ein  SRitgtieb  anfömmt, 
fept  fiep  auf  bag  Deffnen  ber  Spüre  ber  Steifet  ber  iRoutette 
in  ©ewegung  unb  bag  ©eräufcp  ber  tanjenben  Suget  maept 
bie  ©efeltfcpaft  barauf  aufmerffam,  bap  gemanb  napt.  Ueber= 
rafepungen  Waren  atfo  nicpt  ju  befürchten. 

Sie  gegenfeitigeu  ©orfteltungen  ber  ©erfammetten  be= 
forgt  bie  grau  beg  fjaufeg.  Sag  ift  notpmenbig,  benn  bieg» 
mal  finb  Seute  anwefenb,  bie  einanber  nie  gefepen;  ©efanbte, 
©ertreter  ber  gepeimen  ©efettfepaften,  bie  fiep  in  ben  entfern» 
teften  ©egenben  alter  Sänber  gebitbet  paben.  ©räfibent  unb 
©iegetbewaprer  beg  „©unb  beg  üRorbeng"  ift  gürft  ©pebi» 
*  min,  ©ecretär :  IRptejeff,  ein  junger  ©oet  unb  Stgent  ber 
anterifanifepen  ®e treib egefeüfdpaft. 

©on  ben  brei  ©rübern  Surgenjeff  ift  ber  ältefte,  5Ri!o» 
taug  ber  fjiftoriter,  anwefenb ;  Dberft  ßunin  ber  ©igentpümer 
ber  gepeimen  Srucferei;  ein  ©eftufeff,  Sucpetbäcfer,  ber 
©ommanbant  ber  Strtitterie.  gerner  ©agfofgfi,  bag  fjaupt 
beg  „§eit»©ereing";  SRurawieff,  ber  IRepräfentant  ber  ,,oer» 
einigten  ©laben";  Drtoff,  ber  bie  ©eete  beg  „fjetbenbunbeg" 
ift.  Sag  finb  alte  gefonbert  für  fiep  wirtenbe  gepeime  ©er» 
binbungen,  bie  ein  gemeinfameg  berfotgen:  „bie  greipeit" 


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63 


—  (®ie  greiljeit  unter  bern  Schnee).  Stber  if)r  SBorgeljen, 
itjre  2lrt,  iljre  SEßerfjeuge  jinb  t>on  einanber  öerfdjieben.  — 
®arum  öeranftalteten  fie  bie  jegige  3ufammenlunft,  um  bie 
au§einanbergel)enben  ^Bläite  burcf)  gemeinfameS  SSorge^en  ju 
Bereinigen.  3»  biefer  ©onferenj  beriefen  fie  öom  fernen 
Ufer  beä  ©djmarjen  ©leeres  ben  Sßräfibenten  be$  „©übbun* 
be3",  Dberft  gefiel,  unb  bas  .paupt  ber  nod)  ferner  im 
StaulafuS  tebenben  „SBitben",  3<xfu§tin.  ®er  aber  am 
toeiteften  Ijertam  (benn  er  mußte  burdj  ein  SBlutmeer  maten, 
ba3  bie  beiben  Stationen  oon  einanber  trennt)  mar  ber  3Bort= 
führet  ber  polnifdjen  „Kosinyery“ :  SrijanoruSh).  2lHe  biefe 
SDtänner  tragen  Uniformen,  ben  einzigen  Stßlejeff  au3genom= 
men,  ber  nid)t§  meiter  ift  afe  93  ärger,  unb  einen  mobernen 
blauen  Srad  mit  gelben  knöpfen  trägt.  2lHe  finb  bartlos,  mit 
gtatt  rafirten  ©efidjtern,  nur  ber  ipole  befielt  feinen  national 
len  ®pl)u§  bei  unb  ^afuSlin,  beffen  jaufiger  93art  mit  feinen 
Slugenbrauen  aufammenmädjft,  repräfentirt  ben  echten  milben 
S?ofafentppu3  unb  Prüftet  fiel)  mit  feinem  üernadjläffigten 
Sleufjern. 

Unb  aH  ben  Stnmefenben  ftel)t  @tma§  auf  ber  ©time 
gefdjrieben. 

3eneiba  ftel)t  an  ber  2l)ür  unb  empfängt  bie  9ln» 
lomntenben,  bis  fid)  ber  ©aal  mit  iljnen  fällt.  @3  mirb  leine 
laute  Sonoerfation  geführt;  jeber  unterhält  fiel)  mit  ben 
©eiftern,  bie  i£)n  ljie§er  geführt. 

®a  mirb  ba3  Stollen  ber  Stoulettetugel  nod)  einmal 
llörbar. 

„23er  lann'  nod)  lommen?"  fragt  3«teibo. 

Sfn  ber  ®£)üre  erfc^eint  ißufd)fin. 

®ie  3üge  3erte^a’^  brüden  unmittfürlid)  ©d)re= 
den  au3. 

„2Be3t|alb  lommft  ®u  Ejer  ?“  flüftert  fie  ipm  erregt  ju. 

„®arf  id)  ba3  nid)t?" 

„2Barft  ®u  nid^t  beauftragt,  ©alban  ju  beobachten,  ba= 
mit  er  un3  nictit  überrafdje." 

„@3  fanb  fid)  ein  befferer  2Bädjter  für  ilw.  ®iabotfa 
l)at  il|n  in  bie  ©taufefatle  geführt." 


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64 


„Slber  $u  f)aft  beinen  Stuftrag  ju  erfüllen." 

,,gdf)  Werbe  jurücffeljren,  fobatb  e§  otjne  gnbiScretion 
gefdjetien  !ann.  ge£t  will  icf)  Ejier  bleiben.  Stelle  rnictj  Oor!" 

„SBift  ®u  ein  Sinb !  iß  tagt  ®id£)  bie  SReugierbe  ju 
erfahren,  was  Wir  Ejier  tfjun?" 

,,gcf)  will  $t)eil  baran  nehmen." 

„SBeldljer  ©igenfinn!  ®u  gtaubft  wot)l,  baf?  eä  f)ier 
um’3  Seben  gef)t  unb  fudjft  einen  SRuljm  bann,  audj  beinen 
Sopf  auf  bie  eine  Sorte  ju  fe§en.  SSteibe  tjier.  3)u  fottft 
feljen!  —  |>err  ißufdjtin!" 

®amit  Wanbte  fie  i£jm  ben  SftüdEen  at§  jürne  fie  il)m, 
wüljrenb  fie  iljn  ben  Stnberen  borftettte. 

ßeneiba  Wat  bie  ißotijei  ber  ganjen  SSerbinbung.  SBer 
in  itjr  IßataiS  geloben  War,  würbe  at§  „53ruber"  aufgeuommen. 
Wem  fie  etwas  anoertraute,  ber  Würbe  unter  bie  „SOiänner" 
gereitjt,  aber  um  an  ben  geheimen  ©onferenjen  tljeiljuneljmett 
unb  ju  ben  Sojaren  erhoben  ju  werben,  beburfte  e£  ttod) 
einet  weiteren  ©mfeljlung. 

„SBer  empfiehlt  ifjn  nocf)?"  frug  gürft  ©tjebimin. 
„gdfj!"  antwortete  Sttjlejeff. 

®amit  würbe  ißufdfjfin  ein  ißta|  am  Xifcfie  angewiefen. 
@§  War  ein  auSbrucfSü  oller  Sopf.  Sein  wirres  SrauS* 
t)aar,  feine  SRafe  erinnern  nocfj  an  bas  afrifanifc^e  SBlut,  baS 
fidf)  in  feinen  Slbern  mifdtjt.  (Silier  feiner  Sinnen  nafim  bie 
(Tochter  .$annibal’S  jur  grau,  ben  ©jar  ißeter  I.  aus  einem 
SRegerfclaOen  p  einem  General  erfiob.  Seine  Stugen  finb 
bunfel  unb  tieftiegenb.  Unb  bennoef),  tro|  biefer  unt)ar= 
monifc^en  $üge  gewannt  biefer  Sopf  beim  erften  Shtblicf  an 
S3t)rcm.  ®er  SluSbrucf  ift  ein  gemeinfamet. 

tßufdfjfin  war  üertiebt  in  ßeneiba,  b.  f).  er  f erwärmte 
für  fie.  geneiba  aber  liebte  tßufdfyfin  eraftlidj,  unb  beätjalb 
wollte  fie  nidljt,  baft  er  fie  liebe. 

©in  SBort  erftärte  bas  wiberfpredjlidfje  SRätljfet. 
3eneiba  Wußte  ju  loobt,  ba|  gebet,  ber  fein  Sdfjidfal  an 
ba§  irrige  feffelt,  einem  finfteren  SSerfjängniffe  entgegengetjt, 
au§  beffen  $unfel  bie  Umriffe  beS  Sc^affotS  auftauetjen. 
ginnlanb  Warb  burcf)  biefetbe  9Racf)t  —  gegen  welche  fidj 


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65 


btefe  gemeinten  Serbinbungen  oerfdljmoren  —  in  geffeln  ge* 
fdfjlagen,  unb  3^tteiba  erinnerte  fidfj  nodj  an  bie  S^ränen  i^rer 
SDtutter  unb  ben  einfachen  fdfymarjen  ©arg,  in  meldjem  man 
oerftoljten  in  bunfler  9flad£)t  einen  SDiann  nadfj  §aufe  brachte, 
bem  ber  ®opf  abgetanen  mar,  unb  ben  ju  bemeinen  Slieman* 
bem  erlaubt  mar.  @rft  afe  fie  tjerangemadfjfen  mar,  erfuhr 
fie,  baft  biefer  SRann  ifjr  Sater  gemefen. 

3u  fe^r  tiebte  fie  $ufdt)fin,  al$  bafj  fie  it)n  auf  ben 
gefährlichen  SBeg  mitgenommen  Ijätte,  non  meinem  bie 
SRenfdjen  mit  unter  bie  Sirme  geftedten  köpfen  jurüdfefjren. 
@ie  hatte  iljm  ein  glüdlidfje£  fonnige§  2o§  jugebad^t.  Söngft 
l)atte  fie  in  bem  unruhigen  liebertichen  jungen  ba§  ©enie 
erfannt,  meldje£  iljm  nicht  berlieljen  mar,  um  ba$  Souboir 
einer  grau  mit  feinem  ©lan§e  ju  erfüllen,  ba£  nicht  Stufc 
lanb  allein,  fonbern  ber  SBelt  gehörte.  S^eSfjalb  ben  2)idjter 
nerfdjmenbeu?  SBarum  bie  glinte  mit  2)emanten  laben, 
um  fie  ju  oerpuffen!  menn  bagu  audE)  ba$  Slei  gut  genug 
ift,  ja  nodj  beffer. 

,f9Reine  Herren,"  rebete  3 eneiba  bie  ©efettfdjaft  an, 
„idj  mu§  oor  Sittern  unferen  Sruber  Stylejeff  erfnd^en,  un§ 
ba$  greiljeitälieb  üor^utragen,  meldE)eS  mir  unter  bem  Solle 
nerbreiten  motten.  ®ie  Sorbereitung  ber  Solföftimmung  ift 
ja  bie  £auptfadE)e."  (3uftimmung.) 

Stylejeff,  ber  Sßoet,  ein  fd£>öner,  blonber,  fcfylanfer 
Jüngling,  etyob  fidh  unb  trug  ba§  gretyeitälieb  oor,  metdfjeS 
er  oerfa|t  hatte. 

©£  mar  bie§  ein  fd^öneS,  correcteä,  fjodjgeftimmteS  ©ebidjt, 
allen  Siegeln  ber  Setynif  auf  3  Sefte  entfpred^enb.  ®er  tyetoriftye 
ffilimaj  fteigerte  fich  fortmafjrenb  in  t)inrei§enber  SBirfung, 
unb  ben  ©runbton  be3  ©anjen  bitbete  jene  tiefe,  ergreifenbe 
SDtelancholie,  melcfje  fo  fefyr  mit  bem  ©emütye  be£  Sollet 
Ijarmonirt. 

Sladj  bem  Sortrage  beä  ©ebid(jte§  eilte  jeher,  ben 
jungen  SirtäuS  ju  begrüben,  3eueiba  aber  fanf  mit  tyrä= 
nenerfüttten  Slugen  an  feine  Sruft  unb  lüfcte  feine  SSange. 

*ßufdj!in  manbte  unmittig  fein  ©efid£)t  ab.  $)afj  eine 
grau  einen  SDtann  füfct,  ift  atterbing£  in  ber  ruffifdjen 
Söfai:  gfrci^eit.  I.  5 


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66 


©efettfdfjaft  angenommener  ©ebrauc§.  ©iet),  ©tjebimin  be~ 
mer!t  bie3  faum  unb  er  t)at  mit  3eneiben  bodj  etmaS  §u 
fdjaffen,  aber  ©ufcfjfin  gefiel  bieä  bodE)  nicf)t.  ®r  beneibete 
Stytejeff.  ®en  ®uf3  fetbft  neibete  er  il)m,  um  tüie  Vtet 
rneljr  atö  ben  5ßrei£  eines  ©ebid&teS,  baS  eben  angefjt  — 
fante  de  mieux. 

„©in  ^errlid^e^  ©ebicf)t!"  fagte  gürft  ©f)ebintin. 
„2Bir  merben  eS  in  einer  SRittion  ©semptaren  in  Subin'S 
®rucferei  brurfen  unb  unter  baS  ©otf  verleiten  taffen." 

,,©ie  Vergeffen,  gürft,"  fc^attete  3eneiba  ein,  „bafe 
unfer  Sott  nicf)t  tefen  fann.  gef)  mürbe  eS  für  ämecfmä&i= 
ger  galten,  baS  ©ebidjt  in  SRufff  fefcen  ju  taffen;  —  ba£ 
Sieb  bringt  rafdfjer  in  baS  ©otf.  ©3  verbreitet  fic§  meiter 
von  getb  5U  getb ;  bie  SRcitjer,  bie  ©dritter,  bie  gul)rteute 
tragen  es  von  ®prf  $u  ®orf,  unb  maS  fie  fingen,  baS 
bteibt  emig.  3n  ben  finnifd^en  ©otMiebern  verblieb  bie 
©efdjidjte  ber  Station,  bie  ©rinnerung  an  itjr  tjiftorifdjeS 
Seben,  ityre  greifet;  biefe  fann  man  nidjt  confiSciren.  ®ie 
SJtarfeiüaife  allein  marb  eine  Strmee  iu  granfreicf)." 

„9Bem  fönnte  man  aber  bie  ntufifalifdje  ©earbeitung 
beS  ©ebidjteS  anvertrauen?"  fragte  ber  gürft. 

„®a  ift  £err  ©ufd^fin,"  fagte  ßeneiba.  ,,©r  fann 
fe^r  fcfyöne  SRetobien  contponiren." 

©ufd()fin  mar  eS,  als  t)ätte  if)n  eine  ®arantet  geftodfjen. 
@r  als  ©omponift  fottte  bie  SRetobie  jum  greipeitS* 
tiebe  Stptejeff'S  machen! 

SRan  fann  ja  bie  Subordination  $u  großer  ©ervotU 
fommnung  bringen.  ©3  fann  gefcpeljen,  baft  ein  ©taatSratlj, 
menn  er  atS  Stationatgarbift  unb  gemeiner  ©otbat  auSrüdt, 
ben  ©efefjlen  feinet  eigenen  $?an$teibiener3  unb  ©orpqjatS 
get)orcf)t;  eS  fann  audfj  gef djef)en,  bafe  ein  ^erjog,  menn  er 
greimaurer  mirb,  ficf)  Vor  einem  ©cfjufter  Verneigt,  meit 
biefer  ber  SReifter  ber  Soge  ift;  aber,  baft  ein  ®ic§ter  pm 
5ßo8m  eines  anbern  ®id£jter3  bie  SRetobie  fd^reibe,  menn 
er  füljtt,  ba&  er  ber  ©äfar  unb  gener  nur  ber  ©ompefuS  : 
—  baS  gehört  $u  ben  Unmögtidjfeiten. 

®iefe  Stöt^e  übergofc  $ßufd£)fin'3  ©efid&t. 


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67 


„(So  t)iel  idfj  meif$,  erftattben  ®e£t  unb  SDtelobie  ber 
SÄarfeiltaife  jugteicfj.  9touget  be  tr3§te  fcfyuf  jugteidfj  bett 
%on  unb  ba3  SBort.  ®a§  !ann  auch  nicht  anberä  fein. 
IKur  ber  Sichter  allein  !ann  bie  richtige  (Stimmung  finben, 
iann  ficij  babei  begeiftem.  Sthtejeffä  ©ebicht  ift  fd)ön,  ift 
prächtig;  bod(j  e$  jünbet  nicht  unb  ermannt  nicht.  §ier  ift 
geuer  oonnöthen!" 

Unb  unbemuftt  fd£)tug  er  an  feine  Sruft,  afö  ob  er 
fagen  motfte  :  „3Ba§  pm  ift." 

„Sßeiftt  bn  ma§,  $ufchfin,"  fagte  $eneiba,  „toenn  bn 
t>iefe  poetifche  ©tut  empfinbeft,  memt  bn  Seffereä  at3  bie* 
■fe^  machen  fannft,  fo  jie^e  Sich  in  jenes  Keine  (Seiten* 
gemach  prüdf,  Su  finbeft  bort  ein  Etaoier  unb  einen  (Schreib* 
tifdfj;  bringe  SeffereS  §u  (Stanbe!" 

5ßnfd^!in  mar  gefangen. 

„SBarum  nid^t?  geh  tuerbe  euch  ein  Sieb  bringen, 
baS  ber  Sauer  nicfjt  erft  jum  Sßopen  tragen  muf$,  baf$  er 
ihm  erftcire,  ma»  baS  bebeute,  bafj  mir  auf  Erben  manbetn?" 

Sei  biefen  SBorten  6Iidtte  er  3eueiba  iit'S  5luge,  unb 
maS  feine  Slicfe  fagten,  barauS  fomtte  man  ben  ©ebanten 
erraten  :  „unb  menn  Su  für  bie  Sfteime  9tytejeff'S  einen 
Äufj  gegeben,  melden  *ßreiS  mirft  Su  mir  fpenben,  menn 
Su  baS  ^örft,  maä  mein  §erj  in  glamtnen  fefcte?" 

Er  ftanb  auf  unb  begab  fidj  in  baS  Sftebengemadh. 
Satb  belehrten  fie  einzelne  Stccorbe,  baf$  er  in  bidfjterifdfjem 
(Schaffen  Vertieft  toar,  unb  barin  famt  man  fich  nicht  unter* 
brechen. 

3eneiba  tooßte  nichts  2lnbereS  erreichen. 

2KS  Sßufdpn  baS  3immer  oertaffen  hatte,  breite  3ene* 
iba  bie  Slontette.  Sie  Snget  btieb  oor  -JlifotauS  Surgenjeff 
ftetjen.  Er  mar  burdf)  baS  SoS  jnm  Sßräfibenten  ber  ^enti* 
gen  Serat^ung  befignirt.  Er  nahm  ben  gauteuit  ein,  ber 
^tehntidhfeit  ^atte  mit  bem  ®fjron  beS  SanfierS  beim 
3tontettefbiet. 

SJtun  50g  gürft  ©tjebimin  einen  feinen,  Keinen  (Statjt* 
fc^tüffet  ^eroor,  ber  in  baS  (Sdfjtüffefloch  unter  einem  jur 
©eite  geflohenen  3Keffingfnobfe  bafjte,  unb  überreichte  ben 

5* 


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68 


Sd)Iüffel  bem  ißräfibenten,  ber  it)n  jmeimat  im  ©Stoffe 
umbret)te. 

hierauf  glitt  bie  fiupferptotte,  auf  »cid)  er  bie  Stoutette 
aufgeftettt  »ar,  auf  bie  anbere  Seite  beg  taugen  Sifcheg. 
Stuf  beut  ißta|e,  ben  fie  big  ba£)iti  bebedt  batte,  tag  bag 
„grüne  Sud)  —  "  bag  echte  „grüne  Sud)“. 

©ine  einzige,  oom  ißtafonb  ^erab£)ängenbe  Sampe 
beteud£)tete  bie  ©eftalten,  toetc^e  in  ihrem  £id)te  erfcf)ienen, 
»ie  "bie  Statuen  eineg  SJlufeumg;  jeber  Bug  ge»anu  fdjar= 
fen  Stugbrud,  in  feiner  Unbetueglidjfeit  ©barafter  unb 
Stimmung  marfirenb,  —  ebenfo  öiele  b'ftorifd)e  ßdjarafter» 
töpfe,  beren  Seftimmung  eg  »ar,  fid)  enttueber  über  bie 
Söller  ju  erheben  unb  üergöttert  ju  »erben,  ober  burch 
ben  gujjtritt  beg  ^enlergfnedjteg  fortgerotlt  ju  »erben. 
Stt  ber  Be*t  ber  ftitten  Steflejion,  bie  ba  geboten  »ar, 
fdjienen  fie  fämmttich  gegenfeitig  ihre  ®efid)ter  ju  ftubieren  : 
mehrere  Uon  ihnen  fallen  fid)  jefd  jum  erften  9Wal  im 
Seben  unb  bergigen  bie  mit  bem  Stide  umfangene  ©eftatt 
mit  ber  oorgeftetlten  ibeaten  gigur.  ®ie  „Sübbünbter“  unb 
ber  „i)ßote"  hatten  einanber  nie  gefehen  Safugtin  hotten 
Mehrere  einmal,  oor  jehn  fahren,  gefannt ;  ba  »ar  biefer 
aber  ein  tebengfroher  Höfling  mit  glattem  ®efid)t;  baooti 
ift  nid)tg  mehr  an  ihm,  —  eg  ift  ein  SBitber,  ber  nur 
lächelt,  »enn  er  fid)  jum  SOtorben  oorbereitet.  Stuf  ben 
ißräfibentenftuht  geftüfjt  fteht  Seoeiba ;  eg  ift  ein  Sitb,  bag 
2tehnlid|feit  hat  mit  ben  Statuen  ber  „Stepubiif",  nur  ba| 
fie  ftatt  beg  gegen  bag  £>erj  gerichteten  ®olcheg  einen  jur 
^utbigung  gefanbten  Slumenftraufj  in  ber  §anb  hält. 
(2luch  bag  ift  nur  ein  ®otdj.) 

Stuwer  Qenen,  bie  »ir  bereitg  befchrieben  hoben, 
»ohnten  biefer  hiftorifdjen  Bafammenfunft  bei :  bie  brei 
Srüber  Seftufeff,  Sürft  ®rube|foi  Dbotengfh,  Sorfofgfi, 
Urbufeff,  ißeftein,  Drtoff,  ®onoüni|in,  Dbojefgfi,  Setfof, 
Sutfin,  Sottenfoff,  SRoftopfd^irt,  Stofen,  Steinfot,  Strfibufeff, 
ütnncntoff,  Dugtofgfi  unb  Sduraüieff  Slpoftol,  ebenfo  oiete 
Sertreter  ber  jerftreut  im  Sunbe  wirfenben  geheimen 
©efeUfdjaften. 


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69 


tRptejeff,  ber  Schriftführer,  öffnete  baS  ©rünbud).  Ser 
Präfibent  forberte  itjn  auf,  bie  Pefcplüffe  ber  lebten  Sifcun  9 
üorjutragen. 

@S  War  bie  Ausarbeitung  eine«  PerfaffungSptaneS 
für  baS  ganje  fRufjtanb.  Xttet  „Ruskaja  Pravda.“ 

SaS  war  eine  repubtitanifche  Perfaffung,  in  weiter 
alle  Proöinjen,  Welche  ber  ruffifdie  Sefpot  311  einem  großen 
SReidje  oereinigte,  atS  fetbftftänbige  Sauber  auferftehen, 
unter  ihren  eigenen  präfibenten,  ©rohrufjtanb,  Kleinruhtanb, 
gimttanb,  Polen,  Siolanb,  Kafan,  Sibirien,  bie  Krim, 
ber  KaufafuS  :  nenn  SRepublifeu  mit  eigener  ^Regierung 
unb  Armee,  Welche  ein  gemeinsames  Sirectorium  jufammen= 
hält,  beffen  6i|  2RoSfau. 

Sie  SRepubli!  brauet  nicht  St.  Petersburg;  Weber 
baS  „St."  nodj  ben  „Peter",  noch  bie  „Purg." 

SaS  SRotto  beS  pianeS  War  : 

grage :  SBirb  ©uropa  in  fünfzig  fahren  repu= 
btüanifch  ober  ruffifdj  fein?" 

Antwort:  „PeibeS!" 

Siefer  plan  ber  Perfaffung  war  mit  ben  Farben 
einer  gtühenben  Phantafie  auSgematt.  gebeS  Sott  $u  be= 
freien  —  unb  bann  alle  freien  Pölfer  ju  üereinigen!  SaS 
eine  oon  bem  Anbern  nicht  ju  erbrüden;  gebem  übertaffen, 
auf  feine  SBeife  gtücftich  ju  Werben,  bie  eigene  Sprache 
unb  bas  eigene  gelb  ju  cuttioiren  unb  einanber  nicht  mehr 
ju  hoffen. 

SaS  War  im  „©rünen  Pudje". 

Ser  ©rfte  nahm  gürft  ©hebimin  baS  SBort. 

„Ser  plan  ift  fd^ön.  Sod)  baS  größte  §inberni§, 
Welches  ber  Befreiung  beS  PoffeS  im  SSege  ftefit,  ift,  bafs 
baS  Polf  nicht  Weih,  bah  eS  nicht  frei  ift.  SBir  müffen 
bamit  anfangen,  bah  wir  eS  auftlären.  UeberfchWemmen 
Wir  baS  ßanb  mit  ben  Katechismen  beS  „freien  SRenfchen" 
ftubiren  Wir  bie  Speciaßeiben  alter  Pölfer  in  ber  Proüinj, 
lernen  Wir  ihr  ©lenb  fennen  unb  gewinnen  wir  fie  für 
bie  greitjeit,  inbent  wir  ihnen  Sanirung  oerfprechen.  @S 
fdhmerjt  baS  Potf,  Wenn  eS  hungert,  Stodprügel  erhält, 


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70 


menn  man  ben  ©ofjn  jum  ©otbaten  nimmt;  aber  bag  3odj, 
bag  ifyrn  ben  Warfen  nieberbrücft,  fennt  eg  nid^t." 

Reffet  martete  unruhig,  ba§  er  f preßen  fönne. 

„Sieber  gürft,  bein  Sßtan  ift  gut  für  benjenigen,  ber 
fünfjig  S^^re  märten  unb  Sartenf)äufer  bauen  fann,  metdje 
auf  ben  Suftpg  einer  Sßjürfpatte  jufammenbred^en.  SBir 
tiaben  nid^t  bie  3e^  ung  mit  bfyitofopljifdfjen  Sßjeorien 
abjugeben.  Stuf  men  mir  rechnen,  bag  ift  bie  Strrnee,  ba& 
ift  ber  Ijotye  Stbet.  SBenn  bie  3Kacf)t  einmal  in  unferen 
$änben  ift,  bann  fönnen  mir  jur  Erdung  beg  Votfeg 
unfere  Verfügungen  treffen.  Sine  bem  Voffe  über  taff  ene 
Vemegung  fann  ja  neuem  5ßugatfef=2lufftanbe  führen." 

„Unb  märe  biefer  fd£)tedf)t?"  fragte  in  Reiferem  Xone 
Salugfin,  inbem  er  aug  einer  Ecfe  in  ben  ®reig  trat. 

„Er  ift  fdjtedfjt,  meit  er  nid^t  organifirt  merben  fann. 
Sßer  unfern  Sßtan  augfül)ren  mitt,  ber  muft  &err  ber  ©itu~ 
ation  bleiben.  Ein  glücEItd^er  3nfurgentencf)ef  märe  in  9tuf$- 
tanb  nictjtg  meiter  mie  ein  neuer  Styrann.  Unfer  Sßt an 
mufc  auf  einmal,  auf  ein  Eornrnanbomort  in  ganj  Stufttanb 
auggefüljrt  merben.  Unb  fobatb  bag  gefcfjetjen  ift,  mirb  jebe 
geheime  ©efeßfd^aft  aufgetöft  merben  unb  mir  fiftiren  jebe 
Verfdfjmörung.  Unb  eine  fo  oerfjafste  Aufgabe  Ijeute  bie 
poti^eitictje  Spionage  ift,  atg  ein  fo  ebter  Veruf  mufj  fie 
in  ßufunft  betrautet  merben.  lieber  SRann  bon  Efjarafter, 
jeber  freie  SJtann  unb  jeber  Patriot  tnu§  ftotj  barauf  fein, 
-«ein  Sßotiaeicommiffär  ber  greifjeit  ju  fein.  2lß’  bag  mufc 
fid^  mie  mit  einem  3auberfct)tage  oofl^ietjen." 

„Unb  mag  macpft  ®u  mäprenb  beg  ßauberfcfßageg  mit 
bem  E$ar  unb  ben  ©rofcfürften?"  fragte  gafugfin  mit 
falter  Ironie. 

„SBir  machen  fie  $u  (befangenen,  fefcen  fie  auf  ein 
Ärieggfcpiff  unb  fd^icfen  fie  in  bie  neue  SBett." 

„3a  —  in  bie  —  anbere  SBett!  Stuf  Efjaron’g 
©ctjiffe!"  freifd^te  perborbrecpenb  ber  faufafifctje  ©otbat.  Unb 
babei  trat  er  an  ben  Xifcf)  unb  ftemmte  feine  gauft  auf 
benfetben.  „§ört  3f)t,  ©efanbte  beg  ©übeng  unb  beg  9lor= 
beng,  Sötitgtieber  ber  Xugenbbereine  unb  3Bot)tfaprtgcomit6g, 


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71 


gljr  fpielt  alle  ein  falfcheS  ©piel  —  gljr  betrügt  euch  felbft. 
Stuf  bie  grage,  bie  ic£)  gefeilt  habe,  gibt  eS  nur  eine  9lnt= 
mort :  iljre  21  f  che  in  alle  SSinbe  ju  [treuen !  —  gef)  bin 
lein  Sinb,  wie  gljr.  gef)  bin  nidjt  (lieber  gefommen  unb 
habe  nicpt  2000  SBerft  jurücfgelegt,  bamit  tcf»  Sure  pfjilo= 
fophifchen  Betrachtungen  ju  ©nbe  höre,  fonbern  um  ju 
hanbeln." 

Stplejeff  unterbrach  itjn  mit  ruhigem  ©rnft. 

,,ga  wohl.  ®u  tüirft  hanbeln  mie  bie  SDtehrheit  be= 
fhliefjt." 

®em  mitben  Stieger  brang  bei  biefem  DrbnungSruf 
baS  Blut  jum  Sopfe. 

„£örft  bu,  fR^tejeff,  ich  mar  auch  einmal  ein  fo  junger 
SDtenfcf)  mie  ®u  bift :  eS  ift  noch  gar  nicht  lange  her.  2lu<h 
ich  h°^e  geglaubt,  eS  genüge,  gut  ju  fein,  um  bie  ganje 
SEBett  ju  terbeffern.  geh  hatte  eine  fo  fdjöne  Braut,  mie 
®u  heuEe  eine  haf-  33)  war  Dfficier  in  ber  ©arbe  unb 
mit  jwanjig  fahren  mürbe  ich  in  jeljn  (Gefechten  auSge= 
jeichnet.  Unb  meifjt  ®u,  maS  mit  mir  gefhaf)?  2lm  Bor» 
abenb  meiner  #ochjeit  ftahl  mir  2lraftSejeff’S  ©of)n  bie 
Braut;  ein  ni<htSnu|er  Burfdhe,  ber  fief)  ben  ©übel  noch 
nicht  umgürten  fonnte,  unb  mir  hoch  jum  Dberfen  gegeben 
Würbe.  g<h  forberte  ihn  auf  Seben  unb  2ob  heraus,  unb 
ber  geige,  ftatt  ber  perauSforberung  golge  ju  leifteii, 
benuncirte  mich  bem  ©jaren  unb  id)  mürbe  in  ben  Sau= 
lafuS  Oerbannt.  2ltS  id),  bie  .pötte  im  perjen,  ton  ber 
©tabt  2lbfdjieb  nahm,  mar  baS  legte  Bilb,  baS  ich  fah/ 
ein  aus  bem  SBaffer  gejogeneS  ÜRäbchen,  baS  man  tobt  ju 
mir  brachte :  meine  Braut,  geh  füfjte  fie.  geh  fühle  noch 
je|t  bie  Sälte  biefeS  SußeS  auf  ben  Sippen.  Unb  ich  merbe 
fie  folange  fühlen,  bis  fie  baS  Blut  nidht  löfcljt,  nach  mel= 
dhem  ich  fannibatifd)  ledjje.  Betraute  einmal  in  ©jarSfoje 
3elo  baS  große  prädhtig  gemalte  ©<hta<htenbilb.  hinter 
bem  ©jaren  fiehft  bu  einen  güngling  auf  bäumenbem 
Stoffe,  einen  güngling,  ber  hDCh  feinen  ©übel  fdhmingt, 
beffen  ©efidjt  tom  Triumphe,  ton  Xreue  leuchtet.  $aS 
mar  idh!  —  $ie  gafre  haben  bie  Begeiferung  terbrängt; 


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72 


aber  beit  ©äbet  fdjwinge  id)  nod)  immer  über  feinem 
fpaupte." 

„Unb  id)  h°ffe,  baff  e3  aud)  fo  bleiben  Wirb,  ewig 
gefdhwungen,  wie  auf  bem  gemalten  Silbe." 

„SIber  er  wirb  nicht  fo  bleiben!"  rief  3afuä!tn  heftig; 
„ich  fdiwöre  eS  bei  bem  Teufel,  ben  fie  mir  in  baS  |>erj 
gefdhidt  haben  at§  beffen  ftänbigen  Sewohner,  baf?  id>  auf 
nichts  SlnbereS  tjöre,  wie  auf  meine  ewige  SRadjc.  3hr  !önnt 
bie  grünen  Sücfjer  öoüfcEjreiben  mit  Sefdhlüffcn;  mein  @nt= . 
fchtufj  ift  ba!" 

$amit  fdtjwang  er  ben  Sinn,  ein  in  feinem  tttodärmet 
Verborgener  ®oId)  glitt  in  feine  $anb  unb  erglänzte  not 
ber  ©efettfdhaft. 

Sft^tejeff  forang  entfett  Dom  ißta^e  auf,  rift  aus  feiner 
©eitentafdie  eine  'ßiftolc  unb  richtete  fie  auf  bie  Srnft 
galuSfin’S. 

„Unb  ich  fdfwöre  $ir,  ba|  id)  $)idh  auf  ber  ©teile 
nieberfcf)ief?e,  wenn  ®u  $idh  gegen  unfere  ©efe|e  auf» 
tcljnft." 

„9hm  fo  fdhiefje  midi)  nieber!  ®a  her  fdhiefje,  ®nabe!" 
brüllte  Satuäfin,  inbem  er  fein  ©eWanb  jerrifj  unb  bie  ent» 
blöfjte  Srnft  ber  ißiftole  entgegen  ftredte.  „Seme  bon  mir, 
Wie  man  fterben  muff." 

„®ef)ord)e,  gafuSfin!"  — ,,9iimm  bein  SBort  jurüdf!" 
riefen  SKetjrcre  unb  liefen  herbei,  um  ben  SEBüthenben  ju 
beruhigen. 

„gd)  jietie  e§  nicht  jurüd!  geig  feib  ghr  Sitte!  gdtj 
Witt,  bafj  er  mid)  erfdjiefje!'-  rief  ber  witbe  SRenfdh  unb 
ftiefj  heftig  bie  gntcröenirenben  jurüd. 

„Sfleine  Herren!"  fpracf)  ficf)  erljebenb  ®rijfanoW3f9, 
ber  fßole. 

„©rfdhiefje  mid)!"  brüllte  gafuSlin,  ununterbrochen 
ben  ®otch  fdjwingenb. 

3)a  rifj  geneiba  au£  ben  Souquet,  ba§  fie  in  ber 
fpanb  hielt,  eine  URuSfatfihacinthe  unb  warf  fie  bem  SBütljen» 
ben  an  bie  ©tirne. 

Unb  ber  abgehärtete  SOlann,  ben  bie  glintenluget  nie» 


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73 


tnafe  erfdjredte,  !am  burd)  biefeä  fdjerjbafte  Srojectit  fo 
in  Sermirrung,  bafe  er  ben  ®ofd)  fallen  liefe  unb  mit  ber 
4?anb  na  cf)  ber  ©time  griff. 

darüber  ging  ein  ftifleä  Sacfjen  burd)  bie  ©efeflfdjaft. 

Seüor  gafuätin  baä  entfallene  SJieffer  f)ätte  wieber 
aufljeben  tonnen,  mar  bereits  geneiba  neben  if)tn,  feob  ben 
®otd)  oon  ber  Srbe  auf,  reifte  if)m  benfetben  unb  ftricf) 
ifem  fcfemeidjetnb  über  ben  Satt. 

„Sieber  greunb,  fei  böftid)!  Unfer  (Saft  Srijfanomöft), 
ber  ®elegirte  ber  potnifdjen  „Kosyniery“  miß  fpredjen. 
fpören  mir  ifen  an.  Unb  bann  tege  Sein  Stafirjeug  fort!" 

gatuöfin  beruhigte  fidj.  $iefem  einen  SBeibe  mar  eS 
bereite  fo  oft  gelungen,  bie  tjeftigften  Debatten  beijulegen, 
menn  nur  nod)  ba8  Sine  fehlte,  bafe  bie  Ifjeilnefjmer  ber 
SBeratfeung  mit  ben  SSaffen  in  ber  fpanb  einanber  an  ben 
Seib  gingen. 

Srijfanom3ft)  tjiett  bie  3Rüfee  in  ber  $anb  unb 
begann : 

„SDteine  Herren!  gef)  oerlaffe  ®uc£).  3 d)  miß  über  ben 
©egenftanb,  ben  gfjr  erörtert,  nidjt  bebattiren  unb  bie  93e= 
fdjfufefaffung  barüber  marte  icfj  nid)t  ab.  gef)  miß  bie 
grage,  ob  ber  £>errfcfjer  ermorbet  merben  foß,  gar  nidjt 
fjören,  gefcfemeige  benn  micf)  bem  Sefdßufe  untermerfen. 
deinem  oon  Sud)  liegt  eine  fo  fernere  Stage  auf  ber 
Sunge,  brennt  ein  fo  heftiger  ©cfjmerj  im  fperjen  mie  mir. 
3Ba§  tfjat  euer  )perrfd)er,  atö  Sönig,  mit  eurem  Sanbe? 
Sr  befreite  eS  oon  ben  Sr oberungen  ber  gremben,  macfjte 
eS  grofe  unb  mächtig,  ermarb  neue  Sänber  baju.  2Ba8  tfeat 
er  atä  SDtenfd)  mit  eurem  Sötte!  Sr  gab  ifem  Sßofjtteben 
unb  S£Biffenfd)aft;  jebem  ®orfe  baute  er  eine  ©cfjute.  303er 
ift  euer  £>errfcf)er?  Sine  fd)öne  ©eete  in  einem  frönen 
Sörper  —  ber  fcf)önfte  ßRann  in  Suropa,  mie  ßtapoteon 
jagte.  Unb  fein  §erj  ift  fo  gut,  mie  e§  fein  Slntlifc  erra= 
tfeen  täfet.  Unb  maö  ba§  SemerfenStoertfiefte :  in  jebem 
feiner  gefeter,  in  jebem  feiner  ©efüfete  ift  er  ein  echter 
SRufje.  ©ein  Serbredjen  ift  üor  Such  nur,  bafe  er  ber  Sjar 
ift.  Unb  baS  fdjeint  Sud)  genug  Serbredjen,  bamit  er 


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74 


fterbe.  —  Unb  waä  ift  mein  §errfcfecr,  ber  SBruber  be§ 
©jar§,  Konftantin?  Sin  SJtonftrum,  in  beffen  Stnttife  bie 
Statur  wunberbar  ba§  ©ntfebticfee  mit  bem  ßäcfeerticben 
paarte,  unb  feinen  feäfelicfeen  3ügen  entfprecfeen  bie  feäfetidjen 
Stimmungen  in  feiner  Seele.  @r  ift  fo,  wie  er  un§  er» 
fdieint :  graufam  unb  täcfeerticfe.  3«  meiner  ganjen,  ungtüd* 
lidEjen  Station  gibt  e§  fein  füEjtenbeS  fjerj,  baä  er  nicfet 
oerte^t  batte,  feine  Koftbarfeit,  feine  Steliquie,  feinen  Settet* 
Pfennig,  ben  er  it)r  nicfet  genommen  hätte.  —  Slber  barum 
Wirb  fein  ißote  feinen  fperrfcfjer  meucfelerifcfe  ermorben. 
Unfere  §anb  ift  an  ba£  Schwert  gewöhnt,  ber  ®otcfe  pafet 
nicfet  ju  ihr.  —  ©nttaffen  Sie  micfe  oon  I)ier  :  icfe  will  nacfe 
$aufe  geben.  —  !gcfe  fam  in  bem  ©tauben  feiefeer,  baf?  icb 
hier  fampfbereite  tpetben  finben  werbe,  bie.  Wenn  bie  ge* 
eignete  3eit  gefommen,  ficfe  in  bie  Scbtacbtorbnung  ftetten 
unb  ihren  Unterbrüdern  ben  Krieg  erflären  Werben,  wie 
wir  e§  tbun,  bie  in  offenem  gelbe  fämpfen,  wie  wir,  unb 
in  efertidfeer  Scfetadfet  e§  entfdE»eiben,  auf  Weffen  Seite  bie 
©eredjtigfeit  ftefet.  ®iefe  fucbjte  ich  ^ier.  Stuf  meiner  Steife, 
als  ich  oon  SBarfcfeau  bi§  jum  Stjemen  Wanberte,  fcfeob 
man  tor  mir  feer  meinen  Vorgänger,  ben  rufemrei<feen 
SSaterian  SufaSinäfi,  ben  Serratfe  ber  SJtacfet  über* 
lieferte,  ©r  war  mein  SSerwanbter,  —  mein  greunb  — 
unb  mein  güferer  —  War  mir  breifacfe  tbeuer.  SJtan  unter* 
jog  ib«  jeber  Slrt  p^tjfifd^er  unb  feelifdjer  Qual,  bamit  er 
bie  .Biele  unb  bie  i^eitnef(mer  ber  SJerfcfewörung  oerratbe. 
SJtan  fonnte  fein  SSort  au§  ihm  beraub  bringen.  Konftantin 
fetbft  nahm  bem  genfer  bie  Sßeitfd^e  au§  ber  frnnb  unb 
lehrte  ihn  bie  Steigerung  feines  marternben  fjanbwerfcä. 
9113  2ufa3in3fi  jufammengebrocfeen  war,  fein  SJtenfcb  mehr, 
nur  eine  au3  feunbert  SSunben  btutenbe  SJtaffe  oon  gteifcfe 
unb  Knocfeen,  tiefe  ifeit  ber  SBicefönig  an  eine  Kanonen* 
taffete  binben,  unb  biefe  nocfe  atbmenben  menf(blicben 
ge|en  tiefe  er  in  bie  ©efangenfcfeaft  fdfeleppen  jur  fearten 
SEBinterSgeit.  !gcfe  folgte  feinen  Spuren,  ©r  tiefe  StutStro* 
pfen  im  Scfenee  hinter  ficfe  jurüd.  igcfe  fammette  biefe 
gefrorenen  ©igtropfen  auf  feinem  SB  ege  unb  gab  fie  in 


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75 


einen  9tetiquienf)ätter.  Ser  Fimmel  erbarmte  fid£)  beS 
Seibenben  :  er  ftarb  auf  ber  Steife.  gm  @ife  be§  Stjemen 
braten  fie  ein  2od)  unb  warfen  if»n  hinein.  Sie  Stuten 
fdjwemmten  if)n  fort.  —  gef)  weife,  bafe  icf)  itjm  nachfotge 
unb  bafe  and)  mir  fo  gefdhetjett  mirb.  —  Sarum  wirb  mich 
aber  Weber  baö  SRachegefühl  nodt)  bie  gurdjt  baju  bewegen, 
bafe  id)  meinen  fperrfdjer  auö  einem  §interhatt,  meuchterifd), 
öon  riidwärtö,  ober  wenn  er  fcfetäft,  ober  wenn  er  fniet 
unb  betet,  ermorbe!  —  StiematS  War  ©ott  mit  bem 
äReudjetmorb.  Ser  Sold),  ber  Säfar  nieberftacfe,  öffnete  baS 
Stjor  ben  ©atigutaö  unb  £>etiogabatuö.  Slber  SBittietm  Seit 
fagte  e§  ©efeter  in’ö  ©efidht  :  „SDtit  biefent  ißfeite  werbe 
ich  Sid)  töbten;  fd)ü§e  Sic§,  Wie  Su  fannft!"  geh  tfeue 
'ebenfo.  SSenn  bie  3eit  fommen  wirb,  werbe  id)  meinem 
geinbe  ben  Stieg  erttären,  unb  Wenn  mid)  ©ott  mit  if)tn 
auf  bem  ©chtadjtfetbe  jufammenführt,  Wirb  ©iner  ben 
Slnbern  töbten.  Slber  fo  lange,  alö  id)  mid)  jur  offenen 
©djtadht  nicht  ftart  genug  fütjte,  wirb  micf»  feine  SSebrücfung, 
feine  ©raufamfeit  unb  feine  pf)antaftifd|e  Schwärmerei 
baju  öerteiten,  burdj  einen  unjeitgemäfeen  Slufftanb  ben 
©trief  nod)  fefter  anjiefjen  ju  taffen,  ben  id)  jerteifeen  will. 
Sure  ißläne  finb  mtjeitgemäfe,  unreif,  ofjne  ©runbtage. 
Sie  oerberben,  aber  bauen  nicht  auf.  geh  erfenne 
fie  unb  fnityfe  ben  unfern  nicht  baran.  Safet  mid)  nach 
tpaufe!" 

ißeftet  ergriff  bie  §anb  be§  iß  ölen  unb  f)ielt  ihn 
jurüd. 

„Su  fannft  oon  f)ier  niefjt  fort.  Su  bift  noch  oon  nidjtö 
unterrichtet.  SBaö  Su  oortefen  hörteft,  war  nur  eine  fcf)Wad)e, 
afabemifdje  Slbhanbtung.  2 öaö  biefer  SBüttjenbe  fprad),  War 
nur  baö  SBort  einer  wahnfinnigen  Seibenfdjaft.  2luch  id) 
fcfireibe  nidht  auf  meinen  ©dE)itb  :  „Streut  ihre  2lfd)e  in  bie 
Sßinbe!"  nidht,  Weit  mein  öerj  baüon  erbeben  würbe;  aber 
Weit  idt)  Weife,  baö  fotch’  ein  SBort  unfere  fämmttidhen  ©efett= 
fdhaften  jerftreuen  würbe,  wie  einen  Storb  gtaumen.  Saö 
SSotf  fetbft  würbe  fid)  gegen  unö  feferen.  Ser  Stoffe  ift  ja 
baS  ©ebet  für  ben  Sparen  unb  bie  ©rofefürften  Sebürfnife, 


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unb  Wenn  ber  ißope  eg  einmal  »ergäbe,  mürben  fie  tfjn  atg 
Äe|er  erfcfjtagen.  SSenn  td)  bie  ©olbaten  frage :  „Sßollt  3;f)r 
bie  Dtepublif?"  antmorten  fie  baranf :  „ÜBenn  ber  ©jar  eg 
befiehlt,  ja."  SBir  muffen  bie  ©adje  bei  bem  Seime  beginnen; 
mir  fönnen  SRiemanben  erfcEjrecfen.  Stur  ber  erfte  Stritt  ift 
ferner,  bie  anberen  madjen  fid)  fetbft.  Sltfo  fetjren  mir  bafjin 
jurüd,  mo  un§  SafuSfin  unterbrochen  f)at,  unb  ®u,  Sri= 
äfanomgft),  nimm  mieber  beinen  ©la|  ein.  —  ®on  ber  ®nt= 
fernung  be§  ©jaren  nnb  ber  ©rofjfürften  ift  bie  Siebe.  9lur 
ton  ber  (Entfernung,  ©lögen  fie  nad)  9lmerifa  geljen.  ®ort 
Ijat  Stufjlanb  nod)  ein  fdjöneg  S3efi|tt)um;  bort  fönnen  fie 
regieren.  9lber  baju  müfjt  3f)r  $olen  auch  Ijilfreidje  §anb 
bieten.  ®enn  mag  nü|t  eg  ung,  menn  mir  bie  brei  ©rüber 
l)ier  einfdjiffen,  mäljrenb  ber  oierte  ©ruber,  Sonftantiu,  ber 
nad)  ben  ffunbamentalgefe|en  nad)  Sllejanber  unmittelbar 
ben  Xljron  befteigt,  frei  in  SBarfdjau  bleibt?" 

„©Renten  mir  ung  reinen  SBein  ein,  ißeftel,"  antmortete 
Ärijfanomgft).  „SSir  ißolen  rnaren,  fo  lange  mir  auf  ber  SBelt 
finb,  immer  baju  gut,  für  bag  23of)t  SInberer  ju  bluten,  ©agt 
mir,  mag  mit  ung  gefdjief)t,  menn  eg  gelingt,  ung  üon  ber 
regierenben  §errfd)erfamilie  ju  befreien?" 

„9Kad)t  aug  ©ölen  eine  SRepublif!" 

„9lber  biefc  polnifd)c  Slepublif  mirb  bocf)  immer  ein  Xtjeil 
fein  beg  grofjen  ruffidien  SteidjeS ;  ebenfo  mie  Siötanb  ober 
jjteinrufjlanb,  unb  über  ung  bleibt  noch  immer  ^emanb,  ein 
■fjaupt,  bag  fjerr  ift  über  alle  neun  Slepublifen,  oon  bem 
id)  nicht  meifj,  melden  SRamen  eg  tragen  unb  meld)e  ©ladjt 
eg  befi|en  mirb?  ®enn  icf)  fd)toöre  ®ir,  id)  münfd)e  nid)t 
bie  jjreiljeit,  bamit  meine  Station  babei  bcrloren  gehe." 

®ie  tiefe  ©tiHe  oerrietf),  bajs  ber  ©ote  ben  klaget  auf 
ben  Stopf  getroffen  fjatte. 

®a  ftanben  fie  Oerlegen! 

Stifolaug  Xurgenjeff,  ber  ©räfibent,  ergriff  nun  bag 
UBort. 

,,©ei  beruhigt,  Srijfanomgfp,  bag  gaupt  ber  SRcpublif, 
bag  über  ben  neun  Slepublifen  ftefien  mirb,  mirb  fein  9luto= 
trat  fein,  fein  Xpramt  unter  anberem  Xitel." 


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77 


„SSaS  bcttn?" 

„5E)a§,  Wa§  eö  fein  muß:  „Un  präsident  sans 
phrase  s.“ 

Sie  Sonberfation  fanb  in  franjöfifcger  Spraye  ftatt. 

Siefe  bier  SS  orte  fofteten  Surgenjeff  beinahe  fein  ganjeä 
SSefigtgum  unb  feinen  Stopf ! 

3«  bemfetben  Stugenbtide,  !aum  baß  er  bie  SBorte  au3= 
gefprodgen  t)atte,  glitt  ptögtid)  bie  SRoutette  auf  igren  Sßtag 
juriid  fammt  ber  Supferplatte  unb  oerbedte  ba§  grüne  S8ucg 
—  unb  bie  S£güre  öffnete  fid) . 

Supferptatte  unb  Sgüre  Ratten  eine  ftug  conftruirte 
SRafcgincrie.  SSar  ba§  grüne  58udg  geöffnet  unb  öffnete  audf 
Semanb  bie  äußere  Sfgüre,  fo  gtitt  bie  SRoutette  rafd)  auf 
igren  Sßtag. 

$er  cintretenbe  SRitter  ©atban  f)örte  nidjt  mehr  als  bie 
bier  testen  SSorte  üon  SRitotauö  SXurgenjeff  unb  fal)  nicf)t§ 
Weiter  t>or  fid),  toie  eine  ©pietgefettfcgaft.  ®er  SBantgeber 
luicberf) otte  noch  einmal :  r.  Je  suis  un  president  sans 
phrases;  tnessieurs,  faites  vos  jeux!“  Sin  ©pieter,  ber 
Sßote,  fte£)t  ergrimmt  üom  Sßtage  auf :  „Merci,  Monsieur, 
c’en  etait  assez !  “  Sin  Slnberer,  ^atusfin,  trodnet  fid)  ben 
©dgwciß  bon  ber  ©tirne  unb  f erlägt  auf  ben  Sifcg :  „  J’ai 
tont  perdu!“ 

SBie  bei  einer  Wahrhaftigen  SRoutette. 

®ie  tlebrigen  fegen  fattbtütig  ihre  Setbpäcfcgen  auf  bie 
Sagten  unb  thun,  atö  ob  fie  ben  neuen  Stntömmting  gar 
nicht  bemerten  würben. 

SRur  bie  Hausfrau  beeitt  fid),  ihn  ju  begrüben. 

„Sch  Wir  gewiß,  baß  ©ie  unfere  gögte  finben  Werben. 
®iefen  Sßtag  gäbe  ich  3hnen  referöirt." 

„@ie  oerbinben  mieg  fetjr  bamit,  meine  Söttin;  heute 
muß  ich  befonbereö  Stüd  im  ©piete  haben,  nachbem  icg  in 
ber  ßiebe  gerabe  entgegengefegte  Sgancen  gatte." 

„SSie  baä?  Sft  3gnen  etwa  bie  fegöne  Sitaniga 
entflogen?" 

„Au  contraire;  fie  ift  eingefegtafen.  Sin  Echec,  wie 
et  mir  noeg  nie  paffirte." 


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78 


3eneiba  fidferte  laut,  unb  man  tonnte  unter  ber  SRaSte 
biefeS  Samens  bie  Slufregung  nid)t  erraten,  bon  ber  fie 
ergriffen  toar. 

©ie  erriett),  bajj  man  Diabotfa  einen  ©djtaftrunt  ge» 
geben  f)atte. 

„9iun  bann,  &  moitie.  Spielen  ©ie  mit  mir  auf 
gemeinfamen  ©etoinnft  unb  Serluft." 

Stüter  ©atban  nafjm  baS  Stnerbieten  an  unb  fejjte 
fid)  auf  ben  angejeigten  fßtafc.  3^neiba  fe|te  fid)  auf  ben 
2lrnt  beS  gauteuüS. 

Das  ift  atfo  mirttid)  eine  ©pietgefeHfd)aft,  unb  baS 
ift  mirftidj  ein  Stoutettetifcf) ! 

Da  ift  baS  griine  Sud)  nid)t! 

©in  fingerbideS  Sörett  trennte  ifjn  baoon!  @r  ftii|te 
ben  SIrm  barauf. 

Da  toirb  nur  ein  polizeiliches  Verbot  gebroden;  unb 
baS  ift  ertaubt.  Die  unterbrüdten  SBünfcfje  miiffen  fid) 
irgenbmo  ßuft  machen :  —  beffer  auf  moratifdjem  ©ebiete, 
atS  auf  bem  ber  ißotitif. 

Slud)  ift  nidjtS  SefonbereS  baran,  bafj  StifotauS 
Durgenjeff  fetbft  bie  SRoutetteban!  t)ätt.  ©8  tann  Semanb 
bei  esprit  fein,  ein  grofjer  ©djriftftetter,  $t)itofop£)  unb 
fßf)iIantf)rop  unb  babei  ßeibenfcfjaften  fjaben,  ein  ©tüdS» 
fpieler  fein,  ©elbft  Slapoteon  mar  baS. 

SItS  ba§  ©pict  am  flotteften  ging,  tritt  plö^tidf  aus 
einem  ©eitengemacfie  ißufcf)fin  mit  gerötetem  ©eficft  in  ben 
©pietfaat  unb,  offne  bie  ©efeftfdjaft  anjubtiden,  ruft  er  in 
triumpfjirenbem  Don : 

„Da8  Sieb  ift  fertig!" 

Die  ©pieter  btidten  fämmtticf)  erbebenb  $u  it)m  auf. 

Se|t  mirb  er  Stiles  Betragen ! 

©S  mar  ein  ©tüd,  bag  feine  Stugen,  menn  fie  aud) 
Stiemanben  faffen,  bod)  geneiba  fugten. 

Die  Dame,  bie  auf  bem  Strme  beS  gauteuitS  fafj,  in 
bem  ©atban  tßtafc  genommen  tjatte,  mieS  mit  ben  Süden 
auf  ben  Stitter. 

ißufd)fin  bemerfte  ifjn. 


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79 


„Bo  Ijöreit  mir  ba§  idjöne  Sieb!**  jagte  Sitter  ©alban, 
mit  ben  oor  fid)  angebauften  ©olbftuden  fpielenb. 

$ufchfin  erbleichte  für  einen  Moment.  6r  ftarrte  ihn 
an.  3)attn  griff  er  in  bie  SfrufttaidK  feinet  Sode*.  SlfleS  blicfte 
bebenb  auf  ihn.  SS aS  mirb  er  beTOorjiehen?  Sietteicht  baS 
burdj  ihn  componirte  greibeitSüeb?  Unb  mirb  er  eS  bem  Sitter 
©alban  beclamiren  ober  $u  feiner  grgö^ung  oorftngen.  Dber 
mirb  er  baS  h^o^ben,  maS  jeber  Serfchmörer  auf  ber  ©ruft 
trägt,  menn  er  tanjt  unb  menn  er  trinft,  ba£  fcharfe  ©tilet, 
unb  mirb  im  nächften  SRoment  ber  SSerräther  bereits  nieber= 
geftofjen  fein? 

@r  50g  einen  <ßad  *ßapiere  hertor.  Unb  bann  lächelte 
er  baju. 

„®a  ift,  maS  ich  nerfprochen  habe!  5)ie  Somanje  Don 
bem  „frönen  Sigeunermäbchen."  SSottt  3hr  fte  fyoxtn?" 
(Statt  beS  greiheitStiebeS  eine  Somanje!) 

SBarum  nicht?  Um  einem  peinlichen  Auftritt  ein  ®nbe 
ju  machen,  mar  baS  baS  SMügfte,  StmaS  oorjulefen :  maS  immer, 
baft  fidh  inbeffen  Sämann  öon  feiner  ©rregung  befreien 
unb  fammeln  fönne. 

Slber  baS  mar  nicht  „maS  immer". 

©obalb  5ßufchfin  begonnen  hatte,  mar  Sitter  Slufmerf= 
famfeit  gefeffelt.  SltteS  in  biefem  ©ebichte  mahr  ftrahlenb 
unb  hinrciftenb;  bie  orginetten  ©ebanfen,  bie  hodjaufftre* 
benben  3foeen,  baS  geuer,  ber  SluSbrud  milber  Seibenfchaft, 
fiihner  ©ebanfengang  unb  prächtige  ©chilberung,  unb  babei 
melcher  ungefiinftelte  StnSbrud,  melche  natürliche  ®in= 
fachheit! 


SBie  ber  alte  Siegeunerhäuptting  ben  SSörber 
feiner  Softer  oerjagt: 

„2)u  ftoljer  Sttenfdj,  öerlüff’  an»  jefct, 

SBilb  fino  mir,  Jennen  nicht  ©efefce, 

2)enn  mir  $erfleifdjen,  ftrafcn  nidjt. 

Söir  motten  meber  $3lut  noch  ©eufeer, 

2)och  teinen  ttftörber  halben  mir. 


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80 


gür  raufteS  (Sd&icffal  nid&t  geboren, 

SBerlangfi  2)u  greiljeit  nur  für  2)id); 

Unb  jcfjrecfüd)  ift  un3  Deine  @timme. 

Stur  fd)üd)teTn  ftnb  toir,  aber  gut, 

2)o db  2)u  bift  böö  unb  füfjn  —  brum  fließe! 

Seb*  toofjl!  2>od)  griebe  fei  mit  Sir." 

Stiemanb  fannte  biefe3  ©ebid^t  $ufd)fin’8.  —  2lfö  er 
ju  ©nbe  mar,  lief  $eneiba  $u  ifjm  uttb  brüdtc  ihm  beibe  £änbe. 

Unb  einen  ®uß  gab  fie  ihm  nicht,  tüie  Dorhin  Stytejeff. 
Stein.  2lber  mehr  al§  ba§  —  ihre  St)ränen  flößen.  ©in 
Suß  ift  U>oE)IfeiI ;  bie  Shräne  ift  treuer. 

Sie  gan$e  ©dhaar  ber  ©erfdhmörer,  oergeffenb  grünet 
©udh  unb  ©erfaffung,  beeilte  fidj,  ^en  toaxm  ju 

begrüßen,  ber  plöfclid}  tuie  ein  dornet,  menn  ber  Sßinb  bie 
SBoIfen  Dom  £immel  oertreibt,  bort  ftanb  im  Dollen  (Glanze, 
feine  Slntunft  nicht  Dorier  Oerfünbenb. 

Stitter  (Galban  fah  ein,  baß  ba3  feine  ©erfdhmörer 
maren;  ba$  mar  eine  feine  (Gefellfchaft,  bie  fieß  gerne  unter¬ 
hält,  fpielt  unb  an  geiftigen  (Genüffen  beraufd^t,  meldhe  — 
e§  ift  mahr  —  fämmtlidf)  oerboten  finb  in  Stußlanb,  me$- 
halb  man  fich  bamit  Derber  gen  muß. 

„Par  exemple,  folche  (GebidEjtc  ließe  man  in  einem 
anberen  Sanbe  bruefen,  unb  bie  hatte  S33ett  mürbe  ben 
Stamen  ihre§  ©erfafferä  lernten." 

„Summe  fRebe!"  fagte  *ßufdhfin,  meldhen  bie  ©dhmei* 
dhelei  aufbrachte.  „SBeißt  Su  nidht,  baß  bei  un§  bie  Summ* 
heit  eine  ©ottheit  ift,  bie  ihren  Slftar  hat;  ber  9lttar  hat 
einen  Sßriefter,  unb  ber  Stame  biefeö  *ßriefter8  ift  „©enfor". 

Ser  ©enfor! 

9lllgemeine§  ©eläd^ter  begleitete  ben  treffenben  ©a$. 

Ser  ©enfor  gehört  and)  bort  ju  ben  ftereottypen 
•Dtarionetten. 

SRitter  (Galban  ergriff  bie  (Gelegenheit,  um  fein  Salent 
al3  Agent  provocateur  $ur  (Geltung  $u  bringen. 

„3a,  Messieus  et  Madame,  ber  ©enfor  ift  bei  un$  ein 
unentbehrlidheS  Uebel.  ©ie  merben  ja  miffen,  baß  bie  ©jarin 
Katharina  II.  einmal  auf  ba§  Srängen  ihrer  ©eiehrten 


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81 


geftattet,  baß  vollftänbige  Preßfreiheit  herrfcße  in  SRußtanb  — 
auf  brci  Sage!  2Ran  merbe  bann  an  ber  Probe  fchen,  maS 
ber  Saunt  für  grüßte  tragen  tonnte!  SRun  mürbe  man 
benfen,  baß  an  biefen  brei  Sagen  bie  greiheitSlieber  fich 
beeilten,  aus  ber  @rbe  ju  frieren,  mie  bie  verborgen  gehaltenen 
Pracßtmerfe  unb  bie  verbotenen  pftil of opt)if d|cn  5lbhanb= 
langen.  SaS  traten  aber  nur  bie  gemeinen  Pasquille  unb  bie 
fchmußigen  ©efcßichten.  Sie  Srudereien  überflogen  von  einem 
Strome  gegen  ^ßerfönlidjf eiten  unb  gamilien  gerichteter, 
abf(heulicher  Serleumbungen,  —  fo  baß  bereite  am  jmeiten 
Sage  ber  Preßfreiheit  alle  SBelt  flehenb  §ur  Kjarin  !am, 
baß  fie  geftatte,  ber  Preßfreiheit  brüten  Sag  abjufchaffen 
unb  bie  Senfur  mieber  herauftellen. w 

ÜRiemanb  hielt  eS  für  räthlich,  ben  ßingemorfenen  §anb* 
fdhuh  auf^unehmen,  nur  Pufcßtin  tonnte  fi<h  nicht  bedingen. 
@in  Sinter  fann  es  nicht  bulben,  baß  man  bie  preßfrei* 
heit  vor  ihm  vergotte. 

„SBeißt  Su,  ©alban,  tvenn  idh  Semanbem,  ber  ben 
SBein  noch  nicht  tennt,  fagen  mürbe,  er  möge  foften,  ma$ 
brei  Sage  nach  ber  Sefe  burch  ba§  Spunbloch  be$  gaffet 
herauSftrömt,  ber  mürbe  barauf  fchmören,  baß  cS  teine 
etelhaftere  Schlampe  gebe  in  ber  SBelt,  als  ben  SBein/' 

„Messieurs,  je  suis  un  pr6sident  sans  phrases.  Le 
dernier  jeul“  ließ  fiel)  bie  Stimme  beS  SantgeberS  ver* 
nehmen,  baS  heüle  ©efpräch  unterbrechenb. 

@S  mar  auch  an  ber  3eit,  baS  Spiel  ju  befcpließen; 
benn  menn  Stifter  ©alban  bis  fünf  Uhr  Borgens  biefen 
Palaft  nicht  verließ,  hatte  bie  Polizei  bie  Shore  erbrochen 
unb  Sille  verhaftet. 

Sie  Roulette  lief  jum  lebten  SDtale  im  Greife,  Stifter 
©alban  hatte  fecßS  taufenb  vierhunbert  Stubel  gemonnen, 
baS  tßeilte  er  höflich  mit  ßeneiba. 

Sann  nad)  bem  ufueßen,  ceremonieöen  2lbfd)ieb  trennte 
er  fich  von  ber  ©efellfchaft. 

Sie  Burüdgebtiebenen  blidten  fich  gegenfeitig  an. 

SaS  mußte  Sebermann,  baß  biefeS  SRoulettefpiet  nur 
eine  Heuchelei  mar.  Somofjl  bie  San!  mie  bie  Spieler 

SJölai:  gfrei^eit.  I.  6 


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82 


ftreuten  ßeneiben’S  ©etb  untrer;  fcbliefjlicb  gewarnt  unb 
Bcrlor  fftiemanb.  Darum  täfelten  Sitte  jo  fettfam,  bafj 
©alban  Bon  bem  ©elbe  3eneibcn’S  einen  ijßacf  gewann  unb 
nodj  galant  täfelte,  at§  er  biefe§  mit  ihr  Reifte. 

Slber  ßeneiben’ä  ©eficbt  leuchtete  oom  Driumpbe,  fie 
hob  baS  Souquet  mit  bem  Demantengriffe,  wetdjen  fie  in 
bet  $anb  hielt,  empor  unb  ftüfterte  im  Done  befriedigter 
SButb: 

„Je  le  payais.“ 

SRitter  ©atban  erhielt  ben  fßreiS  ber  Diamanten,  otjne 
baf;  er  bemertt  Ijatte,  baf?  er  if)m  nacfjgetoorfen  würbe. 


X. 

j£om  58of (^nsbuff  Bis  put  f:^eergefianft. 

5Racf)bem  bie  ©efeltfcbaft  fic£)  überzeugt  batte,  bafj  fich 
©alban  wirtlich  entfernt  batte,  fpracb  heftet : 

„Da§,  3br  $erren  Sojaren,  War  fe^r  fcEjön  (ich  meine 
nämlich  bie  SRomanje),  aber  icb  benfe,  bafj  wir  getommen 
finb,  um  non  einanber  noch  anbere  Dinge  ju  bören;  nicht 
wahr,  Setter  ÄrijfanowSfi?" 

Der  potnifcbe  ©betmann  jucfte  bie  Slcbfeln. 

„3d|  habe  nichts  mehr  ju  fagen."  (Dennoch  jog  er  aus 
feiner  Dafcbe  bie  unoermeiblicbe  äReerfcbaumpfeife  mit  bem 
DabafSbeutet  unb  jänbete  ficb  eine  an,  Was  in  ber  „morgen» 
tänbifcben  DabafSfpracbe"  foöiel  fagen  wiö,  als :  i<h  möchte 
Wobt  fprecben,  wenn  i<b  einige  Seute,  bie  mir  Berbäditig  Bor» 
tommen,  oon  hier  auSräuchern  tönnte.) 

3eneiba  oerftanb  ihn  unb  ftüfterte  SR^tejeff  etWaS 
in'S  Dtjr. 

„Sa,  Wobt,“  erwieberte  hierauf  fRgtejeff.  „§öten  wir  ba8 
greibeitstieb  unfereS  IfSufchtiit.  SBabrticb,  bie  WunberooHe 
fltomanje,  Welche  Du  uns  oorgetefen,  berechtigt  unS,  Dich 
unferen  DqrtäuS  ju  nennen.  .  .  .  Stiemal,  feit  ®bron  •  •  •" 


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83 


ißufcfefin  tiefe  ifjtt  beit  ©afe  nicfet  ooltenben.  ®ag  2  ob 
Sradjte  itjn  in  Sutfe.  ®ag  ift  Wie  ein  @cfeut=Drben  für 
©tfeüter;  ber  Heine  ©tubent,  ber  für  ben  erften  gelungenen 
SBerg  belobt  toirb,  trägt  bag  Sob  um  ben  §atg  gelängt  im 
®riumpfe  nacfe  $aufe,  aber  ben  gottbegnabeten  Siebter  barfft 
®u  nie  in’g  ©ejlcfet  toben.  @r  füfett  eg  wofei,  bafe  er  ®idfe 
bejWungen  f>at,  brum  fage  eg  ifem  nicf)t;  —  bift  ®u  eine 
grau,  toirf  ifem  eine  93tume  nacfe,  bift  ®u  ein  SJiamt, 
brüde  ifem  bie  !panb;  aber  fage  ifem  ja  niematö,  bafe  fein 
©ebiefet  fifeön  toar,  benn  bamit  oertreibft  ®u  ifen.  Somit 
man  ifen  aber  am  efeeften  oertreiben  fann,  bag  ift,  Wenn 
ifen  ein  ®icfeicrcolIege  tobt!  „Genus  irritabile  yatum!“ 
„•Kein,  ifer  Herren!"  rief  mit  Oor  gorn  treifefeenber 
©timme  ber  ®icfeter.  „®iefeg  ©ebiefet  ift  nic£>t  für  ©uefe;  — 
bag  oerträgt  fiefe  nicfet  mit  üDtofcfeugbuft,  fonbem  brauet 
fEfeeergeftan!  unb  Sabafgquatm.  Komm,  QaluSlirt,  gefeen 
Wir  bamit  in  irgenb  eine  Sineipe,  bort  ift  bie  9ltmofpfeäre 
bafür." 

gafugfin  fprang  auf  unb  reifte  bem  ®idjter  bie  fjanb. 
,,©ut!  ©efeen  Wir  jur  „93ären!eule"!" 

„©efeen  wir!" 

®ie  ©efetlfcfeaft  feiett  fie  nicfet  jurüd. 
ßwifefeen  ben  beiben  Spüren  tonnte  man  noefe  bie  gort* 
fefeung  ifereg  ©efpräcfeeg  feören. 

„Kefenten  Wir  auefe  ®iabotfa  mit?"  fpraefe  gatugtin. 
„9lu <fe  reifet,  ©uefe  fie  auf!" 

„®ag  SRäbdfeen  ift  irgenbwo  eingefefetafen,  iefe  werbe  fie 
in’g  Seben  jurüdrufen." 

Stuf  biefe  Seife  pflegte  man  fiefe  feier  oon  ber  ^augfrau 
ju  oerabfefeieben. 

3eneiba  ging  ifenen  jeboefe  nacfe  unb  oertiefe  bag  3immer. 
„gefet  tannft  ®u  reben,"  fpraefe  rafefe  fßeftet  ju  ®rijfa= 
nowgti.  „SBieCteidfet  feat  ®idfe  bie  Stnmefenfeeit  ber  grau  genirt. 
$aft  ®u  ung  noefe  etwag  mitjutfeeiten?" 

„^a",  erwiberte  ber  5ßote.  ,,2lber  nidfet  bie  Stnwefenfeeit 
ber  grau  feiett  miefe  jurüd,  o  nein !  grauen  wiffen  ©efeeim* 
niffe  gar  Wofet  ju  Waferen,  wenn  fie  SSerfcfeworne  finb.  Seaena 

6* 


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84 


hat  ihre  3un8e  abgebiffeit,  um  ihre  9Ritverfdhmornen  nicht 
gu  verraten,  als  man  fie  auf  bie  gotter  fpannte.  ©eitler 
ift  auch  bie  jungenlofe  Sömin  baS  ©innbilb  ber  Ser* 
fc^tuiegenf>eit.  Df),  ich  rechne  fefjr  auf  bie  grauen.  3a, 
icf)  merbe  fogar  bie  3tüdfef)r  3ene^a^  ermatten,  um  gu 
fpredf)en;  menn  fie  nur  jene  beiben  Slnbefen  nid)t  mieber 
gurüdbringt." 

„9Ki|traueft  ®u  ihnen?" 

„Stein.  Slber  idE)  mag  fie  nid)t  leiben,  ©ei  Serfdjmö* 
rungen  finb  bie  abfidf)tlidE)en  ©errätfjer  nicht  bie  ©efäljrlidjften. 
®rei  ffltenfdhen  fürdE)te  ich  am  meiften  :  ben  feigen,  ben  eigen* 
finnigen  unb  ben  pijantaften.  Unter  biefen  ift  ber  Sefctere  ber 
©efährlichfte,  benn  er  betrügt  fidh  felbft  unb  berietet  falfdj. 
©r  f)ört  einen  betrunfenen  ©auern  fluchen  unb  berietet, 
baft  eine  revolutionäre  Stimmung  herrfdf)t!  aus  einem 
Seferteur  macht  er  ein  Regiment;  unb  er  glaubt  an  baS, 
maS  if)m  feine  Phantafie  vorgemalt  f)at;  unb  ^at  er  fid) 
ben  ®opf  mit  revolutionären  Schriften  vollgepfropft,  bann 
hält  er  fid)  für  StobeSpierre  unb  fief)t  einen  Petersburger 
9Kufd)i!  für  einen  Parifer  Sansculotten  an.  3ur  ©onfpi* 
ration  braucht  man  feine  Phantafie,  bagu  braucht  man 
Serftanb  unb  UrtheilSfraft,  SÖtit  biefen  beiben  SDtenfchen 
liebe  ich  eS  nicht  gu  beratschlagen.  ®er  eine  ift  ein  Starr 
unb  ber  anbere  ift  ein  dichter." 

Peftel  rifc  ben  Polen  an  bent  f)erabl)ängenben  Slermel 
feines  StodeS. 

„©eleibige  fR^Iejeff  nicht." 

„D,  Stplejjeff,  baS  ift  maS  SlnbereS;  er  macht  correcte 
©erfe  —  gang  fehlerfrei;  er  mißt  feine  ©ebanfen  in  fo 
richtigen  Jamben  unb  2ro<f)äen  ab,  mie  man  baS  ®om  mit 
©ufhelS  unb  $fdf)etmerten  abmifct.  ©r  ift  $err  über  feine 
Phantafie,  nicht  biefe  über  ihn/' 

Stplejeff  mar  ©efdjäftsführer  ber  amerifanifchen  ©e* 
treibegefellfchaft,  unb  ba§  er  nicht  fo  fehr  $i<hter  als  ©efdjäftS* 
mann  mar,  bemieS  er  bamit,  baft  er  baS  Kompliment,  meines 
ebenfo  gut  eine  ©eleibigung  mar,  mit  einem  guftimmenben 
Sädheln  entgegennahm. 


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5)ie  ©efetlfdjaft  erf)ob  fid)  oom  Sifdje  unb  löfte  fic % 
in  Heinere  ©rupfen  auf,  um  bie  $ftüdfef)r  geneiba’S  ab^u* 
toarten. 

Stylejeff  unb  Äriafanomsfi  $ogen  fid)  in  einen  SBinfet 
$urüd.  $er  Sßote  bemühte  fid)  mittelft  feiner  pfeife  bi d)te 
SBoIfen  um  fid)  §u  fammetn,  als  hielte  er  bie  ftarren  3üge 
feines  ©efidjteS  für  eine  nod)  ju  burd)fid)tige  URaSfe,  unb 
bamit  Sliemanb  if)n  befrage,  fing  er  ju  fragen  an. 

,,3d)  möchte  gerne  ©ineS  non  ®ir  erfahren.  3)er  2luS* 
gaugSpunft  jebeS  großen  3i*fe3  ift  ein  Heiner  ©goiSmuS. 
®ie  greiljeit :  —  nun,  baS  ift  bie  Sonne ;  aber  ber  $ßrioat= 
jmed,  baS  ift  bie  ©rbe.  2luf  biefer  manbeln  mir.  StoS 
megen  abftracter  Segriffe  t)at  man  nod)  nie  einen  neuen  3^5 
abfdjnitt  begonnen.  $0lein  ^ßrinatjmed  bebarf  feiner  ©rflcU 
rung,  er  ift  in  jmei  SBorten  gefagt :  id)  bin  ein  5ßoIe.  ®aS 
ift  genügenber  Soben  für  meine  beiben  güfce.  gräutein 
Stmerinen  ift  eine  ginnlänberin,  unb  id)  glaube,  baS  ift  aud) 
ein  genügenber  Semeggrunb.  befürchte  nidjt,  baft  ifjr  ®opf 
fdjminbfid)  merbe  in  jenen  glänjenben  Legionen,  mo  man  fie 
mit  ©rängen  unb  diamanten  umgibt.  begreife  aud)  ®ei* 
neu  ^rinatjmed.  &u  liebft  beine  SRacc,  fiefjft,  mie  fef)r  biefelbe 
gegen  bie  anberen  Nationen  gurüdgeblieben  ift,  unb  mödjteft 
fie  ju  benfelbeu  emportjeben.  3d)  fenne  aud)  5ßeftefS  Sßri* 
tmtjmed.  @r  f)at  einen  unenblid)en  ©I^rgei^.  ©r  ntödjte  bie 
erfte  Sßerfon  eines  neu  gu  grünbenben  Staates  merben.  ®aS 
ift  eine  breite  SafiS.  Sein  gufc  ru£)t  auf  einem  mafjren 
sßiebeftat.  Sie  Uebrigen  finb  übergangene  ©apacitäten,  bie 
bie  ©emegung  mit  gtän^enben  SRoüen  lodt.  Sann  ift  f)ier 
ber  Styoftet  9Jturamieff.  Sen  f)ält  aud)  ein  oätertid)eS  ©er- 
mädjtnifc,  oon  meinem  er  fid)  nidjt  loSfagen  fann.  Sßufdjfin 
ift  Oertiebt  in  3^neiba,  baS  ift  audj  fixerer  ©oben.  Ser  oer= 
rüdte  ^afuSfin  miß  fid)  rächen,  baS  ift  ebenfalls  eine 
bertäftlidje  2eibenfd)aft,  auf  bie  fann  man  bauen.  Sen 
maderen  Surgenjeff  feffett  feine  puritanifdfje  9led)tfd)affen= 
tjeit  an  uns.  ©r  ift  feit  feiner  früf)eften  Qugenb  ber 
©orfämpfer  ber  Srei^eitSibeen,  fd)on  feit  feiner  Semibecem= 
Oirenjeit.  Siefe  eiferne  ©f)renf)aftigfeit  töfst  fid^  in  feine 


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onbcre  gorm  untgiefjen,  efier  jerbridjt  fte.  Stur  bie  Slnwefen* 
heit  eines  einzigen  SOienfcfien  hier  fann  ich  mir  nicht  ertlären, 
baS  ift  bie  beS  £erjogS  ©fjebimin.  Er  ift  SJtitglieb  einer 
ber  jwölf  attruffifchen  Dinaftemgamitien.  ©eine  Sefijjungen 
finb  fo  ungeheuer,  baff  er  feine  Eintünfte  auf  ruffifdhem 
23 oben  nicht  ju  oerjehren  öermag.  Sei  fpofe  nimmt  er  ben 
ljöchften  Dfdjin  (ruffidje  Stangftufe)  ein,  ein  feiner,  gtänjen» 
ber,  gefeierter  Eaöatier,  ber  bei  einer  Umwäljung,  Wie  ghr 
fie  plant,  nichts  gewinnen,  SltteS  öerlieren  tann.  SBaS  fucf)t 
ber  in  biefer  ©efetlfchaft?  2öetd>e§  gntereffe  t»at  er  baran, 
SJtitglieb  biefer  Serfdjwörung  ju  fein?" 

„Unter  uns  Stilen  bat  gerabe  er  bas  gewidjtigfte  gnte* 
reffe!  Die  Erinnerung  an  eine  unöerfötjnlicfje  Seleibigung. 
Denn  eS  ift  eine  perföntidfe  Seleibigung.  Du  fennft  ben 
Ejar.  Du  weifjt,  baff  ihm,  als  SJtenfcIjen,  Stiemanb  geinb 
ift.  ©elbft  gafuSfin  hafjt  in  ihm  nur  ben  Ejar,  nicht  ben 
Stenfchen.  feerjog  ©hebimin  ift  ber  Einzige,  ber  ihm  als 
SJtaitn  bem  Spanne  gegenüberfteljt.  Der  Ejar  hat  fe^r  jung 
geheiratet.  Er  nahm  eine  fränftidje  grau,  ©eine  Sauber 
ftarben  frühseitig.  Er  würbe  gegen  feine  grau  !alt  unb  fudf»te 
in  einer  neuen  Seibenfchaft  Erfafc.  Die  einjige,  ihrer  ©<hön= 
heit  wegen  weit  berühmte  Docfiter  einer  twrnehmen  gamitie 
gewährte  ihm  biefen.  DaS  unerlaubte  Serhättnifj  hatte  golgen: 
ein  Stäbchen.  Die  Sache  würbe  feljr  geheim  gehalten.  Die 
junge  $erjogin  reifte  als  Stäbchen  nach  gtalien  unb  fehrte 
als  Stäbchen  öon  ba  wieber  jurücf.  Salb  barauf  heiratete  fie 
ben  $erjog  ©hebimin.  Unterbeffen  Wuchs  in  gtalien  eine 
Jungfrau  heran  unter  bem  Ditel  einer  ^erjogin  Sophie 
Starifdjlin,  bie  man  in  ihrem  14.  gafjre  nach  @t.  Petersburg 
brachte.  Sticht  ihre  Stutter,  fonbern  ihr  Sater  brachte  fie.  DaS 
Stäbchen  wohnt  in  einem  öon  einem  ©arten  umgebenen 
fpaufe  in  ber  Sorftabt,  Wo  fie  ihr  Sater  häufig  befudjt ;  — 
ihre  SOtutter  aber  niemals.  Der  Sater  öergöttert  baS  Stäb= 
chen,  baS  überbieS  noch  fränflicf)  ift,  bie  SOtutter  hafst  eS. 
Der  Sater  ift  ber  Ejar,  bie  SOtutter  bie  gürftin  ©hebimin. 
©pürft  Du  nun,  WaS  ben  gürften  ©hebimin  ju  uns  bringt?" 

„ga,  tennt  er  benn  biefeS  ©eheimnifj?" 


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„Ob  er  e§  fennt?  SSir  fentten  eS  ja  9fHe." 

„®arauS  folgt  nodj  nidjt,  baß  audj  ber  ©atte  eä  fenne. 
©rwäge  bod)  tooljl.  SBelcfjeä  menfdjlidfje  Sßefen  fönnte  oor 
einen  folgen  SWann  tote  gürft  ©fjebitnin  Eintreten,  um  iljm 
eine  fcfjimpflidje  läRittfjeitung  über  feine  fürftlidje  ©emalin 
ju  tnadjen?  gür  ein  foldjeS  SBort  rnirb  ber  Untergebene 
gepeitfdfjt,  ber  (Ebenbürtige  erfdjoffen.  Krämer  lönnen  gegen» 
fettig  ißre  Sßeiber  benunciren,  ©entlemen  nidfjt.  S33er  foHte 
bie§  ©jjebintin  gefagt  fjaben?" 

„Sßer  fonft  als  feine  ©eliebte?  gft  nicfjt  Beneiba  bie 
©eliebte  beS  gürften  unb  fjat  fie  nidjt  taufenb  ©rünbe,  ben 
gürften  über  bie  Sdjanbe  feiner  grau  aufjuftären?" 

„©laub  baS  nidjt;  fie  fjat  e$  nidjt  getfjan!  ®u  fennft 
gräulein  Bcneiba  nidjt,  idj  fenne  fie.  tßor  SlHent  glaube  icfj 
nidE>t,  baß  fie  bie  ©eliebte  ©fjebitnin'S  fei.  Ober,  wenn  fie 
ifjn  liebt,  bann  liebt  fie  ifjn  Waljrfjaft,  nidjt  nadfj  2lrt  ber 
SRinon  be  r©nclo8.  gcfj  glaube  aber,  baff  fie  eilten  Slnbern 
liebt,  unb  glaube,  baff  fie  biefe  ßeibenfdjaft  ju  befjerrfdfjen 
Weiß.  SiefeS  S33eib  ift  fäfjig,  ber  SBeradjtung  ber  ganjen 
833elt  Xro$  ju  bieten,  aber  fie  bermödjte  nidjt  ^u  ertragen, 
baß  fie  fid)  felbft  teradjten  müffe.  Unb  bem  ©eliebten  baS 
SSeib  beS  ©eliebten  ju  benunciren  —  bag  ift  ein  Bug,  ber 
nur  einer  Hetäre  anfteljt.  gfjr  mißt  nidjt  mit  toem  gilt  ju 
tfjun  fjabt!  3)iefeS  SSeib  treibt  fein  Spiel  mit  ©udfj.  gfjr 
feib  lauter  Sdfjadjfiguren :  ber  ©ine  ein  Üfjurm,  ber  Slnbere 
ein  ßäufer,  ber  dritte  ein  Springer.  HRöglicf),  bafj  ©fjebi» 
min  unter  ©ucfj  Sdfjacfj=König  ift,  aber  Bcneiba  ift  nicfjt  bie 
Sdjadj=Köttigin.  Sie  fpielt  bie  Partie." 

„Unb  ®u  fjaft  bodj  fo  oiel  83ertrauen,  um  ®idfj  ifjr  ju 
nähern." 

-  „ga,  benn  idj  bin  ifjr  Partner!" 

....  ®ie  SRoulettefuget  f reifte,  gemanb  förnmt.  geber 

eilte  auf  feinen  fßla| .  . 

Unb  Krijfanorosfi  fjatte  baS  fjöfjnifdje  ßädfjeln  nicfjt 
Berbient,  mit  meinem  IRpIejeff  fein  „großeg  833ort"  ftiH 
beantwortete.  ®enn  e§  mar  in  ber  Xljat  ein  großes  853ort : 
„gfjr  Uebrigen  feib  nur  bie  Sdjadjfiguren,  mir  beibe 


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finb  bie  ©djachfpieler,"  —  aber  eS  war  fo.  ®ie  Uebrigen 
faßen  nur  einzelne  3üge :  fie  93eibe  faßen  bte  ganje  Partie. 

Srijfanowsfi  patte  aucf)  fepr  gut  gemerft,  —  obgleich 
er  tßat,  als  fäf>e  er  eS  nicpt  —  mit  meid)’  ängftiicßer  S3eforg= 
niß  3eneiba  bemüht  toar,  ißufcßfin  Bon  bem  gefäßrlicßen 
Schachbrett  ju  entfernen.  (Sin  fotc^er  Sopf  ift  ju  foftbar  für 
einen  „ißion".  SBieüeicßt  ift  er  einer  ganjen  Station,  ber 
ganzen  SBelt  ju  treuer,  —  gewiß  ift  er  es  biefer  grau. 

Sie  pat  ißn  oon  ba  mit  SBeißraucß  Oerjagt,  wie  ben 
2eufel,  unb  nun  ift  fie  ißm  nachgegangen,  baß  er  ja  nicpt 
jurüdfeßre.  Sie  Weiß,  baß  bie  Söpfe  aller  Sener,  bie  an 
biefer  Seratßung  tßeilneßmen,  bem  genfer  BerfaHen  finb, 
Wenn  bie  Partie  Berloren  geht  —  unb  s4?ufct)tin'ä  .paupt 
barf  nicpt  barunter  fein. 

Unb  bodj  haben  bie  $icßter  ißre  Schrullen.  SBemt 
unterwegs  gafuSfin  oerratßen  foüte,  weich’  öerßängnißooHe 
SBeratßung  am  3touiette=2ifcf)e  3eneiba’S  gehalten  Wirb,  fo 
wirb  ber  5Reij  ber  ©efaßr  ißufdjfin  jurüdfüßren.  SBenn  er 
erfährt,  baß  nidjt  mehr  Bon  einer  afabemifdjen  $iScuffion, 
fonbern  Bon*  einem  SriegSratß  bie  fftebe  fei,  bann  Wirb  er 
bie  Spüre  einbrechen,  um  baran  tpeiljunehmen. 

3eßt  aber  fcßmotlt  ißufcßfin  noch.  SBäprenb  gafuSfin 
Bon  ©abinet  ju  ©abinet  eilte,  um  DiaboHa  ju  fuchen,  warf 
er  fid)  auf  ein  Soppa  im  ißalmenpain,  unb  wenn  eine 
Saccßantin  ßerbeifam,  um  ißn  ju  fißetn,  ba  fd^Ing  er  Ber= 
brießüdß  nacß  riidwärtS  unb  rief : 

„Saß  mich  >«  9tuße,  icß  ntag  $icß  nicht!" 

„Slucß  rnid)  nicht?"  frug  plößlicß  eine  befannte  Stimme, 
bet  beren  Slang  er  in  einer  anberen  SBelt  ju  erwachen  glaubte. 

3eneiba  fegt  fich  ju  ihm  auf’S  Ruhebett  unb  fragt  ihn : 

„3ürnft  3)u  mir?" 

„©eftep  eS  nur :  $u  h°ft  IRplejeff  baju  bewogen,  baß 
er  mid)  infultire." 

„SBomit,  mein  greunb?" 

„ÜJtich  foü  Sftiemanb  SBpron  nennen!  geh  bin  ißufcßfin 
ober  TOemanb.  9Jtan  mag  fagen,  meine  ißoefte  fei  ruffifeßer 
ScßnopS,  ber  in  bie  Sftafe  fteigt,  aber  9?iemanb  barf  fagen, 


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89 


fie  fei  ber  äbgufj  eines  engtifdjen  3^ee§.  geh  mog  ein  Heiner 
ßögel  fein,  ober  ich  werbe  niemals  ein  ÜRiniatur-^imbo- 
raffo  fein.  Unb  boS‘  haft  Su  SRtjlejeff  jugeflüftert!" 

„3a,  ich-" 

„Um  mich  non  hier  ju  oerjagen?" 

„Um  Siel)  ju  Derjogen!" 

„3<h  bin  nic^t  Wertf>,  an  ber  ©efeflfdjaft  ber  Sojaren 
theitjunehmen?" 

„2BaS  fümmern  mich  bie  Sojaren  unb  bie  ganje 
„Szojusz  blagadenztoga“  ?  3d)  gebe  ihnen  Unterftanb  — 
unb  bofto!" 

„Unb  bin  i dj  nicht  merth,  am  geuer  beiner  äugen  ju 
Derbrennen?" 

„Su  mirft  baoon  gu  ©iS." 

„Sift  Su  fo  fatt?" 

„2Bie  baS  Ulorblicht." 

„$aft  Su  fein  $erj?" 

„9ladj  ber  Slnatomie  habe  ich  eines,  aber  eS  hat  an= 
bere  gunctionen,  atS  bie  dichter  ihm  jufd)  reiben.  SaS= 
jenige,  WoDon  Su  fpridjft,  hat'nadj  ©all  im  Sdjäbeltheil 
9fr.  27  ber  ^»rnmaffe  feinen  Si|  —  unb  ber  ift  bei  mir 
nicht  entwidett." 

„Söbte  mich  nicht  mit  Seiner  Phrenologie;  Su  Weifjt, 
toaS  bie  Siebe  ift ...  ." 

„3dj  weift  eS  baS  Sünbnift  eines  Sprannen  mit  einem 
©claüen." 

„Sei  Su  ber  Sprattn,  ich  werbe  ber  Sclaüe  fein." 

„ÜRit  biefem  SEBorte  finb  fo  Diele  grauen  betrogen 
tuorben,  als  eS  Sanbförner  am  ÜJfeereSftranbe  gibt." 

„geh  fdjwöre  Sir  bei  ©ott :  mein  Seben,  meine  Seele 
gehören  Sir." 

„Sei  toetchem  ©otte  fdjwörft  Su?  —  Sei  SenuS,  bie 
felbft  flatterhaft  ift?  Sei  Slflah,  ber  bem  SEBeibe  feine  Seele 
gegeben  unb  baS  §erj  beS  SBlanneS  in  Dier  Sheile  geteilt; 
bei  Srahma,  ber  bie  äBitwe  auf  ben  Scheiterhaufen  führt; 
bei  QehoDah,  ber  bie  ©he  eingeführt,  noch  beDor  er  einen 
Sßriefter  gefefjaffen,  —  ober  etwa  bei  bem  grofteit  ÄoSmoS?!" 


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„StichtS  @cf)recf{icf)ere§,  als  ein  SBeib,  baS  philofopf)irt!" 

„®eShalb  tfjue  id)  eS." 

„$u  töbteft  alle  fßoefie  bamit." 

„So  rebe  in  fßrofa." 

,,©ut  benn,  ici)  oertange  nicht  oor  ®ir,  id)  gebe.  3$ 
gebe  ®ir  meine  Seele,  meine  $?anb,  meinen  9tamen!" 

„91 d),  beinen  Flamen!  —  ®aS  ift  ein  grofteS  SEBort. 
Einem  SRäbdjen  »nie  id)  gibt  man  Sffriflanten,  Sßferbe,  Villen, 
aber  mer  mir  feinen  Spanien  liefje,  baS  Wäre  ein  Weiher  Stabe. 
Unb  bodj  ift  berDtame  tag  foftbarfte  ©efdjmeibe.  So  lange 
id)  feinen  foldjen  Slawen  bjabe,  bin  id)  feine  ehrbare  grau. 
SEBenn  icf)  Ijeute  meinen  $au§f)ofmeifter  heirate,  bin  i <h 
morgen  fdjon  ehrbar.  —  ®er  arme  gute  Sogumil  ahnt  gar 
nicht,  baf?  in  feinen  ißefjf)anbfd)ulfen  auf? er  feinen  rottjen 
gäuften  aucf)  nodj  meine  Ehre  ftecft.  ®u  wiöft  mir  atfo  beinen 
Flamen  geben?  ®en  Stauten,  ber  bisher  nocf)  nirgenbs 
getrieben  ftetjt,  als  auf  prolongirten  9ESecf)feIn  unb  Schönten* 
tf)üren  ?  ®u  2d)or;  bann  würbe  man  niicf)  nocf)  immer  nidjt 
„grau  «ßufc^fin"  fjeiffen,  fonbern  ®u  Wareft  „£>err  glmari= 
nen".  9Benn  aber  einft  ®eftt  Stame  ftatt  oon  ber  ®reibe  beS 
@d)änfenwirtf)e§  in  ber  glammenfchrift  beS  Sturmes  gefd)rieben 
Wirb,  wirft  ®u  if)it  aud)  bann  ttod)  gn  einen  anberen  Flamen 
f  impfen  Wollen,  beffen  jeber  einzelne  Sudjftabe  beftedt  warb 
öon  ..." 

„93on  ber  Serleumbung!  unterbrach  fie  fßufdjfin  heftig. 

„Sie  ift  nur  gerecht.  9Kan  faun  oon  mir  nichts  fo 
Schlechtes  fagen,  als  bah  '<h  eS  nicht  fetbft  noch  ergänzen  fönnte. 
Sch  bin  egoiftifdj,  gefühllos.  3<h  glaube  nicht  an  ©ott,  noch 
an  Eh«;  93egriffSberwirrungen  finb  beibe,  bie  einanber 
wiberfpredjen,  je  nadibent  bie  ethnographischen  S3erhältniffe 
Wechfeln.  ©ut  ift,  WaS  bem  9Jlenfd)en  wbf)tthut.  Xugenb 
ift  ®h°rf>eit.  ®ie  guten  SRenfdjen  bienen  nur  baju,  bah  bie 
klugen  ihr  Spiet  mit  ihnen  treiben." 

„Sprich  nicht  fo !"  rief  fßufcfjfin;  „Wenn  ich  ®idj  fo  reb’en 
höre,  fommft  ®u  mir  oor,  als  würbeft  ®u  bein  ©efidjt  freu} 
unb  quer  mit  hählichen  tfarben  befdjmteren." 

■  (®aS  War  ja  auch  ber  Seruf  biefeS  ®eficf)teS.) 


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91 


3eneiba  jog  baä  f)erabgerutfcf)te  ®Ieib  über  ißre  ruitben 
Sputtern. 

„*u  toiHft  mid)  nidjt  alä  Soldje  fetjen,  bie  id)  bin.  !$d) 
bebaute,  üermag  ober  nidjt  ju  täufdien.  ©ießft  *u,  luetd;e 
ißradjt  mid)  umgibt?  SBeißt  *u,  rootjer  91Ü  bie§  fommt? 
SBitlft  *u,  baß  id)  bas  9llle3  uerlaffe?  SBofiir?" 

„gür  eine  anbere  SBett,  oor  beren  ©rad|t  91  üeS,  was 
*u  um  *id)  fießft,  ju  ©taub  mirb.  —  *ie  SBett,  in  bie  id) 
®idj  führen  wid,  ift  üon  pracf)ü  olleren  ißaläften  erfüllt,  als 
bie  *einige.  ©ie  ift  ba§  ©arabieS!" 

,,©d)affe  *>ir  eine  anbere  ©Pa.  SBenn  id)  *id)  liebte, 
mürbe  id;  $idj  mit  meiner  @iferfud)t  töbten,  —  Wenn  id) 
$idj  nid)t  liebte,  mit  ber  beinigen.  Seilte  mit  ber  einen, 
morgen  mit  ber  anbern,  benn  meine  Saunen  finb  jügeüoä; 
id)  teiuie  fein  ©efefc,  feinen  ©ib,  feine  ©djanbe.  ©et),  rette 
*id)  uor  mir!  gefct  Wirft  $u  nur  ju  ©i§;  Warte  nid)t 
ab,  bi§  ®u  in  glommen  aufgefjft.  9Jtid)  befiel  nur.  Wer 
mid)  nicfjt  liebt!" 

„@itel  Süge,  wa§  ®u  fprid^ft,  oon  9lnfang  bi§  ju  ©nbe. 
*u  wiüft  ntid;  üon  *ir  entfernen,  bamit  id)  an  ber  Ser= 
fd)Wörung  nid)t  tfjeilnefpne !  *u  Ijältft  mid;  beffen  nid;t 
Würbig,  baß  id)  mit  meinen  rutjmbollen  greunben  jufammen 
unfergelje.  Saß'  mid)  prüd  ju  il;nen!" 

„93on  Wetter  ©erfdjwöruitg  fpridjft  *u?"  fragte 
3eneiba,  ©rftaunen  l)eudjelnb.  „*ie  brinnen  beraten  je|t 
barüber,  wie  man  bie  „SDläßigfeitg=93ereine"  nad;  ameri= 
tanifdjem  SKufter  in  Slußlanb  einfütjren  fömtte,  bamit  bem 
©ranntweintrinfen  ein  ©nbe  gemalt  werbe.  9Son  Umfturj* 
©leinen  ift  in  meinem  §aufe  feine  Siebe,  ©laubft  *u  etwa, 
baß  bie  „Sammerfängerin  be§  ©jar",  ber  ©ünftling  be§ 
4?ofe§,  Wenn  fie  erführe,  baß  eine  ©onfpiration  gegen  ißren 
ßoßen  ©rotector  geplant  wirb,  ficf)  nid)t  beeilen  würbe,  fidj 
baburcß  ben  SBeg  $u  einer  ©rafenfrone  ju  ebnen?" 

„©inen  SBeg  ...  ben  bie  ©djäbel  itjrer  guten  greunbe 
bejeidjnen?" 

"Wun,  ja." 

„©ein,  *u  würbeft  ba3  nicf)t  tfjun?" 


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92 


, ,28er  weife?  3<fe  feabe  feine  Seele  unb  glaube  nicht, 
bafe  ein  Slnberer  eine  habe.  2tn  eine  fünftige  SBelt  glaube  icfj 
nicfet;  icfe  ^atte  fie  für  unmöglich,  barunt  gebraute  ich  biefe 
SBelt  fo,  bafe  eg  mir  in  ifjr  wof)lergebe." 

„Hub  wenn  eg  einmal  fo  fäme,  baff  eg  ©ir  fcfelintm 
ergebt?" 

,,©ann  würbe  icfe  ber  (Srbe  wiebergeben,  Wag  ber  @rbe 
ift.  ®ie  gäbet  öon  bem  ißbönij:  bat  einen  tiefen  Sinn.  SBenn 
er  füfelt,  bafe  er  fein  ©efieber  abgenüfet,  bann  tterwanbelt 
er  ficfe  in  Slfcfee.  Unter  allen  Spieren  bat  ber  SJtenfdfe  ba§ 
Stecfet  ju  beftimmen,  wie  fang  er  leben  fott." 

ißufdfefin  fucfete  aug  biefen  gebeimnifetoollen  ®eficfetg= 
jügen  feeraugjutefen,  wag  oon  SlÜbem  wahr  fei. 

Sefet  nabt  fitb  3emanb,  unter  ®eläcfeter  unb  gludfeen 
geräufcfeöoll  hinter  ben  gagmütfträucfeen  feeröorlommenb. 
3eneiba  fprang  an  ber  ©eite  $ufcfe!in'g  empor;  fie  fegte 
ihre  §anb  auf  feine  ©cfeutter  unb  ffüfterte  ibm  in  Weichem 
©one  ber  ©tnpfinbung  in  bie  Dferen  : 

„SJteibe  midb  unb  fudbe  jene  beliebte  auf,  bie  ©einer 
würbig  ift  unb  ©ich  Wahrhaft  liebt :  ©eine  3Jtufe;  ihr 
bleibe  treu!" 

©ann  entbufcbte  fie  wie  ein  ißfeantom. 

Slug  ben  gagminfträucfeen  brach  3><rfu3fin  feerbor.  9luf 
feinem  Staden  fafe  ©iaboffa,  wie  ein  ®inb  auf  bem  ^>alfe 
eineg  ©traufeeg  im  ©feiergarten.  ©ag  SJtäbcfeen  jupfte  ihn 
am  Sarte,  unb  er  fdjrie  bagwifcfeen,  fo  gut  er  fonnte : 

„$ier  ift  fie  .  .  .  bie  Serbammte  ...  geh  oermoebte  fie 
faum  wieber  jum  ßeben  ju  bringen  .  .  .  .Qmei  ©affen  fdfewar* 
jen  Kaffee  gofe  ich  ihr  in  ben  SDlunb,  big  fie  ju  fidb  fam  .  .  . 
Stocfe  jefet  weife  fie  nicfet,  wo  fie  ift .  .  .  Serbammt,  wie  fie 
mich  am  Sorte  reifet!  ...  ©ie  Kälte  wirb  fie  fefeon  jum 
Sewufetfein  bringen  .  .  .  ©aferra!  .  .  .  Stun,  geben  wir  jur 
„Särenfeute!" 

fßufcfefin  fprang  trofeig  auf  bie  güfee,  unb  inbem  er 
mit  ber  flachen  fjanb  bem  .Qigeunermäbcfeen  ein  paar  ltat= 
fdbenbe  ©efetäge  auf  bie  pfaftifefeen  formen  berfefete,  fagte 
er  lacfeenb : 


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93 


„$ier  ift  meine  SJtufe !  ©o  !omm,  umgeftürjter 
Dlprnp!  ©djnaplboutique !  ®ort  werben  mir  begriffen!" 

Unb  fo  ftiirmten  alle  Sr  ei  burcf)  ben  ©alopp 
infernal  bei  Sanjfaalel. 

Beneiba  war’l,  beren  Stnfunft  bie  SRoutette*  Sl'uget  im 
©aale  ber  S8erfcf)Wörer  anjeigte ;  ein  ©lid  non  if)r  befagte,  baff 
Sene  fidj  entfernt  Ratten. 

®ri$fanoroifi  fd^tug  bie  pfeife  aul  unb  fdjob  fie  in  bie 
Safdje. 

„Stun  finb  mir  unter  uni,  fahren  mir  fort." 

ißeftet  bat  uml  2Bort. 

„Um  bie  ©eforgniffe  bei  ©etter!  SrijfanoWlfi  ju  jer= 
ftreuen,  mu|  idj  el  üor  Sittern  aulfpredjen,  baß  mir  alle  3a= 
julfin  für  einen  Starren  Ratten  unb  bajj  Stiemanb  non  uni 
feine  2tt)orl)eit  bon  einem  Caesaricidium  annimmt;  3eber 
mirb  fie  öerljinbern.  Unfer  ©lan  ift  folgenber.  grülgaljr 
mirb  im  ©ounernement  SJtinlf  eine  grofje  Sruppen=©oit- 
centration  ftattfinben.  Sa!  9.  Strmeecorp!  mirb  an  ber 
©erefina  um  bie  geftung  ©obrinfjf  jufammengejogen.  Ser 
©jar  unb  bie  ©rofjfürften  felbft  werben»  bie  Sötanöoer  lei¬ 
ten.  Stabil  feeren  fie  immer  in  bie  geftung  jurücf.  Sie 
©efafcung  ber  geftung  bitbet  bal  3nfanterie=Stegiment  @ara= 
toff,  beffen  Dberft,  ber  Sojar  ©üeifofllp  SJtitgtieb  ber  „Szo- 
jnsz  blagadenztoga“  ift.  ©ümmtlicfje  Dfficiere  bei  9tegi= 
ntentl  ©aratoff  gehören  ju  unferen  (Setreuen.  Stadjtl  mer= 
ben  all  ©emeine  oerfteibete  Dfficiere  unter  gütyrung  bei 
Slpoftol  SRuramieff  unb  bei  ©orporal!  ©eftufdjeff  all 
Sßatrouitte  not  bem  ißatiitton  bei  Sjarl  erfdjeinen,  um 
bie  Sßadje  abjulöfeit.  ©ie  Werben  ben  ©jar,  bie  ©rojjfürften 
unb  ben  ©ommanbanten  Siebitfdj  auf  einmal  gefangen 
nehmen.  Sann  proctamiren  fie  bie  ©onftitution,  fegen  bie 
proüiforifd)e  ^Regierung  ein  unb  bredien  mit  bem  ganjen 
Slrmeecorpl  gegen  SRolfau  auf.  Unterwegl  gieren  fie  alle 
Sruppen,  auf  metdje  fie  ftojjeit,  an  ficfj.  2luf  bie  Stadjricfjt 
öon  bem  ©rfolge  unterwirft  fidj  SJtolfau  unb  non  bort 
aul  fann  man  bann  $eter!burg  bedingen.  Sie  Dfficiere 
unb  2Jtannfdjaft  ber  oor  S’ronftabt  anlernben  glotte  finb 


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94 


in  unfern  fßtan  oollftänbig  eingemeitjt  :  ein  Srieg#fct)iff 
Bringt  bie  ganje  faifertidfje  gamilie  nacf)  fRorbamerifa.  ®ie 
ganje  SRebotution  boUjiegt  fid),  ot»ne  bafj  ein  Sropfen 
Stute#  bergoffen  mürbe.  SSa#  fagft  2)u  baju,  Setter  Srijfa* 
nom#fi?" 

,,©uer  ffMan  *P  altju  compticirt;  e#  ift  fet»r  biel 
fßgantafie  babei,  unb  bie  Sereittung  eine#  ^Details  fonn 
bie  ganje  Seredjnung  ju  ©djanben  machen.  Snbeff  gatte 
idj  ba#  Gelingen  nidgt  für  unmögtidg.  $ergteid)en  ift  ja 
in  fRufjtanb  fcgon  bagemefen.  SRun  mill  idg  ©ucg  Jagen,  toa# 
idg  gebradgt  unb  ma#  euren  StQn  ergänzt.  9ii^)t  tnagr, 
ber  ©rfolg  mürbe  fegr  problentatifcfi,  menn  nacg  ber  ©nt* 
fernung  be#  Sjar  notfi  ein  ©jaremitfd»  übrig  bliebe,  ber 
mit  bem  botten  Siedete  ber  Sgronfotge  an  ber  ©pige  einer 
ganjen  Strmee  nacg  fRufjtanb  fäme,  um  bie  9Racgt  ber 
repubtifanifdgen  ^Regierung  an  ber  bgnaftifcgen  Üreue  be# 
Sötte#  unb  ber  Strmee  ju  erproben?" 

„®a#  märe  in  ber  £gat  bie  Stippe,  an  ber  mir 
©dgiffbrudg  teiben  müßten." 

„Sn  biefer  |>inficgt  fönnt  3gr  aifo  rugig  fein.  Scg 
!ann  ©udg  t>erfid£>ern  unb  fege  meinen  Sopf  jum  fßfanbe, 
baff  ber  ©jaretoitfcg  binnen  Surjem  feinem  igronfotgeredgt 
entfagen  mirb.  @r  entfagt  in  einer  SBeife,  bie  e#  igm  un* 
mögticg  macgt,  ju  miberrufen,  fetbft  bann,  menn  e#  ign 
gereuen  foüte,  fein  fRecgt  aufgegeben  ju  gaben,  —  fetbft 
menn  er  e#  mieber  jurücfforbern  moüte.  —  3“,  menn  er 
ganj  allein  non  ber  ®pnaftie  fRornanom  übrig  bliebe,  unb 
bie  ganje  ÜRation,  ber  ©enat  unb  bie  Sojaren  in  ign  brin* 
gen  mürben,  fidg  auf  ben  ügron  ju  fegen,  mürbe  e#  igm 
unmögticg  fein." 

„Unb  bie#  ift  teine  bidgterifdge  fßgantafie?"  rief  8tg* 
tejeff  au#. 

„SRein,  ba#  ift  pofitibe  Senntnijj,  pftjcgotogifcge  fRotg* 
menbigfeit,  logifcge  Stufeinanberfotge." 

„£ot  mid)  ber  Seufet,  menn  ba#  nid^t  megr  ift,  at# 
ba#  SRätgfet  ber  ©pginj!"  —  brummte  fßeftet. 


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95 


„3$  tjalje  gefagt,  Wa3  ich  weifj.  Db  3h*  öS  glaubt 
—  ift  euere  Sacfje." 

®amit  erhob  fid»  ber  potni^e  SJtagnat  unb  fd>o6  fich 
bie  pfeife  jmifchen  bie  3^ne,  Wa3  fotoiet  hiejj  :  ba|  er 
nun  nichts  mehr  ju  fagen  fjabe,  unb  nur  noch  bafür  forgen 
wollte,  baff  feine  pfeife  gut  jiefye. 

ßenetba  aber  trat  ju  ihm.  unb  flüfterte  ihm  in'S  DIjr : 

„®er  Sdjlüffel  ju  biefem  fftättifel  —  Reifet  er  niSjt 
„Sohanna?" 

©in  nerööfeS  3u^en  f«hr  bei  biefem  Siatnen  über 
ba§  unbewegliche  ©efidjt. 

„SBenn  fie  iljn  erraten  t)aben,  fagen  fie  itjn  nicht 
tueiter!"  —  brummte  er  unter  bem  Schnurrbart. 

„@3  ift  ja  wahr;  Sie  finb  ja  „bie  Söwin  ohne 
3unge"!"  —  fprad)  tä<±»etnb  ber  ißole.  —  —  — - — 

3u  jener  3eü  war  ber  ßupS  ber  ßaternen  noch  in 
Wenigen  Strafen  ber  neuen  ©jarenftabt  belannt,  unb  wo 
eine  ßaterne  war,  ftanb  auch  e'nc  Sdjitbwache  babei,  ba= 
ntit  fie  nicht  geftohlen  werbe,  dagegen  Würben  auf  ben 
freien  flöhen  oor  ben  grofjen  Sßatäften,  wenn  bie  ®äfte 
in  ihren  Schlitten  anfamen,  große  fjeuer  angejünbet,  bei 
Welchen  fich  bie  3mf<hü§  bie  ganjer.  jum  ©rftarren  (alte 
Stacht  hinburdh  erwärmten.  ®a§  gab  Sßärme  unb  leuchtete 
»«gleich. 

3fa!u8!in  fuchte  unter  ber  grojjen  Schlittenburg  mit 
Dieter  2Jiüf)e  ben  feinigen  herauf. 

®arin  nahmen  fie  alle  ®rei  $ta|;  ®iabolfa  nahmen 
fte  in  bie  SJtitte  unb  betften  fie  mit  ihren  ißeljen  ju.  Sie 
hatte  nie  ihren  eigenen  ißetj. 

®er  Smfdjif  War  öom  ^Branntwein  fehr  rebfetig  ge» 
Worben.  ©r  ergäljlte,  baß  auch  ber  große  .fperr,  ber  ben 
Slcfjterjug  tenfte,  erft  jegt  ju  feinem  Schlitten  gelommen 
fei.  ©r  h«be  feinem  ®utfcf)er  befohlen,  nach  bem  2lraft3ejeff= 
®Wor  ju  fahren. 

3Bar  auch  gut  ju  wiffen. 


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96 


SafuSlin  Befahl  bem  Smfchif,  pr  „Särenfeute" 
(einer  berüchtigten  Spelunfe)  p  fahren. 

„fürchtet  nichts,  Sinberchen,"  fagte  ber  Smfchif,  „ich 
führe  (Such  burdj  (Seitengaffen  fo  ficher,  bah  3hr  nicht  auS= 
geraubt  toerbet." 

„Suche  ®ir  nicht  bie  Seitengaffen  aus,"  fagte  ^afuä= 
fin,  „fonbem  fahre  ben  Profpect  entlang  unb  über  bie 
3ontan!a=fRingftrahe,  Wo  Patrouillen  ftreifen,  unb  fürchte 
nichts  für  unS,  wir  finb  mit  piftolen  berfeljen." 

„D,  baS  mirb  nicht  gut  toerben,  Sinbercljen ;  bie 
Stäuber  toerben  Such  bieüeicfjt  ungefähren  taffen,  toenn  fie 
bie  piftolen  fehen;  bie  SBadjen  aber  erfdjrecfen  nicht  unb 
berauben  Such." 

Unb  toaS  ber  ^rnfchif  fagte,  toar  nicht  im  Späh  ge= 
meint.  Unter  ber  ölig eipräfibentf d^af t  gingen  nicht  nur  bie 
Solbaten  pr  Startzeit  aus  ben  Safernen,  um  baS  ©efdjäft 
bon  Steiftet  Sangfinger  p  betreiben,  fonbern  bie  Patrouillen 
betheiligten  fid)  an  ben  Einbrüchen,  unb  bie  polijei=Som* 
miffäre  maren  bie  berläfelidEtften  —  fehler.  Vornehme  §er= 
ren  toagten  pr  Stachtjeit  nur  unter  berittener  SScorte 
heimpfeljren,  unb  bie  Shore  ber  palafte  tourben  mit  eifer= 
nen  Stangen  berrammelt. 

UntertoegS  fchalten  bie  beiben  Stänner  Siabolfa  bafür 
aus,  bah  fie  ben  Ehebatier  ©alb an  hatte  entrinnen  laffen, 
unb  erzählten  ihr,  mie  fie  fich  feiner  um  ben  Preis  bon 
bielen  taufenb  (Rubeln  entlebigt  hotten. 

SllS  ber  Schlitten  bon  bem  breiten  Profpect  auf  bie 
gontanfa=9tingftrahe  einbog,  ba  (prangen  plö|lich  fünf  be» 
toaffnete  Serie  herbor;  prn  fielen  ben  Pferben  in  bie  Bügel, 
einer  richtete  fein  ©etoehr  nach  bem  Sopfe  beS  SutfcherS, 
p>ei  anbere  manbten  fich  gegen  bie  im  Schlitten  fi|enben 
Herren.  Stile  toaten  mit  piftoten  unb  Säbeln  bewaffnet, 
bie  ©efidjter  burch  Sarben  berbecft;  ber  lange  Schafpelj 
bebecfte  ihre  ©eftatteu  bom  ipalfe  bis  p  ben  Beben,  nur 
bie  hohen  fpifcen  Pelptüfcen  berriethen,  bah  fie  Solbaten 
finb,  unb  p>ar  ©renabiere. 


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97 


Sitter  öott  ihnen  fagte  itt  franjöftfcfter  ©praf  e  (er  mar 
alfo  Dfftcier) : 

„La  bourse  ou  la  vie,  Messieurs!“ 

er£)o6  fif  Siabolfa  haftig,  uttb  ittbettt  fie  fid^  bor 
bie  auf  fßufffin  getriftete  fßiftote  tuarf,  fflang  fie  beibe 
Sinne  um  ben  Singreifer  unb  begatt«  ifjtn  mit  bämoniffer 
SBerföljrung  $u  ff  meifeln. 

„©,  ei,  SSetterfen,  ßiebfter,  uns  toiHft  bu  auSrauben? 
Sennft  bu  uns  benn  nift?  ©f  au  nur!  $)a  ift  ber  modere 
SatuSlin,  Sapitän  auf  §albfoIb.  ®er  hier  ift  fßufffin,  ber 
mehr  ©laubiger  auf  bem  fRöden  als  Sopefen  in  ber  Saff  e 
bat.  3f  felbft  bin  bie  löiabolfa,  ber  Sebermann  nur  mit 
Söffen  3at)lt  unb  bie  Seben  nur  mit  Söffen  johlt.  $abon 
tannft  bu  haben,  ©jupp!  Sluf  beine  SBangen,  auf  bie  Slugen 
auf  bie  ßippen;  nimm,  foüiel  als  fßlah  bat-  Unb  mitlft  ®u 
üernönftig  fein  unb  oiel  ©elb  ermerben,  fo  fährt  gerabe 
jejjt  ein  reifer  §err  naf  bem  SlraftSejeff=$mor  naf 
§aufe,  ber  foeben  breijehntaufenb  SRubel  bei  ber  fRoulette 
gemonnett.  Sluf  bem  Sife  ber  gontanfa  fönnt  ihr  fnt  nof 
entgegenlommen.  @r  hat  einen  rofen  fßelj  mit  meißem 
SBärenfeü  oerbrämt." 

®aS  mar  ein  ^aubermort!  ®ie  hier  Stäuber  ließen 
fofort  ben  ©f  litten  unb  ihren  Slnföhrer  im  ©tif  unb  be= 
gönnen  gegen  bie  ffontanfa  ju  laufen,  als  mären  fie  gejagt 
morben.  Sluf  ber  Dfficier  bemöhte  fif,  als  er  fif  allein 
fah,  aus  bett  Slrnten  löiabolfa’S  loSjufomnten,  bamit  er 
nift  etma  abgefangen  merbe.  Sltlein,  baS  SJtäbf  en  ließ  fn 
nift  fo  ffnetl  los. 

„SBarte,  ba  hoft  2)u  nof  einen  Suß  auf  bie  5Rafen= 
foifee." 

Unb  bann  rannte  auf  biefer  feinen  ©pießgefeHen 

naf. 

®iabotfa  lafte  unbänbig. 

„$a,  h“!  SBie  fut  baS  Semußtfein  einer  guten  2fat 
fo  moljl!  ®ie  Slrmen  merben  nun  ben  Shebalier  ©atban 
fifertif  auSrauben." 

„Slber  ben  lebten  Suß  hötteft  ®u  bem  Sert  bof 

3<Slai :  greift.  I-  7 


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98 


fd&enfen  fönttett!"  Brummte  SofuSKit.  „Stuf  bie  Stafenffnfce! 
2)urcB  bie  äJtaäfe  Ijat  er  bodij  nichts  batwn  gefpürt !" 

„9lber  icf)  brauchte  biefe  Äiiffe!"  entgegnete  ®iabotfa 
mit  fdjtauem  9tugenjmintern.  „SBäfirenb  beS  SüffenS  fjabe 
icf)  uacbgefeben,  was  ber  tiebe  Sunge  über  bem  fjerjen 
trägt.  Hub  fyier  ift'S,  WaS  idj  gefunben." 

Sie  geigte  einen  mit  SriÜanten  befefcten  DrbenS» 

ftem. 

„§a,  WaS  jum  teufet!  $aS  ift  jo  ein  SBtabimir 
I.  ©taffe!"  rief  SdfuSfin  aus. 

„Unfer  SRinatbo  ift  ein  Rotier  Dfficier!" 

„©in  38tabimir=Drben  in  SBriÜonten!  $e,  ^mfcfjif, 
tjatt  an  unb  fcfjtag  ffeuer  an!  ®ie  SBänber  ber  Drben  tra* 
gen  gewöfjnticf)  auf  ber  Snnenfeite  ben  Flamen  beS  3n^a= 
berS  in  ©otbfdjrift." 

®er  3mfd)it  fdjlug  mittetft  eines  grofjen  ©tüd  S8u= 
cfienfdjwammS  geuer  an,  unb  Wafjrenb  eS  5)iabotfa  mit 
tiotlen  Seiden  anbtieS,  tafen  bie  beiben  äJtänner  gteicfjjeitig 
v  ben  auf  bem  Sanbe  befinbtidfjen  tarnen  : 

„Sengen  Straf tSejeff. " 

„911),  ber  ©oljn  unfereS  Wadern  9lraftSejeff  betreibt 
audf)  biefeS  §anbwerf!"  rief  SafuSfin  aus. 

,,©r  ift  betannt  atS  „mauvais  sujet!“ 

„9tun,  baS  War  ein  foftbarer  Sang,  ®iabotfa.  ®afür 
fannft  ®u  morgen  atteS  ©etb  t)aben,  WaS  Sunfer  Sengen 
Ijeute  Stacht  raubt." 

„Unb  übermorgen  Werbe  idj  bocfj  wieber  fein  ©etb 
fiaben,"  fagte  baS  SKäbctjen  tadjenb. 

„SBettit  ®u  wittft,  fannft  $u  für  biefen  Drben  bie 
©attin  Swnfer  Sebgen’S  —  atfo  ©räfin  —  werben!" 
fagte  fßufcfifin. 

„äöaS  nüfct’S!  nacf)  einer  SBodfje  würbe  icf)  bod)  wieber 
ju  ben  3i0cunem  jurüdfef)ren." 

„SEBiüft  $u  if)n  etwa  anjeigen?  SBillft  ®u,  baff  er 
geteuft  Werbe?" 

„®iefe  Starrheit  Werbe  icf)  nidfjt  begehen;  man  Würbe 
midfj  jo  neben  iljn  Rängen.  Uebertaffet  baS  nur  mir.  Sd) 


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99 


meiß  fcßon,  maS  ich  mit  bem,  maS  ich  ermifcßt  f )abe,  an* 
fangen  merbe."  — - - —  —  —  —  —  — 

QSafuSfin  fagte  ju  ^ufd£)fin  in  beutfdfjer  Sprache,  bantit 
Siabolfa  if)n  nicht  berftelje: 

„Siefer  SRenfch  ha*  mein  ganjeS  ßeben  jugrunbe  ge= 
richtet  unb  jefct  hatte  ich  ihn  bor  ber  SJtünbung  meiner 
Sßiftole.  Stber  jefct  ift  biefe  ®uget  nicht  mehr  für  ihn  gegoffen. 
©dfjau,  ich  bin  nicht  einmal  in  Sßuth  gerätsen,  als  ich  feinen 
Flamen  laS.  Sßemt  mir  auf  Sären  lauern,  bann  laffen  mir 
bie  fjüchfe  taufen,  gangeifen  auf  feinen  |>atS!  ©r  fei  ber 
Siabolfa  oerfallen."  — - — 


@3  gehörte  große  ©emanbtheit  unb  DrtSfenntniß  baju 
im  |)äufer-ßab^rintt)  ber  Sorftabt  bie  „Särenfeule" 
auf^ufinben,  befonberS  ba  fie  ftdE>  als  ardfjiteftonifcheS  ®unft~ 
mer!  bon  ben  StadEjbarhänfent  in  nichts  unterfdjieb.  ©in 
©rbgefdfjoß  aus  QitQtln,  barüber  ein  ©toefmerf  aus  §olj, 
nnb  enbtief)  ein  ungeheures,  meit  borfpringenbeS  Sach.  2BaS 
man  anbermärtS  K'eHerfenfter  nennt,  ift  t)ier  ber  ©cfjornftein ; 
ber  Samin  ift  im  Souterrain,  unb  ba  biefeS  ßoef)  born 
erften  Steif  angefangen  bis  jum  testen  groft  Sag  unb  Stadst 
raucht,  fann  ein  Unberufener  t)ier  meber  tauften  noch  ein* 
brechen.  Sluch  ben  gefabenen  ©äften  ift  ber  ©iutritt  nicht 
leidet.  §at  man  fdfjon  baS  borfpringenbe  ®cft)auS  an  ber 
■ungeheueren  Särentafce  erfannt,  bie  aus  §ofj  gefcf)ni§t  an 
einer  langen  ©tauge  befeftigt  ift,  meldEje  aus  ber  Sac|tucfe 
herauSragt,  bann  befinbet  man  fiel)  bor  einer  niebern  ©ichen* 
t^ür.  Surdf)  biefe  fann  man  nicht  eintreten,  fie  $at  einen 
Stiegel  bon  außen  unb  einen  Stieget  bon  innen.  Ser  inm en* 
bige  Stiegel  gehört  baju,  um  bem  außen  ©tehenben  ben 
©intritt  ju  berhinbern,  menn  ber  innen  Sefinbtid^e  eS  miff. 
Ser  Stieget  bon  außen  bient  baju,  baß  ber  innen  93efinb= 
liehe  ohne  ©inmiüigung  beS  außen  ©tehenben  nicht  heraus* 
fommen  fönne.  ©S  ift  bie  ©rfinbung  eines  ©chanfmirtfc 
©enieS.  Ser  inmenbige  Stieget  fdE}üfct  bie  ©äfte  bor  Ueber* 
rafdfjungen  ber  ^ßoli^ei;  ber  auSmenbige  Stieget  fcf)üfet  ben 
SBirth  babor,  baß  feine  ©äfte  berbuften,  ohne  bie  3ed)c 

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berichtigt  ju  Rotten.  $iefeS  ©trategem  toirb  nod)  berboll* 
ftänbigt  burch  bie  pfiffige  9lrt,  toie  bie  ©äfte  in  ben  Ärug 
gelangen  unb  ber  ©chenfentoirth  am  SKorgen  hiuauSfomntt, 
um  bie  £{)ure  bon  außen  ju  öffnen,  toenn  eS  ßeit  ift,  bie 
©äfte  jur  Srnüdjterung  auf  ben  ©djnee  ju  fefjen.  tiefem 
3toede  bient  eine  anbere  Sljüre,  bie  fidj  oberhalb  ber  erften 
im  ©todtoerfe  befinbet.  gn  biefer  ißür  befinbet  fidj  ein 
langes  fchmateS  genfter,  in  beffen  einem  SSJinfet  bie  „For- 
toska“  llappert,  baS  Stäbchen  aus  Söled»,  baS  burc|  ben 
auSftrömenben  ®unft  in  forttoährenbe  Setoegung  gefegt  toirb. 
SEBenn  an  ber  obern  ‘itjür  gepodjt  toirb,  bann  tugt  ber 
Söirtß  jum  genfter  fjinauS,  unb  toenn  ein  toirflidjer  ©aft 
lommt,  bann  läßt  er  mittetft  eines  in  einem  Sftabe  laufen* 
ben  ©triefe?  eine  Seiter  fjiitab,  bie  fonft  unter  ben  ®ad)* 
hoben  ßinaufgejogen  ift;  an  biefer  Seiter  lann  ber  Slnfömm* 
ting  emporltettem  unb  burcf;  bie  obere  EEfjrtr  in’S  ©tod* 
toerl  gelangen. 

®ort  finbet  er  eine  fefjr  nette  ©tube,  über  unb  über 
mit  bunten,  bergolbeten  fpetligenbilbern  behängt,  unter  toet= 
cfjen  ein  ^eiliger  ©eorg  mit  bem  ®rad»en  in  -Jtufsholj* 
rahmen  befonberS  auffällt. 

$ie  ©tube  ift  burdj  bunte  SBadjSlerjen  beleuchtet,  bor 
melden  rotße  unb  grüne  toaffergefüüte  ©laSfugeln  fteljen; 
baßinter  baS  Sitb  beS  ©rlöferS  auf  ©olbgrunb.  ®ie  ganti* 
tie  beS  ©djanltoirtfjeS  fniet  bor  bem  3Sanb=9lttare,  unb  ber 
Söirth  fetbft  beeilt  fiel),  fobalb  er  bem  ©afte  geöffnet,  auf 
feinem  fßta|  toieber  nieberjufnien  unb  baS  unterbrochene 
©ebet  fortjufefcen.  gm  heiligen  Sontejte  ertheilt  er  bann 
gleichfam  als  ÜRarginal4Bemerlungen,  auf  gatuStin'S  gra* 
gen  folgenbe  Slnttoorten : 

„3tun,  Siimitri,  ift  frifche  Särenfohlen=@ut}  ju 
haben?" 

„D,  bu  mein  ©ott!  2Bie  benn  jur  heiligen  gaften* 
jeit ? !  ©ieben  Sßochen  toirb  lein  gleifdj  gelocht!  —  ©ei 
unS  gnäbig!" 

„9tun  benn,  toaS  gibft  ®u  unS  ju  fchmaufen?" 

„Söhnen  in  Del  unb  ©abiar;  fieben  XBochen  lang  ift 


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nichts  SlnbereS  in  meinem  fjaufe.  —  Srbarme  Sid;  unfe» 
reS  fünbigen  fjaupteS!" 

„Sin  imperial,  ben  ich  ®ir  auf  bie  Jpanb  gebe,  mirb 
bod)  noch  ein  Hein  Wenig  SärenfohlemSulj  für  uns  auS= 
finbig  machen?" 

„Süljre  uns  nicht  in  S8erfud)ung!  —  SSie  foüte  ich 
finben?  ©ott  mürbe  mich  ftrafen  unb  ber  tßolijeichef  mir 
bie  Änute  geben  taffen.  Sergleidjen  ift  burch  alle  ^eiligen 
verboten." 

„Stur  nicht  burdj  ben  ^eiligen  ©eorg!"  ruft  $)iabolfa 
tadjenb  bajmifdhen.  ®ann  ftemmt  fie  ben  Su&  gegen  baS 
grofee  fjeitigenbilb,  fchiebt  eS  öon  ber  Stelle,  unb  fofort 
Wirb  eine  Deffnung  fichtbar,  welche  in  bie  hinter  bem 
33ilbe  befinbliche  Höhlung  führt. 

Unter  bem  ©elächter  ber  ©äfte  fefct  $imitri  fein  ©e= 
bet  fort;  babei  hält  er  bie  eine  fjanb  nach  rücfwärtS  in 
bie  §öhe,  bamit  man  ben  Besprochenen  imperial  hinein» 
lege,  unb  bann  ftimmt  er,  fobalb  jene  im  Innern  beS 
4?aufeS  oerfdjwunben  finb,  mit  feinem  ^auSgefinbe  einen 
fo  tauten  ©efang  an,  baff  man  baS  Singen  auf  bie  ©affe 
hinauf  hört. 

Stuf  ber  geheimen  £reppe  ging  tßufdjlin  öoran,  bem 
hier  ©in»  unb  SluSgang  genau  befannt  waren.  ®ie  Stube 
im  Srbgefcfwfe  Warb  burdij  eine  „ungepujjte"  Unfdjtittferje 
gerabe  fo  Weit  erleuchtet,  bafe  bie  Steuangelommenen  nicht 
über  bie  herumftehenben  Söffer,  Sinter  unb  Giften  ftürjten. 
S)ie  ineinanber  ftiefeenben  ®üfte  oon  fcharfem  Safe,  Umring, 
Ißöfelfleifch  unb  Schnaps  Berfünbeten  laut,  bafe  man  fich 
hier  in  einer  Speifefammer  befinbe.  Sßor  einem  angejapften 
ffafee  fafe  ein  9lrt  SESeibSbitb  unb  liefe  baS  träufelnbe  Stafe 
in  einen  tljönernen  ®rug.  2llS  fie  ber  Slnlömmlinge  anfi<h= 
tig  Warb,  fteHte  fie  ben  ®rug  weg  unb  trippelte  ihnen 
grinfenb  entgegen.  ®aS  grinfenbe  Säbeln  ftanb  ihr  gut : 
man  fah  bann  ihrem  abgelebten,  runzeligen  ®efid)te  an, 
bafe  fie  fich  im  Sinftern  unb  ohne  Spiegel  ju  fchminfen 
pflege;  in  ihrem  ©ebife  fehlten  mehrere  .gähne,  gn  ber 
Äunftfprache  helfet  ein  fotdheS  ©efchöpf  „eine  Stinte".  Sie 


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ftreidjelte  bie  ©öfte  mit  ißrer  fettigen  $anb  unb  fagte  mit 
Reiferer,  ßöljerner  Stimme  ju  ißufd)fin  : 

„SBir  |aben  Sftnen  frifdje  ®ärenfot)te  aufbeWaßrt." 

„Sinb  bie  übrigen  Herren  tjier?"  frug  ^ufc^fin. 

„Sdjon  tängft,"  Irädijte  baS  SBeib,  „fie  müffen  Woßt 
fcßon  feßr  betrauten  fein,  benn  öorfjin  tiefen  fie  eine  Stoffe 
Xinte  anS  bet  Stpottjefe  tjolen." 

„3um  Teufel!  SBaS  fott  ißnen  bie  Sinte?" 

„Sie  faufen  fie  gewiß,  benn  $um  ©infdjwärjen  ber 
Stiefel  taugt  fie  nidjt.  gdj  gelle,  um  eud)  anjumelben." 

„3Ui,  bjier  gef|t  eS  ja  großartig  ju,  feit  id)  jum  lebten 
SDtale  f)ier  toar!"  fagte  QjaEuSfin.  „®ie  ©äfte  toerben  alfo 
je|t  angemelbet?" 

„®ie  Urfadje  lannft  ®u  leidet  erratßen." 

®aS  SBeib  tjatte  injWifdjen  in  ber  SJiaucr  ein  2od) 
gefunben,  burdj  meines  man  irgenbtoo  hinunter  fdjreien 
mußte;  bodj  bei  ißrer  butnpfen  Stimme  toar  bieS  eine  fo 
fdjwierige  Aufgabe,  baß  fie  Wieberßolt  ju  rufen  Ijatte,  e|e 
bie  SIntWort  jurüdtönte. 

gnjWifdien  mußten  bie  ©äfte  toarten. 

Slöfclid)  fdjrie  ®iaboI!a  auf :  „eine  Statte  ift  mir  ben 
Stiefelfcßaft  ßinauf  gerannt!" 

„Sott  idj  ®ir  ßelfen,  fie  ju  fangen?"  frug  galuSlin. 

„Unöerfdjämtcr!  ©laubft  ®u,  idj  tonnte  felbft  leine 
Statte  fangen?" 

Unb  nad)  einer  SDtinute  jog  baS  SDtäbdjen  unter  ben 
galten  ißreS  ÄleibeS  bas  unter  bem  eifernen  $rude  feiner 
ginger  erftarrte  Heine  Ungetßüm  ßerüor  unb  fcßlug  eS  bem 
gatuSfin  ladjenb  in’S  ©efidjt,  ber  ißr  bei  ber  gagb  burdj» 
aus  beßilflidj  fein  mottte. 

®aS  War  bie  jWeite  üropßäe;  bie  erfte  war  ber  SBta» 
bimir=DrbenSftern.  ®iefer  Ijatte  eine  Steftet,  mittelft  Weldjer 
er  an  bem  Sanbe  befeftigt  Würbe.  ®iabolla  Ijing  biefe 
Steftet  in  bie  Söorberjäfjne  ber  Statte  ein  unb  fjeftete  bann 
beibe  üropljäen  an  ißre  9Jtü|e  :  bie  Statte  unb  ben  DrbenS» 
ftern  in  Srittanten  neben  einanber.  Sei  ben  S^erSburger 
35amen  War  eS  ju  einer  Seit  ffltobe,  baß  fie  iafctjenußren 


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farnrnt  beit  Rettert,  ©oßierS  unb  SRebaiflonS  in  ber  ßoiffure 
trugen.  Xiabotfa  aprnte  biefe  alte  SRobe  nacp. 

®ie  „Stinte"  metbete  ber  ©efeßfdfjaft,  baft  fie  eintreten 
Jönne.  Xarnit  50g  fie  eine  gdttpre  in  bie  |>öpe,  metdfje 
einen  unterirbifdjen  Staunt  üerfdfjtofj,  unb  fagte:  „©cptüpfet 
hinein." 

®er  ganje  Staunt  luar  ein  einiges  ffeflergemötbe,  baS 
burdjj  ©äutenbogen  in  mehrere  Staunte  abgetpeitt  mar.  Qft 
bie  SJtittetmanb  mar  ber  ff  antin  pineingebaut ;  auf  bent  brei¬ 
ten,  meit  üorfpringenben  ©efimS  lagen  bie  Ueberfteiber  ber 
©äfte  junt  Xrodnen.  ®urdp  ben  bitten  Siebet,  ben  ber 
oietfacpe  ©eftanf,  ®ampf,  bie  menfcpticpe  SluSbünftung  unb 
ber  Xabafquatm  bitbeten,  leuchtete  aus  bent  ffantin  baS 
Xorffeuer  pinburcp,  mie  bie  aus  einer  ffanone  emporfcpie* 
fienbe  Stamme,  mobei  fo  niete  menfdpticpe  ©eftatten  ficptbar 
mürben,  als  innerhalb  feiner  biabotifcpen  Stureote  Sßtap 
fanben.  ®ie  ©efeflfcpaft  patte  ba£  ©ouper  fcpon  beenbet, 
mie  bie  auf  bem  Xifcpe  tiegenben  Stefte  non  ßmiebet,  ffäfe, 
©atj,  93rob  u.  f.  m.  bemiefen;  ber  umgeftitrjte  ffrug  aber 
jeigte  an,  baft  jept  aucp  im  Xrinfen  eine  ^ßaufe  eingetreten 
fei.  Sturt,  maS  gefcpiept  bann? 

©ine  grofte  Xintenftafcpe,  in  ber  eine  ©anSfeber  ftedEt, 
beperrfdpt  jept  ben  ®ifd).  3Ba£  fofl  bie  ®inte  an  biefem 
Drte?  ®ie  ©intretenben  merben  mit  Subetgefcprei  empfan¬ 
gen.  ^ufcpfin  unb  Siabotfa  fittb  pier  alte  fmbitueS,  $afu§- 
!in  aber  ntufj  neu  eingefiiprt  merben,  benn  bie  ©efeflfcpaft 
non  ber  „Särenfeute"  pat  fiep  feit  ben  -$epn  Sapren,  feit 
metdpen  gafuSfin  jutept  ^ier  mar,  fepr  neränbert.  $ufcpfin 
machte  ben  ©aft  mit  ben  bis  auf  S  £>emb  entfteibeten  £>err= 
fdpaften  befamtt,  bie  fämmtticp  iprem  Slang  entfprecpenbe 
Xitel  führen.  @S  finb  lauter  auSertefene  ©tubienföpfe. 

„$err  ®obujoff,  unfer  StofciuS,  ein  berüchtigter 
£etben=@cpaufpieter.  ©cpabe,  bafc  er  jept  bie  ©efeßfcpaft 
banongejagt  pat  unb  prinatifirt.  £>err  ©Setnertin,  unfer 
Stafaet,  ber  bie  ©unft  ber  ©roften  neracptet  unb  feine 
ffunft  nur  auf  noßstpümticpen  Sabenfcpitbern  neremigt.  $err 
©SicSerloff,  baS  pernorragenbfte  SJtitgtieb  ber  Slfabemie 


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ber  SBiffenfdjaften,  ber  30.000  Südjer  —  Dort  ber  ©in* 
banbtafet  fennt  unb  täglich  baS  ganje  ©etef)rten=gnftitut 
auslehrt.  §err  Slrbufoff,  unfer  SlrdjimebeS,  ein  berühm* 
ter  SDtedjaniler,  bet  baS  fetbftfd)iefeenbe  ©eWefer  erfunben. 
§err  SjeraoSjth,  unfer  ^^pofroteä  unb  ©alenuS, 
ber  bie  ©pitepfie  rabicnl  curirt.  Sautet  üerlamtte,  unter* 
brü<fte,  oerfolgte  ©enteS !  §ier  fietjft  ®u  ben  Slbmiral  Sar* 
batufeff,  unfern  SaSco  be  ©aina,  ber  unjäljtige  gnfeht 
entbecft  hätte,  wenn  bie  fdjeetfüdjtige  Slbmiratität  it)m  ein 
Schiff  jut  Verfügung  ftellen  wollte.  $aS  ^ier  ift  Sftonfieur 
©ermain,  unfere  auswärtige  ®4>tomatie. " 

SDtonfieur  ©ermain  unterfdjeibet  oon  ben  übrigen 
SKitgliebem  ber  ©efeHfchaft  barin,  bafe  er  nicht  bis  auf’s 
§emb  entfteibet  ift,  öieüeicht  aus  bem  ©runbe,  weit  fein 
|>emb  —  leine  Stermel  I)atte.  3t)m  genügte  ber  fragen 
unb  bie  ©Ijemifette ;  foüiet  War  oon  feinem  $embe  fidjtbar. 
Sein  ©efidjt  ftanb  übrigens  in  Sejug  auf  garben*2lbftufung 
jenem  ber  Uebrigen  nid^t  nadj.  ®ie  ginget  an  feiner  redj* 
ten  §anb  waren  ootl  Sintenfteden,  was  üermut^eu  läfet, 
bafe  er  eS  fei,  ber  biefeSntai  bie  in  ber  Xintenftafche  fte* 
denbe  gebet  führt ;  biefe  Sermuttjung  wirb  nocf)  beftärtt 
burd)  ben  oor  it)m  tiegenben  jerlnitterten  Sogen  fßajner, 
auf  wettern  jdjon  einige  3^«  mit  ben  baju  gehörigen 
„Säuen"  ju  fefeen  finb. 

Sei  ber  Sorfteflung  ledte  biefer  fpert  erft  bie  Xinte 
oon  feinen  gingern,  Wifd^te  biefe  am  fftodärmet  ab,  bann 
erft  reichte  er  galuSfin  bie  §anb  unb  fagte : 

„®ieS  ift  nur  mein  angenommener  Stame ;  in  SSirf» 
lidjfeit  tjei^e  id)  äJtarat.  geh  bin  ein  leiblicher  Sruber 
beS  ruhmreichen,  göttlichen,  großen  SDtarat,  für  beffen  9tfcf)e 
baS  fßantljeon  erbaut  Warb.  SBiffen  Sie  ..." 

„g<h  weife,"  unterbrach  ihn  galuSlin,  „unb  ich  fteue 
mich  fehr,  bafe  Sie  fein  Sruber  finb  unb  nicht  ich  e* 
bin." 

„Sie  finb  ein  Surfte,  ber  ganj  ju  uns  pafft,"  fagte 
§err  SDtarat.  „Seien  wir  fröre  et  cochon!" 

„SBoju  ber  ©ine  „fröre“?  Seien  wir  beibe  „cochon“!" 


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Unb  fic  fügten  einanber.  „916er,  ttm3  treiben  Sie  benn 
Ijier,  meine  Herren?  3Ba3  foH  biefe  Ijäfjlidfje  glüffigfeit 
tyier  auf  bent  lifdfje." 

(©§  ift  dfjarafteriftifdj,  ba&,  mäljrenb  bei  mofd)u£buf- 
tenben  ®erfdjmörungen  bie  ßRitglieber  einanber  bu^en,  bie 
tljeerbuftenben  ßonfpiratoren  einanber  per  „§err"  titu= 
liren.) 

®er  befragte  Keine  ßRenfdE)  mit  ber  grifur  a  la  ca- 
cadu  fdfjlug  ftotj  auf  ba3  auf  bem  ®ifdje  liegenbe  Rapier. 

„Sßir  finb  bamit  befd&äftigt,  unfere  „SRarfeiflaife"  an* 
jufertigen." 

„£örft  $u’3  *pufdjfin?  9ludf)  l)ier  triffft  ®u  ©oncur* 
renten!"  fdjerjte  Safuäfin. 

„2Bie  e3  fdbeint,  ift  Ijeute  ber  ®ag  ber  olpmpifdjen 
Spiele,"  fagte  $ufdf)fin  ladjenb.  „2Bie  toerben  benn  l)ier 
bie  SBerfe  angefertigt;  idj  mödjjte  ba3  felbft  einmal  feljen." 

,,©anj  in  Drbnung,"  fagte  ber  ®tut§bern>anbte  9Ra* 
rat%  bie  geber  hinter  ba£  Dtjr  ftedenb.  ,,3d)  fpredje  ba3 
SRotto  au£  unb  biefeä  bilbet  jugleidj  ben  Sflefrain.  ®ie  an* 
beren  Herren  geben  iljre  Qfbeen  baju  unb  idj  bringe  fie  in 
bie  poetifdfje  gorm." 

„9tlfo  9lfle3  im  9lffociation3mege,  fogar  ®erfe?" 

„Sa  tootjl;  SDtotto  unb  Sftefrain  ift:  „9ln'3  SUteffer 
mit  it)m!"  —  §ier  ift  ber  9lnfang : 

Ser  ©d)»ert  fü^rt  ober  ^ßaUafd^  — 

J'rägt  golb’ne  ©pauletten, 

(£r  jäblt  ju  unseren  greinben, 

(£r  fcftlägt  ba§  93olf  in  Äetten. 

9Reffer  mit  Ü)m! 

„SBer  fann’S  meiter?" 

„SdE)!  idfr!"  tönte  e§  ring§  um  ben  $ifd)  unb  9lfle 
beeilten  fidfj,  i^ren  Qbeen  9tu§bru<f  $u  geben. 

„Sdf)  f age,  bafe  aßen  ©djaufpielern  ber  Sopf  abge* 
fdfjtagen  toerben  fofl,"  fpradj  £err  ®obujoff;  „ben  @df)au* 
fpielern,  bie  für  jefyn*  unb  jman^igtaufenb  SRubet  beclami* 
ren  unb  fingen,  obgleich  feiner  bon  iljnen  beffer  $u  becla* 


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miren  weift,  als  ich.  Sie  fielen  bie  Könige,  uns  aber 
geben  fie  SSebientenroflen,  bie  ^rannen!  3BaS  foß  baS 
ganje  ißad?  £>at  baS  ®olf  nicht  Unterhaltung  genug  beim 
§anSWurft  unb  beim  Särentreiber?" 

,,©S  gibt  feine  erbärmlichere  fölaffe,  als  bie  ber  2Ra- 
ler !"  nerficherte  §err  ©Setöertin.  „Sie  fpielen  mit  ben 
Pfaffen  unter  einer  3)e<fe,  um  eiligen bilb er  für  fie  §u 
malen,  ©ie  ledfen  bem  ©jar  bie  Sohlen,  weil  er  ihnen  ihre 
©cf)lachtenbilber  bejaht,  in  welchen  fie  bie  Schmach  beS 
SSolfe^  nerewigen.  3$  tnöd^te  wohl  ben  meinen  ©aal  mit 
ben  SßorträtS  ber  öierhunbert  ©enerale  anjunben!  Sebent 
garbenftetffer,  ber  mehr  berfteht,  als  Sabenfchilber  ju 
malen,  foflte  man  bie  £änbe  abhauen." 

„Sludh  Senen,  |bie  Sucher  fdf)reiben,"  rief  §err  ®Si= 
cSerfoff;  „Slßen,  bie  eine  gewähltere  Sprache  fpreeften,  als 
Wir." 

2tuch  afle  Uebrigen  verlangten,  baft  ihre  äReinungen 
maftgebenb  wären;  ber  ©urpfuf<|er  wünfeftte,  baft  bie  Slerjte 
auSgerottet  werben ;  nach  bem  Programm  beS  fafliten  ®rä= 
rnerS  h^en  Wc  33örfe=3Ratabore  Vernichtet  werben  foflen; 
ber  bavongejagte  Seeoffizier  verlangte,  baft  bie  SRarine  ver= 
brannt  werbe,  —  aße  Slnfidhten  liefen  barauf  hinaus,  baft 
Seber,  ber  nur  um  einen  ®opf  aus  ber  3Renge  hervorragte, 
ein  geinb  beS  SolfeS  fei  unb  ben  $ob  verbiene. 

Ser  Sruber  SRarat'S  fummirte  bie  Slnfidhten  unb 
faftte  fie  in  SSerfe. 

„Ser  Sänger,  ber  nid)t  Reifer, 

Ser  üftater,  ber  malt  Äaifer, 

Ser  ©eleljrte,  ber  oiet  $3ttd)er  mad)t, 

Ser  ßranfe  nneber  jum  Seben  gebraut, 

@r  j&bß  *u  unferen  fjeinben,  f 
&n’3  üfteffer  mit  iljm ! 

Sßer  reitet,  fährt  im  Sßagen, 

SBagt,  feböne  Äleiber  $u  tragen, 

3m  $attaft  forgt  für  ben  3Ragen ; 

©r  jäblt  ju  unferen  geinben, 

Sln’S  ÜRejfer  mit  i(jm! 


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2Sem  2lnbere  jinb  ju  wenig, 

@id)  beffer  biinft  al$  jte, 

£ei*$  $>id)ter,  ßünfller,  Äönig; 

<£r  jablt  gu  unseren  fjeinben, 

2ln’3  iWeffer  mit  if>m!" 

®ie§  gefiel  allgemein ;  fie  fdjjfugen  mit  ben  kauften  auf 
ben  SHfdfj:  baä  mar  iljr  S3eifaߧ=2tpptau3. 

„©efungen  märe  ba3  nodf)  oiel  fdfjöner!"  rief  SRarat 
junior.  „SBer  fept  ba3  in  ©efang?  211)!  ba  ift  ja  unfere 
„©öttin  ber  ®ernunft."  Stuf  ben  $ifd),  $iabolfa!" 

3n  einem  2lugenbli<f  mar  bie  ßigeunerin  auf  ben  $ifd() 
gehoben  unb  bie  9Rüpe  mit  bem  fonberbaren  ©djrnud  auf  bie 
©eite  ftütpenb,  begann  fie  ju  ben  berjmeifetten  ®erfen  eine 
milbe  SRelobie  ju  fingen,  ju  ber  fie  mit  ben  ©tiefetabfäpen 
auf  bem  $ifd)  ben  Xact  trommelte  unb  mit  entfpredjenben 
©eften  begleitete.  $ie  ganje  faubere  ©efeßfdfjaft  brüllte  ben 
Stefrain  nad(). 

„®a§  mirb  mirfen,  mie?"  fagte  mit  gloriofer  Sßratjterei 
ber  Slbfömmting  SRarat'S,  Sßufdfjfin  freunbfd)aftlid)  auf  bie 
2ld)fel  flopfenb.  ®ann  ftopfte  er  fid)  bie  pfeife,  natjm  fie  fecf 
jmifdjen  bie  Sätjne  unb  ftüpte  fetbftjufrieben  ben  ©flbogen 
auf  ben  Xifdfj. 

„9hm  $uf$fin,  jefet  l)ol  bein  ©ebidfjt  l)eröor,"  fagte 
3afu§fin;  „laß  feljen,  mer  bie  *ßatme  erringt?" 

$ufd)fin  l)olte  in  ber  5£t>at  fein  ©ebidfjt  l)eröor,  breite 
einen  gibibuS  barau3,  jünbete  biefen  am  Saminfeuer  an  unb 
§ielt  il)n  über  bie  pfeife  be§  9Jtarat'fdf)en  @pröf$ting£. 
3)ie§mal  marb  Slpoflo  öon  9Rarfia§  gefdfjunben ! 

Ser  mübe  Sßoet  50g  mit  triumpl)irenber  ©rimaffe  an 
feiner  pfeife,  bie  il)m  ein  olpntpifdfier  £efb  mit  feinem  Sßoörn 
anbrannte.  33ei  jebern  3ug  flammte  ber  gibibu§  auf  unb  bei 
bem  Slufflammen  bemerfte  $ufd£)fin,  baft  auf  feiner  Steffel  ein 
3nfect  frieepe,  —  ein  3nfect,  baä  man  nidf)t  §u  nennen  pflegt, 
©r  fdfjneflte  e£  mit  ©fei  fort. 

ßRarat  junior  bemerfte  biefe  öerädljtlidfje  ©eberbe. 

,,©i,  ei,  junger  £err!  Sßoju  biefe  tiefe  33eracf)tung  ? 
SBarum  benn  gar  fo  fjeifel?  SBarum  fürchten  ©ie  baSjenige, 


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108 


maö  äftifliotten  unb  Millionen  9Jtenf<hen  ouf  itjrent  Körper 
herumtragen?  Somit  unfere  33rüber  fit^  niebertegen  unb 
momit  fie  auffteljen  —  toarum  efett  eö  ©ie  on?  Ser  boS 
»erachtet,  ift  ein  Slriftotrat;  ba§  ift  baö  ©hmbot  ber 
©tei<f)t)eit.  Sludj  bie  alten  ©gppter  Ratten  ein  Zeitiges  S«5 
fect,  ben  ©carabaeer.  ®ie§  ift  unfer  ijeiligeä  Qnfect,  baS 
bie  menfcfilidje  ©efeflfdjaft  itiöeHirt !  —  Stuf,  meine  fjerren ! 
noch  eine  ©tropfe  ju  unferem  ©ebictjte! 

„$3ei  wem  ba§  heilige  gnfect, 

®er  wahre  Streunt)  t>e§  S3oft§, 

Sßerachtung  nur  unb  (Stet  weit; 

@r  jählt  ju  unjeren  Sreinben. 

Sln’8  ÜReffer  mit  ihm!" 

Sütfjenber  Stpptauä  folgte  biefer  Strophe ;  Qeber  fang 
fie  mit,  fogar  tpufcf)fin. 

„®er  ljat’3  getroffen,  roa^rtjaftig !"  fagte  er  ladjenb 
ju  ^atnöfin. 

®a  marb  ptö^tic^  eine  fjanb  burd)  bie  ffaUfhüre  ge= 
ftrectt;  biefe  §anb  fctjüttette  eine  große  Suhgtocfe. 

Sei  bem  ©etäute  biefer  Suhgtocfe  öerftummte  plö^tid) 
ber  ganje  ®eufeMärm. 

®a§  bebeutete  fo  »iel,  baß  ber  SRorgen  anbricht.  ®er 
©cßanfmirtß  ift  Berpfticßtet  bie  ®tjüre  ju  öffnen,  unb  bie 
©äfte  tf)un  toofjt  baran  nach  §aufe  ju  gehen,  fonft  ermifdjt 
fie  h'er  bie  ißotijei. 

®er  Särm  mar  mit  einem  totale  oerftummt,  unb  jeber 
fudjte  feinen  Ueberrod.  ®urdj  bie  offene  gaßtßüre  brang 
bie  falte  Öuft  herein  unb  ber  in  ber  ©petunfe  eingefdjtof* 
fene  ®unft  begann  in  ber  fform  oon  Steif  unb  ©djnee  fidh 
an  bem  §aupt=  unb  Sarthaar  ber  ©äfte  fcftjufeßen. 

„Stun,  je|t  no<h  einen  Slbfdjieböfchtucf !"  brummte 
ÜDtarat  ber  jüngere,  „gur  (Erinnerung  an  biefen  ^errli= 
<hen  Slbenb !  greunbe,  ©rüber,  meine  Herren !  Sein  getoöhn* 
lieber  Slbfdjiebätrunf  fott  eö  fein!  3«m  Slnbenfen  baran, 
baß  mir  ^eute  unfere  SDtarfeiflaife  gebietet  haben,  trinten 
mir  gemeinfchaftlidj  bie  ®inte  bort  auö,  melthe  nach  ^er 


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109 


Shtfertigung  beS  ^errtic^en  ©djtachtgefangeS  noch  übrig 
geblieben." 

„SEBir  trinfen  fie  aus!  brüllten  alle  im  ©t)or. 

„9tun,  baä  motten  mir  ihnen  uidljt  nach, "  fagte 
Sßufdjfin.  ©r  ljob  ®iabolfa  rajc^  oom  2rfd)e  unb  trad)= 
tete  mit  iljr  bie  gattthüre  ju  erreichen,  um  aus  ber 
Untermelt  ju  entlommen. 

gm  ©rbgefdjoß  angelangt,  machte  fich  igatuSlin  baran 
ben  an  ber  ©traffenede  fjaltcnben  ©glitten  aufjufuchen. 
lßufd)tin  f(olte  feinen  tßetj  hierbei  unb  füllte  ®iabolla  barin 
ein.  fpcrr  SRarat  traf  it)n  nodj  in  ber  Sljüre.  @r  lam 
mit  ber  Xintenflafdje,  beren  3nf)alt  noch  nic^t  oöttig  geleert 
mar.  *, 

„®i,  ei,  Sruber  Sufdjlin!  ©ie  moHen  uns  öerlaffen 
oljne  3lbfd|ieb3trunl?  ©ie  »erachten  öietteicht  ben  Srunf,  ben 
mir  aüe  öerloftet  hoben?  ßiemt  ficf)  baS?  3<h  taffe  ©ie 
nicht  eher  über  bie  Xhjiir,  als  bis  ©ie  getrunfen  hoben. 
©S  lebe  bie  ©leidjheit!  ©inb  mir  nicht  aüe  gleich,  unb  in 
Sittern  gleich?" 

„Stein,"  fagte  tßufdjfin,  „mir  finb  nicht  gleich!" 

„Par  exemple?“ 

„©eben  ©te,  —  par  exemple!  —  ich  bin  ftärler 
als  ©ie ;  bemjufotge  bin  ich  derjenige,  ber  ©ie  beim  ffra 
gen  nimmt,  unb  ©ie  finb  derjenige,  ber  oon  Wer  h'nau^s 
fliegt." 

Sei  biefen  SBorten  lag  fperr  SRarat  fd)on  in  ber 
SRitte  ber  ©traße;  babei  jerbrach  bie  Xintenflafdje,  unb  ber 
Qnhalt  berfelben  färbte  ben  ©dinee  biolett. 

„Sehen  ©ie  nun,  es  gibt  leine  öottlommene  ©leid)= 
heit  auf  ©rben!" 

„Slber  eS  mirb  eine  geben!"  leuchte  SRarat,  fich  müh= 
fam  aufraffenb  unb  fein  ÜReffer  aus  bem  ©tiefetfchaft  jieljenb. 
„3)aS  ift'S,  maS  ben  Unterfchieb  gmifcßen  bem  gelben  unb 
bem  ©djmächling  auSgleicf)t!" 

3)iabollo  faßte  tßufchlin  bei  ber  $anb  unb  jog  ißn 
mit  fich  fort ,  er  lönnte  fonft  noch  niebergeftochen  merben. 

„9tun,  lommft  ®u  morgen  mieber  „jur  Sären* 


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110 


feute"?  —  frug  Sßufdjftn  ben  tnjWifdben  juriuffeljrenben 
3afu3fin. 

„greilidb;  unb  aDe  Sage  »erbe  id;  fotnmen.  $aö  finb 
bie  toasten  SJtänner!" 

^Bufc^fin  totste  taut. 

„3a,  bi3  bie  Äufjgtocfe  tautet!" 


XI. 

$as  geliebte  §£tf&. 

Stm  fotgenben  Sage  warb  in  ber  Qfaaf§f irrfje  bie  ßere= 
mottie  ber  großen  galten  burcb  bie  faifertidben  Jpoffanger 
eröffnet.  @3  War  bieö  ein  berühmtes  Sängerdbor,  mit  gro= 
fjen  Äoften  ermatten  unb  jufammengefe^t  auö  SDtännern 
nnb  Knaben,  bie  bie  fdfjönften  Stimmen  im  Sfteidbe  Ratten. 

®ie  Sobpreifung  ber  Seitgenoffen  ergebt  biefe  Sigilien 
über  jebe  SJtufif,  bie  tion  menfd)tic£)en  Stimmen  jemafe  pro* 
bucirt  würbe.  ®er  ©jar  fonnte  in  feinem  reiferen  Sitter 
feinertei  SDtufif  mehr  ertragen,  bloä  bie  §arfe  unb  ben 
m^ftifdfien  Sirdjengefang.  ®eö^atb  war  Seneiba  gtmurinen, 
bie  Sängerin  ber  ißfatmen,  fein  erftärter  ßiebting.  3n’S 
Sweater  ging  er  nidfjt.  SBenn  er  ©efang  fjören  wollte,  fo 
berief  er  feine  Sieblingöfünftter  in  ben  SBinterpalaft  ober  in 
bie  (Eremitage;  in  ben  gaften  aber  ging  er  tägtidj  in  bie 
ftircbe,  um  ben  ©efang  ber  Knaben  ju  tjören. 

Su  fotzen  Seiten  fanb  e§  auch  bie  Slriftofratie  mobern, 
in  bie  Kirdfje  ju  geben,  unb  Wegen  ber  größeren  Stnbadjt 
legten  bie  Samen  fein  SRotb  auf,  nur  Steiweiß. 

3n  ben  erften  Steifen,  bem  $auptattar  junadbft,  waren 
ju  fe^en  :  gürft  @bebimin,  bie  SJturawieff,  Drtoff,  Srube&= 
foi,  Stile,  bie  ifjre  Slawen  in  bas  „(Srünbudfj"  eigenbäw 
big  eingefdfjrieben  batten;  bann  bie  ©arbe=Dfficiere,  bie  in 
ber  oerftoffenen  Sladbt  barüber  abgeftimmt  butten,  ob  ber 
©jar  fterben  ober  nur  tierbannt  Werben  fotte;  bort  ftanben 


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111 


fie  in  jrnei  Steifen  in  ftrammer  Haftung,  ben  entblößten  ®egen 
an  ber  £üfte  ^altenb.  21  m  ©ingange  ber  Sirene  fniete 
inmitten  feinet  ftanteraben  ber  2lb!ömmting  SJtarat'S  unb 
feßtug  fid;  bußfertig  bie  Stuft;  baS  233ei^t»affer  t)otte  üon 
feinen  gingern  bie  Einte  nodj  nicht  abgetoafeben,  mit  ber 
er  ben  „SJieffergefang"  gefdjrieben. 

Sitte  neigten  tief  ba§  $aupt,  unb  fein  üJienfd)  oiel» 
leicht  bemerlte,  baß  ©atte  unb  ©attin,  bie  biefeS  9leicb 
beberrfeben,  einanber  beim  ©ang  nur  einen  ginger  reifen, 
Wäßrenb  ber  Stnbadbt  einanber  nic^t  anblicfen  unb  am 
SBeibbrunnfeffel  fein  SEBort  mit  einanber  mecbfeln. 

Stucb  Beneiba  glmarinen  toar  in  ber  Kirche,  unb  als 
fie  biefe  oerließ,  begrüßte  fie  ein  Dffijier.  @3  mar  Pufdh» 
fin. 

„SJtabame,  Sie  hoben  gemeint,  3bre  SEßongen  finb 
naß.  SBobnt  benn  gemanb  in  ber  Äircbe?" 

„@S  mobnt  Stiemanb  barin,"  ermieberte  Beneiba. 
„Slber  biefer  ©efang  mirft  auf  bie  Sternen.  SEBir  finb  %i)ku ; 
au <b  ber  $unb  beult,  menn  er  fingen  bört." 

„§aben  Sie  bemerft  mit  melier  gnbrunft  bie  ©jarin 
baS  ©rucifij:  gefüßt  bot?  SBiffen  ©ie  nicht,  maS  fie  oom 
^jeilanb  erfleben  modbte?" 

„geb  b°be  eS  nicht  gefebeu  unb  rneiß  nichts." 

®ie  ®ircben»©eremonie  mar  fpät  SlbenbS  ju  ©nbe; 
nadh  bem  ©otteSbienfte  eilte  Bebermann  nach  fjaufe,  in  ben 
Straßen  marb  eS  ftitt,  Slm  erften  gaftentag  nimmt  3eber= 
mann  ber  eine  gamilie  bot,  fein  Slbenbrnaljl  ju  §aufe  ein. 
Unb  ba  in  ber  Petersburger  ärmeren  ©laffe  auf  jeben  fie» 
benten  SJtann  ein  SBeib  fömrnt,  tbun  ficb  mehrere  jufam» 
men  unb  fueben  in  ©emeinßbaft  ein  grauenjimmer  ihrer 
©efettfdjaftSclaffe  auf,  baS  ihnen  bie  gafteqfuppe  bereitet. 
Eiefe  fommt  tyviie  auf  jeben  Eifcb  —  in  irbenen  ©d)üf= 
fein  unb  in  d^inefifd^em  porjettan.  ©elbft  auf  ber  Eafel 
beS  ffijarS  barf  fie  nicht  fehlen;  ber  faif  erlich«  Äodj  muß 
fie  unöerfätfcbt  jubereiten. 

®ie  Suppe  öerjebrt  am  erften  gafttage  jeber  gamitien* 
Oater  ju  $aufe.  ©elbft  im  SEBinterpalaft  marb  eS  einft  fo 


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112 


gehalten.  ©inft!  ©3  mar  nur  für  3toei  gebecft :  ©äfte  tour* 
ben  ba$u  nidf)t  eingelaben.  35ie  berfcßiebenartigen,  mit  Del 
unb  £>onig  jubereiteten  ©ertöte  mürben  bon  ben  finbigen 
®öcßen  nur  für  fie  3mei  auf  getragen.  Sann  fam  ein  lag, 
an  meinem  bie  ©attin  ben  ©emaßt  bergebenä  jum  Saften* 
abenbmal  erwartete:  er  fam  nießt.  Unb  boeß  ßat  fie  ißn 
lange  erwartet.  Sie  ©Reifen  maren  falt  gemorben.  $rgenb 
ein  fatter  ©egenftanb  ßatte  fieß  ^mifeßen  fie  gebrängt.  $e|t 
erfalteten  nur  bie  ©peifen,  fpäter  aueß  bie  &erjen.  Unb 
bennoeß  ließ  bie  ©attin  3>aßr  für  3aßr  am  erften  Säften* 
Slbenb  für  fie  Seibe  beden  unb  martete  lange,  bi3  alle 
©peifen  falt  mürben,  unb  berührte  biefelben  nießt;  fie 
martete  auf  ißn. 

Sie  ©tunben  verrannen,  bie.  ©attin  ßarrte  einfam, 
bei  bem  teifeften  ©eräufeße  aufßoreßenb,  ob  fie  nießt  bie 
befannten  ©eßritte  bor  ber  Sapetentßüre  bernetime,  meleße 
bie  ©orribore  ißrer  Slppartement3  berbinbet,  bor  jener  Sßür, 
bei  bereu  Deffnen  tßr  §erj  fo  oft  bon  irbifeßer  ©lüef* 
feligfeit  erfüllt  toarb.  9tun  mar  ba3  ©cßloß  ber  Sßür  tängft 
berroftet .... 

Sßtöfcließ  erflingt  bie  Spieluhr  —  ein  ntecßanifcße3 
SBerf,  meleßeä  Slraftöejeff  in  $ari3  anfertigen  Iteß.  Sa3 
©tüd  ift  bie  $RationaH?pmme ;  bie  Ußr  fpielt  e3  täglidfj 
nur  einmal:  um  ein  Ußr  naeß  SRitternaeßt !  —  in  ber 
©tunbe,  in  meleßer  ßjar  Sßaul  bon  feinen  ©enerälen  unb 
ben  ßoßen  Slbeligen  in  feinem  ©eßtafjimmer  ermorbet 
mürbe. 

Ser  ©oßn  be3  ©rmorbeten,  ber  über  bie  Seieße  be3 
®ater3  ßinmeg  ben  Sßron  beftiegen  ßatte,  ßörte  biete  Saßre, 
an  ben  großen  3aßre3menben,  $u  33 oben  gebeugt  unb  ben 
SSetfeßemmel  mit  feinen  grünen  nefcenb,  bie  melaneßotifeße 
§pmne  an,  —  unb  e3  gab  ein  SBefen,  bem  er  bie  fcßmer$* 
ließe  SSeflemmung  feiner  Seele  mittßeilte.  9Rit  allen  Siebern 
be3  §erjen3  bibrirte  biefer  Srauergefang  naeß.  Sa3  §erj 
mar  ein  pünftlicßereä  Ußrmerf  atö  ba3  anbere.  ©3  into* 
nirte  ben  ©efang  inmitten  be3  ©iege3raufeße3  mie  in  ben 
©tunben  be3  Srübfal3,  e3  erßob  ben  SSormurf  gegen  ißn, 


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113 


baft  bie  Seidjje  beS  SaterS  ber  ©dfjemet  mar,  auf  metdf)em 
er  beit  Xfyxon  beftieg,  uttb  brot)te,  bajs  fein  Seidfjnam 
ebenfalls  ber  ©djernel  fein  merbe  für  feinen  9tadf)fotger. 
®ieS  mar  ber  qualboße  ®l)eit  feines  SebenS:  bie  einige 
©eetenmarter.  SKiemanbem  flagte  er  biefe  ^ßeiit,  nur  ber 
©attin.  SKiemanb  bermocf)te  il)n  ju  tröften  in  biefen  ©tun- 
ben  ber  feineren  Kämpfe  feiner  unter  ber  eigenen  Saft 
gufantmenbredjenben  ©eete  —  nur  fein  SBeib.  —  9tun  ift'S 
aus  bamit!  ®ie  berbanunten  frönen  blauen  Slugen,  in 
metdfjen  er  einen  neuen  Fimmel  fudjte,  gaben  i|m  ben 
§immet,  jenen  falten  §immet,  ber  bie  ©rbe  unb  ben 
SRonb  für  immer  non  einanber  fdjeibet.  —  35er  Sfaifer 
aßer  Steuffen  l)at  SKiemanben  mel)r.  ®er  3Räd)tigfte  ber 
3Räcf)tigen  Ijat  lein  Sßtäfcdjjen,  mo  er  ruljig  fd^lafen  fönnte. 
®er  in  ber  SBüfte  bergeffeite  $itger  fteljt  nid^t  fo  eiitfam 
in  ber  SBelt  mie  er. 

SCSemt  baS  ©tü<f  berftungen  unb  ber  ©atte  nodjj 

nidfjt  jurücfgefeljrt  ift,  bann  Ijolt  bie  ©attin  baS  auf 

©Ifenbein  gemalte  Porträt  beS  ©atten  Ijerbor  unb  legte 
eS  auf  ben  ®ifdj,  bor  ben  5ßla£  ben  ber  ©atte  entnehmen 
foHte.  ®aS  Silb  beS  ftol^en  gelben,  mit  tädjelnben  Sippen 
unb  Weiterer  ©tirne  —  fo  toar  er  als  Sräutigam.  Sie 

blicft  baS  Sitb  an,  lange,  lange  —  bis  bie  Singen  feudjt 

merben.  9tidE)tS  als  biefeS  Sitb  ift  itjr  bon  iljm  geblieben. 
®er  SRann,  ben  eS  barfteflt,  lädjjelt  tängft  nid)t  mel)r. 

3mei  befpannte  ©glitten  galten  bor  ber  ©olonitabe 
beS  SBinterpataiS.  ®er  eine  ift  mit  fed)S,  ber  anbere  mit 
brei  Sßferben  befpannt.  Seibe  führen  ©aroffen  mit  beringten 
©Reiben.  ®ie  ®ienerfdf)aft  beS  ©edjjSfpännerS  trägt  bie 
Sibree  beS  ©jaren,  jene  beS  ®reifpönnerS  bie  Sibree  beS 
©rofjfürften.  Slfleiit,  menn  eS  jum  ©infteigen  fommt,  bann 
nimmt  ber  ©§ar  im  ©glitten  beS  ©rofefürften,  ber  ©rofc 
fürft  im  ©glitten  beS  ©$arS  Sßlafc.  SEBemt  bie  beiben 
©dritten  unter  ©d^eflengeftingel  baS  ®|or  paffirt  Ijaben, 
bann  fäljrt  ber  eine  redjtS,  ber  anbere  linfS  ab.  ®em 
©edjjSfpänner  folgt  ein  ©arbeitet;  mo  ber  ©glitten  t)ätt, 
ba  f)ätt  audfj  bie  ©Scorte.  ®er  ®reifpänner  gleitet  aßein 

SJöfai :  Orrei^eit.  I.  8 


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1 


114 

bat)in.  ®om  ©rofjfürften  ift  e£  befannt,  baf$  er  geraben 
SBegeS  nadf)  §aufe  fäljrt  ju  feiner  gamilie:  er  befifct  ein 
ftiße§  rut)ige£  $eim.  $om  ßjar  aber  meifj  SKiemanb,  mo 
er  bie  lange  Stadst  Ijerumftreifen  mirb.  Unb  man  rnufj  fidfj 
jefct  fo  feb)r  in  3ldf)t  neunten!  .... 

StraftSejeff  Ijat  tjeute  $ormittag§  mit  bem  $oliaei*ßbef 
ßljulfin  unb  bem  ©tabt*©ounerneur  SRitorabonicä  einen 
argen  ©traufj  gehabt,  dreierlei  ^oti^ei  mar  in  Xt)ätigfeit : 
bie  -Dtititärbolijei,  bie  ßinitpoliaei  unb  bie  geheime  ^JJofi^ei. 
Unb  anftatt  einanber  in  bie  §änbe  ju  arbeiten,  maren 
biefe  immer  nur  bemüht,  iljre  SRafenaljmen  gegenfeitig  ju 
oereiteln.  StraftSejeff  nmr  nmtfyenb  auf  ßljutfin,  meil  ber 
ßfyenatier  non  ©alban  in  ber  nerfloffenen  Sllac^t  beraubt 
morben  mar,  unb  meil  man  iljm  nidtjt  nur  fein  ©elb,  fon* 
bem  and)  feine  Zotigen  abgenommen  Ijatte,  feine  Slotijen, 
unter  melden  fidlj  niete  ©taatögeljeimniffe  befanben.  ßfjulfin 
eruirte  bann,  bafj  bie  patroußirenben  ©otbaten  fetbft  bie 
Sftäuber  maren.  Sinn  menbete  fidfj  ber  ganje  3orn  Straft* 
3ejeff£  gegen  SRitorabonicä.  ©r  forberte,  bafj  ber  Ober* 
officier,  meldjem  in  ber  nerftoffenen  Stacht  bie  Ignfpeftion 
übertragen  mar,  ftrengften§  &ur  SSerantmortung  gezogen 
merbe.  Ser  ©ounerneur  fagte  il)m,  ba3  fei  eben  ber  junge 
Slraftäejeff  gemefen,  fein  einzig  geliebter  ©pröfjting.  darauf* 
Ijin  marb  Slraftöejeff  nodfj  müttienber  —  aber  gegen  men? 
ßr  glaubte  noßfommen,  baf$  ber  junge  SlraftSejeff  ben  ßl)e* 
natier  non  ©atban  beraubt  tjatte.  Ser  liebe  Jüngling  mar 
beffen  fällig,  fo  meit  er  iljn  fannte. 

Sann  tiefe  er  ab  non  jeber  meiteren  Snquifition;  nur 
nerfügte  er,  bafi  bie  ©arbe*^u§aren,  melctje  unter  feinem 
unmittelbaren  ßommanbo  ftanben,  ben  ßjar  bei  feinen 
3lu3f aljrten  non  ber  gerne  begleiten.  Stuf  bie  Infanterie 
unb  bie  5ßolijei  mar  fein  ®erlafj  meljr. 

SlraftSejeff  befafj  einen  befonbem  Qlnftinct,  au$  aßer* 
lei  Symptomen  bie  ßonfpirationen  gegen  ben  ßjar  ju  er* 
fennen,  menn  er  fidfj  aud)  feine  ©emi|$eit  nerfd^affen  fonnte. 
ßr  mar  ba§  einzige  unb  niemals  fdjjlummernbe  Sluge,  ba§ 
über  ben  ßjar  machte,  ßr  fammelte  ben  §afj  ber  ganzen 


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115 


Station  auf  fein  $aupt,  um  ba§  £aupt  biefe3  einen  Stau¬ 
net  ju  fdfjüfcen,  in  meldjjem  fein  ganjeS  Qfcf)  aufging. 

Slßein  ber  ©erfolgte  muffte  feine  ©erfolget  mie  feine 
©ertf>eibiger  ju  täufdfjen.  SBäljrenb  3>ene  iljm  insgeheim 
folgten,  feinen  fecftefpännigen  Splitten  oon  ®aferne  ju  ®a* 
ferne  begleiteten  (ber  ©rofftürft  Ijielt  gnfpection,  ob  bie 
macf)ljabenben  Dfficiere  —  bie  ©raöate  nid^t  abgelegt  l)at* 
ten),  glitt  ber  breifpännige  ©glitten  am  Ufer  be3  Stoifa* 
©anate  baljin,  bort  fjielt  er  oor  einer  langen,  mit  einem 
©ifengitter  gefrönten  -Stauer.  ®er  ©jar  ftieg  aus  bem 
©dritten,  öffnete  mittelft  eine§  mitgebradfften  ©dfjtüffete  bie 
®f)ür  unb  fd)ritt  gan$  aßein,  oljne  Saterne  auf  bem  burdj 
offene^  @id)engefträu<|  bejeidfjneten  SBege  fort.  Sluf  bem 
frifdfjen  ©dfjnee  mar  feine  gufftpur  $u  feiert ;  biefen  SBeg 
betrat  Stiemanb  aufser  iljm.  3^if^cn  beit  mit  ÄräfyemSte- 
ftern  bebedten  ©äumen  mirb  ein  altertljümti ©ebäube 
fidftbar.  Sluf  einer  £otftreppe  gelangt  man  §u  einer  niebe* 
reit  ©idjentfyür.  ®er  einfame  Stann  Ijat  au<|  ben  ©djlüffel 
ju  biefer  ©idjenttjür  mit  fid^  gebraut,  er  öffnet  unb  tritt 
ein.  §ier  iftte  finfter,  er  mufs  bie  ©lenblaterne  au§  ber 
®afdf)e  tjeroorfyoten,  um  bie  in  ba3  ©tocfmerf  füljrenbe 
®reppe  ju  finben;  bann  gelft  er  auf  ben  gufftpifcen  über 
einen  langen  ©orribor.  ©3  ift  nidft  einmal  ein  §unb  ba, 
um  it>n  anjubeßen.  Site  er  eine  ®pür  öffnete,  ba  toaren 
bie  jtoei  ^erfonen,  bie  er  im  ®efprädf)e  begriffen  fanb,  fel)r 
überrafdfft :  e£  mar  ein  alter  Staun  unb  eine  alte  grau. 

®ie  alte  grau  fdfjreit  auf,  ber  alte  Siann  mirft  fidf) 
if)m  5U  güjsen. 

„SBer  ift  ber  Staun  l)ier,  £>elenfa?" 

„®er  ift  mein  Sllter,  mein  Stann.  @o  ergebe  bodj 
bie  grafce,  3fyna3fo,  bamit  ber  ©jar  felje,  bafj  ®u  e3  bift." 
„®u  l)aft  mir  nie  gefagt,  bafj  ®u  einen  Stann  f)aft." 
„SBarutn  foßte  man  audf)  oon  ber  ©idfft  fpredf)en,  bie 
man  l)at,  ober  öon  einem  l)äfftidf)en  ®^ier,  baä  man  lieber 
öergeffen  Ijätte!" 

„9tun,  ma§  fudEft  er  l)ier?" 

®ie  Sitte  öerbedfte  mit  ber  £anb  iljren  Stunb  jur 

b* 


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Hälfte  unb  flüfterte :  „Sie  ®  önigätocbter  hot  er  her» 
begleitet.  “ 

Sei  biefen  SB  orten  fchmolj  baö  ©iö  in  ben  Sögen 
be§  gestrengen  SragerS. 

„Sich  Setbfaba  tft  hier?" 

„3o  .  .  .  heute  barf  fie  bis  jum  ÜJiorgen  hier  btei= 
ben;  fie  Spielen  „Same"  brin." 

„Sßie  befinbet  Sich  Sopfjie?"  Sie  Stimme  beö  groger# 
gitterte. 

„Siemlicf)  gut.  Sie  Schlief  gut  bie  iftacfjt  unb  am 
ÜRorgen  tranf  Sic  itjre  ©bocolabe.  Sie  mar  beute  nicht  So 
jornig  wie  Sonft,  feit  iljr  ber  Slrjt  gefogt,  bafj  baS  Slergern 
ifjr  Stöbet.“ 

„^Befolgt  fie  bie  Slnorbnungen  beö  Slrjteö?" 

„Stur  ju  Strenge.  SBenn  i <b  mit  ber  Slrjnei  nur  eine 
SDtinute  fäume,  fo  Hingelt  fie  fd)on." 

„Spat  ber  Slrjt  nicht  Bon  ber  Siät  gesprochen?" 

„§a,  er  £»at  gefagt,  bie  ißrinjeffin  bürfe  bie  Saften 
nicht  beobachten,  müffe  täglich  irgenb  eine  SleifchSpeife  unb 
©ier  effen;  bieö  »erbe  ilpr  Kraft  geben.  Sie  ^ßringeffin 
aber  bat  >bu  fester  f)inau§gejagt.  SBaS  er  benfe?  Db  er 
ihre  Seele  »egen  be§  Seibeö  in  Serbammnifj  bringen  wollte? 
SOtir  bat  fie  febr  Strenge  Sefeble  ertbeilt  unb  mit  Schlägen 
gebrobt,  falls  ich  fie  täufeben  Sollte." 

„So?  Unb  ber  Slrjt  bot  gefagt,  bie  ^Beobachtung  ber 
Strengen  Saften  würbe  ihrer  ©efunbljeit  naebtbeilig  fein?" 

,,®e»ij}.  ©r  fagte,  fie  brauche  Stut,  fie  fei  blutarm, 
unb  bie  in  Del  gelochten  Söhnen  bereiten  fein  Slut." 

„3Ba§  h“fi  ®u  ibr  t)eute  jum  Slbenbrnaljl  bereitet?" 

„Saftenfuppe,  wie  e§  an  biefem  Sage  gebräuchlich  ift." 

„Sf)u  »ir  @ine§  ju  ©efaKen,  liebe  fpelenfa.  3<b  höbe 
eine  Schachtel  mitgebracht,  beren  Inhalt  ber  Kranlen  febr 
»ohlthun  wirb.  S<h  b°&e  ba§  SKittel  auö  ©ngtanb  Bon 
einem  berühmten  Slrjte.  ©ib  baBon  jeben  Sag  einen  Söffe! 
notl  in  bie  Suppe." 

„®e»ifj  »erbe  ich  tbun»  »a3  Su  befiehlft,  fjerr! 
Slber  fag  mir  boch,  ift  baS  nicht  auö  bem  Sleifcfje  irgenb 


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117 


eines  XljiereS  ^bereitet?  ®enn  menn  bie  liebe  Seele  erfährt, 
bafj  ich  in  ben  Saften  etmaS  non  gleijdj  in  ihre  Speifen 
gemengt  habe,  fo  fängt  fie  bermafeen  $u  meinen  unb  ju 
toben  an,  bafe  fie  mieber  Iran!  mirb." 

„gürcf)te  nichts,  gute  ipetenla.  ®aS  SRittet  ift  aus 
^ßalrnmurjel  bereitet,  metöje  baS  gleifdj  erfefct." 

„9Reine  Seele  foll  baoon  nicht  betaftet  merben?" 

„SRein,  fürchte  nichts!  Scf)  nehme  SllleS  auf  mich." 

Unb  bocf),  menn  eS  Seetenoerbammnift  ift,  mährenb 
ber  ßuabragefima  gteifcf)  $u  effen,  bann  nahm  ber  ©$ar 
eine  grofje  Saft  auf  feine  Seele,  benn  baS  SRittel  mar 
nichts  2lnbereS  als  gteifche^tract,  barnalS  non  ben  eitglifdjen 
Slpotljelern  neu  erfunben.  SRun,  ber  ©$ar  mar  5ß^itofob^ 
unb  —  Sater. 

„®eh,  metbe  mich,  bamit  fie  nicht  erfchrede,  menn  fie 
mich  plö^tich  erblicft." 

SSor  einer  Sampe,  beren  Sicht  burcf)  einen  Spieen* 
fd^irm  gebämpft  mar,  fafeen  ^mei  junge  2RäbdE)en  beim  Spiet. 

®er  ©inen  finb  mir  einmal  bei  jener  benfmürbigen 
£irfchjagb  begegnet.  SSir  miffen  jefct,  baft  fie  eine  „Königs- 
tod^ter"  ift. 

SltS  ber  ©jar  in  baS  gimnter  ber  ^ßrinjeffin  eingetre- 
ten  unb  3$naSfo  ntit  feinem  SBeibe  allein  mar,  lonnte  er 
fich  nicht  enthalten  §u  fragen  : 

„28aS  ift  benn  baS  für  eine  Königstochter?" 

„Stodfifch!  baS  meifet  ®u  jefct  noch  nicht?  Sie  mohnt 
bodh  fchon  acf)t  3af)re  in  eurem  £>aufe,  fie  ift  bie  ®odE)ter 
beS  grufifchen  Königs.  3hr  $ater  mar  einft  irgenbmo  ein 
mächtiger  §errfdE)er,  bort,  mo  bie  SRofinen  machfen  unb  bie 
Detbeeren;  bie  ®ürfen  aber  haben  ihn  getöbtet.  ®ie  Köni~ 
gilt  ift  mit  ihrem  ®öcf)terchen  ju  uns  geflüchtet  unb  hat 
auch  bie  Krone  mitgebracht.  Sie  mar  eine  munberfchöne 
gfrau.  ©inmal  bei  ber  SReujahrS^arabe  habe  ich  fie  in 
ihrer  5RationattradE)t  gefehen.  Kein  SBunber,  baft  mit  ihr 
gefdhehen,  maS  gefchehen.  ©enerat  Sajaroff  hatte  ben  Auftrag 
fie  auS  ihrem  ipeimatslanbe  bn  ung  begleiten.  ®er 
©enerat  mar  ein  SRann  oon  oertiebter  SRatur.  ©inmal  ftieg 


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118 


if)m  ber  Kacheter  23ein  ftarf  ju  Kopfe;  er  öergaß,  baß  er 
eine  Königin  begleite,  unb  fah  nur  bie  fctjöne  grau  in  iljr. 
@r  Wollte  fie  befjanbeln,  tuie  bie  Stübern.  Slber  bie  frönen 
gruben  Schmetterlinge  haben  aud)  ©tadeln  tuie  bie  Sßieneit. 
®ie  Königin  burdjjbohrte  ihm  mit  ber  „Kinbjal"  baS  4?erj, 
jo  baß  er  augenblicftich  tobt  ju  ©oben  ftürjte.  3Ran  machte 
nidjt  oiel  SlufljcbcnS  öon  ber  ©adje,  man  oertufcf)te  fie  oiel= 
mehr.  ®ie  Königin  aber  toarb  in  ein  Klofter  gebraut  unb 
bort  mit  föniglicßen  @l)ren  behanbelt.  ®odj  barf  fie  baS 
Klofter  nidjt  oerlaffen.  Pur  am  PeujahrStage  wirb  fie  gleich 
ben  berwitweten  Königinnen  oon  gmeretien  unb  SRingrelien 
herBorgehoIt,  bamit  fie  auf  ben  «Stufen  beS  ®ßrone§  piap 
neljnte.  3hr  fecf)§jä£)rigc§  ®ödjterchen  aber  f)at  man  iljr 
abgenommen,  bamit  fie  bem  Kinbe  nid)t  foldjje  Sitten  leljre, 
wie  fie  felbft  l)at.  Patürlidj,  fonft  bliebe  ja  in  Petersburg 
lein  SRann  am  ßeben.  Plan  h°t  baS  Kinb  ber  gürftin 
©hebimtn  übergeben;  biefer  l)at  ©ott  oljnebieS  feines  be= 
fdjeert." 

„28er  benn?"  plante  31>na§fo  IjerauS. 

„£),  ®u  ®ropf!  eine  foldje  grage :  23er  benn?  Pie= 
manb,  ba  fie  feines  Ijat.  —  ©linjle  nicf)t,  fonft  erfjältft  ®u 
eine  SPaulfdielle!  —  So  ift  bie  Königstochter  in  euer  $auS 
gefommen,  unb  je|t  gehört  fie  gleidjfam  jur  gamilie.  ®er 
eigenen  SPutter  hat  fie  fdion  üergeffen;  fie  hält  bie  gürftin 
für  ihre  SRutter." 

,,3d)  mödhte  nur  toiffen,  weshalb  bie  gürftin  fie  hi«5 
her  fenbet  jum  ©efudfj  ber  fronten  Prinjeffin?" 

„®aS  geht  ®idj  ®icffchäbel  nichts  an!" 


®aS  anbere  SRäbdhen  toar  Sophie  Parifdjfin. 

Sie  ift  eine  jarte,  feine  ©eftalt;  baS  blonbe  §aar  hat 
bie  garbe  beS  PeiljergrafeS.  ®S  ift  ein  ©lücf,  baß  fie  Bor 
ben  SKenfcßen  Berborgen  gehalten  wirb,  benn  ihr  2lntli| 
gleicht  in  überrafdljenber  28eife  bem  ber  gürftin  ©Ijebimin. 
©op|ie  fießt  fo  aus  tuie  bie  gürftin  in  ihrer  Ptäbdjenjeit. 
3n  ihren  ßügen  mengt  fid)  ber  SluSbrucf  beS  grühreif=21It= 
flugen  mit  bem  beS  ©egenfafceS,  ber  abergläubigen  gurcf|t» 


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famfeit.  Stur  ihre  Slugeit  fjaben  einen  fanfteren  SluSbrud, 
als  jene  iljreS  frönen  ©benbilbeS  :  fie  finb  nid)t  jo  ftotj 
unb  germgfdjä|ig,  jonbern  melancholifch=fchwännerifch. 

SBeld^e  Sräume  mag  ein  Stäbchen  haben,  baS  niemals 
bie  SBelt  gefeljen?  gene  SBelt,  bie  ooü  ijt  öon  SJtenfchen! 
©ie  mochte  Don  reijenben  Sanbfchaften  träumen,  öon  gelfen, 
SBätbern,  SBaff  erfüllen;  oon  ber  menfchlichen  ©efellfchaft 
fannte  fie  nur  iljre  Slmme,  beten  Sötärchen  fie  jo  gerne 
laufd)te,  unb  ihre  ©ouöernanten,  bie  ftd)  öergebenS  abgemü^t 
Ratten,  ifjr  ©eographie  unb  SCeftfjetif  beijubringen. 

Sebermamt  öerhätjchelte,  Stiemanb  liebte  fie. 

Allerlei  begonnene  unb  toieber  weggelegte  Slrbeiten  unb 
©joielgeuge  liegen  umher ;  ein  $)antenfpiel,  harten,  ©cf)ach= 
figuren,  ©ebulbfpiete,  ©tidereien,  Seiehmingen,  Schablonen, 
©ie  fijjt  auf  einer  breiten  Ottomane  im  Weiften  geftidten 
Stegligäe,  bie  beiben  güfte  unter  fidf  gejogen;  ju  iljten  giiften 
faft  bie  Königstochter  auf  einem  iabouret. 

®er  mächtige  §err  finbet  auch  h^*  leinen  gnäbigen 
©mpfang.  ©ewift  hat  er  irgenb  ein  Slmufement  ber  beiben 
SPtäbcften  unterbrochen. 

Unb  bodj  fdjeint  eS,  baft  er  baS  Stecht  habe,  fidj  bem 
ÜDläbchen  ganj  öertraulich  ju  nähern  unb,  beffen  Kopf  in 
feine  $änbe  neljmenb,  einen  üollen  Kuft  auf  feine  SBange 
ju  briiden;  einen  Kuft,  beffen  ©puren  baS  SQtäbc^en  mit 
finbifefter  Kofetterie  mittelft  ihres  goppcf)en=SlermelS  abju= 
reiben  fud^te,  was  jur  golge  h“t,  baft  bie  gefäftte  SBange 
roth  Wirb,  Wie  eine  Stofe. 

„SBie  befinbeft  ®u  Sich,  mein  Slttarbilb?" 

„Sich,  jefct  haft  ®u  bie  fchöne  ©efeftieftte  unterbrochen, 
Welche  SBethfaba  erjähtte." 

,,©ie  foll  fortfahren;  auch  «h  werbe  juftören." 

„SBie  wiHft  ®u  fie  mit  anhören,  ba  ®u  ben  Slnfang 
nicht  gehört  haft?" 

„SBetljfaba  wirb  fo  gut  fein,  öon  üorn  anjufangen." 

®ie  Königstochter  nidt  juftimmenb.  mit  bem  Kopfe, 
©ophie  aber  winfte  bem  ßjar  mit  ben  Slugenbrauen,  er 
möge  auf  bem  anbern  Sßolfter  ber  Ottomane  Sßtafc  nehmen. 


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120 


®er  mächtige  §err  begriff  ben  SSinl  unb  that,  mie  ihm 
geheißen.  @r  ergriff  eine  ber  feinen  bur<hfi<htigen  £äube 
beS  SRäbchenS  unb  ftreic^ette  fie,  —  unb  mäprenb  beS  Streik 
chetnS  gelang  eS  ihm,  ben  5ßutö  $u  prüfen,  ob  noch  £off= 
nung  fei?  ®r  mollte  au  cf)  eine  grage  fteüen,  hoch  bie  feinen 
Augenbrauen  geboten  :  „©tili!''  unb  ber  allmächtige  SRann 
fchmieg;  er  gehorchte. 

,,©S  mar  einmal"  —  begann  bie  SönigStochter  — 
„am  SaSpifdfjen  ©ee  ein  großer,  großer  Sönig,  ber  ^attc 
eine  fdEjöne  grau.  Unb  als .  er  fie  jur  grau  nahm,  ba 
mu&te  er  nicht,  bafe  fie  geueranbeterin  fei.  ®ie  geueranbe= 
ter  aber  leben  alle  mit  ben  ®^finS  im  ©unbe.  ®ie  Königin 
hatte  bem  ®jfin  oerfprochen,  memt  fie  fich  bermält  unb 
eine  ®odf)ter  belömmt,  ihm  biefe  $u  geben,  fo  fie  heranmächft. 
Unb  al§  baS  3RäbdE)en  heranttmcf)S,  ba  farn  ber  ®jfin,  um 
eS  ju  holen,  unb  Hopfte  an  bie  ®h^r  be3  SönigS.  ®er 
arme  Sönig  erfchracf  gemaltig,  als  er  höfte,  ber  ©eift  fei 
gefommen,  um  feine  ®odf)ter  ju  holen." 

„Sonnte  er  bem  ©eifte  nic^t  gebieten,  menn  er  ein 
Sönig  mar?"  unterbrach  fie  jornig  baS  franfe  SRäbchen. 

„Ach,  meine  ßiebfte,  ber  (Seift  ift  fo  mächtig,  baf$  fein 
Sönig.  ihm  gebietet/' 

„Auch  fein  Saifer?" 

„Auch  be*  nich*;  ben  fann  man  nicht  faffen,  er  aber 
fann  gebermann  faffen.  3hn  fomt  mon  nich*  einfperren, 
nicht  auSfdhliefeen,  benn  er  bringt  überall  burch ;  er  hot  fein 
©emidE)t  unb  erbrüdt  bodE) ;  er  hot  fein  ©chmert  unb  töbtet 
hoch." 

„2Bie  gut,  bafe*  bie  ©eifter  nur  am  SaSpifchen  ©ee 
mohnen!" 

„AIS  ber  Sönig  bieS  hörte,  begann  er  ben  ©eift  $u 
bitten,  er  möge  ihm  feine  geliebte  ®ocf)ter  noch  nicht  nehmen, 
er  möge  fie  ihm  ein  !gahr  noch  taffen.  ,,©ut,"  fagte  ber 
©eift,  „ich  toffe  ®ir  ®eine  ®ochter  noch  ein  Sahr,  menn  ®u 
mir  ®einen  ®aumen  jum  ®aufch  berfprichft."  ®em  Sönig 
mar'S  um  feinen  ®aumen  nicht  leib,  er  berfpradE)  ihn  bem 
©eift  unb  biefer  fdfjeerte  fich  bon  hinnen.  SRadE)  einem  gafjre 


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121 


tarn  ber  (Seift  mieber,  um  bie  Königstochter  ober  im  Xaufcb 
bcn  ®aumen  be«  König«  ju  ^olen.  ®er  König  liebte  feine 
®od)ter  gar  feljr,  aber  aud)  um  feinen  ®aumen  mar  if)m 
bang,  benn  er  hätte  ben  Sogen  nicht  mehr  ju  fpannen  oer= 
modbt.  ®r  flehte  mieber  jum  ©eijte,  er  möge  bocb  noch  ein 
Sä^rd^en  bemiüigen.  ,,@«  fei,"  fprad)  ber  ©eift,  „ich  taffe 
fie  ®ir  nod)  ein  3a|r,  aber  bann  ^ole  icfe  fie  ober  ®u 
gibft  mir  ®eine  ganje  rechte  ^)anb."  ®er  König  ging  ben 
ipanbef  mieber  ein.  Sftacb  einem  Sabr  erfdjien  ber  ©eift  jum 
britten  SDtafe.  ®er  König  moüte  fein  Kinb  abermals  nicfet 
laffen,  moüte  fidj  aber  aud)  oon  feiner  rechten  §anb  nicht 
trennen.  ®ocb  ber  ©eift  forberte  je|t  fd&on  ben  ganzen 
Slrm  be«  Könige  at«  ßöfegefb." 

„Sa,  fterben  benn  bie  ©eifter  nie?"  frug  Sophie. 

„Stein,  ßiebfte!  ®ie  ©eifter  leben  emig.  ®er  König 
üerfyracb  ihm  feinen  2lrm,  um  nur  fein  Kinb  unb  feine 
#anb  ju  begatten.  Son  S<*br  ju  Sabr  fetjrte  ber  ©eift 
mieber  unb  forberte  immer  mehr  unb  mehr  als  ßöfegefb. 
gulefct  liefe  er  ficf)  ba«  §erj  unb  ba«  £aupt  be«  König« 
üerfprecben.  Unb  af«  be«  König«  ßeib  fcf)on  ganj  il)m  am 
gehörte,  ba  fagte  er  itjrn  :  „Stun  ift  ba«  fefcte  S<*br  gefotm 
men,  jefct  nehme  id)  ®eine  ®oc§ter  ober  oerffmcf)  mir  ®einen 
©chatten."  ®arauf  ermieberte  i|m  ber  König  :  „Stein,  nicht« 
ntef)r  gebe  idE)  ®ir !  Stimm,  ma«  ®ein  ift,  aber  meber  meine 
®od)ter  nod)  meinen  ©Ratten  fottft  ®n  haben!"  ®araufbin 
entfernte  ficf)  ber  ©eift  unter  lautem  ®onner.  2lm  näcbften 
®age  unternahm  ber  König  bei  fcfjönem,  fonnigem  SEBetter 
eine  ßuftfabrt  auf  bem  KaSpifdjen  ©ee.  ®a  erhob  fidf) 
pföfefid)  ein  heftiger  ©türm  unb  begrub  ©dfjiff  unb  König 
in  ben  Stutzen.  Stiemaf«  marb  fein  ßeib  gefunben.  ©eine 
®ocf)ter  aber  ift  am  ßeben  geblieben  unb  jeben  Slbenb,  menn 
bie  ©onne  im  Untergeben  mar,  fab  fie  einen  ©d)atten  ficfe 
ibr  naben;  e«  mar  ein  menfcbficber  ©Ratten  mit  gefröntem 
Raupte,  unb  mie  ber  ©Ratten  an  ibr  oorbeibufcbte,  ba  mar'« 
ibr,  atö  ob  fie  einen  Kufe  auf  ber  SSange  fiibfte,  unb  biefe 
SBange  errötbete." 

®er  ©jar  mar  nad)benfficb  gemorben.  ®iefer  König, 


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Bon  bem  nur  rnefyr  ber  ©Rotten  ouf  @rben  tBonbelt,  gleicht 
ihm  fo  fet)r.  Sophie  aber  badete  fi 6),  fie  {ei  bie  ®önig3tocf)= 
ter,  bie  aHabenbtich  Bon  einem  gefrönten  ©Ratten  gefügt 
toirb. 

Sethfaba  aber  fügte  fdjerjtoeife  fiinju  : 

„Solche  ©agen  |ört  man  bei  unö;  ich  meifj  beren 
mehr  benn  hunbert." 

„Dag  ift  eine  gar  traurige  ®e{cf)id)te,  meine  Siebfte," 
fagte  ber  ©jar. 

„3<h  liebe  fold)e,"  fagte  bie  ißrinjeffin,  „bie  ein 
traurigeg  ©nbe  fjaben.  ©o!d)c  ®eftf)i^ten,  bie  fo  enbigen  : 
„Unb  wenn  fie  nicht  geftorben  finb,  fo  leben  fie  noch  beute" 
—  lann  idj  nid)t  auöfte^en.  3fcb  möchte  auch  am  Siebften 
Sücber  mit  tranrigem  Sluggange  lefen.  Der  Slrjt  aber  bat 
mir  bie  ßectüre  afö  fdjäblicb  oerboten.  Die  fleiite  Setbfi 
aber  meiß  fo  fcfjöne  ©efcf)icf)ten  ju  erjäbten." 

„ßaß  bocf)  Dein  Slbenbbrot  ^oten ;  t»aft  Du  feinen 
junger?" 

„Sieb,  toer  toirb  benn  immer  an’g  ©ffen  benfen.  9Bir 
t^un  ohnehin  ben  ganjen  Dag  nichts  afö  effen." 

Dag  SJtäbcben  jeigte  auf  einige  ©djad)teln  mit  ©on* 
fituren  bin,  Bon  locldjen  ein  SBenigeg  fehlte. 

„Du  fottteft  aber  ettoag  Stabrbafteg  genießeu,  bag 
mürbe  Dir  ®efunbbeit  bringen. 

„98er  fagt  Dir,  baß  ich  franf  bin?  —  3tei<b  mir 
meinen  §anbff)iegel!  —  Sin  ich  nicht  rotb  genug?" 

„freilich  bift  Du  rotb;  fie£»ft  beute  febr  gut  aug." 

„IßbÜ  bbi!"  bag  9Käbcben  fpufte  jtoeimal  hinter  fi<b- 
„SJtan  barf  Stiemanben  in’g  ®efid£)t  fagen,  baß  er  gut  aug* 
fiebt"  fbrach  fie,  „bag  bringt  Üngtücf.  Stun  mollen  mir 
jum  Stach tmabt  becfen." 

Der  mächtige  große  SJtann  mar  fcbnefl  bereit,  bei 
biefem  bleichen  Äittbe  mit  ben  matten  9lugen,  in  metchem 
fein  ganjeg  ßeben  fidj  concentrirte,  ßafaienbienfte  ju  thun. 
Unb  er  benahm  ficb  babei  fo  tinfifch;  er  butte  eg  freilich 
nicht  gelernt.  Dag  ÜDtäbchen  tabelte  i|n  barob  auch  febr. 

„®i,  mie  ungefchicft  bältft  Du  boch  ben  Deller!  Sötuß 


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123 


man  ben  Söffe!  fo  jmifcfjen  SReffer  unb  ©abel  legen?  Dag 
©alj  mußt  Du  J)übfd)  auf  ben  Difd)  fdjiitten.  3Ran  barf 
e§  nid^t  fammt  bem  33ef)ätter  auf  ben  Difdf)  ftetten,  benn 
menn  ber  93ef)ätter  oon  ungefähr  umftürjt,  fo  bebeutet  bag 
Ungtücf.  SBenn  Du  bag  S3rot  anfctjneibeft,  barfft  Du  nicht 
mit  ber  SWefferfpi|e  tjineinfted^en;  bag  mürbe  ben  lieben 
©ott  erjürnen.  Du  mußt  erft  mit  bem  Sttteffer  ein  ßreuj 
bariiber  machen.  SEBie  ungeftfjtcft  ift  bocf)  fo  ein  großer 
SRann!" 

Snjtoifchen  hotte  §elen!a  bie  gaftenfuppe  {jereingebracf)t. 

Dag  -Stäbchen  loftete  bie  Suppe  unb  ßielt  mit  bem 
Söffe!  inne. 

„Da  ift  mag  gretnbeg  brin!  3hr  Ijabt  gleifd)  £>inein= 
gefcfjmuggelt.  3<h  «ff«  nicht  baoon ;  Shr  moHt  mich  tauften. 
3ßr  mollt  mir  gleifchfuppe  ju  effen  geben!" 

Der  ©jar  loftete  nun  feinerfeitg  bie  Suppe  unb  Oer» 
fitfierte,  biefelbe  ljabe  leinerlei  gteifdjgefdimad.  Dag  Iranfe 
ÜRäbcf)en  mar  aber  fdjon  burdj  ben  ©ebanfen  gereijt,  baß 
man  eg  täufchen  motte,  unb  fdjidte  alte  ©eridjte  unberührt 
jurüd.  Sie  mottte  fidt»  mit  Sonfüuten  fättigen.  Der  ©jar 
bat  fie,  fidt»  nicht  bamit  ben  Stagen  ju  oerberben;  barauf» 
ßin  brach  fie  in  Dienen  aug  unb  mefjttagte,  man  mottte  fie 
junger?  fterben  laffen.  ©üblich  ließ  ber  ©jar  bie  Xtyma* 
fdfjine  holen,  lochte  ißr  felber  ben  Dhee,  brödfelte  Sigquit 
hinein  unb  bat  fie,  baoon  ju  nehmen.  2Bie  groß  mar  feine 
greube,  afö  bag  Ironie  Stäbchen  fagte,  bag  fei  „feljr  gut." 
©ie  aß  ein  ganjeg  Sigquit,  tunlte  nodh  ein  jtoeiteg  ein, 
aß  einen  SBiffen  baoon  unb  reichte  ben  fReft  bem  ©$ar  hin, 
bamit  er  baoon  tofte,  mie  gut  bag  fei!  hierauf  ließ  fie  ftd) 
in  feinen  ©dhooß  jieljen,  legte  ihr  Köpfchen  an  feine  Schul» 
ter  unb  fchien  entfchlummern  ju  motten.  Dann  bat  fie  ihn, 
fie  ju  Söett  ju  bringen  unb  ihr  bag  §aar  aufjulöfen.  Dann 
oerjTodjt  fie  bie  ginger  ihrer  rechten  .fpattb  in  bie  ginger 
be§  ©jarg  unb  fpracfy  ihr  Stbenbgebet  unb  bei  bem  „Simen" 
hauchte  fie  ihre  jungfräuliche  Seele  auf  bie  Sippen  beg 
©jaren  hin  ■  •  • 

©ie  mar  bag  einzige  SBefen  in  ber  SBelt,  bag  er  fein 


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124 


©igeit  nannte!  Unter  Bierjig  SftiHionen  Untertanen  gehörte 
fie  allein  au8fcf)ließlidj  iljm. 

„®ute  Statut !" 

®er  „Jperr  ber  SBelt"  fanb  noc^  fo  Biet  ju  tf)un  um 
ba§  franfe  ÜJtäbc^en.  ©8  mußte  ein  Riffen  am  Äamin  er= 
märmt  unb  bem  Sinbe  ju  güßen  gelegt  rnerben ;  bann  be= 
reitete  er  Drangenmaffer  für  ben  -Jtacßttrunf.  @r  fdjob  ben 
gemeinten  fßalntjmeig  unter  ifjr  Sopffiffen,  um  bie  böfen 
■Xräume  ju  tierfcfjeuct)en.  ©r,  ber  ißf)itofopf),  einen  gemeinten 
fßalntjmeig!  21  m  Sranlenbett  ber  Sinber  ift  bie  fßj)ilofopf)ie 
ju  ©nbe! 

„@efj  bodj  fcpon  nacf)  $aufe!"  flüfterte  ba§  SRäbdjen. 
„93etf)faba  wirb  ijeute  bei  mir  fcßlafen.  ©ute  5Kacf)t!  £eute 
mcrbe  icf)  gute  Xräume  fjaben." 

„Seg’  Xeine  §anb  auf  mein  §aupt,  icf)  bitte  ®icf),  ba= 
mit  aucf)  icf)  gut  rufje.  ©ute  -Jladjt!" 

Unb  fie  gaben  einanber  {einerlei  füße  -Kanten,  obgleich 
fie  mußten,  baß  fie  in  ber  ganjen,  großen  Stßelt  Siieman* 
ben  Ratten,  ate  einanber. 

9Jtitternacf)t  mar  Borüber,  alä  ber  ©jar  ju  feinem 
©dritten  jurücffefyrte.  ©§  mar  ju  früf),  um  fjeimjuleljren. 

„gafpc’  ben  9lems{i=fßrofpect  entlang!"  —  befahl  ber 
Äaifer. 

®er  Äutfcfjer  Berftanb  ben  Sefefjl.  Stuf  bem  9lem$fi= 
fßrofpect  gibt  e8  ein  jmeiftöcfigeS  §au3,  auf  meinem  bie 
girma  „©eBerin"  ju  lefen  ift.  §ier  fjieft  ber  Sutfdjer. 

®ie  genfter  be§  erften  ©tocfmerfeä  finb  beleuchtet. 

SDtan  läutet,  unb  alSbatb  erfcßeinen  ®iener  mit  Sam* 
pen,  mefdje  ben  „$errn  ber  SBett"  jum  föauSfjerrn  hinauf» 
füfjren.  ®iefer  ift  ein  einfacher  fßapierfjänbler  unb  83udj* 
brucfer,  ber  mit  feinen  ©öfjnen  unb  Xöcfjtern,  ©djtoieger* 
föhnen  unb  ©cfjmiegertöcfjtern  beifammeu  mofjnt  unb  ein 
gemeinfameS  ©efdjäft  mit  iljnen  füljrt.  Sin  großen  geftta* 
gen  pflegt  ber  ©jar  ju  lommen,  um  fid}  ftunbenlang  an 
bem  Slnblid  ber  einfachen  gamilienfreuben  biefeä  tpaufeä 
ju  meiben.  —  gf)m  finb  biefe  greuben  Berfagt.  ®ie  Keinen 
Sinber  fagen  ©roßpapa  SBerfe  Ijer,  ber  fie  auf  feinen 


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125 


Snien  reiten  täßt,  unb  mittetft  Sßapierhüten  unb  Ijötjernen 
©chmertern  „©enerate"  au§  ihnen  macht.  Solche  ©enerate 
hat  ber  ©$ar  nicht!  Samt  ftetteu  fich  ihrer  fünf  ober  fecf)3 
in  einen  $rei£  unb  tanjen  unb  fingen,  jebe§  in  einer  an* 
bern  ®onart,  oon  ben  „9lfdE)imafdE)i=®etttern".  ©inen  fotchen 
©ängerchor  ^ot  ber  ©jar  nicht!  SBenn  ba£  SCRat  ju  ©nbe 
ift,  ba  Ijaben  fie  fo  reinen  XifdE)  gemacht,  baß  man  gar 
nicf )t  miffen  fann,  maä  in  ben  ©cßüffetn  gemefen.  ©in  fot* 
d(je§  geftmaht  fann  ber  ©jar  nicht  geben !  SBenn  bie  XifdEje 
meggeräurnt  finb,  mirb  ba£  beliebte  ,,©tocf'  unb  Jammer* 
fpiet"  fjeroorge^ott.  9Ran  foiett  um  fjofyen  ©etoinnft,  um 
SRüffe.  ®er  ©eminnft  mirb  gleich  beim  ©piet  aufgegeffen. 
©in  fo  bernünftigeS  ©etb  ^at  ber  ©jar  nicht! 

®ort  fifct  er  unter  ihnen,  bi$  bie  SHitber  fdfjtäfrig 
merben  unb  bon  ihren  Slmrnen  $u  93ett  gebraut  finb.  SSor* 
her  müffen  fie  gebermamt  füffen,  auch  ben  ©aft :  ben  ©jar. 
Sm  „SBinterpalate"  fommt  begleichen  nicht  bor! 

®ann  führt  ber  große  ©aft  mit  ben  Sitten  lange 
©efpräcße  über  bie  guten  alten  Seiten.  @r  täßt  fich  boit 
alten  greuben  unb  ßeiben  ber  Sltttagämenfcßen  erzählen; 
in$mif<hen  teert  fich  ber  ©amobar  unb  füllt  ficf)  mieber. 
®er  ©jar  meiß  nicht,  ma3  ißm  fo  moht  tßut  —  ber  ®fyee, 
ba£  ©ebädf  ober  ba£  aufrichtige  SBort,  ba£  unberfätfchte 
©emüth?  Solchen  ®ßee  erhält  ber  fiüifer  in  feinem  $aufe 
nicht! 

®raußen  auf  ben  fdfjneebebecften  Straßen  aber  gatop* 
piren  bie  ®arbe*3teiter,  unb  bie  fchteicfjenben  SSerfchtoörer 
ftecfen  au§  ber  ben  Äopf  herbor  unb  fräßen 

nach  bem  fecf)3fbännigen  ©dritten,  bie  £anb  an  Sßiftote 
unb  SReffer  h^ttenb.  $a§  gehegte  SBitb  meiß  nichts  bon 
Sltlebem! 

SRiemanb  erjähtt,  mo  er  in  ber  langen  5Racf)t  umher* 
geftreift,  unb  mer  e£  mar,  ber  ihn  fo  h^tnäcfig  berfotgte. 


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126 


XII. 

£9ie  eine  gfeßnng  eingenommen  wirb. 

„@«f)tief$e  bie  Xf)üre  feft  unb  lafj'  Sliewonben  herein! 
2öer  nid)t  glauben  Witt,  baff  id)  nic£)t  ju  |>aufe  bin,  bem 
fag,  baff  idj  geftorben  fei." 

„Unb  wenn  3emanb  ©etb  bringt?" 

„Ein  fotd)er  ^emanb  ejiftirt  nidjt. " 

„Unb  wenn  3cmanb  einen  Siebesbrief  bringt?" 

„(Sr  fott  itjn  unter  ber  Xtjüre  tjereinfdfjieben,  aber 
eintaffen  barfft  ®u  itjn  nid)t ;  benn  eä  fönnte  and)  ein 
berlappter  ©laubiger  fommen  .  .  . 

@3  ift  iiberftüffig  ju  fagen,  baf?  biefer  ®iatog  jWifdjen 
einem  jungen  Dfficier  unb  feinem  (Biener  ftattfanb.  SEBir 
miiffen  jebod)  £)injufügen,  baff  biefer  junge  Dfficier  ©ufdj= 
fin  War. 

SKit  fernerem  ®opf  unb  teilten  (Bafdjen  War  er  am  | 
SOtorgen  tjeimgeletjrt  unb  tjatte  fidj  in  angefteibetem  Buftanbe 
auf  baä  mit  einem  ©ärenfett  bebedte  (Rufjebett  geworfen;  | 
e»  war  it)m,  als  ob  itjm  jebeS  einjelne  $aar  Don  einem 
(Eeufel  mit  ber  ©eifjjange  auägeriffen  würbe.  3m  ©djtafe  I 
erfdjieiten  i£)itt  bie  Zeitigen  ©carabeer  be§  jungen  Sttlarat,  , 
wie  fie,  in  riefige  6tept)anten  üerwanbett,  fidj  iljm  näherten, 
um  itjn  ju  tüffen.  J 

ißlöfclidj  warb  er  burd)  ein  fpeibenfpectafet  t>om  ©djtafe  j 
aufgefdfjredt.  Stuf  ber  ©trafje  gab’3  eine  tttauferei.  Unter 
feinem  ffenfter  warb  ein  SRann  fürdfjtertid)  burdjgebtäut. 
tiefer  jammerte  unb  fdfjrie  um  $itfe,  allein  eä  fam  3lk- 
manb.  28a§  fümmert  fitf»  aud(j  bie  ißotijei  um  (ßriöat=9tn= 
getegenfjeiten? 

ißufdjfin  fonnte  ba§  SBcfjgefdjrei  nidjt  tanger  andren, 
er  trat  an  ba3  mit  ©iäbtumen  überjogene  genfter  unb 
flauste  barauf,  bis  er  eine  ©teile  jum  fjinburdfjbtiden  ge» 
wann. 

(Brei  Stiänner  balgten  unter  feinem  fünfter  mjt  ejns 
anber.  $Wei  prügelten  unb  würgten  einen  (Britten,  ber  ftdj 


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127 


oerjtoeifelt  wehrte,  unb  beffen  ©efidjt  fd^on  ganj  mit  ©tut 
überftrömt  war.  ©iner  feinet  Stngreifer  griff  ifjm  in  ben 
Sott  (ed  mar  ein  langer  jweigetbeilter  ©art)  unb  befielt 
ein  ganjed  ©äfdjel  baoon  in  ber  |>anb. 

Dad  lonnte  $ufcf)fin  nicht  länger  mit  anfeljen.  Der 
Stnblid  biefer  Srutalität  empörte  it»n ;  er  l)olte  feine  $unbd» 
peitfebe  »on  ber  SBanb  ^erab  unb  rannte  auf  bie  Strafe 
fjinaud.  ©ergebend  fdjrie  fein  Wiener  ihm  nad) :  „Oeffne 
nie^t ! "  —  er  fprang  binaud,  ftürjte  fid)  unter  bie  Staufer 
unb  begann  bie  beiben  Singreifer  mit  ber  fßeitfcbe  ju  bear* 
beiten.  Diefe  tiefeen  bied  nicht  lange  gefaben,  fonbern 
nahmen  gerfengelb.  fßufcblin  Ijob  bad  am  ©oben  (iegenbe, 
blutig  gefdjlagene  unb  fdbmerjlicfe  ftötinenbe  Opfer  auf  unb 
trug  ed  auf  feinen  Slrmen  in’d  $aud.  3fn  feinem  3'wmer 
angelangt,  liefe  er  ein  Söafdjbeden  mit  frifd)cm  ÜBaffer 
bringen,  bamit  ber  Slermfte  fid)  bad  ©efidjt  t>om  ©lute 
reinige.  Der  fo  graufam  ßugeridjtete  tt>at  willig,  Wie  it>m 
gebeifeen,  unb  Wufd)  bad  ©eficfjt  fo  grüitblid),  bafe  nid)t 
nur  ber  3*iwober  feerunterging  unb  bad  SSaffer  ganj  rotfe 
färbte,  fonbern  aud)  ber  ©art,  ber  nur  angeflebt  War, 
gänjlid)  öerfcbwanb.  Slld  er  fiel)  bann  abgetrodnet  batte, 
wanbte  er  fiefe  täcfjelnb  ju  fßufcblin,  jog  aud  bem  Slermel 
feined  weiten  Stoded  ein  jufammengefalteted  fßapier  beroot 
unb  fagte : 

„©ottlob,  bafe  icb  bo<b  einmal  mit  Dir  fpredjen  fann  : 
woöteft  Du  mir  nicht  biefe  Sfteinigleit  bejahten?’' 

3efct  erft  bemerfte  fßufcblin,  bafe  fein  fcblimmfter  ©läu* 
biger,  ber  böfe  SBucberer  3  f  a  b  a !  o  f  f,  öor  ifem  ftebe. 

„£at  Dieb  ber  Deufel  b'eber  gebracht  ?" 

„Stein,  $err,  Du  felbft  tjaft  mich  bieber  gebraut." 

Der  Diener  fpracb  bajwifcben : 

„3<b  ffl9te  $err,  Du  foHeft  bie  Dbür  nicht 
öffnen." 

„<Sie  riffen  ihm  ben  ©art  aud." 

„Der  War  nur  angellebt,"  geftanb  3fabaloff  lädbelnb. 

„Unb  bie  jwei  SJtänner,  bie  Dieb  prügelten.  .  .  .  ?" 

„<Sinb  meine  beiben  «Schwäger.  @d  war  Sltled  mit 


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128 


ihnen  öerabrcbet.  3<h  muffte,  baff  ®u  ebelmüt^ig  feieft  unb 
mich  titelt  jerfleifchen  taffen  merbeft.  @8  ift  fonft  fo  feiner, 
ju  Sir  ju  gelangen." 

fßufd)!tn  faf)  ein,  baff  ber  Spaß  gelungen  fei,  unb  baff 
er  fief)  niefjt  baräber  ereifern  bürfe. 

„Unb  ma8  toiUft  ®u  nunmehr?" 

„Sich  unterttjänigft  bitten,  biefe  lumpigen  taufenb 
fRubetcfien  ju  bejahten.  Su  meißt,  wie  lange  Su  fie  fcfjul= 
big  bift." 

„3fa  mof)t;  idj  ^abe  fie  in  SBucherjiitfen  fdjon  jmei* 
mal  bejaht." 

toenn  e8  mein  eigenes  ©etb  märe!  Slber  auch  idf 
habe  e8  entlehnt,  um  eS  Sir  teilen  ju  fönnen.  Ser  93Iut= 
eget  ljat  bei  jeber  Prolongation  bie  Stufen  hinauf  gef  djraubt; 
td)  mußte  ba§  fRämtidje  tßun.  $eßt  mit!  er  nichts  mehr 
non  Prolongation  hören.  (Sr  jieljt  mir  ben  Kaftan  bom 
ßeibe,  roenn  ich  ihm  bie  taufenb  fRubet  nicht  fjerbeifchaff e. 
geh  bteibe  jur  ftrengen  SBinterSjeit  in  ^embärmetn.  SReine 
fieben  Kinber  —  feßön  mie  bie  (Sngetn  —  ha^en  bann  tein 
Srob !  9Ran  nimmt  ihnen  megeit  deiner  ©cfjulb  ben  testen 
Potfter  unter  bem  Kopfe  meg!  3  cf)  befi|e  nictitö  mehr;  ich 
habe  Stiles  ju  ©etb  gemacht,  um  ben  bemühten  Stutfauger 
ju  befriebigen.  Ser  teßte  Unterrocf  meines  SBeibeS  ift  in 
ben  9tpra;rin=Smor  gemanbert.  SBaS  fott  auS  mir  armen 
SRanne  merben?" 

Ser  SBucherer  meinte  mie  eine  Sadjrinne. 

,  Slber  ich  femn  Sir  nicht  helfen!"  fagte  pufchfin 
ärgerlich.  „SB ober  fott  ich  baS  ©etb  nehmen?  3$  bin  ja 
fein  Sanfnotenfabrifant !" 

„SSBann  mirft  Su  mich  dtfo  boch  bejahten?" 

„3ch  bin  auch  fein  Prophet!" 

„Slber,  maS  fott  ich  oemer  Seufet  bann  beginnen?" 

Unb  ber  SBucherer  begann  ju  jittern. 

„Ktage  bie  Schutb  ein." 

„Sich,  ffherje  nicht,  gnäbigfter  §err.  Sann  mürbe  ich 
nodj  eingefperrt  merben,  meit  ich  einem  Dfficier  ©etb 
geliehen. 


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129 


©rbarnte  bicß  mein!  9teun  SRenfdjen  Werben  tägticf)  um 
©ein  $eit  beten,  Wenn  ®u  midt)  bejaßtft!" 

„28o  fotl  icf)  eä  {(ernennten,  wenn  id)  nidßtS  ßabe?" 

„Sinne  bocß  nur  ein  Wenig  nacf).  ®u  ßaft  teilte  ®an= 
ten,  ®u  fönnteft  eine  berfetben  beerben.  @§  gibt  jo  reiche, 
fdfjöne  fffirftinnen  in  ber  Stabt,  bie  einem  jo  tabfern  ©aoa= 
iier  gern  im  ©eßeimen  ©eiftanb  leiften  möchten,  wenn  jie 
erführen,  baß  er  jicß  in  momentaner  ©crtegenßeit  befinbe. 
3dß  fönnte  ®ir  eine  feßr  gute  Partie  empfeßten :  ein  fdßöneS, 
gutes,  fittfameS  SDtäbcßcn.  Sie  f)at  eine  ßatbe  SDtittion  Stube! 
SRitgift.  Scß  Witt  ber  Satße  nadßgeßen,  Wenn  ®u  befießtft! 
—  Sludß  ßaft  ©u  in  ©ftow  eine  jo  fcßöne  ©efißung.  ©S 
gibt  nocß  genug  eßrfame  ©antierS  in  ber  Stabt,  bie  nidßt 
Wijjen,  baß  ©eine  ©üter  bon  ber  Srotie  confiScirt  finb, 
unb  ®ir  barauf  ©etb  teilen.  So  ein  reifer  ©anfier  würbe 
baS  gar  nicßt  fpfiren.  Unb  ®u  Wfirbejt  ißm  ja  ba§  ©etb 
einjt  wieber  bejahten,  wenn  ®u  ©ein  ©ut  jurfiderßättft; 
WaS  gewiß  gejcßeßen  wirb,  Wenn  ®u  einmal  eine  große 
tapfere  ©ßat  begeßft  unb  ber  ©jar  ©icß  betoßnen  Witt." 

©ufcßtin  ßiett  jicß  bie  Seiten  bor  2a<ßen,  atS  er  biefe 
©orfdßtäge  ßörte. 

gfabatoff  berjWeifette  angeficßtS  biefeS  ©eneßmenS 
©ufcßtin’S. 

„$err,  nimm  bie  Sadße  nidßt  im  Spaß!"  jagte  er. 
„@S  ßanbett  jid)  ßier  um  ©ob  unb  Seben.  SBenn  icß  jeßt 
oßne  ©etb  nacß  tpaufe  geßen  muß  ju  meinen  ©ngetcßen,  bie 
unt  ©rot  fdßreien,  jo  neßrne  id)  ein  Stajirmefjer  unb  fdßneibe 
alten  jieben  bie  Jpötje  ab,  bann  ißrer  üKutter,  bann  mir 
felbft.  $cß  bin  ju  9tfiem  entfcßtoffen.  SBenn  ®u  muß  au3= 
lad^ft,  jo  madße  idß  ®ir  ßier  gteidß  eine  ©omöbie,  baß  ©ir 
baS  Sadßen  bergeßen  wirb;  bie  ©erjWeiflung  ijt  ju  Sittern 
fäßig.  SBenn  eö  jid)  mit  ©einem  ©ewiffen  berträgt,  baß  ein 
©ater  bon  jieben  ®inbern  jicß  ßier  bor  ©einen  Stugen  auf= 
ßänge,  bort  auf  jenem  jfenfterriegel  .  .  ." 

,,®ßu'  baS!"  —  jagte  ©ufcßfin  lacßenb,  „aber  jo 
rafdß  als  mögtidß;  benn  idß  bin  fcßläfrig  unb  lege  mid) 
fdjtafen." 

36fat:  Qrretyeit.  I.  9 


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130 


Sftit  biefett  SBorten  marf  er  fid)  auf  fein  geftbett. 

„Stun,  baS  fottft  Su  fel)en,  nodj  elje  Su  ein- 
fd^täfft !" 

Ser  SSudjerer  trug  einen  ©effet  jum  genfter,  ftieg 
auf  benfetben,  machte  au8  feinem  langen  §atötud()e  eine 
©dringe,  banb  biefe  an  ben  genfterriegel,  fc|ob  ben  ®opf 
burd)  bie  ©dringe  unb  ftieß  bann  ben  ©effel  um.  5(5Iö|tidf) 
faf)  Sßufdfjfin,  mie  fein  ©laubiger  in  ber  Suft  jappelte,  unb 
mie  beffen  2lugen  ^eruorquoHen. 

Sa£  mar  benn  bod)  ntef)r  atö  ©paß;  er  beeilte  fid), 
bie  ©dringe  mit  feinem  $anbfdjar  burdfouljauen.  Sa  erft 
fab)  er,  baß  ber  ©etbftmörber  unter  bem  |>embe  eine  Slrt 
©rabate  auä  bidem  ßeber  trug,  meldje  ba£  3ufammenäief}en 
ber  ©djlinge  berfjinberte. 

Sa3  mad^te  ifyn  zornig  unb  er  brofyte  bem  2Budjerer 
mit  prügeln. 

„$BteinetI)aIben,  fdjlage  micf),  aber  äafjle.  ^dj  opferte 
gern  mein  Seben,  menn  icß  nur  ju  meinen  taufenb  Stubein 
fomnte.  ©ag'  mir  nid^t,  Su  Ijabeft  fein  ©elb;  idf>  meiß, 
baß  Su  meldjeS  f)aft.  £>aft  Su  ni<J)t  borige  SBodje  9tpe= 
moafin,  ben  elenben  SBud^erer,  bejaht?  Ser  ift  erft  ber 
redete  SSIutegel!  Ser  nimmt  200  5ßercent!  Unb  bod)  Ijaft 
Su  i^n  bejaht,  obgleich  er  ni<J)t§  ©dfjrifttidjeä  bon  Sir 
^atte." 

„©erabe  beäfjatb  bejahte  icf)  ü)n;  e$  mar  eine  ©f)ren= 
fd^ulb." 

9lfö  3fobafoff  bie3  ljörte,  jerriß  er  ben  ©djulbfdjein 
unb  marf  bie  Sßapierfepen  in  bem  ®amin. 

„Stun  Ijabe  audE)  id)  nidjtö  ©djrifttidfiea  meljr.  Stun 
ift  audj  meine  gorberung  eine  ©fjrenfdfptlb!"  —  fagte  ber 
SBudjerer,  beibe  §änbe  in  feinen  ©iirtel  ftedenb. 

Sa§  mar  $ßufcf)fin  benn  bocf)  ju  biel. 

„SaS  Sonnermetter  fott  in  Sid)  fahren!"  fdfjrie  er. 
„§ier  fjaft  Su  meine  93rieftafd)e.  3Ba3  barin  ift,  nimm 
Sir!" 

Unb  ber  SBud^erer  fanb  etma3  barin.  mar  ein 
©ebid^t:  eine  Stomanje  „SSom  3^9eultermäbc^en". 


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131 


®r  tanjte  öor  greube;  halb  Ijocfte  er  mieber,  halb 
imeber  fdjlug  er  au3,  mie  ein  luftiger  ®ofat. 

„£oho,  mein  lieber  @ott,  melier  3ang!  Sa3 
itermäbchen!  ©ott  fegne  Sich  bafür!  gd)  laufe  bamit!" 

„SBohin  taufft  Su  bamit?" 

„Bum  Sppographen,  ju  ©eoerin!  Soeben  bat  er  mir 
erzählt,  ba&  feit  geftem  bie  oorneljme  Sßelt  §u  ipm  matt' 
fa|rtet,  um  fiep  §u  erfunbigen,  mann  ba§  ©ebicht  Sßufd)* 
iin'3  „$om  .ßigeunermäbchen"  ju  haben  fein  merbe,  toeU 
<fye%  er  bei  gräulein  Stmarinen  Oorgetefen?  ®r  mürbe  oiel 
©elb  bafür  geben,  fagte  er.  SReine  taufenb  9tubel  finb  aud) 
barin  enthalten.  28enn  möglich,  preffe  ich  aodj  mehr  herau$ 
nnb  theite  ben  Ueberfdjufc  ehrlich  mit  Sir.  ßüfc'  bie  §anb ! 
SSerjeih',  menn  ich  $i<h  beläftigte!  ©efiehf,  menn  Su  mie* 
ber  ma3  brauchft!  3<h  merbe  mich  freuen,  Sir  bienen  ju 
fönnen!" 

Sie  £älfte  fyttion  hatte  ber  Sßudjerer  fchon  auf  ber 
©d)mette  mit  halb  jurücfgemanbtem  ®opfe  gefprodjen.  Sßufd)5 
fin  glaubte,  ber  Slermfte  fei  närrifch  gemorbeu.  ®r  legte 
fich  ärgerlich  mieber  ju  ©ett  unb  oerbot  feinem  Siener, 
biefe3  eile  Shier  lieber  einjulaffen. 

Sann  fd^lief  er  bi§  SRittag. 

2113  er  ermaßt  mar,  rief  er  feinen  Siener. 

„Ser  efle  SRenfch  mar  mieber  ba,"  fprad)  ber  Siener. 

„Stber  Su  haft  ihn  nicht  eingelaffen !" 

„SRein;  aber  unter  ber  Shürfpalte  hat  er  biefe3  *ßäcf= 
tfyen  Ijereingefchoben.  Sott  ich  m'3  Steuer  merfen?" 

„SRein,  laf$  fehen!" 

Sßufchfin  öffnete  ba3  Rädchen  unb  fanb  barin  eine 
<£opie  feiner  9toman§e  ,,©on  bem  3igeunermäbchen", 
^mei  ©anhtoten  ju  hanbert  SRubel  unb  einen  ©rief  be3 
©uchbrucferS  ©eoerin,  in  meinem  biefer  ihm  anjeigte,  bafc 
er  ihm  feine  9toman§e  für  1200  SRubel  abfaüfe.  3a>eihan= 
bert  fenbe  er  ihm  gleich;  bie  refttid)en  Saufenb  merbe  er 
Sentjenigen  jahlen,  ber  ihm  feine  2fomeifung  bringt.  Sie 
<£opie  fenbe  er  Sßufchfin,  bamit  biefer  bie  ©rlaubnife  §um 
Srucfe  ermerbe. 

9* 


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132 


Das  ttmr  nun  eine  curiofe  ©efcpidjte.  S3or  Stflent,  bafj 
er  (Mb  betont  für  etwas,  WaS  er  nur  jur  eigenen  ©rjjei* 
terung  erfonnen.  Slbfurb!  Der  Äartenfpieler  fjat  meljr  2tn= 
rerf)t  auf  baS  int  „SanbSfnedjt"  gewonnene  ©etb,  als  ein 
SDtenfd),  ber  ba  fagt:  3$r  £>unberte  unb  Daufenbe!  Slj* 
ntüffet  mit  jagten  für  bie  ©rlaubnifj,  baSjenige  ju  lefen, 
WaS  id)  gefdjrieben.  ©d)riftftet[er=§onorar!  (Ein  ^ibribum 
jwifdjen  bem  ßädjerlidjen  unb  <2d)mäf)lidjen !  Sft’3  Dieb* 
ftaljl  ober  SBetrug?  Ober  nur  ein  ©ünbenloljn? 

Diefe  ©ebanfen  gingen  ißufdjfin  burdj  ben  Sopf,  als 
er  ben  SBrief  burdjlaS.  Sinn  foQte  er  gar  junt  ©enfor 
geljett,  @r,  ber  Dfficier,  fottte  fidj  bor  einem  fdjimmetigen 
Dfinobnil  bemüttjigen  unb  anerlennen,  bafi  ber  in  biefem 
gaüe  fein  §err  unb  9tidjter  fei.  3 ft  bod)  in  allen  anberen 
Sergeljen  bie  äRilitärbeljörbe  fein  ©erid)t.  Die  fßoefie  ift 
bod)  ein  unfaubereS  ©emerbe,  tuenn  fie  ben  f ermüden  Dffi* 
cier  fo  jum  ©ibiliften  erniebrigt.  fßufdjfin  entfdjlofj  fidj, 
SlpoEo  biefeS  Opfer  ju  bringen. 


xrn. 

Per  geifterfrefTer. 

Der  SDtenfdfienfleifdjfreffer  toirb  ©annibale  genannt; 
ttrie  tjeifet  aber  Setter,  ber  fid)  mit  bem  ntenfdjlidjen  ©eifte 
füttert?  .  Der  jum  grüljftü<f  junge  pfyantajiegebilbe 
berfpeift,  jum  SRittagmaljl  ©ebanfenriefen  jerfleifcf)t  unb 
jum  Etocfytntgljl  ©eifterblut  fdjlürft;  tnie  Wirb  biefer 
genannt? 

©enfor ! 

©in  EftenfdE),  ber  über  ©ötter  urteilt! 

Sn  ©t.  Petersburg  Waren  ju  jener  3eit  befonberS 
berühmte  ©enforen,  an  beren  ©pi$e  2Jlagni|!t)  ftanb; 
SlraftSejeff  war  feine  rechte  $anb,  wenn  eine  feiner  £änbe 
überhaupt  re djjt  genannt  werben  tonnte. 


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133 


Sie  Slnelboten,  Weldje  übet  fie  circuliren,  fidlem 
iftnen  bie  Unfterblidjleit. 

§err  Sujufi n  oerbefferte  bie  gliaS  beS  |>omer, 
madfjte  aus  S3enuS  eine  anftänbige  Same  unb  aus  SJlarS 
einen  Dfficier  öon  guten  Sitten,  unb  oerwanbette  bie 
großen  5lnfangSbudjftaben  bet  fallen  ©ötter  in  Keine 
(benn  nur  bet  9tame  beS  einjigsWaljren  ©otteS  barf  groft 
getrieben  Werben);  jebocf)  bei  3RarS  belieft  et  ben  groften 
Stnfftngäbudjftaben,  aus  iftefpect  für  ben  Sjar,  bet  ja  aucft 
ein  ®riegeSgott  ift. 

2tu§  bem  Söerfe  eines  fßoeten  ftricft  et  bie  Sßorte : 
„grember  $immel";  benn  eS  gibt  ja  nur  einen  §immet, 
in  Weldje m  bie  ^eiligen  tooftnen :  folglich  ift  er  nidjt  ftentb. 
3luS  bent  ©ebidjte  eines  Sinberen  ftricf)  er  ben  fßaffuS : 
,,:gd)  oeracftte  bie  SBelt" !  eS  ift  ja  gerabeju  Ijocftöerrätlje» 
rifd),  eine  SBelt  ju  Deradjten,  in  Wetter  ©jar  unb  ®roft= 
fürften,  auSlanbifdje  Regenten  unb  SDtinifter  fid)  iftreS  ßebenS 
freuen!  SSon  ber  liebeglüljenben  fßljrafe  eines  britten  Sid)= 
terS,  weldje  fo  lautete:  „SlngebeteteS  SEBefen,  Su  erfdjufeft 
meine  ©lütffeligleit!"  fanb  bloft.baS  eine  SBörtcften  „SEBefen" 
©nabe  Bor  bem  ftrengen  ©enfor;  „angebetet"  bürfen  nur 
bie  |>immlif(f)en  werben;  „erfdjufeft"  läftt  ficft  nur  Bom 
einzigen  ©ott,  geljoöalj,  fagen,  ber  bie  SBelt  in  fec^S  Sagen 
erfdjuf ;  „©lüdfeligleit"  erblüljt  nur  im  genfeitS  benjenigen, 
bie  als  Waljre  ©fjriften  ifjr  ßeben  gefdjtoffen.  Saljer  wirb 
bie  2lnfprad)e  „SBefen"  jenem  gewiffen  gräuleiu  BoHfom» 
men  genügen. 

Unb  ju  biefem  SRanne  muftte  fßufdjfin  fein  ©ebic£)t 
tragen.  @r  Köpfte  an  ferne  Sljür  unb  bat  iljn  ergebenft, 
fein  SEBerl  efjeftenS  burdfjjulefen,  Was  iljm  audfj  gnäbigft 
jugefagt  würbe,  inbem  iljn  bei:  ©enfor  auf  einen  ^eiligen 
greitag  auf’S  SReue  ju  fid)  bestellte. 

!Rodj  niemals  Ijätte  ber  Jüngling  ein  ßiebeS=9tenbejBouS 
fo  ungebulbig  erwartet,  als  biefe  3ufammenlunft.  ®r 
fannte .  feinen  SKann  unb  wuftte,  baft  er  mit  iljm  fdjwer 
ju  fämpfen  Ijaben  wirb  . . .  Senn  man  barf  nidjt  Bergeffen, 
baft  man  —  obgleidj  eS  mehrere  ©enforen  gab  —  leine 


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134 


2luSmapl  unter  ipnen  patte.  Senn  jeber  Eenfor  patte  fein 
fpecielle§  gacp,  ber  ©ne  bie  Leitungen,  ber  ßroeite  religiöfe 
SBerte,  ber  dritte  patte  ©cpulbücpcr,  ber  SSierte  ißlacate 
ju  beurteilen,  ber  günfte  prüfte  bie  Xt»eaterjettet,  ber 
©edjfte  enblicp  controlirte  bie  poetifcpen  ©jeugniffe. 

§err  ©ujulin,  ber  bie  irbifdje  gürforge  ber  Siebter 
repräfentirte,  patte  bieS  £>anbmerl  fepon  ju  Ejar  ißaul’ä 
3eiten  geübt.  Er  mar  fepon  poipbetagt;  fein  ®opf  loar 
völlig  lapl,  unb  ba  auep  fein  ©efiept  ftetä  glattrafirt  mar, 
fo  gliep  er  einem  öeritabten  Sobtenlopfe.  -Kur  bafj  biefer 
©cpäbel  noep  mit  allen  ÜJtitteln  pppfiognomifeper  Torturen 
Oerfepen  mar.  SEJiit  feinen  pöpnifepen  ©rimaffen  gatbanifirte 
er  ben  vor  ipm  ftepenben  unglüelliepen  ißoeten,  unb  ein 
®inb  be§  Sobe«  glaubte  Seber  ju  fein,  ben  er  mit  feinen 
faltigen,  Meinen,  rotpen  Steuglein  anblidte. 

„9tun,  mein  lieber  ©opn  Sßufeplin!  (gebet  Siepter 
mar  fein  ,,©opn".)  gep  pabe  Sein  ißenfum  burcpgelefen : 
uom  Slnfang  bi§  jum  Enbe.  gep  bebaute  Siep  fepr.  2Bie 
(onnteft  Su  Siep  unter  Bleien  mengen  unb  gigeuner  junt 
©egenftanbe  deiner  poetifepen  Slbpanblung  mäplen?  föennft 
Su  benn  leine  pöperen  ©ppären?  Sßiüft  Su  mit  ber  S3erfi= 
ficirung  be§  3igeunerleben3  Seinem  Sßater  ©epanbe 
bereiten?" 

ißufeplin  berupigte  genen,  inbem  er  ipm  fagte,  bafj 
fein  SSater  fepon  löngft  tobt  fei.  SBa«  jtvar  niept  mapr 
gemefen,  boep  braucpt_man  einem  Eenfor  ja  leine  SBaprpeit 
ju  fagen. 

„So  paft  Su  gemifs  anftänbige  Sßermanbte,  bie  fiep 
fcpämen  müffen,  bic§  ju  lefen!  Sie  merben  glauben,  ba§ 
Su  felbft  ein  $iöeuner  gemorben !  ga  meitn  Su  beine 
3igeuner  menigftenS  ibealifirt  pätteft!  Soep  Su  jeiepneteft 
fie  naep  ber  SBirtlicpteit.  Somit  fünbigteft  Su  gegen  bie 

erften  Regeln  ber  ißoefie! - Socp  bie§  märe  niept 

ber  größte  gepler.  —  —  Slber,  um  ©otteS  ^Bitten !  ma£ 
finb  baS  für  SSerfe ?  ©olepe  finb  mir  noep  nie  borgelom* 
men!  SBirgitiuS  2Raro  bieptete  in  ^ejametern,  Iporatiuä 
glaccuä  in  alläifcpen,  fapppoifdpen  unb  anapeftiftpen  S3er= 


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135 


feit;  bodj  wie  werben  Steine  SBerfe  genannt?  SSon  einer 
©aefur  feine  ©pur,  bie  3eilen  finb  gräulidj  untereinanber» 
gereimt,  mie  wenn  auf  bem  SlmboS  beS  ©djmiebeS  brei= 
erfei  Jammer  ertönten :  eine  $eile  ift  ju  lang,  bie  anbere 
ju  furj!  S)a8  fonnte  ich  nicht  julaffen;  wo  ich  eine  3eile 
furj  fanb,  ergänzte  ich  fie  mit  je  einer  3nterjection :  meil, 
nämtidj,  aber,  bod;,  hingegen." 

Unb  ber  Xobtenfopf  überftrömte  nodj  Dom  ©etbftlobe! 

„3a  ja,  mein  ©öfyndjen !  3<$  fjabc  fdjon  Diele  fßoeten 
Dor  bem  Stolpern  besätet.  Sserfdjaoitt  Derbanft  mir  bie 
beffere  §älfte  feines  SRnljmeS.  Sludj  aus  S)ir  toerbe  id; 
nod^  toaS  SRedjteS  machen!" 

„SEBotjlan,  aus  mir  fönnen  ©ie  madjen,  toaS  ©ie 
motten;  bodj  meine  SBerfe  ergänzen  ©ie  mit  feinem  3ota! 
©ie  finb  ba,  um  ju  ftreidjen,  WaS  S^nen  nicht  gefällt." 

„9tur  nidjt  aufbraufen,  ®inb!  Ueber  Sßangel  an 
©tridjen  Wirft  S)u  Siich  nidjt  ju  beflagen  Ijaben.  ©iefjft 
S)u  biefen  rotten  ©tift  in  meiner  fpanb?  @r  ift  ^iftorifd). 
©r  war  nodj  nie  gefpifct;  im  Streichen  we|te  er  fidj  ab. 
©eit  anno  1796  (wo  S>u  nodj  gar  nictjt  geboren  Warft) 
burd)ftreidje  i<f>  fdjon  mit  biefem  ©tifte  SESorte,  feilen,  ja 
ganje  ©eiten!  Unb  was  mit  bem  auSgelöfdjt  würbe,  baS 
ift  für  ewig  tobt!" 

„S)iefer  ©tift  ift  bemnad)  eine  Wtrflidje  ©uiHotine?" 

„6i,  ei,  ein  fo  junger  üRenfdj  follte  baS  SBort  „®uiHo= 
tine"  gar  nicht  auSfpre^en !  SJiefer  ©tift,  mein  ©ol)n,  ift 
ber  Delfrug  ber  SBitwe  Don  ©arepta,  ber  nie  leer  Wirb. 
SJiefer  Sftotljftift  bewahrt  bie  ©efetlfdjaft  Dor  ©Wartung, 
©efdjttmreit  nnb  ©pibemien.  @r  ift  wert^Dotter,  als  ber 
©tein  ber  SIBeifen,  unb  allmächtiger  als  jeber  ÜDtarfdjaUftab. 
©r  ift  bie  Säule,  Welche  bie  tftuhe  beS  SanbeS  aufredjt 
erhält!" 

„Soffen  ©ie  mich  mal  hüte«,  Welche  SBunber  3hr 
gauberftab  an  meinen  frommen  Sßerfen  tollbrachte?" 

„@r  h0*  feine  fßflidjt  erfüllt,  ©laubft  S)u  üietleidjt, 
bafj  SBerfe,  wie :  „S)ie  äRenfchengruppe  jmifdjen  engen 
dauern  fdjärnt  fidj  fogar  ju  lieben!"  baS  Sicht  ber  SSelt 


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136 


erblicfen  bürfett?  Qa,  ju  lieben,  gleidj  Seinem  teuren 
gelben,  rnödjte  idj  midj  felber  frönten!  ©inem  BiQeuner» 
mäbdjen  nacfjrennen  unb  oljne  ißriefter,  offne  Slltar  lieben, 
nur  fo  in  bie  Seit  Ijinein  —  baS  wäre  bie  redjte  2lttcife= 
rung  für  bie  Sugenb,  bie  biefeS  lefen  wirb!" 

„Stber  ba#  ift  ja  nidft  meine  Slnfidjt,  fonbern  barin 
lommt  bie  ©dfulb  be#  ßtomanfielben  jum  SluSbrucf,  weither 
bie  bramatifdfe  ©ntwidlung  bewirft,  Wofür  er  büfjen  mnfj. 
Sie  ©träfe  folgt  ber  ©ünbe  auf  bem  Suffe." 

Ser  Sobtenfopf  ftaunte.  2luf  biefe  ßteplif  War  er  gar 
nicf|t  gefaßt. 

„9llfo  beä  Slbenteurer#  Sßteinungen  finb  ba#?  Sann 
ßätteft  Su  aber  unten  bemerfen  mttffen,  bajj  biefe#  nid)t 
bie  Stnficf|ten  be#  Stutor#  finb,  unb  baff  ber  Setreffenbe 
fpäter  bafür  büßen  wirb.  —  Sod)  f>öre  Weiter :  „@r 
(b.  i.  ber  ©tabtmenfdf)  Oerfauft  fdfnöbe  feine 
Sreilfeit,  beugt  fein  föaupt  üor  einem  @ö|en  in 
ben  ©taub,  unb  erbettelt  fidf  ©elb  unb  Setten!" 
3ft  e#  alfo  geftattet,  foldfe#  bem  Rapier  ju  übergeben? 
SEBeldie  „üfreißeit"  oerfauft  er?  Unb  Sem  „oerfauft"  er  fie? 
Sein  SRenfdf  Ijat  t»ier  greißeit,  folgtidf  fann  fie  auch 
ßtiemanb  oerfaufen !  Sa§  ift  ja  ein  Slufruf  jur  ßteoolution. 
©ine  Slufforberung  jur  Stnardjie!  ©ine  fßroctamation!  Unb 
bann:  „S9eugt  fein  Jpaupt  oor  einem  ®ö|en  in  ben  ©taub!" 
Ser  ift  biefer  ©ö|e?  Ser  ©jar?  Ober  bie  Zeitigen  Silber? 
Su  wiflft  ja  ba#  Solf  jur  ^fonomad^ie  aufreijen!  Sa#  ift 
mef)r  al#  Slaäptjemie !  3n  früheren  Beiten  ßätte  man  Sir 
bafür  bie  Bunge  IjerauSgeriffen!  Unb  enblidj :  „©rbettelt 
fidf  ©elb  unb  Setten" !  Sa#  ift  ja  eine  Sranbmarfung  aßet 
iweijeljn  ßiangftufen  be#  Seamtenfffum#!  Setten!  Sa#  ift  bie 
Waffre  Qiafobinerlofung !  Sllfo  bie  Setten  mifffaßen  ©ud|? 
Difne  fie  Wäret  3f)r  ja  Sölfe  unb  feine  SDtenfdfen!  Sod) 
braudft  3l)r  nic^t  barnm  ju  betteln;  3ßfr  befommt  fie 
umfonft,  au#  ©nabe!  3fjr  müffet  Setten  lfaben!  SKüffet ! 
SSergebtid)  oerfificiret  3f>r  bagegen!  Senn  icf)  folcße  brei 
Beilen  nidft  burd|ftreid)en  rnödjte,  oerbiente  id),  baff  man 
mir  biefen  9totf)ftift  burdf  bie  Sßafe  ftedfe!" 


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137 


Unb  itadj  biefer  graufamen  Sentenj  legte  er  beit 
gefäbrlic^en  Stift  an  fßufdffin’S  (Mebidjt,  um  fettet  tüchtig 
burdZjupflügen. 

„Sdj  aber  ertaube  nic^t,  biefe  brei  Seiten  aus  meinem 
©ebidjte  ju  ftrei<Zen;  lieber  neunte  icZ  es  jurii &"• 

„2)otZ  id;  gebe  eS  nicfjt  juriict!"  ertoieberte  ber  lobten» 
fopf,  feine  tinfe  £anb  auf  ba§  9ftanufcript  tegenb.  „28aS 
meiner  Äritif  unterbreitet  nmrbe,  !ann  rticfjt  met»r  jurüdgejogen 
werben!  ®a§  muff  bie  terbiente  ©aftigation  auä^alten!" 

„Sdj  aber  proteftire  gegen  ba§  ©treiben  jebeS  einjet= 
nen  SudZftabenS!  $)a§  Söert  gehört  mir;  eS  bitbet  ebenfo 
mein  red^ttid^e§  SigentZum,  Wie  ber  9tott)ftift  ba§  S^rige. 
Sie  fönnen  meine  Strbeit  jurüdWeifen,  bärfen  fie  aber  mit 
S^rer  Sreibe  nidft  befdjmu^eit!" 

„S5ef<^mu|en  mit  meiner  ® reibe!"  fd^rie 
ftarr  Dar  Sdjreden  ber  Xobtenfopf.  „$iefe  gredZZeit  ^at 
feinen  Superlatit!" 

„Sei  ©ott,  ja!"  fcf)rie  nun  feinerfeitS  ^Jufc^fin;  unb 
jum  SeWeife  feiner  Se^auptung  rifj  er  ben  gezeitigten  9totZ= 
ffift  auä  ber  fpanb  beS  SertforS  unb  Warf  itjn  mit  fotd^er 
®raft  jur  ©rbe,  baß  bie  Wert^e  fftetiquie  in  taufenb  Stüde 
jerfprungen  auf  bem  Soben  umZerflog.  lieber  biefeS  graufen» 
tolle  Stttentat  erf<Zraf  ^ßufc^fin  fetber  unb  ergriff  bie  glucZt, 
ben  fdfredlicZen  -DtenfdZen  allein  jurüdtaffenb. 

S)er  Xobtenfopf  War  tor  Sdjred  unb  SButZ  über  biefe 
%i)ai  einen  Stugenblid  erftarrt.  Sein  attmäcZtiger  SftotZftift 
jerbrodZen!  @r  fonnte  es  fanm  faffen.  ©in  fotcZer  Saß 
ereignete  fid)  im  cibilifirten  ©uropa  nodf  nid^t !  2Sa§  ift  in 
ber  menfcZtii Zen  ©efettfdjaft  fünftig  meZr  Zeitig  unb  unter» 
tefctidZ  ?  23er  fann  fi(Z  in  Sulunft  ficZer  füZten,  wenn  man 
aucZ  biefen  ©egenftanb  jur  ©rbe  ju  ftZIeubern  Wagt?! 

Iperr  ©ujufin  rief  feinen  Wiener,  fonbern  fniete  fetbft 
jur  ©rbe  nieber,  fucfjte  bie  Stüde  ber  jerfcZmetterten  ^Reliquie 
jnfammen  unb  Weinte  babei  fo  bitterticZ,  baff  iZm  ba§  ®inn 
barüber  wadette.  „SRein  treuer  Stift . . .  meine  ^errtidjfeit . . . 
Stotj  meines  SebenS  .  .  .  .  ®u  bift  Zin."  ®r  terfudZte  bie 
größeren  Stüde  aneinanber  ju  befeftigen,  bocZ  tergebtitZ- 


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138 


XaS  erforbert  eine  ejentplarifdje  Sücbtigung  t  ®e r 
Beteibigte  ©ettfor  wicfelte  baS  corpns  delicti  in  ein  Papier, 
banb  bagu  Pufdbfin’S  ®ebid)t  unb  verfügte  fidj  rafdj  in  ben 
Palaft  beS  SlraftSejeff,  unterwegs  bie  Siebe  ftubirenb,  mit 
Welker  er  feinem  Patrone  baS  gräßliche  Sittentat  erjagten  wirb. 

SlraftSejeff  ließ  eben  bamalS  baS  gnnere  feines  PatafteS 
mit  jenen  fjiftorifdE)=merfh>ürbigen  greifen  fdjmüden,  mit 
Wellen  ber  berühmte  Xotjen  bie  Saaten  beS  ©garen  Slle» 
janber  vereinigte. 

®er  SJleifter  arbeitete  eben  an  jenem  großen  9tunb= 
gemälbe,  meines  bie  Suppet  beS  bomartigen  ©mpfattgjalonS 
auSfültt,  nnb  h>o  ber  ©gar  inmitten  feiner  fjeerfüfjrer,  nm- 
geben  non  mßtbotogtfdjen  unb  attegorifdjen  ©eftatten  erfdjeint. 

2)er  erbitterte  ©enfor  mußte  burdj  biefen  ©aal  geben. 
@r  erblicfte  ben  SJleifter,  »nie  er  auf  ber  ©pifje  beS  ©erüfteS 
reitenb,  bie  bereits  gegeicbneten  giguren  burdj  garben 
belebte.  ®ieS  !am  ifjrn  erwiinfcbt.  @r  toollte  einen  S^eil 
feines  gngrimmeS  an  ihm  auSlaffen. 

„gft  eS  SJleifter  Xopett  ober  fein  ©ebilfe,  ber  bort 
oben  malt?"  fragte  er. 

Stuf  biefe  curiofe  Sllternatiöe  ertniberte  ber  SJlater : 
„SBaS  wollt  „Sb1“  Bort  unten?" 

„geh  bin  fein  „Sb1“/  fonbern  SBaful  ©ujufin  ©ergie= 
Witfdj,  ©rleucbtungSratb  ®r.  SJlajeftät!"  (S)aS  toar  näm= 
li»b  ber  Xitel  ber  ©enforen.) 

,,©ut,  baß  ©ie  berfamen,  es  ift  hier  ohnehin  fo  Wertig 
8id|t  wegen  beS  etoigen  nerbammten  SlebelS  in  biefer  ©tabt." 

„Semen  ©ie,  Monsieur,  baß  bieS  fein  „nerbammter" 
Siebet  ift.  X>er  @t.  Petersburger  Siebe!  ift  reiner,  als  ber  jeber 
anberen  ©tabt.  ©egen  unfern  fpimmel  gibt  eS  feine  Stage! 
Slber  fiebe :  Wer  ift  jene  grau  bort  oben  auf  bem  Silbe  neben 
bem  ©garen,  beren  guß  bis  über  baS  Snie  entblößt  ift?" 
„@S  ift  grau  gama,  bie  ©öttin  ber  Sleuigfeiten." 
„Slber  Welche  gnbeceng  ift  eS,  baß  gernanb  in  ber  Släbe 
beS  ©garen  in  biefem  unanftänbigen  Slufguge  ftebt?" 

„§a,  greunb,  in  ben  Seiten  beS  griecbifdj=römifdjen 
SdptboS  Waten  nodj  feine  Strümpfe  im  ©ebraucbe." 


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139 


„2lber  »ir  fiitb  in  SRujjlanb,  too  t»fmäf)ige  ®amcn  nie» 
matS  barfuß  gefjen.  3cf|  »erbiete  gtjnen,  mit  berartigen  grauen 
im  9leglig6e  bie  ißerfon  beS  ©jaren  in  Serüljrung  ju  bringen !" 

„®ut,  idj  »erbe  fie  in  Sunbfdjufjen  malen." 

„Unb  ifjr  Kteib  taffen  ©ie  Weiter  tjinab!" 

„Slber  eS  wirb  ja  nod)  öerbrämt!" 

„®odj  tjübfdj  breit,  ba§  bie  Kniee  öerbecft  finb !  —  Unb 
»er  ift  Sener  bort  mit  ber  ißapierrotle  in  ber  $anb?" 

„®a§  ift  ©enerat  Kutufoff." 

„SEBarum  ift  fein  rechter  Slrm  fürjer  atS  ber  linfe?" 

„6r  ift  ja  nidjt  titrier;  feine  Stellung  ift  nur  fo.  3Ran 
nennt  baä  im  gtatienif^en  „scorzo“ 

„Scorzo  t)in,  scorzo  tjer!  SEBir  finb  leine  gtatiener! 
Sei  mt§  nennt  man  benjenigen,  bei  bem  ber  eine  9trm  furjer 
ift,  als  ber  anbere :  „Krummarm"!" 

„Slber  idj  lamt  bod;  bie  Sflenfdjen  nid^t  »ie  bag 
©rucijij  maten,  mit  auSgebreiteten  Firmen!" 

„3dj  felje  nicf)t  ein,  WaS  baran  unmögtidj  »äre." 

®er  SRater  tjörte  auf  ju  ftreiten  unb  begann  baä  9tntti| 
beS  Sjaren  ju  maten. 

„2BaS  für  @d)Wär$e  furnieren  ©ie  bort  in  ba§  9lngefidjt 
beS  ©jaren?" 

„Terra  di  Siena.  ®iefe  gibt  ben  ©Ratten." 

„2tber  auf  bem  Slnttifce  beS  ©jaren  barf  lein  ©djatten 
fein;  es  muff  gtänjen,  teuften  unb  flimmern.  Unb  bann 
fetien  ©ie  nur:  bie  eine  $älfte  feines  ©efidjteS  ift  breiter 
als  bie  anbere." 

„•Jlatürtidj,  »eit  eS  im  ®reiöiertet=ißrofil  aufgenom= 
men  ift." 

„Stber  »efjljatb  nehmen  ©ie  ben  ©jar  in  ®rei»ier= 
tct  auf?" 

„@r  lönnte  ja  fonft  bem  Kutufoff  nidjt  in’S  ©efidjt 
fetjen." 

„So  Wenben  ©ie  Kutufoff’S  Kopf  fo,  bafi  ber  ©jar  it)m 
in’S  ©efidjt  fetjen  lönne,  unb  fein  Slntti^  ganj  erf^eine!" 

®er  SRater  »ar  nat)e  baran,  fammt  ißinfet  unb  Palette 
»on  bem  ©erüfte  tjerab  auf  ben  Kopf  beS  commanbirenben 


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140 


@rteud|tung8rathe3  ju  fpringen.  ©odf  befottn  er  fich  noch  jur 
rechten  3eit,  nahm  bett  großen  ißinfet  £)eröor  unb  begann 
bie  Soßen  int  §intergrunbe  ju  malen. 

©amit  prooocirte  et  erft  rec£)t  bie  Strenge  ber  ©enfut. 
„§att!  SaS  machen  Sie?  SaS  wirb  baS?" 

„©ine  Soße!" 

„Sch  fann  unter  feiner  ©ebingung  geftatten,  ba&  Sie 
hinter  ben  SRiicfen  beS  ©jarS  Soßen  malen.  ©aä  möchte 
Sebermann  als  allegorifche  Stnfpielung  nehmen,  als  wenn 
ber  ^orijont  unserer  Ißotitif  non  büfteren  Sollen  bebro^t 
wäre." 

„Stber  bie  Soßen  finb  ja  nötljig,  um  bie  ©nippe  Ijer= 
oorju^eben !" 

„©er  ©jar  liebt  ficf)  bon  felbft  herüor!  Sie  müffen 
unbebingt  einen  bämmernben  £immel  I)inmalen." 

,,©aS  ift  unmöglich.  SDie  ©eftalten  Werben  ja  bon  ber 
entgegengefefcen  Seite  beleuchtet.  ®ie  Sonne  fdjeint  ja  Don 
bort  hen" 

„So  ift  bentt  bie  Sonne?  Soljin  werben  Sie  bie  Sonne 
malen?  SDtit  Welchen  gerben?  93ei  uns  leuchtet  bie  Sonne 
Diel  intenfioer,  als  in  jebem  anberen  Sanbe!" 

©er  äftaler  fah  fich  um,  welchen  garbentopf  er  bem  feljr 
geehrten  £errn  ©rteuchtungSrathe  an  ben  Sfopf  werfen 
fönne?  ©odj  bann  fam  ihm  eine  beffere  Sbce. 

„©leiben  Sie  noch  einige  Slugenblide,  fperr  @rleud|tungS= 
rath !  fpier  unter  bie  fjüfte  beS  ©jar  fommt  eine  fjigur,  ber 
„befiegte  lob".  Sh1  ®opf  ift  ein  fehr  gute«  SWobett;  laffen 
Sie  mich  'hn  rafcf)  abnehmen." 

©em  ©rleudjtungSrathe  blieb  wieber  einmal  ber  ©et= 
ftanb  ftehen;  er  fonnte  eS  fich  reicht  gleich  erftären,  ob  eS 
eine  Auszeichnung  für  ihn  Wäre,  ober  eine  ©robheit,  wenn 
feine  ißhhftognomie  mit  bem  ©jaren  auf  einem  ©itbe  als 
„befiegter  ©ob"  oerewigt  würbe?  ©oef)  fein  thierifcher  Sn= 
ftinct  flüfterte  ihm  ju,  bafj  er  bem  granjofen  einen  ©ienft 
erweifen  möchte,  Wenn  er  ihm  als  SDtobeö  ftünbe:  folglich 
that  er  eS  nicht!  @r  liejj  ihn  lieber  ftehen  unb  begab 
fich  in  baS  Zimmer  feines  ißatronS. 


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141 


XIV. 

Per  ftefie  £uuge. 

®er  SrleuthtungSratf)  tbar  gerabe  im  beften  3uge,  bor 
SlrattSejeff  baS  fürchterliche  Sittentat  fßufdjfin’S  gegen  ben 
rotten  ©enforftift  mit  aß'  feinen  graufamen  Details  auS= 
einanber  ju  fe|en,  als  ein  SBinbbeutel  heftig  bie  ££)ür 
jum  ©mpfangSjimmer  beS  ^olijeipräfibettten  aufriß.  SBie 
eS  fcf)ien,  Ijatte  biefer  SBefucßer  baS  befonbere  fßribilegium, 
nnangemelbet  ^ereinjubre^en,  mochte  auch  toer  immer  im 
ßimmer  beS  allmächtigen  (Staatsmannes  fein. 

tßer  ©intretenbe  ift  ein  ÜDtamt  im  Sllter  bon  breifeig 
Sauren,  feine  Reibung  bie  Uniform  eines  Dberften  ber 
ßeibtoadje.  ©r  h“t  regelmäßige,  angenehme  ©efidjtSjüge, 
nur  ber  unruhige  ©lief  öerrätf)  einige  Slufregung,  er  fießt 
ber  ißerfon,  mit  Welcher  er  fprießt,  niemals  in'S  Sluge. 

®aS  ift  Runter  S^gen,  SlraltSejeff’S  Soßn,  ber  liebe 
Sunge. 

„9to!"  feferie  ber  SSater  anf.  „Sefct  ift  toieber  ein 
großes  Ungtücf  paffirt !  — " 

„Au  contraire,  Sllter!  jDu  täufefjeft  ®ictj  groß!“ 

„SDein  ©intritt  ßat  feiten  ettoaS  SlnbereS  ju  bebeuten. 
|>aft  $u  mir  etiuaS  töringenbeS  mitjutßeilen  ?" 

„0  nicht  berglei  djen,  maS  ich  bor  |»errn  Sujulin  nicht 
fagen  fönnte." 

„SSietteidht  toieber  eine  momentane  ©elbbertegenljeit?" 

„Au  contraire,"  fagte  ber  Sunfer,  inbem  er  fid) 
nadjläffig  auf  baS  Kanapee  ßintbürf  unb  praljlenb  in 
bie  Dafd|e  griff,  aus  toeldjer  er  eine  $anb  boll  ©olbftücfe 
herausnahm.  „®u  fießft,  baß  ich  nicht  beSßalb  horgefom» 
men  bin." 

„®u  bift  ja  plöhlich  8«  bielem  ©elb  gefommen !  ®arf 
ich  nach  ber  Quelle  formen?" 

„SBarum  nicht?  Sch  brauche  eS  toohl  bor  §errn  @u= 
jutin  nicht  ju  berßeimlichen.  3<h  höbe  e8  in  einer  ber  tej}= 
ten  Stächte  im  Rouge  et  noir  gewonnen." 


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142 


„2 CE)  ®u  finbeft  atfo  beS  StadjtS,  Wäßrenb  ®u  mit  ber 
Qnfpection  betraut  bift,  nod)  $eit  jurn  SBefudje  ber  tßßa* 
raobanf ?" 

„Stur  fo  „en  passant“  ßot  mid)  ber  .ßufatl  tjingefüßrt. 
3dj  riSfirte  nur  ein  paar  imperiale,  fiebenmat  nacß  ein* 
anber  bot  id)  ißaroti,  id)  tjatte  »erriidt  oiet  ©tüd, 
bie  Stotze  fd^tug  jebeSmat  ein.  Sann  reterirte  id)  ptößticf)." 

„Unb  fommft  Su  mid)  bantit  ju  erfreuen?" 

„Dlj  nein!  3$  fomme  im  ©egentßeil,  um  Sir  eine 
angenehme  Stadjridjt  ju  bringen,  ©teile  Sir  not,  ber 
berühmte  $arfenfpieler  ©tjambertin  ift  aus  ijßariS  ßier 
angetangt  unb  wirb  fjier  ©oncerte  geben." 

„3dj  Wußte  nie,  baß  Su  ein  fo  großer  ffreunb  beS 
§arfenfpieteS  bift." 

„0ß!  id)  fdjwärme  bafür." 

„3dj  aber  !ann  eS  nicßt  auSftefjen!"  —  Warf  ©ujufin 
ein,  bem  Sitten  juftimmenb. 

Seügen  ließ  fidj  nicßt  auS  bem  ©ontejt  bringen. 

„©eine  Stajeftät  ber  ©jar  ßat  für  ßeute  SIbenb  ju 
©ßren  beS  ^arfenfünftterS  im  SBinterpalaft  ein  ©oncert 
beranftatten  taffen." 

„Df),  id)  üereßre  baS  §arfenfpiet!"  beeilte  fid)  ©Ujufin 
feinen  früheren  irrigen  StuSfprud)  ju  öerbeffern. 

„Sie  ©intabungen  finb  bereits  oerfenbet.  @S  wirb  eine 
äußerft  gtänjenbe  ©efeltfcßaft  fein.  Seine  ©intabung  ßabe 
id)  bereits  braußen  beim  ®ammerbiener  gefeßen,  aucß  icß 
ßabe  bie  meinige  bereits  erßatten." 

„9tun  bann  Wirb  baS  ©oncert  gewiß  gtänjenb  fein!" 

„Sßeißt  Su,  baß  man  in  „grand  tenne“  erßßeinen  muß? 
Sie  Herren  alte  mit  bem  „grand  cordon“  unb  »ollen 
Drben!" 

„Sßaßrßaftig,  eine  große  StuSjeicßnung  für  ben 
StJtufifer." 

„Slußerbem  wirb  aucß  3ene'ba  ©imarofa  fingen." 

„3ft  baS  altes.  Was  bu  mir  ju  fagen  ßaft?" 

„©onft  ßabe  icß  wirfticß  nicßtS  ßier  jn  tßun,"  fagte 
ber  3tonfer,  inbem  er  fid)  erfjob  unb  unter  ©äßnen  auf 


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143 


bie  Ufer  blicfte.  „3efet  gefee  ufe,  ba  id)  mkfe  ttocE)  umfleiben 
mufe.  —  SlpropoS,  gefeft  Su  au4  in’S  §ofconcert?" 

„2Sie  fotlte  i4  triefet,  wenn  mit  ber  ©jar  eine  @inla= 
bung  fdjidt." 

„34  badete,  baS  Stfeeuma  würbe  Süfe  ju  fefer 
plagen." 

„SDterf  Sir,  bafe  eS  fein  SRfeeuma  gibt.  Wenn  ber  ©jar 
ruft." 

„Unb  boct)  ift  e3  fdjabe,  Seine  ©efunbfeeit  auf'S  Spiel 
ju  feften.  SBegen  eine«  lumpigen  SJtufiferS.  Su  wirft  Si4 
coloffal  langweilen;  e§  gibt  nicpt4  SütnmereS,  als  ein 
^arfenconcert." 

„©feen  fagteft  Su,  bafe  eS  Siefe  begeiftert." 

„©ewife,  Wenn  eine  Same  bie  f>arfe  fpielt,  Wenn 
aber  ein  SJtamt  barauf  feerumftimpert,  pas  si  bfete!  SaS 
flingt  gerabe  Wie  Settelmufif.  34  würbe  Sufe  prä4tig 
beim  ©jar  ju  entf4ulbigen  Wijfen,  wenn  Su  ju  §aufe 
bliebeft." 

„Slber  was  ber  ®ufuf  plagt  Sufe  benn,  bafe  Su  auf 
einmal  ein  fo  järtlüfeer  ©ofen  geworben,  ber  um  bie  ©e= 
funbfeeit  feines  SßaterS  aufmerffam  beforgt  ift?  <2inb  öiel= 
iei4t  bie  flimafteren  3o^e  eingetreten,  Wel4e  bie  Statur 
beS  Dtenfcfeen  beränbern?" 

3eügen  fing  an  ju  la4en. 

„Stufet  boefe,  ißapa;  —  Sein  ©ofen  ift  berfelbe  SSater» 
mürber,  wie  früher.  Slber  i4  Würbe  Si4  beute  Sta4t 
gerne  bafeetm  taffen,  weit  Su  mir  bann  Seinen  SBlabimir» 
Drben  in  SriHanten  leiden  fönnteft.  34  fann  meinen 
nirgenbS  finben." 

„3ßeil  Su  4n  ni4t  im  SSerfafeamt  gefu4t  feaft." 

„SSeife  ©ott,  er  ift  ni4t  iut  Sßerfafeamt.  34  fönnte 
ifett  ja  auSlöfen  mit  bem  bieten  ©elbe,  baS  i4  in  ber 
Saf4e  feafee.  2lu4  Würbe  i4  bann  ni4t  ju  Sir  fommen. 
@r  pat  fi4  fo  berirrt,  baff  i4  ifen  nirgenbS  ju  finben 
Weife." 

„Senfe  nur  ein  Wenig  na4,  $>u  Wirft  wofei  barauf 
fommen." 


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144 


,,©ut  beim,  xd)  toill  eS  gefteben.  Das  ift  ja  auch 
fein  SRalbeur  —  fommt  bet  Saöafieren  not.  9iadj  ber 
ißbaraobanf  t>atte  ich  eine  Begegnung  mit  einer  bämonifdjen 
kleinen." 

„Sllfo  auch  baju  tjaft  Du  mäljrenb  ber  Snfpection 
3eit  gefunben?" 

„kümmert  Didb  baS?  SllS  ich  bann  bie  kleine  laufen 
lief®,  bemerfte  xd),  bafj  mein  2ßlabimir=Drben  mit  itjr  oer= 
fcbtounben  mar." 

„9tun,  bie  ©efdjidjte  ift  Oerrücft  genug!"  rief  Straf» 
tSejeff,  erzürnt  oon  feinem  ©ifce  auffpringenb.  „®aS 
Ungliicf  ift  fertig!  §abe  ich  nic£)t  gefagt,  bafj  Did)  ein 
Ungliicf  fjergetrieben?  Dett  Drben  oerlieren!  ©ich  iljn 
oon  einer  ©trafjenbirne  fteljlen  laffen!  Äennft  Du  baS 
SJtäbc^en?" 

„3a  tooljl.  ®S  ift  eine  ©tra§entänjerin :  Diabolfa, 
baS  3igeunermäbcben." 

„Sftdjt  maf)r,  ein  3i9eunermäbcben!"  rief  $err  @n= 
jufin  bajlt»if(f(ett.  „Da  fiat  man’S!  Dal  ift  auch  eine  Solge 
ber  SSerfe  ißufcbftn’S.  D,  id)  ljob’  eine  fcbarfe  Sluffaffung 
ber  Dinge!" 

„$aft  Du  fie  nicht  fofort  burch  bie  ißolijei  fudjen 
laffen?"  fragte  ber  SBater. 

„SllS  ob  fie  fofort  ju  finben  märe,  ober  umgefe^rt, 
als  ob  man  bei  unferer  ißolijei  Qemanben  fofort  auffudfjen 
laffen  fönnte!  SSerloren  ift  ja  nodj  nichts !  Das  3i9euner= 
mäbcben,  ober  ber  2BIabimir=0rben  mirb  fidj  tooljl  irgenbtoo 
im  Slprajin=Dmor  finben!  Slber  baS  ift  mir  SllleS  ju  fpät. 
3cb  braune  ben  2BIabimir=Drben  beute,  benn  ohne  ibn 
fann  i<b  nidbt  bei  bem  $ofconcert  erfdjeinen." 

„SDlir  aber,  3uufer,  fann  meinen  281abimir=Drben  nur 
ber  geinb  entreißen,  menn  er  mi<b  töbtet." 

„Dann  meifj  icb  mir  nicht  ju  helfen.  3<h  b°&e  eS 
oerfucht  oon  bem  DrbenSfdja|}meifter  einen  Drben  heraus 
ju  friegen;  aber  man  fann  nicht  baju  gelangen,  benn 
einer  ber  ©djlüffel  ift  beim  (Sjaren.  Die  ©efdjicfjte  ift  jum 
@rfcf)iefjen !" 


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145 


„®ut  benn,  id)  will  ©ir  einen  9tatf|  geben,  aber  idj 
übernehme  feine  Verantwortung  bafür.  Sift  ®u  gut  mit 
bem  Sammerbiener  beS  Klaren?" 

„D  wir  finb  feljr  gute  greunbe  1  SBir  finben  un$ 
unjäl)lige  9Kat  —  unter  bem  ©ifdj!" 

„®u  toeifjt,  wenn  ber  ©jar  rticEjt  bei  itgenb  einer 
S)tilitär=5ßarabe  erfdjeint,  fonbern  nur  ein  ©iöitfeft  begangen 
wirb,  gerutjt  er  feiner  $errfdjergnabe  gegenüber  ben  ©ioi= 
Iiften  2luSbrud  ju  geben,  inbem  er  in  einfachem  fdjwarjcn 
3rad  erfdfeint,  alle  feine  Drben  baljeim  lägt  unb  einjig 
unb  allein  bie  golbene  SKebaitte  im  $nopflodj  tragt,  bie 
er  bon  ber  ©efellfdjaft  ber  „SRenft^ewgreunbe"  in  Sftiga 
erhielt,  weif  er  einen  armen  Sauer  bor  bem  ©rtrinfen  in 
ben  ffluten  be§  ©tromeS  gerettet.  Unter  ber  gtänjenben 
<&efeHfd|aft  erfennt  man  bann  ben  ©jaren  baran,  bafj  nidjtä 
an  if)m  glänjt.  üllfo  fein  eigener  $Blabimir=Drben  wirb  an 
biefem  Slbenbe  beim  ßammerbiener  liegen.  Seftidj  alfo 
©einen  greunb,  bamit  er  ©ir  ben  DrbenSftern  beS  ©jaren 
für  biefen  einen  Stbenb  leif)t." 

„SRun  alfo,  baä  ift  ja  eine  pradjtige  Qbee.  3^  fege 
bod),  baff  ®u  mtd)  liebft." 

„3a,  Warft  ©u  nicgt  mein  @of)n,  mein  Sieber,  ©u 
baumelteft  längft  am  ©algen." 

„9to,  no,  ißapa.  SBarum  mit  bem  SBorte  ©algen 
fd)erjen?  Äannft  ®u  bodf  fefbft  nocf)  baf)ingelangen,  obgleich 
®u  mein  Vater  bift." 

„Slber  eines  mödjt  idj  ©ir  bocf)  ratzen,  ©udje  ©icfy 
auf  bem  ©oncert  fo  Weit  als  möglicf)  oom  ©jar  fern  ju 
galten,  bafj  er  feinen  eigenen  Drben  nicf)t  erfennt!" 

„2tdj,  wie  follte  er  unter  ben  Vierjig  gerabe  ben 
einen  IjerauSfinben?" 

„3dj  fag’  ©ir  nur  fo  Diel,  bafj  ber  ©jar  ein  ©ad)= 
berftänbiger  in  ©belfteinen  ift.  Veftrebe  ®id),  im  ©unfel 
bor  i£)m  ju  bleiben." 

„3dj  werbe  ©ein  geljorfamer  ©oljn  fein,  ijSapa.  $eute 
bin  idj  mit  ©ir  jufrieben.  @S  ift  bod)  gut  einen  fo  ber» 
nünftigen  Vater  ju  Ijaben.  3<$  erlaube  ©ir,  midj  ju  füffen. 

3<stai :  Jreiljett.  r.  10 


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146 


Slbieu!  ©Uten  Sag,  jperr  ©ujulin.  Sitte  fortjufe|en,  Worin 
id)  Sie  unterbrodjen  tjnbe." 

®er  Sobtenfdjöbel  taute  WaS  jwifchen  ben  gähnen, 
Wätjrenb  ber  junge  $err  tierbuftete,  wahrftheinlicf)  irgenb 
eine  <Senfor=3lnfid)t.  „2ln  betn  Wäre  aud)  ÜKand^e#  mit 
bem  Stothftifte  ju  ftreidjen!"  mochte  er  benlen. 

®er  Sater  blidte  nod)  lange  nach  ber  Ijotb  offen 
gebliebenen  2t)üre.  $ann  Wanbte  er  fid)  um  p  ©ujuftn. 

„(Sin  prächtiger,  tjübfcher  gunge,  WaS?  (Sin  genialer 
®erl!  ©ein  größter  gehler  ift  nur,  baß  er  Weiß,  Wie  fetjr 
ich  »hu  liebe." 

„(Sr  brauchte  nichts  weiter  als  ein  wenig  SRothftift. 
—  Slber  lehren  wir  Wieber  pr  ©efchitf)te  meines  ‘Sloty- 
ftifteS  prüd." 

„Sie  fotten  ©enugthuung  hoben,  SapI  ©ergieoiec! 
Ueberlaffen  ©ie  mir  bie  ©ache.  S<h  Werbe  baS  corpus 
delicti  in  bie  §anb  beS  (Sjaren  bringen  unb  gebe  ^hnen 
bie  S3erfid>erung,  baß  ber  ©chutbige  bitter  büßen  Wirb!  — 
Sßaren  ihm  feine  erften  (Sjceffe,  Welche  er  mit  ber  (SonfiS» 
cirung  feiner  ©üter  unb  ber  Serbannung  nach  Dbeffa  büßte, 
lein  Memento,  bantt  er  bie  ©nabe  beS  (Sjaren,  Welche  ihm 
bie  Dtüdtehr  in  bie  fpeimat  geftattete,  wieber  mit  neuen 
SluSfchreitungen,  fo  wollen  Wir  fdjon  ein  SRittet  für  ihn 
finben.  ©eien  ©ie  getroft!  SRorgen  wirb  Suitier  Eßufchtin 
eine  Schlittenfahrt  machen  nach  Urals!." 

„Srtucjt  wäre  noch  Weiter!"  fagte  ber  (Senfor,  ber 
felbft  SlraftSejeff’S  SEßorte  nicht  unberichtigt  taffen  tonnte. 

„9lber  Urals!  ift  fdjlimmer!  ©tauben  ©ie  mir,  Urals! 
ift  bie  fürchtertidjfte  ©arnifon  für  einen  Dfficier,  ber  ftraf= 
weife  relegirt  wirb.  Stach  jeljn  Sahren  Werben  ihn  bie 
grauen  nicht  einmal  wieber  ertennen.  2tuS  einem  bunten 
Schmetterling  wirb  er  fid)  rüdöerwanbeln  in  eine  hörige 
Staupe  —  ganj  fo  Wie  SaluSlin!" 

3)er  Xobtenlopf  überließ  ihm  alfo  bie  ©ache :  baß  eS 
fo  fein  möge,  „typis  admittitur“! 

Unb  bamit  ging  er  in  ben  (SmpfangSfaal  prüd,  um 
ben  franjöfifdjen  SRaler  p  ärgern.  —  Stach  ber  2tufmun= 


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147 


terung  beg  olijeipr äfibenten  maren  ißrn  bie  §örner  f o 
gemad)fen,  baß  er  ben  Sünftter  bort  in  ber  £öße  bannt  ju 
erteilen  glaubte. 

„3dj  verbiete  3>f)nen,  baß  Sie  bort  oor  bie  giiße 
©einer  ffRajeftät  ben  $ob  ßinmaten.  $ag  ßätte  eine  omi* 
nöfe  Sebeutung  auf  jenem  ©ernälbe."  ®er  ffltater  aber 
matte  ben  $ob  trofcbem  f)in,  uub  ber  ßatte  gerabe  ein 
<$efid)t  mie  ber  ©enfor. 


XV. 

Per  gjar  J)af  getöcpetf. 

©rft  atö  $ßufd£)fin  baßeim  angetangt  mar,  fing  er  an, 
über  bag,  mag  er  gettjan,  nadjjubenfen. 

@r  jmeifette  feinen  Slugenblicf  tang,  baß  eg  eine  fot= 
genfdjmere  $f>at  mar.  ©in  SRenfdE),  ber  eben  nur  ßatb  unb 
|alb  begnabigt  aug  bem  ©£it  in  93effarabien,  moßin  ißn 
fein  Reißer  ®opf  geführt,  in  bie  §eimat  enttaffen  mürbe, 
fonnte  nadj  ber  testen  ©eene  mit  bem  Zeitigen  ßenfor 
itidfjtg  Slnbereg  ermarten,  atg  baß  man  i^n  mieber  in  irgenb 
eine  neben  ber  SBolga  gelegene  ^otjfeftung  ober  jur  93e- 
madjung  ber  ®irgifer  fußten  fdjicft,  mo  er  bann  für 
immer  oergeffen  mirb. 

©r  oerfäumte  aueß  nidjt  bie  SSifitfarten  mit  ben  Per- 
fjängnißpotten  brei  Sudfjftaben  p.  p.  c.  (pour  prendre 
congäe)  für  feine  Sefannten  in  bie  ©ouPertg  ju  fteefen  — 
auf  bie  für  3^eiba  beftimmte  ®arte  fdjrieb  er  „pour 
jamais“.  —  SBenn  er  einmal  ben  Sefeßt  §um  SDtarfdfjiren 
erhalten  ßat,  bleibt  i^m  oljneljin  feine  faxt  meljr  übrig. 

3fn  ber  ©tabt  mar  bag  ©erüdjt  Pon  bem  Sittentat 
uatürtidf)  rafdj  befannt  gemorben!  bertei  fdfjlimme  üftadfjridjten 
Perbreiten  fidj  mit  ber  ©cßneUigfeit  beg  Sauffeuerg.  — 
Unter  Sitten  fanb  fid)  nur  ©iner,  ber  fidfj,  alg  er  bie 
fflaä) rid)t  prte,  $u  5J5ufd^fin  begab,  Safugfin. 

10* 


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148 


„Run  Samerab,  jefct  Wirft  auch  ®u  mit  bem  ®au= 
lafuS  belannt  werben.  ®u  wärbeft  gut  ttiun,  $ich  in  aller 
©le  malen  ju  laffen,  um  nacf)  jeljn  fahren,  Wenn  3)n 
Wieber  einmal  jurüdffehrft,  fo  Wie  ich,  minbeftenS  ju  Wiffen, 
Wie  ®u  einftenS  auSgefchaut  Ejaft. " 

„3<h  bin  auf  RfleS  gefafjt!"  —  fagte  ißufdjfin,  inbem 
er  ben  Brief  fiegelte,  in  welkem  er  bem  ®rucfer  ©eoerin 
bie  jweifjunbert  Rubel  jurücffchicfte,  nac^bem  er  für  fein 
©ebidf)t  nicht  bie  ©eneljtnigung  beS  ©enforS  erhalten  fonnte. 
—  „Rber  ©inS  lann  ich  mir  nicht  erllären.  3üh  ^abe 
foeben  bon  bem  Dberfthofmeifter  eine  ©inlabung  ju  bem 
^ofconcert  erhalten,  baS  Ejeute  Rbenb  im  SBinterpalafte 
ftattfinbet.  —  2BaS  faß  baS  bebeuten?" 

„$)aS  bebeutet,  Äamerab?  —  bafj  man  bie  $inrich= 
tung  mit  Raffinerie  betreiben  wiß!  —  3ft  eS  mir  nicht 
ebenfo  ergangen?  RIS  ich  jenen  ©lenben  herauSforberte, 
belam  ich  auch  f“r  ben  Rbenb  eine  ©inlabung  jum  $of= 
baße.  2Bie  nun  ber  Sjar  ©ercle  hielt,  fteflte  mich  ber  Dberft= 
hofmeifter  auch  tn  b'e  ^RetEje  ber  ©äfte,  Welche  ber  ©jar 
anjufbrecheu  Wünfcht.  —  geh  War  noch  fo  Qrrün,  baff  ich 
anfing,  ftolj  auf  bie  RuSjeichnung  ju  fein,  ©nblid)  fain 
bie  Reihe  an  mich.  2>er  grofje  SKann  ftanb  ba  bor  mir 
unb  lieft  midh  feine  ganje  coloffale  feöpe  entpfinben.  ©r 
fah  mir  mit  feinen  meereSfalten  Rügen  in  bie  Rügen,  ©ein 
Rngefidfjt  blieb  unbewegt  wie  eine  SRonbtanbfchaft.  ©r  frag 
mich :  ,,©ie  finb  nicht  pfrieben  mit  5hrem  Dberften?"  unb 
bann,  meine  Befangenheit  für  bie  Rntwort  neljmenb,  fefcte 
er  fort:  „SQBir  Werben  für  bie  Befeitigung  biefer  unan= 
genehmen  Reibungen  forgen."  3<h  ober  ftotterte  waS  Rehn» 
lidfieS  wie  5)anl.  @S  fehlte  mir  ber  Berftanb  p  errathen, 
baft  bieS  bloS  eine  eigens  befteflte  ©rniebrigung  für  mich 
mar;  baft  Hermann,  ber  um  mich  her  ftanb,  bereits 
Wufjte,  wohin  ich  oerbannt  werben  foß,  unb  baß  ich  5U 
biefer  RuSjeidljnung  nur  gelommen  War,  um  auf  ben  fßran* 
ger  gefteßt  p  Werben.  Df),  hott’  ich  baS  bamalS  gemufft! 
SESenn  mir  biefeS  ©lücf  noch  einmal  wiberfahren  foßte,  baf? 
ich  •  •  •  Rh!  ®ummeS  ©efchwäfc!  .  .  .  ßweimal  wieberholt 


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149 


baS  ©cpicffal  nid^t  ein  unb  baSfetbe.  Slber  !önnte  icp  Sir 
biefeS  mein  »erbittertes  &erj  ieipen,  meine  ©rfaprungen 
unb  meine  ©ntfdjloffenpeit  in  bem  Slugenbtirfe,  in  welcpem 
Su  bort  ftepen  wirft,  Sing'  im  Singe  mit  „ipm",  abgefon« 
bert  öon  Stilen,  Silier  ©liefe  auf  Si<p  gerietet,  aber  jebe 
$anb  fern  öon  Sir ;  Stiemanb  in  ber  9täpe,  nur  ein 
Sämon!  Ser  Sämon  ©aSca’S!  —  Slber  WaS  rebe  icp  mit 
Sir!  Su  bift  ja  auep  nur  fo  ein  ©pimetpeuS,  bem  bie 
©ernunft  erft  fommt,  Wenn  bie  ©etegenpeit  fepon  öoriiber 
ift.  Safe  Sicp  nur  getroft  nadj  Sungufia  bringen,  grüfie 
mir  bie  Sliarmotten!  —  Steicp  mir  bie  £>anb!  :yept  finb 
wir  boep  ©otlegen!" 

,,©p!  baS  Stpidfal  Wieberpolt  fid^  niept  noep  einmal! 
SBie  —  Wenn  bie  Suppe  niept  fo  peifc  gegeben  wirb,  als 
man  fie  foept?"  fagte  ©ufepfin,  Seicptblütigfeit  peucpelnb. 
Slber  ber  Stacpet  fajj  boep  in  feinem  £>erjen  ttaep  ben 
SBorten  ^afuSfin’S.  SBoju  patte  er  peute  biefe  ©inlabung 
erpalten?  @r  muffte  ipr  folgen.  StbenbS  ftanb  auep  fein 
©cplitten  bort  in  ber  grofjen  Scplangenlinie,  Welcpc  bie 
(Spuipagett  ber  ©äfte  öor  bem  SBinterpalaft  bilbeten.  Sie 
3apl  ber  ©äfte  belief  fiep  auf  mepr  als  jweitaufenb.  Sie 
©tite  ber  pauptftäbtif epen  ©efellfcpaft  war  öerfammelt.  Ser 
SBinterpalaft  bropte,  ben  Suiletien  ©oncurrenj  ju  matpen : 
biefelbe  ©raept,  biefetbe  UmgangSfpracpe,  bie  nämlicpen 
Sitten,  baS  ©omplimentiren,  bie  $öfticpfeit,  fogar  bie  ©on= 
motS  Waren  ber  fßarifer  haute  cröme  enttepnt.  SluS  ber 
SDtobe  ift  fepon  SltleS  oerbannt,  was  an  bie  nationalen  ©igen« 
tpümlicpfeiten  erinnern  würbe.  Sie  Samen  tragen  niept 
mepr  bie  peljüerbrämte  Solmanfa,  ben  ©tpnaüen  befepten 
©ürtel.  Sludp  bie  fonberbare  SJtobc,  bie  golbenen  ttpren 
in  ber  ©oiffure  anjubringen,  War  aufgegeben;  bie  Samen« 
weit  pulbigt  ber  neueften  fßarifer  9Jtobe  mit  ipren  ©pipen 
unb  Shmftblumen.  Sie  Herren  tragen  Uniformen.  Stur  bie 
©jarewna  maept  eine  SluSnapme  öon  ber  allgemeinen  9Robe: 
fie  trägt  noep  immer  jenen  in  pfauenfcpWanjartigen  Stabern 
auStaufenben  ®opfpup,  welcper  ipre  pope  ©eftalt  noep  mepr 
pebt  unb  iprem  Slntlip  SRajeftät  öerleipt.  Ser  ©jar  aber 


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150 


trägt  bürgerliche  fcf)Warje  Kteibung,  ohne  jebeS  DrbenS= 
banb. 

SSßte  fpät  auch  ißufchfin  jtoifthen  ben  bunten  2lmeifen= 
häufen  trat,  tonnte  eS  ihm  bocf»  nicht  entgehen,  Wie  fetjr 
feit  geftern  bie  Stimmung  ber  ©efettfdjaft  it)m  gegenüber 
fich  oeränbcrt  hatte. 

9Ran  will  ihn  nicht  bemerten.  ^odjgeftetlte,  ihm  öor= 
gefegte  Officiere,  nehmen  teine  9totij  oon  ihm  unb  taffen 
feinen  ©rufe  unerwibert.  ©ute  greunbe,  SBaffengefätjrten 
finben,  Wenn  er  fich  ihnen  nähert,  piöptich  SBerantaffung, 
mit  ihrem  9tac£)bar  ein  ©efpräch  anjufniipfen,  um  nicht 
genöthigt  ju  fein,  mit  ihm  ju  fprechen.  Schöne  ®amen, 
bie  noch  geftern  mit  ihm  in  ihren  Sogen  ptauberten,  breiten 
bei  feinem  Slnbtide  bie  gädjer  auS;  eS  ift  ihnen  plö§lich 
fehr  he’B-  S'tur  eine  einzige  ®ame  Würbigt  ihn  ihrer  Stuf= 
mertfamteit,  bie  in  raufc|enbe  Seibe  gefteibete  ®ame.  Welche 
am  Slrme  beS  dürften  ©hebimin  ben  Saat  betritt;  bie 
reijenbe  gürftin  ©orinthia,  oon  ber  eS  h^fet,  fee  fei  bie 
©ematin  beS  dürften  ©hebimin.  S)iefe  mifet  ben  Säugling 
mit  einem  graufam=fatten  SBticfe,  —  ben  Säugling,  beffen 
Scher  je  fee  oft  betachte;  fee  hat  für  feinen  ©rufe  feine  an= 
bere  ©rwiberung  atS  ein  oerächttidjeS  Ernten  ber  Sippen. 
®er  Sängting  rächt  fich  tfeefür,  inbem  er  fich  oon  ber 
gürftin  abwenbet  unb  bem  3JtäbcE)en,  welches  bie  gürftin 
begleitet,  einen  feden  93lid  juwirft.  @S  ift  bie  grufifehe 
Königstochter  Sethfaba.  Sie  fenb  burch  bie  SRenge  einige 
SRinuten  aufgehatten,  unb  $ßufcE)fin  benterft,  bafe  bie  fdjöne 
Königstochter  unter  bem  glühenben  Strahl  feiner  Slugen 
tief  erröthet.  @r  möchte  ihr  fagen :  „9Reinethatben  fottft 
®u  nicht  erröthen,  f»o!be  SRofenfnoSpe;  morgen  gehe  id) 
fchon  borthin,  Wo  ®cine  Säter  fchtummern!" 

S)aS  fürfttiche  ißaar  wirb  oon  StraftSefeff  empfangen; 
er  führt  bie  ®amen  jur  ©ftrabe,  auf  Welcher  bie  Künftter 
fich  probuciren  Werben  unb  wo  für  bie  üornet)mften  ©äfte 
referoirte  gauteuitS  bereit  flehen,  gürft  ©hebimin  üertiert 
fiep  unter  ben  gtänjenben  Uniformen,  gür  bie  Herren  gibt 
eS  feine  Sifcptä|e. 


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151 


$en  Scgijut  b es  SoncerteS  madjt  ein c,  non  bem 
SängeTdjor  bcS  EjarS  borgetragenc  Sonate  ©cetboocn'S, 
bie  ber  £jar,  auf  bie  Sepne  beS  gauteuilS  ber  E^arcnma 
fiep  ftüfcenb  unb  über  bie  fiöpfe  Silier  binroeg  in’S  Öecrc 
ftarrenb,  anßört.  Erft  bei  ber  Stummer  beS  $arfenfünftlcr* 
jeigt  fiep  einiges  Seben  in  feinen  HRienen.  (Sr  eilt  bem 
Äünftler  entgegen,  nimmt  ipn  am  Sinn,  ftcflt  ipm  baS 
Slotenpult  jureept,  unb  ba  ipm  ber  Si$  ju  niebrig  ift,  legt 
er  ipm  einen  ©olfler  barauf.  Sr  bergißt,  baß  er  ber  E$ar 
aDeT  Steuffen  ift. 

®er  ßünftler  leiftet  SluSgeaeiepneteS :  er  redjtfertigt 
feinen  SBettruf.  gn  ben  Eoncerten  beS  E$arS  Urirb  niept 
applaubirt,  allein  baS  glüftern  beS  SntjücfenS,  toelcpeS 
burep  bie  Stenge  gept,  ift  ein  lopnenberer  Erfolg,  als  ber 
lautefte  SlpplauS. 

Stadp  ber  §arfe  folgt  grt.  Iglmarinen. 

Sille  2Belt  fagt,  fie  pabe  baS  Sdpmanenlieb  niemals 
pinreißenber  gefungen  als  jefct,  unb  bie  Xpränen  in  ipren 
Stugen  finb  fo  mapr  unb  edpt,  toie  bie  ©rillanteu  in  iprent 
&aar. 

$er  S'aifer  patte  unttnllfürlicß  mit  ber  £anb  ben  Xaft 
ju  iprern  Eefange  gefcplagen. 

5)aS  Stäbdpen  mar  fcpön  an  biefem  Stbenbe,  biet  ferner 
als  fonft.  $pr  mar  mit  ©lurnen  beS  fien^eS  gefdpmücft, 
ipr  (Seficpt  burdpgeiftert.  Unmöglidp  fann  baS  SlUeS  nur  ©er* 
fteHung  fein. 

®rei  Slugenpaare  rupten  am  auSbauernbften  auf  ipr. 

®aS  Eine  gehörte  ber  gürftin  Eorintpia.  Es  ift  boU 
§aß  unb  ©eradptung  unb  forfdpt  in  ben  3^9^  beS  Stäb* 
cpenS  nadp  bem  SBege,  ber  in  baS  Sauere  fü^rt.  Sie  forfept 
nadp  einem  falfdpen,  berrätperifdpen  3uge,  ber  baS  Sttibdpcn 
aus  ber  angenommenen  Stolle  bringen  foü,  unb  fie  mütpet, 
meil  fie  biefen  3^9  nid^t  finben  fann. 

®aS  gtoeite  Slugenpaar  gehörte  ©etpfaba.  ®ie  großen 
fdpmaraen  Slugen  ftaunen  rneit  geöffnet  biefe  ©eftalt  an,  als 
ob  fie  fragten :  „Siept  ber  leufel  fo  aus?  SDann  muß  man 
fiel)  bor  ipm  mopl  in  Sldpt  neprnen;  benn  er  ift  gar  fdpön!" 


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152 


®aS  brüte  Sfugenpaar  gehört  Sßufdjfin. 

@r  füf|£t,  bafj  bie  beffere  ^älfte  feiner  Seele  in  bem 
©eifte  jenes  2Räbd£)enS  aufgegangen  fei.  Unb  in  biefent 
Sfugenbfitfe  ift  er  üon  unfägfidfier  Sitterfeit  erfüllt  gegen 
alle  Sene,  bie  if)n  aus  ifirer  Släfie  üerbannen  Wollen.  @r 
füf)lt,  bafj  er  mit  SlEteä  oerliert,  was  ©bleS  in 

feiner  Seele  ift,  unb  bafj  er  nur  bie  böfen  Steigungen  mit 
fidfj  nimmt.  Sdfjon  f)aben  fie  bie  Dberfjanb.  ©r  erinnert 
fidf)  ber  SQBorte  gafuSfin’S :  „könnte  idE)  ®ir  bocf)  ben  $ä= 
mon  teilen,  ben  ®ämon  ©aSca’S,  wenn  ®u  auf  bem  ißran= 
ger  fielen  wirft,  „3f»m"  gegenüber." 

Semanb  berührte  ifjn  an  ber  Sdfjulter.  @r  blicft  jurücf 
unb  fief)t  ben  Dberftfwfmeifter.  Xiefer  fpricf)t  fein  SBort, 
fonbern  bertiert  ficf)  in  ber  ©ruppe  ber  Herren. 

Pufdjfin  weifj,  Wag  bie  Serüfjrung  an  ber  Schütter  ju 
bebeuten  f»at.  @s  bebeutet  fo  toiel,  bafj  ber  Setreffenbe  nadfj 
bem  ©oncerte  fidlj  in  ber  SRitte  beS  SaafeS  galten  möge. 
Weif  er  ju  Igenen  fleljört,  bie  ber  ©jar  aitfprecfjen  wolle. 
—  ©ans  wie  SafuSfin  eg  propfjcäeit  f)at. 

®aS  Slut  ftürmte  if)m  Wifb  burdfj  bie  Slbern.  Slug  ber 
©omöbie  fann  nodj  eine  Xragöbie  Werben! 

®ie  gürftin  ©orintfjia  Wanbte  fitf)  ju  bem  hinter  iljr 
ftefjenben  SlraftSejeff. 

„gräufein  SImarinen  war  fjeute  in  aufjerorbenlicfj  guter 
Stimmung." 

„3dj  fjabe  bafür  geforgt,  if>r  bie  Stimmung  ju  ber= 
berben.  3tf)  fjabe  if)rem  §erjen  einen  Schlag  beigebra^t,  ber 
ifjr  bie  Suft  ju  Sfntriguen  benehmen  Wirb." 

„ßaffen  Sie  midj  in  Sorljinein  biefe  SBomte  genießen." 
„®a§  Qbeaf  beS  gräuleinS,  |>err  pufdjfin,  wirb  nadfj 
UratSf  gerieft." 

„©fauben  Sie,  bafj  biefeS  föiäbdfjen  if)m  folgen  unb 
Petersburg  ben  Stücfen  feeren  Wirb?" 

„Sie  Wirb  entweber  bieS  ober  etwas  nodlj  XfjöricfjtereS 
tfjmt;  aber  fte  Wirb  genötigt  fein,  fief)  ju  entfärben." 

®er  ©jar  machte  3eneiba  ©ompfimente  unb  begann 


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4 

l  &  'l  n 
153  f  0  .. 

bann  baS  §crren=Sercte,  Wätjrenb  bie  Äaiferift  fic|  bie  ‘Damen 
rufen  tiefe,  mit  Welchen  fie  ju  fpredjen  wiinfdite. 

®er  Ejar  begann  mit  bem  ©ötfdjafter  bie  Eonöerfa» 
tion,  Wedjfette  bann  mit  SJtitoraboöicS  einige  SBorte,  bann 
machte  er  einen  grofeen  (Sprung  in  ber  Stangftufe,  btictte  um 
fidfj  unb  atS  er  ©ufdfjfin’S  anfidjtig  Warb,  Winfte  er  biefem 
mit  ber  £>anb,  er  foBe  nätjer  treten. 

Qebermann  jog  fidj  refpectooB  jurüd.  Ein  Ejar  unb 
ein  SJtiffetfeäter  —  oon  ©eiben  mufe  man  fidj  fern  Ratten. 
Stber  aße  Slugen  tjingen  an  if)iten. 

©ufdjfin  füfette  fic£)  im  fritifdjen  Slugenbtide  wunberbar 
rufeig.  Er  ftanb  mit  fo  fattem  ©tute  öor  bem  Ejar,  als  ob 
er  bem  geWötjntidfjften  SJtenfdljen  gegenäberftänbe. 

„$u  bift  atfo  mit  deinem  Eenfor  unjuf  rieben?"  frug 
ber  Ejar.  $ie  nämliche  grage  featte  er  aud»  an  SfafuSfin 
gerietet. 

Stber  ©uftfefin  Ejatte  einen  ScEwfcgeift,  feine  -Stufe,  ber 
if;n  nid)t  ftumm  unb  befangen  Werben  tiefe. 

„2Bie  man  mit  einer  ßranfljeit  jufrieben  ift,  Sire." 

„Sei  if)tn  nicf)t  gram.  Er  ift  ein  WofßWoüenber 
SJtenfd),  aber  mit  einigermafeen  oeratteten  ©egriffen.  Er 
fann  nichts  bafär.  Sdj  t)abe  ®ein  @cbid)t  getefen.  ES  ift 
feljr  f c£) ö n .  ®er  Eenfor  feat  baoon  etwas  ftreid)en  woßen, 
®u  aber  tjaft  eS  nicfet  ^gegeben?" 

„Stein,  Sire." 

„Unb  Wißft  eS  audj  nidjt  jugeben?" 

„Stein,  Sire." 

„$u  tjaft  Ste^t.  ES  ift  ber  befte  üljeit  beS  EebidljteS. 
Stber  WaS  foBen  Wir  nun  bamit  anfangen?  3  d£)  fann  nichts 
gegen  ben  Eenfor  ttjun.  ®enn,  Wenn  idf)  geftatte,  was  er 
Oerboten,  bann  mufe  bie  ganje  gnftitution  umgeftiirjt  Wer» 
ben.  Unb  fie  ift  notfewenbig ;  WaS  meinft  2)u?" 

„Sire,  icfj  werbe  baS  ®ebid)t  juriidnefjmen  unb  oer» 
brennen." 

„Stidfjt  fo.  3cf)  benfe,  Wir  fenben  eS  nadfj  ßeipjig, 
taffen  eS  bort  bruden  unb  oon  bort  importiren." 

„Unb  bie  ©renj=3oBwad)e,  Sire?"  frug  ©ufcijfin. 


r"  'i- 


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154 


2)er  ©gar  täcfjelte  ...  ja,  er  ladjte  fogar;  er  ladite 
gang  laut. 

„2ßir  werben  e$  unter  meine  ©adjen  paden  taffen ; 
biefe  werben  nicf)t  gollämtlidj  bifitirt.  ©o  werben  Wir  ba§ 
©ebidjt  einfitf)ren." 

Sufdjtin  gitterte  an  aßen  ©liebem,  Wie  ein  Sinb,  ba§ 
eine  Prüfung  beftanben. 

„SESarte!"  fprad)  ber  ©gar.  „giir  ®eine  poetifdjen 
©tubien  wirb  e§  erfpriefetidier  fein,  Wenn  ®u  fie  auf  bem 
Sanbe  fortfefceft.  gdj  glaube,  e3  Wirb  gut  fein,  bafe  $)u  ben 
©ommer  auf  ® einer  ißffoWer  Sefijgung  gubringeft.  ®ort 
Wirft  $u  beffer  fdjreiben  fönnen." 

®a§  Ijiefe  fo  biel,  bafe  er  fein  confiScirteä  ©ut  guriid  befant. 

@r  War  gu  frönen  gerührt  .  .  .  ®ie  ©timme  üerfagte 
ifem  ben  $ienft. 

„Sott  Slüebem  barfft  ®u  Stiemanbem  Wa3  fagen;  e8 
foH  nidjt  oerbreitet  Werben." 

„Sur  einer  grau,  ©ire ;  einer  grau,  bie  eben  fo  gut 
fdjweigen  als  fingen  fann." 

„2)ie  weife  eS  fdjon,"  fagte  ber  ©gar  lödielnb. 

@r  lädjette  ein  gWeiteS  SRal. 

SBie  fjatte  biefer  ©traljt  beS  Säbeln?  plöjjtidj  boS 
Slima  oeränbert!  2Bie  War  ©iS  unb  ©dptee  baüon  gefdjntol* 
gen!  ®em  gurüdteljrenben  ißufcfjfin  glängten  lauter  gute 
greunbe,  lauter  Sefannte,  lauter  gratutirenbe  ©efidjter  ent* 
gegen;  bie  fyodjgeftetlten  ®amen  Happten  ifere  gäcfjer  gufam* 
men,  unb  e§  War  ifjnen  nid^t  meljr  fo  tjeife.  fßufdjfin  tonnte 
nidjt  genug  alte  Setanntfd>aften  erneuern,  ©r  War  fing 
genug,  gebermann  gu  fagen,  ber  ©gar  Ijabe  itpn  fein  ißffotoer 
©ut  unter  ber  Sebingung  guriidgegeben,  bafe  er  teine  ©ebidjte 
meljr  fcfjreibe.  ®aburd)  ftieg  fein  Slnfeljen  auf  ben  ©ipfet* 
puntt.  ®enn  man  mufe  wiffen  :  „Steine  ©ebidjte  f Treiben," 
ift  nur  ein  negatibeS  Serbien  ft;  „fditedjte  ©ebidjte 
fdjreiben  unb  babon  laffen,"  ift  fcfeon  ein  fleineS  Ser* 
bienft;  aber  „gute  ©ebidjte  fcfjreiben  unb  babon  laffen" 
—  baS  ift  fdjon  ein  pofitibeS  unb  fetyr  grofeeS 
Ser  bienft  —  in  ber  guten  ©efeüfdjaft. 


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155 


Selbft  bie  gürftin  ©orinthia  ließ  bett  gelben  beS 
EEageS  ju  fich  rufen,  um  ju  erfahren,  wes|alb  tßufdjfin 
fie  foeben  nicht  habe  erlernten  wollen? 

^Sufd^tin  ?  —  Sie?! 

©iner  fotzen  Sreiftigfeit  finb  nur  grauen  fähig,  unb 
man  ift  genötigt,  eS  fid)  oon  ihnen  gefallen  ju  taffen, 
tßufchfin  unterhielt  fi<h  fetjr  gut  mit  ber  gürftin;  er  Warb 
auch  Sethfaba  oorgefteflt,  ber  er  fef)r  öiele  itjorfjeiten 
fagte. 

9tur  Senken  fi<h  iu  nähern,  befaß  er  feinen  9ßutf). 
@r  fühlte  unb  erriet!»  mit  ber  EßiöinationSgabe  beS  $icf>terS, 
baß  fie  ber  einzige  ©laubiger  in  biefer  Sßelt  fei,  bem  er  ans 
bem  SEBege  gehen  müffe;  benn  WaS  er  biefem  ©laubiger  fc£)ul= 
bet,  wirb  er  nie  bejahen  fönnen! 

@r  hatte  ihr  auch  nichts  SteueS  mitjutheilen.  ®er  ©jar 
hat  es  ja  auSgefbrodjen :  „Sie  Weiß  eS  fdjon." 

®er  ©jar  hat  getäfelt.  $aburch  Waren  alle  |>erjen 
mit  einem  SOtate  erheitert.  ®ie  ewige  metanchotifdheSOtonotonie, 
bie  Wie  ein  Sann  auf  ber  ganzen  ©efeflfdjaft  laftete,  war 
gebrochen.  —  ©S  War  nur  ein  h^rbftlicher  Strahl;  ein 
Slbenbftrahl  in  ber  SRcgenjeit. 

Sßem  aber  biefe  SEBenbung  ganj  unb  gar  nicht  geftel, 
baS  war  SlraftSejeff.  ißffow  ift  nicht  baS  ©nbe  ber  SEBett. 
SEBemt  Sßufdjfin  nur  fo  Weit  reift,  fo  werben  bie  gntriguen 
beS  grt.  glmarinen  nicht  geftört  fein;  fie  fönnen  fidj  tref= 
fen,  fo  oft  fie  Wollen.  —  @r  begriff  nicht  Wie  baS  gefdjehen 
fonnte?  —  ®aß  ber  ©jar  grt.  gtmarinen  begänftigt,  baS 
wußte  er  Wohl;  unb  baß  3eneiba  bemüht  war,  ihren  Sieb» 
lingS=$i<hter  ju  retten,  War  ihm  ebenfalls  ftar.  ®aS  SlHeS 
war  aber  noch  nicht  genug,  um  ben  ©jar  in  baS  ©egentheit 
jener  Stimmung  ju  oerfe|en,  Welche  er  (ber  allmächtige 
©ünftting)  oorbereitet  hatte.  £>ier  mußte  noch  e'ne  anbere 
$anb  mitgeßrielt  haben. 

Unter  genen  aber,  welche  ber  ungewohnte  Sonnenftrahl 
bewogen  hatte,  aus  ihrer  §üüe  ju  friechen,  befanb  fidh  auch 
ber  junge  SlraftSejeff. 


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156 


Sten  guten  Statt)  feines  ©aterS  oergeffenb,  bafe  et  fidj 
feiibfcfe  int  ©cfeatten  Ratten  foüe,  unb  nicfet  bebenfenb,  bafe 
bet  auf  feinet  ©ruft  glängenbe  DrbenSftern  geborgt,  unb 
bet  ©igentfeiimer  beSfelben  in  bet  ©efeüfcfeaft  antoefenb  fei, 
tiefe  er  ficfe  an  bie  Dberfläcfee  loden  unb  mengte  ficfe  unter 
biejenigen,  bie  ben  Stamen  ben  &of  malten. 

©töfetidj  fafe  er,  bafe  ber  ©gar  auf  ifeit  gufomme. 

©r  Wollte  acfetungäooß  auSWeicfeen;  ber  ©gar  aber  trat 
birect  auf  ifen  gu  unb  fagte: 

„2Ba§  Stu  für  fcfeöne  ©riflanten  feaft,  SlraftSejeff !" 

Ster  atfo  Slngefprocfeene  antwortete  mit  breifter  Unter» 
Würfigfeit : 

,,©ire,  icfe  trage  fie  auS  ©nabe  ®w.  9J£ajeftät." 

„SRerlWürbig!"  fagte  ber  ©gar.  „Stiefe  ©rißanten 
finb  genau  fo  Wie  biejenigen,  Welcfee  meinen  SBtabimir» 
DrbenSftern  gieren." 

Sunfer  ^eogen  backte,  feiet  Jönne  nur  ®edfeeit  feetfen. 

„@ire,  eS  gibt  ©rißanten,  bie  einanber  überrafcfeenb 
gteicfeen." 

„Sdfe  glaube  aber  bocfe,  bafe  ber  DrbenSftern,  ben  Stu 
ba  trägft,  ber  melnige  fei.  3«  ber  Safefee  aber  feabe  icfe 
einen  SBtabimir=Drben,  beffen  ©anb  Steinen  -Kamen  trägt." 

„©nabe,  ©ire!"  flefete  3eögen  mit  fdjlotternben 
Änieen. 

,,©tiß!  Stu  wirft  bocfe  nicfet  feiet  oor  bem  gangen  $ofe 
um  ©nabe  bitten,  ©efe  nacfe  |>aufe!  Sten  Drben,  ben  Stu 
ba  trägft,  befealte!  3<fe  Werbe  ifen  nicfet  mefer  tragen,  ba 
Stu  ifen  angefeeftet  featteft.  ©acf’  Stiefel" 

„©in  fdfelecfeter  tRatfegeber  feat  miefe  oerleitet,  ©ire." 
Ster  Runter  war  bereit,  feinen  ©ater  gu  oerratfeen. 

,-,3cfe  frage  nidfet,  wer  Stir  ifen  gegeben,  ©efe  morgen 
gu  Steinern  ©ater.  Stört  wirft  Stu  erfaferen,  Was  Steiner 
fearrt!" 

Stacfe  biefer  ©eene  Oertiefe  ber  ©gar  ptöfelicfe  ben  ©aal 
unb  gog  ficfe  in  feine  2lfefeartement3  guriid.  8luf  fein  ©efiefet 
War  bie  fröfeere  Stätte  gurüdgefefert.  ©r  liefe  fogar  bie 
Segrüfeungen  unerWibert. 


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157 


StraftSejeff,  ber  bie  ©eene  bon  ferne  mit  angefefjen 
Ijatte,  War-  bem  ©jar  gefolgt;  biefer  aber  lieft  iftn  nicEjt 
bor.  ©r  gebot  ifjm  ju  warten. 

Unb  ber  aQmäd)tige  ©ünftling  Wartete  im  Slubienj» 
faale  big  jwei  Uftr  Borgens. 

®a  trat  ber  Sjar  fjerauS.  @r  ftielt  ein  ©ünbet 
©eftriftftüde  in  ber  $anb. 

„SEBaS  meinft  ®u,  Sltejei  9Rajcimowitfdj"  —  frug  er 
feinen  ©ünftling,  —  „war  eS  ein  guter  ©eban!e  bon  mir, 
bie  „posta  sofianskaja“  ju  errichten?" 

„Dljne  Zweifel,  ©ire.  ®a§  Ijat  bem  93olfe  ©eiegen» 
fteit  geboten,  feine  SBünfcfje  unb  ©efd)Werben  birect  im 
brieflidljen  SEBege  bor  ben  ©jar  ju  bringen." 

„9Ran  erfährt  ba  juweilen  redjt  intereffante  ®inge; 
fteute  grüf)  $.  SB.,  erhielt  idj  ben  ©rief  eines  3igeuiter= 
ntäbcfjcnS,  welkem  ein  2Blabimir»DrbenSftern  in  Sriüanten 
beigelegt  War.  Sn  bem  ©riefe  ift  bie  Slrt  unb  SESeife,  Wie 
ber  DrbenSftern  in  bie  §äitbe  beS  SDläbdjenS  geriet^,  um» 
ftänblicft  gefdEiilbert.  ®a  lieg  einmal!" 

StraftSejeff  füllte  fiel)  einer  Dfjnmacftt  nafte,  als  er 
ben  ©rief  ju  ©itbe  gelefen  fjatte. 

$aS  war  ein  graufamer,  fernerer  ©cftlag  gegen  fein 
£erj.  @r  Warb  in  feiner  bätertidjen  ßiebe  getroffen,  ©r 
wollte  Sene  im  ©errett  treffen  unb  nun  trafen  Sene  il>n 
an  feiner  berWunbbarften  ©teile.  ®aft  aß  bieg  bon  geneiba 
fo  arrangirt  fei,  litt  leinen  ßweifet.  9Ran  Wiü  Straftgejeff  bei 
bem  ©jaren  unmöglich  machen,  ©ie  Woßen  ifjm  jufugen, 
wag  er  iftnen  jugebadfjt  ftatte. 

Slber  fie  Werben  fiel)  täufdjen. 

@r  faltete  rufjig  unb  falt  bag  ©apier  jufammen 
unb  fagte : 

„®er  ©erbreefter  muft  büften." 

„SEBirb  er  genug  beftraft  fein,  Wenn  er  nad)  Urals! 
gefdjjicft  Wirb?" 

Sßadfi  Urals!!  —  ®aS  ftieft  fobiel,  als  iftn  nie 
Wieberfefjen!  .  .  .  SH  ben  geliebten  einjigen  ©oftn,  ben 
jgrjfd^etm,  für  ben  er  lebte,  für  ben  er  feine  ©cfjäfce  an» 


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158 


gäufte,  in  bent  er  feinen  Flamen  ber  Sftadgwett  ju-  öercrbeit 
hoffte  —  ign  foöte  er  fegt  in  einer  getfenfeftung  ber  fir* 
gtfifdgen  Steppe  begraben!  .  .  2lber,  wenn  bie$  gut  getoefen 
Wäre  für  Sßufdgfin,  ber  bie  Serftümmetung  feinet  ©ebidgte§ 
nidgt  bulben  Wollte,  warum  foUte  e3  nidgt  gut  fein  für 
einen  ©otbaten,  ber  gur  Sftadgtaeit  bie  ^affanten  räuberifcg 
anfäUt?  Unb  bodg  möchte  er  if)n  gerne  retten!  ©3  war  ja 
ba£  fein  Serbredgen,  nur  ein  fdgtimmer  Streidg,  wie  er  jur 
Sflittergeit  übtidg  War  unb  oom  ®önig  £einridg  fetbft  au§= 
geübt  Warb,  afe  er  nodg  $ronprin§  non  ©ngtanb  War. 
Seidgtfinn,  aber  fein  Serbredgen! 

©r  unterbrücfte  biefe  Sertgeibigung.  @r  füllte,  baß 
ber  ©^ar  auf  feine  Sitten  ben  ©ogn  OieHeicgt  begnabigen 
Werbe,  bag  e£  aber  bann  mit  feinem  ©inftuffe  $u  ©nbe  fei. 
©eine  geinbe  f  ollen  fidg  getäufdgt  gaben,  .Wenn  fie  bar  auf 
rechneten. 

,,©r  war  mein  einiger  ©ogn,"  —  fagte  er  fcgtudg^enb 
—  „idg  liebte  ign  megr  at3  bie  ganje  SSBelt;  ben  ©jar 
aber  liebe  idg  megr  at3  meinen  ©ogn.  @r  mag  untergegen, 
Wenn  er  gefünbigt!" 

Unb  er  unterfertigte  ben  Sefegt,  ber  feinen  ©ogn  nacg 
Uratöf  nerbamtte. 

$)ann  fügte  er  bem  ©jar  bie  $anb. 

5traft3ejeff  fdgieb  non  feinem  ©ogne,  ogne  igm  2ebe* 
wogt  gefagt  $u  gaben. 

@r  mugte  bie  Stolle  be§  atten  Srutuä  confequent 
burdgfügren;  mögen  feine  geinbe  ben  attrömifdgen  ©garafter 
in  igm  erfenneu  unb  oor  igm  gittern. 

Slber  ber  römifdge  ©garafter  War  bei  igm  ftarf  mit 
bem  farmatifdgen  gemifdgt. 

@r  fonnte  bie  Serbamtung  feinet  einzigen  ©ogneS 
unterjeidgnen  Wie  goäcari,  aber  nidgt  weit  ex  feine  2tu§- 
nagme  in  ber  vßerfon  macgte,  fonbern  au3  wagrer  ruffifdger 
Untertganentreue  gegen  feinen  £errfdger,  um  feine  einflug* 
reidge  mädgtige  Stellung  nodg  megr  gif  fräftigen,  um  bie 
©treidge,  bie  feine  geinbe  fo  graufam  gegen  fein  $aupt 
fügrten,  erwibern  ju  fönnen. 


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159 


©r  bereitete  ftcf)  lange  barauf  bor.  @r  berjietj  feinem 
©injigen. 

51 n  bem  Sage,  an  wetdjem  fein  ©ofjn  fidj  auf  ben 
SBeg  begab,  ben  fetten  Sentanb  jurüdfefirt,  fam  äftagricjfi 
ju  ifjtn  mit  ber  SRetbung,  baß  bie  fßotijei  ®iabotfa'§,  be§ 
3igeunerntäbdjen§,  ßabtjaft  geworben.  2Ba3  foö  mit  itjr 
gefc£)et)cn  ?  ©oß  fie  auf  bem  9Jtarfte  gepeitfcfft,  ober  mit 
abgefdfnittenen  0f)ren  unb  aufgefdßifcter  ßtafe  an  ben 
©aifat=@ee  gefenbet  werben?  ©rünbe  Waren  genug  oor= 
ßanben.  Sagabunbiren,  Serfäßrung,  ©ittenlofigfeit,  aß’ 
ba§  fonnte  if»r  nacEjgewiefen  werben.  Unb  fdjtießlidj  ein 
3igeunermäbdjen!  bie  braune  Hautfarbe  nidjt  ©er= 
brechen  genug? 

„©ringt  fie  ßer  ju  mir,"  fagte  3traft8ejeff.  „^tjr 
berfteßt  nod)  nid)t,  wie  man  ftrafen  muß.  ®a§  ift  ja  ein 
roitbeä  ®f)ier,  ba§  bie  ©dßäge  nur  fo  lange  fiiEjlt,  al§  fie 
fcßmerjen.  ©§  ift  feine  ©cßanbe  für  fie,  auf  offenem  Sftarfte 
ßatb  entfteibet  gcpeitfc£)t  ju  Werben;  fie  ift  im  ©taube, 
wäßrenb  ber  ©träfe  ju  tadjen.  2Ba§  nüfjt  if)r  „jefjt"  bie 
©träfe?  ©rft  muß  man  bie  ©mpfinbnng  in  ißr  Weden,  bie 
in  jebem  Slienfdjen  liegt  —  fie  fdjtummert  nur  —  baä 
©fjrgefüßt.  ®en  ©trei(|  aber  wollen  Wir  bann  gegen  fie 
führen,  wenn  ißn  nirf)t  nur  ifjre  §aut  empfinbet.  ©djidt 
ba§  SRäbdjen  ßer  ju  mir!" 

®iabotfa  ftanb  furj  barauf  bor  SlraftSejeff,  bie  beiben 
Jpcittbe  mit  betten  an  ben  SRitden  gefeffett.  ®ie  berworrenen 
|>aartoden  hingegen  ßerab  in  ba§  trofcige  ©efidjt,  bie  wit= 
ben  Stugen  bti|ten  barunter  fjerbor.  2tud)  an  ben  Säßen 
trug  fie  geffetn. 

„2ttfo  ®u  bift  ®iabotfa,  bie  ©traßentänjerin?"  fragte 
fie  ber  Dberßerr. 

„2Ba3  benn!  $örft  ®u  nit^t,  wie  meine  ©aftagnetten 
fdjeßen?"  antwortete  ba§  2Räbc|en,  bie  Setten  an  ißren 
Säßen  jufammenf^tagenb. 

„Unb  weißt  ®u,  wer  id)  bin?" 

„©ewiß  —  ber  ©ater  eine?  ©traßenräuberS." 

„®u  f»aft  9ted)t!  9Jtein  ©oßn  t»at  gefeßtt:  er  büßt 


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160 


bafür.  3$  fetbft  fjabe  baS  Urzeit  unterfdf)rieben.  fjaft  ®u 
üjtt  angegeben?" 

„SBenn  idE)  tooöte,  lönnte  idj  leugnen;  aber  icf)  tfju’S 
niefi  t." 

„$u  ljaft  ja  ben  ©rief  an  ben  ©jaren  getrieben?" 

„Dbgteidfj  idf)  nief)t  fdjreiben  fann,  fo  Ejabe  id)  iljn 
bennod)  gefdjrieben." 

„gemanb  fjat  kleine  fjanb  geführt,  unb  fo  fdjriebft 
®u  bie  S3udEjftaben  nieber? 

„9lber  ben  Flamen  biefeS  gemanb  foHft  2)u  nie  erfahren. " 

„SBufjteft  $u,  was  Seine  §anb  nieberfcfjrieb?" 

„gdj  tourte  eS." 

„Sann  mujjteft  Su  aud)  tüiffen,  baff  nief)t  nur  ber 
bertoren  ift,  ben  Su  angegeben,  fonbern  ba|  Su  fetbft  es 
bift,  weit  Su  ben  2Blabimir=Drben  geftol)len." 

,,gd)  fjabe  itin  ja  jurüdEgegeben." 

„Slber  Su  Warft  bod)  eine  Siebin  unb  foHft  bafür 
an  ben  fßranger." 

„®S  ftanben  fcfjon  grauen  Ijöfjeren  StangeS  als  idj 
an  biefent  ißlajje." 

„SaS  ©raitbmal  wirb  mit  glüljenbent  eifen  auf  Seine 
©dfjultern  geprägt  Werben." 

„33on  meiner  Hautfarbe  fann  ja  jebermann  herunter« 
lefen,  baf?  icf)  eine  ßigeunerin  bin.  —  gef)  bin  bofler 
©djledjtigfeiten." 

,,©ief),  id)  glaube  baS  nidjt.  $eute  fjabe  id)  meinen 
einzigen  ©of)n  oerforen  Seinetfjatben,  burd)  Sidjj.  SiS  bie 
©omte  fjeraufftieg,  wäfjte  id)  midfj  fdfjludfuenb  auf  meinem 
SBette  fjerum.  8lm  frühen  HJtorgen  ging  id)  bann  hinauf  in 
bie  ©apeHe  unb  bort  fjabe  idj  bor  ©oft  baS  ©elübbe  abge= 
legt,  ben  Unglücfliefjen,  ber  mein  ®inb  ju  ©runbe  gerietet, 
}u  befreien  an  Seib  unb  ©eele.  —  3um  SSßenigften  werbe 
id)  “Beine  gef) ein  löfen  laffen." 

„Söemüfje  ben  ffierfermeifter  niefjt  fjieljer.  gef)  fann  fie 
felbft  abwerfen,  Wenn  icf)  will  unb  Su  eS  erlaubft." 

Sag  3iegeunermäbcf)en  tjatte  ungemein  fleine  §änbe. 
9Jlit  ber  Seidjtigfeit,  mit  Wetter  man  einen  fjanbfdjulj 


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161 


abftreift,  50g  fie  biefelben  aus  ben  geffeln,  unb  um  audf) 
if)re  Süfee  baüon  ju  befreien,  brauchte  fie  fid)  nid)t  einmal 
auf  ben  ©oben  ju  fefcen.  Sen  einen  3ufj  in  bie  £>ölje 
f)ebenb,  balancirte  fte  auf  bem  anbern  unb  Ijatte  im  9tu 
bie  Seffeln  üon  if)ren  beiben  güfeen  loSgelöft. 

Sa§  äRäbdfjen  ftanb  üor  2lraft3ejeff,  ba£  eine  ©nbe 
ber  abgeftreiften  betten  in  if)ter  £anb  Ijaltenb.  Sie  mar 
im  ©tanbe,  mit  bem  anbern  ©nbe  ber  Sette  mie  mit  einem 
Jammer  §iebe  auf  meffen  £aupt  immer  ju  führen.  SBen 
fie  trifft,  ber  ttrirb  fidf)  fein  Sebtag  baran  erinnern. 

Unb  ber  Sljierbänbiger  mar  mit  bem  befreiten  Seo- 
parben  aßein  in  bem  Säfig. 

„£öre,  ma£  id)  mit  Sir  tljun  miß!" 

Ser  fcfjöne  ßeoparb  naljnt  eine  ©teßung,  atö  bereitete 
er  fiel)  junt  Sprunge. 

Slraftöejeff  aber  fpielte  bieäntal  nicfjt  mie  gemöfjnftcf) 
mit  bem  SegenftodEe.  3n  bem  ©ereid)  feiner  §anb  mar 
feinertei  SBaffe. 

„Scf>  miß  Sir  einen  anftänbigen  $tafc  berfcfjaffen,  mo 
Su  ruljig  unb  etjrlidf)  leben,  Sief)  auäbilben  unb  Seine 
Seele  berebeln,  mo  Su  Sief)  beffern  fannft." 

„Slber  icf)  miß  nicf)t!  S3>  ntag  fein  Sf  öfter,  meber 
betenbe  Tonnen,  noef)  fef)einf)eifige  üßtöncfje.  Scf)  arbeite 
nicfjt,  fo  lange  man  mid)  niefjt  f cfßägt,  unb  fefbft  menn 
man  mid)  fcfßägt,  bete  icf)  nid)t." 

„Su  foßft  ju  nicf)t3  üon  Mbern  gejmungen  merben. 
Sd)  miß  Sid)  meber  in  ein  Sfofter  nod)  in’£  ©efferung3= 
f jauS  fd)idEen,  fonbern  auf’3  ßanb.  —  fjabe  ein  Sdfjfofi 
auf  bem  ßanbe,  barin  mofjnt  eine  mir  fef)r  liebe  Sreunbin." 

Sn  ben  Saugen  beä  Sigeunermäbd^enä  btifcte  e$  pföfc* 
lid)  auf.  Sie  marf  bie  brofjenben  Setten  meg,  unb  ba§ 
üormorrene  ßodEenfjaar  mit  einer  raffen  ©emegung  bon 
ber  ©time  fcfjüttetnb,  jeigte  fie  bem  Dberfjerrn  auf  einmal 
ein  freubeftraf)Ienbe£  ©eficfjt. 

,,2U)!  Su  mißft  midi)  &u  Saintona  fcfjidEen?" 

„Sa,  ju  Saintona." 

SU)!  ber  ftrenge  ©ato  ©enforiu§  I)atte  nod)  einen 

3<Jfai :  fcrei&eit.  I.  11 


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162 


füljtenben  Utero  int  §erjen.  ©inen  üiet  empfinbüctjeren  als 
bet  —  melier  megen  ber  ©erbannung  feines  ©oljneS 
f^nterite! 

©on  ber  ®aimona  mußte  nton  üiet  ju  fogen  —  unb 
nichts  ©uteS. 

Unb  maS  man  öon  ißr  fagte,  mar  nur  ein  ©rucf)ftücf, 
ein  ©Ratten  ber  Söaijrbeit. 

©ine  grau,  bie  ber  ©ünftting  beS  ©jarS  anbetete! 
SCReEjr,  als  alle  ^eiligen  beS  Rimmels  unb  ber  Erbe,  ©ei 
ifjr  braute  er  alle  Seit  ju,  bie  er  ben  ©taatSgefdjäften 
abbred|en  fonnte.  Sie  mar  bie  Sonne  feines  SebenS.  Sie 
mar  fein  £t)rann  unb  feine  ©lücffeligfeit.  ®iefeS  SESeib  mar 
fo  graufam,  fo  roh  unb  teibenfdfafttidj,  baff  !ein  Ulnberer 
als  SlraftSejeff  fie  lieben  fonnte.  Ober  liebte  er  fie  öietleidjt 
gerabe  beSljalb?  ©Ser  non  SlraftSefeff  etmaS  erlangen,  mer 
feiner  Sftache  entgegen  rnoßte,  ber  mußte  erft  oor  feinem 
©ö|en  erfdjeinen  unb  ihm  fein  Opfer  barbringen.  Unb 
jtoar  foftbare  Opfer,  nicht  etma  Sleinigf eiten.  ®ie  ©rpreffun» 
gen  ®aimona'S  maren  im  ganzen  ©eiche  berüchtigt  .  .  . 

Smifdjen  ben  ®oraßen*ßippen  ©üabolfa'S  leuchteten 
ihre  ©erlenjähne  fo  toeiß  her°or! 

„Unb  ®u  gehft  gern  jur  ®aimona?"  frug  ber  hohe 

§err. 

„SBarum  benn  nicht?  Sie  ift  ein  grauenjimmer  oon 
meiner  2lrt." 

„geh  fenbe  ©)i<h  nicht  ju  ihr,  bamit  ®u  ihr  bieneft, 
fottbern  bamit  ®u  ihre  greunbin  feieft." 

„D,  mir  merben  halb  fehr  befreunbet  fein!" 

„Sie  langmeitt  fich  unb  ®u  mirft  es  oerfteljen,  fie  ju 
unterhalten." 

„geh  rnerbe  ihre  ©ebanfen  errathen." 

„SBeitn  fie  ®i<h  lieb  geminnt,  bann  mirb  eS  $ir  bei 
ihr  toohl  ergehen.  Sie  mirb  $ir  fd)öne  Kleiber,  ©efchmeibe, 
©eitpferbe  geben." 

„Unb  eine  ißeitßhe,  um  bie  ßeibeigenen  ju  prügeln." 

„Unb  menn  S)u  $icf)  gut  auffüljrft  unb  ein  gräutein 
mirft,  bann  mirb  SDaimona  ®idj  oerheiraten." 


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163 


Sei  biefen  SSorten  oerbüfterte  fiel)  baS  9(ntli$  be$ 
SRäbdjenS  mieber.  Sie  fdjüttelte  baS  ^paupt,  bag  iljre  Soden 
loiebet  »irr  über  bie  Stirn  fielen;  fie  fdjlug  mit  ben 
gäuften  milb  an  iljre  Sdjenfel,  unb  ftieg,  ben  Soben 
ftampfenb,  jmifdjen  ben  jufammengepregten  Sippen  bie 
Sßorte  fjoröor : 

„3dj  gef)e  nidjt  Ijin!" 

StraftSejeff  täfelte  matitiöS. 

Dann  fufjr  er  in  oätertidpem  Done  fort : 

„3dj  oerftelje;  Du  ^aft  Ijier  unter  ben  ßigeunern  — 
einen  Sdja|." 

„Einen  „Sruber"!"  —  rief  baS  fDliibdjen  ai'3. 

„Stlfo  einen  „Sruber"!  Die  Zigeunerinnen  finb  jüdj* 
tig,  fie  ^aben  nur  „Srüber".  Unb  wenn  icf)  audj  deinen 
Sruber  nadj  bem  Sdfjtoffe  Daimona'S  fenben  mürbe?  ber 
Wäre  ein  guter  Stuffeber  ber  Seibeigenen." 

„SBäre  bieS  möglich?"  rief  baS  SRäbdjen  freubig  aus. 

„ES  wirb  gefdjeljen!  icf)  fenbe  euch  jufamnten  ju 
Daimona  unb  if)r  fönnet  iljre  Vertrauten  werben." 

Diabolfa  fiel  bem  fyotyn  |>errn  ju  Sägen  unb  fügte 
biefe.  SfraftSejeff  aber  ftreidjette  mit  cbriftticber  Sanftmut!) 
bie  fraufen  Soden  ber  3'9eunerin. 

Unb  in  bem  SRomente  beS  Sufduffeä  unb  beS  ®opf= 
ftreidjelnS  waren  bie  §erjen  Seiber  Oott  mit  ben  raffintr» 
teften  SRadfjegebanfen.  3n  ber  unmiffenben  Seele  ber  3i= 
geunerin  entftanb  ein  ebenfo  weitgefjenber  fßlan  gegen 
StraftSejeff,  als  biefer  felbft  auSfann,  um  baS  äRäbcljen  ju 
peinigen;  unb  bie  Zigeunerin  wugte  ebenfo  ju  lügen  unb 
§u  fyeutyln  unb  if)re  Empfinbungen  ju  oerbergen,  wie  ber 
Staatsmann.  DaS  ift  ber  Vorjug  ber  SBilbcn  unb  ber 
Diplomaten ! 

SBeffen  fßlan  wof)l  gelingen  wirb  ? 

Diabolfa  unb  ibjr  „Vruber"  reiften  noch  am  nämlichen 
Dage  nach  ber  Vefifcung  SlraftSejeff'S  ab,  wo  Daimona  fie 
fcfjon  erwartete. 


ll» 


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164 


XVI. 

£>immetexötf)e. 

SlraftSejeff  S  £auptforge  nmr  barauf  gerichtet,  bcrt  Gjar 
beut  Ginfluffe  feiner  geinbe  ju  entreißen. 

Tie  befte  Gelegenheit  mar  bw  ©efud)  in  ben 
SDtilitär=Gotonien. 

Tiefe  monftröfe  3bee  entftanb  in  bent  Gehirne  Strafe 
tSejeffS;  er  ttmr  ber  Schöpfer  ber  3Rititär=Golonien.  Gine 
halbe  SDtißion  Solbaten,  bie  alle  europäifdjen  Kriege  mit- 
gemacht  hatten,  mürben  bantit  belohnt,  baß  man  fie  regiment- 
meife  auf  ben  Staatsdomänen  als  Goloniften  unterbrachte. 
—  Tie  ©auern  foßten  nun  bie  Solbaten  pflügen  nnb  fäen 
lehren;  —  bie  Solbaten  aber  foßten  bie  ©auern  im  3Baffen= 
hanbmer!  unterrichten.  Gin  munberbarer  Gebanfe  —  auf 
bent  Rapier!  So  geminnt  ber  Staat  mit  ber  brei 
ffltißionen  gut  gebrißte  Solbaten,  bie  nichts  foften;  bie  Senfe 
ernährt  bie  glinte. 

GineS  aber  paitt  ber  ©rojectant  in  feinem  Gatcul 
außer  Sicht  gelaffen :  bie  Sauft  ber  ©auern  mag  bie  Stinte 
ni(ht,  unb  bie  Sauft  beS  Solbaten  mag  bie  Senfe  nicht. 

Stuf  feiner  erften  Steife  berührte  ber  Gjar  bie  SOtilitär* 
Golonie  üon  Stomgorob.  SlraftSejeff  mar  in  feinem  Gefolge. 
Sie  lehrten  ganj  unoermuthet  jurücf,  maS  bie  3eüuH9en 
bahin  beuteten,  baß  ber  Gjar  mit  fabelhafter  Gefchmütbig* 
feit  reife.  Tie  Steife  nach  bent  Ural  hatte  er  in  ttier  ©Jochen 
üoßenbet.  Gr  pflegte  atfo  Tag  unb  Stacht  im  Galopp  ju 
reifen.  Tann  befcprieben  fie  ben  großartigen  Gmpfang  in 
aßen  Stäbten,  in  ben  mie  burch  3öl*ber  entftanbenen  Goto* 
nien;  fie  fcpilberten  bie  Triumphbögen,  bie  Teputationen, 
bie  ooHSthümlichen  Gefdjenle,  burch  melcpe  bie  ©eüölterung 
afler  Orten  ihrer  unbegrenjten  Slnhänglidjfeit  für  ben  Gjar 
SluSbrucf  tterlief).  Sind)  bie  großen  SRilitärparaben  maren 
ausführlich  gefdjilbert,  unb  Stiemanb  jtoeifelte  baran,  baß 
fich  atT  biefe  Tinge  genau  fo  gugetragen. 

Stach  ©oßenbung  ber  Stunbreife  reiste  SlraftSejeff  — 


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165 


in  amtlicher  SWiffion  —  nadj  üBarfcbau.  Slud)  bie§  melbeten 
bie  ©tätter  oljne  jeben  Kommentar. 

SDtit  bem  SKonat  3unt  feierte  ber  griiljting  aud)  in 
fßeteräburg  ein.  Sophie  9iarifcbfin’3  ^imnter  ift  »ofl  mit 
äßaibliimcben  —  it)re  2iebling3blume;  in  jebem  ©efäfs,  in 
jebem  Seudjter  ftedt  ein  ©träumen  babon. 

äJlit  ber  ferneren  Qa^reSjeit  fcfjiert  aud)  itjre  @efunb= 
tjeit  miebergefebrt  ju  fein;  fie  fann  jefjt  menigftenS  oljne 
©tüfce  bur<|  ihr  3’mmer  fcfireitert  unb  fümmert  fidj  metjr 
um  ihren  Appetit  als  um  bie  Slrjneien.  @ie  jä£)It  barauf, 
baff  man  fie  im  nädjften  Söinter  fdjon  auf  bie  §ofbäße 
mitnetjmen  merbc.  Sine  Xante  rnirb  fie  in  bie  ©efeflfdjaft 
eirtfütjren.  SßieHei^t  barf  fie  gar  ein  SJtenuet  tanjen. 

©ie  »erlangt  je&t  febr  häufig  nad)  Setljfaba.  ©ie  er= 
funbigt  fict)  bei  iljr,  mie  ein  §ofbaII  auSfieljt.  ®ie  ®önig§- 
tod)ter  mar  fdjon  auf  einem  folgen. 

Sine8  XageS,  nadj  ber  ©eimfctjr  be8  Kjaren,  befugte 
©etbf  aba  mieber  Sophie  9tarifdjfin. 

„2tb,  Xein  3immer  ift  boß  mit  9Kaiblümd)en !  23er 
bat  fie  Xir  gefenbet?" 

„SSer  fonft  afe  mein  ©ater?" 

©or  ©etbfaba  batte  Sophie  fein  ©ebeimntjj.  ©ie  nannte 
ben  Kjar  ihren  „©ater". 

„SBar  er  hier?" 

„Sr  bat  einen  ganzen  2lbenb  bi«  jugebradjt.  @8  mar 
ein  trauriger  Slbenb!  3<b  empfinbe  gurdjt  bor  ibm." 

„§aft  ®u  ibn  oiefleicbt  erjfirnt?" 

„3m  ©egentbeil.  34  fürchte  ibn,  meil  er  mi(b  gar 
fo  fef)r  liebt.  Sßemt  er  fo  bor  mir  fteben  bleibt,  meine 
§änbe  in  ben  feinigen  briicft  unb  mich  lange  ftumm  anblicft, 
bann  fann  idj  fei«  ©tißfcbmeigen  nie^t  ertragen  unb  frage 
ibn :  „SSa3  fehlt  ®ir?  SBa§  fcbmerjt  Xicb?"  Xarauf 

antmortet  er  mir:  „9Jtir  fehlt,  bafi  id)  ©iemanbem  fagen 

fann,  ma8  mich  ftbmerjt."  —  „®ann  benn  auch  ein  fo 

großer  Sßann  an  einem  Uebel  leiben,  gegen  mcldjeä  e§ 

feine  Stbbitfe  gibt?"  —  Xann  jeigt  er  auf  fein  §erj 
unb  fpridjt :  „§ier  fifet  ba8  Uebel!"  —  morauf  ich  ihm 


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166 


fdf)meidf)le  unb  il)n  bitte,  er  möge  mir  bodf)  feinen  8d)mer$ 
entbedfen." 

„SBer  meifi,  t>ielleidf)t  finbe  id)  mit  meinem  finbifdjen 
einfältigen  SSerftanbe  ein  3Rittel,  b aS  feinen  ©dfjmerä  feilen 
ober  linbern  fann.  Sann  §ieljt  er  rnidf)  nochmals  an  fein  §er$, 
nimmt  meinen  ®opf  in  feinen  ©d)oofj  unb  fagt :  ,,3d)  bin 
franf  unb  eS  gibt  feinen  Slrjt  in  ber  SBett,  bem  idf)  mein 
Uebet  fagen  fann.  StmaS  bebrüdt  mein  ^erj,  unb  e£  gibt 
feinen  ©eetforger,  bem  idf)  eS  beizten  fann.  SftadfjtS  gittere 
idf)  oor  meinen  Sräumen,  bei  Sage  öor  meinen  ©ebanfen. 
3cf)  fürchte  bie  ©infamfeit  unb  fürchte  bie  Stenge.  3$  meifc, 
baft  mxd)  Stiemanb  liebt.  33)  meifj,  bafj  i<|  t>erurtl)eilt 
bin."  —  „33on  ment?"  —  „$on  ©ott  unb  ben  Stenfdjen. 
Sebermann  fdf)meidf)elt  mir;  nur  maS  ba  brin  pod)t,  fjmdfjt 
bie  SBafjrljeit  unb  flagt  ntid)  an."  —  „SRtdjt  mal)r,"  — 
rief  id}  bann  —  ,,aud)  baS  fprid)t  bie  SBatjrljeit,  maS  ba 
brin  podf)t?  Unb  baS  lebt,  tiebt,  betet  Sid)  an!  ßaffen  mir 
fie  einmal  ftreiten  miteinanber,  bie  beiben  ^er^en!"  Sarauf 
umarmte  er  rnidf)  unb  ftiifterte  :  „®S  fei.  3d)  §abe  bod) 
Stiemanbem  fo  SöfeS  gugefügt  als  eben  Sir.  SBarunt  foD 
id)  Sir  nidfjt  beichten?  Su  bift  meine  Stärttyrerin  :  menn 
Su  mir  Slbfolution  gibft,  bin  idf)  entfüfjnt."  Sann  fniete 
er  uor  rnidf)  l)in  unb  fpradf)  gar  traurige  SBorte.  ,,©iel),  idf) 
l)abe  über  ben  2eid)nant  meinet  SBaterS  tjinmeg  ben  Sljron 
beftiegen.  33)  l)abe  aus  ben  £änben  feiner  SDtörber 
bie  Srone  angenommen  unb  fie  mir  aufs  Jpaupt  ge- 
fefct.  9ltS  id)  bie  9tad)rid)t  Uon  feinem  Sobe  Uerna^m,  ba 
meinte  id)  nid)t.  3$  füllte  ntid)  erleichtert ;  nun  hatte  id) 
feinen  3orn  nicht  ntefjr  $u  fürchten.  Senn  er  mar  in  ©roll 
t>on  mir  gefdjieben.  9luf  mie  nieten  ©d)tad)tfetbern  l)öbe  id) 
bie  @ül)ne  gefugt!  33)  fonnte  fie  nicht  finben.  @S  mar 
mir  auf  bie  ©time  getrieben,  bafj  mir  bie  Sugetn  auS= 
midien,  bie  um  mid)  IjerfauSten;  eS  mar  auSgefprodfjen 
über  mid),  baf$  id)  büfee,  mie  ich  gefünbigt.  33)  hatte  atS 
©ol)n  ein  fteinljarteS  ^erj  gegen  meinen  SSater.  D,  maS 
muffte  idf)  bann  atS  SSater  megen  meiner  Kinber  leibenl 
33)  l)abe  alte  meine  ®inber  jur  ©ruft  geleitet 


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167 


Mu  bift  mein  te|teS  unb  einjigeS!  3<h  frümme  mich,  toie 
ein  SSurm,  unter  bem  Mrucfe  beS  SchicffalS,  toenn  icf) 
Mein  gebenfe,  toenn  icf)  Mir  in’S  9lntlifc  bilde.  SBirft  au4 
Mu  toegen  meiner  großen  grrt^iimer  nerurtheilt  jein  ?"  — 
Mann  habe  ich  i£)n  getröftet.  „9Rir  fef)tt  nichts  mehr"  — 
jagte  icf).  „34  bin  gliicflicf),  fefjr  glücflicfj  unb  gefunb  unb 
toerbe  Mi  4  fefjr  lange  lieben!"  darüber  meinten  mir  bann 
Seibe.  „3t  gittere  nicht  meinethalben,"  jlüjterte  er.  ,,3cf) 
felje  baS  über  mir  Ijängenbe  Sd)toert;  i4  höre  nächtlicher 
SBeile,  toie  baS  SReffer  an  bem  ©dfteine  meines  ißalafteS 
gefdjliffen  Wirb;  id)  bin  bereit.  Qn  ©lut  bin  ich  ouf 
ben  ®hTon  gelangt;  in  ©lut  niu|  ich  toieber  herab» 
ft  eigen.  9lber  ich  gittere  Meinethalben!  ©otteS  Strafgericht 
foll  toegen  meiner  Süuben  nicht  auch  ®ein  $aupt  treffen!" 
Mann  hebe  icf)  ihn  auf  unb  fage  ihm  fo  lluge  SBorte,  ba§ 
ich  felber  barüber  erftaune,  ba  id)  boch  fonft  ein  recht  ein» 
faltiges  Ming  bin.  3<h  jpreche  ihm  hunbertfadjen  Mroft  ju 
unb  nötige  ihn  fo  enblich  boch  Su  einem  Sä4eln  unb  ju 
ben  ©Sorten  :  „5Run,  fo  abfolnire  mich ;  fage  :  Christe  elei¬ 
son!"  3ch  bin  fdjon  fo  toeit  gegangen,  bafj  ich  mit  ihm 
ju  politifiren  begann.  3atü0hh  ich  hflbe  tion  StaatSange» 
legenheiten  mit  ihm  gebrochen.  34  fugte  ihm  :  „SSaS  be» 
unruhigft  Mu  Mich  mit  fol4en  S4redbilbern  ?  Meine  ©öl» 
ter  finb  nicht  fo  fehlest,  toie  jene  anberer  jjerrfcher.  3t 
fenne  bie  ©Seit  feljr  gut!  34  h°Öe  3tuliener,  Meutfhe, 
fjranjofen  gefehen.  ©Senn  biefe  am  Seiertag  tüchtig  trinten, 
bann  lärmen,  ftreiten  unb  raufen  fie.  Meine  Untertanen 
aber,  toenn  fie  an  jjefttagen  Diel  getrunlen,  taumeln  nur 
hin  unb  her,  Kiffen  fi4  unb  lachen." 

„Unb  brachte  ihn  aut  baS  nicht  &um  Säten?" 

„Sr  füfjte  mich  uur.  @r  fagte,  i4  Wäre  ftaatsftttger 
als  MaHetyranb  unb  äRetternit ;  bann  toarb  er  toieber  ernft. 
„So  war  eS  in  alten  Seiten,  toie  Mu  eS  mit  Meinen  alt» 
fingen  Slugen  gefehen.  3«  neuerer  Seit  aber  fchtoebt  ettoaS 
in  ber  Suft,  toooon  bie  fricblidjften  ©ötfer  aufgeftachelt 
toerben,  fo  baff  Mu  bie  Seute  non  geftern  heute  nicht  mehr 
erfennft.  fpöre,  toaS  mir  unterwegs  paffirte  —  freilich  fbr*4t 


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168 


fein  -äRenfdfj  baoon;  auch  bie  gingen  unb  gahr&üdher 
tnerben  barüber  fdhmeigen.  SltS  idf)  midf)  ber  3Rititär*Soto* 
nie  üon  *ßetromSf  näherte,  bunfelte  eS  bereits;  bie  unter* 
gef)enbe  Sonne  färbte  bie  ©djaftoötfdjen,  toetd^e  baS  girma* 
ment  bebecften,  purpurrott).  ®er  £>immet  fah  aus,  mie 
ein  jerfe^ter  ®aifermantel."  —  darüber  ^abe  ich  ihn  aus* 
gefdholten  unb  ihn  gefragt  :  n>er  benn  je  in  ber  SBett 
einen  jerfefcten  ®aifermantel  gehabt  ^abe?  —  morauf  er 
mir  ermiberte :  „Unter  Slnberen  auch  gutiuö  ©äfar.  Sie 
§intntelSröthe  bebeutet  ©türm."  „SaS  ift  nur  ein  93orur* 
tfjeil/'  ermiberte  Straf tSejeff.  „Sn  ber  Slbenbröt^e  nahm 
fidh  ber  auf  ber  ^etromsfer  Straße  errichtete  Sriumph* 
bogen  mie  eine  aus  ©olb  erbaute  ßaube  aus.  Sie  übrigen 
Sriumphbforten,  bie  mir  paffirt  hatten,  maren  aus  Sannen* 
reifem  errichtet  morben;  bie  bteiben  bunfel,  auch  tnenn  bie 
Sonne  hin  fdfjeint.  SBorauS  mag  nun  jener  errichtet  mor* 
ben  fein,  baß  er  fo  glänzt?  ©ine  ungeheure  SSotfSntenge 
urnmogte  ihn.  SltS  ich  näher  fant,  erfuhr  ich,  morauS  ber 
Sriunt^hbogen  errietet  mar.  D !  ich  bin  fchon  burdh  niete 
Sriumbhbögen  hinburchgefdhritten,  bie  ju  meiner  SBemifl* 
fommnung  erbaut  maren.  Sch  ha&e  Sriumbh^ögen  aus 
©ammt  unb  ©eibe  gefehen.  S4>  ha&e  fot<he  gefehen,  ^crcn 
beibe  ©äuten  aus  eroberten  Kanonen  gebitbet  mürben;  bie 
SBötbung  mar  mit  feinblidhen  gähnen  gefdhmüdtt,  bie  Srone 
in  ber  SRitte  aber  mar  aus  DrbenSjeidf)en  gefallener  §et* 
ben  jufammengefefct,  bie  ftrahtenbe  Slurote  rings  umher 
bitbeten  bie  ©djmerter  gefangener  ©enerale.  Ser  Sriumph' 
bogen  non  Sßetromsf  aber  übertraf  alte  anberen." 

„SaS,  maS  im  ©tanje  ber  untergehenben  Sonne  in 
ber  gerne  mie  ©otb  fdhien,  maren  gefcen  jerriffener 
£entben  unb  Steiber;  ftatt  ßampionS  fah  man 
Settterfädf  e,  unb  bie  ®röne  bitbeten  ®rücfen,  bie 
in  ben  burdjtöcherten  33oben  eines  atten  Sef* 
fels  geftecftmaren.  ©in  Sriuntphbogen  aus  ßuntpen 
unb  Settterfäcfen !  SBährenb  ich  noch  ftaunenb  bieS  ©ehre* 
cfenSgebitbe  anftarrte,  trat  heröor  nuS  be*  ®totge  ber 
©rößte,  ein  ©reis  mit  langem  maßenben  Sarte,  in  ber 


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169 


£anb  Ijöfteitb  bie  $ur  Vegrüßung  übliche  Jpotäßhüffet,  in 
mrfcher  ein  ©tücf  Vrob  mar,  unb  fpradE)  ju  mir  :  „§ier 
ift  ba8  Vrob,  mie  e$  ©eine  ©olbaten  un$  gelaffen  f)aben. 
Softe  e$!  ift  au$  bem  äReljl  bon  gidhtenrinbe  gebaden. 
®a§  übliche  ©atj  tonnten  mir  nicht  beifügen,  benn  mir  fern 
nen  nur  ba$  ©at^  ber  frönen.  2luf  biefem  ©riumphbogen 
fannft  $u  fämmtliche  Softbarfeiten  fehen,  melche  un§  ©eine 
©olbaten  übrig  ließen  :  bie  jertumpten  Jpemben  unb  Slei= 
ber  unferer  grauen  unb  ®ödf)ter.  Sie  felber  tarnen  nicht 
her,  meil  fie  bocf)  unmöglich  nadt  erfc^einen  tönnen.  ®ie 
jmölf  feufdfjen  Jungfrauen  tonnten  mir  Deshalb  nicht  ju 
©einer  Vegrüßung  herbringen,  mie  e3  ber  £etman  befahl, 
meil  in  biefer  ©egenb  überhaupt  feine  feufdfje  Jungfrau 
mehr  ejiftirt,  feit  ©u  ©eine  ©olbaten  hier  angefiebelt  fjaft!" 

—  Sei  biefen  SBorten  befahl  SlraftSejeff  ben  begleitenben 
®arbefofafen=@otnien,  bie  reboltirenbe  SKenge  auSeinanber 
ju  jagen.  Slber  ba3  maren  ja  feine  2tufftänbifdE)en,  fonbem 

—  öerjmeifelte  SDtenfdhen.  Stuf  ein  ©rompetenfignal  marfen 
fie  fidf)  jur  ©rbe  bor  bie  güße  ber  $ßf.erbe,  ben  ganzen 
2Beg  entlang,  unb  Jpänbe  unb  ©efidf)ter  $u  mir  ertjebenb, 
fd^rien  fie  :  „©rlöfe  un§  bon  ©einen  ©olbaten!  Stimm 
meg  bon  un£  ©eine  Vemaffneten!  2Bir  finb  fromme  Vau= 
ern  unb  molfen  arbeiten.  Steite  un$  nieber,  menn  ®u 
meiterge^en  miüft!"  mar  unmöglich  bor  ber  großen 
•Stenge,  bie  ben  Voben  bebedte,  bormärte  &u  fommen.  ®a 
Ralfen  meber  3onte3rufe,  noch  ermunternbe  ©nabe§morte. 
©ie  fc^rien  ohne  Unterlaß  :  „Stimm  bon  mte  ©eine  Srie= 
ger!"  Stod)  feiten  mar  ein  £errfcf)er  in  einer  berartigen 
Verlegenheit.  ©üblich  langte  £>itfe  an.  Von  ber  militärifchen 
©olonie  näherten  ficf)  in  gefdfjtoffenen  Steifen  bie  Veteranen. 
2tn  ißrer  ©pifce  ein  ©ambourmajor,  ber  audh  fo  alt  unb 
graubärtig  mar,  mie  ber  Stebner  ber  Vauern.  Jdf)  erfannte 
meine  ©renabiere  in  ihnen,  ©iefe  berftaitben  bie  §inber= 
niffe,  bie  ber  ©olottne  im  2Bege  maren,  $u  befeitigen.  ©in 
©rompetenftoß,  unb  bie  ©appeute  traten  h^tbor,  ergriffen 
bie  Vauern  bei  §änben  unb  güßen,  unb  fie  übereinanber* 
legenb,  machten  fie  ber  borbringenben  Vrigabe  $ßlap.  ©er 


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170 


SDtcmit  mit.  bem  langen  ©arte  ftecfte  feine  galjne  in  bie 
@rbe  unb  fpracp  :  „£err,  taffe  ung  nic^t  t)ier  an  biefent 
berbammten  Orte!  2Bir  bienten  Sir  treu  auf  bem  ©djtadjt* 
fetbe  fünfeetin  3>al)re,  mir  fdjlugen  ©djtacpten  gegen  gran* 
jofen,  Seutfcfje,  !gtatiener  ♦  unb  fotten  jefct  mit  getbmäufen, 
^eufcfjreden,  Staunen,  unb,  mag  bag  Stergfte  ift,  mit  ©au= 
ern  fämpfen?  3n  unferer  3ugenb  lernten  mir  fämpfen, 
mie  bie  ©ären;  mir  motten  im  Sitter  nictjt  pflügen  lernen 
mie  bie  Ockfen !  SDtit  Stinte  unb  ©äbet  berftetjen  mir  unt* 
juge^en,  aber  ©enfe  unb  Sieget  fielen  gar  fcplecpt  unferen 
§änben,  unb  bie  ©auern  fpotten  ob  unferer  Ungefdfeidftidfj' 
feit,  giiljre  ung  in  geinbegtanb,  mo  hinter  jebem  (Sefträucfee 
ein  SRörber  lauert,  aber,  £>err,  taffe  ung  nic^t  unter  Seinen 
©auern!  ©djiefe  ung  in  ben  ®ampf  gegen  bie  Ungläubigen, 
aber  taffe  ung  nidfjt  bei  ben  ©auern,  bie  ung  ftuepen,  menn 
mir  fie  bitten,  ftudjen,  menn  mir  fie  fragen,  unb  ftuefeen, 
menn  mir  nur  auf  fie  fetjen!  ©perre  ung  in  eine  belagerte 
geftung,  mo  mir  bag  gteif^  gefallener  Sßferbe  effen  ntüffen, 
eg  mit  ©ulber  ftatt  mit  ©atj  beftreuenb;  unb  menn  mir 
bürften,  bag  SBaffer  bon  ben  SRauent  ableden  :  nur  ba^u 
berbamme  ung  nid)t,  bafe  mir  t)ier,  auf  biefer  gottberlaffe* 
neu  ®rbe,  beneibet  bon  biebifdjen,  betrügerifd)en  ©auern, 
ung  um  unfer  etenbeg  ©rob  plagen  fotten!  ©egrabe  ung 
auf  bem  @d)ladf)tfelbe  unter  Seicfyenfyaufen;  bod)  begrabe 
ung  niept  tebenb  in  bie  9Jlititär=©otonien!  ©erftudjt  fei, 
mer  biefe  juerft  erfanb!"  ....  Slaraftgejeff  tiefe  in  bie 
Srompeten  blafen,  um  ben  Sftebner  jum  ©efemeigen  ju 
bringen,  bodf)  nun  feferien  ©auern  unb  ©otbaten,  fo  bafe 
beren  bereinigteg  ©etöfe  ben  SrompetenfdE)att  übertönte. 
Slia  (fo  Ijiefe  beg  Kjaren  alter  ®utfdjer)  tenfte  ot)ne  jeben 
©efe^t  bie  Sßferbe  um,  unb  mir  fuhren  benfetben  2Seg, 
auf  bem  mir  gefommen,  jurüd,  bod)  burdj  ben  Sriumpt^ 
bogen  ber  gefcen  fuhren  mir  niept.  —  ©o  enbete  mein 
©iegegjug!  Sltg  icfj  nadE)  £anfe  fam,  tag  icfj  in  ben  ©tättern 
bie  gtänjenben  ©efefereibungen,  meldje  meine  Sriumpljrunb* 
reife  ber|errtidE)ten!  @o  tjatte  atfo  bie  Sftötlje  beg  £intmelg  bodf) 
©türm  bebeutet!"  .  .  Sieg  erjagte  mir  mein  armer  ©ater.41 


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171 


„$ag  ift  ttrirflidj  traurig  für  eilten  folgen  £errn, 
wenn  3ene  nitt  glücflit  fein  m  ollen,  bie  er  gfüctficf) 
machen  mitt.  ®a  ijatte  mein  ©ater  ein  gfücffitereg  SSoIf ! 
SBarutn  geljt  Sein  ©ater  nitf}t  ju  ifjnen?  3efct  finb  ja 
btefe  SSötfer  aut  feine  Untertanen  I" 

㤚ri,  Setfaba,'  biefe  3bee  ift  gut !  Saft'  mit  nitt 
baran  öergeffen!  3t  merbe.  fie  if)m  nätfteng  einmal  üor * 
tragen,  menn  er  befferer  Saune  fein  mirb.  3efct  ift  er  fefjr 
niebergeftfagen.  9ffg  er  üon  mir  Stbftieb  genommen  Ijatte, 
!am  er  ttrieber  jurücf.  „3t  oergafc,  mit  um  Sein  Sefht' 
ben  §u  erfunbigen."  — „  Sag  bemeift,"  ermiberte  it,  „baft 
it  feljr  gut  augfefje."  hierauf  prüfte  er  beforgt  mein 
2lu£fef)en  unb  frug  mit,  ob  mein  ©efitt  immer  fo  gerö* 
tljet  ift.  SBorauf  it  tut  fätetnb  anüoortete,  baf$  eg  im* 
tner  fo  augfieljt.  „Sot  marunt  bift  Su  fo  feljr  beforgt? 
SBeifj  benn  ©ott  nicpt,  mie  fepr  Su  mit  Kcfift,  unb  bift  Su 
benn  nitt  fein  ©efafbter,  fein  Sfugerforener,  ju  bem  Su  für 
mein  £eif  beteft?"  —  „SBopf  meifj  ®ott,"  fagte  er  büfter, 
„bafj  it  ®it  liebe ;  bot  mar  Sfönig  Satnb  nitt  aut 
fein  ©efafbter  unb  ®rmäf)tter?  ©ang  ber  ^eilige  Sönig 
nitt  attnättlit  Oerjmeifett  feinen  ©fafnt  :  „Stattg  ergebe 
it  meine  £attb  unb  ftretfe  fie  ju  Sir  gen  £immef!"  — 
unb  bemtot  naf)m  er  t m  fein  teurem  ®inb,  an  mettern 
er  an  tut  tjeimfutte,  mag  er  mit  ©etfifaba  fünbigte!" 

„SBer  mar  biefe  ©etfaba?"  marf  bie  ®öniggtotter 
raft  bajmiften.  „®ab  eg  alfo  bot  aut  fton  oor  mir 
eine  Sebenbe  biefeg  Stameng?  SSergeblit  forftte  it  bigper, 
ob  in  ber  ©efellftaft  not  Sentanb  fo  Reifet.  Umfonft  fut te 
it  in  bem  Satenber  eine  folte  Zeitige :  it  fanb  feine. 
•Steine  $atl)in,  bie  £erjogin,  mefte  mir  biefen  Stauten  gab, 
afg  man  mit  taufte  (big  ju  meinem  fetzten  Seb:ngjaf)re 
mar  it  eine  £eibin),  ermiberte  mir  auf  meine  grage,  nrn* 
rum  mein  Stame  in  feinem  Salenber  ftef)e,  bafj  „Setljfabn" 
nur  eine  Variation  üon  „(Sfifabetlj"  fei,  unb  bafj  ber  ®fi= 
fabetentag  aut  ntein  Stamengtag  fei,  an  bem  .it  aut 
©eftenfe  ermatte.  Unb  nun  fagt  Sir  ber  ®$ar,  bafj  eg 
aut  eine  mirffite  ©etfifaba  gab.  SBer  mar  fie?" 


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172 


„Scf)  weiß  el  audlj  nic£)t,  man  t>at  midj'l  nie  gelefjrt, 
obgleich  itf)  neugierig  War,  el  ju  wiffen.  3^  frag  £>elen= 
djen,  unb  erfuhr  bon  tf)r  fo  biel,  baß  SöetE)faba  ©anct 
Sabib’l  ©attin  War.  Sorf)  meljr  Wußte  audj  fie  nidjjt,  benn 
nur  bie  ©open  biirfen  bie  ©ibel  tefen.  ®elf|a(b  ift  fie  aucf) 
in  butgarifc^er  Sprache  berfaßt." 

„$odj  Welljalb  fteßt  fie  nidfjt  im  falenber  unter  ben 
^eiligen?" 

„©ewiß,  weil  fie  eine  3®bin  war!" 

„Stber  ©araß,  SRebefta,  Sft a t£) e t  Waren  ja  audfj 
Qübinen  unb  bocf)  prangen  ifire  Stamen  unter  ben  ^pei(i= 
gen.  ©ettyfaba  Würbe  fidEjer  belljalb  weggetaffen,  weit  fie 
gefänbigt  ßat!  Sticht  Watjr,  er  fjat’l  gefagt?  Soct)  Wal  war 
it)re  ©cf)ulb?  Unb  warum  gab  man  mir  ben  SRarnen  einer 
©ünberin?" 

©ettjfaba  War  nafje  baran  ju  Weinen. 

„SReine  Sfjeure!"  fagte  jefjt  Sophie,  „tljeile  SRieman» 
bem  mit,  wal  idj  Sir  non  ber  SRunbreife  unb  bem  Sri» 
umptibogen  bei  ©jaren  erjäljlte." 

„Sßemt  aber  meine  ©attjin  ntidfj  fragen  wirb,  t>on 
Wal  wir  rebeten?" 

„Sann  fage  iljr  etwal  Slnberel!" 

„SBal  Stnberel?" 

„2üge  ißr  etwal  bor!" 

„SSortügen?  2öie  muß  man  bal  anftetten?  3<§  ber» 
fudjte  el  nodj  nie." 

©opßie  ÜRarifdßfin  tackte  fie  aul.  ©ie  lernte  fcßon  all 
ganj  fleinel  SBinb  lügen,  ©ie  mußte  ftatt  „äJlama"  „fd&öne 
fjrau"  fagen,  unb  Wenn  üjr  ©apa  ein  3U(^erbnrfwerf  ober 
ein  Spielzeug  braute,  mußte  fie  3ebem  fagen  :  ber  SRicolo 
(Ia  mere  Cigogne)  ßat'l  gebradfjt!  SSal  iljr  |)elencf)en 
fagte,  burfte  fie  äRabame  nicßt  fagen ;  wal  fie  bott  SRabame 
fjörte,  mußte  fie’ bor  ^etewfien  berfd|Weigen,  bie  ©efprädfje 
©eiber  foflte  ber  „große  §err"  nidjt  erfahren,  unb  wal  fie 
bom  „großen  6er rn"  bernaßm,  burfte  gar  Stiemanb  wif» 
fen.  @o  feßr  war  fie  an’l  Sügen  gewinnt,  baß  fie  einft 
itjren  Strjt  jur  ©erjweiflung  bradjte,  ber  fie  nacß  ben 


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173 


unteren  Symptomen  ihrer  ftranfheit  befragte.  $urdj  ihr 
Sügen  machte  fie  jebe  $iagnofi§  $u  Schauben.  SSBie  jaulte 
ba§  arme  ftinb  auf,  afö  e§  oont  ®er!er  ber  emigen  Süge 
erlöft,  jmei  Seelen  fanb,  benen  fte  fagen  burfte,  ma§  ißr 
auf  bem  §er$en  lag  :  ihren  SSater  unb  ihre  greunbtn ! 

„Sllfo  ®u  erjählft  Sittel  Sebent,  ma§  ®u  meißt?" 
frug  fie  ©ethfaba. 

„0  nein!  Sügen  !ann  icf)  jmar  nicht,  ba3  oerftehe  ich 
nicht.  $och  toenn  mich  3c^an^  auSfpioniren  mill,  fo  ha&e 
ich  meine  eigene  Ärt,  ihn  auffi^en  £U  taffen.  34  ridjte 
nämlich  fo  oiele  fragen  an  ihn,  baß  er  nti<h  gerne  in  Trie¬ 
ben  laßt." 

hierauf  lachten  beibe  SJläbchen. 

S)ie  HRufif  be3  Sad)en3  mürbe  gar  feiten  in  biefem 
ftäfige  gehört. 


xvn. 

^Jelhfaßö. 

®ie  &erjogin  ®hebimin  geftattete  ihrem  föniglichett 
^5athenfinbe,  baß  fie  ihre  greunbin  Sophie  Starifchfin  öfter 
befugte. 

2Ber  in  bie  £er$en§geheimniffe  ber  £erjogin  nur  ^alb= 
meg§  eingemeiht  mar,  fonnte  ftch  bie  llrfache  biefer  Sefuche 
leidet  erflären.  ®a  fte  felber  Sophie  nicf)t  befugen  fonnte 
(bie§  oerbot  ber  Slttfianb),  fo  erhielt  fie  menigftenS  burch 
©ethfaba  oft  ßunbe  oon  bereu  ©efinben. 

2Ber  aber  mit  ihren  ©eheimniffen  ganj  oertraut  mar, 
fannte  auch  nodh  bie  anbere  Urfadje. 

®er  ®jar,  jener  einfilbige,  Oerfchtoffene  SJlenfch,  ber 
oor  feinen  SRiniftern  ©eheintttiffe  h ®tte  fetbft  bem 

Sßriefter  nicht  beichtete,  pflegte  biefer  SieblingStodjter  2ltte§, 
ma§  er  auf  bem  $er$en  hotte,  mitjutheilen. 

SBenn  ein  gemöhnlicher  ©ater  feiner  abgöttifch  Qe= 
liebten  Xochter  etmaS  erzählt,  fo  ift  ba§  Sache  be& 


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174 


(SSemütp ;  fpricht  ober  ber  ©gar,  fo  finb  eg  Staatgan* 
gelegenheiten. 

Siebeg  SSort,  Welcbeg  ber  ©gar  oor  Sophie  9tarif<hfin 
augftmdjt,  begießt  fich  auf  ben  guftanb  beg  Sanbeg.  ®te 
SEBorte  Sllejanber’g  I.  bilben  bie  SBafig  öon  ©uropag  ®e= 
genwart  unb  gulünftigen  ©eftaltungen.  ®ie  ©rweidjung 
ober  Verhärtung  feineg  §ergeng  bebeutet  Krieg  ober  grie= 
ben;  fein  §erg  birgt  in  ftch  bie  ffitpfterien  großer  Verwieg 
lungen  unb  Untwäljungen  in  ©uropa. 

Unb  Sophie  ergäbt  wieber  SHIeg  ihrer  SBufenfreunbin 
SBetljfaba.  33etf)faba  aber  fann  nicht  lügen. 

„Stun,  liebeg  Kinb,  wag  macht  ©»eine  Heine  greun= 
bin?"  ftug  bie  ^»ergogin  bie  heimgefeljrte  Königstochter. 

„Sie  nimmt  leine  Slrgnei  mehr,  unb  ich  glaube,  bag 
ift  gut.  ©enn  einmal  foftete  ich  bei  if»r  ein  ißuloer;  eg 
War  feljr  bitter.“ 

„£>at  fie  nicht  wieber  oiel  geptaubert?  ©er  Stecow 
öalegcentin  fdjabet  bag  oiele  Sprechen. " 

„Sie  ßat  mir  nur  bag  ©ine  ergät)lt,  baß  ißr  fßatße 
fie  befutßte." 

So  oiel  Sägen  hatte  Setßfaba  hoch  fdjon  gelernt,  um 
il)n  ftatt  „Vater"  mit  einem  anbern  ©üel  gu  nennen. 

„SBar  er  lange  bei  ißr?" 

„®aS  Weiß  ich  nicht." 

„Sprach  er  mit  ißr  oon  intereffanten  ©ingen?" 

„Sltlerbingg,  oom  König  ©aoib  unb  feiner  ©attin 
Vethfaba.  Sage  mir,  Wag  hat  Königin  Vethfaba  üer= 
ftßulbet?" 

„SBag  fie  üerfdjulbete?  $3ie  lommft  ®u  bagu,  biefe 
grage  an  mich  gu  richten?" 

„Stun,  weil  er  eg  fagte,  unb  ich  wiffen  Witt,  wag  fie 
üerbrodjen  hat;  warum  will  Stiemanb  ihren  Slawen  führen? 
SEBenn  fie  gar  fo  fcfjlec^t  war,  bann  brauche  ich  auch  nicht 
ihren  Statuen ;  gebt  mir  einen  anbern!" 

„beruhige  ©ich,  Heine  Stärrin !  Sie  hat  ja  nicht  gefün= 

bigt." 


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175 


„Äber  SopfpenS  ^Saltp  fagte,  baff  fie  mit  finnig 
Saoib  fünbigte.“ 

„Sa§  mar  ja  Siebe  unb  feine  Sünbe." 

„Siebe?!  fBa§  ift  benn  ba§?“ 

2Äaria  Ätejietima  fiorpttÜpa  tackte  (aut  auf. 

„3e|t  fod  i dj  Sir  erttären,  toa#  Siebe  ift?  Su  mirft 
e3  nod)  frül)  genug  miffen,  menn  Su  felbjt  lieben  mirft.“ 

„2Bie  foB  idj  baju  fommen?  Sft  Siebe  ein  Ucbcl, 
meldjeä  ben  2Jtenfd>en  überragt  mie  eine  ffrunffjeit,  ober 
ettoaä  ®ute§,  ba§  man  tjerbeifefjnt?“ 

SJiaria  Älejüemna  fiorpntfjia  ladjte  nodf  lauter. 

„Seiber  jug(eid)!" 

„Sod|  mie  fängt  fie  an?" 

„SBenn  einmal  ein  fdjöner  Jüngling  tief  in  Stein  Äuge 
b(idt." 

„Sn  mein  Äuge?  ®a§  !ann  id?  nid)t  (eiben.  Saran 
ftürbe  icf)  gletd)." 

„Sod)  menn  ber  SüKflting  Sidj  jur  grau  begehrt  unb 
fidj  mit  Sir  oertobt?" 

„SBie  get)t  ba3  ÄBe8  ju?  Sd)  tan«  e§  mir  gar  nidjt 
oorftetten." 

„Ser  Sdttgting  fdjidt  bem  geliebten  9Käbd)en  finnige 
Ängebinbe." 

„Unb  ba3  bebeutet,  baff  er  fte  tiebt?  Unb  menn  ba8 
SJtäbdjen  bie  ®efd)ente'  annimmt,  bebeutet  basS,  bajj  fie  it;n 
liebt  ?  ,D,  mie  tieb,  mie  fdjön  ift  ba§!  SJtufi  ba8  SRäbdjen 
ifpn  aud)  etttrnä  f dienten?“ 

„9tur  iE>re  Gegenliebe ! " 

„©onft  nidjtä?  D,  ba§  ift  artig,  ba8  ift  (jerjig!  Unb 
menn  un§  bann  etn  anberer  Süngtitig  nocf)  fdjönere  ®e= 
f  diente  gibt,  nehmen  mir  fie  an  unb  lieben  mieber  bicfen 
Süttgling  aucf)?" 

Äortpttljia  ftatfc£)te  oor  Sachen  in  bie  §änbe. 

„®anj  gemifj,  bodj  nur  bann,  menn  man  bie  jrneite 
Siebe  oor  bem  erften  Säugling  üert)eimlid)en  tann." 

„34ein,  nein,  (eine  Sßerljeimtidfung!  Sieber  mifi  id)  e8 
gefte^en,  baf?  id)  aud)  einen  Änbern  (iebe.  Unb  marum 


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176 


beim  nicht,  ba  bocf)  bie  Siebe  gut  unb  fein  SSerbredjeit  ift? 
SEBenn  icf)  alfo  einen  ©atten  haben  toerbe,  barf  ich  mit 
feinem  SEBiffen  feine  Srbbeeren  lieben?" 

„(Srbbeeren  jo!  Sag  ift  nur  eine  9taf<f)f|aftigfeit. " 

„SEBerbe  icf)  if)m  nicht  fagen  biirfen,  baff  ich  Sophie 
ERarifc^fin  tiebe?" 

„Dh  ja,  bag  ift  jo  blog  greunbfdjaft!" 

„Unb  mochte  er  mich  umbringen,  toemt  er  bon  meiner 
Siebe  jum  Sanje  mühte?" 

„Sich,  nein!" 

„SEBenn  ich  nun  ©rbbeeren,  Sanj  unb  greunbin  fieben 
barf,  toarum  nicht  auch  einen  Jüngling,  fo  er  fchön  unb 
gut  ift?" 

„Dh,  über  bie  heilige  Unfchulb!  ®od)  fpricht  man  in 
Seiner  feeimat  nie  bon  Siebe?" 

„ERein!" 

,,©ibt  eg  benn  bort  feine  günglinge  unb  äRäbchen?" 

„Sltterbingg!  boch  bei  unä  bergleicht  fich  ber  güng= 
fing,  ber  ein  Stäbchen  heiraten  mitt,  mit  beffen  Sater  über 
ben  Srautfchah  unb  führt  fie  heim.  gft  nun  bag  3Räb= 
chen  gut  unb  treu  ju  ihm,  fo  fauft  er  ihr  fc£»öne  Kleiber; 
im  anbern  gatte  oerftöfft  er  eg,  unb  fauft  fich  ein  anbereg 
SEBeib." 

„Sag  geht  bei  ung  nicht.  Sei  ung  barf  jebe  grau 
nur  einen  3Rann  lieben;  biefs  befiehlt  unfere  ^Religion!" 

„Sa?  ift  mag  anbereg!  SBarum  fagteft  Su  mir  nicht 
gleich,  ba|  bie  SReligion  bie  Siebe  befiehlt?  Dh,  ich  toerbe 
bie  ©ebote  ber  ^Religion  treu  befolgen!  9tid)t  mahr,  Su 
befolgft  fie  auch?  liebft  beinen  ©atten?  Eßftegft  Su 
ihm  tief  in'g  Singe  ju  blicfen?  geh  bemerfte  eg  noch  nie  " 

„ga,  meine  Sfjeuere!  Sag  Seben  ift  lang,  unb  bie 
3eit  ber  Siebe,  genannt  fponigtoochen,  attju  furj." 

„Sa  mu|  man  bie  §onigmochen  in  §onigminuten 
theiten,  bamit  auf  jeben  Sag  beg  Sebeng  ein  Slugenbticf 
fäme." 

„Su  mirft  fchon  einmal  erfennen,  bah  bieg  unmög= 
lieh  ift  "  j 


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177 


„3e|t  weife  idj  fdjon,  bafe  $3etljfaba’$  Sdjulb  barin 
beftaitb,  bafe  fie  jenen  SRann  nidjt  liebte,  ben  ifjr  bie  Sie* 
ligion  ju  lieben  befafel.  ®odj  waö  fjat  mit  aOebem  König 
2>aOib  ju  tfjun?" 

Sa,  baö  fjätte  Kortjntljia  fetbft  gerne  gewufet,  wie  fo 
König  $>aoib  in  biefe  Sabel  fjineingerietfj.  3)enn  baö  plau= 
bernbe  3Jtäbcfjen  fjatte  fee  mit  iferen  bielen  ungereimten  Stagen 
fo  fefer  oerwirrt,  bafe  iljr  bie  Strafrebe  nidjt  in’«  ©ebädjt» 
nife  fam,  Welche  ber  fßropljet  bem  König  fjielt.  £er  Stuffe 
ift  fjödjft  oerfdjtoiegen;  oon  ben  ©efdjefjniffen  unter  bem 
iriumpijtljore  wagte  aufeer  bem  (Jjaren  Keiner  ju  reben. 
Slrattöejeff  fdjtoicg,  benn  er  wollte  ftdj  beö  Siaöfoö  feiner 
eigenen  ungefjeuertidjen  ißläne  nidjt  rühmen.  ®ie  ®arbe= 
fofafen=Slbtfjeilung  würbe  nadj  Kafan  gefdjicft,  unb  bie 
Uebrigen  wufeten  ju  fdjweigen. 


xvm. 

yiilfi«. 

®ie  junge  grufifdje  KönigSmaib  fonnte  in  feine  beffere 
Schule  gegeben  Werben,  als  jur  Särftin  ®ljebimin. 

Kortjntfjia  fonnte  jenem  ruffifdjen  Staturforfdjer,  ber 
(®arwin  beiweitem  öberflügelnb)  ju  beweifen  trachtete,  bafe 
bie  entartete  Kafjen  finb,  alö  SKufter  bienen. 

(Unb  tergeblidj  fucfjte  man  i|n  ju  erweisen,  bafe  er  feine 
Stnfidjt  bafjin  mobificire,  bafe  bie  Stauen  oerebette 
Kafcen  feien:  er  blieb  bei  feinem  9lu3fprudje !) 

®ie  fdjöne  Kortjntfjia  fonnte  coguett  fein  wie  eine 
Slfpafia  nnb  graufam=falt  Wie  eine  $iana.  $ie8mal  aber 
War  e3  nidjt  $iana,  fonbern  Slfpafia,  bie  if)re  Slnbeter  in 
Slcteon’3  oerwanbelt  fjat. 


2>er  SJiann,  ben  fie  mit  ifjren  §ulbbejeugungen  fo  auö= 
jeidjnete,  wie  ber  fcfjöne  Stifter  ©alban,  gelangte  nie  bafjin, 
3<Slai :  greiljtit.  I.  12 


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178 


bie  Stütfjfel  ber  fdjönen  ju  töfen.  Äorpnthia  lieg 

fich  oon  ihm  auf  bie  gagb  begleiten,  tanjte  mit  ihm  auf 
Söätten,  gab  ihm  ihr  ©ouquet  ju  galten,  Wenn  fie  mit 
einem  Slnbern  tanjte,  ladjte  über  feine  ©pcige,  machte  ficf) 
mit  ifjnt  über  Stnbere  luftig,  ja  fie  fügte  if)n  jum  Stbfcfjiebe : 
unb  bennod)  {fielt  fie  if)n  fo  ferne  oon  fic£»,  wie  ber  ©ta= 
net  feine  Trabanten.  Unb  fotdie  SDtonbe  fjatte  fie  mehr 
als  Saturn.  ©ie  3füe  burften  fidf  i£)reS  ©lanjeS  freuen, 
bod)  ifjr  nic^t  ju  nafje  fommen. 

®o<h  Wenn  in  ber  ©efeKfdjaft  ein  SÖtann  war,  ben 
fie  mit  ber  ©raufamfeit  einer  ©öttin  anblidte,  beffen  ©rüg 
fie  mit  jenem  3ucfen  ber  Sippen  entgegennahm,  womit  bie 
2)  amen  oerachtungSoollen  ©orwurf  auSbrüden :  biefer  War 
ber  ©Jahre !  giir  ipn  foberte  iljre8  tperjenS  gctjeimnigootle 
glamme! 

®aS  weig  SRiemanb,  benn  berjenige,  ben  e§  betrifft, 
erjäf)It’§  nicht  weiter,  bag  ein  Seibgarbeofficier,  ber  fid) 
burch  feine  ©eniatität  unb  lieberlidjen  Stbenteuer  einen 
©amen  gemacht,  eines  SageS  burd)  einen  räthfethaften  93oten 
ein  parfümirtcS  ©rieften  in  feinem  Umfchtage  erhielt,  baS 
golgenbeS  enthielt :  „(Sine  unbefannte  SEBohlthäterin  interef* 
firt  fich  fär  3hr  <3<^id(fal ;  fie  ift  bereit,  aüe  3hre  ©<h«fben 
ju  jaf)ten,  Wenn  ©ie  beS  9tbenb8  ferne  bleiben  oon  ben 
©aturnalien  beS  gräuteinS  Slmarinen." 

SBir  glauben  nicht  ju  irren,  Wenn  wir  mit  biefem 
©rieften  ben  Wucherifdjen  ©lutfauger  beS  jungen  DfficierS 
in  Serbinbung  bringen,  ber  fidler  nicht  ohne  gegrünbete 
Urfache  fagte :  „@8  finb  in  ber  ©tabt  geWiffe  junge,  fdjöne 
unb  reiche  ®amen,  bie  fid)  h«beiliegen,  einen  in  ©erlegen* 
heit  befinblidjen  fftitter  ju  befreien." 

®er  junge  (Siibpniion  beantwortete  ben  ©rief  bamit, 
bag  er  9lbenb8  auf  bem  ©od  oon  gcneiben'S  Schlitten 
einjog  in  bie  üerbotene  ©leufiS. 

®orqnthia  h“gt  3coeiba  ficher  nicht  Wegen  ihres  ®at= 
ten,  fonbern  Wegen  ©ufchfin. 

3eneiben’S  Serhältnig  mit  ©Ijebimin  ift  nur  eine 
materielle  grage. 


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179 


®aS  garte  SBerljältnig  ber  großen  Herren  mit  beit 
Ißrimabonnen  ift  nicht  nur  SCRobefacfje,  eS  ift  auch  bie  StechtS» 
öafiS  eine?  gWeifchneibigen  Vertrages :  „SBaS  Sir  geftattet 
ift,  fei  auch  mir  nicht  »erboten !" 

®aS  @d)recflid)e  on  ber  ©adje  ift  nur,  bag  bie  Sieben» 
buf(terin  einen  fdjöneren  ißalmengarten  hat,  als  bie  gürftin; 
bog  beren  Stenner  feuriger  finb,  als  bie  ifjren,  unb  bog 
fie  mit  ihrer  Toilette  überall  triump!)irt,  mo  fie  gufammen» 
fommen.  Unb  baS  gefdjieht  häufig.  Senn  if)r  Äünftlerruf 
öffnet  $eneiben  jebe  Pforte!  ©ie  treffen  fi<h  bei  glängenben 
Sangfoiröen,  ihre  ißferbe  begegnen  ficf)  ouf  bem  Surfe  unb 
ihre  ©quipagen  bei  bcn  geftioitäten  beS  ÜRarSfetbeS,  unb 
bie  gürftin  ift  überzeugt,  bog  all'  biefer  SujcuS  feinen 
Urfprung  ^ot  in  ihres  (Satten  fibirtfcJjen  ©itberbergwerfen, 
Welche  beren  gitljaber  ertauben,  fidj  ben  ©pag  gu  machen, 
gwei  grauen  in  ber  ®unft  beS  SSerfdjwenbenS  toetteifern 
gu  taffen.  Sßäre  fie  bie  ©iegerin  in  biefem  ©treite,  fo 
möchte  fie  ber  ®ünftlerin  bie  SBerfdjwenbung  »ergeben; 
bodf)  nimmer  »ergibt  fie  it»r,  bag  fie,  bie  gürftin,  »or  ihr 
jurücflDcidjen  mug,  Wenn  and)  nur  um  bie  Sänge  eines 
Weiblichen  fjaareS. 

$aS  War  ber  gWeite  (Srunb,  Weshalb  fie  3eneiben 
hagte. 

®o<h  gibt  eS  noch  einen  britten. 

Qene  Schwache,  burch  Welche  fie  als  junges  ©täbdjen 
bem  ©garen  für  beffen  gangeS  Seben  »erhangnigüoß  würbe, 
War  fdjon  »ergeffen.  Sie  gehörte  f<hon  in'S  Schattenreich. 
Sie  ©garin  Würbe  allgemein  bewunbert,  bebauert,  angebetet. 
9Kan  fah  fie  im  ftummen  ©djmerje  bahinfiedhen.  Unb  bie 
öffentliche  SJieinung  urtheilt  in  biefer  f?infid)t  fo  ftreng, 
bag  unter  ben  Sßerfdhwornen  öfter  bie  Siebe  ba»on  War, 
gu  wieberholen,  was  gwifdhen  ißeter  III.  unb  ®atf)  a= 
tina  II.  gefegah :  ben  ©garen  gefangen  gu  nehmen  unb 
©lifabeth  als  ©garin  gu  proclamiren.  Unb  trojjbem  fühlte 
fich  gürftin  (Shebimin  nodh  jefct  näherfteljenb  bem  §ergen 
beS  ©garen,  als  bie  ©garin;  ein  garter  ©eibenfaben  (Sophie 
Slarifchfin)  hielt  fie  mit  einanber  »erfnüpft.  Solche  ©eiben» 

12* 


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180 


fäben  bcr  3ufammenget)örig!eit  e^iftirten  für  ©lifabetf)  längft 
nüßt  mef)r;  Sltejanber^  ©attentiebe  mürbe  mit  bcm  ©arge 
itjreä  lebten  $inbe3  auf  immer  begraben. 

Unb  aut  tyer  fanb  Äortjnttjia  bie  oerfjaßte  Stehen- 
bu^Ierin  im  SBege. 

SBäljrenb  ber  ©jar  fie  rneibet,  gießt  er  auf  Igene  baä 
güflfiorn  feiner  ©unft.  Sie  Sßrimabomta  tjat  it)ren  Sßlafc 
jmifcfjen  ©jar  unb  ©jarin.  33eibe  lieben  unb  oerjärteftt  fie. 
Ser  ©$ar  unb  bie  ©jarin  fönnen  nur  bann  beifammen 
fein,  menn  fie  3eneiba  S  ritte  laben.  SBenn  fie  fingt, 
oorlieät  ober  gemüttjlit  plaubert,  vergißt  ba§  fjotje  Sßaar 
fein  ßeib,  unb  fdjmiegt  ficf)  aneinanber.  SBemt  fie  hingegen 
9(rm  in  2lrm  auf  einem  fjeftc  erfteinen  unb  oon  ungefähr  bie 
gürftin  erblicfen,  fo  trennen  ficf}  ^tö^Iid^  ifjre  Slrme,  unb 
fie  mettben  fit  oon  einanber  ab.  Unb  ba3  mußte  fie  gut. 

Unb  bei  attebem  mußte  fie  coquett  fein  gegen  Sie- 
fenigen,  bie  iljr  gleitgiftig  finb;  ftoij  tun  unb  oeradjten 
ben,  für  ben  fie  ftmärrnt;  gärtlid^  gegen  ben  gefaßten 
©atten,  ergeben  bem  SDtanne,  an  ben  fie  ein  Sftedjt  f)at, 
unb  mußte  bie  großmütige  Seftüfcerin  fielen  gegen  bie 
Siebenbufjferin,  auf  bie  fie  eifersüchtig  mar.  Sie  ©iferfud&t 
ift  ja  ftredlit  genug,  menn  fie  einen  S?of)f  f)at;  um  mie 
oief  furchtbarer,  menn  fie  brei  Söpfe  fjat! 

Sie  brei  ®ityfe  ifjrer  ©iferfutt  gießen  :  Seibenfdjaft, 
©tof$  unb  ©rinnerung! 

Unb  ifjr  mürbe  bie  ©rjiefjung  ber  grufifcßen  ®önig£= 
maib  anoertraut!  Sie  gürftin  begann  beren  ©rjie^ung 
bamit,  baß  fie  it>r  in  ber  Saufe  einen  Stauten  gab,  beren 
Srägerin  oon  folgen  £>efbentaten  betannt  mar,  melcße  bie 
$Dtit=  unb  Stammelt  bem  jungen  SQSeibe  nur  au3  ßfteunb- 
ftaft  für  @anct=Saoib  oerjiefjen  f)at. 

3um  ©füdfe  für  93etf)faba  mar  fie  neben  ifjrer  Unmiffen* 
fjeit  unb  Unfcßulb  mit  einer  großen  Softe  erfinbung^reiter 
?ßt)antafie  unb  ber  trern  SSoffe  eigenen  @df)Iauf)eit  gefegnet. 
äucß  erinnerte  fie  fit  not  an  mante  Sfuäfprüte  ifjrer 
guten  SDtutter,  metd^e  fie  aut  jefct  not  aüjä^rtit  einmal, 
am  9teujaf)r3tage,  fiefjt,  an  meltern  Sage  oierjigtaufenb 


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181 


3fteitfd)en  bem  §  erriet)  erpaare  tut  großen  I^ronfoale  f)uU 
bigen.  ®a  fteht  aud)  ihre  SRutter  auf  einer  Stufe  beS 
XljroneS,  botp  ftatt  ber  förone  finb  nur  nod)  Stunjcln  auf 
ifjrer  Stirn.  Unb  fo  oft  Söethfaba  fie  erblidt,  erinnert  fie 
ftcE)  baff  ihre  SRutter,  bie  fie  nid)t  einmal  anfpredjen  barf, 
beSfjalb  ihre  fihrone  gegen  biefe  gölten  bertaufdjte,  toeil  fie 
einen  3Rann  erftochen  tjat,  ber  ihr  ju  fagen  wagte :  „gd) 
liebe  $idj,  liebe  ®u  auch  micf)!" 

®ann  bad)te  fie  wieber  barüber  nach,  WaS  benn  eigent» 
lidj  „Siebe"  ift?  gür  welche  eS  bem  ©inen  fo  leidet  fällt, 


ju  töbten,  unb  bem  Slnbern  ju  fterben! . ©inerfeitS 

es  ift  fo  gut  unb  füfj  unb  Pflicht  —  —  —  wä^renb  ei 


anbererfcitS  fo  fd)lcd)t,  fdimerjltch,  unb  babei  fo  fiinbfyaft 
ift  ju  lieben! - —  — 


XIX. 

J>«s  Ungeheuer. 

SrijfanowSfi  hatte  eben  feinen  SSortrag  über  bie 
Petersburger  ©reigniffe  —  Welkem  eine  blaffe  grau  auf» 
mertfam  juhörte  —  beenbct,  als  bie  Sßadje  ftehenbe  ®uenna 
eintrat  unb  flüfterte : 

„SlraftSejeff  ift  angelommen." 

®amit  jog  fie  ficf)  jurüd. 

„D  mein  ©ott,"  feufjte  bie  blaffe  ®ame  auf,  inbem 
fie  ilpce  fjänbe  lrampff)aft  gegen  ben  Sufen  briidte. 

„ge|t  fei  ftarf  Wie  ein  SJlann,"  flüfterte  ÄrijfanowSfi 
—  „bie  ©ntfdieibung  ift  ba! 

„  SBäre  er  b  e  S  h  a  l  b  gef  ommen  ? "  fragte  jitternb  bie  Xante. 

„©ewifj  beSfjalb.  ©ib  auf  Xeine  graueu  Std^t.  ®enn 
ber  Spion  bei  grauen  ift  mit  ihm.  ©in  fdjötter  SJlann,  ein 
gefährlicher  SÖtann." 

ge|t  warb  neuerlich  Sßagengeraffel  oom  |>ofe  her  hör» 
bar,  hefiger  Särm  unb  eine  fdjreienbe  SDtännerftimme. 


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182 


„Stadf  $idj  eilig  fort!  $er  Eroßfürft  fotnmt!"  flü* 
fterte  Ärijfanowgti  bie  blaffe  3)ame  ju. 

2>iefer  ftanb  auf  unb  ergriff  bie  §anb  ber  ®ame. 

®ie  Eueitna  erfriert  wieber;  je|t  ftürjte  fie  atfjemlog 
herein  : 

„2)er  Eroßfürft  ift  oon  ben  Stanöbern  angelangt. 
3m  &infal)rt3tf)ore  ftolperte  ein  ©ferb  mit  bem  fß^aeton, 
ber  ©orreiter  fiel  fopfüber  aug  bem  Sattel,  bem  Eroßher* 
jog  aber  tourbe  bie  fßfeife  in  ben  Stunb  geflogen  unb  brach 
il)m  einen  8<thn  ®r  ift  fcEjrecflict)  wüthenb." 

„3efug!"  fcfjrie  bie  grau  auf,  unb  Wollte  ^inau«= 
ftürjen.  ®rijfanoWgti  l)ielt  fie  an  ber  §anb  jurüd. 

„3efct  Wirft  ®u  gut  tljun,  ihm  augjuweichen. " 

„3m  Eegentheit,  id)  muß  ißm  gerabe  jefjt  entgegen* 
eiten!"  fagte  bie  grau,  inbem  fie  fidj  aug  Sfrijfanowgfi’g 
Rauben  befreite.  „®u  aber  eite  oon  hinnen!  —  $aß  2)id| 
Siemanb  f)ier  erblide." 

„9tun  benn  fei  ftarl  Wie  eine  grau!"  flöfterte  Ärijfa* 
nowgti  unb  bamit  oerf  djwanb  er. 

Unb  eg  War  bo<h  fo  fdfwer  f)ier  ju  oerfdjwinbett.  — 
Er  befanb  fid)  im  Schlöffe  beg  polnifdfen  ©icefönigg  im 
©eloebere  außer  SBarfdjau,  bag  inmitten  beg  föniglic^en 
©arteg  Sajienfa  ftefjt.  3)er  ©art  ift  mit  einer  ftarfen  Stauer 
umgeben,  bie  auf  allen  Seiten  oon  bewaffneten  Stilitär* 
poften  bewacht  Wirb,  ba§  ÄafteK  felbft  aber  ift  eine  geftung, 
in  jebem  SBinfel  mit  l)ol)en  ©afteien,  SBaffergräben,  Sdjan* 
jen  befeftigt,  fein  Ißor  bilbet  eine  .gugbrüde ;  jeber  Eingang 
ift  burd)  Schießfdjarten  gefdjü|t  unb  ben  Sßactien  ift  nid£»t 
augjuweidjen.  SRinggherum  in  ber  Schußweite  einer  Kanone 
ift  bag  prächtige  urfrifdje  Erün  ber  Sßälber  auggerottet  unb 
ben  flachen  Stafen  jieren  farbige  Üulpenbeete.  ES  ift  nic£)t 
menfdtenmöglicf)  fid)  hier  unbemerft  ju  nähern  ober  ju  ent* 
fernen.  Unb  Srijfanowgfi  tonnte  boch  hinnuggetangen,  troß* 
bem  Eroßfürft  Sonftantin  bag  ©etöebäre  felbft  erbauen  ließ 
unb  beffen  ganje  Eonftruction  mit  eigenen  Slugen  überwachte. 
—  $ier  tonnte  eg  teinen  geheimen  SBeg  geben,  oon  bem  er 
nicht  gewußt  hätte.  Unb  wenn  eg  nun  boch  einen  gäbe?  — 


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183 


®er  Saumeifter  tnar  ein  Sßote.  ©r  toax  int  ©tanbe  beg 
Siadjtg  an  einem  geheimen  SBege  ju  arbeiten  unb  bieg  SBerf 
tnicber  fo  öermauern  $u  taffen,  bafe  ber  £erjog  nid)tg  ba= 
öon  erfahren  fonnte.  @o  tnar  eg  auch.  SKan  ^ätte  ben 
©rofefürft  jeben  Augenbtid  in  feinem  33ette  überragen 
fönnen,  t nenn  ber  Sßote  ben  SWeuchelmorb  nicht  öerabfeheute. 
®ie  grau  tief  if)m  entgegen. 

®ttg  fie  f)öxte,  bafe  Araftgejeff  angefommen,  feufete 
fie.  „ D  mein  ©ott!"  ®a  trat  ber  9tame  beg  ftarfen  rädjen* 
ben  ©otteg  auf  ihre  Sippen.  Unb  alg  man  if>r  fagte,  ber 
©rofefürft  forntne  in  fjeftigem  SBüthen,  ba  rief  fie  „D  mein 
Sefug!"  ®a  !am  ihr  ber  äJtärtprer  ber  Siebe  in  ben  ©inn. 
Unb  tnäre  eg  metteidjt  nicht  tnahr,  bafe  eg  auch  feitbem 
SSiete  gegeben,  bie  fid)  um  beg  SSotfeg  tnißen  um  bag  §eit 
„Sftaelg"  an'g  föreuj  f plagen  tiefen? 

®er  fdjredtidje  äJtenfd)  !am  ihr  bereitg  entgegen  in 
ber  SBaffenljatte. 

( Sr  tnar  genau  fo,  tuie  ifjn  feine  Seitgen offen 
betrieben.  —  ®ie  ^antafie  !ann  hieju  nid)tg  erfinben. 

®er  ©rofefürft  ^atte  ©rmtb  genug,  fid^  über  feine 
93rüber  §u  ärgern,  gebetn  non  ihnen  tnar  bag  mütterliche 
©rbe  $u  Xhe^  getnorben,  cg  tnaren  lauter  fd)öne,  ftatttid^e 
©eftatten;  ihm  aßein  tnarb  bag  väterliche  ©rbe  ju  Zfytil, 
er  tnar  eben  fo  h^tich  &tg  fein  Stoter. 

Unb  tnar  hoch  ber  fetige  ?ßaut  fetbft  bag  gbeat  beg 
Slbfdjredenben  unb  fo  häfetich,  b afe  er  tnährenb  feiner  gan= 
jen  Regier ung  !ein  ©etb  mit  feinem  Sitbniffe  prägen  tiefe. 

Äonftantin  tnar  bag  getreue  ©benbitb  beg  ©jaren 
*ßaut.  ©eine  grofee,  horttförtn^e  ^afe  ftanb  fo  tneit  ab 
non  feinem  ©efichte,  atg  tnenn  fie  in  feinertei  Sufatnmen* 
hang  mit  ber  ©tirne  tnäre;  feine  Keinen,  meergrünen  Au= 
gen  tnaren  faurn  fichtbar  nor  ben  ftruppigen  Augenbrauen 
unb  ben  etnig  btinjetnben,  jufammengejogenen  Augentibern. 
©ein  £aar,  feine  Augenbrauen,  Sart  unb  Augentiber  tnaren 
btonb  tnie  §anf  unb  fein  Anttife  roth  tnie  Sudeten.  ®ag 
©djönfte  aber  tnar,  bafe  bie  eine  $ätfte  feineg  ©efichteg 
gar  nicht  ber  anbern  glich  J  t^ätte  bie  Saune  beg  ©d)ö= 


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184 


fferS  biefeS  SfteifterWerf  baburd)  frönen  Wollen,  baß  er  bie 
beiben  Hälften  jWeier  öerfcJEjiebener  ©arrieaturen  jufammen* 
flebte.  S)er  eine  Sltunbwinfel  War  abwärts,  ber  anbere 
aufwärts  gelrümmt :  SRunjetn,  SBarjen,  Blatternarben  Wett* 
eiferten  ntiteinanber  in  ber  Berunftaltung  biefeS  2lntli|eS, 
fo  baß  ber  äJtater,  ber  eS  oerewigen  wollte,  eS  nur  int 
profil  abnehmen  burfte.  ®er  Zünftler,  ber  biefeS  ©efidjt 
ooU  gemalt  hätte,  würbe  eine  wahrhaftige  SltajeftätSbeleibi* 
gung  begangen  hoben.  ©o  befd^reiben  ihn  feine  Seitgenoffen. 

©ein  SleußereS  War  nur  baS  Slbbilb  feines  inneren 
SDtenfchcn,  feine  ©eficßtSjüge  waten  ©claoen  feiner  2eiben= 
fcßaften;  ber  auf  ihn  fah,  mußte  grau  Werben  ober  hell 
auflachen.  Unb  feine  ©emüthSart  entfarach  feinen  Sögen ; 
er  war  wütljenb,  aufbraufenb,  graufam.  ®en  ©toct  hielt  er 
immer  in  ber  $anb,  unb  er  befdjäftigte  ihn  immer.  SBemt 
eS  wahr  ift,  baß  fein  Bruber,  ber  ©$ar,  jährlich  jweitau» 
fenb  Stubel  in  ©chreibfebcrn  üerbraudjte,  fo  läßt  fich  an= 
näßernb  berechnen,  wie  hoch  fich  im  galjreSbubget  Äonftan* 
tin’S  bie  SRubrif  ber  oerbrauchten  Sftohrftöcfe  belief? 

3e|t  war  auch  ber  ©toef,  ben  er  in  ber  $anb  hielt, 
gebrochen  unb  ber  Sänge  nach  gehalten,  ©ewiß  hotte  er 
Wieber  einmal  bie  SJioifionSfommanbantcn  ber  Sleihe  nach 
gefdjlagen.  Shr  SRorgengebet  waren  ^riigcl. 

Unb  noch  baju  ber  je|ige  Satt.  ®urch  bie  ©cfiutb  beS 
gefolgerten  IßferbeS  unb  beS  geftürjten  9teitfnecf)teS  h°tte 
baS  Pfeifenrohr,  baS  ber  ©roßfürft  nie  aus  bem  Sßunbe 
nahm,  feinen  ©aumen  oerlefct,  unb  ihm  einen  Sohn  ouS= 
gefchlagen.  ©chrccfliche  glüche  auSftoßenb,  fpuefte  er  Blut= 
ftmren  auf  bie  ©rbe. 

„Berflucßter  $unb!  ©obalb  er  ju  fich  lömmt,  — 
Werft  ihn  in’S  SBaffer,  baß  er  erwache!  —  bringet  ihn  her! 
©lenber  $unb!  ierbredje  ihm  alle  ßnodjen!  (3e|t  be= 
merfte  er  gegenüber  einen  SKann,  ber  fich  nähert.)  SSer  ift 
jener  $err?  Sftitter  ©alb an?  -JtichtSWürbiger  ©atgenftrief ! 
—  genen  fmnb  meine  ich,  nicht  biefen  §errn !  —  2ßaS 
Will  er?  —  ®aß  Straft Sejeff  anfam?  Snnt  Xeufel  . 

.  ...  geh  hotte  halb  waS  gejagt!  —  geh  brauche  jefct 


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185 


einen  Sarbier  unb  feinen  SRinifter!  ©icljt  @r  benn  nidjt, 
bafj  mein  3ah>t  gebroden  ift?  SBerbammte  $unbSfeele! 
©djtoein!  ©djntufcige  ®röte !  —  SBaS  münden  ©ie  nodj, 
Sftitter  ©alban?" 

gefct  eilte  eine  Stau  Ijerbei  unb  ftiefj  ben  Stitter  bei 
©eite. 

„Um  ©otteSwiüen !  WaS  gefdjal)  Sir?"  fd^rie  bie  grau 
unb  ftürjte  an  ßonftantin’S  S3ruft.  „ -Steine  ©eele!  mein 
Siebfter!  SBift  bu  bertounbet?  SB aS  fetjtt  Sir?" 

Unb  fie  füjjte  feine  blutigen  Sippen. 

hierauf  begann  baS  Ungeheuer  plö^lidj  ju  lädjeln.  (Sin 
9iorblid)t  ber  greube  mit  ber  tiefften  SSeljmutl)  gehaart 
mar  biefeS  Säbeln,  WeldjeS  beS  ©rofjfiirften  IjäfjlidiieS  ©e= 
fidjt  urnmanbelte.  (Sr  hörte  auf,  abfdjredenb  ju  fein.  Sie 
wirren  3üge  fugten  bie  Harmonie  unter  ehtanber,  ber 
fjäfjlidie  SJtunb  beftrebte  ftrfj  angenehm  ju  werben. 

„SiidjtS,  nichts,  mein  Saubren!"  fagte  er  mit  einer 
©timme,  wie  wenn  ber  ßöWe  feinem  SBeibdjen  fdjmeidjelt. 
„Stun,  nun  weine  nidjt,  erfd)rid  nictjt !  (©eine  SBorte  Wur= 
ben  immer  leifer.)  (SS  fehlt  mir  gar  nichts. " 

„Slber  bodj.  Seine  Sippen  bluten.  Sein  3ah”  ift  ge= 
Proben !" 

©ie  bemühte  ficf),  mit  ihrem  Safdjentudje  fein  S3lut 
abjutrocfnen. 

„(Sr  ift  nidjt  auSgebrodjen .  .  .  .  "  brummte  Sonftan» 
tin.  „Stur  bie  Ärone  ift  abgebrochen.  —  Unb  ber  Seufel 
hole  biefe  ®rone!" 

„SBie,  §otjeit?"  warf  ©alban  bajwifdien,  inbem  er 
fidf)  in  baS  ©efpräcf),  baS  einen  milberen  (Sliarafter  anna£)m, 
mifchte.  „Ser  Teufel  möge  bie  Ärone  holen?" 

,,gefct  ift  nur  nodfj  bon  ber  Srone  meines  3°hne§  bie 
Siebe,"  antwortete  mit  jitternbem  Sone,  bie  SSorte  heraus» 
ftofjenb,  ber  SSicefönig,  —  ,,©ef)en  ©ie,  Stitter  ©alban,  nur 
ju  SlraftSejeff.  Stufen  ©ie  fid)  mit  iljm  aus  bon  ben 
SJiüljen  ber  Steife.  —  SBir  faben  3eit,  nad)  bem  (Sffen 
mit  einanber  ju  reben.  Solange  idj  nidjt  gegeffen  unb  ge= 
trunfen  ^abe,  fpredje  id)  nic^t  bon  Staatsangelegenheiten; 


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186 


»erberbe  mir  beit  Stppetit  nicht.  —  Zdravtvujtye!  —  gljr 
aber  bringt  mir  ben  StidjtSnufcigen,  toemt  er  ju  fid;  ge!om= 
men  ift,  fofort  I)er,  ich  mit!  mit  ein  paar  Ohrfeigen  »er= 
juchen,  ob  jeine  3ä£)ne  jo  fejt  fifcen  mie  bie  meinigen.  .  . 
®er  Xötpet!  SBenn  id)  bie  ißfeife  nid^t  fejt  jWijdjen  ben 
3äf)nen  batte,  fdjtägt  er  fie  mir  in  bie  Ke£)le,  baff  mir  baS 
SDhmbftürf  beim  £>alSmirbet  herauSfätjrt!" 

„Um’S  §immelsrnillen !"  jtammette  bie  grau  mit  aber» 
gläubifdjer  ©djrecfenSgeberbe  ihre  jitternben  §änbe  auf  ben 
3JJunb  beS  ©rofjfürften  tegenb.  ®iefer  briicfte  einen  Suff 
bafär  auf  itjre  flache  Jpanb,  umarmte  ihre  ©eftalt,  bie  fid) 
järtlidj  an  it)n  fdimiegte,  unb  jog  fie  mit  fidj  hinein  in 
fein  innere^  ©ein ad).  SRitter  ©atban  lieb  er  braunen  fielen . 

„9llfo  miirbejt  ®u  eS  mirftid)  bebauern,  toenn  man 
mid)  einmal  tobt  »or  ®td)  hinbrächte,  burd)bof)rt  ...  bie 
S3ruft  unb  ben  iftüden?" 

„D  fprid)  nidjt  jo!''  jtammette  bie  grau  unb  fcf)tug 
ein  Kreuj  auf  ber  ©teile,  bie  Konftantin  an  feiner  SBruft 
bejeicbnete.  Unb  um  biefe  fürchterlichen  333 orte  ju  erfticfett, 
fdjlo&  fie  feinen  ÜJiunb  mit  einem  tjeijjen  langen  Kufc. 

„®u!"  murmelte  baS  Ungeheuer,  unb  inbem  er  ben 
Kopf  ber  grau  in  feine  jpänbe  fafjte,  mie  ein  33är  ben 
Kopf  eines  ÖammeS,  beoor  er  eS  jerfleifcfit,  fdjaute  er  it)r 
in’S  Sluge.  „®u  —  u!  ©djeuft  ®u  nicht  meinen  ÜDhtnb  ju 
fiiffen?  ©fett’S  2)ir  nicht  »or  bem  SnbafSbampf?" 

®ie  grau  antmortete  mit  einem  unfcf)ulbigen  SBlicfe  : 

„Sch  glaube,  jeber  SRännermunb  hat  einen  folgen 
©erud) ;  ich  erinnere  mich  an  ben  meines  SSaterS." 

5)aS  Ungeheuer  briicfte  fie  nadh  biefen  3Borten  mit 
einer  Kraft  an  fid),  als  mollte  er  fie  in  feiner  Umarmung 
erfticfen. 

,0  ®u  munberthätigeS  93ilb!  Sie  lägt  nicht,  fie 
fchmeidjelt  nicht  mie  eine  323ettbame;  fie  fagt  nicht,  ba|  mein 
§aucf)  ambrofifch  fei.  —  Sie  mei|  nur,  baf?  ihr  SSater  fie 
auch  fo  gefügt,  hot;  jebe  SRännertippe  muh  f°  befchaffen 
fein !  —  $u,  grau !  mein  SSater  mar  eben  fo  fy&ftlid)  mie 


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187 


ich,  unb  auch  ihn  liebte  feine  grau  fo  wie  ®u  mid).  Unb 
er  war  bocfj  fo  abfcheulicf),  toie  id)." 

„2)u  toeifet  nicht,  wie  ®u  bift." 

„2)och!  i d)  weife- eS.  Steine  Stutter  t>at  eS  mir  ge= 
fagt.  Stich  liebte  fie  am  meiften;  mich  oerjärtette  fie;  mir 
War  SlUeS  erlaubt.  Unb  als  meine  @efcfewifter  ftd)  barüber 
beHagten,  fagte  fie  ihnen  :  „Safet  Ufa  in  grieben,  er  ift  fo 
häfelich  wie  fein  ©ater,  barum  liebe  ich  ihn  fo  fefjr."  gef) 
aber  bin  nod}  baju  fehlest,  was  mein  ©ater  nicht  war.  — 
ga  Wohl,  er  war  ein  £>ihfopf,  feine  §anb  folgte  leidet  fei= 
nem  raffen  ©lute,  aber  ich  bin  graufam  —  aus  gnftinct. 
gef)  bin  f<f|lecf)t,  weil  eS  mir  greube  bereitet." 

„®aS  ift  nicht  wahr!  2Ber  fagt  baS?" 

„geh  fage  eS  mir  fclbft.  Oft  Wenn  icf)  nach  $aufe 
fontme  mit  einem  abgebrochenen  ©tod  in  ber  |>anb,  ben  ich 
an  StUem,  was  mir  in  ben  2Beg  fam,  abgefcEjlagen,  möcf)te 
ich  wich  fclbft  bamit  oor  ben  Kopf  hauen."  dr  bemerfte 
erft  je|t,  bafe  ber  gefpattene  ©tod  an  bem  ßorporalriemen 
uorf)  an  feiner  §anb  f)irtg.  @ilig  Warf  er  ihn  fort. 

„Sticht  fo!"  fagte  bie  grau.  „$ie  Stenfdjen  finb  böfe, 
bie  2>einen  3orn  teijen.  ®u  gehft  fortwährenb  mit  rauhen 
Stenfdjen  um,  bie  buntnt  unb  heimtüüfcf)  finb;  baS  reijt 
®id)  auf.  SBären  fie  gut,  $u  wärbeft  fie  fanft  behanbeln." 

2)aS  Ungeheuer  liebfofte  mit  feinen  §änben  bie  2Ban= 
gen  ber  grau. 

„Unb  2)u  glaubft  Wirflidh,  bafe  ich  Pt  bin?  2Bunber= 
bar!  gdh  glaube  fchon  genug  gethan  ju  haben,  um  baS 
(Segentheil  $u  beweifen.  gdh  badfjte,  bafe  ich  böHig  bem 
Teufel  gleiche." 

Unterbefe  hatte  bie  grau  baS  Ungeheuer  an  ihren  2oi= 
lettetifdj  gebracht,  liefe  ihn  baneben  ©lafc  nehmen  unb 
braute  mit  aßen  möglichen  Kämmen  unb  ©iirften  feinen  Kopf, 
feinen  ©adenbart  in  Drbnung;  fein  fd)Wcife=  unb  ftaubbe= 
becfteS  Slntlifc  Wufdh  fie  mit  SilienWaffer  unb  liebte  auf  bie 
SBunbe  feines  blutenben  StunbeS  ein  ©dhönljeitSpflafter. 

„©in  ich  jefct  fdhön?"  frug  er  mit  einem  ©efidhte, 
wie  eS  Heine  Kinber  fdjneiben  wenn  fie  gewafdhen  Werben. 


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188 


„gür  rnicf)  t>ift  ©u’S  immer,  aber  beute  merben  frembe 
Herren  bei  $ir  ju  ©afte  fein." 

„fRidjtig,  unb  noch  baju  feine  Herren.  2luS  Petersburg, 
aus  bem  ruffifdjen  Paris.  —  ®ie  finb  an  bon  ton  ge» 
toöljttt.  Pub’  mich  alfo  re«f(t  heraus !  28er  weiß,  tuie  biefen 
granjofen  ©eine  polnifcbe  Suche  fdjmeden  Wirb,  ©djmäte 
nur  red^t  nach  Hausfrauenart  ©eine  ©peifen  unb  taff’  fie 
bann  oon  ihnen  toben." 

„SBiltft  ©u,  ba&  id)  auch  bei  XifdE)  erfdjeine?" 

„2Bie  benn  nicht?  Unb  Wenn  ber  ©jar  fetbft  mein 
©aft  märe!  Sift  ©u  benn  nicht  meine  fteine  grau?  9hm 
fo  antmorte  hoch,  bift  ®u  nicht  meine  Keine  ©emalin?" 
®ie  grau  ftammette  ein  furdjtfameS  „ga". 

„geh  mürbe  es  auch  Seinem,  bem  feine  geraben  ®tie= 
ber  tieb  finb,  rathen,  ©ich  etma  über  bie  9lafenfpibe  anju» 
fel)en,  unb  märe  eS  aurfj  eine  ©jeettenj,"  fdjrie  ber  SSicelönig, 
inbem  er  feinem  eigenen  Silbe  im  ©pieget  mit  ben  gäuften 
brobte.  —  „greiticb  mar  biefer  2traKSejeff  ber  treuefte 
SDtenfdj  meines  SßaterS.  @r  mar  fein  £unb,  —  aber  ich 
müjjte  ibn  trofc  altebem  bodb  lieber  auf  ber  Snfet,  bie  Sa» 
pitän  Sofcebue  im  getben  ÜDhere  entbedt  unb  nach  feinem 
9iamen  KraftSejeff  benannt  bot,  als  bie*-" 

„SBarum,  mein  ©etiebter?"  frug  bie  grau,  mäbrcnb 
fie  bamit  befebäftigt  mar,  bie  aufgetöfte  Sraoate  beS  ©rofj» 
fürften  jurecht  ju  richten. 

„@b!  grauen  braunen  nichts  oon  ©taatSgebeimniffen 
ju  miffen!"  antmortete  er,  mäbrenb  er  ficb  alte  9Mbe  gab, 
feinen  ©ebnurrbart  gleichmäßig  $u  breben,  maS  ibm  trob 
aller  Slnftrengungen  nicht  gelang,  meit  ber  eine  ©beit  nicht 
jufammenbatten  moltte.  (Unb  eS  mar  fein  ©ob,  rnenn  er 
irgenbmo  im  ©tieb e  einen  fehlest  gemiebften  Schnurrbart 
bemerfte.)  „geh  fage  ®ir  nur:  er  !ann  »on  ©lüd  fagen, 
menn  ich  leinen  ©tod  in  $änben  höbe,  mäbrenb  ich  mit 
ihm  fpreche." 

„©rfdjrede  mich  nicht!" 

„3<h  Werjte  nur.  ©arf  ich  beim  nicht  auch  einmal 
fchätern?  —  9tun,  fönnen  mir  fd^on  jurn  SKittageffen 


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189 


geben?  3<f)  bin  hungrig,  gearbeitet  f)abe  icf)  beute  mie  ein 
Korporal." 

„SBir  fönnen  fefton  geben.  SSäblft  Su  Sir  benn 
leinen  bon  Seinen  ©töden?"  (gn  jebem  gimnter,  in 
bem  fid)  ber  ©roftfürft  aufjubalten  pflegte,  fogar  in  bem 
©arberobejimmer  feiner  ©attin,  •  ftanben  ein  paar  ©töde, 
toetöje  man  beileibe  nicht  non  bem  Orte,  mobin  er  fie 
geftettt  fjatte,  megnebmen  burfte.) 

„©inen  ©toef?  SBojU?  3d)  f)inle  ja  nicht. " 

„9tun,  um  ben  ©djulbigen  ju  beftrafen,  ber  Sich  in 
folcbe  ©efaljr  gebracht.  Su  fjätteft  um ’S  Seben  fommen 
fönnen;  er  berbient  bie  ©träfe."  . 

„©ebübrt  fie  ipm  tuirflid)  ?  9hm  benn,  fo  mäble  Su 
einen  Don  ben  ©töden.  Siefen,  biefen  guten,  jäfjen?  9tun 
ber  bricht  nicht  ju  teidjt.  Stlfo  bebauerft  Sn  mich  mehr, 
als  jenen,  ber  midj  berieft  bat?  @i,  ba§  ift  eine  ©eiten» 
beit  bei  Seinem  ©efd)led)te.  ©ureSgleicften  bittet  immer  für 
ben  ©djulbigen.  —  ■Jtun'bann  geben  mir." 

Sobanna  nahm  ben  linfen  9lrm  Äonftantin’S,  in  bef 
^Rechten  b^t  cr  ben  ©tod.  —  Qm  SBaffenfaate  martete 
ber  Selinquent  bereits  mit  berbunbenem  Raupte  unb  ge» 
ftbmottencr  ©ade.  ©r  gitterte  mie  ein  Heiner  |>unb,  als  er 
ben  ©roftfürften  in  ber.  Sbüre  erblidte. 

„Su  ©cblingel!"  fcbnaujte  ibn  baS  Ungeheuer  an 
unb  lieft  baS  fpanifdje  Stoftr  broftenb  erfaufen.  „Su  ber» 
bienteft,  baft  ieft  Sieb  gehörig  mid)fe!  —  Äannft  Su  nicht 
Siebt  geben,  menn  Su  fäbrft?  —  Unb  ^aft  Su  Sieb  benn 
ftarf  berle|t?  Sa!  nimm -bie  fünf  fftubel!  ®auf  Sir  Slrjnei 
bafür!  —  ©algenftrid!  §infft  Su?  —  Sa  nimm  ben 
©tod,  ftüfc  Sich  barauf!  — .SaugenicbtS!" 

Somit  ging  er,  bie  grau  am  SIrme,  meitcr. 

©in  Ungeheuer  unb  ein  guter  ©eniuS  Slrm  in  Slrm. 
„§m !"  brummte  ber  ©roftfürft;  „'S  ift  feltfam.  Su 
baft  ben  guten  3Renf<ben  in  mir  entbedt,  unb  nun  lommt’S 
mir  faft  bor,  als  fäme  ich  felbft  barauf." 

Sie  Herren  ©äfte  marteten  bereits  im  ©peifefaale. 
@S  maren  ihrer  nur  jmei.  Ser  ©icefönig  mar  nid|t  befon» 


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190 


berS  gaftfreunblict).  ©r  t)ätte  audfj  menig  ©etegenßeit  ge¬ 
habt,  biefe  Xugenb  $u  üben,  benn  bie  Seute,  unter  metdfjen 
er  motjnte,  betraten  feine  ©cßmette  fetten.  —  $er  aber  mußte 
fd£)on  t)odfj  in  feinem  Vertrauen  fteljen,  ber  Sßlafc  an  feinem 
Xifcße  neunten  burfte,  menn  audt}  So^ianna  bort  faß. 

SlraftSejeff  mar  einer  non  biefen.  —  söeibe  Ratten 
einanber  einmal  meinen  gefetjen.  Stur  einmal  unb  nur 
©iner  ben  Slnbern.  —  @S  mar,  atS  fie  nadfj  bem  Xobe 
©gar  SßauFS  jufammentrafen.  —  ®er  treue  SDtenfdfj  (ber 
£unb)  liebte  ben  SSerftorbenen  (ben  ©rmorbeten)  ebenfo  mie 
baS  Ungeheuer  (ber  jmeite  ©ofjn).  ®ie  Stübern  feufjten 
tief  auf,  atS  ficß  bie  ©ruft  nacß  ißnt  fcßtoß.  —  ®ie  SBett 
mürbe  non  einer  Saft  befreit!  ®en  SDtörbern  mürbe  Slmneftie 
erteilt,  einige  non  ifjnen  gelangten  fogar  ju  ßotjen  Stern* 
tern,  mürben  $eerfüf)rer.  Stur  bie  beiben  tonnten  itjrn  nie* 
matS  nerjeitjen :  Sonftantin  unb  SlrattSejeff .  SttS  bei  Stuftertifc 
bie  granjofen  ben  ©enerat  Senningfen  umringten,  ftürmte 
Sonftantin  mit  ber  Sßutf)  eines'  SerferferS  an  ber  @pi£e 
ber  ßeibbragoner  ju  feiner  £itfe  tjeran  unb  tjieb  if>n  mit 
ber  Sermegenßeit  eines  mitben  Stieres  aus  ber  ©efaßr 
fjerauS  —  um  if)m  fjernacJj  jujurufen:  „3$  t)abe  $id) 
gerettet  —  unb  2)u  marft  aucß  einer  non  ben  SBtörbern 
meines  SaterS!"  SiefeS  gemeinsamen  $affeS  falber  tonnte 
er  SlrattSejeff  butben.  ®r  „butbete"  ißn.  —  ©etbft  baS 
mar  fdfion  ein  großes  SBort  bei  itjrn.  —  2)aju  tarn  nodf), 
baS  SlrattSejeff  ein  ffltinifter  mar,  ben  man  fdEjtagen,  ben 
man  fortjagen  tonnte,  unb  ber  bodfj  mieber  tarn. 

„Zdravtazjtye!“  grüßte  ber  ©roßfürft  feine  ©dfte. 
„SBaS?  SDtit  ©ucß  tarnt  man  nod£)  ruffifcß  fprecßen?  3{j* 
feib  nod£)  nidfjt  ganj  ju  granjofen  gemorben?  —  Äüffet 
meiner  grau  bie  $anb!" 

Stitter  ©atban  tarn  bem  Sefetjt  in  ber  eteganteften 
SDtanier  beS  ^öftingS  nadf),  aber  SlrattSejeff  nottjog  ben 
$anbtuß  mit  ber  Strt  non  ©enuß,  bie  bem  ruffifdjen 
Sauer  eigen  ift,  lange  unb  unter  nieten  Komplimenten, 
mit  beiben  $änben  baS  grauentjänbdjen  an  feine  Sippen 
brücfenb,  unb  bann  feufjte  er  füß  auf. 


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191 


„2 üj,  ber  2lnbticf  biefer  ©tücffetigfeit,  btefeS  „sweet 
home"  erinnert  mich  an  mein  eigenes  füßeS  §etm." 

®ie  grau  allein  üerftanb  bie  unenbtich  tiefe  Seteibigung 
nicht,  metche  fid^  in  bem  Komplimente  barg.  2tber  umfomehr 
ber  ©roßfürft.  Sei  begleichen  mürbe  felbft  feine  Stirne 
roth  oor  3°nt.  mar  mirftich  gut,  baß  er  beim  ©ang 
burch’S  Bünnter  ben  ®tod  öerfd^enft  hatte,  fonft  hätte  baS 
fpanifche  Stohr  bem  Sftücfen  StraftSejeff’S  gemiß  einbringlich 
gefagi:  w£cr  wein  ©uter!  baS  ift  nicht  ®aimona!" 

„S<hma|et  nicht!"  brummte  ber  ©roßfürft  bajmifchen. 
„Stürjet  lieber  eht  ©taS  Schnaps  hinunter,  nach  gut  ruf* 
fxfdfjer  2trt.  3<h  fann  bie  fremben  ©ebräudfje  nicht  auS- 
fielen  —  baS  ©omptimentiren  ber  granzofen  unb  baS 
„2Bie  befinben  Sie  fiep"  ber  ®eutfchen.  3<h  tonnte  nie 
eine  frembe  Sprache  erlernen.  ®u  fannft  ®ich  mot)t  erin= 
nern,  2lraftSejeff,  metch'  ein  fdjtechter  Spüler  i<h  mar. 
SDtein  armer  Setter!  SEBenn  er  in  mich  brang,  i<h  foHe 
lernen,  ba  gab  ich  ihm  jur  2lntmort:  SBoju  benn? 
3hr  lernet  fortmäljrenb  unb  feib  bodfj  nur  eine 
taube  $afetnuß!" 

„Siet  tnerfmürbiger  ift  bie  2lntmort,  melche  @m.  Roheit 
bem  $rofeffor  ber  ©eographie  gegeben  ^aben :  „3ch  lerne 
feine  ©eograpljie,  ich  mache  fie!" 

„Schau!  —  unb  ich  mache  fie  nicht." 

„®aS  fommt  noch." 

„|>att'S  Staut!  ®a  ift  bie  Suppe,  ©topft  ®u<h  ben 
Stunb  unb  rebet  ni<ht.  SdEpoeiget,  fo  tauge  meine  grau 
betet.  Sie  betet  auch  ftatt  meiner.  Unb  bann  miü  ich  bei 
ber  ®afet  feine  ernften  ®inge  hören.  Slnefboten  finb  ertaubt, 
baS  Xrinfen  ift  $ßfti<ht,  baS  glucken  ift  ni<ht  oerboten. 
SBer  aber  in  ©egenmart  meiner  grau  eine  Ungezogenheit 
fagt,  muß  fidj  fofort  ben  Stunb  auSfpüten.  SSenn  baS 
Stahl  nur  furz  fein  mirb,  fo  muß  id£)  meine  grau  ent= 
fd^utbigen,  fie  mar  auf  ©äfte  nid^t  üorbereitet.  ®ie  Spei- 
fen  finb  burdfjauS  nationat :  ruffi<h  unb  potnifd^;  baS 
brauet  gar  nicht  entfchutbigt  ju  merben.  ®ie  franjöfifdhcn 
®öch e  fann  i<h  nicht  teiben;  fdjon  bie  Stauten  ihrer  Spei* 


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192 


fen  finb  meinen  Dlfren  juwiber,  um  toie  Diel  mehr  bie 
©peifen  felbft  meinem  Silagen!  SJteiner  grau  aber  finb  fie 
gerabeju  (fbfunbheitöttnbrig!" 

dhebalier  ©alban  hatte  biefem  S^ema.  fogleidj  (Stwag 
flinjttjufügen. 

„D,  bie  franjöfifdjen  Södfe  finb  gar  große  fperrett  — 
bei  unä.  Sie  gamilie  „Stöbert"  bilbet  eine  wahrhaftige 
Slriftofratie  in  fßeterSburg,  unb  man  ift  abetig,  wenn  man 
ju  biefer  gantilie  gehört.  Ser  franjöfifche  So<h  ift  ein 
größerer  §err  at§  ber  ®jar.  Senn  er  befiehlt  bem  ®jar, 
Wa8  er  effen  fott,  unb  bulbet  leinen  ©nblicf  in  fein  ®ub= 
get.  ®r  ift  ein  größerer  $err  at8  ber  Slrjt,  benn  er  orbinirt 
auch  bem  ©efunben.  SBa§  er  oerweigert,  ba§  ift  nicht  ju 
haben.  $err  Stöbert  thut,  wa8  nur  ber  polnifdje  3teich8= 
tag  thun  tonnte,  atö  noch  ba8  „niepozwolim“  in  ber 
SJlobe  War.  Stenn  fein  ©err  ihm  fagen  läßt,  er  wolle,  baß 
heute  biefe  unb  biefe  ©peife  jur  Xafel  lornrne,  bann  ent= 
gegnet  ihm  §err  Stöbert  mit  feinem  liberum  veto,  welche» 
im  granjöfifdjen  l^ei^it :  „9a  n’existe  pas!“  Steulich  ließ 
fidj  gürft  Starifcßtin  feinen  Sodj  h°len,  bamit  ihm  bie= 
fer  bie  fdjriftliche  Verweigerung  be§  SSefeljlg,  ihm  ein 
„blanc  manger“  ju  bereiten,  münbtich  Wieberf)ote." 

„Stie,  er  hat  ihn  ad  audiendum  Verbum  citirt?" 

„Sowohl;  unb  Monsieur  Stöbert  hot  bie  Steigerung 
münblich  Wieberholt.  Ser  gürft  Wollte  ihn  tüchtig  augfdjel» 
ten;  §err  Stöbert  aber  erhob  fi<h  auf  ben  |»alen  unb 
fagte:  „SJtein  fjerr!  ©ie  bergeffen,  mit  Wem  ©ie 
fpredjen!"  " 

„3nm  Seufet !  Unb  ba8  (Snbe  ber  ©efchichte?" 

„Stun,  ber  gürft  hflt  fein  «blanc  manger“  nicht 
befommen!" 

„Sa,  ba8  Wäre  Wag  für  mich!  S<h  mürbe  ben  Sod) 
freffen  ftatt  ber  ©peife." 

gheoalier  Oaiban  war  ein  prächtiger  fßtauberer;  er 
trug  bie  Soften  ber  Unterhaltung. 

„Vor  einigen  Sagen  hat  fich  in  ber  §auptftabt  ein 
fehr  fpaßiger  Vorfall  ereignet,  unb  jWar  bei  bem  dürften 


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193 


Sßopraboff,  bet  einen  franjöfifcfeen  Koch  unb  einen  franjö* 
fifc^en  ©tjiefeer  für  feine  S'inber  batte.  Der  Socfe  fodEjte 
mittetmäfeig,  bet  ©rjiefeer  war  fein  feerüorrageuber  fßäbagog. 
©löfcticfe  war  ber  Koch  itgenb  wie  üerfeinbert  ju  fotzen; 
baS  fpauS  war  in  ©ertegenbeit.  Der  ©rjieher  fügte,  er 
üerftefee  etwas  üom  Kodben,  unb  man  fonbte  if)n  in  bie 
SJüdfee.  ©r  lieferte  fteben  auSgejeidfenete  Diner«.  Qitjtnifc^en 
machte  ficfe  bet  franfe  ®ocfe  erbötig,  bie  Keinen  ißrinjen 
in  ben  SBiffenfcfeaften  ju  unterrichten.  Unb  fie  machten 
erftaunticbe  gortfcferitte.  ©cfetiefelicfe  machten  ©eibe  baS 
©eftanbnife,  bafe  fie  ihre  ©teilen  nur  au«  Stoffe  angenom* 
men  unb  ihre  Stoßen  üertoecfejelt  batten." 

„Unb  ber  gürft  f}atte  baS  nicht  wargenommeu? 
Diefe  ©efcfeicfete  mufet  Du  meiner  grau  Weitläufig  erjäfelen, 
Wenn  Du  mit  ihr  allein  bift.  Sieben  wir  jefct  oon  nötigeren 
Dingen,  SlraftSejeff.  2ßie  befanb  ficb  mein  erhabener 
©ruber,  ber  Äaifer  Sllejanber,  als  Du  ihn  üerliefeeft?" 

©ei  Stennung  beS  ©jarS  hatte  ber  ©rofefürft  fich 
erhoben,  unb  gebet  war  feinem  ©eifpiele  gefolgt. 

„geh  bebauere,  Roheit,  auf  biefe  grage  feine  gaitj 
befriebigenbe  Antwort  ertfeeilen  ju  fönnen." 

„2BaS  fehlt  ©r.  SKajeftät,  meinem  $errn  ©ruber? 
Stun?  Ober  fannft  Du  üieüeicht  üor  meiner  grau  nicht 
fpredfeen?  ©ut;  eS  ift  ganj  recht,  baß  Du  fie  nicht  erfchrecfen 
WiBft.  Du  wirft  eS  mir  allein  etjählen.  Unb  Wie  befinbet 
fidfe  gfere  ÜJtajeftät,  bie  ©jarewna  ©lifabetfe?  ©ibt  eS 
feine  Serbriefelidfefeiten  unter  ghren  SDlajeftäten?  SBcnn  Du 
nicht«  ®ute8  ju  fagen  Weifet,  fo  fchweige  lieber  üor  meiner 
grau;  betrübe  fie  nicht!" 

äraftSejeff  fanb  es  geratfeen,  ftatt  einer  Antwort  fiefe 
bie  ginger  abjulecfen. 

,,©o  ift’S,  Wenn  man  aßjufrüfe  feeiratfeet!"  fufer  ber 
©rofefürft  fort,  inbem  er  mit  ber  jweijaefigen  ©abel  in 
ben  3 üfenen  feerurnftoefeerte.  „gefe  feabe  eS  an  mir  felbft 
erfahren  unb  reblicfe  gebüfet.  Siun  ©ott  fei  Danf,  bafe  es 
ü  orbei  ift.  6«  feat  mir  genug  ju  fefeaffen  gemacht,  efe'  ich 
miefe  üon  ber  erften  grau  fefeeiben  fonnte.  91ber  fpreefeen 
3<Hoi :  greifet.  I.  13 


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194 


Wir  baüon  nicE|t  öor  meiner  ©attin.  —  @3  log  ja  bodfj 
an  mir  felbft.  —  Ser  ©cfjulbige  War  am  ©nbe  bod)  idj. 
©ine  grau,  bie  mid)  augfteßen  fann,  ift  fo  feiten  wie  ein 
®omet.  —  Unb  wie  fteßt’g  benn  mit  Sir,  ©alban,  bift 
Su  fdjon  irgenbwo  Rängen  geblieben?  23er  ift  bie  Unglück 
lidfje,  bie  'Seine  grau  geworben?  SSSenn  idj  ©jar  Wäre,  Würbe 
idf)  auf  fotdfje  lebige  Herren  eine  ©teuer  au8Werfen  —  Sitte 
gunggefeHen=©teuer!  ©uer  ©lüd,  baß  idj’8  nie  Werbe." 

„^oljeit!  @8  War  auggemadjt,  baß  wir  über  Sifdfj 
nid^tä  üon  ernften  Singen  reben,"  bemerfte  bemütßig 
9traft8ejeff. 

„Su  Ijaft  SRed^t.  gd(j  t»ab'  gegen  bie  Siegel  üerftoßen. 
3ur  ©üljne  Wollen  Wir  ein  ©lag  auf  bie  ©efunbßeit  meiner 
grau  leeren." 

Sie  brei  ©läfer  in  ben  Rauben  ber  äJtänner  Hangen 
aneinanber.  Slun  lam  aud)  ba8  oierte  ©lag  an  bie  Steife, 
üon  jener  jarten  weiten  fpaitb  erhoben,  unb  ber  feurige 
Solarer  nefcte  eine  feine  blaßrotlje  Sippe.  Sag  Siner  ging 
ju  ©nbe,  man  trug  bag  Seffert  auf.  Ser  ©roßfürft  wählte 
nur  ^afelnüffe,  bie  er  mit  ben  Bäipten  aufjufnaden  liebte; 
bie  brei  erften,  bie  er  fo  aufgefnadt  Ijatte,  legte  er  auf 
3oljannen8  Seiler  l)in. 

Sie  grau  fpradf)  jefjt  jum  erftenmale,  feit  fie  bei 
Sifdje  faß.  Slud)  biegmal  war  eg  nur  ein  glüftern. 

„§ab  Sldfjt  —  id(j  bitte  Sidf),  auf  Seine  3“l)ite.  ®u 
fönnteft  wieber  eine  ®rone  abbrecßen." 

„Sag  fann  fein!"  fagte  ber  ©roßfürft  ben  ©Ubogen 
auf  ben  Sifcf)  tefpxenb,  unb  Warf  unter  feinen  bufdjigen 
Slugenbraunen  einen  Süd  auf  2traft8ejeff,  ben  biefer  üer= 
ftanb,  worauf  bann  ber  ©roßfürft  bie  ©tirne  Soßanneng 
füßte. 

,,©el),  mein  ©dfjaß,  laß  ben  Kaffee  auf  bie  Sertaffe 
bringen  unb  nimm  ben  ©Ijeüalier  mit  Sir.  ©r  liebt  eg, 
natf)  granjofenart  bag  Siner  mit  bem  Saffee  ju  f erließen. 
—  2Bir  aber  wollen  ßier  auf  gut  polniftp  nodj  ein  Wenig 
mit  einanber  jedien." 

goljanna  erljob  fiel)  tjierauf  üom  Sifdje,  legte  ißre 


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4?aitb  auf  ben  Slrm  beS  üor  ifjr  fteljenben  ©IjeoalierS,  unb 
oon  bem  Wiener  begleitet,  ber  bie  Saffeefanne  auf  einer 
©itbertaffe  trug,  oerlief?  fie  ben  ©peifefaat. 

®ie  beiben  SDtänner  blieben  allein  unb  begannen  nad) 
guter  polnifdEjer  ©itte  ju  trinfen,  bie  ©täfer  junt  oierten 
Xfye ite  mit  bem  golbenen  Xofatjer  füttenb. 

„Stuf  meinet  Ijoljen  §errn  SBruberS,  beS  ©saren 
Stlejanber,  ©efunbljeit!" 

Sie  teerten  bie  ©täfer  unb  füllten  fie  auf'S  Steue. 

„3n  ber  2f)at,  ©eine  SWajeftät  tjaben  biefen  ^eiligen 
Söunjcf)  fetjr  nötljig!"  fagte  tiefauffeufjenb  StrattSejcff. 

~„9hm,  er  ift  bocf)  nidjt  ernftticb)  tränt?  —  StBaS  fef)tt 
iljm?" 

„6r  frantt  an  bem  Uebet,  baS  am  fdjwerften  ju  feiten 
ift  —  2Mandf)otie,  ©emütljstranlljeit.  —  Sitte  ®nnft  ber 
Sterjte  wirb  baran  ju  ©djanben.  3)er  ©jar  fd)täft  oft  SRonate 
lang  nicf)t  metjr  atS  nad)  SJtittag  ein  betäubenbeS  @d)(um= 
merftünbdjen.  —  lag  unb  9tad)t  wirb  er  oon  attertei 
tßfjantomen  gequält.  @r  ift  tebenSmübe.  SESen  mödfjte  eS 
SBunbcr  nehmen?  @ief)t  er  ja  Stiles  unter  fitf»  pfammen» 
bredtjen,  was  er  müljfam  aufgebaut.  Sitte  träume  feiner 
3fugenb  finb  batjin.  ®ie  freiljeittidtjen  Snftitutionen,  bie  er 
in’S  Seben  gerufen,  ift  er  —  eine  nad)  ber  anbern  —  fetbft 
geswungen  s«  jerftören,  fid)  fetbft  ju  ternidjten." 

„Unb  um  fidtj  wieber  su  ermannen,  neu  ju  fdtiaffen, 
fetjtt  üjm  bie  ©eetenftärte.  @r  weif?,  baS  er  §a§  gegen 
fidf)  fjeröorgerufen,  unb  .Ijat  nidt)t  Sraft  genug,  Xqranit  su 
fein,  um  ben  §afj  umbarmtjersig  s«  erftiefen.  Ueberall  fietjt 
er  fi<tj  oon  üfteudfjelmörbern  umgeben,  unb  eS  fetjtt  i£)tn  bie 
©nergie,  nadj  ber  SBaffe  s«  greifen,  bie  ifjn  fd)üj)t.  Unb 
basu  ift  nod)  fein  Familienleben  jerftört.  ©uer  §ot)eit 
tennt  bie  ®ataftropf)e.  S)a8  ©emütt)  beS  ©saren  fteljt  im 
Sanne  retigiöfer  ÜDMancfjotie.  ©r  tjält  fidtj  für  einen  tier- 
urt^eiltcn  ©ünber  —  oerurttjeitt  oon  ©ott  unb  oon  ben 
SJtenfdfjen.  @r  fdtjaubert  surüdt  oor  bem '  Sertjängnifj  unb 
bod)  befdjleunigt  er  eS.  ©in  ©eetensuftanb  wie  biefer  fann 
au4  ben  Iräftigften  Organismus  schütten.  ®ie  geringfte 

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Äranftjeit  fattn  i£)tn  töbttid^  merben,  unb  er  Efat  !autn  Sldfjt 
auf  fidj.  Äein  Strjt  barf  ifpn  nafyen,  unb  er  öerl)eimlid)t 
eS,  menn  er  !ran!  ift.  3dj  glaube,  er  trägt  ben  SobeSfeim 
ttn  $erjen,  unb  baS  Jperj  ift  nicEit  ju  feilen." 

„©lein  armer  ©ruber,"  brummte  ber  ©rofefürft  unb 
liefe  betrübt  ben  ®opf  auf  feine  §anb  finfen.  „liefet 
tyerrlid&e,  mastige  SDtenfdj,  mit  bem  idj  beifammen  mar 
beim  Siege  tiot  ßeipjig,  auf  ber  Snfel  beS  Stiemen,  als 
er  mit  Stapoteon  jufammentraf,  beim  3riebenSfd(}lufe  .... 
unb  in  ©ariS  beim  grofeen  ©injug  .  .  .  unb  in  S33ieu  auf 
bem  Songrefe  ber  ^»crrfdjer  ....  unb  allüberatl  t)örte  idfj 
eS  flüftern  :  „811},  ber  ift’S  bort,  biefer  ftattlidje  -Dtann  neben 
jenem  ungeftalteten!"  Sidjt  unb  Statten,  bie  ftetS  neben» 
einanber  finb :  mir  Seibe  pellten  fie  Bor." 

„333ir  müffen  unS  auf  bas  ©dpimmfte  gefafet  machen. 
Sie  fd}macf)e  giamme,  bie  biefeS  Sidjt  nocf)  näljrt,  bebarf 
nur  eines  |>au(f)S  unb  fie  »erlifdfp.  Unb  bann  fiefp  baS 
ganje  Sanb  ber  fürdfjterlidfften  Seftruction  entgegen.  Surd}} 
{junberteriei  ©erfdjmörungen  ift  ber  ©oben  untergraben. 
|>unbertertei  ©emitter  bebro^en  uns.  333er  mirb  bie  <3ünb= 
Put  beljerrfcf)en,  menn  einmal  $immel  unb  ©rbe  in  ©eme» 
gung  gerätsen?  Ser  ©jar  feat  feine  Äinber.  333er  mirb  nadj 
if»m  ben  Sfjron  befteigen?" 

„Ser,  ben  ber  ©jar  beftimmt." 

„Unb  menn  er  feine  ©eftimmung  trifft?  —  333ie 
man  ifjn  benn  aud)  nid)t  ju  bemegen  uermag,  eine  Seftim» 
mung  ju  treffen.  SaS  ©efefc,  fagt  er,  ftmdjt  flar  genug. 
Sem  ©jaren  folgt  ber  ßäfaremitfd)." 

Ser  ©rofefürft  fing  fjeüauf  ju  lachen  an,  er  fiel  auf 
ben  Stürfen  oor  ©elädEper,  er  ladpe,  bafe  feine  3“l)nreil}en 
fidjtbar  mürben,  mie  bie  eines  gälinenben  Sömen. 

„|>a  §a  fea!  ber  ©äfaremitfdj !  Stein,  greunb,  bjr 
p|t  Sir  nid)t  auf  —  auf  ben  Sljron !  SDtid)  fieljft  Su  nic|t 
unter  3ü>an’S  Siamantenmüfce!" 

„333arum  nid&t,  $ol)eit?" 

„SBeil  idj  Sein  ©anbelier  Diel  lieber  über  Seinem 
Stücfen  als  an  meiner  föelpe  fefee!" 


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(©gar  Paul  mürbe  mit  bem  ©anbetier  feinet  Slbju- 
tauten  erbroffelt.) 

„3Bot)in  beulen  Sie,  ipotjeit?" 

„Sin  meinen  ©ater  —  unb  an  mein  ©oll.  tttun  idf) 
märe  gerabe  ber  Steckte  für  bie  Petersburger!  gm  vorigen 
3al)re,  ba  mein  atterl)ödf)fter  $err  ©ruber,  ber  ©gar,  als 
er  Iran!  gu  fein  geruhte,  rnid)  gnäbigft  gu  fid)  befaßt,  unb 
idf)  in  ber  tttefibengftabt  erfd^ien  :  tjui!  mar  baS  ein  Sdf)recfen 
in  Sfraet!  Sie  beforgten  fd)on,  baß  idf)  nad^folge!  —  SBemt 
id)  bie  Straßen  entlang  futjr,  maren  bie  ©efymege  im  tttu 
leer.  Sie  SOtenfc^en  üerftedten  fidf)  in  ben  Xl)orfaI)rten,  um 
nid^t  grüßen  gu  müffen.  §ej!  mie  fie  ba  nadf)  ben  Sirenen 
ftrömten!  STiie  l)at  ber*9Reßner  ntepr  Äopelen  für  feinen 
Klingelbeutel  gefammett,  als  mätyrenb  idf)  ba  mar.  Sie 
Popen  gogen  bie  ©ngeln  faft  an  itjren  güßen  aus  bem 
$immel  l)erab,  bamit  fie  bem  ©garen  nur  ©enefuug  brädf)* 
ten.  Sin  jeher  Straßenedfe  geid)neten  fie  mit  ®ol)le  ®arri= 
caturen  meines  Profils,  mit  biefer  großen  9tafe,  unb 
fdfjrieben  Säfterungen  barunter!  —  Unb  als  bann  ber 
attmädf)tige  ©ott  meinem  attert)öd|)ften  §errn  ©ruber,  bem 
©garen  Teilung  braute,  baß  er  eines  fcfjönen  XageS  mieber 
eine  gatjrt  burcf)  bie  Straße  ntadfjen  fonnte,  maS  mar 
bamalS  für  eine  greube  in  ber  Stabt!  Sitte  SEBelt  brängte 
fid)  an  feinen  äßagen  Ijeran,  fie  poben  itjn  faft  in  bie 
Süfte  unb  begruben  itjn  beinahe  unter  ©turnen.  Unb  alles 
baS,  meit  fie  midf)  Raffen!  Sticht  baß  fie  itjn  lieben,  fonbent 
meit  fie  fiel)  Oor  mir  fürdfjten.  ©ben  fagteft  Su,  baß  audf) 
it)n  oon  allen  Seiten  3Reudf)etmörber  bebro^en,  nur  mit 
bem  Unterfcfjiebe,  baß  fie  il)n  in  ben  Fimmel  beförbern 
motten,  nticf)  aber  in  bie  £>ötte.  —  Sie  glauben  in  mir 
ben  Sol)n  meines  ©aterS  gu  finben,  —  einen  ttßann  mit 
eiferner  £>anb  für  il)ren  eifernen  tttaden,  mie  eS  mein  fetiger 
©ater  mar." 

„Unb  fie  märe  il)nen  in  Sßaljrtjeit  nöttjig!  Sen  eifemen 
Slacfen  beS  tttuffen  oermag  nur  eine  eifeme  |>anb  gu  beugen." 

„ttlun,  baS  fönnen  fie  nocf)  erreichen  —  aber  ©ott 
bema^re  midi)  oor  ipnen  unb  fie  Oor  mir!" 


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„gebet  rechte  SBtann  aber  fejjt  feine  Hoffnung  auf 
Euer  §of)eit." 

„Elj!  bag  ift  nodf)  meit  int  gelbe.  SEBoju  fdjmajjen 
mir  fo  tofleS  ßeug?  SBarunt  foflte  icf)  itjn  überleben?  Sin 
id)  bodf)  nur  um  anberttjalb  Satire  fpäter  jur  SBett  gefom= 
men  atg  er.  —  9tod)  einen  Xrunf!  Eg  lebe  mein  fperr 
Sruber,  ©eine  SDlajeftät  ber  Ejar!  Sßag  t)at  Xidf)  fonft 
jn  mir  hergebracht,  Xatmn  moßen  mir  nicht  meiter  reben." 

„Eben  im  Stuftrage  ©einer  SERajeftät  bin  ich  getommen. 
®ie  X^ronfotge  muff  georbnet  merben,  bag  ift  fein  SBiße. 
®er  Ejar  |at  feinen  Xtjronerben." 

„9hm  unb  idf)  tjabe  nodj  feinen!  —  Slber  er  fann 
nodf)  fommen  —  ®u  fiefift,  baß  i<h  midj  neuerbingg  öermäfjtt 
habe!" 

„Slßerbingg,  bocf)  nur  jur  tinfen  §anb.  Eine  morga= 
natifdje  Ehe." 

„Sig  jej}t.  ®och  menn  mir  meine  Stau  ein  Sinb 
fdfjcnft,  merbe  tdh  fie  ganj  ju  meiner  legitimen  Eattin 
machen." 

„®ag  fönnen  $of)eit  nicht  ttjun." 

„Sßarum  nicht?" 

„SBett  Eurer  fpoheit  erfte  grau,  Stnna  geoboromna, 
nod)  tebt." 

„Slber  bie  St)nobe  tjat  mich  ja  bon  if)r  getrennt,  ©ie 
Ijat  ben  Shimen  Stnna  geoboromna  aud)  fdjon  abgelegt  unb 
mieber  ben  ber  gutiana  bon  @achfen=Eoburg  angenommen. 
Unb  meine  neue  Beirat  mürbe  ja  mit  Einmifligung  be§ 
Ejaren  gefd^toffen." 

„Slber  e§  mar  nur  eine  Xrauung  jur  tinfen  §anb." 

„So  tauften  mir  fie  um  auf  bie  redete!" 

„$a§  ift  nicf)t  möglich.  Sn  bie  Erunbgefe|e  beS 
©taateg  mürbe  unter  Ejar  Sltejanber  ein  Ufas  aufgenora* 
men,  ber  anorbnet,  baß  nur  aug  ^errfd^erfamitien 
ftammenbe  grauen  auf  ben  Xßron  beg  Ejaren 
erhoben  merben  fönnen,  unb  Stadjfommen,  bie  nicht 
bem  ©tamme  eineg  ©ouoerättg  entfproffen,  fönnen  ben 
Xtjron  nicht  erben." 


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„So  merbe  id),  menn  idj  —  maS  ©ott  üerljüte  — 
©jar  merben  foßte,  einen  anbem  Ufas  ertaffen,  ber  ben 
erften  öernidfjtet." 

„@S  gibt  nod()  ein  anbereS  §inberniß,  baS  ber  ©$ar 
bur<fj  teinen  Ufas  befeitigen  fann.  Sure  §ol)eit  meiß,  baß 
ben  ©aarentljron  nur  eine  grau  einnetjmen  tann, 
bie  fid)  jur  ortfjobo^eu  Stetig ion  befennt.  ©taubt 
©uer  §ol)eit,  baß  goljamta  ©rubäinSfa  bem  römifdf^fatljo' 
lifc^en  ©tauben  abtrünnig  mirb  für  eine  Srone?" 

„Sie  läßt  iJjn  nid)t  um  äße  Sronen  beS  ©jaren! 
®aS  §er$  biefer  grau  fennt  Untreue  fo  menig,  baß  fie 
faum  if)r  altes  Pferb  für  ein  neues  umtaufdfjt!  nictjt  baß 
fie  ifjre  Stetigion  Oerleugnen  foßte.  —  ®aS  möge  and) 
feiner  bei  il)r  oerfudfjen!" 

„Unb  eS  gibt  nodj  eins  —  baS  ein  größeres  £inber~ 
niß  ift,  als  fetbft  bie  Stetigion :  bie  ©efeßfdjaft.  —  Soß 
bie  St.  Petersburger  Societät  aus  bem  Patafte  beS  ©jaren 
verbannt  merben?  Soljanna  ©rubjinSfa  mag  ein  ©ngel 
fein:  barum  ift  fie  nodfj  lange  feine  Saiferin,  öon  ber  bie 
©ljebimin,  9tarifd£)fin,  Srubefcoi,  SJturamieff,  unb  mie  bie 
®amen  aße  Reißen  mögen,  anerfennen,  baß  fie  audfj  nur 
gleidjeit  StangeS  mit  ifjnen  fei;  um  mie  oiet  meniger,  baß 
fie  im  Stange  über  iljnen  fte^t." 

„®ann  mögen  fie  für  fidfj  bleiben." 

„2Bie  Oerftetft  ©uer  £o{jeit  baS?" 

,,©anj  einfach,  fie  mögen  fiel)  ifjre  Srone  begatten,  icf) 
aber  fjatte  mir  meine  grau  bafür! 

„§ot)eit  meinen  baS  bodfj  nicf)t  im  ©rnfte?" 

,,©anj  im  ©rnfte  unb  mit  üöflig  f altem  ©tute," 
fagte  ber  ©roßfürft,  feine  §anb  auf  StraftSejeff’S  Slrm 
tegenb.  „9Rein  ganzes  Seben  ljinburdl)  f)abe  idj  nodj  nir= 
genbS  Siebe  gefunben.  gd^  glaube,  baß  rnidfj  fetbft  bie 
Stmme,  bie  mid)  fäugte,  geprügelt  tyat,  meit  idfj  fo  ungeftattet 
bin.  —  33on  jetjer  fonnte  idj  feinen  §unb  an  midi)  gemötjnen. 
3Jtag  idl)  men  immer  anfd)auen,  fo  fefje  idl),  baß  er  öor 
mir  erf^ridt.  SReine  Stimme  fud^e  idfj  öergebenS  an  einen 
mitberen  Slang  ju  gemöfynen,  fie  freifcf)t,  ats  mürbe  icß 


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fortmäljrenb  fdjetten.  $aS  SEBort  „mein  Siebet"  Ijabe  td) 
nie  gehört,  feitbem  id)  bie  j^inberfd^uije  jerriffen.  Unb  nun 
füljrt  mir  baS  ©djidfal,  mie  einet  blinben  £>enne,  eine  edfjte 
Ißerte  ju,  ein  füfjeS  Äinb,  baS  mid)  Don  ganjent  £>erjen 
liebt,  ©ie  jagt  eS  nicf)t,  fie  füljlt  eS  nur;  —  ja  fie  läfjt 
eS  midfj  fügten,  ©ie  lebt  in  mir  mie  meine  eigene  ©eete 
unb  benft  meine  ©ebanfen.  ®a8  menige  ©ute,  baS  in  mir 
liegt,  fie  entbecft  es  unb  tef»rt  midfj,  midj  fetbft  lieben,  ©in» 
jig  unb  allein  fie  fjat  ©onne  in  mein  bunfleS  Seben 
gebraut.  S3in  idf)  franf,  fo  pflegt  fie  mid),  bin  idj  heftig, 
fie  meifj  mid)  ju  befänftigen.  gn  if)t  ift  mein  befteS  EE^eil! 
Unb  gl)r  glaubt,  bafj  eS  einen  fßreiS  auf  ©rben  geben 
fönnte,  um  ben  idfj  fie  Derftojje;  bafj  idfj  um  irgenb  einen 
Üfjrott  ber  SBelt  biefen  Keinen  Seljnfeffel  l)ier  taufte,  in 
meldfjent  mir  SBeibe  nur  fo  eng  ißlaf}  nebeneinanber  haben, 
bafj  ber  ©ine  im  ©djoofje  beS  Slnbern  fifjcn  mufj?  — 
311)!  toaS  feib  gl)r  für  Sfjoren,  baS  ju  glauben!" 

„$ol)eit!  bie  ©rforfdfjung  beS  menfd)lidjen  ©emütljeS 
bilbet  fdfjon  lange  ben  ©egenftanb  meines  ©tubiumS,  unb 
eS  ift  mir  nidfjt  neu,  bafj  bie  Siebe  bie  getoaltigfte  ®rofj= 
madjt  auf  ©rben  ift.  ©ie  ift  ftarf,  bodf)  nic^t  Don  SDauer. 
feilte  ift  eS  fo,  mie  $oljeit  fagen.  Stber  baS  menfdjlidhe 
|»erj  ift  oeränberlWj,  mie  ber  Fimmel.  Unb  beffen  emiger 
©egenfafe  bleibt  bie  ©rbe,  baS  SSaterlanb.  $eute  glauben 
mir  ein  ißarabieS  ber  ©tüdfeligteit  oerfdfjerjt  ju  Ijaben, 
als  mir  Dom  §immel  jur  ©rbe  fliegen ;  morgen  fetjen  mir, 
bafj  eS  bloS  eine  eitle  SBolfe  mar,  bie  glänjte,  —  unb  fid; 
fpurloS  oerflüdjtigt  Ijat.  ®ie  ©rbe  bagegen  bleibt  immer 
unter  unS;  fie  üertiert  niemals  if)re  2lnjieljungSfraft.  — 
SBie?  |>o£)eit  fönnte  eS  mit  Derfdfjränften  Sinnen  anfeljen, 
bafj  bie  gattje  SJtonardjie  als  Staub  ber  glommen  in 
EErümmet  finit,  nur  bamit  gf)r  §aupt  im  ©djoofje  eines 
geliebten  SßeibeS  ungeftört  ru^en  fönne?" 

„9tun?  unb  menit  eS  fo  märe?" 

„SBenn  eS  fo  märe?  —  Sind)  für  biefen  galt  tjabe 
idj  meine  beftimmten  gnftructionen.  ©ure  §of)eit  finb  $err 
gl)rer  ®ntfdf)tüffe;  bodf)  audj  baS  ruffifdjje  Sleidj  ift  |>err 


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201 


feines  ©djidfalS.  SBenn  ber  ©äfarewitfd)  baS  bürgerliche, 
ftiHe  Familienleben  für  ein  pßereS  3iel  plt,  als  bie 
©rpttung  beS  non  feinen  Stpen  gegrünbeten  SteicpS, .  fo 
fjabe  idj  if)tn  einen  anbern  Slntrag  ju  ftetten.  ©e.  SRafeftät 
ber  ©jar  ergebt  bie  morganatifdp  ©pfrau  beS  ©äfarewitfdj, 
Foßanna  ©rubjinSla  in  ben  ßolnifcpn  Fürftenftanb 
mit  bem  Familiennamen  „Sonic  j".  911S  ewiges  Sepn 
fcpnft  er  ip  bie  Sonicjer  Sronprrfcpft  ber  ÜJtafoner 
SBojwobfcpft,  worauf  ber  ©roßfürft  fie  für  feine  legitime 
©attin  ertlärt.  Fpe  etwaigen  Sinber  Werben  gürften  non 
Sonicj  unb  ©rben  ber  ^errfcpft  iper  „3Kutter"  mit 
ruffifcpnt  SBojarejirange  fein  —  pngegen  refignirt 
©roßfürft  Sonftantin  auf  ben  ®itel  „©äfarewitfd)" 
unb  baS  ®f)ronfoIgered)t  fowoßl  in  feinem  —  als 
im  9tamen  feiner  ©rben,  ju  ©unften  feiner 
©rüber!" 

Äonftantin  fdjlug  mit.  ber  flauen  fpaitb  auf  ben  ®ifd). 

„Sieber  pute  als  morgen!" 

„Fdj  bitte  ©uer  $opit,  bie  StntWort  nidjt  p  über» 
eilen!  ®er  fpimmel  ift  neränberlid),  bocf)  ewig  bauert  bie 
©rbe.  Sd>  bin  überjeugt  non  ber  Sftüpigleit  ber.  SB  orte 
©uer  faiferlicpn  §opit.  ®od)  ein  Heiner  Sluffcpb  fann 
nidjt  fcf)abe«.  ©erfucpn  $opit  einmal  nur  für  eine  SBodp, 
nur  für  einen  SRonat  baS  geliebte  SBefen  p  neriaffen. 
Dber  fdjiden  ©ie  fie  Wie  eS  ipe  jarte  ©efunbpit  opepn 
forbert,  nad)  @mS  ober  KarlSbab.  trennen  ©ie  fid)  non 
ip,  bamit  ©ie  einanber  nicp  tägtidj,  ftünblidj  fepn,  baß 
fie  fidf  nicp  immer  in  Fpent  Greife  bewege,  fonbern  baß 
©ie  ©eibe  aucß  anbere  SJtenfcpn,  anbere  ©eftalten,  anbere 
©erßältniffe  um  fidj  pben  .  .  .  ." 

„Sllfo  glaubft  ®u,  baß  eine  längere  2lbWefenpit  unS 
einanber  entfremben  tonnte?" 

,,©S  ift  eine  alte  ©efcpdjte,  unb  bleibt  bocf)  ewig  neu!" 

„SBäpenb  eines  furjen  SKonateS  füllte  ein  neues 
©efidjt  im  ©taube  fein,  baS  geliebte  ©ilb  aus  unferem 
$er$en  p  reißen?  ®u  bift  ein  ®pr!"  — 

„@S  fommt  nur  auf  eine  ©robe  an." 


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202 


,,3d}  tarnt  eS  ttjun!  ®od)  !amt  id)  2)ir  borauS  fagen, 
baß  S)u  $idj  tauften  Wirft.  3)en!e  auch  (einen  Slugenblicf 
an  einen  ©rfolg  beS  ©erfudfjeS.  SBir  ftolpern  nicht,  wie 
gewöhnliche  SRenfdjenfinber.  SDticf)  ju  lieben,  grenjt  an 
Unfimt.  2)aS  ift  eine  ©Ijimäre!  $odf)  Wer  fid^  einmal  in 
nticf)  oertiebte,  bertäßt  mid)  nicht!  Unb  baß  ich  fie  »ergeben 
Werbe,  baS  iß  lächerlich.  3)ann  wäre  id)  ja  bie  btinbe 
§enne,  bie  fi<h  ein  §aferforn  ftatt  ber  gefunbenen  Sßerte 
erbittet.  3ft  bie  SlbbanfungSurfunbe  fertig?  ®u  ßaft  fie 
bod;  fidjer  mitgebracht?  ®ib  fie  ^er;  ßeute,  morgen,  in 
einem  Qaljre,  ober  an  Wettern  läge  ber  ©wigfeit  immer 
Wirft  2)u  nur  biefe  Slntwort  bon  mir  ermatten  :  3dj 
unterfertige!" 

„©eftimmen  Wir  eine  griff,  §o^eit!  Sticht  üon  Kinber= 
fpielen,  auch  nicht  oom  Stieberfämpfen  jugendlicher  Seiben= 
fraßen  ift  ^ier  bie  Siebe.  Ueberlegen  Roheit  genau,  auf 
WaS  ©ie  ©erjieht  leiften  wollen  —  auf  bie  neunjeßn  fronen 
StußlanbS !  ©on  ber  mit  neunfyunbert  Siamanten  gefcftmüdf= 
ten  Krone  beS  gwan  SUejiewitfcf)  bis  jur  einfachen 
„äRüfje"  ißeter’S  beS  ©roßen;  auf  bie  StoWgorober  Krone 
mit  bem  SeiffuS,  bie  Krone  ber  Stepublif,  Welche  Sturif 
trug;  bie  Slftradjaner  9Kit|e  beS  SJtidjael  geoborowitfdj; 
bie  fibirifdje  Kappe  beS  gebor  SllepeWitfch  unb.  enbttdß  bie 
ättefte,  ßeitigfte  ^Reliquie,  bie  Krone  beS  ÜRonomadjoS, 
beren  Urfprung  in'S  gabelreich,  gehört.  —  Unb  alt’  biefer 
^errlidjfeit  Wollte  mein  erhabener  §err  einer  Sßeiberljaube 
ju  ßiebe  entfagen?" 

SaS  ©efprädfj  Würbe  burdh  ben  ©intritt  beS  Stifter 
©alban  unterbrochen. 

Ser  Stifter  erfchien,  eine  ©aüekSlrie  bor  ficß  ßin 
fummenb,  in  ber  Shüre. 

„Stun,  ©alban?"  fd)rie  ihm  ber  ©roßfürft  entgegen, 
„wie  gefällt  Sir  baS  ©etbeböre?" 

„prächtig!"  entgegnete  ber  Stifter ;  „unb  baju  ift  eS 
eine  uneinnehmbare  geftung!" 

Sie  beiben  lebten  SB  orte  Waren  an  StraftSejeff  gerietet 
mit  einem  bebeutfamen  ©liefe. 


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203 


SJtögtich,  bafj  tfjn  auch  ber  ©rofjfürft  bemerlte,  benn 
mit  fdjarfer  Setonung  fagte  er  ju  ©atban :  „Sine  unein= 
nehmbare  geftung?  g<h  muffte  gar  nic^t,  bafj  Su  aud)  in 
ber  (Srftürmung  oon  Sefeftigungen  erfahren  bift." 

„0  ja,"  ermiberte  ber  SRitter  in  eben  fo  fatirifcfiem 
Sone :  „geh  war  fchon  fo  glücftidj,  oiete  für  uneinnehmbar 
geltenbe  Surgen  ju  erftürmen!" 

Straftgejeff  gab  ber  Slflegorifirung  rafdj  eine  anbere 
SBenbung  unb  fagte :  „g<h  fenne  bie  geftungen,  Welche  ®u 
einjmtehmen  pflegft !  3hre  Slawen  finb  Chäteau  Laffitte 
unb  Chäteau  Margot!"  (Seibe  grand  vin  unter  ben 
Sorbeauj:»2Seinen.) 

hierüber  tacf)te  bann  ber  ©rofjfürft  unb  erhob  fi<h 
Dom  Sifdje. 


XX. 

|>ie  edjfe  ^ferfe  ber  ßfinben  ßeutte. 

SGBag  fanb  3titter  ©alban  auf  ber  Icrraffe  beg  Sei« 
oebäre  ©djöneg,  unb  Wag  fonnte  er  bort  nicht  einnehmen? 

3>n  ber  Sljat  ein  herrlicher  Slnblicf!  gn  ber  9täf>e, 
ladjenb  in  Senjegblüte,  ber  Sajienfa  Urwalb  mit  feinen 
bichten  Säumen,  bie  in  allen  garben  oom  ©olbgrün  beg 
Slfjorng  big  jum  fßurpurroth  beg  ©umachg  bag  2luge 
ergäben.  Swifchen  ben  runben  Saumlronen  erheben  fidj 
bie  ßittnbä^er  beg  ©tammfchloffeg  oon  Johann  ©obiegfi, 
ber  Sajienfa  Surg.  Zierliche  rothe  unb  grüne  Shärrndjen 
ber  umherliegenben  Sillen  ftedjen  bunt  ab  oon  bem  Saub= 
geWölbe,  unb  bie  Stegen  ber  fitberblättrigen  fßappel,  bie 
ba  unb  bort  herüorragen,  bejeidjnen  bie  Sreujwege.  3«  ber 
gerne  bie  alte  polnifdje  Äöniggftabt,  bag  lebenbige  |>erj 
eineg  begrabenen  $örperg,  beg  alten  Äöniggfdjloffeg,  beffen 
©teinterraffen  noch  je|t  ©puren  feiner  ©arten  jeigen.  Stuf 
ben  gothifdjen  Shörmen  ber  ©t.  gohannegfirdje  glänjen 
bie  gotbenen  ®reuje  (felbft  bie  finb  noch  nicht  oerboppelt). 


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204 


Unter  ber  Stabt  fdfjtängelt  fidj  bie  SBeidjfel  mit  iljrer  in 
grüljlingSpradjt  griinenben  Keinen  © adjfeninfet.  ®rüben 
ift  ber  große  SJeliaiter  SB  alb  mit  bem  atten  ©amat= 
butenfer  Stofter,  beffen  SBänbe  im  Stbenbrotlje  erglühen, 
bie  große  3Bolja=@bene,  ber  Scßauplaß  ber  SönigS» 
waljlen,  ein  ftummer  3eu9e  1°  Dieter  großer  Ipftorifdfjer 
©reigniffe.  Unb  am  §orijont,  im  gotbenen  Stebel  ber 
Dämmerung  berfdjwinbenb,  baS  Sraumbilb  eines  SdfjloffeS, 
SJiariemont,  baS  einftige  ©afteü  JDtaria  SobieSK’S. 

„Stidfjt  tr»a£)r,  ein  Ijerrlidjer  Slttbfid?"  fagte  3o^anna 
jum  Stitter  ©alban,  als  fie  auf  ber  ftödfjften  Serraffe  beS 
SelbeböreS  angelangt,  itjrett  SßtidE  in  bie  Stunbe  feßweifen 
ließen. 

„©in  IjerrlidjeS  ©efängniß,"  antwortete  ber  Stitter. 

Soßanna  ftaunte  iijn  an  mit  ißren  großen  braunen 
Stugen,  bie  nidf)t  flammenb  unb  berfüßrerifd),  aber  botl 
Seeleninnigfeit  waren. 

„©in  ©efängniß?  unb  für  wen?"  frug  fie  erftaunt. 

„%ixx  eine  ^eilige,  eine  SKärtprin,  bie  fidj  für  if»re 
Station  opfert." 

„SBer  ift  biefe  ffltärtprin,  unb  Worin  befielt  i£»r 
Opfer?  Sd)  berftelje  Sie  nid)t." 

„SBarlidj,  nidjt  Igener  ift  ber  SKärtpr,  ber  mit 
glüfjenbem  ©ifen  gefoltert  wirb,  unb  eS  gebutbig  erträgt, 
fonbern  igener,  ber  fein  §erj  opfert  auf  einer  golterbanf, 
Wie  fie  graufamer  nodj  feine  menfdjlicße  ißljantafie  jemals 
erbaute.  Unb  burdj  ein  reißenbeS  Xßier  getöbtet  Werben 
ift  fein  fo  fdjredttidjeS  Opfer,  als  biefe  SSeftie  ju  umarmen 
unb  ju  Kiffen,  ©oldj  ein  Opfer  bermag  nur  ein  pohtifdjeS 
SBeib  unb  nur  für  bie  polnifdje  Station  ju  bringen!" 

„©ntWeber  ßabe  idf)  Sie  nic£)t  oerftanben,  ober  Sie 
fjaben  etwas  mißberftanben,"  fprad)  Qoßanna,  bem  Stitter 
bie  Schale  mit  SDtoffa  anbietenb.  ®amit  nahmen  fie  einanber 
gegenüber  ißlaß. 

Stitter  ©alban  war  ein  praftifdfjer  Stratege  bei  foldfjem 
Sturme.  @r  fjatte  eS  gleidf)  ßerauS,  Wo  bie  geftung  am 
Wenigften  bertljeibigt  war.  „gürftin!  wo  immer  auf  ©tben 


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205 


bet  fftame  be§  Politiken  83icefönig§  genannt  Wirb,  erwäfeut 
ntan  audfe  ben  Stamen  ber  So^anna  ©rubjinSfa. 
Stnbetenb  fpricfet  Qeber  oon  ifer,  benn  fie  ift  ber  ©cfeufeengel 
aller  SBebrücften  unb  ® erfolgten." 

„3$  bon  allbent  gar  nidfetä.  §ier  wirb  nur  ber 
©erbredfeer  oerfolgt,  unb  beffen  Seftrafung  lann  idj  nidjt 
Oerfeinbern." 

„SSieüeidfet  nidfet  mit  SB  arten,  oieöeidfet  nur  unbeWufet! 
Dodfe  alle  SBett'  toeife,  bafe  ißotenS  ©cferecfnife  burcfe  ben 
©influfe  3few8  3<iuberS  ganj  oeränbett  ift.  @r  feat  erleudfetete 
©tunben,  in  toeldfeen  er  fein  SSolf  toie  ein  ©ater  befeanbelt. 
Unb  biefe  ©tunben  Oerbantt  ©ölen  3fenen!" 

„§err  Witter!  merfen  ©ie  benn  nidfet,  bafe  mir  eine 
Sobpreifung  jutoiber  fein  mufe,  bie  meinen  ©atten  befcfeimpft?" 

„gerne  fei  e§  Oon  mir,  ben  ©äfaretoitfdfe,  meinen  .penn, 
ju  oerunglimpfen.  @r  ift  fo,  toie  er  fein  mufe!  Da§ 
Regieren  ift  leine  ©oefie  unb  audfe  feine  dferiftlidfee  3teligion§= 
lefere;  e§  feat  feine  feften  formen.  Die  feofee  Diplomatie  ift 
feerjloS,  unb  ber  ooUfontjnene  Staatsmann  mufe  fo  fein! 
3ebermann  toeife,  bafe  ber  ©äfaretoitfcfe  feinen  Untertfeanen 
ein  Dferann  ift." 

„Dodfe  mir  ift  er  ber  ©atte,  an  ben  midfe  bie  SBanbe 
ber  ©flidfet  unb  Siebe  fniipfen." 

„Das  ift  eS  eben,  toaS  mein  ©lut  empört.  SDtit  3feuen 
rebe  idfe  aufrichtig.  3<fe  mufe  eä  geftefeen,  als  idfe  bie  ©tiffion, 
toelcfee  midfe  mit  SlrattSejeff  feerbradfete,  übernafem,  ba  featte 
idfe  eine  ganj  anbere  Meinung  oon  3fen«t,  «13  jefet,  ba  ©ie 
Oor  mit  ftefeen.  Sin  oerfdfeiebenen  §öfen  lernte  idfe  biete 
Damen  lennen,  bie  ficfe  einbilbeten,  bafe  bie  Siebe  gefrönter 
Häupter  fidfe  oon  ber  Siebe  getoöfenlicfeer  ©terblidfeen  toefent» 
liefe  unterfefeeibe.  Sille  fonnten  fidfe  tröften,  fo  fie  iferen 
Däuftfeungen  entriffen  Würben.  SBenn  baS  feöfeere  ©taatS= 
intereffe  bie  Slufopferung  iferer  Siebe  oerlangte,  würben  fie 
mit  einem  gräflidfeen  ober  fürftlicfeen  Ditel  unb  einem  gtän* 

jenben  ©efifetfeum  entfdfeäbigt  unb  fie  — - feaben’S 

überlebt!" 

„Dodfe  toeldfee  Slefenlidfefeit  ift  jtoifdfeen  iferem  unb  mei= 


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206 


ttem  Sdfjicffale?  3dj  würbe  ja  meinem  ©emal  feierlich  an» 
getraut!  SSor  bem  Slttare  reichte  icp  itjrn  junt  erftemnale 
meine  §anb,  trage  feit  bamafö  feinen  -Kanten  unb  befifce 
feine  wafyre  Siebe!" 

„Slctj,  gürftin !  Sie  tjaben  noch  gar  feine  Sltjnung 
non  ber  |>erjlofigfeit  ber  Diplomatie.  3Ba§  Sie  fügten,  ift 
wa^r;  bodj  f)abett  Sie  gewifj  nid)t  wargenommen,  baff 
ber  ©rieftet  bei  ber  Dränung-  nidjt  bie  redete,  —  fonbern 
bie  linfe  fpanb  beä  ©rofjfürften  in  bie  gffrige  legte?  DaS 
ift  fein  ©etrug,  feine  ©rniebrigung.  ift  bei  ben  dürften 
fo  eingefütpct,  unb  grau  unb  ®inber  fönnen  ftolj  barauf 
fein.  Stber  —  je|t  folgt  bie  Infamie  —  SlraftSejeff  Witt 
ben  ©äfarewitfdfj  junt  Dljronfolger  be§  ©jäten  auSrufen 
taffen:  benn  ber  ©rofjfürft  ift  fein  gbeal!  Dodj  baju  ift 
oor  Sittern  nöttjig,  baff  ber  ©rofjfürft  feine  erfte  grau,  bie 
noä)  lebt  unb  einer  regierenben  Dtjnaftie  angetjört, 
jurüdfnetjme,  benn  bie  gunbamentatgefefce  beS  SanbeS  bul= 
ben  feine  anbere  grau  auf  bem  Dtjrone.  SBiffen  Sie  nun, 
wetdfjeS  Scf)icffat  in  biefem  gatte  gf)rer  tjarrt?" 

„SBie  hart  e8  auch  fei,  idfj  Werbe  e§  ruf»ig  ertragen!" 

„SKan  Wirb  S^nen  ben  Kamen  3f)reS  ©atten  rauben, 
unb  nacfjbem  auch  ©raf  ©rubjtnSfi  gtinen  feinen  Kamen 
nid^t  tagt,  wirb  man  Sie  jur  giirftin  üon  Sooicj  matten, 
können  Sie  fid)  nun  oorftetten,  wa§  Sfy*  £ooä  fein  Wirb?" 

„©ebutb  unb  ©rgebung!" 

„§aben  Sie  ba3  graufame  Sädjeln  auf  bem  Slnttifce 
Straf täejeff’S  nicfjt  bemerft?  afö  er  ifjre  §anb  fü^te  unb 
fptadfj :  „Der  Stnbtidf  biefeä  ©lüdeS  erinnert  mich  an  ba3 
meinige?"  @r  wollte  Sie  in  eine  Keitje  mit  jenem  Sßeibe 
ftetten,  Weldjeä  Daimona  tjeifjt  unb  nur  feine  ©etiebte 
ift,  —  mit  einer  SKarfetenberin!" 

„gdj  fü^Ie  bie  ©eleibigung  nidjt!" 

„Kein,  nein,  ba§  ift  unmögtidfj!  SltS  idt)  ben  ©tan 
erfuhr,  badete  aud)  idfj :  SBaä  fann  benn  ba  ©rofjeä  ge* 
fdjeljen?  Sie  wirb  entfcpäbigt  werben  Wie  anbere  grauen 
unb  Wirb  wie  biefe  —  ba3  überleben!  ®oc£)  feit  icf)  Sie 
fat)  mit  biefen  reinen,  {fettigen  ©tiefen,  in  Wetten  fidj  3(jr 


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207 


ebleS  £er$  fo  getreu  mieberfpiegett :  ba  fjörte  id)  auf,  meinen 
©erftanb  ju  befragen,  beim  er  riet!)  mir,  Ijmtbert  äfteilen 
Weit  baöonptaufen  unb  mich  felbft  glauben  p  matten,  bajj 
idj  geträumt  i)abe.  ©eit  jenem  2lugenblitfe  benfe  xd)  nur 
baran,  Wie  idj  ©ie  —  felbft  mit  (Sefaljr  meines  SebenS  — 
retten  fönnte.  @S  barf  nidjt  fein,  baff  ein  folget  (Snget 
jenen  ^öüifd^en  Sntriguen  pnt  Dpfer  falle!  (5§  barf  nid)t 
fein,  baff  eine  fßotin  öerungtimpfen  taffe  ben  -Kamen  itjreS 
©aterS  unb  ba§  SBappen  iljter  Stätten  offne  ©dfjufc,  ofjne 
Kadfje!" 

„2BaS  motten  ©ie?" 

„SßaS  idfj  will?  Sdfj  Witt  fgtjnen  fagen,  Wie  ©ie  fidfj 
rädfjen  fönnen.  ©ie  mflffen  jenen  fgntriguanten  jutjorfommen, 
unb  auf  itjren  entet)renben  Slntrag  antworten :  ©efjaltet 
euer  gürftenttjum  Soöicj  für  bie  bornefjmen  ©ourtifanen! 
3ctj,  bie  abetige  fßotin,  werbe  einen  SRann  finben,  ber  bereit 
ift,  mit  feinem  et)rtidjen  tarnen  unb  feinem  ganjen  ^erjen 
midfj  über  3ene  p  ergeben:  einen  ganjen  SKann,  ber 
midi)  tiebt  unb  adf)tet!  ....." 

2)aS  ÖJefid^t,  bie  Slugen,  bie  ttjeatratifdjen  ©ewegun* 
gen  beS  Kitters  ittuftrirten  feine  Kebe.  fjofjanna  tonnte 
leidjt  erraten,  wen  er  unter  bent  „ganzen  SKanne"  oerftetje. 

Kidf)t  ber  teifefte  Slnflug  öonKött)e  bebecfte  it)r  (Sefidjt, 
als  fie  mit  größter  Kufje  entgegnete: 

„Kitter  (Satban!  @ef)en  ©ie  jene  Stauer,  metdje  baS 
©etöeböre  unb  ßafienfa  einfajjt?  ^nnerljatb  biefer  Stauer 
finb  ©ie  mein  (Saft.  Unb  ©ie  tjaben  baS  Kecfft,  SltteS  p 
ttjun,  fetbft  wenn  eS  Sljnen  gefällig  ift,  midj  p  beteibi» 

gen, - - bodfj  nur  innerhalb  biefer  Stauern,  als 

mein  (Saft!  ....  ©obatb  ©ie  aber  biefe  Stauer  über* 
fdfjritten  tjaben  Werben,  tjören  ©ie  auf  mein  (Saft  p  fein. 
.  .  .  Werbe  deinem  mitt^eiten,  was  ©ifmir  je|t  fagten 
.  .  .  .  eine  fßotin  öerrätt)  Kiemanben,  fetbft  itjrern  (Satten 
nidtjt:  —  fie  räcfjt  fidj  fetber!  ....  Kun,  fo  wie  ©ie 
biefe  Stauer  überfdfjritten  t)aben,  werbe  idfj  ©ie  für  Qtfjre 

freite  ©eteibigung  .  .  .  prügeln  taffen!  — - ©etiebt 

nodj  gutfer  für  ben  Äaffee?" 


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208 


Kitter  ©alban  lachte  t>eH  auf. 

„Ma  foi  1  baS  ift  nicht  neu.  Unter  brei  Assauss  jiegt 
man  jWeimal  unb  Wirb  in  ber  britten  gefdjlagen!  Sitte  nodj 
ein  Stüddjen  Buder!" 

Sann  begleitete  er  So^anna  in  ben  ißarf  hinQb,  lobte 
ihre  Sulpen,  nahm  mit  einem  unterthänigen  ©omplimente 
Slbfdjieb  öon  ihr  unb  lehrte  $u  feinem  Söieifter  juriid.  SBie 
er  bort  empfangen  würbe,  wiffen  wir  fdjon. 

„3Bo  tjaft  Su  meine  grau  gelaffen?"  frug  ihn  ber 
©rofefürft,  als  er  üom  Sifdje  aufftanb. 

„S<h  geleitete  fie  in  ben  ißarf  Elirtab,  bei  ber  ©remis 
tage  fdjieben  Wir." 

„feotnm,  StraftSefeff,  fuchen  Wir  fie  auf;  Su  gehft 
auf  ber  einen,  ich  'auf  ber  anbern  ©eite.  333er  fie  früher 
finbet,  begleitet  fie  itt’S  Seloeb^re  jurüd." 

Ser  ©rofefürft  war  glüdlicher;  er  traf  Johanna,  wie 
fie,  im  ©rafe  Inieenb,  feine  SiebliugSfaninchen  fütterte. 

Ser  ©rofefürft  liefe  fid)  neben  fie  nieber. 

,,©ib  Sicht!"  brummte  er,  „ bie  @rbe  ift  feucht  »om 
2hou,  unb  Su  lannft  Sich  erfüllen. 

„SRir  f «habet  nichts;  ich  bin  abgehärtet." 

„SaS  ift  nicht  Wahr;  Su  bift  fehr  fdfjwach-  Äaurn 
fann  ich  &  erwarten,  Sief)  nach  ©rnS  $u  fdjiden,  nach  bem 
Sabe,  wohin  Su  Sich  tängft  fehnft." 

„Sch  Wünfdje  nicht  mehr  hinjwgehen. " 

„SEBarum  nicht?" 

„Sch  h®be  mir’?  überlegt;  Seine  fchwierige  Stellung 
erlaubt  Sir  nicht,  mich  ju  begleiten;  unb  SBodjen  —  ja 
Sftonate  lang  öon  Sir  entfernt  ju  fein  unb  Sich  «id^t  ju 
fehen :  baS  ertrage  ich  nicht.  Sieber  bleibe  ich  h'er;  i<h 
befinbe  mich  h'er  ja  fo  Wohl." 

„SBaS!"  fchrie  ber  ©rofefürft  mit  Wilber  greube.  „Su 
liebft  mich  fo  fehr,  bafe  Su  ohne  mich  nicht  leben  lönnteft? 
Safe  Sich  nicht?  freuen  fönnte,  Wenn  Su  meinen  Slnbiicf 
ntiffen  müfeteft?  0  Su  meine  einzige  echte  ißerle!"  Unb 
mit  ftarfen  Slrmen  bie  grau  entporhebenb;  lachte  er  fie  an, 
liebfofte  fie  unb  bebedte  fie  mit  feurigen  Äüffen. 


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209 


„Unb  3ßr  wollt  midj  oon  biefer  5rau  trennen?  Stillt 
waßr,  eg  Wäre  gut!  Sott  idj  ®icß  in  biefen  ®eidj  hinein» 
Werfen?"  Unb  er  f djaufette  fie  in  feinen  Sinnen,  Wie  ein 
fteineg  Sinb.  „  fjärc^teft  ®u,  baß  idj  ®itß  ßineinwerfe? 
—  §aßaßa!  —  Unb  gtaubft  ®u,  baß  icß  ®idj  jur  gürftin 
oon  SoOicj  ernennen  taffen  —  unb  micß  Don  ®ir  trennen 
werbe?  —  baß  idj  ®icß  für  ®eine  Siebe  unb  ®reue  mit 
einer  $errfcßaft  bejaßte  unb  bann  eine  Stnbere  jur  ©attin 
mac^e?  ffürcßteft  ®u  bag?  Sott  idj  ®idj  in  ben  ®eidj 
hinein  werfen?  |>ufcß!" 

Soßanna  umfcßtang  ben  §alg  ißreg  ©atten,  Hißte 
feine  Stirne  unb  flüfterte  ißtn  fanft  in’g  Dßr : 

„SBenn  ®u  micß  enteßrft  unb  oon  ®ir  jagft,  feßte  i(ß 
bocß  ju  ®ir  wieber!  SBenn  ®u  micß  Oor  ®einer  ©attin 
jur  ©taitreffe,  jum  ®ienftboten  erniebrigft ;  fo  biene  icß  ®ir 
unb  liebe  ®idj  bennocß !  3<ß  tann  nicßt  anberg !  .  .  . 

„Daßaßa!  Unb  biefe  wottet  Sßr  mir  entreißen?  §eß, 
SlraHäejeff!  £ierßer!  3cß  ßabe  ffe  gefunben!" 

Sllg  Slrattgejeff  bei  ber  Krümmung  beg  SBegeg  ben 
©roßfürften  erbtidte,  unb  Soßanna  in  feinem  Scßooße, 
wußte  er  gteicß,  Wag  gefcßeßen  War. 

„Sage  ißnen!"  fcßtie  ißm  ber  ©äfareroitfcß  fcßon  oon 
Sßeitem,  feucßenb  oor  ©tregung,  ju,  „baß  icß  mißt  ßingebe 
eine  3rau,  bie  midj  liebt,  für  ein  ganjeg  Sanb, 
bagmidjßaßt!  SBamt  geßft  ®u  mit  ®einem  tttitter  ©atban 
juriicf?" 

„3Kit  ©tlaubniß  ©uer  §oßeit  bleibe  icß  ßeute  nodj  ßier. 
Slber  tttitter  ©atban  ift  fcßon  abgereift;  icß  erfeße  eg  foeben 
aug  feinem  93riefcßen.  ©r  mußte  ficß  bringenb  aug  bem 
Staube  macßen;  bie  ©rbe  brannte  unter  feinen  Süßen, 
benn  fjürftin  goßanna  broßte,  ißn  für  ein  SBort  prügeln 
ju  taffen." 

„3ßn  prügeln  taffen?"  rief  ber  ©roßfürft.  „28ag?  — 
ttRetne  Soßanna  läßt  prügeln?  —  Somme  an  meine 
fft e (ßte,  ©attin!"  Unb  er  ließ  Sfoßanna  jur  ©rbe  nieber 
unb  reicßte  ißr  feinen  redjten  Strm.  Sein  ©lücE  war  oott» 
ftänbig. 

3««i :  grtiSei«.  I.  14 


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210 


„(Meße  nun  rtacß  £aufe,  guter  greunb,  unb  fagebort, 
baß  icß  mir  gärftin  Sobicj  als  legitime  (Mattin  jur  rechten 
|>anb  antrauen  laffe.  Unb  ba  fie  mir  nidjt  nadß  ©t.  ^eter§= 
bürg  folgen  barf,  fo  begleite  icf)  fie  nadj  ©mS.  2)aS  ift  mir 
bocß  woßl  geftattet.  —  fertige  nur  bas  bumme  3eug  aus, 
baS  id)  ju  unterfdjreiben  ßabe!" 

SRit  biefen  SB  orten  entfernte  er  jt<ß;  WaS  er  mit 
3oßanna  nod)  fpracß,  baS  tonnte  man  bor  Söffen  unb 
Sadjen  nicßt  ßören  .... 

$aS,  WaS  SrijfanoWStß  in  ber  ©ißung  bet 
Szojusz  blagatenztoga  berfprodjen  ßatte,  War  gefdje» 
ßen.  2>aS  Unglaublidje,  baß  Qemanb  auf  bie  Sßronfolge 
eines  ber  größten  SBeltreidje  freimiKig  Serjicßt  leifte,  fo  baß 
er,  foßte  eS  ißn  gereuen,  bie  Slbbanfung  niemals  jurüd» 
neßmen  lantt,  bieS  Unglaubliche  War  jur  SBaßrßeii  geworben 
unb  in  Erfüllung  gegangen.  ®eS  SätßfelS  Söfung  war : . 
3oßanna,  wie  eS  ^eneiba  bamalS  erratßen  ßatte. 

®o<ß  Seiner  Wußte  nocß  babon,  außer  3««««/  bie  baran 
betßeiligt  Waren,  unb  ben  alten  Säumen  ringSßemm. 

Unb  biefeS  3bt)H,  WaS  ßat  eS  für  eine  welterfcßütterobe 
Sataftropße  bewirft ! 


XXI. 

fin  größerer  ^err,  afs  affe  anbern. 

SBäßrenb  bie  Serbinbung  bom  „tränen  Sucße"  an 
ißren  weitauSfcßauenben  planen  arbeitete,  ßatten  bie  Ser» 
einigten  bon  ber  „Särenfeule"  ganj  was  StnbereS  auSgeßetft. 
©ie  ließen  bie  ©olbaten  beifeite,  feßrten  bem  Sfinbniß  ber 
Magnaten  ben  Süden  unb  planten  auf  eigene  Sauft.  - 
©ie  nannten  ficß  „Stapoleoniften". 

SBaS  bermocßte  fie,  biefen  fonberbaren  Samen  ju  Wäßlen? 
3e  nun  —  bem  armen  Sianne  lann  man  feßt  leicßt 
glauben  macßen,  baß  fein  ©djidfal  ein  ßarteS  ift.  3«  jener 
Beit  entftanb  bas  ruffifcße  SolfSlieb : 


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211 


„®e§  §e«gott’4  meine  Seele ; 

Sjaren  i(l  mein  Sopf ; 

®eS  fetten  i(l  mein  SR  liefen ! 

SJiein  eigen  nur  fcasi  ®ra6.“ 

SefonbetS  in  ben  lebten  Oier  galten  taftete  bie  £>anb 
©otteS  fdjmer  auf  bent  Sanbe.  ®er  ©oben  gab  nicht  einmal 
bie  ©aat  jutücf,  bie  man  it)tn  anüertraute;  fdjrecfliche  geuer3= 
btünfte  äfcherten  bie  größten  ©täbte  ein;  eine  ©eudje,  bie 
SKientanb  bisher  gelaunt,  fdjtich  fid)  über  bie  ©tenje  unb  Oer= 
leerte  bie  Seoötterung;  —  Quellen  unb  93äd;e  mürben  jur 
©ünbftut  unb  fegten  ganje  ©täbte  im  Slugenbtide  meg; 
Ipeufdjreden,  ©emürm,  oon  beten  -Kamen  unb  2lrt  teine 
Seele  mußte,  tarnen  in  ©djaaren  unb  ptagten  SRenfdjen 
unb  ©ett)ier;  große  ÄriegSfchiffe  gingen  mit  9Rann  unb 
SDtauS  auf  bem  SDteere  ju  ©runbe  —  unb  baS  Stfled  ift 
nur  eine  ©träfe  beS  §immetS,  meit  ber  ©jar  ben  ©riechen 
nicht  ju  §itfe  fommt,  bie  für  ifjre  greitjeit  fätupfen.  ©egen 
SBunber  aber  tonnen  nur  SBunber  f>etfen. 

Unb  biefeS  gahttmnbert  hat  ein  SBunber  in  9Kenf(ßen= 
geftatt:  fein  üftame  ift  „Stapoteon." 

@S  ift  eitet  fiüge,  baß  ihn  bie  ©ngtänber  bei  2Batertoo 
gefangen  nehmen!  ©itet  ßüge,  baß  man  ifjn  auf  ber  gnfet 
@t.  Helena  fefttjatt!  @r  ift  ba,  gut  oerborgen,  man  barf'S 
nur  ntc^t  oerratl)en,  mo?  —  9tur  fo  Oiet  barf  man  toeiter 
oerbreiten,  baß  er  fidj  in  ber  ©egenb  Oon  SrfutSt  aufljätt. 
S3on  bort  ßer  mirb  er  tommen,  fobatb  ber  bittere  ®etdj 
beS  SotteS  bis  jum  Sftanbe  gefüllt  ift  —  er  mirb  bie  SJtäd)* 
tigen  jertreten  unb  altes  Sott  ber  SBett  befreien. 

25ieS  ®erüd)t  ging  um  unb  um  allerorten. 

Unter  ben  SBerbünbeten  üon  ber  „Särenfeute"  mar  ein 
©ipSfigurenmadjer  („unfer  ©anoOa"),  ber  aus  feiner  2Bert= 
ftätte  allein  über  jmeißunberttaufenb  Stapoteonbüften  in  bie 
28 eit  oerfettbete.  —  ®iefe  Süfte  mürbe  jum  ^eitigenbitb  für 
ben  SRujfif,  fie  nahm  bie  ©teile  beS  ©rucifij  ein.  ®aS  mar 
ber  SJleffiaS,  oor  ben  er  mit  feiner  gamitie  betenb  ^infniete ; 
alte  ©rtöfung  oon  feinen  Uebetn  ermattete  er  oon  ihm. 

Stuch  heutäutage  finbet  man  in  üielen  ruffifdjen  Jütten 

14* 


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212 


nod)  biefe  Heine  ©ppsfigur,  ben  querüber  fißenben  tatjn= 
förmigen  §ut  auf  bem  ®opfe,  bie  üerfdjräntten  Strme  auf 
ber  Stuft,  im  langen  SRotf  unb  im  grade  mit  furjem 
Seife.  —  Stodj  üiergig  gaßre  uacß  feinem  Sobe  Warteten  fie 
auf  feine  Stnfunft. 

®§  mar  alfo  ein  lanbläuftgeS  ßofungSWort:  „Sßartet 
nur,  bis  Napoleon  tommt." 

SaS  SSolt  wußte  fi<ß  nur  gu  erinnern,  baß  bie  Herren 
üor  gWölf  gaßren,  als  Napoleon  in’S  Sanb  fam,  gar  fetjr 
erfdßroden  Waren;  ei  wie  gnäbig  waren  fie  bamalS  bem 
Säuern!  —  Sßie  rafcß  machten  fie  ficß  aus  bem  ©taube, 
ißre  ©ißlöffer  als  Seute  gurüdtaffenb.  —  Unb  ©elb  gab 
eS  bamalS  wie  §eu!  —  Kein  SßreiS  galt  gu  ßocß  für  ben 
fjafer  unb  baS  Siorn.  Unb  erft  bie  glängenben  Serfpretßun= 
gen !  Santit  gingen  fie  gar  oerfcßwenberifcß  um.  Fimmel  unb 
@rbe  fagt  man  ben  Stugfif  gu,  baS  ßaben  fie  aber  Stiles 
wieber  öergeffen.  —  Stlfo  er  möge  nur  Wieber  tomnten, 
biefer  SRapoIeon! 

SaS  War  alfo  ber  ißlan  ber  güßrer  bon  ber  „Sären= 
teute". 

Slm  8.  Siooember  ift  —  nacß  ruffifcßem  Äalenber  — 
baS  geft  beS  ©rgengets  SBticßael.  Sin  biefern  Sage  pflegt 
man  am  Sfaatsplaße  unb  auf  bem  ®ife  ber  Stewa  große 
gefte  abgußalten.  Sie  gange  Sebölterung,  Herren  unb  Säuern 
untereinanber,  neßrnen  Sßeit  baran.  SBenn  baS  Stiles  recßt 
untereinanbergemifißt  ift,  unb  eS  brunter  unb  brüber  geßt, 
foU  plößlicß  auf  allen  Straßen  unb  ißläßen  ber  Stuf  ertönen  : 
„Sa  tommt  Stapoleon!"  Sluf  baS  ßin  geigt  ficß  in  ber 
■Stenge,  oon  bem  begeifterten  Solle  auf  ben  ©cßultern  er= 
ßoben,  bie  befannte  ©eftalt  beS  corfifcßen  gelben,  burdj 
Sobujoff  („unjer  StoSciuS")  bargefteEt,  ber  ben  großen 
Äaifer  oortrefflicß  gu  mimen  berfteßt  unb  ißm  aucß  ungemein 
äßnlidj  fießt.  Unb  meßr  ift  nidßt  nötßig.  SDtit  ben  Porten 
„Stapoleon  ift  liier"  tann  man  gang  IßeterSburg  auf  ben 
ßopf  fteüen,  unb  bie  ßawine,  bie  ßier  beginnt,  bleibt  ntcßt 
fteßen,  bis  oor  Stowgorob,  wo  ficß  ißr  alsbamt  bie  alte 
„Stepublit"  unbergüglicß  anfdjließt,  unb  biefe  begräbt  SDtoSfau 


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213 


unb  2l£teS,  mag  biefem  SBorte  miberftetjen  mitt.  Sie  regneten 
mit  33eftimmt£)eit  ouf  biefen  ptan.  —  ®em  Sötte  tarnt 
man  bie  Srei^eit,  baS  Srob  nehmen,  aber  tuage  es  Stiemcmb, 
it)tit  feine  Setuftigungen  ju  fürjett.  lieber  ben  Xag,  an 
Wettern  eS  gemotjnt  ift,  fiep  ju  unterhalten,  öerfügt  feine 
3Jta<|t  ber  ®rbe. 

Slufferbem  mar  ber  ganje  getbjugSptan  audf)  fdjlau 
genug  auSgcbadtjt.  Son  ber  Xfjeilnaljme  baran  mar  Seber 
auSgefdjtoffen,  ber  nur  in  bet  teifeften  Serbinbung  mit  ben 
Herren  ftanb. 

Unb  nodj  ein  anberer  Umftanb  mar  ben  Sermegenen 
günftig.  ®ie  Sterna  mar  biegmal  fdjon  um  bie  SDtitte  Dctober 
jugefroren,  unb  barauf  folgten  fortmätjrenb  ftarte  gröfte, 
aber  eS  mar  nodfj  fein  Schnee  gefallen,  mie  er  in  ben 
anberen  Sauren  bereits  im  Stoöember  bie  tpnugbädjer  fufj= 
ljodj  bebedt  unb  erft  im  SJtai  ju  jerflieffeit  anfängt.  ®g  mar 
atfo  gar  nictjt  ferner,  bie  Stabt  an  mehreren  Stellen  in 
SBranb  ju  fe|en,  mag  fonft  im  SBinter  in  Petersburg  nidjt 
fo  leidet  angelt,  mie  in  SRoSfau,  mo  eS  oiete  §otjf)äufer 
gibt.  —  SEßenn  baS  geuer  an  jetjn  Drten  jugteidj  auSbridjft, 
ift  bie  Sermirrung  üotlftänbig. 

2tn  biefem  Sage  t»at  ber  Sfaatsptafj  ganj  baS  3tug= 
fetjen  eines  Sltarftpta$eS  am  ®ird)tage.  (®aS  geft  beS  @rj= 
engetS  SJtidjaet  mürbe  bamatS  nodfj  ba,  unb  nidjt  auf  bem 
9RarSfelbe  abgef)atten.)  Stuf  bem  fonft  öben  pta|e  ergebt 
fidj  in  einer  Siadjt  eine  ganj  neue  Stabt,  ganje  Straffen 
»on  Suben  reifen  fidfj  einanber  an,  unter  biefen  f)at  fidj 
attentfjatben  ber  ©rofjöater  ber  Suben,  baS  ootfStfiümticlje 
Xtjeater  niebergetaffen.  Unb  maS  für  Xljeater!  fpotjpuppen, 
bie  fo  fpielen,  mie  ridfjtige  SfRenfdjen,  unb  ganje  Sdjlad)ten 
auptjren.  Unb  jene  ganje  Sdjaar  ber  Sünftter,  beren 
Patron  nidfjt  Slpotto,  fonbern  Pan  ift,  bie  baS  Sott  jer= 
ftreuen,  bie  meber  grofje  fetten  nodj  feinfühlige  ©etelirte 
eintaben,  iljte  aus  Brettern  jufammengefd^tagenen  §eitig= 
tpmer  mit  iljrem  SöefucEte  ju  beehren,  fonbern  auf  SKärfte, 
«öleffen  unb  gefte  manbern,  unb  eS  nidjt  unter  iprer  Sßürbe 
eradjten,  jum  Sötte  nieberjufteigen  unb  mit  iljrer  abgejogenen 


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214 


©«heüenfappe  bie  $upferfopefen  einjufatnnteln.  ®te  ©ctreuen 
beS  VolfeS :  bie  Vajajjo’S,  bie  nicht  fo  oertoegen  finb,  [üt 
bie  Unfterbtidjfeit  arbeiten  ju  tooHen,  fottbern  üotlfommen 
jufrieben,  Wenn  fie  ficfj  beute  tfjre  geftrige  2Birtb§t)auS= 
re«hnung  oerbienen,  unb  trogbem  gerabe  fo  gut  fpieten,  toie 
Xalnta  ober  ÜJiacreabt).  ©ie  effett  SBerg,  sieben  ganje 
Knäuel  ^mbernbänber  aus  ber  9tofe,  berfcfjlingett  glühenbe 
lobten  unb  ft^arfgef<f»Iifferte  ©äbet  unb  fragen  fidfj  mit  ben 
Beben  if)te  Obren.  ®ieS  macht  ihnen  toeber  «Sultiüan,  noch 
®ean,  felbft  ®imitriefsft)  nidljt  nach,  ber  bo«h  berühmter 
afö  SBeibe  ift ! 

Sn  einer  Vube  geigt  man  baS  tr>at»rt(aftige  Sßaffer» 
mäbthen,  toeldjeS  einen  Sifdjfdjtüanj  bot,  fidb  oon  lebenbigen 
gifdben  nährt  unb  nur  „Ißapa,  -äßama"  rufen  fann.  Unter 
einem  anberen  Bette  toirb  ju  Ehren  t>es  feiltanjenben  Ete= 
pbanten  bie  grofje  Xrommel  gerührt;  neben  ihm  fletfdjen 
oierhänbige  SEBalbmenfchen  ihre  Böhne.  Stuch  ift  hie*  bie 
SRiefenbame  ju  fehen,  unter  beren  9l«hfel  auch  ber  gröfjte 
•Kann  hinburdjgehen  fann,  obgleich  fie  feine  ©«hülfe  mit 
hohem  Slbfahe  trägt,  unb  auf  Verlangen  geigt,  ba|  ihre 
SBaben  ni«ht  auSgeftopft  finb.  ©ingenb  erjäljtt  ber  Snh®f*er 
eines  ißanorama’S  bem  ftaunenben  ißublifum  Oon  großen 
©chtadhten,  Eruptionen  beS  Vefuü,  ©eeftürmen  unb  grä|= 
liefen  SKorbgefdhi^ten,  beren  getreues  Slbbilb  in  feinem 
Etabliffement  für  jtoei  Sopefen  ju  fehen  ift.  SGBie  jahtreid) 
finb  erft  jene  ©enüffe,  bie  unter  feinem  ®a«he  oerborgen 
finb!  $ier  fpielt  ein  2rupp  $orniften,  oon  toetdhen  je  ber 
einen  anberen  2on  bläft,  mie  bie  pfeifen  ber  Orgel,  unb 
bo«h  toirb  eine  SMobie  barauS;  bort  fingen  unb  tanjen 
Bigeunermäbchen;  minbmühlartige  ©«häufeln  bur^f«h»irren 
mit  ihrer  jau^enben  Saft  bie  Suft,  toährenb  feftlidh  gepufcteS 
Volf  in  ©glitten  unb  @^littf«huhen  auf  ber  fpiegetglatten 
fRutf^bahn  bahingleitet.  ®o«h  h»<h  erhaben  über  alle  biefe 
irbifchen  Vergnügungen,  groifdEjen  bem  Xhurme  ber  SfaafS= 
firdje  unb  bem  Vatcon  beS  SlbmiralitätSgebäubeS,  ift  ein 
©eil  gefpannt;  über  biefeS  toirb  ber  ©eütänger  in  einem 
©«hiebfarren  fein  Söhnten  hinüber  führen. 


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215 


Xo He  Saune  tjerrjc^t  unter  bent  SSoIfe!  Xie  Santo* 
waten  Werben  nidjt  ntübe,  ben  heißen  Xfye  ju  fpenben,  unb 
wer  gut  ju  leben  üerftet)t,  üerfdflingt  unmittelbar  nad)  bem 
%f)ee  ganje-  Serge  üon  gepudertem  ©ife  unb  faljigen  ®ur= 
!en,  laufdjt  ben  Siebern  ber  SolfSfänger,  fingt  felber  mit, 
unb  Wer  feine  breifantige  Salalajfa  mit  fid^  braute,  muficirt 
aud)  bapu,  WaS  woljl  leine  große  fö'unft  erforbert,  ba  biefeS 
Snftrument  nur  pWei  Saiten  tjat. 

®o<h  nicht  nur  ber  fßöbel  unterhält  fidf  tjeute ;  aud) 
bie  §errenllaffe  in  üoüem  ißompe  lam  auf  bie  Straße. 
3war  hat  man  bafür  geforgt,  baß  baS  fdjwarpe  Soll  (ber 
Csort  narod)  mit  ben  $errfd)aften  in  feine  Serüßtung 
fomme.  3«  biefem  $wede  ift  ber  „©ommergarten"  abge* 
fdjloffen,  unb  bort  futfdjirt  im  Stonbeau  bie  oorneßme  SBelt 
in  ben  üerfd)iebenartigften  Equipagen,  »om  Satarbe  bis 
jum  nationalen  fßrolebotfi,  um  ißre  tßeuren  ?ßelje  unb 
Sologneferßünbdjen  bewunbern  pu  laffen.  ®aS  ©iS  ber  SteWa 
bagegen  ift  üon  taufenb  unb  taufenb  ©erlitten  bebeeft;  ete= 
gante  üergolbete  ©glitten  mit  engtifdfjen  SoHblutrennern 
unb  einfache  Sapplänbifdje  gußtwerfe,  üor  Weld)e  SRenntßiere 
mit  breiten  Römern  gekannt  finb,  butdjfreujen  naef)  allen 
^Richtungen  ben  Spiegel  beS  Stromes.  ®aS  Sabel  beS 
StorbenS  ift  üottjäßlig  beifammen. 

SBenn  eS  bann  Slbenb  wirb,  ba  erleuchtet  bengatifcfjeS 
Seuer  bie  ^erraffe  beS  fßaüiHonS ;  Scheiterhaufen  üon  Sech 
lobern  f)eH  auf,  unb  baS  Silb  beS  lärmenben  SollSfefteS 
wirb  burd)  ein  üielfärbigeS  Steuer  noch  belebt. 

Stach  biefem  geuerwerfe  Werben  üon  ber  ©itabeße 
brei  ®anonenfd)üffe  baS  Beidjen  geben,  worauf  im  Sturme 
alle  ©loden  pu  ©hren  beS  ©rpengelS  SDtidjael  erflingen. 

S)iefe  brei  ®anonenfd)üffe  unb  baS  ©lodengelaute 
wirb  auch  ben  Serfdjwotnen  purn  ©ignal  bienen,  ©obalb 
fie  ertönen,  Werben  fie  mit  bem  Stufe:  „$ier  ift  er! 
$ier  ift  Stapoleon!"  mit  ihren  SReffern  unb  fjadeln 
herüorftürjen.  ©obatb  fie  fich  in  bem  burd)  ben  ©lodenlärm 
unterbrüdten  @d)tad)tengebrüHe  mit  bem  fperrenüotfe  unb 
mit  bem  SJtilitär  üermifcht  haben,  wirb  eS  ihnen  ein  Seid)* 


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216 


te3  fein,  im  aßgemeinen  ©f>ao§  in'3  @<f)toß  gu  gelangen 
unb  Seben  $u  ermorben,  —  bon  bem  ba§  „SWefferlieb" 
fingt. 

mar  eine  flare,  abgemad£)te  @a<f)e. 

SRacfjmittagS  ert)ob  fi<|  bon  ber  ÜReerfeite  tjer  ein 
ftarter  fübmefttidfjer  SBinb,  ber  biete  Vergnügungen  ftörte. 
$mar  ift  tjier  Sebermann  auf  berlei  gefaxt;  memt  ein  Sßetj 
nid&t  genügt,  jie^t  man  jmei  an.  Stber  ben  armen  ©omö= 
bianten  berurfadfjte  ber  SBinb  großen  ©dfjaben;  er  marf  itjre 
Jütten  um,  baß  fie  itjre  unterf>altlid()ften  ©tüde  unterbrechen 
mußten.  Ser  ©eiltänjer  magte  gar  nicht  feine  tjatöbredEje* 
rifctje  Sour  anjutreten,  benn  ber  SBinb  hätte  ihn  mit  feinem 
@öt)n<f)en  mie  ein  paar  Stiegen  tjerabgebtafen.  9tudh  bie 
futfdhirenben  Samen  im  ©ommergarten  tlagten,  baß  ber 
SBinb  bie  ©dreier  bon  ihren  §üten  reißt.  8tm  2lßgemein= 
ften  aber  mar  bie  Stage  über  bie  borauSfichtliche  Vereite* 
lung  be§  SeuermerteS,  benn  außer  bem  bengatifdfjen  Scuer 
unb  ben  Seuerräbern  mirb  nichts  getingen. 

©egen  Stbenb  mu<f)§  ber  SBinb  ju  einem  Drfane  heran. 
s$töfctidh  erbröhnten  bon  ber  ©itabefle  bie  Sanonen,  unb 
ju  gleicher  Seit  ertönten  bie  ©loden.  Sreihunbert  ©loden 
auf  einmal !  SaS  ift  bann  ein  ©arißon! 

Sie  Sanonenfatben  übertönten  baS  ©todengetäute. 

SaS  Votf  pflegte  bie  ©dhüffe  ju  gälten. 

Srei  ©atben  maren  baS  ©ignat  für  baS  Stbbretmen 
beS  bengatifchen  %eutx%. 

Sodt)  bie  Sanonen  bonnerten  meiter. 

2ttS  baS  Votf  ©inunbjmanjig  gä^tte,  frugen  ftd^  bie 
Seute  :  „SBie?  ift  bießeidfjt  im  SBinterpatafte  eine  ^ßxingeffin 
geboren  morben?" 

Sich  nein!  Sie  Sanonen  bonnerten  meiter. 

Veint  fünfgigften  ©<f)uffe  glaubte  man,  baß  bieS  ju 
©hren  einer  gemonnenen  ©eefdhtadht  gefcljetje. 

Sodf)  bie  Sanonen  bonnerten  meiter  jmifd^en  bem 
Vraufen  ber  ©toden. 

911S  ber  ©rjfdhtunb  ^unberteinmat  gerebet,  frug  man 
fidt)  :  „Stber  ift  benn  heute  ber  ©eburtStag  be§  ©jaren?" 


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217 


Slucb  ba§  nicht!  ®a3  metallene  Ungeheuer  bonnerte 
weiter  :  tjunbertjtoei,  ^unbertbrei,  {junbertoier.  —  Seim 
bunbertfünften  ©djuffe  frug  Seiner  mehr,  Wa3  ba§  beben» 
tet!  Stber  ine  ganje  ©tabt  fc^rie  öerjWeifelt  auf,  mit  einer 
Stimme,  weldje  ba#  ©ebrüfle  ber  brei^unbert  ©loden  über» 
fdbaflte : 

„§ier  fommt  er!  ®r  fommt!" 

5ttber  nicht  „Stafwteon  fommt,"  fonbern  ein  öiel  grö» 
lerer  §err  :  b'er  Stewaftrom!  ®r  fommt  jurüd  unb 
bringt  mit  fidj  ba§  SDfeer!  ®a§  ganj  jerftüdelte  ©iSrneer 
mit  feinen  Srbftafibarrieren,  feinen  SBeHenf^anjen,  eilig, 
im  ©turmfd)ritte,  tofenb,  brüßenb,  fcbmetternb. 

®a3  bebeutete  ba8  unaufhörliche  Sanonenfdbiefjen  öon 
ber  ©itabeße. 


Slfe  ©jar  Seiet  I.  feine  S^ee,  in  ber  SKitte  ber  fin» 
nifdjen  SKoräfte  eine  SBeltftabt  ju  erbauen,  ju  öertoirflidjen 
begann,  unb  bie  UrWälber,  Welche  ben  Sta|  ber  heutigen 
Salaftreiljen  einna^men,  auörotten  liefj,  fanb  er  eine  alte 
Siebte,  in  beren  Sftinbe  tiefe  Sinien  eingefdjnitten  waren. 
,,%3a§  bebeuten  biefe  Sinien?"  frug  er  einen  alten  Sanb» 
mann.  „®iefe  Sinien  be jeidbnen  bie  SBaf ferböbe 
ber  SRewa,  Wenn  fie  ihre  Ufer  berläfjt  unb  bie 
ganje  ©egenb  überfdbwemmt."  —  ®er  ©jar  liefe 
Saum  unb  Sauer  niebertjauen;  unb  bodj  Ratten  Seibe 
wahr  gefbrodjen.  ®ie  Sterna  blieb  ber  gef^Worne  SBiber» 
facljer  ber  mächtigen  ©jarenftabt. 


3a,  fie  fommt  rüdwärtö  fliefjenb,  fie  bat  ibr  Sflufebett 
berlaffen  unb  wädjft  riefig  an  :  eä  ift  nidjt  mehr  bie  Stewa, 
fonbent  baS  3Jteer  —  baö  bittere  2Jieer  in  feiner  fcbauer» 
lieben  ©röfee!  Unb  wenn  ba§  SBaffer  wieber  abfäßt,  fo 
Werben  bie  SKauern  ber  ?ßalnfte  —  fo  weit  ba§  SBaffer 
reidbte  —  mit  ©alj  überjogen  fein. 

®ie  fdblittenfabrenben  §errf^aften  auf  bem  ©ife  ber 
ÜRewa  fonnten  bie  ©röfje  ber  ©efabr  juerft  ermeffen.  ®ie= 
jenigen  bon  ihnen,  bie  ficfe  auf  baS  rechte  Ufer  lüfteten, 


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218 


fonnten  fidfj  gtüdflidj  fdjdjjen,  bentt  bort  war  bie  ©trafje 
rein,  abex  Sette,  benett  ba§  linfe  Ufer  näljer  war  uttb  bie 
bort  an’S  Sattb  gelangen  wollen,  Sene  trugen  rafenbett 
©Freden  in  bie  iReifyen  ber  nidfjtSaljnenben  unb  int  gefteS» 
taumel  befangenen  SBolfSmenge :  „Die  Slewa  fommt!" 

Diefer  SluSruf  genügte,  bie  äRutfjigften  beftürjt  ju 
matten  unb  bie  geigen  oor  gurdfjt  ju  tobten;  .  bemt  Oor 
biefer  ©efatjr  gibt  eS  feine  fRettung.  Sßenn  bie  SteWa  jürnt, 
fo  überfdjwemmt  fie  bie  ganje  ©tobt,  unb  Wer  oor  iljr 
fließt,  begegnet  itjr  jenfeitS  ber  Straffe  Wieber. 

Die  SBeftürjung  würbe  allgemein.  Die  üielen  SBagett 
fonnten  aus  bem  eingejäunten  ©ommergarten  nur  burcf)  eine 
fßforte  in’S  greie  gelangen  unb  ftauten  fidj  bei  biefem  Dtjore 
an.  Diejenigen,  wetdje  enbltd)  mit  großer  9Mf)e  bie  Strafe 
erregten,  gerieten  in  bie  SRitte  be§  fimtloS  brängenbett 
83olfSfnäuel§,  ber  fie  mit  fid)  trug,  ofjne  fRüdfidf)t  auf  baS 
SBappen  ber  SBagentpr  unb  ben  betreffenben  ßafai  auf 
bem  Kutfdfjbode;  ba  gab  eS  feinen  gürften  unb  feinen  SRu= 
fdjif,  nur  erfcbrocfene  2Renfcf)en.  Unb  beoor  fie  fidfj  oon 
einanber  loSmadjen  fonnten,  War  bie  glut  ba. 

Der  erfte  3Belfenf(f>lag  Warf  bie  Suben  am  SfaafS* 
plafce  untereinanber.  Die  au§  ben  Kneipen  aufgefdlpedten 
3ec§er  famen  Wef)flagenb  tjerüor;  fie  fletterten  auf  bie 
Dädjer  ber  SRarftbuben  unb  fcftrieen  um  §ilfe.  Die  fRiefen* 
bame  ftredte  beim  Dadje  il)reS  $elteS  Kopf  unb  jpcinbe 
^inau§ ;  fie  War  am  meiften  erfc^roden.  Die  als  Slffen 
üerfleibeten  ©omöbianten  liefen  auf  iljre  SRaftbätune  hinauf; 
auch  baS  SBaffetmäbdfjen  Ijatte  feine  güfje  gefunben  unb 
bemühte  fidj,  oljne  gifdfjfdfjWanä  auf’s  Drodene  ju  gelangen. 
Der  ftubirte  (Sleptjant  watete  brummenb  burd&’S  ®otf  mit 
feinem  §errn  auf  bem  SRüden,  unb  bie  fRaubtljiere  ber 
SRenagerie  fdjrieen  wie  in  ben  Urwälbern.  ©leid|fam  als 
©atire  biefer  ©djredenSfcene  liefe  ber  auf  ber  Deraffe  beS 
©ommergartenpaüillonS  placirte  geuerwerfer  feine  rotten 
unb  grünen  bengalifdjett  geuer  abbrennen,  fo  baff  baS  SSilb 
ber  ©ünbflut  Weithin  fidjtbar  Würbe.  ÜRur  er  fetbft  unb 
fein  ©efyitfe  fallen  nichts,  weil  fie  ootn  ©lanje  geblenbet 


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219 


mären.  (Srft  atg  bag  feftlidfee  ©todengelüute  in  notfefüubenbeg 
(Summen  umfdjlug,  unb  aucfe  fie  bie  ©efafer  erfonnten  :  ba 
beeilten  fie  fidfe  ifere  geuer  augjulöftfeen,  unb  bie  ganje 
Stobt  mar  finfter.  3)enn  ber  Sturm  geftattete  nidfet,  bie 
Samten  anjujünben  unb  bie  ©Briefen  morfen  bie  Samten» 
träger  um. 

3>n  ben  (£ljao§  unb  ber  ©efafer  featte  nocfe  bie  ginfter» 
nife  gefehlt!  Unter  bag  fimtlog  bafeinftürmenbe  SBolf  mar 
aucfe  gürftin  ©feebimin  mit  93etf»f  aba  geratfeen.  Stad) 
ruffifdfeer  SSJiobe  mären  an  iferen  SSJagen  jmei  Sßferbe  öor= 
einanbergefpannt. 

®a§  erfte  ?ßferb  mar  faum  ju  bänbigen.  Sefonberg 
ein  fo  feuriger  englifcEjer  §engft,  mie  it»n  bie  gürftin  f»eute 
einfpanneit  liefe.  Sie  moHte  jeigen,  bafe  ifer  ©efpamt  nodfe 
eleganter  ift,  alg  bag  $eneibeng.  Sie  featte  aber  ifjrert 
.ßmedf  nidfet  erreicht,  benn  gräulein  glmarinen  mar  auf 
bem  Solfgfefte  gar  nicfet  erfdfeienen. 

„gafere  in  eine  Stebengaffe  feinein!"  befafel  bie  gürftin 
iferem  ®utfcfeer. 

$a§  mar  teicfet  ju  befefelen,  aber  fdfemer  augjufüferen. 
®ag  Soll  umgab  fie  üon  aßen  Seiten. 

„Steige  ab!"  befafel  fie  nun  iferem  Säger,  „unb  madfee 
ißlafe  unter  bem  ißöbel." 

®er  Säger,  ein  riefengrofeer  finnlänbifdfeer  Surfdfee, 
ergriff  bag  üorbere  ißferb  beim  ßaume,  unb  mit  ber  SRedfe» 
ten  ben  SRufdfeifg  Scfeläge  augtfeeileub,  moHte  er  ben  28a= 
gen  auf  biefe  91rt  burdj  bie  3Jtenge  geleiten.  9tun,  beim 
SOtufcfeit  gefet  eg  nodfe  an,  als  Sauer  ift  er  an  bie  Prügel 
gemöfent;  aber  bag  Sdfemifepferb  feat  eblel  Slut,  unb  ber 
englifdfee  SRenner  läfet  fidfe  nidfet  am  3aume  feerumjerren. 
Stuf  einmal  öerfefete  er  mit  feinem  Jpufeifcn  bem  Säger 
einen  foldfeen  Stofe  auf  ben  Kopf,  bafe  biefer  bemufetlog 
jufammenftürjte. 

„2Bag  fangen  mir  jefet  an?"  frug  bie  gürftin  er» 
fcferedt,  unb  meinte. 

„Scfe  meife  eine  Jpilfe,"  fpracfe  Setfefabd.  „$ag  Seit» 
feilpferb  fann  öom  Sattel  aug  geleitet  merben." 


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220 


„®odj  Wer  Wagt  eg  ju  befteigen?"  frug  tjänberingenb 
bie  Sürftin. 

„3dj!"  antwortete  Setljfaba.  ,,3d)  bin  bag  Seiten 
gewohnt." 

,,©ut!"  fpradfj  bie  Sürftin. 

©ie  War  oor  Slllem  egoiftifdj.  ©ie  überlegte  nidjt,  baß 
Setfjfaba,  um  jum  oorbern  ißferbe  ju  gelangen,  bis  über'g 
Snie  burct)  bie  ©igftut  waten  muß  unb  im  teilten  gebräm* 
ten  UeberWurfe  fidj  augfejjt  bem  grofte  beg  ©turmeg  unb 
einer  watjnfinnigen  Sötaffe,  bie  im  ginftern  feinen  ©ott  unb 
feinen  $errn  fannte!  Stuctj  oergaß  bie  Sürftin  ©tjebimin, 
baß  Sett)faba  fd^ließlicf)  eine  Söniggtodjjter  ift,  bie  itjr  nidfjt 
begfjalb  anoertraut  Würbe,  baß  fie  bei  Ujr  Sorreiterbienfte 
üerridjte. 

©ie  fagte  ju  iljr  :  ,,©ut!" 

hierauf  warf  bag  SRäbcben  itjren  mit  SJtarberfelt  ge= 
fütterten  ißetj  ab,  fprartg  oom  SBagen  in'g  SBaffer,  lief 
tjin  jum  erften  ißferbe,  rief  eg  fdjön  bei  feinem  Samen, 
ftreie^ette  feinen  Staden  unb  War  mit  einem  ©a$e  auf  bem 
Süden  beg  ißferbeg,  bag  Seitfeit  atg  gaum  benü$enb. 

3e|t  fonnte  man  geljett. 

®ag  Stäbchen  bat  mit  fanfter  Stimme  bie  oorWartg 
®rängenben  :  „Sieber  Setter!  3$  bitte !  ©ott  fegne  $)idj!" 
unb  bieg  nü|te  meljr  atg  bie  ©ewatt.  3)ie  Seute  malten 
i£>r  ißtafc,  unb  eg  gelang,  bie  Äutfdfje  in  eine  Stebengajfe 
ju  bringen,  welche  nod)  oon  feiner  flieljenben  Sotfgmenge 
bebedt  war. 

Slber  aud)  bag  Ijatte  feine  Urfadje,  baß  iljnen  fein 
•Btertfdfj  begegnete.  SBeit  fidfj  bie  Stut  fcßon  in  ber  Sadfjbar» 
gaffe  einen  23eg  gebahnt  Ijatte!  3fe  weiter  fie  oorbrangen, 
befto  größer  würbe  itjre  ©efaljr. 

®ie  SBogen  fdfjtugen  fefjon  in  ben  SBagen  hinein  unb 
bie  Sürftin  mußte  fidj  auf  ben  ®utfdfjenfi$  ftetten,  bamit 
iljre  Süße  nidjt  feudjt  Werben,  ©ie  fonnte  eg  tljun;  botß 
Setßfaba  würbe  oom  ootwättggatopfnrenben  Stoffe  ooffge» 
fprifet,  unb  bie  SBetten  fdjtugen  fortwütjrenb  big  an  ißre 
Äniee  Ijinan. 


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221 


„SBetttt  Wir  nur  auf  ben  SteWätl)  tßrofpecÄgetangen 
fihtnten!"  feuchte  bie  gürftin.  „©(et!  eilet!  ®ort  ift  in 
ber  9täf)e  unfer  ©cfjtofj." 

©ibtidj  getaugten  fie  bort^in;  bodj  Wetdjer  Stnbticf 
bot  ficf)  if>nen  bar!  Sttö  ob  fie  bie  Stewa  fetbft  öor  ficf)  ge» 
fefjen  hätten,  Wenn  fi<b  baS  IreibeiS  in  ^Bewegung  fefct. 
§ier  war  nicht  allein  SBaffer,  fonbern  auch  ©3.  Stuf  bem 
pnftern  SSafferfpieget  fcbwantmen  grofie  ©Stafeln.  ®urdj 
ben  2Roita=$anat  fant  ihnen  bie  gtut  juoor. 

„^eiliger  ©jenget  aRidjaet!"  ft^rie  bei  biefem  Stnbtide 
ber  $utfdjer.  „©rette  un8  an  beinern  StamenStage!" 

„Sete  je|t  nicht,  fonberrt  treibe  bie  ißferbe!"  ^errfc^te 
itjit  bie  gürftin  an. 

„S3on  hier  fann  unä  nur  ber  ©get  ober  ber  leufet 
retten!" 

„Sette  nidjt!"  fd)rie  bie  gürftin,  ben  ®utfdjer  auf 
ben  Sopf  fdjtagenb.  „geh  oertraue  Weber  ©ott  noch  bem 
üeufel,  nur  meinen  guten  ißferben,  bie  mich  auch  gtüdlid) 
heimführen  werben.  SorWärtä,  oorWärtä!" 

Unb  bie  grau  fdjtug  ben  Äutfdjer,  ber  Sutfdjer  ba§ 
ißferb,  ba§  ißferb  fc^tug  ba§  empörte  ©ement.  Stile  brei 
jürnten.  Stur  bie  Äönigätodjter  betete :  „SRein  ©ott!  mein 
tieber  ©ott!  fdjicfe  un§  einen  Stetter!"  6ie  füllte,  bafj 
fie'3  nicht  lange  mehr  ertragen  wirb;  ihre  ©lieber  erftarren! 


®Blt  )r»  tr|ltn  ßanic». 


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®ru< f  ton  £.  3f.  2Biganb  in  ^refjfcnrg. 


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9k 


ober 


Jas  grüne  Jßucll. 


$iftorif<$er  9t  o  m  a  n 


OOtt 

SöfauruS  ^dfoi 


%m\ttr  Haiti. 


SB  e  r  lag  tioit  Sari  Stampfet 
187©. 


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XXII. 

gex  geufet. 

vßlöfcfidj  erleuchtete  ein  Ijefler  Schein  bie  bunflen 
SBetlen;  ein  blutroter  Stra()(  brang  au§  ben  Iio^en 
Läuferreihen  ^erbor. 

2Iu§  ber  SJlebengaffe  fam  ein  Sa(jn  ^etbor.  3m 
<3<biffSfcbnabe(  War  eine  gadel  befeftigt.  3wei  SJiänner 
ruberten;  einer  mehrte  mit  feinem  langen  späten  bie  @i3= 
ftüde  ab  unb  ein  bierter  faß  am  Steuerruber.  3«  ber  äRitte 
beS  «SaßneS  ftanb  eine  grau,  beren  Sopf  unb  ©eficfjt  bom 
Safdjlit  ganj  öerbedt  War,  unb  bie  fidj  bamit  befaßte, 
baß  fie  eine  ©ruppe  größerer  unb  {(einem  Sinber  in 
Solen  widelte,  SiSquit  unter  ißnen  berttjeilte  unb  fie 
beruhigte,  baß  fie  nicht  fo  biet  nach  „tpapa"  unb  „Saba" 
rufen  foüen.  (®ie  ruffifdjen  Keinen  Sittbet  fagen  „Saba" 
anftatt  „SRama".) 

(Papa  unb  Saba  nehmen  nämtidj  bie  Sinber  nicht 
mit  auf’3  SoItSfeft,  fonbern  fperren  bie  armen  SBürmdjen 
in  ifjrc  SBofjnungen  ein,  bebor  fie  Weggehen.  SBenn  bann 
ein  Unglüc!  entfteßt,  fo  rettet  fidj  tpapa  unb  Saba;  was 
gef(ßießt  aber  mit  ben  Steinen?  Sricfjt  geuer  aus,  fo  ber= 
brennen  fie,  fomrnt  aber  nur  bie  Ueberfcßtoemmung,  fo 
fdjidt  ®ott  einige  gutßerjige  tperrdjen,  bie  ficf)  ein  Ser» 
gnügen  barauS  machen,  bie  eingcfdjloffenen  Sinbcrdjcn 
burch  bie  ffenfter  unb  Sobentuden  ju  retten :  biefen  $er= 
reu  ift  baS  ja  berfetbe  Sport,  wie  j.  S.  bie  (Sntenjagb! 
—  2tud)  biefer  Saßn  ift  ganj  mit  Sinbern  gefüllt. 

®ie  (ßontoniere  bemerken  bie  mit  ber  3(ut  fämpfenbe 
Sutfdje;  fogteid)  nahmen  fie  borttjin  ihre  (Richtung.  $ie 

1* 


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4 


garfet  flatterte  Sunfen  fprütjenb  im  ftarfen  SBinbe,  unb 
umgab  mit  einem  geuerfdfjeine  baS  ®efid)t  beS  jungen 
2JtanneS,  ber  auf  bem  S3orbertf)eite  beS  ©chiffeS  ftanb  unb 
fic^  auf  bem  fchmarjen  Sßafferfpiegel  gtei<^  einem  gelben 
auS  bem  Sagenreich  näherte. 

$ie  ©iSmaffen  Inartten  unter  bem  borbringenben  Sahne. 
®er  Jüngling  jtoängte  feinen  ißenton  burd)  bie  ©iS» 
maffen,  bis  er  bie  ©quipage  erreichte. 

@S  tuar  bie  t)ö<hfte  3eit,  benn  ©ethfaba  fonnte  fi<h 
faum  mehr  auf  bem  ißferbe  erhalten.  ®er  Säugling 
jauberte  nicht  lange;  rafdj  umfaßte  er  bie  Saitle  beS  frie» 
renben  3ßäb<henS,  melcheS  mit  ihren  beiben  §änben  feinen 
Slrm  ergriff,  unb  im  nächften  Slugenblicfe  mar  ©etljfaba 
fdjon  im  Sahne. 

©etljfaba  blicfte  bem  Süngting  in  bie  Stugen;  in  bie= 
fern  Stugenblirfe  lernte  fie  bie  SBonne  lennen,  meldje  barin 
liegt,  menn  ein  SRenfdj  in  ben  Singen  beS  anbern  feine 
©eele  berliert.  ©inmal  mar  fie  bem  Seuer  biefer  Slitgen 
fdjon  begegnet;  bamalS  hotte  es  nur  ihre  Stügel  berfengt, 
je^t  aber  mürbe  ihr  £erj  ein  Opfer  biefeS  ©litfeS. 

„füllen  Sie  baS  SRäbchen  in  biefen  ißelj ! "  fpradj  bie 
in  ber  SKitte  beS  SahneS  ftehenbe  ®ame  jum  SRann,  unb 
marf  ihren  eigenen  ©elj  auf  baS  ttor  Satte  jitternbe  SRäbdjen, 
bann  näherte  fie  (ich  bem  SSagen  unb  reichte  ber  barin* 
fi^enben  ®ame  ihre  |»anb.  $ajmifdjen  fiel  ber  ©afdjlif 
bon  ihrem  Sopfe  jurütf  unb  ©ethfaba  ertannte  ihr  ©ejidht. 
®aS  ift  ber  leufel:  baS  ift  geneiba  Stmarinen! 

Sluch  bie  Sürftin  erfannte  fie. 

SBie  eine  gurie  ftiefj  fie  mit  mitber  Seibenfchaft  bie 
$anb  ihrer  Seinbin  jurücf  unb  fdjrie  heifer  bor  ©rregung : 

„Sort  bon  hier!  3<h  braune  3hre  §ilfe  nicht!  Sieber 
in  bie  ©isflut,  als  ju  Shnen  in  bie  §öüe!" 

®ann  rifi  fie  auS  ber  §anb  beS  SutfcherS  bie  ißeit= 
fche  unb  hieb  bamit  auf  bie  ißferbe  ein.  $iefe  raften  mitb 
in  bie  tobenbe  glut  hinein,  ben  f<häuntenben  SSogen  ent» 
gegen,  melche  fdjon  an  ihre  ©ruft  reiften.  3eneiba’S  §ilfe 
moHte  fie  nicht! 


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5 


2)odj  Setljfaba  blieb  bort. 

Sie  bebte,  nid^t  nur  öor  Säfte,  fonbem  aud)  öor 
bem  fdjrecflidjen  ©ebanfen,  bafj  fie  bem  tEeufel  in  bie 
§änbe  gefallen,  ©cfjon  entführte  er  fie  afö  feine  Seute. 

Sicher  gab  er  iljt  begljalb  feinen  ißelj,  um  fie  befto 
getoiffer  |olen  ju  fönnen.  SBie  gut  »arm  ift  biefer  ißeij; 
er  ftammt  fidler  auS  ber  §öHe. 

„Sie  »erben  fidlj  erfälten,"  fagte  ber  ©tann  mit  bem 
§afen  ju  3ene'^a- 

„Sdfj  »erbe  rubem,  um  mich  ju  er»ärmen,"  erwiberte 
fie,  ergriff  mit  ihren  neroigen  $änben  bie  SRuberftange  unb 
arbeitete  bamit,  bajj  fidf)  ihr  Sufen  ftürmifdh  ^ob  unb  fenfte. 
©o  ntadfjen  eg  bie  Xcufcl,  »enn  fie  mit  ihrem  Staube  baljin* 
eilen.  ®ic  bieten  Sinber  führt  er  fidler  aud)  in  bie  jpötle. 

®er  Ißonton  glitt  mit  SBinbegeile  burcf)  bie  finftern 
©affen. 

©nblidfj  tarnen  fte  ju  einem  grofjen  ©arten,  beffen 
©lauer  bie  2Bogen  aufseiten.  Setljfaba  erfannte  biefeg 
bunte,  bergolbete  ©ifengitter.  |)ier  »urbe  ber  §irfcf) 
erfdjoffen,  ben  fie  im  üergangetten  grühiafjre  jagten.  ®er 
fEeufet  fü^rt  fie  in  feine  §öl)(e ! 

Sor  ber  ©djtoeHe  beg  ©c^loffeS  lanbet  ber  Saljn, 
benn  bag  SBaffer  bringt  big  jur  ©larmortreppe.  $odj  bie= 
fe§  ©chlojj  ift  ein  fixerer  3uflucf|tgort.  ift  auf  fo 
hohem  ©runbe  erbaut,  baß  bie  ißflanjen  beg  ißalmen» 
garteng  felbft  beim  ^öcbften  SBafferftanbe  öon  ber  glut 
nicht  erteilt  »erben.  $ie  ^»augflur  ift  ^eU  beleuchtet  unb 
ein  £>eer  öon  Wienern  in  glänjenber  Sterbe  eilt  mit  Sam* 
pen  ben  Slnlomntenben  entgegen.  Qm  Snnern  beg  ©cfjloffeä 
herrfdjt  regeg  Sehen.  Son  einem  ©nbe  beg  grofjen  tEanj= 
falong  big  jum  anbern  fielen  Setten,  in  ber  ©litte  ift  ein 
tEifdfj  gebecft  mit  bampfenbett  Samowaren;  eine  ©ruppe 
S'inber  liegt  fdfjon  in  ben  Setten,  bie  anberen  befommen 
jefct  2^ee  unb  ©uppe.  Sethfaba  finbet  hi«  öiele  belannte 
©efidjter. 

@g  Waren  bag  bie  ©iitglieber  ber  ©efeßf^aft  beg 
grünen  Sudheg,  »eldfje  bie  ©tichaeigmeffe  benüfcten,  ihre 


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6 


@f  ung  abjutyatten.  ®enn  an  biefern  ®age  ift  bie  Stufmerf* 
famfeit  ber  ^otijei  burf  ba§  geft  gefeffelt. 

Saum  Ijatte  bie  Seraf  uttg  begonnen,  afö  Sßufffin 
mit  ber  ©frecfenänafrift  Ijereinftürjte,  baß  bie  Sterna 
bie  ©tabt  überffmemmte! 

®ie  gemeinfame  ©efaljr  rnafte  fie  ^olitif,  $er* 
faffungSentmürfe,  ©onfirationen  bergeffen :  „Stetten  mir, 
ma3  ju  retten  ift!" 

gn  3^neiba^  ©arten  mar  ein  großer  giffteif,  auf 
meinem  bie  luftigen  ©äfte  im  grifjatyre  förmliche  3tegat= 
ten  ju  arrangiren  pflegten;  im  SBinter  lagen  bie  Saline 
unb  Sßontonä  unter  bett  Stentifen.  ®iefe  mürben  nun  eilig 
Ijerborgejogen,  bie  Serffmonten  berf  eilten  fie  unter  fif, 
ergriffen  £>afen  unb  Stüber  unb  fuhren  ber  glut  entgegen, 
naf  allen  Stiftungen,  um  ben  Sebrängten  £itfe  gn  brin¬ 
gen.  ®ie  ßofung  mar,  au§  ben  bebrotjten  Käufern  bor 
Sittern  bie  Sinber  gu  befreien  unb  jene  grauen,  bie  bei 
freu  Sinbern  ju  Jpaufe  geblieben  maren. 

3eneiba  ftettte  fnen  fr  ©floß,  fre  Süfe  unb 
©arberobe  jur  Verfügung.  ®er  Sömenanf  eil  aber  fiel  fr 
ju,  unb  fie  entjog  fif  f m  nif t.  ©ie  felbft  trug  in  fren 
Slrnten  bie  Sönig§tof  tcr  bie  ®reppe  Ijinan  in  ein  marrneS 
ßimmer,  melfe§  mit  meifen  Stoffen  auStapegiert  mar. 
Seffaba  befaß  nift  bie  Sraft  ju  miberfte^en;  fie  ließ 
SltteS  mit  fif  geffeljen.  ©egen  ben  ®eufel  ift  oljneljin 
jeber  ®ro£  bergebtif . 

3eneiba  ffnitt  unb  riß  bor  Sittern  bie  Sleiber  bon 
SJeffaba  Ijerab,  melfe  an  fren  Sörper  gefroren  maren: 
fo  maft  e§  ja  ber  ®eufel  mit  feiner  93eute!  Slber  eine 
fonberbare  ©af e  fiel  ber  SönigStof ter  auf.  ©ie  pflegte 
nämlif  oft  mit  Sorpnttjia  ju  haben,  unb  ba  berfäumte 
fre  *ßafin  nie,  fr  ju  fagen:  „2Bie  ffön  bift  ®u!"  unb 
fre  ijerrlif  en  Sörperformen  gu  loben.  3^eiba  f at  bie§ 
nift.  SRit  gufamntengegogenen  Slugenbrauen  blicfte  fie  bie 
Jungfrau  an,  at§  ob  fie  fr  giirnte,  bann  naljrn  fie  einen 
groben  SBottftoff  unb  rieb  bamit  alle  ©lieber  be§  entfleibeten 
SRäbfenä  fotange,  bis  ber  ©tarrframpf  aus  fren  äJtuS* 


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7 


fein  toicfj  unb  eine  Wofjttljätige  Sßärrne  itjren  ggnjen  Körper 
belebte.  ®ann  Widette  fie  Sctlpaba  in  erwärmte  Seintüdffer, 
legte  fie  in  ein  gutes,  weicfjeS  SBett  unb  becfte  fie  mit 
einer  warmen  ®ede  ju.  —  3a,  fo  gefjt  ber  tEeufet  mit 
feinen  armen  Dpfent  um,  beöor  er  fie  ber  @rbe  entreißt! 

SRun  brachte  fie  iljr  in  einer  ißorjellanfdjate  ein  bam= 
pfcnbeS  ©etränfe,  non  Wetdjem  Settjfaba  einen  ©cfjtud 
tfjat,  unb  it)r  ganzer  Körper  toarb  toie  öon  gefdfjmotjenem  .. 
Steuer  burd)gtüt)t.  $aS  ift  gewifj  ber  tjöttifdje  gaubertrant ! 
Unb  atS  fie  baöon  gefoftet  tjatte,  befam  fie  ßuft  nadfj  bem 
SRefte  unb  rutjte  nidfjt  et] er,  als  bis  fie  *  bie  ©cfjate  bis 
jum  testen  tEropfen  geteert  fjatte.  3efei  beginnen  fid)  itjre 
Singen  ju  fdjliefjen,  unb  wie  fe£)r  fie  gegen  bie  fie  über» 
mannenbe  SKattigfeit  aucf)  anfämpft,  fie  fd^täft  ein.  3nt 
tEraume  entführt  fie  ber  tEeufet  in  Oerfdjiebette  feenhafte 
©egenben,  bie  juerft  eng  begrenjt  finb,  aber  fidj  immer 
weiter  unb  weiter  befjnen,  bis  fie  fidj  in  ein  grofjeS 
ißarabieS  öerwanbetn,  in  Weldjent  bie  9J?enfdf)en  nidft 
Ijerumgetien,  fonbern  Ijerumftiegen.  —  ©nmat  fietjt  fie  im 
tEraume  aud)  ben  teufet,  wie  er  it]re  Stirne  abtrodnet, 
öon  ifjrent  Körper  bie  fdfjweifjgetränften  Jütten  abftreift, 
unb  iljr  frifdje  SBäfd^e  anjief)t.  SKorgettS  beim  ©rwadfen 
mertte  fie,  bajj  fie  in  ber  tEfjat  ein  Steib  anljatte.  SBenn 
baS  fein  tEraum  mar,  fo  toaren  audf)  bie  anberen  Xraum» 
bitber  Waf)r!  — 

Settifaba  fe|te  ficf)  im  Sette  auf  unb  fat)  fiel)  im 
3immer  um.  3“,  bieS  ift  beS  tEeufetS  gimmer ;  ba  ift 
fein  #eitigenbilb  ju  fetjen,  lauter  djinefifdje  unb  japane» 
fifdfje  ©öfjenbitber  in  grojjcr  StuSWatjt.  ®aS  finb  jweifeüoS 
Seeljebub’S  unb  StSmobi’S  Sitbfäuten. 

SBorüber  fie  aber  nodf)  mef)r  erftaunt,  War,  bafj  fie 
beim  ©rWadjen  alte  itjre  Steiber  auf  einem  nieberen  2et)n= 
ftuljte  neben  itjrem  Seit  fanb.  SEBie  tonnte  baS  fein? 
©eftern  Ijatte  fie  ber  tEeufet  in  Keine  ©tüddjen  jerriffen 
unb  jerfc^nitten,  unb  tjeute  waren  fie  Wiebet  ganj  unb 
troden.  Ser  Seufet  gebietet  gar  öieten  bienftt^uenben 
©eiftern,  bie  eS  öerftetjen,  bieS  Stiles  fo  rafdfj  fertig  ju 


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8 


bringen!  ©ie  30g  furdfjtfam  bie  ftleiber  an  unb  üerfäumte 
nicht,  bei  jebem  einzelnen  ®leibung§ftficl  ein  „Christ« 
eleyson!  Kyrie  eleyson!“  ju  beten,  unt  bie  äRadfjt  beö 
Söfen  ju  jerftören. 

Unb  afö  fie  angeHeibet  mar,  unterfudfjte  fie,  mobin 
man  auö  btefem  3immer  gelangt? 

3mei  biö  brei  3immer,  burd)  melcbe  fie  ging,  glichen 
gar  nicht  ben  Sintmern  ihrer  Sßatbin,  bie  hoch  eine  reiche 
fjürftin  ift.  (Sin  3iwmer  mar  boH  mit  tebenben  Sögeln, 
baö  anbere  mit  auögeftopften  liieren. 

$tö|Iidj  hörte  fie  Sinbergemimnter.  §ier  quält  fidjer 
ber  Teufel  bie  geraubten  Keinen  fiünberdjen. 

2tu§  Steugierbe  ging  fie  rneiter,  ben  Sinberftimmen 
nad).  @o  fam  fie  ju  einer  ^alboffenfte^enben  Sapetentfjür. 
$urdb  biefe  gucfte  fie  hinein.  Unb  fie  fab,  mie  3eneiba 
eine  ©ruppe  ber  kleinen  mufcb,  lammte  unb  anlleibete.  ®ie 
Sinber,  tuelc^e  gemafcben  mürben,  mimmerten.  ®ie  aber 
fd^on  angelleibet  maren,  freuten  ficf)  ihrer  fdfjönen  Kleiber. 
(Sine  fonberbare  Sefc^äftigung  für  einen  Teufel! 

S)aö  mar  3ene^cnö  Sabejimnter. 

Setbfaba  nahm  fidj  bie  greiljeit,  einjutreten.  Sa,  bie 
■Jleugierbe  macht  fütjn ! 

„3l|,  ©ie  finb  fdEjon  angelleibet,  Heine  gürftin?"  frag 
fie  3eneiba. 

„SBaö  machen  ©ie  mit  ben  Keinen  föinbern?"  frag 
neugierig  Setbfaba. 

„SBie  ©ie  feljen :  ich  mafcbe  unb  beileibe  fie.  2Ber  meifi 
loo  ihre  3Jtütter  finb?  ®ie  glut  mäcbft  noch  immer;  bie  ganje 
©tabt  ift  unter  SBaffer.  @o  lange  bie  ©efaljr  mährt,  miiffen 
$iefe  gepflegt  merben.  —  SB  er  fiel»  fdjnell  anlleibet,"  manbte 
fiel)  3eneiba  an  bie  ®inber,  „lann  in  ben  ©peifefaal  geben  unb 
belommt  üon  ber  äRantfell  gute  ©uppe  jum  griibftücte." 

Setbfaba  motlte  ben  leufel  öerfudben. 

„Stber  mer  betet  mit  biefen  kleinen,  beüor  fie 
frübftiidcn?" 

„üßiemanb,  meine  2beute !  ®enn  fie  finb  beimeitern 
nicht  fo  anbäebtig,  al8  hungrig." 


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9 


„Stber  eS  ift  bodj  gut,  ju  beten,“  fpracf)  bie  SönigS* 
tobtet. 

„3u  WaS  benn?" 

„Sefct  eben  baju,  baß  ©ott  baS  Unglücf  öon  ber 
©tabt  ab  wenbe." 

„SJteine  theure  Heine  ^»erjogin!"  erwiberte  3eneiba, 
„jener  ©türm,  ber  bie  SteWa  über  unfere  ©tabt  brachte, 
heifft  Stuft  er.  llnb  wenn  alte  jwötfhunbert  SRittionen 
©ewoljner  ber  ©rbe  ntit  ihrem  3Runb  auf  einmal  blafen 
mosten  wäre  baS  nicht  genug,  ben  Stuftet  jurücf* 
jublafcn!" 

®aS  ift  eine  ©emerlung,  wie  fie  eines  SeufetS  würbig 
ift!  ®aS  Seten  für  ein  gewöhnliches  SBtafen  ju  haften! 

©ctljfaba  griff  nun  jurn  äujjerften  SRittel  ber  Sühn* 
heit,  ©ie  üerfudjte  ben  Stamen  „®  otteS"  öor  bem  Teufel 
auSjuf  preßen.  ©icher  wirb  er  bann  unter  ißech*  unb 
©djwefetrauch  fein  öertocfenbeS  Steufjere  abftreifen  unb 
feine  gehörnte,  jiegenfüfjige  Urgeftatt  annehmen! 

„Sie  glauben  alfo  nicht,  bafc  ©ott  bie  fdjrecftiche 
©träfe  über  bie  ÜJtcnfchen  fchidte?“ 

„Stein,  mein  Sinb!"  fagte  3eneiba;  „benn  Wenn  ©ott 
biefe  ©lementarplage  auf  bie  @rbe  gefchicft  hätte,  fo  Wäre 
bie  fütut  nur  in  bie  Käufer  ber  böfen  unb  nicht  auch  in 
biejenigen  ber  guten  aRcnfdjen  gebrungen." 

©ethfaba  badete :  Unb  bu  bift  boch  ber  Teufel! 
®enn  fonft  Wagteft  bu  nicht,  fo  fchredtiche  ©Sorte  über 
beine  Sippen  ju  bringen. 

©ie  ging  noch  Weiter,  fie  wollte  ben  Teufel  fangen. 

„Sie  haben  jc|t  tiel  ju  thun;  fönnte  ich  Shnen 
nicht  helfen?  SBenn  ©ie  eS  mir  erlauben,  fönnte  ich  biefe 
Steinen  auch  Waffen  unb  fämmen;  ich  tljue  baS  gerne, 
benn  cS  ift  fehr  untcrh  ältlich  - ' ' 

„Sn  ber  $hat!"  fagte  3eneiba  heiter,  „warum 
benn  nicht?  ©o  werben  auch  ©ie  ©efdjäftigung  haben. 
Sch  ntufc  ohnehin  bafür  forgen,  bah  fo  Piele  SRenfchen  ju 
effen  haben.  Uebernehnten  ©ie  bähet  bie  Sorge  für  biefe 
Steinen!" 


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10 


®amit  übertief}  fie  S8ett)faba  iljren  eigenen  St§,  befaßt 
ben  bieten  fdjmufjigen  Sinbern  ju  geljürdjen,  unb  entfernte 
fidj  freunblicf)  tädjetnb  au§  bent  ©abejimmer. 

©ettifaba'3  erfte  Sorge  toat,  alte  Sinber  nieberfnieen 
ju  taffen.  ®ann  fniete  aud)  fie  nieber  unb  betete  mit  ben 
Sinbern  ba§  ©aterunfer :  „  $odfj  ertöfe  unä  bom  ©Öfen, 
Simen !" 

Stun  ift  itjr  ber  Teufel  einmal  grünblid)  aufgefeffen! 
®ann  begann  fie  bie  Keinen  SBaifen  jn  Waffen  unb 
ju  tämmen. 


XXIII. 

3>te  tSefdjtdjfe  vom  lUanne  mit  ben  grünen  jutgett. 

Stber  bie  Keinen  SSürmdjen  bedielten  fiel)  unter  itjrer 
©ftege  nidjt  fo  rufjig,  at§  bei  ber  anbern  grau.  Sin  ©tid 
3eiteibenö  genügte,  baS  jammern  unb  SBimmern  berftum* 
men  ju  machen;  ©etljfaba  aber  mar  bor  iljneit  ein  Sinb, 
mie  fie  fetber :  fie  fürsteten  fid)  nidft  im  SRinbeften  bor  ifjr. 
Sin  Sinb  begann  unb  bie  Slnbern  folgten  im  Sljore :  „SBo 
ift  bie  ©aba,  too  ift  ber  Sata?"  Unb  bann  tonnte  fie 
iijnen  immer  bon  Steuern  bie  ©efidjter  mafdjen,  menn  fie 
biefetben  mit  Xfjrfinen  befdjmujjten. 

Stun,  Xata  unb  ©aba  tonnte  fie  it)nen  nicf)t  mieber 
geben;  bod)  erinnerte  fie  fid),  mag  ifjre  Stmmen  mit  itjr 
traten,  at8  fie  nod)  ein  Keines  Sinb  mar  unb  nadfj  ber 
SJtama  meinte.  Sie  erjätitten  it)r  SRärdfjen. 

„SBeinet  itic^t!  Seib  fefjon  brab,  bann  merbe  id)  eud) 
bie  Sefdjicfjte  bom  „äJtann  mit  ben  grünen  Singen“  erjätjlen. 
®aS  ift  eine  fdE)öne  Oefdjidjte;  gebet  Sldjt!" 

®ie  Steinen  mürben  auf  biefeS  ©erfaredfjen  rut)ig ; 
fie  fiodten  fidj  neben  ©ettjfaba,  legten  it)r  Sinn  auf  beS 
äRäbdjeng  Snie,  Kammerten  fidj  an  it)r  ffiteib  unb  t)ör= 
ten  ju. 

,,©or  tanger,  tanger  3eit  war  einmal  ein  Keiner 


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11 


®önig8foljn,  wie  £u,  Struwelpeter  ba  bei  meinen  Süßen 
bift.  ®er  ßatte  einen  guten  $apa  unb  eine  gute  Saba, 
bie  iljn  feljr  liebten.  ®odj  eines  SageS  oerreiften  biefe  unb 
Würben  in  große,  lange  SRetatltruljen  hinein  gelegt,  mit 
beren  2)ecfel  man  fie  einfdjloß.  ®ann  brachte  man  fie  auf 
große  golbene  unb  filberne  SBagen,  beren  jeber  mit  fedjS 
^ßferben  befpannt  War,  unb  mit  9Rufifbegleitung,  im  ©efolge 
tieler  äftenfdjen,  Solbaten  unb  Kanonen  Würben  fie  weg= 
geführt. 

9118  ber  Heine  $önig8fofjn  allein  War,  frug  er  feinen 
©roßüejier:  „SBoßin  ift  mein  Sater  unb  meine  SDtutter 
gereift?" 

®er  ©roßüejier  antwortete :  „9tdj,  Heiner  ÄönigS* 
foljn!  Sie  finb  gar  weit  gereift:  in  eine  anbere  Söelt." 

„Unb  Warum  reiften  fie  in  jene  anbere  SBelt?" 

„ÜBeil  e8  bort  oiel  beffer  ift,  al8  in  unferer  2Belt," 
erflärte  iljrn  ber  Sejkr. 

®arauf  frug  ber  Äönigöfoljn :  „3Benn  jene  SEBclt 
beffer  ift,  warum  tjabeit  fie  tnief)  nic^t  mit  fieß  genommen?" 

„$u  mußt  nodj  oiel  arbeiten,  fämpfen  unb  leiben  auf 
biefer  SDSelt,  beüor  ®u  würbig  bift,  in  bie  anbere  ffielt  ju 
gelangen,  woljiit  ®ein  Sater  unb  $>cine  ÜJtutter  reiften." 

$iefe  9lufmunterung  gefiel  bem  Keinen  ®önig8fof)n 
nidjt,  unb  er  backte :  „Sßarte  nur!  3«$  werbe  bod)  ju 
meinem  Sater  unb  meiner  SDtutter  in  bie  beffere  SDSelt 
geljen!  bleibet  f)ier  unb  plaget  eudj  allein,  fo  e8  eucf) 
beliebt." 

Unb  er  nafjm  feine  Heine  Stinte,  unb  ging  in  ben 
SBalb  l)inau8,  wie  um  Sögel  ju  jagen.  ®ort  ftreifte  er  fo 
lange  in  ber  SBilbniß  untrer,  bi§  ißn  ein  ißlajjregen 
erteilte.  Um  niefjt  naß  ju  Werben,  juckte  unb  fanb  er 
einen  Ijofjlen  Saum.  9118  er  in  beffen  |)öf)lung  Ijinein 
Wollte,  ba  faf)  er,  baß  bort  fefjon  ein  anberer  SRenfd) 
oerborgen  War.  —  9tun,  ®u  Struwelpeter!  9Ba8  ptteft 
$u  in  biefem  Soße  getljan? 

,,3d)  f)ätte  laut  aufgefdjrien." 

„Sürwaf)r,  ber  Heine  ®önig8foßn  |at  ba8  niefjt  ge= 


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12 


tljan,  fonbern  fpradj  betjerjt  jum  gremben :  „|>örft  ®u, 
3Jtenfdfj!  liefet  SBatb  ift  mein  SBatb,  bieget  Saum  ift 
mein  Saum,  unb  icfj  erlaube  ®ir  nictjt,  barin  ju  wohnen. 
SBenn  ®u  mir  aber  fagft,  mo  bie  beffere  SBett  ift,  in 
wetdje  tßapa  unb  SRanta  reiften,  fo  fdjenfe  icf)  ®ir  ben 
Saum  uitb  ben  SBatb,  unb  ®u  fannft  if)n  bewoljnen." 

®arauf  antwortete  if)nt  ber  grembe  im  tjoljten 
Saume : 

„®aö  ift  nidjt  fo,  Meiner  ®önigöfoljn!  3<f)  Wotjnte 
t)ier,  beöor  nodfj  biefer  SBatb  entftunb,  unb  oon  f)ier  oer= 
jagt  mid)  Stiemanb.  Unb  wo  bie  beffere  SBett  ift?  ®aä 
fann  idj  ®ir  erft  fagen,  wenn  ict>  ®idj  tiebe  unb  ®u 
midj  tiebft.  gdt)  tiebe  ®i<fj  fefjon." 

„Slber  id)  tiebe  ®idjj  nid^t ! "  fagte  ber  Meine  ®önig3» 

fo^n. 

„Unb  warum  nidfjt?"  frag  ber  SBatbmenfdj. 

„SBeit  ®u  grüne  Slugen  fjaft." 

®ie  Stugen  be§  gremben  glühten,  Wie  jwei  Sotianniä* 

läfer. 

„9tun  fo  gefje  mit  ©ott!"  fpradE)  ber  grembe,  worauf 
ber  ÄönigSfoEjn  erfannte,  bafj  baö  fein  böfer  ©eift  ift, 
benn  fonft  f)ätte  er  rtic^t  gewagt,  oon  ©ott  ju  tyredjen. 

,,%d)  get)e  audtj!"  fpract)  ber  Meine  ®önigöfof)n.  „gdf) 
werbe  bie  beffere  SBett  audj  otjne  ®icf)  finben.  gdtj  f)abe 
f(£)on  oft  gehört,  wo  ber  SBeg  batjin  ift." 

®er  Heine  tßrinj  tjatte  fefjon  öfter  erjagten  gehört, 
bafj  bort,  jwifdjen  ben  getfen  ein  Witber,  btutbürftiger 
®iger  Wofjnt,  ber  fdfjon  fo  mannen  Säger  unb  gwsenfjirten 
in  bie  anbere  SBett  entführte,  ©r  Wirb  audtj  i|n  hinüber» 
tragen. 

@r  ging  atfo,  big  er  bie  getfentjöljte  beö  Staubtfjierea 
erreichte.  Stn  ben  oieten  jerftreuten  ©ebeinen,  mit  wetdfjen 
bie  (Srbe  bebedft  War,  erfannte  er  fie.  ®et  ®iger  War  ju 
§aufe,  man  tjörte  tyn  brüllen.  —  tßun,  ®u  Struppiger! 
|»ätteft  ®u  eö  gewagt,  in  bie  §öt)te  einjutreten  ?" 

„Slictjt  einmal,  Wenn  mein  Satten  tjineingefatten  wäre." 

„Sietift  ®u,  ber  Sönigöfoljn  War  nidt)t  fo  furcfjtfam; 


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13 


er  fdjjrie  in  bie  f>öf)(e  hinein :  „fpe,  bu  Siger,  !ontm’ 
herüor !  S<f)  bin  ba,  ber  Söniglfoljn!  £rag’  tnidj  rafd)  in 
bie  beffere  SBelt  hinüber!" 

Ungeheuer  trat  Ijeröor,  belecfte  ficfj  bal  blutige 
SJiaul,  fcfjlug  mit  feinem  langen  ©djweife  um  fiel)  Return 
unb'ging  baran,  ben  Eßrinjen  mit  einem  ©afce  ju  erfaffen. 
—  SEBeine  nur  nidjt,  ©tumpfnäldjen !  6r  ^at  i|n  ja  nid)t 
erljafdfjt! 

®enn  in  bicfem  Slugenblicfe  ftürjte  au!  einer  Seifen* 
fpalte  eine  SRtefenft^lange  Ijeröor,  Warf  fidj  auf  ben  Xiger, 
umllammerte  mit  ihrem  fc^recflic^en  9tinge  Seib  unb  Sefjtc 
bei  Ungeheuer!  unb  btß  iljn  in  ben  |>al!.  ®cr  üiger 
fdjrie,  brüllte,  wäljte  fid)  auf  bem  ©oben;  bie  beiben  Spiere 
begannen  einen  Sampf  auf  %ob  unb  Seben  unb  fielen 
ineinanber  berfcfjlungen  in  ben  tiefen  Selfenriß  Ijinab,  öon 
wo  nur  nod)  klappern  unb  unterbräche!  ©ef)eul  Ijörbar 
War.  (sie  Ratten  einanber  aufgefreffen. 

®er  Eßrinj  mußte  in  ben  ißalaft  jurüdletjren. 

Unterweg!  traf  er  einen  Säger,  ber  auf  ber  ©dfjutter 
SBogen  unb  Äödjer  trug. 

„(Sin  curiofer  Säger  bal,  ber  nodj  jeßt  mit  bem  Pfeile 
jagt,"  badete  ber  ijßrinj  unb  faß  itjm  genau  in  bie  Slugeit. 
(Sl  war  ber  üRann  mit  ben  grünen  Stugcn. 

„•Jtidfjt  waßr,  ®u  lannft  ben  2Beg  in  bie  beffere  SDBelt 
nidfjt  finben,  Wenn  $u  midfj  nidE)t  liebft?"  fagte  biefer  unb 
öerfdfjwanb,  al!  ob  itjn  bie  (Srbe  üerfcfjlungen  hätte. 

„SBarte  nur,"  backte  ber  Heine  Äöniglfotjn.  „Sdj 
Ijabe  einmal  gehört,  baß  e!  ein  große!  ÜJieer  gibt,  unb 
baß  »iele  ©tenfdfjen,  bie  auf  felbem  in  ©Riffen  fuhren, 
ben  SCßeg  in'!  Senfeit!  fanben.  ©iefleicßt  gelingt  e!  audj 
mir,  iljn  ju  finben." 

©ogteidj  befahl  er  bem  ©roßöejier,  ein  große!  ©dfjiff 
auf  bem  ©djwarjen  SJteere  auljurüften;  mit  biefem  fuhren 
fie  in  bal  Sattb  ber  Seueranbeter,  Wo  bie  Heimat  ber 
ÜDlutter  bei  töniglfoßn!.  ®ie  #infaßrt  War  glücflidj,  bodj 
auf  ber  Sftüdfreife  erljob  ftc^  ein  furchtbare!  Unwetter.  (Sl 
bonnerte  unb  blifete,  ber  fMtnmel  tierfinfterte  unb  öffnete 


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14 


ficß,  unb  alä  ber  SBIiß  ißn  »ieber  erhellte,  tonnte  man  in 
bem  offenen  ^immet  beuttieß  bie  glänjenbe  ©ngetfißaar  feßen, 
at§  aber  bet  ©turnt  bte  ®ee  gattete,  erbtiefte  ntatt  auf 
bem  ©runbe  bie  ÜKecreäntjmpßen. 

„©nbtieß!"  badßte  ber  Sönigäfoßn.  „©et  eä  oben  ober 
unten,  jeßt  »erbe  icß  ben  Sßeg  in  bte  beffere  SDSett  finben. " 

®te  Sßogen  ßatten  fißon  ba8  ©teuerruber  jerbroeßen 
unb  ben  Steuermann  in’3  SJteer  ge»orfen ;  ba8  ©cßiff 
näßerte  ficß  unaufßattfam  einem  großen  finftern  gelfenufer; 
fein  3w«ife^  bort  mußte  e3  jerfcßetlen. 

3n  biefem  Stugenbticfe  bemerfte  ber  ißrinj  Igemanben 
auf  ber  ©teuerbanf,  einen  jjrremben,  ber  mit  einem  att= 
mobifdßen  ©teuer  ba§  ©cßiff  ju  teufen  begann. 

„©onberbarer  Steuermann  ba§,  ber  mit  folcß’  altem 
©teuer  biefeö  große  ©cßiff  tenfen  »itl!" 

fßtößtieß  legte  ficß  ber  ©türm;  §immet  unb  SDieer 
feßtoßen  ficß  »ieber,  baä  ©cßiff  fußt  unbcfcßäbigt  an  ber 
broßenben  Stippe  Oorbei  unb  erreießte  glüefließ  ba3  ßeimat= 
ließe  ©eftabe. 

®er  fteine  ißrinj  faß  fuß  naeß  bem  fonberbaren 
Steuermann  um,  ben  Seiner  fannte;  biefer  aber  lacßte : 
„Slicßt  »aßr,  $u  finbeft  bie  beffere  SSett  nießt,  beoor  ®u 
mieß  nießt  tiebft?" 

®er  fteine  Sönigäfoßn  faß  ißn  an  unb  erfannte  in 
ißm  ben  Sötann  mit  ben  grünen  Stugen.  tiefer  aber 
öerfcßmanb,  als  ßätte  ißn  ba3  SDleer  berfeßtungen. 

Seßt  aber  begann  ber  fteine  fßrinj  ernfttieß  ju  zürnen. 
„Sollte  e§  benn  für  mieß  gar  feineu  Sßcg  in  bie 
anbere  SEßett  geben?  $ocß,  botß!  3fcß  ßörte,  baß  feßon  niete 
fpetben  in  ber  ©eßtaeßt  ben  3Beg  in  jene  SEßett  gefunben 
ßaben!"  ®r  befaßt  bem  ©roßöejier,  bem  'lartarenfönig  auf 
ber  ©teile  Srieg  ju  erftären. 

Unb  ber  ©roßbejier  braeß  mit  feiner  Slrmee  in  ba§ 
Sanb  be§  EEartarenfönigS  ein,  biefer  »ar  aber  ein  gar 
meießtiger  Sönig.  @r  ließ  bie  Strmee  be§  fteinen  fßrinjeu 
immer  tiefer  in  fein  Sanb  einbriitgen  unb  umzingelte  fte 
bann  öon  alten  ©eiten. 


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15 


5)er  ©rofmegier  erfdEjraf.  „Sßir  finb  oerlorcn,  Heiner 
®önig§fof)n!  $er  £artare  !cnnt  feine  ©nabe,  er  töbtet  unä 
ober  madfjt  mt3  ju  ©claben.  ©ein  ipeer  ift  jatjtreidE},  mie 
bie  ^eufdijredEen." 

S)er  Heine  ®önig3fol)n  mar  barüber  ^öd£)Iid£)  erfreut. 

„Saffe  f ogteid)  bie  @djlacf)t  beginnen,  bamit  mir  e£ 
je  fdfjnetter  überfielen." 

$od(j  ber  ©rofmejier  mar  fo  erfdfjrodEen,  b a|j  er  fidfj 
aU  gemeinen  ©otbaten  oerKeibete  unb  fid^  oerftedte;  er 
magte  nid&t,  ba§  ipeer  anjufü^ren.  Saburdfj  mürbe  au<f| 
baä  ganje  §eer  entmutigt,  fo  bafe  fie  fief)  bem  geinbe 
ergeben  moflten.  ^ßlö^tid^  erfcf)ien  an  ber  @pifce  ber  Slrrnee 
ein  nnbefannter  Leiter  in  einem  Slnjuge,  mie  ifm  nod) 
deiner  gefe^en.  ©ein  ©äbel  glief)  einer  glamnte  ober  einer 
©erlange.  @r  begeifterte  bie  Srieger  unb  führte  fie  gegen 
bie  Xartaren.  5)odfj  faum  mürben  bie  trompeten  jum 
Eingriffe  gebtafen,  al§  auef)  fd£)on  ber  Xartarenfönig  mit 
feinem  ©tabe  barfuft,  in  härenem  ©emanbe,  ol)ne  SBaffcn, 
mit  reichen  ©efdjenfen  oor  bem  Äönigäfolpte  bemütf)ig 
erfcf)ien  unb  um  grieben  bat.  „$enn,"  fagte  er,  ,,icf)  fann 
nidjt  fämpfen;  meine  ©olbaten  erfranften  unb  liegen  auf 
ber  ©rbe,  itjre  ipänbe  unb  güfee  Krampfhaft  fdjüttetnb." 

2)er  5ßrin§  erfannte  mieber  ben  SKann  mit  ben 
grünenSlugen,  —  er  mar  jener  gelbtjerr.  ®ieS  betrübte 
iljn  fe^r.  ©r  fal)  ein,  bafc  er  otjne  iljn  niemals  jene  Sßett 
finben  mirb,  in  melier  fein  SSater  unb  feine  SDtutter  finb. 
@o  entfcfjtof*  er  fid|  alfo,  ben  SDtann  mit  ben  grünen 
Slugen  in  feiner  ipöljlc  aufjufud^en  unb  it)m  gu  fagen,  b afc 
er  il)n  liebe.  @r  ging  au<f|  fyn  unb  rief  if>n  aus  feiner 
$öf)le  fjerauS.  2)cr  9Kann  mit  ben  grünen  Singen  fjatte 
ein  ©emanb  oon  3u^ber,  einen  §ut  oon  ©djmamm  mit 
grünfdEjimmeliger  ©infaffung,  fein  ©efidt)t  mar  gelb  mie 
2Badj§  unb  feine  Sippen  blau  mie  SOtaulbeeren. 

„SKun,  tl>eure3  ®inb!  liebft  ®u  mid)  enblid)?"  frug 
er  ben  Keinen  SöntgSfolpt. 

„3a,  ja,  liebe  $i<f|;  geige  mir  nur  enblidE}  ben 
SBeg  in  bie  beffere  SBelt!" 


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„Sch  jcige  ihn  ®ir,  bodj  mufft  3)u  jutiot  aus  meinem 
Sorbe  eine  Sßflaume  effen  unb  mich  einmal  Kiffen." 

(Sr  Ijatte  nämlich  in  feiner  Ipanb  einen  Sorb,  melier 
mit  Pflaumen  gefüllt  mar,  bie  ebenfo  madj?gelb  maren, 
mie  fein  ©efic^t.  ®er  Meine  Sönig?fohn  natim  eine  öon 
ben  Pflaumen  unb  aff  fie.  „9hm  nur  noch  einen  Suff!" 
Slucff  ba?  t^at  er.  „£>uh,  mie  falt  maren  beine  Sippen !" 
fagte  er,  in  fidj  jufammen  fdfauernb. 

®urd)  biefen  Suff  unb  burdj  bie  einzige  Pflaume  fanb 
bann  ber  Sönigäfoffn,  ma?  er  fo  lange  feffnfucfftäöoll  fudjte : 
ben  SBeg  in  jene  beffere  SBelt,  mo  S3ater  unb  üDiutter  iffn 
ermatteten,  (Sr  ift  noch  jefct  bort  unb  lafft  euch  grüffen." 

SBäffrenb  be§  (Srjälilen?  fämmte  bie  Sönig?todjter  ein 
Meine?  ffeübloube?  Sßäbtffen,  meldje?,  Slugen  unb  SKünbcffen 
offen  bafaff  unb  febe?  SBort  ber  Sabel  üerfd)laitg;  nun  fie 
ju  (Snbe  mar,  frug  fie:  „Slber,  ma?  ift  benn  eigentlich  in 
ber  anbern  Sßeit?" 

„®ort  leben  bie  Seute  feffr  gut :  bie  Sonne  fdjeint 
immer,  unb  emiger  grüffling  ift  bort;  man  arbeitet  nicht, 
jeben  lag  ift  (Srjengel  3Jticf»ael=geft ;  Sille?,  toa?  bort  lebt, 
freut  ficff  unb  liebt  einanber.  Seiner  ift  hungrig  unb  Seiner 
ift  burftig,  unb  alle  9Renfdf)en  fpieten  mit  ben  lieben 
(Sngelein." 

„$örft  ®u,  §erjchen,"  lallte  bie  Meine  Slonbe,  „menn 
man  in  ber  befferen  Sßelt  nicht  effen  unb  trinfen  barf, 
geht  ißapa  unb  S9aba  nicht  hi«!" 

SJetlffaba  muffte  laut  lachen  unb  bebectte  ba?  Meine 
Sinb  mit  Söffen. 

SBorauf  au?  bem  anberen  Simmer  laute?  #änbeMat= 
fcfjen  erfdhaHte. 


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17 


XXIV. 

§\e  ßttft  es  jn  ni$t  .... 

Sie  fdEjöne  ®rjät)tcrin  mar  belaufet  morben. 

SllS  fidj  bie  £abetentt)ür  öffnete,  faf)  fie  brei  befannte 
<$efid)ter :  3eneiba,  *ßufdfjfin,  ifyren  geftrigen  fftetter, 
unb  gafuSfin,  ben  ©teuermann  beS  ®at)neS.  Sie  bciben 
SDtänner  marcn  audf)  tjeute  gan§  mit  ©trafeenfotfy  bebedft; 
man  fatj  eS  if>nen  an,  bafe  fie  non  ber  Strbeit  farnen. 

„SBir  §aben  Sie  belaufet!"  fagte  3eneiba.  „Sie 
tjaben  3t)r  Sßublifum  entjüdt." 

„SltS  idf)  ben  ®aufafuS  bereifte,"  fpradf)  gafuSf in, 
„fyxbe  id)  biefe  gäbet  and)  gehört.  Ser  SJlann  mit  ben 
grünen  Stugen  ift  baS  aHegorifdje  ©tjmbot  beS  im  SaufafuS 
graffirenben  gieberS.  Sie  Sebeutung  ber  gäbet  ift  bie, 
bafc,  mer  bie  Sncubation  biefeS  gieberS  erhielt,  mebcr  oorn 
©dfjmerte  fcermunbet  —  nodf)  nom  Staubtljier  jerriffen  — 
nod)  nom  SDteere  Oerfdfjtungen  merben  fann  :  baS  grünäugige 
©djrecfgefpenft  übertäfjt  feine  ®rmät)tten  feinem  anbern 
Sobe!" 

33ett)faba  fa§  5ßufdf)fin  nor  fidf),  jene  beiben  Singen,  in 
metdfjen  umjufommen  füjj  fein  mu§!  ©ie  reichte  if)m  bie 
§anb. 

,/3$  ^abe  Sfjnen  nodt}  gar  nidtjt  gebanft,  baft  ©ie 
micfj  errettet  tjaben.  ©ie  famen  gerabe  jur  redeten  3eü- 
Sdf)  t)ätte  eS  nidfjt  meljr  lange  auf  bem  Sßferbe  auSgefyatten." 

„Slber  mie  fonnte  !gf)nen  bie  gürftin  bieS  geftatten?" 
frag  ^Sufd^fin  oormurfsooü. 

„8d)  fetbft  bat  fie  barum.  gdf)  bebau crte  fie,  benn  fie  • 
fürchtete  fict)  unb  meinte  fogar,  maS  idf)  nicf)t  mit  anfetjen 
fann.  SBiffen  ©ie  nicf)t,  ob  fie  glüdticf)  nadf)  ipaufe  fam?" 

,,©ie  ift  ganj  motjt;  idf)  Ijabe  rnidf)  barnadE)  erfunbigt. 
©tauben  ©ie  mir,  bafc  id)  eigens  beStjatb  $u  if)rem  ^ßatafte 
futjr,  meit  idf)  muffte,-  b aft  gfjre  erfte  grage  nadf)  bem 
Seftnben  öftrer  *ßatl)in  fein  mirb.  9lidf)tS  fetjtt  it)r.  9lodf) 
in  ber  9tadf)t  lieft  fie  fid)  in  einem  Ponton  nadf)  5J$eterf)of 

3<S!ai:  &rei$eit.  II.  2 


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18 


{•ringen,  h>o  fie  in  Sicherheit  ift.  Sin  btefeni  Schlöffe  mußte 
fie  öorüber ;  gewiß  ßat  fie  begßaft  nicht  unt  ©ie  herauf* 
gefdjicft,  Weil  fie  wußte,  baß  ©ie  hier  gut  aufgehoben  finb." 

Unb  Settjfaba  nahm  baS  Säort  für  feine  Sronie; 
benn  fie  befanb  fich  in  ber  Ißat  Wohl  an  bem  Orte,  Wo 
man  in  {ßufdjfin’S  Slugen  feßen  fonnte. 

„Seit  fann  idj  Shnen  ober  für  Shre  {Rettung  nichts 
geben,  benn  ich  bin  fo  arm." 

,,©o,  wie  ich,"  entgegnete  {ßufcf)fin. 

Seneiba  ftüfterte  {ßufchfin  in'S  D£)r : 

„Säetcf)'  unermeßlicher  {Reichtum  müßte  aus  ber 
{Bereinigung  eurer  Strmuth  entfleßen!" 

S3ethfaba  lehrte  ju  ihrem  Säafchbecfen  jurücf. 

„(Urlauben  ©ie  mir,  baß  ich  weine  kleinen  Weiter 
Wafche.  5)ie  Pflicht  geht  bor  Sltlem!" 

„©efegnet  bie  |>änbe,  bie  fich  bamit  befaffen!"  fprach 
{ßufchfin,  unb  jebeS  feiner  Säorte  Hang  bem  Dh«  S3etf)= 
faba’S  Wie  ©tücffeligfcit. 

„{Run  Weiß  ich,  baß  ich  ihn  liebe,"  fagte  fie  für  fich;  „i<h 
bin  mit  mir  im  Staren  barüber.  Slber  ob  auch  er  wich  liebt?" 

„Säir  müffen  jefct  oon  3hnen  fcheiben,"  fagte  {ßufdj= 
fin;  „ich  wollte  Shnen  bto§  Sunbe  bom  ©djtoffe  ©tjebimin 
bringen.  Säir  gehen  jurücf.  $>ie  gtut  fteigt  noch  iwmer. 
©anj  {Petersburg  ift  überfdjwemmt.  ©roße  Slrbeit  höret 
unfer.  ®odj  iw  ßaufe  beS  SagcS  werben  Wir  ©ie  noch 
öfter  befugen.  Shnen,  theure  {ßrinjeffitt,  Werbe  ich  noch 
biete  ©efchenfe  bringen." 

©efchenfe?!  Sagte  nicht  ihre  {ßatljin,  baß  ber  ruffifdje 
Süngling  feiner  ©etiebten  ©efchenfe  bringt?  Sltfo  bodj! 

„©efchenfe?"  frug  fie  mit  naiber  fjreube  unb  ber 
UnfdhutbSröthe  auf  ben  lieblichen  Säangen.  „SäaS  für 
©efcßenfe?" 

„Sine  ©ruppe  fchmufjiger  Sinber  in  Summen,  um  fie 
ju  wafdjen  unb  anjuHeiben." 

®a8  SRäb^en  lachte  unb  Hatfchte  in  bie  f>änbe. 

„Sth,  baS  ift  gefcheibt!  {Bringen  ©ie  fie  nur!  Se  mehr, 
befto  beffer!  ®ieje  ©efchenfe  tiebe  ich!" 


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19 


Die .  beiben  als  SÖtatrofen  gefleibeten  ffltänner  eilten 
in  ihren  fdjmuhigen  Stiefeln  aus  bem  SBonboir. 

„Du,"  fprad)  $eneiba  ju  ^Sufdjtin,  ifjn  in  ben  an» 
ftoßenben  Saal  begleitenb,  „btefeS  SJläbdjen  tjat  ©ott  für 
Dicf)  gef  Raffen." 

„Seit  ttmnn  glaubft  Du  an  ©ott?" 

,,©ef),  Du  bift  ein  Starr!  —  SßaS  Weißt  Du  üon 
©^ebinttn?" 

fßufdjtin  jucfte  mit  ben  Slchfetn. 

„@r  ift  ju  §aufe,  befinbet  fid)  gatij  toob)l.  3>d)  faß 
ißn  burdj  feine  SBalconfenfter,  bod)  tonnte  idj  ißn  nicht 
fpredjen,  meit  er  ba§  genfter  nidjt  öffnete.  Sr  ift  ein  guter, 
matterer  ÜDtenfcf),  felbft  tapfer,  tnenn  er  einmal  brinnen  ift; 
bod)  bon  felbft  entf<f»tiegt  er  fid)  ju  nichts.  Sr  liebt  Did) 
gewiß  feßr  unb  ift  um  Deinetwegen  rcdjt  beforgt,  bod) 
Weiß  er,  baß  'Dein  ißataft  genug  ßocß  über  ber  glitt  liegt, 
unb  baß  ®u  über  jafytreidje  gute  greunbe  oerfügen  tannft. 
Sr  ift  gaftfreunblid),  freigebig  unb  Wirb  nachträglich  ganj 
gewiß  §unberttaufenbe  für  bie  Stotßleibenben  fnbfcribiren, 
aber  fo  Weit  geht  er  nicht,  baß  er  fie  in  fein  ipauS  auf» 
nimmt,  feine  Säte  befcßmußen  ließe  unb  ihnen  eine  Schale 
Suppe  reichte,  benn  eS  fehlt  ihm  bie  ©attin,  bie  ihn  baju 
ermuntern  möchte.  Sr  ift  auch  ntenfcßenfreunblich ;  bod) 
fürchtet  er  fi<h,  feinen  guß  ju  befeuchten,  benn  er  tönnte- 
3lheuma  betommen.  Sr  ift  eine  große  „3bee",  unb  er 
Weiß  e3  auch." 

„Du  bift  ein  SSerleumber.  geh  bin  bation  überzeugt, 
baß  er  tränt  ift." 

„Sterbenstrant  ift  er  fidjer  nicht,  benn  fonft  hätte  ißn 
bie  gerjogin  nicht  hier  gelaffen  unb  wäre  nicht  allein  nach 
fßeterßof  gegangen." 

„Sile  nicht  fo  fehr!  —  SBaS  weißt  Du  üoin  Sjaren?" 

„Sr  fährt  immer  herum  mit  feinem  Sahne.  SafuSfin, 
tomm  her!  ®u  bift  bem  Sjaren  begegnet;  er^äßte  unS 
batwn!" 

„Sich  was!"  fprach  mißmutßig  ber  Slngerebete. 

„Srjäßle  nur!  Beneiba  hört  folche  Dinge  gerne." 

2* 


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20 


„Por  ißr  ßabe  i<ß  fein  ©eßeimniß.  ©ie  fennt  mtcß 
burcß  unb  burcß  uub  Weiß,  baß  icß  bor  feiner  2ßat  jurücf» 
fcßrecfe.  PadßtS  bin  icß  mit  meinem  ®aßne  gWeimat  bem 
Pontone  beS  ©garen  begegnet.  Pur  2lrmeSWeite  trennte  uns 
Don  einanber.  ®ie  ßantpionS  feiner  ßeibgarbiften  beleuchteten 
feine  ©eftatt.  @r  fetbft  gog  aus  ben  genftem  bie  Weß= 
flagenben  SKenfcßen  ßerauS.  $aS  ficßerfte  ßiet  für  einen 
Piftotentauf!  Sn  meiner  Xafcße  befanb  ficß  bie  meinige 
fdt»arf  getaben.  gcß  naßrn  fie  ßerbor,  unb  um  nicßt  in 
Perfudßung  gu  fommen,  ftecfte  icß  fie  in’S  SBaffer,  bamit 
fie  nidßt  toSgeßen  fönne!" 

„©ießft  $u,  Safuäfin ! "  fagte  .geneiba. 

„gotgere  barauS  gar  nichts!  ©laß  icß  ißn  in  bem 
Slugenblicfe,  mo  er  feinem  Potfe  ©uteS  tßat,  nicßt  töbten 
Wollte,  ift  fein  PeWeiS,  baß  icß  meinen  ptan  aufgab.  ©in 
Attentat,  in  einem  fotcßen  Slugenbticfe  begangen,  Würbe  bie 
SPenfcßßeit  gegen  ben  ©ßciter  empören.  Pein,  nur  feine 
.  ©mpftnbetei !  —  Sdj  fcßonte  feiner  aus  Woßtberedßnetem 
©goiSmuS.  Sdß  Witt  ®ir  nodß  meßr  beichten,  Was  icß  fetbft 
Pufcßfin  nodß  nidßt  fagte.  ßum  gWeitenmate  —  unb  nicßt  bon 
oßngefäßr  —  traf  icß  ben  ©garen  bei  ber  „Pärenfeute". 
®ie  „Pärenfeute"  liegt  in  jenem  ©tabtbiertet,  wetcßeS 
jenfeitS  ber  lXnifrfjf off brücfe  mit  ber  getagnajasStraße 
•beginnt,  bon  beren  ©jifteng  bie  Petersburger  Hig-life  feine 
Stßnung  E)at.  Unb  boh  enbigt  ber  fcßöne  elegante  Pewsfß* 
Profpect  in  biefem  ßabßrintße  beS  ©lenbS  unb  ©dßmußeS ; . 
bocß  fo  Weit  bringen  bie  ©quipagen  ber  großen  sperren 
niemals.  ©fort  paart  ficß  ©uropa’S  ©cßutt  mit  StfienS 
Unratß.  Unb  bei  einer  großen  Kataftropße  fcßwimmt  ber 
Unratß  oben  auf.  Unfere  geehrten  greunbe  Würben  giemticß 
mal  ä  propos  bon  ber  gmprobifation  ber  PeWa  überragt : 
fte  ßatten  eine  anbere  Porftettung  erwartet.  ©ler  SPoraft 
ßatte  fie  aus  ißren  ßöcßern  ßerauSgefdßWemmt ;  fie  retteten 
fijß  auf  ben  Poben.  Unb  fd)reien  fönnen  fie  bortreffticß ! 
2ttS  ber  ©gar  faß,  baß  bort  biete  SPenfcßen  in  ©efaßr 
fcßweben,  ließ  er  bortßin  rubern.  —  gdß  folgte  ißnt  bon 
ber  gerne  unb  faß,  Wie  er  jene  SPenfdßen  eingetn  aus  ben 


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21 


©obenlöd)em  f)inuntert)ob,  unb  tt>ie  unterwürfig  fie  jefjt 
Woren.  3  cf)  mufete  mir  in  bie  gauft  beifeen,  um  nidjt  feell 
aufpladfen.  ®ie  ©efettfdjaft  ber  „©ärenfeule"  füfert  ber 
©pr  in  ben  SBinterpalaft,  audj  |>err  Dtarat  wirb  eine 
Sdjate  „®wafe"  »Suppe  non  ifem  befommen  unb  $äf)neflappemb 
fagen  :  „®anfe!"  $odj  ein  watjrfeaftiger  Sacfeframpf  erfafete 
micf),  als  unfer  greunb  3)obujoff  als  Stopoteon  ©onaparte 
maafirt  au§  ber  Spetunfe  feeroorfrocf).  S)er  ©pr  rief : 
„Diantre!  Est,  qne  vona  btes  retourn«  de  Sainte  Hbline  ?“ 
worauf  tttapoteon  geftanb,  bafe  er  fein  SBort  franjöfif^ 
nerftefee.  gefct  aber  erfolgte  bie  ftataftropfee.  9lid)t  burcfe 
Sttenfdjenfianb,  fonbem  burdj  ein  Stüd  §otj.  ©or  ber 
©ärenfeule  war  eine  feofie  i^id^tenftange  aufgefteüt,  auf 
beren  Spifce  ein  sßedjfranj  War.  SSon  biefem  reifte  ein 
fatpeterige«  Seil  Iferab,  welcfee«  angejünbet  t)ättc  werben 
fotten;  waE(rfct»einticE)  pm  Signale.  ®ie  ©iatafetn  ber  gfut 
erfdjütterten  ben  Stamm,  er  begann  p  Wanfen  unb  fjätte 
in  feinem  gatte  ben  ©pren  unb  feine  ^Begleiter  aerfdjmettert ; 
bodj  jum  ©lücfe  War  bort  ein  SRann,  ber  bie  brofeenbe 
©efafer  beizeiten  merfte  unb,  mit  ftarfer  6a nb  ba«  t)erab= 
tjängenbe  Seit  erfaffenb,  fyaftig  baran  rife,  tooburd)  ber 
Stamm  neben  bem  Äafene  nieberfdjtug." 

„®iefer  SKann  Warft  2>u!"  fagte  geneiba. 

„Soffen  Wir  ba«!  ba»  fefee  id)  fdjon,  bafe  ein  ©bet» 
mann  fein  gemeiner  Söteudjetmörber  fein  fann.  ®er  ift 
in  ben  Situationen  wäljlerifdi.  ©ei  befferer  ©elegenfeeit!" 

„9lur  nod)  ©ine«!"  fpracfe  3eneiba.  „©erüferte  ber 
©pr  audj  ben  fßetroD«fp=©arten?" 

„9lein !" 

„®ut!  3dj  Witt  ©ud)  nidjt  länger  prüdljatten." 

®ie  beiben  üttiänner  eilten  p  iljren  gafirjeugen  Ijinab ; 
3eneiba  aber  ging  p  ©etfefaba  prüd.  ®ie  Äönigätodjter 
ljatte  bereit«  alle  ©tufdjiffinber  angefleibet. 

„9hm,  Äinber!"  fagte  3eneiba  p  itjnen,  „nefemt  eud) 
bei  ben  $änbcf)en  unb  gefeet  Ijübfdj  paarweife  in  ben 
SBintergarten.  ®ort  Wirb  man  eudj  grüljftüd  geben,  bann 


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22 


fömtt  ifjr  Rieten."  Sßintergarten!  ißalmenwälbchen!  gür 
äRufchifälinber. 

$ann  Wanbte  fie  ftd>  ju  Sett)faba : 

„3e|t,  meine  tljeure  Keine  ißrinjeffin,  bleiben  ©ie 
allein  liier.  Saben  ©ie  fiel)  in  heifeem  SBaffer,  baS  wirb 
3^nen  nach  ber  gestrigen  ©rfättung  roof)l  th.un.  3<h  lomnte 
erft  in  einer  ©tunbe  jurüd.  ®ort  ftct)t  ein  ©Welchen ; 
wenn  ©ie  etwas  branden,  läuten  ©ie  bamit!" 

gn  Sethfaba’S  ft'opfe  fummte  es  förmlich.  SlüeS  War 
ihr  neu  unb  ungewohnt. 

©ine  wollüftige  SJtattigleit  bemächtigte  fid^  nach  bem 
Sabe  ihrer  Siemen  unb  belebte  zugleich  ihre  iß^antafie. 
©djabe  nur,  baß  fie  Stiemanben  hotte,  bem  fie  ihre  ©efühle 
unb  ©ebanfen  mittheilen  lonnte,  eS  Wäre  hoch  fo  gut  ge= . 
Wefen! 

2Benn  junt  Seifpiele  ©oph'e  h«1  Wäre! 

ga,  Wenn-  fie  hier  wäre,  bann  möchte  fie  fich  au<h 
nicht  fürsten. 

gwei  junge  9Jläb<hen  beifammen  finb  baS  ©innbilb 
ber  fjelbenmüthigfeit. 

Unb  jefct  !am  ihr- in  ben  ©inn,  Was  wohl  Sophie  in 
biefer  grofeen  ©efaljr  macht?  ©ibt  es  gemanben,  ber  an 
ihre  Stettung  benft?  SerjWeifelt  fie  nicht  ob  beS  unauSge» 
festen  Sturmgeläutes  unb  beS  fich  iwmer  unb  immer  Wie= 
ber  erneuemben  $anonenbonnerS?  SBeint  fie  nicht,  Wenn 
fie  jum  genfter  hinauSblicft,  unb  bie  rieftge  ©iSflut  fleht? 

.  .  .  Sethfaba  fchauberte  jufammen.  3hre  erregte  ©inbilbung 
führte  bie  greunbin  tior  ihren  ©eift,  Wie  fie  oor  bem  gro= 
feen  S3ilbe  litiet  unb  mit  erhobenen  föönben  um  Befreiung 
fleht.  Db  ihr  ©ebet  Wohl  nü|en  wirb?  Dber  ift  eS  nur 
ein  leidster  fjauch  gegen  ben  Slufter?! 

©ie  faltete  ihre  £>änbe,  ihr  ju  helfen;  bielleicht  h“t 
baS  ©ebet  jweier  SDläbchen  gröfeere  Sßirfung.  Schabe,  bafe  • 
in  biefent  Simmer  nicht  ein  $eiligenbilb  ift.  ©ie  mufete  ihre 
Slugen  fchliefeen,  bamit  fo  ein  ©öfcenbilb  beS  ©ubbha  nicht 
etwa  glaube,  bafe  fie  ihr  ©ebet  an  baSfelbe  richte. 

©o  fanb  fie  bie  jurüdlehrenbe  geneiba. 


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23 


,,©ie  beten  fdjon  »teber,  Sßrinjeffin?  Qe^t  ift’S  3eit 
gunt  |>anbeln!" 

„2lber,  »aS  !ann  ich  tf)un?" 

„SSor  Stüenx  trinfen  Sie  biefe  SBeinfubpe,  bie  i<b  Qtineit 
brachte.  5cb  mochte  ©ie  gerne  Wieber  im  SSoübefi|e  Sbrer 
Sraft  fefjen,  benn  id&  braune  Sbre  fjtlfe." 

,,Söleine  §itfe?" 

„©e^en  ©ie  jtdj  nur  unb  friibftiicfen  ©ie.  Unterbeffen 
»erbe  tcf)  ©ie  in  meinen  ißlan  ein»eiben." 

Setbfaba  gitterte.  @S  fiel  if)r  ber  ®rad)e  in  bcm  9Jlär= 
t^en  ein,  ber  bie  gefangenen  Sinber  mit  äJtanbeln  unb  SRo= 
finen  bewirtete  unb  erft  bann  töbtete.  Saum  fonnte  fie 
bie  Suppe  binunterbringen. 

„Sie  »erben  »o^t  jenes  einftödige  fpauä  fennen  im 
©arten  neben  bem  SitgenienrsSebäube,  in  »etebem  ein 
einfameS  SOiöbcben  mit  einem  »erblichen  Sienftboten  »obnt?" 

Setbfaba  üerlor  fein  SBort. 

„Sen  amtlichen  Saaten  gufolge  liegt  jenes  §auS  um 
öier  Strfcbin  tiefer,  als  biefeS  ©<blofj.  golglidj  bat  bie  gtut, 
ba  fie  hier  bis  gur  Sreppe  reicht,  bort  febon  baS  gange 
parterre  iiberfcb»emmt  unb  reicht  ftbon  an  bie  fünfter  beS 
©tod»er!eS;  »ädfjft  bie  Stut  —  unb  fie  »irb  toaebfen  — 
nur  noch  um  einen  Slrfdfjin,  fo  ftrömt  baS  SSSaffer  gum 
Senfter  in  bie  ©tocf»obnung  hinein.  SBenn  nun  bie  Ueber= 
fcb»emmnng  —  »aS  teiber  ge»i|  ift  —  noch  g»ei  bis  brei 
Sage  bauert,  mujj  baS  arme,  garte  9Jiäbd)en  oerg»eifetn. 
3br  einziger  SBefd^ä^er  fann  fie  nicht  retten  »egen  feiner 
Stellung,  Slnbere  aber  febiefte  er  üergebenS  ftatt  feiner,  benn 
baS  SJiäbcben  ift  ftörrifcf)  unb  mifjtrauifcb.  ©ie  »irb  ficb 
feinem  jjremben  anüertrauen,  benn  fie  fürchtet,  baff  man 
auch  fie  öerniebten  »iß,  »ie  bie  giirftin  Sarrafonoff.  ©S 
ift  alfo  nicht  anberS  möglich,  fie  aus  bcm  gefäbrbeten  &aufe 
gu  retten,  als  »enn  ©ie  mitfommen,  benn  ©ie  fennt  unb 
liebt  fie.  2luf  3b*en  Sluf  Wirb  fie  öom  Satcon  in  ben  Sahn 
binabfteigen,  bann  bringen  »ir  fie  in  biefeS  $auS :  fie 
23eibe  »erben  im  ©cblafgimmer  »ahnen,  fo  lange  bie  ©e= 
fahr  »ährt,  ©ie  »erben  nicht  allein  fein  in  biefer  ©cf)re= 


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24 


denöjeit;  unb  aud)  fie  »irb  ftdj  in  Q^rer  ©efeUfcEjaft  toofyt 
befinben.  SBenn  bann  bie  ©efafir  üorbei  fein  wirb,  führen 
»ir  fie  luieber  in  if)re  SBobnung  jurüd." 

SBäbrenb  biefer  Siebe  öergafj  99et£)faba  ju  fritbftüden. 
3f)re  Slugeu  öffneten  fidE>  immer  mehr,  itjre  SBangen  run= 
beten  unb  röteten  fid),  fie  lochte  unter  Xtjrnnen,  unb  atö 
geneiba  ihren  ißlan  mitgetbeilt  batte,  fprattg  fie  ju  ihr  bin, 
ergriff  mit  ihren  $änben  ßeneibenö  ©futtern,  fab  ibr  treu= 
berjig  in  bie  Slugen  unb  fagte  freubig  : 

„SS,  ©ie  finb  ja  gar  nicht  ber  Deufel!" 

3eneiba  mufjte  lachen. 

„Stber  »er  fagt  3bnen  benn,  bah  ich  ber  Teufel  bin?" 

„Steine  ißatbin.  Siber  ich  febe  jejjt,  baff  eä  eine  Büge  ift." 

„Da3  ift  nur  fo  eine  Stebenöart !  SBenn  man  Seman« 
bem  jürnt,  nennt  man  ihn  Deufef." 

„SBegen  beö  gesoffenen  fpirfeben  jörnt  Sbnen  meine 
SSattjin,  niibt  »abr?" 

„3a,  beöhalb." 

„Stber  fie  hätte  mich  boeb  nicht  bamit  erfdjreden  foöen, 
baff  ber  Deufef  fo  auSfiebt." 

„Stärrdjen !  @3  gibt  ja  feinen  teufet.  Die  SQtenfcben 
lieben  e3  nur,  ihre  eigenen  ©djfedjtigfeiten  einem  ibeaten 
SBefen  anjubiebten,  tueldjcg  an  ihren  ©iinben  gar  fein 
Sntereffe  bat." 

„Sfber  ©ie  finb  bennoeb  eine  See !  Denn  ©ie  haben 
in  meiner  ©eele  gefefen,  »ie  febr  ich  mich  febnte  unb  forgte 
um  ©obhte.  ©erabe  barum  habe  ich  ja  ju  ©ott  gebetet, 
bafs  er  meine  arme,  fleine  Sophie  errette  unb  fie  tjierf>er= 
bringe.  Unb  ba  treten  ©ie  ein  unb  bringen  mir,  »ie  ber 
©enbbote  im  ©öangefium,  bie  tröftenbe  Slnt»ort :  ©ehe 
felber  bin  unb  hole  fie  Dir!  SBagen  ©ie  noch  ju  bebaut 
ten,  bafj  ba3  ©ebet  nicht  gut  ift?" 

„Dem,  ber  glaubt,  ift  e3  gut,"  entgegnete  ßeneiba, 
unb  fiijjte  bie  ©time  be8  Stäb<ben3,  toorauf  biefe  mit 
ihren  beiben  Sfrmen  bie  Dame  fiebenb  umarmte  unb  fagte : 
„Dujjen  »ir  un3!" 

Unb  fie  fügten  ficb- 


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25 


Sann  lief  Setbfaba  mit  auägetaffener  greube  jum 
grühftücfstifche  hin  unb  trän!  in  einem  3u9e  foft  bie  ganje 
bampfenbe  SBeinfuppe.  @twa£  baoon  blieb  auf  bem  39  oben 
beä  ®tafe§.  „Sa3  mufft  Su  trinfen,  ba$  ^abe  ich  Sir 
übrig  gelaffen,"  fpradj  fie  ju  3eneiben. 

|>temit  warb  bet  ©unb  geheiligt. 

„3<h  bin  bereit;  wir  tönnen  fdjon  geben,"  fagte  bie 
Königstochter. 

„SSarte  nur  noch  ein  Hein  Wenig;  juerft  foHen  bie 
Herren  Weggehen.  2Bir  werben  burd)  bie  ©artenpforte 
hinauSfabren  unb  nehmen  btoS  einen  Steuermann  unb  einen 
Datenträger  mit  uns." 

„Glicht  Wahr,  wir  werben  rubern?  3 cf)  bin  ftarf  unb 
öerfteije  eS." 

,,(£§  wirb  unnötig  fein.  3w'Wen  bem  Sreibeife  tann 
man  nur  mit  bem  fpafen  öorwärtsfommen,  befonberö  ber 
3tut  entgegen." 

„Unb  bennocb  behaupte  idj,  Bentbcben,  nicht  Wahr,  Su 
Wirft  mich  auch  „©etbfi"  nennen?  baff  Su  eine  gee  bift! 
3f<h  muh  Sir  nur  gefteben,  bah  ich  wicb  bot  ben  guten 
©eiftern  nicht  fürchte.  D,  in  meiner  fpeitnat  finb  beren 
niete;  Samara  war  ihre  Königin.  Senn  wenn  Su  feine 
3ree  Wäreft,  wie  lönnteft  Su  eS  fonft  Wiffcn,  bah  biefe 
Ueberfchwemmung  noch  jWei  bis  brei  Sage  bauern  wirb?" 

„SaS  ift  fein  3°nber,  meine  tiebe  ©etbfi,  ber  ©aro= 
nteter  bort  an  ber  Xöanb  geigt  auf  anbauernben  Sturm. 
Unb  bann  tefen  wir  auch  ?Me  in  ben  Sbrontfen  ber  Stabt, 
bah  bie  ©efahr  immer  mehrere  Sage  anbauert,  Wenn  ber 
Sübweftwinb  bie  SReWa  jum  Austritt  bringt." 

„9tun,  baS  ift  febr  einfach-  2ttfo  f eine  ^ropbejeiung  ? 
©ber  Su  baft  «och  ein  ©nbereS  gefagt,  —  bah  jener  £err, 
Welcher  Sophiens  einziger  ©efcbüfcer  ift,  nicht  ju  ihr  hin» 
gehen  Wirb  fönnen.  ©Selcher  S9arometer  hier  h°i  ®ir  baS 
gefagt?" 

„$m!"  —  3e«eiba  brüefte  bie  Sippen  aneinanber  unb 
badjte  einen  SRoment  tang  nach  —  „weiht  Su,  Wer  jener 
hohe  $err  ift?" 


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26 


„Sßie  benn  nidjt?  SSie  oft  tjat  er  rnicf)  bort  bet  ©o= 
pljie  getroffen  unb  fidj  aud)  SRärdjen  oon  mir  erjätjten 
taffen !  • —  Sophie  ober  f)at  mir  Slßeä  gefogt,  SlHeS,  aucf) 
-  foidje  Singe,  bie  Stiemanb  toeijä.  Sie  werbe  icfj  Sir  olle 
erjagten,  benn  wenn  man  fidj  liebt,  mufe  man  einonber 
Sltteä  fagen,  WaS  mon  Weife.  Stidfjt  Wafer?" 

„©eWife !  Sllfo,  meine  Siebe  :  btäfeer  fonnte  ber  grofee 
|>err  nidfet  p  ©opfeie  fommcn,  Weil  bie  ©efafer  oon  ber 
grofeen  SteWa  auäging,  unb  Weil  e§  ficfe  für  ifen  gebüferte, 
bafe  er  on  ben  om  weiften  gefäfjrbeten  Orten  erfdjeine,  um 
bie  fBemüfeungen  pr  ^Rettung  burcfe  feine  ©egenwart  anp= 
eifern  unb  ifenen  ©rfolg  p  oerf Raffen.  SBenn  er  onftott 
beffen  perft  p  Sophie  geeilt  Wäre,  Welche  bei  ber  Keinen 
Stewa  wofent,  Wa8  wäre  bo  für  Unrufee  entftonben.  — 
Sticfet  wafer,  Su  üerftefeft  rnidfe?" 

„©efer  gut  oerftefee  icfe  Sief)!"  fagte  SBetfefaba  traurig. 

„fjeute  aber  taffen  fie  biefen  l)ol)en  $erm  nidjt  mef)r 
feinaug  auf  bie  überfefewemmten  ©affen." 

„SEBer?" 

„©eine  Sftätfee." 

„SEBarum  niefet?" 

„SEßeil  fie  einer  SBerfcfeWörung  auf  bie  ©pur  gefommen 
finb,  bie  gegen  fein  Beben  gerietet  ift." 

„D,  mein  ©ott!"  feufete  SBet^faba  auf  unb  gelangte 
mit  einem  SJtale  an  ben  testen  Sting  ber  ©ebanfenfette.  — 
®erfd)Wörnng  gegen  baS  Seben  be§  ßjaren,  unb  3eneiba 
weife  baoon!  Son  wem  fonnte  fie  baä  fo  fdfeneü  erfahren 
feaben?  —  fßon  biefen  beiben  SRännern!  —  Stber  oon 
welkem? 

gurtfetfam  trat  fie  an  geneiba  feeran,  unb  fid)  über 
ifere  Schulter  beugenb  flüfterte  fie : 

„Stber  nidfet  Wafer  —  nidfet  biefer  —  biefer  jüngere 
—  feat  Sir  ba§  gefagt?" 

„Stein,  nein,"  fagte  ßenetba,  bie  ganje  Seele  beä 
®inbe3  burdfeblidenb.  „ffür  ifen  fürste  nidfetS !  ©eine  $anb 
unb  fein  §erj  finb  feieoon  rein." 


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27 


„Unb  Su  bift  babei?"  fnig  ba§  -Dtäbchen  mit  ber 
gingerfpi|e  geneiba’ö  ©ruft  berührenb. 

3enetba  mar  überrafdjt  oon  bem  birectert  ©erhör.  Sft 
baö  finbtiche  Steugierbe  ober  bebeutet  e£  mehr? 

©ethfaba  bemerfte  iljr  ©efremben. 

„Senn  fie^ft  Su,  jmifchen  Senen,  bie  einanber  lieben, 
barf  e§  fein  ©eheimnife  geben.  3<h  fage  Sir  auch,  maä  ich 
meife,  unb  maö  ich  noch  Seinem  gejagt  höbe,  nicht  einmat 
meiner  Saufpatfee,  benn  bei  ihr  glaube  ich,  bafe  ict)  fie  mehr 
fürste,  afe  liebe.  Slber  Sich  liebe  ich  fo  recht,  rec^t ;  barum 
fage  idj  Sir  auch,  bafe  idj  auch  meife,  mie  fürchterlich  man 
fic|  gegen  itjn  üerfchmoren  hat.  ©r  tjat  eö  Sophien  fetbft 
gefagt.  Sn  ©etrotoöfo  tiefeen  iljn  bie  empörten  ©auern  unb 
©olbaten  nicht  meiter  reifen,  berfpotteten  ihn  unb  broljten 
ilpn,  —  er  müffe  jurücffetjren.  Siefe  ßeute  finb  jertumpt 
unb  jungem,  ba  glaube  icfj'S  bafe  fie  ihm  böfe  finb.  Slber 
maö  |aft  Su  gegen  ihn?  Su  bift  reich,  bift  fdjön  unb  ge» 
feiert,  marum  bift  Su  alfo  boef)  mit  in  ber  ©erfchmörung?" 

Sn  3enetba  bti^te  eine  Sbee  auf.  Siefeö  Sinb  fonnte 
in  ber  Sette  noch  einen  Sting  bilben,  ber  eben  fehlt. 

„Somnt,  taff’  unS  ftäfternb  {preßen,  bafe  eS  fetbft  bie 
SSänbe  nicht  hören  fönnen.  Stuch  ich  ^abe  Sief)  tieb  gemonnen 
unb  fage  Sir  SllleS  aufrichtig,  maö  ich  weife.  Ütuch  i<h  bin 
mit  in  ber  ©erfchmörung,  ich  fpiele  eine  grofee  9totte  barin." 

„SDSaS  fjaft  Su  für  einen  ©runb  baju?" 

„S<h  bin  eine  „Kalevaine." 

, ,2t ber  maä  ift  ba§  „Kalevaine“?" 

„Sn  ber  ©uomatainenfpradje  baöfetbe,  toaS  Su  bei 
ben  ©rufen  bift.  ©in  SKöbchen,  baö,  atg  eö  jur  SESett  fam 
noch  eine  fjeintat  hatte  unb  fie  je|t  nicht  mehr  hat,  beffen 
Station  bamatö  noch  ©uomatein  mar,  möferenb  man  fie  heute 
bie  finnifche,  tfdjubifche  nennt.  Su  erinnerft  Sief)  gemife 
eben  fo  mie  ich  “n  bie  ©egenben  unb  ©eftatten,  bie  Sich 
bi§  ju  Seinem  fechften  Sah«  umgaben,  bie  Su  nimmer 
mieber  gefefeen  unb  hoch  nie  bergeffen  fannft?" 

„D  baö  ift  mafer!" 

„Sticht  mahr?  Snntitten  aller  |>errfichfeit  ber  ©Seit, 


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2* 


bie  $idj  bet  beit  glönjenbften  ^offeften  umgibt,  wirb  e8  ®ir 
plöfclid)  Wclje  um’8  |>erj,  wenn  $ir  bie  bunflen  SBälber 
mit  bem  Wilben  SBein  öerWadjfen  in  ben  Sinn  fommen, 
bie  Sftitter,  toeldEte  ben  braufenben  ©ergftufj  auf  rafdjen 
fßferben  überfein,  bie  weitljinfdjauenben  blauen  Serge  unb 
bei  9lljnenpalaft,  mo  bor  bem  ifyrone  ®eine8  ©ater8  bie" 
SJhtrfen  mit  gefenltem  Raupte  erfdjienen?" 

„D  gewifj,  gewifs!" 

„Unb  auci)  jefct  benfft  ®u  nod)  ber  9Karcf)en,  benen 
$u  beim  SJiurmeln  ber  grufifdjen  ©äcfje  gefault  Ijaft?" 

„So  ift  ei  —  ganj  fo!" 

„9lun  fieljft  $u,  eben  fo  ergebt  e8  mir  mit  jenen 
©rinnerungen,  bie  Wie  ba§  ©raufen  be8  Qmatra  ewig  auf 
unb  nieber  raufcfjen  in  meiner  Seele,  ©ben  fo  wenig  fann 
id)  bie  moo8bebedten  Seifen,  bie  alteften  ©ipfel  ber  SBelt, 
bie  Fata  morgana  ber  fhtnifdjen  ©bene,  bie  rotfjbebadjten 
Käufer,  bie  3iwmergcbäße,  an  benen  bie  ©robe  an  Stri» 
den  gereitjt  Ijerabljängcn,  bie  Urfagen  ber  Kalevala  unb  bie 
Sreifyeit  be8  ©otfe8  tiergeffen,  oon  ber  mein  ©ater  fo  biel 
gefprodjen.  ®amafö  berftanb  idj  nid)t,  wa8  er  mit  fagte, 
aber  jefct  erinnere  idj  mid)  baran  —  berftelje  it)n ! " 

„$dj  erinnere  micf)  aud)  —  aber  id)  berftefye  ei  nodj 
immer  nic^t." 

„tiefer  ©jar  ttaljm  ®ir  Wie  mir  ba8  ©aterlanb,  er 
na^m  unferem  SSotfe  feine  grei^eit!  Unb  als  wir  bann  ber= 
Waift,  baterlanbStoS  geworben  waren  —  burcf)  iljn,  ba  würbe 
er  ftatt  unfereS  ©aterS  unfer  ©ater,  für  unfer  Keines  ©a= 
tertanb  gab  er  unS  ein  grofjeS,  ftatt  unfereS  ftißen  |>eimS 
bie  §errlid)leit  ber  SBelt!  9118  äJtenfd)  war  er  unfer  ©ater, 
at8  ©jar  unfer  Xprann.  gür  baS  ©ine  fann  id)  iljm  nid)t 
unbanfbar  fein,  ba8  9lnbere  fann  idj  iljm  nidjt  berjeifjen. 
Unb  fo  ftetje  id)  gebannt  jwifdjen  jWei  fßflidjten.  9118  mei* 
nen  angenommenen  ©ater  muß  id)  fein  empfinblidjeS  |>er$ 
fdjüjjen,  muff  ifjn  Ijüten  bor  bem  meudjlerifdjen  $olcf),  bor 
Sdjmerj  unb  ®ränfung ;  au8  ber  ©ifenfjanb  be8  Iprannen 
aber  muß  tcf)  mein  ©aterlanb,  fein  ©otf  unb  feine  5rei= 
f)eit  reifjen!  —  $aft  ®u  nficf)  berftanben?" 


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29 


„Sch  felje  ®i<h  oor  mir  fliegen,  ober  ich  fonn  deinem 
Singe  nicht  folgen,  ®ich  nidjt  erregen,  Sprich  :  ift  „er" 
auch  in  ber  SSerfcE)i>rung  ?" 

Seneibo  oerftonb,  Wen  fie  unter  biefetn  „er"  meinte. 

„SRein!  —  6t  borf  eS  nicht!  —  3$  miß  rtidEjt  — 
baß  er  baran  theitneljme." 

„D  bann  ertaube  auch  mir,  nicht  babei  ju  fein!  8Büt= 
beft  ®u  gefagt  hoben,  baß  er  bobei  ift,  fo  müßte  auch  ich 
es  fein." 

„So  ift’S  f  Shr  müßt  6iner  ben  Slnbetn  jurücfhalten. 
Slber  bennoch  mußt  33u  mir  in  einem  Itjeite  ber  ßhweren 
fßfticht  beiftehen." 

„Sprich,  WaS  ich  tf)un  foß,  ich  folge  ®ir!" 

„Unfere  erfte  Sorge  ift,  Sophie  hieherjubringen,  unb 
Senen,  beffen  §erj  um  fie  bangt,  ju  benachrichtigen,  baß 
ihm  nicht  bange  um  fie  fein  möge." 

„6rlaubft  $>u,  baß  ich  suerft  gu  Sophien  gehe?" 

„ßtur  ®u  aßein,  fie  Würbe  auch  fonft  ßtiemanben  hören." 

Sethfaba  aber  hätte  man  leine  größere  S*eube  oerur= 
fachen  fönnen,  all  baß  fie  juerft  aus  bem  Staren  auf  ben 
©atcon  beS  oerborgenen  §äuSchenS  im  fßetrowsfer  ©arten 
treten  burfte. 

®ie  Stut  reifte  bereits  an  ben  ©atcon  unb  fie  burfte 
ju  bem  Bezweifelten  SJtäbchen  eiten  mit  ben  SBorten  :  „®u 
bift  befreit." 

®em  armen  StRäbcßen  fehlte  eS  bereits  an  aßen  SebenS» 
mittein,  Wie  an  aßem  |>eijmateriate,  benn  SlfleS  war  burd) 
baS  in  bie  Sefler  unb  ©peifetammer  bringenbe  Sßaffer  un= 
brauchbar  geworben.  Sn  fßetge  gebüßt  faß  fie  bort  am 
Senfter  unb  auf  bie  Scheiben  t|ou<henb,  ftaunte  fie  bie  gro= 
ßen  6iStafetn  an,  bie  über  bie  oößig  niebergeriffene  Um= 
gäunung  {»itiroeg  heranfchwammen.  9Ranche  burchfchneiben 
mit  ihren  fcßarfen  ßanten  bie  großen  Spieren  wie  mit  einet 
©äge,  bie  anberen  bäumen  fi<h  auf  in  ihrer  gangen  Sänge 
oor  bem  ©tomme,  ber  ihnen  im  Sßege  ftetjt,  bie  nachfot* 
genben  ftauen  fidj  an  ihrem  ßtücfen,  bis  ptöfctich  bie  ftarte 
©irte  Irachenb  unter  ihnen  gufammenbricht.  —  Sßenn  baS 


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30 


©iS  ben  fßar!  »erntetet  f)at,  lommt  bie  Steife  an  baS 
$auS\  Stuf  bem  ©cßreibtifcbe  mar  bar  Betteldjen  aus  ©troß» 
f>af>ier  bereitet,  baneben  ber  Sleiftift.  Sophie  Wollte  etwa«? 
fcßreiben. 

Sn  einem  Käfige  batte  fie  eine  fß  ofttaube.  ®iefe  batte 
ibr  ber  ©jar  gebraut,  bamit  fie  ibn  oerftänbige,  Wenn  fie 
fitb  einmal  in  großer  ©efaßr  befinben  foHte. 

Sie  wartete  mit  ber  SRittßeitung  big  jur  äußerften 
©renje  ber  ©efabr,  benn  fie  wußte,  wie  fdjmer  eS  ibm 
fallen  muß,  ibr  ju  §ilfe  ju  fommen.  ©S  läßt  ficß  nun 
benfen,  wie  groß  ihre  ftreube  war,  all  Setßfaba  burcß  bie 
Salcontßür  bei  ibr  eintrat. 

©obßie  «griff  fofort  ben  Stift  unb  fdjrieb  mit  beben» 
ben  Ringern  auf’s  ©troßbapier  biefe  SB  orte  nieber  :  „Scß 
bin  gerettet,  unb  in  guter  |»anb;  fei  ohne  ©orgen!" 

©ie  frug  gar  nicht,  Wobin  man  fie  führt.  $em  Stufe 
Setbfaßa’S  folgte  fie  getroft.  ©ie  banb  ben  Zettel  unter 
bie  fjlügel  ber  Saube;  bie  fliegenbe  fßoft  flog  hoch  in  bie 
Süfte  unb  üerfcßwanb  bann  in  ber  Stlcßtung  beS  SBinter» 
ßalafteS. 


XXY. 

§O0  unb  JSagog. 

®er  ©jar  batte  fi<f»  biefe  Stacht  gar  nicht  entfleibet. 
©r  Warf  ficE)  ermübet  auf  baS  —  bloS  mit  einer  Säten» 
baut  bebecfte  —  Stubebett. 

©djon  oor  Sonnenaufgang  War  er  auf  ben  Seinen, 
unb  ohne  feine  Kleiber  ju  wedjfeln,  trat  er  an’S  Senfter. 
SiiefeS  war  jugefroren;  er  mußte  eS  baßer  aufmacben.  fßlöß» 
ließ  fcßlug  er  eS  wieber  ju.  ©in  febauberbafter  Slnblicf  baS! 
Qn  fieberhafter  ©rregung  jog  er  feinen  SDtantel  an  unb 
ging  hinaus. 

Sm  Sorjimmer  erwartete  ißn  fein  ßeibarjt,  ©ir  3a* 
meS  SBbtie.  @r  trat  bem  ©ilenben  entgegen. 


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31 


„®uer  SJtajeftöt  bärfen  tjeute  nid)t  au§get|en!" 

„3Z  barf  ntd)t?  Sßet  befiehlt  mir?" 

„SZ  oerorbne  nur.  ®ie§  SRe<f)t  tjat  ber  3lrjt  auZ 
gürften  gegenüber. " 

„Slber  iZ  bin  nicpt  franf." 

„®ann  Werben  ©ie  e$.  gf)re  ©efunbfieit  ift  gefötjrbet." 
„Sie  ftet|t  in  ©otteS  fpanb." 

Unb  er  ging  Weiter. 

3nt  Slubienjfaale  fanb  et  Slraftäejeff. 

„@uer  äJtajeftät  fann  Ijeute  nid^t  au3gef|en." 

„9ltfo  ®u  orbinirft  auZ  fZon,  ntcf)t  nur  ber  Strjt?" 
„®a§  Seben  ©uer  SCRajeftät  fdjwebt  in  ©efaljr." 
„9tiZt  jum  erften  Sfftate.  ©r,  ber  midfj  geftern  ftf)ü|te, 
Wirb  miZ  audj  fjeute  nidjt  oertaffen,  ©ei  ein  ©tirift  unb 
fjalte  miZ  für  fein  ®inb,  baä  ficf)  mit  SRärZen  fd£)redfen 
täfjt.  ©teibe  auf  ® einem  ©ta|e,  icf»  gelje  auf  ben  meinen!" 

2lraft§ejeff  fannte  ben  ©jaren  unb  wufjte,  bafj  2Btber= 
fpruZ  it)n  nod»  fjnrtnädiger  mac^t.  @r  fteflte  ficf)  batjer  etjr* 
furZtSOott  jur  ©eite,  at§  ber  ©jar  an  if|m  oorüberfZritt. 

®er  ©jar  paffirte  allein  ben  langen  ©orribor,  ber  mit 
ben  ©itbem  feiner  ©dljladfjten  oott  War.  9tm  ©nbe  be§ 
©aitges  erwartete  iljn  ein  fteiner  SRegergroom  mit  einem 
©riefZen,  ba§  er  Wortlos  überreizte.  @§  War  ber  ®iener 
ber  ©jarin;  ein  ©eburtetagSgefZenf  oon  ef)emat§. 

®er  ©jar  burZftog  ben  ©rief,  bann  lief?  er  ben 
Äobf  Rängen.  ®r  fpraZ  fein  SBort,  ging  auf  fein  Simmer, 
legte  feinen  SRantet  ab  unb  btieb  ju  §aufe. 

®en  ©rief  Ijatte  bie  ©jatin  gefZrieben,  unb  er  ent= 
tjiett  nur  golgenbeg  :  „3Z  fürZte  miZ  attein  im  ©Ztoffe  ; 
bitte,  oertaffen  ©ie  mid)  jefjt  niZt!" 

®a§  war  ein  ©efeljl!  ®iefem  mufs  fetbft  ber  §err 
ber  SGSett  getjorZen.  ®ie  ©attin  fürZtet  fiZ! 

ge|t  ift  er  oerurttjeitt  batieim  ju  bteiben,  Wie  ber  ein= 
geferferte  Sträfling ! 

©eit  oierjet)n  galten  t)at  bie  ©attin  Zn  um  niZtS 
gebeten.  .  $eute  ttjut  fie  e§  :  wie  fönnte  er  it>r  bie  Sitte 
abfZtagen? 


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32 


Sticht  nur  feine  §errfd)erpflichten  mahnten  iljn,  bort» 
hin  ju  getien,  Wo  bie  (Slenben  in  ©efahr  finb;  fonbern 
auch  jener  bunfte  Drang  nad)  SBorträrtS,  ber  feine  Seele 
fortWährenb  anfpornt,  ber  ipn  oon  einem  ©nbe  feines 
IRei^eS  bis  jum  anbern  jagt,  ber  ipn  felbft  bei  sJiad)t  nicpt 
ruhen  läßt,  bis  er  auffteljt,  fidf  in  ben  SBagen  fe|t  unb 
oon  Straße  ju  Straße  fährt.  DaS  Sleiben  auf  einem 
ißla^e  ift  für  ißn  eine  gotter.  ©rft  biefe  SBoc^e  fehlte  er 
oon  einer  Steife  fjeim,  toeldje  fidj  bis  an  bie  firgififdjen 
Steppen  erftredte.  Unb  je|t  foß  er  ju  Ipaufe  ßoden?  — 
Doch  feine  grau  bittet  if)n  barum. 

Sie  erbat  ficß  ja  nichts  ©roßeS  Oon  if)tn.  Sie  bittet 
ißn  ja  nirfjt,  ju  ißr  in’S  gimmer  j«  lommen,  ißr  ®efeü= 
fdjaft  ju  leiften,  fie  ju  tröffen  unb  ju  ermuntern;  fie  bit» 
tet  ihn  nur,  mit  i£)r  unter  einem  Dache  ju  bleiben. 

ge|t  hatte  er  SRuße,  oon  einem  ©nbe  feines  ^immerS 
bis  jum  anbem  ju  fpajieren,  unb  ju  tauften  bem  ©loden» 
getaute,  bem  Sturotgebrüße  unb  bem  Klatfdjen  ber  SEBogen, 
beren  ©ifdjt  bis  an  feine  genfter  £|inanfpri|te. 

ißlöitich  fcßrie  er  :  „3Bo  bift  Du  Sophie?" 

©ut,  baß  ißn  Stiemanb  £)örte ;  er  War  aßein. 

Sein  ©eift  Weilte  in  jenem,  oon  ben  SBogen  einge» 
fcfßoffenen  §äuScf)en;  fein  Stid  burdßief  bie  leeren  gimmer, 
in  Wetten  Sßinb  unb  SBetter  ungeßinbert  tobten,  unb  als 
er  fie  nitgenbS  entbedte,  rief  er  : 

„2Bo  bift  Du,  Sophie?" 

Diefe  Sßifion  war  noch  peinlicher,  als  jenes  wirtliche 
Schredbilb,  Welches  bie  jürnenbe  Statur  braußen  bot.  Sie» 
ber  faß  er  bieS  an.  @r  eilte  auf  ben  93alcon  beS  SBinter» 
palafteS  hinaus,  riß  beffen  ©ta8tf)üren  auf  unb  ftarrte  oon 
bort  hinab  auf  bie  gräßliche  Sßerwüftung.  Das  war  ein 
fchauerticher  Slnblid! 

SSreit  Wie  ein  SJteerbufen  wäljte  ber  riefige  Strom 
feine  Sßeflen  jurüd  in  ben  Saboga»See.  3luS  bem  fernen 
Stebet  löfen  fid)  nadjeinauber  bie  Sßifionen  loS,  welche  bie 
rafenb  bafjinftürjenbe  SBafferfläche  wiberfpiegelt. 

2ltS  Stapoteon  üom  Kreml  aus  ben  93ranb  oon  SJtoS» 


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33 


fau  falj,  wie  bet  ©türm  baS  Flammenmeer  gegen  bie 
©tabt  mäljte,  rief  er  Derjmeifelt :  „Slber,  maS  ift  benn 
biefer  SSinb?"  3e$t  frufl  älejanber  aud),  als  er  fa£),  wie 
ber  ©türm  unanffaltfam  baS  SDteer  gegen  feine  9tefibenj 
peüfdjte :  „Slber  maS  ift  benn  biefer  SBinb?" 

Umgeftürjte  Käufer  mit  jerftörten  Sädjent,  an  beren 
©tä|en  fid)  ^albnacfte  SRenfdjen  Hämmern  :  unb  bort  er= 
Ijebt  fid)  fteljenb  ein  Heines  $änbdfjen  aus  bem  2Jiutter= 
fdfjoofee.  ©in  3Jtann  rnbert  mit  einem  Sörette  unb  finbet 
lein  rettenbeS  Ufer. 

3feber  SBinbftofe,  jeber  Sßogenfdfjlag  bringt  eine  neue 
©rfcfeeinung. 

3e|t  fommt  ber  iReft  einer  äRenagerie.  S>er  ©trubel 
mirbelt  bie  aneinanbergeletteten  Käfige  im  Greife  untrer, 
©in  Königstiger  butdfbracf)  fein  ©efängnife  unb  ftärmt  je|t 
brüHenb  Don  einem  Käfige  jum  anbern.  Einige  SRänner 
Hämmern  jtd|  an  bie  (Sitter,  mögen  aber  nicf)t  baS  33 ad) 
jn  erflettern  aus  Furcht  Oor  bem  Siget.  Wüe  merben  fie 
bort  umfommen.  äRenfäen  unb  Seftien  IreifdE»en  unb  brüllen. 

S>ie  SBogen  mäljen  aud) '  fie  unerbittlich  fort. 

9tun  folgt  eine  Srüife.  ©in  Fragment  ber  ftefeenben 
^poljbrüde,  jmifdjen  ©iSriefen  eingejmängt.  3toifd)en  ben 
Sailen  ftefet,  bie  Steicfefel  naefj  oben  gerietet,  nod)  eine 
Kutfcfee,  aus  beren  innerem  ein  rofafarbigeS  FwuenHeib 
fyeröorblidH.  9lud)  bie  Srüde  unb  bie  Kutfdie  fd)ttmnmen 
weiter;  fradjjenbe  fRaben  untfefemärmen  fie  auf  bem  ©ife 
unb  in  ber  ßuft. 

SBer  lönnte  all’  biefe  Silber  oerfotgen? 

Ster  ©trom  ftürmt  baljin  mie  ein  abgebrüdter  5ßfeil, 
unb  bie  SBoge  fpiett  mit  ben  ©isbarrieren ;  je|t  errietet 
fie  jufefeenbS  ißqramibeh  unb  reifet  fie  im  nädjften  9lugen= 
btide  nieber;  SBirbel  bejeidtinen  ifete  ©teile.  Ster  ©ranit» 
quai  ift  längft  jetbtoefeen,  fein  Ufer,  lein  Stamm  mefert 
bem  Flttffe,  weiter  jnm  äJteere  anfcfemillt. 

gn  ber  -Ralfe  beS  SßinterfdftoffeS  ift  baS  ißalaiS  ber 
Slbmirafität.  ©ein  Stad)  ift  oon  ©rj.  Ster  gräuliche  ©türm 
rife  ein  ©tüdf  beS  StadfeS  ab,  rollte  eS  mit  einem  bonner» 
Söffli :  Stilett.  II.  3 


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34 


öhntidfjen  ©epotter  jufammen,  mie  einen  Sogen  Rapier, 
ebnete  eS  toieber,  entführte  eS  in  bie  Siifte,  marf  einjelne 
Dafein  mie  Spielfarten  untrer,  bis  er  enblidf)  baS  ganje 
Dach  jerriß  unb  eS  auf  ben  ^auptylafc  nieberfc|teu* 
berte. 

Sefct  fontmen  niete  taufenb  gaffet  mit  2Reljt, .  3uäer, 
©otonialmaaren  belaben,  toelche  bie  gtut  aus  ben  ©ntrepotS 
beS  SörfengebäubeS  megfchtoemmte.  Die  für  ben  SBinter 

aufgehäuften  SlahrungSmittel  einer  ganzen  Sßettftabt - 

ein  SRaub  ber  SBelten!  —  —  SBieber  efn  anbereS  Sitb! 
Sn  Schlachtenreihe  aneinanbergerei^t  toie  eine  gtotiüe  nähern 
ficf)  fdfjmarje  $ätjne,  bie  nicht  ju  bem  3mecfe  gemacht  tour* 
ben,  Sfteifenbe  über  bem  SBaffer,  fonbern  unter  ber 
©i'be  ju  e^ebiren.  Särge!  Die  gtut  butcfybradj  bie 
SÄauer  beS  SJtititärfriebhofeS  SmotenSfaja,  burchmühtte 
taufenbe  non  ©rabhügeln,  unb  bringt  nun  beren  fdhmeig* 
fame  Setoohner  jurücf  in  bie  Stabt,  toelche  fiel)  tängft  non 
ihnen  Oerabfdhiebete.  Die  begrabenen  Krieger  Jommen,  um 
oor  bem  ©jaren  toieber  einmal  Steoue  ju  paffiren!  Der 
Drcan  fchmettert  bie  Drommete  unb  bie  SBoge  rührt  bie 
Saufe!  Sludf)  bie  ©rabfabette  ift  ba,  unb  bie  ©rabeSfreuje 
ragen  gefpenftertjaft  aus  ben  ©iSbarrifaben  f>eroor!  .... 

Unb  baS  furchtbare  ©hetorama  ift  itodEj  nicht  ju  ©nbe. 
Der  Schterfen  mächft  nodh  immer!  —  Sk  ber  gerne  jeigte 
fidf)  ein  breimaftigeS  SchrecJbitb !  Das  ©efpenft  einer  ©a* 
teere!  Ski  ®ronftäbter  §afen  jerriß  ber  Sturm  bie  Sinter* 
Jette  eines  ®riegSfdf)iffeS,  unb  je§t  Jommt  eS  mit  Kotier 
®raft  in  bie  3Kitte  ber  Stabt  htneingebrauft! 

Sn  biefem  Slugenbtirfe  oergaß  ber  ©jar  feine  SBürbe, 
oerhüllte  fein  Slnttijj  unb  meinte. 

@r  badete  gar  nicht  baran,  ob  ihn  auch  Sentanb  fehen 
tonnte. 

Unb  Siete  fahen  ihn. 

Sitten  S^nen,  metef) e  ber  ©jar  in  ber  Sladht  aus  ben 
toanfenben  Käufern  ber  Sorftäbte  gerettet  hatte,  Stilen,  bie 
nicht  mußten,  mohin  fidh  aus  bem  ©emühte  beS  SottSfefteS 
ju  retten,  ließ  ber  ©jar  bie  mefttiche  SBohnabtheitung  beS 


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35 


2Binterpatafte§  einräumert,  unb  überließ  beit  Vertretern  be§ 
@tenb$*  bie  glän^enben  ©die. 

©oldf)e  ©äfte  hat  ber  SBinterpataft  nodh  nicht  beherbergt! 
®ie  -Reujahräfefte  bereinigen  jtnar  hier  bierjigtaufenb 
©äfte,  bodh  biefe  fegen  mit  ©eibe  ben  Voben  unb  erheflen 
mit  ihren  ®iamanten  biefe  SDtarmorfdle. 

®ie§ntal  aber  ift  hier  ber  ©chauptajj  für  ba§  ©erränge 
ber  Summen.  Sine  3Beltau3fteflung  bon  2lrmuth  unb  ©tenb ! 
®a  mar  2lße§,  ma§  bie  ©cßattenfeite  einer  SBettftabt  bitbet 
unb  mobon  bie  gtänjenben  Straßen  feine  2lt)nung  haben, 
ein  Konglomerat  ber  bittern  -Roth  unb  ber  rudfitofeften  Ver= 
morfenheit.  ®ie  fich  am  ®age  au§  ihren  bumpfen  ®eüer= 
tönern  gar  nicht  herbornmgen  —  haben  fidf)  im  2Binter= 
patafte  ein  ©teflbichein  gegeben.  ®er  ©jar  fchicfte  ihnen 
©peife  unb  ®ranf.  Unb  fie  fangen  bie  ganje  Stadst  ba§ 
,,9Reffertiebtt,  metdf)e3  bie  ©efeßfdjaft  ber  „Värenfeute" 
fie  gelehrt.  — 

Sttejcanber  hörte  e3  unb  fonnte  fich  an  ber  frohen 
Saune  feiner  ©äfte  erfreuen. 

®iefe  öffneten  bie  genfter,  bie  Vorberften  ftecften  ihre 
®öpfe  hiuau^  unb  riefen  ben  Uebrigen  $u,  ma§  fie  fahen. 

®ie  ga9abe  be§  SBinterpalafteS  hatte  jmei  borftehenbe 
glügel.  ®ie  ©eretteten  maren  in  ber  meftlichen  Slbtheitung 
einquartiert,  ßtuifchen  ben  beiben  gtügetn  erftrecft  fich  mie 
ba3  9Rittetftridf)tein  be§  Vuchftaben  E  jene  batfonförmige 
£atte,  bon  meiner  ber  ©$ar  auf  ba3  Panorama  ber  3er- 
ftörung  hiuabfchaute. 

2 tte  ihn  feine  ©öfte  erblidften,  berftummten  fie. 

toar  eine  impofante  ©eftalt,  mit  ber  fahl  merben= 
ben  h°hcn  ©time,  metd^e  fidf)  unbebecft  bem  ©türme  ju= 
menbete,  ©o  lange  er  unbemegtidf)  baftanb,  überging  biefe 
Unbemegtichfeit  auch  auf  bie  3ufd£)auer. 

.  ®odfj  afe  fie  ihn  erfcf)üttert  meinen  fahen,  al£  fie 
mcrften,  baß  auch  ber  ©jar  ein  Sßenfch  fei :  empörte  fich 
ptö^tidh  ba3  Volf.  ®ie  ©chmädfje  ermecft  ben  ^ngrimnt! 

©in  9Rann,  9Raraf  §  Vruber,  benüfcte  bie  Stimmung, 
fprang  auf§  ftenftergefimä  unb  fdjrie  bem  ©aaren  ju: 

3* 


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36 


„SBeine  nur!  3e$t  fannft  du  deine  fchöne  Stabt  6e- 
Weinen !  diefe  SerWüftung  hat  unS  ber  Stac^egott  als  ©träfe 
für  deine  ©ünben  §ugef<hidtt!  Seft  dürre,  JpungerSnoth  — 
SlßeS  fam  um  deinetwillen !  denn  du  bift  taub  für  baS. 
3ammergefd^rei  unfeter  ruhmreichen  S  rüber,  ber  Hellenen! 
du  geftatteft,  baß  unfere  ©laubenSgenoffen  abgefdjladjtet 
werben!  3hr  unfdhutbig  oergoffeneS  Stut  fdfjreit  um  SRadje 
jum  £>immel !  du  bift  bie  Urfache  biefer  ,3erftörung  J  Um 
deinetwißen  ftraft  uns  ©ott!" 

der  ßärm  beS  SotteS  brinnen  unterbräche  bie  ©djtufc 
Worte,  daS^eulen  übertönte  ben  ©türm,  die  aufwiegetnbe 
•  SRebe  berfe^te  bie  ohnehin  aufgeregten  Unglücflidhen  in 
3Butf).  der  ßtefrain  beS  SDteffertiebeS  erfdhaßte,  unb  baju 
als  Segleitung  ungeftümeS  ©epolter. 

das  Sott  öerfuchte  bie  fd^weren  dhüren  ju  fprengen. 
Welche  bie  in  bie  SSopnung  beS  ©jaren  füt)renben  ©orrtbore 
abfchtofjen. 

der  ©jar  War  auf  feinem  Satcone  burct)  zweifachen 
©freien  feftgebannt.  hinter  ihm  bie  Ijculenbe  SolfSmenge, 
welche  feinen  dob  oertangte,  öor  ihm  bie  näherfommenbe 
©ateere.  @8  War  eines  ber  größeren  föriegSfchiffe.  3m  SBin- 
ter,  wenn  biefe  Schiffe  jWifdhen  bem  ©ife  eingefroren  finb, 
beherbergen  fie  teine  ÜRannfdhaft  auf  ihnen,  die  geringe 
SBachmannfdhaft  beS  ©chiffeS  ha*  fi<h  Wahrfcheintich  gerettet, 
unb  itun-fommt  eS  ungehinbert  heran  auf  ber  enbtofen  SBaffer» 
fläche,  unb,  Wie  eS  fdjeint,  gerabe  auf  ben  SBinterpalaft  loS. 

2118  ber  Särm  ertönte,  öffneten  fich  plö$li<h  aße  genfter 
ber'SRittelWohnung,  unb  breifad^e  Sajonnetreihen  ftarrten 
barauö  hetüor.  Sei  einem  genfter  ftanb  SlraftSejeff  unb 
rief  mit  feinet  graufamen,  freifdhenben  Stimme  ju  ben 
©mpörem  hinüber : 

„Serftumme  fofort,  du  Soll  ©og’8  unb  äRagog'S! 
ober  idh  fdjleubete  di<h  in  bie  ©isflut  jurüdt,  au8  Welcher 
didh  bein  §err  rettete!  UnbanfbareS,  wilbeS  Soll!" 
da8  war  Del  auf  baS  treuer. 

„$foh°,  2traftSejeff!"  brüßte  eS  auS  taufenb  fehlen, 
„dort  ift  ber  böfe  ©eift!" 


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37 


„Somm  bod; !"  fd^rie  SKotat.  „Sehen  Wir  einmal, 
ob  2)eine  taufenb  ©ajomtete  unfere  jefintaufenb  SDteffer  be= 
fiegett  werben?  ©egimte!  ober  Wir  fangen  an!" 

$ie  ©aleere  fam  immer  näher. 

9118  fie  nur  nod)  brei  gaben  weit  oom  Sßinterpalafte 
entfernt  war,  ba  bemerfte  ber  ©jat  im  Steuerf)äu8d)en 
einen  3Rann,  ber  ba8  SRab  breite. 

„2Sa8  mad)ft  $u,  SRenfch?"  rief  et  ifm  jürnenb  öon 
ber  fpßije  an. 

gener  wufjte,  Wa8  er  tf)at.  @8  war  ©orbotufeff, 
ber  übergegangene  SRarineofficier.  2ßie  et  auf  ba8  Schiff 
fam?  ba8  muffte  Seiner.  @r  fteuerte  gerabe  auf  ben  Sßin» 
terpalaft  lo8,  benn  er  wollte  ihn  jertrümmem,  bamit  alle 
barin  ©efinblidien,  aud)  er  felbft,  bort  it|t  ©rab  finben 
foßen.  Stuf  bem  Sltafte  prangte  eine  rot^e  ga^ne. 

5>ie  ftreitenbe  SWenge  unb  bie  ©arbiften  fallen  öon 
«fiebern  nid)t8,  bie  ©alconljaße  entjog  ihnen  biefen  9tn= 
blid. 

3e|t  gleich  muff  e8  fic£»  jeigen,  ob  ba8  §oljhau8  ober 
ba8  @tein^au8  ftärfer  ift? 

$od)  ber  «Strom  be8  2Baffer8  War  ftärfer  al8  ber 
•menfd)ltd)e  SBifie  unb  anftatt  be8  <Sc£)ifffcf»nabet8  führte  er 
bie  ©eite  ber  ©aleere  gegen  ben  SBinterpalaft.  ®a8  Schiff 
ging  feljr  tief;  an  bem  aufgewühlten  ©efimfe  be8  ©ranit» 
bamme8  jerfdießte  fein  ©oben,  fo  baff  e8  auf  bie  ©eite 
fiel  unb  (wie  bie  SRitter  im  Surnierfpiele  mit  oorgeftredter 
fianje)  mit  feinen  SRaftbäumen  auf  feinen  fteinernen  2Biber= 
facffer  to8ftürjte.  ©in  furd)tbare8  Stadien  unb  fßraffeln  er= 
fdiaflte,  jwei  ÜRaftbäume  jerbracffen  an  ben  Säulen,  ber 
britte  brang  burd)  ba8  genfter,  worauf  ber  ganje  maffioe 
©au  oom  gunbamente  bi8  jum  ©iebel  erfdjüttert  würbe; 
unb  bennod)  blieb  ber  ©tein  ber  «Sieger.  ®ie  fdjwere 
©aleere  jerbradj  in  ber  fiJtitte ;  bie  eine  |>älfte  be8  SBradeS 
mit  bem  Sdjiffsfdjnabel  warf  ba8  SBaffer  auf  ben  9tlejanber= 
plajj  ^inauS,  wätyrenb  ba8  ^interttjeil  mit  bem  Steuermann 
jurüdftel  in  ben  Strubel  unb  oon  ber  glut  mitgeriffen 
würbe. 


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38 


Der  Sufamntenftofj  gli<h  einem  ©rbbeben ! 

Sßlöhiich  oerftummte  2lHe8 :  Soll,  ©olbaten,  auch 
9lraft8ejeff  felbet  fiel  auf  bie  ffinie.  Stur  jener  eine  SJtenfch 
auf  bem  Satcone  blieb  flehen. 

®r  fa£)  etwa§  in  ber  ßuft. 

(Sine  Daube! 

Die  Daube  flog  auf  it»n  gu,  breite  fich  einmal  in  ber 
ßuft  unb  lieft  ficf)  auf  feine  ©chutter  tjinab. 

©3  War  Sophien ’S  Sßofttaube. 

Sllejanber  fanb  unter  bem  glügel  ber  Daube  ba8 
SBrieft£)en :  barauS  entnahm  er,  baß  ©ophie  gut  aufgehoben 
ift.  Dann  faltete  er  feine  §änbe  gum  Danfgebet  unb  erhob 
fie  gum  fjimmel. 

Die  Daube  aber  ift  ber  h e i^ ifle  Wunber» 
thätige  Sßoget  be3  ruffifchen  S3otle3! 

©o  wie  bie  Daube  fi<h  auf  bie  Schulter  be3  ©garen 
nieberließ,  oerwanbelte  fid)  bie  SCßuth  be3  SSotfeS  in  aber» 
gläubige  Stnbacfjt.  SDtan  fah  barin  bie  (Srfcfieinung  be3 
heiligen  OeifteS.  2Ber  nicht  oerbammt  Werben  wollte,  mußte 
fich  belehren.  @3  war  ein  himmtifcheS  SBunber! 

„Bozse  czarja  chrani !  “  begann  plöjjlich  ein  alter 
SOtufchif  ben  ßobhhntnuS  unb  alle  SlnWefenben  fangen  ihn 
nach.  SlraftSejeff’S  SBajonnete  Waren  itberflüffig  geworben. 
aJtatat’3  Stachfolger  oerließ  ba3  Stoftrum  unb  oerfchwanb 
unter  ber  ÜJtenge.  SBer  hätte  ihn  auch  unter  gehntaufenb 
SÖtenfchen  herau8gefunben?  Unb  Wenn  auch,  fo  hätte  er  ge» 
leugnet,  baß  er  e8  War. 

Die  gtut  bauerte  noch  gtoei  Sage  unb  ließ  bteitaufenb 
umgeftärgte  Raufer  unb  eine  ungültige  Dobtenmenge  gurücf. 
Da3  SSoll  glaubte  feft  an  bie  ©träfe  be8  §immel8,  weil 
ber  ©gar  ben  Seltenen  in  ihrem  SefreiungSfampfe  nicht  gu 
4?ilfe  fam. 


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39 


XXVI. 

Hufer  ben  ^aftuett. 

Sraufjen  jeljn  ©rab  Sötte,  tobenbe  ©türme,  lieber» 
fchwemmung,  ©erwüftung,  ßtenb,  SReootution,  Schreien#» 
bilber  —  bie  ©ahnen  tourten  Don  aüebem  nicht#.  Stuf  bem 
großen,  hohen  Jjjügel,  mit  feinem  ©laäbache,  £)errf<^t  ewiger 
grühling,  unb  grofje  milchglaSbebecfte  Samten  erfefcen 
ba§  Sonnenlicht.  Sie  tropifche  ©flanjenwelt  täfjt  fidj  täu» 
fcf)en.  Sie  au#  bem  fernen  Dften  hergebrachten  ©ffanjene 
fürften  Dergeffen,  bafj  fie  nicht  in  ihrer  |)eimat#erbe  wurjeht 
unb  hier  nur  grünen,  aber  niemals  blühen.  3Kit  Stöhren 
Wirb  ber  ©oben  unter  ihnen  geheijt,  unb  ©aumwollbünger 
erwärmt  ihre  Sßurjetn. 

Unb  im  fünfttidhen  ©almenwälbcbeu  fielen  Sinber, 
Welche  Dergajjen,  bajj  ihr  ©ater  unb  ihre  SKutter  ferne 
Weilen :  Dieüeidjt  bebauern  fie  bieS  gar  nicht.  §ier  hungern 
fie  nid^t  unb  befommen  feine  Schläge.  Sie  tanjen  im  Steife 
unb  fingen. 

3Wei  fchöne  gräulein  überwachen  fie;  fo  Wie  in  bem 
STtärchen  —  bie  Schüblinge  ber  geenfönigin  —  SönigS» 
töchter,  wie  in  ben  gabeln. 

©ethfaba  fonnte  jejst  fchon  eine  fotdje  gäbet  erzählen, 
bie  Wirflidj  gefächen  ift.  ghre  Wunberbare  Rettung  aus 
ber  fchrecftichen  ©efahr;  —  bie  ©rfdjeinung  beS  fchmucfen 
gelben  im  Slugenbiicfe  ber  hofften  ©efahr;  beffen  fdjöne 
äugen,  fein  fühner  ©lief,  feine  heroifche  ©eftalt  .... 

Sophie  Wirb  ganj  begierig,  ihn  ju  fehen. 

„Su  Wirft  ihn  fdjon  fehen.  @r  muß  ja  fommen,  benn 
er  $at  eS  mir  Derfptodjen.  ®och  jögert  er  lange  mit  bem 
©intöfen  feine#  ©erfprechenä." 

„@r  barf  nicht  Wiffen,  wer  ich  &iu,"  fagte  Sophie. 
„Sa#  ift  hier  ein  ©eheinutifj.  Unfere  ipauSfrau  Wünfcht  e#." 

„SBir  Werben  Sich  nur  Sophie  nennen." 

„Sonberbar,  bajj  gebe  Don  un#  Sreien  nur  ©inen 
Saufnamen  h<*t,  nicht  fo,  wie  e#  bei  un#  gebräuchlich  ift; 


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40 


Weber  bei  ®ir,  nod)  bei  mir,  ttocf)  bei  3enc'^a  toirb  ber 
Saufname  unserer  SJtutter  mitgenannt.  $c£)  fann  mir’3  nid)t 
erftären." 

„3lu cfj  id)  ni<f»t. " 

„3e|t  fommt  er!" 

„SBie  meiftt  ®u  ba§?" 

„3$  fenne  iE)tt  an  feinen  ©dfiritten." 

®r  tarn  in  ber  ^Efjat.  ^eneiba  führte  if)n  herein. 

3e$t  toar  er  nod)  moraftiger  unb  burdjnäfjter  afö  ba8 
fe&te  SJtat.  ©ein  fpaar  war  nad)  aßen  ©eiten  jerjauft;  fein 
©efidfit  gerötet  bom  falten  SBinbe.  @o  war  er  fd)ön! 

Setfjfaba  fjatte  Sofien  fd£)on  erjäljlt,  bafj  aüd)  f)ier 
eine  S3erfcf)Wörung  geplant  Wirb;  bod)  „er"  ift  nidfjt  babei! 

SBenn  aber  bod)?  ©opfjie  glaubt  nur,  was  fie  fiefyt. 

„®omm’(  fomm’  ißufdjfin!"  fprad)  ßeneiba  mit  eigen» 
tf)ümlid)=ftrcd)ienbem  Slntfifce.  „Srjäljle  nod)  einmal  aus» 
füfjriid),  WaS  ®u  mir  fdfjon  mitgetljeitt  fjaft. " 

ißufdf)fin  erjäfjlte  nun  bie  ©reigniffe  bor  bem  SBin= 
terpatafte,  beren  Stugenjeuge  er  war,  mit  ber  Segeifterung 
be§  ißoeten,  ben  bie  Silber  ber  ®ataftroplje  fo  erwärmten, 
Wie  bie  ißtjtljia  ber  ®reifufj. 

3f)m  war  ba3  anbere  3Käbdjen  fremb.  $ätte  er  eä 
gefannt,  fo  Ijätte  er  nidjt  mit  fold)’  propf)etifd^em  geuer 
jene  ©d>reden§fcene  gefcf)itbert,  at§  ber  ©jar  unbebecften 
§aupte3  unter  bem  ftürmifdfien  $immet  ftanb,  non  ber 
SoIfSWutf)  unb  ber  Ijeranftiirmenben  ©aleere  jugleid)  bebroljt. 

D  Wie  jitternb  laufcfjte  ba§  3JiäbcE)en  feinen  Sieben! 
SBie  Ijeijjljungrig  berfcfjlang  ©opfjie  ein  jebeä  feiner  SBorte! 
Sie  ©efidjtSjiige  beS  giingtingS  geböten  ben  irrigen.  gifte 
Sippen  fdfjienen  ftumm  na^jufagen,  wa3  er  erjagte! 

SBie  fdjauberab  berfjüHte  fie  i^r  ©efid£)t,  afe  baä  Schiff 
mit  bem  ißafafte  jufammenftiefj !  Slucf)  fie  füllte  baä  ©etöfe 
unb  erbebte. 

Slfö  ißufcfjfin  aber  üon  ber  Saube  erjälftte,  —  Don 
ifjrer  Saube,  — Wie  fie  ficE)  auf  bie  ©puffern  beS  ©jaren 
(if)re§  SSaterä)  niebertiefj,  mit  weiter  greube  ber  mächtige 
SJtenfd)  feine  §änbe  jum  §immel  erljob,  unb  Wie  bon  ben 


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41 


Sippen  beä  gätjrenben  Soße3  plö|Iich  ber  SobttymnuS  er= 
flang :  ba  tonnte  fich  boS  arme,  tränte,  neroöfe  ©efdfjöpf 
nicht  länger  Ratten,  ©ie  fc^rie  auf  bor  greube,  toarf  fich 
an  Sethfaba'4  Stuft,  lachte  unb  meinte  jugleidt). 

fßufdf)tin  fchrieb  biefen  ©rfofg  feinem  poetifdhen  Sor= 
trage  ju  unb  mar  nid^t  menig  ftolj  barauf. 

„Stber  je$t  ift  teiue  ©efaljr  mehr?"  ftammelte  ©ophie 
unb  magte  if)re  thränenben  Stugen  jum  Jünglinge  ju  ergeben. 
®iefer  berftanb  bie  Stage  nid)t. 

„®ie  @efat)r  ift  nodj  nicht  geftpmunben;  bet  ©türm 
beginnt  jmat  fcfjon  nadhjutaffen,  unb  mit  feinem  Slufljören 
mirb  auch  bie  9tema  in  itjre  Seelen  jurüdfeljren;  aber  bi§ 
ba^in  tarnt  nodf)  biel  Unzeit  entfielen." 

„sJlid)t  barnaef)  habe  ich  gefragt,  fonbern  ob  er  in  teiner 
©efaljr  fc^mebt?  @r,  ber  ©jar!?" 

fßufcfifin  ftaunte.  SSaS  intereffirt  biefeS  junge  Stäbchen, 
Sethfaba’3  greunbin,  ber  ©jar? 

„®efat)r,  bie  iljm  Stenfchenljanb  jugebadjt,  fann  ihn 
nicht  erteilen.  Slrattöejeff  ^at  aue  Stnorbnungen  ju  feinem 
©djufce  getroffen.  ®ie  Solfemaffe,  bie  er  in  bem  SBinter» 
patafte  aufnahm,  mirb  in’3  SlbmirafitätSgebäube  überfährt. 
Unb  in  fotdfjer  3«*  fehlen  if)n  fetbft  feine  geinbe,  menn 
er  überhaupt  beren  t)at." 

„2Bie  ift  ba§  mägfiefj?"  frug  fie  unb  martete  auf 
fßufchfin’S  SIntmort  mit  berfetben  Stnbacht,  mie  man  einft 
ben  2tu§fprücf)en  be§  Drafelä  getaufdtjt  tjatte. 

Sufd^tin  füllte,  bafj  er  biefem  Stäbchen  aufrichtig 
antmorten  ntüffe. 

„SBeif  ba3  „  Stenf<hfid)feit§gefühf  "  ftärter  ift  afe  ber 
„greif) eitäbrang."  geneä  fdhfifct  ben  ©cfoben,  menn  ihn  ber 
©jar,  —  unb  ben  ©jaren,  menn  ihn  ber  ©claöe  tierfolgt! " 

®ie  beiben  Stäbchen  atmeten  mit  einem  tiefen  ©euf= 
jer  in  bie  Suft,  meldhe  mit  biefen  inhaftäfchmeren  SBorten 
belaftet  mar. 

„®u  rufft  ja  eine  ganje  Sermitftung  in  biefen  $erjen 
herbor!"  fläfterte  ßeneiba  fßufchtin  in’8  Dhr.  ,,©eh  bodj 
an  ®eine  Slrbeit!" 


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42 


„3Rir  brachten  8ic  atfo  nicfjt  bie  üerfprochenen  Ge= 
bettle  ?"  frag  Settjfaba  traurig. 

„Scf)  fydbe  nicEjt  baran  üergeffen;  aber  feit  früh  3Ror= 
gen#  bemühten  wir  un#,  bie  entfeffelte  Galeere  aufjuljalten 
unb  feftjumadjen.  @#  muffte  aber  gemanb  auf  bein  ©chiffe 
fein,  ber  unfere  hinübergeworfenen  ©eite  immer  abfcfjnitt. 
Se#halb  tonnte  itf)  nid^t  an  bie  ^Rettung  Meiner  Äinber 
benfen." 

„SBenn  ©ie  wieber  etwa#  öerfprecfjen,  fo  öergeffen 
©ie  e§  nicht!"  fagte  ba#  äftäbchen  im  gramüoHen  Sone 
be#  SorWurfeä. 

Ißufchtin  begriff  fie  nicht.  SSarum  biefer  Son?  933ie 
füllte  er  e#  auch  begreifen.  Gr  üertyracfj,  Slbenb#  wieber 
ju  tommen  unb  iljt  bann  gute  SRachricht  unb  nocf)  etwa? 
ju  bringen. 

Sluch  Beneiba  fagte  if)m  nicf)t,  wer  ba#  anbere  9Räb» 
cf)  eit  fei. 

Sann  führte  fie  bie  beiben  SKäbcfjen  in  ifjr  eigene# 
Souboir.  Sie  ©tunbe  näherte  ficfj,  in  ber  öiete  ißerfonen  ju 
ihr  tommen,  welche  bie  SDtübchen  nicht  ju  feljen  braunen. 

Sie  Sataftrop^e  bot  ber  szojnsz  blagodenstoiga  bie 
gilnftigfte  Gelegenheit  jur  ungeftörten  Serathung.  Sie#  war 
ber  Sanbe#tag  be§  „grünen  Suche#." 

Sie  beiben  9Räbcf)ett  fanben  auch  unterbeffen  ihr 
„grüne#  Such."  ©ie  fugten  fo  lange  (unb  wie  hätten 
fie  e#  nicht  thun  foHen?)  in  Beneiben#  Souboir,  bi#  fie 
ißufdjtin’#  Gebiet  „an  ba#  Biljeunermäbchen"  fanben. 
Siefe#  hatten  fie  bi#ljer  natürlich  nicht  gefehen.  Senn  nach 
ben  Segriffen  ber  „guten"  Gefettfcfjaft  barf  in  SRufflanb 
ba#  üornehme  SRäbchen  bi#  ju  fünfzehn  fahren  SRomane 
(in  natura,  u.  j.  nicfjt  immer  in  ben  beften  Gjemplaren, 
jwar  fehen,  aber)  nicht  lefen.  Unb  bann  War  bie# 
Gebiet  bamat#  noch  im  Srucfe  erfchienen,  nur 

geschrieben  War  e#  ju  betommen.  Sllejanbet  ißufcljfin  hatte 
eine  eigene  klaffe  gefchaffen,  bie  früher  nicht  war :  bie  klaffe 
ber  Slbfdjreiber.  S«  jeber  ©tabt  lebten  mehrere  üDlenfcfjen 
öom  ßopiren  ber  Gebiete  ißufchtin’#,  unb  bie  Suchhänbter 


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43 


»erfauften  fie  fo  troß  ber  ©enfur.  (Stocß  je|t  gibt  eS  in 
nieten  Raufern  nur  getriebene  SluSgaben  ber  Sßerfe  beS 
tuffifcßen  ißetöfg.) 

®ie  beiben  SJtäbcßen  aber  ßafcßten  je$t  ßeißßungrig 
nacß  ber  »erbotenen  grutßt. 

©inrnat  laS  Setßfaba  Sophien,  baS  anberental  ©opßie 
99ett|f oben  bie  ©ebicßte  »or;  baS  britte  äJtal  tafen  fie 
SBeibe  —  int  $uette. 

®ann  gaben  fie  ißufcßfin  ben  Spanten  beS  gelben  ber 
Stomanje,  „Sllefo." 

SSenn  fie  non  ißm  fprecßen  wollten,  fagten  fie  nur 
„Sltefo!" 

ga;  ja,  umgefeßrt!.  Sltefo  ßatte  ficß  unter  bie  Bigeu» 
ner  nerirrt,  wäßrenb  ißufcßfin,  ber  gigeuner  („ißoet"  ober 
„Sonnte"  wirb  für  gleicßbebeutenb  gehalten),  ft  unter 
bie  ißrinjeffinnen  nerirrt  ßat. 

®iefen  Slbenb  fant  in  bet  ®ßat  $etr  Sltefo  uttb 
brachte  frönte  Slacßricßtot.  ®er  ©turnt  ßatte  ficß  gelegt, 
baS  SEBaffer  ift  um  eine  Spanne  gefallen,  bocß  wirb  eS 
nocf)  lange  bauern,  bis  eS  ganj  abfäüt,  benn  eS  erftrecft 
ft  auf  acßt  SBerft  bie  beiben  Ufer  entlang. 

(„D,  wenn  eS  nocf)  lange  bauerte!"  ftopfte  für  ft 
baS  |>erj  fo  manchen  SJtäbcßenS.) 

@r  ßatte  aucß  öetßfaba  etwas  mitgebracßt.  ©ine  fteine 
tßuppe,  Wie  er  eS  »erfpracß ;  aber  feine  fcßmußige  ißuppe 
in  ßumpen,  fonbern  eine  töne,  bunte,  füfje  ißuppe  nom 
—  3u<ferbäder;  nteßr  Waren  ntt  ju  befommen :  alle 
übrigen  Waten  jerronnen. 

tßufcßfin  erwartete,  baß  Setßfaba  barüber  tacße;  fie 
aber  naßm  bie  ©acße  feßr  ernft.  ©ie  empfing  baS  ®efcßenf 
mit  ber  größten  geierlidßfeit,  ftecfte  eS  in  ißren  Stofen, 
unb  man  faß  eS  ißt  an,  baß  eS  ißr  gar  nicßt  leib  tßäte, 
Wenn  ©opßie  ißr  —  ein  Wenig  neibifdß  wäre. 

ißufcßfin  erfannte  fogteicß,  baß  barauS  eine  Stppreßen* 
fion  wirb,  ©r  fucßte  baßer  fo  lange  in  feinen  Safcßen, 
bis  er  etwas  fanb,  WaS  fidß  als  ©etenf  loßnt. 

„©eßen  ©ie,  ftßöne  ©opßie!  (ißren  anbern  Slawen 


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44 


wufjte  er  nidjt)  Sljnen  gebe  idj  aucf)  etWaS;  Sie  tyabeit 
ein  befonbereS  ^ntereffe  für  ben  ©jaren  on  ben  Zag 
gelegt.  $ier  ift  ein  Stüd  S'upferbtedj  non  jenem  Schiffe, 
WetdieS  an  ber  ©de  be8  SEBinterpalafteS  jerfdfjetlte." 

©8  lüurbe  baitfenb  angenommen.  ®ie  ißlatinaberg* 
werfe  beS  Ural  Ratten  ein  fo  wertlwolIeS  ©rj  nie  erjeugt. 

„®u!  baS  !ann  fein  Serfdjwörer  fein!"  ftüfterte 
Sophie  39etf)faben  in’S  Dijr. 

„Sidjeriid)  nicbjt !“  flüfterte  SBetlifaba  jurüd. 

„®er  Sturm  fiat  fidfj  braufjen  fcfjon  ganj  gelegt!"  fagte 
3eneiba.  „$ie  ©loden  läuten  nidjt  meljr.  ©liefe  Stadst  wirb 
ruhiger  fein,  als  bie  nergangene.  ©ute  9tad)t,  fßufdjfin! 
SBenn  ©)u  nidfjt  eilft,  fo  bleibt  ©)e.in  ®al)n  auf  bem  jrode» 
nen." 

®en  2Jtäbd)en  würbe  e§  gar  nidfjt  leib  getfjan  Ijaben, 
Wenn  baS  SBaffer  nidjt  fo  rafd)  gefallen  wäre. 

3eneiba  fdjidte  fßufdfjfin  na^  §aufe  unb  bie  9Räbd)en 
in’S  Sett.  Sie  ift  für  iljre  ©efunbfieit  oerantworttidfj. 

©liefe  aber  fonnten  nodfj  lange  nicf)t  einfdjtafen.  Sie 
l)atfen  fo  niel  über  Sltefo  ju  f preßen.  Sie  t)ätten  bie  9to= 
maitje  anberS  gemalt,  als  ber  ©lidfjter.  ©)a8  Bigeunerntäb» 
dfjen  f)ätte  nidjt  treulos  fein  bürfen;  War  fie’S  aber,  fo  f)ätte 
9ttefo  fte  öeradjten  —  unb  ficf)  eine  treuere  ©etiebte  fudfien 
müffen.  9tidfjt  fo?  $a8  3i9cunermäbc^en  Ijätte  iljn  auf  ben 
Snieen  um  ®erjeif|ung  bitten  müffen;  unb  er  müfjte  if;r 
öerjeiljen,  aber  fie  nicf)t  nnn  fiel)  Wegjagen.  9Jtit  einem 
SBorte,  fie  öerbefferten  Stlefo’S  ©fjarafter  fo,  wie  fie  iljn 
lieber  gehabt  hätten. 

3eneiba,  .  beren  Söett  fiel)  im  Stadfjbarjimmer  befanb, 
ermahnte  fie  öfter,  bodfj  fdjon  einjufc^lafen !  ©larauf  wur* 
ben  fte  fülle,  bodf|  fdfjon  im  nadjften  Slugenblide  begannen 
fie  wieber  ju  flüftern.  ©nblidfj  oerrietfien  tiefe  Ült^emjüge, 
baß  fie  fdjtiefen.  SBenigftenS  bie  ©ine  :  Sophie. 

S3etf)faba  aber  flol)  ber  Sdfjlaf ;  oor  ^»erjflopfen  fonnte 
fie  nodfj  um  9Kitternad)t  nidfjt  fdfjtafen,  obwohl  fie  audj 
fdfjon  gebetet  liatte. 

fßlöplidf;  festen  ijjr,  als  ob  Qemanb  im  anftofjenben 


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45  - 


3imnter  aufftönbe  unb  mit  faunt  vernehmlichen  ©dritten 
in'S  britte  3immer  ^inauggiitge.. 

$ie  Stacht  mar  rut>ig.  Seber  Sagen,  noch  Sßatrouitte 
ftörten  bie  Sftuhe  in  ben  mafferbebedten  Straßen. 

Sont  fernen  ©emadje  erflang  ein  Sßfalm,  von  einer 
fanften,  betrübten  grauenftimme  gefungen  : 

„3n  ®l«nb,  Kummer,  ©rarn  unb  $etn 

3Ü  meine  Quffud)t  ©ott  allein  .  . ." 

„D  jage,  SDrÖftung  jpenbenb,  mir  : 

^  3d [)  werbe  immer  Reifen  2)ir  .  . 

Ser  fingt  ^ier  ju  foldjer  ©tunbe?  Setter  Summer 
erfüllt  fie?  3n  biefem  §aufe?  SethfaTba  30g  fidt)  bie  $ede 
über  ben  Sopf,  um  ihr  3*ttern  b u  unterbrüden. 


SRoch  brei  Xage  verbrachten  bie  beiben  äJtäbdtjen  in 
3eneibenS  fchüfcenbem  Slftjle.  ©0  lange  bauerte  eS  nämlich, 
bis  gürftin  ©hebimin  toagte,  aus  jßeterfjof  jurüdjufe^ 
ren,  unb  bis  ber  fchlammbebedte  Soben  unb  Setter  ber 
Weinen  Sohnung  beS  5ßetromSft)=©artenS  gereinigt  merben 
tonnten.  3uerft  mußte  bie  alte  Helena  bie  falten  S^mer 
gut  burchh^igen. 

®ie  SKäbchen  Verlebten  fyex  ethfeifdfje  Xage. 

9llS  3eneibä  ihnen  mittheilte,  baß  fie  na<|  £aufe  ge= 
hen  fömten,  feufjte  Sethfaba  : 

„Sei  meinem  §ieherfommen  glaubte  idfj  in  bie  §ötte 
einjutreten,  unb  jefct  ift  eS  mir,  als  menn  ich  au$  bem 
Sßarabiefe  hinauSgeftoßeu  mürbe!" 

Sie  fafjen  Sßufchfin  täglich,  rebeten  mit  ihm  unb 
ergäben  fich  an  feiner  großen,  eblen  ©eele,  bie  mie  ein 
offene^  Such  vor  ihnen  balag.  9lud£)  bie  irbifdtje  ©lüdfeligfeit 
hat  ihre  SRevetationen,  melc^e  überirbifdfjeS  ©lüd  ermeden, 
menn  fie  aufhören,  ©eheimniffe  gu  fein. 

2luch  menn  fie  attein  maren,  bitbete  nur  2tlefo  ihren 
©efprächSftoff.  Sethfaba  glaubte,  baß  fie  Sophie  um  fo 
Viel  mehr  lieben  müffe,  als  biefe  2tlefo  überfdtjmängtich  pries. 
®och  hatte  fie  ber  greunbin  noch  immer  nichts  von  ihrer 


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-  46 


Siebe  gejagt,  grüfjer  badjte  fie,  baff  eS  ein  SeicEjteS  fei,  eS 
mitjutheilen.  2)ocf)  baS  ©eheimnih  ber  erften  Siebe  ift  gor 
Wiberfpänftig.  @S  Win  nicfjt  auS  feiner  Snofpe. 

Sie  jögerte  mit  bem  ©eftänbnifj.  Sie  gütete  baS  ®e= 
beimnih,  wie  einen  verborgenen  Schaf}.  3hm  8U  Siebe  I)eu= 
dielte  fie.  Sie  lehrte  wenigftenS  if»r  ©efüljl  lägen,  um  bie 
Sreube  nicf(t  ju  oerratljen,  welche  ficf»  bei  feinem  Slnblicf 
i^rer  bemächtigte.  ®em  ©lüljen  ihrer  SBangen  bichtete'  fie 
Äopffchmerjen  an,  wo  bodj  ber  Sopf  gan$  unfcfjulbig  War. 

3Do<h  im  Slugenblide  beS  ScheibenS  muh  baS  ©eftänb* 
nifj  gemalt  Werben;  fie  wirb  eS  ber  fjreunbin  mit  Wenigen 
SB  orten  juflüftern  unb  bann  bationlaufen. 

3n  jener  Stunbe,  in  weither  bie  Sänften  anlangten 
(SBagen  fonnten  noch  nid^t  tiertehren),  fonnten  bie  beibcn 
9Räb<hen  fi<h  taurn  trennen.  Qmmer  unb  immer  wieber 
hatten  fie  fi<h  etwas  jujuflüftern.  Sie  Weinten  unb  lachten. 
Sie  erzürnten  einanber,  um  fith  tierföhnen  ju  tonnen.  Sie 
führten  Stehen,  welche  nur  bie  greunbin  tierftanb.  Sie  tier= 
fprathen  fith  batb  wieber  ju  fehen.  Sie  Kifften  fith  Sum 
Stbfdjiebe  unb  fingen  gleich  barauf  tiom  Steucn  ju  plaubern 
an.  —  Beneiba  betrachtete  fie  mit  grofjer  Slufmerffamfeit. 

©nblith  muhte  hoch  gefdjieben  fein.  Sei  bem  lebten 
unb  aflerlefjten  Suffe  muhte  bie  Sombe  planen :  „3<h 
liebe  Sllefo  —  bis  in  ben  Hob!" 

2>ieS  ftüfterte  —  Sophie  in  Sethfaba’S  Dhr  unb 
entfloh- 

Beneiba  fah  auf  bem  ©efithte  beS  bationeitenben 
SJtäbthenS  bie  jjeuerrofen  glühen  unb  tiom  2lntli|e  ber 
juriidgebliebenen  Jungfrau  bie  SebenSrötlfe  cntfchwinben, 
als  Wenn  bie  anbere  ihr  biefe  geraubt  hätte.  Sethfaba  ftanb 
ba,  erftarrt,  bläh,  gebeugten  JpaupteS  unb  mit  fchlaff  nieber» 
hängenben  Slrmen. 

Beneiba  errieth  fogleith  baS  ©eheimnih-  Sie  trat  ju 
ihr  hi«;  bodj  faum  ergriff  fie  beS  ÜRäbthenS  $änbe,  als 
biefeS  tior  ihr  jufammenftürjte  unb  bitterlich  Weinenb  ihr 
©efitht  in  baS  ©eWanb  BeneibeuS  oerbarg. 

„D,  Warum  hnft  ®u  mich  hieher9^radht?!" 


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47 


3eneiba  ridfjtete  fie  auf. 

„Stef}e  auf!  SCßeine  titelt!  ©r  mirb  Sein  fein!" 

„Sßie?  3cb  fottte  ibn  „3b*"  entreißen?" 

„§nt!  .  .  .  Sßenn  Su  ibn*  nur  ibr  entriffeft!  .  .  Socb 
fei  unbeforgt!  Siebe  ibn!  Su  allein  nerbienft  feine  Siebe!" 

SaS  arme  9Räbcben  fdtjüttette  traurig  ihren  ®opf.  3efct 
ttmftte  fie  fdfjon,  ttmS  „Siebe"  ^ei§t!  —  aber  audfj,  ttmS 
„©iferfuebt"  unb  „Stefignation"  ift? 


XXYII. 

&  an  acea. 

©rofce  ®tementarfd£)täge  ^aben  oft  eine  nerföbnenbe 
9tüdtoirfung  auf  bie  erregten  SSotfSmaffen. 

Ser  „grofce  SJtenfdfj"  :  baS  $otf,  unb  ber  „Meine 
©ott"  :  ber  §errfdfjer,  nerföbnen  ficb  angefidfjtS  ber  gemein* 
famen  Sßtage. 

Ser  SRonemberfturm  beS  SabrcS  1824  mar  fo  ein 
allgemeines  Ungtücf.  Sie  gabrbüdber  ber  ©efcbid£)te  mif* 
fen  Don  feinem  äbntidtjen  ju  ersten.  Serfetbe  Sturm,  ber 
Petersburg  jerftörte,  tüüt^ete  auch  in  ganj  Slfien  unb 
überfebtoemmte  bie  fatifornifdfjen  ©eftabe.  Sie  Seeleute 
faben  baS  fonft  Mare  SBaffer  beS  SDteereS  Dom  Schlamme 
aufgerü^rt;  non  Snbien  bis  Serien  vernichtete  baS  ©rbbe* 
ben  Oiete  btiibenbe  Stabte;  im  griedfjifcben  StrcbtyetaguS 
brachen  unterirbifebe  SSutfane  b^bor;  in  Seutfd£)tanb  trod* 
neten  in  nieten  Sßroninjen  sugteich  bie  Srunnen  aus.  Sie 
©rbe  fetbft  befanb  fidfj  im  fyUen  Stufrubre  :  ba  benfen  bie 
tDtenfcben  nicht  an  Sfteüotution. 

Sie  potitifd^en  ©ebeimgefettfebaften  üerttmnbetten  ficb 
in  833obttbätigfeitS=aSereine.  Ser  Sßarteibaft  b^rte  auf.  Sie 
kirnten  gingen  ju  ben  ©rofcen  um  ipitfe  bitten,  unb  bie 
©roften  fytttm  ben  Strmen  ihre  Sb^reit  fleöffnet.  Sie  Stuf* 
bedungen  ber  „Unnerföbnticben"  fanben  feinen  frud^tbaren 


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48 


Poben.  gilrft  (äfjebimin  unb  2lraftSejeff  wetteiferten  mit» 
einonber  in  ber  Sinberung  beS  PolfSelenbS.  ©ie  warfen 
mit  ben  Hunberttaufenben  bon  Rubeln  gleichmäßig  umher. 
S)cr  ©ine  bergaß,  baß  er  baS  Polf  befreien,  —  ber  9tn» 
bere,  baß  er  eS  unterbrücfcn  wollte.  ©)aS  Polf  brauste 
je|t  Weber  Schwert,  nod)  Setten  :  nichts  als  Prob ! 

3lu<h  bie  Petersburger  $amen  beeilten  fidj,  bie  SBoth 
ju  linbern,  welche  bie  Ueberfdjwemntung  gefdjaffen.  gürftin 
©heb  im  in  fcßenfte  bem  ©omite  ihre  PriHanten,  aus  beren 
Perfauf  breißigtaufenb  SRubel  erlßft  Würben,  wäßrenb  3ene= 
iba  im  großen  PörfenpataiS  ein  ©oncert  gab  für  bie  Per» 
ungtücften,  ju  welchem  man  bie  Sifce  ju  fabelhaften  greifen 
taufte,  unb  beffen  ©rtrögniß  bierjigtaufenb  SRubel  War.  gürft 
©hebimin  gab  feiner  Gattin  ftatt  ber  oerfchentten  —  S3ril= 
lanten  öon  boppeltem  SEßertlje;  ßeneiba  aber  befam  bon 
ber  Petersburger  gugenb  einen  Sorbeerfranj  unb  bon 
Pufchfin  eine  Dbe.  So  hotte  alfo  Sortjnthia  auch  bieSmal 
baS  Spiel  berloren,  unb  ihre  Gegnerin  triumphirte. 

®ie  Sage  ber  ©efapr  malten  ben  ©jaren  immer 
berfchloffener.  Seine  SKelandjolie  batirte  übrigens 
bon  jenem  jage,  als  er  bie  eine  Hauptftabt  feines 
SReicheS,  9RoSfau,  berbrennen  fah-  geht  wußte  er 
ben  Untergang  feiner  jweiten  Hauptftabt  mit  an» 
f  elfen!  Qene  fiel  bem  geuer,  —  biefe  bem  SEBaffer  jum 
Opfer.  SBachenb  unb  träumenb  hotte  er  fdjouerliche  Pifionen. 

®och  bie  traurigfte  ©rfcßeinung  War  jenes  blaffe 
Sinbergeficht,  Welches  fich  nicht  beleben  Wollte. 

©ineS  XageS  fagte  er  ju  $octor  SEßplie : 

„Pergeblicfj  bemühft  ®u  EDidj,  mich  8U  feilen.  ®töne 
Sranfheit  ift  nicht  in  mir,  fonbern  außer  mir.  Heile  Sophie 
unb  ich  werbe  genefen." 

Ser  Strjt  fchwieg. 

„So  fage  mir  aufrichtig  :  haft  ®u  <*lfo  gar  feine 
Hoffnung?" 

„(Sar  feine." 

„Hat  eure  ganje  mebicinifche  Sßijfenfchaft  feine  Pana» 
cee,  fein  Heilmittel,  welches  ein  unS  tijeureS  Öeben  erhalten 


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49 


fömtte?  —  melcheä  im  Stanbe  märe,  Sage  auf  Sage  ju 
Raufen,  uttb  bem  vor  ber  Stjüre  lauernben  Sobe  ein  ©dhni pp= 
dfjen  fdhlagenb,  jenes  Seben  vom  grühlinge  bis  jum  Werbfte 
ju  verlängern?" 

/f33Sot)t  gibt  eS  ein  fotdheS  äftittel,  ©ire!  Sod)  eS 
mädhft  nicht  unter  ben  ^eilgräfern  ^nbienö.  Sei  fotzen 
Sranlljeiten  fpielt  baS  ©emüth  bie  Wauptroße.  Srauer, 
©ram  unb  Summer  befdfjleunigen  bie  Sataftrophe,  mährenb 
Weiterfeit,  ein  fröhlicher  ©emüthSjuftanb,  Otücf  unb  füfje 
Woffnung  fie  f)inau§f4ieben.  Sie  SebenStuft  erneuert  baS 
Seben." 

„Wm!  bodh  tuo^er  fofl  ich  ihr  $reube,  Hoffnung, 
SebenSluft  geben,  ba  ich  fie  fetbft  nicht  ^abe? !"  .  .  . 

©inmal  lam  bodfj  ein  Sag,  ber  bem  Sparen  greube 
braute. 

©ein  Statthalter  im  Ural  metbete  ihm  bie  2Iuf= 
finbung  neuer  ©otb-  unb  Sßlatina  Sergmerle  mit  überreichen 
SJtinen.  Son  ben  gefunbenen  ^latina^Stüden  fanbte  er  baS 
größte,  ©in  wahrer  ©dfjafe! 

3u  gleicher  $eit  traf  bie  Reibung  vom  Statthalter 
von  Sela terinograb  ein,  bafc  in  ber  großen  SBüfte 
eine  Säfergattung  entbedt  mürbe,  meldhe  fich  von  bem  in 
jenen  ©egenben  mudhernben  Snöteridh  (poligonum)  nährt. 
Siefe  ^ßflanje  bringt  gar  leinen  9lufcen  unb  ift  nicht  auS~ 
jurotten.  Siefer  Säfer  nun,  in  ber  ©elehrtenfprache  „coc= 
cus  polonorum"  genannt,  ift  ibentifdh  mit  ber  ©ocheniße. 
@r  gibt  bie  fdhönfte  Sßurpur*  unb  Sftofenfarbe.  $ur  sßtobe 
fanbte  er  bem  ©jaren  ein  ©tüd  rofafarbigen  ©eibenftoff,  mel* 
dher  mit  Sßurpur  von  bem  einheimifdhen  Säfer  gefärbt  mar. 

SaS  mar  ein  nodh  größerer  ©dfjajj  als  ©otb  unb 
Sßlatina,  unb  eS  mädhft  mie  Untraut,  verurfadht  leine  SDtühe 
unb  mirb  baS  Soll  in  jenen  unmirthlidhen  Steppen  erhalten. 

Soch  bie  britte  Senbung  mar  baS  Sntereffantefte.  Ser 
©ouverneur  ber  2tmurgegenb  fdhidte  fie  aus  Sibirien: 
ein  Sälchen  SCBein,  ber  in  ber  ©egenb  von  9lmur  gemachfen 
mar!  SaS  ift  ein  noch  größerer  ©chafc  als  ©olb  unb  Srob: 
benn  baS  bebeutet  einen  Sriumph! 

3öfai :  ftreifceit.  II.  4 


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50 


Sitten  ®riuntpp  gegenüber  ber  ganjen  SBelt,  bie  oer= 
ftinbet,  bafj  Sibirien  eine  §ööe  aus  ©iS  Wäre!  —  Siep! 
biefer  SBein  wibertegt  baS!  @r  ift  fdpäumenber  als  Spants 
pagner,  füfter  als  ®ofaper.  äftan  mufc  minbeftenS  tpun,  als 
Wäre  eS  fo.  gtt  Sibirien  Wädpft  SBein!  3eber  Sftuffe  tnufj 
fortan  biefen  trinfen.  $er  fibirifdpe  SBein  ntuf}  bie  aus* 
länbifdpen  SBeine  oont  ®ifdpe  ber  SDtagnaten  oerbrängen,  er 
mufj  mit  Vurgunb,  bem  Sftpeine  unb  ber  §egpalja  wettet* 
fern.  ®ie  Verbannung  nadp  Sibirien  Wirb  oon  jept  ab  nidpt 
ntepr  für  Strafe  gelten;  wer  frudptbaren  Voben  fudpt,  wirb 
fiep  freiwillig  bort  nieberlaffen.  8n  Sibirien  Wädpft  SBein! 
Zweifelt  ^emanb  an  ber  gufuttft  biefeS  SanbeS,  wer  wirb 
mit  iptn  barüber  ftreiten?  9ftan  gibt  iptn  ein  ©laS  in  bie 
§anb  unb  füllt  eS:  „®rinfe!  baS  ift  fibirifdper  SQSein!" 
®er  ©§ar  freute  fiep  wie  ein  ®inb! 

©S  gab  alfo  bodp  nodp  eine  Sreube  für  ipn. 

Unb  er  eilte  auep  fofort  bamit  in  baS  SßetroWSfer 
©artenpäuSdpen.  ®aS  Sßiatina,  ben  Seibenftoff  unb  baS 
SBeinfäfjdpen  liefe  er  fiep  nadptragen.  SBemt  er  fiep  freut, 
müffe  fiep  auep  Soppie  freuen,  glaubte  er. 

®aS  arme  SKäbdpen  war  fepr  blafj.  ®en  ganzen  tan* 
gen  SBinter  pinburep  burfte  fie  nidpt  pinauS  in  bie  freie 
Suft.  ®iefe  war  rafdp  töbtenbeS  ©ift  für  fie,  bie  ftmxatx* 
lufi  langfam  töbtenbeS  ©ift.  ©in  feltfameS  Sanb,  wo  ber 
franfe  9Jtenfep  feine  §eimat  nidpt  lieben  fann.  ©r  rnufc  ben 
£imntel  paffen,  ber  ipn  töbtet,  unb  bie  @rbe,  bie  ipn  feft* 
pätt.  2Ber  leben  will,  ber  oergnügt  fidp  wäprenb  beS  laugen 
SBinterS,  unb  wer  fidp  niept  Vergnügen  fann,  ber  ftirbt. 

3n  jebent  ruffifefeen  ®amettjimmer  gibt  eS  einen  eigen* 
tpümlidp  eingeriepteten  SBinfel,  ber  „Slttana"  genannt  wirb. 

©in  Sßtäpcpen  mit  einem  fleinen  ©itter  umgeben,  um 
baS  fiep  immergrüner  ©ppeu  fdplütgt,  mit  fübtänbifdpen 
sßflanjen  unb  Vlutnen  umfteöt,  bie  wäprenb  beS  langen 
neunmonattidpen  SBinterS,  bei  bem  Sdpeinfommer  ber  Dfen* 
Wärme  unb  beS  SampenlidpteS  grünen  unb  blüpen  unb 
oergeffen  madpen  foöen,  baft  biefeS  gattje  Sanb  ein  ©efäng* 
nift  ift.  Sitten  foldp  orangenblüpenbett  buftigen  Simmer* 


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51 


Winfel  liefe  Sllejanbcr  aud)  für  Sophie  einridjterc,  als  er 
11  ad)  ber  Ueberfchwemntung  baS  SBohnhauS  für  fie  ijerftel» 
len  liefe ;  feitbem  ber  ^ofgärtner  bie  Slltana  errichtete,  hotte 
er  fie  nicht  befugt.  S8ieüeid)t  erfreute  fie  fidf)  boran. 

D  fie  erfreute  fidj  an  gar  nichts. 

®er  ©jar  fragte  <Sopf)ien  :  „2SaS  fehlt  ®ir,  meine 
tEhewe?" 

„©in  unauSfpredjliiheS  Seiben." 

Um  fie  aufjuheitern,  geigte  er  ihr  bann  bie  mitgebra<hten 
<3(hä|}e,  baS  ©rj,  bie  ©eibe,  ben  Sßein. 

®aS  Slntlifc  beS  3Jiäb<f)enS  heiterte  fi<h  nicht  auf;  eS 
lädEjelte  nid)t;  auf  bie  erfreulichen  Stach  richten  hatte  fie  nur 
lurje  SlntWorten :  „©ehr  fchön!  —  fehr  gut!  —  ich  banle!" 

„©o  fprich  hoch,  WaS  fehlt  ®ir?  ®aS  ift  mehr  als 
eine  föranfheit,  baS  ift  ©eelenleib!  ©age  mir,  WaS  ®i<h 
bebrüctt!  SSem  mitift  ®u'S  fagen,  was  ®ich  fdjmerjt,  Wenn 
nicht  mir?  Sßer  füll  Vertrauen  ju  mir  haben  wenn  ®u’S 
nicht  einmal  haft?" 

®a  umfchlang  baS  SDiäbcfjen  ben  ®opf  ihres  SSaterS 
mit  feinen  Firmen  unb  ihn  an  fich  gietjeub,  ftüfterte  fie  ihm 
in’S  Dhr  : 

„3<h  liebe!" 

®amit  jog  fie  raf<h  bie  Slrme  fort  unb  fie  freujweife 
über  baS  ©eficfjt  legenb,  bebecfte  fie  ihre  Slugen. 

Sllejanber  fragte  fie  erftaunt : 

„SBo  fanbeft  ®u  Semanb,  ben  ®u  lieben  fannft?" 

„®ie  SBafferftut  hat  uns  jufammengeführt,"  flüfterte 
baS  Stäbchen. 

„Unb  Wer  ift  biefer  Stamt?" 

„SBenn  ®u  fo  jornig  fragft,  Wage  ich  nicht  eS  ®ir 
ju  fagen." 

„D  nein!  Sticht  ber  Born  ift  eS,  ber  mich  aufbringt. 
SBen  ®u  liebft,  bem  ift  9UIeS  öerjiehen." 

„SSBahrhaftig?  ®u  oerbieteft  mir  nicht  —  Semanben 
gn  lieben?!" 

„®r  fei  nur  ®einer  Siebe  würbig.  ©ein  Slang?" 

„Dfficier  ber  Seibgarbe." 

4* 


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52 


„34)  fdjenfe  iljm  ein  ^Regiment  unb  ntadje  if)n  jurn 
gürften,  baß  er  ®i(|  jur  grau  neunten  famt!" 

„34)  füffe  $>idj!  2lber  gib  iJjro  nicfjtS !  Safte  iljn  baS 
bleiben,  »a§  er  jefct  ift.  34)  liebe  ifjn  Jo,  Wie  er  ift,  unb 
möchte  iljn  fo  lieben,  ©r  ift  rnet»  aß  ein  gürft,  meljr  aß 
ein  ©enerat !  (Sr  ftefjt  h<%r  aß  fie  — " 

„353er  atfo  ift  e§?" 

„Stun  —  Stlefo?" 

„353a§  für  ein  Sltefo?" 

„So,  ®u  tennft  biefen  Flamen  nid^t?  So  beug  ®idj 
nieber  ju  mir,  idj  fag  ihn  ®ir  inß  D()r." 

Unb  fie  flüftcrte  ifjirt  feinen  Flamen  ju. 

Ser  ©jar  umarmte  baö  SJtäbchen. 

„SBiüft  ®u,  bafj  er  Sitf)  jur  grau  nehme?" 

Sie  Slugen  beö  üRäbi^enS  öffneten  fitf)  »eit  unb  et= 
glänjten  in  fetter  greube  —  baö  »ar  iijre  2Int»ort. 

„323ißft  Su  feine  grau  »erben?" 

„323a§  fönnte  icf)  fonft  »otlen?  ©in  fo  armes  ginbel» 
finb  »ie  idj,  freut  fidj,  »enn  eS  einmal  fein  @tüd  machen 
!ann.  Unb  »ir  »erben  fet»  gtüdtitf)  mit  einanber  fein. 
2Ri<f)  »irb  Sttefo  nic^t  Wegen  Untreue  ermorben.  Slber  »ie 
foö  er  baS  erfahren?  S3i§  jefct  »ar  eS  iljm  nicfjt  ertaubt, 
tiefer  ju  fommen." 

„S3on  je|t  ab  fann  et  fommen." 

„Stber  Wer  Wirb  ifjm  baS  fagen?" 

„34)  fetbft  —  \ä)  bringe  Um  t)er  ju  Sir." 

„Su  bift  ja  ein  fo  guter  Sßater,  »ie  fie  nur  in  93eth= 
faba’S  ©tärcfjcn  oorfommen." 

„34)  »erbe  Stiles  fetber  öorbereiten.  34)  »erbe  ben 
33rautfd)a§  befteüen,  ben  ^»ocfiseißtermin  feftfefcen  unb  jur 
Stauung  ben  ©otottetfdjfer  Patriarchen  herbeorbern." 

„Sa,  ja,  im  Sommer,  »enn  fidj  bie  Stofen  öffnen. 
SRein  ®ranj  muff  aus  tebenben  Stofen  befteüen." 

„®on  biefem  Sßtatinaftücfe  taffe  ich  ben  Srautfchmucf 
machen.  Sticht  Wahr,  jefct  freuft  Su  Sief)  auch  fo  Wie  ich?" 

„D,  noch  »eh1»  Su!" 

„Unb  tion  biefer  rofafarbenen  Seibe  Sein  SBrautfteib!" 


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53 


„®u  ßaft  meinen  SBunfdj  erratßen;  ba§  Sroutlleib  fei 
rofafarben.  SEBeiß  macf)t  blaß,  unb  idj  bin  otjne^in  genug 
bteicfj." 

„liefen  2Bein  aus  bet  Stmurgegenb  tnerben  wir  bei 
©einer  §odjjeit  trinlen." 

„Studj  icf|  werbe  baöon  foften;  toir  tnerben  einanber 
jutrinfen  :  „@o  nie!  ©ropfen  in  biefem  Seiner,  fo  toiet 
3aßre  wäßre  unf’re  Siebe!"  Stidjt  Waßr,  fo  tautet  ber 
©pru<ß?" 

„©amt  gieret  3ß*  auf’S  Sanb  auf  fein  ©ut.  SltS  ob 
idß  eS  geahnt  ßätte !  34  9<tf>  ifint  feinen  confiScirten  ©runb» 
befiß  juräi.  @r  toirb  fein  ©tammfdjtoß  ßerricßten  taffen, 
bort  tnerbet  woßnen  unb  i<ß  tnerbe  ©ucß  öfters  befucßen." 

©aS  ffltäbcßen  ftatfcßte  oor  greube  iu  bie  ^>änbe  unb 
fein  blaffeS  ©eficßt  glätte,  ©odß  ptößticß  öerbiiftcrte  eS  fitß 
toieber. 

„Stber  ift  benn  all’  bieS  aucß  fein  ©<ßerj?" 

,,©<ßerj?  £>abe  icß  jemals  gef<f>er§t?  Unb  mit  ©ir?" 
„©aß  Sltefo  um  micß  Werben  wirb?  Unb  ©u  ntidj 
ißnt  jum  SCBeibe  geben  Wirft?  ©aß  ber  ©olowetfdßfer  ißa» 
triardj  uns  trauen  wirb  am  fdßönften  ©age  beS  fcßönen 
StofenmonbeS  3uni?  3ß  Stiles  fein  ©raum?" 

Stteganber  umarmte  fie,  ftatt  ju  antworten,  unb  ner» 
fcßloß  ißten  SRunb  mit  Söffen. 

3°,  eS  ift  ©rnft,  armes  SRäbtßen.  ©aS  Spaßige 
an  ber  ©acße  ift  nur,  baß  —  bis  jene  Stofen  fidj  öffnen 
Werben,  —  ©u  fetbft  fdjon  —  —  —  —  —  —  —  — 
Sttejanber  berief  nocß  am  fetben  ©ag  tßufdßfin  ju  fidj 
unb  macßte  furjen  $roceß  mit  ißm. 

„®u  ßaft  ein  -äftäbcßen  in  ©icß  nertiebt  gemacßt.  3efet 
mußt  ®u  eS  ßeiratßen.  ©ie  ßeißt  ©opßie  Starifcßfin. 
Sftorgen  Slbenb  fecßS  Ußr  nerfüge  ©icß  ju  mir,  bann 
fommft  ®u  mit  mir  ju  ißr,  um  ißre  §anb  anjußatten. 
©ann  befucßft  ®u  fie  tägticß ;  beftrebe  ©icß,  ißr  feine  ©rau» 
rigfeit  ju  berurfacßen.  ©aS  Seben  beS  SRäbcßenS  ift  ein 
bönner  ©eibenfaben,  unb  biefer  liegt  in  ©einer  §anb.  ©ib 
acßt,  baß  ®u  fie  nidßt  töbteft." - 


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54 


©ufdjfin  war  in  bie  fdljwierigfte  Situation  gerätsen. 

®ie  §anb  ber  SieblingStodjter  beS  Ejaren  würbe 
itjm  angeboten  —  iljm,  bent  ©erfcfjwörer,  bem  ©erfaffungS» 
tämpen,  bem  Sobfeinbe  beS  tgrannifdjen  Ejaren.  Er  foCfte 
um  ein  üftäbdjen  Werben,  weites  itin  liebt,  unb  baS  aud> 
er  bebauert,  bemitleibet,  beWunbert,  aber  nidfjt  liebt.  ®aS 
Seben  biefeS  URäbdfjenS  Wirb  nur  burdj  bie  Hoffnung  auf 
feinen  ©efi§  erhalten :  mit  bem  Erlösen  biefer  Hoffnung 
ertifdjjt  audj  if)r  SebenSfunte.  Ein  §aucb  aus  feinem  äRunbe : 
„idj  liebe  ®i<t)  nidE)t!"  genügt,  ein  ÜWäbdjenteben  ju  öer= 
nieten.  Unb  was  feine  Sage  nodf)  erfdfjwert,  ift  jener 
Umftanb,  baff  er  bei  Sophie  audf)  jenes  ÜRäbdfjen  finben 
wirb,  baS  er  feine  ©raut  nennt,  Sopljien’S  einzige  greun» 
bin,  ©etljfaba,  bie  fcfjon  feine  ganze  Seele  erfüllte.  3t°ei 
tperjen  zugleid)  peinigen  unb  betrügen. 

E)aS  ift  bie  Strafe  feiner  glatterljaftigteit,  baf?  fie 
fiel)  bieStnal  gegen  il)n  feibft  lefjrt!  ®odf)  ba  gibt’S  nic£)t 
üiel  nad)jubenlen.  2Bir  finb  in  iftufjlanb,  unb  Wenn  ber 
Ejar  befiehlt,  bleibt  nidfitS  übrig,  als  ju  geliordfien. 

9lm  näd)ften  ®age  führte  Sllejanber  feibft  ©ufd)fin 
ju  Sophie.  ®ie  Verlobung  gefc^at)  in  feiner  (Gegenwart, 
©ufd&fin  tonnte  fid)  überzeugen,  bafj  baS  ilpn  anoertraute 
§erj  ein  Sdjag  fei,  beffen  fein  ©ewoljner  ber  Erbe  würbig 
ift.  Er  erfuhr,  baff  eS  l)odf)erl)aben  über  bie  irbifetjen  ©e= 
nüffe  —  ibeale  SBonnen  gibt,  ol)ne  bie  ©egierbe  ber  Sei» 
benfdfjaft,  jauberüotte  St)mpatf)ien,  welche  ben  ©efi|  nid)t 
bebingen :  bie  gegenfeitige  2lnjiel)ungStraft  ber  Eeifter  ift 
ftärter,  als  bie  Siebe.  ES  War  iljin,  als  Würbe  eine  ber 
Erbe  entfdfjwebenbe  Seele  audfj  bie  feine  gen  tpimmet 
entführen. 


SJtadfj  einigen  SBodjen  fpraef)  Sir  gameS  SBplie 
jum  Ejaren  :  „$ie  ©efunbljeit  ber  ©rinjeffin  Sopf)ie  bef= 
fert  fid?  jufelienbS." 

„gc|  Ijabe  bie  ©anacee  gefunben!" 


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55 


XXVIII. 

3><t$  2äraufgef<$enß. 

@o  mie  e£  9llejanber  oorfjergefagt,  mar  e§  audj. 
©eine  ©efunbljeit  ftanb  int  ft)ntpatf)if<f)en  3ufamntenf)ange 
mit  bem  2Bot)tfein  feiner  Softer:  mit  ben  Stofen  auf 
i^ren  SBangen  lehrte  audt)  feine  2eben£tuft  surücf.  @r 
befdfjäftigte  fidf)  mieber  mit  Staatsangelegenheiten.  3n  feinem 
StrbeitSjimmer  ftanben  gan§e  ©töjje  unertebigter  Steten, 
metc^e  feine  Stätte  ^inbrad^ten,  ober  bie  mit  ber  „@t.* 
©oplienpoft"  anfamen.  ®r  nahm  fie  oor  unb  bie  Steten* 
berge  erfreuten  fidf)  einer  nterftidjen  Slbnahnte.  ®ie  ,,©t.* 
©ob^ienpoft"  mar  eine  eigenthümtidfje  Snftitution  Sltej* 
anber'S.  ©jarSfoje*3eto  mar  ein  Stmt,  mo  igebermann 
Sriefe  abgeben  fonnte,  bie  birect  an  ben  Goaren  gerietet 
maren.  ®er  Searnte  Verlangte  für  ben  Srief  jetm  Stubet, 
bodt)  frug  er  nie  nach  bem  Slufgeber,  noch  nadf)  bem  3nt)afte 
beSfetben.  Db  ber  Srief  nun  ©tagen,  Sitten,  33e fdjut* 
bigungen,  SRinifterfd^mö^ungen,  ©mpfehtungen  ober  Ser* 
faffungSentmürfe  enthielt:  nach  einer  ©tunbe  erhielt  it>n 
ber  ©jar,  menn  er  in  SßeterSbur g  mar,  ober  er  mürbe 
iljm  nadfjgefdfjicft,  menn  er  fidt)  auf  ber  Steife  befanb. 

SßaS  aber  am  fidfjerften  feine  ©enuithSüeränberung 
bezeugte :  er  hörte  auf,  bei  Stacht  burch  bie  ©affen  ju 
fdfjmärmen  unb  foupirte  am  erften  geftabenb  mit  ber  ©ja* 
rin.  @r  befchtoft,  it>r  baS  freubige  ©reignifj  mitjut^eiten. 
©tif  ab  et  h  fei  bie  ©rfte,  bie  es  oott  ihm  oernimmt.  @r 
hatte  eS  noch  ©einem  gefagt.  ®er  Patriarch  fetbft  mürbe 
btoS  oerftänbigt,  fich  am  21.  guni  auf  ber  SßetromSfer 
Snfet  im  ehemaligen  SBo^n^aufe  beS  ©jaren  $e* 
ter  einjufinben,  mo  ihn  ein  junget  *ßaar  ermarten  mirb, 
um  fich  oon  ihm  coputiren  ju  taffen. 

Unterbeffen  mürben  alte  ©nabengefudfje  oont  ©jaren 
günftig  ertebigt.  ®en  ©flirten  geftattete  er  bie  §cimfet)r, 
politifdfje  ©efangene  entließ  er  aus  ihren  ©efängniffen. 

Sßufdfjfin  tjatte  fein  §erj  nicht  öergebtich  geopfert. 


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56 


©eine  3ärtti<hfeit  jauberte  auf  Sophiens  Sippen  ba$ 
Säbeln  be8  ©lüdeS  rnieber,  toetd^eö  fo  täufdienb  ber 
©efunbtieit  gleicht.  Unb  biefel  Säbeln  jauberte  über  ba3 
ganje  Sanb  einen  ^eiteren,  molfenlofen  Fimmel. 

SBenn  er  pünltlicl)  bei  iljr  erfdjien  ntit  feinen  Blumen» 
fträufjen,  unb  ber  ihm  entgegeneilenben  Jungfrau  fein 
Kompliment  über  ifjr  gutes  SluSfehen  machte,  fiel)  neben 
fie  fefcte  unb  it|r  SBeuigfeiten  er  jaulte ;  menn  er  fidfj  ihre 
träume  erjät)len  tiefe  unb  fie  beutete,  mit  ifer  harten 
fpielte,  fie  gemimten  unb  fiel)  auäladjen  liefe,  ifjr  Bomane 
unb  ©ebidfjte  oorlaS,  ifer  bie  erften  ferüdjte  ber  ireibljäufer 
brachte,  fie  mit  Siäfrfjereien  öerforgte,  fie  —  menn  auch 
noch  fo  ftümperljaft  —  jetdjnete  unb  malte,  unb  ihr  ba= 
jmifdjen  fo  mannen  (freubig  übertaffenen)  Sufj  raubte, 
um  bann  bafür  bei  ben  paaren  gejauft  ju  merben:  — 
ba  mactjtc  ißufdjfin  ein  ganjeS  Sanb  gtüdlich! 

®a3  füllten  felbft  bie  Ungtüdlichen  am  fernen  33aj= 
fal»@ee,  bie  in  ben  Bleibergmerfen  Steine  bauen !  S)enn 
für  jeben  Sufj  auf  Sophiens  Stnttife  mürbe  eine  Sette  öon 
iferen  £änben  getöft. 

$er  Kjar,  ber  abficfetlitfe  fpät  ju  it)r  fam,  menn 
ißufdfifin  fiefe  fdfjon  entfernt  |atte,  fanb  fie  immer  im 
©lüde  fdjmelgenb.  SEßie  triel  mufjte  fie  oon  ©ufehfin  ju 
erjäfilen.  2BaS  tfer  biefer  mol)l  fagte? 

ßumeiten  politifirten  fie  auch.  2>a3  SRäbchen  braute 
ißufdjfin  jum  ©eftünbniffe  beffen,  maS  jene  geheime  ®efeU= 
fd^aften  eigenttitfe  rnotlen?  ißufchfin  geftanb  ihr  aufrichtig, 
mie  eS  einem  Bräutigame  jiernt,  bafj  fie  eine  Parlament 
tarifdfje  Konftitution  haben  möchten.  ©8  finb  unter 
ihnen  Biele,  bie  eben  fo  gut  reben  fönnten,  mie  bie 
SDlitglieber  be§  engtifchen  §aufe3  ber  ©emeinen,  unb  bie 
barnacf)  bürften,  fidj  im  Parlamente  grünbtich  einmal  aus* 
jufprechen.  ®ie  'Jtegierenben  müfjten  fi<h  bann  eine  au$ 
Sartaren»,  Sirgifen»,  Salmulen»,  Valuten»,  Bafdtfiren» 
unb  Xfdhuftfcher  ®eputirten  beftehenbe  äJtajorität  fchaffen, 
melche  bie  ruffifchen  Karbonari  nieberftimmen  —  unb  baS 
Sanb  beruhigen  mirb.  Sludfj  bie  feinanjen  beä  SanbeS 


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57 


möchte  ba£  Parlament  controliren,  uitb  bemerfte  e$,  baft 
ein  äJtinifter  nie!  ftiel)tt,  mürbe  e£  itynt  gurufen :  „Fort 
non  l)ier!  Saffe  aucfj  einen  Slnbern  fielen!"  Sßreftfreiljeit 
ift  notfjmenbig,  bamit  bie  Sournaliften,'  bie  jefct  mit  ber* 
einten  Seiten  fluchen,  gur  SlbmedfjSlung  auf  einanbet  lo£= 
fdfjlagen. 

Sag  motten  fie  erringen! 

Sen  Sparen  ergöjjte  bie3  ungemein;  gang  anber§, 
ate  memt  i^m  Slraftöejeff  biefe  Singe  bortrug. 

©d&on  fing  man  gu  glauben  an,  baft  bie  gtücflidfjen 
Seiten  mieberfeftrten,  mo  man  (mie  bor  gel)n  Faftren)  non 
conftitutionetter  Sfrei^eit  felbft  angeficftte  be§  ©garen  f^red^en 
burfte  unb  bie  Freimaurer  in  iftren  blättern  ifjre  Sogen 
angeigten. 

©opljienä  Sefferung  täufdfjte  fogar  ben  2lrgt.  Sie 
®ranf^eit§ft)mbtome  berfdfjmanben  gänglidfj.  ©3  gefdfjeljen 
ja  nodf)  Seiten  unb  Sßunber!  Sie  9Dtadf)t  ber  Statur  ift  ja 
unerfd&ityflidfj !  3)tan  barf  ernftlidfj  an  bie  §odf)geit  benfen. 
Slle^anber  lieft  ben  33rautfdf)afc  au§  $ari§  bringen  mit  bem 
rofafarbigen  Srautfleibe  unb  bem  *ßlatina=Siabeme.  ®r 
Ijatte  bie  ®enugtl)uung,  fidfj  gu  ergäben  an  bem  freube- 
ftrafytenben  Slntlifce  ©o#)ien3  beim  Slnblide  biefer  £crr= 
iidfjfeiten. 

®ine3  SageS  fpradf)  ber  ©gar  gu  Sßufcfyfin: 

„■Stein  ©o^n!  menn  ©ott  un§  jenen  glüdltdfjen  Sag 
erleben  läftt,  ber  audfj  in  meinem  Seben  einen  SBenbepunft 
gum  £eile  bilben  mirb  —  ma3  fott  \§  Sir  al£  ffltorg en= 
gäbe  geben?" 

$ufd£)!in  fiel  auf  feine  ®niee  unb  fpradfj :  „SJater! 
®ib  an  jenem  Sage  Seinen  SSöllern  eine  $er= 
faffung!" 

Ser  ©gar  fdfjmieg.  Sa§  gab  $ßufd&fin  ben  SDtutl) 
fortgufa^ren : 

„SRajeftät!  Sie  gange  Sßelt  gäljrt  unb  bereitet  fidf; 
gur  ©ruption  bor  mie  ber  SBefub.  Siefer  SluSbrudfj  be§ 
SSulccmä  läftt  fidf;  mit  einem  Sßapierlappen  behüten,  auf 
meinem  ba£  eingige  SBort  „Charta!“  fteljt.  Stidfjt  icft 


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58 


allein,  Sein  ganjeS  Sanb,  jeber  ©tjrenmann,  jeber  Patriot, 
jeber  Stnljänger  beS  2t)roneS  fprid)t  unb  bentt  fo.  Ricfit 
ptöfctidf)  befreie  unS,  nid)t  tiadf)  frembem  SRufter  erbaue 
unfer  Sanb :  —  fütjre  Sein  treuem  Sott  tangfatn,  fdfjritt» 
weife  ber  greiljeit  entgegen,  taffe  bie  Serfaffung  ben  Sitten 
unb  Sebürfniffen  unfereS  SotteS  anpaffen.  Sodfj  f)ebe  auf 
bie  Seibeigenf d^aft !  ©ntferne  StraftSejeff,  ber  fid)  wie 
ein  böfer  Seift  jwifdjen  Sir  unb  bem  Sötte  einfeitt.  @nt= 
reifte  baS  SottSfdjutwefen  ber  Zeitigen  Spnobe  unb  oertraue 
eS  Wieber  ben  fpänben  Satijpn’S;  berufe  oor  deinen  ©dientet 
bie  Rotabetn  beS  SanbeS  unb  befielt  ifpten,  oom  ^»erjen 
5U  fprecf)en.  Sernidf)te  bie  ©enfyr,  geftatte,  baf}  bie  üerbor= 
genen  Sebanfen  baS  SageStidjjt  erbtiefen ;  oerjage  Seine 
treutofen  2Birtf)fdE)after,  bie  Siet)  unb  baS  Sanb  auSptün* 
bem.  §ebe  auf  bie  mititärifdjen  ©otonien,  WetdEie  wie 
eine  $tage  baS  Sanb  bebrücf en ;  berufe  bie  atten 
Regimenter,  gib  itjnen  gähnen,  oeteinige  fie  ju  einem 
Säger,  ftette  unS  an  itjre  Spifce  unb  fenbe  uns  jur  Ret= 
tung  unferer  ljellenijcfien  Srüber,  bie  im  SReere  itjreä  eig= 
nen  StuteS  erftidfen.  Su  wirft  fefjen,  WaS  eine  Ration 
im  Stanbe  ift,  Wenn  fie  im  Sefifce  ber  greitjeit  für  bie 
Unabtjängigteit  anberer  Rationen  tämpft:  fie  Wirb  fid) 
über  atle  Sötfer  ergeben!  D,  gib  unS  greibjeit  unb  wir 
geben  Sir  Rufjm!" 

Set  ©jar  f)örte  biefe  Rebe  bis  ju  ©nbe  an,  bann 
fpradf)  er : 

„Stetie  auf!  Sdj  oerjei^e  Sir,  bafj  Su  fo  tü^n 
gerebet." - •  — - 

Rad)  einigen  Sagen  reifte  StraftSejeff  in  oder  Stille 
auf  fein  Sanbgut  Srufdfjino.  SRait  ftiifterte,  baf?  er  über 
fein  —  eigenes  Verlangen  einen  tangeren  Urlaub  erhielt. 
Seine  ©ntfernung  ittuftrirte  nodj  beuttiefjer  bie  Berufung 
beS  gürften  Stieb  im  in  auf  feine  Stelle,  ©r  würbe  jefct 
unter  ben  Vertrauten  beS  ©jaren  Serjenige,  ber  ju  jeber 
Stunbe  otjne  Stnmetbung  jum  ßjaren  ^ineingetjen  barf. 

@S  gefdjjal)  noch  mefjr.  SRagnijtp,  ber  oerfjajjtefte 
RattjStjerr  in  ber  ®rteudljtungS=2tbtfjeitung,  erhielt  ebenfalls 


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Gc.  gle 


59 


feinen  Slbfdjieb,  unb  ftatt  ber  alten  ©enforen  würben 
jüngere  ernannt. 

Studf)  Wußte  Sebermann,  baß  ber  SBotfdjafter  bei  ber 
Pforte  bie  SSeifung  erhielt,  eine  menfdjlidjere  Äriegfüßrung 
gegen  bie  griedfjifdjen  greitjeitSfärnpfer  enetgifdj  ju  forbern. 
3ugleiclj  würbe  bie  Sluffteüung  eines  SagerS  in  ber  Stäfje 
t>on  SBenber  befcfiloffert. 

©nblidj  mürben  —  als  leicf)töerftänblid)eS  Stnjeidfjen 
einer  neuen  ©podlje  —  alle  (Sarberegimenter  aus  ben 
SDtilitärcolonien  ßeimberufen  unb  in  Petersburg  concentrirt. 

XicS  erfüllte  bie  Slpoftel  ber  greißeit  mit  neuer 
Hoffnung.  Xie  geheime  (Sefellfdßaft  beS  StorbenS 
befdßloß,  ben  ©jaren  auf  biefent  SBege  tßatlräftigft  ju 
unterftüßen.  Xodß  bie  Häupter  ber  (Sefellfdßaft  beS 
StorbenS  ließen  fid)  nidjt  irre  machen.  Peftel  ließ  ®ße= 
bintin  fagen:  „StidfjtS  als  ©ontöbie!  SRan  Will  uns  jurn 
Starren  galten,  ber  ganje  Särm  wirb  faum  brei  SDtonate 
währen.  bleibe  bei  meinem  plane!"  Stber  bie  „S3ären= 
Jeule"  oerlor  atlmälig  ißre  (Säfte,  unb  SaJuSfht  benähte 
bie  ©piße  feines  SRefferS,  um  bamit  feine  gäßne  ju 
reinigen. 

Pufcßlin  wibmete  fidfj  ganj  bem  SSräutigamftanb  unb 
bem  SBerfemadljen.  @r  fdßrieb  eine  tjerrlic^e  ütomanje  unter 
bem  Xitel:  „Xie  Quelle  tion  SBaltfcßifferaj."  Sludj 
biefe  laS  er  juerft  Sophien  toor. 

SBei  ber  gemitberten  ©enfur  War  audfj  ber  Xrucf  nidjt 
feßwierig. 

SltS  ber  ©jar  erfuhr,  baß  baS  (Sebidjt  bei  ber  ©enfur 
eingereidßt  würbe  (ein  foldßeS  „©reigniß"  mußte  natür= 
lidß  bem  ©jaren  referirt  Werben),  fagte  er  ju  pufdjlin : 

„3cß  wünfeße,  baß  Xu  Xein  (Sebicßt  Semanbem 
bebicireft." 

„SReiner  SSrant?" 

„Stein,  fonbern  ber  gürftin  ©ßebimin." 

Pufcßfin  öerftanb  ben  SBinJ;  er  mußte  ficf)  auf  irgenb 
eine  Slrt  ber  SRutter  ©opßienS  näßern,  biefe  War  bie  natür= 
lidßfte.  —  ferner  fagte  ber  ©jar  ju  Pufdßlin : 


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60 


„SBenn  $u  Sein  ®ebidfjt  $ur  tf)r  bringft,  fage  it)r, 
baß  $u  atn  einunbjwanjigften  guni  ®eine  Stauung  mit 
©ophie  Starifchfin  feiern  Wirft.“ 

2ludj  baS  War  in  ber  Dtbnung.  Pufct)fin  brauste 
feine  befonbere  ©rftärung.  Ser  Sräutigam  fetber  mußte 
®ort)ntf)ia  bie  ®unbe  öon  ber  $eirat  Sophie  StarifchfinS 
bringen  unb  Oon  ihr  ben  juftimmenben  ®uß  erhalten. 
SaS  war  fef)r  richtig.  SaS  freien  unb  bie  ©nwißigung 
gefehlt  in  gorm  ber  Zueignung  unb  Sinnahnte  beS  ®e= 
bid^teS.  Sie  gorrn  ift  jart  unb  bocfj  treffenb.  Söeibe  fprectjen 
anberS  unb  benfen  anberS  :  freien  im  poetifchen  Oewanbe! 

Pufdfjfin  ging  in  jeber  Sejiehung  correct  oor,  als  er 
ben  dürften  @l)ebimin  auffucfjtc, 

„gwart  SRaiimowitfdh!  geh  ha&e  ein  neues  ®e= 
bidfjt,  Welches  i<h  ber  gürftin  SKaria  Sltejciewna  Äor^w 
tt)ia  wibmen  möchte.  g<h  bitte  Sich,  tieS  eS,  unb  Wenn 
Su  eS  für  würbig  erad)teft,  ben  Stamen  ber  gürftin  ju 
führen,  fo  fei  mein  gürfprecher  bei  ihr." 

„g<h  Werbe  Seine  Serfe  mit  Sergnügen  tefen.  @o 
nie!  aber  fann  ich  Sir  jefct  fdfjon  fagen,  baß  bie  gürftin 
Seine  Sebication  für  eine  große  SluSjeidhnung  betrachten 
—  unb  ftofj  fein  wirb,  ihren  Flamen  auf  deinem  SBerfe 
gebrucft  ju  tefen." 

Pufchfin  erhiett  noch  ant  fetben  läge  beS  gürften 
Sufdhrift,  baß  bie  gürftin  bereit  ift,  ihn  morgen  Stadhmit* 
tags  fieben  Uhr  in  ihrem  ©ommerpalafte  auf  ber  Stewa* 
gnfet  ju  empfangen,  (grüßet  pflegt  man  Wegen  ber  §i|e 
nicht  auSjugeßen.) 

damals  bewohnte  bie  oornehme  Petersburger  SEBett 
fdjon  ihre  Sitten.  Sluch  ber  reiche  SBürger  Wohnt  auf  ber 
9teWa=gnfel  in  feiner  „Sotfdha".  Ser  ©jar  geleitete  @tifa= 
beth  unb  ihren  fpof  auf  ihr  SiebtingSfchtoß  „ÜJtonptaifir", 
in  beffen  Stöße  auch  ©opßie  Starifdßfin  wohnt,  ge|t  fonnte 
fie  ber  Sjar  nur  fetten  befuchen,  benn  im  guni  finb  bie 
Mächte  in  Petersburg  nidht  finfter.  Sodß  fie  hotte  ja  ihren 
Sräutigam,  ber  über  fie  Wachte.  Stur  noch  eine  Sßocße 
trennte  fie  oon  ber  ^odßjeit. 


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XXIX. 

3fofipl)ar. 

gut  beftimmten  Stunbe  eruiert  ©ufdjfüt  in  bet 
fürftlich  ©^ebimin'fc^en  ©iüa;  bort  überlieferte  ihn  ein 
Äatnmerbiener  bent  anberen,  big  er  enbtidj  in  $ortjntt)ia’3 
Souboir  gelangte. 

®ie  gürftin  War  immer  fdjöu;  bocb  beute  Wollte  fie 
eg  auch  fein.  ®ie  bamalige  äRobe  er^öfjte  bie  Weiblichen 
SReije  fe^r.  ®er  blafigelbe  Seibenüberwurf  paffte  oortreff» 
lid)  jüm  bocbgetbiirmten,  fdbnecfenförntig  herabwaüenben 
blonben  fpaare,  ju  ben  fallen  ©rüffeler  Spieen  unb  bem 
3ncarnate  beg  ©efidbteg  unb  ber  SBruft.  Selbft  bie  Schul» 
terfpaitgen  waren  mit  gelben  diamanten  aufgelegt,  unb 
eine  —  oorne  gtuifcfjen  bie  Spifcen  coquett  geftecfte  — 
blaftgelbe  ®beerofe  öerfcbloff  bag  geentbal. 

3br  gunjeg  SBefen  üerrietb  eine  ungewöhnliche  Unruhe. 
(Sie  errötbete  unb  lächelte,  alg  ©ufcfitin  eintrat.  Unb 
©rrötljen  unb  Säbeln  wieberb  ölten  ficb  auf  ihrem  Stntti^e, 
fo  lange  bie  ©egrüfjung  bauerte  unb  bie  üblichen  ©e= 
grüfjunggfüffe  auggetaufcbt  Würben.  ®ann  biefi  fte  ihn  auf 
einen  gauteuil  fefcen,  wäbrenb  fie  ihm  gegenüber  auf  einem 
feibenen  ®it>an  ©lab  nahm. 

Sie  begann  bag  ©efpräcb. 

„Qdb  habe  über  3b*  f(böne§  ®ebid)t  fo  oiel  geweint, 
alg  wäre  ich  an  ber  ©altfdjifserajer  Ib^nenquefie  ge= 
wefen." 

„6g  freut  mich,  baff  bie  $elbin  meineg  Siebeg  fich 
Shre  Spnipatbie  erwarb,  fjürftin!  ®enri  ich  äeidjnete  in 
ihr  meine  ©raut,  Sophie  Starifcbfin"  —  — - 

D !  wie  feljr  Oeränberte  ficb  plöfelicl)  jeneg  Slntlifc! 

glammcnbe  Sornegrötbe  bebeefte  eg ;  ihre  Slugenbrauen 
oerwanbelten  fich  in  ©feilbögen  unb  bie  Strahlen  ihrer 
Stugen  in  ©feile. 

„Sie  wollen  Sophie  ßtarifdjfin  beiratben?"  fchrie  fie 
leibenfcbaftlid)-  „®ag  ift  unmöglich!" 


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62 


„@§  muß  boc^  möglich  fein,  benn  unfere  ^ocßjeit  ift 
fdjon  für  ben  21.  guni  beftimmt." 

„gn  einer  äßodße?  ©)ie  Trauung  ift  olfo  fdjon  tier= 
fünbet?" 

„•Rein!  SEBir  werben  unter  firtßlidjer  Slbfolution 
getraut." 

®ie  gürftin  fprang  bon  ißrem  ©iße  auf  unb  leuchte : 
„Unmöglich!  unmöglich !" 

tßufcßfitt  blieb  fißen ;  er  erfdjrat  nid)t  fo  fernen  öor 
einent  äRenfdjen,  felbft  tior  einer  grau  nidjt.  ©r  erwiberte 
fefir  rußig : 

„2lber  icß  bitte  Sie,  gürftin!  WaS  für  eine  ©inwenbung 
tonnen  Sic  bagegen  tjaben?" 

©orpntßia  faß  ein,  bafj  fie  fieß  tion  itjrer  Seiben= 
feßafttießteit  ju  Weit  ßinreißen  ließ.  Sie  befjerrfdjte  fieß, 
naßm  toieber  ißlaß  unb  ftellte  fid),  als  wollte  fie  fid)  mit 
bem  gäcßer  gegen  bie  §iße  feßüßen. 

„3)er  gßnen  biefen  SRatß  gab,  meinte  eS  nießt  freunb= 
fcßaftlicß  mit  gßnen!"  jifdjte  fie  tonlos. 

„@S  War  ber  ©jar!" 

©ortjntßia  feßlug  ben  gädjer  jufammen,  bann  ßielt 
fie  ißn  oor  ißre  Sippen.  9tad)  furjem  Stidfd)Weigen  fußr 
fie  fort :  „Sie  Wiffen  bemnaeß,  baß  ber  Sater  Sopßie 
Rarifcßtin’S  ber  ©jar  ift?" 

„3<ß  aßne  cS." 

„Slßnen  Sie  aueß,  welcße  gufunft  gßrer  ßarrt,  Wenn 
Sie  bie  ©Zarentochter  ßeiratßen?  Sie  Werben  tierbannt  fein 
aus  jener  (befedfeßaft,  in  Welcher  Sie  biSßer  lebten,  unb 
jene  ©reife,  benen  Sie  fid)  aufbringen,  Werben  Sie  tier= 
ad)ten.  So  lange  ber  ©jar  lebt,  Werben  Sie  ein  (befangener 
im  glänjenben  ©äfige  be§  $ofe3  fein.  gßreS  freien  SBidenS 
beraubt,  ein  unglücflidjer  SRenfcß,  ben  (bott  baju  erfeßuf, 
baß  er  ben  Uebrigen  tioranleucßte,  unb  ber  fid)  felbft 
jum  Statten  eines  Slnbern  tierbammte!  Racß  bem  lobe 
beS  ßjaren  tönnen  Sie  im  ©autafuö  ober  am  3lmur 
(boutierneur  werben." 

„SReine  gürftin!  gcß  werbe  Weber  (befangener  beS 


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63 


$ofeS,  noch  (Souoerneur  oon  Äamtfdjatfa  werben.  SDteine 
grau  !ommt  mit  mir  auf  mein  Keines  ®ut  ißteStow,  bort 
werbe  icf)  Sauer  unb  manchmal  and)  ißoet  fein." 

„Sie  lieben  baS  SJtäbchen  nicht,  nur  bie  ©itelfeit  läßt 
©ie  biefen  Stritt  tljun." 

ißufchlin  pflegte  $iebe  nicht  fc^ulbig  ju  bleiben ;  felbft 
grauen  nicht. 

„gürftin,  würben  ©ie  baS  !äJtäbdhen  fennen, 
bann  wüfjten  ©ie,  bafi  eS  unmöglich  ift,  eS  nid)t  ju  lieben!" 

®ie  gürftin  bifj  fidj  ihre  frönen  Sippen  blutig.  $aS 
war  ein  graufamer  §ieb.  Slber  rafd)  barauf  folgte  ttocf) 
ein  jWeiter. 

„®aS  Stäbchen  erbte  nur  bie  ©anftmuth  feines 
SSaterS;  nichts  weiter  — !" 

geht  erhob  fid)  bie  gürftin.  —  ®ieS  lonnte  fie  nicht 
länger  ertragen,  igfjr  ©efidfjt  würbe  tobtenbteid),  nur  iljre 
Singen  glühten  unheimlich.  ©ie  ging  jn  ißufdhfin,  ergriff 
feine  §anb  unb  flüfterte : 

„£at  3bnen  ber  ©jar  auch  ben  Slawen  ber  üJlutter 
©opbienS  genannt?" 

„Stiem  als !" 

„§aben  ©ie  if)n  auch  oon  Stiemanbem  oernommen?" 

„Sott  Stiemanben,  ber  ein  3ted)t  hätte,  ihn  ju  entbeden." 

„kommen  ©ie!  ©e|en  ©ie  fiel)  ju  mir!"  ftammelte 
bie  gürftin,  Kammerte  fiel)  Irampfijaft  an  ißufdhlin'S  Slrm 
unb  jog  ihn  neben  fi<h  £)irt  auf  ben  ©)ioan.  „£>ören  ©ie 
mich  an!  3<h  wiH  Sf|nen  beichten.  SBaS  ich  aufjer  bem 
ißatriardjen  feinem  SDtenfdhen  fagte,  will  idh  Shnen  geftehen." 

Unb  baS  Sßeib  lonnte  oor  ©dhtudfjsen  laum  ju  SB  orte 
lommen. 

Sann  jerrijj  fie  baS  ©pi|en=@adtu<h,  Welches  fie  mit 
ihren  Xfjränen  getränlt  hotte. 

„©etbft  meinem  (Satten  Wagte  idh  nie  ju  fagen,  Was 
idh  Shn£n  jefet  fage:  3<h  bin  Sophie  Starifdjtin'S 
•Stutter  .  .  ." 

ißufdhfin  ftettte  ftdj  natürlich  Ijöchlidhft  überrafdht  oon 
biefer  ©ntbedung. 


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64 


„Urteilen  Sie  über  midf)!"  fpradf)  bic  gürftin  meiter 
unb  marf  auch  bcn  bünnen  Soleier  von  ihren  •  rofige'n 
©futtern  (barnit  er  um  fo  beffer  urteilen  fönne).  „geh 
mar  noch  ein  Sinb,  faum  fed^je^n  Sahre  alt.  geh  muchä 
ohne  @ttern  heran.  3<h  fah  einen  SDtann  vor  mir,  ben  alle 
SBelt  vergötterte.  SDteine  Xante,  bie  mich  erjog,  ftmr  eitet 
unb  ehrgeijig  unb  mufete  biefe  ©igenfdfjaften  audf)  auf  mich 
ju  übertragen.  Sitte,  bie  midf)  umgaben,  fagten  mir :  „Siebe 
ihn,  er  ift  um  ® einetmitten  ungtüdlidf)!"  Sie  erjagten  mir 
alte  ©hronifen,  in  benen  ju  tefen  mar,  bafe  ©§aren  ihre 
©attinnen,  bie  fie  nicht  liebten,  in'3  Stofter- ftedften,  unb 
an  ihre  ©teile  anbere,  geliebte  grauen  ju  fidf)  auf  ben 
©jarenthron  erhoben,  Schmeichelei,  @^rgei§,  Unerfahrenheit, 

jugenblidEje  5ß^antafie  ersten  meinen  Sopf,  unb  idfr . 

fiel!  ga,  tief  bin  ich  gefatten!  @o  tief,  bafe  ich  barob  mein 
ganjeS  Beben  hinburdf)  meine! ....  Xodf)  gab  ich  bie  $off* 
nung  noch  nicht  auf;  ftoch  immer  glaubte  ich,  bafe  mein 
SSerfü^rer  eine§  Xage3  fommen  mirb,  um  mich  au§  ber 
Schmach  jur  ^errli^feit  ju  ergeben.  3<h  flehte  ju  ihm, 
idf)  mälzte  mich  im  ©taube  §u  feinen  güfeen.  ®a  erliefe 
er  jenen  Ufa£,  bafe  auf  ben  ruffifdfjen  Xhron  nur 
Xöd£)ter  regierenber  gamitien  erhoben  merben 
fönnen:  Xa3  mar  bie  Slntmort  auf  meine  Xräurne! 

. Xarnafö,  in  meiner  gröfeten  ajerjmeiflung,  !am 

ein  SDtann  meinet  @tanbe3  unb  marb  um  meine  £>anb. 
3Boht  liebte  er  midf)  nicht,  bo<h  gab  er  mir  feinen  Stauten; 
auch  ich  liebte  ihn  nicht,  bocf)  feinen  Stauten  trug  ich  mit 
©t)re  unb  ^abe  ihn  mafettoä  erhalten.  S3or  ber  3Bett  tonnte 
ich  mein  $aupt  ftolj  ergeben.  Unb  jefct  bricht  ptöfclidh  bie 
gefürchtete  Sataftropjje  here™,  vor  melier  ich  fechjehn*  3fahre 
in  meinen  fdfjtaflofen  Städten  gitterte :  Sophie  Starifchfin 
heirath et,  unb  atte  SBett  mirb  fragen:  Slber  mer  ift  jene 
Sophie  Starifchfin?  3Ber  mar  ihr  SSater,  mer  ihre  SDtutter?" 

„Xarüber  fönnen  Sie  ruhig  fein,  gürftin !  Xie  Xrau= 
ung  gef<hieht  ganj  im  ©titten  burch  ben  ©otometfchfer 
$atriardf)en  auf  ber  $(5etrov3fer  Snfel  iu  ber  ©chtofefapefle 
*ßeter'3  be§  ©rofeen.  Stach  ber  $o<hjeit  mirb  Seiner  ba$ 


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junge  ©pepaar  mefji  in  Petersburg  jetjen,  unb  man  Wirb 
auch  nic^t  mehr  fpredjen  t>on  bemfelben." 

Diefer  'Ir oft  mar  ©ift  für  baS  ^>erj  ber  giirftin : 
Sie  fotlte  pufcpfin  nicht  mehr  jehen?! 

„St ber  moju  biefe  fieberhafte  (Site  ?  DaS  SJtäbchen  ift 
noch  «»  tinb,  faum  fedjaetjn  3atjre  alt!" 

„Sürftin!"  ermiberte  Pufdjfin  traurig,  „man  rechnet 
bie  3eit  nicht  nach  Sapren,  fonbern  nach  ben  Seiben,  bie 
wir  ertragen,  unb  fo  angefehen  lebt  Sophie  f<h°»  lange. 
Sechzehn  3apre  lang  eingefperrt,  oerbannt,  bon  afier  SBett 
öerteugnet  ju  fein;  fecpaepn  3ahre  tang  fein  aärtlicpeS, 
tiebenbeS  SBort  §u  hören  unb  feine  ffreube  ju  feniten : 
baS  ift  ein  genügeub  großes  „Sitter"!  3e|t  erhält  biefer 
SiebeStraum  baS  arme  tinb  am  Seben.  Sophie  ift  eine 
Stadjtwanbterin  für  biefe  SBett:  ertoecfet  fie  unb  fie  ftirbt 
fofort!" 

„Sttfo  nur  aus  ebetmiithiger  Setbftaufopferung  fnflpfen 
Sie  3pr  Seben  an  baS  ihrige?  Sie  lieben  fie  nicht?" 

„3<h  bete  fie  an,  hatte  feft  an  ihr." 

„@ut.  Srtauben  Sie  mir,  barüber  nacpaubenfen ;  bie 
Stachricpt  hat  mich  fo  äberrafcht,  bafj  ich  3P»e»  jefct  nichts 
barauf  antworten  fann.  Die  3eit  ift  au  fura;  nur  fieben 
Doge.  Sann  eS  nicht  hntauSgefcpoben  werben?" 

„Stein." 

„SBarum  nicht?" 

„Der  ©aar  begibt  fich  auf  bie  Steife;  öiefleicpt,  auf 
eine  —  fepr  lange  Steife.  Diefe  läge  wirb  er  eine  grofje 
Steoue  über  bie  ©arbetr  uppen  abhatten  unb  bann  Waprfcpein* 
lieh  abreifen.  Darüber  Wirb  Sie  übrigens  gürft  ©hebimin 
beffer  unterrichten  fönnen.  Unb  er  miß,  baff  unfere  |>ochjeit 
tior  feiner  Slbreife  ftattfinbe." 

„So  geftatten  Sie  mir  aum  SDtinbeften,  meine  Stntwort 
bis  aum  testen  Slugenbticfe  au  oerfchieben.  3$  habe  3h««« 
fo  SßieleS  au  fagen.  (Ertauben  Sie  mir,  3puen  am  testen 
Dage  erft  au  antworten,  tommen  Sie  au  mir  am  3wanaig= 
ften.  Unb  auch  bann  erft  in  ber  testen  Stunbe  beS  DageS, 
Wenn  eS  nicht  wehr  fo  pefl  ift:  bamit  3hr  tommen  nicht 

3<5Iai ;  greife«.  II.  5 


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66 


auffalle.  Um  unbemerft  eintreten  ju  fönnen  (Sie  Werben 
Wof|l  begreifen,  warum  id)  ben  33efud)  oon  Sopf)ien’§ 
Bräutigam  bei  mir,  am  Sage  üor  ber  ^odjjeit,  nidfjt  befamtt 
maxien  will),  nehmen  Sie  biefe§  Scfjlüffeldjen.  @§  öffnet 
bie  Sljür  ber  SSeranba,  Weiche  gegen  ben  ißarf  liegt;  oon 
bort  fönnen  Sie  auf  einer  SdEinecfentreppe  birect  ju  mir 
gelangen.  Sann  werben  Wir  ungeftört  oon  üerfdjiebenen 
Singen  fpredjen,  Wefdfie  Sie  wiffen  müffen." 

ißufdlfin  ftecfte  baö  if|m  anoertraute  Scf)lüffeld)en  ju 
fidl)  unb  nafjm  Slbfcfjieb,  inbem  er  bie  §anb  ber  gürftin 
füfste.  &'ort;ntf)ia  gab  if)m  ben  ®uf?  auf  bie  Sippen  jurücf 
unb  begleitete  ifm  bi§  an  bie  Sljiire  iljre»  ©emad)e§. 

Sener  ruffifdfje  (Mehrte  fjatte  alfo  bocf)  Stecfjt  in  feiner 
93etracf)tung  über  bie  „entarteten  ®a|en"  —  WenigftenS 
in  SBejug  auf  biefeS  eine  SBeib. 


XXX. 

^Sttiterfegett. 

(511  einer  oon  buftenben  gicfjten  befd^atteten  SSiHa  oer= 
lebte  bie  junge  ©raut  if)re  Sage.  (Snbfidf)  wofptt  fie  in  feinem 
SÜerfer  ntef)r;  fie  ift  feine  befangene.  Senn  bie  Ijerbfte 
©efangenfdf)aft  unb  Sflaoerei  ift  bie  Sranf^eit;  fagt  man 
bodfj  bem  SJienfdfien  auf  Stritt  unb  Sritt :  „Saufe  nidf)t! 
Singe  nidjt!  Srinfe  fein  SBaffer!  Stimm  baö  Sucf)  nidjt 
00m  |>alfe  herunter!  @ffe  nicjjt  oon  biefer  Steife!  ©rfälte 
bid)  nidjt!  @t£)i§e  bidf)  nic£)t ! " 

2lud)  ber  Softor  ift  auägeblieben.  Sie  ißanacee  fiat 
SBunber  gewirft. 

Ser  wunberfc^öne  Stofenmonat  War  gefommen.  Ser 
^Bräutigam  fieff  bie  Sßege,  auf  Wefelen  Sophie  ju  fpajieren 
pflegte,  mit  Stofen  bepffanjen,  unb  ba§  (»eitere  Stäbchen 
fammefte  alle  SJtorgen  unb  Slbenb  bie  Slumen,  bie  ifjre 
Snoäpen  geöffnet  in  iljrem  Sorbeten :  nicf)t  baö  fleinfte 


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67 


SBlättdjen  lieft  fte  auf  bie  @rbe  fallen.  2Sa§  wirb  baraug 
werben?  SBentt  bte  Slätter  ocrtrocfnen,  toirb  fte  ein  ©eiben= 
fiffen  bamit  füllen;  toie  gut  toirb  fidj’g  barauf  fcfjlafcn !  .  . 

Soeben  breitete  fie  auf  ber  fonnigen  ©eite  ber  Seranba 
bie  gefammetten  Slätter  au®,  unb  fang  baju.  Stiemanb  öer= 
bietet  i£)r  ntef)r  ju  fingen;  fie  barf  eg;  nur  bie  alte  $elenfa 
janft  mit  ifjr,  benn  toer  am  greitag  fingt,  toirb  Sonntag 
weinen,  fagt  fie;  bodj  für  fotdje  SReben  pflegt  ©opljie  bie 
alte  SJtagb  gemöf)nlidE)  augjutaclen.  SEBer  wirb  audf)  f)eut= 
jutage  nodt)  etwag  auf  abergtäubifclje  Innungen  galten?  ®a 
feufjte  bie  gute  alte  §elenfa  plöfjltcfj  ängftlid)  auf :  „gefug, 
Sßtaria,  ©t.  Slnna!  2Bag  will  biefe  Ejier  ?"  Unb  oljne  ein 
SBort  meljr  ju  jpredjcn,  tief  fie  baoon,  um  ber  Sontmenbett 
nit^t  ju  begegnen. 

Sophie  blicftc  OerWunbert  Ijinaug  unb  fall  auf  bem 
(Gartenwege  eine  SD  ante  fid)  nähern.  Sie  War  oon  ftra^tenber 
©df)önt)eit;  ifjre  Toilette  war  lauter  bunte  ©ticferci,  auf 
ifjrent  ©troljljute  fdjwebt  ein  ißarabiegoogel  unb  if»re  @djul= 
tem  finb  in  einen  Sadljemirftiawl  gebüßt. 

Seim  Slnbticfe  biefer  oerfüljrerifdjen  ©djönlfeit  füllte 
Sophie,  wie  ein  un^eimlid^eg  ©rbeben  iljre  -Jteroen  burdfj= 
jitdte;  eg  War  it>r,  alg  tjörte  ifjr  §erj  auf  ju  fragen. 
Sie  begann  an  Slljnungcn  ju  glauben. 

©ie  fam  aßein  unb  ju  foldfj’  früher  SWorgenftunbe,  in 
welker  ®amen  fonft  nodf)  nidfjt  augjugeljen  pflegen.  Dtjne 
©üumen  beftieg  fie  bie  kreppen  ber  Sßeranba,  wie  ©ine, 
bie  mit  ben  Sofaiitäten  gut  Oertraut  ift. 

9ltg  fie  üor  Sophie  ftanb,  er^ob  fte  if)re  §attb  mit 
einer  (Geberbe,  bie  jum  fpanbtuffe  aufforbert.  Seife  fprad) 
fie  fobann  : 

,,3df)  bin  bie  gürftin  (Gfyebintin!" 

®ag  Iperj  ber  gungfrau  Hopfte  fjörbar.  $ennodj 
muffte  fie  biefe  mit  bem  fpanbfdjuf)  befteibete  §anb  füffen. 

„Sie  Ijaben  midi)  nodj  niemalg  gefetjen?"  frug  bie 
®ame. 

$ag  SÖtäbdfjen  tonnte  nur  ein  ftummeg  „ßtein!"  mit 
bem  ®opfe  fcfjütteln. 

5* 


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„@o  geben  Wir  in  3$«  Stube.  3ft  Stiemanb  bei 
3t)nen?" 

„Stiemanb." 

®ie  Same  ging  ttoran,  unb  als  fie  int  Zimmer  ange= 
langt  waren,  na^nt  fie  ihren  ^otjen  fput  herab.  3bre  frönen, 
reifen,  btonben  SocEen  Waren  in  fjoljer  grifnr  4  la  giraffe 
aufgeftecft. 

„Stun  tüffe  midt)!  3<b  bin  ®eine  SJtutter!" 

Sophie  tf(at,  waS  if)r  befohlen  würbe. 

®ie  Uiirftin  fab  ficf)  um.  Ueberatt  tagen  Sticfereien, 
gepulte  Kleiber,  bie  ganje  bräutliche  SluSftattung  in  reifen = 
ber  Unorbnung  umher. 

,,2K),  ®etn  $rautf<bmucf!  ®u  WiHft  atfo  ^eirattien, 
Keines  SJtäbcben?  ©oft  $u  benn  aber  gar  nicht  bebadjt, 
baß  ju  einer  fo  ernften  Sache  auch  ber  ©egen  ber  SJtutter 
üonnöttien  ift?" 

$aS  SJtäbcben  wagte  ju  antworten : 

„@S  würbe  mir  gefagt,  baß  ich  weine  SJtutter  Weber 
befugen,  nodj  i^r  fcfireiben  barf." 

„Stber  ®u  bätteft  e§  mir  bur<b  ®eine  Keine  greunbin 
Setbfaba  mittbeilen  fotten,  bie  ®id)  täglich  befugt  bat." 

•3<b  toar  ber  SJteinung,  baß  fie  eS  3bnen  gefagt  bat." 

„5)ie  Steine  tbat  eS  nicht.  D,  bie  heutigen  SJtäbdjen 
tönnen  f<bweigen!  Stiebt  einmal  erwähnt  bat  fie  mir  „jenen" 
Statuen.  Ijufällig  habe  ich  ibn  erfahren,  ©eftern  War  fjterr 
^ufcbtin  bei  mir,  um  mir  fein  neues  ©ebicbt  „bie  Duette 
oon  ©aKfcbifferaj"  §u  wibmen." 

„SBie?  3bnen  hat  er  eS  gewibmet?" 

„|>aft  ®u  »ietteicbt  etwas  bagegen  einjuwenben?" 

„3<b  freue  mich  Oietmebr,  baß  er  eS  getban  bat!" 

„Stur  fo  nebenbei  bemerlte  er,  baß  er  in  einer  SBodje 
Sophie  Starifcbfin  jum  Stttar  fährt.  3^h  War  überrafcbt. 
3<h  glaubte,  ®u  fpietft  noch  wit  Keinen  puppen.  $ocb  Wer 
brachte  ®ir  biefe  große  ißuppe?" 

„SJtein  SSater." 

„Unb  ®u  gtaubft  nun,  baß  ®u  oernänftig  genug  bift, 
um  beiratben  ju  lönnen?" 


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„3<h  weife  nicht,  ob  tdj  oernünftig  bin;  aber  baS  weife 
ich,  bafe  ich  meinen  (Bräutigam  liebe!" 

„(Sine  fategorifd^e  Antwort!  $u  bift  fo  fieser,  bafe 
er  ®i<h  ^eirat^en  wirb!  $od)  wo  lernteft  $)u  (ßufchfin 
fennen  ?" 

„SBäljrenb  ber  UeberfdhWemmung.  D,  bamafe  fdfjwebte 
i(fj  in  grofeer  ©efaljr !  Sßenn  man  mich  nicht  abge^ott  hätte, 
fo  wäre  icEj  umgefommen." 

„Unb  Wer  hot  2>idh  benn  abgeholt?" 

(Sophie  ocrWunbertc  fich  ob  biefer  grage. 

„Sie  wiffen  ei  nicht?  |>at  ei  benn  (Betfjfaba  nidht  ju 
§aufe  erzählt?" 

„SSethfaba?  Stein,  bon  Sir  unb  (ßufdhfin  hat  fie  fein 
2Bort  gebrochen!  0,  über  bie  fdjlaue  ©eheimnifefrämerin ! 
SBarte  nur!  Sllfo  Sief)  hat  biefelbe  jfee  beherbergt,  weldhe 
Sethfaba  oon  meinem  Sßagen  entführte?  Setter  Teufel  im 
weiblichen  ©ewanbe?  Unb  ©ethf aba  fanb  für  gut,  ei  mir 
ju  öerfdhweigen !  Sage  unb  Städte  oerlebteft  Su  in  ber 
©ünbenhöhle  jener  tpößenfürftin!  ^e^t  öerftejhe  idh  9lHe§! 
Siefer  Weiblidhe  Satan  hat  all'  baS  fjerbeigefüljrt. " 

„SJtutter,  fluche  ihr  nicht!  3hr  Oerbanfe  idh  wein 
©lücf." 

„SBeifet  $u  benn,  waä  ba§  helfet:  ©lücf?" 

„©eliebt  fein." 

„Unb  Weifet  $u,  Wa8  beffen  ©egentheil  ift?" 

„®a§  Weife  ich  ttodfj  nicht." 

„betrogen  werben!" 

„SBer  fotlte  midh  betrügen?" 

„2Ber  fonft,  als  Setter,  üon  Welkem  Su  glaubft,  bafe 
er  Sidh  liebe?" 

„ÜJtein  9llefo?" 

„Sfa,  SeinStlefo,  ber  auch  fo  oielen  Slnberen  gehört ! 
©inen  gröfeeren  glattergeift,  einen  gewiffenlofercn  SBeiber» 
oerfüljrer  hätteft  ®u  auf  biefer  Sßelt  gar  nicht  finben  fönnen." 

„SSeldhe  Urfache  hätte  er,  mich  ju  täufdhen?" 

„2Seil  er  hofft,  burdh  Sich  eine  hohe  SRangftufe  ju 
erflimmen !" 


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70 


„0  nein!  @r  fjat  jebett  Xitel,  Slang,  ©efi|  gutücfge= 
miefen.  @r  nimmt  mid),  jo  toie  ich  bin.  Mein  ©<bmucf 
unb  biefeS  93tedjftücf  (ein  Splitter  bc§  ©djiffeä,  Wetd^eä  mit 
bem  SBinterpatafte  gufammenftiefj),  ba§  id)  am  Xage  bet 
großen  Sataftropbe  oon  it>m  erhielt,  bilben  mein  gangeä 
Ser  mögen.  ©r  min  arm  bleiben  unb  fidj  einen  Stamen 
Raffen,  ber  gu  feiner  ©röfse  beö  ^erjogätitetä  nicht  bebarf!" 

„SBie  er  Xidj  täufcben  fonnte!  ©eine  ißtäne  reichen 
bi§  an  ben  Xbron!  ©r  lieiratljet  ®id),  um  fid)  bei  einer 
SEBcttummälgung  atö  ruffifcber  „  ißring  ©gatitb"  aufgu= 
brängen.  2Ba§  ©galitb!  2tt§  ein  anberer  Sß  ugatfdfef  f ! 
Sßeifjt  Xu  benn  nid^t,  baff  er  ©iner  ber  ©erfdjroornen  ift, 
bie  ben  ©garen  öom  Xbrone  ftürgen  mosten?" 

„Mein  ©ater  führte  ihn  gu  mir." 

„SBeit  feine  Siebe  £>onig  ift,  mit  melier  er  ben  ©garen 
betören  —  unb  feine  Xoctjter  einfcfjtäfern  tonnte." 

„Mutter!  Sie  Raffen  it)n  fetjr!" 

„Unb  mit  Ste^t !  93ebrof)t  benn  biefe  ©tje  nicht  meine 
gange  ©jüftcng  mit  ©ernicbtung?  Xiefe  $eiratb  mirb  ba§ 
©ebeimnijj  Xeiner  ©eburt,  welche  bet  gtucb  meiner  Qugenb 
mar,  an’§  Xage3lid)t  bringen." 

„Mutter!  Sie  oerflucben  meine  ©eburt?" 

„5tid)t  nur  beute,  jeben  Xag  gmeimal!  SBeitn  icb  er= 
mache  unb  toenn  icb  mich  nieberlege!  Xu  marft  mir  ein 
Xobeäurtbeit,  beffen  Xag  reicht  beftimmt  ift !  Stur  mit  ©eben 
tonnte  ich  Xein  gebenten.  Xu  marft  meine  Mitfdjulbige, 
ein  tebenber  3euge  meiner  getöbteten  ©bre!  Unb  jegt  foü 
fi<b  mein  @efd)icf  erfüllen  bureb  XicE).  Xu  tünbeft  aller 
SBett,  baff  Xu  tebft.  ©ebt  bet!  ba  bin  icb!" 

„Stein,  Mutter!  3<b  oerberge  mich!  Seiner  foü  mich 
feben !  Stiemanb  toeifj  ©tma§  oon  mir  .  . 

Sorpntbia  ftettte  ficb,  atö  ob  Mitteib  unb  Mutterliebe 
bie  $errf<baft  über  fie  gemonnen  hätten.  Stagenbett  XoneS 
fpradj  fie : 

„Slber  Xu  armes  Sinb!  Sßeifjt  Xu  benn  nicht,  baff 
Xu  Xicb  tebenbig  begräbft?  Xafj  Xu  ein  Seben  mäblft 
fchlimmer  als  in  ber  tpötle?  Xu  rnirft  bie  ©attin  eine« 


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2lbenteurer§,  ber  fo  tief  in  Sünben  ftectt,  fo  oerfettet  mit 
aßen  lafterßaften  (SefeKen  ift,  baß  er  iljnen  felbft  beim 
beften  SBißeti  nid)t  meßr  entrinnen  tann!  SBiüft  &)u  ißm 
nad)  Sibirien  folgen?“ 

„SBenn  ißn  Unglüd  erreidjt,  tßeile  id)  eä  mit  ißm." 

„Unb  wenn  baS  oerriidte  SBagftüd,  beffen  Sßorfämpfer 
er  ift,  gelingt,  unb  feine  ©anb  oon  ®eine3  SSaterS  Slut 
gerötet  fein  Wirb?" 

„®ann  werbe  id)  ben  SSeg  ju  (Sott  finben,  um  für 
il)n  ©nabe  ju  erflehen.“ 

„SßcrblenbeteS  @cfd)üpf !  $a3  Sbeal,  Welches  3)u  ®ir 
fcßufeft,  geftattct  ®ir  nidjt  bie  SBafjrßeit  ju  feßen.  ©laubft 
®u  etwa,  ein  ©erj  im  Käfige  galten  ju  lönnen,  bas  an 
ben  freien  Slug  gewöhnt  ift,  unb  baS  $)u  nod)  gar  nidjt 
gefangen  ßaft?  ®enn  fßufcßfin  liebt  ®idß  ja  gar  nicßt! 
Stein !  @r  liebt  $icß  nid)t !  Sei  überzeugt,  baß  er  $id) 
rtidßt  liebt!" 

Sophie  blidte  ftaunenb  auf  Sorßntßia.  ®er  bem  weib= 
liefen  ©erjen  eigene  Snftinct  unb  eine  nerüöfe  Äßnung 
ließen  fie  bie  fcßredlicße  SBirflicßleit  erfennen.  Sie  ergriff 
Äorßntßia'3  ©anb  unb  fagte : 

„Sie  lieben  ißn!" 

„So  ift  eS ! "  fcndjte  ©ortjutßia  mit  rafeitber  ßeiben» 
fdiaft. 

Sophie  griff  fidß  an'S  ©erj,  erblaßte,  ißre  'Äugen 
fdjloßen  fid),  ißr  SItßem  ftodte,  fie  ftürjte  jur  Grrbe. 

®ie  Sürftin  fueßte  bie  SDtagb  auf.  ,,©elen’,  geß  ©inein 
ju  deinem  gräukin,  eS  ift  mtwoßl!" 

Sie  ßüttte  fieß  feft  in  ißren  Sßawl  (benn  SBtorgenS  ift 
■ftebel  am  Ufer),  fegte  ben  ©ut  auf  unb  oerließ  bie  SSiüa. 

Sie  Wußte,  baß  ißr  ÄbfcßiebShiß  bem  armen,  oßn= 
mächtigen  fKtäbcßcn  nießts  ©elfen  würbe :  besßalb  unterließ 
fie  ißn. 


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72 


XXXI. 

Pas  geßametti. 

21n  biefem  Sage  War  eä  ißufcfiftn  fo  fdjwer  um’ä  £erj, 
alä  wäre  e§  mit  aßen  ©ünben  biefer  SBett  unb  aufjerbem 
mit  aßen  ©taatäfchulben  ber  europäifdhen  Sänber  belastet. 
33ieflei<ht  War  eä  eine  jener  ©orafjnungen,  für  Welche  bie 
Arbeiter  mit  ben  ßteröcn,  bie  Sinter,  fo  empfänglich  finb? 
Sr  tonnte  fidf  über  nichts  freuen. 

Sr  ging  $u  geneiba,  um  iE>r  feine  £>eiratf)  —  officieß 
anjujeigen.  Sie  Wufjte  fdjon  lange  baüon,  benn  fie  hatte 
einen  trefflichen  Sefjeimpolijiften.  geneiba  fagte  mit  fatter 
ftoifdjer  Sronie : 

„Sch  glaube  noch  immer  nicht,  baff  bie  Sjarentodhter 
©ich  heitathen  toirb."  ' 

„®aä  Wirb  auch  nicht  gefchehen :  benn  id)  t) e i r a  e 
bie  ©Zarentochter!" 

„SBeifj  e§  bie  fffürftin  ©hebtmtn  fdjon?" 

„3ch  h^e  e§  ihr  angejeigt." 

„®ann  wirb  tti df)t§  barauä!" 

„Sä  hängt  nicht  im  Seringften  oon  ihr  ab." 

„Sch  propfiejeie  e§;  ich  märe  ja  fonft  nicht  ^Pptfjoniffa 
bie  §eje?  SBeifj  eä  auch  fdjon  §ürft  Sljebimin?" 

„Sürft  ©hcbimin?!  Mille  tonnerresl  muff  ich  benn 
auch  beim  dürften  um  ©ophienä  §anb  anljalten?  Sr  ift  ja 
hors  d’oeuvre.“ 

„ßticht  beä  greienä  halber,  greunb!  fonbern  um  burdj 
ben  dürften  ©einen  -Kamen  au§  bem  „Srünen  93ud£)e"  löfchen 
ju  laffen.  ©u  Wirft  wohl  einfeljen,  baff  ber  Sibam  beä 
©Zaren  bie  Siften  bc§  „Srünen  SBudjeS"  nicht  jieren  — 
ich  faßen  nicht  fdjwarjen  barf!" 

„®u  haft  fßedjt,  baran  habe  ich  noch  flat  nicht  gebacht." 

Sötit  fchwererem  öerzen,  als  er  gefommen  war,  ent= 
fernte  fich  ^ßufdjfin. 

3eneiben§  Sßißa  lag  auf  ber  ftreätofäfer  Snfel.  SSon 
hier  War  eä  noch  Weit  jur  SSißa  ©opljienä,  bie  jwifdjen 


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73 


bett  ©arten  Don  Dranienbaum  tag.  Schon  üon  weitem  war 
it)r  hettgrüneS  $ad)  unter  ben  gidjten  beS  Ufers  fidjtbar; 
auf  beut  $)ad)e  We|te  bon  einer  bunten  Stange  herab  aö= 
abenbtich  eine  toeifee  gtagge.  Siefe  30g  Sophie  fetber  auf, 
pm  Seiten,  baff  fie  itjn  erwarte.  SJtanchmat  fam  fie  ihm 
bis  jum  Ufer  entgegen  unb  itjre  weifebelleibete  ©eftatt 
winfte  ihm  fctjon  öon  gerne  ©rüfje  entgegen. 

Qe|t  aber  fatj  er  fein  Weites  9Käbd)en,  feine  Weifje 
gtagge! 

Ungebutbig  eilte  Sßuftfifin  öorwärtS.  Sonft  pflegte  bon 
ber  SanbungSbrüde  ber  ff  fit)  ne  beim  Slnlangen  ber  feinigen 
eine  anbere  ©onbet  abjufalfren,  in  Wetter  Settjfaba  fafj. 
®ie  Königstochter  erwartete  ißufchfin  niemals,  nur  bon  ber 
gerne  begrüßten  fie  fidf.  ge^t  fah  er  bie  ©onbet  in  ben 
garben  ber  gamitie  ©tjebimitt  angefettet,  unb  bie  Stuberer 
tagen  fdjtafenb  auf  ihrem  Saudje. 

fßufdjfin  Wartete  nicht,  bis  ber  ®af)n  tanbete,  fonbern 
fprang  an'S  Ufer  unb  tief  ber  Sitta  ju. 

Stuf  beiben  Seiten  beS  SßegeS  blüfjten  Sopf)iett’S  Sieb» 
tingSrofen,  bod)  bie  ©rbe  War  mit  abgefatteneu  Stottern 
bebedt. 

„S3aS  gefc^af»  benn,"  fragte  ißufdjfin,  „bafj  euer 
Sdiu|enget  SlbenbS  eure  Stuten  nicfjt  auftaS?" 

,,©etje  nur  hinein,  ®u  wirft  fcfion  bie  Urfacfye  erfahren," 
antworteten  bie  Stofen. 

Stuf  ber  Seranba  fanb  er  Stiemanben.  @r  öffnete  bie 
befannte  tEapetenthür,  Welche  in  Sophiens  innere  ©emächer 
führte.  ®ort  erfuhr  er,  warum  bie  Stofenbtätter  nicht 
gefammelt  würben. 

Sophie  tag  bort  auf  bem  Sette,  bleich  *»ie  eine  Xobte. 
®ie  geftrige  SebenSröthe  War  öon  ihrem  Slntti^e  öerfchwum 
ben;  eS  War  faft  burchfichtig.  3hre  3üge  Waren  nach  bem 
überftanbenen  Schmerle  Wie  öerftärt.  2tm  Scttenbe  fafj 
Sethfaba,  beren  §anb  fie  fo  hiett,  bah  ihre  ginger  mit 
benen  Sethfaba'S  jum  ©ebete  öerfctjtungen  Waren.  —  Sor= 
fidjtig  näherte  fidt»  ihr  ißufchfin,  feinen  Scfjreden  bämpfenb. 


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74 


(Äranfen  barf  man  niemals  geigen,  baff  man  ob  ihres 
21uSfef)enS  er^rocfen  ift.) 

„2BaS  ift  baS?  »ift  Su  trän!?" 

„Mein,  Sltefo.  —  Q cf»  bin  im  Sterben.  —  ©rfdjricf 
nic^t.  —  ©S  ift  oorüber.  —  h°&e  eS  überftanben.  — 
2lu<h  Su  wirft  eS  überftetjen. " 

„D,  fprid)  nicht  fo ! "  ftammelte  ißufdjfin,  inbem  er 
neben  bem  Sette  nieberfniete  unb  beS  MäbchenS  bTeicfjc 
Stirne  mit  ft'üffen  bebccfte.  ,,©S  ift  bloS  ein  teicfjteS  Unwohl» 
fein.  So  wie  fonft,  wirb  eS  auch  bieSmal  üorübergehen. 
3 cf)  eile,  deinen  2lrjt  auf pfuchen. " 

„Su  gehft  nirgenbs  hin!  Su  bleibft,  wenn  id)  eS  fage. 
Swinge  mid)  nicht,  laut  p  fpredjen,  fonbern  gehorche.  93e= 
benfe,  Wenn  Su  je|t  SSplie  auflärmft  mit  ber  Madjricht, 
baß  id)  in  ben  lebten  Sügett  liege,  er  mürbe  eS  gleid)  bem 
©garen  fagen.  Ser  ßjar  ift  je|t  mit  groffen,  länberbeglüdenben 
Sbeen  befdjäftigt,  er  rüftet  pm  Kriege.  Siele  Millionen 
Menfdfen  erwarten  oon  feinen  Sefd)lüffen  if)re  Freiheit  unb 
eine  beffere  Sufunft.  Sod)  bap  bebarf  er  feiner  »ollen 
©eifteStraft.  SSie  mein  Sater  mid)  liebt  unb  an  mir  hängt, 
mürbe  bie  Machricht  oon  meiner  ©rfranfung  feine  Seele 
Oöllig  lärmen.  ®r  würbe  bie  erfelpten  »efdflüffe  nid)t  faffen. 
Ser  ©ebanfe  an  bie  fterbenbe  Socfjter  Würbe  ihn  fraft= 
unb  energielos  machen.  SßaS  glaubft  Su?  So  lange  id) 
lebte,  mufften  faum  geljn  Mengen,  bap  id)  auf  ber  SBelt 
bin;  unb  im  Sterben  füllen  ‘Millionen  unb  Millionen  meine 
©eburt  unb  meinen  Sob  oerfludjen?  SeSpalb,  bitte,  beun¬ 
ruhige  jefct  ben  ©garen  nicht  mit  meiner  Sranlt)eit!" 
ißufcf)fin  erwiberte  leibenidjaftlid)  erregt : 

„SßaS  gilt  mir  je|t  £ellaS  unb  bie  ruffifdje  $on= 
ftitution,  ba  Su  franf  bift?  3<h  muff  Sich  retten!“ 

SaS  Motio,  welches  ^3ufcf)firt  p  biefem  erbitterten 
SluSrufe  bewog,  charafterifirt  bie  bamalige  Seit.  SlnberSWo 
unb  in  anberen  Seiten  hätte  unter  foldjen  Umftänben  ein 
liebenber  »räutigam  gefügt :  „9hm  gut,  ich  gehe  alfo  nicht 
pm  Seibargt  beS  ©garen,  fonbern  pm  erften  beften  gefcf)icf= 
ten  Softor,  ber  bie  Machricht  oon  Seiner  Äranlljeit  nic|t  aus» 


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75 


fprengt,  unb  taffe  Sidj  burd)  itjn  feiten."  Socf)  ju  jener 
3eit  liefs  fid)  nur  derjenige  üon  ruffifc^en  8lerjten  bef)an= 
betn,  ber  feinen  Sob  befdjteunigen  moßte.  Sieber  ließ  man 
fidt)  burd)  Buadfatber  furiren  unb  gebrauste  $au§mittet 
gegen  bie  Äranftjeit,  als  fid)  einem  ©t.  Petersburger  Slrjte 
anjutiertrauen.  SaS  mar  bie  fidjerfte  Verlobung  mit  bem 
Sobe.  3n  bie  3lpotf)efe  fdjidte  man  nur  um  JRattenpuloer  ; 
ja  unter  ©jar  Sttejanber  mürbe  ben  Slluffen  gerabeju  öer= 
boten,  9lpotljefer  ju  fein :  nur  Seutfchc  erhielten  baju  bie 
©rtaubniß.  Ser  9tuffe  mißtraute  feinem  SanbSmann;  er 
ßiett  ißn  für  fiifjig,  bem  Oranten  —  feinen  geinben  jutiebe 
—  ©ift  ftatt  9trjnei  ju  geben.  Sie  öornefjmcn  Greife 
ließen  fidfj  burd)  bie  Seibärjte  beS  ©jaren  unb  ber  ©jarin 
befjanbeln;  menn  Sene  aber  abmefenb  maren,  burfte  deiner 
erfranfen. 

„Sfdfj  fagte  Sir  fd)on :  reije  mid)  nic£)t !  Sergebliiß 
brädljteft  ®u  äße  ©atenuSe  ber  SSett  mit  ifjrert  Sßunber* 
mittetn  t)iet)er;  idt)  mürbe  nidfjtS  einneßmen.  Sd)  trinte  feine 
2lrjnei  mehr  mit  jenem  bitteren  SRanbetgefdjmacEe :  icf)  muß 
fterben!  Serftetjft  Su,  id)  muß!  Sliein  'lob  ift  notßmen* 
big,  unauffcßiebbar.  Stießt,  meit  id)  franf  bin;  fonbern, 
meit  id)  jum  Sobe  oerurtßeitt  bin.  Unb  eS  ift  red)t  fo!" 

Pufdjfin  fonnte  biefeS  ÜRäthfel  nicht  töfen  unb  bticfte 
fragcnb  auf  Sethfaba,  morauf  biefe  fid)  entfernen  moltte. 
©opßie  Ejiett  fie  jurücf.  „Steibe  fjier!  3$  braune  ©udj 
Seibe.  pufcßfin!  fei  ein  Söianrt,  ein  ftarfer  SJlann.  99ift 
Su  benn  ein  Sinb,  baß  Su  fo  bebeft?  ©rfütte  meine  Sitte. 
3>d)  miß  Seftament  machen.  Sringe  ben  Schreibtifd)  ju 
meinem  Sette  ßer.  günbe  jtoei  SidEjter  an  unb  ftefle 
bajmifi^en  baS  ©rucifijc.  Sod)  juerft  fdjüeßet  bie  genfter» 
täben ;  mad)ct  Stadjt !  —  0,  über  biefe  idjredtidjcn  Peters» 
burger  Sommernächte  mit  ihren  ineinanberfchmeijenben 
Sömmerungen!  SRan  fann  bie  Stacht  faum  ermarten!  Ser 
Sag  miß  nicht  aufhören!  SieS  brücft  mid)  fo  ferner,  ©o, 
jeßt  bin  ich  fd)on  rufjiger,  ba  eS  finfter  ift.  —  9tun,  fefce 
Sidj  nieber  unb  fcßreibe.  Ober  miflft  Su  lieber  bie  Schreib* 
mappe  auf  mein  Sett  legen  unb  fnieenb  fdjreibeit?  Sind) 


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76 


gut!  —  Uttb  Xu  ©ettjfaba!  Iniee  neben  it)in!  .  .  .  ÜKerfe 
gut  auf  unb  fcfjreibe :  „Xem  ^eiligen  ®ott  meine  (Seele, 
ber  6rbe  meine  Slfdje  entbietenb,  orbne  ic^,  (Sophie  9tarifdj= 
ün,  an,  baß  mein  gefammteS  weltliche»  ©ut  nacf)  meinem 
Xobe  meiner  einzigen  greunbin,  ber  ©rufifdjen  ©rinjeffin 
©ethfaba  Xilarianoff  gehöre.  Sltir  laffet  nur  jenes  Heine 
©tücf  Kupferblech,  baS  ich  immer  auf  ber  ©ruft  trug, 
unb  leget  unter  mein  £aupt  jenes  Heine  grüne  Kiffen,  in 
welchem  ich  h’e  ©ofenblätter  fammelte,  um  barauf  füh  ;u 
ruhen.  —  -Jtun  fiehft  Xu  nicht  bie  ©uchftaben?  Xu  fdjreibft 
ja  über'S  Rapier  hinaus?  ©ufchfin!  bift  Xu  benn  ein 
Kinb?  —  (Schreibe  weiter!  —  3JI einer  einzigen  fleinen 
greunbin  öermadje  ich  meinen  tljeuerften  ©dja^ 
auf  biefer  SBelt:  meinen  Sltefo  ©ufdjfin!" 

©ei  biefen  Sßorten  wollte  ©ethfaba  öon  ihrem  ©la^e 
emporfdjnetlen,  bod)  Sophie  erlaubte  eS  nicht.  Sie  hielt 
mit  einem  Slrme  ihren  öalS  umfdjlungen,  mit  bem  anbern 
ben  ©ufdjfin’S  unb  brücfte  ihre  Sßangen  aneinanber. 

„Xarf  ich  benti  in  meinem  Xeftamente  nicht  frei  üer» 
fügen  über  meinen  (Schafs?  ©laubft  Xu  benn,  ich  wiffe 
nicht,  wie  fehr  Xu  ihn  liebft?  So  lange  ich  ®'r  nicht 
meine  Siebe  ju  ihm  geftanb,  hafi  ihn  immer  üor  mir 
verherrlicht;  bod)  feit  barnalS  erwähnteft  Xu  nicht  einmal 
mehr  feinen  SJlamen.  ©laubft  Xu,  id)  muhte  nicht,  warum 
Xu  Xich  immer  fo  eilig  entfernteft,  wenn  er  ju  mir  farn? 
grüher  warft  Xu  roth,  lebensfroh,  tänbelnb;  jefct  bift  Xu 
bläh,  traurig,  farblos,  ©laubft  Xu,  ich  weih  nicht,  was 
Xich  fchmerjt?  Xu  liebft  ihn,  fo  wie  ich-  ©erheimliche  eS 
nicht  länger!  Süge  nicht!  üötache  fein  ©eheimnifj  barauS 
oor  ber  ©terbenben,  bie  fd)on  morgen  eine  ©eele  fein  wirb 
unb  SlßeS  weih,  WaS  in  Xeiner  ©eele  tiorgeht.  SBarte  nicht, 
bah  i<h  nlS  ©efpenft  allnächtlich  Xeine  Xräume  beunruhige, 
um  auf  meine  grage  bie  Antwort  ju  forbern,  welche  Xu 
mir  im  Seben  öermeigerteft.  ©eftelje,  bah  ®n  Sllcfo  liebft!" 

©ei  biefen  Sßorten  fühlte  ©ethfaba  eine  heftige  §erj= 
beflemmung,  unb  plöfslich  fiel  fie  mit  geöffneten  Sippen 
unb  oerbrehten  Slugen  bewuhttoS  rücflingS  ju  ©oben. 


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77 


„£ebe  fee  ouf  unb  lege  fee  ju  mir  in’S  ©ett,"  fpracf) 
Sophie  ruhig.  „So,  je|t  fannft  $u  unter  jwei  tobten 
©rauten  wählen.  9tur,  bafe  bie  (Sine  roiebererroachen  wirb, 
benn  fee  ift  nicht  ge  tobt  et.  8e|t  weifet  $u,  bafe  fee  Xid) 
liebt.  Saffe  fee  ohnmächtig.  ©effer,  bafe  fee  nicht  hört,  was 
icf)  ®ir  je$t  fagen  werbe.  £u  aber  fhliefee  jebeS  meiner 
©Sorte  in  ®ein  §erj  unb  befolge  e«;  benn  2)u  weifet  ja, 
bafe  auS  ben  3Räbtfeen,  welche  als  ©räute  feerben,  ©illi 
werben,  beren  $orn  ju  erregen  nicht  gut  ift.  —  §öre  mich 
an!  ®u  barfft  ©ethfaba  nirf)t  mehr  oertaffen.  —  Sch  weife, 
Warum  idj  eS  fage.  —  ©Senn  $u  fee  nach  .fpaufe  täfet, 
fiefet  fee  ©otteS  freie  ©Seit  nimmermehr,  man  fperrt  fee  auf 
ewig  in’S  Äatharinenflofter." 

Se^t  begann  ©ufeffein  ju  ahnen,  WaS  t)ier  gefchal). 

©eim  Stennen  beS  ©RoSfauer  ®atf)arinenftofterS 
fielen  ifem  alle  jene  ftanbalöfen  Slbenteuer  ein,  beren  feefe 
in  ben  ®afernen  bie  ©arbeofficiere  bei  ihren  Orgien 
rühmten,  unb  welche  fetbft  bie  ©fattbale  ber  ©arifer 
©ifitanbinen  übertrafen;  baS  Ätofter  hotte  einen  SRuf, 
Wie  fedh  eines  ähnlichen  nur  noch  boö  berüchtigte  SDtontmartre» 
Slonnenflofter  ju  erfreuen  ha^e-  ®ie  jungen  Sieutenants 
trugen  bie  Stofentränje  ber  ®atharinen=9tonnen  gleich  2lrot5 
ringen;  unb  erft  in  biefem  3af)re  ereignete  fech  ein 
SdhrecfenSfaH,  welchen  bie  ©ehörben  öertufdjten.  ®er  lefcte 
junge  ©proffe  einer  bornehmen  gamitie  uerfdjWnnb  plö^lirfj 
auS  ber  ÜRoSfauer  ©efellfdjaft,  unb  nach  öierwöchentliihem 
oergebliehen  ©uefjen  fanb  man  feinen  jerftücfelten  Seidjnam 
in  einem  ©runnen  beS  SütharinenftofterS.  —  Unb  balfen 
will  ©ethfaba  ihre  ©atffen  fehiefen,  wo  bas  unglüdlidje 
©Räbchen  nicht  nur  biefer  ©Seit  —  fonbern  auch  ber  ©tüdE= 
fetigfeit  beS  lünftigen  fiebenS  oertuftig  würbe!  Sene  grau 
wäre  auch  beffen  fähig! 

„Stlfo :  feine  Unfchlüffigfeit,  feine  Sentimentalität," 
fagte  Sophie.  „9ln  meinem  'JobeStage  mufet  ®u  $i<h  mit 
©ethfaba  oermälen,  benn  fonft  ift  fee  berloren.  3war  wirb 
alte  ©3ett  empört  rufen :  „D,  über  ben  ©djuft !  ber  jur 
felben  ©tunbe,  wo  er  ben  ©arg  feiner  ©raut  fehtofe,  fein 


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78 


£ers  einer  Sinberen  öffnen  tonnte!"  2)odj  ®u  wirft  ja 
mein  leftament  befi|en,  Welches  id)  ®ir  in  bie  geber 
bictirt  unb  mit  jitternben  Ringern  unterfd)riebeit  habe; 
lege  eS  auf’s  fperj  unb  2)u  wirft  eS  bamit  beruhigen. 
SBenn  $ich  aber  $ein  ©ewiffen  freifprict)t,  WaS  tümmert 
$>ich  baS  Urzeit  ber  SBett?  ...  ©ei  fütjn!  ®er  ©otowetfch» 
ter  ißatriarch  wartet  auf  ber  ^etrowsfer  J^nfel  im  alten 
©Stoffe  beS  ©jaren  ißeter.  6r  bat  ben  Sluftrag,  ein  junges 
•SHäbchen  mit  einem  ©arbeofficier  ot)ne  firdjfidieS  Stufgebot 
ju  trauen.  @r  tennt  Weber  baS  Srautpaar  noch  beffen 
Stauten,  Beugen  merben  nötljig  fein;  aud)  baran  habe 
ich  gebadet :  ber  ©ine  faitn  Be«eiba  fein,  ber  Breite 
fpelena’S  ©atte,  ber  alte  ShnaSfo :  Seibe  unfere  guten 
Sreunbe.  SSJntirenb  nun  bie  eine  ©onbet  in  alter  ©title 
unter  ben  ißfatmen  ber  Kantoren  mein  befreitstes  SRut)ebett 
in  bie  fdjöne  SBeibengruft  am  bieSfeitigen  SßeWaufer  führt, 
werbet  3hr  in  ber  anberit  ©onbet  auf’s  anbere  Ufer  ber 
Stewa  in  ©uere  bereitftefjenbe  Sroifa  eiten.  Unb  nun,  ©ott 
mit  ®ir!" 

ißufd^fin  lief  wie  wahnfinnig  im  Bim  nt  er  herum,  fictj 
mit  feinen  eistalten  fpänben  baS  wirr  fjerabfiängenbe  £>aar 
jerjaufenb. 

Unterbeffen  bemühte  fich  Sophie,  ihre  ohnmächtige 
fjreunbin  ju  fich  su  bringen,  ©ie  fchnürte  ihr  SRieber  auf 
unb  befprijjte  ihr  Stntti|  mit  SSaffer.  ®ie  ©terbenStranfe 
badjte  nodh  baran,  Stnberen  ju  hetfen. 

©nbtidj  erwachte  Sethfaba;  bod)  faum  öffnete  fie  bie 
Stugen,  atS  fie  ihr  ©efidjt  in  ben  Riffen  oerbarg. 

,,3d)  habe  mit  Sttefo  fchon  Stiles  georbnet,"  fagte  bie 
©terbenbe  in  teifem,  jufriebenent  f£one.  „f?atte  ®id)  nur 
an  ba§,  waS  er  ®ir  fagen  wirb.  Sch  hintertaffe  SDir  mein 
Örautfteib,  baS  rofafarbene,  unb  auch  ba§  fßtatina=®iabem  : 
®u  wirft  fchon  wiffen,  wann  ®u  eS  auffteefen  mufft.  fSoctj, 
fßufchtin,  wie  fannft  $u  nur  fo  unbeholfen  fein?  SBarum 
fdhreibft  ®u  nicht  StHeS  in’S  Xeftament  ein?  Sßergifj  ja  nicht 
baS  9tofa=93rautfteib  unb  ben  ißtatina=Sopffchmu(f.  Sluch  bie 
atte  fpeten  oermache  ich  euch;  fie  war  immer  meine  treue. 


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79 


gute  Statute.  3f)*  bftrfet  ifjr  blinb  vertrauen.  —  Stlefo, 
gib  je^t  33ett)faben  Seber  unb  Rapier.  Sie  tauft  ber  gürftin 
fdfyreiben,  baft  fie  fie  nidjt  ertoarten  foH,  ba  fie  nidjt  fommt. 
©dfyreib,  Heiner  SKäbdjen :  „©näbige  grau,  meine  gute 
^Sattjin !  Sophie  ift  !ran!  unb  bebarf  meiner  pflege  brin= 
genb :  idj  bleibe  fjier,  bi§  fid^  ©ott  ifjrer  erbarmen  toirb. 
S^re  5ßatt)e  Settjfaba."  üftun  lieber  Stlefo  fdfjide  biefe^ 
Sriefdjen  an  bie  f)ol)e  2)ame,  bamit  fie  beruhigt  fei.  Sßenn 
2)u  fertig  bift,  gib  mir  ba3  2eftament,  laft'  e§  midfj  unter- 
fdjreiben." 

Sophie  la3  e§  nodj  einmal  burdj : 

„SBie  nie!  Sledfe  barauf  finb!"  .  .  .  flüfterte  fie, 
unb  ein  tobtenbteidjeä  Säckeln  erweiterte  if)re  3ü9e-  3eue 
®tedfe  toaren  nätnlid)  2^ränen  $ßufd)fin'§.  Sie  fdjerjte 
barüber  unb  toollte,  ba§  audf)  Stlefo  unb  Settjfaba  über 
ifjren  Sdfjerj  läd^etn. 

S)ann  unterfd^rieb  fie  mit  fdjönen,  großen  Sudjftaben 
ifjren  tarnen.  S)ie  geber  fpriijte  fie  ni<f)t  au§,  fonbern 
gab  fie  *ßufdjfin  jurüd,  nadjbem  fie  fie  mit  ben  geftidten 
Traufen  it)re§  Sdf)lafrode3  abgetrodnet  fjatte. 

hierauf  fdfjtang  fie  ifjre  beiben  Strme  um  feinen  Suaden 
unb  jog  tljtt  }U  fidf). 

„£eute  getjörft  ®u  nocf)  mir!  ßafc'  midfj  nodj  einmal 
in  biefe  Stugen  bliden,  bie  mir  fo  lange  ein  füfeeä  §eint 
toaren.  3)a§  toar  ein  ^arabiefifd£)e^  Seben !  33)  banfe  $ir, 
bafc  ®u  ntidf)  fo  lange  glüdli3)  fein  liefteft,  icW  banfe  3)ir 
für  bie  Xreue  unb  bie  järtlidfje  Siebe,  mit  ber  $u  midfj 
beglüdteft !" 

Unb  fie  füfcte  it)n  un^äfjlige  SKale. 

S)ann  liefe  fie  ifjre  Strme  fallen  unb  brängte  if>n  oon  fidf). 

@§  toar  junt  lebten  SDtale.  —  „Stlefo!  S3etl)faba! 
—  3efct  umarmet  ©udE )!  3$  toitt  felgen,  toie  3*)*  ©udj 
umarmet!  Stuf  ber  Stelle,  fo  lange  ic§  nodf)  lebe  unb  e§ 
fefjen  fann!  SBenn  3*)*  utidW  liebt,  toenn  3Wr  tootft, 
idt)  ©udf)  für  aufrichtig  halte,  toenn  mein  Segen  ©udf)  ettoaä 
gilt,  fo  umarmet  ©udf)!" 


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80 


Unb  über  bie  ©terbenbe  hinüber  legte  ©iner  beit 
2lrm  um  bie  Sdjulter  beg  SInbern. 

,,©o!  bag  mar  gut.  3e|t  füffet  (Sud)  noch!  Stuf  bie 
Sippen!  Sticht  fo ;  Qi)r  habt  ©uch  ja  !aum  berührt.  Sag 
mar  ein  falter  Sufj.  ©inen  echten!" 

Unb  ihre  beiben  £änbe  auf  if»re  Söpfe  legenb,  näherte 
fie  biefetben  einanber,  fo  bafj  fidj  it)re  Sippen  ju  einem 
Suffe  üereinigten,  unb  bie  §änbe  auf  ifiren  Häuptern 
©egen  über  fie  ergofjen. 

Sann  erhob  fie  ihr  öerflä'rteg  Stntti^  jum  Fimmel, 
hob  bie  Sinne  über  ihr  fpaupt  empor,  unb  it»re  beiben 

£äitbe  faitcnb,  i)aud)te  fie  !aum  fjörbar :  „SDtutter . 

ich  fjabe  Sich  oor  einer  ©ünbe  bemaijrt!" 


XXXII. 

glicht  nur  bie  $uget  triff  bas  ßet$. 

Ser  ©gar  hielt  eine  aufjerorbentliche  SReoue  auf  bem 
•Btargfelbe  ab. 

Sie  gemöfynlidjen  SJtufterungen  fanben  am  21.  3J?ai, 
bem  Sage  beg  ©djuhpatron  Stilolaug,  unb  am  20.  ©ep= 
tember  ftatt. 

Siegmal  aber  galt  eg  eine  aufjerorbentliche  Sfteöue 
blog  über  bie  ©arberegimenter.  Siefe  unterfdieiben  ftd) 
öon  ben  anberen  Sruppen.  Sebeg  Regiment  ijat  eine  anbere 
Uniform.  Sie  Leiter  ber  Seibgarbe  tragen  meifje  Uniformen 
mit  golbglängenbem  93ruftfcf)ilbe.  Sie  Süraffiere  ber  Sei6= 
garbe  lichtblaue  Stöcfe  mit  meinem  oerfilberten  Sürafj.  Sie 
Uniform  beg  Slegimenteg  gerufalem  ift  farmoifinroth,  mit 
öergolbetem  ©d^itb.  Sebe  CXtjarge,  öom  Dfficier  big  herab 
gum  Sorporal,  ift  SRitter  beg  ©t.  Sohannig=Drbeng,  felbft 
bie  gemeinen  ©olbaten  finb  alle  öom  Slbet. 

Unb  jebeg  Äfegiment  hat  feine  Vergangenheit,  feine 
®efd|ichte,  beren  eg  fiel)  laut  rühmt,  bie  gleich  einer  Sra= 


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81 


bitiott  auf  bie  Stadjfotger  übergebt  unb  feinen  Flamen  nicht 
Berlöfdjen  läßt. 

®aS  ^Regiment  8t.  gohanneS  Bon  gerufatem 
würbe  in  jwei  ©cßladjten  fo  in  Stüde  genauen,  baß  Bon 
einem  SBataitton  nicht  mehr  als  adftjehn  SRann  übrig  blieben. 

®aS  ^Regiment  preobrajfenSfi  f)ä(t  Biel  barauf, 
baß  Sjar  güan  burcp  il;n  feines  2^roneS  entfett  würbe 
unb  baß  eS  ©tifabeth  an  feine  ©teile  fegte,  gebet,  ber  in 
biefem  SRegimente  war,  befant  einen  StbelSbrief. 

$aS  ^Regiment  gSmailoffSfi  trägt  bie  Stoppen 
fieben  entfdjeibenber  ©flachten  auf  feinen  gatjnen.  Sei 
Sorobino  blieb  bie  Hälfte  ber  Xruppen  auf  bem  8djladjt= 
fetbe  unb  fein  einziger  tarn  ogne  SEBunbe  nach  $aufe. 

®iefe  ^Regimenter  bilben  bie  Slriftofratie  ber  Seibgarbe. 
2tudj  bie  übrigen  Seibgarbiften  cparalterifirt  bie  bunte  2lb= 
Wechslung.  fiußaren  in  Uniformen  Bon  ben  oerfdjiebenften 
garben,  Küraffiere,  berittene  ©renabiere,  Pontoniere, 
Kofafen,  bie  Staaten  ber  Slfiaten  mit  ißten  pßantaftifchen 
Sßaffen,  bie  Kirgifen,  Kalmucfen  mit  ißren  fcßlanfen  ©pee= 
ren,  ben  pfeitbefdjwerten  Ä'öcfjer  auf  bem  iRüden,  ®fdjer= 
teffen  in  ißren  Ruppigen  Rangern,  mit  ißren  fpigen  §et= 
men,  unb  bann  bie  lange  Steiße  ber  Kanonen,  bie  SBägen 
mit  Kriegsmaterial,  fämmtlicß  grün  -gefärbt,  bie  Srücfen» 
jüge,  bie  auf  Staber  gefteHte  glottitte  —  unb  alt’  baS  auf 
einem  unermeßlichen  plag  aufgeftetlt  in  Ouabraten,  in 
geometrifcßen  Steifen,  bie  ficf)  auf  Kontmanbo  in  Bewegung 
fegen,  Boranftürmen,  gleich  einer  SSanb  fteßen  bleiben  — 
Wie  eine  aRafcßine. 

Kann  fid)  ber  nicht  mit  einem  gewiffen  Sterte  für 
einen  ©ott  hatten,  auf  beffen  SBinf  bieS  SltteS  fteßt  unb 
fich  bewegt?  Unb  nur  eines  jweiten  SBinfeS  bebarf  eS,  unb 
jie  ftürmen  Boran  unb  färben  ben  Soben  mit  ihrem  Slut. 

SBenn  bie  Seibgarbe  fich  über  Petersburg  ßinauSbeWegt, 
bebeutet  bieS  ben  SRarfcßbeginn  beS  KriegSheereS!  geber, 
bem  eS  gilt,  fammle  feine  Kräfte!  — 

gn  ber  SRitte  beS  SKarSptageS  ^b  bie  prächtigen 
Sette  aufgefdjlagen  für  ben  ©jar,  für  bie  auswärtigen 

36fai:  ftreifait.  II.  6 


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82 


Sotfd&after  uitb  für  bie  2Ritgtieber  ber  SRegierung  —  ber 
©gar  fetbft  aber  reitet  fein  eigene^  Sßferb  an  ber  ©pi|e 
feinet  ©efotgeä  unb  läfct  bie  aufgefteüten  Sruppen  SReoue 
paffiren.  2Bie  er  fo  an  ben  einzelnen  ^Regimentern  oorüber* 
reitet,  rufen  it)m  biefe  gange  33egrüfcung§üerfe  entgegen, 
im  Saft  toie  ber  ©tjor  eines  SRiefenttjeaterS,  bie  Stinte, 
ben  ©übet,  bie  Sange  fteif  in  ifjren  &änben  fjattenb.  SaS 
Slnttifc  beS  ©garen  gtängt,  feie  ber  fonnige  Sag  fetbft. 
Seber  fief)t  mieber  ben  Seidiger  gelben  in  itjrn.  Sie  $e= 
geifterung  beS  £eereS  Ijat  fid)  and)  iljm  mitgetfyeitt. 

Unb  unter  ben  SReifyen  biefer  auf  ba£  S?ommanbo= 
toort  präfentirenben  ^Regimenter  finb  alte  $ene,  bie  fic§ 
gegen  itjn  oerfcfjtooren  fjaben.  Sn  ber  ©äbettafdtje  ber  öfft^ 
eiere  fann  man  ben  ®atecf)i3muS  beS  freien  3Ren* 
fdE>en  finben. 

Stber  baS  eingige  833 ort  „SormärtS"  genügt,  um  ben  I 

©inn  Sitter  gu  änbern.  Sie  oerfdjfoorenen  ^Regimenter  toer-  | 

ben  bem  Seinbe  entgegenftürgen  unb  rufen :  „@3  lebe  ber  j 
©gar!"  333enn  er  it)nen  ba§  ©df)tadjtfetb  geigt,  öergeffen  fie  1 
all  iljre  Sefdjtoerben  unb  plagen,  üergeffen  bafe  fie  i^n 
tobten  toottten  unb  ftürmen  in  bie  ©djtadfjt,  um  für  iljn 
gu  fterben. 

©o  ift  baS  ruffifdfje  33otf.  Ser  Srieb  nadj  Sr^eü 
oerftummt,  menn  eS  ben  Srieg  gilt. 

Unb  ber  arme  ©olbat,  ber  fein  931ut  auf  frember 
©rbe  oergiefct,  glaubt,  bafc  baoon  bie  333iefen  feiner  §etntaf 
grünen  toerben.  Sie  $open  t)aben  i^m  eingebtäut :  tt>er  im 
fremben  Sanbe  oon  Seittbe^tpaffen  f)ingeftrecft  toirb,  bei: 
tüirb  toieber  auferfte^en  im  §eimatstanbe,  too  er  ©Item, 
S33eib  unb  ®inb  gteid)  toieberfinbet,  unb  toer  ein  Sei b* 
eigener  fear,  toirb  atS  S*eie*  auferftetjen. 

SRadfj  ber  Srupbenreoue  übernimmt  ber  ©gar  fetbft  baS 
Äommanbo.  ©in  gtängenbeS  SRanöüer  beginnt,  gang  nad) 
feinem  eigenen  $tan.  ®S  fottte  nadf)  ber  ÄriegSttnffenfdjaft 
ber  bamatigen  ®pocf)e  ein  SReiftertoerl  be$  ©ijftentS  beir 
gefdfjtoffenen  Slttaque  toerben.  Sie  Souriere  eiten  mit  Drbre# 
öon  Sataitton  gu  Sataitton.  Stuf  itjren  raffen  Sßferbeu 


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83 


ftiirmen  fie  in  allen  SRidjtungen  beg  Weiten  SKargfelbeg  ein= 
I)er.  Ser  ©jar  fel&ft  erteilt  33efet)le  unb  übermalt  mit 
fcem  gernrofyr  beten  Slugfüljrung.  ißtö$tid)  fprengt  ein  3lb= 
jutant  an  i£>n  Ijeran  unb  bleibt  oor  i^nt  ftetien. 

„Sire!" 

„SBag  bringft  ®u?  Sag  cg  furj!" 

Sie  Kanonen  beg  geinbeg  bonnerten  gegen  bie  angrei» 
fenbe  Kolonne. 

„Sire!"  jagte  ber  Dfficier  —  „^erjogin  Sophie  9 la= 
•rifdjfin  bat  in  biefer  Stunbe  itire  eble  Seele  ber  ©wigteit 
übergeben." 

Ser  ©jar  griff  nach  bem  jperjen.  Sort  mar  er  ge= 
troffen !  * 

Unb  bodj  Waren  nid^t  einmal  Kugeln  in  ben  Kanonen. 

Ser  Säbel  in  ber  Stedjten  entfan!  feiner  Jpanb  — 
mit  ber  Sinfen  bebedte  er  bag  Slntlifc. 

„Sie  Strafe  für  meine  §r  rtljümer,"  ftam» 
tnelte  er  fdjwanfenben  Soneg. 

Unb  o  orbei  war  eg  mit  bem  glänjenben  gelben  — 
uorbei  mit  bem  Halbgott.  Sin  feiner  Stelle  fafj  eine  gebro= 
djene  ©eftalt,  ein  ÜJlenf^,  ben  bag  Sdjidfal  tief  jur  ©rbe 
gebeugt. 

2Jlögt  itjr  bag  $urral)  noch  fo  fdjmetternb  erfdjatlen 
laffen,  —  mögt  it)r  ben  ©rbboben  mit  bem  Strampfen 
eurer  fdjladjtenntutljigen  ißferbe  erfdjüttern!  —  bem  güljrer 
würbe  bie  Seele  genommen  mit  bem  SBorte :  „Sophie  ift 
geftorben!" 

SJliloraboöicg,  ber  ßt)ef  beg  ©eneralftabg,  oerlangt 
Hßeifungen  für  bie  Sortierung  beg  Krieggfpielg  oon  bem 
taiferlidjen  Kommanbanten. 

„SRuft  fie  jurüd!"  fagte  ber  ©jar.  „Sdjidt  bie  Gruppen 
in  iljre  Kafemen.  —  eg  ift  Sttleg  oorüber." 

Samtt  menbete' er  fein  ißferb  unb  ritt  jurüd  nadj  bem 
4}elte,  bag  £aupt  tief  gefenlt.  Sie  if)n  jurüdfeljren  fafjen, 
oermod)ten  fein  erbleichtes  ©efid)t  !aum  wieber  ju  erfennen. 

Sie  Korpgfontmanbanten  tonnten  bann  bie  Sruppen 
nur  mit  SRülje  augeinanbertöfen  unb  auf  iljre  ißläfce  jurüd= 

6* 


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84 


füljren.  @3  entftanb  ein  SRurren,  ate  märe  eine  ©djtadjt 
öerforen  Worben. 

$er  ©gar  erwartete  nidjt  einmal  ben  Stiicfmarfcf)  ber 
Gruppen,  bie  fonft  mit  ihren  pfeifen  unb  trommeln,  mit 
ifjren  ßfeorgefängen.an  ifjm  ooriiber  jogen.  (Sr  überliefe  ba3 
ganje  Saget  bem  ®rofefürften,  Warf  fid)  in  feine  Xroila 
unb  ließ  fid)  nacf)  §aufe,  in  ben  SBinterpataft  fahren. 

©r  eilte  hinauf  in  feinen  Strbeitefalon.  2)a  lagen  auf 
bem  lifdje  tior  ifjm  ausgebreitet  wichtige,  bebeutfame  ®ofu» 
mente,  Wetterid)ütternbe,  epodjentacfeenbe,  SSölfer  umgeftate 
tenbe  grofee  ©ntfdjtüffe.  Stur  ber  Unterfdjrift  darrten  fie 
nodj. 

$et  E^ar  Xiefs  feinen  Stitf  traurig  auf  ifjnen  rutjen. 
@r  Ia§  barauä,  aber  nid)t  ba3,  ma§  mit  S3ud)ftaben  barauf 
gefdjrieben  War,  er  laS  nur  ben  Palimpsest,  mit  bem  ba§ 
gatum  bie  Wofjtau§gebad)ten  ißläne  ber  ÜJtenfdjen  burd)= 
freujt. 

Unb  nun  fafete  er  all  bie  ©djriften  —  ba§  mütjfame 
SEBerf  Dieter  Städte  in  ein  ©ünbet  jufammen.  Warf  fie  in 
ben  $amin  unb  tiefe  fie  in  Stemmen  aufgefeen.  $a3  Sttteä- 
fottte  bie  SRitgift  ©opfeie  Starifdjfinte  fein.  — 

©ie  Würbe  jur  Stfdje. 

®ann  fe|te  er  fid)  an  ben  Xifdj  unb  fdjrieb  einen 
SBrief. 

@r  enthielt  nur  jwei  SBorte. 

„Somm  jurüd." 

Stuf  ba8  S'ouoert  be§  SöriefeS  fam  folgenbe  Stbreffe  : 
„Stn  Strafteejeff. " 


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85 


XXXIII. 

pie  gtrnbe  bes  ^enbejtuws. 

Sie  finb  ttmnberbar,  biefe  Sommernächte  im  ^o^en 
korben.  Ser  gtembe  getoöhnt  fid^  noch  fehlerer  an  fie, 
atö  an  bie  graufant  falten  langen  Sßinternächte.  Sie  Slbenb* 
Töthe  h^It  faft  bi§  SDtitternacht  an  unb  nach  SOtitternacht 
beginnt  bereit#  ba3  SRorgengrauen.  @3  bauert  emig  lange 
6i§  am  lichten  Fimmel  bie  erften  Sterne  erscheinen;  unter 
ihnen  bie  gtänjenben  Planeten  Senuä  unb  Jupiter,  bie  am 
gelben  girmamente  brennen,  toie  Siamanten  an  ber  Ober¬ 
fläche  eine£  ©olbnteereä.  Ser  Sollmonb  befd^reibt  glanzlos 
feinen  furzen  Sogen,  ein  überflüffiger  Seteuchtung3förper, 
nnb  am  ä)l  afinf  af  eft  h^rrt  man  ungebulbig  ber  halben 
Stunbe,  ja  ber  e§  ttnrtlich  stacht  ttrirb,  um  auf  ben  vier* 
Zig  Unfein  ber  9tetoa  bie  bereit  gehaltenen  geuertoerfäfpiele 
abzubrennen  (benn  am  fyUtn  Sage  !ann  man  ja  hoch  feine 
Sftafeten  fteigen  taffen).  3fn  ben  Strafen  non  St.  *ßeter§= 
Jburg  zünbet  man  in  ben  Mächten  biefe#  9Konat$  -nicht  ein¬ 
mal  bie  Sampen  an. 

Sluch  in  ben  ©emächern  ber  Sißa  ®orpnthia'£  ift  am 
2lbenb  be§  20.  guniua  fein  Sampenlicht  nötpig.  Ser  £im- 
mel  verbreitet  noch  um  elf  Uh*  Stacht#  Sicht  genug  —  unb 
ein  toenig  ^atbbunfet  fchabet  bem,  movon  heute  hier  ge¬ 
brochen  toerben  foH  —  gerabe  nicht. 

Äorpnthia  trat  aufgeregten  ©emüth§  —  tver  meift  §um 
tote  Vielten  SRate  an  biefem  5lbenbe  —  h^nau§  auf  bie 
Seranba.  Sie  läftt  ben  Slid  über  ben  Spiegel  be§  Sftiefen* 
ftromeS  ba  unten  fdhtoeifen.  Stucf)  ber  erglänzt  je|t  goibig 
unb  gleichwie  bie  ruffifdhen  |>eitigenbilber  auf  golbenem 
©runbe  gemalt  finb,  fo  malt  fic|  auf  biefem  gotbenen 
Spiegel  bie  Stnfidht  ber  SBeltftabt  mit  ihren  *ßalaftreihen, 
ber  Sfaaftempel  mit  ber  Säulenhalle  feine#  Some§,  baä 
reichverzierte  Sörfengebäube,  bie  Srüde  ber  heiÜQen 
einigfeit,  bie  jerftreuten  ^ufetn,  au3  beren  bunfetgrünem 
Saub  bie  nach  allen  möglichen  architeftonifchen  Saunen  ber 


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86 


SBelt  erbauten  Sanbßäufer  ßertwrleudjten  mit  ißren  blauen, 
grünen,  rotten,  bergolbeten  unb  cßinefifcß  geformten  ®a= 
<|ero,  unb'jroifcßen  biefen  Unfein  wimmelt  eS  bon  ©äßnen, 
©onbetn,  SBarfen,  ©anbotinen  aller  Sitten.  SRancßc  werben 
bon  jWötf  Ütuberern  borwärtS  getrieben,  in  anberen  fi|t 
ein  einfamer  Iräumer  —  bie  eine  gleitet  mit  83lißeSf<ßnelle 
E)in,  bie  anbere  überläßt  fid^  bem  Spiele  ber  SBellen  — 
bie  ©Ziffer  fingen  83  olf  Stiebet  baju. 

3m  Süßte  ber  ^Dämmerung  erfcßeinen  bie  ©eftalten 
wie  fcßwarje  Silßouetten.  ©orßntßia  fragt  fidE»,  weldje  @on= 
bei.  ißn  woßl  bringen  mag  —  ben  fie  erwartet  —  weldje 
ift  bie  Silßouette  feiner  ©eftalt? 

21  m  längften  bauert  ber  SSartenben  bie  teßte  ßalbe 
©tunbe. 

©orßntßia  leljrt  bon  bem  33alfon  in  ißr  gimmer  jurürf 
unb  befielt  fid^  nocßmatS  im  Spiegel.  ®u  bift  fcßön,  feßr 
fd^ön,  fagt  ißr  ber  Spiegel.  ®iefer  Weiße  Slnpg  gibt  bir 
ein  ganj  EinblidEjeS  SluSfeßen  unb  läßt  bie  runben  URarmor» 
arme  ganj  bis  jur  Schulter  feßen.  $aS  reiche  blonbe  .paar 
ift  nicßt  uufgeftecft,  fonbern  Wallt  in  jwei  bidßten  gleiten 
ßerab.  ©einerlei  Stßmucf,  Slrmbanb  ober  Dßrgeßänge, 
bient  jur  ©rßößmtg  beS  fReigeS,  ber  fiegeSgcWiffe  gedjter 
betritt  oßne- Ißanjer  unb  .pctrn  ben  ©ampfptaß.  ©elbft  ber 
©ßering  feßtt  an  bem  ginger,  ©eßr  fcßön  bift  bu,  fagt 
ißr  ber  Spiegel.  *• 

Unb  neben  bem  Spiegel  ift,  in  einen  großen  ©olb= 
raßmen  gefaßt,  ein  SÖitb.  ®aS  S9itb  eines  jungen  üftäbcßenS 
in  mßtßifcßen  Scßäferfleibern.  So  fein  unb  jart  wie  ein 
Iraumbilb.  ©S  ift  ein  ©efcßenf  beS  EjarS,  baS  ©orpntßia 
bor  einigen  3aßrei1  bon  ißm  erßatten.  ©ietleicßt  aßnte  fte 
fcßön  bamatS,  baß  eS  fein  tßßantafiegebilbe,  fonbern  baS 
ißorträt  eines  tebenben  SSefenS  ift.  3®,  fie  errietß  oielleicßt 
audß,  wen  eS  üorfteüt.  Seit  einigen  Sagen  weiß  fie  eS  mit 
S3eftimmtßeit.  Sic  War  mit  ißr  jufammengetroffen.  ES  ift 
baS  Porträt  Sopßie  SRarifcßfin'S. 

greiließ  ßätte  fie  baS  längft  erfaßten  fönnen  bon  S3etß= 
faba,  bie  ißorttät  unb  Original  oft  genug  gefeßen,  Wenn 


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J 


87 


fie  baS  äftäbdhen  gefragt  hätte.  9lber  bie  grufifdje  ®önigS= 
todjter,  mar  i|r  and)  bie  Süge  fremb,  fonnte  bod)  recht  gut 
fdhmeigett,  unb  ^atte  fo  triel  armenifdheS  93tut  in  ben  Slbern, 
um  nicht  ju  antworten,  menn  fie  nicht  gefragt  mürbe. 

$aS  iBilb  im  (Spiegel  unb  baS  im  Stammen  ftanben 
atfo  nebeneinanber.  Unb  beim  S3ergleicf)e  blieb  baS  lebenbe 
Sitb  Sieger. 

®u  blaffet  ®inb  mit  beinen  träumerifdhen  Singen, 
beinen  Sippen,  bie  fid)  mie  pr  ®lage  öffnen,  beinern  jarten, 
nebelhaften  Körper,  mie  miHft  bu  metteifern  mit  biefer 
©öttergeftalt  eines  SßeibeS?  2BaS  oermagft  bu,  melancholifdhe 
Xraumgeftalt  einer  anberen  SEßelt,  gegen  biefeS  irbifdlje  Sßeib, 
beffen  Schönheit  ©luten  ermedt  unb  töfd£)t,  töbtet  unb  be= 
lebt,  paft  bu  einen  Stlefo,  fo  mäpll  er  baS  gigeunermäb* 
df?en,  unb  baS  bift  nicht  bu. 

3ft  er  hoch  felbft  ein  gigeuner;  oagabunbirenb,  aben* 
teuernb,  ein  *ßoet. 

®orpnthia  blidte  feitmärtS  auf  itjre  eigene  Schulter, 
auf  baS  rofige  ©rübchen  ihrer  Schulter  unb  —  fie  muffte 
lachen. 

S5ie  $eit  üerftrich  langfam.  Sie  öffnete  bie  genfter  beS 
gimmerS,  melche  nadh  bent  *ßarf  gehen.  $aS  ©oncert  ber 
9iadhtigaÜen  erfdjallte  aus  ben  Süfcfjen.  ©in  Schmetterling 
—  baS  5Kadf)tpfauenauge  —  fliegt  jum  offenen  genfter  herein, 
audh  ber  umflattert  nur  fie,  er  hält  fie  für  bie  Slurne, 
nidht  jenes  Porträt  bort.  —  ®ann  !am  ein  aitberer  Sftacht* 
falter,  ber  fich  hon  ben  anberen  Schmetterlingen  baburdh 
unterfdheibet,  ba§  er  %öne  üon  fidh  gibt,  ©in  unangenehm 
flagenbeS  unb  pfeifenbeS  ©efumme.  Sein  -Karne  ift  „Sphinx 
Atropos. a  SBarurn  h&*  man  ihm  ben  -Kamen  ber  $ar je 
gegeben,  bie  ben  SebenSfaben  entjmeifchneibet?  SBeil  fein 
Sftüden  unb  ®opf  baS  ooßftänbige  Stbbilb  eines  XobtenfopfeS 
bilben.  pfd)!  meg  hon  hie*  öerfcheudjte  bie  2)ame  ben  ab= 
fdheulidhen  gatter.  2)er  aber  fanb  feinen  $la£,  er  flog  hinüber 
auf  baS  Porträt  unb  fi|t  bort  in  einem  Sßhtfel  beS  StahmenS. 

©nbtidh  fängt  eS  bodf)  ein  menig  $u  bunfetn  an.  ©inige 
ungebutbige  geuermerfer  taffen  bie  9ta!eten  aus  ben  Suft= 


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88 


gärten  ber  gnfeln  auffteigen,  auf  ber  ®remtoom!er  Snfrf 
günbet  man  fcfjon  bie  bengalifchen  geuer  an. 

Sftun  freilid^ !  §eute  ift  ber  Sftarneitmtag  Seneiben'm. 
3h*  gu  Siebe  t)aben  bie  £of!alenber  neben  bem  heiligen 
9Retf)ob  einen  $tafc  für  i|ren  Flamen  aumfinbig  gemacht. 
§eute  gibt  em  ein  großartigem  geft  bet  ihr.  Unb  vielleicht 
nodfj  mam  Slnberem.  Sine  Si^ung  ber  Szojus  Blagodensz- 
toiga.  Unter  aßen  möglichen  Titeln  unb  Sormänben  ^ätt 
biefer  ®erein  feine  Serfammlung  bei  ber  Sängerin. 

9llm  |>ergog  ©hebimin  fein  §aum  verließ,  fagte  er  feiner 
grau,  er  märe  gum  ©garen  berufen  unb  müffe  bie  gange 
•Kacht  bort  gubringeit  in  Serathung  mistiger  Staatmgefd)äfte. 
®m  ift  alfo  ungmeifelhaft,  baß  er  bie  gange  Sftadjt  bei  geneiben 
in  ihrer  ®iüa  gubringt,  unb  Sortjntfyia  i\at  nicht  gu  fürd^ 
ten,  baß  fie  geftört  mirb :  2Bie  ®u  mir,  fo  ich  ®ir.  — 

©r  fönnte  maljrtich  auch  fd£)on  tommen,  ber  fo  unge* 
bulbig  ©rmartete. 

®enn  f obalb  bam  geuermert  auf  ben  gnfeln  beginnt, 
finbet  em  feine  Semunberer  an  ben  ®ienftboten  unb  SBädj* 
tern,  bie  noch  mach  finb.  s2luf  bie  gef  drängelten  SBege  bem 
hartem  ad^tet  Sftiemanb.  ®am  große  Saf abartige  U^r= 
mert  fchlägt  fdtjon  eilf,  alle  Siertelftunben  läuten  vier  ©locfen 
bam  Carillon.  5ltm  ber  le^te  ©lodenfchlag  Vertlungen  mar, 
fdjien  em  if)r,  alm  tnarrte  ber  Sanb  bem  ©artenm  unter 
nat)enben  Stritten.  SSer  tonnte  em  anberm  fein?  ®em  ©bei* 
rnannem  Schritte  taffen  fich  leidet  von  benen  bem  Söiufd^i! 
unterfdjeiben. 

So  ift  em. 

®er  SKahenbe  blieb  vor  ber  ®f)ür  ber  ©artenveranba 
fteljen  unb  öffnete  biefe  mit  bem  Sdjtüffel.  ®ann  fünbeten 
auf  ber  inneren  Schnectentreppe  t)inaufeilenbe  dritte  feine 
Slntunft  an. 

^or^ntf)ia  berechnete  bie  Situation,  in  meldfjer  fie  fich 
überrafdfjen  laffen  moHte:  fyalb  an'm  genfter  gelernt,  bam 
©efidjt  auf  bie  flache  £>anb  geftü|t,  eine  träumerifdfje  @e* 
ftalt,  bie  fo  fe^r  verfunten  ift  in  bam  ©oncert  ber  SRach5 
tigaßen,  baß  fie  nicht  bemerft,  mie  fich  i^r  Semanb  naht, 


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89 


fid)  übet  fxe  neigt,  unb  auf  iEjre  reijenbe  @(fjutter  einen 
garten  Suß  ^auc^t. 

®ie  ®ame  that,  al§  ob  fie  aufgefchredt  toorben  toäre. 
Unb  mit  tädjetnbem  Sorne  tnanbte  fie  fid)  gegen  ben  ®uß= 
bieb :  „Sllf,  fo  fpät!" 

216er  at§  fie  ifjn  erbliche,  fcfiraf  fie  in  ber  2£)at  ju= 
fantmen;  ei  toar  fein  Änßbieb,  er  nahm  btoä  ba§  ©einige, 
mogu  er  berechtigt  mar.  ©3  mar  ber  ©atte:  gürft 
©  fjebimin. 

SorgntEjia  frug  ftotternb :  ,,©o  früh  famen  ©ie  nach 
§aufe?" 

„Soeben  fagten  ©ie,  baff  ich  fpät  gefommen  märe." 

„3<h  fbrach  halb  im  ©raume;  ich  mußte  nicht,  maS 
ich  rebe-  —  2Bo  finb  ©ie  heteingefontmen?" 

„93ei  ber  ©artenoeranba.  ©ie  miffen  ja,  baß  ich  ben 
fleinen  ©dhtüffel  bei  mir  trage." 

Se|t  fiel  Äortptthia  ein,  baß  auch  er  in  biefem  Slugen* 
btide  fommen  fann,  bem  fie  bas  EjSaar  biefeS  SdjlüffetS 
gegeben  —  jener  Shtbere! 

„fjaben  ©ie  bie  ©ßüre  gugefperrt?" 

„Stein!  benn  in  fünf  SJiinuten  entferne  ich  mid)  mieber." 

„SIber  icf)  bitte :  fchtießen  ©ie  bie  ©fjüre,  unb  taffen 
©ie  ben  ©djtüffet  Oon  gmten  im  ©chloffe  fteden.  ©ie  miffen, 
baß  ich  mich  0or  Sieben  fürchte." 

,,©ut,  ich  gehe  gurüd  unb  merbe  gufperren." 

SBährenb  feiner  firrgen  Slbmefenheit  hüllte  fich  Sorpntljia 
in  einen  großen  ©harnt;  fie  brauchte  ihm  nicht  oorgulügen, 
baß  fie  friere:  fie  bebte  in  ber  ©hat  Uor  Satte. 

©er  gürft  fam  gurüd. 

„3ch  muß  3hnen  in  (Site  mittt)eilen,  baß  ich  Oom 
©garen  fomme." 

„Sltfo  nidht  Oon  ber  ©oiree  beS  gräuteinS  geneiba?" 

„Stein,  meine  ©heute !  ich  fomme  üom  ©garen  unb  ber 
©garin.'' 

„Sch  muß  ei  glauben." 

„@ie  merben  ei  gemiß  glauben,  menn  ich  3hnen 
ergahte,  maS  ich  gefehen  habe." 


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90 


„Sangen  ©ie  an.'' 

Äorpnthia  blieb  bei  bern  genfter,  unt  jenen  Slnbero, 
Wenn  fie  ihn  fornmen  hört,  burch  tauteS  ©ajwifchenreben 
funbjuthun,  bafe  fie  nicht  aßein  fei. 

„©eine  SRajeftät  f)at  mich  feit  jWei  lagen  Wiebertjott 
ju  fid)  befohlen,  mit  mir  uerfchiebene  Staatsangelegenheiten 
ju  ertebigen;  bocf)  jebeSmat  w&r  ef  entweber  in  fein  3intmer 
eingefd£)toffen  unb  tiefe  mich  nicht  Oor,  ober  Wenn  er  mich 
nach  EäarSfoje=3rto  befteßte,  !am  er  fetbft  nicht  hin,  fonbern 
ging  in  bie  Eremitage.  £eute  2lbenb  Würbe  ich  nach  2Rom 
ptaifir  berufen.  9tße  3imnter  beS  $atafteS  burchfdfjritt  ich 
bie  ffireuj  unb  bie  Ouere,  bis  ich  *hn  enbtich  auf  ber  oberen 
SSeranba  fanb  —  in  ber  ©efeflfchaft  ber  Ejarin.  dreimal, 
biermat  griifete  ich  ben  E§aren;  hoch  er  nahm  gar  feine 
9ioti§  bon  mir.  ®ie  Ejarin  Winfte  mir,  ju  bteiben  unb  ju 
Warten.  —  2)er  Ejar  ftanb  bort,  an  bie  marmorne  ©ruft' 
Wehr  gelehnt,  unbeweglich  wie  eine  ©tatue  unb  fein  ftarrer 
aSIicf  fdfjweifte  über  ben  Spiegel  ber  SKeWa.  2)ie  Ejarin 
prüfte  eben  fo  gefpannt,  faft  furchtfam,  ben  ©lief  ihres 
©atten.  —  |mnberte  bon  Zähnen  glitten  auf  bem  SBaffer* 
fpieget  bahin,  im  3 icfäad,  fi<h  freugenb,  Wie  bie  2Baffer= 
fpinnen.  —  $tö$tich  Wirb  eine  gröfeere  Sarfe  fid£)tbar,  welche 
bon  acht  SRuberern  im  tangfamen  $empo  ftromabwärts  ge= 
fahren  wirb.  ®ie  93arfe  War  mittetft  auf  ©taugen  befeftigter 
ßampionS  beleuchtet,  unb  in  ber  UJtitte  ftanb  ein  ©arg, 
mit  hellblauem  2lttaS  überzogen.  3m  geöffneten  ©arge  tag 
eine  Weibliche  ©eftatt,  in  weifeem  ©terbefteibe,  einen  SRprthem 
franj  auf  bem  Raupte :  —  ein  junges  SRäbd^en.  Saneben 
ftanben  bie  Kantoren  unb  fangen  ihren  Xobtenpfatm,  ber 
bis  jum  E^aren  hiaaufftang  : 

„O,  fürcbt’  ben  9florgen,  Erbenfpfjn ! 

©taub  wirft  2)u,  wenn  ber  Xoi  SDicf)  ruft. 

-  fieut’  tac*)enfy  morgen  weinenb  fd)on 

Serftummeft  2)u  in  ftitter  ©ruft." 

ES  war  bieS  ein  ßeichenfonbuct  auf  ber  Sftetoa.  3)er 
Irauerbarfe  folgte  feinertei  gahrgeug.  fte  ben  3Ron* 


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91 


ptaifir  paffirte,  fonntc  man  auf  bem  fßeclet,  ber  neben  bem 
©arge  tag,  beuttid)  tefeu  ben  mit  gotbenen  Slägetn  au§= 
gefdjtagenen  fttamen  :  SOPHIE  NARISCHKIN.  —  — 
3e|t  mirb  eä  gut  fein  ben  ©ßamt  jufammenjujief)en, 
SRabame!  9tid)t  toafir,  e§  ift  latt?"  —  — 

$er  gürft  fjatte  leine  Afjnung  tion  ber  Sßirlung  fei« 
ner  28  orte.  @r  faß  aud)  jeßt  nodj,  mgS  ficf)  feinem  ®ebärfjt= 
niß  eingeprägt,  unb  nidjt  baS,  ma§  tior  ifjm  ftanb. 

®r  fußt  atfo  fort : 

„2)ie  menfd)ticße  ©pracße  fiat  lein  Sßort  jur  Seje ify 
nung  be§  ©djmerjeS,  metdjer  in  biefem  Augenbtide  auf  bem 
Antliße  beS  ©jaren  ausgeprägt  mar.  ©eine  Augen  gtüßten, 
feine  Sippen  bebten,  feine  Augenbrauen  judten.  ©r  preßte 
feine  ffäufte  jufammen,  unb  mäßrenb  feine  Augen  bem  ba= 
ijin  gteitenben  ©arge  folgten;  begann  in  benfetben  ein 
gigantifcßer  ®ampf  gegen  bie  ©ottßeit.  3  cf)  faß  fcßon  üiet 
Seib  in  meinem  Seben,  bocß  fo  ßabe  icf)  nocf)  leinen  3Jlen= 
fcßen  bemitteibet,  als  biefen  ©inen!  ©r  burfte  ficf)  nicßt 
tierratßen,  benn  bie  ©jarin  ftanb  ifjnt  jur  ©eite.  —  Aucf) 
fie  prüfte  fein  ©eficßt  mit  großer  Aufmerlfamleit.  ffßtö^licf) 
ftürjte  fie  ßin  ju  ißm,  ergriff  feine  £>anb  unb  rief :  „2B  a= 
rum  meinenSie  nicßt?  SSarum  Ratten  ©ie  3ßre 
Xßränen  jurüd?  ©S  ift  ja  3ß*e  !£ocßter,  bie 
man  bort  ju  ©rabe  »geleitet!"  Unb  um  feinen 
Xßränenquell  ju  öffnen,  marf  fie  ficß  an  bie  ©ruft  beS 
©jaren  unb  begann  felbft  ju  meinen.  Unb  barauf  ftürjte 
ber  große,  atlmäcßtige  äJlenfcß,  tior  bem  SJtiüionen  erjittern, 
.ju  ©taub  jermalmt,  ber  tiertaffenen,  tieracßteten  ©attin  ju 
güßen,  umarmte  ißre  Sinke,  begann  ju  fcßlucßjen,  unb 
fiißte  baS  $teib  jener  ffrau,  bie  ißm  feine  frönen  mieber» 
gab.  Ad),  eS  mar  eine  ©eene,  mie  fie  meinem  ©ebäcßtniße 
nie  entfeßminben  mirb.  $>ie  getrennten  ©atten  mürben  bureß 
bie  glut  biefer  feßreeflidjen  Xßränen  mieber  tiereinigt,  fie 
ßatten  ficß  miebergefunben,  fie  nannten  fidß  „@nget"  unb 
„einjig"  unb  neigten  fiel)  tiom  ©atlone  ßinauS,  bem  ficß 
entfernenben  ©arge  ein  Sebemoßl  juminlenb !  Üßränen  fül= 
ten  meine  Augen,  menn  icß  baran  benle." 


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92 


Der  Fürft  tf)at  moßt  barem,  ^u  meinen.  Eine§  üon 
Seiben  mußte  ja  über  ba§  ©efeßeßene  meinen. 

„$amt  briiefte  ber  Ejar  bie  $an b  auf  fein  |>er§,  unb 
preßte  biefe  SBorte  ßertmr  :  „Unb  fftiemanb  begleitet  biefen 
©arg!"  Sn  ber  $ßat,  ein  bittereg  SBort!  golgt  ja  fetbft 
berjBeieße  beg  Settterg  ein  anberer  Settier,  ber  ißu  be* 
trauert.  Unb  fie  ßat  SRiemanben!  J£)a  fam  mir  ein  ©ebanfe. 
Scß  eilte  ju  meiner  ©onbet  unb  bann  §u  Sßnen.  8<ß  Wn 
beg  E^aren  erfter  SRatßgeber,  unb  ©ie  finb  ja  eine  gürftin 
Siarifeßfin.  2Bie,  memt  mir  nun  auf  teießtbefeßmingter  ©on~ 
bet  bie  Xrauerbarfe  ©opßie  Sftarifcßfin'g  einßoten  —  unb 
fie  atg  Xrauergefotge  big  §ur  Familiengruft  begleiten  mödß* 
ten?  333ag  glauben  ©ie?" 

2)oeß  biefe  „Stnbere"  ßatte  nießt  bag  §erj,  beg  ebetn 
Sftamteg  Siebte  §u  ergreifen,  ißren  Sßränen  freien  fiauf  $u 
gemäßen,  unb  ju  ißm  §u  fagen  :  „©eßen  mir,  ©opßie 
9larifeßfin  ift  ja  aueß  meine  £obte!"  Sftein!  biefeg  SBeib 
befaß  meßr  ©eetenftärfe,  atg  ber  Ejar.  Sßr  meibtidßer 
©tolg  befiegte  ben  tßierifeßen  $rieb  (benn  bag  ift  ja  bag 
SDluttergefütjI)  unb  tonnte  fatt  unb  rußig  entgegnen  : 

„SBoßin  benfen  ©ie?  SSomit  fömtten  mir  unfer  unbe* 
rufeneg  ©eleite  üor  ber  SBelt  reeßtfertigen?  $ann  ift  eg 
aueß  feßoit  §u  tyät;  big  icß  mieß  in  Trauer  fleibe,  fäßrt 
bie  Sarfe  fo  meit,  baß  mir  fieonidßt  meßr  einßoten  tonnen. 
Unb  bann,  —  mag  fümmert  mieß  ©opßie  Sftarifeßfin?" 

$ieg  SBort  tonnte  fie  augfpreeßen !  biefer  fürdßter= 
ließen  ©tunbe  augtyreeßen !  D,  mie  Stecßt  ßatte  jener  rnogfo- 
mitifeße  ©eteßrte  :  eine  entartete  Äa^e !  ®enn  bie  edßte 
®a£e  bemeint  ißr  Sungeg. 

„SBag  geßt  mieß  ©opßie  Sftarifeßfin  an?" 

Fürft  ©ßebimin  juefte  bie  Stcßfet.  Er  naßrn  fein  ©adt- 
tuet)  ßerfcor  unb  fdßneujte  fieß.  Eg  ift  boeß  mirftieß  nießt 
ber  SRüße  mertß,  über  ben  ©eßmerj  eineg  Stnbern  bie  ei= 
gene  Sftafe  rotß  merben  §u  taffen! 

„Sftun,  ba  eg  ©ie  nießt  fümmert,  reben  mir  nießtg 
meßr  baoon.  2)odß  nodß  eine  anbere  ©adße  ßat  mieß  ßerge* 
fiißrt,  bie  ©ie  meüeicßt  boeß  ein  menig  fümmert.  2ttg  ieß 


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93 


in  bie  ©onbel  ftieg,  übergab  mir  mein  Steuermann  einen 
Brief  mit  bet  Slufftrift :  „Setjr  briugenb."  Ser  Brief 
war  üon  8ltej:anber  Sergiewitft  fßufttin." 

„fßufd^fin?"  frug  in  pdifter  Stufregung  bie  Same. 

„Sa,  oon  fßuftfin.  Unb  ba  ber  Snfjatt  beS  Briefes 
fo  wunbertit  ift,  ba|  it  itjn  mit  meinem  Berftanbe  nüf)t 
ju  begreifen  öermag,  eilte  id)  ju  St)uen,  Sie  ju  bitten, 
mir  bieS  1R8tf)fet  ju  töfen." 

Äorqntfjia  füllte,  wie  firf)  ber  Boben  unter  it)ren 
güfjen  Ijob. 

„fßuftfin?"  ftammette  fie.  „SßaS  fönnte  id)  öon 
fßuft^tin’S  fRätbfetn  wiffen?" 

㤚ren  Sie  nur,  id)  werbe  Seinen  ben  Brief  oortefen." 

Unb  um  beffer  ju  feiert,  trat  fegt  ber  gürft  an  baS 
geöffnete  genfter,  wät)renb  fid)  Korpntfjia  in  ben  Jpinter» 
grunb  beS  3immerS  jurücfjog,  um  im  §atbbunfet  if|ren 
erregten  Btid  befto  beffer  öerbergen  ju  fönnen. 

„Sieber  gwan  9Ra):imowitf<fj!"  begann  ber  gürft  ju 
tefen.  „St  fe^c  mit  genötigt,  Sir  reumütigen  $erjenS 
ein  ©eftänbnig  ju  tljun.  St  mifcbrautte  baS  ebte  Ber= 
trauen,  mit  wettern  Su  mir  baS  Heiligtum  Seines  Kaufes 
geöffnet  §aft.  SKitt  ats  ©ntftutbigung,  fonbern  ats  Ur= 
fadje  erwähne  it  meiner  Seibenftaft,  welche  ftärfer  War, 
ats  bie  Sichtung,  Wette  it  ®it  ftulbete.  St  tjabe  baS 
ttjeuerfte,  forgfältigft  gehütete  Äteinob  Sei» 
neS  Kaufes  geftotftenl" 

(„Sft  biefer  SRettft  Watjnfinnig?"  batte  Äorpntia.) 

„StBenn  Su  für  biefe  Beteibigung  SKeüante  nehmen 
wittft,  fo  bin  it  su  jeber  gewünftten  ©enugtljuung  bereit. 
Sn  finbeft  mit  in  meiner  SanbWofjnung  ju  fßetfow.  — 
Sein  ergebener  fßuftfin." 

Sie  Same  ftaunte. 

Sie  aljnte  not  »it*  9anäe  ®*öfce  beS  BerratljeS. 

„9tun?  atfo?"  —  Ser  gürft  erwartet  bie  ©rftärung. 

Ser  befte  fßnnjer  ift  bie  Sattbtütigfeit,  unb  bie  befte 
SEBaffe  baS  Seugnen. 

®orgntf)ia  ftüttette  tr  §aupt  unb  fagte  : 


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94 


„9lber  Wa§  ge£)t  mich  ©err  $uf<hfin  an?  SEÖic  fomme 
ich  ju  feinen  9tätt)fetn?" 

„Setbftöerftänbtidh  flimmern  Sie  bte  Sftätfjfet  unfereS 
greunbe?  Sflejanber  ißufcfjfin  nicht,  ich  wünfcf)te  eS  auch 
nicht.  2)och  war  biefem  ©riefe  ein  anberer  teigefdjfoffen, 
auf  beffen  2tu|enfeite,  wie  e§  fcheint,  mit  grauenfchrift  3hre 
Stbreffe  getrieben  ift :  „$er  gürftin  Sor^nt^ia  SHejiewna 
SCßaria  ©hebintin."  Sßahrfdheintidh  bitbet  biefer  ©rief  bie 
ßöfung  beä  SRäthfete.  $e§halb  bitte  ich,  ihn  ju  erbrechen 
unb  mir  feinen  Inhalt  mitjuttjeiten,  wenn  Sie  e§  nicht  für 
nöthig  erachten,  ihn  mir  ju  tierheimtidhen." 

3efct  war  bie  SReihe  an  ber  gürftin,  jum  genfter  ju 
treten,'  um  ju  fehen.  So  wie  fie  ben  ©rief  in  bie  ©anb 
nahm,  rief  fie  überrafdjt:  „3)a§  ift  ©etf)faba’§  Schrift!" 

„Sie  fennen  ihre  Schrift?  Igdh  ha&e  fte  nie  gefeljen." 

Storpnthia  rifj  ben  ©rief  auf,  unb  Währenb  fie  ihn 
burchtief,  bebecfte  gtammenröthe  ihr  ÜIntli|.  3tt§  fie  bamit 
fertig  War,  jerbrüdte  fie  ben  ©rief  in  ihrer  ©anb,  unb 
jdhrie  hhfterifch  auftadhenb : 

„Jpahaha!  er  hot  ©ethfaba  entführt  unb  fi<h  mit  ihr 
trauen  taffen!" 

gwan  Sßapmowitfdh  betrachtete  bie  Sache  at§  einen 
gelungenen  Sdherj;  er  hatte  SlergereS  gefürchtet,  gef^t  freute 
er  fidh,  bah  ,,bfo§"  ©ethfaba  entführt  würbe,  bie  fdhon 
bem  ®atharinenftofter  üerfprochen  War.  ®a§  Sluftadhen 
feiner  grau  führte  ihn  noch  mehr  irre,  unb  er  glaubte,  mit 
einftimmen  ju  müffen.  ©atte  et  aber  foeben  mit  feinem 
SBeinen  nur  einen  halben  Gsrfotg  errungen,  fo  erlitt  er  mit 
bem  Sachen  eine  öottftänbige  Schlappe.  ®ie  gürftin  fchteu= 
berte  ben  jufammengebrücften  ©rief  an  feinen  Stopf,  unb 
ftürjte  fidh  einem  gurienantli|e  unb  mit  jufammen* 
gepreßten  3ähnet?  tüie  eine  SRänabe  auf  ihu. 

„®a§  war  ©uer  SBert,  ©tenbe!  $>a§  habt  3fhr  jufam= 
men  auSgebacpt!" 

;,2Ber?"  früg  ber  gürft  ftaunenb. 

„2>u!  —  Unb  $eine  ©etiebte,  —  jene  ©ege  aus 
©nbor!  ghr  habt  ba§  3te|  gefponnen,  in  Wettern  3hr 


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95 


biefeg  äRäbdfeen  für  ^ufdjftn  finget.  3fer  t»a£>t  biefen  in  ©ift 
getauften  SDolcfe  gefcfetiffen!" 

„SRabame!  icfe  begreife  nicfet,  »Darum  ©ie  bag  Set» 
feältnife  fßufdjfin'g  gu  Setfefaba  5)itarianoff  fo  fefer  in  S53utt( 
oerfefet?" 

Äorpntfeia-  fafe  ein,  bafe  fie  ficf»  burcfe  ifere  Seiben» 
fcfeaftlidifeit  faft  jutn  ©elbftoerratfee  feinretfeen  liefe.  SRufeig 
fprad]  fie  nun : 

„Sie  begreifen  eg  nicfet?  öier  ift  ni<fet  twn  ßiebeg» 
feänbeln  bie  »Rebe,  fonbern  Dom  SSerratije !  SBag  fümmert 
eg  midi,  »nenn  eine  faufafifcfee  ißrinjeffin  mit  meinem  testen 
SReitfnecfete  burcfegefet?  Slud)  ber  War  für  fie  gu  gut!  Stber 
Wiffen  ©ie,  Warum  fßufcfefin  biefeg  äRäbcfeen  feeiratfeet?  Um 
bie  ©efeeintniffe  beg  ©garen  gu  erfahren,  welche  er  feiner 
SWcfeter  mittfeeitte,  bie  biefe  iferer  greunbin  Setfefaba  wieber 
fagte;  jefet  werben  biefe  .©efeeintniffe  burdj  Sufdfefin  gur 
®enntnife  ber  geinbe  beg  ©garen  gelangen !  5)aburcfe  ter= 
nieten  ©ie  fid»  .felbft,  wenn  ©ie  beg  ©garen  Slnfeänger  finb; 
—  ober  ben  ©garen,  Wenn  ©ie  gegen  ifen  oerfcfeworen  finb. 
Unb  bag  feabet  Sfer  gwei  getfean!" 

gürft  ©feebimin  ftanb  wie  oerfteinert  ba.  $ag  SBeib 
triumpfeirte.  Sfere  SBorte  trugen  fo  fefer  ben  Stempel  bet 
Sßaferfeeit,  bafe  an  eine  Sertfeeibigung  gar  nicfet  gu  benfen 
War. 

„3“/  3fer  Wäret  Sitte  einüerftanben!"  fufer  bie  grau 
Wütfeenb  fort,  „gfer  benähtet  bie  ®ranffeeit  eineg  armen 
äJläbdjeng,  um  Wir  bag  anbere  SRäbcfeen  gu  entloden.  Um 
micfe  gu  $aufe  gu  featten,  unb  gu  üerfeinbern,  bag  meiner 
Dbfeut  anüertraute  Sinb  gu  beaufficfetigen,  fcfeidtet  Sfer 
ißüfcfefin  mit  einem  ©ebicfete  gu  wir,  unb  anftatt  ficfe  bie 
Slntwort  gu  feolen  —  entführte  ber  geige  öon  ber  Safere 
einer  lobten  feinweg  ein  tfeöricfeteg,  tfnöerminfttgeg  3Räb= 
cfeen.  Sfui  über  folcfee  2Jienfdfeen !  ©o  öiet  »Betrug,  SBortbrucfe, 
Serratfe!  3fer  feib  einanber  Wertfe  :_Äomöbianten  unb  Somö= 
biantinnen!  —  §inaug  aug  meinem  ßiwmer!  SWrtiftgfer 
fßlafe  —  bei  ben  Orgien  ber  fßferfene!" 

SBenn  grauen  fcfemäfeen,  bleibt  bem  -ffltann  ber  Ser» 


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96 


ftonb  ftetjen.  @1  tnfjrnt  bie  Xenffraft.  Sfilrft  ©fjebimin 
war  ein  fluger  unb  guter  äJtann,  unb  an  biefer  ©ünbe 
(bie  gar  feine  ©ünbe  ift)  io  unfdjutbig  wie  ein  ®inb. 
Xennocf)  fant  er  fiep  nad)  b'iefen  23 orten  wie  ein  über» 
führtet  SRiffettjäter  üor,  ber  bie  größte,  nie  p  füfinenbe 
ffreüettfjat  mit  ber  fätteften  93ered)nung  üoßfüfirte;  jo  baß 
er  gtüeftidfj  War,  at!  er  fein  §au!  üertaffen  unb  p  [einer 
©ottbel  jjjrücffefiren  fonnte. 

3Bir  fönnen  aber  mit  ©ic^erfjeit  behauptete,  baß  er 
nicfjt  wußte,  Wer  @opt)ie  ßtarifdjfin’l  SRutter  war. 

Xodj  Sorpntt)ia  glaubte  il)m  nid)t.  ©ie  ^ielt  biejen 
ganzen  Stuftritt  für  eine  üorfä|tictje,  wof)tbered)nete  Dual. 
Xa!  @rf(ßetnen  bei  ©atten  in  ber  ©tunbe  bei  ©teflbicti» 
ein!,  all  er  auf  ißr  üor  £iebe!fcf)macf)ten  gtüfjenbel  $erj 
perft  bie  ©i!  tropfen  ber  Segräbnißfcene  unb  bann  bal 
©ift  ber  Xreutofigfeit  bei  angebeteten  Süngtingl  träufelte! 

•  Unb  bal  flüchtige  ©ift  töbtet  innen  unb  außen. 

Sttl  ©ßebimin  ficf)  entfernte,  faltete  $orpntf)ia  itjre 
beiben  4?äribe  über  ifjrem  Raupte  jufammen,  Warf  ficf)  mit 
bem  ©efidjte  pr  ©rbe  unb  fefßucßjte  fcf)merj^aft. 

Xamt,  all  fie  ßtiemanb  auffiob,  fniete  fie  nieber, 
Wäfjrenb  if)re_3öpfe  gteicf)  ©cfßangen  auf  .if>re  SBruft  herab» 
fielen.  Unb  it>re  öanb  mit  ben  pm  ©4wure  geöffneten 
brei  Ringern  gen  |)immel  erfjebenb,  fernste  fie  mit  grau* 
famer  2Butf) : 

„D,  Wenn  icf)  Xir  biefe  bittere  ©tunbe  nur  jematl 
üergelten  fönnte !" 

3^re  Sippen  öffneten  ficf),  unb  man  fonnte  bal  ffinir* 
fdjen  ifpcer  aufeinanber  gepreßten  fjören. 

©ie  badfte  etwal.  3$re  klugen  fprüfßen  barob  gunfen. 

@ie  ftanb  auf.  Sfjren  ^errtidjen,  weißen  Strm  ent» 
btößte  fie  bil  jur  ©pultet. 

Xann  brücfte  fie  bie  runbe  biefe  SKulfet  in  ber  SRitte 
bei  Oberarme!  pnfetjen  ihre  3ä^ne  unb  biß  hinein,  baß 
bal  ©tut  barau!  ßertorquoH. 

Unb  biefe!  S3Iut  pg  fie  mit  ihrem  SRunbe  auf. 

Xer  ruffifefje  SBotflabergtaube  meint,  Wer  ber  @rfül= 


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97 


lung  feineg  Sludjeg  fidler  fein  miH,  muß,  nadjbem  er  ißn 
auggefprocf)en,  t)on  feinem  eigenen  ©tute  trinlen. - 

®er  ®obtenIopffdf)metterling  in  ber  ©de  beg  ©aßmeng 
Wagte  toie  eine  berbammte  Seele.  —  — - 


XXXIV. 

Pas  jerßMte  ^erj. 

3eneiba  beging  ßeute  brei  Urauerfefte.  —  ®ag  erfte 
ift  bag  ©egräbniß  Soptjieng,  bag  jmeite  bie  Trauung 
©ufdjtin’g,  bag  britte  —  ißr  eigene^  Jlamengfeft. 

®er  lefctc  Sßunfdj  Sophiens  mar,  bnfj  bie  ®rauung 
bem  ©egräbniffe  »orangene. 

Sfjre  Seele,  bie  fidj  jum  ,‘pimmel  ergebt,  mitt  bie 
©tüdfetigfeit  3b>eier,  bie  fie  fo  feßr  liebt,  nodf)  fetjen  unb 
Ijörett. 

9tadj  ruffifdjer  ©epftogenl)eit  mirb  ber  ©arg  erft  am 
©rabe  mit  bem  ®edel  gefdßtoffen,  entblößten  Stnttifceg  mirb 
ber  SEBanberer  in  bag  Qenfeitg  big,  jur  ©ruft  gebraut. 

„Sttad)’  ®eine  (Zeremonie  furj!"  fagte  3«neiba  ju 
bem  ©open. 

®er  ©atriard)  öon  Solometfcßt,  beffen  güße  ruffifdßen 
©erftanb  genug  Ratten,  um  für  ben  heutigen  Sag  an  un= 
überminblidjern  Stßeuma  ju  leiben,  ßatte  an  feiner  Statt 
einen  ©open  gefdjidt  ffllöge  man  biefem  ben  ©art  abfd^nei= 
ben,  menn  bie  Sadje  fdjief  gellt,  unb  nidjt  iljm.  ®enn 
menn  ein  ©ope  ein  flüchtig  gemorbeneg  ©rautpaar  unoor= 
fidßtigermeife  traut,  ift  bie  §eiratl)  jmar  giltig,  aber  ber 
©art  beä  ©open  mirb  abgefdffnitten,  uftb  iljn  fetbft 
ftedt  man  unter  bie  Solbaten. 

SSäßrenb  ber  ®rauung  ließ  man,  mie’g  ©raucß  in 
SRußtanb  ift,  jrnei  ®auben  frei  über  bie  Äöpfe  beg  ©raut= 
3«!ai :  greift.  U.  7 


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98 


paareS  ljinmegfliegen.  Sie  jmei  Säubert  flatterten  eine  Seit 
lang  um  bie  SBeranba,  bann  aber  liefjen  fie  fid)  auf  bem 
Satafalf  p  Raupten  ber  Sobten  nieber,  ba,  mo  ba§  utn= 
ftorte  ©ructfij  ftanb,  bie  eine  auf  bie  rechte  Seite  be§ 
SreujeS,  bie  anbere  auf  feine  linfe  Seite,  bort  über  bem 
Raupte  beS  „SDtärtijrerS  ber  Siebe"  lüfjten  fie  fid»  mäljrenb 
ber  ganzen  Zeremonie. 

Sie  fdjöne  lobte  mar  pfrieben  mit  ber  Srauung. 
Stiles  mar  fo  gefdjeljen,  mie  fie  e§  angeorbnet,  S3et§faba 
trug  ba§  rofafarbene  Steib  unb  i£)r  |>auf)t  gierte  ba£ 
ißlatinabiabem. 

„Sa§  märe  öprüber,"  fagte  geneiba.  „9tun  folgt  baS 
SBeitere  —  rafd) !  rafcf)!" 

'-öetljfaba  muffte  ben  rofafarbenen  9tod  oblegen  unb  ben 
fdjmarjen  anjieljen  pr  6inmeil)ungSceremonie  für  bie  Sobte. 
geneiba  Ijalf  il;r  beim  Antteiben,  fßufdjfin  blieb  braunen. 

Setljfnba  meinte  fort  unb  fort,  ob  fie  bas  rotlje  ober 
fdgoarje  Stleib  anfatj. 

geneiba  aber  üerrietb)  Ijeute  {einerlei  §ang  pr  Senti= 
mentatität.  Sljre  Stumpfheit  ging  bis  pm.  ßgniSntuS. 

„Aber  nidjt  ma£)r?"  fagte  ©etljfaba,  il>r  Schlucken 
unterbrfidenb,  „in  jener  Söett  merben  mir  Sofien  mieber- 
feljen?" 

„pa!  ja!"  brummte  geneiba.  —  „Unb  melier 
tion  @ud)  mirb  bann  fßufd)ltn  bort  gehören?" 

Sarin  liegt’S. 

Set^faba  erftaunte.  gf)re  großen  Augen  blieben  auf 
geneiben  tjaften. 

„Unb  menn  er  Seiner  üon  ©udj  gehört?"  fpradj 
geneiba,  if)re  ftarfen  Augenbrauen  pfammenjie^enb.  „Ober 
glaubft  Su,  eS  merbe  audj  im  QenfeitS  ein  grofjeS  9tufj= 
lanb  geben,  ba§  ein  Keines  ginnlanb  unter  feinen  güfen 
Ijält,  bamit  eS  bann  audj  im  genfeitS  einen  Starren 
gibt,  ber,  um  einem  Anbern  baS  ißarabieS  ju 
öffnen,  felbft  jur  §ölle  gef)t?" 

Siefer  AuSbrud)  enthüllte  geneibenS  ®el)eimnifs  oor 
Set^faba. 


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99 


Starr  oor  Staunen  ftammelte  fie : 

„Su  Ijaft  if)n  audj  geliebt?" 

„grage  nidjt  barnadj !  greue  Sief),  bafj  er  Sein  ift 
unb  Wünfdje  Sid)  nidjt  in’g  QenfeitS  hinüber  mit  ifjnt. 
SBeftrebe  Sief),  it)n  für  Sief)  ju  bemalten  in  biefer  SBelt." 

„Slucf)  Su  fjaft  if)n  geliebt?"  wieberf)olte  ©etljfaba 
traurig. 

„Sa  Su  eg  erraten,  jiefie  -Jtufcen  baraug!"  fagte 
fefyeinbar  affectirt  3ene'ba.  „3e$t  Weifjt  Su  minbefteng, 
öor  Wem  Su  it>n  ju  fjüten  Ijaft.  Sei  bebacf)t  barauf,  bafc 
er  nidjt  in  meine  Sftäfje  fommt.  gefct  fjaft  Su  bocf)  erfannt, 
wer  idj  bin.  gcfj  fjabe  meine  greub&  bathn,  (hatten  ju 
»erführen,  ©attinnen  frönen  ju  oerurfacfien.  Seine  ©atf)e 
fjatte  9te^t.  gclj  bin  ber  Teufel,  ©ring  deinen  Stlefo 
ja  nid^t  na  cf)  Petersburg  juriicf !" 

©etf)faba  warf  fiel)  an  ßeneibeng  ©ruft  unb  umarmte 
ifjre  Schultern. 

—  „®g  ift  niefft  wafjr!  nidjt  Wafjr!  niefjt  Wafjr! 
SDiidj  betrügft  Su  nicf)t.  Sage  mir,  Warum  Su  mir 
fßufdjftn'g  fjerj  gegeben  Ijaft,  wenn  Su  eg  felbft  für  Sidj 
fjätteft  bemalten  fönnen?  ©g  muff  Wag  ©rojjeg  fein,  bag 
Sicfj  baju  bewogen  t)at.  ©ntbeefe  eg  mir,  er  ift  jejjt  fef)on 
mein  Satte.  3dj  muß  Stileg  über  itju  Wiffen.  Selbft  bag 
—  baff  er  midj  üieHeidjt  nidjt  liebt." 

3eneiba  bfidte  je$t  bereitg  mit  fanftem  Sätteln  fjerab 
auf  bie  ©raut  (in  biefetn  Srauergewanbe)  unb  bann  jog 
fie  bag  junge  2Käbef)en  mit  einer  Umarmung  an  iljr  $erj. 

„Sllfo  Su  tjältft  miefj  niefjt  für  fo  fc^lec£)t,  um  Sei= 
nen  SDtann  oor  mir  fjüten  ju  müfjen?  Pun  bann,  icf>  will 
Sir  fagen,  oor  wem  Su  itjn  tjüten  mußt!  ©g  gibt  eine 
Wunberfefjöne  grau,  reijooHer  alg  Sille,  bie  Su  jemalg 
gefefjen  Ijaft,  oerfüfjrerifef),  betäubenb  unb  unerfättlicf).  gljr 
9lame  ift  „©leutljeria".  Sie  entführt  ben  ©räutigam  feiner 
©raut,  neben  ber  er  am  Stltare  fteljt,  fie  entführt  ben 
gamilienoater  aug  bem  Greife  feiner  Sieben,  unb  Wen  fie 
einmal  angetodt,  ben  f)att  fie  feft  big  jum  lebten  ©lutg= 
tropfen  feineg  §erjeng;  jeber  ©ebanle,  ben  er  benft,  gehört 

7* 


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100 


ihr.  $iefe  fdjredtiche  grau  ift  ®eine  -iRebenbuhterin.  |>üte 
deinen  hatten,  bafe  er  fidj  nicht  an  fie  erinnere,  benn  er 
ift  öerliebt  in  fie." 

„(£(eutf)eria,  baS  Reifst  fotciel  alg  greiheit?" 

„Sie  habet  int  SÖtännerbtute  —  baöon  ift  fie  fo 
fchön.  SttS  ©efehenf  nimmt  fie  nur  §e!atomben  an,  unb 
Don  ben  tpcrgen  unb  SÖtenfchen  Wählt  fie  nur  jene,  bie 
$>emant=  unb  ©otbegwerth  ^aben.  ©ine  grau,  ber  ein 
foldjer  ®emant  ju  eigen  geworben,  hüte  itjn  wohl.  Sein 
ßüftling,  fein  Xrunfenbolb  ober  Spieler  folgt  bem  ßodrufe 
fo  leitet,  wie  ber,  ben  ©teutfjeria  einmal  ju  ihrem  Sflaoen 
gemalt.  Sie  ruft;,  „SDtein  $>ienft  brauet  SDtänner» 
föpfe",  unb  Xaufenbe  unb  aber  Xaufenbe  ihrer  Anbeter 
antworten  ihr:  „§ier  ift  ber  SDteinige,  nimm  ihn!"  $ab 
acht,  bafe  ißufdhfin  nicht  unter  ihnen  fei!" 

Söethfoba  tiefe  bie  Strrne,  bie  3eneiben3  ©eftalt  um= 
fangen  halten,  über  beren  gangen  Körper  gleiten,  bis  fie 
ihre  föniee  umarmten. 

„0  ®u  unerreichbar  Zeitige,  bie  fein  §erg  gurüd- 
gewiefen,  um  fein  fjaupt  gu  hüten!  Sprich,  rathe  mir, 
wie  ich  anfangen  fofl,  bag  gu  thun,  Wa§  ®u  mir 
empfohlen?  @3  ift  fo  fcfewer!  SBie  fofl  eS  gefchehen,  bafe 
e§  gut  gefdjehe?" 

ßeneiba  hob  bie  Heine  ©raut  gu  fi<h  empor  unb 
bann  begann  fie  ihr  ftüfternb  gu  rathen,  Wie  eg  erfahrene 
grauen  mit  jungen  grauen  gu  thun  pflegen. 

„Sei  ihm  in  Slflem  gu  SBitlen!  SBiberfpridj  ihm 
nicht!  SSenn  er  be§  $age§  über  fiebenmat  feine  &nfidjt 
änbert,  änbere  bie  Seinige  mit  ihm.  ©rrathe,  wa3  er 
benft,  unb  fomme  feinem  SBunfche  gutwr.  Äennft  ®u  nur 
einen  feiner  ©ebanten,  fo  fannft  $u  aß  bie  anberen  üer= 
folgen.  SBenn  er  fchtedjt  gelaunt  ift,  quäle  ihn  nicht  mit 
gragen  nach  ber  Uriache!  in  fotdjen  Stimmungen  wirb 
bag  tiebfte  Stntlife  unangenehm,  ©rwibere  feine  Siebe  mit 
®einer  gangen  Seele  unb  oerfjeimlic^e  ®ein  ©tüd  nicht, 
aber  fchmeichle  ihm  nicht,  benn  baburdh  wirft  ®u  ihm 
guWiber.  Sei  beftrebt,  bafe  er  fich  Wofel  fühle  in  feinem 


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101 


ipeim.  Sein  §auS  unb  feine  Umgebung  fei  reinlich  unb 
ruhig,  Su  fetbft  jeige  Sich  ftetS  Reiter  unb  ^erjlid^,  baS 
Äreifdjen  Seiner  Stimme  laffe  ihn  nicht  einmal  gegenüber 
Seinem  Siener  lpren.  933en  er  gerne  bei  ftdj  fieht,  ben 
empfange  auch  Su  freunblich;  ^alte  ihn  nid)t  jurüdf  non 
feinen  männlichen  B^^uungen.  grage  ü)n  nicht  aus, 
toohin  er  gehe,  looper  er  !omme!  Unb  befonberS  berrathe 
feine  ©iferfudjt!  —  SBetcheS  SBeib  bermochte  fte  einem 
SRann  gegenüber  ju  unterbrücfen,  nicht  ju  fühlen,  aber 
barum  muß  baS  £e%  ber  Slbbofat  SBacfje  ha^,  ber  ihn 
rein  toäfcht  burch  feine  SSertheibigung,  auch  toemt  ihn 
klugen  unb  0hren  auf  lagen.  begegne  ihm  nie  mit  ber* 
meinten  Slugen.  Stuf  baS  aber,  toaS  Su  fetbft  thuft,  habe 
looht  Steht.  ©S  ift  nicht  nöthig,  baß  Su  bie  SBilbe  gegen 
frembe  SJiänner  fpielft  unb  Sich  fortttmhrenb  ju  Seinem 
©atten  retteft,  baS  fann  ihn  nur  lächerlich  machen  unb 
ihm  Unannehmlichfeiten  berurfachen,  aber  geftatte,  fei  eS 
als  Spiet  ober  foeibtiche  ©itelfeit,  auch  Sftiemanbem  93or* 
pge,  bie  Seines  ©atten  ©iferfudjt  ertoerfen  fönnten.  — 
2Benn  Sich  etttmS  brücft,  fo  fag  eS  ihm  fanft  unb  fogteid); 
verhalte  eS  nicht,  bis  eS  anmächft,  bis  er  bie  Setrübniß 
auf  Seinem  ©efichte  tieft,  unb  fei  leicht  berföhntid).  $n 
attebem  aber  bleibe  Sir  gleich,  ununterbrochen,  emig,  benn 
eine  fchtimme  Stunbe,  ein  berhängnißbotter  Slugenblid 
genügt,  um  ihm  feine  berlaffene  ©etiebte,  um  ihm  ©teu* 
theria  in'S  ©ebäd^tniß  unb  ihn  toieber  in  ihre  Strme  ju 
rufen." 

Sie  33raut  horste  biefen  SBorten  feie  ber  herligen 
Schrift. 

„3<h  toerbe  ®ir  behitfIidE>  fein,  ihn  bafjeint  unb  bon 
ber  SRüdfehr  nadh  Petersburg  jurüdjuhatten.  3<h  toerbe 
Sir  Briefe  fd^reiben;  barin  foirb  ftehen,  ber  ©jar  fei  auf* 
gebracht  barüber,  baß  Sfcner,  ben  er  feiner  Sochter  atS 
Bräutigam  beftimmt,  fich  am  Sage  beS  SJegräbniffeS  einer 
Slnbern  bermäten  fonnte.  SSoht  toirb  baS  nicht  mahr  fein, 
benn  ich  toerbe  bem  ©jaren  Sophias  Seftament  mittheiten, 
unb  er  mirb  fich  bamit  beruhigen,  aber  pufchfin  muß  ben* 


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102 


noch  junt  ©dfjeine  glauben,  baf$  er  in  Ungnabe  gefallen 
fei;  er  barf  ohne  befonbere  ©rlaubnift  nicht  nach  5ßeterS= 
bürg  jurücffehren,  unb  mir  merben  feinen  -Kamen  aus  bem 
©rünen  93u<he  löfchen,  bafc  er  auch  oon  uns  feine  ©im 
labung  ermatte.  @r  mag  in  Seinen  Slrmen  begraben 
liegen,  bis  ber  Sag  ber  Stuferftehung  naht,  ober  —  maS 
ich  eher  glaube  —  ber  Sag  unfereS  SegräbniffeS.  SBenn 
SllleS  oorüber  ift,  bann  mögt  ghr  jurücffehren  in  bie  SBelt. 
S3iS  bahin  miiffen  mir  ihn  in  bem  ©lauben  erhalten,  bafj 
eS  für  ihn,  Oon  oben  oerbannt,  oon  unten  oerleugnet, 
feine  anbere  SBelt  gibt,  als  feine  Siebe  unb  feinen  Dltjmp. 
Unb  finb  baS  nicht  §mei  SBeiten  —  jmei  §imntel?" 

Sßufdhfin  trat  ein. 

,,©eib  ghr  noch  nicht  fertig?" 

„Saft  unS  jufrieben !  ich  bin  eben  baran,  Seine 
grau  ^u  oerberben.  geh  ratlje  ihr,  mie  fie  Sich  am 
beften  im  god)  ^ält.  SaS  barfft  Su  nidfjt  fyören.“ 

„üftüfct  Sir  nichts!  in  ber  erften  ©tunbe  fagt  fie 
mir  Sittel  mieber." 

Sie  Kantoren  im  ©terbejimmer  begannen  bereits 
ihren  ©efang. 

SaS  mar  eine  längere  ©erentonie,  aber  audf)  biefe 
fanb  ihr  ©nbe.  Ser  ©eiftlidje  nahm  bie  beiben  SeudE)ter, 
unb  inbem  er  fie  über’S  Sreuj  fjielt,  fprach  er  baS  feg= 
nenbe  SBort  „mio  vszemu,  bann  machte  er  mit  bem 
SBeüjraudfjgefäfce  breimal  bie  Slunbe  um  ben  ©arg  unb 
gab  baS  Pergament  mit  bem  ©ünbenoer^eidEjnife,  auf  beffen 
©nbe  bie  Slbfolution  Ijingef Trieben  mar,  bem  tobten  ßinbe 
in  bie  $änbe,  als  einen  *ßafc  in'S  genfeitS.  Sarauf  mür¬ 
ben  bie  Äerjen  um  ben  Satafalf  oerlöfcht. 

Sie  jtoei  Sauben  auf  bem  ©rucifije  fügten  fidj  noch 
immer.  — 

©ie  trugen  ben  ©arg  l)inauS  auf  bie  mit  Srauer- 
tüchern  überzogene  93arfe.  ©ämmtliche  Slumen  beS  ©ar- 
tenS  gaben  if>m  baS  ©eleite,  er  mar  überbecft  mit  Äränjen. 
Sie  blauen,  grünen  unb  rotten  Samten  leuchteten  grell  in 
ber  Sömmerung.  Sie  Kantoren  fangen  ihre  Sßfalmen  meiter 


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103 


unb  leifc  Stuberfdjtcige  gaben  ben  Saft  ba^u.  Sange  fdfjau= 
ten  bie  3urücf  gebliebenen  noef)  ber  fortfegelnben  ©arte  nadj, 
bi§  fie  bie  nädjfte  grüne  Snfet  i^ren  2lugen  öerbarg. 

„®iefe  märe  abgereift!"  fagte  ßeneiba;  fie  meinte  nidfjt. 
„gefct  ift  bie  Steife  an  ©udf).  ßtur  fcfjnefl!  ot )ne  9lbfdf>ieb; 
ba§  ift  fo  langmeilig.  ©efjt,  ne^ntt  6ud£)!  f)dbe  aud) 
nodE)  ©äfte,  luftige  ©efeßfdjaft.  —  3$  eile.  —  ©in 
genügt,  93etljfaba,  bie  anberen  gib  deinem  Stlefo.  ßtimm 
rafdE)  mit  $ir,  ma§  ®ein  ift!" 

„Seiber  nidjt  gan^!"  feufgte  $ufdf)fin,  ber  ben  gefjler 
ljatte,  ba£,  ma§  er  badete,  ni djt  öerfdfjmeigen  $u  tonnen, 
„©in  Iljeit  fjat  „3>ene"  mitgenommen,  bie  bort  Ijingeljt 
auf  ber  ©onbel,  ein  gmeite^  Xfieil  nimmft  S)u  mit,  biefem 
armen  S'inbe  bleibt  nur  ber  9teft." 

„2)a3  ift  nidfjt  maljr!"  fagte  3eneiba  mit  ftolj 
glan$enbem  Slntlifee.  „3)ie  bem  §immet  ju  eigen  ift,  tyat 
Xiefer  iljr  Xljeil  an  3)ir  übertaffen;  3»ene  aber,  bie 
t)ier  geblieben,  t)at  ifjr  in  biefem  2lugenbticfe  ba3  über¬ 
leben,  ma§  fie  fyätte  befifcen  fön  neu.  Set^faba  meift 
ba§  OTeS  gut.  ®u  bift  itjr  ©igen,  gan$  unb  gar.  ©ott 
mit  2)ir!" 

Unb  fie  reichte  i^m  bie  §anb.  $ie  ©erbünbeten  ber 
neuen  ©pod£)e  fügten  fid^  niefjt  —  jum  ©rufje. 

Unb  at§  ^ßufdfjfin  ifyr  bie  fmnb  brüefte,  flog  ein 
greubenftratjl  über  ba§  ©eficf)t  3eneiben'§.  $ie  greimaurer 
traben  ein  3ei$en,  toomit  fie  einanber  beim  §änbebrucf 
antworten,  $ufd£)fin  fjatte  ba§  3eid(jen  bieSmal 
nidfjt  gegeben. 

©r  |atte  feine  frühere  ©etiebte  fd£)on  oergeffen. 

®er  neuen,  ber  er  el)eticf)e  $reue  gefroren,  gehörte 
er  ganj  unb  gar. 

'  @o  l)atte  auef)  „fie"  e§  gemoßt;  unb  mit  bem  meinen 
ludfje  minfte  fie  läcfjelnb  ber  baf)in  gleitenben  ©onbet,  bie 
am  jenfeitigen  Ufer  öon  ber  Jroifa  ermartet  mürbe.  9tur 
al§  fie  jene  niefü  mef)r  fef)en  fonnte,  t>erf)üßte  fie  ba£ 
©eficfjt  mit  bem  meinen  iucf)e,  unb  aufcer  biefem  Xud£)e 
meift  audfj  ßtiemanb,  ob  fie  gemeint  fjat,  ober  nidfjt. 


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104 


Sie  naljm  e§  erft  üon  bett  Stugen,  afö  fie  ber  giitjrer 
i^rer  eigenen  ®  anbei  anrebete : 

„©näbigfte!  bie  9ta!eten  auf  ber  ®re§tott>§fi=3nfeI 
Riegen  fdfjon  auf." 

„So?  tintig!  erwartet  rnidf)  ja  nodfj  ein  britte§ 
Segräbnifj!" 

®amit  fliid^tete  fie  in  ifjre  ©onbel  unb  unter  ben 
SSodjängen  be$  3 elte§  verborgen,  fang  fie  leife : 

„£)a  mir  fafjen  an  ben  Söaffern  $9abel§, 

Sagten  un3  bie  gremberi,  bie  ^Barbaren,  * 

Singet  un§  ©efänge  bocf)  öon  gion. 


2öenn  id)  bein  je  üergeffen  mödjte, 
23ergeffe  meiner,  meine  $fted)te." 


XXXV. 

Ülfdle  ttnb  §Fttttßett. 

3enetba  eilte  ber  Iraucrbarfe  ooran,  juriicf  auf  bie 
&'re8toto8fer  Qnfel. 

3f)te  ©äfte  unterhielten  fid}  aud)  ohne  fie.  ©ie  toaren 
baran  gewöhnt. 

®ie  SSerfdhtoörer  toaren  heute  tmlljähtig  beifantmen. 

Sogar  ißeftet  au8  bem  fernen  9tifolajeto§f  toar 
gefommen. 

föeute  foüten  fid)  bie  Parteien  nteffen,  e§  galt  bie 
©ntfdjeibung,  toeffen  ißlan  angenommen  werben  füllte,  — 
beren  ißlan,  bie  ba§  SBort  ber  Freiheit  bürdj  ben  ©jar 
au§geführt  toiffen .  wollten,  ober  ber  ißlan  ber  Slnberen, 
bie  gegen  ben  ©jaren,  über  ihn  hinweg,  lebenb  ober  tobt, 
ba8  SSBerf  tiottenben  Wollen. 

9118  ba8  genertoert  begann,  jogen  fi<h  jene,  bie  man 
SSojaren  nannte,  oon  bem  flimmernben  ©djaufpiel  jurüd 
—  in  ba8  SRoutettejimmer. 


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105 


maren  breiunbjtoanjig  SKann  uttb  ,3eneiba. 

3iur  gürft  ©Ijebimin  mürbe  nodE)  ermartet,  ber  Von 
bem  ©jaren  fomnten  fottte. 

SludE)  ber  tarn. 

@r  tjielt  ein  langet  mit  fünf  Siegeln  verfdE)toffene3 
©ouVert  in  ben  $änben. 

§odE)getyannt  erwartete  man  ben  Snfiatt  be§  ©ouVertö. 
—  $er  gürft  löfte  bie  Siegel  mit  einer  SdEjfcere  lo§  — 
eröffnete  ba3  ©ouvert,  nnb  t)erau§  fielen  —  bie  3lfdjen= 
reft.e  einiger  verbrannter  ^afuerblätter,  tüte  fie 
fidE)  im  Sarnine  Vorgefunben.  ®ie  fetjnfüdEjtig  ermarteten 
®iplome  —  als  2tfc§e. 

,,3df)  fjab’  e§  vorauägefagt!"  rief  $eftel  mit  triumpljiren* 
bem  Slntlifc.  „$a§  ©an§e  mar  eine  ®omöbie.  $aum  brei 
ÜDlonate  f)at  fie  gebauert.  2lu§  iff3  mit  ben  frönen 
SBorten!  —  gitt’^  ^ ä^tid^e  X.tjaten!" 

blieb  nid£)t§  2lnbere3  übrig,  aU  abjuftimmen,  — 
ob  bie  £J)at  VottbrädE)t  merben  fottte. 

Sie  ftimmten  offen  nnb  nadE)  Flamen. 

8t>ter  jmölf  mit  3a,  itjrer  §mölf  mit  91  ein. 

„©§  ift  nodE)  eine  Stimme,  bie  ben  2lu§fdE)lag  gibt," 
fagte  Sßeftel..  „§ier  ift  ba£  „Votum  Miner^ae!“  §ier  ift 
jgeneiba!  3^  Stimme  möge  entfdjeiben." 

\3eneiba  falfbie  SobtenbIäffey  bie  fidE)  über  ba§  ©efidEjt 
©t)ebimin'§  Verbreitete. 

©efammelten  ruhigen  £one§  ftimmte  fie : 

„3a!" 

.  Stun  toaren  e§  breijefjn  Stimmen  gegen  jtoötf,  bie 
forderten :  e§  erfolge  bie  Itjat. 

Slber  toann? 

tnar  bie  anbere  Srage. 

ißeftet  fagte:  So  gleich!  9lt)tejeff  beantragte:  im 
September  bei  ber  (Gelegenheit  ber  Sruppenconcentrirungen. 

„Stoch  heute!"  brüllte  Qiafugfin.  „Sticht  morgen!" 

Stuf  ,®a§  hi«  mußte  ioieber  abgeftimmt  tnerben. 

„Sogleich  ober  im  September?" 

SBieber  ergäben  fidj  jtoötf  Stimmen  gegen  jtoötf. 


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106 


©ieber  erbaten  fie  fi<f)  non  geneiba  baS  Votum 
Minervae. 

SSon  ityrent  £aud£)e  t)ing  eS  ab,  bafc  bie  ©eit  nodE)  in 
biefer  ©tunbe  in  ifyren  ©runblagen  erfdpttert  merbe. 

„Qm  September,"  fagte  fie,  unb  ©t)ebimin  atmete 
tief  auf. 

heftet  50g  oerbroffen  bie  Stufet. 

„Sa  märe  eS  bod£)  beffer,  eS  bis  pm  SDtai  l)inauS= 
juf Rieben,  bis  bie  grofte  Sruppenconcentrirung  in  föiem 
erfolgt,  bort  im  ©üben  finb  mir  ganj  aüein  bie  Herren." 

„©cpanbe  über  unS!"  brüllte  SafuSfin.  ,,©ir  finb 
iljrer  3mölf  unb  toagen  bie  Sljat  nidt)t.  Jgeber 
non  ben  Smölf  ein  SrutuS.  äKeljr  als  eine  Slrmaba!  — 
©enn  idf)  allein  bleibe,  nollbringe  idf)  eS  felbft." 

SaS  ©cptufttableau  beS  geuermerfs  mürbe  brauften 
unter  bem  §änbeflatfdt)en  ber  3ufä)auer  abgebrannt.  Sie 
©terne  ber  geuergarben  fielen  mie  ein  gunfenregen  nom 
Fimmel.  „Sllfo  ben  20.  September!"  flüfterten  fidE)  bie  83er= 
fcfymörer  unter  §änbebrüdfen  ju.  Saut  erfdfjoß  baS  ©elädjter 
ber  ^eiteren  ©äfte,  man  lieft  bie  Same  beS  §aufeS  f)oc p 
leben. 

Sluf  bem  glatten  Spiegel  ber  9iema  unter  bem  gunfen= 
regen  glitt  leife  bie  Srauerbarfe  meiter,  bie  Sobte  lag 
lä^elnben  SlntlifceS  barin,  unb  in  baS  §änbeflatfcften  ertönte 
ber  Srauerpfalm : 

O  fürd)t’  ben  borgen,  ©rbenfofjn! 

@tau6  wirft  Su,  wenn  ber  Sob  Sic p  ruft. 

teut  ladfyenb,  morgen  weinenb  fdjon, 
erjtummeft  S11  in  ftitter  ©ruft. 

Sann  aber  ner^aüte  Särm  unb  Sang.  Sie  giutfen 
öerlöfdjjten,  bie  Slfdfje  ^erftob.  Ser  -äJlorgen  begann  ju 
bömmem.  Sliemanb  rneftr  ift  auf  ber  -Jiema  §u  feften.  2lDeS 
ging  fd^lafen,  ben  grauen  Sag  oerfdjtafen.  Ser  SSormittag 
in  Petersburg  ifjt  ju  nichts  Slnberem  gut. 

©etbft  ber  SJiorgen  Ijat  ftier  fo  maS  eigentümlich 
2frentbeS.  Ser  £>immel  mirb  meift,  unb  mie  er  fidf)  in  ber 


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107 


ruhigen  üftema  mieberfpiegett,  erfcEjeint  er  tote  eine  glänjeitbe 
©ilberplatte,  bie  langen  Sßoßenftridje  am  Fimmel  aber  finb 
fdftoarj  mie  bie  9tad)t,  unb  aucE)  bie  Säume,  bie  fidj  am 
ntilcfjmeifjen  Spiegel  ber  Sterna  abjeidjnen,  jinb  afie  fdEitoarj. 
Sa§  Srauergepränge  be§  Sobe«  am  Fimmel  unb  auf 
Gerben ! 


XXX  YI. 

p  a  i  «t  o  n  a. 

Sie  jperrin  oon  ©rufino,  toeEcbe  AraftSejeff  eben 
fo  befjerrfdjte,  roie  biefer  ba§  gange  SReid),  mar  meber  fdjön 
nocf)  jung.  g£)r  ©eiidjt  fonnte  aud)  in  ihrer  gugenb  nicht 
fdjön  gemefen  fein,  unb  if)r  SBudjä  näherte  fidj  männlicher 
gorm.  —  353 oi; I  gibt  e§  aud)  itnfdfjöne  grauen,  bie  angenehm 
fein  fönnen,  bie  miffen,  baff  fie  nidjt  fdjön  finb  unb  beS= 
f»atb  Aßeä  aufbieten,  um  ben  mit  biefen  häßlichen  Sögen 
harntonirenben  eigentümlichen  Sauber  herüorjubringen. 
Saimona  aber  moßte  fidj  gtoingen,  fctjön  $u  fein.  Sfire 
®eficE)t§farbe  mar  fetir  braun;  fie  fchntinfte  fie  feljr  mei| 
unb  fe^r  rotf),  bodf)  am  jjatfe  fe|te  fie  bie  ^Reparatur  nicht 
fort,  moburd)  itjr  ©efidjt  ba§  Au§feljen  einer  SDiaäfe  erlieft. 
Sa  fie  feine  Augenbrauen  befaß,  aber  aucß  biefe  ß ab at 
moßte,  unb  obenbrein  ein  fdEßechteS  Augenmaß  fyatte,  ftanb 
halb  bie  eine,  halb  bie  anbere  Augenbraue  höher  at§  nott)= 
menbig.  gf)re  SäEme  maren  fdEjmarj  tiom  gärben  be§ 
©efidljteg,  oon  übertriebenem  Sucfergenuffe  unb  oom  Staunen. 
Unb  babei  mäßlte  fie  immer  bie  Iäd)eriid)ften,  bijarren 
garben  unb  SRoben  gu  ihrem  Anguge,  ber  mit  Säubern 
unb  gumelen  übertaben  mar.  2Benn  fie  rebete,  mar  ihre 
Stimme  ein  rauher,  männlicher  Sariton,  ben  bei  ©emütl|§= 
aufregungen  fdfjludhgenbe  AuffcEireie  begleiteten.  Unb  biefe 
Stimme,  bie  man  ben  gangen  Sag  hören  fonnte,  mar  für 
Sebermann  ein  ©egenftanb  be§  Scßrecfen?.  Senn,  menn  fie 
i^ren  Söiunb  aufthat,  gefdjah  e§  nur,  um  gu  ganfen  unb 


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108 


ju  fchntähen.  ©efpräche  mit  ber  ®ienerfdE)aft  bebiente 
fie  fich  i)öcf)ft  eigentümlicher  gnterpunctionen :  ber  „33ei= 
ftridh"  (fontnta)  mar  ber  Stocf,  ber  „Smttyetyunft"  (Sfolon) 
bie  Ohrfeige  rechts  unb  linfS  uttb  ber  Sdhluftyunft 
(Punftum)  bie  ®nute. 

Unb  bieS  SBeib  mar  bie  ©ftidffefigfeit,  bie  gee,  baS 
Sbol  beS  allmächtigen  ©ünftlingS !  2)aS  ganje  Sanb  fannte 
ben  Sauber,  momit  fie  ben  vertrauten  Staatsmann  gefeffelt 
t)iet t.  ®arum  mufjte  Seber  ber  in  Petersburg  etmaS  erreichen 
mottte,  über  ©rufino  feinen  SBeg  nehmen.  2)enn  ein  gutes 
SEBort  ®aimona'S  mog  gan§e  SBagen  ©mpfehtungSfchreiben 
unb  Säcfe  voll  SSerbienfte  auf.  Unb  biefeS  gute  SBort  mürbe 
niemals  untfonft  gemährt.  SJaimona  verftanb  bie  Sache. 
Sie  hatte  einen  gut  jufammengefteHten  iarif  für  bie  ju 
erlangenben  ©unftbe^eugungen.  33aS  ift  für  ein  Staatsamt 
ju  jaulen?  SBaS  für  einen  2ieferungS*©ontract?  2BaS 
foftet  ein  Drben?  2BaS  ift  baS  Söfegelb  für  einen  unlieb* 
famen  SluSflug  nach  Sibirien  mit  ober  ohne  ©nutenbeglei* 
tung?  $u  guf$e  ober  $u  Schlitten  ?  S5aS  2tHeS  fonnte  fie 
accurat  ausmenbig  fjerfagen. 

®ie  Vornehmften  Herren  unb  Samen  gelten  eS  nicht 
unter  ihrer  SBürbe,  jebeSmal,  menn  fie  eS  für  nötljig 
erachteten,  mit  freunblidhem,  untertänigem  Singefichte  vor 
ber  Herrin  von  ©rufino  ju  erfcheinen,  bie  meber  jur  redeten 
nodt)  §ur  tinfen  §anb  bem  ©ünftlinge  angetraut  mar, 
fonbern  eines  bavongejagten  unb  nadh  Sibirien  Verbannten 
SRatrofen  ©hefrau  unb  auSgebiente  SRarfetenberin  beS 
^Regimentes  ^SrnailomSf,  beffen  ©renabiere  ihr  ben  @hrens 
namen  „fdhielenbe  Saina"  gaben. 

Unb  hoch  hatte  fie  ben  meifen  SRann,  vor  bem  baS 
ganje  9teidh  gitterte,  voHftänbig  erobert. 

SlraftSejeff  fühlte  fich  nur  bann  mohl,  menn  er  bie 
„eiferne  SRaSfe"  von  St.  Petersburg  ablegen  unb  fich 
fetbft  mieberfinben  fonnte  in  ben  Sirmen  ber  Herrin  von 
©rufino. 

Slm  |>ofe  muffte  er,  um  feinen  ©inftuft  ju  erhalten, 
fattbftithig,  unterthänig  jebe  Seleibigung  unb  ©rniebrigung 


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109 


ertragen,  mußte  glatt  unb  fdhmeidEjelnb,  in  feinem  Senehnten 
feiner  ab  alle  Diplomaten  fein,  mäörenb  fein  inneres  mit 
radhfüdhtiger  ßeibenfdjaft,  unbänbigem  ©tolje  unb  rauhem 
SBibermillen  gegen  2lHe^  erfüllt  mar,  ma§  ihm  miberfpradt). 
Da§  allein  mar  fd)on  eine  5ßöniten5  für  ihn,  baß  er  immer 
franjöftfdj  fpredhen  mußte,  benn  am  $ofe,  in  ber  ©efellfdtjaft 
mar  bie§  ba§  au§fd)tieß(id)e  Sbiom,  unb  mer  ruffifdf) 
fpradh,  fefcte  fich  ber  ©efahr  au3,  für  einen  Serfdhmörer, 
ober  gar  für  ba§  „SDlitglieb  einer  geteerten  ©efellfchaft" 
gehalten  ju  merben.  Unb  mie  fehr  ^aßte  er  ben  gran^ofen ! 
©eine  Sprache,  feine  Dradt)t,  feine  Spanier,  feine  SRufif, 
feine  ©etränte,  feine  Diplomaten,  fein  Drama  unb  feine 
$ßt)itofop!)ie!  Dann  mußte  er  forgfättig  achten  auf  jebe§  28ort, 
ba§  au3  feinem  SJtunbe  herborging  unb  auf  jeben  Secher, 
beffen  Inhalt  in  feinen  2)tunb  t)ineinging!  Stuf  ben  Sedher 
nicht  nur,  um  nicht  vergiftet  gu  merben,  fonbern  auch,  um 
nicht  ju  biet  ju  trinfen!  Denn  er  mußte,  baß  fein  mir!* 
liehet  9taturett  ßerüorbridfjt,  menn  er  biet  SBein  trinft.  Bunt 
Ueberfluffe  mußte  er  aud)  noch  ben  SBfeten  heucheln;  benn 
grauenreis  mar  eine  feine  gälte,  in  metcßer  ihn  feine 
geinbe  fangen  mottten.  ©r  tebte  mie  ein  ©infiebter,  obgteidh 
er  bie  Segierben  eine§  ©arbanapat  f)atte.  SBenn  er  bann 
jumeiten  auf  !ur§e  $eit  ber  höfifdEjen  Sltmofphäre  entfliegen, 
fich  in  fein  |>eim,  in  feine  eleufifdfje  ^)ößte  flüchten,  unb, 
bie  affeftirte  fransöfifche  ©pradEje,  DradEjt  unb  9D?a§fe 
abftreifenb,  ba3  berleugnete  urruffifdfje  ®leib  anjießen  burfte 
unb  mieber  reben  tonnte  ben  echt  nomgorobifcßen  Dialeft, 
in  meinem  ber  einftige  republitanifche  Sauer  ben  ©saren 
unb  ben  Sauer  gleichmäßig  fdjatt;  menn  er  im  glucken 
metteifern  burfte  mit  feiner  böHig  ebenbürtigen  Sebent 
gefä^rtin,  mit  ber  er  fiel)  9Korgen3  fdt)lug,  9Rittag§  füßte 
unb  berfö^nte,  um  9la<f)mittag§  mit  ißr  jufammen  bie 
Säuern,  Unechte  unb  ©tarofte  ju  prügeln  unb  am  Slbenb 
ftd)  mit  ihr  }u  beraufdfjen;  —  ba  fühlte  er  fidfj  gtücflidh. 
Daimona  that  e§  ihm  in  ber  9tu§fdhmeifung  in  jeher  Slrt 
gleich-  SBenn  er  erregt  mar,  regte  fie  ihn  nodh  mehr  auf; 
mußte  er  feine  ©alle  auägießen,  fo  fudljte  fie  für  ihn  einen 


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110 


tebenben  menfdjtidjen  ©egenftanb,  unb  unterftüjgte  itjn  mit 
meibtidjer  ^Raffinerie  in  ber  ©raufamfeit.  SBemt  ber  §err 
nad)  ©rufino  fam,  ba  gab  eS  ein  kennen  unb  Saufen, 
SSefjftagen,  jammern  unb  prügeln,  bann  ©ffen  unb  Srin= 
fen,  ©djmelgen,  San 5  unb  SRufif,  Sagen  getigerter  unb 
gefeberter  Sßeiber  burd)  bie  ©affen,  Sreibjagb,  6unbei)e|e, 
oerbrannte  Jütten,  ertränfte  3Räbd)en,  ßtarrenpoffen,  @atur= 
natien,  unb  minbeftenS  einmal  eine  ©madja  (9Räbd)en= 
marft).  ®enn  bie  ©ultanin  bereitete  üjrem  ißabifdjat)  aucf) 
ein  Seiramfeft. 

fjürft  Stiejej  Stnbreomitfdj  fanb  in  bet  unfdjönen 
®aimona  fein  eigentliches  ,,Sd)",  unb  bie§  machte  fie  if)tn 
toerttjer  at§  aße  ©cf)önf)eiten  ber  SSett.  — - —  — 

@ine§  Sage«  erfdjien  ber  modere  Bfabafoff  mit  un= 
gätjligen  Südlingen  oor  ber  mächtigen  ®aimona.  ®ieSmat 
aber  nidit  in  bent  gerriffenen  ©emanbe,  in  meinem  er  fidj 
bei  Suf^fio  einfdjtid),  fonbern  atS  anftänbiger  £>err  gefteibet. 
®r  f»atte  mehrere  S'oftüme  für  feine  üerfdfiebeneu  fRoIten. 

|>err  gfabafoff  fam  gu  ®aimona,  meil  er  erfahren 
hatte,  bafe  ber  ©gar  ein  ipeer  gegen  bie  dürfen  entfettbet. 
®aoon  mufete  noch  -ftiemanb  ettoaS,  fetbft  SlraftSejeff  ni<f>t. 
Slber  ein  9Renfd)  mufete  e§  bodj :  ber  Sammerbiener  beS 
©garen,  biefetbe  gute  ©eele,  bie  eines  StbenbS  bem  jungen 
fperrn  Seogen  ben  9Btabimir=Drben  beS  ©garen  getiefen 
hatte.  ®er  gute  S’ammerbiener  tfjut  gar  üieteS  „aüS 
greunbfc^aft". 

©0  g.  S.  blidte  er  Herren  Bfabafoff  gu  Siebe 
mäljrenb  beS  SlufräumenS  in  bie  ©Triften  be§  ©garen, 
metdje  biefer  auf  bem  Sifdje  liegen  tiefe.  SffiaS  er  aus 
biefen  erfuhr,  unb  fetbft  bie  3Jtinifter  nodj  nicht  mufeten, 
ba§  fd^tug  er  nid^t  auf  bie  Srommet,  fonbern  oerfaufte 
e§  otme  Srommelichtag.  darüber  brauet  man  ftd)  nicht 
gu  munbern;  fo  oiet  Jütten,  fo  üiet  ©itten.  ®amafö  gefdiah 
eS  and),  bafe  bie  Unioerfität@=fßrofefforen  —  erga  modicam 
remunerationem  —  am  Sage  üor  bem  Stigorofum  ben 
©enfuranben  bie  fragen  mitt^eitten,  metdje  fie  anbern 
SageS  anläfeticf)  beS  ©jamenS  an  fie  rieten  merben. 


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111 


Stber  in  biefer  ganzen  Sache  intereffirte  fperrn  ,3faba= 
foff  titelt,  ob  bie  f5reil)eitäI)etbort  oon  §  e  1 1  a  S  fidf  jo  lange 
in  SKiffolungi  galten  fönnen,  bis  baS  ruffifdje  £>eer 
ihnen  ju  fpilfe  fontmen  Wirb  :  fonbern  nur  ber  ©lan  bcs 
©jaren,  taut  welchem  jeber  ©olbat  außer  ber  bisherigen 
HluSrüftung  auch  nod)  eine  getbflafche,  bie  im  getbjuge  fo 
notljWenbig  ift,  erhalten  fotl.  Htlfo  äWeimathunbertfünfjig» 
taufenb  gelbflafdhen  oon  ©lech.  23er  biefe  Sieferung  erhält, 
ift  ein  reicher  2Kann  geworben.  —  ®odj  ber  ehrliche  Kammer» 
biener  fagte  biefeS  ©eheimniß  nid)t  nur  feinem  greunbe 
gfabafoff,  fonbern  noch  oieten  ähnlichen  greunben,  bie 
wahrfcheinlid)  bie  oielen  gelbflafcljen  fction  über  fpalS  unb 
Sopf  anfertigen  taffen,  benn  im  ©erlauf  oon  jwei  2Bochen 
muffen  fie  fertig  fein.  Unb  gewiß  wirb  nicht  gener  bie  Sie» 
ferung  erhalten,  ber  bie  getbflafdjen  am  billigten  macht, 
fonbern  ber,  Welcher  ben  2Bagen  ber  ©enerakgntenbantur 
am  beften  ju  fdjmieren  oerfteht.  §err  ßfabafoff  fam  nun 
jur  mächtigen  ®ame,  fie  ju  bitten,  baß  auf  ihre  ©erWen» 
bung  ber  allmächtige  öerr  ©eneratgntenbant  ben  ©jaren 
Überrebe,  ftatt  ber  ungefunben  blechernen  gelbftafchen  — 
hötjerne  machen  ju  taffen.  2)aburch  entfielen  alle  feine 
©lechflafchen^onfurrenten.  $err  3fabafoff  bliebe  allein  auf 
bem  Äampfplaß  unb  fönnte  oerlangen,  fo  üiel  er  wiH. 
©einer  ©itte  ben  gehörigen  -Jtachbrucf  $u  oerleihen,  brachte 
er  ein  Keines  ©efd)enf,  welches  bie  reijenbe  ®ame  üortreff» 
lidj  Heiben  Wirb  :  eine  antife  ©rillanten»gerronniere,  in 
beren  StRitte  ein  Wunberfd)öner  ©olitair  oon  feltenem  geuer 
prangt. 

„$aS  ift  natürlid)  nur  bie  Hingabe,"  fagte  bie  9Kai= 
treffe.  „®u  weißt  ja,  baß  man  mir  bei  einem  fo  großen 
©efdjäfte  auch  Htntheil  am  ©ewinne  ju  geben  pflegt." 

„@ie  nahmen  mir  baS  SBort  aus  bem  SWunbe,  gnä= 
bige  grau!  geh  fprecfje  aufrichtig,  geh  bin  ein  wahrheitS» 
liebenber  ajienfdj.  g<h  wanble  immer  bie  geraben  2Bege. 
2Boju  foü  idf  eS  auch  täugnen?  Saut  meinem  ©reiSofferte 
gewinne  ich  an  jeber  gtafdje  eine  halbe  ©rioa,  baoon  Werbe 
ich  ®uer  ©naben  jwei  Sopefen  überlaffen." 


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112 


„SBeifjt  ®u  maS,  beftimme  einen  folgen  ißreiS,  baff 
®u  an  jebem  ©tüde  eine  ganje  ©ripa  geminnft,  unb  gib 
mir  öier  Äopefen  baöon." 

§err  3fabafoff  meinte,  baS  märe  itoc^  beffer. 

®odj  ®aimona  mar  nicJ)t  befonberS  belifat  ihren 
©äften  gegenüber.  ©iner  ihrer  Seibeigenen  mar  ein  fadj= 
öerftänbiger  Sumelier. 

®en  rief  fie,  unb  I)iefj  if)n  in  ©egenmart  gfabaloff’S 
ben  ©djmud  id)ä|en.  ®aS  mar  [o  itjre  ©emohnljeit.  Sie 
hielt  ben  Seibeigenen  311  biefern  ^^tuede.  ®er  ©ad)öerftän= 
bige  fdjä^te  i()n  auf  taufenbfünfhunbert  IRubet;  bocfi  menn 
ber  mittlere  ©otitair  nicht  gelb,  fonbern  rein  meijj  märe, 
mürbe  er  jmeitaufenb  mcrtl)  fein. 

„Shr  öerfteljet  baS  nicht !"  fdjrie  3fabaloff.  ,,®er  gelbe 
®iamant  gehört  ju  ben  Dtaritäten.  HRan  nennt  ihn  „Fan- 
taisie."  Unb  bann  ift  er  antit,  mie  i£)n  bie  £>errfcf)aften 
jumeift  lieben. " 

„2Bob)t  mar;  unb  bod)  märe  ein  meiner  ©olitair  um 
fünffjunbert  Sftubel  mehr  mertl)."  . 

„Sieljft  ®u,"  fpracf)  ®aimona.  „-JtächftenS  bergig 
nicht,  ihn  gegen  einen  fdE)öneren  unb  teureren  umjutau» 
fd^en.  Unb  bann  lebe  id;  i|n  lieber  in  ©olb,  ftatt  in  ©il= 
ber  eingefaßt." 

Sfabatoff  oerfpracf)  SlUeS  unb  entfernte  fiel)  mit  güfce» 
unb  ^änbetüffen,  als  ob  er  etroaS  befommeit  hätte. 

einige  SBodjen  fpäter  fam  3fa£’<d°ff  lieber  —  noef) 
freunblid^er  unb  untertäniger,  als  baS  erfte  ÜDtat. 

„©in  SDtann,  ein  SBort!"  begann  er.  „Statt  ber  ab» 
genügten  alten  bringe  id)  eine  funleinagelneue  gerronniäre. 
Sitte  biefen  ©tein  311  betrachten.  SBeldjeS  geuer!  mierein! 
ein  echter  ©oltonbaer  Srißant!  er  bienbet  baS  Sluge  mie 
bag  Sonnenlicht !" 

@r  prieä  fo  lange  ben  prächtigen  neuen  ©chmud,  bis 
ihm  ®aimona  ben  alten  bafür  jurüdgab. 

„®iefen  lannft  ®u  prüfen  taffen!  St  ü>ei&,  bah  tn 
ber  ©olbfdhmieb  auf  breitaufenb  9tubel  fd)ä§t.  ©0  Biel  loftet 
er  auch-  ®odj  mißgönne  id)  ihn  ®ir  nid)t.  9iur  bitte  id) 


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113 


Sich,  mit  ©gtrapoft,  burct)  einen  ©ourier,  fogteid)  bem  gncU 
bigen  £errn  $u  fchreiben,  baft  ficf)  je£t  bie  Sache  entfc^eibe. 
©£  ift  ja  auch  in  Seinem  ;gntereffe :  t)on  jeher  getbftafdlfe 
Dier  ®opeten.  geh  taufe,  ich  eite!" 

§err  3fabatoff  empfahl  bie  gtafd)en  nochmals  ihrer 
©nabe  unb  ftür^te  ^inau§,  marf  fid^  in  feinen  SBagen,  t>or 
melden  brei  $ßferbe  gefpannt  ttmren,  unb  jagte  mie  befeffen 
baoon.  Sieämal  martete  er  nicht,  bi3  Saimona  ben  $ume= 
tier  holen  tieft. 

Saimona  f>atte  nid£)t§  ®itigere3  ju  ttjun,  afö  Strafe 
täejeff  megen  ber  gelbflafchen  %u  fchreiben.  Sie§  ging  jeboct) 
bei  ihr  fehr  tangfam,  benn  bie  geber  gehorchte  ihrer  §anb 
nicht.  ©rft  nach  Seenbiguitg  be§  93riefe§  übergab  fie  ben 
©cftmud  bem  ©otbfchmieb. 

Siefer  betrachtete  argmöhnifd)  bie  gerronntere,  bat  um 
©rtaubnift,  fie  in  feiner  Sßerfftätte  prüfen  §u  bürfen,  unb 
fagte  bann,  baft  fie  unter  Srübern  ihre  —  brei  Stube! 
merth  ift  :  bie  Srißanten  finb  ©traftburger  fatfdhe  ©teilte 
unb  bie  ©infaffung  teilt  ©otb,  fonbern  bto§  ©imitor. 

Saimona  mar  im  erftett  Slugenbtid  überrafdht;  fie 
tonnte  ben  üötenfchen  nur  für  oerrüdt  hatten,  ber  fie  be* 
trügen  miß,  mo  e3  fich  für  ihn  um  jmeirnathunberttaufenb 
getbftafdhen  hunbett.  Stber  bann  ergrimmte  fie.  Sa§  ift  bodE> 
ein  plumper  betrug  unb  eine  unerhörte  Seieibigung.  ©inen 
Sreirube!=$3eiberfchmud  mit  fatfchen  ©teinen  pflegt  man 
nur  9Rartetenberinnen  §u  fchenfen ! 

„©chinto,  Su!"  fchrie  Saimona  treifd^enb,  morauf 
fogteidh  iht  gactotum  erfc|ien,  ein  muäcutöfer,  ftattticher 
SKann  mit  bem  untrennbaren  SppuS  ber  ^Ö^unerrace. 
„Sefteige  rafdE)  ein  ^JSferb,  nimm  brei  Leiter  mit  Sir,  t>en 
folge  ben  SDlenfchen,  ber  foeben  mit  brei  $ferben  bauon^ 
fuhr!  ganget  ihn,  binbet  ihn,  bringet  ihn  jurüd.  kommet 
nicht  jurüd  ohne  ihn!" 

gut  nädhften  Stugenbtide  faft  ber  ftiQtmex  ju  Sßferbe 
unb  gatoppirte  bahin  ohne  ©attet.  Sie  brei  Leiter  tonnten 
ihm  taurn  folgen. 

3<5fai :  ftrei&eit.  II.  8 


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114 


Saimona  mar  überzeugt,  baß  iljr  @dE)info  ßfabafoff 
batb  erregen  mirb. 

Sod)  faünt  mährte  e3  eine  fyatbe  ©tunbe,  at§  bie  brei 
Leiter  mit  <Sd)info  auf  bemfetben  SSege  jurücffamen  unb 
hinter  ifjnen  eine  Sroifa,  in  melier  ein  einzelner  9Jtenf<$ 
faß.  Slber  fie  brauten  it>n  nidt)t  atä  (befangenen,  nidEjt  ge* 
bunben,  fonbern  umgefet)rt  :  er  trieb  fie  oor  fidE)  t>er.  Db= 
gleid^  er  allein  mar,  ftecfte  er  feinen  $opf  au$  bem  SBagen 
heraus  unb  brof)te  mit  feinem  ©tode  ben  Slie^enben,  fo 
baß  biefe  fo  rafdE),  als  bie  5ßferbe  fonnten,  baf)injagten, 
mit  erfdjredten  ©efidfytern  rüdmärtS  btidenb. 

„2Ba3  bebeutet  baS?"  fdEjrie  Saimona,  auf  ber  §auS= 
flur  mütljenb  auf  unb  ab  rennenb.  „Su  ®d)info!  3*1* 
ImnbSoljren !  3f)r  feib  alfo  baoongetaufen?  3J)r  ©udj 
t)on  einem  9JtenfdE)en  Oerfotgen?" 

3a,  menn  bieS  fo  „ein"  SftenfdE)  ift!  S3or  bem  ©dEjtoffe 
angelangt,  ftieß  er  bie  ßeberbede  ber  Sroifa  juriid,  fprang 
Oon  feinem  @i£e  auf  unb  brüllte  mit  Ootler  ®et)te  ben 
gtietjenben  nadE)  :  „©tenbe!  märtet  nur!  \i)  merbe  ©udj 
lehren,  am  gellen  Sage  auf  ber  Saitbftraße  Steifenbe  ju 
behelligen!  3eber  oon  ©udj  befommt  fjunbert  ®nutent)iebe! 
3d)  merbe  @ud£)  auf  ben  93runnenfdf)menget  ^inaufjie^en 
taffen.  Sojirifen!  S3ontfdE)ifen!  Stäuber!" 

SaS  ift  „@r"!  —  ber  §err  straft  Sei  eff  felbft. 

hierauf  mürbe  Saimona  nodE)  müttjenber.  Sie  tief 
bie  Sreppe  Ijinab  in  ben  §of,  unb  btieb  bort  oor  bem 
®ommenben  freifdtjenb  ftetjen. 

„SBarurn  jagft  ®u  meine  Seute  jurüd?  ©ie  oerfolgten 
einen  Sieb,  ber  mid}  beftofjten  t)at!  @r  braute  einen  fat* 
fdtien  ©d^mud  unb  entriß  mir  ben  edfjten.  3$  toiH  ifjn 
jurüdfdEitebben  taffen  —  ben  Stäuber!" 

Socty  ber  £>err  fjörte  fie  gar  nid)t  an.  SBenn  er  bie 
©tenben  fd^impft,  !ann  er  auf  nichts  SlnbereS  achten.  ©ein 
©efidfjt  mar  gerottet,  atS  er  abftieg  unb  mit  ber  einen  §anb 
einen  großen  Snotenftod,  mit  ber  anbern  eine  getbflafdje 
am  Stiemen  ergriff. 

Saimona  glaubte,  baß  ber  £err  fdjon  auf  ber  $ölje 


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115 


bei  (Sreigniffe  ftefje ;  beSfjatb  ergriff  fie  if)n  am  fragen 
feine§  ©taubmantelS  unb  fe|te  il)r  ©efpräd)  fort : 

„@S  nmr  ja  3fabafoff!  SBeißt  Su,  Sfabafoff!  Su  f)aft 
ihm  bocE)  bie  gtafchen  noch  nic^t  gegeben?" 

„gtafdjen?"  frug  oerWunbert  ber  £>err.  „S<h  fjabe 
nur  biefe  einjige  gelbflafdje,  unb  auch  baoon  !ann  ich  Sir 
nichts  anbieten,  benn  fie  ift  leer." 

„D,  baß  ber  ©türm  Sich  jerreiße!  Sie  jweimal* 
hunberttaufenb  gelbftafchen  meine  ich,  tuelrfje  bie  Strmee 
im  türfifdjen  Kriege  erhalten  foü." 

Seit  ftaunte  er  noch  mehr. 

„gweimalhunberttaufenb  ffelbflafchen?  Krieg ?  Stimme 
bod)  ein  Wenig  ?  SBaS  E»aft  Su  Ejeute  getrunlen?" 

Sie  grau  wüthete  unb  fluchte;  fie  oermengte  SBodjen, 
HJtonate,  oier  Kopelen  für  eine  gelbftafdie,  beit  Karbunfet 
ju  jWeitaufenb  SRubel,  SDtiffolunge  unb  ömer  SSriorte  ijßafdja 
unb  tobte  fo  lange,  bis  auch  ber  §err  in  Sßutlj  geriet^, 
bie  leere  Selbflafdie  an  ihren  9tüden  fdjleuberte,  unb  fie 
auS  bem  Söege  ftieß  —  worauf  Saimona  (benn  fie  War 
Wirtlich  nüchtern,  unb  ein  nüchterner  SRenfd)  janft  fid)  nie 
mit  einem  Srunfenbolb,  bieS  tljun  nur  jWei  Stiidjterne 
ober  jtoei  Setruntene  unter  einanber),  um  ihr  oerle^teS 
Slnfehen  Wieber  herjufteUen,  ißrerfeitS  über  ben  unglüdlicfjen 
Suioelier  herfiel  «ob  an  feinem  Kopfe  baS  unglüdfelige 
Corpus  delicti,  ben  falfdjen  SriHantfdhmud  §erfc£)lug ;  Warum 
fagte  er  auch,  baß  ber  gelbe  Diamant  nidht  fo  gut  ift,  wie 
ber  weiße?  (Sr  ift  fdiutb  baran,  baß  ber  Sieb  ben  echten 
©chrnud  geftohlen  unb  bamit  entWifcEjte ! 

SaS  war  ber  fjerjItcEje  (Srnpfang  beS  heitnlehrenben 
Staatsmannes  in  feinem  „Sweet  home."  2BaS  übrigens 
überall  ju  gefchehen  pflegt,  nur  mit  einigen  SSariationen.  — 

Soch  beim  Slachtmatjl  üerföhnten  fie  fi<h  wieber,  unb 
Saimona  erzählte  ihm  bie  ©efdjidjte  ber  gelbflafdjen. 

„SRun,  meine  theure  ^entte!"  —  bieS  war  Saimona’S 
©chmeichelname  —  „bemnadh  weißt  Su  mehr  als  idh,  ju 
beffen  ffteffort  bie  ©eneral=Sntenbantur  ber  |>eereSauS= 
rüftung  gehört.  S<h  bin  bom  §ofe  entlaffen  —  Wegen  §er= 

8* 


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116 


ftettung  meiner  ©efunbheit!  Sag  muffte  ,3fabafoff.  Segljalb 
bat  er  Sir  ben  gefcEjenften  ©djmud  enttodt.  ©r  tourte, 
ba&  id)  „fo"  tranf  bin." 

„316er,  mag  fefjlt  Sir  benn?" 

„Sag,  bafj  id)  beg  ©garen,  2lnf)änger  bin." 

„Sradjte  baüon  gu  genefen." 

„3 cf)  )uei§,  bafj  man  mich  in  turger  Beit  gurüdrufen 
mirb,  unb  baß  id)  batb  toieber  in  meine  alte  Sranfjjeit 
gurüdfallen  in  erbe.“ 

„Unfähiger!  SBenn  Su  Sir  menigfteng  big  gur  ®r= 
tebigung  biefer  gelbflafdjen=2lngetegenheit  bie  ©unft  beg 
©garen  erhalten  Jjätteft!" 

„@i,  rebe  nicht  mehr  baüon.  Singe  lieber  mag  ©djöneg. 
gd)  habe  fdjon  lange  feinen  grauengefang  gehört." 

Unb  Sltejej  Slnbreotüitfd)  hatte  Sufi,  bem  „©efange" 
Saimona'g  gu  faufchen.  Sag  Ißfauengefrädjge  ift  ©djmanem 
gefang  im  SBergleidje  gu  Saimona'g  ©efreifdje.  ©ie  hatte 
eine  falfdje,  fdjludhgenbe,  rauhe  Stimme  —  toenn  fie  aber 
bem  §errn  fo  gefiel?!  Unb  erft  ber  Sejt  biefer  SRelobie, 
beffen  fRefrain  lautet  :  „9ln'g  SReffer  mit  ihm!"  gn  ber 
S£)at,  ein  furiofeg  ffeineg  Sieb,  ©onberbar,  eben  jejjt  toar 
eg  Saimona  toieber  eingefallen.  So  cf)  mag  ift  auch  fo  fon= 
berbar  baran?  SSenn  bie  23irthfd)afterin  beg  geftürgten 
©ünfttingg  bag  SReüolutiongtieb  fingt,  ba  ihr  §err  üon 
feinem  jperrn  baüongejagt  mürbe,  unb  bie  gelbflafdjem 
2lffaire  unerlebigt  blieb,  ©runb  genug,  bafj  noch  geftern  er, 
ber  ben  ©taub  üon  ben  giifjcn  beg  Scannen  füfjte,  ihm 
heute  ben  ©taub  in’g  Stngefidht  fchleuberte! 

Unb  ber  geftürgte  ©ünftling  unterbrach  fie  nicht.  @r 
hörte  alle  ©trogen  5«  ©nbe.  Sie  lebten  Sßerfe  thaten  ihm 
fo  mohl,  bafj  er  fid)  üor  Sefjagen  ben  SRüden  fragte. 

„SSon  mem  lernteft  Su  bieg  närrifdje  Siebten?" 

„©ifenfopf!  errätijft  Su  eg  nicht?  §aft  Su  nicht 

felber  bag  gigeunermäbchen  gu  mir  in  bie - ©rgieljung 

gefchidt?  Sßir  haben  ung  fcfjön  auggebilbet." 

„Nichtig!  Unter  ben  üielen  bittern  gteuben,  bie  hi« 
meiner  märten,  ift  ja  einer  ihr  ©djerg.  ©ie  trieb  meinen 


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©of)n  nacf)  ArdfjangetSf!  ©eit  bamalS  fjabe  icf)  nod)  nidfjtS 
üon  iljm  getjört.  Sie  Weit  famft  ©u  mit  bem  äRäbdjen?" 

„@o  wie  ©u  eS  befohlen  fjaft.  Senn  ©u  ©icf)  an 
ifjr  ergäben  wittft,  rufe  icf)  fie  herein." 

„Sie  fönnte  nid)t  gelegener  fontmen." 

©airnona  Winfte  bem  ®necf)te,  ber  feine  @of)te  traute, 
©iabo.lfa  ju  rufen. 

Unterbeffen  flüfterte  fie  Alejej  Anbreowitfcf)  etwas  in’S 
Öljr,  wobei  ifjre  gefärbten  Augenbrauen  bor  lauter  böfer 
£uft  förmlich  tanjten. 

©er  $err  ftimmte  ooUftänbig  überein  mit  if)r,  er  lachte 
fo  taut,  bajj  er  baoon  fjeifer  würbe  unb  mit  feiner  Sauft 
■auf  ben  ©ifdj  fcfjlug.  „©eljr  gut!  AuSgejeicfjnet!  @S  wirb 
-ein  f|öllifdE)er  ©enuß  fein!" 

Als  baS  äJtäbdjen  bann  herein  lam,  madfjten  Seibe 
ein  ernfteS  ©efidf)t. 

9Kan  tonnte  ©iabolfa  !aum  erfennen.  ©ie  War  ein 
Sräutein  in  langem  Sleibe  mit  §al6f)anbfcf)uf)en  gefleibet, 
auf  bem  fpaupte  bie  ruffifcfie  3ungfern=©arte.  ©ie  beiben 
§änbe  E(ielt  fie  nach  ruffifdljen  AnftanbSregeln  in  ben  Wei= 
ten.  Aermeln  ifjreS  SleibeS  Oerborgen  unb  jog  fie  nur  bann 
t)erüor,  wenn  fie  bem  $errn  unb  ber  gran  bie  |>anb  füf= 
fen  muffte.  ©odj  bie  Augen  erfjob  fie  nicfjt  um  alle  Sielt; 
fie  fenfte  fie  fcfjamljaftig  jur  @rbe. 

„ffiun,  liebes  9Käbtf)en,  wie  befinbeft  ©u  ©idfj  bei 
©einer  ©cfyufjfrau?" 

®aS  SJiäbdjen  erwiberte  in  teifem  gtüftertone : 

,,©ott  unb  meinem  gnäbigen  tperrn  ©an!  für  baS 
©lücf,  baff  id)  an  ben  Ort  gefdjicft  würbe,  wo  id)  ganj 
glücflidj  bin." 

©er  fj>err  lonnte  baS  Sachen  !aum  unterbrüctcn. 

,,©u  fpridjft  ja  fcfjon  in  ganj  gewählten  Sorten." 
,,©aS  ift  nicfjt  mein  ©erbienft,  fonbern  baS  beS  f)ocf)= 
Würbigen  $errn  ©rofop,  ber  feine  SJtüfje  freute,  micij  beS 
UnterridfjteS  tljeilljaft  werben  ju  laffen." 

„@i,  ei,  ©u  bift  ja  fdjon  ein  feines,  gebilbeteS  gräu= 
lein,  ®u  mufjt  ©idj  ju  uns  Ijerfefcen  unb  mit  uns  nacl)t= 


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maßten.  9tun,  tßu’  rtidf)t  fo  fcßamßaft !  —  Su,  langbeiniger 
Kerf,  bringe  bent  Staulem  einen  Setter  unb  ©ßjeug!  §ie* 
f)er,  mir  gegenüber!" 

„©S  Wirb  für  Seine  unwürbige  2Jiagb  attetbingS  eine 
SluSjeicßnung  fein,  wenn  Su  gerußft,  fie  an  Seinem  Sifdße 
fifcen  ju  taffen;  aber  idß  muff  um  SSerjeitjung  bitten,  baff 
idß  feine  ©peife  ju  mir  nefjrne.  Ser  gute  SBater  ißrofop 
ßat  mir  bie  S3uße  aufertegt,  ein  ganjeS  3aßr  taug  ftatt 
beS  9iadßtmaßteS  $u  fafieu." 

„Unb  für  welcße  ©ünbe?" 

SaS  ttKäbcßen  feufjte  tief  auf. 

„©näbiger  |>err!  Su  fenuft  am  beften  meine  große 
©djjulb,  weldje  idß  niemals  werbe  abbüßen  fönnen." 

Unb  reumütßig  ließ  fie  beu  Sopf  ßerabfinfen. 

(§at  fie  fidß  wirflidfj  gebeffert,  ober  ^euc^ett  fie  nur?) 

,,©aS  tßuft  Su  atfo,  wäfjrenb  Slnbere  ju  Statut  effen?" 

„Unterbeffen  tefe  idfj  ißnen  ißfalmen  oor." 

,,©ie  Su  fannft  aucß  fdEjort  lefen?  Unb  nodß  baju 
ißfatmen!  SaS  möcfjte  idß  ßören.  bringet  ißr  einen  ißfalm. 
©eße  Sidß  fjiefjer  an  baS  Sifcßenbe  uub  lieS.  ©elcßer 
ißfatm  folgt?" 

SaS  SRäbcßen  fe|te  fidß  nieber,  legte  bie  gingerfpifsen 
bet  einen  $anb  fjübfcf)  auf  ben  Sifdfj,  wäßrenb  fie  mit  bem 
Zeigefinger  ber  anberen  £>anb  bie  Silben  nacß  einanber 
bejeidßnete : 

„Sn  —  bein  —  @r  —  be  —  §err  —  fa  —  men 
—  $ei  —  ben." 

„©roßartig !  Slber  üerfteßft  Su  audß,  WaS  Su  gelefen 
ßaft?  ©er  finb  bie  Reiben?" 

„Sie  Sürten!"  SaS  SJtabcßen  fpudfte  nadß  biefem 
©orte  au§,  wie  eS  ficf)  einem  ortßobojen  SRoSfoWiten  jiemt. 

„©er  ift  ber  „§err"?" 

SaS  SJtäbcßen  erßob  fidfj  oon  feinem  ißtaße. 

„Unfer  erhabener  feerr  :  ber  ©jar." 

„Unb  was  ift  fein  ,,©rbe"?" 

„©riedfjenlanb." 

„©eßr  gut,"  fpracß  ber  jperr.  ,,©ie  fdßön  Su  lefen 


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lemteft !  ©ewif}  fonnft  $>u  aucf)  fdfjon  fc^retben?  Unb  jwar 
fo,  bafj  Xeine  ^>anb  -Riemanb  füljrt,  wie  bamatl,  all 
5)cine  erften  SBriefe  fd^riebeft?  SdEjon  gut !'  ©I  war  nur 
ein  Sdfjerj!"  2)ann  wanbte  er  fidfj  ju  $>aimona,  baf}  el 
au<f)  ®iabolfa  fjören  fonnte  :  „®u  fjaft  ja  aul  if)r  ein 
gan$  anftänbigel  9Räb<fjeu  gemadjt." 

,,3d)  werbe  audf)  nodi  eine  gute  ©ljriftenfrau  aul  ifjr 
machen,"  fpracf)  tBaimona. 

®iabotfa  tfiat,  all  f)örte  fie  nid)t  unb  buc^ftabirte 
Weiter  : 

„Sie  —  jer  —  ftör  —  ten  —  fei  —  ne  —  Stabt 
—  §e  —  ru  —  fa  —  lern." 

„Xritt  öor,  Sdjinfo!"  befallt  ®aitnona  bem  tjinter 
if)r  ftefjenben  SBurfcfien.  „9iun,  Ijabe  icf)  ifjr  feinen  wacferen 
SBräutigam  aulgewäf)tt  ?" 

„9llj!  ben  f)abe  icf)  aucf)  fjergefdjicft.  §ft  biel  nidfjt 
jener  gewiffe  „SBetter“?*' 

„Darum  fjalte  icf)  if)n  aucf)  in  @f)ren.  ©in  wacferer 
Qunge.  3dj  f)abe  feinen  treueren  9Renf(f)en  afl  if)n!  Die 
ganje  Sauernfdjaft  fürstet  itjn  wie  ben  Deufet.  ©r  ift  meine 
redete  tpanb." 

„Dann  fann  icf)  mir  benfen,  wie  üief  ißeitfcf)enf)iebe 
er  ben  Säuern  fdfjon  üerfe^t  Ijat." 

„3f)re  $o4jeit  werbe  icf|  beftreiten,  bann  macfje  icfj 
Scfjinfo  ju  meinem  §aulf)ofmeifter  unb  Diabotfa  ju  meinem 
öertrauten  gräufein." 

„Dal  SBrautgefc^enf  werbe  icf)  beforgen." 

Diabotfa  lal  unterbeffen  bie  fßfalmen  of)ne  Unterbre» 
cfjung.  ©in  anberel  SDläbdjen  fjätte  wenigftenl  einmal  ge= 
tadf)t,  wenn  man  öom  ^eiratfjen  fpridjt  —  Dor  it)rem 
@rWäf)lten. 

„Dodfj  jefet  wotten  wir  ein  Wenig  Dan&  unb  ©efang 
junt  Scfjtuffe  bei  9lacfjtmaf)ll  genießen,"  fagte  bie  fjerrin, 
©cfjinto  juwinfenb. 

,,31E) !  fann  alfo  Diabotfa  nidfjt  nur  Zeitige  Sieber 
fingen,  fonbern  aucf)  txdcE)  tanjen?" 

„Sie  fingt  nic£)t,  unb  tanjt  nidfjt  mefjr.  Sie  fjat  einen 


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120 


anbertt  Seruf.  @S  ift  fdjott  ein  Stnberer  ba,  ber  bieS  oer= 

hierauf  traten  jtoölf  fd^öne  junge  Sauernbirnen  bet 
ber  ©eitenthür  herein,  jebe  eine  Saute  in  ber  §anb;  auf 
ihren  (Sefidjtern  toar  mehr  unterbrüdte  gurd)t,  als  Suft 
§ur  Unterhaltung  fidjtbar.  hinter  ihnen  fdhlidh  ©djinto, 
eine  lange  Sßeitfdhe  in  ber  einen  §anb.  9tn  ber  anberen 
$aitb  führte  er  ein  Heiner,  budeligeS,  ^toerghafteS  SKenfch- 
lein  an  einer  Sette,  toie  einen  93är,  unter  beffen  Slchfel 
etne  ©adpfeife  toar.  @S  toar  ein  häßlicher  Serl;  oorne  unb 
hinten  budelig;  ben  großen  haartofen  Sopf  ^toifchen  auf= 
gezogene  Schultern  gepreßt,  ©ein  ©efidü  toar  eine  fdhledjt 
gelungene  ©arricatur,  toeldjeS  bie  Slattern  §erriffen,  als 
ob  fie  oott  felben  bie  ©puren  ber  §anb  beS  ©chöpferS 
oertoifdjen  toollten;  nur  hie  unb  ba  blieb  ein  93orftenbünbel 
Oon  ©dinur-  unb  Sadenbart;  auch  hat  er  nur  ein  Sluge. 
©S  ift  *  ef eihaft  ihn  anjufehen.  Slber  toenn  er  ben  2)ubel* 
fad  bläst,  toirb  er  ein  oollfommeneS  3Konftrum!  ©inen 
toürbigeren  93läfer  für  baS  tnedernbe  Siegenfell  tonnte  man 
fi<h  gar  nicht  benfen. 

„$aS  ift  eine  flaffifche  SJhifif,"  fprach  ber  $exx;  „hoch 
toie  toirb  ber  ^anj  auSfallen?" 

„SBarte  nur!  baS  ift  baS  93efte." 

©dhinto  geht  nod)  einmal  hinauf  unb  bringt  bie  Bal¬ 
lerina  assolutä  herein  —  er  führt  fie  am  £alfe,  bamit 
fie  ihn  nicht  .in  bie  |>anb  beiße. 

2)iefe  toar  ein  OollfommeneS  Ungeheuer  in  toeiblidjer 
9luSgabe.  $toerghaft  unb  budelig  unb  mit  fo  langen  Sir* 
men,  baß  fie  bie  ©rbe  berühren.  Shre  ©tumpfnafe  ift  faum 
fidjtbar,  ihr  §aar  bis  §u  ben  Slugenbrauen  hütabgetoachfen, 
ihr  ÜDtunb  oergogen  mit  fletfcpenben  ©toß^ähnen.  Unb  ba- 
bei*  eine  beftialifd)e  Soweit  in  aßen  ihren  Süßen. 

$)iefe  toirb  nun  §ur  Unterhaltung  beS  großen  |>errn 
Saßet  tanken,  ©ie  ift  in  oergolbeteS,  papierenes  ©etoanb 
gef  leibet ;  barum  ift  fein  ©d)abe,  toenn  fie  eS  aud)  zerreißt, 
©ie  hat  ben  £an§  gelernt,  toie  ber  Slffe,  unb  toeiß,  baß 
eS  gefdjehen  muß. 


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121 


„331  afe,  33  uf!  Sange,  ^ottyfa!"  rief  Saitnona  in 
üjre  $änbe  ftatfdjenb,  unb  atg  ber  Subetfad  feine. SKetobieen 
beginnt,  fängt  and)  bie  Sängerin  itjre  33aßetparobie  an 
unb  rnadjt  fotdje  Pirouetten,  ba§  fie  mit  itjren  Slrmen 
(mit  jenen  langen,  nicfjt  mit  if)ren  güfcen)  ben  ©tjor  meg- 
fegt,  metdjer  ben  Sadpfeifer  mit  ©efang  begleitet. 

„$opfa!  $oj)fa!"  fd£)reit  bagmifdf)en  @df)info  unb 
fifcett  mit  ber  $eitfd£)enfjn|e  bie  SSaben  ber  Sängerin, 
menn  fie  nidf)t  genug  ljod)  fpringt,  moraitf  bie  33aöerina 
müttjenbe  graben  fdjneibet.  Ser  SRinifter  mtb*  Saitnona 
finfen  fidj  oor  Sachen  in  bie  2trme.  Ser  grofje  Staate 
mann,  bag  ffllufterbitb  ber  feinen  Siptomaten  trommelte 
in  feiner  unbänbig  guten  Saune  mit  feinen  Sporenftiefetn 
auf  bem  Sifdfje,  mäfjrenb  Siabotfa  ot)ne  it)re  2tugen  gu 
ergeben,  meiter  f^ffabirt:  „Sag  —  gteifdj  —  bei  —  tter 

—  £>ei  —  ti  —  gen  —  marb  —  gur  —  Steife  —  oor 

—  ge  —  mor  —  fen  —  ben  —  33e  —  fti  —  en  —  beg 

—  S33al  —  beg"  —  atg  menn  um  fie  fjerum  nidjtg  oor* 
ginge. 

Bum  ©djtuffe  biefer  t)übfd£)en  Untergattung  ergriff 
bag  meibtidje  SRonftrum  bag  männliche  Ungeheuer  am 
fragen  unb  entführte  eg  fammt  feinem  Snftrumente  gum 
Sßatger.  ©r  btieg  aucf)  bann  nodf)  mit  aufgefdjmoltenen 
Sßangen  unb  fjernorftarrenben  Slugen.  ©djinfo  jebqdj  fnaßte 
mit  feiner  $ßeitfd£)e  bagmifdf)en,  mie  menn  er  *ßferbe  breffi= 
ren  toürbe. 

,,9lucf)  aug  biefen  33eiben  rnirb  ein  niebtidfjeg  $aar 
merben,  bag  !ann  icf)  jagen,"  fpracf)  aug  notier  ®et)te 
Iad>enb  ber  |>err.  „SBir  merben  bie  §ocf)geit  beiber  Sßaare 
gugteidf)  feiern!" 

Safür  fneipte  iljn  Saimona  fo  heftig  in  ben  2lrm, 
baft  er  taut  auffdjrie.  — 

©teicf)  am  anbern  Sage  begann  man  Siabotfa'g 
33rautfteib  gu  ftiden.  Stile  ©ftaninnen  Saimona'g  arbeite* 
ten  baran.  SRittag  fa§  Siabotfa  gemöJjntid)  an  bem  Sifdje 
beg  SDtinifterg,  mo  er  bie  SRotabititäten  ber  Umgegenb 
bemirtfjete.  Seber  mar  ein  gerne  gefetjener  ©aft,  ber  fidf) 


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122 


entfcptiefjen  tonnte,  Saimona'S  |>anb  ju  fiiffen.  Qn  ber 
Spat,  ein  tpeureS  ©ffeit! 

Slber  aucp  nocp  etwas  SInbereS  Ratten  bie  (Säfte  ju 
gewärtigen.  SSenn  ber  .pauSperr  ju  oiet  getrunfen  Ijatte, 
fing  er  Streit  mit  ipnen  an  unb  prügelte  fie  ber  Steife 
na  cp.  Sod)  beSpatb  tarnen  fie  am  näcpftcn  Sage  Wieber 
unb  gaben  ipren  Stücfen  auf's  SReue  ben  Sdptägen  preis, 
©in  fepr  tpeureS  SRittagmapl! 

guweiten  artete  baS  (Saftmapt  in  eine  Drgie  aus 
jum  Serberben  ber  S3auernmäbdpen.  SaS  aber  fiel  Seinem 
befonberS  auf. 

Stur  Siabotta  bitbete  eine  SluSnapme.  Sen  (Säften 
War  oerboten  fie  and)  nur  anjufepen,  benn  fie  ift  töraut 
—  unb  aufjerbem  Saimona’S  Stboptiötocpter  unb  ßiebting. 
SSenn  ber  grobe  Speit  ber  Untergattung  folgte,  würbe  fie 
jum  tßopen  gefcpicft.  Sein  §auS  War  ber  einzige  fixere 
Drt  in  ber  Stabt.  Slufjer  ipr  War  itod)  Sdjinfo,  ipr 
S3räutigam,  üor  prügeln  gefiltert.  Stber  nur.  Weit  er  bie 
Scptäge  auStpeitte.  @r  war  Dberpeitfcper  beS  tßatafteS. 
Qebe  Stäupung,  ißeitfcpung,  ffinutung  patte  er  ju  üott= 
ftrecten.  Sag  bringt  eben  fein  Slmt  mit  fidE).  ©r  muff 
ttjun,  WaS  ipm  befohlen  wirb.  33efieptt  ipm  fein  Jperr, 
Sorn  ju  brefcpen,  fo  brifcpt  er  Sorn;  befiehlt  er  ipm  aber, 
bie  SRufcpifS  ju  brefcpen,  fo  brifcfjt  etJnefe.  (Stücf  genug 
für  ipn,  baff  er  fcptägt,  unb  nu!jt  gefdpffcgen  wirb. 
Stufjerbem  war  er  ja  tjigeuner,  unb  ein  foicper  pat  betannfc 
ticp  ftärtere  Sterüen  atS  bie  anbern  SRenftpen. 

Stm  Sßorabenbe  beS  ipocpjeitStaaeS  befapt  Saimona 
ber  Siabotta  fiep  ipr  buntes  SBrauttfeib  an juprobiten ;  fo 
fteHte  fie  biefetbe  bem  §errn  oor.  @r"  triWrtrag  ÜDtäbcpen 
unb  Köpfte  fie  auf  bie  SSangen: 

„Siepft  Su?  3 cp  freue  midp,  bajj  Su  ein  fo  epr» 
bares  SRäbcpen  geworben  bift.  3<P  pobe  Sicp  aus  ber  ißfüpe 
perauSgejogen,  in  wetepe  Su  oerfunten  warft.  SRicpt  wapr, 
eS  ift  gut,  ein  braüeS  SRäbcpen  ju  fein?" 

Siabotta  ftürjte  auf  ipre  Snie  unb  füjjte  feine  beiben 
Süpe. 


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123 


„•Kidjt  Wafer,  e!  ift  fc^ön  Sraut  j$u  fein?  ge^t  liebft 
®u  beinen  Setter  ©cfeinfo  fdfeon?  nicf)t  Wafer?" 

®a!  Stäbchen  tierbarg  fcfeainfeaft  fein  91nttife. 

„Sun  jeige,  wie  ®u  füffen  fannft?  3Bo  ift  (Sdjinto?" 

2lber  Siabolta  liefe  fidj  nicht  tüffen  —  ©djinlo  foll 
fei!  jur  Trauung  warten. 

„(Sin  Waderei  Stäbchen!"  lobte  fie  ber  §err.  „3e|t 
führet  fie  jum  iß  open,  bamit  fie  bete,  beicfjte  unb  lotnmuni» 
cire;  am  Storgen  follen  bie  Srautmäbcfeen,  Seiftänbe  unb 
Srautfüferer  fie  abfeolen.  Segleite  fie,  ©cfeinfo!" 

Sad)  iljrer  (Sntfernuitg  liefe  ®aimona  ba!  anbere 
Srautpaar  fommen.  Sie  waren  einer  bei  anbern  wärbig : 
Sul  unb  ißolhfa. 

®er  budlige  Sräutigam  War  in  ein  feübfehe!  ©amo= 
jebenfleib  gehüllt,  bis  jur  3efee  in  ein  SobbenfeH,  feine 
Stü^e  war  mit  jWei  ^afenoferen  gejiert,  '  wäferenb  bie 
fcfeiefmäulige  Staut  all  türfifdje  Dbalilte  tierfleibet  war. 
®al  machte  fie  noch  fdferedlicher. 

„3n  ber  ®feat,  ein  herrliche!  Saar!"  lacfete  ber  £>err. 
„3<h  möcfete  nur  wiffen,  ob  fie  biefer  grofee  Sudel  beim 
Stüffen  nicht  fjinbern  Wirb?" 

„®al  tfeut  nicht!,"  fagte  bie  grau.  „Sfere  Slrme 
ftnb  lang  genug,  fid)  bie  fjaare  jaufen  $u  tonnen!" 

Unb  e!  brauchte  gar  teiner  grofeen  Stufmunterung,  fie 
auch  tior  ber  Stauung  baju  ju  bewegen;  ein  SEBort  hätte 
genügt,  unb  fie  wären  bereit  gewefen,  groben  ihrer 
ehelichen  gärttidifeit  abjulegen. 

„®a!  wirb  morgen  ein  föftliche!  Sergnügen  fein!" 
fpracfe  ®aimona. 

„(Sin  gelungener  Spafe!"  fefete  ber  ßerr  hinju. 

„Söift  ®u  mit  meinem  (SinfaUe  jufrieben?" 

„®u  bringft  ein  Steifterftücf  juwege." 

„Sun,  Wenn  ®u  mich  liebft,  thu,  wa!  ich  wache!" 

SBann  hätte  ber  Jperr  ba!  nicht  bereitwillig  getfean? 

®e!halb  liebten  fie  fich  ja  fo  innig,  weil  bie  (Sine 
nid)tl  Sfeöricfete!  erfinnen  tonnte,  Wal  ber  Slnbere  nicht 
fogleidfe  gutgeheifeen  hätte. 


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124 


Stuf  bie  SZmelgerei  folgte  ber  ©efang.  ®aimona 
begann  baS  „iötefferlieb"  —  unb  StraftSejeff  fang  mit  it)r ; 
„Sln'S  SReffer  mit  iljm!" 

35enn  bie  fünfte  unter  allen  verbotenen  tfrüd)ten  beS 
SaunteS  ber  (£r!enntni|  ift  jene,  menn  ein  glatter  Höfling, 
ber  gewohnt  ift,  ju  fcl)mei(^eln,  fiZ  ju  büden  unb  ju 
frieren,  unbelaufdjt  in  feinem  Zimmer,  menn  nur  nod)  fein 
Sopf  vom  SCßeine  frei  ift  (unb  nid)t  beffen  eblerer  Uljeil : 
ber  Serftanb)  nad)  £>eräenSluft  ein  3teVolutionSlieb  anftim* 
men  barf,  in  meinem  er  feinen'  ßernv  unb  beffen  Wiener 
anfpeien  fnnn. 

„9llfo :  beginnen  mir  rnieber  von  Vorne!  2Bo  ift  baS 
©taS?"  (5)enn  bie  geleerten  Sedjer  jerfZmetterte  er  nad): 
einanber  an  ber  SBanb.) 

3)a  aber  erfc^ien  ftatt  beS  SecfjerS  ber  ©rof?munb= 
fd^enf  Sdjinfö  unb  überreizte  auf  filberner  Xaffe  feinem 
iperrn  einen  Srief,  ben  ein  berittener  Sourier  foeben 
gebraZt. 

2lrattSejeff  erfannte  fogleiZ  bie  SZrift  auf  bem 
Souberte.  @r  fprang  auf  vom  25ivan,  maZte  feinen 
•Raden  loS  Von  ben  Sinnen  5)aimona’S  unb  feinen  3Runb 
eilig  abtrodnenb,  brüdte  er  ben  Srief  an  Stirn  unb  Sippe, 
bann  fpraZ  er  in  bumpfem  Hone : 

,,©ib  fjer  bie  SZeere!" 

„SBoju  bie  SZeere?  erbriZ  ben  Srief  mit  ber 
$anb!" 

„S)ie  ©djeere,  menn  iZ  fage!"  fZrie  er  jornig  unb 
ergriff  gemaltfarn  bie  Von  2)aimona’S  ©ürtel  an  langer 
Sette  perabl)ängenbe  ©deere,  nnb  mäljrenb  er  mit  jittern» 
ber  Ipanb  baS  ißetfZaft  auffZnitt,  fpraZ  er  mit  ber 
Stimme  eines,  gieberlranlen  :  „®aS  ißetfZaft  beS 
©jaren  .pflegt  man  n i Z t  ju  erbreZen!" 

•„®eS  Sjaren?"  frug  ftaunenb  ®aimona. 

StraftSejeff  tonnte  ben  Srief  fZnetl  burZlefen,  aufjer 
ber  UnterfZrift  ftanben  bloS  bie  beiben  SBorte  brin: 
„Somme  fogleiZ  ■" 

„Sringe  SESaffer !  lalteS  SEßaffer !"  befalil  er  bem 


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125 


Sd&info.  Unb  atö  biefer,  nicf)t  miffenb,  too ju  e§  gehört, 
einen  Sinter  Sßaffer  braute,  ergriff  ber  £>err  ba3  ©efd^irr 
mit  beiben  $änben  unb  trän!*  barou§  in  langen  ßügen. 
®aimona'3  Staunen  tt>ucf)3  immer  mef)r. 

„2Ba$  fefjtt  ®ir?" 

„gef)  mu|  auf  ber  Stelle  abreifen  V4  feuchte  ber  £err. 
„Site,  Sd^info!  tafc  einfbanneri.  ,8tt>ölf  Leiter  foöen  midf) 
mit  gadfeftt  begleiten;  einer  reite  öorau§,  um  bei  ben  $ßoft= 
ämtern  ^ßferbe  ju  befteflen.  —  Stiege !" 

„®u  miflft  abreifen?"  frug  ®aimona  oernmnbert. 
„9luf  ber  Stelle!  ber  ©gar  befiehlt  eä!" 

„Unb  ®u  eilft  auf  fein  ®ef)eif3  jurücf ?" 

„Sßie  ba§  ®ofafenrof$  auf  ben  $fiff  feinet  §errn." 
„Unb  miüft  an  ber  morgigen  greube  nicf)t  tfjeilnefjmen?" 
„gef)  muf$  t^r  entfagen." 

„®u  millft  micf)  toerfaffen?"  fragte  fie  UornmrfSOotL 
„®u  liebft  micf)  affo  nid^t  mef)r?" 

„®er  ©gar  fdtjrieb  mir  eigenfjänbig,"  anttoortete  ber 
iperr  unb  ^iett  ifjr  ben  83rief  ljm* 

„3Ba3  fümmert  micf)  fein  83rief?"  fdjrie  ®aimona 
unb  mit  ifjrer  ßinfen  ben  Srief  erfaffenb,  fd^nitt  fie  mit 
ber  Scf)eere  in  ifjrer  $ftecf)ten  ein  Stücken  baoon  fjerauä. 

hierauf  ergrimmte  ber  |>err  berart,  baft  er  ®aimona'§ 
§anb  fo  ftar!  fcfjlug,  toie  man  im  3orne  gu  fragen  pffegt. 

„®u  fjaft  micf)  gefcfjfagen!  ®u  fyaft  micf)  gum  2fbfcf)iebe 
gefdljfagen!" 

®ie  grau  toanbte  ficf)  ab,  legte  if)r  ©efidfjt  auf  ba$ 
Äiffen  be§  SopfjaS  unb  meinte  bitterlich 

®odt)  ber.  §err  t)atte  je£t  feine  $eit,  fie  tröftenb  gu 
nerfö^nen. 

„Seisasz!  —  ®ie§  ift  bie  ßofung!  Sogfeidf)!  Sogteid^ !" 
SBäre  ein  SReer  in  feinem  SBege  gelegen,  fo  fjätte  er 
e§  burdjfcf)tt)immen  müffen!  Um  toie  trief  me^r  affo  Sßeiber* 
tfjränen!  — - 

®a§  geft  ber  hoppelten  Trauung  fann  gefeiert  toerben, 
er  ttrirb  nicJjt  mitfadjen. 


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126 


„@ile,  eile,  ©djinlo!  bann  lomme  in  mein  .Qimmer, 
midi  ju  ragten!" 

®er  SRinifter  ließ  nämlid)  mäljrenb  feines  9lufentl)alteS 
in  ©rufino  feinen  Satt  unb  ©djnurbart  warfen,  fo  gefiel 
eS  $aimona  unb  erft  bei  ber  Slbreife  liefe  er  fid)  rnieber 
rafiren. 

„®ib  Sldfjt,  bafe  ®u  mld)  mit  beinern  Slafirmeffer  nidjt 
fdineibeft,"  fprad)  er  ju  ©dffinlo,  als  er  begann,  Sdjinfo 
mar  ber  ©injige,  bem  er  feine  Sefjle  anbertraute.  „SBenn 
mein  ©efidjt  fdjneibeft,  fo  erfcfeiefee  id)  2)id)  fofort." 
®ie  beiben  SReifepiftolen  lagen  aud)  im  ©ereile  feiner 
.'panb,  ©djinlo  mar  beliutfam  unb  beenbigte  feine  Operation, 
ohne  baS  2lntli|  beS  $errn  berieft  ju  feaben.  Unb  bieS 
mar  ein  grofeeS  ©liidf  für  .  .  .  SlraltSejeff.  ®enn  ber 
gigeunerburfdfe  mar  entfdjtoffen,  bei  ber  geringften  $er= 
le|ung  bie  ®el)le  feines  £errn  burdfjjufdjneiben,  —  bamit 
er  ifen  nidR  erfd^iefeen  lönne.  Niemals  ftanb  3lraltSejeff 
feinem  ©rabe  näfeer. 

ÜtlS  er  fertig  mar,  erllangen  fdjon  im  fpofe  bie 
©löddjen  ber  brei  eingefpannten  £engfte. 

SlrattSejeff  barg  ben  SBrief  beS  ©jaren  an  feiner 
93ruft  unb  eilte,  fid)  bon  25aimona  511  berabf trieben.  Sie 
featte  fid)  in  it)r  Zimmer  eingefdjloffen. 

„Sdj  feabe  micf)  fdjon  fdjtafen  gelegt." 

„®ott  mit  ®ir,  meine  Xljeure!" 

SReljr  ju  fpredien,  I>atte  er  leine  3eit. 

®aimona  lonnte  bon  iljrent  genfter  aus  fefeen,  mie 
ber  iReifemagen  baljinrafte,  bon  smölf  berittenen  Sadel» 
trägern  begleitet. 

©S  mar  ftodfinfter  unb  regnete  in  Strömen,  —  rin 
SBetter,  in  meldieS  man  felbft  leinen  Kämmerer  jur  Xf)ür 
IjinauSfagen  foHte. 


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xxxvn. 

■gtüff  ww  ^Reffet  —  trifft  tu’*  «Äorj. 

Straftgefeff  mürbe  bei  feiner  Stnfunft  im  fßalafte  oon 
Sftitter  ©atban  empfangen. 

„SBag  ift  baheim  gefdjehen?"  frag  er,  mäljrenb  er  bie 
ffteifefteiber  gegen  bie  Uniform  üertaufdjte. 

„Sin  überrafdjenber  Umfchmung.  Der  Gjar  Ijat  fitf) 
beim  Segräbniffe  feiner  Dod)ter  mit  ber  Gjarin  oerföhnt, 
unb  feitbem  hütet  er  fie  unauggefefet.  Scbe  biptomatifcfee 
Slttion  ift  unterbrochen.  Die  gricd)iid)e  Deputation  mürbe 
nicht  empfangen.  Die  ©arbeoberften  mürben  in  ihre  Kolonien 
jurücfgefchicft." 

„Unb  mag  fagen  bie  grauen?  bag  ift  bie  fpauptfache." 

„Den  grauen  ift  jefet  ferner  nahe  ju  tommen.  Seit» 
bem  fich  ber  ©jar  unb  bie  ©jarin  oerföhnt  hoben,  ift  in 
St.  fßetergburg  plöfetich  bie  grauentreue  SJtobe  gemorben. 
Sieber  giirft  fährt  feine  gürftin  fpajieren.  Sluch  giirftin 
©hebimin  ftotjirt  mit  Dftentation  am  Strme  ihrcg  ©atten 
unb  benimmt  fich  f°  prübe,  bafe  fie  !aum  meinen  ©rufe 
ertoibert." 

„Unb  ßeneiba?" 

„Die  ift  in  Ungnabe  gefallen.  @g  mürbe  ifer  burch 
ben  Dberfthofmeifter  befannt  gegeben,  bafe  man  eg  hohen 
jDrtg  nicht  üerhinbern  mürbe,  menn  fie  bie  fünftige  Stag= 
gione  unter  einem  günfligeren  .pimmetgftridje  jubringen 
mottte.  Darauf  fchicfte  fie  fofort  ihr  ©rnennunggbetret 
jurücf.  Sie  läfet  ihre  SJtöbetn  terfaufen  unb  bereitet  fich 
jur  Steife." 

„Unb  mag  mar  bie  Urfadje  ber  Ungnabe?" 

„fßufchfin.  —  Du  meifet  ja,  bafe  er  Sophie  Starifdjtin 
heiraten  foDte." 

„Dag  heißt  —  eg  tjflt  fich  um  eine  ärjtliche  Sift 
gehandelt.  ®tan  mottte  bag  Seben  beg  tränten  ÜBtäbcheng 
üerlängem  unb  angenehmer  machen,  inbem  man  fie  ber* 
tobte." 


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„Slber  beStjalb  mar  ißufdjfin  boe^  tl)r  ^Bräutigam,  unb 
ber  ©jar  War  empfinblid)  baburdj  berührt,  ba|  jid)  ißufdjfin 
am  felben  Sage,  an  welchem  Sophie  begraben  würbe,  mit 
ber  fd)önen  Setljfaba  trauen  taffen  tonnte,  bie  er  ber 
gürftin  ©Ifebimin  entführte. 

„Stl),  er  entführte  ba3  Keine  StönigSfräutein  offne 
ßanb?" 

„Sen  Sjaren  tränlt  biefe  ^perjlofigfeit.  Sat)er  feine 
Ungnabe  gegen  gräutein  gtmarinen." 

„2Bie  fommt  $eneiba  baju?" 

„Sie  war  3euge  &ei  ißufdjfin’S  Stauung." 

„SBie,  fie  fetbft?  Unb  ißufd)tin  würbe  oon  3eneiba 
angebetet!  Siefeä  äßeib  ift  ein  gefätjrlidjer  ©Ijaratter!" 

„3um  ©lüd  fann  fie  nid£)t  oiet  melfr  fcfjaben.  Sie 
Ijat  atterbingS  unt  eine  Slubienj  beim  ©jäten  gebeten, 
aber  ©e.  SRajeftät  antwortete,  baR  er  fie  nur  in  Seiner 
©egenwart  ju  empfangen  geneigt  fei." 

„9tun,  bann  foU  eä  ein  bitterer  ©mpfang  werben! 
$dj  banfe  für  bie  guten  S'tadfridften." 

SlraftSejeff  eilte  nad)  ber  ©remitage.  Wo  ber  ©jar 
Sormittag§  ju  treffen  war. 

Slleganber  reifte  bem  jurüdgefeljrten  tpöfling  —  ber 
Sag  unb  üftadft  gereift  war,  um  auf  feinen  9luf  ju  erfdjeinen 
—  bewegt  bie  §anb. 

„SJiein  einziger  unb  wahrer  gteunb!"  ftüfterte  ber 
fperrfdjcr. 

„lftid)t  ber  einzige,  ©ire!  Ser  erfte  ift  bie  ©jarin." 

„Su  Ijaft  SRecf)t.  3Sir  tjaben  un§  auf’s  Sieue  gefunben, 
unb  idf  erfahre  erft  fegt,  baff  id)  eine  ganje  SBett  in  il)r 
jurüdgewomten.  Saum  erwarte  id)  bie  SBiinute,  welche  mid) 
au§  biefem  SBuft  oon  Sitten  ju  iijr  nad)  Ipaufe  bringt." 

,,3cf)  ftet»e  ju  S3efeE)l,  ©ire!" 

„SaS  ift  mir  ganj  gelegen.  Sefaffe  Sidf  nur  mit 
biefem  ©tofj  oon  papieren,  aus  welkem  id)  micp  nidjt 
mel)r  juredjtfinbe,  unb  ertebige  SltleS  nad)  Seiner  ©inficpt." 

,,3d)  rüljre  mid)  uid)t  fort  oon  I)ier,  ef)e  SllleS 
fertig  ift." 


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,, Unter  Slnberem  ift  audp  baS  ©efudt)  grt.  Qftmarinen'S 
um  eine  tefcte  Slubiena  unter  ben  papieren.  Stntmorte  ipr 
in  meinem  Stauten :  3d)  toitt  fie  empfangen,  bodp  nur  in 
Seiner  ©egenmart.  3ept  gepe  idp  in  bie  ®irdpe.  Sort 
treffe  idfj  mit  meiner  ©ernatin  jufammen.  SSir  patten  baS 
Stequiem  für  bie  arme.Soppie  Starifdpfin." 

StraftSejeff  fteflte  fiep,  atS  pörte  er  bieS  gum  erften 
SDtate,  bann  führte  er  in  gotge  biefer  Ueberrafcpung  eine 
tpeatratifepe  ©eene  auf  mit  allerlei  Stugenberbrepungen, 
naep  benen  er  fcptiefctidp  bie  §anb  beS  Sparen  füfete.  — 
„3$  füllte,  mie  mir  baS  §erj  mit  biefer  Srauernadpridpt 
perauSgeriffen  mirb,  ©ire!"  —  ©r  mar  ber  einzige  Sftenfdp 
auf  ber  SBett,  ber  fiep  über  bie  SobeSnadpriept  biefer 
ungtüdftiepen  ®inbeS  freute. 

Ser  ©§ar  lieft  ipn  allein  in  feinem  StrbeitSjimmer, 
unb  ber  ©ünftting  f)atte  natürtiep  ©itigereS  ju  tpun,  atS 
baS  ©efudp  ßeneiben'S  §u  beantmorten.  —  Sorerft  rnuftte 
nodp  nietet  Stnbere  ertebigt  merben.  9tuS  ber  SOtenge  ber 
eingetaufenen  ©Triften  mar  eS  erfieptlicp,  baft  bie  SDtäufe 
tanken,  menn  bie  $ape  nid^t  im  £mufe  ift.  ©3  mar  bereits 
Stiles  mieber  in  Vemegung,  um  ben  ©§aren  auf  ben  2Beg 
beS  ßiberatiSmuS  §urüd§ufüt)ren.  —  Samit  muffte  in 
erfter  Steife  aufgeräumt  merben!  —  —  —  — - 

Seneiba  mürbe  an  einem  ber  näcpften  Sage,  inmitten 
iprer  Vorbereitungen  $ur  Steife,  bon  3afuSfin  überrafdpt. 

„3$  bin  gefommen,  Sitten  meine  greube  bar  über 
auSjufpredpen,  baft  Sie  uns  bertaffen." 

„Sine  eigentpümtiepe  2trt  beS  SlbfdpiebeS." 

„Slber  begreiflich !  ©S  ift  gut  für  Sie,  baft  Sie  gepen, 
unb  auep  mir  fapren  gut  babei.  Sie  Stolle,  metepe  ©ie 
gefpielt  f laben,  ift  $u  ©nbe,  unb  barüber  freue  iep  midp!" 

„@S  fepeint  fo." 

„StraftSejeff  ift  mieber  aurüdgefeprt,  unb  feine  eiferne 
£>anb  fepmebt  über  unferen  köpfen,  ©ie  paben  ipn,  fepöne. 
IBtabonna,  auf  feine  SSeife  bon  hier  entfernt.  Stun  ftettt 
eS  fi<h  perauS,  baft  bie  feinen  Sntriguen  in  nuferer 
Sltmofppäre  nidptS  helfen.  Ser  atte  Sprann  ift  mieber  ba, 

Sölai:  Oftel^eit.  II.  9 


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unb  bet  ©jar  ift  je|t  Diel  mef)r  ttt  feiner  2RaZt  als 
früher." 

„3Z  erfahre  eS.  $ur  lebten  2tubienj  betam  iZ  nur 
in  •  ber  SBeife  ©rtaubnifc,  baß  fie  in  feiner  ©egenwart 
ftattfinbe." 

„Unb  Sie  werben  fjingefjen?" 

„S«  jebem  Salle.  SZ  mufj  ben  ©jaren  mit  ißufdjfin 
üerföfjnen.  * 

„SRur  be§£)alb  motten  Sie  fjingefjen?" 

„SßaS  Ejätte  i Z  fonft  noZ  £)ier  ju  tf)un?" 

„2tlfo  nid)t,  um  2lrattSejeff  noZmatS  aus  bem  Sattel 
ju  lieben?" 

„SZ  f)abe  lein  ffltittet  baju." 

„9tun  benn,  iZ  tjabe  eins!" 

„©troaS  ©eWaltfameS?" 

„©S  ift  bereits  gefcEjetjen.  —  @r  ift  morgen  nic^t 
meljr  in  Petersburg.  3Z  treffe  it)n  in'S  fperj  unb  nic^t 
einmal  mit  einem  fflteffer.  Sein  Scfiictfat  fat  ficf)  bereits 
erfüllt.  @r  ift  fZon  begraben,  obgleich  er  leine  Sfiinung 
baoon  pat.  —  Sefen  Sie  biefen  SSrief." 

Stuf  geneibenS  ©efidjt  WeZfelte  $obtenbläffe  unb 
Seuerrötlje,  wälirenb  fie  ben  it>r  Don  SaluSlin  überreizten 
Sßrief  überflog.  Spre  Sippen  blieben  Dor  Staunen  unb 
©rauen  offen  als  fie  baS  laS. 

„Sf)t  feib  fZreclliZe  SJlenfZen!"  ftammelte  fie,  inbem 
fie  ben  Srief  jurüclgab. 

„tttidjt  mal)r,  wir  berftef)en  unfere  SaZe!" 

„Unb  er  weift  noZ  gar  niZtS  baDon?" 

„@r  f)at  leinen  SKenfZen,  ber  eS  Wagte,  it|m  bieS 
belannt  ju  geben.  SBlir  l)at  eS  Sliaboffa  felbft  gefZrieben. 
3Z  f)«be  ben  SBrief  copirt  unb  baS  ©anje  an  ben  ©jaren 
abreffirt  burZ  bie  SoppienSfa  Sßoft  abgefanbt.  SRöge  er'S 
aus  feinem  ÜJlunbe  erfahren,  —  ober,  was  noZ  toaljr= 
fZeinliZer  ift,  möge  eS  in  feine  |>änbe  gelangen,  wenn  er 
bie  SBriefe  beS  ©jaren  öffnet.  2t  f)  geneiba !  wenn  er  biefen 
SBrief  gerabe  beläme,  wälirenb  Sie  beim  ©jaren  jur  2tubienj 
finb!  Sßenn  Sie  Zn  in  biefem  2lugenbtitfe  fepen  lönnten. 


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511) !  um  ben  ©enuß  biefer  ©eene  lönnte  id)  Sie  beneiben!" 


ßeneiba  mar  für  ben  anbern  Sag  jur  Stubiens  be= 
feßieben. 

Ser  ©jar  !am  gemößnlicf)  gegen  5  Ußr  SJtadjmittagS 
uon  SRonplaifir  unb  berbraeßte  bann  eine  furje  ©tunbe  in 
ber  ©remitage,  bem  neben  bem  SBinterpalaft  gelegenen  Sieb» 
lingSaufentßalt  Äatßarina'S  II.  £>ier  mar  feine  Sibliotßef, 
in  melier  er  ju  arbeiten  pflegte,  ein  feßr  einfadß  möblirter 
Salon ;  £)iel;er  braute  man  ißm  aueß  bie  mit  ber  Sophien» 
poft  angetangten  Briefe.  Ser  ganje  ©aal  ftanb  jeßt  9traf= 
tSejeff  jur  Verfügung,  ber  bom  SERorgen  bis  jum  Slbenb 
bort  arbeitete  unb  allein  baS  ©cßicffal  bc§  ganjen  9tiefen= 
reid^e§  beftimmte  —  im  Flamen  beS  ©jaren.  Sleußere  unb 
innere  ißotitil,  ^Religion,  ©rjießung,  §anbel,  ginanjen, 
alles  ßing  oon  feinem  SMIen  ab,  bie  SRinifter  unb  Statt» 
patter  maren  bloS  feine  puppen. 

Wlejanber  moKte  bon  nichts  miffen;  ungelefen  unter» 
fdßrieb  er  2lHeS,  maS  ißm  2lra!tSejeff  borlegte.  SBaS  3ener 
auf  bie  ©eite  legte,  mar  nmfonft  getrieben. 

Slucß  an  biefem  Sage  arbeitete  ber  ©ünftling  an  bem 
eigenen  ©eßreibtifeße  bei  ©jaren,  mäßrenb  Sllejanber  felbft 
unrußig  im  3*mmer  auf  unb  ab  ging,  gür  ben  heutigen 
Sag  mar  SRiemanbem  als  grt.  iglmarinen  eine  Slubienj 
bemiüigt. 

ßeiteiba  erfdßien  jur  beftimmten  ©tunbe.  Sie  mar 
ganj  in  Srauer  geßüKt,  maS  in  fettfamem  ©egenfaße  ju 
ißrern  rötßlicßblonben  §aare  ftanb. 

Ser  ©jar  ging  ifjr  entgegen  —  empfing  fie  aber  mit 
großer  ®älte.  SlraftSejeff  tljat,  als  bemerlte  er  fie  laum; 
er  menbete  lein  5tuge  Bon  ben  bor  ißm  liegenben  papieren. 

„gräulein  Stmarinen,"  fagte  Sllejanber,  „Sie  motlten 
perfönlidß  mit  mir  fpredjen.  ©preßen  ©ie,  maS  ift  Sßr 
SBunfcß?" 

„SßoHen  ©ure  SRajeftät  meine  ®üßnßeit  berjeißen, 
aber  icß  muß  ©Triften  übergeben,  bie  mir  itjr  9lbfenber  mit 
ber  Sßeifung  anöertraut  ßat,  baß  idß  fie  nur  ©urer  3Raje» 

9* 


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ftät,  unb  nur  perfönlid)  überreife.  ©Jiefeä  ijßadet  ©Triften 
—  ift  ba3  Xagebucfe  ber  üerflärten  ©opfeie  -Jtarijdjfin!" 

©)er  ©$ar  feufjte  tief  unb  fogte  mit  jitternber  Stimme : 

„SlrmeS  ffiinb!" 

,,©)aS  war  ifer  legier  SBunfcfe  —  unb  icfe  mufete  ifen 
erfüllen. " 

„Sie  Waren  atfo  bei  it>r  in  iJjrer  testen  ©tunbe?" 

„Unb  aucfe  fpäter  nocfe.  ©ie  liefe  micfe  ju  ficfe  rufen." 

„Sie  feaben  ifer  bie  Stugen  jugebrüdt?" 

Beneiba  nicfte  nur  ftumm. 

„Sidj  banle  Bfenen,"  fagte  ber  ©jar  unb  übernahm 
ba3  in  feine  weifee  tafeln  gebunbene  Sagebucfe ;  er  reichte 
Beneiben  feine  £>anb.  .  .  .  eine  lauwarme,  toeicfee,  bünne 
Jpanb,  ofene  jeben  ®rucf. 

Beneiba  füfete  bie  $anb. 

„fabelt  ©ie  irgenb  einen  SEBunfcfe,  gräulein  31ma= 
rinen?" 

„9tur  ©inen,  ©ire!  —  bafe  ©ie  bie  ©ewogenfecit 
feaben,  in  meiner  2tnw ef entjeit  bie  brei  lebten 
Slätter  üon  @opfeien§  Xagebucfe  ju  lefen." 

S)er  ©jar  blidfte  feinter  fiel),  wie  um  Ütraftäejeff  ju 
fragen,  ob  er  eS  geftatte?  ©rft  bann  entfcfelofe  er  ficfe  jur 
©rfüHung  ifjreS  2Bunfc£)e§.  ©r  öffnete  baö  Sagebucfe 
unb  la§. 

Gr  bife  feine  Sippen  jufammen,  um  feine  SRüferung  ju 
oerbergen.  ®ocfe  Beneiba  wufete  ja,  wa8  ber  ©jar  laö;  fie 
fannte  beit  ganzen  Qrtfeatt  be«  XagebudjeS :  jene  testen 
Wirren  Beilen,  Welcfee  bie  pdenbe  Jpanb  eines  uitgliidlicfecn 
Äinbe§  fdjrieb,  weidjes  fefenenb  unb  fürdjtenb  bie  falte 
Umarmung  beö  2obe§  erwartete.  Unb  als  ber  ©jar  naefe 
bem  Sefen  ber  lebten  ©eite  ju  Beneiba  aufblidte,  jafe  er 
ifere  91ugen  mit  jEferänen  erfiiQt 

SßortloS  bewegte  er  fein  £>aupt  unb  feufjte. 

„SRidjt  Wafer,  ©ie  Würtfcfete,  bafe  icfe  bieS  lefe,  um 
ißufdjfin  reinpwafefeen?  —  ©ie  wollte  e§  fo!  ©ie  war 
eine  grofee,  eble  Seele!" 

,,©)a§  war  fie  wirftiefe  unb  in  ber  Ifeat,  ©ire!" 


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„(Sie  tooüte  eg  alfo,  unb  ^ufcpfin  pat  nur  ipren 
lebten  SBunfcp  erfüllt,  alg  er  fo  jubelte?" 

„Sr  fonnte  nicpt  aitberg." 

„3cp  glaube  eg.  Sr  fonnte  nicpt  anberg !  Unb  bennocp 
öermag  idp  rnicp  mit  bem  ©ebanfen  nicpt  $u  oerföpnen,  baß 
er  eg  tpat!  —  baß  er  jur  fetten  Stunbe,  in  toelcper  er  bag 
Slntlifc  ber  eineu  Sraut  mit  bem  fieidpentudpe  öerpüUte,  bie 
Slnbere  mit  bem  Srautfcpleier  bebecfen  fonnte!  Sr  mußte 

eg  ja  tpun! - Unb  bocp  fcpeint  eg  ber  menfcplicpen 

Sernunft  faft  unoerftänblicp,  toie  bie  ganje  Stoigfeit  im 
3eitraume  einer  (Stunbe  $la$  finbet!  —  toie  ein  SKenfcp 
in  einer  (Stunbe  oorn  Sigpole  big  jum  Slequator  fliegen 
fann!  —  toie  gernanb  in  einer  unb  berfetten  Stunbe  eine 
tobte  ©etiebte  betrauern,  unb  eine  lebenbe  lieben  fann!" 

„Slber  toenn  er  fie  fcpon  oorbem  liebte?"  frug  ^eneiba 

Mt. 

„SBag  fagen  Sie?" 

„SBenn  bag,  toag  er  für  bie  SSerflärte  füllte,  nicptg 
Shtbereg  toar,  alg  Anbetung  unb  gren^enlofe  Sereprung  für 
eine  Setoopnerin  beg  3ettfeü3,  bie  bamalg  mit  ipren  glügeln 
fdpon  im  £>immel  toar,  alg  er  fie  fennen  lernte?  SBenn  alle 
guneigung,  gärtlidpfeit,  $ulbigung,  bie  ipn  §u  ben  Süßen 
feiner  angebeteten  ©raut  führten,  nur  Opfer  toaren,  bar* 
gebradpt  einer  ^eiligen,  um  fie  bem  ßeben  §u  erhalten?" 

Sttqcanber  fdplug  mit  feiner  Singerfpifce  auf  feine  Stirne. 

„Sie  paben  9ied£)t!  2)arnacp  pabe  icp  ja  nocp  nie  ge- 
fragt.  Sftiemalg  fragte  xd)  ipn,  ob  ber  Xraum  eineg  franfen 
SRäbcpeng  tnepr  alg  ^pantafie  ift?  Sr  ließ  fiep  unter  bie 
Sraumbilber  einreipen.  2)ag  toar  bag  Sanje!  Unb  im 
§er§en  liebte  er  eine  Stnbere.  Sü r  fie  patte  er  fiep  auf' 
geopfert.  —  2)urcp  meinen  Septer  ift  eg  fo  gefommen!  — 
benn,  toag  idp  tpue,  ift  feplerpaft,  unb  jeher  ftepler  gefepiept 
burep  miep!" 

$ieg  fpradp  ber  §err  ber  ßänber  niept  im  $one  ber 
Sitterfeit,  fonbern  mit  ber  traurigen  Ulletancpolie  ber  Ueber* 
jeugung. 

Sr  toar  bebauerngtoertp. 


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ißlöfctich  Wanbte  er  fich  ju  geneiba: 

„SBünfchen  Sie  alfo,  bafj  ich  ißufdjfin  geftotten  fott, 
jurüdjufetjren?" 

„Utein,  Sire!  Gr  ift  gut  aufgehoben.  Sßer  ihm  gut  ift. 
Wirb  fieser  wünfcljen,  ba£t  er  ferne  o on  hier  gtücfticf»  lebe!" 

®aS  überrafchte  StraftSejeff :  er  Warf  bie  gebet  auf 
baS  Rapier  nieber  unb  flaute  auf  ju  3eneiba. 

„Unb  für  fich  felbft  hüben  Sie  feinen  SBunfcf)?"  frug 
ber  Gjar. 

„Sch  berlaffe  morgen  St.  Petersburg,  Sire!" 

„Unb  wünfdjen  Sie  nicht,  bah  i<h  3hnen  baS  Grnen« 
nungSpatent  $urüdfcf)tde?" 

0,  Wie  ftolj  erhob  fie  bei  biefen  SBorten  ihre  Stirne! 
8tu<h  fie  ift  eine  Königin!  Sie  bewies  eS  auch. 

„Sire!  Wo  man  mir  einmal  anjeigt,  bah  weine  2ln= 
Wefenheit  unangenehm  ift,  bort  bleibe  ich  nicht!"  $aS  War 
ein  fühneS  SBort!  Stngrenjenb  an  gelonie!  So  pflegt  man 
nicht  bor  bem  S'aifer  alter  Sfteuhen  ju  fprechen!  —  ®er 
©ünftling  fprang  boit  feinem  Si|e  auf  unb  antwortete  ftatt 
beS  melancholifchen  gefrönten  §aupteS  ber  ftoljen  ®ame: 

„SBiffen  Sie,  mein  gräulein,  bah  Pflichten  gibt, 
bie  beim  berieten  Ghrgefüf)le  nicht  aufhören;  bahin  gehört 
bie  $utbigung  bor  jenem  Xfjrone  unb  ^errfdjer,  bem  Sie 
Shren  SRuhw  berbanfen." 

BeneibenS  Stufen  wogte,  ihre  rofigen  Siafenftügel  er« 
Weiterten  fiel),  wie  bie  beS  ßebra,  baS  »um  Kampfe  mit 
bem  SBolfe  bereit  ift.  Shre  Qtohen,  wetterleudjtenben, 
fdjwarjen  91ugen  brohten  ben  ©ünftling  ju  berühren,  ihre 
Sippen  bebten,  Wie  bom  Sieber  gerüttelt. 

„©näbiger  |>err!  ..."  feudEjte  fie  .  .  „GS  gibt  SJten* 
fchen,  Welche  ben  $anf  gegen  ihre  SGBohlthüter  bis  auf  bie 
anbere  Hälfte  ber  Grbe  mit  fich  nehmen,  unb  bie,  wenn 
fie  baS  Unglüd  hatten,  bie  ©unft  ihres  erhabenen  ®e= 
f<hü|erS  ju  berlieren,  —  bod;  nicht  nach  £>aufe  gehen, 
um  baS  „ÜJtefferlieb"  ju  fingen." 

$>aS  war  ein  fo  graufamer  Schlag  auf’S  $aupt 
SlraftSejeff’S,  bah  er  fich  surüdfegte  unb  that,  als  ob  er 


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e£  nidjt  ber  SRü^e  mertf)  hielte,  auf  biefe  Snfinuation  ju 
antworten,  Soflte  biefe  $ame  mirflid)  etma§  miffen?  §at 
fie  iljre  geheimen  Spione?  t)iefleid)t  2)iabotfa?  ba§  3*9^= 
nertnäbdfjen  !ann  ja  fdfjon  fdjreiben! 

Statt  be§  berftummten  @iinftling3  nafjm  jept  ber 
iperr  bie  San^e  auf.  So  mar  e§  audf)  gut.  SBemt  ber 
Snedjt  ben  §errn  bertfjeibigt,  bertljeibigt  aud)  ber  £err 
ben  Änedjt. 

„Sie  ljaben  bitteren  Semerfungen  am  unrecfjten 
Drte  angeioanbt,  gtäulein  Slmarinen!  SBemt  e£  in  ©rofc 
Sftufjlanb  einen  SRann  gibt,  melier  als  boflfommeneä 
SRufterbilb  ber  9lnl)änglid)feit  unb  Untert^anentreue  t)in* 
gefteßt  merben  barf :  fo  ift  er  e3 !  —  er,  ber  mid)  in 
meine  Sd)ladf)ten  begleitete,  jebe  ©efat)r  mit  mir  feilte, 
unb  fidj  bodj  nie  einen  Xfjeil  meinet  9tul)me3  erbat!  — 
ber  ioadf)  ift,  bamit  idfj  fdjtafen  tönne,  —  ber  aßer  SBelt 
tropt,  um  midj  ju  befdjiipen;  —  ber  aßein  bei  mir  au3= 
fjarrte,  menn  mid)  2tße§  berliefj :  ba§  ift  2lraft£ejeff!  — 
9Bie  biele  fernere  groben  ber  Xreue  tjatte  er  ju  hefteten! 
2Bie  oft  jmangen  mid)  feine  geinbe,  if)n  bon  mir  ju  ent* 
fernen!  —  Unb  bocf),  fo  oft  idfj  ifpt  rief,  fam  er  jurüd, 
oljne  einen  Saut  ber  Stage!  3d)  t )abe  fein  ^erj  getroffen, 
aU  id)  feinen  einzigen  Sol)n  tierbannte.  Unb  er  fagte,  idf) 
Ijabe  9te<f)t,  fiifete  meine  §anb  unb  blieb  mir  treu.  ®a£ 
ift  SlraftSejeff!" 

S)odt)  ber  ©ünftting  fonnte  fid)  biefer  faifertidfjen 
Slnerfennung  nidf)t  met)r  erfreuen,  benn  als  er  fidj  nieber* 
fefcte  unb  junt  SBemeife  feiner  beradjtenben  ©teidfjgittigfeit 
bie  Sopljienpoft  öffnete,  ba  geriet^  jener  ©rief  in  feilte 
£anb,  bon  bem  3>afu§fin  mit  3^tteiben  gefprodfjen  Ijatte, 
unb  biefer  ©rief  feffette  foldfyermafjen  feine  9tufmer!fam!eit, 
bafc  er  baburdt)  —  unglaublid)!  felbft  feine  SobeSerljebung 
bon  ben  Sippen  be£  Sparen  überhörte. 

Unb  3^etba  fat),  mie  biefer  ©efidjt  fid^  bor  tjöflifdjer 
Dual  berjerrte,  toie  e§  fid£)  —  in  namenlofem  Sdjreden 
judenb  —  in  bie  Sarrifatur  eines  mafjnfinnigen  ©efpenfteS 
ummanbette;  fie  fa^,  mie  fid}  fein  £aar  emporridjtete, 


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136 


feine  Sippen  blau  würben  unb  feine  Singen  au8  iftren 
Weiften  fjöftlen  ftarrten. 

„SBefte  mir!"  brüllte  er  plöftlicft  in  fo  beftialifeftem 
Sone,  baft  ber  ©gar  fiel)  erfeftroden  umwanbte.  Slraftgejeff 
feftlug  ben  S3rief  mit  feinen  beiben  fpänben  an  fein  $erg, 
wie  man  mit  bem  §aare  beg  tollen  f?unbeg  beffen  S3ift 
gu  ftetfen  pflegt,  ober  wie  man  mit  bem  erfdjtagenen 
©forpion  beffen  ©tieft  fteilet;  —  bann  fprang  er  oon 
feinem  ©ifte  empor,  „SBefte  mir,  wefte,  baft  ieft  fterfam! 
SBarum  War  idft  bamalg  nieftt  bort?" 

Unb  er  ftürgte  wie  ein  SBaftnWiftiger  ftinaug. 

Ser  ©gar  glaubte,  baft  fieft  ein  SBaftnfimtganfall 
feineg  (Sünfttingg  bemäefttigt  ftatte.  @r  ftielt  iftn  gurüd. 

„SUejej  Stnbreooitfcft !  ....  SBag  feftlt  Sir?  SBoftin 
eileft  Su?" 

-  „SSergeiftung,  ©iajeftät !  ieft  muft  naeft  ©rufino." 

„Su  WiÖft  mieft  jeftt  oerlaffen?  bie  ©taatgangetegen* 
fteiten?  bag  Sanb?" 

Beneiba  ftettte  fieft  mit  oerfcftlungenen  SIrmen  bor 
Strattgefeff  ftin  unb  faft  iftn  an. 

Siefer  331id  maeftte  iftn  für  einen  SDtoment  niiefttern ; 
er  gwang  auf  fein  Stnttig  bie  falte  SRufte  gurüd,  unb 
wäftrenb  ber  ©gar  feine  fpanb  begütigenb  auf  feinen  21  rm 
legte,  fämpfte  in  iftm  bie  Söiagfe  mit  bem  wirflicften 
SDtenfcften. 

Siegmal  aber  fiegte  ber  SJtenfcft  über  bie  SKagfe. 

®r  feftlug  fieft  auf  bie  ©time  mit  ber  gauft,  in 
welefter  er  ben  gerbrüdten  23 rief  ftielt,  unb  feftrie  mit  ber 
Stimme  beg  SBaftnfinneg : 

„SBag  fümmert  mieft  SRufttanb?  SBag  biefer  .  gange 
etenbe  planet?  —  SBag  bie  ©garen  unb  bie  ©ötter?  — 
SBenn  fie  fo  etWag  gefefteften  tieften!  —  SBefte  mir!" 

Unb  bie  fjanb  beg  ©garen  oon  fieft  ftoftenb,  ftürgte 
er  feftreienb  bureft  bie  ©öle  ftinaug,  wie  ein  gum  Sobe 
(betroffener.  Slueft  ben  S3rief  an  ben  ©garen  naftm  er 
mit  fieft. 


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137 


„33ag  tonnte  biefem  SRenfdjen  gefdjetjen  fein?''  fpradj 
ftaunenb  ber  ©gar. 

©r  fjatte  i^n  ja  foeben  um  fotdtjer  Sugenben  mitten 
gepriefen,  mie  fie  fidf)  fo  gatjtreidt)  nur  in  eineg  SJlenfdjen 
Stuft  oereinigen,  unb  je£t  täfct  fidj  biefer  eine  äRenfdjj  gu 
einem  fo  rollen,  gemattfamen  Stugbrudtje  Ijinreifjen,  mie 
i§n  SRiemanb  fetbft  üor  einem  $uobeg=©ouoerän  magen 
mürbe,  gefdjmeige  üor  bem  ruffifd^en  ©garen!  —  —  Siet* 
leidet  liegt  im  äuge  biefeg  SKäbdjeng  eine  gemiffe  3 aaber* 
traft  —  fie  tjatte  it)n  immer  angebtidt  —  metdt)e  nüchterne 
SRerifdjen  fo  närrifdf)  madjt,  baft  fie  bag  ©taatgfieget  gu 
ben  Säften  ifjrer  $errfd)er  fcfyteubern  unb  gn  i^nen  fagen: 
„SBa^  tümmert  mid)  bein  Sanb,  mag  bift  bu  mir  fetbft 
unb  beine  ©ötter!" 

©ein  Stid  festen  aug  3^^^ng  3tngefid^t  bag  ©e= 
tjeimnifj  erforfdjen  gu  motten. 

Sie  Äünftterin  mottte  fid)  gurüdgieljen. 

„Steiben  Sie!" 

„2Bemt  ©ner  ÜKajeftät  eg  münfdjjen,  bleibe  id)  unb 
reife  nid£>t  ab." 

„SBiffen  Sie,  mag  biefem  SRenfd&en  fetjtt?" 

,,3d)  meife  eg." 

„©rgäfyten  Sie  eg." 


XXXVIII. 

Pie  ^ragi-^omöbie  in  gtrnßno. 

Sie  Soppett)oc§geit  muffte  gefeiert  merben;  bie 
gefammte  Seöötterung  mar  bereitg  gut  |>odjgeit  entboten 
morben.  Ser  §of  beg  Saftettg  ©rufino  mar  fdfjon  geitti i) 
SRorgeng  gefüllt  mit  ftaunenben  ßeibeigenen.  @g  galt  bag 
fetjönfte  unb  bag  garftigfte  Srautpaar  gum  2ttta re  gu  geleiten. 

©rojjartig  maren  bie  getroffenen  Sorbereitungen; 
fdjon  öor  brei  Sagen  fjatte  man  begonnen,  bag  ntannig- 


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138 


faltige  nationale  Sacfmer!  §u  Bereiten,  im  §ofe  mären  für 
bie  ©äfte  lange  Saubgänge  errietet  morben,  ba£  £t)or 
mar  mit  Srönjen  unb  farbigen  $ran8parenten  jum 
$riumpt)bogen  umgeftattet  morben.  3fn  ber  SRitte  be3 
$ofe$  ftanb  ein  ftaffetförmigeä  Softament,  überbecft  non 
bunten  XeppidE)en  auä  3ie9^aar;  auf  bem  ^Joftament 
ftanb  ber  &ifc§  mit  bem  Silbe  ber  Jungfrau  SDlaria,  ber 
öerbecfte  Seiler,  in  meinem  fiel)  bie  Xrauringe  befinben, 
ferner  Seid),  ©al§  unb  Srob  —  !ur§  alle  ®inge,  metdje 
ju  jener  Zeremonie  erforbertief)  finb,  metd&e  ber  Srauung 
öoranget)t.  bebarf  nämlicf)  gar  Dieter  Umftänbtidljfeiten, 
biä  ba§  Srautpaar  t}atbmeg$  in  bie  £änbe  be§  ©eifttidfjen 
!ommt.  Si§  baf)in  muft  ba§  Srautpaar  gar  Diel  au§ftet)en 
Don  ben  Seiftänben,  bem  Srautfüljrer,  ber  Srautjungfer 
unb  ber  £oc£)äeit3mutter. 

®ie  ^od^geit^mutter  fpielt  gar  eine  grofee  SRoKe.  Si§ 
jur  ®ird^entt)ür  ift  fie  bie  £errfd£)erin. 

dermalen  ift  Saimona  bie  ^odE^eitämutter.  ©ie  oer= 
tjeir attjet  itjren  Seibeigenen  mit  iljrer  ©ftaoin;  fie  ift  it)nen 
9Rutter.  gür  fie  ift  jener  t)ot)e  2etmftut)t  bort  auf  ber 
Sribüne  aufgefteHt. 

$luf  ba§  erfte  ©tocEengeid^en  nimmt  bie  Zeremonie 
it)ren  Slufang.  Som  £aufe  be§  $open  t)er  bringen  bie 
9KäbdE)en  bie  aufgepu^te  Sraut.  2)a3  ®leib  $iabolfa'3 
glänzt  prächtig  in  ber  ferneren  ©olbftieferei,  bie  fdjlanfe 
SaiKe  umfpannt  ein  foftbarer  ©ürtel,  um  ben  #at3 
fdfjtingt  fidt)  fünffach  eine  ©d£)nur  mit  ©olbmün^en;  ber 
Sopfbufc  ift  eitet  ©betftein.  9Kan  fönnte  glauben,  eine 
gürftin  fteljt  Dor  un§. 

9luf  einer  anbern  ©eite  ertönt  ba§  $orn  unb  bie 
Seiftänbe  unb  ^unggefetlen  geleiten  ben  Sräutigam, 
©dfjinfo;  ba§  fdfjnedEenförmig  geringelte,  fotitfd^marje,  auf 
bie  ©djuttern  tjerabmallenbe  £aar  oerrätt),  trofc  be£  ruf= 
fifdfyen  SRationalcoftümä,  bie  inbifd^e  Slbftammung  be3 
SräutigamS. 

$)ie  SfunggefeDen  Begrüben  fingenb  baä  SRaljen  ber 
Sraut  unb  geleiten  ba£  Srautyaar  auf  bie  Jribüne. 


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139 


©on  beit  Ställen  f)er  mirb  fobann  ba£  jtoeite  ©raut= 
paar  gebracht.  Sin  l}eittofe§  Sdfyreien,#  ba§  Duiden  be§ 
®ubelfad§  begleitet  ba§  ©rautpaar.  ®er  ©omp  be3  £od^ 
jeitöfleibeS  macpt  ba§  ©rautpaar  nur  nod)  lädfjerlidfjer. 
Spottöerfe  begrüben  ba§  ©rautpaar,  toa£  bentfelben  fe^r 
gefällt.  93eibe  finb  bereite  ftar!  beraufdfyt :  fie  füffen  ber 
9ieif)e  nadf)  3eben,  ber  in  it>re  §änbe  fällt.  SKur  alä  ©eibe 
fidt)  nähern,  fdfjneiben  fie  gegenfeitig  ©rintaffen;  toäljrenb 
fie  bie  Stufen  ^inauffteigen,  fneipt  bie  ©raut  ben  ©räuti- 
gam  tüdjtig  in  ben  2lrm,  ber  ©räutigam  ttrieber  Derfefct 
mit  bent  pße  ber  ©raut  einen  Stoß. 

Sludj  biefeä  ©rautpaar  luirb  neben  ben  Sifdf)  poftirt, 
fo  baß  beibe  ©räutigam§  unb  beibe  ©räute  an  ber  @de 
be§  Sif$e3  fielen. 

©ei  bent  feiten  ©loden^en^en  fteigt  bie  £od)5eit§s 
mutter  mit  ttjrern  ganzen  ©efolge  Dom  SafteH  tierab.  $a§ 
©efolge  bilben  12  Sllaüinnen,  fämmtlicp  in  SBeiß  geflei= 
bet;  e§  bitbet  an  beiben  Seiten  ber  Sreppe  Spalier;  bie 
^odföeitSmutter  betritt  allein  bie  Sribiine  unb  nimmt  ben 
bort  aufgeftettten  Stroit  ein. 

Sie  i>odt)3eit3mutter  ift  gan§  luie  eine  Königin  geltet 
bet:  fie  trägt  einen  ©urpurmantet,  bie  SKarbermü^e  ift 
mit  perlen  unb  mit  ©olb  geftidt,  ba§  2lntli£  ift  gefdjminft, 
tneiß  unb  rotij. 

Sie  beginnt  bie  (Zeremonie. 

„Sdfyinfo!  2Ba§  bringft  ;$u  ber  ©raut  al3 
©rautgefdjenf?" 

Sd)in!o  jä^lt  l)er,  toa§  er  al3  ©rautgefdtjenf  bringt : 

„3toei  buntgefärbte  ©etten,  einen  fucf)3öerbrämten 
©elj  au§  ^araffia^Sudl},  einen  ©ruftfled  mit  filbernen 
knöpfen,  einen  mit  perlen  befehlen  SofoSnif,  jtoei  paar 
rottje  Stiefel,  ein  geftidteä  Seinttmnbljemb,  jtuölf  zinnerne 
Setter  unb  eine  Scfyüffel  unb  eine  golbgeftidteä  föopftudj 
mit  Schleier  —  toemt  fie  fid}  brau  auffüfjrt." 

911T  biefe  ©aben  toerben  burd)  bie  ©rautfüt)rer  tjer= 
gebraut  unb  einzeln  ben  £>odf)§eit§gäften  gegeigt. 

®ie  ©raut  bagegen  fd£)en!t  bem  ©räutigam :  Kleiber, 


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140 


©djmud,  ^muggercitbe  unb  gum  ©cbtufj  ein  5BünbeI83irfen= 
Tutijeu :  „bamit  foü  er  mich  gültigen,  tuen«  ich  mich 
fcbtedjt  betrage." 

SRun  fomrnt  bie  Steife  an  bag  5  weite  ^Brautpaar. 

„SRun  ißolpfa,  wag  bringft  Su  Seinem  SBräutigam 
bar?" 

9lber  bieg  fdjöne  augerwübtte  ißaar  bnlbet  nid)t,  bafj 
©ne§  üor  bem  Stnbern  fpredje ;  ©neg  entreißt  bem  Stnbern 
bag  SBort  unb  beibe  fprubetn  heftig  beraub : 

„Sdj  eine«  gertumpten  StRantet." 

„S<b  eine  §erlöc£)erte  Safferote." 

„34  einen  geraffenen  ©trumpf,  in  Welchen  10  Sahen 
eine  9ÜRaug  nidjt  fangen  fönnen." 

„Sch  einen  teeren  Srug,  in  wettern  einft  ^Branntwein 
War." 

„Scb  eine  Sudjet,  bie  feinen  Uebergug  bot  unb  bie 
nur  noch  ber  SBettfebern  bebarf." 

Sag  Iwtbgeitgüotf  tacbte  fi <b  Wäbrenb  biefeg  ßwie= 
gefprädjeg  bcö  ©rautpaareg  faft  tobt. 

„Unb  bann  gwötf  ißaar  „dubina!“  ruft  taut  tacbenb 
ber  öräutigam  aug. 

„Sag  Sing  bot  aber  gwei  @nben!"  erwibert  fid)emb 
bie  33raut. 

Sag  SBort  „dubina“,  bag  fo  Weicb  ftingt,  bebeutet  in 
anberen  barbarifdjen  europäifcben  Sprachen  fooiet  atg  — 
©tocf. 

„Ser  ©ad  bot  feinen  gted  gefunben!  Ser  ©ffigfrug 
feinen  ©töpfet!  Unb  bag  wie!"  Wiehert  bag  ^odjgeitgöotf. 

„SRun,  Weibfett  atfo  bie  SRinge,"  fpridjt  Saimona  gu 
ben  SBrautteuten.  „Sn  biefem  oerbedten  Setter  liegen  bie 
Stinge.  Sie  fRinge  beg  einen  ißaareg  finb  aug  ®otb  unb 
©itber,  ber  23rant  gehört  ber  ©otbring,  bem  Sräutigam  ber 
IRing  aug  ©itber.  Sie  SRinge  beg  gweiten  Sßaareg  finb  aug 
Supfer  unb  SBtei.  Sebeg  wäbte  feinen  SRing." 

Sie  SpocbgeitSmutter  hob  Don  bem  fitbernen  Selter  bie 
feibene  Sede  unb  winfte  Siabotfa,  fie  möge  beginnen. 

Siabotfa  nahm  ben  ©otbring  unb  ben  ©itberring, 


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141 


ftetftc  beit  Solbring  an  ihren  Singer,  ben  fitbernen  reifte 
fie  @chin!o  bar. 

Sa  ergriff  Saintona  bie  §anb  Siabotta’g.  „SRicht  fo! 
Su  mirft  ben  filbernen  SRing  bern  Un!  geben,  ©dhinto  ba~ 
gegen  ben  Äupferring  ber  $otp!a.  Sein  Bräutigam  ift 
nämlich  Un!,  ©dhinto  bagegen  ift  ber  Bräutigam 
*ßotp!a'g.  @o  ift'g  angeorbnet." 

Sin  tautet  Setächter  folgte  biefen  SBorten.  Sag  ift 
benn  bod^  ein  göttlicher  ©pafc!  Un!  mit  Siabolta,  *ßolt)!a 
mit  ©chinto!  Sie  igmchjeitgmutter  t>at  bag  SRedfü,  ihre 
ßeibeigenen  ju  oerheirathen,  fo  mie  eg  ihr  gefällt.  Ser 
Körper  ber  ßeibeigenen  gehört  ihr,  fomie  ber 
Körper  beg  *ßferbeg  unb  beg  ©felg.  ©ie  !ann  bie 
ßeibeigenen  paaren,  fo  mie  fie  eg  mitt. 

Sag  Semiefjer  ber  £ochjeitggäfte  mirb  nodh  lauter,  atg 
beibe  beraufd£)te  Ungethümer,  auf  bie  ermunternben  Söorte 
ber  £ochjeitgmutter,  plöfclich  auf  bag  ihnen  übergebene  fchöne 
$aar  logftürjen.  @g  mar  fpafehnft  ju  feljen,  mie  bie  fdE)ief= 
mäulige  $olp!a  fid^  mit  ihren  langen  Slrmen  bemüht  ben 
®opf  ©chinfo'g  ju  fidh  tyxafynftttyn,  um  ihn  ju  Kiffen. 
Siefer  breht  unb  menbet  feinen  Sopf,  um  bem  ®uffe  aug=- 
jumeichen.  Ser  bucftige,  jmerghafte  Un!  fprang,  ba  er  bag 
Slnttifc  Siabolta'g  rtid^t  erreichen  !onnte,  auf  ben  SifdE)  unb 
ftredfte  non  hie*  aug  feine  Slrme  nach  SiaboÜa  aug. 

Sag  $eläd£)ter  mürbe  nur  unterbrochen,  alg  Siabolta, 
angefidhtg  beg  §ochjeitgt)ol!eg,  mit  beiben  |>änben  ihrem 
Bräutigam  einen  ©tofc  in  bie  Sruft  gab,  baf$  biefer  rüdf= 
liugg  üom  Sifdhe,  öon  ber  Sribüne  ftürjte  unb  unter  bie 
Säfte  lotterte. 

Sag  mirb  fdhledht  enben! 

Saimona  fprang  mie  eine  Surie  an  ben  Sifdh  unb 
fdhtug  mit  ber  Sauft  heftig  auf  benfelben. 

Siefer  Schlag  tiefe  bag  ßacheit  unter  ben  ßuhörern 
plö^lidh  üerftummen.  2luf  ben  Sefichtern  ftanb  noch  bag 
Srinfen,  aber  bag  SSJort  mar  im  tadhenben  SRunbe  erftarrt. 

Sag  ift  fdfjon  !ein  ©pafc  mehr! 


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142 


„®u  mittft  ben  Bräutigam,  ben  i dh  ®ir  erforen,  ttidjt 
annehmen?"  freifdhte  müthenb  $aimona. 

„•Kein!"  ermiberte  ba£  Sötäbchen  mit  bem  gufee  ftam= 
pfenb,  „nein!" 

„®u  §unb!  ®u  gigeunerifcher  Xeufet!  ®u  magft  e3 
mir  gegenüber  gu  treten?  9Kir,  ber  ich  Sich  au£  bem 
Sehri d)t  aufgehoben." 

„Sftun,  tafe  mich  gurüdf  ehren  gum  Kehricht." 

„$ie3  mirb  gef  drehen!  SBittft  $u  ben  ©räutigam  nicht, 
ben  id)  Sir  gegeben  fyabt,  bann  tege  auch  ben  ©rautman= 
tet  ab,  ben  id)  Sir  gab,  unb  geh  in  bem  ßigeunerfittet 
fort,  in  bem  fie  Sich  gebraut  haben." 

Siabotfa  entlebigte  fid)  mortto£  ber  foftbaren  geftidten 
Kleiber  unb  legte  9tlle§  auf  bie  ©rbe  nieber,  felbft  au§  bem 
§aar  töfte  fie  bie  Seibenbänber,  nur  im  £e mbe  ftanb  fie 
nod)  ba. 

„Stuch  biefeä  $emb  ift  mein,  giefj'  e£  au§!" 

Sa§  9tntti£  be$  3Dtäbd)en£  errötljete  tief.  Siabotfa 
lernte  errötljen.  Sieä  mar  ber  gmed!  Sie  Seele  in 
ihr  foltte  ermedt  merben,  bamit  fie  miffe  mie  fchmergticfe 
bie  „@df)am"  fei. 

,,©or  fo  nieten  äRenfdhen?"  !am  e§  bebenb  öon  ihren 
Sippen. 

„33ie  erft  bann,  menn  fie  Sid£)  in  bie  SKitte  be3 
3Rarfte3  an  ben  Pranger  ftetlen,  bort  merben  Sidf)  noc§ 
mehr  Seute  fehen!  Su  haft  aud)  ©runb  Sich  gufchämen! 
Su  ©turne  ber  SBirthähau^fdhitber ! 

„Safe'  mir  früher  meine  Sumpen  geben!" 

„®teid(j  befommft  Su  fie!  3m  äftomente  fucht  man 
fie  unter  bem  $tunber.  SKun!  mirft  Su  ba3  $emb  au§= 
giehen?  Ober  foü  id)  e£  Sir  herunterreifeen  taffen?" 

Saä  SKäbdhen  tiefe  bie  tepte  §üHe  öon  ihrem  Seibe 
gur  @rbe  gleiten,  bann  bebedte  fie  mit  beiben  $änben  ihr 
Slnttifc  unb  —  meinte. 

„§ahaha!"  tachte  Saimona,  unb  hierauf  brach  and)  ^er 
rohe  $aufe  in  Sachen  au£.  „Sßahrtich  eine  fdhöne  ©raut." 

Unb  biefeä  Sachen,  mie  fehr  fdhmergte  e$!  Sa3 


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143 


„skrossz  stoi"  (®eifteluitg)  fcftmeräte  üietteicftt  ben  ©erur- 
feilten,  ber  bie  Seiten  pteimat  auf,  atoeimat  ab  fpaprett 
muft,  nieftt  mefjr  als  bieje  Semütfjigung,  biefeS  Serfpotten 
baS  SRäbcften  feftmerpe,  baS  bereits  gewöhnt  toar,  als  ber 
(Sünftling,  atS  bie  intime  gremtbin  ber  £errin,  als  ein 
anftänbigeS  Sräutein  betrautet  p  toerbett. 

„®ib  mir  meine  Kleiber  prücf!"  grollte  Siabotfa. 
,,®teid)  befommft  Su  fie,  toarte  nur!  Sie  3i9^ner= 
tradjt  fjat  nod)  eine  Srgänpng  p  erhalten,  ©orljer  be= 
fomrnft  Su  nodj  eine  Sradft  ©rüget  für  Seine  ©ermeffen= 
fteit.  ©djinfo!  tritt  f)erüor!" 

3f)n  fetbft,  ben  öfteren  ©ruber  —  ben  ßiebljaber  — 
ben  ©räutigam  forbert  fie  auf. 

©djinfo  trug  fetbft  nod£>  als  ©räutigam  baS  Symbol 
feines  StmteS,  bie  fur§ftietige  ©eitfdje  an  feinem  ®ürtet 
befeftigt.  Stuf  baS  Äommanbo  ber  §errin  50g  er  bie  ©eit= 
fd^e  fjeröor. 

„©efttag'  p!"  befaßt  Saimona. 

SaS  9Räbdf)en  f)iett  fd^redfenSbleidE)  beibe  £änbe  Dor 
bie  Stugen. 

„©ruber!  Su  fannft  rnidj  fd^Iagen 
©0  toeit  toar  eS  gefommen,  baft  fie  ftdj  öor  ©dtjtägen 
fürchtete.  Ober  fd^redfte .  fie  nur  baoor  prüdf,  baft  eS 
@<§info'S  §anb  toar,  bie  bie  ©eitfefje  führte? 

Ser  3igeunerburfdf)e  f)atte  fein  genügenb  tjarteS  £era, 
um  ben  ©treieft  p  führen.  @r  toarf  bie  ©eitfefte  toeg. 

„|>unb,  toirft  Su  bie  ©eitfd£)e  auffjeben!  Ober  fott 
id£)  Sic|  fammt  itjr  an  ben  ©dfytoeif  eines  toitben  ©ferbeS 
binben  taffen?  |>au  p!  fo  fange,  bis  idj  fage  genug! 
50  ©treibe  für  midf),  50  für  gunfer  Seügen." 

©eftinfo  t)ob  bie  ©eitfdf)e  auf. 

SaS  3Dtäbdt)en  toirft  fidE)  nun  üerjtoeifeft  Saimona  p 
Stiften.  Sie  umftammert  bie  Sniee  unb  ft eftt  fdjtudjjenb 
um  ©rbarnten. 

,,9tf)!  9lbfdE)eutidt)e,  baS  ift  ber  redete  ©tafc!"  ruft 
p^nefnirfdfjenb  Saimona  aus,  ergreift  baS  bei  ben  Stiften 
fnienbe  2Jtäbdjen  bei  ben  fangen  3tyfen  unb  fcfjreit  @dt)info  p: 


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144 


„Sefet  pau’  §u!" 

SJlit  einem  Sprung  ftept  ber  gigeuner  oor  ipr  mie 
ein  ^äantper,  mit  feiner  Sinfen  pacft  er  ®aimona  an  ber 
®epte,  mit  ber  Siebten  jiept  er  au£  bem  ©ürtet  fein 
SReffer. 

©rfdprecft  täfct  Saimona  $iabotfa  fahren  unb  pebt 
jur  SSertpeibigung  ben  Strrn.  $a§  SJteffer  be£  Seibeigenen 
bringt  in  bie  Schulter,  podp  fpript  ba§  93tut  empor. 

„|>ej[!  Änecpte!  fangt  ipn!  trefft!"  jettert  ba£  SBeib. 
Sludp  nidpt  @iner  rüt)rt  fiep  au§  ber  Stenge.  $aimona  fap, 
bajj  fie  fiep  fetbft  übertaffen  bleibt.  Sie  mar  ein  fräftigeä 
SBeib,  oerftanb  §u  fämpfen;  fie  entreißt  fiep  baper  ben 
ipänben  be§  Seibeigenen,  ftöftt  ipn  öon  fidp,  fpringt  oon  ber 
Sribüne  perab  unb  läuft  bie  Xreppen  jum  Saftet!  pinauf. 

Sdpinfo  ipr  nadp. 

Unb  audp  nidpt  eine  £anb  rüprt  fiep,  ben  Seibeigenen 
aufeupalten.  2)a3  gan§e  $otf,  bie  gefammte  3)ienerfcpaft 
fiept  ju,  mie  Sdpinfo  ber  ^errin  nadpftürjt,  mie  er  fie 
neuerbingS  öerttmnbet.  $a3  SBeib  feprt  fidp  um  unb  beginnt 
mit  iprem  SSerfotger  jU  ringen;  ba3  SJteffer  bringt  mieber 
unb  mieber  in  bie  Sruft.  SRodp  einmal  ftöfet  b aS  SBeib  ben 
Angreifer  jurüd,  bann  flüdptet  e§  in  bie  SKitte  iprer  ®ie* 
nerinnen  :  „$etft!  fdpü^t  miep!"  3)aS  ©efinbe  bebeeft  mit 
ben  £änben  bie  Dpren,  bamit  e$  baä  Scpreien  ber  £errin 
nidpt  pöre.  Sitte,  Sitte  paffen  bieS  SBeib. 

S)ann  fiept  man,  feie  bie  Herrin  burdp  ben  langen 
Sorribor  ftiept,  rufenb,  fdpreienb;  ipr  auf  ber  gerfe  ber 
blutige  SKörber.  Stiemanb  eilt  bem  Säeibe  §u  £itfe. 

Slm  @nbe  be§  Sorriborä  ftept  bie  Statue  eineä  £>eiti* 
gen.  £>ierper  eilt  ba§  SBeib,  umftammert  bie  Sniee  beä 
^eiligen.  Sludp  ber  ^eilige  rüprt  feine  £anb  §um  Scpufce 
be£  SBeibe^. 

©nbtiep  tauft  ba§  SBeib  §ur  SSruftmepr  ber  |>au§ftur 
unb  mitt  non  biefer  perabfpringen.  £ier  pott  fie  enbtidp  ber 
SÄörber  ein.  2)a§  ganje  SSotf  fiept,  mie  er  bie  Herrin  öon 
©rufino  patb  gebeugt  über  bie  33ruftmepr  ftürjt  —  tobt. 

Unb  nun  tritt  ber  SJtörber  tangfamen  Sdpritteä  bie 


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145 


Sreppe  fierab.  Ser  2Beg  öffnet  fid)  tljm.  (Sr  fteigt  bie  föodj» 
jeitStribüne  hinauf.  Sort  liegt,  baS  Slnttifc  jur  Erbe  geteert, 
ein  ÜJtäbd)en,  bewegungslos  oor  ©direct,  Bor  ©djant,  oor 
SSerjWeiflung.  Sieben  i£)r  liegen  jerftreut  bie  fpodjjeitstlei» 
ber.  Ser  SJlörber  rotfclit  an  betn  Srautfd)leier  baS  blutige 
SReffer  ob,  pacft  baS  älöb^en  bei  ber  feanb,  unb  reifst  eS 
empor. 

©ie  bliden  fid^  in  bie  Singen.  (Sin  Stid,  Wie  ber 
jweier  Wilber  SSölfe.  ©enug  Siebe! 

Sann  liefen  SBeibe,  |ianb  in  ;panb,  IjinauS  in  bie 
Steppe,  ljinauS  in  ben  Sßalb,  hinaus  in  baS  9lid)tS.  Stie» 
ntnnb  ljält  fie  auf. 

Slie  l)at  man  fie  je  gefunben. 

3Ber  oermödjte  jwei  aus  iljrem  Käfig  befreite  Sföölfe 
in  ifjrem  Steife  $u  jtnben,  im  SBalbe,  im  §aine,  im  ©djitfe, 
unter  beit  Semofjnern  ber  enblofen  Steppe. 

Stur  an  einem  Orte  fjielt  baS  paar  SRaft,  bort,  wo 
Siabolfa,  ju  i^ren  3'geunern  gelangenb,  jenen  SBrief  an 
^atuSfin  fdjrieb,  in  welkem  bie  Sragitomöbie-  in  (Srufino 
erjäljtt  warb,  unb  Bon  bem  hierauf  eine  Slbfdjrift  in  bie 
,‘pättbe  beS  ©ünfttingS  gelangte  unb  ifjit  oon  bem  ©djre» 
denSfaß  in  Kenntnis  fe|te.  Sie  ©taroften  ©rufino’S  Ratten 
nicb)t  ben  SOlutt),  il)m  baBon  ju  berieten. 

^eneiba  f)atte  feljr  gut  baran  getljan,  bajj  fie  biefe 
©efdjidjte  perfönlid)  bem  Ejaren  erjagte;  2lKe  nämlidti, 
welche  bem  Ejaren  fpäter  Bon  ber  Sluttljat  in  ©rufino 
berichteten,  erjä^lten  bie  ©efd)id)te  fo,  als  ob  fie  mit  bem 
Attentate  beS  Petersburger  geheimen  (SlubS  enge  pfammen= 
l)inge.  SRan  fudjte  bie  ÜÄotiBe  ber  2f)at  in  twfjen  Kreifen, 
beren  Sotereffe  eS  war,  ben  ©iinftting  aus  ber  Slälje  beS 
Ejaren  ju  entfernen,  bie  bereits  einmal  burdj  bie  S3erban= 
nung  beS  ©oljneS  baS  enge  S9anb  jwifc^en  S$ar  unb  ©iinft» 
ling  jerreifjen  Wollten,  ©djinfo  unb  Siabolfa  waren  bie 
3Riett)linge  ber  SSerfdjWörung. 

2Bar  etwas  SßaljreS  baran?  Sliemanb  Ejat  bieS  je  auf» 
geflärt.  §ätte  aber  irgenb  Semanb  ben  Schlag  gerietet, 
fo  l)ätte  biefer  BoUftänbig  getroffen.  9Jtan  fal)  in  ben  ®af= 

36!oi :  SJreiljeit.  II.  10 


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146 


feit  ©t.  Petersburgs  StraftSejeff  uitbebecftett  fpaupteS  |erunt= 
laufen,  bann  of)ite  £ut,  mit  aufgelöftem  |>aar  burc|  bie 
Straßen  jagen.  (Ser  redjte  ort|oboje  SRuffe  geljt,  wenn  er 
trauert,  jWei  2Boc|en  |inburd|  entblößten  ,‘paupteS  in  ber 
Reißen  Sonne,  im  ©türme.) 

2tm  Sage  feiner  glucßt  brachte  man  auf  jWei  großen 
Sradjtmägen  fämmttic|e  Slftenbiinbel  aus  bem  Palaft  beS 
©iinfttingS  in  bie  taiferlidje  (Sremitage  jurücf.  ©eine  Drben, 
feine  ©|renfäbet,  ben  ®äntmererfd)tüffel  fcfjiclte  er  burd|  ben 
Portier  an  ben  sD6erft|ofmeifter.  Unb  in  bem  ülugenblicfe 
feiner  2lbreife  fcfjredte  ber  Sonner  ber  Kanone  „ber  |ei= 
lige  K|riftof"  bie  93eWo|ner  aus  i|rer  SRu|e  auf.  Sie= 
fer  SSater  ber  Kanonen  pflegte  nur  bann  ju 
fprec|en,  toenn  ein  ©eneral  ftarb.  Ser  ©iinftling 
war  felbft  jum  Äommanbanten  ber  Seftung  gegangen  unb 
|atte  ben  ©c|uß  angeorbnet.  Ser  Sommanbant  mußte  ge= 
ßor^en,  StraftSejeff  War  ber  ß|ef  ber  Slrtiüerie.  Stadjbem 
ber  ©dfjuß  abgefeuert  war,  frug  ber  geftungS=®ommanbant : 
„SBie  |ieß  ber  üerftorbene  ©eneral?-' 

„SlraltSejef f  21nbreoWitf<|  2t lejr ej!" 

9ta(|  einigen  Sagen  «erna|m  ber  Sjar  ©cßredenSbinge 
über  SlraftSejeff.  @S  fd|ien,  als  ob  ber  ©iinftting  «errücft 
geworben  Wäre. 


XYXTX. 

Per  fretttif. 

@rft  als  StraftSejeff  ben  Sjar  «erlaßen  |atte,  füllte 
ber  mäßige  SJtann,  wie  Oerlaffen  er  in  ber  SBett  bafte|e. 

3u  Stiemanbem  me|r  |atte  er  Vertrauen;  in  Qebem  faß 
er  einen  geinb,  einen  SerfcßWörer,  unb  feine  wa|ren  81n= 
länger,  falls  er  noc|  fotdje  befaß,  |atte  er  burd|  bie  3tüd= 
berufung  2Ira!tSejeff’S  «erbittert,  ©eine  ©eneräle  mad|te  er 
burc|  bie  Stuflöfung  ber  2eibwac|e,  baburc|,  baß  er  bie 


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147 


©riedjen  im  ©tidje  liefe,  unpfrieben.  Sieben  geheimen  93  unb 
braute  er  gegen  fidj  auf.  211S  biefe  bie  KriegSerllärung 
fdjon  erhalten  Ratten,  oerläfet  jener  Sitte,  ber  fte  fennt,  ber 
Snergie  genug  befiel,  ifenen  entgegen  p  treten,  ben  Kampf* 
pla|  bei  Segittn  ber  Operation. 

2118  2lraltSejeff  nadj  ©rufino  Ijeimgeleljrt  mar,  eilte 
er  fdjnurftralS  pr  ©ruft,  fperrte  bie  2f)ür  feinter  ficfe  ab, 
marf  fidj  bor  bem  ©arg  $>aimona’S  nieber,  unb  jmei  Sage 
feinburd)  feörte  man  nichts  üon  ifem  als  bitteres  ©djtudjjen. 
Sr  nimmt  leine  ©peife  p  fiel).  Sr  miH  Jüngers  fterben. 
Sr  antmortet  auf  lein  2Bort,  auf  lein  fjleljen.  „$aimona" 
lautet  auf  2lt(eS  feine  Stntmort. 

Sr  liebte  bieS  SSeib,  mie  nur  bie  fftiefen  ber  milben 
Xfeiere  ifere  SSeiber  lieben,  ber  SiSbär,  ber  SSaHfifdj,  baS 
ÜBaürofe  :  menn  ber  Siäger  baS  SSeibcfeen  getöbtet  feat,  tann 
er  audj  baS  SRänndjen  tßbten,  benn  biefeS  entfernt  fidj 
nidjt  bon  ber  Seiche,  ßroei  Sage  Ijinburdj  flehten  bergebiid) 
bie  ®ienftleute  2lraltSejeff’S  bor  ber  Xljüre  ber  ©ruft; 
audj  SRitter  ©atban  bat  oergeölicf),  er  möge  bodj  IjerauS* 
lommen,  möge  fein  tfeeureS  Seben  erhalten  :  er  Ijörte  nidjt 
auf  feine  ©etreuen.  Umfonft  mar  eS,  bafe  fie  iljn  „füfeer, 
guter  £>err, "  „füfeer  greunb,"  „21tejej  2lnbreomitfd|"  nann* 
ten  —  er  fjörte  nidjt  auf  fie.  — 

21m  britten  Sage  erfdpen  fßljotioS,  ber  2lrdjimanbrit 
beS  KlofterS  beS  feeil.  ©eorg  bor  ber  ©ruft,  ber  rounber* 
tfeätige  ^eilige,  um  beffen  ©egen  aus  allen  ©egenben  fRufe* 
tanbS  aüjä^rlicf»  §unberttaufenbe  prn  Klofter  pilgern.  $)aS 
SBort  beS  ^eiligen  gilt  fobiel  als  bie  Sude  beS  fßapfteS. 
211S  Spr  211ejanber  L  ben  S3ollSunterricf)t  in  bie  $änbe 
beS  freifinnigen  dürften  ©alipn  legte,  ging  ber  21rdjimanbrit 
pm  Spr  unb  rief  bemfetben  bräuenb  p  :  „SS  e  n  n  ®  u 
deinem  SBolle  ben  alten  ©tauben  nimmft, 
ft  ür  je  ft  $u  bie  ©runboefte  $  eines  SReicfjeS 
um!"  2tuf  baS  SBort  beS  Sremiten  entliefe  ber  Sjar  ben 
dürften  ©atijpn;  ber  Unterridjt  beS  SSolleS  berblieb  in  ben 
Rauben  ber  Zeitigen  ©pnobe.  ®aS  ruffifcfee  SSott  Ijat  immer 
„lebenbe  ^eilige,"  barunter  munberlicfje  ^eilige. 


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148 


IßhotioS  blieb  t)or  ber  ©ruft  fielen  unb  rief  bent 
SWognaten  ein  SBort  gu,  baS  biefer  oerftanb  : 

*  „Su  in®ünben  berfunfener  3Kif fetfjäter!" 

SaS  ©chmetjenSgebrütt  in  ber  ©ruft  öerftummte. 

„Somm  t)erau£  aus  ber  $öhle!" 

Sie  aufgeforberte  ©eftalt  wanfte  heraus.  Saum  War 
fie  ju  erfennen.  Ser  feit  Sagen  nicht  rafirte  ©art  umrahmte 
mit  grauen  ©orften  baS  2lntti|,  bie  Stugen  Waren  oom 
SBeinen  blutig,  gerötijet,  bie  Sippen  gefdjwotten;  bie  §aare 
liebten  wirr  an  ber  ©time,  bie  ©eneralS=Uniform  war 
grün  tion  bem  Slnftridje  ber  ©mft. 

„SBaS  wittft  Su,  ©iinber,  in  biefer  ©ruft?" 

„Sterben !" 

„©ewift  wirft  Su  fterben,  Wie  wir  Sitte  im  ©olbe 
unferer  ©ünben  fterben  Werben;  wittft  Su  aber  Seine 
©chanbthaten  frönenb,  ohne  ttteue  fterben?  SBittft  Su  an 
bem  ©arge  3ener  fterben,  an  beren  ©eelenoerberbnifj  Su 
bie  ©dhutb  trägft?  Su  Warft  baS  ©erbrechen  ihres  SebenS, 
unb  Su  wittft  eS  noch  fein,  ber  fie  jur  fpötte  bringt? 
SBahnWijjiger  ©änber!  Statt  an  bie  ©u|e  ju  benfen,  ftatt 
baran  ju  benfen  bie  ©eele  biefer  Sobten  aus  ben  glommen 
ber  .fjötte  ju  befreien,  bie  ohne  ©mpfang  ber  ©aframente, 
ohne  ©ufje,  ohne  Slbfolution  bie  SBett  oerlaffen  hat, 
gegeben  ben  ewigen  Dualen,  wittft  auch  Su  nach  ihr  »et5 
loten  gehen?  Srofcig  wittft  Su  bie  ©thronten  ber  fdjrecf* 
liehen  anbern  SBeit  burdjbredjen,  ftatt  Sein  .fjaupt  beugenb 
um  ©intaff  ju  flehen?  gn  biefen  bunten  Sappen  wittft  Su 
borthin  gehen,  wo  bie  Sumpen  beS  SajaruS  mehr  gelten, 
als  biefe  golbenen  Stchfetbänber?  ©ewifj,  Su  wirft  fterben, 
aber  nicht,  wie  eS  Sir  gefällt,  fonbern  Wie  eS  bem  $errn 
gefallen  wirb,  ben  Sob  Sir  bur<h  bie  ©uffe  uerbienenb." 

„Sn  ben  tiefen  Satafomben,"  fuhr  ißhotioS  fort,  „ift 
Sein  ißlajj,  nicht  an  ber  ©eite  Seiner  ©eliebten.  SeS 
SageS  unter  ben  Strahlen  ber  heifjen  Sonne,  im  ©ewitter, 
unter  bem  Reuten  beS  ©turmeS,  unter  fattenbem  ©lajjregen 
ift  Sein  Drt!  Seine  Sleiber  finb  weggeworfene  Sumpen, 
bie  tttiemanb  mehr  tragen  Witt!  ©teh’  auf,  folge  mir!" 


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-149 


Uitb  ber  SJtagnat  öffnet  bie  2f)iire  ber  ©ruft  unb 
lommt,  auf  ben  Spieen  rutfdjenb,  Ijeroor. 

„Se|t  ifl!"  befahl  ißfiotioS  unb  Warf  bem  Magnaten 
jWei  Stöben  öor. 

®er  SJtagnat  l)ob  bie  Stuben  auf  unb  a|  fie. 

„gefct  fteibe  ®idj  um!"  Unb  er  warf  ifjm  einen  jer= 
lumpten  SJtöndjSfjabit .  ju,  beffen  ffarbe  burc|  Sonne  unb 
Stegen  öerwifdjt  war.  ®er  SJtagnat  jog  bie  ©eneralS=Uni= 
form  aus  unb  jog  ben  |»abit  an.  Unb  nadjbem  bie  £>ei(i= 
gen  —  ljiep  auf  ©rben  —  nidjt  ju  SSagen  fahren,  fo  folgte 
er  ju  gufj  unb  baarfufs  bem  ^eiligen  bis  jur  Pforte  beS 
©eorgSflofterS. 

®aS  ©eorgSflofter  ift  eines  ber  reidjften  in  Stufjtanb. 
©S  liegt  nafje  an  ©rufino,  am  ©nbe  ber  burd)  ben  SSotf* 
twffcglufj  unb  ben  glmersSee  gebitbeten  langen  fpalbinfel. 
Seine  oergotbeten  Supp  ein  finb  grün  oon  bem  ©rünfpan, 
ber  fidj  feit  S<d)tt)unberten  an  baS  Tupfer  legte,  unb  üer» 
breiten  weit  unb  breit  ben  Stutjm  beS  StofterS.  ®et  ©ang 
innerhalb  ber  SOtauern  beS  SlofterS  erbrüdt  baS  ©emütl). 
33iS  jum  ©ewötbe  fjinauf  reifen  bie  filbernen  ©mporien, 
mit  ©olb  tierjiert,  reifen  bie  Orgeln;  §eiligenbilber,  bie 
in  Sarfunletn  gtänjen;  SRofaif,  bloS  aus  ©belfteiiten  ge= 
bilbet;  auf  ben  überreid)  gefdpnüdten  Slttären  liegen  foft= 
bare  33ibetn  in  Silber  gebunben,  emaiHirte  SJtefjbüdjer;  auf 
einem  Slltär  liegt  ber  ^eilige  ©eorg  felbft  aus  maffioem 
Silber.  Unb  erft  in  ber  „riznilsza“  (Sdjafcfammer)  Oer» 
fünben  bie  jaljllofen  ^eiligen  ©efafje,  bie  SJtitraS,  |>irten= 
ftäbe,  Sronen,  mit  Sßerten  geftidten  Stolen,  bie  golbenen 
SJtonftranjen :  Wie  reidj  bodj  ©ott  ift!  Unb  bie  ißriefter 
felbft,  Weldje  biefe  Sd)ä|e  bewahren,  fie  Wanbein  unter 
benfelben  in  rauben  Sutten  barfuff,  bamit  bie  SBelt  fefje : 
Wie  arm  ber  SJtenfd)  fei! 

§ierl)er  fütjrt  fßljotioS  Slnbreowitfdj  Sllejej. 

®er  eiferfüdjtigft  gehütete  Sdja|  beS  SlofterS  ftanb 
üor  bem  Slltar.  ©ine  ©ranit*Säule,  umgeben  oon  fil= 
bemem  ©elänber. 

Sn  ben  ©ranit  finb  bie  SBorte  gemeißelt:  ,,'tln  biefer 


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150- 


Stelte  Iniete  ßjar  Sllejcanber,  inmitten  feiner 
©etreuen,  bem  Slrchimanbriten  5ßIjotio§  unb  bem 
Stlejej  SlnbreoWitfcf)  StraftSejeff,  üor  ©ott,  im 
Saljre  1818!" 

Jpierljer  braute  ^J^otioS  ben  Magnaten,  ber  hier  feinen 
Slawen  öerewigt  neben  bem  be§  ©jaren  lefen  tonnte. 

„So  h°<l  ^oft  $u  ®idj  e.inft  erhoben.  Unb 
nun  tomrn’  unb  fiefie,  mie  tief  ®u  üon  nun  an 
finten  wirft!" 

9tu§  ber  Sird)e  führte  ber  9trd)imanbrit  ben  SBüfjenben 
in  ba§  Älofter  unb  geigte  ifjrn  hier  feine  —  be§  Slrchiman» 
briten  —  gelle.  ift  ein  jWei  Slafter  breiter,  eine  Hafter 
langer  Staunt.  Unb  bennodj  geigt  bie  §ö^Ie  2uju§ :  fie 
fjat  ein  Senfter,  bie  Sonne  fdieint  in  ben  Staunt.  21I§ 
Sagerftatt  bient  bem  Slrdjimanbriten  ein  ungehobelter  Sarg, 
atö  SBetfdjemel  ein  Stein,  au§gewe|t  burdj  bie  Sinke.  ©in 
Steintrug  unb  eine  Schate  für  ben  täglichen  Swafj  finb  bie 
©eräthe  beS  gimmerS.  ®ie§  9Xtte§  ift  aber  £uju§  im  SSer= 
hättnifc  su  bem,  wa§  beä  Süfjerä  harrt- 

Sn  ben  ä'atafomben  be§  ®tofter3  befinben  fich  im 
Seifen  gehauene  fpölflen ;  gerabe  fo  grofj,  baf?  in  benfelben 
ein  SJtenfch,  tiegenb  ober  tnieenb,  fßla|  ha&e :  ein  tteineS 
2o<h  an  ber  ferneren,  eifernen  ®f)ür  läfct  Suft  ein.  Sn 
ben  §öf)Ien  tjerrfdjt  etoige  Sinfternif?. 

Unb  biefe  §öhten  werben  »on  SUfenfc^en  bewohnt, 
©inft  grofje  Herren,  mächtige  Striftotraten,  Herren  über 
liunberttaufenbe  üon  Seelen :  finb  fie  je|t  nicht  einmal 
Herren  über  ihre  eigenen  Seelen.  Sticht  tgrannifdje  Sßiüfür, 
nicht  heilig  f)krard)iid)e  9Jtncl)t  hält  fie  hier  gefangen,  fon= 
bem  ihr  eigener  blinber  ©ifer.  ®ie  SBett  üeradftenb,  haffenb, 
haben  fie  fich  freiwillig  jur  furchtbaren  ©efangenfdjaft  tier» 
urteilt.  ®ie  Äatatomben  ber  Slöfter  St.  ©eorg  unb  Solo= 
wetfdhf  bergen  ftets  berlei  fich  felbft  oerurtheilenbe  lebenbe 
Sobte. 

StraftSejeff  fanb  an  biefer  ©efangenfdjaft  ©efallen. 

Stuf  bloftem  Stroh  liegenb,  oerbrachte  er  hier  ®age, 
2Bod)en.  ®ag§über  War  er  eingefdjloffen;  erft  wenn  ber 


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151 


Ion  ber  Ütbenbglode  erflang,  öffnete  fid)  bie  Ifjüre  ber 
§öble.  ©ann  erft  tonnte  er  audj  feiner  9M)rung  n  ad)  geben. 
®em  SBüfjer  gibt  näntlidj  ßtiemanb  ju  effen.  2Benn  bie 
©ämmerung  angebrochen,  jcf)Ietcf)t  ber  Süßer  in  ben  ©emüfe* 
garten  be$  ®1  öfters  unb  fudfjt  nad)  9tüben,  Sauerampfer, 
©rbäpfeln,  turj  na<b  Stttem  maS  baS  (Srbreidj  ^ero orbringt : 
bieS  ift  feine  Speife. 

©ineS  ©ageS  traf  Slralteejeff  mit  einem  no ä)  ttmnber* 
liieren  Süfjer,  als  er  felbft  mar,  jufammen. 

Sind)  biefer  mar  einft  ein  öorneljmer  Sojar;  feinen 
alten  Flamen  muffte  aber  Stiemanb  mehr,  je|t  nannte  man 
iljn  „Säterdien  Kalium".  3taf)um  geftattete  fidj  nicht 
einmal  ben  ßujuS  ber  ßumpen ;  maS  feinen  Körper  obenbin 
bebedt,  ift  eine  fetbftgemebte  Sinfenmatte;  ba§  gebleichte 
£aar,  ber  ergraute  Sart  maßt  mirr  auf  bie  im  @<bmu|e 
ftarrenben  ©lieber  herunter.  9ia£)um  erlaubt  ficf»  nicht  ein= 
mal  in  ber  §öljte  ju  moljnen.  Sommers  fdbläft  er  in  ber 
ißfü|e,  SEBhtterS  oergräbt  er  fid)  in  ben  SDtiftljaufen.  ©agS= 
über  in  ber  getfentjöljte  büfjenb  ju  Inieen,  büitft  ifjtn  nicht 
genug  ©emütbigung,  er  legt  fi<b  querüber  oor  ber  Sirdjen» 
ttjiire  £)itt;  menn  bann  baS  öeer  ber  fßilger  in  bie  fiürdje 
brängt,  möge  man  iljn  ftofjen,  treten,  anfpuden.  ©ie  frifdje 
füfje  9iübe  aus  bem  ©rbreidj  ju  reifen  unb  fie  ju  üer$eb= 
ren,  büntt  SSäterc^en  SJtaljum  fünbige  ßederei  ju  fein  — 
er  Ijält  fein  ßiadjtmabt  auf  bem  ®el)rid)t;  maS  in  ben  ®elj= 
rid^t  gemorfen  mürbe,  ift  feine  ßtaljrung. 

©ineS  SlbenbS,  es  mar  fdion  bie  britte  SBocfje,  feit 
SlraftSejeff  in  ber  Süfjerf)öf)le  meilte,  unb  als  er  eben 
mit  einem  SBünbel  ißorren  in  ber  |>anb  aus  bem  ©arten 
jurüdleljrte,  traf  er  abermals  mit  Säterdjen  ßtaljum  pfarn» 
men,  ber  auf  bem  felbftgebedten  ©ifctj,  bem  Äeljridjtfjaufen 
fd^maufte. 

„Scbön,"  fpracb  SBäterdfjen  ßta^um  p  bem  9tabenben, 
,,idf)  fiabe  beut  foüiel  ©peife  gefunben,  baff  eS  felbft  mir 
juoiel  mirb,  idj  tönnte  ganj  gut  mit  ©ir  tfieilen." 

„Unb  maS  ift  es,  baS  ©ir  ©ott  befc^eert  bot?" 

„Schimmliger  ®äfe." 


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152 


„SRuit  benn,  gib  ntir  baüon!" 

„®a  haft  ®u!  Stimm  9lHe3,  — "  ertmberte  Säterdjen 
Stahum.  —  „®em,  ber  Sertaitgen  nach  bem  trägt,  Wa§ 
ber  Süßer  ißt,  bent  muß  StUeS  Angegeben  Werben." 

Unb  er  gab  if)m  ben  Jcfjimmtigen  Sä3  fammt  bem 
ißapier,  in  bal  biefer  gewidett  War,  unb  in  welches  gefüllt 
man  ißn  bann  auf  ben  Spricht  geworfen  hotte.  Sei  ©ott, 
ein  edtigeS  ©ffen!  ®ie  Slufmertfamfeit  SlrattSejeff’S  Würbe 
jeboch  nid^t  burd)  bie  ©peife  als  üietmehr  burd)  bie  ^>ütte 
erregt,  in  Welche  bie  Stajjrung  gewidett  war.  ©3  war  ein 
Srief;  StraftSejeff  erfannte  fofort  bie  Epanbfcfjrift  be3  ©jaren. 

©ein  ganjeS  Stut  !am  in  ©äljtung. 

®aS  Schreiben  beS  ©jaren  als  £ütte  für 
ftintenben  Säfe! 

Unb  erft  ber  Snfialt!  ®er  Srief  war  an  Sf)otio§ 
gerietet. 

,,3tuf’  ißn  ju  ®ir!  Sprich  ju  ihm  im  Stamen 
ber  Zeitigen  Stetigion.  kräftige  ihn  im  ©tauben, 
©rmaljne  it>n,  fein  Seben  jum  |>eite  beS  Sater= 
tanbeS  erhalten  ju  wotten,  Welches  über  Stiles 
geht.  ©o  wirft  ®u  bem  SReicße  einen  ®iener  oon 
unfehlbarer  ®reue  ermatten  unb  mir  einen  waß= 
ren  greunb,  ben  ich  aufrichtig  achte  unb  ehre." 

Unb  in  biefeS  Schreiben  hatte  man  Safe  gewicfett  unb 
eS  bann  auf  ben  ffltifthaufen  geworfen! 

„9tun,  iß  boch !"  murmelte  Säterdhen  9taf)um  unb 
präfentirte  ben  fchimmligen  ffiäfe,  Welchen  StrattSejeff  in 
ben  Spricht  hotte  falten  taffen,  auf  feiner  f(hmu|igen  flachen 
§anb  bem  Süßer. 

StraftSejeff  ftieß  ben  Sollegen  jur  ©eite  unb  eitte 
hinauf  ju  ^ß^otioS. 

StjotioS  befanb  ficf)  eben  in  ber  SOtitte  beS  SlbenbgebeteS. 
StraftSejeff  ließ  ben  Setenben  nicht  ju  ©nbe  tommen. 

„2Bar  biefer  Srief  be§  ßjaren  an  ®idt>  gerichtet?" 

„9ln  mich." 

„Unb  ®u  haft  biefen  Srief  auf  ben  Sehricht  geworfen?" 

„®amit  ®u  ißn  bort  fänbeft." 


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153 


„3<h  faitb  t£)ti.  SCRit  ber  93uf?e  ift’S  oorbei.  3<h  lehr’ 
nad)  ©t.  Petersburg  jurüd." 

„$aS  War  eS,  waS  id)  erretten  Woflte!" 

„®u  Ijaft’S  erregt!  2>u  weiht  aber  noch  nicht,  WaS 
®u  gettian  £)aft !  SBeifjt  ®u,  waS  $u  bamatS  get|an  fjaft, 
als  ®u  Sllejrej  SlraltSejeff  aus  bem  ©rabe  |erüorgebrad^t 
unb  if)ti  gezwungen  noch  einmal  in  bie  SESett  jurüd* 
juleljren  unb  ju  leben,  noch  einmal  ber  SB  eit  ju  jeigen, 
toaS  er  einft  gewefen?  Rittern  mögen  Qene,  bie  bieS  nid)t 
gewußt  haben !  Rittern  mögen  fie  oor  bem  jutn  jW  eiten 
SJtal  gehonten  »raltSejeff!" 

„©egen  ruhe  auf  all’  $ einem  ShUrt!"  ftammelte  ber 
Slrdhimanbrit  —  unb  fejjte  hierauf  fein  Slbenbgebet  fort. 

StrattSejeff  oerlieh  noch  in  berfelben  ©tunbe  baS 
Klofter;  er  oerlieh  eS  mit  berfelben  ßerftörungSluft,  mit 
welker  er  gefommen  War;  nur  hatte  er  bamalS  Suft,  fid) 
felbft  ju  oernichten,  nun  aber  lehrte  fid)  feine  ßerftörungS»- 
iuft  gegen  Slnbere. 

311S  man  2traltSejeff  nad)  breitoöd)entlid)er  Slbwefen* 
heit  abermals  in  ©t.  Petersburg  erbtidte,  fdjredte  2tfleS  - 
oor  ihm  jurüd.  ©ein  2lntli|  War  gemagert,  fein  fpaar 
ooßftänbig  weih  geworben.  SÜtan  merlte  eS  ihm  an,  bah 
er  aus  bem  ©rabe  erftanben  fei. 


XL. 

3Riitö»e. 

3eneiba  wanbeite  ganj  aßein  auf  ben  ©dßangenwegen  • 
ihres  fdhattigen  ParleS  im  $ämmerfcf)ein  bahin.  Sw  ®e=  - 
büfdhe  fangen  SRadjtigaßen,  im  nahen  Seiche  quadten  bie 
gröfdje,  bajWifdjen  ertönte  juweilen  baS  Sieb  ber  ©djiffer 
auf  ber  ßteWa,  abgelöft  burdj  bie  Söne  beS  SßtolonS'  ober 
ber  Klarinette  in  einer  etwas  entfernter  liegenben  Kneipe, 
bann  unb  Wann  heulten  an  bie  Kette  gelegte  |mnbe  einanber 


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154 


gu,  timt  ber  ©tobt  herüber  tönte  bol  ßügengtödtein,  bol 
man  für  einen  ©terbenben  läutet,  unb  au!  ber  ©egenb  be! 
2Ronj>taifir  erfdjallt  ein  „SBer  bo?"  —  „fjatt!"  —  gu= 
weiten  aud)  ein  ©cfjufj.  Stuf  ma!  fdjiefjt  man  ?  Unb  Weiter 
fingen  bie  9tact)tigaHen,  unb  ba!  §eer  ber  gröfdje,  ®tari= 
nette  unb  gügengtödtein. 

$iefe  -äJtifjtöne  fonben  ein  entfpredjenbe!  Gf)ao!  audj 
in  intern  bergen. 

®ie  gmeite  fRüdfefjr  Slraftlejeff'l  befcfjteunigte  bie  ®rife. 

®er  ©gar  tjatte  fid),  fobatb  er  bie  ©orgen  ber  SRegie= 
rung  auf  bie  ©djutter  feine!  Siebting!  geWätgt,  gänglidt  in 
bie  Ginfamfeit  non  SKonpIaifir  gurüdgegogen.  SGBie  er  bi! 
nun  feine  ©emalin  gemieben,  fo  fdjtiefjt  er  fid)  je|t  an  fie 
an.  Stud)  nidjt  eine  ©tunbe  tann  er  ofjne  fie  leben.  Gl  ift, 
atl  wollte  er  if)r  eine  burdj  öiergeljn  QaEjre  f)inburdj  gur 
©eite  gelegte  Siebe  nun  auf  einmal  füfjtbar  matten.  Sfe^t 
•erft  fieljt  er,  Wetdjen  ©djafj  er  befafj  unb  —  öcrnadjläffigt 
tjat,  unb  je$t  erft  nimmt  er  watjr,  baff  biefe!  treuere  ÜSeib 
—  front  ift.  $a!  lange  Seiben,  ber  öerljeimtidjte  ©djnterg 
fiaben  bie  Sebenlfraft  aufgegeljrt.  9hm  gittert  er,  aud)  fie 
gu  oertieren. 

®ie  Ggarin  aber  ift  gtüdtidj. 

„©efegnet  fei  biefe  Sranftjeit,  bie  mir  meinen 
SUtann  gurüdgegeben  tjat!" 

®er  Seibargt  ber  Ggarin,  Dr.  ©toffregen,  äufjerte, 
bafj  e!  gut  märe,  bie  Ggarin  mäfirenb  ber  rauben  3af)re!= 
geit  in  ein  mitbere!  ffilima  gu  fenben :  üietteidjt  nadj  SSenebig. 
GUfabettj  erwiberte  jebocfj :  „eine  ruffifd)e  Ggarin  bärfe 
nirgettb!  fonft  fterben  all  auf  ruffifdjer  Grbe.“ 

2)iefer  ©ebanfe  allein  ift  e!  nun,  ber  bie  ©eefe  bei 
©garen  erfüllt. 

SEBetdje  SSerWüftungen  ber  mit  unumfdjränfter  ©eWatt 
befteibete  ©ünftting  im  SJotfe  anridjtet  —  baoon  ergäbt  bem 
Ggaren  9hemanb.  SSon  bem,  mal  bielfeitl  ber  Rappeln  bei 
9Äonf)taifir  gefdjietjt,  weifj  er  9hdjt!.  SJlan  berietet  if)tn 
nidjt,  baff  bie  erfte  |>anbtung  Straftlejeff’l  barin  beftanb, 
bafj  er  fämmttidjel  ©efinbe  au!  ©rufino,  bie  Beugen  bei 


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155 


ÜDtorbeS  Waren,  10  üRänner  unb  12  SDtäbcfeen,  nacfe 
Petersburg  bringen,  an  ben  Pranger  ftclten  unb 
fealbtobt  peitfdjen  liefe,  weil  f ie  Saimona  nic^t 
gerettet  Ratten;  bafe  er  bie  £>ärte,  Welche  er  bis  nun 
aus  Sfeftem  getrieben  fjatte,  nunmefer  aus  SRacfeeluft  bis 
jur  ©rauf  amfeit  fteigert;  bafe  er  Dberbeamte,  feofee  Dfficiere 
ofene  alle  Urfadje  non  iferen  poften  oertreibt,  nur  weil  fie 
ifem  nic^t  gefallen;  bafe  er  bie  Werter  auf  biofeen  Serbadjt 
fein  mit  9Kenf<feen  füllt;  bafe  er  felbft  bie  armen  ginnen 
graufam  bebrüdt  (nacfebem  niifetS  mefer  ejiftirt,  waS  er  ifeneit 
„nefemen"  fönnte,  ftraft  er  fie  burcfe  baS,  waS  er  ifenen 
„gibt" :  fie  follen  bei  iferen  ©aftmäfelern  ben  Sooft  in  ruf* 
fifdfeer  ©pracfee  auSbringen),  fo  bafe  bie  ©aferung,  bie  Un» 
jufriebenfeeit  fcfeon  ben  ©ipfelpunft  erreicht  feaben  —  nein ! 
—  ©jar  Sllqcanber  ift  nur  oon  ber  Sorge  erfüllt,  wie  eS 
ntögticfe  fei,  in  bie  3iwmer  beS  tfeeuren,  geliebten  ScfeafeeS 
frifcfee  Suft  einjulaffen  unb  gleidjWofel  bie  SDtücfen  abjufper» 
ren,  unb  unter  ben  buftenben  S31umen  jene  auSpWäfelen, 
bie  lein  Äopfwefe  oerurfacfeen. 

Unb  Beneiba  weife  gang  Wofel,  waS  fernerfein  gefcfeefeen 

Wirb. 

Sie  gefeeimen  ©efeflfcfeaften  fealten  feine  Bufammen* 
funft  mefer.  ©ie  finb  bereits  ooflftünbig  barüber  im  Steinen, 
waS  fie  tfeun  wollen. 

Sie  grage  ift  nur  noife  :  ,,2B  a  n  n?" 

Ser  SluSbrucfe  mufe  auf  einmal  im  ganjen  9tei<fee  er» 
folgen. 

Ser  üereinbarte  plan  ift  ganj  in  bie  Jpänbe  Beneiba’S 
gelegt. 

Sie  Sünftlerin  ift  üon  ber  Söüfene  jurüdgetreten  (im 
Sommer  ift  übrigens  in  ber  $auptftabt  feine  Oper)  unb 
Wirb  nidjt  mefer  als  engagirteS  SDtitglieb  auftreten.  Sagegen 
Wirb  fie  im  §erbfte  ju  wofeltfeätigen  Bweclen  Äoncerte  geben. 
Ser  Sag,  an  welchem  baS  Äoncert  ftattfinben  foß,  Wirb 
tom  amtücfeen  StegierungSblatte  10  Sage  oorfeer  befannt 
gegeben.  SBenn  bann' bie  Slnfünbigung  erfefeeint :  grl.  Betteiba 
glmarinen  Werbe  ju  ©unften  ber  „ginbelanftalt"  fingen, 


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156 


jo  toiffen  bie  SerfdjWornen,  bah  biejer  lag  ber  Sag  beS 
SlufftanbeS  ift.  SaS  SlmtSbtatt  fetbft  wirb  biefe  Parole  im 
ganzen  Steife  oerbreiten. 

gn  ihrer  Jpanb  liegt  alfo  bie  Sdjeere,  Welche  ben 
gaben  beS  SamofleSfchwerteS  burchfcfmetben  Wirb. 

3lß'  bie  fdhweren  Sorgen,  WaS  herao<h  gefdfjehen 
Werbe,  briicfen  itjr  ©emüth.  Ser  SluSbrudj  ift  unoernteib» 
li<h,  baS  erfd^Werte  godfj  oermag  9tiemanb  mehr  ju  tragen; 
üom  zerlumpten  SDlufcfjit  bis  hinauf  jum  titetreidjen  $errn 
ber  Paläfte  wünfctit  SlßeS,  baff  bieg  go<h  gebrochen  Werbe. 
Unb  boS  Soll  ÄaleoainS  fjat  noch  einen  ©rmtb  mehr  jum 
SBeinen  als  äße  llebrigen. 

2Bag  foß  aber,  Wenn  ber  Slufftanb  loSbridht,  mit  bent 
§ettfd^erpaar  gefdE)e£jen  ?  Seibe  haben  Beweiben  fo  feljr  ge= 
liebt,  ausgezeichnet,  gefchü|t.  Sie  war  ju  §aufe,  fo  oft  fie 
bei  ihnen  War. 

SBie  ift  eS  möglich  baS  jperrfdtierpaar  ju  retten,  ohne 
jum  Serrätljer  ber  ihr  anoertrauten  Sache  ju  werben? 

ßtodh  ein  zweites  Sllpbriiden! 

Unb  pufdjfin? 

Sr  hot  wohl  üerfprodhen,  feinen  Stauten  aus  bem 
„(Srünen  Suche"  z«  löfchen.  SIlS  er  aber  baS  Serfpredhen 
gab,  glaubte  er,  bah  ihm  ber  Szar  feine  Sodjter  zum  SBeibe 
geben  werbe.  SieS  ift  üortiber,  unb  Pufdfjfin  hotte  leinen 
©runb,  aus  bem  Storbbunbe  auszutreten.  91u<h  er  ift  üon 
bem  plane  ber  SerfdfjWornen  oerftänbigt  worben,  fein  Bwei» 
fei,  bafe  er,  fobalb  er  liest,  Beneiba  werbe  zu  ©unften  beS 
ginbelljaufeS  foncertiren,  an  biefem  Sage  in  Petersburg 
fein  Wirb,  foflte  er  auch  beShalb  baS  ParäbieS  fetbft  öer» 
iaffen  muffen. 

SBie  fann  fie  bieS  üerhinbern,  ohne  auf  ben  Shorafter 
Pufdhfin'S  ben  gleden  ber  geigljeit  zu  werfen?  Sie  Selig» 
feit  ber  Siebe  aßetn  ift  nicht  ftarf  genug,  um  ihn  zurüd* 
Zuhalten.  Dazu  bebarf  eS  einer  noch  ^öfteren  ©eWalt! 

Unb  fie  fdhreitet  bie  Säume  im  Stbenbbunfel  auf  unb 
ab;  in  ihrer  Seele  fjerrfcht  bie  nämliche  Disharmonie  ber 
Sone,  welche  auch  bie  glänzenbe  Stadst  Wadh  erhält;  fie 


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157 


fud>t  itadj  einem  Punft,  an  Wellen  fte  einen  beruhigen» 
ben  ©ebanfen  fnitpfen  fönnte. 

$)er  Sjar  ift  tieffinnig  geworben,  bie  ©jarin  franft 
on  ber  SluSjeßrung.  ©ineS  lebt  nur  bem  Stnbero,  fie  ßaben 
fi<ß  oon  ber  Sßelt  abgefdfßoffen. 

S)aS  ©eifpiel  ftecft  an.  Studfj  gürft  ©ßebimin  Ijat  fidfj 
mit  feiner  ©attin  oerfößnt,  er  befugt  geneiben  mißt  meßr. 

$ie  ©efeßfcßaft  Petersburg#  ßat  fiel)  auf  bie  öierjig 
Qnfeln  ber  Pewa  jerftreut.  geber  will  ju  §auS  bleiben; 
alles  gefeflige  ßeben  Ijat  aufgeljört.  3n  jebem  ©efudjjer  glaubt 
ber  ©efucßte  einen  Spion  9lraftSejeff’S  ju  erblidEen. 

©S  ßerrfdjt  ooßftänbige  SBinbftifle. 

Pidfß  einmal  ©riefe  werben  gefdßrieben ;  man  jittert 
nor  bem  fdjwarjen  fiabinet. 

Pufdijfin  läßt  oon  fidfj  nichts  Ijören.  @r  fißt  baßeini 
in  feiner  ©inöbe  ju  pteSloW ;  Wenn  er  fein  ©liicf  üerfdjweigt, 
fo  Ijat  w  meßr  als  fjunbert  gute  ©rünbe  baju.  ßRöglicfj, 
baß  feitbem  ©etljfi  Senken  gefcfjrieben  Ijat  —  aber  ©riefe 
fhtb  fterblidfj.  2ßer  weiß,  in  weldje  $änbe  fie  gefaßen  fiitb ! 

$iefe  große  Stifle,  biefeS  gußaufebleiben,  biefeS  fidf> 
3ufriebengeben  beginnt  unßeimlid)  ju  werben. 

SRitter  ©alban  erhielt  Drbre,  oon  ©ißa  ju  ©ißa  ju 
eilen  unb  etwa#  ju  planen,  bamit  bie  Iperrfcßaften  bocß 
wieber  anfangen  fid)  ju  amufiren!  ®er  ©atte  fofl  nicfjt 
immer  an  ber  Seite  ber  ©attin  fißen. 

@S  ging  bie  SRebe,  bie  fcßöne  gärftin  ©fjebimin  Werbe 
(im  Sommer)  baS  ©iS  bredjen  unb  bie  oornefjnte  ©efefl» 
fcßaft  bei  einer  großartigen  Soiree  oereinigen,  unb  jwar  am 
SJtarientage,  am  gefte  ber  2Rafinfa.  ©)amit  bie  ©erföf)* 
nung  jwifcfjen  ben  ©atten  bemonftratio  ber  SBelt  gezeigt 
werbe,  Wirb  bie  gärftin  audf)  ,geneiben  eine  ©inlabung  fdßiden. 

S)ie  ftolje  gärftin  erläßt  eine  ©inlabung  an  bie  ebenfo 
ftolje  Königin  ber  ©üljne,  oon  Welcher  bie  SGßelt  erjäßlt, 
baß  fie  bie  ©eliebte  beS  gürften  „geWefen."  —  ©S  ift  fdfjwer 
ju  fagen,  Weldje  grau  größeren  SRutt)  befißt,  jene,  weldje 
bie  ©inlabung  ergeben  läßt,  ober  jene,  Weldfje  bem  SRufe 
folgt. 


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158 


Sorpntfjia  ift  jebocf)  nodj  ju  Sdfjwererem  cntfcfiloffen : 
fie  wiß  an  93et£)jaBa  eine  ©intabung  Riefen,  in  Segleitung 
eines  fdfjmeidEjetljaften,  oerjeifjenben,  fegnenben  ©riefeS,  ben 
fie  eigenfjänbig  getrieben.  Somit  aber  bie  junge  grau  um 
fo  getoiffer  ber  ©intabung  folge,  wirb  berfelben  burdj  ©er= 
mitttung  ber  gürftin  ber  Empfang  burdj  baS  Saiferpaar 
in  fixere  9tuSfidf)t  gefteüt.  ©etljfaba  !ann  oon  bem  ©jar 
©erjeifjmtg  für  itjren  turnen  Schritt  erflehen  unb  jugteief) 
©nabe  für  ifjren  ©atten,  ben  ber  ©ertuft  biefer  ©nabe 
nadfj  ©teSfoW  oerbannt  tjat.  Siefe  SluSfidfjt  ift  eine  fetjr 
oerfütjrerifcfie  Socffpeife. 

$ieS  alles  bjatte  ßeneiba  oom  Sftitter  ©atban  erfahren. 
2öaS  hoffte  Sorpntfjia  tjierburcf)  ju  erreichen?  SD3aS  wiß  fie 
mit  ©etfjfaba  beginnen? 

®S  ift  boct)  fo  gut  wie  unmögtidf),  bafs  bie  junge  grau 
Wäfjrcnb  beS  §onigmonateS  ben  fpain  if|rer  Seligfeit  Der» 
taffe,  unb  aßein,  ofjne  ©atten,  bem  eS  oerWefirt  ift  itjr  ju 
folgen. 

Unb  bodjj,  faßS  bieS  mögtidt)  Wäre,  fo  fönnte  hieraus 
Etwas  erWadfjfen. 

^eneiba  glaubte  einmal  in  ber  ©eftatt  ©etfjfaba’S  ein 
in  ber  Sette  fefßenbeS  ©lieb  gefunben  ju  fjaben.  ÜRun  ift 
fie  bemüht,  bieS  ©lieb  ber  Seite  einjupaffen. 


XLI. 

S8ie  raußt  mau  bem  Ratten  bas  £9etß? 

„©in  fdjtecljteS  Spiet,  baS  Sittber  niefjt  erfreut."  Unb 
gibt  eS  größere  Sinber,  atS  ein  oertiebteS  ©aar? 

3m  ©arf  ju  ©teSfoW  läßt  man  Stadien  fteigen*  unb 
©ettifi  madjt  eS  ©ergnügen,  baß  ifjr  Sracfje  ftetS  fcfjön  fdjnur* 
gerabe  in  bie  tpölje  fteigt  unb  oben  auSljätt,  wätjrenb  ber 
Sractje  Sltejcanber'S  Sflatfjeur  über  Sßtatfjeur  tjat.  gtjr  ®ra<fje 
ift  audf)  Weit  tjübfcfjer :  er  tjat  jwei  große  2lugen,  einen  3Jtunb, 


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159 


eine  9tafe,  bewegliche  Dhren  —  ber  Strafe  2llej:anber'S 
bagegen  ift  ein  gang  gewöhnliches  ®ing,  wie  ntan  eS  au§ 
allerlei  alten  ©ebneten  jufammenlleben  !ann. 

®aS  Weite  gelb  bietet  ben  beiben  Sinbern  SRaum 
genng,  um  mit  bem  brachen  laufen  ju  lönnen.  Utiemanb 
fließt  fie,  als  bie  ®anthirfche  am  9ianbe  beS  SBalbeS. 

91uf  ber  Iäng§  beS  IßarteS  ficf)  hinjiehenben  Straße 
rollt  ber  ißoftWagen  eilenbS  baßm;  ber  tßoftiflcm  läßt  luftig 
fein  iporti  erf  (hallen. 

„Sftir  bäucht,  als  ob  ber  Iß  oftwagen  üor  unferem 
®hor  gehalten  hätte,"  bemertte  Sethfi. 

„So  ift'S.  S3ir  fyaben  entweber  einen  SBrief  ober 
einen  (Saft  erhalten." 

„21h,  leinen  ©aft!"  feufjte  baS  Heine  SBeibcßen 
auf.  SReuoermählte  finb  nicht  gaftfreunbtich  geftimmt. 

Unb  hoch  fcheint  gemanb  gelommen  ju  fein;  Dom 
(Schlöffe  her  nähert  fith  ber  ®Wornil  bem  jungen  ißaare. 

9tun  gilt'#  ben  ®radjen  rafdh  fallen  ju  laffen ;  -Jliemanb 
barf  fie  beim  Spiele  ertappen,  fie  mürben  auSgeta<f)t. 

Sn  ber  ©ile  oerwidelt  fidfj  nun  ber  ®radje  in  ben 
bürren  21ft  einer  Sichte  unb  üertiert  babei  baS  eine  Sluge. 

„2Bie  Sdfiabe!"  murrt  unwillig  SBethfi.  „9hm  hat  ber 
SDradje  nur  ein  Sluge  mehr.  $aft  ®u  nicht  ein  Städtchen 
ißapier  bei  ®ir,  um  ben  Schaben  auSpbeffern?" 

„SBoßer  nehmen?  haft  ®u  nidht  bereits  alles  tßapier, 
baS  im  fpaufe  war,  für  ®einen  ®rad£)en  Derbraucht?" 

„Suche  nur!  SSieüeidht  finbeft  ®u  hoch  noch  irgenbwo 
einen  alten  Scßulbfchein." 

SnjWifdhen  war  ber  ®mornil  nahe  gelommen. 

„9ßun,  ®anaf<hi,  WaS  gibt'S?" 

„@in  SBrief ." 

„2ln  Wen?" 

Sethfi  entreißt  bem  ®wornil  ben  SBrief. 

„2lha!  eine  grauenfdhrift!  Shmmihn!  ©in  Siebesbrief. 
Srgenb  eine  alte  Siebe  macht  ®ir  SBorWürfe.  SieS!  ©eWiß 
gibt  er  ®ir  ein  SRenbepouS." 


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160 


„ÜlllerbingS,  eine  grauenfcfjrift.  9tur  ift  baS  Schreiben 
picht  an  micf),  fonbern  an  ®icf)  abreffirt." 

„2ln  mid)?"  ruft  ©etf)fi  oerwunbert  auS.  „©Ser  fönnte 
benn  an  midj  f djreiöen!  ©ießeicht  .Seneiba?" 

„.Seneiba  nicht;  beten  Schrift  fenne  ich." 

„©ießeicht  nur  aßgugut!  —  ©bet  Wer  fonft  fonnte 
ntir  Treiben?" 

Unb  bann  rietfien  fie,  toätyrenb  ber  ©rief  Bon  §anb 
gu  §anb  wanberte,  lange  t)in  unb  t>er,  wer  ben  ©rief 
eigentlich  gefd^rieben  fjaben  fönnte?  Snblicf)  machte  Sltejanber 
ben  ©orfchlag,  baS  ©efte  Wäre  eS,  ben  ©rief  gu  öffnen, 
um  gu  fehen,  Wer  if»n  gefcfjriebert  habe. 

2113  fie  bie  Unterfdfjrift  erbficften,  riefen  fie  ©eibe 
itberrafcfjt  auS:  „©leine  ©atljin!"  —  „®eine  ©athin!" 

,,©Sa3  fie  un§  WoI)l  fdjreiben  fann?" 

Unb  als  ob  ber  gange  ©rief  eine  ©ufforberung  jur 
^eiterfeit  geWefen  Wäre,  fo  lacfjte  ©etf)fi  luftig  bon 
Sfnfang  bis  gunt  @nbe  beS  ©riefeS. 

„Wa^afja!  ich  foß  gum  ©tafinfa=gefte  fommen!  allein! 
ohne  ©lejcanbet!  @S  Wirb  ein  großes  geft  fein.  ©udj  ber 
Sgar  wirb  bort  fein  unb  bie  ©garin  unb  oerfd)iebene  frembe 
gürften.  gef)  werbe  ©efegenfjeit  haben,  ben  ©garen  anguflef)en, 
baff  er  ©lejanber  geftattet,  nach  Petersburg  gurüdfehren  gu 
bürfen!  ^»aEja^a  ?  |>aft  ®u’S  gehört,  Slfejanber  ©ergiewitfdj? 
©leine  ©atljin  labet  mich  gum  ©alle,  ohne  ®icf)!  ßu 
einer  giinftigeren  ©tunbe  hätte  ber  ©rief  nid)t  fommen 
fönnen!  ®aS  brauche  idt)  juft!" 

©lit  biefen  ©Sorten  padte  fie  ben  lieben  ©rief;  er 
bedfte  gerabe  bie  Waöar'e^  &er  ®tadf»e  erlitten,  unb  mit 
jWei  ©tednabeln  war  ber  ©rief  an  ben  ®rad)en  befeftigt. 
®aS  in  ber  ©litte  angebrachte  fcfjwarge  Siegel  erfefcte  gang 
prächtig  baS  auSgeriffene  Sluge,  (©albern  ®obe  ©opfpenS 
hatte  ber  $of  fechäwödfjeutliche  ftitle  Trauer  angelegt,  unb 
bie  bomehme  ©Seit  benähte  wähtenb  ber  Trauer  fcf)WargeS 
©iegeflad.) 

„©lit  ber  ©oft  ift  aber  noch  eiue  9r0&e  2*«he  ange= 
langt,"  bemerfte  weiter  ber  ®Wornif. 


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161 


„©tefl’S  jur  ©eite.  ^5<f»  t)abe  je|t  feine  3efy  nadf)= 
jufefjen." 

(Unter  aßen  UnWaßrfifieinlicfifeiten  ift  bie  größte  bie, 
baß  eine  junge  grau,  welche  aus  ber  §auptftabt  ©aflfleiber 
jugefdfjitft  erhält,  feine  3«t  l)aben  foß,  bie  ©enbung  ju 
befiel)  tigen.) 

Ser  Sracpe  war  fertig;  er  fonnte  abermals  in  bie 
Suft  getaffen  Werben. 

2Bie  ein  ®inb  jaudjjenb,  fdfjreienb,  lief  SBetfjfi  mit  bem 
©pagatbünbel  bafjin,  ben  auffteigenben  Sracfjen  nadfj  fiel) 
jiefjenb;  baS  jWeite  tinb  fab  laut  ladjenb  ju,  wäf)renb  ber 
Sradjje  feinen  großen  närrifdjen  topf  mißbtßigenb  fdbüttette. 
SBäfjrenb  man  ben  Sradjen  fteigen  läßt,  pflegt  man,  baS 
$aupt  nad)  rüdwärtS  gemenbet,  ju  laufen.  Söettjfi  bemerfte 
nun  uidE)t,  baß  fie  mit  iprem  SRüden  an  irgenb  gemanben 
ftoßen  muff,  ber  öom  Sftanbe  beS  englifcßen  ©artenS  per 
bireft  auf  fie  juläuft.  ©rft  bann  fcßredte  fie  empor,  als 
fie  non  rüdwärtS  umarmt  Würbe  unb  ein  langer  Äuß  ißr 
Antlifc  traf. 

Sann  fcfjrie  fie  laut  unb  freubig  auf.  ©djon  im 
jweiten  Aügenblide  lag  auch  fie  am  $alfe  beS  Attentäters, . 
unb  nicpt  genug,  baß  fie  an  bemfetben  f)htg,  fie  riß  ben 
Attentäter  auf  ben  AJafen  nieber,  fußte  ißn,  im  ©rafe . 
perumWäljenb,  ^erjlid^  ab  unb  rief  ifjm  bie  fdimeicfjelnbften 
ßfamen  ju :  „Siebten,  Säubdjen,  ^ersdßen!"  ©ufdßin 
mußte  eilen,  um  Söeibe  öon  bem  SBafen  aufjußeben. 

@S  beburfte  für  ißn  feines  befonberen  ©dßarffinneS, 
um  ju  erraten,  Wer  ber  fo  ßerjluf)  bewißfommte  ©aft  fei. 

„@rftid  midi  nur  nidf)t,  Su  Starrten!"  fprad)  3etteiba. 
„©ieß,  injwifd^en  ift  Sein  Sradje  baoongeflogen!" 

„Saß  ißn  fliegen  in  bie  Weite  SDSelt  mitfammt  bem 
©riefe  meiner  5(5atf)iiL  SBeißt  Su,  baß  mir  meine  ißatßin 
gefdtjrieben  pat?  SBeißft  Su,-  baß  fie  micf)  jum  ffltafinfa=gefte 
geiaben  ^at,  offne  ^Sufcpfin?  SBeißt  Su  WaS  tdj  mit  bem 
©tief  gemadfjt  ßäbe?  SEJlein  Sradße  ßatte  einen  Stiß  befom= 
men,  idf>  ßab’  ben  fRiß  mit  bem  ©rief  üerftopft.  —  SBie 
lieb  Su  bift,  baß  Su  unS  befudfjt  ßaft!" 

Sttai :  grell)!».  II.  11 


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162 


„®aä  ift  fdfjott  einmal  Sitte.  Stad)  fecfjä  SBodfien  l)at 
bie  £>oc£)äeit3mutter  bie  fßflidljt,  nädj  bem  jungen  ißaare  ju 
fetjen,  ob  e§  fdfjön  frieblicf)  beifammen  lebe?  ob  fie  fidj 
lieben?  tpaft  ©U  bereits  üon  ©einem  Sftanne  Silage 
befommen?" 

„Unb  mie!"  ermiberte  93etf|fi,  ficb»  jur  ®Iage  üer= 
fteKenb.  „®ie3mal  f)ab'  idf)  fie  Ijier  erhalten!"  Unb  fie  rieb 
ijierauf  öerftof)len  folange  eine  Stelle  be§  2lrme8,  bafs  auf 
bemfelben  in  ber  ®f)at  ein  gleiten  firfjtbar  mürbe,  nur  baff 
geneiba  erlannt,  ber  glecfen  riiljre  öon  feinem  Silage  l)er. 

„Unb  ®u  Sßufc^fin,  E)aft  ©u  feitbem  triefe  fdfjöne 
SSerfe  gebietet?" 

„9tid£)t  eine  geile!  ©u  meifjt,  meine  SDlufe  fann  nicf)t 
bitten,  menn  ba§  SBetter  fcf)ön  ift;  fie  braudfjt  Sturm, 
plätfcfjernben  Stegen,  Scfmeegeftöber." 

„Unb  @uer  Fimmel  mar  feitbem  ftetS  Reiter?" 

,,©u  fietjft  —  idj  bflbe  itid^ts  gebietet." 

9lud^  bieS  ift  glaublich.  gibt  föfttidje  Seiten,  mo 
ber  ©icfjter  bie  fßoefie  nur  fiiljlt,  aber  nidjt  fdfireibt. 

„SBir  Ijaben  and)  im  gattjen  fjaufe  nid^t  ein  Stüttgen 
Rapier, "  fpricfjt  IBetljfi,  melier  ber  gnftinlt  be§  SBeibeS 
jugefliiftert  fjat,  bajj  eä  bie  größte  5J5raf)Ierei  fei,  menn  bie 
-grau  be3  ©ic^terS  fagen  fann,  ber  ©icpter  fei  iljretmegen 
bem  —  Rapier  untreu  gemorben!  —  „So  ift'S,  ben  Srief 
meiner  fßatljin  Ijabe  idfj  foeben  jum  ©rachen  benäht." 

„2lffo,  fo  geE»ft  ©u  mit  ©einen  ßorrefponbenjen  um? 
®ut,  bafi  id;  bieS  meifj!  9tie  merbe  idf)  ©ir  einen  SSrief 
fdjreiben;  menn  id)  ©ir  ©tmaä  ju  fagen  fjabe,  mitt  id(j 
gleicf)  lieber  felbft  fommen." 

,,©ie§  mirb  mir  feljr  lieb  fein." 

„Ober  idf)  merbe  ©idj  mitnef)men." 

2luf  bieS  SSort  fam  fcfjon  nidjt  meljr :  ,,©ieS  mirb 
mir  feljr  lieb  fein,"  fonbem  fie  Hämmerte  fiel)  an  ben  Sinn 
Stlejattber'S  unb  falj  ju  if)tn  auf  mit  ben  SBorten :  „Stillt 
maljr  ®u  läfjt  midi)  nidf)t  fort?" 

3eneiba  gab  ftatt  feiner  21ntmort : 

„SBaljrlidf),  barum  merben  mir  nidjt  Sllejanber  Ser* 


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163 


giewitfdfj  befragen,  ©eine  ©ad>e  ift  eS,  wenn  feine  ©attin 
SBifiten  madf)en  will,  ißferbe  uitb  Sutfdfjer  bereit  ju  galten 
unb  bann  über  baS  $auS  ju  Wadfjen." 

„3$  aber  fönnte,  Wenn  ic£)  Wollte,  nirgenbS  f)inget)en. 
©iehft  2)u  nidht,  Wie  id)  gefleibet  bin?  3)ieS  ift  $leSloWer 
Xradht!  —  2ltejranber  |at  ntir  erjnl)It,  bieS  fei  audlj  bie 
Fracht  bcr  erften  (Sfjriftin  9tuf?tanbS,  ber  gürftentodhter 
Olga  gewefen;  biefe  Sleibung  hot  auch  mir  fe^r  gefallen. 
SBewunbere  biefen  bielfttöpfigen  ©arafan,  biefen  mit  perlen 
befefjten  ^ooojnpi!  auf  bem  Stopfe.  Unb  bann  biefe  rotljen 
©tiefet,  biefe  geftreiften  ©eibenftrümpfe!"  Unb  mit  finblidjer 
ÜRaiüetät  ^ob  fie  if)r  Sleib  bis  ju  ben  Snieeit  empor.  — 
„23ie  Würbe  man  flauen,  wenn  idh  in  biefem  Stoftume 
in  bie  glünjenbe  ©efellfdhaft  treten  Wollte!  Slnbere  Sleiber 
habe  idh  aber  nicht.  Unb  fo  gefalle  idh  meinem  Sltejanber." 

©ie  log  nicht.  ®ie  überfdfjicften  SBaüfteiber  waren  noch 
nicht  if)r  ©gentium,  fie  t)atte  baS  ©efdhenf  noch  ni<f»t 
angenommen. 

9llejanber  fd&Iofj  baS  fiel)  if)m  nnfd)miegenbe  Sinb  in 
feine  Slrrne. 

„SBir  finb  öoKftänbig  ^Bauersleute  geblieben." 

,,©ebe  ©ott,  baf?  iljr  eS  auch  bleibt !"  fpradh  geneiba 
ju  fid).  „3<h  fürchte  aber,  ®u  wirft  eines  üageS  Sein 
®orf,  ®ein  SDBeib  oerlaffen,  unb  nicht  ben  perlgeftidten 
^ßoooinpi!  auf  bem  Sopfe  beS  SBeibeS  Wirft  ®u  für  ben 
fdjönften  ©djmud  galten,  fonbern  bie  pljrpgifd)  e  3Jlü|e 
—  biefer  Wirft  ®u  nac^laufen !"  —  —  — - 

SSaS  ®ante  unter  ben  Dualen  ber  £>öüe  oergeffen 
tjat,  ift  golgenbeS :  Wie  ein  liebenbeS  SEßcib  ben  SRann 
il)rer  Siebe,  bet  iljr  ©igen  l)ätte  fein  fönnen,  in  bem  3lrme 
eines  anbern  SBeibeS  im  ©lüde  ber  Siebe  fcfjwelgen  feljen 
ntufj. 

§ätte  3«teiba  geliebt,  wie  gewöhnliche  SRenfdhen  ju 
lieben  pflegen,  WaS  hätte  fie  fidh  barum  gefiimmert,  wenn 
fie  ben  SDtann,  ben  fie  an  fidh  gefettet  hot,  an  biefer  Sette 
heute  ober  morgen  mit  fidh  in  baS  ©rab  hinabreifjt?  ®ie 
greuben  beS  heutigen  XageS  bejahten  bie  Seiben  beS  SDtor* 

11* 


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164 


gen,  bie  SobeSqualen  beS  Uebermorgen,  bie  brohenben 
©eheimniffe  ber  ©Wigfeit. 

<So  feljr  ^atte  fie  Eßufcf)fin  geliebt,  bafj  fie  für  iJjtt 
ein  ©lüd  fudE»te,  in  baS  fie  ihn  einfchlofj  —  üor  i|r 
eigenes  Selbft. 

©ine  unnatürliche  (Situation!  ©in  aufjerorbentlicheS 
©entüth  war  hieju  erforbetlidj.  3ft  aber  ein  SEBeib,  baS  fi<h 
ju  einer  politifdjen  9t  olle  Ejergibt,  nicht  ein  unnatür= 
licheS,  aufjerorbentlicheS  Sßefen?  Stuf  bent  Slttare  ber 
ißolitil  ift  baS  §erj  baS  Opferlamm,  tiefer  SDtoloch !  Ser 
Simtenraufd)  berträgt  fich  mit  ihm,  bie  Siebe  nicht.  SBer 
jum  rieft  er  ber  Eßolitif  geworben,  ber  lennt  nicht  33  rüber, 
nicht  SSater,  nicht  ©etiebte,  nicht  alte  bewährte  greunbe, 
lennt  feinen  Unterfdjieb  jwifchen  ehrlichen  Seuten  unb 
(Schurlen;  beffen  Eßrincip  ift  ,,©ott"  unb  „3Jtenf<h".  Sarum 
ift  in  ber  Eßotitif  bie  iß  rieft  er  in  unnatürlich;  baS  SBeib, 
beffen  ^errfc^cnbeS  ©efühl  Siebe  unb  ©erecf)tigfeit  finb. 
Sie  Slmajonen,  bie  fämpfenb  in  ben  Ärieg  sieben,  hoben 
ifjt  beffereS  ©efühl  ausgetilgt;  bie  Sßeiber,  Welche  in  ben 
Streit  ber  Eßolitif  sieben,  müffen  oorher  ihre  4?erjen  auS= 
reifen. 

Sie  3Rögli<hfeit  eines  folgen  ShunS  Wirb  auch  nirgenbS 
öerftanben  als  nur  in  Sänbern,  wo  ber  Srucf  fo  uitleiblich, 
fo  »ollftänbig  ift,  bafj  ber  greiheitsbrang  aus  ben  erftarrten 
§erjen  ber  SRänner  auf  bie  Stäbchen  überging. 

Sie  erfte  Sängerin  beS  föoftheaterS  burfte  ben  erften 
Sinter  ber  Station,  aber  nicht  ben  SSeoottmä^tigten  ber 
szojus  blagodenstoiga  lieben.  3wifchen  SBeiben  lag  baS 
„©rüne  Such,"  ein  Weit  größeres  ^nnbernifj  als  ber 
grüne  Ocean. 

Sßahrtidj :  bie  Slnadfjoreten  beS  ©eorgSllofterS  hoben 
bie  Selbftpeinigung  nicht  ju  einer  größeren  SoÜfommenheit 
gebracht,  als  biefeS  SEBeib,  Welches  fich  entfdjloffen  hot,  als 
©aft  in  baS  §auS  ju  lommen,  Wo  ihr  geopfertes  §erj 
auSgerungen,  Wo  fie  3euge  beS  ©tüdeS  ift,  baS  ihr  öont 
$immet  befchieben  War,  Welches  ©lüd  fie  einer  Slnbem 
gefchenft  hot. 


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165 


Uttb  nun  ift  fie  abermals  gefommen,  um  biefeS  ©lüd 
gegen  bie  ©türme  ber  P  fcljü|en. 

Unb  rtid^t  genug,  baß  fie  3euge  beS  ©lüdeS  beS 
IßaareS  ift,  menn  baS  ißaar  beifammen  ift;  aucß  bann, 
menn  bie  ©orgen  beS  ImuSßalteS  ißufdjfin  auf  ein  ©tünb» 
cfjen  oon  ©eite  ©etßfaba’S  reifen,  and)  bann  tjört  fie  aus 
bem  ©tunbe  ber  jungen  grau  nichts,  als  glänjenbeS 
©raßlen  mit  iljrem  ©lüde;  ber  ißfau  liebt  eS  nic|t  fo  feljr, 
mit  feinem  Stabe  p  prahlen,  als  eine  Oerliebte  grau  mit 
ißrem  ©lüde  prahlt.  Sßie  SSieleS  meiß  fie  p  erjäßlen!  2) er 
SJtann  ift  ein  SJtufterbilb  aller  Jugenben  unb  ©olltommen» 
feiten.  Unb  geneiba  muß  fidß  ftetten,  als  ob  fie  bieS  SltteS 
mit  laltem  Sölut  anßören  mürbe.  —  Unb  bann  läßt  ißr 
bieS  jtoeite  SBeib  fortmäßrenb  bie  Jpanb ;  ßunbert  SJtal  fagt 
fie  if)t  oor,  baß  fie  nur  ißr  bieS  ©lüd,  bieS  ©arabieS 
Oerbanle;  unb  fie  muß  biefem  9tuS6rud)  überftrömenben 
S)anfgefuf)lS  mit  ßodßßeräigem,  lattem  ©lut  tauften.  Unb 
bann,  menn  nacf)  einer  ßalben  ©tunbe  ber  ©eliebte  nocß 
nidfjt  jurüdgeteßrt  ift,  feßen  müffen,  mie  unrußig,  mie 
jerftreut  baS  junge  Sßefen  ift;  oon  ißrem  9tntli|e  lefen  p 
müffen  ben  SBunfdß :  o  bu  liebe  Sßoßltßäterin,  meine  gee, 
meine  ©öttin  —  mie  gerne  fäf(e  icß  eS,  menn  ®u  jeßt 
nidßt  bei  mir  märeft,  bamit  icß  laufen  unb  ißn  fucßen 
fßnnte!  Unb  ju  allebem  muß  fie  läcßetn!  —  O  biefer 
SJtotodß! 

„©dßau,  ßiebcßen,  idß  bin  nur  getommen,  um  ®idß 
SUejanber  ©ergiemitfcf»  auf  einige  3eü  P  rauben." 

„911)!  menn  ®u  rauben  miHft,  fo  nimm  unS  ©eibe! 
©on  ®ir  läßt  fidE)  audß  9llejanber  rauben." 

„Stur  baß  er  bortßin,  moßin  ®u  fontmen  mußt, 
meber  geloben  ift,  ttocß  tommen  tann.  $u  mußt  bie  ©in» 
labung  deiner  Sßatßin  anneßnten." 

„2BaS  fagft  ©>u?  bie  ©inlabung  ju  ißrem  ©aß?" 

„®u  mirft  bort  mit  bem  ©jar,  mit  ber  ©jarin  pfam» 
mentreffen,  fie  merben  $idj  anfprecßen." 

„3cß  foll  bort  fein?  —  oßne  911epanber  bort  fein?" 

„@ben  an  ®ir  liegt  eS,  baß  audj  ©ufcßtin  bort  fein 


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förnte,  mo  Su  bift.  Seine  Beirat  mit  if)m  hat  feine  £ebenS= 
baf)n  üoDftänbig  burdjfreujt.  §eute  fühlt  er  bieS  nod)  nicht, 
aber  nach  ©erlauf  eines  golfreS  mirb  er  bei  jebem  Stritte 
fic^  erinnern,  baff  cinftenS  jebem  Schalle  feines  drittes 
Slporngellirre  gefolgt  ift.  Sie  Seele  beS  SianneS  ift  fein 
©ogel,  ber  in  ben  Käfig  gehört,  am  toenigften  bann,  menn 
er  Slblerftügel  befifct.  Seine  Aufgabe  ift  eS,  »om  ßjaren 
©ergebung  für  Seinen  Staun  ju  oerlangen,  bamit  ©ufc^fin 
feine  abgebrochene  ©ahn  meiterfdjreiten  fönne.  ge|t  grünen 
noch  tiie  gelber,  nach  einem  SSonat  fchon  toirb  ber  Schnee 
fie  becfen,  unb  hinter  bem  Ofen  hocfenbe  ^auSgefährten 
finb  nicht  fo  glücflich  als  jene,  meldje  auf  ben  gelbem 
Stachen  fteigen  laffen." 

„Su  münfcheft  alfo,  baff  ich  für  SHejanber  bie  Süd* 
fehr  nach  Petersburg  erflehen  fott?" 

„Um  alle  Schäle  ber  SBelt,  nur  baS  nicht!  ©ietmehr 
foüft  Sn  ben  ©jar  bitten,  er  möge  ihm  eine  Stiffion  ge= 
ben,  bie  ihn  fammt  Sir  in  Sein  Stammhaus  Oerfefct. 
SdjilbeTe  bem  iperrfcljerpaar  baS  Sanb,  in  bem  Su  geboren 
bift,  fo  mie  eS  oor  Seinem  ©eifte  fteht,  mit  feinem  milben 
§immel,  feinen  buftenben  SEBälbern,  feinen  fruchtbringenben 
©äurnen.  Sage  ihm  SldeS,  toaS  in  Seiner  ©rinnerung  Sie= 
beS  unb  SheureS  lebt,  unb  erbitte  Sir  als  ©nabe,  bafj 
ihn  ber  ©jar  bahin  fenbe." 

„D,  meid}’  üerführerifdher  ©ebanfe!"  feufjte  ©ethfaba. 
„@r  mirb  jeboch  nie  barein  mittigen,  bah  ich  ihn  h’er  ictffe, 
ba|  i<h  fortgehe,  oon  ihm  entfernt  bleibe  Sage,  SSBochen 
hinburch" 

„Sur  auf  eine  Sßodje." 

„SaS  ift  ja  ein  gahrhunbert!  Sein,  bieS  mirb 
Sllejanber  nicht  erlauben." 

„Ueberlaffe  baS  mir.  geh  merbe  ihn  Überreben!" 

„Su?  Sun,  menn  Su  bieS  üermagft,  fo  bift  Su  eine 
mahrhaftige  gee.  916er  eine  fonberbare  gee!  geh  mürbe  eS 
begreifen,  menn  Su  Sllejanbern  mir  rauben  mottteft,  aber 
ba|  ®u  mich  Sllejanbern  ftehlen  mittft,  baS  begreife  ich  nicht." 

„Sieh,  bort  fommt  er  burdj  ben  ©arten.  Stelle  Sich 


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167 


hier  jurn  Seufzt  unb  fiel)'  p.  gef)  gehe  ihm  entgegen  unb 
fpreche  mit  it)m.  Saufdje,  Wie  ich  i£»n  berführe!" 

„darauf  bin  idf)  fehr  neugierig." 

®ie  eine  @d)onje  war  bereits  genommen,  Betteiba 
eilte  jur  Selagerung  ber  ^weiten  hin. 

fJ3uf<h(in  !am  über  ben  grünen  Sftafen  baher  unb  ftannte 
fe^r,  atö  er  Beneiben  auf  fidf  peilen  falj. 

„Sehre  um  unb  fpricb  mit  mir,"  fpradfj  Beneiba,  ihre 
fjanb  in  ben  Strm  ißufdhtin'S  tegenb.  „Sift  $u  ganj 
gtüdflich?" 

„®eS  ©lüdeS  f)at  man  nie  genug." 

„3db  Witt  barauS  entnehmen,  ob  ®u  fchon  entbehren 
(annft?  3<h  Witt  ®ir  ®ein  SBeib  auf  eine  SBodje  rauben." 

„Stein  Heines  Sßeibchen  ?  Unb  was  Wittft  $u  mit  ihr 
anfangen?  9lu<h  je^t  fdhon  liebt  fie  ®idh  weit  mehr  «iS 
midh!" 

„gürcßte.  nidhtS!  Sie  liebt  5)idh  mehr  als  £immel  unb 
©rbe  unb  SltteS,  was  bajwifchen  liegt.  «Sie  muß  ber  ©in» 
labung  ber  gürftin  ©hebimin  pm  Satte  folgen." 

$ie  am  genfter  laufdhenbe  grau  fieht,  wie  ihr  ©atte 
feinen  Slrm  leibenfdhaftlidh  ber  £>anb  feines  ©afteS  entreißt. 
Beneiba  Wanft  nid^t,  fie  ergreift  abermals  feinen  2lrm. 

„|»bfopf!  Sie  wirb  ja  nidht  bei  ber  gürftin  Quartier 
nehmen,  fonbern  bei  mir.  3<h  Werbe  ihre  Stutter  fein.  SKein 
§auS  ift  gegenwärtig  ein  feljr  adhtbareS  $auS.  Seitbcm  id) 
aufgehört  höbe,  Sdf)aufpieterin  p  fein,  höbe  idh  (eine  leicht» 
finnigen  ©efettfdhaftert  feitbem  bie  szojusz  blagodensz- 
toiga  in  ber  lebten  Setfammlung  ihr  Schlußertenntniß 
gefällt  hot,  (ehrt  (ein  geheimer  Serfdjworner  mehr  bei  mir 
ein,  eS  bebarf  (einer  StaSferabe,  lärmenber  Unterhaltung; 
idf)  lebe  einfam,  abgefdhloffen.  S)er  ©jar  hot  mir  baS  Stern» 
freuj  gefenbet,  als  Stilberung  für  bie  jüngfte  ©nttaffung, 
unb  —  „Noblesse  oblige"  —  bie  ©ternlreujbame  Beneiba 
(ann  nicht  mehr  mit  jDiaboffa’S  oertehren.  |>aft  ®u  alfo 
nidht  ben  Stutlj,  mir  ®ein  SEÖeib  anpoertrauen,  Wenn  mein 
2tuge  über  bemfetben  Wadht?" 

„Slber  p  Welchem  BtoedE?  SBittft  S)u  für  mich  beim 


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©garen  irgenb  eine  ©nabe  erbetteln  taffen  ?  2)ann  femtft 
$u  mich  fd)le<f»t !“ 

®ag  laufchenbe  SSeib  fah,  Wie  ißnf^fin  im  ©elfen 
mit  feinem  ©tocle  gornig  bie  glocfenblumen  lüpfte. 

,,3>c£)  lenne  $idj  gang  gut.  3)u  bift  entfdjloffen,  ^ier 
in  ißleSloW  gu  bleiben,  gugufeljen,  Wie  bag  ©rag  wädfft, 
f>gfen,  ©nten  gu  jagen,  baS  |>au8  »oll  gu  rauben,  eine 
$artie  S^ombre  gu  fpielen,  »on  fjmnben  unb  ißferben  gu 
reben.  Seine  Ambition  Wirb  fein,  einen  guten  Heller  gu 
haben,  als  guter  länger  anerlannt  gu  werben,  guweiten 
einige  ®ofalen=0fficiere  im  Quelle  gufammen  gu  tjauen 
ltnb  bie  mit  ber  ißoft  angelommenen  3eitungen  unauf» 
gefchnitten  gu  laffen.  Sagu  ^aft  Su  genug  Äraft  unb 
Suft!  Stiemanb  benft  auch  nur  baran,  Sich  biefem  ©nt» 
fcfjluffe  gu  entreißen,  ©in  Slnberer  Ijat  gntereffe  an  bem. 
kommen  deiner  grau." 

„28er?" 

„3uerft  bie  szojusz  blagodensztoiga,  unb  bann  ber 
©gar." 

„Sin  bem  kommen  meiner  Keinen  99etE>fita?" 

„Unterbrich  mich  nicht,  ich  muff  leife  fprechen.  Su 
weißt,'  baß  nach  ber  gweiten  SFtücffetjr  SlraltSejeff’S  ber 
Slufftanb  unaufhaltbar  geworben  ift.  ©eine  gewaltthätigen 
SKaßregeln  ha&en  SlUe  fo'  erbittert,  baß  SRiemanb  mehr 
bag  Seben  beg  ©gar  gu  fdjü|en  »ermag  :  nur  ich  allein. 
SKöglich  beghalb,  weil  ich  e'n  28eib  bin,  obwohl  ung  ifluftre 
Süeifpiete  geigen,  baß  grauen  im  331ut»ergießen  ebenfo 
graufam  fein  fonnten  als  ÜJtänner  —  aber  mehr  aug  lall» 
blütiger  Ueberlegung.  ©in  Slugbruch,  welcher  mit  ben  SEBinb» 
biichfen  Äubufoff'S  ober  ber  §öHenmafchine  SathowStp'S 
beginnt,  ober,  wie  galuSlin.eS  plant,  gelegentlich  eines 
SSalleS  mit  einem  Sittentat  auf  bie  gange  laiferliche  gamilie 
—  nimmt  in  SRußtanb  lein  gutes  ©nbe.  daraus  entfteht 
nicht  eine  SSerfaffung,  barauS  entfteht  bie  UmWalgung  beS 
SleicheS  :  ber  Äampf  beS  SßefferS  unb  ber  Sljt  gegen  baS 
93ajonnet,  ber  Äampf  ber  Sumpen  gegen  bie  Treffen,  unb 
nach  fold^cm  SBirrwarr  wirb  baS  9tei<h  ben  Sprannen 


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169 


fegnen,  ber  enbtic^  bie  ermübeten  föämbfer  insgeheim  unter» 
brüdt  unb  Stufje  fd^offt  burd)  bie  geffetn.  Ser  ©jar  unb 
bie  ©jarin  börfen  ttid)t  berieft  werben.  Sie#  forbert  rxicEjt 
ba#  $erj,  fonbern  ber  Sßerftanb. 

„3Jtein  fßtan  ift  fotgenber  :  ber  Seibarjt  ber  ®aiferin 
hat  angeorbnet,  baf?  bie  ©jarin  in  ein  mitbere#  ®tima  ge» 
bracht  tnerben  müffe.  S«  ba#  Stuätanb  will  bie  ©jarin  nid)t 
gehen,  nnb  Saufafien  biinft  il)r  eine  Sßitbnifj  ju  fein,  in 
ber  man  unmöglich  weilen  fönne.  Sen  Staturforfchern, 
Welche  biefe  ©egenb  betrieben,  fd^entt  fie  feinen  ©tauben; 
fie  finb,  ihrer  SReinung  nad),  Schmeichler  bon  9Imt#wegen. 
SBenn  aber  ein  junge#,  unfd)utbige#  graudien  bor  fie  t)in= 
treten  unb  bon  bem  ^errfdjerpnare  at#  ©nabe  fid)  erbitten 
Wirb,  bafj  itjr  geftattet  Werbe,  fammt  it)rem  ©atten  in  ba# 
fdjöne  Sanb  ju  jiefjen,  bie#  Sanb  mit  ber  Segeifterung  ber 
aufrichtigen  finbtidien  Slnhangtid)feit,  ber  fügen  (Erinnerung 
at#  ein  Wahre#  fßarabie#  fdjitbernb  —  bann  ift  e#  möglich, 
bafj  man  Wohl  bem  ©atten  nid)t  geftatten  wirb,  in  bie# 
Sanb  ju  jiehen,  bafj  aber  ba#  ©emüth  ber  ©jarin  für  bie 
Steife  nad)  bem  $autafu#  gewonnen  wirb.  Ser  ©jar  betet 
bermaten  feine  ©ematin  an,  er  geht  mit  ihr,  bleibt  mit 
ihr  bort;  alte  gene,  bie  ben  Stufruhr  mit  bem  gewattfamen 
Sobe  be#  ©jaren  inauguriren  wollen,  Werben  gejwungen 
fein,  einen  anberen,  ebleren,  menfdjtidjeren,  hotitifd)eren 
fßtan  ju  erfinnen.  Ser  ©jar  wirb  forgenlo#  feine  Sage  am 
<Sd)Warjen  SOteer  üerbringen,  wo  ihm  noch  Stiemanb  jürnt, 
ihn  Stiemanb  bebroht.  Un#  bleibt  Stiemanb,  ben  wir  jur 
9ted)enfchaft  jiehen  müffen,  at#  ber  übermächtige  ©ünftting. 
2Rit  biefem  werben  wir  fertig  Werben.  Sie  ©onftitution 
wirb  ohne  alte#  SJlutbergiefjen  in  St.  fßeterSburg 
proctamirt  werben,  ba#  $eer  wirb  fid)  ju  ihren 
©unften  erflären;  unb  bann  tjat  ©jar  Sltejanber 
freie  SBaf)I;  entweber  er  erfüllt  ben  allgemeinen 
Sßunfd)  be#  tßotfe#  unbfehrt  at#  geliebter  SJtonard) 
heim,  ober,  fatt#  ihm  bie#  mehr  behagen  follte,  er 
befteigt  bort,  am  Sdjwarjen  SJieer,  ein  Schiff  unb 
fann  au#fegetn,  um  ©aftfreunbfchaf t  ju  fuchen  — 


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170 


beim  tiirtifdjen  Sultan  —  aber  fein  Seben  wirb  ge= 
fdjiifjt  fein." 

SaS  am  genfter  taufdjenbe  SBeib  fieljt,  mie  iljr 
SJtann  bie  |>anb  feiner  (Saftin  füfjt.  Er  ift  bereits  oer= 
fiUfrt!  So  ift’S.  Sie  fjat  bem  SKann  baS  SBeib  geraubt. 

„Sen  Su  liebft,  ber  ift  geliebt!  Setbft  wenn  e§  ein 
Spramt  ift!"  fprad)  $ufc£)fin  Ijingeriffen. 

,,3cE)  will  bie  ^eilige  Sadje,  nirf)t  aber  ben  Ejaren 
retten." 

„Seibe!  fomm’,  icf)  will  Sir  mein  SBeib  geben. 
Stimm  fie  mit  Sir.  33efiel)I  bem  Sturme  tttulje  mit  iljrer 
ßerdfjenftimnte." 

®a§  SBeib  am  genfter  fieljt  i^ren  SRann  unb  ßeneiba, 
eilenbS  jurüdfefjren.  —  SBaijrttd)  bu  bift  eine  3auberin! 

ißufd£)lin  trat  mit  folgenben  SBorten  bei  feiner  ©at= 
tin  ein : 

„Sllfo,  man  l)at  deinen  Srad&en  bom  Enbe  ber 
Stabt  prüdgebradjt.  §ier  Ijabe  idj  ben  SSrief  Seiner 
ißatl)in.  Ein  feljr  fcpner  S3rief.  Su  mufft  iljt  ge^orcfien. 
SBie  lönnteft  Su  einer  folgen  Einlabung  Wiberfteljen? 
S3efonber§  ba  Beneiba  Seine  ©arbebame  fein  Wirb." 

S3ett)faba  fat>  ftaunenb  auf  33eibe  unb  brodle  bann 
Beneiba  mit  iljrem  ginger. 

„Su  bift  bod)  ein  Sämon!  So  !omm’  benn  unb  fefjen 
Wir  nacf),  Welche  S3att!leiber  meine  ißatliin  gefdfjitft  f)at." 

SieS  nennt  man  eine  bottftänbige  Kapitulation. 

Sie  Kifte  Würbe  gebraut  unb  geöffnet.  SaS  foftbarfte 
SBattlteib  ging  aus  berfelben  fyerbor,  mit  $i(fe  Benctben’S 
Würbe  baS  ©leib  au<f>  fofort  probirt.  Sann  jeigte  fid) 
33etl)faba  it)rem  ©atten. 

„SBerbe  idj  fdjön  fein?  SBerbe  idf)  biete  SDtänner  när= 
rifdj  machen?" 

„Sitte!" 

„®ib  Sldjt,  gib  9ld£)t!  Su  barfft  micf)  nidf(t  um= 
armen.  Su  oerbrödft  ja  meine  Kraufe!"  — - 

So  raubt  man  bem  ©atten  baS  SBeib  in  ber  redeten 
©litte  ber  ^onigwodjen. 


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XLII. 

Jta»  J3fefte  ber  ^Saftttfta. 

SRaria  Himmelfahrt  fällt  nach  bem  ruffifdjeit 
Satenber  ©nbe  Sluguft,  jwötf  jage  fpäter  als  nach  bem 
fö’atenber  ber  ülftronomen. 

Ser  ruffifdfje  ©jar  befiehlt  nämlich  auch  ber 
Sonne.  SSeil  nach  bem  ruffifdjen  Satenber  jebeS 
üierhunbertfte  gat)r  um  brei  Sage  jurücfbleibt, 
fo  Wirb  nach  bem  ruffifdfjen  Äalenber  nach  20.000 
fahren  im  Sßinter  Sommer  unb  im  Sommer 
Sßinter  fein.  Ser  ©jar  tann  auch  bieS  machen. 

3n  St.  Petersburg  ift  aber  je|t  bie  fcfjönfte  gahreS» 
Seit.  ©S  ift  ber  Herbftanfang.  Sie  Sage  finb  bereits  tiirjer 
unb  nicht  fo  h«§;  baS  ÜRonbticht  fommt  SlbenbS  jur 
©ettung. 

Unb  nachbem  WenigftenS  ein  Srittet  ber  ruffifchen 
grauen  SRaria  E>ei^t,  fo  herrfht  in  alten  SSilten  an  biefern 
Sage  feftliche  Stimmung,  unb  StbenbS,  toenn  allüberall 
baS  geuerwerl  beginnt,  gibt  es  mehr  Sterne  auf  ©rben 
atS  am  Himmel. 

8 luch  Sort)nthia  führte  ben  Seinamen  SRaria;  baher 
ber  SlechtStitet  jur  geier  beS  gefteS. 

Ser  ©ommerpataft  beS  gürften  ©hebimin  auf  ber 
StcWainfel  wetteiferte  an  Pracht  mit  bem  SBinterpatafte  in 
©t.  Petersburg.  Ser  Sanjfaat  hot  SRaum  für  taufenb  (Säfte. 

3u  ben  ©elabenen  gehörten :  baS  ^errfd^erpaar,  bie 
©rofjfürften  unb  ©rofjfürftinnen,  bie  bei  bem  ©jaren  jum 
93efudije  weitenben  SBerWanbten  beSfetben,  fein  SBruber;  bie 
©rofchersogin  oon  SBeimar  fammt  ihrem  (Satten; 
ber  gürft  oon  Oranien  mit  feiner  ©emalin.  —  Sie  atte 
terfarecljen  bem  gefte  beim  gürften  ©hebimin  burch  ihre 
©egenwart  erhöhten  ©tanj  ju  oerleihen. 

Unb  hoch  war  ÜRaria  9ttejieWna  ßortynthia  Weit 
neugieriger  barauf,  ob  ,3eneiba  unb  Setljfaba  fommen 
werben? 


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172 


gräulein  glmarinen  unb  grau  ißufdjfin  hotte  aller» 
bingS  bereits  einen  Sag  üor  bent  gefte  in  einem  fehr 
fchmeiChethaft  gehaltenen  StntWortfChreiben  (bie  ruffifd^eit 
grauen  übertreffen  nämlich,  an  Sourtoifie  felbft  bie  franjö» 
fifdjen  grauen,  namentlich  Wenn  fie  fich  hoffen)  erflärt, 
baß  fie  fommen  Werben.  Mein  man  lennt  ben  SEBerth 
üon  beriei  Sßerfprechen.  Sinen  Sag  üorher  tann  SRiemanb 
fCfjreiben :  „geh  Werbe  morgen  Kopfweh  h oben",  aber  eine 
©tunbe  üor  bem  gefte  fann  man  ben  Siener  mit  bem 
SntfchutbigungSfchreiben  fdjicfen  :  „geh  bin  in  SBerjWeiflung, 
bah  ich  nicht  fommen  fann.  geh  höbe  furchtbares  Kopf» 
toeh."  gür  beriei  SBegbleiben  hoben  bie  grauen  ein  ganjeS 
Strfenal. 

3ur  großen  ©enugthuung  ber  gürftin  famen  jeboch 
SBeibe  ftatt  beS  erwarteten  (SntfChulbigungSfChreiben;  auch 
nicht  fehr  fpät,  noCh  üor  ^Beginn  ber  SBottmufif,  obwohl 
eS  befanntlidj  übtiCh  ift,  bie  Slnfunft  ber  hödjften  (Säfte  ju 
erwarten.  3eneiba  befaß  ein  großes  (Sefdjicf,  jur  rechten 
3eit-  ju  fommen. 

gräulein  glmarinen  trug  bei  biefer  Gelegenheit  jum 
erftenmal  baS  üon  bem  ©jaren  ihr  üerliehene  ©ternfreuj; 
93ethfaba  trug  baS  SBaKfoftume,  baS  ihr  bie  ißathin 
gefCfjicft  hotte.  ©ie  war  eine  auffattenbe  Schönheit.  ©elbft 
bie  tttälje  3eneiben’S  üermoChte  fie  nicht  ju  oerbunfetn. 

Korpnthia  erhob  fich  non  ihrem  ©tut#  unb  eitte  bei» 
ben  entgegen.  3ue*ft  begrüßte  fie  SBethfaba  (biefe  ift  grau) 
unb  füßte  fie  auf  bie  ©tirne  (fie  ift  bie  ißathin).  Sann 
erft  Wenbete  fie  fi<h  ju  3eneiba  —  3eneiba  fam  ißr  mit 
ber  Begrüßung  juüot. 

„Sie  finb  mir  juüorgefommen!"  fpradj  bie  gürftin. 
„@S  ift  War,  Königinnen  grüßen  juerft." 

„tttidjt  fo,  gürftin,  aber  gene,  bie  ihre  SBünfcße  §um 
StamenSfeftc  barbringen." 

©ie  reichten  fi<h  unter  biefen  SEBorten  bie  Ipänbe. 

©ie  wußten,  baß  Sitter  Stugen  auf  fie  gerichtet  finb; 
wie  wirb  bie  ^Begegnung  biefer  Seiben  fid)  geftalten? 

D!  SBeibe  waren  bewährte  Kämpfer. 


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173 


Der  Danjfaal  War  fo  arrottgirt,  baff  allüberall  au® 
ejotifdjen  Gewäd&fen  Keine  |>aine,  gleidjfam  Sdjtupforte 
gebilbet  waren,  Wölfin  einzelne  ißaare  fidff  jurücfjielfen, 
flüftern  tonnten.  Die  Saquaien  bradjten  Srfrifdfjungen 
baljin,  ftettten  Keine  Difdjdjen  bortljin,  eine  Srfinbuug  beS 
ruffifdfen  Somfort.  ®orpntt)ia  wieS  in  einem  93oSquet 
Seneiba  einen  fßlafc  neben  ficE)  an,  unb  als  beibe  neben 
einanber  fafjen,  flüfterte  fie  iljr  lac^enb  in’S  Dljr: 

„Sie  f>aben  midf  »erftanben,  unb  baS  |abe  idfj  bei 
öftrer  Genialität  aud(j  borauSgefefct." 

ßetteiba  ging  auf  ben  Don  ein  unb  tadite  eben« 
falls  mit. 

„Daburdj,  ba|  ict)  baS  Däubcfjen  aus  iljrem  9tefte 
Ijieljer  gebraut  t»abe?" 

„Daburdj!  —  benn  fo  finb  Wir  ju  Sßerbünbeten 
geworben,"  fufjr  bie  gürftin  fort. 

„Sin  iBünbnifj  „ad  hoc“,  wie  bie  Diplomaten  fagen" 
—  interpretirte  gräulein  Slmarinen. 

„SSemt  eS  gilt,  einen  brüten  geinb  ju  ftürjen  —  " 
ergänzte  ®orpnt!)ia. 

„Unb  injwifdfjen  fdjtiefjen  Sngtanb  unb  Stuplanb  ein 
Sdjujj*  unb  Drufcbünbnifj  — " 

„Damit  fie  als  oerbünbete  3Diäct»te  fßariS  erobern?" 
lachte  $orpntt)ia. 

„Stämlid)  ben  fßariS,  ber  bie  gotbenen  Slepfet  beWaljrt, 
um  fie  wem  ju  geben?"  fiel  mit  IjeHem  Sachen  3eneiba  ein. 

„Sie  finb  ein  bämonifc&eS  SBeib!" 

„gdlj  Weiß  eS,  gürftin  Ijaben  eS  bereits  einmal 
gefagt." 

„SBie  Sie  SltleS  IjerauSbringen !  Unb  waljrlidj  aucf» 
Ijier  finb  brei  ^Bewerber.  9Rit  bem  britten  werben  wir 
rafdj  fertig  Werben.  Sel)en  Sie,  bie  kleine  ift  bereits 
offupirt.  gljr  alter  Slnbeter,  9titter  Galban  Ijat  fie. 
Wie  bie  Spinne  bie  ÜKüde,  gefangen.  Seien  Sie  iljrct« 
Wegen  unbeforgt.  Sie  wirb  nidfjt  feiten  $erjenS  juriid« 
feeren.  SEBir  Werben  iljr  fdjon  Reifen.  Sßir  fennen  unS  ja!" 

„SoUftänbig,  gürftin." 


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174 


„Sein  Sdjobe  um  fie!  Unb  ebenso  gerniß,  baß  jeber 
Sßertuft  für  fie  ©etoinn  ift;  unb  idj  glaube,  audj  nid)t  ber 
te|te.  2Ber  fo  angefangeu  fjat,  tote  mein  Scßüfcfing, 
ber  bebarf  feiner  Untertoeifung,  toie  e§  fortgefejjt  »erben 
muß.  ©8  ift  gar  nicfjtS  an  i|r,  toaö  mtö  bauern  fönnte." 

„gn  fotzen  ®ingen  fennen  toir  audj  feine  Sponung." 

„Sfffo  biä  bafjin  griebe  jtmfdjen  un§!  §ernadE)  rnieber 
ber  Krieg." 

,,gd)  Riefte  im  SSor^inein  meine  gfagge  ein." 

,,2ff),  bie§  ift  nur  üaftif,  gräufein  gfntarinen!  grauen 
fafjitutiren  nie.  ®ie§  toiffen  toir  SBeibe  ganj  gut.  gdj  ßabe 
©ie  nocE)  nie  in  fofdjer  9täf|e  betrauten  fönnen,  unb  bodj 
toar  icf)  hierauf  fo  neugierig.  Sagen  Sie  mir  bodj,  färben 
Sie  gßr  $aar  mit  Safran,  bamit  e§  fo  fcfiön  gofbrotß 
toerbe?" 

geneiba  fjatte  öon  Statur  fo  pracf)töoHe3  §aar,  gteict>= 
tt»of(I  flüfterte  fie  oertrautidj  ber  gürftin  ju: 

„9tein,  Safran  f)at  einen  ftarfen  ©erud);  icf)  färbe 
baS  |>aar  mit  83erberi|murjefn,  in  Welchen  fßurpttrfdjnetfen 
aufgeföft  mürben." 

„jtie  fonnte  id)  eö  fjerauäbringen,  rnoßer  Sie  biefen 
pracßtbolfen  ®eint  ßaben?  ©rauchen  Sie  SSeildtentourjefn?" 

geneiba  tackte.  ®a§  ©rrötfjen,  roetd)e§  iljr  Sfntfijj 
flößet  färbte,  märe  genug  Slntmort  gemefen,  —  falls  fte 
bie  Sßaßrßeit  ßätte  fagen  fönnen.  216er  fte  mar  gefommen, 
um  ju  fügen,  unb  fpradj  bafjet  lacßettb : 

„0  gürftin,  bie  ©Haftung  beS  ®eintö  ift  eine  ganje 
SBiffenfdjoft.  gd|  ßabe  ein  33ud),  nocf)  aus  ben  3eiten 
Sßoppaca'S,  mefcßeS  ein  SBerjeidjniß  biefer  SDtittef  enthält. u 

,,2ff),  unter  biefen  ÜKittefn  befinbet  ficß  aud)  jenes, 
baß  man  beim  Sd)Iafengef)en  eine  Schnitte  SRinbfteifd)  auf 
bas  ©efidjt  fegen  muß?" 

„®iefe8  unb  notf)  mandjeS  Sfnbere.  gcß  fann  gßnen 
baS  33ud)  fcßiden,  obmoljf  Sie  bergfeidjen  nid)t  bebürfen. 
2fnabt)omene  mirb  tton  ben  ©rajien  geffeibet." 

„0,  Sie  moffett  ein  großmütiger  geinb  fein,  ber 
feine  Sßaffen  tßeift,  mie  jener  franjöfifdje  SdjiffSfafjitän 


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175 


fein  ©df)ief}pulner  mit  bem  ©ngtönber  geteilt  f)at,  um  fid) 
mit  bemfelben  fragen  ju  fönnen.  3>d)  tarnt  hierauf  nur 
fagen,  maS  ber  perftfebe  König  bem  ®önig  ber  Strmenier 
ertoibern  ließ :  „2BaS  nüfct  eS,  toenn  Su  mir  Sein 
©dfjmert  fenbeft  unb  nid)t  auch  }ugteid)  mit  bem  Sdjmerte 
Seinen  SIrm?!"  2BaS  nüfct  baS  ©eßeintniß  ber  ÄoSmetit, 
menn  eS  nicht  auch  3hr  be}aubernbeS  ßäd^etn  lehrt,  bem 
SRiemonb  }u  miberftehen  ttermag?" 

„gürftin,  Sie  t)anbetn  gonj  fo  mie  Stapoleon,  ber 
bie  gefchlagenen  geinbe  }u  ergeben  pflegte.“ 

„Sermalen  finb  mir  nicht  ©egner,  fottbern  93unbeS= 
genoffen." 

Ser  gemeinfome  geinb  (Setfjfaba)  unterbrach  ben 
gemütlichen  Kampf  burd)  bie  naiüe,  an  Sßeibe  gerichtete 
grage :  ob  fie  bie  erfte  fßotonoife  mit  ßtitter  ©alban 
tonjen  burfe?  Sie  mürbe  auch  ber3ft<h  auSgeladht. 

„Sir  ift  fdhon  Stiles  erlaubt!  Su  bift  fa  grau!" 

SBaS  man  bei  ben  Soirfeen  beS  Petersburger  §ofeS 
Potonaife  nennt,  befteljt  barin,  baß  bie  ganje  tanjenbe 
©efeßfdmft  paarmeife  in  furjen  Sanjfch  ritten  ben  Saat 
auf  unb  abfdjjreitet,  nach  ben  Saunen  beS  S3ortän}erS.  Sßir 
bitrfen  baher  unter  ber  potonaife  nicht  bie  feurige  SRajurfa 
Bon  ©inft  Berftehen,  mo  ber  ©oben  unter  ben  güßen  ber 
Sänjer  erbröhnte.  Sener  San}  mar  ber  San}  eines  3eits 
alterS,  mo  jeber  potnifdhe  ©beimann  fo  gut  mar  mie  ber 
Äönig;  biefer  San}  ift  ber  San}  einer  $eit,  mo  jeber 
polnifdje  ©beimann  fo  Biel  gilt  als  ein  —  Sauer,  gn 
früheren  Beiten  hotten  auch  ©}ar  unb  ©}arin  an  biefem 
San}e  Sheil  genommen,  unb  eben  gelegentlich  einer  Polo» 
naife  mar  es,  mo  Sllejanber  megen  ber  fdf)önen  Korpnthia 
9iarifchfin  ©lifabeth  Bedeute,  maS  biefe  nie  Bergeffen  tonnte. 

Sie  Slnfunft  ber  hohe«,  höhere«  unb  höchften  ©äfte 
tnadhte  ber  Konoerfation  ein  ©nbc.  Son  nun  an  mußte 
fief)  Seber  in  Steil)  unb  ©lieb  fteßen  unb  märten,  bis  baS 
^errfeßerpaar  feinen  Stunbgang  angetreten,  unb  erft  nach 
Seenbigung  beS  fRunbgangeS  beginnt  ber  San}. 

Beneiba  mürbe  auch  ben  fremben  fürftlidfjen  ©äften 


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176 


öorgefteßt;  e§  Würbe  if)r  hierbei  fo  üiel  SBeibraucb  geftreut, 
bafe  fie  in  biefem  Stauche  gene  gor  teidE»t  au3  bent  Stuge 
^ätte  öerlieren  fönnen,  bic  ihrer  gürforge  anüertraut  war. 
Sie  war  aber  ein  erprobter  gübrer  in  bertei  Schlachten, 
ber  eä  üerftanb,  ba8  ganje  Kampffelb  ju  überbliden,  unb 
aud)  ba8  tleinjte  ®etail  ber  Sdjlacbt  beberrfchte.  Stufmerf* 
fam  »erfolgt  if)r  Singe  S3etf)faba,  fie  fiebt,  wie  SRitter 
©alban  fcf)tnad£)tenben  SlntlifceS  it)r  in  ba3  Dfjr  ffiiftert, 
fielet,  wie  bie  junge  grau  plöblid)  mit  erglühten  SBangen 
p  ihrer  ißat^in  eilt,  ficb  neben  biefer  nieberläfet  unb  bann 
überrafdfjt,  ftaunenb,  jwifc^en  Sachen  unb  (Bereden  fcbwan* 
fenb,  £)5rt,  wag  bie  ißatbin  fagt.  Sie  erriet!)  aud;,  röa§ 
biefe  ber  jungen  grau  fagte.  Slud)  baS  fab  fie,  wie  bie 
Sjarin  Setljfaba  anrebet  unb  ntit  bulbüofler  §erablaffung 
jur  felben  fpricbt. 

Unb  fie  fiebt  noch  Slnbereg : 

2)afe  biefe  laufenb,  bie  hier  öerfammclt  finb,  tanjen, 
SJtanbelmildb,  Sorbet,  ißunfdj  trinlen,  ficb  gegenfeitig 
Schönheiten  fagen,  fdierjen,  tänbeln  —  gegenfeitig  bie 
erbittertften  geinbe  finb,  üoH  be§  töbtlicben  $affeg,  feft 
entfdjloffen,  loSjubrecben.  gebet  Weife,  bafe  fein  Yis-i-vis 
im  ©ontre^anje  jugleicb  fein  ©egner  ift,  ber  um  feinen 
Kopf  unterbanbelt.  SBie  biefe  in  ©olb  ftarrenben,  bepur= 
purten,  mit  Drben  überfäeten  ©eftalten,  ihre  Jpüte  unter 
ben  Strm  nebmenb,  ficb  oor  einanber  halb,  bor  bem  <£$ar 
aber  ficb  big  jur  ©rbe  neigenb,  fid)  benlen :  „beute  obfr 
morgen,  entWeber  id)  ober  bu.  Werben  wir  uns,  ben  Kopf 
unter  bem  Slrm,  Komplimente  fagen"  —  Stur  fie,  bie 
Sängerin  braucht  e§  auSjufpredjen :  „icb  werbe  ju 
©unften  ber  ginblinge  fingen"  —  unb  auf  einmal¬ 
fliegen  alle  Schwerter  au£  ber  Scheibe  —  unb  bie  je|t 
vis-ü-vis  tanjen,  werben  fich  gegenfeitig  bie  Schwerter 
burch  ben  Seib  rennen,  unb  jener  b°he  üebnftubl  wirb 
»on  ber  Tribüne  geftofeen  werben,  man  Wirb  nicht  fragen : 
Wer  fifct  auf  bem  Stuhl?  —  Ober  umgefebrt,  er  Wirb 
jur  gleifdbbanf  öerwanbelt  Werben,  auf  welcher  SRenfcben- 
leiber  gefdjlacbtet  werben.  SSerfchwörer  unb  Unterbrüder, 


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177 


SOtörber  uitb  genfer,  fie  9t fle  fittb  in  Sinem  ©aale  berei= 
nigt,  unb  Seber  weiß,  Wer  3eber  ift,  fo  feßr,  baß  aHge= 
meines  ©etäcßter  entftanb,  atS  ber  lanjarrangeur,  fidE»  »er= 
fprecßcnb,  ftatt  beS  SBorteS  „tour  de  main“  —  „coup  de 
main“  rief.  igeber  wußte,  WeSßatb  er  tacße?  —  Stur  ber 
©jar  fragte :  „Sßarum  finb  bie  Herren  fo  luftig?" 

SDieS  9IßeS  faß  3eneiba.  S“9  bodj  baS  ©eßeimniß 
eine§  geben  in  ißren  Rauben. 

D,  fie  faß  audj  ganj  gut,  wettßen  ©runb  bie  gnaben= 
»ofle  grau  beS  §aufeS  ßatte,  bieS  gtänjenbe  geft  ju 
arrangiren. 

©twa,  bantit  eine  junge  grau  öerfüßrt  werbe? 

D  nein! 

©onbern,  bamit  ber  ©cßtiiffet  ju  einem  ©eßeimniß 
gefnnben  Werbe,  WetcßeS  gene,  benen  eS  anbertraut  ift, 
Stiemanbem  »erratßen  —  audß  nicßt  bem  getiebteften  SBeibe. 


9ltS  ber  £>of  ben  Saflfaal  oerließ,  rüftete  ficß,  Wie  eS 
ber  9lnftanb  erforbcrt,  bie  ganje  ©efeßfcßaft  jum  Slufbrucße. 
SBer  Woßte  ficß  aucß  beS  tieben  gcßS  Wegen  amufiren? 

ßenciba  naßm  abermals  SSetßfaba  unter  ißre  fdßüßenben 
gütige  unb  füßrte  fie  mit  nadß  §aufe  auf  bie  gnfet  SreStowSti. 

SBäßrenb  ber  gaßrt  auf  ber  ©onbet  War  bie  junge 
grau  feßr  fcßweigfam,  unb  3eneiba  fragte  abfidßttidß  nicßt, 
wie  fie  ficß  unterßalten  ßabe. 

9lucß  als  bie  grauen  baS  SBattfoftiim  abtegten,  war 
SSetßfaba  metancßotifcß,  träumerifcß.  ®ie  auf  bem  gtuffe 
gurücfgelegte,  fußte  gaßrt  »erlangt,  baß  »or  bem  @cß(afen= 
geßen  nocß  2ßee  genommen  werbe.  (9luf  bem,  bem  ©umpfe 
abgerungenen  fßarabiefe  lauert  baS  SSecßfelfieber.)  9ttS  fie 
nun  SBeibe  aflein  waren,  bracß  Setßfaba  baS  melancßotifcße 
©innen : 

„9tber  icß  bitte  ®icß,  geßört  benn  bieS  audj  jur 
ßtetigion?" 

„2SaS?" 

„®aS!  —  baß  ein  cßriftlicßeS  SBeib,  baS  einen  SDtann 
ßat,  ben  eS  liebt,  wenn  ißr  ein  anberer  SJtann  fagt :  „icß 

Söfai :  greifet.  II.  •  12 


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178 


bin  ungliicflidj,  idj  fterbe,  id)  töbte  tnidj,  Wenn  ©ie  graufant 
bleiben!"  —  fdljulbig  ift,  intern  Sfftanne  bie  Siebe  ju  ent» 
Wenben  unb  bem  Slnbern  ju  geben,  bamit  er  nic^t  unglücf» 
lid&,  ttic^t  üerbammt  fei,  nidjt  jum  ©elbftmörber  Werbe." 
„Unb  baS  f)at  man  ®ir  gefagt?" 

„®aS!  —  SBenn  bie  Steligion  befiehlt,  baß  bie  Siebe 
beS  SBeibe?  junt  Wann  nur  berart  befdjaffen  fei,  wie  ber 
SJlantel  beS  £).  SKartin,  bon  bem  ber  ^»eilige,  als  er  einen 
frierenben  Söettter  faf),  bie  Hälfte  abtrennte  unb  bem 
Strmen  fdfjenfte:  bann  feljre  ic|  jum  Ijeibnifcßen  ©tauben 
jurftcf,  Wo  Sliemanb  üertangt,  baß  icf)  midj  um  ein  SlnbereS 
fümmere,  als  um  baS  ©tücf  meines  fperrn! 

„Unb  bieS  war  ®ir  ganj  neu?" 

„^cf)  t)ätte  weinen  wollen,  als  man  fo  ju  mir  fpraefj. 
glaubte,  baS  Stuge  müffe  mir  auSbrennen,  unb  feßon 
burd)  baS  2lnf)ören  foldjer  Sieben  bin  icf)  beflecft.  ©cfjon 
bie  bloße  (Sntfernung  oon  Sltejanber  üerurfacf)t  mir  bie 
(Smpfinbung,  als  ob  id)  einen  lobten  ju  betrauern  ßatte, 
unb  wenn  icf)  Wäljrenb  beS  SanjeS  einem  fremben  SJtann 
bie  $anb  reifen  mußte,  fdjmerjte  eS  midj  fo,  als  ob  idj 
eine  ®aube  gemorbet  fjätte.  SBenn  idj  tacken  mußte,  fcßlug 
mir  baS  §erj,  als  ob  icf)  geflößten  tjätte;  gleicf)  fam  mir 
in  ben  ©inn :  unb  er  ßat  jefjt  nidßtS,  worüber  ju  tadjen ! 
(Sr  feufjt  nad)  mir,  er  trauert,  icf)  aber  ladje  oßne  ißn! 
Unb  gleidjwoßt  trieb  mid)  eine  gefäßrlidje  Sleugierbe  an, 
biefen  SBorten  weiter  ju  ßordjeit,  bamit  idj  biefen  ©trubel, 
bem  ju  näßen  icß  jurüdfdßeute,  bis  auf  ben  93oben  feße;  unb 
icf)  ftetlte  mief)  fo,  als  ob  icf)  biefen  SBorten  gern  taufdßte." 
„®aran  ßaft  ®u  gut  getßan." 

„Stießt  waßr?  eS  fcfjicEt  fidß  niefjt,  baoon  ju  laufen." 
„®ann  Warft  ®u  tiertoren  gewefen.  ®aS  SBeib  barf 
nie  merfen  laffen,  baß  eS  oor  ber  SSerfüßrung  juriieffeßreeft; 
auffallenbe  3urü(fweifung  madßt  eS  jur  SSeute  berfelben. 
SJleine  Slugen  ßaben  ®icß  begleitet.  ®u  E»aft  ®idß  feßr  gut 
benommen.  ®u  ßaft  ein  ©efidßt  gemalt,  wie  (Sine,  bie 
baS  ©efagte  nidßt  berfteßt,  bie  SlfleS  für  ©dfjerj  ßätt,  unb 
ßaft  ißn  babureß  gcjwungen,  nod)  beutlicßer  ju  reben." 


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179 


„©Jährlich,  bag  tfjat  er  auch!  Senf  Sir,  ber  Ser» 
meffene!  er  geftanb  fogar,  baß  er  aug  Seibenjdjaft  für 
tnid^  einen  tjatben  Sag  üon  SjJtegfoW  entfernt  ein  @ut 
getauft  h abe  unb  meinetwegen  ben  ©Jinter  bafetbft  jubrin* 
gen  wiß,  baß  er  ung  in  ißtegfow  oft  befudjen  Werbe.  3$ 
Woßte  ihm  fdjon  fagen :  tommen  Sie  ja  nicht ! 

„Sn  haft  gut  getljan,  bieg  nicht  ju  fagen,  üietmeljr 
ju  antworten :  ©tejanber  Sergiewitfdj  Wirb  (Sie  ftetg 
tjerjlirf)  gern  fet)en!" 

„Sn  ber  Sljat,  bieg  habe  ich  aud)  gefügt.  hierauf 
hat  er  fehr  gefeufjt :  „o.  Wenn  Sie  mir  bocf)  einmal  fagen 
ließen:  morgen  reift  ©tejanber  SergieWitfcb  ab!"  —  ©Jie 
gern  hätte  \ä)  if)n  geofjrfeigt ! " 

„Sn  haft  bie§  aber  Hießt  getßan,  fonbern  mit  naiüem, 
unwiffenbem  ©eficßt  gefragt:  „©Jag  hätten  Sie  baüon? 
Sie  tonnen  bodji  rtic^t  tommen,  Wenn  mein  SRann  Hießt 
baßem  ift.  Sie  ganje  ©Jett  würbe  e§  feßen."  —  hierauf 
erwiberte  er :  „Stflerbingg,  aßein.  Sie  'fönnten  in  mein 
Sdßtoß  fontmen!"" 

„2Bo£)er  weißt  Su  bieg?" 

„5lug  bem,  wag  Su  erjäßtt  ßaftf  unb  aue  bem,  Wag 
ict)  gefeßen  habe.  Su  Warft  naße  baran  in  Sßränen  aug» 
äübredßen." 

„@r  fagte  nod)  meßr  :  Sie  hätten  einen  ganj 
prächtigen  SorWanb  fidß  üom  |>aufe  ju  entfernen,  Wenn 
©tejanber  Sergiewitfd)  fort  ift.  3hre  SDtutter,  bie  Königin 
üon  ©ruj,  Weilt  im  St.  Stnnen=®tofter  in  -JtoWgorob.  Sie 
tönnten  nun  fagen :  idfj  gehe  jur  ©tutter,  bie  mich  feit 
meiner  Äinbßeit  nidht  gefehen,  ich  wiß  ißr  fagen,  baß  ich 
geßeirathet  habe,  Wiß  mich  bon  ihr  fegnen  taffen.  Sttfo 
fetbft  meine  arme  SRutter  berwicfette  er  in  biefe  Schmach!" 

„Su  haft  ihn  hierauf  ftehen  taffen  unb  ftüdhteteft 
Sich  Su  deiner  ißatßin." 

„§aft  Su  auch  bag  gemerft?" 

„Sa  bift  Sn  an  ben  rechten  Drt  getommen  unb  haft 
üor  ber  ©Saßren  Sein  Seib  geftagt!" 

„D,  Wenn  Su  gehört  hätteft,  Wag  fie  gefagt  hat!" 

12* 


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180 


,,S<f)  Ijab’  eS  gefeljen." 

„Sßte :  gefeljen?" 

„9tn  Seinem  ©eficf)te.  Sebeg  it)rer  23  orte  Riegelte  fidj 
in  Seinem  9tntli$e.  Pidjt  ttrnljr,  fie  fagte :  „Slrmer  ®at= 
ban ! "  menn  Su  müfjteft,  mie  fe^r  er  beinettoegen  leibet! 
<£r  motlte  fcfion  fpanb  an  fid)  legen!  <Sv  tooKte  fid).  f$°n 
in  ben  Satafomben  beS  SlofterS  p  ©otoüeSf  begraben  Iaf= 
fen !  ©briet)  ein  freunblidieS  2Bort  p  it)m  :  baS  ift  gerabe 
jo  oiet,  al8_  ob  ein  Steidjer  bem  ©eitler  einen  ©rofd&en 
fcfienft.  @3  mirb  ja  bod)  im  ©eljeimen  bleiben,  SRiemanb 
toirb  baoon  erfahren.  2Bir  anberen  grauen  Ijanbeln  gerabe 
fo.  @8  gibt  feine  9tuSn«f)me!  Unb  bann  :  mir  jaf)ten  nur 
prücf.  2Bir  merben  Stile  betrogen  :  idfj  unb  Su.  Sn  bem 
Stugenblidfe,  mo  Su  baS  ©eftänbnifj  ©alban’S  üernaljmft, 
beteuerte  Pufcfifin  einem  Sßeibe  feine  Siebe,  baS  itidjt  fo 
ffruputöS  ift  mie  Su." 

,,©o  fbrad)  er!  SIber  er  fagte  nodfj  nteljr!  Siefer 
Sßenfdj  (beffen  Panten  meine  Sippen  nie  meljr  auSfpredfjen 
merben)  ift  fäljig,  fidj)  rneinetmegen  Bon  8t.  Petersburg  üer= 
bannen  p  taffen,  mit!  feiner  gtänjenben  ©teile  entfagen, 
nur  um  in  meiner  Päf)e  leben  p  föniten!  @r  ift  im  ©tanbe 
in  feiner  Perp)eiflung  Stlejanber,  rnidfj  unb  fidfj  felbft  p 
tobten,  menn  idfj  if»n  lange  quäle.  D,  mie  er  midj)  erfcfjrecft 
f)at!  ©obalb  mir  nact)  fpaufe  fommen,  merbe  id)  9ltle3 
Sllejanber  erjäljlert,  idfj  merbe  feine  ,f?anb  nehmen,  ifjn  bit= 
ten  mit  mir  in  bie  SBelt  p  laufen!".. 

„Saburdj  mürbeft  Su  gerabe  baS  ©egentljeit  erteilen. 
SaS  nämlid),  bafj  Pufdfjfin  fidfj  aufmadjen  mürbe,  unb 
nadjbem  eS  i|m  nidfjt  geftattet  ift,  nadj  ©t.  Petersburg  p 
fommen,  fo  mürbe  er  ©atban  p  fid)  entbieten  laffen  unb 
biefe  Pegegnung  mürbe  ein  trauriges  @nbe  nehmen,  gürcfjte 
Sidf)  nidfjt  üor  if)m f  Stimm  ben  ®ampf  an!" 

„Sdfj?  idj  foll  ben  ®ampf  amteljmen?  ©egen  ifjn? 
Sdj  fdfjmadljeS,  bummeS, '  feiges,  fleineS  ®efd)öpf,  baS  üor 
jebem  feiner  SBorte  jittert?" 

„Su  jitterft  unb  bift  furdfjtfam,  meit  Su  glaubft,  Sein 
$erj  fei  in  ©efaljr.  916er  mie,  menn  Su  meifjt,  baff  baS 


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181 


■Jlef}  nicht  nadj  deinem  $erjen  aufgeworfen  Wirb,  fonbern 
nad)  bem  Sopfe  ißufchtin’S,  baß  fein  Geben,  fein  ©efcßidf 
e§  ift,  gegen  Welches  fRänfe  gefcfjmiebet  Werben  :  ;bann  Wirft 
®u  nicht  feige  fein!" 

„2BaS  fagft  ®u?  unt  SHejanber'S  Geben  Ijanbett  eS  fidj?" 

„@tiH!  frage  nicht  weiter!  SBenn  wir  uns  jut  5Ru^e 
begeben  f)aben,  wenn  Wir  allein  fein  Werben,  Wenn  9tie= 
manb  uns  belaufet,  bann  Will  ich  ®ir  2MeS  fagen,  bann 
Will  idj  $idfj  lehren,  WaS  ®u  tßun  fotlft?  3e|t  aber  Wicfle 
®ein  |»aar  in  Eßapiüoten  :  für  übermorgen  finb  wir  nad) 
Ißeterljof  geloben  junt  glänjenben  SlbfdhiebSfefte;  bort  magft 
®u  jittern,  bort  mußt  ®u  geigen,  was  fold)  ein  fctjmadjeä, 
unwiffenbeS,  furdf)tfameS  Sßeibdhen,  wenn  baS  Geben  itjreä 
©alten  in’S  ©piel  fommt,  ju  leiften  im  ©tanbe  ift!" 

„SBenn  eS  fo  ift,  bann  Will  id)  mich  nidtjt  fürsten, 
id)  werbe  Oerwegen  fein  unb  fcfjtau  wie  eine  Sa|e!  3<h 
habe  nicht  bie  Sourage,  einen  Schmetterling  an  bie  9tabcl 
ju  fließen,  ben  aber,  bei:  meinen  Sllejanber  bebroßt,  ben 
burdE)  baS  $erj  ju  ftoßen  .  .  .  Mash  Allah!  geh  bin  bie 
®o<hter  meiner  SKutter!" 

Beneiba  unterrichtete  fobann  Sethfaba  in  einer  SRoHe 
bie  fie  bann  ftaffifd)  ju  ©nbe  hielte  .  .  .  jefjt  aber  bürfen 
Wir  noch  nicht  üerratßen,  Worin  baS  Spiel  beftanb. - 


®iefeS  ©lieb  War  ber  Sette  gtüdElid)  eingefügt  Worben. 
Sei  bem  glänjenben.SlbfdhiebSfefte,  Welches  ber  ©jar 
feinen  fürfttidhen  ©äften  in  $eterl)of,  bem  ruffifeßen  Ser» 
failleS,  gab,  Warb  Sethfaba  bet  ißr  in  2luSfid)t  gefteöten 
SttuSjeidfjnung  theilhaft :  fie  würbe  bet  ©jarin  öorgefteHt. 

®er  ©jar  hatte  fie  als  ©pielgen  offin  ©ofjßienS  fdfjon 
lange  gefannt. 

Ser  ©jat  fetbft  fügte  eS  fo,  baß  bie  georgifdje  gär.» 
ftentodhter  ber  ©jarin  üon  bem  Ganbe  ihrer  ©eburt  et» 
jähten  mußte.  Sethfaba  —  bie  fteine  gabeterjählerin  — 
bliefte  in  bie  §öl)e,  Wo  fie  bie  Urnfteßenben  nicht  fehen 
lonnte,  unb  begann  ju  erzählen  t>on  bem  Ganbe,  in  bem 
niemals  SEBinter  ift. 


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182 


SBer  Ware  fein  glänjenbcr  ©ebner,  wenn  er  non  ben 
(Schönheiten  beS  ©atertanbeS  fpred)en  muh?  —  non  bem 
fjimmel,  ber  burdjfidjtig  ift  wie  Ärpftaß,  non  ber  Suft,  bie 
mit  balfamifchen  ®üften  gefchwängert  ift,  non  ben  SBölbem, 
bie  ihr  gtänjenbeS  Saub  nie  Welfen,  nie  fallen  taffen,  non 
bem  bluffe,  ber  nie  jufriert,  non  ben  gelbem,  bie  ewig 
mit  ©turnen  bebecft  finb,  non  ben  riefigen  ©isbergen, 
Welche  bie  ladjenben  ^häter  umfchliefjen  —  unten  bie 
immergrüne  glur,  oben  ewigweihe  ©iSgipfet?  —  Unb 
SebenSfraft,  aJtenfdjenfraft  liegt  im  ©rafe,  im  Saunte,  im 
SBaffer,  in  ber  Suft!  SluSjehrung,  (Siechthum  fennt  ber 
Sewohner  biefeS  SanbeS  nicht. 

SBoju  bie  berühmteren  Slerjte  ber  SBelt  bie  ©jarin 
nidht  ju  bewegen  oermochten  :  jur  SBanberung  in  ein  an= 
bereS  Stima,  —  baS  ooßbracf)te  baS  jauberifdje  <SchWä|en 
einfacher  finbticher  Sippen;  bie  ©jarin  ergriff  bie  fpanb 
ihres  ©atten  :  „biefeS  Sanb  möchte  ich  gerne  feljen!" 

®aS  SBort  :  „geh  möchte"  ift  mächtiger  als  SlKeS, 
WaS  man  ntenfchticfieS  ÄommanboWort  nennt. 

Höflinge  unb  ©erfchwöter,  bie  währenb  beS  gtänjenben 
gefteS  fidh  um  bie  großartigen  SBafferfünfte  beS  Samfon» 
Springbrunnens  fchaarten,  ahnten  nicht  einmal,  bah  fot<h' 
ein  einziges  Weibliches  ©efdjöpf,  folch’  }U  einem  Säbeln 
}ugefpi|teS  rotheS  Sirfehenmünbcfien  innerhalb  gehn  SRinu* 
ten  Stiles  über  ben  Raufen  wirft,  was  fie  unter  galjren 
gebaut,  gegraben  unb  auSgehölt  .haben,  ober  ber  ©rbe  unb 
unter  ber  ©rbe  —  bah  ein  heßeS  Saubentachen  ihre  $a= 
nonen,  ihre  $eere,  ihre  Sd)lad)tenpläne  auSeinanberbtäft! 
®aS  ßaubermürdjen  ber  grufifchen  SönigStod)ter  hat  ein 
alle  SötärchenWunber  übertreffenbeS  SBunber  noflbracht,  bah 
ein  bem  SluSbtudje  naher  ©ulfan  burdfj  einen  tropfen 
SBaffer  gelöfcßt  würbe. 

®iefer  Stopfen  SBaffer  glänjte  in  ben  Slugen  ber 
©jarin  als  fie  fagte : 

„geh  möchte  bortljin  gehen!  ®ort  Würbe 
ich  gefunben!" 


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8n  biefem  Sbenbe  traf  and)  Sittrr  ©alban  mit  Selb 
faba  jufammen. 

Sie  batte  vor  ihm  feine  Jurist  mehr.  Sie  batte  von 
ßeneiba  gelernt,  wa#  bie  Sodjter  ihrer  Kutter  ju  tbun  habe. 

8ra  Schlaffe  be#  Sofie#  trafen  bie  gürftin  unb  3ene» 
iba  im  Seftibuie  jufammen.  Sie  warteten  auf  ihre  fiut= 
f<hen.  33on  $cterljof  mußte  man  ben  ©eg  nach  fßeter#burg 
mittelft  ©agen  jurücflegen 

SDie  gürftin  fprad)  3*n*iba  mit  ben  ©orten  an  : 

„Die  ift  fertig.  3<±)  banfe  für  glßren  Seijtanb."  (93etb= 
faba  war  mit  bem  Sitter  ©alban  jurütf geblieben.). 

,,©ir  fompenfirten  nn#." 

„Da#  fleine  Särrdjen  bat  9UIe#  eingeftanben.  Sie  ift 
ganj  weg!  Sie  befannte  auch,  baf?  auch  Sie  i^r  norwärt# 
geholfen  haben." 

„Die  Schwägerin !" 

„geh  glaube,  bafj  fie  gemanben  fehr,  fehr  unglüiflith 
machen  wirb." 

„91u<h  iih  erwarte  bie#!" 

„Unb  bann  fann  ber  Kampf  jwifchen  un#  beiben  ent= 
brennen." 

„geh  glaube  nicht!  geh  öerjicf)te  auf  ben  9tnfpru<h, 
ben  Unglüdlichen  glücflich  machen  ju  wollen." 

„D,  Sie  wollen  mich  fllauben  machen,  baff  Sie  ohne 
alle  Seibenfdjaft  hanbeln!" 

„Durdjau#  nicht,  ©a#  aber  nun  hetau#fommen  wirb, 
ift  ein  Ungeheuer,  welche#  jweier  ÜJtütter  bebarf.  Die  eine 
Kutter  heifet  Sache,  bie  jweite  Siebe." 

„Unb  Sie  Wählen  bie  Sache?" 

„Unb  gebe  bie  jWeite  gißten,  gürftin." 

„geh  habe  ben  21u#fprudE)  be#  Diplomaten  noch  nicht 
öergeffen  :  jWei  Kenfdjen  öerbinben  fich  nur,  um  fi<h  gegen» 
feitig  ju  betrügen." 

gnjwifdjen  hatte  fich  Sfütft  ©hebimin  genähert,  um 
feine  ©attin  gut  Kutfcbe  ju  geleiten. 

9118  er  gerteiba  erblicfte,  erbebte  er. 

„Sehen  Sie  hoch,"  fpradj  affeftirt  bie  gürftin,  „wie 


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berftimmt  er  ift!  ©in  ganger  SMandjotifer.  ©ange  Sage 
{jinburrf)  bermag  ich  nic|t  ihn  bon  meiner  Seite  gu  tTei6en, 
er  meiefit  nid)t  bon  mir.  Unb  toenn  er  nod)  ©tmaS  ju  fa= 
gen  müßte!  @r  fann  nur  bie  Stirne  rungeln  unb  fimten. 
3d)  bitte  Sie  bod),  gräulein  gtmerinen,  ä  Conto  unieres 
SSünbniffeS  ad  hoc,  tljun  Sie  mir  einen  gefallen  —  Sie 
finb  eine  große  3auberin  —  fpredjen  @ie  ein  SEßort  gu  il}m. 
3<h  bin  übergeugt,  e§  toirb  ihn  anfheitern!" 

„SSünfcljen  Sie  bieS  mirllict)?" 

Ser  S3lid,  ben  gürft  ©bebimin  auf  $eneiben  tuatf, 
briidte  gurd)t  unb  Unruhe  aus.  (Sr  mar  „ber  ertüäfjlte 
Siftator."  SBenn  geiteiba  baS  Sßort  auSforicht :  „3$  fin= 
ge,"  muß  er  baS  Sdimert  aus  ber  Scheibe  reißen  :  „3$ 
färnpfe!" 

Beneiba  berfudjt  baS  große  3auberftüd,  mit  einem 
SBorte  bie  9Jtetan<hotie  beS  gürften  gu  feiten. 

„Stießt  maßr,  giirft,  mit  bem  heutigen  Sage  ift  eS  bei 
uns  mit  bem  Sommer  borbei?  Sarauf  ift  plöfjlid)  ber 
SBinter  ba?" 

SieS  ift  bodj  ein  genug  banaler  SiSfurS!  33  on  bem 
SBetter  fprechen! 

giirft  ©hebimin  ftimmte  gu. 

„Unb  mir  merben  einen  feßr  unangenehmen  Sßinter 
haben,  menn  nicht  „audh"  mir  in  bie  $  r  i  tn  ober  nach  bem 
®aufafuS  gehen,  mo  ber  Sommer  auf1 ’S  Steue  beginnt." 

©ine  gemöhntidje  ißßrafe ! 

Stber  baS  eingige  SBörtcfjen  auch  hatte  ben  gürften 
bläßlich  eteftrifirt.  Stle  ob  er  auSgetaufcßt  morben  märe! 
Sein  Sfntlih  h^terte  fid)  auf,  feine  ©eftalt  mürbe  mieber 
etaftifch,  ein  SBunber  mar  mit  ihm  gefdjehen. 

„©eben  mir,  meine  Siebe,"  fbradj  er  gur  giirftin  unb 
trällerte,  als  fie  bie  Sre^e  Ijinabftiegen,  gum  großen  ©r= 
ftaunen  ber  giirftin,  bie  Duberture  beS  ©garenmalgerS  bor 
fich.  hi«- 

SieS  Stäbchen  ift  in  ber  Sljat  mit  bem  Seufel  ber» 
bunben!  Sie  fpricht  bon  SticßtS  unb  macht  baburdj  einen 
Sobten  tebenbig. 


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Unb  bod)  legt  bie  gürftin  jebeS  SOSort,  baS  $eneiba 
gefprocfien  Ijotte,  auf  bie  2Bagfcf)ale.  SBelcfieS  War  baS  3au= 
berwort?  SRidljtS  .ift  StfleS.  Stur  baS  Heine  Sßörtcfjen  ,,aud)" 
entging  tfjrer  Slufmerffamfeit. 

SluS  biefern  SOSörtcfjen  wußte  ©ßebimin  baß  bie  ©jarin 
baljin  gel)en  toerbe,  unb  ber  ©jar  mit  iljr.  ©eine  Sruft 
Würbe  bpjm  Sllpbrucfe  befreit. 

SRitter  ©alban  aber  geleitete  bie  grauen  ju  ißreu 
®utfdjen.  Unb  S8etJ>faba  neigte  ficf)  jum  genfter  fjerauS  unb 
blidfte  auf  ifjn  jurücf. 

„Sie  Ijab’  idj  gefangen!"  badete  fRitter  Oalban  bei  fiel). 


XL1II. 

Ilttfe*  beut  ^omefeu.  - 

gm  gaf)re  1825  t>erf(f)Wenbete  man  ju  ©t.  ißeterS* 
bürg  in  jwei  Sommermonaten  lein  Del  jum  Slnjünben  ber 
Straßenlaternen ;  bie  Statut  war  aüd)  fö  ließ  genug.-  SaS 
erfte  Slnjünben  ber  Samten  fäßt  an  ben  Sag,  an  Weldjem 
ber  £>of  Don  ißetertjof  in  ben  SBinterpalaft  ber  ^auptftabt 
jurücffeljrt. 

Stuf  biefeS  Sambenanjiinben  warteten  Siele ! 

Sei  ben  SetfcfiWörern,  Wetdje  in  ben  unteren  @djitf)= 
ten  beS  Sollet  arbeiteten,  War  ein  großer  ißlan  im  $uge, 
ben  fie  jebodj  ben  SDtataboren  ber  Szojus  blagodensztoiga 
unb  ber  Szojus  szpaczinia  nidfjt  mittfjeitten. 

S>er  Steumonb  braute  regnerifd^e,  bäftere  Sage;  als 
bann  am  oierten  Sage  ein  fdfjarfer  Sßorbwinb  bie  SBotfen 
am  §immel  wegblieS,  falj  man  iiberrafcfit  neben  ber  filber* 
nen  ©idfjel  beS  SOtonbeS  ein  neues  |»immelSWunber  :  ein 
feuriges  ©cfjwert,  einen  Kometen,  ©o  fd^nefl  war  er  gefönt* 
men,  baß  man  ißn  erft  bann  bemerfte,  als  er  bereits  in 
ooUer  ißra<ijt  bitt  §intmel  ftral)lte. 

SEßaS  ift  baS,  ein  Äomet? 


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®ie  ©eiehrten  wiffen  eS  fetbft  nicht,  Wie  fönnte  eS  ber 
omte,  gewöhnliche  ÜJlenjch? 

®er  Komet  ift  ber  $erolb  ber  Peft,  beS  Krieges,  beS 
SBettuntergangeS !  3Ber  eS  nicht  glaubt,  beweife,  bah  eS 
ni<ht  Wahr  ift.  3n  Weinpflanjenben  Säubern  fagt  man  beut 
Kometen  nach,  bafj  er  ein  gutes  SBeinjahr  üei'fprecpe.  ®a= 
mit  h“t  baS  Petersburger  SSotf  nichts  ju  fd^affen ;  hier 
Wächft  nur  SranntWein.  Stuf  bie  Vermehrung  beS  Vrannt* 
WeinS  hot  ber  Komet  feinen  ©influf}.  3m  ©egentheit,  wenn 
fidh  im  9tei<h  irgenb  ein  SSirrWarr  oorbereitet,  Wirb  immer 
Wenig  VranntWein  getrunfen.  @S  ift  eine  ©igenthümlichfeit 
beS  Stoffen,  bafj  er,  wenn  fein  Kummer  grof?  ift,  nicht 
trinft.  SSenn  ber  potijeibireftor  non  St.  Petersburg  hört, 
bah  täglich  ftatt  5000  $uber  Vramttwein  nur  2000  ge= 
trunfen  Werben,  bann  oerboppelt  er  bie  Patrouillen. 

$aS  ©rfcfieinen  beS  Kometen  fteigerte  nur  bie  ©rre= 
gung.  ®er  Komet  ift  baS  tebenbe  Shmbot  beS  Propheten 
auf  Welches  man  fidh  berufen  fann  :  „Siehe  baS  feurige 
£immelSf(hwert  ift  auch  erfdhieneit." 

SttS  ©jar  Sttepanber  non  Peterhof  abreifte,  gab  er 
bem  Dberfthofmeifter  bie  Drbre,  bah  fie  ber  ßjarin  t>oran= 
eiten,  um  ihre  SlppartementS  in  Drbnung  ju  bringen. 

©S  War  SlbenbS,  atS  ber  ©jar  mit  geringem  9teifege= 
folge  in  bie  Slähe  ber  Stabt  fam.  55ort  bor  bem  Sllepanber* 
SleWSfi  Ktofter  hielt  er  an;  er  ging  in  ben  Sempet  unb 
orbnete  an,  bah  anberen  SagS  SRorgenS  eine  £ obten= 
meffe  getefen  Werbe. 

SttS  er  bie  Kirche  Oerlieh,  Warf  er  üott  ber  Seraffe 
einen  langen  Vticf  auf  bie  SBettftabt,  welche  in  Siebet  gehüllt 
öor  ihm  tag. 

SEBie  ein  ÜKeet  raufdhte  eS  in  ber  gerne;  baS  ©eräufefj 
ber  Strahen,  SKenfdhenftimmen  öermifchte  fi<h  ju  einem 
Saufen  im  Vienenforb. 

Sange  ftanb  er,  in  ©ebanfen  oerfunfen.  Sie  Stiefen* 
fämpfe  eines  ViertetjahrhunbertS  erheben  fiep  aus  bem 
Slebetmeer. 

Unb  er  fühlte  bie  nicht  für  äJlenfdfjen  gefdjaffene  Pein  : 


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187 


bag  ©efüljt  beg  Sliebergangeg  ant  Stbenb  beg  £ebett§.  $ieg 
©efüljt  ift  für  bie  geftürjten  9lftorott)g  utib  Sebiattjang  er= 
funben  Worben  —  unb  für  Egene,  bie  biefen  iitjnlidj  fein 
woflen. 

@r  tjatte  fidj  Ijodfj  erhoben,  baff  er  fidj  ©ott  ju  fein 
bünfte,  um  bann  fo  tief  ju  ftürjen,  baf}  e§  Sliemanben 
meljr  gibt,  ber  mit  iljm  tauften  mödjte.  ©r  unb  Slapoteon 
finb  bie  Sftiefen  biefeg  Vierteljafjrtjunbertg  gewefen. 

Unb  jener  jweite  2ebiatf)an  bort  auf  St.  £etena,  er 
bticft  nicfjt  anbeten  ^erjenS  auf  bag  SDteer  Ijin,  wetdje» 
it)n  bon  $ari8  entfernt  f)ätt,  als  ©jar  Sltejanber  auf  ben 
Siebet,  ber  fidj  auf  feine  SRefibenj  ferner  fjernieberfenft. 
$iefer  Siebet  ift  unenbtidjer  atg  bag  SReer,  Weit  er  fidj 
aus  bem  Slttjem  ber  SRenfdien  bitbet  —  unb  fo  biete 
Stttjemjüge,  fo  biete  VerWünfctjungen  gegen  if)n,  gegen  iljn, 
ben  einft  Vergötterten.  5) er  Unterfdjieb  jWifdijen  Veiben  ift 
nur :  ben  befiegten  SRiefen  fetjnt  fein  Votf  jurüd,  beg  fie= 
genben  SRiefen  ift  bag  Volt  überbrüffig  geworben. 

Unb  jener  Somet  am  ^immet  ift  Wie  eine  teud)tenbe 
gebet,  mit  Wetter  eine  unfidjtbare  §anb  bag  Sdjidfat  ber 
SReicfie  unb  gürften  unter  bie  Sterne  fcfireibt. 

®a§  ©emiitt)  Sttejianber’g  neigte  immer  jum  3Rtyfticig= 
mug  t)in.  @g  War  boß  bon  Sltjnungen,  ©djredgebitben,  er 
gtaubte  an  bag  gatum  unb  beffen  Vorjeidfjen. 

Sornet  unb  3Ronb,  beibe  berfanfen  unter  bem  §orijont 
beg  bitten  Slebetmeereg. 

©er  ©jar  t)atte  einen  atten  Sutfdjer,  befannt  burdj 
feinen  langen  grauen  Vart,  ber  big  jum  ©ürtet  f)inat>reicf)te ; 
biefer  $utfcf)er  futjr  auf  aßen  Weiteren  Steifen  ben  Sparen. 
@g  War  fein  bertrautefter  Wiener.  2ltg  Sttejanber  bie  bret= 
fpännige  Sroifa  beftieg,  frug  er  ben  ÄutfdEjer : 

„gtia,  tjaft  ©u  ben  Äometen  gefeljen?" 

„3<t>  fat)  iljn,  §err." 

„SBeifjt  ©u,  baff  ber  Äomet  ber  Vorbote  beg 
Ungtüdg,  ber  Trauer  ift?  —  S£Bot)tan  benn,  beg 
4?errn  SEBitte  gefcfyelje!" 

@r  tief?  ber  mutmelnben  Stabt  jujagen. 


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188 


$a3  SJturmetn  erjäßtt  fid^,  baß  ber  ©jar  eine  längere 
Steife  antreten  wofle.  SSofjin?  weiß  man  nodß  nidjt.  Gr 
miß  bie  ©jarin  au§  biefem  rauben  Stima  in  einen  ntüberen 
§immet§ftrid£|  bringen.  SBoßin?  ßat  er  nodß  Stiemanbem 
gejagte.  Gr  fetbft  geßt  als  Duatirmadfjer  öotan.  ©o  oft  er 
eine  längere  Steife  unternimmt,  pflegte  er  in  ber  Safaner 
ffrauenfirdje  ba§  Yeni  Sancte  ju  ßöten.  $ie8  ift  feine 
Sirene;  er  fetbft  ßat  fie  bauen,  einweißen  taffen,  bon  ißrer 
©dßWeße  pflegt  er  ben  Steifewagen  ju  befteigen.  Sie  ganje 
Geifttidßteit  wirb  ißn  bort,  angetßan  mit  ben  prädjtigften 
geftfteibern,  jeittidj  SJtorgenä  erwarten;  aueß  fein  Siebtingä» 
©ßor  wirb  bort  fein  unb  feine  Goßecten  ßören  taffen.  Unb 
fobaitn  ftiifterte  fidfj  bie  murmetnbe  ©tabt  ju :  Wenn  bann 
in  ber  Äirdße  ber  Jungfrau  ju  ffiafan,  bie  ißriefter,  ber 
©jar,  bie  ©roßfilrften  beifammen  fein  Werben,  bann  Wirb 
unten  am  Soben  ber  Ärppta  ein  entfeßtoffener  SJtann  auf 
bie  ^nOocatioit  „Sornrn,  ^eiliger  Geift!"  an  bem  ßünget 
einer  ißiftote  bräden  unb  fpredßen :  „©teig  ®u  herunter 
ju  ißm!"  Unb  hierauf  Werben  föirdße,  §eiligenbilber,  ©jar, 
Großfiirften,  ißriefter  unb  ©änger,  fie  Slfle  Werben  jurn 
ßoßen  §immet  emporfliegen. 

Gin  entfeßtießer  Gebaute! 

Unb  oiefleidßt  wirb  er  berwirttidßt.  SSießeid)t  fißt  feßon 
feit  Sagen  am  SSoben  ber  Ärßpta,  unter  mit  ©cßießpulber 
gefäflten  Särgen  3emanb  —  einer  ber  Unberfößnlitßen  — 
unb  wartet  auf  ba3  3eicßen  be§  GtödcßenS,  woburdß  ben 
Gläubigen  oerfünbet  wirb,  fidß  mit  bem  Sintiiß  jur  Grbe 
ju  Werfen,  feine  ©dßrecfenStßat,  wetdße  ein  Steidj  umwätjen 
fofl,  ju  ooßbringen. 

$a§  93erßängniß  Würbe  abgewenbet  —  bureß  Stfdje, 
bie  in  ber  Grbe  rußt. 

Se§  anberen  Sage§,  jeittidß  SJtorgenä,  ließ  ber  Gjar 
feinen  SEßagen  nidjt  jur  S'irdjc  ber  fjeit.  Jungfrau  in  ®afan 
tenfen,  wo  tßn  bie  in  Gotb  ftroßenben  SJtetropoliten  erwar» 
teten,  fonbern  jur  Gapefle  Sltejanber  StßeWSfi’8,  Wo  in 
©eßwarj  gelteibete  SIfceten,  bie  „©imnif,"  ißm  entgegen» 
traten,  um  ißn  jur  —  Sobtenmeffe  ju  geleiten. 


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189 


Sine  amtticpe  gtugfcprift  pat  biefe  Seiet  umftänbtitp 
betrieben;  Wie  ber  ®jar  bot  ben  Qfonaftag  pinfniete,  wie 
ber  Sßrotopope  Seraphim  bem  im  ©taube  ticgenben  ßjarett 
bag  ©bangetium  auf  ben  Sopf  legte,  wie  ber  tperr  ber 
SEBelt  in  ber  3eHc  beg  armen  ©imnif  SBufje  tpat  unb  wag 
ipm  ber  ©imnif  }u  ergäben  wujjte  bon  —  ber  SBerberbt* 
peit  beg  SBotfeg.  SJlacpbem  bie  tßarftettung  autpentifcp  ift, 
ift  in  berfelben  gewif?  aucp  ntcpt  ein  SEßort  enthalten,  bag 
nid^t  wapr  wäre. 

©anj  Stnbereg  War  eg,  wag  ben  ©}ar  in  biefe 
SDlauern  gebracpt  patte.  §ier  rupte  bie  Slfcpe  feiner  tobten 
Xödjter.  Sitte  brei  nebeneinanber.  9tu<p  ©oppien  patte  er 
im  ©epeimen  pieper  bringen  taffen.  Unb  biefe  brei  ®inber, 
tief  unter  ber  ©rbe,  berbänbeten  ficfi,  um  ipren  SSater  }u 
retten :  fie  riefen  ipn  baptn  an  ipren  füllen,  gefaprlofen 
SBopnort,  Wo  in  ben  berborgenen  folgten  Sttiemanb  wopnt 
atg  nur  bie  Sauben. 

SBag  ber  Sßater  mit  ben  lobten  wopt  gefprocpen 
paben  mag?  Stiur  bie  ©lauern  wiffen  eg;  ber  amtliche 
93eridpt  enthält  hierüber  nicptg. 

Sttg  ber  ®}ar  aug  ber  Sircpe  peraugtrat,  in  Wetter 
er  bie  EJobtenmeffe  big  }u  ©nbe  gehört  patte,  ging  eben 
bie  ©onne  auf.  3pte  rötpticpen  ©traplen  bergotbeten  bie 
aug  bem  Stlebetmeere  perborragenben  Ipürme  ber  Sßeter= 
Sßaut=®ircpe,  bie  ®uppe(n  ber  Qfaafgfircpe  mit  iprem 
Äreu}e;  ber  bumpfe  Xon  ber  StJlorgenglocfe  bibrirte  lange 
in  ber  ©title. 

Sttteg  ftüfterte,  faufte,  braufte :  ©}ar  Sttejanber  fiept 
bie  fjauptftabt  feineg  SRetcpeg  }um  testen  ©late. 

SRodp  a(g  bie  Sroifa  weiter  roßte  mit  iprem  feurigen 
©efpann,  wenbete  ber  ©}ar  fein  Slnttip  um,  um  ben 
Stnbtidf  feft}upatten,  ben  ipm  ber  auffteigenbe  Stiebet  tang= 
fant  —  tangfam  berbirgt. 


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190 


XLIV. 

^Slawu  mit  bett  grünen  Äugen. 

D  Weid)’  großen  Slßarm  erregte  in  ber  SBeltftabt  bie 
SRacfiricht,  baß  ber  ©jar  an  baS  Slsow'fche  SJleer  unb  Don 
£)ier  nod)  weiter,  in  bie  Krim,  nadf)  bem  ÄaufafuS  geht! 
ge^t  wußte  man,  WaS  ber  Somet  geWefen?  ®ie  gebet 
Wetd)e  burcf)  alle  ^Berechnungen  ber  SBeifen  unb  ber  5lar= 
ren  einen  Strid)  gemalt  £)at. 

SBeldf)’  furchtbare  glüche  ertönten  in  ben  ®atafomben 
ber  h-  Jungfrau  Don  ®afan,  als  fie  hörten,  ber  ©jar 
!omme  nidjt  in  biefe  Sirdje,  fonbern  in  bie  Sltejanber 
9feWSfi=®apefle. 

S)ie  großen  ptäne,  bereit  SBerwirflidfjung  bie  gauje 
SBelt  erfdjüttert  hätte,  waren  ju  SBaffer  geworben. 

$er  ©jar  Derläßt  Petersburg  unb  begibt  fi<h  an  einen 
1900  SBerfte  Don  biefer  Stabt  entfernten  Drt,  bem  Slequa* 
tor  um  13  ©rabe  genähert;  er  begibt  fid)  in  ein  Sanb, 
baS  für  Serfd)Wörer  fein  fruchtbarer  ©oben  ift;  er  entrinnt 
ber  SRiefenfaße,  bie  ihm  gefteßt  Worben  War. 

$er  plan  ber  „greien  ©lauen"  war  ju  ©taub  ge= 
Worben,  tiefer  SBunb  hatte  baS  SBerf  ber  Zollbefreiung 
bireft  mit  ber  ©rmorbung  beS  ©jaren  beginnen  Woßen. 
Unb  nun  gewann  ber  plan  be§  „ßtorbbunb"  baS  Ueber= 
gewicht,  ber  bie  SSerfaffung  beS  „(Sriinen  93ud)eS"  Derwirf» 
liehen  Wiß,  fei  e§,  baß  man  ben  ©jar  hierzu  jwinge,  fei 
eS  burih  feine  ©ntfernung;  immer  aber  ohne  Sittentat  auf 
baS  gefrönte  föaupt. 

25er  ©jar  reifte  am  13.  September  ab,  unb  fo  unter* 
blieb  au<h  bie  auf  ben  20.  September  feftgefefct  geWefene 
SOtilitärreDue.  8tud)  baS  9le|  ber  SDtititäroerßhWörung 
Würbe  hieburdh  üoßftänbig  jerrüttet. 

25ie  ©ctreuen  ber  szojus  blagodensztoiga  eilten  jur 
SBefpredjung  in  ben  Pataft  geneiben'S.  ®S  beburfte  feiner 
©inlabung. 

SBaS  nun  thun? 


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191 


Unter  SSierunbjtoanjig  fagten  Sreiunbätoanäig,  e§ 
ntüffe  öorn  Steuen  begonnen  toerben.  Ser  S3ierunbstoanjigfte 
toar  SaluSfin,  biefer  fpracft  : 

„Sßemt  iljr  2lHe  abfällt,  icft  bleibe  feft.  Statljfcftlagt 
nur  toeiter,  icft  toerbe  tjanbetn."  SJtit  biefen  SBorten  öer= 
lieft  er  bie  SSerbünbeten. 

Somit  ftatte  bie  §e£e  begonnen. 

@o  jagt  ber  hungrige  2BoIf  bern  |>irfd)e  nad),  burcft 
©teppen,  SBälber,  ©ümpfe.  • 

Ser  E$ar  ftatte  öor  SafuSlin  einen  Sorfprung  öon 
fecftS  ©tunben. 

Unb  ber  Verfolger  glaubte  biefe  fed^S  ©tunben  herein- 
bringen  ju  fömten. 

Er  ftatte  eine  gute  laufafifdje  ©tute,  bie  getooljnt  toar, 
jtoanjig  ©tunben  int  Sage  ju  madEjen  unb  fobann  ant  Stofen 
5U  toeiben;  beS  Stoffes  toürbig  toar  audj  ber  Steiter,  ber 
fiel)  mit  einem  ©tüdf  S5rob  unb  ©pecf  begnügte,  mit  öter= 
ftünbigem  ©d^lafe  auf  blofter  Erbe  unter  irgenb  einem 
©traudfie. 

Slber  audE)  ber  Verfolgte  toar  ein  gleid^  fdfjneßer  Stenner. 

Ser  Ejar  legte  in  jebern  Sage  150  Kilometer  jurücf; 
b.  i.  einen  jtoan^igftünbigen  2Beg.  SJteljr  als  oier  ©tunben 
©dEjlaf  gönnte  aud)  er  ficft  nicftt. 

Ein  grofteS  Eefolge  begleitete  ben  Ejar;  bieS  mar 
jebodf)  bem  Sßtane  SaluSlin'S  nid^t  Ijinberlicft. 

Stur  „Einmal"  möge  er  iljm  in  ben  SBurf  lommen, 
fo  baft  er  Oor  iljm  fteljt. 

Er  lannte  bereits  ben  Steifeblan.  Soran  jagt  ein 
Sßiquet  ®ofafen,  ben  Steifenben  giemlid^  toeit  öoran,  -fo  baft 
biefe  burd^  ben  ©taub,  ben  bie  ®ofafen  auftoirbeln,  nidfjt 
beläftigt  toerben.  Eteidf)  in  ber  erften  Sutfdfje  fifct  fobann 
ber  Ejar.  Ser  Sßagen  ift  &u  erlennen  an  bem  93art  beS 
ÄutfcfterS  Slia;  biefer  93art  flattert  ju  beiben  ©eiten  beS 
SBagenS,  toie  eine  gaftne  herunter.  3>m  SBagen  fifet  ber 
Ejar  unb  fein  Slbjutant  Eraf  SßolfonSltj.  Ser  Eraf  ift 
eine  Heine,  unterfefcte  Eeftalt,  ber  Ejar  öon  grofter  ati)* 


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192 


letifdjer  Statur,  mit  einem,  im  58erf)ältniffe  gum  Körper 
flehten  ®opf.  ©§  ift  unmöglich,  if»n  gu  berfennen. 

SSentt  er  it)n  einmal  bor  fid)  Mafien  fönnte,  mährenb 
er  it)m  unter  einer  ©rüde,  hinter  einem  Strauß  auftauert, 
er  tbürbe  ruhig  märten,  bis  er  gang  nahe  gefommen. 

Slbef  er  tonnte  it)n  nicht  erlangen.  ®en  größten  Uebel= 
ftanb  für  ben  Verfolger  bot  ba§  SJtonblicht,  melcfjeS  bie 
Stacht  gunt  Sage  machte  nnb  bie  Steife  bei  3tadjt  ermöglichte. 

Site  fte  am  fiebenten  Sage  nach  ®  urSf  gelangten, 
urnmölfte  ftdj  htö|tich  ber  §immel,  e§  entftanb  ftürmifcheS 
SEßetter;  ber  SJlottb  tonnte  bie  Sonne  nicht  mehr  erfefcen, 
unb  im  ginftern  mit  Sßagen  gu  reifen  ift  unmöglich-  Stber 
ntan  fann  reiten. 

Stbermate  ermatte  bie  Hoffnung  ben  ©garen  eingu= 
holen.  Sluch  biefe  Hoffnung  mürbe  bereitelt. 

©r  foHte  erfahren,  baff  e§  für  bie  SJtächtigen  feine 
Unmögtichfeit  gibt.  Sßenn  ber  ©gar  ©ile  hat,  fann  man 
auch  t)er  ginfterniff  befehlen. 

Site  SafuSfin  eiumal,  bie  finftere  Stacht  hiftburdj  auf 
hatebrecherifchen  SBegen  reitenb,  baS  ©efolge  eingeholt  hatte, 
muffte  er  fehen,  mie  fich  ber  ©gar  nach  SRitternadjt  bei 
gadelbeleudjtung  auf  bert  2Beg  macht.  Sieben  feiner  ®utfdje 
reiten  gacfelträger. 

„Um  fo  beffer!"  bachte  gafuSfin  bei  fid). 

©rft  ffpäter,  ate  er  bie  Straffe  erreicht  hotte,  fah  er, 
meid)’  gefährlicher  Säufdjung  er  fid)  hhtgegeben. 

SängS  ber  Straffe,  fomeit  baS  Sluge  reichte,  rnaren  in 
*  einer  ©ntfernung  öon  breihunbert  Schritten  Steifighaufen 
aufgefteßt;  neben  benfetben  ftanben  Seibeigene  mit  Sunten, 
unb  mie  ber  ©gar  fid)  näherte,  flammte  ein  Steifighaufen 
nach  bem  anbern  auf  unb  beleuchtete  ben  SBeg.  ®ie§  bau» 
erte  bis  gum  Slnbrudj  be§  SageS. 

25er  ©gar  jagt  auf  beleuchteten  SBegen  bahin. 

So  bleibt  ber  SBolf  gurüd,  menn  er  baä  geuer  er= 
blidt,  bor  junger  bie  gähne  fletfchenb. 

Siefe' längs  ber  Straffe  brennenben  Steifighaufen  ber= 
eitelten  ben  gangen  fßlan. 


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193 


@r  mußte  bie  Perfotgung  aufgeben.  9tun  fonnte  er 
fidj  nieberfegen  fchlafen. 

@r  rührte  fid)  nun  öon  ber  §ütte,  in  Welche  er  fich 
gejogen  E>atte,  nicht  Weg,  bis  nad)  einer  SBodfje  baS  jweite 
fReifegefotge  tarn,  mit  ber  ©jarin.  Jiefe  reift  langfamer; 
ben  2Seg,  wetten  ber  ©jar  in  12  Jagen  juriicf gelegt  hatte, 
machte  bie  ©jarin  in  24  Jagen.  SafuSfin  folgte  if»ren 
©puren. 

Sie  Üteife  enbete  in  Jaganrog. 

Jaganrog  ift  eine  £>afenftabt  am  Ufer  beS  Sljow’fdjen 
SReereS.  ©in  befdjeibener,  Heiner,  öber  Drt,  ben  feine  @in= 
woßner  bereits  jweimal  ooHftänbig  üertaffen  haben,  je  nad)= 
bem  ihn  baS  eine  9Rat  ber  ruffifdje  bem  tärüfdhen,  baS 
anberemat  ber  türfifche  ©roßherr  bem  ruffifdjen  beim  grie= 
benSfchtuffe  übergeben  hat.  dermalen  finb  ©riechen  feine 
SBeWofjner.  SRur  bie  ©chutb  eines  oerrüdften  SRefferS  ift  es 
geWefen,  baß  aus  biefem  Drt  nicht  eine  SBeltftabt  geworben 
ift.  SllS  bem  Sjaren  Peter  I.  ber  ©infall  !am,  eine  neue 
§auptftabt  beS  UteidjeS  ju  grünben,  bie  am  9Reere  liegt, 
War  er  barüber  fdjwanlenb,  ob  er  bie  neue  ©tabt  in  ben 
finntfcf)en  Sumpf  ober  in  bie  tartarifdje  Steppe  hinbauen 
foH.  ©in  emporgeworfenes  SReffer  entfcfjieb  bie  grage.  SBemt 
baS  9Reffer  mit  ber  ©pi|e  jur  ©rbe  fällt,  bann  ift  heute 
Jaganrog  @t.  Petersburg,  unb  bie  Äuppetn  ber  3faafs!ird)c 
fpiegeln  ßch  im  9ljoW’f<hen  SReere  wieber 

SaluStin  Wußte  im  PorauS,  baß  bie  ©jarin  nicht  hier 
bleiben  Werbe.  Qn  ber  ganjen  ©tabt  ejiftirt  auch  nicht  ein 
©arten.  §ier  pflanjt  SRiemanb  einen  Paum,  als  ob  Sebe* 
fürchten  würbe,  ein  Slnberer  Werbe  bie  Srrudjt  pflüden.  Jer 
erfte  fdjneibige  SEßinb  wirb  bie  Sterjte  ber  ©jarin  barüber 
belehren,  baß  ein  Drt,  Weit,  er  unter  bem  46.  ©rabe  liegt, 
noch  leineSWegS  Italien  ift.  Jer  ©jar  Wirb  in  feinem  Peidje 
©egenben  auffudjen,  Wo  ewiggrüne  SBälber  prangen,  um 
hier  feine  geliebte  Äranfe  ruhen  ju  laffen. 

@r  hat  hoppelte  SBatp :  entweber  ©eotgien  ober  bie 
®rim. 

Peibe  Sänber  finb  für  ben  Htuffen,  ber  8  SRonate  hin» 

3«ai :  Steifet.  II.  13 


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194 


burd)  nichts  SlnbereS  fieljt  als  mit  ©iSjapfen  bebättete 
Sitten,  ein  ißarabieS. 

Saum  ^atte  ber  ©jar  ©Itfabetl)  in  baS  @d;toß  ju 
Saganrog  einquartiert,  fo  begann  et  audj  fofort  feine  ©r= 
forfdjungSreife.  ®ie  SReife  ging  in  ber  Stiftung  nadj  9tooo= 
cSertaSt.  gatuSfin  wähnte,  ber  ©jar  werbe  bie  Steife  bis 
junt  ÄautafuS  fortfefcen.  9fHe  58ortef)rungen  Waren  berart 
getroffen  :  ©orfpann,  ©eleite  waren  bis  XiftiS  beorbert.  ©r 
tonnte  fid^  ben  Drt  auSWäljlen,  Wo  er  fidj  auf  bie  Sauer 
ftetten  wollte.  ' 

©)a  aber  tarn  ber  ©ouoerneur  ber  ffirint,  gürft  SBoron» 
joff,  junt  ©jaren,  nnb  Wußte  Oon  feinem  ßanbe  fo  Diel 
©djöneS  ju  erjagten,  baß  ber  ©jar  feine  Sftoute  plöfclidj 
änberte  unb  umteljrte.  gatuStin  rnerfte  erft  bann,  baß  er 
bie  ©pur  abermals  üerloren,  als  er  bem  ©jaren  bereits 
tagweit  oorauSgeeilt  war. 

SlbermalS  jagte  er  iljm  it ad)  bis  ju  ben  ©ümpfen  beS 
lobten  -DteereS,  in  benen  bie  böfen  ©eifter  beS  gaulfieberS 
auf  ben  gremben  lauern.  SBiS  ©imferopol  gelang  eS  iljm 
nidjt,  ben  ©jaren  eiitjuljolen.  |>ier  langte  er  gerabe  in  ben 
Momente  an,  als  bie  ganje  ©tabt  ju  ©Ijren  beS  getränten 
©afteS  im  öollen  ©lanje  bet  SBeleudjtung  fdjwamm. 

2lber  ber  ©jar  tarn  nidjt,  um  fid)  an  ben  £ranSpa= 
renten  ju  ergäben,  er  war  miibe  unb  ging  fdjlafen. 

gatuStin  braute  in  ©rfaljrung,  baß  beS  anbern  XagS 
jeitlidj  SDtorgenS  SBorfpann  jur  SBeiterfaljrt  beorbert  würbe. 
®er  ©jar  wirb  ben  beräumten  ißalaft  beS  gürften  SBoron» 
joff  in  gufuff  befugen. 

gatuSfin  ereilte  bie  SBagen  bei  Söajbar.  ©ie  waren 
leer.  $er  ©jar  Ijatte  bie  SReidjSftraße  unb  feinen  SBagen 
öerlaffen  unb  mit  feinem  ©efolge,  auf  ben  fteilen  ©ebirgS* 
pfaben  beS  Xfatir  ©>aglj  fünf  unb  breißig  SBerft  ju  ißferbe 
jurüdgelegt. 

SDie  Steife  beS  ©jaren  war  fo  launenhaft,  als  ob  fie 
burd)  gemanben  bittirt  Worben  Wäre,  ber  ba  Weiß,  baß  er 
»erfolgt  werbe,  baß  iljm  nadjgefteltt  Wirb  unb  als  ob  biefe 
Bidjadjüge  t>on  einem  Zf)al  jum  anbern,  auf  unpafßr* 


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195 


baren  fßfaben  nur  gemacht  ttmrben,  um  ben  Verfolger  ju 
tauben. 

Unb  Wie  Diele  paffenbe  ©etegerifjeiten  hotte  injWifdjen 
3afu?fin  oerfäumt!  Ser  Ejar  füllte  fich  unter  ber  guten, 
aufrichtigen  mohammebanifchen  Seüötterung  fo  forgtoä,  baß 
er  ju  guß  unb  ju  ißferb  ftunbenlang  in  ben  prächtigen 
Härten  unb  SBälbern  fjerumftreifte.  211?  er  ba?  blumige 
Qrianber»Shal  t>er  Sänge  nach  burchfdjwärmt  hotte,  fprach 
er  finnenb  :  „$ier  möchte  ich  ben  lieft  meiner  Sage 
«erbringen!"  Sie  quälenben  Sorgen,  bie  bunflen  fßhan» 
tome  ber  äMancholie  fanben  feinen  SGBeg  hierher  :  er  ber» 
fdjeudjte  biefetben  gerabefo  wie  bie  SBerfchwöret. 

Stuf  ba?  Srängeit  feine?  Strjte?  oerließ  er  enbtich  boch 
ba?  3Reere?ufer  unb  lehrte  in  ba?  innere  ber  §albinfel 
^uräcf,  in  bie  einftige  |>auptftabt  ber  tartarifdjen  Sultane, 
SBafcfi  Seraj.  $ier  im  fßalafte  ber  einftigen  ©hiraiben 
brachte  er  bie  Stacht  ju. 

Sie  ganje  Stacht  unb  ben  ganjen  Sag  hinburch  faß 
gegenüber  bem  Shore  be?  Ißalafte?  unter  Eqpreffen,  metche 
IBafcfi  Seraj  fo  berühmt  machen,  ein  Serwifdj.  Siefer 
Serwifcß  toar  3afu?fin. 

Enblidj  hotte  er  ben  Ejaren  gefunben.  Er  fefcte  fidh 
in  ben  93urnu?  geljüHf  an  ben  9Beg  unb  wartete,  bi?  ber 
E$ar  au?  bem  fßalafte  fommt.  Er  ift  feiner  Sache  gewiß. 
$n  feinem  ©ürtet  gtänjt  ein  guter,  fcfjarfer  Solch,  unb 
feine  |>anb  jittert  nicht. 

Unb  noch  einmal  läßt  er  ben  Ejnren  entrinnen.  Sie» 
fer  ging  an  ißm  oorüber.  Sein  ®leib  ftreifte  ißn  unb  boch 
erfannte  er  ben  Ejaren  nicht;  benn  biefer  war  at?  ebler 
Sartar  gefteibet  unb  ganj  allein,  ohne  alle?  ©efolge,  au? 
bem  fßalafte  gefommen.  SBenn  er  auch  nur  Oon  einem  ein» 
jigen  Siener  begleitet  gewefen  wäre,  fo  hätte  ihm  bie?  auf» 
fallen  müffen  —  aber  eine?  einzelnen  SStenfchen  achtet  man 
nicht.  Ser  Ejar  wollte  bie  „Quelle  ber  Shränen"  befucßen, 
bie  ber  einftige  SBräutigam  feiner  geliebten  Softer  befungen 
hatte.  Siefe?  Senfmal  ber  Schwärmerei  rettete  ihn  oor 
bem  SReuchelmörber. 

13* 


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196 


SSoit  f)ier  begab  er  fidj,  in  ber  namtidjen  Steibung 
in  eine  mofjajnmebanifdje  äJtofdjee  unb  wohnte  beni  ©otteS= 
bienfte  ber  SDtoStimS  bis  jum  Schluffe  bei. 

3n  ben  ißalaft  teerte  er  gar  niefjt  nteljr  jurücf,  fom 
bern  fudjte  fofort  fein  ©efotge  im  ißatafte  beS  Statthalters 
auf. 

Sei  bem  ©ouberneur  erwartete  if)n  eine  ®epefd(je,  bie 
eine  XobeSnadjridjt  brachte.  ® önig  ttJlajimitian  oon 
Samern,  ber  Scfjwager  ber  ©jarin,  war  geftorben. 

Stlejanber  erfdjrat ;  wenn  biefe  -Jlacfjricfit  audj  ju  feiner 
©attin  bringt,  fo  Wirb  bie  fdjwacfje  ©efmtbljeit  berfelben 
nod^  mef)r  erf «füttert  Werben.  @r  befaßt  fofort  aufjubredfjen, 
ofiiie  in  ben  ißalaft  jurücfjuteljren. 

®er  bor  bem  ®f)ore  fifjenbe  ®etwifdj  wartete  oergebenS 
feines  DpferS ;  als  er  bie  Slbreife  beS  ©jarS  erfuhr,  war 
biefer  fdjoit  längft  fenfeitS  beS  gftffmuS. 

®ie  £>ef)e  fonnte  auf’s  neue  beginnen. 

SlbermatS  lam  if)m  bie  gäbet  in  (Erinnerung  :  „SBen 
ber  äRanit  mit  ben  grünen  Slugen  fid)  erWaljtt  tjat, 
gegen  ben  we|t  man  oergebenS  bie  SBaffe." 

Sdfon  beginnt  er  abergläubifdj  ju  werben,  feine  ganje 
ißtfantafie  ift  erfüllt  mit  grünäugigen  ©efpenftern. 

®er  ©jar  reifte  weiter  an  ben*®njeper,  tion  Ijier 
burcf)  bie  tttogai'fdje  Steppe  unb  über  bie  feibenjüdjten» 
ben  gturen  9JtafiopotiS  an  baS  Ufer  beS  Sljow’fcjjen 
•äJteereS,  Wo  feine  angebetete  ©ematin  auf  iljn  Harrt. 

SafuSfin  folgte  ifjm  überall  auf  bem  gufje  nadf).  ®ieS* 
feitS  Dreftjof  ftürjt  fein  ißferb,  atS  eS  mit  i^m  über  eine 
oerfattene  Srüdfe  fefcte  unb  bridjt  ben  gufj.  gatuSfin  ift 
offne  $ferb. 

@S  war  niefjt  weit  jur  Eßoft  :  er  Wanbert  ju  gufi 
batjin.  ®r  Witt  ein  ißferb  Haben,  um  jeben  Sre^- 
®er  Sßoftmeifter  füHrt  it»n  in  ben  Statt. 

„Sief)’  |>err,  i<H  f>abe  au<H  nid^t  ein  EjJferb.  ®er  ©jar 
ift  burdjgereift,  meine  fämmtticHen  Eßferbe  Würben  atS  Sor* 
fpann  genommen." 

„Unb  bort  im  SBintet?" 


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197 


„®ie8  Ißferb  ift  triebt  mein.  68  gehört  einem  Äourir, 
ber  eben  jefct  au8  Sieh»  gefontmen  ift,  fofort  um  ein  Sett 
bat  unb  nun  fdhläft." 

„©in  Courier,  bet  ein  SBett  »erlangt  um  ju  fd^Idfen, 
!ann  nichts  ®ringenbe8  ju  befolgen  ^aben.  SSieHeid^t  lann 
id)  ihn,  für  gutes  (Selb,  bewegen,  fo  lange  ju  fdjlafen,  bis 
ich  mit  feinem  ißferbe  in  bie  Station  aJtariofwliS  gelangt 
bin,  Bon  wo  aus  ihm  baS  ißferb  jurüdfgefchicft  Werben  foK." 

„ißrobir'  eS  $err!"  —  68  Wirb  in  SRujjlanb  nicht 
fo  unerhört  fein,  bafj  ein  Courier  baS  ißferb  unter  fid) 
»erlauft. 

„(Sibt  et  mir  baS  Sßferb  nicht,  fo  töbte  ich  ihn!" 
fprach  ^afuSÜn  bei  fich  unb  trat  in  baS  (Saftjimmer  ein. 

6in  junget  Uhlanenofficier  lag  ^ier  auf  bem  Sette  in 
bie  ®unen  feft  eingewicfelt. 

„(Suten  Sag,  Katnerab ! "  begrüßte  iljn  SafuSfin. 

„®a»on  ift  feine  Siebe!"  jähneflahperte  biefer.  „SBal)r= 
lid)  ich  frefnre.  ®a8  »erbammte  faufafifche  Sieber  hat  mich 
am  2ßeg  erwifc^t.  ©S  geht  ju  ©nbe.  Unb  ich  füllte  bem 
©jäten  perföntidj  eine  Sepefdje  übergeben  —  wo  immer 
ich  ihn  treffe,  (Seneral  Slot!)  fdfjidt  mich.  ©S  ift  (Sefahr  im 
Serjuge.  Unb  id)  lann  nicht  reiten!  Sd!jau,  Kamerab  — 
tlju  mir  ben  (Sefallen  —  übernimm  bie  ®epefche.  Se|’  ®ich 
auf  mein  ißferb.  ®er  ©jar  ift  nach  Saganrog  gegangen, 
©iie  ihm  nach!  Uebergib  it)m  bie  ®epefcfje  —  perfönlicf) 
—  in  feine  eigene  |>anb.  So  lautet  bie  Drbre!  3d)  aber 
werbe  nur  in  ber  anbeten  SBelt  SRaftyort  erftatten  fönnen. 
3dh  bitte  ®ich,  eile  ..." 

Stifts  fonnte  SafuSfin  erwünfdjter  fein  als  biefe 
ÜRiffion.  ©ine  ®epefche,  welche'  et  bem  ©jaren  perföntich 
übergeben  mufi,  bem  —  ©jaren! 

„(Sott  mit  ®ir,  Kanterab !  Stirb  nur  ruhigen  (Semü=  . 
tljeS.  3dh  Werbe  ®einen  Stuftrag  getreulich  »oKbringen,  unb 
Wenn  ®u  eine  Sraut  tjnft,  fo  Will  ich  'hr  fcfjteiben,  Wo  ®u 
geftorben  bift,  unb  ®eine  Uhr  will  ich  fummt  Kette  ®einet 
SRutter  fdfjidfen.  ©inen  Seffern  als  mich  fwtteft  ®u  nidht 
finben  lönnen." 


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198 


®er  Courier  ift  Waßrfcßeinticß  aucß  bort  geftorben  unb 
in  bet  fcßönen  Steppe  begraben  Worben.  SatuSfin  aber  be- 
ftieg  fein  Stoß  unb  ftecEte  bie  ißm  anüertraute  ®epefcße  in 
ben  Sufen. 

2)a3  ißferb,  baS  ißm  übertaffen  Würbe,  War  febocß  eine 
fcßtecßte  SJtäßre.  ©8  War  nid^t,  wie  baS  anbere,  gewohnt, 
in  ber  Steppe  ju  geben.  Äaunt  bermocßte  e§  be§  2!ag§ 
wenige  Stunben  jurüd jutegen,  unb  wenn  er  ju  einer  ©rüde 
!ant,  mußte  er  abfteigen  unb  baS  Ißier  mit  ©ewalt  über 
bie  ©riute  jietjert ;  eS  wollte  nicßt  über  bie  ©rüde  geben. 

©ei  fotcß’  jämmerticßer  Steife  tarn  er  um  bter  Xage 
fpäter  afe  ber  ©jar  in  laganrog  an. 

©ine§  2age3  erfuhr  SatuSftn  enblicß,  baß  ber  ©jar 
öon  Sltapla  nacß  SDtorbinof  reifen  Werbe,  gießet  füßrte 
nur  ein  einjiger  28eg,  unb  aucß  biefer  ift  nur  ju  ißferb 
jurüdjutegen.  S)iefer  äßeg  wirb  öon  ben  ©ingebornen  „bie 
Seiter"  genannt.  @r  Oerbient  biefe  Benennung,  fo  fteit 
füßrt  er  jum  ©ergrüden  ßinan;  juweiten  ift  baS  ißfetb  in 
enge  getfenltüfte  gejWängt. 

SatuSfin  mietßete  einen  tartarifcßen  güßrer,  ber  ißn 
burcß  bie  SSälber  ßinburcß  auf  bie  Spiße  „ber  ßeiter" 
füßren  fottte. 

Stocß  oor  ber  Dämmerung,  in  buntter  Stadßt  bracß  er 
auf,  bamit  er  bem  ©jar  jubortomme. 

©r  fteibete  ficß  in  bie  Iracßt  eines  tartarifcßen  ÜJturfen 
unb  Warf  eine  boppeHäufige  gtinte  um  bie  Scßutter. 

2tuS  bem  bicßten  SBatbe  ßeröortreteub,  faß  er  bor  ficß 
ben  tiefen  ©ergpfab. 

Heber  einem  aus  ber  getfenwanb  fpringenben  Duett 
grünte  ein  ©ibifcßftraucß,  etwa  jwei  Sttafter  oberßatb  beS 
ißfabeS. 

S)et  ©ergpfab  War  ßier  burcß  einen  getSfprung  burcß* 
brocßen,  über  Wetcßen  eine  fcßmate  ©rüde  füßrte.  ®iefe 
Stelle  tönnen  bie  Steiter  nur  einjetn  paffiren. 

S)er  günftigfte  Ort,  ju  einem  ^interßatt  wie  ge= 
fcßaffen. 

„®i,  ©urfcße!  wie  grün  bocß  ®eine  Stugen 


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199 


finb!"  ®er  SJtann  I adjte  —  ein  t)o^Ie§,  buntpfeS  Sadjen, 
tote  auS  einem  leeren  gaffe. 

„@o  ift'S!  ©rün  ftnb  meine  klugen."  (Sr  fpradj’S  unb 
öerfdjwanb  im  bitten  ©eftriippe. 

®ie  (Srgäljtung  Setljfaba’S  fußr  gatusfin  in  ben  Sinn. 

(Sr  gog  fidj  in  ben  ©traudj  gurücf,  machte  fiel)  fdjujj» 
fertig  unb  lauerte. 

(Sin  ©eier  flog  freifdjenb  über  ißn  Ijinweg;  er  ßielt 
ben  Sauernben  für  eine  Seidje,  fo  unbeweglich  faß  3atuS= 
fin  ba. 

(Snblidj  ertönte  baS  tangerwartete  Signal :  ben  Sßfab 
herauf  bröljnten  bie  Stritte  ber  ißferbe. 

®ie  Steiler  mußten  gang  nalie  an  ißn  t)eran!ommen ; 
er  tonnte  fo  lange  gielen,  als  es  ißm  gefiel. 

StlS  bann  Sie  Steiler  tjerangelontmen  waren,  merfte 
er,  Wie  feljr  er  gum  ©efpötte  geworben  War. 

Stuf  ben  Sßferben  faßen —  Sorreiter,  unb  ber  ®roß 
gog  an  itjm  0 orbei.  ®er  (Sgar  War  abermals  üerfdjwunben. 

SBo  fonnte  er  fein? 

„SSerbammter  SDtann  mit  beinen  grünen  Stugen!" 
finite  gatuSfin.  „®u  wirft  ntid)  felbft  nodj  abergtäubifdj) 
machen !" 

®er  (Sgar  lam  nicht.  (Sr  War  ihm  abermals  entronnen. 


(SS  War  ein  lierrlidjer  |>erbfttag,  Wie  folget  nur  in 
ben  begaubernb  frönen  Sergen  ®aurienS  gu  finben  ift.  ®ie 
Suft  rein;  alle  Serge  fdjeinen  in  unmittelbare  Stähe  ge= 
rüdt  gu  fein;  baS  ©eibengefpinnft  ber  Sommerfäben  ftat= 
tert,  wie  eine  Sotfdjaft  aus  bem  genfeitS,  in  ben  $öljen; 
baS  Saubwerf  ber  Säume  ift  fdjon  mit  Stoth,  mit  ©etb 
gentifdjt;  ber  Stafen  mit  rofenfarbigen  ßeitlofen  beftreut. 
®ieS  Heine  Stüd  (Srbe  ift  ber  grudjtgarten  ber  SBett.  ®er 
Dbftbaum  ift  i)ier  ein  ganger  SBalb,  ber  unter  feiner  reifen 
Saft  fidj  ädjgenb  beugt,  ©efallene  2lepfetn,  Simen  liegen 
am  3Bege  ^erurn  unb  ber  Soben  ift  mit  ihnen  bebecft.  ®ie 
©olbamfel  greift  ben  $errn  ber  Säume,  ber  bem  S53anbe= 
rer  ben  Ueberfluß  nicht  mißgönnt,  unb  auch  nicht  ben 


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200 


Sögeln  beö  Sßatbeä.  ®ie  iRiefenbäume,  hielte  in  anberen 
Sänbern  ttritbe  Sirnen  herüorbringen,  finb  hier  mit  fauft* 
grojjen  , , S8ujburgan"=93irnen  unb  honigfüfjen  „Satarmub" 
überbecft.  2SaS  mit  ber  §anb  erteilt  Werben  lann,  gehört 
bem  Sßanberer,  baö  Uebrige  ift  beö  ©igenthttmerö. 

©jar  Sltejcanber  War  ob  be§  SReidjtljumS  an  grämten 
in  biefem  geentanbe  entjiicft.  Sr  begann  an  bie  geenmärdjen 
Söet^faba'S  ju  glauben. 

Sin  einer  ©teile,  Wo  fid^  ber  fßfab  awifdjen  jwei 
aneinanberrücfenben  Serglehnen  emporjog,  ertönte  ©toc!en= 
getaute  öon  ber  fmlje  her. 

®er  Sjar  fragte  einen  fEartaren,  ber  oon  ber  §öhe 
fjerabftieg  unb  it)tn  entgegenfam : 

„SBo  läutet  man?" 

„3m  ©t.  ©eorgöflofter,"  war  bie  Antwort. 

„38er  t|at  in  biefer  SBitbnifj  ein  ®lofter  gebaut?" 

„@ö  ift  ber  einstige  fEempel  ber  ®iana.  3wif^en 
ben  SRuinen  beö  Sempefö  ^aben  bie  fdjwarjen  SJtöndje,  bie 
tiom  Serge  StthoS  t)iel)er  tarnen,  fic^  niebergelaffen." 

„SOj!  bieö  ift  alfo  ber  beräumte  ®ianen=®empel  in 
®auriö?"  erwiberte  bet  ©jar,  in  beffen  ©rinnerung  ptöfy 
lief)  bie  ©age  oon  ber  fdjönen  ißriefterin  ber  Slrtemiö,  oon 
3j>t)igenia  auftebte,  Wefdje  bie  ®id)tet  oon  ©uripibeö 
angefangen  biö  ©oethe  befungen  haben.  „Unb  nun  ift 
biefer  ®empef  ein  äHönchötlofter?" 

®er  ©jar  üermod)te  nicht  bei  einer  $ircf)e  oorbeijw 
gehen  ohne  einptreten. 

|>ier  tarn  noch  mehr  baju  um  biefe  @ehnfucf)t  herüor* 
jurufen.  ©in  gefcljichtlicheö  Stlterthum,  ein  Ueberbteibfel 
ber  ftaffifdjen  3eit  unb  ein  djriftlicheö  Slfht  in  einer  nur 
oon  SDtohammebanero  bewohnten  ©egenb. 

„SCSie  lann  man  in’3  SMofter  gelangen?"  frug  er  ben 
Sartaren. 

„Stuf  einem  gujtyfabe,  Welcher  oom  38ege  abjweigenb 
in  bie  §öhe  führt  unb  fobann  an  bem  jenfeitigen  Xtjeite 
beö  ÄtofterS  Wieber  jum  SBeg  herabführt.  ®ie  fßferbe 
müfjten  mit  ben  Leitern  oorwärts  gefchicft  werben,  bet 


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201 


Sßfab  muß  ju  guf}  jurücfgetegt  werben.  ®er  3öeg  ift  ein 
Wenig  befcfjwertidj).  34)  famt  atS  gütirer  bienen." 

®er  ©jar  tjatte  nun  um  fo  mef)r  Suft  betommen.  @r 
flieg  mit  feinem  ©efotge  tiom  ißferbe  unb  flieg  an  ber 
©eite  beS  SüljrerS  jum  ®emf)et  ber  ®iana  auf.  . 

®er  fältle  burdj  einen  bitten  3°rft.  $u  beiben  ©eiten 
be§  ißfabeS  Wedjfetten  materifdj  fdjöne  SSaumgruppen  mit 
einanber  ab ;  bie  Witbe  Siebe  fctjtang  fidj  bon  einem  Saum 
jum  anbern  unb  bilbete  fo  oberhalb  beS  ißfabeS  ein  grünes 
®ad(j,  üon  welkem  bie  Keinen  runben  ®rauben  tferabtjingen, 
beren  tartarifdjer  -Karne  „Kacsi“  tautet. 

9todj  anbere  früctjtetragenbe  ©träudjer  waren  reid^licE) 
üorf)anben,  barunter  ragten  namentticf)  jwei  3*®etfc^fen 
tragenbe  ®ontfträucf)e  fyeroor;  ber  eine  bringt  rofenfärbige, 
ber  anbere  WadljSgelbe  grüßte.  ®ie  gelbe  grudfit  ift  grof?= 
förnig,  bie  rot^e  roädjft  traubenförmig.  Wie  bie  ®rau6en= 
firfdlje. 

„SBie  nennt  man  biefe  grüßte?"  frug  ber  ©jar  ben 
güljrer. 

„®ie  gelbe  Ijeifjt  „Alirek,“  bie  rottje  „Isziumi- 
rek“." 

„Sricl)  welche  für  micf)  ab;  tag  midj  foften." 

®er  3üt)rer  pftücfte  rafclj  witbe  Srombeerbtätter, 
formte  aus  benfetben  ein  Sorbeten  unb  füllte  baSfetbe  mit 
Alirek  unb  Isziumirek, 

®er  ©jar  War  bom  Sergfteigen  erf|i$t  unb  bürftete. 

®ie  füfjfäuerlidje  grudjt  fd£)mectt  ifjnt  fef)r,  er  tiefe 
nidfjtS  übrig. 

©rft  atS  er  baS  teere  Körbchen  bem  ffü^rer  jurüdtgab, 
fiet  i£)m  an  biefem  @twa3  auf. 

„SanbSmann,  Welche  fonberbar  grüne  Stugen  ®u  Ijaft!" 

„@o  ift'S  —  man  fagt  es!  3dfj  t)abe  meine  Stugen 
nodt)  nie  gefetien." 

9iad)  einftünbigem  ©eljen  gelangte  ber  ©jar  mit  feinem 
©efotge  ju  bem  auf  ftaffifeffen  SRuinen  erbauten  Ätofter. 

©r  War  burcf)  bie  §i|e  beS  tfeifien  §erbfttageS,  burdfj 
baS  befdjwertidje  Sergfteigen  öom  ©djweife  burdjnäfjt.  ©anj 


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202 


erljifct  burdjfdjritt  et  bie  unterirbifchen  ©änge,  bie  $ö^en, 
in  welchen  einft  bie  gut  Opferung  beftimmten  Qüngünge 
aufbewahrt  ttmrben,  bie  im  Seifen  gehauenen  geheimen 
Dtte,  non  wo  einft  DrefteS  bie  goibene  ©tatue  bet  SlrtemiS 
getaubt  Ijatte.  ©obann  »erlistete  et  auch  noch  in  bet 
Äapeüe  fein  ©ebet. 

2tlS  et  aus  bem  Ätofter  fjerauSlam,  liefe  et  ben 
Sägtet  fuc^en,  biefet  war  jeboch  nirgenbS  gu  finben. 
Stiemanb  liatte  gemerft,  wo  bet  gührer  gurücfgeblieben 
War.  Sie  ÜJtönche  felbft  geleiteten  ben  ©gar  burch  bie 
SBalber  fjinburdj  auf  ben  2Beg  gut  „ßeiter,"  wo  bie 
ißferbe  bet  2luSflügter  Ijarrten. 

©o  entging  bet  ©gar  bem  ©ibifdjftrauche,  hinter 

welchem  3a!u3!in  auf  ihn  lauerte. 

2tn  bemfetben  Sage  mufete  aber  bet  ©gar  feinem 
2lrgte  geftefeen,  bafe  et  im  gangen  ®örper  eine  ungewohnte 
SJtattigfeit  betfpüre,  welche  bon  gröfteln  begleitet  ift. 

Slrgnei  wollte  er  jebocf»  nicht  nehmen;  er  glaubte,  es 
würbe  bon  felbft  betgehen. 

©r  fe|te  feine  Steife  fort.  @r  befuchte  baS  einftige 
3lfhtia,  beffen  ho<htrabenber  Staute  heute  ©ebaftopot  ift. 
@r  wohnte  bem  ©tapetlauf  eines  StiegfdjiffeS  bei  unb 
infpicirte  bie  ftotje  ißonfuSflotte.  @t  liefe  mit  ben  tiefigen 
©ttanbgefchühen  ©chiefeberfudje  machen  unb  War  ben  gangen 
Sag  über,  trofe  neuerlichen  gieberS,  unerntüblich  gefdhäftig. 
©pät  SlbenbS  ging  er  abermals  in  bie  Äirdje,  um  gu  beten. 

SllS  gafuSfin  bon  bem  fterbenben  Courier  ben  Srief 
übernahm  unb  in  ben  58ufen  ftecfte,  tauchte  in  ihm  ber 
©ebanfe  auf,  bafe  ber  Srief  anftecfenb  fein  fönne.  ®r 
fcfelug  fidj'S  aus  bem  ®opf:  „@i  WaS!  Wer  Wirb  fidj  je%t 
bor  einem  gufammengelegten  ©tücf  Rapier  fürsten?" 

Unb  bo<h  hätte  gafuSftn  für  fi«h  unb  feine  greunbe 
weit  llüger  gehanbelt,  wenn  er  eine  jener  „gehörnten 
Schlangen,"  bie  am  Stanbe  beS  ©rabenS  unb  in  SBagen* 
geteifen  bahingeftrecft  auf  ben  SBanberer  lauem,  genommen 
unb  fie,  ftatt  beS  ©tücfeS  ißapier,  in  ben  Söufen  geftecft 
hätte. 


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203 


©r  badete :  mag  ber  Sörtef  was  immer  enthalten, 
Wenn  idj  iljn  nur  einmal  übergeben  fann. 

®er  SBrief  Ijatte  aber  folgenbe  ©efd&idjte. 

SBei  ber  ©übarmee  War  2lßeS  jur  $urd)fü£)rung  ber 
SBerfajfung  bereit,  ißeftel  —  ben  man  ben  ruffifdjen  Riego 
nannte  —  tyatte  bis  nun  mefjr  als  taufenb  Dfficiere  für 
bie  SBerfdjwörung  gewonnen,  bis  hinauf  ju  ben  ©eneräten. 
ißeftel  War  als  lünftiger  ®ittator  auSerfetjen,  ber  mit  ber 
©Übarmee  jur  |>erfteßung  ber  griedfjifdfien  Republi!  eilen 
Wirb;  toäfjrenb  ©Ijebimin  als  Sioil»®ouoerneur  im  Innern 
beS  9tei^eS  bie  neuen  Republiten  lonftituiren  foH.  ©S  War 
geplant,  baS  Regiment  „S3iatfa",  weites  ißeftel  fomman» 
birte,  am  1.  Sänner  1826  in  baS  $auptquatier  ju  ®uttfin 
einrüdlen  ju  taffen.  2tn  biefem  2age  foK  jeber  Dfficier,  ber 
nidfjt  ju  ben  SBerfdfjwörern  gehört,  niebergeljauen  werben. 
93  on  ®ultfin  Wirb  man  nacf)  filiew  ftürmen,  Ijier  ben 
Äommanbanten  beS  erften  ÄorpS,  ©eneral  Dften=©acfen, 
gefangen  nehmen,  bie  Repubtil  proftamiren,  bie  ißoten  jum 
Slufftanbe  bewegen  unb  ben  ©jar  beS  I^roneS  oerluftig 
erHären.  ©anje  Regimenter,  ^nfautertften,  §ufaren  unb 
Slrtißeriften  Waren  für  biefen  ißlan  gewonnen,  unb  ben 
Sommanbanten  fiel  eS  nidjt  einmal  im  Traume  ein,  WaS 
StfleS  in  iljrer  Rät)e  geplant  Würbe.  ®ie  gemeinen  ©olbaten 
gewann  man,  inbem  man  iljnen  torfagte,  bie  „beutfdfjen" 
Dfficiere  müffen  tobtgefd^tagen  werben.  ®ie  ®eutfd)en  tobt= 
f plagen  ift  fetbftOerftänbtidfj  ftetS  eine  populäre  3bee.  Sie 
an  ber  ©pijje  ber  Slrmee  fteljenben  ©eneräle  Dften=@aden, 
SBittgenftein,  Rotl),  Siebitfdj  waren  fämmtlid)  Seutfdfje. 

Ser  ganje  üerWegene  ißlan  fcfjeiterte  an  ber  |>erjenS= 
fdfjwädje  eines  SRenfdjen.  ©iner  unter  Saufenb,  ein  gewiffer 
^auptmann  SDtajroboba,  fonnte  oor  feinem  ©eWiffen  nidjt 
fapituliren  unb  benuncirte  feinem  Äomanbanten,  bem  ©enerat 
Rotli,  bie  ganje  93erfc£)roörung  mit  aßen  it)ren  SetaitS; 
er  nannte  aud)  bie  Oberen,  bie  Seiter  ber  SBerfdjwörung. 

©eneral  Rotlj  fdfjrieb  an  ben  ©jaren  einen  83rief 
unb  fdjidte  biefen  93erid)t  burdf)  einen  ^auptmann  an  ben 
©jar,  nadj  Saganrog. 


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204 


Ser  fmuptmamt  mürbe  am  S03ege  oom  lieber  befaßen, 
toeld^eS  fdjnelt  in  Sppfiuö  überging;  er  tonnte  ba§  ©Treiben 
nidjt  nacfj  Saganrog  bringen.  Sa  braute  ba§  ©erljängnifj 
ben  rafenben  gafuäfin  baljer,  er  ntag  baS  ont  SOBagen  be§ 
<ScE|idfatö  ausgefallene  Stab  erfefjen.  SieS  ber  gnjatt  beS 
SriefeS,  ben  ju  überbringen  er  auf  fidj  genommen  tjatte. 
9Jttt  bem  ©rief  in  feinem  ©ufen  überbraä)te  er  felbft  bie 
Slnjeige  gegen  feine  mitberfdjtoornen  ßameraben. 

2lt8  er  mit  feiner  abgemarterten  SRätjre  oor  bem 
faiferlidjen  ©Stoffe  in  Saganrog  jiett,  toar  feine  erfte 
grage  an  ben  macjejabenben  Officier,  ob  ber  ©jar  tjier 
märe? 

Sie  Slntmort  lautete,  ber  ©jar  fei  jier,  er  jabe  auch 
feit  einigen  Sagen  baS  .gintmer  nidjt  oertaffen.  @8  fjiefj, 
ber  ©jar  fei  franf;  aber  oor  faum  tier  ©tunben  fei  ein 
©itfourier  mit  ber  greubenbotfcjaft  jur  SDtutter  beS  ©jaren 
abgegangen,  bafj  oorige  -Jtacjt  bie  Äranfjeit  eine  plöfclidje 
SBenbung  genommen  |abe ;  bie  ©efunbjeit  beS  ©jaren  fei 
jurüdfgefejrt. 

„©ott  fei  gepriefen!"  feufjte  gafuSfin  auf,  mätfrenb 
feine  gauft  ben  Sofcj  juredjt  ridjtete. 

Stile  Umftanbe  begünftigten  feinen  fcjrecflicjen  fßtan. 
Sie  ©jrentoacje  beS  faiferlidjen  fßatafteS  mar  eben  aus  bem 
Stegimente  „©iatfa"  genommen  morben,  beffen  Dfficiere  unb 
©emeine  fämmttidj  für  bie  ©erfdjmörung  gemonnen  maren. 
9tur  befannte  ©efidjter  minften  ijnt  mit  ben  SOßintpern 
entgegen. 

©ntfdjtoffenen  ©djritteS  eilte  er  bie  Sreppe  jinanf. 

Sie  jroei  oor  ben  gimmern  beS  ©jaren  madjenben 
©renabiere  fatutiren  ijnt  unb  taffen  ijn  paffiren. 

gm  ©orjimmer  ftanb  ber  bienftjabenbe  Dfficier,  ber 
ijn  ats  guten  ßameraben  begrüßte  unb  beim  Flamen 
nannte. 

„gcj  fudje  ben  ©jar  mit  einer  bringenben  Sepefcje.* 

,,©ej'  jinein,  brinnen  finbeft  Su  ben  Slbjutanten 
Siebitfdj,  ber  toirb  Sicj  anmetben." 

gafuSfin  öffnete  bie  Sjüre;  aber  im  fetben  Momente 


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205 


tnurbe  audf)  Bon  Sfnneit  bie  Xfjüre  geöffnet  unb  ber  2tu3* 
unb  Sintretenbe  trafen  an  ber  Schwede  jufammen. 

SafuSfin  erbebte.  Sr  ftet>t  Bor  fi<|  ein  ©efidjt  mit 
grünen  3t u gen.  Ober  bitbet  er  fidh'S  nur  ein?  ®ie 
©eftatt  trug  tartarifdje  fEradfjt  unb  fein  ©eftdjtSauSbrucf 
tear  fo  eigenttjümtidj,  abfdfjredfenb,  ^erauöforbernb,  an= 
ntafjenb,  §ot)n,  Seradjtung,  Trauer  mieten  fic^  barin, 
unb  bie  grünen  Stugen  leuchteten  mie  jmei  ^o^annistäfer. 
SttS  er  an  3a!u§fin  Borbeiftreifte,  entftrömte  betn  Stntti^e 
eifige  ®ätte. 

3afu3fin  Wantte. 

2)u!"  fagte  er  jum  Dfficier,  inbem  er  auf  ben  fidj 
Sntfernenben  finjeigte,  „Wer  toar  biefer  äRenfdfj?" 

„Srgenb  ein  Courier." 

„fjaft  5)u  nicf»t  bemertt,  mie  grün  feine  Stugen  finb?" 

„33af)rlicfj,  ich  ortete  nicf)t  barauf.  SBaS  fümmerft 
®u  ®icf)  um  feine  frönen  Slugen?" 

3afuStin  trat  in  baS  jmeite  Simmer  ein. 

|>ier  fanb  er  ®iebitfdj,  ber  an  einem  Xifdfje  fafj  unb 
fcfjrieb.  Sr  mochte  eS  eilig  Ijaben,  benn  er  fafj  Born 
©djreiben  niefit  auf. 

„3ft  eS  geftattet,  beim  Sjaren  einjutreten?" 

„S3  ift  geftattet." 

„3ft  er  allein?" 

„3UIein." 

„SBaS  macf)t  er?" 

„Sr  fd^täft." 

„3$  muff  eine  bringenbe  fBepefdje  überbringen.  Sann 
tdf)  iljn  mecten?" 

„Sßecfe  ifjn!" 

®er  ©enerat  fat)  Born  ©djreiben  nidjt  auf;  er  be= 
merfte  niefjt  einmal,  mit  tnem  er  ipraef).  3afa3fin  näherte 
fid)  entfdjloffen  ber  Xtjüre  bc§  SRebenjimmerS.  Sin  SBunber, 
bafj  ber  mit  itirn  ©preefjenbe  an  bem  tauten  fßodjen  feines 
§erjenS  nidfjt  merfte,  ma§  in  ifjm  Borgest?  9tur  eine 
fjfiüre  trennt  ifjn  noef)  Bon  feinem  Opfer  —  unb  biefe 
ift  offen!  —  —  —  —  —  —  — - — 


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206 


©>er  ©jar  war  bereits  feljr  tränt,  als  er  nach  $agan= 
rog  jurücftehrte.  Unb  bennoch  wollte  er  teine  Slrjnei 
neunten. 

@8  ift  ein  ©haratteriftiton  ber  ruffifdjen  Sjaren,  ben 
Sranf^eiten  ju  trofcen.  Sie  wollen  nicht  glauben,  baß  ber 
Snodhenmann  (iljr  erfter  Wiener!),  ben  fie  fo  lange  im 
Solbe  Ratten,  ber  auf  ißr  Äomntanbo  bie  2Renfchen=9leihen 
h)ie  2leljren  niebergemö^t  tjat,  einmal  mit  feiner  Senfe 
auch  nach  rücfWärtS  auSljoft  unb  feinen  „§errn"  felbft 
niebermacfjt.  Sie  finb  biel  ju  ftolj,  um  einem  bleiben 
(Seifte  ju  geftatten,  fie  fdfjttmdj  ju  feljen,  it»r  Stöhnen  ju 
bernehnten,  ihren  SBillen  einjufd^ränfen ;  felbft  bem  Xobe, 
Wenn  er  anttopft,  fagen  fie:  „SBarte!" 

Ober  War  eS  etwa  nicht  fo?  —  SSietteic^t,  baß  eine 
große,  monumentate  ©eftalt,  bie,  ein  jweiter  StttaS,  lange 
3eit  ßinburd^  bie  ©rbe  auf  ihren  Schultern  trug,  itber= 
brüffig  geworben  war,  fie  ju  tragen?  —  baß  bem,  ber 
gewohnt  War,  baß  bie  öicr  ©ttben  ber  SBelt  bon  feinem 
Sftutjme  wibertjallen,  fe|t  babor  bangt,  baS  gtöftern  um 
fi <h  herum  ju  hören,  Welches  SRache,  Erbitterung  bertiinbet, 
unb  baß  er  fi<h  nun  felpt  nach  ber  SRuIje  ber  ©rufte? 
@r  ßat  auf  ber  SEBelt  nichts  mef)r  ju  fdjjaffen.  @r  fühlt, 
baß  er  ber  SBettgefdjidfjte  im  SSBege  ftef)t.  @r  ^at  Stiles 
berloren,  was  feinem  §erjen  treuer  gewefen;  ber  lefcte 
Sonnenftraßt,  baS  Sächetn  feiner  tränten  (Sattin,  fie  felbft, 
Waren  nur  mehr  finfenber  (Slanj  am  Stbenbßimmet. 
es  nic^t  glaublich,  baß  ber  weltmübe  SRiefe,  als  er  ben 
9tuf  ber  jenfeitigen  SBett  bernahm,  fich  bemfelben  nicht 
berfdfjloß,  fich  nid^t  berbarg,  nicht  bei  ber  Sßunberfraft  ber 
Kräuter  unb  SRetaHe  fuc^te ;  fonbem  bie  Spüren 

Weit  öffnete  unb  fprach :  „&ier  bin  ich,  ««*  gehen!" 

Unb  faft  fchien  eS,  als  fottte  ber  Xro|  beS  dürften, 
über  ben  ©jar  ber  ©räber,  triumphiren. 

2agS  borßer  erholte  er  fich  f°  Weit,  baS  bie  &ranfheit 
ganj  berfdjwunben  fchien.  Selbft  ber  Slrjt  würbe  burch  bie 
äußerlichen  Symptome  getäufcht,  fo,  baß  man  Slbenb  fpät 
einen  Courier  mit  ber  greubenbotfdjaft  jur  ©jarin=3Rutter 


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207 


ttadj  ©t.  Petersburg  fc^icfte :  „StIeEanber  ift  aufjer  jeber 
©efatir.  gejjt  brotjt  ifjm  nichts  metjr."  (9iidt)tS,  als  tiunbert» 
taufenb  SJteudjelmörber!) 

SKorgenS  bann  fant  ber  wot)ltt)ätige  ©eniuS  ju  iljm, 
ber  ben  Königen  unb  ben  ©ettlern  bie  Saft  wegnimmt  unb 
ju  iljnen  fagt :  „Komm’  Ijeint!" 

©lifabett)  berliefj  burdj  brei  Sage  unb  brei  Slädjte 
nidfjt  baS  ßimmer  beS  tränten  ©alten.  @ie  felbft  pflegte 
ben  Seibenben,  i£)re  eljelidfje  Sreue  War  feine  Sröfterin. 

Unb  bent  |»errn  ber  Sßett  würbe  bie  ©nabe  ju  Sljeil, 
bafj  er,  als  bereits  afle  üBaffen  gegen  itjn  geteert  Waren, 
atS  ber  Slttar  felbft,  an  bent  er  ju  beten  pflegte,  unter» 
ntinirt  war,  atS  ein  ganjeS  SReidE)  über  iljm  in  Srünttner 
ftürjen  woßte  —  bei  ben  ©trauten  ber  aufgeljenben  ©onne, 
junt  testen  9ßale  —  bie  tebenSauSftrömenbe  Sßärme  beS 
glänjenben  ©eftirneS  füljtenb,  —  feine  ©eele  bem  $errn 
mit  ben  SBorten  übergeben  tonnte:  „Ah  le  beau  jour!“ 
Unb  jarte  fjänbe  brüdten  it)m  bie  Stugen  ju,  unb  feine 
treue  SebenSgefäljrtin  faltete  if)m  bie  2lrme  freujweife  über 
bie  ©ruft  jufammen. 

9ßun  aber  bradlj  aucf)  bie  SebenStraft  ber  tränten 
grau;  of)nmäd)tig  ftürjte  fie  jufammen. 

Sie  jWei  Sterjte  eilten  ber  ©jarin  ju  $ilfe,  Ijoben 
fie  empor  unb  brauten  fie  in  if)re  38ot>nung.  Ser  britte 
SRann,  ber  3euge  beS  Auftrittes  war,  Siebitfd),  eilte  in 
baS  ßtebenjimmer,  um  fcfjneß  bie  Sepefdje  ju  fdjreiben, 
welche  ber  ffijarin»3Jtutter  ben  Sob  beS  ©jarS  mittljeitt. 
Siebitfdj  erteilte  bem  Courier  bie  SBeifung,  fdjnefl  ju 
fein,  um  ben  geftern  3lbenbS  abgefdjicften  Soten  einju^olen, 
ja  iljm  juborjutommen.  ©obann  fdjrieb  er  einen  ©rief  an 
ben  ©rofjffirften  Äonftantin  in  SBarfdjau. 

3n  biefern  SRomente  trat  QatuStin  ein. 

Siebitfdj  beeilte  fidj  mit  bem  ©dtireiben.  @r  befanb 
fidfj  eben  in  bitteren  ruffifcE>en  §umor. 

„SBaS  madjt  ber  ©jar?"  —  „@r  fdfjläft."  —  „@oß 
idfj  it)n  wetten?"  —  „Sßed'  iljn  bocfj!" 

Ober  War  etwas  im  ©efidjte  SafuSfin'S,  WaS  feine 


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208 


ißtüne  üerrietf) ;  unb  Waren  bie  Steuerungen  beS  Stbfutan» 
ten  beSljatb  fo  farfaftifcf)  gehalten? 


Set  ©erfcfjworne  tritt  in  baS  3intnter  ein. 

Snt  SOtomente  war  Stiemanb  int  3intmer :  ber  ©jar  allein. 

SatuSfin  fietyt  ben,  ben  er  fudjt,  öor  fid)  tiegen  :  jtumm, 
bewegungslos,  mit  gesoffenen  Slugen,  bie  $änbe  gefaltet. 

9tun  ift’s  ein  mastiger  äJtann  —  unDeriefcüd)  — 
tobt . 

SatuSfin  Wagt  eS  nid)t  nätier  ju  treten  —  üor  bem 
tobten  ©jar  fürchtet  er  fic|. 

Saumetnb  te^rt  er  jurüd  in  baS  anbere  3intmer,  ben 
SBrief  nocf)  immer  in  ber  |>anb  tjattenb. 

„Ser  ©jar  ..."  ftammelte  er. 

„3ft  geftorben." 

„SBann?" 

„Sn  biefer  ©tunbe." 

„Sßarum  bin  i dj  nidjt  um  einen  Sag  früher  gefom= 
men,  um  itjm  biefen  S3rief  übergeben  ju  tonnen!" 

Ser  Stbjutant  fanb  biefen  SluSruf  fef)t  furios. 

„Sßeifjt  Su  waS?"  fagte  er  ju  SatuSfin.  „2Jtad)  aus 
biefem  ©rief  einen  Sabeftöpfet  ju  b  einer  ißiftote, 

Sir  bie  Äuget  burdj  ben  Äopf,  bann  tannft  Sn  itjn  nod) 
einljolen!" 

2öaf)riicE)  tein  fdftedfter  Statt)!  SatuSfin  tjatte  nichts 
ÄtügereS  tt)un  tönnen,  atS  biefen  Statlj  ju  befolgen,  ftatt, 
Wie  er  eS  Wirftid)  machte,  ben  ©rief  auf  ben  Sifdj  ju 
fd)teubern  unb  bem  ©djidfat  ftudjenb,  baöonjuftürjen. 

Unter  bem  Stjore  beS  ißatafteS  traf  er  abermals  mit 
bem  SRanne  mit  ben  grünen  Slugen  jufammen.  Siefer 
beftieg  eben  fein  ißferb.  ©r  fab  ifm  mit  feinen  Äafeenaugen 
an  unb  tackte. 

„Stidjt  Wahr,  Su  bift  ju  ffjfit  gefommen?"  rief  er 
ijjnt  ju  unb  fprengte,  bem  ißferbe  baS  ©ifen  in  bie  ©eite 
brüctenb,  baöon. 

SafuSfin  erbebte  unb  gitterte  am  ganjen  Äörper. 

*  * 

♦ 


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209 


©tifabetlj  teerte,  als  fie  fidj  toieber  aufgerafft  l)atte, 
ju  ifjrent  Sobten  jurüd  uitb  fd^rieb  im  Sobtensimnter 
fotgenben  SBrief  an  Sie  ©}arin=äRutter : 

'  „Slfeure  äRutter!" 

„Unfer  @ngel  ift  bereits  im  $immet  wnb 
id)  bin  nod)  auf  @rben.  333er  Ijätte  geglaubt, 
bafj  id)  il)n  überleben  »erbe,  idj,  bie  ©djWadfie, 
bie  Äranfe?  äRutter,  berlafj’  midj  nid^t,  bie  xd) 
nun  allein  ftelje  in  biefer  ©djmerjenSWelt. 
Unfer  teurer  Sobte  Ijat  feine  lieben  ©efidjtä» 
jüge  »ieber  jurüdgewonnen;  fein  Säbeln  be= 
jeugt,  baff  er  in  ber  anbern  SBelt  fdfjönere 
Singe  fieljt,  at3  Ijienieben.  —  äRein  einziger 
Xr oft  ift,  baff  xd)  i|n  nidjt  lange  überleben  unb 
eljeftenä  mit  iljrn  bereinigt  fein  Werbe." 

©ie  bitte  ridjtig  geahnt!  Ser  näcf)fte  grüfyting  braute 
fie  in  ba§  8anb,  Wo  ber  ©jar  glücfltd)  ift  unb  auch  ber 
©flaue,  unb  fein  Unterfdjieb  jWifc|en  iljnen  ift. 


XLV. 

Per  $etofb. 

älodfj  War  bie  Sunft  nidfjt  erfunben,  burd)  welche  ber 
äRenfcfj  feine  SSotfd^aft  bem  S9li|e  anbertraut,  unb  woburd) 
ber  SSaumWoHljänbter,  bem  auf  bem  jenfeitigen  Steile  ber 
©rbe  ein  ©oljn  geboren  Wirb,  ben  Kompagnon  auf  bem 
bieSfeitigen  Steile  ber  ©rbfugel  jur  Saufe  am  anberen 
Sag  laben  tann.  Ser  Slbler,  Weidner  bie  ©lifce  Supiter’ä- 
trägt,  überbringt  bie  SBotfcljaft  unb  bringt  aucf)  SlntWort. 
Santatö  £>at  felbft  ein  fo  wichtiges  ©reignifj,  wie  ber  Sob 
beS  ©jaren  SUejanber,  adjt  Sage  gebraust,  bis  e§  auf 
bem  SRüden  be8  fcfjnellften  ufrainifdien  9tenner§  bom  ©nbe 
ber  ruffifdjen  äRonardjie  in  bie  £auptftabt  gelangte.  Ser 
erfte  S3ote,  welker  bie  älatfjridjt  bon  ber  ©enefung  bc§ 
3«ai :  greift.  II.  14 


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210 


Goaren  brachte,  !om  in  ber  S^at  fräset  an,  atö  ber  jtoeite 
mit  bet  Srauerfunbe.  Qenen  fpornte  bie  greube  an,  biefen 
trieb  bie  Trauer  nicht. 

Stuf  bie  greubenbotfdfjaft  berfammette  jidh  ba§  ganje 
SRomanoto’fche  Äaiferhauö  (jufammen  10  ©lieber,  baö 
©itfte,  ©rofjfürft  SKidfjael,  mar  in  SBarfchau  bei  bem 
3mölften)  ju  einer  grühmeffe  in  ber  Kapelle  beö  SSinter» 
palafteö;  ber  ^öd^fte  geiftlidje  SBürbenträger,  Seraphim, 
cetebrirte  perfönlich  baö  |>ochamt.  5>ie  ®apette  toar  bon 
f>ofbeamten,  SDtagnaten  unb  Dfficieren  bic^t  gefüllt.  53er 
©hör  intonirte  bie  Sottecte :  „®ott  erhalte  ben  ©jaren!" 

TO  bann  ber  ißrotopope  bot  bem  Stttar  baö  mit 
(Spangen  gebunbene  Sud)  öffnete  unb  mit  jittember 
Stimme  bag  ©ebet  für  bag  ßeben  beS  ©jaren  ju  intoni* 
ren  begann,  erbröljnte  ptö^lid)  in  ber  anbadjtöbollen  Stille 
eine  Stimme,  atö  ob  man  an  eine  ©lode  gefdfjlagen 
hätte : 

„@t  ift  fdfjon  geftorben!" 

5)ie  aufgefcjjredte  SSerfammlung  öffnete  freimittig  einer 
borbringenben  ©eftalt  ben  SESeg ;  ber  lidjtgrüne  Se£)gmet 
biefer  ©eftalt  triefte  bom  Äot^e  fämmtlidjer  ruffifcpen 
ttSrobinjen,  bom  fdjmarjen  S'otlje  ber  nogajfdjen  Steppe, 
bem  gelben  Äot£>e  SRoölauö,  bon  ber  Shreibeerbe  9tom= 
gorobö  unb  ben  grünen  Sc^mu^fledten  ©8arö!oje=Selo3. 
3n  ber  §anb  trug  bie  ©eftalt  einen  SBrtef,  mit  bem  fie 
burdfj  bie  Sttienge  Ijinburdfj  bireft  jum  ©rofjfürften  tttifolauö 
borbrang :  eö  ift  ber  Sörief  ber  ßjarin  an  bie  ©§arin= 
2Rutter. 

5)er  ©rofefürft  übernahm  ben  ©rief  unb  öffnete  ihn 
perfönlich. 

5)ann  eilte  er  jurn  ißrotopopen  l)in  unb  flüfterte 
biefem  ©tmag  in  baö  Dhr- 

5)er  ißrotopope  ^üttt  hierauf  baö  in  feiner  $anb 
befinblidlje  ferucifij  in  Stauer,  tritt  jur  ©jarin  3Rarie 
unb  fpridfjt: 

„5)ein  Sol}n  ift  geftorben!" 

Unb  ber  ©hör  unterbricht  in  ber  ÜDtitte  ben  greubat* 


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211 


gefang,  urtb  nach  einer  SWinute  burchjittert  ber  Trauer* 
hhmnuS  bie  Kapelle : 

„§err!  fd^enfe  ihm  bte  ewige  Stufte !" 

®er  ©otteSbienft,  ber  atS  Te  Denm  begonnen,  enbete 
alä  Requiem. 


XLYI. 

„Beatus  ille  . . . 

2BaS  auf  (Srben  ift  Wahres  ©tüd? 

©ich  toSmachen  bom  potitifdjen  Xotjubabotju. 

@3  gibt  leinen  gtüdtidjeren  SRenfchett  auf  ber  SBett, 
atS  jenen  länblichen  ©utsljerrn,  ber  bie  potitifchen  @reig= 
niffe  nur  aus  bem  StmtSbtatte  lennen  lernt. 

S3ormittagS  bricht  er  jur  Qagb  auf,  ftöbert  brei 
§afen  auf,  jwei  bon  biefen  fangen  feine  Sßinbfpiele.  ®ieS 
ift  ein  großer  Xriumph-  Sen  britten  taffen  fie  taufen. 
SieS  ift  wieber  ein  großer  ©fanbat.  3tber  am  SRüdWege 
erbroffetn  bie  fjunbe  eine  Sßitbfafce.  SaS  ift  Wieber  ein 
Sr  oft.  SaS  ißferb  ftotpert  über  ein  reines  StichtS.  SieS 
ift  ein  großes  Üngtücf.  9tber  Weber  ÜJtenfch  noch  Sf)ie* 
haben  babei  ©djaben  genommen.  SieS  ift  Wieber  ein 
großes  ©tüd. 

3n  ber  SRälje  gibt  eS  einige  gute  Sameraben,  benen 
ber  SDtenfcf)  erjäßten  tonn,  WaS  ihm  paffirt  ift,  unb  bie 
©inent  im  Xaufche  Wieber  erjäßten,  WaS  ©roßeS  fie  bott- 
brad}t  f)aben. 

SKittagS  wartet  bie  fjauSfrau  mit  einem  prächtigen 
ÜRaf)te  beS  SDtanneS;  auch  bte  guten  Samaraben  täßt  fie 
nicht  fort.  Äraut  mit  Sratwurft  ift  nach  einer  fotdj’  großen 
Äommotion  ein  gar  prächtiges  ©ffen!  Stach  bem  ©ffen  ift 
eine  botlftänbige  Sarofpartie  beifammen,  unb  ber  ÜDtenfdfj 
lann  noch  beS  anbem  SageS  prahlen,  Wie  er  gegen  10 
Sarol  ißagat=Uttimo  gemacht  h®be  mit  „  Contra-Recontra  “  1 
Sie  ganje  ißotitil,  bie  noch  gewacht  Würbe,  beftanb  barin, 

14» 


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212 


baff  ißufdjfin  bert  „Yulpis“  (eine  Sorte,  bie  aber  au  cf)  gar 
nid^t  „ftid)t")  „SlraftSejeff"  genannt  fjatte.  Stber  ber  Sßoft= 
meifter  hatte  felbft  begatt  feinen  Sopf  mifebitligenb 
gef  Rüttelt!  SESoju  bie  Unterhaltung  burdj  berlei  ftören 
Wollen? 

®attn,  atö  bie  ©efeUfdjaft  bereits  aufbrechen  Will, 
fällt  eS  bent  ißoftmeifter  ein,  baf?  er  in  feiner  Safche  bie 
Leitung  ißufchftn’S  bergeffen  h®t- 

®ie  Leitung  Wirb  aufgemacht.  (®ie  alten  anftänbigen 
Leitungen  Werben  nämlich  in  ©onüertS  oerfchicft.)  SBaS 
fann  barin  ftelfen?  . 

„©ne  ÜUtititärparabe?" 

®ie  lieft  fein  SKenfch. 

©obamt  granfreidj.  ®ie  granjofen  finb  juf rieben. 
®er  SCRüEje  Werth  }U  Wiffen!  —  Sürfei.  ®ie  ©riechen 
finb  oerföhnt.  ®aS  ift  ftar!  —  ©nglanb.  $>ie  Sanal= 
gtotte  ift  nach  ®oöer  juriicfgefehrt.  ®aran  ha*  fie  gut 
gethan!  —  Sn  Stufjlanb  hat  fi<h  nichts  ereignet,  ©ott 
fei  ®anf! 

®amit  jünbet  jeber  feine  Sampe  an  unb  geht  nach 
$aufe.  ®er  Hausherr  aber  fucht  baS  Zimmer  feiner  ©attin 
auf.  ®ie  gute  grau  hot  fdjon  auSgefchlafeu  unb  janft  ben 
Sommenben  nicht  auS,  bah  er  fo  lange  gefpielt.  ©ute, 
braoe  grau!  ®eS  anbern  iageS  fteht  man  fpät  auf,  eS 
ift  nämlich  ein  fo  tiefer  Schnee  gefallen,  bafi  man  bei  bent 
genfter  gar  nicht  IjinauSfchauen  fann.  $hnt  nichts!  SDtan 
ift  nicht  blofj  Stimrob,  fonbern  auch  SprtaeuS ;  fann  man 
nicht  hinaus  ju  ®iana,  fo  h“t  man  im  $aufe  bie  SRufen : 
auch  biefe  finb  gute  greunbe.  9Kan  jünbet  bie  pfeife  an, 
geht  tm  3immer  auf  unb  ab  unb  bidjtet  fo,  bah  »tan  bei 
jebem  Somma,  jebem  ißunft  baS  liebe  Heine  2Beib<hen 
fiiht,  baS  injWifcijen  mit  einer  hübfchen  grifur  befchäftigt 
ift.  Sft  eS  fdhwer  ben  Steint  ju  finben,  nimmt  man  baS 
SBeibchen  auf  ben  ©djooh,  fteht  ihr  in  bie  Stugen  unb  — 
gleich  ift  ber  Steint  gefunben. 

StadjmittagS  finb  bie  guten  Sameraben  abermals  ba, 
4?oftmeifter,  ißächter,  ©utSherr.  ®er  gtohe  Schnee  hat  fte 


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213 


nicf)t  jurücf  gehalten;  gtnei  waren  mit  ihrem  eigenen  §ahr= 
geug  gefommen,  nach  bem  dritten  hatte  ©ettjfaba  ben 
©glitten  auSgefcf)icft,  bomit  bie  ©efellfchaft  üoü  »erbe, 
©ie  arrangirte  ben  ©pieltifch. 

SieS  ift  baS  IßarabieS!  SaS  Wahre  ParabieS. 

Einmal  gelang  eS  ber  ©erlange  bodj,  in’S  parabieS 
ju  fchlübfen. 

211S  am  Enbe  beS  ©pielS  bie  lange  Sifte  jufammen 
gejäljlt  Würbe,  um  ju  feljen,  Wie  toiel  Sopefen  Einer 
gewonnen  ^abe,  mußte  ber  Poftmeifter  alle  ©ädel  auS= 
framen,  um  feinen  Perluft  berichtigen  ju  fönnen.  Sei 
biefer  ©elegenljeit  entnahm  er  öerfe^iebene  S riefe  feinen 
Safdjen. 

„©ibt  eS  heute  nichts  SteueS?"  fragte  ihn  ber  Pächter. 
(Sn  jene  ©egenb  lam  nur  eine  Leitung,  bie  Pufdjfin  hielt; 
bie  Slach&arn  lamen,  Wenn  fie  Sieuigfeiten  hören  Wollten, 
ftetS  ju  Pufdjfin.) 

„2BaS  fafeln  ©ie?  |>abe  ich  nicht  geftern  eine  Leitung 
gebracht?  ©tauben  ©ie,  ber  ßeitungSfchreiber  fei  ein  Seufet, 
ber  feben  Sag  lägen  fann?  ©enug  für  ihn,  baß  er 
eS  breimal  in  ber  Sßodje  thun  muß.  ©in  djriftticher 
3eitungSfdjreiber  muß  jeben  britten  Sag  feiern  fönnen. 
Sßemt  ©ie  eine  3eitung  hnöen  Wollen,  iefen  ©ie  bie 
geftrige  Stummer!" 

„Sie  hoben  Wir  bereits  gelefen." 

„216er  bie  aRilitärparabe  habt  Sh*  noch  nicht  gelefen." 

„Stun,  fo  lefen  wir  fie." 

Unb  eS  War  ber  HJtüIje  Werth  fie  jn  lefen;  eS  ftanb 
nämlich  in  bem  ^Berichte,  baß  fämmtliche  ßeibregimenter 
@t.  Petersburgs  in  ber  Kapelle  beS  SBinterpatafteS  einzeln 
ben  ©djWur  leiften  mußten.  Unb  Warum  füllten  fie  nicht 
fchwören?  SaS  fdjabet  ja  ben  ©olbaten  nicht. 

Sa,  aber  fie  mußten  bem  Ejar  ® onftantin  ben 
©ib  ber  Sreue  fchwören. 

„Ejar  ®onftantin?  2Ber  ha*  öon  einem  Ejar 
Äonftantin  gehört?" 

SaS  War  aber  fo  gefcheljen,  baß  man  im  großen 


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214 


Smbet  ganj  »er  gef  fett  ^otte,  beit  Xob  beS  ©garen 
Sttejanber  amttief)  ju  metbert! 

„©in  Lapsus  calami!"  fprad)  bet  Poftmeifter. 

„Sßahrfdjeintich  mar  bet  3ettuttg3fd)retber  betrunfen! 
Unb  marunt  fottte  bet  ,8eitungSf<hreiber  nid^t  betrunfen 
fein  biirfen?  ©inrnat  im  Satfre!" 

Stile  beruhigten  fiel)  bamit :  ber  SeitungSfdjreiber 
feierte  feinen  StamenStag,  beraufdjte  fict)  unb  fc|rieb  ftatt 
Sttejanber  Sonftantin ;  bie  nädffte  Stummer  mirb  unter 
„Errata“  fdfon  bie  Berichtigung  bringen. 

®ie  nftdjfte  Stummer  braute  aber  feine  Berichtigung, 
öietmehr  mürbe  ber  „ffehter"  öerboppett,  üerbreifacht,  in* 
bem  atte  Berorbnungen  im  Stamen  ©r.  SJtajeftät  beS  ,,©jar 
Sonftatin"  ertaffen  mürben. 

Stie  ift  berfEob  beS  ©jaren  Sttejanber  amtlich 
pubticirt  morben! 

5)aS  gute  jeitungStefenbe  Pubtifum  erfalj  nur  aus 
ben  ©ontagSnummern,  baff  bodj  ©trnaS  an  ber  @adje  fei. 
Sn  biefen  Stummem  mar  bereits  enthalten,  baß  in  färnmt* 
liehen  jHrdjen  Petersburgs  IrauergotteSbienfte  abgeffatten 
mürben,  man  taS  bie  amtlichen  Oben  ber  Profefforen,  metdje 
ben  Stuhm  beS  öerftorbenen  ©jaren  in  ruffifcher,  tateinifcher 
unb  griedjifch«  Sprache  befangen. 

Stiemanb  munberte  fich  mehr  bariiber,  baf?  alte  ferneren 
Berorbnungen  im  Stamen  Sonftantin’S  erfdjienen,  er  mar 
ber  ©äfaremitfeh,  er  mar  nach  ruffifchem  ©taatSred)t  ber 
Xhronfotger.  2)a§  er  beim  Botfe  nicht  beliebt  mar,  fam 
nitfjt  in  Betracht.  SBaS  hot  baS  Bolf  bamit  ju  fdjaffen  ? 
®ie  ©otbaten  hoben  ihm  f£reue  gefdjmoren,  unb  mer  bie 
©otbaten  hot,  beffen  ift  baS  Steicf). 

Unb  maS  flimmert  bieS  namentlich  bie  „gtücflidjen 
SOtenfhen"  bort  in  ber  tänbtidjen  SBoljnung?  Shnen  ®or 
baS  ^äuSdjen  tieb  unb  theuer,  atS  noch  ©äar  Sttejanber 
in  Petersburg  h«rf<hte  —  baburdj,  baff  nun  ®onftantin 
an  feine  ©teile  fam,  ift  ihnen  baS  fpäuSchen  nur  noch 
theurer  gemorben. 

®er  SBinterpataft  hotte  ein  neues  ©efpenft  junt  Be* 


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215 


»Bohltet  klommen.  Schon  bem  alten  ©efpenft,  baS  ftnmm, 
ntelancholifch  unter  feinen  freuen  toanbelte,  toar  fdjtoer  ju 
bienen  getoefen,  um  »nie  üiel  mef)r  bem  neuen,  baS  fdjlägt, 
ftöfjt,  ©ebeine  bricht  unb  flucht.  ©eine  Weiterleit  ift  noch 
fc£»recflid^er,  als  bie  ©chtoermutf)  beS  Slttbern  getoefen  toar. 

9luS  biefem  ©runbe  tonnte  fi«f»  ber  Dfficier  ber  Sei b= 
toache,  beffen  Safere  einen  ^ö^eren  93efef)t  birgt,  ber  ifjnt 
oerbietet,  {ich  oon  pieSloto  auf  eine  Sagreife  toeit  ju  ent» 
fernen,  mit  fRecf)t  einen  „gliicflichen  SRenfdjen"  nennen. 


XLVII. 

Per  ^erftt^er. 

2tn  einem  ftiirmifchen  SBintertage,  an  »eifern  bie 
9tad)barn  fief)  nid^t  einmal  }um  SBefudEje  Pufdjfin'S  auS 
ihren  Raufern  ^erau3toagten,  fuhr  ein  ©glitten  unter 
©djellengeraffel  in  ben  §of,  unb  aus  ben  fßeljen  unb  ^of)en 
giljftiefeln  toicfelte  fRitter  ©alban  fidE»  heraus. 

(Gegenüber  einem  (Safte  oerftummt  jebeS  feinbfelige 
©effihl,  um  fo  mef)r,  toenn  ihm  totrllich  fd^tedtteä  SEBetter 
befc^eert.  Ser  SBeg  toar  unter  ©djneetoeljen  üergraben,  man 
fa£)  nicht,  too^in  man  trieb. 

Pufchltn  betoiflfommte  ben  fRitter  ©alban  auf  baS  ^erj» 
lichfte;  im  toarmen  3immer  tourbe  bann  bie  grfebenSpfeife 
angejänbet.  SSetljfaba  bereitete  ben  Shee. 

„Slber  um  ^immetötoißen,  toaS  |at  Sich  benn  in  bie» 
fern  ©cfjneefturm  auS  Petersburg  ^erauSgetrieben?" 

„Wm,  Samerab,  baS  fönnteft  Su  bir  nadj  Seinen 
eigenen  Erfahrungen  ganj  gut  benlen,  geht  ja  auch  Sein 
genfter  nicht  auf  ben  5RpetoSü»Profpect  hinaus.  9tu<h  Su 
haft  ©runb,  hier  ju  fein." 

„StßerbingS,"  fpradj  Pufchtin,  ben  IRauch  ber  Pfeife 
in  blauen  fRingen  in  bie  |>öhe  bampfenb ;  unb  bie  fRinge 
oereinigten  fich  oberhalb  beS  §aupteS  SBethfaba'S  toie  eine 


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216 


Slureote  um  bas  $aupt  ber  Zeitigen  —  unb  oftentatib  jog 
er  feine  (Sattin  an  fidfj,  feinen  Strm  um  ihre  Xaille  legenb : 
—  „§ier  ift  ber  ©runb ! " 

©alban  lachte.  —  „Sinn,  einen  foldjen  ©runb  habe 
i<h  aöerbingS  nicht!  Sei  mit  Reifet  eS  nur :  „Veteres  migrate 
coloni“  (alte  $äu8ter  Wanbert  aus!)  ®ie  Sßelt  ift  bet* 
breht.  ®ie  alten  Seute  retten  ficf).  Sludh  StraltSejeff  raucht 
feine  ißfeife  in  ©rufino." 

„®a8  Wunbert  mich-  ©jar  Äonftantin  war  ja  fein 
gbeal,  unb  ebenfo  Weiß  ich,  baß  ©jar  ®onftantin  Viernau» 
ben  mehr  liebt  als  SlraftSejeff." 

„3a,  Wenn  Äonftantin  ©jar  toäre,  bann  wüßte  auch 
ich,  wohin  ich  treiben  fall  —  aber  er  ift  nidjt  ©jar." 

„Sticht  ©jar?"  fpracf)  ftaunenb  ißufc^ün.  „£>ier  in 
ber  Leitung  ftehen  ja  boch  feine  Serorbnungen." 

„Slber,  lieber  Stlejanber  SergieWitfdfj !  ®u  bift  ja  bo<h 
felbft  ©djriftfteßer,  unb  bift  benttoch  fo  nait>,  ju  glauben, 
was  in  ben  Leitungen  fteljt?" 

„3um  Teufel!  Slber  ber  amtlichen  Leitung  muß  man 
bodfj  glauben,  tnenn  fie  fdjreibt,  baß  ber  Senat  ®onftan= 
tin  jum  ©jaren  auSgerufen  ßat,  baß  bie  Seibregimenter 
bem  ©jaren  Äonftantin  ben  @ib  ber  Xreue  geleiftet  haben." 

„Unb  gleich toohl  ift  Äonftantin  nicht  ©jar.  SBir  leben, 
ftreunb,  in  bem  Zeitalter  ber  SBunber  unb  ber  Slbfurbi* 
täten.  ®iefe  binbet  baS  SlmtSblatt  bem  großen  ißubtifum 
freilich  nicht  auf  bie  Stafe,  aber  bodh  Weiß  in  St.  Ißeter8= 
bürg  Sebermann,  Wag  borgeht.  2tlS  Sonftantin  bereits  jum 
©jaren  proctamirt  War,  unb  bon  bem  ©roßfürften  herab 
bis  ju  ben  Seibwadhen  3eber  ihm  ben  §ulbigungSeib  ge= 
fdjWoten  hatte,  probucirte  ber  fßräfibent  beS  Senates,  Sa= 
pufljin,  ein  berfiegelteS  ißacfet,  Worauf  bon  ber  $anb  beS 
tobten  ©jaren  gefdhrieben  ftanb:  „Stach  meinem  Sobe 
im  StaatSratlje  ju  öffnen."  ®ie  Siegel  würben  ge= 
öffnet;  man  fanb  eine  Urlunbe,  in  Welcher  ©roßfürft  ®on= 
ftantin,  ber  ©äfarewitfch,  ber  jThronfolge  ju  ©mtften  feines 
jüngeren  SruberS,  beS  ©roßfürften  StilolauS,  entfagt.  ©ine 
jweite  im  ißacfete  enthaltene  Urlunbe  enthielt  baS  üeftament 


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217 


StleEanber’S,  in  meinem  biefer  bie  £f)ronentfagung  Kon» 
ftantin’3  annitnntt  unb  jum  fünftigen  Sfjronerben  ©roßfürft 
SRitolauS  ernannt  ttirb." 

„®o  ift  alfo  nic^t  Konftantin  ber  ©jar,  fonbem  SRito» 
laug?  S)aö  ift  feljr  Hat."  Pufcljtin  fprach  bieg  in  einem 
Sone,  bem  man  anfah,  baff  iljnt  auch  bieg  feljr  gleichgiftig  fei. 

,,©o  Kar  ift  eS  nun  nicht!  ©roßfürft  9tifolauS  miß 
bie  ju  feinen  ©unften  erfolgte  jCljronentfagung  nicht  an» 
nehmen.  @r  ift  ein  Slnfjänget  ber  alten  ©taatöorbnung,  bie 
nicht  geänbert  merben  bürfe  unb  nun  fließt  ber  Kampf  ber 
^»ochherjigleit  jmifchen  @t.  Petersburg  unb  SBarfdjau;  burdj 
Vermittlung  beö  britten  ©ruberg,  beS  ©roßfürften  SRidjaet, 
forbert  nun  jeber  ©ruber  üom  SInbetn,  baß  er  bie  Krone 
anneßme. " 

„Sßun  baS  ift  aßerbingS  eiue  große  ©ruberliebe,  fdjier 
beifpießog  in  ber  äSettgefdjichte.  ©iS  nun  haben  bie  Königs» 
föhne  mehr  um  bie  Krone  getauft!" 

„Unb  mag  bie  ©Ijimäre  öoflftänbig  madjt,  ift,  baß 
ooßenbete  Shatfachen,  bie  fich  gegenfeitig  auSfdjließen,  einan» 
ber  gegenüber  fteljen.  @S  ift  eine  ooßenbete  Xhatfadhe,  baß 
Konftantin  alg  ©jar  prottamirt  mürbe  unb  Oon  bem  Sljrone 
nicht  entfernt  merben  tarnt,  unb  ebenfo  ift  eg  eine  toßen» 
bete  X^atfac^e,  baß  er  Johanna  ©rubjinSta  jum  SBeibe 
genommen  ha*>  eine  Polin,  Katljolitin,  eine  gemöhnlidje 
Slbelige;  brei  ©igenfdfjaften,  melche  ihrem  SKanne  bag  Stagen 
ber  ruffifdjen  Krone  unmöglich  machen.  Unb  fo  ift  eg  Kon» 
ftantin  termehrt,  fich  auf  ben  Sljron  su  fefcen,  unb  ift  ihm 
termehrt,  tom  Shrone  herabjufteigen." 

„SReinetmegen.  @o  mag  er  ftehen." 

„S)u,  in  deinem  SuSculum,  fannft  leicht  2Bi|e  machen, 
mag  foßen  aber  bie  in  bie  Klemme  getriebenen  armen  $öf» 
linge  machen?" 

„Umfomehr,  ba  bem  ©äfaremitfdj  bag  SBeib  lieber  ift 
alg  bie  Krone!" 

„Soffen  mir  bag!  9Rit  biefer  übertriebenen  ehelichen 
Siebe  ftreuen  mir  -Riemanbem  ©anb  in  bie  Slugen.  geh 
hatte  ©elegenljeit,  biefe  Siebe  auf  bie  Probe  fteßen  ju  tön» 


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218 


nett.  3$  lontt  fagen,  baß'  eS  feiner  Sauberfünfte  beburft 
ßätte,  unt  grau  goßanna  ben  ritt  er  tieften  fürftticßen 
Siebßaber  oergeffen  ju  taffen.  SamatS  fonnte  fie  ißn 
nämticß  nocß  nid^t  ©atten  nennen.  SSemt  nid^t  ein  ftärfe= 
reS  ©efüßt  mein  ^erj  beßerrfcßt  ßätte!  (Sin  unterbrüdter 
©eufjer  unb  ein  oerftoßtener  ©eitenblidf  auf  ©etßfaba  mar 
bemüht,  ben  SS  orten  bie  Srftärung  ju  geben.)  SSaßrticß  in 
meiner  §anb  tag  bie  SJtacßt,  ben  ©roßfürften  Sonftantin 
.  mit  ben  neunjeßn  Kronen  SRußlanbS  ju  befcßenfen.  Unb  bann 
audß  nocß  mit  einer  jmanjigften.  3<ß  ßätte  nur  um  einen 
Sag  länger  im  ©arten  ber  fcßönen  Sajienfa  bteiben  rnöffen." 

ißufcßfin  efette  bieS  Sluffcßneiben  an.  Sr  Hopfte  bie 
Slfdße  feiner  pfeife  auf  bie  Srbe.  ©etabe  fo  ßocß  artete  er 
audß  bie  ißraßtereien  ©atban'S. 

„gdß  aber  meiß,  baß  ber  Säfaremitfcß  unb  beffen  ®at» 
tin  ficß  gegenfeitig  fo  oergöttern,  baß  Konftantin  ben  Kopf= 
puß  goßannen’S  nicßt  für  bie  Krone  9turif’S  baßin  geben 
mödßte." 

„SSie  aber,  toenn  bieS  nidßt  baä  SSerbienft  beS  Kopf* 
pußeS  goßannen’S  ift?  SSie,  menn  bie  ©cßutb  in  ber  Krone 
9turif’S  liegt?  ©in  geleibter  SDtenfdß  ftücßtet  beim  Semit* 
ter,  menn  er  trocfen  bteiben  mitt,  nidßt  unter  eine  gierte. 
Unb  unter  alten  Sannen  ift  bie  Krone  ber  ruffifeßen  gidßte 
jur  Seit  eines  ©emitterS  bie  gefäßrttcßfte.  gebet  meiß,  — 
fetbft  bie  Sparen  jmitfeßern  eS,  —  baß  ber  oerftorbene 
Sjar  nur  bureß  ein  moßttßätigeS  faufafifdßeS  gieber  oon 
bem  ©erßängniß  öerfdßont  blieb,  baS  jeben  ruffifeßen  Sjaren 
auf  bem  Sßrone  ereitt.  ©etbft  über  ben  testen  galt  mirb 
biel  gefabelt.  9Ran  fpridßt  oon  einer  SSergiftung.  SaS  bon- 
mot  SaHeßranb’S  maeßt  bie  Steife  burdj  bie  SSett  :  „®S 
märe  boeß  fißon  Seit,  baß  bie  SobeSart  ber 
ruffifeßen  Sjaren  geänbert  mürbe!"  2Ran  fdßau* 
bert  eS  auSjufprecßen :  SRemßetmorb,  ©erratß,  ©erfeßmörung 
lauert  auf  ben,  bet  Sturif’S  Krone  trägt.  3Kan  unterminirt 
ben  ©etfeßemet,  ben  Stttar,  bie  Kiriße,  mo  er  betet.  Srftärt 
bieS  nidßt  jur  ©enüge,  meSßatb  jeber  ber  ©rüber  metteifert, 
baß  bie  Krone  ißm  ni(ßt  jufalte?  9tm  beuttießften  ßatber 


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219 


©äfareWitfdh  gegenüber  ber  fäd&ftfdjen  Königin=2BitWe  bie 
Urfadfje  biefeö  3ögern8  auägebrücft  :  „®ie  ruffifcijen 
©gare  rnüffen  einen  feljr  ftarfen  $al8  ^aben  — 
unb  i  cf)  liebe  eönicht,  Wenn  mein  $al8  geti^elt 
Wirb." 

(So  oerwegen!  —  nur  bie  agents  provocatenrs 
pflegten  fo  oerwegen  gu  f preßen!) 

©ufchfinb  rücfte  bie  ©ernfteinfpibe  fo  tief  in  ben  Sötunb, 
bafe  bentfelben  auch  nicht  ein  SSort  entfc^tüpfen  tonnte, 
©ethfaba  mertte  ihrem  SJtann  an,  bafe  er  Wie  auf  Stabein 
fi$e  unb  eilte  auö  bent  3immer  hinaus.  Sie  errieth  bie 
©ebanten  ihres  SRanneS  unb  trachtete,  fie  gu  üerWirflid^en. 
Sie  liefe  brei  Splitten  anfpannen  uni»  fdjicfte  nach  ben 
Stadhbarn,  Welche  ber  Sdhneefturm  abgehalten  hotte  gu  tont* 
men. 

©alban  fefcte  ingwifdhen  fein  ©efprädj  fort. 

„®u  Weifet  ja  gang  gut,  Wer  ich  War  unb  wa8  ic£> 
bin.  Stein  gangeS  Seben  fjinburcf)  war  ich  Höfling  :  ich 
liebte  eS,  gu  bienen,  gu  gehorchen,  gu  intriguiren,  nie  hotte 
ich  Steigung  mich  einer  Siga  üon  ©erfdfjwörern  angufdhliefeen. 
3<h  bin  aufrichtig!  Stber  aus  biefer  gegenwärtigen  gatte 
hilft  gewöhnliche  Unterthanentreue  nicht  herauf.  ®er  SBirr» 
Warr  im  gangen  Sanbe  ift  oottftänbig.  ®ie  ©efettfehaften 
ber  ©erfdhwornen  fetbft  finb  gerfahren.  ®ur<h  ben  £ob  beS 
©garen  ift  ihnen  ber  ©oben  unter  ben  güfeen  entgogen. 
©8  gibt  feinen  ©gar!  ©egen  Wen  fottten  fie  fi<h  berfdjwören? 
Sie  haben  fi<h  in  gWei  Parteien  gefpaltet;  nimmt  Konftan» 
tin  bie  Krone  an,  fo  Wirb  StitolauS  als  ©egen=©gar  pro» 
flamirt;  nimmt  StilolauS  bie  Krone  an,  fo  ift  Wieber  Kon» 
ftantin  ber  ©egen»©gar.  ®ie  Solbaten  finb  bereit  aufein» 
anber  toSgufchlagen;  jebe  Partei  Witt  für  ihren  legitimen 
Kanbibaten  tämpfen.  Unter  bem  beiberfeitigen  Schtadjtenruf : 
„@8  lebe' ber  ©gar!"  wirb  bie  fdjönfte  ©ebotution  auäbre» 
djen.  Unb  man  Weife  nidht,  wer  Sieger  fein  Wirb?  Siegt 
bie  ©artei  Konftantin'8,  bann  finb  bie  Anhänger  StifolauS 
bie  Slufftänbifctjen;  gewinnt  bie  ©artei  StifotauS’  bie  Ober» 
feanb,  fo  Werben  bie  Stnljänger  Konftantin'8  als  Stebotutio» 


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220 


näre  »erfolgt  toerben.  ®ie  Situation  eines  ©ienfdjen,  toie 
ich  eS  bin,  ift  bie  entfeßtichfte.  Sluf  meffen  ©eite  ich  mich 
auch  fd)lage,  ich  toeiß  nicht,  ob  meine  größte  fflaöifche  ©refie 
morgen  nicht  fcEion  PerbueKio,  Stebetfio  ift?  Sn  folgern 
gäbe  !ann  ber  gefdjeibte  SKenfch  nichts  SöeffereS  tf)un,  als 
baS  Sl)aoS  ©ßaoS  fein  ju  taffen,  fi«f»  in  bie  Sßälber  ju 
flitzten  unb  SBölfe  }u  jagen.  St  h°ffe»  Sttejanber  ©ergie» 
tuitfd^,  baß  mir  unS  auf  biefen  Sagben  oft.  begegnen  mer= 
ben." 

„SRir  ift  eS  nicht  geftattet,  mi<h  eine  lagereife  meit 
oon  pteSlot»  ju  entfernen." 

„9hm  benn,  mein  ©ut  ift  gerabe  fo  meit  oon  ©einem 
entfernt.  Sin  lurjer  SBintertag.  Unterhalten  mir  uns  fo  gut 
als  möglich,  fo  lange  biefe  c^aotifd^e  SBelt  ejiftirt." 

Pufdilin  oerffjradh,  baß  er  ben  Sefudj  in  Äürje  er= 
mibern  merbe. 

„9hm  finb  mir  ja  ooßftänbig  Bottegen,"  fdjmäßte 
©atban  meiter.  „®u  fannft  ®ir  bie  2Bet)ltagen  unter  ben 
©finotmif’S  in  ©t.  Petersburg  leicht  benfeit.  Sm  nädfjften 
SRärj  fotlte  Sjat  SUejanber  baS  fünfunbjmanjigjährige 
StegierungSjubitäum  feiern  :  jeber  Höfling  regnete  barauf, 
baß  er  an  biefem  Xage  um  eine  3iangftufe  hößer  fteigen 
merbe,  baß  er  ftatt  beS  ©itelS  „vase  blagorodic“  ben 
Xitel  „vase  voniszkoblagorodiS“  erhalten  merbe.  Siele 
haben  fid)  fdjon  im  SorauS  bie  neuen  Uniformen  machen 
taffen  unb  bie  Slntmorten  geochft,  bie  fie  im  Sjarnen  geben 
merben.  ®u  meißt  ja,  baß  bei  unS  lieber,  ber  im  9lmte 
aoancirt,  öorher  eine  Prüfung  abtegen  muß.  $unt  ©lüde 
theilen  bie  fetten  profefforen  bie  gragen  ben  Sjaminan* 
ben  immer  früher  mit,  unb  jtoar  um  fehr  billiges  Selb. 
Unb  baS  ÜlUeS  ift  nun  ju  SBaffer  gemorben!  3<h  felbft 
mar  auch  auf  bet  Gifte  in  ber  britten  IRangftufe,  als  ®i= 
reftor  ber  Petersburger  Xheater  „vas6  prevoszkoditelsz= 
tvo,“  auch  ®u  figurirteft  in  ber  Sifte  als  SRajor.  ®reitau= 
fenb  Slfpiranten,  bie  größtenteils  noch  i*1  bie  §änbe  ®ai=  . 
mona'S  baS  Stufgelb  gelegt  hoben.  Seßt  ift  bie  ganje  Sifte 
nicht  mehr  als  ein  merthlofer  gibibuS!" 


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221 


®aS  gefährliche  ©efprädj  Würbe  burdj  baS  ©epolter 
ber  brei  angefommenen  Nachbarn  unterbrochen. 

Stie  hat  fidj  bie  Shüre  oor  erfehnteren  (Säften  erfdjtoffen ! 
®iefe  waren  aber  nicht  gefontnten,  um  über  oerwicfelte 
Shronfolgefrogen  ju  ftreiten,  fonbero  fie  famen,  um  }u 
tarodiren,  unb  eS  ift  männigtich  befannt  :  „£arod  geht 
über  3MeS!"  , 

SRitter  ©atban  entfchulbigte  fi<h  bamit,  baß  er  nur 
$ajarb,  unb  nur  um  hohe§  ©elb  fpiele. 

„3hm  fo  fe|’  ®ich  unb  fpiel,  mit  meiner  grau  Schach- 
Stimm  $ich  aber  jufammen;  93ethfi  fpielt  fehr  gut." 

Unb  Stitter  ©alban  fanb  ein  Spiel  baS  baS  größte 
^ajarbfpiel  ber  3Belt  ift  unb  um  baS  t)öd^fte  ©elb  geht. 


XL  VIII. 

Pie  g&aus  fpieff  mit  ber  $at|e. 

®te  Herren  fdjlugen  beim  Äartenfpiel  auf  ben  £if<h 
loS,  alö  ob  eS  baS  „Foliamentum“  noch  mehr  fdjmerjen 
Würbe,  Wenn  fie  barauf  hämmern,  unb  bann  fingen  fie  nach 
jebem  Spiet  ju  jaulen  an  :  „baS"  hätten  Sie  auSfpielen 
foHen,  unb  nicht  „genes,"  bemt  mir  gewannen!  ®ie  $er= 
ren  fagten  fich  ©robheiten,  bie,  ohne  Starte  in  ber  §anb, 
thatfädjlich  ©hr«abeleibigungen  geWefen  mären,  gn  ber  an= 
betn  ©de  beS  3intmerS  ging  eS  bagegen  weit  ftiHer  su. 
§ier  würbe  nur  ftüfternb  gefprodjen,  Wie  eS  beim  Schach 
üblich  ift. 

„Sie  lönnen,  —  Sonne  meines  Sehens  —  fehen, 
Weffen  ein  »erWunbeteS  §ers  fähig  ift.  38er  anberer  als 
einer,  ber  burch  feine  Siebe  sunt  Starren  geworben,  macht 
SU  einer  foldjen  3eit  Sefuche?" 

„Sie  haben  fich  alfo  nidht  oor  bem  potififdjen  ©h00^ 
aus  ber  ^»aupftabt  geflüchtet?" 

„geh?  gft  eS  hoch  mein  Element,  in  bem  ich  Wie  ber 


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222 


gifd)  int  SBaffer  lebe.  Söin  icf)  bodj  in  biefent  (Stentente 
aufgemadjfen.  Df)ne  micf)  gefc^ie^t  fein  Wfjronmedjfet  in 
©uropa.  211S  fidfj  2Rar3  junt  gelbjuge  rüftete,  mar  td)  bet 
SJferfur,  ber  feine  33otfd)aft  überbradfjte.  3dj  £)abe,  unt  mid) 
an  Syrern  Säbeln  }u  erquicfeu,  eine  SebenSbafyn  entjtoei 
geriffen,  ein  gürftenfrone  öon  mir  gemorfen." 

„Unb  falls  idfj  nidjt  tädfietn  mürbe?"  • 

„Was  mürbe  midfj  toaljnfinnig  machen." 

„0,  ©ie  ticitiren  jurücf!  SBereitS  baS  lefctemal  Ijaben 
©ie  mir  befeuert,  rneinetmegen  toaljnfinnig  gemorben  ju 
fein,  unb  nun  treffen  ©ie  erft  33 orf errungen  baju?" 

„Sieben  Sag  fange  idj  auf's  9ieue  an  »errüdft  ju 
merben." 

„WaS  betoeist,  baß  ©ie  audj  jeben  Sag  üom  SBaljn» 
finn  genefen!" 

„33etoeiSt  mein  ^ierfein  nidjt,  baß  idj  infurabet  bin?" 

„•Kur  baS  ©djneegeftöber  tjat  ©ie  Ijierljer  getrieben." 

„Wer  ©türm  mar  mein  Sßatron.  @r  gab  mir  baS 
SRedjjt,  Ijierljer  ju  fornmen." 

„D,  unfer  $auS,  —  eS  ftefjt  bem  ©afte  immer  offen." 

„Unfer  §auS;  toetcfje  SRarter  liegt  in  biefem  furjen 
SEBorte!" 

„@oü  id|j  fagen :  WaS  §au§  meines  ©alten"? 

„®o  Ijör  id^’S  lieber!  WaS  ©predfien  in  ber  „2ReIjr= 
jaljt"  gebührt  nur  ben  Königen,  nid^t  aber  ben  Königinnen." 

Wie  ruffifdjen  grauen  finb  feine  Königinnen,  fie  finb 
Wienerinnen  beS  Kaufes,  ©ine  löbliche  alte  Sitte. 

„Stber  an  3ßnen  liegt  eS,  ©flauen  jn  machen." 

„Sdj  Ijörte  erjagten,  bie  Würfen  Jütten  einmal  bie 
©tabt  Ofen  erobert,  inbem  fie  ber  geftung  einen  33efudj 
abftatteten.  üRerfen  ©ie  nicljt,  baß  ©ie  baS  ©aftredjt  miß» 
braunen?" 

„feigen  fie  nur  burcfj  einen  33lidf,  baß  Sitten  mein 
^ierfein  öerljaßt  ift,  unb  meber  Sßacfjt  nodjj  ©türm  mirb 
für  midlj  ejiftiren;  idfj  taffe  einfpannen  unb  trofc  ©djnee» 
me^en,  trofc  bem  ©eljeule  ber  SEßölfe  merbe  icf»  midj  auf 
ben  2Beg  machen." 


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223 


„Sie  rniffen  ganj  gut,  baß  eS  fcßmer  ^iette,  einen 
Sßormanb  bafür  ju  finben,  baß  ißufdjfin  bieS  nimmermehr 
jutaffen  mürbe!“ 

„3<h  müßte  mie  e$  ginge.  Sdjacfj  bem  Sönig!  ©ie 
merben  bie  Partie  gleich  Oertoren  hübe«-  2>ann  fielen  ©ie 
gereijt  auf,  fangen  über  ben  furchtbaren  SabatSquatm  ja 
ttagen  an  unb  gehen  in  3h*  3immer.  3<h  fehe  mich  hier* 
auf  als  „®ibih"  hinter  Sttejanber  ©ergiemitfch  unb  tritifire 
fein  Spiel.  darüber  gerathen  auch  bie  beften  greunbe  in 
San!.  (Sin  SBort  gibt  baS  anbere;  idj  bin  hifctöpfig,  er 
auch.  Schließlich  taffe  ich  mich  5ur  $hüre  hinauSjagen.  — 
9tun,  begreifen  ©ie  mein  ©piet?" 

„9to<h  nicht.  3ch  höbe  noch  bie  Stochabe  mit  bem 
nig.  geh  miH  nidht,  baß  ©ie  unfer  §auS  tertaffen." 

„SSenn  ©ie  nodh  einmal  „unfer"  $auS  fagen,  Oertaffe 
i<h  ©ie  jur  ©tunbe.  Ser  ©ebante,  baß  ein  Sadf)  fi<h  über 
mir,  meinem  ©tücf  unb  bem  Stäuber  biefeS  ©tücfeS  mötbt, 
ma(|t  mir  felbft  baS  SßarabieS  jur  £öüe.  —  ©dhadh  bem 
^önig  unb  ber  Königin!" 

,,©o  finb  mir  gejtoungen  bie  ^oniginen  ju  taufdhen. 
3<h  nehme  3hre»  @ie  nteine  Königin.  —  3<h  Witt  nidht, 
baß  ©ie  mich  üertaffeu.  2Ber  meiß,  ob  bie  ©ngel  audh 
mirftich  fo  meiß  finb,  als  fie  gemalt  merben?"  fefcte  fie 
mit  einem  finnüermirrenben  SBtidE  auf  ben  Stifter  hinju. 
3eneiba  hotte  er  fie  fo  gelehrt.  —  „Sie  hoben  biefen 
3ug  überfehen.  ©dhadh  matt!" 

„3fn  ber  2hat!  ©ie  hoben  gemonnen! 

„^Beginnen  mir  ein  neues  ©piet.  SRit  ©ambit." 

„Ser  ©ieger  hot  ben  erften  3ug.  3<h  nehme  baS 
©ambit  an." 

„$aben  ©ie  feiger  oon  meiner  armen,  lieben  SOtutter 
nichts  gehört?" 

,,©ut,  baß  ©ie  enblidh  fetbft  barauf  ju  fpredfjen  !om= 
men.  3d(j  üerfidhere  gljnen,  hätten  ©ie  nicht  fetbft  gefragt, 
ich  hotte  nidht  angefangen.  Unb  hoch  mar  eS  houptfädhtidh 
bieS,  toaS  mich  higher  geführt  hot!  Sie  Königin  münfdht 
©ie  ju  fehen." 


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224 


„SBirftidj?  3dj  ^abe  fie,  feitbem  matt  mid)  »on  ihr 
getrennt  Ijat,  bereits  jweimat  gefe^en  :  im  SEBinterpatafte, 
beim  SteujajjrSfefte." 

„Sefet  Werben  ©ie  3hre  SJtutter  öon  Stngefidjt  ju 
Stngefidjt  fehen.  3<fj  hflbe  bereits  bie  ©rtaubnif?  jurn  @in= 
tritte  in  baS  ®tofter  jurn  SBefud^e  ber  Königin  für  ©ie  erwirft." 
„$aben  ©ie  ben  ©rtaubnilfdjein  bei  fidj?" 

„SfiMen  ©ie  benfetben  Sttejcanber  ©ergiewitfdj  jeigen?" 
„Stein,  nein!  ®aS  muß  geheim  üor  ihm  bteiben." 
„$ann  taffen  ©ie  ben  Schein  in  meiner  Stufbewahrung, 
©r  ift  hier  an  gutem  Drte.  tßufdifin  tann  ©ie  nicht  bahin 
begleiten;  für  i|n  Wäre  bieS  ja  ein  Wahrer  misdeminuor. 
©ie  tonnen,  fobatb  einmal  eine  ©etegentjeit  pr  ©enügung 
beS  Scheines  tommt,  benfetben  öon  mir  fofort  ermatten.“ 
„3a,  Wenn  einmal  ißufdjtin  auf  mehrere  Jage  tierreift." 
„©enben  ©ie  bann  ju  mir  unb  idj  Werbe  ben  Schein 
fdjiden!" 

„2t ber  mit  bem  £>in=  unb  fperfenben  oergeben  jwei 
f  oftbare  Jage.  SBäre  eS  nicht  beffer,  Wenn  ich  felbft  !äme?" 

(„®aS  ift  ein  göttliches  SGBeib !")  „SBirb  mir  biefeS 
©tüd  ju  Jtjeit,  fo  jünbe  ich  nach  3hrer  ©ntfernung  mein 
©chtojj  an  alten  Oter  ©den  an,  bamit  eS  nach  3hnen 
feinen  anbern  ©aft  mehr  empfangen  fönne." 

„Schach  matt!  —  3e^t  höbe  ich  ©ie  fdjön  angeführt! 
3<h  habe  nur  geptaubert,  um  3hre  Stufmerffamfeit  oom 
©piele  abjntenfen.  ©in  WirlticfjeS  „@chuftet=2Ratt."  Unb 
nun  fönnen  ©ie  fchtafen  gehen,  Stifter!  gute  Stacht!“ 

Sethfaba  »erlieft  baS  Zimmer.  Stitter  ©atban  aber 
erhob  fidj  mit  bem  »ollen  ©effihte  beS  JriumpheS  »om 
Jifch;  er  War  überjeugt,  baS  ©piet  gewonnen  ju  hoben. 
3«  ber  Sieget  pflegte  er  jwei  »on  brei  ©pieten  ju  gewin* 
nen.  (3m  britten  Würbe  er  gefdjtagen.) 

®ie  Jarodfpieter  hotten  »on  att'  biefen  SSorgängen 
nichts  gemerft.  @S  war  eine  fchredtiche  ©chtadjt,  bie  an 
biefern  Jifdje  gefdjtagen  Würbe.  2ttejanber  ©ergiewitfch  hotte 
ein  „aufgelegtes"  ©olo,  mit  Quint  major,  tous  les 
trois,  »ertoren.  ©8  War  eine  furchtbare  Stiebertage. 


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225 


„3mei  „btanfe"  Zottige  in  ber  §anb  unb  beibe  Könige 
genommen  —  tjunbert  Millionen  Seufet!"  ftudfjte  Sltejauber 
Sergiemitfd). 

„3a,  biefe  Könige,"  prat)tte  ber  Sßoftmeifter  ob  feiner 
füljnen  Sf)at,  „alle  biefe  Könige  merben  oon  uns  gefcf)ta= 
gen." 

„SBaS?"  begann  fftitter  ©atban.  „Sie  fragen  bie 
Könige?  SaS  ift  ja  eine  matjrljaftige  repubtifanifctie  83etoe= 
gung!" 

Sie  Suft  jum  Spiel  mürbe  bem  ^oftmeifter  burd) 
biefeS  SBort  fo  fet)r  benommen,  baf?  er  um  bie  „Sour" 
bat  unb  baS  intereffante  Spiet  beenbete. 

ißufdfjfin  begleitete  feine  ©äfte  bis  ju  ben  Splitten 
unb  feljrte  fobann  ju  Stitter  ©atban  jurücf. 

„9tun,  mie  ift  baS  Spiet  mit  meiner  „Steinen"  auS= 
gefallen  ?" 

„3dfj  mürbe  total  gefdfjtagen.  Sie  fpiette  mit  mir  mie 
bie  ft'ajje  mit  ber  SJlauS.  ®on  mern  £)at  fie  mot)I  fo  trefftidfj 
fpieten  gelernt?" 

„SaS  Sdfjadfjfpiet  ?  Sie  tiebe  Sophie  9tarifcpn  mar 
itjre  ßetirerin;  Seibe  malten  tagtägtid]  ifjre  Partie." 

®S  mar  aber  nidjt  fo.  Sßidfjt  Soptjie,  ßeneiba  £>at  bie 
„Steine"  biefeS  Spiet  geteert.  —  SieSmat  tjatte  bie 
SDtauS  mit  ber  Safje  gefpiett  —  fo  mie  eS  itjr  gefiet. 


XLIX. 

Gegengift. 

Sem  eifigtatten  3B etter  mit  feinen  Scpeeftürmen 
folgten  fdfjöne,  tjeitere  Secembertage.  SRitter  ©atban  reifte 
auf  feine  Sefifcung  ab,  nac^bem  er  üorfjer  ^ßufdEifin  baS 
93erfpred()en  batbigen  ©egenbefudjeS  abgenommen  tjatte.  Ser 
ißoftoertefir  fam  ebenfalls  in  fein  atteS  ©eteife  jurücf,  b.  t). 
bie  Scpttenfafjrt  mar  mieber  mögticfj  gemorben. 

3<Slai :  grdtjdt  II.  15 


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226 


SaS  SlmtSbtatt  übertraf  an  Sangtoetfigfeit  alle  feine 
Sßotgänger. 

Slm  Sdjluffe  ber  fogenannten  SageSneuigfeiten  befanb 
fid)  jeboch  eine  Sunbmadiung,  toetdje  mittheilte,  baß  „am 
26.  b.  9R.  3enetba  $lmarinen  int  ©örfenpalafte  ju  ©unften 
beS  SinbethaufeS  ein  Äonjert  geben  Wirb." 

....  Sllfo  am  26.  Secember! 

....  3“  ©unften  beS  SinbelljaufeS! 

Sa§  Sonjert  mürbe  adjt  Sage  normet  angefänbigt  — 
bamit  ^eber,  ber  bemfelben  anmohnen  miß,  rechtzeitig  font» 
men  fönne. 

Sßon  pteSfom  bis  St.  Petersburg  finb  jmei  gute  Sag» 
reifen.  Pufdjfin  mußte,  ben  Pofttoeg  abgerechnet,  bie 
fRadjridht  6  Sage  früher  erfahren. 

9tuch  Setfyfaba  tag  bie  SReuigfeit  unb  fprach : 

„Sd)au!  roie  gerne  möchte  auch  i<h  babei  fein,  menn 
meine  liebe  geneiba  fingt!" 

3i)r  fjerj  aber  mar  t»on  Sdjrecfen  erfüllt.  Sluch  fie 
muffte  ganz  gut  —  3eneiba  batte  eS  ibjr  gefagt  —  maS 
bieS  ft'onjert,  maS  bieS  Singen  bebeute. 

SSon  biefer  SRinute  angefangen  mar  pufd)ftn  mie 
auSgemedjfelt ;  griesgrämig,  tieffinnig.  SBethfaba  las  in 
feinem  2lntti|  mie  in  einem  offenen  Suche.  $atte  fie  bodj 
»on  geneiba  ben  Sdjlüffel  ju  ben  £>ieroglgpht,n  erhalten. 
Sie  mußte  ganz  gut,  morüber  Pufcfjfin  finne;  —  fie 
mußte  ganz  gut,  baß  „©leutheria"  ber  5Rame  ihres  alten 
SßerebrerS  fei. 

2HT  ihre  Siebe  fonjentrirte  fie  nun  um  ihn,  um  ihn 
feftjuljaften. 

Sft  eS  ja  bodj  nicht  unerhört,  baß  große  SRenfchen, 
berühmte  Staatsmänner  in  ihrem  SiebeSglücf  baS  SRenbej* 
oouS  oergaßen,  meldjeS  fie  ihren  Sameraben  ober  Seinbet 
auf  bem  Sdjtachtfetbe  gegeben  haben!  SBie  oft  gefeßah  eS, 
baß  große  3Ranner,  menn  fie  biefe  „Keine  SBelt  gefunben, 
gelernt  haben,  meldj’  gute  Sad)e  eS  fei  ein  „Heiner  SRenfdj" 
ju  fein!  SBie  glücflich  hoch  bie  Siliputaner  finb! 

SergeblicheS  Sentühen ! 


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227 


3wei  Sage  fjinburS  fämpfte  ißufSfin  mit  fiS  felBft, 
bann  tljeilte  er  93etf)faba  mit,  baff  er  am  24.  Secember 
SJtorgenä  abreifen  müffe. 

93ett)faba  frug  nict)t  einmal,  ttmljin?  —  auS  nic^t, 
auf  toie  lange?  —  fie  frug  nur :  „‘Dtidj  nimmft  Su  alfo 
nicf)t  mit?" 

„Stein,  Sljeure;  in  biefer  ®älte  ift  e§  Sit  unmöglich 
ju  reifen.  Ser  Sßeg  ift  fe^r  fSleSt. " 

„Sir  ift  er  alfo  nidjt  ju  fc^lec^t?  ®annft  Su  bie 
Steife  nid)t  üerfSieben?" 

„Unntögticf)!"  fpraS  unwirfS  ißufSfin;  ber  Son,  in 
bem  er  eS  fagte,  »erbot  jebeä  meitere  gragen. 

©etljfaba  merfte,  bie  ©tunbe  ber  gefürsteten  ©efaljr 
fei  gefommen. 

Sa§  ©ift  roßt  fS»n  in  ben  Slbern. 

©2>  gilt  ©egengift  ju  nehmen.  Sie  ging  in  iljr  Qm* 
mer  unb  fSrieb  an  Witter  ©alban : 

„Sllejanber  ©ergiewitfS  triffHBorfeljrungen, 
in  biefen  Sagen  abjureifen.  SS  erwarte  S^re 
Slntwort." 

Sen  infjaltSfSweren  ©rief  übergibt  fie  einem  Siener, 
ber  auf  einem  ©Sitten  naS  bem  ©ute  ©alban'3  jagt. 

9taS  biefem  ©efpräSe  merfte  ißufSfin,  bafj  fein 
Srübfinn  9lfle§  »erratlje;  »on  biefer  ÜBtinute  jtoang  er  fiS 
ju  ejceffiüer  Weiterleit,  ©eine  ©äfte  rühmten  if)m  naS,  er 
fei  noS  nie  fo  luftig  gewefen.  Stur  Setljfaba  tourbe 
baburS  niSt  getäufSt- 

©nbtiS  fam  ber  SDtorgen  beS  gefürSteten  Sageä. 

SBetbe  ftanben  jeitliS  auf,  bamit  SßufSfin  ftS  niSt 
»erfpäte. 

SSeoor  jeboS  ißufSlin  ben  Steifepelj  umlegte,  fiel  Sm 
Setljfaba  an  bie  Sruft  unb  fpraS  jitternb : 

„SS  fan«  ®*S  niSt  jieffen  laffen,  oljne  eine  ©itnbe 
gebeichtet  ju  fjaben,  bie  iS  an  Sir  begangen  Ijabe." 

„Sin  mir?  2Bie  fannft  Su  gefünbigt  Ijaben?" 

„SS  War  eiferfüStig  " 

„Siefer  Steife  toegen?" 

15* 


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228 


„Sa-" 

„$u  bift  ein  Kärrdjen!  SStrft  $u  immer,  fo  oft  idfj 
abreife,  eiferfüc^tig  fein?“ 

„Kur  jejjt!  Klan  tjatte  mir  im  Sortjinein  gefagt,  baß 
®u  biefer  läge  jum  Sefudje  deiner  alten  Siebe  abteifen 
millft,  allein  abreifen." 

„SBar  eS  ©aiban,  bet  ®ir  biefe  SKitttjeitung  machte?" 

„6r  fagte  mir'S,  als  er  bei  un§  mar.  gdfj  fragte  ifyn 
nadj  bem  tarnen  ber  grau.  6r  merbe  ben  Kamen  nennen, 
menn  i d£)  ißn  nod£)  einmal  barum  befragen  merbe, 
antmortete  er.  2tl§  ®u  $>id(j  nun  jur  fReife  fertig  macf)teft, 
ermatte  bie  ©iferfuct)t  in  notier  Starte.  $dfj  oertor  ben 
Serftanb.  —  Xöbte  micE)!  Vertrete  mid}!  —  gd)  fdfjrieb 
©aiban,  bat  iljn,  mir  ben  -Kamen  jenes  SBeibeS  ju  nennen, 
bem  ju  Siebe  mein  ©atte  abreift.  ®r  möge  burdfj  ®ofu= 
mente  bemeifen,  maS  er  mir  ju  bemeifen  öerfprodfjen  tjatte. 
@r  antmortete.  Kimm  unb  lies,  ma§  er  geantmortet." 

Unb  fie  reidfjte  fßufdfjfin  ben  Srief  ©alban’S  f)in. 

SBäfyrenb  fßufdjfin  ben  Srief  ju  ©nbe  tieft,  fdjmintmt 
bie  SSett  oor  feinen  Augen  im  Stute. 

„Angebetete  grau!  SBotten  Sie  bie  gemünzten  $ofu= 
mente  befreit,  fo  befugen  Sie  mein  befcßeibeneä  ©dtjtoß; 
fremben  &änben  fann  idj  bie  $ofumente  nidjt  anoertrauen. 
—  gtjr  treuefter  Sftaöe  ©aiban." 

©rftaunt  blidt  fßufdjfin  auf  Setljfaba.  3itterab  ftürjt 
baS  SBeib  auf  bie  ®niee. 

„Serjeit)!  td)  mußte  nidf)t,  maS  id)  ttjat.  Schlage 
mict)  nidtjt!  gef)  bin  fdjon  genug  burdj  bie  Sc^anbe  geftraft, 
bie  mir  jugefügt  mürbe.  gd)  bin  auf  emig  befdjimpft!" 

fßufdfjtin  fob  bie  grau  auf. 

„SBeine  nidjt!  ®u  marft  ein  tf)öridt)te3  ®inb,  meiter 
nidjtS.  S3or  mir  bift  2)u  reiner  als  bie  ©ngel.  Unb  bafür, 
baß  ®u  nidjt  befdjimpft  merben  mirft,  bafür,  id|  fcfjmöre 
eS  bei  meinem  ©ott,  merbe  idj  forgen.  ®üffe  midfj  unb 
fei  ruf)ig.“ 

„®u  öerjeitift  mir?“ 

„gef)  t»abe  Kidf)tS  ju  oerjeißen.  ®ie  grau  t)at  baS 


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229 


„Stecht,  öom  SDtanne  ju  forbent,  bafj  er  ifjr  fo  treu  bleibe 
Wie  fie  eS  felbft  ift.  ©o  werbe  auch  idj'S  Ratten.  Sefet 
umarme  mich  unb  gibt  fdjön  9ldjt  auf  Dich.  SBenn  id) 
jurücfgefehrt  bi«,  bann  Witt  id)  Dir  auch  fagen,  wer  ba§ 
SBeib  war,  auf  beffen  ©intabung  id)  bie  Steife  angetreten." 

SBettjfaba  fannte  bieS  SBeib  ganj  gut:  „@teutf)eria." 
Pufdjfin  nahm  feine  SBaffen,  Warf  fid)  in  ben  ©glitten 
unb  gab  bem  ©utfcher  bie  Sßeifung,  wohin  er  fahren  fotte. 

Der  Semfdjif  fdjiittette  ben  ®of>f.  Sn  biefer  Stiftung 
fomrnt  man  nie  nach  Petersburg. 

@S  bauerte  öom  SRorgen  bis  Slbenb,  bis  Pufd)ftn 
bei  bem  ©djfoffe  ©albatt'S  antangtc.  ®s  war  ein  atteS 
©ebäube  inmitten  auSgebetjnter  gidhtenWälber,  ein  Sagb= 
fdltofe. 

DaS  ©egengiff  wirfte  ganj  öortrefflid). 

DaS  BiebeSgtüd  hätte  pufdjifin  nie  öermodjt,  ben 
beftimmten  Termin  beS  ©tettbidjeinS  ju  öerfäumen,  aber 
bie  ©iferfudjt  ift  ein  ftärfereS  ©egengift!  Der  SJtänner 
gibt  eS  genug,  bie  für  bie  Freiheit  Siebe,  ©lüd,  Per= 

mögen,  hühcn  Slang  baljingeben  —  aber  ©inen,  ber  feine 
SKanneSefire  bafür  opfert,  ^at  bie  SBett  noch  niegefeljen. 
Segt  in  bie  eine  SBagfcijate  atte  Ungeheuer  ber  8eibenfd)af= 
ten,  in  bie  anbere  bie  @iferfud)t  —  fie  Wirb  auf’s  tieffte 

finfen.  Sein  Dt>rann  ber  2Mt  wirb  fo  ftarl  geljafjt,  atS 

ber  9tebenbuf)fer. 

'  SSürbe  man  PrutuS  am  SbuS  beS  SJtärj  gefagt 
t)aben,  ©aSca  Ijabe  fein  Sßeib  »erführt,  fo  Wäre  ©aSca 

unb  nicht  ©äfar  geftorben. 

Beneiba  hotte  bieS  gut  auSgefodjt. 

©ie  fannte  bie  ganje  Sachlage. 

©eit  SJtonaten  fdjon  fpietten  bie  beiben  ©egner  mit 
offenen  ©arten. 

Sh^e  ptäne  waren  burd)  geheime  Shtjeigen  längft 
öerrathen,  man  fannte  gegenfeitig  bie  Stamen.  Stber  jebe 
Partei  jögerte  mit  bem  Angriffe,  Die  Anhänger  ber  für 
bie  ©onftitution  tämpfenben  Partei  waten  unter  ben  hoch5 
ften  ©taatswürbenträgern  ju  finben,  fetbft  unter  ber 


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230 


©eneratität.  Safe  ber  .Qufammenftofe  erfolgen  wirb,  tourte 
gebet,  nur  baS  SEßann?  War  unbefannt. 

(Sin  ©djtüffet  jur  Sefanntmacfjung  beS  SageS,  an 
Wetdfjem  ber  Slufftanb  erfolgen  fottte,  loar  öorfjanben. 

Sie  Stbreife  Pufdjfin’S  war  ber  ©djtüffet. 

Ser  Sag,  an  Wetdfjem  er  pteSfoW  üertäfet,  um,  ent= 
gegen  bem  Verbote,  in  Petersburg  ju  erfcfjeinen,  ift  ber 
Anfang. 

Stifter  ©atban,  bie  gürftin  ©fjebtmin  unb  bie  ganje 
Siga  SlraftSejeff  lauert  auf  biefen  Sag. 

Unb  hierauf  gränbet  aud)  geneiba  bie  gntrigue,  Welche 
Pufdfjfin  aus  bem  3auberfreife  beS  üerf)ängnifeüot(en  SageS 
bannen  fott. 

Stad)  unferen  (Begriffen  f)ätte  biefeS  ©piet  feljr  teilet 
gefäfjrtidj  Werben  fönnen.  Sei  uns  fann  bie  (Siferfudjt 
töbttidfj  enben.  gn  Stufetanb  t)errfd)en  aber  anbere  fociate 
2lnfc£)auungen.  @in  Suell  war  bantatS  etwas  UngeWöt)n= 
Iidf)eS  bei  ben  Stuffen.  5E8ir  fefyen  an  bem  Seifpiele  gafuS= 
fin’S,  bafe  man  ben  $erauSforberer  einfad)  nadj  bem  ®au= 
fafuS  fdf)idfte.  Setfjfaba  risfirte  nichts,  atS  baff  man  Pufd)= 
fin,  falls  er  ben  Stifter  ©atban  forbern  follte,  nacf) 
Georgien  fdfjicft;  benn  Stifter  ©atban  fdjtngt  ftcf)  roof)t 
mit  Stiemanbem.  gm  fdjtimmften  galt  wirb  ein  Keiner 
gaufttampf  barauS,  unb  ba  ift  twn  bem  öerweicfetidfjten 
Höfling  für  ben  ftarffäuftigen  SanbWirtfj  9tid)tS  ju 
färbten. 

Pufdjfin  tiefe,  um  burdj  baS  geräufdwolle  Statjen  beS 
©dfjlittenS  feine  Slufmerffamfeit  ju  erregen,  baS  gatwjeug 
auf  ber  ©trafee  ftefjen.  (Sr  natym  nur  feine  piftole  unb 
Peitfdje  mit  fidfj  unb  ffjajierte  bann  in  baS  ©dfilofe. 

SiefeS  fdjien  jiemtidj  oertaffen  ju  fein,  im  $ofe 
bellten  nidfjt  einmal  $unbe.  Stur  mit  90tüf)e  gelang  eS 
Pufdfjfin,  an  irgenb  einer  Sfjüre  einen  Swontif  IjerauS= 
jutrommetn. 

„2Bo  ift  Stifter  ©atban?" 

„ga  §erjd)en,  baS  weife  idfj  nidfjt,  benn  ber  ift  fdfjon 
geftem  abgereift." 


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231 


„Söge  mit  nidjt,  fonft  fott  Stdj  bie  ®erte  befragen ! 
®et)'  unb  fage  tl)m,  baf$  Qemanb  öon  pufcfifinS  t)ier  ift." 

„2ldj,  mein  Seelen,  ba  fomrnft  Su  eben  jur  regten 
Seit,  benn  bet  §err  SRitter  Ijat  einen  ©rief  für  pufdjfinS 
Ijinterlaffen.  greilid)  fagte  er,  eS  werbe  ifjtt  eine  Same 
abljolen,  aber  td)  ben!e,  eS  fei  Sltteä  eins,  Wenn  idj  iljn 
and)  Sir  übergebe." 

Somit  jog  er  ben  ©rief  aus  ber  <Stiefetröt)re.  @S 
tfjut  ja  nichts,  baß  ber  patfdjulibuft  ein  Wenig  üom 
Sudjtengerud)  angeljeimelt  würbe. 

Pufdilin  rifj  ben  ©rief  auf  unb  las : 

„SRabame!  S<$  bitte  taufenbmat  um  SSerjeiljung!  gür 
bieSmal  aber  ift  ei  mir  nic£)t  um  3f)r  fonbern 

um  ben  ®opf  3|re§  ®atten  ju  tljun.  S<$  eile,  um 
iljm  bei  ber  fdjönen  grau  jif  begegnen,  beren  9lame 
„l’^chafaud“  ift. 

®atban." 

„Umteljren!"  —  brüllte  pufdjfin  bem  gemfdjil  ju. 
„Sage  waS  Seug  l)ält  nadj  ©t.  Petersburg !" 

@S  War  fd)on  ju  fpät.  @in  Sag  war  Oerloren. 
Pufdjtin  fonnte  am  26.  Secember  nidjt  tneljr  auf  bem 
<5djaupla§e  ber  ©efafjr  eintreffen.  Sie  grauen=Sntrigue 
War  trefflidj  gelungen.  ®inge  audj  8tBeS  üerloren,  —  ber 
föopf  beS  SidjterS  war  gerettet. 


L. 

„Derevaski  daloi!“ 

Sn  @t.  Petersburg  War  eS  niemals  ruhiger  tjer= 
gegangen  als  in  ben  erften  btei  SJZonaten  bot  bem  26. 
Secember. 

Ser  nädjtlic^e  Särm,  baS  Wüfte  Sreiben  ber  2BirtljS= 
Raufer  war  plöfctidj  berftummt. 

Sn  ben  Saba'S  Würben  anftatt  ber  täglichen  brei= 


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232 


taufenb  Sinter  nicht  mehr  als  jweil)unbert  auSgefcfjenft. 
Sine  beforglid£)e  ©rfdjeinung,  Wenn  fic^  baS  ruffift^e  ®olf 
entfdfjließt,  bei  Serftanb  ju  bleiben. 

©eit  fünfunbjwanjig  Sagen  fchon  hatte  3tußtanb 
leinen  ^Regenten. 

SBaS  gefdfjah  unter  biefen  fünfunbjwanjig  Sagen? 

SaS  große  SReidfj  hatte  währenb  biefer  Seit  jwei 
S'öpfe  unb  jtoei  $erjen.  SBarfchau  baS  eine,  Petersburg 
baS  anbere. 

Sn  Petersburg  tourbe  ber  SBarfdljauer  SSicefönig  junt 
Sjaren  auSgerufen,  in  SBarfdfjau  aber  ©roßfürft  StifolauS. 

Ser  jüngfte  Sruber  9Jli<hael  toar  eben  bei  Sonftantin 
junt  Sefucf),  als  bie  sJlad}rid)t  öont  Sobe  Sllejanber’S  aus 
Saganrog  eintraf  —  ljiel)er  toar  fie  um  jtoei  Sage  früher 
als  nacE)  Petersburg  gelaugt.  Sin  großes  geft  tourbe  burd) 
bie  ©cf)recfenSbotf<haft  unterbrochen.  Sonftantin  hieß  feinen 
©ruber  unoerjüglich  nadh  Petersburg  jurüdffehren,  unb 
erneuerte  bie  Srllärung,  baß  er  bem  Shronerbe  entfage. 
Sie  SBege  beS  ©roßfürften  unb  ber  Oon  Petersburg  fom* 
menben  Seputation  Ireujten  fieß.  Sben  als  3Jli<hael  mit 
ber  erneuerten  Sntfagung  in  Petersburg  antangte,  traf 
ßabanoff  in  SBarfchau  mit  ben  Sofumenten  ein,  welche 
bie  Srwähtung  ®onftantin’S  enthielten,  ihnen  beigefdjloffen 
ben  Sib  ber  3trmee,  bie  £ulbigungSerflärungen  beS  ©oifeS 
mit  huoberttaufenb  Unterschriften.  (Sie  hatten  alles  am 
©onntag  aus  ben  ®ircf)en  lommenbe  SSolf  unterfchreiben 
laffen;  Wer  nicht  fchreiben  fonnte,  bem  Würbe  bie  §anb 
genommen  unb  geführt.)  Slber  ber  Sauber  Johanna 
©rubjinSfa'S  fiegte  noch  immer.  Sie  berfiegelte  Süße 
trug  bie  5luffcf)rift :  „©einer  laiferlichen  SKajeftät." 

„3<h  Weiß  WaS  fie  enthält,"  fagte  Äonftantin.  „Sch 
möge  mich  twn  meiner  grau  trennen  unb  mit  bem  Sjaren» 
thron  berljeirathen.  3<h  baute!  Siefet  ©rief  ift  nicht  an 
mich  gerichtet.  Sch  bin  feine  faiferlidfje  üßajeftät;  tragt  ihn 
jurücf  baf)in,  Woher  man  Such  gefanbt." 

Unb  unerbrochen  fd£)icfte  er  bie  ganje  Sülle 
jurücf. 


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233 


Dem  ©roßfürften  SRidffael  ging  eS  ebenfo  mit  feiner 
Deputation.  Der  33 rief  Konftantin'S  toar  an  Sjar  SRilotauS 
abreffirt.  Der  nnfjm  toieber  biefen  nid)t  an.  Konftantin  ift 
bereits  auSgerufen,  bie  91rmee  Ijat  bereits  ben  ®tb  ber 
Dreue  gefdjtooren,  baS  SSofE  bie  Jputbigung  unterjeidlfnet, 
mistige  ©taatsbolumente  finb  unter  feinem  Stamen  erlaffen 
toorben.  Das  ift  ni<f)t  me|r  ju  änbern. 

•üRidlfael  mußte  nodt»  einmal  nadf  SBarfdfau  guröcf, 
baß  er  Konftantin  jur  9lnnal)me  ber  Krone  bewege.  Dies» 
mal  traf  er  in  Dorpat  mit  ber  Deputation  jufammen, 
Weldffe  aus  SBarfcfiau  jurüdfleßrte,  unb  biefe  braute  wieber 
bie  unaufgelöfte  Sülle  jurücf. 

Sftußlanb  tjatte  alfo  leinen  einjigen  Sjaren.  Darauf 
fagten  bie  SRepublilaner : 

,,©ut  benn,  fo  mögen  i£)ter  jwei  fein!" 

Damals  braitg  ber  Stuf  ber  im  ©üben  SRußlanbS 
entbedten  SRilitärüerfdfwörung  nacE)  ©t.  Petersburg. 

SBeber  bie  eine  nodfj  bie  anbere  Partei  lonnte  länger 
fdßwanlen. 

Peftel  unb  10  SataittonSfüljrer  würben  gefangen 
genommen,  aber  bie  Sinfurrection  mar  Ijieinit  nid;t  unter» 
brüdlt,  ißr  9luSbrud(j  nur  befdßleunigt. 

91m  fpäten  91benb  beS  25.  December  entfcßloß  fiel) 
•JtilotauS,  bie  Krone  auf  fein  Ipaupt  ju  fe|en. 

Damit  würbe  baS  SBerljängniß  beS  DageS  Ijetauf» 
befcfjWoren. 

DaS  SKanifeft  bet  Dßronbefteigung  war  um  jWei 
Ufr  naef  SRitternadft  fertig  geworben  unb  lonnte  alfo 
nicljt  me^r  publicirt  werben.  91m  Sßorgen  beS  anberen 
DageS  aber  füllten  bie  ^Regimenter  bem  neuen  ©jaren  ben 
©ib  ber  Dreue  leiften,  offne  baff  fie  wußten  WaS  mit  bem 
früheren  ©jaren  gefdfelien  war,  bem  fie  laum  üor  jwei 
SBodfen  Dreue  gefdfmoren  Ratten. 

Die  93erfd)Wörer  berieten  auef  bie  ganje  Stadst  fjin» 
bureß  was  ju  tßun  fei. 

„Stiles  ift  bereit  jum  greiljeitslampfe!"  fagte  ber 
begeifterte  Dieter  SRplejeff. 


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234 


„Slur  StneS  f  etjtt,"  antwortete  geneiba  Igtmarinen. 
„®a8  SSotl  Weil  nicht,  Was  greiheit  bebeutet." 

„Unb  baS  ift  Wahr!"  fprach  ©^ebimin.  „SaS  Sott 
begreift  unfere  gbeen  nicht,  Wir  hätten  bamit  beginnen 
rnüffen,  bafj  wir  eS  belehren,  waS  grei^eit  ift." 

„SEBir  muffen  ben  Slnfang  mit  ber  Srtöfung  be§ 
SotfeS  bon  feinen  ^rannen  matten,"  marf  SatuSfin 
bajwifdjen,  „bann  wirb  it)m  bie  greiheit  fdjon  begreiflich 
Werben. " 

Ser  Ärieg  mar  angefünbet.  Sie  Serfcfjwornen  eilten 
ju  ihren  ^Regimentern  unb  befe|teit  mit  ben  aufgewiegelten 
Sruppen  noch  im  finfteren  Siebet  beS  frühen  SRorgenS  ben 
Stajj  bor  bem  SEBinterfmlafte. 

SaS  SofungSWort  ber  gnfurgenten  War  :  „Derevaski 
daloi“  (SBSirf  ben  |>o4äunber  weg.)  Sei  ben  gewöhnlichen 
SBaffenübungen  Waren  ^otjjunber  im  ©ebraudje.  Slun  beeilte 
man  ficf),  fie  mit  wirtlichen  geuerfteinen  ju  bertaufchen. 

Unb  bann:  „Jpurralj  Sonftantin ! " 

„Sttfo  btoS  ®onftantin?  Urib  bon  greiheit  teine  Siebe?" 

2luch  bafür  war  geforgt. 

Sie  aufgewiegetten  Sotbaten  begannen  auch  5“  rufen : 
„  @3  lebe  bie  Äonftitution!" 

9Jtan  hatte  fie  glauben  gemacht,  ba|  „Constituczia“ 
bie  ©ematin  beS  gürften  ©onftantin  fei.  Sie 
begeifterten  fidj  atfo  für  bie  greiheit  als  bie  ©ernatin  beS 
SjarS! 

Sie  greiheit  fetbft  tag  tief,  tief  unter  bem  Schnee,  wie 
bie  begrabene  Sichet!  —  Um  fie  ju  erWeden,  bebarf  eS 
beS  SonnenftrahtS. 

Sei  feinem  Shr°nantritte,  am  erften  SRorgen  feines 
^Regimentes,  begrüßte  ben  Sjaren  ber  Sumutt  ber  SRebo* 
tution. 

SS  Waren  bie  begünftigteften  ^Regimenter,  bie  ft<h 
gegen  ihn  auflehnten.  3hte  föurrahrufe  tönten  bom  S$ar= 
ißeterptaf}  hinüber  $um  SBinterpataft,  ben  SlitotauS  bamatS 
mit  bem  ruhigen,  alten,  Keinen  Stnif of =?ß alafte  bertaufdjt 
hatte. 


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235 


Seine  ©eneröte  ftümten  erblaßt  ju  if)nt  hinauf,  um 
ifm  t>on  bem  StuSbrmße  ber  ©efatjr  ju  berftänbigen.  9iifo= 
tauS  t|atte  bereits  einen  fotzen  Stuftritt  erlebt.  Sor  fünf* 
unbjtoanjig  Sauren  mar  eS.  ©r  fdfjtummerte  barnatS  noch 
ein  Heiner  Knabe,  rufjig  in  feinem  Sette,  als  feine  SKutter 
ptöfjtidt)  auf  it)n  jufturjte,  itjn  in  ifjre  Strme  riß  unb  bann 
bie  ganje  Stuckt  ber  finfteren  Zimmer  entlang  um  fjitfe 
jammerte.  StuS  einer  Sfjüre  trat  itjr  ein  btaffer  3Rann 
entgegen.  StuS  bem  SRebenjimmer  tönte  baS  Soben  eines 
mütljenben  Kampfes  herüber.  Sernanb  fämpfte  —  um 
ßebeu  unb  Sob.  ©S  mar  fein  Sater.  Sie  blaffe  -DtanndS* 
geftatt,  ©raf  ißatjten,  entriß  bie  ©tutter  unb  it)r  jitternbeS 
Kittb  gemattfam  bem  ©dfjauptafce  beS  ©cßredfenS.  Siefe 
©eene  tonnte  -JtitotauS  nie  bergeffen.  tpatte  er  boefj  fetbft 
auef)  ein  Heines  ©öfyncfyen,  baS  noef)  fdfjtummernb  in  feinem 
Sette  tag.  —  Stucf)  er  riß  baS  Kinb  in  feine  Strme  unb 
ftürjte  bie  Steppe  bamit  hinunter.  @lje  er  aber  feinen 
©otjn  ben  ©otbaten  übergab,  führte  er  feine  ©attin  hinunter 
in  bie  Kapelle.  Sort  tnieten  fie  nebeneinanber  f)in  unb 
fcfjtouren,  fjerrfeßern  mürbig  ju  fterben.  Sen  Kopf  ber 
Kaiferin  befiel  in  biefer  ©djrectenSfcene  ein  Rittern,  baS 
ißm  ißt  Seben  lang  anßaften  btieb.  Sann  trug  ber  ©jar 
feinen  ©oßn  auf  feinen  Sirmen  IjinauS  in  ben  §of.  Sie 
SBacfje  beS  SBinterpatafteS  bitbete  eben  baS  SataiHon  eines 
fimtifdjen  Regimentes.  Sie  Katebainen  fetbft,  —  bie  atS 
Sfdjuben  öerfpotteten  ©ößne  beS  fuomataifdfien  SotfeS.  — 
©ie  finb  teine  Ruffen  —  maS  fabelt  fie  für  Stntfyeit  an 
bem  ffteid^e  Rurif’S? 

Set  neue  ©jar  fteHte  fidj  toor  fie  f)in  —  fein  Kinb 
auf  feinem  Strme  tjattenb  unb  bie  Uniform  aufreißenb,  bot 
er  ißnen  bie  entblößte  Stuft  bat. 

„SBenn  3ßr  mir  jürnt:  fdfjießt  ßet  auf  meine 
Stuft!" 

Unb  Sßufdfifin  ßatte  Stecht. 

SaS  äRenfctjlidfjteitSgefütjt  ift  ftärter  als  ber  Surft 
naef)  greitjeit.  ©S  fd£)üf}t  ben  ©Haben,  menn  tfjn  ber  ©jat 
berfotgt  unb  ben  ©jaren,  menn  ißn  ber  ©Habe  berfotgt. 


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236 


„gürdjte  niditä,  tuir  fd^ü^en  $idj!"  riefen  bie  Sanb§= 
teute  Seneiba  ;gtmatinen§. 

„$ann  übergebe  it  6udj  mein  ®inb;  tragt 
©orge  für  baäfelbe.  Satte  it,  fo  fott  biefer  @uer 
|>errfter  fein." 

Unb  bamit  toarf  er,  unter  feine  auf'S  fc^merjtic^fte 
bebrücften  Untertanen,  ben  blaffen  Zljronfotger  l)in : 
Sllejanber  II. 

@r  fannte  bie  $erjen  ber  ©tenften.  ®urt  biefeä 
©ertrauen  toenbete  er  iljre  SBaffen  oon  feiner  53 ruft  unb 
gegen  feine  Singreifer. 

®a§  einjige  finnifte  ©ataiflon  öerttjeibigte  ben 
SBinterpataft  oom  ©torgen  bis  jum  Slbenb  gegen  bie 
ganje  SReootution. 

©ifalauS  aber  fprang  auf  fein  ©ferb,  unb  oon  einigen 
©eneralen  begleitet,  fprengte  er  burt’3  2f)or.  V 

©or  bent  SSinterpalafte  toogte  ba§  ©efinbet  ber 
©tanfijäufer  jn  fetten  Raufen  unb  brüflte  ba§  ©tefferlieb 
—  tieute  foBte  e§  feine  ®rnte  galten. 

SRifotauS  ritt  hinein  unter  fie  unb  fagte :  „2Ba§ 
treibt  3f)r  Ijier,  meine  geliebten  ®inber?  —  3Ijr 
^abt  ja  Ijier  gar  nittS  ju  futen." 

Uub  bie  ©teuften  fdjauten  einanber  an. 

„<5et)t  bot,  baS  ift  ja  ein  guter  ©teuft !  ®r  nannte 
unä  feine  geliebten  ®inber  unb  fticft  unS  fo  ftön  fort 
oon  f)ier.  ©eljen  toir  nat  $aufe!" 

Unb  fie  jerftreuten  fit- 

©or  bem  SlbmiralitätSgebäube  empfingen  ifjn  einige 
treu  oerbtiebene  ©ataiüone.  Sin  trer  ©pi|e  jog  er  jum 
ungeheuren  ©eter&plafce  hinauf,  too  ba§  Säger  ber  3>nfur= 
genten  ftanb.  ®ie  eine  ©eite  be§  ©ta$e3  toar  oon  tuen, 
bie  anbere  Oon  ben  ©etreuen  be§  ©jarä  befefct.  3to«ften 
ben  jtoei  Sägern  ftanb  jene  lotoffale  ©tatue  auf  bem 
©ranitfocfet,  bie  $änbe  fo  oor  fit  ^in^altenb,  baff  man 
nitt  Wußte,  ob  fie  befehle  ober  fegne.  ©in  Ifjeil  ber 
Stufftänbiften  beftürmte  über  bie  jugefrorne  Stetoa  hinüber 
bie  ©urg,  ber  anbere  brang  gegen  bal  ££)or  be3  SBinter» 


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237 


patafteS.  SRifotauS  irrte  unterbeffen  ben  großen  ißtafc  auf 
unb  ab,  unentfdjieben  ben  SBürfet  f)in  unb  f)er  wiegenb, 
üon  beffen  SBurf  baS  ©djidfat  feines  Jperrfd(jerf)aufeS  unb 
feines  ganjen  Steiges  abtjing.  ©r  oerfucf)te  früher  SlfleS, 
um  bem  Kampfe  auSjuWeidfjen.  ®r  fdjidte  ben  poputärften 
güfjrer  ber  SIrmee,  ©eneral  ÜRitoraboüicS,  ju  ben  3nfur= 
genten.  um  fie  jum  ©etjorfam  ju  bewegen. 

©ine  Äuget  ftredte  if)it  oom  ißferbe,  et)e  er  fpredjen 
fonnte.  ÄatoWSfi  War  eS,  ber  ifjn  töbtete.  ®er  tjetben* 
mütßige  gütjrer  üerfdjieb  in  ben  Slrnten  beS  ©jarS.  5)ann 
fdjidte  er  ben  erften  ißriefter  beS  SanbeS  feinen  geinben 
entgegen,  ben  SCRetropotiten  ©erafim,  in  öoßem  ißriefter* 
ornate. 

SBaS  tümmerten  fid»  Qene  je|t  um  ben  ©eifttidfjen? 
©ie  griffen  if)m  in  ben  eljrWürbigen  fdmeetgen  Bart  unb 
brüllten  ijjm  in’S  Dljr :  „SBenn  ®u  ein  ©etftticfier  bift, 
tefe  beine  ßReffe,  unb  menge  $)idj  nid£)t  ju  beinern 
©dfjaben  in  bie  ©ad£)e  beS  äRititürS." 

®ie  gnfurgenten  erhielten  unauSgefefct  ©uffurS.  ®ie 
^Regimenter  ber  SRarine,  bie  $ätfte  ber  ©renabiere  fteßte 
fidj  üor  fie  Ijin.  —  ®ie  9Renge  wudfjS  immer  met)r  unb 
rnetjr,  unb  ber  ißlafj  erbröljnte  Oon  bem  Stufe :  ,,©S  tebe 
bie  Äonftitution !"  , 

®a  ritt  ber  ©jar  fetbft  auf  fie  jih*., 

$ie  Slufftänbifdjen  fa^en  ißn  nafieT!:*-,  @S  war  eine 
©efafjrvfür  fie,  baß  ber  ©jar  aßein  gegen  ;fie  Ijeran  !am. 
©in  Ääoaßerie=Dfficier  galoppirte  auf  ißn  toS,  bie  §anb 
am  Schafte  feiner  ißiftote  tjattenb. 

„28aS  wißft  ®u?"  bröEjnt  iljm  ber  ©jar  entgegen,  als 
er  it)m  naf)e  getommen  war. 

Unb  eS  tag  ein  fotdfjer  Sann  in  feinem  tatten  Stide, 
baß  ber  Xofltüljne  fein  @eficf)t  oor  ißm  oerbarg,  fein  iß f erb 
umWenbete  unb  jurüdforengte. 

SRit  ©ewatt  mußte  ber  ©jar  oon  feinen  Begleitern 
bem  Sdjauplafje  ber  ©efatjr  entriffen  Werben. 

Unb  eS  begann  bereits  ju  bunt  et  n. 

S)en  feeren  ©ogS  unb  SRagogS  wudjS  ber  Äarntn, 


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238 


unb  fie  begannen  ficfj  in  baS  grauenhafte  Spiet  ju  mifdjen. 
SBenn  bie  SRadjt  ^ereinbric^t,  beginnen  31  jt  unb  SKeffer 
itjre  $errfd(jaft;  ftebjigtaufenb  SRufdjitS  Werben  entjcfjeiben, 
Wer  !ünftigt)in  in  tRußlanb  ju  befehlen  ^abe ! 

Sie  ©eneräte  baten  ben  ©garen  flefjenttici),  baS  3«<hen 
jum  9tngriffe  ju  geben.  ®t  fcßWanfte  nodj  immer.  3«erft 
»erfudjte  er  bie  3tngreifer  mit  einem  fcpeittbaren  ©türmen 
augeiuanber  ju  jprengen.  ©r  gab  ben  Saöatterieregimentern 
bet  SeibWacfie  Drbre,  einen  Scheinangriff  gegen  bie  ©ierecfe 
ber  SReöotutionäre  ju  rieten.  Siefe  empfingen  bie  ©nf)er= 
ftürmenben  mit  geuerfalöen,  unb  bie  Seibfaüatterie  teerte 
becimirt  guriidE.  Qn  biefem  berf)ängnißöotIen  Slugenbticfe 
hörte  man  öor  ber  großen  äRorSfojegaffe  £)er  jum  ©türm 
trommeln,  unb  an  ben  ©pi|e  beS  SRoSfauer  ^Regimentes 
erfcf)ien  ©roßfürft  SRichael.  ©erabe  um  biefe  ©tunbe  war 
er  bon  Sßatfdfjau  jurücfgefehrt,  unb  fd^nett  bie  Xreu= 
gebliebenen  feines  eigenen  ^Regimentes  jufammenraffenb, 
griff  er  mit  biefen  bie  Stufftänbifc^en  an,  uub  bamit  begann 
ber  Sampf. 

Sie  großen  ©freier,  bie  gelben  ber  „öärenteute" 
mit  ihrem  gangen  Säger,  fäuberten  auf  baS  erfte  Steifen» 
feuer  ben  ©tajj,  nur  bie  ©otbaten  fetten  ©tanb. 

Sie  §etben  ber  greijjeit  —  fämpften  ^etbenwürbig. 
Ser  arme  ©otbat  aber,  ber  gefallen,  ohne  gu  Wiffen  Wofür, 
tjat  eS  bietleicht  im  3)tomente  bet  SobeSpein  erfahren,  baß 
baS,  Wofür  er  auSgetitten,  eine  ewig  tebenbe  ©Ortzeit  war, 
bie  einft  feine  SRadjfommen  fetig  machen  Wirb  :  bie  greiljeit. 

©iS  in  bie  fpäte  9iact)t  fetten  fie  fidE)  am  ißta^e  unb 
fdjtugen  bie  Singriffe  ber  taifertictien  ©paaren  jurücf. 

Sa,  in  tiefem  Sunfet,  nahte  fidf)  plä^tich  eine  Sibifion 
Kanonen,  bie  ficf)  ben  5RpeWSfi=©rofpeft  fjinaufwärtS  bewegte. 

Siefe  breite  SRabialftraße  münbet  berart  auf  ben 
großen  5ßla|,  Wetter  gwifchen  bem  3tbmiratitätS=@ebdube, 
bem  SBinterpatafte  unb  bem  Sfaaftempet  liegt,  baß  fie 
beffen  beibe  ©eiten  betjerrfdljt.  SaS  Seuer  ber  heranrotten» 
ben  Kanonen  tonnte  ebenfo  gut  gegen  baS  §eer  beS  ©garen. 
Wie  gegen  baS  Säger  ber  Stufftänbifdjen  gerietet  werben. 


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239 


Unb  bie  Strtillerieofficiere  ftanben  faft  alle  im  Sunbe  mit 
beit  Snfurgenten.  —  ®ie)e  empfingen  fie  mit  Jpurrafjrufen, 
al§  fie  an  ber  ®<fe  ber  Strafe  bie  Kanonen  losSlöfenb 
i^re  ©iöifion  auffteHten.  ©ie  mußten  ju  ifyrer  £>ilfe 
gefommen  fein.  Sn  biefem  entfcpeibenben  SJiomente  fprengte 
®ro|fürft  SOticpael  an  bie  erfte  Kanone  Ijeran,  en  triff 
bem  fjeuertoerfer  bie  Sunte,  richtete  bie  ®anone 
gegen  bie  9Jiaffe  ber  Slufftänbifdjen,  unb  in  if)re  Steifen 
fpie  ber  erfte  Sanonenbonner  bie  jerftörenben  Sartätfdjen. 

®iefer  erfte  JSanonenfrfiufj  entflieh  baS  ©dpcffal  beS 
®age3  —  ber  Spodje.  ®ie  anberen  folgten  nadj.  ®ie  ganje 
®iüifion  richtete  iljre  ßerftörung  gegen  baS  Säger  ber 
Slufftäubifdjen. 


LI. 

3>ie  mmenlofe  <3fr  au  bes  uameufofeu  gSattues. 

SBotjin  war  aber  ber  ®  iftator  gefommen?  —  ber 
güprer,  bie  ©eete  ber  ganjen  Setoegung :  ®f)ebimin?  ®er 
fuc^te  ben  ganjen  lag  über  einen  SJtenfdjen,  ben  er  nid)t 
finben  fonnte :  fid)  felbft. 

3Bie  fyätte  er  iijn  aud)  auffinben  fönnen,  ba  biefer  ja 
toieber  üor  ipm  felbft  bie  ergriff. 

®ie  Aufgabe,  bie  er  übernommen,  paffte  meber  für 
fein  SBefen,  nocf)  für  fein  ©emütt).  Seim  erften  ©dritte 
bemerfte  er  ben  abf<f)üffigen  Stbgrunb,  in  melden  bie  ganje 
©adfje,  welche  er  bisfjer  auf  feinen  ©futtern  getragen, 
fammt  ifjren  Vertretern  oerfinfen  muffte. 

Slnftatt  eines  begeifterten  VolfeS,  baS  burcf)  bie  geuer« 
taufe  ber  greiljeit  ju  pelbenmütf)igen  ®ntfd)lüffen  erhoben 
toirb,  faub  er  eine  ©djaar  ©otbaten,  ju  Starren  gehalten 
burdft  ben  Sotttmnb,  baff  man  irrten  iljren  alten  Sjaren 
rauben  Wolle,  ben  fie  jtoar  üerabfdjeuen,  aber  bem  fie 
®reue  gefdfworett,  eine  üerrücft  gemalte  ©olbateSfa,  bie 
nacf)  ber  „Constitucia“  brüllt,  üon  ber  fie  glaubt,  baff  fie 


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240 


bie  ©emalin  beS  ©jaren  fei!  —  SBaS  fofl  baS  ©nbe  fein, 
wenn  fie  ^eute  fiegen?  —  SOlorgen  mufj  ihnen  bereits  maS 
SteueS  öorgelogen  merben,  barmt  fie,  nicht  erfahren,  baß  eS 
bie  greifjeit  mar,  für  bie  fie  geftern  fämpften.  —  2BaS  ift 
ihnen  §efuba  unb  maS  gelten  fie  £>efuba?  —  333aS  Ijaben 
bie  greifjeit  unb  bie  Setbgrenabiere  miteinanber  ju  f Raffen? 
—  2BaS  beffert  bie  Constitucia  an  ihrem  ©chicffale?  — 
2lßerbingS  ^aben  ihnen  ihre  güljrer  öerfprodEjen,  baß  bie 
Constitucia  itjre  SDtonatSgage  oerboppeln  ttrirb,  aber  bie 
rnufj  ja  betn  Soße  hoppelte  ©teuer  auferlegen,  menn  fie 
ben  ©otbaten  hoppelten  ©otb  jagten  miß.  —  @oß  baS  bie 
Freiheit  fein?  —  Unb  roaS  gefd^ietjt  nun,  toemt  er  über* 
morgen  eintrifft,  für  ben  fie  geftern  gefönten,  Sonftantin 
fetbft?  @r  fann  an  ber  ©pifee  eines  ganzen  £>eereS,  baS 
er  aus  SBarfcfjau  mit  fich  bringt,  fornmen  unb  fagen : 
„Sh r  münf<f)t  mich,  ba  bin  ich,  meine  ®inber!  ®ie  ®on= 
ftitution  ^abe  ich  auch  mitgebracht,  aber  fie  ift  nicht  meine 
©attin,  fonbern  ein  fpanifdEjeS  SRotjr!"  SBaS  foß  bann 
gefd^e^en !" 

Unb  biefeS  SSolf?  ®iefe  in  if>r  Sumpenelenb  refignirte, 
mit  ber  Misere  öerroachfene  ®agtöhnerheerbe.  ©iebjigtaufenb 
9Kufcf)ifS,  Vertreter  ber  Saftträger  aßer  SBettttjeite  —  nicht 
baS  ruffifdEje  „SSolf",  ein  ©ebräu  ans  aßen  möglichen 
flaüifd^en,  finnifdEjen,  efthifdEjen,  littf)auifchen,  fd^toebifd^en, 
famojebifchen,  offetifdEjen,  lappifdjen  unb  mafladE)ifchen  ©tarn* 
men,  bie  einanber  ni<f)t  öerfteljen,  burdE)  nichts  geeinigt,  als 
bur<h  ihr  gleichartiges  @lenb;  unb  ihre  gü|rer,  nein,  ihre 
Seitfjammetn  finb  hergelaufene  fran^öfifdEje  Abenteurer.  — 
SBaS  üerftehen  fie  unter  Freiheit?  ®aS  ©rftürmen  ber 
SBrannttoeinfneipen  unb  bann  baS  Sßlünbern  ber  Sßatäfte 
unb  Saufläben.  ©in  aufmiegelnbeS  SBort  entjünbet  fie  ttrie 
©troh,  unb  ein  ®artätfdE)enf<huf$  jerftreut  fie  ber  ©preu 
gleich  in  aße  SBinbe. 

©eine  ©eete  finbet  feine  teitenbe  Sbee,  er  geht  unfc 
fommt  unb  fann  feine  ganzen  ®ebanfen  faffen.  SBährenb 
feines  §erumirrenS  trifft  er  mit  SRptejeff  jufammen,  in 
beffen  ©efidEjtSsügen  fich  feine  eigenen  ©mpfinbungen  fpiegeln. 


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241 


2) er  Sichter  brücft  ihm  traurig  bie  $attb.  „Sie  Sache  War 
nicht  reif,"  flüftert  er  ihm  in’§  Df)r  unb  eilt  üon  bannen, 
^n  einer  anbern  Strafte  begegnet  er  bem  Oberften  Sutatoff 
—  int  ©iüilanjuge.  93ulatoff  War  junt  militärifdjen  gübrer 
be$  SlufftanbeS  erwählt  worben  —  unb  nun  treibt  er  fict) 
im  SRode  unb  ©plinber  fjerum.  Sie  wollten  Sitter  ben 
Stnbern  gar  nictjt  (eben,  fo  ^ufd^ten  fie  an  einanber  ttorüber, 
ber  (Sine  auf  bem  bieäfeitigen,  ber  Slnbere  auf  bem  jett= 
feitigen  Srottoir. 

3lm  Wenigften  Stßutf»  fanb  er,  ben  ißalaft  .ßeneiba’3 
aufjufuc^en. 

(Sr  fürchtete  metjr,  ifjr  in '3  Stngefidjt  al3  ben  Sanonen 
in  ben  Sdjlunb  ju  feiert.  «Sie  trofjt  ber  (Mefatjr,  wäljrenb 
er,  ber  fie  bineingefdjlcubert,  entfliegt. 

Später  fab  er  fid)  bennocb  gezwungen,  .Qeneiben  auf* 
jufudjen. 

@r  muffte  bie  äRoifabrüde  überfd)reiten. 

2lber  bie  Srüdenmäditer  fönnten  e3  bemerfen,  baff 
er  Ijinübergetjt;  ber  Sana!  War  jugefroren,  ®t)ebiinin  ging 
atfo  bie  Stufen  beS  fteingepflafterten  OuaiS  hinunter,  um 
über  ba§  ©i§  an'3  jenfeitige  Ufer  ju  gelangen. 

Saum  bolle  er  ein  paar  Schritte  getfjan,  atö  er 
flüfternb  beim  tarnen  gerufen  Würbe. 

Ueberrafct)t  wenbet  er  fid)  um.  2lu§  ber  SBölbung 
be§  ©rüdenpfetlerS  taucht  ein  befannteä  ©efid)t  Ijeröor : 
|terjog  DbojefSfi.  ©in  blutrünftiger  SDtaulbelb,  ber  beute 
aßorgenS  noch  Seben  niebermäben  wollte,  ber  ju  fcbwanlett 
wagt!  Unb  jefjt  ftedt  er  unter  bem  Stüdenpfeiler. 

„tpüte  Sieb  ju  Seneiba  ju  geben!  Sbr  ißalaft  ift 
umringt!"  flüfterte  er  ihm  ju  unb  üerfroeb  fid)  in  fein 
Serfted. 

SBeld)’  ein  Sd)reden3bilb !  DbojefäÜ  biuter  bem 
Srüdenpfeiter!  Ser  Dberft,  beffen  SataiHon  bort  am 
Sfoafspiabe  fämpft,  ber  $erjog,  beffen  fßalaft  bort  neben 
ber  „großen  SUHHion"  ftebt,  ber  berühmte  bifto*ifd)e  SRame, 
ber  einen  Sßtab  jwifdben  93rutu§  unb  SRiego  beanfprudjt  — 
budt  ficb  hinter  eine  Schneewehe !  Unb  Wa§  macht  er  bort? 

3<Stoi :  greitjdt.  IX.  .  '  16 


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242 


SBunbeti  brennt  er  jicE)  in’S  Slntlifc  mit  einem  <3tüd  £ößen= 
ftein,  um  fid)  unfenntlid)  $u  matten. 

9tun  öerlor  ©Ijebimin  gänjlid)  ben  Kopf. 

@r  lehrte  auf  baS  onbere  Ufer  jurüd  unb  eilte  bireft 
nach  $aufe  in  fein  eigenes  Calais.  ®ort  angetangt  fctirieb 
er  fotgenbe  feiten  auf  eine  SSifitefarte : 

„gdj  bitte  Sie  um’S  ^irnrnelsmiflen  in  bie  SBoIjnung 
meiner  ©rofjmutter  Ijerüberjufommen.  gdj  habe  3bnen 
mistige  ©eljeimniffe  anjubertrauen." 

Xiefe  SBifitefarte  fd)idte  er  burd)  ben  portier  ju 
Sorpntfjia  hinauf,  ©r  felbft  eilte  bann  $u  feiner  ©rofcmutter. 
XieS  mar  fein  lefjteS  Slfgl. 

Xrauften  mar  eS  bereits  S^acEjt,  unb  bie  Kanonen 
bonnerten.  Sie  glommen  beS  ©efd)ü|feuerS  maren  bie 
einzige  SSeleudjtung  ber  ©jarenljauptftabt. - 


Xic  gute  alte  Slnna  geoboromna  lebt  nod)  f;eute 
inmitten  iljrer  2luffd)laglarten,  iljrer  brummenben  Ka$e  unb 
il)reS  treuen  gfinaSlo,  mit  bem  fie  bie  Sage  jaulte,  bie 
nod)  übrig  finb  bis  jum  neuen  3al;rc. 

„SBieber  ein  neues  gat)r!  S3aS  eS  moljl  bringen 
mag?  —  mer  eS  moljl  erlebt?" 

©S  ift  am  jmeiten  353eiljnad)tStag.  3ünbet  man  am 
Slbenbe  biefeS  SageS  jmei  gleid)  grofje  Serben  an,  fo  fann 
man  erfahren,  mer  früher  fterben  mirb  —  ber  SRann  ober 
bie  gran  —  meffen  Kerje  früher  nieberbrennt. 

Sie  S  mal  mar  eS  bie  Ser  je  ber  grau.  * 

„9lun  benn,  ©otteS  SüBitte  gef(f)ef>e, "  feufjte  bie  Sitte 
auf,  „menn  id)  benn  fdjon  borangefjen  muß.  Qe  nun,  bie 
3eit  märe  aud)  fdEjort  ba  —  gelebt  Ijabe  id)  lang  genug! 
Slber  ben  armen  „alten  SOlann"  mu|  id)  üom  |>erjen 
bebauern,  baff  er  ofyne  mid)  fo  ganj  allein  bleibt.  —  HJlan 
mu|  eS  iljm  nid^t  fagen,  ba|  idj  geftorben  bin.  Sagt  iljn 
glauben,  ba|  i<$  nod)  am  ßeben  bin.  $a|  er  mir  ja  an 
jebem  ©eburtstage  unb  SlamenStage  ferne  rotf)e  .Sdjlaf» 
mü^e,  bie  id)  iljm  jebeSmal  fdjenfe,  erhält.  —  $örft  Xu, 
gfjnaSto? 


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243 


„So  fprecfjen  Sie  nur  bocf)  nidjt  fo  biet  bom  Ster= 
ben!"  pfjnefiapperte  ber  alte  Wiener.  „Sittern  mir  ja  bod) 
ofyneJjin  alle  Sttodjen  Don  biefem  föanonenbonner. " 

„SB eil  ®u  feige  bift.  SBeil  ®u  nie  Solbat  Warft, 
gürdjteft  ®id)  fetbft  bor  ben  Sanonenfcfiüffen,  »nenn  ®u 
weißt,  baff  fie  bto§  pr  großen  SBeinadjtSproceffion  eintaben ! 
Um  biefe  Seit  gibt  ber  ©pr  bem  |>ofe  ein  großes  fßarabe* 
mof)t,  unb  bem  SSoIfe  ein  geuerwerfSfdjaufpiel.  §örft  ®u, 
Wie  e§  InaHt?  ®a§  finb  bie  fRafeten.  gefct  fteigt  bie  große 
Oiranbole  auf!  —  Unb  tnenn  bann  ferfjS  folcße  Sdjiiffe 
auf  einanber  folgen,  fo  bebeutet  bieS,  baß  ber  ©pr  fein 
®la§  pm  ®rinffprudj  ergebt.  —  öf)o!  biefeS  geft  ßabe 
icß  gar  oft  gefeljen  —  lein  einziges  Würbe  oßne  mid) 
begangen.  Sa,  id)  toar  fdjön,  als  id)  uod)  eine  junge  grau 
war  —  unb  meine  Stimme,  fie  ftang  Wie  Silber,  ©pr 
fßaul  forberte  micf)  fortwäßrenb  auf,  feine  ßiebtingSmelobie 
p  fingen:  „SBenn  bei  bem  lebten  Slbenbftrafjl."  —  ®a§ 
Sieb  ift  aucf)  ßeute  nocf)  f)übfd).  —  Slber  idj  Ijabe  5Rieman= 
ben  mef)r,  bem  id)  e§  borfingen  fann." 

Unb  gerabe  in  biefem  Stugenblide  lam  gemanb,  ber 
bas  fdjöne  Sieb  gerne  antjort. 

„gefuS,  unfer  §err,  ift  gefegnet!"  rief  Slnna  geobo= 
rowna  bie  §änbe  pfammenfcßlagenb.  „§at  ficf)  baS  9teft= 
ljedd)en  feiner  ©roßmutter  erinnert?  SBaS?  ®u  Ijaft  baS 
gtänjenbe  äRafjI  beS  ©pren  im  Stidje  getaffen,  um  ®eine 
arme  ©roßmutter  am  jweiten  SBeißnacßtSabenb  p  befugen. 
ÜRun,  baS  ift  waßrljaftig  fjerjlidj  lieb  bon  ®ir,  gwan 
SRajimowitfcf).  Slber  ®u  geßft  wieber  prüd.  Unterlaffe  e§ 
ja  nid^t !  ®aß  ®u  ®ir  meinethalben  feine  S9efd)Werbe  be§ 
©pr§  pjießft  —  benn  bie  ©nabe  be§  ©pren  ift  Wie  bie 
Unfdjutb  einer  gungfrau,  baran  nichts  berloren  ge^en 
barf.  SBenn  er  bieHeidjt  bemerft  hätte,  baß  ®u  ®idj  bor 
ber  Sßit  entfernt  f>aft,  fo  fud)e  eine  SluSrebe.  ©eftetje  itjm 
immerhin,  baß  ®u  ®eine  ©roßmutter  befugt  fjaft.  @r 
fennt  mid)  unb  fjat  mid)  feljr  geliebt,  als  er  nod)  ein  Heiner 
gunge  War.  ®amal3  war  icf)  nodj  ein  junges  SBeibdjen!" 
(®ie  alte  grau  fprad)  nod)  bom  ©pren  Slfejanber,  ber 

16* 


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244 


nur  um  27  Sabre  jünger  mar,  als  fie).  „®ar  oft  Ijufdjte 
et  in  meinen  Scboofj,  menn  icb  auf  ben  SBunfdj  feinet 
S3aterS  baS  fc^öne  Sieb  fang,  meldbeS  er  fo  feijr  liebte: 
„SSenn  bei  bem  testen  Slbenbftra^t"  —  Äennft  Su  eS 
nicht?  Somnt!  S<b  tpiü  eS  Sir  borfingen.  Se|’  Sieb  fjiefjer 
auf  meinen  ©lernet  unb  lege  Seinen  ®opf  in  meine  $änbe." 

Stoan  fefcte  fid^  f)in  ju  ben  güfjen  feiner  ©rofmutter. 
—  SBie  mof)l  tf)äte  eS  iljm,  je|t  noch  ein  ®inb  ju  fein! 

Unb  bie  alte  grau  begann  baS  Sieb,  greilicb  Hang 
iljre  Stimme  wie  ber  Son  eines  alten  glügelS,  ber  in 
irgenb  einem  ÄönigSfdbloffe  bergeffen  unb  feit  25  Safjren 
nicht  geftimmt  toorben  mar  — auch  einzelne  Saiten  finb 
geriffen  —  aber  beSbalb  fang  fie  bodb  ihrem  ©tfel  bor : 

„SBenn  beim  testen  8benbftraf)t 
S)u  aiiänibfi  unter  Räumen, 

Unb  eine  friebtidfe  ©eftalt 
S>id)  roedft  auS  fiifjen  träumen, 

Stann  ijl’S  bein  treuer  greunb,  ber  nabt, 

0  fudj’  i&n  nictit  iu  meiben!  — 

6r  benfet  Steiner  früh  unb  ff)at, 

Uub  roaS  er  bringt,  ftnb  greuben." 

3man  füfjte  feiner  ©rofjmutter  bie  Jpänbe  für  ben 
fdtfönen  ©efang. 

„Stber  Su  bift  Ijeute  fo  traurig,  gman!  So  fag  bodt), 
maS  Sieb  betrübt?  —  Su  foßft  bießeicbt  reifen?  —  Sine 
meite  unb  lange  Steife?." 

„©ne  fetjr  meite  Steife." 

„£öre!  3$  errate,  mobin,"  fagte  fie  tadjenb.  „Su 
befudjft  Steinen  SSater,  meinen  geliebten  SJtajim!" 

SaS  batte  fie  mirflicb  erratben! 

„So  ift'S,  meine  gute  ©rofjmutter,  babin  gebe  üb!" 
(Sn  bie  anbere  SBett.) 

„Sann  bringe  ibm  biefe  meine  Äüffe  mit.  Stoch 
bunbertmat  fo  biet !  Sieb,  itb  fann  nicht  meinen.  Sllte 
Stugen  tbränen  immer  fort,  menn  man  nidbt  meinen  miß, 
unb  miß  man  mirflicb  meinen  —  fo  finbet  man  feine 
Sbtänen" 


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245 


gwan  9fta£tmotmtfd)  Weinte  anftott  ihrer.  ©r  war 
ein  fo  „guter  gmtge." 

„©ietjft  Su  nun,  jefct  gef)ft  Su  fchon  fort  unb  täßt 
nti<h  f)ier.  Unb  Su  geljfi,  ohne  Sich  tierheiratbet  ju  haben, 
ohne  mir  ftatt  deiner  Sein  SBeib  hier  jn  taffen." 

„3cb  tjabe  mich  oerheiratet,  ©rßomutter,"  fprad) 
$Wan.  „3<b  bin  }a  eben  gefommen,  um  Sir  meine 
©attin  oorjufteHen." 

„Db  Wetcb’  ein  greubentag  ba§  ift!  Su  tjaft  Sich 
tierbeiratbet,  ^aft  ein  Keines  grausen!  ©in  reijenbeS,  tiebeS 
©ngelcfjen !  geh  fott  fie  gleich  fef>ert?  SaS  nenne  ich  mir 
einmal  ein  ©tjriftgefdfjenf!" 

Sann  aber  oergönnte  fidj  bie  alte  grau  bie  greubc 
benn  bod)  nidjt  gang.  —  SaS  fdjmedt  gar  gu  füg  —  ein 
Hein  Wenig  fcbwargen  Äaffee  bagu. 

„SBarum  aber  t)aft  Su  mir  baS  bis  nach  ber  £)od)= 
geit  öerfjeimtidgt,  ba  ich  hoch  auSbrütftid)  Wünßbte,  baß 
Seine  ©rWäbtte  ißren  Srautfcbmudf  aus  meiner  $anb 
ermatte?  SaS  War  nicht  recgt!  geh  goffe,  baß  fie  oon 
«bet  ift." 

„@ine  gürftin  Sftarifcbfin." 

„gdj  benfe,  Su  wirft  Sir  bie  ©rtaubniß  beS  ©garen 
gur  |>eiratt)  erbeten  haben?" 

,,©r  bat  fie  gegeben,  ©roßmutter." 

„Sann  fann  irf)  nicht  erratßen,  warum  Su  mir’S 
Oerßeimtidft  ßaft.  Sßietteid)t  fonnte  fie  nidjt  ruffifd),  atS 
Su  fie  gur  grau  genommen  unb  Su  mußteft  fie’S  erft 
teuren,  baß  fie  mit  mir  fprectjen  fönne;  benn  id)  üerftefje 
feine  anbere  Sprache;  ich  bin  noch  eine  ©toSfauerin." 

gwan  ließ  fie  bei  biefem  ©tauben.  Sabei  war  nichts 
Ungewöhnliches.  Sie  Petersburger  giirftinnen  oerftanben 
wenig  ruffifcb-  (SbenfoWenig  atS  feinergeit  bie  abetigen 
grauen  Ungarns  ungarifdj.) 

SaS  ßäuten  an  ber  äußeren  Sfjüre  unterbrach  it;r 
©efpräd);  Oom  ©ebengimnter  ßer  hörte  man  baS  SRaufdjen 
eines  ©eibenHeibeS.  ®ort)rttbia  hatte  ben  SBunfdh  ihres 
©emats  benn  hoch  erfüllt,  fie  fam  auf  feinen  Sftuf  gu 


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246 


feiner  ©roßmutter.  Saß  gwan  nidjt  fetbft  ju  feiner  grau 
ging,  baff  er  fie  bat,  ißn  bei  feiner  ©roßmutter  aufjm 
fudjen,  fiat  feine  feineren  ©riittbe.  Sie  grau  fannte  fie. 
©or  ber  Söelt  gingen  fie  Slrrn  in  2Irm  miteinanber  unb 
waren  pure  ©attenjärtticßfeit.  Stopfte  aber  ber  ©atte  an 
baS  ©tßtafjimmer  feiner  grau,  fo  war  bie  Slntwort :  „gdj 
bin  nidjt  ju  Jpaufe."  ©o  Wa§  e§  frfjon  feit  ber  9tacf)t  be» 
21.  guni. 

Sorpntßia  War  btaffer  atg  fonft,  tfjr  ©tief  latt  unb 
entfdjtoßen. 

„Sanf,  baß  Su  gefomnten  bift!"  ftüfterte  ißr  ent= 
gegeneitenb  ber  ©atte  ju,  unb  ißre  |>anb  ergreifenb  führte 
er  fie  ju  ber  ©roßmutter.  —  „SÖteine  ©attin,  ©roß= 
mutter!"  Sorßnttjia  beugte  ba§  eine  Snie  bor  Slnna 
geoborowna  unb  bann  reifte  fie  itjr  bie  SBange  jum  Suffe 
bar  —  ber  Stimme,  feilte  tfjat  fie  afle§,  was  man  bon 
itjr  bertangte.  ©etbft  bie  £anb  —  biefe  runjetige,  pcrga= 
mentene  £aub  tüßte  fie  ber  ©roßmutter. 

Sie  gute  atte  grau  War  außer  fidj  bor  greuben. 

„SBetctj  ein  tjerrtidjeä  ©eftßöpf!  SCSie  reijenb,  wie 
tiebtidt» !  —  Unb  Wie  fein  erlogen !  Stber  Wa§  tjaft  Su  für 
ein  prädjtigeä  ©attfoftume.  9Ran  fießt,  baß  Su  boin 
gefte  be§  ©jaren  fommft!" 

Sie  gute  arme  Sitte,  fie  ßielt  ben  Slnjug  Sorßntßia’3 
für  ein  ©attfteib.  gu  ißrer  geit  ßatte  man  nur  auf  ben 
©äßen  be§  ßjaren  ©eibenfteiber  mit  fo  feinen  Spieen, 
wie  fie  Sorßntßia  atg  3iegtig6e  trug.  Sie  ©roßmutter 
ßatte  feit  fünfunbjwanjig  gaßren  tein  ©tobejournat  unb 
feinen  ©cßneiber  gefeßen.  ©ie  meinte,  ba§  fei  jeßt  ©afl= 
mobe. 

„ga,  ba§  Weiß  icß  ttidjt,  wie  ber  Sopfpuß,  ben  icß 
Sir  aufbeWaßrt  ßabe,  ju  biefem  prächtigen  Steibe  paffen 
Wirb!  gßnagfo!  bringe  mir  ba§  ©dßmutffäftdßen  ßer." 

Sie  ©tatrone  fudjte  ben  antifen  §aarfcßmucf  bon 
ecßten  ©erten  unb  ©riflanten  ßerbor,  bie  faft  eine  ©raf- 
fdjaft  wertß  waren,  unb  War  in  großer  ©ertegenßeit,  fie 
an  ber  4  la  giraffe-grifur  Sorpntßia'g,  bie  nidßt  barauf 


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247 


eingerichtet  ttmr,  anjubringen.  Unb  fie  muffte  ben  ©chmucf 
bocf)  um  jeben  fßreiS  unb  Oor  ihren  9lugen  tragen. 
Sorpnthia  ließ  ficf)  aufpu|en. 

„So!  jefct  bift  ®u  noch  fcßbner !  SDKt  biefent  Schmucf 
fannft  2>u  fie  auf  baS  Sattfeft  beS  ©jaren  jurücfführen. 
SJiag  man  fie  barum  beneiben." 

„■Kein,  ©rohmutter,  mir  gehen  nicht  mehr  juriict," 
fagte  grnan,  „menn  ®u  ertaubft,  bleiben  mir  bei  $ir  unb 
bringen  ben  SSSeilptachtSabenb  ^ier  ju." 

„9tber  maS  mirb  ber  ©jar  baju  fagen?" 

„@r  meiff  eS  fchon,  bah  mir  hier  finb  unb  hat  uns 
enttaffen." 

„91h,  Wenn  eS  mit  feiner  ©rlaubnif?  gefchieht  —  baS 
ift  maS  91nbereS  —  bann  ift  eS  mir  lieb,  @udj  fper  ju 
behalten.  9lber  mein  (Sott,  momit  foü  ich  ©uth  unterhalten. 
Sann  ©Jeine  grau  L’hombre  fpielen  ?" 

„©emiff." 

„9lber  meine  Sorten,  mit  benen  idh  £agc  lang  fpiele, 
finb  ganj  abgegriffen.  gef)  fdhänte  mich,  fie  hetworju» 
nehmen." 

„SReiite  grau  mirb  fchon  für  neue  Sorten  forgen. 
©rlaube  mir,  ihr  ju  erflären,  mo  fie  fie  befinbet." 

,,©ut  gut!  ghnaSfo!  mach  inbeffen  ben  Spieltifdh 
jurecht!  91 dj,  mie  lange  fchon  habe  ich  nicht  L’hombre 
gefpielt.  Seitbem  bie  Keine  fdjmarje  ßerjogin  unb  bie 
©eneralin  bie  ©reppe  nicht  mehr  herauffteigen  fönnen.  — 
©ereite  nur  baS  ©heeferuice  unb  alles  ©ebäcf  Bor.  —  ©ib 
§olj  auf  ben  Samitt!  —  SBir  moHett  hoch  fehen,  mer 
eher  fdjläfrig  mirb,  menn  mir  einmal  beim  Sartenfpiel 
marm  gemorben  finb.  —  geh  nicht!" 

gtoan  begann  unterbeh  franjöfifch  mit  feiner  ©emalin 
ju  fpredhen,  unb  jrnang  feinem  91ntli|  einen  fo  ruhigen 
91uSbrucf  auf,  als  erHärte  er  ihr  nur,  mo  fie  baS  Spiel 
Sorten  in  feinem  ,3immer  finbet. 

„geh  bin  öerloren.  ©Jen  91ufftanb,  ber  heute  auS= 
gebrochen,  unb  ber,  mie  ich  glaube,  je|t  bereits  befiegt 
ift,  habe  idh  ©eheinten  angeftiftet.  -KomineH  mar  gürft 


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248 


Xrubejtoi  ber  $)ittator,  in  ber  $!jat  ober  bin  ich  eS 
gewefen.  3<h  war  bie  leitenbe  $anb,  er  nur  bie 
SRaSte.  Srubejtoi  eilte  bereits  fich  rein  ju  Wafißen,  er  ift 
jur  Dberfomntonbotur  gegangen,  |at  bem  ©jaren  ben  ®ib 
geleiftet  unb  fidj  ergeben.  —  ®omit  ift  bie  SÖtaSte  non 
meinem  Slntlijj  gefoßen.  —  S)ie  gührerfdjaft  faßt  mir 
aflein  jur  Soft.  3df)  Wtß  f«  if)w  aud)  nicht  oufbärben. 
®er  Strme  t»at  ein  junges  SBeib,  boS  ihn  innig  liebt.  2ln 
bem  heutigen  Slufftonbe  jwar  ^otte  ich  {einerlei  X^eil, 
ober  boS  hilft  mir  nicht,  benn  idj  War  bennoch  ber  S)ifta= 
tor;  toenn  mon  bie  ©Triften,  bie  mit  biefer  Bewegung 
jufammenhängen,  finbet,  bin  icf»  unrettbar  nerloren.  Unb 
mit  mir  Xaufenbe  ber  SBorneijmften  beS  SonbeS,  beren 
Stauten  in  einem  Suche  oerjeidmet  finb,  boS  wir  „baS 
grüne  Such"  nennen.  SDiefeS  Sud)  muß  bernidhtet 
Werben!" 

„SBoßen  ©ie  mid)  bomit  betrauen?" 

„SBen  fonft?  —  StßeS,  WoS  ich  ^obe,  befijje  idj 
gemeinfam  mit  3hnen-  SOtein  Stame,  mein  Vermögen,  mein 
9tong  gehört  aud)  3hnen/  meine  ©Ijre  ift  auch  bie  3^rige. 
Slfl'  baS  fteljt  je|t  auf  bem  ©piete.  Unb  nur  ©ie  fönnen 
mir  Reifen  —  .  Stiemanb  fonft." 

„Sefeljlen  ©ie,  WoS  tcf)  tf)un  foß!" 

„D,  nicht  fo!  3<h  flet)e  ©ie  an.  S)enn  WoS  id)  jefct 
bon  3hnen  erbitte  ift  Wahrhaftig  ein  Verlangen,  fo 
groß,  als  wenn  ber  Slienfd}  Serjeiljung  feiner  ©ünben 
bon  ©ott  erfleht.  ©JiefeS  Such  ift  bei  geneibo  3twarinen 
b  erborgen!" 

„W" 

,,3df)  Weiß,  baß  ©ie  biefeS  SBeib  Raffen.  Ohne  ©runb 
—  id)  fdjwöre  eS  3hnen!  Slber  WaS  bebeutet  ber  Schwur 
eines  bezweifelten  äKenfdjjen!  SDtid)  ßot  {einerlei  ©efü^l 
an  biefe  grau  gebunben  —  boS  Sßren  Weiblichen  ©tolj 
berieten  lönnte.  ©8  war  ein  anbereS,  für  muß  »eit 
gefährlicheres  —  ober  lein  ©ie  beleibigenbeS  Serf)ättniß. 
$och  ©ie  glauben  mir  boS  nidht!  3<h  berlonge  eS  auch 
nicht.  SBaS  idh  erflehe,  ift  nur,  baß  ©ie  im  Stugenblide 


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249 


ber  entfdfjeibenben  ©efaljr  großmütig  fein  mögen.  £>aben 
Sie  mir  gejürnt,  fo  bergeffen  Sie  eS  um  ber  ©jre  beS 
SBappenS  ber  <3f)ebimin  mitten  unb  eilen  Sie  in  biefem 
SDtoment  in  bie  SBofjnung  beS  gräuleüt  glmarinen  mit  biefem 
Schlöffet,  ber  baS  Serftecf  öffnet.  3$  meiß,  meines  Opfer 
idj  non  3hneit  forbere,  inbem  ich  Sie  bitte,  bie  Sdfjmette 
jeneä  |>aufeS  ju  überfchreiten.  3<h  felbft  fann  nicht  hüt= 
gef>en ;  benn  nähere  ich  mich  betn  $aufe,  fo  merbe  ich 
fofort  gefangen  genommen,  aber  Sie  mirb  tttiemanb  ber» 
bärtigen.  —  Sprechen  Sie  unberjüglich  mit  gräutein  3Ü* 
marinen  unb  unterrichten  Sie  fie  öon  ber  (Sefat)r,  menn 
fie  nichts  babon  müßte.  Sie  mirb  toof)l  fchon  oerftänbigt 
babon  fein,  unb  hätte  getotg  baran  gebacht,  „baS  grüne 
Such"  5U  bemühten,  menn  es  nicht  in  einem  feften  ©ernähr» 
fam  berfperrt  märe,  baS  nur  mit  großer  ©etoalt  unb 
bielem  3eitberluft  jerftört  merben  !ann.  SBerfen  Sie  baS 
Such  in’S  geuer !  Sleiben  Sie,  bis  eS  jur  2lfdf)e  berbrannt 
ift,  unb  bann  eilen  Sie  jurücf,  um  mich  ouS  meiner  ber» 
jmeifeften  Sage  ju  befreien!" 

„3<h  merbe  hanbeüt,  mie  eine  gürftin  ©hebimin  h<m= 
betn  muß." 

„SRein  Seben  unb  meine  Sljre  ift  in  3hre  §anb 
gegeben." 

„Sch  weiß  eS  .  .  ." 

Kortjnthia  übernahm  ben  Stahtf d^tüff eX  unb  eilte  fort. 

„SBie  bie  kleine  babonlauft!"  fagte  bie  SRatrone. 

„Sie  lommt  gleich  Wieber." 

„SDtit  ben  Karten?" 

„gamohl,  mit  ben  Karten." 

„geh  Witt  mich  «nterbeß  herauSpuhen,  baß  fie  mich 
nicht  fo  bernachtäffigt  fießt." 

2)aS  §etauSpuhen  beftanb  barin,  baß  fie  fi<h  ihr  neue» 
fteS  Sarett  holen  ließ  (bom  gaf)re  1807).  ®a3  fe|te  fie 
auf,  mit  ber  großen,  gelben  Straußfeber,  unb  hing  fi<h  bie 
jmei  falfchen  Sodfen  in’S  Jpaar.  ®aS  §aar  mar  meiß,  bie 
Soden  fdjmarj. 

(Sine  lange  Stunbe  berftridh. 


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250 


„2Iber  toie  lange  bie  Steine  bie  Satten  fud^t!  ©emiß 
fteibet  fie  fi<h  unt.  Sie  mirb  baS  93att!teib  abtegen  unb  in 
ein  Negligee  non  Sßerfait  fcf)tüpfen.  SBart  nur  ein  SBeitchen. 
—  baS  folt  f^aisig  merben.  SBie  fie  lachen  mirb  barüber! 
3<f)  merbe  ihr  „baS  Sieb  bont  ®hePaar“  notfingen.  Ta§ 
ift  ein  fef)t  t)iib\d}e%  Sieb!  93ting  meine  ©uitarre,  S^na^= 
fo!  2td^  mie  ich  baS  einmal  fcf)ön  fpieten  fonnte!" 

Unb  bie  gute  SRatrone  nahm  bie  atte  Saute  gut  £anb, 
unb  ermuntert  non  bem  erften  ©rfotge,  begann  fie  ihr  lie= 
beS  Reinem  9teftt)edEd^en  mit  einem  atten  gemütlichen  Siebe 
gu  unterhalten  —  mährenb  ihm  in  biefer  ©tmtbe  ber 
TobeSfchmeiß  non  ber  ©time  perlte. 

„So  höte  benn  : 

@S  ift  ber  guten  ^auSfrau  Pflicht, 

Taß  fte  ben  ©atten  ehre, 

Um  ßtatfcfcereien  unb  um  *ßup 
beileibe  ftch  nicht  fcheere. 

©ie  forgt  bei  Tagesanbruch  fcbon, 

Tag  ihm  ber  grühtrunf  munbe, 

Unb  fetter  traten,  guter  SBein 
Sinft  ihm  gur  9KittagSfhinbe. 

Glicht  mahr  —  fchön.  —  ®och  höre  bie  Öorfefcung  • 

©S  ift  beS  guten  ©atten  Pflicht, 

Ter  ©attin  SBunfch  gu  ehren, 

Unb  maS  fte  auch  »erlangen  mag, 

«  niemals  gu  »ernähren, 

Turdj’S  treuer  fetbft  für  fte  gu  geh’n, 

3h*  WÖn  bie  ^>anb  gu  füffen.  — 

Unb  wenn  fte  einen  ©aft  empfangt, 

JörauchfS  SJtänncfcen  nichts  gu  toiffen. 

„#ahahaha!"  lachte  bie  gute  atte  ftrau  ihrem  eigenen 
gemütlichen  ©efange  93eifaH  unb  märe,  —  menn  fie  3>man 
nur  mit  einem  SBorte  barum  erfudtjt  hätte,  —  geneigt  ge= 
mefen,  baS  Sieb  gu  mieberhoten.  „Same  bie  Steine  nur 
recht  batb,  baß  fie  auch  barüber  tad^e." 

9lber  $man  merfte  nicht  mehr  auf  fie  —  bon  ber 
Xhüre  her  tourbe  ©eräufcf)  hör&ar-  Sortjnthia  fonnte  ben 


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251 


SBeg  ju  Beneiben  unb  wieber  ber  in  ben  ißalaft  bereits 
jurücfgelegt  haben,  ©r  eilte,  um  bie  SEfjüre  ju  öffnen. 

Stber  nicht  bie  erwartete  ®orhntl)ia  War  eS,  bie  je^t 
eintrat,  fonbern  Qiemanb,  mit  bem  er  am  attermenigften  in 
biefer  nebligen  SBett  jufammentreffen  mochte :  ©alban. 

®er  fftitter  !am  nicht  allein,  üier  ©renabiere  üom 
finnifchen  SRegimente  ftanben  hinter  ihm. 

5} er  Witter  nahm  feinen  §ut  beim  ©intritte  nicht  ab 
unb  grüßte  auch  bie  Hausfrau  nicfjt,  in  beren  Birnmer  er 
gebrungen  war. 

„Swan  SRajimowitfrf)  ©hebimin.  Sie  finb  mein  @e= 
fangener!  ©eben  Sie  mir  3hren  Segen!" 

$wan  löfte  wortlos  ben  Segen  ab  unb  übergab  ihn. 

2lnna  geoboroWna  gerieth  in  Born. 

„Sieh  hoch!  SBaS  ift  baS  für  ein  SDlenfch,  ber  in  mein 
3 immer  einjubringen  unb  meinem  ©nlel,  einem  Heri°9 
©hebimin,  feinen  Segen  Wegjunehmen  Wagt?  —  SBer  ift 
ber  ^err?" 

„SBer  ich  bin,  SDlabame,  baS  ju  wiffen,  ift  ^hnen 
ganj  unb  gar  nicht  notljwenbig,  aber  Wer  3hr  ©nlel  ift, 
baS  fann  ich  Shnen  fagen.  —  @r  ift  ber  S  i  f  t  a  t  o  r  jener 
aufftänbifcher  üteb eilen,  bie  ben  ©jaren  umbringen 
wollten  unb  gefchlagen  würben!" 

„ShnaSfo !  ShnaSfo!"  freiste  bie  äftatrone.  „®omnt 
her  unb  lache  ftatt  meiner!  SOtir  will  es  nicht  gelingen. 
Hilf  mir  lachen.  Sielj  Sir  ben  fJafdjingSnarren  an,  ber 
hier  Somöbie  fpielt.  ©r  fagt,  mein  SRefthecfchen  fei  ber 
®ittator  ber  SRebeßen !  Sßohin  fjaft  Su  $i<h  berfrochen? 
@o  lache  bodj!" 

Swan  fagte  leifen  SoneS  unb  franjöfifcf)  su  ©alban  : 
„ich  werbe  mich  t>or  bem  ©jaren  bertheibigen.  ©S  liegt 
fein  SBeweiS  gegen  mich  bor." 

„2Bie,  unb  baS  grüne  ©u<h?" 

^Sabon  Weih  ich  nichts." 

„3Rach  Sir  feine  eitlen  Hoffnungen,  3Wan  90?ajimo= 
Witfch !  Su  bift  ooßftänbig  oerloren.  S)ein  Sßeib  hat  ®idh 
»errathen.  So  wie  Su  ihr  ben  gewiffen  Schlüffe!  übergeben 


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252 


hatteft,  ber  —  Su  weißt  eg  ja  —  jene  Stoulettebanl  bei 
gräulein  geneiba  eröffnet,  eilte  fie  bireft  jum  Ißolijeipräfiben* 
ten  unb  legte  ben  Sdhtüffet  in  feine  £>änbe.  —  Sag  „grüne 
93ucf|"  ift  feitbetn  gut  aufgehoben!" 

©hebimin'g  ®niee  toanlten  bei  biefen  SCBorten,  alg 
toären  alle  ©eftirne  beg  Rimmels  auf  ihn  hsrobgefatlen, 
unb  ber  ®opf  fanf  ihm  auf  bie  SBruft.  Siefer  unfaßbare 
©djredenggebanfe  lähmte  feinen  ©eift.  3m  na<hften  SJiomente 
aber  empörte  fich  all  fein  93lut,  er  begann  »or  SButh  §u 
jittem. 

„Stein,  nein!  bag  ift  unmöglich  —  baß  ein  Sffieib 
ihren  eigenen  ©atten  unb  bamit  ihr  Vermögen,  ihre  @hre 
praggebe,  »errathe!  Solch  ein  Ungeheuer  gebiert  bie  Sßelt 
nicht!  Unb  ich  ha&e  mich  9«gen  Stiemanb  auf  ©rben  fo 
fdjwer  »ergangen,  baß  ©ott  ju  meiner  ©träfe  foldj  ein 
$öHenWunber  erraffe!" 

„Su  haft  ein  furjeg  ©ebächtniß,  3loan  SJtajimowitfch ! " 
flüfterte  ihm  ©alban  itt’g  Dljr.  „©rimtere  Sich  nur  an 
bie  Stacht,  in  welcher  Su  Äorpnthia  bie  Stach riäjt  »on  bem 
Sobe  Sophie  Starifchfin’g  unb  gleichzeitig,  »on  ber  gludjt 
S3ethfaba’§  mit  ißufchfin,  überbrachteft.  ©ollteft  Su  nicht 
gewußt  hoben,  baß  Sophie  Starifdjfin  ihre  Sod)ter  War, 
unb  baß  fie  felbft  eben  barnalg  ^ufdjfin  unb  nicht  Sich 
erwartete 

Siefe  ©ntbedmtg  War  ein  noch  fchwererer  Schlag  für 
©hebimin,  alg  fein  gaD.  Ser  ftarr  geöffnete  SDtunb  hafdjte 
nach  Suft  —  feine  Ipänbe  griffen  mit  judenben  gingern 
nach  bem  unfaßbaren  Phantom  —  fein  §erj  brohte  ju 
jerfpringen. 

„Sei  aber  nicht  mehr  eiferfüdjtig,  Weber  auf  ißufchftn, 
noch  auf  Seine  ©attin.  ißufchfin  Werben  fie  eine  ßugel 
burch  ben  ®opf  jagen,  Wo  fie  ihn  immer  fittben,  Seine 
©attin  aber  Wirb  ihren  Slang  unb  auch  ihr  SSermögen 
Wieber  erhalten,  —  fogar  ihren  ©atten,  mit  bem  Jie  fich 
entfd)äbigt.  Su  wirft  bag  ©chaffot  hinauffpajieren,  Sein 
fdjöneg  Sefi^thum  unb  Seine  Siteln  aber,  möglidjerweife 
auch  Seine  ©ematin  Wirb  ©iner  erben,  ber  fie  beffer  ju 


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253 


fdjäjjen  Weif?  atö  ®u!  —  SieBeidfjt  eben  SRitter  ©af= 
bau!" 

Set  biefen  Sßorten  fanfen  nur  mef)r  bie  Sfrme  ^Wan'S 
fierab,  er  füllte  unb  fa^  nidfjtg  mefjr. 

SRitter  ©afban  war  beauftragt,  bie  „Xoitette"  beä 
Serurttjeitten  ju  beenben. 

8uerft  rifj  er  bon  feiner  Stuft  bie  Drben  fierab,  bann 
bie  SRofetten  bon  feinen  ©cfjultern,  enbficf)  jeben  ftnopf 
feiner  Uniform,  auf  bem  baS  Stoppen  beS  ©jaren  war. 

®ie  ©rofcmuttnr  berftanb  nid£|t,  was  fie  mit  einanber 
fpractjen,  aber  af§  fie  fafj,  Wie  man  bont  Seibe  if»reS  ©nfefS 
bie  2Rititär=  unb  Slbeföjeicpen  —  aBe  ©fjtenjeidjen  fjerabrifc, 
ba  füllte  fie  —  Wenn  audj  nicfjt  ifjrem  ©nfet  beijufpringen 
—  bocb  bie  Äraft,  ficf),  auf  ben  2ifdf)  geftügt,  aufjuridf)tett 
unb  bem,  ber  biefj  wagte,  entgegenjurufen : 

„ÜRörber!  —  ©ottfofer!  —  wage  es  nid)t,  meinen 
(Snfet  ju  berieten !  —  |>afte  ein!  —  Seleibige  if)n  rticEjt 
weiter!  —  ©rfogen  finb  aBe  Sefdfjufbigungen !  —  3$ 
gef)e  jum  ©jäten!  —  9Ridf)  wirb  er  f)ören !  @t  fiat  midf) 
fef)r  geliebt !  —  :3f)na3fo!  —  SJirf  mir  meinen  9Rantef 
um !  —  3um  ©jaren  gefje  icf| !  —  Saffet  ab !  —  |>enfer3= 
fnedjte!  —  ©)a|  iljr  if)tn  ben  ©träftingSrocf  nidfjt  anfegt, 
meinem  ©nfef,  meinem  3wan!  ©inen  ©träflingSrocf !  Sor 
meinen  Sfugen!  §öBenföIbIinge !  —  SBoflt  ifjr  ipm  audf)  baS 
$aar  abfdfineiben !  —  2Bo  ift  ber  ©jar?  —  !gdj  gefje  jum 
©jaren!  jum  ©jaren  SUejanber,  ©nabe  erffefjen!" 

®iefer  iibermädjtige  SEBiBe  wirfte  SSunber.  Ser 
gefäfimte,  jerbredjtige  Körper  fing  an  ju  Wanbefn  Wie 
ein  febenbeä  ©efpenft.  —  Si§  ju  bem  ißfafce  bermodljte 
fie  ju  wanfen,  Wo  ©afban  ftanb.  —  ©ie  faßte  feine 
§änbe  an. 

„3um  ©jäten  Sffejanber!"  ßaucßte  fie  —  „Um 
©nabe!" 

„Ser  ift  bereit#  im  £immef !"  Ijerrfdjte  fie  ber  SRitter  an. 

„ÜRun  bann  gefje  id)  ba£)in !"  feufjte  bie  ©reifin  unb 
bradfj  jufammen. 

©ie  fjatte  Waf)r  gefprodjen. 


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254 


Sie  ging  bofyin  —  bafjirx,  mo  felbft  bie  ©jaren  aller 
Steuffen  fie  nid)t  mehr  erteilen,  jonbern  erflehen  — 
bie  ©nabe  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  — 
Slud)  bie  lebten  ^aarlocfett  ©hebimiu’S  (er  ift  fein 
|>erjog  mehr)  fielen  üon  feinem  Raupte.  ®aS  ift  bie 
Sonfur  ber  junt  Xobe  ©erurtbeitten. 

©r  batte  -JHemanben  mcijr.  -Jtiemanb  bebauerte  iljn. 
9lur  ber  alte  Wiener  fd^tud^jte,  hinter  bem  Ofen  oerftecft, 
in  einem  fort  über  bie  fcbmacbüolle  Operation. 

Sie  ertaubten  iljm  nicht  einmal  feine  tobte  ©rofjmutter 
bort  oom  ©oben  aufjutieben.  ®er  üerartbeifte  SRebeEl  bat 
feine  gamitie  mehr,  meber  unter  ben  Sebenben,  nodj  unter 
ben  Sterbenben. 

®ann  fegten  fie  ibm  noch  Setten  an  §anb  unb  gufj. 
<3<btoere  eiferne  Setten,  üon  benen  ber  ©rleudjtungSratf) 
fagte :  „giirdbtet  nichts,  3hr  füllt  fie  unengeltlicf)  erhalten !" 
Unb  ba  er  ein  üornebmer  güf)rer  mar,  erhielt  er  als 
Auszeichnung  noch  eine  fcbmere  Sugel  am  ©nbe  ber  Sette, 
bie  fonnte  er  nacbfdjteppen  bei  jebem  Schritte. 

„Unb  nun  fcbuttert  baS  ©emeljr,  ben  Sträfling  in 
bie  SRitte  genommen !  ©ormärtS !  — " 

Aber  in  ber  .Siminertbüre  üerfperrte  ihnen  Sentanb 
ben  SBeg  mit  ben  SB  orten : 

„3m  -Kamen  beS  ©jaren!“ 

3eneiba  Slmarinen  mar  eS,  bie  eintrat, 
fftitter  ©alban  erftaunte. 

„9lcf),  mein  gräuiein,  Sie  gehen  noch  frei  umher?“ 
„SBie  fie  feben.  3<b  lomme  üom  ©jaren." 

„SBie  fonnten  Sie  bahin  gelangen?“ 

„$aben  itid^t  meine  SanbSleute,  bie  Saleüeinen,  ben 
Sohn  beS  ©jaren,  feine  ©attin  unb  SRutter  heute  befehlt?'' 

„3$  üerftehe  —  fie  hüben  Sie  beim  ©jaren  ein= 
gelaffen.  Unb  bann?“ 

„$er  ©jar  b“t  3wan  ÜRajirnomitfdh  ©hebimin  be= 
gnabigt.  $ier  ift  fein  ©nabenbefehf." 

„2tb!  ©ie  buben  3*üun  ©hebimin  üom  ©icbtyla^e 
errettet.“ 


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255 


„Sogar  oon  ben  SBteiwerfen.  $er  ßjar  war  fo  gnäbig, 
ißn  nad)  Xobotef  ju  oerbannen  unter  bie  Bobeljäger, 
woßin  er  fidj  unberweilt  begeben  toirb." 

,,3cf)  ßoffe  5«  " 

„Stein  —  auf  feinem  eigenen  ©dritten  unb  allein !“ 

„Unb  all'  baö  ßaben  3ßre  frönen  fdßwarjen  Slugen 
bewirft,  fcßöneö  gräulein?  —  $odj  warten  wir  ein 
Sßeilcßen.  2113  ber  <£jar  biefen  ©nabenbefeßl  unterfcßrieb, 
ßatte  er  nod)  feine  Jtenntniß  baoon,  baß  ba§  „grüne 
Sudß"  ju  Stanbe  gebraut  würbe." 

„SEBaö  für  ein  grünes  SBucß?" 

„2lß,  reijenbe  ®ioa!  —  Sie  Wollen  and)  bie  Un= 
wiffenbe  fpielen !  —  2lber  Sie  fallen  burcß  in  biefer  Stolle. 
®ie§mal  werbe  idß  Sie  roirllicß  auspfeifen.  SBiffen  Sie 
nicßt,  baß  ber  geheime  Scßlüffet  Sßrer  SRoulettebanf  in  bie 
Jpänbe  ber  fßolijei  gelangt  ift?" 

„Qidß  weiß  e§  —  nnb  bann?" 

„Unb  bieämat  wirb  man  bie  Sßolijei  nid^t  nteßr  fo 
jum  Starren  ßalten  —  Wie  e3  feinerjeit  mir  gefdßeßen  ift, 
als  SOtidjael  Smrgenjeff  fagte :  „Je  suis  un  Präsident  sans 
phrase,  messieurs  faites  vos  jeux!“  —  5)a3  „grüne 
58udß"  ift  gefunben.!" 

„So  Oiel  idß  weiß,  ßat  man  ein  „gelbes  SBucß" 
gefunben." 

„Unb  in  biefem  ßatten  bie  SSerfcßwörer  ißre  Stamen 
unter  bie  ®onftitution  getrieben,  unb  alle  2lufftanb3pläne 
waren  barin  oerjeidßnet." 

„3n  biefem  ©udß  waren  bie  Stamen  jener  Herren 
oerjei^net,  bie  beim  Stoutettefpiel  Scßulbner  ber  Sanf 
geblieben  waren  unb  beren  ©ßrenfdßulb  unbeglidßen 
geblieben." 

„Sie  fpielen  bie  Somöbie  gut,  feßr  gut,  fjräutein, 
aber  beSßalb  werben  Sie  bodß  auägepfiffen !  $ie  ge= 
fcßriebenen  SBncßftaben  muffen  ja  gegen  Sie  jeugen." 

„®iefe  werben  gegen  Stiemanben  jeugen.  SEBotjt 
wiffenb,  baß  ba3  Stoulettefpiel  üerboten  fei,  ßabe  icß  ba3 
©ewaßrfam,  ba  icß  e3  nicßt  öffnen  fonnte,  burcß  ba3 


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256 


©djlüffettod)  mit  „Sdfjeibewaffer"  üoflgegoffen.  Unb  bie 
baS  „gelbe  Sud)"  in  bie  |>änbe  befamen,  tjaben  feinen 
einjigen  Stauten  auf  beffen  Stottern  oerjeidfjnet  gefunben, 
alte  biefe  Slawen  finb  oerfctjttmnben.  gd)  mar  jugegen,  atö 
man  eS  auffanb.  @8  tnar  feinertei  ©ctjrift  ju  fetjen." 

Stuf  biefe  SEßorte  t)in  flirrte  eä  taut.  gwan  fdjlug  bie 
betten  jufammen,  bie  an  feinen  .‘pänben  befeftigt  waren. 

SRitter  ©alban  tobte  oor  Stßutf). 

„Sie  finb  Watjrtjaftig  eine  ©eburt  ber  |>öße,  geneiba 
glmarinen!  SRittetft  biefeS  bamonifdfjen  ©infaflS  tjaben 
Sie  jetjntaufenb  oerbredtjerif df)e  Serfdjwörer  tont 
©djaffote  unb  oon  Sibirien  gerettet!" 

„Weinen  wir  audfj  itjre  gamitien  baju  unb  fagen  wir 
tjunberttaufenb." 

,,©otd)er  Soweit  ift  nur  ein  SEßeib  fät)ig!  Unb  ©ie 
Wagen  mir  ba§  ju  fagen?" 

„SBaS  fümmere  id)  ntidfj  um  ©ie?  gd)  tjabe  einen 
Srief  oom  Sjaren,  ber  mir  geftattet,  mid)  au§  biefem 
traurigen  ßanbe  f)in  ju  begeben,  Wo  id)  will." 

Stitter  ©alban,  at§  er  fat),  baß  fidfj  biefe  grau  außer= 
fjatb  beä  SereicE)e3  feiner  peitfdje  befanb,  wollte  wieber 
feine  mit  franjöfifdjer  ©alanterie  gefdtjminfte  Stoße  fpieten. 

„$ie  ©t.  Petersburger  SEßett,  mein  gräutein,  wirb 
gljren  Sertuft  nadt)  gf)rer  heutigen  „Stbfdfiiebsoorfteflung" 
fef)r  bebauern.  Unb  Wot)in  Werben  ©ie  gef)en,  wenn  id) 
fragen  barf,  ba  id)  bie  ißotijei  baoon  Oerftänbigen  muß, 
baß  ©ie  frei  paffiren  biirfen?" 

„SBotjin  fonft,  als  Wot)in  man  meinen  |>errn  fiitjrt 
—  nadt)  SobolSf." 

„SDßie,  ©ie  woßen  ©tjebimin  nadfj  Sibirien  folgen?" 

„SBarum  nic^t?  gdfj  war  ja  nidjt  feine  ©attin,  um 
midf),  ba  er  in'S  ©tenb  gerätf),  oon  it)m  fdfjeiben  ju  taffen ; 
idf)  War  bloS  feine  ©etiebte,  id)  fann  if)n  nidf|t  oertaffen." 

$)amit  ging  fie  auf  ben  gefeffetten  Sträfling  ju  unb 
nat)m  bie  fdfjwere  ©ifenfuget,  bie  er  an  ber  ®ette  fd^teppte, 
in  iljre  §änbe.  $a3  war  bie  SRügift  ber  Sraut. 

„SEßir  fönnen  getjen,  $err." 


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257 


gwan  erf»of>  in  biefem  Slugenblicfe  mit  ©tolj  fein 
.fmupt,  unb  fein  Slntlijj  erglänjte.  SJiefer  jum  (Sträfling 
oerfc^orene  Sopf  Würbe,  was  er  früher  t)ätte  fein  fotten : 

—  ein  ftoljer  $elb,  ber  ©tatuenfopf  eines  greil)eitSfämp= 
ferS.  SRit  feiner  fettenbefchwerten  ipanb  fjob  er  bie  |>anb 
SeneibenS  an  feine  Sippen  unb  rief  mit  bem  öotten  3RetaD= 
flange  feiner  männlichen  ©timme : 

„Scf)  banle  bir,  mein  ©ott!  S)u  Ijaft  mich  heutc 
reidher  gemacht,  als  ich  eS  jemals  War!" 

3eneiba  fdjmiegte  fid)  an  feine  ©ruft  unb  umarmte  ihn. 

„3e|t  mögen  ©ie  getroft  pfeifen,  fRitter  ©alban!  — 
®aS  Spiel  ift  aus." 

316er  ©alban  hotte  baju  feine  Suft.  ©elbft  fein  elenbeS 
£erj  würbe  burch  fo  toiel  Slbel  gerührt.  3lu<h  bie  tiier 
©renabiere  ftanben  mit  gefcnftem  Raupte  ba,  gegen  aßc 
©olbatenreget. 

„3tber  gräulein!"  ftotterte  ber  9titter,  „bebenfen  ©ie 
bo<h,  waS  aus  3hneK  Werben  foß,  Wenn  ©ie  biefen 
Ungeheuern  ©ntfdjluß  ernft  nehmen." 

Beneiba  blicfte  auf  gwan  IRajimoWitfch,  unb  ihre 
ganje  ©eele  lag  in  biefem  ©liefe. 

„S<h  Werbe  biefeS  namenlofen  äJtanneS  namen» 
lofeS  Sßeib  fein!  —  ©eben  wir!" 

®ie  Sette  erflirrte  nach  jebem  Schritte.  —  Sn  bem 
einfamen  girnmer  hörte  man  nur  mehr  baS  Schlucken  beS 
alten  ©ienerS;  —  aber  auf  bem  Slntliße  ber  lobten,  bie 
bort  am  ©oben  hingeftteeft  lag  —  glätteten  fich  alle  galten. 

—  ©ie  lächelte. 


3lef)nli<he  ©eftalten,  mit  eben  fo  großen  $ügen  gejeidj» 
net,  gab  eS  jahlreiche  in  biefer  großen  ljiftorifchen  ©pothe. 
©o  begleitete  ben  gürften  Irubejfoi,  ben  nominellen  ®if= 
tator,  feine  junge  ©attin  nach  Sibirien,  fo  bie  beiben 
SRurawieff  unb  SRarifchfin.  ®ie  SSitWe  ©plejeff’S  WieS  ben 
©nabengehalt,  ben  ihr  ber  Saifer  auSgefefct  hotte,  ftolj 
juriief.  ©ine  junge  ©ouoernante,  Welche  Sraft  genug  fanb, 
bie  Siebe  ju  einem  ruffifchen  gürften  in  ihrem  §erjen  ju 
36tai :  greifceit.  II.  17 


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berf<f)tießen,  fo  lange  et  tjodfj  über  ib)r  ftanb,  geftanb  ben 
Eltern  beS  güngtings  itjre  Steigung,  atS  if>n  baS  llrtljeil 
jum  fibtrifdjen  ©Haben  begtabirte;  fie  tourbe  fein  SBeib 
unb  folgte  bern  ©Haben  in  bie  SSerbannung.  Slber  audfj  bie 
©egenfäfce  matt  baS  Seitalter  mit  ftaunenerregenben  Sügen. 
®er  unter  ber  93rüde  berftedte  gürft  DbojefSfi  mürbe  bon 
feinen  eigenen  Sermanbten  berrat^en,  unb  audfj  bie  Staaten 
berer  bitben  eine  lange  Steife,  melcfje  am  fetben  Sage,  an 
meldjem  ber  traurige  S«8  tyrer  Sermanbten  ben  SBeg  nad» 
Sibirien  antrat,  Äorljntljia  ©fjebimin  bie  §anb  jum 
®ontretanje  im  SBinterpalafte  reichten. 

*  * 

* 

gpifofeett. 

®er  gerettete  2)i<f)ter. 

®ie  Stebolution  mürbe  bößig  unterbrüdt.  ®ie  tefcte 
©dfjaar  ber  Stufftänbifc^en  marf  ficf)  unter  güljrung  gafuS» 
fin’S  in  einen  Pataft  unb  bertf)eibigte  ficE)  barin  mit  bem 
Heroismus  ber  Serjmeiftung,  bis  man  bon  aßen  ©eiten 
auf  fie  einbrang.  ®amit  mar  ber  Petersburger  SSerfucb 
beenbet. 

Ebenfo  ungtüdtidf)  enbete  ber  Stufftanb  ber  ©übtidjen. 

®ie  beiben  93 rüber  SJturamieff  5t|poftot*)  mürben,  als 
fie  bereits  gefangen  genommen  maren,  bon  Dfficieren  befreit, 
bie  ju  bem  refmbtifanifdfjen  „93unbe  ber  bereinigten  ©laben" 
gehörten.  ®ann  fteßten  fie  fidf)  an  bie  ©pi|e  beS  SDtititarS 
unb  riefen  in  SSaffitföff  bie  Stepublif  aus.  2>er  bortige 
Pope  fegnete  tf>re  Sßaffen.  Stber  ber  ©egen  trug  leine 
grüdjjte.  S)ie  ©olbaten  Ratten  nichts  gegen  bie  Stepubti! 
eittjumenben,  aber  mer  follte  ber  Ejar  berfetben  fein? 

S)enn  einen  Ejaren  muß  ja  audfj  bie  Stepubtif  tjabert!  — 

Stuf  ben  $ügetn  bon  Uftinoffai  finb  fie  begraben.  $a 
mürben  fie  fdjaarentoeife  mit  Äartätfdjen  niebergef  cf)  offen  unb 


*)  Spoftot  roar  üjr  gamilien>3unamc. 


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259 


bon  bett  |»ufeti  ber  Stoffe  jertreten.  Stuf  bem  ®rabe,  baS 
ißre  Jütten  bedt,  pftanjte  man  einen  ®algen  auf.  SaS 
ift  ifjr  ©rabbenfmal. 

Sen  lobten  beS  StorbbunbeS  toutbe  nidEjt  einmal  ein 
foldjeS  Sentmal  gefegt.  ®teid)  ju  ^Beginn  beS  Kampfes 
jagte  man  fie  unter  ba§  @i3  be§  StemaftromeS,  unb  ber 
Strom  bleibt  eiSbebedt  fünf  äWonate  lang. 

SatuSfin  mürbe  gefangen  genommen,  aber  im  ®efäng= 
niß  jertrümmerte  er  feinen  ®opf  an  ben  ©teiitmänben. 

Pufdjfin  mürbe  munberbarermeife  gerettet. 

3mei  grauenßerjen  Ratten  bieS  SSunber  ju  Stanbe 
gebraut,  bie  it»re  Siebe  für  if)n  fo  ju  feiten  bermodjten, 
baß  itjn  SBeibe  bem  Seben  erretten. 

Ser  Slbftedier,  ben  er  auf  baS  ®ut  ©atban’S  gemadjt 
Ijatte,  berfpätete  fein  redjtjeitigeS  Grfdjeinen  an  bem  ber= 
ßängnißbotlen  läge.  SBebor  er  noch  GjarStoje  Seto  erteilt 
ßatte,  braten  feine  Pferbe,  unter  ber  angeftrengtcn  Sour, 
jufammen,  unb  auf  bem  SBege  begegnete  er  Sattenfoff,  ber 
bereits  ber  Petersburger  ©cßtädjterei  entronnen  mar.  $on 
iljm  erfuhr  er,  baß  SltteS  bertoren,  unb  baß  gürft  ®ßebi= 
min  nad)  Sibirien  berbannt  fei,  'motjin  itjn  Seneiba  frei» 
mittig  begleitet. 

Pufdjtin  tonnte  umteßren  ju  feiner  ®attin.  —  @3 
gibt  teine  „©teutßeria"  meßr.  —  ©ie  iß  begraben. 

ÜRiemanb  tonnte  ißn  befcßutbigen,  baß  er  an  bem 
Söunbe  ber  greißeitStämpfer  beteiligt  mar.  Sludj  fein  Stame 
ftanb  unter  jenen  Seßntaufenb,  bie  ber  „ßöttifdje"  Ginfall 
einer  Äomöbiantin  bom  ©djaffote  unb  ber  Verbannung 
uadj  Sibirien  errettet  ßatte. 

Sann  gab  es  genug  ber  raußen  Seiten,  rnetdje  bie 
ÜJtufe  Pufdjtin'S  fo  feßr  liebte. 

Unb  bamit  er  ganj  feiner  SDtufe  angetjören  tönne  — 
bertieß  ißn  aucß  SBetßfaba. 

©ie  ging  ßin  —  um  mit  ©opßien  jufammenjutreffen. 

©ie  tonnte  fie  nid|t  ertragen,  biefe  tatte  Äertermett. 

Unb  Pufcßtin  blieb  bann  allein  in  feinem  oben  ©djloffe 

17* 


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260 

—  er  fjatte  Pientanben  als  bie  alte  §eten!a.  tos  er 
feine  SBerfe  oor. 

3m  grüljiafjre  beS  fommenben  gafireS  erlieft  er  ©e= 
feljl  oom  Ejaren  PifoIauS,  in  Petersburg  Oor  if)tn  ju  er= 
fcfjeinen. 

©eine  gefangenen  greunbe  Würben  barnatS  f)ingeridjtet. 

3fu<fj  bas  war  ein  großer  ÜRoment!  S)ie  gebet  eines 
Pictor  ipugo  müßte  es  betreiben,  wie  im  SfugenbtidEe  ber 
$inri(f|tung  baS  ganje  große  Plutgerttft  äufammenftürjte 
unb  Perurttjeifte,  ©dßarfridjter  unb  ®ericf)tSperfonen  aße= 
famrnt  unter  ficf)  begrub. 

S>amalS  befahl  ber  Ejar,  baß  Pufdfjfin  oor  ifjm  er= 
fdfjeine. 

Pufcßfin  trug  Trauer. 

„Um  tuen  trauerft  S)u?"  fragte  ber  Ejar. 

„Um  meine  ©attin." 

„SItfo  nidjt  um  Steine  greunbe,  bie  geftorben  finb? 
©eftetje!  Stuf  toeffeu  ©eite  Warefl  S)u  geftanben, 
wenn  S)u  ßier  in  Petersburg  gewefen  toäreft?" 

Pufcljfin  füfjlte  bie  falte  ©cßneibe  beS  9tidE)tfcf)WerteS 
an  feinem  §alfe.  —  S)arf  man  auf  eine  foldfe  grage 
lügen? 

Pacf)  ber  Etijif  ber  ganzen  Sßeft  barf  man’S  —  man 
tijut  eS  audj.  Ster  Perftßwörer  ift  nidfjt  Oerpffidjtet,  fid)  fefbft 
anjuflagen,  baS  einjugeftelfen,  toaS  if)m  nicf)t  ertoiefen  wer¬ 
ben  fann ;  er  ift  nidjt  fdjjutbig,  fein  Jperj  ju  eröffnen. 

Unb  bodfj  fonnte  pufdfjfin  baS  SBort  ber  Süge  nidjt 
über  feine  Sippen  bringen.  Ster  Perftanb  biltirte  iljm’S, 
aber  bas  ftofje  $erj  fam  if|m  in  bie  Quere. 

„SBenn  idj  bagewefen  wäre,"  antwortete  er  beut 
Ejaren,  „wäre  auefj  idj  an  ber  ©eite  meiner  greunbe 
geftanben." 

„ES  ift  mir  lieb,  baß  S)u  fo  geantwortet  Ijaft,"  fagte 
hierauf  ber  Ejar.  „3dj  wiß  je§t  baS  Beitaßer  peter’S  beS 
©roßen  fdjreiben  taffen  unb  fueße  einen  SRenfdjen  bafür, 
ber  bitten  fann,  aber  nidjt  lügen,  gdj  Ijabe  itjn  gefunben! 
S)ir  oertraue  idj  bie  ©djitberung  biefer  Epoche.  —  ©efje 


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heim  unb  beginne  fie.  Unb  WaS  Xu  bon  jejjt  ab  fdjreiben 
wirft,  werbe  ich  StfieS  fetbft  cenfurirett." 

©o  würbe  eine  ber  gtänjenbften  Xidjtergeftatten  aus 
ber  berhängnifjboßen  Sataftroplje  befreit. 

3n  ber  „Särenteule"  freitief)  proffribirten  fie  ifjn  beS= 
halb  ats  Serrätfjer.  (Xenn  bie  gemeinten  Serbinbungen 
waren  aße  berbtutet,  aber  bie  ber  Särenfeule  war  gebfie= 
beit  unb  hörte  nicht  auf,  für  bie  Sreitjeit  auch  fortan  — 
ju  trinfen.) 

©  f)  e  b  i  nt  i  n  u  tt  b  3 e  n  c  i  b  a. 

©hebimin  war  fein  gürft  mehr,  wttrbe  aber  in  XobotSf 
junt  wahrhaft  gtücftichen  äRenfcfjen. 

günf  ®inber  Würben  ißm  bort  geboren,  lauter  ©ohne. 

Stucf)  bon  ihnen  ift  feiner  ein  gürft  geworben  —  ber 
eine  ift  ©erber,  ber  anbere  ®ürfdjtter;  aber  eS  geht  ihnen 
gut  unb  fie  Wiffen  nichts  oon  bent  Petersburger  Patafte. 

XaS  ift  wof)I  ein  recht  profaifcher  ©<f)tul.  2lber  wir 
fonnteit  ihn  nicht  berfchweigen,  benn  er  ift  wahrheitsgetreu, 
uttb  ber  gafl  ift  nicht  bereinjett.  SEßie  biete  ©pröftünge  bon 
gürfteufamitien  gerben  unb  berarbeiten  bort  bie  §aut  beS 
,'pernteIinS,  ben  ihre  Stfjnen  einft  getragen. 

Xer  ättefte  ber  brei  Sriiber  Xurgenjeff,  SJiicfjael  Xur= 
genjeff,  ber  jener  benfwürbigen  ©ijjung  präfibirte,  würbe, 
obgleich  er  beim  SluSbruch  ber  Stebotution  im  SluStanbe 
mar,  jutn  Xobe  unb  SermögenSbertuft  berurtheitt.  Sittern 
feiner  jüngeren  Srüber  ©ergio  brach  baS  4?erS,  «18  er  bieS 
hört,  ©ein  anberer  Srubcr  Sttejanber  reifte  bem  Serur= 
theitten  nach  unb  theitte  fein  eigenes  Sermögen  mit  ihm. 
—  Stuch  fotche  Iterjen  bringt  baS  Patertanb  beS  ©ifeS 
herbor ! 

Xie  SRotnauje  $  onftantin'S. 

ÄrijfanoWSfl)  h“tte  boßfommen  Stecht,  atS  er  behaupt 
tete,  bah  bie  Solen  feinerlei  Urfache  hätten,  ihr  ©djieffat 
mit  ben  Spänen  ber  ruffifchen  greiheitsfämpfer  ju  ber= 
bittben. 


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®aS  potnifdfje  SßoXf  beburfte  feiner  ©rftürung  beS  fl 
^Begriffes  „ffonftitution".  fl 

816er  audfj  baS  ift  richtig,  baß  für  bie  ißolen  ®onftan=  9 
tin’S  ©ematin  faft  baSfetbe  War  wie  bie  Äonftitution.  ©ie  M 
War  i^re  SBorfeßung  —  bie  alles  Söfe  in’S  ©ute  perwan-  9 
belnbe,  ben  Born  öerfbßnenbe,  bie  ©trafen  abwenbenbe,  M 
bie  ©egen  bringenbe  S3orfet)ung.  ■ 

®aS  berüchtigte  „Nie  pozwolim!“  (gef)  Will  eS  nicßt!)  1 
oerwanbeite  ben  Eitlen  ber  polnifdfjen  Könige  gewiß  nirfjt  I 

fo  oft,  afö  baS  fanfte  SBort  „idj  hatte  eS  gerne  fo"  ben  J 

SBillen  beS  SSicefönigS.  : 

Unb  als  bie  Beit  unb  Gelegenheit  reif  geworben  War,  1 

bie  notßwenbigen  Kräfte  fi<h  gefantmelt  hfltten,  ba  ftanb 
bann  bie  gartje  Station  in  if)rer  2Jtad)t,  unter  ber  baS 
2anb  erbebte,  auf  —  fünf  ÜDtonate  nad)  ber  ißarifer  > 

gtucht  Sart'S  X. 

3n  einer  Stadst  brachen  bie  polnifdfjen  güngtinge  • 

burd)  ba«  Ifjor  beS  ÜBettiebere  ein  unb  brangen  mit 
bewaffneter  §anb  bis  ju  bem  ©eßtafjimmer  beS  ©roß» 
fürften. 

Slber  juerft  mußten  fie  in  baS  ©djtafjimmer  gotjan» 
na’S  ein  Bremen. 

®ie  grau  fcfjraf  aus  bem  ©djtafe  auf,  als  bie  ®otdße 
bereits  über  ifjrem  $erjen  fdjwebten. 

„©rftiefe  jeben  ®on  in  beiner  SBruft !  ®ein  Saut!" 

„3S3aS!"  rief  bie  grau  aus,  „ber  ißole  greift  jurn 
SReucßelmorbe?  —  gnfamie!"  Unb  bamit  fprang  fie  über 
baS  anbere  ®nbe  beS  SBetteS  unb  ftürjte  hinüber  in  baS 
Bimmer  itjreS  ©aiten.  ©ie  fühlte  eS  gar  nicht,  baß  ißr 
ein  ®otchftich  in  ben  Stücfen  gebrungen  War.  ®ie  %a- 
petentßüre,  burdj  Wetdfje  fie  fidj  gerettet  ßatte,  »erfeßtoß 
fie  eilig  unb  tief  $u  bem  in  tiefen  ©djtaf  oerfunfenen 
SSicefönig : 

„©rwadje!  man  ßat  uns  Überfällen." 

„SBaS!  SJteudjetmörber?"  rief  ber  SSicefönig  unb  griff 
ju  feinen  Sßaffen. 

„Äeine  SDteudjetmörber, "  fpradj  bie  grau,  it)re  ®mpö= 


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263 


rung  ftotj  oerbergenb,  „greißeitsßelben!  $aS  polnifcße  5ßotf 
ift  aufgeftanben  Wiber  $icß!  gliet»e!" 

„SßaS?  ®aö  potnijc^e  9Sotf  ift  aufgeftanben?  Unb 
$u,  bie  Softer  ißolenS,  ftettft  SDicß  nicßt  neben  ®ein 
Sott?  ®u  fdßüßeft  micß?  —  ©efcßeßen  SBunber?" 

„SRein  ©atte  —  icß  liebe  2)icß!  —  3cß  befreie  2)icß." 
9Rit  biefent  $3 orte  brüdte  fie  in  ber  ©de  beS  »JimmerS 
auf  ein  Scßtoß  uub  öffnete  ben  üerborgenen  ©ang,  burcß 
ben  ber  greife  SrijfanowSlp  ju  ißr  gefontmen  War,  unb 
oon  bem  lionftantin  nichts  wußte. 

„@iten  wir!  biefe  £reppe  füßrt  jur  ©artentßüre!" 

2)ie  Xapetentßüre  War  mit  ©ifen  gefüttert,  bie  3ln= 
greifer  tonnten  fie  nidßt  burdßbrecßen.  9lucß  ^oßanna  Warf 
rafdß  einen  Stnjug  um  unb  oerßeimli<ßte,  baß  fie  oerWutt» 
bet  War. 

<3ie  faßte  ißren  ©atten  an  ber  |>anb  unb  führte  ißn 
eilig  burcß  ben  ißr  befannten  ©ang  biö  jur  jßüre  beS 
unterirbifcßen  ©artenwegeS. 

(Sie  waren  gerettet;  bocß  nur  für  furje  Beit. 

9luS  bem  näßen  SSarfdßau  tönte  baS  ©eläute  ber 
Sturmgloden  ßerüber.  $)ort  triumpßirte  ber  Slufftanb  bereits. 

SSor  ber  SRauer  ber  Sa^ienfa  trafen  fie  auf  einen 
berittenen  Ußlanen.  ®er  ©roßfürft  rief  ißn  ßeran  unb  ließ 
ißn  oom  ißferbe  fteigen.  @r  feßte  fidß  ßinauf  unb  3oßanna 
in  ben  Sattel  ßebenb,  floß  er  weiter  mit  ißr. 

Slber  ber  Ußlane  beeilte  fidß,  bie  gtudßt  beS  SßicefönigS 
ben  Stufftänbifdßen  mitjutßeilen,  unb  biefe  feßten  ißm  nadß. 

©ine  Slbtßeilung  Ußlanen  erreichte  bie  glüdßtigen  unter 
ben  gorften  oon  Sjetogrob.  —  gür  ein  ißferb  war  bie 
hoppelte  Saft  ju  fcßwer. 

®er  güßrer  ber  Sdßaar  War  ÄrijfanoWSlß  felbft. 

211S  fie  ißren  ©atten  crreicßten,  umfcßlang  ißn  goßanna. 

„SRur  über  meinen  Seib  gelangt  ißr  ju  bem  feinigen. " 

SfrijfanotoSfß  ftedfte  fein  SdßWert  in  bie  S(ßeibe. 

,,©ut  benn,  eS  fei!  „deinem"  ©atten  tßue  ÜRiemanb 
ein  SeibeS!  SDSir  werben  Äonftantin  als  Sdjußgeteite  bie= 

ttatt  ** 


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264 


Unb  bie  poImfc£)e  Sfteiterfchaar  jelbft  begleitete  ben 
flüchtigen  Sßicefönig  bis  ju  bem  Saget,  welches  eben  ju 
SriegSübungen  üerfamntelt  war. 

2)er  geinb  fc^ü^te  ben  glücfjtigen! 

Unb  auch  bet  ©belmutf)  wirft  anftecfenb.  Sticht  immer, 
aber  manchmal  reifet  er  mit  ficf)  fort. 

Äonftantin  erfuhr  erft  im  Säger,  bah  gotianna,  in  bcr 
Sertljeibigung  feines  Sebent,  oerwunbet  worben  war.  $ieS 
ergriff  ihn  mächtig. 

Stur  bie  tiefe  Störung  machte  eS  begreiflich,  bah  ein 
ruffifcher  ©rofjfürft,  ein  SSicefönig,  ein  getbherr  fid}  ju  bcr 
monftröfen  ©rojjmuth  oerfteige,  bafj  er,  in  fein  Säger  ge= 
langt,  ben  in  SriegSorbnung  aufgeftellten  iruppen  fage  : 
„3Ber  ein  Pole  ift  unb  fein  SSatertanb  mehr  liebt  als  mich, 
ber  trete  aus  bem  ©liebe  unb  gehe  üon  bannen!" 

Unb  mit  gähnen  unb  Sßaffen  entlieh  er  bie  potnifdjen 
Stegimenter,  bie  unter  feinem  S3efeb»te  ftanben,  —  alle.  Unb 
bann  oerlieh  er  mit  ben  jurücfgebliebenen  ruffifdjen  $rup= 
pen  baS  polnifdje  Sanb.  @t  führte  fie  in  ihre  £>eimat  nach 
Stufjlanb. 

konnte  fotcE»  ungeheure  ©rohmuth  üerjiefjen  werben? 
—  StiemalS! 

S'onftantin,  als  er  mit  feinem  Säger  in  SQtinSf  angc= 
langt  War,  ftarb  plö^tid». 

2Ber  brachte  ihn  um? 

Stiemanb  anberer,  als  ber  SJtann  mit  ben  grü= 
nen  Singen.  Stur  War  eS  bieSmal  nicht  ber  oom  Xfchatir 
®agh,  fonbern  ber  üon  ben  Ufern  beS  ©angeS  —  bie 
©  h  0 1  e  t  a. 

©ie  fagten  auch,  bah  er  begraben  Würbe.  ©ie  fagten, 
bah  fie  feinen  ©arg  in  bie  ©ruft  ber  ®t.  Petersburger 
Peter=paulfir<he  ^irtabgelaffen  hätten. 

Stur  bah  baS  SSotf  es  nidht  glauben  wollte. 

®ie  SßolfSfage  erjählt,  bah  fie  if)n  gefangen  nahmen 
unb  auf  bie  „heiligen  gnfetn"  brachten. 

gn  einem  ber  folgenben  galjre  brach  ein  95auernauf= 
ftanb  aus,  unb  oon  feinem  gührer  ging  ber  Stuf,  bah  es 


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Sionftantin  wäre.  S)cr  Slufftanb  würbe,  unterbrüdt,  aber 
beS  gütjrerS  tonnte  man  nicht  babbaft  werben,  bas  Sott 
batte  üjn  *u  gut  »erborgen. 

Unb  aucf  je|t  noch  glauben  fie,  baff  gürft  Äonftan^ 
tin  lebe. 

Sic  lafjpifcben  gifcber,  Wenn  ihre  Ääbne  in  ben 
Sßädjten  um  baS  ©oloWeSter  Älofter  berumftreifen,  feben 
im  ÜRonblidjte  gar  oft  eine  b°be  greife  ©eftalt  auf  ber 
©aftei  umberwanbetn.  B^ei  bewaffnete  Sßacijen  begleiten 
fie,  unb  Wie  fie  ihre  gefalteten  §änbe  jum  Fimmel  erbebt, 
fdjeint  fie  ju  beten.  —  Sann  ftäftem  fie  einanber  ju,  baff 
biefer  rätbfetbofte  ©efangene  ber  ^eiligen  gnfetn  ber  »er= 
febwunbene  Sonftantin  fei.  —  Unb  bodj  finb  fc^on  »ierjig 
gabre  bariiber  bingegangen. 

*  * 

* 

Ser  ©djnee  bebeeft  weit  umber  bie  ©egenb  —  felbft 
bie  Söege  finb  unfiebtbar.  ©raueS,  bleifdjWeteS  girmament 
fpannt  fic£)  über  ben  4?orijont.  8lßeS  ift  ftitt  geworben. 

Stber  unter  bem  tiefen  ©ebnee  grünt  au<b  jefct  no<b 
etwas  fort,  unb  feine  SBurjet  wirb  niemals  »ergeben. 


3«at :  Steijeit.  II. 


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Infinit  btü  {uttUtn  Baniifsr 


XXII.  Der  D.eufet. 

XXIII.  Die  ©ejc^ieEjte  bom  SRatwe  mit  bett  grünen 
Slugen. 

XXIV.  ©ie  finb  e§  jo  nidjt  ..... 

XXV.  ®og  unb  Sftagog. 

XXVI.  Unter  ben  fßalmen. 

XXVII.  ißanacea. 

XXVIII.  DaS  Sftautgefdjen!. 

XXIX.  grau  ißotipljär. 

XXX.  SRutterfegen. 

XXXI.  DaS  Dejtament. 

XXXII.  9tid)t  nur  bie  ®ugel  trifft  ba§  §erj. 

XXXni.  Die  ©tunbe  beS  SRenbejbouS. 

XXXIV.  Das  jerftücfte  §erj. 

XXXV.  Slfc^e  unb  gunfen. 

XXXVI.  Daimona. 

XXXVII.  SRidjt  nur  baS  «Keffer  —  trifft  in’S  $erj. 
xxxvni.  Die  Dragitomöbie  in  ©rufino. 

XXXIX.  Der  (Sremit. 


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XL.  älijjtöne. 

XLI.  SEßie  raubt  man  bem  ©atten  baä  Sßeib? 
XLII.  2lm  gefte  ber  SWafinfa. 

XLIÜ.  Unter  bem  Kometen. 

XLIY.  Der  SRann  mit  ben  grünen  Stugen. 

XLY.  Der  §erotb. 

XLY1.  „Beatus  ille  .  .  . 

XL VII.  Der  »erfudjer. 

XLVIÜ.  Die  SRauS  fpielt  mit  ber  ßafce. 

XLIX.  Da§  ©egengift. 

L.  „Derevaski  daloi!“ 

LI.  Die  namenlofe  grau  be§  namenlofen  9Ranne§. 


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|>«s  3t e$i  bet  3te0erfe|ttttg  iß  votfleßattett. 


*0 


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