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Full text of "Fritz Müller, Werke, Briefe und Leben"

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Fritz  Müller 

Werke,  Briefe  und  Leben 


Gesammelt  und  herausgegeben 
von 

Dr.  Alfred  Möller 


■1 


Erster  Band 

Gesammelte  Schriften 

soweit  sie  bereits  früher  im  Druck  erschienen  sind 

Mit  303  Abbildungen  im  Text  und  einem  Atlas  mit  85  Tafeln 

Text 

Abteilung  1: 

Arbeiten  aus  den  Jahren  1844—1879  (Nr.  1-124) 

(Seite  1-800) 
Mit  157  Abbildungen  im  Text  und  Tafel  1  —  57  im  Atlas 


Jena 

Verlag  von  Gustav  Fischer 
1915 


Verlag  Ton  GriistaT  Fischer  in  Jena. 


Morphologie  und  Biologie  der  Algen.  S.  !]e'r  BjL'nlk't  r*S^""'' 

sität  Freiburg  i.  Br.     Zwei  Bände.  Preis:  32  Mark. 

Erster  Band:  Spezieller  Teil.  Mit  3  farbigen  und  473  schwarzen  Abbild, 
im  Text.    1904.  "  Preis:  20  Mark. 

Inhalt:  I.  Chrysomonadineae.  II.  Keterocontae.  III.  Chryptomonadineae. 
IV.  I^uglenaceae.  V.  Dinoflagellata.  VI.  Aoontae.  VII.  Chlorophyceae.  VIII.  Phaeo- 
phyceae.     IX.  Rhodophyceae, 

Zweiter  Band:  Allgeineiiier  Teil:  Mit  3  Tafeln  und  150  Abbildungen  im 
Text.    1905.  Preis:  12  Mark. 

Inhalt:  I.  System  der  Algen.  II.  )ie  Entwicklung  der  Fortpflanzungs- 
organe. III.  Die  Algenzelle.  IV.  Die  ■  ihrung  der  Algen.  V.  Die  Lebens- 
bedingungen. VI.  Vegetationsperioden.  ^il.  Keizorschoinungen.  VIII.  Polimor- 
phisnuis.  IX.  Generation.-^wechsel.  X.  Au-iassungen.  XI.  Hilfsmittel  und  Arbeits- 
methoden. 

Zeitschrift  für  Physiologie,  Bd.  VII,  Heft  2/3: 

.  .  .  Jedem,  der  über  Algen  arbeitet,  wird  dieses  großangelegte  Werk  ein  un- 
entbehrlicher Wegweiser  sein. 

Oesterreich.  botanische  Zeitschrift,  1905,  Nr.  12: 

Wie  der  erste  Band  enthält  auch  der  zweite  eine  Fülle  von  Angaben ;  er  be- 
weist sorgfältigste  Literaturbenützung  und  eigene  Untersuchungen.  Wir  besitzen 
nunmehr  in  dem  Oltmannschen  Buche  eine  ungemein  w  ertvolle  Zusam  men- 
fassung  der  die  Algen  betreffenden  morphologischen,  entwicklungsgeschichtlichen 
und  ökologischen  Kenntnisse.  W et t stein. 

Naturwissenschaftliche  Wochenschrift,  vom  28.  Januar  1906: 

.  .  .  Ein  mustergültiges  Kompendium   für   jeden,    der   sich    um  Algen 
kümmert  oder  etwas  wesentliches  von  ihnen  zu  erfahren  wünscht. 


niP   RpnnranhiP    ripr    FarnP     ^'""  ^    Christ,  Basel.     Mit  einem  Titelbild, 

Ulb   Ueuyrctpiim    Uei     rcirilb.    i^ü  Abbildungen     (meist    nach    Originalphoto- 

graphien)  im  Text  und  3  Jvarten.  1910.  Preis:  12  Mark. 

I.  Teil:  Die  Farne  unter  den  Einflüssen  von  Boden  und  Klima. 
Die  Farne  als  mesotherme  Hygrophyten  und  als  Xerophyten. 

II.  Teil:     Die  Farnfloren.     1.  Grundlagen   der  Florislik.     2.  Die  Floren- 
gebiete.     3.    Florengeschichtlicher    Ueberblick.     —    Einige    Literaturnachweise.    - 
Erläuterungen  zu  den  Karten. 

Geographische  Zeitschrift,  17.  Jahrg  ,  1911,  4.  Heft: 

Wie  kaum  ein  zweiter  war  der  Verf.  berufen,  die  geographische  Verbreitung 
der  Farne  in  zusammenhängender  Darstellung  zu  geben.  Ein  Studium  von  mehr 
als  30  Jahren  verschaffte  ihm  die  erforderliche  Spezialkeniitnis  und  eine  er^taun- 
liche  Vertrautheit  mit  den  Lokalfloren  aller  Länder.  So  tritt  das  neue  Werk  des 
Verf.  in  vollendeter  Form  uns  entgegen,  gediegen  im  Inhalt,  glänzend  in  der  Dar- 
stellung, reich  ausgestattet  mit  Bildern,  die  volles  Lob  verdienen.  F.  l'ax. 

nio  roi*nLi*Qii1-oi*  Hol»  ITrHo     Beschreibende  Darstellung  der  Geschlechter  und 
Uie  rdlllMdUlCI    Uei    Ciue.    .vichtigeren    Arten    der  Farni)flanzen.     Mit    be- 
sonderer  Berücksichtigung  der   Exotischen.     Von    H.  Christ,   Basel.     Mit  291 
Abbildungen.     1897.  '  Preis:  12  Mark. 

Englers  botanische  Jahrbücher,  1898,  Bd.  26,  Heft  1: 

Wer  sich  in  die  Kenntnis  der  Farne  einarbeiten  und  kleinere  Bammlungen  da- 
nach ordnen  will,  wird  das  Buch  mit  großem  Vorteil  gebrauchen.  Namentlich  ist 
es  zur  Einführung  für  Gärtner  besonders  geeignet. 

Boden  und  Klima  auf  kleinstem  Raum.  l'^rL'tJ^^s"  !:'t. 

Weilenkalk.     Von    Dr.  Gregor  Kraus,    Professor    der  Botanik.     Mit  1   Karte, 
7  Tafeln  und  5  Abbildungen  im  Text.     1911.  Preis:  8  Mark. 

Inhalt:  Einleitung.  I.  Das  Karbonat  des  Wellenkalkbodens:  1.  Das  Mutter- 
gestein. 2.  Der  Boden.  —  II.  Bodenphysikalisches  und  Klimatisches:  1.  Bodenbau 
(Morj)hologie  des  Bodens):  Boden])rofil.  Körnung  (Körnigkeit)  des  Bodens.  2.  Wasser- 
gehalt des  Bodens.  --  HI.  Temperatur.  —  IV.  Hygrometrisches.  —  V.  Anemoinetrie. 
—  Literatur. 

Botanisches  Z  entralh  latt,  Bd.  117,  Nr.  18: 

Die  Arbeit  bedeutet  einen  großen  Fortschritt  in  der  Forschungsmethode  und 
in  unserem  Verständnis  für  die  Ursachen  der  Pflanzenverteilung.  Der  Verf.  zeigt 
unter  Mitteilung  eines  großen  in  jahrelangen  Studien  in  günstigem  Gelände  am 
Uebergang  des  Spessartsandsteins  in  dem  Wellenkalk  des  Maintales  gewonnenen 
Materials,  daß  a,uf  kleinstem  Kaum  in  der  Natur  eine  unendliche  Mannigfaltigkeit 
chemisch  und  physikalisch  verschieden  gebauter  Standorte  gegeben  ist,  deren  Be- 
schaffenheit   für  die  Pflanzenverteilung  maßgebende  Bedeutung  besitzt.     Büsgen. 


Fritz  Müller 

Werke,  Briefe  und  Leben 

Gesammelt  und  herausgegeben 


' von 

B  Dr.  Alfred  Möller 


s^m°  Erster  Band 

^5 5        Gesammelte  Schriften 

^^  soweit  sie  bereits  früher  im  Druck  erschienen  sind 

"^^  Mit  303  Abbildungen  im  Text  und  einem  Atlas  mit  85  Tafeln 

Text 

Abteilung  1: 

Arbeiten  aus  den  Jahren  1844—1879  (Nr.  1-124) 

Seite  1-800 
Mit  157  Abbildungen  im  Text  und  Tafel  1-57  im  Atlas 


Jena 

Verlag  von  Gustav  Fischer 
1915 


Alle  Rechte  vorbehalten 


11^3 


Vorwort 


Es  war  mir,  dem  unterzeichneten  Herausgeber,  vergönnt,  drei  Jahre  lang 
(1890 — 93)  in  Bhimenau,  dem  langjährigen  Wohnorte  Fritz  Müllers,  botanisch- 
mykologischen  Arbeiten  mich  widmen  zu  dürfen.  Fritz  Müller,  dem  ich  durch 
verwandtschaftliche  Beziehungen  nahestand,  führte  mich  in  den  Tropenwald  der 
südbrasilianischen  Küste  ein,  nahm  an  meinen  Arbeiten,  die  er  in  jeder  Hinsicht 
zu  fördern  suchte,  den  lebhaftesten  Anteil  und  war  mir  in  fast  täglichem  Verkehr 
ein  immer  gleich  gütiger  und  bereitwilliger  Lehrer  und  väterlicher  Freund.  So 
lernte  ich  den  großen  Biologen,  den  genialen  Beobachter  der  lebenden  Natur 
persönlich  kennen,  lieben  und  verehren. 

So  gewissenhaft  Fritz  Müller  in  der  täglichen  Aufzeichnung  seiner  Be- 
obachtungen war,  so  gern  er  über  sie  sprach  und  in  Briefen  an  gleichstrcbende 
Naturforscher  in  aller  Welt  rückhaltlos  berichtete,  so  wenig  kümmerte  ihn  das 
weitere  literarische  Schicksal  dieser  Mitteilungen.  Ein  Meister  der  Sprache,  der 
deutsch,  englisch  und  portugiesisch  in  gleicher  Gewandtheit  und  Vollendung 
schrieb,  spanische,  französische,  dänische,  schwedische,  italienische,  ungarische  Ar- 
beiten ohne  sichtliche  Mühe  mit  Freuden  las,  verstand  er  es  ausgezeichnet,  die 
Ergebnisse  langer  mühsamer,  oft  Tage  und  Jahre  umfassender  Beobachtungen  in 
knappster  Form  zusammenzufassen,  und  ein  einfacher  Brief  auf  dünnem,  mit  seiner 
kleinen  klaren  Schrift  bis  zum  äußersten  Rande  gefülltem  Ueberseepapier  trug 
oftmals  wertvolle  wissenschaftliche  Arbeit  zu  irgendeinem  literarischen  Freunde, 
dem  die  Veröffentlichung  überlassen  blieb.  Nie  hat  Fritz  Müller  Korrekturen 
der  unter  seinem  Namen  veröffentlichten  Abhandlungen  und  Abbildungen  ge- 
sehen, und  so  ist  es  nicht  zu  verwundern,  daß  er  sich  häufig  über  allzu  viele  oder 
sinnstörende  Druckfehler  und  über  mangelhafte  Wiedergabe  seiner  Zeichnungen 
zu  beklagen  hatte.  Weit  störender  war  es  für  alle  Verehrer  des  großen  Natur- 
forschers, daß  infolge  der  geschilderten  Umstände  seine  reiche  Lebensarbeit  in 
beispielloser  Weise  in  alle  Winde  zerstreut  wurde,  und  daß  manch  reicher  Schatz 
nur  in  Briefen  niedergelegter  Beobachtungen  der  Oeffentlichkeit  ganz  vor- 
enthalten blieb. 

Bei  dem  hohen  Ansehen,  welches  Fritz  Müllers  Name  im  Laufe  der 
Jahre  sich  in  der  ganzen  Welt  erwarb,  wurde  der  wesentliche  Inhalt  seiner  ge- 
druckten Abhandlungen  freilich  in  weiteren  Kreisen  bekannt;  die  Urschriften 
aber,   in   viele  Jahrgänge   vieler  Zeitschriften  zerstreut,   blieben  denen  schwer  zu- 


l\T  Vonvort. 

gänglich,  die  sie  gründlich  studieren,  nachprüfen  oder  aus  ihnen  die  dort  so 
reichlich  gebotene  Anregung  zu  weiteren  Beobachtungen  schöpfen  wollten.  Ein 
Ueberblick  über  den  unendlich  reichen  Gesamtertrag  dieses  ganz  der  Natur- 
forschung geweihten  Lebens  war  überhaupt  unmöglich. 

Als  im  Mai  1897  Fritz  Müller  die  Augen  für  immer  geschlossen  hatte, 
erstand  vor  mir  gleich  einer  moralischen  Pflicht  die  Aufgabe,  alles  zu  sammeln, 
was  er  an  wissenschaftlichen  Mitteilungen  hinterlassen  hatte,  und  über  seinen 
eigenartigen  Lebens-  und  Entwicklungsgang  die  noch  erreichbaren  Nachrichten 
zu  gewinnen,  damit  es  dereinst  vielleicht  möglich  würde,  diesem  deutschen  Forscher 
in  fremden  Landen  in  der  deutschen  Literatur  ein  würdiges  Denkmal    zu  setzen. 

Meine  seit  nunmehr  17  Jahren  fortgesetzten  Sammlungen  hatten  sich  all- 
mählich der  erreichbaren  Vollständigkeit  genähert.  Die  Briefe  wissenschaftlichen 
Inhalts  waren  von  den  Empfängern  meist  gesammelt  und  sorgsam  aufbewahrt; 
sie  wurden  mir  für  den  beabsichtigten  Zweck  bereitwillig  zur  Verfügung  gestellt. 
Der  ursprüngliche  Plan,  mit  der  Veröffentlichung  dieser  Briefe  zu  beginnen,  er- 
wies sich  aber  bald  als  unausführbar.  Vielfach  war  der  Inhalt  der  Briefe  ganz, 
noch  öfter  teilweise  in  den  gedruckten  Aufsätzen  enthalten,  dann  wieder  war 
zum  Verständnis  ein  Hinweis  auf  diese  unerläßlich.  Man  mußte  also  die  ge- 
druckten Arbeiten  sämtlich  zur  Hand  haben,  wenn  unnötige  Wiederholungen 
vermieden  und  die  Briefe  in  nutzbringender  Form  der  Allgemeinheit  zugänglich 
gemacht  werden  sollten.  Es  sind  nun  im  ganzen  250  gedruckte  Abhandkmgen 
aufgefunden  und  in  diesem  Bande  vereinigt  worden.  Von  ihnen  ist  nur  eine: 
„Für  Darwin"  selbständig  im  Buchhandel  erschienen.  Die  übrigen  sind  auf  36 
verschiedene  deutsche  und  ausländische  Zeitschriften  und  Vereinsberichte  und  auf 
sehr  viele  Jahrgänge  derselben  verteilt.  Es  wäre  unmöglich  gewesen,  all  diese 
zum  Teil  schwer  zugänglichen  Bände  auf  lange  Zeit  zur  Verfügung  zu  haben. 
So  ergab  sich  der  nun  zur  Ausführung  in  Angriff  genommene  Plan  der  Arbeit. 
Die  gedruckten  Abhandlungen  Fritz  Müllers  mußten  zuerst  gesammelt  heraus- 
gegeben werden,  für  die  Folge  ist  dann  die  Veröffentlichung  der  Briefe  und 
die  Schilderung  des  Lebensganges  in  Aussicht  genommen. 

Inzwischen  stellte  mich  mein  Beruf  vor  neue  Aufgaben ,  welche  meine 
Zeit  und  Kraft  völlig  in  Anspruch  nahmen  —  Wohl  war  eine  Zusammen- 
stellung der  gedruckten  Abhandlungen  schon  von  Loew  (Ber.  der  Deutschen 
Botan.  Ges.  1897  Bd.  XV  S.  24)  mit  1 10  Nummern,  von  Ludwig  (Botanisches 
Centralblatt  1897)  mit  100  Nummern  veröffentlicht,  meine  eigenen  Nach- 
forschungen hatten  manches  hinzugefügt;  um  aber  die  mögliche  Vollständigkeit 
zu  erreichen,  war  planmäßige  Arbeit  in  einer  großen  Bibliothek  erforderlich. 
Um  Verhandlungen  mit  einem  Verlage  zu  beginnen,  mußte  auch  der  Umfang 
der  einzelnen  Schriften  festgestellt  und  die  Zahl  der  vorhandenen  Abbildungen 
und  Tafeln  ermittelt  werden.  Da  hatte  ich  das  Glück,  in  meinem  Assistenten, 
Herrn  Forstassessor  Bandow,  die  zur  Vollendung  der  Arbeit  unentbehrliche 
Hilfe  zu  gewinnen.  Bandow  hatte  sich  mit  dem  Lebensgange  und  der  Lebens- 
arbeit Fritz  Müllers  vertraut  gemacht  und  bald  für  die  zu  leistende  Arbeit 
ein  lebhaftes  Verständnis  und  freudige  Begeisterung  entwickelt.  Er  arbeitete 
längere  Zeit  in  der  Berliner  Bibliothek,  und  seinen  emsigen  selbstlosen  Bemühungen 
war  es  zu  danken,   daß  im  Laufe   weniger  Monate   die  Sammlung  so  vollständig 


Vorwort.  -y 

wurde,  wie  sie  nun  vorliegt.  Auch  weiterhin  widmete  er  sich  der  einmal  über- 
nommenen Aufgabe  mit  der  ihm  eigenen  peinlichen  Gewi.ssenhaftigkeit  und  bis 
zum  31.  Juli  19 14,  bis  zum  Beginn  der  Arbeit  über  Trichodactylus  (S.  1171)  sah 
er  sie  nach  und  nach  entstehen,  alle  Korrekturen  lasen  wir  gemeinsam.  Die 
Pflicht  der  Dankbarkeit  gebietet,  dem  treuen  Mitarbeiter  und  lieben  Freunde,  der 
sein  junges  Leben  dem  Vaterlande  gab,  an  dieser  Stelle  ein  Denkmal  zu  setzen 
das  seinen  Namen  allen  denen  aufbewahrt,  die  aus  den  Gesammelten  Schriften 
Fritz  Müllers  Belehrung  und  Anregung  schöpfen  werden. 

Max  Bandow 

wurde  am  28.  Juni  1881  zu  Oppeln  als  Sohn  des  verstorbenen  Baurats  Bandow  ge- 
boren, besuchte  das  Gymnasium  seiner  Vaterstadt  und  das  Falck-Realgymnasium  zu 
Berlin,  welches  er  im  Herbst  igoo  mit  dem  Zeugnis  der  Reife  verließ.  Er  widmete 
sich  der  preußischen  Forstverwaltungslaufbahn,  studierte  zunächst  zwei  Semester  Rechts- 
und Staatswissenschaften  in  Berlin  und  besuchte  dann  die  Forstakademie  Eberswalde. 
Nachdem  er  im  Sommer  1904  das  Forstreferendarexamen  bestanden  halte,  diente  er 
als  Einjährig-Freiwilliger  beim  Garde-Schützenbataillon,  studierte  fernere  zwei  Semester 
Rechts-  und  Staatswissenschaften  in  Berlin  und  fcirderte  seine  forstliche  Ausbildung 
in  der  vorgeschriebenen  zweijährigen  praktischen  Tätigkeit  in  verschiedenen  preußischen 
Oberförstereien.  Nach  bestandenem  Forstassessorexamen  im  Frühjahr  1908  war 
Bandow  zunächst  Assistent  an  der  forstlichen,  sodann  seit  191 1  an  der  mykologischen 
Abteilung  der  Hauptstation  des  forstlichen  Versuchswesens  zu  Eberswalde.  Bandow 
war  seit  19 10  verheiratet  und  hinterließ  seine  Witwe  mit  einem  beim  Tode  des 
Vaters  ein  Jahr  alten  Sohne  Albrecht. 

Ausgestattet  mit  einer  guten  Beobachtungsgabe  und  bemerkenswerter  Hand- 
geschicklichkeit, vor  allem  aber  mit  einer  nie  nachlassenden  Gewissenhaftigkeit  und 
Zuverlässigkeit,  fand  er  in  den  Aufgaben  der  mykologischen  Abteilung  ein  ihn  bald 
lebhaft  erfreuendes  Arbeitsgebiet,  auf  dem  er  manche  schöne  Erfolge  erreichte.  Da- 
neben aber  widmete  er  sich  mit  großer  Hingabe  der  Arbeit  für  die  Herausgabe  der 
vorliegenden  gesammelten  Schriften  Fritz  Müllers,  und  seiner  fleißigen  Tätigkeit  war 
es  zu  danken,  daß  die  im  Herbst  19 13  begonnene  Drucklegung  ohne  wesentlichen 
Aufenthalt  fortschreiten  und  binnen  Jahresfrist  nahezu  vollendet  werden  konnte. 

Unmittelbar  aus  der  friedlichen  Arbeit  des  ihm  lieb  gewordenen  Laboratoriums 
rief  ihn  der  Mobilmachungsbefehl  am  2.  August  nach  Orteisburg  zum  i.  Jäger- 
bataillon, als  dessen  Reserveoffizier  er  ins  Feld  an  die  russische  Grenze  rückte.  Am 
22.  und  23.  August  lag  die  2.  Kompagnie,  welcher  Bandow  angehörte,  in  Schützen- 
gräben vor  dem  Dorfe  Lahna  mit  der  Front  nach  Neidenburg.  Am  23.  mußte^  sidi 
die  Kompagnie  ihrem  Auftrage  gemäß  nach  Eintreffen  stärkerer  feindlicher  Kräfte 
durch  das  Dorf  nach  Norden  auf  "die  Brigade  zurückziehen.  Hierbei  kam  es  in  Lahna 
zu  einem  heftigen  Nah-  und  Nachtkampf.     Dort  fiel  Bandow,  sofort  t()dlich  getroffen. 

Russische  Hände  bereiteten  ihm  auf  deutschem  Boden  dicht  beim  Dorfe  Lahna 
das  Heldengrab. 

Die  Drucklegimg  des  Werkes  ist  in  erster  Linie  dem  verständnisvollen 
Entgegenkommen  des  Verlages  zu  danken.  Trotz  weitgehenden  Entgegen- 
kommens der  Verlagsfirma  war  indessen  ohne  erhebliche  Zuschüsse  unser  Plan 
nicht  zu  verwirklichen.  Mußten  doch  allein  85  Tafeln  neu  hergestellt  werden. 
Die  erforderlichen  Zuschüsse  sind  von  dem  Herrn  Kultusminister,  von  dem 
Herrn  Landwirtschaftsminister  und  aus  den  Mitteln  der  Albert  Samson-Stiftung 
gegeben  worden. 


"yj  Vorwort. 

Für  die  Förderung  und  tatkräftige  Unterstützung  des  Werkes  habe  ich  daher 
Seiner  Exzellenz  dem  IMinister  der  geistlichen  und  Unterrichtsangelegen- 
heiten Herrn  von  Trott  zu  Solz, 
Herrn    Ministerialdirektor   Wirklichen    Geheimen    Oberregierungsrat    Dr. 

Schmidt, 
Herrn  Geheimen  Regierungsrat  Professor  Dr.  Krüß, 
Seiner  Exzellenz  dem  Minister  für  Landwirtschaft,  Domänen  und  Forsten 

Freiherrn  von  Schorlemer, 
Seiner  Exzellenz   dem  Ministerialdirektor   und   Oberlandforstmeister  a.  D. 

Herrn  Wesener, 
dem  Herrn  Regierungs-  und  Forstrat  Gernlein, 

sodann   dem   Kuratorium   der   Albert   Samson-Stiftung   und   insbesondere 
Herrn  Geheimen  Obermedizinalrat  Professor  Dr.  Waldeyer 
den  ehrerbietigsten  und  herzlichsten  Dank  zu  sagen. 

Es  lag  der  Gedanke  nahe,  Fritz  Müllers  Arbeiten  in  zoologische  und 
botanische  zu  trennen  und  so  gesondert  zum  Druck  zu  bringen.  151  könnten 
als  überwiegend  zoologisch,  83  als  botanisch  bezeichnet  werden,  5  gehören  eben- 
sowohl der  einen,  wie  der  anderen  Richtung  an ;  etwa  1 1  Arbeiten  blieben  dann 
noch  in  unsicherer  Stellung,  Aber  Fritz  Müllers  Arbeit  weilte  mit  besonderer 
Liebe  auf  den  Grenzgebieten  botanischer  und  zoologischer  Forschung;  die  Be- 
ziehungen der  Blumen  zu  den  Insekten,  die  Feigenwespen,  die  Ameisen  der 
Cecropien  beschäftigten  ihn  auf  das  lebhafteste,  und  was  er  hierüber  schrieb, 
hätte  man  doppelt  drucken  müssen.  Bald  entschied  ich  mich  dafür,  alle  Arbeiten 
in  der  durch  die  Zeit  der  Veröffentlichung  gegebenen  Reihenfolge  zu  ordnen, 
dies  um  so  mehr,  weil  dabei  das  Lebenswerk  des  großen  Naturforschers  auf  das 
getreueste  zum  Spiegelbilde  seiner  Lebensgeschichte  wird. 

Im  Anfange  des  brasilianischen  Aufenthaltes  war  seine  Arbeit  ganz  der 
Meeresfauna  gewidmet;  später,  als  er  seinen  Wohnsitz  mehr  ins  Innere  des 
Landes  verlegte,  stehen  die  Blütenbiologie,  Bef ruchtun gs versuche,  Vererbungs- 
erscheinungen (Abutilon)  im  Mittelpunkte  seiner  nie  ruhenden  Tätigkeit.  Viele 
Jahre  wurden  dann  der  Beobachtung  der  Insekten,  zuerst  der  Termiten,  dann 
der  stachellosen  Honigbienen  gewidmet;  gegen  Ende  der  70er  Jahre  folgen 
die  überraschenden  Entdeckungen  über  Duftorgane  der  Schmetterlinge.  Diese 
wurden  abgelöst  von  den  unendlich  mühsamen,  aber  höchst  erfolgreichen  Studien 
über  die  Phryganiden,  von  denen  die  über  Steingeröll  zu  Tale  springenden  Urwald- 
bäche Blumenaus  ein  ungeahnt  reiches  Beobachtungsmaterial  lieferten.  In  die 
80er  Jahre  fallen  die  Beobachtungen  von  Feigeninsekten.  Dann  aber  wendet 
sich  Fritz  Müller  im  Alter  wieder  der  „scientia  amabilis"  zu.  Die  Fülle  der 
Bromelien  hatte  seine  Aufmerksamkeit  erregt,  mit  Hilfe  seiner  scharfäugigen, 
klettergewandten  Enkel  sammelte  er  aus  den  Baumkronen  die  vielgestaltigen 
Formen,  die  ihn  während  seiner  letzten  Lebensjahre  vollauf  beschäftigten. 

Das  Bild  seines  Lebens,  welches  durch  die  Reihenfolge  seiner  Arbeiten  dar- 
gestellt wird,  sollte  nicht  zerstört  werden. 

Daß  die  Arbeiten  so,  wie  sie  geschrieben  waren,  zum  Teil  also  englisch, 
französisch  und  portugiesisch  wiedergegciben  werden  mußten,  konnte  nicht  zweifel- 
haft  sein.     Um   sie  aber  der  Wissenschaft  wirklich  nutzbar  zu  machen,    erschien 


Vorwort.  VII 

eine  Uebersetzung  zum  mindesten  der  portuiriesischen  Arbeiten  erwünscht.  Die 
Abhandlung  über  die  Gehäuse  der  Trichopterenlarven  (S.  694  ff.)  hatte  schon 
Hermann  Müller,  der  Bruder,  im  Jahre  1880  für  die  Zeitschrift  für  wissen- 
schaftliche Zoologie  übersetzt;  hier  wurde  der  deutsche  Text  neben  den  portu- 
giesischen gesetzt.  Dil  diese  Anordnung  dem  Zwecke  am  besten  zu  dienen  schien, 
wurde  sie  auch  für  die  späteren  umfangreichen  Abhandlungen  aus  den  Archivos 
do  Museu  Nacional  gewählt. 

Inzwischen  waren  nun  schon  mehrere  portugiesische  Abhandlungen,  ins- 
besondere diejenigen  über  die  Duftorgane  der  Schmetterlinge,  ganzseitig  gedruckt. 
Ihre  deutschen  Uebersetzungen  wurden  daher  in  einem  Anhange  angefügt. 

Bei  der  Uebersetzung  hat  Herr  E.  Ule,  zurzeit  in  Berlin,  in  bereitwilligster 
Weise  seine  Hilfe  geliehen,  wofür  ich  hier  den  herzlichsten  Dank  ausspreche. 
Indessen  sind  seine  Uebersetzungen  von  mir  so  stark  überarbeitet  worden,  daß 
ich  für  die  neu  gewählte  Fassung  und  etwaige  Irrtümer  ebenso  wie  für  die  von 
mir  allein  übersetzten  Arbeiten  (Nachtrag  zum  Inhaltsverzeichnis  a — f)  auch  allein 
die  Verantwortung  tragen  muß. 

Offensichtliche  Druckfehler  habe  ich  überall  ohne  weitere  Bemerkung  be- 
richtigt. In  vielen  zweifelhaften  Fällen  durfte  ich  mich  mit  Rückfragen  an 
Herrn  Prof.  Dr.  G.  W.  Müller  in  Greifswald,  an  Herrn  Prof.  Dr.  G.  Lindau  in 
Berlin  und  auch  an  meinen  hiesigen  Kollegen  Herrn  Prof.  Dr.  Wolff  wenden, 
denen  ich  für  ihre  jederzeit  bereitwillig  geleistete  Hilfe  zu  Dank  verpflichtet  bin. 
—  Daß  trotz  aller  aufgewendeten  Mühe  Druckfehler  dennoch  durchgeschlüpft 
sind,  bitte  ich  mit  der  Schwierigkeit  der  Aufgabe  für  einen  durch  Amtspflichten 
gebundenen  Flerausgebcr  zu  entschuldigen. 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften  sind  zum  weitaus  größten  Teile  Tat- 
sachensammlungen. So  feinsinnig  und  anziehend  seine  Betrachtungen  über  die 
Tatsachen  und  ihre  Verknüpfung  auch  sind,  so  wenig  sie  fehlen,  da  wo  man  sie 
zu  erwarten  berechtigt  ist,  der  ihnen  gewidmete  Raum  ist  verschwindend  gering 
gegenüber  dem  durch  die  meisterhafte  Darstellung  der  Tatsachen  selbst  in  An- 
spruch genommenen.  Die  Zuverlässigkeit  und  Gewissenhaftigkeit  der  Beobachtung 
aber,  die  Schärfe  der  Prüfung  des  Beobachteten,  das  staunenswerte  Gedächtnis, 
welches  die  Vorstellung  des  Beobachters  mit  greifbar  deutlichen  Vergleichsbildern 
füllte,  der  Reichtum  seiner  Vorstellungsgabe,  die  durchaus  eigenartige  Versuchs- 
anstellung und  die  Unermüdlichkeit  in  deren  Verfolgung,  das  sind  die  großen 
Eigenschaften,  die  PYitz  Müller  zum  „Fürsten  der  Beobachter"  werden  ließen. 
Deshalb  können  seine  Arbeiten  nie  veralten,  und  dadurch  rechtfertigt  sich  ihre 
Sammlung  und  Herausgabe. 

Eberswalde,  im  Mai   1915. 

Dr.  Alfred  Möller. 


I  nhalts  -  Verzeichniss. 


Ueber  Hirudo  tessulata  und  margi- 
nata  O.  F.  Müller,      i   Textfig. 

De  Hirudinibus  circa  Berolinum  huc- 
usque  observatis 

Clepsine  costata,  neue  Art.    2  Textfigg. 

Ueber  Gammarus  ambulans,  neue  Art. 
3  Textfigg. 

Ueber  die  Geschlechtstheile  von  Clepsine 
und  Nephelis.     Taf.  I 

Bemerkungen  in  Betreff  des  Geschlechts- 
verhältnisses bei  den  Hirudineen 


13 


14 


17 


18 


Zur  Kenntniss  des  Furchungsprocesses 

im  Schneckenei.     Taf.  II 
Orchestia  Euchore  und  Gryphus,  neue 

Arten  aus  der  Ostsee,  Taf.  III, 
und 
Bemerkungen    zu    Zaddachs  Synopseos 

Crustaceorum    Borussicorum  prodro 

mus 
Ueber  die  Begattung  der  Clepsine  com- 

planata  Sav. 

Tanais  Rhynchites  und  balticus,  neue] 
Arten  aus  der  Ostsee.    Taf.  IV  i  —4 

Eine  Beobachtung  über  die  Beziehung 
der  Gattungen  Caligus  und  Chalimus. 
Taf.  IV  5—6 

Beiträge  zur  Kenntniss  der  Landplana- 
rien 


Lumbricus  corethrurus,  Bürstenschvvanz 

Einiges  über  die  Annelidenfauna  der 
Insel  Sa.  Catharina  an  der  brasi- 
lianischen Küste.     Taf.  V,  VI. 

Die  Magenfäden  der  Quallen 


Archiv    für     Naturgesch. 
1844  I 


Ebenda   1846  I 
Ebenda   1846  I 

Müllers  Archiv  für  Ana- 
tomie 1846 

Steenstrup, Untersuch,  üb. 
das  Vorkommen  des 
Hermaphroditismus  in 
der  Natur,  aus  d.  Däni 
sehen  übersetzt  von  C. 
Hornschuch ,  Greifs- 
wald  1846 

Archiv  für  Naturgesch 
1848  I 

Ebenda   1848  I 


Ebenda  i< 


Zeitung  f.  Zoologie,  Zoo- 
tomie  u.  Paläozoologie 
V.  d'Alton   1849  I 

Archiv  für  Naturgesch 
1852   I 

Ebenda  1852  I 


Abhandl.  d.  Naturforsch 
Ges.    in    Halle     1856 
Bd.   4 

Archiv    für    Naturgesch. 

1857  I 
Ebenda  1858  I 


Dissertation  Berlin   1844 


Zeitschr.  f.  wissenschaftl. 

Zoologie    1858  IX 
Abhandl.  d.  Naturforsch. - 

Ges.  in  Halle   1859  V 


Zwei  neue  Quallen  von  Santa  Catha-i 
rina,  Tamoya  haplonema  und  quadru-1 
mana.     Taf.  VII,  VIII,  IX 

Polypen  und  Quallen  von  Santa  Catha- 
rina. Die  Formwandlungen  der  Li- 
riope  catharinensis  n.  sp.    Taf.  X,  XI 

Polypen  und  Quallen  von  Santa  Catha-sEbenda   1860  I 
rina.      Philomedusa     Vogtii     n.    sp.i 
1  Textfig.  I 


Archiv    für    Naturgesch, 
1859  I 


Für  sich  gedruckt  bei  H.  W.  Schmidt 
Halle  1857;  s.  auch  Ann.  and 
Mag.  of  Nat.  History  1857  XX 
p.    I  — 12. 

s.  auch  Ann.  and  Mag.  of  Nat.  His- 
tory 1857  XX  p.   13—15 


s.  auch  Ann.  and  Mag.  of  Nat.  His- 
tory  1859  p.  446—447 

Für  sich  gedruckt  bei  H.  W.  Schmidt 
Halle   1859 


s.  Ann.  and  Mag.  of  Nat.  History 
1860  p.  432—436 


I 
6 

23 
26 

30 
36 


40 
44 

50 

52 

56 
59 

61 

75 
76 

83 

85 

93 


Inhalts- Verzeichniss. 


IX 


Beschreibung  einer  Brachiopodenlarve. 
Taf.  XII 

Das  Kolonialneivensystem  der  Moos- 
thiere  nachgewiesen  an  Serialaria 
Coutinhii  n.  sp.    Taf.  XIII -XIV 


Cunina  Köllikeri  n.  sp.    Taf.  XV 

Die  Brachiopodenlarve  von  Santa  Ca- 
tharina.     2.  Beitrag 

Ueber  die  systematische  Stellung  der 
Charybdeiden 

Polypen  und  Quallen  von  Santa  Catha- 
rina.  Olindias  sambaquiensis  n.  sp. 
Taf.  XVI 

Ueber  die  angebliche  Bilateralsym- 
metrie der  Rippenquallen 


Die  Rhizocephalen,  eine  neue  Gruppe 
schmarotzender  Kruster.     Taf.  XVII 

Entoniscus  Porcellanae,  eine  neue 
Schmarotzer-Assel.    Taf.  XVIII 

Die     Verwandlung     der     Porcellanen. 

Taf.  XIX 
Bruchstück  zur  Entwicklungsgeschichte 

der  Maulfüsser.     Taf.  XX 

Ein  zweites  Bruchstück  aus  der  Ent- 
wicklungsgeschichte der  Maulfüsser. 
Taf.  XXI 

Die  Verwandlung  der  Garneelen.  Erster 
Beitrag.     Taf.  XXII 

Die  zweite  Entwicklungsstufe  dei 
Wurzelkrebse  (Rhizocephalen).  Taf. 
XXIII 

Ueber  die  Ursache  der  Strömungen  in 
der  Leibeshöhle  der  Sertularinen 

Ueber  eigenthümliche  Gebilde  in  der 
Samenflüssigkeit  von  Janthina.  Taf. 
XXIV 

Observations  sur  la  Respiration  des 
Ocypodiens 

Ueber  den  Bau  der  Scheerenasseln 
(Asellotes  heteropodes  M.  Edw.) 

Ein  Wort  über  die  Gattung  Herklotsia 
J.  E.  Gray  u.  Nachtrag  dazu 

Für  Darwin.  Leipzig  bei  Engelmann 
1864.    67  Textfigg. 


Reichert  u.  Dubois-Rey- 
mond  Arch.  f.  Anatom, 
u.  Physiol.   1860 

Archiv  für  Naturgesch, 
1860  I 


Ebenda   1861  I 

Ebenda  1861  I 

Ebenda  1861  I 

Ebenda  1861  I 

Ebenda  1861  I 

Ebenda  1862  I 
Ebenda  1862  I 

Ebenda  1862  I 
Ebenda  1862  I 

Ebenda  1863  I 

Ebenda  1863  I 
Ebenda   1863  I 

Ebenda  1863  I 
Ebenda  1863  I 


Ann.  d.  sc.  nat.  1863 
4  Ser.  Zool.  Tome  20 
p.   272 

Archiv  für  Naturgesch. 
1864  I 

Ebenda  1864  I 


s.  Ann.  and  Mag.  of  Nat.  History 
1860  p.  310 

s.  auch  Anat.  Journ.  niicrosc.  Sc.  1861 
I  p.  300 — 305;  Ann.  des  sc. 
nat.  1862  IV  Scr.  Zool.  Tome  18 
p.  212;  Arch.  sc.  phys.  et  nat 
Gencve  1862  p.  179 — 180;  Fro- 
rieps  Notiz.  1861  III  p.  155  —  157; 
Arch.  per  la  zool.  1'  analomia  e 
fisiolügia   1861    I  p.    loo — 10 1 

s.  Arch.  sc.  phys.  et  nat.  Gcnöve 
1862  p.   101  — 102. 

s.  Ann.  and  Mag.  of  Nat.  Hist.  1861 
VIII  p.   505—506 

s.  wie  vor.   1862  X  p.  6 — 12 


s.  wie  vor.  1862  p.  475—479  und 
Arch.  sc.  phys.  et  nat.  Geneve  1862 
p.  376 — 378  s.  Ann.  and  Mag 
of  Nat.  Hist.   1862   p.   475 — 479 

S.Ann,  and  Mag.  of  Nat.  Ilist.  1862 
p.  44—50 

s.  wie  vor.  1862  p.  87 — 93  u.  Arch 
sc.    nat.    et    phys.    Gencve    1863 

P.  351--352 
s.  Ann.  and  Mag.   of  Nat.  History 

1863  p.  47-50 
s.  wie  vor.  1863  p.  13 — 19  u.  Arch. 

sc.    phys.    et    nat.    Gtneve   1863 

p.   196—197 


Ann.  and  Mag.  of  Nat.  History 
1864  XIV  p.   104— 115 


s.  Ann.  and  Mag.  of  Nat.  Hist. 
1864  XIV  p.  430—433;  Quart. 
Journ.  microscop.  Sc.  N.  Ser.  Vol. 

5   1865  p.  55 


Englische  Uebersetzung  von  Dallas, 
London  bei  Murr.iy  i8h9;  fran 
zösischcUei)ersetzung  von  Dcbray 
Bull,  scicnt.  DCp.  du  Nord  1883 
Auszüge:  Arch.  sc.  phys.  et  nat, 
Geneve  1865  p.  154—163;  Bibl 
Univ.  1865  Bull,  scient.  p.  154  ff.; 
Ann.  and  Mag.  of  Nat.  History 
1865  XV  p.  410—416 


116 

«-3 
126 

132 

137 

141 
147 

«53 
'57 

163 

167 
177 

«83 
«85 

18K 

190 

«94 
200 


X 


Inhalts- V  erzeich  ni  SS. 


d 

Titel 

Aus 

Bemerkungen 

'S 

39 

Description    of   a  new  Genus    of  Ani- 
phipod    Crustacea:     Batea    n.    gen. 
Taf.  XXV 

Ann.    and   Mag.  of  Nat. 
History    1865    XV    p. 
2-6—277 

— 

264 

40 

Ueber  Cuniaceen 

Arch.  f.Naturgesch  1865  I 

— 

266 

41 

Uebcr  die  Randbläschen  der  Hydroid- 
quallen.      i   Textfig. 

Schnitzes  Arch.  f.  mikro- 
skop.  Anatom.  1865  I 

— 

274 

42 

Ueber  Darwinella  aurea,  einen  Schwamm 
mit  sternförmigen  Hornnadeln.    Taf. 
XXVI 

Ebenda 

278 

43 

Notes  on  some  of  the  Climbing-PIants 

Journ.  Linn.  Soc.  of  Lon- 

s. Kosmos   1882/83    XII  p.  321  — 

285 

near  Desterro  in  South  Brazil.    Taf. 

don;  Bot.  1865 

329;    Bot.    Ztg.    1866  p.  57—60 

XXVII 

u.  65—69 

44 

Ueber    das  Holz  einiger    um  Desterro 

Botan.  Zeitung  1866    24. 

s.    Journ.     Linn.     Soc.     1865     IX 

289 

wachsender     Kletterpflanzen.      Taf. 

Jahrg. 

P-  344—349 

XXVIII 

45 

Ueber    die    Befruchtung    der    Martha 
(Posoqueria)  fragrans  nebst  Nachwort 
von    D.    F,    L.    von    Schlechtendal. 
Taf.  XXIX 

Ebenda 

299 

46 

Ueber  Baianus  armatus  und  einen  Ba- 

Archiv   für    Naturgesch., 

s.  Ann.  and  Mag.  of  Nat.  History 

307 

stard    dieser    Art    und    des    Baianus 

1867   I 

1868  p.  393—412 

improvisus  var.  assimilis  Darw.    Taf. 

XXX,  XXXI,  XXXII 

47 

Notizen    über    die    Geschlechtsverhält- 
nisse  brasilianischer  Pflanzen 

Botanische  Zeitung  1868 
Bd.  26 

— 

324 

48 

Befruchtungsversuche     an     Cipö     alho 
(Bignonia) 

Ebenda 

— 

327 

49 

Ueber    Befruchtungserscheinungen    bei 
Orchideen 

Ebenda 

— 

330 

50 

Exkursionsberichte  aus  Südbrasilien 

Flora   1869 

— 

332 

51 

Ueber        einige       Befruchtungserschei- 
nungen 

Botanische  Zeitung  1869 
Bd.   27 

— 

349 

52 

Ueber  eine  dimorj^he  Faramea 

Ebenda 

— 

351 

53 

Umwandlung  von  Staubgefässen  in  Stem- 
pel   bei    Begonia.      Uebergang    von 
Zwitterbliithigkeit  in  Getrenntblüthig- 
keit    bei     Chamissoa.       Triandrische 
Varietät    eines    monandrischen    Epi- 
dendram.     Taf.  XXXIII 

Botanische  Zeitung  1870 
Bd.  28 

355 

54 

On  the  Modification  of  the  Stamens  in 
a  Species  of  Begonia.     5  Textfig. 

Journ.  Linn.  Soc.    (Bot.) 
1871   XI 

s.  auch  No.  53 

358 

55 

Botanische  Notizen 

Botanische  Zeitung  1870 

— 

360 

56 

Die  Bewegung  des  Blüthenstieles   von 
Alisma 

Jen.  Zeitschr.    f.    Natur- 
wissenschaft  1870  V 

— 

363 

57 

Bemerkungen     über    Cypridina.      Taf. 
XXXIV,  XXXV 

Ebenda   1870  V 

— 

367 

58 

Bruchstücke    zur    Naturgeschichte    der 
Bopyriden.    Taf.  XXXVI,  XXXVII 

Ebenda   1871   VI 

— 

384 

59 

Ueber    den  Trimorphismus  der  Ponte- 
derien.     4  Textfigg. 

Ebenda  187 i   VI 

— 

400 

60 

Remarks  on  some  white  Ants 

Proc.  Bost.  Soc.  of  Nat. 
Hist.   187 1 

— 

404 

61 

Bestäubungsversuche  an  Abutilon-Arten 
I  u.  II.      1 2  Textfigg. 

Jen.  Zeitschrift  f.  Natur- 
wissenschaft 1873  VII 

— 

405 

62 

Beiträge  zur  Kenntniss    der  Termiten. 

Ebenda    1873    VII    und 

s.  Arch.  phys.  et  nat.  Geneve  1874 

432 

I,  11  mit  Nachtrag,  III  und  Anhang, 

1875  IX 

p.     254 — 259;    Ann.    and    Mag. 

IV.     14  Textfigg.      Taf.  XXXVIII 

of  Nat.  History  1874  p.  202—204 

— XLIII 

und  Nature  1875  XII  p.   218 

63 

Larvae  of  Membracis  serving  as  Milk- 
cattle  to  a  Brazilian  species  of  Honey- 
bees.     7  Textfigg. 

Nature    1873    VIII    und 
1874  X 

481 

64 

Recent    researches     of    Termites    anc 
Honey-bees 

Nature   1874  IX 

s.  American  Naturalist    1874    VIII 
P-  554-556 

486 

65 

The  Habits  of  various  Insects 

Ebenda   1874  X 

— 

489 

Inhalts-Verzeichniss. 


XI 


Stachellose   brasilianische  Honigbienen 


Poeys  Beobachtungen  über  die  Natur- 
geschichte der  Honigbiene  von  Cuba. 
Melipona  fiilvipes  Gucr. 

Aus  Brasilien  (Meliponen) 

On    Brazil    Kitchen    Middens,    Habits 

of  Ants  etc. 
Einige  Worte  über  Leptalis.  2  Textfigg. 

Aeglea  Odebrcchtii  nov.  spec.  Taf-  XLI V 
Ueber  das  Haarkissen  am  Blattstiel  der 
Imbauba  (Cecropia),  das  Gemüsebeet 
der  Imbaubaameisc.     i   Textfig. 
Aus  Brasilien  (Meliponen) 

Ueber  Haarpinsel,  Filzflecke  und  ähn- 
liche Gebilde  auf  den  Flügeln  männ- 
licher Schmetterlinge 

Aus  einem  Briefe  Fritz  Müllers  aus 
Brasilien  (Flora  des  Hochlandes) 

A  correia^äo  das  flores  versicolores  e 
dos  insectos  pronubos 


As  maculas  sexuaes  dos  individuos 
masculinos  das  especies  Danais  Erip 
pus  e  D.  Gilippus.    Taf.  XLV 

Os  orgäos  odoriferos  das  especies  Epi 
calia  Acontius,  Linn.  e  de  Myscelia 
Orsis,  Drury.    Taf.  XLVI 


Os  orgäos  odoriferos  nas  pernas  de 
certos  Lepidopteros.  Supplemente 
Taf.  XLVH,   XLVni 

Tischgenossenschaft  zweier  Raupen 

Der  Minhocäo 

Nectar  absondernde  Drüsen,  mit  einer 

Erwiderung  von  Thomas  Belt 
Ueber   Blumen    und    Insekten.      Brief 

mit  Einleitung  von  Ch.  Darwin 

Maracujäfalter 


Die  Grannen  von  Aristida 

Beobachtungen  an  brasilianisch.  Schmet 
terlingen  I.  i.  Die  Flügeladern  der 
Schmetterlingspuppen.  2.  Die  Duft- 
schuppen der  männlichen  Maracujä- 
falter.    6  Textfigg. 

Fortsetzung  des  vorigen.  H.  3.  Die 
Duftschuppen  der  (^  von  Dione 
Vanillae.  4.  Kommt  auch  geschlecht 
liehe  Auswahl  von  Seiten  des  (^  vor? 
7  Textfigg. 

Fortsetzung  des  vorigen  HI.  5.  Acraea 
und  die  Maracujäfalter  als  Raupen, 
Puppen  und  Schmetterlinge.  4  Text 
figuren 


Der  Zoolog.  Garten  1875 


Ebenda 


Eichstädter     Bienenztg. 

1875   Bd.  31 
Nature  XHI   1876 

Jen.  Zeitschr.  1876  Bd.  10 

Ebenda 
Ebenda 


Eichstädter     Bienenztg. 

1877   Bd.   33 
Jenaische  Zeitschrift  1877 

XI 

Flora   1877 

Archiv,  do  ISIuseu  nacio- 
nal  do  Rio  de  Janeiro 
1877  II 

Ebenda  1877  II 


S.  Revisla  agticola  do  linp.  Insliluto 
Fluminensc  de  Agricollura  Rio 
de  Janeiro   1888  XIX   \).   76-84 

s.  Eichstädter  Bienenzeilung  1876 
Bd.  32  S.  91  —  94 


s.  American  Naturalist    1876  p.  534 
—  S36 


Ebenda 


Ebenda 


Der   Zoologische    Garten 

1877   18.  Jahrg. 
Ebenda 
Nature   1877   XVI 

Ebenda 


Stettiner    Entomol.    Ztg. 
1877  38.  Jahrg. 

Kosmos  1877  I 
Ebenda 


Ebenda  1877/78  II 


Ebenda 


s.  George  B.  Longstaff,  BuUerfly- 
Hunting  in  inany  lands,  London 
1912 


Deutsche Uebersetzung  s.auf  S.  1427 
dieses  Werkes ;  englische  Ueber- 
setzung bei  Longstaff,  Butterfly- 
Hunting  London   1912 

Deutsche  Uebersetzung  s.  S.  1432 
dieses  Werkes;  englische  Ueber- 
setzung bei  Longstaff,  Butterfly- 
Himting,  London   191 2 

Deutsche  Uebersetzung  s.  auf  S.  1436 
dieses  Werkes;  vgl.  auch  Kosmos 
1878/79  IV  S.  285-292;  eng- 
lische Uebersetzung  bei  Longstaff 
wie  vor. 

Deutsche  Uebersetzung  auf  S.  1440 
dieses  Werkes;  englische  bei 
Longstaff  wie  vor. 

s.  Nature  XV  p.  264;  F'icld  and 
Forest    II    1876/77    p.  217—218 


Uebersetzt  von  E.  Krause  (('anisl 
Sterne)  in  Ges.  kleinere  .Schriften, 
von    Ch.    Darwin     p.    220 — 221 

Uebersetzt  ins  Englische  bei  Long-: 
staff,  Bultcrfly-Hunling  in  nianyj 
lands,  London   19 12 

Englische  Uebersetzung  bei  Long- 
staff, Buttcrfly-IIunting  wie  oben 


Ebenda 


Ebenda 


492 
502 

5"7 
509 
Sil 

520 

528 

532 
534 

545 

547 


555 

559 

5«^7 

568 
572 

57<' 
579 


I583 
I  585 


593 


598 


XII 


Inhalts- Verzeichniss . 


6 

Titel 

Aus 

Bemerkungen                      -^ 

89 

Der    Rückschlag    der   Kreuzung    weit 
abstehender  Formen,     i   Textfig. 

Kosmos   1877/78  II 

— 

605 

90 

Der     sprachlose    Urmensch     und     die 
Sprachlosigkeit  der  Kinder 

Ebenda 

— 

608 

91 

Pflanzengattungen,    an   denen   mir  be- 
kannte Tagfalter-Raupen  leben 

Stettin.     Entomol.     Ztg. 
1878  39.  Jahrg. 

— 

611 

91a 

Proboscis  capable  of  sucking  the  Nectar 
of    Angrecum     sesquipedale.      (Erst 
nachträglich  aufgefundene  und  daher 
nicht    an    der  richtigen  Stelle  einge- 
reihte Veröffentlichung.  Der  Herausg.) 
I  Textfig. 

Nature   1873  VIII 

612 

92 

Scent-fans  of  a  Sphinx-moth.    i  Textfig. 

Proc.  Ent.  Soc.  Lond.  1878 

— 

615 

93 

Notes  on  Brazilian  Entomoiogy  (Odours 
emitted    by    Butterflies    and    Moths) 

Trans.  Entomol.  Soc.  Lon- 
don  1878 

— 

615 

94 

Os  orgäos     odoriferos     da    Antirrhaea 

Archiv,  do  Museu  Nacio- 

Deutsche  Uebersetzung  auf  S.  1448 

625 

Archaea  Hübner.     Taf.  XLIX 

nal  do  Rio  de  Janeiro 
1878  III 

dieses  Werkes;  englische  Ueber- 
setzung bei  Longstaff,   Butterfly- 
Hunting  in  many  lands,  London 
1912 
Deutsche  Uebersetzung  auf  S.  1454 

95 

A  prega  costal  das  Hesperideas.     Taf. 

Ebenda 

631 

L— LI 

dieses  Werkes ;  englische  wie  vor. 

96 

Macrosilia  cluentius 

Nature  Vol.  XVII   1878 

— 

639 

97 

Ueber  die  Naupliusbrut  der  Garneelen 

Zeitschr.  f.  Wissenschaft). 
Zoologie  1878  Bd.   30 

s.  Ann.  and  Mag  of  Nat.  Hist.   1878 
Vol.  I  p.  481 — 485,  Vol.  2  p.  426 
—427 

Englische    Uebersetzung  bei  Long- 

640 

98 

Die  Stinkkölbchen  der  weiblichen  Ma- 

Ebenda 

643 

racujäfalter.     Taf.  LH 

staff,  Butterfiy-Hunting,   London 

99 

Ueber  Numenia  Acontius 

Zool.  Anz.  1878  I.  Jahrg. 

191 2 

646 

100 

Ueber  Gerüche  von  Schmetterlingen 

Ebenda 



647 

lOI 

Ueber  die  Vortheile  der   Miniicry    bei 
Schmetterlingen 

Ebenda 

— 

648 

102 

Wo  hat  der  Moschusduft  der  Schwärmer 
seinen  Sitz? 

Kosmos  1878  III 

s.  Entomol.    Nachrichten    1878    4. 
Jahrg.  p.   109 

649 

103 

[n  Blumen  gefangene  Schwärmer 

Ebenda 

— . 

651 

104 

Blumen  der  Luft 

Ebenda 

— 

653 

105 

Die  Königinnen  der  Meliponen 

Ebenda 

— 

654 

106 

Hesperiden-Blumen  Brasiliens 

Ebenda  1878/79  IV 

— 

658 

107 

On   a    remarkable   case   of  mimicry  of 
Eueides  pavana  with  Acraea  Thalia 

Trans.  Entom.  Soc.  Lon- 
don  1879  Proc.  II 

— 

659 

108 

Epicalia  Acontius.    Ein  ungleiches  Ehe- 
paar.    6  Textfigg. 

Kosmos   1878/79  IV 

s.  auch  oben  No.  78 

660 

109 

Kritik  über:  Dr.  Paul  Kramer,  Theorie 
und    Erfahrung,      Beiträge    zur    Be- 
urtheilung   des    Darwinismus,  Halle, 
L.  Nebert  1877 

Ebenda 

668 

110 

Phryganiden-Studien.     3   Textfigg. 

Ebenda 

s.  Zool.  Anz.  1879  p.  38, 180,283,405 

676 

III 

Ueber  Phryganiden 

Zool.  Anz.  1879  2.  Jahrg. 

— 

688 

1 12 

Sobre  as  casas  construidas  pelas  larvas 
de  Insectos  trichopteros  da  Provincia 
de    Santa    Catharina.     Supplemento. 
Taf.  LUX,  LIV,  LV,  LVI 

Archivos   do  Museu  Na- 
cion.  do  Rio  de  Janeiro 
1878  III 

• 

694 

'13 

Ueber  die  von  den  Trichopterenlarvcn 
der  Provinz  Santa  Catharina   verfer- 
tigten   Gehäuse.    Nachtrag.     Ueber- 
setzung  des  vorigen  von  Dr.  Hermann 
Müller,  Lippstadt 

Zeitschr.  f.  wissenschaftl. 
Zoologie   1880  Bd.  35 

s.  Nature  XXIII   1880  p.   192       l 

694 

114 

Extracts  from  letters  regarding  Brazilian 
caddis-flies 

Proc.  Entomol.  Soc.  Lon- 
don  1879 

— 

759 

"5 

On  a  trichopterous  insect  belonging  to 
the  family  Leptoceridae  with  branchiae 

Ebenda 

— 

762 

116 

Notes   on    the    Cases    of   some   South 
Brazilian  Trichoptera 

Ebenda 

vgl.  Zeitschr.  f.  wissenschaftl.  Zoo- 
Ic^ie  1880  p.  47—87 

763 

Inhalts- Verzeichniss. 


XIII 


"7 


ii8 
119 


122 
123 


124 
125 


126 
127 
128 

129 

130 
131 


132 

133 
134 

135 

136 


137 
138 


139 
140 

141 


142 


143 

144 


On  a  frog  having  eggs  on  its  back.  On 
the  abortion  of  the  hairs  on  the  legs 
of  certain  caddis-flies  (Phryganiden). 
3  Textfigg. 

Bud- Variation  in  Bananas 

Schützende  P^ärbung  und  die  Farben- 
empfindung der  Tiere 

Ituna  und  Thyridia,  ein  merkwürdiges 
Beispiel  von  Mimicry  bei  Schmetter- 
lingen.    4  Textfigg. 

Ein  Käfer  mit  Schmetterlingsrüssel. 
1   Textfig. 

Wasserthiere  in  Baumwipfeln,  i  Textfig. 

Descripcäo  do  Elpidium  Bromcliarum. 
Taf.  LVir 

On  a  curious  insect    from  Brazil  (Pal- 

tostoma  torrentium) 
A  metamorphose  de  um  insecto  diptero 

(Paltostoma   torrentium) 

Primeira   parte :    Descripcäo    do   ex- 
terior  da  larva.     Taf.  LVIII 

Secunda  parte:    Anatomia   da  larva. 
Taf.  LIX 

Terceira   parte:    Anatomia  da  larva. 
Taf.  LX 

Quarta  parte:    Chrysalida    e   insecto 
perfeito.     Taf.  LXI 
Erklärung 

Die  Putzfüsse  der  Kruster.   15  Textfigg. 
Palaemon    Potiuna.     Ein    Beispiel    ab- 
gekürzter Verwandlung.   Berichtigung 
Aehnlichkeit  von  Blumen  und  Früchten 

I   Textfig. 
Branch-cutting  Beetles 
Paltostoma    torrentium.     Eine    Mücke 

mit    zweigestaltigen    Weibchen.     1 1 

Textfigg. 

Die  Imbauba  und  ihre  Beschützer  (Az- 
teca  instabilis).    8  Textfigg. 

Zur  Kritik  der  Absonderungstheorie 

Haeckels  biogenetisches  Grundgesetz  bei 
der    Neubildung    verlorener    Glieder 

Farbenwechsel  bei  Krabben  und  Gar 
neelen 

Movements  of  Plants 


The  movements  of  Leaves 

Atyoida  Potimirim ,  eine  schlämm 
fressende  Süsswassergarneele.  20 
Textfigg. 

Verirrte  Blätter,     i  Textfig. 

Two  Kinds  of  Stamens  with  different 
Funct.  in  the  sameFlower.  i  Textfig. 

Leaves  injured  at  Night    by    free  Ra- 
diation 


Verwandlung  und  Verwandtschaft  der 

Blepharoceriden 
Eine  Beobachtung    an    Trigona   mirim 
Eine  Pflanze,    welche    bei    Nacht    die 

Himmelsgegenden  anzeigt 


Nature  1879 


Ebenda 
Kosmos   1879  V 

Ebenda 


Kosmos   1879/80  VI 

Ebenda 

Archivos  do  Museu  Nac. 

do  Rio  de  Janeiro  1879 

Vol.  4 
Trans.    Entom.    Soc.    of 

London    1879  Proc. 
Archiv,  do  jMuscu  Nac.  do 

Rio  de  Janeiro  1879 IV 


Zoolog.  Anz.  1881   IV 
Kosmos   1880  VII 
Zoolog.     Anz.     1880 

Jahrg. 
Kosmos   1880  VII 


Nature   i 
Kosmos 


Ebenda 


io  Vol.  22 
ii  VIII 


Kosmos   1880/81  VIII 
Ebenda 


Ebenda 
Nature  i 


I  Vol.  23 


Ebenda 

Kosmos  1881   IX 


Ebenda 

Nature  1881   Vol.  24 


Ebenda 


Zoolog.  Anz.   1881  IV 

Kosmos  1881/82  X 
Ebenda 


Trans.  Entom.    Soc. 
1879  Proc. 


of  London 


s.  Nature   1880  Vol.  22 

Deutsche  Uebcrsctzung  auf  S.  1463 

dieses    Werkes;    siehe    auch    die 

Erklärung  auf  S.  831 


Deutsche  Uebcrsctzung  auf  .S.  1470 
dieses  Werkes ;  vgl.  auch  No.  1 3 1 


vgl.  die  portugiesische  Abhandlung 
S.  1225 


vgl.  No.  125  S.  801 ;  Entom.  Monthly 
Mag.  Vol.  17  p.  225  —  226; 
Naturhistoriker  (Knauer)  3  Bd. 
1880  No.  4  p.  30 


Uebersetzt  von  Ernst  Krause  (Carus 
Sterne)  in  Ges.  kleinere  Schriften 
von  Ch.  Darwin  p.  224—226 
Uebersetzt  wie  vor.  p.  222—224 
vgl.  die  portugiesische  Arbeit  S. 
1186;  Journ.  R.  microscop.  Soc. 
Vol.  2  p.  42,  43 


Uebersetzt  von  Ernst  Krause  ((."arus 
Sterne)  in  Ges.  kleinere  Schriften 
von  Ch.   Darwin  p.   227 


776 

777 

779 


788 

791 
793 


800 
801 
801 
809 

815 
823 

831 
833 

837 

842 

843 
844 

850 

857 
858 

860 

862 


8Ü4 
866 


874 
876 

877 


878 

881 
884 


xw 


Inhal  ts-Verzeicliniss. 


6 

Titel 

Aus 

Bemerkungen                         -5 

HS 

Bemerkenswerte  Fälle  erworbener  Aehn- 

Kosmos  1881/82  X 

—                             1  887 

lichkeit    bei     Schmetterlingen    (Taf. 

LXII)  nebst  einem  Nachtrag:  Ange- 

Ebenda 1883  XHI 

s.  Trans.  Entom.    Soc.    Proc.   1888 

899 

bissene    Flügel   von   Acraea    Thalia. 

p.  XXIII 

I  Textfig. 

146 

Bemerkungen    zu:      Hildebrand,     Die 
Lebensdauer    und    Vegetationsweise 
der    Pflanzen,    ihre    Ursachen    und 
ihre  Entwicklung 

Englers  Botan.  Jahrbuch 
1882  n 

904 

147 

Crotalaria  cajanaefolia 

Kosmos   1882  XI 

— 

908 

148 

Eine  Beobachtung   an  Bauhinia    brasi- 
liensis.     2  Textfigg. 

Ebenda 

— 

909 

149 

Bericht  über:   Graf  zu  Solms-Laubach, 
Die    Herkunft,    Domestication    und 
Verbreitung  des    gewöhnlichen    Fei- 
genbaumes (Ficus  Carica  L.) 

Ebenda 

912 

150 

Caprificus  und  Feigenbaum 

Ebenda 

s.  Bot.  Ztg.  XI   1882  p.  912—914; 
Bot.  Centrbl.XI  1882  p.  384— 386 

922 

151 

Die    gefügelose     organische     Substanz 
der  Termiten-Nester 

Ebenda  1882/83  XII 

— 

927 

152 

Corbula  intermedia 

Ebenda 



928 

153 

Ein  Schmetterling,    der   einen    Kolibri 
nachahmt,      i   Textfig. 

Ebenda 

— 

931 

154 

Bericht    und  Bemerkungen    über:    Dr. 
Paul  Mayer,  Zur  Naturgeschichte  der 
Feigeninsekten 

Ebenda 

s.   Botan.    Centralbl.    1883    XIV   p. 
13  — M 

934 

155 

Zweigklimmer.     Taf.  LXHI 

Ebenda 

s.    Botan.     Centralbl.      1883     XIV 
p.  72 — 73;  ferner  No.  43  und  44 
dieses  Verzeichnisses 

939 

156 

Die  Farben    der   Puppen    von  Papilio 
Polydamas 

Ebenda 

Trans.  Entom.  Soc.  Proc.    1883  p. 
XXIII,  XXIV 

948 

157 

Wie  die  Raupe  von  Eunomia  Eagrus 
ihre    Haare    verwendet.      i  Textfig. 

Ebenda 

Trans.  Entom.    Soc.  Proc.    1883  p. 
XXIV,  XXV 

949 

158 

Animal  Inteiligence 

Naturc   1882/83   XXVII 

Uebersetzung    in    Kosmos   1882/83 
XII  p.  460  —  462 

950 

159 

Two  Kinds  of  Stamens  wilh  Different 
Functions     in     the     same     Flower. 
2  Textfigg. 

Ebenda 

vgl.  No.   140  und   162    dieses  Ver- 
zeichnisses 

951 

160 

Bericht  über:  The  colour  and  patterns 
of  insects  by  Dr.  H.  A.  Hagen 

Kosmos  1882/83  XII 

— 

953 

161 

Die    Blumen    des    Melonenbaumes,     i 
Textfig. 

Kosmos  1883    XIII 

s.  Bot.  Centralbl.  XV  p.  102 — 103 

957 

162 

Arbeitstheilung   bei  Staubgefässen  von 
Pollenblumen.      10  Textfigg. 

Ebenda 

— 

960 

1^3 

Einige  Nachträge  zu  Hildebrands  Buch: 
Die  Verbreitungsmittel  der  Pflanzen 
nebst  Berichtigung.     Taf.  LXIV 

Kosmos   1884  XIV 

s.  Bot.  Centralbl.  1884  XX  p.  234 
-237 

979 

164 

Einige  Eigenthümlichkeiten  der    Eich- 
hornia  crassipes 

Kosmos   1883  XIII 

s.  Bot.  Centralbl.  1883  XVI  p.  299 
—  300;  Biolog.  Centralbl.  1886,87 
VI    p.    299;    Trans.    Linn.    Soc. 
1882    16  III 

988 

165 

Biologische  Beobachtungen  an  Blumen 

Ber.  d.  Deutsch.  Bot  Ges. 

s.  Botan.    Centralbl.    1883    XV    p. 

992 

Südbrasiliens,     i   Textfig. 

1883  I 

164—166 

166 

Eine  Aufgabe  für  Lepidopterologen 

Berl.    Entomol.  Zeitschr. 
1883  XXVII 

— 

997 

167 

Drymonema    an    der   Küste  Brasiliens 

Zool.  Anz.  1883  VI 

— 

999 

168 

Der  Anhang  am  Hinterleibe  der  Acraea- 
Weibchen 

Ebenda 

— 

lOOI 

169 

Christian  Conrad  Sprengel 

Nature    1883/84    XXIX 
und   1884  XXX 

— 

1002 

170 

Anfrage    Chr.  K.    Sprengel   betreffend 

Kosmos   1884  XIV 

— 

1004 

171 

Butterflies  as  Botanists 

Nature  1884  XXX 

Entom.  Nachrichten  1884  p.  190 

1005 

172 

On    the    larvae    and    pupae    of    some 
Nymphalinae  und  Heliconinae 

Proc.  Entom.   Soc.  Lon- 
don 1884 

— 

1006 

Inhalts- Verzeichniss. 


XV 


173 

174 
175 

176 

177 
178 

179 

180 
181 

182 

183 

184 

185 

186 

187 

188 
189 

190 

191 

192 

193 
194 

195 

196 

197 
198 

199 

200 
201 
202 

203 

204 


Titel 


Die     Verzweigung     von      Stromanthe 

Tonckat.     i  Textfig. 
Jugendgeschiclite     der     Wurzelkrebse, 

(Eine  Besprechung.) 
Die    Zwiegestalt    der    Männchen    der 

nordamerikanischen  Flußkrebse.  (Be 

rieht.) 
Wird  Philodendron    durch    Schnecken 

bestäubt? 
Fühler  mit  Beisswerkzeugen  bei  Mücken' 

puppen.     4  Textfigg. 
Die     Blütenpaare     der      Marantaceen 

5  Textfigg. 
Eine     zweizählige     Blume      von     He- 

dychium.     i   Textfig. 
Endständige     Zingiberaceenblüten. 

Textfig. 
Das  Ende  des  Blütenstandes    und    die 

Endblume    von    Hedychium.      Taf, 

LXV  u.  LXVI 
Wie   entsteht    die   Gliederung   der  In- 

sektenfühier? 
Die  Zwitterbildung  im  Tierreiche 
Einige  Nachträge  zu  Hildebrands  Buch : 

Die  Verbreitungsmittel  der  Pflanzen. 

4  Textfigg. 
Wurzeln  als  Stellvertreter  der  Blätter. 

I  Textfig. 
Biologische    Beobachtungen    an    brasi- 
lianischen Orchideen 

Notes  on  Fig-Insects 

Neue  Beobachtungen  über  Feigen- 
wespen 

Feigenwespen.  Bericht  über:  Gustav 
Mayr,  Feigeninsekten 

Critogaster  und  Trichaulus 


Bericht  über :  Die  Geschlechterdifferen- 
zierung bei   den  Feigenbäumen    von 
Graf  zu  Solms-Laubach 
Zur  Kenntnis  der  Feigenwespen 
Zur  Kenntnis  der  Feigenwespen 
Besprechung  von  „Biooks,  The  law  of 

Heredity  ' 
Knospenlage   der  Blumen   von  Feijoa. 

I  Textfig. 
Feijoa,    ein    Baum,    der  Vögeln    seine 
Blumenblätter  als  Lockspeise  bietet. 
I   Textfig. 
Ein  Züchtungsversuch  an  Mais 
Einige    neue  Beispiele   langer    Lebens- 
fähigkeit von  Samen  und  Rhizomen 
Die  Nymphen  der  Termiten 
Ueber  die  Gattung   Chimarrha 
Die  Larve  von  Chimarrha.    i   Textfig. 
Eine  deutsche  Lagenopsyche.   1  Textfig. 
Nebenspreiten   an    Blättern    einer   Be- 

gonia.      I  Textfig. 
Schiefe   Symmetrie    bei  Zingiberaceen- 
blumen.     3  Textfigg. 


Aus 


Bemerkungen 


Ber.  d.  Deutsch.  Bot.  Ges 

1884 
Kosmos  1884  XIV 

Ebenda 


Kosmos   1884  XV 
Ebenda 

Ber.  d.  Deutsch.  Bot.  Ges. 

1885  III 
Ebenda 

Ebenda 

Kosmos   1885  XVI 

Kosmos   1885  XVII 

Ebenda 
Ebenda 

Ebenda 

Verhandl.    d.    Bot.   Ver. 
d.    Prov.  Brandenburg 

1886  XXVIII 
Trans.  Entom.  Soc.  Lon 

don  1886 
Biol.  Centralbl.   1886  VI 

Kosmos   1886  XVIII 
Kosmos   1886   XIX 
Kosmos   1886  XVIII 


Entom.  Nachr.  1886  XII 
Ebenda  1887  XIII 
Kosmos   1886  XVIII 

Ber.  d.  Deutsch,  bot.  Ges. 

1886  IV 
Kosmos   1886  XVIII 


Kosmos  1886  XIX 
Biol.  Centralbl.    1886/87 

VI 
Entom.  Nachr.  1887  XIII 
Ebenda 
Ebenda 
Ebenda 
Ber.  d.  Deutsch,  bot.  Ges.  s 

1887  V 
Ebenda 


s.  Bot.  Centralbl.  1885  XXIII  p.  19 


vgl.  No.  163  u.  Bot.  Centralbl.  1886 
XXV  p.  202—203 

s.  Bot.  Centralbl.  1886  XXV  p.  202; 
Biol.  Centralbl.  V  1885/86  p.  765 


Die    Seite  1067    ist    irrtümlich    als 

1167  bezeichnet 
s.  Ber.  d.  Deutsch.  Bot.  Ges.  1886 

Heft  1 1 
s.    Bot.    Centralbl.     1886    XXVII 

p.   189  —  192;    Biolog.  Centralbl. 

1885/86  V  p.  745—746 

s.  Bot.  Centralbl.  1886  XXVIII 
p.  228;  Biolog.  Centralbl.  VI 
1886  p.  483 


CA) 


,     Bot.     Centralbl.      1887     XXX 

P-  43—44 
Bot.     Centralbl.     1886     XXVI 
p.  218 — 219;    Biolog.   Centralbl. 
1886  VT  p.    191  —  192 


Bot.    Centralbl. 
P-  364—365 


1887    XXXII 


1008 

1012 
1016 

1018 
1020 
1022 
1025 
1027 
1030 

1043 

1046 
1059 

1065 

1066 
1068 
1070 

1077 

1079 

1081 
1086 
1089 

1095 
1098 


1103 
1108 

IIIO 

1112 
1114 
1 116 

1119 

II 22 


XVI 


Inhal  ts-Verzeichniss. 


205 

206 
20 


208 
209 


211 
212 
213 

214 
215 

216 

217 

218 

219 
220 


223 


224 


225 


Keimung  der  Bicuiba.    Taf.  LVII 

Die  Eier  der  Haarflügler 

Larven  von  Mücken  und  Haarflüglern 
mit  zweierlei  abwechselnd  thätigen 
Athemwerkzeugen.     3  Textfigg. 

Zweiniännige  Zingiberaceenblumen.  2 
Textfig. 

Ueber  ein  abweichendes  Verhalten 
einer  in  Europa  gezogenen  Urena 
lobata  bezüglich  der  Ausbildung  der 
Ameisen-Nektarien 

Neue  Beobachtungen  über  das  absatz- 
weise Blühen  von  Marica. 

Abweichend  gebildete  Blumen  von 
Marica.     4  Textfigg. 

Beobachtungen  an  Hypoxis  decumbens. 
7  Textfigg. 

Abändening  des  Blüthenbaues  von 
Hedychium  coronarium  in  Folge  un- 
genügender Ernährung.    Taf.  XLVIII 

Freie  Gefässbündel  in  den  Halmen  von 
Olyra.      13  Textfigg. 

Zur  Verbreitung  der  Pflanzen  durch 
die  Excremente  der  Thiere 

Weitere  Beobachtungen  über  das 
Variieren  der  Blüthenzahl  bei  Hyp- 
oxis decumbens.     2  Textfigg. 

Fnicht  in  Fnicht  von  Carica  Papaya. 
I  Textfig. 

Kreuzung  von  Hedychium 

Clepsine  verrucata.     Eine  Berichtigung 
Die  Begattung  der  Clepsinen 

Verzeichniss  der  in  der  Umgegend  von 
Blumenau  und  Desterro  beobachteten 
(60  verschiedenen  Familien  ange- 
hörenden) Bäume  und  Sträucher 

Trichodactylus,  siri  de  agua  doce  sem 
metamorphose.    Taf.  LXIX  u.  LXX 

Trichodactylus,  eine  Süsswasserkrabbe 
ohne  Verwandlung.  Uebersetzung 
des  vorigen. 

O  camarfio  miudo  do  Itajahy,  Atyoida 
Potimirim.      Taf.  LXXI  u.  LXXH 

Die  kleine  Gameele  vom  Itajahy, 
Atyoida  Potimirim.  Uebersetzung 
des  vorigen 

O  camarfio  preto,  Palaemon  Potiuna. 
I.  Des9ripcrio  do  animal  adulto. 
Die  schwarze  Gameele,  Palaemon 
Potiuna.     Taf.  LXXIII 

I.  Beschreibung     des     erwachsenen 
Tieres.      Uebersetzung   des    vorigen. 

II.  A  metamorphose  dos  filhos 

II.    Die   Verwandlung    der   Jungen. 

Taf.  LXXIV  und  LXXV 
Descrip^äo  da   Janira    exul,    Crustaceo 

Isopode  do  Estado  de  Santa  Catha- 

rina.     Taf.  LXX  VI 
Beschreibung    der   Janira    exul,     einer 

Assel   aus  Santa  Catharina 


Ber.  d.  Deutsch.  Bot.  Ges. 

1887  V 
Entom.  Nachr.  1888  XIV 
Ebenda 


Ber.  d.  Deutsch.  Bot.  Ges. 

1888  VI 
Biol.  Centralbl.    1888/89 

VIII 


Ebenda 

Ber.  d.  Deutsch.  Bot.  Ges. 

1889  VII 
Flora    1889 

Ebenda 


Ebenda 

Monatl.  Mitteil.  d.  Natur- 
wissensch.  Ver.  Frank- 
furt a.  O.  1889/90  VII 

Schriften  d.  Naturf.  Ges. 
in  Danzig  1890 

Flora   1890 

Abh.     d.     Naturw.    Ver. 

Bremen   1890 
Zoolog.  Jahrb.  1890  V 
Zoolog.   Jahrb.     Abt.    f. 

System.   1891   VI 
Grunert,   Forstl.    Blätter 

i8qi 


Arch.  do  Museu  Nac.  do 
Rio  de  Jan.   1892  VIII 


Ebenda 


Ebenda 


Ebenda 


s.  Monatl.  Mitteil,  des  Naturwiss. 
Ver.  Frankfurt  a.  O.  VII  1889/90 
p.  39-40 

s.  No.    165  dieses  Verzeichnisses 


s.  Bot.  Centralbl.   1890  XLII  p.  8; 


s.  Bot.  Centralbl.   1892  LI    p.  243 


vgl.  No.  138  dieses  Verzeichnisses 


vgl.  No.  128  dieses  Verzeichnisses 


II 24 

128 
130 


134 
139 

141 
'43 

147 
149 

154 
160 

161 

163 

165 

166 
167 

168 

171 

171 

186 
186 

225 

225 

246 
246 

270 
270 


Inlialts-Verzeichniss. 


xvn 


Titel 


Aus 


226 


228 
229 
230 

231 
232 

233 

234 
235 

236 


237 
238 

239 

240 
241 

242 

243 

244 

245 

246 
247 


Die     Banibusraite ,     Dactylomys     am- 

blyonyx 
Bemerkungen    über  brasilianische  Bro- 

meliaceen.     2  Textfigg. 


Die  Tillandsia   augusta   der  Flora  flu- 

minensis.     I  Textfig. 
Geradläufige  Samenanlagen  bei  Hohen- 

bergia.     Taf.  LXXVII 
Aechmea   Heningsiana    und   Billbergia 

Schiniperiana  Wittm. 
Die  Bromeliaceen  von  Blumenau 
Mischlinge    von  Ruellia    formosa    und 

silvaccola 
Ueber  Unfruchtbarkeit  bei  Bestäubung 

mit  eigenem  Pollen 
Ueber  epiphytische  Gewächse 
Zum     Diagramm     der     Zingiberaceen 

Blüte.     5  Textfigg. 
Contribution  towards    the  history  of  a 

new  form    of  larvae  of  Psychodidae 

(Diptera),  from  Brazil.  Taf.  LXX VIII 

u.  LXXIX 
Die   Untergattung    Nidulariopsis   Mez. 

Taf.  LXXX 
Die    Keimung     einiger    Bromeliaceen. 

Taf.  LXXXI 
Orchideen     von     unsicherer     Stellung 

Taf.  LXXXII 
Billbergia  distacaia  Mez.     i  Textfig. 
Das  Ende  der  Blütenstandsachsen  von 

Eunidularium 
Blumenblätter     und     Staubfäden     von 

Canistrum    superbum.     i  Textfig. 
Die  Bromelia   silvestris    der  Flora  flu- 

minensis.     Taf.  LXXXIII 
Einige  Bemerkungen  über  Bromeliaceen 

I— XIII.  Taf.LXXXIVu.  LXXXV 

und  3  Textfigg. 
Ein  Fall   von   Naturauslese   bei   imge 

schlechtlicher  Fortpflanzung 
Ein  Versuch   mit  Doppelbestäubung 
Mischlinge    von    Ruellia    formosa   und 

silvaccola 
Observa9oes  sobre  a  fauna  marinha  da 

Costa  de  Santa  Catharina  mit  Ueber- 

setzung: 
Beobachtungen   über    die   Meeresfauna 

der  Küste  von  Santa  Catharina 


Bemerkungen 


Der  Züol.    Garten    1892 

Englers  Jahrb.  f.  System. 

Pflanzengeschichte  und 

Pf  lanzengeograph. 1 892 

XV 
Ber.  d.  Deutsch,  bot.  Ges. 

1892  X 
Ebenda  1893  XI 

Ebenda 

Gartenflora  1893 
Abhandl.  d.  Naturw.  Ver. 

Bremen  1893 
Ebenda 

Ebenda 
Flora   1895 

Trans.  Entom.  Soc.  Lon- 
don  1895 


Ber.  d.  Deutsch.  Bot.  Ges. 

1895  XIII 
Ebenda 

Ebenda 

Ebenda 
Ebenda 

Ebenda 

Ebenda   1896  XIV 

Flora   1896  u.   1897 


Flora  1897  Bd  84.  Er- 
gänzungsband 

Flora   1897  Bd  83. 

Jenaische  Zeitschr.  1898 
XXXI 

Revista  Museu  Paulista 
1899  III 


s.  auch  No.  231 


s.  Bot.  Centralbl.   1893  LV  p.  160 


s.  auch  No.  227 


vgl.  No.  142  und  207 
zeichnisses 


dieses  Ver- 


s.  auch  No.  232 


1292 
1293 

1297 
1301 

'304 

1306 
1314 

1322 

1324 
1325 

J327 

1330 

1339 

1345 

1355 
»357 

1364 

1365 

1373 

1400 

1403 
1413 


XVIII 


Inhal  ts-Verzeichniss. 


N  achtrag". 
Uebersetzung ,  portugiesischer  Arbeiten    Fritz  Müllers. 


13 

Titel                                                   Aus 

Bemerkungen 

0) 

'S 

IT) 

a 

Die     Beziehungen      farbenwechselnder 

Arch.    do    Museu    Nac. 

Uebersetzung    von    No.    76    dieses 

1427 

Blumen    zu    den    befruchtenden  In- 

do Rio  de  Janeiro  1877 

Verzeichnisses 

sekten 

Vol.  II 

b 

Die  Geschlechtsflecken  bei  den  Männ- 
chen der  Arten  Danais  Erippus  und 
D.  Gilippus.     Taf.   XLV 

Ebenda 

dgl. 

von  No.  77 

1432 

c 

Ueber    die    Duftorgane    von    Epicalia 
Acontius    Linn.    und  Mj^scelia  Orsis 
Dniry.     Taf.  XLVI 

Ebenda 

dgl. 

von  No.  78 

1436 

d 

Die  Duftorgane  an  den  Beinen  gewisser 
Schmetterlinge,  und  Nachtrag.     Taf. 
XLVII  u.  XLVIII 

Ebenda 

dgl. 

von  No.  79 

1440 

e 

Die  Duftorgane  von  Antirrhaea  Archaea 
Hübner.     Taf.  XLIX 

Ebenda   1878  Vol.  III 

dgl. 

von  No.  94 

1448 

f 

Die  Schulterfalte  der  Hesperiden.    Taf. 
L  u.  LI. 

Ebenda 

dgl. 

von  No.  95 

1454 

g 

Beschreibung     von    Elpidium    Brome- 
liarum.    Taf.  LVII 

Ebenda   1879    Vol.  IV 

dgl. 

von  No.  123 

1463 

h 

Die    Verwandlung    eines    Zweiflüglers 
(Paltostoma  torrentium) 

Ebenda 

dgl. 

von  No.  125 

1470 

Erster  Teil :  Beschreibung  des  Aeusse- 

— 

1470 

ren  der  Larve.     Taf.  LVIII 

Zweiter  Teil:    Anatomie  der  Larve. 

— 

1479 

Taf.  LIX 

Dritter  Teil:    Anatomie    der  Larve. 

— 

i486 

Taf.   LX 

Vierter  Teil:    Puppe    und   vollkom- 

— 

1495 

menes  Insekt.     Taf.  LXI 

Hierzu :    Explanation    of    the  female 

Nature  1881   XXIV 

— 

1505 

dimorphism  of  Paltostoma  torren- 

tium by  Hermann  Müller 

Ueber  HIrudo  tessulata  und  marginata  O.  F.  Müll.'). 

Mit   I   Textfigur. 

Seit  man  Linne's  Genus  Hirudo  in  kleinere  Gattungen  geteilt  hat,  finden 
sich  O.  F.  MüUer's  Hirudo  tessulata  und  marginata  ^)  von  den  verschiedenen  Schrift- 
stellern den  verschiedensten  dieser  neugebildeten  Gattungen  zugerechnet. 

Hirudo  tessulata  wurde  von  Blainville^)  zu  Erpobdella  (Nephelis  Sav.), 
von  Auduin  ^)  zu  Clepsine  gezählt,  und  von  Moquin-Tandon  ^)  als  Synonym  zu 
seiner  Piscicola  tessellata  gezogen.  Ja  ßlainville  *')  führte  sie  später  gleichzeitig 
unter  Ichthyobdella  (Piscicola  Lam.)  und  als  Varietät  von  Erpobdella  (Nephelis) 
vulgaris  auf. 

Hirudo  marginata  stellten  Blainville  und  Audouin  früher  zu  Clepsine ''),  nach 
dem  aber  Carena  sie  als  Hir.  cephalota  beschrieben^)  und  als  wahrscheinlich  zu 
zu  Haemocharis  Sav.  (Piscicola  Lam.)  gehörig  bezeichnet,  und  nachdem  Moquin- 
Tandon  ^)  die  Benennung  in  Piscicola  marginata  geändert,  traten  auch  sie  dieser 
letzteren  Ansicht  bei^°). 

Schon  eine  genauere  Vergleichung  der  von  O.  F.  Müller  und  Braun  *^)  ge- 
gebenen Beschreibungen  beweist,  dass  beide  Arten  nur  zu  der  Gattung  Clepsine 
gehören  können.  Kein  anderer  der  bekannten  Blutegel  trägt  seine  Jungen  unterm 
Bauche  mit  sich,  wie  es  Müller  von  H.  tessulata,  Braun  von  H.  marginata  (varie- 
gata  Braun)  beobachtet  hat ;  bei  keinem  andern  Blutegel  ist  ein  gefiederter  Darm- 
kanal von  aussen  sichtbar. 

Dass  H.  tessulata  von  Blainville  zu  Nephelis  gestellt  worden  ist,  beruht  le- 
diglich auf  der  Uebereinstimmung  in  der  Zahl  der  Augen ;  allein  die  acht  Augen 
von  H.  tessulata  stehen  in  zwei  Längsreihen,  eine  Stellung,  die  gerade  der  Gattung 

i)  Archiv  für  Naturgeschichte  1844.  I.  pg.  370—376.    Taf.  X,  Fig.   14. 

2)  Histor.  vermium  Tom.  I,  pars  II.  pg.  45  u.  46. 

3)  Dictionn.  des  Sc.  nat.  Tom.  47  pg.  261. 

4)  Dict.  classique  d'hist.  nat  Tom.  4.  pg.  208,  Tom.   15.  pg.   109. 

5)  Monogr.  de  la  Fam.  des  Hirud.  pg.   133. 

6)  Dict.  des  Sc.  nat.  Tom.  57  pg.  558,  564. 

7)  Blainville,  1.  c.  Tom.  47.  pg.  266.     Audouin,  1.  c.  Tom.  4.  pg.  208. 

8)  Mem.  dell.  Accad.  di  Torino,  Vol.  XXV.  pg.  298,  316;  Vol.  XXVIII.  pg.  336. 

9)  Monogr.  pg.   132. 

10)  Blainville,  1.  c.  Tom.  57.  pg.  558.     Audouin,  1.  c.  Tom.   15  pg.   no. 

11)  Braun,  Systematische  Beschreibung  einiger  Egelarten.     Berlin,   1805.  pg.  56,  61. 
Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  ' 


5  Hirudo  tessulata  und  marginata. 

Clepsine  eigenthümlich  ist;  die  Augen  von  Nephelis  bilden  dagegen,  wie  die  von 
Sanguisuga,  Haemopis,  etc.  einen  Halbkreis.  Zu  Piscicola  hat  man  beide  Arten 
stellen  zu  müssen  geglaubt  wogen  der  deutlichen  Sonderung  des  Kopfes;  allein 
selbst  der  Kopf,  der  hier  aus  mehreren  Ringen  zusammengesetzt  ist,  hat  keine 
Aehnlichkeit  mit  dem  aus  einem  einzigen  Stücke  bestehenden  Mundsaugnapf  von 
Piscicola  geometra. 

Uebrigens  ist  Moquin-Tandon's  Piscicola  tessellata  weder,  wie  er  meint,  die 
Hir.  tessulata  O.  F.  Müll.,  noch  auch  eine  Piscicola,  denn  sie  hat  weder  acht  Augen, 
noch  einen  aus  einem  Stück  bestehenden,  sondern  aus  zahlreichen  Ringen  zu- 
sammengesetzten Kopf.  Die  Vergleichung  der  von  Saint- Amans  ^)  gegebenen 
Beschreibung  und  Abbildung,  die  Moquin-Tandon  nur  excerpirt  und  copirt  hat, 
hat  es  mir  sehr  wahrscheinlich  gemacht,  dass  es  nichts  anderes  ist,  als  H.  marginata. 

Soviel  ergiebt  sich  aus  dem,  was  über  beide  Arten  bei  den  verschiedenen 
Schriftstellern  vorliegt;  um  jedoch  ihre  Stellung  unter  der  Gattung  Clepsine  noch 
fester  zu  begründen,  wiU  ich  noch  einige  ihrer  für  diese  Gattung  bezeichnendsten 
Eigenthümlichkeiten  hervorheben.  Beide  Arten  kommen  nämlich  um  Berlin  vor, 
und  ich  habe  so  Gelegenheit  gehabt,  sie  sowohl  lebend  zu  beobachten,  als  zu 
zergliedern.  H.  marginata  findet  sich  gar  nicht  selten  zwischen  den  Blättern  der 
Wasserpflanzen  (besonders  Spargan ium  und  Stratiotes)  in  allen  Seen,  wie  auch  in 
den  Gräben  des  Thiergartens ;  H.  tessulata,  die  seit  O.  F.  Müller  im  erwachsenen 
Zustande  nicht  wieder  beobachtet  zu  sein  scheint  (Braun  sah  nur  ziemlich  junge 
Individuen),  fand  ich  nur  selten  in  leeren  Anodontenschaalen  und  an  faulenden 
Aesten  im  Tegler  See. 

Der  Körper  beider  Arten  ist  bei  erwachsenen  Individuen  verhältnissmässig 
kurz,  breit  und  nach  vorn  stark  verschmälert;  bei  jüngeren  Exemplaren  von 
H.  marginata,  und  nach  O.  F.  Müller  auch  von  H,  tessulata  ist  er  schmaler,  vorn 
und  hinten  ziemlich  gleich  breit.  Er  ist  ungemein  flach,  wodurch  die  den  Clepsinen 
eigenthümliche  Fähigkeit,  sich  in  eine  Kugel  einzurollen,  bedingt  wird.  Die  Zahl 
der  Ringe  ist  gegen  60. 

Die  Nervenknoten  des  Bauchstrangs,  die  sich  in  gleicher  Anzahl,  wie  bei 
Nephelis  und  Piscicola  finden,  schicken  jederseits  einen  einzigen  Nervenfaden  aus, 
der  sich  dann  ohne  bemerkbare  Anschwellung  verästelt  ^).  Die  einzelnen  Ganglien 
liegen  um  je  drei  Ringe  voneinander  entfernt,  während  bei  Piscicola  in  jedem 
Ring,  bei  Nephelis,  Sanguisuga,  u.  s.  w.  in  jedem  fünften  Ring  ein  Ganglion 
liegt.  Daher  bei  gleicher  Anzahl  von  Ganglien  bei  Piscicola  20,  bei  Clepsine  60, 
bei  Nephelis  100  Leibesringe  gezählt  werden.  Ebenso  wiederholen  sich  alle  in 
der  Mehrzahl  vorhandenen  Organe,  wie  Darmanhänge,  Gefässklappen,  Hoden- 
bläschen, von  drei  zu  drei  Ringen,  wie  sich  denn  auch  in  der  Zeichnung  äusserlich 
dieses  Zahlen verhältniss  geltend  macht  (Segmens  ternes,  Savigny). 


i)  Hirudo  oscillatoria  Saint-Amans,  M6m.  de  la  Soc.  Linneenne  de  Paris.  Tom.  III,  pg,  193,  Vol. 
VIII.  (besonders  Fig.  5,  wo  auch  die  Augen,  obgleich  vom  Verf.  als  solche  nicht  erkannt,  deutlich  ge- 
zeichnet sind). 

2)  Auf  diesen  Bau  des  Nervensystems  hat  zuerst  Audouin  bei  Clepsine  complanata  aufmerksam  ge- 
macht; ich  habe  ihn  bei  allen  von  mir  untersuchten  Clepsinen  gefunden.  Bei  Albione,  wo  auch  jedes 
Ganglion  nur  ein  Nervenpaar  ausschickt,  schwellen  diese  Nerven  vor  ihrer  Teilung  in  ein  sehr  deutliches 
Ganglion  an,  nach  Audouin  (Dict.  classique  d'hist.  nat.  Tom.  15.  pg.  115)  und  R.  "Wagner  (Isis  1834,  pg.  131.) 


Hirudo  tessulata  und  marginata. 


Der  Verdauungs- Apparat  der  Clepsinen  ist  theils  durch  einen  in  dem 
dünnhäutigen  Oesophagus  gelegenen  vorstreckbaren  fleischigen  Rüssel,  theils 
dadurch  ausgezeichnet,  dass  nicht  nur  der  Magen,  sondern  auch  der  Darm  mit 
seitlichen  Blindsäcken  versehen  ist,  was  sich  meines  Wissens  bei  keinem  anderen 
Blutegel  findet.  Diese  grosse  Verästelung  des  Nahrungskanals  erreicht  nun  gerade 
ihr  Maximum  in  H.  tessulata  und  marginata.  Der  Magen 
hat  bei  beiden  Arten  7  Paar  seitlicher  Anhänge,  von  denen 
das  letzte  sich  zu  beiden  Seiten  des  Darms  bis  in  die  Gegend 
des  Saugnapfs  erstreckt,  und  an  der  äussern  Seite  5  secun- 
däre  Blindsäcke  trägt.  Bei  H.  tessulata  sind  alle  diese 
Anhänge  ungetheilt,  bei  H.  marginata  hat  jeder  der  zwölf 
vordem  Anhänge  drei,  jeder  der  zehn  Nebenanhänge  des 
letzten  Paares  zwei,  oft  mannigfach  ausgebuchtete  Zweige. 
Der  zwischen  den  beiden  letzten  Magenanhängen  gelegene 
Darm  hat  jederseits  vier  Blindsäcke,  die  nach  den  Seiten 
über  die  Magenanhänge  hinweggehen  ^).  Ausser  diesen 
Anhängen,  die  sie  mit  den  übrigen  einheimischen  Arten 
der  Gattung  Clepsine  gemein  haben,  besitzen  H.  tessulata 
und  marginata  noch  ein  besonderes  System  von  Blind- 
säcken, nämlich  vier  Paar  vor  dem  Magen  gelegener  An- 
hänge, von  denen  das  vordere  nach  vorn,  die  mittleren 
seitlich,  das  hintere  nach  hinten  gerichtet  ist.  Diese  An- 
hänge sind  selten  mit  Nahrungsstoff  gefüllt  und  deutlich 
von  aussen  wahrnehmbar;  wenn  sie  es  sind,  so  zeigen  sie 
meist  eine  von  der  des  Magens  verschiedene  Färbung. 
Dass  sie  ein  besonderes,  dem  eigentlichen  Magen  nicht  zu- 
zuzählendes System  bilden,  scheint  mir  theils  aus  der  oft 
verschiedenen  Farbe  ihres  und  des  Mageninhalts,  theils 
aus  der  von  den  Magenanhängen  abweichenden  Gestalt, 
theils  aus  der  Richtung  des  vordersten  und  hintersten 
Paares  wahrscheinlich;  denn  auch  bei  den  Magen-  und 
Darmanhängen  der  meisten  Arten  ist  das  vorderste  Paar 

nach  vorn,   das  hinterste   nach  hinten   gerichtet.     Vor  diesen  Anhängen  beginnt 
der  Rüssel ,   der   bei    den   übrigen  Arten  sogleich   vor  dem  Magen  anfängt ;   da- 

i)  Filippi,  der  neuerdings  die  Clepsinen  zum  Gegenstand  einer  speciellen  anatomischen  Unter- 
suchung gemacht  hat,  betrachtet  die  beiden  letzten  langen  Magenanhänge  als  Coeca,  den  zwischen  ihnen 
liegenden  Theil  des  Darmkanals  als  Rectum.  (Lettera  del  Dott.  F.  de  P'ilippi  al  Sign.  Dott.  M.  Rusconi 
sopra  l'anatomia  e  lo  sviluppo  delle  Clepsine.  Pavia  1839.  p.  12).  Ich  glaube  nicht,  dass  man  diesem 
letzten  Paare  eine  andere  Bedeutung  beilegen  kann,  als  den  übrigen  Magenanhängen ;  sein  Inhalt  ist  stets 
dem  der  andern  ganz  gleich;  selbst  in  der  Form  ist  es  bei  einer  der  Clepsine  complanata  Sav.  nahe 
stehenden,  wahrscheinlich  neuen  Art  kaum  davon  verschieden,  indem  es  sehr  kurz  ist,  und  noch  vor  dem 
zweiten  Paar  der  Darmanhänge  endet.  Der  von  Filippi  als  Rectum  angesprochene  Teil  scheint  mir  gerade 
der  Hauptsitz  der  Verdauung  zu  sein,  während  der  Magen  hauptsächlich  als  Reservoir  des  Nahrungsstoffs 
dienen  mag.  So  sah  ich  den  Mageninhalt  bei  einer  H.  marginata  durch  sechs  Monate  (Oktober  bis  April) 
unverändert  dieselbe  Farbe  behalten;  sobald  er  dagegen  in  den  Darm  getreten  ist,  wird  seine  Farbe  ge- 
ändert. Auch  sieht  man  ihn  im  Darme  der  fast  farblosen  Clepsine  hyalina  Moqu.  Tand,  durch  eine 
deutliche  peristaltische  Bewegung  umhergetrieben;  ein  sehr  schönes  Schauspiel,  das  mich  oft  Stunden  lang 
gefesselt  hat.  , 


Nahrungskanal  von 
Clepsine  marginata. 

a  Oesophagus;  h  Rüssel; 
c  die  4  Paar  vor  dem 
Magen  gelegener  Anhänge ; 
d  die  7  Paar  Magenanhänge ; 
e  die  4  Paar  Darmanhänge; 
f  Rectum. 


A  Hirudo  tessulata  und  marginata. 

durch  wird  er  natürlich  hier  auf  ein  verhältnissmässig  weit  geringeres  Volumen 
reducirt.  Namentlich  ist  diess  bei  H.  tessulata  der  Fall,  wo  er  bei  einem  i  Y2  Zoll 
langen  Exemplar  kaum  länger  als  bei  einer  4  Linien  langen  Clepsine  hyalina  war. 

Das  Blut  der  H.  tessulata  und  marginata  ist,  wie  bei  allen  Clepsinen, 
farblos^);  das  von  Nephelis  und  Piscicola  bekanntlich  roth. 

Die  Geschlechtstheile,  die  ich  bei  der  grossen  H.  tessulata  genauer  unter- 
suchen konnte,  bieten  zwar  im  Einzelnen  manche  Abweichungen  von  denen  der 
Clepsine  complanata,  sind  aber  nach  ganz  demselben  Typus  gebaut.  Dass 
H.  tessulata  und  marginata,  wie  die  übrigen  Clepsinen,  ihre  Jungen  unterm  Bauche 
mit  sich  tragen,  habe  ich  schon  früher  angeführt. 

Nach  allem  diesem  scheint  mir  kein  Zweifel  über  die  S3^stematische  Stellung 
beider  Arten  zu  bleiben,  denn  die  einzigen  bedeutenderen  Unterschiede  von  den 
andern  einheimischen  Clepsinen  bestehen  in  der  deutlichen  Sonderung  des  Kopfes, 
dem  verhältnissmässig  grossen  Saugnapf  und  der  Anwesenheit  der  vor  dem  Magen 
gelegenen  Anhänge  des  Nahrungskanals. 

Schliesslich  mögen  hier  noch  die  Diagnosen  beider  Arten  und  ihre  zahl- 
reichen Synonyme  Platz  finden;  eine  ausführlichere  Beschreibung  scheint  mir 
durch  die  von  O.  F.  Müller  gegebene,  an  der  nichts  wesentliches  zu  ändern  wäre, 
unnöthig  gemacht. 

Clepsine  tessulata. 
Corpus  gelatinosum,  mollissimum,  dilatatum,  cinereo-viride,  dorso  macularum 
flavescentium   seriebus    2  —  6    notato,    margine   cinereo   flavoque   tessulato.     Caput 
subdistinctum.     Oculi  8,  in  series  duas  longitudinales  antice  convergentes  dispositi. 
Long  18  —  20"',  Lat.  4—5"'. 

Hirudo  tessulata.     O.  F.  Müll.,  Hist.  verm.  Tom.  I,  pars  II,  pg.  45. 

Hirudo    tessulata,    Der   Spion.     Braun,    Syst.   Beschreibung    einiger  Egelarten    pg.  56. 

Tab.  VI.  Fig.  6 — 10. 
Hirudo  (Erpobdella)  tessellata.     Blainville,  Dict.  des  Sc.  nat.  Tom.  47.  pg.  261. 
Erpobdella  vulgaris  var.  tessulata.     Id.  Ibid.  Tom.  57.  pg.  564. 
Ichthyobdella  tessellata.     Id.  Ibid.  Tom.  57.  pg.    558. 

Clepsine  marginata. 
Corpus   subcartilaginosum ,   dilatatum,   fusco-viride ,   dorso   macularum   flave- 
scentium seriebus  quatuor,   linearum  ejusdem  coloris  serie  media   notato,   margine 
flavo-albofuscoque  tessulato.    Caput  distinctissimum.    Oculi  4,  postici  majores,  magis 
inter  se  distantes.     Long.   10'",  Lat.  2 — 2  Y2'". 

i)  Das  Gefässsystem  hat  Filippi  ganz  übersehen;  was  er  als  Seitenstämme  beschreibt,  ist  eine  längs 
des  Randes  verlaufende  Höhle  ohne  scharfe  Conturen,  welche  sich,  wenn  das  Thier  stark  zwischen  zwei 
Glasplatten  gedrückt  wird,  durch  Zerreissung  der  Darmhaut  mit  dem  Darminhalt  füllt.  Ich  sah  ein  dünn- 
häutiges mit  Klappen  versehenes  contractiles  Rückengefäss,  ein  Bauchgefäss,  und  jederseits,  doch  bis  jetzt 
noch  nicht  deutlich  in  ihrem  ganzen  Verlaufe,  zwei  Seitengefässe.  Somit  bedarf  auch  wohl  Filippi's  etwas 
abentheuerliche  Ansicht  (1.  c.  p.  lo)  von  einem  unmittelbaren  Uebergang  des  Nahrungsstoffs  aus  dem 
Darmkanal  in  das  Gefässsystem  keiner  besonderen  Widerlegung.  Die  Contractionen  des  Rückengefässes 
lassen  sich  bei  den  kleinem  durchsichtigen  Arten  und  bei  den  Jungen  der  grossem  unterm  Mikroskop  be- 
obachten; die  Klappen  öffnen  sich,  wenn  der  hinter  ihnen,  und  schliessen  sich,  wenn  der  vor  ihnen  ge- 
legene Theil  des  Gefässes  sich  zusammenzieht. 


Hinido  tessulata  und  marginata.  e 

Hirudo  marginata.     O.  F.  Müll.  Hist.  vermium  Tom.  I,  pars  II,  pg.  46. 
Hirudo  variegata.     Der   gesellige  Egel.     Braun,  Syst.  Beschreib,  einiger  Egelarten, 
pg.  61.  Tab.  VII.  Fig.   1—6. 

Hirudo   cephalota.     Carena,    Mem.    dell.   Accad.    di  Torino.    Vol.  XXV.    pg.   298,  316; 
Tab.  XII,  Fig.   19.  Vol.  XXVIII,  pg.  336. 

Hirudo  oscillatoria.    Saint-Amans,  Mem.  de  la  Soc.  Linn.  de  Paris.  Tom.  III,  pg.  193, 

pl.    VIII. 
Piscicola  marginata.    Moqu.  Tand.    Monogr.  de  la  Fam.  des  Hirud.  pg.  132.  Tab.  VII. 

Fig.  2. 
Piscicola   tessellata.     Id.    Ibid.    pg.    133.    Tab.    VII.    Fig.   3.    (excl.   Synon.    Hir.    tessulata 

O.  F.  Müll.) 
Hirudo  (Glossobdella)  cephalota.     Blainville,  Dict.  des  Sc.  nat.  Tom.  47,  pg.  266. 
Ichthyobdella  marginata.     Id.  Ibid.  Tom.  57,   pg.  558. 


De  Hirudinibus  circa  Berolinum  hucusque  observatis  ^). 

„Caeterum,  nullius  in  verba  jurans,  aliorum  inventa 
consarcinare  haud  institui;  quae  ipse  quaesivi,  re- 
peri,  repetitis  vicibus  diversoque  tempore  obser- 
vavi, propono." 

O.  F.  Mueller,  Histor.  vermium. 

Caput  primum. 
§  1.     Familiae  diagnosis. 

Hirudinum  2)  nomine  vermes  ann  ulati  designantur,  setis  et  bran- 
chiis  carentes,  ore  et  ano  praediti,  pede  disciformi^)  carnoso 
fulcris  cartilagineis  destituto  postice  terminati. 

Quibus  notis  facile  ab  aliis  omnibus  vermibus  distinguuntur.  Discis  enim 
suctoriis  sie  dictis  praeter  Hirudines  nonnisi  Entozoa  Trematoda  gaudent,  genera- 
que  dua  incertae  sedis,  novissimis  temporibus  detecta,  Gyrodactylus  Nordm.,  et 
Myzostoma  Leuck.  (Cyclocirra  J.  Muell.)  E  quibus  Trematoda  ano  carent,  Gyro- 
dactylus discum  radiis  cartilagineis  suffultum  gerit,  Myzostoma^)  discis  pluribus 
neque  in  extrema  corporis  parte  positis,  pedibusque  praeterea  parvis  carnosis  in- 
structum  est. 

Quem  locum  in  zoologiae  systemate  naturali  Hirudinum  familia  obtineat,  non 
satis  inter  auctores  constat.  Cuvier  e.  g.  et  Latreille  cum  Lumbricis,  Naidibus, 
Gordiis  in  Abranchiorum  Cuv.  vel  Enterobranchiorum  Latr.  ordine  ponunt  ^) ;  cum 
Sipunculis  in  Apodum  ordine  Wiegmann ").  Optime  fortasse  naturae  convenientem 
haberes  Burmeisteri '')   sententiam,   qui    Hirudines   cum   Entozois   Trematodibus   et 


i)  Dissertatio  inauguralis  zoologica  quam  consensu  et  auctoritate  amplissimi  philosophorum  ordinis  in 
alma  literarura  viniversitate  Friderica  Guilelma  Berolinensi  pro  summis  in  philosophia  honoribus  rite  capessendis 
die  XIV.  m.  decembris  A.  MDCCCXLIV.  h.  1.  q.  s.  publice  defendet  auctor  Fridericus  Mueller  Thuringus. 
Berolini,  typis  fratrum  Schlesinger. 

2)  Annelides  Hirudin^es  Sav.;  Entomozoaria  Apoda  Myzocephala  Monocotylaria  seu  Bdellaria  Blainv. 
(exclusis  tarnen  generibus  Epibdella  Bl.,  Nitzschia  Baer,  Axine  Ok.,  Capsala  Bosc,  inter  Entozoa  Trema- 
toda potius  referendis);  Trematodes  Ascocoeli  Malacobdellei  s.  Hirudinei  Burmeist.  (hunc  in  familia  circum- 
scribenda  secutus  sum). 

3)  seu,  ut  plerisque  audit,  disco  suctorio;  at  talem  non  esse,  Brandtius  jam  demonstravit.  (Mediz. 
Zool.  Bd.  IL  pg.  230.) 

4)  Cf.  Lov6n,  Wiegm.  Archiv.   1842.  Bd.  I,  pg.  306.  Tab.  VIII. 

5)  Cuvier,  Rfegne  animal,  Tom.  III;  Latreille,  familles  nat.  du  regne  animal.   1825. 

6)  Wiegmann,  Handbuch  der  Zoologie. 

7)  Burmeister,  Handbuch  der  Naturgesch.  Bd.  H. 


De   Hinidinibus.  ^ 

Planarieis  (Turbellariis  Dendrocoelis  Ehrbg.)  in  eundem  ordinem  conjunxit,  com- 
muni  Trematodum  nomine  ab  illo  designatum. 

Planariis  saltem  Clepsinarum  genus  corporis  forma  depressa,  proboscide  qua 
nutrimentnm  hauritur,  intestino  ad  arboris  instar  in  ramos  diviso,  sanguine  decolorci 
aliisque  notis  haud  absimile^).  Sed  structura  interna  diversissima;  sanguinis  circuitus 
e.  g.  in  Hirudinibus  omnibus  vasorum  contractione,  in  Trematodibus  et  Planariis 
motu  vibratorio  valvularam  filiformium  quae  intra  vasa  existunt,  efficitur ;  nervorum 
systema  in  illis  ad  Articulatorum  normam  compositum,  a  qua  et  in  Trematodibus, 
et,  quantum  innotuit^),  in  Planariis  longe  recedit,  et  quae  alia. 

Ipse  Savignyo  potissimum  et  Milne-Edwards  3)  adstipularer,  qui  ordinem 
vermium  proprium  hanc  nostram  familiam  constituere  arbitrantur. 

§  2.     Forma  externa. 

Hirudinum  corpus  plus  minus  elongatum,  in  aliis  exacte  cylindricum,  in  aliis 
subcylindricum,  ventre  piano,  in  aliis  valde  depressum,  dilatatum;  versus  extremi- 
tatem  utramque  plus  minus  attenuatum;  plerumque  molle  lubricum,  in  quibusdam 
duriusculum,  cartilaginosum,  in  una  e  nostris  specie  mollissimum  gelatinosum. 

Annulorum  numerus  secundum  genera  diversus,  in  codem  vero  animali 
constans,  neque,  ut  in  Lumbricis,  aetate  auctus.  Caput  et  pedem  versus  annuli  et 
angustiores  et  breviores  fieri,  ad  latera  corporis  prominere  solent,  quo  margo  cre- 
natus  vel  dentatus  apparet. 

Caput,  i.  e.  maxime  antica  corporis  pars  oculos  gerens,  maxillas  et  annulum 
nerveum  qui  oesophagum  cingit  includens,  modo  distinctc  a  corpore  separatum, 
modo  prorsus  cum  eo  confusum  est;  modo  annulis  pluribus  compositum,  m^do 
exannulatum.  Contractione  peculiari  in  disci  formam  redactum  affigendo  inservit. 
Oculis  plerumque  binis  usque  denis  instructum  est,  in  figuras  varias  in  superiore 
ejus  facie  dispositis;  raro  oculis  caret.  Oculi  non  e  simplicibus  pigmenti  acervulis 
constant,  sed  sphaeras  referunt,  quarum  altera  dimidia  pars  pellucida,  altera  pig- 
mento  in  pullis  rubro,  in  adultis  nigro  vestita  est.  Quam  oculorum  structuram,  a 
Brandtio  jam  in  Sanguisuga  observatam,  ipse  distinctissime  in  Aulastomate,  Xcphe- 
lide,  Clepsinis  omnibus,  minus  distincte  in  Piscicola  vidi. 

Os  raro  (in  Branchiobdella)  exacte  terminale,  plerumque  subinferum,  annulis 
primis  incompletis  ad  labri  instar  prominentibus.  In  aliis  inerme,  in  aliis  maxillis 
tribus  (superiore  duabusque  lateralibus)  vel  duabus  (superiore  et  inferiore),  in  aliis 
denique  proboscide  exsertili  tubulosa  armatum. 

Postice  corpus  pedC^)  disciformi  carnoso,  ex  annulis  pluribus  confusis,  uti 
ganglia  docent,  exorto  terminatur,   modo  exacte  terminali,   h.  e.  in  axem  corporis 

1)  Magis  adhuc  ad  Planarias  et  Trematoda  accedere  videtur  Malacobdella  grossa  Blainv.  (Hirudo 
grossa  O.  F.  Muell.  Zool.  D.  Prodr.)  in  Molluscorum  quorundam  marinorum  pallio  parasitica,  atque 
Hirudinula  illa,  quam  in  Caligo  curto  Kröyer  observavit.     (cf.  Isis,  1841  pg.   195.) 

2)  F.  F.  Schulze,  De  Planariarum  vivendi  rat.  etc.  pg.  39. 

3)  Savigy,  Systeme  des  Annelides.  —  Milne-Edwards,  in  Lamarck,  An.  sans  vertibres.  Ed.  II. 

4)  Pedis  nomen  servavi,  quia  usum  organi  optime  exprimit;  aptius  fortasse  cauda  diceretur;  sicuti 
enim  in  cauda  Vertebratorum  medulla  dorsalis,  ita  hie  medulla  ventralis  ultra  anum  prolongatur.  Anuni 
supra  caudam  situm  esse,  multis  mirum  visum  est;  quod  ad  me,  si  infra  inveniretur,  aeque  mirum  mihi 
videretur,  ac  si  in  Vertebrato  quodam  rectum  columnam  vertebrarum  perforans  in  dorso  aperiretur. 


8 


De  Hirudinibus. 


perpendiculari,  modo  oblique  terminali,  modo  infero.  Supra  pedem  in  dorsi  fine 
an  US  Situs  est  Capite  et  pede  alternatim  affixis,  erucarum  geometrarum  more 
Hirudines  progrediuntur.  Quaedam  corpore  musculorum  a  dorso  ad  ventrem 
descendentium  ope  deplanato  et  ancipite  reddito  habilissime  natare,  aliae  corpus 
in  globum  involvere  valent. 

§  3,     Partes  internae. 

Tractus  intestinalis  duae  praesertim  in  Hirudinibus  observantur  formae 
diversae,  vario  nutrimenti  genere  definitae.  Nam  omnes  quidem  e  regno  animali 
victum  petunt,  sed  aliae  (Nephelis,  Aulastoma)  partes  solidas  devorant,  aliae  (San- 
guisuga,  Haemopis,  Piscicola,  Clepsine)  succos  tantum  animalium  exsugunt. 

Ulis  Oesophagus  longus  carnosus  inermis  aut  maxillis  minutis  armatus,  plicis 
fortibus  longitudinalibus  instructus;  ventriculus  amplus  tubum  simplicem  vix  in 
quinto  quovis  annulo  parum  angustatum  referens,  appendicibus  lateralibus  aut 
prorsus  destitutus  aut  ad  extremitatem  posticam  duabus  gracillimis  donatus;  in- 
testinum amplum,  in  parte  anteriore  plicis  validis  circularibus  rugulosis  munitum, 
in  anum  maximum  abiens. 

His  tractus  intestinalis  minus  simplex.  Oesophagus  in  Sanguisuga  et  Haemo- 
pide  brevis  musculosus  maxillis  tribus  validis  armatus,  in  Clepsine  membranaceus 
proboscidem  musculosam  cylindricam  basi  in  bulbum  incrassatam  includens.  Ventri- 
culus appendicibus  lateralibus  coecis,  quarum  numerus  in  variis  varius,  instructus, 
atque  in  Sanguisuga  et  Haemopide  sphincteribus  in  plures  quasi  divisus;  appendi- 
cum  par  ultimum  ceteris  plerumque  multo  longius,  juxta  et  sub  intestino  versus 
posteriora  descendens.  Intestinum  angustum,  in  Sanguisuga,  Haemopide,  Piscicola 
exappendiculatum,  in  Clepsine  appendicum  lateralium  paribus  quatuor  instructum. 
Rectum  angustissimum  in  anum  exiguum  desinens. 

Digestio  in  iis,  qui  partibus  solidis  vescuntur,  celerrime,  in  iis  qui  sanguinem 
sugunt,  lentius  fit,  et  minus  quidem  lente  in  iis  qui  Molluscorum,  lentissime  in  iis 
qui  Vertebratorum  sanguinem.  Aulastoma  e.  g.  in  una  hebdomade  Nephelides 
duodecim  devorare  vidi ;  Clepsinae  hyalinae,  quae  Planorbium  succis  nutritur,  diebus 
quatuor  usque  octo,  Clepsinae  marginatae,  quae  Pisces  et  Batrachia  aggreditur, 
mensibus  sex  et  ultra  ad  coenam  unicam  digerendam  opus  esse  observavi;  imo 
Sanguisugae  annorum  plurium  spatio  egere  dicuntur. 

Quod  ad  glandulas  secernentes  attinet  cum  canali  alimentari  conjunctas,  hepar 
Hirudinibus  omnibus  esse  videtur.  In  Sanguisuga,  Aulastomate,  Nephelide  telam 
illam  fuscam  vel  flavescentem  spongiosam  constituit,  quae  undique  fere  tractum 
intestinalem  cingens  totum  paene  inter  illum  et  corporis  parietes  spatium  occupat. 
In  Branchiobdella  coecula  brevissima  refert,  globulos  virescentes  includentia  quibus 
totus  canalis  alimentaris,  oesophago  et  recto  exceptis,  circumdatur.  In  Clepsine 
tessulata  supra  ventriculi  superficiem  ductuli  flavescentes  observantur,  quorum 
plures  e  centro  communi  radiorum  instar  progrediuntur;  acidi  nitrici  pauxillo  adjecto 
color  eorum  viridis  evadit,  quo  ductulos  hepaticos  esse  probatur.  (xlandulas  salivales 
Brandt  in  Sanguisugis  observavit. 

Vasorum  systema  formas  duas  offert  typice  diversas;  in  aliis  enim  (San- 
guisuga, Aulastomate,  Nephelide)  circulatio  horizontalis,  in  aliis  (Branchiobdella, 
Piscicola,  Clepsine)  verticaUs. 


De  Hirudinibus.  q 

Ulis  vasa  dua  lateralia,  quae  contrahendo  sanguinem  propellunt;  vas  ventrale 
gangliorum  scriem  cum  mcdulla  ventrali  includens;  vas  dorsale  in  aliis  satis 
magnum,  in  aliis  (Nephelide)  fortasse  nulluni.  Sanguis,  in  omnibus  hisce  ruber- 
rimus,  in  altero  semper  vase  laterali  prorsum,  in  altero  retrorsum  fluit.  Directio 
vero  fluendi  pluries  per  horam  mutatur,  ita  ut  mox  in  vase  dextro  prorsum,  in 
sinistro  retrorsum,  mox  in  dextro  retrorsum,  in  sinistro  prorsum  fluat.  Simul 
fluctuatio  existit,  qua  sanguis  ab  altero  ad  altcrum  latus  per  vascula  transversa 
transit  ^). 

His  vas  dorsale  contractile,  cordis  munere  fungens,  in  Piscicola  et  Clepsine 
valvulis  instructum.  Vas  ventrale  medullam  ventralem  non  includens;  hoc  quoque 
in  Branchiobdella  et  Piscicola  contrahitur;  num  in  Clepsine,  nescio;  valvulis  etiam 
in  Piscicola  munitum.  Vasa  lateralia  in  Branchiobdella  non  hucusque  reperta;  in 
Piscicola  dua  valvulis  destituta,  non  contractilia ;  in  Clepsine,  uti  videtur,  plura 
exigua,  rete  singulare  formantia,  quorum  tamen  decursum  completum  plane  per- 
spicere  nondum  valui.  Sanguinem  pallidiorem,  rubescentcm,  flavesccntem ,  vel 
omni  colore  destitutum,  in  Branchiobdella  et  Clepsine  vase  dorsali  prorsum  semper 
propelli  vidi,  in  Piscicola  quoque  valvulae  directionis  mutationem  vetare  vidcntur  ^). 

Respiratio,  cujus  Organa  peculiaria  desiderantur ^),  in  reti  capillari  cutaneo 
fieri  videtur.  Cui  ut  reccns  semper  aqua  advehatur,  singulari  modo,  secundum 
genera  vario,  corpus  moveri  solet.  In  aliis  enim  corpus  solo  pede  (in  Sanguisuga 
et  affinibus),  vel  pede  simul  et  capite  (in  Clepsine)  fixum  motu  undulatorio  sursum 
et  deorsum  flectitur ;  in  aliis  (Piscicola,  Branchiobdella)  corpus  pede  fixum  atque  in 
lineam  rectam  extensum  coni  superficiem  describit,  cujus  apex  in  pede  positus  est. 

Ad  utrumque  corporis  latus  prope  vas  laterale  in  quinto  quovis  annulo  in 
Sanguisuga  et  Aulastomate  vesiculae  parvae  membranaceae  sitae  sunt,  in  facie 
ventrali  apertae,  quibuscum  canales  in  ansam  flexi  (schleifenförmige  Organe  auctorum) 
cohaerent.  Hae  respirationis  organa  a  pluribus  habitae  atque  vesiculae  respiratoriae 
nuncupatae.  Nihil  vero  cum  respiratione  commune  eas  habere,  eo  jam  patet,  quod 
si  Sanguisugam  vivam  aperire  velis,  eas  prorsus  albas  neque  vero  reti  respiratorio 
praeditas  invenies.  Id  potius  iis  tribuendum  videtur  munus,  ut  mucum  quo  corpus 
lubricum  reddatur,  secernant. 

Nervorum  systema  Articulatorum  typum  sequitur;  habent  enim  ganghon 
oesophago   superpositum    (cerebrale);   et   gangliorum   ventralium  seriem,   filis  binis 


i)  In  Nephelide  vulgari  facile  hie  circulationis  modus  observari  potest,  si  modo  individua  pcllucidiora 
eliguntur;  expositionem  ejus  accuratissimam  figuris  illustratam  dedit  J.  Mueller  (Meckels  Archiv,  1828  pg.  22. 
Tab.  I,  fig.   I  et  2). 

Cf.  etiam  Duges,  Ann.  des  Sc.  nat.  Tom.  15  pg.  308.  R.  Wagner,  Isis  1832  pg.  635  sqq.  In 
Sanguisuga  quoque  et  Aulastomate,  si  viva  apeiiuntur,  vasorum  lateralium  contractiones  facile  conspiciuntur. 

2)  Facillime  in  Clepsinis  pullis  sub  microscopio  vasis  dorsalis  contractiones  et  valvulae  observantur. 
Vas  dorsale  amplum,  valde  flexuosum,  in  tertio  quovis  annulo  valvula  instructum,  cujus  forma  simiiis,  ac  in 
Piscicola.  In  Clepsine  tessulata  caute  a  dorso  aperta  lentis  jam  ope  valvulas  conspicies.  De  Piscicola, 
quam  ipse  non  dissecui,  cf.  Leo,  Muellers  Archiv   1835.  pg.  419  sqq.  Tab.  XI. 

3)  Branchiae  Hirudinibus  omnibus  deesse  videntur;  nam  in  Brancheliio  Sav.  ([uoquc  ap|)cndices  illas 
laterales  branchiiformes,  quibus  hoc  genus  excelht,  nihil  de  branchiarum  natura  habere  Blainville  obsenavit. 
(Dict.  des  Sc.  nat.  Tom.  57  pg.  557.)  Etiamsi  vero  branchiae  hae  essent,  tamen  cum  Hirudinibus  potius 
hunc  vermem  conjungerem,  quam  cum  Arenicola,  toto  coelo  diversa,  uti  Latreillium  fecissc  videmus.  (Famill. 
natur.  du  regne  anim.  pg.   244.) 


j^  De  Hirudinibus. 


valde  sibi  approximatis  conjunctorum.  Ganglion  ventrale  primum  cum  cerebral! 
filis  binis  oesophagum  cingentibus  cohaeret;  ganglion  ultimum,  in  pede  positum, 
maximum,  e  pluribus  coalitum.  Numerus  gangliorum  ventralium  viginti  duo  omnibus 
esse  videtur,  Branchiobdella  excepta,  cui  decem  tantum;  singula  aequali  a  se  in- 
vicem  distant  annulorum  numero,  secundum  genera  diverso ;  annulis  quinis  nimirum 
in  Sanguisuga  et  affinibus,  (quaternis  in  Albione),  ternis  in  Clepsine,  binis  in  Bran- 
chiobdella Astaci,  singulis  in  Piscicola.  Quo  fit,  ut  gangliorum  numero  haud  mu- 
tato  centum  circa  annuli  in  Sanguisuga,  sexaginta  ^)  in  Clepsine,  viginti  in  Piscicola 
numerentur.  Eodem  modo,  ut  ganglia,  alia  quoque  Organa  pluries  obvia  in  quinto 
quovis  annulo  in  Sanguisuga,  tertio  in  Clepsine  repetuntur;  quae  ratio  numerica 
jam  etiam  extrinsecus  in  colorum  dispositione  apparet.  Quod  ut  brevi  designetur, 
Sanguisugarum  annuli  quinati,  Clepsinarum  ternati  (SegmensternesSav.)  dicipossent. 

Nervus  sympathicus  in  Sanguisuga  a  Brandtio  observatus;  gangliis  tribus  con- 
stat  minutis  pone  maxillas  positis,  quae  cum  cerebro  filis  tenuissimis  conjunguntur, 
et  filo  nerveo  exiguo  supra  ventriculum  decurrente. 

Hirudines  omnes  hermaphroditae ;  aperturae  genitales,  anterior  et  posterior, 
in  linea  media  ventris,  capiti  propiores,  sitae.  Partium  genitalium  internarum 
fabricam  hie  transeam,  uberius  hanc  in  capite  tertio  expositurus. 

§  4.  Generum  diagnoses. 

Hirudines  omnes  uno  eodemque  genere  Linnaeus  amplectebatur ;  at,  cum 
postea  accuratiori  examini  subjectas  tantopere  inter  se  differre  pateret,  ut  vix  tam 
arcto  generis  vinculo  conjungi  posse  viderentur,  unicum  illud  Linnaeanum  genus 
a  Savignyo  aliisque  in  plura  minora  dissolvebatur ;  jamque,  quod  genus  antea  fuerat, 
familiae  dignitatem  accepit. 

E  quibus  generibus,  quae  intra  Germaniae  fines  occurrunt,  ita  distinguuntur: 

Sect.  L  Corpus  valde  depressum,  dilatatum,  in  globum  se  in- 
volvens.  Caput  a  corpore  discretum  aut  indiscretum,  ex  annulis 
pluribus  compositum,     Annuli  ternati. 

Genus  i.    Clepsine.    Os  edentatum,  proboscide  exsertili  armatum.    Oculi  (2 — 8.) 

Sectio  II.  Corpuselongatum,plusminusdepressum,angustum. 
Caput  a  corpore  haud  discretum  ex  annulis  pluribus  compositum. 
Annuli  quinati. 

A.  Oesophagus  longus.     Anus  maximus. 
Genus  2.     Nephelis.     Os  inerme.     Oesophagus  plicis   tribus  longitudinalibus. 

Oculi  8. 
Genus  3.     Aulastoma.     Os  maxillis  tribus  minutis  armatum.    Oesophagus  plicis 

longitudinalibus  numerosis.     Oculi   10. 

B.  Oesophagus  brevi s.     Anus  exiguus. 
Genus  4.     Haemopis.     Maxillae   tres  validae   non    compressae,  obtuse  parum 
dentatae.     Oculi  10. 


i)  Neque  vero  76,  ut  Moquin-Tandon  dicit. 


De  Hiradinibus. 

Genus  5.  Sanguisuga.    Maxillae  tres  validae,  compressae,  argute  multidentatae. 
Oculi  10. 

Sectio  IIL  Corpus  elongatum  teres.  Caput  a  corpore  discre- 
tum,  exannulatum. 

Genus  6.     Piscicola.     Annuli  vix  distincti.     Maxillae  nullae.     Oculi. 
Genus  7.     Branchiobdella.     Annuli  distinctissimi.    Maxillae  duae  planae  tri- 
anguläres.    Oculi  nulli. 

§  5.    Generum  in  sectiones  distributio. 

Plures  jam  auctores  Hirudinum  genera  in  sectiones  distribuere  conati  sunt, 
alio  aliam  sibi  notam  externam  pro  dividendi  norma  assumente;  appendices  bran- 
chiiformes  e.  g.,  capitis  et  oris  formam  Savignyo '),  oculorum  praesentiam  et  defectum 
Latreillio  2),  maxillarum  evolutionem  Burmeistero  3).  At,  cum  ex  totius  organismi 
constructione  vivendique  ratione,  neque  vero  e  singulo  quodam  charactere.  quem 
e  reliquorum  complexu  pro  libitu  tibi  elegeris,  omnis  classificatio  naturalis  derivanda 
sit,  quid  mirum,  parum  et  inter  se,  et  cum  ipsa  horum  animalium  natura  has 
distributiones  convenire;  modo  enim  genera  diversissima  (Clepsine  et  Sanguisuga; 
Trochetia  et  Branchiobdella;  Piscicola,  Clepsine  et  Nephelis)  in  eandem  sectionem 
conjuncta,  modo  similia  (Aulastoma,  Sanguisuga)  in  diversas  divulsa  videmus. 

Mihi,  quae  apud  nos  obviam  veniunt  genera  (exclusis  igitur  Branchellio  Sav., 
Albione  Sav.,  Trochetia  Dutr.,  Bdella  Sav.,  Malacobdella  Blainv.)  in  tres  quas 
supra  proposui  sectiones  dividenda  videntur,  habitu  externo,  partium  internarum 
fabrica,   vivendi   modo   distinctissimas,   quarum    notas  brevi  sequentibus  exponam. 

Sectio  prima  Clepsinarum  genus  amplectitur.  His  corpus  valde  depressum, 
plus  minus  dilatatum,  subtus  planum  vel  concavum,  facultate  in  globum  sese  in- 
volvendi  donatum;  qua  facultate,  si  vivas  observas,  primo  intuitu  distinguuntur. 
Annuli  ternati.    Caput  modo  distinctum,  modo  indistinctum,  annulatum.    Pes  inferus. 


i)  Sect.  I.  Sangsues  Branchelliennes.  Des  branchies  saillans.  Ventouse  orale  d'une  seule 
piece  Separee  du  corps  par  un  fort  etranglement.     Ouvertüre  circulaire.     Branchellio n. 

Sect.  2.  Sangsues  Albioniennes.  Point  de  branchies.  Ventouse  orale  d'une  seule  pi^ce 
separ^e  du  corps  par  un  fort  etranglement.  Ouvertüre  sensiblement  longitudinale.  Albione.  Haemo- 
c  h  a  r  i  s  (=  Piscicola) . 

Sect.  3.  Sangsues  Bdelliennes.  Point  de  branchies.  Ventouse  orale  de  plusieures  pi^ces, 
peu  ou  point  separ^e  du  reste  du  corps;  ouverture  transverse  comme  ä  deux  lövres.  Bdella.  Sangui- 
suga.    Haemopis.     Nephelis.     Clepsine.     cf.  Sav.  Syst.  des.  Annd.  pg.   io6. 

2)  I.  Point  d'yeux.     Trochetia,  Branchiobdella. 
II.  Des  yeux.     A.  Albione  Haemocharis. 

B.  Bdella.  Sanguisuga.  Nephelis. 
Haemopis.  Clepsine. 
Latr.  Famill.  nat.  du  rögne  anim.  pg.  246. 

3)  A.  Ohne  oder  mit  un vollkommnen  Kiefern. 

Branchiobdella.  Piscicola.  Clepsine.  Nephelis. 
Albione.  Aulastoma. 
B.  Mit   grösseren  harten  am  Rande  meist  gezähnten  Kiefern.     Haemopis.  Hirudo 
{=  Sanguisuga)  Bdella.     Burmeister,  Handb.  der  Naturgesch.  Bd.  II. 


12 


De  Hirudinibus. 


Oculi  2,  4,  6,  vel  8.  in  series  duas  longitudinales  parallelas  vel  antice  convergentes 
dispositi.  Oesophagus  plus  minus  longus,  membranaceus,  proboscide  tubulosa  ex- 
sertili  armatus.  Maxillae  nullae.  Ventriculus  et  intestinum  appendicibus  coecis 
lateralibus  utrinque  instructa.  Circulatio  verticalis,  vase  dorsali  nimirum  sanguinem 
colore  destitutum  propellente.  Vas  ventrale  gangliorum  seriem  non  includens. 
Ganglion  quodvis  nervorum  par  unicum  emittens.  Ova,  in  capsulam  cartilagineam 
haud  inclusa,  aut  sub  ventre  secum  gerunt,  aut  ad  corpora  aliena  deposita,  quiete 
iis  donec  pulli  excludantur  supersedentes,  quasi  incubant.  Pullos  ventri  affixos 
secum  portant.  Pede  et  capite  fixis  corpus  motu  undulatorio  flectere  amant. 
Natare  nequeunt. 

Sectione  secunda  genera  Nephelis,  Aulastoma,  Haemopis,  Sanguisuga  com- 
prehenduntur.  His  corpus  elongatum  angustum ,  plus  minus  depressum ,  capite 
indistincto  annulato,  pede  oblique  terminali,  annulis  quinatis,  Oculi  8  vel  lo,  in 
figuram  semicircularem  vel  hippocrepidiformem  dispositi.  Oesophagus  musculosus, 
proboscide  carens.  Maxillae  tres,  vel,  si  desunt,  oesophagi  plicae  tres  longitudinales. 
Ventriculus  appendicibus  lateralibus  saepius  instructus;  intestinum  semper  iis  caret. 
Circulatio  horizontalis,  vasis  lateralibus  nimirum  pulsantibus.  Sanguis  ruberrimus. 
Vas  ventrale  gangliorum  seriem  includens.  Ganglion  quodvis  nervorum  paria  dua 
emittens.  Ova  plura  pariunt  in  capsulam  cartilagineam  communem  inclusa  ^).  Ovis 
depositis  mater  prolis  non  amplius  curam  habet.  Pede  fixo  corpus  antice  liberum 
motu  undulatorio  flectere  solent.     Corpore  deplanato  habilissime  natant. 

Tertiam  denique  sectionem  Piscicola  et  Branchiobdella  constituunt.  Horum 
corpus  teres,  elongatum,  capite  distincto,  exannulato,  pede  exacte  terminali.  Proboscis 
nulla;  maxillae  nullae,  aut  duae  planae  trianguläres.  Intestinum  exappendiculatum, 
Circulatio  verticalis,  vasibus  dorsali  et  ventrali  contractilibus.  Sanguis  pallide  rubens 
vel  flavescens.  Vas  ventrale  gangliorum  seriem  haud  includens.  Ova  capsulis 
cartilagineis  tecta  pariunt;  num  vero  hae  capsulae  embryones  singulos  includant, 
an  plures,  nondum,  quantum  scio,  constat.  In  Branchiobdellae  capsulis  omnibus, 
quas  perscrutatus  sum,  pullos  singulos  vidi.  Prolis  cura  nulla.  Pede  fixae  corpore 
in  lineam  rectam  extenso  conum  describere  amant.  Parasitice  in  Piscibus  et 
Crustaceis  vitam  degunt^). 


i)  Hae  ovonim  capsulae,  quales  Hiradinum  genera  lau  data,  Lumbricini,  Naides  pariunt,  nullo  modo, 
ut  saepius  fit,  cum  Planariarum  (lacteae,  torvae  etc.)  ovis  comparari  possunt,  omnino  diversis.  Illae  enim 
(Nephelidis  saltem  et  Lumbricinorum  plurium,  quas  observavi)  ova  completa  vitello,  albumine,  chorio  com- 
posita,  materia  nutriente  structuram  nuUam  offerente  circumdata  includunt.  In  Planariarum  contra  ovis  recenter 
partis  ne  ullum  quidem  germinis  vestigium  conspicuum  ;  tota  cellulis  granula  minutissima  globulosque  majores 
continentibus  repleta,  quae  primo  post  partum  tempore  motu  singulari  quasi  peristaltico,  a  celeberrimo 
v.  Siebold  detecto  praeditae  sunt.  Sero  demum  prima  embryonum  vestigia  apparent.  Praeterea  Planariarum 
ova  in  ipso  jam  matris  utero  formantur;  capsulae  vero  (in  plerisque  saltem,  si  non  in  omnibus)  extra,  muci 
superficie,  quo  involuta  ova  eduntur,  in  integumentum  cartilagineum  coagulante. 

2)  Quod  ad  locvun  attinet  generibus  extra  patriae  fines  obviis  assignandum,  cum  parum  de  eorum 
structura  interna  sciamus,  incertas  tantum  de  eo  conjecturas  proferre  licet.  Branchellion  Sav.  tribum  proprium 
constituere  videtur,  Malacobdella  Blv.  in  Clepsinarum  fortasse  vicinio  coliocanda,  Albione  cum  Piscicola  et 
Branchiobdella  conjungenda  erit.  Bdella  Sav.  (Limnatis  Moqu.  Td.)  et  Trochetia  Dutr.  quin  sectioni  nostrae 
secundae  adscribendae,  vix  dubito.  Ejusdem  sectionis  Hirudinem  lineatam  O.  F.  Müll,  esse  suspicor,  etiamsi 
oculorum  (sex)  numcro  differat.     Quae  omnia  accuratius  horum  animalium  examen  postea  docebit. 


De  Hirudinibus.  t  ^ 

§  6.    Mutuae  generum  relationes. 

Quod  ad  mutuas  relationes  attinet,  quae  inter  singula  genera  existunt,  Clepsinae 
notis  plerisque  ab  aliis  omnibus  longe  recedenti  Nephelis  quodammodo  accedit 
genitalium  femineorum  structura  (cf.  Cap.  III). 

Nephelidi  proximum  Aulastoma  nutrimenti  genere  ideoque  canalis  alimentaris 
fabrica.  Haec  enim  sola  e  nostris  genera  partibus  solidis  (vermiculis,  carne  etc.) 
vescuntur.  Utrique  Oesophagus  longus  carnosus,  ventriculus  amplus  simpliciter 
tubulosus,  intestinum  aeque  amplum,  in  anum,  ut  pro  tali  nutrimenti  genere  opus 
est,  maximum  abiens. 

Jam  vero  Aulastoma  maxillis  exiguis  et  appendicum  ventriculi  pari  unico 
gracili  a  Nephelide  transitum  struit  ad  Haemopidem  et  Sanguisugam,  maxillis 
validis  armatas,  appendicibus  ventriculi  numerosis  amplissimis  instructas.  Qui- 
buscum  etiam  oculorum  numero,  genitalium  structura,  aliisque  notis  congruit. 

Haemopis  et  Sanguisuga  arctissimo  affinitatis  vinculo  conjunctae  et  vix  in 
duo  genera  sejungendae,  oesophago  brevi,  maxillis  validis  armato;  ventriculo 
appendicibus  amplissimis  instructo  et  sphincteribus  in  plures  quasi  diviso ;  intestino 
angusto  in  anum  exiguum  aperto  a  reliquis  discrepantes,  levioribus  tantum  inter 
se  differunt  notis;  maxillis  nimirum  in  Haemopide  non  compressis,  dentes  paucos 
obtusos,  in  Sanguisuga  compressis,  dentes  plurimos  acutos  gerentibus,  et  genitalium 
masculorum  structura. 

Piscicola  systemate  vasorum,  vase  dorsali  nimirum  contractili  valvulis  instructo, 
et  epididymide  haud  in  glandulae  formam  contorta  (cf.  Cap.  III.)  cum  Clepsine 
congruit,  intestini  forma  ad  Haemopidem  et  Sanguisugam  accedere  videtur. 

Branchiobdella  denique,  Piscicolae  quidem  inter  omnes  simillima,  multis  tarnen 
rationibus,  pro  parte,  ut  oculorum  defectus,  e  vita  parasitica  explicandis,  et  ab  hac, 
et  aliis  omnibus  Hirudinibus  longe  recedit. 


Caput  secundum. 
Hirudinum  Berolinensium  expositio  systematica. 

Sectio  I.  Hirudines  corpore  valde  depresso  dilatato  in  glo- 
bum  se  involvente;  capite  distincto  aut  indistincto,  annulis  plu- 
ribus  composito,  annulis  ternatis. 

Genus  L     Clepsine. 
Os  edentatum  proboscide  exsertili  armatum. 
Oculi  (2—8.) 
Hirudines    dilatatae    subtus   planae    vel    concavae,    dorso    elevatae;    pullos  secum 

ferentes.     Braun. 
Glossiphonia  et  Glossopora  Rawl.  Johns.    Helluo  spec.  Oleen.    Clepsine  Sav. 
Glossobdella  Blainv. 
Clepsinis  omnibus  corpus  plus  minus  pellucidum,  modo  duriusculum  cartilagi- 
nosum,  modo  moUissimum  gelatinosum,  coloribus  minus  obscuris  utplurimum  ornatum. 


j  .  De  Hirudinibus. 

Tractus  intestinalis  magis  quam  in  alio  ullo  genere  complicatus.  Oesophagus 
plerisque  longus  membranaceus,  proboscidem  carnosam  tubulosam  cylindricam  basi 
in  bulbum  incrassatam  includens,  Haec  in  aliis  (ut  Cl.  hyalina)  maxima  quartam 
fere  corporis  partem  longitudine  aequans,  in  aliis  (Cl.  tessulata)  valde  exigua  facile 
praetervidenda ;  antice  crenata  apparet;  protruditur  musculis  gracilibus  ab  oris 
regione  ad  bulbum  proboscidis  descendentibus ;  retrahitur  fibris  muscularibus  a 
postica  bulbi  parte  in  ventriculi  parietes  dispersis.  Oesophagum  sequitur  ventriculus 
longus  angustus  appendicum  coecarum  paribus  5  usque  7  (in  nostris)  instructus. 
Hae  plus  minus  longae,  modo  simplices,  modo  in  ramos  plures  divisae ;  par  ultimum 
ceteris  plerumque  multo  longius  ad  utrumque  corporis  latus  versus  posteriora  des- 
cendens,  appendicibus  secundariis  in  latere  exteriore  interdum  instructum ;  raro  (in  Cl. 
verrucata)  anterioribus  vix  longius.  Praeter  haec  5 — 7  appendicum  paria  omnibus 
communia  in  Cl.  marginata  et  tessulata  ventriculus  alio  adhuc  appendicum  systemate 
gaudet,  proventriculum  quasi  constituente.  (cf.  pg.  15.)  Inter  ultimum  appendicum 
ventriculi  par  intestinum  tenue  descendit,  appendicum  lateralium  paribus  quatuor 
instructum.  Hoc  in  pellucidioribus  (Cl.  hyalina,  tessulata)  motus  peristaltici  phae- 
nomenon  offert.  Tum  pars  brevis  in  globulum  dilatata  sequitur,  e  qua  rectum  an- 
gustum  spiraliter  saepius  tortum  egreditur,  in  anum  exiguum  loco  solito  situm  abiens. 

Aliae,  quibus  hoc  genus  excellit,  notae  supra  jam  expositae  (Cap.  I.  §  5.);  id 
tantum  hie  adjiciam,  nervorum  par  illud  unicum  e  quovis  ganglio  ventrali  pro- 
grediens  modo  dimidiam  corporis  latitudinem  indivisum  percurrere  (ut  in  Cl.  verru- 
cata, complanata),  modo  paulo  postquam  e  ganglio  egressum,  in  ramos  plures  solvi 
(ut  in  Cl.  tessulata). 

Clepsinae  aquas  puriores  fossarum,  lacuum,  fluviorum  habitant.  Extra  aquam 
mox  pereunt.  Nutriuntur  aliae  Molluscorum,  aliae  Vertebratorum  sanguine.  Pullos 
ventre  affixos  secum  portant 

I.  Clepsine  marginata  mihi ^). 

Corpus  subcartilaginosum,  dilatatum,  fuscoviride,  dorso  ma- 
cularum  f  lavescentium  seriebus4,  linearum  ejusdem  coloris  serie 
media  notato;  margine  flavo,  albo,  fuscoque  tessulato.  Oculi  4, 
postici  majores  magis  inter  se  distantes. 

Long.  max.   10'". 
Hirudo  marginata  O.  F.  Muell.  Hist.  verm.  Tom.  I.  pars  II.  pg.  46. 
Hir.    variegata.      Der    gesellige    Egel.      Braun,    Systemat.    Beschreib,    einiger    Egelarten. 

pg.  61.  Tab.  VII,  fig.   I — 6. 
Hir.  cephalota  Carena,  Mem.  dell.  Accad.    di  Torino.    Vol.  XXV.    pg.  298.  Tab.  XII, 

fig  19.  Vol.  XXVIII.  pag.  336. 
Hir.    oscillatoria    Saint-Amans.       Mem.    de    la    Soc.    Linneenne   de    Paris.    Tom.    III. 

pg.   193.   pl.  VIII. 
Piscicola  marginata  Moqu.  Tand.  Monograph.  de  la  Fam.  des  Hirud.  pg.  132.  Tab.  VII.  fig.  2. 
Piscicola    tessellata    Id.    Ibid.    pg.    133.    Tab.  VII,    fig.  3.    (exclus.    synon.    Hir.    tessulata 

O.  F.  Muell.) 
Hir.  (Glossobdella)  cephalota  Blainv.  Dict.  des  Sc.  nat.  Tom.  47.  pg.  266. 
Ichthyobdella  marginata  Id.  Ibid.  Tom.  57.  pg.   588. 


I)  Hujus  generis  et  hanc  et  sequentem  speciem  esse,  alio  jam  loco  (Wiegmann's  Archiv  1844.  Bd.  i. 
pg-  370)  uberius  demonstravi. 


De  Hiradinibus.  ,  c 

Corporis  color  admodum  variat,  plerumque  fusco  viridis,  interdum  pulcherrime 
viridis,  interdum  viridi-flavus,  ventre  semper  pallidiore.  Dorsum  punctorum  fla- 
vescentium  annulis  ternis  distantium  sericbus  4  longitudinalibus;  inter  quas  series 
alia  linearum  transversalium  ejusdem  coloris  e  punctis  singulis  interdum  compo- 
sitarum  observatur.  Margo  subinteger.  Caput  distinctum,  ovale,  apice  mar- 
ginibusque  hyalinum,  striis  fuscis  transversis  et  maculis  flavescentibus  una  media 
duabusque  utrinque  lateralibus  ornatum.  Oculi  4,  quorum  duo  postici  majores 
magis  inter  se  distant.  Pes  magnus  corporis  fere  latitudine,  radiis  fuscis  punctis- 
que  flavescentibus  radiis  interpositis  ornatus.  Intestinum  extrinsecus  plerumque 
conspicuum,  viride,  flavum  vel  ruberrimum.  Ventriculi  proprii  appendices  utrinque 
Septem,  quarum  sex  priores  transversae  in  ramos  tres,  saepe  varie  crenatos  vel 
lobatos  dividuntur,  ultima  vero  juxta  corporis  latera  ad  pedem  usque  extensa  latero 
externo  appendicibus  secundariis  quinque  bifurcis  munita  est.  Ante  ventriculum 
proprium  aliud  appendicum  systema,  proventriculus,  paribus  4  constans,  quorum  pri- 
mum  prorsum,  secundum  et  tertium  lateraliter,  quartum  retrorsum  spectat.  Intestini 
tenuis,  ut  in  omnibus,  appendices  utrinque  4.     Proboscis  parva. 

Juniores  angustae,  Piscicolae  habitu  haud  absimiles ;  adultae  dilatatae.  Amoris 
tempore  testiculorum  paria  undecim  et  Ovaria  extrinsecus  pellucent  ^). 

Habitat  aquas  puriores  rivorum  et  lacuum,  ubi  haud  infrequens  ad  plantarum 
folia  et  ramos  arborum  dejectos  offenditur.   (Thiergarten,  See  bei  Tegel,  Grunewald.) 

Per  totam  Europam  occurrere  videtur;  in  Dania  ab  O.  F.  Muellero,  in  Ger- 
mania a  Braunio  et  memet  ipso,  in  Italia  a  Carena,  in  Gallia  a  Saint-Amans  pul- 
cherrima  haecce  omnium  species  observata  est. 

Batrachiorum  gyrinis  sanguinem  eam  exsugere  vidi ;  Mollusca  non  aggreditur. 
Mensibus  Majo  et  Junio  ovorum  (60 — 80)  flavo-viridium  parit  acervum,  cui  quiete 
supersedet,  donec  pulli  post  hebdomadem  circa  exclusi  matris  ventri  sese  affigant, 
et  ab  illa  secum  ferantur. 

2.  Clepsine  tessulata  mihi. 

Corpus  gelatinös  um  mollissimum  dilatatum,  cinereo- viride, 
dorso  macularum  flavescentium  seriebus  2— önotato.  Caput  sub- 
distinctum.  Oculi  8,  in  series  duas  longitudinaies  antice  conver- 
gentes  dispositi. 

Long.   18'" 
Hirudo  tessulata  O.  F.  Muell.  Hist.  verm.  Tom.  I,  p.  IL  pg- 45- 

—  —        ,  Der  Spion,  Braun,  Systemat.  Beschr.  pg.  56.  Tab.  VI.  flg.  6—10. 

Hirudo  (Erpobdella)  tessulata  Blainv.  Dict.  des  Sc.  nat.  Tom.  47.  pg.   261. 
Erpobdella  vulgaris  var.  tessellata.    Id.  Ibid.  Tom.  57.  pg.  584. 
Ichthyobdella  tessellata.     Id.  Ibid.  Tom.  57.  pg.  558. 

Corpus  mollissimum,  quäle  in  Medusis,  in  junioribus  angustius,  in  adultis 
latissimum,  cinereo-viride,  rarius  pallide  violaceum,  atomis  fuscis  adspersum.  In 
dorso  maculae  flavescentes  series  duas  v.  plures  longitudinaies  constituentes ;  in  ventre 
aperturae  genitales  macularum  albidarum  instar  conspicuae.   Margo  leviter  crenatus. 

I)  Quas  Saint-Amans  (1.  c.)  describit  ventris  maculas  sanguineas  „en  forme  d'y  grec,"  ventncuh 
appendices  fuisse  suspicor. 


j^  De  Hirudinibus. 

Caput  orbiculare,  animali  quiescente,  ut  iam  O.  F.  Mueller  notavit,  a  cauda  vix 
distinguendum.  Oculi  8,  in  series  duas  longitudinales  dispositi,  atri,  areis  albis  cincti. 
—  Intestini  appendicum  numero  cum  Clepsine  marginata  congruit,  forma  differt. 
Ventriculi  enim  appendicum  paria  sex  priora  itemque  paris  ultimi  appendices  secun- 
dariae  simplices  neque  ramosae  vel  bifurcae.  Proboscis  tam  exigua  ut  vix  quar- 
tam  tertiamve  capitis  partem  longitudine  aequet.  —  Testiculorum  paria  sex  amoris 
tempore  extrinsecus  conspicua. 

Elegantem  hanc  speciem  in  Dania  O.  F.  Mueller  detexit;  juniora  exempla 
Braun  prope  Neo-Ruppinum  observavit.  Alibi  hucusque  nondum  reperta  esse 
videtur.  Ipse  in  lacu  prope  Tegel  inveni,  ubi  rarissima  ad  arborum  ramos  dejectos 
et  in  Anodontum  testis  vacuis  occurrit. 

Vertebratorum,  (piscium  vel  Batrachiorum)  sanguine  nutriri  videtur,  ut  Cl. 
marginata.  Saepius  enim  contento  sanguineo  vel  atropurpureo  ventriculum  scaten- 
tem  reperi,  Mollusca  vero,  quae  ei  obtuli,  nunquam  aggressa  est.  Mense  Junio 
ova  plurima  (trecenta  O.  F.  Mueller,  CL  et  supra  ego  numeravimus)  saturate 
vitellina  deponit,  iisque  donec  pulli  excludantur,  quasi  incubat.  Aspectum  quo  nil 
pulchrius  mater  offert  pullis  centum  et  quod  excedit  onusta;  in  quovis  enim  pullo 
ventriculus  elegantissime  pinnatus,  vitello  virescente  farctus,  oculique  octo  coccinei 
conspicui. 

Mirum  est,  quanta  de  hac  specie  tam  clare  et  distincte  ab  O.  F.  Muellero 
descripta  apud  Blainvilleum  et  Moquin-Tandonium  confusio.  Blainville  enim  ocu- 
lorum  numero  ductus  Nephelidi  generi  eam  adnumeravit  ipsique  postea  Nephe- 
lidi  vulgari  tanquam  varietatem  subjunxit.  Moquin-Tandon,  qua  solet  levitate, 
Hirudinem  oscillatoriam  Saint-Amans  hanc  Muelleri  speciem  esse  arbitratus,  Pisci- 
colae  generi  eam  adscripsit;  imo  vero  tantum  abest,  ut  vix  a  Clepsine  tessulata 
Hir.  oscillatoria  differat  (Moqu.  Td.  Monogr.  pg.  i8),  ut  vix  ullam  potius  reperire 
possis  notam,  qua  Saint-Amansii  cum  exactissima  O.  F.  Muelleri  descriptione 
congruat. 

3.  Clepsine  verrucata  mihi. 

Corpus  subcartilaginosum  dilatatum  antice  vix  angustatum, 
dorso  viridi-fuscescenteverrucarum  valdeprominentium  seriebus 
sex  notatum.  Caput  subdistinctum.  Oculi  6  (rarissime  4)  seriebus 
duabus  longitudinalibus  subparallelis  dispositi.  Appendicum 
ventriculi  paria  7,  par  ultimum  inter  appendicum  intestini  par 
primum  et  secundum  terminatum^). 


i)  Non  potui  quin  hunc  characterem  magis  anatomicum  quam  zoologicum  in  diagnosin  reciperem ; 
quamvis  enim  toto  jam  habitu  satis  a  sequente  differat,  nullas  tarnen  reperire  valui  notas  extemas  quibus 
satis  distincte  ab  ea  discematur.  Ceterum  haec  quoque  nota  quodammodo  externa,  intestino  nimirum  sae- 
pissime,  quoties  cibo  repletum,  extrinsecus  conspicuo.  Alias  quoque  quae  apud  nos  occurrunt  species,  si 
cibo   repletas  invenias,   facillime   paris  ultimi  appendicum  ventriculi  longitudine  et  forma  distinguere  poteris. 

Terminatur  enim  ultimum  ventriculi  appendicum  par  inter  intestini  appendicum 

A.  par  primum  et  secundum  in  Cl.  verrucata, 

B.  -     secundum  et  tertium     in  Cl.  com  plan  ata, 

C.  -      tertium  et  quartum  inCl.  bioculata. 


De  Hirudinibus.  .  _ 

Long.   14'". 

Corpus  dilatatum  aequali  fere,  in  animali  quiescente,  antice  et  postice  latitudine. 
Dorsi  color  primarius  virescens,  lineolis  vero  fuscis  creberrimis  fuscescit.  Verrucae 
conicae  albidae,  valde  prominentes  seriebus  sex  longitudinalibus  supra  dorsum 
dispositae ;  aliae  minores  irregulariter  sparsae.  Verrucarum  series  duae  intermediae 
lineis  fuscis  longitudinalibus  conjunctae.  Margo  crenatus  pallidior.  Venter  albo- 
virescens,  atomis  fuscis  minutis  adspersus ;  in  anteriore  ventris  parte  pori  genitales 
conspicui,  annulis  fuscis  utplurimum  cincti. 

Caput  subdistinctum,  quando  protenditur  semiellipticum,  affixum  orbiculare, 
pedi  tunc,  si  a  ventre  adspicias,  simillimum;  apice  album,  postice  fasciis  pallide 
fuscis  transversis  notatum.  Annuli  corporis  duo  v.  tres  capiti  proximi  reliquis 
multo  obscuriores,  nigricantes,  coUare  quasi  formantes.  Oculi  sex,  vix  unquam 
quatuor,   in  lineas  duas  longitudinales  subparallelas  dispositi. 

Proboscis  ut  in  sequentibus  omnibus  magna.  Ventriculi  appendicum  paria  7, 
gracilia,  leviter  retrorsum  arcuata;  par  ultimum  jam  ante  secundum  intestini  appen- 
dicum par  terminatum.  Intestini  appendicum  par  primum  breve,  paria  tria  ultima 
sat  longa  gracilia  retrorsum  arcuata. 

A  Clepsine  complanata,  cui  simillima,  differt  magnitudine,  corpore  minus 
cartilaginoso  molliore,  crassiore,  antice  minus  angustato;  colore;  poris  genitalibus 
annulo  obscuro  cinctis;  capite  subdistincto ;  verrucarum  dorsi  numero,  forma,  colore; 
intestini  denique  appendicum  numero  et  forma.  Haec  sola  nota  per  omnem  aetatem 
constans;  jam  enim  pullos  vix  exclusos  matris  ventri  adhuc  adhaerentes  facile  ea 
distingues. 

Moribus  quoque  differt;  complanata  omnium  segnissima,  haec  multo  vividior. 

Reperi  hanc  speciem,  nondum  quantum  scio  observatam,  vel  cum  complanata 
confusam,  in  lacu  prope  Tegel,  ubi  rara  ad  ramos  arborum  dejectos  occurrit. 

Mollusca  Gasteropoda  exsugit.  Ova  non  observavi ;  at  puUis  plurimis  (centum 
et  ultra)  onustas  plures  mensibus  Majo  et  Junio  offendi. 

4.  Clepsine  complanata  Sav. 

Corpus  subcartilaginosum  duriusculum  dilatatum  antice  acu- 
minatum,  cinereo  vel  fusco  viride,  dorso  f usco-maculato,  verru- 
carum vix  prominentium  seriebus  duabus  longitudinalibus  no- 
tatum. Caput  indistinctum.  Oculi  sex  in  series  duas  longitudi- 
nales subparallelas  dispositi.  Appendicum  ventriculi  paria  sex, 
par  ultimum  inter  appendicum  intestini  par  secundum  et  tertium 
terminatum. 


D.    pone  par  quartum  in  reliquis,  et  tunc  quidem: 

a.  appendicibus  secundariis  aut  caret,  in  Cl.  Carenae, 

b.  aut  instructum  est,  et  quidem : 
a.    quatuor  in  Cl.  hyalina, 

ß.     quinque, 

1.  simplicibus  in  Cl.  tessulata, 

2.  bifurcis  in  Cl.  margin  ata. 
Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften. 


^o  De  Hinidinibus. 

Long.    12'". 
Hirudo  complanata  O.  F.  Muell.  Hist  verm.  Tom.  I,  pars  II,  pg.  47. 

—  Carena,  Mem.  dell.  Acad.  di  Torino.  Tom.  XXV.  pg.  297. 

—  ,  Der  Faule,    Braun,    Syst.  Beschreib,  pg.  58,   Taf.  VI,  fig.   11 — 16. 

Glossiphonia  tuberculata  Rawl.  Johns.     Treatise  on  the  med.  Leech.  pg.  25. 
Glossopora  tuberculata.     Id.     Further  Observ.  on  the  med.  Leech.  pg.  49. 
Clepsine  complanata  Sav.  Syst.  des  Annelides,  pg.   120. 

—  —  Moqu.  Tand.  Monogr.  pg.   10 1.  Tab.  IV,  fig.   i. 

—  —  Filippi,    Lettera    sopra     l'anatomia    e   lo    sviluppo    delle    Clepsine. 
Pavia   1839.  pg.  5. 

Glossobdella  complanata.  Blainv.  Dict.  des  Sc.  nat.  Tom.  47.  pg.  263,  Tom.  57.  pg.  515. 

Corpus  dilatatum,  maxime  depressum,  duriusculum  (presque  crustace  Moqu. 
Td.),  antice  acuminatum,  in  caput  indiscretum  sensim  abiens.  Color  admodum 
variat;  dorsum  plerumque  fusco  vel  cinereo  viride,  interdum  griseum,  rarissime 
rubescens,  punctis  et  lineolis  fuscis  modo  aequaliter  totam  superficiem  obtegenti- 
bus,  modo  in  figiiras  elegantissimas  dispositis  ornatum.  Verrucae  seriebus  duabus 
dispositae,  singulae  lineis  longitudinalibus  fuscis  conjunctae,  albidae,  punctis  glan- 
dulosis  aureis  circa  15  quaevis  notata,  maculas  plerumque  magis  quam  verrucas 
constituentes.  Raro  enim  prominent;  quod  si  fit,  non  conum  acutum,  ut  in  Cl. 
verrucata,  sed  hemisphaeram  referunt.  Verrucae  praeterea  minores,  punctis  glan- 
dularibus  aureis  et  hae  notatae,  saepius  aut  irregulariter  sparsae,  aut  in  lineas 
longitudinales  plus  minus  regulariter  dispositae,  observantur.  Margo  crenatus. 
Venter  paUidior,  punctorum  fuscorum  seriebus  duabus  ab  ore  ad  pedem  usque 
decurrentibus  notatus.  Caput  indistinctum ;  oculi  sex  in  series  duas  longitudinales 
parallelas  parumve  antice  convergentes  dispositi. 

Appendicum  ventriculi  paria  sex,  simplicia  vel  crenata,  parum  retrorsum  arcuata ; 
par  ultimum  inter  intestini  appendicum  par  secundum  et  tertium  terminatur.  Appen- 
dicum intestini  paria  duo  priora  breviora  prorsum,  duo  posteriora  retrorsum  spectant. 

Per  totam  Europam,  uti  videtur,  vulgatissima ;  legerunt  in  Suecia  Bergmann, 
in  Dania  O.  F.  Mueller,  in  Brittania  Rawlins  Johnson,  in  Gallia  Moquin-Tandon, 
in  Italia  Carena,  Risso,  Filippi.  Ipse  aeque  frequentem  in  aquis  stagnantibus  et 
fluviis  Marchiae,  quam  in  rivulis  qui  a  Thuringiae  montibus  decurrunt,  observavi. 

Omnium  segnissima,  per  totos  saepe  dies  locum  haud  mutans.  Physas,  Plan- 
orbes,  Limnaeos  aggreditur;  pullos  Nephelidis  quoque  sanguinem  sugere  vidi. 
Primo  vere  (Februario,  Martio)  ova  circa  70  albida  ad  saxa,  plantas,  vel  vitrum, 
in  quo  servatur,  deponit,  iisque  immobilis  tanquam  incubans  per  hebdomadis  spatium 
supersedet.     Tunc  pulli  excluduntur,  quos  ventri  affixos  secum  fert. 

5.  Clepsine  hyalina  Moqu.   Td. 

Corpus  subcartilaginosum  hyalin  um  dilatatum,  antice  neque 
vero  postice  angustatum,  f  lavic  ans.   Caput  indistinctum.   Oculisex. 

Long.  5'". 
Hirudo  hyalina  O.  F.  Muell.  Hist.  verm.  Tom.  I.  p.  IL  pg.  49. 
Clepsine  hyalina  Moqu.  Tand.  Monogr.  pg.   106. 
Glossobdella   hyalina    Blainv.    Dict.    des   Sc.  nat.  Tom.  47.  pg.  263.  Tom.  57.  pg.  565. 

Corpus  peUucidissimum,  valde  depressum,  latum ;  versus  extremitatem  posticam 
latissimum,    anteriora    versus   sensim    angustatum,    postice   rotundatum   vel   medio 


De  Hirudinibus.  j^ 

emarginatum,  pede  postice  prominente.  Color  pallide  flavescens;  quando  animal 
extenditur  vix  conspicuus,  quando  contrahitur,  citrinus.  Dorsum  punctulis  v.  striulis 
nigricantibus  interdum  adspersum.  Margo  subinteger,  crenis  nudo  oculo  haud 
conspicuis.  Oculi  sex,  vel  interdum,  secundum  O.  F.  Mueller,  pari  primo  deficiente, 
quatuor;  paris  primi  minores  approximati,  rarissime  in  unum  confusi;  paris  secundi 
et  tertii  majores,  remoti,  aequaliter  distantes. 

Appendicum  ventriculi  paria  6;  paria  5  anteriora  retrorsum  arcuata,  plerumque 
simplicia,  rarius  unum  alterumve  apice  bilobum;  par  ultimum  intestini  appendices 
omnes  excedens,  usque  ad  pedem  fere  extenditur  et  appendicibus  secundariis  4 
simplicibus  in  latere  externo  instructum  est.  Intestini  appendicum  paria  4,  brevia, 
pulcherrimum  motus  peristaltici  spectaculum  observatoris  oculo  offerentia.  Proboscis 
magna,  quartam  vel  quintam  corporis  partem  longitudine  aequans. 

Hirudinem  hyalinam  O.  F.  Muell.  hanc  neque  sequentem  esse,  ex  descriptione 
ab  illo  data  luculenter  patet.  Nam  et  oculorum  situm  accurate  exposuit  et  appendices 
secundarias   paris   ultimi    appendicum   ventriculi,  quae  sequenti  desunt,   observavit. 

Rarius  in  lacubus  nostris  (See  bei  Tegel,  Plötzensee  et  alibi)  occurrit,  inter 
Stratiotis  folia  saepe  latitans ;  facile  et  propter  minutiem  et  propter  corpus  prorsus 
hyalinum  praetervidenda. 

Segnissima.  Nutritur  Gasteropodum  minorum  (Physae,  Valvatae,  Planorbis 
nitidi,  spirorbis  etc.)  sanguine.  Ova  pallide  virescentia  10 — 30  parit,  neque  vero, 
ut  Cl.  marginata,  tessulata,  complanata,  ad  corpora  aliena  deponit,  sed  sub  ventre 
secum  portat,  uti  sequentes. 

6.    Clepsine  Carenae  !M[oqu.  Tand. 

Corpus    sub  c  ar  t  il  agi  n  osum    dilatatum  antice    acuminatum, 

postice    angustatum,    albo    cinereum,    dorso  atomis   fuscis    dense 

adsperso;  marginibus  et  capite  immaculatis.  Caput  indistin  ctum. 
Oculi  sex. 

Long.  5'". 
Hirudo  papulosa  Braun,  Syst.  Beschr.  pg.  64.  Tab.  VII,  fig.   7 — 10. 
Hir.  trioculata  Garen a,   Mem.  dell.  Accad.  di  Torino.  Vol.  XXV.  pg.  303.  Vol.  XXVIII. 

pg-  334- 
—         —       Blainv.  Dict.  des  Sc.  nat.  Tom.  47.  pg.  267. 
Clepsine  Carenae  Moqu.  Tand.  Monogr.  pg.   105.  Tab.  IV.  fig.  4. 
Glossobdella  Carenae  Blainv.  Dict.  des  Sc.  nat.  Tom.  57.  pg.  565. 

Corpus  peUucidum  depressum,  partem  mediam  versus  latissimum,  antice  acu- 
minatum, versus  posteriora  angustatum,  postice  rotundatum,  pede  haud  prominente. 

Color  albo-cinereus ;  dorsum  punctis  fuscis  modo  pallidioribus  modo  obscuri- 
oribus  in  lineas  longitudinales  plus  minus  regulariter  dispositis  adspersum,  quibus, 
si  animal  contrahitur,  totum  fuscum  apparet.  Caput  et  margines  punctis  carent; 
linea  media  dorsi  aut  Immaculata  aut  punctorum  nigricantium  acervulo  in  tertio 
quovis  annulo  ornata.  Margo  subinteger.  Oculi  sex ;  paris  primi  maxime  approxi- 
mati in  unum  paene  confusi ;  item  et  secundus  atque  tertius  cujusvis  latcris  oculus 
sibi  proximi  subcoalescentes.  Quo  fit,  ut  tres  tantum  oculi,  nisi  lente  fortissima 
contempleris,  adesse  videantur.  Caeterum  oculi  paris  secundi  et  tertii  non,  ut  in 
Cl.  hyalina,  aeque  distantes,  sed  paris  tertii  a  se  invicem  remotiores. 


2^  De  Hirudinibus. 

Appendicum  ventriculi  paria  5  (in  Cl.  hyalina  6),  quorum  par  ultimum  flexu- 
osum  intestini  quidem  appendices  omnes,  ut  in  Cl.  hyalina,  excedit,  appendicibus 
vero  secundariis  caret     Proboscis  magna. 

Praecedenti  satis  similis;  differt  corporis  forma  et  colore,  oculorum  situ,  pede 
haud  prominente,  ventriculi  appendicibus.  Ad  Cl.  bioculatam  corporis  parte  anteriore 
acuminata,  nee  non  colore  quodammodo  accedit. 

Hirudinem  papillosam  Braun  huc  referendam  esse  diagnosis  ab  illo  pro- 
posita  suadet,  in  qua  capite  acuminato,  striis  tribus  minutissimis  nigris  (oculis)  in 
labio  superiore  praeditam  esse  dicit;  colorem  quoque  cinereo-fuscum  ei  tribuit,  at 
Cl.  hyalina  flavescens. 

In  lacubus,  fossis,  fluviis  ad  plantas  aquaticas  minus  frequens  offenditur. 
(Thiergarten,  Grunewald,  Schaafgraben,  Spree.) 

Antecedente  vix  vividior.  Nutrimento  inserviunt  Gasteropoda  minora,  quorum 
succos  bibit.  Majo  et  Junio  ova  10 — 30  pallide  virescentia  parit,  quae  sub  venire 
secum  fert. 

7.  Clepsine  bioculata  Sav. 

Corpus  subcartilaginosum,  depressum,  angustum,  antice 
acuminatum,  albo-cinereum,  fusco  punctatum.  Caput  indistinc- 
tum.     Oculi  2. 

Long.  8'". 
Hirudo  bioculata  O.  F.  Muell.  Hist.  verm.  Tom.  I.  p.  II.  pg.  41. 

_  —       Carena,  Mem.  dell.  Accad.  di  Torino.  Vol.  XXV.  pg.  302. 

—  —       der  Läufer,  Braun,  Syst.  Beschr.  pg.  53.  Tab.  VI,  fig.   i — 5. 
Glossiphonia  perata  Rawl.  Johns.  Treatise  on  the  Med.  Leech.  pg.  26. 
Glossopora  punctata  Rawl.  Johns.  Further  Observ.  on  the  Med.  Leech.  pg.  50. 
Clepsine  bioculata  Sav.  Syst.  des  Annel.  pg.   119. 

■ —  —         Moqu.  Tand.  Monogr.  pg.   102.  Tab.  IV,  fig.  2. 

—  —  Filippi,  Lettera  sopra  l'anatomia  e  lo  sviluppo  delle  Clepsine  pg.  6. 
Glossobdella  bioculata  Blainv.  Dict.  des  Sc.  nat.  Tom.  47.  pg.  265.  Tom.  57.  pg.  565. 
?  Helluo  bioculatus  Oken,  Lehrb.  der  Naturgesch.  Tbl.  III,  Abth.   i.  pg.  367  i). 

Corpus  angustius  magisque  elongatum,  quam  in  reliquis  generis  speciebus; 
antice  acuminatum,  margine  annulis  valde  prominentibus  quasi  serrulatum  vel  den- 
tatum.  Color  sordide  albus  vel  griseus,  punctis  fuscescentibus  variegatus;  linea 
media  dorsi,  capite,  marginibus  subimmaculatis.  Oculi  duo  approximati.  In  un- 
decimo  circiter  corporis  annulo  tuberculum  cartilagineum  flavo-fuscum  conspicitur, 
rarissime  deficiens,   cujus   analogon   in    alia   nulla  specie  vidi.     Pullis  adhuc  deest. 

Ventriculi  appendicum  paria  sex,  quorum  quinque  anteriora  brevia  lateraliter 
spectant,  ultimum  amplum  appendicibus  secundariis  destitutum  inter  appendicum 
intestini  par  tertium  et  quartum  terminatur,     Proboscis  magna. 

Frequentissima  ubicunque  in  fossis,  stagnis,  fluviis  per  totam  Europam  (Sueciam, 
Daniam,  Brittaniam,  Germaniam,  Galliam,  Italiam)  occurrit. 


I)  Interrogationis  Signum  adjeci;  magis  enim  in  Planariam,  quam  in  Clepsinem  nostram  ejus  descriptio 
quadrat.  En,  quae  dicit:  Zwei  Augen.  Leib  flach,  schwarz,  unten  grau,  i"  lang  (PI.  torva?);  bisweilen 
ganz   weiß.  (PI.  lactea?) 


De  Hirudinibus. 


21 


Omnium  vividissima,  unde  etiam  Braun  nomine  germanico  „der  Läufer"  desig- 
navit.  Gasteropodum,  ut  rcliquae,  succos  sugit.  Majo  et  Junio  ova  parit  albida, 
vix  quiddam  rubicunda,  ventrique  affixa  secum  portat,  ut  jam  Rawlins-Johnson  et 
Filippi  observaverunt.  Quid  vero  Rawlins-Johnson  cum  marsupio  suo  abdominali  ^) 
sibi  velit,  in  quo  ova  includantur,  haud  intelligo.  Nihil  enim  tale  quid  observare 
potui,  nisi  forte  ventrem  contractione  peculiari  concavum  redditum  ita  designare 
voluerit  auctor  laudatus.  Rayerum,  qui  hanc  capsulas  globosas  fusc^is  parerc  con- 
tendit,  Planariam  lacteam  potius  quam  Clepsinem  nostram  observasse,  Filippi  jam 
notavit. 

Huic  specierum  expositioni  observationes  quasdam  Clepsinarum  propagationem 
spectantes  adjungam,  zoologorum  attentione  non  prorsus  fortasse  indignas. 

Copulam  in  Cleps.  tessulata  saepius  vidi.  Reciproca  est,  ut  in  Sanguisugis, 
ita  ut  utrumque  animal  maris  simul  et  feminae  vicibus  fungatur.  Utrumque  enim 
alterius  abdomini  capite  sese  affigens,  vaginam  penis  replicatam  in  alterius  vulvam 
(s.  porum  genitalem  posteriorem)  introducit.  Tali  modo  conjuncta  per  totos  dies  sedent. 

Cleps.  complanatas,  quamvis  plurimas  amoris  tempore  continua  attentione  obser- 
vaverim,  coeuntes  nunquam  observavi;  sed  eodem  fere  ante  ovorum  partum  tem- 
pore, quo  Cleps.  tessulatae  coire  solent,  singulare  mihi  in  Cleps.  complanatis  sese 
obtulit  phaenomenon,  cujus  neque  analogon  inter  reliqua  animalia  reperire  -),  ncque 
explicationem  dare  valeo.  Ad  utrumque  nimirum  faciei  ventralis  latus  Organa 
singularia  filiformia,  tres  usque  quinque  corporis  annulos  longitudine  aequantia  modo 
simplicia,  modo  ad  basin  usque  bipartita  exseruntur,  modo  singula  modo  plura, 
mode  in  anteriore  modo  in  posteriore  corporis  parte.  Haec  per  plures  dies  pro- 
pendent,  dum  animal,  alioquin  segnissimum,  multo  alacrius  in  vitro  suo  circum- 
vagatur.  Simul  substantiae  floccosae  albidae  magna  copia  secernitur,  totam  mox 
vasis  in  quo  servantur  aquam  turbidam  reddens. 

Inter  phaenomenon  hoc  et  propagationem  relationem  quandam  existere,  nuUus 
dubito ;  plurimas  enim  Cleps.  complanatas  per  tria  semestria  domu  observavi,  neque 
vero  alio  unquam  tempore  Organa  haec  filiformia  eas  exserere  vidi,  dum  amoris 
tempore  ne  una  quidem  inter  triginta  et  plures  non  exserebat.  Praeterea  his 
organis  exsertis,  ut  in  Cleps.  tessulata  post  coitum,  ovariorum  motus  peristalticus, 
quo  ova  a  funiculis  suis  solvuntur,  incipit.  Quo  vero  munere  fungantur  haec  organa, 
nescio ;  anatomica  quoque  disquisitione  nihil  de  eo  docente.  Nam  corpora  quidem 
in  crura  dua  reflexa  divisa  in  tertio  quovis  annulo  utrinque  sub  tractus  intestinalis 
appendicibus  latentes  reperi,  quibus  replicatis  organa  illa  filiformia  fortassis  for- 
mantur;  num  autem  cum  testiculis,  quibus  interjacent,  aliave  apparatus  sexualis 
parte  cohaereant,  videre  haud  contigit. 

Corpora  similia  etiam  in  Cleps.  verrucata,  marginata,  tessulata  inveni,  quam- 
vis  in   nulla   praeter  complanatam  specie  organa  filiformia  exseri  vidi.     In  Cleps. 


1)  When  the  whole  of  the  ova  are  excluded,  they  are  received  into  the  abdominal  pouch  of 
the  parent,  where  they  constantly  remain,  until  their  contents  are  fuUy  evolved. 

Rawl.  Johns,  furtber  Observat.  on  the  medic.  Leech,  pg.  58. 

2)  Nisi  forte  appendiculae  generatrices  a  Morrenio  (De  Lumbr.  terrestr.  pg.  77.)  sie  dicta,  f]uas  in 
Lumbrico  terrestri  auctor  laudatus,  in  aliis  pluribus  Lumbricinis  Gel.  Dr.  Hoffmeister  et  ipse  observavimus, 
Cleps.  complanatae  organis  filiformibus  analogae. 


22 


De  Hinidinibus. 


tessulata  haec  corpora  Sanguisugae  vel  Aulastomatis  vesiculis  respiratoriis  sie  dic- 
tis   cum   organis  ansiformibus,   quae   eodem  loco  sitae  sunt,   quodammodo  similia. 

Brevi  post  eoitum  in  Cleps.  tessulata,  post  Organa  filiformia  exserta  in  Cleps. 
complanata,  motus  ovariorum  peristalticus  incipit,  cxtrinsecus  conspicuus,  quo  ova 
de  funiculis  suis  solvuntur.  Eundem  ovariorum  motum  etiam  in  Cleps.  marginata, 
hyalina,  Carenae,  bioculata  vidi.  Ova  soluta  paucos  post  dies,  albuminis  Strato  tenu- 
issimo  et  chorio  subtili  h3^alino  munita  pariuntur.  Omnes  enim  spezies 
modo  laudatae  oviparae^). 

Pariendi  actum  saepissime  in  Cleps.  complanata,  interdum  etiam  in  Cleps. 
tessulata  observavi.  Corpore  et  ante  et  pone  vulvam  quam  maxime  coarctato,  an- 
terior corporis  pars  sub  posteriorem  ita  inflectitur,  ut  vulva  faciem  ventralem  partis 
posterioris  spectet.  Fortibus  tunc  et  quasi  convulsivicis  contractionibus  ova  eduntur 
eorumque  ea,  quae  primum  egressa,  a  subsequentibus  versus  latera  et  dorsum  pro- 
pelluntur,  donec  in  medio  dorso  ab  utroque  latere  congredientia  annulum  completum 
corpus  cingentem  efficiunt.  Ex  hoc  annulo  caput  protrahens  mater  ovorum  acer- 
vum  vitro  apprimit,  ubi  mox  muci,  quo  ova  involuta  sunt,  superficies  in  membra- 
nam  tenuem  pellucidam  coagulatur.  Tales  ovorum  acervos  tres  usque  septem 
ova  dena  usque  quadragena  continentes  Cleps.  tessulata  et  complanata,  unum  tan- 
tum  Ovis  60—80  compositum  Cleps.  marginata  parit.  Ovorum  numerus,  et  color, 
itemque  amoris  tempus  secundum  species  variat,  ut  supra  in  specierum  descriptio- 
nibus  notavi. 

Ovis  ad  vitrum  vel  plantam  aquaticam  vel  moUusci  testam  lapidemve  de- 
positis  Cleps.  tessulata,  marginata,  complanata  immotae  supersedent,  ea  quasi  in- 
cubantes,  donec  septem  fere  usque  decem  diebus  praeterlapsis  pulli  excludantur,  quas 
tunc  mater  ventri  affixos  secum  fert.  Contra  Cleps.  hyalina,  Carenae,  bioculata 
ipsa  jam  ova  sub  ventre  secum  portant,  neque  vero  ad  corpus  alienum  deponunt. 
Quod  etiam  de  Cleps.  paludosa,  apud  nos  non  obvia,  observavit  Carena.  Cleps. 
verrucata  quomodo  sese  habeat,  nescio;  omnes  enim  quas  reperi  pullos  jam  exclusos 
sub  ventre  fovebant^). 


i)  Oviparas  esse  Cleps.  bioculatam  jam  Rawlins  Johnson,  Cleps.  bioculatam,  Carenae,  complanatam 
Filippi  observarunt.  Contra  Moquin-Tandon  Cleps.  complanatam ;  Carena  Cleps.  bioculatam,  Carenae  (Hir. 
trioculat.  Car.)  marginatam  (Hir.  cephalot.  Car.)  viviparas  esse  contendunt. 

2)  Reliqnam  dissertationis  partem  imprimendani  haud  curavi,  cum  generum  reliquorum  expositio 
parum  novi  contineat,  genitaliiun  vero  fabrica,  capite  tertio  explicanda,  vix  sine  tabulis  adjectis  satis  clare 
demonstrari  posse  videretur. 


Clepsine  costata,  neue  Art^). 

Mit  2  Textfiguren. 

Diagnose:  Corpus  subcartilaginosum  dilatatum  fuscescens.  Dorsum  vitta  media 
longitudinali  flava,  nigro  interrupta,  lineisque  punctorum  obscuriorum  prominulis 
utrinque  binis  ternisve  quasi  costatum.    Oculi  duo,  subrotundi.    Long.  12 — 16'". 

Die  Zahl  der  Augen  unterscheidet  diese  neue  Art  feist  von  allen  bis  jetzt 
beschriebenen  Hirudineen;  unter  den  Clepsinen  stimmen  nur  Cl.  bioculata  Sav. 
und  sanguinea  Filippi  hierin  mit  ihr  überein  2);  von  beiden  ist  sie  durch  die 
übrigen  der  angegebenen  Charaktere,  so  wie  durch  den  unten  zu  beschreibenden 
Bau  des  Nahrungskanals  hinreichend  verschieden.  In  Gestalt  und  Art  der  Be- 
wegung steht  sie  der  Cl.  marginata  zunächst,  und  bildet  gewissermassen  ein 
Mittelglied  zwischen  dieser  und  der  Cl.  verrucata. 

Der  Körper  ist  von  etwas  knorpliger  Konsistenz,  sehr  flach,  bei  erwachsenen 
Individuen  sehr  breit  und  nach  vorn  verschmälert ;  bei  den  Jungen  ziemlich  schmal. 
Seine  Farbe  ist  grünlichbraun,  auf  dem  schwach  convexen  Rücken  bedeutend 
dunkler  als  auf  der  ganz  flachen  Bauchseite.  Mitten  über  den  Rücken  verläuft 
vom  Mund  bis  zum  After  eine  gelbe  Binde,  die  durch  drei  oder  mehr  schwarze 
Flecken  (von  ungleicher  Lage  und  Ausdehnung  bei  verschiedenen  Individuen) 
unterbrochen  wird.  Auf  dem  Kopf,  der  minder  deuthch  als  bei  Cl.  marginata 
gesondert  ist,  wird  diese  gelbe  Binde  breiter  und  trägt  hier  die  beiden  ansehn- 
lichen, dem  Vorderende  sehr  nahe  liegenden,  schwarzen  rundlichen  Augenpunkte. 
Zwischen  dieser  mittleren  Binde  und  dem  Seitenrand  verlaufen  jederseits  2—3 
durch  dunklere  Punkte  gebildete  Längslinien.  Die  deutlichste  dieser  Linien  ist 
von  drei  zu  drei  Ringen  durch  einen  weissen  Punkt  unterbrochen.  Sowohl  diese 
LängsHnien,  als  die  mittlere  Binde  springen  ziemlich  stark  vor  und  geben  so  dem 
Thier  ein  geripptes  Ansehen.  Der  Fuss  ist  gross,  und  auf  der  oberen  Seite  mit 
weissen  Radien  gezeichnet.  Der  seitliche  Rand  des  Körpers  erscheint  gekerbt, 
jeder  dritte  Ring  desselben  ist  durch  dunklere  Farbe  ausgezeichnet. 

Die  inneren  Theile  zeigen  alle  wesentlichen  Eigenthümlichkeiten  der  Clep- 
sinen. —  Von  jedem  Ganglion  des  Bauchstrangs  (dessen  einzelne  Ganglien  um  je 
drei  Ringe  von  einander  entfernt  sind)  g^t  jederseits  ein  einziger  Nerv  ab,  der  sich 
jedoch  bald  weiter  theilt. 

1)  Archiv  für  Naturgeschichte,   1846.  I.  pg.  82—85.  Taf.  III,  Fig.   i   u.  2. 

2)  Ausserdem  hat  Risso  (HisL  des  princip.  product.  de  l'Europe  mcrid.  Tom.  4.  p.  429)  eine  San- 
guisuga  marginata  mit  zwei  Augen  beschrieben. 


24 


Clepsine  costata. 


Die  männlichen  Geschlechtstheile  zeichnen  sich  aus  durch  eine  auffallend  grosse 
Ruthenscheide  (Fig  i  c),  und  dadurch,  dass  die  Epididymis  deutlich  in  zwei  Abschnitte 
gesondert  ist;  der  in  die  Ruthenscheide  einmündende  vordere  (Fig.  i  d)  ist  enger, 
von  einer  festen  sehnigen  glänzenden  Haut  umschlossen,  und  von  blassgelber  Farbe, 
der  hintere  (Fig.  i  e),  der  die  unmittelbare  erweiterte  Fortsetzung  des  gemein- 
schaftlichen Hodenausführungsganges  seiner  Seite  ist,  ist  auffallend  weit,  anscheinend 
drüsig,  von  einer  zarten  Haut  bekleidet  und  weiss  von  Farbe.  Die  Zahl  der 
Hodenbläschen,  die  ausser  der  Zeit  der  Fortpflanzung  bei  den  Clepsinen  so  leicht 
zu  übersehen  sind,  kann  ich  nicht  bestimmt  angeben. 

Der  Uterus  (Fig'.  i/)  steht  in  der  Mitte  zwischen  dem 
der  Cl.  complanata  und  tessulata;  mit  dem  der  ersteren  stimmt 
er  in  der  Form,  mit  dem  der  letzteren  durch  seine  fleischige 
Beschaffenheit  überein.  In  der  Figur  ist  der  obere  Querbalken 
desselben  etwas  nach  hinten  gezogen,  um  den  darunter  liegenden 
Theil  und  den  Durchtritt  des  Nervenstrangs  deutlicher  zu  zeigen. 
—  An  ihn  heften  sich  zu  beiden  Seiten  die  unter  Magen  und 
Epididymis  nach  hinten  steigenden  Schläuche  (Fig.  i^)  an,  welche 

in  gewöhnlicher  Weise  die  gewundenen 
keimbereitenden  Stränge  der  Clepsinen 
einschliessen. 

Der  Magen  hat  wie  bei  Cl.  mar- 
ginata,  tessulata,  verrucata,  sieben  Paar 
seitliche  Anhänge,  der  Dünndarm  wie 
bei  allen  (einheimischen)  Clepsinen,  vier 
Paare;  das  letzte  Paar  der  Magen- 
anhänge steigt  bis  vor  das  vierte  Paar 
der  Darmanhänge  nach  hinten,  während 
es  bei  Cl.  marginata  und  tessulata  noch 
über  dies  Paar  hinausreicht,  bei  verrucata 
schon  vor  dem  zw^eiten  Paare  der  Darm- 
anhänge endet.  Es  trägt  an  der  äussern 
Seite  4  Nebenanhänge  (5  bei  Cl.  marg. 
und  tess.  keine  bei  verr.).    Sowohl  diese 


Fig.  I.  Rüssel,  Speicheldrüsen  und 
Genitalien  der  Clepsine  costata,  von  oben.  Der 
die  Genitalien  bedeckende  Magen  ist  weggenommen. 
a  Rüssel ;  b  Speicheldrüsen ;  c  Ruthenscheide ;  d  vor- 
derer, blassgelber,  e  hinterer  weisser  Theil  der  Epi- 
didymis ;  /  Uterus ;  ^  die  die  keimbereitenden  Stränge 
einschliessenden  Schläuche. 

Fig.  2.  Rüssel  mit  den  Speichel- 
drüsen isolirt.  «Muskelfasern,  die  sich  auf  dem 
Magen  ausbreiten,  und  zum  Zurückziehen  des  Rüs- 
sels dienen. 


Nebenanhänge  des  letzten  Paares,  als  die 
sechs  vorderen  Paare  der  Magenanhänge  sind,  wie  bei  Cl.  marginata,  zierlich  ver- 
ästelt. So  lässt  sich  auch  diese  Art  durch  Zahl  und  Form  ihrer  Magenanhänge 
scharf  von  allen  übrigen  unterscheiden,  während  auch  hier  die  Vierzahl  der  allen 
andern  Hirudineen  fehlenden  Darmanhänge  als  ein  sämmtlichen  Clepsinen  ge- 
meinsames Merkmal  sich  bestätigt. 

Die  wichtigste  anatomische  Eigenthümlichkeit  unserer  Art  ist  jedoch  der 
Bau  des  vor  dem  Magen  gelegenen  Theils  des  Nahrungskanals,  —  Bekanntlich 
nähren  sich  die  einheimischen  Clepsinen  theils  von  den  Säften  der  Mollusken, 
theils  (Cl.  marginata  und  tessulata)  vom  Blute  der  (Fische  (?)  und)  Batrachier.  Bei 
jenen  beginnt  gleich  vor  dem  Magen  der  lange  cylindrische  muskulöse  Rüssel 
während  bei  diesen,  deren  Magen  übrigens  durch  bedeutendere  Verästelung 
sich   auszeichnet,   vor  demselben   noch  ein  besonderes  System  von  seitlichen  An- 


Clepsine  costata.  2  t; 

hängen  des  Nahrungskanals  eingeschoben,  und  dadurch  der  Rüssel  auf  ein  ver- 
hältnismässig weit  geringeres  Volumen  reducirt  ist  i).  Clepsine  costata  schliesst 
sich  im  Bau  des  Magens  eng  an  die  letzteren  an;  dagegen  beginnt  gleich 
vor  demselben  ein  ausnehmend  langer,  nicht  cylindrischer,  sondern  nach  vorn 
immer  enger  werdender  Rüssel  (Fig.  i  a,  Fig.  2),  und  jederseits  liegen  neben  diesem 
Rüssel,  vor  dem  Magen,  der  Ruthenscheide  und  dem  vorderen  Theile  der  Epi- 
didymis zwei  ansehnliche  weisse  Drüsen,  eine  kleine  vordere,  und  eine  grössere 
hintere  (Fig.  i  6,  Fig.  2),  deren  ziemHch  lange,  anfangs  weitere  und  noch  von 
Drüsenmasse  umgebene  Ausführungsgänge,  sich  nahe  dem  Hinterende  des  Rüssels 
vereinigen  und  sich  hier  in  die  Seiten  desselben  einsenken.  Man  darf  sie  wohl 
ohne  Bedenken  als  Speicheldrüsen  bezeichnen.  Bei  keiner  anderen  Clepsine  kenne 
ich  ähnliche  Drüsen ;  dagegen  erinnert  ihre  Lage  an  das  vor  dem  Magen  gelegene 
System  von  Anhängen  bei  Cl.  marginata  und  tessulata.  Sollten  diese  vielleicht 
dieselbe  Function  haben,  während  sie  in  der  einfacheren  Form  einer  blossen 
Ausstülpung  des  Nahrungskanals  auftreten?  — 

Das  Vaterland  der  Clepsine  costata  ist  die  Krim,  wo  sie  die  Sümpfe  der 
Jaila,  d.  h.  der  Hochgebirge  am  Südrande  der  Halbinsel  bewohnt.  Ich  erhielt 
mehrere  Exemplare  die  Herr  Prof.  Dr.  C.  Koch  in  Jena  lebend  aus  ihrer  Heimath 
mitgebracht,  durch  die  Güte  des  Herrn  Geh.  Rath  Joh.  Müller.  Nach  des  Herrn 
Entdeckers  freundlicher  Mittheilung  sollen  sie  in  ihrem  Vaterlande  auf  ähnliche 
Weise,  wie  unsere  Sanguisugen,  gefangen  und  mcdicinisch  benutzt  werden. 
Allerdings  macht  es  der  Bau  ihres  Magens  wahrscheinlich,  dass  sie  vom  Wirbel- 
thierblute  leben;  allein  umsonst  suchte  ich  nach  einem  Apparate,  mittels  dessen 
sie  in  die  Haut  des  Menschen  einzudringen  im  Stande  wären ;  auch  gelang  es 
weder  Herrn  Prof.  Koch,  noch  mir,  sie  an  uns  zum  Saugen  zu  bringen,  so  dass  doch 
wohl   die  betreffende  Anwendung  einer  weitern  Bestätigung  zu  bedürfen  scheint. 

I)  Siehe  S.  3. 


Ueber  Gammarus  ambulans,  neue  Art^). 

Mit  3  Textfiguren. 

Als  einzige  Repräsentanten  der  Ordnung  der  Amphipoden  im  Gebiet  der 
deutschen  Süsswasserfauna  sind  bis  jetzt  wohl  nur  die  beiden  von  Gervais  zuerst 
unterschiedenen  Gammarus-Arten  zu  betrachten,  der  G.  fluviatilis  Edw.  (RoeseHi 
Ger\^)  und  G.  pulex  Fabr.,  da  Koch's  G.  putaneus  nur  eine  durch  den  Aufenthalts- 
ort bedingte  Varietät  zu  sein  scheint.  Diesen  beiden  kann  ich  eine  neue  sehr 
eigenthümliche  Art  derselben  Gattung  hinzufügen,  die  ich  zu  Anfang  Juni  dieses 
Jahres  in  einem  mit  Lemna  und  Hydrocharis  bewachsenen  Graben  bei  Greifswald 
auffand. 

Schon  Grösse,  Farbe,  allgemeine  Körperform  und  Manieren  unterscheiden 
sie  zur  Genüge  von  den  genannten  Arten.  Sie  ist  im  ausgestreckten  Zustande 
gegen  2'"  lang,  einförmig  dvmkel  schwärzlich-  oder  bräunlichgrün  gefärbt,  selten 
heller  und  mehr  gelblich,  und  trägt  auf  der  Stirn  zwischen  beiden  Augen  einen 
lebhaft  schwefel-  oder  citronengelben  querovalen,  hinten  in  der  Regel  ausgerandeten 
Fleck,  der  zugleich  sich  schwach  über  seine  Umgebung  erhebt.  Der  Körper  ist 
weit  weniger  zusammengedrückt,  breiter,  an  den  Seiten  gewölbter, 
als  sonst  in  dieser  und  den  verwandten  Gattungen  gewöhnlich,  und  damit  steht 
im  Zusammenhang  eine  von  der  unserer  anderen  Arten  abweichende  Bewegungs- 
weise, nach  welcher  ich  den  Namen  dieser  Art  gewählt  habe.  Diese  besteht 
nämlich  in  der  Regel  nicht  in  dem  sprungweisen  Schwimmen  auf  der  Seite, 
sondern  in  einem  aufrechten  Gange,  Dabei  werden  die  drei  letzten  Abdominal- 
segmente, die  sehr  kurz  und  zu  einem  Stück  verwachsen  sind,  so  untergeschlagen, 
dass  ihre  Rückenfläche  wagrecht  auf  dem  Boden  aufliegt ;  betrachtet  man  dabei 
den  Körper  von  oben,  so  sieht  man  an  seiner  hintern  Hälfte  die  drei  letzten 
wahren  Fusspaare  seitlich  weit  hervortreten,  während  die  vier  vorderen  Paare 
fast  immer  unter  dem  Thorax  verborgen  bleiben.  Dies  ist  auch  die  gewöhnliche 
Stellung  des  ruhenden  Thieres.  Nur  selten,  besonders  wenn  es  gestört  und  ver- 
folgt wird,  schwimmt  es  nach  Art  des  G.  pulex,  oder  ruht  auf  der  Seite,  die 
letzten  Fusspaare  nach  dem  Rücken  in  die  Höhe  geschlagen. 

Der  Kopf  ist  klein,  ohne  vorspringende  Stirn,  mit  ziemlich  kleinen  rund- 
lichen Augen. 


i)  Archiv  für  Naturgeschichte,   1846,  I,  p.  296 — 300.    Taf.  X  Fig.  A — C. 


Gammarus  ambulans. 


27 


Die  oberen  Antennen  sind  etwa  um  die  Hälfte  länger  als  die  untern 
und  erreichen  ungefähr  ein  Drittel  der  Körperlänge;  die  drei  cylindrischen  fast 
gleich  langen  Glieder  des  Stiels,  der  bis  etwa  zur  Mitte  des  letzten  Stielgliedes 
der  unteren  reicht,  nehmen  der  Reihe  nach  an  Dicke  ab;  die  Geissei,  gegen 
1V2  mal  so  lang  als  der  Stiel,  besteht  aus  14  Gliedern;  die  Nebengeissel , 
ausserordentlich  klein,  wenig  länger  als  das  erste  Geisselglied  und  dreimal  dünner 
als  dasselbe,  ist  aus  zwei  Gliedern  zusammengesetzt  (Fig.  3).  Das  erste  und 
zweite  Glied  der  unteren  Antennen  sind  kurz,  ersteres  mit  einem  nach  unten 
und  vorn  gerichteten  konischen  Fortsatz,  in  welchem  ein  cylindrischer  Kanal  zu 
verlaufen  scheint,  das  dritte  und  vierte  Glied  lang,  cyUndrisch;  die  Geissei, 
wenig  länger  als  das  letzte,  vierte  Stielglied,  besteht  aus  sechs  Gliedern.  Sämmt- 
liche  Geisselglieder  der  Antennen  tragen  an  ihrem  Ende  kurze  Borsten ;  die  Stiel- 
glieder sind  der  ganzen  Länge  nach  mit  einzelnen  Borsten  besetzt. 


Fig.  I. 


Fig.  3. 


Fig.  2. 


Fig.  I.  Die  4  letzten  Hinterleibssegmente,  mit  den  3  letzten  Paaren  der  Afterfüsse  und  den  Schwanz- 
anhängen. 

Fig.  2.     Das  letzte  Paar  der  Afterfüsse,  stärker  vergrössert. 

Fig.  3.  Der  Stiel  der  obern  Antennen  mit  der  kleinen  Nebengeissel  und  dem  Anfange  der  I4gliedri- 
gen  Geissei. 


Bis  zum  vierten  Segment  des  Thorax  nimmt  der  Körper  an  Breite,  und  die 
ansehnlichen  Epimerien,  die  am  Rande  schwach  gewimpert  sind,  an  Grösse  zu. 
Der  Rücken  zeigt  weder  auf  diesen  noch  auf  einem  der  folgenden  Segmente 
eine  Spur  von  Zähnen  oder  Dornen.  Die  vier  ersten  Fusspaare,  wie  gewöhnlich 
nach  vorn  gerichtet,  sind  klein  und  schwach,  weit  kürzer  als  die  drei  letzten,  von 
denen  das  sechste  das  längste  ist.  Die  Hände  am  ersten  und  zweiten  Paare 
sind  fast  vollkommen  gleich  gebildet,  nur  dass  die  des  zweiten  Paares,  wie  der 
ganze  Fuss,  etwas  länger  und  schlanker  sind.  Das  4te  und  5te  Glied  dieser  Paare 
sind  stark  verdickt,  letzteres  (das  Handglied)  länglich  viereckig,  und  wie  die  beiden 
vorhergehenden  Glieder,  an  der  hintern  Seite  mit  zahlreichen  starken  Borsten  be- 
waffnet. Die  Klaue,  massig  gekrümmt,  reicht  bis  zum  Ende  des  fast  gerade  ab- 
gestutzten mit  kurzen  Borsten  besetzten  Randes  der  Hand. 

Die  ersten  Glieder  der  langen  drei  letzten  wahren  Fusspaare  sind  \on  be- 
trächtlicher Grösse,  oblong,  doch  nach  unten  etwas  verschmälert,  (die  des  siebenten 
Paares  sind  die  breitesten),  am  Hinterende  gezähnelt  mit  feinen  kurzen  Borsten 
in  den  Buchten  der  Zähne  und  etwas  stärkeren  am  Vorderrande. 


28  Gammarus  ambulans. 

Die  grossen,  ovalen,  die  Eier  schützenden  Lamellen  der  Weibchen  sind  am 
Rande  mit  einzeln  stehenden  langen  Wimpern  besetzt.  Die  Weibchen,  deren 
Anzahl  die  der  Männchen  bedeutend  zu  überwiegen  scheint,  wurden  in  der  Mitte 
des  Juni  mit  Eiern  angetroffen  und  gegen  Ende  des  Monats  begannen  die  ent- 
wickelten Jungen  die  Bruthöhle  der  Mutter  zu  verlassen. 

Die  drei  ersten  Abdominalsegmente  sind  ein  wenig  länger  als  die  des  Thorax ; 
die  vordere  Ecke  ihres  untern  freien  Randes  ist  abgerundet,  die  hintere  in  eine 
nach  hinten  gerichtete  Spitze  verlängert.  Die  Schwimmfüsse,  welche  sie  tragen, 
sind  von  gewöhnlichem  Bau,  nur  dass  die  langen  Borsten,  mit  denen  ihre  Aeste 
besetzt  sind,  einfach  und  nicht,  wie  z.  B.  bei  G.  pulex  und  locusta,  gefiedert  sind. 

Die  drei  folgenden,  letzten  Abdominalsegmente  sind  kurz  und 
und  zu  einem  einzigen  ungegliederten  Stück  verschmolzen i),  das 
an  seiner  untern  Seite  die  drei  letzten  Afterfusspaare,  an  seinem  Ende  zwei  kleine 
cylindrische,  an  der  Spitze  mit  (in  der  Regel  5)  kurzen  Dornen  bewehrte  beweg- 
liche Schwanzanhänge  trägt.  Die  Enden  der  Basalglieder  des  4ten  und  5ten 
Afterfusspaares  liegen  in  gerader  Linie  mit  dem  Hinterleibsende;  natürlich  ist 
also  das  Basalglied  des  weiter  nach  vorn  eingelenkten  4ten  Paares  länger  als  das 
des  5ten ;  die  beiden  Aeste  des  4ten  Paares  sind  gleich,  etwas  länger  als  ihr  Basal- 
glied, und  überragen  die  des  folgenden  Paares,  dessen  Aeste  etwa  von  gleicher 
Länge  mit  ihrem  Basalglied,  und  bei  dem  der  äussere  Ast  unbedeutend  kürzer 
als  der  innere  ist.  Basalglieder  und  Aeste  sind  am  Hinterrand  und  an  der  Spitze 
mit  starken  kurzen  Dornen  bewehrt;  ich  zählte  deren  (ohne  die  Enddornen)  4  an 
den  Aesten  des  4ten  und  dem  innern  Aste  des  5ten,  3  am  äussern  Aste  dieses 
letzteren  Paares.  Die  Afterfüsse  des  sechsten  Paares  endlich  sind  ganz 
rudimentär,  kaum  als  eine  winzige  Spitze  zwischen  dem  vorhergehenden 
Paare  und  den  Schwanzanhängen  vortretend;  sie  bestehen  aus  einem  dicken 
konischen  Basalglied,  auf  welches  ein  kurzes  an  seiner  Hinterseite  mit  einigen 
Borsten  besetztes  weit  kleineres  Endglied  aufgesetzt  ist  (Fig.  2). 

Unter  den  bekannten  Arten  der  Gattung  ist  eigentlich  keine,  die  der  eben 
beschriebenen  besonders  nahe  stände;  am  meisten  scheinen  noch  mit  ihr  über- 
einzustimmen G.  Ermanii  Edw.  aus  Kamschatka,  bei  dem  aber  die  sehr  kurzen 
letzten  Afterfüsse  zwei  Aeste  tragen  und  die  Schwanzanhänge  ohne  Haare  und 
Dornen  sind  (Edw.  Hist.  nat.  des  Crust.  HL  p.  49)  und  G.  Zebra  Rathke  von 
der  Küste  Norwegens,  bei  dem  aber  die  Nebengeissel  völlig  ungegliedert,  die 
einfachen  letzten  Afterfüsse  ansehnlich  gross,  die  Schwanzanhänge  ganz  rudimentär 
sind  (Nov.  Act.  Ac.  Caes.  Leop.  Vol.  XX.  p.  L  p.  74). 


i)  Selbst  bei  den  jüngsten  Thieren,  die  man  der  Bruthöhle  der  Mutter  entnommen,  ist  keine 
Gliederung  zu  erkennen.  Ueberhaupt  sind  diese  Jungen  den  Alten  schon  ganz  ähnlich;  der  Hauptunter- 
schied liegt  in  der  geringern  Zahl  der  Geisselglieder,  deren  man  an  den  oberen  Antennen  4,  an  den  unteren 
3  zählt,  während  die  Nebengeissel  schon  ihre  2  Glieder  besitzt.  Das  Längenverhältniss  der  Fühler  unter 
sich,  zum  Körper,  der  Stiele  zu  den  Geissein  ist  übrigens  ziemlich  wie  später,  indem  die  geringere  Zahl 
der  Geisselglieder  durch  verhäJtnissmässig  grössere  Länge  ersetzt  wird.  Ausserdem  sind  die  Domen,  Borsten 
etc.  noch  weit  weniger  ausgebildet;  die  Zähnelung  am  Hinterrande  des  ersten  Gliedes  am  5ten — yten  Fuss- 
paare,  die  Dornen  der  Afterfüsse  des  4ten  und  5ten  Paares,  mit  Ausnahme  der  Enddornen,  fehlen  noch, 
die  Schwanzanhänge  tragen  einen  einzigen  Dorn  am  Ende  etc.  Das  sechste  Paar  der  Afterfüsse  ist  ver- 
hältnissmässig  grösser,  doch  ganz  von  derselben  Form,  wie  beim  Erwachsenen. 


Gammaras  ambulans.  2q 

Rathke  hält  es  für  nicht  unzweckmässig-,  die  mit  der  zuletzt  genannten 
Art  durch  die  Merkmale:  „yeux  circulaires,  fausses  pates  abdominales  de  la 
sixieme  paire  ne  portant  pas  deux  grands  articles  cilies"  übereinstimmenden 
Arten  als  eigene  Gattung  von  Gammarus  abzusondern.  In  diese  würde  auch 
der  G.  ambulans  zu  stellen  sein,  Ueberhaupt  dürften  wohl  die  in  Form  und  Zahl 
ihrer  Theile  so  verschiedenen  Afterfüsse  und  Schwanzanhänge  ein  passenderes 
Moment  für  die  generische  Sonderung  der  zahlreichen  unter  Gammarus  und 
Amphithoe  begriffenen  Arten  abgeben,  als  die  Nebengeissel ;  denn  gewiss  sind 
durch  Modificationen  im  Bau  der  für  die  Bewegung  der  Amphipoden  so  wichtigen 
Afterfüsse  bedeutendere  Differenzen  in  der  ganzen  Lebensweise  bedingt,  als  durch 
die  An-  oder  Abwesenheit  der  Nebengeissel,  die  überdies  bei  mehreren  Gammarus 
zu  einer  fast  verschwindenden  Kleinheit  herabsinkt  (G.  ambulans,  Zebra  u.  s.  w.), 
und  gewiss  ist  z.  B.  unser  G.  ambulans  bei  weitem  mehr  als  die  grosse  Mehrzahl 
der  Amphithoe- Arten  von  den  typischen  Formen  seiner  Gattung  (G.  pulex,  locusta) 
verschieden. 

Schliesslich  die  Diagnose  der  Art: 
Gammarus  ambulans,  fronte  inermi,  oculis  subrotundis,  antennis  superioribus 
inferiores   excedentibus,   flagello   auxiliari  minimo  biarticulato  instnictis,   dorso 
laevi,   pedibus  spuriis  paris  sexti  simplicibus,   conicis,  perexigiiis,   appendicibus 
caudae  duabus,  brevibus,  cylindricis,  apice  spinulosis. 
Long.  2'",  antennar.  sup.  0,8'". 


Ueber  die  Geschlechtstheile  von  Clepsine  und 

Nephelis'). 

Mit  Tafel  I. 

In  derselben  Abhandlung,  in  welcher  Treviranus  seine  seitdem  so  viel  be- 
sprochenen Ansichten  über  die  Geschlechtstheile  und  die  Fortpflanzung  des  me- 
dicinischen  Blutegels  entwickelt,  beschreibt  er  auch  die  Geschlechtstheile  von 
Nephelis  vulgaris  mit  dem  besonderen  Bemerken,  dass  dieselben  hier  wesentlich 
verschieden  gebaut  seien  ^).  Ebenso  erscheint  auch  in  der  von  Filippi  gegebenen 
Beschreibung  des  Geschlechtsapparats  der  Clepsinen  derselbe  typisch  verschieden 
von  dem  aller  übrigen  Hirudineen  ^). 

Nach  den  Untersuchungen,  die  ich  selbst  darüber  angestellt,  scheint  mir  da- 
gegen derselbe  gemeinsame  Plan,  nach  welchem  die  Geschlechtstheile  in  den 
Gattungen  Sanguisuga,  Haemopis,  Aulastoma,  Piscicola  gebaut  sind,  auch  in  den 
beiden  genanten  Gattungen  der  Bildung  derselben  zu  Grunde  zu  liegen,  und  theils 
in  dieser  Hinsicht,  theils  weil  sich  daraus  eine,  meines  Erachtens  unzweifelhafte 
Deutung  der  einzelnen  Theile  des  Geschlechtsapparats  auch  für  den  medicinischen 
Blutegel  ergiebt,  glaube  ich  die  nachfolgenden,  leider  oft  noch  unvollständigen 
Beobachtungen  der  Mittheilung  nicht  ganz  unwerth. 

Bei  Clepsine  tessulata^),  die  sich  sowohl  ihrer  Grösse  als  der  weichen,  fast 
gallertartigen  Konsistenz  ihres  Körpers  wegen  vor  allen  andern  Arten  zu  ana- 
tomischen Untersuchungen  eignet,  liegen  jederseits  auf  der  Bauchseite  nach  aussen 
von  den  bei  den  Clepsinen  besonders  entwickelten  vom  Bauch  nach  dem  Rücken 
aufsteigenden  Muskeln  (Filippi's  fasci  abdomino-dorsali)  sechs  Hoden  (Fig.  i.a), 
d.  h.  ziemlich  grosse,  ovale,  äusserst  dünnwandige  Bläschen,  die  ausser  der  Zeit  der 
Fortpflanzung  zusammengefallen  und  leicht  zu  übersehen  sind,  während  dieser 
Zeit  aber  von  einer  milchigen  Flüssigkeit  strotzen  und  durch  die  Bauchdecken 
hindurch  schon  von  aussen  sich  wahrnehmen  lassen.  Von  oben  werden  sie  zum 
Theil  durch  den  Magen  bedeckt,  zwischen  dessen  seitlichen  Anhängen  sie  liegen. 
Nach  aussen  von  ihnen  verläuft  jederseits  ein  ausserordentlich  feiner  Ausführungs- 
gang (Fig  1.6)  nach  vorn  bis  in  die  Gegend  des  siebenten  Bauchganglions;   hier 

i)  Müllers  Archiv  für  Anatomie.   1846.  pg.    138—148.    Taf.  VIII. 

2)  Tiedem.  und  Trevir.  Zeitschr.  für  Phsysiol.  Bd.  4  pg.   166. 

3)  Filippi,  lettera  sopra  l'anat.  e  lo  sviluppo  delle  Clepsine.     Pavia   1839. 

4)  Cf.  Wieg  mann 's  Archiv.     1844.  Bd.  I,  pg.  370  =  Gesammelte  Schriften  pg.   i. 


Geschlechtstheile  von  Clepsine  und  Nephelis.  ■.  . 

verdickt  er  sich  plötzlich  zur  Epididymis  (Fig.  i.c),  die  sich  nach  innen  unter 
den  Magen  wendet,  allmähg  an  Dicke  zunehmend,  mit  mannichfachen  Biegungen 
in  der  Mittellinie  bis  etwa  zum  letzten  Hodenpaare  nach  hinten  geht,  und  von 
da  wieder  nach  vorn  bis  vor  das  sechste  GangHon  zurückkehrt;  hier  bildet  sie 
mehrere  kurze  verschlungene  Windungen  und  mündet  in  das  vordere  Ende  einer 
zweischenkhgen,  dickwandigen,  sehnigglänzenden  Scheide  (Fig.  i.d),  die  zwisch<Mi 
dem  sechsten  und  siebenten  Ganglion  nach  aussen  sich  öffnet.  —  Einen  besondern 
Penis  scheint  diese  Scheide  nicht  einzuschliessen,  Sondern  selbst,  indem  sie  sich 
theilweise  nach  aussen  umstülpt,  dessen  Stelle  zu  vertreten. 

Drei  Ringe  hinter  der  männhchen  Geschlechtsöffnung  liegt,  wie  jene  in  der 
Mittellinie,  die  weibliche.  Sie  führt  zu  einem  fleischigen,  cylindrischen  Uterus 
(Fig.  3.  a,  Fig.  4.),  der  zuerst  in  der  Länge  von  etwa  drei  Ringen  nach  hinten  ge- 
richtet ist,  dann  nach  oben  und  vorn  sich  umbiegt  und  über  der  äussern  Geschlechts- 
öffnung sich  in  zwei  schief  nach  vorn  und  aussen  gerichtete  Schenkel  theilt,  die 
durch  einen  an  beiden  Enden  verdickten  Querbalken  wieder  verbunden  werden. 
Der  nach  hinten  und  der  darüber  liegende,  nach  vorn  gerichtete  Theil  des  Uterus 
sind  durch  zahlreiche  sehnige  Fasern  verbunden;  durch  die  von  den  beiden 
Schenkeln  desselben  und  dem  Querbalken  gebildete  Oeffnung  geht  der  Bauch- 
nervenstrang hindurch.  An  den  beiden  Enden  des  Querbalkens  beginnen  zwei 
ungemein  lange  dünnhäutige  Schläuche  (Fig.  3. 6),  die  sich,  unter  dem  Magen 
umschlungen  von  den  Windungen  der  Epididymis,  bis  nahe  ans  hintere  Ende 
des  Körpers  erstrecken.  Anfangs  ziemlich  eng,  erweitern  sie  sich  bald,  und  ent- 
halten in  diesem  weiteren,  hinteren  Theile  den  Körper  an  Länge  mehrfach  über- 
treffende, gewundene  Stränge,  die  an  dem  hinteren  blinden  Ende  der  Schläuche 
festzusitzen  scheinen.  Die  Zahl  dieser  Stränge,  ob  einer  oder  mehrere  in  jedem 
Schlauche,  konnte  ich  nicht  mit  Bestimmtheit  ermitteln,  da  es  mir  nie  gelang,  ihre 
Wandungen  ohne  Zerreissen  vollständig  zu  entwickeln. 

Ganz  ähnlich  ist  der  Bau  der  Geschlechtstheile  bei  Clepsine  complanata 
(Fig.  5.)  und  verrucata  ^) ;  sie  unterscheiden  sich  hauptsächlich  dadurch,  dass  der 
Uterus  dünnhäutig  ist,  und  sich  gleich  an  der  Geschlechtsöffnung  in  zwei  kurze, 
gerade  nach  den  Seiten  gerichtete  Schenkel  theilt,  die  von  oben  durch  den  darüber 
liegenden  häutigen  Querbalken  gedeckt  werden.  So  scheinen,  wenn  man  nicht 
auf  den  Nervenstrang  achtet,  der  auch  hier  unter  dem  Querbalken  hindurch  geht, 
auf  den  ersten  Bhck  die  beiden  langen  Schläuche,  in  denen  die  gewundenen 
Stränge  eingeschlossen  sind,  unmittelbar  in  eine  gemeinsame  äussere  Oeffnung 
zu  münden.  Die  Zahl  der  Hodenbläschen  ist  nach  den  Arten  verschieden;  so 
zählte  ich  6  Paar  bei  Cl.  tessulata,  10  bei  Cl.  complanata,  11  bei  Cl.  marginata 
(Hirud.  marginata  O.  F.  Müll.)'''). 

i)  F.  Müller,  diss.  de  hiradinibus  circa  Berolinum  observatis.  Berol.  1844.  p.  23  =  Gesammelte 
Schriften  pg.  6. 

2)  Filippi  hat  die  Hoden  der  Clepsinen,  die  verhältnismässig  weit  grösser  sind,  als  bei  irgend  einem 
andern  Egel,  meist  übersehen  oder  wenigstens  (bei  Cl.  padulosa,  1.  c.  pg.  n)  nicht  als  Theile  des  Geschlechts- 
apparats erkannt ;  Hoden  sind  ihm  die  oben  als  Epididymis  bezeichneten  Kanäle,  die  er  mit  einem  gemein- 
schaftlichen Atrium  an  der  vordem  Geschlechtsöffnung  beginnen  und  mit  ihren  sehr  feinen  Enden  in  der 
Nähe  des  Mundes  sich  anheften  lässt.  Noch  abweichender  ist  seine  Beschreibung  der  weiblichen  Organe; 
die  beiden  langen  Schläuche  sollen  hinten  zusammenhängen,  und  an  dieser  Vereinigungsstelle  bei  Cl.  paiu- 
dosa  sechs  kurze  Winde  Anhänge  tragen,  bei  Cl.  complanata  mit  vier  in  Schleifen  gebogenen  Kanälchen  ver- 


■12  Geschlechtstheile  von  Clepsine  und  Nephelis. 

Bei  Nephelis^)  sind  die  weiblichen  Organe  denen  der  Clepsinen  einigermaassen 
ähnlich.  Wie  dort,  finden  sich  zwei  lange,  weite  häutige  Schläuche  (Fig.  6  a),  die 
sich  zu  den  Seiten  der  Ganglienkette  unter  dem  Darmkanal  vom  loten  oder  ii  ten 
Ganglion  an  nach  vorn  erstrecken,  zwischen  dem  yten  und  8ten  Ganglion  sich 
verengern,  nach  innen  biegen  und  in  die  beiden  Enden  eines  kurzen  zweischenkligen 
Uterus  {Fig.  6  6)  einmünden.  In  diesen  Schläuchen  sind  lange,  ziemlich  dicke, 
wenig  gewundene  Stränge  eingeschlossen. 

Sehr  abweichend  ist  dagegen  die  Form  der  männlichen  Geschlechtstheile. 
Vom  hinteren  Ende  des  Körpers  bis  etwa  zum  iiten  Ganglion  liegt  jederseits 
neben  und  unter  dem  Darmkanal  eine  aus  zahlreichen  kleinen  Bläschen,  den 
Hodenbläschen,  zusammengesetzte  Drüse  (Fig.  6  c),  an  deren  unterer  Seite  ein 
feiner  Ausführungsgang  (Fig.  6  d)  nach  vorn  verläuft.  Sobald  dieser  aus  der 
Drüse  heraustritt,  verdickt  er  sich,  bekommt  eine  feste,  sehnig-glänzende  Haut,  und 
bildet  so  die  Epididymis  (Fig.  6e),  die  in  dicht  verschlungenen  Windungen  nach 
aussen  und  unten  von  den  weiblichen  Organen  bis  etwa  zum  gten  Ganglion  sich 
nach  vorn  erstreckt  und  hier  sich  wieder  in  einen  dünnen  Kanal  (Fig.  6f)  verengt, 
der  anfangs  stark  gebogen,  dann  immer  enger  und  gerader  werdend  bis  zum 
5ten  Ganglion  geht,  hier  sich  nach  innen  und  hinten  umbiegt  und  in  das  nach 
vorn  gerichtete  Ende  einer  zweischenkligen,  dickwandigen,  sehnigen  Scheide 
(Fig.  6^)  einmündet.  Die  Oeffnung  dieser  Scheide,  welche  auch  hier  keine  be- 
sondere Ruthe  einzuschliessen  scheint,  liegt  fünf  Ringe  vor  der  weiblichen 
Geschlechtsöffnung.  Alle  innern  Geschlechtstheile  sind  durch  ein  dichtes  Zell- 
gewebe an  die  Körperwand  und  den  Darmkanal  befestigt,  während  bei  den 
Clepsinen  die  Epididymis  sowohl,  als  sämmtliche  weibliche  Organe  völlig  frei  in 
der  Leibeshöhle  liegen  2). 

Die  wesentliche  Uebereinstimmung  der  Genitalien  unserer  beiden  Gattungen 
mit  denen  von  Sanguisuga,  Haemopis,  Aulastoma,  Piscicola  werde  ich  nach  der 
gegebenen  Beschreibung  kaum  noch  besonders  hervorzuheben  brauchen.  Die 
Hoden  erscheinen  überall  in  Form  dünnhäutiger  Bläschen,  auf  der  Bauchseite  zu 
beiden  Seiten  des  Darmkanals  liegend,  bald  einzeln  und  wenig  zahlreich  (6 — 12 
Paare),  bald  in  grosser  Anzahl  und  jederseits  zu  einer  traubigen  Drüse  zusammen- 
gehäuft (Nephehs).  Die  Hoden  jeder  Seite  haben  einen  gemeinschaftlichen  Aus- 
versehen sein ;  die  gewundenen  Stränge  sollen  sich  bis  zur  Geschlechtsöffnung  erstrecken  und  in  ein  gemein- 
schaftliches Atrium  sich  öffnen,  etc.  —  Alle  diese  Angaben  muss  ich  nach  wiederholten,  mit  aller  mir 
möglichen  Sorgfalt  angestellten  Untersuchungen,  wenigstens  für  Cl.  tessulata,  complanata,  verrucata,  bestimmt 
verneinen. 

i)  Ich  untersuchte  N.  vulgaris  und  atomaria  Moqu.  Tand.,  die  sich  übrigens  wohl  kaum  scharf  als 
Arten  trennen  lassen. 

2)  Treviranus  hat  1.  c.  die  Hoden  übersehen  und  deshalb,  wie  Filippi  bei  den  Clepsinen,  die 
Epididymis  als  Hoden  bezeichnet;  auch  lässt  er,  wahrscheinlich  nur  in  Folge  eines  Schreib-  oder  Druck- 
fehlers, die  weibliche  Geschlechtsöffnung  vor  der  männlichen  liegen.  Moquin-Tandon,  der  die  männ- 
lichen Organe  ganz  richtig  beschreibt,  giebt  eine  mir  unerklärliche  Abbildung  der  weiblichen  Genitalien 
seiner  Neph.  Gigas  (Monograph.  Tab.  III.  Fig.  7),  nach  welcher  sie  fast  ganz  wie  bei  Sanguisuga  oder 
Aulastoma  gebaut  sein  würden.  Aeusserlich  soll  N.  Gigas  nur  durch  ihre  Grösse  sich  von  N.  vulgaris 
unterscheiden,  mit  der  sie  auch  nach  Moquin-Tandons  Zeichnungen  im  Bandes  Darmkanals  und  der 
männlichen  Organe  vollkommen  übereinstimmt.  Sollte  wirklich  eine  so  auffallende  Verschiedenheit  der 
weiblichen  Theile  bei  zwei  sonst  zum  Verwechseln  ähnlichen  Arten  sich  finden?  —  Im  Text  geschieht 
der  weiblichen  Organe  von  Nephelis  nirgends  auch  nur  mit  einem  Worte  Erwähnung. 


Geschlechtstheile  von  Clepsine  und  Nephelis.  -,■, 

gang,  der  bei  allen  sehr  lang  und  in  einem  grossen  Teile  seines  Verlaufs  beträcht- 
lich verdickt  ist.  Dieser  dickere  Theil,  die  Epididymis,  ist  bei  Nephelis,  Aulastoma, 
Haemopis,  Sanguisuga  in  Form  einer  Drüse  verschlungen,  und  bei  Piscicola ')  zu 
einer  Samenblase  erweitert.  —  Als  wesentliche  Bestandtheile  des  weiblichen  Ap- 
parats, der  stets  nach  innen  und  hinten  von  dem  männlichen  liegt,  finden  sich  ^)  mehr 
oder  weniger  lange  gewundene  Stränge,  eingeschlossen  in  zwei  häutige  Säcke, 
die  bald  kleine  rundliche  Bläschen  darstellen  (bei  Sanguisuga-^),  Haemopis,  Aula- 
stoma, Piscicola),  bald  grosse,  lange  Schläuche  (Nephelis,  Clepsine).  —  Ueberall 
findet  sich  eine  einzige  männliche  und  eine  weibliche  Geschlechtsöffnung,  beide 
in  der  Mittellinie  des  Körpers,  und  zwar  die  erstere  vor  der  zweiten  gelegen. 

Was  nun  die  Deutung  der  einzelnen  Theile  betrifft,  so  sind  neuerdings  be- 
kanntlich drei  ganz  verschiedene  Ansichten  verfochten  worden.  Aus  der  leicht 
zu  beobachtenden  Thatsache,  dass  bei  Sanguisuga  aus  der  vordem  Geschlechts- 
öffnung ein  penisartiges  Organ,  aus  der  hintern  die  Eier  austreten,  schloss  man 
zunächst  auf  die  männliche  und  weibHche  Natur  der  mit  diesen  Oeffnungcn  in 
Verbindung  stehenden  Theile,  eine  Ansicht,  die  wir  z.  B.  von  Moquin-Tan- 
don,  Brandt,  R.  Wagner  vertreten  finden.  Dagegen  erhob  sich  Treviranus, 
der  die  sogenannten  Hoden  von  Sanguisuga  als  Bildungsstätte  der  Eier,  die  Epi- 
didymis als  Hoden  angesehen  wissen  will;  die  Eier  sollen  durch  die  Hoden  hin- 
durchgehen, da  befruchtet  werden  und  bei  der  Begattung,  schon  befruchtet,  in 
den  Uterus  eines  andern  Individuums  übergeführt  werden,  um  daselbst  mit  nährender 
Materie  (abgesondert  durch  die  beiden  sogenannten  Ovarien)  und  einer  schützenden 
Hülle  versorgt  zu  werden.  Henle  ^)  endlich  kehrte  die  alte  Ansicht  geradezu  um ; 
die  sogenannten  Hoden  Hess  er  mit  Treviranus  die  Keime  der  Eier,  die  in 
den  Ovarien  eingeschlossenen  Stränge  den  Saamen  bilden,  bei  der  Begattung  also 
die  Eier  aus  den  weiblichen  Organen  des  -einen  in  die  männhchen  des  andern 
Individuums  treten,  da  befruchtet  werden  und  sich  weiter  entwickeln. 

Schon  die  Vergleichung  der  äussern  Form  der  Theile  in  den  verschiedenen 
Gattungen  (namentlich  die  grosse  Entwicklung  der  mit  dem  Uterus  in  Verbindung 
stehenden  Schläuche  bei  Clepsine  und  Nephelis,  so  wie  die  Epididymis  von  Pisci- 
cola und  Clepsine,  die  ganz  deutlich  als  blosse  Verdickung  des  Ausführungsgangs 
der  Hoden  erscheint)  machte  mir  die  Ansicht  von  Treviranus,  der  er  auch  selbst 
bei  Nephelis  untreu  geworden  ist,  sehr  unwahrscheinlich,  noch  ehe  es  mir  gelungen 
war,  durch  direkte  Beobachtungen  an  Clepsine  tessulata  sie  bestimmt  zu  wider- 
legen und  die  Richtigkeit  der  älteren  zu  beweisen. 

Im  Mai  beginnen  nämlich  bei  Clepsine  tessulata  die  ausser  der  Zeit  der 
Fortpflanzung  ziemlich  dünnen  in  den  beiden  langen  Schläuchen  eingeschlossenen 
Stränge  anzuschwellen  und  durch  die  Bauchdecken  hindurch  von  aussen  sichtbar  zu 
werden.  Unter  dem  Mikroskop  sieht  man  um  diese  Zeit  in  ihrem  Innern  zahlreiche, 
von  dem  übrigen  Gewebe  scharf  abgegrenzte  kleine  elliptische  Zellen  mit  deuüichem 
Kern  (Fig.  7.  8.),  die  schnell  an  Umfang  zunehmen,  als  Anschwellungen  mehr  und 

1)  Cf.  Leo,  in  Müll.   Arch.   1835.  pg.  419.  Tab.  XI. 

2)  Gewiss  auch  bei  Piscicola  und  Haemopis,  wo  sie  noch  nicht  nachgewiesen  sind. 

3)  Cf.  Henle,  in  Müll.  Arch.  1835.  Tab.  XIV.  Fig.  8. 

4)  Müll.  Archiv  1835.  PS-  574- 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  ■^ 


■,.  Geschlechtstheile  von  Clepsine  und  Nephilis. 

mehr  über  die  Oberfläche  der  Stränge  vortreten,  bis  sie  endlich  in  Form  kleiner 
Kugeln,  deren  Durchmesser  dem  des  Stranges  etwa  gleich  ist,  fast  ganz  aus  der 
Substanz  derselben  hervorgetreten  sind  (Fig.  9,  10),  und  dann  schon  dem  blossen  Auge 
wie  Perlen  an  eine  Schnur  angereiht  erscheinen,  während  das  Mikroskop  deutlich 
das  Purkinje'sche  Bläschen  und  den  Wagner'schen  Keimfleck  wahrnehmen  lässt. 
Etwa  zu  dieser  Zeit  (Ende  Mai,  Anfang  Juni)  findet  die  Begattung  statt.  Sie 
ist,  wie  bei  Sanguisuga,  gegenseitig;  mit  dem  Fusse  festsitzend  saugt  jedes  der 
beiden  Individuen  mit  dem  Kopf  sich  an  der  Bauchseite  des  andern  fest,  worauf 
ein  konisches  Organ  aus  der  vordem  Geschlechtsöffnung  sich  ausstülpt  und  in 
die  hintere  des  andern  Thieres  eintritt ;  so  vereinigt  sitzen  die  Thiere  meist  mehrere 
Tage  lang^).  Kurz  nach  der  Begattung  beginnen  die  beiden  langen  Schläuche 
eine  lebhafte  peristaltische  Bewegung,  die  wahrscheinlich  dazu  dient,  die  Eier 
von  den  Strängen  abzulösen;  denn  bald  findet  man  sie  frei  in  der  Höhle  der 
Schläuche.  Der  Keimfleck  und  das  Purkinje'sche  Bläschen  verschwinden,  die 
anfangs  weisse  Farbe  ändert  sich  in  ein  schönes  Dottergelb  um,  und  um  das 
Ei  bildet  sich,  durch  eine  sehr  dünne  Schicht  farblosen  Eiweisses  vom  Dotter 
getrennt,  ein  zartes  Chorion.  Eine  Woche  etwa  nach  der  Begattung  w^erden  die 
Eier  (150  und  darüber)  gelegt;  über  ihnen  bleibt  das  Thier  (wie  Cl.  complanata 
und  marginata)  bis  zum  Auskriechen  der  Jungen  gleichsam  brütend  sitzen,  worauf 
die,  wie  bei  allen  Clepsinen,  noch  sehr  unentwickelten  Jungen  an  den  Bauch  der 
Mutter  sich  festheften  und  von  ihr  ziemlich  lange  Zeit  mit  herumgetragen  werden. 

In  der  Flüssigkeit  der  Hoden  Wäschen  zeigt  das  Mikroskop  zu  der  Zeit,  wo 
die  Eier  in  den  Strängen  sichtbar  zu  werden  beginnen,  eigenthümliche  spindel- 
förmige Körper  (Fig.  11),  die  aus  einer  Zelle  mit  körnigem  Inhalt  und  deutlichem 
Kern  zu  bestehen  scheinen,  von  der  nach  zwei  entgegengesetzten  Seiten  eine 
ungemeine  Menge  äusserst  feiner,  mit  den  Spitzen  vereinigter  Fäden  ausgehen. 
Unter  diesen  finden  sich  bald  einzelne,  bei  denen  die  Fäden  an  der  Spitze  sich 
mehr  oder  weniger  zu  trennen  und  der  Zellenkern  undeutlich  zu  werden  beginnt. 
Je  mehr  sich  die  Eier  entwickeln,  um  so  mehr  treten  auch  die  Fäden  auseinander, 
bis  sie  nach  allen  Seiten  hin  auseinanderstehen  (Fig.  12)  und  endlich  sich  von- 
einander trennen  und  frei  in  den  Hodenbläschen  schwimmen.  So  lange  diese 
Fäden  in  den  Hoden  verweilen,  sah  ich  nie  die  mindeste  Bewegung  an  ihnen; 
als  ich  jedoch  zwei  Individuen  untersuchte,  die,  um  sich  zu  begatten,  sich  schon 
aneinander  festgesogen  hatten,  fand  ich  die  Epididymis  von  eben  solchen  Fäden 
strotzend,  die  in  einer  sehr  lebhaften  vibrirenden  Bewegung  begriffen  waren  und 
sich  so  als  Saamenthierchen  zu  erkennen  gaben. 

Bei  Clepsine  tessulata  sind  also  in  der  That  die  sogenannten  Hodenbläschen 
die  Bildungsstätten  des  Saamens,  und  die  mit  der  hintern  Genitalöffnung  zusammen- 


i)  Diese  Weise  der  Begattung  scheint  jedoch  in  der  Gattung  Clepsine  nicht  aligemein;  vergl.  über 
Cl.  complanata  meine  Diss.  de  himdinibus  etc.  Berol.  1844  pg.  33  =  Gesammelte  Schriften  pg.  21.  Wäh- 
rend der  Zeit  der  Fortpflanzung  wurde  bei  dieser  Art  auch  eine  ziemlich  lebhafte  Fluctuation  einer  farblosen 
Flüssigkeit  längs  der  Seitenränder  des  Körpers  beobachtet,  die  ich  anfangs,  durch  Filippi's  Darstellung 
des  Gefässsystems  verleitet,  für  Blutbewegung  nahm.  Allein  theils  sind  die  Strömungen,  worauf  mich  Herr 
Geh.  Rat  Joh.  Müller,  dem  ich  diese,  so  wie  die  1.  c.  beschriebenen  penisartigen  Organe  zu  zeigen  Ge- 
legenheit hatte,  aufmerksam  machte,  nicht  durch  scharfe  Conturen  begrenzt,  theils  konnte  ich  sie  eben 
nur  zur  Zeit  der  Fortpflanzung  beobachten,  zu  welcher  sie  also  in  besonderer  Beziehung  zu  stehen  scheinen. 


Geschlechtstheile  von  Clepsine  und  Nephilis.  -ic 

hängenden  Theile  die  weiblichen,  die  das  Eigenthümliche  haben,  dass  die  keim- 
bereitenden, gewundenen  Stränge,  also  die  eigentlichen  Ovarien,  eingeschlossen 
sind  in  den  eileitenden  Schläuchen  (die  den  bei  Sanguisuga  gewöhnlich  sogenannten 
Ovarien  entsprechen). 

Aehnliche  Körper,  wie  die  aus  den  Hoden  von  Cl.  tessulata  beschriebenen, 
sind  schon  von  Henle  aus  der  Epididymis  von  Sanguisuga  abgebildet  worden  ^) ; 
ganz  wie  bei  Sanguisuga  finden  sie  sich  bei  Aulastoma,  und  in  etwas  anderer  Form 
auch  in  den  Hoden  von  Nephelis  (Fig.  14).  Wahrscheinlich  bilden  sie  sich  aus 
den  von  Treviranus  und  Henle  als  Eikeime  betrachteten  rundlichen  Körperchen, 
die  sich  in  den  Hoden  von  Sanguisuga  2),  Aulastoma  und  NepheHs  (Fig.  14)  finden. 

Bei  Nephelis  und  Aulastoma,  die  bekanntlich  nicht  alle  Eier  gleichzeitig 
ablegen,  wie  die  Clepsinen,  ist  es  auch  leicht,  im  Mai  und  Juni  die  Eier  sogar 
gleichzeitig  in  allen  Stadien  der  Entwicklung  zu  beobachten,  theils  noch  ganz 
klein  und  völlig  in  der  Substanz  der  Stränge  eingeschlossen,  theils  mehr  oder 
weniger  daraus  hervorgetreten  und  deutlich  mit  Purkinje'schem  Bläschen  und 
Keimfleck  versehen  (Fig.  16),  theils  endlich  schon  abgelöst  und  frei  im  sogenannten 
Eierstock,  ohne  Keimbläschen  und  Keimfleck,  aber  mit  einer  dünnen  Eiweiss- 
schicht  und  einem  zarten  Chorion  bekleidet,  ganz  wie  man  sie  auch  in  den  eben 
gelegten  Cocons  von  Nephelis  findet. 

Mit  Aulastoma  stimmen  aber  Sanguisuga,  Haemopis,  Piscicola  so  genau  in 
der  Form  der  Zeugungstheile  überein,  dass  man  gewiss  auch  hier  die  Hoden- 
bläschen als  saamenbereitend,  als  eigentliche  Eierstöcke  dagegen  die  in  den  so- 
genannten Eierstöcken  eingeschlossenen  (bei  Haemopis  und  Piscicola  freilich  noch 
nicht  einmal  nachgewiesenen)  Stränge  wird  anzusehen  haben. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  I. 

Fig.  I.  Männliche  Organe  von  Clepsine  tessulata.  a  Hoden,  b  Ausführungsgänge, 
c  Epididymis,  d  Ruthenscheide. 

Fig.     2.    Die  Ruthenscheide  zwischen  zwei  Glasplatten  gepresst. 

Fig.     3.    Weibliche  Organe  derselben,     a  Uterus,  b  Eierstöcke. 

Fig.     4.    Der  Uterus,  stärker  vergrössert. 

Fig.  5.  Geschlechtstheile  von  Clepsine  complanata.  (Die  Hoden  mit  ihren  Aus- 
führungsgängen sind  weggelassen.)    a  Epididymis,  b  Ruthenscheide,  c  Eierstücke,  d  Uterus. 

Fig.  6.  Geschlechtstheile  von  Nephelis  vulgaris  var.  atomaria  (Hirud.  atomaria 
Carena).  a  Eierstöcke,  b  Uterus,  c  Hoden,  d  Ausführungsgang  derselben,  e  Epididymis, 
/  vasa  ejaculatoria  seminis,  g  Ruthenscheide. 

Fig.  7.  Ein  Stück  der  in  den  langen  Schläuchen  eingeschlossenen  Stränge  von 
Clepsine  tessulata. 

Fig.     8.    Ein  Theil  desselben  mehr  vergrössert. 

Fig.     9.    Ein  eben  solches  Stück  zur  Zeit  der  Begattung,  natürl.  Grösse. 

Fig.   IG.    Dasselbe  vergrössert. 

Fig.   II.    Die    spindelförmigen    Körperchen    der    Hodenflüssigkeit    von  Cleps.    tessul. 

Fig.   12.    Dieselben,  weiter  entwickelt. 

Fig.   13.    Spermatozoen,  aus  der  Epididymis  derselben. 

Fig.   14.    Inhalt  der  Hodenbläschen  von  Nephelis  vulgaris. 

Fig.   15.    Das  freie  Ende  eines  Eierstrangs  von  Neph.  vulg. 

Fig.   16.    Ein  reifes  Ei  daraus,  stärker  vergrössert. 

1)  Müll.  Archiv   1835.     Tab.  XIV.  Fig.  4b. 

2)  Müll.  Archiv  1.  c.  Fig.  6a. 


Bemerkungen  im  Betreff  des  Geschlechtsverhältnisses 

bei  den  Hirudineen^). 

Zu  den  Tieren,  die  bis  jetzt  trotz  der  mannichfach  unter  einander  abweichenden 
und  sich  widersprechenden  Ansichten  über  die  Bedeutung  ihrer  Geschlechts- 
werkzeuge doch  einstimmig  als  hermaphroditisch  betrachtet  worden  sind,  gehört 
die  Famihe  der  H  irudineen;  auch  hier  ist  vom  Hrn.  Verf.  der  Hermaphroditismus 
in  Zweifel  gezogen  und  der  Nachweis  getrennter  Geschlechter  mit  ziemlicher 
Ausführlichkeit  versucht  worden  (S.  5 1  u.  folg.) ;  allein  —  wie  mir  scheint  —  mit 
wenig  Glück.  Es  liegt  der  gegebenen  Darstellung  eine  teils  unvollständige,  teils 
falsche  Auffassung  der  anatomischen  Verhältnisse  zu  Grunde,  und  sie  entbehrt 
so  der  festen  Basis,  auf  die  allein  eine  sichere  physiologische  Deutung  sich 
gründen  kann. 

Zunächst  Aulastoma.  —  Hier  sind  in  der  Beschreibung  der  vom  Verf.  als 
„mehr  ruhende  Partie",  als  unbeteiligt  am  eigentlichen  Fortpflanzungsgeschäft 
betrachteten  Teile,  der  sogenannten  Eierstöcke  (Fig.  12,  a\  a^),  die  in  denselben 
eingeschlossenen  gewundenen  Stränge  übergangen,  die  von  Sanguisuga  schon 
vor  geraumer  Zeit  Henle  beschrieben  und  abgebildet  hat  (Müll.  Archiv,  1835, 
Tab.  XIV,  Fig.  8),  und  die  hier  in  ganz  gleicher  Weise  sich  finden.  Wären  diese 
in  den  Monaten  Mai,  Juni  einer  genaueren  Untersuchung  unterworfen  worden, 
so  würde  sich  der  Verf.  leicht  überzeugt  haben,  dass  hier  und  nicht  in  den  Hoden- 
bläschen (a,  a)  die  wahre  Bildungsstätte  der  Eier  zu  suchen  ist.  Für  letztere 
Meinung  wird  nur  eine  Figur  von  Henle  (a.  a.  O.  Fig.  b,  b)  angeführt,  die  aber 
weder  Keimbläschen  und  Keimfleck,  noch  irgend  welche  Aehnlichkeit  mit  den 
Eiern  zeigt,  die  man  in  den  frischgelegten  Cocons  der  Hirudineen,  z.  B.  der 
Nephelis,  findet.  Dagegen  lassen  sich  zur  angegebenen  Zeit  an  den  in  den  sog. 
Eierstöcken  eingeschlossnen  Strängen  alle  Entwicklungsstufen  der  Eier  ver- 
folgen'2).  Man  findet  sie  teils  noch  ganz  in  die  Substanz  der  Stränge  ein- 
gebettet, teils  wie  Perlen  über  ihre  Oberfläche  vortretend  und  dann  deutlich  mit 
Keimbläschen  und  Keimfleck  versehen,   teils  schon,   von   den  Strängen   abgelöst, 

i)  Aus :  „Steenstrup,  Untersucliungen  über  das  Vorkommen  des  Hermaphroditismus  in  der  Natur,  aus 
dem  dänischen  übersetzt  von  C.  Hornschuch  mit  Bemerkungen  von  Crepelin,  Fritz  Müller,  Karsch,  Max 
Schultze  imd  dem  Uebersetzer".     Greifsvi^ald,  1846  pg.   iio — 114. 

2)  Man  hat  die  Bläschen  (a*  a*)  sorgfältig  bloszulegen,  unverletzt  herauszuschneiden  und  auf  einer 
Glasplatte  behutsam  zu  öffnen. 


Geschlechtsverhältnisse  bei  den  Hirudineen.  ,- 

frei  in  der  Höhle  der  Bläschen  und  dann  ganz  übereinstimmend  mit  den  in  den 
frischgelegten  Nepheliscocons  enthaltenen.  Diese  Eier  fand  ich  zur  genannten  Zeit 
bei  allen  von  mir  untersuchten  Individuen,  und  gleichzeitig  bei  allen  in  den 
Hodenbläschen  (a,  a)  die  brombeerförmigen  Körper,  in  der  Epididymis  („Zusammen- 
wicklungen" des  Verf.)  die  vom  Verf.  als  Scheinsame  angesprochenen  blumenkohl- 
artigen Körper,  die  ich  bei  Clepsine  deuthch  als  eine  Entwicklungsstufe  der  wahren 
Samenfäden  erkannt  habe  (cf,  Müll.  Archiv,  1846,  S.  146,  Taf.  VIII,  Fig.  11  — 13 
=  Gesammelte  Schriften  S.  34,  Taf.  I,  Fig.  11— 13). 

Bei  Clepsine  complanata  hat  Verf.  ganz  richtig  die  Hodenbläschen 
(Fig.  8  u.  9,  a,  a)  als  Bildungsstätten  des  Samens  nachgewiesen  und  die  Eier  an 
den  in  den  Schläuchen  (ß,  ß)  eingeschlossenen  gewundenen  Strängen  gefunden; 
allein  die  Schlüsse,  die  aus  diesen  an  sich  richtigen  Beobachtungen  gezogen  werden, 
verheren  dadurch  alle  Gültigkeit,  dass  der  anatomische  Zusammenhang  der  Teile 
durchaus  verkannt  ist.  Ich  hoffe,  wegen  dieses  categorischen  Ausspruchs  nicht 
der  Anmassung  geziehen  zu  werden;  lange  Zeit  hat  mich  das  specielle  Studium 
des  Baus  der  Clepsincn  beschäftigt;  die  Untersuchung  der  kleinern,  ihrer  knorp- 
ligen Consistenz  halber  grosse  Schwierigkeiten  darbietenden  Cleps.  complanata 
wurde  durch  gleichzeitige  Sectionen  der  grossen  weichen  Cl.  tessulata  controUiert, 
und  ausserdem  ergaben  diese  Untersuchungen  eine  wesentliche  Uebereinstimmung 
des  Geschlechtsapparats  der  Clepsinen  mit  dem  von  Nephelis,  Piscicola. 
Aulastoma,  Sanguisuga,  während  bei  des  Verf.  Darstellung  alle  Analogie  mit 
diesen  Gattungen  verschwindet  (S.  meinen  Aufsatz  über  die  Geschlechtsteile  von 
Clepsine  und  Nephelis  in  Müll.  Arch.  1846  p.  138  Tab.  VIII  =  Gesammelte  Schriften 
pg.  30  Taf,  i).  Der  Verbindungsgang  (b,  b)  zwischen  den  Hodenbläschen  (a,  a) 
und  den  in  den  Säcken  (ß,  ß)  eingeschlossenen  gewundenen  Strängen,  den  Verf.  für 
seine  Theorie  braucht  und  zeichnet,  existiert  nicht,  eben  so  wenig  als  diese  Stränge 
sich  an  der  hintern  Geschlechtsöffnung  ausmünden.  —  Die  Kanäle  {h\  b^)  enden 
nicht  blind  am  Kopfende,  wie  Verf.  Filippi  nachschreibt,  sondern  biegen,  wie  auch 
schon  Grube  nachgewiesen  (in  seinen  Untersuchungen  über  die  Entwicklungsgesch. 
der  Clepsinen,  Königsberg  1844.  S.  8.),  vor  dem  ersten  Hodenbläschen  ihrer  Seite 
nach  aussen  um,  und  verlaufen,  sehr  verdünnt,  aussen  neben  der  Reihe  der 
Hodenbläschen  nach  hinten,  und  sind  eben  nichts,  als  die  verdickten  Ausführungs- 
gänge derselben,  entsprechend  der  Epididymis  (den  „Zusammenwicklungen")  bei 
Aulastoma  und  Sanguisuga. 

In  den  Hodenbläschen  nun  finden  sich  die  BrombeerzeUen  und  dieselben 
spindelförmigen  Körper,  die  Verf.  auch  in  der  Epididymis  (b^  b^)  gefunden  und 
als  „Scheinsamen"  bezeichnet ;  in  der  Epididymis  sah  ich  zur  Zeit  der  Begattung 
bei  Cleps.  tessulata  freie  sich  lebhaft  bewegende  Samenfäden,  so  dass  über  die 
männliche  Natur  dieser  Teile  kein  Zweifel  sein  kann,  eben  so  wenig,  als  über  die 
weibliche  Natur  der  in  den  Säcken  (ß,  ß)  eingeschlossenen  Stränge,  in  denen  sich 
die  Eier  von  ihrem  ersten  Auftreten  bis  zu  ihrer  Reife  (d.  h.  dem  Loslösen  von 
den  Strängen)  verfolgen  lassen.  Beides,  Samen  und  Eier,  finden  sich  gleichzeitig 
in  allen  Individuen  zur  betreffenden  Jahreszeit;  wollte  man  ein  Einbringen  der 
Brombeerkörper  durch  Begattung  annehmen  (die  übrigens  bei  Cleps.  tessulata 
erst  zur  Zeit  der  Eireife  Statt  hat  und  gegenseitig  ist),  so  hätte  dies  keinen  denkbaren 
Zweck,   da  keine  Verbindung  zwischen  Hodenbläschen  und  Eiersträngen  besteht. 


38 


Geschlechtsverhältnisse  bei  den  Hirudineen. 


Also  männliche  und  weibliche  Organe,  die  ihre  Produkte  gleichzeitig  in 
demselben  Individuum  entwickeln,   d.  h.  Hermaphroditismus. 

Verf.  hat  verschiedene  Zellengebilde  aus  den  Hodenbläschen  als  erste  Ent- 
wicklungszustände  der  Eier  abgebildet  und  meint,  dass  sie  durch  den  (nicht 
existierenden)  Verbindungsgang  (b,  b)  in  die  Stränge  der  Säcke  (ß,  ß)  träten, 
betrachtet  demnach  diese  Stränge  als  Eileiter  seiner  Weibchen.  Gesetzt  selbst, 
dieser  Verbindungsgang  wäre  vorhanden  und  dies  Uebertreten  erwiesen,  so  wäre 
es  jedenfalls  ein  fabelhafter  Eileiter,  der  den  Zweck  hätte  (denn  was  immer  ge- 
schieht, kann  doch  nicht  ein  unglücklicher  Zufall  sein),  die  Eier  durch  seine  Wände 
durchfallen  zu  lassen. 

Was  endlich  des  Verf.  „indirecte  Erfahrung"  über  das  getrennte  Geschlecht 
der  Clepsinen  betrifft  (S.  58),  gleichsam  das  argumentum  ad  hominem,  so  gibt  diese 
ein  treffendes  Beispiel,  wie  man  in  Folge  einer  vorgefassten  Meinung,  —  denn  die 
Clepsinen  dürfen  nun  einmal  nicht  Zwitter  sein  —  gegen  die  einfachsten  Folgerungen 
aus  den  klarsten  Tatsachen  sich  verblenden  kann.  Allerdings  sind  zur  Zeit,  wo  die 
Eier  zuerst  in  den  Strängen  der  Säcke  (ß,  ß)  sich  bemerklich  machen,  die  Hoden- 
bläschen strotzend  gefüllt  mit  Brombeerzellen ;  allerdings  nehmen  letztere  an  Zahl  ab, 
wie  die  Eier  sich  weiter  entwickeln;  allerdings  ist  zur  Zeit  der  Reife  der  Eier  kaum 
eine  Spur  derselben  in  den  Hodenbläschen  zu  finden,  —  ich  habe  sie  sogar  ganz 
vermisst,  —  allerdings  müssen,  soll  Hermaphroditismus  mit  gegenseitiger  oder  Selbst- 
befruchtung Statt  haben  (es  sei  denn,  dass  das  früher  gereifte  Sperma  bis  zur  Reife 
der  Eier  in  besondern  Behältern  bewahrt  werde),  beiderlei  Geschlechtsstoffe  gleich- 
zeitig ihre  höchste  Entwicklung  zeigen.  Aber  ist  denn  das  hier  nicht  der  Fall? 
—  Wie  die  Eier,  so  schreiten  die  Brombeerzellen  in  ihrer  Entwicklung  fort,  werden 
zu  den  spindelförmigen  Körpern  (.,Scheinsamen"  des  Verf.),  und  diese  lösen  sich  in 
freie  Samenfäden ;  natürlich  werden  der  Brombeerzellen  dabei  immer  weniger  und 
zuletzt  verschwinden  sie  ganz;  sie  sind  ja  eben  nicht  die  letzte,  höchste,  sondern 
die  erste,  niedrigste  Entwicklungsstufe  des  Samens.  —  Weil  zur  Zeit  der  Eireife 
bei  den  eiertragenden  (d.  h.  bei  allen  erwachsnen)  Individuen  keine  Brombeerzellen 
in  den  Hodenbläschen  sich  finden,  sollen  sie  nicht  dort  abgesondert  sein  können 
(???),  sondern  von  aussen  eingeführt  (und  wahrscheinlich  während  des  Reifens  der 
Eier  zur  Befruchtung  verwandt  worden)  sein.  Mir  ist  kein  Beispiel  bekannt,  wo 
der  Same  in  dieser  seiner  ersten  Entwicklungsform  zum  Behuf  der  Befruchtung 
auf  ein  andres  Individuum  übertragen  würde. 

Auch  für  die  Planarien  möchte  die  Verteilung  der  Geschlechter  auf  ver- 
schiedne  Individuen  noch  näher  nachzuweisen  sein.  Alle  Exemplare  von  Plan. 
Helluo  O.  F.  Müll,  (ein  Vortex  nach  Örsted's  System,  der  sie  fälschhch  mit  den 
augenlosen  PI.  vulva,  viridata,  punctata,  confundirt:  Entwurf  u.  s.  w.  S.  42),  die 
ich  in  grosser  Anzahl  im  Mai  und  Juni  d.  J.  in  einem  Graben  bei  Greifswald 
sammelte,  waren  mit  zahlreichen  braunen  Eiern  versehen,  und  bei  allen,  die  ich 
mikroscopisch  untersuchte,  fand  ich  eine  kuglige  Blase,  mit  lebhaft  sich  be- 
wegenden Samenfäden  gefüllt.  Der  gänzliche  Mangel  männlicher  Tiere,  das 
Vorkommen  des  Samens  bei  allen  eiertragenden,  möchte  wenigstens  für  eine  un- 
befangene Anschauung  die  Zwitterbildung  hier  wahrscheinUcher  erscheinen  lassen, 
als  die  Verteilung  des  männUchen  und  weiblichen  Zeugungsapparats  auf  ver- 
schiedene Individuen. 


Geschlechtsvcrhältnisse  bei  den  ITirudineen. 


39 


Zum  Schluss  noch  eine  zoologische  Bemerkung.  Bei  Gelegenheit  der  Regen- 
würmer wird  Rhynchelmis  Limosella  Hoffm.  angeführt  und  als  nicht 
gleich  mit  Euaxes  filirostris  Grube  bezeichnet  (S.  48).  Hoffmeister  selbst, 
mit  welchem  ich  kurz  vor  dem  Antritt  seiner  unglücklichen  Reise,  auf  einer 
Exkursion  von  Berlin  nach  Tegel,  seinen  Rhynchelmis  sammelte,  hielt  denselben 
für  identisch  mit  Grube's  Euaxes  und  auch  ich  habe  keinen  Unterschied  gefunden 
zwischen  diesen  gewiss  autentischen  Exemplaren  und  Grube's  Beschreibung. 


Zur  Kenntniss  des  Furchungsprocesses 
im  Schneckeneie^). 

Mit  Tafel  II. 

Van  Beneden  bemerkt  in  seiner  Entwicklungsgeschichte  der  Aplysia 
d  e  p  i  1  a  n  s  bei  Gelegenheit  des  Furchungsprocesses :  „En  meme  temps  que  le 
vitellus  ce  divise,  il  sort  de  l'interievir  une  vesicule  blanche,  contcnant  un  liquide 
transparent,  et  qui  va  se  perdre  dans  l'albumen.  Cette  vesicule  est  quelquefois 
suivie  d'une  seconde  qui  suit  la  meme  marche.  Cette  vesicule,  simple  ou  double, 
sort  de  la  meme  maniere  du  vitellus  des  Limaces,  et,  d'apres  M.  M.  Dumortier  et 
Pouchet,  de  Limnees.  Comment  faudrait-il  la  determiner?  Sa  constance  merite 
une  attention  toute  particuliere."  (Ann.  des  Sc,  nat.  11^  Ser.  Zool.  Tom.  XV.  1841 
p.  126.) 

Schon  ehe  mir  diese  früheren  Beobachtungen  zu  Gesicht  gekommen,  war 
auch  ich  bei  Untersuchungen  über  die  Entwicklung  einer  kleinen  Ostseeschnecke  ^), 
aus  der  Gruppe  der  Phlebenteres  dermobranches  von  Quatrefages, 
auf  ähnliche  Bläschen  und  auf  ihre  Beziehung  zum  Furchungsprocess  aufmerksam 
geworden.  Die  wichtige  Rolle,  die  sie  dabei  spielten,  Hess  mich  ein  allgemeineres 
Vorkommen  derselben  vermuthen,  —  eine  Vermuthung,  die  durch  die  angeführte 
Stelle,  wenigstens  für  die  Gasteropoden,  vollkommen  bestätigt  wurde.  Um  so 
mehr  fühle  ich  mich  veranlasst,  durch  baldige  Publication  der  durch  zahlreiche  Be- 
obachtungen gewonnenen  Resultate  die  Aufmerksamkeit  der  Naturforscher  auf 
diesen  Gegenstand  zu  lenken,  der  für  die  Theorie  des  Furchungsprocesses  von  be- 
sonderer Wichtigkeit  werden  dürfte. 

Das  frisch  gelegte  Ei  unserer  Schnecke  enthält  im  normalen  Zustande  — 
(die   nicht   gar  seltenen,   namentlich   für   die  Erklärung   der  Eischalenbildung  be- 


i)  Archiv  für  Naturgeschichte,   1848.  I.  p.   i — 6.    Taf.  I. 

2)  Das  selten  über  3—4"'  lange  Thierchen  ist  schon  von  O.  F.  Müller  (Hist.  verm.  Vol.  1.  p.  2.  1774. 
pg.  70)  als  Fasciola  capitata,  später  von  O.  Fabricius  (Danske  Vidensk.  Selsk.  naturvid.  og  math. 
Afhandl.  Anden  Deel.  1826.  pg.  23  und  Isis  1845.  pg.  66)  als  Planaria  limacina  beschrieben.  Von 
Johns  ton  ist  es  (Lond.  Mag.  of  Nat.  Hist.  IX.  pg.  79),  wie  ich  aus  einem  Citat  in  Oersted's  Werk  über 
Plattwürmer  ersehe,  schon  richtig  als  Gasteropod  erkannt  und  mit  dem  barbarischen  Namen  Limapontia  (!) 
nigra  belegt  worden.  Auf  dem  Greifs  walder  Museum  hat  diesen  Hr.  Dr.  Creplin  in  den  richtiger 
gebildeten  Pontolimax  (varians)  umgewandelt. 


Furchungsprocess  im  Schneckeneie.  ^j 

bemerkenswerthen  Abweichungen  sind  hier  ohne  Interesse)  —  ein  bis  drei  eigelbe 
Dotter  mit  zarter  Dotterhaut  und  meist  noch  mit  nicht  recht  scharf  umschriebenem 
hellen  Fleck  als  Rest  des  Purkinjeschen  Bläschens,  um  diese  Dotter  eine  ziemlich 
dünne,  trübe,  nur  wenig  durchscheinende,  anscheinend  körnige  Eiwcissschicht, 
die  von  einer  structurlosen,  dünnen,  durchsichtigen  Schalenhaut  umschlossen  ist. 
Die  Form  des  Eies  ist  durch  den  Druck  der  benachbarten  mehr  oder  weniger 
unregelmässig. 

Sofort  nach  dem  Legen  beginnt  das  Eiweiss  durch  Wasseraufnahme  auf- 
zuquellen; es  wird  durchsichtiger  und  zeigt  sich  aus  kleinen,  lose  nebeneinander 
liegenden  Zellen  bestehend;  bald  lösen  sich  auch  diese  Zellen  auf  und  eine  ganz 
wasserhelle  Schicht  Hegt  zwischen  dem  Dotter  und  der  Schale,  die  jetzt  zu  einem 
regelmässigen  Ellipsoid  ausgedehnt  ist,  dessen  grosse  Achse  4  bis  6  mal  den  Durch- 
messer des  sphärischen  Dotters  übertrifft. 

Sobald  das  Eiweiss  etwas  durchsichtiger  zu  werden  beginnt,  —  meist  schon 
10  bis  15  Minuten  nach  dem  Legen,  —  fällt  in  der  Nähe  des  Dotters  ein  die 
Eiweisszellen  an  Grösse  weit  übertreffendes  Bläschen  in  die  Augen,  gefüllt  mit 
einer  schwach  gelbUchen  Flüssigkeit,  in  der  wenig  zahlreiche  moleculare  Körn- 
chen schwimmen.  Der  Auflösungsprocess  der  Eiweisszellen  beginnt  fast  constant 
an  der  von  diesem  Bläschen  entferntesten  Stelle  des  Eies  und  um  das  Bläschen 
herum  sieht  man,  wenn  er  seinem  Ende  naht,  die  letzten  Spuren  der  Eiweisszellen. 
—  Der  Furchungsprocess  dagegen  geht  ohne  Ausnahme  aus  von  der  dem  Bläs- 
chen zugewandten  Seite  des  Dotters,  und  da  auch  in  seinem  weitern  Verlauf 
durch  die  Lage  des  Bläschens  die  Richtung  der  theilenden  Furchen  und  der  neu 
sich  bildenden  Furchungskugeln  bedingt  wird,  mag  dasselbe  weiterhin  mit  dem 
Namen  Richtungsbläschen,  vesicula  directrix,  bezeichnet  werden. 

Zunächst  nun  zeigt  sich  (Fig.  i),  dem  Richtungsbläschen  zugewandt,  ein 
hellerer  Saum  im  Dotter;  die  Dottermasse  zieht  sich  etwas  von  der  Dotterhaut 
zurück  (Fig.  3,  a),  ein  ähnlicher  Vorgang  findet  am  entgegengesetzten  Pole  statt 
und  bald  wird  eine  den  ganzen,  nun  mehr  oder  weniger  in  die  Breite  gezogenen 
Dotter  durchsetzende  Furche  bemerklich  (Fig.  2).  Das  Richtungsbläschen  liegt 
in  der  die  beiden  so  entstandenen  Furchungskugeln  trennenden  Ebene  oder  der- 
selben sehr  nahe.  Eine  besondere  Haut  um  die  Furchungskugeln  konnte  ich 
noch  nicht  wahrnehmen,  wohl  aber  meist,  nahe  der  dem  Richtungsbläschen  zu- 
gekehrten Fläche,  in  jeder  derselben  einen  helleren  runden,  besonders  bei  stärkerem 
Druck  deutlichen  Fleck.  —  Ob  es  Zufall,  dass  ich  in  den  um  diese  Zeit  und  später 
untersuchten  Eiern  meist  zwei  kleinere  Richtungsbläschen,  in  den  früher  unter- 
suchten meist  nur  ein  grösseres  wahrnahm,  oder  ob  auch  dies  Bläschen  seinen 
Furchungsprocess  hat,  der  sich  aber  auf  ein  einmaliges  Zerfallen  in  zwei  beschränken 
würde,  oder  ob  endlich,  wie  Van  Beneden  annimmt,  das  zweite  Bläschen  während 
der  Furchung  de  l'interieur  du  vitellus  aufsteigt,  kann  ich  nicht  bestimmt  entscheiden. 

Weiterhin  finden  sich  die  beiden  Furchungskugeln,  jede  von  einer  besonderen 
Haut  umschlossen  und  ohne  gemeinsame  Haut,  meist  soweit  auseinanderweichend, 
dass  sie  nur  eben  sich  berühren.  Eine  helle  Stelle  zeigt  sich,  dem  Richtungs- 
bläschen zugekehrt,  in  jeder  Kugel  (Fig.  3,  b),  und  durch  eine  von  dieser  Stelle 
ausgehende  neue  Furche  (Fig.  4)  werden  beide  Kugeln  halbirt  und  der  Dotter 
ist  so  durch  zwei  aufeinander  senkrechte  Ebenen,   in  deren  Durchschnittslinie  die 


»2  Purchungsprocess  im  Schneckeneie. 

Richtungsbläschen  liegen,  in  vier  Kugeln  zerklüftet.  Diese  vier  Kugeln  (Fig.  5) 
bieten  sich  der  Beobachtung  meist  in  einer  auf  der  Sehaxe  senkrechten  Ebene 
liegend  und  verdecken  dann  natürlich  die  Richtungsbläschen  (Fig.  5,  a),  wenn 
nicht  eine  Lücke  zwischen  ihnen  dieselben  gewahren  lässt  (Fig.  5,  6);  leichter 
fallen  sie  in  die  Augen,  wenn,  wie  in  seltneren  Fällen  (Fig.  5,  c),  die  Ebene  der 
Kugeln  vertikal  steht. 

Die  vier  folgenden  Furchungskugeln  entstehen  nicht  durch  ein  Zerfallen  der 
vier  erst  gebildeten  in  gleiche  Theile,  sondern  zeigen  sich  anfangs  als  kleine,  fast 
ganz  wasserhelle,  nur  wenig  Dotterkörperchen  enthaltende  Bläschen,  die  mit  den 
älteren  abwechselnd  an  der  den  Richtungsbläschen  zugewandten  Seite  derselben 
hervortreten  (Fig.  6,  a,  b),  allmählich  mehr  Dottermasse  in  sich  aufnehmen  und 
auf  der  älteren  Kosten  zu  einer  diesen  gleichen  Grösse  heranwachsen  (Fig.  7). 
Wie  sie  aus  denselben  hervorgehen  und  während  ihres  Wachstums  mit  denselben 
zusammenhängen,  ist  mir  nicht  klar  geworden.  Ihre  mit  den  älteren  alternirende 
Lage  wird  besonders  deutlich,  wenn  man  Eier,  deren  vier  Furchungskugeln,  wie 
meist  der  Fall,  in  einer  horizontalen  Ebene  liegen,  (am  besten  nach  vorherigem 
Betupfen  mit  Weingeist)  stärker  presst  (Fig.  6,  c). 

Für  den  weiteren  Verlauf  des  Furchungsprocesses,  der,  wie  von  den  Schnecken 
bekannt,  bis  zur  Umwandlung  des  Dotters  in  eine  Kugel  mit  wieder  fast  glatter 
Oberfläche  fortschreitet,  habe  ich  die  Beziehung  der  Richtungsbläschen  zur  Lage 
der  neuen  Furchungskugeln  noch  nicht  specieller  nachzuweisen  vermocht;  die  Ver- 
hältnisse werden  durch  die  grössere  Zahl  der  Furchungskugeln  zu  complicirt.  Im 
Allgemeinen  jedoch  ist  auch  jetzt  noch  ihr  Einfluss  nicht  zu  verkennen  (cf.  Fig.  8). 
—  Nach  Ablauf  des  Furchungsprocesses  ist  die  erste  weitere  Erscheinung  das 
Auftreten  zarter  Flimmercilien  an  der  einen  (vorderen)  Hälfte  des  noch  kugligen 
Embryo  und  die  damit  beginnende  Bewegung  desselben.  Bei  Embryonen,  deren 
Bewegung  noch  eine  sehr  langsame  war  und  nur  in  leichten  Schwankungen,  noch 
nicht  in  vollständiger  Drehung  bestand,  fand  ich  die  Richtungsbläschen  meist  in 
der  Nähe  des  vorderen  bewimperten  Theiles,  so  dass  also  dieser  Theil,  das  Kopf- 
ende, dem  Ausgangspunkte  der  Furchung  zu  entsprechen  scheint.  Sobald  die 
Bewegungen  des  Embryo  einigermassen  lebhaft  werden,  kann  natürlich  die  Lage 
der  Richtungsbläschen  keine  constante  mehr  bleiben ;  sie  scheinen  jedoch  bis  zum 
Ausschlüpfen  der  (wie  bei  Doris,  Aptysia  etc.)  mit  nautilusartiger  Schale  und 
Deckel  versehenen,  mittelst  der  langen  Wimpern  des  grossen  zweilappigen  Mund- 
segels sehr  hurtig  umherschwimmenden  Jungen  unverändert  sich  zu  erhalten. 

Dies  das  Verhältniss  der  Richtungsbläschen  zum  Furchungsprocess  und  ihre 
muthmassliche  Beziehung  zur  Bildung  des  Embryo.  —  Welches  aber  ist  nun  ihre 
eigentliche  Bedeutung?  Wo  und  wie  entstehen  sie  und  welchen  Zusammenhang 
haben  sie  mit  den  frühern  Vorgängen  der  Zeugung?  —  Noch  bin  ich  zu  keinem 
Resultate  darüber  gelangt,  (was  überhaupt  leichter  an  Schnecken,  die  nicht  durch 
ihre  Kleinheit  die  Zergliederung  erschweren,  zu  gewinnen  sein  wird)  und  kann 
nur  zwei  vereinzelte  Beobachtungen  anführen,  die  kaum  eine  Vermuthung  in  dieser 
Hinsicht  auszusprechen  berechtigen.  —  Das  eine  Mal  nämlich  vermisste  ich  bei 
Untersuchung  einer  kürzlich  gelegten,  ausnahmsweise  kleinen  Eierschnur  in  allen 
Eiern  das  Richtungsbläschen  in  seiner  gewöhnlichen  P^orm,  fand  dagegen  in  einem 
einzigen  Ei   ein   ähnliches  Bläschen,    anscheinend   etwas   grösser   und  mit  langen 


Furchungsprocess  im  Schneckeneie.  .^ 

Wimpern  besetzt,  durch  die  es  die  benachbarten  Eiweisszellen  in  einen  lebhaften 
Strudel  versetzte.  Der  Dotter  erschien  homogen,  ohne  Spur  von  Purkinje'schen 
Bläschen  oder  von  beginnender  Furchung.  In  einem  Theile  dieser  Eierschnur, 
der  erst  nach  24  Stunden  untersucht  wurde,  war  noch  keine  Veränderung  der 
Dotter  eingetreten,  während  sonst  in  Tagesfrist  der  Furchungsprocess  fast  beendigt 
zu  sein  pflegt  (bei  einer  Temperatur  von  durchschnittlich  +  20  °  R.).  War  dies 
bewimperte  Bläschen  ein  früherer  Entwicklungszustand  der  Richtungsbläschen, 
und  fehlten  diese  vielleicht  eben  deshalb,  weil  sie  noch  nicht  zur  nöthigen  Reife 
gelangt,  in  den  übrigen  Eiern? 

Ganz  ähnliche  Bläschen,  eine  leicht  gelbliche  Flüssigkeit  mit  einzelnen  kleinen 
Körnchen  umschliessend  wie  die  Richtungsbläschen,  aber  mit  langen  Wimpern 
besetzt  und  durch  diese  in  rascher  drehender  Bewegung,  beobachtete  ich  ein 
zweites  Mal  in  grosser  Menge,  als  ich  einen  Theil  des  Geschlechtsapparats,  die 
Theilungsstelle  des  Ausführungsgangs  der  Zwitterdrüse  in  Eileiter  und  Samen- 
gang mit  mehreren  in  deren  unmittelbarer  Nähe  einmündenden  Nebenorganen, 
unter  das  Microscop  gebracht,  in  der  aus  diesen  Theilen  ausgetretenen  Flüssigkeit. 
In  welchem  Theile  des  gerade  an  dieser  Stehe  sehr  complicirten  Apparates  sie  ent- 
halten gewesen,  konnte  ich  nicht  ermitteln ;  später  habe  ich  sie  noch  nicht  wieder 
gefunden. 

Es  liegt  nahe,  bei  den  langen  Wimperfäden  dieser  Bläschen  an  die  bei 
unserer  Schnecke  einfach  fadenförmigen,  freilich  mindestens  noch  3  bis  4  mal  so 
langen  Spermatozoiden  zu  denken.  —  Doch,  es  wird  gerathener  sein,  vor  der 
Hand  und  bis  genügendere  Anhaltspunkte  vorliegen,  auf  alle  theoretisirenden 
Betrachtungen  zu  verzichten. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  IL 

Von  den  beigegebenen  Figuren  sind  Fig.  i — 8  unmittelbar  aus  dem  Text  klar.  In 
allen  sind  die  Richtungsbläschen  durch  a  bezeichnet;  wo  sie  in  der  Zeichnung 
fehlen,  werden  sie  durch  den  Dotter  verdeckt.  —  Fig.  3  stellt  zwei  in  einer  Eierschnur 
nebeneinander  gefundene  Eier  dar,  das  eine  (a)  mit  zwei  Dottern  im  Beginn  der  P'urchung, 
das  andere  (d)  mit  einem  einzelnen  schon  in  zwei  Furchungskugeln  zerfallenen  Dotter; 
beachtenswert  ist,  wie  ausser  der  Grösse  auch  die  Lage  der  Richtungsbläschen  und  der 
hellen  Stelle  des  Dotters  sie  unterscheidet.  —  Die  Figuren  6,  c  sind  nach  mit  Weingeist 
betupften,  stärker  gepressten  Eiern  gezeichnet;  daher  auch  die  schärfere  Umgrenzung  der 
hellen  Flecken  der  Kugeln. 

Fig.  9 — 12  geben  eine  schematische  Darstellung  des  Furchungsprocesses  in  seiner 
Beziehung  zu  den  Richtungsbläschen.  Denkt  man  sich  nämlich  durch  die  Mitte  des 
Dotters  ein  rechtwinkliges  Coordinatensystem  der  xyz  so  gelegt,  dass  die  Axe  der  c  durch 
das  (hier  als  stets  einfach  angenommene)  Richtungsbläschen  geht  und  die  Ebene  der  yz  die 
erste  Furchungsebene  bildet,  so  geben  die  Fig.  a  die  Projection  des  Dotters  und  Bläs- 
chens auf  die  Ebene  der  x}',  die  Fig.  b  auf  die  Ebene  der  xz,  die  Fig.  c  auf  die  Ebene 
der  ^z,  die  Fig.  d  auf  eine  durch  die  Axe  der  z  gehende  Ebene,  welche  den  rechten 
Winkel  zwischen  den  Ebenen  der  xz  und  yz  halbirt;  und  zwar  entspricht  Fig.  9  dem  in 
Fig.  I,  Fig.  IG  dem  in  Fig.  3,  b,  —  Fig.  11  dem  in  Fig.  5,  Fig.  12  endlich  dem  in 
Fig.  6  dargestellten  Zustande  des  Dotters. 


Orchestia  Euchore  und  Gryphus,  neue  Arten 
aus  der  Ostsee^). 

Mit  Tafel  III. 

Die  Gattungen  Talitrus  und  Orchestia  bilden  eine  durch  mehrfache  Eigen- 
thümlichkeiten  des  Baues  und  der  Lebensweise  ausgezeichnete  Gruppe  der  Familie 
der  Gammarinen,  deren  Arten  vorzugsweise  wärmeren  Meeren  anzugehören,  in 
den  arktischen  Gewässern,  der  eigentlichen  Heimath  der  typischen  Gammarinen, 
dagegen  ganz  zu  fehlen  scheinen  ^). 

In  Bezug  auf  diese  geographische  Verbreitung  der  Gruppe,  zugleich  als  Bei- 
trag zur  Kenntniss  der  heimischen  Fauna,  mag  die  Entdeckung  zweier  neuen 
Ostsee-Arten  nicht  ohne  Interesse  sein.  Ueberdies  sind  dieselben  auch  in  syste- 
matischer Hinsicht  bemerkenswert!!.  Während  nämHch  die  genannten  beiden 
Gattungen  in  der  Kürze  der  obern  Antennen,  im  Bau  der  Mundtheile  (Mangel 
des  Mandibularpalpus  u.  s.  w.},  in  der  Grösse  des  fünften  Epimerienpaares,  in  der  Weise 
der  Bewegung,  zahlreiche  gemeinsame  Abweichungen  darbieten  von  dem  gewöhn- 
lichen Verhalten  der  Gammarinen,  werden  sie  bekanntlich  von  einander  einzig 
durch  das  bei  Orchestia  mit  grossen  Händen  versehene  zweite  Fusspaar  unter- 
schieden. Dass  nun  auch  dies  Merkmal  keinen  Gattungsunterschied  begründen 
könne,  dafür  liefern  die  beiden  zu  beschreibenden  Arten  einen  neuen  Beleg,  indem 
danach  bei  ihnen  wie  bei  Orchestia  platensis  Kr.,  die  Männchen  zu  Orchestia,  die 
Weibchen  zu  Talitrus  gestellt  werden  müssten.  Einstweilen  mögen  sie,  nach 
Kröyer's  Vorgang,  als  Orchestien  beschrieben  werden. 

Orchestia  Euchore  (Fig.  i)  ist  von  ziemlich  schlanker  Gestalt,  massig  von 
den  Seiten  zusammengedrückt,  von  schmutzig  bräunlicher  Farbe  und  gegen 
5'"  lang. 

Der  Kopf  ist,  wie  gewöhnlich,  massig  gross  ohne  vorspringende  Stirn,  mit 
runden,   ansehnlichen,   schwarzen,   dem  Scheitel  sehr  nahestehenden,  etwa  um  die 


1)  Archiv  für  Naturgeschichte.   1848.  p.  53 — 64.    Taf.  IV. 

2)  Unter  den  zahlreichen  von  Kröyer  beschriebenen  grönländischen  Amphipoden  findet  sich  kein 
Thier  dieser  Gruppe;  eine  einzige  Art,  Orch.  nidrosiensis  Kr.,  durch  den  Bau  der  Antennen  und  Kief er- 
fasse schon  an  Gammarus  sich  annähernd,  ist  von  der  an  Gammarinen  so  reichen  norwegischen  Küste  be- 
kannt geworden;  dagegen  sind  z.  B.  aus  Aegypten  unter  5  Gammarinen  2  Orchestia  und  i  Talitrus,  aus 
Südamerika  unter  ebenso  viel  3  Orchestien,  aus  Neuholland  und  Neuseeland  i  Amphithoe,  i  Orchestia  und 
I  TaUtrus  beschrieben. 


Orchestia  Euchore  und  Gryphus.  ^e 

Breite  ihres  Durchmessers  von  einander  entfernten  Augen;  derRücken  glatt; 
die  Epimerien  gross,  das  erste  Paar  kürzer  und  besonders  schmäler,  das  fünfte, 
unten  tief  ausgerandete,  weit  breiter  als  die  dazwischenliegenden ;  das  sechste  und 
siebente  klein;  alle  am  unteren  Rande  kurz  und  schwach  bewimpert. 

Die  obern  Antennen,  etwa  von  der  Länge  des  Kopfes,  reichen  bis  zum 
Ende  des  vorletzten  Stielgliedes  der  unteren ;  ihre  5gliedrige  Geissei  ist  fast  ebenso 
lang  als  der  3gliedrige  Stiel. 

Die  untern  Antennen  erreichen  etwa  Vs  der  Körperlänge;  Stiel  und 
Geissei  sind  gleich  lang,  letztere  besteht  aus  i6 — 18  Gliedern,  von  denen  das  erste 
doppelt  so  lang  als  die  folgenden.  Kurze  Borsten  finden  sich  am  Ende  der  Geissei- 
glieder und  zerstreut  längs  der  ganzen  Stielglieder. 

Die  M  u  n  d  t  h  e  i  1  e  zeigen  nichts  Besonderes :  die  M  a  n  d  i  b  e  In  (Fig.  2)  ziemlich 
dick,  ohne  alle  Spur  eines  Palpus,  an  der  einwärts  gebogenen  Spitze  in  mehrere 
hornige  Zacken  gespalten,  darunter  an  der  Innenseite  sechs  kurzgefiederte  Borsten ; 
unter  diesen  eine  ansehnliche  gefurchte  Kaufläche;  die  Unterlippe  (Fig.  3)  fast 
bis  auf  den  Grund  gespalten;  des  ersten  Maxillenpaares  (Fig.  4)  äussere 
Platte  an  der  Spitze  mit  8  bis  g  starken,  an  der  Innenseite  stumpf  gezähnten  hornigen 
Dornen,  die  schmale  innere  Platte  mit  zwei  einwärts  gebogenen  Federborsten ;  eine 
lange  Federborste  an  der  Innenseite  der  Innern  Platte  des  zweiten  Maxillen- 
paares (Fig.  5) ;  der  Palpus  der  Kieferfüsse  (Fig.  6)  kurz,  mit  kurzem  abgerundeten 
Endgliede. 

Die  Füsse  des  ersten  Paares  sind  ziemlich  schwach;  das  vierte  Glied 
derselben  nach  dem  Ende  stark  verbreitert,  (von  dreieckiger  Form),  am  unteren 
hintern  Winkel  mit  starken  Borsten  bewaffnet  und  beim  S  mit  einem  häutigen 
Saum  eingefasst;  das  fünfte  Glied  ist  beim  S  nach  dem  Ende  verbreitert,  unten 
gerade  abgeschnitten,  am  hintern  Rande  mit  einem  häutigen  Saum  eingefasst 
(Fig.  7),  beim  $  von  gleichmässiger  Breite,  ohne  häutigen  Saum,  doch  mit  etwas 
stärkeren  Borsten  längs  des  hinteren  Randes  (Fig.  g).  Die  starke  wenig  ge- 
krümmte Klaue  (Fig.  8),  deren  Basis  die  halbe  Breite  vom  untern  Rande  des 
5ten  Gliedes  einnimmt,  ist  anscheinend  zweigliedrig  und  trägt  etwa  in  der  Mitte 
ihres  Innenrandes  zwei  kurze  dünne  etwas  gebogene  Dornen. 

Die  Füsse  des  zweiten  Paares  sind  durchweg  bei  beiden  Geschlechtern 
verschieden.  Die  der  Männchen  (Fig.  10)  sind  kräftige  Greiffüsse;  das  erste 
Glied  von  ziemlich  gleichmässiger  Breite;  die  drei  folgenden,  besonders  das 
vierte,  sehr  kurz;  das  5te  von  sehr  ansehnlicher  Grösse,  elliptisch  (Breite  zur 
Länge  etwa  wie  3  :  4),  mit  schiefem,  massig  convexen  mit  kurzen  Borsten  besetzten 
unteren  Rande  und  einem  kleinen  abgerundeten  Vorsprung  an  dessen  hinteren 
Ende.  Die  kräftige  Klaue,  von  derselben  Krümmung  wie  der  untere  Rand  des 
fünften  Gliedes,  und  längs  des  Innenrandes  einzelne  sehr  kurze  fast  haarförmige 
Borsten  tragend,  reicht  bis  zu  dem  erwähnten  Vorsprung. 

Das  zweite  Fusspaar  der  Weibchen  (Fig.  13)  ist  dünn  und  schwach;  das 
erste  GHed  ist  blattförmig  verbreitert,  nach  der  Spitze  stark  verschmälert,  mit 
vorderem  convexen  gewimperten  und  hinterem  geraden  Rande;  das  vierte  und 
fünfte  von  ziemlich  gleicher  Grösse]  und  Form,  nach  unten  stark  verbreitert  mit 
einem  häutigen  Saum  längs  des  Hinterrandes.  Am  Ende  des  vorderen  geraden 
Randes    des    fünften   Gliedes   (Fig.    14)   ist   die  kurze  ziemlich  stark   gekrümmte 


fi  Orchestia  Euchore  und  Gryphus. 

Klaue  inserirt;  sie  reicht  bis  zum  Ende  eines  von  ihrer  Basis  schief  nach  unten 
und  hinten  gerichteten  geraden,  dicht  und  kurz  bewimperten  Randes,  und  wird 
überragt  durch  das  abgerundete  Ende  des  häutigen  Saumes,  der  den  längeren 
convexen  hinteren  Rand  einfasst.  Die  Seiten  dieses  GHedes  tragen  längs  der 
Grenze  des  häutigen  Saumes  mehrere  Reihen  dünner  Borsten.  —  Das  gegen- 
seitige Verhältniss  der  5  Fussglieder  und  der  Klaue  dieses  Paares  ist  beim  Männchen 
ungefähr  wie 

10:3:3: 2:  15: 10; 
beim  Weibchen,   wie  9:4:3:5:    5:    i. 

Diese  auffallende  Geschlechtsverschiedenheit  ist  indess  um  so  weniger  aus- 
geprägt, je  jünger  die  Thiere  sind;  noch  bei  einem  Männchen  von  74  der  Länge 
des  Erwachsenen,  welches  4  Geisselglieder  an  den  oberen,  13  an  den  unteren 
Antennen  besass,  war  die  Hand  (Fig.  i  2)  auffallend  klein ;  bei  einem  anderen  von 
der  halben  Länge  des  Erwachsenen,  mit  3  Geisseigliedern  der  oberen,  12  der 
unteren  Antennen,  stand  auch  die  Form  der  Hand  (Fig.  11)  so  in  der  Mitte 
zwischen  der  männlichen  und  weiblichen  Bildung,  dass  danach  allein  das  Ge- 
schlecht nicht  zu  erkennen  gewesen  wäre. 

Die  übrigen  Fusspaare  zeigen  nichts  Auffallendes,  als  dass  beim  Männchen 
das  dritte  und  vierte  Glied  des  siebenten  Paares  verdickt  sind  (Fig.  i,  a), 
während  beim  Weibchen  dies  Paar  dem  sechsten  ganz  gleich  gebildet  ist.  — 
Die  Längen  Verhältnisse  der  7  Fusspaare  sind  annähernd  folgende: 

Die  Kiemen  des  ersten  Paares  (Fig.  13,^),  am  Grunde  des  zweiten  Fuss- 
paares  befestigt,  sind  lang  und  schmal,  4 — 5mal  so  lang  als  breit,  und  wurm- 
förmig  gebogen;  die  übrigen  vier  Paare  (Fig.  1 5)  weit  kürzer  und  von  ovaler 
Gestalt;  alle  mit  einzelnen  sehr  zarten  krausen  Haaren  besetzt. 

Die  Eierplatten  der  Weibchen,  am  Grunde  des  zweiten  bis  fünften  Fuss- 
paares  sind  lang,  schmal,  am  Rande  lang  gewimpert;  sie  nehmen,  bei  ziemUch 
gleicher  Breite,  der  Reihe  nach  an  Länge  ab,  so  dass  die  erste  (Fig.  13,  c)  gegen 
4mal,  die  letzte  nur  doppelt  so  lang  als  breit  ist. 

Die  Schwimmfüsse  sind  schmächtig ;  das  Basalglied,  besonders  des  ersten 
Paares,  weit  länger  als  die  aus  gegen  8  Gliedern  bestehenden,  mit  wenigen  kurz 
und  fein  gefiederten  Borsten  besetzten  Aeste. 

Von  den  drei  letzten  Afterfusspaaren,  den  Springfüssen,  ist  das  erste 
bei  weitem  das  längste,  das  dritte  (Fig.  16)  sehr  kurz  mit  einem  einzigen  konischen 
Endghede.  —  (Das  Verhältniss  dieser  drei  Fusspaare  ist  etwa  8:5:2). 

Es  ist  endlich  ein  einziger  Schwanzanhang  (Fig,  17)  vorhanden,  eine 
ziemlich  dicke,  in  der  Mitte  seicht  ausgerandete  Platte,  die  jederseits  am  Ende 
sowohl  als  auf  der  obern  Fläche  mit  drei  Dornen  bewaffnet  ist. 

Zunächst  verwandt  mit  der  eben  beschriebenen  Art  ist  die  Orchestia  platensis 
Kr.  ^)  von  Montevideo,  unterschieden  jedoch  durch  die  nur  i4gliedrige  Geissei 
der  unteren  Antennen,  durch  die  elliptischen  Augen,  die  unbewaffnete  Klaue  des 

i)  Kröyer's  Naturhistorisk  Tidsskrift.  Ny  Räkke.  Bd.   i.  Hft  3.   1844.  p.  304. 


Orchestia  Euchore  und  Gryphus.  ^^ 

ersten  Fusspaars,  den  abgestutzten  nicht  ausgerandeten,  mit  nur  lo  Borsten  be- 
setzten Schwanzanhang.  Von  dem  Männchen  unterscheidet  sich  ferner  Orch. 
littorea  Leach  durch  die  fast  rudimentäre  Klaue  des  ersten  Fusspaares;  von  dem 
Weibchen  TaHtrus  saltator  Edw.  durch  das  weit  kräftigere  erste  Fusspaar,  durch 
das  nach  dem  Ende  verdünnte  5te  Glied  desselben,  dessen  ganzen  Endrand  die 
Klaue  einnimmt,  durch  Form  und  Grössenverhältniss  der  letzten  Glieder  des 
zweiten  Fusspaares  u.  s.  w.,  T.  Beaucoudraii  Edw.  durch  die  das  Ende  des  fünften 
Gliedes  überragende  Klaue  des  zweiten  Fusspaares. 

Ich  fand  die  Orchestia  Euchore  an  der  Ostküste  Rügens,  an  dem  steinigen 
Strande  zwischen  Sassnitz  und  Stubbenkammer,  in  immenser  Häufigkeit.  Wo 
nur  irgend  zwischen  den  Steinen,  sicher  vor  den  Wellen  des  Meeres,  unter  einer 
Decke  von  Laub  oder  Tang  ein  feuchtes  Plätzchen  sich  fand,  da  sah  man,  sobald 
man  die  Decke  hob,  hunderte  nach  allen  Seiten  mit  ungemeiner  Behendigkeit 
in  grossen  Sätzen  davonspringen  und  kaum  hatte  man  ein  Thier  gefasst,  so  war 
auch  schon  der  ganze  Schwärm  in  die  Spalten  des  umliegenden  Gerölles  ver- 
schwunden. 

Orchestia  Gryphus  (Fig.  i8)  ist  im  Habitus  dem  Talitrus  saltator  Edw.  sehr 
ähnlich,  von  mehr  gedrungenem  Bau  als  O.  Euchore,  wenig  seitlich  zusammen- 
gedrückt, von  blassgelblicher  Farbe,  glänzend  glatt  und  gegen  4'"  lang. 

Der  Kopf  ist  massig  gross,  ohne  vorspringende  Stirn,  mit  runden  schwarzen 
Augen,  die  etwa  um  das  Doppelte  ihres  Durchmessers  von  einander  entfernt 
stehen ;  der  Rücken  glatt ;  die  E  p  i  m  e  r  i  e  n  ,  wie  bei  O.  Euchore,  der  vordere 
untere  Rand  des  ersten  besonders  stark  bewimpert. 

Die  oberen  Antennen  sind  etwas  kürzer  als  der  Kopf ;  der  dreigliedrige 
Stiel,  dessen  mittelstes  Glied  das  bei  weitem  längste,  ist  über  doppelt  so  lang, 
als  die  ögliedrige  Geissei.  Die  unteren  Antennen  des  Männchens  erreichen 
etwa  die  Hälfte  der  Körperlänge;  das  erste  und  zweite  Glied  des  Stieles  sind 
sehr  kurz;  das  vierte,  leicht  nach  unten  gekrümmt,  bildet  reichlich  die  Plälfte 
des  ganzen  Stiels  und  ist  von  ungefähr  gleicher  Länge  mit  der  aus  20  Gliedern 
bestehenden  Geissei.  Die  Borsten  an  den  Seiten  der  Stiel-  und  am  Ende  der 
Geisselglieder  sind  sehr  kurz.  Beim  Weibchen  i)  sind  die  unteren  Antennen 
weit  kürzer,  zeigen  jedoch  dasselbe  gegenseitige  Verhältniss  der  einzelnen  Stiel- 
glieder  und   des  Stiels   zur  Geissei;   —  sie  erreichen  nur  Vs  der  Körperlänge  (?). 

Die  Mundtheile  zeigten  sich  nur  durch  die  weit  stärker  vorspringende 
Kaufläche  der  Mandibeln,  über  welcher  nur  vier  Federborsten  gezählt  wurden, 
von  denen  der  O.  Euchore  verschieden. 

Das  erste  Fusspaar  des  Männchens  (Fig.  19)  ist  von  massiger  Grösse; 
das  erste  Glied  lang,  mit  vorderem  geraden,  hinterem  etwas  convexen  Rande, 
wenig  nach  dem  Ende  zu  verbreitert ;  die  beiden  folgenden  kurz ;  das  vierte  nach 
dem  Ende  zu  stark   verbreitert;   das   fünfte  etwas  kürzer  als  das  vorhergehende. 


i)  Ich  muss  bemerken,  dass  das  einzige  Weibchen,  welches  sich  unter  meinen  Exemplaren  befand,  noch 
nicht  völlig  ausgewachsen  war;  die  Grösse  differirte  nicht  merklich  von  der  des  ausgewachsenen  Männchens, 
doch  hatte  die  Geissei  der  unteren  Antennen  nur  15  Glieder  und  die  Eieqjlatten  waren  in  einem  noch 
sehr  unentwickelten  Zustande.  Uebrigens  pflegt  ja  in  unserer  Familie  die  relative  Länge  der  Antennen, 
im  Verhältniss  zum  Körper,  vom  Alter  ziemlich  unabhängig  zu  sein,  mindestens  nicht  mit  der  Zunahme 
der  absoluten  Länge  und  der  Gliederzahl  in  gleichem  Masse  zu  wachsen. 


^g  Orchestia  Euchore  und  Grjrphus. 

gleichmässig  breit;  alle  am  hintern  Rande  mit  ziemlich  starken  Borsten  bewaffnet; 
das  vierte  und  fünfte  am  hinteren  unteren  Winkel  mit  kleinen  abgerundeten 
häutigen  Vorsprüngen  versehen;  die  Klaue  (Fig.  20)  stark,  halb  so  lang  als  das 
fünfte  GUed,  anscheinend  zweigliedrig  mit  einem  kleinen  gekrümmten  Dorn  in 
der  Mitte  des  Innenrandes.  —  Beim  Weibchen  zeigte  dieses  Fusspaar  eine  ganz 
gleiche  Bildung;  nur  wurden  (vielleicht  als  blosse  Altersdifferenz)  die  häutigen 
Vorsprünge  am  4ten  und  5ten  Gliede  und  der  Dorn  an  der  Klaue  vermisst. 

Die  Füsse  des  zweiten  Paares  sind  beim  Männchen  (Fig.  21)  kräftige 
Greiffüsse  von  sehr  charakteristischer  Form:  das  erste  Glied  ist  lang,  ziemlich 
schmal  und  gleichmässig  breit;  das  zweite  und  das  knieförmig  gebogene  dritte 
kurz;  das  vierte  bildet  nur  einen  schmalen  Wulst  an  der  Basis  des  sehr  grossen 
fünften ;  dies  ist  sehr  breit  und  theilt  sich  in  einen  dickeren  und  längeren  vorderen 
(oder  oberen)  und  einen  kürzeren,  schmäleren,  in  eine  scharfe  Spitze  auslaufenden 
hinteren  (oder  unteren)  Ast,  die  einen  Winkel  von  ungefähr  45  ^  einschliessen. 
Im  Grunde  des  zwischen  beiden  Aesten  liegenden  tiefen  Ausschnittes  findet  sich 
ein  kleiner  flach  gewölbter  Vorsprung.  An  der  Spitze  des  vorderen  Astes  inserirt 
sich  die  starke,  schwach  und  besonders  nur  nach  der  Spitze  zu  gebogene  Klaue, 
die  nicht  völlig  bis  zur  Spitze  des  hinteren  Astes  reicht  und  längs  des  Innenrandes 
einzelne  sehr  kurze,  feine  Borsten  trägt,  während  der  ihr  gegenüberliegende  Rand 
des  vorderen  Astes  mit  etwas  stärkeren  Borsten  besetzt  ist.  —  Das  zweite  Fuss- 
paar des  Weibchens  (Fig.  2 2)  hat  grosse  Aehnlichkeit  mit  dem  der  Orch. 
Euchore;  nur  ist  das  erste  Glied  weniger  blattförmig  erweitert  und  hat  den  vor- 
deren und  hinteren  Rand  in  gleicher  Weise  gebogen;  das  vierte  Glied  ist  etwas 
länger  als  das  fünfte,  hat  seine  grösste  Breite  nahe  der  Basis  und  zeigt  hier  am 
hintern  Rande  einen  starken,  gerade  abgestutzten  Vorsprung;  das  fünfte  Glied 
mit  der  Klaue  (Fig.  23)  ist  ganz  wie  bei  Orch.  Euchore  gebildet,  nur  wurden  ein 
paar  stärkere  Borsten  am  Ende  des  der  Klaue  gegenüberliegenden  schiefen  Randes, 
die  dort  sich  finden  (cf.  Fig.   14),  hier  vermisst. 

Die  übrigen  P'üsse  sind  von  gewöhnlichem  Bau;  das  sechste  und  siebente 
Paar  von  fast  gleicher  Länge  und  auch  beim  Männchen  von  gleicher  Form,  ohne 
Verdickung  des  dritten  und  vierten  Gliedes  am  siebenten  Paare.  —  Die  Längen- 
verhältnisse der  Füsse  sind  annähernd  (beim  S),  wie: 

10  :  1 1  :  12  :  10  :  9  :  15  :  15. 

Die  Kiemen  des  ersten  Paares  (Fig.  24)  sind  wie  bei  Orch.  Euchore 
lang,  schmal,  wurmförmig  gebogen;  die  des  zweiten  und  dritten  (Fig.  25) 
kürzer  und  breiter,  doch  noch  etwas  gebogen ;  die  des  vierten  und  fünften  Paares 
(Fig.  26)  endlich  einfach  oval. 

Die  Schwimm  füsse  sind  massig  stark,  alle  drei  Paare  von  fast  gleicher 
Länge;  die  Basalglieder  etwas  kürzer  (etwa  um  Y5)  als  die  aus  ungefähr  einem 
Dutzend  Gliedern  bestehenden  mit  Federborsten  besetzten  Aeste. 

Die  drei  Springfusspaare  (Fig.  27)  stehen  etwa  in  dem  Verhältniss  von 
4:2:  I ;  das  Basalglied  des  ersten  verhält  sich  zu  dessen  äusserem  und  innerem 
Aste,  wie  5:4:3;  beim  zweiten  sind  Basalglied  und  äusserer  Ast  gleich  lang, 
wenig  länger  als  der  innere  Ast;  das  letzte  (Fig.  28)  trägt  auf  einem  dicken 
konischen  Basalglied  ein  einziges  weit  schmäleres,  an  Länge  diesem  ziemlich 
gleiches  Endglied. 


Orchestia  Euchore  und  Gryphus.  ^q 

Der  Schwanzanhang  bildet  eine  einzige,  dicke,  seicht  ausgerandete  Platte 
von  der  Länge  der  letzten  Springfüsse,  mit  sechs  Borsten  an  seinem  Ende  und 
gegen   lo  an  seiner  oberen  Fläche. 

Das  Männchen  der  Orchestia  Gryphus  unterscheidet  sich  von  allen  bei 
Edwards  (Hist.  nat.  des  Crust.  III.  p.  1 5)  aufgeführten  Arten  dadurch,  dass 
nicht,  wie  dort  als  allgemeines  Merkmal  hingestellt  wird,  die  Füsse  des  ersten 
Paares  eine  kleine  unvollkommen  scheerenförmige  Hand  besitzen,  sondern  einfache 
Geh-  oder  Grabfüsse  sind.  Auch  sonst  ist  unter  allen  beschriebenen  Arten  nur  die 
ägyptische  O.  Deshayesii  Aud.  ähnlich,  und  zwar  nach  der  kurzen  von  Edwards 
gegebenen  Beschreibung  in  hohem  Grade.  —  Das  Weibchen  unterscheidet  sich 
von  Talitrus  saltator  Edw.  durch  das  bei  weitem  schwächere  erste  Fusspaar,  von 
T.  Beaucoudraii  Edw..  wie  Orch.  Euchore. 

Von  Orchestia  Gryphus  wurden  nur  wenige  Exemplare  an  der  Ostküste 
Rügens,  an  dem  sandigen  Gestade  zwischen  dem  Peerd  (auf  Mönchgut)  und  dem 
Kieköwer  gefunden  in  Gesellschaft  des  dort  sehr  häufigen  Talitrus  saltator. 

Eine  genügende  Diagnose  unserer  beiden  Arten  aufstellen  zu  wollen,  würde 
vergeblich  sein,  bevor  eine  kritische  Revision  der  bisher  beschriebenen  Talitrus 
und  Orchestia  stattgefunden;  manches,  was  in  den  vorhandenen  Beschreibungen 
als  oft  fast  einziges  Art-,  selbst  als  Gattungsmerkmal  betrachtet  wird,  —  Länge 
der  unteren  Antennen,  Bildung  der  ersten  beiden  Fusspaare,  Verdickung  des 
siebenten  Fusspaares,  —  rnag  auch  hier  als  blosser  Geschlechtsunterschied  sich 
herausstellen.  Es  genüge  einstweilen  für  die  drei  Arten,  deren  auffallende  Ge- 
schlechtsdifferenz bis  jetzt  bekannt  ist,  und  die  später  wahrscheinlich  in  eine  eigene 
Gattung  vereinigt  werden  müssen,  die  wichtigsten  sowohl  gemeinschaftlichen  als 
unterscheidenden  Merkmale  hervorzuheben: 

Orchestia  platensis,  Euchore  et  Gryphus  inter  se  conveniunt: 

Antennis  sup.  capitis  longitudinem  haud  aut  vix  superantibus ;  m  a n d i - 
bulis  palpi  ne  vestigio  quidem  gaudentibus;  maxillarum  paris  F  lamina 
interna  angusta  setis  pinnatis  curvatis  duabus  instructa;  palpi  pedum  maxil- 
larium  articulo  ultimo  brevi  lato  rotundato;  pedibus  II'  paris  in  cf  manu 
valido  instructis,  in  $  debilibus,  ungue  exiguo  articuli  V»  foliaceo-dilatati,  cujus 
margini  anterior!  inseritur,  apicem  haud  superante  praeditis;  branchiis  F  paris 
angustis  elongatis  flexuosis ;  pedibus  saltatoriis  paris  ultimi  exiguis  conicis, 
stylo  terminah  unico  donatis;   lamina  caudali  unica  crassiuscula,  spinis  ornata. 

Diff  erunt : 

Orchestia  platensis  Kr. 

Antennis  superioribus  caput  longitudine  aequantibus  aut  vix  superantibus ; 
antennis  Inf.  vix  tertiam  corporis  partem  longitudine  aequantibus,  pedunculo 
flagellum  i4articulatum  parum  excedente;  oculis  ellipticis;  primi  pedis  ar- 
ticulo quinto  apicem  versus  in  d  dilatato,  haud  dilatato  in  ?,  ungue  valido  inenni ; 
manu  pedis  secundi  in  d  lata  ovaH;  pedis  septimi  articulo  quarto  in  d  in- 
crassato,  in  $  gracili;  lamina  caudali  truncata;  longitudine  Hnearum  6. 
Orchestia  Euchore  F.  Müll. 

Antennis  superioribus  caput,  inferioribus  tertiam  corporis  partem, 
harum  pedunculo  flagellum  iSarticulatum  longitudine  aequantibus;  oculis  rotun- 
dis;  primi  pedis  articulo  quinto  apicem  versus  in  d  dilatato,  haud  dilatato  in  ?, 

Fritz   Müllers  gesammelte  Schriften.  ^ 


j-Q  Orchestia  Euchore  und  Grj'phus. 

ungue  valido  spinulis  duabus  in  margine  interiore  armato ;  manu  pedis  secundi 
in  J  ovali;  pedis  septimi  articulo  quarto  in  S  incrassato,  in  $  gracili;  lamina 
caudali  emarginata;   long.  5'". 

Orchestia  Gryphus  F.  Müll. 
Antennis  siip.  capite  brevioribus;  inferioribus  in  S  dimidiam,  in  $ 
qiiintam  (?)  corporis  partem  longitudine  aequantibus,  flagello  2oarticulato  pedun- 
culi  dimidiam  subaequante;  oculis  rotundis;  primi  pedis  articulo  quinto  nee 
in  c^,  nee  in  ?  dilatato,  ungue  valido  spinula  unica  in  margine  interiore  armato; 
manu  pedis  secundi  lata,  incisura  profunda  in  ramos  duos  divisa,  anteriorem 
longiorem  latiorem  unguigerum,  posteriorem  acuminatum;  pedis  septimi  arti- 
culo quarto  in  utroque  sexu  gracili;  lamina  caudali  emarginata;  long.  4'". 


Bemerkungen  zu  Zaddach's  Synopseos  Crustaceorum 
Borussicorum  prodromus^). 

1,  In  dem  Gattungscharakter  von  Leptocheirus  ist  (1.  c.  p.  7)  der  Mangel 
der  Nebengeissel  an  den  obern  Antennen  aufgenommen.  Eine  solche  ist  aber  bei 
L.  pilosus  Zadd.,  der  einzigen,  im  Greifswalder  Bodden  nicht  eben  seltenen  Art, 
in  der  That  vorhanden,  wenn  auch  in  sehr  rudimentärem  Zustande,  reducirt  auf 
ein  einziges  kleines  Glied,  welches  kaum  die  halbe  Breite  und  Y2  bis  ^4  der 
Länge  des  ersten  Geisselgliedes  erreicht  und  an  der  Spitze  mehrere  Borsten  trägt, 
unter  denen  in  der  Regel  eine,  oft  das  zweite  Geisseiglied  überragend,  durch  Länge 
sich  auszeichnet.  Da  diese  winzige  Nebengeissel  meist  an  der  Innern  Seite  des 
ersten  Geisseigliedes  verborgen  liegt,  würde  sie  leicht  der  Aufmerksamkeit  ent- 
gehen, wenn  dieselbe  nicht  durch  die  an  der  Seite  dieses  Gliedes  hervortretenden 
Endborsten  derselben  darauf  hingelenkt  würde, 

2.  Die  Jaera  der  Ostsee,  die  von  Z  ad  dach  (1.  c.  p.  11)  als  J.  Kröyerii  Edw. 
ausführlicher  beschrieben  wird  und  die  ebenfalls  im  Greifswalder  Bodden  und  an 
der  Rügenschen  Küste  unter  Steinen  einzeln  vorkommt,  kann  ich  nicht  für  die 
genannte  Art  halten. 

Milne  Edwards  sagt  nämlich  von  seiner  Jaera  Kröyerii  (Hist.  nat.  des 
Crust.  in.  p.  149):  „Corps  tres-etroit;  ...  l'abdomen  se  termine  par  un  petit 
prolongement  scutiforme  de  chaque  cote  duquel  est  une  echancrure  semi- 
circulaire  oü  s'inserent  les  dernieres  fausses  pates."  —  Unsere  Jaera  dagegen  ist 
nur  kaum  dreimal  so  lang  als  breit  und  eine  solche  schildförmige  Verlängerung 
des  Hinterleibes  fehlt  ihr;  im  Gegentheil  zeigt  das  Ende  desselben  (Fig.  29),  wie 
auch  Zaddach  richtig  angiebt,  einen  breiten  mehr  oder  weniger  tiefen  Ausschnitt, 
in  welchem  die  styli  caudales  liegen. 


I)  Archiv  für  Naturgeschichte.   1848.  I.  p.  62 — 64. 


\ 

Orchestia  Euchore  und  Gryphus.  c  j 

Diese  Unterschiede  berechtigen  wohl,  sie  als  eigene  Art  zu  betrachten,  die 
sich  von  Jaera  Kröyerii  durch  die  angegebene  Abweichung  im  Bau  des  Hinter- 
leibes und  den  breiteren  Körper,  und  wie  diese  von  J.  nivalis  Kr.  durch  die  Länge 
der  äussern  Antennen,  von  J.  albifrons  Leach  durch  die  von  einander  weit  ent- 
fernten Augen  unterscheidet.  Sie  giebt  ein  neues  Beispiel  für  die  Eigenthümlich- 
keit  der  Crustaceenfauna  der  Ostsee  und  mag  den  Namen  Jaera  baltica  führen, 

Erklärung-  der  Abbildungen  auf  Tafel  IIL 

Fig.      I.  Orchestia  Euchore  cj,  dreimal  vergrössert. 

Fig.     2.  Mandibel  derselben. 

Fig.     3.  Unterlippe. 

Fig.     4.  Erste  Maxille. 

Fig.     5.  Zweite  Maxille. 

Fig.     6.  Kieferfüsse. 

Fig.     7.  Erstes  Fusspaar  des  cj". 

Fig.     8.  Klaue  desselben,  mehr  vergrössert. 

Fig.     g.  Die  letzten  Glieder  desselben  Fusspaares  vom  $. 

Fig.  IG.  Zweites  Fusspaar  des  c^. 

Fig.  II  u.  12.    Dasselbe  von  jüngeren  Männchen. 

Fig.  13.  Dasselbe  vom  Weibchen;  a  epimerum,  ö  erste  Kieme,  c  Eierplatte. 

Fig.  14.  Dieses  Fusses    fünftes  Glied  mit  der  Klaue,  stärker  vergrössert. 

Fig.  15.  Kieme  des  zweiten  Paares. 

Fig.  16.  Letztes  Hinterleibsfusspaar. 

Fig.  17.  Schwanzanhang,  von  oben. 

Fig.  18.  Orchestia  Gryphus  (J,  viermal  vergrössert. 

Fig.  19.  Erstes  Fusspaar  des  S- 

Fig.  20.  Dessen  Klaue,  stärker  vergrössert. 

Fig.  21.  Zweites  Fusspaar  des  S- 

Fig.  22.  Dasselbe  vom  5. 

Fig.  2T,.  Dieses  Fusses  fünftes  Glied  mit  der  Klaue,  stärker  vergrössert, 

Fig.  24.  Kieme  des  ersten, 

Fig.  25.  des  zweiten, 

Fig.  26.  des  fünften  Paares. 

Fig.  27.  Die  drei  letzten  Hinterleibssegmente. 

Fig.  28.  Letztes  Hinterleibsfusspaar,  mehr  vergrössert. 

Fig.  29.  Hinterleib  der  Jaera  baltica,  von  oben. 


lieber  die  Begattung  der  Clepsine  complanata  Sav.^). 

(Glossiphonia  sexoculata  Moq.  Tand.  Monogr.  ed.   2.) 

Die  älteste  Beobachtung  über  die  Begattung  der  Clepsinen  scheint  in 
folgender  paradox  klingenden  Mittheilung  von  Henle  (Müll.  Arch.  1837.  P-  88) 
enthalten  zu  sein:  „Die  Begattung  ist  bei  Helluo^)  nicht,  wie  man  allgemein 
nach  der  Analogie  des  medicinischen  Blutegels  annimmt,  eine  gegenseitige,  sondern 
ein  Individuum  spielt  die  Rolle  des  Männchens,  das  andere  die  des  Weibchens, 
Der  doppelte  Penis  des  Männchens,  nur  zur  Begattungszeit  sichtbar,  sitzt  auf  der 
linken  Seite  des  Rückens,  etwas  weiter  nach  hinten,  als  die  gewöhnlich  sogenannte 
weibliche  Geschlechtsöffnung  am  Bauche;  er  wird  in  die  vordere  am  Bauche  ge- 
legene Geschlechtsöffnung  des  anderen  Thieres,  die  nach  Moquin  Tandon  als 
männlich  gilt,  eingeführt.  Dieses,  das  Weibchen,  hat  aber  auch  nicht  selten  einen 
doppelten,  dem  Rückcnpenis  des  Männchens  ganz  ähnlichen  Penis  am  Bauche 
ganz  umsonst  hervorgestreckt,  vor  der  Oeffnung,  welche  den  Rückenpenis  des 
Männchens  aufnimmt.  Die  inneren  Geschlechtstheile  beider  in  der  Begattung 
begriffenen  Thiere  enthalten  aber  sowohl  Eier,  als  bewegliche  Fäden."  —  Scheint 
nicht  diese  Darstellung  Allem,  was  wir  über  den  Bau  der  Clepsinen  wissen, 
geradezu  Hohn  zu  sprechen  ?  Es  sind  zwei  Geschlechtsöffnungen  in  der  Mittel- 
linie der  Bauchfläche  vorhanden,  von  denen  die  vordere  mit  aller  Bestimmtheit 
als  männliche,  die  hintere  als  weibliche  anzusprechen  ist;  mit  der  Rückenfläche 
stehen  die  inneren  Geschlechtstheile  in  keinerlei  Verbindung;  das  Thier  zeigt  in 
allen  seinen  Organen  vollkommene  seitliche  Symmetrie;  —  und  nun  soll  links  auf 
dem  Rücken  ein  Penis  hervortreten,  um  in  die  vordere  männliche  Geschlechts- 
öffnung eines  anderen  Individuums  eingeführt  zu  werden,  während  oft  dies  andere 
als  Weibchen  fungierende  Individuum  einen  ähnlichen  Penis  „ganz  umsonst"  am 
Bauche  vor  der  männlichen  Geschlechtsöffnung  hervorstreckt!  —  Dass  trotz  alledem 
Henle,  wenn  er  auch  das  Gesehene  falsch  deutet,  wenigstens  richtig  gesehen, 
wird  das  Folgende  ergeben. 

Eine  weitere  Mittheilung  über  die  Begattung  der  Clepsinen,  nach  im  Früh- 
jahr 1844   angestellten  Beobachtungen,   gab   ich  selbst  in  meiner  Inauguraldisser- 


i)  Zeitung  für  Zoologie,  Zootomie  und  Palaeozoologie  von  E.  D'Alton  und  II.  Burmeister.  1849.  I. 
p.   197-199. 

2)  Die  Gattung  Helluo  Ok.  umfasste  bekanntlich  Nephelis  und  Clepsine  Sav. ;  auf  Nephelis  aber 
kann  sich  Henle's  Mittheilung  wohl  nicht  beziehen,  da  hier  nach  Johnson's  Beobachtung  (cf.  Moq. 
Tand.  Monogr.  des  Ilirud.  ed.   2.  p.    168)  die  Begattung  ganz  wie  bei  Sanguisuga  geschehen  soll. 


Clepsine  complanata.  co 

tation  „de  hirudinibus  circa  Berolinum  hucusque  observatis."  Berol.  1844.  p.  33. 
=  Ges.  Schriften  p.  21.  —  Clepsine  tessulata  sah  ich  in  gegenseitiger  Begattung 
Tage  lang  vereinigt ;  bei  Clepsine  complanata  gelang  es  mir  nicht,  eine  Begattung 
zu  beobachten ;  dagegen  fand  ich  kurz  vor  dem  Eierlegen  an  beiden  Seiten  der  Bauch- 
fläche bald  einzeln,  bald  in  mehrfacher  Zahl,  bald  dem  vorderen,  bald  dem  hinteren 
Körperende  näher,  eigen thümliche  fadenförmige,  3  bis  5  Körperringen  an  Länge 
gleiche,  einfache  oder  bis  zum  Grunde  zweispaltige  Körper  vorgestreckt,  ohne  über 
ihren  etwaigen  Zusammenhang  mit  den  Geschlechtstheilen  und  über  ilire  Function 
etwas  Näheres  ermitteln  zu  können.  Sie  erinnerten  mich  an  die  sogenannten  Penes 
der  Lumbricinen  (appendiculae  generatrices  nach  Morren),  die  freilich,  selbst 
vollkommen  räthselhaft,  für  ihre  Deutung  keinen  Anhaltspunkt  bieten  konnten. 

Im  Frühjahr  dieses  Jahres  hatte  ich  endlich  Gelegenheit,  an  zahlreichen  aus- 
gezeichnet grossen  Exemplaren  von  Clepsine  complanata  (an  Stratiotes  aloides  in 
Gräben  bei  Loitz  an  der  Peene  gefangen)  wiederholt  den  Vorgang  der  Be- 
gattung vollständiger  zu  verfolgen: 

Aus  den  Hoden  tritt  die  Samenflüssigkeit  durch  die  engen  seitlichen  Aus- 
führungsgänge in  die  langen  gewundenen  sog.  Nebenhoden  (cf.  Müll.  Arch.  1846. 
Tab.  VIII.  fig.  5,  a  =  Ges.  Schriften  Taf.  I.  fig.  5,  a).  Erschien  vorher  ein  ununter- 
brochener milchweisser  Streifen  zu  jeder  Seite  der  in  der  Mittellinie  der  Bauchfläche 
durchschimmernden  Eierstöcke,  indem  die  prall  gefüllten  Hodenbläschen  sich 
gegenseitig  berührten,  so  lassen  sich  nun  bald  die  einzelnen  sich  entieerenden  Hoden 
unterscheiden  und  in  einigen  Tagen  sind  diese  kaum  hirsekorngrossen,  um  je  drei 
Ringe  von  einander  entfernten  weisslichen  Flecken  zusammengeschrumpft.  An  ihrer 
Stelle  sieht  man  nun  nicht  selten  die  gefüllten  Windungen  der  Nebenhoden  durch 
die  Bauchdecken  durchschimmern,  die  jedoch  öfter  durch  die  unter  ihnen  liegenden 
Eierstöcke  vollständig  dem  Auge  entzogen  werden.  —  Das  Mikroskop  zeigt  nun  in 
den  Nebenhoden  zu  garbenförmigen  Bündeln  vereinigte,  unbewegliche  Spermatozo- 
iden ;  die  grossen  scheibenförmigen  Zellenkerne,  denen  diese  bei  ihrer  Entwicklung 
aufsitzen,  scheinen  nicht  mit  aus  den  Hoden  überzutreten.  —  Durch  die  Nebenhoden 
gelangt  die  Samenmasse  in  die  beiden  von  der  vorderen  Geschlechtsöffnung  quer 
nach  aussen  gehenden  Schenkel  der  sog.  Ruthenscheide  {cf.  a.  a.  O.  fig.  5,  b),  — 
dehnt  diese,  hier  sich  ansammelnd,  aus  und  lässt  sie  in  diesem  gefüllten  Zustande 
als  einen  weissen  Querbalken,  in  dessen  Mitte  die  Geschlechtsöffnung,  durch  die 
Bauchwand  durchschimmern.  —  Mit  langgerecktem  Vorderende  nach  allen  Seiten 
hin  tastend  wandert  nun  das  sonst  so  träge  Thier  munter  umher,  bis  es  ein  anderes 
Individuum  seiner  Art  entdeckt.  An  dieses  saugt  es  mit  dem  Kopfe  sich  an, 
drückt  die  männUche  Geschlechtsöffnung  fest  an  dessen  Leib,  und  indem  es  nach 
einiger  Zeit  sich  langsam  wieder  entfernt,  lässt  es  aus  dieser  Oeffnung  die  von 
einer  ziemlich  derben,  anscheinend  structurlosen  Hülle  umgebene  in  der  Ruthen- 
scheide angesammelte  Samenmasse  austreten,  welche  während  des  Andrückens 
der  Geschlechtsöffnung  an  das  andere  Individuum  angeklebt  worden  ist.  —  Es 
geschieht  also  die  Begattung  bei  Clepsine  complanata,  wie  bei  den  Ccphalo- 
p o d e n ,  bei  Cyclopsina  u.  s.  w.,  durch  Spermatophoren.  Es  bestehen  dieselben 
aus  zwei  meist  ihrer  ganzen  Länge  nach  fest  mit  einander  verklebten  (den  beiden 
Schenkeln  der  Ruthenscheide  entsprechenden)  Schläuchen,  die  von  der  dünneren 
Anheftungsstelle  aus  allmälig   nach   dem   zuletzt   austretenden  kolbigen  Ende  zu 


CA  Clepsine  complanata. 

sich  verdicken,  an  diesem  Ende  eine  dünne  kurze  hakenförmig  nach  aussen  ge- 
bogene, mit  einem  feinen  Kanal  versehene  Spitze  tragen,  und  prall  mit  Spermato- 
zoidenbündeln  gefüllt  sind.  —  Meist  werden  diese  Samenschläuche  auf  der  Bauch- 
fläche, am  gewöhnlichsten  an  der  vorderen  Körperhälfte,  nahe  der  weiblichen 
Geschlechtsöffnung  angeheftet;  häufig  genug  aber  auch,  wenn  das  brünstige 
Männchen  nicht  rasch  und  bequem  genug  unter  den  platt  aufliegenden  Bauch 
des  Weibchens  gelangen  kann,  am  Rande  des  Körpers  oder  auf  dem  Rücken. 
So  erklärt  sich  der  vom  Rücken  entspringende  in  die  vordere  Geschlechtsöffnung 
des  anderen  Thieres  eingeführte  doppelte  Penis,  den  He  nie  beobachtete,  als  ein 
dem  Rücken  angehefteter,  aus  dieser  Oeffnung  vortretender  Samenschlauch,  und 
der  „ganz  umsonst"  am  Bauche  des  Weibchens  vorgestreckte  Penis  als  ein  eben 
solcher  Samenschlauch,  mit  dem  dasselbe  zufällig  kurz  zuvor  von  irgend  einem 
andern  Individuum  beschenkt  worden  war. 

Die  entleerte  Ruthenscheide  füllt  sich  nun  aufs  Neue  mit  Samenflüssigkeit, 
und  auf  gleiche  Weise  werden  neue  Spermatophoren  erzeugt  und  abgesetzt,  bis 
in  etwa  zwei  Tagen  der  gesammte  Samenvorrath  des  Thieres  verbraucht  ist.  Die 
angehefteten  Spermatophoren  entleeren  sich  ziemlich  rasch  ihres  Inhaltes ;  bei  den 
an  der  Bauchfläche  befestigten  wirkt  bei  dieser  Entleerung  mit  der  Druck,  den 
das  Thier  darauf  ausübt,  indem  es  mit  Kopf  und  Schwanzscheibe  festsitzend  in 
wellenförmigen  Bewegungen  den  Körper  bald  von  der  Unterlage  entfernt,  bald 
gegen  sie  anpresst;  bei  jedesmaligem  Anpressen  kann  man  oft  ein  weisses  Wölk- 
chen aus  dem  Samenschlauch  austreten  und  sich  im  Wasser  vertheilen  sehen. 
Gleichzeitig  beobachtete  ich  einige  Male  deutlich  ein  abwechselndes  Oeffnen  und 
Schliessen  der  weiblichen  Geschlechtsöffnung  (bei  diesen  Exemplaren,  wie  bei 
Cleps.  verrucata  F.  Müll.,  von  einem  dunkeln  Ring  umgeben  und  deshalb  sehr 
in  die  Augen  fallend),  die  so  das  mit  Wasser  verdünnte  Sperma  gleichsam  ein- 
zuschlucken  schien.  Spermatozoiden  in  lebhafter  Bewegung,  meist  einzeln,  selten 
zu  kleinen  Bündeln  vereinigt,  fand  ich  um  die  noch  an  ihren  Strängen  festsitzenden 
Eier  (a.  a.  O.  fig,  9  u.  10),  in  den  sie  umschliessenden  weiten  Schläuchen  (a,  a.  O. 
fig.  5,  c),  den  gewöhnlich  sogenannten  Eierstöcken. 

Gefüllt  fallen  die  Spermatophoren  durch  ihre  Grösse  (bis  über  T"  lang)  und 
ihre  milchweisse  Färbung  sehr  in  die  Augen,  weit  weniger  nach  der  Entleerung; 
sie  sind  nun  sehr  zusammengefallen,  fast  ganz  farblos  und  durchsichtig,  und  bleiben 
in  diesem  Zustande,  in  welchem  allein  ich  sie  früher  beobachtet  hatte,  oft  noch 
Tage  lang  hängen. 

Ob  bei  anderen  Arten  der  Gattung  Clepsine  (nur  von  Cl.  tessulata  ist  bis 
jetzt  meines  Wissens  die  Begattung  beobachtet),  ob  in  andern  Gattungen  der 
Familie  der  Hirudineen  eine  ähnliche  Spermatophorenbildung  vorkommt,  müssen 
weitere  Beobachtungen  lehren.  Mehr  als  wahrscheinlich  ist  mir  aber  ihr  häufigeres 
Vorkommen  in  der  Familie  der  Lumbricinen;  denn  als  Spermatophoren 
glaube  ich  jetzt  die  längst  bekannten  räthselhaften  Anhänge  deuten  zu  müssen, 
die  man  bald  als  Appendiculae  generatrices,  bald  als  Penes  beschrieben  hat.  Aus 
den  Angaben  von  Hoffmeister  über  diese  Anhänge  (W.  Hoffm.,  die  bis  jetzt 
bekannten  Arten  aus  der  Familie  der  Regenwürmer.  Braunschweig  1845.  p.  8  von 
Lumbric.  Agricola;  p.  30  von  L.  riparius;  p.  41  von  Criodrilus  lacuum),  die  ich 
zum  Theil  aus  eigener  Anschauung  bestätigen  kann,  ergeben  sich  nämlich  folgende 


Clepsine  complanata.  ec 

Gründe  für  diese  Deutung:  ihr  Vorkommen  zur  Zeit  der  Fortpflanzung  und  in 
der  Gegend  der  Geschlechtstheile,  —  ihr  Mangel  an  Zusammenhang  mit  inneren 
Organen,  —  ihre  Veränderlichkeit  nach  Zahl  und  Ort  der  Anheftung.  An  die 
sonstige  Uebereinstimmung,  die  im  Gegensatz  zu  den  übrigen  Anneliden, 
Blutegel  und  Regenwürmer  in  Bezug  auf  Fortpflanzung  zeigen  (Herm- 
aphroditismus, Bildung  von  Eierkapseln,  Mangel  der  Metamorphose),  dürfte  in 
zweiter  Reihe  zu  erinnern  sein,  um  eine  ähnliche  Bedeutung  der  ähnlichen  Organe 
bei  unserer  Clepsine  und  den  genannten  Lumbricinen  wahrscheinlich  zu  machen. 
—  Zu  entscheidenden  Untersuchungen  über  diese  Penes  der  Regenwürmer  dürfte 
sich  besonders  der  grosse,  an  den  Wurzeln  von  Sagittaria  im  Teglersee  bei  Berhn 
häufige  Criodrilus  lacuum  Hoffm.  eigenen,  an  dem  ich  in  den  Sommermonaten 
diese  Anhänge  nie  vermisst  habe. 


Notiz  1). 

Ueber  die  Fortpflanzung  von  Sphaeroma  Aega  u.  s.  w.  ist  durch  den  Mangel 
blattförmiger  Anhänge  zur  Bildung  einer  äusseren  Bruttasche  die  Ansicht  ver- 
anlasst worden,  dass  diese  Thiere  ihre  Eier  dem  Wasser  zum  Brüten  übergeben, 
eine  Ansicht,  die  namentlich  von  Rathke  ausgesprochen  worden  ist.  (Entwick- 
lung der  Crustaceen  in  Burdach's  Physiologie.  2.  Ausg.  und  Nov.  Act.  Ac.  Nat. 
Cur.  vol.  XX.  p.  I.  1843.  p.  29.)  Diese  Ansicht  ist  wenigstens  für  Sphaeroma 
unrichtig.  Die  jungen  Sphaeromen  entwickeln  sich  vielmehr  im  Leibe  der  Mutter; 
Sphaeromaist  lebendig  gebärend,  wie  ich  mich  an  einer  in  der  Ostsee  bei  Greifs- 
wald sehr  häufigen,  noch  unbenannten  Art  zu  überzeugen  Gelegenheit  hatte. 


l)  Findet  sich  xinmittelbar  im  Anschluss  an  die  vorstehende  Arbeit  an  derselben  Stelle. 


Tanais  Rhynchites  und   balticus,   neue  Arten 
aus  der  Ostsee^). 

Mit  Tafel  IV,  Fig.   1—4. 

Im  Sommer  1848  fand  ich  im  Greifswalder  Bodden  zwischen  Furcellaria 
fastigiata  Lamx.  (Fucus  furcellatus  Linn.)  einige  kleine  Crustaceen  aus  der  sonder- 
baren Gattung  Tanais,  die  sich  bei  näherer  Untersuchung  als  zwei  neuen  Arten 
angehörig  erwiesen.  Die  damals  entworfene  Beschreibung  blieb  aus  Mangel  an 
Material  und  Zeit  unvollendet  und  deshalb  unpublicirt.  Jetzt  im  Begriffe,  die 
Gestade  der  Ostsee  für  immer  zu  verlassen,  habe  ich  keine  Aussicht,  das  Fehlende 
selbst  ergänzen  zu  können;  das  damals  Aufgezeichnete  mag  also  wenigstens  dienen, 
das  Vorkommen  dieser  Thiere  in  der  Ostsee  zu  constatieren  und  die  anwohnenden 
Zoologen  avif  diese  interessanten  Bürger  ihrer  Fauna  aufmerksam  zu  machen. 

Die  Stellung  der  neuen  Arten  unter  den  bisher  beschriebenen  ergibt  sich 
zunächst  aus  folgender  Uebersicht: 

I.  Der  unbewegliche  Finger  der  Scheere  des  ersten  Fusspaares  ist  die  gerade 

Fortsetzung  vom  Ende  des  vorletzten  Gliedes. 

A.  Obere  Fühler  lang  (Y3  der  Körperlänge)  T.  Edwardsii  Kr. 

B.  Obere  Fühler  kurz. 

1.  Schwanzanhänge  ohne  Nebengeissel,    dreigliedrig.     T.  tomentosus  Kr., 
und  die  Edwards'schen  Arten. 

2.  Schwanzanhänge  mit  Nebengeissel;  dieselbe 

a.  eingliedrig:  T.  Savignyi  Kr.,  dubius  Kr.,  balticus  F.  Müll. 

b.  zweigliedrig:  T.  gracilis  Kr.,  Oerstedii  Kr. 

II.  Der  unbewegliche  Finger  keulenförmig,  von  der  Basis  des  vorletzten  Gliedes 
senkrecht  abstehend.  —  T.  Curculio  Kr,,  T.  Rhynchites  F.  Müll. 
Tanais  Rhynchites  ist  glänzend  gelblichweiss  gefärbt,  etwa  3  mm  lang, 
etwa  1/2  mm  breit.  Das  grosse  Kopfschild,  von  etwa  Y4  der  gesammten  Körper- 
länge, ist  von  hinten  nach  vorn  erst  allmählich,  dann  plötzlich  in  einen  Vs  der 
Kopflänge  betragenden,  dünnen  gerade  vorgestreckten,  schnabelartigen  Fortsatz 
ausgezogen,  der  an  seiner  Spitze  die  Fühler,  an  deren  Basis  die  Augen  trägt. 
Die   oberen  Fühler,    von    etwa    Ve    der   Körperlänge,   ziemlich   plump,    5-gliedrig, 

Archiv  für  Naturgeschichte.  1852.  I.  p.  87 — 90.  Taf.  IV,  Fig.   i — 4. 


Tanais  Rhynchites  und  balticus.  =7 

Stehen  dicht  nebeneinander  am  Vorderende  des  schnabelförmigen  Fortsatzes;  das 
erste  Glied  ist  das  längste.  Die  unteren  Fühler,  etwas  dünner  und  kürzer  als  die 
oberen,  sind  auch  5-gliedrig  (mit  sechstem  rudimentären  Endgliede);  die  3  ersten 
Glieder  sind  kurz  und  dick,  das  vierte  schlank  und  so  lang  wie  die  drei  ersten 
zusammengenommen. 

Dicht  hinter  dem  Grunde  der  oberen  Fühler  liegen  die  schwarzen  rundlichen 
Augen.  Das  erste  Fusspaar  (Fig.  i  u.  2)  ist  unförmlich  gross  und  dick;  mit  aus- 
gestrecktem Endgliede  beträgt  seine  Länge  über  die  Hälfte  der  gesammten 
Körperlänge.  Fünf  Glieder  sind  daran  mit  Bestimmtheit  zu  unterscheiden:  das 
fast  quadratförmige  erste  Glied  articulirt  mit  seinem  obern  Rand  und  der  hinteren 
oberen  Ecke  mit  dem  Körper;  der  hintere  und  untere  Rand  sind  frei;  an  den 
vorderen  Rand  (die  Füsse  in  ihrer  gewöhnlichen  Lage,  gerade  nach  vorn  gerichtet) 
schliessen  sich  das  zweite  und  dritte  Glied  an.  Während  nämlich  in  der  obern 
Hälfte  dieses  Randes  das  grosse  dritte  Glied  unmittelbar  mit  dem  ersten  sich  ver- 
bindet, sind  dieselben  in  der  untern  Hälfte  durch  das  kleine  dreieckige  zweite 
Glied  getrennt.  Das  dritte  Glied,  das  breiteste  von  allen,  ist  viereckig  und  die 
untere  Hälfte  seines  Vorderrandes  in  eine  ziemlich  gerade  nach  vorn  und  etwas 
nach  abwärts  gerichtete  gleichmässig  breite  Lamelle  mit  oberer  abgerundeter  und 
unterer  fast  rechtwinkliger  Vorderecke  verlängert.  Diese  Lamelle  bedeckt  einen 
Theil  der  Aussenfläche  des  folgenden  Gliedes.  Dies  vierte  Glied,  etwas  kürzer 
und  schon  an  der  Basis  etwas  schmäler  als  das  vorige,  ist  nach  der  Spitze  zu 
allmählich  verdünnt.  Von  seinem  unteren  Rande  entspringt,  ziemlich  rechtwinklig 
zu  der  Achse  des  Gliedes  ein  keulenförmiger  Fortsatz  mit  gerade  abgestutztem 
Ende;  den  Stiel  der  Keule  deckt  am  Grunde  nach  aussen  die  vorspringende  Lamelle 
des  dritten  Fussgliedes.  Die  Länge  dieser  Keule,  die  den  unbeweglichen  Finger 
der  Scheere  bildet,  beträgt  etwa  7<;  von  der  des  Fusses;  der  bewegliche  Finger,  oder 
das  5te  Fussglied  ist  ziemlich  schlank,  wenig  gebogen,  von  fast  Vs  der  gesammten 
Länge  des  Fusses;  seine  Spitze  trifft,  wenn  er  eingeschlagen  wird,  einen  kleinen 
Einschnitt  dicht  vor  dem  abgestutzten  Ende  der  Keule. 

Die  sechs  freien  Thoraxringe,  wie  der  Hinterleib,  bieten  nichts  von  den  be- 
kannten Arten  auffallend  Abweichendes;  der  sechste  letzte  und  längste  Hinter- 
leibsring, in  der  Mitte  seines  Hinterrandes  ausgerandet,  trägt  die  Schwan zanh an ge 
von  etwa  Vio  ^^^  Körperlänge.  Ihr  dickeres  Grundglied  ist  mit  einem  Innern 
viergliedrigen  und  einem  äussern  sehr  kleinen  eingliedrigen  Zweige  versehen. 

Die  einzige  verwandte  Art  ist  T.  Curculio  Kr.,  die  Kröyer  im  Öresund  fand ; 
als  unterscheidende  Merkmale  können  dienen : 

T.  Curculio:  Kopfschild  über  Vs,  obere  Antennen  fast  V4,  Schwanzanhänge  Vs 
der  Körperlänge;  untere  Antennen  Ys  der  Länge  der  oberen;  Hinterleib  stumpf 
abgerundet,  Schwanzanhänge  viergliedrig. 

T.  Rhynchites:  Kopfschild  unter  V3»  obere  Antennen  Ve.  Schwanzanhänge 
Vio  der  Körperlänge;  untere  Antennen  ^5  der  Länge  der  oberen;  Hinterleib  aus- 
gerandet, Schwanzanhänge  fünfgliedrig  (Grundglied  und  viergliedriger  Endzweig). 

Tanais  balticus,  die  zweite  neue  Art,  milchweiss,  2mm  lang,  stimmt  in 
Gestalt  und  gegenseitigem  Verhältnisse  der  einzelnen  Körpertheile  fast  vollständig 
mit  T.  Savignyi  überein,  den  Kröyer  bei  Madeira  auffand.  —  Es  genügt  also, 
ihr©  unterscheidenden  Merkmale  hervorzuheben.     Die  Schwanzanhänge  sind   bei 


-g  Tanais  Rhynchites  und  balticus. 

unserer  Art  fünfgliedrig,  bei  T.  dubius  von  Bahia  sechsgliedrig,  bei  T.  Savignj^i 
sieben gliedrig;  T.  Örstedii  aus  dem  Öresund  unterscheidet  sich  durch  den  kür- 
zeren Kopf  (Ye  der  Körperlänge,  hier  V5 — V4)  und  die  zweigHedrige  Nebengeissel 
der  Schwanzanhänge ;  T.  gracihs  aus  Spitzbergen  durch  dieselben  Merkmale,  den 
schlankeren  Körper,  und  die  längern  Scheerenfinger  (länger  als  die  Hand).  —  Mit 
den  übrigen  Arten  ist  keine  Verwechslung  möglich. 

Bei  T.  balticus  wurden  grosse  Lamellen  für  die  Eier  beobachtet;  die  unter- 
suchten Exemplare  waren  Weibchen;  bei  T.  Rhynchites  wurden  sie  vermisst. 
Möglich  dass  die  Thiere  nicht  specifisch,  sondern  nur  sexuell  verschieden  sind.  Aehn- 
liche  Verschiedenheit  der  Fussbildung  zeigen  Männchen  und  Weibchen  bei  Or- 
chestia ;  die  abweichende  Kopf bildung  von  T.  Rhynchites  Hesse  sich  eben  aus  der 
Bildung  des  ersten  Fusspaares  erklären ;  Antennen  und  Schwanzanhänge  stimmen 
überein.  —  Bei  genügendem  Material  und  Beobachtung  der  Jugendzustände  wird 
diese  Frage  sich  leicht  beantworten. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Taf.  IV. 

Fig.   I.  Fuss  des  ersten  Paares  von  Tanais  Rhynchites,  von  der  äusseren; 

Fig.  2.  derselbe  von  der  innern  Seite  gesehen. 

Fig.  3.  Tanais  balticus  F.  Müll. 

Fig.  4.  Scheere  des  ersten  Fusspaares  von  demselben  Thiere,  mehr  vergrössert. 


Eine  Beobachtung  über  die  Beziehung  der  Gattungen 
CaHgus  und  ChaHmus^). 

Mit  Tafel  IV,  Fig.  5  und  6. 

Schon  längst  hat  Kröyer  als  höchst  wahrscheinlich  nachgewiesen,  dass  die 
Gattung  Chalimus  Burm.  nur  ein  Jugendzustand  von  Caligus  sei.  Im  September 
1846  fand  ich  auf  einem  am  Ostseestrande  frisch  ausgeworfenen  Cyprinus  rutilus 
oder  erythrophthalmus  eine  grosse  Menge  eines  Schmarotzerkrebses,  dessen  Be- 
wegungsorgane vollkommen  mit  Caligus  übereinstimmten,  dessen  Weibchen  als 
Zeichen  der  Geschlechtsreife  meist  Eiersäcke  trugen,  der  aber  trotz  dieser 
Geschlechtsreife  mit  einem  Haftapparat,  wie  der  Burmeister'sche  Chalimus  ver- 
sehen war. 

Zwischen  diesen  ausgebildeten  Thieren  fand  sich  ein  etwas  kleineres,  das 
sich  durch  seine  milchige  Undurchsichtigkeit  noch  ausserdem  vor  den  übrigen 
fast  wasserhellen  auszeichnete.  Die  Loupe  zeigte  an  ihm  die  Gruben  am  Stirn- 
rand nur  wenig  entwickelt  und  Abweichungen  in  der  Bildung  der  Fühler  und 
Füsse.  Um  diese  näher  mit  dem  Mikroscope  zu  untersuchen,  sollte  das  Thier, 
unverletzt  zu  undurchsichtig,  durch  Nadeln  zerstückelt  werden.  Aber  was  geschah? 
Ich  streifte  durch  die  Nadeln  eine  Haut  ab,  unter  der  ein  regelrechter  Caligus 
((?)  zum  Vorschein  kam ;  die  Haut,  so  viel  sich  erkennen  Hess,  zeigte  in  ihren  An- 
hängen die  grösste  Aehnlichkeit  mit  Caligus  Scombri.  So  stimmte  z.  B,  das  zweite 
Fühlerpaar  (nach  Kröyer's  Bezeichnungsweise)  vollkommen  mit  der  Kröyerschen 
Abbildung  überein.  Zu  bemerken  mag  noch  sein,  dass  der  neue  Haftapparat  des 
CaHgus  nicht  in,  sondern  hinter  dem  Haftapparat  des  Chalimus 2)  lag. 

Kröyer's  Vermuthung  war  so  durch  directe  Beobachtung  bestätigt. 

Das  Genus  Chalimus,  wie  es  Burmeister  aufgesteUt,  kann  sonach,  als  blosser 
Jugendzustand,  nicht  ferner  bestehen.  Es  Hesse  sich  aber  fragen:  soU  man  nicht 
diese   geschlechtsreif en   Caligus  mit   Haftapparat,   von   den  übrigen   ohne  Haft- 


1)  Archiv  für  Naturgeschichte.   1852.  I.  p.  91  —  92.  Taf.  IV,  Fig.  5  und  6. 

2)  Im  Original  steht  irrtümlich  „Caligus".     Der  Herausgeber. 


^Q  Caligus  und  Chalimus. 

apparat,  als  eigenes  Genus  trennen  und  für  dasselbe  etwa  den  Namen  Chalimus 
beibehalten  ?  Da  in  allen  übrigen  Stücken  bis  auf  die  Zahl  der  Borsten  an  den 
Flüssen  die  vollständigste  Uebereinstimmung  mit  Caligus  stattfindet,  scheint  mir 
eine  solche  Trennung  nicht  gerechtfertigt. 

Ich  schlage  für  die,  auch  abgesehen  vom  Haftapparate  mit  keiner  der  bis- 
her bescliriebenen  übereinstimmende  Art  den  Namen  Caligus  appendi- 
culatus  vor. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Taf.  IV. 

Fig.  5.    Caligus  appendiculatus  F.  Müll.  9-     «  Zweites  Fusspaar. 
Fig.  6.    Zweites  Fusspaar  des  Männchens. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Landplanarien  ^). 

Die  Reisen  des  englischen  Forschers  Charles  Darwin  ^)  haben  uns  mit  einer 
reichen  Fauna  von  Landplanarien  in  den  feuchten  Urwaldregionen  Südamerikas 
bekannt  gemacht,  welche  die  Aufmerksamkeit  der  Zoologen  im  hohen  Grade  ver- 
dienen. Musste  zunächst  die  Eigenthümlichkeit  des  Vorkommens  überraschen, 
dass  Würmer  aus  der  Ordnung  der  Turbellarien,  die  wir  in  unseren  Gegenden 
nur  im  Wasser  zu  finden  gewohnt  sind,  und  welche  ihres  äusserst  weichen,  zarten 
und  aller  festen  Stützen  entbehrenden  Körperparenchyms  willen  ausschliesslich  in 
diesem  Medium  zu  leben  bsstimmt  zu  sein  schienen,  in  zahlreichen  Arten  als  Land- 
bewohner auftreten,  so  wurde  nicht  weniger  unser  Interesse  in  Anspruch  genommen 
durch  die  Angaben  über  die  ansehnliche  Grösse  dieser  Thiere,  den  bunten  Farben- 
schmuck, die  Nemerti neuartige  Gestalt  verbunden  mit  der  inneren  Organisation 
der  Planarien  unserer  süssen  Wässer.  Das  Verlangen  nach  neuen  und  ausführ- 
licheren Nachrichten  über  die  Naturgeschichte  dieser  Urwaldbewohner  ist  leider 
seit  jenen  Mittheilungen  des  verdienten  Reisenden  nur  sehr  dürftig  befriedigt 
worden.  Es  gewährte  mir  daher  eine  besondere  Freude,  solche  von  einem  be- 
währten Forscher  zu  erhalten,  dem  Dr.  Fritz  Müller,  seit  einigen  Jahren  in  der 
Colonie  Blumenau  in  Südbrasilien,  jetzt  in  Desterro  auf  der  Insel  St.  Ca- 
tharina  ansässig.  Wenn  dieselben  auch  unter  ungünstigen  äusseren  Umständen 
und  ohne  die  wünschenswerthen  optischen  Hülfsmittel  entworfen  sind,  so  stehe 
ich  doch  nicht  an,  dieselben,  als  werthvolle  Erweiterungen  unserer  bisherigen 
Kenntniss  bietend,  mitzutheilen.  Ich  benutze  zugleich  die  Gelegenheit,  was  wir 
durch  Darwin  und  einige  Andere  über  diese  Thiere  erfahren  haben,  zusammen- 
zustellen und  füge  endlich  die  Resultate  einiger  mikroskopischen  Untersuchungen 
über  den  feineren  Bau  dieser  Thiere  hinzu,  welche  ich  an  einem  von  Herrn  Bur- 
meister mitgebrachten  und  mir  zu  beliebiger  Benutzung  übergebenen  in  Spiritus 
wohlerhaltenen  Exemplare  anstellte. 

Bekanntlich  entdeckte  schon  O.  Fr.  Müller,  der  Begründer  unserer  Kenntniss 
der  Turbellarien,  eine  auf  dem  Lande  unter  Steinen  in  feuchter  Erde  lebende  Art, 
von  ihm  Planaria  terrestris  genannt  (Vermium  terr.  et  fluv.  hist.  II,  p.  68).    Nach 

i)  Nach  Mittheilungen  des  Dr.  Fritz  Müller  in  Brasilien  und  nach  eigenen  Untersuchungen  von 
Dr.  Max  Schnitze,  Prof.  an  der  Univ.  Halle.  Aus  „Abhandlungen  der  Naturforschenden  Gesellschaft"  in 
Halle.   1856.  4.  Bd.  p.  19—38. 

2)  Naturwissenschaftliche  Reisen,  deutsch  von  E.  Dieffenbach,  1844,  p.  28.  Annais  and  Magaz.  of 
natur.  hist.  vol.  XIV,   1844,  p.  241. 


A,  Landplanarien. 

der  kurzen  Beschreibung,  welche  der  berühmte  dänische  Zoologe  von  diesem  Thiere 
gab,  besitzt^dasselbe  einen  fast  cylindrischen,  nur  an  der  Bauchseite  etwas  abge- 
platteten, 8  Linien  langen,  -/s  Linien  breiten  Körper,  ist  oben  schwärzlich  grau, 
unten  weiss  gefärbt,  und  lässt  am  vorderen  Ende  zwei  kleine  schwarze  Augen- 
punkte erkennen.  Duges  sah  dieselbe  Art  in  Frankreich  (Ann,  d.  sc.  nat.  I  ser. 
Tom.  XXI,  p.  82)  und  fügte  den  Müller'schen  Angaben  noch  hinzu,  dass  auch  die 
Lage  der  Mundöffnung,  die  Gestalt  des  muskulösen  Schlundes  und  die  baum- 
förmigen  Verästelungen  des  Darmcanales,  das  männliche  Begattungsglied  und 
die  Samengefässe  mit  den  gleichen  Theilen  unserer  Südwasserarten  überein- 
stimmen. 

Mein  Freund  Fritz  Müller  ist,  so  viel  mir  bekannt,  der  einzige,  welcher  seit 
jener  Zeit  das  Thier  wieder  gefunden  hat,  das  jedenfalls  zu  den  seltneren  gehört. 
Es  war  in  der  Gegend  von  Grimmen  bei  Greifswald,  wo  einige  Exemplare  unter 
Steinen  entdeckt  wurden,  die  leider  nur  mit  der  Lupe  untersucht  werden  konnten, 
doch  die  von  Duges  beschriebenen  Theile  alle  erkennen  Hessen. 

Die  mir  in  verschiedenen  Briefen  zugegangenen  Mittheilungen  F.  Müller's 
über  die  brasilianischen  Landplanarien  stelle  ich  in  Folgendem  zusammen : 

„Uebereinstimmend  mit  den  Planarien  des  süssen  Wassers  ist  die  Lage 
der  Mundöffnung,  gegen  das  hintere  Drittheil  an  der  Unterseite  des  Körpers 
sowie  die  dendrocoele  Natur  des  Darmcanales;  an  letzterem  finden  sich  die  ge- 
wöhnlichen 3  Hauptäste,  ein  vorderer  und  zwei  hintere,  deren  Zweige  mehrfach 
getheilt  zu  sein  pflegen.  Der  Rüssel  erscheint,  wie  er  durch  die  Haut  hindurch- 
schimmert, als  langer  Cylinder,  in  dessen  Mitte  die  Mundöffnung  als  Querspalte 
sichtbar  ist.  Bei  näherer  Untersuchung  des  herausgenommenen  Rüssels  findet 
man  indess,  dass  er  sich  in  einen  ansehnlichen  flachen  Napf  oder  eine  Scheibe 
ausbreiten  lässt,  die  bald  mehr  elliptisch,  bald  mehr  rund,  im  Umfange  bald  fast 
ganzrandig,  bald  mehr  weniger  tief  gelappt  ist,  und  in  ihrem  Grunde  etwas  vor 
der  Mitte  eine  ziemlich  enge  Schlundöffnung  zeigt,  eine  Bildung,  die  bei  mehreren 
der  grösseren  Seeplanarien,  aber  nicht  bei  unseren  Süsswasserarten  vorkommt.  In 
der  Ruhe  werden  die  seitlichen  Ränder  so  eingerollt  und  das  ganze  Organ  so 
zusammengefaltet,  dass  es  sich  als  Cylinder  mit  vorderer  wellig  gebogener  Längs- 
spalte darstellt. 

Abweichend  von  der  Gattung  Planaria  ist  die  langstreckige  Körperform,  die 
geringe  Abplattung,  das  spitz  zulaufende  vordere  Körperende.  Der  Habitus  ist  so 
oft  weit  mehr  der  einer  Nemertine  als  einer  Planarie.  Abweichend  ebenfalls,  so 
weit  sie  erkannt,  sind  die  Augen,  die  in  ungemeiner  Anzahl  vorhanden  sind,  aber 
auch  nicht  wie  bei  Planaria  nigra  eine  einfache  Reihe  bilden,  die  regelmässig  am 
vorderen  Rande  sich  hinzieht,  sondern  nahe  am  Vorderrande  in  dichte  Streifen 
oder  Flecke  zusammengedrängt  sind,  von  da  aus  in  einer  unregelmässigen  Reihe, 
die  nach  hinten  immer  laxer  wird,  bis  zum  Hinterende  längs  der  Seitenränder 
sich  erstrecken. 

Diese  Eigenthümlichkeiten  wie  der  Aufenthaltsort  berechtigen  wohl  sie  von 
den  Wasserplanarien  generisch  zu  trennen.  Man  könnte  nach  Analogie  von 
Typhloplana,  Leptoplana  für  sie  den  Namen  Geoplana  bilden.  Sie  lieben  massig 
feuchte  Orte,  unter  Holz,  Rinde,  Steinen,  zwischen  Blättern  der  Bromeliaceen 
(doch  nicht  in  dem  daselbst  angesammelten  Wasser).   Tags  scheinen  sie  zu  ruhen, 


Landplanarien.  g-j 

Nachts  umherzuschweifen,  Eier,  etwas  grösser  als  von  Planaria  ulvae,  ziemhch 
rundlich  und  schwerlich  einem  anderen  Thiere  angehörig,  wurden  einmal  unter 
Holz  gefunden. 

Eine  naheliegende  Frage  ist,  ob  die  Geoplanen,  wie  ihre  Verwandten  im 
Wasser,  auf  der  Körperoberfläche  Flimmerhaare  tragen.  In  Ermangelung  eines 
Mikroskopes  bestreute  ich,  eines  Experimentes  in  Joh.  Müller's  physiologischen 
Vorlesungen  mich  erinnernd,  ein  recht  grosses  Exemplar  der  Geoplana  rufiventris 
mit  ein  wenig  Arrowrootmehl  und  sah  nun  dieses  auf  dem  Rücken  constant  vor- 
wärts und  dabei  bisweilen  etwas  nach  aussen,  auf  der  Bauchseite  hinterwärts  sich 
fortbewegen,  wodurch  die  Existenz  der  Flimmerhaare  ausser  Zweifel  gestellt  scheint. 

Die  bisher  beobachteten  Arten  sind: 

1.  Geoplana  tristriata,  blassgelblich  grün,  mit  drei  schmalen  dunkeln  Längs- 
linien auf  dem  Rücken,  Bauch  heller.  Grösste  Breite  nach  dem  zweiten 
Drittheil  der  Länge,  hier  der  Mund.  Liebt  das  Kopfende  aufwärts  aufzu- 
biegen. An  der  Biegungsstelle  jederseits  eine  dichtgedrängte  Gruppe  von 
Augenpunkten,  die  sich  in  unregelmässiger  Reihe  bis  zum  Hinterende  fort- 
setzen. Der  vorderste  Rand  des  Kopfes  scheint  augenlos.  Länge  1V2  Zoll, 
Breite  172  Linie.   Häufig. 

2.  Geoplana  octostriata,  Habitus  und  Augen  wie  bei  der  vorigen,  Farbe  blass- 
gelb, Bauch  weisslich,  auf  dem  Rücken  jederseits  vier  dunkelbraune,  ge- 
näherte Längsstreifen,  weit  breiter  als  die  Längslinien  der  vorigen.  Nicht 
selten. 

3.  Geoplana  elegans,  Habitus  ähnlich,  doch  nach  vorn  etwas  weniger  verjüngt, 
2V2  Zoll  lang  bei  i  Linie  Breite.  Augenpunkte  sehr  klein,  bilden  vorn  eine 
ziemlich  breite  dichte  Binde,  die  nach  hinten  schmaler  und  weniger  dicht 
wird  und  in  eine  einfache  Reihe  übergeht.  Farbe  gelb,  Bauch  blasser,  auf 
der  Mitte  des  Rückens  ein  breiterer  dunkelschwarzer  Längsstreif,  zwischen 
diesem  und  dem  Seitenrande  jederseits  ein  schmalerer  dunkelorangefarbener 
Längsstreif.     Nur  einmal  gefunden. 

4.  Geoplana  pallida,  von  ähnlicher  Gestalt  wie  die  vorige.  Farbe  gelblichweiss 
mit  einem  einzigen,  schmalen  schwärzlichen  Längsstreifen  auf  dem  Rücken. 
In  mehreren  Exemplaren  zwischen  Brettern. 

5.  Geoplana  atra,  dunkelschwarz,  unten  grau,  fast  cylindrisch,  vorn  und  hinten 
wenig  verschmälert.  Die  Augen  schwer  erkennbar,  doch  vorhanden.  Der 
Rüssel  mehr  cylindrisch  wie  bei  den  Süsswasserplanarien,  doch  immer  noch 
am  Mundende  viel  weiter  als  am  Schlundende.  Länge  9  Linien,  Breite 
V2  Linie.  Einmal  unter  der  Rinde  einer  morschen  Figueira  (Ficus  doliaria  ?) 
gefunden. 

6.  Geoplana  marginata,  Rücken  und  Bauch  dunkelschwarzbraun  glänzend, 
goldgelbe  schmale  Längsbinden  auf  der  Mitte  des  Rückens,  breitere  matter- 
gelbe Binden  längs  der  Seitenränder;  in  diesen  die  Augenpunkte  sehr 
deutlich  sichtbar,  vorn  dicht  gedrängt,  hinten  in  einfacher  loser  Reihe.  Das 
3 — 4  Zoll  lange,  einige  Linien  breite,  vorn  und  hinten  ziemlich  stark  ver- 
jüngte Thier  kroch  im  Hause. 

7.  Geoplana  rufiventris,  Rücken  dunkelbraun,  Bauch  ziegelroth;  vorn  und 
hinten  massig  verschmälert.   Die  Augen  in  mehreren  Reihen  dicht  gruppirt, 


^A  Landplanarien, 

an  den  Rändern  des  vorderen  Körpertheils  deutlich,  hinten  nicht  wahr- 
genommen. Das  einige  Linien  breite,  mehrere  Zoll  lange  Thier  an  Holz 
gefunden. 

8.  Geoplana  olivacea,  Bauch  gelblichgrau,  Rücken  grünlich  braun  mit  dunkel- 
brauner hell  eingefasster  Längsbinde,  nach  dem  Rande  zu  dunkler,  nach 
dem  Kopfende  heller.  Augen  längs  des  ganzen  Körperrandes,  vorne  dichter, 
hinten  sehr  einzeln.     Nicht  selten. 

9.  Geoplana  Nephelis,  ähnlich  in  Gestalt  der  vorigen,  doch  etwas  weniger 
langgestreckt,  erinnert  in  Gestalt  und  Farbe  an  eine  Nephelis.  Der  Rücken 
einfarbig  braun,  der  Bauch  heller.     Nicht  selten. 

10.  Geoplana  Maximiliani,  fast  wie  die  vorige,  der  Rücken  mit  einer  helleren 
gelblichen  Längsbinde.  Von  der  vorigen  ist  diese  Art  aber  noch  dadurch 
unterschieden,  dass  Mund  und  Geschlechtsöffnung  weit  mehr  nach  hinten 
liegen  und  der  Penis  fast  kuglig,  dagegen  bei  G.  Nephelis  lang  cylindrisch 
ist.  Auch  erschien  bei  letzterer  die  Rüsselöffnung  ganzrandig,  bei  G.  Maxi- 
miliani  dagegen    (in   einem  Weingeistexemplar   untersucht)   tief  fünflappig. 

1 1 .  Geoplana  marmorata,  Länge  4  Zoll,  Breite  4  Linien,  die  Augenpunkte  bieten 
nichts  Besonderes  dar.  Die  Rückenseite  ist  blass  röthlichgrau  mit  schwarzen 
Fleckchen,  die  in  unregelmässige,  vielfach  anastomosierende  Längsreihen 
geordnet  sind,  die  Bauchseite  ist  blassgrau.  Der  Rüssel  ist  in  einen  flachen 
Napf  mit  welligem  Rande  (an  einem  Weingeistexemplar)  ausbreitbar. 

12.  Geoplana  pulchella,  das  vordere  Drittheil  des  Körpers  oben  bräunlich  ziegel- 
roth  mit  ovalen  weisslichen  Flecken,  unten  grau  mit  weisslicher  Binde  in 
der  Mitte.  Augenpunkte  nahe  dem  Vorderrande  ziemlich  gedrängt,  die 
Reihe  derselben  am  Vorderrande  nicht  unterbrochen,  in  den  zwei  hinteren 
Dritteln  vermisst.  Etwa  zolllang  bei  reichlich  i  Linie  Breite,  nach  vorn 
nicht  sehr  stark  verschmälert.     Einmal  beobachtet. 

13.  Geoplana  subterranea,  bietet  schon  durch  Dir  Vorkommen  ein  besonderes 
Interesse,  indem  sie  den  Kreis  der  Lebensbedingungen,  unter  denen  dieser 
Thierform  zu  bestehen  gestattet  ist,  aufs  neue  erweitert  zeigt.  Nachdem 
man  Plattwürmer  in  dem  klaren  Quellwasser  der  Gebirge,  wie  in  den  Seen 
und  Mooren  des  Flachlandes,  unter  den  Steinen  der  Seeküste  wie  an  den 
fluthenden  Tangen  mitten  im  Weltmeere  gefunden,  nachdem  sich  die  Aus- 
sicht auf  eine  reiche  Landplanarienfauna  eröffnet  hat,  die  im  feuchten  Moose, 
unter  Steinen  und  Rinden  sich  birgt  und  bis  in  die  Wipfel  des  Urwaldes 
aufsteigt,  wo  sie  zwischen  den  stachligen  Blättern  der  Bromelien,  ein  stets 
feuchtes  Asyl  findet  —  so  kommen  nun  auch  Erdplanarien  zum  Vor- 
schein, Genossen  der  Regenwürmer  und  Engerlinge.  In  bezeichnendem 
Gegensatze  zu  ihren  über  der  Erde  lebenden  farbigen,  augenreichen  Gattungs- 
genossen ist  diese  im  Dunkeln  hausende  Geoplana  ohne  Farbenschmuck  und 
Farbensinn,  milchweiss  und  augenlos.  Im  Habitus  entfernt  sich  diese  Art 
mehr  als  irgend  eine  von  der  typischen  Planarienform.  Ihr  gleichmässig 
schmaler,  sehr  langer,  an  den  Enden  abgerundeter  Körper,  der  bei  einer 
Länge  von  2 — 3,  selbst  über  4  Zoll,  kaum  die  Breite  von  ^4  Linie  erreicht, 
giebt  ihr  vollständig  das  Ansehen  einer  Nemertine.  Die  milchweisse  Farbe 
erhält,   wenn  der  Darm  gefüllt  ist,    durch  den  durchschimmmerndcn  Inhalt 


Landplanarien.  65 

desselben  einen  mehr  weniger  lebhaften  Anflug  von  Fleischfarbe  oder  Rosen- 
roth. Die  Mundöffnung  ist  ungewöhnlich  weit  nach  hinten  gerückt,  die 
Genitalöffnung  liegt  ganz  in  der  Nähe  des  Hinterendes.  Der  Rüssel  ist 
glockenförmig,  der  Darm  von  gewöhnlicher  Form,  seine  Seitenzweige  ein- 
fach oder  gabiig,  dichtstehend. 

Das  Thier  lebt  besonders  in  lockerem,   sandigem,  aber  auch  schwerem, 
zähem  Lehmboden   in    Gesellschaft   des  Lumbricus  corethrurus  ^).     Es  mag 


i)  Die  von  F.  Müller  entworfene  Beschreibung  dieses  interessanten  neuen  Regenwurms,  welche  auch 
in  Wiegmanns  Archiv  für  Zoologie  demnächst  abgedruckt  wird,  lautet: 

Lumbricus  corethrums,  Bürstenschwanz,  der  gemeinste  der  hiesigen  Regenwürmer  und  fast  in  jeder 
Scholle  urbaren  Landes  zu  finden;  ziemlich  schlank,  weich,  leicht  zerreissend;  die  Haut  fast  farblos,  durch- 
scheinend, so  dass  die  Körperfarbe  hauptsächlich  durch  Darm  nnd  Blutgefässe  bedingt  ist,  daher  meist  am 
Vorderende  mehr  röthlich,  in  der  Mitte  mehr  grau,  hinten  blass  röthlichweiss  erscheint.  Der  Gürtel  ist 
oben  bräunlich  gelb.  Die  Messung  von  9  gürteltragenden  Thieren,  —  in  "Weingeist  getödtet,  weil  im 
Leben  die  Länge  stets  wechselt,  —  ergab  im  Mittel  28'"  Länge,  wovon  3'"  auf  den  Gürtel,  4'"  auf  die  davor- 
liegenden  Ringe  kommen.  Der  Körper  ist  cylindrisch,  vom  Gürtel  nach  vorn  verjüngt,  hinterwärts  ziemlich 
gleichmässig  dick.  Die  Zahl  der  Ringe  ist  etwa  200 — 250;  vor  dem  Gürtel  liegen  13;  der  Gürtel,  den  man  oft 
vermisst,  umfasst  deren  8.  Der  vorderste  Ring  ist  längsgerieft,  wie  die  drei  vordem  bei  Geoscolex  maximus 
Leuck.  Wenn  das  Thier  tastend  das  Kopfende  vorstreckt,  scheinen  aus  dem  ersten  Ringe  noch  ein  oder 
zwei  ähnliche  vorzutreten  nebst  einem  langgestielten,  keulenförmigen  Kopflappen.  —  Die  Borsten  zeigen 
an  den  allervordersten  Ringen  die  gewöhnliche  Stellung,  dass  die  4  Borsten  jeder  Seite  paarweise  genähert 
sind;  so  bleibt  das  obere  Paar  bis  zum  Gürtel,  während  die  beiden  Borsten  des  unteren  Paares  immer 
weiter  auseinander  rücken  ;  vom  Gürtel  hinterwärts  sieht  man  jederseits  nur  noch  2  Reihen  einzelner  Borsten; 
es  sind  das,  von  unten  nach  oben  gezählt,  die  erste  und  dritte  Reihe;  letztere  verläuft  ziemlich  in  der 
Mitte  zwischen  Bauch  und  Rücken;  die  2te  und  4te  Borste  haben  eine  mit  jedem  Ringe  wechselnde  Höhe 
der  Insertion,  ohne  dass  dabei  eine  bestimmte  Norm  in  die  Augen  fiele;  bald  z.  B.  sieht  man  sie  ab- 
wechselnd höher  und  tiefer  gestellt,  so  dass  also  die  des  iten,  3ten,  5ten  . . .  imd  wieder  die  des  2ten,  4ten, 
6ten  . . .  Ringes  in  derselben  Längslinie  liegen ;  bald  steigen  3  auf  und  2  wieder  nieder,  so  dass  die  am 
Iten  und  5ten  Ringe  gleich  hoch  stehen,  die  am  2ten  und  4ten  höher  und  noch  höher  die  am  dritten; 
bald  auch  behaupten  sie  an  mehreren  Ringen  hintereinander  dieselbe  Höhe,  u.  s.  w.  Nach  einer  grössern 
oder  geringern  Zahl  z.  B.  20  oder  30  Ringen  hören  auch  die  beiden  noch  bestehenden  Borstenreihen  auf 
regelmässig  fortzugehen,  erst  die  untere,  dann  die  obere  in  der  Mitte  der  Seiten  verlaufende;  auch  diese 
Borsten  schwanken  nun  von  Ring  zu  Ring  in  der  Höhe  der  Insertion.  Diese  anscheinend  vollkommen 
chaotische  Borstenstellung  regelt  sich  nun  in  der  Nähe  des  Hinterrandes  wieder  in  der  Weise,  dass  jeder 
Ring  8  in  nahezu  gleicher  Entfernung  von  einander  stehende  Borsten  trägt,  die  mit  denen  der  nächst- 
anliegenden Ringe  alterniren,  wodurch  denn  16  Längsreihen  (oder  auch  3  Schraubenlinien)  von  Borsten 
entstehen.  Merkwürdig  ist,  dass  diese  sonderbare  Borstenstellung  bei  jüngeren  Thieren  sich  noch  nicht 
findet;  diese  haben  am  Vorderende  jederseits  zwei  Reihen  gepaarter  Borsten,  die  sich  weiter  hinten  in 
4  Reihen  einzeln  stehender  Borsten  auflösen. 

Die  Borsten  am  vordem  Theile  des  Körpers  sind  zarter  und  scheinen  schwach  hakenförmig  ge- 
krümmt ;  die  am  hintersten  Theile  sind  sehr  stark,  gerade,  bernsteinfarbig,  stehen  auf  deutlichen  Höcker- 
chen und  scheinen  nicht  vollständig  zurückgezogen  werden  zu  können.  Der  ganze  Schwanz  erhält  durch 
diese  löreihigen  starken  Borsten  ein  bürstenartiges  Ansehen.  —  Der  Magen  ist  stark  musculös.  Die  Eier- 
hüllen sind  fast  kugelmnd,  farblos,  opalisirend;  ich  fand  darin  nie  mehr,  als  ein  Junges.  — 

Diese  kurze  Beschreibung  wird  genügen,  eine  ungefähre  Vorstellung  von  unserem  Regenwurme  zu 
geben  und  ihn  wenigstens  von  den  bisher  beschriebenen  Arten  leicht  unterscheiden  lassen.  Obwohl  man 
die  Anordnung  und  Gestalt  der  Borsten  als  wesentliche  Gattungsmerkmale  der  Regenwürmer  anzusehen 
pflegt  und  demnach  unser  hierin  so  eigenthümlicher  Wurm  die  Aufstellung  eines  neuen  Genus  gebieterisch 
zu  fordern  scheint,  so  habe  ich  mich  doch,  namentlich  der  regelmässig  bcborsteten  Jungen  wegen,  nicht 
dazu  entschliessen  mögen,  ehe  nicht  irgend  ein  erhebliches  anatomisches  oder  physiologisches  Moment 
diese  Trennung  rechtfertigt,  wie  es  z.  B.  bei  Euaxes  und  dem  einer  näheren  Untersuchung  so  werthen 
Criodrilus  der  Fall  ist.  Vielleicht  dürfte  sich  ein  solches  Moment  herausstellen  bei  weiterer  Verfolgung  einer 
Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  5 


56  Landplanarien. 

befremden,  dass  ein  so  weiches  Thierchen,  das  kaum  leise  Berührung  ver- 
trägt, in  diesem  Medium  existiren  und  sich  Wege  bahnen  könne.  Diese 
Schwierigkeit  lösen  die  Regenwürmer,  die  den  Boden  so  durchwühlen, 
dass  er  wie  ein  Schwamm  von  glatten  Gängen  verschiedener  Weite  in  allen 
Richtungen  durchsetzt  ist.  Zum  Dank  dafür  werden  die  Regenwürmer  von 
dem  Plattwurm  aufgefressen  oder  vielmehr  ausgesogen.  Diese  Art  der 
Nahrung  war  aus  der  Farbe  des  Darminhaltes  unschwer  zu  erschliessen. 
Ich  habe  aber  auch  Geoplanen  getroffen,  die  eben  einen  jungen  Lumbricus 
mit  dem  vorgestülpten  Rüssel  gepackt  hielten  und  deren  Darm  sich  mit 
frischem  Blute  zu  füllen  begann. 

Zur  mikroskopischen  Untersuchung  des    inneren  Baues  wäre  diese  Art 
vor  allen  anderen  geeignet,  nicht  nur  ihrer  Durchsichtigkeit  wegen,  sondern 
auch  desshalb,  weil  man  sie  mit  einiger  Geduld  in  beliebiger  Menge  aus  der 
Erde  bröckeln  kann.   Alle  übrigen  Geoplanen  bekommt  man  nur  selten  zu 
Gesicht,  wie  das  ja  auch  mit  der  europäischen  Planaria  terrestris  von  O.  F. 
Müller  der  Fall  ist." 
So  weit  die  Mittheilungen  meines  Freundes  Fritz  Müller. 
Es   sei    mir   gestattet,    diesen  Artbeschreibungen    zunächst   die    von  anderer 
Seite   bekannt   gewordenen   hinzuzufügen,   die  sich   in  ausländischen  Zeitschriften 
zerstreut  finden  und  bisher  nirgends  zusammengestellt  wurden.   Was  den  Gattungs- 
namen Geoplana  betrifft,  so  scheint  derselbe  so  passend  gewählt,  dass  die  Zoo- 
logen demselben  ihre  Zustimmung  gewiss  nicht  versagen  werden.   Das  Bedürfniss, 
die  Landplanarien  von  den  übrigen  generisch  zu  trennen,  empfand  schon  Darwin, 
indem    er   sagt:    „Die   Landplanarien    gehören   zu    dem  Genus  Planaria  Duges 
Polycelis  Ehrbg.;   sie   können  aber  eine  besondere  Abtheilung  dieser  Gattung 
bilden,  characterisirt  durch  ihren  mehr  rundlichen  schmalen  Körper  und  die  meist 
vorhandenen  Längsstreifen  von  sehr  glänzenden  Farben."   Dessenungeachtet  stellte 
Darwin  keinen  neuen  Namen  für  dieselben  auf.   Ausser  dem  englischen  Reisenden 


Eigenthümlichkeit,  die  mich  veranlasst  hat,  dies  unscheinbare  Thierchen  dem  zoologischen  Publicum  vor- 
zuführen. Fast  bei  allen  grösseren  Exemplaren  fällt  sofort  etwa  zu  Ende  der  dritten  Viertels  der  Ktirper- 
länge  eine  kleine  Stelle  auf,  die  lebhafter  geröthet,  wie  entzündet  aussieht ;  oft  erscheint  hier  auf  der  Rück- 
seite die  zartere  Haut  aufgetrieben  und  gleichsam  einen  kleinen  Bruchsack  zu  bilden.  Bei  in  Spiritus  ge- 
töteten Exemplaren  nimmt  sich  diese  Stelle  aus  wie  ein  zweiter  nur  viel  kleinerer  Gürtel,  indem  sie  sich 
scharf  absetzt,  ein  wenig  über  die  davor-  und  dahinterliegenden  Ringe  erhebt,  wohl  weil  bei  der  Zusammen- 
ziehung des  Körpers  die  hier  schwächere  Haut  und  Muskelschicht  weniger  "Widerstand  leistet.  Betrachtet 
man  nun  diese  Stelle,  die  ich  an  keinem  der  sehr  zahlreichen  erwachsenen  Thiere,  die  ich  in  diesen  Tagen 
darauf  angesehen,  vermisst  habe,  mit  der  Lupe,  so  findet  man,  dass  sie  aus  5  bis  10  mehr  oder  weniger 
deutlich  geschiedenen,  schmalen  borstenlosen,  allem  Anscheine  nach  neugebildeten  Ringen  besteht. 

Eine  beginnende  Quertheilung  war  beim  Anblick  dieser  Neubildung  mein  erster  Gedanke;  allein 
dann  hätten  sich  doch  Exemplare  finden  sollen,  die  aus  solcher  Quertheilung  hervorgegangen  wären,  denen 
entweder  ein  gehöriges  Vorderende  oder  der  Bürstenschwanz  gefehlt  hätte;  solche  habe  ich  vergeblich  ge- 
sucht. Bei  einer,  an  9  Exemplaren  vorgenommenen  Zählung  der  Ringe  fanden  sich  zwischen  Gürtel  und 
dieser  Stelle  nahezu  gleichviel  Ringe,  etwa  iio;  die  unbedeutenden  Differenzen  können  aus  Verzählen  ent- 
standen sein ;  dagegen  schwankte  die  Zahl  der  dahinterliegenden  Ringe  von  60  bis  fast  zum  Doppelten. 
So  könnte  denn  vielleicht  diese  Stelle  eine  Bildungsstätte  neuer  Schwanzringe  sein. 

Eine,  durch  alle  Jahreszeiten  fortgesetzte  Beobachtung  mag  vielleicht  auch  ohne  Mikroskop  Gewiss- 
heit schenken. 

Itajahy,  Anfang  Juni    1856.  F.  Müller. 


Landplanarien.  5^ 

beschrieben  noch  Blanchard  und  Leidy  Landplanarien.  Ersterer^)  erhielt  zwei  in 
Spiritus  aufbewahrte  Exemplare  einer  von  Claude  Gay  in  Chile  beobachteten  Art, 
die  er  zu  anatomischen  Untersuchungen  benutzte,  über  welche  weiter  unten  be- 
richtet wird.  Blanchard  nannte  dieselbe  Polycladus  Gayi.  Der  Gattungsname 
kann  nicht  auf  sämtliche  Landplanarien  ausgedehnt  werden,  und  bleibt  vorläufig 
nur  dieser  Species.  Dasselbe  ist  der  Fall  mit  dem  von  Leidy  2),  einer  nordame- 
rikanischen Landplanarie  gegebenen  Namen  Rhynchodemus. 

Die  Darwin'schen  Landplanarien,  deren  Beschreibung  ich  aus  den  Annais 
and  Magazine  of  nat.  hist.  vollständig  übersetze,  die  ich  aber  mit  dem  neuen 
Gattungsnamen  Geoplana  einführe,  sind  folgende: 

14.  Geoplana  vaginuloides.  Die  Mündung  des  Nahrungscanais  liegt  um  zwei 
Drittheile  der  ganzen  Körperlänge  vom  vorderen  Ende  entfernt.  Die  Breite 
des  Mundes  Veo  Zoll;  V^o  Zoll  weiter  nach  hinten  ist  die  sehr  deutlich  mar- 
kirte  Geschlechtsöffnung  gelegen.  Zahlreiche  Augen  in  regelmässigen  Ab- 
ständen an  dem  vorderen  Ende  des  Thieres,  unregelmässig  rings  um  den 
Rand  der  Bauchseite.  Der  vordere  Theil  des  Körpers  verschmälert,  mit 
fast  zugespitztem  Ende  und  einer  Grube  an  der  unteren  Seite,  das  hintere 
Ende  mit  abgerundeter  Spitze.  Der  Körper  convex,  auf  dem  Scheitel  ab- 
geflacht. Die  Seiten  und  der  Fuss  schmutzigorange,  weiter  nach  oben  auf 
jeder  Seite  zwei  Streifen  eines  blassen  Primel-gelb,  äusserlich  mit  Schwarz 
eingefasst,  in  der  Mitte  des  Rückens  ein  glänzend  schwarzer  Streifen ;  diese 
Streifen  werden  schmaler  nach  beiden  Enden  zu.  Länge  des  völlig  aus- 
gedehnten Thieres  2  7io  Zoll,  grösste  Breite  ^Vioo  Zoll. 

Gefunden   unter   der  Rinde   eines   abgehauenen  Baumes   im  Walde  bei 
Rio  Janeiro. 

15.  Geoplana  elegans.  Die  Lage  der  Oeffnungen  wie  in  Geoplana  vaginuloides. 
Der  vordere  Theil  des  Körpers  ein  wenig  verschmälert.  Die  Augen  fehlen 
am  vorderen  Ende  und  nur  wenige  sind  rund  um  den  Rand  des  Fusses. 
Die  Farben  sind  schön,  der  Rücken  schneeweiss,  mit  zwei  nahe  an  einander 
liegenden  röthlich  braunen  Streifen ;  gegen  die  Seiten  mit  einigen  sehr  feinen 
parallelen  Streifen  derselben  Farbe;  der  Fuss  weiss,  nach  aussen  und  am 
Rande  des  Körpers  getrübt  durch  ein  hellschwärzliches  Purpur.  Der  Körper 
umkreist  von  drei  farblosen  Ringen,  in  deren  zwei  hinteren  die  Oeffnungen 
gelegen  sind.  Länge  ein  Zoll,  Breite  gleichförmiger  und  grösser  im  Ver- 
hältniss  zur  Länge  als  bei  der  vorigen  Art. 

Aufenthalt  wie  bei  der  vorigen. 

16.  Geoplana  pulla.  Der  Saugmund  kuglig,  wenn  er  in  Spiritus  hervorgestreckt 
und  zusammengezogen  ist.  Die  Augen  sind  zahlreich  und  liegen  in  regel- 
mässigen Zwischenräumen  am  vorderen  Theile  des  Körpers.  Der  Körper 
ist  leicht  plattgedrückt,  allmählig  verdickt  nach  dem  vorderen  verschmälerten 
und  unten  ausgehöhlten  Ende,  Der  Rücken  tief  umbrabraun,  mit  einem 
mittleren   schmalen  Streifen    von   spargelkohlbrauner  Farbe,    welcher   über 

1)  Historia  de  Chile  p.  Claude  Gay.  Vers  pl.  I,  Fig.  2  (konnte  ich  nicht  vergleichen).  Annales  d. 
sc.  nat.  3  ser.  T.  VIII,  p.   140. 

2)  Proceedings  of  the  Academy  of  natural  sciences  of  Philadelphia.  Vol.  V,  1850 — 1851,  p.  241 
u.   289. 

5* 


go  Landplanarien. 

die  ganze  Länge  reicht;  der  Fuss  wieder  spargelbraun  mit  zwei  hellen 
Flecken  für  die  Oeffnungen.  Länge  im  vollkommen  ausgedehnten  Zustande 
iVio  Zoll,  Breite  Vio  Zoll. 

Sehr  häufig   unter  Steinen,   Montevideo  und  Maldon ado  (Juni,  August), 

17.  Geoplana  bilinearis.  Die  Augen  zahlreich  in  regelmässigen  Abständen  ge- 
lagert. Der  Körper  ist  fast  cylindrisch,  schmal,  von  fast  gleichmässiger 
Breite.  Die  Farbe  oben  blassschmutziggelb,  mit  zwei  Streifen  von  dunkel- 
braun, welche  sich  nach  den  Enden  des  Körpers  näher  rücken  und  schliess- 
lich vereinigen.   Länge  im  ausgedehnten  Zustande  i^io  Zoll,  Breite  Vioo  Zoll. 

Aufenthalt  wie  bei  G.  pulla. 

18.  Geoplana  nigrofusca.  Die  Nahrungsöffnung  ist  um  etwas  weniger  als  zwei 
Drittel  der  ganzen  Länge  von  dem  vordersten  Ende  entfernt;  die  Ge- 
schlechtsöffnung bei  zusammengezogenem  Körper  um  ^'-"lniQ  Zoll  mehr  nach 
hinten  gelegen.  Die  Augen  sind  sehr  zahlreich,  die  an  der  äussersten  Spitze 
sehr  klein  und  in  regelmässigen  Entfernungen  von  einander,  die  am  Rande 
des  Körpers  gelegenen  in  Gruppen  zu  zweien  oder  dreien  angeordnet.  Der 
Körper  sehr  abgeplattet,  gegen  das  vordere  Ende  bedeutend  verschmälert, 
das  hintere  Ende  schnell  zugespitzt.  Die  Farbe  ist  auf  dem  Rücken  gleich- 
massig  schwarzbraun,  an  der  Bauchseite  blasser.  Die  Länge  des  Körpers 
im  ausgedehnten  Zustande  2  Zoll,  die  Breite  ^j^q  Zoll. 

Aufenthalt  unter  faulem  Holze:  Maldonado  (Mai). 

19.  Geoplana  pallida.  Die  Mundöffnung  und  die  Geschlechtsöffnung  sind  bei 
etwas  zusammengezogenem  Körper  ^^'^o  Zoll  von  einander  entfernt.  Die 
Schlundröhre  misst  ^Vioo  Zoll  in  der  Länge;  ihr  Rand  ist  sehr  ausgebuchtet. 
Die  Augen  sind  zahlreich,  11  stehen  dicht  aneinander  an  dem  vorderen 
Körperende,  die  anderen  am  Rande  in  Gruppen  zu  zweien  oder  dreien 
auch  fast  ausschliesslich  an  der  vorderen  Körperhälfte.  Der  Körper  ist 
sehr  flach,  beide  Enden  sind  zugespitzt.  Die  Farbe  ist  oben  und  unten 
weiss,  der  Darm  schimmert  röthlich  durch.  Beim  Kriechen  beträgt  die 
Länge  3  Zoll,  die  Breite  7io  Zoll. 

Aufenthalt  unter  Steinen  auf  trocknen  Hügeln  bei  Valparaiso  (Juli). 

20.  Geoplana  elongata,  die  Mund-  und  die  Geschlechtsöffnung  sind  nicht  be- 
kannt. Augen  fehlen.  Das  hintere  Ende  des  Körpers  ist  stumpf  und  ab- 
gerundet. Die  Farbe  auf  dem  Rücken  sepiabraun  mit  einem  schmalen 
dunkelbraunen  Mittelstreifen,  die  Seite  des  Körpers  hellbraun  schmal  ein- 
gefasst,  unmittelbar  am  Rande  wieder  dunkelbraun;  die  Bauchseite  hell- 
braun. Die  Länge  des  Körpers  beträgt  beim  Kriechen  5  Zoll,  im  stark 
zusammengezogenen  Zustande  nur  i^io  Zoll,  die  Breite  beim  Kriechen 
^Vioo  Zoll,  zusammengezogen  ^^o  Zoll. 

Aufenthalt  in  faulem  Holze  in  waldigen  Bergen.   Cap  Tres  Montes,  westl. 
Amerika  (December). 

21.  Geoplana  semilineata,  der  Körper  rundlich,  oben  grünlich  schwarz  gefärbt 
mit  sehr  kleinen  weissen  Punkten,  über  die  vordere  Hälfte  des  Körpers 
erstrecken  sich  4  parallele  Streifen  von  helloran gegelber  Farbe,  von  welchen 
nur   die   beiden  mittleren,    einander  mehr  genäherten  in  die  hintere  Hälfte 


Landplanarien.  5g 

des  Körpers  reichen.   Die  Unterseite  ist  bleifarben,  mit  ungefärbten  Stellen 
für  die  Oeffnungen. 

Aufenthalt  unter  Steinen  auf  einer  der  Chonos-Inseln  im  Norden  von 
Cap  Tres  Montes  (December). 

22.  Geoplana  maculata,  die  Enden  des  Körpers  sehr  dünn,  die  Breite  fast  gleich- 
massig.  Die  Farbe  ist  auf  der  Rückseite  schwarz  mit  zahlreichen  länglichen, 
verschieden  grossen  gelben  Flecken ;  die  Unterseite  weiss  und  schwarz  ge- 
fleckt.    Die  Länge  beim  Kriechen   i  7io  Zoll,  die  Breite  7io  Zoll. 

Aufenthalt  in  einem  Walde  in  Valdivia  (Februar). 

23.  Geoplana  Tasmaniana,  die  Schlundröhre  ist  sehr  ausdehnbar,  die  Mundöffnung 
beinahe  in  der  Mitte  der  Unterseite,  die  Geschlechtsöffnung  Y^o  Zoll  weiter 
nach  hinten,  beim  Kriechen  Vio  Zoll.  Die  Augen  sind  am  ganzen  Rande 
der  Unterseite  des  Körpers  zerstreut,  doch  zahlreicher  am  vorderen  Ende, 
Beide  Enden  des  Körpers  sind  zugespitzt.  Die  Farbe  der  Rückseite  ist 
schmutzig  honiggelb,  ein  dunkelbrauner,  jederseits  hell  umbrabraun  einge- 
fasster  Längsstreifen  verläuft  über  ihre  Mitte.  Die  Bauchseite  ganz  weiss. 
Länge  beim  Kriechen   172  Zoll,  im  zusammengezogenen  Zustande  7io  Zoll. 

Unter  umgefallenen  Bäumen  in  den  Wäldern  von  Vandiemensland 
häufig  (Februar). 

Von  diesen  durch  Darwin  bekannt  gewordenen  Arten  stimmen  einige  höchst 
wahrscheinlich  mit  den  von  F.  Müller  beobachteten  überein.  So  dürfte  die  G.  ele- 
gans  des  Letzteren  in  der  G.  vaginuloides  (Darwin)  aufgehen,  die  G.  pulla  (Darwin) 
mit  G.  olivacea  oder  Maximiliani  (Müller)  identisch  sein.  Einen  endgültigen  Ent- 
scheid könnten  wohl  nur  Abbildungen  liefern,  welche  aber  weder  von  Darwin  ge- 
geben noch  von  Fr.  Müller  bisher  eingegangen  sind.  Sollte  eine  Verschiedenheit 
der  beiden  erstgenannten  sich  später  herausstellen,  so  müsste  die  G.  elegans  Müller's 
einen  anderen  Namen  erhalten,  da  dieser  bereits  von  Darwin  einer  anderen  Species, 
der  oben  unter  No.  15  aufgeführten,  beigelegt  worden.  In  jedem  Falle  muss  aber 
die  G.  pallida  Müller's  umgetauft  werden,  da  Darwin's  gleichnamige  das  Recht 
der  Priorität  in  Anspruch  nimmt.  Letztere  könnte  ihrer  reinweissen  Farbe  wegen, 
an  die  G.  subterranea  Müller's  erinnern,  wenn  nicht  die  bestimmt  betonte  Ab- 
wesenheit der  Augen  der  unterirdisch  lebenden  Art  ihre  Berechtigung  als  besondere 
Species  genügend  ausspräche. 

Die  zu  den  bisher  aufgeführten  23  Species  noch  hinzukommenden  beiden 
von  Blanchard  und  Leidy  beschriebenen,  oben  bereits  erwähnten  Arten  sind: 

24.  Geoplana  (Polycladus)  Gayi  (Blanchard),  auf  dem  Rücken  schwarzgrün  ge- 
färbt mit  weisser  Mittellinie,  der  Rand  mit  breiter  Orange-Einfassung, 
welche  von  zwei  schmalen  schwarzen  Linien  begränzt  wird;  die  Bauchseite 
orange. 

Länge  85 — go  Millimeter,  Breite  ungefähr  30  Millimeter. 
Aufenthalt  in  Chile  an  feuchten  Orten  auf  der  Erde. 

25.  Geoplana  (Rhynchodemus)  sylvatica  (Leidy),  Körper  länglich  spindelförmig, 
vorn  verschmälert,  hinten  zugespitzt,  die  Bauchseite  etwas  abgeplattet.  Farbe 
auf  dem  Rücken  grau  mit  zwei  braunen  Streifen  längs  der  Mittellinie  und 
einem  queren  gleichfalls  braunen  Fleck  in  oder  dicht  hinter  der  Mitte,  der 
Bauch    weisslich.     Das    Kopfende   braun,    aufwärts    gebogen,    zeigt   zwei 


70 


Landplanarien. 


schwarze,  seitlichgelegene  Augen.     Länge  2—5  Linien,  Breite  im  vorderen 

Viertel  Ys  Linie,  im  hintern  Vi  Linie. 

Aufenthalt   zwischen   Steinen ,    Blumentöpfen   etc.    in    den    Gärten    von 

Philadelphia,   sowie  unter   Holz   und   Rindenstücken   in   den  Wäldern   der 

Umgegend, 
Als    2  6ste  Art   schliesst   sich   dieser  letztgenannten  endlich  an  die  Geoplana 
(Planaria)  terrestris  O.  F.  Müller's,  die  einzige,  bisher  in  Europa  beobachtete  Species. 
Wir  gedachten  derselben  bereits  oben. 

Was  uns  Darwin  und  Leidy  über  die  Anatomie  der  Landplanarien  mit- 
theilen, bezieht  sich  nur  auf  die  mit  blossem  Auge  oder  geringen  Vergrösserungen 
wahrnehmbaren  Theile,  den  Verdauungsapparat,  die  ausführenden  Theile  des  Ge- 
schlechtsapparates und  die  Augen,  und  findet  seine  volle  Bestätigung  in  den  oben 
mitgetheilten  Angaben  von  F.  Müller.  Die  Form  des  verzweigten  Darmes  ist  bei 
allen  dieselbe  wie  bei  unseren  bekannten  Süsswasserarten,  ebenso  die  Lage  der 
Mundöffnung.  Nur  die  Gestalt  der  Schlundröhre  weicht,  wie  F.  Müller  besonders 
hervorhebt,  bei  mehreren  Arten  wesentlich  ab,  indem  die  Cylinderform  mehr  zur 
Trompetenform  mit  vielfach  gefaltetem  Rande  der  äusseren  Mündung  geworden. 
Die  Geschlechtsöffnung  liegt  durchweg  hinter  dem  Munde  und  ist  stets  einfach, 
wodurch  sich  die  Landplanarien  von  den  grösseren  meerischen  Formen,  die  wir 
namentlich  durch  Quatrefages  ^)  kennen  gelernt  haben,  und  deren  ich  selbst  einige 
untersuchen  konnte  ^),  entfernen.  Penis  und  Samenleiter  sind  bei  mehreren  Arten 
erkannt  worden.  Wo  Augen  vorhanden  sind,  finden  sich  entweder  zwei,  bei 
G.  terrestris  und  G.  sylvatica,  oder  viele  und  diese  sind  dann  stets  am  Rande 
des  Thieres  in  ziemlich  gleichmässigen  Abständen  gruppenweise  oder  mehr  einzeln 
vertheilt.  Dass  dieselben  einen  lichtbrechenden  Körper  enthalten,  führen  Darwin 
und  Leidy  an. 

Mit  obigen  Angaben  über  die  Lage  der  Mund-  und  Geschlechtsöffnung 
stimmt,  was  Blanchard  von  seiner  Gattung  Polycladus  meldet,  nicht  überein.  Hier 
soll  die  Mundöffnung  statt  im  hinteren  im  vorderen  Drittheil  des  Körpers  und 
die  Geschlechtsöffnung  noch  weiter  nach  vorn  liegen.  Aus  der  weiteren  Be- 
schreibung des  Thieres  geht  jedoch  deutlich  hervor,  dass  diesen  Angaben  nur 
eine  Verwechselung  von  hinten  und  vorn  zu  Grunde  liegt,  welche  verzeihlich  sein 
mag,  da  Blanchard  das  Thier  nicht  lebend  sah^).  Bei  solcher  Auffassung  ver- 
lieren aber  natürlich  die  Angaben  von  Blanchard  über  das  Centralnervensystem 
von  Polycladus  Gayi  auch  allen  Werth.  Dasselbe  soll  aus  zwei  über  der  Samen- 
blase befindlichen  Gehirnganglien  und  zwei  nach  hinten  (vorn)  laufenden  Strängen 
bestehen,  welche  wieder  durch  mehrere  (bis  14)  kleine  Ganglien  unterbrochen  sind. 
Welches  Organ  hier  mit  dem  Nervensystem  verwechselt  worden,  lässt  sich  schwer 


i)  Annales  des  sciences  natur.  3  ser.  Tom.  IV,  p.   129. 

2)  Verhandlungen  der  physikal.  medicinischen  Gesellschaft  in  Würzburg  Bd.  IV,   1854,  p.  222. 

3)  Uebrigens  ist  dies,  wie  ich  beiläufig  anführe,  nicht  der  erste  Irrthum  der  Art,  in  welchen  dieser 
Forscher  hier  verfallen.  Bei  dem,  in  dem  Darm  von  Cyprinus  Brama  sehr  gemeinen  Caryophyllaeus  ist 
ihm  derselbe  Irrthum  unterlaufen.  (Annales  des  sciences  natur.  3  ser.  Tom.  X,  p.  324,  Tab.  12,  Fig.  1,  2. 
Auch  hier  wird  das  mit  den  Generationsorganen  versehene  Ende  zum  vorderen  gestempelt,  während  es  in 
der  That,  wie  auch  alle  älteren  Beobachter  richtig  erkannten,  das  hintere  ist. 


Landplanarien.  >m  j 

sagen,  jedenfalls  können  über  der  Samenblase  keine  Gehirnganglien  liegen,  sondern 
diese  müssen  am  entgegengesetzten  Körperende  gesucht  werden. 

Bei  diesem  immerhin  dürftigen  Stande  unserer  Kenntniss  von  dem  Baue  der 
Landplanarien  kam  es  mir  sehr  erwünscht,  ein  Exemplar  eines  solchen  Thieres 
zur  Untersuchung  zu  erhalten.  Dasselbe  war  von  Herrn  Burmeister  bei  Rio 
Janeiro  gefunden  und  lebend  in  Spiritus  gesetzt,  in  welchem  es  sich  bis  auf  eine 
zufällige  Verletzung  in  der  Mitte  des  Körpers  recht  gut  erhalten  hatte.  Zur 
mikroskopischen  Untersuchung  waren  die  Gewebe  freiHch  nur  zum  Theil  noch 
gut  brauchbar.  Doch  gelang  es,  mit  Hülfe  des.  Glycerins,  das  zur  Aufhellung 
von  Spiritusprcäparaten  für  das  Mikroskop  oft  vortreffliche  Dienste  leistet,  eine 
Einsicht  in  den  feineren  Bau  mehrerer  Organsysteme  zu  erhalten.  Leider  stand 
die  Entwickelung  der  Generationsorgane  bei  dem  Thiere  so  zurück,  dass  über 
die  Geschlechtsdrüsen  gar  Nichts  ermittelt  werden  konnte. 

Unser  Exemplar  gehört  keiner  der  oben  characterisirten  26  Arten  an  und 
führe  ich  dasselbe  unter  dem  Namen  von  Geoplana  Burmeisteri  in  das  System  ein. 
Die  Länge  beträgt  2V2  Zoll,  die  grösste  Breite  hinter  der  Mitte  des  Körpers  fast 
Y2  Zoll,  die  Dicke  i  Linie.  Der  Körper  ist  nach  vorn  und  hinten  zugespitzt,  nach 
hinten  schneller,  nach  vorn  sehr  allmählig  verjüngt  und  in  eine  lange  Spitze  aus- 
gezogen. Die  Farbe  ist  auf  dem  Rücken  sepiabraun,  am  Vorderende  schwarz- 
braun, ein  hellbrauner  Streifen  von  \  Linie  Breite  läuft  in  die  Mitte  des  Rückens 
vom  vordersten  bis  zum  hintersten  Ende,  sehr  deutlich  und  scharf  von  fast 
schwarzen  Rändern  begränzt  im  vorderen  Viertel  des  Thieres,  dann  verwaschen 
und  erst  in  der  Nähe  des  hinteren  Endes  wieder  deutlicher.  Auf  dem  Rücken 
finden  sich  ferner  eine  Menge  kleiner  kreissrunder  weisslicher  Pünktchen  zerstreut, 
welche  eben  noch  mit  blossem  Auge  erkannt  werden  können,  in  der  vorderen 
Hälfte  kleiner  sind  und  dichter  stehen  als  in  der  hinteren,  und  nach  dem  Kopfende 
zu  endlich  ganz  verschwinden.  Die  Unterseite  ist  gleichmässig  graugelb,  zeigt 
dicht  hinter  der  Mitte  die  Mundöffnung,  aus  welcher  in  unserem  Exemplar  das 
vielfach  gefaltete,  trichterförmig  erweiterte  Mundende  des  Schlundrohres  hervor- 
ragt und  5  Linien  weiter  nach  hinten  die  sehr  kleine  Geschlechtsöffnung,  Augen 
wurden  bei  mikroskopischer  Untersuchung  des  Randes  der  vorderen  Körperhälfte 
aufgefunden  und  stellen  in  einfacher  Reihe  ziemlich  dicht  hintereinander  liegende, 
meist  halbmondförmig  gestaltete  schwarzbraune  Pigmentflecke  dar,  in  deren  nach 
aussen  gerichteter  Concavität  ein  runder,  durchsichtiger  Körper  liegt,  welcher  das 
Licht  nicht  auffallend  stark  bricht  und  in  dieser  Beziehung  ganz  dem  gleich- 
gelagerten, als  Linse  zu  deutenden  Körper  des  Auges  unserer  Süsswasserplanarien 
gleicht. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der  Haut  bestätigte  zunächst  die  von 
F,  Müller  ausgesprochene,  übrigens  nach  seiner  oben  mitgetheilten  Beobachtung 
des  Beweises  durch  das  Mikroskop  kaum  mehr  bedürfende  Vermuthung,  dass  ein 
Wimperepithelium  hier  so  gut  wie  bei  den  übrigen  Turbellarien  vorhanden  sei. 
Wenn  auch  im  Allgemeinen  durch  die  Aufbewahrung  in  Spiritus  der  Wimper- 
überzug sehr  gelitten  hatte,  so  konnten  an  einzelnen  Stellen  doch  die  Epithelial- 
zellen  mit  ihrer  Wimperkrone  unzweifelhaft  erkannt  werden.  Ob  freilich  dieser 
Wimperüberzug  ein  ganz  allgemeiner  sei  oder,  wie  bei  vielen  Schnecken,  nur  an 
einzelnen  Körperstellen  vorhanden,  Hess  sich  nicht  entscheiden.   Doch  dürfte  nach 


-^  ■)  Landplanarien. 

Analogie  der  übrigen  Turbellarien  kaum  ein  Zweifel  an  der  gleichmässigen  Ver- 
breitung jenes  Ueberzuges  gerechtfertigt  sein.  Die  Wimperzellen  sind  farblos  und 
meist  von  Keilgestalt.  Unverkennbar  war  an  mehreren  derselben  die  Verdickung 
der  vorderen,  Wimpern  tragenden  Zellmembran,  welche  diesen  Epithelialgebilden 
eben  so  allgemein  zuzukommen  scheint,  wie  den  Cylinderzellen  des  Darmes  nach 
den  Beobachtungen  von  Funke  und  Kölliker.  Unter  ihnen  befindet  sich  eine 
Lage  unregelmässig  sechseckiger  Pigmentzellen,  welche  der  Sitz  der  eigentlichen 
Hauptfärbung  sind.  Gänzlich  vermisst  wurden  in  der  Haut  unserer  Geoplana 
stäbchenförmige  Körper,  welche  bekanntlich  den  Süss-  und  Seewasser- 
Planarien  so  allgemein  zukommen.  Dieselben  lassen  sich,  wie  ich  mehrfach  be- 
merkt habe,  in  Spiritus  sehr  gut  conserviren,  und  konnte  ihr  Mangel  demnach 
schwerlich  in  der  Aufbewahrungsmethode  begründet  sein. 

Unter  den  Zellen  der  Haut  folgt  wie  bei  den  übrigen  Turbellarien  ein  Haut- 
muskelnetz und  zwar  zunächst  eine  einfache  Lage  dicht  aneinander  gefügter 
Längsfasern.  Darunter  befindet  sich  eine  dichtere  Schicht  quergelagerter 
Muskelelemente.  Erstere  lösen  sich  im  Zusammenhange  mit  den  Zellen  der  Ober- 
haut leicht  als  dünnes  Häutchen  von  den  KLreismuskeln  ab,  die  ihrerseits  eine 
innige  Verbindung  mit  den  Eingeweiden,  namentlich  den  feineren  Endzweigen 
des  Darmrohres  eingehen,  so  dass  sie  nicht  ohne  anhängende  Theile  der  letzteren 
abgehoben  werden  konnten.  Der  Zustand  der  Maceration,  in  welchem  sich  durch 
die  mehrjährige  Aufbewahrung  unsere  Geoplana  befand,  erleichterte  die  Trennung 
der  genannten  Schichten,  welche  im  frischen  Zustande  schwerlich  ausführbar  ge- 
wesen wäre. 

Die  Elemente  dieser  Muskelschichten  sind  lange  Fasern  von  0,0006—0,002 
Linien  Breite,  durchaus  homogen,  ohne  Unterschied  von  Hülle  und  Inhalt,  ohne 
Spuren  von  Querstreifen,  ganz  denen  gleichend,  welche  ich  bei  den  Rhabdocoelen 
unter  den  Turbellarien  beschrieben  und  abgebildet  habe  (Beiträge  zur  Natur- 
geschichte der  Turbellarien,  1850),  und  wie  sie  sich  bei  den  grösseren  Dendro- 
coelen  des  Wassers  finden.  Schmale  und  breite  sind  untermischt,  die  schmaleren 
an  Zahl  bei  weitem  überwiegend,  die  breiteren  theilen  sich  öfter,  in  einzelnen 
Fällen  sieht  man  pinselförmige  Ausstrahlungen  an  denselben. 

Den  von  den  Ringmuskeln  umgebenen  Raum  fand  ich  fast  ganz  ausgefüllt 
vom  Darmcanale,  indem,  wie  schon  angeführt  wurde,  von  dem  secernirenden 
Theile  der  Geschlechtsorgane,  welcher  sich  bei  geschlechtsreifen  Thieren  in 
grösserer  oder  geringerer  Ausdehnung  sicher  zwischen  die  Verzweigungen  des 
Darmes  einschieben  wird,  in  unserem  Exemplare  Nichts  wahrgenommen  werden 
konnte.  Nur  in  der  unmittelbaren  Nähe  der  Geschlechtsöffnung  nahm  das  kug- 
lige  Begattungsglied  einen  verhältnissmässig  bedeutenden  Raum  ein.  Den  An- 
fang des  Darmrohres  bezeichnete  die  äusserlich  vorragende,  gefaltete  Mundöffnung 
des  Schlundrohres,  von  weisser  Farbe,  aus  sehr  dicht  verfilzten  schmalen  Muskel- 
fasern gebildet.  Das  Schlundrohr  setzt  sich  unter  der  Haut  verborgen  und  ziem- 
lich die  ganze  Dicke  des  Thieres  einnehmend  als  ein  etwa  i  Linie  starker  und 
4  Linien  langer  Cylinder  nach  vorn  fort.  Von  ihm  entspringen  an  dem  der  Mund- 
öffnung 9ntgegengcsetzten  Ende  3  Zweige  des  Darmes,  einer  nach  vorn  in  der 
Richtung  des  Schlundrohres  verlaufend  und  unter  Abgabe  zahlreicher  rechtwinklig 
abstehender  Aeste   allmählig  verschmälert   bis   in   die  Nähe   des  vorderen  Endes 


Landplanarien.  «7  -i 

reichend,  und  zwei  nach  hinten  gehende  Aestc,  welche  nach  rückwärts  umgebogen 
längs  des  Schlundrohrcs  und  über  dasselbe  hinaus  bis  an  das  hintere  Ende  reichen, 
und  nach  aussen  zahlreiche  Zweige  abgeben.  Diese  Haupt-  und  die  grösseren 
Nebenzweige  des  Verdauungsrohres  besitzen  stark  muskulöse  Wandungen  und 
einen  inneren  kleinzelligen  Epithelialbelag.  Mit  der  immer  mehr  ins  Feine  gehenden 
Theilung  der  Seitenäste  des  Nahrungscanales  verdünnt  sich  die  Muskelschicht 
immer  mehr,  während  die  Epithelialzellen  grösser  und  dunkler  granulirt  werden, 
bis  letztere  die  an  die  Ringmuskeln  der  Haut  innen  angehefteten  traubigen  Enden 
der  Darmverzweigungen  ausschliesslich  darstellen,  nur  von  zarter  structurloser 
Hülle  umgeben.  Diese  grosszelligen  letzten  Enden  des  verzweigten  Verdauungs- 
rohres dürften  in  ihrer  Function  einer  Leber  verglichen  werden. 

Die  Muskelfasern  des  Nahrungscanales  gleichen  zum  grossen  Theile  den 
oben  geschilderten  der  Haut.  Ausser  diesen  finden  sich  aber  noch  andere  mus- 
kulöse Elemente  in  der  ganzen  Ausdehnung  dieses  Canals)^stems,  welche  den 
organischen  Muskelfaserzellen  höherer  Thiere  in  der  Form  nicht  unähnlich  sind. 
Es  sind  dies  meist  spindelförmige,  abgeplattete  Körper  mit  abgerundeten  oder 
unregelmässig  gerissenen  Enden  von  ähnlicher  Grösse  und  Gestalt,  wie  die  breiten 
kurzen  Muskelfaserzellen  aus  Arterienhäuten,  die  ich  in  meiner  Inauguraldissertation: 
De  arteriarum  notione,  structura  etc.,  1849,  tab.  III,  Fig.  2  u.  4  abgebildet  habe. 
Dieselben  sind  durchsichtig,  blass,  farblos,  nicht  körnig,  dagegen  mit  einer  An- 
deutung von  Längsstrichelung  versehen  und  entweder  homogen,  oder  zeigen  einen 
körnigen  centralen  Streifen,  welcher  entweder  durch  die  ganze  Länge  des  faser- 
zellenähnlichen  Gebildes  läuft,  oder  nur  im  Centrum  auf  eine  kürzere  Strecke 
wahrnehmbar  ist.  Dieser  Streifen  besitzt  in  der  Mitte  immer  eine  Anschwellung 
und  ist  nach  den  Enden  zugespitzt,  hat  aber  keine  Aehnlichkeit  mit  einem  scharf- 
umschriebenen Kerne,  sondern  erinnert  eher  an  die  körnigen  Axenstränge  der 
Muskelfäden,  welche  neuerdings  C.  Semper  von  den  Schnecken  beschrieben  hat 
(Zeitschr.  f.  wiss.  Zoologie,  Bd.  VIII,  p.  345,  Tab.  VII,  Fig.  10).  Die  Gestalt  der 
beschriebenen  Körper  variirt  mannigfach.  Wenn  auch  die  Spindelform  die  ge- 
wöhnliche ist,  so  kommen  auch  einzelne  keulenförmige  vor,  welche  an  einem  Ende 
in  einen  längeren  Faden  ausgezogen  sind,  andere  gleichen  Bruchstücken  von 
Fasern,  und  noch  andere  stellen  wirklich  längere  Fasern  dar,  gleichen  dabei  in 
ihrem  Lichtbrechungsvermögen  und  der  Andeutung  einer  Längsstrichelung  den 
Spindelkörpern  vollkommen,  wenn  ihre  Breite  auch  eine  geringere  ist,  so  dass 
ein  Uebergang  der  einen  Form  zur  andern  nicht  verkannt  werden  kann.  Alle 
diese  Elemente  kommen  in  den  Wandungen  des  Verdauungsrohres  mit  schmäleren 
Muskelfasern,  wie  ich  sie  in  der  Haut  gelegen  beschrieb,  gemischt  vor,  und  zeigen 
wieder  deutliche  Uebergänge  zu  diesen,  so  dass  ich  namentlich  aus  diesem  Grunde 
den  Schluss  auf  die  muskulöse  Natur  auch  der  Spindelkörper  zu  ziehen  nicht  an- 
stehe. Es  scheint  demnach,  als  wenn  die  breitesten  unter  den  Muskclbändern  im 
Körper  unserer  Geoplana  aus  einzelnen,  den  Faserzellen  der  höheren  Thiere  ähn- 
lichen Elementen  zusammengesetzt  wären,  welche  sich  nach  der  Maceration  leicht 
isoliren  lassen,  oder,  wo  sie  fester  bereits  verbunden  waren,  leicht  abbrechen, 
während  die  schmäleren  lange  continuirliche  Fäden  bilden,  an  welchen  eine  Ver- 
schmelzung aus  mehreren  Zellen  nicht  mehr  wahrzunehmen  oder  überhaupt  niemals 
vorhanden  gewesen  ist. 


•JA  Landplanarien. 

In  dem  Schlundrohre  unseres  Thieres  fand  ich  einen  Bissen  eingeschlossen, 
welcher  aus  der  Reibeplatte  und  den  Kiefern  einer  vSchnecke  mit  anhängenden 
muskulösen  Theilen  bestand.  Es  spricht  diese  Beobachtung  wie  die  Angabe  von 
F.  Müller  über  den  Vernichtungskrieg,  welchen  die  Geoplana  subterranea  gegen 
die  Regenwürmer  führt,  gegen  die  Annahme  von  Darwin,  dass  die  Landplanarien 
sich  nur  von  vegetabilischer  Kost  nährten  und  zwar  von  zersetztem  Holze,  an 
welchem  man  sie  vornehmlich  findet.  Darwin  hielt  zwar  einige  Exemplare 
2 1  Tage  eingesperrt  ohne  ihnen  anderes  zur  Nahrung  zu  reichen  wie  faules  Holz, 
und  wuchsen  die  Thiere  in  dieser  Zeit  beträchtlich.  Doch  möchte  diese  Beobachtung 
immer  noch  nicht  entscheidend  sein,  da  der  Darm  auf  seinen  Inhalt  nicht  unter- 
sucht wurde.  Unser  Exemplar  enthielt  nicht  eine  einzige  Pflanzenzelle  in  demselben. 

Vom  Nervensysteme  konnte  durch  Präparation  Nichts  dargestellt  werden, 
und  von  den  Generationsorganen  habe  ich  nur  noch  den  an  der  Geschlechts- 
öffnung als  kugligen  Körper  von  ^/g  Linie  Durchmesser  leicht  isolirbaren  Penis 
und  die  Samenblase  zu  erwähnen.  Letztere  enthielt  keine  Spermatozoiden.  Die 
wahre  Gestalt  dieser  contractilen  und  ganz  aus  feinen  Muskelfasern  gebildeten 
Organe  wird  nur  die  Untersuchung  frischer  Exemplare  ermitteln  können.  Ein 
Gleiches  gilt  von  den  Geschlechtsdrüsen,  dem  Wassergefässsystem  u.  s.  w.  Immer 
aber  würde  eine  Aufbewahrung  dieser  so  äusserst  zarten  Thiere  behufs  späterer 
histologischer  Untersuchungen  in  einer  Lösung  von  doppelt  chromsaurem  Kali 
I — 2  Gran  auf  eine  Unze  Wasser  dem  Spiritus  bei  weitem  vorzuziehen  sein,  und 
empfehle  ich  diese  Lösung  allen  Sammlern  aufs  wärmste. 


Lumbrlcus  corethrurus,  Bürstenschwanz ^). 

Der  Inhalt  der  Abhandlung  ist  in  der  Anmerkung  S.  65  —  66  der  gesammelten  Schriften  wieder- 
gegeben.    Angefügt  ist  noch  die  folgende  Notiz  des  Herausgebers  des  Archivs: 

Die  obige  Mittheilung  ist  mir  im  Januar  1857  mit  folgendem  Schreiben  des 
Hrn.  Prof.  Max  Schultze  in  Halle  zugegangen,  welches  manchem  Leser  des 
Archives  von  Interesse  sein  dürfte: 

Mit  besten  Grüssen  sende  ich  Ihnen  anbei  die  Beschreibung  eines  neuen 
Regenwurmes  von  Dr.  Fritz  Müller  in  Colonie  Blumenau  in  Brasihen,  Ihnen 
bekannt  durch  seine  früheren  Beiträge  zu  Ihrem  Archiv,  in  welchem  auch  diese 
Zeilen  wohl  einen  Platz  finden  dürften. 

Nachdem  Müller  mehrere  Jahre  Landbauer  in  der  genannten  Colonie  ge- 
wesen und  kaum  Zeit  zu  naturwissenschaftlichen  Beobachtungen,  geschweige  denn 
dazu  hatte,  solche  in  einer  mittheilbaren  Form  niederzuschreiben,  dürfen  wir  jetzt 
auf  reichhch  erfolgende  Mittheilungen  und  Sammlungen  von  ihm  hoffen.  Er  ist 
seit  Kurzem  als  Lehrer  der  Mathematik  an  einer  neugegründeten  Schule  in  Desterro 
auf  der  Insel  St,  Catharina  angestellt,  wohnt  unmittelbar  am  Meere,  dessen  Fauna 
er  mir  in  beredten  begeisterten  Worten  als  eine  ausserordentlich  mannichfaltige 
schildert,  und  wird  sich  zoologischen  Studien  nunmehr  so  viel  es  seine  Zeit  erlaubt 
widmen.  Ich  freue  mich  ungemein,  dass  eine  so  tüchtige  Kraft  der  Wissenschaft 
wiedergewonnen  ist.  Ein  Mikroskop  habe  ich  ihm  jetzt  auch  durch  Bur  meist  er 
hinüber  geschickt 


I)  Archiv  für  Naturgt;schichte   1857.  I.   p.   113      116. 


Einiges  über  die  Annelidenfauna  der  Insel  Santa 
Catharina  an  der  brasilianischen  Küste  ^). 

(Aus  einer  brieflichen  Mittheilung  an  Prof.  Grube.) 
Mit  Tafel  V  und  VI. 

Die  nachfolgenden  Bemerkungen  über  brasilianische  von  Herrn  Dr.  Fr, 
Müller  gesammelte  Anneliden  glaube  ich  dem  wissenschaftlichen  Publikum  um 
so  weniger  vorenthalten  zu  dürfen,  da  uns  von  exotischen  Thieren  dieser  Klasse 
so  wenig  bekannt,  die  hier  besprochenen  von  Herrn  Dr.  Müller  lebend  beob- 
achtet und  darunter  viele  neue  Gattungen  aufgestellt  sind.  Wir  entnehmen  daraus 
zugleich,  dass  die  grüne  Blutfarbe  bei  den  Anneliden  weiter  verbreitet  ist,  als  wir 
bisher  gewusst,  dass  auch  bei  den  Polynoen  verschiedene  Arten  verschieden  ge- 
färbtes Blut  besitzen,  und  dass  sich  die  Zahl  der  Anneliden  mehrt,  denen  das  sonst 
so  allgemein  vorkommende  lebhaft  pulsirende  Rückengefäss  und  überhaupt  ver- 
zweigte Gefässe  fehlen,  und  bei  denen,  wie  es  scheint,  das  Blut  nur  wandungslos 
in  der  Leibeshöhle  vorkommt,  und  zwar  ein  Blut,  dessen  P'arbstoff  nicht  an  seiner 
Flüssigkeit,  sondern  an  den  in  ihm  sehr  zahlreich  vorkommenden  ganz  regel- 
mässig geformten  Körperchen  haftet.  Was  an  genauerer  Unterscheidung  der 
hier  erwähnten  Arten  noch  mangelt,  das  werden  hoffentlich  bald  zu  erwartende 
Nachträge  ergänzen.  Ed.  Grube. 


.  .  .  Wie  zu  erwarten  stand,  sind  alle  hiesigen  Arten  neu:  Ihre  Zahl  beläuft 
sich  auf  etwa  60,  die  sich,  wie  folgt,  unter  die  einzelnen  Familien  verteilen: 

Fam.  Aphrodite a.  4  Polynoe  (Lepidonote-)  und  2  Palmyraarten.  Letztere 
dadurch  interesssant,  dass  aUe  Segmente  gleich  ausgestaltet  sind  und  Rückencirren 
tragen,  auch  das  grüne  Blut  der  P.  obscura  ist  eine  bemerkenswerthe  Eigen- 
thümlichkeit.  Von  den  Polynoen  hat  die  gemeinste  Art  (P.  fusca)  eine  grössere 
Zahl  von  Elytren  als  alle  übrigen  Lepidonotcn,  nämlich  2 1  Paar  -),  die  auf  die 
45  Segmente  so  vertheilt  sind,  dass  sie  dem  2ten,  4ten,  5ten,  7ten,  gten  u.  s.  w. 
25sten,  27sten,  28sten,  ßostcn,  3isten,  34sten,  36sten,  38sten,  4isten  zukommen. 


1)  Archiv  für  Naturgeschichte  1858.  I.  p.  211  —  220.    Taf.  VI.  u.  VII. 

2)  Nicht  mehr  die  einzige  Art  mit  21  Elytrenpaaren.     Gr. 


Annelidenfauna  der  Insel  Santa  Catharina.  y^^ 

P.  lunifera  mit  37  Segmenten  trägt  ihre  15  Paar  Elytren  auf  dem  2ten, 
4ten,  5ten,  yten  u.  s.  w.,  igten,  2isten,  24sten,  27sten,  ßosten,  33sten  Segment. 

Bei  dieser  und  P.  pallida  beobachtet  man  Fhmmerepithelium  auf  der  Basis 
der  Ruder,  wo  es  auch  sonst  öfter  vorkommt. 

Fam.  Eunicea.  i  Diopatra,  i  Onuphis,  3 — 4  Eunice,  3  Lumbriconereis  und 
I  neue  Gattung^), 

Die  Lumbriconereis  sind  entschieden  nicht  blosse  Jugendzustände,  wie  für  die 
eine  Art  die  beobachteten  Eier  und  Spermatozoiden,  für  die  anderen  beiden  die 
sehr  eigenthümliche  Gebiss-  und  Borstenbildung  beweist. 

Diopatra  hat  grünes  Blut.  Die  Normalzahl  der  Aftercirren  der  Euniceen, 
die  ich  bei  allen  unseren  Arten  finde,  ist  4,  selten  gleich  lang  wie  bei  2  Lumbri- 
conereis, meist  die  untere  beträchtlich  kürzer  und  selbst  fast  verschwindend  klein. 
Die  Borsten  in  vollzähliger  Entwickelung  zeigen  6  verschiedene  Formen  an  dem- 
selben Ruder,  von  unten  nach  oben  in  folgender  Ordnung:  i)  Rückenborsten, 
bisweilen  fast  gerade  und  den  Aciculis  ähnlich,  selten  die  einzige  Bewaffnung  des 
Ruders  bildend ;  2)  ein  Bündel  zusammengesetzter  Borsten ;  3)  Aciculae  meist  in 
mehrfacher  Zahl,  bisweilen  mit  knopfförmiger  Spitze,  bisweilen  in  eine  haarförmige 
Spitze  auslaufend;  4)  ein  Bündel  haarförmiger  Borsten,  denen  sich  bisweilen  paleen- 
ähnliche  Borsten  beigesellen ;  6)  endlich  einige  sehr  zarte  nach  dem  Rückencirrus 
zu  sich  erstreckende,  nicht  aus  der  Haut  austretende  Borsten, 

Vielfache  Eigenthümlichkeiten  hat  die  Gattung  Anisoceras'  Gr.  (Taf.  V. 
Fig.  1).  Der  elliptische  Kopflappen  trägt  2  Paar  Augen,  nahe  dem  Seitenrande 
I  Paar  geringelter  und  daneben  ein  zweites  Paar  plumper  ungeringelter  Fühler. 
Das  zweiringlige  Mundsegment,  das  beiderseits  wulstig  neben  dem  Kopflappen 
vorspringt,  ist  anhangslos.  Die  ziemlich  schlanken  Ruder  mit  drei  Lippen  (Taf.  V. 
Fig.  2),  einer  unteren  und  zwei  oberen,  über  der  unteren  ein  Büschel  sichelförmiger, 
zwischen  den  oberen  ein  Büschel  einfacher  Borsten,  eine  einzelne  Acicula,  ein 
kurzer  Bauch-  und  ein  ziemlich  langer  zweigliedriger  Rückencirrus.  Keine  Kiemen. 
Vier  Aftercirren.  Das  abweichendste  ist  indessen  das  Gebiss,  indem  hier  die  Kiefer 
in  eine  grosse  Zahl  (gegen  100)  einzelner  Zähne  zerfallen,  die  jederseits  vier  paar- 
weis genäherte  gebogene  Längsreihen  bilden.  Auch  die  Färbung  ist  eigenthüm- 
lich,  indem  der  gelbliche  Körper  auf  dem  Rücken  jedes  Segments  zwei  braun- 
rothe  Querbinden  trägt. 

Die  unteren  Fühler  scheinen  nicht  den  äusseren  Rückenfühlern  der  Euniceen 
zu  entsprechen,  sondern  ähnliche  nur  beträchtlicher  entwickelte  und  an  die  so- 
genannten Fühlercirren  der  Spiodeen  erinnernde  Organe,  wie  sie  sich  bei  den 
Larven  der  Onuphis  finden. 

Fam.  Lycoridea.  6  Arten  Nereis,  meist  aus  der  Abtheilung  Nereilepas, 
Für  diese  scheint  mir  die  Deutung  des  grossen  oberen  Züngelchens  als  Kieme 
unzweifelhaft.     Eine  bis  jetzt  nur  einmal  beobachtete  Art  hat  grünes  Blut. 

i)  Herr  Dr.  Müller  hatte  noch  nicht  das  Heft  der  Videnskabelige  Meddelelser  fra  den  natur- 
historiske  Forening  i  Kjöbenhavn  vom  Jahre  1856  in  Händen,  in  welchen  ich  p.  60  die  hier  beschriebene 
Gattung  bereits  unter  dem  Namen  Anisoceras  aufgestellt  und  darauf  aufmerksam  gemacht  habe,  dass  auch 
delle  Chiaie  eine  zu  derselben  gehörige  Art  unter  dem  Namen  Nereis  Rudolphii  in  seinen  Memorie 
beschrieben.  Die  Art,  welche  Herr  Dr,  Müller  vor  Augen  gehabt,  scheint  mir  dieselbe,  die  Oerstedt 
bei  Punta  arenas  gefunden  und  die  wir  in  der  oben  genannten  Zeitschrift  als  Anisoceras  vittata  beschrieben.    Gr. 


78 


Annelidenfauna  der  Insel  Santa  Catharina. 


Fam.  Ph)^llodocea.  Eine  kleine  Eulalia  und  eine  Hesione,  letztere  (H.  picta) 
mit  weissen  Querbinden  auf  schwärzlichem  Grunde  und  mennigrothem  Grundgliede 
der  Rücken-  und  Fühlercirren  ist  vielleicht  die  schönst  gefärbte  der  bekannten 
Anneliden.  Sie  ist  fühlerlos  (Taf.  V.  Fig.  3).  Rothes  Blut,  dicht  aneinander 
liegende  Hälften  des  Nervenstranges  und  büschelförmige  Ovarien  entfernen  sie 
von  den  eigentlichen  Phyllodoceen. 

Fam.  Syllidea.  Eine  Art  Syllis,  die  vielleicht  wegen  der  Randpapillen 
des  Rüssels  eine  eigene  Gattung  Lalage  bilden  muss,  wenn  den  übrigen  Syllis 
diese  Papillen  wirklich  fehlen.  Wie  arm  sind  hier  diese  beiden  in  nordischen 
Meeren  so  reichen  Familien  im  Vergleiche  mit  den  Euniceen. 

Fam.  Glycerea.     Eine  neue  Gattung: 

Gly  cinde. 

Mit  reichlicher  bewaffnetem  Rüssel  als  irgend  ein  anderer  Wurm  (Taf.  V. 
Fig.  4.  5.  6).  Randpapillen  und  nahe  dem  Rande  ein  Kreis  von  etwa  20  schwarzen 
Kieferspitzchen,  von  denen  die  zwei  untersten  ansehnlich  gross  sind.  Auf  der 
Rückenseite  zwei  Längsbinden  farbloser  aufwärtsgekrümmter  Zähne  (mehrere  100), 
kleinere  Zähnchen  auf  seiner  Bauchfläche  und  einzelne  flache  Plättchen  zerstreut 
an  den  Seiten.  Kopflappen  geringelt,  die  vier  Fühlerchen  zweigliedrig,  ein  Paar 
Augen  an  seiner  Basis,  ein  zweites  nahe  der  Spitze.  Keine  Kiemen.  Rücken- 
und  Bauchcirrus  und  zwei  blattförmige  Lippen  an  jedem  der  beiden  Borsten- 
büschel. Zwei  lange  untere  und  zwei  rudimentäre  kuglige  obere  Aftercirren.  Ich 
vermisse  bis  jetzt  bei  diesem  Thiere  Gefässe.  Die  Flüssigkeit  der  Leibeshöhle  hat 
Blutfarbe,  enthält  zahlreiche  grosse  flache  kreisrunde  Scheibchen  (von  74^  Milli- 
meter Durchmesser  1))  und  scheint  die  Stelle  des  Blutes  zu  vertreten. 
Spec.  Glycinde  multidens. 

Fam.  Amytidea? 

Sigambra  Grubii.  Kopflappen  nicht  deutlich  vom  langen  Mundsegmente 
geschieden  mit  zweilappiger  Stirne;  zwei  winzigen  Stirn-  und  drei  Nacken- 
Fühlern  (Taf.  V.  Fig.  9),  jederseits  zwei  Paar  Fühlercirren ;  der  obere  des  hinteren 
Paares  sehr  lang,  zwischen  denen  des  hinteren  Paares  ein  Borstenbündelchen. 
Ruder  einästig  mit  einem  Bündel  einfacher  Borsten  und  einer  Acicula,  kurzer 
fadenförmiger  Bauch-  und  langer  schmal  blattförmiger  Rückencirrus,  in  dessen 
Basis  versteckt  sich  eine  zweite  Acicula,  begleitet  von  einem  einzelnen  gestreckten 
Häkchen  (Taf,  V.  Fig.  7  u.  8).  Zwei  lange  Aftercirren;  zahlreiche  kurze  Seg- 
mente. Rüssel  cylindrisch  mit  Randpapillen,  Darm  mit  seitlichen  Fortsätzen  in 
die  Basis  der  Ruder.     Blut  gelblich. 

Fam.  A  r  i  c  i  e  a.  2  Arten  Spio  (?),  i  Leucodore,  i  Magelona  (nov.  gen.), 
I  Gisela  n.  g.,  4  Cirratulus,  i  Aricia,  i  Theodisca  n.  g.,  i  Cherusca  n.  g.,  i  Her- 
mundura.  Sie  sehen,  wie  reichlich  diese  Familie  oder  vielmehr  das  Gemisch 
heterogener  nur  durch  negative  Charaktere  vereinigter  Thiere  hier  vertreten  ist. 
Ob   wirklich   L  e  u  c  k  a  r  t's   Leucodore  mutica    der   sogenannten   Fühler    entbehrt. 


I)  Wir  hätten  hier  also  ein  drittes  Beispiel  von  einer  frei  im  Leibe  einer  Annelide  fluctuirenden 
an  regelmässigen  gefärbten  Körperchen  reichen  Flüssigkeit,  beim  Mangel  von  Gefässen.  An  Glycera  und 
Capitella  haben  Quatrefages,  van  Beneden,  Oersted  und  ich  ähnliches  beobachtet.     Gr. 


Annelidenfauna  der  Insel  Santa  Catharina. 


79 


möchte   ich,   beiläufig  bemerkt,   bezweifeln;   da   die  Spionen   leicht  diese  Organe 
verlieren  und  nicht  selten   ohne  dieselben  angetroffen  werden, 

M  a  g  e  1  o  n  a. 

Kopflappen  flach,  häutig,  breit  herzförmig;  zwei  sehr  lange  mit  cylindrischen 
Papillen  besetzte  sogenannte  Fühlercirren,  ich  sage  sogenannte,  da  ich  in  der 
That  kaum  eine  Analogie  zwischen  diesen  Organen  und  den  Fühlercirren  anderer 
Rapacia  finde. 

Vordere  Körperabtheilung  aus  9  Segmenten  mit  zweizeiligen  Bündeln  ein- 
facher Borsten,  jedes  mit  einer  cirrenartigen  Lippe.  Die  sehr  zahlreichen  Seg- 
mente der  hinteren  Körperabtheilung  tragen  jederseits  eine  untere  und  eine  obere 
Querreihe  gestreckter  Häkchen  (Taf.  V.  Fig.  11)  und  zwischen  beiden  zwei  cirren- 
artige  fadenförmige  oder  schmal  blattförmige  Fortsätze.  Zwei  Aftercirren.  Wenig 
vorstülpbarer  Rüssel.  Darm  in  der  hinteren  Körperabtheilung  zwischen  je  zwei 
Segmenten  sehr  stark  eingeschnürt.  Das  Blut  blassviolett  mit  sehr  zahlreichen 
Blutkü gelchen.  Rücken-  und  Bauchgefäss;  an  der  Grenze  je  zweier  Segmente 
der  hinteren  Körperabtheilung  entspringt  aus  jedem  derselben  ein  Seitengef äss ; 
diese  laufen  neben  einander  nach  aussen,  dann  geschlängelt  nach  hinten  und  enden 
in  eine  gemeinsame  contractile  Blase  (Taf.  V.  Fig.  10).  Weitere  Gefässe  scheinen 
zu  fehlen.  Das  Blut  fluctuirt  sehr  lebhaft,  doch  in  stets  wechselnder  Richtung. 
In  der  vorderen  Körperabteilung  scheint  das  Blut  gefässlos  die  Leibeshöhle  zu 
füllen,  und  dringt  in  den  Kopflappen  und  die  Fühlercirren. 
Spec.  Magelona  papillicornis. 

Gisela. 
Herzförmiger  Kopflappen;  zwei  Paar  Augen.  Ein  Büschel  Haarborsten 
zwischen  einer  breit  blattförmigen  unteren  und  oberen  Lippe,  von  denen  die 
letztere  in  einen  cirrusähnlichen  Faden  ausläuft ;  auf  der  Bauchseite  eine  Querreihe 
Hakenborsten,  von  denen  eine  einfach  S-förmig  und  stärker  ist,  die  anderen  einen 
kurzen  scharf  umgebogenen  Schnabel  haben  (Taf.  V.  Fig.  12).  Von  der  oberen 
Lippe  läuft  eine  niedrige  häutige  Lamelle  mit  stark  flimmerndem  Rande  quer 
über  den  Rücken  und  scheint  als  Kieme  zu  fungieren.  Die  vorderen  Segmente 
sind  abweichend  ausgestaltet.  Zwei  Aftercirren. 
Spec.  Gisela  heteracantha. 

Theodisca. 
Theodisca  schliesst  sich  im  Baue  der  seitlichen  Fortsätze  an  Aricia  an,  unter- 
scheidet sich  aber  durch  einen  einzig  dastehenden  Rüssel,  der  dendritisch  in  zahl- 
reiche fingerförmige  mit  Flimmerepithelium  bedeckte  Lappen  zerschlitzt  ist  (Taf.  V. 
Fig.  14). 

Ruder  der  hinteren  Segmente  Taf.  V.  Fig.  13,  Aftersegment  Taf.  V,  Fig.  15. 
Spec.  Theodisca  aurantiaca. 

Hermund  ura. 

Kopflappen  zweispitzig  oder  vielmehr  in  zwei  einstülpbare  Stirnfühler  (Taf.  VI. 

Fig.  iq)  auslaufend.   Zweiästige  Ruder,  der  lange  untere  Ast  mit  farbloser  Acicula 

und  einem  Büschel  zahlreicher  ziemlich  starker  einfacher  Borsten ;  der  sehr  kurze 

obere  Ast  hat   als   einzige  Bewaffnung   eine  Acicula,   kürzer   und  stärker  als  die 


gQ  Annelidenfauna  der  Insel  Santa  Catharina. 

des  untern    (Taf.  VI.  Fig.  21.     Keine  Kiemen.     Zwei  seitlich  abstehende  und  ein 
kurzer  unpaariger  Aftercirrus  (Taf.  VI.  Fig.  20). 
Spec.  Hermundura  tricuspis. 

Cherusca. 

Winziger  Kopflappen  mit  unpaarem  Fühler,  auf  seinem  Rücken  (oder  dem 
des  isten  Segments?)  ein  ästiger  Anhang,  fast  wie  eine  Terebellenkieme !  Die 
seitlichen  P'ortsätze  aller  Segmente  mit  einer  oberen  und  unteren  blattförmigen 
Lippe.  Borsten  des  isten  Segments  ein  Bündel  gerader  und  ein  Bündel  schwach 
S-förmig  gebogener  Borsten,  am  2ten  und  ßten  Segmente  einige  dieser  S-förmigen 
Haken  und  ein  Bündel  zarter  Haarborsten,  am  4ten  bis  6ten  Segmente  nur  diese 
letzteren,  ebenso  am  jten  bis  i3ten,  an  denen  die  Enden  der  beiden  Lippen  in 
spateiförmige  Paleen  übergehen,  die  diesen  Weichtheilen  nicht  ein-,  sondern  auf- 
gepflanzt sind!  (Taf.  VI.  Fig.  18).  Die  übrigen  Segmente  mit  mehreren  Büscheln 
verschiedener  starker  Haarborsten  und  im  oberen  Theile  des  Ruders  mit  einem 
Säckchen  voll  äusserst  zahlreicher  loser,  in  Masse  goldglänzender  sehr  zarter 
kurzer  Borstchen,  die  bei  jedem  Reize  in  Menge  entleert  werden  und  mit  dem 
aus  dem  vorderen  Theile  des  Ruders  austretenden  Schleime  das  Thier  umgeben 
(Taf.  VI.  Fig.  16).  Drei  Aftercirren  (Taf.  VI.  Fig.  17).  Diese  hintere  Körper- 
abtheilung ist  unendlich  lang,  ich  habe  schon  über  fusslange  Fragmente,  aber 
noch  kein  unversehrtes  Exemplar  des  sehr  schmalen  und  flachen  äusserst  zer- 
brechlichen Thieres  gefunden. 

Keine   dieser    sonderbaren  Aricieen    ist   etwa  nur  Larvenzustand :    ich  habe 
alle  mit  entwickelten  Zeugungsstoffen  beobachtet. 
Familie?  Drilidium. 

Der  kurze  rundliche  Körper  hat  gegen  20  undeutlich  geschiedene  Segmente; 
ein  deutlicher  Kopflappen,  zwei  Augen,  Mund  am  Vorderende,  daneben  ein  paar 
längere  Papillen  (Fühler?),  winzige  Borstenhöcker  mit  einer  Acicula  und  ein 
zwischen  zwei  kurzen  Lippen  vortretendes  Bündel  von  etwa  fünf  einfachen  lanzett- 
förmigen Borsten.  Haut  mit  kleinen  Papillen  besetzt.  Kurzer  muskulöser  Schlund 
und  weiter  häutiger  etwas  gebogener  Darm,  der  frei  in  der  Leibeshöhle  liegt. 
Das  Thier,  frei  im  Meerwasser  aufgefischt,  war  nur  373  Millimeter  lang,  hatte 
aber  die  Leibeshöhle  voll  Eier  in  verschiedenen  Stadien  der  Entwickelung. 

Fam.  Pherusea.  Ein  Siphonostomum.  Die  sogenannten  oberen  Fühler 
sind  ohne  Zweifel  Kiemen,  das  beweist  ihr  Blutreichthum  vmd  ihr  ungewöhnlich 
lebhaft  wimperndes  Flimmerepithelium,  auch  die  sogenannten  unteren  Fühler 
scheinen  mir  wenig  Anspruch  auf  diesen  Namen  zu  haben. 

Fam.  Maldan ia.  i  Clymene  und  1  Ammochares  vielleicht  nicht  verschieden 
von  A.  Ottonis,  dessen  Beschreibung  mir  nicht  mehr  erinnerlich  ist.  Clymene  hat 
einen  vorstülpbaren  Rüssel.  Die  zerschlitzte  Kopfmembran  des  Ammochares  ist 
ziemlich  blutreich  und  flimmert,  und  ist  deshalb  wohl  als  Kieme  anzusprechen. 
Blut  roth.     Zahlreiche  blinde  frei  in  der  Leibeshöhle  flottirende  Gefässe. 

Fam.  Terebellacea.  Etwa  ein  halb  Dutzend  Terebella,  i  Terebellides, 
I  Isoida  nov.  gen.,  i  Sabellides  ?,  i  Polycirrus. 

Terebellides  anguicomus  (Taf.  VI.  Fig.  22).  17  Paar  Borstenbündel,  Haken- 
borsten gestreckt,  fehlen  unter  dem    isten  bis  4ten  Borstenbüschel,  unter  dem  5ten 


Annelidenfauna  der  Insel  Santa  Catharina.  gl 

sind  sie  von  abweichender  Form  (Taf.  VI.  Fig.  23).  Der  hintere  Körpertheil  mit 
Flösschen,  die  sehr  winzige  Häkchen  tragen,  ist  durch  eine  Einschnürung  in  zwei 
Abtheilungen  geschieden,  die  vordere  mit  11  — 12  ziemhch  langen,  die  hintere  mit 
gegen  30  sehr  kurzen  Segmenten.  Keine  Aftercirren,  kein  die  Fühlfäden  deckendes 
Blatt,  diese  zahlreich,  zart  mit  lanzettlich  verbreiterter  Spitze.  Kiemen  aus  vier 
verwachsenen  Blättern  bestehend,  die  beiden  unteren  oder  hinteren  sehr  klein  und 
nur  an  der  Spitze  als  schmale  Züngelchen  vortretend,  die  obern  mit  queren  kreis- 
förmigen Lamellen  besetzt.  Vor  dem  muskulösen  Magen  zwei  dunkelbraune 
Drüsen.     Einer  der  gemeinsten  unserer  Ringelwürmer. 

Isoida. 

Ueber  dem  Lippenblatte  wenig  zahlreiche  kurze  Fühlfäden,  acht  Kiemen- 
fäden auf  dem  Rücken  dicht  beisammen,  die  vier  äussern  einfach,  die  vier  innern 
mit  doppelter  Reihe  von  Nebenfäden  (Taf.  VI.  Fig.  26).  Ausser  dieser  Form  der 
Kiemen  erinnert  das  Thier  auch  dadurch  bei  oberflächlicher  Betrachtung  an  die 
Serpulaceen.  dass  es  die  Kiemen  meist  in  der  Richtung  der  Körperachse  aus  dem 
häutigen  Rohre  vorstreckt.  Kiemen  und  Fühlfäden  flimmern.  Im  hinteren  Theile 
des  Körpers  nur  Flösschen  mit  kurzen  Häkchen ;  vorn  Bündel  einfacher  Borsten 
und  untere  Häkchenreihen,  an  deren  Stelle  bei  den  ersten  Borstenbüscheln  eine 
dichte  Reihe  kurzer,  gerader  Borsten;  die  Bewaffnung  des  ersten  Segments  be- 
schränkt sich  auf  einen  einzigen  starken  Stachel  mit  kurzer  sichelförmiger  Spitze. 
Blut  blassroth  mit  einem  Stich  in's  Grünliche. 
Spec.  Isoida  pulchella. 

Sabellides?  Das  Thier,  das  ich  seiner  einfachen  fadenförmigen  Kiemen 
wegen  vorläufig  hierher  stelle,  hat  sonst,  so  viel  ich  mich  der  Sars'schen  Be- 
schreibung erinnere,  wenig  Aehnlichkeit  mit  dessen  Art.  Das  Lippenblatt,  7* 
des  Umkreises  bildend,  umgiebt  kreisförmig  den  Mund  und  trägt  am  Rande  und 
darüber  die  zahlreichen  langen  und  ziemlich  starken  röthlichgrauen  Fühlfäden, 
die  durch  kein  Blatt  von  oben  gedeckt  sind.  Kiemenfäden  sehr  zahlreich  in  sechs 
Gruppen  den  sechs  Kiemen  der  Terebellen  entsprechend,  können  sich  pfropfen- 
zieherartig  zusammenziehen.  Körper  von  gewöhnlicher  Terebellenform,  lang,  mit 
Borstenbüscheln  und  Häkchenreihen  an  allen  Segmenten. 

Polycirrus?  beobachtete  ich  erst  in  wenigen  unvollständigen  Exemplaren. 
Ein  ziemlich  langes  Blatt  über  dem  Munde  trägt  zahlreiche  hohle  Fäden  mit 
Flimmerepithelium,  in  denen  das  rothe  Blut  mit  auffallend  grossen  Blutkörperchen 
durch  Contraktion  dieser  Fäden  lebhaft  hin  und  her  wogt.  Die  Querreihen  der 
Häkchen  beginnen  unter  dem  yten  Borstenbüschel. 

Fam.  Hermellacea.     i  Sabellaria,   i   Centrocorone. 

Fam.  ^erpulacea.  4  Sabellen  ^),  i  Protula,  i  Eupomatus  und  verschiedene 
Serpula-  und  Spirorbisröhren. 


I)  Die  von  Herrn  Dr.  Müller  hier  angeführten  von  ihm  für  neu  gehaltenen  Arten  scheinen  mir 
noch  nicht  so  genau  charakteisirt,  dass  man  sie  mit  Sicherheit  von  allen  übrigen  unterscheiden  könnte; 
weshalb  ich  es  im  Interesse  der  Wissenschaft  für  räthlicher  halte,  ihre  Namen  hier  vorläufig  noch  nicht 
mitzutheilen. 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  " 


g2  Annelidenfauna  der  Insel  Santa  Catharina. 


Erklärung-  der  Abbildungen  auf  Tafel  V  und  VI. 

Fig.      I.  Vorende  von  Anisoceras  vittata  Gr.  Oerst. 

Fig.     2.  Ruder  derselben. 

Fig.     3.  Kopflappen  von  Hesione  picta. 

Fig.     4.  Zahn  von  Glycinde  multidens. 

Fig.     5.  Grössere  Kieferspitzen  von  Glycinde  multidens. 

Fig.     6.  Kleinere  Kieferspitzen  von  Glycinde  multidens. 

Fig.     7.  Ruder  von  Sigambra  Grubii. 

Fig.     8.  Hakenborste  von  Sigambra  Grubii. 

Fig.     9.  Vorderende  von  Sigambra  Grubii. 

Fig.   10.  Gefässschlinge  von  Magelona  papillicornis. 

Fig.   II.  Hakenborste  von  Magelona  papillicornis. 

Fig.   12.  Querreihe  von  Hakenborsten  von  Gisela  heteracantha. 

Fig.   13.  Ruder  der  hinteren  Segmente  von  Theodisca  aurantiaca. 

Fig.   14.  Rüssel  von  Theodisca  aurantiaca. 

Fig.   15.  Aftersegment  von  Theodisca  aurantiaca. 

Fig.   16.  Ruder    der    hinteren    Körperabtheilung   von  Cherusca    nitens.     a  Säckchen 

mit  losen  Borsten,     b  Schleimkügelchen. 

Fig.   1 7.  Aftersegment  von  Cherusca  nitens. 

Fig.   18.  Palee  des  7.— 13.  Segments  von  Cherusca  nitens. 

Fig.   19.  Einstülpbaare  Stirnfühler  von  Hermundura  tricuspis. 

Fig.  20.  Aftersegment  von  Hermundura  tricuspis. 

Fig.  21.  Ruder  von  Hermundura  tricuspis. 

Fig.  22.  Terebellides  anguicomus. 

Fig.  23.  Hakenborste  unterm  5.  Borstenbüschel  von  Terebellides  anguicomus. 

Fig.  24.  Hakenborste  unterm  6. — 17.  Borstenbüschel  desselben  Thieres. 

Fig,  25.  Hakenborste  der  Flösschen  desselben  Thieres. 

Fig.  26.  Vorende  von  Isoida  pulchella. 

Fig.  2"].  Aftersegment  von  Isoida  pulchella. 

Fig.  28.  Borsten  vor  dem  Borstenwechsel  von  Sabella. 

Fig.  29.  Borsten  des  ersten  Segments  nach  dem  Borsten  Wechsel  von  Sabella. 

Fig.  30.  Borsten  der  hinteren  Segmente  von  Sabella. 

Fig.  31.  Aftersegment  einer  Sabella. 

Fig.  32.  Augen  mehr  vergrössert  von  derselben. 

Fig.  33.  Hakenborsten  vor  dem  Borstenwechsel  von  derselben. 


Die  Magenfäden  der  Quallen^). 

Man  kennt  seit  lange  bei  den  höheren  Schirmquallen,  den  Familien  der 
Rhizostomiden,  Medusiden,  Pelagiden  und  Charybdeiden,  Gruppen  tentakelähnlicher 
Fäden  in  der  Nähe  des  Mundes,  die  mit  langsam  wurmförmiger  Bewegung  begabt, 
mit  Flimmercilien  bedeckt  und  mehr  weniger  reichlich  mit  Nesselorganen  aus- 
gestattet sind.  Sie  scheinen  den  Quallen  der  genannten  Familien  allgemein  zu- 
zukommen und  dürften  das  einzige  sie  von  den  niederen  Quallen  (Cryptocarpae 
Eschsch.,  Gymnophthalmata  Forb.,  Craspedota  Gegenb.)  scheidende  gemeinsame 
Merkmal  sein.  Der  Mangel  des  Velum  wenigstens,  den  Gegenbaur  als  solches  be- 
trachtet, ist  es  eben  so  wenig,  als  die  Bedeckung  der  Randkörperchen,  von  der 
Forbes  den  Namen  der  Steganophthalmata  entlehnte;  zwei  mit  Charybdea  marsu- 
pialis  Per.  in  den  wesentlichsten  Zügen  ihres  Baues  übereinstimmende  Arten, 
Tamoya  haplonema  und  quadrumana  mihi,  deren  ausführliche  Beschreibung  ich  dieser 
Tage  meinem  Freunde  Max  Schultze  übersandte,  haben  ein  höchst  entwickeltes  Velum. 

Weniger  übereinstimmend,  als  über  das  Vorkommen,  lauten  die  Angaben 
über  die  Bedeutung  dieser  Fäden.  Ihr  constantes  Vorkommen  in  der  Nähe  der 
Geschlechtsorgane  bei  den  ersten  drei  Familien  gab  Veranlassung,  sie  als  „fühler- 
ähnliche Anhänge  der  Geschlechtsorgane"  zu  bezeichnen  und  damit  implicite  eine 
Beziehung  zur  Geschlechtsfunction  auszusprechen.  Gegenbaur,  der  sie  bei  Nausithoe 
und  Charybdea  als  hohle  mit  der  Magenhöhle  in  Verbindung  stehende  Fäden  be- 
schreibt, erklärt  sie  als  Reservoirs  der  im  Gastrovascularsystem  sich  bewegenden 
Flüssigkeit.  Milne  Edwards  bezeichnet  sie  bei  Charybdea  als  canaux  biliaires. 
Leuckart  paralleHsirt  sie  den  von  ihm  als  nierenartige  Absonderungsorgane  ge- 
deuteten Mesenterialfilamenten  der  Actinien. 

Soweit  ich  darüber  Angaben  finde,  werden  sie  allgemein  als  hohl  und  vom 
Gastrovascularsystem  frei  nach  aussen  oder  in  die  Geschlechtshöhlen  gerichtet  be- 
schrieben. 

Ich  hatte  Gelegenheit,  diese  Fäden  bei  den  genannten  beiden  Arten  von 
Tamoya,  bei  einer  Rhizostomide  und  bei  einer  grossen  Chrysaora  zu 
untersuchen,   ohne  mich  einer  der  gegebenen  Deutungen  anschliessen  zu  können. 

Bei  Tamoya  finden  sich  die  Geschlechtsorgane  in  den  weiten  Seitentaschen 
des  Magens,   entfernt   von   den  dem  blossen  Auge  als  trübe  Streifen  der  Magen- 


I)  Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Zoologie.  1858.  IX.  p.  542 — 543. 


g^  Magenfäden  der  Quallen. 

haut  erscheinenden  Gruppen  der  Magenfäden,  so  dass  also  wenigstens  hier  an  eine 
nähere  Beziehung  beider  Organe  nicht  zu  denken  ist. 

Bei  allen  4  Arten  finde  ich  die  Fäden  solid  und  in  die  Höhle  des 
Magens  gerichtet,  letzteres  ist  bei  allen,  namentlich  bei  Chrysaora  leicht  zu 
constatiren,  wo  sie  eine  Länge  von  einigen  Zoll  erreichen ;  ersteres  wird  besonders 
nach  Behandlung  mit  Chromsäurelösung  deutlich,  worauf  sich  die  Rindenschicht 
leicht  von  dem  durchsichtigen  bei  frischen  Fäden  allerdings  einer  Höhle  ähnlich 
erscheinenden  soliden  Centralstrang  abpinseln  lässt.  Dadurch  ist  denn  für  unsere 
Arten  die  Erklärung  von  Gegenbaur  unmöglich  gemacht. 

Nahe  liegt  es  dagegen,  an  eine  Beziehung  der  Magenfäden  zur  Verdauung 
zu  denken.  Diese  Vermuthung  zu  bestätigen  oder  zu  widerlegen,  bedeckte  ich 
Muskeln  aus  einer  Krabbenscheere  und  ein  Stück  vom  Hintertheile  eines  Alpheus 
mit  den  einer  lebenden  Tamoya  haplonema  entnommenen  Magenfädengruppen 
und  übergoss  sie  mit  ein  wenig  Seewasser.  Entsprechende  Stücke  legte  ich  in 
reines  Seewasser.  Letztere  zeigten  sich  nach  10  bis  12  Stunden  nicht  merklich 
verändert.  Dagegen  war  unter  dem  Einfluss  der  Magenfäden  das  Fleisch  des 
Alpheus  vollständig,  das  aus  der  Krabbenscheere  fast  ganz  zu  einer  trüben  Flüssig- 
keit gelöst;  die  schwärzlichgrüne  Schaale  des  Alpheus  hatte  sich  röthlich  gefärbt; 
ein  schleimig  erweichter  Rest  auf  der  Chitinplatte,  von  der  die  Muskeln  der  Krabben- 
scheere entspringen,  Hess  unterm  Mikroskop  noch  seine  Muskulatur  erkennen.  Die 
Magenfäden  zeigten  sich  noch  frisch,  flimmernd  und  wie  gewöhnlich  in  langsam 
wurmförmiger  Bewegung. 

Ob  nun  ein  eigenthümliches  von  dem  der  übrigen  Magenwand  verschiedenes 
Secret  von  den  Fäden  erzeugt  wird,  oder  ob  sie  nur  zur  Vergrösserung  der  ver- 
dauenden Magenfläche  dienen ,  ist  allerdings  hiermit  noch  nicht  entschieden, 
ersteres  jedoch  mir  wahrscheinlicher,  da  ich  unregelmässig  rundliche  dunkel  con- 
tourirte  Körperchen  von  0,01  Millimeter  Durchm.,  die  ich  auf  der  Oberfläche  der 
Fäden  und  in  der  umgebenden  Flüssigkeit  bei  Tamoya  fand,  im  übrigen  Theile 
des  Magens  vermisste. 

Auffallend  sind  die  bei  Tamoya  sehr  spärlich,  bei  den  beiden  anderen  Arten 
sehr  reichlich  den  Fäden  eingestreuten  Nesselorgane,  wie  sie  auch  Will  bei  Cephea, 
Gegenbaur  bei  Charybdea  fand.  Bei  Tamoya  und  Chrysaora  könnte  man  sie  auf 
Bewältigung  lebend  verschluckter  Beute  beziehen.  Was  aber  können  sie  in  der 
centralen  Höhle  unserer  polystomen  Rhizostomide  bedeuten,  die  weit  entfernt  liegt 
von  den  Oeffnungen  der  Arme? 


Zwei  neue  Quallen  von  Santa  Catharlna^). 
Tamoya  haplonema  und  quadrumana. 

Mit  Tafel  VII,  VIII  und  IX. 

Das  Meer  von  Santa  Catharina  scheint  nicht  eben  reich  an  Quallenarten  zu 
sein ;  doch  finden  sich  unter  diesen  mehrere  in  systematischer  wie  in  anatomischer 
Hinsicht  besonders  merkwürdige  Formen.  Zu  diesen  rechne  ich  vor  allen  die 
beiden  nachstehend  näher  zu  beschreibenden  Schirm quallen,  die  am  Strande  der 
Praia  de  fora  bei  Desterro  gefunden  wurden. 

Die  eine  derselben,  Tamoya  quadrumana  mihi  gehört  zu  den  seltneren 
Arten;  im  Laufe  zweier  Jahre  bekam  ich  nur  3  Exemplare  zu  Gesicht,  Weit 
häufiger  ist  die  andere,  Tamoya  haplonema  mihi,  von  der  ich  bisweilen  an 
einem  Tage  über  ein  Dutzend  fand. 

Des  Gemeinsamen  beider  Arten  ist  so  viel,  dass  ich  ihre  Beschreibungen  in 
eine  zusammenfasse,  der  Schilderung  jedes  Organes  die  specifischen  Differenzen 
anschliessend. 

Der  Körper  ist  glockenförmig,  von  wasserheller,  recht  fester  Substanz  und 
deshalb  wenig  veränderlicher  Form,  aussen  bedeckt  mit  kleinen  flachwarzigen 
Erhabenheiten,  auf  denen  weissliche  Fleckchen,  Gruppen  von  Nesselzellen,  liegen. 
Bei  T.  haplonema  ist  die  Glocke  höher  (15  cm  hoch,  bei  12  cm  Durchm.),  mit 
flachem  Scheitel,  fast  senkrecht  niedersteigenden  Wänden  und  ziemlich  viereckig 
im  Querschnitt;  bei  T.  quadrumana  niedriger  {10  cm  hoch,  bei  12  cm  Durchm.), 
der  Halbkugel  sich  nähernd,  mit  gewölbtem  Scheitel  und  nach  unten  ansehnlich 
erweitert.  Durch  Längsfurchen  sind  die  Seiten  der  Glocke  aussen  in  8  Längs- 
wülste getheilt,  4  schmälere  dickere,  den  Ecken  des  vierseitigen  Querschnitts  bei 
T.  haplonema  entsprechend,  und  4  breitere,  flachere.  Ich  bezeichne  der  Kürze 
wegen  auch  bei  T.  quadrumana  erstere  als  Eck-,  letztere  als  Seitenwülste.  Bei 
T.  haplonema  sind  die  Wülste  in  ihrer  ganzen  Länge  ziemlich  gleich  breit, 
die  Seitenwülste  reichlich  doppelt  so  breit  als  die  Eckwülste;  diese  letzteren  sind 
fast  in  der  ganzen  Länge  von  einer  mittleren  Längsfurche  durchzogen  und  ausser- 
dem finden  sich  auf  jeder  Seiten wulst  im  unteren  Drittel  noch  zwei  nach  unten 
convergirende  seithche  Furchen.    Bei  T.  quadrumana  sind  die  Eckwülste  oben, 

I)  Abhandlungen  der  Naturforschenden  Gesellschaft  in  Halle.   1859.  V.  p.   i— 12.  Taf.  I,  II,  III. 


üA  Zwei  neue  Quallen  von  Santa  Catharina. 

die  Seitenwülste  unten  breiter  (beide  oben  3  cm,  unten  erstere  2  cm,  letztere  6  cm), 
die  Mittelfurche  der  Eckwülste  durchzieht  nur  deren  oberes  Drittel,  während  auf 
den  Seitenwülsten  zwei  parallele  Längsfurchen  ein  mittleres  3  cm  breites  Feld 
abgrenzen.  Entsprechend  den  äusseren  Furchen  verlaufen  ähnliche  auf  der  Innen- 
fläche der  Glocke  und  ausserdem  findet  sich  hier  eine  mittlere  Längsfurche  der 
Seitenwülste,  bei  T.  quadrumana  nur  im  unteren  Drittel,  bei  T.  haplonema 
in  der  ganzen  Länge,  jedoch  häufig  mehr  als  allmälige  Verdünnung  der  Glocken- 
substanz, denn  als  scharfe  Furche  ausgeprägt.  Bisweilen  zeigt  sich  auch  bei  beiden 
Arten  eine  entsprechende  schwache  äussere  Furche. 

Vom  unteren  Ende  der  Eckwülste  entspringen  4  sehr  ansehnliche  Fort- 
sätze. Bei  T.  haplonema  sind  sie  einfach  keulenförmig,  seitlich  zusammen- 
gedrückt, mit  scharfer  äusserer  und  innerer  Kante,  6  bis  7  cm  lang,  4  cm  hoch, 
am  Ende  einen  bis  gegen  5  Fuss  langen  bränlichen  Fangfaden  tragend  ^).  Weit 
weniger  einfach  sind  sie  bei  T.  quadrumana;  hier  ist  dieser  abwärts  gerichtete 
und  etwas  einwärts  gebogene  Fortsatz  am  Ursprung  rundlich,  16 — 18  mm  dick, 
wird  aber  bald  seitlich  zusammengedrückt,  mit  scharfer  äusserer  und  innerer  Kante; 
seine  Länge  am  inneren  Rande  beträgt  etwa  45  mm;  der  äussere  Rand  trägt 
IG  bis  1 1  schwertförmige  seitlich  comprimirte  mit  der  Spitze  etwas  einwärts  ge- 
bogene Fortsätze,  von  denen  der  erste  unpaare  von  der  Mittellinie,  die  folgenden 
paarig  von  den  Seiten  des  äusseren  Randes  entspringen.  Sie  nehmen  an  Länge 
ab  von  dem  ersten  45  mm  bis  zum  letzten  10 — 15  mm  langen;  an  der  Basis  deckt 
jeder  folgende  von  aussen  den  vorhergehenden  und  am  Ende  trägt  jeder  einen 
sehr  langen  bräunlich  gefärbten  Fangfaden. 

Die  Fangfäden  sind  hohl,  sehr  contractu  (mit  deutlicher  Längsmuskel- 
schicht),  und  erscheinen  durch  in  Querbinden  geordnete  Nesselzellen  wie  geringelt. 
Sie  scheinen  kaum  zu  brennen,  haften  dagegen  sehr  fest  an  Gegenständen,  mit 
denen  sie  in  Berührung  kommen ;  halbverdaute  Fische  im  Magen  der  T.  haplo- 
nema fand  ich  noch  von  einem  Stück  Fangfaden  umschlungen.  Die  Nesselzellen 
dieser  Art  sind  spindelförmig,  0,06  mm  lang  bei  0,015  mm  Dicke,  und  jede  ist 
von  etwa  sechs  soliden  cylindrischen  Fäden  (0,0g  mm  lang,  0,004  mm  dick)  um- 
geben, die  vom  Rande  einer  die  Basis  der  Nesselzelle  umhüllenden  Scheide  zu 
entspringen  scheinen.  Bei  T.  quadrumana  finden  sich  grössere  spindelförmige 
Nesselzellen  (0,056  mm  lang,  0,008  mm  dick)  und  kleinere  (0,012  mm  lang,  0,003  "i^n 
dick),  jede  Art  für  sich  in  Querstreifen  geordnet,  die  mit  den  kleinen  Nesselzellen 
sind  schmäler,  aber  weit  zahlreicher.  Der  Kanal  der  Fangfäden  setzt  sich  fort 
durch  die  Anhänge  der  Glocke  und  steht  auf  unten  näher  zu  bezeichnende  Weise 
mit  dem  Gastrovasculärsysteme  in  Verbindung. 

Ziemlich  in  gleicher  Höhe  mit  dem  Ursprung  der  keulen-  oder  bandförmigen 
Anhänge  findet  sich  mitten  auf  den  Seitenwülsten  eine  Querspalte,  die  in  eine 
die  Substanz  der  Glocke  fast  vollständig  durchsetzende  Nische  führt.  Sie  ist 
von  einer  bei  T.  haplonema  stärker  entwickelten  kreisförmigen  Wulst  umgeben 
und  nach  abwärts  erstreckt  sich  von  ihr  bis  über  den  Rand  der  Glocke  ins  Velum 
hinein    eine   zungenförmige  Wulst,   schmaler   und   dicker  bei  T.  quadrumana, 


l)  Ein   einziges  Mal    sah   ich   an  einem    der   4  keulenförmigen  Anhänge    einen  zweiten  überzähligen 
Fangfaden.  (Fig.  2.) 


Zwei  neue  Quallen  von  Santa  Catharina. 


87 


flacher  und  als  Fortsetzung  des  von  den  convergirenden  Seitenfurchen  begrenzten 
Feldes  erscheinend  bei  T.  haplonema.  Im  Grunde  der  Nische  sitzt  der  gestielte 
Randkörper. 

Der  untere  Rand  der  Glocke  ist  eingefasst  von  einem  reichlich  zollbreiten 
häutigen  Velum,  das  bisweilen  schlaff  niederhängt,  bisweilen  mehr  oder  weniger 
quergespannt  erscheint. 

Der  dünnhäutige  Magen  nimmt  den  Grund  der  Glocke  ein ;  er  erscheint 
aufgeblasen  mehr  weniger  kuglig  und  ist  durch  eine  engere  verschliessbare  Stelle 
von  dem  sehr  beweglichen,  am  Ende  erweiterten,  vierkantigen  und  in  4  Lappen 
gespaltenen  Mundtrichter  geschieden.  Der  Mundtrichter  ist  durch  eine  Schicht 
Gallertsubstanz  verdickt,  die  indess  viel  weicher  ist,  als  die  der  Glocke,  und  die 
auf  der  Mitte  jedes  Lappens  eine  abgerundete  Längsrippe  bildet.  In  ihrer  Lage 
entsprechen  diese  Lappen  den  Seiten  der  Glocke  (also  den  Randkörperchen).  — 
Bei  T.  quadrumana  ist  der  Mundtrichter  relativ  länger  als  bei  T.  haplonema, 
wo  er  in  der  Regel  selbst  nicht  bis  zur  Hälfte  der  Glockenhöhe  niederreicht. 

Abwechselnd  mit  den  Mundlappen  zeigt  die  Magenwand  4  trübe  Streifen, 
die  schon  durch  die  Loupe  in  Gruppen  äusserst  zahlreicher  wurmförmiger  und 
langsam  wurmförmig  bewegter  in  die  Höhle  des  Magens  ragender  Fäden  von 
5  —  6  mm  Länge  und  0,15 — 0,2  mm  Dicke  sich  auflösen.  Bei  T.  haplonema 
erstrecken  sich  diese  Streifen  in  gerader  aufwärts  gerichteter  Linie  durch  die  zwei 
oberen  Drittel  der  Magenwand ;  die  Fäden  sind  meist  ein-  bis  zweimal  in  je  2  bis 
3  lange  Aeste  getheilt,  selten  stärker  verästelt.  Bei  T.  quadrumana  sind  die 
Streifen  hufeisenförmig  gebogen,  der  Bogen  dem  Grunde  der  Glocke,  die  Schenkel 
dem  Munde  zugekehrt,  und  die  Fäden  unverästelt.  —  Die  Flimmercilien,  mit  denen 
diese  Fäden  bedeckt  sind,  erzeugen  eine  lebhafte  nach  deren  Spitze  gerichtete 
Strömung;  einzelne  kleine  Nesselzellen  finden  sich  namentlich  am  unteren  Theile 
der  Fäden ;  ausserdem  zeigt  ihre  Oberfläche  unregelmässig  rundliche,  dunkel  con- 
tourirte  Körperchen  von  0,01  mm  Durchm.,  und  ähnliche,  wahrscheinlich  Secret 
der  Fäden,  fanden  sich  in  der  umgebenden  Flüssigkeit.  Man  ist  beim  ersten  Blick 
durchs  Mikroskop  versucht,  diese  Fäden  für  hohl  zu  halten;  indessen  weist  eine 
nähere  Untersuchung  die  scheinbare  Höhle  als  einen  soliden  durchsichtigen  Central- 
strang  nach.  Nach  Behandlung  mit  Chromsäurelösung  lässt  sich  leicht  die  äussere 
Schicht  von  dem  Centralstrange  abpinseln. 

Aehnliche  wurmförmige  Fäden,  wie  die  unserer  beiden  Arten,  sind  bei  den 
meisten  einer  näheren  Untersuchung  unterworfenen  höheren  Schirmquallen  ge- 
funden worden.  Indess  weichen  von  denen  der  Tamoya  die  der  übrigen  Quallen 
nach  den  früheren  Angaben  dadurch  ab,  dass  sie  hohl  sind  (so  nach  Gegenbaur 
bei  Nausithoe  und  Char}^bdea),  nach  aussen  oder  in  die  Geschlechtshöhlen  ragen, 
und  in  unmittelbarer  Nähe  der  Geschlechtsorgane  sitzen.  Letzteres  ist  jedenfalls 
ein  reeller  und  charakteristischer  Unterschied  der  EJiizostomiden,  Medusiden  und 
Pelagiden  von  Tamoya;  dagegen  möchten  wohl  die  ersteren  Angaben  einer 
neuen  Bestätigung  bedürfen;  wenigstens  finde  ich  bei  einer  Rhizostomi de  und 
bei  einer  grossen  Chrysaora,  wo  sie  eine  Länge  von  einigen  Zoll  erreichen, 
die  Magenfäden  ebenfalls  sohd  und  in  die  Höhle  des  Magens  gerichtet. 

Der  Magen  ist  bei  T.  haplonema  nur  an  den  Ecken  des  Glockengrundes 
befestigt,  während  die  ganze  Breite  der  Seiten  offen  bleibt  als  Eingang  in  4  weite 


83  Zwei  neue  Quallen  von  Santa  Catharina. 

Seitentaschen.  Trotz  dieses  breiten  Eingangs  findet  durch  die  straff  heriiber- 
gespannte  Magenhaiit  ein  vollständiger  Abschluss  statt,  so  dass  man  Magen  oder 
Seitentaschen  ziemlich  stark  aufblasen  kann,  ohne  dass  Luft  aus  einem  in  das 
andere  übertritt.  —  Weit  complicirter  sind  diese  Verhältnisse  bei  T.  quadru- 
mana;  stülpt  man  hier,  was  leicht  geschehen  kann,  die  Glocke  um,  und  entfernt 
Mundtrichter  und  Magen,  so  erscheint  der  Boden  der  Glocke  als  ein  Viereck  mit 
abgerundeten  Ecken  und  leicht  ausgebuchteten  Seiten,  jene  den  Eck  Wülsten,  diese 
den  Seiten  der  Glocke  entsprechend.  Der  Ausbucht  jeder  Seite  liegt  eine  stark 
gewölbte  i6  mm  lange,  14  mm  breite  eiförmige  Wulst  vor,  zu  deren  Seiten  von 
der  hier  stark  verdickten  Glocke  zwei  ansehnliche  fingerförmige  Fortsätze 
ausgehen.  Sie  sind  drehrund,  4  bis  5  cm  lang,  an  der  Basis  gegen  2  cm  dick, 
allmälig  verjüngt,  mit  abgerundeter  Spitze;  ihre  Substanz  ist  etwas  weicher,  als 
die  der  Glocke.  Der  Magen  nun  inserirt  sich  im  ganzen  Umfang  des  Vierecks, 
mit  Ausnahme  der  Ausbucht  der  Seiten,  soweit  ihnen  die  eiförmige  Wulst  vor- 
liegt; hier  bleibt  der  Eingang  in  die  Seitentaschen. 

Diese  Seitentaschen  nehmen  die  ganze  innere  Seitenwand  der  Glocke 
ein;  ihre  innere  Wand  inserirt  sich  der  Glocke  längs  der  Mittelfurche  der  Eck- 
wülste; sie  entsprechen  also  in  ihrer  Lage  den  Randkörpern  und  wechseln  ab  mit 
den  fangfadentragenden  Anhängen.  Nach  unten  reichen  sie  bis  zum  Ursprung 
dieser  Anhänge  und  zu  den  Randkörperchen,  und  zwischen  diesen  8  Puncten 
noch  etwas  tiefer  abwärts,  bei  T.  haplonema  mehr  geradlinig  am  Glockenrande 
endend,  während  bei  T.  quadrumana  ein  breiterer  Fortsatz  der  Seitentasche 
zu  jeder  Seite  der  bandförmigen  Anhänge,  ein  schmälerer  zu  jeder  Seite  der 
Randkörperchen  bis  ins  Velum  niedersteigt.  Vom  unteren  Rande  der  Seiten- 
taschen und  bei  T.  quadrumana  besonders  von  diesen  Fortsetzungen  derselben 
gehen  dendritisch  verzweigte  nicht  anastomosirende  Kanäle  bis  zum  Rande  des 
Velum. 

Seitentaschen  und  fangf adentragende  Anhänge  wechseln  ab,  wie  bereits  er- 
wähnt ist;  jede  Seitentasche  communicirt  mit  den  beiden  Anhängen  und  also  jeder 
Anhang  mit  den  beiden  Seitentaschen,  zwischen  denen  er  liegt.  Der  Anhang 
entspringt  nämlich  mit  breiter  Basis  von  der  Aussenseite  des  Glockenrandes, 
während  ein  schmaler  Fortsatz  seines  Innenrandes  an  dessen  Innenseite  sich  in- 
serirt gerade  da,  wo  die  Grenzlinie  beider  Seitentaschen  unten  endet;  so  bleibt 
zwischen  den  oben  abgerundet  endenden  Seiten  des  Anhangs  und  den  gleichfalls 
gerundet  endenden  Eckwülsten  der  Glocke  jederseits  eine  schmale  Spalte,  die  aus 
der  unteren  Ecke  der  Seitentasche  in  den  Kanal  des  Anhangs  führt.  Dieser 
Kanal  ist  bei  T.  haplonema  anfangs  dreieckig,  später  viereckig  und  am  untern 
Ende  schmal  elliptisch ;  letztere  Form  hat  er  durchweg  bei  T.  quadrumana; 
wo  er  einen  Ast  für  jeden  Finger  abgiebt. 

Wenn  nun  auch  auf  diese  Weise  der  Kanal  der  Fangfäden  ins  Gastro- 
vasculärsystem,  also  auf  die  Unterseite  der  Glocke  führt,  so  ist  es  doch  hier  augen- 
scheinlicher als  sonst,  dass  die  Fangfäden  selbst  nicht  auf  dieser  Unterseite  ent- 
springen, wie  es  Gegenbaur  als  allgemeines  Gesetz  betrachten  möchte.  Im  Gegen- 
satz hierzu  möchte  ich  unterständige  Fangfäden,  wie  bei  Sthenonia,  als  einen 
Ausnahmsfall  betrachten.  Für  Gegenbaur's  Craspedota  wenigstens  erscheint  es 
als  offener  Widerspruch,  gleichzeitig  das  Velum  als  Fortsetzung  des  Schirms  an- 


Zwei  neue  Quallen  von  Santa  Catharina.  3q 

zusehen  und  die  stets  nach  aussen  vom  Velum  befindlichen  Randfäden  der  Unter- 
fläche zuzutheilen. 

Ob,  wie  nach  der  Analogie  zu  vermuthen,  auch  in  den  Stiel  der  Rand- 
körperchen  ein  Fortsatz  der  Seitentaschen  geht,  ist  mir  nicht  ganz  klar  geworden. 
Flimmerbewegung  sah  ich  nie  in  diesem  Stiele.  — 

Die  8  fingerförmigen  Fortsätze,  die  bei  T.  quadrumana  paarweise  vom 
Glockengrunde  niederhangen,  sind,  wie  Finger  vom  Handschuh,  lose  umhüllt  von 
einer  dünnen  Haut,  deren  Höhle  unten  rings  in  offener  Verbindung  steht  mit  den 
Seitentaschen ;  von  diesen  aus  aufgeblasen  überragt  sie  die  Spitze  des  Fingers 
noch  um  einige  Linien.  — ' 

Die  Gallertsubstanz  des  Mundtrichters  setzt  sich  bei  derselben  Art  von  dessen 
Kanten  (abwechselnd  also  mit  den  Reifen  der  Magenfäden)  nach  oben  in  die 
Magenwand  bis  zwischen  die  fingerförmigen  Anhänge  fort  als  ein  etwa  i  cm 
breiter  flacher  Streifen;  dieser  ist  von  einem  schmalen  Kanäle  durchzogen,  von 
dem  unter  spitzem  Winkel  zahlreiche  mehrfach  verzweigte  und  mit  kurzen  fiedrig 
gestellten  Reiserchen  dicht  besetzte  Aeste  abgehen.  Durch  lebhafte  Flimmer- 
bewegung wird  aus  dieser  äusserst  zierlichen  dendritischen  Drüse  eine  feine, 
dunkle  Körnchen  führende  Flüssigkeit  nach  aussen  gefördert.  Die  Mündung  des 
Kanals  scheint  noch  innerhalb  des  Magens  zu  liegen,  doch  führt  eine  Rinne  weiter 
nach  unten  bis  in  den  Mundtrichter,  so  dass  diese  Drüse  jedenfalls  als  Excretions- 
organ  zu  deuten  ist. 

In  der  Lage  diesen  Drüsen  entsprechend  finden  sich  bei  T.  haplonema 
4  dünne  verticale  Scheidewände,  die  vom  Magen  zur  Mitte  der  Seiten- 
taschen gehen  und  den  Raum  zwischen  Magen  und  Glocke  in  4  Kammern  theilen. 
Ihre  Ausdehnung  unterliegt  individuellen  Schwankungen ;  bisweilen  reichen  sie  an 
den  Seitentaschen  fast  bis  zu  den  Randkörperchen,  am  Magen  bis  zum  Ursprung 
der  Mundlappen  nieder.  Ein  der  Drüse  der  T.  quadrumana  entsprechendes 
Organ  konnte  ich  in  ihnen  nicht  auffinden. 

Das  ganze  Innere  der  Glocke,  Velum,  Seitentaschen,  Magen  u.  s.  w.  sind  mit 
theils  einzelnen,  theils  in  rundliche  Gruppen  vereinigten  Nesselzellen  besetzt,  die 
ein  lebhaftes  Brennen  verursachen;  sie  sind  von  kurz  elliptischer  Form,  etwa 
0,024  mm  lang  bei  0,016  mm  Durchm. 

Das  Nervensystem  ist  bei  beiden  Arten  mit  überraschender  Deutlichkeit 
ausgeprägt.  In  der  Höhe  der  Randkörperchen  verläuft  in  der  inneren  Wand  der 
Seitentaschen  ein  schmaler,  weisslicher  oder  gelblicher  Streif  ringförmig  um  die 
Höhle  der  Glocke,  jederseits  eingefasst  von  einem  durchsichtigen  Saume;  bei 
günstiger  Beleuchtung  ist  er  bisweilen  selbst  von  aussen  durch  die  Substanz  der 
Glocke  hindurch  wahrnehmbar,  tritt  aber  mit  besonderer  Deutlichkeit  hervor,  wenn 
man  die  Seitentaschen  aufbläst;  minder  nachgiebig  als  deren  Wandungen  bildet 
der  Streifen  dann  eine  Furche  auf  den  aufgetriebenen  Taschen.  Diese  geringere 
Nachgiebigkeit  wird  dadurch  veranlasst,  dass  der  Nervenring  eingebettet  liegt 
in  eine  dünne  Leiste  Gallertsubstanz,  die  als  solche  dem  Gefühl  erkennbar, 
dem  Auge  zunächst  als  der  erwähnte  helle  Saum  erscheint.  Bei  T.  haplo- 
nema ist  sie  dicker  und  gewölbter  als  bei  T.  quadrumana.  Bei  letzterer 
fand  ich  den  Nervenring  0,10  mm  bis  0,12  mm,  den  hellen  Saum  jederseits  etwa 
doppelt  so  breit. 


go  Zwei  neue  Quallen  von  Santa  Catharina. 

Dem  Ursprung  der  bandförmigen  Anhänge  gegenüber  bei  T.  quadrumana, 
soweit  hier  die  Wand  der  Seitentaschen  im  Niveau  des  Nervenrings  der  Glocke 
sich  anheftet,  in  einer  Länge  von  etwa  3  mm,  verdickt  sich  der  Nerv  bis  auf 
0,33  mm  und  sendet  vom  untern  Rande  dieses  Ganglions  gegen  20  verschiedene 
starke  (0,02  bis  0,06  mm  dicke)  Fäden  ab,  die  bald  nach  ihrem  Ursprung  von 
dem  hier  abgehenden  undurchsichtigen  Velum  verdeckt  werden,  und  theils  in 
diesem,  theils  und  wohl  hauptsächlich  in  dem  bandförmigen  Anhange  sich  ver- 
breiten mögen.  Bei  T.  haplonema  sind  diese  Ganglien  weniger  ansehnlich,  die 
abgehenden  Nerven   weniger  zahlreich,  jedoch   dicker  als  bei  T.  quadrumana. 

Eine  zweite  Stelle,  wo  im  Niveau  des  Nervenrings  die  Haut  der  Seiten- 
taschen an  die  Glocke  herantritt,  ist  an  den  Randkörperchen;  auch  hier 
findet  sich  eine  Anschwellung,  von  der  ein  ansehnlicher  Nerv  in  den  Stiel  des 
Randkörperchens  tritt.  Dieser  Stiel  entspringt  im  Grunde  der  Nische  von  deren 
oberer  Wand,  wo  die  Glockensubstanz  ihre  geringste  Dicke  hat,  und  trägt  am 
Ende  einen  unregelmässig  kugligen  Körper  von  etwa  i  mm  Durchm.,  blassgelb- 
licher Farbe,  und  aussen,  wenigstens  stellenweise,  von  Flimmercilien  bedeckt.  In 
diesen  sind  eingebettet  zunächst  ein  mehr  weniger  endständiger  elliptischer  gelber 
Körper  von  0,75  mm  Durchm.,  aus  einer  unregelmässig  krystallinischen,  zwischen 
den  Zähnen  knirschenden,  in  Säure  nicht  löslichen  Masse  gebildet;  ob  derselbe 
auch  nach  Innen  durch  eine  besondere  Haut  abgegrenzt  ist,  also  als  Krystallsack 
bezeichnet  werden  kann,  weiss  ich  nicht.  Dann  zwei  stark  lichtbrechende  Körper, 
ein  grösserer  kugliger  von  0,33  mm  Durchm.,  dem  Stiele  näher  liegend,  und  ein 
kleinerer  von  minder  regelmässiger  Form,  zwischen  diesem  und  dem  krystallinischen 
Endkörper,  Sie  zeigen  sich  aus  kugligen  Zellen  von  0,02  bis  0,03  mm  Durchm. 
zusammengesetzt,  werden  durch  Säuren  undurchsichtig  weiss,  und  sind  bis  auf  ein 
aus  dem  Randkörper  vorragendes  Segment  von  schwarzem  Pigment  umgeben» 
das  feinkörnig  und  in  kleinen  Zellen  von  0,005  bis  0,008  mm  Durchm.  enthalten 
ist.  Von  dieser  der  T.  haplonema  entnommenen  Beschreibung  zeigen  die  Rand- 
körperchen  der  T,  quadrumana  keine  wesentliche  Abweichung.  Kann  man 
die  lichtbrechende,  von  schwarzem  Pigment  umgebene  Kugel  unbedenklich  als 
Auge  deuten,  so  scheint  es  dagegen  zweifelhaft,  ob  man  den  unregelmässig  kry- 
stallinischen, dicht  umschlossenen  Endkörper  ohne  Weiteres  den  frei  in  einer  Blase 
bewegten  Otolithen  der  Mollusken  oder  den  Randbläschen  der  niederen  Schirm- 
quallen (Aequorea,  Eucope  u. s.w.)  mit  ihren  kugligen,  stark  lichtbrechenden  Con- 
cretionen  parallelisiren  und  als  Gehörorgan  ansprechen  darf. 

Weitere  Nerven  sah  ich  vom  Nervenring  nicht  abgehen  und  konnte  nament- 
lich keine"  aufwärts  gerichteten  Fäden  auffinden,  ebensowenig  als  einen  zweiten 
Nervenring  in  der  Nähe  des  Mundtrichters,  wie  ihn  die  Angaben  von  Agassiz 
würden  vermuthen  lassen. 

Die  Geschlechtsorgane  ist  man  gewohnt,  bei  den  mit  Magenfäden  ver- 
sehenen Quallen  in  deren  unmittelbarer  Nähe  zu  suchen;  bei  Tamoya  indess 
finden  sie  sich  weder  an  diesem  Orte,  noch  in  der  sonst  gewöhnlichen  Form.  Sie 
bilden  breite,  dünne  Platten  von  sehr  verschiedener  Ausdehnung,  die  in  der  ganzen 
Länge  des  Seitenrandes  der  Seitentaschen  entspringen  und  frei  in  deren  Höhle 
hineinragen,  Ihre  Seitenränder  sind  mehr  weniger  parallel,  die  freien  Enden  ab- 
gerundet,   Sie  sind  sehr  dünnn,  zart,  leicht  zerreisslich,  von  leicht  getrübter  gelb- 


Zwei  neue  Quallen  von  Santa  Catharina.  g  j 

lieber  oder  weisslicher  Färbung.  Die  jüngeren  kürzeren  sind  meist  auch  schmäler; 
im  Verlauf  des  Wachsens  scheinen  mehrere  benachbarte  zu  verfliessen,  wobei  bis- 
weilen rundliche  Lücken  bleiben.  Die  Ovarien  scheinen  in  der  Regel  beträcht- 
lichere Ausdehnung  zu  erlangen  als  die  Hoden;  erstere  fand  ich  bei  T.  quadru- 
m  a  n  a ,  von  der  ich  kein  Männchen  sah,  bis  1 6  cm  lang  bei  2  cm  Breite,  also  weit 
länger  als  irgend  eine  Dimension  der  Seitentasche.  Sie  scheinen  in  ihrer  ganzen 
Substanz  Eier  zu  entwickeln,  die  sich  in  den  verschiedensten  Reifegraden  neben- 
einander finden ;  sie  sind  elliptisch,  farblos,  mit  feinkörnigem  Dotter  und  deutlichem 
Keimbläschen  und  Keimfleck ;  die  grössten,  die  ich  (bei  T.  q  u  a  d  r  u  m  a  n  a)  sah, 
hatten  0,16  mm  Länge,  0,12  mm  Breite,  das  Keimbläschen  0,04  mm,  der  Keim- 
fleck 0,008  mm  Durchm.  Die  Hoden  (der  T.  h  a  p  1  o  n  e  m  a)  scheinen  aus  einer 
einzigen  Lage  langer  Röhren  mit  von  0,025  bis  über  0,06  mm  wechselnder 
Weite  gebildet,  die  bald  gestreckt  und  parallel  verlaufen,  bald  in  mäandrische 
Windungen  verschlungen  und  mannigfach  ausgebuchtet  sind,  bald  sich  auf  kür- 
zere unregelmässige  Zellen  reduciren.  Die  reifen  Spermatozoiden  sind  cercarien- 
förmig  mit  0,004  "^^n  dickem,  rundlichem  Kopfe  und  sehr  feinem  haarförmigem 
Anhang. 

Was  nun  die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  und  die  syste- 
matische Stellung  unserer  Arten  betrifft,  so  scheint  ihnen  unter  den  näher 
bekannten  die  von  Gegenbaur  genauer  beschriebene  Charybdea  marsupialis 
Per.  am  nächsten  sich  anzuschliessen  und  unbedenklich  in  dieselbe  Familie  mit 
ihnen  vereinigt  werden  zu  können.  Die  ganze  Architectonik  der  Glocke  ist  die- 
selbe; ebenso  ist  der  Bau  der  Randkörperchen  und  der  mit  weiten  Seitentaschen 
versehene  Magen  übereinstimmend.  Freilich  würde  man  dann  nicht  mehr  mit 
Gegenbaur  das  Velum  als  scheidendes  Merkmal  zwischen  höheren  und  niederen 
Schirmquallen  ansehen  können  und  ein  anderes  Unterscheidungszeichen  suchen 
müssen,  wenn  man  überhaupt  die  in  den  Systemen  von  Eschholtz,  Forbes  und 
Gegenbaur  angenommene  Zweitheilung  beibehalten  will.  Ein  solches  charakte- 
ristisches IMerkzeichen  der  höheren  Schirmquallen,  Rhizostomiden,  Medusiden, 
Pelagiden  und  Charj^bdeiden,  würden  die  Magenfäden  bieten  können.  Indessen 
scheint  die  Entwicklungsgeschichte  eher  auf  eine  Dreitheilung  hinzuweisen  in 
Quallen  mit  pol3Apenförmigen  Ammen,  Quallen  mit  Polypen  als  Ammen  und 
Quallen  ohne  Generationswechsel.  Ob  unsere  Quallen  nun  nicht  in  die  letzte 
dieser  Abtheilungen  eintreten  würden,  mit  denen  sie  die  taschenförmigen  Fortsätze 
des  Magens  gemein  haben,  in  denen  sich  die  Geschlechtsproducte  bilden,  müssen 
fernere  Beobachtungen  lehren.  — 

Die  Gattung  Tamoya  der  Familie  der  Charybdeiden  einreihend,  wird 
es  nöthig,  die  von  Gegenbaur  gegebene  Charakteristik  dieser  Familie  zu  modi- 
ficiren.  Das  Gemeinsame  der  drei  Arten  zusammenfassend,  würde  sie  sich  vor- 
läufig wie  folgt,  stellen  lassen :  Körper  glockenförmig  mit  4  (blatt-,  keulen-  oder 
bandförmigen)  hohle  Fangfäden  tragenden  Randanhängen.  Zwischen  ihnen  4  in 
Nischen  geborgene  Randkörper  mit  Krystallsack  und  Augen.  Magen  im  Grunde 
der  Glocke,  die  der  4-lappige  Mundtrichter  nicht  überragt,  mit  4  Gruppen  Magen- 
fäden und  4  Seitentaschen. 

Die  beiden  so  vereinigten  Gattungen  würden  sich  durch  folgende  Charaktere 
scheiden : 


92 


Zwei  neue  Quallen  von  Santa  Catharina. 


Charybdea. 
Glockenrand  in  Lappen  getheilt. 
Fortsätze  des  ]\Iagens  mit  Seitencanälen. 
Fangfäden  in  die  Seitencanäle  mündend. 
Magen  und  Mundtrichter  nicht  geschieden- 

(?)  Magenfäden   hohl,    in    die  Höhle  der 
Glocke  gerichtet. 


T  a  m  o  y  a. 
Glockenrand  mit  ganzrandigem  Velum. 
Seitentaschen  ohne  Nebencanäle. 
Fangfäden  in  die  Seitentaschen  mündend. 
Magen    gegen    den    Mundtrichter    ver- 

schHessbar. 
Magenfäden    solid,    in   die   Magenhöhle 

gerichtet. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  VII,  VIII  und  IX. 

Fig.      I.    Tamoya  haplonema,  halbe  nat.  Gr. 

Fig.     2.    Keulenförmiger  Anhang  mit  2   Fangfäden. 

F'g>     3-    Querschnitt  der  Glocke  in  der  Höhe  der  Nischen. 

Fig.     4.    Desgl.  2  cm  höher. 

Fig.     5.    Längsschnitt  durch  den  Ursprung  des  keulenförmigen  Anhangs. 

Fig.     6.  7.  8.    Querschnitte  desselben,  oben,  mitten  und  unten. 

Fig.     9.    Längsschnitt  durch  die  Nische. 

Fig.   10.    Der  untere  Theil  der  Glocke  von  Innen. 

Fig.  II.  Eingang  in  den  Kanal  des  keulenförmigen  Anhangs,  von  Innen;  der  innere 
Fortsatz  des  Anhangs  durchschnitten  und  zurückgebogen. 

Fig.  2 — II  in  nat.  Gr.  Es  bedeutet  in  diesen  Figuren  a  Eckwulst  der  Glocke. 
b  Innenwand  der  Seitentasche,  c  Scheidewand  zwischen  Magen  und  Glocke,  d  Genital- 
platten,    n  Nervenring,     i'  Velum. 

Fig.   12.    Verzweigung  der  Gastrovasculärsystems  im  Velum,  etwas  vergrössert. 

Fig.  13.  Nesselzellen  der  Fangfäden;  a  mit  vorgetretenem  Nesselfaden;  b  mit  den 
umgebenden  soliden  Fäden ;  c  einzelne  dieser  Fäden,  abgerissen. 

Fig.   14.    Nesselzellen  aus  der  Magen  wand. 

Fig.   15.    Solide  Achsenstränge  der  Magenfäden,  vergr. 

Fig.   16.    Randkörper,  desgl. 

Fig.   17.    Das  grössere  Auge  desselben,  stärker  vergr.  n  Pigmentzellen,  noch  mehr  vergr. 

Fig.    18.    Tamoya  quadrumana,  halbe  nat.  Gr. 

Fig.   ig.    Handförmiger  Anhang. 

Fig.  20.    Eingang  der  Nische. 

Fig.  21.  Längsschnitt  durch  die  Nische;  a  Scheitel  der  Glocke;  b  eiförmige  Wulst  am 
Eingang  der  Seitentaschen ;  c  Verdickung  der  Glocke,  von  der  die  fingerförmigen  Anhänge 
entspringen ;  d  Innenwand  der  Seitentasche ;  v  Velum. 

Fig.  22.  Querschnitt  nacli  der  Linie  AB  (Fig.  21);  a  Aussenwand  der  Glocke 
b  Wulst  unterhalb  der  Nische;  c  Wand  des  Fortsatzes  der  Seitentasche. 

Fig  2T^.  Verzweigung  des  Gastrovasculärsystems  ins  Velum,  von  Innen;  <?  Grenzlinie 
der  Seitentaschen;  b  Fortsätze  der  Seitentaschen;  c  Wulst  unterhalb  der  Nische;  n  Nervenring. 

Fig.   19—23  in  nat.  Gr. 

Fig.  24.    Grund  der  Glocke,  halbe  nat.  Gr. 

Fig.  25.    Ende  eines  Magenfadens,  vergr.  a  Körperchen  aus  der  umgebenden  Flüssigkeit. 

Fig.  26.  Magen  und  Mundtrichter,  nat.  Gr.;  die  Glocke  ist  umgestülpt,  der  Magen 
aufgeblasen. 

Fig.  2"].    Einige  Aeste  der  dendritischen  Drüse,  schwach  vergr. 

Fig.  28.  Ganglion  an  der  Basis  der  bandförmig.  Anhänge,  vergr.  a  Seitentaschen. 
b  Fortsätze  derselben  ins  Velum.  c  Innere  Mittelfurche  der  Eckwülste,  d  Heller  Saum 
des  Nervenrings,     v  Velum. 

Fig.  29.    Ei  aus  dem  Ovarium,  vergr. 

Fig.  30.    Genitalplatten  von  Tamoya  haplonema,  nat.  Gr. 

Fig.  31 — 33.    Stücke  der  Hoden  derselben  Art,  vergr. 


Polypen  und  Quallen  von  Santa  Catharina^). 
Die  Formwandlungen  der  Liriope  catharinensis  n.  sp.  2) 

Mit  Tafel  X  und  XI. 

Liriope  catharinensis  ist  —  und  ich  gab  ihr  deshalb  diesen  Namen  — ,  die 
häufigste  Schirmqualle  im  Meere  von  Santa  Catharina.  Sie  schliesst  sich  eng  an 
die  Liriope  mucronata  Gegenb.  an,  besitzt,  wie  diese,  vier  längere  und  vier  be- 
deutend kürzere  Randfäden,  ganzrandigen  Mund,  farbloses  Gastrovasculärsystem, 
so  wie  die  frei  in  den  Magen  ragende  konische  Spitze  des  Magenstiels,  unter- 
scheidet sich  aber  durch  geringere  Grösse,  da  sie  kaum  je  6  mm  im  Durchmesser 
überschreiten  dürfte,  durch  20  bis  30  röthlich  gefärbte  rundliche  Nesselknöpfe  am 
Mundsaume  und  durch  röthliche  Färbung  des  Stromas,  in  das  die  in  ringförmige 
Wülste  geordneten  Nesselzellen  der  Fangfäden  eingebettet  sind.  Diese  Hinweisung 
auf  L.  mucronata  genügt,  ein  vorläufiges  allgemeines  Bild  des  Thieres  zu  geben ; 
ich  wende  mich  daher  sofort  zu  näherer  Betrachtung  der  einzelnen  Theile. 

Der  Schirm,  vollkommen  farblos  und  glashell,  bildet  eine  Glocke  von  etwa 
5  mm  Durchmesser  mit  kuglig  gewölbtem  Scheitel ;  die  Höhe,  nicht  unbedeutenden 
individuellen  Schwankungen  unterworfen,  mag  durchschnittlich  ^s  ^^s  Durch- 
messers betragen.  Die  Gallertsubstanz  ist  ansehnlich  dick  und  nimmt  meist  die 
reichliche  Hälfte  der  Höhe  ein.  Aus  der  Mitte  der  hohlen  Fläche  entspringt 
als  solider  Fortsatz  des  Schirms  ein  etwa  2  mm  langer,  0,4  mm  dicker, 
in  eine  konische  Spitze  auslaufender  Zapfen  (Fig.  2),  an  den,  etwa  0,5  mm  von 
der  Spitze,  sich  der  Magen  inserirt.  Die  verästelten  Fasern,  die  Max  Schultze 
aus  der  Gallertsubstanz  der  höheren  Medusen  beschrieben  hat  und  die  ich  höchst 
entwickelt  schon  im  frischen  Zustande   und   bei   schwacher  Vergrösserung  leicht 


[)  Archiv  für  Naturgeschichte.  1859.  I.  p.  310 — 321.  Taf.  XI. 

2)  Der  Name  Liriope  ist  zwei  Mal  vergeben,  einmal  an  die  in  Rede  stehende  Meduse  von  Lassen 
(Histoire  nat.  des  zoophytes.  Acalephes  p.  331),  zum  anderen  an  einen  Krebs  von  Rathke  (Beiträge  zur 
Fauna  Norwegens  p.  60).  Es  könnte  zweifelhaft  erscheinen,  welchem  der  beiden  Thiere  als  dem  früher 
getauften  der  Name  verbleiben  soll,  da  die  beiden  angeführten  "Werke  in  ein  und  demselben  Jahre  (1843) 
erschienen  sind.  Doch  stammt  Lesson's  Name  offenbar  aus  früherer  Zeit,  da  er,  wie  aus  Agassiz  Nomen- 
clator  zoologicus  zu  schliessen,  schon  in  dem  freilich  nicht  im  Buchhandel  erschienenen  Prodome  d'une  Mono- 
graphie des  Meduses  von  Lesson,  Rochefort  1837  enthalten  Ist.  Somit  würde  der  Krebs  zurückstehen, 
und  schlage  ich  vor,  dessen  Namen  in  Liriopsis  umzuwandeln.  Max  Schultze. 


Q^  Polypen  und  Quallen  von  Santa  Catharina. 

bemerklich  bei  mehreren  niederen  Quallen  (Aeginiden,  Aequorea  etc.)  wiederfand, 
sind  bei  unserer  Liriope  sehr  zart  und  wurden  mir  erst  durch  Behandlung  mit 
Chromsäurelösung  sichtbar.  Sie  verästeln  sich  unter  sehr  spitzen  Winkeln,  deren 
Schenkel  vorherrschend  eine  radiäre  Richtung  zu  haben  scheinen.  Ich  bemerke 
ausdrückHch,  dass  ich  diese  Fasern  auch  in  dem  von  Gegenbaur  bei  L.  mucro- 
nata  für  hohl  erklärten  Magenstiel  verfolgt  habe. 

Der  Magen  hängt,  wenn  das  Thier  ruhig  im  Wasser  schwebt,  als  cylind- 
risches  Rohr  (von  1,5  mm  Länge  und  0,15  mm  Durchmesser)  von  seinem  Stiele 
nieder,  schon  für  das  blosse  Auge  durch  seine  geringere  Durchsichtigkeit  scharf 
gegen  den  glashellen  Stiel  sich  absetzend.  Er  besitzt  dieselbe  Beweglichkeit  und 
zeigt  deshalb  dieselbe  wunderbare  Vielgestaltigkeit,  die  man  an  dem  Magenrohre 
anderer  Quallen  beobachtet.  Nicht  selten  verkürzt  er  sich  so,  dass  die  Spitze  des 
Magenstiels  mehr  oder  weniger  vorsieht,  eine  vollständige  Umstülpung,  wie  sie 
Gegenbaur  von  L.  mucronata  beschreibt  und  abbildet,  sah  ich  nur  bei  ab- 
sterbenden Thieren.  Der  Rand  zeigt  keine  Spur  von  Lappenbildung,  ist  dagegen 
geziert  mit  einer  Reihe  von  etwa  25  rundlichen  blassröthlichen  Knöpf chen  (Fig.  2 
und  3)  von  0,03  bis  0,04  mm  Durchmesser,  in  welche  reichliche  Nesselzellen  ein- 
gelagert sind.  Vereinzelte  Nesselzellen  finden  sich  auch  sonst  in  der  Nähe  des 
Mundsaumes. 

Das  ganz  farblose  und  sehr  zartwandige  Gastrovascularsystem  ist  bei 
hungernden  Thieren  schwer  zu  erkennen;  die  mattweisse  Trübung,  die  auch  bei 
diesen  im  Absterben  sich  zeigt,  ist  mehr  geeignet  zu  verwirren,  als  ein  klares 
Bild  zu  geben.  Dagegen  ist  es  auf  das  Prächtigste  bei  recht  lebenskräftigen  eine 
tüchtige  Mahlzeit  verdauenden  Thieren  zu  sehen.  Hier  strotzt  es  von  durch- 
scheinenden, lebhaft  umherströmenden  Kügelchen  von  0,01  bis  0,015  mm  Durch- 
messer, die  theils  durch  Flimmercilien,  theils  durch  die  Contractionen  des  Magens 
in  Bewegung  gesetzt  werden.  Vom  Magen  steigen  vier  Gefässe  am  Magenstiele 
in  die  Höhe,  und  nachdem  sie  (etwa  0,16  mm  breit)  aus  dem  Grunde  der  Glocke 
sich  abwärts  auf  die  innere  Seitenfläche  gewendet,  erweitern  sie  sich  zu  breiten, 
flachen,  ovalen  Taschen  von  wechselnder  Ausdehnung  (etwa  1,3  mm  lang  und 
0,9  bis  I  mm  breit),  die  fast  bis  zu  dem  Ringgefässe  niederreichen,  mit  dem  sie 
durch  einen  kurzen,  weiten,  nach  dem  Ringgefässe  zu  verbreiterten  Kanal  in  Ver- 
bindung stehen.  In  der  Mitte  zwischen  den  Einmündungen  der  Radiärgefässe 
zeigt  das  weite  Ringgefäss  eine  ansehnliche  Bucht  (Fig.  23),  indem  sein  innerer 
Rand  einen  nach  innen  convexen  Bogen  beschreibt,  —  eine  Andeutung  der  cen- 
tripetalen  Gefässe  der  Geryonia  proboscidalis.  —  Die  festen  Elemente  der  er- 
nährenden Flüssigkeit  sieht  man  besonders  gegen  Ende  der  Verdauung  aus  dem 
Magen  in  die  Gefässe,  aus  diesen  in  jenen  strömen  und  hier  ebenfalls  durch 
Flimmern  umhergetrieben.  Einen  komischen  Anblick  gewährte  bei  einem  solchen 
in  der  Verdauung  beobachteten  Thiere  ein  Stück  seines  Fangfadens,  was  mit  einer 
Anzahl  Cyclopiden  verschluckt  worden  war,  und  während  diese  verdaut  wieder 
ausgestossen  wurden,  noch  ganz  unversehrt  wurmartig  im  Magen  herum  und 
schliesslich  zum  Munde  hinauskroch.  —  Man  bewundert  die  Geschicklichkeit,  mit 
der  durch  stellenweise  Contractionen  und  Erweiterungen  des  Magenrohrs  die  aus- 
gesogenen Chitinhüllen  der  meist  aus  kleinen  Krustern  (Cyclopiden,  Mysis  etc.) 
bestehenden  Nahrung  von  den  assimilirten  Stoffen  gesondert  und  endlich  entfernt 


Polypen  und  Quallen  von  Santa  Catharina.  qc 

werden,  ohne  dass  dabei  ein  Körnchen  der  ernährenden  Flüssigkeit  mit  verloren 
ginge.  Zu  anderen  Zeiten  ist  der  Magen  gegen  die  Gefässe  abgeschlossen ;  durch 
Druck  des  Deckgläschens  sieht  man  letztere  oft  unmittelbar  über  dem  Magen 
durch  hineingepresste  Ernährungsflüssigkeit  ansehnlich  aufgetrieben,  ohne  dass 
diese  in  den  Magen  entweicht  (Fig.  2). 

Der  Einmündung  der  Radiärgefässe  gegenüber  setzt  sich  das  Gastrovascular- 
system  fort  in  die  hier  entspringenden  Fangfäden,  in  deren  Basis  man  bis- 
weilen die  im  Ringkanale  umhertreibenden  Körperchen  eintreten  und  flimmernd 
bewegt  sieht.  Wenn  diese  Fäden  in  voller  Ausdehnung  vom  ruhenden  Thiere 
niederhangen,  übertreffen  sie  es  vielmals  an  Länge  und  erscheinen  dem  blossen 
Auge  als  zarte  Perlenschnüre;  während  jetzt  die  Perlen  etwa  um  ihren  vierfachen 
Durchmesser  von  einander  entfernt  sind,  verfliessen  sie  vollkommen  bei  starker 
Contraction  der  Fangfäden,  die  sich  dann  als  röthliche  den  Durchmesser  des 
Thieres  kaum  übertreffende  Würstchen  darstellen.  Jene  Perlen  sind  ringförmige 
Wülste,  die  in  einem  röthlichen  Stroma  zahlreiche  längliche  Nesselzellen  ein- 
gebettet enthalten. 

Zwischen  den  Fangfäden  finden  sich  im  Umkreise  des  Schirmrandes  vier 
kurze  Tentakel,  von  etwa  0,8  mm  Länge  und  0,05  mm  Dicke;  in  jeder  Be- 
ziehung so  verschieden  von  jenen,  dass  ich  sie  nicht  mit  gleichem  Namen  be- 
zeichnen mag;  —  sie  entspringen  nicht  vom  Ringgefässe,  sondern  über  demselben 
von  der  Aussenfläche  des  Schirms,  sind  solid  mit  grosszelliger  Achse,  wenig  be- 
weglich und  namentlich  nicht  contractu  in  der  Richtung  ihrer  Länge.  Beim 
ruhenden  Thiere  sind  sie  starr  nach  aussen  und  etwas  nach  oben  gerichtet;  sie 
sind  leicht  gebogen,  nach  der  Spitze  schwach  verjüngt  und  tragen  an  der  oberen 
Hälfte  der  convexen  in  der  gewöhnlichen  Lage  aus-  und  abwärts  gerichteten 
Seite  etwa  8  halbkuglige  Nesselballen  (von  Eschscholtz  bei  Eurybia  als  Saug- 
warzen bezeichnet). 

Die  Nesselzellen  (Fig.  8)  sind  von  gewöhnlicher  Form  und  der  durch 
verdünnte  Säuren  leicht  zum  Vorschnellen  zu  bringende  Nesselfaden  erschien  ein- 
fach, ohne  weitere  Bewaffnung  erkennen  zu  lassen. 

Um  das  Ringgefäss  zieht  sich  ein  ziemlich  undurchsichtiger  gelblicher  Saum 
der  namentlich  nach  aussen  scharf  contourirte  rundliche  Zellen  von  0,005  bis 
0,008  mm  Durchmesser  zeigt  und  auf  dem  mehr  oder  weniger  reichliche  Nessel- 
zellen liegen.  An  der  Basis  der  Tentakel  und  in  der  Mitte  zwischen  diesen 
Stellen  zeigt  er  längliche  Anschwellungen,  denen  die  sogenannten  „Randbläschen" 
aufsitzen.  Mit  aller  Wahrscheinlichkeit  ist  er  als  Nervenring  zu  deuten;  dafür 
spricht  ausser  den  Randbläschen  tragenden  Anschwellungen,  dass  sich  von  jeder 
dieser  Anschwellungen  ein  zarter,  aber  scharf  begrenzter  Strang  nach  oben  ver- 
folgen lässt,  vier  zur  Basis  der  Tentakel,  vier  zu  Punkten,  an  denen  das  jüngere 
Thier  dem  erwachsenen  meist  vollständig  fehlende  Tentakel  getragen  hat  (Fig.  6 
und  7). 

Unter  dem  Ursprünge  der  Tentakel,  den  Raum  zwischen  diesem  und  dem 
entsprechenden  Ganglion  des  Nervenrings  ziemlich  vollständig  füllend,  so  wie 
schief  nach  oben,  neben  dem  Urspnmge  der  Fangfäden,  die  aus  dem  Ring- 
gefässe hervorgehend  dicht  über  dem  Nervenring  nach  aussen  treten,  —  sitzt  auf 
der  Aussenfläche  des  Schirms  je  ein  sogenanntes  „R  and  blas  chen".    Die  rund- 


gg  Polypen  und  Quallen  von  Santa  Catharina. 

liehen  Blasen  haben  etwa  0,03  mm  Durchmesser  und  zeigen  eine  doppelte  Contour ; 
am  oberen  Rande  entfernt  sich  die  innere  von  der  äusseren,  eine  Art  breiten, 
kurzen  Stiel  bildend,  auf  dem  eine  gelbliche  Kugel  von  0,02  mm  Durchmesser 
aufsitzt.  Diese,  dem  Stiele  gegenüber  leicht  ausgehöhlt,  umfasst  hier  eine  kleinere, 
stark  lichtbrechende  Kugel  (Fig.  9).  —  Häufiger  bietet  sich  das  Randbläschen 
dem  Auge  so  dar  (Fig.  10),  dass  man  die  grössere  Kugel  als  Halbmond  der 
kleineren  sich  anschliessend  sieht,  seltener  so,  dass  sie  als  concentrische  Hülle 
derselben  erscheint. 

Diese  Struktur  der  Randbläschen  mag,  wenn  auch  bei  anderen  Arten  weniger 
leicht  erkennbar,  ziemlich  häufig  vorkommen;  den  Halbmond  neben  der  licht- 
brechenden Kugel  sehe  ich  in  meinen  älteren  Zeichnungen  von  Olindias  n.  gen. 
und  finde  ihn  auch  in  den  5  bis  7  solcher  Kugeln  enthaltenden  Randbläschen 
einer  Eucope,  und  das  Randbläschen  „mit  einer  nochmals  besonders  umhüllten 
Concretion",  das  Gegenbaur  von  Geryonia  proboscidalis  erwähnt,  scheint  auf 
etwas  Aehnliches  hinzuweisen.  —  Wie  man  sonst  mit  Ehrenberg  jeden  Pigment- 
fleck als  Auge  anzusprechen  pflegte,  so  ist  man  seit  der  Entdeckung  der  Gehör- 
bläschen der  Mollusken  sehr  freigebig  mit  dem  Namen  Gehörorgan  gewesen  und 
auch  die  Randbläschen  der  Quallen  erhalten  jetzt  allgemein  diese  Deutung.  Nach 
der  gegebenen  Beschreibung  muss  ich  mich  gegen  diese  Ansicht  und  für  die 
Auffassung  von  A  g  a  s  s  i  z  erklären,  der  in  ihnen  Augen  sieht  (pigmentlose  Augen 
kommen,  beiläufig  bemerkt,  auch  bei  den  Cyclopiden  vor),  und  werde  daher  weiter- 
hin das  „Randbläschen"  als  Auge,  die  „kuglige  Concretion"'  als  Linse,  die 
grössere  Kugel,  in  welche  diese  eingebettet  ist,  als  Sehnerven  bezeichnen. 
Wenn  ich  von  Auge  und  Sehnerven  spreche,  will  ich  indess  damit  keineswegs 
behaupten,  dass  in  diesen  Organen  das  Licht  als  Licht  empfunden  werde.  Im 
Gegentheil  scheint  es  mir  kaum  statthaft,  eine  Differenzirung  in  spezifische  Sinnes- 
nerven anzunehmen,  wo  sich  oft  nur  mit  Mühe  Spuren  eines  Nervensystems  nach- 
weisen lassen.  Wie  w  i  r  mit  der  Hand  die  tropische  Mittagssonne  leicht  vom 
Schatten  unterscheiden,  wie  wir  diese  Unterscheidung  erleichtern  können  durch 
schwarze  Bemalung  oder  eine  passend  angebrachte  Linse,  —  so  mögen  auch  viele 
niedere  Thiere  im  Lichte  nur  die  begleitenden  Wärmestrahlen  empfinden.  Ja, 
eine  mit  dunkelem  Pigment  überlagerte  Nervenanschwellung,  wie  es  üblich  ist, 
als  Auge  zu  bezeichnen,  erscheint  geradezu  widersinnig,  wenn  man  darunter  nicht 
ein  solches  Wärmeauge  verstehen  will;  denn  wie  sollte  die  Empfindung  des  Lichtes 
dadurch  vermittelt  werden,  dass  man  den  Nerven  durch  eine  undurchsichtige  Hülle 
gegen  das  Licht  schützt? 

Das  Velum  ist  von  massiger  Breite,  quergespannt  und  wie  gewöhnlich, 
der  Sitz  reichlicher  Ringmuskelfasern.  An  der  Unterfläche  des  Schirms  sind  die 
Ringmuskeln  schwächer  entwickelt,  als  man  sie  sonst  bei  Schirmquallen  zu 
sehen  gewohnt  ist,  sie  finden  sich  auch  am  Magenstiel.  Von  den  Einmündungs- 
stellen  der  Radiärgefässe  in  das  Ringgefäss  entspringen  vier  radiäre  Faser- 
züge in  einer  Breite  von  etwa  0,16  mm,  verschmälern  sich  rasch  bis  auf  ein 
Drittel  dieser  Breite  und  lassen  sich  so  auf  der  Mitte  der  Radiärgefässe  bis  in 
die  Nähe  des  Magenstiels  verfolgen.  Acht  breitere  Faserzüge  begleiten  seitlich 
die  Radiärgefässe  vom  oberen  Rande  der  taschenförmigen  Erweiterungen  an, 
treten  mit  ihnen  auf  den  Magenstiel  und  füllen  hier  den  ganzen  Raum  zwischen 


Polypen  und  Quallen  von  Santa  Catharina. 


97 


den  Gefässen.  Die  Muskeln  scheinen  aus  spindelförmigen  Fasern  zusammen- 
gesetzt, oder  um  lieber  das  Beobachtete  statt  des  Erschlossenen  anzuführen,  man 
sieht  eine  feine  parallele  Strichelung,  ohne  die  einzelnen  Striche  auf  eine  grössere 
Länge  verfolgen  zu  können. 

Die  Geschlechtsstoffe  entwickeln  sich  in  der  der  Schirmhöhle  zuge- 
kehrten Wand  der  taschenförmigen  Erweiterungen  der  Radiärgefässe.  Die  Ovarien 
erscheinen  fast  durchsichtig,  die  Hoden  stärker  weisslich  getrübt,  so  dass  sich 
schon  mit  blossem  Auge  Männchen  und  Weibchen  ziemlich  sicher  unterscheiden 
lassen.  Die  Eier  bilden  eine  einzige  Schicht  und  finden  sich  nebeneinander  in 
der  verschiedensten  Grösse  bis  zu  0,13  mm  Durchmesser,  mit  deutlichem  Keim- 
bläschen von  0,03  mm  Durchmesser  und  Keimfleck;  sie  erhalten  durch  gegen- 
seitigen Druck  meist  unregelmässige  Formen ;  die  reiferen  springen  hüglig  in  die 
Schirmhöhle  vor.  Die  Samenfäden  sind  stecknadelförmig  mit  ellipsoidischem 
Knopf  und  zartem  langen  Faden.  Die  Geschlechtsproducte  werden  nicht,  wie 
Gegenbaur  anzunehmen  scheint,  nach  innen  ins  Gastro vascularsystem,  sondern 
nach  aussen  entleert.  Für  die  Männchen  konnte  ich  dies  durch  direkte  Beobach- 
tung constatiren  und  für  die  Weibchen  wird  es  mehr  als  wahrscheinlich  durch 
die  Analogie  mit  den  Männchen,  mit  anderen  Quallen  und  durch  das  Hervorragen 
der  Eier  in  die  Schirmhöhle. 


Indem  ich  von  der  Beschreibung  des  geschlechtsreifen  Thieres  übergehe  zur 
Schilderung  der  Formwandlungen,  die  es  während  des  Heranwachsens  erleidet, 
bedauere  ich  mit  Bezeichnung  einer  empfindlichen  Lücke  beginnen  zu  müssen. 
Versuche,  in  der  Gefangenschaft  junge  Brut  zu  erhalten,  blieben  bis  jetzt  ohne 
Erfolg;  das  dem  Folgenden  zu  Grunde  liegende  Material  wurde  aus  dem  Meere 
gefischt ;  ich  muss  daher  den  Beweis  schuldig  bleiben,  dass  die  jüngsten  allerdings 
höchst  einfachen  Formen  direkt  aus  dem  Eie  der  Liriope  hervorgegangen  sind, 
—  ein  Beweis,  der  um  so  Wünschenswerther  wäre,  da  ich  bei  denselben  das  sonst 
dergleichen  Embryonen  charakterisirende  Flimmerkleid  vermisse,  und  da  wir 
wissen,  dass  die  in  der  Verdauungshöhle  der  Aeginiden  sprossenden  Jungen  in 
gleich  unvollkommenem  Zustande  sich  von  der  Mutter  lösen,  wenn  auch  nicht 
sie  verlassen. 

Die  jüngsten  mir  zur  Beobachtung  gekommenen  Embryonen  (Fig.  13)  sind 
kuglig  von  0,2  bis  0,3  mm  Durchmesser,  durchsichtig,  von  kleinzelligem  Gefüge 
und  zeigen  eine  geschlossene  Höhle,  die  etwa  Y3  des  Durchmessers  einnimmt  und 
excentrisch  dicht  unter  der  Oberfläche  der  Kugel  gelagert  ist.  An  dieser  Stelle 
zeigt  letztere  eine  die  innere  Höhle  etwas  überragende  und  über  das  Niveau  der 
Kugel  unbedeutend  sich  erhebende  minder  durchsichtige  Platte.  Der  nächste 
Fortschritt  (Fig.  14)  ist  die  Eröffnung  der  inneren  Höhle  durch  Bildung  eines 
Lochs  in  dieser  Platte,  die  sich  bald  durch  ihre  Contractionen  als  Velum  zu  er- 
kennen giebt.  Im  Umkreise  derselben  erscheinen  (Fig.  15)  vier  warzenförmige 
Hervorragungen,  um  sich  zu  kurzen  Tentakeln  zu  entwickeln  (Fig.  16),  die  ein 
endständiges  Nesselknöpf chen  und  über  diesem  ein  kurzes  Fädchen  tragen.  Zwischen 
ihnen  in  einem  dem  Mittelpunkte  näheren  Kreise  sprossen  paarweis,  je  zwei  ein- 
ander gegenüberstehende  zu  gleicher  Zeit,  vier  andere  Tentakel  hervor  (Fig.  17), 
die  bald  die  älteren  an  Länge  übertreffen.  Jetzt  beginnt  auch  das  Gastrovascular- 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  7 


Qg  Polypen  und  Quallen  von  Santa  Catharina. 

System  deutlicher  hervorzutreten;  man  unterscheidet  das  matte  Ringgefäss,  an 
dessen  Rand  die  jüngeren  Tentakel  entspringen,  so  wie  bei  günstig  geöffnetem 
Velum  den  Magen  und  vier  nach  den  älteren  Tentakeln  gerichtete  Radiärgefässe. 
Der  Durchmesser  des  Thieres  ist  auf  etwa  0,35  mm  gestiegen.  —  Bei  einem  Durch- 
messer von  etwa  0,4  mm  (Fig.  18)  haben  die  jüngeren  Tentakel  die  Länge  des 
Halbmessers  erreicht,  und  an  der  Basis  des  älteren  Paares,  das  sich  durch  zwei 
Nesselballen  von  dem  jüngeren  mit  einem  einzigen  endständigen  Nesselknopfe 
versehenen  unterscheidet,  beginnen  die  ersten  Augen  sich  zu  entwickeln.  Im  Um- 
kreise des  Ringgefässes  treten  Nesselzellen  auf.  —  Ohne  weitere  wesentliche  Ver- 
änderung, als  das  Auftreten  neuer  Nesselballen  an  den  vier  jüngeren  Tentakeln 
und  die  Entwickelung  von  vier  vollständigen  Augen  an  deren  Basis,  erreicht  das 
Thier  die  Grösse  von  0,8  mm  (Fig.  19).  Wollte  man  es  jetzt  klassificiren,  so 
würden  es  seine  starren  Tentakel  zu  Gegenbaur's  Trach3^nemiden  verweisen; 
ihre  unbedeutenden  Krümmungen  sind  weniger  erheblich,  als  ich  sie  bei  einer 
mit  acht  Tentakeln  versehenen  Trachynemidenlarve  beobachtete.  —  Man  sieht 
um  diese  Zeit  häufig  eine  eigen thümliche  Bewegung  des  Thieres  Fig.  19,  B).  Das 
Velum  wird  fast  bis  zu  völligem  Verschlusse  contrahirt,  und  gleichzeitig  die  die 
Radiärgefässe  begleitenden  Muskeln,  wodurch  die  Schirmhöhle  eine  vierlappige 
Gestalt  annimmt;  die  Tentakel  werden  durch  diese  Contractionen  nach  innen  ge- 
schlagen und  schnellen  dann  plötzlich  wieder  nach  aussen.  —  In  dieser  Periode 
scheinen  die  Jungen  von  Liriope  oder  verwandten  Gattungen  schon  verschiedent- 
lich beobachtet  worden  zu  sein.  So  von  Eschscholtz,  dessen  Eurybia  exigua 
nur  durch  den  Mangel  der  auch  bei  unserer  Liriope  später  fehlenden  älteren 
Tentakel  sich  unterscheidet;  (die  angeblichen  Magentaschen  finden  ihre  Erklärung 
im  Hinblicke  auf  unsere  Fig.  19,  B  oder  23).  So  auch  von  Gegenbaur,  dessen 
Eurybiopsis  anisostyla  noch  vollständiger  unserem  Thiere  gleicht,  freilich  aber  sehr 
wesentlich  durch  vier,  nicht  den  kleineren,  sondern  den  grösseren  Tentakeln  ent- 
sprechende Radiärgefässe  sich  vuiterscheiden  würde,  wenn  diese  Angabe  nicht 
vielleicht  auf  einem  Irrthume  beruht.  —  Es  werden  also  die  Gattungen 
Eurybia  und  Eurybiopsis  als  blosse  Jugendzustände  von  Rüssel- 
quallen eingehen  müssen. 

Bis  zu  dieser  Zeit  haben  die  Thiere  so  ziemlich  ihre  ursprüngliche  Kugel- 
form bewahrt;  (man  sehe  die  auch  für  unser  Thier  passende  Seitenansicht,  die 
Gegenbaur  von  Eurybiopsis  giebt).  Jetzt  beginnt  eine  Verdünnung  der  Schirm- 
masse, und  eine  Ausdehnung  der  Glockenöffnung,  wodurch  die  auf  der  Unter- 
fläche liegenden  Tentakel  nach  dem  Rande  und  endlich  nach  dem  Rücken  ge- 
schoben werden.  Das  Thier  erscheint  dadurch  sehr  verflacht,  oft  nicht  einmal 
halbkuglig  und  beginnt  erst  mit  Ausbildung  der  vollständigen  Liriopeform  sich 
wieder  zu  mästen.  Zu  mästen;  denn  die  auch  bei  erwachsenen  Thieren  erheblich 
schwankende  Dicke  des  Schirms  scheint  hauptsächlich  von  dem  sparsameren  oder 
reichlicheren  Futter  abzuhängen,  das  die  Thiere  finden.  Eine  Anzahl  Liriope,  die 
über  eine  Woche  in  reinem  Seewasser  gehungert  hatten,  zeigten  alle  auffallend 
flache  Schirme. 

Um  nun  von  der  Eurybiaform  zu  der  der  ausgebildeten  Liriope  zu  gelangen, 
müssen  noch  die  Fangfäden  und  vier  Augen  auftreten,  und  muss  der  Magenstiel 
und  die  Bewaffnung  des  Mundsaumes  sich  ausbilden. 


Polypen  und  Quallen  von  Santa  Catharina.  qq 

Das  erste  Auftreten  der  Fangfäden  sah  ich  bei  einem  Thiere  von  i  mm 
Durchmesser  (Fig.  20),  wo  zwei  gegenüberstehende  als  kurze  zapfenförmige  Aus- 
stülpungen des  Ringgefässes  sich  zeigten  und  zwar  dicht  neben  dem  durch  zwei 
ältere  Tentakel  gezogenen  Durchmesser.  Die  nervöse  Natur  des  das  Ringgefäss 
umgebenden  Saumes  und  der  von  ihm  zu  den  Tentakeln  gehenden  zarten  Stränge 
zugegeben,  so  begreift  sich,  dass  die  Fangfäden  nicht  in,  sondern  neben  diesem 
Durchmesser  auftreten,  da  sie  sonst  den  Tentakelnerven  durchbrechen  müssten, 
und  ebenso  ersieht  man,  weshalb  die  Augen  in  ihrer  Lage  den  Tentakeln  und 
nicht  den  Fangfäden  entsprechen.  —  Die  Fangfäden  entwickeln  sich  also  eben- 
falls paarweise,  je  zwei  gegenüberliegende  zu  gleicher  Zeit,  und  dasselbe  gilt  von 
den  vier  noch  fehlenden  Augen.  Zuerst  erscheint  von  diesen  der  Sehnerv 
(Fig.  12)  als  gelbliches  Kügelchen,  das  ohne  scharfe  Grenze  auf  dem  Nervenring 
aufsitzt,  genau  in  dem  durch  zwei  ältere  Tentakel  gezogenen  Durchmesser.  Von 
diesem  hebt  sich  dann,  wenn  er  ziemlich  seine  definitive  Grösse  erreicht  hat,  die 
anfangs  querelliptische  Blase  ab  (Fig.  ii,C),  und  endlich  tritt  auf  ihm  die  an- 
fangs fast  punktförmige  aber  schon  jetzt  stark  lichtbrechende  Linse  auf  (Fig.  11,  B). 

Etwa  gleichzeitig  mit  dem  Auftreten  der  Augen  erscheint  die  erste  Spur 
des  Stiels  in  dem  breiten  Grunde  des  noch  kurzen  Magens,  an  dessen  Rand 
schon  früher  (Fig.  21)  die  Nesselk  nöpf  chen  sichtbar  geworden  sind.  Der 
Stiel  bildet  anfangs  einen  ganz  frei  in  die  Magenhöhle  ragenden  Kegel,  dessen 
Basis  bei  weiterem  Wachsthume  den  ganzen  Grund  des  Magens  füllt  (Fig.  22). 
Indem  jetzt  die  Magenwand  mit  dem  Umfange  der  Kegelbasis  verwächst,  wird 
der  Magen  natürlich  bei  weiterer  Verlängerung  des  kegelförmigen  Zapfens  von 
dem  Schirme  abgehoben  (Fig.  23,  B)  und  endlich  aus  der  Glocke  hinausgeschoben, 
und  so  ist  denn,  bei  einem  Durchmesser  von  3  bis  4  mm  die  vollkommene  Liriope- 
form  hergestellt.  Mit  der  Verlängerung  des  Stiels  hält  die  Verlängerung  des 
Magenrohrs  gleichen  Schritt,  so  dass  die  ältesten  Thiere  sich  ebenso  durch  einen 
besonders   langen  Magen,   wie   durch   einen    besonders  langen  Stiel  auszeichnen. 

Thiere,  die  vollständig  und  wohl  entwickelt  alle  zwölf  Randanhänge  tragen, 
sind  nicht  eben  selten ;  auffallender  Weise  steht  dann  hier  deren  Länge  im  um- 
gekehrten Verhältnisse  zu  ihrem  Alter;  indess  pflegen  früher  oder  später  die 
ältesten  für  das  erwachsene  Thier  äusserst  winzigen  Tentakelchen  sich  zu  ver- 
lieren und  selten  nur  sieht  man  eins  oder  das  andere  bei  geschlechtsreif en  Thieren 
erhalten. 

Desterro,  April   185g. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  X  und  XL 

Fig.  5  —  7  und  13 — 20  sind  5omal,  g  und  10  sind  i75mal,  11  und  12  sind  35omal 
vergrössert.  In  allen  bedeutet:  -F.  Fangfaden,  G.  Radiärgefäss,  M.  Magen,  AI  Nervenring, 
i?.  Ringgefäss,  6'.  äussere  Grenze  der  Schirmhöhle,  /.  ältere,   T.  jüngere  Tentakel,    V.  Veluni. 

Fig.  I.  Liriope  catharinensis  (6mai  vergr.),  von  den  Fangfäden  ist  kaum  Y3  der 
Länge  gezeichnet. 

Fig.  2.    Magenstiel    und    Magen,    unterm   Druck    des    Deckgläschens     (3omal). 

Fig.  3.    Nesselknopf  vom  Mundrand  (i5omal). 

Fig.  4.   Stück  des  Fangfadens  in  massiger  Contraction  (loomal). 


lOO 


Polypen  und  Quallen  von  Santa  Catharina. 


Fig.     5.    Tentakel  von  aussen. 

Fig.     6.    Ursprung  dessselben  von  innen. 

Fig.      7.    Ursprung  des  Fangfadens   von  aussen. 

Fig.     8.    Nesselzelle  aus  dem  Endballen  der  Tentakel  (50omal). 

Fig.     9  u.  10.    Augen  neben  der  Basis  der  Fangfäden. 

Fig.  II.  Augen  eines  Thiers  von  2,5  mm  Durchmesser.  A.  von  der  Basis  der 
Tentakel.     B.  und  C.  von  der  Basis  der  Fangfäden. 

Fig.   12.    Auge  von  der  Basis  des  Fangfadens  eines  Thieres  von  2,2  mm  Durchmesser. 

Fig-  13 — 20.  Jugendzustände  der  Liriope  catharinensis  von  0,25  bis  i  mm  Durch- 
messer —  In  Fig.  18  sind  Magen  und  Ringgefässe  wegen  stark  contrahirten  Velums  nicht 
sichtbar;  Fig.  19,  B  zeigt  die  Tentakel  eingeschlagen.  Alle  Ansichten  sind  von  unten, 
mit  Ausnahme  von  Fig.   13,  B  und  Fig.   15. 

Fig.  21.    Magen    eines  Thieres    von  2  mm  Durchmesser  (3omal),  von  unten. 

Fig.  22.  Magen  eines  Thieres  von  2,2  mm  Durchmesser,  mit  etwas  umgebogenem 
Mundrande. 

Fig.  23.  A.  Thier  von  2,5  mm  Durchmesser,  in  der  Verdauung  begriffen,  mit 
strotzend  gefüllten  Gefässen  (lörnal).    B.   Magenstiel  desselben  (4omal). 

Fig.  24.  Schematischer  Längsschnitt  durch  den  Ursprung  der  Tentakel.  71  Tentakel - 
nerv?     S.  Schirm. 

Fig.  25.    Schematischer  Längsschnitt  durch  den  Ursprung  der  Fangfäden. 


Polypen  und  Quallen  von  Santa  Catharina^). 
Philomedusa  Vogtii  n.  sp. 

Mit   I   Textfigur. 

Die  Schirmquallen  werden  von  den  mannichfachsten  Schmarotzerthieren  heim- 
gesucht. Infusorien  wimmeln  in  den  Hoden  der  Tamoya;  Trematoden  und  andere 
Eingeweidewürmer  finden  sich  oft  in  Menge  in  der  Gallertsubstanz  verschiedener 
Arten;  Asseln,  Amphipoden  und  ein  glasheller  Palaemon  bewegen  sich  in  dem 
Schleime  der  Scheibe  und  der  Arme,  deren  Nesselfäden  anderen  Krustern  raschen 
Tod  bringen,  und  eine  im  Verhältnis  zum  Wohnthiere  riesige  Krabbe  (Libinia?) 
pflegt  zwischen  den  vier  die  Armplatte  der  Rhizostomiden  tragenden  Säulen  zu 
sitzen.  Vor  allen  merkwürdig  aber  unter  diesen  Schmarotzern  und  wohl  werth 
einer  besonderen  Beschreibung  erschien  mir  der  actinienähnliche  Polyp,  dem  die 
folgenden  Zeilen  gewidmet  sind,  theils  als  das  erste  parasitisch  lebende  Thier 
dieser  Gruppe,  theils  weil  seine  fast  quallenartige  Durchsichtigkeit  einen  leichten 
und  sicheren  Einblick  in  seine  übrigens  sehr  einfachen  anatomischen  Verhältnisse 
gestattet. 

Philomedusa  Vogtii,  wie  ich  das  Thier  benenne  2),  erscheint,  wenn  sie  die 
Leibeshöhle  mit  Wasser  aufgeschwellt  hat,  als  cylindrischer  Schlauch  von  etwa 
30  mm  (selten  bis  50  mm)  Länge  und  etwa  5  mm  Dicke.  Das  Hinterende  ist  in 
der  Regel  schwach  verjüngt,  kuglig  abgerundet  oder  mehr  weniger  trichterförmig 
eingezogen.  Am  vorderen  Ende  steht  ein  Kranz  von  zwölf  kurzen  (gegen  4  mm 
langen),  plumpen,  cylindrischen  Tentakeln  mit  abgerundeter  geschlossener  Spitze, 
die  bald  in  einer  Ebene  ausgebreitet,  bald  schief  nach  vorn  gestreckt,  besonders 
häufig  aber  nach  hinten  zurückgebogen  getragen  werden.  Die  Tentakel  sind 
sämmtlich  von  nahezu  gleicher  Länge;  doch  kann  man,  obschon  diese  Ungleichheit 
oft  durch  verschiedenen  Contractionszustand  derselben  verwischt  wird,  sechs  längere 
und  sechs  mit  ihnen  abwechselnde  etwas  kürzere  unterscheiden.  Zwischen  je  zwei 
Tentakeln   beginnend  durchziehen  zwölf  seichte  Längsfurchen  die  Oberfläche 


1)  Archiv  für  Naturgeschichte.   1860.  I.  p.  57 — 63.  Taf.  II,  Fig.   i. 

2)  Den  Gattungsnamen  wählte  ich  nach  der  Lebensweise ;  durch  den  Artnamen  sei  es  mir  gestattet, 
meine  Hochachtung  Hrn.  C.  Vogt  zu  bezeigen,  in  dem  ich  neben  dem  geistvollen  Naturforscher  zugleich 
den  rüstigen  Kämpfer  für  die  Principien  verehre,  deren  Unterdrückung  auch  mich  aus  der  alten  Heimath 
scheuchte  und  eine  neue  an  den  gastlichen  Gestaden  von  Santa  Catharina  suchen  Hess. 


I02 


Polypen  und   Quallen  von  Santa  Catharina. 


des  Körpers  und  stossen  in  der  Mitte  des  Hinterendes  strahlig  zusammen.  Die 
Färbung  des  Thieres  beschränkt  sich  in  diesem  Zustande  auf  eine  weissHche  Trübung ; 
bei  stärkster  Contraction,  die  ihm  die  Gestalt  einer  Feige  mit  zwölf  Längsfurchen 
und  zahlreichen  Querrunzeln  zu  geben  pflegt,  concentriert  sie  sich  zu  einem 
schmutzigen,  mehr  oder  weniger  ins  Röthliche  ziehenden  Gelb.  Die  Fühler  er- 
scheinen bisweilen  schwach  röthlich  gefärbt,  und  innen  an  ihrer  Basis  pflegt  ein 
undurchsichtiger,  hellgelber  Ring  zu  liegen;  weniger  constant  finden  sich  ähn- 
liche Flecken   aussen  an  ihrer  Basis  und  bräunliche  Flecken  zwischen  ihnen. 

Die  ganze  Oberfläche  des  Körpers  trägt  einen  kurz- 
haarigen Flimmerüberzug,  sowie  auch  überall,  in  be- 
sonderer Menge  jedoch  an  den  Tentakeln,  länglich  schmale 
Nesselzellen  von  0,012  bis  0,016  mm  Länge  sich  finden. 

Die  Form  des  Mundes  ist  eine  sehr  wechselnde.  Wenn 
die  Tentakel  schief  hinterwärts  gebogen  sind,  pflegt  er  als 
weit  offener  Trichter  zu  erscheinen,  umgeben  von  elf  durch 
scharfe  Furchen  geschiedenen  Wülsten,  die  ebenso  viel  Ten- 
takeln vorliegen.  Einer  der  kürzeren  Tentakel  bleibt  dabei 
ohne  vorliegende  Wulst,  während  die  den  beiden  benach- 
barten entsprechenden  Wülste  sich  durch  ihre  Breite  aus- 
zeichnen, wie  denn  überhaupt  den  längeren  Tentakeln 
breitere,  den  kürzeren  schmälere  Wülste  entsprechen.  Der 
JVlund  erscheint  selten  fast  rund,  meist  in  die  Länge  gezogen 
in  der  Richtung  des  durch  den  wulstlosen  Tentakel  gehenden 
Durchmessers.  Diesem  Tentakel  entsprechend  bleibt  zwischen 
den  beiden  anliegenden  Wülsten  eine  ziemlich  tiefe  Rinne, 
an  deren  äusserem  Ende  jede  dieser  Wülste  sich  in  einen 
kleinen  zungenförmigen  Fortsatz  auszieht.  Ein  dritter  ähn- 
licher Fortsatz  liegt  zwischen  diesen  beiden,  dem  wulstlosen 
Tentakel  gegenüber.  Diese  drei  Fortsätze,  meist  weiss  und 
undurchsichtig,  fallen  besonders  ins  Auge,  wenn  bei  schief 
vorwärts  gerichteten  Tentakeln  der  Mund  fast  geschlossen 
ist;  die  Wülste,  die  nichts  sind,  als  eigenthümliche  Auf- 
blähungen der  Leibeshöhle,  sind  dann  ziemlich  abgeflacht  und 
die  zungenförmigen  Fortsätze  erheben  sich,  gerade  vorgestreckt,  über  deren  Niveau. 

Die  Mundwülste,  die  sie  trennenden  Furchen  und  die  an  den  zungenförmigen 
Fortsätzen  beginnende  Rinne  ziehen  sich  fort  in  den  kurzen,  etwa  die  doppelte 
Länge  der  Tentakel  erreichenden  Magen,  die  unmittelbare  Fortsetzung  des 
Mundtrichters.  Die  Ränder  der  Rinne  scheinen  sich  in  der  ganzen  Länge  des 
Magens  zu  einer  vollständigen  Röhre  zusammenlegen  zu  können.  Im  Grunde 
steht  der  Magen  durch  eine  weite  Oeffnung  in  Verbindung  mit  der  Leibes- 
höhle, in  die  man  nicht  selten  vom  Munde  aus  hineinsehen  kann.  Wenn  er 
sich  schliesst  durch  Aneinanderlegen  seiner  Wände,  erscheint  er  platt;  schmal  in 
der  Richtung  des  durch  die  Rinne  gelegten  Durchmessers,  breit  in  darauf  senk- 
rechter Richtung  gesehen.  In  letzterer  seitlicher  Ansicht  sieht  man,  dass  er  auf 
der  Seite  der  Rinne  weiter  in  die  Leibeshöhle  hineinragt,  als  auf  der  entgegen- 
gesetzten. 


Philomedusa  Vo g t i i 
in  ausgedehntem  Zu- 
stande, 3mal  vergrössert. 


Polypen  und  Quallen  von  Santa  Catharina.  iq-^ 

Die  weite  Leibeshöhle  ist  durchweg  mit  FlimmerciHen  bekleidet.  Um 
den  Magen  herum  ist  sie  durch  musculöse  Wände  in  12  Kammern  getheilt,  die 
den  Tentakeln  entsprechen  und  in  deren  Höhle  sich  fortsetzen.  Die  Scheide- 
wände reichen  nicht  vollständig  bis  zum  Vorderende,  vielmehr  bleibt  hier  in 
jeder  ein  rundes  Loch  als  Communication  zwischen  je  zwei  benachbarten  Kammern. 
Auf  diese  Weise  wird  an  der  Basis  der  Tentakel  eine  Art  Ringcanal  um  den 
Mund  hergestellt.  Selten  sieht  man  an  anderen  Stellen  die  Scheidewände  von 
Lücken  durchbrochen.  —  Nach  hinten  setzen  sich  die  Scheidewände,  den  Längs- 
furchen folgend,  fort  bis  ans  Ende  des  Körpers,  bilden  aber  jenseits  des  Magens 
nur  sehr  niedrige  Vorsprünge  in  die  weite  Leibeshöhle.  Sie  scheinen  aus  zwei 
Lamellen  gebildet;  wenigstens  erscheinen  sie,  gerade  von  aussen  betrachtet,  als 
zwei  dunkle  durch  einen  hellen,  schmalen,  mittleren  geschiedene  Streifen. 

Von  der  Insertion  am  Magen  bis  zu  Anfang  des  hintersten  Drittels  oder 
Viertels  der  Länge  sind  die  Scheidewände  eingefasst  von  einem  breiten  wellig 
oder  krausenartig  gefalteten  gelblichen,  ziemlich  undurchsichtigen  Saume,  dessen 
frei  in  der  Leibeshöhle  flottirender  Rand  wulstig  verdickt  ist.  An  diesem  etwa 
0,1  mm  breiten  Rande,  den  eine  hellere  Linie  scharf  gegen  die  Krause  absetzt, 
ist  die  Flimmerbewegung  besonders  lebhaft  und  es  sind  ihm  reichliche  Nessel- 
zellen von  doppelter  Länge  und  Dicke  der  in  der  äusseren  Haut  sich  findenden 
eingelagert.  Diese  zwölf  Krausen  verhalten  sich  verschieden  in  ihrer  Erstreckung 
nach  vorn  und  hinten  und  zeigen  dabei  in  noch  deutlicherer  Ausprägung  die 
schon  in  der  Bildung  des  Mundes  angedeutete  bilaterale  Symmetrie  in  Bezug  auf 
eine  durch  die  Achse  des  Körpers  und  die  Mundrinne  gelegte  Ebene.  In  ihrer 
Erstreckung  nach  hinten  betrachtet  erscheinen,  wenn  man  von  der  Seite  der 
Mundrinne  aus  zählt,  constant  als  die  längsten  das  iste,  3te  und  5te  Paar  der 
Krausen,  von  mittlerer  Länge  das  6te  Paar,  als  die  kürzesten  das  2te  und  4te 
Paar.  Diese  beiden  letzten  Paare  dagegen  reichen  am  weitesten  nach  vorn,  indem 
die  betreffenden  Scheidewände  am  Magen  nur  etwa  bis  zu  dessen  Mitte  herab- 
steigen; das  3te,  5te  und  6te  Paar  inseriren  sich  am  Magengrunde,  während  die 
beiden  Scheidewände  des  ersten  Paares  noch  über  den  Magen  hinaus  eine  nach 
innen  geschlossene  Kammer  bilden.  —  Die  verdickten  Ränder  der  Krausen  glaube 
ich  als  Analoga  der  Mesenterialfäden  der  Actinien  betrachten  zu  dürfen,  die  hier 
nur  die  Eigenthümlichkeit  haben,  in  ihrer  ganzen  Länge  angeheftet  zu  sein.  Die 
Krausen  selbst  dürften  sich  als  Bildungsstätten  der  Geschlechtsstoffe  ausweisen, 
von  denen  ich  bis  jetzt  an  zahlreichen,  seit  fast  einem  Jahre  untersuchten  Thieren 
noch  keine  unzweideutigen  Spuren  auffand. 

Bei  grösseren  Actinien  pflegt  nur  das  Hervorspritzen  feiner  Wasserstrahlen 
beim  Anfassen  die  Anwesenheit  kleiner  Oeffnungen  der  Leibeshöhle  zu  verrathen ; 
bei  unserem  Thiere  sind  diese  Oeffnungen  selbst  mit  Leichtigkeit  wahrzunehmen. 
Sie  zeigen  sich  schon  dem  blossen  Auge  als  12  radiäre  Reihen  heUer 
Punkte  am  hintersten  Theile  der  Körpers,  die  mit  den  Längsfurchen 
abwechseln.  Ihre  Zahl  wächst  mit  dem  Alter  und  steigt  bei  den  grössten  Exem- 
plaren bis  gegen  20  in  einer  Reihe.  Ihr  Durchmesser  ist  verschieden ;  die  grösste 
Oeffnung,  die  mir  vorkam,  war  0,1  mm  lang  und  halb  so  breit.  Unter  dem  Mikro- 
skope kann  man  die  durch  die  Flimmercilien  der  Leibeishöhle  umhergetriebenen 
Partikelchen  bisweilen  aus  ihnen  austreten  sehen.   Durch  Contraction  der  Leibes- 


IQ^  Polypen  und  Quallen  von  Santa  Catharina. 

wand  werden  sie  natürlich  geschlossen,  sind  aber  auch  selbständiger  Verengerung 
und  Schliessung  fähig;  sich  verengend  erscheinen  sie  von  einem  hellen  Hofe  um- 
geben; sind  sie  geschlossen,  so  zeigt  sich  an  ihrer  Stelle  ein  heller  Fleck. 

Die  Mitte  des  Hinterendes  ist  bei  dem  wassergefüllten  Thiere  vollkommen 
geschlossen;  bei  rascher  Contraction  verschliesst  sich  dagegen  hier  eine  weite 
Oeffnung  zum  Austritte  des  Wassers^),  durch  die  dabei  nicht  selten 
Theile  der  Krausen  vorfallen.  Bei  einem  grossen  Exemplare,  das  ich  zu  be- 
quemerer Beobachtung  in  ein  Reagensgläschen  brachte,  sah  ich,  nachdem  es  sich 
wieder  aufgeschwellt  hatte,  einen  schmalen  Strang  vom  Ende  einer  der  längeren 
Krausen  straff  nach  der  Mitte  des  Hinterendes  herübergespannt,  der,  wie  ich 
wusste,  vorher  nicht  vorhanden  gewesen  war.  Nach  einer  durch  Erschütterung 
des  Glases  bewirkten  neuen  leichten  Contraction  des  Thieres  begann  der  Strang 
sich  vom  Hinterende  zu  entfernen  und  mit  ausserordentlicher  Langsamkeit  und 
unter  Bewahrung  seiner  geradlinigen  Form  sich  zusammenzuziehen;  er  erwies 
sich  so  als  ein  bei  der  ersten  Contraction  eingeklemmtes,  bei  der  durch  die  neue 
Contraction  bewirkten  Erschliessung  der  Endöffnung  wieder  frei  gewordenes 
Stück  der  betreffenden  Krause. 

Ich  fand  die  Philomedusa  Vogtii  zuerst  vereinzelt  an  Olindias  (nov.  gen. 
Eucopidarum)  an  der  Unterfläche  der  Scheibe  sitzen,  später  in  Menge  an  Chrysaora, 
wo  sie  an  den  Armen,  in  den  Geschlechtshöhlen,  im  Magen  und  seinen  Neben- 
taschen sich  aufhält.  Von  einer  einzigen  Qualle  der  letzteren  Gattung  habe  ich 
schon  über  20  unserer  Polypen  abgelesen,  —  Die  den  Quallen  entnommenen 
Thiere  pflegen  Stücke  der  Fangfäden,  der  Genitalien,  der  Magenfäden  u.s.w.  des 
Wohnthiers  im  Magen  zu  haben  und  in  ihrer  Leibeshöhle  trifft  man  oft  Nessel- 
zellen der  Qualle  an.  Sie  vertragen,  wie  die  Actinien,  gut  die  Gefangenschaft, 
können  monatelang  hungern  und  lassen  sich  auch  andere  als  Quallenkost,  namentlich 
Anneliden,  schmecken.  Hat  man  eine  grössere  Zahl  in  demselben  Gefässe,  so  werden 
bisweilen  kleinere  von  grösseren  verschluckt  und  leben  in  deren  Leibeshöhle  wenig- 
stens wochenlang  weiter,  wie  es  scheint  ohne  gegenseitige  Störung  des  Befindens. 

Die  Thiere  vermögen  mit  jeder  beliebigen  Stelle  des  Leibes  sich  anzuheften, 
wahrscheinlich  mittelst  der  Nesselzellen,  die  überhaupt  auch  in  den  Fangfäden  der 
Quallen  grössere  Dienste  als  Haftorgane,  wie  durch  ihr  Gift  zu  leisten  scheinen. 
Sie  klettern  nicht  selten  an  der  Wand  der  Glasgefässe  empor  und  pflegen  sich 
dann  mit  dem  Munde  anzusaugen.  Ehe  sie  zu  behaglicher  Ruhe  sich  aufgeschwellt, 
ist  ihre  Gestalt  eine  sehr  wechselnde,  je  nachdem  dieser  oder  jener  Körpertheil 
stärker  contrahirt  ist,  je  nachdem  die  Tentakel  eingezogen  oder  vorgestreckt  sind 
u.s.w.  —  Alle  ihre  Bewegungen  sind  sehr  träge;  sie  bleiben,  in  Ruhe  gelassen. 
Tage  lang  auf  dem  Boden  des  Glases  liegen  oder  an  derselben  Stelle  der  Wand 
hängen,  ohne  andere  Bewegungen  als  Contractionen  der  Ringmuskeln,  die  von 
Zeit  zu  Zeit  in  langsam  fortschreitenden  Wellen  von  vorn  nach  hinten  verlaufen. 

Desterro,  im  Mai  1859. 


I)  Ebenso  bei  Cerianthus  (vergl.  Jules  Haime  in  den  Annales  des  sciences  nat.  4.  ser.  Tom.  I.  p.  341), 
mit  welchem  Polypen  der  oben  beschriebene  manche  Verwandtschaft  hat,  freilich  stimmt  die  Zahl  und 
besonders  die  Stellung  der  Tentakeln  nicht,  deren  Cerianthus  eine  doppelte,  Philomedusa  eine  einfache 
Reihe  besitzt.  Uebrigens  wäre  in  Betreff  der  systematischen  Stellung  zu  berücksichtigen,  dass  die  Thiere, 
wie  oben  steht,  noch  nicht  geschlechtsreif  beobachtet  sind.  Max  Schultz e. 


Beschreibung  einer  Brachiopodenlarve^). 

Mit  Tafel  XII. 

Die  Formwandlungen  der  niederen  Thiere  haben  in  den  letzten  Jahrzehenden 
zu  den  Lieblingsgegenständen  zoologischer  Forschung  gehört,  und  selten  wohl 
hat  ein  Gegenstand  dankbarer,  mit  einer  reicheren  Fülle  der  überraschendsten  Ent- 
deckungen die  auf  ihn  gewandte  Mühe  belohnt.  Für  die  Mehrzahl  der  grösseren 
Thiere  liegen  jetzt,  Dank  diesen  vielseitigen  Bemühungen  unserer  Zeitgenossen, 
wenigstens  die  Grundzüge  ihres  Entwicklungsganges  offen,  und  bietet  auch  der 
Ausbau  im  Einzelnen  der  Zukunft  noch  ein  reiches  Feld  für  anziehende  Unter- 
suchungen, so  bleiben  doch  kaum  noch  wenige  Gruppen  übrig,  über  deren  frühere 
Zustände  nicht  wenigstens  Andeutungen  oder  wahrscheinliche  Vermuthungen  vor- 
handen wären.  Jedenfalls  die  wichtigste  unter  diesen  in  Bezug  auf  Entwicklung 
noch  im  tiefsten  Dunkel  liegenden  Gruppen  ist,  trotz  ihrer  spärlichen  Vertretung 
in  der  lebenden  Thierwelt,  die  der  Brachiopoden. 

Mit  freudiger  Ueberraschung  begrüsste  ich  daher  den  Anblick  einer  unver- 
kennbaren Brachiopodenlarve,  eines  um  so  unerwarteteren  Fundes,  als  mir  er- 
wachsene Brachiopoden  unseres  Meeres  noch  nicht  bekannt  sind  ^),  Ich  eile,  dies 
erste  Bruchstück  aus  der  Formenreihe  der  Brachiopodenentwicklung  zur  Kenntnis 
der  Zoologen  zu  bringen,  hoffend,  dass  es  ferneren  Nachforschungen  gelingen 
werde,  die  früheren  und  späteren  Schicksale  des  interessanten  Thierchens  auf- 
zuklären. 

Um  sich  zunächst  ein  vorläufiges  Bild  der  allgemeinen  Umrisse  desselben 
zu  machen,  denke  man  sich  ein  zweiklappiges  fast  kreisrundes  Muschelchen  von 
0,4  mm  Durchmesser;  die  Schalen  vollkommen  gleichseitig,  aber  ungleich;  eine 
grössere,  schwach  gewölbte  Rückenschale,  welche  ringsum  die  ganz  flache,  hinten 
(am  Schlussrand)  ausgebuchtete  Bauchschale  überragt;  an  der  Stelle  des  Schlosses 
eine  quer-ovale  Platte  zwischen  den  Schalen.  Mantel  rings  offen.  Im  Umkreis 
der  Schalen  ragen  fünf  Paar  derber  Borsten  vor,  unter  denen  das  vierte  nach 
hinten  gerichtete  durch  Länge  und  Stärke  sich  auszeichnet,  und  die  mit  Ausnahme 


i)  Reichert  und  Dubois  R.'s  Archiv  für  Anat.  u.  Physiol.   1860.  p.  72—80.    Taf.  I  B. 

2)  Hier  die  Bemerkung,  dass  ich  neuerdings  von  dem  Verfasser  obenstehenden  Aufsatzes  ein  Stück- 
chen einer  bei  Desterro  gefundenen  Pinna-Schalc  zugesandt  erhielt,  an  welchem  die  Bauchschale  einer 
Crania  oder  verwandten  Brachiopode  angeheftet  war.  Max  Schnitze. 


jq5  Beschreibung  einer  Brachiopodenlarve. 

des  fünften  hintersten  im  Mantel  der  Bauchschale  wurzeln.  Eine  Reihe  zarterer 
haarförmiger  Borsten  entspringt  jederseits  dem  Mantel  der  Rückenschale  und 
krümmt  sich  bogig  nach  unten  über  die  Bauchschale.  —  Das  Thier  ist,  wie  die 
Schale,  vollkommen  symmetrisch  in  Bezug  auf  eine  durch  die  Mitte  des  Hinter- 
randes senkrecht  auf  diesen  gelegte  Ebene.  Der  eigentliche  Leib,  rundlich  im 
Umriss,  nimmt  die  Mitte  der  hinteren  Schalenhälfte  ein ;  ein  weiter  flaschen- 
förmiger  Magen,  daneben  zwei  Gehörblasen,  nach  vorn  zwei  dunkle  Augenflecke 
fallen  daran  zunächst  in's  Auge.  Die  vordere  Schalenhälfte  füllen  vier  Paar 
cylindrischer  Arme,  zwischen  denen  vorn  ein  unpaarer  rundlicher  Knopf  und 
hinter  diesem  der  Mund  zu  sehen  ist.  Auf  gemeinsamem  Stiele  aus  der  Tiefe 
vorgeschoben  breiten  sich  die  Arme  strahlig  um  den  Mund  aus  und  mit  Hülfe 
ihres  reichen  Flimmerkleides  schwimmt  das  Thier  langsam  umher. 

Zur  näheren  Betrachtung  der  einzelnen  Theile  übergehend,  so  sind  beide 
Schalen  sehr  dünn,  biegsam,  blass  hornfarbig,  ziemlich  durchsichtig.  Die  Rücken - 
schale  überragt  rings  die  Bauchschale;  sie  ist  flach  schildförmig  gewölbt,  0,41  mm 
breit,  0,38  mm  lang.  Ein  ziemlich  genaues  Bild  ihres  Umfanges  erhält  man,  wenn 
man  über  derselben  Geraden,  der  grössten  Breite  der  Schale,  vorn  einen  Halb- 
kreis, hinten  eine  Ellipse  beschreibt,  deren  Achsen  sich  wie  6  :  7  verhalten.  Die 
Bauchschale,  0,3  mm  lang,  0,38  mm  breit,  ist  ganz  flach;  ihre  Ränder  laufen 
bei  dem  ruhenden  Thiere  denen  der  Rückenschale  in  einer  Entfernung  von  etwa 
0,02  mm  parallel,  —  mit  Ausnahme  des  Hinterrandes,  an  dem  sich  eine  flache 
Ausbucht  findet,  wodurch  hier  die  Entfernung  der  Schalenränder  auf  0,05  mm 
steigt.  Der  Rand  der  Bauchschale  erscheint  in  einer  Breite  von  etwa  0,025  mm 
dunkler,  mehr  oder  weniger  röthlich  braun  gefärbt. 

Mit  ihrem  Hinterrande  dem  ausgebuchteten  Hinterrande  der  Bauchschale 
anliegend,  gewahrt  man  zwischen  den  Schalen  eine  querovale  Platte,  0,06  mm 
lang,  0,11  mm  breit,  mit  dunklerem,  oft  braunröthlich  gefärbtem,  ringförmigem 
Rande.  Sie  haftet  an  der  Bauchschale,  deren  Bewegungen  sie  folgt,  und  steht 
mit  der  Rückenschale  nur  durch  Muskeln  in  Verbindung. 

Der  die  Schalen  auskleidende  rings  offene  Mantel  ist  in  der  Mitte  beider 
Schalen  sehr  dünn  und  so  bildet  sich  hier  ein  scharf  umschriebenes  helles  Feld, 
dessen  Breite  etwa  Vs  ^'^^  der  der  Rückenschale  beträgt,  und  innerhalb  dessen 
das  ruhende  Thier  geborgen  liegt.  Dies  helle  Feld  ist  umgeben  von  einem  minder 
durchsichtigen  wulstigen  Saume  von  etwa  0,04  mm  Breite,  in  welchem  ich  einige 
Male  (in  der  Rückenschale)  radiär  verlaufende  einfache  oder  am  Ende  gabiige, 
nach  innen  offene,  nach  aussen  geschlossene  Canäle  bemerkte. 

In  diesem  verdickten  Saume  wurzeln  Borsten  von  zweierlei  Art:  stärkere, 
hornfarbige,  wagerecht  aus  der  Schale  vorstehende  und  zartere,  haarförmige,  farb- 
lose, die  sich  bogig  um  den  entgegengesetzten  Schalenrand  krümmen.  Im  Mantel 
der  Bauchschale  finden  sich  vier  Paar  Borsten  der  ersten  Art,  die  der  beiden 
vordersten  Paare  sind  etwa  0,15  mm  lang  und  in  der  Ruhe  nach  vorn  und  etwas 
nach  innen  gerichtet,  wobei  die  Spitzen  der  beiden  vordersten  sich  kreuzen;  die 
des  dritten  Paares,  das  an  der  ^breitesten  Stelle  der  Schale  entspringt,  wenden 
sich  nach  aussen  und  etwas  nach  hinten,  sind  nur  0,09  mm  lang  und  überragen 
kaum  den  Rand  der  Bauchschale.  Alle  sind  ganzrandig  und  leicht  S-förmig  ge- 
bogen.    Weit   ansehnlicher   sind   die  Borsten    des  vierten  Paares,   sie  entspringen 


Beschreibung  einer  Brachiopodenlarve.  jq^ 

etwa  I  mm  vom  Hinterrande  der  Bauchschale  und  reichlich  eben  so  weit  von  der 
Mittellinie;  während  die  gerade  Entfernung  ihrer  Spitze  von  der  Wurzel  0,3  mm 
beträgt,  bilden  sie  einen  nach  aussen  gewölbten  Bogen  von  0,07  mm  Höhe.  Dem 
gleichförmig  breiten  Stiele  folgt  etwa  zu  Ende  des  ersten  Viertels  ihrer  Länge 
eine  spindelförmige  0,02  mm  breite  Verdickung,  von  der  aus  sich  die  Borste  all- 
mälig  verjüngt,  bis  zu  der  wieder  sanft  auswärts  gebogenen  Spitze.  In  ihrem 
Endtheile  und  in  mehr  als  der  Hälfte  ihrer  Länge  ist  die  Borste  am  Aussenrande 
und  seitlich  mit  kurzen  hinterwärts  gerichteten  Dornen  oder  Zähnchen  besetzt.  In 
der  Ruhe  sind  diese  Borsten  meist  gerade  hinterwärts,  bisweilen  mehr  nach  aussen, 
seltener  so  nach  innen  gerichtet,  dass  ihre  Spitzen  sich  kreuzen.  Zwischen  dem 
zweiten  und  dritten  Paare  der  eben  beschriebenen  Borsten  finden  sich  zwei  Paar 
Borsten  der  zweiten  Art. 

Nur  das  fünfte  und  hinterste  Paar  der  stärkeren  Borsten  gehört  der  Rücken- 
schale an,  liegt  zwischen  den  Borsten  des  vierten  Paares,  ist  hinterwärts  gerichtet 
und  entspricht  in  Grösse  und  Form  den  beiden  vorderen  Paaren  der  Bauchschale. 
Desto  zahlreicher  sind  in  der  Rückenschale  die  Borsten  der  zweiten  Art;  sie 
bilden  jederseits  eine  dem  Rande  in  einer  Entfernung  von  etwa  0,07  mm  parallel 
laufende  Reihe;  vorn  bleibt  zwischen  den  beiden  vordersten  Borsten  ein  freier 
Raum  von  i  mm,  während  die  hintersten  den  grossen  Borsten  des  vierten  Paares 
gegenüber  entspringen.  Ihre  Zahl  steigt  auf  30  bis  40,  sie  sind  haarförmig,  ganz- 
randig,  farblos,  elastisch,  die  mittelsten  längsten  etwa  0,2  mm  lang.  Unter  dem 
Rande  der  Bauchschale  vorgetreten,  biegen  sie  sich  um  diesen  nach  unten  und 
innen.  Die  beiden  hintersten  sieht  man  bisweilen  neben  den  stärkeren  Borsten 
des  fünften  Paares  wagerecht  nach  hinten  ragen. 

Der  eigentliche  Leib  des  Thieres  (der  fälschlich  sogenannte  Eingeweidesack), 
nimmt  den  grössten  Theil  von  der  hinteren  Hälfte  des  hellen  Mittelfeldes  ein,  ist 
vorn  abgerundet  und  mit  seiner  ganzen  oberen  und  unteren  Fläche  den  Schalen 
angeheftet.  Die  Musculatur,  die  neben  dieser  Anheftung  an  den  Leib  des 
Thieres  die  einzige  Verbindung  der  Schalen  bildet,  ist  mir  nicht  ganz  klar  ge- 
worden; ein  breites  Muskelpaar,  das  an  den  vorderen  Ecken  des  Leibes  von  der 
Rückenschale  entspringt  und  nach  hinten  zur  Bauchschale  geht,  sowie  ein 
schmaleres  von  den  Seiten  der  querovalen  Platte  nach  aussen  und  etwas  nach 
vorn  zur  Rückenschale  gehendes  Muskelpaar  scheinen  die  wesentlichsten  für  die 
Bewegungen  der  Schalen.  Sie  lassen  sich  nicht  füglich  als  „Schliessmuskeln"  be- 
zeichnen, da  die  Schalen,  durch  die  Platte  aus  einander  gehalten,  stets  nahezu 
gleiche  Entfernung  von  einander  zu  bewahren  scheinen ;  einseitig  wirkend,  drehen 
sie  die  Bauchschale  (weit  seltener,  wenn  diese  gegen  andere  Körper  gestützt  ist, 
sieht  man  Drehung  der  Rückenschale),  und  durch  gleichzeitige  Wirkung  der 
beiderseitigen  Muskeln  wird  die  Bauchschale  nach  vorn  geschoben. 

Die  vordere  Hälfte  des  hellen  Feldes  ist  ziemlich  vollständig  gefüllt  durch 
die  vier  Paar  Arme,  die  in  der  Ruhe  knieförmig  gebogen  sind,  so  dass  das 
Knie  nach  hinten,  die  Spitze  wieder  nach  vorne  sieht;  seltener  ist  das  hinterste 
Paar  zu  beiden  Seiten  des  Leibes  nach  hinten  geschlagen.  Sie  werden  getragen 
von  einem  in  der  Ruhe  auf  ein  Minimum  verkürzten  gemeinsamen  Stiel,  der  in 
einem  ansehnlichen  querovalen  Knopf  von  0,05  mm  Breite  endet.  Dieser  pflegt 
sich  dicht   an  den  Vorderrand  des  hellen  Feldes  zu  legen,   und  ist  namentlich  in 


jo8  Beschreibung  einer  Brachiopodenlarve. 

seiner  vorderen  Hälfte  dunkler  bräunlich  roth  gefärbt.  An  der  Bauchfläche  des 
Armstieles  liegt  der  wulstig  umrandete  Mund,  dessen  Form  je  nach  seinen  ver- 
schiedenen Contractionszuständen  sehr  wechselt;  er  erscheint  enger  oder  weiter, 
als  Quer-  oder  Längsspalte,  besonders  oft  auch  T  förmig,  d.  h.  begrenzt  von  drei 
nach  vorn  convexen  Bogen,  einem  vorderen  unpaaren  und  zwei  kleineren  hintern. 
Um  den  Mund  sind  nun  die  Arme  in  einer  von  vorn  und  oben  nach  hinten  und 
unten  geneigten  Ebene  geordnet,  so  dass  also  das  vorderste  Paar  nach  der  Rücken-, 
das  hinterste  unter  dem  Munde  und  nach  der  Bauchschale  zu  liegt.  Sie  sind  von 
gleicher  Grösse,  cylindrisch,  etwa  0,03  mm  dick  und  0,15  mm  lang,  scheinen  hohl 
zu  sein  und  sind  mit  (ihrem  Durchmesser  an  Länge  fast  gleichkommenden)  Flimmer- 
cilien  bekleidet. 

Vom  Munde  aus  läuft  ein  musculöser  Schlund  im  Armstiele  gerade  nach 
hinten  und  tritt  in  einen  die  ganze  Länge  der  Leibeshöhle  einnehmenden,  weiten, 
hinten  flaschenförmig  verbreiterten  Magen,  der  blass  dottergelb  gefärbt  und 
im  Gegensatze  zu  dem  ganzen  übrigen  Thiere  undurchsichtig  ist.  Man  sieht  in 
ihm  grosse  Zellen  von  0,006  mm  Durchmesser  und  auf  seiner  Bauchseite  mehr 
oder  weniger  ausgeprägte  rundliche  braune  Flecken  von  kleinzelligem  Gefüge 
(künftige  Leber?),  Ein  Darm  Hess  sich  nicht  auffinden,  vielmehr  erschien  der 
Magen  rings  geschlossen. 

Von  Geschlechtsorganen  und  Gefässsystem  war  ebenfalls  keine  Spur  zu  ent- 
decken ;  Herzen  sind  daher  schwerlich  vorhanden,  da  sie  sich  durch  ihre  Pulsationen 
hätten  verrathen  müssen. 

Seitlich,  doch  mehr  der  Rückenfläche  genähert,  liegt  jederseits  nahe  der 
Vorderecke  des  Leibes  ein  dunkel  schwarzbrauner  Augenfleck  von  ovaler 
Form  (Durchmesser  0,015  und  0,013  mm),  dessen  längerer  Durchmesser  schief 
nach  hinten  und  aussen  gerichtet  ist.  Zu  den  Seiten  des  Magens  und  über  den- 
selben (der  Rückenschale  zu)  liegen  zwei  ansehnliche  Gehörblasen  von  0,04  mm 
Durchmesser,  in  denen  man  20  bis  30  Otolithen  (von  etwa  0,002  mm)  in  lebhafter 
tanzender  Bewegung  erblickt.  Das  Nervensystem  scheint  schon  deutlich  aus- 
geprägt zu  sein,  ist  aber  nur  dann  bruchstückweise  wahrzunehmen,  wenn  es  ge- 
lingt, durch  Drehen  des  Deckgläschens  die  Schalen  ohne  zu  grosse  Verletzung  des 
Thieres  aus  einander  zu  schieben ;  ich  verspare  die  Mittheilung  meiner  fragmen- 
tarischen Beobachtungen^  bis  sich  mir  aus  ihnen  ein  zusammenhängendes,  durch 
wiederholte  Prüfung  gesichertes  Bild  gestaltet. 

Da  der  Schwerpunkt  des  auf  die  Kante  gestellten  Thieres  in  die  Rücken- 
schale fällt,  sieht  man  es  fast  immer  auf  dieser  Schale  liegen ;  auch  beim  Schwimmen 
scheint  sie  stets  die  untere  zu  sein.  Das  Schwimmen  geschieht  durch  die 
Flimmerbewegung  der  die  Arme  bekleidenden  Cilien;  die  Arme  werden  zu  diesem 
Behufe  aus  der  Schale  vorgeschoben,  strecken  sich  und  breiten  sich  strahlig  um 
den  Mund  aus.  Dass  dabei  der  Mund  vorausgehe,  würde  ich,  als  selbstverständ- 
lich, nicht  erwähnen,  hätte  man  nicht  neuerdings  den  seltsamen  Gedanken  gehabt, 
bei  den  Brachiopoden  das  Vorn  und  Hinten  nach  der  Lage  nicht  des  Mundes, 
sondern  des  Afters  zu  bestimmen.  —  Häufiger  als  das  Schwimmen  hat  man  Ge- 
legenheit, das' sonderbare  Kriechen  des  Thieres  zu  beobachten,  welches  durch 
abwechselndes  Drehen  der  Bauchschale  nach  rechts  und  links  bewirkt  wird.  Dabei 
schiebt   sich   das  Thier    namentlich    durch  Anstemmen    der   starken  Borsten    des 


Beschreibung  einer  Brachiopodenlarve.  jqq 

vierten  Paares  vorwärts.  Gleichzeitig  werden,  wenn  die  Bauchschale  z.  B.  sich 
nach  links  dreht,  die  um  den  linken  Rand  derselben  sich  krümmenden  haar- 
förmigen  Borsten  der  Rückenschale  durch  den  gegen  sie  drückenden  Schalen- 
rand gestreckt,  um  bei  der  folgenden  Drehung  nach  rechts  in  ihre  Ruhelage 
zurück  zu  schnellen  und  so,  Algenfäden  u.  dgl.  umfassend,  das  Thier  festzuhalten. 
—  Die  Arme  liegen  bei  diesen  Drehungen  der  Bauchschale  ruhig  in  der  Rücken- 
schale. 

Dass  nun  unser  Thier  nur  den  Brachiopoden  angereiht  werden  könne,  wird 
nach  der  gegebenen  Beschreibung  keiner  weiteren  Erörterung  bedürfen.  Der  erste 
Eindruck,  dass  es  eine  Larve  sei,  den  mir  später  verschiedene  Gründe  zweifelhaft 
machten,  bestätigte  sich  schliesslich  durch  einige  Fortschritte  der  Entwick- 
lung an  denselben  Thieren,  die  ich  in  der  eben  beschriebenen  Form  beobachtet 
hatte.  Sie  beschränken  sich  auf  den  kurzen  Zeitraum  von  ein  bis  zwei  Tagen, 
nach  welcher  Zeit  die  Thiere  starben,  geben  aber  immerhin  einige  Andeutungen 
für  den  weiteren  Gang  der  Entwicklung.  Die  querovale  Platte  tritt  unter  der 
bis  zum  Vorderrande  der  Rückenschale  vorgeschobenen  Bauchschale  vor,  be- 
ginnt sich  nach  hinten  zu  verlängern  und  ein  faseriges  Ansehen  zu  zeigen 
(Stiel?);  sie  folgt,  nach  wie  vor,  den  Bewegungen  der  Bauchschale;  —  hinten 
und  rechts  vom  Magen  ausgehend,  und  sofort  sich  nach  vorn  wendend  tritt 
ein  anscheinend  noch  blind  geschlossener  Darm  auf,  die  erste  Störung  der 
vollkommenen  Symmetrie;  ein  feinzelliges  Gewebe  erscheint  vorn  in  der  Leibes- 
höhle zu  den  Seiten  des  Magens  und  verhindert  die  Otolithen  von  der  Bauchseite 
aus  zu  sehen ;  —  der  Magen  wird  durchsichtiger  und  lebhaftes  Flimmern  in  dem- 
selben sichtbar. 

Alle  beobachteten  Exemplare  (und  ich  konnte  mir  einige  Wochen  hindurch 
täglich  wenigstens  einige  verschaffen)  waren  von  ganz  gleicher  Grösse.  Dass 
grössere  nicht  vorkommen,  erklärt  sich  aus  den  eben  erwähnten  Veränderungen, 
die  auf  ein  nahes  Festsetzen  hinweisen ;  der  Mangel  jüngerer  Formen  mag  vielleicht 
daher  rühren,  dass  sie  bis  dahin  in  der  Schale  der  Mutter  verweilen. 

Dies  die  bis  jetzt  beobachteten  Thatsachen.  Wenn  schon  sie  im  Allgemeinen 
mehr  geeignet  scheinen,  die  Neugierde  zu  wecken  als  zu  befriedigen,  Fragen  an- 
zuregen als  zu  lösen,  —  so  lassen  sich  immerhin  schon  einige  Folgerungen  aus 
ihnen  herleiten. 

Zunächst  ergiebt  sich,  dass  der  Theil  des  Brachiopodenleibes,  der  in  der 
Larve  Augen  und  Gehörblasen  trägt,  in  welchem  sich  also  die  Centraltheile  des 
Nervensystems  mit  Grund  vermuthen  lassen,  nicht  wohl  als  blosser  „Eingeweide- 
sack" bezeichnet  werden  kann. 

Ferner  beantwortet  sich  definitiv  die  Frage  nach  dem  Vorn  und  Hinten, 
Oben  und  Unten  der  Brachiopoden  und  zwar  zu  Gunsten  der  herkömmlichen 
Terminologie  und  gegen  die  von  C.  Vogt  vertretene  Ansicht,  der  sich  mit  Hinten- 
ansetzung  aller  übrigen  Organe  durch  die  Lage  des  Afters  hat  leiten  und  verleiten 
lassen.  Hätte  der  eifrige  Vertreter  des  Individualismus  auch  diesen  Thieren  ihr 
Recht  werden  lassen,  nach  ihrer  eigenen  individuellen  Natur  und  nicht  nach  einer 
vagen  Analogie  mit  den  Muscheln  gelagert  zu  werden,  so  würde  er  schwerlich 
dem  After  diesen  Vorrang  vor  dem  Munde  eingeräumt  haben,  so  wonig  als  bei 
Gasteropoden  und  anderen  mit  seitlichem  After  versehenen  Thieren. 


I  jQ  Beschreibung  einer  Brachiopodenlarve. 

Die  Bedeutung  unserer  Larve  für  die  systematische  Stellung  der  Brachio- 
poden  näher  zu  erörtern,  muss  ich  mich  enthalten,  da  ich  die  neueren  Forschungen 
über  Brj^ozoen  nur  durch  Jahresberichte  kenne  und  ich  selbst  nur  wenige  Formen 
derselben  ziemlich  oberflächlich  untersucht  habe.  Dem  Eindruck  des  ersten  An- 
blicks folgend  würde  gewiss  Jeder,  der  unser  Thier  lebend  zwischen  lebenden 
Muschellarven  und  Cellularien  gesehen,  ihm  ohne  Bedenken  seine  Stelle  zur  Seite 
der  letzteren  anweisen.  Was  dabei  zunächst  als  ähnlich  in's  Auge  fällt,  die  kreis- 
förmig gestellten  Tentakel,  steht  in  auffallendem  Gegensatz  zu  der  Armbildung 
der  erwachsenen  Brachiopoden.  Aber  ob  überhaupt  unser  Thier  als  Larve  einer 
der  bekannten  Brachiopodenformen  angehört,  und  nicht  vielmehr  dem  noch  unbe- 
kannten Repräsentanten  einer  neuen  Gruppe  mit  kreisförmig  gestellten  Armen, 
die  dann  in  ähnlicher  Weise  den  Meeresbr3'ozoen  mit  Tentakelkranz  entsprechen 
würde,  wie  die  gewöhnlichen  Brachiopoden  den  zweiarmigen  Bryozoen  des  süssen 
Wassers  ? 

Desterro,  Ende  März  1859. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XIL 

Fio-.   I.    Brachiopodenlarve  aus  dem  Meere  von  Santa  Catharina,  mit  zurückgezogenen 
Armen;  Durchmesser  0,4  mm. 

Fig.  2.  Dieselbe  schwimmend. 
Fig.  3.  Ein  Stück  der  Borste  B. 


Das  Kolonialnervensystem  der  Moosthlere, 
nachgewiesen   an   Serialaria   Coutinhii   n.  sp.^). 

Mit  Tafel  XIII  und  XIV. 

Bei  Thieren,  die  auf  gemeinsamem  Thierstock  zu  Kolonieen  vereinigt  leben 
beobachtet  man  häufig  Bewegungen  des  ganzen  Stockes  oder  einzelner  Thiere, 
die  zwar  willkürlich,  nicht  aber  vom  Willen  der  Einzelthiere  abhängig,  sondern 
von  diesen  wie  auf  höheren  Befehl  ausgeführt  erscheinen.  Dies  gilt  auch  von  den 
Moosthieren.  Bei  einer  Pedicellina,  deren  Thierzelle  von  einem  3V2  mm  langen 
starren  auf  dickerem  beweglichen  Sockel  stehenden  Stiele  getragen  wird,  dauern 
die  Bewegungen  dieses  Stieles  tagelang  nach  dem  Verluste  des  Thieres  unver- 
ändert fort;  bei  einer  weit  kleineren  Art  derselben  Gattung,  die  als  Schmarotzer 
auf  Moosthieren  und  Hydroiden  hier  sehr  häufig  ist,  beginnen  die  in  ganzer  Länge 
beweglichen  Stiele  schon  auf  das  Lebhafteste  sich  zu  bewegen,  wenn  das  Thier 
an  ihrer  Spitze  kaum  als  Knospe  angedeutet  ist.  Ich  erinnere  auch  an  die  bei 
Mimosella  gracilis  von  Hincks  beobachteten  gemeinsamen  und  gleichzeitigen 
Bewegungen  der  doppeltfiedrig  angeordneten  Thierzellen.  Wo  nun  überhaupt 
bei  solchen  Thieren,  wie  es  bei  den  Bryozoen  der  Fall  ist,  Nerven  sich  nach- 
weisen lassen,  da  ist  mit  Grund  zu  vermuthen,  dass  nicht  nur  bei  jedem  Einzel- 
thiere als  Sitz  des  Einzelwillens,  sondern  dass  auch  in  dem  Thierstocke  als 
Sitz  der  Kolonialverwaltung  ein  Nervensystem  bestehen  werde.  Der  Nachweis 
freilich  dieses  Nervensystems  wird  für  die  Mehrzahl  der  Moosthiere  von  äusserster 
Schwierigkeit  sein;  um  so  schwieriger,  je  reducirter,  verkalkter,  undurchsichtiger, 
—  um  so  leichter,  je  entwickelter,  weicher,  durchsichtiger  der  Thierstock  ist.  In 
dieser  Beziehung  nun  dürfte  nicht  leicht  eine  ausgezeichnetere  Art  zu  finden  sein, 
als  eine  im  Meere  von  Santa  Catharina  nicht  eben  seltene  Serialaria,  deren  Thier- 
stock aus  bis  über  zolllangen,  dünnhäutigen  fast  vollkommen  durchsichtigen 
Gliedern  besteht.  Hier  ist  denn  nun  auch  in  der  That  ein  Kolonialnervensystem 
so  leicht  erkennbar,  mit  so  überraschender  Deutlichkeit  in  die  Augen  fallend,  wie 
ich  Aehnliches  sonst  nur  an  dem  Nervensysteme  der  Salpen  gesehen  zu  haben 
mich  entsinne. 


i)  Archiv  für  Naturgeschichte  1860.  I.  p.  311 — 318.   Taf.  XIII. 


j  j  2  I^'is  Kolonialnervensystem  der  Moosthiere. 

Die  Darstellung  des  Kolonialnervensystems  als  einzigen  Zweck  dieses  Auf- 
satzes betrachtend,  beschränke  ich  die  vorauszuschickende  Beschreibung  des  Thieres 
auf  das  zum  Erkennen  der  Art  und  zum  Verständnisse  des  Folgenden  Noth- 
wendige,  und  übergehe  namentlich  den  inneren  Bau  der  Einzelthiere. 

Der  sparrig  verästelte,  nach  allen  Seiten  über  spannenweit  zwischen  Tangen 
sich  ausbreitende  Thierstock  der  Serialaria  Coutinhii  mihi  ^)  besteht  aus  walzen- 
förmigen Gliedern,  die  bis  über  40  mm  Länge  bei  1,35  mm  Dicke  erreichen,  und, 
von  Glied  zu  Glied  sich  verjüngend,  bis  zu  0,1  mm  dicken  Endzweigelchen  herab- 
sinken. Die  Verästelung  des  Stockes  erscheint  im  Allgemeinen  trichotomisch  in 
der  Weise,  dass  vom  Ende  jedes  Astes  drei  ungleich  starke  Zweige  abgehen,  die 
beiden  stärkeren  nahezu  in  gleicher  Ebene  mit  dem  Aste,  der  dritte  schwächere 
einen  Winkel  von  etwa  60 "  mit  der  Ebene  der  beiden  anderen  bildend.  An  den 
äussersten  Verzweigungen  verfolgt  man  leicht  die  Entstehung  dieser  Verästelungs- 
weise: am  Ende  des  Astes  tritt  zunächst  ein  einzelner  neuer  Trieb  als  gerade 
Fortsetzung  des  Astes  auf  (fig.  i,  a),  wird  aber  später  (fig.  i,  a")  durch  einen 
zweiten  (fig.  i,  b'),  der  bald  darauf  neben  ihm  entspringt,  mehr  und  mehr  zur 
Seite  gedrängt,  so  dass  der  Winkel  zwischen  diesen  Zweigen  oft  bis  über  120^ 
steigt.  Der  dritte,  wieder  jüngere  Zweig  (fig.  1,  c)  zwischen  den  beiden  älteren, 
in  einer  auf  der  Ebene  derselben  senkrechten  Ebene  sich  entwickelnd,  pflegt  jene 
Ebene  der  beiden  älteren  kaum  merklich  hinabzudrängen,  so  dass  dieselben  eben 
nahezu  in  gleicher  Ebene  mit  dem  Aste  bleiben.  Bisweilen,  doch  immer  erst  viel 
später,  und  nachdem  sich  die  früheren  längst  weiter  verästelt  haben,  tritt  dem 
dritten  gegenüber  noch  ein  weit  schwächerer  vierter  Zweig  auf  (fig.  i,  d); 
selten  selbst  ein  fünfter,  eine  Zahl,  die  ich  noch  nicht  überschritten  sah.  Das 
relative  Alter  der  Zweige  bleibt  meist  sehr  deutlich  ausgeprägt  in  ihrer  Dicke 
und  Länge,  so  wie  in  dem  Grade  ihrer  weiteren  Verästelung. 

Die  Glieder  des  Stockes  sind  weich,  biegsam,  doch  dabei  elastisch,  etwa  wie 
ein  unterbundenes  mit  Wasser  straff  gefülltes  Darmstück ;  ihre  in  kochender  Kali- 
lauge nicht  gelöste,  also  wohl  aus  Chitin  bestehende  zarte  aber  dabei  feste  Hülle 
ist,  wie  der  fast  flüssige  Inhalt,  von  fast  wasserheller  Durchsichtigkeit;  eine  leichte 
gelbliche  Trübung  wird  durch  ein  unmittelbar  unter  der  Hülle  gelegenes  Pigment 
bedingt.  Die  jüngsten  Zweige  zeigen  sich  weniger  durchsichtig,  während  bei  den 
älteren  vielerlei  thierische  und  pflanzliche  Schmarotzer   oft  den  Einblick  hindern. 

[Späterer  Zusatz:  Nach  Beobachtungen  an  anderen  ctenostomen  Bryozoen 
vermuthe  ich,  dass  die  einzelnen  Glieder  durch  eine  von  der  Hülle  ausgehende 
quere  Scheidewand  getrennt  sind.] 

Der  Stock  haftet  an  Tangen  u.  s.  w.  mittelst  sehr  vereinzelter  Wurzelfäden, 
die  bald  am  Ende  der  Aeste  an  Stelle  der  Zweige  (fig.  2,  a),  bald  an  unbestimmten 
Stellen  des  Stammes,  besonders  zwischen  den  Thierzellen  entspringen  (fig.  2,  b)  und 
deren  Ende  sich  flächenartig  und  lappig  auf  dem  Tange  ausbreitet. 

Die  Thierzellen  stehen  in  Längsreihen  am  oberen  Theile  der  Zweige,  deren 
unterer  Theil   in  verschiedener  Erstreckung  leer  bleibt,   bald  in  ununterbrochener 


i)  Die  Art  benannte  ich  nach  Herrn  Dr.  Joüojosc  Coutinho,  früheren  Präsidenten  der  Provinz 
Santa  Catharina,  dem  ich  die  Müsse  zu  wissenschaftlichen  Arbeiten,  und  dem  also  die  Wissenschaft  dankt, 
was  mir  etwa  hier  zu  ihrer  Förderung  zu  leisten  vergönnt  sein  sollte. 


Das  Kolonialnervensystem   der  Moosthiere.  j  j  7 

dichtgedrängter  Folge,  bald  mit  einzelnen  kurzen  Lücken,  bald  (an  den  ältesten, 
bisweilen  selbst  thierlosen  Aesten)  nur  in  einzelnen  wenig  zahlreichen  Gruppen. 
Sie  erscheinen  einseitswendig  (wie  bei  Serialaria  cornuta  und  lendigera  Lam.)  an 
den  jüngsten  Endzweigelchen,  an  den  übrigen  aber  in  zwei  mehr  oder  weniger 
diametral  gegenüberstehenden  Reihen.  Es  treten  nämlich  zuerst  zwei  dicht  neben- 
einanderstehende Reihen  auf,  nach  aussen  von  diesen  bilden  sich  zwei  neue  Reihen 
jüngerer  Zellen ;  ihnen  folgt  wieder  nach  aussen  ein  dritter,  ein  vierter  Nachwuchs 
u.  s.  f.,  während  die  altern  Thiere  absterben  und  endlich  auch  ihre  Zellen  abfallen. 
Wenn,  wie  es  an  alten  Aesten  vorkommt,  bei  diesem  Vorrücken  der  jungen  Brut  der 
Durchmesser  überschritten  wird,  schlägt  natürlich  scheinbar  die  Ordnung  um, 
indem  nun  die  Knospen  sich  nach  innen  von  den  beiden  Reihen  reifer  Thiere 
finden.  —  Die  Zellen  sind  häutig,  in  voller  Ausdehnung  gegen  0,6  mm  lang  und 
von  0,2  mm  auf  0,1  mm  Durchmesser  verjüngt;  sie  sitzen  mit  kuglig  abgerundeter 
Basis  schief  auf,  nach  der  Spitze  des  Zweiges  zu  sich  neigend  und  tragen  am 
Ende,  beim  Uebergange  in  die  Tentakelscheide  einen  Kranz  0,04  bis  0,05  mm 
langer,  zarter,  flacher,  farbloser  Borsten.  Bei  tiefem  Zurückziehen  des  Thieres 
wird  ein  volles  Drittel  der  Zelle  eingestülpt,  und  diese  nimmt  dann  eine  mehr 
eiförmige  Gestalt  an.  Die  alten  Zellen  ohne  Thiere,  deren  Vorderende  stets  ein- 
gestülpt ist,  erscheinen  kürzer  und  dicker  und  von  ellipsoidischer  Form. 

Das  Thier,  das  einen  Kranz  von  acht  0,3  mm  langen  Tentakeln  trägt,  ist  in 
der  Zelle  so  gelagert,  dass  die  Darmseite  der  Spitze,  die  Schlundseite  dem  Ur- 
sprünge des  Zweiges  sich  zuwendet;  bei  tiefem  Zurückziehen  richtet  sich  der  ein- 
gestülpte Zellentheil  schief  nach  der  Darmseite,  um  hier  auf  die  Mitte  der  nicht 
eingestülpten  Zellenwand  zu  stossen ;  von  da  wendet  sich  die  Tentakelscheide 
quer  nach  der  Schlundseite  und  steigt  an  dieser  bis  zum  Zellengrunde  nieder. 

Die  Beachtung  dieser  Lagerungsverhältnisse,  so  wie  der  Richtung,  in  der 
sich  die  neuen  Thierknospen  bilden,  erleichtert  wesentlich  das  rasche  Zurechtfinden 
an  kleinen  Stückchen,  wie  sie  in  den  Gesichtskreis  des  Mikroskops  fallen ;  die 
weiteren  Verhältnisse  der  Einzelthiere  sind  nicht  von  Belang  für  die  Auffassung 
des   Kolonialnervensy Sterns,   zu  dessen  Darstellung  ich  jetzt  mich   wende. 

Das  Nervensystem  jedes  Zweiges  besteht  aus  einem  an  dessen 
Ursprung  liegenden  ansehnlichen  Ganglion,  aus  einem  von  diesem 
ausgehenden  den  Zweig  der  Länge  nach  durchziehenden  Nerven - 
stamme,  dersich  am  oberen  Ende  inAeste  theilt  für  die  Ganglien 
der  hier  entspringenden  Stengelglieder,  und  aus  einem  reichen 
Nervenplexus,  der  dem  Stamme  aufliegt,  und  diese  Ganglien,  so 
wie  die  Basalganglien  der  Einzelthiere  verbindet. 

Die  Basalganglien  der  Zweige  (fig.  3 — 5,  G)  liegen  genau  an  der  Grenze 
zwischen  Ast  und  Zweig  und  in  der  Achse  des  letzteren ;  sie  sind  meist  von  kug- 
liger  Form,  oder  auch  etwas  in  die  Länge  gezogen  und  mehr  spindelförmig  und 
von  körnigem  (kleinzelligem?)  Gefüge.  Blass  und  durchscheinend  in  den  jüngsten 
Zweigelchen,  erhalten  sie  bald  eine  schwach  gelbliche  Färbung  und  werden  un- 
durchsichtig. Ihre  Grösse  steigt  von  0,03  mm  Durchmesser  (in  einem  ganz  jungen 
erst  0,2  mm  langen  Zweigelchen  gemessen)  bis  über  0,1  mm  Durchmesser. 

Vom  Basalganglion  läuft  in  gerader  Linie  und  mit  fast  gleichbleibender  Dicke 
(je    nach    dem  Alter  0,0 1   bis  0,05  mm)  ein  Nervenstamm    bis  nahe  ans  Ende 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  8 


j  .  •  Das  Kolonialnervensystem  der  Moosthiere. 

des  Zweiges  (fig.  3 — 5,  S),  jedoch  nicht  in  der  Achse,  sondern  sich  der  Seite  der 
Oberfläche  mehr  oder  weniger  nähernd,  an  welcher  die  ersten  Thierknospen  sich 
bilden,  und  die  ich  kurzweg  als  die  obere  bezeichnen  will.  Meist  ist  er  einfach, 
bisweilen  in  zwei  dicht  aneinanderliegende  oder  stellenweise  etwas  auseinander- 
weichende Stämme  getheilt,  selten  nur  (in  alten  Aesten)  auf  kürzere  oder  längere 
Strecken  in  einen  langmaschigen  Plexus  mit  3  bis  4  Hauptstämmen  aufgel(')st. 
Er  ist  von  blasser  Farbe  und  hat  zarte  glatte  Contouren. 

Die  Basalganglien  und  die  Hauptnervenstämme  sind  bei  günstiger  Beleuch- 
tung oft  schon  mit  der  Loupe  recht  gut  wahrzunehmen. 

Der  oberen  Seite  des  Nervenstammes  liegt,  bald  ihn  dicht  überdeckend,  bald 
in  weiteren  Maschen  ihn  überspinnend,  ein  Plexus  dünnerer  Nerven  auf  (fig.  3 
bis  5,  P),  der  sich  seitlich  nach  der  Ursprungshnie  der  Thierzellen  ausbreitet  und 
besonders  reich  am  Ende  des  Zweiges  zwischen  den  Basalganglien  der  folgenden 
Stengelglieder  entwickelt.  In  diesem  Endplexus  scheint  jedoch  ausser  den  Aesten 
zu  den  eben  bezeichneten  Ganglien  auch  wenigstens  noch  eine  bogige  Brücke 
zwischen  je  zweien  derselben  dem  Systeme  des  glatten  Hauptnervenstammes  an- 
zugehören. Die  Nerven  des  Plexus  unterscheiden  sich  nämlich  von  dem  Haupt- 
stamme besonders  dadurch,  dass  ihre  Oberfläche  durch  aufgelagerte  kernhaltige 
Zellen  uneben  und  mehr  oder  weniger  knotig  oder  höckerig  erscheint.  Chrom- 
säurelösung macht  diese  Zellen  schwinden;  die  Nerven  erhalten  dadurch  schärfere 
nun  gradlinige  Contouren,  denen  noch  die  Kerne  jener  Zellen  als  kleine  stärker 
lichtbrechende  Körnchen  aufsitzen.  —  Es  ist  dieser  Plexus  besonders  entwickelt 
an  dem  mit  Thierzellen  besetzten  Theile  der  Zweige  und  namentlich  von  äusserster 
Complication  in  älteren  Aesten,  an  denen  schon  eine  Reihe  successiver  Generationen 
sich  gefolgt  sind.  Nach  dem  Ursprünge  der  Zweige  pflegt  er  seitlich  nicht  über 
den  Nervenstamm  hinauszugehen  und  ist  dann  kaum  von  ihm  zu  unterscheiden ; 
bei  der  Ansicht  von  oben  erscheinen  dann  beiderseits  unebene  Contouren,  während 
die  Seitenansicht  oben  die  unebenen  Contouren  des  Plexus,  unten  die  glatten  des 
Nervenstammes  zeigt.  In  diesem  thierlosen  Theile  der  Zweige  vermisst  man  bald 
alle  peripherischen  Nerven,  bald  sieht  man  einzelne  meist  rücklaufende  Fäden, 
bald  auch  findet  sich  ein  ziemlich  entwickelter  Plexus,  der  dann  aber  vertical 
vom  Stamme  aufwärts  sich  ausbreitet,  während  die  Ausbreitung  des  Plexus 
zwischen  den  Thierzellen  mehr  oder  weniger  horizontal  ist.  In  Bezug  auf  letzteren 
Plexus  sei  noch  erwähnt,  dass  man  bisweilen,  doch  nicht  constant,  seine  Fäden 
unter  der  Ursprungslinie  der  Thierzellen  zu  einem  etwas  stärkeren  Grenzstrang 
zusammenfliessen  sieht. 

Es  bleibt  mir  der  Zusanuuenhang  des  eben  geschilderten  Kolonialnervcn- 
systems  mit  den  Einzelthieren  zu  besprechen.  Dieser  Zusammenhang  ist  nicht 
immer  leicht  zu  erkennen.  Damit  die  zu  untersuchende  Gegend  nicht  von  den 
meist  dicht  gedrängten  Thierzellen  verdeckt  werde,  müssen  diese  seitlich  liegen; 
dann  aber  fällt  dieselbe  Gegend  theils  dicht  an  den  Rand  des  cylindrischen 
Zweiges,  theils  fast  in  dieselbe  Ebene  mit  dem  Hautpigmente  und  wird  aus 
beiden  Gründen  oft  fast  undurchsichtig ;  ausserdem  pflegt  der  Magen  des  zurück- 
gezogenen Thieres  störend  in  den  Weg  zu  treten.  Indessen  lassen  sich  doch  fast 
an  jedem  Zweige  ein  oder  das  andere  Thier  oder  leichter  noch  Knospen  heraus- 
finden,   an    denen    dieser  Zusammenhang    unzweideutig  zu  erkennen  ist.     An  der 


Das   Kolonialnervensystem  der  Moosthiere.  IIS' 

Grenze  zwischen  Zweig  und  Thierzelle,  halb  in  jenen,  halb  in  diese  hineinragend, 
liegt  ein  kugliges  Ganglion  von  0,04  bis  0,05  mm  Durchmesser  (in  jungen  Knospen 
kleiner),  das  einerseits  mit  den  Nerven  des  Plexus  in  Verbindung  steht,  während 
ich  nach  der  anderen  Seite  einen  von  ihm  zum  Darme  gehenden  Nerven  beim 
erwachsenen  Thiere  einigemal  gesehen  zu  haben  glaube  und  bei  Knospen  mit 
Bestimmtheit  gesehen  habe.  Den  vorauszusetzenden  Zusammenhang  dieses  Basal- 
ganglions  mit  dem  Oesophagealganglion  vermochte  ich  nicht  nachzuweisen. 

Auch  die  Wurzeln,  mögen  sie  nun  am  Ende  der  Aeste,  oder  in  der  Reihe 
der  Thierzellen,  oder  sonstwo  am  Aste  entspringen,  haben  ihr  Basalganglion  und 
ihren  sie  durchziehenden  Nervenstamm.  Bei  ihrem  ersten  Auftreten  sind  die 
Einzelthiere  und  die  Zweige  des  Thierstocks  durch  nichts  Wesentliches  ausser 
dem  Orte  ihres  Ursprungs,  die  Wurzeln  aber  von  beiden  nicht  einmal  hierdurch 
unterschieden  und  es  findet  Leuckart's  geistvolle  Lehre  vom  Polymorphismus 
auf  diese  drei  verschiedenen  Gebilde  eine  ungezwungene  Anwendung. 

Es  steht  zu  erwarten,  dass  ein  ähnliches  Kolonialnervensystem  auch  andern  Moos- 
thieren  mit  besonderm  von  den  Thierzellen  geschiedenen  Stocke  zukommen  werde, 
während,  wo  Zelle  aus  Zelle  sprosst,  wenigstens  im  Grunde  der  Zellen  liegende 
und  durch  Nervenfäden  mit  einander  verbundene  Ganglien  sich  vermuthen  lassen. 
[Späterer  Zusatz :  Die  Basalganglien  der  Zweige  und  ihren  Nervenstamm  habe  ich 
bei  verschiedenen  Moosthieren  mit  reusenartigem  Verschlusse  der  Zellen,  Cteno- 
stomata  Allm.,  erkannt;  in  keiner  der  übrigen  Abtheilungen  vermochte  ich  aber 
bis  jetzt  unzweideutige  Spuren  des  Kolonialnervensystems  aufzufinden.] 

Desterro.  im  Januar   1 860. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XIII  und  XIV. 

Fig.  I.  Bruchstück  einer  Kolonie  von  Serialaria  Coutinhii  F.  Müll.  6mal  vergr.  Mit 
a  ist  der  erste,  mit  b  der  zweite,  mit  c  der  dritte,  mit  d  der  vierte  am  Ende  des  vorher- 
gehenden Stengelgliedes  sprossende  Zweig  bezeichnet,     iv  junge  Wurzeln. 

Fig.  2.  Zweig  mit  Wurzeln,  I2mal  vergr.  a  auf  Tang  [T)  haftende,  b  jüngere 
Wurzeln,  c  warzenförmige  Wurzelknospe. 

Fig.  3  —  5.  Kolonialnervensystem  der  Serialaria.  Fig.  3  u.  4  sind 
gomal,  fig.  5  ist  5omal  vergr.  Fig.  3  stellt  das  Nervensystem  aus  dem  Gelenk  A  in  fig.  i  ; 
fig.  4  dasselbe  aus  dem  Ende  eines  erst  zwei  noch  unverästelte  Endzweige  tragenden  Astes 
dar.  Es  bezeichnet  in  diesen  Figuren :  G  Basalganglion  der  Zweige,  g  Basalganglion  der 
Einzelthiere,  6"  Nervenstamm  der  Zweige,  P  Nervenplexus,  der  demselben  aufliegt,  R  Grenz- 
strang desselben  an  der  Ursprungslinie  der  Einzelthiere.  Fig.  4  zeigt  Nervenstamm  und 
Plexus  von  oben,  fig.   5   von  unten. 

Fig.  6.  Thierknospe  von  0,06  mm  Durchmesser,  g  Basalganglion.  e  Anlage  iles 
Thieres. 

Fig.  7.  Aeltere  Thierknospe.  g  Basalganglion.  e  Anlage  des  Thieres.  «  Nerv  von 
jenem  zu  diesem.  P  Nerven  des  Kolonialnervenplexus.  Fig.  6  u.  7  sind  oomal  ver- 
grössert. 


Cunina  KöUikeri  n.  sp.  ^). 

Beitrag  zur  Naturgeschichte  der  Aeginiden. 
Mit  Tafel  XV. 

Eine  der  räthselhaftesten  Thatsachen  in  der  an  Räthseln  noch  so  reichen 
Naturgeschichte  der  Schirmquallen  ist  das  von  Kölliker-)  beobachtete  Vor- 
kommen sechszehnstrahliger  „Stenogaste r"  im  Magen  eines  zehn- 
strahligen  „Eury Stoma".  Die  Bedeutung  der  bis  jetzt  vereinzelt  stehenden 
Beobachtung  ist  wenig  gewürdigt  worden,  indem  man  bald  dieses  Vorkommen 
selbst,  bald  die  Verschiedenheit  in  der  Tentakelzahl  der  beiden  Formen  als  zu- 
fällig ansah,  —  bald  also,  wie  Kölliker,  sie  als  „unmöglich  im  Zusammenhange 
stehende"  Arten,  bald  wieder  die  Stenogaster  einfach  als  junge  Eurystoma  auf- 
fasste.  Weder  das  Eine  aber  noch  das  Andere  ist  zufällig.  Stenogaster  ist  die 
Brut  von  Eurystoma,  kann  sich  aber  unmöglich  in  letzteres  verwandeln,  da  die 
Zahl  seiner  Magentaschen  und  Tentakel  eine  viel  grössere  ist. 

Seit  März  1859  kenne  ich  eine  achtstrahlige  Cunina  mit  zwölfstrahliger 
Brut,  —  Zahlen,  die  fast  genau  in  demselben  Verhältnisse  stehen,  wie  die  von 
Kölliker  beobachteten  10  und  16,  —  erst  kürzlich  jedoch  fand  ich  Müsse  und 
reichen  Stoff  zu  einer  näheren  Untersuchung,  Die  Hoffnung,  in  der  ich  sie  unter- 
nahm, das  Räthsel  dieser  auffallenden  Thatsache  zu  lösen,  ist  leider  getäuscht 
worden.  Immerhin  scheint  mir  aber  die  Mittheilung  meiner  Beobachtungen  ge- 
rechtfertigt, da  sie  wenigstens  dienen  werden,  die  Aufmerksamkeit  aufs  Neue 
jener  zu  wenig  beachteten  Entdeckung  Kölliker's  zuzuwenden. 

Nach  dem  Entdecker  jener  überaus  merkwürdigen  Thatsache  nenne  ich  die 
Qualle,  an  der  ich  sie  unzählige  Male  bestätigen  konnte,  Cunina  Köllikeri.  Sie 
gehört  zu  den  häufigeren  Quallen  unseres  Meeres  und  findet  sich  namentlich  in 
diesem  Sommer  in  Menge,  so  dass  ich  einmal  in  einer  Stunde  über  50  Stück 
sammeln  koimte. 

Die  glashelle  Gallertsche  i  be  der  Cunina  Köllikeri  (fig.  i)  wurde  bis  zu 
6,5  mm  Durchm.  beobachtet;  schon  bei  der  Hälfte  dieses  Durchmessers  pflegen 
indessen  alle  Theile  vollzählig  vorhanden  zu  sein  und  noch  früher  schon,  vor 
vollständiger   Entwickelung   der  Randbläschen,  tritt   die   Geschlechtsreife  ein.    Je 


1)  Archiv  für  Naturgeschichte   1861.  I.  p.  42 — 52.  Taf.  IV". 

2)  V.  Sieb,  und  Köll.  Zeitschr.   für  wiss.  Zool.    1853.  Bd.  IV.  S.  327. 


Cunina  Köllikeri. 


117 


nach  der  Dicke  der  Gallertscheibe  zeigt  ihre  Rückenfläche  verschiedene  Wölbungs- 
grade von  ziemlich  flacher  Scheibenform  bis  zur  Halbkugel.  Meist  ist  die  Wölbung 
nicht  gleichmässig-,  sondern  der  Scheitel  stärker,  selbst  kuppelartig  hervortretend, 
der  mittlere  Gürtel  geradlinig  niedersteigend  oder  selbst  flach  eingesenkt,  und 
der  Rand  wieder  in  stärkerer  Krümmung  abwärts  gebogen. 

Der  Rand  zeigt,  dem  Ursprünge  der  Tentakel  entsprechend,  acht  schmale, 
tiefe,  unterhalb  von  der  Randhaut  überbrückte  Einschnitte;  die  dadurch  gebildeten 
Lappen  sind  in  der  Mitte  breiter  und  bald  durch  einen  einfachen  Bogen  begrenzt, 
bald,  wenn  sie  mehr  als  ein  Randbläschen  tragen,  zwischen  je  zweien  derselben 
seicht  eingekerbt.  Von  ihrem  Rande  schlägt  sich  die  massig  breite  (nicht  von 
Kanälen  durchzogene)  Randhaut  (fig.  2  u.  3,  v),  nach  innen.  Da  ihr  freier 
Saum  einen  Kreis  bildet,  ist  sie  natürlich  von  sehr  wechselnder  Breite,  am  breitesten 
den  Tentakeln,  am  schmälsten  der  Mitte  der  Randlappen  gegenüber. 

Die  Unterfläche  der  Scheibe  ist  in  der  Mitte  eben  oder  fast  unmerklich  ge- 
wölbt, im  Umkreise  in  sanfter  Neigung  abwärts  steigend.  Den  ebenen  Theil 
nimmt  der  Magen  ein,  dessen  Durchmesser  etwa  der  Hälfte  des  Scheibendurch- 
messers gleichkommt.  Vom  Umkreise  des  Magens  bis  zum  Ursprünge  der  Ten- 
takel erstrecken  sich  die  acht  Magentaschen,  die  nur  durch  schmale  Scheidewände 
getrennt  werden.  Diese  Scheidewände  springen  mit  einer  abgerundeten  Wulst 
in  den  Magen  vor  und  sind  von  ziemlich  gieichmässiger  Breite,  weshalb  denn 
natürlich  die  Magentaschen  in  gleichem  Verhältnisse  mit  ihrer  Entfernung  vom 
Mittelpunkte  sich  verbreitern.  Die  flach  ausgebreitete  untere  Magenhaut,  die  dem 
frei  niederhängenden  Magenrohre  anderer  Quallen  entspricht,  gleicht  ihnen  in 
wunderbarer  Contractilität.  Der  Mund  (fig.  2,  3,  4,  11),  fast  stets  in  langsamer 
Bewegung,  ist  bald  völlig  geschlossen,  bald  so  weit  geöffnet,  dass  die  Eingänge 
der  Seitentaschen  und  die  vorspringenden  Wülste  der  sie  trennenden  Scheidewände 
entblösst  werden.  In  der  Regel  erscheint  er  als  ganzrandige  runde  oder  eiförmige 
Oeffnung  von  wechselnder  Weite  in  der  Mitte,  oder  nach  jeder  beliebigen  anderen 
Stelle  des  Magens  verschoben.  Diese  Kreisform  kann  er  bis  zu  fast  völligem 
Verschlusse  bewahren,  oder  dann  auch  die  Form  einer  Längsspalte,  eines  Kreuzes 
u.  s.  w.  annehmen  (fig.  4).  Muskelfasern  konnte  ich  in  dieser  Magenhaut  nicht 
sehen ;  sie  dürften  wohl  überhaupt  bei  Quallen  nur  da  zu  suchen  sein,  wo  rasche 
Bewegungen  in  stets  gleicher  Richtung  auszuführen  sind,  nicht  aber  als  Ver- 
mittler langsamer  proteusartiger  Zusammenziehungen. 

Ich  erwähne  bei  Gelegenheit  des  Magens,  dass  die  Nahrung  unserer  Qualle 
hauptsächlich  in  einer  kleinen  hier  sehr  häufigen  Physophoridc  (Agalmopsis  ?)  zu 
bestehen  scheint,  die  ich  einmal  wirklich  gefangen  sah,  während  ich  oft  Nessel- 
organe im  Magen  der  Cunina  fand,  die  mit  denen  aus  den  Nesselknöpfen  der 
Agalmopsis  vollständig  übereinstimmten. 

In  der  Magenhöhle  und  ihren  Nebentaschen  besteht  Flimmerbewegung. 

Die  Tentakel  (fig.  5)  entspringen  mit  verdickter  Basis  in  den  Einschnitten 
des  Scheibenrandes,  dem  Grunde  der  Magentaschen  gegenüber,  sie  verjüngen  sich 
allmählich  und  enden  mit  abgerundeter  Spitze.  Ihre  Länge  wechselt  von  noch 
nicht  einem  Drittel  bis  über  zwei  Drittel  des  Scheibendurchmessers;  ihre  eigenen 
Bewegungen  sind  langsam  und  unerheblich  und  dürften  sie  sich  kaum  bis  zur 
Hälfte  ihrer  grössten  Länge  verkürzen  können.   Wie  bei  verwandten  Arten  werden 


iia 


Cunina  Köllikeri. 


sie  bald  strahlig  ausgebreitet,  wobei  ihre  Spitze  leicht  abwärts  gebogen  ist,  bald 
mehr  auf-  oder  abwärts  gerichtet.  Die  angeschwollene  Basis  des  Tentakels  ist 
aus  grossen  kernhaltigen  Zellen  zusammengesetzt,  nach  oben  geht  sie  in  die  aus 
einer  einfachen  Reihe  querer  Zellen  gebildete  Achse  über,  nach  unten  setzt  sie 
sich  mit  einer  kegelförmig  zugespitzten,  geraden  oder  seltener  gebogenen,  aus 
3  bis  5  grossen  Zellen  bestehenden  Wurzel  in  die  Gallertscheibe  fort.  Die  ziem- 
lich dünne  Rindenschicht  enthält  kleine  runde  Nesselorgane  eingelagert,  die  be- 
sonders gegen  die  Spitze  hin  dichter  gedrängt  sind  und  eine  weissliche  Trübung 
oder  leicht  gelbliche  Färbung  bedingen.  Eine  „scheidenartige  Umhüllung",  die 
Gegenbau r  der  Tentakelbasis  der  Aeginiden  zuschreibt,  sah  ich  nicht ;  man 
müsste  denn  die  seitlich  durch  die  Randlappen  der  Gallertscheibe  und  unterhalb 
durch  die  Randhaut  gebildete  Rinne  so  bezeichnen,  in  die  die  Basis  des  abwärts 
gebogenen  Tentakels  sich  einlegt. 

Die  Randbläschen,  die  ich  auch  hier,  —  wenn  sie  überhaupt  Sinnes- 
organe sind,  für  Augen  halte,  sitzen  am  Saume  der  Randlappen;  bei  jüngeren 
Thieren  eins,  bei  älteren  drei  an  jedem  derselben,  indem  neben  jenem  ersten  noch 
jederseits  ein  neues  sich  bildet.  Diese  seitlichen  Randbläschen  kann  man  an  ver- 
schieden alten  Thieren  durch  alle  ihre  Entwicklungsstufen  verfolgen.  Die  Rand- 
bläschen (fig.  8)  sind  elliptisch  oder  verkehrt  eiförmig  von  etwa  o,o6  bis  o,o8  mm 
Länge  und  0,04  mm  Dicke,  sitzen  mit  stielförmig  verdünnter  Basis  auf  und  haben 
meist  eine  einzige  rundliche  oder  elliptische  endständige  Concretion ;  von  der  Basis 
zieht  sich  ein  zartcontourirter,  feinkörniger  Strang  zur  Concretion,  um  sie  becher- 
förmig zu  umfassen.  Bisweilen  findet  sich  eine  zweite  kleinere  Concretion  unter- 
halb der  endständigen,  selten  mehrere  (fig.  g). 

Die  Aehnlichkeit  dieser  Randbläschen  mit  den  Gehörorganen  der  Mollusken 
und  Ringelwürmer  ist  noch  geringer,  als  selbst  bei  Linope,  Eucope,  Aequorea 
u.  s.  w.,  und  es  würde  kaum  noch  ein  Schimmer  von  Aehnlichkeit  bleiben,  wenn 
sich  der  mehrfach  nachgewiesene  Verbindungsgang  der  letztern  mit  der  Körper- 
oberfläche, den  ich  gleichfalls  bei  jungen  Terebellen  ^)  sah,  als  allgemein  vorhanden 
ausweisen  sollte. 

Oberhalb  jedes  Randbläschens  ist  die  Gallertsubstanz  des  Randlappens  wulstig 
verdickt  und  auf  diesem  Wulste  verläuft  centripetal  ein  bis  etwa  0,2  mm  langer 
und  0,03  mm  breiter  scharf  begrenzter  Streifen,  dessen  Oberhautzellen  rundliche 
Nesselorgane  erzeugen.  Die  Bildung  der  entsprechenden  Nesselstreifen  beginnt 
vor  dem  Auftreten  der  seitlichen  Randbläschen.  Wie  bei  anderen  Aeginiden 
werden  die  Randlappen  der  Scheibe  häufig  nach  innen  umgebogen,  in  w^elcher 
Lage  dann  die  Nesselstreifen  von  den  Randbläschen  strahlig  nach  aussen  ver- 
laufen (fig.  2,  3). 

Dem  Nervensysteme  glaube  ich  zurechnen  zu  müssen  einmal  einen 
matten  am  Saume  der  Randlappen  sich  hinziehenden  Streifen,  in  dem  man  zart 
contourirte  Zellen  von  0,006  bis  0,008  mm  Durchmesser  unterscheidet,  der  bei  den 
Randbläschen  anschwillt  (fig.  8,  g)  und  den  schon  erwähnten  Strang  zur  Concretion 

i)  Diese  jungen  Terebellen,  die  in  eiförmige  Schleiminassen  sich  hüllend,  sehr  lange,  bis  zur  Aus- 
bildung der  Kiemen,  im  Meere  herumtreiben,  haben  auch  das  Eigenthümliche,  nach  dem  Verschwinden 
der  Pigmentflecke  des  Kopflappens  noch  ein  schwarzes  Augenpaar  zu  entwickeln.  Sie  scheinen  zu  Terebella 
annulicornis  mihi  zu  gehören. 


Cunina  Köllikeri.  j  j  q 

abgiebt,  und  zweitens  ein  paar  ansehnliche,  ziemHch  undurchsichtige,  weit  stärker 
contourirte  Wülste  an  der  Basis  jedes  Tentakels  (fig.  5,  g),  die  ähnliche,  aber  gleich- 
falls schärfer  contourirte  Zellen  zeigen  und  zu  denen  ich  wiederholt  jenen  anderen 
Streifen  verfolgt  zu  haben  glaube. 

Als  b  e  z  e  i  c  h  n  e  n  d  e  E  i  g  e  n  t  h  ii  m  1  i  c  h  k  e  i  t  e  n  der  Cunina  Köllikeri  dürften 
aus  vorstehender  Beschreibung  die  Zahl  der  Tentakel  und  Magentaschen,  die  Länge 
der  Tentakel,  die  Zahl  und  Form  der  Randbläschen  und  die  oberhalb  derselben 
liegenden  Nesselstreifen  hervorzuheben  sein.  Es  ist  dabei  zu  bemerken,  dass  wenn 
schon  acht  die  gewöhnlichste  Zahl  der  Tentakel  und  Magentaschen  ist,  doch  auch 
Ausnahmen  nicht  selten  beobachtet  werden.  Während  einiger  Tage  merkte  ich 
die  Tentakelzahl  aller  untersuchten  Thiere  an  und  fand  dabei  70  mit  8,  4  mit  7, 
eins  mit  6  und  eins  mit  g  Tentakeln,  wobei  ich  mich  überzeugte,  dass  die  7-  und 
6-strahligen  nicht  etwa,  was  auch  vorkommt,  aber  leicht  an  den  Magentaschen 
und  Randbläschen  zu  erkennen  ist,  nur  zufällig  einen. Tentakel  eingebüsst  hatten. 

Die  grosse  Mehrzahl  der  beobachteten  Exemplare  trugen  in  reicher  Menge 
junge  Brut  im  Magen  und  dessen  Seitentaschen  (fig.  11);  nicht  selten,  bei  etwa 
30  Proz.  der  bruttragenden,  wurden  gleichzeitig  reife,  lebhaft  wimmelnde  Spermato- 
zoiden  gefunden;  zweimal  unter  76  Thieren  fanden  sich  geschlechtsreife  Männ- 
chen ohne  Brut.  Eier  wurden  nie  gesehen.  Die  beiden  Männchen  ohne  Brut 
waren  kleinere  Thiere  ohne  seitliche  Randbläschen,  die  Männchen  mit  Brut  hatten 
ebenfalls  grossentheils  die  Randbläschen  noch  nicht  vollständig  entwickelt  und 
ihre  Brut  hatte  selten  schon  mehr  als  vier  Tentakel;  alle  durch  Grösse  ausge- 
zeichneten Exemplare  hatten  nur  Brut,  meist  in  allen  möglichen  Entwickelungs- 
zuständen.  Es  scheint  demnach,  dass  mit  dem  Erlöschen  der  Samenbildung  die 
Erzeugung  von  Brut  durch  Knospung  beginnt,  während  man  a  priori  eher  das 
Umgekehrte  hätte  erwarten  sollen. 

Die  Bildungsstätten  des  Samens  sind,  wie  schon  durch  Leuckart 
bekannt  wurde,  die  Scheidewände  der  Magentaschen,  um  deren  freies  Ende  sie 
sich  hufeisenförmig  herumziehen.  Die  Spermatozoiden  (fig.  10)  sind  cercarienförmig 
mit  rundem  Kopfe  von  etwa  0,003  "im  Durchmesser  und  zartem,  langem  Faden. 

Die  frei  im  Magen  und  seinen  Nebentaschen  liegende  Brut  lässt  sich  zurück 
verfolgen  bis  zu  rundlichen  kleinzelhgcn  Körpern  von  0,03  mm  Durchmesser,  die 
mit  aller  Wahrscheinlichkeit  herzuleiten  sind  von  etwa  gleichgrossen  mit  ver- 
dünntem Stiele  aufsitzenden  Wucherungen  der  Magenwand  (fig.  12).  Diese  letzteren 
wurden  im  Verhältnisse  zur  Menge  der  Brut  nur  selten  angetroffen,  was  aber 
vielleicht  in  der  Raschheit  ihrer  Bildung  und  Ablösung  seine  Erklärung  findet. 
Wie  die  innere  Magenfläche,  so  sind  auch  diese  Knospen  und  so  ist  die  sämmt- 
liche  Brut  im  Innern  des  Magens  mit  zartem  Flimmerkleide  bedeckt,  so  zart,  dass 
es  kaum  genügt,  die  jüngeren  Larven  langsam  herum  zu  bewegen.  Man  muss 
dieses  natürlich,  wie  die  Flimmerhaare  selbst,  ausserhalb  des  Magens  beobachten ; 
wahrscheinlich  weil  sie  die  Brut  nur  im  Magen  untersucht,  übersahen  Kölliker 
und  Gegenbau r  das  Plimmerkleid.  Wenn  auch  durch  dieses  die  Cuninaspröss- 
linge  von  anderen  knospend  an  Quallen  und  Hydroiden  erzeugten  Jungen  ab- 
weichen, so  hat  doch  diese  Verschiedenheit  durchaus  nichts  Auffallendes;  vielmehr 
erscheint  es  natürlich,  dass  die  Oberfläche  der  Knospe  die  Eigenthümlichkeit  der 
Oberfläche   theilt,   aus   der   sie   sich   erhebt.    —    Leicht   denkbar    ist   es,    dass   bei 


■  ,„  Cunina  Köllikeri. 

anderen  Aeginidensprösslingen  das  Flimmerkleid  sich  stärker  entwickele  und  sich 
längere  Zeit  während  des  freien  Lebens  im  Meere  erhalte  und  jedenfalls  wird 
die  nur  auf  das  Flimmerkleid  der  jungen  Aeginopsis  begründete  Annahme,  dass 
die  Aeginiden  ohne  Generationswechsel  direkt  aus  dem  Eie  entstehen,  eines  neuen 
und  anderweitigen  Beweises  bedürfen. 

Bei  0,05  mm  Durchmesser  fängt  die  Abgrenzung  einer  äusseren  aus  kugligen 
Zellen  gebildeten  Schicht  an,  sich  bemerklich  zu  machen  (fig.  13);  der  innere 
Raum  scheint  hohl  zu  sein.  Bei  0,08  mm  Länge  wird  die  Gestalt  eiförmig  und 
bald  zieht  sich  das  spitzere  Ende  in  einen  Tentakel  aus  (fig.  14)  mit  Nesselzellen 
an  der  Spitze  und  grösseren  quer  gestellten  Zellen  im  Innern.  Ein  zweiter 
Tentakel  tritt  auf  (fig.  15),  die  Magenhöhle  wird  deutlicher  (fig.  16)  und  schon 
jetzt  oder  wenig  später  (fig.  22)  öffnet  sich  der  Mund  und  es  lässt  sich  eine 
Scheidung  der  Leibeswand  in  zwei  Schichten  erkennen.  Häufig  nimmt  jetzt 
das  Junge  Formen  an,  die  auffallend  an  Aeginopsis  erinnern  durch  die  zwei 
gegenüberstehenden  oft  lang  ausgedehnten  und  gekrümmten  rückenständigen 
Tentakel. 

Die  Achse  der  Tentakel  entsteht  aus  der  inneren  Schicht  der  Leibeswand 
als  warzenförmige  Wucherung,  der  gegenüber  sich  in  der  äusseren  Schicht  einige 
Nesselzellen  entwickeln  (fig.  19,  /).  Bald  erhebt  sich  über  der  zum  Zapfen  ver- 
längerten Warze  auch  die  äussere  Schicht  (fig.  ig,  e)  und  wird  als  Rindenschicht 
\'on  der  sich  verlängernden  Achse  mit  emporgehoben,  während  die  Nesselzellen 
sich  vermehren,  doch  aber  stets  auf  die  Spitze  beschränkt  bleiben. 

Die  Ordnung  des  Auftretens  der  folgenden  Tentakel  zu  ermitteln  wird  sehr 
erschwert  durch  ihre  ungemeine  Contractilität,  die  sie  mit  dem  ganzen  Körper 
theilen  und  die  wunderbar  absticht  gegen  ihre  spätere  Starrheit.  Tentakel,  deren 
Länge  eben  noch  den  Durchmesser  des  Körpers  übertraf,  sieht  man  sich  voll- 
ständig zurückziehen  und  für  schwächere  Vergrösserungen,  die  nicht  die  Nessel- 
zellen zeigen,  verschwinden.  Es  scheint  indess  die  durch  die  Stellung  der  beiden 
ersten  Tentakel  angedeutete  bilaterale  Anordnung  sich  auch  bei  der  Bildung  der 
folgenden  zu  behaupten,  die  paarweise  zu  den  Seiten  der  durch  das  erste  Paar 
bestimmten  Geraden  auftreten.  Bei  der  Normalzahl  12  scheint  die  Reihenfolge 
die  zu  sein  (fig.  19),  dass  zuerst  ein  mittleres  Paar  (6,  b)  auftritt,  im  Kreuz  mit 
dem  ersten  (a,  a) ;  dann  ein  Tentakel  zu  jeder  Seite  des  ersten,  wie  des  zweiten 
Tentakels  (c,  c,  d,  d);  endlich  ein  Paar  vor  und  ein  anderes  hinter  den  mittleren 
Tentakeln  {e,  e,  f,  f). 

Nicht  selten  bleibt  die  Zahl  der  Tentakel  auf  11  oder  10,  seltener  auf  g  be- 
schränkt, ein  einziges  Mal  zählte  ich  deren   13. 

Ich  habe  bereits  des  frühzeitigen  Auftretens  der  Mundöffnung  gedacht ;  merk- 
würdiger als  dieses  aber  ist  das  frühzeitige  Fressen  der  Jungen.  Eine  Cunina 
hatte  eine  kleine  Agalmopsis  gepackt  und  hielt  sie  einige  Stunden  fest,  um  ihr 
ein  gutes  Stück  abzuverdauen,  worauf  der  Rest  munter  weiter  schwamm.  Die 
Cunina  wurde  bald  darauf  unter  das  Mikroskop  gebracht;  es  war  ein  Männchen 
mit  nur  wenig  jüngerer  Brut.  Diese  Jungen  alle  hatten,  soweit  sie  einen  Mund 
hatten ,  denselben  mit  Nesselorganen  aus  den  Nesselknöpfen  der  Agalmopsis 
(fig.  17,  a)  gefüllt  (fig.  17).  Zeitig  auch  ist  in  der  Magenhöhlo  der  Jungen  und 
besonders  lebhaft  am  Mundsaume  Flimmerbewegung  sichtbar. 


Cunina  Köllikeri. 


121 


Die  Tentakel  pflegen  vollständig  v^orhandcn  zu  sein  bei  Jungen  von  0,3  mm 
JDurchmesser.  Nun  beginnt,  bei  rasch  fortschreitendem  Wachsthumc  die  Um- 
wandlung in  die  regelmässig  strahlige  Form.  Der  Körper  wächst  zu  einer  unter- 
halb der  Tentakel  vorspringenden  Scheibe  aus  und  erhält  durch  sie  feste  Umrisse. 
Ihr  Umfang  ist  ein  regelmässiges  Vieleck  mit  anfangs  geraden,  später  einwärts 
gebogenen  Seiten,  die  in  ihrer  Lage  den  Tentakeln  entsprechen  (fig.  20).  An  den 
vorspringenden  Ecken  entwickeln  sich  die  Randbläschen  (fig.  21).  Der  die  Ten- 
takel überragende  Theil  des  Körpers  scheidet  sich  in  die  durchsichtigeren  Lappen 
der  Gallertscheibe,  die  halbkreisförmig  zwischen  je  zwei  Tentakeln  vorspringen, 
und  in  die  zwischen  ihnen  ausgespannte  Randhaut.  —  Der  früher  kreisförmige 
Umfang  des  Magens  wird  wellig  gebogen ;  die  flachen  Buchten  vertiefen  und 
erweitern  sich  zu  den  Magentaschen.  Die  Nesselstreifen  oberhalb  der  Rand- 
bläschen werden  deutlich  und  damit  hat  das  Junge  alle  charakteristischen  Thcile 
der  Alten. 

Wie  andere  ihrer  Brutstätte  entschlüpfende  junge  Quallen,  z.  B.  die  Spröss- 
linge  der  Campanularien,  dehnt  sich  unsere  junge  Cunina  in  den  ersten  Stunden 
nach  dem  Verlassen  des  Magens  wie  durch  Aufquellen  merklich  aus,  indem  gleich- 
zeitig die  bis  dahin  trübe  Scheibe  zu  wasserheller  Durchsichtigkeit  sich  aufhellt. 
Sie  hat  nvm  bis  2  mm  Durchmesser  und  gleicht  in  allen  wesentlichen  Merkmalen, 
die  Zahlenverhältnisse  ausgenommen ,  der  achtstrahligen  Cunina.  Im  Habitus 
weicht  sie  besonders  ab  durch  die  noch  ganz  flache  Scheibe  mit  wagrecht  aus- 
gebreitetem Rande  und  dadurch  auffallender  hervortretender  Kerbung,  so  wie 
durch  die  kürzeren  Tentakel  (Vö  des  Scheibendurchmessers),  die  kaum  den  Scheiben- 
rand überragen.  Die  Form  der  Tentakel  {fig.  28)  ist  plumper,  ihre  Rindenschicht 
dicker,  —  die  Nesselstreifen  oberhalb  der  Randbläschen  endlich  (fig.  29)  sind  noch 
weit  kürzer,  als  bei  der  erwachsenen  Cunina.  Da  die  Umgrenzung  des  Magens 
und  seiner  Taschen  nur  schwierig  zu  erkennen  ist,  kann  man  leicht  in  Versuchung 
kommen,  die  Randlappen  der  Gallertscheibe  für  Magentaschen  zu  nehmen  '). 

Jüngere  zwölfstrahlige  Cunina,  wie  man  sie  leicht  in  der  Gefangenschaft 
züchtet,  wurden  auch  einigemal  frei  im  Meere  aufgefischt;  ältere  bis  jetzt  noch 
nicht,  und  bis  dies  gelungen,  erscheint  es  rathsam,  alle  Erklärungsversuche  zurück- 
zuhalten. 

Ich  hob  hervor,  dass  bei  den  im  Magen  Knospen  treibenden  Aeginiden  das 
Flimmerkleid  jüngerer  Formen  nicht  für  ihre  Entstehung  aus  Eiern  beweisend  ist, 
und  will  zum  Schlüsse  noch  eine  Beobachtung"  mittheilen,  die  es  mir  wahrschein- 
lich macht,  dass  im  Gegentheile  auch  bei  dieser  Familie  ein  Aufammen  durch 
Polypen  vorkommt. 

Zu  Anfang  dieses  Jahres  fing  ich  eine  Liriope  catharinensis,  der  ein  langer 
blassgelblicher  Zapfen  aus  dem  Munde  hervorhing.  Bei  näherer  Untersuchung 
ergab  sich  derselbe  als  eine  aus  dichtgedrängten  Ouallenknospen  bestehende  Aehre, 


i)  Bei  Betrachtung  der  Figuren,  die  Gegenbaur  von  seinen  Aeginetaarten  giebt,  kann  ich  mich 
des  Verdachtes  nicht  entschlagen,  dass  bei  den  meisten  derselben  dieser  Missgriff  geschehen  sei,  dass  sie 
also  zu  Cunina  gehören.  Auch  die  Beschreibungen  geben  nicht  die  Ueberzeugung  des  Gegentheils.  Ich  ver- 
weise namentlich  auf  die  Beschreibung  und  Abbildung  der  Aegineta  globosa,  deren  „trichterförmig  ein- 
gezogener Magen"  mir  ein  wahres  Paradoxon  scheint.  Es  dürfte  die  ganze  Gattung  einer  neuen  kritischen 
Prüfung  zu  unterwerfen  sein. 


122 


Cunina  Köllikeri. 


deren  Ende  die  Liriope  verschluckt  hatte  (fig.  30).  Der  frei  vorhängende  Theil 
hatte  1,75  mm  Länge  und  die  grössten  Quallenknospen  fast  0,5  mm  Durchmesser. 
Sie  waren  fast  halbkuglig  und  die  gewölbte  Fläche  sass  mit  kurzem  Stiele  an 
der  gemeinsamen  Achse  fest.  Am  freien  Rande  erhoben  sich  acht  halbkuglige 
Randbläschen  mit  kugliger  Concretion ;  etwa  in  der  Mitte  zwischen  Rand  und 
Scheitel  sprossten  abwechselnd  mit  den  Randbläschen  acht  kurze  plumpe  Tentakel 
hervor.  Auf  der  freien,  ebenen  oder  flach  gewölbten  Fläche  der  Knospe  zeigte 
sich  ein  grosser  ganzrandiger  Mund,  der  in  einen  flach  ausgebreiteten  Magen 
führte. 

Alle  diese  Eigenthümlichkeiten  stimmen  mit  der  achtstrahligen  Form  von 
Cunina  Köllikeri,  während  nicht  die  entfernteste  Aehnlichkeit  mit  irgend  einer 
andern  der  im  Laufe  von  vier  Jahren  hier  von  mir  beobachteten  Quallen  besteht. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XV. 

Die  Figuren  12 — 21  sind  Qomal  vergrössert;  die  Vergrösserung  der  übrigen  ist  auf 
der  Tafel  selbst  angegeben.  Ueberall  bedeutet  /  Randlappen  der  Scheibe,  in  Magen,  n 
Nebentasche  desselben,  v  Randhaut,  g  Ganglion. 

Fig.      I.    Cunina  Köllikeri  n.  sp.  von  der  Seite. 

Fig.     2.    Aelteres  und 

Fig.     3.  jüngeres  Exemplar  von  unten  mit  eingeschlagenem  Randlappen. 

Fig.     4.    Mund  des  letzteren  in  verschiedenen  Formen,  die  er  in  kurzer  Zeit  annahm. 

Fig.     5.    Tentakel  von  oben. 

Fig.     6.    Stück  Tentakel,  um  die  Längsstreifung  und 

Fig.     7.    ein  anderes,  um  die  Zellen  der  Achse  und  deren   Kerne  zu  zeigen. 

Fig.     8.    Randbläschen  und  Nesselstreifen. 

Fig.     g.    Randbläschen  von  ungewöhnlicher  Form. 

Fig.    IG.    Fast  reife  Spermatozoiden,  deren  Fäden  sich  langsam  zu  bewegen  beginnen. 

Fig.    1 1 .    Cunina  Köllikeri  mit  Brut  im   Magen,  von  unten. 

Fig.  12 — 21.  Entwickeiung  der  Brut  von  der  festsitzenden  Knospe  bis  zum  Auf- 
treten der  Randbläschen  am  regelmässig  strahligen  Thiere. 

Fig.    15.    Zeigt  dasselbe  Thier  in  zwei  verschiedenen  Formen. 

Fig.   17.   Junges  mit  Nesselorganen  von  Agalmopsis  (17,  a)  im  Munde. 

Fig.   20.    Von  unten  und  2 1   von  oben. 

Fig.  22.  Junges  bei  stärkerer  Vergrösserung,  um  die  beiden  Schichten  der  Leibes- 
wand und  das  Flimmerkleid  zu  zeigen. 

Fig.   2^.    Zellen  aus  der  Tentakelspitze  desselben,  mit  jungen  Nesselorganen. 

Fig.   24.    Ein  Junges    in    vier  verschiedenen  Formen,    die  es  in  kurzer  Zeit  annahm. 

Fig.  25.   Junge  mit  auffallend  lang  ausgestreckten  Armen. 

Fig.   26.    Zwölfstrahlige  Cunina  nach  dem  Verlassen  der  Magenhöhle,  von  oben. 

Fig.   2J.    Eine  andere  mit  neun  Tentakeln,  von  unten. 

Fig.   28.    Tentakel  und 

Fig.   29.    Randbläschen  und  Nesselstreifen  von  derselben. 

Fig.  30.  Aehre  von  Medusenknospen  (Cunina-')  aus  dem  Magen  von  Liriope  catha- 
rinensis  vorhängend. 

Dcsterro,  December   1860. 


Die  Brachiopodenlarve  von  Santa  Catharina^). 

Zweiter  Beitrag. 

Die  Brachiopodenlarve,  die  ich  vor  zwei  Jahren  auffand  und  beschrieb  -), 
wurde  von  mir  auch  im  vorigen  und  in  diesem  Jahre  wiederholt,  wenn  auch  nur 
selten,  beobachtet;  ihr  Vorkommen  scheint  sich  auf  den  Spätsommer,  auf  die 
Monate  Februar  bis  April  zu  beschränken. 

Meinen  früheren  Angaben  über  die  schwärmende  Larve  habe  ich  nur  einige 
Bemerkungen  über  das  Schwimmen  des  Thieres  nachzutragen.  Ich  brachte  damals, 
um  etwaigen  Veränderungen  bequem  mit  dem  Mikroskope  folgen  zu  können, 
meine  Larven  in  Uhrgläser,  wodurch  ich  die  Gelegenheit  verlor,  ihr  behagliches 
Umhertreiben  im  freieren  Räume  zu  beobachten.  Bringt  man  die  Thierchen  in 
grössere  Gläser  mit  reinem  Seewasser,  so  sieht  man  sie  bald  langsam  emporsteigen ; 
die  schwach  klaffenden  Schalen  stehen  senkrecht,  der  Schlossrand  nach  unten ; 
dicht  vor  dem  Vorderrande  breiten  sich  die  acht  Arme  strahlig  und  vvagerecht 
aus  mit  leicht  abwärts  gebogener  Spitze  und  über  die  Ebene  der  Arme  ragt  der 
zwischen  dem  obersten  Paare  liegende  rundliche  Knopf  empor;  die  starken  Borsten 
des  vierten  Paares  zeigen  dabei  die  in  meiner  früheren  Abbildung  gezeichnete 
Richtung.  So  treiben  sie  nahe  der  Oberfläche  langsam  herum.  Bei  stärkerer 
Erschütterung,  oder  auch  sonst,  ohne  erkennbare  Ursache,  ziehen  sie  die  Arme 
ein  und  schHessen  die  Schalen,  die  sofort  langsam  sich  umkehren  und  mit  dem 
Mundrande  voraus  zu  Boden  sinken.  Werden  auf  diesem  Wege  die  Arme  wieder 
vorgestreckt,  so  dreht  .sich  auch  der  Schlossrand  sogleich  wieder  nach  unten. 

Die  Dauer  dieses  Schwärmstadiums  überstieg  bei  den  eingefangenen  Larven 
nie  5 — 6  Tage,  meist  schon  früher  setzten  sie  sich  fest,  am  Boden  oder  an  den 
Seiten  des  Glases;  in  letzterem,  fünfmal  beobachteten  Falle  stets  den  Mund  nach 
unten  gerichtet.  Die  Bauchschale  wird  dabei  stark  nach  vorn  gezogen,  so  dass 
ihr  Vorderrand  den  der  Rückenschale  erreicht  oder  überragt,  und  die  bis  dahin 
zwischen  den  Schalen  verborgene  querovale  Platte  (der  Stiel)  tritt  hervor,  indem 
sie  sich,  wie  es  scheint,  um  den  ausgebuchteten  Hinterrand  der  Bauchschale  \oll- 
ständig  herumdreht   und   so   ihr   vorderer  Rand   zum  hinteren  wird.     Den  ersten 

i)  Archiv  für  Naturgeschichte   1861.  p.  53—56. 

2)  Archiv  für  Anatomie  und  Physiologie  herausgegeben  von  Reichert  und  du  Bois  Reyniond  i8(jo.  p.  ;2. 
=  Gesamm.  Schriften  pg.   105. 


J24  -^^^  Brachiopodenlarve  von  Santa  Catharina. 

Tag  oder  länger  hält  sich  das  Thier  vollständig  zurückgezogen  und  ruhig;  dann 
pflegt  es,  bei  leicht  geöffneten  Schalen,  die  Arme  halb  vorzustrecken,  die  dann 
ab  und  zu,  bald  einzeln,  bald  zu  mehreren,  zuckend  nach  innen  schlagen,  —  ganz 
wie  man  es  bei  den  Armen  der  Meeresbryozoen  zu  sehen  gewohnt  ist. 

Nach  wenigen  Tagen  beginnen  am  Vorderrande,  in  dem  Räume,  der  zwischen 
den  zarteren  Borsten  der  Rückenschale  frei  bleibt,  neue  rasch  hervorwachsende 
Borsten  hervorzusprossen.  Bei  einem  Thiere,  das  etwa  nach  einer  Woche  ab- 
gelöst wurde,  zählte  ich  deren  gegen  20,  die  meist  der  Rückenschale  angehörten. 
Die  längsten  erreichten  0,8  mm  Länge,  also  das  Doppelte  des  Durchmessers  der 
Schale.  Sie  sind  gerade,  farblos,  zart  contourirt,  am  Grunde  bis  0,006  mm  dick, 
in  eine  feine  Spitze  auslaufend,  ungegliedert  und  mit  zarten  bis  0,02  mm  langen, 
schief  aufwärts  gerichteten  Seitenborsten  weitläufig  besetzt.  Die  Weichtheile  des- 
selben Thieres  zeigten  keine  auffallende  Veränderung  mit  Ausnahme  der  schon  weit 
vorgeschrittenen  Rückbildung  der  Sinneswerkzeuge.  Die  Augen  hatten  sich  in 
Gruppen  von  etwa  10  schwarzen  Punkten  aufgelöst;  die  früher  prallkugligen 
Gehörblasen  waren  zu  länglichen  Säckchen  zusammengeschrumpft,  die  eng  die 
jetzt  regungslosen  Gehörstein  che  n  umschlossen.  Bei  etwas  älteren  Thieren  ver- 
misste  ich  jede  Spur  von  Sinneswerkzeugen,  ohne  dass  sie  deshalb  ihre  Empfind- 
lichkeit gegen  das  Licht  eingebüsst  hätten.  Dem  vollen  Sonnenlichte  ausgesetzt, 
begannen  sie  sogleich  die  Rückenschale   heftig  nach  rechts  und  links  zu  drehen. 

Eine  meiner  Larven  hielt  sich  vier  Wochen  am  Leben ;  sie  setzte  sich  fest 
in  der  Nacht  vom  12.  zum  13.  Februar  und  starb  am  13.  März,  an  dem  ich  aus- 
nahmsweise nicht  nach  ihr  gesehen  hatte.  So  erfuhr  ich  ihren  Tod  erst  Tags 
darauf,  als  schon  die  Weichtheile  fast  ganz  zerstört  waren.  Die  älteren  Borsten 
der  freilebenden  Larve  schienen  noch  vollständig  vorhanden  zu  sein.  Ausser  diesen 
und  den  Fiederborsten  des  Vorderrandes  fand  sich,  etwa  in  der  Mitte  zwischen 
der  Mittellinie  und  dem  Ursprünge  der  grossen  Borsten  des  vierten  Paares,  jeder- 
seits  eine  gerade,  glatte,  schief  nach  hinten  vorstehende  Borste  von  0,2  mm  Länge, 
wenig  dicker  als  die  stärkeren  Hinterborsten,  aber  weit  stärker  contourirt. 

Höchst  auffallend  ist  es,  dass  ich,  theils  schon  vor  zwei  Jahren,  nach  Ab- 
schluss  meiner  ersten  Mittheilung,  theils  im  Laufe  dieses  Sommers,  wiederholt  frei 
im  Meere  schwimmende  Larven  auffischte,  die  offenbar  weiter  in  ihrer  Entwick- 
lung vorgeschritten  waren,  als  die  ältesten  meiner  ansässigen  jungen  Brachiopoden. 
Ihnen  allen  fehlte  die  querovale  Platte,  fehlte  jede  Spur  von  Sinnesorganen,  fehlten 
die  Fiederborsten  des  Vorderrandes  und  mehr  oder  weniger  vollständig  die  älteren 
Borsten.  Von  den  zarteren  bogig  gekrümmten  Borsten  waren  meist  noch  einige 
da  und  diese  schienen  unverkürzt,  so  dass  die  fehlenden  wohl  durch  Ausfallen 
verloren  gegangen  waren.  Dagegen  werden  die  stärkeren  Borsten  allmählich  vom 
Grunde  aus  aufgesaugt.  So  wenigstens  die  Borsten  des  vierten  Paares.  Diese 
fand  ich  mehrmals  noch  in  etwa  halber  Länge  vorhanden,  den  Stiel  mit  der 
spindelförmigen  Anschwellung  verschwunden ,  während  die  Spitze  durch  ihre 
eigenthümliche  Krümmung  und  Zähnelung  leicht  erkennbar  blieb.  Bei  einem 
anderen  unzweifelhaft  älteren  Thiere  war  noch  etwa  7g  der  Länge  vorhanden,  so 
dass  sie  nicht  einmal  mehr  den  Schalenrand  überragten.  Dieses  Thier,  das  älteste, 
das  ich  überhaupt  untersucht,  hatte  bis  auf  diesen  schwachen  Rest  alle  älteren 
Borsten    verloren.     Dagegen   hatten    die    beiden  geraden  glatten  Borsten,   die  bei 


Die  Bracliiopodcnlarve  von  Santa  Catharina.  j  2  i; 

jenem  ältesten  festsitzenden  Thiere  kaum  aus  der  Schale  hervorzutreten  begannen, 
die  doppelte  Länge  des  Schalendurchmessers  erreicht  und  wurden,  in  dicke  Muskel- 
scheiden  eingefügt,  von  dem  Thiere  kräftig  und  lebhaft  bewegt,  bald  wagerecht 
ausgebreitet,  bald  wieder  hinten  gekreuzt. 

Die  Weichtheile  haben  während  dieser  vollständigen  Umgestaltung  der  Be- 
borstung  keine  wesenilichen  Veränderungen  erlitten.  Der  rundliche  Magen,  nach 
vorn  bis  zur  Mitte  des  Längsdurchmessers  reichend,  zeigt  noch  die  beiden  dunklen 
Flecken  jüngerer  Larven,  die  an  zwei  ähnliche  Flecken  gewisser  Bryozoenlarven 
erinnern.  Flinten  entspringt  vom  Magen  der  Darm,  um  sich  an  und  unter  dessen 
Rande  nach  rechts  und  dann  nach  vorn  zu  biegen  und  etwa  in  der  Mitte  seiner 
rechten  Seite  zu  endigen.  Vom  vorderen  Ende  des  Magens  geht  die  Speiseröhre 
(bei  in  die  Schale  zurückgezogenem  Thiere)  gerade  nach  vorn  bis  halbwegs  zum 
Vorderrande  der  Schale  und  biegt  dann  nach  unten  um,  so  dass  der  Mund  wieder 
nahe  vor  dem  Magen  zu  liegen  kommt.  Die  Arme,  namentlich  die  beiden  mitt- 
leren Paare,  sind  länger  und  schmächtiger  geworden  und  der  Knopf  zwischen 
dem  vorderen  Paare  hat  an  Umfang  abgenommen.  —  Gefässe  oder  ein  pulsinnides 
Herz  wurden  noch  nicht  erkannt. 

Desterro,  Mitte  März   1861. 


Ueber  die  systematische  Stellung  der  Chanbdeiden^). 

Die  E  sc  lisch  oltz'sche  Abtheilung  der  Discophorae  phanerocarpae  bildete 
eine  wohlumschriebene  Gruppe  engverwandter  Thiere,  verbunden  durch  eine  grosse 
Zahl  gemeinsamer  Merkmale :  die  Scheibe  ein  flaches,  glattes  Kugelsegment,  aber 
beim  Schwimmen  starker  Wölbung  fähig,  mit  gekerbtem  Rande,  in  dessen  Ein- 
schnitten, stets  in  der  Achtzahl,  die  Randkörperchen  mit  in  Säuren  unlöslichen 
Krystallen;  keine  Randhaut;  um  den  Mund  vier  Arme  und  mit  ihnen  wechselnd, 
in  besonderen  Gruben,  die  Geschlechtstheile  als  krausenförmig  gefaltete,  bogig 
gekrümmte  Bänder;  an  gleicher  Stelle  die  Magenfäden  u.  s.  w.  —  Der  Mund 
freilich  bald  frei  geöffnet  (Medusiden),  bald  geschlossen  und  statt  seiner  zahl- 
reiche Oeffnungen  an  den  Armen  (Rhizostomiden);  allein  diese  Eigenthüm- 
lichkeit  der  Rhizostomiden,  so  bedeutungsvoll  sie  jedenfalls  ist  für  ihre  ganze 
Ernährungsweise,  störte  doch  nicht  die  morphologische  Einheit  der  Gruppe,  da 
sie  unschwer  aus  der  gewöhnlichen  Mundform  sich  ableitete  -).  Einige  später  ent- 
deckte etwas  abweichende  P^orm  der  Medusiden  thaten  ebenfalls  der  Einheit  des 
Gesammtbildes,  das  sie  nur  vervollständigten,  keinen  Eintrag  ^).  —  Ein  anderes 
aber    ist    es    mit    der   Familie    der    Charybdeiden,    die    Gegenbau r    seinen 


1)  Archiv  für  Naturgeschichte   1861.  I.  p.   202 — 311. 

2)  Gegenbaur  (Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  VIII.  S.  210  Anm.)  erklärt  die  Polystoniie  der  Rhizo- 
stomiden für  ein  mit  dem  allgemeinen  Plane  der  Medusen  unvereinbares  Paradoxon  und  bezweifelt  selbst 
das  Faktum.  Das  Faktum  ist  leicht  zu  constatiren  und  neuerdings  wiederholt,  auch  von  mir,  constatirt 
worden.  Auch  die  Erklärung  scheint  mir  ziemlich  auf  der  Hand  zu  liegen.  Eine  temporäre  Polystomie, 
wenn  man  es  so  nennen  will,  kann  man  leicht  bei  Hydroidquallen  sehen,  wenn  sich  die  Ränder  eines  viel- 
gefalteten vierlappigen  Mundsaumes  da  und  dort  an  einander  legen.  So  wird  auch  die  Polystomie  der 
Rhizostomiden  entstehen  durch  Verwachsung  der  häutigen  Blätter,  die  die  Arme  der  Plianerocarpen  um- 
fassen. Wo  die  Oeffnungen  der  Arme  die  Form  langer  Spalten  haben,  die  sich  oft  in  riemenförmige 
Tentakel  fortsetzen,  wie  bei  einer  Cephea  der  südbrasilianischen  Küste,  kann  über  diese  Entstehungsweise 
kaum  ein  Zweifel  bleiben.  Schwieriger  zu  erklären  scheint  die  Durchbrechung  des  Armstiels,  oder  sein 
,, Entspringen  mit  vier  Wurzeln,"  wie  es  bei  derselben  Cephea  und  nach  Forskitl  bei  C.  octostyla  vor- 
kommt. 

3)  So  Nausithoe  KüU.  mit  ihren  acht  überaus  einfachen  Geschlechtsdrüsen  und  Trichoplea  n.  g. 
mit  Randkörpern  in  tiefen  Nischen  auf  der  Unterfläche  und  2  Zoll  von  dem  ungetheilten  Rande  der  zwei 
Spannen  im  Durchmesser  haltenden  Scheibe.  Unter  den  älteren  minder  genau  gekannten  Arten  ist  wohl 
Medusa  Persea  Forsk.  (Rhizostoina  Eschsch.)  trotz  des  ungetheilten  Randes  und  der  grossen  Randhaut  mit 
Sicherheit  zu  den   ,,Acraspeda"  zu  stellen. 


Systematische  Stellung  der  Charybdeiden. 


127 


Acraspeda,  den  Eschscholtz'schen  Phanerocarpae  anreihte.  Die  Charybdea 
marsupialis  Per.  und  mehr  noch  die  von  mir  beschriebenen  Tamoya  haplonema 
und  quadrumana  stellen  sich  fast  in  allen  wesentlichen  Zügen  ihres  Baues  jenem 
allgemeinen  Bilde  aufs  Schroffste  entgegen ;  eine  Glocke  mit  tiefgefurchten  Seiten 
und  breiter  Randhaut,  fast  keines  Formwechsels  fähig;  die  Randkörperchen  in 
der  Vierzahl,  fern  vom  Rande,  in  tiefen  Nischen  an  der  Aussenfläche  der  Glocke; 
ein  langer  Mundtrichter  nach  Art  der  Thaumantias;  Geschlechtstheile  als  breite 
häutige  Platten  in  den  weiten  Seitentaschen  des  Magens  und  daher  fern  von  den 
Magenfäden ;  Fangfäden  auf  eigenthümlichen  keulen-  oder  bandförmigen  Fort- 
sätzen, ein  scharf  ausgeprägtes  Nervensystem  u.  s.  f. 

Fast  noch  auffallender  tritt  den  gewöhnlichen  Medusen  in  der  äusseren  Form, 
und  nur  diese  ist  bekannt,  die  Charybdea  periphylla  Per.  entgegen ;  gleichsam  eine 
Tamoya  quadrumana  mit  auf  16  vermehrten  und  ihrer  Fangfäden  beraubten  band- 
förmigen Anhängen. 

Vermittelnde  Uebergangsformen  sich  vorzustellen  zwischen  den  Charyb- 
deiden einer-,  den  Medusiden  und  Rhizostomiden  andererseits,  oder  auch 
beide  Gruppen  herzuleiten  aus  einer  gemeinsamen  Grundform,  die  wesentlich 
mehr  enthielte,  als  die  allgemeinen  Züge  aller  Hydromedusen,  scheint  somit  kaum 
thunlich.  Das  anschaulich  frische  Bild  der  Eschscholtz'schen  Phanerocarpen 
würde  schattenhaft  verblassen  durch  die  Aufnahme  der  Charybdeiden,  und 
jedenfalls  wäre  ihre  Vereinigung  eine  durchaus  unnatürliche. 

Und  doch,  wenn  man  die  übliche  Zweitheilung  der  Scheibenquallen  beibe- 
halten will,  an  der  die  Systeme  von  Forbes,  Lütken  und  Gegen baur  nichts 
geändert  haben,  als  die  Namen  ^),  und  die  selbst  da  wiederkehrt,  (in  Bezug  auf 
die  Quallenformen),  wo  die  Discophorae,  und  mit  Recht,  nicht  mehr  als  syste- 
matische Einheit  anerkannt  werden,  wie  in  den  Acalephen  und  Hydroiden 
von  R.  Leuckart,  so  können  die  Charybdeiden  nur  unter  den  höheren 
Scheibenquallen  ihre  Stelle  finden,  mit  denen  sie  wenigstens  noch  die  Magenfäden 
und  den  in  Säuren  unlöslichen  Inhalt  der  Randkörper  gemein  haben.  Xoch 
ferner  stehen  sie,  das  bedarf  keiner  weiteren  Erörterung,  der  Quallenbrut  der 
Hydroiden. 

Schon  bei  Gelegenheit  der  Beschreibung  der  Tamoyen  gedachte  ich  des- 
halb einer  wohl  vorzuziehenden  Dreitheilung  der  Scheibenquallen  und  vermuthete, 
dass  diese  sich  auf  die  Entwickelungsgeschichte  würde  stützen  lassen.  Früher 
schon,  wenn  auch  später  erst  die  Kunde  davon  in  mein  Exil  drang,  hatte 
R.  Leuckart  demselben  Gedanken  folgend,  die  Abtheilung  der  Ceratostera  ge- 
bildet, aber  bald  wieder  aufgegeben.  Denn  jene  Vermuthung  hat  sich  bekanntlich 
als  durchaus  unbegründet  erwiesen.  Krohn  sah  die  Pelagia  noctiluca  sich  ohne 
Brutwechsel  entwickeln,  während  Busch  die  Brut  der  kaum  generisch  zu  sondern- 
den Chrysaora  bis  zur  Polypenform  verfolgte.  Unter  den  Hydroiden  haben  Gegen- 
baur  das  Trachynema  ciliatum,  und  ich  die  Geryonia  (Liriope)  catharinensis  als 
wahrscheinlich  direkt  aus  dem  Ei  erwachsend  kennen  gelehrt,  während  im  Gegen- 

l)  Nicht  den  Grund  oder  das  Eintlieiluiigsprincip,  wie  Gegenbaur  will.  Eschscholtz  belrachlet 
keineswegs  die  „Keimwülste"  weder  als  einziges,  noch  wichtigstes  Merkmal  der  Phanerocarpen ;  schon  er 
stellt,  wie  Gegenbanr,  die  Einschnitte  des  Randes  voran  und  kennt  sehr  wohl  „den  häutigen  weichen 
Ringlappen  am  Rande  der  Scheibe"  als  gemeinsames  Merkmal  seiner  Cryptocarpen. 


j-R  SysLeiiuiüschc  SlcUung  der  Charybdeiden. 

theile  die  nur  auf  das  Flimmerkleid  der  jungen  Aeginopsis  gebaute  Annahme 
einer  direkten  Entwickelung  der  Aeginiden  durch  die  flimmernde  Brut  im  Magen 
der  Cunina  Köllikeri  ihre  Stütze  verlor. 

Trotzdem  ist  die  damals  mir  vorschwebende  Gruppirung  der  Scheibenquallen 
durch  jede  neue  Untersuchung  immer  plausibler  geworden.  Es  scheint  mir,  dass 
hier,  wie  so  manches  Mal,  die  unbefangene  Anschauung  der  älteren  Beobachter 
das  Rechte  getroffen,  indem  sie  mit  der  Charybdea  marsupialis  und  periphylla 
die  Ch.  bitentaculata  vereinigten,  die  heute  als  Aeginopsis  mediterranea  J.  Müll, 
oder  Aeg.  bitentaculata  Köll.  ^)  in  der  Familie  der  Aeginiden  Ggb.  am  Ende  der 
Cryptocarpen  zu  stehen  pflegt.  Nicht  dass  ich  die  Vereinigung  von  Charybdea 
und  Aeginopsis  in  dieselbe  Gattung,  oder  auch  nur,  nach  dem  Beispiele  von 
Lütken,  in  dieselbe  Familie  befürworten  möchte;  aber  ich  meine,  dass  die 
Familien  der  Charybdeiden  und  Aeginiden  Ggb.  zu  einer  den 
Siphonophoren,  Hydroiden  und  Acalephen  (im  Sinne  R.  Leuckart's) 
gleich w er th igen  Gruppe  der  Hydromedusen  zu  vereinigen  seien. 
Die  höchstorganisirte  aller  bekannten  Hydromedusen,  und  vielleicht  aller  Coelen- 
tcraten,  die  Tamoya  quadrumana  mit  den,  wie  es  schien,  die  tiefunterste  Stufe  in 
der  Reihe  der  Quallen  behauptenden  Aeginiden  zusammenzustellen,  die  zum  Theil 
selbst,  wie  Eurystoma  Köll.,  nur  mit  der  durch  die  Randhaut  theilweise  ge- 
schlossenen Aushöhlung  der  unteren  Körperfläche  verdauten  -),  schien  mir  freilich 
lange  Zeit  etwas  waglich.  Seit  ich  eine  gerade  diesem  Eurystoma  in  Form,  wie 
in  der  Entwickelung  der  im  Magen  knospenden  Brut  höchst  ähnliche  Art  selbst 
eingehender  untersuchen  konnte,  und  seit  mir  Eschscholtz's  treffliches  „System 
der  Acalephen"  wieder  zur  Hand  ist,  ist  mir  dieses  Bedenken  geschwunden 
und  ich  halte  jetzt  meine  Ansicht  für  hinreichend  begründet,  um  sie  der  Beur- 
theilung  der  Zoologen  vorlegen  zu  dürfen. 

Von  der  Unvereinbarkeit  der  Charybde  iden  mit  den  Acalephen  R.  Lt. 
ist  schon  gesprochen.  In  ganz  ähnlichem  Gegensatze  stehen  die  Cunina,,  Aegi- 
nopsis und  ihre  Verwandten  zu  den  übrigen  Cryptocarpen  oder  den  Hydroid- 
qu allen.  —  Die  Scheibe  dieser  letzteren,  obwohl  von  sehr  wechselnder  P'orm, 
ist  doch  stets  ganzrandig,  und  wie  bei  den  Acalephen  glatt,  oder  etwa  mit  schwach 
vorspringenden  von  der  Mitte  des  Rückens  ausgehenden  Leisten  versehen ;  sie 
haben  stets  Strahlgefässe  und  Ringkanal,  und  zwar  erstere,  ausser  bei  sehr  grosser 
Menge,  in  fester  Zahl;  Randbläschen,  wenn  vorhanden,  sind  stets  rundlich  und 
sitzend;  die  Randfäden,  von  sehr  wechselndem  Bau,  nehmen  doch  stets  die  un- 
mittelbare Nähe  des  Ringgefässes  ein.  In  der  Bildung  der  Geschlechtstheile  end- 
lich schliessen  sich  die  Hydroidquallen  den  Acalephen  oder  Phanerocarpen  an ; 
denn,  obschon  von  ungemeinem  Formenreichthum,  dessen  äusserste  Bildungen 
indessen  durch  eine  ziemlich  engschliessende  Reihe  von  Zwischenformen  verbunden 
sind,  —  von  dem  mundlosen  Geschlechtskolben    der  Corymorphaquallen  bis 

i)  Die  abweichende  Färbung  darf  kaum  als  Artunterschied  gelten,  in  einer  Thiergruppe,  wo,  wie  l)ci 
den  Acalephen  (Rhizostoma,  Chrysaora  u.  a.)  und  Hydroiden  (Corymorpha),  die  reichste  Mannichfaltigkeit 
der  Färbung  innerhalb  der  Art  fast  als  Regel  gelten  kann. 

2)  Ich  glaubte  diese  wohl  irrthümliche  Darstellung  Kt'illiker's  nicht  bloss  auf  Gegenbaur's 
Autorität  hin  anzweifeln  zu  dürfen,  dessen  Angaben  ich  bei  anderen  Quallen  nicht  immer  ganz  bewährt 
gefunden  hatte,  und  noch   weniger  auf  Grund  eines  aprioristischen  „allgemeinen  Planes  der  Medusen." 


Systematische  Stellung  der  Charybdeiden.  I2Q 

ZU  den  dichtgedrängten  Bäumchen  längs  der  Strahlgefässe  der  OHndias  ^),  —  so 
nehmen  sie  doch  stets  die  äussere  Wand  des  Gastrovasculärsystems  ein  und  ent- 
leeren ihre  Produkte  nach  aussen.  —  Dagegen  ist  die  Scheibe  der  Cunina  und 
ihrer  Verwandten  häufig,  wo  nicht  immer,  am  Rande  gekerbt  2),  und,  wie  bei  den 
Charybdeiden,  von  mehr  weniger  tiefen,  mehr  weniger  weit  auf  die  Rücken- 
fläche sich  fortsetzenden  Furchen  durchzogen ;  der  Magen  hat  breite  Seitentaschen 
in  oft  schwankender  Anzahl,  nie  Strahlgefässe  oder  Ringkanal;  die  Randbläschen 
sind  meist  gestielt;  die  Tentakel,  nie  die  Zahl  der  Magentaschen  überschreitend, 
sind  stets  rückenständig,  oft  sehr  fern  vom  Rande  entspringend;  ausserdem  sind 
sie  bald  durch  eine  eigenthümliche  Starrheit,  bald  wieder  durch  „eine  bei  anderen 
Medusen  gar  nicht  bemerkte  Beweglichkeit"  (Eschsch.)  ^)  ausgezeichnet.  Die  Ge- 
schlechtsstoffe der  Cunina  bilden  sich  im  Innern  der  Seitentaschen  und  zwar  in 
den  seitlichen  Winkeln  derselben,  von  wo  ihre  Bildungsstätte  hufeisenförmig  von 
einer  Tasche  zur  andern  sich  hinüberzieht. 

Nach  alle  dem  ist  die  Verbindung  der  Cunina,  Aeginopsis  u.  s.  w.  mit  den 
Hydroiden  eine  ebenso  lockere  und  gezwungene,  durch  keinerlei  Uebergänge 
vermittelte,  wie  es  die  der  Charybdeiden  mit  den  Acalephen  ist.  Wenn 
also  die  Ausscheidung  dieser  beiden  Familien  aus  ihrem  jetzigen  Verbände  keinem 
ernstlichen  Bedenken  unterliegen  dürfte,  so  scheint  ein  solches  auch  ihrer  Ver- 
einigung nicht  entgegenzustehen.  Wohl  liegt  zwischen  Cunina  und  Tamoya  eine 
weite  Kluft,  aber  nicht  weiter  als  zwischen  den  tentakel-,  äugen-  und  mundlosen 
Quallen   von  Corymorpha  und  Olindias,   zwischen  Nausithoe  und  Cephea,  —  eine 


i)  Olindias  n.  g.  Habitus  der  Thaumantias  mediterranea  Ggb.,  vier  Strahlgefässe  und  zahlreiche 
(bis  über  loo)  rücklaufende  Gefässe ;  am  Rande  äusserst  dehnbare  Fangfäden  und  wenig  bewegliche  Teu- 
takel,  beide  hohl  und  von  unbestimmter  Zahl ;  am  Grunde  der  Tentakel  paarweise  die  Randbläschen ;  Ge- 
schlechtstheile  baumförmig  verästelt  längs  der  Strahlgefässe.  —  Vermuthlich  sind  auch  die  „Fangfäden"  an 
den  Strahlgefässen  von  Melicertum  nichts  anderes  als  Geschlechtstheile,  und  dies  um  so  eher  als  auch  in 
der  Bildung  der  Randfäden  Olindias  zunächst  an  Melicertum  sich  anschliesst.  —  Als  Uebergangsbildung 
von  magenständigen  zu  peripherischen  Geschlechtstheilen  lässt  sich,  um  mich  nicht  auf  noch  unbeschriebene 
Formen  zu  berufen,  selbst  Lizzia  KöUikeri  anführen,  wo  nach  Gegen  baur's  von  mir  an  einer  verwandten 
Art  bestätigter  Beobachtung,  die  dem  Magen  anliegende  Geschlechtsdrüse  von  einem  Aste  des  Strahlgefässes 
durchzogen   ist. 

2)  Gegenbaur  ist  der  Ansicht,  dass  der  Besitz  eines  Velum's  einen  uneingeschnittenen  Rand  des 
Körpers  vorausetze,  und  aus  diesem  Grunde,  wie  es  scheint,  leugnet  er  gegen  Eschscholtz,  Kölliker 
und  im  Widerspruche  mit  sich  selbst,  die  Kerbung  des  Randes  der  Aeginiden.  Denn  bei  Aegineta  flavescens 
lässt  er  die  Gallertsubstanz  sich  in  beträchtlicher  Dicke  auf  die  Magentaschen  fortsetzen ;  dazwischen  also 
sind  nur  häutig  überspannte  Lücken  oder  Einschnitte  der  Gallertsubstanz,  d.  h.  „des  Körpers,"  da  bei  den 
eines  Ringgefässes  entbehrenden  Aeginiden  doch  nur  das  Aufhören  der  Gallertsubstanz  die  Grenze  zwischen 
Körper  und  Velum  bezeichnen  kann.  Wie  die  Muskelhaut  der  Unterfläche  sich  bei  den  Aeginiden  über 
einen  gekerbten  Rand  fortsetzt,  so  kann  die  Randhaut  auch  wieder  bei  ganzrandiger  Scheibe  fehlen,  — 
selbst  bei  Hydroidquallen;  ich  vermag  wenigstens  keine  Spur  derselben  aufzufinden  bei  einem  kleinen,  stets 
mit  umgestülpter  Scheibe  schwimmenden  Campanulariasprösslinge,  Tintinnabulum  resupinatum  n.  sp. 

3)  So  bei  Aegina  sulfurea,  wie  sie  in  Eschsch.  System  S.  9,  oder  Aeg.  citrea,  wie  sie  S.  113  heisst. 
Die  zweite  Eschscholtz'sche  Art,  Aegina  rosea,  dürfte  von  dieser  zu  trennen  und  zu  Cunina  zu  stellen  sein, 
da  es  nach  Es chschol t z's  Abbildung  (Taf.  10.  Fig.  3  a)  natürlicher  scheint,  dem  Magen  sechs  dem  Ur- 
sprünge der  Tentakel  gegenüber  ausgebuchtete  Nebentaschen,  als  deren  zwölf  zuzuschreiben.  —  Wenn  man 
mit  Gegenbaur  die  Aeginiden  durch  „starre  Tentakel"  kennzeichnet,  so  ist  die  Wahl  des  Namens 
nach  einer  durch  das  gerade  Gegentheil  vor  allen  anderen  Medusen  ausgezeichneten  Art  nicht  als  besonders 
glücklich  zu  bezeichnen. 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  9 


I -IQ  Systematische  Stellung  der  Charybdeiden. 

Kluft  wie  zwischen  junger  Brut  und  erwachsenem  Thier,  über  die  die  Phantasie 
leicht  durch  Zwischenstufen  einen  allmählichen  Uebergang  findet,  —  und  nicht 
eine  durch  unvereinbare  Merkmale  errichtete  Scheidewand.  Von  den  seichten 
Furchen  in  der  flachen,  leicht  gekerbten,  oft  schon  (nach  Gegen  bau r)  knorpel- 
harten Scheibe  mehrerer  Cunina  führt  die  Zwischenform  der  Aegina  citrea  zu 
Charybdea  marsupialis  und  zu  den  complicirten  Glocken  der  Tamoyen,  während 
auch  den  beiden  äussersten  Gattungen,  die  weder  bei  Hydroiden  noch  Acalephen 
beobachtete  A^erbindung  einer  Randhaut  mit  nicht  ganzrandiger  Scheibe  als  ge- 
meinsames Merkmal  zukommt.  Von  der  flach  ausgespannten  Magenhaut  der 
Cunina  mit  ihrem  einfachen  proteusartigen  Munde,  wie  sie  sich  ähnlich  bei  Aegi- 
neta,  Polyxenia,  Aeginopsis  bitentaculata  wiederholt,  leiten  die  vier  Arme  am 
Munde  der  Aeginopsis  Laurentii  Brdt.  zu  der  Magenbildung  der  Charybdea  und 
Tamoya.  Ebenso  lässt  sich  die  Form  der  Geschlechtsteile  von  Tamoya  zwanglos 
aus  denen  der  Cunina  herleiten,  aber  weder  die  eine  noch  die  andere  auf  die  bei 
Hydroiden  und  Acalephen  entwickelte  Grundform  zurückführen.  Wenn  Tamoya 
quadrumana  eine  ganze  Reihe  ganz  neuer,  bei  Cunina  selbst  nicht  angedeuteter 
Theile,  wenn  sie  ein  wohlentwickeltes  Nervensystem  hat,  so  liegt  darin  nichts 
Auffallendes;  einige  derselben,  wie  die  acht  fingerförmigen  Fortsätze  im  Grunde 
der  Glocke  und  die  dendritischen  Drüsen ,  fehlen  ja  spurlos  selbst  noch  der 
T.  haplonema. 

Wesentlich  verschieden  ist  allerdings  die  Bildung  der  Randkörperchen ;  allein 
theils  wissen  wir  noch  nichts  über  die  Entwickelung  derselben  bei  Charybdea  und 
Tamoya,  noch  über  ihren  Bau  bei  den  Zwischenformen  Aegina  citrea  und  Aegi- 
nopsis Laurentii,  theils  ist  ihr  Unterschied  nicht  erheblicher  als  zwischen  den  Augen- 
flecken und  Randbläschen  der  Hydroiden. 

Ebenso  ist  die  Tentakelbildung  eine  durchaus  abweichende,  —  aber  immerhin 
durch  ihren  rückenständigen  Ursprung-  den  Randfäden  der  Hydroiden  und  Aca- 
lephen gemeinsam  sich  entgegenstellend.  Die  Tentakel  der  Cunina  sind  starr,  die 
der  Tamoya  contractu;  aber  auch  die  der  jungen  Caninabrut  sind  letzteres.  Die 
Tentakel  der  Cunina  sind  solid,  die  der  Tamoya  hohl;  aber  hohle  und  solide 
Tentakel  zeigen  auch  sonst  nächstverwandte  Gattungen,  wie  die  verschiedenen 
Campanulariasprösslinge  ^) ;  ja  beiderlei  Formen  finden  sich  gleichzeitig  oder  nach- 
einander bei  demselben  Thiere  (Liriope).  Also  auch  hierin  dürfte  ein  Grund  gegen 
die  Vereinigung  unserer  beiden  P^amilien  nicht  zu  suchen  sein ;  was  aber  be- 
sonders für  dieselbe  spricht,  ist,  dass  es  zur  Zeit  nicht  einmal  möglich  ist,  eine 
scharfe  Grenze    zwischen   beiden  zu  ziehen  und  die  mittleren  Formen  mit  Sicher- 


i)  Den  Campanulariensprösslingen  mit  soliden,  wenig  beweglichen  Tentakeln,  ganz  ähnlich  denen  der 
Canipanularien  selbst,  schlage  ich  vor,  den  Dalyell'schen  Namen  Tinlinnabuluni  zu  lassen;  es  scheint, 
dass  sie  stets  schon  mit  einer  grösseren  Tentakelzahl  geboren  werden.  Hierher  gehört  auch  Eucope  poly- 
styla  Ggl).  Was  Gegenbaur  bei  dieser  Art  als  randliche  in  die  Substanz  der  Scheibe  gerichtete  Auf- 
treibungen des  Ringgefässes  beschreibt  und  abbildet,  dürfte  nach  dem  nahe  verwanden  Tintinnabulum  resu- 
pinatum  n.  sp.  zu  schliessen,  die  verdickten  Wurzeln  der  Tentakel  sein.  Die  Campanulariensprüsslinge  mit 
hohlen,  an  der  Basis  erweiterten,  sehr  contraktilen  Fangfäden,  die  beim  Freiwerden  deren  stets  uur  vier, 
und  von  vier  weiteren  die  ersten  Spuren  zu  haben  scheinen  (Eucope  Ggb.,  excl.  E.  polystyla),  haben  meines 
Erachtens  Anspruch  auf  den  Namen  Thaumantias;  denn  es  scheint  mir  kaum  zweifelhaft,  dass  zu  ihnen, 
und  nicht  zur  Th.  mediterranea  Ggb.  die  beiden  Eschscholtz'schen  Thaumantiasarten  zugehören,  und  für 
sie  wäre  also  bei  einer  Trennung  der  Gattung  der  alte  Name  zu  erlialten. 


Systematische  Stellung  der  Charybdeiden.  j  7  j 

heit  der  einen  oder  der  anderen  zuzuweisen.  So  Aeg'ina  citrea,  welche  durch  die 
Form  der  Glocke,  durch  die  Vierzahl  der  Arme  und  die  grosse  Beweglichkeit 
der  Tentakel,  und  Aeginopsis  Laurentii,  welche  durch  die  vier  Arme  am  Munde 
den  höheren  Formen  sich  anschliesst.  So  auch  Char3^bdea  .periphylla  Per.,  welche 
durch  die  Gestalt  der  Randanhänge  an  Tamoya  quadrumana  erinnert,  aber  durch 
die  Melzahl  derselben  von  den  übrigen  Char)^bdei  den  sich  entfernt. 

Ich  möchte  demnach  die  Charybdeiden  in  folgender  Weise  dem  Systeme 
der  Hydromedusen  einreihen : 

Hydromedusae. 

1.  Röhren  qu allen,   mit  Einschluss   der   freien  Geschlechtsthiere  (Chr3'so- 
meträ). 

2.  Hydroiden. 

a.  Tubularinen  nebst  den  Hydroidquallen  ohne  Sinnesorgane  oder  mit 
Augenflecken. 

b.  Sertularinen  nebst  den  Hydroidquallen  mit  Randbläschen  ^). 

In  Bezug  auf  Entwickelung  finden  sich  in  dieser  Gruppe: 
a)  Polypen  ohne  freie  Geschlechtsthiere. 
ß)  Polypen  mit  freien  Geschlechtsthieren, 
y)   Freie  Geschlechtsthiere  ohne  Polypen  (Trachynema,  Liriope). 

3.  Acalephen  R.  Lt.  (Discophorae  phanerocarpae  Eschsch.). 

a.  E  i  n  m  ü  n  d  i  g  e  (Medusiclae  Eschsch.). 

b.  V  i  e  1  m  ü  n  d  i  g  e  (Rhizostomidae  Eschsch.). 

4.  Aeginoiden  (Aegineae  Lütk.). 

a.  Niedere.    Cunina  (mit  Aegina  rosea  Eschsch.);  Aegineta;  Polyxenia; 
Aeginopsis  bitentaculata. 

b.  Höhere,  Charybdeiden.    Aeginopsis  Laurentii  (?);  Aegina  (citrea); 
Charybdea  (marsupialis) ;  Tamoya;  Periphylla  (Ch.  periphylla  Per.). 

Desterro,  Mai   1861. 


i)  Gegenbaur  ist  meines  Wissens  der  Erste  gewesen,  der  bei  den  Hydroidquallen  die  systematische 
Wichtigkeit  der  Ocellen  und  Randbläschen  hervorgehoben  und  auf  die  Verschiedenheit  der  Randfäden 
Gewicht  gelegt  hat,  wie  denn  überhaupt  die  von  ihm  aufgestellten  Familien  der  ,,Craspedota"  durch  Natür- 
lichkeit und  nicht  ausschliessliche  Betonung  eines  Merkmals  sich  sehr  vorteilhaft  vor  den  von  Forbes  und 
selbst  von  Lütken  vorgeschlagenen  auszeichnen,  und  als  bequemer  Ausgangspunkt  für  weitere  systematische 
Versuche  dienen  können.  Künftigen  Bearbeitern  möchte  ich  besonders  eine  sorgfältige  Beachtung  der 
Randfäden  empfehlen,  durch  die,  wie  es  scheint,  u.  a.  eine  schärfere  Umschreibung  der  Geryoniden  und 
Th  auman  tiade  n  (igb.  möglich  sein  wird. 


Polypen  und  Quallen  von  Santa  Catharina^). 
Olindias  sambaquiensis  n.  sp. 

Mit  Tafel  XVI. 

Beschreibungen  vereinzelter  neuer  Thiere,  die  nur  die  Zahl  der  schon  ver- 
zeichneten Arten  anschwellen,  ohne  einen  tieferen  Einblick  in  ihren  Bau,  einen 
freien  Ueberblick  über  ihre  verwandtschaftlichen  Beziehungen  zu  gewähren,  sind 
im  Allgemeinen  mehr  geeignet,  den  Fortschritt  der  Wissenschaft  zu  erschweren, 
als  zu  fördern,  indem  sie  nur  den  zu  bewältigenden  vStoff  und  nicht  auch  ent- 
sprechend die  zur  Bewältigung  n(')thige  Kraft  mehren.  Wenn  daher  ihre  Ver- 
öffentlichung einer  Rechtfertigung  bedarf,  so  würde  sie  für  die  farbenprächtigste 
Scheibenqualle  unserer  Küste  theils  in  dem  eigenthümlichen  Baue  ihrer  Geschlechts- 
theile,  in  der  Anordnung  ihrer  Gefässe,  Randfäden  und  Randbläschen  liegen,  die 
sie  zu  einer  vor  vielen  merkwürdigen  und  lehrreichen  Art  machen,  theils  in  dem 
Lichte,  das  von  ihr  aus  auf  einige  ältere  wenig  bekannte  Formen  zu  fallen 
scheint,  —  wenn  inir  nicht  schon  dadurch  ausführlichere  Mittheilungen  über  sie 
geboten  wären,  dass  ich  ihrer  bereits  wiederholt  anderweitig  Erwähnung  gethan  ^}. 

Olindias  sambaquiensis  erscheint  zu  Zeiten,  namentlich  im  Winter,  bei  ruhiger 
See  in  grosser  Menge  in  der  Nähe  des  Ufers.  Ich  sah  sie  zuerst  im  Winter  1856 
bei  der  Ortschaft  Sambaqui,  nördlich  von  Desterro,  an  der  Westküste  der  Insel 
Santa  Catharina. 

Die  glashelle  Scheibe  ist  farblos,  seltener  leicht  röthlich  angehaucht,  und 
von  mittlerer  Festigkeit^).  Sie  wurde  bis  zu  108  mm  Durchm.  beobachtet,  doch 
nur  einmal  unter  vielen  Hunderten;  in  der  Regel  schwankt  der  Durchmesser 
geschlechtsreifer  Thiere  zwischen  50  bis  70  mm;  —  das  jüngste,  noch  V()]lig  ge- 
schlechtslose Thier,  das  zur  Beobachtung  kam,  hatte  16  mm  Durchmesser.  —  Die 
Oberfläche  der  Scheibe  bildet  im  Zustande  der  Ruhe  einen  flachen  Kugelabschnitt, 
dessen  Höhe  etwa  Vs  bis  Y4  des  Durchmessers  beträgt.  In  der  Mitte  springt  die 
Gallertsubstanz   als   stark   gewölbter   Hügel    nach   unten    vor,   wodurch   hier   ihre 


i)  Archiv  für  N;iturgeschichte   1861.  I.  p.  312 — 319.    Taf.  IX. 

2)  Im  Archiv  für  Naturgeschichte    1859.  Bd.    i.  p.  314.  Z.  6  v.  u.    stellt    durcli    einen    Druckfehler 
Plindias  statt  Olindias. 

3)  Die  Festigkeit    der    hier   häufigeren  grösseren  .Scheibenquallen  ordnet  sich  in  aufsteigender  Reihe 
etwa  wie  folgt :  Medusa,  Chrysaora,  Olindias,  Cephea,  Mesonema,  Tamoya. 


Polypen  und  Quallen  von  Santa   Catharina.  j'i? 

Dicke  etwa  Vh  tles  Durchmessers  erreicht;  am  Rande  des  Hügels,  dessen  Durch- 
messer etwa  Y4  des  Durchmessers  der  Scheibe  misst,  ist  sie  nur  noch  halb  so  dick 
und  verjüngt  sich  von  da  an  allmählich  nach  dem  Scheibenrande  zu. 

Die  quergespannte  Randhaut  ist  ziemlich  schmal,  aber  wie  die  stark  ent- 
wickelte Muskelschicht  der  Unterfläche  .kräftiger  Zusammenziehungen  fähig,  die 
die  Scheibe  des  schwimmenden  Thieres  mehr  als  halbkuglig  krümmen  (fig.  5). 
Dabei  pflegt  sich  die  Unterfläche  gürtelweise  stärker  zusammenzuziehen  und  da- 
zwischen bleiben  scharf  vorspringende  Parallelkreise,  die  der  Unterfläche  das  An- 
sehen einer  Crinoline  mit  ihren  Reifen  geben.  Auffallende  Gruppen  von  Nessel- 
zellen fehlen  der  Scheibe;  einzelne  finden  sich  unterhalb  in  der  Nähe  des  Randes. 
Die  Ansatzstelle  des  Magens  bildet  ein  Viereck,  dessen  Seiten  etwa  Vj  des 
Scheibenhalbmessers  betragen.  Von  hier  hängt  der  Magen  als  mundwärts  be- 
trächtlich erweitertes  Rohr  nieder,  und  erreicht,  wenn  das  ruhende  Thier  ihn,  wie 
tastend,  umherschwingt,  fast  die  Länge  des  Scheibenhalbmessers.  Der  Mundrand 
ist  krausenartig  gefaltet  und  in  vier  Zipfel  ausgezogen,  die  den  Ecken  des  Magen- 
grundes in  ihrer  Lage  entsprechen.  Einzelne  Nesselzellen  finden  sich  überall  auf 
der  Innern  flimmernden  Magenwand;  ein  Saum  aus  dichtgedrängten,  länghchen, 
etwa  0,02  mm  langen  Nessel^ellen  umzieht  den  Mundrand. 

Von  den  Ecken  des  Magengrundes  gehen  vier  ziemlich  weite  Strahl- 
gefässe  zum  Ringgefässe  des  Randes  und  von  diesem  wieder  eine  grosse 
Zahl  blinder  Gefässröhren  rücklaufend  dem  Mittelpunkte  zu.  Bei  jenem  grössten 
Thiere  wurden  zwischen  zwei  Strahlgefässen  27  rücklaufende  Gefässe  ge- 
zählt. Bei  jüngeren  Thieren  lässt  sich  an  der  verschiedenen  Länge  dieser  Gefässe 
erkennen,  dass  sich  zunächst  eines  in  der  Mitte  zwischen  zwei  Strahlgefässen 
bildet,  dann  eines  in  der  Mitte  jedes  so  gebildeten  Achtelkreises.  Weiter  ist 
strenge  Regelmässigkeit  ihres  Auftretens  selten  zu  verfolgen.  Die  ältesten  und 
längsten  dieser  Gefässe  reichen  bis  in  die  Nähe  des  Magens.  Ihr  Verlauf  ist  in 
der  Regel  in  gerader  Linie  mittelpunktwärts.  Abweichungen  davon,  Theilungen 
der  rücklaufenden  Gefässe,  Verbindungen  derselben  unter  sich  oder  mit  den 
Strahlgefässen  kommen  öfter  vor.  Ich  vermuthe,  dass  diese  Unregelmässigkeiten, 
meist  wenigstens,  Folge  von  Verletzungen  sind. 

Den  Rand  hält  eine  dreifache  Reihe  in  Form  und  meist  auch  in  Färbung 
auffallend  verschiedener  Anhänge  besetzt.  Zu  äusserst  eine  Reihe  Tentakel 
von  wenig  veränderlicher  ungefähr  dem  Halbmesser  der  Scheibe  gleichkommender 
Länge.  Sie  pflegen  in  Zahl  und  Lage  mehr  oder  weniger  genau  den  Strahl-  und 
rücklaufenden  Gefässen  zu  entsprechen.  Die  den  Strahlgefässen  entsprechenden 
stehen  ziemlich  hoch  (bis  etwa  4  mm)  über  dem  Rande;  kaum  tiefer  die  4  da- 
zwischenliegenden; dann  folgen  8  merklich  tiefer  stehende,  dann  1 6  wieder  tiefer ; 
was  darüber  hinausgeht,  und  ihre  Zahl  steigt  oft  über  80  und  selbst  100,  steht 
dicht  am  Rande.  Die  Tentakel  sind  hohl  und  mit  dem  Ringgefässe  in  Ver- 
bindung, zu  dem  sich  von  dem  Ursprünge  der  etwas  rückenständigen  eine  nach 
dem  Ringgefässe  zu  stark  verengte  Verbindungsröhre  (fig.  4,  v)  hinzieht.  Nessel- 
wülste, deren  dichtgedrängte,  langgestreckte  Nesselzellen  doppelt  so  lang  sind  wie 
die  des  Mundsaumes,  umgeben  die  Tentakel,  bald  quer,  bald  schief  gestellt,  selten 
aber  vollständige  Ringe  bildend.  In  der  Ruhe  sind  die  über  dem  Rande  stehenden 
Tentakel  meist  schief  nach  aussen  und  oben  gerichtet  mit  sanft  abwärtsgebogener 


I  -  ,  Polypen  und  Quallen  von  Santa  Catharina. 

Spitze,  die  anderen  hängen  nach  unten.  Diese  letzteren  sind,  wie  das  erwähnte 
geschlechtslose  Thier  bewies,  dem  sie  noch  fehlten,  die  jüngeren.  Wahrscheinlich 
entstehen  alle  unmittelbar  am  Ringgefässe  und  entfernen  sich  bei  fortschreitendem 
Wachsthume  der  Scheibe  von  demselben,  so  dass  also  die  Höhe  ihrer  Anheftung 
ihr  Alter  anzeigen  und  dass  die  Ordnung  ihres  Auftretens  dieselbe,  wie  bei  den 
rücklaufenden  Gefässen  sein  würde. 

Nach  innen  von  den  Tentakeln,  am  Rande  selbst,  steht  in  weit  grösserer, 
etwa  dreifacher  Zahl,  die  Reihe  der  Fangfäden,  die  sich  fast  immer  durch  ver- 
schiedene Färbung,  wesentlicher  aber  durch  ungemeine  Dehnbarkeit  von  jenen 
unterscheiden.  Auch  sie  sind  hohl  und  am  Ursprünge  nicht  erweitert,  sondern 
verengt;  ihre  Nesselzellen,  die  denen  der  Tentakel  gleichen,  sind  in  meist  ring- 
förmige Wülste  geordnet.  Zusammengezogen  sind  sie  etwa  von  der  Länge  der 
Tentakel,  können  sich  aber  über  fusslang  ausdehnen.  Diese  Ausdehnung  scheint 
mir  hier,  wie  in  ähnlichen  Fällen  (Liriope,  Eucope  u.  s.  w.),  eine  rein  passive  zu 
sein ,  ein  allmähliches  langsames  Erschlaffen.  Wenn  Olindias  mit  zusammen- 
gezogenen schopfartig  nachschleifenden  Fangfäden  herumgeschwommen  ist  und 
sich  dann  ruhig  schwebend  in  einem  hohen  Glase  hält,  von  Zeit  zu  Zeit  durch 
einen  leichten  Ruck  ihrem  langsamen  Niedersinken  entgegenwirkend,  so  sieht 
man,  während  die  älteren  Tentakel  strahlig  sich  ausbreiten,  die  Fangfäden  ganz 
allmählich  sich  senken  und  ausdehnen;  die  verbindenden  farblosen  Fäden  zwischen 
den  anfangs  dichtgedrängten  Nesselwülsten  entschwinden  dabei  fast  dem  Auge 
und  man  glaubt  einen  dichten  Regen  goldener  Perlen  zu  sehen ;  am  Boden  des 
Glases  bilden  die  niedergesunkenen  Enden  ein  dichtes  Gewirr  von  Schlangen, 
aus  dem  ab  und  zu  einzelne  plötzlich  in  die  Höhe  zucken,  um  sich  wieder  langsam 
und  anscheinend  nur  dem  Gesetze  der  Schw-ere  folgend  niederzusenken,  so  dass 
dieser  goldene  Regen  der  Danae  ununterbrochen  fortdauert.  —  Man  hat  gemeint, 
dass  beim  Zusammenziehen  der  Fangfäden  der  Scheibenquallen  Flüssigkeit  aus 
denselben  in  die  Gefässe  übertreten  müsse,  da  sie  dabei  nur  unbedeutend  an 
Dicke  zunehmen ,  aber  dabei  vielleicht  ausser  Acht  gelassen ,  dass  bei  gleich- 
bleibendem Inhalte  die  Länge  im  umgekehrten  quadratischen  Verhältnisse 
der  Dicke  sich  ändert,  dass  also  z.  B.,  wenn  der  Faden  von  zwei  Fuss  auf  einen 
Zoll  sich  zusammenzieht,  die  Dicke  noch  nicht  ganz  5mal  grösser  wird.  Dem 
Augenscheine  nach  —  und  eine  Messung  dürfte  kaum  ausführbar  sein,  —  ist 
mir  die  Aenderung  der  Dicke  diesem  Verhältnisse  ganz  entsprechend  vor- 
gekommen. 

Endlich  findet  sich  eine  ebenfalls  ansehnliche  Zahl  (gegen  200  bei  einem 
Thiere  von  45  mm  Durchmesser)  ganz  kurzer  Randanhänge,  die  an  die 
keulenförmigen  Anhänge  der  Thaumantias  mediterranea  Ggb.  erinnern,  aber  hohl 
sind.     Vielleicht  sind  es  nur  junge  Fangfäden. 

Bei  dem  mehrfach  erwähnten  geschlechtslosen  Thiere  waren  die  P'angfäden 
verhältnissmässig  weit  kürzer  und  viel  weniger  zahlreich  (20  bis  30),  die  Tentakel 
länger  als  bei  erwachsenen  Thieren.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass,  wie  bei 
Liriope,  noch  jüngere  Formen  nur  Tentakel  besitzen. 

Die  Randbläschen  (fig.  4)  sitzen  paarweise  am  Ursprünge  der  Tentakel; 
sie  sind  rundlich  oder  cllipsoidisch  von  0,2  mm  Durchmesser  mit  einfacher  hcht- 
brechender  Kugel   von  0,03  mm,    die  wie  bei  Liriope  befestigt  ist.     Ihr  Inhalt  ist 


Polypen  und  Quallen  von  Santa  Catharina.  j -2  c 

meist   wasserhc^ll ;    ein    paarmal    sali    ich    feine  Körnchen   darin  herumtreiben,    wie 
von  Flimmerhaaren  bewegt. 

Die  Geschlcchtsthcile  (fig.  2)  nehmen  den  grössten  Theil  der  Strahl- 
gefässe  ein,  nur  eine  kleine  Strecke  in  der  Nähe  des  Magens  freilassend.  Sie 
treten  zuerst  auf  als  einfache  walzenförmige  Ausstülpungen  der  Gefässwand,  die 
sich  später  unregelmässig  baumartig  verästelt  (fig.  3),  und  bis  über  8  mm  Länge 
erreichen  können.  Sie  flimmern  nicht  nur  innen,  wie  alle  Gefässe,  sondern  auch 
auf  ihrer  äusseren  Oberfläche,  unter  der  sich  Samen  oder  Eier  bilden.  Hoden 
und  Eierstöcke  zeigen  für  das  unbewaffnete  Auge  keine  Verschiedenheit.  Bei 
einem  Thiere  mittlerer  Grösse  zählte  ich  gegen  30  Bäumchen  an  einem  Strahl- 
gefässe. 

Vielfach  verschiedene  Färbung  bei  Thieren  derselben  Art  ist  häufig  bei 
Polypen  und  Quallen  (Gorgonia,  Corymorpha,  Cephea,  Chrysaora  u.  s.  w.) ;  schwerlich 
aber  dürfte  hierin  ein  anderes  Thier  unserer  OUndias  gleichkommen.  Man  denke 
sich  alle  Mischungen  von  Gelb,  Roth,  Braun,  Schwarz,  —  in  allen  Abstufungen 
von  leisem  Anfluge  bis  zu  voller  Sättigung;  und  in  allen  möglichen  Zusammen- 
stellungen an  Fangfäden  und  Tentakel,  Gefässe  und  Geschlechtstheile,  Mtigen  und 
Nesselsaum  des  Mundrandes  \'ertheilt.  Besonders  häufig  erscheinen  Fangfäden, 
Randstummelchen  und  Geschlechtstheile  gelb  (schwefel-,  gold-,  orangegelb),  die 
Gefässe  rosenroth,  der  Magen  gelb  oder  morgenroth  mit  dunklerem  Nesselsaume, 
die  Tentakel  braun ;  häufig  auch  sind  Fangfäden,  Gefässe  und  Mundsaum  rosen- 
roth, die  Tentakel  brennend  ziegelroth,  die  Geschlechtstheile  gelblichweiss.  Bis- 
weilen ist  das  ganze  Thier  farblos  bis  auf  den  blassrosenrothen  Mundsaum,  mennig- 
rothe  Tentakelspitzen  und  leicht  gelblich  getrübte  Geschlechtstheile,  —  oder  wieder, 
um  aus  der  endlosen  Menge  verschiedener  Färbungen  noch  das  Gegentheil  hiezu 
hervorzuheben,  die  Fangfäden  sind  schwefelgelb,  die  Tentakel  rothbraun,  die  Rand- 
stummelchen und  Geschlechtstheile  schwarz,  die  Gefässe  schwarzbraun,  der  Magen 
bräunlich  mit  gelbem  Saume.  —  Die  Färbung  der  Gefässe  hat  ihren  vSitz  in  der 
der  Scheibe  zugekehrten  Wand  (s.  fig.  2),  das  Ringgefäss  ist  stets  farblos.  An 
Fangfäden  und  Tentakeln  ist  der  körnige  Farbstoff  besonders  an  den  Nessel- 
wülsten angehäuft.  —  Bei  den  Thieren  desselben  Schwarmes,  d.  h.  bei  den  gleich- 
zeitig an  der  Küste  erscheinenden,  pflegt  eine  bestimmte  Färbung  vorzuherrschen, 
wie  z.  B.  an  manchen  Tagen  nur  gelbe,  an  anderen  fast  nur  rothe  Fangfäden 
gesehen  werden. 

Im  Magen  der  Olindias  finden  sich  öfters  Fischreste;  als  Schmarotzer  trifft 
man  an  ihr  bisweilen  Philomedusa  Vogtii. 

Es  ist  bezeichnend  für  die  Unsicherheit,  die  noch  in  der  x\nordnung  der 
Scheibenquallen  herrscht,  dass  der  Versuch,  Olindias  in  die  Systeme  von  Esch- 
scholtz,  Forbes,  Lütken,  Gegenbaur  einzureihen,  sie  zu  den  Oceaniden  von 
Eschscholtz,  den  Geryoniden  von  Forbes,  den  Aequoreaden  von  Lütken 
führt,  ohne  dass  sie  weder  mit  Oceania.  noch  mit  Ger3ronia  oder  Aequorea  Aehnlich- 
keit  hat,  und  dass  sie  in  Gegenbaur's  System  gar  nicht  Platz  findet,  da  sie  durch 
die  Randbläschen  von  den  Thaumantiaden,  durch  die  Bildung  der  Geschlechts- 
theile von  den  Eucopiden  ausgeschlossen  wird. 

Die  einzige  Gattung,  zu  der  sie  verwandtschaftliche  Beziehung  zu 
haben  scheint,  ist  Melicertum  Oken;    auch  bei  diesen  finden  sich  Randfäden  von 


j  -j  A  Polypen  und  Quallen  von  Santa  Catharina. 

verschiedener  Grösse  und  in  verschiedener  Höhe  angeheftet,  und  ausserdem  bis 
jetzt  völlig  räthselhafte  Fäden  („cirri"  Eschsch.)  längs  der  Strahlgefässe,  die  viel- 
leicht im  Hinblicke  auf  Olindias  als  Geschlechtsthelle  gedeutet  werden  dürfen. 

Als  Gattungsmerkmale  von  Olindias  lassen  sich  vorläufig  die  folgenden 
hervorheben :  Magen  ein  häutiges  Rohr ;  Strahlgefässe  4,  mit  baumförmig  ver- 
ästelten Geschlechtstheilen  besetzt ;  zahlreiche  rücklaufende  Gefässe ;  äusserst  dehn- 
bare Fangfäden  und  weniger  bewegliche  Tentakel  ^)  in  grosser,  unbestimmter  Zahl ; 
beide  hohl  und  mit  dem  Ringgefässe  in  Verbindung;  Randbläschen  paarweise  am 
Grunde  jedes  Tentakels. 

Desterro,  Juni   1861. 


i)  Mit  den  von  mir  bei  Liriope  als  Tentakel  bezeichneten  Anhängen  haben  die  der  Olindias  im 
Gegensatz  zu  den  Fangfäden  gemein:  die  mehr  rückenständige  Anheftung,  die  geringere  Dehnbarkeit,  und 
wahrscheinlich  das  frühere  Auftreten  im  Laufe  der  Entwickelung.  Auch  auf  eine  nähere  Beziehung  zum 
Nervensysteme  scheint  die  Lage  der  Randbläschen  an  ihrem  Ursprünge  hinzuweisen.  Trotzdem  also  die 
Tentakel  der  Olindias  hohl  sind,  die  der  Liriope  nicht,  glaubte  ich  sie  mit  gleichem  Namen  bezeichnen 
zu  dürfen. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XVI. 

Fig.  I.  Olindias  sambaquiensis,  ruhig  im  Wasser  schwebend,  nat.  Grösse.  Von  den 
Fangfäden  hat  nur  der  kleinere  Theil  der  Länge  Platz  gefunden. 

Fig.  2.    Geschlechtsthelle    eines  anderen  Thieres,    in  seitlicher  Ansicht,    nat.  Grösse. 

Fig.  3.    Einzelne  Geschlechtsbäumchen,  um  die  Art  der  Verästelung  zu  zeigen. 

Fig.  4.  Randbläschen,  vergrössert.  r  Ringgefäss.  /  Tentakel,  v  Verbindungsröhre 
zwischen  beiden. 

Fig.  5.    Schwimmendes  Thier,  im  senkrechten  Durchschnitte.  /'Fangfäden.  //  Randhaut. 


Ueber  die  angebliche  Bilateralsymmetrie  der 
Rippenquallen^). 

Bei  strahligen  Thieren  ist  nur  das  Vorn  V(3m  Hinten,  oder  das  Oben  vom 
Unten,  bei  zweiseitigen  Thieren  gleichzeitig  das  Vorn  vom  Hinten  und  das 
Oben  vom  Unten  verschieden.  Strahlige  Thiere  sind  durch  so  viel  Ebenen,  als 
Strahlen  vorhanden,  zweiseitige  durch  eine  einzige  Ebene  in  S3niimetrische  Hälften 
theilbar;  strahlige  Thiere  haben  eine  Achse,  den  Durchschnitt  jener  Ebenen,  zwei- 
seitige nur  jene  Mittelebene  und  keine  Achse.  In  einfacher  Zahl  können  bei 
strahligen  Thieren  nur  die  in  der  Achse  liegenden  Theile  vorhanden  sein ;  alle 
Theile  in  der  Mitte  und  auf  der  Grenze  der  Strahlen  wiederholen  sich  in  ein- 
facher, alle  anderen  Theile  in  doppelter  Strahlenzahl.  Bei  zweiseitigen  Thieren 
können  in  einfacher  Zahl  alle  in  der  Mittelebene  liegenden  Theile  auftreten  und 
alle  Theile  ausserhalb  dieser  Ebene  sind  paarweise  vorhanden. 

Lässt  man  die  Trennungsebenen  der  Strahlen  mit  Beibehaltung  ihrer  gegen- 
seitigen Lage  um  die  Achse  sich  drehen,  so  wird  durch  dieselben  fortwährend  das 
Thier  in  congruente  Stücke  geschnitten;  zweiseitige  Thiere  sind  überhaupt  nicht 
in  congruente  Stücke  zerlegbar.  Jeder  einzelne  Strahl  eines  Strahlthieres  ist  zwei- 
seitig symmetrisch;  zweiseitige  Thiere  sind  durch  ihrer  Längsrichtung  parallele 
Ebenen  nicht  in  Stücke  theilbar,  die  selbst  wieder  zweiseitig  symmetrisch  wären. 

Bei  paariger  Strahlenzahl,  also  bei  2-,  4-,  östrahligen  Thieren  schneidet  ausser- 
dem jede  durch  die  Achse  gelegte  Ebene  den  Körper  in  congruente  Hälften  und 
jeder  dieser  Durchschnitte  wird  selbst  wieder  durch  die  Achse  in  congruente 
Hälften  getheilt.  Zweiseitige  Thiere  sind  (wie  auch  die  Strahlthiere  mit  ungerader 
Strahlenzahl),  überhaupt  nicht  in  congruente  Hälften  theilbar;  —  eine  rechte  Hälfte 
lässt  sich  nicht  durch  eine  linke  ersetzen  und  aus  zwei  rechten  Hälften  congruenter 
Thiere  nicht  ein  ganzes  Thier  machen.  Würden  dagegen  zwei  congruente  paarig- 
strahlige  Thiere  auf  gleiche  Weise  in  congruente  Hälften  geschnitten,  so  würden 
sich  beliebige  zwei  dieser  vier  Hälften  zu  einem  ganzen  Thiere  zusammenfügen 
lassen. 

Jede  durch  die  Mitte  eines  Strahls  gelegte  Ebene,  so  wie  jede  Trennungs- 
ebene  zweier    Strahlen    theilt    paarig-strahlige    Thiere    in    zweiseitig    angeordnete 

i)  Archiv  für  Naturgeschichte   1861.  I.  p.  320 — 325. 


j  og  Angebliche  Bilateralsymmetrie  der  Rippenquallen. 

Hälften.    Die  Flälften  eines  zweiseitigen  Thieres,  rechts  und  links  von  der  Mittel- 
ebene, sind,  jede  für  sich  betrachtet,  nicht  mehr  zweiseitig  angeordnet. 

Leicht  Hesse  sich  die  Reihe  dieser  Merkmale,  die  scharf  und  schroff  die 
strählige  von  der  zweiseitigen  Anordnung  des  Thierleibes  scheiden,  noch  weiter 
fortspinnen.  Ich  breche  sie  hier  ab,  denn  schon  höre  ich  fragen:  wozu  überhaupt 
diese  müssige  Aufzählung  selbst  verständlicher  Unterschiede  zwischen  Dingen,  die 
Niemand  je  verwechseln  kann  ?  Genügt  es  nicht,  einen  Seestern  neben  einem 
Krebse  gesehen  zu  haben,  oder  selbst  nur  die  Bezeichnungen  strahlig  und  zwei- 
seitig zu  hören,  um  nie  in  Zweifel  zu  kommen,  welche  der  beiden  Anordnungs- 
weisen man  vor  sich  habe  ?  —  Man  sollte  es  meinen ;  doch  den  Beweis  des  Gegen- 
theils  liefern  u.  a.  die  Rippenquallen.  Nach  allen  angeführten  Merkmalen 
und  wie  man  auch  sonst  sich  die  Begriffe  mathematisch  zergliedern  möge,  ergeben 
sie  sich  als  vollkommen  strahlige  und  zwar  zweistrahlige  Thiere  und  zeigen 
diesen  Bau  in  vollster  Regelmässigkeit  und  strengster  Durchführung  ausgeprägt, 
ohne  die  leiseste  Spur  eines  Ueberganges  zu  zweiseitiger  Anordnung.  —  Und 
doch  scheint  die  herrschende  Ansicht  des  Tages  die  entgegengesetzte  zu  sein. 
Vorsichtig  zweifelnd  spricht  sich  Burmeister  aus :  „die  Rippenquallen  scheinen 
nach  beiden  Typen  gebaut  zu  sein,  doch  herrscht  eine  reguläre  Eiform  vor^)."  — 
Andere  betrachten  sie  geradezu  als  „zweiseitig-symmetrische"  Thiere,  oder  doch  als 
Uebergangsform  „vom  Radiärtypus  zum  bilateral-symmetrischen".  So  Agassi z-), 
Vogt,  Gegenbau r.  Die  gewichtigen  Stimmen  solcher  (jegner  nöthigten  mich 
zu  einer  etwas  umständlicheren  Auseinandersetzung  des  an  sich  allerdings  höchst 
einfachen  Gegenstandes;  mit  dieser  Auseinandersetzung  der  Unterschiede  zwischen 
strahligen  und  zweiseitigen  Thieren  ist  zugleich  auch  schon  mein  Beweis  für  die 
Stellung  der  Rippenquallen  unter  den  ersteren  gegeben.  Es  bleibt  mir  übrig,  die 
Gründe  der  entgegenstehenden  Ansicht  zu  besprechen,  die  ich  leider  nirgends  in 
den  mir  zugänglichen  Schriften  zusammenhängend  dargestellt  finde. 

Die  nächste  Veranlassung,  die  Rippenquallen  als  zweiseitige  Thiere  oder  als 
Mittelding  zwischen  diesen  und  den  strahligen  anzusehen,  hat  wohl  die  „von  zwei 
Seiten  comprimirte"  Körperform  vieler  Arten  und  namentlich  die  lang  ausgezogene 
Bandform  von  Cestum  gegeben,  indem  Vogt  den  „symmetrischen  Typus"  am 
deutlichsten  ausgeprägt  findet,  und  auch  Gegen baur  „die  Bilateralsymmetrie 
ihren  Gipfelpunkt"  erreichen  lässt.  Konnte  nun  diese  auffallende  Form  des  Venus- 
gürtels wohl  Anlass  geben  zu  einer  neuen  Prüfung  seines  Rechtes  als  Strahlthier, 
so  kann  sie  doch  so  wenig  als  Beweis  dagegen  geltend  gemacht  werden,  als  etwa 
die  Kugelgestalt  eines  eingerollten  Sphäroma  dasselbe  aus  der  Reihe  der  zwei- 
seitigen Thiere  ausschlicsst.  —  Die  Rippenquallen  als  zweistrahlige  Thiere  auf- 
gefasst,  verliert  zudem  jene  Bandform  alles  Auffallende;  neben  die  C3^dippen  mit 
kreisrundem  Querschnitte  stellen  sich  dann  die  Cestum  in  ganz  ähnlicher  Weise, 
wie  neben  die  kugligen  Echinus  die  langstrahligen  Asterien  und  Ophiuren. 

Einen  zweiten  Grund  zur  Annahme  einer  „Bilateralsymmetrie"  scheint  die 
Zweizahl  verschiedener  Theile,  der  Trichteröffnungen,  Mundschirme,  IVIagengefässe, 
Senkfäden  u.  s.  w.  abgegeben  zu  haben,  —  „Selbst  bei  den  sonst  radiär  gebauten 


1)  Geschichte  der  Schöpfung.  6.  Aufig.   p.  330. 

2)  Nach  den  Jahresberichten   von   V.   Carus  und  R.   Leuckart. 


Angebliche  Bilatcralsymmetrie  der  Rip]icn(iiiallen.  j^jg 

Beroen"  findet  Gegenbaur  in  den  beiden  Trichteröffnung-en  „die  bilaterale 
Symmetrie  angedeutet  ^)"  und  lässt  die  beiden  Senkfäden  der  Cydippcn  u.  a.  „nach 
bilateraler  Symmetrie"  vertheilt  sein  -).  In  Zweizahl  vorhanden  ist  nun  allerdings 
sogar  die  Mehrzahl  der  Theile  zweiseitiger  Thiere;  die  Vertheilung  aber  dieser 
doppelt  vorhandenen  Theile  bei  den  Rippenquallen,  ihr  ausschliessliches  A^or- 
kommen  in  zwei  aufeinander  senkrechten  Ebenen,  weit  entfernt,  Beweis  „bilateraler 
Symmetrie'"  zu  sein,  ist  vielmehr  etwas  damit  durchaus  Unverträgliches  und  ver- 
bunden mit  der  Vierzahl  aller  Theile  ausserhalb  dieser  Ebenen  ein  sicheres  Kenn- 
zeichen zweistrahliger  Anordnung.  Ganz  abgesehen  übrigens  von  den  oben 
aufgestellten  Merkmalen  strahliger  und  zweiseitiger  Thiere,  so  ist  zu  verwundern, 
dass  man  den  Widerspruch  nicht  bemerkt  hat,  dc^r  darin  liegt,  gleichzeitig  die 
Trichteröffnungen  und  die  Senkfäden  als  bilateral-symmetrisch  zu  betrachten.  Sind 
es  die  Trichteröffnungen,  so  liegen  z.  B.  bei  Mnemia  die  Schmalseiten  und 
Mundschirme  rechts  und  links,  die  Breitseiten  mit  Senkfäden  ^)  und  Magengefässen 
oben  und  unten.  Sind  es  die  Senkfäden,  so  finden  sich  die  Breitseiten  und  Magen- 
gefässe  rechts  und  links,  die  Schmalseiten,  Mundschirme  und  Trichteröffnungen 
oben  und  unten.  Eine  Annahme  führt  die  andere  ad  absurdum.  Bei  beiden 
Annahmen  ist  überdiess,  im  Widerspruche  mit  dem  wesentlichsten  Grundzuge 
zweiseitigen  Baues,  kein  Unterschied  zwischen  Bauch  und  Rücken  vorhanden. 

Eine  weitere  hierher  gehörige  Bemerkung  Gegenbaur 's  ist  mir  unverständ- 
lich geblieben.  Es  soll  bei  den  Ctenophoren  der  Radiärtypus  der  Cölenteraten 
in  den  bilateral-symmetrischen  übergehen,  „indem  an  zwei  symmetrischen  Körper- 
hälften eine  überwiegende  iVusbildung  der  einzelnen  Theile  erfolgt^)."  Da  das 
Thier  nicht  mehr  als  zwei  Hälften  hat,  also  die  beiden  Hälften  mit  überwiegender 
Ausbildung  der  Theile  das  ganze  Thier  ausmachen,  so  begreift  man  nicht,  wo  die 
in  der  Ausbildung"  zurückbleibenden  Theile  Raum  finden.  Wollte  man  aber  unter 
„Hälften"  nur  gegenüberliegende  Körpertheile  verstehen,  —  und  man  ist  allerdings 
gewohnt,  in  naturgeschichtlichen  Werken  eine  ganz  neue  mathematische  Sprache 
zu  finden,  —  so  würde  auch  ebensowenig  das  bei  Rippenquallen  vorkommende, 
als  ein  für  „bilateral-symmetrischen  Typus"  bezeichnetes  Verhältniss  ausgesprochen 
sein.  Oder  sind  etwa  die  Trichteröffnungen  und  Mundschirme  überwiegend  aus- 
gebildete Magengefässe  und  Senkfäden,  oder  auch  umgekehrt?  —  Oder  sind 
unsere  eigenen  Arme  und  Beine  überwiegende  Ausbildungen  irgend  welcher 
Theile  unserer  Rücken-  und  Bauchflächc  ? 

In  gewohnter  einfach  lichtvoller  Weise  hat  C  Vogt  in  den  zoologischen 
Briefen  ^)  die  Unterschiede  zwischen  strahligem  und  zweiseitigem  Baue  aus- 
einandergesetzt. Nach  dieser  seiner  eigenen  Darstellung  hätte  er  die  Rippenquallen 
unbedingt  als  vollkommen  strahlig  gebaut  bezeichnen  müssen.  Und  doch  hat  auch 
er  von  dem  „langen  Querband"  des  Venusgürtels  sich  irren  lassen,  das,  wie  er  in 
,,Ocean  und  Mittelmeer"  bemerkt,  „durch  einen  Schnitt,  welchen  man  quer  auf  die 
Achse  des  Bandes   führt,   in    zwei  vollkommen  gleiche  Hälften  gespalten  werden 


1)  Dieses  Archiv  XXII.  Bd.    i.  p.    170. 

2)  Ebenda  p.    176. 

3)  Die  bei  Mnemia  Schweiggeri   Eschsch.   zwar  sehr  winzig  sind,  aber  nicht  fehlen. 

4)  Grundzüge  der  vergl.  Anatomie  p.  67. 

5)  Bd.   I,  p.  64  u.  65. 


j^Q  Angebliche  Bilateralsymmetrie  der  Rippenquallen. 

kann,  in  denen  sich  auch  nicht  die  mindeste  Spur  einer  radiären  Anordnung  er- 
kennen lässt;"  —  es  genügt,  hinzuzusetzen:  „so  wenig,  als  in  einem  einzehien 
Strahle  irgend  eines  anderen  Strahlthieres,"  um  zu  zeigen,  dass  die  nicht  zu  be- 
streitende Thatsache  nichts  gegen  die  strahlige  Anordnung  des  Thieres  beweist. 
Und  macht  rnan  noch  darauf  aufmerksam,  dass  die  Hälften  in  der  That  voll- 
kommen gleich,  d.  h.  nicht  bloss  symmetrisch,  sondern  congruent  sind,  und  dass 
jede  derselben  eine  zweiseitige  Anordnung  erkennen  lässt,  so  ist  damit  eine  Eigen- 
thümlichkeit  bezeichnet,  die  wohl  allen  paarig-strahligen  Thieren,  aber  nicht 
einem  einzigen  zweiseitigen  zukommt. 

Sind  aber  nicht,  wenn  auch  vollkommene  Strahlthiere ,  schon  als  zwei- 
strahlig die  Rippenquallen  den  zweiseitigen  Thieren  näher  stehend,  als 
andere  mehrstrahlige  Thiere,  und  somit  immerhin  als  Mittelglied  zu  betrachten  ? 
Ich  meine:  Nein.  —  Die  nur  in  dem  Namen  liegende  scheinbare  Aehnlichkeit 
verschwindet,  sobald  man  „zweiseitig"  mit  „nicht  strahlig"  vertauscht.  Im  Gegen- 
theile,  je  geringer  die  Zahl  eines  thierischen  oder  pflanzlichen  Theiles,  um  so 
sicherer  pflegt  sie  festgehalten  zu  werden.  Und  so  wäre  auch  hier  zu  vermuthen, 
dass,  je  geringer  die  Strahlenzahl,  um  so  strenger  durchgeführt  der  strahlige  Bau 
sein  werde,  und  dass  ein  Uebergang  in  andere  Anordnungsweisen  sich  eher  bei 
hoher,  als  bei  niederer  Strahlenzahl  werde  finden  lassen.  Die  Erfahrung  bestätigt 
diese  Vermuthung:  abgesehen  von  den  Echinodermen ,  bei  denen  Johannes 
Müll  er 's  Scharfblick  überall  Spuren  zweiseitiger  Anordnung  erkannte,  so  finden 
sich  solche  unter  den  Cölenteraten,  z.  B.  bei  der  i2strahligen  Philomedusa  Vogtii 
und  bei  der  jungen  Brut  der  ebenfalls  vielstrahligen  Cunina  Köllikeri.  In  vollster 
Strenge  dagegen  zeigt  sich  der  strahlige  Bau  bei  vielen  vi  erstrahl  igen  Scheiben- 
quallen und  bei  den  zweistrahligen  Rippenquallen,  die  also  auch  in  dieser  Be- 
ziehung als  ächte  Cölenteraten  sich  ausweisen. 

Desterro,  im  Juni   1861. 


Die  Rhizocephalen,  eine  neue  Gruppe  schmarotzender 

Kruster  ^). 

Mit  Tafel  XVII. 

Rathke's  Beiträge  zur  Fauna  Norwegens  schliessen  mit  der  Beschreibung 
zweier  Thiere,  Peltogaster  paguri  und  carcini,  die  mir  schon  beim  Lesen  der  vor- 
trefflichen Abhandkmg  als  die  merkwürdigsten  der  ganzen  reichhaltigen  Samm- 
lung erschienen  und  seitdem  einen  der  ersten  Plätze  behauptet  haben  in  der  Reihe 
der  Thiere,  die  selbst  zu  untersuchen  mich  verlangte.  Zu  dieser  Untersuchung 
wurde  mir  kürzlich  Gelegenheit  durch  die  Entdeckung  zweier  nahe  verwandten 
Arten;  ihre  Ergebnisse  waren  zum  Theil  so  überraschend,  aus  dem  Kreise  der 
gewohnten  Vorstellungen  heraustretend,  dass  es  mir  bei  deren  Mittheilung  in  der 
That  eine  Beruhigung  ist,  an  den  europäischen  Küsten  jene  beiden  Verwandten 
zu  wissen  und  auf  sie  die  Fachgenossen  zur  Prüfung  meiner  Angaben  verweisen 
zu  können. 

Der  in  den  Leib  des  Wirthes  eingesenkte  Kopf  dieser  scheinbaren  Würmer 
treibt  pflanzenartig  Wurzeln,  hohle  Röhren,  die  vielverzweigt  dessen  Eingeweide 
umspinnen,  und  ihre  Brut  stellt  sich  in  die  Mitte  zwischen  die  der  Lernaeen  und 
der  Rankenfüsser.  Sie  bilden  also  eine  neue  Abtheilung  schmarotzender  Kruster, 
die  ich  nach  jener  ersten  Eigenthümlichkeit  Rhizocephala  nenne.  Es  steht  zu 
erwarten,  dass  in  diesen  Rhizocephalen  sich  eine  reiche  Fundgrube  neuer  P'ormen 
eröffnen  werde,  da  jeder  der  beiden  Krebse,  die  ich  bis  jetzt  in  grösserer  Zahl 
untersuchen  konnte,  eine  Art  ernährt.  Leider  fehlen  mir  alle  Hülfsmittel  zur  Be- 
stimmung dieser  Wohnthiere;  doch  werden  sie  spätere  Besucher  unserer  Küste 
auch  ohne  weitläufige  Beschreibung  leicht  wiederfinden.  Fast  unter  jedem  Steine 
werden  sie  eine  schwärzlichgrüne,  glattscheerige,  ungemein  flinke  Porcellana  treffen, 
und  kaum  minder  häufig  einen  kleinen  Pagurus,  der  fast  ausschliesslich  in  den 
Gehäusen  eines  Cerithium  Obdach  sucht. 

Der  Schmarotzer  der  Porcellana  mag  Lernaeodiscus  Porcellanae,  der  des 
Einsiedlerkrebses  Sacculina  purpurea  heissen.  ich  beschreibe  zunächst  die  beiden 
geschlechtsreifen  Thiere  und  dann  ihre   Larven. 


I)  Archiv  für  Naturgeschichte   i8(j2.  I.  p.   1—9.  Taf.  I. 


j^2  D'^  Rhizocephalen. 

Lernaeodiscus  Porcellanae  (fig.  i — 4)  findet  sich  ziemlich  häufig  i),  meist  einzehi, 
selten  zu  zweien,  dem  Schwänze  seines  Wirthes  an  einem  der  vorderen  Ringe 
angeheftet,  und  füllt  oft  vollständig  den  Raum  zwischen  Schwanz  und  Brustschild. 
Er  hat  die  Gestalt  einer  fleischigen  und  blass  gelblichfleischfarbenen  Scheibe,  die 
bis  über  10  mm  breit  wird,  bei  etwas  geringerer  Länge.  Vorn  und  hinten  ist 
die  Scheibe  tief  ausgebuchtet  und  jederseits  in  5  bis  7  Lappen  getheilt,  deren  meist 
verbreitertes  Ende  häufig  wieder  eingebuchtet  ist.  Auf  der  Rückenfläche  der 
Scheibe,  die  dem  Schwänze  der  Porcellana  zugekehrt  ist,  sieht  man  in  der  Nähe 
des  Randes  oft  noch  jenen  Lappen  ähnliche  kleinere  Hervorragungen.  Auf  der 
Bauchfläche,  die  sich  dem  Brustschilde  der  Porcellana  zuwendet,  fällt  zunächst 
der  Eierstock  (fig.  2,  b)  in  die  Augen,  der  fast  die  ganze  Fläche  bis  an  den  Ur- 
sprung der  Randlappen  einnimmt,  hinten  eine  breite  und  seichte  Bucht,  vorn 
aber  einen  schmalen  hinterwärts  keulenförmig  verbreiterten  und  ihn  bis  zur  Hälfte 
theilenden  Einschnitt  hat. 

Unter  dem  Eierstocke  (der  Bauchfläche  näher)  liegen  nahe  dem  Vorderrande 
der  Scheibe  zwei  sehr  ansehnliche  rundliche  oder  nierenförmige  Drüsen  (fig.  2,  c) 
von  dem  eigenthümlich  durchscheinenden  Ansehen,  das  so  häufig  den  Hoden 
niederer  Thiere  zukommt;  ihre  anfangs  engen,  später  erweiterten  und  dann  sehr 
dünnhäutigen  und  schwer  zu  verfolgenden  Ausführungsgänge  verlaufen  an  ihrer 
inneren  Seite  nach  hinten;  ich  vermuthe,  dass  sie  am  hinteren  Rande  des  Eier- 
stocks in  die  gleich  zu  erwähnende  Bruth(')hle  münden.  Gleichfalls  unter  dem 
Eierstocke  und  in  ihren  LTmrissen  demselben  entsprechend,  aber  auch  dessen 
vorderen  Einschnitt  füllend  breitet  sich  eine  zartwandige  Höhle  aus,  die  eine 
röthliche  durchsichtige  Flüssigkeit  enthält;  dass  es  eine  einzige  Höhle  ist,  wird 
deutlich,  wenn  sie  sich  zusammenzieht;  im  ausgedehnten  Zustande  könnte  man 
versucht  sein,  ein  Netzwerk  zwischen  den  einzelnen  Eiergruppen  sich  hinziehender 
Röhren  anzunehmen,  die  von  einer  im  vorderen  Einschnitte  des  Eierstocks  liegen- 
den Blase  ausgingen,  indem  dann  über  den  stärker  vorspringenden  Eiern  die 
Farbe  der  dünnen  Flüssigkeitsschicht  fast  unmerklich  wird  und  deutlicher  nur  in 
den  Furchen  zwischen  ihnen  hervortritt. 

In  der  hinteren  Ausbucht  der  Scheibe  findet  sich  eine  ansehnliche,  von  ge- 
kerbtem Rande  umfasste  Oeffnung  (fig.  2,  a),  durch  die  man  unter  abwechselndem 
Ausdehnen  und  Zusammenziehen  des  Körpers  das  Wasser  ein-  und  ausstrcnnen 
sieht.  Sie  führt  zu  einer  weiten  Brathöhle,  von  deren  Ausdehnung  man  si(^h  am 
leichtesten  überzeugt,  wenn  man  sie  mittelst  einer  fein  ausgezogenen  Glasröhre 
aufbläst.  Man  sieht  dann,  dass  sie  die  ganze  Rückenfläche  einnimmt,  ausgenommen 
den  vorderen  Einschnitt  des  Eierstocks,  und  sich  in  die  Randlappen  erstre(-kl, 
die  nur  Aussackungen  derselben  sind.  Man  findet  die  Bruth()h]e  meist  prall  ge- 
füllt mit  Eiern,  die  namentlich  ihrer  äusseren  Wand  ankleben  und  alle  gleich  alt 
sind.  Wenn  sie  sich  der  Reife  nähern,  erscheint  der  Rand  der  Scheibe  durch- 
sichtiger und  endlich  Randlappen  und  Rücken  schwarz  punktirt  durch  die  Augen 
der  jungen  Brut,  die  gleichzeitig  ausschwärmt.  Zwei  Tage  nac^h  dem  Ausschwärmen 
fand  ich  bei  einem  Thiere  schon  wieder  frische,  in  totaler  Furchung  begriffene 
Eier  (fig.  7)  in  der  Bruthöhle,  —  Das  in  die  Bruthöhle  einströmende  Wasser  dient 


I)  S.  u.  den  Aufsalz  über  Entoniscus.  =  Ges.   Werke  p.   147. 


Die  Rhizücephalen.  j^-. 

meines  Erachtens  nur  dem  Athmen  der  Eier,  die  ziemlich  vollständig  seinen  Zu- 
tritt zum  Leibe  der  Mutter  hemmen  dürften.  Auch  bei  vielen  anderen  Krustern 
mag  die  Befestigung  der  Eier  am  mütterlichen  Körper  weniger  durch  den  ge- 
währten Schutz,  als  durch  den  steten  Wasserwechsel  für  die  Entwickelung  der 
Brut  nöthig  sein;  selbst  der  Reife  nahe  sind  mir  vom  Leibe  der  Mutter  gelöste 
Eier  von  Krabben  und  Garneelen  immer  zu  Grunde  gegangen,  während  das  ge- 
fangen gehaltene  Weibchen  sie  sicher  ausbrütet. 

In  der  vorderen  Ausbucht  der  Scheibe  liegt  ein  gewölbtes  Chitinschild 
(fig.  2,  s)  mit  concentrischen  Streifen,  zwischen  denen  bräunliche  l^'arbetheilchcn 
abgelagert  zu  sein  pflegen.  Aus  seiner  Mitte  entspringt  ein  kurzer  Hals,  der 
die  Haut  der  Porcellana  durchbohrt.  Innen  umgiebt  ihn  ein  starker  Chitinring 
von  0,2  bis  0,3  mm  Durchmesser,  der  sich  in  eine  zackige  nach  oben  erweiterte, 
goldglänzende  Krone  fortsetzt.  Je  nach  dem  Alter  des  Thieres  ist  diese  Krone 
(fig.  2,  3,  4,  k)  verschieden  entwickelt.  Sie  entsteht  durch  Chitinisirung  der  Kopf- 
haut. Einzelne  kleine  Chitinplättchen  (fig.  3,  4,  b)  trifft  man  bisweilen  noch  ober- 
halb der  Krone,  die  von  der  weichen  Kopfhaut  nur  wenig  überragt  wird.  —  \"on 
der  oberen  Fläche  des  Kopfes,  an  dem  ich  von  Mund,  Augen,  Fühlern  keine 
Spur  fand,  entspringen  nun  zahlreiche  Röhren  (fig.  3,  4.  w),  bis  zu  0,15  mm  weit, 
die  zum  Theil,  namentlich  die  äusseren,  schon  in  der  Nähe  blind  enden,  zum  Theil, 
sich  vielfach  verästelnd,  besonders  nach  dem  Darme  der  Porcellana  sich  hinziehen, 
ihn  weithin,  selbst  bis  in  die  Brust  hinein,  umspinnen  und  zuletzt  in  blinde  Reiser- 
chen  auslaufen.  Nicht  selten  sieht  man  bis  über  0,5  mm  dicke,  aus  zahlreichen 
einzelnen  Röhren  geflochtene  Stränge  den  Weg  zum  Darme  der  Porcellana  nehmen. 
Diese  Wurzeln,  so  kann  man  sie  nach  Ansehen  und  Verrichtung  nennen,  enthalten 
in  ihrer  zarten  Haut  zahlreiche  Fettkügelchen,  die  sich  durch  weit  geringere  und 
dabei  gleichförmige  Grösse  leicht  von  den  Fetttheilchen  im  Schwänze  des  Krebses 
unterscheiden. 

Dafür,  dass  die  Wurzeln  durch  den  Hals  mit  dem  weiten  Flüssigkeitsbehälter 
unter  dem  Eierstocke  in  Verbindung  stehen,  hat  man  einen  sehr  einfachen  und 
sicheren  Beweis  in  einem  vor  Auffindung  der  Wurzeln  mir  unerklärlichen  Um- 
stände ;  wenn  man  den  Kopf  des  Schiri arotzers  aus  dem  Leibe  des  Wirthes  heraus- 
löst, und  bisweilen  schon,  wenn  man  den  Schwanz  der  Porcellana  vom  Brust- 
stücke losreisst,  erfolgt  ein  augenblickliches  und  höchst  augenfälliges  Erblassen 
des  Lernaeodiscus  durch  Entleeren  jener  röthlichen  Flüssigkeit.  Ob  die  mit  blinden 
Wurzeln  beginnende  Höhle  für  die  ernährende  Flüssigkeit,  die  man  kaum  Ver- 
dauungshöhle nennen  kann,  auch  blind  endige,  muss  ich  noch  unentschieden  lassen, 
obgleich  mir  ein  öfter  gesehener  schmaler  Fortsatz  nach  der  Oeffnung  der  P)rut- 
höhle  zu  eine  Ausmündung  an  dieser  Stelle  wahrscheinlich  macht. 

Nach  Männchen  des  Lernaeodiscus  habe  ich  um  so  eifriger  ausgeschaut,  da 
Rathke  in  der  Bruthöhle  von  Peltogaster  paguri  einen  kleinen  Krebs,  seine 
Liriope  pygmaea,  beobachtet  hat;  allein  bis  jetzt  ohne  Erfolg.  In  der  aus  den 
erwähnten  grossen  Drüsen  gewonnenen  Flüssigkeit  sehe  ich  dagegen  bewegliche 
Theilchen,  deren  Gestalt  genau  zu  erkennen  mein  Mikroskop  nicht  ausreicht;  nach 
der  Art  ihrer  Bewegung  trage  ich  kaum  Bedenken,  die  Plüssigkeit  für  Samen 
zu  erklären. 


T/iA  Die  Rhizocephalen. 

Sacculina  purpurea  (fig.  5  u.  6),  der  Schmarotzer  unseres  kleinen  Einsiedler- 
krebses, scheint  nicht  minder  häufig  zu  sein,  als  I.ernaeodiscus.  Nachdem  ich 
einmal  auf  ihn  aufmerksam  geworden,  konnte  ich  aus  den  während  einer  Ebbe 
gesammelten  Schneckenhäusern  über  30  mit  ihm  behaftete  Paguren  herausklopfen. 
Der  Schmarotzer  hängt  als  dicke,  schwach  gebogene,  purpurrothe  Wurst,  die  bis 
über  6  mm  lang  und  halb  so  dick  beobachtet  wurde,  am  Anfange  des  weichen 
Hinterleibes  und  zwar  an  dessen  linker  gewölbter  Seite,  sein  etwas  dickeres  Hinter- 
ende mit  der  Oeffnung  der  Bruthöhle  dem  Kopfe  des  Wirthes  und  also  der  Mün- 
dung des  Schneckenhauses  zuwendend.  —  Der  Anheftungspunkt  liegt  auf  der 
hohlen  Seite  der  Wurst,  dem  hinteren  Ende  etwas  näher;  die  Enden  erscheinen 
von  oben  kuglig  abgerundet. 

Der  Gast  ist  ebenso  windschief  wie  sein  Wirth;  wenn  man  als  untere  die 
hohle  Fläche  nimmt,  mit  der  das  Thier  festsitzt,  und  das  Hinten  durch  die  Oeff- 
nung der  Bruthöhle  bestimmt,  so  ist  von  den  beiden  Seiten,  die  unterhalb  durch 
Darm  und  Eierstock,  auf  dem  Rücken  durch  eine  seichte  Furche  geschieden  sind, 
hinten  die  linke,  vorn  die  rechte  stärker  entwickelt.  Vorn  ist  die  Verschiedenheit 
unbedeutend,  hinten  so  stark,  dass  die  Oeffnung  der  Bruthöhle  ganz  nach  der 
rechten  Ecke  des  Hinterrandes  gedrängt  ist.  Diese  Oeffnung  bildet  eine  kleine 
Längsspalte,  und  lässt  dieselbe  Wasserströmung  gewahren,  wie  bei  Lernaeodiscus. 
Links  läuft  der  hintere  Rand  meist  in  eine  mehr  oder  weniger  deutliche,  scharfe 
Ecke  aus.  Der  Darm  und  der  darüber  liegende  Eierstock  bilden  einen  ziemlich 
schmalen,  hinten  und  vorn  verjüngten  Streifen,  der  sich  vom  Anheftungspunkte 
vorwärts  fast  bis  zum  Vorderrande,  hinterwärts  bis  zur  Oeffnung  der  Bruthöhle 
erstreckt.  —  Die  ganze  übrige  Wurst  ist  Bruthöhle.  Die  nahende  Reife  der  Eier 
verräth  sich  durch  blassere,  mehr  durchscheinende  Färbung. 

Der  concentrisch  geriefte  Schild  am  Anheftungspunkt  ist  schwach  entwickelt; 
die  goldene  Krone  im  Innern  des  Wirthes  (fig.  6,  k)  dadurch  von  der  des  Lernaeo- 
discus verschieden,  dass  von  dem  Ringe  einzelne  breite  Aeste  abgehen,  deren 
breite  Zweige  allmählich  in  die  dünnere  Kopfhaut  verfliessen,  während  Lernaeo- 
discus spitze,  scharf  umschriebene  Zacken  hat.  Die  dem  Kopfe  entsprossenden 
Wurzeln  erstrecken  sich  auf  der  linken  Seite  des  Pagurus  nach  hinten  und  bilden 
zwischen  den  Leberschläuchen  ein  dichtes  Büschel  aus  wenigen  Hauptstämmen 
entspringender  Röhren.  Man  kann  aus  diesem  Büschel  ziemlich  leicht  die  es 
durchsetzenden  Leberschläuche  hervorziehen  und  es  so  vollständig  isoliren  (fig.  5, 
B,  w).  Die  Farbe  des  Wurzelbüschels  ist  dunkelgrasgrün;  es  schimmert  deutlich 
durch  die  dünne  Leibeswandung  des  Pagurus  hindurch. 

Die  Larven  der  beiden  Schmarotzer  haben  so  viel  Uebereinstimmendes, 
dass  ich  nur  die  des  Lernaeodiscus  beschreibe  und  für  die  der  Sacculina  nur  auf 
das  von  jener  Abweichende  aufmerksam  machen  werde. 

Die  Larve  von  Lernaeodiscus  (fig.  8)  ist  0.2  mm  lang,  vorn  0,12  mm  breit 
und  nach  hinten  anfangs  schwach,  im  letzten  Drittel  rascher  verjüngt.  Am  Ilinter- 
ende  trägt  sie  zwei  kurze  Spitzen.  Der  schwach  gewölbte  Vorderrand  läuft  jeder- 
seits  in  ein  kurzes  an  der  Spitze  etwas  nach  hinten  gebogenes  Hörn  aus.  Den 
Rücken  deckt  ein  Schild,  das  den  Körper  vorn  und  seitlich  um  0,04  bis  0,05  mm 
überragt;  hinten  deckt  es  kaum  den  Ursprung  der  beiden  Spitzen  und  ebenso  nur 
den  Anfang  der  Horner  des  Stirnrandes. 


Die  Rhiaocephalen.  j^e 

Auf  der  Unterfläche  liegt  in  geringer  Entfernung  vom  Vorderrande  ein 
grosses,  etwas  quergezogenes  und  vorn  meist  seicht  ausgerandetes  schwarzes 
Auge,  von  dem  sich  ein  starker  Nerv  hinterwärts  verfolgen  lässt,  dem  aber  ein 
lichtbrechender  Körper  zu  fehlen  scheint.  Die  Borsten  zu  den  Seiten  des  Auges, 
auf  die  Max  Schnitze  bei  den  jungen  Rankenfüssern  aufmerksam  gemacht 
hat,  vermisse  ich. 

Die  Ursprungsstelle  der  drei  Fusspaare  liegt  etwa  in  der  Mitte  zwischen 
Mittellinie  und  Seitenrand;  das  vorderste  entspringt  dicht  hinter  dem  Auge,  das 
letzte  am  Ende  des  zweiten  Fünftels  der  Länge.  Das  vorderste  hat  ein  dickes 
cylindrisches  Grund-,  und  ein  kurzes  Endglied  mit  zwei  längeren  Borsten ;  —  das 
zweite  trägt  auf  dickem  Grundgliede  einen  längeren  äusseren  (und  vorderen)  Ast  mit 
fünf,  und  einen  kürzeren  inneren  mit  drei  langen  Borsten ;  —  das  dritte  Fusspaar 
ist  bedeutend  kürzer  und  schwächer  als  das  zweite;  sein  äusserer  Ast  trägt  vier, 
der  innere  zwei  längere  Borsten.  Die  längeren  Aeste  sind  geringelt,  doch  nicht 
deutlich  gegliedert. 

Zwischen  dem  mittleren  Fusspaare  entspringt  ein  dreieckiger  Schnabel  mit 
rückwärtsgerichteter  Spitze.  Der  weite  Darm,  der  den  Schnabel  noch  etwas  nach 
vorn  überragt,  ist  in  den  ersten  Tagen  noch  dicht  mit  brauner  Dottermasse  ge- 
füllt. Hinter  dem  letzten  Fusspaare  ist  bisweilen  eine  leichte  Einschnürung  des 
Körpers  zu  sehen. 

Die  Larve  der  Sacculina  ist  verschieden  durch  ein  viel  grösseres,  die  Stirn- 
hörner  und  Endspitzen  weit  überragendes  Rückenschild,  durch  Mangel  des  Auges, 
durch  mehr  eiförmige  Gestalt  des  Leibes  und  gerade,  schief  vorwärts  gerichtete 
Stirnhörner.  Ausserdem  fand  ich  bei  ihr  die  bei  Lernaeodiscus  vermissten  Borsten 
in  der  Nähe  des  Vorderrandes  und  hinter  dem  letzten  Fusspaare  zu  jeder  Seite 
des  Darmes  ein  Häufchen  bräunlicher  undurchsichtiger  Körnchen  (Harn?),  von 
dem  ich  ebenfalls  bei  Lernaeodiscus  nichts  finden  kann. 

Nach  den  gegebenen  Beschreibungen  würden  sich  als  bezeichnende  Eigen- 
thümlichkeiten  der  Rhizocephalen,  die  in  die  Mitte  zwischen  Siphonostomen  und 
Rankenfüssern  zu  stellen  sein  dürften,  folgende  hervorheben  lassen : 

Crustacea  Rhizocephala.  Larve  mit  drei  Paar  Schwimmfüssen,  von  denen 
die  beiden  hintern  zweiästig,  mit  zwei  seitlichen  Stirnhörnern,  zwei  Spitzen  am 
Ende  des  Leibes  und  häutigem  Rückenschild.  Erwachsenes  Thier  weich- 
häutig, ungegliedert,  ohne  Augen,  Fühler,  Füsse  und  (?)Mund.  Kopf  in  das  Wohn- 
thier  eingesenkt,  am  Grunde  zu  einem  Chitinkranze  erhärtet,  durch  wurzelartige 
blinde  Fortsätze  Nahrung  aufnehmend.  Zwitter  mit  beweglichen  Syermatozoiden  (?), 
ohne  Eiersäcke    (wie  die  Rankenfüsser),    mit    weiter   hinten    geöffneter  Bruthölile. 

Gattungen: 

i)  Peltogaster  Rthk.  i). 

2)  Sacculina.    Körper  unsymmetrisch,  wurstförmig;  Kopf  mitten  auf  der  Bauch- 
fläche. —  Larve  ohne  Auge,  mit  zwei  Stirnborsten. 


i)  Nach  mehr  als  15  Jahren  sind  mir  die  Einzelheiten  von  Rathke's  Beschreibungen  zu  sehr  ent- 
schwunden, um  diese  Gattung  charakterisieren  oder  selbst  nur  entscheiden  zu  können,  ob  nicht  Sacculina 
damit  zu   vereinigen  sei. 

Fritz  Müllers  gesamelte  Schriften.  lO 


121^  Die  Rhizocephalen. 

3)  Lernaeodisciis.    Körper  symmetrisch,  scheibenförmige,  Kopf  am  Vorderrande 
der  Scheibe.  —  Larve  mit  Auge,  ohne  Stirnborsten. 

Desterro,  Ende  Juli   1861. 


Erklärung-  der  Abbildungen  auf  Tafel  XVII. 

Fig.   I.    Lernaeodiscus  am  Schwänze  der  Porcellana  angeheftet,  wenig  \ergr. 

Fig.  2.  Ein  kleineres  Exemplar,  v.  d.  Bauchseite,  I5mal  vergr.  a  Oeffnung  der 
Bruthöhle,  b  Eierstock,  c  Hoden  (?).  .v  Chitinschild.  /■  Krone.  —  Der  weiche  Teil  des 
Kopfes  fehlt. 

Fig.  3  u.  4.  Der  innerhalb  der  Porcellana  liegende  Theil  von  Lernaeodiscus,  2  5mal 
vergr.     b  einzelne  Chitinplättchen.     k  Krone,     iv  Wurzeln,     d  Darm  der  Porcellana. 

Fig.  5.  Sacculina  purpurea,  3mal  vergr.  A  von  unten.  B  von  der  rechten  Seite. 
(/,  b,  k  wie  in  fig.   2. 

Fig.  6  ^).  Der  innerhalb  des  Pagurus  liegende  Theil  der  Sacculina,  I5mal  vergr. 
k  Krone,      w  Wurzeln. 

Fig.   7.    Ei    aus    der  Bruthöhle  des  Lernaeodiscus,  in  totaler  Furchung,   gomal  vergr. 

Fig.   8.    Erster  Jugendzustand  des  Lernaeodiscus,    iSomal  vergr.  von  unten. 

Fig.  9.    Erster  Jugendzustand  der  Sacculina,  v.  oben,    i  Bemal  vergr. 


I)  Siehe  auch  Fig.  7  der  Tafel  XXIII. 

Anmerk.  des  Herausgebers  des  Archivs  für  Naturg.  Der  Herr  Verf.,  dem  wir  schon  so  werthvolle 
an  der  brasilianischen  Küste  angestellte  Beobachtungen  verdanken,  hat  offenbar  die  neueren  Mittheilungen 
über  Peltogaster  ct.  (dies  Archiv  XXI.  p.  15  und  XXV.  p.  232)  nicht  gekannt;  ebenso  wenig  die  Beobach- 
tungen von  Wright  und  Anderson  New.  Phil.  Journ.  VII,  p.  312,  sonst  würde  er  dieselben  erwähnt 
haben.  Die  Beobachtungen  der  Letzteren  von  den  sich  im  Wirthe  verästelnden  Canälen,  werden  durch 
unseren  Verf.  auf  das  Vollständigste  bestätigt.  Um  durch  eine  Rückfrage  bei  der  weiten  Entfernung  des 
Verf.  diese  interessante  Mittheilung  nicht  zu  verzögern,  habe  ich  sie  unverändert  abdrucken  lassen. 


Entoniscus  Porcellanae,   eine  neue  SchmarotzerasseP). 

Mit  Tafel  XVIII. 

Als  äusserstes  Glied  in  der  Reihe  der  durch  Schmarotzerleben  verkümmerten 
Asseln  galt  bis  jetzt  die  Gattung  Bopyrus.  Weit  über  diese  Grenze  hinaus  ent- 
fernt sich  von  Lebensweise  und  Bau  der  frei  lebenden  Asseln  und  von  seiner 
eigenen  jugendlichen  Gestalt  ein  Schmarotzer  derselben  Porcellana,  um  deren  Darm 
Lernaeodiscus  seine  Wurzeln  schlingt  und  in  deren  Kiemenhöhle,  beiläufig  be- 
merkt, nicht  selten  ein  Bopyrus  sich  ansiedelt. 

Das  Weibchen  dieses  Schmarotzers  liegt  in  einem  dünnhäutigen  Schlauche 
zwischen  Leber,  Darm  und  Herz  des  Wirthes;  sein  Kopf  hat  Augen  und  Fühler 
verloren  und  den  Magen  in  sich  aufgenommen ;  die  Brust  ist  zu  einem  regungs- 
losen, ungegliederten,  mit  ungeheuren  Brutblättern  besetzten  Schlauche  geworden; 
der  lange  wurmförmige  äusserst  bewegliche  Hinterleib  hat  säbelförmige  Beine 
und  kuglig  über  ihn  hervorquellend,  wie  in  einem  Bruchsacke,  liegt  am  Anfange 
seines  ersten  Gliedes  das  Herz ! 

Als  erster  Binnenassel  gab  ich  dem  Thiere  den  Namen  Entoniscus  Porcellanae. 

Das  Weibchen  (fig.  i)  erreicht  eine  Länge  von  lo  bis  15  mm.  Der  Kopf 
bildet  einen  etwa  i  mm  langen,  1,5  mm  breiten  weisslichen,  weichen,  rundlichen 
Klumpen.  Oberhalb  ist  er  durch  eine  seichte  Längsfurche  etwa  wie  ein  Hirn  in 
zwei  gewölbte  Hälften  geschieden,  zwischen  denen  vorn  und  unten  ein  kurzer 
abgerundeter  Lappen  vorspringt.  Etwas  vor  der  Mitte  der  ziemlich  flachen  Unter- 
fläche sieht  man  als  winzige  I>ängsspalte  den  Mund,  und  um  ihn  —  wahrschein- 
lich Andeutungen  früher  deutlicherer  Mundtheilo  —  verschiedene  Linien,  für  die 
ich,  da  ich  sie  im  Einzelnen  nicht  zu  deuten  weiss,  auf  die  Abbildung  (fig.  5)  ver- 
weise. Die  Aehnlichkeit  des  Kopfes  mit  einem  Hirne  wird  noch  erhöht  durch 
unregelmässige  Furchen,  die  ihn  fast  wie  Hirnwindungen  durchziehen.  Zerzupft 
man  die  äussere  Haut,  so  sieht  man,  dass  sie  herrühren  von  zahlreichen  kegel- 
förmigen Blindsäckchen,  deren  fettreichem  Inhalte  der  Kopf  seine  weisse  Farbe 
dankt  und  die  den  früher  als  Leber  gedeuteten  Blindsäckchen  am  vorderen  Lheile 
des  Darmes  von  Bopyrus  entsprechen  dürften.  Von  Fühlern  und  Augen  ist  bei 
geschlechtsreifen  Weibchen    nichts  zu  finden ;    bei  einem  jüngeren  sah  ich  einmal 


ij  Archiv  für  Naturgeschichte   1862.  I.  p.   10  — 18.  Taf.  II. 


148 


Entoniscus  Porcellanae. 


ein  paar  plumpe  kurze  Zipfel  über  dem  unpaaren  unteren  Lappen,  die  wahrschein- 
lich Fühlerreste  waren. 

Aufwärts  sich  biegend  bildet  der  Kopf  einen  stumpfen  Winkel  mit  der  Brust 
und  ist  nur  unbedeutender  Bewegung  von  oben  nach  unten  fähig.  Ganz  regungs- 
los scheint  das  lange  schlauchförmige  ungegliederte  Bruststück  zu  sein,  das  Leber 
und  Eierstöcke  fast  vollständig  füllen;  beide  fallen  durch  lebhafte  Färbung  sofort 
in  die  Augen,  jene  durch  ein  prachtvolles  gesättigtes  Orange,  diese  durch  ein 
röthliches  Violett.  Die  Leber  besteht  aus  zwei  auf  der  Bauchseite  dicht  aneinander 
gelagerten  etwa  0,2  bis  0,3  mm  weiten  Schläuchen,  die  0,5  mm  vom  Hinterende 
der  Brust  blind  beginnen  und  sich  bis  an  den  Kopf  erstrecken.  Die  Eierstöcke 
nehmen  die  Rückenseite  ein,  über  die  sie  in  unregelmässigen  Hügeln  hervorragen 
und  lassen  vorn  eben  so  viel  freien  Raum,  wie  die  Leber  hinten.  Füsse  habe  ich 
in  der  Regel  selbst  bei  jüngeren  Weibchen,  die  wegen  der  weniger  entwickelten 
Brutblätter  leichter  darauf  zu  untersuchen  sind,  völlig  vermisst.  Einige  Male,  und 
nicht  gerade  bei  jüngeren,  traf  ich  einen  oder  den  anderen  in  Form  kurzer,  kegel- 
förmig zugespitzter,  rückwärtsgekrümmter,  mit  kleinen  Borstchen  zerstreut  besetzter 
Zipfelchen  (fig.  7).  Zu  ungeheueren,  vielgefalteten,  gelappten  und  zerschlitzten 
häutigen  Lappen  sind  dagegen  die  Brutblätter  entwickelt.  Wo  ich  sie  deutlich 
zählen  konnte,  —  denn  oft  erscheinen  sie  als  eine  einzige  kaum  entwirrbare,  ge- 
waltige Blätterkrause,  —  fand  ich  sechs  Paar!  Sie  sind  durchzogen  von  engen 
baumförmig  verästelten  Gängen,  in  die  man  bisweilen  durch  den  Druck  des  Deck- 
glases die  Galle  aus  der  zersprengten  Leber  hineintreiben  kann  und  enthalten 
äusserst  zahlreiche  dichtgedrängte  Fettkügelchen  eingelagert. 

Wenn  man  schon  bei  Bopyrus  verwundert  die  Eiermenge  betrachtet,  die  sich 
unter  ihrer  breit  schildförmigen  Brust  anhäuft,  so  ist  dieselbe  bei  Entoniscus  noch 
weit  erstaunlicher;  sie  bildet  unregelmässig  zusammengeballte  Haufen,  deren  Breite 
oft  der  Länge  der  Brust  gleichkommt,  die  sie  vorn  und  hinten  bisweilen  noch  weit 
überragen,  so  dass  nicht  selten  der  ganze  Körper  vollständig  in  ihnen  versteckt 
ist.  Und  während  Bopyrus,  wie  andere  Asseln,  jede  Brut  erst  vollständig  sich 
entwickeln  und  ausschwärmen  lässt,  ehe  er  neue  Eier  legt,  häuft  Entoniscus  eine 
ganze  Reihe  aufeinander  folgender  Brüten  gleichzeitig  um  sich  an,  so  dass  man 
Stoff  für  die  ganze  Entwickelungsgeschichte  den  Brutblättern  desselben  Thieres 
entnehmen  könnte. 

Dem  Bruststücke  folgt  ein  weit  dünnerer  höchst  beweglicher,  sechsgliedriger 
Hinterleib,  von  sehr  wechselnder  Länge,  bald  weit  kürzer,  bald  über  anderthalb 
Mal  so  lang  wie  die  Brust.  Diese  Verschiedenheiten  der  Länge  rühren  nament- 
lich her  von  den  beiden  ersten  zu  langen  Cylindern  ausgezogenen  Ringen.  Bei 
einem  Thiere  von  14  mm  Länge  finde  ich  für  die  Länge  des  ersten  Hinterleibs- 
ringes 2,3;  des  2ten  2;  des  3ten  1,2;  des  4ten  0,32;  des  5ten  0,25  und  des  Oten 
0,38  mm;  die  Dicke  war  beim  ersten  Ringe  0,25  und  beim  letzten  0,2  mm.  Die 
5  ersten  Ringe  tragen  nahe  ihrem  hinteren  Ende  ein  i*aar  ungegliederter  säbel- 
förmiger borstenloser  Füsse;  die  des  dritten  Paares  sind  die  längsten  und  reichen 
bis  zum  Ende  des  vorletzten  Ringes.  Die  Füsse  lassen  sich  nicht  nur  heben  und 
senken,  sondern  auch  seitlich  ausspreiten.  Das  letzte  Glied  des  Hinterleibes  (fig.  6) 
ist  am  Ende  oben  abgestutzt  und  hat  unterhalb  einen  bis  zu  seiner  Mitte  reichen- 
den V  förmigen  Ausschnitt.  —  An  der  Bauchfläche  des  isten  und  2ten  Hinterleibs- 


Entoniscus  Porcellanae. 


149 


ringes,  und  weniger  entwickelt  an  der  des  3ten,  zieht  sich  jederscits  eine  weit 
vorspringende  contractile  Hautfalte  hin ;  ihr  stark  wellig  gebogener  Rand  enthält 
eine  gefässartige  Höhlung,  die  sich  in  den  Rand  des  entsprechenden  Fusses 
fortsetzt. 

Am  Anfange  des  ersten  Hinterleibsringes  trägt  dessen  Rückenfläche  eine 
bruchsackartige  Ausstülpung  von  etwa  0,5  mm  Länge  und  fast  gleicher  Höhe; 
darin  liegt  das  ziemlich  matt  pulsirende  Herz. 

Wenn  nun  im  Baue  des  Weibchens  kaum  die  Blinddärmchen  am  Anfange 
des  Verdauungsrohres,  die  beiden  Leberschläuche,  und  das  am  Anfange  des 
Hinterleibes  liegende  kurze  Herz  an  Bopyrus  erinnern,  so  tritt  die  Verwandtschaft 
mit  dieser  Assel  unverkennbar  hervor  in  den  Männchen  (fig.  2  u.  3),  die  wie 
dort  fast  beständige  Begleiter  des  Weibchens,  aber  viel  zwerghafter  und  daher 
zwischen  den  unendlichen  Eiermassen  leicht  zu  übersehen  sind.  In  der  Regel 
findet  sich  nur  eines;  ein  einziges  Mal  sah  ich  ihrer  zwei  auf  dem  Leibe  derselben 
Dame  spazieren  gehen. 

Das  Männchen  ist  gegen  0,8  mm  lang,  kaum  3 — 4mal  länger  als  die  eben 
ausgeschlüpften  Jungen;  in  der  Mitte  der  Brust  erreicht  die  Breite  fast  Vs  der 
Länge;  von  da  ab  ist  der  Körper  schwach  nach  vorn,  stark  nach  hinten  verjüngt. 
Die  Brust  ist  deutlich  in  7,  der  Hinterleib  in  6  Ringe  geschieden;  die  Grenze 
zwischen  Kopf  aber  und  erstem  Brustringe  ist  nur  durch  eine  tiefe  seitliche  Ein- 
schnürung angedeutet.  Der  Kopf  (fig.  8)  hat  die  Gestalt  eines  Trapezes  mit  ab- 
gerundeten Ecken,  dessen  Höhe  der  kürzeren  der  parallelen  Seiten  etwa  gleich 
und  die  Hälfte  der  längeren  hinteren  ist.  Er  trägt  ein  Paar  ungegliederter,  platter, 
viereckiger  Fühler ;  mit  der  inneren  Seite  entspringen  sie  von  der  Unterfläche  des 
Kopfes,  die  vordere  schliesst  sich  dem  Stirnrande  desselben  an,  die  hintere  ist  ihr 
ziemlich  gleichlaufend  und  die  äussere  richtet  sich  schief  nach  hinten  und  aussen. 
An  der  vorderen,  stumpfen  Ecke  steht  eine  Gruppe  kurzer,  einwärts  gekrümmter 
Borsten.  Augen  fehlen  oft;  sind  sie  vorhanden,  so  sind  sie  vom  Kopfe  bis  fast 
an  den  Hinterrand  des  damit  verschmolzenen  ersten  Brustringes  gerückt.  Der 
Ursprung  des  dreieckigen  Saugrüssels  liegt  auf  der  hinteren  Grenze  des  Kopfes; 
seine  Spitze  legt  sich  zwischen  den  Ursprung  der  Fühler. 

Die  sechs  vorderen  Brustringe  tragen  nahe  dem  Rande  zu  fast  sitzenden 
ungegliederten  rundlichen  Klumpen  verkümmerte  Füsse  (fig.  9),  mit  denen  nichts 
desto  weniger  das  Thier  sich  ziemlich  rasch  von  der  Stelle  hilft.  Der  7.  Ring  ist 
fusslos,  trägt  aber  am  hinteren  Rande  jederseits  einen  warzenförmigen  Vorsprung 
und  auf  diesem  die  Geschlechtsöffnung. 

Der  hinterwärts  stark  verjüngte  Hinterleib  ist  ohne  Anhänge,  wie  bei  den 
Männchen  zweier  anderen  hiesigen  Bopyriden ;  der  letzte  Ring  zeichnet  sich  durch 
grössere  Länge  vor  den  übrigen  aus  und  ist  am  Ende  mit  winzigen  Dörnchen 
besetzt. 

Von  Innern  Theilen  fallen  zunächst  zwei  weite,  st^irk  bräunlich  gefärbte, 
contractile  Leberschläuche  auf,  die  im  isten  oder  2ten  Hinterleibsringe  blind  be- 
ginnen und  bis  zum  2ten  Brustringe  sich  erstrecken.  Zwischen  ihnen  verläuft  der 
Darm.  Ueber  Darm  und  Leber  lagert  sich  jederseits  ein  weiter  schlauchförmiger 
Hode,  der  von  der  schon  erwähnten  Geschlechtsöffnung  durch  3  bis  4  Ringe  nach 


j  CQ  Entoniscus  Porcellanae. 

vorn  sich  erstreckt  und  in  der  Regel  in  jedem  nach  Luissen  eine  seitliche  Aus- 
sackung hat.  —  Das  Herz  sieht  man  dicht  hinter  der  Leber  pulsiren. 

Ebenso  ähnlich,  wie  die  Männchen,  sind  die  Larven  (fig.  4)  denen  von 
Bopyrus.  Der  flache  asseiförmige  Körper  ist  etwa  0,2  mm  lang  und  halb  so 
breit;  die  grösste  Breite  fällt  auf  den  2ten  und  3ten  Brustring,  von  wo  sich  der 
Körper  hinterwärts  bis  auf  0,04,  vorwärts  bis  auf  0,06  mm,  die  Breite  des  fast 
geradlinigen  Stirnrandes,  verschmälert.  Von  der  Länge  nimmt  etwa  Y5  der  Kopf, 
den  Rest  nehmen  zu  gleichen  Theilen  Brust  und  Hinterleib  ein,  von  denen  jedes 
deutlich  in  sechs  Ringe  geschieden  ist.  Der  Kopf  trägt  oberhalb  nahe  der 
hinteren  Ecke  zwei  rundliche  schwarze  Augenflecke,  wie  es  scheint,  ohne  licht- 
brechenden Körper,  unterhalb  zwei  kurze  dicke  zweigliedrige  vordere  Fühler,  die 
nur  mit  ihren  Endborsten  den  Kopfrand  überragen,  und  zwei  lange  hintere  Fühler, 
die  gerade  unter  den  Augen  entspringen  und  bis  zum  Anfange  des  Hinterleibes 
reichen;  sie  sind  sechsgliedrig ;  das  vorletzte  Glied  und  das  letzte  borstenförmige 
sind  die  längsten.  —  Im  Munde,  der  nahe  dem  Hinterrande  des  Kopfes  liegt, 
konnte  ich  nur  2  Kiefer  unterscheiden.  —  Dicht  am  Vorderrande  des  Kopfes  fällt 
ein  rundlicher,  vorn  ausgerandeter,  aus  hellen  runden  Körnchen  gebildeter  Fleck 
in  die  Augen ;  er  erinnerte  mich  an  den  Fleck,  den  man  am  Kopfe  vieler  Amphi- 
poden  bemerkt  (besonders  deutlich  bei  dem  Gammarus  ambulans  der  pommerschen 
Torfmoore,  auch  bei  Leptocheirus  pilosus  Zadd.). 

Die  fünf  vorderen  Brustringe  tragen  gleichgebildete  Füsse,  die  nahe  an  deren 
Rande  entspringen;  man  unterscheidet  an  ihnen  zwei  längere  cylindrische  Grund- 
glieder, ein  kurzes  .drittes  Glied,  ein  verdicktes  eiförmiges  Handglied  von  der 
Länge  des  i.  Grundgliedes  und  eine  schwachgekrümmte  kräftige  Klaue,  die 
reichlich  halb  so  lang,  wie  das  Handglied  ist.  —  Am  sechsten  Fusspaare,  das  dem 
Rande  weniger  nahe  entspringt,  sind  nur  drei  Glieder  zu  unterscheiden:  ein 
C3dindrisches  Grundglied,  ein  winziges  zweites  und  ein  elliptisches  Endglied,  das 
0,04  mm  lang  und  halb  so  breit  ist.  Dieses  Fusspaar  pflegt  dem  Leibe  dicht 
anzuliegen  mit  einwärtsgerichtetem  Grund-  und  rückwärts  gewandtem  Endgliede. 

Der  Hinterleib  trägt  zunächst  vier  Paar  Schwimmfüsse  mit  halbmondförmigem 
Grundgliede,  das  etwa  in  der  Mitte  der  gewölbten  Seite  so  angeheftet  ist,  dass 
das  eine  wenig  längere  Hörn  nach  innen  und  etwas  nach  hinten,  das  andere  nach 
vorn  und  aussen  gerichtet  ist.  Die  Entfernung  der  Hörner  ist  0,03  mm.  Das 
äussere  Hörn  trägt  ein  lanzettförmiges  Endglied,  das  gerade  in  den  Ausschnitt 
des  Halbmondes  passt  und  an  seinem  schief  abgeschnittenen  Ende  drei  Borsten 
von  etwa  doppelter  Länge  des  Gliedes  trägt.  Bisweilen  ist  dieses  Endglied  am 
vierten  Paare  merklich  kleiner,  als  an  den  drei  vordem ;  meist  iiber  sind  sie  alle 
gleich.  Am  inneren  Hörne  der  drei  vorderen  Grundglieder  steht  eine  einfache 
Borste;  bald  fand  ich  diese  Borsten  alle  gleich  lang,  etwas  länger  als  die  des 
Endgliedes,  öfter  die  2te  und  3te  merklich  kürzer,  die  letzte  nur  Ys  der  Länge 
der  ersten  erreichend.  Dem  4.  Schwimmfusspaare  fehlt  diese  Borste.  Der  5te 
Hinterleibsring  trägt  einen  schmalen  und  kurzen  borstenlosen  Anhang  (fig.  13), 
der  in  eine  längere  innere  und  kürzere  äussere  Spitze  gespalten  ist.  Endlich  zu 
den  Seiten  des  letzten  Hinterleib.sringes  stehen  an.sehnliche  Anhänge  mit  dickem 
Grundgliede  und  zwei  schlanken  zweigliedrigen  Endästen,  von  denen  der  äussere 
unbedeutend  länger  ist.    Das  letzte  dornförmige  Glied  dieser  Aeste  ist  gerade;  ein 


Entoniscus  Porcellanae.  j  r  j 

kurzer  Dorn  findet  sich  aussen  am  Ende  des  Grundgliedes  und  des  ersten  Gliedes 
der  Aeste. 

Die  Thierchen  kriechen  nicht  besonders  behend,  schwimmen  aber  recht  hurtig. 
Die  ruckweise  Bewegung-,  im  Vereine  mit  den  langbeborsteten  Schwimmfüssen 
und  dem  durch  die  seitlichen  Anhänge  gabiig  erscheinenden  Schwänze,  giebt  ihnen 
dabei  eine  entfernte  Aehnlichkeit  mit  Cyclops. 

Das  Weibchen  des  Entoniscus  ist  im  Innern  der  Porcellana  so  gelagert,  dass 
sein  Kopf  zwischen  den  Blindsäckchcn  der  I>eber  verborgen  liegt;  dann  zieht  es 
sich  hinterwärts  und  unterm  Herzen  bis  ans  Ende  der  Kopfbrust;  die  Brutblätter 
reichen  sogar  bisweilen  noch  ziemlich  weit  in  den  Hinterleib  hinein.  Das  ganze 
Thier,  auch  Kopf  und  Mund,  ist  ziemlich  eng  umschlossen  von  einem  häutigen 
Schlauche,  der  sich  nach  hinten  in  einen  engeren  Ausführungsgang  fortsetzt,  und 
bis  auf  die  Grenze  zwischen  Brustschild  und  dem  freien  Ringe  sich  verfolgen  lässt, 
der  bei  den  Porcellanen  das  verkümmerte  fünfte  Fusspaar  trägt.  Dieser  um- 
hüllende Schlauch  entsteht  wahrscheinlich,  indem  der  junge  Entoniscus,  um  ins 
Innere  der  Porcellana  zu  gelangen,  die  weiche  Haut  jenes  Gelenkes  nicht  durch- 
bricht, sondern  vor  sich  herstülpt.  So  könnte  man  ihn,  als  in  einer  Einstülpung 
der  äusseren  Haut  seines  Wirthes  lebend,  einen  äusseren  Schmarotzer  nennen,  wie 
Bopyrus  und  andere  Asseln,  obwohl  er  zwischen  Leber,  Darm  und  Herz  sich 
bettet  und  von  den  Windungen  der  Samengänge  umschlungen  ist. 

Nicht  selten  finden  sich  2,  einmal  traf  ich  sogar  3  Entonicus  bei  derselben 
Porcellana. 

Sicher  umschlossen  von  dem  umhüllenden  Schlauche  bedarf  das  Männchen 
des  Entoniscus  nicht  die  scharfkralligen  Klammerfüsse  der  Bopyrusmännchen,  und 
das  Weibchen  hat  wiederum  eine  ausreichende  Bürgschaft  für  die  eheliche  Treue 
seines  Genossen  in  jenen  Klumpfüssen,  die  ihm  einen  Ausflug  ins  freie  Meer  un- 
möglich machen. 

In  Bezug  auf  das  Vorkommen  habe  ich  noch  eines  bemerkenswerthen  Um- 
standes  zu  gedenken,  dass  nämlich  häufig  Lernaeodiscus  und  Entoniscus  bei  der- 
selben Porcellana  sich  finden.  Aufmerksam  geworden  auf  dies(\s  Verhältniss  und 
wohl  wissend,  wie  trüglich  Schätzungen  von  Zahlenverhältnissen  ohne  wirkliche 
Zählung  sind,  habe  ich  über  die  Schmarotzer  von  1000  vom  4.  Juli  bis  i.  August 
untersuchten  Porcellanen  Buch  geführt.  Glücklicherweise  wurde  diese  Unter- 
suchung dadurch  sehr  erleichtert,  dass  auch  Entoniscus  von  aussen  zu  erkennen 
ist,  indem  bei  stark  zurückgebogenem  Schwänze  bald  die  Leber  oder  die  Eier- 
stöcke, bald  die  Eier  zwischen  den  Brutblättern,  oder  selbst  die  schwarzen  Aeugel- 
chen  der  jungen  Brut  in  dem  Gelenke  hinter  dem  Brustschilde  durchschimmern.  — 
Es  fanden  sich  Lernaeodiscus  bei  84,  Entoniscus  bei  4g  unter  jenen  1000  Porcellanen  ; 
danach  hätte  man  bei  49X84  unter  einer  Million,  oder  bei  4  unter  Tausend  beide 
Schmarotzer  zugleich  finden  sollen,  während  sie  2imaP)  vereinigt  vorkamen,  also 
5mal  häufiger,  als  die  Häufigkeit  jeder  einzelnen  Art  erwarten  liess.  —  Die  Er- 
klärung  dieses  häufigen   gemeinsamen  Vorkommens   glaube  ich  darin  zu  finden, 


I)  Wobei  weder  die  jüngeren,  von  aussen  nicht  erkennbaren  Entoniscus  mitgezählt  wurden,  die  sich 
später  bei  den  Lernaeodiscus  tragenden  Porcellanen  fanden,  noch  auch  die  mit  Entoniscus  behafteten,  die 
nur  noch  die  goldene  Krone  abgefallener  Lernaeodiscus  an  sich  trugen. 


j  e2  Entoniscus  Porcellanae. 

dass  Lernaeodiscus  ein  dichtes  Aneinanderschliessen  von  Schwanz  und  Brustschild 
hindert  und  so  dem  jungen  Entoniscus  den  Zugang  zur  Bauchfläche  der  Porcellana 
erleichtert. 

Desterro,  Anfang  August  1861. 


Erklärung-  der  Abbildungen  auf  Tafel  XVI IL 

Fig.  I.  Entoniscus  Porcellanae,  Weibchen,  nach  Entfernung  der  Eier  aus  den  Brut- 
blättern,  I5mal  vergr.     e  Eierstock,  //  Herz,  /  Leber. 

Fig.    2.    Männchen,  bei  gleicher  Vergrösserung. 

Fig.    3.    Dasselbe,  gomal  vergr.     //  Hoden,  /  Leber,  a  Augen. 

Fig.    4.    Larve,  den  Brutblättern  des  Weibchens  entnommen,    180 mal  vergr. 

Fig.    5.    Mund  des  Weibchens  und  dessen  L^mgebung,  gomal  vergr. 

Fig.    6.    Letzter  Hinterleibsring  desselben,  45mal  vergr. 

Fig.    7.    Füsse  von  der  Brust  desselben,  gomal  vergr. 

Fig.    8.    Kopf  des  Männchens;    v.  oben;    wie    alle  folgende  Figuren,    180  mal   vergr. 

Fig.    g.    Fuss  desselben. 

Fig.  10 — 14.  Füsse  der  Larve;  flg.  10  vom  letzten  Brustringe;  fig.  11  vum  ersten, 
12   vom  dritten,    13   vom  fünften  und   14  vom  sechsten  Hinterleibsringe. 


Die  Verwandlung  der  Porcellanen*). 

Vorläufige  Mittheilung. 
Mit  Tafel  XIX. 

Seit  zwei  Jahren  kenne  ich  eine  Zoea,  die  sich  durch  den  Mani^el  des  Rücken- 
stachels und  durch  ungemeine  Länge  des  gerade  vorgestreckten  Stirnhorns  vor 
ihren  Verwandten  auszeichnet;  doch  erst  vor  wenigen  Monaten  erkannte  ich  in 
ihr  den  Sprössling  derselben  Porcellana,  deren  sonderbare  Schmarotzer  ich  in 
meinen  letzten  Aufsätzen  den  Lesern  des  Archivs  vorführte.  Inzwischen  fand  ich 
Gelegenheit,  die  junge  Brut  von  noch  zwei  anderen  Porcellaniden  zu  untersuchen. 
Die  eine  ist  eine  kleinere  Porcellana  mit  fast  kreisrundem  Rückenschilde,  die  sich 
selten  an  Felswänden  zwischen  Polypen  und  Moosthieren  findet;  —  die  andere 
(Fig.  I — 3)  hält  sich  schmarotzend  auf  einigen  Arten  afterloser  Seesterne  auf  und 
unterscheidet  sich  im  ganzen  Aussehen,  in  den  Scheeren,  und  besonders  durch 
die  Kürze  der  äusseren  Fühler  so  sehr  von  den  eigentlichen  Porcellanen,  dass 
ich  sie  als  Vertreter  einer  eigenen  Gattung  ansehe  und  Porcellina  stellicola  nenne-). 

Da  diese  Porcellana-Larven  in  allen  wesentlichen  Verhältnissen  mit  der 
Zoeaform  der  jungen  Krabben  übereinstimmen,  verspare  ich  ihre  ausführliche 
Beschreibung  für  eine  grössere  Arbeit  über  die  Jugendzustände  der  Krabben,  zu 
der  ich  seit  längerer  Zeit  Stoff  sammle  und  beschränke  mich  für  jetzt  auf  eine- 
übersichtliche  Schilderung  ihres  Baues. 

Der  Rückenschild  ist  von  eiförmigem  Umrisse  und  deckt  nicht  nur  oben 
und  seitlich  den  vorderen  ungegliederten  Körpertheil,  sondern  auch  die  ersten 
freien  Ringe  des  Hinterleibes.  Gerade  vorgestreckt  entspringt  seinem  Vorder- 
rande ein  Stachel  oder  Hörn,  das  die  Länge  des  Schildes  bis  über  5mal  (bei  der 
kleineren  Porcellana  3mal)  übertrifft.  Zwei  ähnliche  Stacheln  erstrecken  sich  vom 
Hinterrande  des  Schildes  gleichlaufend  (bei  Porcellina  bisweilen  auseinander- 
weichend) gerade  nach  hinten;  bei  der  kleineren  Porcellana  (Fig.  10),  wo  sie  nur 
7s  der  Länge  des  Schildes  erreichen,  ist  ihre  Spitze  leicht  abwärts  gebogen  und 
nahe  ihrem  Ursprünge  tragen  sie  einen  ansehnlichen  schief  nach  unten  und  vcjrn 
gerichteten  Dorn ;  bei  der  gemeinen  Porcellana  sind  sie  unten  mit  einer  ganzen 
Reihe   kleiner  Dornen    weitläufig   besetzt    und    übertreffen   schon    die  Länge  des 


i)  Archiv  für  Naturgeschichte   1862.  I.  p.   194 — 199.  Taf.  VII. 

2)  Noch    merkwürdiger   durch    ihre  Lebensweise  ist  eine  andere  Porcellana  (P.  Crcplinii  n.  sp.),   die 
sich  paarweise  in  der  Röhre  des  Chaetopterus  pergamentaceus  aufhält. 


■j  e  •  Die  Verwandlung  der  Porcellanen. 

Schildes,  dessen  mehr  ails  dreifache  Länge  sie  bei  Porcellina  erreichen.  So  ist 
bei  dieser  letzten  Art  der  Schild  der  eben  ausgeschlüpften  Jungen  mit  seinen 
Fortsätzen  doppelt  so  lang,  als  der  der  JMutter. 

Ausser  diesem  wunderlichen  Rückenschilde  ist  nur  noch  die  Bildung  des  zu 
einer  Flosse  verbreiterten  letzten  Ringes  auffallend  von  anderen  jungen  Krabben 
verschieden.  Es  ist  bekannt,  dass  der  letzte  Ring  der  Krabbenlarven  jederseits 
in  ein  oft  sehr  ansehnliches  Hörn  sich  auszieht,  und  dass  in  der  mittleren  Bucht 
zwischen  diesen  Hörnern  jederseits  drei  kurze  gefiederte  Borsten  zu  stehen  pflegen. 
Bei  den  Porcellanen  sind  die  seitlichen  Hörner  durch  unbedeutende  Stacheln  ver- 
treten, und  der  mittlere  Theil  springt  zwischen  ihnen  so  weit  vor,  dass  der  ganze 
Schwanz  ungefähr  die  Gestalt  einer  Raute  annimmt.  Besonders  langgezogen, 
über  doppelt  so  lang  als  breit,  ist  derselbe  bei  Porcellina.  An  jeder  der  beiden 
hinteren  Seiten  der  Raute  stehen  5  lange  gefiederte  Borsten.  (Eine  Mittelform, 
näher  jedoch  den  Porcellanen  sich  anschliessend,  bildet  der  Schwanz  der  jungen 
Paguren.) 

In  allem  Uebrigen,  dem  Baue  der  Augen,  Fühler,  Mundtheile  und  P\isse, 
so  wie  der  inneren  Theile,  stimmen  die  jungen  Porcellanen  vollständig  mit  den 
jungen  Krabben  überein  und  zeigen  keine  grössere  Verschiedenheit  von  ihnen, 
als  sie  selbst  oder  jene  unter  sich. 

Hier  wie  dort  sind  die  vorderen  Fühler  (Fig.  5,  a)  ungegliedert  und 
haben  einen  starken  Nervenknoten  in  der  Nähe  ihrer  Spitze,  von  der  ausser  einigen 
winzigen  Borstchen  zwei  (bei  Porcellina  drei)  längere  eigenthümliche  Fäden  ent- 
springen. Sie  sind  von  gleichmässiger  Dicke,  oder  seltener  schwach  verjüngt, 
enden  abgerundet  und  unterscheiden  sich  ausserdem  durch  sehr  zarte  Umrisse 
und  matte  Trübung  von  anderen  Borsten.  Dieselben  Fäden  kehren  übrigens 
wieder  auch  an  den  vorderen  Fühlern  der  jungen  Bopyriden  (besonders  deutHch 
bei  Entoniscus  Cancrorum  n.  sp.)  und  Rankenfüssern,  bei  welchen  letzteren  sie 
einzeln  auf  einem  winzigen  Grundgliede  dicht  neben  dem  Auge  entspringen. 

Die  hinteren  Fühler  (Fig.  5,  b)  zeigen  bei  Porcellina  stelHcola  schon  grosse 
Aehnlichkeit  mit  denen  des  erwachsenen  Thieres  (Fig.  2);  dasselbe  aufgetriebene 
Grundglied  mit  der  bekatmten  Oeffnung  des  noch  immer  streitigen  Sinnesorganes, 
dasselbe  spitzig  dreieckige  zweite  Glied,  von  dem  aussen  und  oben  hier  eine  mehr- 
gliedrige  Geissei,  dort  ein  einfacher  stachelförmiger  Fortsatz  entspringt.  Dieselben 
Stücke  in  ganz  ähnlicher  Gestalt  finden  sich  auch  bei  den  anderen  Arten  ^). 

Die  Mundtheile  (Hg.  5)  bestehen  aus  einer  höchst  ansehnlichen  Oberlippe 
(t).  zwei  starken,  scharf  gezähnten,  wie  es  scheint,  tasterlosen  Oberkiefern  {d), 
einer  zweitheiligen  Unterlippe  (e)  und  zwei  Paaren  Unterkiefer  (/,  g).  Der  vordere 
Unterkiefer  (Fig.  8)  ist  in  drei,  der  hintere  (Fig.  9)  in  fünf  mit  starken,  zum  Theil 
gezähnten  oder  gefiederten  Borsten  bewehrte  Blätter  gespalten,  und  letzterer  trägt 
nach  aussen  noch  eine  grössere  häutige  Platte,  die  nach  hinten  in  einen  finger- 
förmigen Fortsatz  ausläuft,  der  Fortsatz  trägt  eine,  die  Platte  selbst  vorn  und  am 
Rande  sechs  gefiederte  Borsten.  Diese  Platte  ist  aufwärts  gebogen  und  zwischen 
Leib  und  Rückenschild  in  beständiger  Bewegung. 


1)  Bei    der  Zoca  einer  kleinen   Xantho  erreichen  die  äusseren  Fühler  (Fig.    ii)  die  Länge  des  Stirn- 
horns  und  die  spätere  Geissei  ist  von  fast  verschwindender  Kleinheit. 


Die  Verwandlung  der  Porcellanen. 


155 


Die  beiden  Schwimmfusspaare  bestehen  aus  einem  starken  cylindrischen 
Grundgliede  und  je  zwei  Endästen,  der  innere  Ast,  den  das  Thier  vorwärts  zu 
strecken  liebt,  hat  vier,  der  äussere,  der  nach  aussen  und  oben  geschlagen  zu 
werden  pflegt,  zwei  weniger  deutlich  geschiedene  Glieder.  Am  Ende  des  äusseren 
Astes  stehen  vier  längere  Fiederborsten,  eine  einzelne  Fiederborste  am  Ende  des 
3ten  Gliedes  am  inneren  Aste  des  letzten  I^aares,  einfache  Borsten  am  Grundgliede 
und  an  allen  Gliedern  des  inneren  Astes. 

Hinter  dem  Ursprung  der  Schwimmfüsse  beginnt  der  sechsgliedrige  anhangs- 
lose Hinterleib,  der  oben  etwas  hinter  der  Mitte  des  Rückenschildes  von  diesem 
sich  loslöst. 

Der  Magen  ist  etwas  erweitert,  und  zeigt  schon  (wenigstens  bei  Porcellina) 
mit  Borsten  besetzte  Längsleisten ;  neben  ihm  liegen  jederseits  zwei  vorwärts  und 
zwei  rückwärts  gerichtete  Leberblindsäcke;  der  Darm  verläuft  gerade  und  öffnet 
sich  etwas  vor  der  Mitte  des  Schwanzringes. 

Das  Herz,  am  Hinterende  der  Brust  gelegen  (bei  jungen  Krabben  unter 
dem  Ursprünge  des  Rückenstachels),  scheint  schon  ganz  wie  beim  erwachsenen 
Thiere  gebaut  zu  sein  und  dieselben  Gefässe  abzugeben.  Das  vordere  unpaare 
Gefäss  lässt  sich  leicht  bis  fast  zur  Spitze  des  Stirnhorns  \erfolgen,  dessen  oberer 
Wand  es  anliegt.  Blutkörperchen  sind  in  den  ersten  Tagen  äusserst  sparsam 
(was  indessen  nicht  für  alle  Zoea  gilt). 

In  jedem  Hinterleibsringe  liegt  ein  ansehnlicher  Nervenknoten,  der 
durch  zwei  getrennte  Stränge  mit  seinen  Nachbarn  in  Verbindung  tritt;  im 
vorderen  Theile  des  Thieres  konnte  ich  das  Nervensystem  im  Zusammenhange 
noch  nicht  mit  rechter  Schärfe  erkennen. 

Wenn  es  leicht  ist,  in  reichlicher  Zahl  sich  die  frühesten  Zustände  der  ver- 
schiedensten Krustenthiere  zu  verschaffen,  so  ist  es  um  so  schwieriger,  über  ihre 
späteren  Schicksale  Aufschluss  zu  erhalten.  Obschon  die  Porcellanen  zu  den  aller 
gemeinsten  Krustern  gehören,  fand  ich  erst  ein  einziges  Mal  (im  December  vorigen 
Jahres)  eine  ältere  Larve  (Fig.  6,  7).  An  der  Stelle,  wo  ich  sie  fing,  lebt  weder 
Porcellina  stellicola,  noch  Porcellana  Creplinii ;  die  Larven  aber  der  gemeinen  und 
der  kleineren  Porcellana  sind  schon  durch  die  hinteren  Fortsätze  des  Rücken- 
schildes auf  den  ersten  Blick  zu  unterscheiden  und  so  kann  diese  L^irve  unbe- 
denklich der  ersteren  Art  zugetheilt  werden,  von  deren  frühester  Form  sie  nur 
durch  12  (statt  10)  Borsten  des  Schwanzringes  und  durch  die  Anwesenheit  je  eines 
Paares  kurzer  ungegliederter  Anhänge  an  den  vier  vorhergehenden  Ringen  ver- 
schieden ist.  Diese  eine  Larve  war  zum  Glück  ungemein  lehrreich  dadurch,  dass 
sie,  der  Häutung  nahe,  schon  die  neuen  Glieder  mit  verschiedener  Deutlichkeit 
innerhalb  der  alten  wahrnehmen  liess. 

Die  neuen  äusseren  Fühler  hatten  eine  vielgliedrige  Geissei,  Füsse  mit  grossen 
Scheeren  und  andere  nicht  vollständig  zu  entwirrende  Gliedmassen  waren  hinter 
den  Schwimmfüssen  angelegt,  so  wie  innerhalb  des  Schwanzringes  eine  fächer- 
förmige Endflosse  (Fig.  yj. 

Wenn  somit  die  Larve  selbst  sich  eng  an  den  frühesten  Jugendzustand  an- 
schliesst,  so  dürfte  das  aus  der  nächsten  Häutung  hervorgehende  Thier  kaum  noch 
wesentlich  von  der  erwachsenen  Porcellana  verschieden  sein. 


156 


Die  Verwandlune  der  Porcellanen. 


So  weit  meine  zu  vorläufiger  Mittheilung  geeigneten  Beobachtungen.  Ihr 
Ergebniss  fasse  ich  in  einige  kurze  Sätze  zusammen: 

Die  Zoeaform  der  Krabben  entbehrt  vollständig  der  fünf  eigentlichen  Fuss- 
paare  und  selbst  der  sie  tragenden  Ringe. 

Die  Schwimmfüsse  der  Zoea  werden  zu  Kiefcrfüssen  der  Krabbe. 

Die  Porcellanen  sind  Krabben,  die  auf  der  Stufe  der  Megalops  stehen  ge- 
blieben sind^). 

Desterro,  Anfangs  November  1861. 


i)  Auch    bei  Milne  Edwards    stehen  bekanntlich  Megalops  und  Porcellana  in  derselben  Familie. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XIX. 

Fig.    I.    Porcelli  na  stellicola  n.  g.  et  n.  sp.     5mal  vergr. 

Fig.    2.    Aeussere  Fühler  derselben,   25mal  vergr. 

Fig.    3.    Fünftes  Fusspaar  des  Männchens  derselben,  4 5 mal  vergr. 

Fig.    4.   Jüngste  Zoeaform  derselben,  v.  oben,   I5mal  vergr. 

Fig.  5.  Kopftheil  derselben,  v.  unten,  gomal  vergr.  a  vordere,  b  hintere  Fühler, 
c  Oberlippe,  d  Oberkiefer,  e  Unterlippe,  /  erstes,  g  zweites  Paar  der  Unterkiefer. 

Fig.  6.  Aeltere  Zoeaform  der  (in  Santa  Catharina)  gemeinen  Porcellana, 
6mal  vergr. 

Fig.  7.  Schwanzende  derselben  (45mal  vergr.).  Im  Innern  sieht  man  die  fächer- 
förmige Schwanzflosse  des  nächstfolgenden  Zustandes  angelegt. 

Fig.    8.    Erster  und 

Fig.    g.    Zweiter  Unterkiefer  der  jüngsten  Zoeaform  der  gemeinen  Porcellana. 

Fig.  IG.  Hintere  Fortsätze  des  Rückenschildes  von  der  jüngsten  Zoeaform  einer 
kleineren  Porcellana. 

Fig.  II.    Aeussere    Fühler    der  jüngsten  Zoeaform  einer  kleinen  Xanthu.     g  Geissei. 


Bruchstück  zur  Entwickelunoseeschichte  der 

Maulfüsser^). 

Mit  Tafel  XX. 

Seit  lange  kennt  man  unter  dem  Namen  ZoOa  Jugendzustände  der  Krabben 
und  Einsiedlerkrebse,  die  sich  besonders  durch  den  Mangel  der  zehn  Füsse  aus- 
zeichnen, denen  die  erwachsenen  Thiere  den  Namen  der  Decapoden  v^erdanken. 
Denen  der  Krabben  aufs  Engste  sich  anschliessende  Zoeaformen  beschrieb  ich  kürz- 
lich von  den  Porzellankrebsen.  Aber  auch  bei  gewissen  Garneelen  und  Maulfüssern 
kommen,  wie  ich  seitdem  fand,  ähnliche  Zustände  vor.  lieber  die  Verwandlungs- 
geschichte der  ersteren,  die  bald,  wie  bei  Rankenfüssern  und  Wurzelkrebsen 
(Rhizorephalen),  mit  monoculusartigen  Formen  anhebt,  um  durch  sehr  eigenthümliche 
Zoea-  und  M3^sis-ähnliche  Zustände  hindurchzugehen,  bald  mit  Zoeaformen  beginnt, 
die  in  Bau  und  Art  der  Bewegung  denen  der  Einsiedlerkrebse  ähneln,  während  bei 
wieder  anderen  bekanntlich  kaum  von  einer  Verwandlung  die  Rede  sein  kann,  — 
hoffe  ich  in  Kurzem  eine  einigermassen  vollständige  Uebersicht  geben  zu  kininen ; 
bei  letzteren  habe  ich  fürs  Erste  keine  Aussicht  zu  neuen  Beobachtungen  und  theile 
daher  mit,  was  ich  über  die  einzige  bis  jetzt  gefundene  Earve  aufgezeichnet  habe. 

Das  3,25  mm  lange  Thierchen  (Fig.  i)  hat  im  Allgemeinen  die  Gestalt  und  hat 
auch  in  vollem  Masse  die  glashelle  Durchsichtigkeit  einer  Alima.  Die  Körperringe 
sind  fast  in  gleicher  Zahl,  wie  bei  erwachsenen  Maulfüssern  vorhanden;  denn  mü- 
der sechste  und  siebente  Hinterleibsring  sind  noch  nicht  von  einander  geschieden ; 
aber  wie  bei  den  Zoea  der  Krabben  und  Porzellankrebse  fehlen  noch  spurlos  die 
Anhänge  der  sechs  hinteren  Brustringe  ^),  und  die  Seitenblätter  der  Schwanzflosse  ^). 

1)  Archiv  für  Naturgeschichte   1862.  I.  p.  353 — 361.    Taf.  XIII. 

2)  Der  überaus  gezwungenen  Auffassung,  die  die  Brust  der  Kmster,  wie  die  der  Insekten,  auf  drei 
Ringe  beschränken  will,  habe  ich  mich  nie  befreunden  können.  Sie  wird,  scheint  mir,  durch  die  Entwicklungs- 
geschichte der  einer  Verwandlung  unterliegenden  Krebse  widerlegt,  während  die  altherkönunliche  augenfällige 
Grenzlinie  zwischen  Brust  und  Hinterleib  dadurch  bestätigt  wird.  Nur  die  Rücksicht  auf  die  Insekten 
konnte  von  dieser  ab  und  zu  jener  neuen  künstlichen  Demarcationslinie  hinführen.  Wenn  nun  aber  überhaupt 
Kruster  in  ihren  Körperabschnitten  mit  Sicherheit  den  Insekten  vergleichbar  sind,  so  sind  es  gewisse  Zoea- 
formen (z.  B.  von  Pagurus)  mit  drei  Paar  Mundtheilen,  drei  Paar  Füssen  und  anhangslosem  Hinterleibe. 
Diese  drei  Fusspaare  werden  nun  allerdings,  wie  jene  Auffassung  will,  zu  Kieferfüssen  des  Krebses,  aber 
die  fünf  eigentlichen  Fusspaare  desselben  entstehen  nicht  etwa  aus  dem  Hinterleibe  der  Zoea,  während 
hinten  ein  neues  „Postabdonien"  hervorsprosst,  —  sondern  sie  entstehen  vor  dem  Hinterleibe  und  häufig 
gleichzeitig  und  in  gleicher  Form  mit  dem  dritten  Paare  der  Kieferfüsse.  Sie  sind  als  ein  den  Insekten 
ganz  fehlender  Zuwachs  zur  Brust  zu  betrachten,  und  es  wiederholt  sich  hier  noch  einmal  der  Vorgang, 
dass  nach  dem  Auftreten  neuer  hinterer  Füsse  die  vorderen  ihrer  ursprünglichen  Verrichtung  untreu  und 
zu  Fühlern  oder  Fresswerkzeugen  werden. 

3)  Die    beiden    letzten    Hinterleibsringe,     die    meist    so    auffallend    von    den    vorhergehenden    ab- 


j.o  Bruchstück   zur  EiUwickelungsgeschichte  der  Maulfüsser. 

Das  Schild,  das  die  drei  hintersten  Brustringe  unbedeckt  lässt,  ist  flach, 
fast  gar  nicht  seitlich  herabgebogen.  Sein  hinterer  Theil  hat  ungefähr  die  Gestalt 
einer  sog.  Seemaus,  also  eines  Vierecks,  dessen  Ecken  in  vor-  und  hinterwärts 
gerichtete  Spitzen  ausgezogen,  dessen  Vorder-  und  Hinterrand  gleich  breit  (etwa 
2/3  der  Länge),  und  dessen  Seiten  sanft  gewölbt  sind.  Der  Hinterrand  ist  in  der 
Mitte,  so  weit  er  dem  Körper  aufliegt,  ausgebuchtet.  Die  vorderen  Ecken  liegen 
über  dem  Ursprünge  der  hinteren  Fühler;  zwischen  ihnen  setzt  sich  das  Schild 
nach  vorne  fort,  rasch  sich  verjüngend  und  in  eine  Spitze  auslaufend,  die  den 
Körper  um  etwa  Vc,  seiner  Länge  überragt.  Die  Länge  des  vom  Schilde  be- 
deckten vorderen  verhält  sich  zu  der  des  hinteren  unbedeckten  Körpertheiles 
etwa  wie  3:5. 

Der  vorderste,  Augen  und  Fühler  tragende  Abschnitt  des  Körpers  (Fig.  2), 
der  fast  ganz  von  einer  ansehnlichen  Nervenmasse  gefüllt  ist,  bildet  ein  0,28  mm 
langes,  hinten  ebenso,  vorn  halb  so  breites  Viereck,  in  dessen  Mitte  auf  der  Unter- 
seite ein  kurzer  vorwärts  gerichter  Dorn  steht.  Von  seinen  vorderen  Ecken  ent- 
springen die  Augen,  deren  äusserste  Wölbungen ,  wenn  sie  gerade  seitwärts 
gerichtet.  0,5  mm  von  einander  entfernt  sind;  Vs  dieser  Entfernung  kommt  auf 
den  Stirnrand  und  die  schlanken  Grundglieder  der  Stiele.  Das  Endglied  des 
Augenstieles  bildet  einen  schiefen  Kegel,  dessen  vorderer  Rand  etwa  -/.{  des 
hinteren  misst;  letzterem  kommt  der  Durchmesser  der  Grundfläche  etwa  gleich, 
über  welche  sich  das  eigentliche  Auge  wölbt. 

Unter  dem  Stirnrande  sieht  man  in  der  Mitte  eines  halbkreisförmigen  Vor- 
sprunges ein  kleines  schwarzes  unpaares  Auge,  welches  vielleicht  darauf  hin- 
deutet, dass  auch  hier  die  Entwickelung  mit  einäugigen  Zuständen  beginnt. 

Etwas  näher  den  Augen  als  den  hinteren  Fühlern  entspringen  vom  Rande 
des  Körpers  die  vorderen  Fühler,  die  auf  dreigliedrigem  Stiele  einen  zwei- 
gliedrigen oberen  und  einen  ungegliederten  unteren  Ast  tragen  und  etwa  Vö  der 
Körperlänge  erreichen.  Von  den  drei  Gliedern  des  Stieles  ist  das  mittlere  halb 
so  lang  als  jedes  der  beiden  anderen;  die  beiden  ersten  sind  walzenförmig,  das 
dritte  nach  oben  verdickt.  Der  obere  Ast  ist  schlank,  von  der  Länge  des  Stiels 
und  trägt  eine  lange  Borste  am  Ende  des  ersten,  zwei  am  Ende  des  kurzen 
zweiten  Gliedes.  Der  untere  Ast  ist  kegelförmig  zugespitzt,  kürzer,  aber  weit 
dicker  als  der  obere,  mit  langer  Endborste;  er  trägt  (Fig.  3)  etwa  in  der  Mitte 
.seiner  oberen  Fläche  sechs  dünne,  walzenförmige  Fäden  oder  „Stäbchen"  mit  ab- 
gerundeter Spitze  und  sehr  zarten  Umrissen.  Die  drei  oberen  sind  etwa  0,2  mm 
lang;  die  drei  unteren  erreichen  nur   7r,  dieser  Länge. 

In  Bezug  auf  diese  „S t ä b c h e n"  an  den  inneren  Fühlern  der 
Kr  u  st  er  sei  mir  eine  kleine  Abschweifung  gestattet.  Es  scheinen  diese  Gebilde, 
auf  die  man  in  neuerer  Zeit  bei  niederen  Krustern  von  mehreren  Seiten  aufmerksam 
geworden  ist^)  sehr  allgemein  in  der  ganzen  Klasse  verbreitet  zu  sein.     Ich  fand 


welchen,    denselben  unter  eigenem   Namen,    als    Schwanz,    entgegenzustellen,   lässt   sich   ebenfalls  aus  der 
Entwickelungsgeschichte  der  Genannten  rechtfertigen 

i)  Schüdler  sah  sie  1846  bei  Acanthocercus,  Leydig  1851  bei  Branchipus,  später  bei  Polyphemus 
u.  a.  Daphniden,  Max  Schultze  1852  bei  Balanenlarven.  Auch  ,,eigenthümliche,  schotenförmige,  gestielte 
Anhängsel"  (Fig.  12),  die  mir  1846  am  dritten  und  den  folgenden  Geisseigliedern  der  inneren  Fühler  des 
Sphaeroma  der  Ostsee  auffielen,  dürften  trotz  der  abweichenden  Gestalt  hierher  gehören. 


Bruchstück  /ur  Entwickeluiigsgeschichle  dci    Maulfüsscr.  j  -q 

sie  bei  verschiedenen  Copepoden,  bei  den  Larven  von  Bakmen  und  Rhizocephalen, 
bei  jungen  Bopyrus,  bei  Tanais  u.  a.  Isopoden,  bei  Caprella,  bei  vielen  Gamma- 
rinen,  bei  H3rperia,  bei  Cuma  und  Bodotria  und  bei  allen  stielaugigen  Krebsen, 
die  ich  darauf  untersuchte.  Ich  vermisste  sie  nur  bei  einigen  Schmarotzern  (Bo- 
pyrus, Cymothoa)  und  landbewohnenden  Krustern  (Ligia,  Orchestia).  Von  zwei 
hiesigen  Arten  der  letztgenannten  Gattung  fehlen  sie  der  einen,  während  die 
andere  sie  besitzt  i).  Ihre  Zahl  und  Anordnung,  ihre  Grösse  und  Form  unterliegt 
vielfacher  Verschiedenheit.  Ein  einziges  Stäbchen  fand  ich  an  der  Spitze  der 
Fühler  bei  mehreren  Isopoden  (Fig.  15),  mitten  am  Fühler  bei  einem  Copepoden 
(Fig.  18);  einen  Fächer  von  etwa  zehn  Stäbchen  bei  jungen  Bopyrus  (Fig.  13).  Bei 
Isopoden,  Caprellen,  Amphipoden  pflegen  sie  zu  einem  oder  zweien  an  der  Spitze 
und  auf  der  unteren  Seite  der  Geisseiglieder  zu  stehen,  bald  aller,  bald  mit  Aus- 
nahme der  unteren  (Fig.  14.  17).  Bei  Squilla,  wo  der  äussere  Ast  der  inneren 
Fühler  sich  nochmals  spaltet,  fand  ich  sie  zu  drei  am  Ende  der  14  letzten  Glieder 
des  kürzeren  42-gliedrigen  Zweiges.  Bei  den  Decapoden  scheinen  sie  meist  den 
Anfang  der  Geissei  einzunehmen  und  das  Ende  frei  zu  lassen.  So  bei  Mysis,  wo 
sie  bei  einer  Art  (Fig.  10)  sich  auf  einem  eigenen  Vorsprung  zusammendrängen. 
So  auch  bei  Krabben,  Porcellanen  und  Paguren  (Fig.  8),  wo  sie  in  gr()sster  Zahl 
und  ansehnlichster  Grösse  (bis  i  mm  lang)  vorkommen  und  in  einer  oder  mehreren 
Ouerreihen  die  dicken  kurzen  Glieder  des  einen  aus  verdickter  Ba.sis  rasch  ver- 
jüngten Fühlerastes  besetzt  halten.  Wo  die  vorderen  Fühler  noch  als  Füsse  dienen, 
fehlen  die  Stäbchen,  wie  bei  Garneelenlarven  ^^),  oder  entspringen  vom  Kr)rper 
selbst,  wie  bei  den  Larven  der  Balanen  und  Rhizocephalen. 

Die  Gestalt  der  Stäbchen  ist  in  der  Regel  einfach  walzenförmig;  unten 
zwiebeiförmig  angeschwollen  und  hier  mit  derberer  Hülle  versehen  fand  ich  sie 
bei  Squilla  (Fig.  11),  bei  einer  kleinen  Garneele  (Plippolyte?  Fig.  g)  und  bei 
Ocypoda.  Das  Ende  ist  meist  halbkuglig  abgerundet  und  zeigt  bisweilen  einen 
kleinen  stärker  lichtbrechenden  Fleck.  Bei  der  erwähnten  Garneele  (Fig.  ga)  war 
dem  abgerundeten  Ende  ein  kurzes,  zartes  Spitzchen  aufgesetzt.  Bisweilen  sind 
sie  nach  dem  Ende  zu  verjüngt;  so  fand  ich  sie  bei  Pagurus;  hier,  wie  bei  Krabben 
und  Porcellanen,  sind  sie  durch  zarte  Ringfurchen  in  kürzere  oder  längere  Glieder 


i)  Zusatz  von  M.  Schu  1  tzc:  Ausführlicher  noch  als  an  den  Fritz  Müller  bekannten  Stellen  sind 
die  in  Rede  stehenden  Gebilde  geschildert  von  de  la  Valette  in  seiner  Inauguraldissert.  de  Cramniaro 
puteano  1857,  von  Leydig  Naturgeschichte  der  Daphniden  1860.  p.  42 — 46  und  am  genauesten  von  dem- 
selben in  dem  Archiv  für  Anatomie  und  Physiologie  1860.  „Ueber  Gerachs-  und  Gehörorgane  der  Krebse 
und  Insekten"  p.  281  ff.  Leyding  kommt  wie  Fritz  Müller  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  Gebilde  aller 
"Wahrscheinlichkeit  nach  Geruchsorgane  seien.  Was  aber  als  das  eigentlich  Charakteristische  für  die 
als  Geruchsorgane  zu  deutenden  Anhänge  zu  gelten  habe,  geht  auch  aus  !>eyd  ig's  Darstellung  noch  nicht 
hervor,  doch  dürfte  vorläufig,  abgesehen  von  ihrem  Sitze  an  den  Antennen  (bei  den  Krebsen  am  inneren 
Fühlerpaare),  ihrem  Nervenreichthume  und  einer  gewissen  Zartheit  der  äusseren  Haut  die  stumpf  ge- 
endigte Spitze  und  der  Anschein  einer  Oeffnung  an  derselben  als  charakteristisch  gelten.  Hiernach  würden 
die  zuerst  von  mir  bei  Balanenlarven  beschriebenen  neben  dem  Auge  entspringenden  borstenartigen  Fühler 
(siehe  Zeitschr.  f.  wiss.  Zoologie  Bd.  IV.  1852.  p.  191),  welche  spätere  Beobachter  übersahen,  Fritz 
Müller  aber  wiederfand  und  mit  zu  den  Geruchsorganen  rechnet,  eher  Tastorgane  sein.  - 

2)  Die  Fühler  der  Garneelen  sind  umgewandelte  Schwimmfüsse;  schwerlich  aber  umgekehrt  die 
Ruderfüsse  der  Daphnien  ,, umgeformte  Antennen." 


jAq  Bruchstück  zur  Entwickelungsgeschichte  der  Maulfüsser. 

getheilt  und  kegelförmig  zugespitzt.     Bei  grösseren  Stäbchen  erscheint  der  Inhalt 
bisweilen  zart  längsgestreift,  oder  man  sieht  längsgeordnete  feinste  Körnchen. 
Aeste  und  einen  winzigen  Taster ;  der  hintere  (Fig.  6)  ist  ein  ganz  ungegliedertes 
längliches  Stummelchen  mit  einigen  Borstchen  am  Ende. 

Welches  ist  nun  wohl  die  Verrichtung  dieser  Stäbchen  tragen  den 
Fühlergeissein?  Will  man  nicht  an  einen  uns  Landbewohnern  ganz  fehlenden 
Sinn  denken,  —  und  dafür  Hesse  sich  allerdings  die  Verkümmerung  der  inneren 
Fühler  bei  landbewohnenden  Krustern,  bei  Asseln,  bei  Orchestia,  bei  Oc3'poda  ^) 
anführen  —  so  wird  man  kaum  umhin  können,  sie  als  Geruchs  werk  zeuge 
zu  deuten.  Zum  Betasten  fester  Körper  sind  sie  bei  den  Krabben,  wo  ihr  Stäbchen- 
besatz gerade  am  reichsten  entwickelt  ist,  untauglich  wegen  ihrer  Lage,  ihrer 
geringen  Länge  und  selbst  wohl  wegen  jener  so  zarten,  leichtverletzlichen  An- 
hänge, Bewegungen  des  Wassers  wahrzunehmen,  wozu  ebenfalls  schon  ihre  Kürze 
sie  wenig  passend  erscheinen  lässt,  hindert  sie  eine  lebhafte  vom  Munde  aus  bei 
ihnen  vorüberziehende  Strömung.  In  einer  solchen  vom  Munde  wegführenden 
Strömung  wird  man  ebenfalls  kein  Geschmackswerkzeug  suchen  wollen.  Es  bleibt 
so  von  unsern  fünf  Sinnen  nur  der  Geruch  übrig.  Derselbe  kann  Thieren  nicht 
fehlen,  die  sich  durch  stark  riechende  Köder  anlocken  lassen.  Sieht  man  nun,  wie 
die  inneren  Fühler  der  Krabben,  Porcellanen,  Paguren,  in  fast  ununterbrochener 
Bewegung  sind ,  in  kurzen ,  raschen  Schlägen  mit  ihrem  Stäbchenbüschel  das 
Wasser  gleichsam  durchfühlend,  das  in  beständigem  Strome  bei  ihnen  vorüberzieht, 
so  darf  man  sie  wohl  für  ebenso  geeignet  zu  Wahrnehmung  von  Gerüchen  halten, 
wie  die  bisher  als  Geruchswerkzeuge  gedeuteten  Teile  im  Grundgliede  der  äusseren 
oder  inneren  Fühler  hierzu  ungeeignet  erscheinen,  da  ihnen  das  unerlässlichste 
Erforderniss  eines  Geruchwerkzeuges,  leichter  und  freier  Zutritt  des  Wassers, 
abgeht  -). 

Ich  kehre  zurück  zu  unserer  Larve. 

Die  hinteren  Fühler  entspringen  ebenfalls  v^om  Rande  des  Körpers  an 
den  hinteren  Ecken  des  erwähnten,  Augen  und  Fühler  tragenden  Vierecks;  kaum 
kürzer  als  die  vorderen  bestehen  sie  aus  einem  zweigliedrigen  Stiele  und  einem 
gegen  das  abgerundete  Ende  etwas  verbreiterten  und  mit  Borsten  besetzten  blatt- 
fr)rmigen  Endgliede,  das  dem  Stiele  an  Länge  gleichkommt  und  in  der  Ruhe 
hinterwärts  gerichtet  ist.  Die  gegliederte  Geissei  der  erwachsenen  Maulfüsser 
vermisse  ich. 

Der  Mund  liegt  in  der  Mitte  zwischen  den  vier  seithchen  Ecken  des 
Schildes;  vor  ihm  eine  ansehnliche  helmförmige  Oberlippe;  zu  seinen  Seiten 
die  anscheinend  tasterlosen  Oberkiefer  (Fig.  4),  mit  je  drei  spitzen  Zähnen  be- 
waffnet, die  nach  hinten  an  Länge  zunehmen  und  an  ihrem  vorderen  Rande 
wieder  fein  gezähnelt  sind.  Dann  folgen  zwei  Paar  schwach  entwickelter  U  nter - 
kiefer;  der  vordere  (Fig.  5)  hat  zwei  mit  je  drei  dornartigen  Borsten  bewaffnete 

i)  Auch  bei  Gelasimus  finde  ich  die  Stäbchen  ungewöhnlich  zart  und  kurz. 

2)  Wenn  Leydig  (Histologie  p.  280)  mit  Recht  Bedenken  trägt,  eine  Höhlung,  in  der  sich 
„allerlei  Detritus"  anzuhäufen  l'flegt,  ohne  Weiteres  als  „Ohrhöhle"  anzuerkennen,  so  dürfte  dieser  wenig 
zugängliche  Raum  mit  seiner  Ansammlung  verwesender  Stoffe  gewiss  noch  weniger  sich  als  „Nasenhöhle" 
empfehlen. 


BnichstücU  zur  Kntwickelungsgeschichte  der  Maulfüsser.  j5f 

Das  nächstfolgende  Fusspaar  ist  dünn,  schlank,  fünfgliederig,  und  reicht  zu 
den  Seiten  des  Mundes  nach  vorn  bis  fast  zum  Ursprünge  der  hinteren  Fühler; 
seine  beiden  letzten  kurzen  Glieder  pflegen  einwärts  und  rückwärts  gerichtet 
zu  sein. 

Dicht  dahinter  entspringen  die  ansehnlichen  Raubfüsse.  Das  Thierchen 
liebt  sie,  während  es  senkrecht  im  Wasser  schwebt,  weit  ausgespreizt  zu  tragen 
(Fig.  i).  Dann  reicht  das  Grundglied  quer  nach  aussen  bis  zum  Rande  des 
Schildes;  das  zweite  und  dritte  bilden  einen  gegen  das  Ende  schwach  verdickten, 
I  mm  langen  Stiel,  der  schief  nach  oben  gerichtet  bis  zur  Höhe  der  Augen  reicht ; 
das  vierte  Glied  ist  kurz  und  undeutlich  g'eschicden  und  verbindet  den  Stiel  mit 
dem  wagerecht  nach  aussen  gerichteten,  i  mm  langem  Handgliede,  das  schwach 
keulenförmig  verdickt  ist  und  am  geraden  Innenrande  einen  längeren  und  eine 
Reihe  ganz  kurzer  Dornen  trägt.  Die  Klaue  endlich  ist  schwach  gekrümmt,  un- 
gezähnt und  hat  etwa  -/g  der  Länge  des  Handgliedes.  Am  Grunde  der  Raubfüsse 
bemerkt  man  einen  kleinen  rundlichen,  blatt-  oder  blasenförmigen  Anhang. 

Hinter  den  Raubf üssen  folgen  sechs  anhangslose  Ringe;  die  drei 
vorderen,  noch  vom  Schilde  bedeckt,  aber  nicht  mit  ihm  verwachsen,  nehmen  nach 
hinten  an  Länge  zu  und  verhalten  sich  etwa  wie  2:3:4;  zusammen  sind  sie  halb 
so  lang  als  die  drei  hinteren,  die  unter  einander  gleich  sind.  Die  sechs  Ringe 
zusammen  sind  0,75  mm  lang;  ihre  Breite  beträgt  0,2  mm. 

Um  die  Hälfte  breiter,  an  den  Gelenken  etwas  eingeschnürt  und  an  den 
hinteren  Ecken  mit  je  einem  kurzen  Dorne  bewehrt,  erscheinen  die  folgenden  fünf 
Ringe,  die  zusammen  reichlich  ^/4  der  Körperlänge  ausmachen.  Die  vier  vorderen 
von  diesen  fünf  Ringen  tragen  Schwimmfüsse  (Fig.  7),  die  alle  in  gleicher 
Weise  gebildet  sind;  ein  0,3  mm  langes,  kräftiges,  am  Ende  etwas  verbreitertes 
Grundglied  trägt  zwei  etwa  halb  so  lange  mit  Borsten  besetzte  Endblätter,  von 
denen  das  innere  gegen  das  Ende  seines  Innenrandes  einen  kleinen  fingerförmigen 
Fortsatz  hat.     Kiemen  fehlen  noch  vollständig. 

Der  Schwanz  endlich,  aus  einem  einzigen  vStücke  bestehend,  bildet  ein 
ansehnliches,  viereckiges  Blatt  von  etwa  ^j^  der  Körperlänge  und  kaum  minderer 
Breite;  seine  Seitenränder  sind  sanft  gewölbt,  sein  Hinterrand  seicht  ausgebuchtet; 
16  winzige  Zähnchen  stehen  in  dieser  Ausbucht,  ein  etwas  längeres  an  jeder  Ilinter- 
ecke  und  sechs  an  jedem  Seitenrande. 

Der  einzige  Maulfüsser,  den  ich  hier  kenne,  ist  eine  Squilla,  wenig  oder 
nicht  verschieden  von  Squ.  Mantis.  Ihm  wird  wahrscheinlich  die  eben  beschriebene 
Larve  zugehören.  Junge  Squillen  derselben  Art  von  etwa  10  mm  Länge,  gleichen 
schon  ganz  den  Erwachsenen  bis  auf  die  geringere  Zahl  der  Fühlerglieder,  der 
Zähne  an  den  Raubfüssen,  der  Kiemenfäden  u.  dergl.  —  Sie  hatten  noch  die 
glashelle  Durchsichtigkeit  unserer  Larve  und  besassen,  wie  diese,  ein  un- 
paares  Auge. 

Desterro,  im  Januar   1862. 

Fritz  Müllers  ^esamnipltf  Schriften  II 


f.  Bruchstück  zur  Entwickelungsgeschichte  der  Maulfüsser. 

Erklärung-  der  Abbildungen  auf  Tafel  XX. 

Fig.    I.    Zoeaform  ^)  eines  Maulfüssers  aus  dem  Meere  von  Santa  Catharina,  I5mal  vergr. 

Fig.    2 — 7.    Einzelne  Theile  desselben,  stärker  (Qomal)  vergr. 

Fig.    2.    Vorderster  Theil  des  Körpers,  v.  u. 

Fig.    3.    Vordere  Fühler,  v.  d.  Seite. 

Fig.    4.    Oberkiefer. 

Fig.    5.    Vorderer  Unterkiefer. 

Fig.    6.    Hinterer  Unterkiefer. 

Fig.  7.  Die  beiden  letzten  Ringe  der  Brust  und  der  erste  des  Hinterleibs  mit  einem 
seiner  Schwimmfüsse. 

Fig.  8  — 18.  Stäbchen  von  den  inneren  Fühlern  verschiedener  Kruster ;  gomal  vergr. 
(mit  Ausnahme  von  Fig.  10,  12  u.  16).  ^  Stamm,  a  äusserer,  /  innerer  Ast  des  Fühlers, 
7'  Blutgefäss. 

Fig.    8.    von  einem  kleinen  Pagurus.     8  a.  Die  Spitze  eines  der  Stäbchen. 

Fig.    9.    Von  einer  kleinen  Garneele  (Hippolyte?).     9  a.  Die  Spitze  stärker  vergr. 

Fig.  10.    Von  Mysis  (45mal  vergr.). 

Fig.  II.    Von  Squilla. 

Fig.  12.    Von  dem  Sphäroma  der  Ostsee  (Vergrösserung  unbestimmt). 

Fig.  13.    Von  einem  jungen  Bopyrus. 

Fig.  14.   15.  Von  zwei  verschiedenen  Tanaisarten. 

Fig.  16.    Von  Caprella  (iSomal  vergr.)  g  Ganglion  (?) 

Fig.  17.    Von  Gammarus. 

Fig.  18.    Von  einem  Copepoden. 

i)  Ich  möchte  den  Namen  Zoea  auf  alle  Krebslarven  ausdehnen,  die  2  Paar  Fühler,  3  Paar  Mund- 
theile  und  2  bis  3  Paar  Füsse  an  der  Brust  besitzen,  aber  noch  der  5  bis  6  letzten  Paare  der  Bnistfüsse 
entbehren. 


Ein  zweites  Bruchstück  aus  der  Entwickelungs- 
geschichte  der  Maulfüsser^). 

Mit  Tafel  XXI. 

Durch  die  bei  einer  Art  ungemein  reich  entwickelten  „Stäbchen"  der  inneren 
Fühler  waren  mir  neuerdings  die  Hyperien  merkwürdig  geworden.  Ich  fing  daher 
ein  Thierchen  ein,  das  in  seinen  Umrissen  und  durch  die  Art,  wie  es  in  einem 
Gewimmel  anderer  kleiner  Krebsthiere  herumschwamm,  an  Hyperia  erinnerte, 
und  das  mir  durch  den  grünen  Schimmer  seiner  Augen  und  seine  Durchsichtig- 
keit aufgefallen  war.  Schon  die  einfache  Linse  zeigte,  dass  es  nicht  war  wofür 
ich  es  gehalten,  und  eine  nähere  Untersuchung  ergab  Folgendes: 

Das  bis  auf  die  Augen  farblose  Thier  ist  fast  2  mm  lang.  Sein  Leib  lässt 
drei  sehr  verschieden  ausgestattete,  nahezu  gleich  lange  Abschnitte  unterscheiden : 
der  vordere  ist  ungegliedert,  trägt  Augen,  Fühler,  Mundtheile  und  ein  ansehn- 
liches Rückenschild,  das  von  seiner  hinteren  Grenze  weit  nach  hinten  vorspringt; 
der  mittlere,  ganz  von  diesem  Schild  bedeckt,  besteht  aus  fünf  Ringen,  die  zwei- 
ästige Schwimmfüsse  tragen ;  der  hintere  Abschnitt  ist  anhanglos,  aus  drei  kurzen 
Ringen  und  einem  grossen  Schwanzblatte  gebildet. 

Die  Mitte  des  geraden  Stirnrandes  trägt  einen,  ein  wenig  abwärts  gerichteten 
spitzen  Fortsatz,  dessen  Länge  etwa  der  halben  Breite  des  Stirnrandes  gleich- 
kommt. Seitlich,  vorn  an  den  Stirnrand  sich  anschliessend,  springen  die  grossen, 
ungestielten  und  unbeweglichen,  beinahe  halbkugelig  gewölbten  Augen  vor, 
deren  Oberfläche  in  regelmässig  sechsseitige  Feldchen  (von  0,025  mm  Durch- 
messer) getheilt  ist,  und  deren  grüner  Schimmer  schon  erwähnt  wurde.  Zwischen 
ihnen  liegt  auf  der  Unterfläche  ein  kleiner  scharf  umschriebener  schwarzer 
Augenfleck.  Hinter  diesem  entspringt  ein  kleiner  vorwärts  gerichteter  Dorn 
(Fig.  2,  c).  Noch  etwas  weiter  nach  hinten,  doch  noch  zwischen  den  Augen  und 
ihnen  genähert,  stehen  die  inneren  Fühler  (Fig.  2,  a;  Fig.  3),  die  auf  kurzem 
dünnen  Stiele  ein  längeres  Endglied  tragen  und  nur  mit  ihrer  äussersten  Spitze 
den  Stirnrand  überragen.  Ausser  drei  Borsten  an  der  Spitze  und  einer  am  Aussen- 
rande  tragen  sie  oberhalb,  nahe  der  Spitze,  drei  meist  stark  gekrümmte,  einfach 
walzenförmige  Stäbchen  mit  abgerundetem  Ende.  Die  äusseren  F ü hier  (Fig.  2,  b) 
entspringen  dicht  hinter  den  Augen,  nahe  dem  Seitenrande  des  Körpers,  sind  drei- 


I)  Archiv  für  Naturgeschichte.    1863.  1.  p.    i — 7.  Taf.  I. 


j  A  ,  Ein  zweites  Bruchstück  aus  der  Enlwickelungsgeschichle  der  INIaulfüsser. 

gliedrig,  reichen  ein-  und  vorwärts  sich  krümmend  bis  zur  Aiitte  des  Endgliedes 
der  inneren  Fühler  und  tragen  an  der  Spitze  sechs  gefiederte  Borsten. 

Den  J\I  u  n  d ,  der  etwas  hinter  der  Alitte  des  vorderen  Leibesabschnittes  ge- 
legen ist,  umgeben  Oberlippe,  Unterlippe,  ein  Paar  Oberkiefer  und  ein  einziges 
Paar  Unterkiefer.  Die  Oberlippe  (Fig.  4,  a)  überdeckt  vollständig  die 
Oberkiefer;  ihr  freier  Rand  erscheint  bald  sanft  gewölbt,  bald  (bei  stärkerer  Zu- 
sammenziehung der  Fig.  4,  m  gezeichneten  Muskeln)  in  der  Mitte  ausgebuchtet. 
An  den  Oberkiefern  (Fig.  4,  b)  unterscheidet  man  einen  mehr  oberflächlich 
nach  hinten  und  innen  mehr  in  der  Tiefe  und  nach  vorn  gelegenen  Theil  ^),  von 
denen  jeder  mit  mehreren  Zähnen  bewaffnet  ist.  Die  beiden  Hälften  der  Unter- 
lippe (Fig.  4,  c;  Fig.  5)  stossen  in  der  Mittellinie  zusammen;  ihr  Rand  ist  dicht 
mit  kurzen  Haaren  besetzt.  Der  Unterkiefer  (Fig.  4,  d)  hat  zwei  übereinander- 
gelegene  mit  einwärtsgerichteten  Dornen  bewaffnete  Vorsprünge;  der  dem  Körper 
nähere  trägt  vier  kürzere,  der  andere  drei  längere  Dornen;  nach  hinten  von 
ersterem  Hegt  ein  kleiner  ungegliederter  Anhang  [Fig.  4,  d'),  dessen  Innenrand 
einige  kurze  Borsten  trägt,  und  der  wohl  als  äusserer  Ast  (fouet,  M.  Edw.)  zu 
deuten  ist. 

Mit  der  Rückenfläche  des  vorderen  Leibesabschnittes  ist  das  ansehnliche 
Schild  verwachsen.  Es  beginnt  hinter  den  Augen  und  reicht  bis  über  den 
mitderen  Leibesabschnitt  hinaus,  je  nach  dessen  verschiedener  Zusammenziehung 
noch  einen  bis  drei  Ringe  des  hinteren  Abschnittes  bedeckend.  Seine  Breite  ist 
vorn  Vs  der  Körperlänge  (den  Stirnfortsatz  nicht  mitgerechnet),  hinten  etwas  ge- 
ringer. Es  ist  seitlich  nur  wenig  abwärts  gebogen.  Seine  hinteren  Ecken  sind 
in  zwei  starke  hinterwärts  gerichtete  Spitzen  ausgezogen,  (Länge  =  %  des  Stirn- 
fortsatzes) und  einen  (halb  so  langen)  Stachel  trägt  die  Mitte  des  Hinterrandes. 
Ein  winziges  Höckerchen  (Fig.  7.  n)  findet  sich  in  der  Mittellinie  des  Schildes  am 
Anfange  des  letzten  Drittels  des  unverwachsenen  Theiles.  Der  (an  den  Seiten- 
theilen  einwärts  gekrümmte)  Rand  des  Schildes  ist  eingefasst  mit  einem  schmalen, 
dünnen,  fein  und  unregelmässig  gezähnelten  Saume  (Fig.  7,  s). 

Der  mittlere  Leibesabschnitt  ist,  wie  gesagt,  aus  fünf  Ringen  zu- 
sammengesetzt und  trägt  fünf  Paar  zweiästiger  Füsse  (Fig.  4,  e;  Fig.  6), 
die  bis  auf  einige  Unterschiede  in  der  Beborstung  übereinstimmend  gebildet  sind ; 
alle  haben  einen  dicken  zweigliedrigen  Stamm,  einen  stärkeren  zweigliedrigen 
inneren  und  einen  schwächeren  ungegliederten  äusseren  Ast,  der  von  dem  inneren 
um  die  Länge  seines  kurzen  Endgliedes  überragt  wird.  Der  äussere  Ast  trägt 
vier  längfere  g-efiederte  Borsten  am  Ende,  eine  an  seinem  Aussenrande  und  beim 
vierten  und  fünften  Fusspaare  ausserdem  zwei  kürzere  Borsten  an  seinem  (rrunde. 
Das  Endglied  des  inneren  Astes  trägt  beim  fünften  Fusspaare  drei,  beim  dritten 
und  vierten  vier  lange  Borsten  und  ausser  diesen  bei  den  ersten  beiden  Fuss- 
paaren  einen  am  Ende  schwach  einwärts  gekrümmten  Dorn  etwa  von  halber 
Länge  des  Astes,     Kürzere  Borsten  stehen  am  Innenrande  des  inneren  Astes. 

Die  drei  folgenden  anhanglosen  Ringe  machen  zusammen  kaum  y., 
der  Körperlänge  aus  und  tragen  jedcrseits  je  ein  winziges  rückwärts  gerichtetes 
Dörnchen. 


i)  Dieser  tiefer  gelegene  Theil  des  Oberkiefers  ist  wahrscheinlich  von  mir  bei  der  älteren  nur  einmal 
gesehenen  Maulfüsserlarve  übersehen  worden. 


Ein  zweites  Bruchstück  aus  der  Entwickelungsgeschichte  der  Maulfüsser.  |5r 

Der  Schwanz  ist  ein  ansehnliches  spatelförmiges  Blatt  von  0.3  der  T.eibes- 
länge ;  seine  Breite  kommt  in  der  Mitte  der  Länge  fast  gleich,  ist  hinten  nur 
wenig  geringer,  vorn  nur  halb  so  gross.  Der  ziemlich  gerade  Hinterrand  trägt 
vier  grössere,  schmale  und  spitze  Zähne;  zwei  davon  nehmen  die  hinteren  Ecken 
ein ;  zwischen  jedem  von  diesen  und  dem  nächsten  der  beiden  mittleren  Zähne 
stehen  vier,  zwischen  den  beiden  mittleren  stehen  zwei  halb  so  lange  Zähnchen ;  vier 
bis  fünf  weit  kleinere  Dörnchen  stehen  in  jeder  der  so  gebildeten  13  Buchten.  Jeder 
Seitenrand  trägt  in  seiner  hinteren  Hälfte  drei  schmale  rückwärts  gerichtete  Zähne. 

Das  Verdauungsrohr,  von  ziemlich  gleichbleibender  Weite,  steigt  vom 
Munde  schief  nach  vorn  in  die  Höhe,  um  dann  umbiegend  gerade  zum  After  zu 
laufen,  der  am  Anfange  des  Schwanzblattes  gelegen  ist.  Im  hinteren  Theile  des 
vorderen  Leibesabschnittes  nimmt  es  die  farblose  Absonderung  von  zwei  vorderen 
und  zwei  hinteren  weiten  Leber  schlauchen  (Fig.  7,  /)  auf.  Die  vorderen 
Leberschläuche  sind  kurz,  schief  nach  vorn  und  aussen  gerichtet,  die  hinteren 
begleiten  den  Darm  bis  fast  zum  Schwänze  und  haben  vorn  eine  ansehnliche  Er- 
weiterung (Fig,  8,  /"). 

Das  dem  Darme  aufliegende  Herz  (Fig.  7,  a)  bildet  in  den  fusstragenden 
Ringen  einen  gleichmässig  weiten  Schlauch,  der  im  vorderen  Leibesabschnitte, 
über  der  erwähnten  Erweiterung  der  hinteren  Leberschläuche,  sich  aufs  Doppelte 
erweitert  und  im  hinteren  Drittel  dieses  Abschnittes  endet.  Hier,  an  seinem 
vorderen  Ende,  wird  es  durch  zwei  ansehnliche  dreieckige  seitliche  Äluskelbündel 
(Fig.  7,  i)  an  die  Rückenwand  befestigt.  Für  den  Eintritt  des  Blutes  sind  fünf 
Paar  Oeffnungen  vorhanden,  ein  Paar  nahe  dem  hinteren  Ende  des  vorderen 
Leibesabschnittes,  die  folgenden  ungefähr  den  Grenzen  der  fünf  fusstragenden 
Ringe  entsprechend.  Die  vier  vorderen  Paare  (Fig.  7,  b)  bilden  ansehnliche  mit 
Klappen  versehene  Spalten;  die  des  letzten  Paares  (Fig.  7,  c)  sah  ich  einmal  sehr 
deutlich  kreisförmig;  andere  JMale  waren  sie  minder  deuthch  zu  erkennen  und 
schienen  den  vorderen  ähnlich  zu  sein.  —  Innere  balkenartige  Muskeln  fehlen 
dem  Herzen. 

Die  vom  FI  erzen  abgehenden  Gefässe  beschränken  sich  auf  ein  vorderes 
und  ein  hinteres.  Am  Eingange  des  ersteren  (Fig.  g)  liegen  ähnliche  Klappen, 
wie  an  den  seitlichen  Spalten.  —  Von  diesem  vorderen  Gefässe  geht  ein  starker 
unpaarer  Ast  zwischen  Schlund  und  Hirn  nach  unten,  ein  anderer  jederseits  nahe 
dem  Stirnrande  bis  zum  Auge,  während  der  schwache  Endaat  etwa  in  der  Mitte 
des  Stirn fortsatzes  sich  öffnet.  Das  aus  den  Aesten  des  vorderen  Gefässes  aus- 
tretende Blut  strömt  in  der  Leibeshöhle  lebhaft  nach  hinten.  Das  hintere  Gefä.ss 
endet  mit  weiter  Oeffnung  (Fig.  7,  h)  etwas  hinter  dem  After. 

Selbst  durch  schwachen  Druck  des  Deckgläschens,  der  eben  hinreicht,  das 
Thier  festzuhalten,  wird  der  Blutlauf  im  Schwanzblatte  leicht  gestört;  die  dem 
Gefässe  entströmenden  Blutkörperchen  zögern  oder  stocken  ganz  in  der  Nähe  der 
hinteren  Ecken,  und  man  hat  dann  hier  Gelegenh(!it,  aufs  Gemächlichste  die  merk- 
würdige eigene  Bewegung  der  Bl  utk(')rperch  en  (Fig.  10)  zu  beobachten, 
die  Lieb  er  kühn  bei  den  farblosen  Blutzellen  der  Wirbelthiere  kennen  gelehrt 
hiit.  Sie  besteht  bei  unserem  Krebschen  hauptsächlich  darin,  dass  das  Blut- 
körperchen einen  oder  zwei  kurze  spitze  Fortsätze  ausschickt,  und  ist  so  langsam, 
dass  man  sie  nur  an  der  nach  einiger  Zeit  veränderten  Gestalt  des  Blutkörperchens 


j^^  Eiu  zweites  Bruchstück  aus  der  Entwickelungsgeschichte  der  Maulfüsser. 

erkennt.  JMan  überzeugt  sich  leicht,  dass  diese  Formveränderungen,  und  dass 
die  unregelmässigen  Gestalten  der  Blutkörperchen  nicht  etwas  Krankhaftes,  etwa 
eine  Erscheinung  des  Absterbens  sind,  wie  man  wohl  geglaubt  hat ;  denn  dieselben 
mannichfachen  Gestalten,  die  nach  und  nach  dasselbe  im  Schwanzblatte  ruhende 
Blutkörperchen  annimmt,  findet  man  wieder  in  dem  kroisenden  Blute  des  eben 
eingefangenen  lebensfrischen  Thieres. 

Meine  lückenhafte  und  der  Nachprüfung  bedürftige  Beobachtung  über  die 
Anordnung  des  Nervensystems  übergehe  ich. 

Ueber  die  Deutung  des  eben  beschriebenen  Krebschens  als  Maulfüsser- 
larve  dürfte  namentlich  nach  dem  Bau  des  Herzens  kaum  ein  Zweifel  sein.  Ob 
sie  zu  derselben  Art,  oder  wenigstens  in  dieselbe  Entwickelungsreihe  mit  der 
älteren  Larve  gehört,  die  ich  vor  Kurzem  beschrieb,  ist  schwerer  zu  entscheiden. 
Doch  vermuthe  ich  es.  Unter  einer  nicht  unbedeutenden  Zahl  von  Krebslarven, 
die  ich  kenne,  sind  diese  beiden  die  einzigen,  die  das  kleine  Dörnchen  zwischen 
dem  Ursprünge  der  Fühler  besitzen.  Jedenfalls  gehört  die  Farve  einem  in  der 
Nähe  der  Küsten  lebenden  Thiere  an ;  die  sieben  Exemplare,  die  ich  untersuchte, 
fing  ich  an  drei  aufeinander  folgenden  Tagen  bei  anhaltendem  Südwinde,  bei  dem 
niemals  Thiere  der  hohen  See  in  unsere  Bucht  kommen. 

Gehören  beide  Lar\'en  zusammen,  so  wird  die  Entwickelung  jener  älteren 
aus  dieser  jüngeren  kaum  anders  vor  sich  gehen  können,  als  dass  die  drei  vorderen 
Fusspaare  sich  in  das  zweite  Paar  der  Unterkiefer  und  die  zwei  ersten  Paare  der 
Kieferfüsse  umbilden,  und  dass  zwischen  ihnen  und  den  beiden  hinteren  Fusspaaren 
die  sechs  anhanglosen  Ringe  der  älteren  Larve  entstehen. 

Desterro,  Mitte  Februar   1862. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XXI. 

Fig.    I    ist  45mal,   2   bis  8  sind  Qomal,  9  und    10  sind    i8omal   vergrössert. 

Fig.    I.    Stomatopodenlarve  von  Praia  de  fora  bei  Desterro,  v.  u. 

Fig.  2.  Die  Fühler,  in  ihrer  gegenseitigen  Lage,  v.  u.  a  der  rechte  innere,  b  der 
linke  äussere  Fühler;  c  der  kleine   Dorn  zwischen  ihnen. 

Fig.    3.    Spitze  des  vordem  Fühlers,  v.  d.  Seite. 

Fig.  4.  Mundtheile  in  natürlicher  Lage;  a  Oberlippe;  h  Oberkiefer;  c  Unterlippe; 
d  Unterkiefer ;  d'  äusserer  Ast  desselben ;  e  Fuss  des  ersten  Paares ;  di  Muskeln  der 
Oberlippe. 

Fig.    5.    Unterlippe. 

Fig.    6.    Fuss  des  vierten  Paares;  a  äusserer,  i  innerer  Ast. 

Fig.  7.  Herz  und  Gefässe  von  oben,  a  Herz ;  h  Spalten  zum  Eintritte  des  Blutes ; 
c  runde  Oeffnungen  ohne  Klappen;  d  Klappen  am  Ursprünge  des  vorderen  Gefässes; 
e  vorderes  Gefäss ;  /  Ast  desselben,  der  zwischen  Schlund  und  Hirn  nach  unten  geht ; 
g  hinteres  Gefäss;  Ji  dessen  hintere  Oeffnung;  /  Flügelmuskeln  des  Herzens;  /  Muskeln, 
die  den  Schlund  an  den  Rücken  heften;  /•  Muskeln,  die  den  After  öffnen;  /  Leber; 
in  Anheftunssstelle  des  Rückenschildes ;  11  ein  kleiner  Dorn  des  Rückenschildes ;  s  der 
gezähnelte  Saum  desselben. 

Fig.  8.  Der  vordere  Teil  der  Leber,  v.  o.  ^S"  Schlund;  r/Darm:  /  vordere,  /'  hin- 
tere Leberschläuche ;  /"  Erweiterung  der  letzteren. 

Fig.  9.  Ursprung  des  vorderen  Gefässes  aus  dem  Herzen,  a  eine  oft  zu  beobach- 
tende doch  nicht  bleibende  Einschnürung  dieses  Gefässes. 

Fig.  10.     Blutkörperchen. 


Die  Verwandlung  der  Garneelen  ^). 

Erster  Beitrag. 
Mit  Tafel  XXII. 

M  i  1  n  e  Edwards  deutete  als  wahrscheinlich  der  Gattung  Peneus  zugehörige 
Garneelenlarve  einen  kleinen  Krebs,  den  man  früher  als  eigene  Gattung  Cryptopus 
Latr.,  den  Schizopoden  zugezählt  hatte.  Krebschen,  die  im  allgemeinen  Ansehen 
noch  enger  den  Schizopoden  sich  anschliessen,  im  Besitze  dreier  Scheerenpaare 
mit  Crj^ptopus  und  Peneus  übereinstimmen,  beobachtete  ich  in  mehreren  Arten 
und  konnte  sie  zurückverfolgen  zu  scheerenloser  Mysisform,  von  da  zur  Gestalt 
einer  Zoea,  und  eine  Art  weiter  bis  zur  Gestalt  eines  Nauplius,  zu  jener  jugend- 
lichen Grundform  also,  die  schon  die  Rhizocephalen  und  Lernaeen  mit  den  Ranken- 
füssern  und  der  formenreichen  Gruppe  der  Cyclopen  verbindet. 

Von  der  Zoeaform  wurden  fünf  verschiedene  Arten  und  einige  derselben 
ziemlich  häufig  während  des  ganzen  Sommers  beobachtet;  die  unveränderte 
Naupliusform,  wahrscheinlich  dieselbe,  in  der  das  Thier  aus  dem  Eie  schlüpft, 
kam  ein  einziges  Mal  (13.  December)  zur  Beobachtung-). 

Der  Körper  dieser  jüngsten  Larve  (Fig.  i)  ist  ungeghedert,  birn förmig, 
0,4  mm  lang,  vorn  abgerundet  und  0,2  mm  breit,  nach  hinten  bis  auf  Vj  der 
Körperlänge  verjüngt,  hinten  abgestutzt  und  seicht  ausgerandet.  Nahe  dem  X^order- 
rande  steht  ein  kleines,  schwarzes,  scharfumschriebenes  Auge.  Der  Hinterrand 
trägt  jederseits  eine  starke  gerade  Borste  von  halber  Körperlänge  und  daneben 
einen  kurzen  Dorn.  Der  Unterfläche  des  Eeibes  entspringen  sechs  schlanke, 
langbeborstete  Füsse,  von  denen  die  vorderen  und  mittleren  Vü'  die  hinteren  etwa 
die  Hälfte  der  Körperlänge  erreichen.  Die  vorderen  stehen  dicht  am  Stirnrande, 
die  mittleren  nahe  dahinter,  die  hinteren  etwa  in  der  Mitte  des  Körpers.  Die 
vorderen  sind  einfach,  die  mittleren  und  hinteren  zweiästig;  der  hintere  Ast  er- 
scheint als  unmittelbare  Fortsetzung  des  Stammes,  und  ist  stärker,  bei  den  hinteren 
F'üssen   auch   viel   länger  als  der  vordere.     Deutliche  Gliederung   ist  nirgends  an 


1)  Archiv  für  Naturgeschichte.   1863.  I.  p.  8—23.  Taf.  II. 

2)  Dies  beweist,  dass  wenigstens  zur  Zeit  der  Fortpflanzung  die  Eltern  sich  nicht  in  der  Nähe  des 
Strandes  aufhalten,  da  sonst  umgekehrt  die  jüngsten  Larven  die  häufigsten  sein  müssten.  Eine  dem  Peneus 
Caramote  nahe  stehende  Art,  die  hier  häufig  unter  dem  Namen  Camaräo  verspeist  wird,  erscheint  im 
Sommer  überhaupt  nur  spärlich  und  kaum  je  über  mittelgross  auf  dem  Markte. 


jgg  Die  Verwandlung  der  Garneelen. 

den  Füssen  zu  erkennen,  eine  Andeutung  von  vier  bis  fünf  Gliedern  ist  am 
hinteren  Aste  der  mittleren  Füsse  zu  sehen.  Eine  starke  Borste  von  Körperlänge 
steht  nebst  einigen  kürzeren  an  der  Spitze  der  vorderen  Füsse,  zwei  an  der  Spitze 
des  vorderen  Astes,  sechs  am  vorderen  Rande  und  der  Spitze  des  hinteren  Astes 
der  mittleren  Füsse;  je  zwei  Borsten  an  der  Spitze  und  eine  unter  derselben  an 
jedem  Aste  der  hinteren  Füsse. 

Das  Thierchen  ist  ziemlich  undurchsichtig  und  von  bräunlicher  Färbung,  die 
besonders  an  der  Spitze  der  Füsse  stärker  hervortritt.  Die  Bildung  des  IMundes 
und  der  inneren  Theile  wurde  nicht  beobachtet. 

Die  ziemlich  biegsamen  Füsse  bilden  mit  ihren  sparsamen  langen  Borsten 
eben  kein  rasch  förderndes  Bewegungswerkzeug.  Ein  Mann,  der  senkrecht  im 
Wasser  schwebend,  mit  weit  ausgebreiteten  Armen,  schwanke  Weidengerten  in 
der  Hand,  sich  emporarbeiten  wollte,  würde  etwa  ein  Bild  der  eigenthümlichen 
Bewegungsweise  geben,  an  der  man  auf  den  ersten  Blick  unter  Hunderten  anderer 
kleiner  Kruster  diese  Nauplius  und  die  daraus  hervorgehende  Zoea  erkennen  kann  ^). 

Bei  einer  wenig  grösseren  (0,5  mm  langen)  Larve  (Fig.  2),  die  in  allgemeiner 
Körpergestalt,  Bildung  der  Füsse  und  Färbung  mit  der  vorigen  übereinstimmt 
(am  13.  Januar  gefangen),  hat  sich  das  Hinterende  in  zwei  dicke  kegelförmige 
Zapfen  ausgezogen,  an  deren  Spitze  jetzt  die  beiden  langen  Schwanzborsten  stehen, 
begleitet  nach  innen  von  je  zwei,  nach  aussen  von  je  drei  kürzeren,  zum  Theil 
noch  dornartigen  Borsten.  Auch  die  Zahl  der  Borsten  an  den  mittleren  Füssen 
hat  sich  vermehrt.  Als  erste  Andeutung  des  Rückenschildes  zieht  sich  ziemlich 
in  der  Mitte  des  Körpers  eine  Hautfalte  quer  über  den  Rücken.  Die  hinteren 
Füsse  sind  mehr  nach  vorn  und  näher  an  die  Mittellinie,  an  den  zwischen  ihnen 
liegfenden  Mund  oerückt,  vor  welchem,  zwischen  den  mittleren  Füssen  eine  grosse 
helmförmige  Oberlippe  („Mundkappe")  gelegen  ist.  Der  kurze  Stamm  dieser 
Füsse  hat  sich  fast  kuglig  verdickt;  offenbar  bildet  sich  in  seinem  Inneren  irgend 
ein  neuer  Theil,  dessen  Umrisse  aber  noch  nicht  deutlich  hervortreten.  Hinter 
dem  Munde,  das  mittlere  Drittel  der  Körperlänge  füllend,  sind  aus  der  Bauch- 
fläche vier  Paar  langer  plumper  Zapfen  hervorgesprosst,  die  sich  hinterwärts  dem 
Körper  anlegen.  In  der  Gestalt  der  ersten  beiden  Paare  lassen  sich  schon  die 
späteren  Unterkiefer  erkennen. 

Eng  an  diese  Larve  schliessen  sich  vier  andere  an,  die  —  wahrscheinlich 
demselben  Schwärme  entstammend  —  gleichzeitig  (24.  Januar)  gefangen  wurden. 
In  der  Anschwellung  am  Grunde  der  hinteren  Füsse  (Fig.  3)  sind  deutlich  die 
Umrisse  des  späteren  Oberkiefers  zu  erkennen ;  aus  dem  hinteren  Aste  hat  sich 
der  lebende  Inhalt  mehr  oder  weniger  vollständig  zurückgezogen;  der  vordere 
Ast  ist  noch  ziemlich  gefüllt,  aber  schon  zu  sehen,  dass  auch  ihm  nach  der  Häutung 
Borsten  fehlen  werden.  Von  diesen  Füssen  wird  also,  ausser  dem  zum  Oberkiefer 
umgewandelten  Stamme,  nur  ein  kurzes  borstenloses  Stummelchen  übrig  bleiben. 
—  (Ein  solches,    durch  seine  dunkle  bräunliche  Färbung  sehr  augenfällig,    wurde 


i)  An  dieser  Bewegungsweise  hatte  ich  mit  biossein  Auge  das  eben  beschriebene  Thierchen  als 
Peneuslärve  erkannt;  das  Mikroskop  Hess  diese  Deutung,  wenn  nicht  als  irrig,  so  doch  als  höchst  un- 
wahrscheinlich erscheinen.  Einen  Monat  später  fanden  sich  Mittelformen,  die  dem  unbewaffneten  Auge 
gegen  das  Mikroskop  Recht  gaben ;  letzteres  allein  hätte  mich  wahrscheinlich  nie  die  wahre  Natur  meines 
Nauplius  ahnen  lassen. 


Die  Verwandlung  der  Garneelen.  1 5q 

in  der  That  einmal,  am  3.  Januar,  bei  einer  sehr  jungen  Zoea  beobachtet;  sehr 
bald  aber  schwindet  auch  dieses  vollständig.)  —  Zwischen  dem  Ursprünge  der 
beiden  vorderen  Füsse  sind  jetzt  schon  zwei  ansehnliche  in  der  Mittellinie  zu- 
sammenstossende  Ganglien  zu  unterscheiden.  Im  vorderen  Winkel  zwischen  diesen 
beiden  Ganglien  liegt  das  Auge,  umgeben  von  mehreren  kleinen  orangefarbenen 
Kügelchen  (Oeltröpfchen  ?).  Ueber  dem  Auge,  es  von  oben  verdeckend,  hat  sich 
ein  trübes,  feinkörniges  Gewebe  gebildet,  dem  jederseits  ein  kleines,  durchsichtiges, 
halbkuglig  über  den  Stirnrand  vorspringendes  Knöpfchen  aufsitzt.  Darm,  Leber 
und  Herz   sind   schon  in  ähnlicher  Form  vorhanden,    wie  bei  den  jüngeren  Zoea. 

Wahrscheinlich  schon  mit  der  nächsten  Häutung,  darauf  deuten  die  bereits 
angelegten  Borsten  derselben  hin,  treten  die  Fussstummel  in  Thätigkeit  und  aus 
dem  Nauplius  wird  eine  Zoea,  auf  deren  Anhänge  sich  schon  ungezwungener  die 
für  die  erwachsenen  Thiere  üblichen  Namen  anwenden  lassen.  Ich  bezeichne 
also  weiterhin  die  beiden  ersten  Fusspaare  des  Nauplius  als  Fühler,  das  dritte  als 
Oberkiefer,  von  den  vier  neuen  Fusspaaren  die  beiden  vorderen  als  Unterkiefer, 
die  hinteren  als  Kieferfüsse. 

Als  Zoea  (Fig.  4 — 8)  wurde  unsere  Larve  von  0,8  bis  1,6  mm  Länge  be- 
obachtet. Während  dieses  Lebensabschnittes  entwickeln  sich  die  paarigen  Augen ; 
es  bilden  sich  10  oder  11  neue  Ringe,  an  dem  ersten  derselben  ein  Fusspaar  und 
an  den  fünf  folgenden  die  Anlagen  von  solchen,  so  wie  endlich  die  seitlichen 
Schwanzanhänge.  Diese  neuen  Theile  sind  natürlich  in  sehr  wechselnder  Gestalt 
zu  finden ;  im  Uebrigen  erleiden  die  Thiere  keine  erheblichen  Veränderungen,  — 
selbst  nicht  in  der  Grösse;  denn  die  Zunahme  der  Länge  rührt  fast  ausschliesslich 
von  der  wachsenden  Ausdehnung  der  1 1   neuen  Ringe  her. 

Das  Rückenschild,  0,4  bis  0,5  mm  lang,  ist  anfangs  fast  kreisrund  und 
flach  ausgebreitet.  Bald  biegt  es  sich  herab  und  deckt  von  den  Seiten  die  Mund- 
theile  und  die  Grundglieder  der  Füsse.  Flinten  erhält  es,  so  weit  es  dem  Körper 
aufliegt,  eine  seichte  Ausbuchtung.  Während  es  bei  seinem  ersten  Auftreten  (s.  o.) 
hinter  dem  jetzigen  Oberkiefer  von  dem  Körper  sich  abhebt,  geschieht  dies  hinter 
dem  zweiten  Paare  der  Kieferfüsse  und  frei  vorspringend  deckt  es  noch  2 — 3  der 
neu  sich  bildenden  Ringe.  Vorn  ist  es  zuerst  von  den  aneinanderstossenden  Augen 
bedeckt  (Fig.  4) ;  wenn  diese  später  auseinanderweichen,  überdeckt  es  den  Zwischen- 
raum und  den  Grund  der  Augenstiele  mit  einem  dreieckigen  Fortsatze,  der  in 
einen  bis  0,12  mm  langen  Stachel  ausläuft  (Fig.  7).  Andere  stachelförmige  Fort- 
sätze fehlen  ihm. 

Unter  diesem  vordersten  Theile  des  Rückenschildes  und  den  paarigen  Augen 
liegt  das  un paare  Auge:  die  ganze  Breite  (0,1  mm)  zwischen  dem  Ursprünge 
der  vorderen  Fühler  füllen  zwei  ansehnliche  Ganglien,  die  in  der  Mittellinie  zu- 
sammenstossen ;  ihre  vorderen  Flächen  sind  stark  gewölbt  und  über  beid(^  spannt 
sich  in  einem  ziemlich  halbkreisförmig  gewölbten  Bogen  die  Leibeshaut.  Aus  der 
Tiefe  des  so  zwischen  den  Ganglien  und  der  Haut  frei  bleibenden  Räume >s  erhebt 
sich  ein  keulenförmiges  Stäbchen  („Krystallkegel"),  das  fast  die  Haut  erreicht  und 
in  seinem  unteren  Theile  von  schwarzen  Farbkörnchen  umlagert  ist.  Die  Haut 
schien  mir  bei  dieser  Art  ohne  linsenförmige  Verdickungen  zu  sein. 

Die  Fühler  bilden  noch  das  hauptsächlichste  Bewegungswerkzeug,  während 
sie   bei  allen  anderen  Zoea    (der  Maulfüsser,  Krabben,  Porcellanen,  Paguren    und 


J..Q  Die  Verwandlung  der  Garneelen. 

der  in  Zoeaform  das  Ei  verlassenden  Garneelen)  nichts  mit  der  Ortsbewegung  zu 
thun  haben. 

Die  vorderen  (inneren)  Fühler  (0,4  mm  lang)  erscheinen  jetzt  in  vier 
Glieder  geschieden,  von  denen  das  erste  fast  die  Hälfte  der  Länge  einnimmt ;  die 
längste  der  drei  starken  Endborsten  hat  fast  die  doppelte  Länge  des  Fühlers. 
Dicht  an  den  Endborsten,  nach  aussen  von  ihnen,  stehen  ein  oder  zwei  zarte 
o,og  mm  lange  Stäbchen,  und  ein  oder  zwei  andere  etwas  unter  der  Spitze  an  der 
Aussenseite  des  Endgliedes.  Die  hinteren  (^äusseren)  Fühler  sind  jetzt  dicht 
an  die  Seite  der  inneren  gerückt  und  erreichen  nur  etwa  Vs  von  deren  Länge; 
ihr  dicker  Stamm  lässt  2,  der  innere  (vordere)  Ast  3,  der  äussere  (hintere)  bis 
10  Glieder  unterscheiden.  Wie  früher  ist  der  innere  Ast  wenig  kürzer  aber  viel 
schmächtiger  als  der  äussere.  Die  Zahl  der  gefiederten  Borsten  des  äusseren 
Astes  steigt  bis  auf  10,  von  denen  4  an  der  Spitze,  die  anderen  am  Ende  der 
sechs  vorhergehenden  Glieder  stehen. 

Die  grosse  Oberlippe  (L)  hat  etwa  die  Gestalt  eines  preussischen  Soldaten- 
helmes, den  man  sich  nur  breiter  und  dessen  Schirm  man  sich  bedeutend  ver- 
grössert  und  in  der  Mitte  ausgerandet  denken  müsste.  Der  Helm,  dessen  Spitze 
\orwärts  gerichtet  ist,  i:<"  unbeweglich  und  von  ihm  gehen  Muskeln  in  den  be- 
weglichen Schirm,  der  sich  deckend  über  den  Mund  und  einen  Theil  der  Ober- 
kiefer legt. 

Von  den  kräftigen  Oberkiefern  (///)  fällt  bei  Betrachtung  des  unver- 
letzten Thieres  von  unten  nur  ein  langer  2 — 3-spitziger  Zahn  in  die  Augen,  der 
weit  über  die  tiefer  gelegene  mit  niedrigen  Leisten  und  Höckern  besetzte  Kau- 
fläche vorspringt.  Am  Grunde  des  Zahnes,  nach  der  Kaufläche  zu,  stehen  mehrere 
derbe,  mit  kurzen  Dörnchen  besetzte  Borsten  (Fig.  8).  —  Die  Oberkiefer  sind 
tasterlos.  Es  scheint  dies  eine  Eigenthümlichkeit  zu  sein,  in  der  alle  Zoea 
mit  den  Insekten  übereinstimmen  und  die  hier  doppelt  auffallend  ist,  da  nicht  nur 
das  erwachsene  Thier  Kiefertaster  besitzt,  sondern  auch  die  jüngeren  Larven  an 
dieser  Stelle  zweiästige  Füsse  besitzen,  aus  denen  die  Kiefer  hervorgehen. 

An  den  Unterkiefern  {IV,  V)  unterscheidet  man  den  Stamm  mit  Vor- 
sprüngen an  seiner  Innenseite,  die  fast  das  Ansehen  von  Gliedern  haben  und  mit 
starken,  zum  Theil  dornartigen,  zum  Theil  gezähnelten  oder  gefiederten  Borsten 
besetzt  sind,  —  einen  mehrgliedrigen  Endtheil  (inneren  Ast?),  der  an  Innenseite 
und  Spitze  längere  und  zartere  Borsten  trägt,  —  und  einen  kleinen  länglichen 
blattförmigen  Anhang  (äusseren  Ast,  fouet  M.  Edw.  Fig.  5,  a,  a)  an  dessen  Rande 
einige  wenige  zarte  Borsten  stehen.  An  den  Unterkiefern  des  ersten  Paares  {IV) 
hat  der  Stamm  2  längere,  an  denen  des  zweiten  ( V)  4  kürzere  Vorsprünge,  an 
jenen  der  Endtheil  3,  an  diesen  5  Glieder. 

Die  Kieferfüsse  {VI,  VII)  scheinen  wenig  bei  der  Ortsbewegung  mitzu- 
wirken. Sie  bestehen  aus  einem,  namentlich  am  ersten  Paare  dicken  Stamme, 
einem  längeren  4—  5-gliedrigen  inneren  und  einem  kürzeren  ungegliederten  äusseren 
Aste.  Ausser  den  Endborsten  finden  sich  Borsten  von  verschiedener  Längte  auch 
am  Innenrande  des  Stammes  und  des  inneren  Astes,  so  wie  am  Aussenrande 
des  äusseren.     Das  erste  Paar  ist  länger  und  kräftiger  als  das  zweite. 

Die  beiden  Aeste  des  Schwanzes  treten  jetzt,  durch  eine  halbkreisförmige 
Ausbucht    getrennt,    unter    ungefähr  rechtem  Winkel  auseinander,    erscheinen  am 


Die  Verwandlung  der  Garneelen.  j  -7  j 

Ende  abgerundet  und  erhalten  am  inneren  Rande  zweimal  eine  neue  Borste,  so 
dass  deren  Zahl  erst  auf  7,  dann  auf  8  an  jedem  Aste  steigt.  Die  älteste  Borste 
bleibt  durch  grössere  Länge  (0,4  mm)  kenntlich,  die  äusserste,  der  ebenfalls  schon 
beim  jüngsten  Nauplius  vorhandene  Dorn,  bleibt  dadurch  von  den  übrigen  unter- 
schieden, dass  sie  glatt  ist,  während  die  anderen  mit  kurzen  Dörnchen  und  längeren 
Haaren  fiedrig  besetzt  sind. 

Das  Verdauungsrohr  hat  nichts  Besonderes;  der  After,  anfangs  endständig 
(Fig.  4)  rückt  später  auf  die  Bauchseite  bis  fast  zur  Mitte  des  letzten  Ringes 
(Fig.  7).  Die  Leber,  von  gelblicher  P'arbe,  besteht  aus  drei  Paar  weiten  Schläuchen, 
(einem  vorderen  oberen,  einem  seitlichen,  einem  hinteren  unteren),  und  hat  in  ihrem 
Baue  ebenfalls  Nichts  von  anderen  Zoea  Abweichendes. 

Die  Lage  des  Herzens  {h)  ist  die  gew()hnhche,  am  Ende  des  mit  dem 
Rückenschilde  verwachsenen  Leibesabschnitts;  mit  fortschreitender  Ausdehnung 
des  Schildes  rückt  auch  das  Herz  allmählich  weiter  nach  hinten.  So  liegt  es  bei 
den  älteren  Nauplius  über  dem  dritten  Fusspaare  (Oberkiefer),  jetzt  über  dem 
sechsten  und  siebenten  (Kieferfüssen).  Der  Bau  des  Herzens  dagegen  weicht  auf- 
fallend ab  von  dem  der  älteren  Thiere  ebenso,  wie  von  den  anderen  Decapodcn- 
larven.  Es  gleicht  dem  vordersten  erweiterten  Abschnitte  des  Herzens  der  kürz- 
lich von  mir  beschriebenen  jüngeren  Maulfüsserlarve.  Es  fehlen  nämlich  die  sich 
kreuzenden  Balken  im  Innern  und  die  Zahl  der  Spalten  für  den  Eintritt  des  Blutes 
ist  auf  zwei  beschränkt,  die  im  hinteren  Theile  des  Herzens  auf  dessen  Unterseite 
liegen.  Diese  zwei  Spalten  sind  ungemein  augenfälhg  und  ich  glaube  die  An- 
gabe, dass  sie  die  einzigen  sind,  mit  aller  Bestimmtheit  machen  zu  können.  Oft 
und  lange  habe  ich  bei  dieser  und  verwandten  Arten  den  Lauf  der  Blutkügelchen 
durchs  Herz  und  in  dessen  Nähe  verfolgt,  und  nie  sie  anders  als  hier  eintreten 
sehen ;  von  vorn  herkommende  Blutkörperchen  sah  ich  einigemal  dicht  am  Herzen 
entlang  gleiten,  um  zu  diesen  hinteren  Spalten  zu  gelangen.  Auch  dürften  die 
später  trotz  des  inneren  Balkenwerks  leicht  zu  erkennenden  übrigen  Spalten  jetzt 
an  dem  einfachen  Schlauche  kaum  zu  übersehen  sein.  —  Ein  Gefäss  entspringt 
am  Vorderende,  ein  zweites  unter  dem  abgerundeten  Hinterende  des  Herzens. 
Am  Ursprünge  des  ersteren  wurden  Klappen  gesehen.  Andere  Gefässe  scheinen 
noch  zu  fehlen.  Ein  grosser  Theil  des  aus  dem  vorderen  Theile  des  Körpers 
zurückkehrenden  Blutes  macht,  wie  bei  anderen  Zoöa,  einen  LTmweg  durch  das 
Rückenschild. 

Dies  die  Theile,  die  während  dieses  ganzen  Zeitraums  sich  ziemlich  un\er- 
ändert  erhalten. 

Von  den  neu  auftretenden  Theilen  sind  der  Zeitfolge  nach  zuerst  die 
paarigen  Augen  zu  betrachten;  denn  schon  bei  den  ältesten  Nauplius  war 
ihre  erste  Spur  zu  erkennen  (s.  o.).  Sie  bilden  bald  eine  ansehnliche,  über  dem 
vorderen  Theile  des  Rückenschildes  liegende,  den  Stirnrand  überragende,  vorn 
ausgerandete  Masse  (Fig.  4).  Nahe  ihrer  äusseren,  hinteren  Ecke  tritt  ein  schwarzer 
Farbfleck  auf,  von  dem  aus  sich  bald  strahlige  Linien  zur  Oberfläche  des  .späteren 
eigentlichen  Auges  verfolgen  lassen  (Fig.  6);  nach  vorn  und  innen  davon  imter- 
scheidet  man  den  verdickten  Sehnerven,  hinter  dem  ein  freier,  später  von  einem 
Muskel  durchsetzter  Riium  bleibt.  Die  anfangs  dicht  zusammenstossenden  Augen 
rücken  nun  rasch  auseinander,  so  dass  das  unpaare  Auge  und  in  ganzer  Breite 
die  Ganglien,  zwischen  denen  es  liegt,  wieder  von  oben  sichtbar  werden. 


j-.  Die  Verwandlung  der  Garneelen. 

Eigenthümliche  Gebilde,  die  ich  nicht  zu  deuten  weiss  und  die  den  anderen 
beobachteten  Arten  zu  fehlen  scheinen,  sind  die  beiden  halbkugligen  durchsichtigen 
Knöpfchen,  die  schon  bei  den  ältesten  Nauplius  am  Stirnrande  vorspringen.  Sie 
verhalten  sich  anfangs  als  zarte  fast  kugliche  wasserhelle  Bläschen  (Fig.  4,  o), 
später  als  winzige  mehr  derbhäutige  und  undurchsichtige  zitzenförmige  Anhänge 
am  Vorderrande   der  Augenstiele    während    des   ganzen   Larvenlebens  (Fig.  g,  o). 

Die  neuen  Ringe,  an  denen  später  die  Brust-  und  Afterf üsse  sich  ent- 
wickeln, bilden  anfangs  einen  ungegliederten,  weichen,  kurzen,  aber  rasch  sich 
verlängernden  Gürtel.  Noch  ehe  dieser  Gürtel  die  Länge  des  hinter  ihm  liegenden 
Leibesabschnittes  erreicht,  lässt  sich  eine  anfangs  freilich  wenig  deutliche  Sonderung 
in  1 1  Ringe  wahrnehmen.  Anfangs  sind  diese  ziemlich  gleich  lang,  ja  die  vorderen 
länger  und  deutlicher  geschieden;  gegen  Ende  dieses  Zeitraumes  aber  bilden  die 
fünf  hinteren  etwa  7;.  der  gesammten  Körperlänge,  von  denen  die  sechs  vorderen 
kaum  V9  ausmachen,  w^ihrend  der  Rest  der  Länge  halb  vor  und  halb  hinter  diesen 
neuen  Ringen  liegt  ^).  Die  fünf  hinteren  neuen  Ringe  (Hinterleibsringe)  erhalten 
am  hinteren  Rande  in  der  Mitte  des  Rückens  ein  kurzes  Dörnchen  und  der  letzte 
derselben  ausserdem  eins  an  jeder  Seite.  Von  inneren  Theilen  ist  in  diesen  neuen 
Ringen  anfangs  nur  der  Darm  deutlich  unterscheidbar,  später  bildet  sich  die  Kette 
der  Nervenknoten  aus  und  erst  gegen  Ende  dieses  Zeitraums  sondern  sich  die 
Muskeln  in  scharf  geschiedene  Bündel. 

Die  neuen  Anhänge  sprossen  an  der  Bauchseite  der  entsprechenden  Ringe 
als  anfangs  einfache  Zapfen  hervor,  die  aber  bald  einen  längeren  äusseren  und 
kürzeren  inneren  Ast  unterscheiden  lassen.  Zuerst  und  schon,  wenn  eben  eine 
Sonderung  der  neuen  Ringe  sich  bemerklich  zu  machen  anfängt,  das  dritte  Paar 
der  Kieferfüsse  und  die  Seitenblätter  des  Schwanzfächers,  weit  später  auf  einmal 
die  fünf  Paare  der  Brustfüsse.  Die  Aeste  der  Kieferfüsse  erhalten  vor  Ablauf 
dieses  Zeitraums  ausgebildete  Endborsten ,  bleiben  aber  noch  ungegliedert,  die 
Brustfüsse  bleiben  borstenlose  Stummel.  Die  seitlichen  Schwanzblätter,  die  un- 
mittelbar (ohne  Gelenk)  dem  Grundgliede  aufsitzen,  erhalten  einzelne  kurze  Borstchen, 
besonders  die  Spitze  des  längeren  äusseren  Blattes;  die  langen  Fiederborsten  der 
späteren  Zeit  fehlen  noch.  Durch  das  Hervorsprossen  der  Schwanzanhänge  an  der 
Bauchseite  unterscheiden  sich  unsere  Thiere  nicht  nur  von  den  Porcellanen,  sondern 
auch  von  denjenigen  Garneelen,  die  in  Zoeaform  das  Ei  verlassen  und  bei  denen, 
wie  bei  Porcellana,  diese  seitlichen  Schwanzblätter  innerhalb  der  breiten  Schwanz- 
flosse angelegt  werden. 

Den  allmählichen  Aenderungen,  die  das  Ansehen  des  Thieres  durch  die  Aus- 
bildung der  paarigen  Augen,  der  neuen  Leibesringe  und  ihrer  Anhänge  erleidet, 
folgt,  wenn  es  eine  Länge  von  etwa  1,6  mm  erreicht  hat,  eine  neue  tiefgreifende, 
plötzliche  Verwandlung,  der  Uebergang  in  die  Mysisform  (Fig.  9).    Die  Fühler 


I)  Ob  der  erste  dieser  1 1  Ringe,  wie  ich  glaube,  schon  bei  Beginn  dieses  Zeitraums  vorhanden  ist, 
ob  also  alle  14,  oder  nur  10  Ringe  als  wirklich  neu  zu  bezeichnen  sind,  lasse  ich  unentschieden.  In  letz- 
terem Falle  hätte  man:  im  ersten  Zeitraum  (Nauplius)  fünf  ursprüngliche  Ringe  (Fühler,  Oberkiefer, 
Schwanz)  und  die  Bildung  von  fünf  neuen  (für  Unterkiefer  und  Kieferfüsse) ;  im  zweiten  Zeitraum  (Zoca) 
Bildung  von  2X5  neuen  Ringen,  von  denen  die  einen  (Brustringe)  jetzt,  die  andern  (Hinterleibsringe)  im 
dritten  Zeitraum  (Mysisform)  Fussstummel  erhalten.  Dies  einfache  Verhältniss  jedoch,  weit  entfernt, 
ein  allgemeingültiges  zu  sein,  würde  nicht  einmal   für  alle  Arten  der  Gattung  Peneus  passen. 


Die   Verwandlung  der  Ganieclen.  j  -;  -j 

hören  auf  der  Bewegung  zu  dienen ;  sie  werden  abgelöst  durch  den  langen  Hinter- 
leib, der  eben  noch  wie  eine  nutzlose  Last  mühsam  nachgeschleppt  wurde  und 
dessen  kräftige  Muskeln  jetzt  das  Thier  in  hüpfender  Bewegung  weiter  schnellen, 
—  und  durch  die  langbeborsteten  Brustfüsse. 

Das  R  ü  c  k  e  n  s  c  h  i  1  d ,  mit  no(^h  ungezähneltem  Stirnfortsatze,  hat  am  Vorder- 
rande jederseits  zwei  kurze  Zähne  erhalten,  einen  über  dem  Auge,  den  anderen 
an  der  unteren  Ecke.  Es  deckt  nach  Kurzem  die  Brustringe  vollständig,  von 
denen  anfangs  einige  wenigstens  oberhalb  noch  unbedeckt  bleiben. 

Die  vorderen  Fühler  (Fig.  12,  /)  haben  ihre  langen  Borsten  verloren. 
Die  drei  ersten  Glieder  erscheinen  jetzt  als  Stiel,  indem  nach  innen  von  dem 
vierten,  stäbchentragenden  Gliede  ein  zweiter  anfangs  ung'egliederter,  in  eine 
einfache  Borste  auslaufender  Ast  sich  entwickelt. 

Der  äussere  Ast  der  hinteren  Fühler  (Fig.  12,  IIa)  ist  zur  Schuppe 
des  Garneelenfühlers  geworden,  zu  einem  ungegliederten  Blatte,  dessen  Aussenrand 
in  einen  kurzen  Zahn  ausläuft,  während  die  weiter  vorspringende  Spitze  und  der 
Innenrand  mit  langen  Fiederborsten  besetzt  sind.  Neben  diesem  Blatte,  nach 
innen  und  unten,  steht  ein  kurzer,  borstenloser,  ungegliederter  Zapfen,  aus  dem 
später  die  Geissei  des  Fühlers  hervorgeht.  Ob  dieser  Zapfen  aus  dem  inneren 
Aste  des  Zoeafühlers  sich  entwickelt,  oder  neu  sich  bildet,  während  jener  innere 
Ast  vollständig  schwindet,  lasse  ich  unentschieden;  wahrscheinlich  ist  mir  letzteres; 
ich  glaube,  dass  man  die  Geissei  des  Garneelenfühlers  als  mittleren  Ast  (palpe 
M.  Edw.)  zu  betrachten  hat. 

Die  schon  bei  Zoea  vorhandenen  Füsse  haben  keine  auffallende  Veränderung 
erlitten.  Das  dritte  Paar  der  Kieferfüsse  gleicht  jetzt  den  beiden  vorhergehenden. 
Die  fünf  neuen  Fusspaare  (Fig'.  11)  haben  anfangs  alle  dieselbe  Bildung;  der 
ungegliederte  Stamm  trägt  einen  kurzen,  ebenfalls  ungegliederten  inneren  Ast  mit 
zwei  Endborsten  und  einen  doppelt  so  langen,  in  seiner  oberen  Hälfte  geringelten 
und  mit  langen  Borsten  besetzten  äusseren  Ast,  der  in  fast  beständiger  strudelnder 
Bewegung  ist. 

Am  Schwänze  (Fig.  10)  sind  die  Seitenblätter  jetzt  auf  kurzem  Grundgliede 
beweglich  eingelenkt  und  mit  langen  Fiederborsten  besetzt;  das  Mittelstück  (der 
siebente  Hinterleibsring)  erscheint  länger  und  schmäler,  als  wenn  man  die  beiden 
auseinanderweichenden  Aeste  bis  zu  fast  völliger  Verschmelzung  zusammenge- 
schoben hätte;  die  Borsten  der  Zoea  sind  vollzählig  erhalten,  aber  zu  kurzen 
Dornen  zusammengeschrumpft.    Der  After  liegt  am  Anfange  dieses  letzten  Ringes. 

Um  dieselbe  Zeit  findet  eine  bedeutende  Veränderung  des  Herzens  statt, 
das  vier  neue  Spalten  für  den  Eintritt  des  Blutes  und  innere  Muskelbalken  erhält. 

In  dieser  Mysis-ähnlichen  Gestalt  wurde  unsere  Larve  von  kaum  2  bis  4,5  mm 
Länge  beobachtet.  Während  dieses  Zeitraumes  bilden  sich  die  Gehörwerkzeuge, 
die  Scheeren  und  Gangfüsse  aus,  Oberkiefertaster,  Afterfüsse  und  Kiemen  werden 
angelegt. 

Die  Geissein  der  Fühler  verlängern  und  gliedern  sich;  bei  Thieren  von 
4  bis  4,5  mm  Länge  sind  die  beiden  Geissein  der  inneren  Fühler  dreighedrig: 
die  äussere,  etwas  kürzere,  trägt  etwa  sieben  Stäbchen ;  die  Geisscl  der  äusseren 
Fühler  erreicht  fast  die   Länge  der  Schuppe. 


l'jA  Die  Verwandlung  der  Garneelen. 

Im  Grundgliede  des  inneren  Fühlers  bildet  sich  das  Gehör  Werkzeug. 
Das  untere  Drittel  dieses  Gliedes  erhält  nach  aussen  eine  Auftreibungf,  die  oben 
durch  einen  halbmondförmigen  Ausschnitt  begrenzt  wird  (Fig.  12).  Im  Inneren 
dieser  Auftreibung  unterscheidet  man  bald  (bei  Thieren  von  3  mm  Länge)  eine 
längliche  Höhle.  In  der  Höhle  erscheint  wenig  später  ein  kugliger,  stark  licht- 
brechender Gehörstein  und  in  der  halbmondförmigen  Ausbucht  drei  bis  \ier  kurze 
gefiederte  unten  kuglig  verdickte  Borstchen  (Fig.  15).  Der  Gehörstein  scheint 
nicht  frei  in  der  Höhle  zu  liegen,  sondern  (wie  es  im  Schwänze  der  Mysis  der 
Fall  ist)  durch  zarte  Fädchen  gehalten  zu  werden,  die  von  einem  nach  innen  von 
der  Höhle  gelegenen  Nervenknoten  ausgehen. 

Der  vorwärts  gerichtete  Dorn  der  Oberlippe  beginnt  zu  schwinden,  ist 
aber  noch  bei  4,5  mm  langen  Thieren  als  kleines  Spitzchen  zu  erkennen.  Am 
Oberkiefer  erscheint  etwa  zur  Zeit,  wo  die  Gehörsteine  sich  bilden,  der  Taster 
als  kleine  Warze,  die   iich  bald  verlängert,  aber  ungegliedert  und  borstenlos  bleibt. 

Die  Scheeren  zeigen  sich  schon  bei  2,8  mm  langen  Thieren  angedeutet, 
indem  der  noch  ungegliederte  innere  Ast  der  entsprechenden  drei  Fusspaare  innen 
unter  der  Spitze  einen  kleinen  Vorsprung  erhält.  Bei  Thieren  von  3,5  mm  Länge 
sind  diese  P'üsse  schon  wie  beim  erwachsenen  Thiere  gegliedert  und  jener  Yor- 
sprung  (der  unbewegliche  Scheerenfinger)  erreicht  -/s  der  Länge  des  Endgliedes 
(des  beweglichen  Fingers),  das  noch  seine  beiden  Endborsten  trägt  (Fig.  14).  Auch 
am  vierten  und  fünften  Paare  der  Brustfüsse  (Fig.  13)  ist  jetzt  der  innere  Ast  in 
fünf  Glieder  getheilt  und  übertrifft  schon  um  etwas  die  Länge  des  äusseren.  Bei 
4.5  mm  langen  Thieren  sind  die  Scherenfinger  gleich  lang;  am  vierten  und  fünften 
Fusspaare  sieht  man  einen  spitzen  Vorsprung,  die  Klaue,  neben  den  Endborsten, 
und  namentlich  am  vierten  übertrifft  die  Länge  des  eigentlichen  Fusses  schon  weit 
die  des  äusseren  Astes. 

Die  Afterfüsse  sind  schon  bei  2,8  mm  langen  Thieren  als  kleine  Warzen 
erkennbar:  anfangs  sind  sie  einfach  und  es  ist,  wie  bei  den  Brustfüssen,  der  äussere 
Ast,  der  sich  zuerst  entwickelt.  Bei  Thieren  von  4,5  mm  Länge  sind  sie  schon 
recht  ansehnlich  (Fig.  16),  aber  noch  ohne  Gliederung  und  Borsten,  und  der  innere 
Ast  erscheint  nur  als  unbedeutender  Anhang  des  äusseren. 

Die  Anfänge  der  Kiemen  sind  als  kleine  rundliche  Wucherungen  am 
Grunde  der  Kieferfüsse  und  Scheerenfüsse  schon  bei  Thieren  unter  4  mm  Länge 
zu  erkennen;  später  auch  am  vierten  Paare  der  Brustfüsse. 

Von  der  4,5  mm  langen  Mysis-artigen  Larve  ist  nur  ein  kleiner  Schritt  noch 
zur  Garneelenform.  Die  jüngsten  in  dieser  Gestalt  beobachteten  Thiere  waren 
etwa  5  mm  lang.  Ihr  Stirnhorn  hatte  oben  drei  Zähne.  Die  Fühler  hatten  keine 
Veränderung  erlitten.  An  den  Augen  war  der  kleine  Anhang  nicht  mehr  zu 
sehen.  Das  unpaare  Auge  war  sehr  undeutlich  geworden.  Die  Oberlippe  hatte 
ihren  Dorn  vollständig  verloren,  der  Taster  des  Oberkiefers  zwei  Glieder  und  kurze 
Borsten  erhalten.  Die  beiden  vorderen  Paare  der  Kieferfüsse  haben  sich  dem 
Munde  dicht  angelegt  und  sind  weit  kürzer  als  das  dritte.  Die  äusseren  Aeste 
der  Brustfüsse,  die  bei  manchen  PeniHis  (als  sog,  palpus  flagelliformis)  sich  lebens- 
länglich erhalten ,  sind  vollständig  verschwunden.  Die  Afterfüsse  haben  (am 
äusseren  Aste)  Glieder  und  Borsten  erhalten.  i3as  mittlere  Blatt  des  Schwanz- 
fächers ist  nach  hinten  verjüngt  und  trägt  am  gerade  abgeschnittenen  Hinterrande 


Die   Ver\\andliing  der  Garneelcn.  j-y- 

lo  Dornen,  von  denen  die  an  den  Ecken  die  längsten  sind;  drei  kürzere  Dornen 
stehen  an  jedem  Seitenrande.  Die  Kiemen  (eine  über  dem  vierten  Brustfusse,  je 
zwei  über  den  \  orhergehenden)  sind  noch  ganzrandige  längHche  Blätter  (fieder- 
spaltig  bei  g  mm  langen  Thieren).  Die  Leber  fängt  an  durch  Bildung  neuer 
Schläuche  und  Verästelung  der  älteren  eine  zusammengesetztere  Form  anzunehmen. 
Ueber  g— lo  mm  lang  wurde  das  Thier  noch  nicht  beobachtet. 


Eine  zweite  Larven  art  ist  als  ältere  Zoea  leicht  dadurch  von  der  eben 
besprochenen  zu  unterscheiden ,  dass  der  Vorderrand  des  Schildes  ausser  dem 
mittleren  noch  jederseits  einen  kürzeren  seitlichen  schief  nach  vorn  und  aussen 
gerichteten  stachelförmigen  Fortsatz  hat.  Dabei  ist  sie  auf  gleicher  Stufe  der  Ent- 
wickelung  grösser  und  wurde  als  Zoea  bis  2,3  mm  lang  gesehen.  Jüngere  Zoea, 
denen  noch  die  P'ortsätze  des  Schildes  fehlen ,  sind  denen  der  ersten  Art  so 
ähnlich,  dass  es  mich  Mühe  gekostet  hat,  sie  an  der  Bildung  der  Fühler  u.  s.  w. 
unterscheiden  zu  lernen.  Am  unpaaren  Auge  dieser  zweiten  Art  (Fig.  17)  bildet 
die  Haut  meist  zwei  linsenförmige  Verdickungen  zu  den  Seiten  d(^s  Stäbchens; 
einmal  sah  ich  eine  einzige  grössere  dem  Stäbchen  gegenüber.  Zwischen  den 
beiden  Nervensträngen  der  Bauchkette  lässt  sich  ein  unpaares  von  Knoten  zu 
Knoten  verlaufendes  Fädchen  unterscheiden  (das  den  anderen  Arten  schwerlich 
fehlt,  aber  noch  nicht  deutlich  bei  ihnen  gesehen  wurde).  Trotz  der  ungemeinen 
Aehnlichkeit  mit  der  ersten  Art  ist  der  Gang  der  Entwickelung  ein  etwas  ab- 
weichender, indem  das  dritte  Paar  der  Kieferfüsse  und  die  Schwanzanhänge  nicht 
vor-,  sondern  gleichzeitig  mit  den  Brustfüssen  auftreten. 

Eine  dritte  Art  (Pig.  18 — 22)  wurde  von  jüngeren  1,2  mm  langen  Zoea, 
bei  denen  die  neuen  Ringe  noch  von  gleicher  Länge  waren  und  eben  die  ersten 
Stummel  des  dritten  Paares  der  Kieferfüsse  und  der  Schwanzanhänge  sich  ge- 
bildet hatten,  bis  zu  3  mm  langen,  mit  drei  unvollkommenen  Scheerenpaaren  und 
Afterfüssen  versehenen  Mysis-ähnlichen  Formen  verfolgt.  Sie  ist  ausgezeichnet 
durch  sehr  reiche  Bewaffnung  des  Rückenschildes  und  der  Hinterleibsringe  mit 
stachelförmigen  Fortsätzen ;  auch  das  mittlere  Blatt  des  Schwanzfächers  ist  bei  der 
Mysisform  in  zwei  lange  Spitzen  ausgezogen  (Fig.  21).  Der  Gang  der  Entwicke- 
lung scheint  ganz  wie  bei  der  ersten  Art  zu  sein ;  die  Form  des  Grundgliedes  der 
inneren  Fühler  bei  den  ältesten  zur  Beobachtung  gekommenen  Larven  (Fig.  22) 
lässt  vermuthen,  dass  auch  hier  ein  dem  der  ersten  Art  ähnliches  Ohr  sich  l)ilden 
werde. 

Von  zwei  weiteren  Arten,  deren  Zoea  in  der  Bildung  der  Fühler,  der  dorn- 
tragenden Oberlippe,  des  vielgliedrigen  zweiten  Unterkiefers,  des  Schwanzes,  des 
Herzens  u.  s.  w.  sich  eng  an  die  drei  anderen  anschliessen,  wurde  die  eine  bis 
jetzt  nur  bis  zur  scheerenlosen  Mysisform  verfolgt,  die  andere  aber,  die  drei 
Scheerenpaare  erhält,  entfernt  sich  im  Gange  ihrer  Entwickelung  so  weit  von 
den  übrigen,  dass  i(^h  ihre  Verwandlungsgeschichte  einer  besonderen  Schilderung 
vorbehalte. 

Desterro,  im  März   1862. 


.-^  Die  Verwandlung  der  Garneelen. 

Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XXII. 

Die  ganzen  Thiere,  so  wie  Fig.  lo  und  19,  sind  45mal,  Fig.  3  und  17  sind  iSomal, 
Fio-  20  bis  22  sind  2  5mal,  alle  übrigen  Qomal  vergrössert.  Die  römischen  Zahlen  /  bis 
XIX  bezeichnen  die  den  19  Paaren  des  erwachsenen  Thieres  entsprechenden  Anhänge. 
g  Geissei  des  zweiten  Paares;  a  äusserer,  /  innerer  Ast  der  Anhänge;  L  Oberlippe; 
//  Herz;  /  leber;  /'  vorderer,  /"  mittlerer,  /'"  hinterer  Leberschlauch;  o  Anhang  am  Auge 
von  unbekannter  Bedeutung;  s  mittlerer  Stirnfortsatz;  /  orangefarbene  Oeltröpfchen. 

Fig.    I.   Jüngerer  Nauplius  eines  Peneus  aus  dem  Meere  von  Sta.  Catliarina  v.  o. 

Fig.    2.    Aelterer  Nauplius  desselben  v.  d.  S. 

Fig.  3.  Drittes  Fusspaar  eines  noch  etwas  älteren  Nauplius  mit  der  Anlage  der 
Oberkiefer,  A  v.  u.,  B.  v.  d.  S. 

Fig.    4.   Jüngere  Z  o  c  a  desselben,  v.  o. 

Fig.    5.    Mundtheile  derselben  Zoea,  v.  u. 

Fig.    6.    Augen  e'.ner  etwas  älteren  Zoea. 

Fig.    7.    A  eitere  Zoea  desselben,  v.  u. 

Fig.    8.    Oberkiefsr  einer  älteren   Zoea. 

Fig.    9.   Jüngere  Mysisform  desselben,   v.   d.   S. 

Fig.  10.    Schwanz  dci^elben  Thieres,  v.  u. 

Fig.  II.    Fuss  des   I3ten  Paares,  von  demselben  Thiere. 

Fig.  12.    Fühler  einer  3,3  mm  langen  Larve,  v.  u. 

Fig.  i^.    Fuss  des   I2tenl    -n  .  ,  t 

,,.°     ^     „         ,  ^     >  Paares  von  einer  ^,5  mm  langen  Larve. 

rig.  14.    Fuss  des   I3tenj  "  "^  '^ 

Fig.  15.  Theil  vom  Grundgliede  der  inneren  Fühler  mit  ausgebildetem  Gehörwerkzeuge, 
von  einer  etwa  4  mm  langen  Larve. 

Fig.  16.    Füsse  des   i8ten  Paares,  von  einer  4,5  mm  langen  Larve,  v.  d.  S. 

Fig.  17.    Unpaares  Auge  von  der  Zoea  einer  nahe  verwandten  Art,  v.  u. 

Fig.  18.  Zoea  einer  dritten  Art  kurz  vor  der  Verwandlung  in  die  Mysisform, 
v.   d.  Seite. 

Fig.  19.    Hinterer  Theil  des  Rückenschildes  derselben,  v.  o. 

Fig.  20.  Hinterer  Theil  des  Rückenschildes  von  einer  3  mm  langen  mysisförmigen 
Lar\e  derselben  Art,  v.  o. 

Fig.  21.    Schwanz  derselben  mysisförmigen  Larve,  v.  u. 

Fig.  22.    Stirnfortsatz  und  innerer  Fühler  derselben,  v.  o. 


Die  zweite  Entwickelungsstufe  der  Wurzelkrebse 

(Rhizocephalen)  ^) "). 

Mit  Tafel  XXIII. 

Drei  Tage  ungefähr,  nachdem  die  jungen  Wurzelkrebse  in  NaupHusform  die 
Bruthöhle  ihrer  Mutter  verlassen,  verwandeln  sie  sich,  wie  ich  kürzlich  an  drei 
verschiedenen  Arten  beobachtete,  in  eine  neue  von  der  ersten  sehr  abweichende 
Gestalt,  die  sich  auf's  Allerengste  anschliesst  an  die  zweite  Entwickelungsstufe  der 
Rankenfüsser  -^l.  Dieselbe  Form  des  zu  einer  muschelähnlichen  Schale  zusammen- 
geklappten Rückenschildes,  dieselbe  Bildung  der  in  ähnlicher  Weise  nirgends  sonst 
wiederkehrenden  Haftfüsse,  der  zwölf  langbeborsteten  Schwimmfüsse  und  der 
Schwanzanhänge,  und  natürlich  also  vollkommen  dieselbe  Art  der  Bewegung, 
Nur  die  paarigen  Augen  fehlen. 

Da  somit  die  Wurzelkrebse  sich  als  nächste  Verwandte  der 
Rankenfüsser  herausstellen,  so  scheint  es  passend,  auch  auf  die  früheste  Jugend- 
form   beider  Gruppen    noch   einmal   vergleichend   zurückzublicken.     Die  Birnform 

1)  Archiv  für  Naturgeschichte.   1863.  I.  p.  24—33.  Taf.  III,  Fig.   i — 7. 

2)  Der  Verfasser  bemerkt  bei  Uebersendung  des  hier  folgenden  Aufsatzes  an  den  Unterzeichneten, 
dass  er  auf  den  Abdruck  verzichte,  wenn  der  in  demselben  beschriebene  Cypris-ähnliche  Entwickelungszustand 
der  Rhizocephalen  bereits  bekannt  sei.  Nun  hat  allerdings  Lilljeborg  diesen  Entwickelungszustand  von 
Peltogaster  sulcatus  gesehen  (Ann.  and  Mag.  of  nat.  history  3.  ser.  Vol.  VII.  1861.  p.  57),  auch  ist  die 
von  Fritz  Müller  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  ausgesprochene  Ansicht,  dass  die  Rhizocephalen 
Rankenfüsser  seien,  nicht  neu,  vielmehr  von  Anderson  und  Lilljeborg  bereits  vorgebracht  und 
begründet.  Aber  Lilljeborg  sah  die  Cypris-ähnlichen  Jungen  von  Peltogaster  nur  als  leere  Schalen 
an  älteren  Entwickelungsstufen  desselben  Thiercs  ansitzen,  woraus  durchaus  noch  nicht  mit  Nothwendigkeit 
das  Hervorgehen  des  einen  aus  dem  andern  geschlossen  werden  kann,  wie  auch  Fr.  Müller  hervorhebt, 
der  eine  ähnliche  Beobachtung  wie  Lilljeborg  machte;  neu  dagegen  und  eine  wesentliche  Lücke  aus- 
füllend sind  die  Beobachtungen  von  Fritz  Müller  über  die  direkte  Umwandlung  der  aus  dem  Eie  ge- 
schlüpften Jungen  in  die  Cypris-Form.  Danach  und  wegen  der  mancherlei  anderweitigen  Beobachtungen  und 
gehaltvollen  Bemerkungen,  welche  in  dem  nachstehenden  Aufsatze  meines  geschätzten  Freundes  enthalten 
sind,  glaube  ich  bei  der  verehrlichen  Redaction  dieses  Archives  den  unveränderten  Abdruck  desselben  be- 
antragen zu  dürfen.  Max  Schnitze. 

3)  Leider  kann  ich  in  meiner  literarischen  Einöde  weder  Darwin's  ausführliche  Darstellung  dieser 
Larven,  noch  die  Arbeiten  seiner  Vorgänger  vergleichen.  Junge  Balaniden  hatte  ich  häufig  Gelegenheit  zu 
untersuchen  und  konnte  an  ihnen  die  von  Krohn  geschilderte  Verwandlung  des  NaupHus  in  die  sog. 
cyprisähnliche  Gestalt  verfolgen. 

Fritz   Müllers  gesammelte  Schriften.  '^ 


j  _  g  Die  zweite  Entwickelungsstufe  der  Wurzelkrebsc. 

des  ungegliederten  Leibes,  die  Zahl  der  langborstigen  Füsse,  von  denen  die  beiden 
vorderen  einfach,  die  vier  hinteren  zweiästig  sind,  und  das  selten  fehlende  unpaare 
Auge  haben  sie  gemein  mit  zahlreichen  anderen  jungen  Krebschen.  Sie  stimmen 
unter  sich  überein  und  unterscheiden  sich  von  anderen  Nauplius  durch  die  seit- 
lichen Hörner  des  breiten,  wenig  gewölbten  Stirnrandes  und  vielleicht  durch  die 
beiden  zarten  ungegliederten  Fäden  (Riechfäden),  die  auf  der  Bauchseite  neben 
dem  Auge  entspringen  ^).  Im  Gegensatze  zu  den  jungen  Rankenfüssern  mit  ihrem 
wohlentwickelten  Darmrohre,  mit  den  zahlreichen  scharf  geschiedenen  Muskel- 
bündeln der  Füsse  u.  s.  w.  haben  die  jungen  Wurzelkrebse  ein  weit  unreiferes 
Ansehen.  Verdauungswerkzeuge  scheinen  vollständig  zu  fehlen.  Eine  kleine,  wie 
es  scheint,  rings  geschlossene  Höhlung,  die  dicht  vor  dem  Schnabel  gelegen  ist, 
und  bei  einer  neuen  Art,  Peltogaster  (?)  socialis,  durch  die  lebhafte  dunkelgrüne 
Farbe  ihres  aus  lo  bis  12  Kügelchen  bestehenden  Inhalts  leicht  in  die  Augen 
fällt,  ist  vielleicht  a)s  erste  Anlage  der  später  der  Ernährung  dienenden  Theile  zu 
betrachten.  Die  reichlichen  Dotterreste,  um  die  ich  früher  eine  Hülle  unterscheiden 
und  als  Darm  deuten  zu  können  meinte,  liegen  frei  in  der  Leibeshöhle.  Der 
Schnabel  scheint  ohne  Mundöffnung  und  ebensowenig  ist  ein  After  zu  bemerken. 
Sicher  nehmen  die  Thierchen  keine  feste  Nahrung  zu  sich.  Ebenso  fehlen  die  von 
den  Rankenfüssern  wohl  als  Fresswerkzeuge  benutzten  Zacken,  Haken  und  Dornen 
am  Grunde  der  Füsse.  Endhch  ist  das  Hinterende  nicht  schwanzförmig  ausge- 
zogen und  entbehrt  des  eigenthümlichen  stachelförmigen  Fortsatzes. 

Zur  Schilderung  der  zweiten  Entwickelungsstufe  wähle  ich  Lernae- 
odiscus  Porcellanae,  da  ich  hier  namenthch  den  Bau  der  Schwimmfüsse  vollständiger 
zu  erkennen  vermochte.  Die  beiden  anderen  beobachteten  Arten  weichen  übrigens 
nur  unerheblich  von  dieser  ab. 

Während  der  ersten  beiden  Tage  pflegt  sich  der  Schwärm  der  jungen  Wurzel- 
krebse nahe  der  Oberfläche  des  Wassers,  an  der  Lichtseite  des  Glases  aufzuhalten. 
Im  Laufe  des  dritten  Tages  senkt  er  sich  zu  Boden  und  noch  vor  Ablauf  des- 
selben pflegt  ein  grosser  Theil  sich  gehäutet  und  verwandelt  zu  haben. 

Der  ziemlich  flache  Leib  des  Nauplius  klappt  sich  bei  dieser  Verwandlung 
so  nach  unten  zusammen,  dass  die  Seitenränder  des  Rücken  Schildes  nur  eine 
schmale  Spalte  zwischen  sich  lassen,  wodurch  das  Thier  (Fig.  i)  die  Gestalt  eines 
0,2  mm  langen,  0,08  mm  hohen  und  kaum  0,05  mm  dicken  Muschel chens  bekommt. 
Die  Mittellinie  des  Rückens  ist  ziemlich  gleichmässig  gewölbt  und  bildet  ungefähr 
einen  Viertelkreis.  Die  freien  Seitenränder  steigen  vom  vorderen  Ende  der  Rücken- 
linie bogig  nach  unten  und  hinten,  einen  Sechstelkreis  bildend,  dessen  Mittelpunkt 
in  die  Rückenlinie  fällt  und  dessen  Halbmesser  sich  zu  dem  der  letzteren  wie  3 
zu  5  verhält;    von    da  verlaufen    sie   ziemlich  geradhnig  (unbedeutend  nach  innen 

i)  Die  Stirnhörner  sind  nicht  blosse  Fortsetzungen  des  Rückenscliildcs,  von  dem  sie  bei  den  Wur/el- 
krebsen  bald  weit  überragt,  bald  nur  am  Gnmde  bedeckt  Averden;  an  der  Spitze  sind  sie  offen  und  hier 
pflegt  bei  massigem  Druck  der  Leibesinhalt  der  jungen  Wurzelkrebse  auszutreten;  wiederholt  schienen  sie  mir 
bei  Wurzelkrebsen  und  Balaniden  mit  wurst-  und  birnförmigen  Schläuchen  in  Verbindung  zu  stehen.  Die 
beiden  Fäden  an  der  Bauchfläche  dürften  allen  jungen  Wurzelkrebsen  zukommen,  sie  finden  sich  auch  bei 
Lernaeodiscus  Porcellanae,  wo  ich  sie  früher  vermisste;  es  fragt  sich  jedoch,  ob  sie  nicht  auch  bei  anderen 
Nauplius  nur  bisher  übersehen  sind.  Sie  gleichen  den  Anhängen  an  den  innereu  Fühlern  vieler  Krebs- 
thiere,  die  ich  mit  Leydig  für  Riechwerkzeuge  halte,  und  dürften  dieselbe  Verrichtung  haben.  Bei  Bala- 
niden sah  ich  sie  unmittelbar  vom  Gehirne  entspringen. 


Die  zweite  Entwickelungsstufe  der  Wurzelkrebse.  j'jq 

sich  Wölbend),  in  gleicher  Richtung  mit  der  Sehne  der  Rückenlinie,  die  sie  um 
etwa  Vs  ihrer  Länge  überragen ;  von  den  leicht  abgestumpften  Hinterecken  end- 
lich steigen  sie  in  fast  gerader  Linie  nach  oben  und  vorn,  um  im  hinteren  End- 
punkte der  Rückenlinie  wieder  zusammen  zu  stossen.  In  seiner  vorderen  Hälfte 
ist  der  untere  Rand  mit  etwa  lo  kurzen  schief  hinterwärts  gerichteten  Borsten 
besetzt;  ähnliche  Borsten  sind  bei  Sacculina  purpurea  über  die  ganze  Oberfläche 
der  Schale  zerstreut. 

So  bedeutend  diese  Wandlung  der  Gestalt  ist,  so  ist  sie  doch  gering  gegen 
die  Veränderungen,  die  die  Anhänge  des  Thieres  erleiden.  Vollständig  ver- 
schwinden die  Stirnhörner,  der  dreieckige  Schnabel  und  die  beiden  hinteren  Fuss- 
paare;  letztere  werden  bei  der  Häutung  unverändert,  mit  ihrem  Inhalte  ab- 
geworfen ^),  während  aus  Schnabel  und  Stirnhörnern  vor  der  Häutung  der  lebende 
Inhalt  sich  zurückzieht  und  wie  von  allen  anderen  Theilen  nur  die  Chitinhülle 
abgestreift  wird.  Das  erste  Fusspaar  verwandelt  sich  in  die  eigenthümlichen 
Haftfüsse.  Ziemlich  unverändert  erhalten  sich  nur  das  Auge  und  die  Riechfäden. 
Das  Auge  hat  in  der  Regel  an  Umfang  zugenommen,  in  verschiedenem  Grade 
bei  verschiedenen  Exemplaren  (in  dem  Fig.  i  gezeichneten  ist  es  von  besonderer 
Grösse) ;  seine  Lage  wechselt  etwas  bei  den  Bewegungen  des  Thieres ;  es  ist  etwa 
Y3  der  Länge  vom  Vorderende,  Yg  der  Höhe  vom  Rücken  entfernt.  Der  Ursprung 
der  Riechfäden  (Fig.  2,  r),  deren  Länge  etwas  zugenommen  hat.  liegt  jetzt  vor 
dem  Auge,  zwischen  den  Haftfüssen,  wie  bei  der  sog.  Cyprisform  der  Ranken- 
füsser.  Aeusserst  selten  nur  sah  ich  bei  unbehelligten  Thieren  ihre  Spitze  vorn 
oder  unten  aus  der  Schale  hervortreten. 

Die  Haftfüsse  gehen,  wie  erwähnt  und  wie  für  die  Rankenfüsser  schon 
Krohn  nachwies,  aus  dem  ersten  Fusspaare  hervor.  Das  von  Anfang 
an  starke  Grundglied  beginnt  sich  bald  gegen  sein  oberes  Ende  noch  mehr  zu 
verdicken  und  springt  dann  nach  innen  und  unten  bedeutend  über  das  Endglied 
vor.  In  diesem  angeschwollenen  Grundgliede  bildet  sich  aus  einem  feinkörnigen 
trüben  Gewebe  der  ganze  Haftfuss.  (Was  Krohn  bei  einer  der  Häutung  nahen 
Rankenfüsserlarve  dem  verdickten  Ende  der  vordersten  Füsse  ansitzen  sah,  dürfte 
wohl  eher  das  Endglied  des  Naupliusfusses,  als  das  des  späteren  Ilaftfusses  ge- 
wesen sein.) 

Die  Haftfüsse  (Fig.  2)  sind  dreigUedrig.  Das  kräftige  Grundglied  ist 
vorwärts  gerichtet,  von  Ve  <3er  Leibeslänge,  am  Grunde  reichlich  halb  so  hoch 
und  gegen  die  Spitze  stark  verjüngt;  sein  Unterrand  ist  etwas  länger  als  der 
obere.  Das  zweite  Glied  ist  walzenförmig  und  hat  etwa  Vs  der  Länge  des  Grund- 
gliedes; seine  Spitze  scheint  durch  weiche  Haut  geschlossen.  Näher  dem  Grunde 
als  der  Spitze  entspringt  von  seiner  unteren  Seite  das  sehief  abwärts  gerichtete 
Endglied,  das  wenig  kürzer,  aber  viel  dünner  und  kegelförmig  zugespitzt  ist. 
Dicht  am  Grunde  trägt  jedes  der  beiden  letzten  Glieder  unterhalb  einen  zart- 
häutigen, zungenförmigen  Anhang;  der  des  zweiten  Gliedes  hat  reichlich  2/3.  der 
des  dritten  etwa  die  Hälfte  der  Länge  des  Grundgliedes.  Man  sieht  in  diesen 
Anhängen  meist  einige  kleine  stark  lichtbrechende  Körnchen,  die  ich  mich  nicht 


I)  Rankenfüsser  sah  ich  noch  nicht  während  der  Häutung;  ob  nicht  bei  ihnen,  wie  bei  den  Garneelen, 
aus  dem  dritten  Fusspaare  sich  die  Oberkiefer  hervorbilden? 


jgQ  Die  zweite  Entwickelungsstufe  der  Wurzelkrebse. 

in  den  Stäbchen  an  den  inneren  Fühlern  anderer  Krebsthiere  gesehen  zu  haben 
entsinne.  Das  zweite  Glied  ist  von  dem  Grundgliede  durch  einen  vollständigen 
Ring  weicher  Haut  geschieden.  Die  Beweglichkeit  der  Endglieder  ist  daher  eine 
sehr  grosse.  Aus  demselben  Grunde  findet  man  an  der  Chitinhülle  abgestorbener 
Thiere  die  beiden  letzten  Glieder  der  Haftfüsse  stets  abgefallen. 

An  die  hintere  untere  Ecke  des  Grundgliedes  setzt  sich,  durch  ein  Gelenk 
mit  ihm  verbunden,  eine  hinterwärts  gerichtete  Chitinleiste  (Fig.  2  u.  3,  k'), 
die  mit  dem  Unterrande  des  Grundgliedes  ziemlich  gleiche  Länge  hat,  und  mit 
dieser  verbindet  sich  knieförmig  eine  zweite  aufwärts  gerichtete  Leiste  (Fig.  2  u.  3,  k") 
von  derselben  Länge.  Letztere  ist  oben  in  zwei  gieichlaufende  dünne  Aeste  ge- 
spalten, einen  äusseren  und  einen  inneren,  die  etwa  -/s  der  Länge  dieser  Leiste 
ausmachen.  Die  oberen  gabiigen  Enden  der  rechten  und  der  linken  Leiste  liegen 
dicht  nebeneinander,  nahe  dem  Rücken  und  ungefähr  um  die  Länge  der  Leiste 
vom  Vorderende  der  Schale  entfernt.  Diese  Leisten  dienen  als  Ansatzstellen  für 
Muskeln,  die  theik  von  ihnen  in  die  Füsse  gehen,  theils  sie  nach  vorn  und  hinten 
an  die  Rücken  wand  befestigen. 

Die  Haftfüsse  werden  benutzt,  wie  bei  den  Rankenfüssern.  Zwar  sah  ich 
die  jungen  Wurzelkrebschen  nie,  wie  jene,  an  der  Wand  des  Glases  empor- 
khmmen,  sondern  stets  in  der  Nähe  des  Bodens  bleiben ;  allein,  wenn  sie  durch 
das  Deckgläschen  beengt,  nicht  bequem  schwimmen  konnten,  pflegten  sie  die 
beiden  Haftfüsse  abwechseld  vorzustrecken,  um  mit  dem  Ende  des  zweiten  Gliedes 
sich  am  Glase  festzuheften  und  den  Leib  nachzuziehen.  Bisweilen  schienen  sie 
auch  das  Endglied  wie  einen  Haken  zu  benutzen. 

Den  hinteren  Theil  der  Schale  füllt  der  die  S  c  h  w  i  m  m  füsse  vmd  S  c  h  \\'  a  n  z  - 
anhänge  tragende  Leibesabschnitt.  Als  erste  Anlage  dieser  Theile  unterscheidet 
man  in  einem  an  der  Bauchfläche  des  Nauplius  sich  bildenden  körnigen,  trüben  Ge- 
webe von  unten  eine  tiefe  Längsfurche  und  schief  nach  innen  und  hinten  verlaufende 
Trennungslinien  der  einzelnen  Füsse,  von  oben  eine  Scheidung  in  einzelne  Ab- 
schnitte durch  quere  Linien.  Durch  diese  Neubildungen  wird  eine  zuletzt  sehr 
ansehnliche  Auftreibung  gebildet,  die  kielförmig  nach  unten  und  hinten  vorspringt 
und  an  ihrem  Ende  die  beiden  Spitzen  des  Hinterleibes  mit  emporhebt.  Wahr- 
scheinlich durch  einen  an  seiner  vorderen  oberen  Ecke  sich  ansetzenden  Muskel 
wird  der  neue  Leibesabschnitt  mehr  und  mehr  nach  vorn  und  oben  gezogen,  so 
dass  kurz  vor  der  Verwandlung  die  hintere  Hälfte  des  erwähnten  Vorsprungs  leer 
erscheint  und  nur  von  den  dicht  zusammengelegten  Borsten  der  Schwimmfüsse 
durchsetzt  wird. 

Nach  der  Verwandlung  erscheint  dieser  hinterste  Abschnitt  des 
Leibes  in  der  Seitenansicht  (Fig.  4)  als  stumpfwinkliges  Dreieck.  Der  obere 
freie  Rand,  die  längste  Seite  des  Dreiecks,  liegt  in  der  Ruhe  dicht  unter  dem 
Rückenschilde,  ist  fast  0,1  mm  lang,  leicht  gewölbt  und  geht  durch  abgerundete 
Ecken  über  in  die  kürzeren  Seiten,  die  vorn  und  unten  unter  einem  Winkel  von 
etwa  120*^  zusammenstossen.  Durch  den  vorderen  Rand  steht  dieser  hintere  Ab- 
schnitt mit  dem  vorderen  Theile  des  Leibes  in  Verbindung;  der  untere  Rand,  in 
der  Ruhe  wagerecht  etwas  über  dem  Rande  der  Schale  liegend,  trägt  die  Schwimm- 
füsse. Eine  Scheidung  in  einzelne  Ringe  ist  nur  angedeutet  durch  schmale  Chitin- 
leisten,  die   auf  jeder  Seite  von   den  Füssen   der  oberen  vorderen  Ecke  zulaufen, 


Die  /weite  PIntwickelungsslufe  der  Wurzelkrebse.  j  3  j 

ohne  sie  ganz  zu  erreichen,  und  durch  eine  Einkerbung  des  oberen  freien  Randes, 
die  die  hintere  Ecke,  den  Schwanz,  von  dem  fusstragenden  Theile  scheidet.  Die 
vorderste  Leiste  bildet  den  Vorderrand  dieses  Leibesabschnitts;  in  geringer  Ent- 
fernung von  den  Füssen  sind  die  Leisten  jeder  Seite  unter  sich  durch  abwärts 
gewölbte  Querleisten  verbunden.  Der  ganze  zwischen  den  Leisten  enthaltene 
Raum  ist  gefüllt  von  den  mächtigen  Muskeln  der  Füsse;  ein  starker  und  langer 
Muskel  entspringt  von  der  vorderen  oberen  Ecke  und  geht  über  das  Auge  und 
die  gabiigen  Chitinleisten  der  Haftfüsse  hinweg  zur  Rückenwand. 

Die  zwölf  Schwimm  füsse  (Fig.  5)  sind  kurz  und  bestehen  aus  einem 
stärkeren  (etwa  0,012  mm  langen)  Grundgliede  und  zwei  zweigliedrigen  Aesten, 
von  denen  der  äussere  etwas  länger  als  der  innere  und  als  das  Grundglied  ist. 
Am  Ende  jedes  Astes  stehen  drei  lange  gerade  steife  Borsten,  deren  Länge  etwa 
der  halben  Höhe  der  Schale  gleichkommt;  eine  ähnliche  Borste  steht  am  ersten 
Gliede  des  inneren  Astes,  während  das  erste  Glied  des  äusseren  Astes  eine  etwa 
dreimal  kürzere  Borste  trägt.  Beim  lebenden  Thiere  pflegen  beide  Aeste  und  die 
langen  Borsten  so  dicht  an  einander  zu  liegen,  dass  letztere  wie  eine  einzige  starke 
Borste  erscheinen. 

Der  Schwanz,  die  über  den  fusstragenden  Theil  vorspringende,  oberhalb 
durch  eine  seichte  Kerbe  geschiedene  hinterste  Ecke  des  Leibes,  trägt  jederseits 
einen  zweigliedrigen  Anhang  mit  einer  längeren  und  einer  kürzeren  Borste  am 
Ende. 

Darwin  deutet  bei  den  Rankenfüssern  den  die  Schwimmfüsse  und  später 
die  Ranken  tragenden  Leibesabschnitt  als  Thorax,  den  dahinterliegendon  als  Ab- 
domen. Letzteren  darf  man  wohl,  namentlich  im  Hinblicke  auf  die  Garneelen, 
als  dem  Schwänze  (den  beiden  letzten  Leibesringen)  der  höheren  Krebsthiere  ent- 
sprechend ansehen.  Ob  auch  ersterer  überhaupt  bestimmten  Ringen  der  höheren 
Krebse  entspricht,  und  welchen,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden,  möchte  ihn  aber 
eher  dem  Hinterleib,  als  der  Brust  derselben  gleichsetzen. 

Versuche,  die  M^eiteren  Schicksale  der  jungen  Wurzelkrebse  zu  verfolgen, 
blieben  bis  jetzt  ohne  Erfolg,  selten  überlebten  einzelne,  ohne  weitere  Veränderung, 
die  erste  Woche.  Eine  einzige  hierher  gehörige  Beobachtung  führte  mir  der 
Zufall  zu. 

An  demselben  Pagurus,  in  den  die  purpurrothe  Sacculina  ihre  grünen  Wurzeln 
treibt,  lebt  eine  zweite  Art  von  Wurzelkrebsen,  Peltogaster  (?)  socialis  n.  sp.,  in 
Gestalt  dottergelber,  5  mm  langer  Würste,  die  in  der  Mitte  festsitzen  und  an  einem 
Ende  die  Oeffnung  der  Bruthöhle  haben.  Es  pflegen  4  bis  6  gleich  alte  Würstchen 
neben  einander  zu  sitzen.  Vier  solche  beisammensitzende  Würstchen,  von  nur 
1,5  mm  Länge,  —  die  kleinsten,  die  ich  sah,  —  hatten  das  Ende,  an  dem  später 
die  Bruthöhle  sich  öffnet,  trichterförmig  eingezogen  (Fig.  6) ;  in  der  Mitte  der  Ein- 
senkung  sprang  wieder  ein  kleiner  Hügel  vor  und  auf  diesem  sass  die  leere  Chitin- 
hülle eines  Krebschens  auf,  das  ganz  den  eben  geschilderten  glich.  Ausser  der 
Schale  waren  Schwimmfüsse  und  Schwanzanhänge  mit  dem  sie  tragenden  Leibes- 
abschnitte erhalten;  von  den  Haftfüssen  waren  nur  noch  die  oberen  gabligen 
Chitinleisten  vorhanden,  die  aus  der  Schale  hervorsahen  und  am  Rande  jener  Ein- 
senkung  festzusitzen  schienen;  zwischen  ihnen  ging  ein  gerader  Balken  von  der 
Schale   zum  Thiere,    vielleicht   eine   der   unteren  Leisten.     Die  Länge   der  Schale 


jO,  Die  zweite  Entwickelungsstufe  der  "Wurzelkrebse. 

war  0,3  mm,  während  sie  gleich  nach  der  Verwandlung,  wie  bei  Lernaeodiscus, 
nur  0,2  mm  beträgt,  —  Ist  es  die  Haut  desselben  Thieres,  das  jetzt  in  Wurmform 
festsitzt,  oder  etwa  die  eines  Männchens,  das  hier  in  seinem  Berufe  sterbend 
hängen  geblieben  ist? 

Desterro,  im  Mai  1862. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XXIII. 

Fig.  I.  Zweite  Entwickelungsstufe  von  Lernaeodiscus  Porcellanae;  nach  einem  am 
14.  April  ausgeschwärmten  Thiere  am   19.  April  gezeichnet. 

Fig.  2.  Die  Haftfüsse  und  die  zwischen  ihnen  liegenden  Riechfäden  (r)  einer  solchen 
Larve,  i',  k"  di^  knieförmig  zusammenstossenden  Chitinleisten,  die  den  Muskeln  dieser 
Füsse  zum  Ansätze  dienen. 

Fig.  3.  Die  knieförmigen  Leisten  von  einer  Larve,  deren  Weichtheile  schon  durch 
Verwesung  zerstört  wu.ien. 

Fig.  4.    Der  die  Schwimmfüsse  tragende  Leibesabschnitt. 

Fig.  5.    Einer  der  Schwimmfüsse.     a  äusserer,  i  innerer  Ast. 

Fig   I — 5   sind  36omal  vergrössert. 

Fig.  6.  Chitinhülle  einer  ähnlichen  Larve,  dem  Hinterrande  eines  jungen  Peltogaster 
socialis  aufsitzend  ;   1 8omal  vergr. 

Fig.  7.  Chitinring  der  Sacculina  purpurea,  25mal  vergr.  a  Ausserhalb  der  Leibes- 
wand des  Pagurus  liegende  Platte;  h  der  innerhalb  des  Pagurus  sich  ausbreitende  Kranz. 

Diese  Figur  soll  die  mangelhafte  Fig.  6  meines  ersten  Aufsatzes  über  die  Rhizo- 
cephalen  ersetzen  (vergl.  Seite   146). 


Nachschrift. 

Auf  die  Frage,  mit  der  ich  vor  wenigen  Wochen  vorstehenden  Aufsatz 
schloss,  wurde  mir  heute  unerwartet  Antwort. 

Unter  einer  Gesellschaft  von  sechs  jungen  Peltogaster  socialis  fand  sich  einer, 
dessen  Hinterende  die  leeren  Häute  von  zwei  Krebschen  ansassen,  während  seine 
Genossen  je  eine  trugen.  Jene  Häute  können  nicht  beide  dem  Peltogaster  an- 
gehören, und  wahrscheinhch  also  gehört  ihm  keine;  denn  für  eine  verschiedene 
Deutung  der  beiden  ganz  gleichgebildeten  Häute  liegt  kein  Grund  vor.  Man 
wird  sie  unbedenklich  als  Ueberreste  von  Männchen  ansehen  können,  die  in 
Krebsgestalt  dem  wurmförmigen  Weibchen  sich  verbunden  haben. 

Desterro,  26.  Mai  1862. 


Ueber  die  Ursache  der  Strömuneen  in  der 
Leibeshöhle  der  Sertularinen^). 

In  seinen  vortrefflichen  „I.egons  sur  la  physiologie  et  l'anatomie  comparee" 
bezeichnet  Milne  Edwards,  wie  ich  so  eben  lese,  die  Strömungen  in  der  Leibes- 
höhle der  Sertularinen  als  eine  Erscheinung,  über  deren  Ursachen  man  noch  nichts 
Sicheres  wisse  -).  Dies  veranlasst  mich  zur  Mittheilung  einiger  vor  längerer  Zeit 
(1860)  niedergeschriebenen  Bemerkungen,  die  mir  geeignet  scheinen,  diese  Frage 
einer  abschliessenden  Entscheidung  näher  zu  führen. 

Die  Saftbewegung  in  der  gemeinschaftlichen  Höhle  des  Polypenstockes  der 
Hydroiden  ist  bald  [Grant,  van  Beneden,  Siebold^)]  einem  Flimmerepithelium, 
bald  (Ehrenberg,.  Loven)  einem  Motus  peristalticus  der  Leibeshöhle  zuge- 
schrieben worden.     Beide  Ursachen  wirken  gleichzeitig. 

Dass  die  namentlich  in  jungen  Knospen  stets  sehr  lebhaften  wimmelnden 
Bewegungen  der  in  der  Leibesflüssigkeit  schwebenden  Theilchen,  und  dass  ähn- 
liche tanzende  Bewegungen  dieser  Körnchen,  die  überall  in  der  Leibeshöhle  vor- 
kommen,  von  Flimmerhaaren  bewirkt  werden,  ist  wohl  kaum  zu  bezweifeln. 

Aber  neben  diesen  Bewegungen  sieht  man  raschere  oder  langsamere  Strö- 
mungen, die  oft  über  weite  Strecken  des  Stammes  in  gleicher  Richtung  fort- 
gehen und  eine  Anhäufung  der  Leibesflüssigkeit  an  bestimmten  Stellen  zur  Folge 
haben,  von  welchen  eine  folgende  Strömung  in  entgegengesetzter  Richtung  sie 
wieder  hin  wegführt.  Bei  lanijsamcren  Strömen  lassen  sich  oft  sehr  deutlich 
beiderlei  Bewegungen  neben  einander  beobachten,  das  Fortströmen  in  der  Mitte 
der  Röhre  und  das  Wirbeln  einzelner  Körnchen  am  Rande*). 

Für  diese  Strömungen  nun  bleibt  kaum  eine  andere  Ursache  denkbar,  als 
Zusammenziehung  der  Leibeswand.  Direkte  Beweise  für  eine  solche  fand  ich  bei 
Plumularia  laxa  n.  sp.  ^). 


i)  Archiv  für  Naturgeschichte   1863.  1.  p.  34 — 36. 

2)  ,,On  n'est  pas  encore  bien  fixe  sur  la  cause  de  ces  courants"  oj).  cit.  Vol.  III.  p.  50. 

3)  Auch  Milne  Edwards  schliesst  sich   dieser  Ansicht  an. 

4)  Ein  gleichzeitiges  Aufwärtsströmen  an  einer  Seite  der  Röhre  und  Abwärtsstrümen  an  der  anderen, 
wie  es  Milne  Edwards  (1.  c.  p.  49)  beschreibt,  entsinne  ich  mich  nicht,  bei  einer  der  von  mir  be- 
obachteten Arten  gesehen  zu  haben;  doch  mögen  andere  Arten  sich  hierin  anders  verhalten. 

5)  Eine  besonders  zierliche  und  durchsichtige,  hier  ziemlich  seltene  Art.  Aus  einer  auf  Tangen 
hinkriechenden    Röhre    erheben   sich    senkrechte   etwa    15  mm    hohe   Stämmchen    mit    20  bis  3ofiedrig    ge- 


j  g^  Ueber  die  Ursache  der  Strömungen  in  der  Leibeshöhle  der  SerUilarinen. 

Hier  sah  ich  einmal  zwischen  der  I.eibesröhre  und  deren  Chitinhülle  einige 
lose  Körnchen,  die  stets  in  einer  dem  Strome  innerhalb  der  Leibesröhre  entgegen- 
gesetzten Richtung  sich  bewegten.  Wenn  der  innere  Strom  durch  Zusammen- 
ziehung der  Leibeswand  erzeugt  wird,  so  ist  natürlich  dieser  äussere  ein  noth- 
wendiger  Begleiter  desselben,  so  wie  umgekehrt  seine  Anwesenheit  für  diese  Ur- 
sache des  inneren  beweisend  ist.  Es  ist  ganz  dasselbe  Verhältniss,  wie  zwischen 
den  beiden  entgegengesetzten  Strömungen  in  den  Füssen  der  Pycnogoniden,  der 
des  Darminhalts  innerhalb  und  der  des  Blutes  ausserhalb  des  sich  zusammen- 
ziehenden Darmblindsacks. 

Es  lag  nun  nahe,  an  der  Leibesröhre  selbst  den  Nachweis  der  Zusammen- 
ziehung zu  versuchen.  An  einer  Stelle,  wo  durch  den  aufsteigenden  Strom  die 
Leibesflüssigkeit  sich  angehäuft  hatte,  mass  ich  den  Abstand  der  Leibeswand  von 
der  Chitinhülle  und  fand  ihn  auf  einer  Seite  zu  0,004  ^^^^  während  sie  sich  auf 
der  anderen  dicht  anlagen.  Es  trat  bald  darauf  ein  absteigender  Strom  ein  und 
als  derselbe  aufhörte,  war  jener  Abstand  auf  0,01  mm  gestiegen.  Der  Durch- 
messer des  Rohres  war  jetzt  0,042,  war  also  0,048  gewesen  und  hatte  sich  folglich 
um  Ys  vermindert. 

Diese  Beobachtung  besteht  sehr  wohl  mit  der  Angabe  van  Benede n's, 
nie  Bewegungen  an  der  Röhre  der  Campanularien  gesehen  zu  haben  (wenn  auch 
nicht  mit  der  von  ihm  behaupteten,  „immobilite  absolue");  denn  dieser  „motus 
peristalticus"  fällt  vollständig  in  das  Gebiet  jener  langsamen  Bewegungen,  die, 
wie  das  Fortschreiten  der  Gestirne,  nicht  als  solche  unseren  Sinnen  sich  bemerk- 
lich machen,  sondern  aus  vergleichenden  Beobachtungen  verschiedener  Zeiten  er- 
schlossen werden  müssen. 

Desterro,  Juni   1862. 


stellten  bis  übar  2  mm  langen  Aesten,  die  in  derselben  Ebene  liegend,  abwechelnd  rechts  und  links  vom 
Stamme  abgehen.  Jeder  Ast  trägt  auf  seiner  oberen  Fläche  2  bis  3  ungestielte  kegelförmige  Becherchen 
mit  weiter  kreisförmiger  glattrandiger  Oeffnung.  Die  campanularienähnlichen  Thiere  können  sich  nicht  ganz 
in  diese  Becherchen  zurückziehen. 


Ueber  eigenthümliche  Gebilde  in  der  Samenflüssigkeit 

von  Janthina^). 

Mit  Tafel  XXIV. 

Selten  nur  verirren  sich  in  den  buchtenreichen  Mecresarm,  der  die  Insel 
Santa  Catharina  von  dem  südamerikanischen  Festlande  scheidet,  Thiere  des  hohen 
Meeres.  Zu  diesen  bisweilen  Jahre  lang  vermissten  Gästen  gehören  auch  zwei 
Arten  von  Janthina,  die  als  Begleiter  von  Velellaschwärmen  zu  erscheinen  pflegen. 
Die  eine,  mit  spitzerem  Gewinde  (J.  exigua  I>am.),  von  der  ausser  leeren  Schalen 
nur  einmal  einige  Weibchen  gesehen  wurden,  trägt  ihre  Eier  an  dem  schaumigen 
Anhange  des  Fusses;  die  andere,  wiederholt  gefundene,  mit  flacherem  Gewinde 
(J.  pallida  Harv.)  ist  lebendig  gebärend,  vmd  bei  ihr  konnte  ich  mich  überzeugen, 
dass  der  schaumige  Anhang  in  ganz  gleicher  Weise  beiden  Geschlechtern  zukommt. 

In  der  Samenflüssigkeit  der  letzteren  Art  finden  sich  sehr  eigenthümliche 
Gebilde,  auf  die  ich  die  Aufmerksamkeit  der  Besucher  des  Mittelmeeres  und 
Anderer  lenken  möchte,  die  Gelegenheit  haben  zur  Untersuchung  dieser  merk- 
würdigen Schnecken.  Mir  selbst  bietet  sich  vielleicht  in  Jahren  eine  solche  Ge- 
legenheit nicht  wieder,  und  dies  möge  mich  entschuldigen,  wenn  ich  abgerissen 
und  unfertig,  wie  sie  sind,  meine  Beobachtungen  über  jene  Gebilde  mittheile. 

Schon  mit  blossem  Auge  gewahrt  man  in  der  Samenflüssigkeit  der  Janthina  -) 
zahlreiche  weisse  wurmförmige  Gebilde,  die  darin  lebhaft  herumschwimmen.  Ihre 
Länge  beträgt  etwa  0,5  mm  (ohne  das  unten  zu  erwähnende  Schwimmwerkzeug). 
Das  bewaffnete  Auge  unterscheidet  an  ihnen  zunächst  zwei  scharf  abgesetzte 
Abschnitte,  die  der  Kürze  wegen  als  Kopf  und  Schwanz  bezeichnet  werden 
mögen.  Der  Kopf  nimmt  etwa  ein  Viertel  der  Länge  ein,  ist  bald  ziemlich  regel- 
mässig kegelförmig  (Fig.  7),  bald  in  seinem  hinteren,  dickeren  Theile  mit  unregel- 
mässigen Vorsprüngen  versehen  (Fig.  8,  g),  und  vorn  bisweilen  statt  der  einfachen 
in  eine  doppelte  Spitze  auslaufend  (Fig.  9).  Es  sind  ihm  zahlreiche  dunkelgerandete 
Körnchen  von  verschiedener  Grösse  eingelagert,  die  ihn  ziemUch  undurchsichtig 
machen;  eine  besondere  Haut  Hess  sich  um  ihn  nicht  unterscheiden.    Der  Schwanz, 


1)  Archiv  für  Naturgeschichte   1863.  I.  p.   179—183.  Taf.  X.  Fig.   i  — 10. 

2)  Wahrscheinlich    nicht   während    des  ganzen  Jahres;    meine  Beobachtungen  vor  zwei  Jahren  fielen, 
wie  die  diesjährigen,  in  den  Oktober,  dem  im  Mittelmeere  der  April  entsprechen  würde. 


.o/,  Eigenthümliche  Gebilde  in  der  Samenflüssigkeit  von  Janthina. 

von  etwa  dreifacher  Länge  des  Kopfes,  ist  vorn  weit  schmäler  als  der  hintere 
Kopfrand,  verbreitert  sich  nach  hinten  allmähhch  und  endet  abgerundet ;  er  ist 
fast  ganz  undurchsichtig  und  dicht  mit  etwa  0,03  mm  langen  zarten  Haaren  be- 
setzt (Fig.  7,  8,  9).  Diese  Haare  sieht  man  lebhaft  sich  bewegen,  aber  nicht  regel- 
mässig in  gleicher  Richtung  schlagen,  wie  Flimmerhaare  thun,  sondern  unregel- 
mässig durcheinander  wallen  und  wimmeln,  so  dass  man  in  ihnen  nicht  die  Ur- 
sache der  raschen  Bewegung  suchen  kann,  mit  der  die  Gebilde  in  weiten  Bogen 
durch  das  Wasser  ziehen.  Kopf  und  Schwanz  scheinen  bei  dieser  Bewegung  als 
träge  Masse  von  einer  ausser  ihnen  liegenden  Kraft  fortgeschleift  zu  werden ; 
und  so  ist  es  in  der  That.  Fast  um  die  doppelte  Länge  des  Kopfes  von  dessen 
Spitze  entfernt,  geht  demselben  bahnbrechend  eine  kegelförmige  Spitze  voraus, 
mit  zarten  aber  scharfen  Umrissen,  von  der  aus,  wie  ein  flatternder  Schleier,  eine 
vollkommen  durchsichtige  zarte  Haut  etwa  bis  zur  Mitte  des  Kopfes  niederwallt. 
Bisweilen  konnte  ich  in  dieser  Haut  eine  äusserst  zarte  Längsstreifung  erkennen. 
Ihre  Umrisse  werden  nach  hinten  zu  verschwindend  zart,  so  dass  ich  sie  fast  nie 
bis  zum  hinteren  Rande  verfolgen  konnte;  ein  einziges  Mal  bei  einem  jüngeren 
Exemplare  (Fig.  6),  sah  ich  deutlich  den  hinteren  Rand,  an  dem  sich  die  Haut 
.in  zarte  Fasern  aufzulösen  schien.  Vom  Vorderende  des  Kopfes  liess  sich  einige- 
mal (Fig.  5,  7)  ein  schmaler,  nicht  scharf  umrandeter  Strang  bis  in  die  Nähe  der 
kegelförmigen  Spitze  verfolgen.  Ob  diese  wallende  Haut  („undulirende  Membran") 
eine  kegelförmige  Hülle  bildet,  die  durch  einen  mittleren  freien  Stiel  mit  dem 
Kopfe  in  Verbindung  steht,  oder  ob  sie  flächenhaft  sich  ausbreitet  und  unmittel- 
bar dem  Kopfe  angeheftet  ist,  muss  ich  unentschieden  lassen ;  als  ich  eben  dieser 
Frage  meine  Aufmerksamkeit  zuwandte,  raubte  mir  die  schwarze  Wolkenwand 
eines  heraufziehenden  Gewitters  das  zur  Fortsetzung  gerade  dieser  Untersuchung 
so  unentbehrliche  Licht,  und  als  ich  dieselbe  wieder  aufnehmen  konnte,  fand  ich 
meinen  ganzen  Vorrath  durch  beginnende  Zersetzung  unbrauchbar  geworden.  In 
der  Nähe  der  kegelförmigen  Spitze  lösen  sich  von  der  Haut  mehrere  schmale 
Flimmerhaaren  ähnliche  Zipfel  ab.  Während  des  Schwimmens  nun  schwingen 
diese  Zipfel  rasch  und  kräftig  und  die  ganze  Haut  ist  in  lebhafter  wallender  Be- 
wegung. Im  Schlepptau  dieses  eigenthümlichen  Schwimm  Werkzeuges  fortgezogen, 
schien  mir  der  Schwanz  sich  stets  völlig  ruhig  zu  verhalten ;  das  ganze  Gebilde 
von  der  kegelförmigen  Spitze  der  wallenden  Haut  bis  zum  abgerundeten  Ende 
des  Schwanzes  bildet  dann  einen  schwach  gekrümmten  Bogen  {Fig.  4,  5,  7,  8), 
und  ähnlich  gekrümmt  ist  die  Bahn,  die  es  durchzieht.  Ruht  die  Haut  und  mit 
ihr  der  Kopf,  so  sieht  man  den  Schwanz  langsam  sich  winden  und  krümmen 
(Fig.  9),  ohne  dass  dadurch  eine  merkliche  Ortsveränderung  bewirkt  würde. 

Getäuscht  durch  so  mannigfache  Bewegungen  hatte  ich  vor  zwei  Jahren 
unsere  Gebilde  für  Schmarotzerthiere  gehalten,  an  denen  ich  freiUch  vergeblich 
mich  abmühte,  Spuren  von  Mund,  Darm  u.  s.  v^^  zu  entdecken.  Als  ich  kürzlich 
wieder  eine  männliche  Janthina  untersuchen  konnte,  fand  ich  in  deren  Samen 
meine  Schmarotzer  so  dicht  gedrängt,  dass  mir  schon  dadurch  Zweifel  aufstiegen, 
ob  ich  es  nicht  vielmehr  mit  einem  wesentlichen  Bestandtheile  des  Samens  zu 
thun  habe.  Und  nun  fiel  mir  dann  auch  sofort  die  Aehnhchkeit  auf  zwischen 
den  wimmelnden  Haaren  des  Schwanzes  und  Samenfäden,  die,  der  Reife  nahe, 
sich    noch   nicht    von    ihrer  Bildungsstätte    gelöst  haben,  —  und  bald    gelang  es. 


Eigenthümliche  Gebilde  in  der  Samenflüssigkeit  von  Janthina.  187 

mehrere  Schwänze  in  Gruppen  unverkennbarer  Samenfäden  zu  zerdrücken,  die 
aufs  Haar  den  in  der  Samenflüssigkeit  frei  umherschwärmenden  ghchen  (Fig.  10). 

Somit  war  die  Bedeutung  unserer  Gebilde  als  wesentlicher  Bestandtheil  des 
Samens  festgestellt;  aber  sind  es  die  Bildungsstätten  der  Samenfäden,  von  denen 
diese  später,  gereift,  sich  ablösen,  oder  sind  es  Samenträger  („Spermatophoren"), 
um  die  sich  die  reifen  Samenfäden  gesammelt  haben?  Erstere  Annahme  ist  mir 
die  wahrscheinlichere :  es  sprechen  für  sie  namentlich  mehrfach  beobachtete  Exem- 
plare (Fig.  6),  an  denen  die  Samenfäden  nicht  nur  regungslos  waren,  sondern  mir 
auch  kürzer  erschienen.  Ausser  diesen  wurden  zahlreiche  andere,  noch  jüngere 
Formen  gesehen;  die  jüngsten,  die  zur  Beobachtung  kamen  (Fig.  i),  hatten  die 
Gestalt  eines  langgezogenen  Eies  von  etwa  0,2  mm  J.änge  und  0,1  mm  Dicke. 
Der  grösste  Theil  dieser  eiförmigen  Körper  erscheint  vollkommen  durchsichtig, 
leer;  nur  das  dickere  Ende  ist  vcfn  einer  rundlichen  Masse  gefüllt,  die  durch  dicht 
eingelagerte  Körnchen  undurchsichtig  wird,  Sie  erscheint  dunkler  auf  der  der 
Spitze  des  Eies  zugewandten  Seite,  heller  auf  der  entgegengesetzten,  ohne  dass 
jedoch  eine  scharfe  Grenze  zwischen  dem  dunkleren  und  dem  helleren  Theile  zu 
erkennen  wäre.  Eine  solche  Grenze  hat  sich  ausgebildet,  wenn  die  Körper  zu 
etwa  0,3  mm  Länge  herangewachsen  sind  (Fig.  2);  der  hellere  und  dunklere  Theil 
erscheinen  jetzt  etwa  wie  eine  Eichel  und  der  sie  umfassende  Becher.  Später  ver- 
längert sich  der  hellere  Theil  und  wächst  aus  in  den  Schwanztheil  unserer  Gebilde 
(Fig.  3,  4,  5),  während  der  dunklere  Kopf  theil  allmählich  Kegelform  annimmt 
(Fig.  4,  5),  und  der  vorderste  häutige  Theil  seine  bewegende  Thätigkeit  beginnt; 
noch  aber  unterscheidet  sich  der  Schwanz,  im  Gegensatze  zu  späterer  Zeit,  von 
dem  Kopfe  durch  sein  weit  helleres  Aussehen  und  seine  Oberfläche  ist,  statt  mit 
Samenfäden,  bedeckt  mit  kleinen,  rundlichen,  durchsichtigen  Körnchen  (Bläschen  ?) 
und  erinnert  dadurch  an  die  kugligen  oder  länglichen  Körper,  an  denen  z.  B.  in 
der  Leibeshöhle  der  Ringelwürmer  die  Samenfäden  sich  entwickeln. 

Desterro,  Anfang  November  1862. 


Erklärung-  der  Abbildungen  auf  Tafel  XXIV. 

Fig.   I — C).    Eigenthümliche  Gebilde  aus  der  Samenflüssigkeit  von  Janthina,    auf  ver- 
schiedenen Entwickelungsstufen ;  gomal  vergrössert. 

Fig.    I — 3  u.  9  ruhend;  Fig.  4 — 8  schwimmend;  in  Fig.  9  der  Schwanz  in  lang- 
sam windender  Bewegung. 
Fig.   10.    Samenfäden,    durch    Druck    vom    Schwanztheile     dieser    Gebilde    abgelöst 
36omal  vergrössert. 


Observations  sur  la  Respiration  des  Ocypodiens^). 

(Extraites  d'une  lettre  a  M.  Milne-Edwards  et  datee  de  Desterro  [Bresil], 

le   12  juillet   1863.) 

Vous  avez  signale,  chez  les  Ocypodes,  l'existence  d'une  espece  de  surface 
articulaire  entouree  de  poils  a  l'article  basilaire  des  pattes  de  la  troisieme  et  qua- 
trieme  paire.  Je  trouve,  chez  VOcypode  rJiombea,  qu'il  existe  entre  les  bases  de 
ces  pattes  un  orifice  assez  large  qui  conduit  dans  la  cavite  branchiale,  et  j'ai  pu 
constater,  chez  des  animaux  vivants,  l'entree  de  l'eau  par  cet  orifice.  J'ai  vu  la 
meme  disposition  chez  deux  especes  de  Gelasimus,  dont  l'une  me  parait  etre  le 
Gelas.  vocans.  Chez  cette  derniere  espece,  les  poils  qui  entourent  la  surface  lisse 
des  articles  basilaires  des  pattes  n'ont  rien  de  particulier,  tandis  que  chez  l'autre 
espece  plus  petite  de  Gelasimus  et  chez  VOcypode  rhombea,  ces  memes  poils  sont 
depourvus  de  filaments  lateraux,  plus  ou  moins  moniliformes  et  remplis  d'une 
substance  albuminoide  et  peut-etre  ncrveuse  (montrant  une  couleur  rose  assez  vive 
sous  l'influence  d'une  Solution  de  sucre  concentree  et  de  l'acide  sulfurique).  Ils 
ressemblent  beaucoup  aux  appendices  qui  se  trouvent  aux  antenncs  anterieures  de 
presque  tous  les  Crustaces,  et  que  je  considere  avec  M.  Leydig  comme  des  organes 
olfactifs.  Ces  appendices,  etant  completement  rudimentaires  chez  l'Ocypode,  comme 
la  tige  de  l'antenne  qui  les  porte,  on  pourrait  soup^onner  que  chez  ce  Brachyure 
terrestre,  comme  chez  les  Vertebres  terrestres,  les  organes  olfactifs  se  trouvassent 
ä  l'entree  de  la  cavite  respiratoire. 

I.es  Ocypodes  ne  sont  pas  les  seuls  Brachyures,  qui  possedent  un  orifice 
afferent  de  la  chambre  branchiale,  situe  en  arriere  des  branchies.  En  observant 
les  habitudes  d'un  des  plus  interessants  de  nos  Brachyures,  le  Sesarma  Pisonii, 
qui  grimpe  sur  les  Rhizophores,  pour  en  manger  les  feuilles,  j'ai  vu  que  cet  animal 
soulevait  la  partie  posterieure  de  la  carapace  et  qu'il  se  formait  ainsi  une  fente 
assez  large  au-dessus  des  bases  des  pattes  de  la  quatrieme  et  cinquieme  paire.  II 
en  est  de  meme  chez  un  petit  Grapse  (voisin  du  Gr.  messor,  ä  ce  qu'il  me  parait), 
chez   lequel  j'ai   repete   beaucoup  de  fois  cette  Observation.     II  ne  souleve  jamais 


I)  Annales  des  Sciences  naturelles   1863,  4.  Ser.  Zool.  T.  20.  p. 


Observations  sur  la  Respiration  des  Ocypodiens.  l3g 

la  carapace  quand  il  se  trouve  submerge,  tandis  qu'il  ne  tarde  pas  a  le  faire  des 
qu'il  respire  l'air.  Par  le  soulevement  de  la  carapace  l'ouverture  inspiratrice  an- 
terieure  se  retrecit  beaucoup  et  peut-etre  se  ferme  completement ;  ainsi  il  y  aurait 
ici  deux  orifices  afferents  dont  Tun  serait  destine  de  preference  ä  la  respiration 
aquatique,  tandis  que  l'autre  servirait  exclusivement  a  la  respiration  aerieniie. 
Enfin,  il  m'a  paru  que  chez  VEriphia  gonagra  et  chez  quelques  autres  Brachyures 
{Sesarnia,  Cyclügrapsiis,  etc.)  qui  se  trouvent  souvent  dans  la  necessite  de  respirer 
l'air  pendant  beaucoup  d'heures,  il  se  peut  former  un  petit  orifice  temporaire  ä  cote 
des  bases  des  pattes  de  la  cinquieme  paire,  qui  irait  deboucher  au-dessous  de  la 
base  de  l'abdomen.  Cet  orifice  afferent  posterieur,  qui  se  trouve  chez  ces  differents 
Brachyures  terrestres  ou  amphibies,  me  rappelait  la  description  que  vous  avez 
donnee  de  la  chambre  branchiale  de  la  Ranine  qui,  suivant  Rumph,  viendrait  aussi 
a  terre  et  grimperait  jusque  sur  le  faite  des  maisons. 


Ueber  den  Bau  der  Scheerenasseln  (Asellotes 
heteropodes  M.  Edw.)^). 

Vorläufige  Mittheilung. 

Scheerenasseln  kommen  überall  an  den  europäischen  Küsten  vor;  sie  wurden 
bei  Neapel  und  Nizza,  an  den  Küsten  Englands  und  der  Bretagne,  Norwegens 
und  Dänemarks  gefunden  und  fehlen  selbst  nicht  der  salzarmen  Ostsee.  Da  somit 
überall  Gelegenheit  zu  deren  Prüfung  ist,  scheint  es  mir  nicht  unpassend,  in  Kürze 
die  Hauptergebnisse  mitzutheilen,  die  mir  die  Untersuchung  einer  hiesigen,  kaum 
von  Tanais  dubius  Kr.  verschiedenen  Art  lieferte. 

Die  Gliederung  des  Leibes,  die  Bildung  der  Füsse,  den  Bau  der  Mundtheile 
des  Weibchens  fand  ich  übereinstimmend  mit  den  Angaben  Kröyers-). 

Der  Panzer,  der  den  Kopf  und  den  ersten  scheerentragenden  Brustring 
bedeckt,  überwölbt,  frei  nach  unten  vorspringend,  kleine  Höhlen  zu  den  Seiten 
des  Leibes. 

In  diesen  Höhlen  bewegt  sich  ein  von  hinten  nach  vorn  gerichteter  Wasser- 
strom, unterhalten  wie  bei  den  Zoea  und  wie  bei  allen  erwachsenen  Krabben  und 
Krebsen,  durch  einen,  hier  lang  säbelförmigen  Anhang  des  zw^eiten  Maxillen- 
paares.  —  Auch  der  äussere  rückwärts  gerichtete  Ast  des  ersten  Kieferpaares 
liegt  in  dieser  Höhle. 

Besondere  Kiemen,  wie  sie  die  Diastyliden  (Cumaceen)  haben,  konnte  ich 
nicht  auffinden ;  dagegen  sind  wie  bei  den  Zoea,  die  Seitentheile  des  Panzers  von 
sehr  reichlichen  Blutströmen  durchzogen,  und  sind  als  Hauptsitz  der  Athmung 
anzusehen. 

Die  Schwimmfüsse  des  Hinterleibs  haben  nichts  mit  der  Athmung^  zu  thun ; 
ich  sah  nie  auch  nur  ein  einziges  der  grossen  Blutkörperchen  in  ihre  lang- 
beborsteten  blattförmigen  Aeste  eintreten. 


1)  Archiv  für  Naturgeschichte   1864.  I.  p.    1  —  6. 

2)  Vergl.  Naturhistor.  Tidskrift  4.  Bind  1842.  S.  167  ff.  und  Ny  Räkke  2.  Bind  1847.  S.  412  ff. 
Wenn  van  Beneden  (Recherches  sur  la  faune  litt,  de  Belgique.  Crustaccs.  PI.  XVl^is  fig.  1  —  8)  dem 
Hinterleibc  nur  vier  deutlich  geschiedene  Ringe,  allen  Füssen  der  freien  Brustringe  gleichen  Bau  und  ein 
kurzes  erstes  Glied  giebt,  das  den  von  Kröyer  und  mir  beobachteten  Arten  fehlt,  und  wenn  er  die 
Kieferfüsse  in  einer  ganz  wunderlichen  unerhörten  Form  erscheinen  lässt,  so  dürften  alle  diese  Abweichungen 
wohl  eher  auf  einer  irrthümlithen  Auffassung  als  auf  specifischen  Verschiedenheiten  der  von  ihm  unter- 
suchten Art  beruhen. 


Ueber  den  Bau  der  Scheerenasseln.  j  q  j 

Das  Herz  erstreckt  sich  durch  die  ganze  Länge  der  Brust  bis  in  den  ersten 
vom  Panzer  bedeckten  Ring ;  seitliche  Spalten  zum  Eintritte  des  Blutes  sah  ich  im 
2ten,  3ten  und  4ten  Ringe;  die  beiden  Spalten  desselben  Ringes  liegen  einander 
nicht  genau  gegenüber. 

Die  Leber  besteht,  wie  bei  den  Bopyriden,  aus  einem  einzigen  Paare  von 
Blindschläuchen,  die  vom  Kopfe  bis  in  den  Hinterleib  reichen. 

Im  Grunde  der  oberen  Fühler  liegt  ein  Gehörwerkzeug,  eine  kleine  von  oben 
her  zugängliche  Höhle  mit  einem  Gehörst einchen. 

Die  frei  vorspringenden  Augen  liegen  nach  hinten,  aussen  und  unten  von 
den  vorderen  Fühlern,  eine  Lage,  die  sich  nicht  mit  der  Annahme  eines  vor  dem 
Fühlerringe  liegenden  Augenringes  verträgt^). 

Die  Augen ,  wenigstens  des  Männchens,  sind  beweglich ;  ihre  Chitinhülle 
(durch  Kochen  mit  Kalilauge  und  Behandlung  mit  Säure  dargestellt)  zeigt  in 
diesem  Geschlechte  stark  nach  innen  vorspringende  linsenförmige  Verdickungen, 
die  dem  Weibchen  fehlen. 

Die  vorderen  Fühler  der  Jungen  und  der  Weibchen  sind  plump,  wenig 
beweglich,  viergliedrig  (das  4te  Glied  winzig)  und  tragen  einen  einzigem  Riech- 
faden am  Ende  des  dritten  Gliedes. 

Die  Eierstöcke  sind  einfache  Schläuche;  die  unpaare  weibliche  Geschlechts- 
öffnung liegt  am  Hinterrande  des  vorletzten  Brustringes. 

Die  Bruttasche,  die  stets  nur  wenige,  bisweilen  nur  i  bis  3  Eier  umschliesst, 
wird  gebildet  von  vier  Paar  hinter  den  Füssen  der  vier  ersten  freien  Brustringe 
befestigten  Blättern,  die  für  jede  Brut  sich  neu  erzeugen. 

Die  Männchen  erleiden  vor  Erlangung  der  Geschlechtsreife  eine  bedeutende 
Verwandlung  und  finden  sich  geschlechtsreif  in  zwei  verschiedenen  Formen. 
Immer  sind  ihre  vordem  Fühler  lang,  schlank,  sehr  beweglich,  reichlich  mit 
Riechfäden  ausgestattet;  es  fehlen  ihnen  alle  beweglichen  Anhänge  des  Mundes 
(mit  Ausnahme  der  den  Wasserstrom  durch  die  Athemhöhle  unterhaltenden 
Geissein);  ob  ihr  Mund  geschlossen  ist,  wurde  mir  nicht  deutlich;  ihren  Darm 
fand  ich  stets  völlig  leer.  Wenn  sie  also  wohl  im  geschlechtsreifen  Zustande 
nicht  fressen,  so  werden  sie  für  diese  Zeit  des  Fastens  mit  einem  reichen  Vorrath 
von  Fett  ausgerüstet.  Die  Hoden  scheinen,  wie  die  Eierstöcke,  einfache  Schläuche 
zu  sein ;  sie  münden  in  eine  grosse  querovale  unpaare  Blase,  die  im  letzten  Brust- 
ringe unter  dem  Darme  liegt,  die  Geschlechtsöffnungen  scheinen  an  der  Spitze 
zweier  kurzen  warzenförmigen  Vorsprünge  zu  liegen,  die  dieser  letzte  BrustrinL; 
beim  Männchen  trägt.  Die  Samcmkörperchcm  sind  KügelchcMi  von  etwa  0,004  »^'^i- 
Durchmesser;  an  denen  ich  weder  einen  Kern,  noch  strahlenförmige  Fort- 
sätze sah;  an  einer  Stelle  haben  sie  einen  winzigen  warzen-  und  kiiopfformigen 
Vorsprung. 

Die  gewöhnlichere  Form  der  Mäimchen  erscheint  verhältnissmässig  etwas 
breiter  als  die  Weibchen ;  ihre  Scheeren  sind  von  sehr  abweichender  Form,  länger, 
langfingeriger,- bew(>glicher;  die  Riechfäden  steh(>n  zu  je  zwei  bis  drei  (sehr  selten 
zu  vier)  am  Grunde  des  vierten  und  am  Ende  dieses  und  der  folgenden  JHihler- 
gUeder,     Die   andere   sehr   seltene  Form,   die  man    wohl   kaum  einmal  unter   100 


I)  Wie  Claus,  kann  ich  die  Augen  der  Krebse  nicht  als  Gliedmassen  ansehen. 


JQ2  Ueber  den  Bau  der  Scheerenasseln. 

gewöhnlichen  Männchen  findet,  schliesst  sich  in  der  Form  des  Leibes  und  der 
Scheeren  eng  an  die  Weibchen  an;  ihre  vorderen  Fühler  gleichen  denen  der 
gewöhnlichen  Männchen,  sind  aber  noch  reichlicher  mit  Riechfäden  ausgestattet, 
indem  dieselben  an  denselben  Stellen  wie  dort  zu  je  fünf  bis  sieben  beisammen 
stehen. 

Die  Entwickelung  ist  die  der  Asseln ;  das  Junge  im  Eie  ist  nach  oben 
gekrümmt,  so  dass  also  die  vordere  und  hintere  Hälfte  der  Rückenfläche  einander 
zugewandt  sind,  wie  es  schon  Rathke  bei  Ligia  und  Idothea  fand. 

Die  Leibesringe  des  ausschlüpfenden  Jungen  sind  vollzählig  vorhanden :  die 
Anhänge  des  Kopfes  und  der  sechs  ersten  Brustringe  sind  wohlentwickelt,  der 
längere  innere  Ast  der  Schwanzanhänge  hat  nur  drei  Glieder,  statt  der  fünf  des 
erwachsenen  Thieres;  aber  es  fehlen  noch  vollständig  nicht  nur,  wie  bei  vielen 
anderen  Asseln  V,  das  letzte  siebente  Paar  der  Brustfüsse,  sondern  auch  die  fünf 
Paar  Schwimmfüsse  des  Hinterleibes.  Diese  sechs  fehlenden  Fusspaare  treten 
später  gleichzeitig  auf. 

So  weit  meine  Beobachtungen. 

Ich  weiss  nicht,  ob  Kröyer  und  van  Ben e den,  die  auch  von  Männchen 
und  Weibchen  sprechen,  dieselben  anders,  als  durch  die  nichts  entscheidende 
Ab-  oder  Anwesenheit  der  Brutblätter  unterschieden  haben,  möchte  aber  immerhin 
die  Vermuthung  wagen,  dass  nicht  nur  die  beiden  von  Kröyer  bei  Madeira 
gesammelten  Formen  (Tanais  Edwardsii  und  Savign)d)  als  Männchen  und  Weibchen 
zusammengehören  sondern  ebenso  die  beiden  Formen  des  Oeresunds  (T.  Curculio 
und  Oerstedii).  —  Tanais  Edwardsii  weicht  in  ähnlicher  Weise  von  T.  Savignyi 
ab,  wie  das  Männchen  unserer  Art  von  seinem  dem  T.  Savignyi  höchst  ähnlichen 
Weibchen.  Diesem  Weibchen  steht  ebenfalls  T.  Oerstedii  sehr  nahe,  während 
allerdings  T.  Curculio  durch  die  Bildung  des  Kopfes  und  der  Scheeren  sich  weit 
von  unserem  Männchen,  wie  von  allen  Gattungsgenossen  entfernt;  aber  wenn 
innerhalb  derselben  Art  verschieden  gebildete  Männchen  sich  finden,  so  darf  eine 
weit  auseinanderlaufende  Gestaltung  derselben  innerhalb  der  Gattung  nicht  auf- 
fallen. Ich  führe  noch  zur  Stütze  dieser  Ansicht  an,  dass  im  Greifswalder  Bodden 
zwei  Formen  von  Tanais  zusammenleben,  von  denen  die  eine  häufigere  dem 
T.  Oerstedii,  die  andere,  wie  die  Männchen  unserer  Art,  weit  seltenere,  dem 
T.  Curculio  sehr  nahe  steht. 

Welche  Stellung  im  Systeme  gebührt  nun  diesen  Scheerenasseln,  die  von 
allen  anderen  Asseln  durch  ihre  Scheeren,  durch  ihre  Avigen,  ihre  Gehörwerk- 
zeuge, durch  ihren  der  Athmung  dienenden  Panzer,  durch  die  Lage  ihres  Herzens, 
durch  ihre  fastenden  Männchen,  durch  die  der  Hinterleibsfüsse  entbehrenden 
Jungen  u.  s.  w.  sich  entfernen,  und  erwachsen,  kaum  ein  wesentliches  Merkmal 
mit  ihnen  gemein  haben?  —  Die  an  die  Amphipoden,  denen  ältere  Beobachter 
sie  anschliessen,  durch  die  vorwärts  gerichteten  Fühler,  deren  vorderes  Paar  bei 
Rhoea  zwei  Geissein  trägt,  durch  die  abweichende  Bildung  der  beiden  vorderen 
und    die    (wenigstens   bei    Tanais)    verbreiterten    Grundglieder    der    drei    hinteren 

i)  Nach  Milne  Edwards  bei  den  Cymothoaden,  ich  fand  es  ebenso  bei  den  Bopyriden,  bei  Ligia 
und  Philoscia;  nach  Untersuchung  ziemlich  weit  entwickelter  Eier  vermuthe  ich  ein  gleiches  Verhalten  bei 
Idothea  und  Sphaeroma.  Die  geringe  Entwickelung  des  siebenten  Brustringes  bei  Serolis  macht  auch  hier 
ähnliche  Jugendzustände  wahrscheinlich. 


Ueber  den  Bau  der  Scheerenasseln. 


193 


Fusspaare  der  Brust,  so  wie  durch  Lage  und  Bau  des  Herzens  erinnern  und  deren 
Athmung  vollständig  wie  bei  den  Jugendformen  der  Krabben  und  Krebse  vor 
sich  geht? 

Die  Entwickelung  scheint  mir  unzweideutig  zu  beweisen,  dass  sie  ächte 
Asseln  sind,  dass  sie  sich  nicht  den  stieläugigen  Krebsen  und  viel  weniger  noch 
den  Amphipoden  annähern  lassen,  an  die  die  erwachsenen  Thiere  so  vielfach 
erinnern.  Es  ist  mir  ausser  zahlreichen  Asseln  kein  Krebs  bekannt,  der  das  Ei 
(oder,  wie  Ligia,  eine  anhanglose  früheste  Larvenhaut  ^))  verliesse  mit  bis  zum 
vorletzten  Brustringe  vollständig  entwickelten  Gliedmassen,  während  dieselben 
dem  letzten  Brustringe  noch  fehlen.  —  Dem  Amphipoden-Ei  scheint  stets  ein 
„Micropyl- Apparat"  zuzukommen  ^) ;  die  Jungen  liegen  darin  in  umgekehrter  Weise 
gekrümmt  und  verlassen  es  mit  vollzähligen  GHedmassen. 

Aber  was  wollen  nun  innerhalb  der  Ordnung  der  Isopoden  die  Scheeren- 
asseln bedeuten?  —  Die  Antwort  wird  verschieden  ausfallen  je  nach  den  syste- 
matischen Grundanschauungen,  von  denen  man  ausgeht. 

Wer  die  Arten  als  unveränderliche  Bildungen  ansieht,  die  bei  jeder  der 
hundertfach  wiederholten  Schöpfungen  fix  und  fertig  aus  den  Elementen  zusammen- 
schössen, und  die  Urform  (den  Typus)  jeder  grösseren  oder  kleineren  Gruppe  aus 
den  der  Mehrzahl  ihrer  Mitglieder  gemeinsamen  Merkmalen  aufbaut,  der  wird 
natürlich  in  den  Scheerenasseln  die  von  dem  Typus  der  Isopoden  am  weitesten 
abirrende  Asselform  erblicken. 

Wer  dagegen  mit  Darwin  als  Endziel  der  Systematik  die  Aufstellung  eines 
Stammbaumes  der  Thier-  und  Pflanzenwelt,  und  wer  daher  als  Urform  einer 
Gruppe  den  gemeinsamen  Stammvater  derselben  betrachtet,  der  wird  im  Gegen- 
theile  zu  der  Ansicht  geneigt  sein,  dass  unter  allen  Asseln  der  Gegenwart  die 
Scheerenasseln  mit  ihren  beweglichen  Augen  und  ihrer  Zoea-Athmung  der  Urassel 
am  nächsten  stehen,  die  vielleicht  noch,  wie  der  Urvater  aller  Malacostraca,  eine 
durch  Nauplius  und  Zoeaformen  hindurchgehende  Verwandlung  zu  bestehen  hatte. 

Desterro,  im  Juni   1863. 

i)  Näheres  hierüber  nächstens. 

2)  Ich  vermisste  den  „Micropyl-Apparat"  bei  keinem  der  zahlreichen  von  mir  hierauf  untersuchten 
Amphipoden  aus  den  Gattungen  Gammarus,  Amphithoe,  Podocerus,  Corophium,  Orchestia  u.  a.  und  fand 
ihn  ebenfalls  bei  Caprella. 


Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  I3 


Ein  Wort  über  die  Gattung  Herklotsia  J.  E.  Gray^). 

„In  my  opinion,  this  inordinate  multipli- 
cation  of  genera  destroys  the  main  ad- 
vantages  of  Classification." 

Darwin,  Lepadidae  S.  216^). 

Herklots  hat  in  seiner  Bearbeitung  der  Seefedern  drei  Arten  von  Renilla 
unterschieden,  R.  reniformis  Pall.,  violacea  Quoy  et  Gaim.,  und  Edwardsii  n.  sp.  — 
Die  von  ihm  gegebenen  Diagnosen  enthalten  indess  kein  einziges  Merkmal,  das 
die  wirkliche  Verschiedenheit  dieser  Arten  verbürgte.  —  Die  Gestalt  der  Scheibe, 
die  Streifung  ihrer  Unterfläche,  die  Länge  und  Form  des  Stiels  sind  sämmtlich 
Verhältnisse,  die  beim  lebenden  Thiere  in  beständigem  Wechsel  begriffen  sind, 
so  dass  danach  bisweilen  dieselbe  Scheibe  in  derselben  Minute  jeder  der  drei 
Arten  eingereiht  werden  könnte.  Der  angebliche  Mangel  der  „spicules"  bei 
R.  violacea  beruht  offenbar  auf  schlechter  Erhaltung  der  Exemplare  und  die 
geringe  Zahl  der  Polypen  bei  R.  Edwardsii  würde  nur  dann  als  bezeichnend 
gelten  dürfen,  wenn  nachgewiesen  wäre,  dass  von  ihr  die  beobachtete  Zahl  nicht 
überschritten  würde;  denn  bei  jüngeren  Scheiben  aller  Arten  ist  die  Polypenzahl 
natürlich  eine  geringe.  Ueber  Zahl  und  Stellung  der  die  Polypenzellen  um- 
stehenden Zähne  oder  sonstige  zur  sicheren  Unterscheidung  von  Renillaarten 
brauchbare  Merkmale  findet  man  bei  Herklots  nichts. 

Dass  man  nun  auf  solche  Merkmale,  die  selbst  zur  Artunterscheidung  völlig 
ungenügend  sind,  Gattungen  bauen  könne,  scheint  kaum  glaublich.  Doch  dem 
unermüdlichen  Fabricanten  neuer  Gattungen  und  Arten  in  allen  Klassen  des 
Thierreichs,  Herrn  J.  E.  Gray,  ist  in  dieser  Beziehung  nichts  unmöglich.  Er  hat 
denn  auch  (s.  R.  Leuckart's  Jahresbericht  in  dies.  Archiv.  XXVII.  Bd.  2.  S.  346) 
die  Renilla  Edwardsii  zum  Typus  einer  neuen  Gattung  Herklotsia  zu  erheben 
verstanden. 

Diese  Gattung  Herklotsia  ist  ein  zu  ergötzliches  Beispiel  der  Verirrungen, 
die   der  Beobachter   der  lebenden  Thierwelt   so   manches  Mal   an  den  Museums- 


i)  Archiv  für  Naturgeschichte  1864.  I.  p.  352 — 358. 

2)  Darwin  schrieb  diese  Worte  in  Bezug  auf  die  Gattung  Scalpellum,  deren  vier  ihm  bekannte 
Arten  J.  E.  Gray  in  ebenso  viele  Genera  vertheilt  hatte.  Dabei  hat  er  spasshafter  Weise  die  Zahl  der 
Stücke  des  Gehäuses,  auf  welche  diese  Genera  fast  ausschliesslich  begründet  waren,  für  drei  derselben  irrig 
angegeben. 


Ein  Wort  über  die  Gattung  Herklotsia.  jqe 

Zoologen  zu  rügen  hat,  als  dass  ich  mir  das  Vergnügen  einer  kritischen  Beleuch- 
tung versagen  könnte. 

Die  von  Gray  gegebenen  Diagnosen  der  Gattungen  Herklotsia  und  Renilla 
sind  (nach  Leuckart's  Jahresbericht  a.  a.  O.)  die  folgenden: 

Herklotsia.  Disk  expanded,  upper  surface  armed  with  spicula  surrounding 
the  edge  of  the  cells,  lower  moderately  striated.  The  stem  inserted  in  a  deep 
notch  on  the  lower  edge,  and  separated  from  the  disk  by  a  well  defined  groove. 
Polypes  few,  placed  in  series. 

Renilla.  Disk  smooth  above  and  beneath,  without  spicula  and  continued 
into  the  stem.     Polypes  numerous. 

Sehen  wir  uns  die  einzelnen  Merkmale  etwas  näher  an. 

„Disk  expanded"  —  Vortrefflich ;  —  ganz  als  wollte  man  die  Diagnose  einer 
Vogelgattung  mit  den  Worten  beginnen :  „Flügel  ausgebreitet",  als  wollte  man 
die  zufällige  Stellung,  die  der  Ausstopfer  einem  Thiere  gegeben,  als  Gattungs- 
kennzeichen verwerthen.  „Disk  expanded",  als  wäre  die  Renillascheibe  ein  starres 
Gebilde,  wie  eine  Muschelschale  oder  Krebsscheere ,  und  nicht  vielmehr  der 
wechselvollsten  Gestaltveränderung  in  ungewöhnlich  hohem  Grade  fähig.  —  Ent- 
nimmt man  zur  Ebbezeit  eine  prächtige  dunkelviolette  Renilla,  bei  der  je  sieben 
mit  goldgelben  Kalknadeln  durchspickte  Zähne  den  Rand  der  Zellen  umgeben, 
dem  Boden  des  Meeres,  so  findet  man  die  Scheibe  trichterförmig  eingezogen  und 
unmittelbar  in  den  langen,  am  Ende  bald  kolbigen,  bald  zugespitzten  Stiel  sich 
fortsetzend.  In  ein  Glas  mit  Seewasser  geworfen,  breitet  sich  die  Scheibe  zu- 
nächst, ohne  sich  auszudehnen,  flach  in  einer  Ebene  aus ;  der  Stiel  zieht  sich  aufs 
Aeusserste  zusammen  und  während  er  eben  etwa  die  dreifache  Länge  des  Scheiben- 
durchmessers hatte  und  von  der  Unterseite  gerade  abwärts  gerichtet  war,  liegt 
er  jetzt  als  unbedeutender  Vorsprung  von  kaum  Y4  des  Scheibendurchmessers  in 
der  Ausbucht  der  Scheibe  und  in  gleicher  Ebene  mit  dieser.  Bei  längerem 
Liegen  beginnt  die  Scheibe  sich  durch  eine  in  der  Mitte  ihrer  oberen  Fläche 
gelegene  grosse  Oeffnung  ^)  allmählich  mit  Wasser  zu  füllen.  Die  Polypen  treten 
hervor,  der  Durchmesser  der  Scheibe  steigt  nach  und  nach  wohl  auf  mehr  als 
das  Fünffache;  (genaue  Messungen  sind  mir  augenblicklich  nicht  zur  Hand). 
Dabei  wölbt  sich  die  obere  Scheibenfläche,  die  beiden  Lappen,  zwischen  denen 
der  Stiel  entspringt,  schieben  sich  übereinander,  und  auch  der  Stiel  streckt  sich 
wieder  und  füllt  sich  mit  Wasser.  Die  vorgestreckten  Polypen  sieht  man  ohne 
äusseren  Anlass  nur  selten  sich  bewegen,  die  Scheibe  dagegen  ist  nie  in  Ruhe; 
sie  zeigt  langsame  kräftige  Zusammenziehungen,  die  vom  Ansatzpunkte  des  Stieles 
nach  dem  gegenüberliegenden  Rande  der  Scheibe  fortschreiten  und  dabei  diese 
durch  eine  Reihe  auffallend  verschiedener  Gestalten  hindurchführen.  Auch  der 
Stiel  nimmt  an  diesen  Zusammenziehungen  Antheil;  er  schnürt  sich  dabei  bis- 
weilen von  der  Spitze  her  zu  einem  fadenförmigen  Strange  zusammen,   um  dann 


i)  Diese,  wie  es  scheint,  bisher  übersehene  Oeffnung  wurde  zuerst,  vor  einigen  Jahren,  von  meiner 
damals  siebenjährigen  Tochter  Rosa  bemerkt,  die  aus  ihr  einen  kräftigen  Wasserstrahl  spritzen  sah,  als 
sie  eine  lebende  Renilla  aus  dem  Meere  nahm.  Eine  ähnliche  Oeffnung  fand  später,  nach  brieflicher  Mit- 
theilung, Max  Schultze  bei  Pennatula.  Auch  an  der  Spitze  des  Stiels  hat  Renilla  eine  kleine  Oeffnung, 
aus  der  ebenfalls  bisweilen  ein  zarter  Wasserstrahl  hervorspritzt,  wenn  man  eine  aufgeschwellte  Scheibe 
aus  dem  Wasser  nimmt. 

13* 


igö 


Ein  Wort  über  die  Gattung;  Herklotsia. 


sofort  wieder  zu  einem  weiten  Rohre  sich  aufzublähen.  —  Ganz  ähnhch  verhält  sich 
Renilla  reniformis,  nur  dass  sie  nicht  die  vollkommene  Trichterform  der  anderen 
Art  anzunehmen  vermag^). 

„Upper  surface  armed  with  spicula  surrounding  the  edge  of  the  cells"  heisst 
es  weiter  von  Herklotsia  und  im  Gegensatze  dazu  von  Renilla:  „disk  smooth, 
without  spicula".  Wenn  unter  „spicula"  Kalknadeln  verstanden  sind,  so  begreife 
ich  nicht,  wie  man  von  deren  Fehlen  bei  ReniUa  sprechen  kann,  da  dieselben 
alle  Theile  der  Scheibe  durchsetzen  und  bei  der  oberflächlichsten  Untersuchung 
in  die  Augen  fallen.  Sollten  aber,  unpassender  Weise,  durch  diesen  Ausdruck 
die  von  zahlreichen  Kalknadeln  gestützten  \'orspringenden  Zähne  um  den  Zellen- 
rand bezeichnet  sein,  so  fehlen  diese  wahrscheinlich  ebenso  wenig  irgend  einer 
Art;  bei  R.  reniformis  sind  sie  wohl  entwickelt.  Wenn  Gray  sie  vermisste,  so 
lag  dies  an  der  schlechten  Erhaltung  seiner  Exemplare.  Bei  verwesenden  und 
schon  bei  langsam  sterbenden  Thieren  fallen  die  oberflächlichen  Kalknadeln  leicht 
ab  und  die  Zähne  am  Zellenrande  sind  dann  nur  schwierig  nachzuweisen. 

„Lower  surface  moderately  striated"  bei  Herklotsia,  —  „disk  smooth  beneath" 
bei  Renilla.  —  Die  Streif ung  der  Unterfläche  oder  richtiger  die  netzförmige 
Zeichnung  mit  langstreckigen  strahlig  geordneten  Maschen  bezeichnet  die  Grenzen 
der  einzelnen  Polypenzellen,  Wo  deren  Scheidewände  auf  die  untere  Wand  der 
Scheibe  stossen,  stehen  die  oberflächlichen  Kalknadeln  dichter  vmd  ausserdem 
erscheinen,  wenn  die  Zellen  sich  aufblähen,  ihre  Grenzen  als  vertiefte  Linien,  an 
deren  Stelle  umgekehrt  beim  Einschrumpfen  der  Zellen  wieder  deutliche  erhabene 
Linien  treten  können.  Dazwischen  liegt  natürlich  ein  Mittelzustand,  in  welchem 
abgesehen  von  den  leicht  abfallenden  zarten  Kalknadeln,  die  Unterfläche  glatt 
erscheint.    Daraus  ergiebt  sich  von  selbst  der  systematische  Wert  dieses  Merkmals. 

„The  Stern  separated  from  the  disk  by  a  well  defined  groove"  bei  Herklotsia, 
—  „the  disk  continued  into  the  stem"  bei  Renilla.  Bei  Renilla  reniformis  sieht 
man  fast  nie,  selten  bei  älteren,  häufig  dagegen  bei  jüngeren  Scheiben  unserer 
zweiten  Art  den  Stiel  durch  eine  deutliche  tiefe  Furche  von  der  Scheibe  geschieden. 
Diese  Furche  ist  aber  nicht  etwa,  wo  sie  vorkommt,  etwas  Festes,  Bleibendes, 
sondern  tritt  nur  bei  bestimmten  Contractionszuständen  hervor.  Dieselbe  Renilla- 
scheibe  kann,  was  dieses  Merkmal  betrifft,  in  einer  Stunde  ein  Dutzendmal  aus 
einer  in  die  andere  Gattung  und  wieder  zurückspazieren. 

Ich  kann  wohl  den  wirklichen  Werth  all  dieser  Gray 'sehen  Gattungs- 
merkmale nicht  besser  ins  rechte  Licht  setzen,  als  indem  ich  ein  untrügliches 
Recept  mittheile,  eine  Herklotsia  bei  lebendigem  Leibe  tuto,  cito  et  jucunde  in 
eine  Renilla  zu  verwandeln.  Man  setze  das  Thier  in  einer  flachen  Schale,  nur 
so  eben  von  Wasser  bedeckt,  eine  Stunde  lang  den  Strahlen  der  tropischen 
Mittagssonne  aus,  spüle  es  ab  und  die  Renilla  ist  fertig.  Die  Kalknadeln  der 
Oberfläche  liegen  abgefallen  am  Boden  der  Schale,  die  Zähne  am  Zellenrande 
sind  zusammengesunken,  und  bei  dem  Zustande  von  Erschlaffung,  in  dem  sich 
das  Thier  befindet,  ist  sicher  weder  Streifung  der  Unterfläche,  noch  eine  Furche 
am  Grunde  des  Stieles  vorhanden.  Man  sieht,  für  Gra)''sche  Genera  bedarf  es 
keiner  jahrtausendelangen  natürlichen  Züchtung,  um  eines  aus  dem  anderen  hervor- 
gehen zu  lassen, 

i)  Näheres  über  diese  und  andere  Lebenserscheinungen  derRenillen  bleibt  einem  anderen  Orte  vorbehalten. 


Ein  Wort  über  die  Gattung  Herkiotsia.  I  g^ 

Doch  es  bleibt  uns  noch  ein  Kennzeichen  der  Gattung  Herkiotsia:  „Polypes 
few,  placed  in  series",  und  dagegen  bei  Renilla:  „Polypes  numerous".  Zuerst  sei 
hierzu  bemerkt,  dass  die  Ausdrücke  few  und  numerous  überhaupt  zu  denen 
gehören,  die  ihrer  Unbestimmtheit  wegen  für  immer  aus  allen  Diagnosen  ver- 
bannt werden  sollten.  Ist  z.  B.  in  unserem  Falle  bei  lo,  oder  20,  oder  100  Polypen 
die  Grenze  zwischen  dem  few  und  dem  numerous  zu  suchen  ?  —  Aber  abgesehen 
hiervon,  so  hätte  Herr  Gray  am  Rande  jeder  beliebigen  Renillascheibe  sehen 
können,  dass  hier  eine  Neubildung  von  Zellen  und  Polypen  stattfindet,  —  er  hätte 
sich  danach  sagen  können,  dass  überhaupt  die  dem  Rande  näheren  Polypen  jünger 
sind  als  die  mittelständigen ;  —  er  hätte  sich  sagen  können,  dass  auch  die  polypen- 
reichste Renillascheibe  in  ihrer  Jugend  nur  wenige  Polypen  besass  und  dass  somit 
das  few  und  das  numerous  nichts  mehr  und  nichts  weniger  als  eine  Altersver- 
schiedenheit bezeichnet  und  wie  all  seine  übrigen  Merkmale  nicht  einmal  specifischen, 
geschweige  denn  generischen  Werth  hat. 

In  den  ersten  Wochen,  das  sei  hier  beiläufig  angeführt,  sind  sogar,  wie  man 
sich  denken  konnte,  die  jungen  Renillen  einfache  Polypen  ohne  Kalknadeln ;  aber 
schon  in  dieser  frühesten  Zeit  ist,  wie  später,  der  Stiel  durch  eine  I^ängsscheide- 
wand  in  zwei  Kammern  getheilt  und  an  der  Spitze  mit  einer  Oeffnung  versehen. 
Glücklicherweise  hatte  Herr  J.  E.  Gray  im  British  Museum  keine  Gelegenheit, 
diese  jüngsten  Renillen  zu  sehen,  auf  die  sonst  unfehlbar  wieder  ein  neues  Genus 
gegründet  worden  wäre. 

Ich  habe  die  Aufstellung  der  Gattung  Herkiotsia  eine  ergötzliche  Verirrung 
genannt.  Leider  hat  die  Sache  auch  ihre  ernste  Seite.  —  Die  Gattung  wurde 
nicht  beiläufig,  etwa  bei  Beschreibung  einer  neuen  Art,  von  einem  Neulinge  auf- 
gestellt, sondern  in  einer  Abhandlung,  welche  eine  kritische  Revision  der  syste- 
matischen Anordnung  der  Seefedern  zum  Zweck  hat,  und  von  einem  Manne,  mit 
dem  sicher  Wenige  sich  messen  können,  was  Reichthum  und  Vielseitigkeit  der 
auf  eigene  Anschauung  und  Untersuchung  gestützten  zoologischen  Kenntnisse 
betrifft.  Welch  trauriges  Licht  wirft  es  auf  den  Zustand  der  heutigen  Systematik, 
dass  an  solcher  Stelle  und  von  solcher  Hand  ein  ähnlicher  Missgriff  gethan  werden 
durfte.  Und  der  Fall  ist  kein  vereinzelter.  Fast  jede  Seite  eines  zoologischen 
Jahresberichtes  liefert  Belege  für  die  wüste,  grundsatz-  und  haltlose  Weise,  in  der 
man  heutzutage  so  vielfach  ins  Blaue  hinein  Gattungen  und  Arten  fabricirt.  Um 
ihre  Wissenschaft  vor  vollständiger  Verwilderung  zu  bewahren,  ist  es  wahrlich 
die  höchste  Zeit,  dass  die  Systematiker  sich  allen  Ernstes  der  Erörterung  der 
allgemeineren  Fragen  zuwenden,  von  denen  aus  sie  allein  für  ihre  Arbeiten  festen 
Boden  und  sichere  leitende  Grundsätze  gewinnen  können.  —  Die  Anregung,  die 
hierzu  durch  Darwin's  Buch  über  die  Entstehung  der  Arten  gegeben  wurde, 
hätte  zu  keiner  gelegeneren  Stunde  kommen  können. 

Desterro,  31.  März   1864. 


Nachtrag  zum  vorstehenden  Aufsätze^). 

Von  Max  Schultze. 

Fritz  Müll  er 's  Beobachtung  grösserer  Oeffnungen  zur  Wasseraufnahme 
und  Abgabe  bei  Renilla,  welche  mir  bereits  seit  längerer  Zeit  durch  briefliche 
Mittheilungen  bekannt  war,  veranlasste  mich  die  mir  zu  Gebote  stehenden  Spiritus- 
exemplare von  Pennatula  auf  solche  Oeffnungen  anzusehen.  Dass  bei  den  Penna- 
tuliden  sämmtlich  dergleichen  Oeffnungen  vorhanden  seien,  war  an  sich  nicht  zu 
bezweifeln,  da  die  Wasserlöcher  ein  wesentliches  Ghed  in  der  Organisation  der 
Coelenteraten  darstellen.  Es  handelte  sich  aber  darum,  die  Lage  dieser  Oeff- 
nungen, deren  bisher  Niemand  Erwähnung  gethan,  zu  bestimmen  und  vor  allen 
Dingen  festzustellen,  ob  ein  der  bei  Renilla  constanten  grösseren  mittleren  Scheiben- 
öffnung entsprechendes  Wasserloch  auch  den  echten  Pennatuliden  zukomme.  Gleich 
die  ersten  Nachforschungen  bei  zwei  wohl  erhaltenen  Exemplaren  der  Pennatula 
rubra  aus  dem  Mittelmeere,  welche  das  hiesige  anatomische  Museum  besitzt, 
führten  zu  einem  sehr  bestimmten  Resultat,  insofern  an  beiden  Exemplaren  je 
eine  grössere  Oeffnung  gefunden  wurde,  welche  offenbar  nur  zur  Wasseraufnahme 
und  Abgabe  in  das  innere  Höhlensystem  des  Stammes  dienen  konnte.  Doch  ver- 
hielten sich  beide  Exemplare  verschieden.  Auf  der  körnigen  hinteren  Oberfläche 
des  Stammes  von  P.  rubra  verläuft  eine  mittlere  Längsrinne  mit  glattem  Boden 
und  von  weisslicher  Farbe.  Dieselbe  beginnt  kaum  sichtbar  am  oberen  Ende  des 
Schaftes  und  verbreitet  sich  nach  abwärts,  um  am  Anfange  des  drehrunden  Stieles 
zu  verschwinden.  Hier  an  der  Grenze  von  Fahne  und  Stiel  entsteht  aus  der 
Längsrinne  an  einem  der  beiden  Exemplare  eine  tiefe  seitlich  ausweichende 
Furche,  und  führt  sofort  in  eine  weite  Oeffnung,  durch  welche  leicht  eine  ge- 
knöpfte Sonde  in  das  Hohlraum  System  des  Stieles  vorgeschoben  werden  kann. 
Drückt  man  den  Stiel  aufwärts  nach  der  Oeffnung  zu,  so  fliesst  eine  ansehnliche 
Menge  Flüssigkeit  aus  dem  Innern  aus.  An  dem  anderen  Exemplare  fehlt  hier 
an  der  Hinterseite  die  tiefere  Furche  mit  der  Oeffnung  gänzlich,  dafür  zeigt  sich 
auf  der  vorderen  Fläche  in  der  Höhe  des  sechsten  Polypen  tragenden  Zweiges 
etwas  seitlich  von  der  Mittellinie  in  versteckter  Lage  eine  ansehnliche  Oeffnung 
mit  wulstigem  Rande,  durch  welche  eine  geknöpfte  Sonde  leicht  aufwärts  und 
abwärts  in  das  Hohlraumsystem  des  Körpers  vorgeschoben  werden  kann. 

i)  Archiv  für  Naturgeschichte   1864.  1.  p.  359 — 360. 


Nachtrag  zum  vorstehenden  Aufsatze.  ign 

Nach  diesem  Befunde  war  ich  erstaunt,  an  mehreren  Exemplaren  von 
Pennatula  (Pteroeides  Herklots)  spinosa  des  hiesigen  anatomischen  und  zoologi- 
schen Museums  keine  Spur  einer  solchen  grösseren  Oeffnung  zu  finden.  Ebenso- 
wenig bei  den  kleinen  zierlichen  Pennatula  pulchella.  Dagegen  fand  sich  eine 
den  beschriebenen  entsprechende  Oeffnung  an  einem  Exemplar  von  Pteroeides 
japonicum  des  hiesigen  zoologischen  Museums  und  zwar  auf  der  Mitte  der  Hinter- 
seite des  Schaftes  in  der  Höhe  des,  von  unten  gerechnet,  sechsten  Polypen 
tragenden    Armes.     Die  Sonde   glitt   von   hier   aus   leicht  aufwärts  in  das  Innere. 

Ausser  diesen  grösseren  Wasserlöchern  kommen  bei  der  Pennatula  wie  bei 
Renilla,  wie  es  scheint,  allgemein  kleinere  Oeffnungen  vor  und  zwar  constant 
an  der  Spitze  des  Stieles.  Bei  Renilla  sind  dieselben  von  Fritz  Müller  gesehen. 
Ihre  Anwesenheit  bei  Pennatula  ist  leicht  zu  constatiren,  wenn  man  Exemplare, 
die  nicht  gar  zu  stark  in  Spiritus  erhärtet  sind,  nach  der  Spitze  des  Stieles  zu 
mit  den  Fingern  streicht.  Ich  sah  bei  dieser  Operation  immer  mehrere  feine 
Strahlen  Flüssigkeit  aus  winzigen  Oeffnungen  des  Stieles  hervordringen. 


Für  Darwin^). 

Mit  67  Textfiguren. 

„Caeterum,  nullius  in  verba  jurans,  aliorum  inventa 
consarcinare  haud  institui;  quae  ipse  quaesivi,  re- 
peri,  repetitis  vicibus  diversoque  tempore  obser- 
vavi, propono." 

O.  F.  Müller,  Histor.  vermium. 

Vorwort. 

Die  folgenden  Blätter  wollen  nicht  die  für  und  wider  Darwin's  Lehre  von  der 
Entstehung  der  Arten  vorgebrachten  Gründe  aufs  neue  erörtern  und  gegeneinander 
abwägen.  Sie  wollen  einfach  auf  einige  dieser  Lehre  günstige  Thatsachen  hin- 
weisen, gesammelt  auf  demselben  Boden  Südamerika's,  auf  welchem  in  Darwin, 
wie  er  uns  erzählt,  zuerst  der  Gedanke  aufkeimte,  sich  mit  der  „Entstehung  der 
Arten,  diesem  Geheimniss  der  Geheimnisse"  zu  beschäftigen. 

Nur  durch  Herbeischaffen  neuen  verwerthbaren  Stoffes  wird  sich  allmählich 
die  Streitfrage  für  eine  endgültige  Entscheidung  spruchreif  machen  lassen,  und 
dieses  erscheint  einstweilen  wichtiger  als  eine  wiederholte  Zergliederung  des  bereits 
vorliegenden.  Zudem  bleibt  es  billig  fürs  Erste  Darwin  selbst  überlassen,  die  An- 
griffe der  Gegner  abzuwehren  von  dem  stolzen  Baue,  den  er  mit  solcher  Meister- 
hand aufgeführt. 

Desterro,  7.  September  1863.  F.  M. 


I. 

Als  ich  Charles  Darwin's  Buch  „über  die  Entstehung  der  Arten"  gelesen 
hatte,  schien  es  mir,  dass  einer  der  Wege  und  der  sicherste  vielleicht,  die  darin 
entwickelten  Ansichten  auf  ihre  Richtigkeit  zu  prüfen,  der  sei,  dass  man  eine 
möglichst  ins  Einzelne  gehende  Anwendung  auf  eine  bestimmte  Thiergruppe  ver- 
suche. Ein  solcher  Versuch,  sei  es  für  die  Familien  einer  Klasse,  sei  es  für  die 
Gattungen  einer  grösseren  Familie,  oder  für  die  Arten  einer  reichen  Gattung  einen 
Stammbaum  aufzustellen,  und  von  den  gemeinsamen  Urahnen  der  verschiedenen 
engeren  und  weiteren  Kreise  möglichst  ausgeführte  und  anschauliche  Bilder  zu 
entwerfen,  konnte  ein  dreifach  verschiedenes  Ergebniss  liefern. 

i)  Leipzig.    Engelraann.    1864. 


Für  Darwin.  20I 

Es  konnten  i.  Darwin's  Vorraussetzungen  bei  ihrer  Anwendung  zu  unverein- 
baren, sich  widersprechenden  Folgerungen  führen,  aus  denen  dann  auf  die  Irrig- 
keit der  Voraussetzungen  zurück  geschlossen  werden  durfte. 

Waren  Darwin's  Ansichten  falsch,  so  war  zu  erwarten,  dass  Widersprüche 
ihre  Anwendung  im  Einzelnen  auf  jedem  Schritte  begleiten,  und  dass  sie,  sich 
häufend,  die  Voraussetzungen,  aus  denen  sie  hervorgegangen,  mit  vereinter  Wucht 
aufs  Gründlichste  zermalmen  würden,  so  wenig  auch  die  auf  jeden  besonderen  Fall 
gebauten  Schlüsse  die  Unbedingtheit  mathematischer  Beweise  haben  mochten. 

Es  konnte  2.  der  Versuch  in  ausgedehnterer  oder  beschränkterer  Weise  ge- 
lingen. War  es  möglich,  auf  Grund  und  mit  Hilfe  der  Darwin'schen  Lehre  zu 
zeigen,  in  welcher  Folge  die  verschiedenen  engeren  und  weiteren  Kreise  aus  der 
gemeinsamen  Grundform  und  von  einander  sich  losgelöst,  in  welcher  Folge  sie 
die  jetzt  sie  bezeichnenden  Eigenthümlichkeiten  erworben,  welche  Umwandlungen 
sie  im  Laufe  der  Zeiten  erlitten  hatten,  —  war  eine  solche  von  inneren  Wider- 
sprüchen freie  Aufstellung  eines  Stammbaumes,  einer  Urgeschichte  der  betrachteten 
Thiergruppe  möglich,  so  musste  diese  Aufstellung,  je  vollständiger  sie  die  be- 
kannten Arten  in  sich  aufnahm,  und  je  tiefer  sie  in  das  Einzelnste  des  Baues 
hinabzusteigen  vermochte,  um  so  mehr  in  sich  selbst  die  Bürgschaft  der  Wahr- 
heit tragen,  und  um  so  überzeugender  den  Beweis  liefern,  dass  der  Grund,  auf 
dem  sie  gebaut,  kein  lockerer  Sand,  dass  er  mehr,  als  blos  „ein  geistreicher 
Traum"  sei. 

Freilich  war  es  3.  auch  möglich,  und  dies  musste  von  vorn  herein  als  der 
wahrscheinlichere  Fall  erscheinen,  dass  der  Versuch  an  den  ihm  entgegentretenden 
Schwierigkeiten  scheiterte,  ohne  die  Frage,  für  oder  wider,  in  Anerkennung  er- 
zwingender Weise  zu  entscheiden.  Glückte  es  indess  nur,  für  sich  selbst  auf  diesem 
Wege  zu  einem  einigermassen  gesicherten  selbstständigen  Urtheile  über  diese  so 
tief  in  die  höchsten  Fragen  eingreifende  Angelegenheit  zu  gelangen,  so  musste 
auch  das  schon  als  reicher  Gewinn  gelten. 

Entschlossen,  den  Versuch  zu  wagen,  hatte  ich  zunächst  für  eine  bestimmte 
Klasse  mich  zu  entscheiden.  Die  Wahl  musste  sich  auf  diejenigen  beschränken, 
deren  Hauptformen  leicht  in  einiger  Mannichfaltigkeit  lebend  zu  erhalten  waren. 
Eine  so  lange  und  bunte,  und  doch  so  innig  verknüpfte  Reihe  nun,  wie  sie  aus 
der  Klasse  der  Kruster  die  Krabben  und  Krebse,  die  Maulfüsser,  die  Diastyliden, 
die  Amphipoden  und  Asseln,  die  Ostracoden  und  Daphniden,  die  Copepoden  und 
Schmarotzerkrebse,  die  Rankenfüsser  und  Wurzelkrebse  unserer  Küste  boten  (nur 
die  Phyllopoden  und  Xiphosuren  fehlten),  stand  mir  aus  keiner  anderen  Klasse 
zur  Verfügung.  Auch  ohne  diesen  Umstand  hätte  indessen  die  Wahl  der  Kruster 
kaum  zweifelhaft  sein  können.  Nirgends,  wie  das  schon  von  verschiedenen  Seiten 
ausgesprochen  wurde,  ist  ja  die  Versuchung  dringender,  den  Ausdrücken :  „Ver- 
wandtschaft, Hervorgehen  aus  gemeinsamer  Grundform",  und  ähnlichen  eine  mehr 
als  blos  bildliche  Bedeutung  beizulegen,  als  bei  den  niederen  Krustern.  Nament- 
lich bei  den  Schmarotzerkrebsen  pflegte  ja  längst  alle  Welt,  als  wäre  die  Um- 
wandlung der  Arten  eine  selbstverständliche  Sache,  in  kaum  bildlich  zu  deutender 
Weise  von  ihrer  Verkümmerung  du rch's  Schmarotzerleben  zu  reden.  Es  mochte 
wohl  Niemandem  als  eines  Gottes  würdiger  Zeitvertreib  erscheinen,  sich  mit  dem 
Ausdenken  dieser  wunderlichen  Verkrüppelungen  zu  belustigen  und  so  liess  man 


202 


Für  Darwin. 


sie  durch  eigene  Schuld,  wie  Adam  beim  Sündenfall,  von  der  früheren  Voll- 
kommenheit herabsinken. 

Dass  bereits  ein  grosser  Theil  der  weiteren  und  engeren  Kreise,  in  die  sich 
diese  Klasse  gliedert,  als  endgültig  festgestellt  gelten  durfte,  während  bei  zwei 
anderen  Klassen,  in  denen  ich  heimisch  war,  den  Ringelwürmern  und  Quallen, 
alle  versuchten  Anordnungen  nur  als  vorläufige  Uebersichten  erscheinen  mussten, 
war  ein  weiterer  nicht  zu  unterschätzender  Vorzug.  Diese  unverrückbaren  Gruppen, 
wie  die  scharfgezeichneten  Formen  des  starren  reichgegliederten  Hautgerüstes, 
waren  nicht  nur  als  sichere  Ausgangs-  und  Stützpuncte,  sie  waren  auch  als  wohl- 
thätige  unerbittliche  Schranken  vom  höchsten  Werthe  bei  einer  Aufgabe,  bei  der 
nun  einmal,  ihrer  Natur  nach,  die  Phantasie  frei  ihre  Schwingen  entfalten  musste. 

Indem  ich  also  begann,  mir  von  diesem  neuen  Standpuncte  der  Darwin'schen 
Lehre  aus  unsere  Kruster  näher  anzusehen,  indem  ich  versuchte,  die  Anordnung 
derselben  in  die  Form  eines  Stammbaumes  zu  bringen  und  über  den  wahrschein- 
lichen Bau  der  Stammeltern  mir  Rechenschaft  zu  geben,  sah  ich  freilich  bald,  — 
und  ich  war  darauf  gefasst  gewesen,  —  dass  es  langjähriger  Vorarbeiten  bedürfen 
würde,  ehe  die  eigentliche  Aufgabe  in  ernstlichen  Angriff  genommen  werden  könne. 
Die  bisherigen  systematischen  Arbeiten  legten  meist  mehr  Gewicht  auf  die  die 
Gattungen,  Familien,  Ordnungen  scheidenden,  als  auf  die  die  Glieder  jedes  Kreises 
unter  sich  verknüpfenden  Merkmale  und  lieferten  deshalb  oft  verhältnissmässig 
wenig  verwendbaren  Stoff.  Vor  Allem  aber  war  eine  eingehende  Kenntniss  der 
Entwickelung  unentbehrlich,  und  Jedermann  weiss,  wie  lückenhaft  in  dieser  Be- 
ziehung das  bisher  Erkannte  ist.  Diese  Lücken  waren  um  so  schwieriger  auszu- 
füllen, da  man,  wie  van  Beneden  für  die  Decapoden  bemerkt,  wegen  der  oft  un- 
glaublich verschiedenen  Entwickelung  nächstverwandter  Formen,  meist  Familie  für 
Familie,  oft  Gattung  für  Gattung,  ja  man  kann  in  Hinblick  auf  Peneus  hinzusetzen, 
bisweilen  selbst  Art  für  Art  besonders  studiren  musste,  und  da  diese  Untersuch- 
ungen, an  sich  mühsam  und  zeitraubend,  in  ihrem  Erfolge  oft  von  einem  glück- 
lichen Ungefähr  abhingen. 

Musste  so  aber  auch  der  „Stammbaum  der  Krebse"  als  ein  Unternehmen 
erscheinen,  für  dessen  befriedigende  Ausführung  die  Kraft  und  die  Lebensfrist 
eines  Einzelnen  kaum  ausreichen  mochte,  selbst  unter  günstigeren  Verhältnissen, 
als  eine  entlegene  Insel,  fern  vom  grossen  Markte  des  wissenschaftHchen  Lebens, 
fern  von  Bibliotheken  und  Museen,  sie  bieten  konnte,  —  so  wurde  mir  doch  täg- 
lich seine  Ausführbarkeit  weniger  zweifelhaft,  und  täglich  machten  mich  neue 
Erfahrungen  der  Darwin'schen  Lehre  günstiger  gestimmt. 

Wenn  ich  mich  nun  entschliesse,  über  die  Gründe  mich  auszusprechen,  die 
sich  mir  aus  der  Betrachtung  unserer  Kruster  zu  Gunsten  der  Darwin'schen  An- 
sichten ergaben,  und  die  —  neben  allgemeineren  Erwägungen  und  beiläufigen 
Erfahrungen  auf  anderen  Gebieten  —  wesentlich  dazu  beitrugen,  die  Richtigkeit 
jener  Ansichten  mir  immer  wahrscheinlicher  zu  machen,  so  bestimmt  mich  dazu 
hauptsächlich  eine  Aeusserung  Darwin's.  „Wer  immer",  sagt  er  (Uebers.  v.  Bronn, 
S.  486),  „sich  zur  Ansicht  neigt,  dass  Arten  veränderlich  sind,  wird  durch  gewissen- 
haftes Geständniss  seiner  Ueberzeugung  der  Wissenschaft  einen  guten  Dienst 
leisten."  Dem  in  diesen  Worten  enthaltenen  Wunsche  entspreche  ich  meinerseits 
um   so   lieber,    da   dies    mir  Gelegenheit   bietet,    öffentlich   dem  Danke  Worte  zu 


Für  Darwin. 


203 


leihen,  zu  dem  ich  mich  Darwin  auf's  Tiefste  verpflichtet  fühle  für  die  Belehrung 
und  Anregung,  die  ich  seinem  Buche  in  so  reichem  Maasse  schulde.  So  werfe 
ich  denn  getrost  dieses  Sandkorn  in  die  Wagschale  gegen  den  „Berg  von  Vor- 
urtheilen,  unter  welchem  dieser  Gegenstand  vergraben  ist",  unbekümmert,  ob  auch 
mich  die  Priester  einer  alleinseligmachenden  Wissenschaft  zu  den  Träumern  rechnen 
werden  und  zu  den  „Kindern  an  Erkenntniss  der  Naturgesetze". 

IL 

Eine  falsche  Voraussetzung  wird  früher  oder  später,  wenn  man  weiter  und 
weiter  den  aus  ihr  fliessenden  Folgerungen  nachgeht,  zu  Ungereimtheiten  und 
greifbaren  Widersprüchen  führen.  Solche  Widersprüche  zwischen  den  aus  Dar- 
win's  Lehre  für  die  Klasse  der  Kruster  sich  ergebenden  Schlüssen  aufzufinden, 
habe  ich  mich  viel  bemüht  während  der  nicht  kurzen  Zeit  peinlichen  Zweifels,  in 
der  das  Zünglein  der  Wage  mir  völlig  ungewiss  schwankte  zwischen  dem  Für 
und  dem  Wider,  und  in  der  jede  zu  rascherer  Entscheidung  führende  Thatsache 
mir  hoch  willkommen  sein  musste.  Ich  habe  keinen  gefunden,  weder  damals, 
noch  später.  Die  ich  gefunden  zu  haben  meinte,  lösten  sich  bei  näherer  Betrach- 
tung, oder  verwandelten  sich  selbst  in  Stützen  der  Darwin'schen  Lehre. 

Auch  von  anderen  Seiten  sind,  soviel  mir  bekannt  geworden,  keine  noth- 
w endigen  Folgerungen  der  Darwin'schen  Voraussetzungen  als  in  offenem,  un- 
vereinbarem Widerspruche  stehend  nachgewiesen  worden.  Und  doch,  da  zu  den 
Gegnern  Darwin's  die  gründlichsten  Kenner  der  Thierwelt  gehören,  sollte  man 
meinen,  dass  es  ihnen  ein  Leichtes  hätte  sein  müssen,  ihn  längst  unter  der  Menge 
ungereimter  widerspruchsvoller  Folgerungen  zu  erdrücken,  wenn  solche  überhaupt 
aus  seiner  Lehre  zu  ziehen  wären.  Auf  diesen  Mangel  nachgewiesener  Wider- 
sprüche glaube  ich  ganz  dasselbe  Gewicht  legen  zu  dürfen  zu  Gunsten  Darwin's, 
das  wider  ihn  seine  Gegner  dem  Mangel  nachgewiesener  Zwischenformen  zwischen 
den  Arten  verschiedener  Erdschichten  beimessen.  Letzterem  Umstände  wird  übrigens, 
abgesehen  von  den  Gründen,  die  Darwin  für  ein  nur  sehr  ausnahmsweises  Er- 
haltensein solcher  Zwichenformen  gibt,  keine  übergrosse  Bedeutung ,  beizulegen 
geneigt  sein,  wer  je  die  Entwicklung  eines  Thieres  an  aus  dem  Meere  gefischten 
Larven  verfolgt,  und  dabei  Monate,  Jahre  lang  vergeblich  nach  Zwischenformen 
gesucht  hat,  von  denen  er  doch  weiss,  dass  sie  zu  Tausenden  ihn  umschwärmen. 

In  welcher  Weise  nun  überhaupt  Widersprüche  sich  als  nothwendige  Aus- 
flüsse der  Darwin'schen  Voraussetzungen  herausstellen  könnten,  mögen  einige 
Beispiele  veranschaulichen. 

Es  scheint  für  alle  Krabben,  die  längere  Zeit  ausser  Wasser  sich  aufhalten, 
Bedürfniss  zu  sein  (weshalb,  berührt  uns  hier  nicht),  dass  von  hintenher  Luft  in 
ihre  Kiemenhöhle  eintrete.  Diese  Krabben  nun,  die  sich  mehr  oder  minder  dem 
Wasser  entfremdet  haben,  gehören  den  verschiedensten  Familien  an:  den  Rani- 
niden  (Ranina),  Eriphinen  (Eriphia  gonagra),  Grapsoiden  (Aratus,  Sesarma  u.  A.), 
Ocypodiden  (Gelasimus,  Ocypoda)  u.  s.  w.  Die  Scheidung  dieser  Familien  würde 
ohne  Zweifel  in  weit  frühere  Zeit  zu  setzen  sein,  als  die  Gewohnheit  einzelner 
ihrer  Mitglieder,  das  Wasser  zu  verlassen.  Die  auf  Luftathmung  bezüglichen  Ein- 
richtungen könnten  also  nicht  von  einem  gemeinsamen  Stammvater  ererbt,  also 
kaum  in  übereinstimmender  Weise  gebaut  sein.   Fände  sich  eine  solche,  nicht  auf 


?04 


Für  Danvin. 


zufällige  Aehnlichkeit  zurückführbare  Uebereinstimmung,  so  würde  sie  als  Beweis 
gegen  die  Richtigkeit  der  Darwin'schen  Ansichten  in  die  Wage  zu  legen  sein. 
Ich  werde  weiter  unten  zeigen,  wie  in  diesem  Falle  der  Befund,  weit  entfernt 
solche  Widersprüche  zu  bieten,  vielmehr  im  vollsten  Einklänge  steht  mit  dem, 
was  sich  aus  Darwin's  Lehre  voraussagen  Hess. 

Ein  zweites  Beispiel.  Man  kennt  vier  Arten  von  Melita  (valida,  setipes, 
anisochir,  Fresnelii),  und  ich  kann  eine  fünfte  hinzufügen  (Fig.  i),  deren  zweites 
Fusspaar  auf  der  einen  Seite  eine  kleine  Hand  von  gewöhnlicher  Bildung,  auf 
der  anderen  aber  eine  ungeheure  Kneifzange  trägt.  Diese  As}^mmetrie  ist  etwas 
so  Ungewöhnliches  unter  den  Amphipoden,  die  Bildung  der  Kneifzange  weicht 
soweit  ab  von  dem,  was  man  sonst  in  dieser  Ordnung  sieht,  und  ist  so  überein- 
stimmend bei  den  fünf  Arten,  dass  man  diese  unbedenklich  als  denselben,  nur 
ihnen  unter  den  bekannten  Arten  gemeinsamen  Stammeltern  entsprossen  ansehen 
müsste.     Einer    dieser  Arten    nun,    der   von    Savigny    in  Aegypten    gesammelten 

M.  Fresnelii,  soll  die  den  anderen 
zukommende  Nebengeissel  der  vor- 
deren Fühler  fehlen.  Bei  der  Zu- 
verlässigkeit aller  Arbeiten  Savigny's 
ist  die  Richtigkeit  dieser  Angabe 
kaum  zu  bezweifeln.  Besässe  nun 
die  An-  oder  Abwesenheit  der 
Nebengeissel  die  Bedeutung  eines 
Gattungen  scheidenden  Merkmals, 
die  man  ihr  beizulegen  pflegt,  oder 
fänden  sich  sonstige  erhebliche  Unter- 
schiede zwischen  Melita  Fresnelii  und 
den  anderen  genannten  Arten,  die  es 
natürlich  erscheinen  Hessen,  jene  als  eigene  Gattung  abzuscheiden,  diese  mit  den 
übrigen  Melitaarten  vereinigt  zu  lassen,  d.  h.,  im  Sinne  der  Darwin'schen  Lehre, 
anzunehmen,  dass  alle  anderen  Melita  gemeinsame  Stammeltern  besassen,  die 
nicht  zugleich  Stammeltern  der  Melita  Fresnelii  gewesen,  —  so  würde  das  im 
Widerspruch  stehen  mit  dem  aus  der  Bildung  der  Kneifzange  gezogenen  Schlüsse, 
dass  MeUta  Fresnelii  und  die  vier  andern  genannten  Arten  gemeinsame  Stammeltern 
besassen,  die  nicht  zugleich  Stammeltern  der  übrigen  Melitaarten  gewesen.  —  Es 
würde  folgen 


Fig.  I.  Melita  exilii  n.  sp.  Männchen,  5mal  vergr. 
Zwischen  den  Füssen  sieht  mau  die  grossen  Kiemenblätter 
vorragen. 


aus  der  Bildung  der  Kneifzange : 
O. 


M.  palmata  etc.      M. exilii  etc.       M.  P'resnelii. 


aus  der  An  und  Abwesenheit  der  Nebengeissel ; 


M.  plamata  etc.       M.  exilii  etc.        M.  Fresnelii. 


Wie  im  ersten  Falle,  bei  den  Krabben,  eine  typische  Uebereinstimmung 
unabhängig  von  einander  entstandener  Einrichtungen,  so  würde  im  zweiten  jede 
tiefer  greifende  Verschiedenheit  als  nächst  verwandt  anzusprechender  Arten  ein 
für  Darwin's  l^ehre  sehr  bedenklicher  Umstand  sein.  Nun  scheint  mir  aber,  dass 
die  Nebengeissel  in  keiner  Weise  einen  Grund  abgeben  kann,  die  enge  verwandt- 


Für  Darwin. 


205 


schaftliche  Beziehung"  von  Mehta  Fresnelii  zu  M.  exih"i  u.  s.  w.  zu  bezweifehi, 
welche  anzunehmen  die  eigenthümliche  Bildung  der  unpaaren  Kneifzange  gebietet. 
Man  muss  fürs  Erste  an  die  Möglichkeit  denken,  dass  die  nicht  immer  leicht 
aufzufindende  Nebengeissel  von  Savigny  doch  nur  übersehen  wurde,  wie  auch 
Spence  Bäte  vermuthet.  P'ehlt  sie  wirklich,  so  ist  daran  zu  erinnern,  dass  ich  sie 
bei  Arten  der  Gattungen  Leucothoe,  Cyrtophium,  Amphilochus  finde,  bei  welchen 
Gattungen  sie  von  Savigny,  Dana.  Spence  Bäte  vermisst  wurde,  dass  eine  durch 
den  Bau  der  Hüftblätter  (epimeres  Edw.,  coxae  Sp.  B.),  der  Schwanzfüsse  (uro- 
poda  Westwood)  u.  s.  w.  als  echte  Amphithoe  ^)  sich  ausweisende  hiesige  Art  sie 
besitzt,  dass  sie  bei  manchem  Cerapus  zu  einem  kaum  nachweisbaren  Reste  ver- 
kümmert, ja  dass  sie  bisweilen  in  der  Jugend  vorhanden  ist,  im  reifen  Alter  (wenn 
auch  vielleicht  nie  spurlos)  schwindet,  wie  Spence  Bäte  bei  Acanthonotus  Owenii 
und  Atylus  carinatus  fand  und  wie  ich  für  einen  durch  gefiederte  Kiemen  merk- 
würdigen Atylus  unseres  Meeres  bestätigen  kann,  und  dass  nach  alledem  noch 
heute,  wo  die  wachsende  Menge  der  bekannt  gewordenen  Amphipoden  und  die 
dadurch  herbeigeführte  Zersplitterung  in  zahlreiche  Gattungen  ein  Herabsteigen 
zu  sehr  kleinlichen  Unterscheidungsmerkmalen  erfordert,  dennoch  die  Benutzung 
der  Nebengeissel  als  Gattungsmerkmal  beanstandet  werden  muss  und  dass  also 
der  Fall  der  Melita  Fresnehi  kein  Bedenken  gegen  Darwin's  Lehre  erregen  kann. 

III. 

Wenn  die  Widerspruchslosigkeit  der  Folgerungen,  die  für  ein  engeres  und 
somit  leichter  zu  übersehendes  Gebiet  aus  ihr  flössen,  ein  günstiges  Vorurtheil  für 
Darwin's  Ansichten  erwecken  musste,  so  durfte  es  als  ein  wirklicher  Triumph 
derselben  begrüsst  werden,  wenn  weit  greifende  Schlüsse,  die  auf  sie  gebaut 
wurden,  nachträglich  durch  Thatsachen  bestätigt  wurden,  deren  Bestehen  die 
bisherige  Wissenschaft  in  keiner  Weise  ahnen  Hess.  Aus  manchen  Erfolgen  dieser 
Art,  von  denen  ich  berichten  könnte,  wähle  ich  als  Beispiele  zwei  aus,  die  mir 
von  besonderer  Wichtigkeit  waren  und  Entdeckungen  betreffen,  deren  grosse  Be- 
deutung für  die  Morphologie  und  Systematik  der  Kruster  auch  die  Gegner  Dar- 
win's nicht  in  Abrede  stellen  werden. 

Betrachtungen  über  die  Entwickelungsgeschichte  der  Kruster  hatten  mich 
zu  dem  Schlüsse  geführt,  dass  wenn  überhaupt  höhere  und  niedere  Kruster  von 
gemeinsamen  Urahnen  ableitbar  wären,  auch  erstere  einst  Nauplius-ähnliche  Zu- 
stände durchlaufen  haben  müssten.  Wenig  später  entdeckte  ich  Nauplius-ähnliche 
Larven  von  Garneelen  (Troschel's  Arch.  f.  Naturgesch.  1863.  I.  S.  8  =  Gesammelte 
Schriften  S.  167)  und  gestehe,  dass  dieser  Fund  für  mich  den  ersten  entscheiden- 
den Ausschlag  zu  Darwin's  Gunsten  gab. 

Die  den  Krabben  und  Krebsen,  den  Amphipoden  und  Asseln  zukommende 
gleiche  Zahl   von   Leibesringen  ^),  von   denen   die  sieben  letzten  stets  abweichend 

1)  Ich  nehme  diese,  wie  alle  genannten  Amphipodengattungen  in  der  ihnen  von  Spence  Bäte  (Catal. 
of  Amphipodous  Crustacea)  gegebenen  Begrenzung. 

2)  Wie  Claus  betrachte  ich  die  Augen  der  Kruster  nicht  als  Gliedmassen  und  rechne  daher  keinen 
besonderen  Augenring  an,  zähle  dagegen  das  Mittelstück  des  Schwanzes  mit,  dem  man  vielfach  die  Be- 
deutung eines  Leibesringes  abspricht.  Gegen  die  Deutung  als  Leibesring  ist  wohl  nur  der  Mangel  der 
Gliedmassen  anzuführen,  dafür  namentlich  das  Verhalten  des  Darmes,  der  in  diesem  Stücke  auszumünden 
pflegt,  bisweilen  selbst  es  seiner  ganzen  Länge  nach  durchsetzt,  wie  bei  Microdeutopus  und  einigen  anderen 


,Q^  Für  Darwin. 

von  den  vorhergehenden  ausgestattet  sind,  musste  unabweisHch  als  Erbtheil  der- 
selben Urahnen  angesprochen  werden.  Wenn  nun  heute  noch  die  Mehrzahl  der 
Krabben  und  Krebse  und  überhaupt  der  stieläugigen  Kruster  Zoea-ähnliche  Ent- 
wickelungszustände  durchläuft,  und  dieselbe  Weise  der  Verwandlung  ihren  Stamm- 
eltern zuzuschreiben  war,  so  musste  ein  Gleiches,  wenn  auch  nicht  für  die  Stamm- 
eltern der  Asseln  und  Amphipoden,  so  doch  für  die  gemeinsamen  Urahnen  dieser 
und  der  stieläugigen  Kruster  gelten.  Eine  solche  Annahme  aber  war  jedenfalls 
sehr  gewagt,  so  lange  ihr  nicht  eine  einzige  Thatsache  aus  dem  eigenen  Gebiete 
der  Edriophthalmen  zur  Stütze  gegeben  werden  konnte,  da  der  Bau  dieser  so  in 
sich  abgeschlossenen  Gruppe  fast  unvereinbar  schien  mit  manchen  Eigenthümlich- 
keiten  der  Zoea.  So  bildete  für  mich  dieser  Punct  lange  eine  der  Hauptschwierig- 
keiten bei  Anwendung  der  Darwin'schen  Ansichten  auf  die  Kruster,  und  kaum 
durfte  ich  hoffen,  noch  jetzt  bei  Amphipoden  oder  Asseln  Spuren  jenes  Durch- 
gangs durch  die  Zoeaform  erhalten  zu  finden  und  damit  einen  thatsächlichen 
Beweis  für  die  Richtigkeit  jenes  Schlusses  zu  erlangen.  Da  machte  mich  van  Be- 
neden's  Angabe,  dass  eine  Scheerenassel  (Tanais  Dulongii),    nach  Milne  Edwards 


Amphipoden.  Bei  Microdeutopus  fühlt  man  sich  sogar  versucht,  wie  schon  Spence  Bäte  hervorhebt,  kleine 
Fortsätze  dieses  röhrenförmigen  Schwanzstückes  als  verkümmerte  Gliedmassen  zu  deuten.  Auch  Bell 
(British  Stalk-eyed  Crust.  pag.  XX)  will  bei  Palaemon  serratus  Gliedmassen  des  letzten  Ringes  in  Form 
kleiner  beweglicher  Spitzen  beobachtet  haben. 

Man  hat  mehrfach  versucht,  den  Leib  der  höheren  Kruster  in  kleinere  aus  gleicher  Ringzahl  ge- 
bildete Abschnitte  zu  zerlegen  und  diese  Abschnitte  bald  aus  3,  bald  aus  5,  bald  aus  7  Ringen  zusammen- 
gesetzt, ohne  dass  einer  dieser  Versuche  sich  allgemeiner  Zustimmung  hätte  erfreuen  können.  Meine 
eigenen  Untersuchungen  leiten  mich  zu  einer  Auffassung,  die  sich  nahe  an  die  van  Beneden's  anschliesst. 
Ich  nehme  vier  Abschnitte  von  je  5  Ringen  an:  Urleib,  Vorderleib,  Hinterleib,  Mittelleib.  Der  Urleib 
begreift  die  Ringe,  die  die  Naupliusförmige  Larve  aus  dem  Eie  mitbringt;  später  wird  er  durch  die  in 
seiner  Mitte  sich  entwickelnden  jüngeren  Abschnitte  in  Kopf  und  Schwanz  getrennt.  Diesem  Urleibe 
gehören  die  beiden  Fühlerpaare,  die  Kinnbacken  (mandibulae)  und  die  Schwanzfüsse  (posterior  pair  of 
pleopoda  Sp.  B.)  an.  Noch  beim  erwachsenen  Thiere  verräth  sich  die  Zusammengehörigkeit  dieser  End- 
abschnitte bisweilen  durch  die  Aehnlichkeit  ihrer  Anhänge,  besonders  die  des  äusseren  Astes  der  Schwanz- 
füsse mit  dem  äusseren  Aste  (der  sog.  Schuppe)  des  zweiten  Fühlerpaars.  Selbst  zu  Trägern  höherer 
Sinneswerkzeuge  können,  wie  die  Fühler,  so  die  Schwanzfüsse  werden,  wie  das  Ohr  der  Mysis  zeigt. 

Die  zeitliche  Folge  der  Leibesabschnitte  scheint  ursprünglich  die  gewesen  zu  sein,  dass  erst  der 
Vorderleib,  dann  der  Hinterleib,  zuletzt  der  Mittelleib  sich  bildete.  Der  Vorderleib  erscheint  beim  er- 
wachsenen Thiere  ganz  oder  zum  Theile  mit  dem  Kopfe  verschmolzen,  seine  Anhänge  (siagonopoda  Westw.) 
alle  oder  theilweise  der  Nahrungsaufnahme  dienstbar  und  meist  scharf  von  denen  der  folgenden  Gruppe 
geschieden.  Die  Ringe  des  Mittelleibes  scheinen  stets  sofort  nach  ihrem  Auftreten  Gliedmassen  zu  treiben, 
während  die  Ringe  des  Hinterleibes  oft  während  längerer  Abschnitte  des  Larvenlebens,  oder  selbst  für 
immer  (bei  manchen  weiblichen  Diastylideen)  sich  fusslos  erhalten ;  ein  Grund,  neben  manchen  anderen,  — 
den  Mittelleib  der  Krebse  nicht,  wie  es  üblich  ist,  dem  stets  fusslosen  Hinterleibe  der  Insecten  gleichzu- 
stellen. Die  Anhänge  des  Mittelleibes  (pereiopoda)  scheinen  niemals,  selbst  nicht  in  ihrer  jugendlichsten 
Form,  zwei  gleichwerthige  Aeste  zu  besitzen,  —  eine  Eigenthümlichkeit,  die  die  Anhänge  des  Hinter- 
leibes auszuzeichnen  pflegt.  Es  ist  dieses  ein  Umstand,  der  als  wichtiges  Bedenken  gegen  die  Gleich- 
stellung des  Mittelleibes  der  Malacostraca  mit  dem  bei  den  Copepoden  die  Schwimmfüsse,  bei  den  Cirri- 
pedien  die  Rankenfüsse  tragenden  Leibesabschnitte  geltend  zu  machen  ist. 

Die  Füsse  des  Hinterleibes  und  des  Schwanzes  in  eine  Gruppe  (als  fausses  pattes  abdominales,  oder 
als  pleopoda)  zusammenzufassen,  scheint  nicht  gerechtfertigt.  Wo  eine  Verwandlung  stattfindet,  entstehen 
sie  wohl  immer  zu  verschiedenen  Zeiten,  und  durchaus  verschieden  sind  sie  fast  immer  in  Bau  und  Ver- 
richtung. Selbst  bei  den  Amphipoden,  wo  die  Schwanzfüsse  den  beiden  letzten  Paaren  der  Hinterleibs- 
füsse  ähnlich  zu  sehen  pflegen,  sind  sie  in  der  Regel  durch  irgendwelche  Eigenthümlichkeit  ausgezeichnet, 
und  während  die  Hinterleibsfüsse  in  ermüdender  Einförmigkeit  sich  durch  die  ganze  Ordnung  wiederholen, 
gehören  bekanntlich  die  Schwanzfüsse  zu  den  veränderlichsten  Theilen  des  Amphipodenleibes. 


Für  Darwin. 


?07 


in  die  gleiche  Familie  mit  der  gemeinen  Wasserassel  gehörig,  einen  Panzer  be- 
sitze, wie  die  Decapoden,  auf  diese  Thiere  aufmerksam,  und  eine  nähere  Unter- 
suchung ergab,  dass  diese  Asseln  treuer,  als  irgend  ein  anderer  der  erwachsenen 
Kruster  manche  der  wesentlichsten  Zoeaeigenthümlichkeiten,  namentlich  deren 
Athmungsweise  bewahrt  haben.  Während  bei  allen  anderen  Asseln  die  Hintcr- 
leibsfüsse  der  Athmung  dienen,  sind  diese  bei  unserer  Scheerenassel  (Fig.  2)  reine 
Bewegungswerkzeuge,  in  die  nie  ein  Blutkörperchen  eintritt,  und  der  Haupt- 
sitz der  Athmung  ist,  wie  bei  den  Zoea  in  den  von  reichlichen  Blutströmen 
durchrieselten  Seitentheilen  des  Pan- 
zers, unter  welchem  ein  beständiger 
Wasserstrom  hinzieht,  erhalten,  wie 
bei  Zoea  und  den  erwachsenen  Deca- 
poden, durch  einen  Anhang  des  zweiten 
Kieferpaares,  der  allen  anderen  Edri- 

ophthalmen    abgeht.  Fig.  2.  Tanais  dubius  (?)  Kr.  ?.  25mal  vergr.  Man 

Beide  Entdeckungen,  das  sei  ne-  sieht  die  Eingangsöffnung  (x),  m  die  vom  Panzer  über- 

,        ,     .,              1        1       1  .    T   TT7-               1     r^  wölbte   Höhlung,    in    welcher   ein  Anhang   des    zweiten 

benbei  bemerkt,  dankt  dieWlSSenschaft  Kieferpaares  (/)  spielt.    An  4  Füssen  (i,  k,  l,  m)  finden 

weniger    einem  glücklichen  Zufall,   als  sich  Anlagen  der  Blätter,  die  später  die  Bruthöhle  bilden. 

unmittelbar  Darwin  und  seiner  Lehre. 

Peneusarten  leben  in  den  Meeren  Europa 's,  wie  hier ;  ihre  Naupliusbrut  ist 
sicher  manchem  der  zahlreichen  Forscher,  die  jene  Meere  ausbeuten,  und  mir 
selbst ')  wiederholt  unbeachtet  durch  die  Hände  gegangen ;  denn  sie  hat  Nichts, 
was  ihr  unter  den  so  mannichfaltigen  und  oft  so  wunderlichen  Naupliusformen 
eine  besondere  Aufmerksamkeit  zulenken  könnte.  Als  ich,  wegen  der  Aehnlich- 
keit  der  Bewegung  in  ihr  eine  junge  Peneus-Zoea  vermuthend,  zum  ersten  Male 
eine  solche  Larve  eingefangen  hatte,  und  nun  unter  dem  Mikroskope  einen  von 
jenen  Zoea  himmelweit  verschiedenen  Nauplius  fand,  hätte  ich  diesen  ohne  Zweifel, 
als  der  Entwicklungsreihe,  die  ich  verfolgte,  völlig  fremd,  bei  Seite  geworfen, 
wenn  nicht  gerade  der  Gedanke  an  frühere  Nauplius-ähnliche  Zustände  der  höheren 
Krebse,  die  ich  freilich  kaum  noch  in  der  Gegenwart  erhalten  glaubte,  mich  leb- 
haft beschäftigt  hätte. 

Und  hätte  ich  nicht  schon  lange  unter  den  Edriophthalmen  nach  Resten 
der  vorausgesetzten  Zoeazustände  gesucht  und  Alles  mit  Eifer  erfasst,  was  diese 
widerspenstige  Ordnung  mir  fügsam  zu  machen  versprach,  so  hätte  schwerlich 
van  Beneden's  kurze  Andeutung  mich  so  elektrisch  berührt  und  zu  erneuter  Be- 
schäftigung mit  den  Scheerenasseln  angeregt,  und  dies  um  so  weniger,  da  ich 
schon  einmal,  an  der  Ostsee  mich  mit  ihnen  geplagt  hatte,  ohne  weiter  als  meine 
Vorgänger  kommen  zu  können,  und  da  zweimal  auf  denselben  Gegenstand  zurück- 
zukommen, nic:ht  eben  nach  meinem  Geschmack  ist. 

IV. 

Unsere  Scheerenassel,  die  überhaupt  in  fast  allen  Verhältnissen  ihres  Baues 
ein  höchst  merkwürdiges  Thier  ist,  lieferte  mir  noch  eine  zweite,  für  die  Lehre  von 
der  Entstehung  der  Arten  durch  natürliche  Züchtung,  beachtenswerthe  Thatsache, 


i)  Mecznikow    fand  neuerdings  Nauplius-ähnliche  Larven  von  Gameelen  im  Meer  bei  Neapel  (Anm. 
aus  der  engl.  Uebersetzung  von  1869). 


208 


Für  Darwin. 


Wo  bei  den  Krustern  hand-,  oder  scheerenförmige  Bildungen  vorkommen, 
pflegen  dieselben  bei  den  Männchen  stärker,  als  bei  den  Weibchen  entwickelt  zu 
sein,  und  schwellen  bei  ihnen  oft  zu  ganz  unverhältnissmässiger  Grösse  an,  wie 
wir  es  oben  bei  Melita  sahen.  Ein  bekannteres  Beispiel  solcher  Riesenscheeren 
liefern    die  Männchen    der   sogenannten  Winkerkrabben    (Gelasimus),    von    denen 

man  sagt,  dass  sie  diese  Scheere 
■  beim  Laufen    „hocherhaben  tra- 

gen, als  ob  sie  damit  winkten"; 
—  eine  Angabe,  die  wenigstens 
nicht  für  alle  Arten  richtig  ist; 
eine  kleine  besonders  gross- 
scheerige  Art,  die  ich  z.  B.  in 
den  Mandioccafeldern  an  der 
Mündung  des  Cambriü  zu  Tau- 
senden herumlaufen  sah,  hält 
sie  stets  dicht  an  den  Leib  ge- 
presst.  —  Eine  zweite  Eigen- 
thümlichkeit  der  Krustermänn- 
chen  besteht  nicht  selten  in  einer 
reichlicheren  Entwicklung  zar- 
ter Fäden  an  der  Geissei  der  vor- 
deren Fühler,  die  Spence  Bäte 
Hörfäden  (auditory  cilia)  nennt, 
und  die  ich,  wie  vor  mir,  ohne 
dass  ich  es  wusste,  Leydig  als 
Riechwerkzeuge  deutete.  So 
bilden  sie,  wie  auch  van  Bene- 
den für  Bodotria  angibt,  lange 
dichte  Büschel  bei  den  Männchen 
mancher  Diastylideen ,  deren 
Weibchen  sie  nur  in  spärlicher 
Anzahl  besitzen.  Für  die  Cope- 
poden  machte  Claus  auf  die  Ver- 
schiedenheit der  Geschlechter  in 
dieser  Beziehung  aufmerksam. 
Es  spricht,  beiläufig  bemerkt, 
diese  stärkere  Entwicklung  bei 
den  Männchen,  wie  mir  scheint,  sehr  zu  Gunsten  der  von  Leydig  und  mir  ver- 
tretenen Ansicht,  da  auch  sonst  ja  die  männhchen  Thiere  nicht  selten  durch  den 
Geruch  beim  Aufspüren  der  brünstigen  Weibchen  geleitet  werden. 

Bei  unserer  Scheerenassel  nun  gleichen  die  jungen  Männchen  bis  zur  letzten 
der  Geschlechtsreife  vorausgehenden  Häutung  den  Weibchen ;  dann  aber  erleiden 
sie  eine  bedeutende  Verwandlung.  Sie  verlieren  unter  Anderem  die  beweglichen 
Anhänge  des  Mundes  bis  auf  diejenigen,  die  der  Unterhaltung  des  Athemstromes 
dienen;  man  findet  ihren  Darm  stets  leer  und  sie  scheinen  nur  noch  der  Liebe 
zu   leben.     Was   aber  das  Merkwürdigste  ist,  sie  erscheinen  nun  unter  zwei  ver- 


Fig.  3.  Kopf  der  gewöhnlichen  Form  der  Männchen  von 
Tanais  dubius  (?)  Kr.  gomal  vergr.  Zwischen  den  Scheeren- 
füssen  ragen  die  Endborsten  des  zweiten  Fühlerpaares  vor. 
—  Fig.  4.  Mundgegend  desselben,  v.  unten.  X.  Oberlippe.  — 
Fig.  5.  Kopf  der  seltneren  Form  der  Männchen,  25mal  vergr.  — 
Fig.  6.  Fühlergeissel  desselben  mit  den  Riechfäden,  gomal  vergr. 


Für  Darwin. 


209 


schiedenen  Gestalten.  Die  einen  (Fig.  3)  bekommen  gewaltige,  langfingrige,  recht 
bewegliche  Scheeren  und  statt  des  einzigen  Riechfadens  der  Weibchen  deren  etwa 
12  bis  17,  die  zu  zwei  bis  drei  an  den  Gliedern  der  Fühlergeissel  stehen.  Die 
andern  (Fig.  5)  behalten  die  plumpe  Scheerenform  der  Weibchen ;  dafür  aber  sind 
ihre  Fühler  (Fig.  6)  mit  weit  zahlreicheren  Riechfäden  ausgerüstet,  die  zu  5  bis  7 
beisammen  stehen. 

Zunächst,  ehe  ich  auf  deren  Bedeutung  eingehe,  noch  ein  Wort  über  die 
Thatsache  selbst.  Es  war  natürlich  daran  zu  denken,  ob  nicht  etwa  zwei  ver- 
schiedene Arten  mit  sehr  ähnlichen  Weibchen  und  mehr  verschiedenen  Männchen 
zusammenlebten,  oder  ob  nicht  die  Männchen,  statt  in  zwei  scharf  geschiedenen 
Formen  aufzutreten,  nur  innerhalb  sehr  weiter  Grenzen  veränderlich  wären.  Ich 
kann  weder  das  Eine,  noch  das  Andere  annehmen.  Unsere  Scheerenassel  lebt 
zwischen  dicht  verfilzten  Wasserfäden,  die  einen  etwa  zolldicken  Ueberzug  auf 
Steinen  in  der  Nähe  des  Ufers  bilden.  Bringt  man  eine  Handvoll  dieses  grünen 
Filzes  in  ein  grösseres  Glas  mit  reinem  Seewasser,  so  sieht  man  bald  seine  Wände 
sich  mit  Hunderten,  ja  Tausenden  dieser  kleinen  plumpen  weisslichen  Asseln  be- 
decken. So  habe  ich  mit  der  einfachen  Linse  manches  Tausend,  und  ich  habe 
mit  dem  Mikroskope  sorgfältig  viele  Hunderte  durchgemustert,  aber  ich  habe 
keine  Verschiedenheiten  unter  den  Weibchen  und  keine  Zwischenformen  zwischen 
den  zweierlei  Männchen  auffinden  können. 

Das  Vorkommen  nun  dieser  zweierlei  Männchen  wird  der  Schule  als  blosses 
Curiosum,  es  wird  denen,  welche  den  ., Schöpfungsplan"  als  „freie  Conception  eines 
allmächtigen  Verstandes"  ansehen,  „welche  in  dessen  Gedanken  gereift  ist,  bevor 
sich  dieselbe  in  greifbaren,  äusseren  Formen  offenbarte",  als  blosse  Laune  des 
Schöpfers  erscheinen,  da  sie  weder  aus  dem  Gesichtspuncte  praktischer  Zweck- 
mässigkeit, noch  aus  dem  „typischen  Bauplane"  erklärbar  ist.  Von  Darwin's  Lehre 
aus  erhält  dagegen  diese  Thatsache  Sinn  und  Bedeutung,  und  sie  scheint  hin- 
wiederum geeignet,  Licht  zu  werfen  auf  eine  Frage,  in  der  Bronn  „den  ersten 
und  erheblichsten  Einwand  gegen  die  neue  Theorie"  erblickte,  —  wie  es  möglich 
sei,  dass  aus  der  Häufung  in  verschiedenen  Richtungen  auseinanderlaufender 
kleinster  Abänderungen,  Abarten  und  Arten  entstehen,  die  von  der  Stammform 
nett  und  scharf  wie  ein  gestieltes  Dicotyledonenblatt  sich  abheben  und  nicht  mit 
ihr  und  untereinander,  wie  der  unregelmässige  krause  Lappen  einer  Blätterflechte 
mit  der  übrigen  Flechtenmasse  verfliessen. 

Lassen  wir  die  noch  gleichgebildeten  Männchen  unserer  Scheerenassel,  — 
meinetwegen,  wie  Bronn  will,  nach  allen  beliebigen  Richtungen  hin,  —  abzuändern 
beginnen.  War  die  Art  ihren  Lebensverhältnissen  angepasst,  war  in  dieser  Be- 
ziehung bereits  durch  natürliche  Züchtung  das  Beste  erreicht  und  gesichert,  so 
hatten  neue  die  Art  als  Art  berührende  Abänderungen,  als  Rückschritte  keine 
Aussicht  sich  geltend  zu  machen,  mussten  vielmehr,  wie  sie  auftauchten,  wieder 
verschwinden  und  nur  für  die  geschlechtlichen  Beziehungen  blieb  den  abändernden 
Männchen  der  Kampfplatz  geöffnet.  Hier  konnten  sie  Vortheile  über  ihre  Mit- 
bewerber erlangen,  indem  sie  entweder  ihre  Weibchen  besser  aufzuspüren  oder 
besser  zu  fassen  vermochten.  Die  besten  Riecher  besiegten  alle,  die  ihnen  in 
dieser  Beziehung  nachstanden,  wenn  sie  nicht  andere  Vorzüge,  etwa  kräftigere 
Scheeren,   entgegenzustellen  hatten.     Die  besten  Packer  besiegten  alle  schwächer 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  '4 


2IO 


Für  Danvin. 


Fig.  7.    Orchestia  Darwinii  n.  sp.  Männchen. 


bewaffneten  Kämpen,  wenn  sie  nicht  andere  Vorzüge,  etwa  schärfere  Sinne,  ihnen 
entgegenstellten.  Man  begreift,  wie  auf  diese  Weise  einerseits  alle  in  der  Aus- 
bildung der  Riechfäden,  andrerseits  alle  in  der  Ausbildung  der  Scheeren  minder 
begünstigten  Zwischenstufen  vom  Kampfplatze  verschwinden  und  zwei  scharf  ge- 
schiedene Formen,  die  besten  Riecher  und  die  besten  Packer  als  einzige  Gegner 
übrig  bleiben  konnten.  Zur  Zeit  scheint  sich  der  Kampf  zu  Gunsten  der  letzteren 
entscheiden  zu  wollen,  da  sie  in  weit  überwiegender  Mehrzahl,  vielleicht  zu  Hundert 
auf  Einen  Riecher  vorkommen. 

Wenn  daher  Bronn,  um  auf  dessen  Einwand  zurückzukommen,  „gerne  zu 
Gunsten  der  Darwin'schen  Theorie  und  zur  Erklärung,  warum  nicht  viele  Arten 
durch  Zwischenglieder  in  einander  verfliessen,  noch  irgend  ein  äusseres  oder  inneres 

Princip     entdecken     möchte, 
welches     die    Abänderungen 
jeder  Art  nur  in  einer  Rich- 
tung weiter  drängte,  statt  sie 
in  allen  Richtungen  bloss  zu 
gestatten",    —    so    wird    ein 
solches,   wie  in  diesem,  so  in 
vielen  anderen  Fällen  einfach 
darin  zu  finden  sein,  dass  eben 
nur  wenige  Richtungen  offen 
stehen,    nach    denen    hin   die 
Veränderungen  zugleich  Verbesserungen  sind,   in  denen  also  sie  sich  häufen  und 
befestigen    können,    während    sie    in   allen   anderen    als   gleichgültig   oder   nach- 
theilig „wie  gewonnen,  so  zerronnen"  sein  werden. 

Das  Vorkommen  von  zweierlei  Männchen  bei  derselben  Art  mag  vielleicht 
eine  nicht  allzu  seltene  Erscheinung  sein  bei  Thieren,  wo  sich  dieselben  weit  von 
der  Bildung  der  Weibchen  entfernen.  Doch  nur  bei  solchen,  die  man  sich  in  ge- 
nügender Menge  verschaffen  kann,  wird  es  möglich  sein,  sich  zu  überzeugen,  dass 
man  nicht  etwa  verschiedene  Arten  oder  verschiedene  Altersstufen  vor  sich  habe. 
Ich  kann  aus  dem  Bereiche  meiner  wenig  ausgedehnten  Erfahrung  ein  zweites 
Beispiel  geben.  Es  betrifft  einen  Strandhüpfer  (Shore-hopper,  Orchestia).  Das 
Thier  (Fig.  7)  lebt  an  sumpfigen  Stellen  in  der  Nähe  des  Meeres,  unter  moderndem 
Laube,  in  der  lockeren  Erde,  welche  die  Sumpfkrabben  (Gelasimus,  Sesarma, 
C)^clograpsus  u.  s.  w.)  um  den  Eingang  ihrer  Höhlen  aufwerfen,  ja  unter  trockenem 
Kuh-  und  Pferdedung.  Wie  es  sich  so  weiter  vom  Strande  entfernt,  als  die  Mehr- 
zahl seiner  Gattungsgenossen,  —  (einige  freilich  gehen  meilenweit  in's  Land,  bis 
auf  tausend  Fuss  hohe  Berge,  wie  O.  tahitensis,  telluris,  sylvicola)  — ,  so  entfernt 
sich  das  Männchen  noch  mehr  von  allen  bekannten  Arten  durch  die  gewaltigen 
Scheeren  des  zweiten  Fusspaares.  Nur  die  Orchestia  Gryphus,  von  der  sandigen 
Küste  von  Mönchgut,  zeigt  eine  entfernt  ähnliche  Bildung,  während  sonst  die 
gewöhnliche  Handform  der  Amphipoden  sich  findet.  Namentlich  in  der  Bildung 
dieser  Scheeren  nun  findet  eine  erhebliche  Verschiedenheit  zwischen  den  Männchen 
statt,  so  gross  als  sie  sonst  kaum  zwischen  zwei  Arten  der  Gattung  wiederkehrt, 
und  wie  bei  der  Scheerenassel  trifft  man  nicht  etwa  eine  lange  Reihe  in  einander 
verfliessender  Bildungen,   sondern    nur   zwei  durch  keinerlei  Zwischenglieder  ver- 


Für  Darwin. 


211 


bundene  Formen  (Fig.  8  u.  9).  Man  würde  die  Männchen  unbedenklich  als  zwei 
wohl  geschiedene  Arten  betrachten,  wenn  sie  nicht  an  gleicher  Stelle  mit  ununter- 
scheidbaren  Weibchen  zusammenlebten.  Dass  nun  gerade  bei  dieser  Art  die 
doppelte  Scheerenform  der  Männchen  vorkommt,  ist  insofern  beachtenswerth,  als 
die  weit  von  der  gewöhnlichen  Bildung  der  anderen  Arten  abweichende  Gestaltung 
der  Scheeren  darauf  hinweist,  dass  sie  noch  neuerdings  beträchtliche  Veränderungen 
erlitten  habe,  und  als  daher  von  vornherein  gerade  bei  ihr  eher  als  bei  anderen 
ein  solches  Vorkommen  zu  erwarten  war. 


Fig.  8. 


Fig.   10.  $ 


Fig.  8  u.  9.     Die    zweierlei    Scheeren    der    Männchen    von    Orchestia    Darwinii.    45    mal    vergr. 
Fig.   10.     Hüftblatt   des    vorletzten  Fusspaares   vom  Männchen,   sowie  Hüftblatt   nebst  den  drei  fol- 
genden Gliedern   desselben  Fusspaares  vom  Weibchen    der    Melita  Messalina.    45mal  vergr. 
Fig.   II.     Hüftblatt  desselben  Fusspaares  vom  Weibchen  der  Melita  insatiabilis. 


Ich  kann  mich  nicht  enthalten,  bei  dieser  Gelegenheit  darauf  hinzuweisen, 
dass  man  (soviel  Spence  Bate's  Katalog  ersehen  lässt)  zu  zweierlei  verschiedenen 
Männchen  (Orchestia  telluris  und  sylvicola),  die  zusammen  in  den  Wäldern  von 
Neuseeland  gesammelt  wurden,  erst  einerlei  Weibchen  kennt,  und  die  Vermuthung 
zu  wagen,  dass  hier  ein  ähnlicher  Fall  vorliege.  Es  ist  mir  nicht  wahrscheinHch, 
dass  von  diesen  gesellig  lebenden  Amphipoden  zwei  nahe  verwandte  Arten  unter 
den  gleichen  Lebensbedingungen  mit  und  durcheinander  vorkommen  sollten. 

Wie  die  Männchen  mehrerer  Melita- Arten  durch  die  mächtige  unpaare  Kneif- 
zange, so  sind  die  Weibchen  einiger  anderen  Arten  derselben  Gattung  dadurch 
vor  allen  anderen  Amphipoden  ausgezeichnet,  dass  bei  ihnen  eine  besondere  Vor- 
richtung entwickelt  ist,  die  dem  Männchen  das  Halten  derselben  erleichtert.  Die 
Hüftblätter  des  vorletzten  Fusspaares  sind  in  hakenförmige  Fortsätze  ausgezogen, 
an  die  sich  das  Männchen  mit  den  Händen  des  ersten  Fusspaares  festklammert. 
Die  beiden  Arten,  von  denen  ich  diese  Bildung  kenne,  gehören  zu  den  begattungs- 
eifrigsten Thieren   ihrer  Ordnung,   selbst  Weibchen,   die  mit  Eiern  auf  beliebiger 

14* 


212 


Für  Darwin. 


Entwickelungsstufe  beladen  sind,  haben  nicht  selten  ihr  Männchen  auf  dem  Rücken. 
Beide  Arten  sind  nahe  verwandt  mit  der  an  den  europäischen  Küsten  weit  ver- 
breiteten und  häufig  untersuchten  Melita  palmata  Leach  (Gammarus  Dugesii  Edw.) ; 
leider  aber  finde  ich  keinen  Aufschluss  darüber,  ob  auch  die  Weibchen  dieser  oder 
einer  andern  europäischen  Art  eine  ähnliche  Vorrichtung  besitzen;  bei  Melita  exilii 
sind  alle  Hüftblätter  von  gewöhnlicher  Bildung.  Doch,  wie  dem  auch  sei,  mögen 
sie  nun  bei  zwei  oder  bei  zwanzig  Arten  sich  finden,  jedenfalls  ist  das  Vorkommen 
jener  eigenthümlichen  hakenförmigen  Fortsätze  ein  sehr  beschränktes. 

Unsere  beiden  Arten  nun  leben  geschützt  unter  flach  aufliegenden  Steinen 
in  der  Nähe  des  Ufers,  die  eine,  Melita  Messalina,  so  hoch,  dass  sie  nur  selten 
vom  Wasser  bedeckt  wird,  die  andere,  Melita  insatiabilis,  ein  wenig  tiefer;  beide 
Arten  leben  in  zahlreichen  Schaaren  beisammen.  Weder  ist  also  zu  erwarten,  dass 
häufiger  als  bei  anderen  Arten  den  Liebespaaren  störende  Einflüsse  drohen,  noch 
auch  würde  es  dem  Männchen,  das  etwa  sein  Weibchen  verlöre,  schwerer  werden 
als  denen  anderer  Arten,  ein  neues  zu  finden.  Ebensowenig  ist  abzusehen,  wie  diese 
das  Begattungsgeschäft  sichernde  Vorrichtung  am  Körper  des  Weibchens  anderen 
Arten  nachtheilig  sein  könnte.  So  lange  aber  weder  nachgewiesen  ist,  dass  unsere 
Arten  dieser  Vorrichtung  besonders  bedürftig  sind,  oder  dass  dieselbe  anderen 
Arten  mehr  schädlich  als  nützlich  sein  würde,  so  lange  wird  man  ihr  Vorhandensein 
nur  bei  diesen  wenigen  Amphipoden  als  Werk  nicht  einer  voraus  berechnenden 
Weisheit,  sondern  eines  von  der  natürlichen  Züchtung  benutzten  glücklichen  Zufalls 
ansprechen  dürfen.  Bei  letzterer  Annahme  ist  das  so  vereinzelte  Vorkommen  be- 
greiflich, während  man  nicht  absieht,  warum  der  Schöpfer  mit  einer  Vorrichtung, 
die  er  doch  mit  dem  „allgemeinen  Bauplane"  der  Amphipoden  vereinbar  fand, 
gerade  nur  diese  wenigen  Arten  beglückte  und  sie  anderen  versagte,  die  unter 
gleichen  äusseren  Verhältnissen  leben  und  selbst  in  dem  ungewöhnlichen  Be- 
gattungseifer ihnen  gleichen.  In  Gesellschaft  oder  nächster  Nachbarschaft  der 
beiden  Melita  leben  nämlich  zwei  Allorchestes,  von  denen  man  ebenfalls  fast  mehr 
Pärchen,  als  einzelne  Thiere  trifft  und  deren  Weibchen  doch  nichts  von  jenen 
Fortsätzen  der  Hüftblätter  zeigen. 

Wie  diesen,  so  wird  man,  meine  ich,  gegen  die  von  Agassiz  mit  so  viel  Geist 
und  Sachkenntniss  vertretene  Auffassung  der  Arten  als  verkörperter  Gedanken 
des  Schöpfers  alle  ähnlichen  Fälle  geltend  machen  dürfen,  in  welchen  Einrich- 
tungen, die  allen  Arten  einer  Gruppe  gleich  nützlich  sein  würden,  der  Mehrzahl 
fehlen  und  nur  einzelnen  bevorzugten  Günstlingen,  die  deren  nicht  mehr  als  andere 
bedürftig  erscheinen,  sich  zugetheilt  finden. 

V. 

Unter  den  auch  in  der  Naturgeschichte  der  Kruster  zahlreichen  Thatsachen, 
auf  die  von  Darwin's  Lehre  aus  ein  neues  helles  Licht  fällt,  ist  mir  neben  den 
zwiefältigen  Männchen  unserer  Scheerenassel  und  der  Orchestia  Darwinii  noch  eine 
besonders  wichtig  erschienen,  —  das  Verhalten  der  Kiemenhöhle  bei  den  luft- 
athmenden  Krabben,  von  denen  ich  leider  einige  der  merkwürdigsten  (Gecarcinus, 
Ranina)  noch  nicht  untersuchen  konnte.  Da  dies  Verhalten,  das  Vorhandensein 
eines  hinter  den  Kiemen  gelegenen  Eingangs,  selbst  als  Thatsache  bisher  nur  bei 
Ranina  beachtet   wurde,    will   ich   etwas    näher   darauf   eingehen.     Ich   erwähnte 


Für  Darwin. 


213 


schon,  dass,  wie  es  Darwin's  Lehre  fordert,  diese  Eingangsöffnung  bei  den  ver- 
schiedenen Familien  in  verschiedener  Weise  zu  Stande  kommt. 

Bei  der  Froschkrabbe  (Ranina)  des  indischen  Meeres,  die  sich  nach  Rumph 
bis  auf  die  Dächer  der  Häuser  zu  versteigen  Hebt,  fehlt  nach  Milne  Edwards 
die  gewöhnliche  vordere  Eingangsöffnung  ganz  und  der  Eingang  eines  in  den 
hintersten  Theil  der  Kiemenhöhle  mündenden  Canales  findet  sich  unter  dem  An- 
fang des  Hinterleibes. 

Am  einfachsten  ist  die  Sache  bei  mehreren  Grapsoiden.  So  bei  Aratus 
Pisonii,  einer  allerliebsten,  lebhaften  Krabbe,  die  auf  die  Manglebüsche  (Rhizophora) 
steigt  und  deren  Blätter  benagt.  Mit  ihren  kurzen,  aber  ungemein  spitzen  Klauen, 
die  wie  Stecknadeln  prickeln,  wenn  sie  einem  über  die  Hand  läuft,  klettert  sie 
mit  grosser  Behendigkeit  die  dünnsten  Zweiglein  hinauf.  Als  ich  einmal  ein 
solches  Thier  auf  meiner  Hand  sitzen  hatte,  sah  ich,  wie  es  den  hinteren  Theil 
seines  Panzers  hob,  und  wie  sich  dadurch  jederseits  über  den  letzten  Füssen  eine 
breite  Spalte  erschloss,  durch  die  ich  tief  in  die  Kiemenhöhle  hineinsehen  konnte. 
Ich  habe  seitdem  das  merkwürdige  Thier  mir  nicht  wieder  verschaffen  können, 
dagegen  konnte  ich  dieselbe  Beobachtung  oft  wiederholen  an  einem  anderen  Thiere 
derselben  Familie  (einem  echten  Grapsus,  wie  es  scheint),  das  häufig  an  den  Felsen 
unserer  Küste  lebt.  Während  der  hintere  Theil  des  Panzers  sich  hebt  und  die 
erwähnte  Spalte  sich  bildet,  scheint  zugleich  der  vordere  Theil  sich  zu  senken  und 
die  vordere  Eingangsöffnung  zu  verengen  oder  ganz  zu  schliessen.  Unter  Wasser 
findet  das  Heben  des  Panzers  nie  statt.  Das  Thier  öffnet  also  seine  Kiemenhöhle 
vorn  oder  hinten,  je  nachdem  es  Wasser  oder  Luft  zu  athmen  hat.  —  Wie  das 
Heben  des  Panzers  zu  Stande  kommt,  weiss  ich  nicht,  doch  glaube  ich,  dass  es 
dadurch  geschieht,  dass  ein  häutiger  Sack,  der  unter  dem  hinteren  Theile  des 
Panzers  aus  der  Leibeshöhle  weit  in  die  Kiemenhöhle  hineinragt,  durch  Hinein- 
treiben der  Leibesflüssigkeit  angeschwellt  wird.  — 

Dasselbe  Heben  des  Panzers  beobachtete  ich  auch  bei  einigen  Arten  der 
verwandten  Gattungen  Sesarma  und  Cyclograpsus,  die  in  sumpfigem  Boden  tiefe 
Löcher  graben  und  manchmal  auf  dem  feuchten  Schlamme  herumlaufen,  oder  wie 
lauernd  vor  ihren  Löchern  sitzen.  Man  muss  aber  bei  diesen  Thieren  sich  oft 
lange  gedulden,  ehe  sie,  dem  Wasser  entnommen,  ihre  Kiemenhöhle  der  Luft 
erschliessen,  denn  es  besteht  bei  ihnen  eine  wundervolle  Vorrichtung,  vermöge 
deren  sie  auch  ausser  Wasser  noch  eine  Zeitlang  Wasser  zu  athmen  fortfahren 
können.  —  Die  Oeffnungen  zum  Austritt  des  Wassers,  das  der  Athmung  gedient 
hat,  liegen  bekanntlich  bei  diesen,  wie  bei  den  meisten  Krabben  in  den  vorderen 
Ecken  des  Mundrahmens  (cadre  buccal  Edw.),  während  von  dessen  hinteren  Ecken 
aus  die  Eingangsspalten  der  Kiemenhöhle  über  dem  ersten  Fusspaare  sich  hin- 
ziehen. Der  Theil  des  Panzers  nun,  der  zu  den  Seiten  des  Mundes  zwischen  den 
beiderlei  Offnungen  sich  hinzieht  (die  regions  pterygostomiennes),  erscheint  bei 
unseren  Thieren,  und  schon  Milne  Edwards  hat  das  als  eine  besonders  auffallende 
Eigenthümlichkeit  derselben  hervorgehoben,  in  kleine  quadratische  Feldchen  von 
äusserster  Regelmässigkeit  getheilt.  Dieses  Aussehen  ist  bedingt  theils  durch 
kleine  warzenförmige  Erhöhvmgen,  theils  und  vorzugsweise  durch  eigenthümlich 
knieförmig  gebogene  Haare,  die  gewissermaassen  ein  dicht  über  der  Oberfläche 
des   Panzers    ausgespanntes    feines   Netz    oder   Haarsieb    bilden.     Tritt   nun    eine 


214 


Für  Darwin. 


Wasserwelle  aus  der  Kiemenhöhle  aus.  so  verbreitet  sie  sich  im  Nu  in  diesem 
Haarnetze  und  wird  durch  angestrengte  Bewegungen  des  in  der  Eingangsspalte 
spielenden  Anhanges  der  äusseren  Kieferfüsse  der  Kiemenhöhle  wieder  zugeführt. 
Während  das  Wasser  so  als  dünne  Schicht  über  dem  Panzer  hingleitet,  wird  es 
sich  wieder  mit  Sauerstoff  sättigen  und  dann  aufs  Xeue  der  Athmung  dienen 
können.  Zur  Vervollständigung  dieser  Einrichtung  tragen  die  äussern  Kieferfüsse, 
wie  ebenfalls  längst  bekannt,  eine  vorspringende,  mit  dichtem  Haarsaum  bedeckte 
Leiste,  die  vorn  nahe  der  Mittellinie  beginnt  und  nach  hinten  und  aussen  zur 
hintern  Ecke  des  Mundrahmens  sich  hinzieht.  Die  beiden  Leisten  der  rechten  und 
linken  Seite  bilden  also  zusammen  ein  Dreieck  mit  nach  vorn  gewandter  Spitze, 
einen  Wogenbrecher,  durch  welchen  das  der  Kiemenhöhle  entströmende  Wasser 
vom  Munde  abgehalten  und  der  Kiemenhöhle  wieder  zugeleitet  wird.  —  In  recht 
feuchter  Luft  kann  der  in  der  Kiemenhöhle  enthaltene  Wasservorrath  stundenlang 


Fig.  13- 


Fig.   12. 


vorhalten  und  erst,  wenn  er  zu  Ende  geht,  hebt 
das  Thier  seinen  Panzer,  um  von  hinten  her 
Luft  zu  den  Kiemen  treten  zu  lassen. 

Bei  Eriphia  gonagra  liegen  die  der  Luft- 
athmung  dienenden  Eingangsöffnungen  der 
Athemhöhle  nicht  wie  bei  den  Grapsoiden  über, 
sondern  hinter  dem  letzten  Fusspaare,  zu  den 
Seiten  des  Hinterleibes. 

Bei  den  sehn  eil  füssigen  Sandkrabben  (Ocy- 
poda),  ausschliesslichen  Landthieren,  die  im 
Wasser  kaum  einen  Tag  sich  lebend  erhalten, 
während  weit  früher  schon  ein  Zustand  gänz- 
licher Erschlaffung  eintritt  und  alle  willkür- 
lichen Bewegungen  aufhören  ^),  kennt  man 
schon  längst,  ohne  jedoch  ihren  Zusammen- 
hang mit  der  Kiemenhöhle  zu  ahnen,  eine 
eigenthümliche  Vorrichtung  an  den  Füssen 
des  dritten  und  vierten  Paares  (Fig.  1 2).  Diese 
beiden  Fusspaare  sind  dichter  als  die  übrigen 
aneinandergerückt;  die  einander  zugewendeten  Flächen  ihrer  Grundglieder,  also  die 
hintere  Fläche  am  dritten,  die  vordere  am  vierten  Fusse,  sind  eben,  glatt,  und  ihre 
Ränder  tragen  einen  dichten  Besatz  langer  seidenglänzender,  eigenthümlich  ge- 
stalteter Haare  (Fig.  13).  Milne  Edwards,  der  ihrem  Aussehen  nach  diese  Flächen 
passend  mit  Gelenkflächen  vergleicht,  meint,  dass  sie  dazu  dienen,  die  Reibung 
zwischen  den  beiden  Füssen  zu  vermindern.  Man  musste  sich  bei  dieser  Deutung 
fragen,  wie  denn  gerade  bei  diesen  Krabben  und  gerade  nur  zwischen  diesen 
beiden   Füssen    eine   solche   die   Reibung   mindernde   Vorrichtung   nöthig   werde. 


Fig.  1 2.  Hinterer  Eingang  in  die 
Kiemenhöhle  von  Ocypoda  rhombea  Fabr. 
Nat.  Gr.  Der  Panzer  und  der  4.  Fuss  der 
rechten  Seite  sind  entfernt. 

Fig.  13.  Spitzen  einiger  Haare  vom 
Grundglied  des  3.  Fusses.     45mal  vergr. 


i)  Da  dies  nicht  im  Meere,  sondern  in  Gläsern  mit  Seewasser  beobachtet  wurde,  konnte  man 
denken,  dass  die  Thiere  ermatten  und  sterben,  nicht  weil  sie  unter  Wasser  sind,  sondern  weil  sie  den  darin 
enthaltenen  Sauerstoff  aufgezehrt.  Ich  brachte  daher  in  dasselbe  Wasser,  aus  dem  ich  eben  eine  bewusst- 
lose  Ocypoda  genommen  hatte,  deren  Beine  schlaff  niederhingen,  eine  Lupea  diacantha,  die  durch  Ver- 
weilen an  der  Luft  in  gleichen  Zustand  gerathen  war,  und  wie  jene  in  der  Luft,  erholte  sich  diese  im 
Wasser. 


Für  Darwin. 


215 


abgesehen  davon,  dass  die  sonderbaren  Haarbürsten,  die  ja  im  Gegentheil  die 
Reibung  mehren  mussten,  unerklärt  bleiben.  Indem  ich  nun  die  Füsse  einer 
grossen  Sandkrabbe  in  mancherlei  Richtungen  hin  und  herbog,  um  zunächst  zu 
sehen,  bei  welchen  Bewegungen  des  Thieres  Reibung  an  der  bezeichneten  Stelle 
stattfinde,  und  ob  dies  vielleicht  ihm  besonders  wichtige,  oft  wiederkehrende  Be- 
wegungen seien,  —  bemerkte  ich,  als  ich  die  Füsse  weit  auseinander  gespreizt 
hatte,  in  der  Tiefe  zwischen  ihnen  eine  ansehnliche  runde  Oeffnung,  durch  die  sich 
leicht  Luft  in  die  Kiemenhöhle  einblasen,  oder  auch  ein  feines  Stäbchen  einführen 
Hess.  Die  Oeffnung  mündet  in  die  Kiemenhöhle  hinter  einem  kegelförmigen  Zapfen, 
der  an  Stelle  einer  bei  Ocypoda  fehlenden  Kieme  über  dem  dritten  Fusse  steht. 
Sie  wird  seitlich  begrenzt  von  Leisten,  die  sich  oberhalb  der  Einlenkung  der  Füsse 
erheben  und  an  die  sich  der  untere  Rand  des  Panzers  anlegt.  Auch  nach  aussen 
wird  sie  bis  auf  eine  schmale  Spalte  von  diesen  Leisten  überwölbt.  Ueber  diese 
Spalte  legt  sich  der  Panzer,  der  gerade  hier  weiter  als  sonst  nach  unten  vorspringt, 
und  so  wird  eine  vollständige  Röhre  gebildet.  Während  Grapsus  Wasser  immer 
nur  von  vorn  her  zu  seinen  Kiemen  treten  lässt,  sah  ich  dasselbe  bei  Ocypoda 
auch  durch  die  soeben  besprochene  Oeffnung  einströmen. 

Mit  Ocypoda  stimmen  in  der  Lage  der  hinteren  Eingangsöffnung  und  den 
sie  begleitenden  Eigenthümlichkeiten  des  dritten  und  vierten  Fusspaares  zwei 
andere  dem  Wasser  entfremdete  Arten  derselben  Familie  überein,  die  ich  zu  unter- 
suchen Gelegenheit  hatte.  Die  eine,  vielleicht  der  Gelasimus  vocans,  die  in  Mangle- 
sümpfen  lebt,  und  die  Oeffnung  ihrer  Höhle  mit  einem  dicken,  mehrere  Zoll  hohen, 
walzenförmigen  Schornstein  zu  versehen  liebt,  hat  die  Bürsten  am  Grundgliede 
der  betreffenden  Füsse  aus  gewöhnlichen  Haaren  gebildet.  Die  andere,  ein 
kleinerer  Gelasimus,  in  M.  Edwards'  Naturgeschichte  der  Kruster  nicht  verzeichnet, 
die  trocknere  Stellen  liebt  und  sich  nicht  scheut,  unter  der  scheitelrechten  Mittags- 
sonne eines  Decembertages  im  glühenden  Sande  umherzuschweifen,  aber  auch  im 
Wasser  wenigstens  mehrere  Wochen  lang  auszudauern  vermag,  hat  dagegen  in 
diesen  Bürsten,  wie  Ocypoda,  borstenlose,  zarte,  ja  noch  zartere  und  regelmässiger 
eingeschnürte  Haare  ^).  Was  diese  eigenthümlichen  Haare  bedeuten  mögen,  ob  sie 
nur  fremde  Körper  von  der  Kiemenhöhle  abhalten,  ob  sie  der  vorbeiströmenden 
Luft  Feuchtigkeit  geben,  oder  ob  sie  etwa,  wie  ihr  Ansehen  namentlich  bei  dem 
kleinen  Gelasimus  an  die  Riechfäden  der  Krabben  erinnert,  so  auch  ähnliche 
Dienste  leisten,  das  gebührend  zu  erörtern  würde  uns  zu  weit  von  unserem  Gegen- 
stande abführen.  Doch  sei  bemerkt,  dass  bei  beiden  Arten,  besonders  bei  Ocypoda, 
die  Riechfäden  an  der  gewöhnlichen  Stelle  sehr  verkümmert  sind,  und  ihre  Fühler- 
geissein im  Wasser  nie  die  eigenthümlichen  schlagenden  Bewegungen  ausführen, 
wie  man  sie  bei  anderen  Krabben  und  auch  bei  den  grösseren  Gelasimus  sieht, 
und  dass  allerdings  wohl  bei  diesen  luftathmenden  Krabben,  wie  bei  den  luft- 
athmenden  Wirbelthieren,  der  Sinn  des  Geruchs  am  Eingange  der  Athemhöhle 
zu  suchen  sein  dürfte. 


i)  Dieser  kleinere  Gelasimus  ist  auch  dadurch  merkwürdig,  dass  bei  ihm  besonders  augenfällig  der 
chamäleontische  Farbenwechsel  hervortritt,  den  manche  Krabben  zeigen.  Der  Panzer  eines  Männchens, 
das  ich  eben  vor  mir  habe,  prangte  vor  fünf  Minuten,  als  ich  es  fing,  in  seinem  hinteren  Theile  in 
blendendem  Weiss ;  jetzt  zeigt  er  an  derselben  Stelle  ein  mattes  Grau. 


2l6 


Für  Darwin. 


Soweit  das  Thatsächliche  in  Betreff  des  Luftathmens  der  Krabben.  Es  ist 
schon  oben  angedeutet  worden,  weshalb  Darwin's  Lehre  fordert,  dass,  wenn  über- 
haupt besondere  Einrichtungen  für  die  Luftathmung  bestanden,  dieselben  ver- 
schieden in  den  verschiedenen  Eamilien  gebildet  seien.  —  Dass  die  Erfahrung 
mit  dieser  Forderung  in  vollem  Einklang  steht,  wird  um  so  schärfer  zu  Gunsten 
Darwin's  betont  werden  dürfen,  als  die  Schule,  weit  entfernt,  so  tiefgreifende  Ver- 
schiedenheiten voraussehen  oder  erklären  zu  können,  dieselben  vielmehr  als  etwas 
höchst  Verwunderliches  wird  betrachten  müssen.  Wenn  bei  den  nahe  verwandten 
Familien  der  Ocypodiden  und  Grapsoiden  die  grösste  Uebereinstimmung  herrscht 
in  allen  wesentlichen  Verhältnissen  ihres  Baues,  wenn  für  alles  Andere,  für  die 
Sinne,  für  die  Gliederung  der  Gliedmassen,  für  jedes  Stäbchen  und  Haarbüschelchen 
des  verwickelten  Magengerüstes,  für  das  Herz  und  den  Kreislauf,  wenn  für  die 
der  Wasserathmung  dienenden  Einrichtungen  bis  auf  die  mikroskopischen  Häkchen 
an  den  Haaren  der  die  Kiemen  abfegenden  Geissein  derselbe  Bauplan  sklavisch 
festgehalten  ist,  woher  nun  auf  einmal  diese  Ausnahme,  diese  völlige  Verschieden- 
heit für  die  Luftathmung? 

Die  Schule  wird  kaum  eine  Antwort  haben  auf  diese  PYage,  sie  müsste  sich 
denn  auf  den  mit  Recht  unter  uns  in  Verruf  gekommenen  theologisch-teleologischen 
Standpunct  stellen  wollen,  von  dem  aus  das  Zustandekommen  einer  Einrichtung 
als  erklärt  gilt,  wenn  man  ihre  „Zweckmässigkeit"  für  das  Thier  nachweisen  kann. 
Von  diesem  aus  würde  man  allerdings  sagen  können,  dass  eine  über  den  hinteren 
Füssen  weitklaffende  Spalte,  die  für  Aratus  Pisonii  zwischen  dem  Laube  der 
Manglebüsche  nichts  Bedenkliches  hatte,  nicht  passte  für  die  im  Sande  lebende 
Ocypoda;  dass  um  dem  Eindringen  des  Sandes  vorzubeugen,  hier  die  Oeffnung 
der  Kiemenhöhle  an  deren  tiefster  Stelle  angebracht,  dass  sie  von  ihr  aus  abwärts 
gerichtet,  dass  sie  tief  zwischen  breiten  mit  schützenden  Haarbürsten  umsäumten 
Flächen  verborgen  sein  musste.  —  Es  liegt  diesen  Blättern  fern,  im  Allgemeinen 
auf  eine  Zurückweisung  jener  Zweckmässigkeitslehre  einzugehen.  Dem  vielen 
Trefflichen,  was  seit  Spinoza  hierüber  gesagt  ist,  wäre  auch  kaum  etwas  Wesent- 
liches nachzutragen.  Nur  das  möge  bemerkt  sein,  dass  ich  es  gerade  als  eine  der 
wichtigsten  Leistungen  der  Darwin'schen  Lehre  ansehe,  die  nun  einmal  auf  dem 
Gebiete  des  Lebens  unabweisbaren  Nützlichkeitsbetrachtungen  ihrer  mystischen 
Ueberschwenglichkeit  entkleidet  zu  haben.  —  Für  den  vorliegenden  Fall  genügt 
es,  auf  den  Gelasimus  der  Manglesümpfe  hinzuweisen,  der  hier  mit  verschiedenen 
Grapsoiden  dieselben  äusseren  Verhältnisse  theilt,  und  doch  nicht  mit  ihnen,  sondern 
mit  der  sandbewohnenden  Ocypoda  übereinstimmt. 

VI. 

Kaum  minder  schlagend  als  das  Beispiel  der  luftathmenden  Krabben  ist  das 
Verhalten  des  Herzens  in  der  Abtheilung  der  Edriophthalmen,  die  man  billig 
nach  dem  Vorgange  von  Dana  und  Spence  Bäte,  nur  in  zwei  Ordnungen,  die 
Amphipoden  und  die  Asseln,  theilt. 

Bei  den  Amphipoden,  denen  die  genannten  Forscher  mit  Recht  auch  die 
Caprellen  und  Wallfischläuse  (die  Lämodipoden  Latreille's)  zuzählen,  hat  das 
Herz  unveränderlich  dieselbe  Lage;  es  dehnt  sich  als  langer  Schlauch  durch  die 
sechs   dem  Kopfe   folgenden  Ringe   und   hat   drei  Paar   mit  Klappen    versehener 


Für  Danvin. 


217 


Spalten  zum  Eintritt  des  Blutes,  die  im  zweiten,  dritten  und  vierten  dieser  Ringe 
liegen.  So  fanden  es  La  Valette  bei  Niphargus  (Gammarus  puteanus)  und  Claus 
bei  Phronima,  und  ebenso  fand  ich  es  bei  einer  ansehnlichen  Zahl  von  Arten  aus 
den  verschiedensten  Familien  ^).  Die  einzige,  unerhebliche  Ausnahme,  auf  die  ich 
bis  jetzt  gestossen  bin,  bietet  die  Gattung  Brachyscelus  2) ;  hier  besitzt  das  Herz 
nur  zwei  Spaltenpaare,  indem  es  nach  vorn  nur  bis  in  den  zweiten  Leibesring 
reicht  und  des  sonst  in  diesem  Ringe  liegenden  Spaltenpaares  entbehrt.  ^) 

Dieser  Einförmigkeit  gegenüber,  die  das  Herz  in  der  ganzen  Ordnung  der 
Amphipoden  zeigt,  muss  es  sehr  auffallen,  es  in  der  nächststehenden  Ordnung  der 
Asseln  als  eines  der  veränderlichsten  Organe  wiederzufinden. 

Bei  den  Scheerenasseln  (Tanais)  gleicht  das  Herz  durch  seine  langstreckige 
Schlauchform,  sowie  durch  Zahl  und  Lage  der  Eingangsspalten  dem  Amphipoden- 
herzen,  mit  dem  Unterschiede  jedoch,  dass  die  beiden  Spalten  jedes  Paares  nicht 
genau  einander  gegenüberliegen. 

Bei  allen  übrigen  Asseln  ist  das  Herz  nach  dem  Hinterleibe  hingerückt. 
Bei  den  wunderlich  missgestalteten  Binnenasseln  der  Porzellankrebse  (Entoniscus 
Porcellanae)  ist  das  kuglige  Herz  des  Weibchens  auf  eine  kurze  Strecke  des  lang- 
gezogenen ersten  Hinterleibsringes  beschränkt  und  scheint  ein  einziges  Spaltenpaar 
zu  besitzen.  Bei  dem  Männchen  des  Entoniscus  Cancrorum  n.  sp.  (Fig.  16)  Hegt  das 
Herz  im  dritten  Hinterleibsringe.  Bei  den  Schildasseln  (Cassidina)  ist  das  Herz 
(Fig.  14)  ebenfalls  kurz  und  mit  zwei  Spaltenpaaren  versehen,  die  im  letzten  Ringe 
des  Mittelleibes  und  dem  ersten  des  Hinterleibes  liegen.    Bei  einer  jungen  Fischassel 


i)  Besonders  bequem  für  die  Beobachtung  der  Herzspalten  pflegen  die  Jungen  im  Ei,  kurz  vor 
dem  Ausschlüpfen,  zu  sein;  sie  sind  meist  genügend  durchsichtig,  die  Bewegungen  des  Herzens  sind 
weniger  stürmisch,  als  später,  und  sie  liegen  still  selbst  ohne  den  Druck  eines  Deckglases.  —  Bei  der  her- 
kömniHchen  Ansicht  von  der  Verbreitung  der  Amphipoden,  dass  sie  an  Mannichfaltigkeit  polwärts  zu-, 
nach  dem  Aequator  hin  abnehmen,  mag  man  es  befremdlich  finden,  wenn  ich  von  einer  ansehnlichen 
Artenzahl  an  einer  subtropischen  Küste  rede.  Ich  bemerke  also,  dass  ich  in  wenigen  Monaten  und  ohne 
grössere,  vom  Strande  aus  unzugängliche  Tiefen  auszubeuten,  38  verschiedene  Arten  auffand,  darunter  34 
neue,  —  was  mit  den  früher,  namentlich  durch  Dana  bekannt  gewordenen  schon  60  brasihanische  Amphi- 
poden ergiebt,  während  Kröyer  in  seinen  „Grönlands  Amfipoder"  aus  dem  damals  schon  von  weit  zahl- 
reicheren Forschern  durchsuchten  arctischen  Meere  mit  Einschluss  von  2  Lämodipoden  nur  28  Arten 
kannte. 

2)  Nach  Milne  Edwards'  Anordnung  würden  die  Weibchen  dieser  Gattung  zu  den  Hyperines 
ordinaires,  die  bisher  unbekannten  Männchen  zu  den  Hyperines  anormales  gehören,  deren  unterscheidendes 
Merkmal,  die  wunderlichen  zickzackförmig  zusammengelegten  unteren  Fühler,  überhaupt  eben  nur  eine 
Geschlechtseigenthümlichkeit  männlicher  Thiere  ist.  Bei  dem  Systematisiren  nach  einzelnen  todten  Exem- 
plaren, über  deren  Geschlecht,  Alter  u.  s.  w.  man  nichts  weiss,  sind  ähnliche  Missgriffe  unvermeidlich. 
So  hat,  um  ein  anderes  Beispiel  aus  neuester  Zeit  zu  geben,  ein  berühmter  Fischkenner,  Bleeker,  kürzlich 
zwei  Gruppen  der  Cyprinodonten  dadurch  unterschieden,  dass  die  einen,  Cyprinodontini,  eine  pinna  analis 
non  elongata,  die  andern,  Aplocheilini,  eine  pinna  analis  elongata  haben  sollen;  danach  würden  von  einem 
hier  sehr  häufigen  Fischchen  die  Weibchen  zur  ersten,  die  Männchen  zur  zweiten  Gruppe  gehören.  Solche 
Missgriffe  sind,  wie  gesagt,  für  den  »dry  skin  philosopher«  unvermeidlich  und  deshalb  verzeihlich;  sie 
beweisen  aber  immerhin,  wie  grundsatz-  und  haltlos  vielfach  noch  die  heutige  Systematik  ins  Blaue  hinein 
geht,  und  wie  sehr  sie  des  untrüglichen  Prüfsteins  für  den  Werth  der  verschiedenen  Merkmale  bedürftig 
ist,  den  Darwin's  Lehre  ihr  zu  geben  verspricht. 

3)  In  Milne  Edwards'  Le(;ons  sur  la  physiol.  et  l'anat.  comp.  III.  p.  197  finde  ich  die  Angabe, 
dass  nach  Frey  und  Leuckart  das  Herz  der  Caprella  linearis  fünf  Paar  Spalten  besitze;  ich  habe  voll- 
kommen durchsichtige  junge  Caprellen  untersucht,  —  wahrscheinlich  Junge  der  Caprella  attenuata  Dana, 
mit  der  sie  zusammen  vorkamen,  —  aber  nur  die  gewöhnlichen  drei  Spaltenpaare  finden  können. 


2l8 


Für  Darwin. 


(Anilocra)  endlich  (Fig.  15)  sehe  ich  das  Herz  durch  die  ganze  Länge  des  Hinter- 
leibes sich  erstrecken  und  mit  vier  (oder  fünf?)  Spalten  versehen,  die  nicht  paar- 
weise, sondern  abwechselnd  in  dem  einen  Ringe  links,  im  nächsten  rechts  gelegen 
sind.  Bei  anderen  Thieren  dieser  Ordnung,  die  ich  bis  jetzt  nur  beiläufig  untersuchte, 
werden  sich  voraussichtlich  noch  weitere  Verschiedenheiten  finden  lassen. 

Woher  nun  in  zwei  einander  so  nahe  stehenden  Ordnungen  dort  jene  Be- 
ständigkeit, hier  diese  Veränderlichkeit  desselben  hpchwichtigen  Organes?  Von 
der  Schule  wird  man  keine  Erklärung  erwarten  dürfen,  sie  wird  entweder  die 
Erörterung  des  Woher  als  ihrem  Gebiete  fremd,  als  jenseit  der  Grenzen  der 
Naturwissenschaft  liegend  ablehnen,  —  oder  auch  durch  eine  hochtönende,  mit  grie- 


Fig.  15- 


Fig.   14 


Fig.  14.  Herz  einer  jungen  Cassidina.  —  Fig.  15.  Herz 
einer  jungen  Anilocra.  —  Fig.  16.  Hinterleib  des  Männchens 
von  Entoniscus  Cancrorum.  h.  Herz.  /.  Leber. 


chischen  Worten  reich  durch- 
spickte Umschreibung  des  That- 
bestandes  den  zudringlichen  Fra- 
ger zu  verblüffen  suchen.  Da  ich 
leider  mein  Griechisch  vergessen, 
ist  mir  der  zweite  Ausweg  ver- 
schlossen ;  da  ich  aber  zum  Glück 
nicht  zu  den  zünftigen  Meistern, 
sondern,  mit  Freiherrn  von  Lie- 
big zu  reden,  zu  den  „Spazier- 
gängern an  den  Grenzen  der 
Naturwissenschaft"  zähle,  kann 
mich  jenes  zimperliche  Beden- 
ken der  Schule  nicht  abhalten, 
eine  Antwort  zu  suchen,  die  sich 
denn  auch  von  Darwin's  Stand- 
puncte  aus  in  ungezwungenster 
Weise  bietet. 


Da  ausser  den  Scheerenasseln,  welche  anderweite  Gründe  als  der  Urassel 
besonders  nahestehend  anzusehen  berechtigen  (s.  o.),  und  ausser  den  Amphipoden 
auch  die  Krabben  und  Krebse  ein  Herz  mit  drei  Spaltenpaaren  und  in  wesentlich 
gleicher  Lage  besitzen,  —  da  dieselbe  Lage  des  Herzens  sogar  bei  den  Embryonen 
der  Heuschreckenkrebse  (Squilla)  wiederkehrt  (s.  u.),  wo  das  Herz  des  erwachsenen 
Thieres  und  selbst  schon,  wie  ich  anderwärts  zeigte,  das  weit  von  der  Reife  ent- 
fernter Larven  als  langer  Schlauch  mit  zahlreichen  Oeffnungen  sich  weit  durch 
den  Hinterleib  streckt,  —  so  darf  man  unbedenklich  das  Amphipodenherz  als 
Urform  des  Edriophthalmenherzens  ansehen.  Da  ferner  bei  diesen  Thieren  das 
Blut  von  den  Athemwerkzeugen  ohne  Gefässe  dem  Herzen  zuströmt,  liegt  es  auf 
der  Hand,  wie  vortheilhaft  eine  möglichst  genäherte  Lage  dieser  Organe  ihnen 
sein  muss.  Als  Urform  der  Athmungsweise  hat  man  Grund,  das  bei  den  Scheeren- 
asseln bestehende  Verhältniss  (s.  o.)  zu  betrachten.  Wo  nun  später,  wie  bei  der 
Mehrzahl  der  Asseln,  Kiemen  am  Hinterleibe  sich  entwickelten,  änderte  sich,  indem 
es  ihnen  näher  rückte,  Lage  und  Bildung  des  Herzens,  ohne  dass  für  diese  jüngere 
Bildungsweisc  sich  wieder  ein  gemeinsamer  Plan  herausstellte,  entweder  weil  diese 
Umwandlung  des  Herzens  erst  nach  der  Scheidung  der  Stammform  in  unter- 
geordnete Gruppen  stattfand,  oder  weil  wenigstens  zur  Zeit  dieser  Scheidung  das 


Für  Darwin. 


219 


abändernde  Herz  sich  noch  in  keiner  neuen  Form  befestigt  hatte.  Wo  dagegen 
die  Athmung  dem  vorderen  Theile  de§  Leibes  verbUeb,  —  sei  es  in  der  ursprüng- 
lichen Weise  der  Zoea,  wie  bei  den  vScheerenasseln,  sei  es,  indem  Kiemen  am 
Mittelleibe  sich  entwickelten,  wie  bei  den  Amphipoden,  —  da  vererbte  sich  un- 
verändert auch  die  Urform  des  Herzens,  weil  etwa  auftauchende  Abweichungen 
eher  Nachtheil,  statt  Vortheil  brachten  und  sofort  wieder  untergingen. 

Ich  schliesse  diese  Reihe  vereinzelter  Beispiele  mit  einer  Beobachtung,  die 
freilich  nur  zur  Hälfte  ins  Bereich  der  Kruster  fällt,  auf  das  sich  diese  Blätter 
beschränken  wollen,  und  auch  mit  den  eben  besprochenen  Verhältnissen  keinen 
weiteren  Zusammenhang  hat,  als  den,  nur  von  Darwin's  Lehre  aus  eine  „verständ- 
liche und  Verständniss  bringende  Thatsache"  zu  sein.  Als  ich  dieser  Tage  eine 
Lepas  anatifera  öffnete,  um  das  Thier  mit  der  Beschreibung  in  Darwin's  „Mono- 
graph  on  the  Subclass  Cirripedia"  zu  vergleichen,  stiess  ich  im  Gehäuse  dieses 
Rankenfüssers  auf  einen  blutrothen  Ringelwurm  mit  kurzem,  flachen  Leibe,  etwa 
Y2  Zoll  lang  bei  2  Linien  Breite,  mit  25  Leibesringeln,  ohne  vorspringende  Borsten- 
höcker und  ohne  Gliedfäden.  Der  kleine  Kopflappen  trug  4  Augen  und  5  Fühler ; 
jeder  Leibesring  jederseits  am  Rande  ein  schief  aufwärts  gerichtetes  Büschel  ein- 
facher Haarborsten  und  ziemlich  entfernt  davon  auf  der  Bauchseite  eine  Gruppe 
dickerer  Borsten  mit  stark  hakig  gebogener  zweizackiger  Spitze.  Ausserdem  fand 
sich  über  jedem  der  seitlichen  Borstenbüschel  eine  Kieme,  einfach  an  wenigen 
der  vordersten  Ringe,  weiterhin  und  bis  zum  Ende  des  Leibes  stark  baumförmig 
verästelt.  Das  Thier,  ein  mit  Eiern  gefülltes  Weibchen,  gehört  nach  alledem 
offenbar  in  die  Familie  der  Amphinomiden,  die  einzige  Familie,  deren  Angehörige 
als  treffliche  Schwimmer  im  offenen  Meere  leben.  —  Dass  dasselbe  sich  nicht  zu- 
fällig zur  Lepas  verirrt  habe,  sondern  ihr  als  regelmässiger  bleibender  Gast  zu- 
gehöre, dafür  bürgt  seine  im  Verhältniss  zu  dem  schmalen  Eingange  des  Lepas- 
gehäuses  erhebliche  Grösse,  der  vollständige  Mangel  des  Regenbogenschimmers, 
der  die  Haut  freilebender  Ringelwürmer  und  namentlich  auch  der  Amphinomiden 
auszuzeichnen  pflegt,  die  Bildung  und  Stellung  der  unteren  Borsten  u.  s.  w.  — 
Dass  nun  aber  gerade  ein  Wurm  aus  der  Familie  der  im  hohen  Meere  lebenden 
Amphinomiden  in  der  ebenfalls  an  Holz,  Rohr  u.  dgl.  im  Meere  fluthenden  Lepas 
als  Gast  sich  findet,  ist  ohne  Weiteres  verständlich  vom  Standpuncte  der  Darwin- 
schen Lehre  aus,  während  die  Verwandtschaft  dieses  Schmarotzers  mit  den  frei- 
lebenden Würmern  des  offenen  Meeres  völlig  unbegreiflich  bleibt  bei  der  Annahme, 
dass  er  selbstständig  für  den  Aufenthalt  in  der  Lepas  geschaffen  wurde. 

Wie  günstig  nun  auch  für  Darwin  sich  die  besprochenen  Beispiele  ausnehmen, 
man  wird  ihnen,  und  das  mit  vollem  Recht,  das  Bedenken  entgegenstellen  dürfen, 
dass  es  eben  nur  vereinzelte  Thatsachen  sind,  die  bei  weit  über  das  unmittelbar 
Gegebene  hinausgehenden  Betrachtungen  nur  zur  leicht  mit  dem  täuschenden 
Schimmer  des  Irrhchts  von  der  rechten  Bahn  abziehen.  Je  hochragender  der  Bau, 
um  so  breiter  muss  die  sichernde  Unterlage  wohl  gesichteter  Thatsachen  sein. 

Wenden  wir  uns  denn  zu  einem  weiteren  Felde,  der  Entwickelungsgeschichte 
der  Kruster,  auf  dem  die  Wissenschaft  bereits  eine  bunte  Fülle  merkwürdiger 
Thatsachen  zusammengetragen  hat,  die  aber  für  sie  ein  wüstes  Haufwerk  unhand- 
lichen Rohstoffs  geblieben  sind,  und  sehen  wir,  wie  unter  Darwin's  Hand  diese 
zerstreuten  Werkstücke  zu  einem  wohlgefügten  Baue  sich  zusammenschliessen,  in 


220 


Für  Darw'in. 


dem  jedes,  tragend  und  getragen,  seine  bedeutsame  Stelle  findet.  Unter  Darwin's 
Hand,  —  denn  ich  werde  Nichts  zu  thun  haben,  als  eben  die  Bausteine  an  die 
Stelle  zu  setzen,  die'  seine  Lehre  ihnen  anweist.  „Wenn  die  Könige  baun,  haben 
die  Kärrner  zu  thun." 

VII. 

Ueberblicken  wir  zunächst  die  vorliegenden  Thatsachen. 

Unter  den  stieläugigen  Krustern  (Podophthalma)  kennt  man  nur 
äusserst  wenige  Arten,  die  in  der  Gestalt  der  Eltern,  mit  vollzähligen,  wohlge- 
gliederten Leibesanhängen  das  Ei  verlassen.  So  nach  Rathke  ^)  der  europäische 
Flusskrebs  und  nach  Westwood  eine  westindische  Landkrabbe  (Gecarcinus).  Beide 
Ausnahmen  gehören  also  zu  der  geringen  Zahl  im  süssen  Wasser  oder  auf  dem 
Lande  lebender  Krabben  und  Krebse,  —  wie  ja  auch  in  manchen  anderen  FäUen 
Süsswasser-  und  Landthiere  der  Verwandlung  entbehren,  während  ihre  Verwandten 
im  Meere  eine  solche  durchlaufen.  Ich  erinnere  an  die  vorwiegend  dem  süssen 
Wasser  und  dem  Lande  angehörigen  Regenwürmer  und  Blutegel  unter  den 
Ringelwürmern,  an  die  Plattwürmer  des  süssen  Wassers  und  das  Tetrastemma  der 
salzarmen  Ostsee  unter  den  Strudelwürmern,  an  die  Lungenschnecken  und  an  die 
Flusskiemenschnecken,  deren  Junge  (nach  Troschel's  Handb.  der  Zoologie)  keine 
mit  Wimpern  besetzte  Mundlappen  tragen,  während  die  der  so  ähnlichen  Strand- 
schnecken (Littorina)  sie  besitzen. 

Alle  Meerbewohner  dieser  Abtheilung  scheinen  eine  mehr  oder  minder  be- 
trächtliche Verwandlung  zu  bestehen.  Nur  unerheblich  scheint  dieselbe  beim 
Hummer  zu  sein,  dessen  Brut  nach  van  Beneden  sich  dadurch  vom  erwachsenen 
Thiere  unterscheidet,  dass  ihre  Füsse  nach  Art  der  Mysis  einen  frei  nach  aussen 
ragenden  Schwimmast  besitzen.  Auch  scheinen,  nach  einer  von  Couch  gegebenen 
Abbildung,  die  Anhänge  des  Hinterleibes  und  Schwanzes  noch  zu  fehlen. 

Weit  tiefer  greifend  ist  die  Verschiedenheit  der  jüngsten  Brut  vom  ge- 
schlechtsreifen  Thiere  bei  der  weit  überwiegenden  Mehrzahl  der  Podophthalmen, 
die  als  Z  o  e  a  das  Ei  verlassen.  Diese  Jugendform  findet  sich,  soweit  die  bisherigen 
Erfahrungen  reichen,  bei  allen  Krabben,  mit  alleiniger  Ausnahme  jener  einen  \'on 
Westwood  untersuchten  Art.  Ich  sage  Art  und  nicht  Gattung,  denn  Vaughan 
Thompson  fand  bei  derselben  Gattung  Gecarcinus  Zoeabrut  '^),  die  auch  bei  anderen 
landbewohnenden  Krabben  (Ocypoda,  Gelasimus  etc.)  getroffen  wird.  —  Alle 
Anomuren  scheinen  ebenfalls  als  Zoea  ihren  Lebenslauf  zu  beginnen;  so  die 
Porcellanen,   die   Tatuira   (Hippa   emerita)   und   die   Einsiedlerkrebse.     Unter    den 


1)  Gewährsmänner  sind  nur  angeführt  bei  Thatsachen,  die  ich  selbst  zu  bestätigen  keine  Gelegen- 
heit hatte. 

2)  Bell  (Brit.  Stalk-eyed  Crust.  pg.  XLV)  hält  sich  berechtigt,  Thompson's  Beobachtung  ohne 
Weiteres  zu  „eliminiren",  weil  derselbe  nur  Eier  tragende  Weibchen  in  Weingeist  habe  untersuchen 
können.  Wer  sich  aber  so  viel  mit  der  Entwicklung  dieser  Thieie  beschäftigt,  wie  Thompson,  musste 
sehr  wohl  auch  an  Eiern,  die  von  der  Reife  nicht  allzufern  und  nicht  allzuschlecht  erhalten  waren,  un- 
zweideutig erkennen  können,  ob  daraus  eine  Zoea  ausschlüpfen  werde.  Zudem  spricht  zu  Thompson's 
Gunsten  die  Lebensweise  der  Landkrabben.  „Jährlich  einmal"  erzählt  Troschel's  Ilandb.  der  Zoologie, 
„wandern  sie  in  grossen  Schaaren  zum  Meere,  um  ihre  Eier  abzulegen,  und  nachher  sehr  entkräftet  zu 
ihren  Wohnplätzen  zurück,  welche  nur  von  Wenigen  erreicht  werden."  —  Wozu  diese  aufreibenden 
Wanderungen    zum  Meere    bei  Arten,    deren  Junge    als  Landthiere   das  Ei   und   die  Mutter   verlassen?    — 


Für  Darwin. 


221 


langschwänzigen  Krebsen  kennt  man  dieselbe  früheste  Jugendform  namentlich  von 
zahlreichen  Garneelen;  so  von  Crangon  (Du  Cane),  Caridina  (Joly),  Hippolyte, 
Palaemon,  Alpheus  u.  s.  w.  Endlich  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass  auch  die 
jüngste  Brut  der  Heuschreckenkrebse  (Squilla)  sich  hier  anschliesst.  — 

Die  wichtigsten  Eigenthümlichkeiten  nun,  welche  diese  Zoeabrut  vom  er- 
wachsenen Thiere  unterscheiden,  sind  die  folgenden : 

Der  Mittelleib  mit  seinen  Anhängen,  jenen  fünf  Fusspaaren,  denen  Krabben 
und  Krebse  den  Namen  der  Zehnfüsser  danken,  fehlt  noch  vollständig,  oder  ist 
doch  kaum  angelegt;  Hinterleib  und  Schwanz  sind  anhanglos;  letzterer  besteht 
aus  einem  einzigen  Stücke.  Den  Kinnbacken  (mandibulae)  fehlen,  wie  bei  den 
Insekten,  die  Taster.  Die  Kieferfüsse,  von  denen  das  dritte  Paar  oft  noch  fehlt, 
sind  noch  nicht  in  den  Dienst  des  Mundes  gezogen,  sondern  erscheinen  als  zwei- 
ästige Schwimmfüsse.  Kiemen  fehlen,  oder  wo  sich  deren  erste  Anlagen  als  kleine 
warzenförmige  Vorsprünge  erkennen  lassen,  sind  dieses  dichte  vom  Blute  noch 
nicht  durchströmte  Zellenmassen,  die  also  mit  der  Athmung  nichts  zu  thun  haben. 
Ein    Austausch   zwischen    den   Gasen  jrjg  ,7  Fig.  ig. 

des  Wassers  und  des  Blutes  wird  über- 
all an  der  dünnhäutigen  Oberfläche 
des  Leibes  statthaben  können;  als 
Hauptsitz  der  Athmung  aber  darf 
man  unbedenklich  die  Seitentheile 
des  Panzers  bezeichnen.  Sie  bestehen 
ganz  wie  es  Leydig  von  den  Daphnien 
beschreibt  aus  einem  äusseren  und 
einem  inneren  Blatte,  deren  Zwischen- 
raum von  zahlreichen  an  den  Enden 
verbreiterten  Querbälkchen  durchsetzt 
ist;  die  Lücken  zwischen  diesen  Bälk- 
chen  werden  von  reicheren  Blutströ- 
men diu"chflossen,  als  sie  sonstwo  im 
Leibe  der  Zoea  sich  finden.  Dazu 
kommt,  dass  ein  beständiger  Strom  frischen  Wassers  in  der  Richtung  von  hinten 
nach  vorn  unter  dem  Panzer  hinzieht,  unterhalten,  wie  beim  erwachsenen  Thiere, 
durch  einen  blatt-  oder  zungenförmigen  Anhang  des  zweiten  Kieferpaares  (Fig.  1 8). 
—  Zusatz  feiner  Farbtheilchen  zu  dem  Wasser  lässt  selbst  bei  den  kleineren  Zoea 
leicht  diesen  Athemstrom  wahrnehmen. 

Die  Zoea  der  Krabben  (Fig.  17)  pflegen  sich  auszuzeichnen  durchlange 
stachelförmige  Fortsätze  des  Panzers ;  ein  solcher  ragt  von  der  Mitte  des  Rückens 
empor,  ein  zweiter  von  der  Stirn  nach  unten  und  häufig  steht  noch  ein  kürzerer 
jederseits  nahe  der  hinteren,  unteren  Ecke  des  Panzers.  Alle  diese  Fortsätze 
fehlen  jedoch  nach  Couch  bei  Mala,  nach  Kinahan  bei  Eurynome,  und  bei  einer 
dritten  Art  aus  derselben  Gruppe  der  Oxyrhynchen  (der  Gattung  Achaeus  zugehörig 
oder  nahestehend)  finde  ich  ebenfalls  nur  einen  unbedeutenden  Rückenstachel,  wäh- 
rend Stirn  und  Seiten  unbewehrt  sind.  Wieder  ein  Beispiel,  das  zur  Vorsicht  mahnt 
beim  Schliessen  nach  Analogie.  Nichts  schien  näher  zu  liegen,  als  die  schnabel- 
förmige Bildung   der  Stirn    bei   den  Oxyrhynchen  zurückzuführen  auf  den  Stirn- 


Fig.  17.  Zoea  einer  Sumpfkrabbe  [Cyclograpsus  (?)], 
45  mal  vergr. 

Fig.  18.  Kiefer  (maxilla)  des  zweiten  Paares  von 
derselben,   iSomal  vergr. 


222 


Für  Darwin. 


Fig.    19—23. 


fortsatz  der  Zoea,  und  nun  findet  sich,  dass  gerade  den  Jungen  der  Oxyrhynchen 
ein  solcher  Stirnfortsatz  vöUig  abgeht.  —  Wichtigere  Eigenthümlichkeiten  der 
Krabbenzoea,  wenn  auch  weniger  augenfällig  als  jene  Fortsätze  des  Panzers,  die 
im  Verein  mit  den  grossen  Augen  ihnen  oft  ein  so  wunderliches  Aussehen  ver- 
leihen, sind  die  folgenden :  die  vorderen  (inneren)  Fühler  sind  einfach,  ungegliedert, 
am  Ende  mit  2  —  3  Riechfäden  versehen;  die  hinteren  (äusseren)  Fühler  laufen  in 
einen  oft  ungemein  langen  stachelförmigen  Fortsatz  (styliform  process,  Spence 
Bäte)  aus,  und  tragen  aussen  einen  bisweilen  sehr  winzigen  Anhang  (squamiform 
process,  Sp.  B.),  der  Schuppe  des  Garneelenfühlers  entsprechend  i) ;  daneben  ist 
oft  schon  die  erste  Anlage  der  späteren  Fühlergeissel  erkennbar.  Schwimmfüsse 
(später  Kieferfüsse)  sind  nur  zwei  Paare  vorhanden ;  es  fehlt  das  dritte  (nicht,  wie 
Spence  Bäte  will,  das  erste)  vollständig,  oder  ist  wie  die  fünf  folgenden  Fusspaare 

nur  als  winzige  Knospe  vorhanden.  Der 
Schwanz,  von  sehr  wechselnder  Form, 
trägt  immer  drei  Paar  Borsten  an  seinem 
Hinterrande.  Die  Krabbenzoea  pflegen 
im  Wasser  sich  so  zu  halten,  dass  der 
Rückenstachel  nach  oben  steht,  der 
Hinterleib  nach  vorn  gekrümmt,  der  in- 
nere Ast  der  Schwimmfüsse  nach  vorn, 
der  äussere  nach  aussen  und  oben  ge- 
richtet ist. 

Zu    bemerken    ist   noch,    dass    die 

Zoea  der  Krabben,  wie  auch  der  Porcel- 

lanen,  der  Tatiiira,  der  Garneelen  beim 

Ausschlüpfen  aus  dem  Eie  von  einer  die 

Stachelfortsätze  des  Panzers,  die  Borsten 

der  Füsse  und  Fühler  verhüllenden  Haut 

umschlossen   sind,    die    sie    schon    nach 

wenigen  Stunden  abstreifen.  Bei  Achaeus 

habe  ich  mir  angemerkt,  dass  der  Schwanz  dieser  jüngsten  Larvenhülle  an  die  Gar- 

neelenlarven  erinnert,  und  dasselbe  scheint  bei  Mala  der  Fall  zu  sein  (S.  Bell,  Brit. 

Stalk-eyed  Crust.  pg.  44). 

So  weit  sie  beim  ersten  Anblick  sich  von  ihnen  zu  entfernen  scheinen,  so 
eng  schHessen  sich  an  die  Zoea  der  Krabben  die  der  Porcellanen  (Fig.  24)  an. 
Fühler,  Mundtheile,  Schwimmfüsse  zeigen  dieselbe  Bildung.  Der  Schwanz  aber 
trägt  fünf  Paar  Borsten,  der  Rückenstachel  fehlt,  der  Stirnfortsatz  dagegen  und 
die  Seitenstacheln  sind  von  abenteuerlicher  Länge  und  gerade  nach  vorn  und 
hinten  gerichtet. 

Auch  die  Zoea  der  Tatuira  (Fig.  25)  scheint  nur  wenig  von  denen  der 
Krabben  abzuweichen,  denen  sie  auch  in  ihrer  Bewegungsweise  gleicht.  Der 
Panzer  besitzt  nur  einen  kurzen,  breiten  Stirnfortsatz;  der  Hinterrand  des  Schwanzes 
ist  mit  zahlreichen  kurzen  Borsten  besetzt. 


Schwänze  verschiedener  Krabbenzoea.  Fig.  19 
von  Pinnotheres.  —  Fig.  20  von  Sesarma.  —  Fig.  21 
von  Xantho.  —  Fig.  22.  23  von  unbekannter  Herkunft. 


i)  In  einem  Aufsatze   über   die  Verwandlung    der  Porcellanen    habe    ich    diesen  Anhang  irrthümlich 
als  „Geissei"  bezeichnet  (s.  Ges.  Schriften  p.    154). 


Für  Darwin. 


223 


Die  Zoca  der  Einsiedlerkrebse  (Fig.  26)  besitzt  die  einfachen  inneren  Fühler 
der  Krabbenzoea;  die  äusseren  Fühler  tragen  auf  kurzem  Stiele  aussen  ein  an- 
sehnliches der  Schuppe  der  Garneelenfühler  ähnliches  Blatt,  innen  einen  kurzen 
dornförmigen  Fortsatz  und  zwischen  beiden  die  noch  kurze,  aber  schon  mit  zwei 

Fig.  2-]. 


Fig.  24. 


Fig.  25. 


% 


Fig.  24.  Zoea  der  Porcellina  stelli- 
cola  F.  Müll.     I5mal  vergr. 

Fig.  25.  Zoea  der  Tatuira  (Hippa 
eremita  L.).     45nial  vergr. 

Fig.  26.  Zoea  eines  kleinen  Ein- 
siedlerkrebses.    45mal   vergr. 

Fig.  27.  Zoea  eines  an  Rhizostoma 
cruciatum  Less.  sich  aufhaltenden  Pa- 
laemon.     45mal  vergr. 


Endborsten  bewehrte  Geissei.  Wie  bei  den  Krabben  finden  sich  nur  zwei  Paar 
wohl  entwickelte  Schwimmfüsse  (Kieferfüsse) ;  aber  auch  das  dritte  Paar  ist  schon 
als  ansehnlicher,  zweigliedriger,  wenn  auch  noch  borstenloser  Stummel  vorhanden. 
Der  Schwanz  trägt  fünf  Paar  Borsten.  Das  Thierchen  pflegt  sich  im  Wasser 
gerade  ausgestreckt  zu  halten  mit  abwärts  gerichtetem  Kopfe. 

In  derselben  Haltung  sieht  man  gewöhnlich  die  Zoea  der  Garneelen 
(Fig.  27),  die  überhaupt  im  allgemeinen  Ansehen  mit  denen  der  Einsiedlerkrebse 
übereinstimmen.  Zwischen  den  grossen  zusammengesetzten  Augen  findet  sich  bei 
ihnen  ein  kleines  unpaares  Auge.     Die  inneren  Fühler  tragen  am  Ende  eines  bis- 


2  24.  ^^^  Darwin. 

weilen  ansehnlich  langen  Grundgliedes  innen  eine  gefiederte  Borste,  die  auch  schon 
bei  den  Einsiedlerkrebsen  sich  findet,  aussen  ein  kurzes  Endglied  mit  einem  oder 
einigen  Riechfäden.  Die  äusseren  Fühler  zeigen  eine  wohlentwickelte,  bisweilen 
deutlich  gegliederte  Schuppe  und  meist  nach  innen  davon  einen  dornartigen  Fort- 
satz; die  Geissei  scheint  in  der  Regel  noch  zu  fehlen.  Das  dritte  Paar  der  Kief er- 
fasse scheint  stets,  wenigstens  als  ansehnlicher  Stummel  schon  vorhanden  zu  sein. 
Das  spateiförmige  Schwanzblatt  trägt  fünf  bis  sechs  Borstenpaare  am  Hinterrande. 

Die  Entwicklung  der  Zoeabrut  zum  geschlechtsreifen  Thiere  verfolgte  Spence 
Bäte  bei  Carcinus  Maenas;  er  wies  nach,  dass  die  Umwandlung  eine  ganz  all- 
mähliche ist,  dass  sich  in  ihr  keine  scharf  geschiedenen  Entwicklungsstufen,  wie 
etwa  beim  Schmetterlinge  Raupe  und  Puppe  abgrenzen  lassen.  Leider  besitzen 
wir  nur  diese  einzige  vollständige  Beobachtungsreihe  und  ihre  Ergebnisse  dürfen 
nicht  ohne  Weiteres  als  allgemein  giltig  betrachtet  werden ;  so  bewahren  die 
jungen  Einsiedlerkrebse  das  allgemeine  Aussehen  und  die  Bewegungsweise  der 
Zoea,  während  die  Anlagen  der  Füsse  des  Mittel-  und  Hinterleibes  heranwachsen, 
und  erscheinen  dann  auf  einmal,  indem  diese  in  Thätigkeit  treten,  in  ganz  neuer 
Gestalt,  die  von  der  des  erwachsenen  Thieres  hauptsächlich  durch  vollkommene 
S3^mmetrie  des  Leibes  und  durch  vier  Paar  wohlgebildeter  Schwimmfüsse  am 
Hinterleibe  sich  unterscheidet  ^). 

Sehr  eigenthümlich  scheint  die  Entwicklung  der  Panzerkrebse  zu  sein. 
Claus  fand  in  den  Eiern  der  Languste  (Palinurus)  Embryonen  mit  vollständig 
gegliedertem  Leibe,  denen  die  Anhänge  des  Schwanzes,  des  Hinterleibes,  und 
der  beiden  letzten  Ringe  des  Mittelleibes  fehlen ;  sie  besitzen  ein  einfaches  un- 
paares  und  ansehnliche  zusammengesetzte  Augen;  die  vorderen  Fühler  sind  ein- 
fach, die  hinteren  mit  einem  kleinen  Nebenaste  versehen;  die  Kinnbacken  taster- 
los; das  dritte  Paar  der  Kieferfüsse  wie  die  beiden  folgenden  Fusspaare  in  zwei 
fast  gleichlange  Aeste  gespalten,  während  das  letzte  der  vorhandenen  Fusspaare 
und  das  zweite  Paar  der  Kieferfüsse  nur  einen  unbedeutenden  Nebenast  tragen. 
Coste  will  bekanntlich  aus  den  Eiern  desselben  Krebses  junge  Phyllosomen  ge- 
zogen haben,  —  eine  Angabe,  die  um  so  mehr  einer  nähern  Begründung  bedarf, 
als  die  neueren  Untersuchungen  von  Claus  über  Phyllosoma  ihr  keineswegs  günstig 
scheinen. 

Die  grossen  zusammengesetzten  Augen,  die  früh  bewegt  zu  werden  pflegen 
und  bisweilen  schon  in  frühester  Zeit  auf  langen  Stielen  stehen,  sowie  der  Panzer, 
der  den  ganzen  Vorderleib  deckt,  weisen  bei  aller  Verschiedenheit  den  bisher 
betrachteten  Larven  sofort  ihre  Stelle  unter  den  Podophthalmen  an.  Nicht  ein 
bezeichnendes  Merkmal  aber  dieser  Abtheilung  bleibt  der  Brut  einiger  zur  Gattung' 
Peneus  oder  in  deren  Nähe  gehörigen  Garneelen.  Dieselben  verlassen  das  Ei  mit 
ungegliedertem  eiförmigen  Leibe,  unpaarigem  Stirnauge  und  drei  Paar  Schwimm- 
füssen,  von  denen  die  vorderen  einfach,  die  beiden  anderen  zweiästig  sind,  —  in 
jener  unter  niederen  Krustern  so  häufigen  Larvenform  also,  der  O.  F.  Müller  den 
Namen  Nauplius  gab.  Keine  Spur  eines  Panzers,  keine  Spur  der  paarigen 
Augen,  keine  Spur  von  Kauwerkzeugen  neben  dem  von  einer  helmförmigen 
Kappe  überwölbten  Munde! 


i)  Die  Glaucothoö  Peronii  Edw.  mag  ein  solcher  junger  noch  symmetrischer  Pagurus  sein. 


Für  Darwin. 


225 


Für  eine  dieser  Arten  wurden  bereits  die  Zwischenformen,  die  vom  Nauplius 
zur  Garneele  führen,  in  ziemhch  enggeschlossner  Reihe  aufgefunden. 

An  die  jüngsten  Nauplius  (Fig.  28)  schliessen  sich  Formen,  bei  denen  hinter 
dem  dritten  Fusspacire  eine  Hautfalte  als  erste  Andeutung  des  Panzers  quer  über 
den  Rücken  zieht  und  auf  der  Bauchseite  vier  Paar  plumpe  Zapfen  hervorspriessen, 
—  Anlagen  neuer  Gliedmassen.  Innerhalb  des  dritten  Fusspaares  bilden  sich 
kräftige  Kinnbacken  aus. 

Bei  einer  folgenden  Häutung  treten  die  neuen  Gliedmassen,  —  Kiefer,  vordere 
und  mittlere  Kieferfüsse,  —  in  Thätigkeit  und  damit  ist  aus  dem  Nauplius  eine 
Zoea  geworden  (Fig.  29),   völlig  übereinstimmend  mit  der  Zoea  der  Krabben  in 


Fig.  28. 


Fig.  29. 


Fig.  28.     Nauplius    einer   Garneele.      45mal 
vergr. 

Fig.  29.     Jüngere  Zoea  derselben  Garneele. 
45mal  vergr. 


der  Zahl  der  Leibesanhänge,  —  wenn  auch  freilich  sehr  abweichend  in  Gestalt 
und  Bewegungsweise  und  selbst  in  manchen  Verhältnissen  des  inneren  Baues. 
Als  hauptsächlichste  Bewegungswerkzeuge  dienen  noch  die  schlanken  langbe- 
borsteten  beiden  vorderen  Fusspaare,  die  späteren  Fühler;  das  dritte  Fusspaar 
verliert  seine  Aeste  und  wird  zu  tasterlosen  Kinnbacken.  Die  Oberlippe  erhält 
einen  ansehnlichen  vorwärts  gerichteten  Stachel,  der  sich  bei  allen  verwandten 
Zoeaarten  wiederfindet.  Die  zweiästigen  Kieferfüsse  scheinen  wenig  bei  der  Be- 
wegung witzuwirken.  Der  gabiige  Schwanz  erinnert  mehr  an  die  bei  niederen 
Krustern,  namentlich  den  Copepoden  vorkommenden  Formen,  als  an  das  spatei- 
förmige Schwanzblatt,  das  die  Zoea  der  Alpheus,  Palaemon,  Hippolyte  und  andrer 
Garneelen,  der  Einsiedlerkrebse,  der  Tatuira,  der  Porcellanen  auszeichnet.  Das 
Herz  besitzt  nur  ein  Spaltenpaar  und  keine  sein  Innres  balkenartig  durchsetzenden 
Muskeln,  während  bei  anderen  Zoea  zwei  Spaltenpaare  und  ein  innres  Balkenwerk 
stets  deutlich  erkennbar  sind. 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  '5 


226 


Für  Darwin 


Während  dieses  Zoeazeitraums  bilden  sich  (Fig.  30)  die  paarigen  Augen,  es 
bilden  sich  die  Ringe  des  Mittel-  und  Hinterleibes,   die  hinteren  Kieferfüsse,    die 

seitlichen  Schwanzanhänge  und  die  stummei- 
förmigen Anlagen  der  Füsse  des  MitteUeibes. 
Die  Schwanzanhänge  spriessen  wie  andere 
Gliedmassen  frei  an  der  Bauchfläche  herv^or, 
während  sie  bei  anderen  Garneelen,  bei  den 
Porcellanen  u.  s.  w.  im  Innern  des  spatei- 
förmigen Schwanzblattes  angelegt  werden. 

Indem  die  Füsse  des  Mittelleibes  in 
Thätigkeit  treten,  geht,  unter  gleichzeitigen 
anderen  tiefgreifenden  Veränderungen,  die 
Zoea  in  die  Mysis-  oder  Schizopodenform 
über  (Fig.  31).  Die  Fühler  hören  auf,  der  Be- 
wegung zu  dienen ;  sie  werden  abgelöst  durch 
den  langen  Hinterleib,  der  vor  Kurzem  noch 
als  unnütze  Last  mühsam  nachgeschleift  wurde 
und  dessen  kräftige  Muskeln  jetzt  das  Thier 
in  munteren  Sprüngen  durch's  Wasser 
schnellen  und  durch  die  langgeborsteten 
Brustfüsse.  Die  vorderen  Fühler  haben  ihre 
langen  Borsten  verloren  und  neben  dem 
letzten  (vierten)  mit  Riechfäden  ausgestatte- 
ten Gliede  erscheint  ein  zweiter  anfangs  un- 
gegliederter Ast.  Der  äussere  bisher  viel- 
gliedrige  Ast  der  hinteren  Fühler  ist  zu  einem 
einfachen  Blatte,  der  Schuppe  des  Garneelen- 
fühlers  geworden;  daneben  erscheint  die 
stummeiförmige  Anlage  der  Geissei,  wahr- 
scheinlich als  Neubildung,  indem  der  innere 
Ast  vollständig  schwindet.  Die  fünf  neuen 
Fusspaare  sind  zweiästig,  der  innere  Ast  kurz, 
einfach,  —  der  äussere  länger,  am  Ende  ge- 
ringelt, langbeborstet  und  wie  bei  den  Mysis 
in  beständiger  strudelnder  Bewegung.  Das 
Herz  erhält  neue  Spalten  und  innere  Muskel- 
balken. 

Während    der   Mysiszeit   bilden    sich   Gehörwerkzeuge    im  Grundgliede    der 
vorderen  Fühler,   die  inneren  Aeste  der  drei  vorderen  Fusspaare  entwickeln  sich 


Fig.  30.    Aeltere  Zoea  derselben  Garneele 
45mal  vergr. 


Fig.  31.     Mysisform  derselben  Garneele.  45mal  vergr. 


Für  Darwin. 


227 


ZU  Scheeren,  die  der  zwei  hinteren  zu  Gang-füssen;  an  den  Kinnbacken  sprosst 
ein  Taster,  am  Mittelleibe  sprossen  Kiemen,  am  Hinterleibe  Schwimmfüsse  hervor. 
Der  Dorn  der  Oberlippe  bildet  sich  zurück.  —  Das  Thier  nähert  sich  so  all- 
mählich der  Garneelenform,  in  der  das  unpaare  Auge  undeutlich  geworden,  der 
Dorn  der  Oberlippe,  die  äusseren  Aeste  der  Scheeren-  und  Gangfüsse  verloren 
gegangen  sind,  die  Taster  der  Kinnbacken  und  die  Hinterleibsfüsse  deutliche 
Glieder  und  Borsten  erhalten  haben  und  die  Kiemen  in  Thätigkeit  treten. 

Bei  einer  anderen  Garneele,  deren  verschiedene  Larvenzustände  leicht  als  zu- 
sammengehörig erkannt  werden  an  einem  dunkelgelben  scharfumschriebenen  Fleck, 
der  das  unpaare  Auge  umgiebt,  stimmen  die  jüngsten 
wahrscheinlich  aus  Nauplius  hervorgehenden  Zoea 
(Fig.  32)  in  allen  wesentlichen  Verhältnissen  mit 
der  eben  besprochenen  Art  überein;  dagegen  ist 
die  weitere  Entwicklung  namentlich  dadurch  sehr 
abweichend,  dass  weder  die  Füsse  des  Mittelleibes 
noch  die  des  Hinterleibes  sich  gleichzeitig  bilden  und 
dass  eine  mit  Mysis  in  Zahl  und  Eildung  der  Glied- 
massen vergleichbare  Entwicklungsstufe  fehlt. 

Zeitig  zeigen  sich  Spuren  der  äusseren  Kiefer- 
füsse.  Dann  erscheinen  Füsse  an  vier  Ringen  des 
Mittelleibes  und  zwar  zweiästig  an  den  drei  vorderen, 
einfach,  indem  der  innere  Ast  fehlt,  an  dem  vierten 
Ring.  An  den  inneren  Aesten  entwickeln  sich 
Scheeren,  die  äusseren  Aeste  gehen  verloren,  ehe 
noch  ein  innerer  Ast  am  vierten  Ringe  aufgetreten 
ist  (Fig.  32).  Letzterer  erscheint  wieder  anhanglos, 
so  dass  also  hier  in  früherer  Zeit  vier,  in  späterer 
nur  drei  Ringe  des  Mittelleibes  Gliedmassen  tragen. 
Der  fünfte  Ring  fehlt  noch  vollständig,  während  in- 
zwischen auch  sämmtliche  Hinterleibsringe  Glied- 
massen erhalten  haben  und  zwar  einer  nach  dem  an- 
deren, von  vorn  nach  hinten.  Das  erwachsene  Thier 
wird  jedenfalls,  darauf  weisen  die  drei  Scheerenpaare 
hin,   dem  der  vorigen  Art  sehr  nahe  stehen^). 

Der  jüngsten  Zoea  unserer  Garneelen  sehr  nahe  steht  die  jüngste  der  von 
Claus  beobachteten  Larven  der  Schizopodengattung  Euphausia ;  aber  während  ihre 
vorderen  Fühler  schon  zweiästig  sind,  und  sie  hierin  sich  weiter  vorgeschritten 
zeigt,  fehlen  ihr  noch  die  mittleren  Kieferfüsse.  Auch  bei  ihr  fand  Claus  das 
Herz  mit  einem  einzigen  Spaltenpaare  versehen.  Ob  nicht  auch  hier  der  Zoea 
naupliusähnliche  Zustände  vorausgehen? 


Fig.  32.  Jüngste  (beobachtete) 
Zoea  einer  anderen  Garneele.  Man 
bemerkt  die  winzigen  Knospen  des 
dritten  Paares  der  Kieferfüsse.  Die 
Hinterleibsringe  beginnen  sich  zu 
bilden.  Paarige  Augen  werden  noch 
vermisst.     Vergr.  45mal. 


i)  Die  ältesten  beobachteten  Larven  zeichnen  sich  aus  (s.  Fig.  33)  durch  ungewöhnliche  Länge  der 
Geissei  der  äusseren  Fühler,  und  gleichen  hierin  der  von  Claus  bei  Messina  gefundenen  Sergesteslarve 
(Zeitschr.  für  wiss.  Zool.  Bd.  XIII.  Taf.  XXVII,  P'ig.  14).  Diese  ungemeine  Länge  der  Pühler  lässt 
vermuthen,  dass  sie  unserer  gemeinsten,  vielverspeisten,  dem  Peneus  setiferus  von  Florida  nächstverwandten 
Garneele  zugehören.  Das  Acanthosoma  von  Claus  (a.  a.  O.  Fig.  13)  ist  der  Jüngern  Mysisform  der  von 
mir  im  Archiv  für  Naturgesch.  1863.  Taf.  II.  Fig.  18  (=  Ges.  Schriften  Taf.  XXII  Fig.  18)  abgebildeten 
Larve   ähnlich,   die    ich    auf  Sicyonia  carinata  zu  beziehen  geneigt  bin. 

15* 


221 


Für  Darwin. 


Die  Entwicklungsgeschichte  der  M^'sis,  deren  nahe  Verwandtschaft  mit 
den  Garneelen  neuerdings  wieder  allgemein  anerkannt  wird,  hat  van  Beneden 
ausführlich  geschildert.  Soweit  ich  sie  nachprüfte,  kann  ich  dessen  Angaben  nur 
bestätigen.  —  Die  Entwicklung  des  Embryo  beginnt  mit  der  Bildung  des  — 
Schwanzes!  Derselbe  tritt  auf  als  einfacher  Lappen,  dessen  Rückenfläche  der 
Rückenfläche  des  Embryo  zugewandt  ist  und  dicht  anliegt.  (Die  Jungen  anderer 
stieläugiger  Kruster  sind  bekanntlich  im  Ei  so  gekrümmt,  dass  die  Bauchflächen 
der  vorderen  und  hinteren  Körperhälfte  einander  zugekehrt  sind,  bei  ihnen  er- 
scheint also  der  Rücken,  bei  M^^sis  die  Bauchseite  gewölbt.)  Bald  nimmt  der 
Schwanz  die  Gabelform  an,  die  wir  bei  der  zuletzt  betrachteten  Garneelenzoea 
kennen  lernten.  Dann  sprossen  am  entgegengesetzten  Leibesende  zwei  Paar 
plumpe  säbelförmige  Anhänge  hervor  und  dahinter  ein  Paar  leicht  zu  übersehender 
Höcker,  —  Fühler  und  Kinnbacken.  Jetzt  birst  die  Eihaut,  ehe  noch  irgend  ein 
inneres  Organ,  irgend  ein  Gewebe  ausser  den  Zellen  der  Hautschicht  gebildet  ist. 

Man  könnte  das  Junge 
einen  Nauplius  nennen ; 
eigentlich  freilich  ist  nichts 
da,  als  eine  rohe  Nach- 
bildung einer  Nauplius- 
haut,  ge Wissermassen  eine 
neue  Eihaut,  innerhalb 
deren'  die  Mysis  sich  ent- 
wickelt. Die  zehn  Paar 
Anhänge  des  Vorder- 
leibes (Kiefer ,  Kiefer- 
füsse)  und  des  Mittel- 
leibes treten  gleichzeitig 
auf;  später  mit  einem 
Male  die  fünf  Paar  Hinterleibsfüsse.  Kurz  nachdem  die  junge  M3'^sis  die 
Naupliushülle   abgestreift,   verlässt    sie   die   Bruttasche   der   Mutter  ^). 

Aus  der  Entwicklungsgeschichte  der  Maulfüsser,  denen  man,  den  Mangel 
einer  besonderen  Kiemenhöhle  einseitig  betonend,  eine  Zeitlang  auch  die  Mysis, 
die  Leucifer,  die  Phyllosomen  zuzählte,  die  man  aber  jetzt  wieder,  wie  ursprüng- 
lich Latreille,  auf  die  Heuschreckenkrebse  (Squilla),  die  Glaskrebse  (Erichthus) 
und  ihre  nächsten  Verwandten  beschränkt,  sind  bisher  nur  sehr  vereinzelte  Bruch- 
stücke bekannt  geworden.  Die  Verfolgung  der  Entwicklung  im  Ei  wird  er- 
schwert durch  den  Umstand,  dass  die  Heuschreckenkrebse  nicht  wie  Krabben 
und  Krebse  ihr  Laich  mit  sich  herumtragen,  sondern  in  die  von  ihnen  bewohnten 
unterirdischen  Gänge  absetzen  in  Gestalt  dünner,  runder,  dottergelber  Platten. 
Das  Laich  ist  deshalb  überhaupt  schwierig  zu  erhalten  und  leider  verdirbt  es  in 
Tagesfrist,  wenn  es  seiner  natürlichen  Brutstätte  entnommen  wird,  während  man 
an  den  Eiern  einer  einzigen  gefangen  gehaltenen  Krabbe  wochenlang  den  Fort- 
schritten  der  Entwicklung   nachgehen   kann.     Die  Eier   der  Squilla   sterben,   wie 

I)  Van  Beneden,  der  selbst  die  Augenstiele  als  Gliedmassen  betrachtet,  kann  doch  nicht  umhin,  bei 
Mysis  zu  bemerken:  „Ce  pedicule  n'apparait  aucunement  comme  les  autres  appendices  et  paratt  avoir  une 
autre  valeur  morphologique." 


Fig-  33-  Aeltere  Larve,  aus  der  Fig.  32  gezeichneten  Zoea  hervor- 
gehend. Es  fehlt  der  letzte  Ring  und  die  beiden  letzten  Fusspaare  des 
Mittelleibes.     Vergr.  2omal. 


Für  Darwin. 


229 


I'ig-    34-      Embryo     einer 
Squilla,    45mal  vergr.  a  Herz. 


vom  Leibe  der  Krabbe  entfernte  Eier,  weil  ihnen  der  lebhafte  Strom  frischen 
Wassers  fehlt,  den  die  Mutter  behufs  ihrer  eigenen  Athmung  durch  ihre  Höhle 
treibt. 

Beistehende  Abbildung  eines  Squillaembryo  zeigt,  dass  derselbe  einen  langen, 
gegliederten,  anhanglosen  Hinterleib,  einen  zweilappigen  Schwanz,  sechs  Paar 
Gliedmassen  und  ein  kurzes  Herz  besitzt;  letzteres  pulsirt 
nur  schwach  und  langsam.  Erhält  er  vor  dem  Aus- 
schlüpfen nicht  noch  weitere  Gliedmassen,  so  dürfte  die 
jüngste  Larve  auf  gleicher  Stufe  mit  der  jüngsten  Claus- 
schen  Euphausialar\'e  stehen. 

Von  den  beiden  bis  jetzt  bekannt  gewordenen 
Larvenformen,  die  mit  Sicherheit,  wenn  auch  nicht  dem 
Heuschreckenkrebse,  so  doch  einem  Maulfüsser  zu- 
zutheilen  sind,  übergehe  ich  die  jüngere  ^),  da  deren 
Gliedmassen  sich  nicht  zuverlässig  deuten  lassen,  und 
erwähne  nur,  dass  bei  ihr  die  drei  letzten  Hinterleibs- 
ringe noch  anhanglos  sind.  Der  älteren  Larve  (Fig.  35),  die  namentlich  durch 
die  Gestalt  der  grossen  Raubfüsse  und  des  vorhergehenden  Fusspaares  an  die 
erwachsenen  Heuschre(;kenkrebse  erinnert,  fehlen  noch  die  sechs  den  Raubfüssen 
folgenden  Fusspaare.  Die  entsprechenden  Leibesringe  sind  schon  wohl  entwickelt, 
ein  unpaares  Auge  ist  noch  vorhanden,  die 
vorderen  Fühler  sind  schon  zweiästig,  wäh- 
rend den  hinteren  die  Geissei  fehlt,  die 
Kinnbacken  sind  tasterlos;  die  vier  vorderen 
Hinterleibsringe  tragen  zweiästige,  kiemen- 
lose Schwimmf üsse ;  der  fünfte  Hinterleibs- 
ring ist  anhanglos;  ebenso  der  Schwanz, 
der  noch  als  einfaches  am  Hinterrande  mit 
zahlreichen  kurzen  Zähnchen  besetztes  Blatt 
erscheint.  Man  sieht,  die  Larve  steht  im 
Wesentlichen  auf  der  Stufe  der  Zoea. 

VIII. 

Minder  mannichfaltig,  als  die  der  stiel- 
äugigen  Kruster  ist  die  Entwicklungsweise 
der  Asseln  (Isopoda)  und  Flohkrebse  (Amphi-  p.^  ^^     ^^^^^^^  ^arve  (Zoea)  eines  Maul- 

poda),  die  Leach  in  der  Abtheilung  Edrioph-     füssers,  ismal  vergr. 
thalmen,  der  Kruster  mit  Sitzaugen  vereinigte. 

Als  Beispiel  für  die  Entwicklung  der  Isopoden  mögen  die  Felsenasseln 
(Ligia)  dienen.  Wie  bei  Mysis  ist  bei  ihnen  der  Schwanztheil  des  Embryo  nicht 
nach  unten,  sondern  nach  oben  gekrümmt;  wie  dort,  bildet  sich  zunächst  eine 
Larvenhaut,  innerhalb  deren  dann  die  Assel  sich  entwickelt.  Bei  Mysis  Hess  sich 
diese  erste  Larvenhaut  einem  Nauplius  vergleichen;  bei  Ligia  erscheint  sie  als 
völlig    anhanglose  Made,    die    in    einen   langen    einfachen  Schwanz  ausläuft.     Die 


I)  Archiv  für  Naturgeschichte,   1863,  Taf.  I.    =  Ges.  Schriften  Taf.  XXI. 


230 


Für  Darwin. 


Eihaut  bleibt  länger  erhalten,  als  bei  Mysis;  sie  birst,  wenn  schon  die  Gliedmassen 
der  jungen  Assel  vollzählig  angelegt  sind.  Die  Rückenfläche  der  Assel  ist  etwas 
hinter  dem  Kopfe  mit  der  Larvenhaut  verwachsen.  An  dieser  Stelle  findet  sich, 
nachdem  die  Verbindung  nicht  lange  vor  der  Häutung  gelöst  ist,  ein  blattförmiger 
Anhang,  der  nur  kurze  Zeit  besteht  und  schon  geschwunden  ist,  ehe  noch  die 
junge  Assel  die  Bruttasche  der  Mutter  verlässt. 

Das  Junge  gleicht,  wenn  es  für  sich  selbst  zu  sorgen  anfängt,  den  Alten 
fast  in  allen  Stücken,  bis  auf  einen  wichtigen  Unterschied:  statt  sieben  besitzt  es 
nur  sechs  Paar  Gangbeine;  der  letzte  Ring  des  Mittelleibes  ist  nur  wenig  ent- 
wickelt und  anhanglos.  Dass  auch  die  geschlechtlichen  Eigenthümlichkeiten  noch 
nicht  ausgebildet  sind,  dass  den  Männchen  noch  die  bandförmigen  Verdickungen 
an  den  vorderen  Gangbeinen  und  die  der  Begattung  dienenden  Anhänge  fehlen, 
bedarf  kaum  besonderer  Erwähnung. 


Fig.  36. 


Fig.   37- 


Fig.  38. 


Fig.  36.     Embryo    von  Ligia    im  Ei,    I5mal  vergr.    D.  Dotter,  L.  Leber. 

Fig.  37.  Madenförmige  Larve  derselben.  I5mal  vergr.  R.  Rest  der 
Eihaut.  Man  sieht  an  der  Bauchseite  von  vorn  nach  hinten:  vordre,  hintre 
Fühler,  Kinnbacken,  vordre,  hintre  Kiefer,  Kieferfüsse,  sechs  Gangfüsse,  den 
letzten  anhanglosen  Ring  des  Mittelleibes,  fünf  Hinterleibsfüsse,  Schwanz- 
füsse. 

Fig.  38.     Embryo  einer  Philoscia  im  Ei,  25mal  vergr. 


Auf  die  Frage,  inwieweit  die  Entwicklung  der  Felsenasseln  bei  den  übrigen 
Isopoden  sich  wiederholt,  kann  ich  nur  ungenügende  Antwort  geben.  Die  Krüm- 
mung des  Embryo  nach  oben  statt  nach  unten  fand  ich  wie  Rathke  auch  bei 
Idothea,  und  ebenso  bei  Cassidina,  Philoscia,  Tanais  und  den'Bopyriden,  vermisste 
sie  überhaupt  bei  keiner  der  darauf  untersuchsen  Asseln.  Bei  Cassidina  ist  auch 
die  erste  anhanglose  Larvenhaut  leicht  zu  erkennen ;  es  fehlt  ihr  der  lange  Schwanz, 
doch  ist  sie  innerhalb  des  Eies  stark  gekrümmt,  wie  bei  Ligia,  und  deshalb  nicht 
mit  einer  „inneren  Eihaut"  zu  verwechseln;  letzteres  könnte  man  bei  Philoscia, 
wo  sie  sich  eng  an  die  Eihaut  anschliesst  und  nur  im  Hinblick  auf  Ligia  und 
Cassidina  als  Larvenhaut  zu  deuten  ist.  —  Den  blattförmigen  Anhang  am  Rücken 
kennt   man   seit  lange   an    den  Jungen  der  gemeinen  Wasserassel  [Asellus^)].  — 


i)  Leydig  hat  diesen  blattförmigen  Anhang  der  Wasserasseln  der  „grünen  Drüse"  oder  ,, Schalen- 
drüse" anderer  Kruster  verglichen;  er  nimmt  dabei  an,  dass  die  grüne  Drüse  ohne  Ausführungsgang  sei, 
und  beruft  sich  darauf,  dass  beiderlei  Organe  „an  derselben  Stelle"  sich  finden.  Die  Deutung  ist  keine 
glückliche.  Einmal  überzeugt  man  sich,  wie  auch  Claus  fand,  bei  Leucifer  sehr  leicht,  dass  die  „grüne 
Drüse"  wirklich   am  Ende   des    von  Milne  Edwards   als  „tubercle  auditif",    von  Spence  Bäte  als  „olfactory 


Für  Darwin. 


231 


Dass  den  Jungen  der  Landasseln  (Porcellionides  Edw.)  und  Fischasseln  (Cymotho- 
adiens  Edw.)  das  letzte  Fusspaar  des  Mittelleibes  fehle,  hat  schon  Milne  Edwards 
bemerkt.  Das  Gleiche  gilt  für  die  Schachtasseln  (Idothea),  für  die  lebendig  ge- 
bärenden Kugelasseln  (Sphaeroma)  und  Schildasseln  (Cassidina),  für  die  Bopyriden 
(Bopyrus,  Entoniscus,  Cryptoniscus  n.  g.)  und  für  die  Scheerenasseln  (Tanais),  also 
wahrscheinlich  für  die  überwiegende  Mehrzahl  der  Isopoden.  Alle  übrigen  Glied- 
massen pflegen  bei  den  jungen  Asseln  wohlentwickelt  zu  sein.  Nur  bei  den 
Scheerenasseln  fehlen  sämmliche  Füsse  des  Hinterleibes  (aber  nicht  des  Schwanzes) ; 
sie  entwickeln  sich  gleichzeitig  mit  dem  letzten  Fusspaare  des  Mittelleibes. 

Das  letzte  Fusspaar  am  Mittelleibe  der  Larve,  das  vorletzte  also  des  er- 
wachsenen Thieres,  ist  fast  immer  dem  vorhergehenden  gleichgebildet;  eine  be- 
achtenswerthe  Ausnahme  machen  jedoch  hierin  Cryptoniscus  und  Entoniscus;  — 
beachtenswerth  als  Beleg  zu  Darwin's  Satze,  dass  „in  ungewöhnlicher  Weise  ent- 
wickelte Theile   sehr  veränderlich"    sind ;   denn    für  das  „.  .--■ 

F>g-  39-  i^ig-  4°- 

abweichend  gebildete  Fusspaar   besteht   die  grösstmög- 

liche  Verschiedenheit  zwischen  den  drei  bisher  beobach- 
teten Arten.  Bei  Cryptoniscus  (Fig.  3g)  ist  dieser  letzte 
Fuss  dünn,  ruthenförmig ;  bei  Entoniscus  Cancrorum 
ungemein  lang,  mit  stark  verdickter  Hand  und  eigen- 
thümlich  gebildeter  Scheere  versehen ;  bei  Entoniscus  Fig.  39.  Embryo  von  Crypto- 
Porcellanae    sehr    kurz,     unvollständig    gegliedert    mit      "'Fi^'.P4o"^"LSSr^°i^^i''vom 

grossem    eiförmigen    Endgliede   (Fig.    40).  Mittelleibe    von    der  Larve  des 

Einige  Asseln    erleiden  unmittelbar  vor  dem  Ein-      Entoniscus  Porcellanae,  iSomal 

°  vergr. 

tritte  der  Geschlechtsreife  eine  erhebliche  Verwandlung; 

so  die  Männchen  der  Scheerenasseln,  von  denen  schon  oben  die  Rede  war,  und 
nach  Hesse  die  Pranizae,  bei  denen  beide  Geschlechter  in  die  als  Anceus  bekannte 
Form  übergehen  sollen.  Doch  will  Spence  Bäte,  ein  sorgfältiger  Beobachter,  mit 
weit  in  der  Entwickelung  vorgeschrittenen  Eiern  beladene  Weibchen  in  Praniza- 
form  gesehen  haben. 

Wir  treffen  in  dieser  Ordnung  zum  ersten  Male  eine  weitgehende  rück- 
schreitende Verwandlung  als  Folge  des  Schmarotzerlebens.  Schon  bei  einigen 
Fischasseln  (Cymothoa)  sind  die  Jungen  muntere  Schwimmer,  die  Alten  blödsichtige, 
steife,  plumpe  Gesellen,  deren  kurze  Klammerfüsse  nur  noch  geringer  Bewegung 
fähig  sind.  Bei  den  Lausasseln  (Bopyrus,  Phryxus,  Kepone  u.  s.  w.,  die  man 
füglich  in  einer  Gattung  hätte  beisammen  lassen  können),  Schmarotzern  der 
Krabben  und  Krebse,  die  hauptsächlich  in  deren  Kiemenhöhle  ihren  Wohnsitz 
nehmen,  pflegen  den  erwachsenen  Weibchen  die  Augen  ganz  zu  fehlen ;  die  Fühler 
verkümmern ;  der  breite  Leib  ist  häufig  in  Folge  des  beschränkten  Raumes  un- 
symmetrisch entwickelt,  seine  Ringe  sind  mehr  oder  minder  verschmolzen,  die 
Füsse  verkrüppelt,  die  Anhänge  des  Hinterleibes  aus  langbeborsteten  Schwimm- 
füssen  zu  blatt-  oder  zungenförmigen,  bisweilen  verästelten  Kiemen  geworden. 
Bei  den  zwerghaften  Männchen  pflegen  Augen,  Fühler,  Füsse  besser  erhalten  zu 

denticle"  bezeichneten  Vorsprunges  ausmündet.  Und  zweitens  ist  die  Steile  eine  so  verschiedene,  als  sie 
nur  irgend  sein  kann.  Dort  eine  paarige  Drüse,  am  Grunde  der  hinteren  Fühler,  also  an  der  Unterseite 
des  zweiten  Ringes  ausmündend;  hier  ein  unpaares  Gebilde  in  der  Mittellinie  des  Rückens  hinter 
dem  siebenten  Ringe  („hinter  der  Grenzlinie  des  ersten  Brustsegments"  Leydig)  sich  erhebend. 


232 


Für  Darwin. 


sein,  als  bei  den  Weibchen ;  dagegen  sind  am  Hinterleib  nicht  selten  alle  Anhänge 
und  bisweilen  jede  Spur  von  Gliederung  verschwunden.  Bei  den  Weibchen  der 
Binnenasseln  (Entoniscus),  welche  in  der  Leibeshöhle  von  Krabben  und  Porcellanen 
gefunden  werden,  schwinden  Augen,  Fühler,  Mundtheile,  schwindet  die  Gliederung 
des  wurmförmigen  Leibes,  schwinden  bei  einer  Art  (Fig.  41)  sämmtliche  Glied- 
massen fast  spurlos  und  den  Cryptoniscus  planarioides  endlich  würde  man,  wenn 
nicht  Eier  und  Junge  die  Krebsnatur  verriethen,  fast  eher  für  einen  Plattwurm 
als  für  eine  Assel  halten.  Unter  den  Männchen  dieser  verschiedenen  Bopyriden 
nimmt  das  des  Entoniscus  Porcellanae  die  niedrigste  Stelle  ein;  es  bleibt  lebens- 
länglich auf  sechs  Fusspaare  beschränkt,  die  zu  ungestalten  kugligen  Klumpen 
verkrüppeln. 


Fig.  41. 


Fig.  42. 


Fig.  43- 


Fig.  41.  Entoniscus 
Cancrorum ,  Weibchen, 
3mal  vergr. 

Fig.  42.  Cryptoniscus 
planarioides,  "Weibchen, 
3inal  vergr. 

Fig.  43.  Embryo  eines 
Corophium,  gomal  vergr. 


Die  Flohkrebse  (Amphipoda)  sind  schon  zeitig  im  Eie  von  den  Asseln 
zu  unterscheiden  durch  die  abweichende  Lagerung  des  Embryo,  dessen  Hinterende 
nach  unten  gekrümmt  ist.  Ebenfalls  sehr  früh  zeigt  sich  bei  allen  Thieren  dieser 
Ordnung,  die  bis  jetzt  darauf  untersucht  wurden  ^),  ein  eigenthümliches  Gebilde 
am  vorderen  Theile  des  Rückens,  durch  welches  der  Embryo  an  die  „innere 
Eihaut"  befestigt  ist,  und  das  man,  unpassend  wie  mir  scheint,  als  „Mikropyl- 
apparat"  bezeichnet  hat  2).  Man  wird  durch  dasselbe  erinnert  an  die  Verbindung 
der  jungen  Asseln  mit  der  Larvenhaut,  und  an  das  unpaare  „Haftorgan"  im  Nacken 
der  Wasserflöhe  (Cladocera),  welches  bei  Evadne  besonders  entwickelt  ist  und 
während  des  ganzen  Lebens  sich  erhält,  bei  Daphnia  pulex  aber,  nach  Leydig, 
ebenfalls  nur  bei  jüngeren  Thieren  vorhanden,  bei  ausgewachsenen  spurlos  ge- 
schwunden ist. 

Das  Junge  erhält  schon  im  Eie  die  volle  Zahl  seiner  Leibesringe  und  Glied- 
massen; wo  Leibesringe  mit  einander  verschmelzen,  wie  die  beiden  letzten  Ringe 
des  Mittelleibes  bei  Dulichia,  die  beiden  letzten  Hinterleibsringe  mit  dem  Schwänze 

i)  Bei  den  Gattungen  Orchestoidea,  Orchestia,  Allorchestes,  Montagua,  Batea  n.  g.,  Amphilochus, 
Atylus,  Microdeutopus,  Leucothoe,  Melita,  Gammarus  (nach  Meissner  und  La  Valette),  Amphithoe,  Cerapus, 
Cyrtophium,  Corophium,  Dulichia,  Protella,  Caprella. 

2)  So  wenig  am  Ende  der  Name  zur  Sache  thut,  sollte  man  doch  den  Namen  „Mikropyle"  auf 
Canäle  der  Eihaut  beschränken,  die  dem  Eintritte  des  Samens  dienen.  Ueber  den  „Mikropylapparat"  der 
Amphipoden  aber  geht  die  äussere  Eihaut,  nach  den  eigenen  Angaben  von  Meissner  und  La  Valette  un- 
durchbohrt  hinweg,  er  scheint  nie  vor  der  Befruchtung  vorhanden  zu  sein,  erreicht  seine  grösste  Entwick- 
lung in  einer  späteren  Zeit  des  Eilebens  und  die  ihn  durchsetzenden  zarten  Canäle  scheinen  sogar  nicht 
immer  vorhanden  zu  sein;  überhaupt  scheint  er  mehr  dem  Embryo  als  der  Eihaut  anzugehören.  Ich  ver- 
mochte mich  noch  nicht  zu  überzeugen,  dass  überhaupt  die  sogenannte  „innere  Eihaut"  wirklich  eine 
solche  sei  und  nicht  etwa  eine  erst  nach  der  Befruchtung  gebildete  friihestc  Larvenhaut,  wie  man  im 
Hinblick  auf  Ligia,  Cassidina  und  Philoscia  annehmen  möchte. 


Für  Darwin. 


233 


bei  Gammarus  ambulans  und  Corophium  dentatum  n,  sp.,  der  letzte  Hinterleibsring 
mit  dem  Schwänze  bei  Brachysceliis  ^),  oder  wo  ein  oder  mehrere  Ringe  fehlen, 
wie  bei  Dulichia  und  den  Caprellen,  da  findet  man  dieselbe  Verschmelzung,  den- 
selben Mangel  schon  bei  den  der  Bruttasche  der  Mutter  entnommenen  Jungen. 
Auch  Eigenthümlichkeiten  in  der  Bildung  der  Gliedmassen,  sofern  sie  beiden  Ge- 
schlechtern zukommen,  pflegen  schon  bei  den  ausschlüpfenden  Jungen  ausgeprägt 
zu  sein,  so  dass  diese  in  der  Regel  nur  durch  plumpere  Gestalt,  geringere  Zahl 
der  Fühlerglieder,  der  Riechfäden,  sowie  der  Borsten  und  Zähne,  mit  denen  Leib 
oder  Füsse  bewaffnet  sind,  auch  wohl  durch  verhältnissmässig  grössere  Neben- 
geissel  von  ihren  Eltern  abweichen. 

Eine  Ausnahme  von  dieser  Regel  machen  die  meist  an  Quallen  lebenden 
Hyperinen ;  bei  ihnen  haben  Junge  und  Alte  oft  ein  ausserordentlich  verschiedenes 
Aussehen;  aber  auch  bei  ihnen  findet  keine  Neubildung  von  Leibesringen  und 
Gliedmassen,   sondern    nur   eine   allmähliche    Umwandlung   derselben   statt-).     So 


i)  Nach  Spence  Bäte  soll  bei  Brachyscelus  crusculum  der  fünfte  Hinterleibsring  nicht  mit  dem 
sechsten  (dem  Schwänze),  sondern  mit  dem  vierten  verschmolzen  sein,  was  ich  bei  der  grossen  Ueberein- 
stimmung,  die  sonst  diese  Art  mit  den  beiden  von  mir  untersuchten  zeigt,  bezweifeln  möchte. 

2)  Spence  Bäte  vermisste  bei  den  Jungen  der  Hyperia  galba  sämmtliche  Füsse  des  Hinterleibes  und 
die  zwei  letzten  Fusspaare  des  Mittelleibes ;  die  sehr  auffallende  Angabe  bedarf  um  so  mehr  der  Be- 
stätigung, da  er  diese  winzigen  Thierchen 
nur  in  getrocknetem  Zustande  untersuchte. 
Nachträglich  wurde  mir  die  erwünschte 
Gelegenheit,  die  Entwicklung  einer  an  Rippen- 
quallen, besonders  Beroe  güva  Eschsch.  nicht 
seltenen  Hyperia  zu  verfolgen.  Die  jüngsten 
Larven,  aus  der  Bruttasche  der  Mutter,  be- 
sitzen schon  sämmtliche  Füsse  des  Mittel- 
leibes; dagegen  vermisse  ich,  wie  Spence 
Bäte,  die  des  Hinterleibes.  Anfangs  ziem- 
lich einfach,  werden  diese  Füsse  bald  sämmt- 
lich  wie  die  Vorderfüsse  zu  reichgezähnelten 
Greiffüssen  und  zwar  von  dreifach  ver- 
schiedener Form ,  indem  die  Vorderfüsse 
(Fig.  44),  die  beiden  folgenden  (Fig.  45) 
und  endlich  die  drei  letzten  Fusspaare 
(Fig.  46)  unter  sich  ähnlich  und  von  den 
übrigen  abweichend  gebildet  sind.  In  dieser 
Gestalt  erhalten  sich  die  Füsse  sehr  lange, 
während  die  Hinterleibsanhänge  zu  kräftigen 
Schwimmwerkzeugen,  und  die  anfangs,  wie 
mir  schien,  ganz  fehlenden  Augen  zu  ge- 
waltigen Halbkugeln  heranwachsen.  Bei  dem 
Uebergang  in  die  Gestalt  des  erwachsenen 
Thieres  erleiden  namentlich  die  drei  letzten 
Fusspaare  (Fig.  49)  eine  bedeutende  Ver- 
änderung.    Die  Verschiedenheit   der  beiden 

Geschlechter  ist  bedeutend;  die   Weibchen    sind  durch  einen  sehr  breiten  Mittelleib,  die  Männchen  (Lestri- 
gonus)  durch  sehr  lange  P^ühler  ausgezeichnet,  von  denen  die  vorderen  ungemein  reichliche  Riechfäden  tragen. 

Die  jüngsten  Larven    können    natürlich  nicht  schwimmen;    es  sind  unbehilfliche  Thierchen,    die   sich 


Fig.  ^^ — ^6.  Füsse  einer  halbwüchsigen  Hyperia  Mar- 
tinezii*)  n.  sp.  —  Fig.  47 — 49.  Füsse  eines  ziemlich  er- 
wachsenen Männchens  derselben  Art.;  und  zwar  44  u.  47  vom 
ersten  Paare  der  Vorderfüsse  (gnathopoda),  45  u.  48  vom 
ersten,  46  u.  49  vom  letzten  Fusspaare  des  Mittelleibes, 
gomal  vergr. 


*)    Benannt    nach    meinem    geschätzten   Freunde,    dem    liebenswürdigen    spanischen    Zoologen,    Herrn 
Francisco  de  Paula  Martinez  y  Saes,  zur  Zeit  auf  einer  Reise  um  die  Erde. 


22  ,  Für  Darwin. 

gehen,  um  einige  Beispiele  zu  geben,  die  gewaltigen  Scheeren  am  drittletzten 
Fusspaare  der  Phronima  sedentaria  nach  Pagenstecher  aus  einem  einfachen  Fusse 
von  gewöhnlicher  Bildung  hervor,  und  umgekehrt  bildet  sich  die  Scheere  am 
vorletzten  Fusspaare  des  jungen  Brachyscelus  zu  einem  einfachen  Fusse  um.  Bei 
den  Jungen  der  letztgenannten  Gattung  ist  der  lange  Kopf  in  eine  kegelförmige 
Spitze  ausgezogen  und  trägt  auffallend  kleine  Augen ;  beim  Heranwachsen  er- 
reichen diese,  wie  bei  den  meisten  Hyperinen,  einen  ungeheueren  Umfang  und 
füllen  fast  vollständig  den  nun  kuglig  erscheinenden  Kopf,  u.  s.  w. 

Die  Verschiedenheit  der  Geschlechter,  die  bei  den  Gammarinen  besonders 
in  der  Bildung  der  Vorderfüsse  (gnathopoda  Sp.  Bäte),  bei  den  H3^perinen  in  der 
Bildung  der  Fühler  ausgesprochen  zu  sein  pflegt,  und  oft  so  beträchtlich  ist,  dass 
man  Männchen  und  Weibchen  als  verschiedene  Arten  beschrieben  und  mehrfach 
sogar  in  verschiedene  Gattungen  (Orchestia  und  Talitrus,  —  Cerapus  und  Derco- 
thoe,  —  Lestrigonus  und  Hyperia)  und  selbst  Familien  (HA^perines  anormales  und 
Hyperines  ordinaires)  gestellt  hat,  bildet  sich  erst  aus,  wenn  die  Thiere  ziemlich 
herangewachsen  sind.  Bis  dahin  gleichen  die  Jungen  im  Allgemeinen  den  Weib- 
chen, sogar  in  einigen  Fällen,  wo  diese  sich  weiter  als  die  Männchen  von  dem 
„Typus"  der  Ordnung  entfernen.  So  ist  das  zweite  Paar  der  Vorderfüsse  bei  den 
männlichen  Strandhüpfern  (Orchestia)  mit  einer  kräftigen  Hand  versehen,  wie  bei 
der  Mehrzahl  der  Amphipoden,  bei  den  Weibchen  in  höchst  abweichender  Weise 
gebildet.  Die  Jungen  gleichen  dennoch  den  Weibchen.  —  So  fehlen,  —  ein  äusserst 
seltener  Fall  ^)  — ,  den  Weibchen  von  Brachyscelus  die  hinteren  (oder  unteren) 
Fühler,  das  Männchen  besitzt  dieselben,  wie  andere  Amphipoden,  bei  den  Jungen 
finde  ich,  wie  Spence  Bäte,  keine  Spur  davon. 

Hervorzuheben  ist  noch,  dass  die  Ausbildung  der  geschlechtlichen  Eigentüm- 
lichkeiten mit  erlangter  Geschlechtsreife  nicht  stille  steht. 

Jüngere  geschlechtsreife  Männchen  von  Orchestia  Tucurauna  n.  sp.  z.  B.  haben 
schlanke  untere  Fühler  mit  unverschmolzenen  Geisseigliedern,  der  Greifrand  (palm 
Sp.  B.)  der  Hand  des  zweiten  Fusspaares  ist  gleichmässig  gewölbt,  das  letzte 
Fusspaar  ist  schlank,  den  vorhergehenden  ähnlich.  Später  verdicken  sich  die 
Fühler,  die  zwei,  drei,  vier  ersten  Glieder  der  Geissei  verschmelzen,  der  Greifrand 


namentlich  an  die  Schwimmblättchen  des  Wirthes  festklammem;  die  erwachsenen  Hyperien,  die  man  nicht 
selten  frei  im  Meere  trifft,  sind,  wie  man  weiss,  die  trefflichsten  Schwimmer  ihrer  Ordnung.  (,,I1  nage 
avec  une  rapidite  extreme"  sagt  van  Beneden  von  Hyp.  Latreillii  Edw.). 

Offenbar  ist  die  Verwandlung  der  Hyperien  als  eine  erworbene,  nicht  als  eine  ererbte  zu 
betrachten,  d.  h.  das  späte  Auftreten  der  Hinterleibsanhänge  und  die  eigenthümliche  Fussbildung  der 
Jungen  sind  nicht  mit  der  geschichtlichen  Entwicklung  der  Amphipoden  in  Verbindung  zu  bringen,  sondern 
auf  Rechnung  des  Schmarotzerlebens  der  Jungen  zu  setzen. 

Wie  bei  Brachyscelus  ist  hier  gegen  die  gewöhnliche  Weise  der  Schmarotzer  dem  Alter  und  nicht 
der  Jugend  die  freiere  Beweglichkeit  geblieben.  Noch  auffallender  ist  ein  ähnliches  Verhalten  bei  Caligus 
unter  den  schmarotzenden  Copepoden.  Das  junge  Thier,  von  Burmeister  als  eigene  Gattung,  Chalimus, 
beschrieben,  liegt  mittelst  eines  von  seiner  Stirn  entspringenden  Taues,  dessen  Ende  in  der  Haut  eines 
Fisches  festsitzt,  an  diesem  vor  Anker.  Beim  Eintritt  der  Geschlechtsreife  wird  das  Tau  gekappt,  und 
nicht  selten  fängt  man  die  erwachsenen  Caligus,  vortreffliche  Schwimmer,  frei  im  Meere.  —  (S.  Archiv 
für  Naturgesch.   1852.  I,  S.  91   =  Ges.  .Schriften  p.  59.) 

i)  „I  know  of  no  case  in  which    the    inferior  (antennae)  are   absolete,    when  the  superior  are  deve! 
oped"  Dana.     (Darwin,  Monograph  on  the  Subclass  Cirripedia.     Lepadidae.  pg.   15.). 


Für  Darwin. 


235 


der  Hand  erhält  nahe  seiner  unteren  Ecke  eine  tiefe  Bucht,  die  mittleren  Glieder 
des  letzten  Fusspaares  schwellen  zu  einer  ansehnlichen  Verdickung  an.  Kein 
Museumszoolog  würde  anstehen,  zwei  besondere  Species  zu  fabriciren,  wenn  ihm 
die  ältesten  und  jüngsten  geschlechtsreifen  Männchen  ohne  die  verbindenden 
Zwischenformen  übersandt  würden.  Bei  jüngeren,  aber,  wie  die  mikroskopische 
Untersuchung  der  Hoden  lehrt,  schon  geschlechtsreifen  Männchen  der  Orchestia 
Tucuratinga  n.  sp.  fehlt  die  in  Fig.  50  gezeichnete  Bucht  des  Greifrandes  der 
Hand,  sowie  der  entsprechende  Vorsprung  des  Fingers  noch  vollständig.  —  Aehn- 
liches  kann  man  bei  Cerapus,  bei  Caprella  und  wahrscheinlich  überall  beobachten, 
wo  überhaupt  erhebliche  Geschlechtsverschiedenheiten  vorkommen. 


Fig.  50- 


Fig.  51- 


Fig.  52. 


Fig.  50.     Vorderfuss  des  zweiten  Paares  (second  pair  of  gnathopoda)  vom  Männchen  und 
Fig.  51      vom  Weibchen  der  Orchestia  Tucuratinga,   I5mal  vergr. 

Fig.  52.  Männchen  einer  Bodotria,  lomal  vergr.  Man  beachte  die  langen  unteren  Fühler,  die  dem 
Leibe  dicht  anliegen,  und  deren  Spitze  unter  den  Schwanzanhängen  sichtbar  ist. 

An  die  artenreichen  Abtheilungen  der  stieläugigen  und  der  sitzäugigen 
Kruster  reiht  sich,  ersteren  wohl  näher  verwandt  als  letzteren,  die  merkwürdige 
Familie  der  einäugigen  Diastyliden  oder  Cumaceen.  Die  Jungen,  die  Kr03''er 
der  Bruttasche  der  Weibchen  entnahm  und  die  ein  Viertel  der  Länge  der  Mutter 
erreichten,  glichen  dem  erwachsenen  Thiere  fast  in  allen  Stücken.  Ob  innerhalb 
der  ähnlich  wie  bei  Mysis  gebildeten  Bruttasche  eine  Verwandlung  stattfinde,  wie 
bei  Mysis  oder  Ligia,  weiss  man  nicht  ^). 

Gleich  dürftig  ist  unsere  Kenntniss  der  Entwicklungsgeschichte  der  Mu.schel- 
krebschen  (Ostracoda).  Man  weiss  kaum  mehr,  als  dass  ihre  vorderen  Glied- 
massen sich  früher  als  die  hinteren  entwickeln  (Zenker). 

I)  Ein  zuverlässiger  englischer  Forscher,  Goodsir,  beschrieb  schon  1843  die  Bruttasche  und  die 
Eier  von  Cuma.  Kroyer,  dessen  peinliche  Sorgfalt  und  Gewissenhaftigkeit  bewundernd  anerkennt,  wer  je 
mit  ihm  auf  gleichem  Arbeitsfelde  zusammentraf,  bestätigte  1846  Goodsir's  Angaben  und  entnahm,  wie 
oben  erwähnt,  der  Bruttasche  weit  entwickelte,  den  Eltern  ähnliche  Embryonen.  Damit  ist  die  Frage,  ob 
die  Diastyliden  erwachsene  Thiere  oder  Larven  seien,  vollständig  und  für  immer  entschieden,  und  nur  die 
berühmten  Namen  eines  Agassiz,  Dana,  Milne  Edwards,  die  sie  trotzdem  neuerdings  wieder  zu  Larven 
stempeln  möchten  (s.  van  Beneden,  Rech,  sur  la  faune  littor.  de  Belgique.  Crustaces.  pg.  73.  74),  ver- 
anlassen mich,  auf  Grund  zahlreicher  eigener  Untersuchungen  mit  van  Beneden's  Worten  zu  erklären: 
„Parmi  toutes  les  formes  embryonnaires  de  podophthalmes  ou  d'edrioplnhalmes  que  nous  avons  observees 
sur  nos  cötes,  nous  n'en  avons  pas  vu  une  seule  qui  eüt  meme  la  moindre  ressemblance  avec  un  Cuma 
quelconque."  Das  Einzige,  was  aus  den  von  Kroyer  aufgestellten,  drei  Seiten  füllenden  Familien- 
charakteren der  Cumaceen  (Kroyer,  Nat.  Tidsskrift.  Ny  Raekke.  Bd.  IL  S.  203—206)  auf  die  Larven  von 
Hippolyte,  Palaemon  und  Alpheus  passt,  ist:  „Duo  antennarum  paria."  Und  das  passt  bekanntlich  so 
ziemlich  auf  alle  Kruster.  Wie  wohlberechtigt  war  man  also,  diese  mit  jenen  zu  identificiren.  Es  genügt 
übrigens,  einen  Blick  auf  die  Paiaemonlarve  (Fig.  27)  und  auf  die  Cumacee  (Fig.  52)  zu  werfen,  um  sich 
von  deren  ungeheurer  Aehnlichkeit  zu  überzeugen. 


2-2  5  Für  Darwin. 

IX. 

Die  Abtheilung  der  Kiemenfüsser  (Branchiopoda)  umfasst  zwei  auch 
durch  ihre  Entwicklung  geschiedene  Gruppen,  die  Blattfüsser  (Phyllopoda) 
und  die  Wasserflöhe  (Cladocera).  Die  letzteren,  mit  vier  bis  sechs  Paar  blatt- 
förmiger Füsse  ausgestattete  winzige  Thierchen ,  die  hauptsächlich  dem  süssen 
Wasser  angehören  und  in  ähnlichen  Formen  über  alle  Welt  verbreitet  sind,  ver- 
lassen das  Ei  mit  vollzähligen  Gliedmassen.  Die  Blattfüsser  dagegen,  deren  Fuss- 
zahl  zwischen  lo  und  60  Paaren  schwankt,  und  von  denen  einige  zwar  in  der 
gesättigten  Soole  der  Salzwerke  und  der  Natronseen  leben,  aber  nur  eine,  ziemlich 
abweichende  Gattung  (Nebalia)  im  Meere  gefunden  wird  ^),  haben  eine  Verwand- 
lung zu  bestehen.  Die  jüngsten  Larven  sind  Nauplius,  die  wir  schon  einmal 
ausnahmsweise  bei  einigen  Garneelen  trafen  und  die  wir  von  nun  ab  fast  ohne 
Ausnahme  wiederfinden  werden.  Die  bisweilen  so  zahlreichen  Leibesringe  und 
Füsse  bilden  sich  nach  und  nach  von  vorn  nach  hinten,  ohne  dass  durch  die  Zeit 
ihres  Auftretens  oder  durch  ihre  Gestalt  scharfgeschiedene  Leibesabschnitte  be- 
zeichnet werden.  Alle  Füsse  sind  im  Wesentlichen  gleich  gebaut  und  erinnern 
an  die  Kiefer  der  höheren  Kruster'-).  Man  könnte  die  Phyllopoden  als  Zoea 
betrachten,  die  nicht  zur  Bildung  eines  eigenthümlich  ausgestatteten  Hinter-  und 
Mittelleibes  gekommen  sind,  und  statt  dessen  die  den  Naupliusgliedmassen  zuerst 
folgenden  Anhänge  in  vielfacher  Wiederholung  erzeugt  haben. 

Die  Entwicklungsgeschichte,  wie  die  ganze  Naturgeschichte  der  Cope- 
poden,  —  die  theils  frei  lebend  das  süsse  Wasser  und  in  weit  mannichfacheren 
Formen  das  Meer  bevölkern,  theils  als  Schmarotzer  Thiere  der  verschiedensten 
Klassen  belästigen  und  dabei  oft  zu  wunderlicher  Missgestalt  verkümmern,  —  lag 
.bis  vor  Kurzem  sehr  im  Argen.  Man  wusste  zwar  längst,  dass  die  Cyclopen  des 
süssen  Wassers  in  Naupliusform  ausschlüpfen,  und  kannte  einige  andere  Jugend- 
zustände derselben ;  man  hatte  durch  Nordmann  dieselbe  früheste  Jugendform  für 
mehrere  Schmarotzerkrebse  kennen  gelernt,  die  bis  dahin  fast  allgemein  als 
Würmer  gegolten  hatten ;  —  aber  es  fehlten  die  verbindenden  Mittelglieder,  welche 
die  Leibesabschnitte  und  Gliedmassen  der  Larven  auf  die  des  erwachsenen  Thieres 
zurückzuführen  erlaubt  hätten.  Die  umfassenden  und  sorgfältigen  Untersuchungen 
von  Claus  haben  diese  Lücke  ausgefüllt  und  die  Abtheilung  der  Copepoden  zu 
einer  der  bestgekannten  der  ganzen  Klasse  erhoben.  Den  Arbeiten  dieses  wackeren 
Forschers  sind  die  folgenden  Angaben  entnommen.  Ich  hebe  aus  der  Fülle  wichtiger 
Thatsachen,  die  darin  niedergelegt  sind,  nur  das  für  das  Verständniss  der  Kruster- 
entwicklung im  Allgemeinen  Unentbehrliche  hervor,  weil,  was  die  Copepoden  im 
Besonderen  anlangt,  schon  durch  die  Darstellung  ihres  neuesten  Bearbeiters  die 
Thatsachen  in's  rechte  Licht  gestellt  sind,  und  Jedem,  der  offene  Augen  hat,  als 
wichtige  Belege  für  die  Darwin'sche  Lehre  erscheinen  müssen  ^). 

1)  Dürfte  man  die  Phyllopoden  als  nächste  Verwandte  der  Trilobiten  betrachten,  worüber  ich  kein 
Urtheil  wage,  so  würden  sie  neben  Lepidosteus  und  Polypterus,  Lepidosiren  und  Protopterus  ein  weiteres 
Beispiel  liefern  für  die  Erhaltung  im  Meere  längst  erloschener  Formen  im  Binnenwasser.  Das  Vorkommen 
der  Artemien  in  übersalzenem  Wasser  würde  dabei  zeigen,  dass  sie  nicht  durch  das  süsse  Wasser,  sondern 
durch  die  hier  geringere  Mitbewerbung  der  Vernichtung  entgingen. 

2)  „Der  Kiefer  der  Krebslarve  ist  eine  Art  Phyllopodenfuss"  Claus. 

3)  Das  neueste  grössere  Werk  von  Claus  über  Copepoden  kenne  ich  noch  nicht;  doch  wird  sich 
von  ihm  ohne  Zweifel  dasselbe  sagen  lassen. 


Pur  Darwin. 


237 


Alle  von  Claus  untersuchten  Larven  der  freilebenden  Copepoden  haben  in 
frühester  Zeit  drei  Gliedmassenpaare  (die  späteren  P'ühler  und  Kinnbacken),  die 
vorderen  mit  einfacher,  die  zwei  nachfolgenden  mit  zweifachen  Gliederreihen  oder 
Aesten.  Das  unpaare  Auge,  Oberlippe,  Mund  nehmen  schon  ihre  bleibende  Stelle 
ein.  Die  hintere,  meist  kurze,  gliedmassenlose  Leibespartie  trägt  zwei  Endborsten, 
zwischen  denen  der  After  liegt.  Die  Gestalt  dieser  Naupliusbrut  ist  äusserst 
mannichfaltig,  bald  seitlich  comprimirt,  bald  flach,  —  bald  langstreckig,  bald  oval, 
bald  rund  oder  selbst  breiter  als  lang  u.  s.  w.  Die  Veränderungen,  welche  die 
ersten  Larvenstadien  mit  dem  weiteren  Wachsthume  erleiden,  beruhen  im  Wesent- 
lichen auf  einer  Streckung  des  Leibes  und  Hervorsprossen  neuer  Gliedmassen. 
„Das  nachfolgende  Stadium  weist  schon  ein  viertes  Extremitätenpaar,  die  späteren 
Maxillen,  auf."  Dann  folgen  auf  einmal  drei  neue  Gliedmassenpaare  (die  Kiefer- 
üsse  und  die  zwei  vorderen  Schwimmfusspaare).    Noch  bleibt  die  Larve  Nauplius- 

Fig.  53-  Fig.  54- 


Fig.  53.  54.    Nauplius  von  Copepoden, 
erstere  90,  letztere  180  mal  vergr. 

ähnlich,  indem  die  drei  vordem  Gliedmassenpaare  Ruderfüsse  darstellen ;  bei  einer 
neuen  Häutung  verwandelt  sie  sich  in  den  jüngsten  Cyclops-ähnlichen  Zustand, 
sie  gleich  nun  im  Bau  der  Fühler  und  Mundtheile  dem  erwachsenen  Thiere,  wenn 
auch  die  Zahl  der  Gliedmassen  und  Leibesringe  noch  eine  viel  geringere  ist,  denn 
es  sind  nur,  in  Form  mit  Borsten  besetzter  Wülste,  die  Anlagen  des  dritten 
und  vierten  Schwimmfusspaares  hinzugekommen  und  der  Leib  besteht  aus  dem 
ovalen  Kopfbruststück,  dem  zweiten  bis  vierten  Thoracalsegment  und  einem 
langgestreckten  Endgliede.  Bei  den  Cyclopiden  haben  die  hinteren  Fühler  ihre 
Nebenäste  verloren,  die  Kinnbacken  vollständig  den  früheren  Schwimmfuss  ab- 
geworfen, während  bei  den  übrigen  Familien  diese  Anhänge  mehr  oder  weniger 
verändert  fortbestehen.  „Ueber  diese  Stufe  der  freien  Entwicklung  gelangen 
viele  Formen  der  parasitischen  Copepoden,  z.  B.  Lernanthropus  und  Chondracanthus, 
nicht  hinaus,  indem  sie  weder  die  Gliedmassen  des  dritten  und  vierten  Paares 
erhalten,  noch  eine  Sonderung  des  fünften  Thoracalsegments  vom  Abdomen  zu 
Stande  kommt;  andere  (Achtheres)  sinken  sogar  durch  den  späteren  Verlust  der 
beiden  Schwimmfusspaare  auf  eine  tiefere  Stufe  zurück.  Alle  freilebenden  Cope- 
poden aber  und  die  meisten  Schmarotzerkrebse  durchlaufen  noch  eine  grössere 
oder  geringere  Reihe  von  Entwicklungsstadien,  in  welchen  in  continuirlicher 
Aufeinanderfolge  die  Gliedmassen  eine  höhere  Gliederung  erhalten,  die  hinteren 
Fusspaare  zur  Entwicklung  kommen  und  aus  dem  gemeinsamen  Endabschnitt 
sich  der  Reihe  nach  das  letzte  Thoracalsegment  und  die  einzelnen  Abdominal- 
segmente sondern." 


^38 


Für  Darwin. 


Aus  der  Entwicklungsgeschichte  der  Schmarotzer  krebse  sei  nur  noch 
hervorgehoben,  dass  einige  derselben,  z.  B.  Achtheres  percarum,  zwar  auch  wie  die 
andern  in  Nauplius-ähnlicher  Gestalt  das  Ei  verlassen,  indem  der  plumpe,  ovale, 
mundlose  Leib  zwei  Paar  einfache  Ruderfüsse  und  dahinter  als  Rest  des  dritten 
Paares  zwei  mit  einer  langen  Borste  versehene  Auftreibungen  trägt,  dass  aber 
unter  dieser  Naupliushaut  schon  eine  weit  verschiedene  Larve  fertig  liegt,  die 
nach  wenig  Stunden  ihre  unbeholfene  Hülle  sprengt  und  nun  in  einer  Gestalt 
auftritt,  „welche  in  der  Gliederung  des  Körpers  und  in  der  x\usbildung  der 
Extremitätenpaare  mit  dem  ersten  Cyclopsstadium  übereinstimmt"  (Claus).  Die 
ganze  Reihe  von  Naupliusstadien,  welche  die  freilebenden  Copepoden  durchlaufen, 
wird  hier  vollständig  übersprungen. 


Fig.  55- 


Fig-  56- 


Fig-  55-  Nauplius  der  Tetraclita  porosa,  nach  der  ersten  Häutung,  gomal  vergr.  Man  sieht  um  das  Auge 
das  Gehirn,  von  dem  die  Riechfäden  entspringen,  und  dahinter  einige  zarte  zur  Mundkappe  gehende  Muskeln. 

Fig.  56.  Nauplius  der  Sacculina  purpurea,  kurz  vor  der  zweiten  Häutung,  iSomalvergr.  Im  ersten 
Fusspaare  sind  die  späteren  Haftfüsse,  im  Hinterleibe  sechs  Paar  langborstiger  Schwimmfüsse  zu  erkennen. 

Eine  letzte  sehr  eigenthümliche  Abtheilung  der  Kruster  bilden  die  beiden 
Ordnungen  der  Rankenfüsser  (Cirripedia)  und  der  Wurzelkrebse 
(R  h  i  z  o  c  e  p  h  a  1  a)  1). 

1)  Ueber  die  Stellung  der  Rankenfüsser  herrschen  die  abweichendsten  Ansichten.  Die  Einen  weisen 
ihnen  eine  sehr  untergeordnete  Stellung  unter  den  Copepoden  an;  so  Milne  Edwards  (1852).  Im  ge- 
raden Gegensatz  zu  dieser  Auffassung  seines  Vaters  stellt  sie  Alph.  Milne  Edwards  als  Basinotes  allen 
übrigen  Krustern  (Eleutheronotes)  gegenüber.  Darwin  betrachtet  sie  als  besondere  den  Podophthalmen, 
Edriophthalmen  u.  s.  w.  gleichwerthige  Unterklasse.  Dies  scheint  mir  das  Passendste.  Die  Wurzelkrebse 
möchte  ich  nicht  den  Rankenfüssern  einverleiben,  wie  Liljeborg,  sondern  als  gleichwerthig  gegenüberstellen, 
wie  die  Amphipoden  den  Isopoden.  —  Man  spricht  auch  wohl  von  der  nahen  Verwandtschaft  der  Ranken- 
füsser mit  den  Ostracoden;  die  Aehnlichkeit  aber  der  sogenannten  „cyprisähnlichen  Larven"  oder  Ranken- 
füsserpuppen,  wie  sie  Darwin  nennt,  mit  den  Cypris  ist  eine  so  rein  äusserliche,  selbst  was  die  Schale 
anlangt,  dass  mir  die  Verwandtschaft  kaum  grösser  scheint,  als  etwa  die  des  Peltogaster  socialis  (Fig.  59) 
mit  der  Familie  der  Schlack-  und  Leberwürste. 


Für  Darwin.  2^q 

Auch  hier  schwärmt  die  Brut  in  Naupliusgestalt  aus  und  streift  nach  Kurzem 
eine  früheste  durch  keine  erwähnenswerthen  Eigenthümlichkeiten  ausgezeichnete 
Larvenhaut  ab.  Auch  hier  kehrt  dieselbe  Birnform  des  ungegliederten  Leibes, 
dieselbe  Zahl  und  Bildung  der  Füsse,  dieselbe  Lage  des  unpaaren  Auges  (das 
indess  bei  Sacculina  purpurea  und  nach  Darwin  bei  einigen  Lepas  vermisst  wird), 
dieselbe  Lage  der  „Mundkappe"  wieder,  wie  sie  bei  den  Nauplius  der  Garneelen 
und  der  Copepoden  sich  findet.  Unterschieden  von  letzteren  sind  die  Nauplius 
der  Rankenfüsser  und  Wurzelkrebse  durch  den  Besitz  eines  Rückenschildes  oder 
Panzers,  der  bisweilen  (Sacculina  purpurea)  den  Körper  ringsum  weit  überragt; 
unterschieden  nicht  nur  von  anderen  Nauplius,  sondern  soviel  mir  bekannt  von 
allen  anderen  Krustern  dadurch,  dass  Gebilde,  die  sonst  mit  den  beiden  vorderen 
Gliedmassenpaaren  (Fühlern)  verbunden    sind,   hier  von    ihnen    getrennt  auftreten. 

Die  vorderen  Fühler  der  Copepoden,  der  Cladoceren,  der  Phyllopoden  (Leydig, 
Claus),  der  Ostracoden  (wenigstens  der  Cypridinen),  der  Diastyliden,  der  Edri- 
ophthalmen  und  der  Podophthalmen  tragen  mit  wenigen,  Landthiere  oder  Schmarotzer 
betreffenden  Ausnahmen,  eigenthümliche  Fäden,  deren  ich  schon  mehrmals  als 
„Riechfäden"  Erwähnung  gethan.  Ein  Paar  ganz  ähnliche  Fäden  entspringen  bei 
den  Larven  der  Rankenfüsser  und  Wurzelkrebse  unmittelbar  vom  Gehirn  (Fig.  55). 

Am  Grunde  der  unteren  Fühler  mündet  bei  Krabben  und  Krebsen,  bei 
letztern  am  Ende  eines  kegelförmigen  Vorsprunges  die  sogenannte  „grüne  Drüse" 
aus.  Ein  ähnlicher  kegelförmiger  Vorsprung  mit  dem  ihn  durchsetzenden  Aus- 
führungsgange ist  bei  den  meisten  Amphipoden  sehr  augenfällig.  Bei  den  Ostra- 
coden beschreibt  Zenker  eine  im  Grunde  der  unteren  Fühler  gelegene  Drüse,  die 
am  Ende  eines  ungemein  langen  „Stachels"  ausmündet.  Bei  den  Nauplius  der 
Cyclops  und  Cyclopsine  findet  Claus  helle  „Schalendrüsen",  die  am  mittleren  Glied- 
massenpaare (den  hinteren  Fühlern)  beginnen.  Dagegen  münden  bei  den  Nauplius 
der  Rankenfüsser  und  Wurzelkrebse  die  „Schalendrüsen"  am  Ende  kegelförmiger 
Fortsätze  von  bisweilen  abenteuerlicher  Länge,  die  von  den  Ecken  des  breiten 
Stirnrandes  ausgehen  und  bald  als  Fühler  (Burmeister,  Darwin),  bald  als  blosse 
„Hörner  des  Rückenschildes"  (Krohn)  gedeutet  worden  sind.  Die  Verbindung  der 
„Schalendrüse"  mit  den  Stirnhörnern  wurde  bei  Lepaslarven  in  unzweideutiger 
Weise  erkannt,  wie  denn  überhaupt  die  AehnHchkeit  der  Stirnhörner  mit  dem 
kegelförmigen  Vorsprung  an  den  unteren  Fühlern  der  Amphipoden  oder  des 
Leucifer  eine  vollständige  ist  ^). 

Uebereinstimmend  in  diesen  wichtigen  Eigenthümlichkeiten  bieten  die  Nauplius 
der  beiden  Ordnungen  in  manchen  anderen  Stücken  erhebliche  Unterschiede.  Der 
Hinterleib  der  jungen  Rankenfüsser  läuft  unterhalb  des  Afters  in  einen  langen 
am  Ende  gabiig  getheilten  schwanzförmigen  Anhang  aus  und  über  dem  After 
steht  ein  zweiter  langer  Stachelfortsatz ;  der  Hinterleib  der  Wurzelkrebse  endet  in 
zwei  kurze  Spitzen,  in  eine  „bewegliche  Schwanzgabel,  wie  bei  den  Räderthieren" 
(Oscar  Schmidt).  Die  jungen  Rankenfüsser  haben  Mund,  Magen,  Darm,  After  und 
ihre  beiden  hinteren  Gliedmassenpaare  sind  mit  mannichfachen  Zacken,  Borsten 
und  Haken   besetzt,   die  jedenfalls   bei    der  Nahrungsaufnahme  mitwirken.     Dies 

i)  Es  mag  bei  dieser  Gelegenheit  erwähnt  werden,  dass  bei  den  Weibchen  von  Brachyscelus,  denen 
die  hinteren  Fühler  fehlen,  doch  die  kegelförmigen  Vorspiünge  mit  dem  sie  durchsetzenden  Canale  erhalten 
bleiben. 


240 


Für  Darwin. 


Alles  vermisst  man  bei  den  jungen  Wurzel  krebsen.  Die  Nauplius  der  Ranken- 
füsser  haben  als  solche  mehrfache  Häutungen  zu  bestehen ;  die  Nauplius  der 
Wurzelkrebse  können,  —  mundlos,  wie  sie  sind,  —  natürlich  nicht  lange  als  solche 
leben  und  schon  nach  wenigen  Tagen  verwandeln  sie  sich  in  ebenfalls  mundlose 
„Puppen",  wie  sie  Darwin  nennt. 

Der  Panzer  klappt  sich  zusammen,  so  dass  das  Thierchen  ein  muschelähn- 
liches Aussehen  erhält,  die  vordersten  Gliedmassen  verwandeln  sich  in  sehr  eigen- 
thümliche  Haftfüsse  („prehensile  antennae"  Darw.),  die  beiden  folgenden  Paare 
werden  abgeworfen,  wie  die  Stirnhörner.  Am  Hinterleibe  haben  sich  unter  der 
Naupliushaut  sechs  Paar  kräftiger,  zweiästiger,  langborstiger  Schwimmfüsse  ge- 
bildet, und  dahinter  stehen  zwei  kurze  borstentragende  Schwanzanhänge.    (Fig.  58.) 


Fig.  57 


Fig.  57.  Puppe  eines  Balaniden 
(Chthamalus  ?) ,  5omal  vergr.  — 
Die  Haftfüsse  sind  in  den  ziem- 
lich undurchsichtigen  vorderen 
Theil    der   Schale   zurückgezogen. 

Fig.  58.  Puppe  der  Sacculina 
purpurea,  1 80  mal  vergr.  Die  Fäden 
an  den  Haftfüssen  mögen  die  An- 
fänge der  späteren  Wurzeln  sein. 


Die  Puppen  der  Rankenfüsser  (Fig.  57),  die  gleichfalls  mundlos  sind,  stimmen 
in  allen  diesen  Stücken  vollständig  mit  denen  der  Wurzelkrebse  überein,  bis  ins 
Einzelnste  der  Gliederung  und  Beborstung  der  Schwimmfusspaare  ^) ;  sie  unter- 
scheiden sich  von  ihnen  besonders  durch  den  Besitz  paariger  zusammengesetzter 
Augen.     Bisweilen  scheinen  auch  Spuren  der  Stirnhörner  zu  bleiben  ^). 

Wie  die  Rankenfüsser  und  Wurzelkrebse  im  Allgemeinen  jetzt  einander  weit 
ähnlicher  sind,  als  in  ihrem  Naupliuszustande,  so  gilt  dasselbe  ebenso  für  die 
einzelnen  Mitglieder  jeder  der  beiden  Ordnungen. 

Die  Puppen  beider  Ordnungen  setzen  sich  mittelst  der  Haftfüsse  fest;  die 
der  Rankenfüsser  an  Felsen,  Muscheln,  Schildkröten,  Treibholz,  Schiffe  u.  s.  w., 
die  der  Wurzelkrebse  an  den  Hinterleib  von  Krabben,  Porcellanen,  Einsiedler- 
krebsen. Der  Panzer  der  Rankenfüsser  verwandelt  sich  bekanntlich  in  ein  eigen- 
thümliches  Gehäuse,  um  dessentwillen  man  sie  früher  zu  den  Mollusken  stellte,  und 
die  Schwimmfüsse  wachsen  zu  langen  Ranken  aus,  die  dem  nun  geöffneten  Munde 
Nahrung  zustrudeln.  Die  Wurzelkrebse  bleiben  mundlos ;  sie  verlieren  spurlos  alle 
Gliedmassen  und  erscheinen  als  wurst-,  sack-,  oder  scheibenförmige  mit  Eiern 
gefüllte  Auswüchse  ihres  Wohnthieres  (Fig.  59,  60);  von  der  Anheftungsstelle 
senken  sich  wurzelartig  verästelte  geschlossene  Röhren  in  das  Innere  des  Wirthes, 


1)  Man  vergleiche  die  Abbildung,  welche  Darwin  (Balanidae,  PI.  XXX,  Fig.  5)  vom  ersten 
Schwimmfüsse  der  Puppe  von  Lepas  australis  gibt,  mit  der  im  Archiv  für  Naturgeschichte  (1863,  Taf.  III, 
Fig.  5  ==  Ges.  Schriften  Taf.  XXIII)  mitgetheilten  von  Lernaeodiscus  Porcellanae.  Der  einzige  Unterschied, 
dass  bei  letzteren  am  Ende  des  äusseren  Astes  nur  3  Borsten  stehen,  bei  den  Rankenfüssern  4  am  ersten, 
5  an  den  folgenden  Schwimmfüssen,  mag  auf  einem  Irrthum  meinerseits  beruhen. 

2)  Darwin  beschreibt  als  „acoustic  orifices"  kleine  Oeffnungen  in  der  Schale  der  Rankenfüsserpuppen, 
die  öfter  von  einem  Rande  umgeben,  bei  Lepas  pectinata  auf  kurzen  homartigen  Fortsätzen  gelegen  sind. 
Ich  trage  kaum  Bedenken,  die  Oeffnungen  für  die  der  „Schalendrüse",  die  homartigen  Fortsätze  für  Ueber 
bleibsei  der  Stirnhörner  zu  halten. 


Für  Darwin. 


241 


dessen  Darm  umspinnend,  oder  zwischen  den  Leberschläuchen  sich  ausbreitend. 
Die  einzigen  Lebensäusserungen,  die  diesen  Non  plus  ultra's  in  der  Reihe  der 
rückschreitend  sich  verwandelnden  Kruster  geblieben,  sind  einmal  kräftige  Zu- 
sammenziehungen der  Wurzeln  und  dann  ein  abwechselndes  Ausdehnen  und 
Zusammenziehen  des  Körpers,  in  Folge  dessen  Wasser  durch  eine  weite  Oeffnung 
der  Bruthöhle  einströmt  und  wieder  ausgetrieben  wird  ^). 

Von  mehreren  in  Bau  und  Entwicklung  abweichenden  Rankenfüssern  ver- 
dient hier  Cryptophialus  minutus  Erwähnung,  der  von  Darwin  massenweise  in 
der   Schale   der  Concholepas  peruviana   bei   den  Chonos-Inseln    gefunden   wurde. 


Fig.  59- 


Fig.  60. 


Fig.  61. 


Fig.  62.  Fig.  63. 


mm, 


Fig.  64. 

Fig-  59-  Junge  Peltogaster  socialis,  am  Hinterleibe  eines  kleinen  Einsiedlerkrebses;  bei  einem  der- 
selben sind  die  in  der  Leber  des  Krebses  büschelförmig  verzweigten  Wurzeln  gezeichnet.  Thier  und 
Wurzeln  dottergelb. 

Fig.  60.  Junge  Sacculina  purpurea  mit  ihren  Wurzeln;  das  Thier  purpurroth,  die  Wurzeln  dunkel- 
grasgrün, 5mal  vergr.  (vergi.  auch  Ges.  Schriften  Taf.  XVII). 

Fig.  61.  62.  63.  Eier  von  Tetraclita  porosa  in  der  Furchung,  gomal  vergr.  Die  grössere  der  beiden 
zuerst  gebildeten  Furchungskugeln  ist  stets  dem  spitzen  Ende  des  Eies  zugewandt. 

Fig.  64.     Ei  von  Lernaeodiscus  Porceilanae,  in  der  Furchung,  gomal  vergr. 

Das  anfangs  elliptische  Ei  wird  nach  Darwin  bald  am  vorderen  Ende  breiter  und 
erhält  drei  keulenförmige  Hörner,  eins  hinten,  eins  an  jeder  Vorderecke;  innre 
Theile  sind  jetzt  noch  nicht  zu  entdecken.  Später  schwindet  das  hintere  Hörn 
und  im  Innern  der  vorderen  lassen  sich  die  Haftfüsse  erkennen.  Aus  dieser 
„ei-ähnlichen  Larve"  (egg-like  larva ;  —  I  hardly  know%  what  to  call  it,  sagt  Darwin) 
geht  unmittelbar  die  Puppe  hervor.  Ihr  Panzer  ist  wenig  seitlich  zusammen- 
gedrückt und  behaart,  wie  bei  Sacculina  purpurea,  die  Haftfüsse  sind  von  an- 
sehnlicher Grösse,  Schwimmfüsse  fehlen,  wie  beim  erwachsenen  Thiere  die  ent- 
sprechenden Rankenfüsse. 

Zum  Schlüsse  dieses  Ueberblicks  einige  Worte  über  die  frühesten  Ent- 
wickelungsvorgänge  im  Ei  der  Kruster.  Vor  Kurzem  noch  galt  als  allgemeine 
Regel,  dass  sich  durch  theilweise  Furchung  des  Dotters  eine  Keimscheibe  und  in 
dieser,  der  Bauchseite  des  Embryo  entsprechend,  ein  Primitivstreifen  bilde.  Man 
weiss  jetzt,  dass  bei  den  Copepoden  (Claus),  bei  den  Wurzelkrebsen  (Fig.  64),  und, 


i)  Die  Wurzeln  der  an  einem  kleinen  Einsiedlerkrebse  schmarotzenden  Sacculina  puipurea  (Fig.  60) 
machen  sich  zwei  schmarotzende  Asseln  zu  Nutze,  ein  Bopyrus  und  der  schon  erwähnte  Cryptoniscus 
planarioides  (Fig.  42);  sie  siedeln  sich  unter  der  Sacculina  an  und  bringen  sie  zum  Absterben,  indem  sie 
die  von  den  Wurzeln  zugeführte  Nahrung  vorwegnehmen;  die  Wurzeln  aber  wuchern  auch  ohne  Sacculina 
weiter,  imd  erlangen  selbst,  namentlich  wo  ein  Bopyrus  sich  aus  ihnen  nährt,  oft  eine  ungewöhnliche  Aus- 
dehnung. 


Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften. 


16 


■yA'y  Für  Darwin. 

wie  ich  hinzusetzen  kann,  bei  den  Rankenfüssern  (Fig.  6i — 63)  die  Furchung  eine 
totale  ist.  und  die  Embryonen  ohne  vorausgehenden  Primitivstreifen  in  ihrer 
ganzen  Gestalt  angelegt  werden.  Wahrscheinlich  wird  Letzteres  überall  der  Fall 
sein,  wo  die  Jungen  als  wirkliche  Nauplius  (und  nicht  blos  mit  Naupliushaut,  wie 
bei  Achtheres)  ausschlüpfen.  Beiderlei  Entwicklungsweisen  können  bei  nächst- 
verwandten Thieren   vorkommen,   wie  Achtheres  unter  den  Copepoden  beweist  ^). 

X. 

Vielleicht  vermag  ein  Anderer,  glücklicher  als  ich,  auch  ohne  Darwin  den 
leitenden  Pfaden  zu  finden  durch  den  Wirrwarr  der  bald  bei  nächsten  Verwandten 
so  himmelweit  verschiedenen,  bald  bei  Gliedern  der  entferntesten  Kreise  so  über- 
raschend ähnhchen  Entwicklungsformen,  die  so  eben  flüchtig  an  uns  vorüber- 
zogen. Vielleicht  vermag  ein  schärferes  Auge  mit  Agassiz  den  ,,seit  Urbeginn 
feststehenden  Plan  des  Schöpfers"  ^)  herauszulesen,  der  auch  hier,  wie  ein  portu- 
giesisches Sprichwort  sagt  ^),  „in  krummen  Linien  gerade"  geschrieben  haben  mag. 
Mir  will  es  scheinen,  dass  von  einem  allgemeinen  Plane,  von  einer  typischen,  nach 
den  einzelnen]  Abtheilungen,  Ordnungen,  Familien  gegliederten  Entwicklungs- 
weise der  Kruster  kaum  die  Rede  sein  kann,  wenn  z.  B.  unter  den  langschwän- 
zigen  Krebsen  der  Flusskrebs  in  bleibender  Gestalt,  der  Hummer  mit  Schizo- 
podenfüssen ,  Palaemon  wie  die  Krabben  als  Zoea,  Peneus  wie  die  Ranken- 
füsser  als  Nauplius  das  Ei  verlässt,  und  wenn  immer  noch  in  derselben  Unter- 
ordnung der  Langschwänze  Palinurus  und  Mysis  und  Euphausia  wieder  andere 
und  andere  Jugendformen  zeigen;  —  wenn  neue  Gliedmassen  bald  als  freie 
Stummel  an  der  Bauchseite  hervorspriessen,  bald  unter  der  glatt  über  sie  hinweg- 
gehenden Haut  sich  bilden  und  beiderlei  Entwicklungsweisen  an  verschiedenen 
Gliedern  bei  demselben  Thiere,  und  an  demselben  Gliederpaare  bei  verschiedenen 
Thieren  gefunden  werden ;  —  wenn  bei  den  Podophthalmen  die  Gliedmassen  des 
Mittel-  und  Hinterleibes  bald  alle  gleichzeitig,  bald  jene  und  bald  diese  früher, 
und  wenn  wieder  in  jeder  der  beiden  Gruppen  bald  alle  Paare  gleichzeitig  auf- 
treten, bald  eines  nach  dem  andern,  —  wenn  unter  den  Hyperinen  bei  Phronima 
ein  einfacher  Fuss  zur  Scheere,  bei  Brachyscelus  eine  Scheere  zum  einfachen 
Fusse  wird,  u.  s.  w.  — 

Und  doch  sollte  ja  nach  der  Lehre  der  Schule  gerade  in  der  Jugend,  gerade 
im  Laufe  der  Entwicklung  der  „Typus"  am  un verhülltesten  hervortreten.  Aber 
hören  wir,  was  uns  überhaupt  die  Schule  über  die  Bedeutung  der  Entwicklungs- 
geschichte und  über  ihre  Beziehung  zur  vergleichenden  Anatomie  und  Syste- 
matik sagt. 

Lassen  wir  zwei  ihrer  bewährtesten  Meister  reden. 


i)  Es  ist  niclit  die  Rede  gewesen  von  den  Pycnogoniden,  weil  ich  sie  nicht  für  Kruster  halte; 
nicht  von  den  Xiphosuren  und  Trilobiten,  die  ich  nie  selbst  untersuchte,  weil  ich  sie  zu  wenig  kenne  und 
namentlich  mit  den  von  Barrande  gegebenen  Aufschlüssen  über  die  Enlwickelung  der  letzteren  nicht  im 
Einzelnen  bekannt  geworden  biu. 

2)  ,,a  plan  fully  matured  in  the  beginning  and  undeviatingly  pursued",  oder:  „In  the  beginning  His 
plan  was  formed  and  from  it  He  has  never  swerved  in  any  particular"  Agassiz  and  Gould,  Principles  of 
Zoology. 

3)  „Deos  escreve  direito  em  linhas  tortas."  Zum  Lesen  dieser  sonderbaren  Schrift  bedarf  man  be- 
kanntlich der  Brille  des  Glaubens,  die  an's  Mikroskop  gewöhnten  Augen  selten  passt. 


Für  Darwin. 


H3 


„Indem  die  vergleichende  Anatomie",  sagte  Johannes  Müller  1844  in  seinen 
Vorträgen  über  diese  Wissenschaft,  und  die  Ansichten  meines  unvergesslichen 
Lehrers  sind  lange  Jahre  die  meinigen  geblieben,  —  „indem  die  vergleichende 
Anatomie  uns  die  unendlich  mannichfache  Gestaltung  desselben  Organes  in  der 
Thierwelt  zeigt,  gibt  sie  uns  hierin  das  Mittel,  durch  Vergleichung  dieser  ver- 
schiedenen Formen  das  eigentlich  Wesentliche,  den  Typus  dieser  Organe  zu  er- 
kennen und  davon  alles  Unwesentliche  abzuscheiden.  —  Hierin  dient  ihr  zur 
Controle  oder  Probe  die  Entwicklungsgeschichte.  Da  nämlich  der  Begriff  der 
Entwicklung  nicht  der  des  Grösserwerdens  ist,  sondern  der  des  Fortschritts  von 
einem  noch  nicht  Unterschiedenen,  welches  aber  potentia  die  Unterschiede  in  sich 
enthält,  zu  einem  actu  Unterschiedenen,  so  leuchtet  ein,  dass,  je  weniger  ein  Organ 
entwickelt  ist,  es  sich  um  so  mehr  dem  Typus  nähert,  und  dass  es  bei  seiner  Ent- 
wickelung  immer  mehr  Besonderheiten  in  sich  aufnimmt.  Die  durch  die  ver- 
gleichende Anatomie  und  die  durch  die  Entwicklungsgeschichte  gefundenen  Typen 
müssen  nun  übereinstimmen." 

Nachdem  Johannes  Müller  dann  die  Idee  einer  Stufenleiter  der  Thiere,  und 
eines  Durchlaufens  mehrerer  Thierstufen  während  der  Entwicklung  bekämpft, 
fährt  er  fort :  „Das  Wahre  an  dieser  Idee  ist,  dass  jeder  Embryo  anfangs  nur  den 
Typus  seiner  Abtheilung  an  sich  trägt,  woraus  sich  erst  später  der  Typus  der 
Klasse,  Ordnung  u.  s.  w.  entwickelt." 

Agassiz  spricht  sich  1856  in  einem  elementaren  Werke  ^),  in  das  man  doch 
nur  aufzunehmen  pflegt,  was  man  als  wohlgesichertes  Besitzthum  der  Wissenschaft 
betrachtet,  in  folgender  Weise  aus: 

„Die  Eierstockseier  aller  Thiere  sind  vollkommen  gleich 
(identical),  kleine  Zellen  mit  Dotter,  Keimbläschen  und  Keimfleck"  (§278).  „Die 
Organe  des  Körpers  werden  gebildet  in  der  Reihenfolge  ihrer 
organischen  Wichtigkeit;  die  wesentlichsten  erscheinen  immer 
zuerst.  So  die  Organe  des  vegetativen  Lebens,  Darm  u.  s.  w.  später  als  die  des 
animalen  Lebeus,  Nervensystem,  Skelet  u.  s.  w.,  und  diesen  wieder  gehen  die  all- 
gemeineren Erscheinungen  voraus,  die  dem  Thiere  als  solchem  zukommen"  2). 
(§  318.)  „So  bestehen  beim  Fische  die  ersten  Veränderungen  in  der  Dotter- 
furchung  und  der  Bildung  eines  Keimes,  —  Vorgängen,  die  allen  Thierklassen 
gemeinsam  sind.  Dann  erscheint  die  Rückenfurche,  die  das  Wirbelthier  kenn- 
zeichnet, —  das  Hirn,  die  Sinneswerkzeuge;  —  später  bilden  sich  Darm,  Glied- 
massen unb  die  bleibende  Form  der  Athmungswerkzeuge,  woraus  mit  Sicherheit 
die  Klasse  erkannt  wird.  Erst  nach  dem  Ausschlüpfen  bezeichnen  die  Eigen- 
thümHchkeiten  der  Zahn-  und  Flossenbildung  Gattung  und  Art"  (§319).  „Daher 
gleichen  Embryonen  verschiedener  Thiere  einander  um  so  mehr, 
je  jünger  sie  sind."  (§  320.)  „Somit  ist  die  hohe  Bedeutung  der  Entwicklungs- 
geschichte unzweifelhaft.  Denn,  wenn  die  Bildung  der  Organe  statt- 
findet in  der  ihrer  Wichtigkeit  entsprechenden  Ordnung,  so 
muss  selbstverständlich  (of  itself)  diese  Reihenfolge  ein  Kriterium 
ihres  verhältnissmässigen  Werthes  für  die  Systematik  (Classification) 

i)  Principles  of  Zoology.  Part  I.  Comparative  Physiology.  By  Louis  Agassiz  and  A.  A.  Gould. 
Revised  Edition.     Boston,   1856. 

2)  „and  these,  in  tum,  are  preceded  by  the  more  general  phenomena,  belonging  to  the  animal  as  such." 

16* 


_  .  ,  Für  Darwin. 

244 

sein.  Die  Eigenthümlichkeiten,  welche  früher  erscheinen,  soll  man  höher  werthen 
(should  be  considered  of  higher  value),  als  die,  welche  später  erscheinen."  (§  321.) 
„Ein  System  um  wahr  und  natürlich  zu  sein,  muss  übereinstimmen 
mit  der  Aufeinanderfolge  der  Organe  in  der  Entwicklung  des 
Embryo."  (§  322). 

Ich  weiss  nicht,  ob  noch  heute  Jemand  geneigt  sein  wird,  diese  Sätze  in 
ihrem  ganzen  Umfange  zu  unterschreiben^).  Sicher  ist,  dass  im  Wesenthchen 
gleiche  Ansichten  noch  überall  bei  systematischen  Erörterungen  durchklingen, 
und  dass  sich  bis  in  die  letzten  Jahre  hinein  die  wenig  glücklichen  Versuche 
wiederholt  haben,  die  Entwicklungsgeschichte  als  Grundlage  der  Systematik  zu 
benutzen. 

Wie  stimmen  nun  mit  diesen  Sätzen  unsere  Erfahrungen  aus  der  Entwick- 
lungsgeschichte der  Kruster?  Dass  diese  Erfahrungen  sich  grösstentheils  auf  die 
„freie  Verwandlung"  nach  dem  Verlassen  des  Eies  beziehen,  kann  der  Anwend- 
barkeit der  zunächst  für  die  „embryonale  Entwicklung"  im  Eie  ausgesprochenen 
Sätze  keinen  Eintrag  thun;  Agassiz  selbst  hebt  hervor  (§  391),  dass  beiderlei 
Veränderungen  von  gleicher  Natur  und  gleicher  Wichtigkeit  sind  und  dass  kein 
wesentlicher  Unterschied  (any  radical  distinction)  dadurch  bedingt  wird,  dass  die 
einen  vor,  die  andern  nach  der  Geburt  stattfinden. 

„Die  Eierstockseier  aller  Thiere  sind  identisch,  kleine  Zellen 
mit  Dotter,  Keimbläschen,  Keimfleck."     Ja,  etwa  wie  alle  Insecten  identisch  sind, 

—  kleine  Thiere  mit  Kopf,  Brust  und  Hinterleib,  —  wenn  man  nämlich,  nur  das 
Gemeinsame  berücksichtigend,  absieht  von  der  Verschiedenheit  ihrer  Entwicklung, 
von  der  Ab-  oder  Anwesenheit  und  dem  mannichfaltigen  Bau  der  Dotterhaut, 
von  der  wechselnden  Zusammensetzung  des  Dotters,  der  verschiedenen  Zahl  und 
Bildung  der  Keimflecken  u.  s.  w.  Zahlreiche ,  leicht  zu  vermehrende  Beispiele 
solcher   tiefgreifenden  Verschiedenheiten    gibt   Leydig's   Lehrbuch  der  Histologie. 

—  Bei  den  Krustern  liefern  die  Eierstockseier  sogar  bisweilen  treffliche  Merkmale 
zur  Unterscheidung  von  Arten  derselben  Gattung,  wie  sie  z.  B.  bei  einer  hiesigen 
Porcellana  schwärzlichgrün,  bei  einer  zweiten  dunkelblutroth,  bei  einer  dritten 
dottergelb  sind;  und  innerhalb  derselben  Ordnung  zeigen  sie  erhebliche  Unter- 
schiede in  der  Grösse,  die,  wie  schon  van  Beneden  und  Claus  hervorgehoben,  in 
innigem  Zusammenhang  steht  mit  der  späteren  Entwicklungs weise. 

„DieOrgane  desKörpers  werden  gebildet  in  der  Reihenfolge 
ihrer  organischen  Wichtigkeit;  die  wesentlichsten  erscheinen 
immer  zuerst."  Man  könnte  den  Satz  von  vornherein  als  unbeweisbar  be- 
zeichnen, da  es  unmöglich  ist,  sei  es  im  Allgemeinen,  sei  es  für  ein  besonderes 
Thier,  eine  Reihenfolge  der  Wichtigkeit  unter  gleich  unentbehrlichen  Theilen 
festzustellen.  —  Was  ist  wichtiger,  Lunge  oder  Herz?  —  Leber  oder  Niere?  — 
Arterie  oder  Vene?  —  Man  könnte  statt  wie  Agassiz  die  Organe  des  animalen 
Lebens,  mit  gleichem  Rechte   die  des  vegetativen  Lebens  vorausstellen,   da  w^ohl 


i)  Agassiz'  eigene  Ansichten  sind  neuerdings,  soviel  aus  Rudolf  Wagner's  Anzeige  seines  „Essay 
on  Classification"  zu  ersehen  ist,  wesentlich  andre  geworden.  Eine  Kritik  der  obigen  älteren,  aber  noch 
heute  weitverbreiteten  Ansichten  trifft  Agassiz  selbst  nicht  mehr.  Seine  neuere  Auffassungsweise  kenne 
ich  leider  eben  nur  aus  R.  W.'s  etwas  confusem  Berichte  und  habe  daher  geglaubt,  mir  irgendwelche 
kritische  Bemerkung  über  dieselbe  nicht  erlauben  zu  dürfen. 


Für  Darwin. 


245 


diese  ohne  jene,  nicht  aber  jene  ohne  diese  denkbar  sind.  Man  könnte  einwenden, 
dass  ja  nach  diesem  Satze  provisorische  Organe  als  die  früher  entstandenen  an 
Wichtigkeit  die  bleibenden  später  gebildeten  übertreffen  müssten.  —  Aber  halten 
wir  uns  an  die  Kruster.  Bei  Polyphemus  findet  Leydig  schon  während  der  Fur- 
chung die  erste  Anlage  des  Darmrohrs,  Bei  Mysis  bildet  sich  zuerst  ein  pro- 
visorischer Schwanz,  bei  Ligia  eine  madenförmige  Larvenhaut.  Das  einfache  un- 
paare  Auge  entsteht  früher  und  wäre  also  wichtiger,  als  die  zusammengesetzten 
paarigen ;  die  Schuppe  des  Garneelenfühlers  wichtiger,  als  die  Geissei ;  die  Kiefer- 
füsse  der  Krabben  und  Krebse  wichtiger  als  Scheeren  und  Gangfüsse,  bei  den 
Asseln  die  sechs  vorderen  Fusspaare  wichtiger,  als  das  ganz  gleich  gebildete 
siebente;  bei  den  Amphipoden  das  wichtigste  aller  Organe  der  bald  nach  dem 
Ausschlüpfen  spurlos  verschwindende  „Mikropylapparat" ;  bei  den  Cyclopen  wich- 
tiger als  alle  Schwimmfüsse  die  Borsten  des  Schwanzes,  bei  den  Cirripedien  die 
hinteren  Fühler,  von  denen  man  nicht  weiss,  wo  sie  bleiben,  wichtiger  als  die 
Rankenfüsse  u.  s.  w.  Die  unwesentlichsten  aller  Organe  wären  die  Geschlechts- 
theile,  die  wesentlichste  Eigenthümlichkeit  aber  läge  in  der  bis  auf's  Eierstocksei 
zurückführbaren  Farbe. 

„Embryonen,  Jugendzustände  verschiedener  Thiere  gleichen 
einander  um  so  mehr,  je  jünger  sie  sind",  oder  wie  Johannes  Müller  es 
ausdrückt,  „nähern  sich  um  so  mehr  dem  gemeinsamen  Typu s".  So 
verschieden  die  Begriffe  sein  mögen,  die  man  mit  dem  Worte  Typus  verbindet 
so  wird  doch  Niemand  bestreiten,  dass  die  typische  Form  des  vorletzten  Fuss- 
paares  der  Amphipoden  die  eines  einfachen  Gangfusses,  und  nicht  die  einer  Scheere 
ist;  denn  letztere  findet  sich  bei  keinem  einzigen  erwachsenen  Amphipoden;  man 
kennt  sie  nur  von  den  Jungen  der  Gattung  Brachyscelus,  die  sich  also  hierin 
unzweifelhaft  weiter  vom  T3APUS  ihrer  Ordnung  entfernen,  als  die  Alten.  Dasselbe 
gilt  von  den  jungen  Männchen  der  Strandhüpfer  (Orchestia)  in  Bezug  auf  das 
zweite  Paar  der  Vorderfüsse  (Gnathopoda).  Ebenso  wird  kaum  Jemand  anstehen, 
den  Besitz  von  sieben  Fusspaaren  als  „typische"  Eigenthümlichkeit  der  Edrioph- 
thalmen  anzuerkennen,  die  Agassiz  gerade  danach  Tetradecapoden  nennt;  die 
jungen  Asseln,  die  Dodecapoden  sind,  stehen  auch  hier  dem  „Typus"  ferner  als 
die  Alten. 

Regel  ist  allerdings,  und  so  lässt  es  Darwin's  Lehre  erwarten,  dass  im  Fort- 
schritte der  Entwicklung  die  anfangs  ähnlicheren  Formen  immer  weiter  aus- 
einandergehen ;  aber  hier,  wie  in  anderen  Klassen,  sind  die  Ausnahmen,  für  die 
die  Schule  keine  Erklärung  hat,  zahlreich.  Nicht  selten  könnte  man  den  Satz, 
geradezu  umkehren  und  behaupten,  dass  die  Verschiedenheit  um  so  grösser  wird, 
je  weiter  man  in  der  Entwicklung  zurückgeht,  und  das  nicht  nur  in  Fällen,  wo 
von  zwei  nahestehenden  Arten  die  eine  sich  direct  entwickelt,  die  andere  mehr- 
fache Larvenzustände  durchläuft,  —  wie  etwa  der  Flusskrebs  und  die  aus  Nauplius- 
brut  hervorgehenden  Garneelen.  Man  kann  dasselbe  sagen  z.  B.  von  Asseln  und 
Amphipoden;  bei  den  erwachsenen  Thieren  ist  die  Gliedmassenzahl  dieselbe;  man 
kann  beim  ersten  Anblick  eines  Cyrtophium,  einer  Dulichia,  man  kann  selbst  nach 
sorgfältiger  Untersuchung  einer  Scheerenassel  in  Zweifel  bleiben,  ob  man  eine 
Assel  oder  einen  Amphipoden  vor  sich  habe,  bei  den  ausschlüpfenden  Jungen  ist 
die  Zahl  der  Gliedmassen  verschieden   und  geht  man  zurück  ins  Eileben,   so  ge- 


246 


Für  Darwin. 


nügt   der   flüchtigste  Blick,   um    an  der  Krümmung  nach  oben  oder  unten  selbst 
die  jüngsten  Embryonen  der  beiden  Ordnungen  zu  unterscheiden. 

In  anderen  Fällen  gehen  die  Wege,  die  von  gleichem  Ausgan gspuncte  zu 
gleichem  Ziele  führen,  in  der  Mitte  der  Entwicklung  weit  auseinander,  wie  bei 
den  oben  geschilderten  Garneelen  mit  Naupliusbrut. 

Endlich,  damit  auch  die  letzte  Möglichkeit  erschöpft  werde,  kommt  es  vor, 
dass  die  grösste  Aehnlichkeit  in  die  Mitte  der  Entwicklung  fällt.  Das  schlagendste 
Beispiel  liefern  Rankenfüsser  und  Wurzelkrebse,  mag  man  nun  die  beiden  Ord- 
nungen mit  einander,  oder  die  Glieder  einer  jeden  unter  sich  vergleichen;  aus 
ganz  verschieden  ablaufender  Furchung  (s.  Fig.  61 — 64)  gehen  mannichfaltige 
Nauplius  hervor,  diese  verwandeln  sich  in  äusserst  ähnliche  Puppen  und  aus  den 
Puppen  werden  wieder  himmelweit  verschiedene  geschlechtsreife  Thiere. 

„Wenn  die  Bildung  der  Organe  stattfindet  in  der  ihrer  Wich- 
tigkeit entsprechenden  Ordnung,  so  muss  selbstverständlich 
diese  Reihenfolge  ein  Kriterium  ihres  verhältnissmässigen 
Werthes  für  die  Systematik  sein."  —  Vorausgesetzt  nämlich,  dass 
physiologischer  und  systematischer  Werth  eines  Organes  zusammen- 
fallen !  —  Wie  es  in  christlichen  Landen  eine  Katechismusmoral  gibt,  die  Jeder 
im  Munde  führt,  Niemand  zu  befolgen  sich  verpflichtet  hält  oder  von  Anderen 
befolgt  zu  sehen  erwartet,  so  hat  auch  die  Zoologie  ihre  Dogmen,  die  man  ebenso 
allgemein  bekennt,  als  in  der  Praxis  verläugnet.  Ein  solches  Dogma  ist  die  von 
Agassiz  stillschweigend  gemachte  Voraussetzung.  Unter  Hundert,  die  sich  ge- 
drungen fühlen,  als  Einleitung  eines  Handbuchs  oder  einer  monographischen  Ar- 
beit ihr  systematisches  Glaubensbekenntniss  abzulegen,  werden  Neun  und  neunzig 
damit  beginnen,  dass  ein  natürliches  System  sich  nicht  auf  ein  einziges  Merkmal 
stützen  dürfe,  sondern  alle  Merkmale,  den  gesammten  Bau  des  Thieres  zu  berück- 
sichtigen habe,  dass  man  aber  diese  Merkmale  nicht  wie  gleichnamige  Grössen 
einfach  summiren  dürfe,  dass  man  sie  nicht  zählen,  sondern  wägen  und  das  jedem 
einzelnen  beizulegende  Gewicht  nach  seiner  physiologischen  Bedeutung  bemessen 
müsse.  —  Vielleicht  folgt  dann  noch  einiges  allgemein  gehaltene  Wortgeklingel 
über  die  vergleichungsweise  Wichtigkeit  von  animalen  und  vegetativen  Organen, 
von  Kreislauf,  Athmung  u,  dgl.  —  Geht  es  aber  an  die  eigentliche  Arbeit,  an 
das  Sichten  und  Anordnen  der  Arten,  Gattungen,  Familien  u.  s.  w.,  so  wird  wahr- 
scheinlich nicht  Einer  der  Neun  und  neunzig  sich  dieser  schönen  Regeln  erinnern 
und  den  hoffnungslosen  Versuch  ihrer  Durchführung  im  Einzelnen  unternehmen. 
-■  Agassiz  z.  B.  betrachtet  wie  Cuvier  und  im  Gegensatz  zur  Mehrzahl  der 
deutschen  und  englischen  Zoologen  die  Strahlthiere  als  eine  der  grossen  Haupt- 
abtheilungen des  Thierreichs,  trotzdem  dass  Niemand  etwas  weiss  über  die  Be- 
deutung der  strahligen  Anordnung  für  das  Leben  dieser  Thiere,  und  trotzdem 
dass  die  strahligen  Echinodermen  aus  bilateralen  Larven  hervorgehen.  Die  „eigent- 
lichen Fische"  theilt  derselbe  in  Ctenoiden  und  Cycloiden,  je  nachdem  der  Hinter- 
rand der  Schuppen  gezähnelt  oder  glatt  ist,  —  ein  Umstand,  dessen  Wichtigkeit 
für  das  Thier  verschwindend  klein  sein  muss  gegen  die  Eigenthümlichkeiten  der 
Bezahnung,  der  Flossenbildung,  der  Wirbelzahl  u.  s.  w. 

Um  zu  unserer  Klasse  der  Kruster  zurückzukehren,  hat  man  bei  deren  Ein- 
theilung  etwa  auf  die  Unterschiede  in  den  „wesentlichsten  Organen"  vorwaltende 


Für  Darwin. 


247 


Rücksicht  genommen  ?  —  Etwa  auf  das  Nervensystem  ?  —  Bei  den  Corycaeiden 
fand  Claus  alle  Bauchganglien  in  eine  einzige  breite  Masse  verschmolzen,  bei  den 
Calaniden  eine  lange  Bauchganglienkette,  jene  also  hierin  den  Spinnenkrabben, 
diese  dem  Hummer  ähnlich,  aber  Niemandem  fällt  es  im  Traume  ein,  deshalb  an 
eine  Verwandtschaft  der  Corycaeiden  mit  den  Krabben,  der  Calaniden  mit  den 
Krebsen  zu  denken.  —  Oder  auf  die  Organe  des  Kreislaufs?  —  Aber  da  stehen 
unter  den  Copepoden  die  Cyclopiden  und  Corycaeiden  ohne  Herz  neben  den  Cala- 
niden und  Pontelliden  mit  einem  Herzen.  Und  ebenso  stellen  sich  unter  den 
Ostracoden  neben  die  herzlosen  Cypris  und  Cythere  die,  wie  ich  finde,  ein  Herz 
besitzenden  Cypridinen.  —  Oder  auf  die  Athmungswerkzeuge?  —  Milne  Edwards 
hatte  es  gethan,  als  er  die  Mysis  und  Leucifer  von  den  Decapoden  trennte,  aber 
er  selbst  hat  dies  später  als  Fehlgriff  erkannt.  Bei  einer  Cypridina  sehe  ich  an- 
sehnliche Kiemen,  die  ich  bei  einer  zweiten  Art  vollständig  vermisse,  aber  dies 
scheint  mir  kein  Grund,  diese  Arten  selbst  nur  generisch  zu  trennen.  — 

Auf  der  anderen  Seite,  was  wissen  wir  von  der  physiologischen  Bedeutung 
der  Segmentenzahl  und  all  der  Dinge,  die  wir  als  typische  Eigenthümlichkeiten 
der  verschiedenen  Ordnungen  zu  betrachten,  denen  wir  den  höchsten  systematischen 
Wert  beizulegen  pflegen? 

„Die  Eigenthümlichkeiten,  welche  früher  erscheinen,  soll 
man  höher  werthen  als  die,  welche  später  erscheinen.  Ein  System 
um  wahr  und  natürlich  zu  sein,  muss  übereinstimmen  mit  der 
Aufeinanderfolge  der  Organe  in  der  Entwicklung  des  Embryo." 
Sind  früher  erscheinende  Eigenthümlichkeiten  höher  zu  werthen,  als  später  auf- 
tretende, so  wird  in  Fällen,  wo  der  Bau  des  erwachsenen  Thieres  die  eine,  der 
Bau  der  I>arve  eine  andre  Stellung  im  System  fordert,  nicht  jenes,  sondern  diese 
den  entscheidenden  Ausschlag  zu  geben  haben.  Wie  man  Lernaeen  und  Ranken- 
füsser  um  ihrer  Naupliusbrut  willen  aus  ihrem  früheren  Verbände  löste  und  den 
Krustern  zuwies,  so  wird  man  aus  gleichem  Grunde  Peneus  von  den  Garneelen 
trennen  und  mit  Copepoden  und  Rankenfüssern  vereinigen  müssen.  Aber  davor 
dürfte  wohl  auch  der  eifrigste  Embryomane  zurückschrecken. 

Ein  „wahres  und  natürliches  System"  der  Kruster  würde  der  Reihenfolge 
der  Erscheinungen  nach  in  erster  Linie  die  verschiedene  Weise  der  Furchung, 
dann  die  Lagerung  des  Embryo,  weiterhin  die  Zahl  der  im  Ei  angelegten  Glied- 
massen u.  s.  f.  zu  berücksichtigen  haben  und  dürfte  sich  etwa  in  folgender  Weise 
darstellen : 

Classis  Cmstacea. 

Subclass  I.     Holoschista.       Totale     Furchung.      Kein     Primitivstreifen. 
Naupliusbrut. 
Ord.  I.     Ceratometopa.  Nauplius  mit  Stirnhörnern.  (Ranken- 

füsser,  Wurzelkrebse.) 
Ord.  2.     Leiometopa.     Nauplius   ohne  Stirnhörner.     (Cope- 
poden, ohne  Achthercs  u.s.w.,  Phyllopoden,  Peneus.) 

Subclass  n.     Hemischista.     Keine  totale  Furchung. 

A.    Nototropa.     Embryo  aufwärts  gekrümmt. 

Ord.  3.     Protura.     Der  Schwanz  bildet  sich  zuerst.   (Mysis.) 


248 


Für  Darwin. 


Ord.  4.     Saccomorpha.     Eine    maden  form  ige    Larvenhaut 
bildet  sich  zuerst.  (Asseln.) 
B.    Gasterotropa.     Embryo  bauch wärts  gekrümmt. 

Ord.  5.  Zoeogona.  Gliedmassen  nicht  vollzählig  im  Ei 
angelegt.    Zoeabrut.    (Mehrzahl  der  Podophthalmen.) 

Ord.  6.  Ametabola.  Gliedmassen  vollzählig  im  Ei  an- 
gelegt. (Astacus.  Gecarcinus.  Amphipoden,  ohne 
Hyperia  ?) 

Die  Probe  mag  genügen.  Je  weiter  man  auf  diesem  Wege  ins  Einzelne 
einginge,  um  so  glänzender  würde  sich,  wie  man  sich  denken  kann,  die  Natürlich- 
keit einer  solchen  Anordnung  herausstellen. 

Alles  in  Allem  genommen,  so  darf  man  wohl  das  Urtheil,  das  Agassiz  über 
Darwin's  Lehre  aussprach,  mit  weit  grösserem  Rechte  auf  die  eben  beleuchteten 
Sätze  anwenden:  „Keine  Theorie,  so  plausibel  sie  auch  erscheinen  mag,  kann  in 
der  Wissenschaft  zugelassen  werden,  wenn  sie  nicht  durch  Thatsachen  unterstützt 
wird." 

XL 

Von  dem  nicht  wohl  zu  umgehenden  unerquicklichen  Seitenblicke  auf  die 
Schule,  die  so  vornehm  herabzublicken  weiss  auf  den  „geistreichen  Traum"  Dar- 
win's und  auf  die  „schwindelhafte  Begeisterung"  seiner  Freunde,  wende  ich  mich 
zu  der  angenehmen  Aufgabe,  die  Entwicklungsgeschichte  der  Kruster  aus  dem 
Gesichtspuncte  der  Darwin'schen  Lehre  zu  betrachten. 

Darwin  selbst  hat  bereits  die  aus  seinen  Voraussetzungen  für  das  Gebiet 
der  Entwicklungsgeschichte  sich  ergebenden  Folgerungen  im  dreizehnten  Kapitel 
seines  Buches  erörtert.  Für  eine  mehr  ins  Einzelne  gehende  Anwendung  wird 
es  indess  nöthig,  zunächst  im  Allgemeinen  diesen  Folgerungen  etwas  weiter  nach- 
zugehen, als  es  dort  geschehen  ist. 

Die  Veränderungen,  durch  welche  sich  Junge  von  ihren  Erzeugern  entfernen 
und  deren  allmähliche  Häufung  die  Entstehung  neuer  Arten,  Gattungen,  Familien 
veranlasst,  können  in  früherem  oder  späterem  Lebensalter  auftreten,  in  der  Jugend 
oder  zur  Zeit  der  Geschlechtsreife.  Denn  letztere  ist  bei  weitem  nicht  immer  eine 
Zeit  des  Stillstandes,  wie  bei  den  Insecten;  die  meisten  anderen  Thiere  fahren 
auch  dann  noch  fort,  zu  wachsen  und  sich  zu  verändern.  (Man  vergleiche  das 
oben  über  die  Männchen  der  Amphipoden  Bemerkte.)  Gewisse  Abweichungen 
können  sogar  ihrer  Natur  nach  erst  eintreten,  wenn  das  Junge  die  Entwicklungs- 
stufe der  Eltern  erreicht  hat.  So  besitzen  die  Seeraupen  (Polynoe)  anfangs  nur 
wenige  Leibesringe,  die  während  der  Entwicklung  allmählich  zu  einer  für  ver- 
schiedene Arten  verschiedenen,  für  jede  derselben  beständigen  Zahl  anwachsen; 
ehe  nun  ein  Junges  die  Ringzahl  seiner  Eltern  überschreiten  könnte,  müsste  es 
sie  natürlich  erreicht  haben.  Man  wird  einen  ähnlichen  nachträglichen  Fortschritt 
überall  vermuthen  dürfen,  wo  die  Abweichung  der  Nachkommen  in  einem  Zu- 
wachse neuer  Ringe  und  Gliedmassen  besteht. 

Die  Nachkommen  gelangen  also  zu  einem  neuen  Ziele,  ent- 
weder indem  sie  schon  auf  demWege  zur  elterlichen  Form  früher 
oder  später  abirren,  oder  indem  sie  diesen  Weg  zwar  unbeirrt 
durchlaufen,  aber  dann  statt  stille  zu  stehen  noch  weiter  schreiten. 


Für  Darwin. 


249 


Die  erstere  Weise  wird  vorwiegend  gewirkt  haben,  wo  die  Nachkommen- 
schaft gemeinsamer  Ahnen  einen  in  den  wesentlichsten  Zügen  auf  gleicher  Stufe 
stehenden  Formenkreis  bildet,  wie  etwa  sämmtliche  Amphipoden,  oder  Krabben, 
oder  Vögel.  Dagegen  wird  man  zur  Annahme  der  zweiten  Weise  des  Fort- 
schreitens geführt,  sobald  man  von  gemeinsamer  Stammform  Thiere  abzuleiten 
sucht,  von  denen  die  einen  übereinstimmen  mit  Jugendzuständen  der  anderen. 

Im  ersteren  Falle  wird  die  Entwicklungsgeschichte  der  Nachkommen  mit 
der  ihrer  Vorfahren  nur  bis  zu  dem  Puncte  zusammenfallen  können,  an  dem  ihre 
Wege  sich  schieden,  über  deren  Bau  im  erwachsenen  Zustande  wird  sie  nichts 
lehren.  Im  zweiten  Falle  wird  die  ganze 
Entwicklung  der  Vorfahren  auch  von 
den  Nachkommen  durchlaufen  und  soweit 
daher  die  Entstehung  einer  Art  auf  dieser 
zweiten  Weise  des  Fortschreitens  beruht, 
wird  die  geschichtliche  Entwicklung  der 
Art  sich  abspiegeln  in  deren  Entwicklungs- 
geschichte. —  In  der  kurzen  Frist  weniger  Wochen 
oder  Monden  führen  die  wechselnden  Formen  der 
Embryonen  und  Larven  ein  mehr  oder  minder  voll- 
ständiges, mehr  oder  minder  treues  Bild  der  Wand- 
lungen an  uns  vorüber,  durch  welche  die  Art  im 
Laufe  ungezählter  Jahrtausende  zu  ihrem  gegen- 
wärtigen Stande  sich  emporgerungen  hat. 

Eines  der  einfachsten  Beispiele  bietet  die  Ent- 
wicklung der  Wurmröhren.  Gerade  durch  seine 
Einfachheit  aber  scheint  es  geeignet,  auch  Manchem, 
der  nicht  sehen  möchte,  die  Augen  zu  öffnen,  und 
mag  deshalb  hier  Platz  finden.  Vor  drei  Jahren  fand 
ich  an  der  Wand  eines  meiner  Gläser  einige  kleine 
Wurmröhren  (Fig.  65),  deren  Bewohner  drei  Paar 
bärtige  Kiemenfäden  trugen  und  eines  Deckels  ent- 
behrten. Man  hätte  sie  danach  zur  Gattung  Protula 
stellen  müssen.  Wenige  Tage  später  hatte  sich  einer 
der  Kiemenfäden  am  Ende  zu  einem  keulenförmigen 
Deckel  verdickt  (Fig.  66).  Jetzt  erinnerten  die  Thiere  durch  den  bärtigen  Deckel- 
stiel an  die  Gattung  Filograna,  nur  dass  diese  zwei  Deckel  besitzt.  Nach  wei- 
teren drei  Tagen,  während  deren  ein  neues  Paar  Kiemenfäden  hervorgesprosst 
war,  hatte  der  Deckelstiel  seine  seitlichen  Fäden  verloren  (Fig.  67)  und  die 
Würmer  waren  zu  Serpula  geworden.  Hier  bietet  sich  von  selbst  die  Annahme, 
dass  die  Urwurmröhre  eine  Protula  war,  - —  dass  einige  Nachkommen  derselben, 
die  sich  bereits  zu  vollständigen  Protula  entwickelt  hatten,  nachträgHch  sich  durch 
die  Bildung  eines  Deckels  vervollkommneten,  der  ihre  Röhre  vor  feindlichen  Ein- 
dringlingen  schützte,  —  dass  spätere  Nachkommen    dieser    letzteren    endlich   die 


Fig.  65.     Fig.  66.      Fig.  67. 

Fig.  65 — 67.  Junge  Wurmröhre, 
mit  der  einfachen  Linse,  etwa  6mal 
vergr. 

FiR-  65  *),  ohne  Deckel,  Protula- 
stufe. 

Fig.  66,  mit  bärtigem  Deckelstiel, 
Filogranastufe. 

Fig.  67,  mit  nacktem  Deckelstiel, 
Serpulastufe. 


i)  Fig.  65  ist  aus  der  Erinnerung  gezeichnet,  da  mir  die  Thierchen,  die  ich  anfangs  für  junge  Protula 
nahm,  erst  merkwürdig  wurden  und  ich  sie  zeichnete,  als  ich  das  Auftreten  des  Deckels  bemerkte. 


2'r\  Für  Darwin. 

seitlichen  Fäden  des  Deckelstiels  wieder  verloren,  die  sie  wie  ihre  Vorfahren  ent- 
wickelt hatten. 

Was  sagt  die  Schule  zu  diesem  Falle?  Woher  und  wozu,  wenn  die  Serpula  als 
fertige  Arten  entstanden  oder  erschaffen  wurden,  diese  seitlichen  Fäden  des  Deckel- 
stiels? Sie  blos  um  eines  einmal  entworfenen  unabänderlichen  Bauplanes  willen 
hervorspriessen  zu  lassen,  selbst  wenn  sie  sofort  wieder  als  überflüssig  eingezogen 
werden  mussten,  wäre  doch  sicher  eher  Beweis  kindischer  Tändelei  oder  schulmeister- 
lichen Pedantismus,  als  unendlicher  Weisheit.  Aber  nein,  ich  irre  mich,  von  Ur- 
beginn  her  wusste  ja  auch  der  Schöpfer,  dass  einst  neugierige  Menschenkinder  über 
Analogien  und  Homologien  grübeln,  dass  christliche  Naturforscher  sich  abmühen 
würden,  seine  Schöpf ungsgedanken  nachzudenken;  —  jedenfalls,  um  diesen  die 
Einsicht  zu  erleichtern,  dass  der  Deckelstiel  der  Serpula  einem  Kiemenfaden 
homolog  sei,  Hess  er  denselben  bei  seiner  Entwicklung  einen  Umweg  machen 
und  durch  die  Form  eines  bärtigen  Kiemenfadens  hindurchgehen. 

Die  in  der  Entwickelungsgeschichte  erhaltene  geschicht- 
liche Urkunde  wird  allmählich  verwischt,  indem  die  Entwick- 
lung einen  immer  geraderen  Weg  vom  Ei  zum  fertigen  Thiere 
einschlägt,  und  sie  wird  häufig  gefälscht  durch  den  Kampf  ums 
Dasein,   den    die   freilebenden    Larven    zu   bestehen   haben. 

Wie  nämlich  das  Gesetz  der  Erblichkeit  kein  strenges  ist,  wie  es  individuellen 
Schwankungen  Raum  gibt  in  Betreff  der  Form  der  Eltern,  so  gilt  ein  Gleiches 
auch  für  die  Zeitfolge  der  Entwicklungsvorgänge.  Jeder  Familienvater,  der  darauf 
Acht  hatte,  weiss  ja,  dass  selbst  bei  Kindern  derselben  Eltern  z.  B.  die  Zähne 
weder  in  genau  demselben  Alter,  noch  in  derselben  Folge  hervorbrechen  oder 
gewechselt  werden.  —  Nun  wird  es  im  Allgemeinen  einem  Thiere  von  Nutzen 
sein,  der  Vorzüge,  durch  die  es  im  Kampfe  ums  Dasein  sich  behauptet,  so  früh 
als  möglich  theilhaftig  zu  werden.  Ein  verfrühtes  Auftreten  später  erworbener 
Eigenthümlichkeiten  wird  meist  Vortheil,  ein  verspätetes  Nachtheil  bringen ;  ersteres, 
wo  es  einmal  zufällig  sich  zeigt,  wird  durch  die  natürliche  Auslese  erhalten  werden. 
Ebenso  jede  Abänderung,  die  den  Kreuz-  und  Querzügen  durch  mannichfache 
Larvenzustände  eine  mehr  geradlinige  Richtung  gibt,  den  Entwicklungsgang  ver- 
einfacht, abkürzt,  in  frühere  Lebenszeit  und  endlich  ins  Eileben  zurückdrängt. 

Da  dieser  Uebergang  einer  durch  verschiedenartige  Jugendzustände  hindurch- 
gehenden in  eine  mehr  unmittelbare  Entwicklung  nicht  Folge  eines  inwohnenden 
mystischen  Triebes,  sondern  abhängig  ist  von  zufälHg  sich  bietenden  Fortschritten, 
so  wird  derselbe  bei  nächstverwandten  Thieren  auf  die  verschiedenste  Weise  vor 
sich  gehen  und  sehr  verschiedene  Zeit  zu  seinem  Ablaufe  erfordern  können.  Eines 
ist  jedoch  hierbei  nicht  zu  übersehen.  Die  geschichtliche  Entwicklung  der  Art 
dürfte  schwerlich  je  im  fortwährend  gleichmässigen  Flusse  vor  sich  gegangen  sein ; 
Zeiten  der  Ruhe  werden  mit  Zeiten  rascheren  Fortschreitens  gewechselt  haben. 
Formen  nun,  die  in  Zeiten  rascheren  Fortschrittes  nach  kurzem  Bestände  von 
anderen  abgelöst  wurden,  dürften  auch  der  Entwicklungsgeschichte  der  Nach- 
kommen sich  weniger  tief  eingeprägt  haben,  als  solche,  die  in  Zeiten  der  Ruhe 
bei  einer  langen  Reihe  aufeinanderfolgender  Geschlechter  sich  unverändert  wieder- 
holten. Diese  besser  befestigten  Formen,  weniger  zu  Abänderungen  geneigt, 
werden  bei  dem  Uebergange  zu  directer  Entwicklung  zäheren  Widerstand  leisten 


Für  Darwin. 


'■5^ 


und  auch  bei  sonst  noch  so  verschiedenem  Verlaufe  dieses  Vorganges  in  gleich- 
massiger  Weise  und  bis  zuletzt  sich  erhalten. 

Im  Allgemeinen  wird  es,  wie  gesagt,  den  Jungen  vortheilhaft  sein,  in  Gestalt 
der  Eltern,  mit  all  deren  Vorzügen  ausgerüstet  den  Kampf  ums  Dasein  zu  be- 
ginnen, im  Allgemeinen,  —  doch  nicht  ohne  Ausnahmen.  Dass  festsitzenden 
Thieren  eine  der  Ortsbewegung  fähige  Brut  fast  unentbehrlich  ist,  dass  die  munter 
durchs  Meer  schwärmenden  Larven  träger  Schnecken,  im  Boden  wühlenden  Ge- 
würmes u.  s.  w.  durch  Ausstreuen  der  Art  über  weitere  Strecken  wesentliche 
Dienste  leisten,  liegt  auf  der  Hand.  In  anderen  Fällen  ist  eine  Verwandlung  da- 
durch unentbehrlich  geworden,  dass  sich  eine  Teilung  der  Arbeit  zwischen  die  ver- 
schiedenen Lebensaltern  herausgebildet  hat,  dass  z.  B.  die  Larven  ausschliesslich  das 
Geschäft  der  Ernährung  übernommen  haben.  —  Ein  fernerer  in  Betracht  zu  ziehender 
Umstand  liegt  in  der  Grösse  der  Eier,  ein  einfacher  Bau  ist  mit  weniger  Stoff 
herzustellen,  als  ein  mehr  zusammengesetzter;  je  unvollkommener  die  Larve,  um  so 
kleiner  kann  das  Ei  sein,  eine  um  so  grössere  Menge  derselben  kann  die  Mutter 
bei  gleichem  Aufwand  an  Stoff  liefern.  In  der  Regel,  glaube  ich,  wird  zwar  dieser 
Vortheil  einer  zahlreicheren  den  einer  vollkommneren  Brut  bei  weitem  nicht  auf- 
wiegen ;  wohl  aber  in  FäUen,  wo  die  Hauptschwierigkeit  für  die  Jungen  darin  be- 
steht, einen  passenden  Ort  für  ihre  Entwicklung  zu  finden  und  wo  es  daher  gilt, 
die  grösstmögliche  Menge  von  Keimen  auszustreuen.    So  bei  vielen  Schmarotzern. 

Es  mag  hier,  wo  vom  Uebergang  der  urspünglichen  Entwicklung  mit  Ver- 
wandlung in  directe  Entwicklung  die  Rede  ist,  an  der  Stelle  sein,  ein  Wort  zu 
sagen  über  den  oben  berührten  Mangel  der  Verwandlung  bei  Süsswasser-  und 
Landthieren,  deren  meerbewohnende  Verwandte  noch  eine  solche  durchlaufen. 
Dieses  Verhalten  scheint  in  zwiefacher  Weise  erklärbar.  Entweder  wanderten 
besonders  Arten  ohne  Verwandlung  ins  süsse  Wasser  ein,  oder  die  Verwandlung 
wurde  bei  den  Uebergesiedelten  rascher  beseitigt,  als  bei  den  im  Meere  zurück- 
gebliebenen Genossen. 

Thiere  ohne  Verwandlung  konnten  natürlich  leichter  übersiedeln,  da  sie  nur 
sich  selbst  und  nicht  zugleich  mannichfache  Jugendformen  den  neuen  Verhält- 
nissen anzuschmiegen  hatten.  Bei  Thieren  mit  Verwandlung  aber  musste  im  All- 
gemeinen die  immer  bedeutende  Sterblichkeit  der  Larven  eine  noch  grössere  sein 
in  neuen,  als  in  altgewohnten  Verhältnissen;  jeder  Schritt  zur  Vereinfachung  des 
Entwicklungsganges  musste  also  hier  ein  noch  grösseres  Uebergewicht  über  die 
Artgenossen  geben  und  das  Verwischen  der  Verwandlung  daher  rascher  vor  sich 
gehen.  Was  in  jedem  Einzelfalle  stattgefunden  hat,  ob  die  Art  einwanderte,  nach- 
dem sie  die  Verwandlung  verloren,  —  oder  die  Verwandlung  verlor,  nachdem  sie 
einwanderte,  wird  nicht  immer  leicht  zu  entscheiden  sein.  Wo  meerbewohnende 
Verwandte  ohne  oder  mit  geringer  Verwandlung"  sich  finden,  wie  der  Hummer 
als  Vetter  des  Flusskrebses,  wird  man  nach  der  ersteren,  —  wo  auf  dem  Lande 
oder  im  süssen  Wasser  noch  Verwandte  mit  Verwandlung  leben,  wie  bei  Gecar- 
cinus,  zu  letzterer  Annahme  greifen  dürfen. 

Wie  neben  diesem  allmählichen  Verklingen  der  Urgeschichte  zugleich  eine 
Fälschung  der  in  der  Entwicklungsgeschichte  niedergelegten  Urkunde  statt- 
finde durch  den  Kampf  ums  Dasein,  den  die  freilebenden  Jugendzustände  zu  be- 
stehen haben,  bedarf  keiner  weiteren  Ausführung.     Denn  selbstverständlich  muss 


2  c  7  Für  Darwin. 

auf  Larven,  die  für  sich  selbst  zu  sorgen  haben,  der  Kampf  ums  Dasein  und  die 
damit  verbundene  natürliche  Auslese  in  gleicher  Weise  verändernd  und  fortbildend 
wirken,  wie  auf  erwachsene  Thiere.  Die  von  den  Fortschritten  des  erwachsenen 
Thieres  unabhängigen  Veränderungen  der  Larve  werden  um  so  bedeutender  sein, 
je  länger  die  Lebensdauer  der  Larve  im  Vergleich  zu  der  des  erwachsenen  Thieres, 
je  abweichender  ihre  Lebensweise  und  je  schärfer  ausgesprochen  die  Theilung  der 
Arbeit  zwischen  den  verschiedenen  Entwicklungsstufen.  Diese  Vorgänge  haben 
in  gewisser  Weise  eine  dem  allmählichen  Verklingen  der  Urgeschichte  entgegen- 
gesetzte Wirkung;  sie  vergrössern  die  Unterschiede  zwischen  den  einzelnen  Ent- 
wicklungsstufen und  man  begreift,  wie  selbst  ein  geradliniger  Entwicklungsgang 
durch  sie  wieder  in  eine  Entwicklung  mit  Verwandlungen  umgebildet  werden 
kann.  So  lassen  sich  manche  und,  wie  mir  scheint,  triftige  Gründe  für  die  Ansicht 
geltend  machen,  dass  die  ältesten  Insecten  den  heutigen  Geradflüglern,  vielleicht 
den  flügellosen  Schaben,  näher  standen  als  irgend  einer  anderen  Ordnung  und 
dass  die  ^.vollkommene  Verwandlung"  der  Käfer,  Schmetterlinge  u.  s.  w.  späteren 
Ursprungs  ist.  Es  hat,  glaube  ich.  früher  vollkommene  Insecten,  als  Raupen  oder 
Puppen,  dagegen  weit  früher  Nauplius  und  Zoea  als  vollkommene  Garneelen  ge- 
geben. Man  könnte  im  Gegensatz  zu  der  ererbten  Verwandlung  der  Garneelen, 
die  der  Käfer,  Schmetterlinge  u.  s.  w.  eine  erworbene  nennen^). 

Welche  der  verschiedenen  zur  Zeit  in  einer  Thierklasse  bestehenden  Ent- 
wicklungsweisen beanspruchen  dürfe,  als  die  der  ursprünglichen  zunächst  stehende 
zu  gelten,  ist  nach  dem  Obigen  leicht  zu  ermessen. 

Die  Urgeschichte  der  Art  wird  in  ihrer  Entwicklungs- 
geschichte um  so  vollständiger  erhalten  sein,  je  länger  die 
Reihe  der  Jugendzustände  ist,  die  sie  gleichmässigen  Schrittes 
durchläuft,  und  um  so  treuer,  je  weniger  sich  die  Lebensweise 
der  Jungen  von  der  der  Alten  entfernt,  und  je  weniger  dieEigen- 
thümlichkeiten  der  einzelnen  Jugendzustände  als  aus  späteren 
in  frühereLebensabschnitte  zurückverlegtoderalsselbstständig 
erworben  sich  auffassen  lassen. 

Machen  wir  die  Anwendung  auf  die  Kruster. 

XII. 

Nach  allen  im  letzten  Satze  aufgestellten  Kennzeichen  erscheint  bis  jetzt  die 
Garneele,  die  wir  (Fig.  28 — 31)  von  Nauplius  durch  Zoea  und  Mysis  ähnliche  Zu- 
stände bis  zur  Gestalt  eines  langschwänzigen  Krebses  begleiteten,  als  dasjenige 
Thier,  welches  im  Bereiche  der  höheren  Kruster  (Malacostraca)  die  vollständigste 
und  treueste  Kunde  gibt  von  seiner  Urgeschichte.  Die  vollständigste,  das  liegt 
auf  der  Hand.  Die  treueste,  das  ist  anzunehmen,  einmal  weil  die  Lebensweise 
der  einzelnen  Altersstufen  eine  minder  verschiedene  ist,  als  bei  der  Mehrzahl  der 
übrigen  Podophthalmen ;  —  denn  vom  Nauplius  bis  zur  jungen  Garneele  wurden 
sie  frei  schwimmend  im  Meere  getroffen,  während  Krabben,  Porcellanen,  die 
Tatuira,  Squilla  und  viele  Langschwänze  erwachsen  unter  Steinen,  in  Felsspalten, 
Erdlöchern,    unterirdischen  Gängen,    im  Sande   u.  s.  w.    sich   aufzuhalten   pflegen, 

i)  Anmerkung  aus  der  englischen  Uebersetzung  des  Buches  siehe  am  Schlüsse  dieser  Arbeit. 

Der  Herausgeber. 


Für  Darwin. 


253 


noch  abweichenderer  Sitten  nicht  zu  gedenken,  wie  sie  Einsiedlerkrebse,  Muschel- 
wächter u.  s.  w.  zeigen,  —  und  zweitens  vorzüglich  weil  die  Eigenthümlichkeiten, 
die  namentlich  die  Zoea  dieser  Art  vor  anderen  Zoea  auszeichnen  (die  Benutzung 
der  vordersten  Gliedmassen  zum  Schwimmen,  der  gabiige  Schwanz,  das  einfachere 
Herz,  der  anfängliche  Mangel  der  paarigen  Augen  und  des  Hinterleibes  u.  s.  w.), 
weder  aus  einem  Zurückverlegen  später  erworbener  Vorzüge  in  dieses  frühere 
Lebensalter  abzuleiten  sind,  noch  überhaupt  als  Vorzüge  vor  anderen  Zoea  er- 
scheinen, welche  die  Larve  im  Kampfe  um's  Dasein  erworben  haben  könnte. 

Eine  ähnliche  Entwicklung  musste  einst  der  Urahn  aller  Malacostraca 
durchlaufen,  verschieden  von  der  unserer  Garneele  wohl  besonders  dadurch,  dass 
sie  noch  gleichmässigeren  Schrittes  durchmessen  wurde  ohne  die  plötzlichen 
Wechsel  der  Form  und  der  Bewegungsweise,  die  bei  letzterer  besonders  daraus 
entstehn,  dass  bei  dem  Nauplius  gleichzeitig  vier,  bei  der  Zoea  gleichzeitig  fünf 
Gliedmassenpaare  hervorspriessen  und  mit  einem  Male  in  Thätigkeit  treten.  Es 
ist  anzunehmen,  dass  sich  nicht  nur  ursprünglich,  sondern  auch  noch  bei  den 
Larven  der  ersten  Malacostraca  die  neuen  Leibesringe  und  Gliedmassenpaare 
einzeln,  zuerst  die  Ringe  des  Vorderleibes,  dann  des  Hinterleibes,  und  zuletzt  des 
Mittelleibes,  und  zwar  in  jedem  Leibesabschnitte  die  vorderen  früher  als  die  hinteren 
bildeten,  zuletzt  also  von  allen  der  hinterste  Ring  des  Mittelleibes.  —  Von  dieser 
ursprünglicheren  Weise  sind  heute  noch  mehr  oder  minder  deutliche  Spuren  selbst 
bei  Arten  gebHeben,  bei  denen  sonst  der  Entwicklungsgang  der  Vorfahren  schon 
ziemlich  verwischt  ist.  So  bilden  sich  einzeln,  von  vorn  nach  hinten,  die  Hinter- 
leibsfüsse  der  Fig.  33  gezeichneten  Garneelenlarve  und  später  als  sie  die 
letzten  Füsse  des  Mittelleibes;  so  bei  PaHnurus  die  beiden  letzten  Fusspaare 
des  Mittelleibes  später  als  die  übrigen;  so  entbehren  bei  jungen  Maulfüsser- 
larven  noch  die  drei  letzten  Hinterleibsringe,  bei  älteren  noch  der  letzte  der- 
selben der  Gliedmassen;  so  entsteht  bei  den  Asseln  noch  heute  das  geschichtlich 
jüngste  Fusspaar  später  als  alle  übrigen.  Vollständiger  erhalten,  als  bei  irgend 
einem  der  höheren  Kruster  ist  diese  schrittweise  von  vorn  nach  hinten  vorrückende 
Bildung  neuer  Leibesringe  und  Gliedmassen  bei  den  Copepoden^). 

Die  ursprüngliche  von  der  niedersten  Stufe,  die  wir  überhaupt  freilebend  in 
der  Klasse  der  Kruster  kennen ,  von  NaupHus  ausgehende  Entwicklung  der 
Malacostraca  ist  heute  bei  der  Mehrzahl  derselben  ziemlich  verwischt.  Dass  dieses 
Verwischen  wirklich  in  der  Weise  vor  sich  gegangen,  die  oben  aus  Darwin's 
Lehre  als  deren  unmittelbare  Folge  abgeleitet  wurde,  wird  um  so  leichter  nach- 
zuweisen sein,  je  mehr  dieser  Vorgang  noch  im  lebendigen  Flusse  begriffen,  je 
weniger  vollständig  er  bereits  abgelaufen  ist.  Die  schlagendsten  Beispiele  darf 
man  in  der  noch  unbekannten  Entwicklungsgeschichte  der  verschiedenen  Schizo- 

i)  Man  weiss,  dass  in  mehreren  Fällen  selbst  bei  erwachsenen  Thieren  der  letzte  Ring  des  Mittel- 
leibes oder  einige  der  letzten  entweder  ihrer  Gliedmassen  entbehren  oder  selbst  völlig  fehlen.  (Entoniscus 
Porcellanae  J,  Leucifer  u.  s.  w.)  Das  könnte  davon  herrühren,  dass  die  Thiere  sich  von  dem  gemeinsamen 
Stamme  trennten,  ehe  noch  diese  Gliedmassen  überhaupt  gebildet  wurden.  Doch  ist  es  mir  in  den  Fällen, 
die  ich  näher  kenne,  wahrscheinlicher,  dass  dieselben  später  wieder  verloren  gegangen  sind.  Dass  gerade 
diese  Gliedmassen  und  Ringe  sich  leichter  verloren,  als  andere  („Mr.  Dana,  believes,  that  in  ordinary  Crusta- 
ceans,  the  abortion  of  the  segments  with  their  appendages  takes  almost  always  place  at  the  posterior  end 
of  the  cephalothorax".  Darwin,  Balanidae,  S.  in),  findet  seine  Erklärung  darin,  dass  sie  als  die  jüngsten 
weniger  als  die  anderen  durch  langdauemde  Vererbung  befestigt  waren. 


,  ^  .  Für  Darwin. 

poden,  Peneiden,  überhaupt  der  langschwänzigen  Krebse  zu  erhalten  hoffen.  Für 
jetzt  erscheinen  als  besonders  lehrreich  die  mannichfachen  Zoeaformen.  Fast  alle 
Eigenthümlichkeiten,  durch  die  sie  sich  von  der  Urform  der  Peneus-Zoea  (Fig.  2g, 
30,  32)  entfernen,  lassen  sich  in  der  That  auffassen  als  aus  späterer  Zeit  in  diesen 
früheren  Lebensabschnitt  zurückverlegt.  So  die  grossen  zusammengesetzten  Augen ; 
so  die  Bildung  des  Herzens;  so  die  Raubfüsse  bei  Squilla;  so  der  kräftige  mus- 
culöse,  gerade  ausgestreckte  Hinterleib  bei  Palaemon,  Alpheus,  Hippolyte  und  den 
Einsiedlerkrebsen ;  —  (bei  letzteren  ist  gegenwärtig  der  Hinterleib  des  erwachsenen 
Thieres  freilich  ein  ungeschlachter  mit  Leber  und  Geschlechtstheilen  gefüllter  Sack, 
aber  ziemlich  kräftig  noch  auf  der  Glaucothoestufe,  und  noch  kräftiger  war  er 
jedenfalls,  als  diese  Stufe  noch  die  bleibende  Form  des  Thieres  war).  —  So  auch 
der  meist  unter  die  Brust  geschlagene,  dabei  aber  kräftige  Hinterleib  der  Zoea 
von  Krabben,  Porcellanen  und  der  Tatuira;  letztere  beide  schwimmen  noch  jetzt 
leidlich  mittelst  des  Hinterleibes,  selbst  erwachsen;  die  Krabben  wenigstens  in 
der  Jugend,  als  sogenannte  Megalops.  —  So  endlich  die  Verwendung  der  beiden 
vorderen  Gliedmassenpaare  als  Fühler.  Merkwürdig  ist  besonders  das  zweite 
Fühlerpaar,  das  bei  den  verschiedenen  Zoea  sich  immer  einen  Schritt  hinter  dem 
des  erwachsenen  Thieres  hält.  Bei  den  Krabben  fehlt  eine  „Schuppe"  vollständig; 
ihre  Zoea  haben  sie  angedeutet  in  Form  eines  oft  sehr  winzigen  beweglichen 
Anhanges.  Bei  den  Einsiedlerkrebsen  findet  sich  ein  solcher  meist  beweglicher 
dornförmiger  Fortsatz  als  Rest  der  Schuppe ;  ihre  Zoea  haben  eine  wohlentwickelte, 
aber  ungegliederte  Schuppe,  Eine  eben  solche  Schuppe  besitzen  die  erwachsenen 
Garneelen,  bei  deren  Zoea  erscheint  sie  noch  gegliedert,  wie  der  äussere  Ast  am 
zweiten  Fusspaare  der  Nauplius  oder  der  Peneus-Zoea.  — 

Die  langen  stachelförmigen  Fortsätze  am  Panzer  der  Krabben-  und  Porcellanen- 
Zoea  sind  auf  diesem  Wege  nicht  zu  erklären,  doch  ist  ihr  Nutzen  für  die  Larven 
augenscheinlich.  Wenn  z.  B.  der  Leib  der  Zoea  von  Porcellana  stellicola  (Fig.  24) 
ohne  die  Fortsätze  des  Panzers  und  ohne  den  nicht  steif  ausstreckbaren  Hinterleib 
kaum  eine  halbe  Linie,  mit  den  Fortsätzen  vier  Linien  lang  ist,  so  bedarf  es  eines 
achtmal  weiteren  Maules,  um  das  so  ausgerüstete  Thierchen  zu  verschlingen  ^). 
Somit  können  diese  Fortsätze  des  Panzers  als  von  der  Zoea  selbst  im  Kampfe 
ums  Dasein  erworben  angesehen  werden. 

Auf  ein  früheres  Eintreten  ursprünglich  später  erfolgender  Vorgänge  ist 
auch  die  Bildung  neuer  Gliedmassen  unter  der  Haut  der  Larven  zurückzuführen. 
Der  ursprüngliche  Hergang  war  jedenfalls,  dass  sie  erst  nach  der  Häutung  frei 
am  Bauche  im  nächsten  Larvenstadium  hervorsprossten,  während  sie  jetzt  schon 
vor  der  Häutung  sich  entwickeln  und  so  um  ein  Stadium  früher  in  Thätigkeit 
treten.  Bei  Larven,  die  aus  anderen  Gründen  als  der  Urform  näher  stehend  gelten 
müssen,  pflegt  auch  hierin  die  ursprüngliche  Weise  vorzuherrschen.  So  bilden  sich 
die  Schwanzfüsse  (die  „seitlichen  Schwanzblätter")  frei  am  Bauche  bei  Euphausia 
und  den  Garneelen  mit  Naupliusbrut,  innerhalb  des  Schwanzblattes  bei  den  Gar- 
neelen mit  Zoeabrut,  bei  Pagurus,  bei  Porcellana. 


I)  In  ähnlicher  Weise  dienen  der  Persephone,  einer  seltenen  Krabbe  aus  der  Familie  der  Leucosiden, 
ihre  langen  Scheerenfüsse.  Ergreift  man  das  Thier,  so  streckt  es  dieselben  stocksteif  gerade  nach  unten 
und  man  würde  sie  wahrscheinlich  eher  brechen,  als  biegen  können. 


Für  Darwin.  9rcr 

Ein  Zusammendrängen  mehrerer  Stadien  in  eines  und  dadurch  eine  Ab- 
kürzung, Vereinfachung  des  Entvvickkmgsganges  spricht  sich  aus  in  dem  gleich- 
zeitigen Auftreten  mehrerer  neuen  Gliedmassenpaare, 

Wie  frühere  Jugendzustände  nach  und  nach  vollständig  verloren  gehen 
können,  zeigen  Mysis  und  die  Asseln.  Bei  Mysis  findet  sich  noch  ein  Rest  des 
Naupliusstadiums ;  zurückgedrängt  in  eine  Zeit,  wo  er  noch  nicht  selbst  für  sich 
zu  sorgen  hatte,  ist  der  Nauplius  zu  einer  blossen  Haut  herabgesunken ;  bei  Ligia 
(Fig.  36,  37)  hat  diese  Larvenhaut  die  letzten  Spuren  von  Gliedmassen  verloren, 
bei  Philoscia  (Fig.  38)  ist  sie  kaum  mehr  nachzuweisen. 

Wie  die  Stachelfortsätze  der  Zoea,  so  sind  die  Scheeren  am  vorletzten  Fuss- 
paare  des  jungen  Brachyscelus  als  von  der  Larve  selbst  erworben  anzusehen.  Die 
erwachsenen  Thiere  schwimmen  vortrefflich  und  sind  nicht  an  ihr  Wohnthier  ge- 
bunden; sobald  die  Chrysaora  Blossevillei  Less.  oder  das  Rhizostoma  cruciatum 
Less.,  an  dem  sie  sitzen,  in  der  Nähe  des  Strandes  ein  Spiel  der  Wellen  wird, 
fliehen  sie  dieselben,  sie  sind  nur  von  lebensfrischen  Quallen  zu  erhalten.  Die 
Jungen  sind  unbehülfliche  Geschöpfe,  schlechte  Schwimmer;  für  sie  musste  ein 
besonderes  Werkzeug  zum  Festhalten  von  grossem  Nutzen  sein. 

Die  Entwicklungsgeschichte  der  verschiedenen  Malacostraca  im  Einzelnen 
durchzusprechen,  dürfte  keine  dem  Zeitaufwande  entsprechende  Ausbeute  liefern; 
bei  vollständigerer  Kenntniss  würde  es  lohnender  sein.  Ich  verzichte  hier  darauf, 
will  jedoch  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  sich  dabei  manche  bis  jetzt  nicht  be- 
friedigend zu  lösende  Schwierigkeiten  herausstellen  würden.  Auf  diese  vereinzelten 
Schwierigkeiten  lege  ich  indess  um  so  weniger  Gewicht,  als  ja  noch  vor  Kurzem, 
vor  Entdeckung  der  Garneelennauplius,  dieses  ganze  Gebiet  der  Entwicklung  der 
Malacostraca  für  Darwin's  Lehre  fast  unzugänglich  war. 

Auch  bei  den  Widersprüchen,  die  sich  aus  der  Anwendung  der  Darwin'schen 
Lehren  auf  diesem  Gebiete  zu  ergeben  scheinen,  verweile  ich  nicht.  Ich  überlasse 
es  den  Gegnern,  sie  aufzusuchen.  Die  meisten  sind  leicht  als  nur  scheinbar  nach- 
zuweisen. Nur  zweien  dieser  Einwendungen,  die  zu  nahe  liegen,  um  nicht  ge- 
macht zu  werden,  glaube  ich  vorbeugen  zu  müssen. 

,.Die  Eigenthümlichkeiten,  in  welchen  die  Zoea  der  Krabben,  der  Porcellanen, 
der  Tatuira,  der  Einsiedlerkrebse,  der  Garneelen  mit  Zoeabrut  übereinstimmen 
und  durch  welche  sie  sich  gemeinsam  von  den  aus  Nauplius  hervorgehenden 
Larven  der  Peneus  unterscheiden,  drängen  (wird  man  sagen  können)  zu  der  An- 
nahme, dass  schon  der  gemeinsame  Stammvater  dieser  verschiedenen  Decapoden 
in  ähnlicher  Zoeaform  das  Ei  verliess.  Auf  diesen  Stammvater  würden  dann  aber 
weder  die  Peneus  mit  ihrer  Naupliusbrut,  noch  selbst,  wie  es  scheint,  die  Panzer- 
krebse sich  zurückführen  lassen.  —  Die  Entwicklungsweise  der  Peneus,  der  Pali- 
nurus,  sowie  mehrere  eigenthümliche  Larven  von  unbekannter  Herkunft,  die  aber 
mit  aller  Wahrscheinlichkeit  langschwänzigen  Krebsen  zuzuschreiben  sind,  ver- 
langen dagegen  die  entgegengesetzte  Annahme,  dass  die  verschiedenen  Gruppen 
der  Langschwänze  unabhängig  von  einander  und  unabhängig  von  den  Krabben 
von  der  ursprünglichen  zu  ihrer  gegenwärtigen  Entwicklungsweise  gelangten."  — 
Darauf  ist  zu  antworten,  dass  das  Vorkommen  der  Zoeaform  bei  all  den  genannten 
Decapoden,  dass  ihr  Bestehen  bei  Peneus  während  des  ganzen  an  Fortschritten 
reichsten  Lebensabschnittes,  in  dem  die  weite  Kluft  von  Nauplius  bis  zum  Deca- 


256 


Für  Darwin. 


poden  sich  ausfüllt,  dass  ihre  Wiederkehr  selbst  in  dem  so  abweichenden  Ent- 
wicklungsgang der  Maulfüsser,  dass  das  Auftreten  einer  den  jüngsten  Peneus-Zoea 
sich  eng  anschliessenden  Larvenform  bei  der  Schizopodengattung  Euphausia,  dass 
die  Anklänge  an  den  Bau  der  Zoea,  die  selbst  die  erwachsenen  Scheerenasseln 
in  ihrer  Athmungsweise  bewahrt  haben,  —  dass  Alles  dieses  die  Zoea  als  eine 
jener  Entwicklungsstufen  bezeichnet,  die  während  einer  langen  Zeit  der  Ruhe, 
vielleicht  durch  eine  ganze  Reihe  geologischer  Formationen  als  bleibende  Form 
bestanden  und  dadurch  auch  der  Entwicklung  der  Nachkommen  sich  tiefer  ein- 
prägten und  hier  einen  festeren  Kern  bildeten  inmitten  anderer  leichter  zu  ver- 
wischender Jugendzustände.  So  kann  es  denn  nicht  befremden,  dass  auch  bei 
unabhängig  erfolgendem  Uebergange  der  ursprünglichen  Vetwandlungsweise  in 
directe  Entwicklung  dennoch  in  verschiedenen  Familien,  bei  denen  die  früheren 
Entwicklungsstufen  verwischt  sind,  das  Larvenleben  in  gleicher  Weise  mit  dieser 
Zoeaform  anhebt.  Ausser  dem  aber,  was  allen  Zoea  gemeinsam  ist.  und  dem,  was 
sich  leicht  als  aus  einem  späteren  Stadium  in  dieses  zurück  verlegt  erklären  lässt, 
stimmen  z.  B.  die  Zoea  der  Krabben  mit  denen  von  Pagurus  und  Palaemon  in 
keinerlei  Einzelheiten  des  Baues  überein,  die  eine  gemeinsame  Ererbung  anzu- 
nehmen geböten.  Somit  erscheint  die  Annahme  unbedenklich,  dass  als  Krabben 
und  Krebse  sich  schieden,  die  Stammeltern  jeder  dieser  Gruppen  noch  eine  voll- 
ständigere Verwandlung  durchHefen,  dass  der  Uebergang  in  die  heutige  Entwick- 
lungsweise einer  späteren  Zeit  angehört.  Man  kann  für  die  Krabben  hinzusetzen, 
dass  bei  ihnen  dieser  Uebergang  nur  wenig  später  stattfand  und  zwar  bevor  die 
heutigen  Familien  sich  trennten.  Die  Anordnung  der  Panzerfortsätze  und  mehr 
noch  die  gleiche  Zahl  der  Schwanzborsten  bei  den  verschiedensten  Krabbenzoea 
(Fig.  ig — 23)  beweisen  es.  Eine  ähnliche  Uebereinstimmung  in  der  Zahl  so  un- 
wichtig scheinender  Gebilde  ist  nur  aus  gemeinsamer  Ererbung  erklärbar.  Man 
kann  mit  Bestimmtheit  voraussagen,  dass  unter  den  Krabben  keine  Art  sich  finden 
wird,  die  ähnlich  wie  Peneus  noch  heute  Naupliusbrut  hervorbrächte^). 

Von  allen  übrigen  Krustern  entfernen  sich,  wie  wir  sahen,  Mysis  und  die 
Asseln  in  höchst  auffallender  Weise  dadurch,  dass  ihre  Embryonen  nach  oben  statt 
wie  sonst  nach  unten  gekrümmt  sind.  Weist,  könnte  man  fragen,  diese  so  vereinzelt 
stehende  Eigenthümlichkeit  nicht,  im  Sinne  der  Darwin'schen  Lehre,  auf  gemein- 
same Ererbung  hin?  Verlangt  sie  nicht,  dass  man  einerseits  als  Kinder  gleicher 
Stammeltern  Mysis  mit  den  Asseln,  andererseits  die  übrigen  Podophthalmen  mit 
den  Amphipoden  vereinige?  —  Ich  denke  nein.  —  Nur  für  denjenigen,  der  eine 
Eigenthümlichkeit  um  desswillen  höher  werthet,  weil  sie  in  früherer  Zeit  des  Ei- 
lebens auftritt,  besteht  eine  solche  Nöthigung.  Wer  die  Arten  nicht  als  unab- 
hängig und  unveränderlich  erschaffen,  sondern  als  allmählich  geworden  ansieht, 
wird  sich  sagen,  dass,  als  die  Vorfahren  unserer  Mysis,  wahrscheinlich  viel  später 
als  die  der  Amphipoden  und  Asseln,  dazu  kamen,  schon  als  Embryonen  zahlreiche 
Leibesringe   und  Gliedmassen    zu  entwickeln,   als  sie  nun  gerade  ausgestreckt  im 


i)  Ich  darf  nicht  unterlassen  zu  bemerken,  dass  das  über  die  Entwicklung  der  Krabben  Gesagte, 
eigentlich  nur  für  die  von  Alph.  Milne  Edwards  als  Eustomes  zusammengefassten  Gruppen  der  Cyclometopa, 
Catometopa  und  Oxyrhyncha  gilt.  Aus  der  Gruppe  der  Oxystomata,  so  wie  der  den  Krabben  nahe  stehenden 
Anomura  apterura  Edw.  sind  mir  von  keiner  Art  die  frühesten  Jugendzustände  bekannt  geworden. 


Für  Darwin.  2^7 

Eie  nicht  mehr  Platz  fanden  und  sich  daher  krümmen  mussten,  diess  eben  nur 
entweder  abwärts  oder  aufwärts  geschehen  konnte,  und  dass,  welche  Umstände 
auch  für  die  eingeschlagene  Richtung  entscheidend  sein  mochten,  dabei  schwerlich 
eine  nähere  verwandtschaftliche  Beziehung  zu  einer  der  beiden  Edriophthalmen- 
ordnungen  im  Spiele  war. 

Die  verschiedene  Krümmung  des  Embryo  bei  Amphipoden  und  Asseln  ist, 
das  sei  hier  noch  bemerkt,  insofern  belehrend,  als  sie  beweist,  dass  die  heutige 
Entwicklungsweise  erst  nach  der  Scheidung  dieser  Ordnungen  sich  bildete,  dass 
bei  dem  Urstamme  der  Edriophthalmen  die  Embryonen,  wenn  nicht  Nauplius,  so 
doch  noch  kurzleibig  genug  waren,  um  wie  die  von  der  Naupliushaut  umschlossenen 
Achthereslarven,  gerade  ausgestreckt  im  Eie  Platz  zu  finden.  Andererseits  zeugt 
die  innerhalb  jeder  der  beiden  Ordnungen  herrschende  Gleichförmigkeit  der  Ent- 
wicklung, die  sich  bei  den  Amphipoden  z.  B.  in  der  Bildung  des  „Mikropyl- 
apparates",  bei  den  Asseln  im  Mangel  des  letzten  Paares  der  Gangfüsse  ausspricht, 
dafür,  dass  die  heutige  Entwicklungsweise  aus  sehr  früher  Zeit  herrührt  und  bis 
vor  die  Trennung  der  jetzigen  Familien  zurückreicht.  Auch  in  diesen  beiden 
Ordnungen  darf  man  wie  bei  den  Krabben  kaum  Spuren  früherer  Jugendzustände 
zu  finden  hoffen,  es  sei  denn  in  der  Familie  der  Scheerenasseln  ^).  Man  führe 
mir  einen  Amphipoden,  eine  Assel  mit  Naupliusbrut  vor,  deren  Bestehen  doch 
bei  unabhängig  entstandenen  Arten  nicht  auffallender  sein  würde,  als  das  einer 
Garneele   mit  Naupliusbrut,   und  ich  gebe  die  ganze  Darwin'sche  Lehre  verloren. 

Wenn  wir  bei  den  Krabben  und  ebenso  bei  Asseln  und  Amphipoden  zu 
der  Annahme  geführt  wurden,  dass  um  die  Zeit,  wo  diese  Gruppen  von  dem  ge- 
meinsamen Stamme  sich  lösten,  zugleich  eine  Vereinfachung  ihres  Entwicklungs- 
ganges stattfand,  so  erscheint  auch  dies  von  Darwin's  Lehre  aus  begreiflich.  Wenn 
irgendwelche  einer  Thiergruppe  günstige  Umstände  eine  weitere  Ausbreitung  der- 
selben, ein  Auseinandergehen  in  neue  verschiedenen  Lebensverhältnissen  sich  an- 
passende Formen  veranlassten,  so  wird  einmal  schon  diese  grössere  Veränderlich- 
keit, die  eben  in  der  Bildung  neuer  Formen  sich  kundgibt,  auch  die  fast  immer 
vortheilhafte  Vereinfachung  der  Entwicklung  begünstigen  und  es  wird  ausserdem 
gerade  jetzt,  bei  dem  Einleben  in  neue  Verhältnisse,  wie  oben  in  Betreff  der  Süss- 
wasserthiere  angedeutet  wurde,  diese  Vereinfachung  doppelt  vortheilhaft  sein  und 
daher  in  dieser  Beziehung  eine  doppelt  strenge  Auslese  stattfinden. 

Soviel  über  die  Entwicklung  der  höheren  Kruster. 

Eines  näheren  Eingehens  in  die  Entwicklungsgeschichte  der  niederen  Kruster 
bedarf  es  nicht  nach  dem,  was  im  Allgemeinen  über  die  geschichtliche  Bedeutung 
der  Jugendzustände  gesagt,  und  nach  der  Anwendung,  die  davon  eben  auf  die 
Malacostraca  gemacht  wurde.  Man  sieht  ohne  Weiteres,  wie  die  von  Claus  ge- 
gebene Schilderung  der  Copepodenentwicklung  fast  Wort  für  Wort  als  Urgeschichte 
dieser  Thiere   gelten  kann,   man  findet  in  der  Naupliushaut  der  Achthereslarven, 


i)  Ob  der  Mangel  der  Hinterleibsfüsse  bei  den  jungen  Tanais  ein  Erbstück  aus  der  Zeit  der  Urassel, 
oder  eine  später  erworbene  Eigenthümlichkeit  ist,  was  mir  für  jetzt  annehmbarer  scheint,  wird  sich  vielleicht 
mit  einiger  Sicherheit  entscheiden  lassen,  wenn  man  Entwicklung  und  Lebensweise  der  Familiengenossen, 
Apseudes  und  Rhoea,  kennen  gelernt  hat.  Letztere  ist  bekanntlich  die  einzige  Assel,  die  noch  eine  Neben- 
geissel  an   den  vorderen  Fühlern  besitzt. 

Fritz   Müllers  gesammelte  Schriften.  1/ 


258 


Für  Darwin. 


in  der  eiähnlichen  Larve  von  Cryptophialus  ganz  ähnliche  Spuren  eines  Ueber- 
gangs  zu  directer  Entwickhing,  wie  sie  schon  die  NaupHushülle  der  Mysis- 
embryonen  und  die  madenförmige  Larve  der  Ligia  zeigten,  u.  s.  w. 

Es  genüge,  auf  einen  wesentlichen  Unterschied  im  Entwicklungsgange  der 
höheren  und  niederen  Kruster  hinzuweisen.  Bei  letzteren  werden  alle  neuen 
Leibesringe  und  Gliedmassen,  die  sich  zwischen  die  Endabschnitte  des  Nauplius- 
leibes  einschieben,  in  ununterbrochener  Folge  von  vorn  nach  hinten  gebildet ;  bei 
ersteren  tritt  noch  einmal  eine  Neubildung  in  der  Mitte  des  Leibes  auf,  der  Mittel- 
leib, der  sich  auf  ähnliche  Weise  zwischen  Vorderleib  und  Hinterleib  drängt,  wie 
diese  ihrerseits  zwischen  Kopf  und  Schwanz  des  Nauplius.  —  Was  schon  die 
Vergleichung  der  Gliedmassen  der  erwachsenen  Thiere  wahrscheinlich  macht, 
findet  also  in  der  Entwicklungsgeschichte  eine  neue  Stütze,  dass  nämlich  den 
niederen  Krustern,  ebenso  wie  den  Insecten,  ein  dem  Mittelleibe  der  Malacostraca 
entsprechender  Leibesabschnitt  völlig  abgeht.  Dass  die  Schwimmfüsse  der  Cope- 
poden,  sowie  der  Puppen  von  Rankenfüssern  und  Wurzelkrebsen  den  Hinterleibs- 
füssen  der  Malacostraca  entsprechen,  d.  h.  mit  ihnen  aus  gleicher  Quelle  durch 
Ererbung  sich  ableiten,  ist  wahrscheinlich. 

Es  wäre  leicht,  die  einzelnen  Fäden,  welche  die  Jugendformen  der  ver- 
schiedenen Kruster  liefern,  zu  einem  Gesammtbilde  der  Urgeschichte  dieser  Klasse 
zu  verweben.  Ein  solches  Gemälde,  mit  einigem  Geschick  angelegt  und  in  frischen 
Farben  ausgeführt,  würde  sicher  mehr  Anziehendes  haben,  als  die  trockenen  Er- 
örterungen, die  ich  an  die  Entwicklungsgeschichte  dieser  Thiere  knüpfte.  Noch 
aber  wäre  die  Verschürzung  der  losen  Fäden  vielfach  eine  willkürliche,  mit  gleichem 
Rechte  so  oder  so  auszuführen ;  noch  wäre  manche  Lücke  nur  diu-ch  mehr  oder 
minder  gewagte  Voraussetzungen  auszufüllen.  Minder  auf  diesem  Gebiete  Be- 
wanderte würden  dann  leicht  auch  da  auf  sicherem  Boden  zu  wandeln  glauben, 
wo  nur  die  Phantasie  eine  luftige  Brücke  geschlagen;  Kenner  dagegen  würden 
bald  diese  schwachen  Stellen  des  Baues  herausfinden,  aber  dann  leicht  auch  das 
als  in  der  Luft  schwebend  ansehen,  was  auf  wohlerwogene  Thatsachen  gebaut 
wurde.  Diesen  Missdeutungen  seines  wirklichen  Gehaltes  nach  einer  und  der 
anderen  Seite  vorzubeugen,  wäre  es  nöthig,  ein  solches  Bild  fortlaufend  mit  langen 
dürren  Erläuterungen  zu  begleiten.  Das  hat  mich  abgehalten,  die  Umrisse,  die 
ich  schon  entworfen  hatte,  weiter  auszumalen  \). 

Bei  dem  äussersten,  am  weitesten  in  die  nebelgraue  Urzeit  zurückweichenden 
Vorposten  der  Klasse,  dem  Nauplius,  angelangt,  blickt  man  sich  natürlich  um,  ob 
von  da  aus  nicht  Wege  zu  erspähen  sind  nach  anderen  naheliegenden  Gebieten. 
Man  könnte  mit  Oscar  Schmidt  bei  der  Hinterleibsbildung  der  Nauplius  an  die 
bewegliche  Schwanzgabel  der  Räderthiere  erinnern,  in  denen  ja  Manche  überhaupt 
nahe  Verwandte  der  Kruster,  oder  doch  der  Arthropoden  erkennen  wollen;  man 
könnte  bei  den  sechs  den  Mund  umstehenden  Füssen  an  einen  ursprünglich 
strahligen  Bau  denken,  u.  s.  w.  Sicheres  vermag  ich  nicht  zu  sehen.  —  Selbst 
nach  den  näher  liegenden  Gebieten  der  Tausendfüsse  und  der  Spinnen  finde  ich 
keine  Brücke.  Nur  für  die  Insecten  bietet  vielleicht  die  Entwicklung  der  Malaco- 
straca  einen    Anknüpfungspunct.     Wie   manche  Zoea   besitzen    die   Insecten    drei 


i)  Zusatz  aus  der  englischen  Uebersetzung  des  Ruches  am  Ende  dieser  Arlieit.        Der  Herausgeber. 


Für  Darwin.  ^cq 

Paar  der  Nahrungsaufnahme,  drei  Paar  der  Bewegung  dienende  Gliedmassen ;  wie 
die  Zoea,  haben  sie  einen  anhanglosen  Hinterleib;  wie  bei  allen  Zoea,  entbehren 
bei  allen  Insecten  die  Kinnbacken  des  Tasters.  Allerdings  des  Gemeinsamen 
wenig,  bei  dem  Vielen,  was  diese  beiden  Thierformen  unterscheidet.  Immerhin 
mag  die  Vermuthung,  dass  die  Insecten  ihren  gemeinsamen  Stammvater  in  einer 
Zoea  hatten,  die  sich  zum  Leben  auf  dem  Lande  erhob,  weiterer  Prüfung  em- 
pfohlen sein. 

Manches  in  den  obigen  Aufstellungen  mag  verfehlt  sein,  manche  Deutung 
misslungen,  manche  Thatsache  nicht  ins  rechte  Licht  gestellt.  Eines  aber,  hoffe 
ich,  soll  mir  gelungen  sein,  —  unbefangene  Leser  zu  überzeugen,  dass  wirk- 
lich Darwin's  Lehre,  wie  für  so  viele  andere  ohne  sie  unerklärbare  Thatsachen,  so 
auch  für  die  Entwicklungsgeschichte  der  Kruster  den  Schlüssel  des  Verständnisses 
bietet.  Die  Mängel  also  dieses  Versuches  wolle  man  nicht  dem  von  der  sicheren 
Hand  des  Meisters  vorgezeichneten  Plane,  man  wolle  sie  einzig  dem  Ungeschick 
des  Handlangers  zur  Last  legen,  der  nicht  für  jedes  Werkstück  die  rechte  Stelle 
zu  finden  verstand. 


In  der  Vorrede  der  englischen  Uebersetzung  des  Buches  „Für  Darwin", 
welche  von  W.  S.  Dallas  F.  L.  S.,  London  bei  John  Murray  i86g  besorgt  wurde, 
sagt  der  Uebersetzer,  es  seien  ihm  von  Fritz  Müller  mehrere  Verbesserungen  und 
Zusätze  zu  der  Arbeit  geliefert  worden.  Die  Verbesserungen,  welche  sich  auf 
Druckfehler  und  falsche  Stellung  der  Figuren  bezogen,  sind  in  dem  vorliegenden 
Abdruck  ohne  weiteres  berücksichtigt.  Die  Zusätze  finden  sich  an  den  S.  252 
und  258  angemerkten  Stellen  und  lauten: 

Zu  S.  252  : 

I  will  here  briefly  give  my  reasons  for  the  opinion  that  the  socalled  "com- 
plete  metamorphosis"  of  Insects,  in  which  these  animals  quit  the  eg^g  as  grubs  or 
caterpillars,  and  afterwards  become  quiescent  pupae  incapable  of  feeding,  was  not 
inherited  from  the  primitive  ancestor  of  all  Insects,  but  acquired  at  a  later  period. 

The  Order  Orthoptera,  including  the  Pseudoneuroptera  {Ephemera,  Libel- 
lula,  &.c)  appears  to  approach  nearest  to  the  primitive  form  of  Insects.  In 
f avour  of  this  view  we  have :  — 

1,  The  structure  of  their  buccal  organs,  especiaUy  the  formation  of  the  labium, 
"which  retains,  either  perfectly  or  approximately,  the  original  form  of  a  second 
pair  of  maxillse"  (Gerstäcker). 

2.  The  segmentation  of  the  abdomen;  "like  the  labium,  the  abdomen  also 
very  generally  retains  its  original  segmentation,  which  is  shown  in  the  development 
of  eleven  segments"  (Gerstäcker).  The  Orthoptera  with  eleven  segments  in  the 
abdomen,  agree  perfectly  in  the  number  of  their  bod3^-scgments  with  the  Prawn- 
larva  represented  in  fig.  33.  or  indeed,  with  the  higher  Crustacea  (Podophthalma 
and  Edriophthalma)  in  general,  in  which  the  historically  youngest  last  thoracic 
Segment  (see  XII),  which  is  sometimes  late-developed,  or  destitute  of  appen- 
dages,  or  even  deficient,  is  still  wanting. 


26o 


Für  Darwin. 


3.  That,  as  in  the  Crustacea.  the  sexual  orifice  and  anus  are  placed  upon 
different  segments;  "whilst  the  former  is  situated  in  the  ninth  segment,  the  latter 
occurs  in  the  eleventh"  (Gerstäcker). 

4.  Their  palaeontological  occurrence;  "in  a  fossil  State  the  Orthoptera  make 
their  appearance  the  earliest  of  all  Insects,  namely  as  early  as  the  Carboniferous 
formation,  in  which  the}^  exceed  all  others  in  number"  (Gerstäcker). 

5.  The  absence  of  uniformity  of  habit  at  the  prcsent  day  in  an  order  so 
small  when  compared  with  the  Coleoptera,  Hymenoptera,  e^c.  For  this  also  is 
usually  a  phenomenon  characteristic  of  very  ancient  groups  of  forms  which  have 
already  overstepped  the  climax  of  their  development,  and  is  explicable  b}^  extinction 
in  mass.  A  Beetle  or  a  Butterfly  is  to  be  recognised  as  such  at  the  first  glance, 
but  onty  a  thorough  investigation  can  demonstrate  the  mutual  relationships  of 
Tennes,  Blatta,  Mantis,  Forficula,  Ephemera,  Libellula,  &.c.  I  may  refer  to  a 
corresponding  remarkable  example  from  the  vegetable  world :  amongst  Ferns  the 
genera  Aneimia,  Schizcea  and  Lygodium,  belonging  to  the  group  Schizceacece  which 
is  very  poor  in  species,  differ  much  more  from  each  other  than  an}'^  two  forms 
of  the  group  Polypodiacece  which  numbers  its  thousands  of  species. 

If,  from  all  this,  it  seems  right  to  regard  the  Orthoptera  as  the  order  of 
Insects  approaching  most  nearly  to  the  common  primitive  form,  we  must  also 
expect  that  their  mode  of  development  will  agree  better  with  that  of  the  primitive 
form,  than,  for  example,  that  of  the  Lepidoptera,  in  the  same  way  that  some  of 
the  Prawns  (Peneus)  approaching  most  closely  the  primitive  form  of  the  Decapoda, 
have  most  truly  preserved  their  original  mode  of  development.  Now,  the  majority 
of  the  Orthoptera  quit  the  egg  in  a  form  which  is  distinguished  from  that  of  the 
adult  Insect  almost  solely  by  the  want  of  wings;  these  larvae  then  soon  acquire 
rudiments  of  wings,  which  appear  more  strongly  developed  after  every  moult. 
Even  this  perfectly  gradual  transition  from  the  youngest  larva  to  the  sexually 
mature  insect,  preserves  in  a  far  higher  degree  the  picture  of  an  original  mode 
of  development,  than  does  the  so-called  complete  metamorphosis  of  the  Coleoptera, 
Lepidoptera,  or  Diptera,  with  its  abruptly  separated  larva-,  pupa-  and  imago-states. 

The  most  ancient  Insects  would  probably  have  most  resembled  these  wingless 
larvse  of  the  existing  Orthoptera.  The  circumstance  that  there  are  still  numerous 
wingless  species  among  the  Orthoptera,  and  that  some  of  these  {Blattidce)  are  so 
like  certain  Crustacea  (Isopods)  in  habit  that  both  are  indicated  by  the  same  name 
i^' Baratta")  by  the  people  in  this  country,  can  scarcely  be  regarded  as  of  any 
importance. 

The  contrary  supposition  that  the  oldest  Insects  possessed  a  "complete  meta- 
morphosis", and  that  the  "incomplete  metamorphosis"  of  the  Orthoptera  and 
Hemiptcra  is  only  of  later  origin,  is  met  by  serious  difficulties.  If  all  the  classes 
of  Arthropoda  (Crustacea,  Insecta,  Myriopoda  and  Arachnida)  are  indeed  all 
branches  of  a  common  stem  (and  of  this  there  can  scarcely  be  a  doubt),  it  is 
evident  that  the  water-inhabiting  and  water-breathing  Crustacea  must  be  regarded 
as  the  original  stem  from  which  the  other  terrestrial  classes,  with  their  tracheal 
respiration,  have  branched  off.  But  nowhere  among  the  Crustacea  is  there  a  mode 
of  development  comparable  to  the  "complete  metamorphosis"  of  the  Insecta,  nowhere 
among   the   young  or  adult  Crustacea  are  there  forms  which  might  resemble  the 


P"ür  Darwin.  201 

maggots  of  the  Diptera  or  Hymenoptera,  the  larvse  of  the  Coleoptera,  or  the  cater- 
pillars  of  the  Lepidoptera,  still  less  any  bearing  even  a  distant  resemblance  to 
the  quiescent  pupae  of  these  animals.  The  pup^,  indeed,  cannot  at  all  be  regarded 
as  members  of  an  original  developmental  series,  the  individual  stages  of  which 
represent  permanent  ancestral  states,  for  an  animal  like  the  mouthless  and  footless 
pupa  of  the  Silkworm,  enclosed  by  a  thick  cocoon,  can  never  have  formed  the 
final,  sexually  mature  State  of  an  Arthropod. 

In  the  development  of  the  Insecta  we  never  see  new  segments  added  to 
those  already  present  in  the  youngest  larvae,  but  we  do  see  segments  which  were 
distinct  in  the  larva  afterwards  become  fused  together  or  disappear.  Considering 
the  parallelism  which  prevails  throughout  organic  nature  between  palaeontological 
and  embryonic  development,  it  is  therefore  improbable  that  the  oldest  Insects 
should  have  possessed  fewer  segments  than  some  of  their  descendants.  But  the 
larvse  of  the  Coleoptera,  Lepidoptera,  &c.,  never  have  more  than  nine  abdominal 
segments,  it  is  therefore  not  probable  that  they  represent  the  original  young  form 
of  the  oldest  Insects,  and  that  the  Orthoptera,  with  an  abdomen  of  eleven  seg- 
ments, should  have  been  subsequently  developed  from  them. 

Taking  into  consideration  on  the  one  band  these  difficulties,  and  on  the 
other  the  arguments  which  indicate  the  Orthoptera  as  the  order  most  nearly 
approaching  the  primitive  form,  it  is  my  opinion  that  the  "incomplete  meta- 
morphosis"  of  the  Orthoptera  is  the  primitive  one,  inherited  from  the  original 
parents  of  all  Insects,  and  the  "complete  metamorphosis"  of  the  Coleoptera, 
Diptera,  &c.,  a  subsequently  acquired  one. 

Zu  S.  258: 

I  will  only  give,  as  an  example,  the  probable  history  of  the  production  of  a 
Single  group  of  Crustacea,  and  indeed  of  the  most  abnormal  of  all,  the  Rhizo- 
cephala,  which  in  the  sexually  mature  State  differ  so  enormously  even  from  their 
nearest  allies,  the  Cirripedia,  and  from  their  peculiar  mode  of  nourishment  stand 
quite  alone  in  the  entire  animal  kingdom. 

I  must  preface  this  with  a  few  words  upon  the  homology  of  the  roots  of 
the  Rhizocephala,  i.e.  the  tubules  which  penetrate  from  its  point  of  adhesion  into 
the  body  of  the  host,  ramify  amongst  the  viscera  of  the  latter,  and  terminate  in 
caecal  branchlets.  In  the  pupae  of  the  Rhizocephala  (fig.  58)  the  foremost  limbs 
("prehensile  antennee")  bear,  on  each  of  the  two  terminal  joints,  a  tongue-like,  thin- 
skinned  appendage,  in  which  we  may  generally  observe  a  few  small  strongly 
refractive  granules,  like  those  seen  in  the  roots  of  the  adult  animal.  I  have  there- 
fore supposed  these  appendages  to  be  the  rudiments  of  the  future  roots.  A  per- 
fectly  similar  appendage,  "a  most  delicate  tube  or  ribbon",  was  found  by  Darwin 
in  free-swimming  pupae  of  Lepas  mistralis  on  the  last  joints  of  the  "prehensile 
antennae".  From  the  perfect  accordance  in  their  entire  structure  shown  by  the 
pupae  of  the  Rhizocephala  and  Cirripedia,  there  can  be  no  doubt  that  the  append- 
ages of  Sacculina  and  Lepas,  which  are  so  like  each  other  and  spring  from 
the  same  spot,  are  homologous  structures. 

Now  in  three  species  of  Lepas,  in  Dichelaspis  Warwickii  and  in  Scalpellum 
Peronii,  Darwin  saw,  on  tearing  recently-affixed  animals  from  their  point  or 
Support,   that    a   long   narrow    band   issued   from  the  same  point  of  the  antennae; 


202 


Für  Darwin. 


its  end  was  torn  awa3%  and  in  Dichelaspis,  judging  from  its  riigged  appearance, 
it  had  attached  itself  firmly  to  the  support.  From  this  it  follows  that  this  append- 
age  in  Lepas  australis  can  hardly  be  anything  but  a  young  cement-duct.  If, 
therefore,  the  supposition  that  the  appendages  on  the  antennae  of  the  pupae  of 
PUiizocephala  are  young  roots  be  correct,  the  roots  of  the  Rhizocephala  are  homo- 
logous  with  the  cement-ducts  of  the  Cirripedia.  And  this,  stränge  as  it  may 
appear  at  the  first  glance,  seems  to  me  scarcely  doubtful.  It  is  true  that  the  act 
of  adhesion  of  the  Rhizocephala  has  never  yet  been  observed,  but  it  is  more 
than  probable  that  they  attach  themselves,  just  like  the  Cirripedia,  by  means  of 
the  antennae,  and  that  therefore  the  points  of  attachment  in  the  two  groups  indicate 
homologous  parts  of  the  bod}^  From  the  point  of  attachment  in  the  Rhizocephala 
the  roots  penetrate  into  the  bod}^  of  the  host,  whilst  in  the  Cirripedia,  the  cement- 
ducts  issue  from  the  same  point.  The  roots  are  blind  tubes,  ramified  in  different 
species.  The  cement-ducts  in  the  basis  of  the  Balanidae  likewise  contitute  a  gene- 
rally  remarkably  complicated  System  of  ramified  tubes,  with  regard  to  the  mode 
of  termination  of  which  nothing  certain  has  yet  been  made  out.  Individual  caecal 
branches  are  not  unfrequently  seen  even  in  the  vicinity  of  the  carina;  and,  at 
least  in  some  species,  in  which  the  cement-ducts  divide  into  extremely  numerous 
and  fine  branchlets,  forming  a  network  which  gradually  becomes  denser  towards 
the  circumference  of  the  basis,  these  seem  nowhere  to  possess  an  orifice. 

Now  as  to  the  question :  How  were  Cirripedia  converted  by  natural  selection 
into  Rhizocephala? 

A  considerable  number  of  existing  Cirripedia  settle  exclusively  or  chiefly 
upon  living  animals;  —  on  Sponges,  Corals,  MoUusks,  Cetaceans,  Turtles,  Sea- 
Snakes,  Sharks,  Crustaceans,  Sea  Urchins,  and  even  on  Acalephs.  Dichelaspis 
Darwinii  was  found  by  Filippi  in  the  branchial  cavity  of  Palimirus  vulgaris, 
and  I  have  met  with  another  species  of  the  same  genus  in  the  branchial  cavity 
of  Liipea  diacantha. 

The  same  thing  may  have  taken  place  in  primitive  times.  The  supposition 
that  certain  Cirripedes  might  once  upon  a  time  have  selected  the  soft  ventral 
surface  of  a  Crab,  Porcellana  or  Pagurtis,  for  its  d wellin g-place,  has  certainly 
nothing  improbable  about  it.  If  then  the  cement-ducts  of  such  a  Cirripede  instead 
of  merely  spreading  on  the  surface,  pierced  or  pushed  before  them  the  soft  ventral 
skin  and  penetrated  into  the  interior  of  the  host,  this  must  have  been  beneficial 
to  the  animal,  because  it  would  be  thereby  more  securely  attached  and  protected 
from  being  thrown  off  during  the  moulting  of  its  host.  Variations  in  this  direction 
were  preserved  as  advantageous. 

But  as  soon  as  the  cement-ducts  penetrated  into  the  body-cavit}^  of  the  host 
and  were  bathed  by  its  fluids,  an  endosmotic  interchange  must  necessarily  have 
been  set  up  between  the  materials  dissolved  in  these  fluids  and  in  the  Contents 
of  the  cement-ducts,  and  this  interchange  could  not  be  without  influence  upon 
the  nourishment  of  the  parasite.  The  new  source  of  nourishment  opened  up  in 
this  manner  was,  as  constantly  flowing,  more  certain  than  that  offered  by  the 
nourishment  accidentally  whirled  into  the  mouth  of  the  sedentary  animal.  The 
individuals  favoured  in  the  development  of  the  cement-ducts  now  converted  into 
nutriferous  roots,  had  more  than  others  the  prospect  of  abundant  food,  of  vigorous 


Für  Darwin. 


263 


growth,  and  of  producing  a  niimerous  progeny.  With  the  further  development, 
assisted  by  natural  selection,  of  the  roots  embracing  the  intestine  of  the  host  and 
spreading  amongst  its  hepatic  tubes,  the  introduction  of  nourishment  through  the 
mouth  and  all  the  parts  implicated  in  it,  such  as  the  whirling  cirri,  the  buccal 
Organs,  and  the  intestine,  gradually  lost  their  importance,  became  aborted  by 
disuse,  and  finally  disappeared  without  leaving  a  trace  of  their  existence.  Protected 
by  the  abdomen  of  the  Grab,  or  by  the  shell  inhabitcd  by  the  Paguriis,  the 
parasite  also  no  longer  required  the  calcareous  test,  in  which,  no  doubt,  the  first 
Cirripedes  settling  upon  these  Decapods  rejoiced.  This  protective  covering,  having 
become  superfluous,  also  disappeared,  and  there  remained  at  last  only  a  soft  sack 
filled  with  eggs,  without  limbs,  without  mouth  or  alimentary  canal,  and  nourished, 
like  a  plant,  by  means  of  roots,  which  it  pushed  into  the  body  of  its  host.  The 
Cirripede  had  become  a  Rhizocephalon. 

If  it  be  desired  to  form  a  notion  of  what  our  parasite  may  have  looked  like 
when  half  way  in  its  progress  from  the  one  form  to  the  other,  we  may  consult 
the  figures  given  by  Darwin  (Lepadidse  PI.  IV.,  figs.  i — 7)  of  Anelasma  squalicola. 
This  Lepadide,  which  lives  upon  Sharks  in  the  North  Sea,  seems,  in  fact,  to  be  in 
the  best  way  to  lose  its  cirri  and  buccal  organs  in  the  same  manner.  The  widely- 
cleft,  shell-less  test  is  supported  upon  a  thick  peduncle,  which  is  immersed  in  the 
skin  of  the  Shark.  The  surface  of  the  peduncle  is  beset  with  much-ramified, 
hollow  filaments,  wich  "penetrate  the  Shark's  flesh  like  roots"  (Darwin).  Darwin 
looked  in  vain  for  cement-glands  and  cement.  It  seems  to  me  hardly  doubtful, 
that  the  ramified  hollow  filaments  are  themselves  nothing  but  the  cements-ducts 
converted  into  nutritive  roots,  and  that  it  is  just  in  consequence  of  the  development 
of  this  new  source  of  nourishment,  that  the  cirri  and  buccal  organs  are  in  the 
highest  degree  aborted.  All  the  parts  of  the  mouth  are  extremely  minute;  the 
palpi  and  exterior  maxillse  have  almost  disappeared;  the  cirri  are  thick,  inarti- 
culate,  and  destitute  of  bristles;  and  the  muscles  both  of  the  mouth  and  cirri  are 
without  transverse  striation.  Darwin  found  the  stomach  perfectly  empty  in  the 
animal  examined  by  him. 


Description  of  a  new  Genus  of  Amphipod  Crustacea^). 

Batea,  nov.  gen. 

Mit  Tafel  XXV. 

Antennse  simple.  Coxae  of  the  first  pair  of  gnathopoda  rudimentary,  those 
of  the  second  pair  of  gnathopoda  and  the  first  two  pair  of  pereiopoda  largely 
developed.  Coxse  of  the  second  pair  of  pereiopoda  deeply  excavated  upon  the 
Upper  part  of  the  posterior  margin.  First  pair  of  gnathopoda  rudimentary,  con- 
sisting  of  coxa  and  basis  only;  second  pair  of  gnathopoda  subchelate.  Mandibles 
having  an  articulated  appendage.  Maxilhpeds  having  a  squamiform  plate  on  both 
the  basis  and  ischium  joints.  Fourth  and  fifth  pairs  of  pleopoda  with  styHform 
rami,  sixth  pair  with  subfoHaceous  rami.     Telson  single,  deeply  cleft. 

Species  Batea  catharinensis,  F.  M. 

I  will  here  add  some  remarks  on  the  sexual  differences  of  this  interesting 
species.  The  pereion  is  somewhat  longer  and  higher  in  the  female;  the  antennse 
of  the  same  are  shorter.  The  first  Joint  of  the  peduncle  of  the  upper  antennae  has 
three,  the  second  four  fasciculi  of  hairs  on  the  inferior  side  in  the  male ;  they  are 
wanting  in  the  female.  The  long  setse  at  the  extremity  of  the  alternate  articles 
of  the  flagellum  of  the  first  antenna?  are  directed  downwards  in  the  female,  back- 
wards  in  the  male.  The  third  and  fourth  joints  of  the  peduncle  of  the  lower  an- 
tennae have  fasciculi  of  short  hairs  on  their  upper  sides  in  the  male,  which  are 
wanting  in  the  female.  (The  eyes  are  larger  in  the  male.)  The  flagellum  of  the 
lower  antennae  has  long  upward-directed  setse  at  the  extremities  of  alternate  joints 
in  the  female,  which  do  not  exist  in  the  male.  The  first  pair  of  gnathopoda  are 
shorter  in  the  male,  with  but  few  hairs  near  the  top ;  they  are  as  long  as  the  basis 
of  the  second  pair  of  gnathopoda  in  the  female,  slender,  flexible,  with  long  hairs 
on  the  anterior  margin,  and  shorter  curved  hairs  at  the  distal  extremity.  The  coxae 
of  the  second  pair  of  gnathopoda   are  much  higher  in  the  female.     The  first  two 


I)  Annais  and  Magazine  of  natural  History   1865.  p.  276 — 277.  Plate  X. 


Description  of  a  new  Genus  of  Amphipod  Crustacea.  26 S 

pairs  of  pereiopoda  have  the  carpus  and  propodos  fringed  with  long  hairs  at  the 
posterior  margin ;  these  hairs  are  wanting  in  the  female. 

Desterro,  Brazil,  Oct.   lo,  1864. 


Erklärung-  der  Abbildungen  auf  Tafel  XXV. 

Fig.  I.  Batea  catharinensis,  male:  b,  superior  antennse ;  g,  maxilliped ;  h,  first  gna- 
thopod;  h^,  coxa;  If-,  basis;  /,  second  gnathopod;  q,  second  pleopod;  r,  third  ditto; 
s,  fourth  ditto ;  /,  fifth  ditto ;  v,  posterior  pleopod ;  z,  telson. 


Ueber  Cumaceen^). 

Beleuchtung-  der  Abhandlung  Van  Beneden's^)  über  diese  Familie. 

Kröyer^)  stellte  1846  die  Familie  der  Cumaceen  auf  und  schilderte  ihren 
Bau  in  meisterhafter  Weise.  Als  ich  1857  einige  Thiere  dieser  Familie  unter- 
suchte, fand  ich,  dass  Kröyer  wie  gewöhnlich  seinen  Nachfolgern  nur  eine 
dürftige  Nachlese  übrig  gelassen  hatte  und  hielt  desshalb  die  Mittheilung  meiner 
Beobachtungen  für  überflüssig.  Indessen  scheint  über  der  Naturgeschichte  der 
Cumaceen  ein  eigener  Unstern  zu  walten.  Nachdem  Goodsir'*)  Bruttasche  und 
Eier  der  Weibchen  gesehen,  nachdem  Kröyer  Junge  der  Bruttasche  entnommen 
und  sorgfältig  die  Unterschiede  zwischen  Männchen  und  Weibchen  erörtert,  hat 
dennoch  Agassi z  in  den  Cumaceen  Garneelenlarven  finden  wollen  und  unbe- 
greiflicherweise haben  die  beiden  bedeutendsten  Forscher  auf  diesem  Gebiete, 
H.  Milne  Edwards  und  Dana  der  nicht  näher  begründeten  Vermuthung  von 
Agassiz  mehr  Gewicht  beigemessen  als  den  bestimmten  unzweideutigen  An- 
gaben von  Goodsir  und  Kröyer.  Und  nachdem  Kröyer  eine  musterhafte 
Darstellung  des  Baues  und  namentlich  auch  der  nicht  eben  leicht  zu  entwirrenden 
Mundtheile  gegeben,  ist  neuerdings  VanBeneden  mit  einer  durchaus  verfehlten 
Auffassung  dieser  Verhältnisse  hervorgetreten  und  unbegreiflicherweise  hat  wieder 
ein  Forscher,  der  eben  so  scharf  zu  beobachten  als  umsichtig  die  Arbeiten  seiner 
Vorgänger  zu  würdigen  versteht,  Claus°),  der  oberflächlichen  Darstellung  Van 
Beneden's  den  Vorzug  gegeben  vor  der  gründlichen  Arbeit  Kröyer's,  des 
anerkannten  Meisters  in  carcinologischen  Untersuchungen.  Somit  ist,  was  1857 
überflüssig  erscheinen  musste,  1864  wieder  Bedürfniss  geworden,  eine  erneute  ein- 
gehende Schilderung  des  Baues  der  Cumaceen.  Ich  will  jedoch  diese  Schilderung 
verschieben,  bis  es  mir  gelungen  ist,  die  mir  bekannt  gewordenen  Bruchstücke 
aus  der  Entwicklungsgeschichte  der  Cumaceen  zu  einem  einigermassen  vollstän- 
digen Bilde  zu  ergänzen,  und  beschränke  mich  für  jetzt  auf  eine  Beleuchtung  der 

1)  Archiv  für  Naturgeschichte   1865.  I.  p.  311 — 323. 

2)  Van  Beneden,  Recherches  sur  la  faune  littorale  de  Beigique.  Crustaccs.  1861.  S.  71  —  87. 
Les  Cumades. 

3)  Kröyer,  Naturhistorisk  Tidsskrift.  Ny  Raekke.  II.  Bd.  S.  203—206. 

4)  Goodsir  in  Edinl)urgh  New.  Philos.  Journal  1843,  und  daraus  in  Bell  British  Staik-cyed 
Crustacea  p.  321 — 333. 

5)  Claus,   Die  freilebenden  Copepoden    18G3.   S.    18. 


Ueber  Cumaccen.  207 

Abhandlung  Van  Bencden's.  Es  ist  hohe  Zeit,  einer  noch  weiteren  Verbreitung 
der  darin  gehäuften  Irrthümer  vorzubeugen  und  die  älteren  richtigen  Angaben 
wieder  in  ihr  Recht  einzusetzen. 

V.  B.  beginnt  seine  Abhandlung  mit  einer  geschichtlichen  Einleitung;  es 
wird  darin  über  K  r  ö  y  e  r's  Aufsatz  gesagt,  dass  er  diese  Thiere  mit  der  alle  seine 
Arbeiten  bezeichnenden  Sorgfalt  untersuchte  (a.  a.  O.  S.  73),  und  an  einer  anderen 
Stelle  seiner  Abhandlung  (S.  78)  wiederholt  V.  B,,  dass  Krö3^er  diese  Kruster 
mit  Sorgfalt  und  mit  vollständiger  Kenntniss  ihres  Baues  beschrieben  habe.  Wer 
die  Cumaceen  kennt,  wird  diesem  Urtheile  freudig  zustimmen ;  aber  es  nimmt  sich 
äusserst  sonderbar  aus  im  Munde  V.  B.'s,  der,  wie  wir  sehen  werden,  alle  nicht 
beim  ersten  flüchtigen  Blicke  ins  Auge  fallenden  Verhältnisse,  die  Mundtheile, 
die  Athemwerkzeuge,  die  Geschlechtsunterschiede  u.  s.  w.,  in  durchaus  von  Kröyer 
abweichender  Weise  darstellt  und  zwar  ohne  je  auch  nur  mit  einem  Worte  dieser 
Verschiedenheit  zwischen  seiner  und  Kröyer's  Darstellung  zu  gedenken.  Dies 
ist  ein  erster  schwerer  Vorwurf,  der  der  Abhandlung  V.  B.'s  gemacht  werden 
muss.  Kröyer's  Arbeiten  sind  stets  mit  so  peinlicher  Gewissenhaftigkeit  abge- 
fasst,  dass  jeder  ernste  Forscher  es  für  seine  Pflicht  halten  wird,  alle  Punkte  der 
eingehendsten  Erörterung  zu  unterziehen,  bei  denen  er  sich  von  Kr 03^ er  abzu- 
weichen genöthigt  sieht.  Fühlt  V.  B.  sich  so  hoch  über  Kröyer  erhaben,  dass 
er  erwartet  ohne  Weiteres  seine  eigenen  Angaben  denen  des  bewährten  dänischen 
Forschers  vorgezogen  zu  sehen  ?  Oder  ist  er  sich  der  Unterschiede  zwischen 
seiner  und  Kröyer's  Darstellung  gar  nicht  bewusst  geworden?  Hat  er  in  der- 
selben flüchtigen  Weise,  in  der  er  seine  Beobachtungen  angestellt,  auch  die  Ar- 
beiten seiner  Vorgänger  gelesen? 

Wie  Kröyer  wird  auch  Spence  Bäte  behandelt.  Derselbe  hatte  aus- 
gesprochen, wie  V.  B.  in  seiner  geschichtlichen  Einleitung  (S.  74)  berichtet,  dass 
in  der  Form  der  Kinnbacken  ^)  die  Cumaceen  sich  den  Amphipoden  nähern.  V.  B. 
selbst  findet  dagegen,  dass  die  Kinnbacken  der  Cumaceen  viel  von  denen  der 
Mysis  haben  (S.  87);  aber  wieder  hält  er  es  nicht  der  Mühe  w^erth,  auch  nur  mit 
einem  Worte  seine  Auffassung  der  jenes  gründlichen  Amphipodenkenners  gegen- 
über zu  begründen  ^). 


i)  Mit  Kröyer  übersetze  ich  mandibulae  durch  Kinnbacken,  maxillae  durch  Kiefer. 

2)  Das  merkwürdigste  Beispiel  der  harmlosen  Selbstgenügsamkeit,  die  sich  in  diesem  Verfahren  aus- 
spricht, bietet  in  derselben  Sammlung  carcinologischer  Aufsätze  der  die  Gattung  Naupridia  (oder  wie  V.  B. 
schreibt,  Naupredia)  betreffende  Abschnitt  (a.  a.  O.  p.  96).  Diese  Gattung  war  bekanntlich  von  La  tr ei  IIa 
aufgestellt  worden  für  Caprelliden,  die  fünf  Paar  Füsse  in  ununterbrochener  Reihe  und  eine  Kieme  am 
Grunde  des  2ten,  3ten  und  4ten  Paares  haben  sollten.  Danach  hatte  man  wohl  mit  Recht  vermuthet, 
dass  es  sich  um  Thiere  der  Gattung  Proto  Leach  (Leptomera  Latr.)  handle,  die  zufällig  ihre  letzten  beiden 
Fusspaare  verloren  hatten.  Dem  gegenüber  meint  V.  B. :  „11  est  inutile  de  faire  remarquer  qua  des  car- 
cinologistes  ont  eu  tort  de  supposer  que  cas  Naupredia  ne  sont  qua  des  Leptomera  mutil6s;  ce  sont  bien 
des  crustaces  complets."  Zum  Beweise  folgt  dann  eine  Beschreibung,  die  vollständig  auf  eine  Leptomera 
passen  würde,  der  die  letzten  beiden  Fusspaare  fehlen,  und  die  also  nur  zur  Stütze  der  von  V.  B.  be- 
kämpften oder  vielmehr  nicht  einmal  des  Bekämpfens  werth  gehaltenen  Ansicht  dienen  kann,  und  zum 
Schlüsse  heisst  es  dann :  „on  est  tr^s-dispose,  en  les  voyant,  ;i  les  prendre  pour  des  Caprella  mutil6s ; 
.  .  .  .  ce  sont  cependant  bien  comme  nous  venons  de  le  voir,  des  animaux  entiers".  Natürlich :  V.  B. 
sagt  es ;  das  muss  genügen.  Daher  kein  Wort  über  die  Merkmale,  durch  die  man  eine  Naupridia  von 
einer  verstümmelten  Proto  unterscheiden  könnte;  kein  Wort  über  die  Markmale,  die  ausser  dam  Mangel 
zweier   Fusspaare    die    Gattung    kennzeichnen    sollen;    es    muss   genügen,    dass    V.   B.    das  Bestehen  solcher 


268 


Ueber  Cumaceen. 


Der  geschichtlichen  Einleitung  folgt  die  Beschreibung  dreier  von  V.  B.  an 
der  belgischen  Küste  beobachteten  Arten.  Zwei  derselben,  Bodotria  Goodsirii 
und  Leucon  cercaria  werden  als  neu  betrachtet,  die  dritte  als  Cuma  Rathkii  Kr. 
bestimmt.  Vergleicht  man  nun  Beschreibung  und  Abbildung  mit  Kröyer's 
Diagnose,  so  findet  man  nicht  eines  der  für  diese  Art  besonders  bezeichnenden 
Merkmale  erwähnt  oder  gezeichnet,  weder  die  gezähnelten  Längsleisten  des  Panzers, 
noch  die  sägeartige  Bewaffnung  oder  den  grossen  („maximum  validumque"  Kr.) 
dornartigen  Fortsatz  am  Hinterrande  des  letzten  Brustringes,  noch  die  Verbreiterung 
am  Ende  des  Grundgliedes  der  vom  ersten  freien  Ringe  entspringenden  Füsse, 
noch  endlich  die  dreizehn  Paare  seitlicher  Dornen  am  mittleren  Schvvanzanhange. 
Und  doch  müssten  alle  diese  Verhältnisse,  wie  ich  nach  Untersuchung  einer  nahe- 
stehenden Art  behaupten  darf,  bei  der  von  V.  B.  angewandten  Vergrösserung 
deutlich  hervortreten.  Dagegen  sagt  V.  B.  ausdrücklich,  dass  man  zwischen  den 
drei  letzten  Ringen  der  Brust  keine  anderen  als  Grössenunterschiede  sehe,  und 
dass  der  mittlere  Schwanzanhang  leicht  gezähnelt,  aber  borstenlos  sei.  Doch  will 
ich  trotz  alledem  nicht  behaupten,  dass  die  Art  V.  B.'s  doch  nicht  die  Cuma 
Rathkii  Kr.  sein  könne;  denn  man  darf  sich  nicht  allzusehr  auf  V.  B.'s  Zeich- 
nungen und  Beschreibungen  verlassen  ^). 

Zu  den  einzelnen  Angaben  der  Abhandlung  übergehend  beginne  ich  mit 
einem  Punkte,  in  Betreff  dessen  die  beiden  ersten  Beobachter,  welche  mehrere 
Arten  von  Cumaceen  zu  untersuchen  Gelegenheit  hatten,  sich  widersprechen. 
G  o  o  d  s  i  r  schreibt  denselben  kleine  paarige  Augen  zu,  die  so  dicht  beisammen 
stehen,  dass  das  Thier  auf  den  ersten  Blick  einäugig  erscheint;  dabei  werden  sie, 
—  ob  in  Folge  eines  Druckfehlers  ?  —  „gestielt,  aber  sitzend"  2)  genannt.  Kröyer 
bezeichnet  die  Cumaceen  als  augenlos.  Ich  finde  bei  meinen  Arten  ein  unpaares 
Auge  mit  bisweilen  sehr  ansehnlichen  Linsen,  so  dass  also  Goodsir's  Angaben 
(von  der  sich  selbst  widersprechenden  Bezeichnung:  „gestielt,  aber  sitzend"  ab- 
gesehen) im  Wesentlichen  richtig  sind;  denn  zwischen  zwei  bis  zu  anscheinender 
Einäugigkeit  genäherten  Augen  und  einem  einzigen  Auge  mit  paarig  angeordneten 
Linsen  ist  kein  grosser  Unterschied.  Dass  Kröyer  die  Augen  übersah,  erklärt 
sich,  wenn  sie  nicht  seinen  Arten  wirklich  fehlen,  wohl  aus  deren  blasser  Färbung 


Merkmale  behauptet,  dass  er  sagt:  „qu'on  pourra  joindre  divers  caracteres  egalement  importants  ä  ceux  que 
ce  savant  (Latreille)  leur  a  attribues  dejä".  —  Ich  stimme  Spence  Bäte  bei  (Catalogue  of  Amphipod. 
Crustac.  p.  382),  der  die  Naupridia  tristis  V.  B.  für  eine  verstümmelte  Proto  pedata  Leach  erklärt.  — 
Eines  muss  jedoch  anerkannt  werden:  der  Name  Naupridia  tristis  ist  vortrefflich  gewählt;  V.  B.'s  Auf- 
satz ist  ein  trauriges  Beispiel  der  traurigen  Ergebnisse,  die  nur  beiläufige  Ausflüge  in  Gebiete, 
auf  denen  man  nicht  heimisch  ist,  zu  liefern  pflegen. 

i)  ,,I1  est  prudent  de  ne  pas  trop  s'en  rapporter  au  dessin  et  aux  descriptions"  sagt  V.  B.  (S.  77) 
in  Bezug  auf  Cyrianassa  gracilis  Sp.  B.  —  Bei  V.  B.'s  eigenen  carcinologischen  Arbeiten  ist  solche  Vorsicht 
gewiss  an  der  Stelle.  Den  trefflichen  Spence  Bäte  aber  halte  ich  für  Pflicht  gegen  diesen  halben  Vor- 
wurf der  UnZuverlässigkeit  in  Schutz  zu  nehmen.  Ich  habe  bei  Bestimmung  von  gegen  50  Amphipoden 
unseres  Meeres  in  Spence  Bate's  Catalogue  of  Amphipod.  Cnistacea  mindestens  die  dreifache  Zahl  von 
Abbildungen  und  Beschreibungen  nahestehender  Arten  genau  verglichen  und  mich  überzeugt,  dass  dieser 
der  Wissenschaft  so  früh  entrissene  englische  Forscher  meisterhaft  verstand,  selbst  in  kurzen  Beschreibungen 
wirklich  bezeichnende  Arteigenthümlichkeiten  scharf  hervorzuheben  und  sie  treu  in  seinen  Zeichnungen  wieder- 
zugeben, und  dass,  einzelne  Irrthümer  abgerechnet,  denen  der  Beste  nicht  entgeht,  seine  Abbildungen  und 
Beschreibungen  als  durchaus  zuverlässig  bezeichnet  werden  dürfen. 

2)  ,,pedunculated,  but  sessile"  s.  Bell,  Brit.  Stalk-eyed  Crustacea  S.  323. 


Ueber  Cumaceen. 


269 


bei  den  eigentlichen  Cuma  -).  V.  B.  leugnet  nun  richtig  das  Vorhandensein  ge- 
stielter Augen  (S.  79)  und  sagt,  dass  die  Cumaceen  sitzende  Augen  haben,  wie 
die  Edriophthalmen  (S.  87);  über  die  Beschaffenheit  dieser  Augen  aber  findet  sich 
in  der  Beschreibung  von  Cuma  kein  Wort,  und  bei  Bodotria  und  Leucon  sollen 
einige  Pigmentflecken  die  Stelle  des  Auges  vertreten.  Die  Dürftigkeit  dieser 
Angaben,  die  weit  hinter  dem  schon  von  Goodsir  Gebotenen  zurückbleiben,  ist 
um  so  befremdlicher,  da  V.  B.  eine  Bodotria  untersuchte,  bei  welcher  Gattung 
das  dunkelgefärbte,  an  der  äussersten  Spitze  des  Körpers  gelegene  Auge  dem 
ersten  Blicke  seine  grossen  Linsen  zeigt,  und  da  ihm  in  seinem  Leucon  cercaria 
eine  so  durchsichtige  Art  vorlag,  wie  sie  noch  keinem  anderen  P'orscher  zu  Ge- 
bote gestanden  hat.  Die  Abbildung,  die  V.  B.  von  dem  Augenflecken  eines  zer- 
quetschten Thieres  dieser  Art  giebt  (PI.  XIV.  fig.  2),  mag  naturgetreu  sein ;  nur 
ist  für  die  Untersuchung  eines  Auges  das  Zerquetschen  eben  keine  besonders 
empfehlenswerthe  Methode. 

In  Betreff  der  Fühler  ist  hervorzuheben,  dass  V.  B.  (S.  86)  an  den  hinteren 
Fühlern  von  Leucon  eine  kleine  Nebengeissel  beschreibt,  und  deren  sogar  zwei, 
die  eine  zweigliedrig,  die  andere  ungegliedert  zeichnet  (Taf.  XIV.  fig.  2).  Da 
nicht  nur  die  übrigen  Cumaceen,  sondern  überhaupt  alle  höheren  Kruster  im  er- 
wachsenen Zustande  niemals  mehr  als  einen  gegliederten  Anhang  am  zweiten 
Fühlerpaare  tragen,  würde  das  Vorkommen  einer  und  mehr  noch  das  ganz  un- 
erhörte Vorkommen  zweier  Nebengeisseln  ein  höchst  merkwürdiger  Umstand  sein. 
Derselbe  bedarf  indess  um  so  mehr  der  Bestätigung,  da  der  Widerspruch  zwischen 
Beschreibung  und  Abbildung  kein  günstiges  Vorurtheil  für  die  Zuverlässigkeit 
der  einen  wie  der  anderen  erwecken  kann. 

Von  den  Kinnbacken  seiner  drei  Arten  giebt  V.  B.  Abbildungen,  die 
auch  nicht  die  leiseste  Aehnlichkeit  mit  einander  haben  und  alle  unvollständig 
und  falsch  sind.  Wie  Kröyer  richtig  angibt,  sind  die  Kinnbacken  der  Cumaceen. 
verglichen  mit  denen  anderer  höherer  Kruster,  schlank  („elongata  angustata"  Kr.), 
mit  starken  Zähnen  an  der  Spitze,  einem  sehr  grossen  Kaufortsatze  und  zwischen 
beiden  mit  einem  Kamme  starker  Borsten  oder  Dornen  („pectine  setoso"  Kr.)  ver- 
sehen. Bei  Cuma  hat  nun  V.  B.  den  Borstenkamm  weggelassen  und  von  dem 
Uebrigen  eine  ziemlich  verquetschte  Ansicht  gegeben,  bei  Bodotria  nur  den 
Borstenkamm  und  die  Zähne  der  Spitze  gezeichnet,  und  bei  Leucon  sind  als  Kinn- 
backen zwei  plumpe  Stummel  dargestellt,  die  am  Grunde  zusammenstossen  und 
anscheinend  durch  ein  unpaares  Stück  verbunden  sind,  wahrscheinlich  die  Unter- 
lippe des  Thieres.  Dass  nicht  nur  bei  Krustern  und  Insekten,  dass  ebenso  bei 
Schnecken,  bei  Fischen,  bei  Säugethieren  und  wo  sonst  Kauwerkzeuge  vorkommen, 
dieselben  bei  den  Gliedern  derselben  natürlichen  Familie  übereinstimmend  gebaut 
sind  und  dass  deshalb  wenigstens  zwei  seiner  Abbildungen  falsch  sein  müssen, 
scheint  V.  B.  nicht  in  den  Sinn  gekommen  zu  sein.  Sonst  würde  er  entweder 
durch  erneute  Untersuchung  übereinstimmende  Bilder  von  den  drei  Arten  zu  er- 
halten gesucht,  oder  die  völlige  Verschiedenheit  der  Kinnbacken  bei  drei  so  nahe- 


i)  Spence  Bäte  hat  die  Cumaceen  richtig  als  einäugig  erkannt,  wie  ich  aus  einem  Briefe  desselben 
weiss.  Seine  Abhandlung  über  diese  Thiere  habe  ich  nicht  gesehen.  —  V.  B.  mag  auch  diese  Arbeit 
Spence  Bate's,  obwohl  er  sein  Urtheil  darüber  abgiebt,  nur  obenhin  angesehen  haben,  da  er  seiner  Dar- 
stellung der  Augen  nicht  «edenkt. 


270 


Ueber  Cumaceen. 


Stehenden  Arten  als  einen  in  seiner  Art  einzigen  Fall  hervorgehoben  haben. 
Aber  weder  von  dem  einen  noch  von  dem  anderen  ein  Wort  im  Texte,  der  noch 
dürftiger  ist  als  selbst  die  Abbildungen.  Die  Kinnbacken  der  Cuma  „haben  nichts 
Merkwürdiges,  als  den  Mangel  eines  Tasters"  (S.  83) ;  die  von  Bodotria  ,.sind  kurz 
und  plump  und  ihre  freie  Spitze  ist  mit  kleinen  steifen  Borsten  besetzt"  (S.  80)  und 
auch  die  von  Leucon  „haben  nichts  Besonderes,  als  ilire  plumpe  Form  und  ihre 
kurzen  zum  Kauen  dienenden  Borsten"  (S.  86). 

Die  beiden  Kieferpaare,  von  Kröyer  richtig  beschrieben,  sind  bei  Cuma 
und  Leucon  von  V.  B.  vollständig  übersehen  worden ;  es  werden  als  solche  die 
beiden  ersten  Paare  der  Kieferfüsse  beschrieben  und  abgebildet  und  zwar  der 
Abwechslung  wegen  als  vorderer  Kiefer  bei  Cuma  (Taf.  XII.  fig.  4,  e)  der  erste, 
bei  Leucon  (Taf.  XIV.  fig.  3,  b)  der  zweite  und  als  hinterer  Kiefer  bei  Cuma 
(Taf.  XII.  fig.  4,  /)  der  zweite  und  bei  Leucon  (Taf.  XIV.  fig.  3,  c)  der  erste 
Kieferfuss.  Dass  bei  Leucon  wirklich  diese  Umkehrung  der  natürlichen  Reihen- 
folge stattgefunden,  dass  der  (Taf.  XIV.  fig.  3,  b)  als  vorderer  Kiefer  abgebildete 
und  beschriebene  Theil  wirklich  der  zweite  Kieferfuss  sei,  darüber  lässt  seine 
Grösse,  die  Länge  des  Grundgliedes  und  die  für  die  Gattung  Leucon  bezeichnende 
Gliederzahl  (sechs,  bei  Cuma  fünf)  keinen  Zweifel.  Dass  (in  Taf.  XIV.  fig.  3,  c) 
statt  fünf  nur  drei  Glieder  gezeichnet  sind,  verdient  kaum  besonderer  Erwähnung, 
da  solche  Ungenauigkeiten  zu  häufig  wiederkehren,  um  einzeln  aufgezählt  zu 
werden. 

Dadurch,  dass  bei  Cuma  und  Leucon  die  beiden  Kieferpaare  übersehen 
wurden,  erhält  natürlich  V.  B.  (und  Claus  hat  sich  diese  Auffassung  angeeignet) 
für  die  Cumaceen  zwei  Leibesringe  weniger  als  für  die  übrigen  Malacostraca  und 
es  bleiben  ihm  nur  drei  Paar  eigentlicher  Füsse. 

Bei  Bodotria  wird  die  Sache  noch  hübscher.  Zunächst  versichert  V.  B.  (S.  76), 
dass  hier  die  Gesammtzahl  der  Anhänge  des  Cephalothorax  dieselbe  sei,  wie  bei 
den  übrigen  Cumaceen,  also  elf  Paar  nach  V.  B. ;  nur  sei  das  dritte  Paar  der 
Kieferfüsse  zu  eigentlichen  Füssen  geworden  und  von  letzteren  daher  ein  Paar 
vorhanden.  Weiterhin  aber  werden  (S.  80)  zwei  Paar  Fühler,  ein  Paar  Kinn- 
backen, zwei  Paar  Kiefer,  drei  Paar  Kieferfüsse,  ein  Paar  eigentlicher  Füsse  mit 
äusserem  Aste  und  ein  Paar  einfacher  Füsse  aufgezählt,  was  denn  doch  wohl 
dreizehn  und  nicht  elf  Paar  ausmacht.  Aber  es  kommt  noch  besser!  Trotzdem 
dass  ein  Paar  eigentlicher  Füsse  mit  äusserem  Aste,  und  vier  Paare  ohne  solchen 
Ast  beschrieben  werden,  versichert  V.  B.  wiederholt  (S.  76  und  S.  81),  dass  die 
Zahl  der  eigentlichen  Füsse  sich  auf  vier  Paar  beläuft;  also  eins  und  vier  ist 
vier  ! !  !  —  „il  n'y  a  pas  de  doute  ä  cet  egard",  wie  V.  B.  zur  Beruhigung  derer 
hinzusetzt,  die  die  Richtigkeit  dieser  Rechnung  bezweifeln  möchten.  —  Ein  weiteres 
Beispiel  seiner  neuen  Rechenkunst  bietet  uns  V.  B.  in  der  Behauptung,  dass  der 
Panzer  der  Bodotria  von  10  Ringen  gebildet  werde  ^),  dass  4  freie  Brustringe 
vorhanden  seien,  und  dass  der  ganze  Cephalothorax  aus  derselben  Ringzahl  wie 
bei  Cuma,  nämlich  aus  11   Ringen  bestehe;  demnach  wäre  also   10  +  4=11. 

Was  bei  Bodotria  als  Kiefer  abgebildet  wird  (Taf.  XIII.  fig.  11,  12),  mögen 
Bruchstücke  dieser  Anhänge  oder  auch  der  Kieferfüsse  sein,  die  ich  indess  nicht 


I)  „Dix  somites  concourent  ä  la  formalion  de  la  caiapace"  a.  a.  O.  S.   79. 


Ueber  Cuinaceen. 


271 


näher  zu  bestimmen  vermag;  der  Text  giebt  in  diesem  Falle  noch  weniger  An- 
halt, als  sonst,  da  es  einfach  heisst:  „nous  passons  sous  silcnce  les  deux  paires  de 
mächoires".  —  Um  die  Verwirrung  vollständig  zu  machen,  steht  die  Erklärung 
der  auf  die  Gliedmassen  von  Bodotria  bezüglichen  Abbildungen  (S.  166  und 
Taf.  XIII.  fig.  10 — 15)  in  Widerspruch  mit  dem  Texte.  Die  beiden  ersten  Paare 
der  Kieferfüsse  werden  als  sehr  schlank  und  zart  beschrieben  und  kein  äusserer 
Ast  derselben  erwähnt;  in  der  Abbildung  sieht  man  dagegen  äusserst  ansehnliche, 
kräftige  mit  äusserem  Aste  versehene  Gliedmassen  (fig.  13  und  14).  In  der  Er- 
klärung der  Abbildungen  wird  das  zweite  Paar  der  Kieferfüsse  als  letztes  be- 
zeichnet, im  Texte  ein  drittes  Kieferfusspaar  beschrieben.  Im  Texte  wird  das 
erste  eigentliche  Fusspaar  als  zweiästig,  dem  dritten  Kieferfusspaar  durchaus  ähn- 
lich, aber  bedeutend  länger  geschildert;  in  der  Abbildung  (fig.  15)  sieht  man  einen 
einfachen  Fuss  kaum  halb  so  lang,  als  die  vorhergehenden  Gliedmassen.  —  Bei 
näherer  Vergleichung  ergiebt  sich,  dass,  was  im  Texte  als  drittes  Paar  der  Kiefer- 
füsse, erstes  und  zweites  Paar  der  eigentlichen,  in  der  Erklärung  der  Abbildungen 
als  erstes  und  zweites  Paar  der  Kieferfüsse  und  erstes  Paar  eigentlicher  Füsse 
bezeichnet  wird. 

Eine  ähnliche  Sudelei  ist  natürlich  in  keiner  Weise  zu  entschuldigen,  aber 
sie  erklärt  sich  leicht  aus  dem  Umstände,  für  den  diese  und  andere  Abhandlungen 
desselben  Werkes  mannichfache  Beläge  liefern,  dass  V.  B.  seine  Aufsätze  aus 
einzelnen  zu  verschiedenen  Zeiten  abgefassten  Theilen  zusammengestückt  und 
dabei  sich  nicht  einmal  die  Mühe  gegeben  hat,  dieselben  noch  einmal  aufmerksam 
durchzulesen  und  mit  einander  in  Einklang  zu  bringen.  V.  B.  fand  bei  Unter- 
suchung der  Anhänge  am  Cephalothorax  der  Bodotria  nur  elf  Paar;  da  er  damals 
seine  neue  Gliedmassentheorie  noch  nicht  fertig  hatte,  benannte  er  sie  im  Ein- 
klänge mit  seinen  Vorgängern  und  nahm  richtig  an,  dass  er  die  Kiefer  übersehen 
haben  könne  ^).  Als  er  später  bei  Cuma  und  Leucon  in  Betreff  der  Kiefer  nicht 
glücklicher  war,  hielt  er  sich  überzeugt,  dass  wirklich  nur  elf  Paar  Anhänge  vor- 
handen seien,  taufte  daher  die  einzelnen  Gliedmassen  um  und  nahm  diese  neuen 
Namen  auch  in  die  Erklärung  der  zu  Bodotria  gezeichneten  Abbildungen  auf,  ohne 
jedoch  die  abweichenden  ursprünglichen  Benennungen  im  Texte  zu  ändern. 

Ueber  die  so  höchst  eigenthümlichen  Kiemen  der  Cumaceen  erfahren  wir 
in  V.  B.'s  Abhandlung  nicht  ein  Wort,  er  scheint  dieselben  für  kiemenlos  zu  halten, 
und  zu  glauben,  dass  sie  mit  ihrer  dicken  verkalkten  Haut  athmen.  Eine  besondere 
Kiemenhöhle  spricht  er  ihnen  ausdrücklich  ab  (S.  87).  Und  doch  sind  die  Athem- 
bewegungen  das  Erste,  was  bei  Betrachtung  einer  lebenden  Cuma  die  Aufmerk- 
samkeit fesselt;  und  doch  scheint  es  kaum  möglich,  die  gewaltig  grosse  Kieme 
(„branchia  maxima"  Kr.)  zu  übersehen,  wenn  man  eine  Cuma  mit  der  Nadel  zer- 
zupft; und  doch  haben  bereits  Goodsir  und  Kröyer  Lage  und  Gestalt  der 
Kiemen  richtig  beschrieben ;  und  doch  untersuchte  V.  B.  eine  ungewöhnlich  durch- 
sichtige Art,  bei  der  das  ganze  Spiel  der  Athembewegungen  sich  aufs  prächtigste 
musste  verfolgen  lassen. 


i)  Statt  einfach  zu  erklären:  ich  konnte  die  von  Kröyer  beschriebenen  Kiefer  nicht  finden,  sagt 
V.  B. :  „nous  passons  sous  silence  les  deux  paires  de  mächoires".  Man  merke  sich  für  vorkommende  Fälle 
diesen  Euphemismus. 


212  Ueber  Cumaceen. 

V.  B.  versichert,  dass  er  von  seinen  drei  Arten  beide  Geschlechter  lebend 
gesehen  habe  (S.  78),  sowie  dass  er  vollständig  die  Angaben  Kröyer's  und 
Goodsir's  über  die  Eier  und  Embryonen  dieser  Thiere  bestätigen  könne  (S.  75). 
—  Ohne  diese  ausdrückliche  Versicherung  würde  man  versucht  sein  zu  glauben, 
dass  ihm  überhaupt  nie  ein  Weibchen  vorgekommen  sei,  denn  alle  von  ihm  be- 
schriebenen und  abgebildeten  Thiere  sind  Männchen.  Bei  Cuma  und  Leucon 
spricht  sich  V,  B.  überhaupt  nicht  über  das  Geschlecht  der  dargestellten  Thiere 
aus  und  erwähnt  keinerlei  Geschlechtsverschiedenheiten ;  es  beweisen  aber  die 
Länge  der  hinteren  Fühler,  sowie  die  Anwesenheit  von  äusseren  Aesten  am 
vierten  Paare  der  Brustfüsse  und  von  Anhängen  an  den  ersten  Hinterleibsringen, 
dass  man  Männchen  vor  sich  hat  vmd  zwar  wahrscheinlich  noch  nicht  geschlechts- 
reife  Männchen,  wie  namentlich  die  unbedeutende  Entwicklung  der  erwähnten 
äusseren  Aeste  vermuthen  lässt.  Bei  Bodotria  ist  allerdings  von  Weibchen  die 
Rede;  aber  die  von  dem  angeblichen  Weibchen  abgebildeten  und  als  bezeichnend 
für  dieses  Geschlecht  betrachteten  Theile,  die  des  reichen  Riechfädenbüschels  noch 
entbehrenden  vorderen  Fühler,  die  hinteren  Fühler,  welche  die  Länge  des  Panzers 
erreichen  und,  äusserlich  ungegliedert,  eine  vielgliedrige  Geissei  umschliessen,  die 
borstenlosen  Hinterleibsanhänge,  gehören  sämmtlich  einem  jungen  Männchen  an. 
Bei  den  Weibchen  auch  dieser  Gattung,  die  als  solche  an  der  Anwesenheit  von 
Eiern,  sei  es  im  Leibe,  sei  es  in  der  Bruttasche,  erkannt  wurden,  finde  ich  die 
hinteren  Fühler  äusserst  kurz  und  den  Hinterleib  fusslos  ^).  —  Es  bleibt  nun  frei- 
lich noch  ein  höchst  auffälliger  Unterschied  zwischen  den  Alännchen  und  dem 
angeblichen  Weibchen,  letzteres  soll  an  den  Hinterecken  des  Panzers  jederseits 
eine  starke  Spitze  tragen,  „die  nicht  einem  wirklichen  Dorne  gleicht,  sondern 
vielmehr  in  ihrer  ganzen  Länge  geringelt  ist,  wie  ein  fühlerähnlicher  Anhang" 
(S.  79).  Was  ist  dieser  fühlerähnliche  Anhang  hinten  am  Panzer,  dem  Aehnliches 
im  ganzen  Bereiche  der  Kruster  nicht  gesehen  wird  ?  Die  Abbildung  (Taf.  XHI. 
fig.  6)  lässt  darüber  keinen  Zweifel;  es  ist  offenbar  einer  der  beiden  Fühler,  der 
sich  unter  dem  Mikroskop  zufällig  so  gelagert  hat,  dass  seine  Spitze  die  hintere 
untere  Ecke  des  Panzers  überragt.  Die  Ringelung  ist  ganz  dieselbe,  wie  sie  der 
(fig.  8)  in  stärkerer  Vergrösserung  dargestellte  Fühler  zeigt,  und  beschreibt  man 
(in  fig.  6)  um  den  Ursprung  des  vollständig  gezeichneten  Fühlers  einen  Kreis 
durch  dessen  Spitze,  so  geht  derselbe  genau  auch  durch  die  Spitze  des  wunder- 
baren Panzeranhangs. 

Dass  er  mit  seinen  angeblichen  Geschlechtseigenthümlichkeiten  der  Weibchen 
in  Widerspruch  mit  Kröyer  steht,  demzufolge  die  Weibchen  der  Cumaceen  ver- 
kümmerte nur  V40  bis  Vso  der  Länge  des  Körpers  erreichende  hintere  Fühler  haben 
u.  s.  w.,  scheint  V.  B.  wie  gewöhnlich  nicht  gemerkt  zu  haben. 

Die  Embryonen  der  Cumaceen  sollen  im  Laufe  der  Entwicklung  die  grösste 
Aehnlichkeit  mit  denen  der  Mysis  haben  (S.  87).  Hätte  die  ganze  Abhandlung 
nicht  in  jeder  Zeile  den  Beweis  geliefert,  wie  unglaublich  oberflächlich  V.  B.  die 


i)  Kröyer  sagt  zwar  in  der  Diagnose  von  Bodotria:  quinque  pedum  abdominalium  paria  feminarum 
permagna,  natatoria" ;  allein  er  selbst  hat  diese  Gattung  nicht  untersucht ,  sondern  die  Diagnose  nach 
Goodsir's  Angaben  entworfen,  der  auch  nur  ein  einziges  Exemplar  beobachtete;  dieses  hielt  Kröyer, 
wahrscheinlich  wegen  des  Mangels  äusserer  Aeste  an  den  vier  letzten  Paaren  der  Brastfüsse,  irrigerweise 
für  ein  Weibchen. 


Ueber  Cumaceen. 


273 


Cumaceen  sich  betrachtet  hat,  so  würde  man  aus  dieser  Behauptung  zu  schliessen 
geneigt  sein,  dass  er  überhaupt  niemals  den  Embryo  einer  Cuma  sah.  Gerade 
ihm,  der  so  eingehend  und  sorgfältig  die  Entwicklung  der  M3'sis  verfolgt  hatte, 
hätte  es  ja  beim  ersten  flüchtigen  Blicke  auf  einen  Cumaceenembryo  auffallen 
müssen,  dass  hier  von  der  wichtigsten  Eigenthümlichkeit  der  jungen  Mysis,  von 
der  naupliusähnlichen  Larvenhaut  mit  ihren  säbelförmigen  Fühlern  und  ihrem 
Gabeischwanze,  auch  nicht  die  leiseste  Spur  vorhanden  ist;  ähnlich  ist  nur  die 
Lagerung  des  Embryo,  dessen  Schwanzende  wie  bei  Mysis  und  den  Isopoden 
nach  oben  gekrümmt  ist. 

V.  B.  zieht  aus  seinen  Beobachtungen  den  Schluss,  dass  die  Cumaceen  ihre 
natürliche  Stelle  im  System  zur  Seite  der  Mysis  finden  und  zwar  wegen  des 
Mangels  der  Augenstiele  eine  niedrigere  Stufe  einnehmen  (S.  87).  Er  stützt  sich 
dabei  auf  die  Aehnlichkeit  der  Kinnbacken,  die  aber  ganz  wie  bei  den  Amphi- 
poden  gebaut  und  denen  von  Mysis  nicht  ähnlicher  sind,  als  denen  eines  beliebigen 
Decapoden  oder  Isopoden ;  auf  den  Mangel  einer  besonderen  Kiemenhöhle,  die 
aber  vorhanden  ist;  auf  die  Aehnlichkeit  der  Verdauungswerkzeuge,  die  aber 
einer  Magenbewaffnung  entbehren  („ventriculus  nuUis  intus  organis  manducatoriis 
instructus"  Kr.),  während  die  Leberschläuche  nicht  mehr  an  Mysis,  als  an  die 
Asseln  erinnern;  auf  die  Bildung  der  Bruttasche,  die  aber  wie  bei  den  Amphi- 
poden  zwischen  den  vorderen  und  nicht  wie  bei  Mysis  zwischen  den  hinteren 
Füssen  angebracht  ist,  endlich  auf  die  Entwicklung,  von  der  so  eben  die  Rede  war. 

Nach  alledem  dürfte  die  Abhandlung  Van  Beneden's  über  die  Cumaceen 
in  ihrer  Art  einzig  dastehen  in  der  zoologischen  Literatur^).  Sie  enthält,  wie 
einmal  Lessing  sagte,  und  das  ist  das  glimpflichste  Urtheil,  das  sich  über  sie 
fällen  lässt,  —  sie  enthält  viel  Neues  und  Wahres;  schade  nur,  dass  das  Wahre 
nicht  neu,  und  das  Neue  nicht  wahr  ist. 

Desterro,  im  December  1864. 


i)  Von  der  schönen  Arbeit  über  die  Entwicklung  der  Mysis  abgesehen  sind  übrigens  die  meisten 
Aufsätze  in  den  „Untersuchungen  über  die  Kruster  der  belgischen  Küste"  der  Abhandlung  über  die  Cu- 
maceen ziemlich  ebenbürtig.  Es  dürfte  kaum  der  Mühe  lohnen,  sie  in  ähnlicher  Weise  einzeln  durchzu- 
sprechen. Dieses  eine  Beispiel  wird  genügen,  um  die  äusserste  Vorsicht  bei  Benutzung  derselben  räthlich 
erscheinen  zu  lassen. 


Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften. 


Ueber  die  Randbläschen  der  Hydroidquallen^). 

Mit   I   Textfigur. 

In  seinen  ganz  vortrefflichen  „Studien  über  das  Gehörorgan  der  Decapoden" 
gedenkt  Victor  Mensen  beiläufig  der  Randbläschen  einer  E  u c o p e  Ggb.,  und 
gibt  von  denselben  eine  Beschreibung  und  Abbildung,  die  weit  abweicht  von  der 
Darstellung  aller  früheren  Beobachter  ^).  Es  soll  danach  an  der  centralen  Seite 
der  „Hörblasen"  oder  „Otolithensäcke",  wie  Hensen  die  Randbläschen  nennt, 
eine  verdickte  Stelle  sich  finden,  von  der  aus  sehr  feine  Haare  nach  einem  in 
der  Mitte  des  Sackes  liegenden,  von  einer  inneren  Blase  umschlossenen  Steine 
gehen. 

Veranlasst  durch  die  Angaben  Hensen 's  habe  ich  mir  die  Randbläschen 
verschiedener  Hydroidquallen  noch  einmal  angesehen  und  glaube  danach  behaupten 
zu  dürfen,  dass  sich  dieser  umsichtige  Beobachter  denn  doch  wohl  in  seiner  Auf- 
fassung der  Randbläschen  von  Eucope  getäuscht  hat,  die  er  nur  einmal  zu  unter- 
suchen Gelegenheit  fand. 

Ueber  die  An-  oder  Abwesenheit  der  zarten  Häärchen  kann  ich  freilich 
nichts  sagen,  da  diese  für  mein  Mikroskop  kaum  erkennbar  sein  würden.  Allein 
es  erscheint  mir  unzweifelhaft,  einmal,  dass  die  „Steine"  nicht  frei  in  der  Mitte 
des  Randbläschens  schweben,  nur  durch  zarte  Häärchen  gehalten,  und  zweitens, 
dass  die  „innere  Blase"  gar  keine  Blase  ist,  sondern  ein  dichter  Körper.  Ich 
glaube  mich  hiervon  selbst  bei  Eucope  überzeugt  zu  haben,  obwohl  gerade  die 
vier  zugänglichen  Arten  dieser  Gattung  wegen  der  geringen  Grösse  der  Bläschen 
und  der  oft  in  Mehrzahl  vorhandenen  „Steine"  und  wegen  der  meist  nicht  besonders 
durchsichtigen  Umgebung  derselben  wenig  geeignet  sind,  befriedigende  Bilder 
zu  geben. 

Am  bequemsten  bieten  sich  die  frei  über  die  Scheibe  vorspringenden,  ver- 
kehrt eiförmigen,  mit  stielförmig  verdünnter  Basis  aufsitzenden  Randbläschen  der 
Cunina  KöUikeri  F.  M.  der  Untersuchung  dar.  Der  „Stein"  ist  bei  ihnen 
endständig  und  von  der  Basis  zieht  sich  deutlich  ein  blasser  Strang  nach  dem 
„Steine"  hin,  um  ihn  becherförmig  zu  umfassen  ^).  Es  ist  unmöglich  dieses  Ver- 
halten  in  Einklang   zu   bringen  mit  Hensen's  Darstellung  der  „Otolithensäcke" 

i)  Schultze's  Archiv  für  mikrosc.  Anat.   1865.  Bd.  I.  p.   143 — 147.  Taf.  VII,  Fig.  4. 

2)  Studien  über  das  Gehörorgan  der  Decapoden,  S.  37,  Anm.   i ;  Fig.  24,  B. 

3)  Archiv  für  Naturgeschichte   1861.  Taf.  IV.  Fig.  8.  =  Ges.  Schriften  Taf.  XV,  Fig.  8. 


Ueber  die  Randbläschen  der  Hydroidquallen.  ^^c 

von  Eucope,  während  man  sich  nur  den  Strang  verkürzt  und  dadurch  den  Stein 
ins  Innere  der  Blase  zurückgezogen  zu  denken  braucht,  um  die  bei  den  Hydroid- 
quallen gewöhnliche  Bildung  der  Randbläschen  zu  erhalten,  wie  ich  sie  bei 
Liriope^)  beschrieb  und  auch  jetzt  wieder  bei  dieser  und  anderen  Arten  sehe. 
Da  ich  indessen,  wie  Agassiz,  Cunina  nicht  zu  den  Hydroidquallen  rechne'-*), 
musste  ich  billig  Bedenken  tragen,  das  bei  ihr  leicht  festzustellende  Verhalten  der 
Randkörper  als  Beweis  gegen  die  Richtigkeit  der  Darstellung  Hensen's  geltend 
zu  machen ;  immerhin  konnten  ja  bei  Hydroiden  und 
Aeginiden  die  Randkörper  in  völlig  verschiedener 
Weise  gebaut  sein. 

Ich  war  daher  erfreut,  bei  einer  Hydroidqualle 
auf  eine  Bildung  der  Randbläschen  zu  stossen,  die 
in  der  Mitte  steht  zwischen  dem  bei  Cunina  und 
dem  bei  Liriope  zu  beobachtenden  Verhalten.  Diese 
noch  unbeschriebene  Qualle,  Aglauropsis  Agas-         -o     ,,,.•   i,  a    i 

-^  '         "  x-  fc>  Randblaschen  von  Aglauropsis 

sizii  F.  M.,   erinnert   durch   ihre  Gestalt,   durch  die     AgassiziiF.M.  Aus  dem  Grunde 
Bildung  und  selbst  die  Färbung  des  Magens  und  der     f^""  ^^^'l.  ^^^^^bt  .sich  auf  einem 

•^  °  '^  kurzen    dünnen  Stiele  ein    blasser, 

Geschlechtstheile   an    Aglaura  hemistoma   Per.  et       solider,     birnförmiger    Körper,    der 

Le  S.,   unterscheidet  sich  aber  von  letzterer  Gattung     ^'^^  ^"  '^['^  ^^"1.  ^f  ß.'''^^  'f.''^^' 

,  .         .  und   in    dessen  Ende    ein  kugliger, 

durch  die  Vierzahl  der  Geschlechtstheile  und  der  Strahl-     starkiichtbrechender,  in  Säuren  unter 

gefässe  und  die  grosse  Zahl  der  Randbläschen.    Diese     Luftentwicklung  löslicher  Stein  ein- 
"  °  gesenkt  ist. 

letzteren,  von  etwa  0,075  ^^  Durchmesser,  sind  stark 

gewölbt;    ihr  frei  vorspringender  Abschnitt  bildet  eine  Glocke,  deren  Höhe  etwa 

V3    des   unteren  Durchmessers   beträgt.     Aus   dem  Grunde   der  Blase  erhebt  sich 

nun  auf  einem  kurzen  dünnen  Stiele  ein  blasser,  nicht  hohler  birnförmiger  Körper, 

der   bis   in    die  Mitte   der  Blase   reicht   und   in   dessen    Ende   ein   kugliger  stark 

lichtbrechender  Stein  von  etwa  0,015  mm  Durchmesser  zur  Hälfte  eingesenkt  ist. 

Der  Stein  löst  sich  in  Säure  unter  Luftentwicklung.  —  Dasselbe  Bild,  in  aller  nur 

wünschenswerthen  Klarheit  und  Schärfe,  bot  mir  eine  grosse  Zahl  von  Randbläschen. 

Dies  stimmt  nun  wieder  völlig  zu  dem,  was  ich  früher  (a.  a.  O.)  von  Liriope 
und  Cunina  angegeben  habe,  —  ist  aber  ebensowenig  wie  jene  Angaben  mit 
Hensen's  Darstellung  zu  vereinigen.  Dies  über  den  Bau  der  Randbläschen; 
nun  einige  Worte  über  ihre  Verrichtung. 

Die  Randbläschen  der  Hydroidquallen  gelten  jetzt  fast  allgemein  als  Hör- 
werkzeuge. Agassiz  und  ich  dürften  so  ziemlich  die  einzigen  sein,  die  sie 
noch  jetzt  als  Augen  betrachten.  Auch  Hensen  bezeichnet  sie  ohne  Bedenken 
als  „Hörblasen"  und  „Otolithensäcke".  Ich  muss  gestehen,  dass  gerade  H  e  n  s  e  n 's 
meisterhafte  Darstellung  des  Gehörorgans  der  Krebse  mich  auf's  Neue  in  meiner 
Auffassung  bestärkt  hat. 

Bei  den  Krebsen  besteht  das  Ohr  in  einer  als  Einstülpung  der  äusseren 
Haut  zu  betrachtenden,  häufig  offenen  Höhle.  In  dieser  Höhle  finden  sich  stets 
in  ganz  eigenthümlicher  Weise  eingelenkte  Haare  und  oft  Hörsteine,  die  mitunter 


1)  Archiv  für  Naturgeschichte  1859.  S.  3 14.  Taf.  XI.  Fig.  9—12.  =  Ges.  Schriften  S.  93.  Taf.  X,  Fig.  9—12. 

2)  Fritz  Müller,  über  die  systematische  Stellung  der  Charybdeiden  im  Archiv  für  Naturgeschichte 
1861.  p.  302.  =  Ges.  Schriften  S.  126.  —  Agassiz,  Contributions  to  the  natural  history  of  the  United 
States  of  America.  Vol.  IV.   1862.  S.  9  u.  S.   167. 

18* 


2^5  Ueber  die  Randbläschen  der  Hydroidquallen. 

ganz  lose  liegen,  oder  nur  durch  die  in  sie  eintretenden  Haare  gehalten  werden. 
Sie  bestehen  bald  blos  aus  organischem  Stoffe,  bei  M3^sis  vielleicht  aus  Fluor- 
calcium,  wie  es  scheint  nie  aus  kohlensaurem  Kalk,  und  werden  bisweilen  durch 
von  aussen  eingeführte  Quarzstückchen  u.  dgl.  ersetzt.  Gerade  bei  den  höchst- 
entwickelten Formen  des  Ohres  fehlen  sie  vollständig.  Das  Wesentlichste  von 
diesen  verschiedenen  Gebilden  sind  die  Hörhaare,  die  auch  selbständig,  ohne  Höhle 
und  Steine,  auf  der  Oberfläche  des  Körpers  vorkommen  und  durch  bestimmte 
Töne  in  Schwingungen  versetzt  werden. 

Bei  den  Hydroidquallen  haben  wir  dagegen  kuglige  oder  birnförmige,  vor- 
springende, geschlossene  Blasen,  die  einem  wahrscheinlich  als  Nervenring  ^)  zu 
deutenden  Streifen  aufsitzen;  von  dem  an  dieser  Stelle  meist  angeschwollenen 
Ringe  geht  ein  kugliger  oder  birnförmiger,  sitzender  oder  gestielter  Fortsatz  in 
die  Blase  hinein  (bei  Cunina  sie  vollständig  durchsetzend),  und  umfasst  becher- 
förmig eine  wahrscheinlich  aus  Ca  C  bestehende  Kugel.  —  Welche  Spur  von 
Aehnlichkeit  nun  zwischen  diesen  Randbläschen  und  dem  Ohre  der  Krebse,  ausser 
dass  in  letzterem  auch  bisweilen  ein  kugliges  festeres  Gebilde  sich  findet,  das 
aber  (nach  Hensen)  nie  aus  Ca  C  zu  bestehen  scheint?  —  Und  selbst  das  Vor- 
handensein der  von  Hensen  beschriebenen  Haare  zugegeben,  würden  diese  so 
ungemein  blassen  und  zarten  Häärchen  eines  gallertartig  weichen  Thieres  Steifig- 
keit und  Elasticität  genug  besitzen  können,  um  durch  Schallwellen  in  regelmässige 
Schwingungen  versetzt  zu  werden? 

Noch  geringer,  wo  möglich,  ist  die  Aehnlichkeit  zwischen  den  Randbläschen 
der  Hydroidquallen  und  den  Hörblasen  mit  schwingenden  Steinchen,  wie  sie  bei 
Mollusken  und  Rippenquallen  vorkommen. 

Wenn  für  die  Deutung  der  Randbläschen  als  Ohren  kein  weiterer  Grund 
vorzuliegen  scheint,  als  die  Aehnlichkeit,  die  sie  beim  ersten  AnbHck,  aber  nicht 
bei  näherer  Vergleichung  mit  dem  Ohre  einer  Mysis,  eines  Leucifer,  einer  Schnecke 
haben,  so  ist  wohl  gegen  die  Deutung  als  Augen  nichts  einzuwenden,  als  dass 
die  in  diesem  Falle  als  Linsen  anzusprechenden  Theile  aus  Kalk  bestehen.  Dieser 
Grund   würde   nicht   ohne   Gewicht  sein,    wenn   alle   sonst   in   der  Thierwelt   der 


i)  Claus  (Zeitschr.  für  wiss.  Zool.  XIII.  p.  440)  glaubt  die  Deutung  dieses  Ringes  als  Nervenring 
um  so  entschiedener  zurückweisen  zu  müssen,  „als  es  sich  hier  nicht  um  einen  Gegensatz  von  Ganglien 
und  nach  den  einzelnen  Organen  ausstrahlenden  Fasern  handelt".  Claus  scheint  dabei  übersehen  zu  haben, 
dass  bei  jener  Deutung  nicht  nur  auf  Anschwellungen  des  Ringes  Bezug  genommen  wurde,  welche  in  ihrer 
Lage  den  allgemein  als  Sinneswerkzeuge  betrachteten  Randbläschen  entsprechen,  sondern  auch  auf  zarte  Stränge 
(Nerven  ?),  die  von  den  Anschwellungen  nach  dem  Ursprung  der  Tentakel  hin  verfolgt  wurden.  „Der  Ring  ist 
absolut  abgeschlossen,  und  was  noch  mehr  sagt,  bei  den  höher  organisirten  grossen  Scheibenquallen  überhaupt 
nicht  nachzuweisen",  wie  Claus  weiter  bemerkt.  Darauf  ist  zu  erwidern:  i)  dass  in  diesem  Falle  die 
Grösse  den  Nachweis  des  Nervensystems  nicht  erleichtert,  sondern  erschwert ;  2)  dass,  wie  bei  den  Rippen- 
quallen, so  auch  bei  den  höheren  Scheibenquallen,  das  Nervensystem  ganz  wo  anders  liegen  kann,  als  bei 
den  Hydroidquallen;  3)  dass,  wenn  auch  nicht  bei  den  echten  Scheibenquallen,  so  doch  bei  Tamoya  ein 
unzweifelhafter,  dem  unbewaffneten  Auge  sichtbarer,  Nerven  aussendender  Nervenring  vorhanden  ist.  — 
Was  die  dem  fraglichen  Nervenring  bei  Liriope  u.  s.  w.  aufgelagerten  Nesselzellen  betrifft,  auf  deren  An- 
wesenheit auch  ich  aufmerksam  gemacht  hatte,  so  können  sie,  wenn  sie  überhaupt  bei  der  Frage  in  Betracht 
kommen,  höchstens  für,  in  keiner  Weise  gegen  die  Deutung  als  Nervenring  sprechen;  zum  Fangen  von 
Beute  können  sie  an  jenem  Orte  nicht  dienen ;  hat  ihre  Anhäufung  längs  des  Ringes  irgend  eine  Bedeutung 
für  das  Thier,  so  kann  es  wohl  nur  die  sein,  ein  wichtiges  Organ,  wie  etwa  einen  Nervenring  zu  schützen. 
Hensen  spricht  sich  bei  Eucope  für  die  Anwesenheit  eines  Nervensystems  aus. 


Ueber  die  Randbläschen  der  Hydroidquallen.  27  7 

Brechung  des  Lichts  dienenden  Hnsenförmigen  Gebilde  gleiche  chemische  Zu- 
sammensetzung hätten.  Das  ist  indessen  nicht  der  Fall,  die  4  grossen  schönen 
Linsen  von  Ampelisca  Kr.  (Amphipod),  und  ebensowohl  die  Cornealinsen,  wie  sie 
Claus  nennt,  von  Coryceus  und  anderen  Copepoden  bestehen  aus  Chitin,  und  aus 
Arragonit  (nach  brieflicher  Mittheilung  von  Max  Schnitze)  die  Randkörper 
der  höheren  Quallen,  die  nur  als  Augen  gedeutet  werden  können,  wenn  die  von 
Henry  James-Clark  gegebene  Darstellung  derselben  i)  richtig  ist.  Wie  es 
bei  den  Hörsteinen,  nach  Hensen's  Meinung  nur  auf  „eine  gewisse  specifische 
Schwere"  anzukommen  scheint,  so  wird  bei  einer  Linse  ebenfalls  weniger  ihre 
chemische  Zusammensetzung,  als  ihre  Durchsichtigkeit,  ihr  Brechungsexponent 
und  ihre  Gestalt  in  Betracht  kommen.  Und  wie  Hensen  von  den  Hörhaaren 
behauptet  und  nachweist,  „dass  wenn  nur  der  Nerv,  welchen  man  in  sie  eintreten 
sieht,  sensibel  ist,  tiefe  Töne  durch  sie  zur  Perception  gebracht  werden  müsse  n" 
(a.  a.  O.  S.  26),  so  wird  man  von  den  H3^droidquallen  behaupten  dürfen,  dass  wenn 
sie  nur  gegen  Licht  empfindlich  sind,  dieses  durch  die  Randbläschen  zur  Wahr- 
nehmung gebracht  werden  muss.  Das  Licht  muss  an  der  Oberfläche  der  Blase, 
es  muss  zum  zweiten  Male  an  der  Oberfläche  des  Steines  gebrochen  werden ;  es 
muss  auf  das  Ende  des  die  Kugel  umfassenden  Stieles  stärker  wirken,  als  auf 
jede  andere  Stelle  der  Qualle. 
Desterro,  Januar  1865. 


i)  In  Agassiz,  Contribution  etc.  Vol.  III,  PI.  Xlb  Fig.   i6;   Vol.  IV.  p.  41. 


Ueber  Darwinella  aurea,  einen  Schwamm  mit 
sternförmigen  Hornnadeln^)^). 

Mit  Tafel  XXVI. 

Am  Strande  der  Praia  de  fora  bei  Desterro  findet  sich  äusserst  selten  an 
Steinen  oder  Tangen  ein  kleiner  goldgelber  Hornschwamm,  der  sich  dadurch  vor 
allen  bekannten  Schwämmen  auszeichnet,  dass  er  ansehnliche  sternförmige  Nadeln 
enthält,  die  nicht  aus  Kalk  oder  Kiesel,  sondern  aus  einem,  wie  es  scheint,  von 
dem  der  Fasern  nicht  verschiedenen,  in  kochender  Kalilauge  löslichen  Stoffe 
bestehen. 

Das  Aeussere  des  Schwammes  hat,  die  schöne  Goldfarbe  abgerechnet,  nichts 
Besonderes.  Bald  sah  ich  ihn  als  ganz  dünnes  Häutchen  einige  Quadratlinien  bis 
etwa  einen  halben  Quadratzoll  eines  Steines  überziehen,  bald  zarte  Tange  in  einer 
wenige  Linie  dicken  Schicht  umwachsen  und  dann  Formen  annehmen  der  ähn- 
lich, die  O.  Schmidt  von  Spongelia  incrustans  abgebildet  hat  ^).  Möglich,  ja 
wahrscheinlich  ist  es,  dass  die  Stelle,  an  welcher  der  Schwamm  so  äusserst  selten 
vorkommt,  nicht  sein  eigentlicher  Standort  ist,  und  dass  er  an  letzterem  zu  be- 
trächtlicherer Grösse  heranwächst  und  dann  auch  in  eigenthümlicher  bezeichnender 
Tracht  auftritt. 

Die  Spitzen  der  kegelförmigen  Höcker,  welche  wie  bei  anderen  Horn- 
schwämmen  die  Oberfläche  bedecken,  erscheinen  heller  als  die  übrige  Oberfläche, 
da  sie  von  den  farblosen  Enden  der  in  die  Höcker  aufsteigenden  Fasern  einge- 
nommen werden.  Nur  selten  tritt  beim  frischen  Schwamm  eine  oder  die  andere 
Faser  frei  über  den  Höcker  vor;  dagegen  sehe  ich  bei  einem  in  Weingeist  auf- 
bewahrten Stücke  die  meisten  Fasern  hervorstehen.  Ein  rundes  Ausströmungs- 
loch habe  ich  nur  einmal,  an  einer  sonst  nicht  ausgezeichneten  Stelle  eines 
Schwammes  gesehen;  es  hatte  wohl  kaum  i  mm  Durchmesser.  —  Mit  der  ein- 
fachen Linse  sieht  man  auf  der  Oberfläche  ein  dichtes  Netzwerk  zarter  gesättigt 


x)  Schultze's  Archiv  für  mikrosk.  Anat.   1865.  I.  p.  344 — 353.     Taf.  XXI. 

2)  Max  Schultze,  dem  ich  im  vorigen  Jahre  ein  Bruchstück  des  Schwammes  mittheilte,  nannte 
ihn  Darwinia  (Verhandl.  d.  naturhist.  Vereins  d.  Rheinlande  und  Westphalens,  Jahrg.  XXII,  1865,  Sitzungs- 
berichte p.  6);  da  dieser  Name  seit  1855  von  Spence  Bäte  an  einen  Amphipoden  vergeben  ist,  habe 
ich  ihn  in  Darwinella  geändert. 

3)  Oscar  Schmidt,  Spongien  des  adriatischen  Meeres.     Taf.  III,  Fig.  7. 


Ueber  Darwinella  aurea. 


279 


gelber  Linien;  sie  bestehen,  wie  stärkere  Vergrösserungen  zeigen,  aus  spindel- 
förmigen Anhäufungen  gelber  Körnchen,  ganz  ähnlich  denen,  die  O.  Schmidt 
von  Spongelia  elegans  gezeichnet  hat  ^).  Ueber  ihnen  zieht  sich  eine  dünne,  farb- 
lose, körnchenfreie  Hautschicht  hin. 

Die  zwischen  den  Hartgebilden  liegende  Schwammmasse  ist  sehr  weich  und 
wird  durch  zahlreiche  gelbe  Körnchen  undurchsichtig  gemacht.  Ich  kann  über 
ihren  Bau  nichts  weiter  sagen,  da  ich  nie  Zeit  fand,  wenn  mir  einmal  dieser  seltene 
Fund  in  die  Hände  fiel,  ihn  sofort  zu  untersuchen;  schon  nach  einigen  Tagen 
aber  fand  ich  ihn  in  Gläsern  mit  Seewasser  immer  abgestorben  und  die  Weich- 
theile  so  weit  zersetzt,  dass  sie  leicht  zwischen  Fasern  und  Nadeln  herauszuspülen 
waren.  An  der  Luft  geht  die  schöne  Goldfarbe  rasch  in  ein  dunkles  schmutziges 
Braun  über. 

Abweichend,  so  viel  ich  weiss,  von  allen  bisher  beschriebenen  Hornschwämmen, 
aber  übereinstimmend  mit  zwei  anderen  hiesigen  Arten  bilden  die  schwach  ver- 
ästelten Fasern  der  Darwinella  kein  zusammenhängendes  Geflecht,  sondern 
steigen  entweder  ganz  getrennt  empor  (Fig.  i)  oder  verkleben  doch  nur  hie  und 
da  miteinander.  Den  gemeinsamen  Boden,  von  dem  sich  die  Fasern  erheben, 
bildet  eine  dünne  Haut,  mit  welcher  der  Schwamm  seine  Unterlage  überkleidet 
und  die  in  chemischer  Hinsicht  nicht  von  den  Fasern  und  Nadeln  verschieden 
scheint;  alle  diese  Hartgebilde  bleiben  in  kalter  Kalilauge  oder  concentrirter 
Schwefelsäure  wenigstens  während  einiger  Stunden  unverändert,  lösen  sich  aber 
rasch  in  starker  kochender  Kalilauge. 

Die  Fasern,  deren  Verästelungsweise  aus  den  beigegebenen  Zeichnungen 
(Fig.  I — 4)  ersichtlich  ist,  sind  elastisch,  blass  horngelb  und  verjüngen  sich  ganz 
allmählig  nach  der  Spitze  zu;  eine  4  mm  lange  Faser  z.  B.  von  0,06  auf  0,016  mm. 
—  Die  Spitze  selbst  ist  abgerundet  (Fig.  6). 

Man  unterscheidet  an  den  Fasern  eine  durchsichtige,  anscheinend  festere 
Rinde  und  ein  mehr  oder  weniger  getrübtes,  anscheinend  weicheres  Mark.  Die 
Rinde  wird  nach  der  Spitze  zu  dünner  und  fehlt  der  äussersten  Spitze  ganz. 
Mark  wie  Rinde  sind  deutlich  geschichtet.  In  der  Rinde  sind  die  Schichtungs- 
linien im  Allgemeinen  der  Achse  der  Faser  gleichlaufend;  kleine  Biegungen  der 
Faser  werden  durch  die  später  abgesetzten  Schichten  wieder  ausgeglichen.  Im 
Marke  wiederholen  die  Schichtungslinien  im  Allgemeinen  die  Form  der  Spitze 
der  Faser,  bilden  also  quere,  mehr  oder  weniger  stark  nach  oben  gewölbte  Flächen, 
durch  die  das  Mark  oft  ein  gekammertes  Aussehen  erhält.  Die  Schichten  des 
Markes  gehen  unmittelbar  über  in  die  der  Rinde;  es  sind  eben  dieselben  Schichten. 
Jede  neue  Schicht,  die  sich  auf  der  Faser  absetzt,  bildet  eine  sie  umhüllende  zarte 
Röhre,  die  oben  durch  eine  dicke  gewölbte  Kuppel  geschlossen  ist.  Die  Röhren 
bilden  die  Rinde,  die  Kuppeln  das  Mark.  —  Ich  finde  bei  Darwinella  nichts, 
was  auf  ein  Wachsthum  der  Fasern  durch  „Intussusception"  hinwiese,  wie  es 
Schmidt  für  Spongia  annimmt  2).  Natürlich  kann  ich  nicht  die  Richtigkeit 
dieser  Auffassung  für  Spongia  anzweifeln  wollen ;  für  Darwinella  aber  muss  ich 
meine   entschiedene  Meinung   dahin  aussprechen,   dass  die  Fasern   einzig  durch 


i)  O.  Schmidt,  Supplement  der  Spongien  des  adr.  Meeres.  Taf.  I,  Fig.  9- 
2)  Suppl.  der  Spongien  des  adr.  Meeres.  S.  8. 


2Qq  Ueber  Darwinella  aurea. 

Auflagerung  neuer  Schichten  wachsen.  Besonders  belehrend  sind  in  dieser  Be- 
ziehung Fasern,  deren  Wachsthum,  —  wahrscheinlich  dadurch,  dass  sie  über  die 
Oberfläche  des  Schwammes  hervorragten  — ,  längere  Zeit  unterbrochen  wurde. 
Diese  stark  gedunkelten  und  verhärteten  jedenfalls  leblosen  Spitzen  wachsen  später, 
wenn  sie  wieder  von  der  Schwammmasse  überdeckt  werden,  in  ganz  derselben 
Weise  weiter,  wie  früher  (Fig.  7).  Bei  Fasern,  die  ihre  Spitze  verloren  hatten 
(Fig.  8),  sieht  man  nie  vom  Marke  aus  einen  jungen  Zapfen  hervorwachsen,  wie 
es  Schmidt  bei  Spongia  sah;  es  lagern  sich  einfach  neue  Schichten  darüber, 
durch  welche  sie  weiter  wachsen.  Man  kann  daher  bei  Darwinella  nicht  sagen, 
dass  die  Faser  sich  „neue  Schichten  der  umgebenden  weicheren  Muttersubstanz 
assimilirt"^).  Wollte  man  selbst  den  allem  Anschein  nach  abgestorbenen  Fasern 
dies  Vermögen  noch  zugestehen,  so  würde  man  es  doch  nicht  auf  fremde  Körper 
ausdehnen  können,  auf  die  der  Schwamm  in  ganz  gleicher  Weise  hornige  Schichten 
absetzt.  So  sah  ich  ganze  Zweige  eines  zarten  mit  Gemellaria  verwandten  Moos- 
thierstockes  vollständig  von  einer  geschichteten  Hülle  umschlossen  und  diese 
Schichten  gingen  ununterbrochen  über  in  die  einer  Schwammfaser  -j.  Auch  der 
Fig.  10  gezeichnete  Fall,  wo  ein  junger  Ast  wieder  von  den  später  abgesetzten 
Schichten  des  Stammes  überlagert  und  in  den  Stamm  wieder  aufgenommen  worden 
ist,  lässt  sich  als  Beweis  dafür  anführen,  dass  ihm  keinerlei  Wachsthum  von  innen 
heraus  zukam,  dass  er  sich  bei  seinem  Wachstume  vielmehr  ebenso  leidend  ver- 
hielt, wie  jeder  andere  feste  Körper,  auf  dessen  Oberfläche  das  Protoplasma  des 
Schwammes  erhärtend  Schichten  absetzt. 

Die  Aeste  treten  auf  als  kugelförmige  Hervorragungen  der  äussersten  Schicht 
des  Stammes,  unter  denen  die  älteren  Schichten  unbehelligt  und  geradlinig  fort- 
gehen, so  dass  die  Aeste  aussehen  wie  ganz  unabhängige,  dem  Stamme  äusserlich 
aufgeleimte  Gebilde.  Anfangs  structurlos,  mit  einfachem  Umriss,  erscheinen  sie 
bald  geschichtet.  Die  Ursprungsstellen  älterer  Aeste  erscheinen,  wie  das  auch 
anderen  Beobachtern  an  anderen  Schwämmen  aufgefallen  ist,  stark  verdickt,  indem 
die  äusseren  Schichten  in  immer  flacher  werdenden  hyperbolischen  Linien  vom 
Ast  auf  den  Stamm  übergehen  (Fig.  9).  Noch  auffallender  ist  dieselbe  Erscheinung 
an  geknickten  Fasern  (Fig.  9);  auch  hier  folgen  die  späteren  Schichten  an  der 
Innenseite  des  durch  die  Knickung  entstandenen  Winkels  dessen  Schenkeln  nicht 
bis  zum  Scheitel,  sondern  biegen  in  immer  grösseren  und  flacheren  Bogen  aus 
der  Richtung  des  einen  in  die  des  anderen  um.  Ebenso  geschieht  es,  wo  zwei 
sich  kreuzende  Fasern  mit  einander  verkleben,  in  den  von  ihnen  gebildeten  Winkeln. 


i)  Suppl.  der  Spongien  des  adr.  Meeres.  S.   8. 

2)  Ich  will  mir  erlauben  bei  dieser  Gelegenheit  eine  Vermuthung  auszusprechen  über  die  sonder- 
baren aus  der  Oberfläche  der  Spongelia  fistularis  Schmidt  (Suppl.  S.  28.  Taf.  II,  Fig.  28,  29.  Taf.  III, 
Fig.  4)  hervorragenden  Röhren.  Ich  fand  kürzlich  eine  Reniera,  deren  Oberfläche  dicht  bedeckt  war  mit 
kreisrunden  auf  kleinen  Erhebungen  angebrachten  scharfrandigen  Oeffnungen,  die  in  tiefe  glattwandige 
Röhren  führten.  Dazwischen  lagen  die  gewöhnlichen  Ausströmimgslöcher.  Ich  meinte,  eine  ganz  wunder- 
bare neue  Gattung  gefunden  zu  haben.  Als  aber  mein  Schwamm  ruhig  in  einem  Glase  mit  Seewasser  lag, 
kamen  aus  jedem  Loche  die  beiden  zarten  langen  Fangfäden  einer  winzigen  Spiodee  hervor  und  tasteten 
justig  umher.  Nach  dem  Trocknen  treten  die  Röhren  von  Schwammnadeln  bedeckt  mehrere  Millimeter 
über  die  eingeschrumpfte  Oberfläche  des  Schwammes  hervor.  —  Sollten  nicht  die  Röhren  der  Spongelia 
fistularis  auch  aus  Wm^nröhren  entstanden  sein,  die  von  den  Fasern  des  Schwammes  aus  mit  einer  hornigen 
Hülle  umkleidet  wurden? 


Ueber  Darwinella  aurea.  28 1 

Diese  Ausfüllung  geradliniger  Winkel  durch  hyperbolisch  gekrümmte 
Schichten,  sowie  umgekehrt  bei  kleineren  Biegungen  der  Faser,  die  Rückkehr 
der  später  abgelagerten  Schichten  zu  geraden  Linien  scheinen  darauf  hinzuweisen, 
dass  sie  nicht  aus  einer  ruhenden  Umgebung,  dass  sie  vielmehr  aus  einer  über 
die  Fasern  hin  sich  bewegenden  Masse  abgesetzt  wurden.  Die  Bildungsgeschichte 
der  Fasern  scheint,  mit  Einem  Worte,  ganz  dieselbe  zusein,  wie  nach  Schachts 
Darstellung  1)  die  der  ZeUstofffäden  in  der  Aussackung  des  Embryosacks  von 
Pedicularis  silvatica  und  im  Innern  von  Caulerpa. 

Nicht  selten  (Fig.  2)  sind  die  Fasern  auf  weite  Strecken  dicht  bedeckt  mit 
einer  bräunlichen  einzelligen  Alge. 

Zwei  andere  Hornschwämme  unserer  Küste  stimmen  im  Bau  der  Fasern 
vollständig  mit  Darwin ella  überein. 

Neben  den  Fasern  enthält  Darwin  ella  zahlreiche  ansehnliche  sternförmige 
Nadeln.  Dieselben  haben  drei  bis  acht  schlanke  allmählig  zu  einer  meist  scharfen 
Spitze  verjüngte  Strahlen,  deren  Länge  von  0,1  bis  über  i  mm  wechselt;  an  der- 
selben Nadel  sind  sie  nahezu  gleich  lang.  Die  Anordnung  der  Strahlen  ist  eine 
ziemlich  man nichf altige  (Fig.  2 — 5);  bis  jetzt  kamen  zur  Beobachtung: 

i)  Nadeln  mit  3  Strahlen;    diese    genau    oder    nahezu    in  derselben  Ebene  zu- 
sammenstossend : 

a)  unter  Winkeln  von  etwa   120°; 

b)  unter  Winkeln  von   i8o^  90°  und  90°; 

c)  unter  Winkeln  von  etwa  iSo^   120°  und  60^. 

2)  Nadeln  mit  4  Strahlen: 

a)  rechtwinkliges  Kreuz; 

b)  schiefwinkliges  Kreuz  mit  Winkeln  von   120''  und  60^;  selten; 

c)  zwei  Strahlen    bilden  einen  rechten  Winkel,    die   beiden  andern   eine  auf 
dessen  Ebene  senkrechte  Gerade ;  sehr  selten ; 

d)  dreistrahliger  Quirl,  d.  h.  drei  Strahlen  in  einer  Ebene,  Winkel  von  etwa 
120"  bildend,  der  vierte  darauf  senkrecht;  häufig. 

3)  Nadeln  mit  5  Strahlen: 

a)  drei  Strahlen  in  einer  Ebene;  die  beiden  andern  bilden  eine  darauf  senk- 
rechte Gerade;  nicht  selten; 

b)  vierstrahHger  Quirl;  d.  h.  vier  Strahlen  bilden  ein  Kreuz,  auf  dessen  Ebene 
der  fünfte  senkrecht  steht;  häufig. 

4)  Nadeln  mit  6  Strahlen: 

a)  die  Strahlen  bilden  drei  auf  einander  senkrechte  Gerade;  nicht  selten; 

b)  fünfstrahliger  Quirl;  sehr  selten. 

5)  Nadeln    mit    7  Strahlen  1 

6)  Nadeln    mit    8  Strahlen/ 

Wie  die  Fasern  zeigen  auch  die  Nadeln  eine  deutliche  Scheidung  in  Mark 
und  Rinde;  die  innere  Grenzlinie  der  Rinde  pflegt  sogar  weit  schärfer  als  bei 
den  Fasern  hervorzutreten.  Nach  der  Spitze  der  Strahlen  zu  wird  die  Scheidung 
in  Mark  und  Rinde  weniger  deutlich.     Während  bei  den  Fasern  die  Rinde  nach 


i)  H.  Schacht,  Lehrbuch  der  Anatomie  und  Physiol.  der  Gewächse.  I.  Theil,  S.  45.  Taf.  I,  Fig.  44, 45. 
Vergl.  auch  M.  Schnitze,  Die  Hyalonemen.  Bonn  1860.  pag.  24  Anm. 


282  Ueber  Darwinella  aurea. 

der  Spitze  zu  schwindet  und  diese  selbst  nur  aus  dem  bogig  geschichteten  Marke 
besteht,  verjüngt  sich  bei  den  Nadeln  das  Mark  rascher  als  die  Rinde  und  die 
Spitze  scheint  marklos  zu  sein.  Eine  grössere  Markhöhle  am  Kreuzungspunkte 
der  Strahlen  pflegt  namentlich  bei  kleinen  drei-  oder  vierstrahligen  Nadeln  sehr 
deutlich  zu  sein.    (Fig.   1 1 .) 

Eine  Schichtung  der  Rinde  ist  bei  frischen  Nadeln  kaum  wahrzunehmen; 
bisweilen  sieht  man  einige  recht  deutliche  oberflächliche  Schichtungslinien,  aber 
überzeugt  sich  dann  meist  leicht,  dass  diese  nicht  der  Nadel  selbst,  sondern  nach- 
träglich auf  sie  abgesetzten  Schichten  angehören.  Nach  kurzem  Kochen  in 
schwacher  Kalilauge,  wobei  die  Nadeln  etwas  aufgequollen  waren,  trat  dagegen 
die  Schichtung  der  Rinde  deutlich  herv^or.  Das  Mark  zeigte  sich  in  diesen  ge- 
kochten Nadeln  verschrumpft,  wellig  gebogen  und  durch  einen  deutlichen  Zwischen- 
raum von  der  Rinde  geschieden.  Ebenso  sah  ich  es  bisweilen  (Fig.  12)  nach 
mehrtägigem  Liegen  des  Schwammes  in  Wasser.  Einigemal  sah  ich  im  Marke, 
doch  nie  recht  deutlich,  Linien,  die  spitze  Winkel,  mit  der  Spitze  der  Strahlen 
zugewandtem  Scheitel,  bildeten;  —  vielleicht  Schichtungslinien,  die  dann  wie  bei 
den  Fasern  die  Form  der  Spitze  wiederholen  würden. 

Die  Nadeln  liegen  hauptsächlich  in  den  tieferen  Theilen  des  Schwammes, 
wo  sie  um  die  Stämme  und  älteren  Aeste  der  Fasern  oft  ein  dichtes  Gewirre 
bilden.  Nicht  selten  herrschen  bestimmte  Nadelformen  an  bestimmten  Stellen  vor; 
so  zeigt  Fig.  4  lauter  vierstrahlige  Nadeln  und  so  waren  die  im  Allgemeinen 
seltenen  sieben-  und  achtstrahligen  Nadeln,  die  mir  früher  nie  vorgekommen  waren, 
an  einer  kleinen  Stelle  eines  vor  Kurzem  untersuchten  Schwammes,  dem  Fig.  2 
und  3  entnommen  sind,  ziemlich  häufig.  Die  Nadeln  liegen  theils  frei  in  der 
weichen  Schwammmasse,  theils  sind  sie  mit  den  Fasern  verklebt,  oder  selbst  voll- 
ständig in  sie  eingeleimt.  Selten  verkleben  zwei  sich  kreuzende  Strahlen  ver- 
schiedener Nadeln.  Auch  an  die  die  Unterlage  des  Schwammes  überziehende 
Haut  können  Nadeln  befestigt  werden.  Es  finden  sich  in  diesen  Fällen  stets  die 
uns  schon  bekannten  hyperbolischen  Schichtungslinien. 

Meist  sind  die  Strahlen  der  Nadeln  gerade  ausgestreckt;  doch  ist  bisweilen 
der  eine  oder  andere  Strahl  unter  einem  stumpfen  oder  selbst  rechten  Winkel 
gebogen  und  die  umgebogenen  Spitzen  sind  dann,  soviel  ich  gesehen,  immer  fest- 
geleimt; —  wahrscheinlich,  weil  die  elastischen  Strahlen,  durch  Druck  von  aussen 
gebogen,  bei  Nachlass  des  Druckes  sich  wieder  strecken,  wenn  sie  nicht  inzwischen 
an  benachbarte  Fasern  festgekittet  worden  sind. 

Während  bei  Darwinella  die  Nadeln  ausserhalb  der  Fasern  liegen  und  nur 
ausnahmsweise  mehr  oder  weniger  vollständig  in  sie  aufgenommen  werden,  pflegen 
bei  Kieselschwämmen  mit  entwickeltem  Fasergerüste  ^)  die  Nadeln  den  Fasern 
eingebettet  zu  sein.  Doch  ist  dieser  Unterschied  kein  w^esentlicher ;  denn  auch 
bei  letzteren  entstehen  die  Nadeln  wohl  immer  ausserhalb  der  Fasern  und  werden 
erst  später  von  ihnen  umwachsen. 

I)  Diese  Corneosilicispongiae,  wie  sie  Schmidt  nennt  (Supplement  S.  42)  können  keinenfalls  eine 
systematische  Abtheilung  bilden,  da  von  nächst  verwandten  Arten  die  einen  ein  höchst  entwickeltes  Faser- 
gerüst besitzen  können,  während  bei  den  anderen  kaum  die  Spitzen  der  Nadeln  durch  eine  Spur  erhärteten 
Protoplasmas  verklebt  sind.  Das  Letztere  ist  z.B.  nach  Schmidt  der  Fall  bei  seiner  Reniera  aquaeductus, 
das  Erstere  bei  einer  der  genannten  bis  auf  die  Farbe  höchst  ähnlichen  hiesigen  Art;  man  wird  diese 
Arten  nicht  auseinander  reissen  dürfen. 


Ueber  Darwinella  aurea. 


283 


Freunden  Darwin's  werden  die  eben  besprochenen  Hornnadeln  ein  er- 
freulicher Fund  sein,  da  sie  einen  willkommenen  Anhalt  bieten  für  die  An- 
wendung seiner  Lehre  auf  die  Klasse  der  Schwämme.  Wenn  irgendwo,  so  zeigte 
sich  in  dieser  Klasse  die  Auffassungsweise  von  Agassiz  in  entschiedenem  Vor- 
theile  über  die  Lehre  Darwin's.  Die  gleichen  Gestalten  (z.  B.  dreistrahlige  Sterne) 
waren  einmal  in  kohlensaurem  Kalk,  ein  anderes  Mal  in  Kieselsäure  ausgeführt, 
zwei  so  verschiedenen  Stoffen,  dass  das  Band,  welches  in  der  Uebereinstimmung 
der  Form  sich  unverkennbar  kund  gab,  eben  nur,  wie  Agassiz  will,  ein  geistiges 
sein  zu  können  schien.  War  die  Thierwelt  geschaffen  nach  einem  vorbedachten 
Plane,  so  leuchtete  ein,  wie  in  diesem  Plane  zuerst  im  Allgemeinen  der  Gedanke 
einer  Schwammnadel  gefasst,  wie  eine  bestimmte  Nadelform  vorgezeichnet  und 
wie  dann  zu  deren  Ausführung  bald  der  eine,  bald  der  andere  Stoff  gewählt 
werden  konnte.  Wie  aber  sollte  man  die  Kalk-  und  die  Kieselschwämme  aus 
einer  nicht  blos  gedachten,  —  wie  sollte  man  sie  im  Sinne 'der  Darwin'schen 
Lehre  aus  einer  in  bestimmten  irdischen  Stoffen  lebendigen  Urform  ableiten  ? 
Es  war  offenbar  eine  dreifache  Annahme  möglich. 

Man  konnte  Kalk-  und  Kieselnadeln  als  wesentlich  verschiedene  unabhängig 
von  einander  entstandene  Gebilde  betrachten  und  sich  dabei  etwa  auf  die  den 
Kalknadeln  mangelnde  feine  Höhlung  in  der  Achse  der  Kieselnadeln  berufen. 

Man  konnte  zweitens  Kieselnadeln  aus  Kalknadeln  oder  umgekehrt  hervor- 
gehen lassen.  Letztere  Annahme  wurde  indess  ebenso  unwahrscheinlich  durch  die 
Verschiedenheit  des  Stoffes,  wie  erstere  durch  die  Uebereinstimmung  der  Formen. 

Man  konnte  drittens  zu  der  Annahme  einer  einfach  hornigen  Grundform 
greifen,  die  später  bei  den  einen  verkalkt,  bei  den  anderen  verkieselt  sei;  aber 
auch  diese  Annahme  dürfen  die  Gegner  abweisen  mit  der  Forderung,  doch  irgend 
welche  Spur  dieser  „imaginären,  nur  zur  Stütze  einer  phantastischen  Theorie  herbei- 
gerufenen" ^)  Hornnadeln  aufzuweisen.  —  Nun  denn,  die  Hornnadeln  haben  nicht 
nur  bestanden,  sie  bestehen  noch  und  damit  ist  der  dritten,  an  sich  schon  an- 
sprechendsten Annahme  eine  gewisse  thatsächliche  Stütze  gegeben. 

Zum  Schluss,  um  auch  der  Schule  gerecht  zu  werden,  die  Diagnose  der 
neuen  Gattung. 

Darwinella:  Ceratospongiae  fibris  dendroideis  in  rete  non  conjunctis  et 
spiculis  magnis  stelliformibus  in  kali  caustico  solubilibus  praeditae, 

Desterro,  September  1865. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XXVL 

Die  Abbildungen  stellen  sämmtlich  Fasern  und  Nadeln  der  Darwinella  aurea 
dar,  und  zwar  Fig.  1^5  bei  i5maliger,  6 — 11  bei  Qomaliger  und  Fig.  12  bei  36omaliger 
Vergrösserung.  —  Man  beachte  in  ' 

Fig.  I.  den  häutigen  Ueberzug  über  den  Tang,  dem  die  Schwammfaser  aufsitzt,  das 
abgebissene    Ende    des    dunkleren    von  jüngeren  Schichten    umschlossenen    Stammes,    die 


i)  The  supposed  intermediate  forms  between  the  species  of  different  geological  periods  are  „ima- 
ginary  beings,  called  up  merely  in  support  of  a  fanciful  theory"  Agassiz,  Contributions  to  the  Nat.  Hist. 
of  the  U.  S.  Vol.  III.  S.  90. 


284 


Ueber  Darwinella  aurea. 


Verschmelzung  des  2.  und  4.  Astes,  die  durch  spätere  Schichten  ausgeglichene  Biegung 
am  ersten  Zweige  des  4.  Astes;  in 

Fig.  2.  den  dunklen  Ueberzug  (von  einzelligen  Algen)  auf  einem  Theile  der  Fasern 
und  Nadeln;  links  die  grosse  achtstrahlige  Nadel,  unten  in  der  Mitte  die  Verklebung 
zweier  sich  kreuzender  Nadeln,  rechts  die  vierstrahlige  Nadel,  von  der  ein  Strahl  an  den 
häutigen  Ueberzug  des  Tanges  befestigt  ist,  während  von  einem  andern  sich  eine  Faser 
erhebt.  (Es  sind  in  dieser  Figur  kaum  die  Hälfte  der  in  dem  Präparat  vorhandenen 
Nadeln  gezeichnet);  in 

Fig.  3.    die  fast  vollständig  eingekittete  vierstrahlige  Nadel  rechts;  in 

Fig.  4.  den  Ursprung  der  Fasern  aus  der  häutigen  Ausbreitung  und  die  umgebogenen 
festgeleimten  Spitzen  an  den  beiden  obern  Nadeln. 

Fig.  5.    Einzelne  Nadeln. 

Fig.  6.    Spitze  einer  Faser. 

Fig.  7 — 10.  Unregelmässig  geschichtete  Fasern,  aus  deren  Schichtung  man  ebenso 
ihre  ganze  Lebens-  und  Leidensgeschichte  herauslesen  kann,  wie  aus  den  Jahresringen 
eines  Baumes  seine  mageren  und  fetten  Jahre  u.  s.  w. 

Fig.  7.  Aus  einer  Faserspitze,  die  längere  Zeit  über  ihren  Höcker  frei  vorstand, 
dabei  erhärtete  und  dunkelte  und  auf  der  sich  in  dieser  Zeit  eine  Diatomee  angesetzt 
hat,  erhob  sich  später  eine  seitliche  Faser,  die  aber  bald  dasselbe  Schicksal  hatte  ;  nach- 
dem beide  wieder  vom  Schwamm  überwachsen  worden,  ist  von  jeder  Spitze  ein  Zweig 
weiter  gewachsen ;  in  dem  Winkel  zwischen  beiden  erscheinen  hyperbolische  Schichtungs- 
linien. 

Fig.  8.  Eine  Faser  wurde  abgefressen  und  entblösst;  in  der  Wundfläche  häufte 
sich  Schmutz  an;  später  wurde  sie  wieder  überwachsen  und  ein  junger  Ast  bildete  sich 
an  ihrem  Ende. 

Fig.  9.  Eine  Faser  wurde  rechtwinklig  geknickt;  der  Winkel  füllte  sich  mit  hyper- 
bolisch gekrümmten  Schichten;  an  der  Aussenseite  des  wagerechten  Schenkels  bildete  sich 
ein  Zweig,  der  in  der  ursprünglichen  Richtung  der  Faser  weiter  wuchs.  Links  sieht  man 
eine  der  Faser  aufgeleimte  Nadelspitze. 

Fig.  10.  Zwei  entblösst  gewesene  Faserenden  sind  verklebt;  an  der  einen  sind  unter 
dem  Ursprung  eines  seitlichen  Astes  einige  fremde  Körnchen  hangen  geblieben ;  der  seit- 
liche Ast  wurde  verbogen,  aber  die  Biegung  durch  jüngere  Schichten  wieder  ausgeglichen; 
ungefähr  um  dieselbe  Zeit,  und  vielleicht  durch  dieselbe  Ursache  wurde  die  Spitze  eines 
jüngeren  Zweiges  umgebogen,  und  in  Folge  davon  von  den  später  abgesetzten  Schichten 
des  Stammes  umschlossen  und  seinem  Bestehen  als  Zweig  ein  Ende  gemacht. 

Fig.  II.  Kleine  dreistrahlige  Nadeln  mit  grosser  Höhle  am  Kreuzungspunkte  der 
Strahlen. 

Fig.  12.  Stück  des  Strahles  einer  grossen  Nadel,  nach  mehrtägigem  Liegen  in  Wasser 
hat  sich  das  Mark  deutlich  von  der  Rinde  abgehoben  und  erscheint  wellig  (schraubenförmig  ?) 
gebogen. 


Notes  on  some  of  the  Climbing-Plants  near  Desterro, 

in  South  BraziP). 

Aus  einem  Briefe  an  C.  Darwin. 
Mit  Tafel  XXVII. 

In  your  Paper  on  the  "Movements  and  Habits  of  Climbing-Plants",  you  say 
that  you  have  seen  no  tendrils  formed  by  the  modification  of  branches,  and  you 
even  seem  to  entertain  some  doubt  whether  such  tendrils  exist.  In  the  genus 
Strychnos,  the  tendrils  are  caUed  by  Endlicher  ramuli  cirriformes,  and  I  have  now 
satisfied  myself  that  they  really  are  of  this  nature.  On  the  branches  of  upright 
shoots  of  a  Strychnos  which  grows  here,  the  tendrils  are  disposed  in  a  very 
regulär  manner.  On  the  branches,  the  leaves  of  the  first,  third,  fifth,  &c.  pairs 
are  horizontal,  those  of  the  second,  fourth,  and  sixth  pairs  are  vertical  in  relation 
to  the  main  axis;  and  it  is  from  the  angles  of  every  under  leaf  of  these  latter 
pairs  that  the  tendrils  spring.  Now,  on  the  points  commonly  occupied  by  tendrils, 
true  branches  are  sometimes  developed.  The  leaves  from  the  angles  of  which 
the  tendrils  spring  are  often  much  reduced  in  size,  while  in  other  cases  they  are 
but  little  or  not  at  all  changed.  Each  tendril  bears  near  its  tip  a  pair  of  rudi- 
mentary  leaves;  and  whilst  very  young  the  tendrils  are  straight,  but  soon  become 
curved  downwards  and  rolled  into  a  helix,  whether  they  have  clasped  a  support 
or  not.  This  Strychnos  is  a  very  inefficient  cHmber;  the  short  stiff  tendrils  but 
rarely  catch  anything. 

A  member  of  the  Hippocrateaceae,  probably  a  Tontelia,  is  likewise  a  brauch 
climber.  One  of  its  branches,  three  feet  in  length,  had  not  as  yet  developed 
leaves,  and  resembled  a  gigantic  tendril,  with  most  of  its  lateral  branchlets  already 
grasping  neighbouring  objects.  From  the  angles  of  the  tendril-branches,  other 
branches  arise,  which  as  far  as  I  have  seen,  are  not  sensitive,  and  never  clasp 
anything.  This  latter  arrangement  must  be  serviceable  to  the  plant;  for  such 
branches  grow  upright  without  being  arrested  in  their  course,  whilst  the  plant  is 
secured  by  the  tendril-branches. 

Caulotretus,  one  of  the  Leguminosse,  offers  another  case  of  tendrils  being 
formed  from  modified  branches.  In  the  species  which  I  observed,  the  branches 
bear  tendrils  only  in  the  angle  of  their  first  leaf,  and  this  leaf  is  always  rudi- 
mentary.  In  young  shoots  it  might,  at  first  sight,  be  thought  that  tendrils  spring 
from   the   axils   of  all  their  leaves.     In  this  plant  every  tendril  appears  to  consist 


I)  Journal  of  the  Linnean  Society  of  London.  Bot.   1865.  IX.  p.  344 — 349.  PI.  IX. 


2g A  On  some  Brazilian  Climbing-Plants. 

of  two  parts,  separated  by  a  small  swelling  —  the  inferior  being  straight,  the 
superior  curved,  with  its  end  rolled  into  a  helix.  But  what  appears  to  be  the 
inferior  part  of  a  tendril  is  in  fact  the  first  internode  of  a  young  branch,  the 
swelling  being  its  terminal  bud,  and  the  tendril  reall}^  Springs  from  this  young 
branch,  from  the  angle  of  its  first  squamiform  leaf,  but  nevertheless  accompanied 
by  two  stipules.  The  end  of  the  tendril  very  soon  rolls  up  into  a  helix;  but  it 
does  not  lose  by  this  the  faculty  of  catching  a  support;  on  the  contrar}'-  I  know 
of  no  other  tendrils  which  become  entangled  with  small  objects  so  easily  as  these 
roUed-up,  highly  elastic  tendrils  of  the  Caulotretus. 

By  far  more  interesting  than  the  tendrils  of  Strychnos  and  Caulotretus  are 
those  (PI.  XXVII.  figs,  i  and  2)  of  a  climbing  Papilionaceous  plant  with  a  woody 
stem,  which  from  its  general  aspect  I  suppose  to  belong  to  the  Dalbergiece,  Benth. 
They  consist  of  thin,  slender,  flexible,  leafless  branches,  with  numerous  (12 — 25) 
internodes,  armed  with  sharp,  hard,  hook-like  stipules.  The  young,  soft,  herbaceous 
shoots  of  this  plant  w^hich  rise  from  the  ground  are  leafless.  I  saw  one,  seven 
feet  high,  which  in  its  lower  half  was  naked,  while  the  upper  half  bore  about  a 
dozen  tendrils  stretched  out  in  every  direction.  The  oldest  of  these  tendrils  were 
from  nine  to  twelve  inches  long,  and  armed  with  from  twelve  to  sixteen  pairs  of 
sharp  hooks:  at  the  sides  of  the  younger  tendrils  there  were  large,  foliaceous, 
deciduous  stipules,  and  at  their  bases  very  small  bract-like  leaves.  The  hooks  of 
the  tendrils  are  evidently  stipules,  which  so  often  in  this  family  assume  the  form 
of  hooks  or  spines;  in  fact,  while  in  the  older  tendrils  they  are  strongly  curved, 
and  have  a  hard,  sharp,  darkly  coloured  apex,  at  the  summits  of  the  younger 
ones  they  are  straight,  soft,  and  green,  resembling  in  this  early  State  the  much 
larger  stipules  at  the  bases  of  the  tendrils.  Afterwards,  on  the  summit  of  the 
shoot,  true  leaves  are  developed  at  the  bases  of  the  tendrils  instead  of  the  small 
rudimentary  ones;  and  finally,  when  the  plant  has  reached  the  light,  and  spreads 
over  the  upper  surface  of  a  thicket  or  tree,  the  tendrils  disappear.  The  inverse 
may  be  observed  when  the  plant  sets  out  on  the  conquest  of  a  new  dominion,  a 
neighbouring  tree  for  instance.  Then  a  branch  bearing  only  leaves  begins  to 
produce  on  its  tip  tendrils  supported  by  leaves,  and  finally,  growing  rapidly  to  a 
long  slender  shoot,  it  produces  only  tendrils,  the  leaves  being  replaced  by  small 
squamse.  Thus  in  this  plant,  the  branches  assume  four  different  shapes: — ist, 
tendrils,  leafless,  armed  with  hook-like  stipules;  2nd,  long,  slender,  leafless  shoots, 
bearing  tendrils  and  broad  deciduous  stipules;  3rd,  branches  with  leaves,  from 
the  axils  of  which  tendrils  spring;  and  4th,  branches  bearing  only  leaves  without 
tendrils.  Between  the  leaf  and  the  tendril  there  is  an  accessory  bud  (fig.  i  b), 
which  often  developes  into  a  branch;  these  branches  issuing  from  the  accessory 
buds  seem  never  to  produce  tendrils.  The  tendrils,  after  having  clasped  a  support, 
thicken  partially  where  they  are  in  contact  with  it  (fig.  i  a).  Tendrils  which  have 
caught  nothing  behave  in  different  ways.  Some  wither  and  faU  after  contracting 
irregularly.  Others  likewise  become  flexuous,  or  contract  into  a  spire,  or  occasio- 
nally  into  a  helix,  but  remain,  thickening  somewhat  and  becoming  ligneous  and 
rigid.  Others  produce  branches  from  one  or  some  of  their  internodes:  this  also 
occurs,  and  perhaps  more  frequently,  with  tendrils  which  have  found  a  support; 
in    this  case  the  tendrils   thicken  much,  and  sometimes  attain  a  diameter  of  more 


On  some  Brazilian  Climbing-Plants.  287 

than  one  inch  (fig.  2  a,  a.  thickened  tendril  clasping  a  branch  of  a  Psidiuin  ; 
b,  branch  issuing  from  the  tendril;  c,  tendril-bearing  branch;  d,  branch  from  an 
accessory  bud,  without  tendrils).  Lastly,  the  tendrils  even  transform  themselves 
into  true  branches:  in  this  case  they  may  remain  nearly  straight  or  become  but 
little  flexuous,  and  at  their  ends  they  produce  leaves;  the  first  of  these  leaves 
have  sometimes  hook-hke  persistent  stipules,  Hke  those  of  the  tendril,  while  the 
stipules  of  the  following  leaves  are  deciduous  like  those  on  other  branches.  These 
tendrils  often  become  much  elongated.  I  saw  a  shoot,  almost  all  the  tendrils  of 
which  were  developed  into  Serpentine  branches;  and  under  each  of  these  branches 
there  was  a  straight  branch  from  an  accessory  bud.  One  of  the  tendrils  was 
thirty  inches  long;  it  had  twenty-five  pairs  of  hooks,  and  at  the  tip  three  short 
internodes  with  leaves  and  destitute  of  hooks;  from  its  seventeenth  internode  a 
branch  arose.  Excepting  their  hook-like  stipules,  by  which  they  may  be  easily 
recognized,  the  branches  formed  by  tendrils  resemble  in  almost  every  respect  the 
ordinary  branches;  but,  as  far  as  I  have  seen,  they  never  produce  tendrils,  nor 
do  the  branches  which  spring  from  an  internode  of  a  tendril  or  (as  I  have  already 
stated)  from  an  accessory  bud. 

If  we  restrict  the  name  of  tendrils  to  filamentary  organs  used  exclusively 
for  climbing,  those  of  the  present  plant  would  be  excluded;  for  after  having  done 
their  work  as  tendrils,  they  may  be  transformed  into,  and  do  all  the  work  of 
branches. 

While  in  this  plant  the  highly  modified  tendrils  may  be  changed  again  into 
true  branches,  in  two  other  plants  which  I  have  seen,  the  branches  themselves, 
without  having  suffered  any  modification,  act  as  tendrils.  One  of  these  plants 
belongs  to  the  Dalbergiew.  Many  of  its  branches  had  clasped  small  branches  of 
a  tree.  These  tendril  branches,  as  they  may  be  called,  had  not  continued  to  grow 
beyond  the  support;  and  where  they  touched  it,  most  of  them  had  thickened: 
some  showed  a  tendency  to  spiral  contraction,  forming  a  semicircle  between  the 
support  and  the  stem.  The  plant  does  not  twine.  I  may  add  that  another  genus, 
belonging  to  the  same  section  of  the  Leguminosae,  namely  Hecastophyllum,  is 
also  a  branch  climber. 

The  second  plant  above  referred  to  is  a  Securidaca  (Polygalaceae),  and  a 
most  powerful  cUmber  (fig.  3).  Its  branches  often  curvfe  in  a  very  odd  and  com- 
plicated  manner.  Thus  I  saw  a  thin  branch,  which  with  its  lateral  twigs  had 
become  curved  like  ribs  into  semicircles  (about  four  inches  in  diameter),  imitating 
the  bones  of  the  thorax ;  from  the  twigs  sprang  secondary  branchlets,  which  were 
very  regularly  curved,  twisted  together,  and  formed  into  a  sort  of  network  around 
the  middle  hollow  space.  When  the  branches  wind  round  a  support,  they  thicken 
and  become  more  rigid,  like  true  tendrils;  but  even  these  thickened  parts  may 
bear  leaves  or  secondary  branches.  In  the  preceding  plant  the  branches  seem 
to  be  arrested  in  their  longitudinal  growth  when  they  clasp  a  support;  in  the 
present  plant  the)^  continue  to  grow,  and  the  same  branch  may  successively  catch 
different  objects.  The  branches  which  project  freely  from  a  thicket  are  rather 
thin  and  slender:  with  their  twigs  spreading  all  in  the  same  horizontal  plane  and 
diminishing  in  length  towards  the  extremity  of  the  branch,  and  with  their  leaves 
arranged  in  two  horizontal  rows,  they  apparently  form  gigantic  bipinnate  leaves; 


288  ^^  some  Brazilian  Climbing-Plants. 

and  when  covered  with  their  bluish-purple  flowers,  this  Securidaca  is  one  of  the 
most  elegant  and  magnificent  plants  of  our  flora. 

From  the  last  two  plants  it  is  but  one  step  to  the  primordial  and  simplest 
condition  of  branch  climbers,  exhibited  by  the  numerous  species  which  scramble 
up   a  thicket   without  twäning  and  without  the  aid  of  rootlets,   hooks,  or  tendrils. 

Thus  we  can  trace  in  the  development  of  branch  climbers  the  foUowing 
stages:  — 

1.  Plants  supporting  themselves  only  by  their  branches  stretched  out  at  right 
angles  —  for  example,  Chiococca. 

2.  Plants  clasping  a  support  with  their  branches  unmodified  —  Securidaca 
{Hippocratia  according  to  Endlicher,  Gen,  Plant.  No.  5700,  "arbores  v.  frutices, 
ramis  contortis  scandentes"). 

3.  Plants  climbing  with  the  tendril-like  ends  of  their  branches.  According 
to  Endlicher  (Gen.  PI.  No.  5745),  this  is  the  case  with  Helinus  ("ramulorum  apicibus 
cirrhosis  scandens"). 

4.  Plants  with  highly  modified  tendrils,  which  may,  however,  be  transformed 
again  into  branches  —  for  example,  the  above-mentioned  Papilionaceous  plant 

5.  Plants  with  tendrils  used  exclusively  for  climbing  —  Strychnos,  Caulotretus. 
I  will  here  add  a  few  miscellaneous  observations.    You  describe  some  species 

of  Bignonia  in  which  the  tips  of  the  tendrils  become  enlarged  and  adhesive  after 
remaining  for  a  short  time  in  contact  with  some  object;  but  the  trifid  tendrils  of 
Haplolophium,  one  of  the  Bignoniacese ,  terminate  (without  having  come  into 
contact  with  any  object)  in  smooth  shining  disks,  which,  however,  after  adhesion, 
sometimes  become  considerably  enlarged.  In  Cardiospermuni  you  State  that  the 
common  peduncle  which  bears  the  subpeduncles  with  the  flower-buds  and  the 
pair  of  short  tendrils,  although  it  spontaneously  revolves,  does  not  bend  on  contact 
or  contract  spirally;  hence  it  may  be  worth  mentioning,  as  showing  a  difference 
in  the  action  of  the  tendrils  in  related  genera,  that  in  Serjania  the  common  peduncle 
contracts  spirally  when  the  single  tendril  which  it  bears  has  clasped,  as  frequently 
happens,  the  plant's  own  stem. 

With  respect  to  spirally  twining  plants,  you  State  that  though  the  Hibbertia 
dentata  sometimes  revolves  in  one  direction  and  sometimes  in  the  other,  yet  it 
invariably  twines  from  left  to  right.  But  in  another  genus  belonging  to  the  same 
family,  namely  the  Davilla,  the  stem  twines  indifferently  from  left  to  right  or 
from  right  to  left;  and  I  once  saw  a  shoot,  ascending  a  tree  about  five  inches 
in  diameter,  reverse  its  course  in  the  same  manner  as  so  frequently  occurs  with 
Loasa.  Although  individuals,  as  we  have  just  seen,  in  some  few  cases  twine  in 
opposite  directions,  yet  you  say  that  you  have  not  as  yet  met  with  any  case  of 
two  species  in  the  same  genus  twining  in  opposite  directions.  and  you  are  able 
to  give  only  two  cases  of  species  within  the  same  natural  order  thus  twining. 
But  a  Mikania  growing  here  twines  from  right  to  left,  whilst  the  Mikania  scandens 
described  by  you  twines  in  an  opposite  direction;  and  I  believe  that  there  are 
species  of  Dioscorea  which  twine  in  opposite  directions.  Lastly,  with  respect  to 
the  thickness  of  the  support  which  can  be  ascended  by  spiraUy  twining  plants, 
I  have  lately  seen  a  trunk  about  five  feet  in  circumference  which  was  thus 
ascended  by  a  plant  apparently  belonging  to  the  Menispermaceae. 


Ueber  das  Holz  einiger  um  Desterro  wachsender 

Kletterpflanzen  ^). 

Mit  Tafel  XXVIII. 

Wie  längst  bekannt,  sind  die  holzigen  Stämme  vieler  Kletterpflanzen  durch 
eine  vom  gewöhnlichen  Baue  des  Dicotyledonenstammes  abweichende  Bildung 
ihres  Holzes  ausgezeichnet.  In  einem  Lande,  das  an  Kletterpflanzen  vielleicht 
reicher  ist  als  jedes  andere  der  Erde,  habe  ich  Gelegenheit  gehabt,  eine  ziemliche 
Zahl  solcher  „anomalen  Holzbildungen"  und  darunter,  wie  ich  glaube,  manches 
Neue  zu  sehen.  Ich  will  im  Folgenden  eine  kurze  Uebersicht  meiner  Beobachtungen 
geben,  so  weit  sie  den  gröberen  ohne  Mikroskop  erkennbaren  Bau  des  Holzes 
betreffen. 

Das  Gemeinsame  der  mannigfachen  Abweichungen  vom  gewöhnUchen  Baue, 
die  man  an  den  Stämmen  holziger  Kletterpflanzen  beobachtet,  besteht  darin,  dass 
bei  ihnen  der  Holzkörper  der  Länge  nach  in  mehr  oder  minder  vollständig  ge- 
schiedene Stücke  zerklüftet  oder  von  Strängen  eines  weicheren  Gewebes  durch- 
zogen ist.  Die  Stämme  werden  dadurch  biegsamer,  als  wenn  dieselbe  Holzmasse 
eine  regelmässige  dichte  Walze  bildete.  Die  Zerklüftung  kann  auf  mehrere 
wesentlich  verschiedene  Weisen  zu  Stande  kommen,  drei  derselben,  —  durch  un- 
gleichmässiges  Wachsthum  des  Holzkörpers,  durch  Entwickelung  der  Markstrahlen 
zu  zusammenhängenden  Längsplatten,  durch  Bildung  äusserer  Holzringe,  —  finden 
sich  bei  Pflanzen  der  verschiedensten  Familien;  zwei  andere  sind  jede  auf  einen 
kleinen  Kreis  engverwandter  Arten,  die  kletternden  Bignoniaceen  und  Sapindaceen 
beschränkt. 

Bei  einer  ersten  Gruppe  anomaler  Stämme  wird  die  Zerklüftung  des  Holz- 
körpers durch  ein  ungleichmässiges  Wachsthum  desselben  hervorgebracht.  Indem 
einzelne  Theile  im  Umfange  des  Holzkörpers  rascher,  andere  langsamer  wachsen 
oder  ganz  zu  wachsen  aufhören,  entstehen  vorspringende  Längswülste,  die  durch 
Rinnen  oder  Spalten  geschieden  sind.  Bei  den  wenigen  Pflanzen  dieser  Gruppe, 
die  ich  gesehen,  schienen  mir  immer  die  Hauptwülste  mit  den  Blättern  abzu- 
wechseln. —  Die  Rinde  umgiebt  diese  Stämme  entweder  in  gleichmässiger  Dicke, 
oder  sie  wuchert  stärker  an  denselben  Stellen,  wo  das  Holz  im  Wachsthum  zurück- 
bleibt und  füllt  so  die  Spalten  des  Holzkörpers  aus. 


i)  Botanische  Zeitung   1866.  24.  Jahrg.  p.  57 — 60.  65 — 69.    Taf.  III. 
Fritz  Müllers  gesammelte  Scbriften.  '9 


,QO  Ueber  das  Holz  einiger  um  Desterro  wachsender  Kletterpflanzen. 

Im  ersteren  Falle  ist  die  Zerklüftung  des  Holzes  schon  aussen  sichtbar. 
Nur  ganz  enge  Spalten,  deren  Weite  die  doppelte  Dicke  der  Rinde  nicht  über- 
trifft, sind  auch  hier  von  Rinde  ausgefüllt;  aber  der  Querschnitt  zeigt,  dass  jede 
Wand  der  Spalte  ihre  eigene  Rinde  hat.  Ich  habe  diesen  Fall  gesehen  bei  einer 
weissblühenden  Lantana  ^)  (Fig.  3),  welche  zu  den  zahlreichen  Kletterpflanzen  ge- 
hört, die  ohne  andere  zu  umwinden  und  ohne  die  Hülfe  von  Wurzeln,  Dornen 
oder  Ranken  in  dichtem  (xebüsch  emporklettern.  Der  mittlere  unzerklüftete 
Theil  des  Holzringes  ist  hier  meist  so  unbedeutend,  dass  die  Stämme  beim  Zer- 
brechen leicht  in  vier  Stücke  spalten ;  bei  einem  Stamm  von  1 8  mm  Durchmesser 
kamen  nur  4  mm  auf  den  mittleren  Theil  und  davon  reichlich  ein  Drittel  auf 
das  Mark. 

Im  zweiten  Falle,  den  ich  bei  Peixotoa,  bei  Tetrapterys  und  bei  Condylo- 
carpon  beobachtete,  ist  die  Zerklüftung  des  Holzes  von  aussen  nicht  zu  bemerken. 

Von  Peixotoa  (Fig.  2)  habe  ich  nur  kaum  fingerdicke  Stämme  gefunden, 
auf  deren  Holzkörper  6  oder  8  seichte  Längsfurchen  sich  hinziehen.  Bemerkens- 
werth  ist  an  diesen  Stämmen  der  weisse  brüchige  Kork,  der  unregelmässige  hohe 
Längsrippen  bildet  und  dessen  Dicke  bisweilen  die  des  Stammes  übertrifft. 

Bei  Tetrapterys  (Fig.  i)  sehe  ich  an  allen  mir  vorliegenden  Stücken  sechs 
oft  sehr  tief  einschneidende  schmale  Hauptspalten,  zwischen  denen,  in  verschiedener 
Zahl  und  Anordnung,  seichtere  Furchen  zu  verlaufen  pflegen.  Das  Holz  der 
übrigen  von  mir  untersuchten  windenden  Malpighiaceen  ist  bis  auf  das  von 
Dicella  (s.  u.)  regelmässig  gebildet. 

Höchst  eigenthümlich  ist  die  Bildung  alter  Stämme  von  Condylocarpon 
(Fig.  4),  einer  schönen  windenden  Apocynee  mit  glänzenden  wirtelständigen  Blättern 
und  kleinen  goldgelben  Blüthen.  Das  Holz  jüngerer  Aeste  bis  zu  etwa  i  cm 
Durchmesser  bildet  einen  regelmässigen  Ring  zwischen  Mark  und  Rinde.  Wenn 
die  Stämme  ungefähr  die  angegebene  Dicke  erreicht  haben,  machen  sich  seichte 
Längsfurchen  bemerklich,  besonders  deutlich  in  der  Nähe  der  Blätter;  macht  man 
hier  einen  Querschnitt  (Fig.  4.  A),  so  sieht  man,  dass  von  den  Furchen  aus  weisse 
gefässlose  Streifen  durch  das  gelbliche  Holz  nach  dem  an  dieser  Stelle  drei- 
kantigem Marke  sich  hinziehen.  Bei  etwas  älteren  Stämmen  (Fig.  4.  C)  sieht  man 
den  jüngeren  Theil  des  Holzringes  von  zahlreichen  mehr  oder  minder  tief  ein- 
schneidenden Längsspalten  durchzogen ,  die  von  der  weissen  Rinde  ausgefüllt 
sind.  Bis  jetzt  hat  also  das  Holz  die  grösste  Aehnlichkeit  mit  dem  von  Tetra- 
pterys. Später  aber  wird  das  Wachsthum  des  Holzes  äusserst  unregelmässig ;  die 
älteren  Spalten  werden  wieder  vom  Holze  überwuchert  und  neue  bilden  sich  am 
Rande,  um  bald  ihrerseits  dasselbe  Schicksal  zu  erleiden.  So  zeigt  der  alte 
Stamm  (Fig.  4.  D)  zahlreiche  unregelmässig  zerstreute  Inseln  von  weisser  Rinde 
inmitten  des  gelblichen  Holzes.  Die  Zerklüftung  des  Holzes  durch  Längsfurchen 
ist  nicht  beschränkt  auf  dicotyledonische  Kletterpflanzen;  sie  findet  sich  auch 
an  der  holzigen  Achse  der  bisweilen  über  70  Fuss  langen  Luftwurzeln  eines  Philo- 
dendron  (Cipo  d'Imbe  der  Brasilianer).  —  (Fig.  21.)  —  Abweichend  vom  ge- 
wöhnlichen  Bau   monocotyledonischer  Stämme  besteht    das   PIolz   hier   nicht   aus 

i)  Die  Gattungen    sind    nach    Endlicher,    Genera  plantaruni,    bestimmt;    zur  ßestinmiung    der    Arten 

h:ihc  ich   keine    Hülfsniitlcl. 


Ueber  das  Holz  einiger  um  Desterro  wachsender  Kletterpflanzen.  20 1 

einzelnen  im  Parenchym  zerstreuten  Bündeln,  sondern  bildet  eine  zusammen- 
hängende Masse  in  der  Mitte  des  Stammes,  die  im  Querschnitt  eine  sechsblättrige 
Rosette  darstellt.  Um  das  Holz  liegt  ein  weiches  weisses  Parenchym  mit  zahl- 
reichen Harzgängen,  in  dessen  äussersten  Zellenlagen  Chlorophyllkörner  auftreten, 
und  dieses  ist  umgeben  von  einer  sehr  zähen,  leicht  abzulösenden  schwarzen  Rinde. 

Bei  einer  zweiten  Gruppe  von  Kletterpflanzen  ist  der  Holzkörper  dadurch 
in  vollständig  von  einander  getrennte  Stücke  zerspalten,  dass  die  Markstrahlen 
zusammenhängende  durch  die  ganze  Länge  des  Stammes  sich  hinziehende  Längs- 
platten bilden.  Ausser  bei  einigen  noch  unbestimmten  Pflanzen  fand  ich  diesen 
Bau  bei  Clematis,  bei  einigen  Cocculus-Arten,  deren  Stamm  nicht  über  fingersdick 
zu  werden  scheint,  bei  einem  hier  sehr  häufigen  Cissus  und  bei  Aristolochia 
(Fig.  5).  Der  von  dickem,  deutlich  geschichtetem,  braunem  Korke  bedeckte 
Stamm  von  Aristolochia  ist  wie  der  von  Cissus  im  Querschnitt  elliptisch;  die 
Holzbündel  sind  durch  weit  breitere  Markstrahlen  von  einander  geschieden,  als  in 
den  übrigen  genannten  Gattungen.  In  der  längeren  Achse  des  Querschnittes 
liegen  einander  gegenüber  zwei  breite  durch  secundäre  Markstrahlen  tief  ein- 
geschnittene Holzbündel ;  zwischen  ihnen  jederseits  2  oder  häufiger  3  schmalere.  — 
Das  Holz  ist  gelblich,  von  weiten  Gefässen  durchzogen,  das  seine  Bündel  trennende 
und  umgebende  Gewebe  weiss,  und  nach  aussen  von  jedem  Holzbündel  liegt  ein 
Streifen  eines  saftreichen  Gewebes,  das  durch  zahlreiche  mit  bitterem  aromatischem 
Harze  gefüllte  Zellen  eine  dunkelbraune  Farbe  erhält. 

Aehnlich  ist  der  Bau  des  Stammes  auch  bei  Bryonia  (Fig.  8).  In  der  Mitte 
des  Querschnitts  sieht  man  einen  dunkleren,  grünlichen,  fünfstrahligen  Stern, 
dessen  Strahlen  nur  durch  ganz  schmale  weisse  Linien  getrennt  werden.  Etwas 
weiter  nach  außen,  mit  den  Strahlen  des  Stammes  abwechselnd,  liegen  fünf  ähn- 
liche dunkle  Flecken,  wie  jene  aus  einem  saftreichen  Gewebe  bestehend.  Von 
ihnen  gehen  breitere,  von  den  Strahlen  des  Sternes  schmalere  Holzbündel  aus. 
die  durch  secundäre  Markstrahlen  in  schmale,  bisweilen  eine  einzige  Reihe  der 
sehr  weiten  Gefässe  enthaltende  Platten  zerklüftet  sind.  Ein  ähnlicher  dunkler 
Fleck  wie  am  inneren  findet  sich  am  äusseren  Ende  jedes  Holzbündels. 

Bei  einer  dritten  Gruppe  anomaler  Holzbildungen  beschränkt  sich  das  fort- 
laufende Gewebe  (Cambium)  nicht  wie  bei  der  Mehrzahl  der  Dicotyledonen  auf 
einen  einzigen  Kreis,  sondern  um  den  mittleren  Holzring  herum  entstehen  in  der 
Rinde  neue  Streifen,  Bogen  oder  vollständige  Ringe  von  fortbildendem  Gewebe 
und  von  ihnen  erzeugt  jüngere,  den  mittleren  Holzring  umschliessende  und  durch 
Rindenschichten  von  ihm  getrennte  Holzbildungen.  Besonders  schön  und  regel- 
mässig findet  sich  dieser  Bau  des  Holzes  bekanntlich  bei  verschiedenen  Meni- 
spermeen,  deren  Holzkörper  überdies  durch  zusammenhängende  Markstrahlplatten 
zerklüftet  ist.  Die  Stämme  erreichen  bisweilen  eine  ansehnliche  Dicke  und  dann 
wird  die  Zahl  der  einander  umschliessenden  Holzringe  eine  sehr  beträchtliche;  ich 
habe  in  meinem  Walde  am  Itajah}"  Menispermeenstämme  gesehen,  die  fast  eine 
Spanne  im  Durchmesser  hatten  und  wie  gewaltige  Taue  sich  in  weiten  Bogen 
von  Baum  zu  Baume  spannten.  Das  in  Fig.  12  gezeichnete  Holz  gehört  wahr- 
scheinlich einer  Pflanze  derselben  Familie  an;  die  aus  weicherem  saftreichem  Ge- 
webe gebildeten  dunklen  Flecken  am  äusseren  Ende  jedes  Holzbündels  lassen 
die    einander    umschliessenden    Holzkreise     besonders    deutlich    hervortreten.    — 

10* 


,Q2  Ueber  das  Holz  einiger  um  Desterro  wachsender  Kletterpflanzen. 

Dagegen  gehört  die  Pflanze,  von  der  das  Fig.  9  abgebildete  Holz  entnommen  ist, 
und  die  ich  wie  die  vorige  noch  nicht  blühend  gefunden  habe,  sicher  weder  zu 
den  Menispermeen,  noch  in  eine  der  anderen  Familien  (Ampelideen,  Convolvulaceen, 
Gnetaceen),  in  denen  nach  Kunth  (Lehrbuch  der  Botanik  I.  S.  14g)  eine  ähnliche 
Bildung  des  Holzkörpers  vorkommt. 

Bei  Mucuna  (Fig.  13)  wächst  das  Holz  regelmässig  bis  zu  einem  Durch- 
messer von  5  bis  6  cm  und  darüber;  dann  bildet  sich,  durch  einen  ansehnlichen, 
bisweilen  über  i  cm  breiten  Zwischenraum  getrennt,  ein  äusserer  Holzring,  um 
welchen  ich  bei  einem  Stamme  von  etwa  14  cm  Durchmesser  noch  die  Anfänge 
eines  dritten  mehrfach  unterbrochenen  Ringes  sehe.  —  Die  äusseren  Holzbündel 
bilden  keinen  geschlossenen  Ring,  sondern  sind  durch  Längsplatten  von  Parenchym 
getrennt.  Das  Holz  auch  der  älteren  Stämme  ist  weich,  saftreich  und  von  sehr 
weiten  Gefässen  durchzogen.  Sehr  schön  sieht  man  in  den  Zwischenräumen 
zwischen  den  Holzringen  die  Basttheile  der  Holzbündel,  wie  sie  Schacht  nennt, 
die  sich  durch  dunklere  Färbung  und  radiäre  Streifung  vor  dem  umgebenden 
Parenchym  auszeichnen.  — 

Bei  den  bisher  erwähnten  Pflanzen  besteht  kein  erheblicher  Unterschied 
zwischen  dem  Bau  des  mittleren  Holzringes  vmd  dem  des  umschliessenden  jüngeren 
Holzes.  Anders  ist  es  bei  Securidaca  (Fig.  6).  Die  jüngeren  Zweige  dieses  prächtig 
blühenden  Kletterstrauches  sind  drehrund  und  haben  ein  festes  dichtes  Holz,  in 
welchem  mit  blossem  Auge  kaum  Gefässe  zu  erkennen  sind.  Wenn  die  Zweige 
etwa  I  cm  Durchmesser  erreicht  haben,  oft  schon  früher,  nur  selten  (z.B.  Fig.  6.  A) 
beträchtlich  später,  beginnt  die  Bildung  des  Aussenholzes.  Das  neue  Cambium 
bildet  keine  vollständigen  Ringe,  sondern  Bogen  von  sehr  wechselnder  Aus- 
dehnung, bisweilen  so  klein,  dass  das  von  ihnen  erzeugte  Holz  nur  ein  einziges 
weites  Gefäss  enthält.  Das  neue  Holz  hat  Gefässe  von  ansehnlicher  Weite  und 
ist  viel  weicher  als  der  Kern,  welcher  sich  bisweilen  auch  durch  weit  dunklere 
Färbung  auszeichnet.  Noch  weicher  als  das  neue  Holz  sind  die  dessen  einzelne 
Stücke  trennenden  Bogen,  die  aus  zwei  scharf  geschiedenen  Schichten  bestehen. 
Die  Stücke  des  Aussenholzes  lassen  sich  leicht  aus  einander  nehmen,  namentlich 
wo  sie  grössere  wie  Zwiebelschalen  über  einander  liegende  Bogen  bilden  (Fig.  6.  B  ) 
In  Betreff  ihrer  oft  sehr  verwickelten  Anordnung  in  älteren  Stämmen  verweise 
ich  auf  die  Abbildungen  (Fig.  6.  C,  D).  Immer  beginnt  die  Entwickelung  des 
Aussenholzes  und  immer  bleibt  sein  Wachsthum  weit  stärker  an  den  Enden  eines 
Durchmessers,  welcher  auf  der  durch  den  Ursprung  der  zweizeilig  angeordneten 
Blätter  gehenden  Ebenen  senkrecht  steht.  An  dem  dicksten  Stamme,  den  ich 
besitze,  beträgt  der  grösste  Durchmesser  12  cm,  der  darauf  senkrechte  9  cm,  der 
Durchmesser  des  Kernholzes  6  mm.  — 

Fast  ganz  wie  bei  Securidaca  ist  das  Aussenholz  bei  einer  Hippocrateaceo 
mit  nicht  aufspringenden  saftigen  Früchten,  also  wahrscheinlich  einer  Tontelea 
(Fig.  7)  angeordnet.  Das  Holz  ist  röthlichbraun,  der  Bast,  der  in  einer  dünnen 
Schicht  die  einzelnen  Lagen  des  Aussenholzes  überzieht,  schneeweiss  und  seiden- 
glänzend. —  Es  verdient  bemerkt  zu  werden,  dass  diese  beiden  so  verschiedenen 
Familien  angehörenden  Klettersträucher  ausser  im  Baue  des  Holzes  auch  in  der 
Art  des  Kletterns  übereinstimmen.  Sie  gehören  zu  den  wenigen  Pflanzen,  deren 
junge  Zweige  als  Ranken  dienen,  um  Gegenstände,   mit  denen  sie  in  Berührung 


Ueher  das  Holz  einiger  um  Desterro  wachsender  Kletterpflanzen.  2Q^ 

kommen,  sich  herumbiegen,  sich  dann  verdicken  und  so  den  Kletterstrauch  be- 
festigen. Ausser  bei  Securidaca  und  Tontelea  kenne  ich  diese  Weise  des  Kletterns 
nur  noch  bei  Hecastophyllum  und  einer  zweiten  Papilionacee  aus  derselben  Ab- 
theilung der  Dalbergieen,  —  Hätten  De  Candolle  und  Mohl  je  einen  dieser  Zweig- 
klimmer  gesehen,  so  würde  es  sicher  jenem  nicht  eingefallen  sein,  die  Stengel 
der  windenden  Pflanzen  mit  den  Ranken  zusammenzustellen,  —  noch  diesem, 
das  Umschlingen  der  Stütze  bei  Schlingpflanzen  als  Folge  einer  durch  die  Be- 
rührung erregten  Reizbarkeit  zu  betrachten. 

Vielleicht  gehört  hierher  auch  das  Holz  der  häufig  abgeplatteten  Stämme 
von  Dicella,  in  welchem  ebenfalls  unregelmässig  angeordnete  bogenförmige  Holz- 
streifen mit  Streifen  eines  weichen  gefässlosen  Gewebes  wechseln. 

Eine  vierte  Gruppe  bilden  die  Stämme  der  rankentragenden  Bignoniaceen, 
von  denen  ich  über  ein  Dutzend  Arten  untersucht  habe.  Durchschneidet  man 
einen  frischen  jüngeren  Zweig  einer  Bignonia,  bei  dem  schon  ein  dünner  fester 
Holzring  um  das  Mark  vorhanden  ist,  so  fallen  nach  aussen  vom  Holzringe  vier 
scharf  gegen  die  umgebende  Rinde  abgesetzte  dunklere  Flecke  ins  Auge,  die  mit 
den  Blättern  abwechseln.  Seitlich  sind  sie  begrenzt  durch  gerade,  meist  gleich- 
laufende Linien,  aussen  durch  einen  nach  aussen,  innen  durch  einen  nach  innen 
gewölbten  Bogen;  dieser  innere  Bogen  liegt  dem  Holzringe  dicht  an.  Bisweilen 
erkennt  man  schon  jetzt  eine,  in  etwas  späterer  Zeit  meist  sehr  deutliche,  quere 
Streif ung  der  Flecke,  bedingt  durch  abwechselnde  Schichten  weicheren  und 
festeren  Gewebes. 

Diese  zwischen  Holz  und  Rinde  eingeschalteten,  scharf  gegen  beide  ab- 
gesetzten Stücke,  die  anfangs  nur  vier  dünne,  saftreiche  Längsstreifen  bilden, 
wachsen  nun  in  der  Richtung  des  Halbmessers  in  gleichem  Maasse  mit  dem 
Stamme  weiter,  so  dass  ihr  inneres  Ende  immer  bis  in  die  Nähe  des  Markes,  ihr 
äusseres  bis  zu  den  äussersten  Rindenschichten  reicht  (Fig.  i8.  A).  So  wird  durch 
sie  der  Holzkörper  in  vier  fast  bis  aufs  Mark  getrennte  Stücke  zerklüftet.  Später 
bildet  sich  von  innen  her  in  den  Spaltstücken  Holz,  das  von  dem  des  eigent- 
lichen Holzkörpers  nicht  auffallend  verschieden  ist,  aber  nicht  mit  demselben  ver- 
schmilzt, sondern  durch  eine  dünne  Schicht  unverholzten,  dünnwandigen  Paren- 
chyms  getrennt  bleibt.  Diese  trennende  Schicht  setzt  sich  auch  längs  des 
weichen  Theils  der  Spaltstücke  und  bis  in  die  Rinde  hinein  fort,  gegen  die  sich 
dieselben,  wenigstens  in  jüngeren  Stämmen,  wie  gesagt,  eben  so  scharf  absetzen 
wie  gegen  das  Holz. 

Die  jüngeren  Stämme  der  verschiedenen  Arten  zeigen  keine  auffallenden 
Unterschiede  in  dieser  Beziehung;  aber  aus  den  gleichen  Jugendformen  geht  im 
Fortschritte  des  Wachsthums  eine  ziemlich  mannigfache  Bildung  der  älteren  Stämme 
hervor.  Ich  habe  solche  alte  Stämme  von  fünf  Arten  untersucht;  eine  derselben 
ist  ein  Haplolophium,  die  anderen,  deren  Blüthen  und  Früchte  ich  nicht  kenne, 
mögen  zu  Bignonia  gehören. 

Am  einfachsten  ist  die  Wachsthumsweise  einer  Art  mit  vierseitigem  Stamme 
(Fig.  15).  Die  Seitenlinien  der  Spaltstücke  sind  bei  dieser  Art  nicht  gleichlaufend, 
sondern  haben  fast  die  Richtung  von  Halbmessern ;  daher  werden  die  Spalt- 
stücke nach  aussen  breiter;  sie  bleiben  dabei  immer  von  denselben  Geraden  be- 
grenzt.    Die  Holzbildung    in   den  Spaltstücken    hält  ziemlich  gleichen  Schritt  mit 


■yQ,  Ueber  das  Holz  einiger  um  Dcsteiro  wachsender  Klelterjiflanzen. 

der  des  Holzkörpers,  so  dass  die  durch  den  weichen  Kindentheil  der  Spaltstückc 
o-efüllten  Spalten  des  letzteren  eine  geringe  Tiefe  haben.  Der  Holzkörper  wächst 
rascher  längs  der  ihn  von  den  Spaltstücken  trennenden  Parenchymplatten ;  er 
bildet  die  Seiten,  die  Spaltstücke  bilden  die  abgerundeten  Ecken  des  vierseitigen 
Stammes.  Die  Parench3^mplatten  zwischen  Holzkörper  und  Spaltstücken  sind  bei 
dieser  Art  besonders  breit  und  augenfällig.  Das  Holz  hat  sehr  deutliche  Schichtungs- 
linien, deren  Wölbung  in  den  Spaltstücken  nach  innen,  im  Holzkörper  (wenigstens 
seinem  älteren  Theile)  nach  aussen  gerichtet  ist. 

Bei  einer  zweiten  Art  (Fig.  14)  sind  die  Seitenlinien  der  Spaltstücke  in 
jüngeren  Zweigen  gleichlaufend  oder  kaum  merklich  aus  einander  laufend;  wenn 
die  Stämme  etwa  i  cm  Dicke  erreicht  haben,  tritt  zu  jeder  Seite  jedes  Spalt- 
stückes, ihm  dicht  anliegend,  ein  neues,  etwa  halb  so  breites  auf,  neben  diesem 
ersten  später  ein  zweites,  ein  drittes  u.  s.  w.  —  Das  Holz  der  mittleren  Spalt- 
stücke reicht  etwa  halb  so  weit  nach  aussen,  als  das  des  Holzkörpers,  das  der 
seitlichen  um  so  weiter,  je  weiter  von  der  Mitte  des  Stammes  sie  selbst  entstanden 
sind.  Dadurch  erhalten  die  nach  aussen  erweiterten  Furchen,  in  denen  der  Rinden- 
theil der  Spaltstücke  liegt,  treppenförmige  Seitenwände. 

Bei  einer  dritten  Art  (Fig.  16)  laufen  die  Seitenlinien  der  Spaltstücke  nach 
aussen  zusammen,  und  wenn  der  Stamm  kaum  i  cm  Dicke  überschritten  hat, 
finden  sie  sich  vollständig  vom  Holzkörper  umwachsen;  später  bilden  sich  bis- 
weilen nach  aussen  von  den  ersten  neue  Spaltstücke,  die  aber  bald  in  gleicher 
Weise  umwachsen  werden.  Ziemlich  tiefe  Längsrinnen,  die  der  Holzkörper  eines 
g  cm  dicken  Stammes  zeigte,  schienen  hauptsächlich  durch  ungleichmässigcs 
Wachsthum  des  Holzkörpers  bedingt  zu  sein;  vier  solche  Rinnen  lagen  in  der 
Richtung  der  Spaltstücke,  vier  damit  abwechselnd;  von  letzteren  war  an  einem 
2,5  cm  dicken  Stamme  noch  nichts  zu  sehen.  Obwohl  die  vier  Stücke  des  Holz- 
körpers bei  dieser  Art  nur  auf  unbedeutende  Strecken  durch  Spaltstücke  getrennt 
sind,  scheinen  sie  doch  nicht  mit  einander  zu  verwachsen,  sondern  durch  eine  zu- 
sammenhängende dünne  Schicht  unverholzten  Parenchyms  getrennt  zu  bleiben; 
eine  von  dejn  erwähnten  g  cm  dicken  Stamme  abgesägte,  etwa  5  mm  dicke 
Scheibe  bekam  beim  Trocknen  feine  Spalten  in  der  Richtung  der  Spaltstücke 
und  war  dann  leicht  in  vier  Stücke  zu  zerbrechen,  während  die  Kraft  meiner 
Hände  nicht  ausreichte,  sie  in  irgend  einer  anderen  Richtung  zu  zerbrechen. 

Dem  der  letzterwähnten  Art  sehr  ähnlich  ist  während  langer  Jahre  der 
Stamm  von  Haplolophium  gebaut  (Fig.  18);  nur  macht  sich  ein  ungleichmässigcs 
Wachsthum  des  Holzkörpers  früher  und  in  höherem  Maasse  bemerklich,  so  dass 
z.  B.  ein  Stamm  von  3  cm  Durchmesser  gegen  20  unregelmässig  vertheilte  Längs- 
rinnen von  verschiedener  Tiefe  zeigte.  Auch  treten  bisweilen  nach  dem  Um- 
wachsen der  ältesten  Spaltstücke  neue,  nicht  nur  in  deren  Verlängerung,  sondern 
auch  mit  ihnen  abwechselnd  auf.  —  Recht  alte  Stämme  aber  (Fig.  18.  C)  sind  durch 
eine  Eigenthümlichkeit  ausgezeichnet,  die  mir  bei  keiner  anderen  Bignoniacee 
vorgekommen  ist,  durch  die  Bildung  eines  äusseren  Holzringes.  Das  Aussenholz 
ist  von  dem  des  mittleren  Holzkörpers  nicht  verschieden. 

Weit  mehr  als  bei  allen  vorhergehenden  Bignoniaceen  ist  das  Holz  einer 
fünften  Art  (Fig.  17)  zerklüftet.  Zweige  von  3  bis  4  mm  Durchmesser  besassen 
nur  die   4   gewöhnlichen   Schaltstücke;   bei  5  bis  6  mm    (Fig.  17.  ^4)   fanden    sich 


Ueber  das  Holz  einiger  um  Desterro  wachsender  Kletterpflanzen.  9qc 

mit  ihnen  abwechselnd  vier  jüngere;  die  Spaltstücke  hatten  jetzt  gleichlaufende 
Seitenlinien ;  Holztheil  und  Rindentheil  waren  von  ungefähr  gleicher  Länge.  Leider 
fehlen  mir  Zwischenstufen  zwischen  diesen  Zweigen  und  einem  2  cm  dicken  Stamme. 
Ich  habe  die  Pflanze  erst  einmal  gefunden  und  konnte  mir  zwar  leicht,  als  ich 
die  überaus  zierliche  Bildung  des  Holzes  erkannt,  ein  langes  Stück  des  einen 
Baum  umwindenden  Stammes  herausschneiden,  aber  nur  mit  Mühe  einige  dünne 
Zweige  erklettern.  —  Die  Spaltstücke  des  Stammes  haben,  abweichend  von  denen 
der  jüngeren  Zweige,  die  Gestalt  einer  Raute,  deren  kürzere  Diagonale  den  nach 
innen  gewendeten  Holztheil  von  dem  nach  aussen  gewendeten  Rindentheile 
scheidet.  Bei  dieser  Gestalt  würden  sie  vom  Holzkörper  umwachsen  werden, 
wenn  dem  nicht  durch  das  Auftreten  neuer  Spaltstücke  vorgebeugt  würde,  die 
sich  an  die  Seiten  der  älteren  anlegen  und  etwa  halb  so  breit  als  diese  sind;  die 
Form  der  Spaltstücke  lässt  hier  die  treppenförmige  Bildung  der  Seitenwände 
der  in  das  Holz  eindringenden  Spalten  noch  weit  deutlicher  hervortreten,  als  bei 
der  zweiten  Art.  Ausser  den  vier  ältesten  und  tiefsten  Spalten  finden  sich  noch 
4  zweiter  und  8  dritter  Ordnung,  die  ebenfalls  der  Bildung  von  Spaltstücken 
ihre  Entstehung  verdanken.  Man  kann  leicht  die  zahlreichen  Spaltstücke,  die 
das  Holz  bilden  helfen,  aus  einander  nehmen.  —  Nicht  genug  mit  dieser  be- 
deutenden Zerklüftung-;  es  findet  sich  noch  zwischen  den  Holztheilen  der  vier 
ältesten  Spaltstücke  ein  weisses,  weiches  Parenchym,  das  an  einigen  Stellen 
meines  Stammes  2,  an  anderen  (wie  in  der  Abbildung  Fig.  17.  ß)  3  von  den 
4  Stücken  des  Holzkörpers,  an  anderen  alle  4  vollständig  von  einem  schmalen 
das  Mark  umschliessenden  Holzringe  abschneidet.  Dies  Parenchym  steht  in  Zu- 
sammenhang mit  den  Parenchymplatten,  welche  die  Spaltstücke  vom  Holzkörper 
trennen,  und  scheint  aus  einer  Wucherung  desselben  hervorgegangen  zu  sein. 
Diese  Art  mit  dem  stark  zerklüfteten  Stamme  ist,  so  viel  ich  bis  jetzt  gesehen, 
die  einzige  windende  unter  unsern  Bignonien;  die  andern  verlassen  sich  beim 
Klettern  ausschliesslich  auf  die  Ranken  ihrer  Blätter  oder  befestigen  sich  nach- 
träglich durch  Haftwurzeln. 

Einen  auffallenden  Gegensatz  zu  dieser  Art  bildet,  in  Lebensweise  und  Bau 
des  Holzes,  eine  andere  Bignonie,  die  ich  niemals  klettern  sah,  sondern  nur  als 
niedrigen  Busch  mit  schwanken,  oft  niederliegenden  Aesten,  sie  erzeugt  meist 
vollständige  dreizählige  Blätter  und  nur  wenige  einfache  Ranken.  Ihr  Holz  er- 
scheint als  runde  furchenlose  Walze,  indem  die  Holzbildung  in  den  Spaltstücken 
gleichen  Schritt  hält  mit  der  im  eigentlichen  Holzkörper.  So  wenigstens  in 
fingerdicken  Stämmen.  Ich  vermochte  nicht  die  Spaltstücke  aus  dem  Holze 
herauszunehmen,  was  bei  anderen  Arten  leicht  ist;  ich  bin  an  einigen  Zweigen 
sogar  in  Zweifel  über  deren  Vorhandensein  gewesen,  während  bei  anderen 
namentlich  ihr  Rindentheil,  vier  dunklere,  scharf  umschriebene  Flecken  in  der 
Rinde  bildend,  sofort  ins  Auge  fällt. 

Eine  fünfte  Gruppe  wird  gebildet  von  den  Stämmen  einiger  kletternden 
Sapindaceen.  Bei  ihnen  ist  der  mittlere  Holzring  umgeben  von  mehreren  Neben- 
achsen, die  mit  demselben  durch  eine  gemeinsame  Rinde  verbunden  sind.  Ihre 
Zahl  und  Anordnung  wechselt  nach  den  Arten. 

Bei  einer  Serjania  (Fig.  19),  die  in  allen  Zäunen  in  und  um  Desterro  wuchert, 
finden  sich  drei  Nebenachsen,  welche  die  Hauptachse  in  ihrer  ganzen  Länge  be- 


,Q^  Ueber  das  Holz  einiger  um  Desteno  wachsender  Kletteqifianzen. 

gleiten  und  beim  Ursprung  jedes  dritten  Blattes  auf  eine  kurze  Strecke  mit  ihr 
verschmelzen  (Fig.  19.  A).  Die  Blätter  entspringen  zwischen  den  Nebenachsen 
von  den  Seiten  des  dreiseitigen  Stammes  in  einer  bald  nach  rechts,  bald  nach 
links  aufsteigenden  SchraubenHnie.  Steigt  die  Schraubenlinie  nach  rechts  auf,  so 
entspringt  eine  Ranke  links  von  jedem  Blatte  und  die  links  davon  verlaufende 
Nebenachse  ist  in  der  Nähe  seines  Ursprungs  mit  der  Hauptachse  verschmolzen ; 
dagegen  stehen  die  Ranken  rechts  und  die  rechtsliegende  Nebenachse  verschmilzt 
mit  der  Hauptachse,  wenn  die  Blattspirale  nach  links  aufsteigt.  Oberhalb  des 
Blattes  ist  die  dem  Blatte  gegenüberliegende  Nebenachse  weiter  von  den  beiden 
anderen  entfernt,  zwischen  denen  das  Blatt  steht,  als  diese  letzteren  von  einander 
(Fig.  19.  B). 

Minder  einfach  ist  die  Anordnung  der  Nebenachsen  bei  einer  anderen 
Sapindacee,  von  der  ich  Blüthen  und  Früchte  nicht  gesehen  habe,  also  nicht  weiss, 
ob  sie  zu  Paullinia  oder  Serjania  gehört  (Fig.  20).  Schneidet  man  einen  Stamm 
in  der  Mitte  zwischen  zwei  Blättern  durch,  so  sieht  man  (Fig.  20.  A)  die  Haupt- 
achse von  sechs  Nebenachsen  umgeben,  die  durch  zwei  breite  Lücken  in  zwei 
Gruppen  (die  eine  von  4,  die  andere  von  2)  geschieden  sind.  Verfolgt  man  diese 
an  älteren  Stämmen  schon  äusserlich  als  vorspringende  Wülste  zu  erkennenden 
Nebenachsen  am  Stamme  abwärts,  so  findet  man,  dass  sie  in  sehr  verschiedener 
Höhe  entspringen.  Bezeichnen  wir  die  älteste  am  tiefsten  entspringende  mit  i, 
die  nächstjüngere  mit  2  u.  s.  f.  bis  zur  jüngsten  6,  so  stehen  sie  um  die  Haupt- 
achse herum  in  folgender  Ordnung:  3,  6,  i,  4,  —  Lücke  — ,  2,  5,  —  Lücke.  — 
Jede  Nebenachse  ist  also  von  der  nächstjüngeren  durch  zwei  andere  getrennt, 
oder  ■%  des  Umfangs  von  ihr  entfernt. 

Verfolgen  wir  nun  unsern  Stamm  nach  oben.  Etwas  unterhalb  des  nächsten 
Blattes  trennt  sich  in  der  Lücke  zwischen  2  und  4  eine  neue  Nebenachse  (7) 
von  der  Hauptachse;  mit  dieser  neuen  Nebenachse  verschmilzt  4  und  von  2  geht 
ein  dünnes  Holzbündel  zu  ihr  hinüber.  Von  den  verschmolzenen  Nebenachsen 
entspringt  das  Blatt,  die  Ranke  und  etwaige  Aeste.  Dicht  über  dem  Blatte 
zeigen  sich  also  die  Nebenachsen  in  der  Fig.  20  B  gezeichneten  Anordnung.  In 
grösserer  oder  geringerer  Entfernung  vom  Blatte  trennen  sich  4  und  7  wieder; 
die  Hauptachse  ist  nun  von  7  Nebenachsen  umgeben,  die  von  einer  einzigen 
Lücke  unterbrochen  sind  und  in  folgender  Ordnung  stehen:  3.  6.  i.  4.  7-  2.  5.  — 
Lücke.  —  (Diese  Anordnung  zeigt  die  Fig.  112  in  Schacht's  Lehrbuch  der 
Anatomie  u.  Physiol.  der  Gewächse.  IL  S.  58).  —  Meist  schon  unter  der  Mitte 
des  Stengelghedes,  bisweilen  erst  weiter  oben  verschmilzt  die  älteste  Nebenachse  i. 
wieder  mit  der  Hauptachse,  so  dass  aufs  Neue  zwei  Lücken  vorhanden  sind,  bei 
folgender  Anordnung  der  Nebenachsen:  3.  6.  —  Lücke.  —  4.  7.  2.  5.  —  Lücke.  — 
Unter  dem  folgenden  Blatte  trennt  sich  eine  neue  Nebenachse  (8)  von  der  Haupt- 
achse, in  der  Lücke  zwischen  3  und  5,  verschmilzt  mit  5,  erhält  ein  Holzbündel 
von  3  und  trennt  sich  oberhalb  des  Blattes  wieder  von  5.  Dann  verschmilzt  2 
mit  der  Hauptachse,  eine  neue  Nebenachse  löst  sich  ab  in  der  früher  von  i  ein- 
genommenen Lücke  zwischen  4  und  6  und  so  weiter.  —  Jede  Nebenachse  durch- 
läuft also  6V2  Stengelglied;  sie  trennt  sich  von  der  Hauptachse  etwas  unterhalb 
eines  Blattes,  verschmilzt  mit  der  links  neben  ihr  liegenden  Nebenachse  und  er- 
hält ein  Holzbündel  von    der   rechtsHegenden ;   sie   trennt   sich   von   jener   wieder 


Ueber  das  Holz  einiger  um  Desterro  wachsender  Kletterpflanzen.  2Q7 

oberhalb  des  Blattes;  am  Ende  des  dritten  Steng-elo-liedes  verschmilzt  sie  für  eine 
kurze  Strecke  mit  der  rechts  von  ihr  entspringenden  Nebenachse,  giebt  am  Ende 
des  5ten  Stengelgliedes  ein  Holzbündel  zu  der  links  entspringenden  und  ver- 
schmilzt wieder  mit  der  Hauptachse  in  der  Mitte  des  siebenten.  Am  Ende  des 
achten  wird  die  so  entstandene  Lücke  von  einer  neuen  Nebenachse  ausgefüllt.  — 
An  allen  untersuchten  Aesten  des  einzigen  weitrankenden  Busches  dieser  Art, 
den  ich  kenne,  stand  jede  folgende  Nebenachse  ^8  ^^^  Umfangs  rechts  von  der 
vorhergehenden  und  die  Blätter  bildeten  eine  nach  rechts  aufsteigende  Schrauben- 
linie; doch  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass  auch  die  entgegengesetzte  Richtung 
vorkommt. 

Bei  zwei  anderen  rankenden  Sapindaceen,  unter  denen  eine  hier  sehr  häufige 
PauUinia,  habe  ich  den  Stamm  regelmässig  gebildet  gefunden. 


Der  Stamm  von  Strychnos  (Fig.  lo)  lässt  sich  in  keine  der  bisher  betrachteten 
Gruppen  einreihen.  Auf  dem  Querschnitte  des  frischen  Stammes  sieht  man  um 
einen  mittleren  regelmässig  gebildeten  Kern  dunklere  Flecken,  die  bald  in  ziemlich 
regelmässige  concentrische  Kreise  geordnet  sind,  bald  ohne  Ordnung  in  den 
äusseren  Holzschichten  zerstreut  scheinen ;  nach  aussen  ist  jeder  Fleck  von  einem 
weissen  Bogen  begrenzt.  Es  sind  die  Querschnitte  von  Strängen  eines  weichen, 
dünnwandigen,  in  seinem  dunkleren  Theile  saftreichen  Gewebes,  die  den  Stamm 
in  seiner  ganzen  Länge  durchziehen.  Ausser  langen,  am  Ende  spitz  zulaufenden 
Zellen  finden  sich  in  diesem  Gewebe  schmale  Markstrahlen. 

Zu  den  sonderbarsten  Stammbildungen  gehört  bekanntlich  die  von  Caulo- 
tretus.  Die  deutschen  Ansiedler  am  Itajahy  haben  diesen  plattgedrückten  Stämmen, 
welche  mit  regelmässigen,  kurzen,  welligen  Biegungen  in  die  Wipfel  der  höchsten 
Urwaldsbäume  aufsteigen,  den  bezeichnenden  Namen  „Affentreppen"  gegeben. 
Die  Abplattung  ist  schon  an  ganz  jungen  Zweigen  vorhanden.  Bemerkenswerth 
ist  an  diesen  jungen  Zweigen  (Fig.  ii)  die  kreuzförmige  Gestalt  des  Markes.  Die 
Blätter  oder  Blattnarben  finden  sich  wie  bei  Securidaca  an  den  Breitseiten  der 
Stämme,  so  dass,  wie  hier  und  wie  bei  Lantana,  Condylocarpon  und  Tetrapterys, 
die  vorwiegend  entwickelten  Abschnitte  des  Holzkörpers  mit  den  Blättern  ab- 
wechseln.    Aeltere  Stämme  fehlen  mir  hier. 

Soweit  die  Thatsachen.  Nun  noch  einige  Worte  über  ihre  Beziehung  zur 
Frage  nach  der  Entstehung  der  Arten.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  dieselben 
der  Lehre  Darwin's  durchaus  günstig  sind. 

Die  weit  überwiegende  Mehrzahl  der  von  mir  beobachteten  holzigen  Kletter- 
pflanzen hat  einen  auf  die  eine  oder  andere  Weise  zerklüfteten  Stamm,  den  ich 
noch  bei  keiner  der  zahlreichen,  darauf  untersuchten,  nicht  kletternden  Sträucher 
und  Bäume  gefunden.  Bei  einer  Bignonia,  die  nicht  mehr  klettert,  sind  noch  die 
bei  verwandten  Arten  die  Zerklüftung  bewirkenden  Theile  vorhanden,  aber  keine 
Zerklüftung  mehr.  Jedenfalls  also  ist  diese  Zerklüftung  des  Stammes  den  Kletter- 
pflanzen von  wesentlichem  Nutzen  und  wo  bei  einer  derselben  eine  Abweichung 
vom  gewöhnlichen  Baue  in  dieser  Richtung  eintrat,  wurde  sie  durch  die  natürliche 
Auslese  erhalten  und  vervollkommnet.  Leichtere  Abweichungen  vom  gewöhnlichen 
Bau,  wie  ungleichmässiges  Wachsthum  des  Holzes,  Vereinigung  der  Markstrahlen 
zu   zusammenhängenden    Platten,    Theilung   der   Holzbündel   in    radiärer   statt    in 


2q8  Ueber  das  Holz    einiger  um  Desteno  wachsender  Kletterpflanzen. 

seitlicher  Richtung  {worauf  nach  Schacht  die  Bildung  äusserer  Holzringe  beruht) 
konnten  leicht  bei  Pflanzen  der  verschiedensten  Familien  unabhängig  von  ein- 
ander sich  ausbilden.  Es  würde  aber 'im  höchsten  Grade  unwahrscheinlich  sein, 
dass  so  eigenthümHche  Bildungen,  wie  die  Spaltstücke  der  Bignonien  oder  die 
vom  Stamme  sich  loslösenden  und  nach  einem  bestimmten  Verlauf  wieder  mit 
demselben  verschmelzenden  Nebenachsen  der  Sapindaceen  zweimal  bei  verschiedenen 
Pflanzen  unabhängig  von  einander  in  gleicher  Weise  sich  entwickelt  hätten. 
Diese  durfte  man  also  von  Darwin's  Lehre  aus  a  priori  nur  bei  nächstverwandten 
Arten  zu  finden  hoffen,  die  sie  von  gemeinsamen  Vorfahren  ererbten.  —  Wären 
dagegen  die  Arten  unveränderlich  und  unabhängig  von  einander  erschaffen,  hätte 
ein  Schöpfer  jeder  die  ihren  Lebensverhältnissen  entsprechenden  Einrichtungen 
zugetheilt,  so  wäre  kein  Grund  abzusehen,  warum  derselbe  die  Bildung  des  Big- 
nonien- und  Sapindaceen-Stammes  nicht  ebenso  unter  die  entferntest  stehenden  Fami- 
lien vertheilt  haben  sollte,  wie  die  des  Stammes  von  Clematis  oder  Menispermum  ^). 
Desterro,  October  1865. 

Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XXVIII. 

Die  Figuren  sind  alle  nach  Querschnitten  frischer  Stämme  in  natürlicher  Grösse 
gezeichnet. 

Fig.    I .    Tetrapterys. 
Fig.    2.    Peixotoa. 
Fig.    3.    Lantana. 

Fig.  4.  Condylocarpon.  A  Querschnitt  dicht  unter  einem  Blattwirtel.  B  Quer- 
schnitt desselben  Stammes  etwa  1,5  cm  höher  genommen.  C  Querschnitt  eines  älteren. 
D  Querschnitt  eines  alten  Stammes,  der  lange  Zeit,  —  g  Jahre  habe  ich  ihn  so  gekannt  — , 
an  einer  schattigen  Stelle  der  Erde  aufgelegen  und  vielleicht  daher  eine  ungewöhnliche 
dicke  Rinde  erhalten  hat. 
Fig.  5.  Aristolochia. 
Securidaca. 

Hippocrateacee  (Tontelea?). 
Bryonia. 
Unbestimmt. 
Strychnos 

Caulotretus,  junger  Zweig. 
Menispermee  (?). 
Fig.  13.    Mucuna. 
Fig.  14^ — 17.    Verschiedene  Bignoniaceen  (Bignonia?). 
Fig.  18.    Haplolophium. 

Fig.  19.  Serjania.  A  Durch  den  Ursprung  einer  Ranke  gemachter  Querschnitt;  zur 
Seite  der  durchnittenen  Ranke  sieht  man  die  Blattnarbe.  B  Querschnitt  durch  die  Mitte 
eines  Stengelgliedes;  das  nächste  Blatt  unter  dem  Querschnitt  steht  zwischen  den  Neben- 
achsen   I   und  2. 

Fig.  20.  Sapindacee  (Paullinia?).    A  Querschnitt  durch  die  Mitte  eines  Stengelgliedes. 
B  Querschnitt  eines  älteren  Stammes  dicht  über  einer  Blattnarbe.    Die  Zahlen  i.  2.  3.  u.  s.  w. 
bezeichnen  die  Reihenfolge  des  Alters  der  Nebenachsen. 
Fig.  21.    Luftwurzel  von  Philodendron. 

i)  Ich  darf  diese  Gelegenheit  nicht  vorübergehen  lassen,  ohne  Darwin  öffentlich  meinen  Dank  aus- 
zusprechen für  die  Uebersendung  seiner  anziehenden,  an  trefflichen  Beobachtungen  reichen  Abhandlung  „on 
the  movements  and  habits  of  climbing  plants",  durch  die  ich  zur  Beschäftigung  mit  den  in  vielen  Hin- 
sichten so  merkwürdigen  Kletterpflanzen  angeregt  wurde. 


Fig. 

6. 

Fig. 

7- 

Fig. 

8. 

Fig. 

9- 

Fig. 

10. 

Fig. 

1 1. 

Fig. 

12. 

Ueber  die  Beiruch tung  der  Martha  (Posoqueria?) 

fragrans  ^). 

Mit  Tafel  XXIX. 

Auf  einem  Spatziergange  traf  ich  vor  Kurzem  einen  Strauch,  der  init  weissen 
herrHch  duftenden  Bkimen  geschmückt  war.  Es  fiel  mir  auf,  dass  ich  in  den 
grossen  weitgeöffneten  Staubbeuteln  keine  Spur  von  Blüthenstaub  bemerkte.  Dies 
veranlasste  mich  zu  einer  näheren  Untersuchung,  deren  Ergebnisse  ich  im 
Folgenden  mittheilen  will. 

Der  Strauch  gehört  in  die  Familie  der  Rubiaceen,  zur  Gruppe  der  Gardenieen, 
in  die  unmittelbare  Nähe  der  Gattung  Posoqueria  Aubl,  von  der  er  vielleicht 
kaum  zu  trennen  ist.  Doch  soll  Posoqueria  (Endlicher  genera  plantarum  No.  3308) 
„stamina  brevissima,  apice  infracto  geniculata"  besitzen ;  letzteres  Hesse  sich,  wie 
man  sehen  wird,  höchstens  von  den  beiden  oberen  Staubfäden  unseres  Strauches 
sagen  und  gerade  diese  beiden  sind  von  ansehnlicher  Länge.  Ausserdem  sind 
wohl,  da  das  Gegentheil  nicht  bemerkt  wird,  bei  Posoqueria,  wie  es  in  der  Familie 
Regel  ist,  die  Staubgefässe  frei  und  alle  von  gleicher  Bildung.  Ich  schlage  für 
unsere  Pflanze,  falls  sie  noch  keinen  anderen  besitzen  sollte,  den  Namen  Martha 
fragrans  vor. 

Die  kurzgestielten  Blumen  stehen  am  Ende  der  Zweige;  ihre  11  bis  14  cm 
lange  Röhre  hat  meist  eine  ziemlich  wagerechte  Richtung. 

Die  Knospe  (Fig.  i  im  Längsschnitt)  ist  wie  bei  Posoqueria  dadurch  aus- 
gezeichnet, dass  ihr  dickeres  von  den  Zipfeln  der  Blumenkrone  gebildetes  Ende 
abwärts  gebogen  ist  und  mit  der  langen  Röhre  einen  stumpfen  Winkel  bildet. 
Eigenthümlich  ist  auch  die  Knospenlage  der  Blumenkrone,  während  sonst  bei 
den  Rubiaceen  die  Zipfel  der  Blumenkrone  eine  klappige  oder  (wie  beim  Kaffee) 
eine  gedrehte  Knospenlage  zeigen,  werden  bei  unserer  Pflanze  die  beiden  unteren 
Zipfel  von  den  seitlichen  und  diese  wieder  von  dem  oberen  gedeckt,  also  voll- 
ständig wie  bei  den  Blumenblättern  der  Schmetterlingsblumen.  Nach  der  Ent- 
faltung der  Blumenkrone  ist  deren  in  der  Knospe  so  augenfällige  Unregel- 
mässigkeit nur  noch  in  der  etwas  grösseren  Länge  und  Breite  des  oberen  Zipfels 
ausgesprochen  (Fig.  2).  — 

I)  Botanische  Zeitung   186G.  24.  Jahrg.  p.   129 — 133.    Taf.   VI.  A. 


-,QQ  Ueber  die  Befruchtung  der  Martha  fragrans. 

Die  Staubfäden  entspringen  in  der  Röhre  der  Blumenkrone  dicht  unter  dem 
bärtigen  Schlünde.  Der  untere  Staubfaden  ist  kürzer,  aber  breiter  als  die  übrigen ; 
er  ist  wenig  länger  als  der  Durchmesser  des  Schlundes,  nach  oben  allmählig  ver- 
jüngt, doppelt  so  breit  als  dick  und  im  Querschnitt  (Fig.  5)  nierenförmig,  da  seine 
innere  Fläche  von  einer  tiefen  Längsfurche  durchzogen  ist,  sein  Gefässbündel 
liegt  der  inneren  Fläche  viel  näher  als  der  äusseren.  Die  seitlichen  Staubfäden 
sind  unbedeutend  länger  und  schmäler,  als  der  untere,  und  im  Querschnitt  unregel- 
mässig eiförmig;  die  oberen  Staubfäden  endlich  sind  etwa  doppelt  so  lang,  aber 
nur  halb  so  dick,  als  der  untere,  und  im  Querschnitt  den  seitlichen  ähnlich. 

Die  Staubbeutel,  die  am  Rücken  über  der  Basis  befestigt  sind,  hängen 
ziemlich  fest  zusammen  und  zwar  besonders  fest  die  seitlichen  mit  den  oberen. 
So  bilden  sie  bis  zur  Zeit,  wo  sie  sich  öffnen,  einen  blassgelben  dick  eiförmigen 
Knopf,  dessen  stumpf  kegelförmige  Spitze  geschlossen  ist,  während  am  unteren 
Ende  ein  enger  Eingang  bleibt  zu  der  von  den  Staubbeuteln  umschlossenen 
mittleren  Höhle.  Die  äussersten  Spitzen  der  Staubbeutel  und  die  unterhalb  des 
Befestigungspunktes  liegenden  Theile  enthalten  keinen  Blüthenstaub.  Wodurch 
das  Zusammenhalten  der  Staubbeutel  bewirkt  wird,  ob  nur  durch  das  Ineinander- 
greifen der  Unebenheiten  ihrer  Seitenflächen,  oder  ob,  wie  es  mir  einige  Male  unter 
dem  JMikroskope  schien,  durch  einen  besonderen  Kitt,  lasse  ich  unentschieden. 

Die  Körner  des  Blüthenstaubes  (Fig.  6)  sind  kuglig,  von  etwa  0,06  mm  Durch- 
messer; ihre  äussere  Haut  erhält  durch  netzförmige  Verdickungen  ein  zelliges 
x\nsehen  und  zeigt  gewöhnlich  4,  selten  3,  höchst  selten  5  dünnhäutige  Stellen 
zum  Austritt  der  Schläuche.  Jeder  dieser  Stellen  sitzt  eine  durchsichtige,  ziemlich 
stark  lichtbrechende  Halbkugel  auf,  neben  welcher  oder  auch  unter  welcher,  sie 
wie  einen  Deckel  emporhebend,  der  Pollenschlauch  hervortritt. 

In  Folge  der  ungleichen  Länge  der  Staubfäden  ist  der  Staubbeutelknopf 
schief  nach  unten  gerichtet.  Der  untere  und  die  beiden  seitlichen  Staubfäden 
sind  dabei,  so  lange  sie  den  unversehrten  Knopf  tragen  helfen,  ziemlich  gerade; 
die  oberen  dagegen  zeigen  eine  doppelte  Biegung,  die  bald  ziemlich  scharf  knie- 
förmig,  bald  sanfter,  mehr  bogenförmig  ist,  die  erste  Biegung  liegt  etwa  in  der 
Mitte  ihrer  Länge,  die  zweite  nahe  ihrem  oberen  Ende.  Man  kann  daher  an 
diesen  Staubfäden  einen  unteren,  mittleren  und  oberen  Abschnitt  unterscheiden. 
In  früherer  Zeit  sind  die  unteren  Abschnitte  beider  oberen  Staubfäden  gleich- 
laufend, die  mittleren  weichen  nach  aussen  aus  einander,  die  oberen  sind  wieder 
nach  innen  gerichtet  und  heften  sich  nahe  beisammen  an  die  Rückenfläche  ihrer 
Staubbeutel.  Je  näher  die  Reife  der  Blüthe  rückt,  um  so  mehr  weichen  die 
unteren  Abschnitte  der  oberen  Staubfäden  aus  einander,  so  dass  zur  Zeit  des 
Aufblühens  diese  Staubfäden  ein  weites  Thor  bilden,  das  etwa  so  breit  als  hoch 
ist  (Fig.  2,  C). 

Die  Staubbeutel  springen  mit  Längsspalten  nach  innen  auf,  etwa  einen  Tag 
bevor  die  Blume  sich  öffnet,  und  der  Blüthenstaub  fällt  in  die  Höhle  des  Staub- 
beutelknopfes. Nach  dem  Aufspringen  schrumpfen  die  Staubbeutel  stark  zusammen 
und  nehmen  eine  bräunliche  Farbe  an.  Der  Durchmesser  des  Knopfes  sinkt 
durch  dieses  Einschrumpfen  bis  auf  etwa  die  Hälfte  (man  vergleiche  P'ig.  i  mit 
Fig.  2),  und  der  Blüthenstaub  sämmtlicher  Staubbeutel  wird  dadurch  in  eine 
einzige  lose  zusammenhängende  Masse  zusammengepresst. 


Ueber  die  Befruchtung  der  Martha  fragrans.  ßOI 

Nun  beginnen  die  Blumen  sich  zu  öffnen.  Zuerst  entfalten  sich,  obgleich  zu 
innerst  gelegen,  die  beiden  untern  Zipfel;  der  obere  bleibt  mit  den  mittleren  bis- 
weilen noch  stundenlang  zusammenhängend  und  bildet  eine  Art  gewölbter  Ober- 
lippe oder  ein  Schutzdach  über  den  Staubgefässen.  Die  entfalteten  Zipfel  breiten 
sich  wagerecht  aus,  oder  biegen  sich  selbst  mehr  oder  weniger  stark  zurück.  An 
dem  ersten  Strauche,  den  ich  fand,  pflegten  sie  sich  meist  ziemlich  wagerecht  zu 
halten  (Fig.  2),  an  einem  andern  stark  zurück  zu  biegen  (Fig.  3,  4). 

Wird  jetzt  einer  der  beiden  oberen  Staubfäden  an  der  Innenseite  seiner 
oberen  Biegung'  (Fig.  2,  A,  C,  x)  berührt,  so  birst  der  Staubbeutelknopf  in  drei 
Stücke,  ein  unteres,  gebildet  von  dem  unteren,  und  zwei  seitliche,  gebildet  von  je 
einem  seitlichen  und  einem  oberen  Staubbeutel.  Die  seitlichen  Stücke  schnellen 
nach  aussen,  der  untere  Staubfaden  springt  nach  oben,  wodurch  —  wie  bei  Cata- 
setum  —  der  Blütenstaub  mit  grosser  Gewalt  hinweggeschleudert  wird ;  kaum  hier 
und  da  bleibt  ein  einzelnes  Körnchen  an  den  Staubbeuteln  haftend. 

Um  Richtung  und  Anfangsgeschwindigkeit  dieses  Wurfes  festzustellen,  wählte 
ich  zwei  in  jeder  Hinsicht  möglichst  ähnliche  frisch  aufgeblühte  Blumen ;  ich  hielt 
die  erste  mit  senkrecht  gestellter  Röhre  so,  dass  ihr  Staubbcutelknopf  in  gleicher 
Höhe  mit  der  Oberfläche  eines  Tisches  war  und  schoss  ab ;  der  Blüthenstaub  fiel 
auf  den  Tisch  in  einer  Entfernung  von  420  mm.  Nachdem  nun  in  210  mm  Ent- 
fernung ein  Buch  auf  den  Tisch  gestellt  war.  wurde  die  zweite  Blume  von  der 
gleichen  Stelle  aus  abgeschossen ;  der  Blüthenstaub  traf  das  Buch  in  65  mm  Höhe, 
—  Ein  ähnlicher  Versuch  mit  zwei  anderen  Blumen  ergab  für  die  Weite  des 
Wurfs  480  mm,  für  die  Höhe  iio  mm.  —  Daraus  berechnet  sich,  als  Mittel  der 
beiden  Versuche,  dass  der  Blüthenstaub  mit  einer  Anfangsgeschwindigkeit  von 
etwa  3  m  in  der  Secunde,  einen  Winkel  von  etwa  50  ^  mit  der  Richtung  der 
Blumenröhre  bildend,  fortgeschleudert  wird.  Selbstverständlich  machen  diese 
Zahlen  keinen  Anspruch  auf  Genauigkeit  ^).  —  Bisweilen  bleibt  bei  dem  Wurfe 
der  ganze  Blüthenstaub  in  einer  Masse  vereint,  häufiger  wird  er  in  kleineren  oder 
grösseren  Brocken  über  eine  kürzere  oder  längere  Strecke  verstreut.  Er  haftet 
leicht  selbst  an  glatten  Gegenständen,  z.  B.  der  Klinge  eines  Federmessers. 

Die  Stelle,  deren  Berührung  die  plötzliche  Entladung  des  Staubbeutelknopfes 
veranlasst,  ist  eine  sehr  beschränkte.  Man  kann  die  Staubbeutel,  man  kann  den 
untern  und  die  seitlichen  Staubfäden  überall  berühren,  man  kann  diese  Staub- 
fäden durchschneiden,  ohne  dass  der  Schuss  losgeht;  selbst  die  oberen  Staubfäden 
kann  man  —  mit  einiger  Vorsicht  und  einem  recht  scharfen  Messer  —  sowohl 
dicht  an  der  Blumenkrone,  als  dicht  an  den  Staubbeuteln  durchschneiden,  man 
kann  an  der  ganzen  äussern  gewölbten  Seite  des  von  ihnen  gebildeten  Thores 
hinfahren;    aber  sobald  man,   etwa  mit  der  Spitze  eines  Bleistifts,   von  oben  oder 


i)  Ist  TO  die  Weite,  /i  die  Höhe  des  Wurfs,  a  der  Elevationswinkel,  c  die  Anfangsgeschwindigkeit, 

so  ist  bekanntlich  tang.  a  =  ~ —  und  c  =  1/  ^  ^  ^  .    Für  den  ersten  Versuch  ist  a  =  37"  56',  c  :=  2,914  m  ; 
w  '     sin  2 « 

für    den    zweiten    ist   0  =  42*30';    c  =  3,07301.     Da   die  Röhre  senkrecht  stand,    ist    90"  —  a   der  Winkel 

zwischen  Röhre  und  Richtung  des  Wurfes.  —  w  und  k  in  der  angegebenen  Weise  an  zwei  verschiedenen 

Blumen    zu   bestimmen,   hat   das  Ueble,   dass  wenn  w  für  beide  nicht  gleich  ist,  k  zu  klein  erhalten  wird ; 

doch    da   die  Richtung   des  Wurfs    in    der  Nähe  des  Scheitels  der  Parabel  nahezu  wagerecht  ist,   wird  der 

Fehler  kein  allzu  erheblicher  werden. 


-,Q2  Ueber  die  Befruchtung  der  Martha  fragrans. 

von  unten  her  an  der  Innenseite  des  Thores  hinstreichend  an  die  obere  Biegung 
der  Staubfäden  kommt,  hat  man,  ehe  man  sichs  versieht,  den  Blüthenstaub  an  der 
Nase  oder  im  Barte  sitzend.  Hat  man  zuvor  den  unteren  Staubfaden  durch- 
geschnitten, so  schnellen  bei  Berührung  der  bezeichneten  Stelle  die  seitlichen 
Stücke  wie  gewöhnlich  nach  aussen,  aber  der  Blüthenstaub  kann  natürlich  nicht 
weggeschleudert  werden ;  es  bleibt  dann  gewöhnlich  der  untere  Staubbeutel  mit 
einem  der  seitlichen  Stücke  verbunden  und  in  diesem  nun  aus  drei  Staubbeuteln 
bestehenden  Stücke  bleibt  der  Blüthenstaub  liegen.  —  Hat  man  den  untern  Staub- 
faden, einen  der  oberen  und  den  dazwischenliegenden  seitlichen  durchgeschnitten, 
so  biegen  sich  die  beiden  übrigen  in  derselben  Weise  wie  nach  dem  Platzen  des 
Knopfes  nach  aussen ;  da  nun  alle  Spannung  der  seitlichen  und  oberen  Staub- 
fäden aufgehört  hat,  kann  man  die  sonst  so  empfindliche  Stelle  auf  jede  Weise 
misshandeln,  ohne  dadurch  den  Knopf  zu  sprengen. 

Um  das  Ausschleudern  des  Blüthenstaubes  zu  veranlassen,  bedarf  es  nur 
einer  ganz  leisen  Berührung  an  der  bezeichneten  Stelle.  In  meiner  Stube  hatte 
ich  Mühe,  die  zn  Versuchen  bestimmten  Blumen  vor  den  fliegen  zu  bewahren, 
die  oft  zur  Unzeit  den  Knopf  entluden.  Im  Allgemeinen  natürlich  störend,  haben 
mir  einmal  diese  zudringlichen  Eingriffe  der  Fliegen  einen  guten  Dienst  geleistet. 
Ich  hatte  im  Freien  einigemal  den  Blüthenstaub  auf  dem  oberen  Blumenkron- 
zipfel  liegend  gefunden  und  wusste  mir  das  nicht  recht  zu  erklären,  bis  ich  sah, 
wie  eine  Fliege  in  eine  erst  halb  geöffnete  Blume  kroch  und  hier  die  Staubladung 
abschoss,  die  nun  natürlich  gegen  den  noch  darüber  gewölbten  oberen  Zipfel 
der  Blumenkrone  geworfen  wurde.  Nachdem  die  Blume  eine  Zeitlang  geöffnet 
ist,  erfolgt  die  Entladung  auch,  wenn  man  den  untern  Theil  der  Naht  zwischen 
den  beiden  oberen  Staubbeuteln  berührt. 

Ohne  äusseren  Anstoss  scheint  keine  Entladung  stattzufinden.  Eine  Blume, 
die  ich  vor  Insekten  geschützt  hatte,  begann  bereits  zu  welken,  als  am  siebenten 
Tage   nach    dem  Aufblühen    durch   eine   zufällige  Berührung  der  Schuss  losging. 

Indem  der  untere  Staubfaden,  den  Blüthenstaub  auswerfend,  nach  oben 
schnellt,  legt  er  sich  über  den  Schlund  der  Blumenkrone  und  verschliesst  den- 
selben bis  auf  einen  schmalen  Spalt  jederseits  (Fig.  2,  D).  Sein  oberes  Ende 
drückt  fest  gegen  den  Rand  des  Schlundes  und  biegt  sich  noch  stärker,  wenn 
man  diesen  wegschneidet.  —  Der  Staubfaden  wird  nach  oben  geschnellt  und  hier 
festgehalten  durch  die  pralle  Füllung  der  Zellen  seiner  Rückenwand;  wenn  man 
die  Rückenhälfte  abspaltet,  richtet  er  sich  gerade  in  die  Höhe.  (Der  Versuch  ist 
mir  oft  misslungen,  indem  ich  bald  zu  viel,  bald  zu  wenig  weggeschnitten  hatte.) 
Spaltet  man  den  unteren  Staubfaden  bald  nach  der  Entladung  des  Blüthenstaubes 
in  zwei  seitliche  Hälften,  so  biegen  sich  dieselben  ebenso  stark  nach  aussen,  als 
sie  nach  oben  gekrümmt  sind.  Die  Spannung,  die  das  Aufwärtsschnellen  des 
Staubfadens  bewirkte,  liegt  also  nur  im  mittleren  Theile  der  Rückenwand  und 
überwiegt  ebenso  sehr  die  der  Seitentheile  dieser  Wand,  als  die  der  Innenwand. 
Somit  hat  die  grosse  Breite,  die  diesen  Staubfaden  vor  den  übrigen  auszeichnet, 
nichts  mit  dem  Aufwärtsschnellen  zu  thun  und  scheint  keinen  anderen  Nutzen  zu 
haben  als  den,  den  Schlund  der  Blume  vollständiger  zu  schliessen. 

Etwa  acht  bis  zwölf  Stunden  nach  der  Entladung  des  Blüthenstaubes  beginnt 
der  untere  Staubfaden    sich  langsam  zu  erheben,    etwa  zwei  Stunden  später  steht 


Ueber  die  Befruchtung  der  Martha  fragrans.  ^q-i 

er  aufrecht,  um  dann  noch  langsamer  sich  nach  aussen  zurückzubiegen.  Diese 
zweite  dem  blitzschnellen  Aufwärtsschlagen  folgende  langsame  Bewegung,  durch 
welche  der  verschlossene  Schlund  der  Blume  wieder  geöffnet  wird,  beruht  auf 
einem  Einschrumpfen  oder  Vertrocknen  der  Rücken  wand  des  Staubfadens.  Früher 
weiss,  nimmt  dieselbe  jetzt  eine  gelbliche  Farbe  an.  —  Man  kann  das  Aufrichten 
sehr  rasch  bewirken,  wenn  man  die  Blume  (die  Rückenfläche  des  Staubfadens 
nach  unten  gewandt)  über  einer  brennenden  Lampe  hin-  und  herfährt. 

Der  Griffel,  der  in  seiner  oberen  Hälfte  schraubenförmig  gedreht  ist,  rtdcht 
etwa  bis  in  die  Mitte  der  Röhre  der  Blumenkrone;  in  einer  Röhre  von  112  mm 
Länge  hatte  er  genau  56  mm,  in  einer  andern  108  mm  langen  Röhre  hatte  er 
60  mm.  Die  Narbe  ist  behaart  und  zweispaltig;  in  der  Knospe  liegen  die  beiden 
Hälften  aneinander,  später  weichen  sie  auseinander. 

Im  Grunde  der  Röhre  findet  sich  eine  ansehnliche  Menge  Honig,  der  bis- 
weilen bis  über  Ve  ihrer  Länge  füllt.  —  Die  Blume  ist,  wie  schon  bemerkt,  von 
reiner  weisser  Farbe  und  verbreitet  einen  starken  ungemein  lieblichen  Wohlgeruch. 

Es  sei  hier  beiläufig  bemerkt,  dass  weisse  Farbe  und  starker  süsser  Duft 
sich  sehr  häufig  beisammen  finden.  Alle  unsere  stark  duftenden  Rubiaceen  (Coffeä, 
Gardenia,  Randia)  sind  weissblühend.  Unsere  zahlreichen  gelben  und  rothen 
Apocyneen  (Allamanda,  Echites,  Prestonia,  Condylocarpon,  Lochnera)  sind  geruchlos, 
während  eine  schneeweisse  Tabernaemontana  die  Luft  weithin  mit  betäubend  süssem 
Dufte  füllt.  Ebenso  entbehren  unsere  blauen,  violetten  oder  rothen  Winden  (Qua- 
moclit,  Ipomoea)  des  Geruches,  während  die  weissen  Riesenblumen  von  Calonyction 
lieblich  duften.  Neben  gelben  fast  geruchlosen  haben  wir  in  unseren  Gärten  und 
halbverwildert  stark  riechende  weisse  Arten  von  Hedychium  und  Jasminum.  Diese 
wenigen  Beispiele  mögen  genügen ;  jeder  Pflanzenkenner  wird  zahlreiche  andere 
hinzufügen  können.  Wahrscheinlich  werden  alle  diese  weissen  duftreichen  Blumen 
von  nächtlichen  Insekten  besucht,  die,  durch  die  weisse  Farbe  und  den  Wohl- 
geruch angelockt,  ihre  Befruchtung  bewirken  oder  unterstützen.  Calonyction,  das 
mit  unserer  Martha  fragrans  auch  die  ungewöhnliche  Länge  der  Blumenröhre 
gemein  hat,  öffnet  sich  gegen  Abend  und  welkt  kurz  nach  Sonnenaufgang. 

Bei  Martha  fragrans  wird  nur  ein  Dämmerungsfalter  mit  langer  Rollzunge 
den  Honig  aus  dem  Grunde  der  langen  Röhre  schlürfen  nnd  nur  ein  solcher  den 
Blüthenstaub  zu  der  tief  verborgenen  Narbe  bringen  können.  Nun,  wenn  ein 
solcher  Schmetterling  durch  den  Duft  oder  die  weisse  Farbe  einer  frisch  geöffneten 
Blume  angelockt  zu  ihr  heranfliegt,  wird  er  die  Oeffnung  der  Röhre,  die  in  ihrer 
Tiefe  seine  süsse  Nahrung  birgt,  rings  von  den  aufrechtstehenden  Staubfäden  ver- 
sperrt finden  und  nur  zwischen  den  beiden  oberen  Staubfäden  bleibt  ihm  ein 
weites  Thor  geöffnet.  Will  er  aber  hier  seine  Zunge  einschieben,  so  wird  er  fast 
unfehlbar  an  einen  der  Punkte  stossen,  deren  Berührung  den  ihm  gestellten  Selbst- 
schuss  entladet.  Seine  Rollzunge  wird  von  dem  kräftig  dagegen  geschleuderten 
Blüthenstaube  überstreut  und  zugleich  wird  ihm  der  Eingang  zum  Honigvorrath 
vor  der  Nase  zugeschlagen  und  erst  nach  zwölf  Stunden  wieder  geöffnet.  Auf  diese 
We ise  wird  die  Befruchtung  der  Blume  durch  ihren  eigenen 
Blüthenstaub  verhindert.  —  Wahrscheinlich  wird  sich  der  getäuschte 
Schmetterling  zu  trösten  wissen,  indem  er  eine  andere  Blume  —  (vielleicht,  von  dem 
Schusse  verscheucht,  an  einem  anderen  Strauche)  —  aufsucht,  deren  unterer  Staub- 


■iQA  Ueber  die  Befruchtung  der  Martha  fragrans. 

faden  sich  bereits  nach  aussen  gebogen  hat  und  ihn  ohne  weitere  FährHchkeit 
die  Rollzunge  bis  zum  Grunde  der  Röhre  einführen  lässt,  —  wobei  dann  die  durch 
die  ganze  Breite  der  Röhre  sich  ausspreizende  haarige  Narbe  den  anhaftenden  Blüthen- 
staub  abfegen  und  sich  so  mit  dem  Staube  einer  anderen  Blume  befruchten  wird. 

Wer  in  einer  mondhellen  Nacht  bei  einem  Strauche  Wache  stehen  wollte, 
würde  wohl  Zeuge  dieses  Befruchtungsvorganges  werden  können,  der  übrigens 
so  einfach  aus  dem  Baue  und  den  Lebenserscheinungen  der  Blume  sich  ergiebt, 
dass  er  kaum  einer  weiteren  Bestätigung  bedürftig  scheint.  Dass  die  Entladung 
des  Staubbeutelknopfes  vorzüglich  des  Nachts  und  durch  Insekten  stattfindet, 
unterliegt  übrigens  keinem  Zweifel.  Ich  habe  meine  Pflanzen  während  mehrerer 
Wochen  täglich  besucht  und  mit  einer  Ausnahme  (5.  Decbr.)  des  Morgens  stets 
fast  alle  Blumen  entladen,  gegen  Abend  aber  zahlreiche  gefüllte  Knöpfe  gefunden. 
So  zählte  ich  am  Morgen  des  9.  Decbr.  44  Blumen,  deren  unterer  Staubfaden 
den  Schlund  schloss,  die  also  während  der  letzten  8  bis  12  Stunden,  also  in  der 
Nacht  abgeschossen  worden  waren  und  5  noch  geladene  Blumen ;  gegen  Sonnen- 
untergang fanden  sich  9  im  Laufe  des  Tages  entladene,  23  bereits  geöffnete 
schussbereite  und  eine  grössere  Zahl  dem  Aufbrechen  nahe  Blumen.  Früh  am 
nächsten  Morgen  wurden  53  im  Laufe  der  Nacht  entladene  Blumen  gezählt,  deren 
unterer  Staubfaden  den  Grund  schloss  oder  sich  zu  heben  begann ;  von  den  7 
unentladenen  waren  mehrere  so  zwischen  Blättern  versteckt,  dass  sie  einem 
Schmetterlinge  kaum  zugänglich  waren.  Nur  einmal,  am  5.  Decbr.,  fand  ich  des 
Morgens  nur  2  während  der  Nacht  entladene  neben  etwa  20  schussbereiten 
Blumen ;  es  hatte  die  ganze  Nacht  vom  4.  zum  5.  December  sanft  geregnet.  Die 
nächtlichen  Schützen,  die  bei  Regenwetter  feiern,  sind  ohne  Zweifel  Insekten. 

Desterro,  December  1865. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XXIX. 

Fig.    I.    Knospe  von   Martha  (Posoqueria?)   fragrans,  der  Länge   nach  durchschnitten. 

Fig.  2.  Frisch  geöffnete  Blume.  A  Seitenansicht  vor  der  Entladung;  x  die  Stelle, 
auf  deren  Berührung  die  Entladung  folgt.  —  Der  Pfeil  zeigt  die  Richtung  des  Schusses 
//  Seitenansicht  nach  der  Entladung;    C  Ansicht  von  oben  vor  und  D  nach  der  Entladung. 

Fig.  3.    Längs  durchschnittene  Blume  kurz  nach  der  Entladung. 

Fig.  4.    Eine  solche,  einen  Tag  nach  der  Entladung. 

Fig-  5-    Querschnitt  des  unteren  Staubfadens. 

Fig.  6.  PüUenkorn,  10  Stunden  nach  der  künstlichen  Befruchtung  von  der  Narbe 
genommen. 


Nachwort  zu  vorstehendem  Aufsätze^). 

Von  D.  F.  L.  V.  Schlechtendal. 

Ob  die  von  Hrn.  Müller  beobachtete  Pflanze  wirklich  eine  neue  Gattung 
sei,  wird  nicht  eher  zu  entscheiden  sein,  als  bis  dieselbe  mit  der  von  Hrn.  Prof. 
Dr.  Karsten  in  Berlin  beschriebenen  und  (nach  getrockneten  Exemplaren?)  von 
Hrn.  Prof.  Schmidt  abgebildeten  Gattung  Stannia  (beruhend  auf  der  einen  Art, 
St.  formosa  Karst.,  bei  Tovar  in  der  Nähe  von  Caracas  gefunden)  verglichen 
worden  ist,  unter  gleichzeitiger  Beobachtung  der  Aublet'schen  Gattung  Poso- 
queria.  Obwohl  nämlich  die  Karsten'sche  Pflanze  (s.  dess.  Ausw.  n.  u.  schön 
blühender  Gew.  Venezuela's,  Heft  II.  p.  27.  t.  IX.)  durch  die  Bildung  ihrer  Staub- 
gefässe  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  der  Pflanze  Müller's  zu  haben  scheint,  so 
sind  doch  noch  manche  Verschiedenheiten  zu  beachten  und  manche  Mängel  in 
der  Beschreibung  durch  weitere  Betrachtung  der  lebenden  Pflanzen  zu  beseitigen, 
ehe  ein  entscheidendes  Urtheil  über  die  beiden  Pflanzen  abgegeben  werden  kann, 
von  denen  die  eine,  als  ein  12 — 20  F.  hohes  Bäumchen,  auf  den  mit  Urwald 
bedeckten  Gebirgen  bei  der  Colonie  Tovar  in  einer  Höhe  von  5 — 6000  F.  in  der 
Nachbarschaft  von  Caracas  (ungefähr  zwischen  dem  9 — lo*'  S.  Br.)  von  Karsten 
gefunden  ward,  die  andere  aber,  als  ein  Strauch,  in  der  Nähe  von  Desterro  auf 
der  Insel  Sta.  Catharina  (ungefähr  zwischen  dem  47 — 48*^  S.  Br.)  durch  Fr.  Müller 
beobachtet  wurde.  Die  verschiedene  Richtung  der  beiderseitigen  Blumen,  das 
Fehlen  der  Angaben  über  die  Knospenverhältnisse  der  Blumenkrone  und  über 
die  genauere  Beschaffenheit  der  Corollentheile  und  deren  Neigung  zur  Symmetrie, 
so  wie  das  Fehlen  der  eigentlichen  Formen  und  des  Zusammenhangs  der  Staub- 
fäden und  Antheren,  über  das  Trennen  der  letzteren  von  einander,  über  den 
Geruch  der  Blumen;  weiter  die  Unkenntniss  über  die  Frucht-  und  Blattbildung 
der  Pflanze  (von  Sta.  Catharina  fordern  zu  einer  genauen  Vergleichung  beider 
Gewächse  im  frischen  Zustande  auf,  von  denen  es  allerdings  sehr  wahrscheinlich 
ist,  dass  sie  einer  Gattung,  aber  wohl  zweien  verschiedenen  Arten  angehören. 
Was  die  Gattung  Posoqueria  betrifft,  so  giebt  Karsten  schon  an,  dass  Stannia 
sich  von  ihr  durch  die  ungleich  langen  (oder  wie  ich  lieber  sage,  durch  die  sym- 
metrisch gebildeten)  Staubgefässe  unterscheide,  und  durch  die  gerade  aufrechten, 
nicht   herabhängenden  Corollen,   durch    welche   sie   sich   aber   der   Müller'schen 


i)  Botanische  Zeitung  1866.  24.  Jahrg.  p.   133. 
Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften. 


3o6 


Nachwort  zu  vorstehendem  Aufsatze. 


mit  wagerecht  stehenden  nähern  würde.  Aber  auch  die  Staubgefässe  von  Poso- 
queria  verdienen  eine  genauere  Beachtung,  denn  ich  sehe  an  der  Abbildung  in 
der  Encyclopedie  methodique,  welche  doch  gewiss  von  Au  biet  entnommen  ist, 
dass  die  Staubgefässe  auch  nicht  gleich  gebildet  sein  müssen  {obwohl  davon  in 
E n d  1  i c h e r's  Genera  nichts  steht),  während  De  Candolle  sie  auch  inaequalia 
nennt,  weil  unter  Fig.  c,  c  zwei  verschiedenartige  abgebildet  sind,  auch  das 
„Alabastrum  hinc  gibbum"  deutet  an,  dass  hier  eine  Neigung  zur  S3^mmetrie  vor- 
handen sei  und  dass  daher  auch  hier  eine  Ungleichheit  der  Corolleneinschnitte 
und  ein  Zusammenhängen  der  Antheren  stattfinden  könne,  mithin  wohl  kein 
zwingender  Grund  zur  Annahme  neuer  Gattungen  vorhanden  sei.  Der  Blüthen- 
stand  scheint  bei  allen  eine  Cyma  composita  zu  sein,  deren  einzelne  Cymen  aber 
nur  3 — I  blumig  sind,  doch  ist  nach  Abbildungen  allein  darüber  schwer  ein  Urtheil 
zu  fällen  und  ich  habe  bei  dieser  ganzen  Betrachtung  absichtlich  von  der  Unter- 
suchung der  wenigen  Herbarien-Exemplare,  welche  ich  besitze,  abgesehen,  da 
eine  Untersuchung  der  Lebenserscheinungen  doch  nur  an  der  lebenden  Pflanze 
vorgenommen  werden  kann. 


Ueber  Baianus  armatus  und  einen  Bastard  dieser  Art 
und  des  Baianus  improvisus  var.  assimilis  Darw/). 

Mit  Tafel  XXX,  XXXI  und  XXXII. 

I. 

Darwin  hat  bei  Acasta  purpurata,  die  in  der  Rinde  einer  Isis,  so  wie  bei 
Acasta  cyathus  und  sulcata,  die  in  Schwämmen  leben,  am  äusseren  Aste  des  vierten 
Paares  der  Rankenfüsse  den  vorderen  Rand  einiger  der  unteren  Gheder  mit  starken 
abwärts  gekrümmten  Zähnen  bewehrt  gefunden,  durch  welche,  wie  er  glaubt,  diese 
Glieder  in  kieferähnliche  Gebilde  verwandelt  und  wunderbar  passend  werden, 
irgend  welche  Beute  zu  fassen,  (Darwin,  Balanidae  S.  84  und  S.  311.)  Von 
keinem  anderen  Rankenfüsser  ist  bis  jetzt  eine  ähnliche  Bewaffnung  bekannt 
geworden. 

Als  ich  zum  ersten  Male  in  einen  Schwamm  eingebettete  Balaniden  traf, 
sah  ich  mich  natürlich  sofort  nach  dieser  Bewaffnung  um  und  hatte  die  Freude, 
beide  Aeste  eines  der  Rankenfüsse  mit  ähnlichen  aber  in  weit  grösserer  Zahl 
entwickelten  Zähnen  ausgerüstet  zu  finden.  Allein  bei  näherer  Untersuchung 
ergab  sich  zu  meiner  grossen  Ueberrcischung,  dass  bei  meiner  Art  nicht  das  vierte, 
sondern  das  dritte  Paar  die  Zähne  trug  und  dass  dieselbe  keine  Acasta  war,  son- 
dern ein  ächter  Baianus  mit  porösen  Wänden  und  poröser  Basis,  im  Gehäuse 
kaum  zu  unterscheiden  von  Baianus  trigonus  Darw. 

Vorkommen.  Dieser  Baianus  armatus,  wie  ich  ihn  wegen  der  reichen 
Bewaffnung  seiner  Ranken  nenne,  lebt  fast  ausschliesshch  in  Schwämmen.  Die 
drei  ersten  aufeinandersitzenden  Gehäuse,  zwei  noch  mit  dem  Thiere,  traf  ich  am 
Strande  ausgeworfen  und  ziemlich  abgerieben;  sie  schienen  nicht  einem  festen 
Körper  aufgesessen  zu  haben  und  an  geschützten  Stellen,  besonders  unter  der  tief 
ausgehöhlten  Basis  des  einen,  fand  sich  lockere  Schwammmasse,  die  sich  nach 
den  Nadeln  als  einer  hier  nicht  seltenen  grossen  schwefelgelben  Papillina  ent- 
stammend bestimmen  Hess.  Da  indess  diese  Papillina,  (und  vielleicht  überhaupt 
die  ganze  Gattung  Papillina  Schmidt)  nichts  anderes  ist  als  eine  Vioa,  die  sich  in 
Schneckenhäusern   und  anderen  Kalkgebilden  ansiedelt,   sie  durchlöchert  und  mit 


i)  Archiv  für  Naturgeschichte   1867.  I.  p.  329 — 356.  Taf.  VII— IX. 


io8  Ueber  Baianus  armatus. 

der  Zeit  fast  ganz  verzehrt,  um  endlich  sie  weit  überwuchernd  zu  kuchenförmigen 
Massen  anzuwachsen,  die  bis  über  einen  Fuss  Durchmesser  erreichen  können,  so 
bheb  es  zweifelhaft,  ob  in  diesem  Falle  der  Baianus  den  Schwamm  oder  der 
Schwamm  den  Baianus  aufgesucht  hatte  und  dies  um  so  mehr,  da  die  Gehäuse 
mehrfach  von  dem  Schwämme  angefressen  waren.  —  Später  habe  ich  den  Baianus 
armatus  oft  und  zahlreich  in  einer  Reniera  wiedergefunden,  die  in  Gestalt,  Farbe 
und  Nadelform  der  Reniera  aquaeductus  Schmidt  nahe  steht  und  sich  besonders 
durch  ihr  sehr  entwickeltes,  so  leicht  wie  beim  Badeschwamm  auswaschbares 
Fasergerüst  auszeichnet.  Sehr  selten  (nur  einmal  traf  ich  bis  jetzt  drei  Stück),  ist 
der  Baianus  in  einem  unserer  gemeinsten  Schwämme,  der  als  dunkelrothe  mit 
steilen  zackigen  Berggipfeln  besetzte  Masse  ganze  Felswände  überzieht  und  in 
seinen  Hartgebilden  an  Reniera  digitata  Schmidt  sich  anschliesst.  —  Um  so. 
häufiger  ist  er  dagegen  an  einem  achtstrahligen  Polypen,  Carijoa  rupicola  F.  M.  ^), 
der  etwa  mannstief  unter  dem  mittleren  Wasserstande  an  einem  einzeln  stehenden 
Felsen  {nicht  weit  vom  Ufer  am  Südende  der  Praia  de  fora)  wuchert  und  dichte 
schwach  verästelte  bis  0,15  m  hohe  Gebüsche  bildet.  Den  etwa  2  mm  dicken 
fleischfarbenen  Stamm  dieses  Polypen  pflegt  ein  dunkeldottergelber  Schwamm  mit 
stecknadelförmigen  Kieselnadeln  als  dünne  Kruste  zu  überziehen   und  an  solchen 


i)  Carijoa  rupicola  (Fig.  56).  Der  ganze  bis  0,15  m  hohe,  gerade  aufsteigende  oder  leicht  ge- 
bogene, etwa  2  mm  dicke  Stamm  des  Polypenstocks  wird  gebildet  von  einem  einzigen  Polypen,  der  seine 
Tentakel  am  Ende  desselben  entfaltet  und  dessen  Leibeshöhle  den  ganzen  Stamm  durchzieht.  Der  Polyp 
kann  sich  ins  obere  Ende  des  Stammes  zurückziehen.  Dieser  zurückziehbare  Theil  ist  schneeweiss.  Die  ge- 
fiederten Tentakel  laufen  in  einen  dünnen  Endfaden  aus,  der  knotig  erscheint,  wie  ihre  schlanken  seitlichen 
Anhänge.  Unterhalb  des  Tentakelkranzes  finden  sich  einige  zarte  Kalknadeln.  Die  das  Magenrohr  um- 
gebenden Scheidewände  setzen  sich  durch  die  ganze  Länge  des  hohlen  Stammes  fort  als  acht  schwach  vor- 
springende Längslinien;  zwei  derselben,  die  nebeneinanderliegen,  tragen  einen  wellig  gebogenen  häutigen 
Saum  mit  verdicktem  Rande,  in  welchem  sich  ebenfalls  in  der  ganzen  Länge  des  Stammes  die  dunkelge- 
färbten, bräunlich  violetten  Eier  entwickeln.  Die  Wand  des  Stammes  ist  unten  bis  etwa  0,5  mm  dick ; 
nach  oben  wird  sie  dünner  und  biegsam;  im  unteren  Theile  erscheint  der  Stamm  glatt,  im  oberen  weicheren 
Theile  von  acht  Längsfurchen  durchzogen.  Vorspringende  Kalknadeln  fehlen.  Die  Wand  erhält  Festigkeit 
durch  dichtgedrängte  Kalknadeln  (Fig.  57),  die  in  der  Achse  parallelen  Ebenen  in  allen  möglichen  Rich- 
tungen gelagert  sind,  sie  sind  gerade  oder  schwach  gebogen  mit  mehr  oder  minder  zahlreichen  Knoten  un- 
regelmässig besetzt,  die  einen  sind  länger  (durchschnittlich  0,25,  einzelne  über  0,5  mm),  schlanker,  glatter; 
die  anderen,  durch  Zwischenformen  in  erstere  übergehend,  kürzer,  plumper,  mit  zahlreicheren,  stärkeren 
Vorsprüngen  besetzt.  Letztere  finden  sich  stellenweise  mit  einander  verschmolzen.  —  Von  dem  Stamme 
entspringen  zahlreiche  Aeste,  meist  4 — 5  in  nahezu  gleicher  Höhe;  die  grosse  Mehrzahl  derselben  bleibt 
kurz  (etwa  4  mm  lang)  und  einfach;  einzelne  verlängern  sich  und  treiben  dann  ihrerseits  wieder  seitliche 
Zweige.  Aeste  und  Zweige  gleichen  in  ihrem  Bau  vollständig  dem  Stamme.  Jeder  trägt  am  Ende  einen 
Polypen  und  ist  von  dessen  Leibeshöhle  durchzogen.  Die  Leibeshöhlen  der  einzelnen  Polypen,  die  als 
Stamm,  Aeste  und  Zweige  den  Polypenstock  zusammensetzen,  stehen  nicht  mit  einander  in  Verbindung. 
Vom  unteren  Ende  des  Stammes  entspringen  dünnere  Röhren,  die  als  Wurzeln  dienen  nnd  wo  sie  glatten 
Flächen  aufliegen,  sich  oft  abplatten  und  verbreitern.  Bisweilen  verwachsen  zwei  benachbarte  Aeste  ober- 
flächlich mit  einander;  häufiger  geschieht  dies  bei  den  Wurzeln.  —  Am  Lichte  verbleicht  die  Farbe  der 
getrockneten  Polypenstöcke  sehr  rasch  vollständig.  Auch  frisch  sind  einzelne  Stöcke  fast  farblos,  andere 
aber  auch  weit  dunkler  gefärbt,  als  der  Fig.  56  dargestellte.  —  Der  Name  Carijoa  ist  abgeleitet  von  dem 
der  Bewohner  unserer  Insel  zur  Zeit  der  Entdeckung  durch  die  Europäer,  der  Carijös.  —  Ausser  dem 
dottergelben  Ueberzuge  finden  sich  minder  häufig  noch  4  oder  5  Reniera-Arten  der  Carijoa  aufsitzend, 
dunkelroth,  blassviolett,  grünlichgrau  und  schneeweiss  gefärbt;  man  kann  sich  nichts  Bunteres  denken,  als 
ein  solches  gleichzeitig,  wie  ich  es  gesehen  habe,  von  all  diesen  Schwämmen  durchsetztes  und  umhülltes 
Carijoagebüsch. 


Ueber  Baianus  armatus. 


309 


schwammbedeckten  Polypenstämmen  fehlt  nur  selten  der  Baianus  armatus ;  er  sitzt 
da  manchmal  zu  10—12  dicht  aneinandergedrängt  und  ist  ebenfalls  bis  zur  Mün- 
dung von  dem  Schwämme  überkleidet.  —  An  demselben  Felsen  leben  noch  vier 
andere  Balaniden;  zu  oberst,  über  dem  mittleren  Wasserspiegel,  Chthamalus  stellatus, 
an  der  unteren  Grenze  dieser  Art  und  meist  dicht  von  ihr  bedeckt,  Tetraclita 
porosa,  besonders  an  der  Seeseite;  ein  wenig  tiefer  sitzen  einige  grosse  Gehäuse 
von  Baianus  tintinnabulum,  dann  folgt,  bis  ins  Bereich  der  an  der  Landseite  des 
Felsens  angesiedelten  Carijoa  hinabreichend,  Baianus  improvisus  var.  assimilis. 
Letzteren  findet  man  auch  in  einzelnen  Stöcken  an  Carijoa,  bisweilen  dem  B.  ar- 
matus aufsitzend,  oder  ihm  als  Unterlage  dienend.  Ein  einziges  Mal  habe  ich 
einen  kleinen  nur  8  mm  hohen  B.  tintinnabulum  an  Carijoa  angetroffen. 

Bisweilen,  doch  ziemlich  selten,  findet  man  B.  armatus  an  Felsen  festge- 
wachsen. Einmal  traf  ich  zwei  Gehäuse  in  Gesellschaft  von  zahlreichen  B.  im- 
provisus var.  assimilis  an  einer  lebenden  Purpurschnecke.  Endlich  besitze  ich 
zwei  Stück,  die  neben  einander  auf  der  Röhre  einer  Serpula  (Eupomatus  flori- 
bundus  F.  M.)  sitzen,  welche  dicht  daneben  zwei  Gehäuse  von  B.  improvisus  var. 
assimilis  trägt.  Dieser  gemeinste  aller  hiesigen  Balanen  findet  sich  bisweilen  sogar 
in  Reniera  als  Begleiter  des  B.  armatus  vor. 

Allgemeines  Aussehen,  Das  Gehäuse  des  B.  armatus  ist  nach  Gestalt 
und  Farbe  sehr  wechselnd  in  seinem  allgemeinen  Aussehen  (Fig.  i  — 13).  Zum 
grossen  Theile  ist,  wie  bei  anderen  Arten,  so  auch  hier  diese  Verschiedenheit 
bedingt  durch  die  Unterlage,  auf  der  sich  das  Thier  angesiedelt  hat.  Am  regel- 
mässigsten  sind  daher  im  Allgemeinen  die  in  weiche  Schwämme  eingebetteten 
Gehäuse,  deren  Entwickelung  nirgends  auf  Hindernisse  stösst.  Man  findet  die- 
selben hier  meist  steil  kegelförmig,  bisweilen  fast  cylindrisch  (Fig.  11),  den  Längs- 
durchmesser (vom  Rostrum  zum  Kiel)  meist  etwas  grösser  als  den  Querdurch- 
messer, Rostrum  und  Kiel  ziemlich  gleich  hoch,  die  Basis  stets  hohl  und  zwar 
meist  in  hohem  Grade.  Hierin  also  stimmt  B.  armatus  mit  dem  verwandten 
B.  spongicola  überein  und  unterscheidet  sich  wie  dieser  von  den  schwammbe- 
wohnenden Acasta,  bei  denen  die  Basis  mit  starker  Wölbung  vorspringt.  Selbst 
in  Reniera  aber  fehlen  sehr  abweichende  Formen  nicht;  ich  habe  Gehäuse  ge- 
sehen, bei  denen  das  Rostrum  nur  halb  so  hoch,  und  wieder  andere  (Fig.  12),  bei 
denen  es  über  doppelt  so  hoch  war,  als  der  Kiel. 

Besonders  mannichfaltig  ist  die  Gestalt  der  auf  Carijoa  sitzenden  Gehäuse 
(Fig.  I — 9  u.  13);  sie  ist  verschieden,  je  nachdem  sie  längs  oder  quer,  oder  schief 
dem  Polypenstamme  aufsitzen,  der  meist  eine  tiefe  Furche  in  der  Basis  bildet. 
Diese  ist  in  der  Richtung  der  Furche  verlängert  und  dies  hat  wieder  Einfluss 
auf  das  ganze  Gehäuse,  so  dass  noch  in  der  Mitte  der  Höhe  die  Breite  von  V5 
bis  %  der  Länge  wechselt.  Nicht  selten  sind  die  einzelnen  Gehäusstücke  von 
sehr  verschiedener  Höhe,  bisweilen  die  sämmtlichen  Stücke  der  einen  Seite  doppelt 
so  hoch  als  die  der  anderen  (Fig.  6).  Selten  ist  die  Furche  der  Basis  zu  einer 
vollständigen  Röhre  geschlossen;  so  in  Fig.  9,  wo  man  zwischen  Rostrum  und 
Seitenstück  die  Oeffnung  der  in  der  Mitte  der  Basis  beginnenden  Röhre  sieht, 
oder  in  Fig.  13,  wo  die  Oeffnung  oben  vom  Seiten-  und  Kieselseitenstücke,  seit- 
lich und  unten  von  Rostrum  und  Kiel  begrenzt  wird.  —  Einmal  traf  ich  Baianus 
armatus   der  Spitze   eines  Zweiges   aufsitzend  (Fig.  5)    und  hier   bildete  die  Basis 


.  ^  ^  Ueber  Baianus  armatus. 

um  den  Zweig  ein  kegelförmiges  Rohr,  länger  als  die  halbe  Höhe  des  Gehäuses; 
der  Durchmesser  der  Basis  war  nur  halb  so  gross  als  die  Länge  der  Mündung. 
In  anderen  Fällen  wieder  (Fig.  8)  ist  die  Basis  über  doppelt  so  lang  als  die  Mün- 
dung. Auch  in  der  Glitte  bauchig  aufgetriebene  Gehäuse  kommen  \or  (Fig.  2 
u.  9).  Eine  besonders  auffallende  Form  ist  die,  welche  ich  Fig.  13  (A  von  hinten, 
B  von  der  Seite)  gezeichnet  habe.  Das  Gehäuse  sitzt  quer  auf  dem  Carijoastamme. 
Rostrum  und  Kiel  sind  ungewöhnlich  breit,  fast  gleichseitig  dreieckig;  sie  um- 
fassen den  Stamm  und  stossen  unter  ihm  auf  einer  Seite  in  einer  scharfen  Kante 
zusammen ;  dagegen  sind  die  Wände  der  Seiten-  und  Kieselseitenstücke  nur  ganz 
schmale  Streifen.  Doch  man  müsste  hundert  und  aber  hundert  andere  und  wieder 
andere  Formen  zeichnen,  wenn  man  die  Mannichfaltigkeit  dieser  an  Carijoa  an- 
gesiedelten Balanen  erschöpfen  wollte.  Vorherrschend  ist  indess  auch  hier  und 
ebenso  bei  den  an  Felsen  sitzenden  Gehäusen  eine  steile  Kegelform.  Die  beiden 
an  Purpura  beobachteten  Gehäuse  waren  flacher  als  gewöhnlich,  ihre  Wände 
minder  steil,  die  Basis  grösser  im  Vergleiche  zur  Mündung. 

Die  Oberfläche  der  Wände  ist  meist  glatt,  seltener  mit  unbedeutenden  Längs- 
rippen versehen;  stärkere  Rippen  pflegen  die  an  Felsen  sitzenden  Gehäuse  zu 
haben.  Die  Farbe  der  Wände  ist  bald  ganz  blass,  bald  sind  sie  heller  oder  dunkler 
schmutzig  bräunlich  purpurn  gestreift.  Die  Radien  pflegen  eine  mehr  oder  minder 
deutliche  schmutzige  Purpurfarbe  zu  zeigen.  Nicht  selten  zeigt  sich  eine  auf- 
fallende Farbenverschiedenheit  zwischen  den  beiden  Seiten  desselben  Gehäuses; 
kann  man  hierbei  an  den  Einfluss  des  Lichtes  denken,  so  ist  diese  Erklärung 
nicht  anwendbar  auf  eine  Gruppe  von  drei  Gehäusen,  von  denen  das  unterste 
grösste  ungewöhnlich  dunkel  gefärbt,  das  zweite  daraufsitzende  fast  weiss  ist,  und 
das  dritte  jüngste,  das  dem  zweiten  aufsitzt,  besonders  deutliche  weissliche  Rippen 
und  dazwischen  hellbraune  Streifen  hat.  Die  Scheide  ist  blass;  die  Deckelstücke 
bald  blass,  bald  dunkel,  meist  aber  wenigstens  nach  der  Spitze  zu  röthlich. 

Die  Oberhaut  fand  ich  nie  an  den  Radien,  selten  in  Spuren  am  vmteren 
Theile  der  Wände  erhalten;  doch  besitze  ich  ein  Exemplar  aus  Reniera,  dessen 
Wände  noch  vollständig  von  einem  gelblichen  Häutchen  bedeckt  sind  und  dessen 
Radien  ausserdem  durch  ihre  weisse  Farbe  sich  auszeichnen  (Fig.   1 1). 

So  verschieden  nun  in  Gestalt  und  Färbung  die  Gehäuse  des  B.  armatus 
auch  sein  mögen,  so  stimmen  sie  doch  alle  vollständig  überein  in  der  eigenthüm- 
lichen  Form  ihrer  Mündung,  die  an  die  des  Bai.  trigonus  erinnert,  aber  abweichend 
von  letzterer  Art  stets  deutlich  gezähnt  ist^).  Die  Radien  sind  immer  schief,  am 
meisten  die  des  Rostrum ;  ihre  freien  Ränder  pflegen  mit  der  Wand  des  Rostrum 
einen  Winkel  von  etwas  unter,  mit  der  des  Seitenstücks  von  etwas  über  60  "^  zu 
bilden  und  etwa  in  der  Mitte  den  Alae  des  Seitenstücks  zu  begegnen.  Ebenso 
begegnen  sich  etwa  in  der  Mitte  die  Ränder  der  Radien  des  Seitenstücks  und 
der  Alae  des  Kielseitenstücks,  während  die  Ränder  der  Alae  des  Kiels  erst  dicht 
an  den  Wänden  der  Kielseitenstücke  auf  deren  Radien  stossen.  Wie  die  Zähnelung 
der  Mündung,  so  sieht  man  als  zweite  Eigenthümlichkeit  an  allen  wohlerhaltenen 
Gehäusen,   dass   das  Rostrum   an   der  Mündung   etwas   nach   innen   gebogen   ist. 

l)  Die  einzige,  aber  wohl  nur  scheinbare  Ausnahme  bilden  die  drei  Gehäuse,  die  ich  am  Strande 
ausgeworfen  gefunden  habe;  ihre  Mündungen  sind  ganzrandig  und  ungezähnt;  doch  glaube  ich,  dass  sie 
ihre  Zähne  erst  beim  Umhertollen  im  Meere  und  in  der  Brandung  verloren  haben. 


Ueber  Baianus  armatus. 


3" 


Betrachtet  man  die  Mündung  von  oben  (Fig.  14),  so  tritt  die  Zähnelung  derselben 
nicht  hervor  und  man  sieht  dann  auf  die  grösste  Breite  der  Mündung  als  Basis 
einerseits  ein  gleichschenkliges  Dreieck  aufgesetzt,  dessen  Spitze  mit  einem  Winkel 
von  50 — 54°  von  dem  Kiele  gebildet  wird,  andererseits  ein  niedriges  Trapez, 
dessen  ein  wenig  nach  innen  gebogene  kleinere  Basis  die  Radien  des  Rostrum 
bis  zu  ihrem  Kreuzungspunkte  mit  den  Alae  der  Seitenstücke  bilden.  Die  Seiten 
des  Dreiecks  reichen  von  der  Spitze  des  Kiels  bis  nahe  an  die  Spitzen  der  Seiten- 
stücke; die  Höhe  des  Trapezes  ist  etwa  Y4  von  der  des  Dreiecks,  die  Höhe  des  Drei- 
ecks ungefähr  seiner  Basis,  der  grössten  Breite  der  Mündung  gleich.  Die  kleinere 
Basis  des  Trapezes  misst  etwa  %  der  grösseren.  —  Fünfeckige  Mündungen,  aus 
einem  Dreieck  und  einem  Trapez  gebildet,  die  die  grösste  Breite  der  Mündung 
zur  gemeinsamen  Basis  haben,  kommen  auch  sonst  bei  Balanen  vor,  z.  B.  bei 
B.  improvisus  var.  assimilis;  eigenthümlich  aber  ist  dem  B.  armatus  die  geringe 
Höhe  des  Trapezes.  Noch  niedriger,  fast  verschwindend,  wird  dasselbe  bei 
B.  trigonus,  so  dass  hier  die  Mündung  wie  ein  gleichseitiges  Dreieck  mit  zwei 
leicht  abgestumpften  Ecken  aussieht.  —  Legt  man  eine  Ebene  durch  die  Spitze 
von  Kiel  und  Rostrum,  parallel  der  durch  die  Spitzen  der  Seitenstücke  gehenden 
Geraden,  oder  um  es  mehr  praktisch  als  mathematisch  auszudrücken,  legt  man 
ein  Lineal  in  der  angegebenen  Richtung  auf  die  Spitzen  von  Kiel  und  Rostrum, 
so  sieht  man,  dass  die  Spitzen  der  Kieselseitenstücke  nicht  ganz  diese  Ebene  er- 
reichen, und  dass  die  Spitzen  der  Seitenstücke  noch  etwas  weiter  davon  abstehen. 
Es  muss  auffallen,  wie  ungemein  selten  und  in  wie  geringem  Grade  die  Regel- 
mässigkeit der  Mündung  durch  die  grössten  Unregelmässigkeiten  des  Gehäuses 
gestört  wird. 

Grösse.  In  dem  mit  Reniera  aquaeductus  verwandten  Schwämme  fand 
ich  nur  kleinere  Gehäuse,  deren  Durchmesser  der  Basis  und  deren  Höhe  selten 
8  mm  erreichte;  grösser  werden  sie  an  Carijoa  oder  an  Felsen;  die  grössten,  die 
ich  gesehen,  sind  die  drei  aus  Papillina.  —  Hier  einige  Maasse: 


I. 

II. 

m. 

IV. 

V. 

VI. 

VII. 

Länge  der  Basis  .     . 

6 

7,3 

".3 

8,3 

20 

14 

6,2 

Breite  derselben  .     . 

5 

6,8 

9,3 

6,9 

14 

16 

6,2 

Länge    der  Mündung 

3,6 

5.1 

6,9 

5 

6 

6 

2,6 

Breite  derselben   .     . 

2,8 

3,8 

5,5 

4 

5,4 

5 

2 

Höhe  des  Rostrum  . 

5.5 

8,1 

9.7 

1,1 

17 

5 

4 

Höhe  des  Kiels    .     . 

5.5 

9.1 

ri 

8,5 

4 

12,4 

2,8 

I.  Mittel  aus  8  Messungen;  Gehäuse  aus  Reniera. 

II.  Mittel  aus  5  Messungen;  Gehäuse  an  Carijoa  sitzend. 

III.  Mittel  aus  5  Messungen;  Gehäuse  an  Felsen  sitzend. 

IV.  Mittel  aus  20  Messungen,  worunter  die  vorstehenden   18  inbegriffen  sind 

V.  und  VI.  Zwei  der  Gehäuse  aus  Papillina,  die  dem  dritten  leeren  Gehäuse 
aufsitzen;  V  hat  den  Kiel,  VI  das  Rostrum  der  Mündung  des  unterliegenden 
Gehäuses  zugewandt;  indem  nun  bei  ersterem  das  Rostrum  über  4mal  so  lang 
ist  als  der  Kiel,  bei  letzterem  der  Kiel  fast  3mal  so  lang  als  das  Rostrum,  werden 
die  Ebenen  der  Mündungen  aller  drei  Gehäuse  nahezu  gleichlaufend. 

VII.    Gehäuse,  das  einer  Purpura  aufsitzt. 

S  c  u  t  a.  Die  Schilder  sind  sehr  schmal ;  der  Schliessrand  (occludent  margin) 
ist   fast   oder   völlig   doppelt   so   lang   als  der  Basalrand,    der  Rückenrand  (tergal 


-  .  2  Ueber  Baianus  armatus. 

margin)  wenig  kürzer  als  der  Schliessrand.  Die  Spitze  ist  meist  schwach  aufwärts 
Gebogen,  die  Aussenfläche  mit  stark  vorspringenden  Anwachsstreifen  und  i  bis  6 
Längsreihen  meist  sehr  tiefer,  oft  (Fig.  15)  ansehnhch  weiter  Gruben  bedeckt.  Bei 
28  aufs  Gerathewohl  herausgegriffenen  Thieren  fanden  sich  im  unteren  Theile 
der  Schilder  einmal  jederseits  2,  achtmal  3,  ebenso  oft  4,  einmal  5,  einmal  6  Reihen; 
ferner  6mal  auf  dem  einen  Schilde  3,  auf  dem  anderen  4,  zweimal  einerseits  4, 
andererseits  5,  endlich  einmal  auf  einer  Seite  5,  auf  der  anderen  6  Grubenreihen. 
Eine  einzige  Reihe  von  Gruben  habe  ich  nur  bei  den  beiden  auf  Purpura  sitzenden 
Thieren  gesehen.  Auf  der  Innenseite  des  Schildes  (Fig.  16)  sieht  man  eine  nicht 
sehr  breite  Gelenkleiste  (adductor  ridge),  die  bis  über  die  Hälfte  oder  selbst  bis 
zum  unteren  Drittel  des  Schildes  reicht  und  hier  abgerundet  oder  mit  einer  kleinen 
Spitze  endet.  Die  Adductorleiste  ist  unbedeutend  und  reicht  kaum  weiter  als  die 
Gelenkleiste  nach  unten.  Bisweilen  findet  sich  eine  sehr  zarte  scharfe  Längsleiste 
zwischen  Gelenk-  und  Adductorleiste.  Für  den  musculus  depressor  lateralis  ist 
eine  meist  schmale  und  tiefe  Grube  vorhanden.  Namentlich  bei  grösseren  Thieren 
sind  die  Schilder  oft  von  ungewöhnlicher  Dicke. 

Terga  (Fig.  17,  18).  Diese  stimmen  ganz  mit  der  von  Darwin  für  Baianus 
trigonus  gegebenen  Beschreibung  überein.  Die  6 — 7  Leisten  für  den  musculus 
depressor^)  überragen    nie  den  Basalrand  des  Rückenstücks.     Die  Borstenreihen 

i)  Darwin's  Angaben  über  die  Wirknng  der  drei  Muskelpaare,  die  vom  Deckel  nach  dem  Grunde 
des  Gehäuses  niedersteigen,  scheinen  mir  nach  dem,  was  ich  namentlich  an  Tetraclita  porosa  gesehen,  nicht 
ganz  richtig  zu  sein.  Durch  die  depressores  scuti  laterales  wird  nach  Darwin  der  Deckel  geöffnet.  Plötz- 
liche Zusammenziehungen  der  depressores  rostrales  bewirken  wahrscheinlich  die  Schläge,  die  das  Thier  mit 
der  schnabelförmigen  Spitze  der  Terga  austheilt.  Durch  die  gemeinsame  Zusammenziehung  der  drei  Paare 
wird  der  Deckel  mit  überraschender  Kraft  niedergehalten.  Gehoben  kann  der  Dekel  nur  werden  durch 
den  Druck  des  Körpers  gegen  die  Basis  (Darwin,  Balanidae  S.  62). 

Versucht  man  den  Deckel  einer  Tetraclita  porosa  aus  dem  Gehäuse  zu  schneiden,  so  wird  das  Messer 
überall  freien  Weg  finden  bis  auf  zwei  einander  gegenüberliegende  Stellen  in  der  Gegend  der  Sporen.  Hier 
liegt  der  Deckel  der  Scheide  eng  an;  die  Haut,  die  die  Basis  des  Deckels  mit  der  Scheide  verbindet,  ist 
hier  schmäler  und  fester  als  sonst.  So  wird  durch  diese  beiden  Stellen  eine  freilich  etwas  verschiebbare 
Achse  gebildet,  um  die  sich  der  Deckel  drehen  kann.  Man  kann  nun  an  frischen  Thieren  leicht  die  ein- 
zelnen Muskeln  fassen  und  anziehen  und  so  über  ihre  Wirkung  Aufschluss  erhalten.  Wie  schon  die  Be- 
festigungsweise des  Deckels  erwarten  lässt,  wird  durch  die  depressores  tergi  der  Kielrand  der  Rückenstücke 
niedergezogen,  dagegen  die  Rostralecke  der  Schilder  gehoben  und  der  Schlussrand  nimmt  eine  fast  wag- 
rechte Lage  an  (Fig.  52).  Diese  Muskeln  allein  bewirken  das  kräftige  Niederhalten  des  geschlossenen 
Deckels;  derselbe  stützt  sich  dabei  mit  dem  Kielrande  der  Rückenstücke  gegen  die  Scheide,  die  an  dieser 
Stelle  mehr  oder  weniger  deutliche  Spuren  der  Abnutzung  zu  zeigen  pflegt.  Durch  die  depressores  scuti 
aber,  die  laterales  sowohl  als  die  rostrales,  wird  die  Basis  der  Schilder  niedergezogen,  der  Kielrand  der 
Rückenstücke  gehoben  und  der  Schliessrand  nimmt  eine  mehr  oder  weniger  steile  Lage  an  (Fig.  53).  Weil 
nun  seine  Spitze  weiter  hervortritt,  erscheint  dabei  der  ganze  Deckel  gehoben;  das  ist  aber  nur  scheinbar; 
man  kann  dieses  Erheben  der  Spitze  auch  hervorbringen,  indem  man  statt  von  innen  an  den  depressores 
scuti  zu  ziehen,  von  aussen  die  Rostralecke  der  Schilder  niederdrückt.  —  Ein  Heben  und  Senken  des 
ganzen  Deckels  findet  überhaupt  nur  in  ziemlich  beschränktem  Masse  statt:  in  wie  weit  dabei  ein  An- 
stemmen des  Körpers  gegen  die  Basis  mitwirkt,  lasse  ich  unentschieden. 

Das  Oeffnen  des  Deckels  wird,  glaube  ich,  nur  durch  das  Andrängen  des  Thieres  gegen  die  Deckel- 
spalte hervorgebracht ;  die  depressores  laterales  können  ihn  nicht  öffnen.  Wie  man  sich  leicht  an  Deckeln 
überzeugt,  die  man  mit  der  verbindenden  Haut  herausgenommen  hat,  drehen  sich  nämlich  beim  Oeffnen 
und  Schliessen  die  beiden  Hälften  des  Deckels  um  eine  durch  die  Rostralecke  der  Schilder  und  die  Kiel- 
ecke der  Rückenstücke  gehende  Achse ;  was  über  dieser  Achse  liegt,  entfernt  sich  beim  Oeffnen  von  der 
Mittellinie;  was  darunter  liegt,  nähert  sich  derselben.  Die  depressores  scuti  laterales  aber  gehen  von  unter- 
halb der  Drehungsachse  gelegenen  Punkten  nach  unten  und  etwas  nach  aussen,  können  also  unmöglich  ihre 
Ansatzpunkte  der  Mittellinie  nähern,  wie  es  zum  Oeffnen  des  Deckels  nöthig  wäre. 


Ueber  Baianus  armatus. 


313 


auf  den  Anwachsstreifen  der  Deckelstücke  sind  bei  Baianus  armatus,  namentlich 
auf  dem  Schilde,  stärker  entwickelt  als  bei  den  wenigen  anderen  Arten,  die  ich 
vergleichen  konnte.  Kurz  und  zart  sind  sie  auf  der  Kielseite  (Fig.  19),  bis  über 
0,2  mm  lang  und  zart  auf  der  Schildseite  (Fig.  20)  des  Rückenstücks;  von  gleicher 
Länge,  aber  weit  dicker  und  dichtgedrängt  auf  dem  Schilde  (Fig.  21).  Es  wechseln 
längere  und  kürzere  Borsten,  doch  nicht  als  zwei  scharf  geschiedene  Formen,  wie 
es  z.  B.  bei  B.  improvisus  var.  assimilis  (Fig.  22)  der  Fall  ist.  Die  Chitinstränge 
(tubuli  Darw.),  die  von  den  Borsten  aus  wellig  gebogen  die  Deckelstücke  durch- 
setzen, verjüngen  sich  rasch  zu  zarten  Fäden,  die  man  beim  Zerzupfen  der  durch 
Säure   entkalkten  Deckelstücke   leicht   aus   der  umgebenden  Masse  herauszieht^). 

Die  Stücke  des  Gehäuses.  Die  Röhren,  welche  die  Wände  durch- 
ziehen, sind  ziemlich  weit,  im  obersten  Theile  dicht  ausgefüllt,  ohne  quere  Scheide- 
wände. Die  Innenfläche  der  Wände  ist  meist  in  ganzer  Länge,  bisweilen  nur 
unten  längsgerippt.  Die  Radien  sind  aussen  glatt,  glänzend,  mit  feiner  Streifung 
in  doppelter  Richtung,  die  eine  den  Scheidewänden,  die  andere  der  Naht  (sutural 
edge)  gleichlaufend;  die  erstere  Streifung  ist  immer  weit  deutlicher;  sie  ist  nicht 
bedingt  durch  Vorspringen  der  Scheidewände.  Bei  den  Radien  des  Rostrum  und 
der  Seitenstücke  steht  diese  Streifung  ziemlich  senkrecht  auf  der  Wand  der  Seiten- 
stücke, bei  den  Radien  der  Kielseitenstücke  senkrecht  auf  der  Wand  dieser  Stücke. 
Innen  sind  die  Radien,  so  weit  sie  nicht  den  Alae  aufliegen,  oft  durch  die  vor- 
springenden Scheidewände  feingerippt;  meist  sind  diese  Rippen  sehr  deutlich, 
bisweilen  aber  kaum  wahrzunehmen  und  bisweilen  sind  die  Radien  innen  ganz 
glatt.  An  den  Scheidewänden  der  Radien,  deren  Zwischenräume  bis  zur  Naht 
dicht  ausgefüllt,  aber  oft  durch  röthliche  Färbung  von  den  weissen  Scheidewänden 
ausgezeichnet  sind,  habe  ich  keine  deutliche  Zähnelung  erkennen  können.  Die 
Nähte  der  Alae  sind  glatt.  Die  Scheide  hat  einen  scharfen,  frei  nach  unten  vor- 
springenden Rand. 

Basis.  Die  Basis  ist  porös.  Nur  in  sehr  seltenen  Fällen  springt  sie  über  den 
unteren  Rand  des  Gehäuses  vor.  Auch  bei  den  in  Schwämmen  angesiedelten 
Thieren  sind  die  Kittröhren  (Fig.  54.  55)  wohl  entwickelt,  während  sie  von 
Darwin  bei  Acasta  vermisst  wurden.  Nach  der  Behandlung  der  Basis  mit  Säure 
erscheinen  sie  als  farblose,  leere  Röhren.  Ihre  Verästelung  ist  verschieden  bei 
verschiedenen  Thieren,  aber  genau  dieselbe  für  die  verschiedenen  älteren  und 
jüngeren  Röhren  desselben  Thieres,  so  dass  also  die  Aeste  jedes  jüngeren  Kreises 
denen  der  älteren  inneren  gleichlaufen.  Nicht  selten  kommen  blind  endende  Aus- 
läufer vor  (Fig.  55,  a,  b).  Am  Rande  der  Basis,  den  man  selten  wohlerhalten 
unter  das  Mikroskop  bekommt,  sah  ich  die  Kittröhren  in  sehr  feine  netzförmig 
verbundene  Reiserchen  sich  theilen,  ähnlich  wie  es  Darwin  von  Bai.  tintinnabulum 
beschreibt  und  abbildet  (Darwin,  Balanidae.  PI.  28.  Fig.  4,  a). 

Mundtheile.  Die  Oberlippe  (Fig.  23)  hat  drei  nahe  beisammen  stehende 
Zähne  zu  jeder  Seite  des  mittleren  Einschnitts.  Die  Kinnbacken  (Fig.  24 — 26) 
haben  vier  deutliche  Zähne;  der  fünfte  fehlt  bisweilen  völlig;  meist  aber  ist  er 
als  kleiner  Höcker   über   der   unteren  Ecke   des  Kinnbackens   zu   unterscheiden; 


i)  Bei  Tetraclita  porosa,  wo  die  Chitinstränge  bis  zum  Ende  ziemlich  dick  bleiben,  sah  ich  aus  deren 
Ende  ein  blasses  Fädchen  hervorragen,  als  wenn  ein  Nerv  in  die  Stränge  einträte;  zwischen  den  Borsten 
und  den  Chitinsträngen  scheint  eine  Art  Gelenk  zu  bestehen. 


,  j  ,  Ueber  Baianus  armatus. 

ich  habe  einmal  bei  demselben  Thiere  den  fünften  Zahn  auf  einer  Seite  unge- 
wöhnlich deutlich  entwickelt  gesehen,  während  er  auf  der  anderen  vollständig 
fehlte.  Die  Kiefer  haben  einen  geraden  Rand,  mit  einer  ganz  winzigen  Kerbe 
(Fig.  27)  unter  den  obersten  Borsten,  oder  ohne  eine  solche  (Fig.  28).  Für  die 
untersten  Borsten  ist  kein  Vorsprung  vorhanden.  Die  oberste  und  die  beiden 
untersten  Borsten  sind  nur  wenig  länger  als  die  längsten  der  mittleren.  Nur  etwa 
ein  Drittel  des  oberen  Kieferrandes  ist  behaart. 

Rankenfüsse.  Erstes  Paar:  der  längere  Ast  ist  etwa  doppelt  so  lang 
als  der  kürzere,  bisweilen  noch  länger  und  hat  fast  doppelt  so  viel  (18 — 20)  Glieder; 
die  letzten  Glieder  sind  bedeutend  länger  als  die  unteren,  walzenförmig  und  am 
Ende  mit  einem  fast  vollständigen  Kranze  von  Borsten  besetzt.  Der  kürzere  Ast 
hat  meist  g—  1 1  kurze  Glieder  mit  dicht  beborstetem  Vorsprunge  an  der  Beuge- 
seite, der  an  den  mittleren  Gliedern  am  bedeutendsten  ist. 

Zweites  Paar:  Kurz,  plump,  dicht  beborstet ;  der  vordere  oder  äussere  Ast 
mit  1 1  — 13  Gliedern,  etwa  nur  ^/g — V4  länger  als  der  innere;  dieser  ist  9—  lo-gliedrig 
und  etwa  so  lang,  als  der  kürzere  Ast  des  ersten  Paares.  —  An  abgeworfenen 
Häuten  und  meist  auch  sonst  sieht  man  den  längeren  Ast  gerade  ausgestreckt, 
den  kürzeren  leicht  gekrümmt. 

Drittes  Paar:  Vom  Grunde  dieses  Fusspaares  zieht  sich  eine  dicht  mit 
langen  dünnen  Haaren  besetzte  Linie  nach  dem  Rücken  in  die  Höhe.  Ihrer  Länge 
und  Gestalt  nach  halten  die  Ranken  dieses  Paares  die  Mitte  zwischen  den  kurzen 
und  plumpen  Ranken  des  vorhergehenden  und  den  langen  schlanken  Ranken 
der  folgenden  Paare.  Der  unbedeutend  längere  vordere  oder  äussere  Ast  hat 
etwa  15 — 17  Glieder,  der  hintere  1  oder  2  weniger.  Die  Aeste  sind  ungefähr  so 
lang  wie  der  längere  Ast  des  ersten  Paares.  Eine  grössere  oder  geringere  Zahl 
der  Glieder  beider  Aeste  sind  an  der  Beugeseite  mit  starken  gekrümmten  Zähnen 
bewaffnet;  bei  jüngeren  Thieren  ist  die  Bewaffnung  schwächer  und  auf  einige 
der  mittleren  Glieder  beschränkt;  bei  grösseren  Thieren  pflegen  nur  die  beiden 
letzten  Glieder  des  äusseren ,  die  vier  oder  fünf  letzten  Glieder  des  inneren 
Astes  der  Zähne  zu  entbehren.  Immer  ist  die  Bewaffnung  des  äusseren  Astes 
(Fig.  44)  stärker  als  die  des  Innern.  —  Diese  hakig  nach  abwärts  gebogenen 
Zähne  (Fig.  46)  halten  nicht  nur  den  oberen  Theil  des  stark  vorspringenden 
Randes  der  Beugeseite  der  Glieder  besetzt,  sondern  erstrecken  sich  von  da 
aus,  allmählich  kleiner  werdend  und  endlich  in  winzige  Spitzchen  übergehend, 
über  einen  grösseren  oder  geringeren  Theil  der  Aussenfläche  der  Glieder.  Dieser 
mit  Zähnen  und  Flaken  besetzte  Theil  erhebt  sich  meist  als  flache  Wulst  ein 
wenig  über  seine  Umgebung.  Ausser  den  Zähnen  der  Beugeseite  finden  sich 
besonders  an  den  unteren  Gliedern  spitze  nach  oben  stehende  Dörnchen  an  der 
Streckseite,  einige  ebenfalls  aufwärts  gerichtete  Dornen  an  der  Aussenseite  des 
oberen  Randes  und  ebenda  oft  mehrere  Gruppen  sehr  zarter  Spitzchen. 

Die  mittleren  Glieder  des  äusseren  Astes  tragen  nach  innen  von  dem  Zahn- 
besatze  zwei  bis  vier  Borstenpaare;  zu  diesen  gesellt  sich  früher  oder  später  eine 
erst  einfache,  dann  mehrfache  Reihe  von  Borsten  am  Innenrande  des  oberen  Endes 
der  Glieder  und  endlich  an  den  letzten  Gliedern  ein  dichter  unregelmässiger 
Borstenbesatz,  der  oft  einen  grossen  Theil  der  Innenfläche  bedeckt.  Am  inneren 
Aste  sind  schon  an  den  unteren  Gliedern  die  Borsten  der  Innenfläche  zahlreicher. 


Ueber  Baianus  armatus. 


315 


Viertes  bissechstesPaar:  Die  Ranken  der  letzten  drei  Fusspaare  findet 
man  selten  alle  unversehrt ;  bald  fehlt  der  einen,  bald  der  anderen  ein  grösseres  oder 
kleineres  Stück.  Diese  Verluste  werden  bekanntlich  mehr  oder  minder  vollständig 
ersetzt,  indem  sich  in  den  letzten  der  gebliebenen  Glieder  eine  Zahl  von  neuen 
Gliedern  bildet  und  nach  der  nächsten  Häutung  in  Thätigkeit  tritt.  Die  Häufig- 
keit solcher  Verstümmelungen  erlaubt  kaum,  etwas  über  die  Gliederzahl  dieser 
Ranken  zu  sagen.  An  den  letzten  Paaren  kann  dieselbe  bis  über  45  steigen,  und 
ihre  Länge  ist  oft  mehr  als  ßmal  so  gross,  als  die  des  dritten  Paares.  Die  Glieder 
aller  dieser  Ranken  sind  dünner,  aber  weit  länger  als  die  der  vorderen  Paare; 
die  oberen  Glieder  tragen  an  der  Beugeseite  fast  immer  vier  Borstenpaare,  am 
vierten  Fusspaare  manchmal  nur  drei. 

Am  vierten  Fusspaare  pflegt  die  Rückenseite  des  ersten  Gliedes  des  äusseren 
Astes  mit  ziemlich  starken  aufwärts  gerichteten  Zähnchen  bewehrt  zu  sein;  an 
den  mittleren  Gliedern  beider  Aeste,  besonders  aber  des  äusseren,  findet  man 
meist  ausser  den  kurzen  spitzen  Dornen  an  der  Aussenseite  des  Endrandes  in 
deren  Nähe  noch  mehr  oder  minder  zahlreiche  aufwärtsgerichtete  Dornen  über 
die  Aussenfläche  des  Gliedes  zerstreut;  in  seltneren  Fällen  verwandeln  sich  diese 
Dornen  am  äusseren  Aste  in  abwärts  gerichtete  schwach  gekrümmte  Zähne,  so 
dass  dann  (Fig.  47)  eine  ähnliche,  aber  freilich  weit  schwächere  Bewaffnung  ent- 
steht, als  am  dritten  Paare. 

Das  fünfte  Fusspaar  ist  ausgezeichnet  durch  einen  starken,  etwas  gekrümmten, 
aufwärtsgerichteten  Zahn  (Fig.  48),  der  am  Anfange  der  Rückenseite  des  zweiten 
Stielgliedes  steht;  meist  folgt  ihm  noch  ein  ähnlicher  kleinerer  Zahn,  seltener 
deren  zwei  (Fig.  48),  oder  gar  keiner. 

Am  sechsten  Fusspaare  sind  die  Stielglieder  und  die  ersten  GHeder  der 
Ranken  auf  der  Rückenseite  mit  sehr  zahlreichen  kurzen,  anliegenden,  aufwärts- 
gerichteten Spitzchen  bedeckt. 

Ruthe.  Am  Grunde  der  Ruthe,  zwischen  ihr  und  dem  After,  ist  der  ge- 
wöhnliche kegelförmige  Fortsatz  vorhanden ;  die  Ruthe,  zu  mehrfacher  Länge  der 
Ranken  ausdehnbar,  ist  nur  mit  wenigen  kurzen  Haaren  besetzt. 

Eier:  0,17  mm  lang;  0,09  mm  dick.  An  den  Larven  finde  ich  nichts 
Besonderes,  sie  sind  denen  von  Tetraclita  porosa  sehr  ähnlich, 

Verwandtschaft.  Der  nächste  Verwandte  des  Baianus  armatus  ist  B.  trigonus. 
Ob  überhaupt  ersterer  nicht  besser  als  blosse  Abart  zu  betrachten  und  als  ß.  trigonus 
var.  armatus  zu  bezeichnen  sei,  wird  nur  nach  Vergleichung  mit  zahlreichen  Exem- 
plaren des  B.  trigonus  von  verschiedenen  Fundorten  zu  entscheiden  sein.  Doch 
lässt  sich  für  seine  Artberechtigung  anführen,  dass  B.  trigonus  bisher  nur  im 
indischen  und  stillen  Meere  und  nicht  im  atlantischen,  dass  er  nur  an  Schalen 
von  Weichthieren  und  an  Holz  und  nicht  in  Schwämmen  gefunden  wurde;  dass 
bei  B.  trigonus  das  Gehäuse  meist  flach  und  gerippt,  die  Mündung  ganzrandig 
und  fast  gleichseitig,  bei  B.  armatus  das  Gehäuse  meist  steil  kegelförmig  und 
glatt,  die  Mündung  stets  deutlich  gezähnt  und  fünfeckig  ist ;  dass  die  Schilder  bei 
B.  armatus  schmäler  sind,  dass  die  bei  B.  armatus  nie  vermisste,  beim  ersten 
Blick  in  die  Augen  fallende  Bewaffnung  des  dritten  Fusspaares  von  Darwin 
bei  B.  trigonus  ebensowenig  erwähnt  wird,  als  der  ebenfalls  bei  B.  armatus  stets 
vorhandene  starke  Zahn  am  Stiele  des  fünften  Paares. 


3i6 


Ueber  Baianus  armatus. 


Die  auf  Carijoa  sitzenden  Gehäuse  erinnern  bisweilen,  bei  vorwaltender  Ent- 
wickelung  in  die  Länge,  besonders  wenn  zugleich  die  Basis  etwas  vorspringt,  im 
allgemeinen  Aussehen  an  die  auf  Gorgonien  lebenden  Arten,  die  bei  Darwin 
die  Section  B.  der  Gattung  Baianus  bilden;  doch  ist  diese  Aehnlichkeit  eben  nur 
Folge  der  ähnlichen  Befestigungs weise  und  kaum  Zeichen  einer  näheren  Ver- 
wandtschaft. —  Im  Uebrigen  gilt  von  unserer  Art,  was  Darwin  über  die  ver- 
wandtschaftlichen Beziehungen  des  B.  trigonus  sagt. 

Bedeutung  der  Bewaffnung  der  Ranken.  Wenn  auch  nicht  in 
gleich  mächtiger  Weise  entwickelt,  findet  sich  eine  ähnliche  Bewaffnung  der 
Ranken  mit  Dornen  und  Spitzchen  doch  auch  bei  anderen  Balanen.  Bei  einzelnen 
Exemplaren  von  B.  improvisus  var.  assimilis  finden  sich  diese  sonst  aufwärts  ge- 
richteten Dornen  an  der  Aussenseite  der  Glieder  des  dritten  (Fig.  50)  und  vierten 
(Fig.  51)  Fusspaares  sogar  nach  abwärts  und  rückwärts  gerichtet,  wie  bei  B.  ar- 
matus. —  Man  findet  diesen  Besatz  mit  Dornen  und  Spitzchen  fast  ausschliesslich 
an  den  dem  Rande  der  Deckelspalte  zugewandten  Flächen;  so  an  der  Aussen- 
seite der  mittleren  Paare  und  an  der  Rückenseite  des  letzten  Paares.  An  dieser 
Stelle  können  sie  nicht  zum  Fange  irgend  welcher  Beute,  sondern  kaum  zu  etwas 
Anderem  dienen,  als  zum  Reinhalten  der  Deckelspalte.  Man  sieht  in  der  That 
an  lebenden  Thieren,  dass  gerade  die  Ranken  des  dritten  und  vierten  Paares, 
deren  Aussenflächen  besonders  reich  bedornt  sind,  beim  Vorstrecken  und  Ein- 
ziehen der  Ranken  dicht  am  Rande  der  Deckelspalte  hinstreichen. 

Dass  nun  gerade  bei  schwammbewohnenden  und  sonst  keineswegs  einander 
nahestehenden  Arten  diese  Bewaffnung  zu  mächtigen  gebogenen  Zähnen  ent- 
wickelt ist,  weist  auf  einen  Zusammenhang  zwischen  der  eigenthümlichen  Be- 
waffnung und  dem  eigenthümlichen  Aufenthaltsorte  hin,  und  es  liegt  die  Ver- 
muthung  nahe,  dass  die  Zähne  dazu  dienen,  die  rasch  wuchernde  Schwammmasse 
zu  zerreissen  und  zu  entfernen,  welche  die  Mündung  des  Gehäuses  zu  überwachsen 
droht.  Bemerken swerth  ist  dabei  der  Umstand,  dass  bei  Acasta  die  Zähne  am 
äusseren  Aste  des  vierten,  bei  Baianus  armatus  an  den  Aesten  des  dritten  Fuss- 
paares stehen.  Man  könnte  diesen  Umstand  in  ähnlicher  Weise  zu  Gunsten  der 
Darwin'schen  Ansicht  von  der  Entstehung  der  Arten  verwerthen,  wie  die  ver- 
schiedene Bildung  des  hinteren  Eingangs  zur  Kiemenhöhle  bei  den  verschiedenen 
luftathmenden  Krabben  ^).  Baianus  armatus  ist  weit  näher  mit  anderen  niclit 
schwammbewohnenden  Balanen  verwandt,  als  mit  Acasta ;  B.  armatus  und  spongi- 
cola  einerseits,  die  Acastaarten  andererseits  können  somit  die  Gewohnheit  sich  in 
Schwämmen  anzusiedeln  nicht  von  einem  gemeinsamen  Urahnen  geerbt  haben. 
Einrichtungen,  die  auf  diesen  eigenthümlichen  Wohnplatz  sich  beziehen,  müssen 
sich  unabhängig  von  einander  bei  den  einen  und  den  anderen  gebildet  haben 
und  es  kann  daher  nicht  befremden,  dieselben  bei  Baianus  armatus  und  bei  Acasta 
an  verschiedenen  Stellen  des  Leibes  entwickelt  zu  finden. 

II. 

Die  Balanen  galten  bis  vor  Kurzem  allgemein  als  sich  selbst  befruchtende 
Zwitter.  Dass  indess  wenigtens  nicht  in  allen  Fällen  Selbstbefruchtung  stattfindet, 
wurde  durch  eine  merkwürdige  Beobachtung  Darwin's  bewiesen,  der  bei  mehreren 

i)  Siehe  Fritz  Müller,  Für  Darwin.    Leipzig  1864.   S.  20.  =  Ges.  Schriften  S.  212  ff. 


Ueber  ßalanus  armatus. 


317 


Baianus  balanoides  die  Ruthe  verstümmelt  und  geschlossen  und  nichts  desto 
weniger  in  deren  Gehäusen  wohlentwickelte  Larven  fand  (Darwin,  Balanidae  S.  loi). 
Mir  ist  es  schon  lange  zweifelhaft  gewesen,  ob  überhaupt  die  Selbstbefruchtung 
Regel  sei.  Wozu  die  oft  den  dreifachen  Durchmesser  des  Gehäuses  übertreffende 
Länge  der  Ruthe,  wenn  dieselbe  ausserhalb  des  Gehäuses  nichts  zu  suchen  hat? 
—  Einige  neuerdings  gemachte  Beobachtungen  haben  mich  in  diesem  Zweifel 
bestärkt. 

Man  weiss,  dass  die  Balanen  sehr  empfindlich  gegen  das  Licht  sind  ^),  dass 
sie  ihre  Ranken  sofort  einziehen  und  den  Deckel  schliessen,  sobald  man  z.  B.  mit 
der  Hand  zwischen  ihnen  und  dem  Fenster  hinfährt.  Merkwürdig  ist  dabei,  dass 
einzelne  Thiere  viel  scheuer,  andere  wieder  dreister  sind,  dass  erstere  immer  sich 
länger  geschlossen  halten,  letztere  sich  rascher  hervorwagen  und  sogar  an  das  in 
regelmässigen  Zwischenräumen  wiederholte  Vorüberfahren  der  Hand  sich  gewöhnen. 
Aehnliche  geistige  Verschiedenheiten  fand  ich  auch,  beiläufig  bemerkt,  zwischen 
den  Thieren  einer  Gruppe  von  Eupomatus  floribundus.  —  Als  ich  nun  einmal, 
diese  Beobachtungen  wiederholend,  dem  Spiele  der  Ranken  einiger  Baianus  ar- 
matus zusah,  die  ich  frisch  von  Carijoa  genommen  und  von  ihrem  Schwammüber- 
zuge gesäubert  hatte,  sah  ich,  wie  einer  derselben  plötzlich  mit  dem  Schlagen  der 
Ranken  aufhörte,  sie  einige  Secunden  unbeweglich  und  weit  ausgespreizt  hielt, 
und  wie  während  dessen  die  Ruthe  sich  zu  äusserster  Länge  vorstreckte  und  wie 
tastend  oder  suchend  herumfuhr.  Ich  beunruhigte  nun  meine  Thiere  nicht  weiter 
mit  dem  Schatten  der  Hand,  um  wo  möglich  dieses  neue  Schauspiel  sich  wieder- 
holen zu  sehen,  und  in  der  That  sah  ich  bald  aufs  Neue  nicht  nur  bei  diesem, 
sondern  noch  bei  drei  oder  vier  anderen  Thieren  mehrmals  dieselbe  Erscheinung. 
Ich  legte  nun  diese  brünstigen  Thiere  dicht  nebeneinander,  um  ihnen  eine  gegen- 
seitige Begattung  zu  erleichtern;  allein  so  oft  die  langgestreckte  Ruthe  in  den 
Bereich  der  Ranken  eines  Nachbars  kam,  wurde  sie  von  denselben  hin-  und  her- 
geschleudert, ohne  dass  dieser  still  hielt,  um  ihr  Einlass  zu  gewähren.  Darauf 
untersuchte  ich  zwei  der  Thiere  und  fand  den  ganzen  Ruthenkanal  dicht  mit 
Samen  gefüllt,  aber  bei  beiden  auch  Eier,  die  bereits  die  Furchung  durchgemacht 
hatten,  also  einer  Befruchtung  nicht  mehr  bedurften.  Bei  einer  solchen  Füllung 
der  Ruthe  hatte  wohl,  indem  sie  sich  zu  äusserster  Länge  ausdehnte.  Same  aus- 
getrieben werden  müssen  (was  ich  auf  einem  weissen  Teller  nicht  hatte  sehen 
können);  zugleich  war  aber  bei  der  Länge  der  meist  in  seitlicher  Richtung  sich 
ausstreckenden  Ruthe  dieser  Same  dem  durch  die  eigenen  Ranken  erzeugten 
Strudel  entzogen  und  nachbarlichen  Thieren,  die  dessen  bedürfen  mochten,  anheim- 
gegeben worden.  —  Auffallenderweise  habe  ich  die  damals  gleichzeitig  an  vier 
oder  fünf  Thieren  gemachte  Beobachtung  noch  nicht  wiederholen  können,  obwohl 
ich  mehrfach  bei  zahlreichen  frischen  Thieren  mich  danach  umgesehen  habe. 


i)  Die  Empfänglichkeit  der  Balanen  gegen  Lichteindrücke  ist  nicht  abhängig  von  den  durch  Leidy 
entdeckten  Augen.  Ich  hatte  einen  grossen  Bai.  tintinnabulum  lebend  aus  seinem  Gehäuse  genommen  und 
von  dem  Deckel  abgelöst,  mit  welchem  die  Augen  in  Verbindung  blieben.  Derselbe  lag  in  einem  Teller 
mit  Wasser  mit  halbentrollten  Ranken.  So  oft  ihn  der  Schatten  der  Hand  traf,  rollte  er  mit  einer  plötz- 
lichen Bewegung  die  Ranken  ein.  Bei  B.  tintinnabulum  sind  die  Augen  sehr  deutlich;  bei  B.  armatus 
habe  ich  sie  noch  nicht  gefunden  und  die  geringere  Grösse  der  letzteren  Art  trägt  daran  nicht  Schuld ;  denn 
auch  bei  kleineren  B.  tintinnabulum  sind  sie  sehr  leicht  nachzuweisen. 


3i8 


Ueber  Baianus  armatus. 


Die  zweite  Beobachtung,  die  zu  beweisen  scheint,  dass  zuweilen  sogar  eine 
Befruchtung  zwischen  verschiedenen  Arten  von  Baianus  vorkömmt,  ist  die  folgende: 
Unter  den  an  Carijoa  erbeuteten  Balanen,  die  ich  nach  dem  ersten  Anblicke  als 
B.  improvisus  var.  assimilis  bestimmt  hatte,  war  mir  einer  (Fig.  2g)  durch  etwas 
röthliche  Färbung  aufgefallen,  wie  ich  sie  sonst  nie  bei  dieser  unendlich  häufigen 
Art  gesehen  hatte.  Als  ich  ihn  näher  ansah,  fand  ich  statt  der  schmalen  mit 
einem  gelblichen  Häutchen  bedeckten  Radien  des  B.  assimilis  (wie  ich  im  Fol- 
genden der  Kürze  wegen  statt  B.  improvisus  var,  assimilis  sagen  will)  die  wohl- 
entwickelten glänzenden  Radien  des  B.  armatus  mit  ihrer  eigenthümlichen  Streifung. 
Dabei  war  aber  die  Form  der  Mündung,  das  Ansehen  der  Schilder  und  der 
Wände  mit  ihren  durchscheinenden  Streifen  und  den  bei  der  röthlichen  Färbung 
doppelt  deutlichen  Querwänden  ihrer  Röhren  ganz  wie  bei  B.  assimilis.  Unter 
Hunderten  von  B.  armatus  hatte  ich  nie  entfernt  ähnliche  Wände,  Mündung, 
Schilder,  unter  ungezählten  Tausenden  von  B.  assimilis  nie  entfernt  ähnliche 
Radien  getroffen ;  —  ich  konnte  nicht  umhin,  mir  allen  Ernstes  die  Frage  vor- 
zulegen, ob  ich  nicht  einen  Bastard  der  beiden  Arten  vor  mir  habe,  deren  Eigen- 
thümlichkeiten  hier  so  wunderbar  vereinigt  waren.  Ich  habe  später  noch  drei 
dieser  vermuthlichen  Bastarde  getroffen;  zwei  derselben  sassen  wie  der  erste  un- 
mittelbar auf  Carijoa,  der  dritte  (Fig.  30)  auf  einem  B.  assimilis;  umgekehrt  sass 
einem  der  anderen  ein  B.  assimilis  auf.  Eine  nähere  Untersuchung  dieser  vier 
Thiere  ergab  nun  Folgendes: 

Allgemeines  Aussehen.  In  der  Form  der  deutlich  gezähnten  Mündung 
(Fig.  31),  deren  grösste  Breite  beinahe  in  die  Mitte  zwischen  Kiel  und  Rostrum 
fällt,  in  den  durchscheinenden  Streifen  der  glatten  Wände  und  der  eigenthüm- 
lichen in  Worten  schwer  wiederzugebenden  Krümmung  ihrer  Ränder  glichen  alle 
vier  Thiere  dem  Bai.  assimilis,  in  der  Bildung  der  Radien,  bis  auf  den  etwas 
schiefer  verlaufenden  Rand,  dem  Bai.  armatus.  Die  Färbung  war  bei  einem  etwas 
röthhch,  bei  den  übrigen  fast  weiss,  bei  zweien  im  unteren  Theile  des  Gehäuses 
gelblich.  Zufällig,  in  Folge  ihrer  Befestigungsweise,  war  bei  allen  die  Basis  weit 
länger  als  breit  und  das  Rostrum  höher,  bei  einem  über  doppelt  so  hoch  als 
der  Kiel. 

Grösse.  Mittel  aus  den  Massen  der  vier  Gehäuse:  Länge  der  Basis  7,1  mm; 
Breite  derselben  3,7  mm;  Länge  der  Mündung  4,3  mm;  Breite  derselben  3,4  mm; 
Höhe  des  Rostrum  8  mm ;  des  Kiels  4,4  mm. 

Scuta  (Fig.  33.  34).  Der  Basalrand  der  Schilder  hat  über  ^4  ^^^  Länge 
des  Schliessrandes  und  ist  sogar  länger  als  der  Rückenrand ;  auf  der  Aussenfläche, 
die  keine  Spur  von  Gruben  oder  Längsstreifen  zeigt,  springen  die  Anwachsstreifen 
nur  massig  vor;  auf  der  Innenseite  ist  eine  starke  Adductorleiste  vorhanden,  die 
nach  oben  mit  der  Gelenkleiste  verschmilzt  und  nach  unten  fast  bis  zum  Basal- 
rande  zu  verfolgen  ist.  Die  Grube  für  den  depressor  lateralis  ist  flacher  und 
mehr  rundlich,  als  bei  Bai.  armatus  Regel  ist. 

Terga  (Fig.  35.  36).  Die  Rückenstücke  sind  wie  die  Schilder,  denen  des 
Bai.  assimilis  weit  ähnlicher  als  denen  des  Bai.  armatus,  und  von  ersteren  kaum 
durch  den  etwas  breiteren  Sporn  verschieden.  Sie  sind  breiter  als  bei  Bai.  ar- 
matus; der  Sporn,  der  noch  nicht  Vs  der  Breite  der  Basis  einnimmt,  ist  fast  um 
seine   eigene    Breite   vom    Schildrande   entfernt;    eine   flache    Längsrinne   nimmt 


Ueber  Baianus  armatus. 


3IQ 


fast  die  ganze  Breite  des  Spornes  ein.  Die  Leisten  für  den  depressor  carinalis 
sind  sehr  stark  entwickelt  und  überragen  den  Basalrand. 

Besonders  neugierig  war  ich  auf  die  Behaarung  der  Deckelstücken,  da  hierin 
Bai.  armatus  und  assimilis  sehr  von  einander  abweichen ;  bei  B.  armatus  stehen 
kurze  zarte  Haare  auf  der  Kielseite  (Fig.  19),  lange  schlanke  Haare  auf  der  Schild- 
seite (Fig.  20)  der  Rückenstücke,  lange  starke  dicht  gedrängte  Haare  (Fig.  21) 
auf  den  Schildern;  bei  Bai.  assimilis  (Fig.  22)  finden  sich  überall  mit  je  i — 3  der 
längeren  zarten  Haare  abwechselnde  kurze  dicke  Dornen.  Ich  war  überrascht, 
bei  dem  vermuthlichen  Bastarde  weder  die  eine  noch  die  andere,  noch  auch  eine 
mittlere  Bildung  zu  finden.  Auf  dem  Rückenstücke  (Fig.  37)  standen  zu  beiden 
Seiten  der  haarfreien  Rinne  ziemlich  lange  und  zarte  Haare;  auf  dem  Schilde 
waren  dieselben  kürzer,  aber  weder  dicker  noch  gedrängter.  Ich  will  bemerken, 
dass  ich  diese  Haare  nur  bei  einem  Thiere  untersucht  habe. 

Stücke  des  Gehäuses.  Die  Stücke  des  Gehäuses,  die  sich  bei  Bai.  as- 
similis schon  beim  lebenden  Thiere  leicht  auseinandernehmen  lassen,  hielten  bei 
dem  einen  (Fig.  29  gezeichneten)  Thiere,  wo  ich  sie  trennte,  selbst  nach  dem 
Kochen  in  Kalilauge  noch  recht  fest  zusammen.  Die  Wände,  von  denen  bereits 
erwähnt  ist,  dass  ihre  ziemlich  weiten  Röhren  im  oberen  Theile  zahlreiche  Scheide- 
wände besitzen,  sind  innen  in  ihrer  ganzen  Länge  längsgerippt.  Der  frei  nach 
unten  vorspringende  Rand  der  Scheide  ist  schmaler  als  bei  Bai.  armatus,  aber 
stärker  entwickelt,  als  bei  Bai.  assimilis. 

Mundtheile.  Die  Oberlippe  glich  bei  dem  einen  Thier  (Fig.  38)  ganz 
der  von  Bai.  armatus;  auch  bei  den  anderen  hatte  sie  jederseits  nur  drei  Zähne; 
aber  bei  zweien  (Fig.  39)  war  der  äussere  Zahn  weit  von  den  anderen  entfernt, 
und  bei  dem  vierten  (Fig.  40)  waren  die  beiden  äusseren  Zähne  dicht  zusammen- 
gerückt und  etwas  von  dem  inneren  entfernt;  weder  das  Eine,  noch  das  Andere 
ist  mir  bei  Bai.  armatus  vorgekommen,  ersteres  dagegen  oft  bei  Bai,  assimilis. 
Von  den  zahlreichen  Zähnchen,  die  bei  Bai.  assimilis  die  Ränder  des  mittleren 
Einschnittes  besetzt  halten,  war  nichts  zu  sehen. 

Die  Kinnbacken  (Fig.  41.  42)  hätte  man  ebensowohl  für  die  eines  Bai. 
armatus  als  eines  Bai.  assimilis  halten  können,  da  sie  sich  bei  diesen  beiden  Arten 
nicht  erheblich  unterscheiden. 

An  den  Kiefern  waren  bei  allen  vier  Thieren  die  mittleren  Borsten  kürzer, 
als  es  bei  Bai.  armatus,  länger,  als  es  bei  Bai.  assimilis  gewöhnlich  ist  (Fig.  43); 
wie  bei  letzterer  Art  war  mehr  als  die  Hälfte  des  oberen  Randes  behaart. 

Rankenfüsse.  Erstes  Paar:  Der  längere  19 — 22-gliedrige  Ast  war 
bei  drei  Thieren  etwa  doppelt  so  lang,  beim  vierten  nur  um  ^'4  länger,  als  der 
kürzere,  der  bei  zweien  14  Glieder  hatte  (bei  den  anderen  11  und  13).  Eine  so 
grosse  Gliederzahl  ist  mir  bei  Bai.  armatus  nicht  vorgekommen ;  bei  Bai.  assimilis 
ist  sie  oft  noch  grösser  (15 — 18).  Bekanntlich  sind  bei  letzterer  Art  die  beiden 
Aeste  in  der  Regel  fast  gleich  lang;  doch  habe  ich  auch  bei  ihr  schon  einen 
Unterschied  von  9  Gliedern  (15  und  24)  beobachtet. 

Zweites  Paar:  13 — 16  Glieder  am  äusseren,  12 — 13  am  inneren  Aste;  bei 
Bai.  armatus  11  — 13  an  jenem,  9 — 10  an  diesem;  bei  einem  Bai.  assimilis,  den  ich 
eben  zur  Hand  habe,  zähle  ich   17  und  16. 


•},Q  Ueber  Baianus  armatus. 

Drittes  Paar  (Fig.  45):  Bei  drei  Thieren  fand  ich  am  äusseren  Aste  13 — 16, 
am  inneren  12 — 14  Glieder:  das  vierte  hatte  auf  einer  Seite  13  und  12,  auf  der 
anderen  21  und  20  Glieder;  —  Beborstung  und  Bewaffnung  dieses  Fusspaares 
war  bei  allen  vier  Thieren  die  des  Bai.  assimilis;  die  Borsten  an  der  Innenfläche 
der  Glieder  waren  sehr  zahlreich  (Fig.  45)  und  auf  der  Aussenseite  fanden  sich 
nur  gerade,  meist  aufwärts  gerichtete  kleine  Dornen  und  Spitzchen  (Fig.  46). 

Viertes  bis  sechstes  Paar:  Die  Beugeseite  der  oberen  Glieder  trug 
am  fünften  und  sechsten  Paare  der  Rankenfüsse  bei  allen  vier,  am  vierten  bei 
drei  Thieren  fünf  Borstenpaare ;  das  vierte  Thier  hatte  an  den  Gliedern  des  vierten 
Fusspaares  nur  vier  Borstenpaare.  —  Bei  Bai.  assimilis  ist  sechs  die  gewöhnliche 
Zahl  der  Borstenpaare  an  den  Gliedern  der  hinteren  Ranken.  Die  Aussenfläche 
der  Glieder  war  am  vierten  Paare  in  ähnlicher  Weise  bewaffnet,  wie  am  dritten. 
Von  dem  starken  Zahne,  der  bei  Bai.  armatus  am  Stiele  des  fünften  Paares  steht, 
war  bei  keinem  der  vier  Thiere  eine  Spur  zu  finden. 

Ruthe  wie  bei  Bai.  armatus;  bei  Bai.  assimilis  ist  dieselbe  in  der  Regel 
mit  längeren  und  zahlreicheren  Haaren  besetzt. 

Verwandtschaft.  Der  eben  dargelegte  Befund  scheint  mir  keine  andere 
Annahme  zuzulassen,  als  die,  dass  wirklich  die  vier  Thiere  Bastarde  sind  von  Bai. 
armatus  und  Bai.  assimilis.  —  Wollte  man  sie  nicht  als  solche  gelten  lassen,  so 
müsste  man  sie  entweder  als  Abart,  sei  es  des  Bai.  armatus,  sei  es  des  Bai.  assimilis, 
oder  auch  als  eigene  Art  betrachten. 

Nun  aber  haben  bei  B.  armatus  die  Wände  niemals  durchscheinende  Längs- 
linien oder  Querscheidewände  in  den  sie  durchziehenden  Röhren,  niemals  fällt  die 
grösste  Breite  der  Mündung  fast  in  die  Mitte  zwischen  Kiel  und  Rostrum;  die 
Schilder  sind  immer  bedeutend  schmäler;  nie  wurden  die  Grubenreihen  der  Aussen- 
fläche vermisst,  nie  auf  der  Innenfläche  eine  bis  nahe  zum  Basalrande  zu  ver- 
folgende Adductorleiste  gesehen;  die  Rückenstücke  haben  nie  einen  so  schmalen 
Sporn,  nie  eine  Längsrinne,  nie  über  den  Basalrand  vorspringende  Leisten  für  den 
musc.  depressor;  niemals  wurden  die  starken  gekrümmten  Zähne  an  den  Ranken 
des  dritten  Paares,  nie  der  starke  Zahn  am  Stiele  des  fünften  Fusspaares  vermisst, 
niemals  mehr  als  vier  Borstenpaare  an  den  hinteren  Ranken  gefunden  u.  s.  w. 

Bei  Bai.  assimilis  dagegen,  einer  hier  so  gemeinen  Art,  dass  jede  Scherbe, 
jede  Schuhsohle,  jedes  Tauende,  das  einige  Zeit  im  Meere  gelegen,  von  ihr  bedeckt 
ist,  habe  ich  niemals  eine  ähnliche  röthliche  Färbung  gesehen,  wie  sie  einer  der 
vermuthlichen  Bastarde  zeigte,  immer  fand  ich  die  Radien  ganz  schmal,  mit  dünnem 
Häutchen  bedeckt,  niemals  breit  und  glänzend;  immer  zwischen  den  Haaren  der 
Deckelstücke  kurze  Dörnchen  (Fig.  22)  und  den  Sporn  schmaler;  immer  die  Ober- 
lippe mit  zahlreichen  (Fig.  22 — 28)  Zähnen  besetzt,  und  bei  den  freilich  nicht 
sehr  zahlreichen  Thieren,  die  ich  dieser  Tage  darauf  angesehen,  fand  ich  immer, 
wenigstens  an  einigen  Gliedern  der  hinteren  Ranken  sechs  Borstenpaare,  anderer 
kleinerer  Unterschiede  nicht  zu  gedenken. 

Man  sieht,  die  Unterschiede  von  der  einen  wie  von  der  anderen  Art  sind 
zu  bedeutend  für  eine  blosse  Abart ;  sie  würden  bedeutend  genug  sein,  um  unsere 
Thiere  als  eigene  Art  zu  betrachten,  wenn  dem  nicht  andere  Bedenken  entgegen- 
ständen. Balanen-Arten  pflegen  nie,  wo  sie  einmal  vorkommen,  so  vereinzelt  auf- 
zutreten,  dass   man   im  Laufe   eines  Monats   nicht   mehr  als  vier  Stück  sollte  zu- 


Ueber  Baianus  armatus. 


321 


sammenbringen  können  ^).  Und  wie  wunderbar  wäre  es,  wenn  zwischen  Bai.  ar- 
matus und  Bai.  assimilis  am  Stamme  von  Carijoa  noch  eine  dritte  Art  sich  an- 
siedelte, die  in  so  eigenthümlicher  Weise  zwischen  beiden  die  Mitte  hielte,  wie 
unsere  Thiere  es  thun,  die  fast  in  Allem,  wodurch  sie  sich  von  Bai.  assimilis  ent- 
fernen, in  der  Färbung  des  einen  Gehäuses,  in  der  festeren  Verbindung  seiner 
Stücke,  in  der  Bildung  der  glänzenden  gestreiften  Radien,  im  Baue  der  Ober- 
lippe, übereinstimmen  mit  Bai.  armatus,  die  fast  in  Allem,  wodurch  sie  sich  von 
armatus  entfernen,  in  der  Bildung  der  Wände,  der  Mündung,  der  Deckelstücke 
u.  s.  w.,  übereinstimmen  mit  Bai.  assimilis  und  wieder  in  andern  Verhältnissen, 
wie  in  der  Zahl  der  Borstenpaare  an  den  hinteren  Ranken,  genau  zwischen  beiden 
in  der  Mitte  stehen. 

Nach  alledem  scheint  es  mir  das  Einfachste  und  Natürlichste,  die  über- 
raschende Mischung  der  Merkmale  von  Bai.  armatus  und  assimilis,  die  unsere 
Thiere  zeigen,  aus  einer  wirklichen  Mischung  zu  erklären,  dieselben  also  als  Bastarde 
der  beiden  Arten  zu  betrachten. 

Warum  aber,  wird  man  bei  dieser  Annahme  fragen  müssen,  sind  Bastarde 
von  Balanen  nicht  ungemein  häufig,  wenn  sie  überhaupt  vorkommen  ?  Die  ver- 
schiedenen Arten  pflegen  ja  so  gewöhnlich  sich  mit-  und  durcheinander  anzu- 
siedeln, dass  man  nicht  selten  drei  und  mehr  Arten  in  derselben  Gruppe  vereinigt 
findet.  —  Ich  kann  darauf  nur  mit  Vermuthungen  antworten.  Um  Bastarde  von 
Pflanzen  zu  erzielen,  muss  man  die  Narbe  sorgfältig  gegen  den  Blüthenstaub  der 
eigenen  Art  abschliessen ;  wird  auf  die  Narbe  zugleich  Blüthenstaub  der  eigenen 
und  einer  anderen  Art  gebracht,  so  bleibt  letzterer  wirkungslos.  In  ähnlicher 
Weise  mag  bei  Thieren,  wenn  auf  das  Ei  gleichzeitig  Same  der  eigenen 
und  einer  anderen  Art  einwirkt,  letzterer  wirkungslos  bleiben.  Wo  nun  ver- 
schiedene Baianusarten  in  Menge  beisammen  sitzen,  wird  den  Eiern  nie  Same  der 
eigenen  Art  fehlen,  also  keine  Bastarderzeugung  stattfinden.  Eine  solche  wird 
nur  eintreten  können,  wenn  die  Eier  eines  Thieres  nur  mit  Samen  einer  fremden 
Art  in  Berührung  kommen.  Dies  konnte  nun  leicht  der  Fall  sein  bei  einem  ver- 
einzelten Bai.  assimilis,  der  sich  in  ein  Carijoagebüsch  verirrt  hatte  und  hier,  tief 
versteckt,  nur  von  Bai.  armatus  umgeben  war.  —  Ist  diese  Erklärung  richtig,  so 
würden  unsere  Bastarde  aus  durch  Samen  des  Bai.  armatus  befruchteten  Eiern 
des  Bai.  assimilis  hervorgegangen  sein. 

Eine  weitere  Frage,  welche  diese  Bastarde  anregen,  ist  die,  warum  dieselben 
von  Bai.  assimilis  gerade  die  Bildung  der  Wände,  der  Deckelstücke,  der  Ranken 
u.  s.  w.,  von  Bai.  armatus  gerade  die  Bildung  der  Radien,  der  Oberlippe  u.  s.  w. 
angenommen  haben.  —  Man  wird  sagen  können,  dass  die  nur  quergestreiften 
Schilder,  die  schwach  bewehrten  Ranken  des  Bai.  assimilis,  dass  die  breiten  glatten 
Radien,  die  sechszähnige  Oberlippe  des  Bai.  armatus  sich  weniger  von  dem  in 
der  Gattung  gewöhnlichen  Verhalten  entfernen,  als  die  tiefgrubigen  Schilder  und 
die  mächtigen  Zähne  an   den  Ranken   des  Bai.  armatus,   als   die  schmalen  haut- 


i)  Ich  kann  nicht  genau  sagen,  unter  welcher  Zahl  von  Bai.  armatus  die  vier  Bastarde  gefunden 
wurden,  da  ich  eine  grosse  Menge  der  ersteren  verbraucht  habe,  ohne  sie  zu  zählen;  es  mögen  etwa  400 
gewesen  sein.  Einen  Monat  oder  länger  habe  ich  täglich,  so  oft  das  Meer  nicht  zu  bewegt  war,  an  dem 
Carijoafelsen  getaucht  und  an  den  heraufgeholten  Polypen  nicht  selten  mit  einem  Male  30  bis  40  Balanen 
erbeutet. 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schrilten.  21 


5  22  Ueber  Baianus  armatus. 

bedeckten  Radien,  und  die  mit  22  —  28  Zähnen  besetzte  Oberlippe  des  Bai.  assimilis. 
Aehnliches  gilt  von  der  einförmigen  Behaarung  der  Deckelstücken.  Damit  aber 
ist  der  Tatbestand  nur  unter  einen  gemeinsamen  Gesichtspunkt  gefasst  und  nicht 
erklärt.  Darüber  hinaus  wird  man,  wie  gewöhnlich,  so  auch  hier  ohne  Darwin's 
Lehre  von  der  Entstehung  der  Arten  kaum  kommen  können.  Betrachtet  man 
aber  die  Arten  einer  Gattung  als  Abkömmlinge  einer  gemeinsamen  Urform  und 
sieht  dabei  in  Uebereinstimmung  mit  einer  bekannten  Erfahrung  der  Gärtner 
ihre  verschiedenen  Eigenthümlichkeiten  als  um  so  besser  befestigt,  als  um  so 
weniger  veränderlich  an,  je  früher  sie  erworben  wurden,  je  länger  sie  sich  schon 
unverändert  fortgeerbt  haben,  so  wird  begreiflich,  dass  vor  allen  fest  die  schon 
der  Urform  eigenen  Merkmale  haften  und  dass  diese  daher  bei  Kreuzung  zweier 
Arten  sich  leichter  auf  den  Mischling  übertragen  werden,  als  später  erworbene 
Eigenthümlichkeiten  von  Vater  oder  Mutter. 

Man  wird  von  diesem  Gesichtspunkte  aus,  glaube  ich,  manche  Eigenthüm- 
lichkeiten der  Bastarde  erklären  können  und  umgekehrt  vielleicht  in  manchen 
Fällen  von  der  Form  der  Bastarde  auf  die  Urform  der  Gattung  zurückschliessen 
dürfen,  letzteres  natürlich  nur  mit  grosser  Vorsicht;  denn  schon  die  Thatsache, 
dass  die  von  Männchen  der  einen  mit  Weibchen  einer  anderen  Art  erzeugten 
Mischlinge  nicht  übereinstimmen  mit  den  von  Männchen  der  zweiten  mit  Weibchen 
der  ersten  gezeugten,  liefert  den  Beweis,  dass  noch  andere  Umstände  bei  der 
Gestaltung  der  Mischlinge  in  Betracht  kommen. 

Desterro,  im  Februar  1865. 

Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XXX,  XXXI  und  XXXII. 

Taf.  XXX.  Fig.  i — 28  sind  mit  Ausnahme  von  Fig,  22  von  Baianus  armatus,  die 
folgenden  mit  Ausnahme  von  Fig.  32  von  einem  Bastarde  dieser  Art  und  des  Baianus 
improvisus  var.  assimih's  Darw.  entnommen. 

Fig.  I  — 13.  Baianus  armatus  und  zwar  i  —  Q  und  13  von  Carijoa.  Fig.  2  sitzt  dem 
Rostrum  eines  anderen  B.  armatus,  Fig.  5  der  Spitze  eines  Carijoazweiges  auf.  Fig.  13 
zeigt  dasselbe  Thier,  A  von  der  Kielseite,  B  in  seitlicher  Ansicht.  Fig.  10  von  einem 
Felsen;  der  einspringende  Winkel  der  Basis  ist  bedingt  durch  die  umliegende  Schale  einer 
kleinen  Miesmuschel.  Fig.  11  u.  12  aus  einem  mit  Reniera  aquaeductus  Schmidt  ver- 
wandten Schwämme.  In  allen  diesen  Figuren,  wie  in  Fig.  29  u.  30  bedeutet  c  Carina, 
r  Rostrum. 

Fig.   14.    Umriss  der  von  oben  gesehenen  Mündung  des  Gehäuses. 

Fig.  15.  Schild  von  aussen  (mit  besonders  grossen  Gruben  und  entfernten  An- 
wachsstreifen). 

Fig.   16.    Ein  anderes  (besonders  breites)  Schild  von  innen. 

Fig.   17.   18.    Rückenstück  von  aussen  und  von  innen. 

Fig.  19 — 21.  Borsten  der  Deckelstücke,  nach  Behandlung  derselben  mit  Säure,  und 
zwar  Fig.  19  von  des  Kielseile,  Fig.  20  von  der  Schildseite  des  Rückenstücks.  Fig.  21 
vom  Schilde. 

Fig.  22.    Borsten  vom  Rückenstücke  eines  Baianus  improvisus  var.  assimilis. 

Fig.  23.    Oberlippe  von  Baianus  armatus. 

Fig.  24.  Kinnbacken. 

Fig.  25.  26.    Untere  Ecke  zweier  anderen  Kinnbacken. 

Fig.  2-].  28.    Kiefer. 

Fig.  29.  Bastard  von  Bai.  armatus  und  Bai.  improvisus,  einem  Carijoastamme  auf- 
sitzend.    Von  diesem  Thiere  sind  Fig.  31,  33 — 38,  41 — 43  entnommen. 


Ueber  Baianus  armatus. 


323 


Fig.  30.  Ein  zweiter  Bastard,  dem  Kiele  eines  Bai.  improvisus  var.  assimilis  auf- 
sitzend, der  seinerseits  an  Carijoa  sass.    Von  diesem  Tiiiere  ist  Fig.  3g  entnommen. 

Fig.  31.  Umriss  der  von  oben  gesehenen  Mündung  des  Gehäuses  von  dem  Bastard 
Fig.  30. 

Fig.  32.     Umriss  der  Mündung  von  Bai.  improvisus  var.  assimilis. 

Fig.  33.  34.    Schild  von  aussen  und  von  innen. 

Fig.  35.  36.    Rückenstück  von  aussen  und  von  innen. 

Fig.  37.    Borsten  von  den  Anwachsstreifen  des  Rückenstücks. 

Fig.  38 — 40.    Oberlippe  von  drei  verschiedenen  Thieren. 

Fig.  41.    Kinnbacken. 

Fig.  42.    Untere  Ecke  desselben. 

Fig.  43.    Kiefer. 

Fig.  44.  Vorderer  Ast  des  dritten  Paares  der  Rankenfüsse  von  Bai.  armatus,  von 
innen,  weshalb  nur  die  den  Rand  überragenden  Zähne  sichtbar  sind. 

Fig.  45.    Derselbe  Ast  von  dem  Bastard,  von  aussen. 

Fig.  46.  Neuntes  Glied  vom  äusseren  Ast  des  dritten  Fusspaares,  von  einem  grossen 
Baianus  armatus,  von  aussen. 

Fig.  47.  Zehntes  Glied  vom  äusseren  Ast  des  vierten  Fusspaars,  von  B.  armatus, 
von  aussen. 

Fig.  48.    Zweites  Stielglied  des  fünften  Fusspaares  von  B.  armatus. 

Fig.  49.  Siebentes  Glied  vom  äusseren  Ast  des  dritten  Fusspaares,  von  dem  Bastard, 
von  aussen. 

Fig.  50.    Dasselbe  Glied  von  einem  Bai.  improvisus  var.  assimilis,  von  aussen. 

Fig.  51.  Zehntes  Glied  vom  äusseren  Aste  des  vierten  Fusspaares,  von  Baianus 
improvisus  var.  assimilis,  von  aussen. 

Flg.  52.  53.  Senkrechter  Durchschnitt  des  Gehäuses  von  Tetraclita  porosa,  um  die 
Wirkung  der  Musculi  depressores  zu  erläutern.  Auf  den  Sporen  ist  durch  einen  Punkt 
die  Stelle  angedeutet,  um  welche  die  Muskeln  den  Deckel  drehen;  in  Fig.  52  sind  die 
depressores  tergi,  in  Fig.  53  die  depressores  scuti  zusammengezogen. 

Fig.  54.  55.  Kittröhren  aus  der  Basis  von  zwei  in  Reniera  angesiedelten  Baianus 
armatus.  R  Rand  der  Basis,  a ,  a" ,  a" ,  b' ,  b" ,  b'"  blinde  Ausläufer ;  a  b'  sind  die 
ältesten,  a"  b'"  die  jüngsten  derselben. 

Fig.  56.  Carijoa  rupicola,  zum  Theil  von  einem  gelben  Schwämme  überzogen  und 
mit  Baianus  armatus  besetzt. 

Fig.  57.    Kalknadeln  dieses  Polypen. 


Notizen  über  die  Geschlechtsverhältnisse 
brasilianischer  Pflanzen  ^). 

Aus  einem  Briefe  an  Friedrich  Hildebrand. 

Wir  sind  hier  sehr  reich  an  dimorphen  Pflanzen  (Er3^throxylon,  Villarsia, 
Plumbago,  Statice,  Cordia  und  namenüich  eine  Menge  von  Rubiaceen :  Hedyotis, 
Borreria,  Manettia  u.  s.  w.)  und  trimorphe  Arten  bietet  uns  die  Gattung  OxaHs 
eine  ganze  Zahl.  Unsere  hiesigen  Lythrarieen  dagegen  (Nesaea,  Cuphea)  scheinen 
alle  monomorph  zu  sein.  Zu  Versuchen  an  diesen  Pflanzen  bin  ich  bis  jetzt  noch 
nicht  gekommen. 

Durch  Ihr  Buch  (Die  Geschlechtervertheilung  bei  den  Pflanzen  —  der  Brief 
ist  an  F.  Hildebrand  gerichtet)  erhielt  ich  die  erste  Kunde  von  John  Scott's 
Versuchen  an  Oncidium;  ich  selbst  habe  im  letzton  Sommer  zahlreiche  Versuche 
an  hiesigen  Vandeen  angestellt  und  wie  Scott  gefunden,  dass  z.  B.  bei  Oncidium 
flexuosum,  micropogon,  unicorne  u.  a.  sowie  bei  verschiedenen  Arten  von  Notylia, 
Gomeza,  Stigmatostalix  und  Burlingtonia  Bestäubung  mit  Staubmassen  desselben 
Stockes  nie  Befruchtung  zur  Folge  hat,  während  stets  Frucht  angesetzt  wird, 
wenn  man  Staubmassen  eines  fremden  Stockes  anwendet.  Das  Merkwürdigste 
bei  dieser  Sache  scheint  übrigens  Scott  übersehen  zu  haben:  Staubmassen  und 
Narbenflächen  desselben  Stocks  wirken  bei  diesen  Arten  als  tödliches  Gift  auf 
einander  —  am  raschesten  bei  Notylia,  wo  gar  keine  Schiauchbildung  eintritt 
und  schon  nach  etwa  zwei  Tagen  die  Staubmassen  durch  und  durch  schwarz  sind 
und  ebenso  die  Narbenfläche,  und  bald  darauf  die  Blüthen  abfallen.  In  anderen 
Arten  beginnt  erst  nach  7  —  8  Tagen,  nachdem  schon  lange  Schläuche  vorhanden, 
eine  Bräunung  auf  der  Grenze  zwischen  Blüthenstaub  und  Narbe  aufzutreten.  — 
Staubmassen  einer  fremden  Art  scheinen  nie,  auch  wenn  sie  nicht  befruchtend 
wirken,  eine  ähnliche  giftige  Wirkung  zu  haben. 

Die  Eigenthümlichkeit  vieler  Orchideen,  erst  lange  nach  der  Bestäubung  und 
lange   nachdem   die   Schläuche   des   Blüthenstaubes   bis   zum    unteren   Ende   vor- 


i)  Botanische  Zeitung  1868.  Bd.  26.  Sp.  113 — 116. 


Notizen  über  die  Geschlechtsverhältnisse  brasilianischer  Pflanzen.  t2S 

gedrungen,  ihre  Eichen  zu  entwickeln  —  die,  wie  ich  von  Darwin  höre,  auch 
von  Ihnen  beobachtet  wurde  (s.  Bot.  Ztg.  1863)  —  scheint  den  Vandeen  und 
Epidendreen  sehr  allgemein  zuzukommen;  es  ist  mir  hier  noch  keine  Pflanze  aus 
diesen  beiden  Gruppen  vorgekommen,  die  zur  Blüthezeit  schon  wohlentwickelte 
Eichen  hatte.  Bei  einem  auch  sehr  merkwürdigen  hiesigen  Epidendrum  (bei 
welchem  die  seitlichen  Antheren  ebenfalls  fruchtbar  sind  und  ihre  Staubmassen 
auf  die  Narbe  fallen  lassen,  Selbstbefruchtung  bewirkend,  während  die  Staub- 
massen der  sonst  allein  entwickelten  mittleren  Anthere  wie  gewöhnlich  nur  durch 
Insekten  entfernt  werden  können)  werden  die  Eichen  erst  etwa  Y2  Ja-hr  nach  der 
Blüthezeit  reif  zur  Befruchtung, 

Noch  leichter  als  bei  den  Lobeliaceen  könnte  man  bei  Scaevola  sich  zu  dem 
Irrthum  verleiten  lassen  —  und  auch  ich  bin  demselben  bei  meiner  ersten  Be- 
kanntschaft mit  der  Pflanze  nicht  entgangen  —  dass  hier  Selbstbestäubung  un- 
vermeidlich, Fremdbestäubung  unmöglich  sei;  in  der  der  Reife  nahen  Knospe 
bildet  das  sogenannte  Indusium  einen  weit  über  den  Narbenkopf  vorspringenden 
Becher  mit  gewimpertem  Rande,  der  durch  die  Staubbeutelröhre  hindurchwächst, 
dabei  allen  Blüthenstaub  in  sich  aufnimmt,  und  dann  nach  dem  Oeffnen  der 
Blüthe  sich  schliesst.  Beim  Aufbrechen  der  Blüthen  sind  also  die  Staubbeutel 
leer  und  der  Blüthenstaub  findet  sich  am  Ende  des  Griffels  in  einem  wohl- 
verschlossenen Behälter  angehäuft.  Später  wird  durch  den  über  das  Indusium 
hinauswachsenden  Narbenkopf  der  Blüthenstaub  aus  diesem  Behälter  vorgeschoben. 
In  welcher  Weise  die  Bestäubung  zustande  kommt,  habe  ich  leider  nicht  ermitteln 
können,  da  die  Pflanze  nicht  in  der  Nähe  von  Desterro  wächst  und  in  meinem 
Garten  nicht  gedeihen  wollte. 

Noch  bevor  ich  Ihre  Versuche  an  Corydalis  cava  kennen  lernte,  hatte  ich 
ähnliche  Beobachtungen  an  Eschscholtzia  gemacht.  Es  findet  hier  nothwendig 
Selbstbestäubung  statt,  aber  weder  der  Staub  derselben  Blume,  noch  überhaupt 
desselben  Stockes  bewirkte  jemals  Befruchtung.  Die  Pollenschläuche  schienen  in 
diesem  Falle  nie  tief  in  das  Narbengewebe  einzudringen,  —  Ein  hübscher  Ver- 
such, den  ich  öfter  gemacht,  ist,  dass  man  auf  eine  der  beiden  langen  Narben 
derselben  Blume  Staub  desselben,  auf  die  andere  Staub  eines  fremden  Stockes 
bringt.  Geschieht  dies  früh,  sobald  die  Blumen  sich  öffnen,  so  sieht  man  meist 
noch  an  demselben  Tage,  ehe  sie  sich  wieder  schliessen,  dass  letztere  Narbe  sich 
zu  erheben  beginnt,  erstere  in  unveränderter  Stellung  verharrt.  Tags  darauf  steht 
die  mit  fremdem  Staube  versehene  Narbe  senkrecht,  die  mit  Staub  des  eigenen 
Stockes  bestreute  ist  wagerecht  geblieben.  —  Da  Eschscholtzia  hier  nicht  heimisch 
ist,  weiss  ich  nicht,  ob  die  Unfruchtbarkeit  mit  eigenem  Pollen  wirklich  der  Art 
als  solcher  zukommt,  oder  bei  meinen  Pflanzen  nur  durch  die  Uebersiedelung  in 
in  ein  neues  Klima  bedingt  ist. 

Ich  vermuthe  nach  mannigfachen  beiläufigen  Beobachtungen,  dass  diese  Un- 
fruchtbarkeit mit  Blüthenstaub  desselben  Stockes,  wie  sie  nun  schon  für  Corydalis 
cava,  für  viele  Oncidien  und  andere  Vandeen,  und  wenigstens  als  individuelle 
Eigenthümlichkeit  für  Eschscholtzia  durch  Versuche  festgestellt  ist,  namentlich 
unter  den  Monocotyledonen  eine  weite  Verbreitung  besitzt,  und  hoffe  bald  weitere 


J2t)  Notizen  über  die  Geschlechtsverhältnisse  brasilianischer  Pflanzen. 

Versuche  hierüber  anstellen  zu  können.  —  Vielleicht  bringen  manche  exotische 
Pflanzen  in  den  europäischen  Gärten  und  Gewächshäusern  nur  deshalb  keine 
Früchte,  weil  alle  Exemplare  des  Gartens  nur  Theilstufen  desselben  Stockes  sind. 
Mit  dieser  Vermuthung  will  ich  natürlich  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  in  vielen 
anderen  Fällen  die  veränderten  Lebensbedingungen  Schuld  der  Unfruchtbarkeit 
sind.  Eine  wahrscheinlich  schon  durch  die  ersten  Ansiedler  von  den  Azoren 
oder  Portugal  eingeführte  Petersilie  trägt  hier,  in  nicht  sehr  verschiedenem  Klima, 
reichlich  Samen,  während  man  seit  Jahren  hier  vielfach  Petersilie  aus  deutschen 
Samen  gezogen  hat,  ohne  dass  dieselbe,  übrigens  kräftig  wachsend,  je  auch  nur 
eine  einzige  Blüthe  oder  Frucht  gebracht  hätte. 

Sa.  Catharina,  12.  September  1867. 


Befruchtungsversuche  an  Cipö   alho  (Bignonia)^). 

Die  Provinz  Santa  Catharina  ist  reich  an  kletternden  Bignoniaceen  (Bignonia, 
Haplolophium,  Amphilophium).  Mehrere  derselben  pflegen  reichlich  zu  blühen, 
alle  aber  setzen  sehr  selten  Frucht  an ,  und  von  einigen  der  gewöhnlichsten 
blüthenreichsten  Arten  habe  ich  noch  nie  eine  Frucht  gesehen.  Die  Blüthen 
werden  fleissig  von  verschiedenen  Kerfen  (Käfern,  Wanzen,  Hummeln)  besucht, 
und  häufig  wird  von  denselben  die  Narbe  mit  Blüthenstaub  versehen.  So  habe 
ich  von  einem  grossen  Stocke  eines  Amphilophium,  der  in  meiner  Nachbarschaft 
während  des  letzten  Sommers  über  vier  Monate  lang  reichHch  blühte,  ohne  eine 
einzige  Frucht  zu  bringen,  —  zahlreiche  ältere  Blüthen  untersucht,  und  in  allen 
zwischen  den  geschlossenen  Lippen  der  Narbe  Blüthenstaub  gefunden,  der  kurze 
Schläuche  getrieben  hatte. 

Mangelnder  Besuch  die  Bestäubung  vermittelnder  Kerfe  konnte  also  nicht, 
wie  es  bei  einigen  hiesigen  Orchideen  der  Fall  ist,  die  Ursache  des  seltenen  Frucht- 
tragens sein.  Es  war  vielmehr  zu  vermuthen,  dass  auch  die  Bignonien  in  die  Reihe 
der  Pflanzen  gehören  würden,  welche,  unfruchtbar  mit  ihrem  eigenen  Blüthenstaube, 
zur  Fruchtbildung  der  Bestäubung  mit  Blüthenstaube  eines  anderen  Stockes  ihrer 
Art  bedürfen  ^). 

Zwei  reichlich  blühende  Stöcke  einer  durch  den  starken  Knoblauchsgeruch 
ihrer  Stengel  ausgezeicheten  Bignonia  („Cipo  alho"  der  Brasilianer),  die  an  einem 
vor  mehreren  Jahren  abgeholzten,  jetzt  mit  niederem  Gebüsch  und  Farrnkraut 
(Pteris)  bewachsenen  Hügel  in  der  Nähe  meines  Hauses  wachsen,  boten  mir 
Gelegenheit,  einige  Versuche  zur  Entscheidung  dieser  Frage  anzustellen. 

Die  Narbe  der  Bignonien  bildet  bekanntlich  zwei  breite  Lippen ,  die  im 
jungfräulichen  Zustande  weit  klaffen,  aber  sofort  sich  schliessen,  sobald  Blüthen- 
staub auf  dieselben  gebracht  wird.  Man  braucht  daher  bei  Befruchtungsversuchen 
weder  die  Staubbeutel  der  zu  bestäubenden  Blüthen  zu  entfernen,  noch  bedarf 
man  sonstiger  Vorkehrungen,  um  der  späteren  Einwirkung  anderweitigen  Blüthen- 
staubes  vorzubeugen.  Dies  gewährt  nicht  nur  eine  namentlich  für  Versuche  an 
wildwachsenden  Pflanzen  werthvoUe  Erleichterung,  sondern  auch  den  Vortheil, 
dass  das  Ergebniss  der  Versuche  durch  keinerlei  störende  Eingriffe  beein- 
trächtigt wird. 

Erster  Versuch.  Am  8.  und  9.  Januar  bestäubte  ich  an  dem  einen  Stocke 
(A)  5,  an  dem  anderen    (B)  2  Blüthen   mit    ihrem   eigenen  Blüthenstaube;    ferner 

1)  Botanische  Zeitung  1868.  Bd.  26.  Sp.  625—629. 

2)  Veigl.  Darwin,  Variation  of  Animals  and  Plauts  under  domestication.   1868.  Vol. II.  S.  131. 


T28  Befruchtungsversuche  an  Cipö  alho. 

am  Stocke  (Aj  9,  am  Stocke  (B)  2  Blüthen  mit  Blüthenstaube  desselben  Stockes, 
aber  von  verschiedenen  Blüthen;  endlich  9  Blüthen  von  (A)  mit  Blüthenstaub 
von  (Bj  und  5  Blüthen  von  (B)  mit  Blüthenstaub  von  (A).  Am  Nachmittag  des 
10.  Januar  waren  die  Blumenkronen  aller  bestäubten  Blüthen  abgefallen;  die 
Griffel  waren  frisch  und  hatten  natürlich  geschlossene  Narben,  während  an  un- 
bestäubten  Blüthen  auch  nach  dem  Abfallen  der  Blumenkrone  die  Lippen  der 
Narbe  noch  klaffen. 

Am  17.  Januar  waren  alle  mit  eigenem  oder  mit  Blüthenstaub  desselben 
Stockes  bestäubten  Blüthen  abgefallen ;  ebenso  einige  der  mit  dem  anderen  Stock 
gekreuzten  Blüthen.     Die  übrigen  zeigten  schwellende  Fruchtknoten. 

Am  25.  Januar  waren  auch  diese  Blüthen  sämmtlich  abgefallen,  bis  auf  eine 
einzige  des  Stockes  (B),  bei  welcher  der  Fruchtknoten  zu  dreifacher  Länge  des 
Kelches  herangewachsen  war. 

Am  2.  Februar  hatte  die  junge  Frucht  0,04  m  Länge  ^)  bei  0,02  m  Breite, 
—  am  II.  Februar  0,08  m  Länge  bei  0,04  m  Breite,  —  am  7.  März  0,092  m 
Länge  bei  0,048  m  Breite,   und  damit,   wie  es  scheint,  ihre  volle  Grösse  erreicht. 

Zweiter  Versuch.  Am  18.  Januar  wurden  am  Stocke  (A)  4  Blüthen  mit 
Blüthenstaub  desselben  Stockes,  6  Blüthen  mit  Blüthenstaub  des  Stockes  (B)  bestäubt. 

Am  25.  Januar  waren  die  ersteren  Blüthen  sämmtlich,  von  den  letzteren  3 
abgefallen ;  auch  die  drei  übrigen  waren  am  2.  Februar  abgefallen. 

Dritter  Versuch.  Am  2.  Februar  wurden  am  Stocke  (A)  6  Blüthen  mit 
Blüthenstaub  desselben  Stockes,  6  mit  Blüthenstaub  von  (B);  am  Stocke  (B)  wurde  eine 
Blüthe  mit  Blüthenstaub  desselben  Stockes,  eine  mit  Blüthenstaub  von  (A)  bestäubt. 

Am  4.  Februar  waren  abgefallen  die  mit  Blüthenstaub  desselben  Stockes  be- 
stäubte Blüthe  von  (B)  und  eine  der  in  gleicher  Weise  bestäubten  Blüthen  von  (A). 

Am  II.  Februar  fanden  sich  noch  5  der  mit  (B)  gekreuzten  Blüthen  am 
Stocke  (A)  und  hatten  frische  Fruchtknoten;  ausserdem  war  noch  eine  der  mit 
Blüthenstaub  desselben  Stockes  bestäubten  Blüthen  vorhanden,  fiel  aber  ab  bei 
leiser  Berührung. 

Am  14.  Februar  waren  von  den  5  eben  erwähnten  Blüthen  noch  2  vor- 
handen; ihre  Fruchtknoten  erschienen  nicht  merklich  geschwollen. 

Am  22.  Februar  war  von  diesen  2  Blüthen  noch  eine  abgefallen;  der  Frucht- 
knoten der  letzten  überlebenden  war  soweit  gewachsen,  dass  er  den  Kelchrand 
zu  überragen  begann. 

Am  7.  März  war  diese  Frucht  0,046  m  lang,  0,024  m  breit,  und  bis  zum 
22.  März  hatte  sie  ungefähr  die  Grösse  der  Frucht  des  Stockes  (B)  erreicht. 

Vierter  Versuch.  Am  4.  Februar  wurden  3  Blüthen  des  Stockes  (A)  mit 
Blüthenstaub  eines  dritten  in  der  Nähe  wachsenden  Stockes  (C)  versehen. 

Am  II.  Februar  fielen  zwei  dieser  Blüthen  bei  leiser  Berührung  ab,  die 
dritte  wurde  nicht  gefunden,  wahrscheinlich  war  sie  schon  sammt  dem  Faden 
mit  dem  sie  gezeichnet  war,  abgefallen. 

Fünfter  Versuch.  Am  22.  März  wurden  5  Blüthen  des  Stockes  (B)  mit 
Blüthenstaub  eines  vierten  in  grösserer  Entfernung  mitten  im  Urwalde  wachsenden 
Stockes  (D)  bestäubt. 

i)  Im  Original  steht  0,04  Mm,  ebenso  noch  7  mal  in  diesem  und  dem  9.  folgenden  Absatz.  Es  ist 
stets  m  dafür  gesetzt  worden. 


Befruchtungs versuche  an  Cipo  alho.  ^2Q 

Am  3.  April  hatten  sämmtliche  fünf  Blüthen  junge,  den  Kelchrand  bereits 
überragende  Früchte  entwickelt. 

Sechster  Versuch.  Am  9.  Januar  wurden  10  Blüthen  des  Stockes  (A)  und 
6  Blüthen  des  Stocke  (B),  und  am  19.  Januar  wurde  eine  Blüthe  des  Stockes  (A) 
mit  Blüthenstaub  eines  Amphilophium  bestäubt.  Bei  mehreren  wurde  ein  be- 
ginnendes Schwellen  des  Fruchtknotens  beobachtet,  und  sie  blieben  meist  länger 
sitzen,  als  die  mit  Blüthenstaub  desselben  Stockes  bestäubten  Blüthen.  —  Alle 
indess,  mit  Ausnahme  einer  einzigen  des  Stockes  (B),  fielen  im  Laufe  der  ersten 
beiden  Wochen  ab. 

Der  Fruchtknoten  dieser  einen  Blüthe  hatte  während  der  ersten  Woche 
(bis  zum  17.  Januar)  etwa  gleichen  Schritt  gehalten  mit  den  mit  Blüthenstaub  von 
(A)  bestäubten  Blüthen  des  Stockes  (B) ;  aber  schon  am  25.  Januar  war  die  eine 
Frucht,  welche  die  letzteren  Blüthen  lieferten,  zu  dreifacher  Länge  des  Kelches 
herangewachsen,  während  die  erstere,  mit  Amphilophium  gekreuzte,  kaum  zur 
Hälfte  aus  dem  Kelche  hervorsah,  und  seit  dieser  Zeit  hat  sich  dieselbe  merk- 
würdiger Weise  in  völlig  unverändertem  Zustande  erhalten.  Sie  ist  nicht  mehr 
gewachsen,  ist  aber  immer  noch  —  ein  Vierteljahr  nach  der  Bestäubung!  — 
frisch  und  glänzend  grün,  obwohl  viel  zu  klein,  um  auch  nur  einen  einzigen 
Samen  zu  enthalten.  — 

Fassen  wir  das  Ergebniss  der  Versuche  kurz  zusammen. 

Es  wurden  an  2  Stöcken  29  Blüthen  mit  Blüthenstaub  desselben  Stockes 
(von  denselben  oder  von  verschiedenen  Blüthen)  bestäubt.  Alle  fielen  nach  kurzer 
Zeit  ab.  An  denselben  beiden  Stöcken  wurden  30  Blüthen  mit  Blüthenstaub 
anderer  in  der  Nähe  wachsender  Stöcke  bestäubt.  Nur  2  Früchte  entwickelten 
sich,  aber  die  meisten  Blüthen  hafteten  länger  am  Stocke,  als  im  vorigen  Falle, 
und  viele  zeigten  ein  beginnendes  Schwellen  des  Fruchtknotens, 

Endlich  wurden  5  Blüthen  eines  Stockes  mit  Blüthenstaub  eines  entfernt 
wachsenden  Stockes  bestäubt.    Alle  fünf  setzten  Frucht  an. 

Die  vollständige  Unfruchtbarkeit  mit  eigenem,  die  vollkommene  Fruchtbar- 
keit mit  fremdem  Blüthenstaube,  wie  sie  im  ersten  und  dritten  Falle  sich  zeigte, 
hatte  ich  erwartet.  Die  äusserst  geringe  Fruchtbarkeit  aber,  die  sich  im  zweiten 
Falle  bei  Kreuzung  dreier  nachbarlich  wachsender  Stöcke  herausstellte,  war  im 
hohen  Grade  auffallend.  Sind  die  drei  nachbarlich  wachsenden  Pflanzen  etwa 
Sämlinge  derselben  Mutterpflanze,  vielleicht  selbst  aus  Samen  derselben  Frucht 
entsprossen  und  wegen  zu  naher  Verwandtschaft  so  unfruchtbar?  Oder  sind  sie 
an  gleicher  Stelle,  unter  gleichen  Lebensbedingungen  wachsend,  einander  so 
ähnhch  geworden,  dass  der  Blüthenstaub  der  einen  kaum  mehr  auf  die  andere 
wirkt,  als  deren  eigener  Blüthenstaub?  Oder  umgekehrt,  sind  sie  etwa  nur 
früher  verbundene  Theilstücke,  Schösslinge  eines  einzigen  Stockes,  die  durch 
jahrelanges  unabhängiges  Leben  einen  geringen  Grad  gegenseitiger  Befruchtimgs- 
fähigkeit  erlangt  haben  ?  —  Oder  endlich,  war  es  nur  ein  neckischer  Zufall,  dass 
bei  Kreuzung  der  Nachbarstöcke  von  30  Blüthen  nur  2,  dass  dagegen  alle  mit 
fernher  gebrachtem  Blüthenstaube  bestäubten  Blüthen  Frucht  ansetzten  ?  —  Für 
jetzt  wage  ich  keine  der  verschiedenen  Möglichkeiten  als  die  wahrscheinlichere 
zu  bezeichnen. 

Itajahy  (Santa  Catharina,  Brazil),  April  1868. 


Ueber  Befruchtungserscheinungen  bei  Orchideen^). 

Aus  einem  Briefe  an  Friedrich  Hildebrand. 

In  Ihrem  Aufsatze  über  Fruchtbildung  der  Orchideen  erwähnen  Sie  der 
der  Gattungen  Catasetum  und  Acropera,  und  bezeichnen  Darwin's  Ansicht, 
dass  dieselben  getrennte  Geschlechter  sind,  als  des  experimentellen  Beweises  be- 
dürftig (mit  den  betreffenden  Worten  hat  aber  nicht  die  Richtigkeit  von  Darwin's 
Ansicht  bezweifelt  werden  sollen.  H.).  —  An  Catasetum  mentosum  habe  ich  im 
December  1866  mehrfache  Versuche  angestellt.  Pollinien  von  demselben  oder 
von  einem  anderen  Stocke,  auf  die  Narbe  von  Catasetum  gebracht,  erweichen, 
zerfallen  in  Vierlingsgruppen  von  Pollenkörnern  und  beginnen  Schläuche  zu 
treiben,  bewirken  aber  kein  Wachsthum  des  Fruchtknotens.  In  einem  Falle  sah 
ich  die  bestäubten  Blüthen  ein  wenig  früher  welken,  als  die  unbestäubtcn.  — 
Merkwürdig  ist  und  spricht  auch  für  die  männliche  Natur  von  Catasetum,  dass 
die  Blüthen  etwa  2  Tage  nach  Entfernung  der  Pollinien  zu  welken  beginnen, 
während  benachbarte  Blüthen,  die  ihre  Pollinien  noch  haben,  völlig  frisch 
bleiben !  —  Die  Monachanthus-Form,  mit  Pollinien  von  Catasetum  bestäubt,  bringt 
riesige  Früchte.  —  Der  zu  Catasetum  mentosum  gehörige  Monachanthus  hat  noch 
eine  I-Clebscheibe  und  ein  elastisches  Füsschen,  und  hat  auch  kleine  Pollinien, 
aber  die  Anthere  öffnet  sich  nicht,  die  Pollinien  bleiben  eingeschlossen,  treten  nie 
in  Verbindung  mit  dem  Füsschen,  und  können  somit  nie  von  Insekten  entführt 
werden.  Auf  die  Narbe  von  Catasetum  gebracht  (was  aber  in  der  Natur  un- 
möglich ist,  nicht  nur  wegen  des  Eingeschlossenseins  der  Pollinien,  sondern  auch 
weil  die  Narbe  von  Catasetum  nicht  klebrig  ist),  treiben  sie  Schläuche;  ob  sie 
etwa  auch  Fruchtbildung  veranlassen  können,  habe  ich  noch  nicht  beobachtet. 
Auffallend  ist,  wie  die  Pollenkörner  dieser  verkommenen  PoUinien  unter  einander 
in  Grösse  und  Gestalt  verschieden  sind.  (Nach  Darwin's  Theorie  erklärlich, 
weil  sie  der  Controle  der  natürlichen  Auslese  entbehren.) 

An  Acropera  hat  Darwin  selbst,  wir  er  mir  schrieb,  sich  von  der  Irrigkeit 
seiner  früheren  Ansicht  überzeugt.  Ich  habe  die  Gattung  hier  noch  nicht  gefunden, 
aber  zwei  Arten  von  Cirrhaea,  bei  denen  ebenfalls  die  Narbe  nur  einen  sehr 
engen  Querspalt  bildet,  häufig  bestäubt;  es  lässt  sich  nur  das  Ende  der  langge- 
streckten   Pollinien    in    den   engen   Spalt    einführen,   dieses   aber   sehr  leicht;   das 

i)  Botanische  Zeitung.   1868.  Bd.  26.  Sp.  629 — 631. 


Ueber  Befruchtungserscheinungen  bei  Orchideen.  7  7  I 

PoUinium  steht  in  fast  ganzer  Länge  hervor,  aber  nichts  destoweniger  findet 
man  es  am  nächsten  Tage  tief  in  dem  Griffelkanal.  Dicht  hinter  der  engen 
Eingangsspalte  erweitert  sich  nämlich  der  Griffelkanal  trichterförmig  und  ist  hier 
mit  losem,  feuchtem  Gewebe  gefüllt.  In  dieser  feuchten  Umgebung  schwillt  das 
eingebrachte  Ende  des  Polliniums  und  muss  daher  in  den  unteren,  weiteren  Theil 
des  Kanals  vordringen.  Nachdem  das  ganze  Pollinium  eingeschlüpft  ist,  wirkt 
die  Anschwellung  der  Säule,  die  den  oberen  Theil  des  Kanals  schliesst,  gleich- 
falls mit,  das  Pollinium  weiter  hinabzutreiben.  —  Eine  ähnliche  Anschwellung  der 
Säule,  in  Folge  deren  sich  die  Narbenkammer  im  Laufe  des  ersten  Tages  oder 
wenig  später  Schliesst,  findet  sich  als  erste  Wirkung  des  Pollens  fast  bei  allen 
Vandeen,  und  es  scheint,  dass  Pollinien  jeder  beliebigen  Art  diese  Wirkung  auf 
die  Narbe  jeder  beliebigen  anderen  ausüben  können. 

Das  Schwinden  der  Pollenschläuche  der  Orchideen  kurz  nach  der  Befruchtung, 
das  Sie,  gegenüber  R,  Brown's  Ansicht,  dass  dieselben  noch  zur  Zeit  der 
Fruchtreife  vorhanden  seien,  bei  allen  von  Ihnen  untersuchten  Arten  beobachteten, 
dürfte  doch  vielleicht  nicht  allgemeine  Regel  sein.  Ich  meine  in  wenigen  Fällen 
die  sechs  Stränge  noch  in  der  reifen  Frucht  gesehen  zu  haben,  kann  mich  aber 
leider  nicht  entsinnen,  bei  welcher  Art. 

Ist  es  Ihnen  bei  Ihren  Bastardirungsversuchen  an  Orchideen  nicht  auf- 
gefallen, dass  der  Embryo  der  bastardirten  Samen  oft  in  Form  und  Grösse  be- 
deutend vom  Typus  der  Mutter  sich  entfernt?  (ich  habe  auf  diesen  Punkt  nicht 
Acht  gegeben.  H.).  —  Mir  schien  es  in  mehreren  Fällen,  als  gliche  der  Embryo 
dem  der  väterlichen,  die  Samenhülle  derjenigen  der  mütterlichen  Art.  Besonders 
auffallend  war  mir  folgender  Fall:  die  Samen  von  Epidendrum  cinnabarinum 
haben  einen  langen,  fadenförmigen  Stiel,  durch  dessen  ganze  Länge  sich  ein  aus 
mehreren  Zellenreihen  bestehender  Embryoträger  hinzieht;  nun  hatte  ich  eine 
Frucht  durch  Bestäubung  von  Cattleya  Leopold!  mit  Ep.  cinnabarinum  erhalten. 
Sie  enthielt  nur  äusserst  wenige  Samen,  aber  diese  von  höchst  sonderbarem  Aus- 
sehen :  der  lange  Embryostiel  des  Epidendrum  war  in  der  kurzen  Samenhülle  der 
Cattleya  auf  die  wunderlichste  Weise  hin-  und  hergebogen  oder  zusammen- 
geknäult  (es  wäre  dies  wiederum  ein  Beweis  für  den  direkten  Einfluss  der 
Bastardirung  auf  die  durch  sie  erzeugte  Frucht.     H.) 


Excursionsberichte  aus  Südbrasilien ^)^). 

Wir  brachen  am  27.  April  bei  Tagesanbruch  auf  und  marschirten  der 
Mündung  des  Itajahy  zu.  Der  Weg  führt  bald  in  der  Nähe  des  Flusses  hin,  bald 
entfernt  er  sich  davon,  grössere  Krümmungen  desselben  abschneidend;  —  bald 
durch  Weideland,  bald  durch  Zuckerrohr  oder  Mandiocapflanzungen,  selten  durch 
ein  Stückchen  Urwald.  Vom  Flusse  aus  steigt  das  Land  ziemlich  steil  empor, 
bald  in  einer  Flucht,  bald  stufenförmig  —  in  unserer  Gegend  etwa  30  Fuss,  — 
und  senkt  sich  dann  wieder  ein  wenig  nach  dem  Fusse  der  Berge  zu,  die  bald 
dicht  an  den  Fluss  herantreten,  bald,  namentlich  weiter  unten,  bis  stundenweit 
davon  entfernt  sind.  In  letzterem  Falle  pflegt  die  Senkung  zwischen  dem  Fluss- 
rand und  dem  Fusse  der  Berge  sumpfig  zu  sein. 

An  dem  Zustande  des  Weidelandes,  das  mit  Zäunen  von  Palmenlatten  oder 
mit  Hecken  von  stachligen  Acacien  oder  Citronen  umgeben  ist,  konnten  wir 
meist  mit  ziemlicher  Sicherheit  die  Nationalität  der  Besitzer  erkennen ;  eine  saubere, 
glatte  Grasfläche  gehörte  sicher  einem  Deutschen,  bei  Brasilianern  war  das  Gras 
oft  völlig  überwuchert  von  einer  Malvacee  mit  kleiner  gelber  Blüthe  (Mata  pasto, 
Weidetödter)  und  von  allerlei  Buschwerk,  namentlich  einer  Cassia.  ■ —  Hie  und  da 
war  die  Weide  zu  einem  förmlichen  Walde  junger  Guyavenbäume  geworden,  an 
denen  wir  leider  nur  noch  äusserst  wenige  Früchte  fanden.  —  Häufig  trafen  wir 
weiter  unten  am  Flusse,  in  Hecken  und  am  Waldrande  eine  kletternde  Amaran- 
tacee  (Chamissoa),  mit  reifenden  Früchten.  Die  Blüthen  stehen  in  grossen  losen 
Rispen  und  sind  ganz  unansehnlich;  später  aber  färbt  sich  die  Blüthenhülle  leb- 
haft roth  und  die  Pflanze  bildet  nun  eine  wahre  Zierde  der  Hecken,  noch  mehr 
aber,  wenn  die  Samen  reif  sind,  wie  wir  sie  beim  Heimwege  trafen ;  sie  erscheinen 
dann  als  weisse  Perlen  in  den  rothen  Rispen.  (Der  Samen  ist  schwarz,  aber  von 
einem  weissen  Arillus  umhüllt).  An  einigen  Stellen  ist  das  Flussufer  von  einem 
undurchdringlichen  Walde  eines  schönen  Grases  eingefasst  (Canna  brava,  d.  h. 
wildes  Rohr  oder  Uba;  Gynerium?),  das  dem  Zuckerrohr  ähnlich,  aber  viel  höher 
ist  und  auf  hohen  Stielen  grosse  Rispen  kleiner  Blüthen  trägt.  —  Zu  Mittag 
hatten  wir  in  einem  deutschen  Wirthshause  am  Gaspar  gegessen,  unser  Nacht- 
quartier schlugen  wir  in  einer  brasilianischen  Venda  auf,  der  Mündung  eines  der 
bedeutendsten  Zuflüsse  des  Itajahy,  des  lAiiz  Alves,  gegenüber.  —  Es  wurde  hier 

1)  Aus  Briefen  an  seinen  Bruder,  Hrn.  H.  Müller  zu  Lippstadt,  datirt  Itajahy,  ii.  u.  i8.  Juni   1868. 

2)  Flora  1869.  p.  337—348  und  353—364- 


Excursionsberichte  aus  Südbrasüien.  -2-jt 

Reis  ausgedroschen;  in  der  Mitte  der  unter  freiem  Himmel  befindlichen  Tenne 
war  ein  starker  Pfosten  aufgestellt,  an  welchen  2  Pferde  gebunden  waren;  ein 
Negerbursche  bestieg  ein  drittes  und  trieb  die  beiden  anderen  um  den  Pfosten 
herum.  —  Nachdem  wir  unser  stark  mit  Cuminho  (Muttcrkümmel)  gewürztes 
Hühnerfricassee  verzehrt  hatten,  streckten  wir  uns  auf  eine  Rohrmatte  nieder. 

(28.  April).  Einige  Gäste,  die  schon  lange  vor  Tage  zu  Canoe  nach  dem 
Luiz  Alves  aufbrachen,  machten  auch  uns  munter  und  beim  ersten  Morgengrauen 
traten  wir  unsern  kurzen  Tagemarsch  nach  der  Mündung  des  Flusses  an.  Der 
Weg  wandte  sich  bald  vom  Flusse  nach  den  hier  durch  ein  breites  Sumpfland 
davon  getrennten  Bergen  und  führte  erst  an  deren  Fusse  hin,  dann  durch  das 
Sumpfland  hindurch  dem  Flusse  wieder  zu.  Die  spärlichen  Bewohner  trafen  wir 
beim  Einernten  des  Reises  beschäftigt. 

Statt  unserer  Gissara-Palme  (von  den  Deutschen  gewöhnlich  Palmitto  genannt), 
mit  schlankem  weissem  Stamm  und  glänzend  grünen  zweizeilig  gefiederten  Blättern 
wächst,  im  Sumpflande  die  Giriva  (gewöhnlich  Coqueiro)  mit  dickerem  Stamme 
und  buschigen  Blättern,  deren  Fiedern  nach  allen  Seiten  von  der  Mittelrippe 
abstehen.  Auch  trafen  wir  häufig  den  gleichfalls  sumpfliebenden  zierlichen 
Schlingfarn  (Lygodium),  von  dem  ich  Dir^)  einmal  einige  Blättchen  schickte.  Es 
ist  merkwürdig,  wie  die  wenigen  Gattungen  der  durch  ihre  Sporangienbildung 
so  eigenthümlichen  Gruppe  der  Schizaeaceen  (Aneimia,  Schizaea,  Lygodium  — 
die  4te  Gattung  Mohria  kenne  ich  nicht)  sich  in  ihrem  Habitus  weiter  von  einander 
entfernen,  als  irgend  zwei  Arten  der  Tausende  von  Arten  zählenden  Gruppe  der 
Polypodiaceen.  Beides,  die  Vereinzelung  der  Gruppe  und  die  grosse  Verschieden- 
heit der  wenigen  Formen,  weist  auf  dieselbe  Ursache  hin.  —  ein  massenhaftes 
Aussterben  von  Mittelformen.  —  Längs  des  Weges  war  rechts  und  links  der 
Urwald  10  Klafter  breit  niedergehauen,  um  dem  Wege  mehr  Luft  und  Licht  zu 
verschaffen.  Jetzt  war  an  dessen  Stelle  über  mannshohes  Gebüsch  gewachsen, 
das  in  dem  Sumpflande  grossentheils  aus  Compositae  bestand  (Baccharis  u.  a.). 
Sehr  häufig  war  eine  Baccharis  (vielleicht  B.  triptera),  die  Johannes  ^j,  als  er  sie 
zuerst  ohne  Blüthen  sah,  für  einen  Cactus  ansah,  und  deren  blattloser  mit  3  breiten 
Flügeln  eingefasster  Stengel  in  der  That  einer  Rhipsalis  ähnlich  genug  sieht. 
Ich  sah  hier  zum  ersten  Male  eine  ausnahmsweise  Blätter  tragende  Pflanze  dieser 
Art.  Wir  bewunderten  die  Blüthenpracht  einer  hier  äusserst  häufigen  Mela- 
stomacee  (Pleroma),  die  über  und  über  mit  grossen,  dunkelblauvioletten  Blüthen 
bedeckt  war. 

Gegen  1 1  Uhr  erreichten  wir  den  Itajahy-mirim  oder  kleinen  Itajahy  (den 
kleinen  Fluss,  wie  er  hier  gewöhnlich  heisst);  nachdem  uns  der  Fährmann  lange 
hatte  warten  lassen,  ruhten  wir  jenseits  in  einem  deutschen  Wirthshause  während 
des  Mittags  aus,  um  dann  nach  der  ein  kleines  Stündchen  entfernten  Villa  do 
Itajahy  weiter  zu  gehen.  Das  Flussufer  ist  hier  niedrig,  das  Land  flach,  sandig 
und  sumpfig,  und  der  Pflanzen  wuchs  verräth  die  Nähe  des  Meeres,  Am  Fluss- 
ufer ein  strauchiger  Hibiscus  mit  grossen  gelben  Blumen,  in  sumpfigen  Gräben 
ein  schönes  wohlriechendes  Crinum  und  ein  grosser  Farn  (Chrysodium),  im  Gebüsch 


1)  seil.  Hern.  H.  Müller  zu  Lippstadt. 

2)  Neffe  des  Verf.  und  Begleiter  auf  der  Tour. 


■2-iA  ExcursLonsberichte  aus  Südbrasilien. 

ein  Hedyosmum  (Chloranthacee)  mit  weissen  beerenartigen  Früchten  und  eine 
Norantca  (Marcgraviacee)  mit  sonderbaren  becherförmigen  Bracteen  an  den 
Blüthenstielen. 

Der  Itajahy  erweitert  sich  vor  seiner  Mündung  zu  einem  weiten  Hafen,  der 
durch  eine  von  Norden  her  vorspringende  schmale  flache  Landzunge  vom  Meere 
geschieden  ist.  Südlich  vor  der  Mündung  ist  ein  schroffes  Felsufer.  —  Die  kleine 
Villa  bietet  mit  ihren  weissen  Häusern,  meist  Kaufläden,  einen  recht  freundlichen 
Anblick;  die  Umgegend  freilich  ist  ziemlich  öde  und  bietet  nicht  einmal  Trink- 
wasser, das  vom  Nordufer  geholt  werden  muss. 

Auf  dem  Wege  vom  Kleinen  Fluss  zur  Villa  fanden  wir  reife  Früchte  einer 
auch  hier  nicht  seltenen  Schlingpflanze  mit  holzigem  Stamme  (eine  Dilleniacee, 
vielleicht  Curatella '),  hier  „Cipo  pao"  genannt).  Die  Früchte  öffnen  sich  in  sehr 
eigenthümlicher  Weise.  Sie  springen  in  Meridianrichtung  auf  etwa  ^4  des  Um- 
fanges  auf,  dann  löst  sich  die  Schale  noch  etwa  zur  Hälfte  vom  Fruchtboden 
los,  und  jede  der  beiden  Klappen  erhält  dann  noch  einen  Sprung  von  unten  nach 
oben.  So  entstehen  zwei  breite,  innen  scharlachrothe  Flügel,  deren  jeder  am 
Ende  einen  von  schneeweisser  saftiger  Hülle  umschlossenen  Samen  trägt. 

(29.  April).  In  der  Nacht  hatte  es  stark  geregnet  und  noch  am  Morgen 
regnete  es  schwach,  so  dass  wir  erst  ziemlich  spät  unsere  Reise  fortsetzen  konnten. 
Vom  Itajahy  führte  unser  Weg  südwärts,  meist  in  geringer  Entfernung  von  der 
Küste  hin.  Die  Küste  bildet  eine  Reihe  felsiger  Vorgebirge,  zwischen  denen 
Buchten  mit  sandigem  Strande  sich  mehr  oder  weniger  tief  landeinwärts  biegen. 
An  diese  schliessen  sich  dann  sandige  oder  sumpfige  Niederungen  an. 

Nachdem  wir  einen  ersten  Berg  überstiegen  hatten,  kamen  wir  in  die  sandige 
Ebene  der  Praia  brava.  In  dem  tiefen  weissen  Sande  wächst  nur  dürftige  Man- 
diocca  (und  dazwischen  im  Sommer  Wassermelonen).  In  dem  Gebüsche  am  Wege 
herrschte  eine  Dodonaea  mit  schmalen  weidenähnlichen  Blättern  vor,  die  immer 
schlechten  Boden  anzeigt.  Weiterhin  wurde  das  Land  hügelig,  mit  feuchten  Thälern 
dazwischen,  und  hier  trafen  wir  zum  ersten  Male  in  grösserer  Menge  die  prächtige 
Indaia-Palme,  deren  Stamm  selten  eine  bedeutende  Höhe  erreicht,  während  die 
aufsteigenden  Blätter  von  riesiger  Grösse  sind  (man  sagt  fast  30  Fuss,  doch  habe 
ich  sie  nicht  selbst  gemessen).  Von  einer  etwas  grösseren  Höhe  stiegen  wir  dann 
zum  Strande  des  Meeres  nieder,  dem  wir  etwa  Yg  Stunde  lang  bis  zur  Mündung 
des  Cambriü  folgten.  An  der  Fluthgrenze  krochen  weithin  im  Sande  eine  weisse 
und  eine  rothe  Ipomoea  und  eine  Schmetterlingsblume,  die  in  Blüthenfarbe  und 
Blattform  der  letzteren  Ipomoea  auffallend  glich.  Dazwischen  häufig  Acicarpha 
mit  stachligen  Blüthenköpfchen,  unsere  einzige  Pflanze  aus  der  kleinen  Familie 
der  Calycereen,  der  nächsten  Verwandten  der  Compositae.  Weiter  oben  folgte 
dann  ein  Gürtel  stachliger  Bromeliaceen  (Dyckia?). 

Während  wir  den  Fährmann  erwarteten,  der  uns  vom  flachen  Nord-  an  das 
hohe  Südufer  des  Cambriü  bringen  sollte,  fingen  wir  einige  kleine  Krabben  (Ge- 
lasimus),  die  im  Uferschlamme  ihre  Löcher  hatten.  —  Am  Südufer  des  Cambriü 
bilden  einige  schmutzige  Kramläden  und  andere  Häuser  eine  elende  Ortschaft. 
Etwa  eine   Stunde  jenseit   derselben  kamen   wir  an   den   Fuss  des  durch  seinen 


I)  ist  vielmelir  Doliocarpus,  und  wahrscheinlich  D.  grandiflorus  Mart.  Redact. 


Excursionsberichte  aus  Südbrasilien. 


335 


schlechten  Weg  berüchtigten  Morro  do  Boi  (Ochsenberg).  Das  nächtliche  Regnen 
und  Nässein  während  des  Tages  hatten  den  rothen  Thonboden  gewaltig  schlüpfrig 
gemacht,  und  das  Aufsteigen  auf  dem  steilen  Wege  mit  zahlreichen  Steinen  und 
Drecklöchern  und  überhängenden  Buschwerk  war  keineswegs  angenehm ;  aber 
noch  schlimmer  war  das  Hinabsteigen  auf  dem  steileren  Südabhange.  Die  Maul- 
thiere  und  Pferde  hatten  hier,  wie  überall  auf  schmutzigen  Wegen,  eine  eigen- 
thümliche  Art  Treppen  gebildet;  jedes  Thier  tritt  in  die  Tapfen  seines  Vorgängers 
und  so  entstehen  allmälig  tiefe  schlammgefüllte  quere  Löcher,  durch  quere  Wülste 
festeren  Thones  geschieden,  von  denen  man  bei  nassem  Wetter  nur  zu  leicht  in 
die  Schlammkessel  abgleitet.  Wir  hatten  zu  viel  auf  den  Weg  zu  achten,  um 
viel  nach  dem  Urwalde  um  uns  blicken  zu  können ;  doch  fanden  wir  auf  dem 
Gipfel  des  Berges  ein  prächtiges  Exemplar  eines  Catasetum,  das  wir  uns  für  den 
Rückweg  hinter  einer  dicht  am  Wege  stehenden  Palme  verwahrten.  Dasselbe 
hatte  eine  über  fusshohe  Aehre  mit  ziemlich  weit  entwickelten  Knospen,  die  schon 
als  männliche  zu  erkennen  waren ;  von  den  den  männlichen  Blüthen  eigenthüm- 
lichen  schlangenzahnförmigen  Anhängen  der  Säule  (den  „Antennen"  Darwin's) 
war  aber  noch  keine  Spur  zu  sehen.  —  Jenseits  des  Morro  do  Boi  hatten  wir 
noch  zwei  kleinere  minder  unwegsame  Berge  zu  übersteigen,  ehe  wir  an  den 
Strand  von  Porto  Bello  kamen.  Der  Weg  führte  häufig  nahe  am  Meere  hin  und 
war  reich  an  wundervollen  Aussichten.  —  Auf  Felsen  am  Wege  fanden  wir  das 
hübsche  Epidendrum  cinnabarinum  in  Blüthe,  eine  der  häufigsten  Ochideen  der 
Insel  Sa.  Catharina,  die  sich  aber  nie  weit  von  der  Küste  zu  entfernen  und  hier  ^) 
ganz  zu  fehlen  scheint.  Dasselbe  scheint  von  der  prächtigsten  unserer  Erd- 
orchideen zu  gelten,  die  wir  ebenfalls  blühend  trafen;  sie  hat  grosse  rothe  wohl- 
riechende Blumen,  die  denen  von  Vanilla  ähnlich  sind  (Vanillidium  n.  gen.  mihi). 

In  der  Nähe  des  Strandes  liegt  eine  kleine  jämmerliche  Venda,  in  der  wir 
Nachtquartier  suchen  mussten,  da  die  Sonne  sich  zum  Untergange  neigte. 

Hier,  soweit  wir  das  Innere  sehen  konnten,  die  Beschreibung  des  30  Palmen 
(zu  8  Zoll)  langen,  26  Palmen  tiefen  Hauses:  Die  Thüre  führt  in  den  11  Palmen 
breiten,  15  Palmen  tiefen  Laden.  Vor  dem  Ladentisch  ein  6  Palmen  breiter 
Raum,  in  dem  rechts  an  der  Wand  eine  niedrige  Holzbank.  --  Auf  dem  Tisch 
links  hinter  dem  Ladentisch  stehen  ein  paar  Kästen,  Seife,  Lichter,  Knöpfe  u.  dgl. 
enthaltend ,  und  verschiedene  Blechbüchsen ,  darunter  einige  Korbflaschen  mit 
Schnaps.  —  An  der  Wand  gegenüber  dem  Ladentisch  ein  paar  Fässer  mit 
Mandiocamehl,  Mais  und  einige  Fässer,  vielleicht  mit  Salz.  An  der  Hinterwand, 
aus  deren  aus  senkrechten  und  wagrechten  Palmenlatten  gebildeten  Gitterwerk 
der  Lehm  fast  vollständig  herausgefallen  war,  befanden  sich  einige  Pfund  Pulver 
in  Blechbüchsen  und  trockenes  Fleisch.  Der  ganze  Werth  der  vorhandenen 
Waaren  mochte  kaum  20  Milreis  übersteigen.  —  Als  wir  eintraten,  sprangen  uns 
ein  paar  Jungen  entgegen,  deren  einziger  Anzug  in  einem  schmutzigen  zer- 
schlissenen Hemde  bestand,  und  die  sich  seit  Wochen  nicht  gewaschen  und  in 
ihrem  Leben  noch  nicht  gekämmt  zu  haben  schienen.  Kaum  sauberer  sah  die 
Hausfrau  aus,  die  uns  Nachtquartier  gewährte  und  Abendbrod  zuzubereiten  ver- 
sprach.    Bald   erschien   auch   der  Hausherr,  Senhor  Damiäo,   hinkend  und  schiel- 


i)  seil,  zu  Itajahy. 


336 


Excursionsberichte  aus  Südbrasilien. 


äugig,  der  leer  vom  Fischfang  heimkehrte  und  ein  langes  Verhör  über  Woher 
und  Wohin  anstellte.  Einige  fabelhaft  zerlumpte  Neger  kamen,  einen  Schnaps 
zu  trinken  oder  Kautabak  zu  kaufen.  Als  es  dunkel  wurde,  erschien  ein  Talg- 
licht, das  durch  einige  Tropfen  geschmolzenen  Talges  auf  eine  Blechbüchse 
befestigt,  aber  wiederholt  von  den  tobenden  Jungen  heruntergestossen  wurde. 
Zum  Abendbrod  wurden  auf  den  Ladentisch  eine  Pfanne  mit  Eiern,  eine  Schüssel 
mit  Mandiocamehl,  Kaffee  und  Zucker  gesetzt.  Dann  wurde  uns  eine  schmutzige 
Rohrmatte,  dito  Laken,  Kopfkissen  und  Wolldecke  gereicht,  mit  denen  wir  unser 
Lager  in  dem  Raum  vor  dem  Ladentisch  auf  der  glücklicherweise  ziemlich 
trockenen  Erde  herrichteten.  —  Nachdem  wir  uns  hingelegt,  belustigte  sich 
Johannes  damit,  durch  eine  der  zahlreichen  Spalten  der  Wand  dem  Abendessen 
unserer  Wirthe  zuzusehen  und  später  liess  Senhor  Damiäo  seine  Sprösslinge  eine 
endlose  Zahl  von  Padre  nosso's  und  Ave  Maria's  herbeten,  was  so  stockend  ging, 
dass  es  jedenfalls  nicht  tägliche  Praxis  war,  sondern  nur  geschah,  um  den  Gästen 
seine  Frömmigkeit  zu  zeigen. 

(30.  April).  Sobald  der  Regen,  mit  welchem  der  Tag  anbrach,  nachliess, 
machten  wir  uns  auf  und  beschrieben  zunächst  einen  Halbkreis  längs  des  sandigen 
Strandes  des  Busens  von  Porto  hello.  Nachdem  wir  über  den  Pereque  gesetzt, 
wandten  wir  uns  landeinwärts.  Von  Pereque  bis  Tijuccas  dehnt  sich  eine  meist 
fruchtbare  Ebene  aus,  zwischen  der  und  dem  Meere  die  bergige  Halbinsel  von 
Porto  hello  liegt.  Unser  Weg  führte  an  dem  westlichen  Fusse  dieser  Berge  hin, 
durch  Ansiedlungen,  deren  Ansehen  zum  Theil  Wohlhabenheit  verrieth.  Rechts 
hatten  wir  meist  schönes  Weideland,  auf  dem  hie  und  da  prächtige,  über  manns- 
hohe Büsche  eines  Philodendron  (Aroidee)  mit  grossen  fiederspaltigen  Blättern 
standen.  Das  Nässein,  dass  uns  fast  ununterbrochen  begleitete,  verwandelte  sich 
ab  und  zu  in  stärkeren  Regen,  so  dass  wir  in  den  Häusern  am  Wege  Schutz 
suchen  mussten,  und  endlich  erreichte  uns  ein  ziemlich  anhaltender  Platzregen, 
der  uns  ziemlich  durchweicht  hatte,  ehe  wir  in  einen  grossen  Schuppen  flüchten 
konnten,  in  welchem  die  Trümmer  eines  Zuckergeschirrs  herumlagen. 

Von  Bobos  bis  Tijuccas  führte  unser  Weg  durch  die  hier  sumpfige  Niederung. 
Hier  sah  ich  zum  ersten  Male  in  Brasilien  ein  Equisetum,  und  fand  einen  Strauch, 
dessen  von  weisser  saftiger  Hülle  umschlossene  Samen  nicht  aus  der  geöffneten 
Frucht  herausfielen.  Am  Nordufer  des  ziemlich  ansehnlichen  Tijuccasflusses  zieht 
sich  eine  volkreiche  Villa  hin,  von  Kaufleuten  und  Handwerkern  bewohnt,  —  Ein 
deutscher  Schneider  hat  hier  ein  gutes  Wirthshaus,  in  das  wir  heisshungrig  ein- 
fielen, da  wir  seit  unserem  aus  Kaffee  und  Mandiocamehl  bestehenden  Frühstücke 
nur  einige  Bananen  genossen  hatten  und  durch  den  Regen  unsere  Ankunft  bis 
lange  nach  Mittag  verzögert  worden  war. 

Am  Ufer  des  Tijuccas  wächst  ein  riesiges  Eryngium,  das  wir  auch  am 
Biguassü  wiedersahen,  mit  über  mannshohen  schilfartigen  Blättern.  Merkwürdig, 
dass  so  viele  Pflanzen  der  verschiedensten  Familien,  Gräser,  Riedgräser,  Typha, 
Kalmus,  Ranunculus  Lingua  u.  s.  w.  am  Rande  der  Gewässer  dieselbe  Schilfform 
annehmen !  — 

(i.  Mai).  Ein  frischer  Landwind  hatte  den  Regen  verscheucht  und  kein 
Wölkchen  am  Himmel  gelassen.  Auf  dem  Wege  zur  Ueberfahrtsstelle  über  den 
Tijuccasfluss  fanden   wir   ein   den    deutschen  Arten  ganz  ähnliches  Hypericum  in 


Excursionsberichte  aus  Südbrasilien. 


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Blüthe  und  jenseits,  wo  der  Weg  noch  eine  Strecke  am  Ufer  hinführte,  eine  mehrere 
Fuss  hohe  strauchartige  Mimosa  mit  reizbaren  Blättern.  In  einer  vertrockneten 
Hibiscusblüthe  fing  ich  einen  Käfer,  der  mich  sehr  überraschte,  da  ich  von  der 
Existenz  der  sonderbaren  Gattung  nichts  vvusste;  die  Maxillen  desselben  waren 
nämlich  fadenförmig  und  ragten  bis  über  das  Ende  des  Hinterleibes  hinaus.  Nach 
meiner  Rückkehr  sah  ich  aus  Gerstäckers  Zoologie,  dass  das  Thier  zu  der  weit- 
verbreiteten und  selbst  in  Südeuropa  vertretenen  Gattung  Nemognatha  gehört.  — 
Vom  Flusse  führt  der  fast  immer  an  Drecklöchern  reiche  Weg  quer  durch  das 
sumpfige  Uferland.  An  diesem  Wege  hatte  ich  wiederholt  während  meiner  früheren 
stets  im  Sommer  unternommenen  Reisen  eine  Hippocrateacea  in  Blüthe  gefunden ; 
jetzt  trafen  wir  sie  endlich  mit  Früchten,  grossen  runden  Beeren,  die  von  süssem 
Schleim  umhüllte  Samen  einschliessen  und  allein  die  Gattung  Salacia  (oder  Tontelea) 
von  Hippocratea  unterscheiden ,  welche  aufspringende  Kapseln  und  geflügelte 
Samen  besitzt.  Ein  ähnliches  Verhältniss  besteht  zwischen  den  in  Wuchs  und 
Blüthenbau  vollständig  übereinstimmenden  Gattungen  Paullinia  einerseits,  Serjania 
und  Urvillea  andererseits.  Offenbar  sind  in  diesen  Fällen  die  der  Verbreitung 
der  Samen  einerseits  durch  die  Vögel,  andererseits  durch  den  Wind  dienenden 
Einrichtungen  verhältnissmässig  sehr  neuen  Ursprungs,  und  das  scheint  über- 
haupt sehr  häufig  der  Fall  zu  sein.  Merkwürdig  ist,  dass  selbst  in  der  Familie 
der  Compositae,  die  seit  alter  Zeit  ihre  für  die  Verbreitung  durch  den  Wind 
unübei treffliche  Federkrone  besitzen,  neuerdings  eine  Gattung  (Wulffia)  Beeren- 
früchte zu  bilden  begonnen  hat.  (Eine  Wulffia  kommt  am  Morro  do  boi  vor, 
wo  wir  uns  aber  dies  Mal  vergebens  danach  umsahen).  Nachdem  wir  das  sumpfige 
Uferland  von  Tijuccas  hinter  uns  hatten,  überstiegen  wir  eine  Reihe  niederer 
Berge,  die  Morretes,  von  denen  wir  öfter  herrliche  Aussichten  aufs  Meer,  nach 
den  Bergen  von  Porto-bello  und  der  Insel  Avoredo  hin  hatten.  —  In  der  Nähe 
der  Morretes  fanden  wir  die  Zäune  am  Wege  überrankt  von  einer  allerliebsten 
scharlachrothen  Winde  (Quamoclit),  die  durch  eine  beginnende  Unregelmässigkeit 
ihrer  Blumen  bemerken swerth  ist.  Die  Blumenröhre  ist  etwas  gebogen  und  die 
Staubfäden  treten  alle  dicht  an  der  oberen  gewölbten  Seite  aus  der  Röhre  hervor. 
—  Wir  hatten  dann  ein  Thal  mit  tiefem  weissen  Sande  zu  durchwaten,  um  zu 
einem  zweiten  höheren  Berge,  dem  Morro  do  Mafra  zu  gelangen,  von  dem  wir 
zum  ersten  Male  die  Berge  von  Sa.  Catharina  erblickten.  —  Jenseits  des  Morro 
do  Mafra  hatten  wir  rechts  vom  Wege  niedere  Hügel,  an  denen  der  Weg  hin 
und  her,  auf  und  nieder  bog,  links  unter  uns  tiefes  Sumpfland,  das  sich  zum 
Inferninho  hinzieht.  Dieser  verdient  mehr  den  Namen  eines  Sumpfcanals,  als 
eines  Flusses,  ist  nur  schmal  und  fast  stagnirend.  Wir  überschritten  ihn  auf  einer 
hölzernen  Brücke,  den  umgebenden  Sumpf  auf  einem  guten  Steindamm,  und 
erreichten  gegen  Mittag  den  Fuss  der  zwischen  Inferninho  und  Tijuquinhas  auf- 
steigenden Berge.  Hier  wohnt  seit  etwa  ^4  Jahren  ein  Deutscher,  Daniel  Schneider, 
der  früher  am  Itajahy,  meinem  jetzigen  Hause  gerade  gegenüber  wohnte  und  jetzt 
in  Inferninho  einen  Kramladen  hat.  Bei  ihm  hatten  wir  uns  vorgenommen,  den 
Rest  des  Tages  zu  bleiben,  um  die  benachbarten  Sümpfe  auszubeuten.  Allein 
wir  fanden  fast  die  ganze  zahlreiche  Familie  krank  am  Wechsel fieber,  das  einige 
schon  seit  Monaten  nicht  lös  wurden.  Unsere  sonst  so  blühende  Nachbarin  sah 
aus,  wie  aus  dem  Grabe  gestiegen.    Ebenso,  hörten  wir,  solle  es  in  allen  Häusern 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  -2 


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Excursionsberichte  aus  Südbrasilien. 


bis  S.  Miguel  hin  aussehen.  Wir  haben  während  des  ganzen  letzteren,  zum  Theil 
recht  nassen  Sommers,  nicht  Einen  ordentlichen  Landwind  gehabt,  der  die  Aus- 
dünstungen der  sumpfigen  Niederungen  von  Inferninho  u.  s.  w.  hätte  wegfegen 
können,  und  das  mag  die  Veranlassung  zu  dieser  so  anhaltenden  und  ausgedehnten 
Epidemie  gegeben  haben.  Ich  hielt  es  unter  diesen  Verhältnissen  nicht  für 
gerathen,  dicht  am  Sumpfe,  und  nicht  für  angenehm,  unter  einem  Haufen  kranker 
schreiender  Kinder  zu  übernachten,  und  so  brachen  wir  nach  einer  gehörigen 
Mittagsruhe  wieder  auf,  und  erreichten  gegen  Abend,  jenseits  des  unbedeutenden 
Tijuquinhas  und  nahe  dem  Meeresufer,  ein  „Wirthshaus  für  Reisende"  wie  die 
deutsche  Aufschrift  sagte,  welches  kürzlich  ein  italienischer  Kaufmann  eingerichtet 
hatte.     Auch  hier  litt  Alles  mehr  oder  weniger  am  Wechselfieber. 

(2.  Mai).  Der  Weg  von  Tijuquinhas  bis  Biguassü  führt  dicht  am  Meere 
hin,  das  hier  wie  ein  grosser  Binnensee  erscheint,  umschlossen  von  den  malerischen 
Bergen  der  vorliegenden  Insel  Sa.  Catharina.  Meist  steigen  die  Berge  unmittelbar 
vom  felsigen  Ufer  auf;  in  der  Nähe  der  unbedeutenden  Villa  de  S.  Miguel  ist 
sandiger  Strand.  Die  Küste  ist  ziemlich  dicht  von  einer  meist  armen  Fischer- 
bevölkerung bewohnt.  Die  Berge  reichen  bis  an  den  Biguassü,  über  den  eine 
hübsche  neue  Brücke  führt  und  an  dessen  Südufer  wieder  eine  sumpfige,  jetzt 
von  Wechselfieber  heimgesuchte  Niederung  beginnt.  In  dieser  ist  der  kletternde 
Sumpffarn  (Lygodium)  sehr  häufig.  —  Einige  verkrüppelte  Bäume  im  Sumpfe 
waren  dicht  mit  Orchideen  bedeckt,  Brassavola  fragrans,  Cattleya  amethystina^ 
Epidendrum  triandrum  m. ,  und  PleurothaUis- Arten,  fast  ausschliesslich  auf  die 
Nähe  der  Küste  beschränkte  Arten.  Etwa  eine  Stunde  von  Biguassü  hatten  wir 
eine  sonderbare  Brücke  zu  passiren,  die  vor  kaum  Jahresfrist  gebaut  worden, 
deren  Pfeiler  aber  schon  ein  Hochwasser  eingerissen  hatte,  so  dass  jetzt  nur  noch 
das  Geländer  mit  einigen  die  rechte  und  linke  Seite  verbindenden  Balken  im 
Wasser  schwamm.  Ein  Brett  war  von  jedem  Ufer  schief  hinab  nach  dem  Ge- 
länder, ein  zweites  an  jedem  Ende  von  einer  Seite  des  Geländers  zur  andern 
gelegt.  Wir  überschritten  glücklich  diese  schmale  schwankende  Brücke  und 
stärkten  uns  dann  im  Hause  eines  Deutschen  durch  ein  kräftiges  Frühstück,  Von 
hier  aus  diente  uns  meist  der  Sand  des  Strandes  als  Weg,  nur  einigemal  wurden 
weiter  vorspringende  Vorgebirge  oder  Landzungen  abgeschnitten.  In  der  Nähe 
der  Meerenge  drängen  sich  die  bis  dahin  zerstreuten  Häuser  dichter  in  eine 
Strasse  zusammen,  in  der  man  tiefen  losen  Sand  zu  durchwaten  hat.  In  diesem 
Sande  wuchert  Vinca  rosea  und  in  den  Zäunen  am  Wege  blühten  zwei  Pflanzen, 
die  ich  sonst  nirgends  gefunden  habe,  eine  behaarte  weisse  Winde  (Ipomoea)  und 
ein  Plumbago,  das  vielleicht  mit  Schiffsballast  eingeführt  worden  ist;  denn,  wie 
ich  kürzlich  erfuhr,  ist  es  eine  indische  Art,  die  Plumbago  zeylanica.  Auch  eine 
andere  an  der  Erde  hinkriechende  Winde  (Evolvulus)  mit  zierlichen  kleinen 
Blättchen  und  weissen  Blumen  habe  ich  bis  jetzt  nur  auf  den  Felsen  zu  beiden 
Seiten  der  Meerenge  (Estrato)  gesehen. 

Eine  leichte  Brise  trieb  das  Fährboot  rasch  über  die  Meerenge;  drüben 
wuschen  wir  unsere  Füsse,  zogen  seit  Monaten  einmal  wieder  Strümpfe  und  Schuhe 
an  und  marschirte.n  dann,  gegen  3^/3  Uhr,  in  die  Stadt  Desterro  ein. 

Der  3.  Mai  war  Sonntag  und  ich  konnte  so  erst  am  4.  verschiedene  Geschäfts- 
gänge in  der  Stadt  abmachen  und  erst  am  5.  setzten  wir  unsere  Reise  fort. 


Excursionsberichte  aus  Südbrasilien. 


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(5.  Mai).  Wir  setzten  wieder  von  der  Stadt  nach  dem  Festlande  über  und 
folgten  nun  der  Strasse,  die  die  Küste  mit  dem  Hochlande  von  Lages  verbindet; 
es  ist  die  belebteste  Strasse  der  Provinz,  denn  einmal  liefert  uns  Lages  Schlacht- 
vieh und  Pferde,  und  dann  müssen  alle  Waren,  deren  die  Bewohner  des  Hoch- 
landes bedürfen,  auf  Maulthieren  hinaufgeschafft  werden.  Man  begegnet  daher 
nicht  selten  Schaaren  (Tropas)  von  Maulthieren,  oder  auch  Heerden  von  Pferden 
oder  Rindvieh.  Vor  letzterem  muss  man  sich  hinter  die  Zäune  am  Wege,  oder 
in  Wald  oder  Gebüsch  zurückziehen.  —  Nachdem  wir  einige  Hügel  überstiegen, 
kamen  wir  in  ein  sandiges  Uferland,  die  Praia  comprida  („langer  Strand").  Es 
wohnen  hier  ziemlich  viele,  vor  langer  Zeit  eingewanderte  Deutsche,  die  fast  voll- 
ständig zu  Brasilianern  geworden  sind.  Wir  sahen  hier  ein  ansehnliches  Feld 
rings  mit  Pitta  (Fourcroya)  eingefasst,  die  meist  ihre  riesigen  Blüthenschäfte  (20 
bis  30'  hoch)  getrieben  hatte.  —  Die  Häuserreihe  der  Praia  comprida  setzt  sich 
fort  bis  zur  Stadt  Säo  Jose;  es  ist  ein  unbedeutender  todter  Ort,  der  sich  längs 
der  hier  hügeligen  und  felsigen  Küste  hinzieht.  —  Vom  Maruim,  über  den  (wie 
über  mehrere  ihm  folgende  Gewässer)  eine  gute  steinerne  Brücke  führt,  dehnt 
sich  wieder  bis  zum  Cubatäo  ein  sandiges  und  sumpfiges  Uferland  aus,  das  bei 
hoher  Fluth  zum  grossen  Theil  unter  Wasser  kommt,  wie  der  Pflanzenwuchs  und 
mehrere  nackte  Schlammflächen  verriethen.  In  den  Gräben  längs  des  Weges  liefen 
zahllose  Sumpfkrabben  (Cyclograpsus)  umher.  Am  Wege  wuchsen  Salicornia, 
Statice,  und  Sesuvium,  und  als  Gesträuch  Laguncularia,  Schinus,  Myrsine  u.  s.  w. 
—  Noch  bevor  wir  den  Cubatäo  erreichten,  wandten  wir  uns,  dem  Thale  dieses 
Flusses  folgend,  landeinwärts.  Links  hatten  wir  den  südlich  vom  Cubatäo  bis  ans 
Meer  herantretenden  hohen  Bergzug  des  Cambirela,  rechts  die  die  Thäler  des 
Cubatäo  und  Maruim  scheidenden  Berge  mit  dem  steilen  Abhänge  der  Pedra 
branca.  —  Etwa  zwei  Stunden,  bis  zu  unserer  Mittagsstation  im  Hause  eines 
deutschen  Sattlers,  blieb  das  Thal  völlig  eben.  Die  Pflanzenwelt  bot  eben  nichts 
Besonderes;  ziemlich  häufig  war  eine  hübsche  weisse  Passiflora,  die  jetzt  wohl- 
schmeckende, aber  kleine  Früchte  trug.  —  Weiterhin  begann  das  Land  sich  zu 
heben,  der  Weg  führte  über  einige  unbedeutende  Hügel ;  bei  guter  Zeit  erreichten 
wir  unser  Nachtquartier  beim  Schmidt  Hard. 

(6.  Mai).  Bei  Tagesanbruch  ging  es  weiter,  zunächst  dem  am  Ufer  des 
Cubatäo  liegenden  Kirchdorf  (Freguezia)  S.  Amaro  zu.  Dann  hatten  wir  ein  paar 
ansehnliche  Berge  zu  übersteigen  und  zwischen  ihnen  ein  fruchtbares  Thal  (Vargem 
grande)  zu  durchwandern  und  einen  grossen  Bach  zu  durchwaten,  um  endlich  von 
der  Strasse  nach  Lages  abzubiegen,  den  Cubatäo  auf  einer  neuen  Brücke  zu  über- 
schreiten und  das  Gebiet  der  Colonie  Theresopolis  zu  betreten,  deren  Stadtplatz 
wir  in  der  Mitte  des  Nachmittags  erreichten.  —  Wir  hatten  auf  diesem  Wege 
mancherlei  bei  uns  nicht  wachsende  Pflanzen  getroffen.  So  eine  grosse  Nessel 
(Urtica)  mit  weissen  Beeren;  sie  gehört,  wie  unsere  beiden  Nesseln,  von  denen 
die  eine  (am  Flussufer)  mennigrothe,  die  anderen  auf  vielverästelten  purpurrothen 
Stielen  milchweisse  Beeren  trägt,  zur  Untergattung  Urera;  alle  drei  sind  strauch- 
artig. Dann  eine  prachtvolle  kletternde  Cassia  mit  grossen  goldgelben  Blüthen 
(die  Gattung  ist  hier  reich  an  Arten,  von  denen  wir  7  bis  8  auf  unserer  Reise 
sahen);  eine  Hydrocotyle  mit  vierzipfeligen  Blättern,  zwei  hübsche  Lycopodien, 
eine  Begonia  mit  grossen,  unten  dunkelrothen  Blättern  u.  s.  w. 


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Excursionsberichte  aus  Südbrasilien. 


(7. — 10.  Mai).  Die  nächsten  Tage  benutzten  wir  zu  kleinen  Spaziergängen 
in  der  Nähe  des  Stadtplatzes  der  Colonie.  Am  8.  kam  der  Direktor  der  Colonie, 
Todeschini,  von  einer  Reise  nach  Desterro  zurück,  und  holte  uns  aus  dem  Wirths- 
hause,  in  dem  wir  abgestiegen  waren,  in  sein  eigenes  Haus,  wo  wir  ganz  vor- 
treffliches Quartier,  und  an  unserem  liebenswürdigen  Wirth,  einem  früheren  öster- 
reichischen Offiziere,  die  angenehmste  Gesellschaft  fanden.  Auch  meine  anderen 
Thercsopolitaner  Bekannten  wurden  in  diesen  Tagen  aufgesucht,  der  Ingenieur 
der  Colonie  Heeren  und  der  katholische  Pastor  Roer,  Landsmann  und  naher 
Bekannter  meines  Universitätsfreundes  Anton  Karsch  in  Münster.  Der  letztere 
nimmt  lebhaftes  Interesse  an  Naturwissenschaften  und  besuchte  mich,  so  oft  er 
nach  Desterro  kam,  obwohl  man  ihn  auf  der  Seereise  von  Europa  herüber  vor 
mir  gewarnt  hatte  als  einem  schrecklich  gottlosen  Menschen,  der  nicht  einmal 
seine  Kinder  taufen  lasse. 

Die  Colonie  Theresopolis  ist  vor  etwa  8  Jahren  gegründet  worden,  auf  einem 
Gebiet,  wie  man  es  für  Landbau  nicht  schlechter  hätte  wählen  können.  Steile 
steinige  Berge  reichen  meist  bis  ans  Ufer  des  Cubatäo  und  der  einmündenden 
Bäche.  Dabei  liegt  die  Colonie  schon  so  hoch  über  dem  Meere,  dass  Zuckerrohr 
und  Mandioca  nicht  mehr  gedeihen.  Dagegen  wachsen  vortreffliche  Kartoffeln. 
Nur  die  Nähe  der  Stadt  Desterro,  wo  die  Leute  für  Butter,  Hühner,  Eier,  Schmalz, 
auch  wohl  Speck  und  Wurst,  für  Kartoffeln,  Mais,  schwarze  Bohnen  guten  Absatz 
finden,  macht  das  Bestehen  der  Colonie  möglich.  Doch  liegen  viele  der  Anfangs 
vertheilten  Grundstücke,  nachdem  die  Besitzer  sich  darauf  zum  Theil  jahrelang 
gequält,  jetzt  wieder  wüste.  Die  Bewohner  sind  nach  dem  zur  Colonie  gehörigen 
Capivary,  zum  Theil  auch  hieher  gezogen.  Es  sind  meist  Solinger,  Westfalen 
und  Holsteiner. 

(11.  Mai).  Mit  Tagesanbruch  machten  wir  uns  auf,  um  am  rechten  Ufer 
des  Cubatäo  aufwärts  zu  gehen.  Derselbe  ist  hier  ein  rasch  fliessendes  Gewässer, 
das  über  kleineres  und  grösseres  Gerolle  dahinrauscht.  Die  Anlage  des  meist 
guten  Weges  hat  gewaltige  Mühe  gekostet,  da  er  auf  lange  Strecken  aus  dem 
harten  Thonschiefer  der  steilen  Bergwände  hat  herausgehauen  und  gesprengt 
werden  müssen.  Er  führte  durch  theils  bewohnte,  theils  verlassene  Ansiedlungen 
und  oft  auf  lange  Strecken  durch  Wald.  Wir  sahen  am  Wege  mehrere  Sträucher 
von  Mate  oder  Paraguaythee,  der  an  einzelnen  Stellen  der  Colonie  S.  Isabel  sehr 
häufig  sein  soll  und  auch  hier  am  Itajahy  einzeln  vorkommt,  dann  eine  schöne 
kletternde  Fuchsia,  einen  allerliebsten  Farn  Ceropteris,  dessen  Wedel  auf  der 
Unterseite  mit  goldgelbem  Staube  bedeckt  sind,  und  ein  Galium,  das  unter  den 
deutschen  Arten  dem  G.  Aparine  noch  am  meisten  ähnlich  sieht,  aber  mennig- 
rothe  Beeren  trägt.  Ein  Seitenthal  führte  uns  an  den  Fuss  des  hohen  Berges, 
der  die  Wasserscheide  zwischen  dem  Cubatäo  und  dem  Capivary  bildet.  Letzter 
ist  etwa  2  Tagereisen  von  seiner  Quelle  abwärts  von  Deutschen  bewohnt;  dann 
folgt  ein  Wasserfall,  unterhalb  dessen  er  schiffbar  und  von  Brasilianern  bewohnt 
ist.  Er  geht  in  den  Tubaräo,  der  bei  der  Stadt  Laguna  mündet.  —  Der  Weg, 
von  Deutschen  angelegt,  unterscheidet  sich  durch  sein  allmäliges  Ansteigen  sehr 
vortheilhaft  von  brasilianischen  Bergwegen  und  war  jetzt,  bei  trockenem  Wetter, 
vortrefflich.  Zur  Rechten  hatten  wir  oft  steile  Abhänge  von  mehreren  hundert 
Füssen.  —  Bei  einer  kürzlichen  Wegebesserung  waren  eine  Menge  Bäume  gefällt 


Excursionsberichte  aus  Südbrasilien.  74^1 

worden,  die  uns  eine  sehr  erwünschte  Gelegenheit  boten,  Orchideen  zu  sammeln. 
In  Blüthe  fanden  wir  ein  niedliches  Epidendrum  (vielleicht  variegatum)  und 
blüthenlos  verschiedene  andere  hier  ^)  fehlende  Arten,  z.  B.  das  hübsche  Oncidium 
pulvinatum.  Häufig"  blühte  auf  Bäumen  eine  prächtige  Amaryllis  (die  zuerst 
durch  Dr.  Blumenau  in  die  deutschen  Gärten  gekommen  ist,  und  in  den  Catalogen 
als  A.  Tettaui  geht).  Die  Aeste  mehrerer  Bäume  waren  bedeckt  von  einem  sehr 
hübschen  Moose,  von  dem  ich  Dir  eine  Probe  beilege.  Bei  weitem  das  Interes- 
santeste waren  mir  aber  fruchtende  Exemplare  eines  Farn,  der,  soviel  ich  aus 
Endlicher's  Gen.  Plant,  sehen  kann,  eine  neue  Gattung  der  Ophioglosseen  bildet. 
An  Felsen  fanden  wir  einen  anderen  sehr  hübschen  Farn  (eine  Doryopteris)  und 
eine  allerliebste  Gesneriacee,  auf  der  Erde  eine  niedliche  Sauvagesia  (eine  zweite 
Art  dieser  den  Veilchen  verwandten  aber  regelmässige  Blüthen  tragenden  Gattung 
wächst  am  grossen  Wasserfall  des  Itajahy).  Auf  der  Höhe  des  Berges  war  ein 
stattlicher  Baumfarn  sehr  häufig,  der  keiner  der  hier  vertretenen  Gattungen  (Also- 
phila,  Hemitelia,  Trichopteris)  angehört,  wahrscheinlich  ein  Balantium,  —  dessen 
Stamm  ein  höchst  wunderliches  Aussehen  dadurch  erhält,  dass  er  von  unten  bis 
oben  mit  einem  dichten  Filz  schwarzer  Luftwurzeln  bedeckt  ist.  Unten  ist  dieser 
Wurzelfilz  so  dick,  dass  der  an  sich  wenige  Zoll  dicke  Stamm  manchmal  bis  gegen 
2  Fuss  Durchmesser  erhält.  —  Die  Ränder  des  Weges  waren  hier  geschmückt 
durch  drei  Arten  von  Coccocypselum,  von  denen  2  auch  hier  vorkommen ;  es 
sind  das  kriechende  Rubiaceen,  deren  ziemlich  unansehnliche  Blüthen  in  dichten 
Köpfchen  stehen  und  deren  Früchte,  birnförmig  oder  rundlich,  sehr  schön  blau 
gefärbt  sind.  —  Ausser  der  Taguarassu  (Riesenrohr)  und  anderen  hiesigen  Taguara- 
Arten  fanden  wir  hier  (und  später  anderwärts  am  Capivary  und  anderen  Stellen 
der  Colonien  Theresopolis  und  S.  Isabel)  ein  grosses  Rohr  mit  dichtem  Stamme, 
die  Caraha  (spr.  Caracha),  dessen  ältere  Stämme  oft  sehr  hübsch  gefleckt  und 
dann  als  Spazierstöcke  sehr  beliebt  sind. 

Den  Capivary-Abhang  unseres  Berges  stiegen  wir  auf  weniger  bequemen, 
zum  Theil  mit  ähnlichen  Treppen,  wie  am  Morro  do  Boi  versehenen  Wege  hinab, 
an  dessen  Besserung  wir  eine  Schaar  Arbeiter  beschäftigt  fanden.  —  Vom  Fusse 
des  Berges  gingen  wir  noch  etwa  3  Stunden  bald  am  rechten,  bald  am  linken 
Ufer  des  Capivary,  den  wir  ein  paarmal  durchwateten,  abwärts  bis  zum  Wirthshaus 
von  Busch,  das  wir  etwa  halb  4  Uhr  erreichten.  Eine  dralle  freundliche  und 
gesprächige  Frau  füllte  unsere  hungrigen  Mägen  bald  mit  solider  westfälischer  Kost, 
und  bis  gegen  Abend  schlenderten  wir  dann  am  Flussufer  und  in  den  benachbarten 
Pflanzungen  umher.  Wir  fanden  uns  hier  umgeben  von  einer  Pflanzenwelt,  die 
von  der  am  Itajahy  vielfach  abwich,  wohl  mehr  in  Folge  der  bedeutend  höheren 
Lage,  als  des  leichteren  sandigen  Bodens.  Einige  schöne  Cederstämme  (Cedrela) 
abgerechnet,  war  der  palmenlose  Laubwald  weit  niedriger,  als  bei  uns.  Dafür  er- 
hoben sich  zu  doppelter  Höhe  des  Laubholzes  stattliche  Araucarien,  die  uns  hier 
ganz  fehlen.  Ich  habe  mehrmals  in  deutschen  Büchern  für  die  Jugend  unsere 
Araucaria  abgebildet  gesehen,  jedenfalls  nach  Gewächshausexemplaren,  —  kegel- 
förmig mit  ganz  unten  am  Stamm  beginnenden  Aesten;  so  sind  allerdings  junge 
Bäume,  z.  B.  zwei,   die  vor  meinem  Hause  stehen  und  vielleicht  etwa  sechs  Jahre 


i)  seil,  zu  Itajahy. 


-,  ,  T  Excursionsberichte  aus  Südbrasilien. 

alt  sind.  Eine  alte  Araucaria  brasiliensis  sieht  aber  gerade  aus,  wie  ein  lateinisches 
T;  bisweilen  hat  der  Stamm  noch  einige  wenige  Aeste.  die  in  verschiedener  Höhe 
ähnliche  T's  bilden.  —  Die  Araucarie  ersetzt  hier  am  oberen  Capivars^  sowohl 
unsere  Gissarapalme,  die  Pfosten,  Balken  und  Latten,  als  die  Uricanna  (Geonoma), 
deren  Blätter  das  Dach  für  die  ersten  Hütten  der  Ansiedler  liefern.  Die  Häuser 
sind  aus  Araucarienbalken  gebaut,  die  Wände  mit  Araucarienbrettern  verkleidet, 
die  Dächer  mit  Araucarienschindeln  gedeckt.  —  Die  Capoeira,  d.  h.  das  nach  dem 
Fällen  des  Urwaldes  auf schi essende  Buschwerk,  bestand  vorherrschend  aus  einer 
Croton-Art.  Ein  schönes  Abutilon,  eine  stattliche  rothblühende  Lobelia,  zwei 
scharlachrothe  Sal via- Arten,  zwei  gelbe  Sisyrinchium  und  mindestens  ein  halbes 
Dutzend  von  den  hiesigen  verschiedenen  Solanum-Arten  waren  alles  hier  fehlende 
Pflanzen.     Unter  den  Solanum  trug  das  Eine  rothe  kirschenähnliche  Früchte. 

(i2.  Mai).  Von  Busch  gingen  wir  noch  ein  Paar  Stunden  am  Capivary  hinab, 
hauptsächlich,  um  die  Bäume  einer  kürzlich  gefällten  Urwaldstrecke  nach  Orchideen 
abzusuchen.  Ausser  der  einen  Art,  die  ich  dort  suchte  und  reichhch  fand  (Onci- 
dium  unicorne)  brachten  wir  namentlich  mehrere  Maxillarien  mit  zurück.  —  Die 
Araucarien  hören  hier  schon  wieder  auf.  —  Wir  sahen  einige  unzweifelhaft  wilde, 
alte  Stämme  von  Sambucus  australis,  der  dem  deutschen  S.  nigra  ziemlich  ähnlich 
ist,  und  nicht  selten  seiner  als  Schwitzmittel  benützten  Blüthen  wegen  angepflanzt 
wird;  ferner  eine  kleine  Cucurbitacee  (Elaterium),  deren  scharfe  stachlige  Früchte 
beim  Aufspringen  die  Samen  weit  von  sich  schleudern  und  eine  (leider  nicht 
blühende)  Mutisia  mit  weissfilzigen  Blättern;  (eine  andere  Mutisia  mit  glatten 
Blättern  auf  der  Insel  Sa.  Catharina;  die  Mutisiae  sind  meines  Wissens  die  einzigen 
Compositae  mit  rankentragenden  Blättern).  —  In  grosser  Menge  fanden  wir  hier 
Kürbisse  angepflanzt,  die  ein  hier  unentbehrliches  Winterfutter  für's  Rindvieh 
bilden;  schon  jetzt  sahen  wir  die  Viehweiden  vollständig  vertrocknet.  —  Kein 
Winter  geht  hier  ohne  Fröste  vorüber.  Weiter  unten  am  Capivary  ist  das  Kllima 
natürlich  milder  und  zum  Bau  von  Zuckerrohr  geeignet.  —  Unser  Nachtquartier 
nahmen  wir  wieder  bei  Busch  und  kehrten  Tags  darauf  (13.  Mai)  auf  demselben 
Wege,  den  wir  gekommen,  nach  dem  Stadtplatz  von  Theresopolis  zurück  und 
ruhten  hier  einen  Tag  (14.  Mai)  von  unserem  Capivary- Ausfluge  aus. 

(15.  Mai).  Nachmittags  gingen  wir,  in  Begleitung  des  Ingenieurs  Heeren, 
von  Theresepolis  nach  S.  Isabel,  ich  mit  meiner  grossen  Botanisirbüchse,  Heeren 
und  Johannes  jeder  mit  einer  dicken  rothen  Wolldecke  für  die  voraussichtlich 
kalten  Nächte  beladen.  Wir  überschritten  den  Cubatäo  auf  einer  im  Bau  befind- 
lichen Brücke,  folgten  dem  rechten  Ufer  des  Cederbaches,  den  wir  dann  durch- 
wateten, um  rechts  ab  in  das  Thal  eines  kleinen  Zuflusses  desselben  einzubiegen. 
Dieser  Bach  ist  noch  unbewohnt,  wir  gingen  also  im  Schatten  eines  schönen 
Urwaldes,  in  welchem  der  Baumfarn  mit  dem  dicken  schwarzen  Wurzelfilze  sehr 
häufig  war.  —  Auf  der  Höhe  eines  ansehnlichen  Berges  erreichten  wir  die  Grenze 
der  Colonie  S.  Isabel,  zu  deren  weit  höher  als  Theresopolis  gelegenem  Stadtplatze 
wir  in  der  Abenddämmerung  niederstiegen.  Wir  trafen  schon  auf  dem  Wege 
unseren  Freund  Reusing,  der  uns  nach  Boa  Vista  begleiten  wollte  und  uns  in 
seine  Junggesellenwirthschaft  einführte.  Den  Nachtisch  zu  unserem  Abendbrod 
bildeten  gekochte  Pinhoes  (Araucariensamen),  die  Hauptnahrung  unserer  Indianer 
und  wilden  Schweine.    Sie  mundeten  mir  vortrefflich  und  stehen  im  Geschmacke 


Excursionsberichte  aus  Südljiasilien.  -.  ,i  -. 

etwa  in  der  Mitte  zwischen  Kartoffeln  und  Kastanien.  Wir  bereiteten  dann  unser 
Lager  aus  Rohrmatten  und  einigen  schönen  Löwen-  und  Tigerfellen,  wie  sie  hier 
heissen,  d.  h.  von  Puma  und  Jaguar. 

(16.  Mai).  Am  Morgen  war  es  bitter  kalt  und  Alles  rings  mit  starkem  Reif 
bedeckt.  Ein  steiler  Weg,  mit  Steinen,  oft  von  3 — 4  Fuss  Durchmesser,  übersät, 
führte  uns  auf  den  Morro  do  Gongo;  auf  dessen  Gipfel  trafen  wir  einen  ziemlich 
kümmerlichen  Baumwuchs;  Orchideen  schienen  auf  den  Bäumen  ganz  zu  fehlen, 
statt  der  flechtenähnlichen  Tillandsia  usneoides  waren  die  Aeste  hier  dicht  mit 
wirklichen  Bartflechten  bedeckt.  Im  Gebüsch  am  Wege,  in  dem  wir  mehrere 
Myrtaceen  mit  sehr  wohlriechenden  Blättern,  leider  ohne  Blüthen  und  Früchte 
fanden,  gab  es  viele  wohlschmeckende  schwarze  Brombeeren.  (Ein  anderer  Rubus, 
auf  der  Insel  Sa.  Catharina,  hat  grüne,  ziemlich  fade  Früchte.)  Auch  trafen  wir 
hier  eine  Cucurbitacee  mit  dunkelrothen,  kugligen,  kirschenähnlichen  Früchten 
mit  sehr  bitterem  Fleisch;  und  mit  reifen  Samen  eine  (weissblühende)  12 — 15  Fuss 
hohe  einjährige  Lobelia.  Von  Morro  do  Gongo  stiegen  wir  hinab  in's  Thal  des 
Rio  das  Antas.  Dieser,  wie  die  anderen  Flüsse,  die  wir  bis  Boa  Vista  zu  über- 
schreiten hatten,  sind  Nebenflüsse  des  Tijucca's.  —  Ueber  einen  zweiten  unbe- 
deutenden Berg  kamen  wir  zu  dem  Rio  das  Capivaras,  dessen  Lauf  wir  auf  eine 
längere  Strecke  erst  auf  dem  rechten,  dann  auf  dem  linken  Ufer  (die  eine  Brücke 
verbindet),  folgten.  An  einer  Stelle  des  Flusses  wuchs  in  Menge  eine  Myrio- 
phyllum-ähnliche  und  wahrscheinlich  zu  dieser  Gattung  gehörige  Pflanze.  Soweit 
wir  ihn  begleiteten,  fliesst  der  Capivaras  langsam  durch  ein  sumpfiges  Thal  mit 
torfartigem  Boden.  Im  Sommer  muss  hier  eine  sehr  interessante  Flora  zu  finden 
sein;  jetzt  blühte  leider  gar  nichts  von  den  verschiedenen  neuen  Pflanzen,  die 
meine  Neugier  reizten.  An  manchen  Stellen  war  (wie  später  am  Taguaras)  der 
Wald  fast  ausschliesslich  gebildet  von  einer  Mimosa  (oder  doch  Mimosee)  mit 
schlankem  weissem  Stamm  und  kleiner  luftiger  Krone  aus  zarten  doppeltgefiederten 
Blättern.  Araucarien  waren  hier  stellenweise  sehr  häufig.  Wir  rasteten  eine  Zeit- 
lang und  labten  uns  an  frischem  Maisbrod  und  Lages-Käse  im  Hause  eines 
früheren  Itajahybewohners ,  dessen  dortiges  Land  ich  vor  einigen  Jahren  mit 
August  ^)  zusammen  kaufte.  —  Mit  neuen  Kräften  machten  wir  uns  an  die  Er- 
steigung des  Morro  chato  („flacher  Berg"),  der  allmälig  anstieg,  aber  dafür  stunden- 
lang sich  hinzog.  Hier  (wie  auch  vor-  und  nachher)  trafen  wir  am  Wege  mehrere 
freie  Plätze,  auf  denen  zahlreiche  Pfähle  in  die  Erde  geschlagen  waren,  und  in 
der  Nähe  gewöhnlich  Feuerstellen.  Es  sind  Plätze,  an  denen  die  Tropeiros  über- 
nachten ;  die  Pfähle  dienen  zum  Anbinden  der  Maulthiere.  —  Uns  begegnete  hier 
ein  grosser  Trupp  Rindvieh,  dessen  Treiber  grossentheils  von  ziemlich  reinem 
Indianerblut  zu  sein  schienen.  Wir  mussten  in  dorniges  Gebüsch  an  einem  steilen 
Bergabhang  uns  hinaufflüchten ;  über  meinen  Begleitern,  hinter  denen  ich  botani- 
sirend  etwas  zurückgeblieben  war,  erschien  da  plötzlich  ein  gewaltiger  Ochse,  der 
vom  Wege  abgekommen  war;  das  Abenteuer  ging  zum  Glück  ohne  andere  Folgen 
vorüber,  als  das  Heerens  Rock  in  den  Dornen  jämmerlich  zerfetzt  wurde  und  wir 
andern  mehr  oder  weniger  blutige  Hände  davon  trugen.  —  Von  Morro  chato  aus 
erblickten  wir  auch  zum  ersten  Male  das  Ziel  unseres  Ausflugs,    das  Campo  von 

i)  ein  Verwandter. 


■lA,  Excursionsberichte  aus  Südbrasilien. 

Boa  Vista:  die  wellenförmigen  Umrisse  der  Berge,  die  sonst  rings  den  Gesichts- 
kreis begrenzten,  waren  auf  eine  Strecke  unterbrochen  durch  eine  gerade  wage- 
rechte Linie,  die  links  mit  einem  senkrechten  Absturz  endete,  und  auch  durch 
ihre  gelbliche  Farbe  von  dem  dunkeln  Urwalde  sich  abhob.  —  Steil  führte  der 
Weg  hinab  in  das  schmale  Thal  des  Rio  bonito  und  eben  so  steil  auf  der  anderen 
Seite  in  die  Höhe.  Bei  nassem  Wetter  muss  der  rothe  Thon  dieses  Weges  glatt 
sein  wie  Seife,  und  man  begreift  kaum,  wie  er  dann  zu  passiren  ist.  Ein  letzter 
Berg  trennte  uns  noch  von  unserem  heutigen  Reiseziele,  dem  Rio  das  Taguaras, 
an  dessen  rechtem  Ufer  wir  noch  eine  Strecke  aufwärts  gingen  bis  zu  einem  der 
letzten  Bewohner,  einem  früheren  Gastwirth  aus  der  Gegend  von  Essen,  der  hier 
einen  kleinen  Kramladen  hat  und  Reisende  beherbergt. 

Der  ganze  Strich,  den  wir  an  diesem  Tage  durchwandert,  gehört  zum 
Gebiete  der  Colonie  S.  Isabel;  die  Ansiedlungen  liegen  ziemlich  zerstreut;  viele 
früher  bewohnte  Stellen  sind  jetzt  verlassen  und  in  der  That  ist  das  ungemein 
bergige,  oft  steinige  und  unfruchtbare  Land  mit  seinen  Winterfrösten  nichts 
weniger,  als  einladend  für  einen  Landmann. 

In  unserem  Wirthe  fand  ich  einen  alten  Bekannten,  der  bei  seiner  Ankunft 
vor  8  bis  lo  Jahren  seinen  ersten  Kaffee  in  Brasilien  in  meinem  Hause  getrunken 
hatte.  —  Den  Abend  verplauderten  wir,  um  das  Feuer  in  der  Küche  sitzend,  bei 
einem  Glas  Grog.  —  Während  des  Abends  begann  der  Himmel  sich  zu  umwölken, 
eine  Veränderung,  die  wir  mit  getheilten  Gefühlen  betrachteten:  sie  war  uns 
angenehm,  weil  ohne  sie  die  Nacht  jedenfalls  noch  kälter  geworden  wäre,  als 
die  letzte  in  Isabel,  —  aber  unlieb,  weil  sie  uns  die  Aussicht  von  Boa  Vista  zu 
verderben  drohte. 

(17.  Mai).  Wir  folgten  zunächst,  langsam  aufsteigend,  und  nach  einiger 
Zeit  vom  rechten  zum  linken  Ufer  watend,  dem  Rio  das  Taguaras  und  gelangten 
nach  kaum  einer  Stunde  an  den  Fuss  des  Berges  von  Boa  Vista.  Hier  begann 
ein  etwas  mühsames  Steigen.  Zunächst  einige  Stellen  mit  den  bekannten  Treppen, 
bei  denen  die  Maulthiere  die  Schlammkessel  so  tief  ausgetreten  hatten,  dass  sie 
über  die  zwischenliegenden  Stufen  mit  ihrem  Bauche  hinschleifen  mussten.  Dann 
ging  es  steil  hinauf  auf  steinigem  von  den  zahlreichen  Viehtruppen  ausgetretenem 
Wege.  Oft  hielten  uns  Brombeergebüsche  auf,  nicht  durch  ihre  Dornen,  sondern 
durch  die  Fülle  ihrer  Früchte.  Dazwischen  blühten  Fuchsien  und  die  prachtvolle 
strauchartige  Melastomacee  Pleroma.  Ihre  ziemlich  grossen  Blüthen  sind  beim 
Aufblühen  schneeweiss  und  färben  sich  allmälig  dunkelpurpurroth ;  —  gleichzeitig 
schmücken  den  Strauch  die  Blüthen  mit  Weiss,  Rosa  und  dunklem  Purpur.  — 
Auf  mehr  als  halber  Höhe  betraten  wir  eine  breite  ziemlich  ebene  Vorstufe. 
Niedrige  Bäume,  jetzt  meist  fast  blattlos,  aber  dicht  behangen  mit  weisslichen 
Früchten,  da  und  dort  hoch  überragt  von  einzelnen  Araucarien,  und  Gebüsch,  das 
namentlich  aus  mannigfachen  Strauch-  und  baumartigen  Compositae  gebildet  war. 
In  einer  kleinen  Senkung  war  eine  mit  Sphagnum  bewachsene  Sumpfstelle,  in 
der  in  Menge  Xyris  und  Eriocaulon  wuchsen  (beides  von  den  auf  Sa.  Catharina 
wachsenden  verschiedene  Arten).  —  Es  begegnete  uns  hier  eine  zahlreiche  Rinder- 
heerde  und  kurz  darauf  hörten  wir  nahe  vor  uns  einen  lauten  Schrei,  den  zunächst 
wohl  keiner  von  uns  weiter  beachtete.  Als  wir  aber  bald  nach  einer  Biegung 
des  Weges  denselben  weithin  überbhcken  konnten,   und  keinen  Menschen  darauf 


Excuisionsberichte  aus  Südbrasilien.  i^r 

gewahrten,  zerbrachen  wir  uns  die  Köpfe  über  den  Schrei.  „Vielleicht  ein  Bugre 
(Indianer)?  Dort  links  unten  ist  ein  grosses  Pinheiral  (Araucarienwald),  in  dem 
sie  wohl  jetzt  zur  Zeit  der  Pinhoes  sich  herumtreiben  mögen."  —  „Nun  dann 
können  wir  uns  auf  einen  Pfeil  aus  dem  Walde  gefasst  halten."  —  Reusig  revi- 
dirte  seinen  Revolver  und  vorsichtig  um  uns  blickend  schritten  wir  weiter.  —  Als 
wir  den  letzten  steilen  Absatz  zum  Campo  hinaufstiegen,  löste  sich  das  Räthsel. 
Ein  Neger  kam  dahergesprengt,  einen  Ochsen  vor  sich  hertreibend.  Nach  der 
ersten  Begrüssung  fragten  wir  ihn:  „Vosse  gritou?"  (Haben  Sie  geschrieen?)  — 
„Sim  Senhores"  und  er  erzählte  uns,  dass  er  einem  von  jener  Herde  zurückgelaufenen 
Ochsen  nachgesprengt  und  dabei  jenen  Schrei  ausgestossen ;  ehe  wir  an  die  Biegung 
des  Weges  gekommen,  war  er  rasch  dahinjagend  uns  schon  aus  dem  Gesichte 
gewesen.  —  Wo  möglich  noch  steiler,  als  zu  der  Vorstufe,  führte  der  Weg  hinauf 
auf  den  Campo.  Vielleicht  ein  zwanzig  Fuss  unter  dem  Scheitel  des  Berges  tritt 
Sandstein  an  die  Stelle  des  Thonschiefers,  der  uns  bisher  begleitet  hatte.  —  Als 
wir  den  Scheitel  des  Berges  betraten,  hatten  wir  vor  uns  eine  weite,  fast  ebene 
Grasfläche  von  vielleicht  2  Quadratmeilen,  hie  und  da  unterbrochen  von  kleinen, 
niedrigen  Wäldchen,  sogenannte  Capäos.  Die  Waldlosigkeit  des  Campo  von 
Boa  Vista  ist  jedenfalls  nicht  eine  Folge  seiner  hohen  Lage;  denn  westwärts 
sieht  man  gar  manche  höhere  wohlbewaldete  Berge,  und  bedeutend  tiefer  als 
Boa  Vista  liegt  in  der  Nähe  ein  kleineres  Campo,  das  von  Invernadinha.  Viel- 
leicht trägt  wohl  die  Bodenbeschaffenheit  daran  Schuld,  dass  keine  Bäume  gedeihen. 
Die  fast  wagrechten  Sandsteinschichten,  die  hie  und  da  ganz  nackt  zu  Tage  treten, 
sind  von  einer  dünnen  Erdschichte  bedeckt.  Der  Pflanzenwuchs  hatte  ein  ganz 
eigenthümliches  Gepräge.  Die  Gräser  hart  und  schmalblätrig,  die  übrigen  allesamt 
niedrige  Pflanzen  mit  kleinen  dichtstehenden  Blättern.  Einige  Sumpfstellen  mit 
Sphagnum  und  Lycopodium.  In  Blüthe  fanden  wir  leider  fast  nichts;  kaum  eine 
Polygala  vom  Habitus  der  deutschen  Arten  mit  lebhaft  dunkelblauen  Blüthen  und 
eine  kleine  Lobelia;  von  einer  wohlriechenden  Labiate  sammelte  ich  Samen  und 
ebenso  von  zwei  kaum  spannenhohen  Sträuchern  aus  der  Familie  der  Ericeen, 
einer  Gaylussacia  mit  kleinen  gelblichweissen  Beeren  und  (wahrscheinlich)  einer 
Andromeda.  Sonst  kenne  ich  von  Ericeen  hier  nur  ein  Vaccinium  in  der  Nähe 
der  Küste,  das  ziemlich  hoch  wird,  schöne  rothe  Blüthen  und  blaue  den  Heidel- 
beeren ähnlich  schmeckende  Früchte  („Comarinhas")  trägt.  —  Wir  lagerten  uns 
am  Rande  eines  Capäo's,  nachdem  wir,  um  vor  Schlangen  sicher  zu  sein,  die 
Pflanzen  um  uns  her  mit  dem  Waldmesser  weggeputzt  hatten,  und  verzehrten 
unser  Frühstück  aus  Maisbrod  und  Lageskäse.  Während  Reusing  und  Johannes 
sich  noch  im  Grase  ruhten,  durchstreifte  ich  mit  Heeren  den  Capäo;  die  niedrigen 
knorrigen  Bäume  waren  meist  Myrtaceen  (wahrscheinlich  Eugenia).  Sie  v/aren 
bedeckt  mit  Flechten  und  Moosen;  doch  fehlten  auch  Orchideen  nicht,  und  ich 
fand  darunter  eine  mir  neue  Art  (dem  Ansehen  nach  vielleicht  ein  Oncidium 
oder  eine  Gomezia).  —  Der  Boden  war  zum  grössten  Theile  dicht  bedeckt  mit 
stachligen  Bromeliaceen. 

Wir  streiften  dann  noch  einige  Stunden  auf  dem  Campo  umher,  um  uns 
der  Aussicht  zu  erfreuen ;  denn  wirklich  verdient  der  Campo  seinen  Namen  Boa 
Vista  („schöne  Aussicht")  in  vollem  Maasse  und  der  Himmel  hatte  sich  gegen 
Mittag    so   weit   aufgehellt,    dass   wir    fast   nach   allen    Seiten   uns   ihrer   erfreuen 


34^ 


Excursionsberichte  aus  Südbrasilien. 


konnten.  Im  Westen  der  steile  zackige  Kamm  der  Serra,  durch  die  der  Weg 
nach  dem  Hochlande  aufsteigt,  fern  im  Norden  der  Morro  bahü  am  Luiz  Alves 
im  Gebiete  des  untern  Itajahy,  dessen  Ouellgebiet  eine  Tagereise  von  uns  nach 
Westen  lag ;  hier  liegt  an  seinen  Ufern  am  Wege  nach  Lages  die  Militär-Colonie 
Santa  Theresa.  Rings  um  uns  ein  Gewirr  dunkel  bewaldeter  Berge  und  Thäler, 
aus  denen  nirgends  eine  Spur  menschlicher  Ansiedelungen  hervorblickte.  Das 
Meer,  das  von  einigen  Stellen  aus  bei  hellem  Himmel  zu  sehen  sein  soll,  sahen 
wir  nicht;  wohl  aber  meinten  wir  die  Berge  der  Insel  Sa.  Catharina  zu  unter- 
scheiden. —  Der  Berg  von  Boa  Vista  soll  völlig  isoliert  sein  und  ringsum  gleich 
steil  in  die  umliegenden  Thäler  abfallen.  —  Wir  kehrten  von  Boa  Vista  wieder 
in  unser  voriges  Nachtquartier  zurück,  das  wir  gegen  4  Uhr  erreichten. 

(18,  Mai).  Auf  unserem  Rückweg  nach  Theresopolis  folgten  wir  bis  zum 
Capivaras  der  Lageaner  Strasse,  auf  der  wir  gekommen  waren.  Das  Wasser  des 
Rio  bonito,  den  wir  am  Morgen  zu  durchwaten  hatten,  war  so  eisig  kalt,  dass  es 
mir  mehrstündigen  Kopfschmerz,  Heeren  einen  tüchtigen  Schnupfen  verursachte. 
—  Im  Thale  des  Capivaras  verliessen  wir  die  Strasse  und  wandten  uns  rechts, 
um  einem  Pfade  (einer  sog.  „Picade")  durch  den  Wald  zu  folgen.  Der  schmale 
Pfad  war  vielleicht  seit  Jahren  nicht  betreten  und  so  verwachsen,  dass  wir  ihn 
ohne  Reusing  und  Heeren  sicher  bald  verloren  hätten.  Wir  überschritten  den 
Capivaras  auf  einem  darüber  gefällten  Baumstamme  und  gelangten  bald  in  die 
Nähe  des  unter  uns  im  Thale  rauschenden  Rio  das  Antas.  Der  Wald  war  fast 
ohne  Unterholz ;  ausser  hohen  nicht  sehr  dicht  stehenden  Bäumen  und  dem  sehr 
häufigen  Filzfarn  war  der  Boden  fast  ausschliesslich  mit  hohem  Rohr  bedeckt.  — 
Wir  fanden  hier  eine  prachtvolle  Fruchtdolde  einer  Bomarea  (d.  h.  rankenden 
Alströmeria) ;  eine  Dolde  mit  über  30  spannenlangen  Strahlen  und  am  Ende  eines 
jeden  eine  Frucht,  die  nach  dem  Aufspringen  ihrer  drei  Klappen  ein  zierlich 
gestaltetes  Körbchen  bildet,  gefüllt  mit  kugelrunden  schönrothen  Samen.  Diese 
schönen  Früchte  lernte  ich  erst  auf  dieser  Reise  kennen  (zuerst  am  Capivary), 
während  ich  die  Pflanze  auf  Sa.  Catharina  häufig  blühend  getroffen  hatte.  So 
brachte  mir  diese  Reise  wieder  4  Pflanzen,  deren  lebhaft  gefärbte  Samen  nach 
dem  Aufspringen  der  Frucht  nicht  ausfallen,  und  ich  kenne  nun  schon  mehr  als 
20  Familien,  in  denen  solche  Pflanzen  vorkommen  (ausser  2 — 3  unbestimmten 
Familien  die  Commelynaceen,  Amarantaceen,  Apocyneen,  Verbenaceen  ?,  Magnolia- 
ceen,  Dilleniaceen,  Capparideen,  Samydeen,  Bixaceen,  Cucurbitaceen,  Marcgravia- 
ceen,  Meliaceen,  Sapindaceen,  Celastrineen  (Evonymus  europaeus),  Papilionaceen 
und  Mimoseen).  —  Dem  Rio  das  Antas  folgten  wir  bis  in  die  Nähe  des  Quell- 
bezirks des  Michelsbachs,  durchwateten  ihn  dann  und  erreichten  bald,  oben  am 
Michelsbach,  die  ersten  Ansiedler  von  Theresopolis.  Bald  kamen  wir  nun  auch, 
am  Michelsbach  niedersteigend,  auf  einen  vortrefflich  nivellirten  glatten  Weg,  auf 
dem  wir  uns  ordentlich  von  unserem  Auf-  und  Niederklettern  auf  holprigen  Wegen 
erholten  und  gemächlich  dem  Stadtplatze  zuschlenderten.  Mit  der  Abenddämme- 
rung langten  wir  hier  an.  An  einem  Theile  des  Michelsbachs  (und  ebenso  des 
Cederbachs)  ist  das  Thal  breiter  und  die  Berge  steigen  sanfter  an  und  haben 
besseren  Boden,  als  sonst  am  oberen  Cubatäo  und  seinen  Zuflüssen.  An  diesen 
günstiger  gelegenen  Stellen  sind  auch  die  Ansiedler  recht  gut  vorwärts  gekommen. 


Excursionsberichte  aus  Südbrasilien. 


347 


Am  Michelsbach  und  Cederbach  wächst  in  grosser  Menge  eine  stattliche  manns- 
hohe Cleome  mit  grossen  eigenthümlich  gestalteten  Blüthen  und  langen  sehr 
samenreichen  Schoten,  die  ich  nirgends  sonst  getroffen  habe  ^). 

(19.  Mai).  Wir  hatten  unsere  Abreise  von  Theresopolis  auf  den  nächsten 
Morgen  festgesetzt.  Aber  bei  schwachem  Ostwind  begann  es  am  Abend  zu 
regnen,  und  da  solcher  Regen  nicht  rasch  vorüberzugehen  pflegt,  verschoben  wir 
sie  um  einen  Tag. 

(20.  Mai).  In  der  That  hätte  uns  der  nächste  Tag  kein  besonders  Reise- 
wetter geboten,  da  es  fast  ununterbrochen  nässelte  und  regnete. 

(21.  Mai).  Viel  besser  sah  es  freilich  auch  am  folgenden  Himmelfahrts- 
morgen nicht  aus.  Doch  trieb  uns  die  Sehnsucht  nach  den  Unsern  fort.  Die 
Wege,  namentlich  die  steilen  thonigen  Bergwege,  waren  durch  den  Regen  ab- 
scheulich geworden.  Dabei  fing  es  bald  wieder  an  zu  nässein  und  von  Zeit  zu 
Zeit  stärker  zu  regnen.  —  Gegen  Mittag  endlich  (wir  waren  zum  Glück  unter 
Dach  und  Fach,  unser  Mittagbrod  im  Hause  des  Schusters  Müller  in  S.  Amaro 
verzehrend)  ergoss  sich  ein  förmlicher  Platzregen,  den  ein  Wirbelsturm  der  Reihe 
nach  gegen  alle  Seiten  des  Hauses  trieb.  Damit  hatte  indess  auch  der  Regen 
ein  Ende,  und  bald  erschien  im  Westen  ein  schmales  Streifchen  blauen  Himmels, 
das  sich  langsam  ausdehnte;  die  dicke  graue  Wolkendecke  zog  sich  mehr  und 
mehr  zurück  und  nach  einigen  Stunden  hatten  wir  wolkenlosen  Himmel  über 
uns.  —  Wir  gingen  bis  zu  unserem  früheren  Nachtquartier  bei  Hard. 

{22.  Mai).  Von  Hard  nach  Desterro,  wo  wir  bis  zum  25.  Mai  blieben  und 
einige  Ausflüge  in  die  nächste  Umgebung  machten,  um  einige  hier  fehlende 
Orchideen  für  meinen  Garten  zu  sammeln. 

{25.  Mai).     Von  Desterro  nach  Tijuquinhas. 

(27.  Mai).  Von  Tijuquinhas  nach  Tijuccas.  In  der  Nähe  von  Morretes  trafen 
wir  einen  Baum  (eine  Sapotacee),  dessen  Früchte  kleinen  Orangen  einigermassen 
ähnlich  sahen  und  uns  auch  von  Brasilianern  Laranjos  do  mato  („wilde  Orangen") 
genannt  wurden.  Sie  hatten  ein  süsses,  recht  angenehm  schmeckendes  Fleisch, 
dessen  freilich  wegen  der  grossen  Kerne  nicht  eben  viel  war. 

(28.  Mai).  Von  Tijuccas  nach  Cambriü.  —  An  dem  Strande  von  Porto  hello 
trafen  wir  tiefe  Ebbe,  so  dass  wir  den  Pereque  bequem  durchwaten  konnten. 
Früher  trug  der  Pereque  eine  Brücke,  die  aber  vor  etwa  10  Jahren  ein  Hoch- 
wasser weggeführt  hat.  Dann  konnte  man  jahrelang  den  Weg  nur  zur  Ebbezeit 
passieren ;  ich  selbst  habe  einmal  einen  halben  Tag  bei  Porto  hello  liegen  müssen 
und  musste  dann  bis  an  den  Hals  in's  Wasser.  Erst  nachdem  mehrere  Menschen 
im  Pereque  ihren  Tod  gefunden,  hat  man  einen  Fährmann  angestellt.  —  In  dem 
jetzt  vom  Wasser  entblössten  Sande  war  eine  kleine  Scutella  mit  fünf  Löchern 
sehr  häufig;  sie  hält  sich  dicht  unter  der  Oberfläche  auf  und  ihre  Anwesenheit 
verrät  sich  durch  fünf  kleine,  den  Löchern  entsprechende  Vertiefungen  im  Sande. 
—  Vom  Morro  do  Boi  nahmen  wir  unser  jetzt  blühendes  und  mit  langen  „antennae" 


I)  Nach   der   mitgeteilten  Bleistiftskizze  Cleome  gigantea  Linn.,    die  übrigens  stellenweise  durch  ganz 
Brasilien,  von  Rio  Grande  do  Sul  bis  in  das  Amazonasgebiet  vorkommt.  Redact. 


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Excursionsberichte  aus  Südbrasilien. 


versehenes  Catasetum  mit  uns.  —  Wir  fanden  Nachtquartier  in  einer  äusserst 
schmutzigen  Venda  hart  am  Flussufer  des  Cambriü,  die  uns  aber  wenigstens  eine 
vortreffliche  Tainha  (Seefisch)  zum  Abendbrot  lieferte. 

(2g.  Mai).  Von  Cambru  bis  zum  kleinen  Itajah)^  wo  wir  wegen  Regen- 
wetter am  30.  Mai  liegen  bleiben  mussten. 

(31.  Mai).  Vom  kleinen  Itajahy  bis  zum  Gaspar.  Wir  trafen  am  Wege 
eine  Sapotacee  mit  noch  wohlschmeckenderen  birnförmigen  Früchten. 

(i.  Juni).  Nachts  regnete  es  und  bei  Nässein  und  trübem  Wetter  legten 
wir  die  letzten  Stunden  nach  unserer  Heimath  zurück. 


Ueber  einige  Befruchtungserscheinungen  ^). 

Aus  einem  Briefe  an   F.  H  i  1  d  e  b  r  a  n  d. 

Eschscholtzia  californica  hat  sich  in  meinem  Garten  (Itajahy  bei  St.  Catharina) 
während    mehrerer  Jahre    vollständig   unfruchtbar    mit   eigenem    Pollen    gezeigt; 
dasselbe  war  auch  dies  Jahr  wieder  der  Fall.   Ich  hatte  schon  vor  ein  paar  Jahren 
diese  Beobachtung  Darwin  mitgetheilt,  der  dann  auch  darauf  achtete,  aber  seine 
Eschscholtzia   fruchtbar   mit   eigenem    Pollen   fand.     Auf   meinen  Wunsch   erhielt 
ich   von  ihm  Samen   seiner  Pflanzen.     Leider  sind  in  Folge  des  unmässig  nassen 
Wetters,  dem  im  November  eine  ebenso  ungewöhnliche  Hitze  folgte,  mehrere  der 
Sämlinge  ganz  zu  Grunde  gegangen,  und  die  anderen  haben  mehr  oder  weniger 
gekränkelt;   meine  Pflanzen   hingegen,    die   seit   etwa    6  Generationen  hier  leben, 
haben    viel   weniger   gelitten,    und   nicht    eine  ist    vor   dem  Blühen  eingegangen. 
Auch  während  der  Blüthe  war  bald  glühende  Sonnenhitze,  bald  schwerer  Gewitter- 
regen   den  Versuchen    ungünstig;    doch   stellte   sich  soviel  heraus,   dass  diese  aus 
dem    von  Darwin    erhaltenen  Samen   gezogenen  Pflanzen    zwar   nicht  ganz  un- 
fruchtbar, aber  doch  viel  weniger  fruchtbar  waren  nach  Bestäubung  mit  eigenem 
Pollen.     Die  Versuche  an  einer  dieser  Pflanzen  waren  folgende: 
I.  Octbr.  23.   {3V2  Uhr  Nachm.)    Eine  am  Morgen  geöffnete  Blüthe  mit  eigenem 
Pollen  bestäubt. 
Octbr.    24.    Narben  verwelkt  (würden  bei  meiner  Pflanze  frisch  geblieben  sein). 
Novbr.  15.    Der  Fruchtknoten,  bis  zu  1 2  mm  herangewachsen,  beginnt  zu  welken. 
II.  Novbr.    3.     Eine  Blüthe  a  mit  Pollen  einer  anderen  Blüthe  desselben  Stockes 
bestäubt;  eine  andere,  6,  mit  Pollen  einer  anderen  Pflanze. 
Novbr.    5.     Narben  von  a  ausgebreitet,  frisch;  von  b  aufgerichtet,  welkend. 
Novbr,    g.      Fruchtknoten  von  a  \z  mm,  von  b  26  mm  lang. 
Novbr.   II.     Fruchtknoten  von  a  19  mm,  von  b  47  mm  lang. 
Novbr.  15.     Fruchtknoten  von  a  30  mm,  von  b  56  mm  lang. 
Novbr.  18.     Fruchtknoten  ebenso. 

Novbr.  30.     Früchte  reif;  a  enthält  10  Samen,  wovon  4  sehr  klein;  b  enthält 
59  Samen. 
III.  Novbr.  g.     Zwei  Blumen,  a  und  b,  ähnlich  wie  bei  Versuch  IL  bestäubt. 

Novbr.   10.     Narben  von   a  frisch;  etwas   aufgerichtet;  von  b  welk,  ganz  auf- 
gerichtet. 


i)  Botanische  Zeitung.   1869.  Bd.   27.  p.   224 — 226. 


ocQ  Ueber  einige  Befruchtungserscheinungen. 

Novbr.   (5.     Fruchtknoten  von  a   11   mm,  von  b   18  mm  lang. 

Novbr.   18.     Fruchtknoten  von  a   12  mm,   von  b  49  mm  lang. 

Novbr.  22.     Ebenso. 

Die  Frucht  a  verwelkte  vor  der  Reife,  die  Frucht  b  lieferte  am  4.  De- 
cember  45  Samen. 
Von  einer  anderen  Pflanze  habe  ich  einmal  nach  Bestäubung  mit  Pollen 
desselben  Stockes  eine  56  mm  lange  Frucht  erhalten,  die  aber  die  für  ihre  Länge 
unbedeutende  Zahl  von  24  Samen  enthielt.  —  Die  Pflanzen  scheinen  durch  ihren 
Anbau  in  einem  neuen  Klima  w^eit  unfruchtbarer  mit  eigenem  Pollen  geworden 
zu  sein,  als  sie  bei  Darwin  waren,  der,  wenn  ich  mich  recht  erinnere,  über  70% 
des  normalen  Samenertrages  von  selbstbestäubten  Pflanzen  erhielt. 

Vor  Kurzem  blühte  in  meinem  Garten  eine  einzelne  Scorzonera-Pflanze,  und 
zwar  sehr  reichlich,  ohne  aber  auch  nur  einen  guten  Samen  zu  bringen ;  ich  habe 
mehrere  junge  Pflanzen,  und  bin  neugierig,  zu  erfahren,  ob  auch  diese  unfrucht- 
bar sein  werden,  ob  also  die  Unfruchtbarkeit  Folge  des  Klima's  oder  der  Be- 
stäubung mit  eigenem  Pollen  war. 

Auf  der  Insel  Santa  Catharina  ist  eine  Art  von  Epidendrum  nicht  selten, 
bei  welcher  3  Antheren  fruchtbar  entwickelt  sind;  die  beiden  seitlichen  dienen 
der  Selbstbefruchtung,  die  mittlere  kann,  wie  bei  anderen  Epidendrum-Arten,  nur 
durch  Insekten  entfernt  werden,  was  indess  ausserordentlich  selten  zu  geschehen 
scheint.  Hier  am  Itajahy  kommt  nur  ein  Epidendrum  vor,  welches  jener  triand- 
rischen  Art  so  ähnlich  ist,  dass  man  es  kaum  für  mehr  als  eine  Varietät  halten 
möchte,  und  dieses  Epidendrum  ist  monandrisch.  Die  triandrische  Art  oder  Varietät 
ist  fast  geruchlos,  die  monandrische  hat  einen  sehr  starken  würzigen  Geruch.  — 
Das  gelegentliche  Auftreten  der  in  der  Regel  fehlenden  seitlichen  Antheren  ist 
ja  auch  bei  anderen  Orchideen  beobachtet  worden,  dass  es  bei  der  Art  von  Sta. 
Catharina  durch  natürliche  Züchtung  wieder  zur  bleibenden  Eigenthümlichkeit 
geworden  ist,  mag  seinen  Grund  darin  haben,  dass  die  Art  wenig  oder  nicht  von 
Insekten  besucht  wurde,  und  dass  es  ihr  deshalb  vortheilhafter  war,  sich  selbst 
befruchten  zu  können.  Immerhin  ist  es  höchst  merkwürdig,  bei  zwei  sonst  fast 
ununterscheidbar  ähnlichen  Formen  eine  Verschiedenheit  in  der  Zahl  der  An- 
theren anzutreffen,  da  ja  deren  Zahl  zur  Scheidung  der  beiden  Hauptgruppen  der 
Familie  dient. 

Ueber  den  Dimorphismus  einer  Rubiacee,  einer  Art  von  Faramea,  verspricht 
Fritz  Müller  einen  eingehenderen  Aufsatz;  auch  hat  er  ein  zur  noch  nicht 
genau  bekannten  Gattung  Streptochaeta  Nees  gehöriges  Gras  gefunden,  dessen 
Beschreibung  sehr  wünschenswerth. 


Ueber  eine  dimorphe  Faramea^). 

Unter  den  zahlreichen  dimorphen  Rubiaceen  ist  in  mehrfacher  Beziehung 
besonders  bemerkenswerth  ein  kleiner  Baum,  der  an  manchen  Stellen  am  Itajahy, 
z.  B.  in  meinem  eigenen  Walde,  ziemhch  häufig  wächst  und  im  Frühling  (October, 
November)  sich  mit  grossen,  schneeweissen  Blüthenrispen  schmückt.  Weiss  sind 
nicht  nur  die  Blumenkronen,  sondern  ebenso  die  Kelche,  Fruchtknoten,  Deck- 
blättchen und  die  Aeste  der  Rispe.  Der  Baum  wurde  mir  in  Kew  als  Faramea 
bestimmt. 

Zunächst  fällt  die  ungewöhnlich  grosse  Verschiedenheit  in  der  Länge  der 
Griffel  und  Staubfäden  in  die  Augen.  In  der  langgriffiigen  Form  ist  (nach 
Messungen  an  12  Blüthen  von  5  verschiedenen  Bäumen)  der  Griffel  26  bis  37, 
im  Durchschnitt  32  mm,  in  der  kurzgriff Hgen  Form  (nach  Messungen  an  12  Blüthen 
von  3  verschiedenen  Bäumen)  14  bis  17,  im  Durchschnitt  15,7  mm  lang,  —  Die 
langen  Griffel  überragen  die  Blumenröhre  um  7  bis  14,  durchschnitthch  um 
11,3  mm,  die  kurzen  sind  in  der  Blumenröhre  eingeschlossen.  —  Die  Staubbeutel 
der  langgriffiigen  Form  sind  in  der  Blumenröhre  eingeschlossen,  fast  sitzend,  und 
stehen  12  bis  19,  im  Durchschnitt  15,2  mm  über  dem  Fruchtknoten,  also  in  gleicher 
Höhe  mit  den  Narben  der  kurzgriffligen  Form.  In  der  kurzgriffligen  Form  da- 
gegen werden  die  Staubbeutel  16  bis  20,  im  Durchschnitt  18,1  mm  lang,  von  den 
Staubfäden  weit  über  die  Blumenröhre  emporgehoben,  und  stehen  31  bis  37,  im 
Durchschnitt  34,4  mm  über  dem  Fruchtknoten,  also  etwa  in  gleicher  Höhe  mit 
den  Narben  der  langgriffiigen  Form. 

Zu  dieser  auffallenden  Längenverschiedenheit  der  Griffel  gesellt  sich  eine 
sehr  abweichende  Gestalt  der  Narben ;  die  langen  Griffel  theilen  sich  in  zwei 
ziemlich  kurze  und  breite,  die  kurzen  in  zwei  lange,  schlanke,  bisweilen  vielfach 
gewundene  Narben. 

Die  Staubbeutel  der  kurzgriffligen  Form  sind  ein  wenig  grösser  als  die  der 
langgriffiigen.  Die  Farbe  der  Staubbeutel  und  des  Blüthenstaubes  ist  kaum  ver- 
schieden, sehr  verschieden  dagegen  die  Grösse  der  Blüthenstaubkörner,  die  in  der 
kurzgriffligen  Form  etwa  1/12,  in  der  langgriffiigen  nur  etwa  Vis  rn^n  Durchmesser 
haben.  Es  bestätigt  sich  also  auch  in  diesem  Falle  das  Gesetz,  dass  bei  dimorphen 
und  trimorphen  Pflanzen  mit  ungleich  grossen  Blüthenstaubkörnern  die  grösseren 

i)  Botanische  Zeitung.   1869.  Bd.  27.  Sp.  606—611. 


-,£2  Uebei   eine  dimorphe  Faramea. 

Körner  in  den  höher  stehenden  Staubbeuteln  sich  finden,  —  ein  Gesetz,  das  wir 
für  jetzt  als  Thatsache  hinnehmen  müssen,  ohne  es  befriedigend  erklären  zu  können. 

Während  verschiedene  Grösse  der  Blüthenstaubkörner  bei  dimorphen  und 
trimorphen  Pflanzen  sehr  gewöhnlich  ist,  bietet  Faramea  meines  Wissens  das  erste 
Beispiel  einer  verschiedenen  Beschaffenheit  ihrer  Oberfläche;  die  kleineren  Blüthen- 
staubkörner der  langgriffligen  Form  sind  glatt,  die  grösseren  der  kuszgriffligen 
Form  ziemlich  dicht  mit  kurzen  Spitzen  besetzt,  wie  diejenigen  vieler  Winden 
und  Malvaceen.  In  Folge  dieser  Oberflächenbildung  fällt  der  Blüthenstaub  der 
kurzgriffligen  Pflanzen  weniger  leicht  aus  den  Staubbeuteln  heraus  (wie  man  sieht, 
wenn  man  die  Staubbeutel  auf  ein  Glastäfelchen  tupft),  haftet  dagegen  leichter  z.  B. 
an  den  Haaren  eines  Pinsels.  Beides  ist  von  offenbarem  Nutzen  für  die  Pflanze; 
der  Blüthenstaub  der  weit  vorstehenden  Staubbeutel  wird  weniger  leicht  vom 
Winde  verweht  werden,  dagegen  leichter  an  dem  haarigen  Leibe  besuchender 
Kerfe  haften,  welche  jedenfalls  diese  Staubbeutel  nur  leise  berühren.  Die  Staub- 
beutel der  langgriffligen  Pflanzen  sind  in  der  Blumenröhre  eingeschlossen,  und 
dadurch  ihre  glatten,  leicht  herausfallenden  Blüthenstaubkörner  vor  dem  Winde 
geschützt,  und  besuchende  Kerfe  werden  mit  ihren  in  die  enge  Blumenröhre  ein- 
geführten Saugwerkzeugen  derb  an  diesen  Staubbeuteln  hin-  imd  herstreichen 
müssen. 

In  jüngeren  Knospen  sind  die  Staubbeutel  bei  beiden  Formen  von  Faramea, 
wie  bei  anderen  Rubiaceen,  nach  innen  gekehrt;  sie  bleiben  so  und  springen 
nach  innen  auf  bei  der  langgriffligen  Form ;  bei  der  kurzgriffligen  Form  dagegen 
findet  man  schon  vor  dem  Aufblühen  die  Staubbeutel,  in  Folge  einer  Drehung 
der  Staubfäden  um  ihre  Achse,  mehr  oder  weniger  nach  aussen  gekehrt.  An 
den  ersten  Blüthenständen,  die  ich  untersuchte,  waren  bei  der  Mehrzahl  der  Blüthen 
sämmthche  Staubbeutel  vollständig  nach  aussen  gedreht.  Dies  ist  jedoch,  wie  ich 
später  fand,  keineswegs  der  gewöhnlichere  Fall,  und  galt  nicht  einmal  für  alle 
Blüthenstände  jenes  ersten  Baumes.  Man  findet  alle  möglichen  Uebergangsformen 
von  Blüthen,  deren  Staubbeutel  sämmtlich  ihre  ursprüngliche  Richtung  unver- 
ändert bewahrt  haben  und  nach  innen  aufspringen,  zu  solchen,  deren  Staubbeutel 
sämmtlich  um  i8o°  gedreht  sind,  und  also  genau  nach  aussen  sich  öffnen.  Die 
mannigfachen  Mittelglieder  kommen  bei  weitem  häufiger  vor,  als  die  Endglieder 
der  Reihe,  und  namentlich  sind  Blüthen  mit  lauter  nach  innen  aufspringenden 
Staubbeuteln  selten.  An  lo  ohne  Wahl  herausgegriffenen  Blüthen  von  drei  ver- 
schiedenen Bäumen  hatten  sich,  nach  ungefährer  Schätzung,  die  Staubbeutel 
etwa  um  folgende  Winkel  gedreht: 


l) 

90  0 

180« 

90  0 

180° 

6) 

135° 

135" 

90° 

135" 

2) 

I800 

90  0 

90  0 

45^ 

7) 

30« 

180O 

60  0 

135° 

3) 

45" 

90  0 

180« 

180^ 

8) 

90« 

90« 

90« 

90  0 

4) 

90" 

90  0 

90« 

90"^ 

9) 

o" 

O« 

90  0 

90« 

5) 

180O 

90^ 

90« 

o« 

10) 

QÖ 

qO 

90« 

Dreizählige  Blüthen,  wie  die  letzte  der  eben  aufgezählten,  sind  nicht  eben  selten ; 
weit  seltener  kommen  fünfzählige  vor.  —  Die  Drehung  findet  immer  in  gleicher 
Richtung  statt,  und  zwar  von  O.  durch  S.  nach  W.,  in  derselben  Richtung  also 
in  welcher  die  jungen  Triebe  mehrerer  keimenden  Rubiaceen,  z.  B.  der  Manettia- 


Ueber  eine  dimorphe  Faramea.  -ic-i 

Arten,  sich  bewegen.  (Nicht  alle  klimmenden  Rubiaceen  drehen  sich  in  dieser 
Richtung ;  in  entgegengesetzter  z.  ß.  Sabicea.) 

Die  grosse  Länge  der  Staubfäden  ist  natürlich  eine  nur  langsam  und  stufen- 
weise erworbene  Eigenthümlichkeit  der  kurzgriffligen  Form  von  Faramea.  Seit 
die  allmählich  immer  länger  werdenden  Staubfäden  die  Staubbeutel  zu  einer 
solchen  Höhe  über  den  Eingang  der  Blumenrohre  emporhoben,  dass  besuchende 
Kerfe  ihre  Saugwerkzeuge  nicht  mehr  zwischen  ihnen,  sondern  unterhalb  derselben 
einführten,  hatten  nach  aussen  aufspringende  Staubbeutel  mehr  Aussicht,  ihren 
Blüthenstaub  an  solche  Kerfe  abzusetzten,  als  nach  innen  aufspringende,  und  seit 
jener  Zeit  würde  es  für  die  Pflanze  von  Vortheil  gewesen  sein,  wenn  alle  ihre 
Staubbeutel  sich  um  volle  180"  gedreht  hätten.  Noch  heute  ist  dieses  nicht  der 
Fall;  noch  heute  ist  die  Richtung,  nach  welcher  hin  die  Staubbeutel  sich  öffnen, 
eine  sehr  wechselnde,  selbst  nicht  für  die  Staubbeutel  derselben  Blüthe  gleiche; 
—  ein  hübscher  Beleg  dafür,  dass  im  innigsten  Zusammenhange  stehende,  einander 
ergänzende  Eigenthümlichkeiten  —  wie  hier  die  Länge  der  Staubfäden  und  das 
Aufspringen  der  Staubbeutel  nach  aussen  —  nicht  in  allen  Fällen  zu  gleicher 
Zeit  erworben  zu  sein  brauchen. 

Dieses  Schwanken  in  der  Richtung,  nach  welcher  die  Staubbeutel  der  kurz- 
griffligen Form  aufspringen,  scheint  mir  die  bemerkenswertheste  Eigenthümlich- 
keit unserer  Faramea  zu  sein,  und  ich  kann  mir  nicht  versagen,  bei  dieser 
Gelegenheit  an  eine  zweite  Rubiacee  zu  erinnern,  die  sich  ebenfalls  in  Bezug 
auf  eine  für  ihre  Befruchtung  sehr  wichtige  Eigenthümlichkeit  in  einem  noch 
schwankenden,  ich  möchte  sagen  unfertigen  Zustande  befindet.  Es  ist  die 
Posoqueria  (Martha  fragrans),  deren  Blüthenbau  ich  vor  einigen  Jahren  beschrieben 
habe  ^).  (Bot.  Zeitg.  1866.  No.  17  =  Ges.  Schriften  S.  299.)  Dieselbe  kann,  wie  die  tief 
in  der  langen  Blumenröhre  verborgene  Narbe  beweist,  nur  durch  langrüsslige  Abend- 
schmetterlinge bestäubt  werden.  Die  Blüthen  dieser  Posoqueria  öffnen  sich  meist 
gegen  Abend,  allein  eine  nicht  unbeträchtliche  Zahl  auch  zu  verschiedenen  Zeiten 
des  Tages,  bisweilen  selbst  am  frühen  Morgen.  Da  nun  auch  am  Tage  zahlreiche 
Kerfe  durch  die  weithin  sichtbaren,  stark  duftenden  Blumen  angelockt  werden 
und  die  Entladung  des  Blüthen staubes  fast  aller  zur  Unzeit  geöffneten  Blumen 
veranlassen,  ohne  jedoch  diesen  Blüthenstaub  auf  die  Narbe  anderer  Blumen  über- 
tragen zu  können,  so  geht  der  Blüthenstaub  fast  aller  dieser  Blumen  vollständig 
verloren.  Ich  habe  selbst  mehrmals  gesehen,  wie  Hummeln  zu  solchen  Blumen 
flogen  und  deren  Blüthenstaub  angeworfen  erhielten. 

Wie  es  für  die  kurzgrifflige  Form  von  Faramea  vortheilhaft  wäre,  wenn  alle 
Staubbeutel  aller  Blüthen  um  180°  gedreht  würden  und  so,  genau  nach  aussen 
aufspringend,  besuchenden  Kerfen  ihre  volle  Fläche  darböten,  so  offenbar  für 
Posoqueria,  wenn  alle  Blüthen  gegen  Abend  sich  öffneten  und  kein  Blüthenstaub 
im  Laufe  des  Tages  vergeudet  würde.  Aber  trotz  der  unverkennbaren  Wichtig- 
keit, welche  dort  die  Richtung  hat,  nach  welcher  hin  die  Staubbeutel,  —  hier  die 
Zeit,  zu  welcher  die  Blüthen  sich  öffnen,  sehen  wir  bei  beiden  Arten  in  dieser 
Beziehung  ein  Schwanken,  welches  Denen  jedenfalls  befremdlich  und  unerklärlich 
erscheinen    wird,    die    mit  Agassiz    in    den   Arten    verkörperte   Gedanken    des 


1)  Die  Gardenia  suaveolens  der  Flora  fluminensis  (Pars  III.  Tab.  9)  ist  wahrscheinlich  dieselbe  Pflanze. 
Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  23 


^  _  .  '  Ueber  eine  dimorphe  Faramea. 

„Schöpfers"  sehen.  —  Sieht  es  nicht  aus,  als  hätte  der  „Schöpfer"  das  Richtige 
wohl  eingesehen,  aber  nicht  durchzuführen  vermocht  —  als  hätte  er  gewollt,  aber 
nicht  gekonnt?  — 

Werden  nun  Faramea  und  Posoqueria  in  diesem  unfertigen  Zustande 
verharren,  oder  werden  einst  alle  Staubbeutel  der  kurzgriffligen  Faramea  nach 
aussen  aufspringen,  alle  Blüthen  von  Posoqueria  gegen  Abend  aufblühen  ?  —  Mir 
scheint  es  kaum  zweifelhaft,  dass  früher  oder  später  Letzteres  der  Fall  sein  wird. 

Bei  Faramea  geht  der  Blüthenstaub  der  nach  innen  aufspringenden  Staub- 
beutel der  kurzgriffligen  Pflanzen,  bei  Posoqueria  derjenige  der  vorzeitig  sich 
öffnenden  Blumen  zum  grossen  Theil  für  die  Befruchtung  verloren;  die  nach 
aussen  aufspringenden  Staubbeutel  der  ersteren,  die  gegen  Abend  sich  öffnenden 
Blüthen  der  letzteren  betheiligen  sich  fast  ausschliesslich  an  der  Bestäubung.  Je 
mehr  nach  aussen  aufspringende  Staubbeutel  ein  Stock  der  kurzgriffligen  Faramea, 
je  mehr  rechtzeitig  aufblühende  Blumen  ein  Stock  der  Posoqueria  erzeugt,  um  so 
zahlreichere  Nachkommenschaft  wird  er  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  hinter- 
lassen. So  wird  schon  die  natürliche  Auslese  dahin  wirken,  die  Zahl  der  nach 
innen  sich  öffnenden  Staubbeutel  der  kurzgriffligen  Faramea,  der  zur  Unzeit  sich 
öffnenden  Blüthen  von  Posoqueria  mehr  und  mehr  zu  beschränken. 

Dass  auch,  abgesehen  von  der  natürlichen  Auslese,  namentlich  bei  Posoqueria, 
wo  bereits  die  weit  überwiegende  Mehrzahl  der  Blüthen  gegen  Abend  sich  öffnet, 
schon  aus  diesem  Grunde,  weil  sie  zur  Zeit  die  zahlreicheren  sind,  eine  stetige 
Zunahme  dieser  rechtzeitigen  Blüthen  zu  erwarten  sei,  werde  ich  bei  einer  anderen 
Gelegenheit  nachzuweisen  versuchen. 

Itajahy,  im  April  1869. 


Umwandlung  von  Staubgefässen  in  Stempel 

bei    Begonia.      Uebergang   von   Zwitterblüthigkeit   in 

Getrenntblüthigkeit  bei  Chamissoa.    Triandrische 

Varietät  eines  monandrischen  Epidendrum  ^). 

Aus  einem  Briefe  an  H.  Müller. 
Mit  Tafel  XXXIII. 

Der  von  Dir  mitgetheilte  Fall  von  Salix  cinerea  ^)  ist  mir  besonders  dadurch 
merkwürdig  geworden,  dass  ich  selbst  seit  mehr  als  einem  Monat  den  umgekehrten 
Fall,  die  Umwandlung  von  Staubgefässen  in  Stempel,  bei  einer  Begonia  beobachte, 
und  noch  immer  fast  in  jeder  frischen  männHchen  Blüthe  eine  neue  wunderliche  und 
überraschende  Zwischenform  finde.  Ich  will  Dir  zur  Probe  einige  Beispiele  mittheilen. 

Fig.  I.  Gewöhnliches  Staubgefäss.  Fig.  2  und  3.  Mittelband  mit  vorspringendem 
Winkel  und  einigen  unvollkommenen  NarbenpapiUen  {ß).  Fig.  4.  Mittelband  stark 
verbreitert,  mit  Andeutung  von  Papillen.  Fig.  5.  Mittelband  gegabelt,  ohne  Pa- 
pillen. Fig.  6.  Staubfächer  verkürzt.  Mittelband  verbreitert,  wohlentwickelte  Narben- 
papiUen {ß).  Fig.  7.  Wohlentwickelte  Narbe,  weder  Blüthenstaub  noch  Eichen. 
Fig.  8.  Staubfächer  und  Narbe  wohlentwickelt.  Fig.  g.  Gute  Narbe;  an  jedem 
Rande  des  Mittelbandes  ein  nach  innen  gebogener,  in  eine  Spitze  auslaufender 
Fortsatz,  der  eine  mit  gutem  Blüthenstaub,  der  andere  mit  guten  Eichen.  P'ig.  10. 
Gute  Narbe;  Staubfaden  mit  tiefer  Rinne,  deren  Ränder  ein  kurzes  Eipolster 
tragen,  an  dem  zwischen  meist  unvollkommenen  Eichen  ein  winziges  Fach  mit 
gutem  Blüthenstaube  sich  findet.  Fig.  11.  Zwei  umgewandelte  Staubgefässe  unten 
verschmolzen;  beide  mit  je  2  Staubfächern,  das  eine  mit,  das  andere  ohne  Narbe. 
Fig.  12.  Zwei  Staubgefässe  aus  derselben  Blüthe;  beide  mit  schiefer  Narbe,  das 
eine  trägt  Blüthenstaub  am  Mittelbande  selbst,  Eichen  an  einem  zweispitzigen 
Fortsatze;  das  andere  Eichen  am  Mittelbande  selbst,  Blüthenstaub  an  einem  Fort- 
satze. Fig.  13.  Zwei  hochverwachsene  Staubgefässe  mit  grossen  Narben,  das  eine 
ohne  Blüthenstaub  und  Eichen,  das  andere  mit  tiefer  Rinne,  von  deren  Rändern 
jederseits  ein  kurzer  Fortsatz  ausgeht,  der  eine  Blüthenstaub,  der  andere  Eichen 
erzeugend.     Fig.   14.   Dem  Vorigen  ähnlich,   aber   nur  ein  Rand  der  Rinne  trägt 


1)  Botanische  Zeitung  1870.  Bd.  28.  Sp.   149—153.  Taf.  II. 

2)  Botanische  Zeitung   1868.  Sp.  843. 

23* 


^j-A  Umwandlung  von  Staubgefässen  in  Stempel  bei  Begonia  etc. 

einen  schmalen,  langen  Fortsatz  mit  2  Eichen.  Fig.  15.  Zwei  Staubgefässe  ver- 
wachsen, a.  mit  Narbe  und  tiefer  Rinne;  an  jedem  Rande  ein  kurzer  Fortsatz, 
der  eine  mit  Staubfach,  der  andere  mit  etwa  einem  Dutzend  Eichen ;  b.  oberer 
Theil  normal,  am  Rande  unterhalb  des  verkürzten  Staubfachs  einerseits  ein  Fort- 
satz mit  Narbenpapillen,  andererseits  ein  Eipolster  mit  zahlreichen  guten  Eichen. 
Fig.  16.  Zwei  umgewandelte  und  ein  normales  Staubgefäss  verwachsen,  a.  An 
einem  Rande  der  Rinne  ein  Eipolster  mit  guten  Eichen,  am  anderen  (in  der  Figur 
nicht  zu  sehen)  ein  kurzer  Fortsatz  mit  Staubfach  und  oberhalb  desselben  7  Eichen. 
b.  Sehr  grosse  Narbe,  ein  Ast  derselben  gabelig;  Rinne  jederseits  mit  einem  Fort- 
satze; der  eine  unten  mit  einem  kleinen  Staubfache,  weiter  oben  mit  2  Eichen, 
von  denen  eins  in  eine  Narbe  verwandelt  ist!  (was  ich  auch  in  anderen  Blüthen 
gesehen  habe;  zwischen  normalen  Eichen  finden  sich  keulenförmige  Körper  von 
Grösse  der  Eichen,  aber  gelb,  wie  die  Narben,  und  mit  völlig  eben  solchen  Papillen 
besetzt!  Fig  16,/?).  Fig.  17.  Drei  freie  umgewandelte  Staubgefässe  aus  derselben 
Blüthe,  a.  mit  kopfförmiger  Narbe;  Mittelband  jederseits  in  einen  etwas  einwärts- 
gebogenen Fortsatz  ausgezogen,  mit  Pollenfach  an  jedem  Rande,  b.  Einseitige 
Narbe;  an  einem  Rande  des  Mittelbandes  ein  Staubfach  und  oberhalb  desselben 
ein  Fortsatz  mit  papillöser  Spitze,  am  anderen  ein  einwärts  gebogener  Fortsatz 
mit  Eichen,  c.  Die  ganze  Fläche  des  verbreiterten  Mittelbandes  mit  einem  grossen 
Eipolster  bedeckt;  oberhalb  desselben  an  jedem  Rande  ein  kleines  Staubfach. 
Fig,  18.  Drei  Staubgefässe  verwachsen ;  a.  ohne  Blüthenstaub,  Eichen  und  Narben ; 
b.  mit  wohlentwickelter  Narbe  und  grossem  Eipolster;  c.  ohne  Narbe,  an  einem 
Rande  ein  normales,  am  anderen  ein  verkürztes  Staubfach,  unterhalb  desselben 
zahlreiche  Eichen,  darunter  eines  (/?)  in  eine  Narbe  verwandelt.  Fig.  ig.  Vier  um- 
gewandelte und  ein  normales  Staubgefäss  verwachsen ;  a.  b.  c.  mit  wohlentwickelten 
Narben,  ohne  Blüthenstaub  und  Eichen ;  d.  mit  nur  einem  wohlentwickelten  Narben- 
ast, am  anderen  nur  an  der  Spitze  Papillen;  ein  unregelmässig  gebogenes  Staub- 
fach unterhalb  des  letzteren  Astes.  Fig.  20.  Drei  Staubgefässe  verwachsen ; 
a.  normal,  6.  mit  kugliger  Narbe,  ohne  Pollen  und  Eichen,  c.  mit  grosser  Narbe 
und  kurzem  Staubfache  an  einem  Rande  u.  s.  w. 

Fig.  I  — 19  sind  alle  von  derselben  Pflanze;  Fig.  20  von  einer  zweiten ;  beide 
wachsen  nahe  bei  einander  an  meinem  Gartenzaun  und  stammen  wahrscheinlich 
von  derselben  Mutterpflanze.  An  der  zweiten  Pflanze  habe  ich  männliche  Blüthen 
gesehen  (leider  nicht  gezeichnet),  bei  denen  alle  Staubgefässe  verschwunden  waren 
und  ein  unterständiger  Fruchtknoten  sich  gebildet  hatte.  '  Hoffentlich  werden  sie 
noch  wieder  erscheinen.  Der  Blüthenstand  dieser  Begonien  hat  gewöhnlich  5  oder 
II  Blüthen  in  der  durch  Fig.  C.  und  D.  dargestellten  Anordnung.  Die  gabel- 
ständigen männlichen  Blüthen  enthalten  meist  lauter  normale  Staubgefässe,  höchstens 
finden  sich  solche  leise  Andeutungen  einer  Umwandlung,  wie  in  Fig.  2—4.  — 
Dagegen  finden  sich  in  allen  neben  den  weiblichen  Blüthen  stehenden  Blüthen 
I — 3,  in  der  zweiten  Pflanze  häufig  4 — 5  Staubgefässe  stärker  umgewandelt  und 
in  der  Resfel  verwachsen.  —  Ich  will  Samen  dieser  beiden  Pflanzen  aussäen, 
und  hoffe  so  noch  mehr  Pflanzen  mit  solchen  männlichen  Blüthen  zu  erhalten. 


KürzHch  wurde  ich  auf  das  getrennte  Geschlecht  einer  Chamissoa  aufmerksam 
deren  Blüthen  (Fig.  A.  und  B.)  dem  Hermaphroditismus  noch  so  nahe  stehen,  wie 


Umwandlung  von  Staubgefässen  in  Stempel  bei  Begonia  etc.  -icy 

ich  es  bei  keiner  anderen  diöcischen  Pflanze  kenne.  Zuerst  hielt  ich  die  Pflanze 
für  dimorphisch,  aber  bei  näherem  Zusehen  ergab  sich,  dass  die  Staubgefässe  der 
langgriffligen  (weiblichen)  Pflanzen  völlig  pollenlos  sind,  und  dass  die  Narben- 
schenkel der  kurzgriffhgen  (männlichen)  Pflanzen  nie  sich  auseinanderbiegen.  Das 
Merkwürdige  ist  nun,  dass  nicht  nur  die  Narbenpapillen  dieser  kurzen  Griffel 
noch  ziemlich  gut  entwickelt  sind,  sondern  dass  auch  der  Fruchtknoten  ein  Eichen 
enthält,  das  ich  unte-  dem  Mikroskop  in  nichts  von  dem  der  weiblichen  Pflanze 
verschieden  fand,  welches  aber  natürlich  wegen  der  an  einander  liegenden  Narben- 
schenkel nie  befruchtet  werden  kann. 


Ich  meine,  Dir  früher  von  einem  bei  Desterro  ziemlich  häufigen  Epidendrum 
erzählt  zu  haben,  bei  dem  auch  die  beiden  seitlichen  Antheren  fruchtbar  entwickelt 
sind  und  die  Selbstbefruchtung  der  Blüthen  vermitteln.  Kürzlich  brachte  ich  von 
einem  gefällten  Baume  in  der  Nähe  meines  Hauses  ein  Epidendrum  mit  grossen 
Knospen  heim,  das  vollkommen  jenem  von  Desterro  glich.  —  Heute  Mittag  komme 
ich  zufällig  bei  der  Laube  vorüber,  in  deren  Schatten  ich  es  hingeworfen  hatte, 
und  finde  es  in  voller  Blüthe,  aber  keine  Spur  seitlicher  Antheren!  Sonst  kaum 
ein  Unterschied,  als  ein  schwacher  Wohlgeruch,  den  die  hiesige  Pflanze  besitzt, 
die  der  Insel  St.  Catharina  völlig  entbehrt,  —  Schon  im  vorigen  Jahre  habe  ich 
in  Blumenau's  Garten  eine  ähnliche  Pflanze  gesehen,  die  aber  im  Habitus  sich 
etwas  mehr  von  der  triandrischen  Form  entfernte,  auch,  meine  ich,  noch  stärker 
roch  ^).  —  Jedenfalls  können  die  beiden  Formen,  die  monandrische  des  Itajahy  und 
die  triandrische  der  Insel  St.  Catharina  und  der  gegenüberliegenden  Strandgebüsche, 
nur  als  Varietäten  angesehen  werden,  trotzdem  sie  sich  in  einem  Merkmale  unter- 
scheiden, welches  zur  Scheidung  der  beiden  Hauptgruppen  der  Familien  dient,  in 
der  Zahl  der  fruchtbaren  Antheren.  —  Die  ursprüngliche  Form  ist  jedenfalls  die 
monandrische  des  Urwaldes;  das  Auftreten  der  seitlichen  Antheren  ist  ein  Rück- 
fall in  einen  längst  verlornen  Charakter,  der  in  einer  des  Urwaldes  fast  ganz  ent- 
behrenden Gegend  wahrscheinlich  deshalb  als  nützlich  durch  natürliche  Auslese 
erhalten  wurde,  weil  mit  dem  Urwalde  die  zur  Befruchtung  nöthigen  Insekten 
fehlen  mochten,  und  die  einst  beseitigte  Selbtbefruchtung  so  wieder  vortheilhaft 
wurde,  —  Viele  auf  Insekten  angewiesene  Orchideen,  so  das  gemeine  Oncidium 
flexuosum,  tragen  auf  St.  Catharina  fast  nie  Samen,  viel  weniger  als  hier.  —  Bei 
Desterro  ist  die  triandrische  Varietät  ziemlich  häufig,  hier  habe  ich  von  der  mon- 
andrischen  nur  die  beiden  erwähnten  Pflanzen  bis  jetzt  gesehen.  Ich  bin  neugierig, 
wie  die  geographische  Verbreitung  der  beiden  Formen  sein  wird;  die  Pflanze 
kommt  z.  B,  in  der  Nähe  der  Mündung  des  Itajahy  vor,  wo  die  Verhältnisse  denen 
der  Insel  ähnlicher  sind,  als  den  hiesigen;  doch  habe  ich  dort  keine  Blüthen  ge- 
sehen. —  Merkwürdig  ist  auch,  dass  mit  der  Nothwendigkeit  der  Befruchtung 
durch  Insekten  auch  der  Duft  verloren  gegangen  ist, 

Itajahy,  den   12.  April   i86g. 


Nachschrift  vom  17.  April.  An  einer  männlichen  Pflanze  von  Chamissoa 
sah  ich  gestern  einige  Blüthen,  deren  kurze  Griffel  klaffende  Schenkel  hatten,  und 
dass   solche  Blüthen   fruchtbar  sind,   zeigten  einige  Früchte  an  derselben  Pflanze. 

I)  Botanische  Zeitung   1869.  Nr.    14.  =  Ges.  Schriften  S.  350. 


On  the  Modification  of  the  Stamens  in  a  Species 

of  Begonia^). 

Aus  einem  Briefe  an  Ch.  Darwin. 
Mit  5  Textfiguren. 

Itajahy,  S.  Catharina,  BrazU. 
March  14,  1869. 

My  dear  Sir, 
In  your  book  on  'Variation  under  Domestication'  you  mention  a  remarkable 
plant  of  Begonia  frigida  producing  hermaphrodite  flowers  with  inferior  perianth. 
I  have  lately  found  an  analogous  wild  plant  of  another  Begonia,  which  is  here 
a  common  weed.  In  this  plant  all  the  male  flowers  show  a  strong  tendency  to 
become  hermaphrodite  —  one,  two,  or  three  of  the  central  stamens  being  trans- 
formed  more  or  less  completely  into  pistils.  No  two  of  these  male  flowers  appear 
to  be  exactly  alike ;  and  almost  every  day  affords  a  new  and  surprising  modification. 
Here  are  some  cases:  — 


Fig.   I. 


Fig.  2. 


^,0     1 


4^>f^, 


Fig.  3- 


Fig.  4. 


Fig.  5- 


Fig.  I.  A  Single  stamen  modified;  connectivum  much  dilated;  on  either  margin  a  short  anther  with 
good  pollen;  at  the  end,  well-developed  stigmatic  papillse. 

Fig.  2.     A  Single  stamen  modified;  a  well-developed  Stigma;  neither  anthers  nor  ovules. 

Fig.  3.  Three  modified  stamens,  united  at  the  base.  a,  well-developed  Stigma ;  no  pollen;  numerous 
ovules,  differing  in  nothing  from  those  of  the  normal  9  flowers.  b,  club-shaped,  without  pollen,  ovules, 
and  stigmatig  papillae.  c,  pollen  on  both  margins  of  the  connectivum ;  ovules  on  the  convex  margin ;  apex 
of    the   connectivum   smooth,    without  stigmatic   papill?e,   but    one  of  the  ovules  transformed  into  a  stigma. 

Fig.  4.  Three  stamens  united.  a,  not  modified;  b,  connectivum  much  dilated,  pollen  on  either 
margin,  neither  ovules  nor  stigmatic  papillär ;  c,  well-developed  stigmatic  papiil?c,  pollen  (a  small  quantity) 
on  one  margin  alone  of  the  much  dilated  connectivum,  a  few  ovules. 

Fig.  5.  Three  stamens,  modified  and  united:  a  and  b  without  pollen,  with  large  Stigmas  and 
numerous  ovules ;  e  nearly  normal,  only  the  tip  of  the  connectivum  being  somewhat  enlarged  and  provided 
with  small  stigmatic  papillse. 


I)  Journ.  Linn.  Soc.  (Bot.)   187 1.  XI.  p.  472—474. 


On  the  Modification  of  the  Stamens  of  a  Species  of  Begonia.  7cg 

Once  I  saw  (fig.  3,  s)  in  the  midst  of  the  white  ovules,  a  dark  yellow  body 
of  a  club-shaped  form,  having  nearly  the  size  of  an  ovule,  covered  by  club-shaped 
papillae  exactly  resembling  in  shape  and  colour  those  of  the  Stigma;  so  that  in 
this  case  an  ovule  appeared  to  have  been  transformed  into  a  stigma! 

Since  I  found  this  plant,  I  have  been  looking  out  for  others ;  and  yesterday 
I  at  length  met  with  a  second  specimen  (growing  within  2  yards  distance  from 
the  first),  which  promises  to  offer  still  more  curious  modifications.  Some  of  the 
male  flowers  of  this  second  plant  have  been  transformed  completely  into  female 
ones  with  superior  perianth,  but  distinguished  from  the  normal  ?  flowers  by  the 
perianth  having  (as  in  the  male  flowers)  two  large  broad  outer  and  two  small 
narrow  inner  segments  (whilst  the  female  flowers  have  five  segments,  one  being 
smaller),  and  by  their  having  from  four  to  five  Stigmas  and  as  many  alae  on  the 
ovarium  (the  female  flowers  have  three).  In  one  of  these  abnormal  female  flowers 
there  were  some  naked  ovules  between  the  Stigmas  beside  those  included  in  the 
ovarium.  In  the  first  plant  all  the  ovules  of  the  male  flowers  are  naked.  There 
are  some  unripe  pods  on  the  second  plant,  all  of  which  are  produced  by  normal 
$  flowers ;  as  soon  as  they  are  ripe  I  shall  send  you  seeds  of  this  second  plant  also. 


Botanische  Notizen^). 

Aus  einem  Briefe  an  Friedrich  Hildebrand. 

Eine  Passiflora- Art  wird,  wie  es  Delpino  für  Passiflora  princeps  vermuthet, 
wahrscheinlich  ausschhesslich  oder  doch  vorzugsweise  durch  Kolibri's  bestäubt, 
die  die  Blumen  sehr  fleissig  besuchen,  während  ich  nie  grössere  Insekten  daran 
sah.  Honig  habe  ich  nie  in  den  Blumen  gefunden.  Jedenfalls  suchen  die  Kolibri's 
die  kleinen  Insekten,  die  oft  in  der  innersten  Kammer  der  Blume  sich  finden  und, 
einmal  dorthin  verirrt,  wohl  durch  die  mehrfachen  Gitter  über  dieser  Kammer 
zurückgehalten  werden.  An  einer  kleinen,  weissblühenden,  wohlriechenden  Art, 
die  reichlich  Honig  absondert,  sah  ich  nie  Kolibri's.  Bei  einer  Gesneriacee  fand 
ich,  dass  Honig  in  den  protandrischen  Blüthen  erst  in  der  zweiten  (weiblichen) 
Periode  der  Blüthezeit  abgesondert  wird;  Pollen  und  Honig  suchende  Bienen 
müssen  also,  wenn  sie  beiderlei  Bedürfnisse  befriedigen  wollen,  sowohl  jüngere 
(männliche),  als  ältere  (weibliche)  Blumen  aufsuchen. 

Bei  einer  Jussieua  sind  die,  sonst  in  der  FamiUe  der  Onagrarieen  nach  innen 
aufspringenden  Antheren  eigenthümlich  gedreht,  so  dass  sie  ziemlich  nach  aussen 
sich  öffnen,  und  vor  Insekten  geschützte  Blumen  sich  nicht  selbst  bestäuben. 
Die  Nectarien  sind  sehr  zierlich  gebildet,  von  einem  Haarsaum  überwölbte,  halb- 
kreisförmige Gruben.  Nicht  selten  ist  bei  dieser  Art  die  erste  Blume  eines  Astes 
fünfzählig,  während  sonst  die  Blumen  vierzählig  sind.  Aehnliche  Vermehrung  der 
Zahl  der  Blüthentheile  bei  den  Erstlingsblumen  habe  ich  kürzlich  bei  einer  Pflanze 
von  Eschscholtzia  gesehen,  wo  die  6 — 8  ersten  Blumen  5—7  Blumenblätter  hatten, 
bei  einem  Agapanthus,  wo  die  erste  Blume  achtzähhg  war,  und  bei  einem  weissen 
Siphocampylus,  wo  an  einigen  Aesten  die  erste  Blume  sechszählig  war  (im  vorigen 
Jahre  war  an  derselben  Pflanze  die  erste  Blume  yzählig).  Bei  einer  anderen  Art 
von  Jussieua  fand  ich  vor  Kurzem  eine  Blüthe,  die  statt  8  Staubgefässen  damals 
20  hatte,   indem  jedem  Kelchblatte  2,  jedem  Blumenblatte  8    gegenüber  standen. 

Ein  Herr  Silveiro  daMotta  will,  wie  er  im  „Auxiliador  da  Industria 
nacional"  berichtet,  grün  und  roth,  sowie  gelb  und  roth  gestreiftes  Bastardzucker- 
rohr erhalten  haben,  indem  er  je  einen  grünen  und  einen  rothen  sowie  einen  gelben 
und  einen  rothen  Steckling  in  dasselbe  Loch  pflanzte  (man  pflanzt  als  Stecklinge 
drei  Augen  enthaltende  Stücke  der  Rohrs).    Ich  hoffe  hier  rothes  Zuckerrohr  er- 


I)  Botanische  Zeitung  1870.  Bd.  28.  Sp.  273 — 275. 


Botanische  Notizen.  i5l 

halten  zu  können,  und  will  dann  den  Versuch,  den  ich  noch  mit  einigem  Miss- 
trauen betrachte,  wiederholen. 

In  die  Zahl  der  mit  Blüthenstaub  derselben  Pflanze  unfruchtbaren  Arten 
gehört  auch  Tabernaemontana  echinata.  Ich  hatte  beim  Niederhauen  eines  jungen 
Waldes  der  duftigen  Blüthen  wegen  ein  Bäumchen  dieser  Art  stehen  lassen,  das 
schon  voriges  Jahr  reichlich  blühte,  ohne  Frucht  anzusetzen;  auch  dies  Jahr  war 
fast  die  Blüthezeit  ohne  Fruchtansatz  vorüber  gegangen,  als  ich  etwa  eine  Stunde 
von  meinem  Hause  ein  anderes  blühendes  Bäumchen  fand.  Ich  bestäubte  nun 
3  Blüthen  mit  Blüthenstaub  dieses  zweiten  Baumes,  und  alle  3  haben  Frucht  an- 
gesetzt, während  mehrere  mit  Blüthenstaub  desselben  Baumes  bestäubte,  wie  alle 
sich  selbst  überlassenen  Blüthen  ohne  Fruchtbildung  abgefallen  sind,  —  Wahr- 
scheinHch  ist  auch  ein  Calonyction  mit  sehr  grossen,  weissen  Blumen  mit  eigenem 
Pollen  unfruchtbar;  wenigstens  habe  ich  durch  Bestäubung  mit  Pollen  derselben 
Pflanze  keine  Frucht  erhalten,  habe  aber  leider  nur  eine  blühende  Pflanze,  und 
kann  also  für  jetzt  den  Gegenversuch  mit  fremdem  Pollen  nicht  anstellen. 

In  Betreff  der  verschiedenen  Grösse  der  Pollenkörner  bei  den  heterostylen 
Pflanzen  spricht  Delpino  in  seinen  Note  critiche  zu  Ihrem  Buche  über  die  Ge- 
schlechtervertheilung  die  Ansicht  aus,  dass  diese  verschiedene  Grösse  im  Zusam- 
menhange stehe  mit  der  verschiedenen  Länge  des  Weges,  den  die  Pollen  schlauche 
zu  durchlaufen  haben.  Sind  auch  die  Pollenschläuche  bei  ihrem  Wachsthum  ge- 
wiss nicht  allein  auf  den  im  Pollenkorn  enthaltenen  Stoff  angewiesen,  so  scheint 
mir  diese  Ansicht  doch  nicht  ganz  unwahrscheinlich.  Man  würde  in  diesem  Falle 
erwarten  müssen,  auch  bei  verwandten  Arten  eine  der  Griffellänge  entsprechende 
Verschiedenheit  im  Durchmesser  der  Pollenkörner  zu  finden.  Einige  allerdings 
noch  nicht  zahlreiche  Messungen  an  Convolvulaceen  und  Salvia-Arten  scheinen 
allerdings  für  eine  solche  Abhängigkeit  zu  sprechen. 

An  verschiedenen  hiesigen  Marantaceen  habe  ich  die  von  Ihnen  gesehenen 
Bestäubungseinrichtungen  ebenfalls  schon  vor  längerer  Zeit  kennen  gelernt;  unser 
kultivirter  Arrow-root,  dessen  Blüthen  keinen  Pollen  mehr  erzeugen,  hat  noch 
den  elastisch  vorschnellenden  Griffel  behalten.  Die  Ursache  der  so  häufigen  Un- 
fruchtbarkeit der  nur  auf  ungeschlechtlichem  Wege  vermehrten  Pflanzen  ist 
übrigens  bei  verschiedenen  Arten  eine  verschiedene:  unsere  Dioscorea- Arten 
bringen,  mit  Ausnahme  einer  einzigen,  überhaupt  nie  Blüthen,  dasselbe  soll  bei 
mehreren  Varietäten  des  Zuckerrohrs  der  Fall  sein.  Bei  den  Bananen  scheint  die 
Unfruchtbarkeit,  wie  beim  Arrow-root,  hauptsächlich  in  den  männlichen  Blüthen 
zu  liegen;  die  Antheren  erzeugen  zwar  meist  etwas  Pollen,  aber  äusserst  wenig 
im  Vergleich  mit  der  fruchtbaren  Musa  coccinea,  und  vertrocknen  ohne  auf- 
zuspringen; doch  ist  der  Pollen  gut,  wenigstens  bei  einer  Varietät  (Banana  de 
Säo  Thome),  mit  deren  Blüthenstaub  ich  Musa  coccinea  bestäubte  und  Samen 
erhielt,  die  indessen  nicht  zu  keimen  scheinen.  Beim  Ingwer  scheinen  Pollen, 
Narbe  und  Eichen  vollkommen  normal  zu  sein,  vielleicht  ist  die  Pflanze  mit 
eigenem  Pollen  unfruchtbar,  und  bringt  hier  keinen  Samen,  weil  alle  unsere 
Pflanzen  Theile  eines  einzigen  Stockes  sind.  —  Mandioc  und  Aypim  bringen 
ziemlich  häufig  Samen,  der  indess  nur  selten  zu  keimen  scheint. 

Die  in  einem  Ihrer  Briefe  erwähnten  kleinen  Blüthen  des  Kaffeebaumes 
habe  ich   vorige  Woche  in   der   Pflanzung   meines   Bruders  ziemlich   häufig  ge- 


302 


Botanische  Notizen. 


funden,  halte  sie  aber  (genauere  Untersuchung  und  Experimente  vorbehaltend) 
nicht  für  weibliche,  sondern  für  verkümmerte  unfruchtbare  Blüthen,  die  bei  be- 
stimmten Witterungsverhältnissen  auftreten  mögen.  Die  Griffel  und  Narben 
hatten  grünliche  Farbe,  und,  soviel  ich  mit  der  Lupe  sehen  konnte,  keine  Papillen, 
überhaupt  ein  ebenso  unreifes  Ansehen,  wie  die  Staubgefässe,  die  von  den  ein- 
gerollten Rändern  der  Blumenkronzipfel  umschlossen  werden. 

Dass  Norantea,  wie  Delpino  vermuthet,  von  Vögeln  bestäubt  werde,  be- 
zweifle ich,  da  die  Färbung  der  Blüthen  eine  dunkle  ist;  ich  habe  daran  nie 
Kolibri's  gesehen,  die  allerdings  hier  sonst  bei  der  Bestäubung  der  Blüthen  sehr 
thätig  mitwirken,  aber  vor  Allem  helle,  grelle  Farbe  zu  lieben  scheinen ;  scharlach- 
farbene  Salvien,  Combretum  mit  anfangs  goldgelben,  später  orangefarbenen 
Staubfäden,  Manettia  u.  s.  w.  werden  von  ihnen  sehr  fleissig  besucht. 

Itajahy,  7.  Dezember  1869. 


Die  Bewegung  des  Blüthenstieles  von  Alisma^). 

An  den  Ufern  des  Itajahy,  dicht  am  Wasser  und  nicht  selten  überfluthet 
von  dem  schwellenden  Flusse,  wächst  in  Menge  ein  stattliches  Alisma^).  Der 
Blüthenstiel  erhebt  sich  bis  mannshoch  und  trägt  drei  im  Quirl  stehende  Aeste. 
Unterhalb  der  Aeste  ist  der  Blüthenstiel  nackt;  sein  oberer  Theil  trägt  wie  die 
Aeste  entfernt  stehende  Deckblattwirtel,  in  deren  Achseln  dicht  gedrängt  die 
Blüthen  entspringen. 

Betrachtet  man  eine  Gruppe  dieses  AI isma,  so  fällt  es  auf,  dass  die  oberen 
Enden  der  Blüthenstiele  und  ihrer  Aeste  in  höchst  mannigfacher  Weise  gekrümmt 
sind.  Die  einen  stehen  fast  gerade  in  die  Höhe,  andere  sind  in  einfacher  Krüm- 
mung stärker  oder  schwächer  zur  Seite  geneigt,  bei  wieder  anderen  sind  die 
einzelnen  Stengel glieder  in  verschiedenen  Ebenen  gebogen.  Die  Aeste  sind  bald 
schief  aufwärts  gerichtet  mit  dem  Hauptstiele  zu-  oder  von  ihm  abgewendeter 
Spitze,  bald  stehen  sie  wagerecht  ab  und  ihre  Spitze  zeigt  seitwärts  oder  nieder- 
wärts. Die  drei  Aeste  desselben  Blüthenstieles  stimmen  meist  weder  in  der  Stärke 
noch  in  der  Richtung  ihrer  Krümmung  überein.  —  Und  auch  für  jeden  einzelnen 
Blüthenstiel  sind  Grad  und  Richtung  der  Krümmung  stetem  Wechsel  unterworfen. 
Nach  Verlauf  einiger  Stunden  wird  man  nur  selten  den  einen  oder  anderen  in 
seiner  früheren  Stellung  wiederfinden.  Ein  Blüthenstiel,  der  sich  vorher  etwa  nach 
W  neigte,  wird  jetzt  vielleicht  in  gleicher  Weise  sich  nach  N  oder  O  biegen,  oder 
fast  gerade  sich  emporstrecken,  oder  auch,  indem  seine  einzelnen  Glieder  nach  ver- 
schiedenen Seiten  sich  krümmen,  schlangenförmig  oder  fast  schraubenförmig  auf- 
steigen. 

Alle  diese  nach  Form  und  Richtung  so  wechselvollen  Krümmungen  beob- 
achtet man  jedoch  nur  an  den  jüngeren,  noch  in  raschem  Wachstum  begriffenen 
Gliedern  des  Blüthenstieles,  namentlich  vor  dem  Aufbrechen  der  Knospen;  die 
älteren,  samentragenden  haben  sich  gestreckt  und  stehen  am  Hauptstiele  aufrecht, 
an  den  Aesten  ziemlich  wagerecht. 

Ich  habe  einen  jungen  Blüthenstiel  während  dreier  Tage,  so  oft  meine  Zeit 
es  gestattete,  beobachtet  und  jedesmal  die  Richtung,  nach  welcher  seine  Spitze 
hinzeigte,  aufgezeichnet  und  die  Entfernung  der  Spitze  von  der  die  Verlängerung 
des  unteren  nackten  Theiles  bildenden  Verticallinie  gemessen.  Ich  will  der  Mit- 
theilung dieser  Beobachtungsreihe  vorausschicken,   dass  in  diesen  drei  Tagen  (8., 


i)  Jenaische  Zeitschrift  für  Naturwissenschaft.   1870.  V.  p.   133  — 137. 

2)  Dasselbe  wurde  mir  in  Kew  als  Alisma  macrophylla  Kth.  (?)  bestimmt. 


>64 


Die  Bewegung  des  Blüthenstieles  von  Alisma. 


9,  und  10,  Januar)  der  untere  nackte  Theil  des  Blüthenstieles  von  0,9  zu  1,1  Meter 
Höhe  heranwuchs,  und  dass  der  obere  Knospen  tragende  Theil  am  Morgen  des 
8.  Januar  0,14,  am  Morgen  des  9.  Januar  0,19,  am  Morgen  des  10.  Januar  0,25 
und  am  Abend  desselben  Tages  0,30  Meter  lang  war.  Die  Aeste  waren  noch 
ganz  kurz  und  ihre  Deckblattwirtel  dicht  zusammengedrängt.  —  Auch  mag  er- 
wähnt sein,  dass  die  drei  Tage  sonnig  und  ungewöhnlich  heiss  waren ;  das  Thermo- 
meter zeigte  um  6^  45"  Vormittags  an  jedem  der  drei  Tage  24*^  C  und  um  i  Uhr 
Nachmittags  32"  C  am  8.  Januar,  34*^  C  am  9.  und   10.  Januar. 


Zeit  der  Beobachtung 

Richtung  der 
Stengelspitze 

Entfernung  der  Stengel- 
spitze  von  der  Verticalen 

1868 
Januar  8. 

6"  45"  Vm. 
8" 
10" 

SWgW 

SSW 

SSO 

0,044  Meter 

0,054      „ 
0,038      „ 

i"  Nrn. 

ONO 

0,042      „ 

4"  45" 

NOgN 

NWgN 

0,044      >> 
0,044      „ 

Januar  9. 

6"  45'"  Vm. 

W 

0,026  Meter 

gh  i5„. 
12" 

SOgS 
NO 

0,098 
0,036 

3h    jjm    -f^j^ 
6h   30m 

7"  30" 

NWgW 

OgN 
NWgN 

0,130      „ 
0,076      „ 
0,140      „ 

Januar  10. 

5"  45-  Vm. 

0 

0,055  Meter 

6"  45" 
8'"5- 

N 
SSW 

0,098      „ 
0,142      „ 

gh  550, 
9"  45'" 

SWgS 

w 
0 

0,130      „ 
0,084      " 
0,174      ,. 

12" 

SSO 

0,022      „ 

i"  Nm. 

w 

0,208      „ 

2''5- 

w 

0,216      „ 

2"  54" 

w 

0,186      „ 

4"  54"" 
6" 

7" 

OgN 
OgS 
OgN 

0,065      ', 

0,194      " 
0,136      „ 

Am  8.  Januar  beschreibt  also  die  Spitze  des  Blüthenstiels  in  10  Stunden 
drei  Viertel  eines  Kreises  und  bewegt  sich  dabei  in  gleicher  Richtung  wie  der  junge 
Schössling  einer  Winde,  Bohne  oder  einer  anderen  nach  rechts  sich  windenden 
Pflanze.  Die  Krümmung  des  in  Bewegung  begriffenen  oberen  Theiles  erleidet 
dabei  keine  auffallende  Veränderung;  die  Entfernung  der  Spitze  von  der  Vertical- 
linie  beträgt  Yi  bis  Vs  von  der  Länge  dieses  oberen  Theiles. 

Am  9.  Januar  wird  in  gleicher  Richtung  fast  die  ganze  Windrose  (^732).  in 
8V2  Stunde  (von  6^  45""  Vm.  bis  3''  15'"  Nm.)  durchlaufen,  aber  statt  eines  Kreises 
beschreibt  die  Spitze  jetzt  eine  langgezogene  Ellipse,  deren  kleine  Achse  etwa 
von  NO  nach  SW  gerichtet  und  etwa  viermal  in  der  grossen  enthalten  ist.  Bei 
der  ersten  Beobachtung  am  Morgen  und  ebenso  Mittags  steht  der  Blüthenstiel 
fast  aufrecht,  während  er  in  der  Mitte  des  Vor-  und  Nachmittags  stark  gekrümmt 


Die  Bewegung  des  Blüthenstieles  von  Alisma.  ß5£- 

ist,  —  Wahrscheinlich  wurde  von  3^^  15*"  bis  7*"  30"'  noch  ein  fast  vollständiger 
Umlauf  in  gleicher  Richtung  gemacht.  Ich  sage  „wahrscheinlich",  denn  es  muss  unent- 
schieden bleiben,  ob  die  Spitze  des  Blüthenstieles  von  3^  15™  bis  6^  30'"  durch  S, 
oder  durch  N  hindurch  von  NWgW  nach  OgN  gelangte;  da  sie  indess  von  da 
in  der  am  vorigen  und  am  Morgen  dieses  Tages  befolgten  Richtung  weiter  geht, 
erscheint  die  erstere  Annahme,  bei  der  die  Drehungsrichtung  sich  nicht  geändert 
haben  würde,  als  die  bei  weitem  wahrscheinlichere. 

Am  nächsten  Tage  (10.  Januar)  wird  die  Bewegung  eine  weit  unregelmässigere. 
Am  frühen  Morgen  macht  das  Ende  des  Blüthenstieles  von  5^  45""  bis  8^  5""  fast 
^4  eines  Umgangs  in  des  früheren  Richtung  von  O  durch  N  bis  nach  SSW;  dann 
aber  statt  nach  S  weiter  zu  gehen,  kehrt  es  nach  W  zurück  und  vollendet  in 
etwas  über  vier  Stunden  einen  ersten  Umlauf  in  entgegengesetzter  Richtung  und  bis 
6^  Abends  fast  %  eines  zweiten  Umlaufs,  um  sich  dann  von  Neuem  in  die  frühere 
Richtung   zurückzuwenden,    indem  es  von  OgS  nach  O  statt  nach  S  zu  wandert 

Dass  beim  Umkehren  in  die  entgegengesetzte  Richtung,  sowohl  am  Morgen 
(zwischen  8^  5"  und  8^  55™),  als  am  Abend  (zwischen  4''  54"  und  7^)  eine  sehr  be- 
deutende Verlangsamung  der  Bewegung  sich  zeigt,  hat  nichts  Befremdendes.  Sehr 
auffallend  aber  ist  die  fast  vollständige  Unbeweglichkeit,  in  welcher  der  stark 
gebogene  Blüthenstiel  von  i^  bis  2^  54™  Nm.  verharrt,  während  er  vorher  in  einer 
Stunde  mehr  als  einen  Viertelkreis  durchlaufen  hatte  und  nachher  in  zwei  Stunden 
fast  180*^  durchläuft.  Auch  abgesehen  von  diesem  Stillstand  und  von  der  Ver- 
langsamung in  der  Nähe  der  Wendepunkte  ist  die  Winkelgeschwindigkeit  eine 
sehr  wechselnde,  bald  so  rasch,  dass  ein  Umlauf  kaum  2Y2  Stunde,  bald  wieder 
so  langsam,  dass  er  über  5  Stunden  erfordert  haben  würde.  —  In  höchst  unregel- 
mässiger Weise  wechselt  endlich  an  diesem  Tage  die  Krümmung  des  beweglichen 
Theiles  des  Blüthenstieles.  Mittags  steht  seine  Spitze  ganz  in  der  Nähe  der  Vertical- 
linie,  —  eine  Stunde  später  ist  sie  eine  gute  Spanne  davon  entfernt;  und  während 
ihr  Weg  während  der  ersten  Morgenstunden  sich  auf  eine  Ellipse  mit  von  N  nach 
S  gerichteter  grossen  Achse  zurückführen  lässt,  beschreibt  sie  später  eine  ausser- 
ordentlich langgezogene  Ellipse,  deren  grosse  Achse  von  W  nach  O  gerichtet  ist. 

Die  Unregelmässigkeiten  der  Bewegung  während  dieses  dritten  Tages,  gegen- 
über der  regelmässigen  Bewegung  des  ersten  Tages,  mögen  wenigstens  zum  Theil 
ihre  Erklärung  in  dem  Umstände  finden,  dass  am  ersten  Tage  nur  ein  einziges 
Stengelglied,  das  zwischen  dem  Ursprung  der  Aeste  und  dem  ersten  Deckblatt- 
wirtel  gelegene,  dass  aber  am  dritten  Tage  deren  drei  in  Bewegung  waren.  Viel- 
leicht war  (abgesehen  von  dem  Stillstande  am  Nachmittage  und  dem  zweimaligen 
Richtungswechsel),  die  Bewegung  jedes  einzelnen  Gliedes  eine  ziemlich  regelmässige 
—  jedenfalls  aber  war  ihre  Winkelgeschwindigkeit  eine  verschiedene,  denn  bald 
waren  sie  alle  drei  nach  gleicher  Richtung  gebogen  (wie  um  i  Uhr  Nm.),  bald 
krümmten  sie  sich  nach  verschiedenen,  ja,  das  erste  und  dritte  bisweilen  nach  fast 
entgegengesetzten  Richtungen  (wie  am  Mittag).  Im  ersten  Falle  musste  natürlich 
die  Entfernung  der  Spitze  von  der  Verticallinie  vermehrt,  im  zweiten  vermindert 
werden  und  ebenso  musste  dadurch  die  Winkelgeschwindigkeit  des  ganzen  beweg- 
lichen Theiles  (dessen  Richtung  durch  die  einer  vom  Ursprung  der  drei  Aeste 
nach  der  Spitze  gezogenen  Geraden  bestimmt  wurde)  bald  beschleunigt,  bald  ver- 
langsamt erscheinen. 


■ifyf.  Die  Bewegung  des  Blüthenstieles  von  Alisma. 

Aehnliche  Bewegungen,  wie  die  Blüthenstiele  unseres  Alisma,  vollführen 
bekanntlich  die  jungen  Schösslinge  aller  windenden  und  vieler  rankentragenden 
oder  mittelst  ihrer  Blattstiele  klimmenden  Kletterpflanzen,  bei  denen  diese  Be- 
wegungen durch  Darwin  so  meisterhaft  geschildert  worden  sind. 

Dass  bisher  nur  bei  Kletterpflanzen  derartige  Bewegungen  beobachtet  wurden, 
dass  sie  als  eine  diesen  ausschliesslich  zukommende  Eigenthümlichkeit  er- 
schienen, war  eine  ernste  Schwierigkeit  für  Darwins  Lehre  von  der  Entstehung 
der  Arten. 

Dass  die  Fähigkeit  des  Windens,  deren  sich  in  einigen  Fällen  fast  alle  Arten 
einer  grossen  Familie  erfreuen,  in  anderen  auf  vereinzelte  Gattungen,  oder  selbst 
auf  einzelne  Arten  einer  Gattung  (z.  B.  Valeriana)  beschränkt  ist,  weist  darauf 
hin,  dass  diese  Fähigkeit  zu  sehr  verschiedenen  Zeiten  erworben  worden  ist,  und 
dass  bis  in  die  jüngste  Zeit  die  Umwandlung  nicht  windender  in  windende  Pflanzen 
fortgedauert  hat.  Ferner  weist  das  Vorkommen  windender  Pflanzen  in  so  ver- 
schiedenen Familien,  wie  es  z.  B.  die  Farn,  die  Dioscoreen,  die  Asclepiadeen,  die 
Dilleniaceen  sind,  darauf  hin,  dass  ihre  Entstehung  sich  an  eine  im  Pflanzenreiche 
weit  verbreitete,!  von  der  natürlichen  Zuchtwahl  benutzte  und  weiter  ausgebildete 
Lebenserscheinung  geknüpft  haben  werde.  Da  nun  das  Winden  jene  eigenthüm- 
liche  Bewegung  der  jungen  Schösslinge  zur  nothwendigen  Voraussetzung  hat,  da 
eine  Pflanze  nothwendig  sich  bewegen  musste,  ehe  sie  in  einer  Schraubenlinie 
sich  an  anderen  emporwinden  konnte,  so  durfte  man  eben  in  jener  Bewegung 
diese  die  Entstehung  der  windenden  Pflanzen  vermittelnde  Lebenserscheinung  suchen, 
und  mit  Bestimmtheit  erwarten,  ähnliche  Bewegungen  an  nicht  kletternden  Pflanzen 
auffinden  zu  können.  Es  ist  zu  verwundern,  dass  Darwins  Gegner  seinen  Freunden 
noch  nicht  diese  Schwierigkeit  vorgehalten,  an  sie  noch  nicht  die  Forderung  ge- 
stellt haben,  solche  Bewegungen  nicht  kletternder  Pflanzen  —  als  nothwendige 
Vorbedingung  für  die  Möglichkeit  des  Entstehens  windender  aus  nicht  windenden 
Pflanzen  —  nachzuweisen. 

Jetzt  würde  eine  solche  Forderung  zu  spät  kommen.  Unser  Alisma  zeigt 
in  der  That  so  deutlich,  als  irgend  eine  Kletterpflanze,  dies  „spontaneous  revolving 
movement".  Ich  habe  Grund,  das  Vorkommen  ähnlicher  Bewegungen  bei  einigen 
anderen  Pflanzen  zu  vermuthen,  und  kann  sogar  meinen  deutschen  Landsleuten 
eine  im  alten  Vaterlande  häufig  gebaute  Pflanze  bezeichnen,  die  wie  Alisma 
kurz  vor  der  Blüthezeit  die  Stengelspitze  im  Kreise  herumdreht.  Es  ist  der  ge- 
meine Lein.  Meine  Kinder  hatten  sich  vor  mehreren  Jahren  eine  Pflanze  dieser 
ihnen  bis  dahin  nur  dem  Namen  nach  bekannten  Art  gezogen  und  an  dieser 
machte  mich  meine  Tochter  Rosa  auf  die  Bewegung  aufmerksam.  Ich  konnte 
mich  mit  Sicherheit  von  deren  Vorhandensein  überzeugen,  wurde  aber  durch  die 
Ungunst  der  Witterung  gehindert,  sie  mehrere  Tage  genauer  zu  verfolgen. 

Itajahy,  Februar  1868. 


Bemerkungen  über  Cypridina^). 

Mit  Tafel  XXXIV  und  XXXV. 

Die  folgenden  Bemerkungen  über  Cypridina  stützten  sich  auf  die  Unter- 
suchung von  drei  Arten,  die  bei  Desterro  in  der  Nähe  des  Strandes  gefangen 
wurden.  Zwei  derselben,  Cypridina  Agassizii  (Fig.  13  —  26)  und  C  nitidula 
(Fig.  g — 12),  tragen  Kiemen  und  schliessen  sich  im  Bau  der  Gliedmaassen  an 
Grube's  C.  oblonga  an.  Die  dritte,  C.  Grubii  (Fig.  i — 8),  ist  kiemenlos  und 
erinnert  durch  zwei  auffallend  lange  Endborsten  der  Fühler  an  Philo  med  es 
longicornis  Lilj.  —  Ich  behalte  für  alle  drei,  wie  überhaupt  für  alle  Muschel- 
krebse, die  seitliche  Augen  und  die  bekannten  „geringelten  Anhänge"  besitzen, 
den  Namen  Cypridina  bei;  denn  so  lange  nicht  der  Bau  der  Gliedmaassen  bei 
der  Mehrzahl  der  bekannten  Arten  so  weit  erforscht  ist,  dass  man  den  syste- 
matischen Werth  der  einzelnen  Merkmale  und  die  verwandtschaftlichen  Beziehungen 
der  einzelnen  Arten  mit  einiger  Sicherheit  übersehen  kann,  erscheint  mir  die 
Spaltung  der  Gattung  verfrüht. 

I.   Der  griffeiförmige  Stirnanhang. 

Grube  sah  bei  Cypridina  oblonga  einen  dünnen,  griffeiförmigen,  zwei- 
gliedrigen Anhang,  der  ihm  innen  am  Grunde  der  Fühler  zu  sitzen  schien,  jedoch 
nur  einmal ,  und  zwar  auf  der  rechten  Seite  bemerkt  wurde  ^).  Ueber  dessen 
Bedeutung  blieb  er  im  Ungewissen.  —  Einen  ähnlichen  Anhang  besitzen  die  von 
mir  beobachteten  Cypridinen.  Er  ist  in  der  That  nur  einmal  vorhanden,  entspringt 
aber  nicht  vom  Grundgliede  der  Fühler,  sondern  in  der  Mittellinie,  dicht  unter 
dem  grossen  unpaaren  Auge. 

Von  besonderer  Länge,  fast  so  lang  wie  der  Endschenkel  der  knieförmigen 
Fühler,  ist  der  griffeiförmige  Anhang  bei  Cypridina  Grubii  (Fig.  2  a,  Fig.  3). 
Wie  bei  C.  oblonga  besteht  derselbe  aus  zwei  Abtheilungen  oder  Gliedern.  Das 
Grundglied  ist  etwas  kürzer  und  dicker  als  das  Endglied  und  seine  Haut  derber; 
gegen  das  Ende  ist  es  schwach  kolbig  angeschwollen.  Man  erkennt  in  seinem 
Innern  Längsstreif ung,  die  wohl  von  zarten  Fasern  herrührt  und  zwischen  den 
Fasern  sind  in  dem  kolbig  verdickten  Theile  "leine  Körnchen  eingelagert  (Fig.  3  a). 

i)  Jenaische  Zeitschrift  für  Naturwissenschaft  1870.  V.  p.  255 — 276.  Taf.  VIII  u,  IX. 
2)  Archiv  für  Naturgesch.  XXV,  Bd.  I,  S.  332.  —  Taf.  XII,  Fig  5,  a;  Fig.  A,  a. 


T^g  Bemerkungen  über  Cypridina. 

Das  zarthäutige  Endglied,  das  sich  gegen  die  Spitze  schwach  verjüngt  und  ab- 
gerundet endet,  hat  einen  ganz  wasserhellen  Inhalt. 

Bei  Cypridina  Agassizii  hat  der  griff  eiförmige  Anhang  {Fig.  20  a, 
Fig.  21)  etwa  die  halbe  Länge  des  Endschenkels  der  Fühler.  Er  sitzt  auf  einem 
besonderen  Vorsprunge  dicht  unterhalb  des  mittleren  Auges;  seine  beiden  Glieder 
sind  von  etwa  gleicher  Länge,  das  Grundglied  aber  ist  nur  halb  so  dick  als  das 
Endglied,  gegen  das  Ende  halsartig  eingeschnürt  und  am  Grunde  mit  einem 
doppelten  Kranze  zartester  Härchen  umgeben.  Das  Endglied  ist  am  Grunde 
bauchig   angeschwollen    und  nach  dem  abgerundeten  Ende  zu  schwach  verjüngt. 

Bei  Cypridina  nitidula  erschien,  an  einem  in  Holzessig  getödteten 
Thiere,  der  Anhang  als  einfacher  ungegliederter,  am  Grunde  etwas  verdickter 
Stab  mit  abgerundeter  Spitze. 

Man  wird  diesen  Stirnanhang  der  Cypridinen  als  Sinneswerkzeug  betrachten 
dürfen ;  welcherlei  Empfindungen  es  vermittle,  darüber  wage  ich  keine  Vermuthung. 
Ein  „frontales  Sinnesorgan",  das  freilich  nur  in  seiner  Lage  mit  dem  der  Cypri- 
dinen übereinstimmt,  wurde  bekanntlich  von  Claus  bei  verschiedenen  Copepoden 
nachgewiesen  ^). 

2.   Die  Putzfüsse. 

Die  Cypridinen  besitzen  jederseits  etwa  in  der  Mitte  der  Körperlänge  einen 
langen,  dünnen,  „geringelten  Anhang"  (Fig.  15  h,  Fig.  19),  der  nach  dem  Rücken 
in  die  Höhe  steigt  und  gegen  die  Spitze  hin  mehr  oder  minder  zahlreiche,  steife, 
spitze  Borsten  trägt,  welche  ihrerseits  wieder  mit  kurzen,  spitzen  Dörnchen  besetzt 
sind.  Milne  Edwards  deutete  diese  Anhänge  als  „pattes  oviferes"^)  und  alle 
späteren  Beobachter,  die  sich  überhaupt  über  deren  Verrichtung  ausgesprochen 
haben,  sind  ihm  in  dieser  Deutung  gefolgt;  so  Baird,  Grube  und  Claus.  Grube 
erinnert  dabei  „an  das  ganz  ähnlich  gebildete  Organ,  welches  beim  Weibchen 
von  Limnetis  brachyurus  als  Rückenast  des  9.  und  10.  Fusspaars  auftritt 
und  hier  nicht  zum  Halten,  sondern  zum  Tragen  der  Eier  dient,  indem  sie  sich 
um  dasselbe  zu  einem  Klumpen  backen".  —  Eier  hat  freilich  Niemand  weder  an 
diesen  „eiertragenden  Füssen",  noch  überhaupt  innerhalb  der  Schale  von  Cypri- 
dina gesehen,  und  so  hätte  man  sich  wenigstens  wie  Grube  auf  eine  blosse  Ver- 
muthung beschränken  und  nicht  wie  Andere  jene  Deutung  als  ausgemachte  That- 
sache  hinstellen  sollen. 

Bekanntlich  wurde  bei  Cypris  dem  letzten  Fusspaare  ebenso  allgemein  und 
ebenso  ohne  jede  thatsächhche  Begründung  dieselbe  Leistung  zugeschrieben,  bis 
W.  Zencker  die  jedenfalls  richtigere  Ansicht  aussprach,  dass  diese  ebenfalls  auf- 
wärts gebogenen,  sehr  beweglichen  Füsse  dazu  dienen,  „die  grosse  Kiemenplatte 
mit  ihren  gefiederten  Haaren  zu  reinigen"  %  Das  hätte  auch  für  die  geringelten 
Anhänge  der  Cypridinen  auf  den  rechten  Weg  leiten  können.  Dieselben  sind  in 
der  That  nichts  Anderes  als  Putzfüsse.  Beobachtet  man  eine  lebende  Cypri- 
dina  nitidula  oder   eine  C.  Agassizii  mit  nicht  zu  undurchsichtiger  Schale, 


i)  Claus,  die  freilebenden  Copepoden.  S.  55.  Taf.  XXXI,  Fig.   17. 

2)  Milne  Edwards,  Hist.  nat.  des  Crustaces.     Explication  des  Planches,  pag.  28. 

3)  W.  Zenker,  Studien  über  die  Krebsthiere.    S.   17. 


Bemerkungen  über  Cypridina.  X^Q 

SO  sieht  man  die  geringelten  Anhänge,  die  mit  ihrem  meist  rechtwinkHg  ab- 
stehenden Borstenbesatz  fast  wie  die  Bürsten  aussehen ,  deren  man  sich  zum 
Reinigen  von  Glascyhndern  bedient,  in  fast  ununterbrochener,  lebhafter  Bewegung. 
Einem  Ringelwurm  vergleichbar,  der  aus  seiner  Röhre  weit  vorgestreckt  nach 
allen  Seiten  umhertastet,  kriechen  sie  und  biegen  sie  sich  nach  allen  Richtungen ; 
namentlich  an  den  Kiemen  und  in  deren  Umgebung  fegen  sie  und  putzen  sie 
fleissig  hin  und  her.  Mit  den  Eiern,  die  allerdings  wenigstens  bei  C.  Agassizii 
innerhalb  der  Schale  der  Mutter  sich  entwickeln,  haben  sie  nichts  zu  schaffen. 
Sie  sind  bei  beiden  Geschlechtern  in  völlig  gleicher  Weise  ausgebildet. 

Ich  habe  die  „geringelten  Anhänge"  Putzfüsse  genannt  und  damit  schon 
ausgesprochen,  dass  ich  sie  als  ein  Gliedmaassenpaar  betrachte;  auch  von  Milne 
Edwards,  Baird  und  Dana  werden  sie  als  Füsse  bezeichnet  (pattes  oviferes,  ovi- 
ferous  feet,  pes  ad  ova  pertinens).  Grube,  der  sie,  wie  erwähnt,  dem  Rückenast 
des  9.  und  10.  Fusspaares  der  weiblichen  Limnetis  vergleicht,  sagt  von  ihnen: 
„Bei  Cypridina  scheint  es  gar  nicht  mehr  zur  Bildung  einer  freien  Fussplatte 
zu  kommen  und  blos  dieser  Anhang  ausgebildet  zu  sein."  Gegen  diese  Auf- 
fassung ist  einzuwenden,  dass  die  hinteren  Füsse  der  Muschelkrebse  (Cypris, 
Cythere)  gar  keinen  Rückenast,  sondern  überhaupt  nur  eine  einzige  Gliederreihe 
besitzen,  also  ihr  gar  nicht  vorhandener  Rückenast  sich  nicht  wohl  in  den  ge- 
ringelten Anhang  umwandeln  konnte.  Zudem  ist  auf  den  Vergleich  mit  den 
Eierträgern  der  Phyllopoden  kaum  Gewicht  zu  legen,  da  die  Aehnlichkeit  der 
letzteren  mit  den  Putzfüssen  der  Cypridinen  sich  darauf  beschränkt,  dass  beide 
nach  oben  gerichtet  sind;  im  Uebrigen  ist  ihr  Bau  so  verschieden,  als  ihre  Ver- 
richtung; jene  sind  ungegliederte,  nackte  P'äden,  diese  in  zahlreiche  Ringe  ge- 
gliedert und  mit  ansehnlichen  Borsten  bewehrt.  Nach  Claus  i)  „erscheint  das 
letzte  Extremitätenpaar  der  Muschelkrebse  nach  dem  Rücken  zu  emporgerichtet, 
verkümmert  zuweilen  und  wird  in  seiner  Leistung  durch  einen  gekrümmten, 
geringelten  Faden  ersetzt,  welcher  zum  Tragen  der  Eier  unterhalb  der  Schale 
dient  (Cypridina)."  Danach  scheint  Claus,  wenn  ich  ihn  recht  verstehe,  die  „ge- 
ringelten Fäden"  nicht  als  das  umgewandelte  Fusspaar,  sondern  als  ein  selbständig 
entstandenes  Gebilde  zu  betrachten,  das  die  Arbeit  des  verloren  gegangenen  Fuss- 
paares übernommen  hat.  Man  würde  bei  dieser  Ansicht  sich  die  Verkümmerung 
des  Fusspaares  als  Folge  der  Ausbildung  der  geringelten  Fäden  denken  können, 
die  seine  Arbeit  besser  verrichteten  und  es  dadurch  entbehrlich  machten,  etwa  wie 
bei  einigen  Acanthaceen  (M  e  n  d  o  z  i  a)  der  Kelch  verkümmert,  weil  er  durch  die 
Deckblätter  entbehrlich  gemacht  worden  ist. 

Einfacher  jedoch  und  natürlicher  scheint  mir  die  Annahme,  dass  die  gerin- 
gelten Anhänge  der  Cypridinen  nichts  Anderes  sind,  als  eben  das  umgewandelte 
letzte  Fusspaar  der  Muschelkrebse.  Bei  Cythere  sehen  wir  dieses  Fusspaar  in 
seiner  ursprünglichen  Form  und  Verrichtung,  dem  vorhergehenden  gleichend,  ab- 
wärts gerichtet,  der  Ortsbewegung  dienend.  Bei  Cypris  ist  dasselbe  Fusspaar 
schon  nach  hinten  und  oben  gebogen  und  zu  einer  neuen  Leistung  verwendet 
doch  im  Bau  noch  sehr  wenig  verändert;  nur  sind  seine  Glieder  länger,  schmäch- 
tiger geworden  und  haben,  wie  mir  scheint,  eine  bedeutend  grössere  Beweglichkeit 


i)  Claus,  Grundzüge  der  Zoologie,   1866.  S.  208. 
Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  24 


o^Q  Bemerkungen  über  Cypridina. 

erlangt;  auch  die  Endklaue  ist  sehr  beweglich  und  bisweilen  (nach  Zenker)  kämm - 
artig  gezähnt.  Bei  Cypridina  sind  die  Putzfüsse  in  hohem  Grade  für  ihre  neue 
Verrichtung  vervollkommnet  worden;  ihre  Beweglichkeit  ist  auf's  Höchste  ge- 
steigert, indem  ihre  Glieder  in  zahlreiche  Ringel  zerfallen  sind,  wie  es  ja  auch 
mit  einzelnen  Gliedern  an  verschiedenen  Fusspaaren  mancher  Garneelen  (Lys- 
mata,  Stenopus)  der  Fall  ist,  und  statt  der  spärlichen  Borsten  von  gewöhn- 
lichem Bau,  die  sich  bei  Cypris  finden,  sind  sie  mit  einer  vortrefflichen  Bürste 
ausgerüstet. 

Bei  dieser  Gelegenheit  darf  ich  wohl  darauf  hinweisen,  dass  trefflich  aus- 
gerüstete Putzfüsse  auch  unter  den  höheren  Krustern,  bei  Porcellana,  Hippa 
und  Pagurus  vorkommen.  Es  sind  dieses  die  ebenfalls  nach  dem  Rücken  in 
die  Höhe  geschlagenen,  aus  dünnen,  sehr  beweglich  mit  einander  verbundenen 
Gliedern  gebildeten  Füsse  des  letzten  Brustringes,  die  man  bisher  allgemein  als 
„verkümmerte"  (Milne-Edwards,  Troschel,  Vogt,  Gerstäcker,  Claus  etc.),  „scheinbar 
überflüssige"  (Vogt)  Anhänge  betrachtet  hat.  Ich  wurde  auf  ihre  Bedeutung  zu- 
erst aufmerksam  bei  einer  Porcellana  (Polyonyx  Creplinii  F.  M.),  die  sich  in 
der  Röhre  von  Chaetopterus  aufhält  und  welcher  wegen  des  reichlichen 
Schleimes,  den  ihr  Wirth  absondert,  Reinlichkeit  besonders  Noth  thut.  Ich  hielt 
ein  eiertragendes  Weibchen  dieser  Art  einige  Zeit  lebendig  und  dieses  Hess  die 
durch  Länge  und  Beweglichkeit  ausgezeichneten  Putzfüsse  fast  nie  ruhen ;  bald 
senkte  es  sie  tief  in  die  Kiemenhöhle,  bald  kehrte  es  seinen  Rücken  ab^  und  bald 
fuhr  es  damit  zwischen  den  Eiern  herum  wie  ein  Bäcker,  der  Teig  knetet.  Später 
habe  ich  auch  bei  anderen  Porcellanen,  bei  Hippa  und  bei  Pagurus  die  Putzfüsse 
in  Thätigkeit  gesehen ;  sie  dienen  bei  diesen  Thieren  hauptsächlich  zum  Reinigen 
der  Kiemenhöhle.  Ihre  letzten  Glieder  sind  sehr  reichlich  mit  mannichfach  ge- 
stalteten Borsten  besetzt,  die  Bürsten,  Kämme  etc.  darstellen ;  bei  Hippa  sind  ausser- 
dem an  diesen  Putzfüssen  die  Innenränder  der  Scheere  sehr  zierlich  gezähnelt. 
Wäre  man  nicht  gewöhnt  gewesen,  die  Bezeichnung  „rudimentär"  und  andere, 
die  früher  eine  nur  bildliche  Bedeutung  hatten,  eben  deshalb  ziemlich  leichtfertig 
und  gedankenlos  anzuwenden,  so  hätte  der  erste  Blick  auf  ihre  prächtige  Be- 
borstung  überzeugen  müssen,  dass  man  in  diesen  Putzfüssen  der  Anomuren  nicht 
verkümmerte  Füsse  vor  sich  habe,  sondern  im  Gegentheil  für  eine  besondere, 
sehr  wichtige  Verrichtung  umgestaltete  und  zu  grosser  Vollkommenheit 
ausgebildete  Gliedmassen.  Bei  den  Krabben,  die  keine  besonderen  Putzfüsse 
haben,  wird,  beiläufig  bemerkt,  die  Reinigung  der  Kiemen  durch  die  in  der  Kiemen- 
höhle spielenden  Anhänge  der  Kieferfüsse  besorgt,  deren  Borstenbesatz  eine  reiche 
Musterkarte  verschiedener  Kammformen  bietet. 

3.    Die  Riechfäden  und  Spürborsten  der  Fühler. 

Die  Fühler  (antennes  superieures  pediformes  M.  Edw.)  sind  bei  verschiedenen 
Arten  von  Cypridina  in  verschiedener  Weise  gegliedert  und  mit  Borsten  aus- 
gerüstet; selbst  die  beiden  Geschlechter  derselben  Art  zeigen  Verschiedenheiten 
in  dieser  Beziehung  und  mehr  noch  in  der  Ausbildung  der  Riechfäden. 

Von  Cypridina  Grubii  habe  ich  nur  Männchen  gesehen.  Die  Fühler 
(Fig.  2,  b.  Fig.  4)  zeigen  sechs  deutliche  Glieder;  das  erste  ist  wie  gewöhnlich 
borstenlos   und  bildet  mit  dem  folgenden  ein  Knie;   das  zweite  und  dritte  tragen 


Bemerkungen  über  Cypridina.  -yn  j 

nur  wenige  kurze  Borsten;  am  Ende  des  vierten  stehen,  und  zwar  an  der  Unter- 
seite, drei  längere,  gerade,  einfache  Borsten  und  über  ihnen  die  Riechfäden- 
borste (Fig.  4,  ci).  Diese  ist  mehr  als  doppelt  so  lang  als  die  beiden  Endglieder 
des  Fühlers  zusammen  und  läuft  wie  eine  gewöhnliche  Borste  in  eine  feine  dunkel- 
gerandete  Spitze  aus ;  ihr  unteres  Drittel  ist  spindelförmig  verdickt  und  das  zweite 
Sechstel  ihrer  Länge  an  der  Unterseite  mit  einem  dichten  Büschel  zahlreicher 
Riechfäden  besetzt,  deren  Länge  etwa  der  halben  Länge  der  Borste  gleichkommt. 
Am  Ende  des  letzten  Fühlergliedes  stehen  5  (oder  6  ?)  grössere  Borsten,  von  denen 
4  eine  besondere  Erwähnung  verdienen.  Zwei  derselben  (Fig.  4,  /)  laufen  nämlich 
nicht  in  eine  scharfe,  dunkelrandige  Spitze  aus,  sondern  in  einen  walzenförmigen, 
am  Ende  abgerundeten,  sehr  zarthäutigen  Faden,  der  ganz  das  Aussehen  eines 
Riechfadens  hat.  Die  beiden  anderen  Borsten  (Fig.  4,  d)  zeichnen  sich  durch  ihre 
grosse  Länge  aus,  welche  die  des  ganzen  Fühlers  übertrifft;  in  der  ersten  Hälfte 
ihrer  Länge  trägt  jede  derselben  eine  Reihe  von  sieben  kurzen  Haaren ;  die  beiden 
ersten  sind  gewöhnliche  Haare,  die  fünf  folgenden  zartwandig,  Riechfäden  ähnlich. 

Beim  Männchen  von  Cypridina  Agassizii  (Fig.  20,  b)  ist  die  Gliederung 
der  Fühler  ziemlich  dieselbe,  wie  bei  C.  Grubii,  nur  sind  das  5.  und  6.  Glied 
auf  der  Unterseite  mit  einander  verschmolzen;  oberhalb  sind  sie  deutlich  ge- 
schieden ;  an  den  Seiten  verläuft  die  Grenzlinie,  allmählich  undeutlicher  werdend, 
schief  nach  unten  und  hinten.  Die  Borsten  am  Ende  des  Fühlers  scheinen  von 
einem  besonderen,  ganz  kurzen  siebenten  Gliede  getragen  zu  werden.  —  Der 
Riechfädenbüschel  (Fig.  20,  Fig.  22)  steht  an  derselben  Stelle  wie  bei 
C.  Grubii  und  ist  so  mächtig  und  eigenthümlich  entwickelt,  dass  man  ihn  auf 
den  ersten  Blick  eher  für  einen  besonderen  Ast  des  Fühlers,  als  für  eine  um- 
gewandelte Borste  nehmen  möchte.  Es  fehlt  nämlich  das  nackte  Ende  der  Borste, 
welches  dieselbe  bei  C.  Grubii  sofort  als  solche  erkennen  lässt;  der  spindelförmig 
geschwollene  Theil,  hier  allein  vorhanden,  reicht  etwa  bis  zum  Ende  des  Fühlers ; 
seine  grösste  Dicke  kommt  etwa  einem  Viertel  seiner  Länge  gleich.  Seine  Wand 
ist  dick,  stark  und  unregelmässig  quer  gerunzelt.  Die  Riechfäden  stehen  in  etwa 
sechs  Gruppen  am  oberen,  in  etwa  fünf  am  unteren  Rande;  auch  die  Spitze  gabelt 
sich  in  mehrere  Riechfäden.  Nach  aussen  und  hinten  vom  Riechfädenbüschel 
steht  eine  gewöhnliche  Borste.  Am  Ende  des  sechsten  Gliedes  und  zwar  an  der 
Unterseite  steht  eine  starke  Borste,  die  am  Ende  in  zwei  kurze,  dünnwandige 
Fäden  mit  abgerundeter  Spitze  ausläuft.  —  Unter  den  Endborsten  des  Fühlers 
sind  hervorzuheben:  eine  starke,  klauenartige  Borste  (Fig.  17,  e)  mit  leicht  auf- 
wärts gebogener  Spitze,  etwa  so  lang  wie  das  5.  und  8.  Glied  zusammen,  und 
eine  Borste  (Fig.  17,  y),  die  dünner  als  die  übrigen  ist  und  in  einen  zarthäutigen 
Faden  mit  abgerundeter  Spitze  ausläuft. 

Beim  Weibchen  von  Cypridina  Agassizii  (Fig.  17)  steht  an  der  Stelle 
des  Riechfädenbüschels  eine  gewöhnliche  Borste  (Fig.  17,  a);  am  Ende  des  folgenden 
Gliedes  (wahrscheinlich  dem  5.  und  6.  des  Männchens  entsprechend)  findet  sich, 
an  gleicher  Stelle,  wie  am  6.  GHede  des  Männchens,  eine  ähnliche  Borste  wie  bei 
jenen,  die  aber  am  Ende  in  drei  (bisweilen  vier?)  Fäden  sich  spaltet.  (Fig.  17,  ß). 
Die  Endborsten  gleichen  denen  des  Männchens;  doch  sah  ich  nur  an  einer  der- 
selben, die  durch  S-förmige  Krümmung  sich  auszeichnet  (Fig.  17,  ö),  drei  kurze, 
blasse,   seitliche  Fäden,   während   solche  beim  Männchen    zahlreicher  vorkommen. 

24* 


-ym-y  Bemerkungen  über  Cypridina. 

Bei  dem  Weibchen  von  Cypridina  nitidula  ist  die  Beborstung  der 
Fühler  (Fig.  ii)  fast  ganz  wie  bei  C.  oblonga  Gr.  —  Bei  letzterer  sind  das 
dritte  und  vierte  Glied  der  Fühler  von  C.  Grubii  und  C.  Agassizii  in  eins 
verschmolzen;  bei  C.  nitidula  verschmelzen  damit  auch  noch  die  beiden  folgenden 
Glieder.  Dagegen  ist  das  Endglied  (beim  Männchen  von  C.  Agassizii  das  7.) 
sehr  deutlich  abgesetzt.  Die  Riechfädenborste  ist  dicker  und  kürzer,  die  sechs 
Riechfäden  an  deren  Ende  dagegen  viel  länger,  als  bei  C.  oblonga.  Unter  den 
Endborsten  läuft,  wie  bei  C.  Agassizii,  eine  (Fig.  11,  7)  in  eine  riechfaden- 
ähnliche Spitze  aus. 

Bei  einem  Männchen  (Fig.  9).  das  vermuthlich  zu  derselben  Art  gehört, 
bildeten  die  Riechfäden  ein  dichtes  Büschel  wie  bei  C.  Agassizii,  während 
zwei  der  Endborsten  ungemein  verlängert  sind,  wie  bei  C.  Grubii. 

Ich  kann  mich  nicht  entsinnen,  bei  anderen  Krustern  Fächer  oder  Büschel 
von  Riechfäden  am  Ende  oder  an  der  Seite  gewöhnlicher  Borsten  gesehen  zu 
haben.  Die  Endborsten  mit  zarthäutigem  Endfaden,  dessen  abgerundete  Spitze 
bisweilen  das  Licht  etwas  stärker  bricht,  sind  gewöhnlichen  Riechfäden  schon 
ähnlicher.  Was  schon  Claus  als  wahrscheinlich  aussprach,  dass^die  Riechfäden 
„morphologisch  den  dunkel  contourirten  Haaren  und  Borsten  entsprechen  möchten"  ^), 
wird  durch  ihr  Verhalten  bei  Cypridina  zur  Gewissheit.  —  Ebenso  eigenthüm- 
lich  sind  die  zarten,  seitlichen  Fädchen  an  einzelnen  Endborsten,  namentlich  an 
den  beiden  langen  Borsten  der  C.  Grubii.  Diese  langen  Endborsten,  die  Lilje- 
borg  als  Gattungsmerkmal  verwerthet,  dürften  eine  Eigenthümlichkeit  des  männ- 
Hchen  Geschlechtes  sein  und  als  Spürborsten  beim  Aufsuchen  der  Weibchen 
dienen ;  ich  habe  sie  wenigstens  nur  bei  männlichen  Thieren  gefunden  2). 

4.    DieSchwimmfüsse 
(„pattes  natatoires"  M.  Edw.    „Aeusserc  Antennen"  Grube). 

Zunächst  ein  Wort  über  die  Benennung  dieses  Gliedmaassenpaares,  für 
welches  ich  die  ältere  Bezeichnung  von  Milne  Edwards  beibehalte,  trotzdem  kein 
Zweifel  darüber  obwalten  kann,  dass  es  dem  zweiten  Fühlerpaare  der  höheren 
Kruster  entspricht.  —  Es  mag  zweckmässig  scheinen,  einander  entsprechende 
(homologe)  Theile  überall  mit  gleichem  Namen  zu  belegen,  obwohl  ich  nichts 
Uebles  darin  finden  kann,  dass  wir  beim  Fisch  von  Brustflossen,  beim  Vogel  von 
Flügeln,  beim  Hunde  von  Vorderbeinen,  beim  Menschen  von  Armen  reden.  Will 
man  aber  gemeinsame  Bezeichnungen  für  Reihen  entsprechender  Theile  einführen, 
so  sollten  dieselben  so  gewählt  sein,  dass  sie  entweder  überhaupt  nichts  über  deren 

i)  Claus,  die  freilebenden  Copepoden.     1863.    S.  55. 

2)  Man  ei innert  sich,  dass  bei  den  Männchen  einiger  anderen  Kruster  die  hinteren  Fühler  ausser- 
ordentlich verlängert  sind ;  so  bei  den  Cumaceen  und  einigen  Hyperinen  (den  Hyperiens  anormales 
M.  Edw.).  Dabei  sind  diese  Fühler  so  dünn  und  muskelschwach,  dass  sie  nicht  zum  Halten,  sondern 
offenbar  nur  zum  Aufspüren  der  Weibchen  dienen  können.  Beachtenswerth  ist,  dass  dieselben  Fühler,  die 
bei  den  Männchen  so  ungewöhnlich  verlängert  sind,  bei  den  Weibchen  sowohl  der  Cumaceen,  als  der 
Hyperiens  anormales  verkümmern,  oder  sogar  (in  der  Gattung  Brachyscelus  Sp.  Bäte)  ganz  fehlen. 
Ohne  dies  Verhalten  damit  vollständig  erklären  zu  wollen,  will  ich  darauf  hinweisen,  dass  die  Männchen 
diese  Fühler  nur  dann  in  den  ausschliesslichen  Dienst  des  Geschlechtslebens  ziehen  konnten,  wenn  ihnen 
keine  anderweitige  wichtige  Leistung  oblag.  In  diesem  Falle  aber,  wenn  sie  anderweitig  entbehrlich  waren, 
konnten  sie  bei  den  Weibchen  leicht  verkümmern. 


Bemerkungen  über  Cypridina.  '^7'^ 

Verrichtung  aussagen,  oder  wenigstens  von  der  ursprünglichen  Verrichtung  der- 
selben ausgehen.  Es  Hesse  sich  etwa  rechtfertigen,  die  Flügel  der  Vögel  als 
Vorderbeine  zu  bezeichnen;  es  wäre  geradezu  lächerlich,  die  Vorderbeine  des 
Hundes  Flügel  zu  nennen.  Und  ganz  ebenso  wie  die  Flügel  umgewandelte  Beine, 
nicht  aber  die  Beine  umgewandelte  Flügel  sind,  so  sind  auch  die  Fühler  der 
Kruster  umgewandelte  Schwimmfüsse,  nicht  aber  die  Schwimmfüsse  von  Cypridina, 
Daphnia  etc.  umgewandelte  Fühler.  Es  scheint  mir  daher  verkehrt,  sie  Fühler 
(Antennen)  zu  nennen,  blos  weil  sie  bei  andern  Krustern  zu  Fühlern  geworden 
sind  ^). 

Das  dicke,  muskelreiche  Grundglied  und  die  langborstige  Geissei  der 
Schwimmfüsse  (Fig.  2,  Fig.  15,  Fig.  20,  c)  wiederholen  sich  in  sehr  gleich- 
förmiger Weise  bei  allen  Cypridinen;  um  so  mannichfacher  gestaltet  sich  nach 
Art  und  Geschlecht  der  innere  oder  Nebenast  dieser  Füsse.  Er  wurde  von  Baird 
vermisst  bei  Cypridina  Brendae^);  winzig  und  ungegliedert  fand  ihn  Grube 
bei  C.  oblonga;  zweigliedrig,  mit  zwei  kurzen,  gekrümmten  Endklauen  ist  er 
nach  Baird  bei  C.  Mac  Andrei  ^).  Die  von  Baird  und  Grube  untersuchten  Thiere 
waren  vermuthlich  Weibchen.  Zweigliedrig  ist  der  Neben ast  auch  bei  dem 
Weibchen  von  Cypridina  Agassizii  (Fig.  18,  y);  das  erste  Ghed  ist  kurz 
das  zweite  reichlich  dreimal  so  lang,  fast  so  lang,  wie  das  dicke  Grundglied  des 
Fusses,  es  ist  mit  zarten  Härchen  besetzt,  gegen  das  Ende  verjüngt  und  trägt 
eine  einzige,  ihm  an  Länge  etwa  gleichkommende  Endborste. 

Bei  den  Männchen  von  Cypridina  Agassizii  (Fig.  23,  y),  und  C.  Grubii 
(Fig.  5),  sowie  bei  dem  vermuthlich  zu  C.  nitidula  gehörigen  Männchen  ist  dieser 
Nebenast  der  Schwimmfüsse  dagegen  dreigliedrig  und  bildet  ein  Greifwerkzeug, 
indem  das  Endglied  sich  klauenartig  gegen  das  zweite  Glied  einschlägt.  Bei 
C.  Agassizii  und  nitidula  ist  das  Endglied  um  etwa  ein  Drittel  kürzer,  bei 
C  Grubii  fast  eben  so  lang,  als  das  zweite  Ghed;  bei  den  beiden  ersten  Arten 
ist  das  Endglied  nach  der  scharfen  Spitze  zu  verjüngt  und  hat  einen  glatten  Greif- 
rand; bei  C.  Grubii  ist  es  in  ganzer  Länge  gleich  breit,  gegen  das  Ende  stark 
gekrümmt,  am  Ende  abgerundet  und  sein  Greifrand  ist  mit  einigen  Höckerchen 
besetzt.  In  der  Nähe  des  Gelenkes  trägt  das  Endglied  auf  der  Aussenseite  eine 
Borste,  die  bei  Cypridina  Grubii  nur  kurz,  bei  C.  Agassizii  länger  als  das 
Endglied  selbst  und  noch  länger  bei  C.  nitidula  ist. 

5.   Die   Kinnbackenfüsse.      („Pedes   mandibulares"   Dana.     „Mandibelpalpen" 
Grube.)     (Fig.  6.  Fig.  12.  Fig.   15,  d.  Fig.  20,  d.  Fig.  24  und  25.) 

Für  Füsse,  die  an  ihrem  Grundgliede  einen  dem  Kinnbacken  der  höheren 
Kruster  entsprechenden  Kaufortsatz  tragen,  ist  wohl  kein  treffenderer  Name  zu 
finden,  als  der  ihnen  von  Dana  beigelegte  der  Kinnbackenfüsse  (pedes 
mandibulares). 


i)  Wenn  Milne  Edwards  (Hist.  nat.  des  Crust.  III.  pag.  411)  von  den  Copepoden  sagt:  „les 
antennes  .  .  .  de  la  seconde  paire  manquent  quelquefois  et  sont  d'autres  fois  transformees  en  rames", 
so  ist  Letzteres,  wie  wir  jetzt  durch  Claus  wissen,  geradezu  falsch;  sie  sind  gerade  in  diesem  Falle  nicht 
umgewandelt,  sondern  haben  ihre  ursprüngliche  P'orm  und  Verrichtung  beibehalten. 

2)  Baird,  Nat.  Hist.  of  the  British  Entomostraca,  S.   182.  Tab.  XXIII,  Fig.  6. 

3)  Baird,  a.  a.  O.  S.   180.  Taf.  XXII,  Fig.  6. 


-,'7A  Bemerkungen  über  Cypridina. 

Grube  hat  das,  was  ich  mit  Dana  und  Claus  Kinnbacken  f  ü  s  s  e  nenne, 
Kinnbacken t a s t e r  (oder  vielmehr  in  wissenschaftlicherem  Deutsch:  „Mandibel- 
palpen")  genannt  und  noch  andere  wahrscheinlich  den  beiden  folgenden  Glied- 
maassenpaaren  zugehörige  Theile  als  „sichelförmigen  Anhang"  (Fig.  15,  e)  und 
„Mandibellade"  (Fig.  15, /^j)  demselben  Fusspaare  zugerechnet.  Letzteres  ist  schon 
aus  dem  Gnmde  nicht  gerechtfertigt,  weil  die  Kinnbackenfüsse  alle  Theile  wirk- 
lich besitzen,  auf  die  sie  irgend  rechtmässiger  Weise  Anspruch  machen  können. 
Aber  auch  abgesehen  davon  ist  die  Bezeichnung  Kinnbackentaster  nicht  passend. 
Bei  den  Nauplius  der  Copepoden  wie  der  höheren  Kruster  (Peneus)  sind  die 
Gliedmaassen  des  dritten  Paares  zweiästige  Schwimmfüsse ;  im  Grundgliede  der- 
selben entsteht  später  ein  Kaufortsatz,  der  Kinnbacken  (Mandibel).  In  diesem 
Zustande  verharren  sie  bei  den  Muschelkrebsen  und  vielen  Copepoden.  Bei  diesen 
Thieren  ist  also,  wie  Claus ^)  richtig  hervorhebt,  der  sogenannte  Taster  „der 
primäre  Theil  und  nichts  Anderes,  als  der  Larvenfuss  selbst,  während  wir  den 
Kautheil  als  ein  secundäres  Product  des  basalen  Gliedes  anzusehen  haben".  — 
Die  Nauplius  von  Peneus  verlieren  nun  beim  Uebergang  in  die  Zoea-Form 
diesen  „Taster"  vollständig ;  es  bleibt  ihnen  nur  der  anhanglose  Kautheil.  Ebenso 
sind  die  Kinnbacken  aller  unmittelbar  dem  Ei  entschlüpfenden  Zoea  stets  tasterlos. 
Erst  in  weit  späterer  Zeit  sprosst  bei  vielen  höheren  Krustern  aus  dem  anhang- 
losen Kinnbacken  wieder  ein  Taster  hervor.  Hier  ist  also  der  Kautheil  das 
Frühere,  der  Taster  das  später  Entstehende,  gerade  umgekehrt  wie  bei 
den  Muschelkrebsen  und  Copepoden.  Möglich  wäre  es  nun  allerdings, 
dass  dieser  Taster  nichts  Anderes  ist,  als  der  wieder  erschienene  und  zu  einem 
neuen  Dienste  verwandte  Schwimmfuss  des  Nauplius,  dass  also  die  „Mandibel- 
palpen"  der  höheren  und  niederen  Kruster  wirklich  homolog  sind.  Es  ist  ja 
nichts  Seltenes,  namentlich  bei  Pflanzen,  dass  längst  verlorene  Theile  gelegentlich 
wiedererscheinen  und  auch  dafür,  dass  solche  wiedererschienene  Theile  auf's  Neue 
durch  natürliche  Züchtung  befestigt  und  zu  einer  bleibenden  Eigenthümlichkeit 
der  Art  werden,  könnte  ich  wenigstens  ein  schlagendes  Beispiel  geben.  —  Ebenso 
möglich  ist  es  aber,  dass  der  gegliederte  Anhang  am  Kinnbacken  der  höheren 
KJruster  eine  Neubildung  ist,  die  mit  dem  Schwimmfüsse  des  Nauplius  in  keinem 
Zusammenhang  steht.  Neue  Gliederreihen  haben  sich  ja  an  den  ursprünglich  ein- 
fachen vorderen  Fühlern  vieler  höheren  Kruster  entwickelt.  —  Die  Bezeichnung 
des  dritten  Gliedmaassenpaares  der  Cypridinen  als  Kinnbackentaster  (Mandibel- 
palpe)  ist  daher  voreilig,  wenn  dadurch  ausgedrückt  werden  soll,  dass  es  dem 
Kinnbackentaster  der  höheren  Kruster  entspricht;  denn  diese  Annahme  ist 
unerwiesen  und  wie  mir  scheint  unerweisbar.  Wäre  sie  erwiesen,  so  würde  die 
Bezeichnung  dennoch  verkehrt  sein,  weil  nicht  die  Taster  der  höheren  Kruster, 
sondern  die  Schwimmfüsse  des  Nauplius  und  die  ihnen  noch  so  ähnlichen  Kinn- 
backenfüsse der  Cypridinen  die  ursprüngliche  Form  darstellen.  Unpassend  wäre 
endlich  der  Name  „Taster"  auch,  wenn  er  die  Leistung  dieser  Gliedmaassen  be- 
zeichnen sollte,  die  offenbar  mehr  mit  der  Ortsbewegung  des  Thieres  und  dem 
Herbeischaffen  der  Nahrung,  als  mit  dem  Betasten  zu  thun  haben.  Nach  alledem 
darf  wohl  die  Bezeichnung  „Mandibelpalpen"  als  ungeeignet  zurückgewiesen  werden. 

i)  Im  Original  irrtümlich   15,  e. 

2)  Claus,  die  freilebenden  Copepoden,  S.  26. 


Bemerkungen  über  Cypridina.  t^c 

Wie  Zenker  bei  Cypris  und  Cythere,  Baird  bei  Cypridina  Brendae 
und  Grube  bei  C.  oblonga,  zähle  auch  ich  an  den  Kinnbackenfüssen  fünf 
Glieder. 

Das  kurze  erste  Glied  trägt  bei  Cypridina  Agassizii  und  nitidula 
einen  säbelförmigen,  nach  innen  und  oben  gerichteten  Fortsatz,  den  Kinnbacken. 
Fig.  12,  a.  Fig.  25.)  —  Bei  C.  Grubii  habe  ich  denselben  nicht  gesehen.  Der 
gewölbte  Rand  des  säbelförmigen  Kinnbackens  ist  bei  C.  Agassizii  (Fig.  25) 
in  seiner  unteren  Hälfte  mit  mehreren  (vier)  Gruppen  kurzer,  steifer  Haare  be- 
setzt, in  seiner  oberen  Hälfte  mit  sechs  zahnartigen  Vorsprüngen  versehen,  von 
denen  der  unterste  ziemlich  lang  und  scharf,  die  beiden  obersten  ganz  flach  und 
stumpf  sind.  Die  Spitze  des  Kinnbackens  ist  abgerundet  und  trägt  zwei  Borsten, 
die  eine  kürzer,  dicker,  gerade,  blass,  die  andere  eine  gewöhnliche  Borste,  länger, 
dünner, "-gebogen.  Unter  der  Spitze  findet  sich  am  gewölbten  Rande  des  Kinn- 
backens ein  flacher  Ausschnitt,  der  mit  feinen  Härchen  besetzt  ist  und  an  seinem 
oberen  Ende  eine  blasse,  abwärts  gerichtete  Borste  trägt.  Man  fühlt  sich  ver- 
sucht, die  zarten  Härchen  als  Schmeckhärchen  zu  deuten.  —  Die  Haare  und  die 
zahnartigen  Vorsprünge  des  gewölbten  Randes  finden  sich  auch  bei  Cypridina 
nitidula;  der  Kinnbacken  endet  bei  dieser  Art  in  eine  scharfe  Spitze. 

Das  zweite  Glied  des  Kinnbackenfusses  hat  bei  C.  Agassizii  und 
nitidula  an  seiner  hinteren,  unteren  Ecke  einen  rückwärts  gerichteten  Vorsprung 
(Fig.  12,  ß.  Fig.  24,  ß),  der  am  Ende  vier  steife  Borsten  trägt.  Bei  C.  Grubii 
fehlt  derselbe. 

Am  Ende  des  zweiten  Gliedes  steht  bei  C  Agassizii  ein  kleiner  unge- 
gliederter, dem  Hauptaste  gleichlaufender  Nebenast  (Fig.  24.,  y),  den  ich  bei 
C.  nitidula  und  C.  Grubii  nicht  gesehen  habe. 

In  Betreff  der  bei  den  einzelnen  Arten  ziemlich  verschiedenen  Beborstung 
der  Kinnbackenfüsse  verweise  ich  auf  die  Abbildungen  (Fig.  6,  Fig.  12,  Fig.  24). 
—  Man  erkennt  sofort  die  wesentliche  Uebereinstimmung  dieses  Fusspaares,  einer- 
seits mit  dem  dritten  Gliedmaassenpaare  der  älteren  Nauplius,  andererseits  mit 
dem  Kinnbacken  (dem  ersten  Kieferpaar  nach  Zenker)  von  Cythere  und  Cypris, 
zwischen  denen  es  in  mancher  Hinsicht  in  der  Mitte  steht.  Wie  bei  Nauplius 
überwiegt  der  eigentliche  Fuss  an  Masse  bedeutend  den  Kaufortsatz  und  der 
Nebenast  hat  gleiche  Richtung  mit  dem  Hauptaste.  Bei  Cythere  und  Cypris 
erscheint  der  Fuss  nur  noch  als  Anhang  des  Kinnbackens,  der  Nebenast  hat  sich 
senkrecht  zum  Hauptaste  gestellt  und  ausserdem  bei  Cypris  in  ein  zartes,  drei- 
eckiges mit  breiten  gefiederten  Haaren  besetztes  Blatt  verwandelt. 

Es  versteht  sich  nach  diesem  Hinblick  auf  Nauplius  und  C3''there  von 
selbst,  dass  man  nicht  nach  noch  anderen  etwa  diesem  Fusspaare  zuzurechnenden 
Theilen  zu  suchen  hat,  und  dass  die  von  Grube  als  „säbelförmiger  Anhang"  und 
„Mandibellade"  bezeichneten  Theile  ihm  nicht  zug'ehören  können. 

Fühler,  Schwimmfüsse,  Kinnbackenfüsse  und  Putzfüsse  sind  bei  allen  C  y  p  r  i- 
d  i  n  e  n  in  ziemlich  übereinstimmender  Weise  gebildet ;  was  zwischen  Kinnbacken- 
füssen und  Putzfüssen  liegt,  bietet  dagegen  bei  den  verschiedenen  Arten  eine  in 
einem  Kreise  so  engverwandter  Formen  ganz  ungewöhnliche  Verschiedenheit  dar. 
Diese  Theile,   die  in  ihrer  Gesammtheit  dem  4.,  5.  und  6.  Gliedmaassenpaare  von 


-.-^  Bemerkungen  über  Cypridina. 

Cypris  und  Cythere  entsprechen,  sind  ebenso  schwierig  zu  untersuchen  als 
zu  deuten.  Die  von  Milne  Edwards,  Liljeborg  und  Grube  gegebenen  Deutungen 
schweben  völlig  in  der  Luft;  den  Aufsatz  von  Claus  „über  die  Organisation  der 
Cypridinen"  kenne  ich  leider  nicht.  Ich  selbst  habe  nur  bei  Cypridina  Agas- 
sizii  eine  einigermassen  befriedigende  Einsicht  in  Bau  und  Zusammenhang  dieser 
Gliedmaassen  gewonnen,  würde  aber  auch  für  diese  Art  über  deren  Deutung  im 
Einzelnen  nur  mehr  oder  minder  begründete  Vermuthungen  aussprechen  können, 
was  ich  unterlasse,  um  die  Zahl  der  nur  muthmasslichen  Deutungen  nicht  um 
noch  eine  zu  vermehren. 

6.   Aeussere  Geschlechtsverschiedenheiten. 

Der  langen  Spürhaare  am  Ende  der  Fühler,  die  vermuthlich  nur  den  Männchen 
zukommen,  der  reichen  Riechfädenbüschel,  sowie  der  Greifanhänge  an  den  Schwimm- 
füssen,  die  dasselbe  Geschlecht  auszeichnen,  ist  bereits  gedacht  worden.  —  Bei 
Cypridina  Agassizii  sind  die  Männchen  ausserdem  viel  kleiner  (etwa  1,5  mm 
lang)  als  die  Weibchen  (etwa  2  mm  lang),  und  daran  auf  den  ersten  Blick  zu 
erkennen.  Merkwürdig  ist  es,  dass  ich  von  dieser  Art  stets  bei  weitem  mehr 
Männchen  als  Weibchen  gefunden  habe;  eines  Tages  (12.  Novbr.  1865),  an  dem 
ich  besonders  glücklich  im  Fange  dieser  Thiere  war,  erbeutete  ich  57  Männchen 
und  nur  6  Weibchen.  —  Von  C.  Grubii  habe  ich  überhaupt  nur  sehr  wenige 
Thiere  gefangen,  unter  denen  sich  kein  einziges  Weibchen  befand.  —  Umgekehrt 
habe  ich  von  C.  nitidula  nur  Weibchen  gesehen,  wenn  nicht,  wie  ich  vermuthe, 
ein  einzelnes  dieser  Weibchen  in  der  weisslichen  Färbung  und  dem  Glänze  der 
Schale  gleichendes  Männchen  (Fig.  q)  derselben  Art  angehört.  In  diesem  Falle 
würden  die  Geschlechter  bei  dieser  Art  sich  auffallend  durch  die  Gestalt  der 
Schalen  und  die  Grösse  der  paarigen  Augen  unterscheiden.  Dass  die  Eier  im 
hinteren  Theile  der  Schale  ausgebrütet  werden,  wie  ich  bei  Cypridina  Agas- 
sizii fand,  würde  deren  stärkere  Wölbung  beim  Weibchen,  —  die  langen  Spür- 
borsten des  Männchens  würden  das  stärkere  Vorspringen  des  vorderen  Schalen- 
theiles  bei  diesem  Geschlechte  erklärlich  machen ;  die  grösseren  Augen  des 
Männchens  würden  ebenfalls  nichts  Auffallendes  haben. 

Ein  letztes  unterscheidendes  äusseres  Merkmal  der  Männchen  bietet  ihr  sehr 
ansehnliches  Begattungsglied.  Um  dasselbe  zu  schwellen  und  so  hervortreten 
zu  lassen,  tödtete  ich  die  Thiere,  wie  Zenker  mit  Cypris  that,  in  heissem  Wasser, 
—  Das  Begattungsglied  (Fig.  26,  p)  besteht  aus  einem  dicken,  unpaaren  Stamme, 
der  sich  in  einen  rechten  und  einen  linken  Schenkel  gabelt,  von  denen  jeder 
wieder  in  einen  äussern  und  einen  Innern  Ast  sich  spaltet.  Bei  C.  Agassizii 
sind  alle  diese  Theile  ziemlich  schlank,  der  innere  Ast  erscheint  als  unmittelbare 
Fortsetzung  des  Schenkels,  der  äussere  ist  dünner;  beide  sind  nach  dem  Ende  zu 
verjüngt  und  haben  eine  kahle,  abgerundete  Spitze.  Bei  C.  Grubii  (Fig.  7)  sind 
die  Schenkel  kurz  und  dick,  fast  kuglig  und  springen  über  die  Ansatzstelle  der 
Aeste  vor;  auf  dem  Gipfel  des  Vorsprungs  hegt  die  Geschlechtsöffnung.  Die 
Aeste  sind  ebenfalls  kurz  und  dick;  ihr  Durchmesser  beträgt  kaum  ein  Drittel 
von  dem  des  Schenkels;  am  Ende  trägt  jeder  zwei  blasse  Borsten.  Man  fühlt 
sich  versucht,  das  Begattungsglied  für  ein  umgewandeltes,  zweiästiges  Fusspaar 
zu  halten. 


Bemerkungen  über  Cypridina.  -inn 

7.    Die  Kiemen. 

Die  Kiemen  der  Cypridinen  sind  bereits  vor  30  Jahren  von  Philippi  gesehen 
und  abgebildet,  aber  nicht  als  solche  erkannt  worden.  Spätere  Beobachter  scheinen 
nur  kiemenlose  Arten  untersucht  zu  haben.  Claus  spricht  noch  1866  allen  Muschel- 
krebsen Respirationsorgane  ab  ^).  Meiner  Angabe,  dass  bei  Cypridina  ansehn- 
liche Kiemen  vorkommen  2),  scheint  derselbe  keinen  Glauben  geschenkt  zu  haben. 

Philippi  sah  bei  Asterope  elliptica  hinter  den  Putzfüssen  vier  wurst- 
förmige  Körper  am  Rücken  emporstehen.  Das  sind  die  Kiemen.  An  gleicher 
Stelle,  und  bei  todten  Thieren  in  gleicher  Gestalt,  jedoch  in  grösserer  Zahl,  finden 
sie   sich   bei   Cypridina  Agassizii  (Fig.   15,  br.    Fig.  26,  br)   und  nitidula. 

Bei  Cypridina  Agassizii  entspringt  jederseits  dicht  neben  der  Mittel- 
linie des  Rückens  eine  Reihe  von  sieben  (bisweilen  nur  sechs)  schmalen,  nach 
oben  kaum  merklich  breiteren  Blättern.  Sie  sind  etwas  schief  eingefügt,  so  dass 
der  Hinterrand  jedes  Blattes  den  Vorderrand  des  folgenden  von  aussen  deckt. 
Nahe  dem  oberen  Ende  trägt  jedes  Blatt  einen  kleinen,  warzenförmigen  Vor- 
sprung, durch  den  wohl  eine  zu  enge  Berührung  derselben  verhütet  wird.  Dem 
Rande  des  Blattes  entlang  verläuft  ein  einfacher,  ziemlich  weiter  Hohlraum. 

Bei  C.  nitidula  sind,  wenn  ich  mich  recht  entsinne,  die  Kiemen  zahlreicher. 
Dagegen  ist  ihre  Zahl  geringer  bei  ganz  jungen  Thieren.  Junge  von  C.  Agassizii, 
die  die  Schale  der  Mutter  noch  nicht  verlassen  hatten  (Fig.  1 4),  besassen  nur  drei 
Kiemenpaare,  die  von  vorn  nach  hinten  an  Grösse  zunahmen.  Die  hintersten 
Kiemen  sind  also  wahrscheinlich  die  ältesten. 

Der  Athemstrom  wird  unterhalten  durch  die  ununterbrochenen  Bewegungen 
des  mit  langen  Fiederborsten  besetzten  Blattes  (Fig.  15,^),  welches  Grube  den 
„grossen,  blattförmigen  Anhang  des  ersten  Maxillenpaares"  nennt  ^).  Ich  habe 
versäumt,  durch  Zusatz  feiner  Farbtheilchen  zum  Wasser  festzustellen,  in  welcher 
Richtung  der  Athemstrom  an  den  Kiemen  vorüberfliesst.  —  Hinter  dem  letzten 
Kiemenpaare  trägt  der  Rücken  einen  kurzen,  walzenförmigen,  unpaaren  Fortsatz, 
der  schief  nach  vorn  und  oben  gerichtet  und  mit  einigen  kurzen  Härchen  besetzt 
ist.     Bei  C.  Grubii  fehlt  mit  den  Kiemen  auch  dieser  Fortsatz  vollständig. 

Höchst  auffallend  ist  es,  dass  die  Kiemen  auch  Cypridina  oblonga  zu 
fehlen  scheinen,  die  sich  im  Bau  der  Gliedmaassen  auf's  Engste  an  C.  Agassizii 
und  nitidula  anschliesst.  Grube's  Zergliederung  der  C.  o  b  1  o  n  g  a  ist  eine  so 
sorgfältige  gewesen,  dass  er  die  Kiemen,  wären  sie  in  ähnlicher  Weise  wie  bei 
den  letzteren  beiden  Arten  entwickelt,  kaum  hätte  übersehen  können. 

8.    Herz  und  Blutlauf. 
Ein  Herz   habe   ich    bei   Cypridina  Agassizii   und  nitidula   gesehen; 
die  wenigen  Thiere  von  C.  Grubii,  die  ich  gefangen,  hatten  ganz  undurchsichtige 
Schalen   und   ich   kann    nicht   sagen,   ob   dieser  Art   mit  den  Kiemen  nicht  etwa 
auch  das  Herz  fehlt. 


i)  Claus,  Grundzüge  der  Zoologie,  S.  209. 

2)  Fritz  Müller,  Für  Darwin,   1864,  S.  72.  =  Ges.  Schriften  S.  247. 

3)  In  Grube's  Zeichnung  (Arch.  für  Naturgesch.  XXV,  Bd.  I,  Taf.  XII,  Fig.  4)  ist  dies  Blatt  in 
verkehrter  Lage  dargestellt;  der  gewölbte  Rand  mit  dem  Fiederborsten  ist  nicht  der  vordere,  sondern 
der  hintere. 


T-o  Bemerkungen  über  Cypridina. 

Die  Schale  der  Cypridinen  hängt  nur  auf  eine  ganz  kurze  Stelle  mit  dem 
Rücken  des  Thieres  zusammen;  an  dieser  von  oben  durch  die  Schale  gedeckten 
Stelle,  nach  hinten  und  oben  von  dem  mittleren  Auge,  liegt  das  Herz.  Es  bildet 
bei  Cypridina  Agassizii  (Fig.  i6)  einen  kurzen  Sack,  der  höher  als  lang  und 
unten  weiter  als  oben  ist. 

Vom  Laufe  des  Blutes,  das  arm  an  Blutkörperchen  ist,  habe  ich  nur  wenig 
gesehen.  Die  meisten  Thiere  sind  zu  undurchsichtig,  um  mehr  als  die  Bewegungen 
des  Herzens  erkennen  zu  lassen.  Nur  von  C.  Agassizii  habe  ich  ein  paar  fast 
farblose  Thiere  gefangen,  die  durchsichtig  genug  waren,  um  die  Blutkörperchen 
in  ihrem  Laufe  durch  Herz  und  Kiemen  verfolgen  zu  können.  In  das  Herz  tritt 
das  Blut  von  hinten  und  unten  und  strömt  nach  vorn  und  oben,  wo  eine  grosse 
Oeffnung  zum  Austritt  des  Blutes  zu  sein  scheint.  Von  da  sah  ich  den  Blutstrom 
sofort  nach  unten  umbiegen,  an  der  Vorderwand  des  Herzens  hinabsteigen  und 
hinter  das  mittlere  Auge  treten.  In  den  Kiemen  steigt  das  Blut  an  deren  vorderem 
Rande  in  die  Höhe,  am  hinteren  Rande  wieder  hinab.  —  In  den  Fühlern  sah 
ich  die  Blutkörperchen  an  der  Beugeseite  des  Knies  der  Spitze  zu,  an  der  Streck- 
seite nach  dem  Körper  zurücklaufen. 

9.   Allgemeine  Bem  er kun gen. 

Seit  W.  Zenker's  vortrefflicher  Arbeit  über  Cypris  und  Cythere  werden  die 
Muschelkrebse  fast  allgemein  als  besondere  Ordnung  der  Kruster  betrachtet.  Das 
will  sagen,  dass  sie  sich  selbständig  vom  Urstamme  der  Klasse,  und  nicht  von 
einem  der  anderen  Hauptäste  desselben  abgezweigt  haben.  Nur  Gerstäcker  ^) 
ordnet  sie  noch  neuerdings  den  Branchiopoden  unter.  „Die  Ostracoden",  sagt 
derselbe,  „schliessen  sich  den  Cladoceren,  von  denen  sie  gewöhnlich  als  eigene 
Ordnung  abgetrennt  werden,  eben  so  eng  an,  wie  diese  den  Phyllopoden  .  .  . 
Die  beiden  ersten  Beinpaare  derselben  werden  zwar  gewöhnlich  als  Maxillen 
beschrieben,  geben  sich  aber  nicht  nur  durch  ihren  in  mehrere  Lappen  geschlitzten 
Stamm,  sondern  auch  durch  die  besonders  am  ersten  Paare  stark  entwickelte 
Kieme  ^)  als  Analoga  der  Cladoceren-  und  Ph3dlopoden-Beine  zu  erkennen."  Gegen 
diesen  Vergleich  der  Kiefer  der  Muschelkrebse  mit  den  Beinen  der  Cladoceren 
und  Ph3^11opoden  ist  sicher  nichts  einzuwenden;  nur  passt  derselbe  eben  so  gut 
auf  die  Kiefer  der  Copepoden  und  der  höheren  Kruster  (Malacostraca) ;  nament- 
lich bei  den  Jugendzuständen  der  letzteren  ist  die  Aehnlichkeit  bisweilen  eine 
überraschende,  so  dass  auch  Claus  den  Kiefer  der  Krebslarven  „eine  Art  Phyllo- 
podenfuss"  genannt  hat.  Diese  Uebereinstimmung  beweist  also  nichts  für  eine 
nähere  Verwandtschaft   der  Muschelkrebse   und  Branchiopoden;   was  sie  beweist. 


i)  Peters,  Carus  und  Gerstäcker,  Handbuch  der  Zoologie,  II,   1863,  S.  399. 

2)  Die  bei  den  Knistern  so  häufig  vorkommenden  schwingenden  Platten,  die  mit  langen  Fieder- 
haaren besetzt  zu  sein  pflegen,  werden,  wo  man  keine  besseren  Kiemen  hat  finden  können,  immer  noch 
häufig,  wie  hier  von  Gerstäcker,  als  Kiemen  bezeichnet,  —  aber  ohne  allen  Grund.  In  allen  Fällen, 
wo  ich  diese  sogenannten  Kiemen  an  lebenden  Thieren  untersuchte,  fand  ich,  dass  sie  zu  den  blut- 
ärmsten  Th*eilen  des  Körpers  gehören.  Allerdings  dienen  sie  meist  der  Athmung,  aber  nur  dadurch, 
dass  sie  einen  Strom  frischen  athembarcn  Wassers  zuführen.  Noch  bei  den  höchststehenden  Krustern,  den 
Krabben,  wird  der  Athemstrom  bekanntlich  durch  eine  solche  schwingende  Platte  geregelt,  die  das  gleiche 
Recht  auf  den  Namen  Kieme  hat,  wie  die  entsprechenden  Platten  an  den  Kiefern  von  Cypris. 


Bemerkungen  über  Cypridina. 


379 


ist,  dass  die  Branchiopoden,  Copepoden,  Ostracoden  und  Malacostraca  erst  lange 
nach  der  Naupliuszeit,  dass  sie  erst  dann  von  dem  gemeinsamen  Stamme  sich 
trennten,  als  auch  diese  den  Kinnbackenfüssen  zunächst  folgenden,  bei  allen  diesen 
Ordnungen  in  ähnlicher  Weise  gebildeten  Gliedmaassen  bereits  entwickelt  waren. 
Die  Stammeltern  mögen  zu  dieser  Zeit  dieselbe  Gliedmaassenzahl  besessen  haben, 
wie  jetzt  Cypris  und  Cythere;  wie  bei  diesen  hinter  den  Kinnbacken  noch 
vier  Gliedmaassenpaare  sich  finden ,  so  sprosst  auch  bei  dem  N  a  u  p  1  i  u  s  von 
Peneus  die  gleiche  Zahl  von  Fussstummeln  hinter  den  Kinnbackenfüssen  gleich- 
zeitig hervor.  Die  einzige  Ordnung,  deren  Kiefer  in  ganz  abweichender  Weise 
gebildet  sind,  bei  der  überhaupt  ähnliche  Gliedmaassen  fehlen,  sind  die  Pecto- 
straca  Haeckel's,  die  Rankenfüsser  und  Wurzelkrebse;  diese  mögen  schon  früher 
von  dem  Urstamme  der  Classe  sich  getrennt  haben;  in  diesem  Falle  wäre  die 
Auffassung  von  Alph.  Milne  Edwards  die  richtige,  der  sie  als  Basin otes  allen 
übrigen  Krustern  (Eleutheronotes)  gegenüberstellt. 

Wenn  somit  Gerstäcker's  Bedenken  gegen  die  von  Zenker,  wie  mir  scheint, 
genügend  begründete  Abtrennung  der  Muschelkrebse  als  eigener  Ordnung  nicht 
stichhaltig  erscheinen,  so  können  andererseits  die  eigenthümlich  entwickelten 
Riechfäden .  der  Stirnanhang,  die  sonderbaren  Putzfüsse,  die  rückenständigen 
Kiemen  der  Cypridinen  nur  als  neue  Stützen  für  die  Auffassung  Zenker's 
betrachtet  werden,  welcher  namentlich  auch  Claus,  der  eben  so  glückliche  wie 
umsichtige  Forscher  auf  dem  Gebiete  der  niederen  Kruster,  und  E.  Haeckel  in 
seinem  bewundernswerthen  Versuche  einer  „genealogischen  Uebersicht  des  natür- 
lichen Systems  der  Organismen"  sich  angeschlossen  haben. 

Für  die  ziemlich  allgemein  angenommene  nähere  Verwandtschaft  der  Muschel- 
krebse mit  den  Rankenfüssern  liefert  die  Betrachtung  der  Cypridinen  keinen 
neuen  Anhalt,  man  müsste  denn  den  unpaaren  Stirnanhang  den  beiden  Fäden 
vergleichen,  welche  an  ähnlicher  Stelle  bei  den  Larven  der  Rankenfüsser  und 
Wurzelkrebse  sich  finden.  Ich  habe  früher  i)  gegen  die  Annahme  einer  solchen 
Verwandtschaft  mich  ausgesprochen  und  bis  jetzt  keinen  Grund  zur  Aenderung 
meiner  Ansicht  gefunden.  Die  Annahme  beruht  einzig  auf  der  zweiklappigen 
Schale  der  Rankenfüsserpuppen ;  wenn  man  aber  gesehen  hat,  wie  diese  Schale 
durch  das  Zusammenklappen  eines  flachen  Rückenschildes  sich  bildet,  und  wenn 
man  unter  den  Phyllopoden  als  nah  verwandte  Familien  die  nackten  Artemien, 
die  von  einem  einfachen  Rückenschilde  bedeckten  A  p  u  s  und  die  von  einer  zwei- 
klappigen Schale  umschlossenen  Limnadien  findet,  kann  man  kaum  auf  diese 
Bildung  der  Schale  irgend  ein  Gewicht  legen,  wenn  es  sich  um  die  Verwandt- 
schaft ganzer  Ordnungen  handelt. 

Unter  den  drei  Familien  der  Muschelkrebse  stehen  offenbar  die  C  y  p  r  i  d  i  n  e  n 
am  höchsten;  die  hohe  Entwickelung  der  Sinneswerkzeuge,  der  Augen,  der 
Riechfäden,  zu  denen  sich  noch  der  Stirnanhang  und  die  Schmeckhärchen  (?)  am 
Kinnbacken  gesellen,  sowie  der  Besitz  von  Herz  und  Kiemen,  weisen  ihnen  diese 
Stelle  an.  Trotzdem  aber  stehen  die  Cypridinen  in  mehrfacher  Beziehung  der 
Urform  der  Gruppe  unverkennbar  näher,  als  Cypris  und  Cythere;  so  darin, 
dass   das  zweite  Gliedmaassenpaar  meist   noch   einen  Nebenast   besitzt,   und   dass 


I)  Für  Darwin,  S.  59,  Anm.  =  Ges.  Schriften  S.  238. 


■li^Q  Bemerkungen  über  Cypridina. 

das  dritte  noch  einen  kräftigen  umfangreichen  Fuss  bildet;  beides  sind  Eigen- 
thümlichkeiten,  die  an  die  Gliedmaassenbildung  von  Nauplius  erinnern.  Wahr- 
scheinlich gilt  dasselbe  von  dem  Begattungsgliede,  das  viel  einfacher  gebaut  ist, 
als  bei  Cythere  und  Cypris.  Keinenfalls  haben  sich  die  höher  stehenden 
Cypridinen  aus  der  niedriger  stehenden  Form  der  Cypris  oder  Cythere, 
sondern  als  selbstständiger  Zweig  aus  der  Stammform  der  Muschelkrebse  ent- 
wickelt. 

Auf  dasselbe  Verhältniss  stossen  wir  übrigens  auch  bei  den  freilebenden 
Copepoden,  unter  welchen  „unstreitig  die  Calaniden  zugleich  mit  den  Pontelliden 
die  höchste  Stufe  einnehmen"  (Claus).  Auch  hier  sind  gerade  diese  höchst  stehenden 
Familien  in  dem  umfangreichen  Nebenast  der  „hinteren  Antennen",  sowie  in  dem 
zweiästigen,  den  hinteren  Antennen  ähnlichen  „Mandibularpalpus"  der  Urform 
des  Nauplius  weit  ähnlicher  geblieben,  als  alle  übrigen  Copepoden,  —  vielleicht 
weil  sie  der  ursprünglichen  Lebensweise,  dem  freien  Umherschwimmen  im  offenen 
Meere,  treu  blieben. 

Calaniden  und  Pontelliden  einerseits ,  Cypridinen  andererseits, 
stimmen  auch  darin  überein,  dass  sie  die  einzigen  Familien  ihrer  Ordnung  sind, 
die  ein  Herz  besitzen  und  dieses  Herz  hat  bei  beiden  etwa  dieselbe  Lage;  ob 
genau  dieselbe,  ist  wegen  der  bei  Cypridina  mangelnden  Gliederung  des  Leibes 
nicht  zu  sagen.  Dabei  drängt  sich  denn  natürlich  die  Frage  auf,  wie  diese  über- 
einstimmende Lage  des  Herzens  zu  erklären  sei.  —  Ehe  ich  die  Beantwortung 
dieser  Frage  versuche,  kann  ich  mir  nicht  versagen,  darauf  hinzuweisen,  wie 
scharf  und  schlagend  in  diesem  Falle  der  Gegensatz  hervortritt,  der  in  der  Auf- 
fassung der  morphologischen  Fragen  zwischen  den  Anhängern  Darwin's  und  den 
Bekennern  des  Schöpfungsdogma's  ^)  obwaltet.  Während  uns  die  eben  auf- 
geworfene Frage  Schwierigkeiten  bietet,  die  wohl  kaum  befriedigend  zu  lösen 
sind,  wird  sie  unseren  Gegnern  überflüssig,  vielleicht  lächerlich  erscheinen,  sie 
werden  es  selbstverständlich  finden,  dass  „dem  Bauplan  der  Classe  gemäss"  das 
Herz  bei  Cypridina  an  gleicher  Stelle  liegt,  wie  z.  B.  bei  Calanus  oder 
Daphnia.     Umgekehrt  wird  es  die  Anhänger  der  „alten  Schöpfungsh3rpothese", 


i)  Durch  Professor  Keferstein  erhalten  wir  neuerdings  (Bericht  über  die  Fortschritte  der  Generations- 
lehre im  Jahre  1867)  die  unerwartete  Belehrung,  dass  wir  die  Gegner  Darwin's  nicht  richtig  ver- 
stehen, wenn  wir  glauben,  dass  sie  mit  dem  Ausdruck  Schöpfung  wirklich  Schöpfung  meinen ;  Schöpfung 
soll  „nichts  weiter  als  eine  uns  unbekannte,  unfassbare  Weise  der  Entstehung"  heissen.  Es  soll  dadurch 
nur  in  verblümter  Weise  das  verschämte  Geständniss  ausgesprochen  werden,  dass  man  über  die  Entstehung 
der  Arten  „gar  keine  Meinung  habe"  und  haben  wolle.  Nach  dieser  Erklärung  des  Wortes  würde 
man  ebensowohl  von  der  Schöpfung  der  Cholera  und  der  Syphilis,  von  der  Schöpfung  einer  Feuersbrunst 
und  eines  Eisenbahnunglücks,  wie  von  der  Schöpfung  des  Menschen  reden  können.  Natürlich  bedeuten 
dann  auch  die  beliebten  Ausdrücke  Schöpfunsplan  oder  Bauplan  nicht  den  Plan  des  Schöpfers,  sondern 
„nichts  weiter  als  eine  uns  unbekannte,  unfassbare"  Ursache  der  Aehnlichkeit  verwandter  Formen.  Ver- 
wandtschaft aber  bedeutet  bekanntlich  bei  unseren  Gegnern  nicht  wirkliche  Verwandtschaft,  sondern  nichts 
weiter  als  Aehnlichkeit.  Wenn  dieselben  von  verkümmerten  Theilen  reden,  meinen  sie  nicht,  dass  diese 
Theile  wirklich  verkümmert  sind,  d.  h.  dass  sie  vordem  wohl  entwickelt  waren,  sondern  nichts  weiter,  als 
dass  sie  klein  und  nutzlos  sind.  Wenn  sie  aber  sagen  nutzlos,  meinen  sie  nicht  wirklich  nutzlos,  —  Nutz- 
loses konnte  ja  die  unendliche  Weisheit  nicht  schaffen,  —  sondern  nichts  weiter  als  von  „unbekanntem, 
unfassbarem"  Nutzen,  etc.  etc. 

Aber  wie  kann  erwarten,  richtig  verstanden  zu  werden,  wer  immer  etwas  Anderes  sagt,  als 
was  er  meint?  — 


Bemerkungen  über  Cypridina.  ^gj 

wie  sie  Weismann  nennt,  befremden  müssen,  dass  die  Kiemen  der  Cypridinen 
am  Rücken  stehen,  der  bei  keinem  anderen  Kruster  Kiemen  trägt.  Wir  dagegen 
hätten  als  wahrscheinlich  voraussagen  können,  dass  wenn  bei  Muschelkrebsen 
Kiemen  vorkämen,  dass  sie  dann  in  ihrer  Lage  nicht  mit  denen  anderer  Kruster 
übereinstimmen  würden.  Denn  Kiemen  haben  sich  bei  den  Krustern  überhaupt 
erst  spät  entwickelt ;  selbst  unter  den  Podophthalmen  und  Edriophthalmen 
sind  bis  heute  die  der  Urform  zunächst  stehenden  Gattungen  (Mysis,  Tanais) 
kiemenlos  geblieben.  Die  Stammeltern  der  Muschelkrebse  besassen  sicherlich 
keine  Kiemen.  Die  Kiemen  von  Cypridina  also  und  die  irgend  eines  anderen 
kiementragenden  Krusters  sind  keinenfalls  das  Erbtheil  eines  gemeinsamen  Ahnen, 
vielmehr  haben  sich  die  der  ersteren  unabhängig  entwickelt  und  es  dürfte  desshalb 
eine  abweichende  Lage  derselben  mit  grösserer  Wahrscheinlichkeit  erwartet  werden, 
als  eine  übereinstimmende.   — 

Die  gleiche  Lage  des  Herzens  bei  Calaniden ,  Pontelliden  und  Cypri- 
dinen würde  sich,  um  auf  die  oben  angeregte  Frage  zurückzukommen,  am  ein- 
fachsten erklären,  wenn  wir  annehmen  dürften,  dass  schon  die  gemeinsamen  Stamm- 
eltern der  Copepoden  und  Muschelkrebse  ein  Herz  an  gleicher  Stelle  be- 
sassen und  auf  die  genannten  Familien  vererbten,  während  dasselbe  bei  der  Mehr- 
zahl der  Copepoden  sowie  bei  Cypris  und  Cythere  im  Laufe  der  Zeiten 
verloren  ging. 

Zu  Gunsten  der  Annahme,  dass  schon  die  gemeinsamen  Stammeltern  von 
Copepoden  und  Muschelkrebsen  eine  Herz  besassen,  lässt  sich  geltend  machen, 
dass  schon  die  Nauplius  von  Peneus  ein  Herz  haben,  wodurch  das  sehr  frühe 
Auftreten  desselben  bei  den  Krustern  wahrscheinlich  wird;  ferner,  dass,  wie  er- 
wähnt, gerade  die  mit  einem  Herzen  versehenen  und  auch  sonst  höher  stehenden 
Familien  beider  Ordnungen  der  Urform  unverkennbar  ähnlicher  sind,  als  die 
übrigen  niedriger  stehenden,  des  Herzens  entbehrenden  Familien,  dass  keinenfalls 
erstere  aus  letzteren,  dass  weit  eher  letztere  aus  ersteren  hervorgegangen  sein 
können.  Dafür,  dass  das  Herz  verloren  gehen  könne,  liefern  unter  den  Glieder- 
thieren  die  Milben  den  Beweis.  Der  Mangel  des  Herzens  scheint  bei  diesen  in 
ursächlichem  Zusammenhange  zu  stehen  mit  der  geringen  Grösse;  natürlich  ist 
das  Herz  um  so  entbehrlicher,  zu  je  winzigerem  Umfange  der  Körper  herabsinkt. 
Von  den  Muschelkrebsen  wissen  wir  nun,  dass  sie  früher  eine  weit  ansehnlichere 
Grösse  erreichten ;  auch  ohne  die  handgreiflichen  Beweise,  die  uns  ihre  versteinerten 
Schalen  liefern,  würde  die  geringe  Zahl  an  Gattungen  armer,  scharf  geschiedener 
Familien  schliessen  lassen,  dass  wir  in  den  heutigen  Muschelkrebsen  nur  kümmer- 
liche Reste  eines  früher  weit  reicher  entfalteten  Formenkreises  vor  uns  haben. 
Möglich,  dass  in  gleicher  Weise,  wie  bei  den  Milben,  auch  bei  ihnen  das  Herz 
mit  Abnahme  der  Grösse  geschwunden  ist.  —  Es  darf  dabei  auch  der  Pycno- 
goniden  gedacht  werden.  Zenker  und  Krohn  haben  bei  diesen  Thieren  ein 
Herz  nachgewiesen;  bei  den  Arten,  die  ich  untersuchte,  habe  ich  es  nicht  ge- 
funden, ohne  jedoch  dessen  Nichtvorhandensein  behaupten  zu  können;  jedenfalls 
aber  war  es  bei  ihnen,  wenn  vorhanden,  ziemlich  überflüssig;  denn  es  war  keine 
Bewegung  des  Blutes  wahrzunehmen,  die  nicht  aus  den  Zusammenziehungen 
der  in  die  langen  Beine  eintretenden  Blindschläuche  des  Darms  zu  erklären  ge- 
wesen wäre. 


Tg-,  Bemerkungen  über  Cypridina. 

Immerhin,  wenn  auch  wahrscheinHch,  kann  die  Annahme  eines  Herzens  für 
die  gemeinsamen  Stammeltern  von  Copepoden  und  Muschelkrebsen  nicht  als  er- 
wiesen gelten. 

Die  zahlreichen  Copepoden  ohne  Herz  (Cyclopiden,  Harpactiden, 
Peltidien  und  Cor3^caeiden)  und  auch  C3^pris  und  Cythere  haben  im 
Uebrigen  nicht  das  Aussehen  verkümmerter  Thiere.  Und  auch  ohne  jene  An- 
nahme lässt  sich  die  gleiche  Lage  des  Herzens  bei  Calaniden  und  Cypridinen  er- 
klären, wenn  man  die  Weise  ins  Auge  fast,  in  der  bei  den  Arten  ohne  Herz 
das  Blut  bewegt  wird.  „Bei  den  Cyclopiden,  Harpactiden  und  Peltidien 
übernehmen  die  fast  rv^thmischen  Bewegungen  des  Magens,  in  welchem  derselbe 
zum  Theil  durch  äussere  Muskelzüge  aufwärts  gezogen  und  dann  wieder  in  ent- 
gegengesetzter Richtuug  herabgedrängt  wird,  die  Function  des  fehlenden  Cir- 
culationsorgans,  und  bringen  die  im  Leibesraume  befindliche  Blutmenge  in  eine 
gewisse  Strömung"  ^).  —  Ganz  dasselbe  sah  ich  bei  einer  grossen,  ziemlich  durch- 
sichtigen Cypris,  bei  welcher  gleichzeitig  auch  die  Leberschläuche  sich  regel- 
mässig zusammenzogen.  Die  Bewegungen  der  oberen  Magen  wand,  sowie  der 
von  ihr  nach  oben  gehenden  Muskeln  geben  ein  so  täuschendes  Bild  eines  über 
dem  Magen  liegenden  Herzens,  dass  ich  immer  wieder  ein  Herz  zu  sehen  glaubte, 
nachdem  ich  mich  längst  auf's  Bestimmteste  von  dessen  Abwesenheit  überzeugt 
hatte  2). 

Das  Blut  wird  also  von  derselben  Stelle  aus  in  Bewegung  gesetzt  bei  den 
Arten  mit  und  bei  denen  ohne  Herz,  und  an  dieser  Stelle  würde  bei  letzteren 
am  leichtesten  ein  Herz  sich  bilden  können,  etwa  indem  die  schmalen  Muskel- 
züge, die  jetzt  hier  sich  finden,  breiter  würden,  zu  einem  Schlauche  zusammen- 
träten und  selbstständig  sich  zusammenzögen.  Die  gleiche  Lage  des  Herzens  bei 
Cypridinen  und  Calaniden  würde  sich  also  daraus  erklären,  dass  schon  in  frühester 
Zeit,  schon  bei  deren  gemeinsamen  Stammeltern,  wenn  denselben  auch  ein  Herz 
fehlte,  doch  schon  von  derselben  Stelle  aus,  wo  bei  ihren  Nachkommen  das  Herz 
liegt,  die  Bewegung  des  Blutes  ausging.  —  Ich  will  bei  dieser  Gelegenheit  auf 
ein  ähnliches  Verhalten  bei  Echinodermen-Larven  hinweisen.  Bei  Tornaria,  in 
welcher  Alex.  Agassiz  eine  Seestern-Larve  vermuthet,  liegt  bekanntlich  über  der 
Grenze  von  Speiseröhre  und  Magen  eine  grosse  zum  Wassergefässsystem  gehörige 
Blase,  von  deren  vorderem,  kegelförmig  ausgezogenen  Ende  ein  Muskel  zum 
Vorderende  der  Larve  geht.  Muskel  wie  Blase  ziehen  sich  von  Zeit  zu  Zeit 
kräftig  zusammen.  Dicht  über  der  Blase  aber  fand  ich  ein  Herz.  Ich  habe  die 
EntWickelung  der  Tornaria  nicht  verfolgt;  aber  nachdem,  was  wir  durch  Alex. 
Agassiz  über  die  Entwickelung  des  Wassergefässsystems  der  Seesternlarven  wissen, 
ist  jedenfalls  jene  Blase  früher  vorhanden  gewesen  als  das  Herz;  vor  dem  Auf- 
treten des  letzteren  wurde  das  Blut  durch  die  Bewegungen  der  Blase  und  ihres 
Muskels  in  eine  gewisse  Strömung  versetzt  und  das  Herz  bildete  sich  an  derselben 
Stelle,  von  der  aus  schon  früher  das  Blut  in  Bewegung  gesetzt  wurde. 


i)  Claus,  die  freilebenden  Copepoden,  S.  6i. 

2)  In  ähnlicher  Weise  ist  vielleicht  auch  Gegenbaitr  getäuscht  worden,  der  bei  Sapphirina  ein 
Herz  beschreibt,  dessen  Vorhandensein  von  Claus  auf's  Entschiedenste  in  Abrede  gestellt  wird.  —  Oder 
haben  etwa  die  beiden  Forscher  zwei  verschiedene  Arten  vor  sich  gehabt,  die  eine  mit,  die  andere  ohne  Herz? 


Bemerkungen  über  Cypridina.  '\S'\ 

Unter  den  bis  jetzt  bekannt  gewordenen  Copepoden  ohne  Herz  stehen  einige 
(z.  B.  Oithona)  den  Calaniden  so  nahe,  dass  möghcher  Weise  sich  noch  Ueber- 
gangsformen  finden  werden,  die  auch  in  Bezug  auf  das  Herz  die  Mitte  halten 
zwischen  Calaniden  und  Cyclopiden  oder  Corycaeiden,  Arten,  die  ein  im  Vergleich 
mit  dem  der  Calaniden  unvollkommenes  Herz  besitzen,  und  solche  Arten  dürften 
dann  vielleicht,  namentlich  durch  ihre  Entwickelungsgeschichte,  Aufschluss  darüber 
geben,  ob  ihr  Herz  als  ein  werdendes  oder  ein  verkümmerndes  zu  betrachten  sei, 
und  damit  die  Frage  entscheiden,  ob  die  Stammeltern  der  Copepoden  und  Muschel- 
krebse des  Herzens  entbehrten  oder  mit  einem  solchen  versehen  waren. 

Itajahy,  Februar  i86g. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XXXIV  und  XXXV. 

Fig.    I — 8.    Cypridina  Grubii,  Männchen. 

Fig.    2.    Vorderer  Theil  des  Leibes,     a  Stirnanhang,  ö  Fühler,  c  Schwimmfuss. 

Fig.    3.    Stirnanhang.  3  a  der  keulenförmige  Theil  des  Grundgliedes,  stärker  vergrössert. 

Fig.  4.  Die  4  letzten  Glieder  des  Fühlers.  «  Riechfädenborste.  -/  Riechfäden  am 
Ende  des  Fühlers,  ö  Spürborsten. 

Fig.    5.    Greifanhang  des  Schwimmfusses. 

Fig.    6.    Kinnbackenfuss. 

Fig.    7.    Einer  der  beiden  Schenkel  des  Begattungsgliedes.  «  äusserer,  ß  innerer  Ast. 

Fig.    8,    Eine  der  beiden  Schwanzplatten. 

Fig.    9.    Männliche  Cypridina,    vermuthlich    das  Männchen  von  C.  n  i  t  i  d  u  1  a. 

Fig.  10  — 12.    Cypridina  nitidula,  Weibchen. 

Fig.  II.  Fühler,  ß  Riechfädenborste,  y  Riechfaden  am  Ende  des  Fühlers,  s  klauen- 
artige Borste. 

Fig.  12.    Kinnbackenfuss.     a  Kinnbacken,     ß  Fortsatz  am  Grunde  des  zweiten  Gliedes. 

Fig.  26.    s.  u. 

Fig.  13 — 19.    Cypridina  Agassizii,  Weibchen. 

Fig.  13.    Erwachsenes  Weibchen. 

Fig.  14.   Junges,  aus  der  Schale  dieses  Weibchens  genommen. 

Fig.  15.  Weibchen,  nach  Entfernung  der  Schale,  ö  Fühler.  <:  Schwimmfuss.  «/Kinn- 
backenfuss. e/g  viertes  bis  sechstes  Gliedmassenpaar.  /?  Putzfuss.  q  Unpaarer  Fortsatz 
des  Rückens,     dr  Kiemen. 

Flg.  16.    Herz,     /i  Putzfuss. 

Fig.  1 7.  Fühler,  a  Borste,  die  an  der  Stelle  des  Riechfädenbüschels  des  Männchens 
steht,  ß  Riechfädenborste,  y  Riechfaden  am  Ende  des  Fühlers,  d  6*  förmige  Borste  mit 
seitlichen  Fädchen.     s  klauenförmige  Borste. 

Figi8.  Schwimmfuss,  von  innen,  a  Grundglied,  ß  erstes  Glied  des  Hauptastes 
y  Nebenast. 

Fig.  19.    Putzfuss. 

Fig.  20 — 26.    Cypridina  Agassizii,  Männchen. 

Fig.  20.    Vorderer  Teil  des  Leibes,     a  Stirnanhang,  d  c  d  e  wie  in  Fig.    15. 

Fig.  21.    Stimanhang  unterhalb  des  mittleren  Auges. 

Fig.  22.    Riechfädenbüschel. 

Fig.  23.    Schwimmfuss.     (^    ß  y  wie  in  Fig.   18. 

Fig.  24.    Kinnbackenfuss.    ß  Fortsatz  des  2.  Gliedes,    y  Nebenast. 

Fig.  25.    Kinnbacken. 

Fig.  26.  (Auf  Tafel  XXXIV.)  Der  hintere  Theil  des  Leibes.  /)  Begattungsglied. 
g  unpaarer  Fortsatz  des  Rückens,     br  Kiemen. 


Bruchstücke  zur  Naturgeschichte  der  Bopyriden^). 

Mit  Tafel  XXXVI  und  XXXVII. 

Die  im  Nachstehenden  mitgetheilten  Beobachtungen  über  Bopyriden  wurden 
meist  in  den  Jahren  1861  und  1862  am  Strande  von  Desterro  gesammelt.  Sie 
sind  so  überaus  lückenhaft,  dass  ich  lange  Bedenken  getragen  habe,  sie  zu  ver- 
öffentlichen. Ich  thue  es  jetzt,  wo  ich  selbst  keine  Aussicht  mehr  habe,  sie  zu 
vervollständigen,  in  der  Hoffnung,  dass  dadurch  Besucher  der  Seeküste  zu  ein- 
gehender Beschäftigung  mit  diesen  merkwürdigen  Schmarotzerasseln  veranlasst 
werden  mögen,  deren  Bau,  Entwickelung  und  Lebensweise  noch  eine  reiche  Ernte 
überraschender  Thatsachen  zu  liefern  verspricht. 

I.   Binnenasseln.    (Ent oniscus.) 
Binnenasseln  wurden  bis  jetzt  in  folgenden  Decapoden  gefunden: 
i)  in  einer  bei  Desterro  unter  Steinen  ungemein  häufigen  schwärzlich-grünen 
Porcellana,  von  welcher  etwa  5  7o  damit  behaftet  sind  -) ; 

2)  in  einer  ebenda  an  Felswänden  zwischen  Sertularien  und  Moosthieren 
selten  vorkommenden  kleineren  Porcellana  3),  Es  wurde  ein  einziges  Mal  ein 
Weibchen  von  Entoniscus  getroffen,  das  beim  Herausnehmen  zerriss  und  von 
dem  ich  nicht  sagen  kann,  ob  es  derselben  Art  angehört,  wie  die  Binnenassel 
der  gemeinen  Porcellana; 

3)  in  Porcellana  (Polyonyx)  Creplinii  F.  M.^).  Fast  in  jeder  Röhre 
von  Chaetopterus  findet  man  bei  Desterro,  wo  der  genannte  Wurm  übrigens 
ziemlich  selten  ist,  diese  Porcellana  und  zwar  in  der  Regel  ein  Pärchen^);  nur 
dreimal  traf  ich  einzelne  Thiere,  einmal  ein  Weibchen,  zweimal  ein  Männchen. 
Jedes   dieser   drei   einzeln    vorkommenden    Thiere   beherbergte   einen    Entoniscus, 


1)  Jenaische  Zeitschrift  für  Naturwissenschaft  1871.  6.  Jahrg.  S.  53—72.  Taf.  III  u.  IV. 

2)  s.  Archiv  für  Naturgesch.    1862.  I.  S.   10.  Taf.  II.  =  Ges.  Schriften  S.   147.  Taf.  XVIII. 

3)  Alph.  Milne  Edwards  konnte  mir  weder  diese,  noch  die  erstere  Art  bestimmen. 

4)  Nach  brieflicher  Mittheilung  von  Alph.  Milne  Edwards  ist  diese  Art  der  Porcellana  biungui- 
culata  Dana  (Polyonyx  Stimps.)  nahe  verwandt.  Meine  Porcellina  stellicola  (Arch.  für  Naturg. 
1862.  Taf.  VII,  Fig.  I  =  Ges.  Schriften  Taf.  XIX  Fig.  i)  scheint  nach  demselben  die  Porcellana 
angusta  Dana  (Minyocerus  Stimps.)  zu  sein. 

5)  Einmal  traf  ich  statt  der  Porcellana  Creplinii  ein  Pärchen  der  Pinnixa  chaetopterana 
Stimps.  — 


Bruchstücke  zur  Naturgeschichte  der  Bopyriden.  -i^c 

während  in  keinem  der  paarweise  lebenden  ein  solcher  Schmarotzer  gefunden 
wurde.  Man  darf  also  wohl  annehmen,  dass  eben  wegen  des  Entoniscus,  der  wie 
die  Rhizocephalen  stets  Unfruchtbarkeit  seines  Wirthes  zur  Folge  hat,  jene  drei 
Thiere  keinen  Genossen  gefunden  hatten  oder  von  demselben  verlassen  worden 
waren  ^). 

Die  Entoniscusweibchen,  die  in  Porcellana  Creplinii  gefunden  wurden,  hatten 
nicht  wie  die  der  gemeinen  Porcellana  röthlich-violette,  sondern  blass  dottergelbe 
Eierstöcke;  ihre  Brutblätter  erschienen  mir  weniger  stark  zerschlitzt  und  gekräuselt. 
Männchen   und  Junge   glichen    den   in   der   gemeinen  Porcellana  vorkommenden; 

4)  in  einem  Achaeus,  der  an  Felsen  zwischen  Moosthieren,  Ascidien  u.  s.  w. 
lebt.  Der  Entoniscus  wurde  nur  einmal  gefunden.  Ich  habe  mir  von  ihm  nur 
angemerkt,  dass  das  Männchen  sechs  wohlgebildete  Fusspaare  und  ein  zwei- 
spitziges Schwanzende  hat;  durch  beides  unterscheidet  es  sich  von  dem  des 
Entoniscus  Porcellanae,  durch  die  Form  des  Schwanzendes  auch  von  dem 
des  Entoniscus  Cancrorum^); 

5)  in  mehreren  Xantho- Arten  der  Küste  von  Desterro.  Die  Binnenassel 
dieser  Krabben,  Entoniscus  Cancrorum^),  ist  in  beiden  Geschlechtern  und 
nicht  minder  in  ihrer  frühesten  Jugendform  erheblich  verschieden  von  Ento- 
niscus Porcellanae.  Während  bei  dem  Weibchen  des  letzteren  die  ganze 
Länge  des  Mittelleibes  mit  gewaltigen,  zerschlitzten,  vielgefalteten  Brutblättern 
besetzt  ist,  zwischen  deren  Falten  die  Eier  sich  anhäufen,  ist  bei  Entoniscus 
Cancrorum  eine  geschlossene  Bruthöhle  vorhanden,  gebildet  von  einem  einzigen 
Paare  von  Brutblättern,  das  dicht  hinter  dem  Kopfe  entspringt.  Die  Bruthöhle 
stellt  einen  Sack  von  sehr  wechselnder  Gestalt  und  Grösse  dar,  der  schief  nach 
vorn  gerichtet  ist  und  mit  seiner  oberen  Fläche  sich  der  Unterseite  des  Kopfes 
anlegt,  welchen  er  mehr  oder  weniger  weit  überragt,  Füsse  fehlen  vollständig, 
man  müsste  denn  seitliche  Wülste,  die  mehr  oder  minder  deutlich  in  der  Nähe 
des  Hinterleibsendes  vorzuspringen  pflegen,  als  Fussstummel  ansprechen  wollen. 
Der  bei  Entoniscus  Porcellanae  so  ungemein  lange,  mit  langen  Säbelbeinen 
ausgerüstete  Hinterleib  ist  bei  Ent.  Cancrorum  so  plump  und  fast  so  regungslos, 
wie  der  Mittelleib.  Selten  sind  die  Weibchen  ziemlich  gerade  ausgestreckt;  meist 
findet  man  den  Hinterleib  in  rechtem  ^),  oder  spitzem  ^)  Winkel  aufwärts  gebogen. 
Das  Herz  liegt  oft,  wie  bei  Ent.  Porcellanae,  in  einer  bruchsackähnlichen 
Ausstülpung  des  Hinterleibes,  während  in  anderen  Fällen  dessen  Haut  glatt 
darüber  hinweggeht.  Die  Hautfalten  mit  wellig  gebogenem  Rande,  die  bei  Ent. 
Porcellanae  sich  an  der  Bauchfläche  der  ersten  Hinterleibsringe  hinziehen, 
sind  bei  Ent.  Cancrorum  ebenfalls  vorhanden  und  sogar  in  der  Regel  weit 
stärker  entwickelt. 


1)  Die  wenig  über  federkieldicken  Ausgänge  der  Chaetopterus-Röhre,  die  einige  Zoll  hoch  senkrecht 
aus  dem  Schlamme  emporstehen,  in  welchem  die  Röhre  wagerecht  eingebettet  Hegt,  sind  viel  zu  eng,  um 
die  Porcellana  durchzulassen;  doch  kann  diese,  wie  ich  gesehen,  die  Röhre  verlassen,  indem  sie  sie  der 
Länge  nach  aufschlitzt. 

2)  s.  F.  Müller,  Für  Darvvm,  Fig.   16.  =  Ges.  Schriften  S.  218. 

3)  s.  Taf.  XXXVI,  Fig.   1—3  und  Für  Darwin,  Fig.  41.  =  Ges.  Schriften  S.  232. 

4)  s.  Für  Darwin,  Fig.  41. 

5)  s.  Taf.  XXXVI,  Fig.   i. 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  25 


386 


Bruchstücke  zur  Naturgeschichte  der  BopjTiden. 


Das  Männchen  von  Ent.  Can  cror  um.  hat  weder  die  Klumpfüsse,  noch 
die  eigenthümliche  Fühlerbildung  des  Männchens  von  Ent.  Porcellanae, 
schliesst  sich  vielmehr  in  beiden  Beziehungen  an  die  Männchen  von  Bop3^rus  an  ^). 

Die  Jungen  von  Ent.  Cancrorum  (Fig.  2  u.  3)  stimmen  überein  mit  denen 
von  Ent,  Porcellanae  und  unterscheiden  sich,  wie  diese,  von  denen  der 
Bopyrusarten  dadurch,  dass  das  letzte  Beinpaar  des  Mittelleibes  abweichend  von 
den  vorangehenden  gebildet  ist.  Die  Unterschiede  der  Jungen  der  beiden 
Entoniscus- Arten  bestehen  hauptsächlich  in  Folgendem: 


Entoniscus  Porcellanae 

Länge  (am  ersten  Tage):  0,2  mm.  Stirn- 
rand fast  gerade. 

Heller  unpaarer  Fleck  dicht  am  Stirn- 
rande. 

Greifrand  an  der  Hand  der  5  ersten 
Beinpaare  glatt. 

Sechstes  Beinpaar  kurz,  3  gliedrig  mit 
elliptischem  klauenlosen  Endgiiede. 

Der  letzte  Ring  des  Mittelleibes  fehlt  (?). 

Das  fünfte  Fusspaar  des  Hinterleibes 
noch  wenig  entwickelt,  borstenlos, 

GrundgHed  der  Hinterleibsfüsse  mit  einer 
Borste, 

Endglied  der  Hinterleibsfüsse  schief  ab- 
geschnitten, lanzettförmig. 


Entoniscus  Cancrorum 
Länge  (am  ersten  Tage):  0,3  mm.   Stirn- 
rand gewöbt. 
Dieser  Fleck  wurde  vermisst. 

Dieser  Greifrand  mit  wenigen  kleinen 
Zähnchen  bewehrt. 

Sechstes  Beinpaar  lang,  5  gliedrig,  mit 
klauentragender  Hand. 

Der  letzte  Ring  des  Mittelleibes  vor- 
handen. 

Das  fünfte  Fusspaar  des  Hinterleibes 
den   vorangehenden   gleich  gebildet. 

Dasselbe  Grundglied  mit  2  Borsten. 

Das  borstentragende  Ende  des  End- 
gliedes der  Hinterleibsfüsse  gerade 
abgeschnitten. 


Der  Hauptunterschied  der  beiderlei  Larven  liegt  in  der  Bildung  des  letzten 
Beinpaares,  welches  bei  Ent.  Porcellanae  in  anscheinend  verkümmertem,  bei 
Ent.  Cancrorum  in  besonders  entwickeltem  Zustande  auftritt.  Es  hat  bei 
letzterer  Art  zunächst  drei  lange  schlanke  cylindrische  Glieder,  von  denen  jedes 
der  beiden  ersten  etwa  der  halben  Breite  des  Leibes  an  Länge  gleichkommt,  das 
dritte  unbedeutend  kürzer  ist.  Dann  folgt  ein  ansehnliches  Handglied,  welches 
schief  abgeschnitten  ist.  so  dass  der  obere  Rand  fast  doppelt  so  lang  ist,  als  der 
untere;  der  untere  Rand  läuft  in  einen  kürzern  Zahn  aus,  gegen  welchen  eine 
etwa  in  der  Mitte  des  schiefen  Endrandes  eingelenkte  gekrümmte  Klaue  ein- 
schlägt. Auch  der  obere  Rand  läuft  in  eine  scharfe  Spitze  aus,  an  welcher  eine 
im  Innern  des  Handgliedes  gelegene  Drüse  zu  münden  scheint.  In  der  Ruhe 
liegt  dies  Beinpaar  dem  Leibe  dicht  an  und  zwar  ist  dabei  das  erste  Glied  nach 
innen,  das  zweite  nach  vorn,  das  dritte  nach  hinten  gerichtet,  —  Die  Larven  des 
Entoniscus  Cancrorum  lieben,  sich  im  Wasser  umhertreiben  zu  lassen, 
in  welchem  sie  dabei  in  ganz  eigenthümlicher  Stellung  schweben  (Fig.  2). 
Der  Hinterleib  wird  gegen  die  Brust  geschlagen;  der  Rücken  ist  nach  oben, 
Kopf    und    Schwanzende    sind    nach    unten    gerichtet;    die    Beine    des   sechsten 


i)  Der  Hinterleib  des  Männchens  ist  abgebildet  in  „Für  Darwin"  Fig.   i6.  =  Ges.  Schriften  S.  218. 


Bruchstücke  zur  Naturgeschichte  der  BopjTiden.  t^t 

Paares  werden  lang  nach  aussen  vorgestreckt  und  etwas  nach  oben  gebogen,  so 
dass  beide  zusammen  einen  flachen  Bogen  darstellen,  von  dessen  Mitte  der  Körper 
niederhängt.  — 

Beim  Eindringen  in  den  Leib  der  Krabben  wird  wahrscheinlich  dies  eigen- 
thümlich  entwickelte  sechste  Beinpaar  der  Larve  von  besonderer  Wichtigkeit  sein.  — 

Das  Vorkommen  von  Binnenasseln  in  so  weit  verschiedenen  Thieren,  wie 
Porcellana,  Achaeus  und  Xantho  sind,  berechtigt  zu  der  Erwartung,  dass  sie  auch 
geographisch  eine  weitere  Verbreitung  haben  und  ebenso  wie  die  Bopyrusarten 
in  allen  Meeren  sich  finden  werden.  Wer  Lust  hat,  sie  aufzusuchen,  möge  seine 
Aufmerksamkeit  besonders  auf  solche  Krabbenweibchen  richten,  die  leer  herum- 
laufen zur  Zeit,  wo  ihre  Genossinnen  mit  Eiern  beladen  sind. 

2.  Bopyrus  resupinatus.    (Taf.  XXXVI,  Fig.  4 — 9.) 

Wenige  Thiere  dürften  mehr  von  Schmarotzern  geplagt  werden,  als  ein  bei 
Desterro  unendlich  häufiger  kleiner  Einsiedlerkrebs,  der  seine  Wohnung  meist  in 
der  Schale  eines  Cerithium^)  einnimmt.  Weit  über  die  Hälfte  dieser  Einsiedler- 
krebse sind  bewohnt  von  einem  im  Verhältniss  zu  seinem  Wirthe  riesigen  Faden- 
wurm, dessen  Windungen  durch  die  Wand  des  von  ihm  ausgedehnten  Hinterleibes 
des  Krebses  hindurchschimmern.  Ausserdem  leben  an  dem  Hinterleibe  desselben  zwei 
verschiedene  Arten  von  Wurzelkrebsen,  Sacculina  purpurea^),  und  Pelto- 
gaster  socialis^),  und  zwei  Asseln,  Bopyrus  resupinatus  und  Cryptoni- 
scus  planarioides,  und  zwar  ebenfalls  so  häufig,  dass  etwa  jeder  fünfte  Pagurus 
einen  dieser  Schmarotzer  trägt.  Unter  300  Paguren,  die  ich  vom  15.  November  1861 
bis  13.  April  1862  untersuchte,  fand  ich  nämlich  281  mit  Sacculina  purpurea,  227 
mit  Peltogaster  socialis,  40  mit  Bopyrus  resupinatus  und  46  mit  Cryptoniscus 
planarioides  behaftet.  —  Im  Gegensatz  zu  diesem  vielgeplagten  kleinen  Pagurus 
waren  weit  über  hundert  Paguren  von  einer  grösseren  und  weit  selteneren  Art 
sämmtlich  frei  von  Schmarotzern ;  ein  hübscher  Beleg  dafür,  dass  im  Allgemeinen, 
—  aus  naheliegenden  Gründen,  —  mit  der  Häufigkeit  einer  Art  die  Zahl  und 
Mannichfaltigkeit  ihrer  Schmarotzer  zunimmt. 


1)  Dieses  Cerithium,  vielleicht  die  häufigste  aller  bei  Desterro  lebenden  Schnecken,  bildet  die 
Hauptnahrung  zweier  anderen,  ebenfalls  dort  häufigen  Schnecken,  des  Murex  senegalensis  Lam.  und  der 
mit  Turbinella  angulifera  nahe  verwandten  Turbinella  Müllen  Dkr.  (n.  s.)  —  Der  Murex  bohrt  ein  rundes 
Loch  durch  das  Gehäuse  des  Cerithium;  wenn  dieses  dann  sterbend  seinen  Deckel  öffnet,  so  kommt  von 
vorn  die  Turbinella,  um  sich  am  Schmause  zu  betheiligen.  An  einigen  Stellen  des  Strandes  kann  man  zur 
Ebbezeit  dutzendweise  solche  Cerithien  sammeln,  an  denen  gleichzeitig  hinten  ein  Murex  und  vorn  eine 
Turbinella  sitzen. 

Nach  dem  Tode  der  Schnecke  dient  das  Gehäuse  des  Cerithium  nicht  nur  dem  Pagurus  mit  seinen 
mannichfachen  Schmarotzern  zum  Aufenthalt,  sondern  am  Eingange  der  von  Pagurus  bewohnten  Gehäuse 
siedelt  sich  nicht  selten  eine  kleine  weisse  Crepidula  an,  unter  welcher  dann  wieder  bisweilen  ein  Pinno- 
theres  Schutz  sucht. 

2)  Siehe  Archiv  für  Naturgesch.  1862.  I,  Taf.  I,  Fig.  5—9.  =  Ges.  Schriften  S.  141  Taf.  XVII.  — 
Ich  lasse  einstweilen,  bis  eine  wissenschaftliche,  d.  h.  genealogische  Anordnung  der  Rhizocephalen  möglich 
sein  wird,  den  Namen  dieser  Art  ungeändert.  Als  ich  den  Namen  gab,  wusste  ich  nicht,  dass  Thompson 
schon  einen  anderen  Wurzelkrebs  Sacculina  getauft  hatte.  Meine  Sacculina  purpurea  gehört  nicht  zur 
Gattung  Sacculina  Thomps.,  sondern  eher  zu  Peltogaster  Rthke. 

3)  F.  Müller,  Für  Darwin,  Fig.  59.  =  Ges.  Schriften  S.  241. 

25* 


■jOg  Bruchstücke  zur  Naturgeschichte  der  Bopyriden. 

Die  beiden  eben  erwähnten  Asseln,  Bopyrus  resupinatus  und  Cryptoniscus 
planarioides,  sind  vor  allem  merkwürdig  dadurch,  dass  sie  nicht  unmittelbar  aus 
dem  Pagurus,  sondern  aus  den  Wurzeln  der  Sacculina  purpurea  ihre  Nahrung 
ziehen. 

Bopyrus  resupinatus  setzt  sich  unter  Sacculina  purpurea  fest  und  zwar 
dieser  seine  Bauchseite,  dem  Pagiirus  seinen  Rücken  zuwendend.  Ich  habe  wieder- 
holt solche  junge  Bopyrus,  die  sich  zum  Theil  noch  wenig  von  ihrer  jüngsten 
Larvenform  entfernten,  an  dieser  Stelle  angetroffen.  Indem  nun  der  Bopyrus  die 
aus  dem  Leibe  des  Pagurus  durch  die  darin  verzweigten  Wurzeln  der  Sacculina 
zuströmende  Nahrung  sich  aneignet,  stirbt  die  Sacculina  ab.  So  hatte  ich  am 
22.  Septbr.  1861  einen  mit  Sacculina  behafteten  Pagurus  in  ein  Glas  mit  Seewasser 
gesetzt ;  Tags  darauf  schwärmte  junge  Sacculina-Brut  aus ;  als  ich  aber  am  26.  Septbr. 
den  Pagurus  wieder  aus  seinem  Schneckenhause  nahm,  war  die  Sacculina  ver- 
schwunden und  an  ihrer  Stelle  sass  ein  junger  Bopyrus,  ein  jungfräuliches,  un- 
bemanntes Weibchen  ohne  Brutblätter.  Mit  dem  Abfallen  der  Sacculina  sterben 
indess  ihre  Wurzeln  nicht  ab,  sondern  pflegen  im  Gegentheil  nur  um  so  kräftiger 
weiter  zu  wuchern,  so  dass  durch  sie  oft  ein  ansehnlicher  Theil  des  Hinterleibes 
gefüllt  wird  und  schon  von  aussen  dunkelgrün  erscheint.  Nie  habe  ich  die  Zu- 
sammenziehungen der  Sacculinawurzeln  so  kräftig  und  regelmässig  erfolgen  sehen, 
als  in  einem  Pagurus,  an  welchem  ein  grosser  Bopyrus  sass,  der  gewiss  schon 
seit  geraumer  Zeit  die  Sacculiua  verdrängt  hatte.  —  In  einigen  wenigen  leider 
nicht  näher  untersuchten  Fällen  vermisste  ich  den  grünen  Fleck  an  der  Anheftungs- 
stelle  des  Bopyrus;  wahrscheinlich  hatte  sich  derselbe  in  diesen  Fällen,  statt  unter 
Sacculina  purpurea,  unter  Peltogaster  socialis  angesiedelt,  dessen  glatte  Wurzeln 
nicht  zu  sehen  sind;  denn  auch  unter  letzterem  Wurzelkrebse  habe  ich  Bopyrus- 
larven  getroffen. 

Daraus,  dass  der  Bopyrus  beim  Festsetzen  sich  der  Sacculina  und  nicht  dem 
Pagurus  zuwendet,  erklärt  sich  eine  Eigenthümlichkeit,  die  bei  einer  nahestehenden 
und  voraussichtlich  auch  in  ihrer  Lebensweise  ähnlichen  Art  zu  einer  wunderlichen 
Verwechslung  Anlass  gegeben  hat.  Hesse  hat  unter  dem  Namen  Athelgue 
einen  Bopyrus  beschrieben,  bei  dessen  Weibchen  angeblich  „dieconvexe  Rücken - 
Seite  des  Cephalothorax  von  6 — 7  Paaren  seitlicher  durchscheinender  Platten 
bedeckt  ist,  unter  welchen  sich  die  Bruthöhle  für  die  Eier  befindet  ^).  —  Also  eine 
Assel  mit  rückenständiger  Bruthöhle !  Gewiss  ein  nicht  minder  wunderbares  Thier, 
als  etwa  ein  Känguru  mit  rückenständigem  Beutel,  oder  ein  Käfer  mit  Flügeln 
am  Bauche.  Offenbar  hat  Hesse  Bauchseite  und  Rückenseite  verwechselt,  weil 
sein  Athelgue  dem  Pagurus  nicht  die  Bauchseite,  sondern  wie  Bopyrus  resupinatus 
die  Rückenseite  zuwendet. 

Bopyrus  resupinatus  verlässt  das  Ei  als  etwa  0,2  mm  lange, 
0,12  mm  breite,  flache  asseiförmige  Larve  (Fig.  4),  ganz  ähnlich  denen  an- 
derer Bopyrusarten.  Die  sechs  Beinpaare  der  Brust  sind  glei ch gebildet ;  das  7. 
fehlt,  wie  wahrscheinlich  bei  allen  jungen  Isopoden.  Die  5  Hinterleibsfüsse  haben, 
wie  bei  Entoniscus  und  fast  allen  von  mir  gesehenen  Bopyridenlarven,  ein  ein- 
ziges Endblatt,  die  Schwanzfüsse  haben  zwei  griffeiförmige  Aeste  und  in  der  Mitte 


i)  Gerstäcker,  Jahresbericht  für  1861   im  Archiv  für  Naturgesch.  28.  Jahrg.  Bd.   2.  S.  558. 


Bruchstücke  zur  Naturgeschichte  der  Bopyriden.  730 

seines  Hinterrandes  trägt  der  letzte  Leibesring  einen  kurzen  kegelförmigen  Fort- 
satz. Bei  den  Entoniscus-Larven  fehlt  ein  solcher  Fortsatz,  dagegen  scheint  er 
den  Larven  der  echten  Bopyriden  allgemein  zuzukommen  und  meist  stärker  als 
bei  Bopyrus  resupinatus  entwickelt  zu  sein.  Von  auffallender  Länge  sah  ich 
denselben  bei  einer  (im  März  1862)  im  Meere  aufgefischten  Larve  (Fig  10), 
die  ohne  Frage  von  einem  Bopyriden  abstammt,  obwohl  sie  durch  2  -  ästige 
Hinterleibsfüsse  von  den  übrigen  mir  bekannt  gewordenen  Bopyruslarven  ab- 
weicht. Ueber  die  morphologische  Bedeutung  dieses  Fortsatzes,  der  bei  der 
zuletzt  erwähnten  Larve  fast  an  den  Schwanzstachel  der  Xiphosuren  erinnert,  bin 
ich  ausser  Stande,  eine  Vermuthung  auszusprechen. 

Die  jüngsten  Larven,  die  unter  Sacculina  purpurea  gefunden  wurden, 
hatten  bereits  eine  Länge  von  0,6  mm  erreicht  (Fig.  5).  Ihre  Gestalt  ist  ge- 
streckter geworden,  indem  die  grösste  Breite  kaum  der  halben  Länge  des  Leibes 
gleichkommt;  an  den  vorderen  Fühlern  hat  sich  ein  Büschel  von  etwa  10  ansehn- 
lichen Riechfäden  entwickelt,  die  der  Larve  wahrscheinlich  beim  Aufsuchen  ihres 
Wohnthieres  von  Nutzen  sind.  Die  Brust  trägt  jetzt  sieben  gleichgebildete  Bein- 
paare. Die  Schwimmfüsse  des  Hinterleibes  sind  noch  unverkümmert,  ihr  Endblatt 
mit  5 — 6  langen  Borsten  versehen.  Die  Grundglieder  der  Schwanzfüsse,  bei  den 
jüngsten  Larven  durch  einen  breiten  Zwischenraum  getrennt,  nehmen  jetzt  fast 
die  ganze  Breite  des  letzten  Leibesringes  ein.  Von  den  anfangs  etwa  gleichlangen 
Aesten  der  Schwanzfüsse  ist  jetzt  der  äussere  etwa  doppelt  so  lang  als  der 
innere. 

Nach  dem  Festsetzen  der  Larve  verkümmern  die  Riechfäden,  die  den  er- 
wachsenen Thieren  vollständig  fehlen,  und  die  Schwimmfüsse  des  Hinterleibes 
verwandeln  sich  in  Kiemen,  Bei  dem  obenerwähnten  jungen  Weibchen,  das  nach 
dem  Abfallen  der  von  ihm  verdrängten  Sacculina  zum  Vorschein  kam,  bestanden 
die  Kiemen  aus  einfachen  zungenförmigen  Anhängen ;  an  einigen  derselben  be- 
gann indess  schon  ein  kurzer  zweiter  Ast  hervorzusprossen ;  zu  diesem  zweiten 
kommt  später  noch  ein  dritter  Ast.  Von  den  Schwanzfüssen  bleiben  nur  kurze 
abgerundete  Stummel  übrig,  an  deren  Rande  ein  breiter  Blutstrom  hinfliesst  und 
die  also  ebenfalls  der  Athmung  dienen.  —  In  diesen  Schwanzanhängen  fliesst  das 
Blut  am  Innenrande  nach  hinten,  am  Aussenrande  nach  vorn ;  in  den  dreitheiligen 
Kiemen  am  Hinterrande  der  Aeste  nach  aussen,  am  Vorderrande  wieder  nach 
innen.  —  Die  kurzen  plumpen  Beine  krümmen  sich  allmählich  um  den  Seitenrand 
des  Leibes  nach  oben,  so  dass  nur  der  Bopyrus  sich  mit  denselben  an  dem  Pagurus, 
dem  er,  wie  gesagt,  seine  Rückenfläche  zuwendet,  festhalten  kann  (Fig.  6). 

Beim  Herannahen  der  Geschlechtsreife  entwickeln  sich  an  der  Bauchseite 
grosse  Brutblätter,  die  eine  sehr  ansehnliche  Bruthöhle  umschliessen.  Dieselbe 
überragt  seitlich  die  Ränder  des  Leibes,  nach  vorn  den  Kopf  und  ein  kurzer 
abgerundeter  Zipfel  springt  jederseits  neben  dem  Hinterleibe  nach  hinten 
vor  (Fig.  7,  8).  Die  vordersten  dieser  blattförmigen  Anhänge,  die  rinnen- 
förmig  zusammengebogen  den  Kopf  überragen,  mögen  dazu  dienen,  die  aus 
den  Sacculina -Wurzeln  zuströmende  Nahrung  dem  Munde  des  Bopyrus  zu- 
zuleiten. — 

Nach  der  Bildung  der  Kiemen  des  Weibchens  würde  Bopyrus  resupinatus 
eher  zur  Gattung  Jone  als  zu  Bopyrus  zu  stellen  sein ;   doch  finden  sich  zwischen 


■2QQ  Bruchstücke  zur  Naturgeschichte  der  Bopyriden. 

der  Kiemenform  der  Jone  thoracica  und  des  Bopyrus  squillarum  so  mannichfache 
Uebergangsformen,  dass  die  erstere  Gattung  sich  nicht  von  letzterer  trennen  lässt, 
obwohl  Milne  Edwards  auf  dieselben  sogar  zwei  verschiedene  Familien  begründete. 
Das  etwa  2  mm  lange  Männchen  des  Bopyrus  resupinatus  (Fig.  g)  hat  die 
gewöhnhche  Gestalt  der  Bopyrusmännchen ;  sein  Hinterleib  zeigt  nur  sehr  un- 
deutliche oder  gar  keine  Spur  von  Gliederung  und  ist  ganz  ohne  alle  Anhänge; 
ein  breiter  Blutstrom  zieht  an  seinem  Rande  hin. 

3.  Cr5^ptoniscus  planarioides^).     (Taf.  XXXVII,  Fig.   12 — 19.) 

Am  8.  August  1861  hatte  ich  eine  Anzahl  Pagurus  aus  ihren  Cerithium- 
gehäusen  herausgeklopft,  um  an  ihnen  nach  Sacculina  und  Bopyrus  resupinatus 
zu  suchen :  ausser  diesen  beiden  traf  ich  noch  einen  dritten  Schmarotzer  in  Form 
einer  flachen  milchweissen  Scheibe  von  5 — 6  mm  Länge  und  2,5  mm  Breite,  die 
etwa  in  der  Mitte  der  dem  Pagurus  zugewandten  Fläche  festsass  und  in  der  Nähe 
der  Anheftungsstelle  eine  Oeffnung  zeigte,  von  der  aus  sie  ganz  wie  ein  Lernaeo- 
discus  oder  eine  Sacculina  sich  aufblasen  Hess.  Ich  glaubte  in  diesem  Schma- 
rotzer einen  neuen  Wurzelkrebs  vor  mir  zu  haben  und  wurde  in  dieser  Meinung 
bestärkt,  als  ich  später  (im  October)  fand,  dass  an  der  Anheftungsstelle  ein  wie 
bei  Sacculina  purpurea  gebildeter  Chitinkranz  liegt,  von  dem  aus  grüne  Wurzeln 
sich  ins  Innere  des  Pagurus  senken,  Chitinkranz  und  Wurzeln  Hessen  sich  im 
Zusammenhang  mit  dem  Schmarotzer  aus  dem  Pagurus  herauslösen.  Nach  einer 
blutrothen  Zeichnung  auf  der  Unterseite  der  milchweissen  Scheibe,  die  an  den 
Darm  eines  dendrocölen  Plattwurms  erinnerte,  nannte  ich  das  Thier  Peltogaster 
planarioides. 

Kurz  darauf  traf  ich  an  demselben  Pagurus  ganz  ähnliche,  nur  grössere 
(9 — 10  mm  lange)  und  anders  gefärbte,  bald  gelbe,  bald  braunpunctirte  Schmarotzer; 
erstere  enthielten  Eier  mit  noch  wenig  entwickelten,  letztere  solche  mit  fast  reifen 
Embryonen.  Schon  die  gelben  Eier  waren  sofort  an  der  Krümmung  des  Embryo 
nach  oben  als  Asseleier  zu  erkennen  und  in  den  Eiern  der  braunpunctirten  Thiere 
fanden  sich  Larven,  die  mit  denen  von  Bopyrus  und  Entoniscus  die  grösste  Aehn- 
lichkeit  hatten.  Dass  ich  also  in  diesen  Schmarotzern  einen  noch  mehr  als  selbst 
Entoniscus  von  der  Asselform  sich  entfernenden  Bopyriden  vor  mir  hatte,  unter- 
lag keinem  Zweifel. 

Wochenlang  liefen  nun  in  meinem  Tagebuche  bei  Aufzählung  der  an  Pa- 
gurus erbeuteten  Schmarotzer  dieser  „Bopyrus  agnostus"  und  „Peltogaster 
planarioides"  neben  einander  her,  ohne  dass  ich  nur  an  die  Möglichkeit 
dachte,  dass  letzterer  eine  jüngere  Form  des  ersteren  sein  könnte.  Und  neben 
diesen  beiden  wurden  noch  jüngere,  etwa  2  mm  lange,  schmutzig  röthlichbraune 
Thiere  derselben  Art  als  junge  Sacculina  purpurea  aufgeführt,  da  sie  die 
gleichen  Wurzeln,  den  gleichen  Chitinkranz  besassen  und  in  Gestalt  und  Farbe 
weit  mehr  dieser  Sacculina  als  dem  milchweissen  „Peltogaster  planarioides" 
ähnlich  waren. 

Erst  am  28.  November,  als  ich  gleichzeitig,  als  Ausbeute  von  270  Paguren, 
8  Cryptoniscus  in  den  verschiedensten  Altersstufen  vor  mir  hatte,  2  junge  röthlich- 


l)  Vergl.  F.  Müller,  Für  Darwin,  Fig.  39  und  42.  =  Ges.  Schriften  S.  231   u.   232. 


Bruchstücke  zur  Naturgeschichte  der  Bopyriden.  iqi 

braune,  3  milchweisse  planarienähnliche  („Peltogaster  planarioides"),  einen  gelben 
mit  unreifen,  einen  braunpunctirten  mit  fast  reifen  Embr3^onen  („Bopyrus  agnostus") 
und  endlich  einen,  der  schon  seine  Brut  entleert  hatte  und  nun  einen  schlaffen 
häutigen  farblosen  Sack  bildete,  —  überzeugte  ich  mich  von  der  Zusammen- 
gehörigkeit dieser  verschiedenen  Formen. 

Leider  kann  ich  über  den  Bau  und  die  Entwickelung  dieser  in  so  mannich- 
fachen  und  völlig  unkenntlichen  Vermummungen  auftretenden  Asselart  nur  äusserst 
dürftige  Mittheilungen  machen. 

Die  beim  Ausschlüpfen  etwa  0,2  mm  langen  Jungen  ^)  sind  augenlos;  der 
Vorderrand  des  Kopfes  (Fig.  12  a)  ist  halbkreisförmig;  an  seinen  hinteren 
Ecken  stehen  die  kräftigen  sechsgliedrigen.  äusseren,  dicht  neben  ihnen  nach 
innen  die  äusserst  winzigen  (dreigliedrigen?)  inneren  Fühler.  —  Die  Brust 
trägt  sechs  Beinpaare,  von  denen  das  letzte  abweichend  von  clen  vorangehenden 
und  von  denen  anderer  junger  Bopyriden  gebaut  ist.  Das  vorletzte  Glied,  das 
bei  den  fünf  ersten  Beinpaaren  eine  kurze  eiförmige  Hand  bildet,  ist  beim 
sechsten  Paare  (Fig.  1 2  b)  allerdings  auch  dicker  als  die  anderen  Glieder,  aber 
lang  und  walzenförmig  und  trägt  nicht  ein  kurzes  einschlagbares,  sondern  ein 
wenig  oder  gar  nicht  bewegliches,  sehr  langes  borstenförmiges  Endglied.  —  Die 
Schwimmfüsse  des  Hinterleibes  (Fig.  1 2  c)  haben  zwei  in  verschiedener  Höhe  ein- 
gelenkte Aeste.  —  Im  Anfang  des  Hinterleibes  liegt  (im  Darme?)  eine  rund- 
liche Anhäufung  eines  dunkel  braunroth  gefärbten  Stoffes. 

In  welcher  Weise  die  jungen  Cryptoniscus  sich  an  Sacculina  pur- 
purea  festsetzen,  wurde  nicht  beobachtet.  Die  jüngsten  festsitzenden  Thiere, • 
die  gefunden  wurden  (Fig.  13),  hatten  bereits  die  Sacculina  verdrängt  und  voll- 
ständig alle  Gliedmaassen  verloren.  Sie  erschienen  als  schmutzig  röthlich  braune, 
eiförmige  Körper  von  etwa  2  mm  Länge,  die  in  der  Nähe  des  stumpferen 
Endes  festgeheftet  waren.  Von  inneren  Theilen  wurde  ein  vom  Anheftungspunkte 
ausgehender  weiter  blinder  Schlauch  gesehen,  der  jederseits  mehr  oder  weniger 
tief  gelappt  oder  in  5  bis  6  kurze  Fortsätze  ausgezogen  war,  wahrscheinlich  die 
Leber,  —  und  ausserdem  am  freien  spitzeren  Ende  des  Leibes  ein  kräftig  sich 
zusammenziehendes  Herz  —  Wurden  die  Thiere  vom  Pagurus  losgerissen,  so 
pflegte  der  Chitinkranz  der  Sacculina,  die  sie  verdrängt  und  aus  deren  Wurzeln 
sie  nun  ihre  Nahrung  zogen,  mit  ihnen  in  Verbindung  zu  bleiben. 

Beim  weiteren  Wachsthum  verwandelt  sich  der  eiförmige  Körper,  in  die 
Breite  und  Länge  wachsend,  in  eine  immer  flachere  Scheibe,  während  gleich- 
zeitig der  Anheftungspunkt  nach  der  einen  Fläche  dieser  Scheibe  hinrückt.  Die 
Farbe  wird  heller  und  geht  in  ein  reines  Milchweiss  über,  auf  welchem  der  jetzt 
blutroth  gefärbte  gelappte  Schlauch  (die  Leber?)  scharf  sich  abzeichnet.  Diese 
Färbung  zeigen  Thiere  von  4  bis  7  mm  Länge  und  2,6  bis  4  mm  Breite.  Die 
Leber  (?)  liegt  auf  der  dem  Pagurus  zugewandten  Seite  der  Scheibe  und  gleicht 
jetzt  ganz  dem  Darmrohr  einer  Clepsine;  von  dem  Anheftungspunkte  aus  geht 
nach  dem  einen  stumpferen  Ende  der  Scheibe  ein  weites  unpaares  Rohr,  welches 
jederseits  etwa  ,5  Fortsätze  bis  in  die  Nähe  des  Scheibenrandes  sendet,  —  nach 
dem  anderen  spitzeren  Ende  jederseits  ein  engeres  Rohr,  das  nach  aussen  2  bis  3 


i)  F.  Müller,  Für  Darwin,  Fig.  39. 


,Q2  Bruchstücke  zur  Naturgeschichte  der  Bopyriden. 

ähnliche  Fortsätze  trägt.  Zwischen  der  Leber  (?)  und  der  vom  Pagurus  ab- 
gevvandten  Fläche  der  Scheibe  liegt  der,  wie  es  scheint,  unpaare  Eierstock,  der 
milchweiss  gefärbt  ist  und  fast  die  ganze  Länge  und  Breite  der  Scheibe  einnimmt 
(Fig.  1 4).  —  Das  Herz  habe  ich  bei  Thieren  in  diesem  Alter  nicht  mehr  gesehen ; 
es  mag  vom  Eierstock  verdeckt  oder  auch  verkümmert  sein. 

Wie  gesagt,  pflegt  man  mit  dem  Cryptoniscus  zugleich  den  Chitinkranz  der 
von  ihm  verdrängten  Sacculina  und  bisweilen  selbst  einen  Theil  ihrer  Wurzeln 
herauszureissen.  Diese  feste  Verbindung,  die  mich  verleitet  hatte,  den  Cryptoniscus 
selbst  für  einen  Rhizocephalen  anzusehen,  wird  dadurch  bewirkt,  dass  das  Mund- 
ende der  planarien ähnlichen  Assel  durch  den  Chitinkranz  hindurch  in  die  Wurzeln 
der  Sacculina  eindringt  und  hier  zu  einem  unregelmässig  gelappten  Knopf  an- 
schwillt (Fig.  14  c.  Fig.  15).  Spuren  von  Fühlern  oder  Mundtheilen  habe  ich  an 
diesem  Knopfe  nicht  gefunden.  Die  Mundöffnung  dürfte  am  Ende  eines  rüssel- 
förmigen  Fortsatzes  zu  suchen  sein,  den  ich  einmal  von  diesem  Knopfe  ausgehen 
sah  (Fig.   15);  gesehen  habe  ich  sie  nicht. 

Die  ganze  Scheibe  bildet  einen  weiten,  jetzt  noch  leeren  Sack,  die  Brut- 
höhle, die  von  einer  in  der  Nähe  des  Anheftungspunktes  liegenden  Oeffnung  aus 
sich  aufblasen  lässt.  Wann  und  auf  welchem  Wege  die  Eier  aus  dem  Eierstock 
in  die  Bruthöhle  gelangen,  kann  ich  nicht  sagen. 

Bei  völlig  ausgewachsenen,  g  bis  10  mm  langen  Thieren  findet  man  die 
Eier  in  der  Bruthöhle  und  in  denselben  den  Embryo  meist  schon  mehr  oder 
weniger  entwickelt.  Ihre  Farbe  hat  sich  in  Gelb  verwandelt  und  da  sie 
die  ganze  Scheibe  füllen,  zeigt  das  ganze  Thier  dieselbe  Farbe  (Fig.  16). 
Wenn  die  Jungen  dem  Ausschlüpfen  nahe  sind,  erscheint  das  Thier  mit  roth- 
braunen Punkten  besäet  (Fig.  17).  Aehnliche  dunkle  Punkte  sieht  man  um 
diese  Zeit  bekanntlich  an  den  Eiern  der  meisten  Kruster;  aber  bei  Crypto- 
niscus sind  es  nicht,  wie  sonst,  die  Augen,  deren  dunkle  Färbung  die  nahende 
Reife  verkündet;  Augen  sind  überhaupt  nicht  vorhanden;  es  findet  sich  viel- 
mehr, wie  bereits  erwähnt,  im  Anfang  des  Hinterleibes  (vielleicht  im  Darme), 
eine  rundliche,  bald  regelmässige,  scharf  umschriebene,  bald  unregelmässig  aus- 
gebreitete Anhäufung  eines  dunkel  gefärbten  Stoffes.  —  Während  die  Eier  in 
der  Bruthöhle  sich  entwickeln,  schwindet  allmählich  immer  mehr  der  blutrothe 
Inhalt  der  Leber  (?),  so  dass  zur  Zeit,  wo  die  Jungen  ausschwärmen,  bisweilen 
kaum  noch  Spuren  davon  zu  erkennen  sind. 

Sind  die  Jungen  ausgeschwärmt,  so  zeigt  die  Mutter  noch  einmal  ein  völlig 
verändertes  Aussehen;  es  ist  von  ihr  nichts  übrig  geblieben,  als  eine  leere  farb- 
lose Haut.  In  der  Oeffnung  der  Bruthöhle  sieht  man  jetzt  mehrere  Paare  finger- 
förmiger Anhänge  sich  lebhaft  bewegen,  deren  Zahl  und  Gestalt  nicht  bei  allen 
Thieren  dieselbe  zu  sein  scheint.  Sie  haben  wahrscheinlich  dazu  gedient,  in  der 
Bruthöhle  den  für  die  Athmung  der  Eier  nöthigen  Wasserwechsel  zu  unterhalten, 
und  sind  vielleicht  als  umgewandelte  Hinterleibsfüsse  („fausses  pattes  abdominales") 
zu  betrachten.  (Man  kann  dieselben  natürlich  auch  vor  dem  Ausschwärmen  der 
Jungen  zu  sehen  bekommen,  wenn  man  die  Eier  durch  einen  Einschnitt  entleert.) 
—  Ebenso  tritt  jetzt  in  der  ziemlich  durchsichtigen  Haut  deutlich  ein  Gerüst  von 
Chitinleisten  hervor,  dessen  Anordnung  auf  der  dem  Pagurus  zugewandten  Fläche 
aus  Fig.  18  ersichtlich  ist.  In  diesen  Chitinleisten  scheint  noch  ein  Rest  der 
früheren  Gliederung  des  Cryptoniscus  erhalten  zu  sein. 


Bruchstücke  zur  Naturgeschichte  der  Bopyriden.  7  0-1 

Wahrscheinlich  wird  die  Mutter  bald  nach  dem  Ausschwärmen  der  Brut 
absterben  und  abfallen,  und  keinenfalls  noch  einmal  in  sich  Eier  und  Junge 
erzeugen.  Dafür  spricht  ihr  ganzes  Aussehen  und  namentlich  der  gänzliche 
Schwund  von  Leber  und  Eierstock.  Auch  hierin,  dass  mit  einer  einmaligen  Eier- 
erzeugung sein  Lebenslauf  abgeschlossen  ist,  steht  Cryptoniscus  einzig  da  unter 
seinen  Verwandten. 

Mit  diesem  Verhalten  dürfte  die  Seltenheit  der  Männchen  im  Zusammen- 
hang stehen.  Von  Bopyrus  oder  Entoniscus  trifft  man  selten  ein  Weibchen, 
dem  nicht  ein  Männchen  sich  zugesellt  hätte.  An  weit  über  50  Cryptoniscus 
habe  ich  dagegen  ein  einziges  Mal  eine  kleine,  0,9  mm  lange  Assel  gefunden, 
die  ich  als  dessen  Männchen  betrachten  zu  dürfen  glaube  (Fig.  19).  In  der 
Bildung  der  Fühler,  der  Gliederung  der  Brust,  die  7  Paar  gleichgebildeter  Beine 
trägt,  und  in  dem  anhanglosen  Hinterleibe  stimmt  es  mit  der  Mehrzahl  der 
Bop3Tidenmännchen  überein;  eigenthümlich  sind  ihm  die  stark  vorspringenden 
und  mit  kurzen  Dörnchen  bewehrten  Seitenecken  der  Leibesringe  und  der  in  zwei 
spitze  Zipfel  gespaltene  und  an  diesen  Spitzen  dicht  mit  kurzen  Dörnchen  be- 
setzte Schwanz. 

4.  Micron iscus  fuscus.  (Taf.  XXXVII,  Fig.  20.) 
Das  Vorkommen  der  Bopyriden  scheint  nicht  auf  Decapoden,  Rankenfüsser 
und  Wurzelkrebse  beschränkt  zu  sein,  an  denen  sie  allein  bis  jetzt  beobachtet 
wurden;  denn  kaum  einer  anderen  Familie  dürfte  eine  Schmarotzerassel  zu- 
zurechnen sein,  die  ich  einmal  (im  November  1864)  dem  Rücken  eines  Copepoden 
aufsitzend  fand. 

Das  Thierchen  hatte  eine  Länge  von  nur  0,2  mm,  wovon  V4  auf  den  Kopf 
und  ebensoviel  auf  den  Hinterleib  kam ;  es  hatte  die  Gestalt  eines  ziemlich  stark 
gewölbten  Schildes.  Die  Leibesringe  waren  vollzähhg  und  deutlich  geschieden. 
Der  Kopf,  von  einem  breiten  häutigen  Saume  eingefasst,  trug  jederseits  nahe 
seiner  hinteren  Ecke  ein  Auge  und  einen  plumpen  (ungegliederten?)  Fühler. 
Vordere  Fühler  wurden  nicht  gesehen.  Die  Beine  der  Brust  waren  mit  Aus- 
nahme des  dritten  Paares  kurze  plumpe  Klammerfüsse  mit  dickem  kugeligen 
Handglied  und  kurzer  stumpfer  Klaue.  Die  Beine  des  dritten  Paares,  weit  länger 
als  die  übrigen,  ragten  weit  über  die  Seiten  der  Brust  vor;  ihr  letztes  Glied 
bildete  ein  klauenloses  eiförmiges  Blatt,  das  dem  Leibe  des  Wirthes  fest  anlag. 
Hinterleibsfüsse  und  Schwanzanhänge  waren  borstenlos,  —  ein  Beweis,  dass  das 
Thierchen  nicht  etwa  eine  noch  frei  schwimmende  Assellarve  war,  die  sich  nur 
vorübergehend  an  den  Copepoden  angesetzt  hatte.  Wahrscheinlich  war  es  noch 
ein  jüngeres  Thier,  dem  möglicherweise  noch  tiefgreifende  Umwandlungen  bevor- 
standen; denn  Eier  wurden  bei  demselben  noch  nicht  gefunden.  —  Seine  Farbe 
war  dunkelbraun,  die  Beine  und  der  häutige  Saum  des  Kopfes  farblos. 

5.  Zur  Systematik  der  Bopyriden. 
Ueber  die  systematische  Stellung  der  Bopyriden  herrscht  unter  den  Zoologen 
eine  seltene  Einstimmigkeit.  Man  stellt  sie  allgemein  ans  Ende  der  Isopoden, 
neben  die  Cymothoiden.  Gerstäcker  reiht  die  Bopyriden  geradezu  der  Abtheilung 
der  schwimmenden  Asseln  ein,  während  Milne  Edwards  die  Abtheilung  der 
schwimmenden  Asseln   mit   den  Cymothoiden   schliesst  und  diesen  als  besondere 


•2Q ,  Bruchstücke  zur  Naturgeschichte  der  Bopyriden. 

Abtheilung  die  festsitzenden  Asseln  (Jone,  Bop3T-us)  folgen  lässt,  und  wieder 
Andere  (z.  B.  Claus)  die  Familien  der  Asseln,  ohne  sie  in  grössere  Abtheilungen 
zu  vereinigen,  in  einfacher  Reihe  neben  einander  stellen,  an  deren  Ende  dann, 
neben  die  Cymothoiden,  die  Bopyriden  zu  stehen  kommen.  Allgemein  scheint 
man  also  die  Cymothoiden  als  nächste  Verwandte  der  Bopyriden  anzusehen. 
Dieser  Ansicht  kann  ich  mich  nicht  anschliessen ;  denn  ausser  dem,  was  allen 
Asseln  zukommt,  haben  diese  beiden  Familien  nichts  gemein,  als  die  schmarotzende 
Lebensweise  und  mit  gleichem  Rechte  würde  man  z.  B,  unter  den  Insecten  Läuse 
und  Flöhe  neben  einander  stellen. 

Wie  bei  allen  durch's  Schmarotzerleben  stark  veränderten  Thieren  (Lernäen, 
Pentastomen  u.  s.  w.)  hat  man  natürlich  auch  bei  diesen  schmarotzenden  Asseln 
hauptsächlich  die  Jugendformen  ins  Auge  zu  fassen,  um  ihre  verwandtschaftlichen 
Beziehungen  zu  erkennen.  Schon  der  erste  flüchtige  Blick  aber  auf  die  Taf.  XXXVI, 
Fig.  3,  4  und  lo  gezeichneten  jungen  Bop)Tiden  und  die  zur  Vergleichung  daneben 
gestellte  junge  Cymothoe  (Fig.  ii)  wird  Jedem  den  Eindruck  machen  müssen, 
dass  die  beiden  Familien  eher  an  die  entgegengesetzten  Enden  ihrer  Ordnung, 
als  neben  einander  gehören.     Eine  nähere  Vergleichung  bestätigt  dies. 

Bei  den  Jungen  von  Cymothoe  sieht  man  wie  bei  allen  schwimmenden 
Asseln  (Sphaeromiden,  Cymothoiden)  beide  Fühlerpaare  von  nahezu  gleicher  Länge 
und  Gestalt;  bei  den  jungen  Bopyriden,  wie  bei  den  gehenden  Asseln  (Idotheiden, 
Aselliden,  von  denen  jedoch  die  Tanaiden  auszuscheiden  sind,  und  Onisciden)  die 
vorderen  Fühler  sehr  kurz,  selbst  wenn  sie  mit  reichlichen  Riechfäden  ausgerüstet 
sind  (Fig.  5) ;  die  hinteren  Fühler  dagegen,  namentlich  bei  den  jüngsten  Larven 
stets  von  sehr  ansehnlicher  Länge. 

Bei  Cymothoe  und  überhaupt  bei  den  schwimmenden  Asseln  finden  sich 
tastertragende,  bei  den  Bopyriden  wie  bei  den  gehenden  Asseln  tasterlose  Kinn- 
backen (Mandibeln).  Bei  Cymothoe  und  allen  schwimmenden  Asseln  ist  der  letzte 
(der  Schwanzring)  der  grösste,  bei  den  jungen  Bopyriden  wie  oft  bei  den  Oni- 
sciden der  kleinste  der  Hinterleibsringe.  —  Bei  Cymothoe  und  den  meisten 
schwimmenden  Asseln  tragen  die  Schwanzfüsse  zwei  grosse  blattförmige  lang- 
bewimperte Endäste ;  bei  den  jungen  Bopyriden  sind  diese  Endäste  griffeiförmig, 
wie  bei  den  Aselliden  und  Onisciden.  —  Alle  für  die  schwimmenden  Asseln 
bezeichnenden  Merkmale  fehlen  also  den  Bopyriden,  während  sie  in  der  Bildung 
der  Fühler,  der  Kinnbacken,  des  Hinterleibes,  der  Schwanzfüsse  an  die  gehenden 
Asseln  und  zwar  zumeist  an  die  Onisciden,  und  unter  diesen  wieder  zunächst  an 
die  Gattung  Ligia  sich  anschliessen.  Gar  manche  junge  Bopyridenform  könnte, 
vom  Rücken  betrachtet,  für  eine  mikroskopische  Ligia  gelten.  Abweichend  ist, 
von  den  verkümmerten  Mundtheilen  abgesehen,  hauptsächlich  die  Bildung  der 
Hinterleibsfüsse,  die  bei  Ligia  der  Athmung,  bei  den  jungen  Bopyriden  der  Orts- 
bewegung dienen,  und  die  Leber,  die  bei  Ligia  aus  drei  Paar,  bei  den  Bopyriden 
aus  einem  einzigen  Paare  langer  Blindschläuche  besteht.  In  beiden  Beziehungen 
nähern  sich  die  jungen  Bopyriden  aber  nicht  etwa  den  Cymothoiden,  sondern 
vielmehr  den  Scheerenasseln  (Tanais).  -  Auch  die  ungegliederten,  aber  mit  End- 
borsten versehenen  Aeste  der  Schwanzfüsse  stehen  in  der  Mitte  zwischen  den 
meist  gegliederten  borstentragenden  Aesten  der  Scheerenasseln  (Tanais)  und  den 
ungegliederten  borstenlosen  Endgriffeln  der  Felsenasseln  (Ligia).  — 


Bnichstücke  zur  Naturgeschichte  der  ßopyriden. 


395 


Von  den  verkümmerten  Mundtheilen  abgesehen,  dürften  die  jungen  Bopyriden 
der  Urform  der  Asseln  näher  stehen ,  als  irgend  andere  lebende  Asseln ,  die 
Scheerenasseln  natürlich  ausgenommen,  die  sich  indess  soweit  von  allen  übrigen 
Asseln  entfernen,  dass  man  sie  wohl  besser  als  eigene  Unterordnung  den  eigent- 
lichen Asseln  gegenüberstellt.  Das  Schmarotzerleben,  dem  die  Bopyriden  schon 
seit  uralter  Zeit  sich  hingaben  und  durch  welches  viele  Arten  im  erwachsenen 
Zustande  bis  zur  Unkenntlichkeit  umgewandelt  wurden,  dürfte  gerade  dazu  bei- 
getragen haben,  dass  die  Form  der  freischwimmenden  Jungen  sich  nur  wenig 
veränderte.  Den  freilebenden  Asseln  war  es  vortheilhaft,  die  Eigenschaften,  durch 
die  sie  im  Kampfe  ums  Dasein  sich  behaupteten,  möglichst  früh  zu  besitzen;  die 
Jungen  nahmen  daher  allmählich  fast  vollständig  die  Gestalt  der  Eltern  an.  Anders 
bei  den  festsitzenden  Bopyriden ;  die  ihnen  unentbehrlichen  frei  beweglichen  Jungen 
wurden  nur  wenig  beeinflusst  von  den  Veränderungen,  denen  im  Laufe  der  Zeiten 
die  festsitzenden  Alten  unterlagen,  und  gleichzeitig  wirkte  der  Kampf  ums  Dasein 
während  der  Zeit  des  freien  Umherschwärmens  um  so  weniger  verändernd  auf 
diese  jugendlichen  Bopyriden  ein,  einen  je  kürzeren  Abschnitt  ihres  Lebens  diese 
Jugendzeit  umfasste  ^). 

Statt  der  herkömmlichen  Anordnung  der  Asseln  möchte  ich  folgende,  wahr- 
scheinlich ihrer  wirklichen  Verwandtschaft  besser  entsprechende  in  Vorschlag 
bringen : 

I.  Unterordnung.    Scheerenasseln. 

I.  Familie:  Tanaiden. 

(Asellotes  heteropodes  M.  Edw.) 

II.  Unterordnung.    Eigentliche  Asseln. 

( A.  Gehende  Asseln.     (Isopodes  marcheurs  M.  Edw.) 

a.  Ligioiden. 
Familie:  Bopyriden. 

(Joniens  u,  Bopyriens  M.  Edw.) 
Familie:  Onisciden. 

b.  Aselloiden. 
Familie:  Aselliden. 

(Asellotes  homopodes  M.  Edw. 
I  5.  Familie:  Idotheiden. 
B.  Schwimmende  Asseln.    (Isopodes  nageurs  M.  Edw.) 

(6.  Familie:  Cymothoiden. 
7.  Familie:  Sphaeromiden. 
(?)  8.  Familie:  Praniziden. 


l)  Ich  vermuthe  nach  einigen  meiner  Zeichnungen,  dass  bei  manchen  jungen  Bopyriden  noch  eine 
Spur  des  zweiten  Astes  der  äusseren  Fühler  vorkommt.  Dies  würde  der  oben  ausgesprochenen  Ansicht 
eine  wesentliche  Stütze  verleihen  und  ich  will  deshalb  nicht  versäumen,  die  Aufmerksamkeit  späterer  Be- 
obachter darauf  hinzulenken.  —  Bis  jetzt  kennt  man  im  Bereich  der  Edriophthalmen  diesen  zweiten  Ast 
der  äusseren  Fühler  (die  sogenannte  Schuppe  des  Fodophthalmenfühlers)  nur  bei  der  Tanaidengattung 
Apseudes  (nach  brieflicher  Mittheilung  von  Spence  Bäte).  — 


,  _/;  Bruchstücke  zur  Naturgeschichte  der  Bopyriden. 

Die  Bop3^riden  zerfallen  in  drei  (oder  vier?)  sowohl  durch  Bau  als  durch 
Aufenthaltsort  verschiedene  Gruppen. 

Die  erste  Gruppe  bilden  die  äusserlich,  am  Hinterleibe  oder  in  der  Kiemen- 
höhle von  Decapoden  festsitzenden  Arten,  für  die  man  bereits  eine  ganze  Zahl 
von  Gattungen  aufgestellt  hat  (Bopyrus,  Jone,  Phryxus,  Gyge,  Athelgue  u.  s.  w.), 
die  man  aber  besser  fürs  Erste  in  der  einen  Gattung  Bopyrus  vereinigt  Hesse. 
Ich  habe  aus  dieser  Gruppe  5  Arten  beobachtet,  den  oben  besprochenen  Bopyrus 
resupinatus  und  vier  andere,  die  in  der  Kiemenhöhle  eines  Grapsus  (Leptograpsus 
rugulosus?),  einer  Porcellana,  eines  Alpheus  und  einer  Hippolyte  leben.  Ihre 
Jungen  sind,  soweit  ich  sie  kenne,  dadurch  ausgezeichnet,  dass  die  sämmtlichen 
Beinpaare  der  Brust  gleich  gebildet  sind  und  dass  sie  am  Schwanzende  einen 
unpaaren  griffeiförmigen  Fortsatz  besitzen.  —  Nach  beiden  Merkmalen  dürfte  die 
in  Fig.   10   gezeichnete  Larve   von    einem    Thiere   dieser  Gruppe  abstammen. 

Die  zweite  Gruppe  umfasst  die  in  der  Leibeshöhle  von  Krabben  und  Por- 
cellanen  lebenden  Arten,  die  Gattung  Entoniscus.  Das  letzte  Beinpaar  der 
Brust  ist  bei  den  Larven  abweichend  gebildet,  die  Hinterleibsfüsse  der  Larve 
haben  einen  einzigen  blattförmigen  Endast. 

Die  dritte  Gruppe,  die  Gattung  Cryptoniscus,  lebt  an  Rankenfüssern  und 
Wurzelkrebsen.  Hierher  gehört  ausser  Cryptoniscus  planarioides  der  in  Baianus 
balanoides  lebende  Schmarotzer,  welchen  Goodsir  als  Männchen  dieses  Baianus 
beschrieb,  Darwin  aber  als  weibliche  Schmarotzerassel  erkannte  ^),  sowie  Rathke's 
an  Peltogaster  paguri  lebende  Liriope  pygmaea.  Nach  der  mir  brieflich  mit- 
getheilten  Ansicht  eines  der  gründlichsten  Kenner  der  Edriophthalmen,  Spence 
Bate's,  gehören  diese  drei  Arten  in  eine  einzige  Gattung,  für  die  ich  den  Namen 
Cryptoniscus  beibehalten  zu  dürfen  glaube,  da  der  Name  Liriope  schon  vor  Rathke 
durch  Lesson  an  eine  Qualle  vergeben  wurde  2).  —  Ein  eigenes  Urtheil  über  diese 
Ansicht  Spence  Bate's  habe  ich  nicht,  da  mir  die  Beschreibung  des  Baianus- 
schmarotzers von  Goodsir  und  die  Arbeit  von  Lillieborg  über  Liriope  nicht 
zugänglich  sind.  —  Bei  den  Jungen  von  Cryptoniscus  planarioides  ist,  wie  bei 
denen  von  Entoniscus,  das  letzte  Beinpaar  der  Brust  abweichend  gebildet;  die 
Schwimmfüsse  des  Hinterleibes  aber  tragen  zwei  griffelförmige  Aeste. 

Einer  vierten  Gruppe  endlich  scheint  der  an  Copepoden  schmarotzende 
Microniscus  zugetheilt  werden  zu  müssen.  Bei  keinem  anderen  bekannten 
Bopyriden  ist  zu  irgend  einer  Lebenszeit  das  dritte  Beinpaar  der  Brust  abweichend 
von  den  übrigen  gebaut. 

Wie  in  vielen  anderen  Fällen  finden  wir  also  auch  bei  den  Bopyriden,  dass 
bestimmte  Gruppen  verwandter  Schmarotzer  auf  bestimmte  Gruppen  verwandter 
Wohnthiere  beschränkt  sind.  Dieses  Vorkommen  verwandter  Schmarotzer  an 
verwandten  Wohnthieren,  wobei  nicht  selten  dem  Verwandtschaftsgrade  der  Wirthe 
der  Verwandtschaftsgrad  der  Gäste  entspricht,  lässt  sich  auf  verschiedene  Weise 
entstanden  denken.  Entweder  war  i.  schon  die  Stammform  der  Wirthe  von  der 
Stammform   der   Gäste   bewohnt   und    während   erstere   sich  umwandelnd  in  ver- 


i)  Darwin,  Monograph  of  thc  Cirripedia.    Lepadidae.    S.  55.     Anm. 

2)  Ueber    die    Priorität    der    Lesson'schen    Namengebung    s.    Max    Schultze,    Arch.    für   Naturgesch. 
1859.  I.  S.  310,  Anm.  =  Ges.  Schriften  S.  93. 


Bruchstücke  zur  Naturgeschichte  der  Bopyriden.  ^q-j 

schiedene  Arten,  Gattungen^  Familien  aus  einander  ging,  thaten  ein  Gleiches,  den 
Veränderungen    der    Wohntiiiere    sich    anpassend,    auch    die   Schmarotzer.     Oder 

2.  die  gemeinsame  Stammform  der  Schmarotzer,  die  ursprünglich  nur  an  einer 
bestimmten  Art  von  Wohnthieren  lebte  und  von  dieser  sich  später  auf  andere 
verwandte  Arten  verbreitete,  oder  auch  gleichzeitig  auf  mehreren  verwandten 
Arten  als  Schmarotzer  sich  niederliess,  nahm  den  Eigenthümlichkeiten  der  ver- 
schiedenen Wohnthiere  entsprechende  neue  Formen  an  und  zerfiel  so  in  eine 
Gruppe    verwandter    Arten     oder    selbst    Gattungen.      Oder    es    konnten    endlich 

3.  schon  ursprünglich  verschiedene  verwandte  Arten  an  anderen  ebenfalls  unter 
sich  verwandten  Arten  zu  schmarotzen  beginnen.  Bald  mag  vorwiegend  die  eine, 
bald  die  andere  Weise,  selten  wohl  ausschliesslich  eine  derselben  die  jetzt  be- 
stehende Vertheilung  der  Schmarotzer  herbeigeführt  haben.  Mit  Sicherheit  den 
Antheil  der  einen  und  der  anderen  festzustellen,  wird  vielleicht  in  keinem  Falle 
mög'Hch  sein. 

Was  die  gesammte  Familie  dQr  Bopyriden  betrifft,  so  ist  der  erste  der  eben 
aufgezählten  Fälle  natürlich  sofort  auszuschliessen ;  denn  zur  Zeit,  als  die  gemein- 
same Stammform  der  Decapoden,  Copepoden,  Rankenfüsser  und  Wurzelkrebse 
lebte,  an  denen  jetzt  diese  Schmarotzer  vorkommen,  gab  es  überhaupt  noch  keine 
Asseln.  Die  grösste  Wahrscheinlichkeit  hat  hier  der  dritte  Fall  für  sich.  Es 
dürfte  einst  zwischen  den  Bopyriden  und  den  übrigen  Krustern  ein  ähnliches 
Verhältniss  bestanden  haben,  wie  gegenwärtig  zwischen  den  Cymothoiden  und 
den  Fischen.  Alle  Cymothoiden  scheinen  an  Fischen  ihre  Nahrung  zu  suchen; 
einige  fallen  schaarenweise  über  todte  oder  auch  kranke  Fische  her;  —  andere, 
treffliche  Schwimmer,  heften  sich  nur  zeitweise  schleimfressend  oder  blutsaugend 
an  lebende  Fische,  gelegentlich  auch,  wie  ich  selbst  erfahren,  an  badende  Menschen ; 
—  andere  endlich,  die  Minderzahl,  sind  im  Alter  festsitzende  Schmarotzer  mit 
ziemlich  verkrüppelten  Bewegungswerkzeugen.  Auch  deren  Vorfahren  waren 
einst  ohne  Zweifel  nur  gelegentliche  Besucher  ihrer  Wohnthiere  und  es  ist  nicht 
unwahrscheinlich,  dass  die  Nachkommen  mancher  Arten,  die  jetzt  noch  frei  leben, 
einst  zu  bleibenden  Gästen  der  von  ihnen  besuchten  Fische  werden.  Ebenso 
mögen  einst  die  frei  lebenden  Vorfahren  der  Bopyriden  an  anderen  Krustern 
ihre  Nahrung  gesucht  und  von  diesen  mögen  verschiedene  Arten  nach  und  nach 
aus  zeitweiligen  Besuchern  zu  festsitzenden  Schmarotzern  geworden  sein. 

Anders  stellt  sich  die  Sache  für  die  einzelnen  Gruppen  der  Bop3^riden.  Es 
ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  der  gemeinsame  Stammvater  der  Bopyrusarten, 
es  ist  so  gut  wie  gewiss,  dass  derjenige  der  Entoniscus  und  ebenso  derjenige  der 
Cryptoniscusarten  selbst  schon  ein  Schmarotzer  war  und  dass  die  Mehrzahl  der 
heute  mit  solchen  Schmarotzern  behafteten  Arten  dieselben  von  ihren  Vorfahren 
ererbt  haben. 

Besonders  merkwürdig  ist  in  dieser  Beziehung  die  Cryptoniscusgnippe  durch 
ihr  gleichzeitiges  Vorkommen  an  Rankenfüssern  und  Wurzelkrebsen.  Wenn 
Schmarotzer,  die  auf  eine  bestimmte  einzelne  Art  von  Wohnthieren  beschränkt 
und  von  dieser  so  völlig  abhängig  sind,  wie  es  mit  Cryptoniscus  der  Fall  ist, 
durch  gelegentliches  Verirren  der  Jungen  sich  auf  andere  Arten  verbreiten,  so 
wird  dies  sicher  nur  auf  nahe  verwandte  Arten,  nicht  aber  auf  so  weit  ver- 
schiedene Thiere   geschehen,   wie  jetzt   Balanen   und   Wurzelkrebse   sind.     Sollte 


-,Qg  Bruchstücke  zur  Naturgeschichte  der  Bopyriden. 

auch  z.  B.  gelegentlich  die  Larve  des  Goodsir'schen  Cryptoniscus,  statt  den  an 
Felsen  haftenden  Baianus  aufzusuchen,  sich  in  ein  Schneckenhaus  verirren,  in 
welchem  ein  mit  Peltogaster  behafteter  Pagurus  wohnte,  so  ist  es  doch  kaum 
denkbar,  dass  dieser  Peltogaster  trotz  seiner  völlig  umgewandelten  Form  und 
trotz  seiner  völlig  verschiedenen  Nahrung  in  Geruch  und  Geschmack  und  über- 
haupt in  der  chemischen  Beschaffenheit  seiner  Säfte  dem  Baianus  so  ähnlich  ge- 
blieben sei,  dass  die  Larve  an  ihm  sich  festsetzen  und  einen  passenden  Boden 
für  ihre  Entwickelung  finden  sollte.  Dies  ist  um  so  weniger  glaublich,  als  der 
Goodsir'sche  Schmarotzer  nicht  einmal  die  anderen  Balaniden.  die  an  gleicher 
Stelle  und  untermischt  mit  Baianus  balanoides  leben  (Baianus  perforatus  und 
Chthamalus  stellatus)  ^),  heimzusuchen  scheint.  Ein  Uebersiedeln  der  Cryptoniscus- 
arten  von  Rankenfüssern  auf  Wurzelkrebse  oder  umgekehrt  ist  mithin  im  höchsten 
Grade  unwahrscheinlich;  ich  bin  vielmehr  der  Meinung,  dass  die  mit  Cryptoniscus 
behafteten  Wurzelkrebse  dieselben  von  der  Zeit  her  ererbt  haben,  wo  ihre  Vor- 
fahren selbst  noch  Rankenfüsser  waren.  Dass  von  dem  gemeinsamen  Stamm- 
vater der  Wurzelkrebse  diese  Schmarotzer,  wie  es  scheint,  nur  auf  wenige  seiner 
Nachkommen  übergegangen  sind,  ist  dabei  so  wenig  befremdlich,  als  dass  oft 
nur  sehr  vereinzelte  Thiere  die  ihrer  Art  eigenthümlichen  Schmarotzer  beherbergen. 
—  Es  würde  demnach  die  Entstehung  der  Wurzelkrebse  in  eine  verhältnissmässig 
neue  Zeit  fallen,  in  der  schon  die  Familie  der  Bopyriden  in  die  jetzt  bestehenden 
Hauptgruppen  sich  aufgelöst  hatte,  oder  mit  anderen  Worten  die  Gattung  Crypto- 
niscus würde  älter  sein,  als  die  ganze  Gruppe  der  Rhizocephalen.  Wie  in  diesem, 
mögen  in  manchen  anderen  Fällen  die  Schmarotzer  zur  Bestimmung  des  be- 
ziehungsweisen Alters  verschiedener  Thiergruppen  sich  benutzen  lassen. 

Ich  habe  im  Vorstehenden  den  Cryptoniscus  planarioides  als  Schmarotzer 
von  Sacculina  purpurea,  den  Bop3T-us  resupinatus  als  Schmarotzer  von  Pagurus 
bezeichnet,  obwohl  beide  sich  jetzt  in  vollkommen  gleicher  Weise  zu  Sacculina 
und  Bopyrus  verhalten ,  nämlich  die  Sacculina  verdrängen ,  um  aus  deren  im 
Pagurus  fortwuchernden  Wurzeln  ihre  Nahrung  zu  ziehen.  Es  wird  dies  keiner 
weitläufigen  Rechtfertigung  bedürfen;  denn  offenbar  ist  Cryptoniscus  von  der 
Sacculina  aus,  Bopyrus  vom  Pagurus  aus  an  den  jetzt  beiden  gemeinsamen 
Wohnsitz,  den  Anheftungspunkt  der  Sacculina  an  den  Pagurus  gelangt.  Crypto- 
niscus (Liriope)  pygmaeus  ist  noch  einfacher  Schmarotzer  von  Peltogaster  paguri, 
den  er  nicht  verdrängt,  und  entsinne  ich  mich  recht,  so  hat  man  im  Vaterlande 
dieser  Thiere  auch  einen  Bopyrus  gefunden,  der  als  einfacher  Schmarotzer  am 
Hinterleibe  von  Pagurus  lebt.  Möglich,  dass  diese  norwegischen  Arten  einst  auch 
noch  die  bequeme  und  ausgiebige  Nahrungsquelle  entdecken,  an  der  ihre  brasi- 
lianischen Verwandten  sich  bereits  niedergelassen  haben. 

Itajahy,  Sa.  Catharina,  Brazil,  im  December  1869. 

Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XXXVI  und  XXXVII. 

Fig.    I — 3.    Entoniscus  Cancrorum. 

Fig.    I.    Erwachsenes  Weibchen. 

Fig.    2.    Jüngste  Larve,  in  ihrer  Lieblingsstellung. 


1)  Darwin,  Balanidae.  .S.  272. 


Bruchstücke  zur  Naturgeschichte  der  Bopyriden.  -iqq 

Fig-   3-    Jüngste  Larve  von  der  Bauchseite,  mit  ausgebreiteten  Gliedmaassen. 

Fig.    4 — 9.    Bopyrus  resupinatus. 

Fig.    4.    Jüngste  Larve,  vom  Rücken.    /.  Leber. 

Fig.  5.  Aeltere  Larve,  an  einem  mit  Sacculina  behafteten  Pagurus  gefunden ;  (die 
drei  letzten  Beinpaare  der  Brust  und  die  Schwimmfüsse  des  Hinterleibes  sind  weggelassen). 

Fig.    6.    Junges  Weibchen,  vom  Rücken.    /.  Leber.    //.  Herz. 

Fig.    7.    Erwachsenes  Weibchen,  vom  Rücken. 

Fig.    8.    Ein  solches  von  der  Bauchseite. 

Fig.    9.    Männchen.    /.  Leber,    h.  Herz.    /.  Hoden. 

Fig.  10.    Bopyridenlarve  von  unbekannter  Abkunft,    d.  Darm.    /.  Leber. 

Fig.  II.    Junge  Cymothoe,  der  Bruthöhle  der  Mutter  entnommen. 

Fig.  12 — 19.    Cryptoniscus  planarioides. 

Fig.  12.  Theile  der  jüngsten  Larve:  a.  Kopf.  h.  ein  Bein  des  5.  Paares  der  Brust. 
c.  ein  Schwimmfuss  vom  letzten  (5.)  Paare  des  Hinterleibes. 

Fig.  13.  Junges  festsitzendes  Weibchen.  //.  Herz.  /.  Leber  (?).  di.  Chitinkranz  der 
Sacculina. 

Fig.  14.  Halbwüchsiges  Weibchen,  c.  Mundende  desselben.  L.  Leibeswand  des 
Cryptoniscus.  m.  das  in  die  Wurzeln  der  Saccuhna  eingesenkte  Mundende ;  zwischen 
beiden  der  Chitinring  der  Sacculina,  an  dem  man  den  im  Innern  des  Pagurus  sich  aus- 
breitenden Kranz  k.  und  die  ausserhalb  desselben  liegende  Platte  p.  unterscheidet. 

Fig.  15.  Mundende  eines  anderen  Weibchens.  L.  und  m.  wie  in  Fig.  14.  B.  Ein- 
gang zur  Bruthöhle  des  Cryptoniscus.    eh.  Chitinring  der  Sacculina. 

Fig.  16.    Aelteres  Weibchen. 

Fig.  1 7.  Weibchen  mit  fast  reifer  Brut.  Am  Anheftungspunkte  grüne  Sacculina- 
wurzeln. 

Fig.  18.  Chitingerüst  in  der  Leibeswand  eines  alten  Weibchens.  B.  Eingang  zur 
Bruthöhle,  in  welchem  man  4  fingerförmige  Anhänge  sieht.     Ch.  Chitinplatte  der  Sacculina. 

Fig.  19.    Männchen.    //.  Herz.    /.  Leber. 

Fig.  20.  Microniscus  fuscus. 


Ueber  den  Trimorphismus  der  Pontederien^). 

Mit  4  Textfiguren. 

Vor  mehreren  Jahren  wurde  hier  als  Zierpflanze  eine  Pontederia  (wahr- 
scheinlich Pontederia  crassipes)  eingeführt,  die  sich  seitdem  auf  ungeschlecht- 
lichem Wege  mit  unglaublicher  Schnelligkeit  vermehrt  hat.  In  einem  Graben, 
in  welchen  ich  vor  noch  nicht  zwei  Jahren  eine  kleine  Pflanze  dieser  Pontederia 
warf,  hat  dieselbe  auf  weite  Strecken  ihre  einheimische  Verwandte,  die  Heter- 
anthera  reniformis  R.  &  P.,  verdrängt,  und  entfaltet  jetzt  täglich  Hunderte 
von  Blüthenähren. 

Nach  Endlicher  (Gen.  plant.  No.  1088,  b,  a.)  sollen  bei  den  eigentlichen 
Pontederien  die  Staubfäden  ziemlich  gleich  lang  sein.  Unsere  Pflanze  dagegen 
(Fig.  4)  hat  drei  kurze  und  drei  sehr  lange  Staubfäden;  die  Staubbeutel  der 
ersteren  liegen  am  Ein  gange  der  Blumenröhre,  die  der  letzteren  stehen  etwa 
2  cm  darüber.  Die  Narbe  steht  zwischen  diesen  beiden  Gruppen  von  Staubbeuteln, 
ganz  wie  bei  der  mittelgrif fügen  Form  von  Lythrum  Salicaria.  Es  war  mir 
kaum  zweifelhaft,  dass  auch  diese  Pontederia  trimorph  sei  und  dass  die,  welche 
ihr  Stamina  subaequalia  zuschrieben,  lang-  oder  kurzgrifflige  Pflanzen  vor  sich 
hatten,  während  die  hier  eingeführte  Pflanze  der  mittelgriffligen  Form  angehörte. 
Ich  war  daher  sehr  gespannt,  die  Blumen  einer  zweiten  Art  zu  untersuchen,  die 
im  unteren  Laufe  des  Itajahy-mirim  in  grosser  Menge  an  den  Ufern 
hin  wächst. 

Bei  einem  Ausfluge,  den  ich  deshalb  im  October  1868  nach  dem  „kleinen 
Flusse"  machte,  (wie  von  den  Anwohnern  des  Itajahy  der  Itajahy-mirim  gewöhn- 
lich genannt  wird),  fand  ich  die  Pontederia  leider  noch  nicht  in  Blüthe.  Dagegen 
leuchteten  mir  in  voller  Pracht  ihre  spannenlangen  dunkelblauen  Blüthenähren 
entgegen,  als  ich  vor  wenigen  Tagen  an  der  Mündung  des  kleinen  Flusses  vor- 
überfuhr. Nach  dem  Landen  gelang  es  mir,  vom  Ufer  aus  einige  Blüthen  zu  er- 
reichen und  diese  waren  —  zu  meiner  nicht  geringen  Freude  —  theils  lang-, 
theils  kurzgrifflig ! 

Um  auch  der  mittelgriffligen  Form  habhaft  zu  werden,  Hess  ich  mich  im 
Canoe  den  kleinen  Fluss  hinauffahren.  Von  jeder  Pflanze,  an  der  wir  vorüber- 
kamen, —  (eine   einzige  Pflanze   bedeckt  oft  eine  Fläche  von  mehreren  Quadrat- 

i)  Jenaische  Zeitschrift  für  Naturwissenschaft   187 1.  Bd.  6.  p.  74 — 77. 


Ueber  den  Trimorphismus  der  Pontederien.  ^OI 

ruthen)  —  wurde  eine  Aehre  gepflückt  und  untersucht;  aber  umsonst!  —  Lang- 
grifflig,  kurzgrifflig,  —  kurzgrifflig,  langgrifflig  ging  es  fort  und  fort,  bis  ich  nach 
stundenlangem  vergeblichen  Suchen  umkehrte,  ohne  eine  einzige  mittelgrifflige 
Pflanze  gefunden  zu  haben.  — 

Schon  beim  Beginn  der  Fahrt  fiel  es  mir  auf,  dass  die  Blumen  verschiedener 
Pflanzen  sich  sehr  merklich  in  ihrer  Farbe  unterschieden ;  das  Blau  der  einen  war 
dunkler  und  rein,  das  der  anderen  blasser  und  ins  Violette  ziehend.  Bald  be- 
merkte ich,  dass  alle  dunklen  Blumen  kurzgrifflig;  die  blasseren  langgrifflig  waren, 
so  dass  ich  nun  schon  aus  der  Ferne  die  beiden  Formen  unterscheiden  konnte. 
Unter  Hunderten  von  Pflanzen  kam  keine  Ausnahme  vor. 

Diese  verschiedene  Farbe  der  lang-  und  der  kurzgriffligen  Blumen  ist  eben 
so  auffallend,  als  das  Fehlen  der  mittelgriffligen  Form.  Hat  die  Pflanze,  wie  es 
bei  manchen  auf  ungeschlechtlichem  Wege  rasch  sich  vermehrenden  Arten  der 
Fall  zu  sein  scheint,  das  Vermögen  verloren,  keimfähige  Samen  zu  erzeugen  und 
sind  alle  Pflanzen  des  Itajahy-mirim  nur  Theile  je  eines  lang-  und  eines  kurz- 
griffligen Stockes?  —  Oder  entstehen  aus  den  durch  Kreuzung  je  zweier  Formen 
erzeugten  Samen  bei  Pontederia  nur  immer  wieder  diese  beiden  Formen,  aber 
nicht  die  dritte,  und  erben  dann  mit  der  Form  der  Staubgefässe  und  Griffel  die 
Sämlinge  auch  die  eigenthümliche  Farbe  des  Vaters  oder  der  Mutter?  —  Ich 
kann  für  jetzt  keine  Antwort  geben,  sondern  nur  für  die  Möglichkeit  der  einen 
wie  der  anderen  Annahme  auf  ein  ähnliches  Verhalten  trimorpher  Oxalis-Arten 
hinweisen.  Von  einer  auf  der  Insel  Santa  Catharina  ungemein  häufigen  Art  finden 
sich  dort  nur  zwei  Formen,  die  völlig  unfruchtbar  sind  und  sogar  in  der  Regel 
nur  ganz  taube  („contabescirte"  Gärtner)  Staubbeutel  hervorbringen.  Aus  Samen 
der  langgriffligen  Form  einer  weissen  trimorphen  Oxalis,  die  mit  Blüthenstaub 
der  längeren  Staubgefässe  der  mittelgriffligen  Form  bestäubt  worden  war,  erhielt 
ich  nur  lang-  und  mittelgrifflige,  aber  keine  kurzgriffligen  Sämlinge.  Bemerken 
will  ich  noch,  dass  junge,  anscheinend  gesunde  Früchte  sowohl  an  lang-  als  an 
kurzgriffligen  Pflanzen  von  Pontederia  in  Menge  vorhanden  waren.  — 

Die  trimorphen  Pontederien  sind  in  mehrfacher  Beziehung  der  Beachtung 
werth.  Zunächst  schon  als  Zuwachs  zu  der  noch  so  geringen  Zahl  der  bisher  als 
trimorph  erkannten  Pflanzen,  die  alle  der  Gattung  Lythrum  und  ihren  nächsten 
Verwandten,  sowie  der  Gattung  Oxalis  angehören.  Dann  als  trimorphe  Monoco- 
tyledonen ;  denn  alle  bisher  bekannt  gewordenen  dimorphen  und  trimorphen  Arten 
sind  Dicotyledonen.  Ferner  als  weiteres  Beispiel  für  die  Richtigkeit  einer  Vermuthung, 
die  Darwin  vor  Jahren  mir  brieflich  aussprach,  dass  nämlich  Wasser-  und  Marsch- 
pflanzen besonders  zum  Dimorphismus  geneigt  seien.  Vor  allem  aber  wegen  ihrer 
unregelmässigen  Blüthen  ^)  und  der  eigenthümlichen,  von  Lythrum  und  Oxalis 
völlig  abweichenden  Weise,  in  welcher  bei  ihnen  der  Trimorphismus  zu  Stande 
kommt.  Bei  Lythrum  und  Oxalis  wechseln  bekanntlich  die  längeren  und  kür- 
zeren Staubfäden  miteinander  ab;  jene  stehen  den  Kelch-,  diese  den  Blumen- 
blättern gegenüber;  die  Staubbeutel  desselben  Staubblattkreises  stehen  in  gleicher 
oder   nahezu   gleicher  Höhe.     Bei  Pontederia   dagegen    gehört   von  den  längeren 


i)  ,,As    yet   I  know    of   no    case    of   dimorphism  in  flowers  which  are  very  irregulär:  such  flowers 
being  apparently  always  sufficiently  visited  and  crossed  by  insects."     Darwin,  brieflich,   1867. 
Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  20 


402 


Ueber  den  Trimorphismus  der  Pontederien. 


Staubgefässen  eines  (Fig.  2,  3,  4,  A)  dem  äusseren,  zwei  (Fig.  2,  3,  4.  B)  dem 
inneren  Kreise  an,  von  den  kürzeren  zwei  (Fig.  2,  3,  4,  a)  dem  äusseren,  eines 
(Fig.  2,  3.  4,  b)  dem  inneren  Kreise;  sowohl  die  drei  längeren,  als  die  drei  kürzeren 
Staubgefässe  entspringen  neben  einander.  Sowohl  in  der  Gruppe  der  längeren 
als  in  der  der  kürzeren  Staubgefässe  entspringen  die  den  Kelchblättern  gegen- 
überstehenden (A,  ä)  etwas  höher,  als  die  den  Blumenblättern  gegenüberstehenden 
[B,  b),  so  dass  also  von  den  längeren  Staubgefässen  das  mittlere  {A),  welches  von 
dem  unpaaren  (vorderen)  Kelchblatte  entspringt,  höher  steht,  als  die  seitlichen  (ß), 
während  umgekehrt  von  den  kürzeren  Staubgefässen  das  mittlere  (6),  welches  von 
dem  unpaaren  in  beiden  Arten  mit  einem  dottergelben  Fleck  gezeichneten  Blumen- 
blatte entspringt,  tiefer  steht,  als  seine  Nachbarn  (a).    Bei  der  mittelgriffligen  und 


Fig.  j. 


Fig.  2. 


Fig.  3- 


Fig.  4. 


Fig.  I.  Blume  der  Pontederia  aus  dem  Itaj  ahy-mirim , 
von  der  Seite,  nat.  Gr.  —  s  Spalt  zwischen  den  seitlichen  Kelch- 
und  seitlichen  Blumenblättern. 

Fig.  2.  Griffel  und  Staubgefässe  der  kurzgrif fügen  Form 
dieser  Art. 

Fig.  3.    Dieselben    von    der  langgriffligen  Fonn  derselben  Art. 

Fig.  4.  Dieselben  von  der  mittelgriffligen  Form  einer  anderen 
Pontederia  (crassipes?).  — 

In  Fig.  2,  3  und  4  bedeuten:  N.  Narbe.  A.  unpaares, 
a  paariges  Staubgefäss  des  äusseren  Kreises.  B  paariges,  b  unpaares 
Staubgefäss  des  inneren  Kreises.  Ein  Staubgefäss  a,  sowie  ein  Staub- 
gefäss B  ist  weggelassen. 


langgriffligen  Form  stehen  auch  die  Staubbeutel  der  beiden  seitlichen  kürzeren 
Staubgefässe  in  nicht  ganz  gleicher  Höhe. 

Die  Blüthenstaubkörner  sind  bei  der  mittelgriffligen  Form  der  Pontederia 
crassipes  (?)  ein  wenig  grösser  in  den  langen,  als  in  den  kurzen  Staubgefässen. 
Den  Blüthenstaub  der  Pontederia  des  Itajahy-mirim  habe  ich  nicht  mikroskopisch 
untersucht.  —  Die  aufwärts  gebogene  Narbe  der  langgriffligen  Blumen  der  letz- 
teren Art  ist  bedeutend  grösser  als  die  der  kurzgriffligen,  wie  es  bei  vielen  an- 
deren dimorphen  Pflanzen  der  Fall  ist. 

Noch  einer  Eigenthümlichkeit  der  Pontederia  des  Itajahy-mirim  mag"  hier 
beiläufig  erwähnt  sein.  Die  Kelch-  und  Blumenblätter  sind  nur  am  Schlünde  der 
Blumenröhre  mit  einander  verwachsen,  im  unteren  Theile  der  Röhre  dagegen 
frei ;  namentlich  bleiben  zwischen  den  seitlichen  Kelch-  und  den  seitlichen  Blumen- 
blättern deutlich  klaffende  Spalten  (Fig.  i,  s),  durch  die  man  den  Griffel  von  aussen 


Ueber  den  Trimoiphismus  der  Pontederien.  dOX 

sehen  kann.  Das  unpaarc  Blumenblatt  war  bei  einigen  kurzgriffligen  Blumen 
auch  in  seinem  unteren  Theile  mit  den  seitlichen  Kelchblättern  verwachsen.  — 
Bei  Pontederia  crassipes  (?)  und  Heteranthera  reniformis  sind  Kelch-  und  Blumen- 
blätter zu  einer  rings  geschlossenen  Röhre  verwachsen.  — 

Die  den  Pontederien  nahe  verwandte  Heteranthera  reniformis  ist  nicht 
trimorph;  die  drei  kürzeren  Staubgefässe  der  trimorphen  Pontederien,  die  von 
den  seitlichen  Kelchblättern  und  dem  unpaaren  Blumenblatt  entspringen,  fehlen 
hier;  das  übrig  bleibende  Staubgefäss  des  äusseren  Kreises  ragt  weit  über  die 
Blumenröhre  vor  und  trägt  einen  bläulichen  Staubbeutel,  während  die  beiden 
Staubgefässe  des  inneren  Kreises  weit  kürzer  sind  und  gelbe  Staubbeutel  tragen. 
Der  Griffel  hat  bei  allen  Pflanzen  nahezu  gleiche  Länge  und  die  Narbe  steht  in 
gleicher  Höhe  mit  dem  blauen  Staubbeutel^). 

Itajahy,  Sa.  Catharina,  Brazil, 
im  Dezember  i86g. 


i)  Endlicher's   Angabe     (gen.    plant.    No.    1087),    dass  Heteranthera    „stamina    3,    limbi    lobis 
interioribus  opposita"  besitzt,  ist  wenigstens  für  H.  reniformis  falsch. 


26* 


Remarks  on  some  white  ants^). 

Dr.  Hagen  also  remarked  that  Mr.  Fritz  Müller  had  sent  to  him  some 
white  ants  from  Itahahy,  St.  Catharina,  Brazil,  with  the  foUowing  remarks:  — 

„These  nests  of  white  ants  are  more  or  less  regulär  cylinders,  one  span  high 
and  two  or  three  inches  thick.  By  horizontal  floors  they  are  divided  into  twelve 
or  fifteen  compartments  or  Chambers.  The  outer  surface  bulges  out  so  that  one 
can  make  out  the  number  of  Chambers  by  the  enlargements  of  the  cylinder.  A 
pillar  goes  through  all  the  compartments;  close  to  this,  or  in  it,  runs  an  obHque 
passage  from  each  Chamber  to  the  next.  Sometimes  all  these  passages  together 
form  a  somewhat  regulär  winding  stair  through  all  the  compartments.  For  the 
impregnated  female  these  passages  are  too  narrow,  and  she  can  therefore  not 
leave  her  Chamber. 

There  are,  both  in  the  outer  wall  and  in  the  horizontal  divisions,  passages 
too  small  to  admit  the  passing  of  the  winged  ants;  but  neither  in  the  outside 
wall  nor  in  the  Chambers  is  there  any  opening  to  the  outside  in  nests  which 
have  not  been  injured. 

In  the  outside  wall  the  passages  run  from  top  to  bottom.  In  the  divisions, 
from  circumference  to  centre  without  reaching  this  latter.  In  the  flat  compart- 
ments they  are  not  to  be  detected  from  the  outside;  in  the  circumference  they 
appear  as  flattened  ridges.  In  drying,  the  outer  side  of  the  passages  falls  off, 
and  then  they  are  to  be  seen  as  deep  hoUows  with  inflated  borders.  In  undisturbed 
nests  the  only  entrance  seems  to  be  on  the  upper  surface  some  inches  under  ground.- 

The  nest  is  not  directly  connected  with  the  earth,  but  is  surrounded  by  about 
a  finger's  breadth  of  free  space.  The  nest  can,  therefore,  as  soon  as  the  upper 
end  is  freed  from  earth,  be  easily  taken  out  of  the  ground. 

I  have  never  found  in  one  of  these  nests  more  than  one  impregnated  female. 
Besides  the  winged  ants,  the  eggs  and  the  larvae,  there  are  found  two  kinds  of 
laborers;  of  these  one  kind  is  distinguished  by  a  truncated  nose. 

Not  in  the  nest  but  in  the  same  piece  of  land,  are  found,  in  planting  corn, 
Single  white  ants  with  disproportionately  large  heads  and  long  mandibles." 

The  winged  ants  were  stated  by  Dr.  Hagen  to  belong  to  Termes  striatus, 
or  perhaps  to  T.  similis;  the  imago  is  in  too  bad  a  condition  for  accurate  determin- 
ation.  The  soldier  with  truncated  nose  was  figured  by  him  as  T.  similis ;  the 
soldier  with  long  mandibles,  as  T.  cingulatiis. 

No  description  of  white  ants'  nests  like  this  has  ever  been  given  before. 

i)  Proceedings  of  the  Boston  Society  of  Natural  History.  1871.  p.  205,  206.  Section  of  Entomology. 
January  26.   1870. 


Bestäubungsversuche  an  Abutil  on- Arten  ^). 

Mit  8  Textfiguren. 

Pflanzen,  deren  eigener  Blüthenstaub  keine  Befruchtung  bewirkt,  sind  be- 
sonders bequem  zu  Bastardirungsversuchen.  Das  oft  so  mühsame  und  häufig 
nicht  ohne  schwere  Verletzung  der  Blumen  auszuführende  Entfernen  der  Staub- 
beutel ist  bei  ihnen  nicht  nöthig;  es  genügt  die  Zufuhr  fremden  Blüthenstaubes 
abzuhalten.  Ich  wählte  daher  für  eine  Reihe  von  Versuchen,  durch  die  ich  aus 
eigener  Erfahrung  die  Gesetze  der  Bastard erzeugung  im  Pflanzenreiche  kennen 
zu  lernen  beabsichtigte,  zunächst  mehrere  selbst  unfruchtbare  („self-sterile"  Darwin) 
Arten  der  Gattung  Abu ti Ion. 

Die  Ergebnisse,  welche  die  Versuche  des  vorigen  Jahres  in  Bezug  auf  Samen- 
ertrag lieferten,  will  ich  im  Folgenden  kurz  besprechen,  —  nicht  weil  ich  den- 
selben einen  besonderen  Werth  beilege,  sondern  weil  ich  hoffe,  dadurch  auch 
Andere  anzuregen  zu  Versuchen  über  die  mannichfachen  Fragen,  die  sich  dabei 
aufdrängen. 

Meine  Bestäubungsversuche  wurden  angestellt: 

i)  an  einem  Abutilon  vom  oberen  Capivary,  das  mir  in  Kew  als  verwandt 
mit  Ab.  virens  bestimmt  wurde; 

2)  an  einem  hier  in  Gärten  öfter  zu  findenden  Abutilon,  das  mir  ein  deutscher 
Gärtner  als  Ab.  striatum  bezeichnete; 

3)  an  einem  Bastarde  dieser  beiden  Arten ,  dessen  Mutter  das  Capivary- 
Abutilon,  dessen  Vater  das  Ab.  striatum  ist,  welchem  letzteren  es  in 
Wuchs,  Blatt  und  Blüthe  weit  ähnlicher  ist,  als  der  Mutter; 

4)  an  einem  am  Ufer  des  Itajahy  häufigen  Abutilon  mit  schmalem  lanzet- 
förmigem  Blatte  und  rother  Blüthe,  das  von  den  Brasilianern  Embira 
branca  („weisser  Bast")  genannt  wird. 

Ausser  dem  Blüthenstaube  dieser  Arten  kam  zur  Verwendung: 

5)  Blüthenstaub  einer  weissblühenden  Pflanze  der  Embira  branca,  die  auch 
durch  kleinere  Blüthen  und  11-  bis  i2fächrige  Früchte  (bei  der  roth- 
blühenden Form  meist  14 — löfächrig)  sich  auszeichnete.  Meine  Kinder 
fanden  eine  einzige  Pflanze  zwischen  der  gewöhnlichen  rothblühenden 
Form  am  Rio  do  Testo,  einem  Nebenflusse  des  Itajahy. 

1)  Jen.  Zeitschrift  für  Naturwissenschaft   1873.   7- Ja^i'g-  ''^-   22  —  45. 


,qA  Bestäubungsversuche  an  Abutilon-Arten 

6)  Blüthenstaub  eines  schönen  baumartigen  Abutilon  mit  über  mannshohem 
Stamme  und  tiefgelappten  Blättern ,  von  dem  ich  eine  einzige  Pflanze 
etwa  5  Stunden  von  hier  (am  Pocinho)  nicht  weit  vom  Ufer  des  Itajahy  fand. 

7)  Blüthenstaub  des  Abutilon  vexillarium,  von  dem  ich  eine  Blüthe  aus  dem 
Garten  des  Dr.  Blumenau  erhielt. 

Die  Zahl  der  Fächer  ist  bei  den  Früchten  dieser  verschiedenen  Arten  sehr 
unbeständig,  daher  giebt  die  Zahl  der  Samen  in  der  ganzen  Frucht  kein  passendes 
Maass  der  Fruchtbarkeit.  Bei  voller  Fruchtbarkeit  d.  h.  wenn  alle  Eichen  sich 
zu  guten  Samen  entwickelten,  würde  eine  8  fächrige  Frucht  des  Capivary- Abutilon 
64  bis  72,  eine  1 1  fächrige  88  bis  99  Samen  enthalten;  eine  8 fächrige  Frucht  mit 
60  Samen  nähert  sich  also  der  vollen  Fruchtbarkeit  weit  mehr,  als  eine  1 1  fächrige 
mit  gleicher  Samenzahl;  erstere  hätte  durchschnittlich  7,5,  letztere  nur  5,5  Samen 
in  einem  Fache.  Diese  Durchschnittszahl,  die  man  erhält,  indem  man  die  Zahl 
der  Samen  durch  die  Zahl  der  Fächer  tlieilt,  ist  für  diese  Pflanzen  das  passendste 
Maass  der  Fruchtbarkeit, 

Die  Früchte  des  Abutilon  werden  hier  oft  von  kleinen,  in  ihrem  Innern 
lebenden  Raupen  heimgesucht;  fressen  dieselben  eine  grössere  Zahl  von  Fächern 
aus,  so  fällt  die  Frucht  gewöhnlich  kurz  vor  der  Reife  ab;  wo  nur  wenige,  i,  2 
oder  höchstens  3  Fächer  ausgefressen  waren ,  habe  ich  die  Gesammtzahl  der 
Samen  nach  der  Zahl  derer  berechnet,  die  in  den  unversehrten  Fächern  sich 
fanden,   also   z.  B.   für   eine    10 fächrige   Frucht,    die   in    8    unversehrten   Fächern 

44  Samen  enthielt,   — ^ —  =  55  Samen  angenommen. 
8 

I.   Abutilon  vom  Capivary. 

Zu  Versuchen  dienten  6  Pflanzen.  Vier  derselben  (I,  II,  III,  IV)  sind  Ge- 
schwister, d.  h.  stammen  von  Samen  ein  und  derselben  Frucht,  die  ich  im  Mai 
1868  am  Capivary  pflückte.  Die  Pflanze  V  hat  die  Pflanze  II  zur  Mutter;  der 
Vater,  sowie  die  .Eltern  der  Pflanze  VI,  die  ebenfalls  aus  Samen  jener  einen 
Frucht  gezogen  waren,  sind  durch  eine  Ueberschwemmung  zerstört  worden.  Der 
Vater  von  V  war  Mutter  von  VI. 

Die  Eigenschaft,  mit  eigenem  Blüthenstaube  völlig  unfruchtbar  zu  sein,  hatte 
ich  schon  früher  an  all  diesen  Pflanzen  durch  Versuche  festgestellt;  deshalb  fehlen 
solche  Versuche  fast  ganz  unter  den  nachstehend  aufgeführten.  Wie  unbestäubte 
Blüthen  fallen  solche,  die  mit  Blüthenstaub  desselben  Stockes  bestäubt  wurden, 
je  nach  Wetter  und  Jahreszeit  4  bis  7  Tage  nach  dem  Aufblühen  saramt  dem 
oberen  Theile  des  Blüthenstieles  ab. 

In  Betreff  der  Bestäubung  sei  erwähnt,  dass  deren  einzige  natürliche  Ver- 
mittler während  der  Dauer  der  Versuche  (4.  Juli  bis  4.  Oktober)  die  Kohbris 
waren,  denen  überhaupt  für  unsere  Winterflora  fiist  ausschliesslich  dieses  Geschäft 
obHegt.  Indem  diese  von  unten  her  ihren  Schnabel  in  die  hängenden  Blumen- 
glocken stecken,  wird  ihr  Kopf  mit  dem  leicht  ausfallenden  Blüthenstaube  über- 
streut, den  sie  dann  an  die  abwärts  gerichteten,  über  die  Staubgefässe  mehr  oder 
weniger  weit  vorstehenden  Narben  der  zunächst  besuchten  Blumen  wischen.  — 
Zu  anderen  Zeiten  habe  ich  auch,  doch  nur  selten,  einen  grossen  gelben  Schmetter- 
ling aus  der  Familie  der  Pieriden  an    den  Blumen   dieses  Abutilon  gesehen.     Bei 


Bestäubungsversuche  an  Abutilon-Arten. 


407 


der  künstlichen  Bestäubung  wurden  (wie  auch  bei  den  übrigen  Arten)  gewöhnlich 
die  ganzen  Bkimen  benutzt,  um  unmittelbar  mit  ihren  Staubbeuteln  die  Narben 
zu  betupfen ;  des  Pinsels  bediente  ich  mich  nur,  wenn  die  den  Blüthenstaub 
liefernde  Blüthe  selbst  bestäubt  werden  sollte,  also  nicht  abgeschnitten  werden 
durfte.  Zum  Schutze  der  bestäubten  Blüthen  gegen  die  Kolibris  dienten  Gazebeutel  ^). 


Zahl  der 

Zahl  der 

Zahl  der  Samen 

in  einer 

Durchschnittliche  Zahl  der 

Bestäubt: 

bestäubten 

reifen 

Frucht 

Samen 

in  einem 

Fache 

Blumen 

Früchte 

Kleinste 

I  Grösste 

Mittel 

Kleinste 

Grösste 

Mittel 

Abutilon  vom  Capivary  I 

Durch  Kolibris 

? 

13 

3 

76 

22,6 

0,3 

6,9 

2,2 

mit  Ab  Capivary  II 

IG 

8 

40 

68 

57,6 

5,0 

7,0 

5,9 

mit  Ab.  striatum 

I 

0 

mit  Ab.  Capivary-striatum  I 

3 

I 

64 

7,1 

mit  Ab.  Capivary-striatum  III 

I 

0 

mit  Ab.  V.  Rio  do  Testo 

'         5 

2 

15 

27 

21,0 

1,5 

2,5 

2,G 

mit  Ab.  vom  Pocinho 

" 

41 

59 

50.0 

4,6 

5,9 

5,2 

gleichzeitig  mit  Ab.  Embira  und 

Ab.  V.  Pocinho 

:'     3 

2 

]      44 

48 

46,0 

4,8 

4,9 

4.8 

Abutilon  vom  Capivary  II 

Durch  Kolibris 

? 

21 

7 

51 

26,8 

0,8 

5,7 

2,2 

mit      Blüthenstaub      desselben 

Stockes 

I 

0 

mit   fremdem  Blüthenstaub  der 

eignen  Art 

17 

II 

20 

54 

35,7 

2,2 

5,4 

3,8 

mit  Ab.  striatum 

3 

2 

27 

42 

34,5 

3,0 

4,2 

3,6 

mit  Abutilon    Capivary-striatum 

2 

I 

26 

3,2 

mit  Ab.  Embira 

6 

3 

29 

42 

33,3 

2,9 

4,2 

3,4 

mit  Ab.  vom  Pocinho 

7 

2 

33 

37 

35,0 

3,7 

4,1 

3.9 

Abutilon  vom  Capivary  III 

Durch  Kolibris 

? 

3 

II 

22 

15,7 

1,1 

2,2 

1,6 

mit  eignem  Blüthenstaub 

2 

0 

mit  fremdem  Blüthenstaub    der 

eigenen  Art 

9 

7 

IG 

30 

23,4 

1,1 

3,0 

2,4 

mit  Abutilon  striatum 

3 

0 

mit  Ab.  Capivary-striatum  I 

I 

I 

29 

2,9 

mit  Ab.  Embira 

I 

24 

2,7 

Abutilon  vom  Capivary  IV 

mit  eigenem  Blüthenstaub 

I 

0 

mit  fremdem    Blüthenstaub    der 

eigenen  Art 

2 

2 

56 

66 

61,0 

6,0 

6,2 

6,1 

mit  Abutilon  striatum 

I 

I 

17 

1,9 

mit  Ab.  Capivary-striatum  I 

3 

2 

55 

59 

57,0 

5,5 

5,9 

5,7 

mit  Ab.  Embira 

I 

I 

61 

6,1 

mit  Ab.  vom  Pocinho 

2 

2 

12 

12 

12,0 

1,1 

1,3 

1,2 

gleichzeitig  mit  Ab.  striatum  und 

Ab.  Embira 

I 

I 

17 

1,7 

i)  Einige  der  Gazebeutel  waren  etwas  zu  enge,  so  dass  sich  die  Blumenkronen  nicht  frei  genug 
entfalten  konnten;  wurden  diese  Gazebeutel  entfernt,  so  breiteten  sich  die  Blumenkronen  weit  über  das 
gewöhnliche  Maass,  fast  in  eine  Ebene  aus,  während  sie  ohne  vorherige  Einengung  eine  Glocke  bilden, 
deren  Höhe  grösser  ist,  als  der  Halbmesser  der  Oeffnung. 


4o8 


Bestäubungsversuche  an  Abutilon-Arten. 


Zahl  der 

Zahl  der 

Zahl  der  Samen 

n  einer 

Durchschnittliche  Zahl  der 

Bestäubt : 

bestäubten 

reifen 

Frucht 

Samen 

in  einem 

Fache 

Blumen 

Früchte 

Kleinste 

Gross  te 

Mittel 

Kleinste 

Grösste 

Mittel 

Abutilon  vom  Capivary  V 

1 

Durch  Kolibris 

? 

lO 

9 

53 

25.4 

1,0 

5,9 

2,7 

mit   fremdem  Blüthenstaub   der 

eigenen  Art 

9 

8 

44 

57 

49,5 

4,4 

6,5 

5,9 

mit  Ab.  striatum 

5 

5 

32 

61 

43.2 

4,0 

6,1 

5,0 

mit  Ab.  Capivary-striatum 

5 

3 

56 

63 

59,0 

6,2 

6,4 

6,3 

mit  Ab.  Embira 

5 

5 

46 

58 

54>o 

5,1 

6,4 

6,0 

mit  Ab  vom  Pocinho 

7 

2 

60 

62 

61,0 

6,0 

6,9 

6,4 

mit  A.  vexillarium 

I 

I 

17 

1,7 

gleichzeitig  mit  Blüthenstaub  der 

eigenen  Art  u.  mit  Ab.  Embira 

2 

2 

54 

54 

54>o 

6.7 

6,7 

6,7 

gleichzeitig  mit  Ab.  Embira  und 

Ab.  striatum  ^) 

I 

I 

62 

6.9 

Abutilon  vom  Capivary  VI 

Durch  Kolibris 

? 

i8 

9 

48 

22,8 

1,0 

5,3 

2,5 

mit  Ab.  striatum 

6 

6 

47 

70 

58,9 

5,2 

7,7 

6,7 

mit  Ab.  Capivary-striatum   III 

I 

i^) 

17 

1,7 

mit  Ab.  Capivary-striatum  IV 

3 

3 

60 

66 

64,0 

6,6 

6,7 

6,6 

mit  Ab.  Embira 

3 

3 

15 

50 

30.0 

1,5 

5,6 

3,1 

mit  Ab.  vom  Pocinho 

2 

2 

24 

33 

28,5 

2,7 

3,6 

3,2 

gleichzeitig  mit  Blüthenstaub  der 

eigenen  Art  und  Ab.  striatum 

I 

I 

62 

7,7 

gleichzeitig  mit  Ab.  Embira  und 

Ab.  striatum 

2 

2 

55 

62 

58.5 

6,9 

6,9 

6,9 

Abutilon    vom    Capivary    I,   II, 

III,  IV,  V,  VI 

Durch  Kolibris 

? 

65 

3 

76 

24,1 

0,3 

6,9 

2,6 

mit  eigenem  Blüthenstaub 

4 

0 

mit  fremdem  Blüthenstaub    der 

eigenen  Art 

47 

36 

IG 

68 

42,7 

1,1 

7,0 

4,6 

mit  Ab.  striatum 

19 

14 

17 

70 

46,8 

1,9 

1^1 

5,3 

mit  Ab.  Capivary-striatum 

19 

13 

26 

66 

51,9 

1,7 

7,1 

5,5 

mit  Ab.  Embira  (einschliessHch 

des  Ab.  vom  Rio  do  Testo) 

22 

14 

15 

61 

37,9 

1,5 

6,4 

3,9 

mit  Ab.  vom  Pocinho 

i       '5 

10 

12 

62 

37,3 

1,1 

6,9 

4,0 

Wenn  bei  diesen  Versuchen  nur  etwa  7:3  der  bestäubten  Blüthen  reife  Früchte 
lieferten,  so  ist  der  Ausfall  fast  einzig  den  Verwüstungen  verschiedener  Raupen 
zuzuschreiben;  an  dem  geringen  Fruchtertrag  nach  Bestäubung  mit  dem  Abutilon 
vom  Pocinho  trägt  der  Umstand  Schuld,  dass  dieselbe  während  tagelang  an- 
haltenden Regenwetters  vorgenommen  wurde. 


i)  Wenn  gleichzeitig  Blüthenstaub  zweier  fremden  Arten  zur  Bestäubung  verwandt  wurde,  wurde  die 
eine  Hälfte  der  Narben  mit  der  einen,  die  zweite  Hälfte  mit  der  zweiten  Art  bestäubt.  Wo  gleichzeitig 
mit  Blüthenstaub  der  eigenen  und  einer  fremden  Art  bestäubt  wurde,  wurde  eine  einzige  Narbe  mit  dem 
der  eigenen  Art,  alle  übrigen  mit  dem  der  fremden  Art  versehen. 

2)  Diese  Frucht  hätte  eigentlich  aus  der  Tabelle  wegbleiben  sollen,  da  ihre  Samenarmuth  davon 
herrührt,  dass  eine  ungenügende  Menge  Blüthenstaubes  zur  Befruchtung  verwandt  wurde. 


Bestäubungsversuche  an  Abutilon-Arten.  40Q 

Bemerkenswerth  ist  nun  zunächst  der  Unterschied  in  dem  Samenertrag  der 
durch  künstliche  und  der  durch  natürliche  Bestäubung  erzeugten  Früchte ;  erstere 
hatten  durchschnittlich  4,6,  letztere  2,5^)  Samen  im  Fach.  In  der  That  war  aber 
das  Ergebniss  der  natürlichen  Bestäubung  durch  die  Kolibris  ein  noch  weit  un- 
günstigeres, als  es  hiernach  zu  sein  scheint.  Die  Pflanzen  waren  (mit  Ausnahme 
von  IV)  während  der  ganzen  Dauer  der  Versuche  mit  zahlreichen  Blüthen  be- 
deckt; (von  III.  habe  ich  am  27.  August  auf  einmal  100  Blüthen  abgeschnitten, 
um  deren  Griffelzahl  zu  untersuchen);  ich  entsinne  mich  nicht  eine  ältere  Blume 
gesehen  zu  haben,  deren  Narben  nicht  reichlich  mit  Blüthenstaub  bedeckt  gewesen 
wären,  und  doch  fiel  die  grosse  Mehrzahl,  wohl  wenigstens  ^lo  ab,  ohne  über- 
haupt Frucht  anzusetzen.  Die  Mehrzahl  der  Früchte  war  sehr  arm  an  Samen, 
während  einige  wenige  allerdings  in  Samenzahl  mit  den  reichsten  der  durch  künst- 
liche Bestäubung  erhaltenen  Früchte  wetteiferten.  Nach  künstlicher  Bestäubung 
mit  fremdem  Blüthenstaube  dagegen  setzten  alle  Blüthen  (mit  Ausnahme  einiger 
an  der  Pflanze  III)  Frucht  an,  und  fast  alle  Früchte  (wieder  die  Pflanze  III  aus- 
genommen) enthielten  reichliche  Samen.  —  Schon  bei  anderen  Pflanzen  hatte  ich 
Gärtner's  Meinung  nicht  bestätigt  gefunden ,  dass  „künstliche  Befruchtung  der 
reinen  Arten  gewöhnlich  eine  geringere  Samenzahl  erzeugt,  als  die  natürliche". 
Meine  Erfahrungen  an  Abutilon  stehen  zu  dieser  Meinung  Gärtner's,  der  sich 
auf  eine  ungeheure  Zahl  Jahrzehnte  hindurch  mit  bewundernswerthester  Ausdauer 
und  Sorgfalt  fortgeführter  Versuche  stützte,  in  schneidendstem,  jedoch  leicht  zu 
erklärendem  Widerspruch.  Gärtner  zog  seine  Versuchspflanzen  in  Töpfen,  brachte 
sie  während  der  Blüthezeit  in  ein  geschlossenes  Zimmer,  castrirte  sie  und  —  was 
wohl  die  Hauptsache  ist  —  verwandte  wahrscheinlich  häufig  Blüthenstaub  des- 
selben Stocks  zur  Bestäubung;  darin  und  nicht  in  der  künstlichen  Bestäubung 
d.  h.  in  dem  Umstände,  dass  statt  des  Rückens  einer  Hummel  oder  eines  Schmetter- 
lingsrüssels ein  Pinsel  zur  Uebertragung  des  Blüthenstaubes  diente,  dürfte  die 
Ursache  des  geringeren  Ertrags  seiner  künstlich  bestäubten  Pflanzen  zu  suchen 
sein.  —  Ebenso  leicht  erklärt  sich  der  geringe  Erfolg  der  natürlichen  Befruchtung 
bei  Abutilon;  ist  ein  KoUbri  zu  einem  blüthenreichen  Busche  herangeflogen,  so 
pflegt  er  ihn,  wenn  nicht  gestört,  emsig  von  Blüthe  zu  Blüthe  schwirrend,  voll- 
ständig abzusuchen ;  ehe  er  dann  einen  anderen  Busch  besucht,  pflegt  er  gewöhn- 
lich einige  Zeit  auf  einem  benachbarten  Zweig  zu  rasten,  auch  wohl  inzwischen  die 
Blumen  einer  anderen  Pflanze  abzusuchen,  (in  meinem  Garten  z.  B.  die  Blüthen 
einer  Manettia.  die  nahebei  an  einer  Bauhinia  rankt  oder  die  leuchtenden  Blüthcn- 
stände  einer  Musa  coccinea).  So  werden  nur  die  Blumen,  die  er  von  einem 
anderen  Stocke  kommend  zuerst  besucht,  eine  volle  Ladung  fremden  Staubes 
erhalten;  alle  übrigen  bekommen  Blüthenstaub  des  eigenen  Stockes,  entweder 
rein  oder  mit  einer  mehr  oder  weniger  erheblichen  Beimengung  fremden  Staubes, 
—  letzteren  aber,  wie  der  Erfolg  zeigt,  selten  in  einer  zu  vollständiger  Befruch- 
tung ausreichenden  Menge.  Daher  nur  wenige  Früchte  und  von  diesen  wieder 
nur  ein  kleiner  Theil  mit  reichlichem  Samen.  Es  wäre  dabei  auch  an  die  Mög- 
lichkeit zu  denken,  dass  reichliche  Bestäubung  mit  eigenem  die  spätere  Befruch- 
tung   durch    fremden    Blüthenstaub    beeinträchtigt,    indem    entweder   einfach    der 


i)  Soll  wohl  2,6  heissen  ?     Herausgeber. 


A,Q  Bestäubungsversuche  an  Abutilon- Arten. 

Zugang  zur  Narbenoberfläche  erschwert,  oder  auch  diese  durch  längere  Einwirkung 
des  eigenen  Blüthenstaubes  für  fremden  unempfänglich  gemacht  wird ;  wenigstens 
Letzteres  scheint  indess  kaum  der  Fall  zu  sein,  soweit  ich  aus  meinen  hierauf 
gerichteten,  leider  durch  die  unvermeidlichen  Raupen  grossentheils  vereitelten 
Versuchen  schliessen  darf.  Für  Ersteres  scheint  das  Ergebniss  einiger  Versuche 
zu  sprechen ;  so  wurden  von  2  jungfräulichen  frisch  aufgeblühten  Blumen  der 
Pflanze  V.  die  eine  sofort  mit  fremdem,  die  andere  erst  stark  mit  eigenem  und 
unmittelbar  darauf  mit  fremdem  Blüthenstaub  bestäubt;  erstere  gab  eine  Frucht 
mit  6, 3,  letztere  mit  nur  4,  4  Samen  im  Fach.  An  der  Pflanze  II  wurden  2  frische 
Blumen  mit  Gaze  bedeckt,  nachdem  die  eine  stark  mit  Blüthenstaub  ihres  Stockes 
bestäubt  worden  war;  fünf  Tage  später  wurden  beide  mit  fremdem  Blüthenstaub 
versehen;  die  eine,  die  diesen  in  jungfräulichem  Zustande  erhalten  hatte,  lieferte 
4,4,  die  andere,  auf  deren  Narben  zuvor  5  Tage  lang  eigener  Blüthenstaub  ge- 
legen hatte,  nur  2, 2  Samen  im  Fach. 

Weiter  ist  hervorzuheben  die  auffallende  Verschiedenheit  im  Samenertrage 
der  Pflanzen  I  bis  IV,  die  wie  gesagt  aus  Samen  einer  einzigen  wildwachsenden 
PYucht  gezogen  sind.  Der  durchschnittliche  Ertrag  mit  fremdem  Blüthenstaub 
der  eigenen  Art  war  bei  IV:  6,1  — bei  I:  5,9  —  bei  II:  3,8  —  endlich  bei  III: 
2,4  Samen  im  Fach;  die  reichsten  Früchte  von  III  enthielten  durchschnittlich  nicht 
über  3,  die  ärmsten  von  I  und  IV  nicht  unter  5  und  6  Samen  im  Fach.  —  1869 
habe  ich  von  der  Pflanze  III  gar  keine  Früchte  erhalten  ^).  —  Also  nicht  blos  bei 
Bastarden  und  bei  illegitimen  Sprösslingen  dimorpher  und  trimorpher  Pflanzen, 
sondern  auch  bei  anderen  wildwachsenden  reinen  Arten  kommt  es  vor,  dass  aus 
Samen  derselben  Frucht  gezogene  Pflanzen  sich  sehr  erheblich  in  ihrer  Frucht- 
barkeit unterscheiden. 

In  Bezug  auf  die  Verbindung  mit  fremden  Arten  ergab  sich,  dass  bei  drei 
Pflanzen  (II,  III,  V)  die  eine  oder  andere  fremde  Art  grösseren,  bei  einer  Pflanze 
(IV)  ebenso  hohen  Samenertrag  lieferte,  als  die  eigene  Art;  bei  einer  Pflanze  (VI) 
war  keine  künstUche  Bestäubung  mit  der  eigenen  Art  vorgenommen  worden  und 
nur  bei  einer  Pflanze  (I)  überstieg  die  Samenzahl  in  den  durch  die  eigene  Art 
erzeugten  P'rüchten  (5,  9  Samen  im  Fach)  um  etwas  die  der  fruchtbarsten  Bastard- 
verbindungen (mit  Abutilon  vom  Pocinho  5,2  Samen). 

Der  Satz,  dass  Kreuzung  mit  fremden  Arten  immer  weniger  Samen  liefert, 
als  Befruchtung  mit  der  eigenen  Art,  bestätigte  sich  also  nicht  bei  obigen  Versuchen 

Die  drei  zur  Bestäubung  verwandten  Arten  zeigten  in  Bezug  auf  die  durch 
sie  erzeugte  Samenzahl  nicht  dieselbe  Reihenfolge  bei  den  verschiedenen  als  weib- 
liche Unterlage  dienenden  Pflanzen  des  Capivarv- Abutilon.  Mit  III  lieferte  Striatum 
doppelt  so  viel,  mit  V  noch  nicht  V.s  so  viel  Samen,  wie  die  beiden  anderen  Arten. 
Bei  IV  war  das  Verhältniss  von  Embira  und  Striatum  dasselbe  wie  bei  V,  wo- 
gegen das  Abutilon  vom  Pocinho,  das  mit  V  die  reichsten  Früchte  lieferte,  bei 
IV  nur    Vö   soviel  Samen   gab   als  Embira.     Bei  II    war   der  Ertrag   für  alle  drei 


I)  Diese  unfruchtbare  Pflanze  III  ist  auch  sonst  vor  ihren  Geschwistern  ausgezeichnet  durch  etwas 
kleinere  blassere  Blumen,  durch  längere  Griffel,  die  meist  schon  aus  der  Knospe  hervortreten,  und  durch 
kleinere  blassere  Narben.  Sie  ist  von  kräftigem  Wuchs,  sehr  reichblühend  und,  wie  es  scheint,  besonders 
lebenszäh,  da  sie  allein  zwei  grosse  Ueberschwemnmngen  überdauert  hat,  deren  erster  mehrere  andere  an 
gleichem  Orte  wachsende  Geschwister  erlegen  sind. 


Bestäubungsversuche  an  Abutilon-Arten.  ^Ij 

Arten  ziemlich  derselbe.     Man  vergleiche  nachstehende  (aus  den  obigen  Tabellen 
entnommene)  Zusammenstellung: 

IL  P:  3,9.  —    S:  3,6.  —  E:  3,4 

IV.  E:  6,1.—   S:   1,9.—   P:   1,2 

V.   P:  6,4.  —  E:  6,1.  —   S:   1,9 

VI.   S:  6,7.—  P:  3,2.—  E:  3,1 

Es  scheint  also  jede  einzelne  Pflanze  ihre  eigenthümliche  Empfängnissfähig- 
keit („Wahlverwandtschaft"  Gärtner)  für  verschiedene  fremde  Arten  zu  besitzen. 
Doch  sind  die  Versuche  bei  weitem  nicht  zahlreich  genug,  um  schon  jetzt  dieses 
Ergebniss  als  gesichert  betrachten  zu  dürfen. 

Wirksamer,  d.  h.  samenreichere  Früchte  erzeugend  als  der  Blüthenstaub  der 
eigenen  reinen  Art  erwies  sich  ebenfalls  bei  den  Pflanzen  I,  III  und  V  der  Blüthen- 
staub einer  Bastardpflanze:  Abutilon  Capivary-striatum  I. 

Es  würde  voreilig  sein,  aus  diesen  Ergebnissen  den  Schluss  ziehen  zu  wollen, 
dass  im  Allgemeinen  das  Abutilon  vom  Capivary  reicheren  oder  ebenso  reichen 
Samenertrag  liefert  mit  einer  Reihe  fremder  Arten  und  einem  seiner  Bastarde, 
wie  mit  Pflanzen  der  eigenen  Art.  Ich  vermuthe,  dass  in  letzterem  Falle  die 
Fruchtbarkeit  meiner  Pflanzen  hinter  der  normalen  zurückblieb  und  zwar  weil 
alle  meine  Pflanzen  des  Capivary- Abutilon  sehr  nahe  Verwandte  sind.  Wenigstens 
aber  bieten  auch  diese  Versuche  einen  neuen ,  allerdings  schon  ziemlich  über- 
flüssigen Beleg  dafür,  dass  die  Fruchtbarkeit  nicht  als  untrüglicher  Prüfstein  der 
Zusammengehörigkeit  verschiedener  Pflanzen  zur  selben  Art  zu  verwerthen  ist. 
Ebenso  zeigen  sie,  dass  die  Weise  in  welcher  Gärtner  („Bastarderzeugung"  S.  204) 
die  „Wahlverwandtschaftsgrade  der  Arten  bei  der  Bastardbefruchtung"  berechnete, 
indem  er  das  Maximum  der  bei  Bastardbefruchtung  erhaltenen  Samen  mit  der 
mittleren  Samenzahl  durch  „natürliche  Befruchtung"  an  wilden  Pflanzen  ent- 
standener guter  Früchte  verglich,  ebenso  praktisch  unbrauchbar  sein  kann,  wie 
sie  theoretisch  falsch  ist.  Soll  der  Samenertrag  durch  Blüthenstaub  der  eigenen 
und  durch  den  fremder  Arten  verglichen  werden,  so  ist  es,  um  ein  reines  Resultat 
zu  erhalten,  natürlich  unerlässlich,  dass  alle  übrigen  Verhältnisse,  die  möglicher- 
weise jenen  Ertrag  beeinflussen  könnten,  in  beiden  Fällen  möglichst  gleich  seien. 
Beiderlei  Früchte  müssen  entweder  von  wildwachsenden  oder  von  im  Garten 
gezogenen,  von  in  freier  Luft  oder  von  im  Zimmer  stehenden  Pflanzen,  beide 
von  künstlich  bestäubten  Blumen  gewonnen  sein ;  es  müssen  entweder  Maximum 
mit  Maximum  oder  Mittelwerth  mit  Mittelwerth  verglichen  werden ;  ja  es  müssen 
womöglich  beiderlei  Früchte  zu  gleicher  Zeit  an  demselben  Stocke  gereift  sein. 
Wollte  man  nach  Gärtners  Berechnungsweise  mit  dem  mittleren  Samenertrag  der 
durch  „natürliche  Befruchtung"  entstandenen  Früchte  der  Pflanze  III  (2,4  Samen 
im  Fach),  das  Maximum  der  Samen  vergleichen,  die  der  Blüthenstaub  von  Abu- 
tilon striatum  an  der  Pflanze  II  erzeugte,  (7,7  Samen  im  Fach),  so  würde  die 
Fruchtbarkeit  dieser  Bastardverbindung  über  dreimal  so  gross  sein,  als  die  der 
reinen  Art! 

Eine  letzte  befremdende  Thatsache  ist  es,  dass  bei  den  Pflanzen  V  und  VI 
die  reichsten  Früchte  aus  denjenigen  Blumen  hervorgingen,  die  gleichzeitig  mit 
Blüthenstaub  verschiedener  Arten  bestäubt  worden  waren.  An  der  Pflanze  V 
z.  B.  enthielten    5  durch  Abutilon   striatum    erzeugte  Früchte   durchschnittlich  5,0 


412 


Bestäubungsversuclie  an   Abutilon-Artcn. 


und  keine  mehr  als  6,i  Samen;  ebenso  viel  durch  Embira  erzeugte  Früchte  durch- 
schittlich  6,0  und  keine  mehr  als  6,4  Samen  im  Fach,  während  eine  Blume  der- 
selben Pflanze,  von  deren  Narben  die  eine  Hälfte  mit  Abutilon  striatum,  die 
andere  mit  Embira  bestäubt  wurde,  eine  Frucht  mit  6, 9  Samen  im  Fache  Ueferte. 
—  Einen  ähnlichen  Fall  werden  wir  unten  noch  einmal  wiederfinden.  —  Weitere 
Versuche  werden  entscheiden  müssen,  ob  dieser  Samenreichthum  nach  gleich- 
zeitiger Bestäubung  mit  zweierlei  Blüthenstaub  ein  blos  zufälliger  war.  Ich  bin 
geneigt,  aus  unten  anzuführenden  Gründen,  das  Gegentheil  anzunehmen. 


IL    Abutilon   striatum. 

Ein  Abutilon,  das  mir  als  striatum  bezeichnet  wurde,  findet  sich  hier  bisweilen 
in  Gärten  angepflanzt,   wo  es  niemals  Früchte  trägt.     Ich  besitze  davon  drei,  aus 

verschiedenen  Gärten  stammende  Pflanzen,  die  eben- 
falls weder  jede  für  sich,  noch  mit  einander  gekreuzt 
jemals  Samen  tragen,  —  ein  Beweis,  dass  alle  drei  auf 
ungeschlechtlichem  Wege  von  derselben  Mutterpflanze 
abstammen,  nur  Theilstücke  ein  und  desselben  Stockes 
sind  ^).  Ich  betrachte  sie  daher  im  Folgenden  als  eine 
einzige  Pflanze. 

Dieses  Garten-Abutilon  wird  ebenso  fleissig,  wie 
die  einheimischen  Arten,  von  Kolibris  besucht,  aber  nicht 
durch  sie  bestäubt.  Das  verschiedene  Verhalten  der 
Kolibris  wird  bedingt  durch  einen  Umstand,  dem  man 
gewiss  kaum  irgend  welche  Bedeutung  für  das  Gedeihen 
der  Art  beigemessen  hätte,  und  durch  den  sie  doch  hier 
zu  fast  vollständiger  Unfruchtbarkeit  verurtheilt  ist.  Die 
Kelchzipfel  nämlich  sind  beträchtlich  kürzer,  als  bei  dem 
Abutilon  vom  Capivary,  und  so  wird  es  den  Kolibris 
möglich,  die  Spitze  des  Schnabels  am  Grunde  der  Blume 
zwischen  zwei  benachbarten  Blumenblättern  einzuführen, 
wobei  natürlich  Staubbeutel  und  Narben  unberührt  bleiben. 
Den  Besuch  des  Kolibris  verrathend  bleibt  ein  kleines 
Loch  an  der  Stelle,  wo  derselbe  die  Blumenblätter  aus- 
einandergeschoben hat  •  {a  in  der  beistehenden  Figur).  Ein  einziges  Mal  sahen 
meine  Kinder  einen  Kolibri  von  einer  grösseren  Art,  die  sonst  Abutilon  nicht 
besucht,  von  unten  her  an  die  Blüthen  dieser  Art  heranfliegen.  Im  September 
wurden  während  einiger  Wochen  zwei  meiner  Pflanzen  von  einem  Schwärme 
kleiner  schwarzer  Honigbienen  (Melipona)  besucht,  die  aber  ebensowenig  Narben 
und  Staubbeutel  berührten ;  sie  bissen  sich  Löcher  in  den  Kelch  (b),  um  zu  dem 
Honig  zu  gelangen.  Einige  grosse  Hummeln,  die  ich  zur  selben  Zeit  an  diesen 
Pflanzen   sah,   benutzten   die  von  den  Bienen  gebissenen  Löcher.  —  Obwohl  also 

i)  „Je  Tai  dit  et  je  le  lepete:  un  ne  juge  de  ki  j^arente  que  par  la  fecondit^"  heisst  es  in  einem 
Buche,  das  zu  dem  Unverdautesten  gehurt,  was  gegen  Darwin  geschrieben  wurde.  Der  berühmte  Verfasser 
würde  nach  diesem  so  emphatisch  proclamirten  Satze  meine  drei  Pflanzen  für  ebenso  viel  verschiedene 
Arten  erklären  müssen.  Ja,  streng  genommen,  müsste  er  Staubgefässe  und  Griffel  jeder  einzelnen  Blüthc 
bei  dieser  und  allen  anderen  selbst  unfruchtbaren  Pflanzen  als  verschiedenen  Arten  angeh(")rig  betrachten. 
S.  Flourens,  Examen  du  livre  de   M.  Darwin.     Paris   1864.     S.   loi. 


Bestäubungsversuche  an  Abutilon-Arten. 


413 


die  eine  meiner  Pflanzen  rings  von  Arten  umgeben  war,  durch  deren  Blüthen- 
staub  sie  leicht  zu  befruchten  ist,  wurde  doch  nur  eine  einzige  Frucht  durch  „natür- 
liche Bestäubung"  erzeugt. 


Abutilon  striatuni 
Bestäubt : 

Zahl  der 

bestäubten 

Blumen 

Zahl  der 

reifen 
Früchte 

Zahl  der  Samen 

Frucht 

Kleinste    Grösste 

in  einer 
Mittel 

Durchschnittliche  Zahl  der 

Samen  in  einer  Frucht 
Kleinste   Grösste      Mittel 

auf  natürlichem  Wege 

? 

1 

43 

4,8 

mit  Blüthenstaub  der  eigenen  Art 

5 

0 

mit  Ab.  vom  Capivary 

8  +  X 

7  +  63  '!         8 

55 

37,9 

1,0 

5,9 

4.1 

mit  Ab.  Capivary-striatum  I 

17 

9              25 

55 

37,5 

2,5 

5,5 

4,2 

mit  Ab.  Capivary-striatum  IV 

I 

I 

20 

2,2 

mit  Ab.  Embira 

15    +   X 

4  +  7  ii       17 

45 

29,5 

1,9 

5.6 

3.3 

mit  Ab.  vom  Pocinho 

14 

3       i        21 

45 

30,7 

2,6 

5,0 

3,7 

gleichzeitig  mit  Ab.  vom  Capi- 

vary und  mit  Embira 

2 

2 

17 

36 

26,5 

1,9 

4,0 

3,0 

gleichzeitig  mit  Ab.  vom  Pocinho 

und  mit  Embira 

2 

I 

32 

3.2 

Die  einzige  Blüthe,  die  ohne  mein  Zuthun  Frucht  ansetzte,  war,  wie  die 
Aussaat  der  Samen  gezeigt  hat,  durch  Blüthenstaub  des  Abutilon  Embira  be- 
fruchtet worden.  —  An  zwei  Stöcken,  die  von  den  übrigen  Abutilonpflanzen  ziem- 
lich entfernt  stehen,  und  bei  denen  daher  eine  (überhaupt  kaum  jemals  stattfindende) 
Bestäubung  durch  Kolibris  oder  Immen  nicht  zu  befürchten  stand,  wurde  eine 
grosse  Zahl  Blüthen  an  dem  einen  mit  Abutilon  vom  Capivary,  an  dem  anderen 
mit  Embira  bestäubt,  ohne  dass  diese  (in  der  Tabelle  mit  x  bezeichneten)  Blüthen 
gezeichnet  und  mit  Gaze  bedeckt  wurden;  an  ersterem  Stocke  wurden  63,  an  dem 
anderen  7  Früchte  geerntet. 

Abutilon  striatum  befruchtet  also  hier,  wie  wir  bereits  sahen  und  noch  weiter 
sehen  werden,  fremde  Arten  und  wird  von  ihnen  befruchtet.  Somit  ist  seine 
Unfruchtbarkeit  in  unseren  Gärten  nicht  dem  Klima,  sondern  dem  Umstände  zu- 
zuschreiben, dass  wir  nur  Theile  einer  einzigen  Pflanze  hier  besitzen.  Dasselbe 
mag  der  Grund  der  Unfruchtbarkeit  mancher  anderen  stets  auf  ungeschlechtlichem 
Wege  vermehrten  Pflanzen  sein,  z.  B.  des  Ingwers  und  der  süssen  Bataten,  deren 
Blüthenstaub  und  Eichen  regelmässig  ausgebildet  zu  sein  scheinen.  Ebenso  mag 
es  sich  bei  manchen  in  europäischen  Gärten  unfruchtbaren  Pflanzen  verhalten. 
In  anderen  Fällen  findet  sich  bei  solchen  Pflanzen  allerdings  eine  mehr  oder 
weniger  bedeutende  Verkümmerung  der  Geschlechtstheile;  so  beim  Arrow-root, 
dessen  Staubbeutel  ich  stets  vollkommen  leer  fand.  Ja,  einige  scheinen  sich  sogar 
des  Blühens  völlig  entwöhnt  zu  haben,  wie  mehrere  Arten  von  Dioscorea.  Die 
Varietäten  des  Zuckerrohrs  hat  man  danach  in  blühende  und  nicht  blühende 
eingetheilt. 

III.  Bastard  Abutilon  Capivary-striatum. 
Ein  grösseres  Gewicht  für  die  Unterscheidung  von  Arten  und  Varietäten 
als  der  unvollkommenen  oder  vollkommenen  Fruchtbarkeit  bei  der  ersten  Kreuzung 
legt  Gärtner  dem  Umstände  bei,  dass  Arten-Bastarde  in  der  ersten  Generation 
fast  immer  nur  einen  einzigen  Typus  zeigen,  während  bei  Varietäten-Bastarden 
kaum  je  eine  Pflanze  der  anderen  vollkommen  gleich  ist.  Dass  dies  im  iMlgemeinen 
richtig   ist,   ist   nach   den    so   überaus  reichen  Erfahrungen  Gärtner's  nicht  zu  be- 


414 


Bestäubungsversiiche  an  Abutilon-Arten. 


zweifeln,  wie  es  ja  auch  vom  Standpunkte  der  Darwin'schen  Lehre  sich  leicht 
erklärt.  Dass  aber  auch  dieser  Unterschied  zwischen  Arten  und  Varietäten  kein 
durchgreifender  ist,  zeigt  der  Bastard  Abutilon  Capivary-striatum.  Von  den  fünf 
Pflanzen,  die  ich  1869  gezogen,  trägt  jede  ihr  ganz  eigenthümliches  Gepräge  in 
Wuchs,  Blatt,  Blüthe  und  Frucht.  Ich  lege  eine  Skizze  der  Blüthen  von  den  vier 
zu  Versuchen  verwendeten  Pflanzen  bei,  zu  der  ich  noch  bemerken  will  dass 
I  der  Riese  unter  seinen  Geschwistern  und  jetzt  über  10  Fuss  hoch  ist,  während 
IV,  obwohl  ein  halb  Jahr  älter,  kaum  2  Spannen  Höhe  hat.  II  ist  ebenso  durch 
die  Länge  der  Blattstiele  wie  der  Blüthenstiele  ausgezeichnet.  Bei  I  und  I^' 
(sowie  bei  der  fünften  Pflanze,  die  erst  wenige  Blumen  brachte)  strotzen  die  Staub- 
beutel von  gutem  Blüthenstaub ;  bei  II  und  III  sind  sie  meist  völlig  leer  und 
farblos,  nur  in  einzelnen  Blüthen  findet  man  in  einigen  wenigen  Staubbeuteln 
eine  geringe  Menge  Blüthenstaubes,  der  aber,  wenigstens  bisweilen  (Abutilon 
vom  Capivary  VI),  gut  ist. 


1 

Zahl  der 

Zahl  der 

Zahl  de 

Samen 

in  einer 

Durchschnittliche  Zahl  der 

Bestäubt : 

bestäubten 

reifen 

Frucht 

Samen 

in  einem 

Fache 

Früchte 

Früchte 

Kleinste 

Grösste 

Mittel 

Kleinste 

Grösste 

Mittel 

Abutilon  Capivary-striatum  I 

auf  natürlichem  Wege 

? 

2 

6o 

62 

61,0 

5.0 

6,2 

5.6 

mit   Blütenstaub   ders.  Pflanze 

3 

o 

mit  Ab.  Capivary-striatum  11 

I 

o 

mit  Ab.  Capivary-striatum  TV 

2 

2 

58 

71 

64.5 

6,4 

6.5 

6,4 

mit  Ab.  vom  Capivarj' 

1 

5 

50 

68 

61,8 

4,5 

6,8 

5.9 

mit  Ab.  striatum 

5 

5 

23 

64 

39.4 

2,3 

5,8 

4,0 

mit  Ab.  Embira 

i6 

2 

53 

55 

54.0 

4,8 

5.0 

4,9 

mit  Ab.  vom  Rio  do  Testo 

3 

O 

mit  Ab.  vom  Pocinho 

3 

I 

39 

3.5 

gleichzeitig  mit  Ab.  vom  Capi- 

vary und  Ab.  striatum. 

2 

2 

52 

53 

52,5 

5,2 

5.3 

5.2 

Abutilon  Capivary-striatum  II 

mit  Ab.  Capivary-striatum  I 

3 

3 

45 

52 

48,5 

5,8 

6.4 

6,1 

mit  Ab.  vom   Capivar}- 

3 

3 

46 

50 

48,0 

6,0 

6,6 

6,3 

mit  Ab.  striatum 

2 

2 

37 

50 

43-5 

4,6 

5,6 

5.1 

mit  Ab.  Embira 

3 

2 

18 

4' 

29,5 

2,6 

5.1 

3.9 

mit  Ab.  vom  Rio  do  Testo 

I 

O 

gleichzeitig  mit  Ab.  vom  Capi- 

vary u.  striatum 

I 

I 

38 

5.4 

Abutilon  Capivary-striatum  III 

mit  Ab.  Capivary-striatum  I 

5 

5 

II 

55 

41,8 

1.1 

5.2 

4.1 

mit  Ab.  Capivary-striatum  II 

I 

o 

mit  Ab.  Capivary-striatum   IV 

2 

2 

28 

32 

30,0 

3,5 

4,0 

3,7 

mit  Ab.  vom  Capivary 

7 

4 

35 

55 

45.5 

3.9 

6,1 

5.1 

mit  Ab.  striatum 

4 

4 

29 

44 

36,5 

3.2 

4.4 

3,7 

mit  Ab.  Embira 

4 

3 

32 

45 

39,3 

3,2 

5.0 

4.2 

mit  Ab.  vom  Rio  do  Testo 

3 

i       o 

mit  Ab.  vom  Pocinho 

4 

2 

43 

47 

45,0 

4.7 

4.8 

4.7 

gleichzeitig  mit  Ab.  vom   Capi- 

vary und  Ab.  striatum 

2 

I 

54 

5.4 

gleichzeitig  mit  Ab.  v.  Pocinho 

1 

und  Embira. 

2 

1           I 

58 

6,4 

Bestäuhungsversuche  an  Abutilon-Arten. 


415 


A  Blüthe   des  Abutilon    Capivarj-.     B  Blüthe    von  Abutilon    striatum.      /,  //,  i//,  IV  Blüthen  von 
2  verschiedenen  Pflanzen  des  Bastards  Abutilon  Capivary-striatuni. 


^jg  Bestäubungsversuche  an  Abutilon- Arten. 

An  der  kümmerlichen  vierten  Pflanze,  die  nur  wenige  Blüthen  brachte, 
wurde  eine  Blume  mit  Abutilon  Capivary-striatum  I,  drei  mit  Abutilon  vom 
Capivary,  eine  mit  Abutilon  striatum  und  eine  mit  Abutilon  Embira  bestäubt; 
nur  die  mit  Abutilon  striatum  bestäubte  reifte  eine  Sfächrige  Frucht  mit  35  Samen 
(4, 4  Samen  im  Fach), 

Betrachten  wir  zuerst  die  an  der  Pflanze  I  erhaltenen  Ergebnisse.  Sie  ist, 
wie  beide  elterlichen  Arten,  unfruchtbar  mit  ihrem  eigenen  Blüthenstaub ;  fruchtbar 
mit  dem  der  Eltern  und  des  Bastards  IV  vmd  zwar,  entgegengesetzt  dem  gewöhn- 
lichen Verhalten,  fruchtbarer  mit  diesem,  als  mit  jenen.  Sie  lieferte  mit  dem 
Bastard  IV  einen  höheren  Samenertrag,  als  irgend  eine  Pflanze  der  mütterlichen 
Art,  wenn  mit  Blüthenstaub  der  eigenen  Art  befruchtet!  Wir  haben  bereits  ge- 
sehen, dass  ihr  Blüthenstaub,  wenn  zur  Befruchtung  der  mütterlichen  Art  ver- 
wendet, meist  einen  reicheren  Samenertrag  lieferte,  als  der  der  reinen  Art.  Auch 
hierin  verhält  sich  diese  Pflanze  ganz  wie  ein  Varietäten-Bastard. 

Die  beiden  durch  „natürliche  Befruchtung"  (w^ahrscheinlich  mit  Blüthenstaub 
des  Abutilon  vom  Capivar}^)  entstandenen  Früchte  waren  im  Gegensatz  zu  der 
Samenarmuth  der  meisten  derartigen  Früchte  des  Capivarj^-Abutilon  reich  an 
Samen  und  liefern  gerade  dadurch  einen  guten  Beleg  für  die  Richtigkeit  der 
oben  gegebenen  Erklärung  jener  Samenarmuth.  Sie  stammen  nämlich  von  den 
ersten  Blüthen  der  Pflanze,  die  eine  nach  der  andern  aufblühten,  also  nicht  mit 
Blüthenstaub  desselben  Stockes  bestäubt  werden  konnten.  Die  späteren  Blüthen 
sind  fast  alle  zu  künstlicher  Bestäubung  benutzt  worden. 

Bei  Bestäubung  mit  Embira  fielen  meist  die  ganzen  Blüthen  oder  wenige 
Tage  nach  dem  Abfallen  der  Blumenkrone  die  jungen  Früchte  ab;  von  16  (oder 
mit  Einschluss  des  Abutilon  vom  Rio  do  Testo,  von  ig)  Blüthen  wurden  nur  2 
reife  Früchte  erhalten. 

Die  Pflanzen  II  und  III,  die  von  männlicher  Seite  fast  vollkommen  unfruchtbar 
waren,  lieferten,  wie  die  Tabelle  nachweist,  ebenfalls  einen  ziemlich  reichen  Samen- 
ertrag ;  auffallend  ist,  dass  bei  ihnen  die  Bestäubung  mit  Embira  viel  leichter  an- 
zuschlagen schien,  als  bei  der  ersten  Pflanze:  von  3  und  4  bestäubten  Blumen 
wurden  2  und  3  Früchte  geerntet. 

Bei  der  Pflanze  III  wiederholt  sich  die  Erscheinung,  dass  die  reichsten 
Früchte  durch  Bestäubung  mit  zweierlei  Blüthenstaub  erzielt  wurden.  Das  Abutilon 
vom  Capivary  erzeugte  durchschnittlich  5,  i,  striatum  3,7  Samen  im  Fach;  beiderlei 
Blüthenstaub  vereinigt  gab  5,4  Samen.  Ja  während  Abutilon  Embira  durch- 
schnittlich 4,2  —  das  Abutilon  vom  Pocinho  4,7  Samen  lieferte,  fanden  sich  in 
einer  durch  Blüthenstaub  dieser  beiden  Arten  erzeugten  Frucht  6,4  Samen.  Dies 
war  überhaupt  die  samenreichste  unter  tg  Früchten,  die  von  dieser  Pflanze  ge- 
erntet wurden. 

Unter  den  P>üchten  der  dritten  Pflanze  findet  sich  eine  sehr  arme  mit  nur 
1 1  Samen,  die  aus  der  Tabelle  hätte  wegbleiben  sollen ;  die  Blume  war  mit  einer 
unzureichenden  Menge  von  Blüthenstaub  aus  einem  einzigen  zweifächrigen  Staub- 
beutel bestäubt  worden,  wie  solche  einzeln  fast  in  jeder  Blüthe  des  Bastards  I, 
sowie  der  mütterlichen  Art  (des  Capivary-Abutilon)  vorkamen. 

Bemerkenswerth  ist  noch  das  Verhalten  der  Bastardpflanzen  gegen  Blüthen- 
staub von  Abutilon  striatum  und  von  Embira.    Keine  Bestäubung  schlug  sicherer 


Bestäubungsversuche  an  Abutilon-Arten.  aii 

an,  als  die  mit  Abutilon  striatum,  der  väterlichen  Art,  —  keine  schwieriger,  als  die 
mit  Embira.  —  12  Blumen,  mit  Abutilon  striatum  bestäubt,  lieferten  eben  so  viel 
Früchte;  die  einzige  Frucht,  die  an  der  Pflanze  IV  reifte,  war  dieses  Ursprungs. 
Von  31  Blumen  dagegen,  die  mit  Embira  (einschliesslich  der  Abart  vom  Rio  do 
Testo)  bestäubt  wurden,  wurden  nur  7  Früchte  erhalten.  Diese  Früchte  aber 
waren  samenreicher  (4, 4),  als  dife  durch  Abutilon  striatum  erzeugten  (3, 9).  Am 
auffallendsten  tritt  dieses  Verhältniss  bei  dem  Bastard  I  hervor,  wo  ig  Blumen 
mit  Embira  bestäubt  2  Früchte  mit  durchschnittlich  4,9,  dagegen  5  Blumen  mit 
striatum  bestäubt  auch  5  Früchte  mit  durchschnittlich  4,0  Samen  im  Fach  gaben. 
Nicht  immer  entspricht  also  der  grösseren  Leichtigkeit,  mit  der  die  Befruchtung 
angenommen  wird,  auch  ein  grösserer  Samenreichthum.  Dasselbe  gilt  wohl  über- 
haupt für  alle  bei  der  Fruchtbarkeit  der  Pflanzen  in  Betracht  kommenden  Um- 
stände; im  Allgemeinen  wird  wohl,  je  leichter  die  Bestäubung  von  der  Narbe 
angenommen  wird,  um  so  kräftiger  auch  die  Einwirkung  des  Blüthenstaubs  auf 
den  Fruchtknoten,  um  so  sicherer  und  vollkommener  die  Befruchtung  der  Eichen, 
um  so  samenreicher  die  Frucht,  um  so  keimfähiger  der  Samen,  um  so  kräftiger 
und  fruchtbarer  die  Nachkommenschaft  sein.  Einen  vollkommenen  Parallelismus 
aber  wird  man,  wie  in  dem  eben  angeführten,  so  in  vielen  anderen  Fällen  vermissen. 

IV.   Abutilon  (Embira  branca  der  Brasilianer). 

Bestäubungsversuche  wurden  an  zwei  Stöcken  vorgenommen ;  da  sich  zwischen 
den  Ergebnissen  kein  erheblicher  Unterschied  zeigt,  fasse  ich  sie  in  eine  einzige 
Tabelle  zusammen. 

Die  Vermittler  der  Bestäubung  sind  auch  hier  die  Kolibris.  Die  Blüthen 
hängen  nicht,  wie  bei  den  bisher  besprochenen  Formen,  sondern  ihre  Achse  steht 
fast  wagerecht;  die  Griffel  treten  nicht  gerade  aus  der  Staubfädenröhre  hervor, 
sondern  biegen  sich  beim  Austritt  fast  rechtwinklig  um,  so  dass  die  Narben  nach 
allen  Seiten  über  die  Staubbeutel  hinausragen,  —  eine  Lage,  die  bei  der  Richtung 
der  Blumenkrone  offenbar  für  die  Bestäubung  günstiger  ist.  Zwischen  den  Staub- 
gefässen  pflegt  bei  dieser  Art  eine  Menge  winziger  Käfer  sich  zu  sammeln,  welche 
auf  die  Kolibris  ebenso  anlockend  wirken  mögen,  wie  der  Honig,  der  im  Grunde 
der  Blume  ziemlich  reichlich  abgesondert  wird^). 

Von  den  sehr  zahlreichen  durch  „natürliche  Befruchtung"  entstandenen 
Früchten  wurde  nur  ein  kleiner  Theil  untersucht;  das  Ergebniss  ist,  wie  man 
sieht,  dasselbe  wie  bei  dem  Abutilon  vom  Capivary,  indem  sie  im  Durchschnitt 
nur  etwa  halb  so  viel  Samen  enthalten,  wie  künstlich  befruchtete. 

Bei  Bestäubung  mit  Blüthenstaub  desselben  Stockes  fiel  nur  in  drei  Fällen 
3 — 4  Tage  nach  der  Bestäubung  die  ganze  Blüthe  ab,  in  9  Fällen  4 — 8  Tage 
nach  der  Bestäubung  die  junge  P>ucht;  in  einem  Falle  hielt  sich  die  Frucht 
21  Tage.  Die  Unempfänglichkeit  für  die  Bestäubung  mit  eigenem  Blüthenstaube 
ist  also  keine  so  vollkommene,  wie  bei  dem  Abutilon  vom  Capivary. 


i)  Aus  der  Menge  von  Insectenresten,  die  Darwin,  Burmeister  u.  A.  im  Magen  der  Kolibris  an- 
gehäuft fanden,  hat  man  gewiss  mit  Recht  geschlossen,  dass  Insecten  einen  wesentlichen  Bestandtheil  ihrer 
Nahrung  bilden  und  nicht  blos  zufällig  mit  dem  Honig  eingeschlürft  werden.  Wenn  man  aber  nun  um- 
gekehrt behauptet  hat,  dass  der  Honig  nur  beiläufig  und  zufällig  mit  den  Insecten  aufgenommen  wurde,  so 
liegt  dafür  auch  nicht  die  Spur  eines   Beweises  vor. 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  27 


4i8 


Bestäubungsversuche  an  Abutilon-Arten. 


Abutilon  Embira 
Bestäubt : 


Zahl  der 

bestäubten 

Blumen 


Zahl  der 

reifen 
Früchte 


[  Zahl  der  Samen  in  einer 
i  Frucht 

iKleinste    Grösste  i    Mittel 


Durchschnittliche  Zahl  der 

Samen  in  einem  Fache 
Kleinste  Grösste      Mittel 


Durch  Kolibris 

mit  Blüthenstaub  desselben 
Stocks 

mit  fremdem  Blüthenstaub  der 
eigenen  Art 

mit  der  Varietät  vom  Rio  do  Testo 

mit  Ab.  vom  Capivary 

mit  Ab.  striatum 

mit  Ab.  Capivary-striatum  I 

mit  Ab.  vom  Focinho 

gleichzeitig  mit  Blüthenstaub  der 
eigenen  Art  und  mit  Ab.  vom 
Capivary 

gleichzeitig  mit  Ab.  vom  Capi- 
vary und  mit  Ab.  striatum 


7 
6 

12 

i6 
1 1 


114 


7 
4 

IG 

6 

IG 

5 


5 


30 

59 

21 

6 


42 


69 


69 
6g 
74 
23 
56 
43 


55 


31,1 


56,7 
59,5 
49,3 

I2,G 

34,8 
37,4 


50 

48,5 


0,3 


2,1 

4,2^) 

1,4 

0,4 

0,6 

2,0 


3,2 


4,9 


5,7 

1,6 1) 

4,6 

1,9 

4,3 

3,3 


4,2 


2.2 


4,1 

4,4') 

3,6 

0,9 

2,6 

2,9 


3,8 
3,7 


Wenn  auch  die  Befruchtung-  mit  Blüthenstaub  der  Arten  vom  Capivary  und 
vom  Pocinho,  sowie  des  Bastards  Abutilon  Capivary-striatum  I  noch  einen  höheren 
Samenertrag  lieferte,  als  die  „natürliche  Befruchtung",  so  steht  doch  weit  mehr 
als  bei  dem  Capivary-Abutilon  der  Ertrag  der  Bastardfrüchte  gegen  den  der 
künstlich  mit  Blüthenstaub  der  eigenen  Art  befruchteten  zurück.  Ob  etwa  die 
grössere  Geneigtheit  des  Capivary-Abutilon,  Bastardbefruchtung  anzunehmen,  im 
Zusammenhang  steht  mit  dessen  vollständiger  ausgeprägter  Selbstunfruchtbarkeit, 
kann  nur  durch  weit  umfangreichere  Versuche  an  zahlreichen  auf  ihr  Verhalten 
zum  eigenen  Blüthenstaube  genau  geprüften  Arten  entschieden  werden.  Doch 
mag  erinnert  werden  an  die  Schwierigkeit  der  Bastarderzeugung  in  der  derselben 
Familie  angehörigen  Gattung  Hibiscus,  deren  Arten,  soweit  meine  Erfahrung 
reicht,  vollkommen  fruchtbar  sind  mit  eigenem  Blüthenstaube,  sowie  andererseits 
an  die  überraschende  Leichtigkeit,  mit  der  fernstehende  selbstunfruchtbare  Arten 
von  Vandeen  sich  kreuzen  lassen. 

So  weit  der  Bericht  über  den  Samenertrag  meiner  Bestäubungsversuche.  Ich 
schliesse  ihm  als  nothwendige  Ergänzung  einige  Worte  an  über  die  aus  dem 
Samen  gezogenen  jungen  Pflanzen. 

Im  April  1869  hatte  ich  frischen  hier  geernteten  Samen  von  drei  verschiedenen 
Früchten  des  Capivary-Abutilon  ausgesät.  Die  Pflanzen,  durch  deren  Erzeugung  ^) 
ich  diese  P'rüchte  erhalten  hatte,  waren  Geschwister,  aus  Samen  derselben  Frucht 
gezogen.  Nur  2  Pflänzchen  gingen  auf  von  180  Samen  (es  sind  die  oben  mit 
V  und  VI  bezeichneten  Pflanzen).  Ich  schrieb  dies  damals  der  Ungunst  der 
Witterung  oder  der  unpassenden  Jahreszeit  zu.  —  Nun  aber  habe  ich  von  der 
Ernte,  über  die  ich  so  eben  berichtet,  Samen  von  weit  über  100  Früchten  aus- 
gesät und  fast  alle  haben  reichliche  und  kräftige  Pflanzen  geliefert.     Zu  gleicher 


i)  Hier  liegt  ein  mit  Sicherheit  nicht  mehr  aufzuklärender  Druckfehler  des  Originals  vor. 
2)  Soll  wohl  Kreuzung  heissen.     Herausgeber. 


Herausgeber. 


Bestäubungsversuche  an  Abuülon- Arten.  4. IQ 

Zeit   und   an    gleicher  Stelle   mit    den    übrigen    wurden    auch  sieben  verschiedene 

Aussaaten  des  Capivary-Abutilon  gemacht  und  zwar: 

i)  zwei  Aussaaten  von  2  Früchten  der  Pflanze  V,  erzeugt  durch  Blüthen- 
staub  ihres  Oheims  III.  —  Gesät  am  4.  October,  gingen  nach  14  Tagen 
reichliche  Pflanzen  auf,  die  aber  bis  jetzt  nicht  sehr  kräftig  wachsen. 

2)  vier  Aussaaten  von  Früchten  der  Pflanze  I,  erzeugt  durch  Blüthenstaub 
ihres  Bruders  IL  —  Zwei  Aussaaten  vom  i.  October  keimten  nach  24, 
eine  vom  20.  October  nach  18,  eine  vom  24.  October  nach  21  Tagen.  — 
Mehr  als  200  Samen  lieferten  kaum  über  ein  Dutzend  so  schwächlicher 
Pflänzchen,  dass  nur  4  die  ersten  Wochen  überlebten  und  bis  heute  ein 
sehr  kümmerliches  Wachsthum  zeigen  ^). 

3)  eine  Aussaat  von  Samen  einer  Frucht  der  Pflanze  IV,  erzeugt  durch 
Blüthenstaub  ihres  Bruders  II,  am  1 1 .  October.  —  Erst  nach  einem  vollen 
Monat,  am  11.  November  zeigten  sich  einige  Pflänzchen.  Ob  von  den 
56  Samen  überhaupt  mehr  als  zwei  gekeimt  haben  (soviel  Pflanzen  sind 
noch  vorhanden),  kann  ich  nicht  sagen.  Die  Pflänzchen  zeigen  ein  etwas 
kräftigeres  Wachsthum,  als  die  unter  2,  erwähnten. 


I)  Das  Missrathen  dieser  Aussaaten  war  mir  sehr  verdriesslich,  da  sie  zu  Beobachtungen  über  die 
Vererbung  der  Eigenthümlichkeiten  einzelner  Blüthen  bestimmt  waren.  Ein  ähnliches  Missgeschick,  ver- 
anlasst durch  Ueberschwemmung,  Dürre,  Raupenfrass,  Ameisen  u.  s.  w.  hat  bisher  fast  alle  meine  der- 
artigen Versuche  vereitelt.  Das  Wenige,  was  ich  hierüber  in  Bezug  auf  Abutilon  zu  sagen  habe,  mag  hier 
eine  Stelle  finden. 

Die  Zahl  der  Griffel  ist  bei  dem  Capivary-Abutilon,  wie  bei  anderen  Arten,  eine  sehr  schwankende. 
Die  Pflanze  VI  wurde  aus  Samen  einer  ggriffligen  Blume  gezogen,  die  mit  Blüthenstaub  einer  anderen 
ebenfalls  ggriffligen  Blume  befruchtet  war;  bei  ihr  herrschen  nun  die  ggriffiigen  Blüthen  entschieden  vor. 
Ich  finde  38  Früchte  dieser  Pflanze  verzeichnet,  von  denen  4  Sfächrig,  24  gfächrig  und  10  lofächrig 
waren;  danach  würden  die  Sgriffligen  Blüthen  11  "/o»  ^i^  ggriffligen  63  7o>  die  10 griff ligen  26  "/o  bilden. 
Leider  ist  ein  Vergleich  mit  den  durch  eine  Ueberschwemmung  zerstörten  Eltern  nicht  mehr  möglich.  Bei 
drei  noch  lebenden  Geschwistern  dieser  Eltern,  den  Pflanzen  I,  II,  III  fanden  sich  unter  100  Blüthen 

bei  I       bei  II      bei  III 
mit     7  Griffeln :     o 
„       8         „  3 

„       9         ,.  25 

„     10        „         54 
„II         „         18 

An  der  Pflanze  I  wurde  sogar  einmal  eine  Blume  mit  12  Griffeln  beobachtet.  (Man  muss  beim 
Zählen  der  Griffel  die  Röhre  der  verwachsenen  Staubfäden  aufschlitzen,  in  der  sich  nicht  selten  einzelne 
Griffel  verbergen;  dadurch  wird  es  eine  etwas  zeitraubende  Arbeit.) 

Die  Pflanze  V  stammt  von  einer  ggriffligen  Blume  von  II,  befruchtet  mit  Blüthenstaub  einer 
iigriffligen  Blume  der  Mutter  von  VI;  bei  ihr  fanden  sich  unter   100  Blumen 

mit  7  Griffeln  2 
„  8  „  27 
„       9         »        38 

!,  10  „  31 

.,11  „  2 

Beim  Vergleich  mit  der  Mutterpflanze  (II)  fällt  auf,  dass  sich  das  Verhältniss  der  9  griff  ligen  zu  den 
10 grif fügen  Blumen  fast  gerade  umgekehrt  hat;  bei  der  Mutter  ist  es  etwa  9:10,  bei  der  Tochter  etwa 
11:9.  —  Auffallender  noch  ist  die  grosse  Zahl  von  Blumen  (fast  30  7o)  mit  weniger  als  9  Griffeln,  während 
die  Mutter  solcher  Blumen  nur  3  "/^  und  darunter  gar  keine  mit  7   Griffeln  brachte. 

27* 


0 

I 

3 

6 

43 

39 

48 

51 

6 

3 

A2Q  Bestäubungsversuche  an  Ahutilon-Arten. 

Ich  darf  nicht  unterlasssen  anzuführen,  dass  die  Samen  der  einen  noch  nicht 
einmal  ganz  reifen  Frucht,  die  ich  vom  Capivary  mitgebracht  hatte  und  die  so 
verschrumpft  waren,  dass  sie  des  Säens  gar  nicht  werth  schienen,  gut  aufgingen. 
Ich  glaube  nicht  zu  irren,  wenn  ich  das  verspätete  Keimen  nur  weniger  Samen 
der  Pflanzen  I  und  IV,  und  die  Schwächlichkeit  der  Sämlinge  dem  Umstände 
zuschreibe,  dass  diese  Samen  durch  Geschwister  der  betreffenden  Pflanzen  erzeugt 
worden  waren,  so  dass  also  bei  diesem  Abutilon  nicht  nur  die  Bestäubung  mit 
Blüthenstaub  desselben  Stockes  völlig  wirkungslos  wäre,  sondern  auch  die  Be- 
fruchtung durch  die  nächsten  Verwandten  zwar  ziemlich  reichlichen  Samen,  aber 
nur  wenige  schwächliche  Nachkommenschaft  erzeugen  würde.  Ich  gedenke  diesen 
Punkt  noch  ferner  ins  Auge  zu  fassen  und  kann  den  Wunsch  nicht  unterdrücken, 
dass  auch  mit  anderen  selbst  unfruchtbaren  Pflanzen  ähnliche  Versuche  angestellt 
werden  möchten. 

An  den  meisten  meiner  Versuchspflanzen  hatte  ich  einzelne  Blumen  gleich- 
zeitig mit  Blüthenstaub  zweier  verschiedenen  fremden  Arten  bestäubt  (und  zwar 
eine  gleiche  Zahl  Narben  mit  jeder  Art).  Wie  erwähnt  hatte  ich  von  solchen 
Blumen  mehrfach  besonders  samenreiche  Früchte  erhalten.  Diese  Versuche  waren 
angestellt  worden,  um  durch  sie  nach  Gärtner's  Vorgang  über  den  „Grad 
der  sexuellen  Verwandtschaft  der  beiden  Arten  zu  der  weiblichen  Unterlage"  zu 
entscheiden,  falls  der  Samenertrag  darüber  in  Zweifel  lassen  sollte.  Das  Ergebniss 
der  Aussaat  ist  nun  ein  ganz  unerwartetes  gewesen.  Mit  Kölreuter's  und  W.  Herbert's 
früheren  Erfahrungen  übereinstimmend  behauptet  Gärtner,  dass  bei  „gleichzeitiger 
Bestäubung  mit  verschiedenen  Pollenarten"  nicht  etwa  „der  eine  Pollen  eine  ge- 
wisse Zahl  von  Eichen  befruchtet,  der  andere  aber  eine  andere",  dass  vielmehr 
„nur  Eine  gleichförmige  Befruchtung  durch  eine  von  den  Pollenarten  stattfindet, 
nämlich  durch  denjenigen  Pollen,  welcher  die  stärkste  sexuelle  Verwandtschaft 
zur  weiblichen  Unterlage  hatte"  (Gärtner,  Bastard erzeugung  im  Pflanzenreiche 
S.  36).  Der  treffliche  Gärtner  ist  vorsichtig  genug,  dies  nur  für  diejenigen  Arten 
als  gültig  auszusprechen,  an  denen  er  selbst,  Kölreuter  und  W.  Herbert  die  be- 
treffenden Versuche  angestellt.  —  Bei  Abutilon  scheint  nun,  soweit  ich  bis  jetzt 
urtheilen  kann,  stets  das  Gegentheil,  die  Erzeugung  von  zweierlei  Bastarden  statt- 
zufinden. Mit  Sicherheit  kann  ich  dies  für  jetzt  nur  für  diejenigen  Fälle  behaupten, 
in  denen  Blüthenstaub  von  Embira  zugleich  mit  dem  einer  anderen  Art  zur  Ver- 
wendung kam.  Denn  schon  fast  vom  Erscheinen  des  ersten  Blattes  an  sind  die 
Bastarde  der  Embira  auf  den  ersten  Blick  an  ihren  langen  schmalen  Blättern  zu 
erkennen.     Ich  führe  daher  einstweilen  nur  folgende  Pralle  an : 

i)  Eine  Frucht  von  Striatum,  befruchtet  durch  Capivary  und  Embira,  lieferte 
6  Sämlinge  von  Striato-Capivary,  3  Sämlinge  von  Striato-Embira. 

2)  Eine  Frucht  des  Capivary-Abutilon  IV,  befruchtet  durch  Embira  und 
Striatum,  lieferte  i  Sämling  Capivary-Embira,  5  Sämlinge  Capivary-striatum. 

3)  Eine  Frucht  des  Capivary-Abutilon  V,  ebenso  befruchtet,  lieferte  3  Säm- 
linge Capivary-Embira,  5  Capivary-striatum. 

4)  Eine  Frucht  des  Capivary-Abutilon  VI,  ebenso  befruchtet,  gab  6  Capivary- 
Embira,  5  Capivary-striatum. 

5)  Eine  Frucht  derselben  Pflanze,  ebenso  befruchtet,  gab  5  Sämlinge  Capivary- 
Embira,  20  Capivary-striatum. 


Bestäubungsversuche  an  Ahutilon-Arten. 


421 


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In  Betreff  der  vier  ersten  Fälle  muss  ich  bemerken,  dass  ich  versäumt  hatte, 
die  zu  dicht  stehenden  Pflänzchen  rechtzeitig  zu  verpflanzen,  und  dass  daher  die 
Mehrzahl  bei  einer  anhaltenden  Trockniss  zu  Grunde  ging;  die  oben  gegebene 
Zahl  der  übrig  gebliebenen  ist  zu  gering,  um  weitere  Betrachtungen  daran  zu 
knüpfen.  Dagegen  verdient  der  fünfte  Fall  noch  eine  besondere  Besprechung. 
Ich  hatte  in  diesem  Falle  die  Samen  jedes  Faches  besonders  ausgesät  und  dabei 
die  Ordnung,  in  der  die  Fächer  aneinander  stiessen,  bemerkt.  Die  Sämlinge 
aus  einem  der  8  Fächer  sind  leider  alle  jung  umgekommen.  Ich  stelle  das  Er- 
gebniss  wohl  am  anschaulichsten  in  einer  Figur  dar,  in  welcher  schwarze  Kreise 
die  Bastarde  Capivary  -  Embira ,  weisse 
Kreise  die  Bastarde  Capivar3'^-striatum  vor- 
stellen mögen.  Man  sieht,  der  Blüthen- 
staub  von  Embira  hat  seine  Einwirkung 
auf  vier  Fächer  beschränkt,  wahrschein- 
lich dieselben,  deren  Narben  mit  ihm  be- 
legt worden  waren,  während  der  Blüthen- 
staub  des  Abutilon  Striatum  seinen  Ein- 
fluss  über  die  ganze  Frucht  ausgedehnt  hat  ^).  Ich  stelle  daneben  eine  Figur, 
welche  die  Zahl  der  Samen  in  den  einzelnen  Fächern  der  Frucht  zeigt,  von  der 
diese  Sämlinge  stammen.  Die  4  Fächer  rechts  sind  samenreicher  (32),  als  die 
4  Fächer  links  (23).  Die  Zahl  der  Eichen  bei  diesem  Abutilon  ist  8  bis  9  im 
Fach;  in  2  oder  3  Fächern  der  rechten  Seite  sind  also  sämmtliche  Eichen  be- 
fruchtet w^orden.  Ob  die  samenreichen  Fächer  die  sind,  auf  welche  zweierlei 
Blüthenstaub  einwirkte,  kann  ich  leider  nicht  sagen.  Man  lernt  ja  gewöhnlich 
erst  im  Verfolg  einer  Untersuchung  alle  Umstände  kennen,  auf  die  zu  achten 
von  Werth  sein  kann.  Wenn  aber  Früchte,  durch  Blüthenstaub  zweier  fremder 
Arten  erzeugt,  sich  samenreicher  erwiesen,  als  solche,  die  dem  Blüthenstaube  der 
einen  oder  andern  dieser  beiden  Arten  ihre  Entstehung  verdankten,  so  scheint 
es  allerdings  wahrscheinlich,  dass  in  diesen  Früchten  diejenigen  Fächer,  auf  welche 
zweierlei  Blüthenstaub  einwirkte,  mehr  Samen  enthalten  werden  als  die,  in  welchen 
nur  einerlei  Blumenstaub  sich  geltend  machte. 

Die  Thatsache,  dass  bei  Abutilon  aus  solchen  Früchten  zweierlei  Bastarde 
hervorgehen,  scheint  eine  einfache  Erklärung  für  deren  grösseren  Samenreichthum 
zu  bieten  und  eben  deshalb  möchte  ich  diesen  nicht  für  blos  zufällig  halten.  Der 
Mangel  an  „Wahlverwandtschaft",  um  mich  des  bequemen  Ausdrucks  von  Gärtner 
zu  bedienen,  giebt  sich  nicht  selten,  besonders  bei  völlig  unfruchtbaren  Ver- 
bindungen, schon  auf  der  Narbe  kund,  indem  Narbe  und  Blüthenstaub  entweder 
gar   nicht   oder   feindlich  -),    oder  unvollkommen,    wenige   oder  nicht  ins   Narben- 

i)  Es  ist  durch  Gärtner  bekannt,  dass  man  von  einer  einzigen  Narbe  aus  alle  Fächer  eines  mehr- 
fächrigen  Fruchtknotens  befruchten  kann ;  bei  dem  Abutilon  vom  Capivary  habe  ich  dasselbe  beobachtet. 
Die  Verschmelzung  getrennter  Carpelle  zu  einem  einzigen  Fruchtknoten  ist  daher  nicht  bloss  ein  „morpho- 
logischer Fortschritt",  sondern  von  wesentlichem  Nutzen  für  die  Befruchung  der  Pflanzen. 

2)  Diese  „tödtliche  Bestäubung",  wie  er  sie  nennt,  scheint  zuerst  Gärtner  an  Lychnis  diurna  nach 
Bestäubung  mit  Pollen  von  Saponaria  officinalis,  Silene  bellidiflora  und  Lychnanthus  volubilis  beobachtet  zu 
haben.  Häufig  ist  sie  bei  den  Vandeen  (Oncidium,  Burlingtonia,  Gomeza,  Notylia  u.  s.  w.)  nach  Be- 
stäubung mit  eigenem  Blüthenstaub,  wie  auch  nach  Bestäubung  von  Oncidium  flexuosum  mit  Pollinien  von 
Notylia. 


A22  Bestäubungsversuche  an  Abutilon-Arten. 

gewebe  eindringende  Pollenschläuche  entwickelnd,  auf  einander  einwirken;  in 
andern  Fällen  macht  sich  derselbe  erst  nach  der  Befruchtung  der  Eichen  geltend, 
indem  die  Samen  vor  der  Reife  vertrocknen  oder  der  Embryo  sich  nur  unvoll- 
kommen entwickelt.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  aber,  in  denen  die  Einwirkung 
zeugungskräftigen  Blüthenstaubes  auf  eine  empfängnissfähige  weibliche  Unterlage 
eine  hinter  der  normalen  zurückbleibende  Samenzahl  erzeugt,  dürfte  dies  davon 
abhängen,  dass  nur  ein  Theil  der  Eichen  befruchtet  wird.  Dass  aber  einige  Eichen 
eines  Fruchtknotens  von  Blüthenstaub  einer  fremden  Art  befruchtet  werden, 
andere  nicht,  deutet  auf  eine  Verschiedenheit  der  Eichen  oder,  mit  Gärtner  zu 
reden,  darauf  hin,  dass  nicht  alle  die  gleiche  Wahlverwandtschaft  zu  dem  fremden 
Blüthenstaube  besitzen.  Kommen  nun  Pollenschläuche  von  zwei  fremden  Arten 
gleichzeitig  im  Fruchtknoten  an,  so  werden  es  wahrscheinlich  nicht  immer  die- 
selben Eichen  sein,  die  für  beiderlei  Arten  sich  unempfänglich  erweisen ;  manche, 
die  von  der  ersten  Art  nicht  befruchtet  worden  wären,  werden  es  durch  die 
zweite  und  umgekehrt,  wodurch  denn  natürlich  eine  grössere  Zahl  von  Samen 
erzeugt  wird,  als  durch  jede  einzelne  der  fremden  Pollenarten. 

Nach  Kölreuter's  und  Gärtner's  Erfahrungen  soll,  wenn  eine  zur  Befruchtung 
hinreichende  Menge  eigenen  Blüthenstaubes  und  gleichzeitig  fremder  Blüthen- 
staub auf  die  Narben  gebracht  wird,  „der  eigene  Befruchtungsstoff  nur  allein  an- 
genommen, der  fremde  hingegen  gänzlich  verdrungen  und  von  der  Befruchtung 
ausgeschlossen"  werden.  (Gärtner,  Bastarderzeugung  S.  34.)  Auch  dies  gilt 
wenigstens  nicht  immer  für  Abutilon.  Ich  habe  an  Blumen  des  Capivary-Abutilon 
eine  Narbe  mit  Blüthenstaub  der  eigenen  Art,  die  übrigen  mit  Blüthenstaub  von 
Abutilon  striatum  oder  Embira  bestäubt.  Die  Bestäubung  der  einen  Narbe  würde 
ausgereicht  haben,  eine  ziemlich  samenreiche  Frucht  zu  liefern ;  so  erhielt  ich  von 
einer  Blume  der  Pflanze  II,  in  welcher  eine  einzige  Narbe  mit  Blüthenstaub  der 
Pflanze  I  bestäubt  wurde,  eine  Frucht  mit  54  Samen  (5, 4  im  Fach),  eine  der 
reichsten  Früchte,  die  ich  von  dieser  Pflanze  erntete.  Allein  aus  der  „gemischten 
Bestäubung"  ging  dennoch  nicht  blos  die  reine  Art  hervor.  So  wurde  an  einer 
Blume  der  Pflanze  V  eine  Narbe  mit  Blüthenstaub  der  Pflanze  II,  die  sieben 
übrigen  Narben  mit  Blüthenstaub  von  Embira  bestäubt;  aus  dem  Samen  der  so 
erhaltenen  Frucht  habe  ich  10  Sämlinge  gezogen,  von  denen  g  Bastarde  (Abutilon 
Capivary-Embira)  sind  und  nur  einer  der  reinen  Art  (Abutilon  vom  Capivary) 
angehört. 

Nach  der  Meinung  Kölreuter's  und  Herbert's  sollen  „bei  einer  Vereinigung 
einer  geringen  Menge  des  eigenen  mit  einer  grösseren  eines  fremden  Befruch- 
tungsstoffs" Varietäten  (Kölreuter's  „Tincturen  oder  halbe  Bastarde")  hervor- 
gebracht werden  können,  die  „zwar  keine  wirklichen  Hybriden  wären,  aber  in 
einem  gewissen  Grade  von  der  natürlichen  Form  abweichen".  Gärtner  bestreitet 
diese  Möglichkeit  aufs  Entschiedenste.  Bei  der  Leichtigkeit,  mit  der  sich  bei 
ihnen  zweierlei  Samen  in  derselben  Frucht  erzeugen,  dürften  die  in  Gärten  jetzt 
so  zahlreich  vertretenen  Abutilon-Arten  besonders  geeignet  sein,  solche  „Tincturen" 
entstehen  zu  lassen,  deren  MögHchkeit  ich  trotz  allen  Versuchen  und  Gegen- 
gründen Gärtner's  nicht  von  vornherein  in  Abrede  stellen  möchte.  Der  Blüthen- 
staub  wirkt   ja   nicht   nur   auf  die  Eichen,   sondern,    wie  u.  A.  Hildebrand's  Ver- 


Bestäubungsversuche  an   Abutilon-Arten.  42^ 

suche  an  Orchideen  beweisen,  auch  auf  den  ganzen  Fruchtknoten.  Dass  aber  ein 
Fruchtknoten,  auf  den  zweierlei  Blüthenstaub  eingewirkt,  eine  der  EigenthümHch- 
keit  der  beiden  Pollenarten  entsprechende  Rückwirkung  äussern  könne  auf  die 
in  ihm  reifenden  Samen,  scheint  mir  nicht  unwahrscheinlich,  wenn  ich  an  das 
bekannte  Beispiel  von  Lord  Morton's  arabischer  Stute  denke,  die  von  einem 
Quagga-Hengste  einen  Bastard  geboren  hatte  und  später  von  einem  schwarzen 
arabischen  Hengste  zwei  Füllen  warf,  deren  Beine  noch  deutlicher  gestreift  waren, 
als  die  des  Bastards,  ja  als  die  des  Quagga  selbst. 

Auch  in  dieser  Beziehung  dürften  daher  weitere  Versuche  an  Abutilon- 
Arten  über  den  Erfolg  der  gleichzeitigen  oder  successiven  Bestäubung  mit  ver- 
schiedenen Pollenarten  wünschenswerth  erscheinen. 

Itajahy,  Sa.  Catharina,  Brazil, 
im  Januar  187  i. 


Bestäubungsversuche  an  Abutilon^). 

IL  Beispiele  von  Unfruchtbarkeit  als  Folge  zu  naher  Verwandtschaft. 

Mit  4  Textfiguren. 

Die   völlige  Unfruchtbarkeit   gewisser  Pflanzen    mit  Blüthenstaub    derselben 
Blume  (Corydalis  cava)  oder  selbst  aller  Blumen  desselben  Stocks  (Arten  von 
Abutilon,    Bignonia,    Oncidium   u.  s.  w.)   bildet  nur  einen  besonderen  Fall 
des   Gesetzes,   dass  Selbstbestäubung   minder   kräftige  Nachkommenschaft   liefert, 
als  Kreuzung.     Und  dieses  Gesetz,  für  welches  jede  Blume  einen  Beleg  bietet,  die 
durch   Duft   oder  Farbenschmuck   Bienen    und  Schmetterlinge   zum  Honiggenuss 
und   dadurch    zur  Vermittelung   der  Kreuzung   einladet,   ist   wieder   nur   ein   be- 
sonderer Fall   eines  allgemeineren  Gesetzes,    dass  nämlich  enge  Inzucht  zwischen 
nahen  Verwandten   nachtheilig   wirkt;   denn,    als  Einzelwesen   betrachtet,    sind  ja 
eben    Staubgefässe    und    Stempel    desselben    Pflanzenstocks    oder    gar    derselben 
Blume  die  denkbar  nächsten  Verwandten.     Eine  noch  allgemeinere  Fassung  lässt 
sich  letzterem  Gesetze  geben,  wenn  man  in  dasselbe  die  Verminderung  der  Frucht- 
barkeit mit  einschliesst,   die  in  allen  Graden   bis  zu  völliger  Unfruchtbarkeit   ein- 
tritt als  Folge  zu  geringer  Verwandtschaft  der  gekreuzten  Pflanzen,   also  bei  der 
Bastardzeugung.      Jede    Pflanze,     könnte    man    sagen,     erfordert    zur    Erlangung 
möglichst  kräftiger  und  zeugungsfähiger  Nachkommenschaft  einen  gewissen  Betrag 
von  Verschiedenheit  zwischen  den  sich  vereinigenden  männlichen  und  weiblichen 
Zeugungsstoffen ;   sowohl  wenn  dieser  Betrag   abnimmt   (bei  zu  naher  Verwandt- 
schaft),  als   wenn    er   steigt   (bei  zu  geringer  Verwandtschaft)    nimmt   die  Frucht- 
barkeit  ab.     Die   vollständige   Uebereinstimmung   zwischen   „illegitimen"   Spröss- 
lingen    dimorpher    und   trimorpher   Pflanzen    einerseits    und   den    Bastarden    ver- 
schiedener Arten    andrerseits   berechtigt  wohl  zu  einer  solchen  Zusammenfassung 
der  beiden   durch  entgegengesetzte  Ursachen   bedingten  Arten   der  Unfruchtbar- 
keit  unter   einen    gemeinsamen  Gesichtspunct.     Selbstverständlich   soll   damit  das 
thatsächlich   Gegebene   nur   ausgesprochen,   nicht   aber   erklärt  sein.     Ebenso  soll 
damit   natürlich   nur   eines   der  vielen,   die  grössere  oder  geringere  Fruchtbarkeit 
einer  Verbindung  bedingenden  Verhältnisse  ausgesprochen  sein. 

Je  grösser  bei  einer  Art  die  zur  Erzielung  des  höchsten  Grades  der  Frucht- 
barkeit erforderliche  Verschiedenheit   der  Zeugungsstoffe  ist,   um  so  grösser  wird 

i)  Jen.  Zeitschrift  für  Natui-wissenschaft   1873.   7.  Jahrg.  S.  441 — 450. 


Bestäubungsversuche  an  Abutilon.  4  2S 

im  Allgemeinen  —  (ceteris  paribus)  —  die  Verschiedenheit  der  Pflanzen  sein 
sein  dürfen,  die  überhaupt  noch  Nachkommen  mit  einander  zeugen  können.  Mit 
anderen  Worten:  Arten,  die  mit  Blüthenstaub  desselben  Stockes  völlig  und  selbst 
mit  Blüthenstaub  nahe  verwandter  Stöcke  mehr  oder  weniger  unfruchtbar  sind, 
werden  im  Allgemeinen  besonders  leicht  durch  Blüthenstaub  anderer  Arten  sich 
befruchten  lassen.  Die  selbst  unfruchtbaren,  dagegen  zur  Bastardbildung  so 
überaus  geneigten  Arten  der  Gattung  Abutilon  liefern  ein  gutes  Beispiel  zu 
diesem  Satze,  der  auch  bei  Lobelia,  Passiflora,  Oncidium  sich  zu  be- 
stätigen scheint. 

Ich  will  diese  allgemeinen  Betrachtungen  hier  nicht  weiter  fortsetzen.  Die- 
selben sollten  nur  andeuten,  in  welchem  Sinne  und  in  welchem  Zusammenhang 
ich  die  im  Folgenden  mitzutheilenden  Beispiele  von  Unfruchtbarkeit  zwischen 
nahen  Verwandten  aufgefasst  zu  sehen  wünschte. 

Im  Folgenden  bezeichnen  A,  C,  E,  F,  M,  P  sechs  einheimische  Abutilon- 
Arten,  von  denen  ich  C  als  Abutilon  vom  Capivary,  E  als  Embira  branca,  F  als 
Abutilon  vom  Pocinho  schon  in  einem  früheren  Aufsatz  erwähnt  habe  ^).  Das 
Abutilon  vom  Capivarj'-  ist  von  Fenzl  Abutilon  Hildebrandi  getauft  worden.  Die 
Namen  der  übrigen  Arten  hoffe  ich  später  mittheilen  zu  können.  Mit  S  ist  Abu- 
tilon striatum,  mit  V  Abutilon  vexillarium  bezeichnet.  Zur  Bezeichnung  der  ein- 
fachen Bastarde  sind  die  Buchstaben  der  stammelterlichen  Arten  ohne  weiteres 
Zeichen  nebeneinander  gestellt,  und  zwar  die  mütterliche  Art  voran.  So  bezeichnet 
EF  einen  Bastard,  dessen  Mutter  E,  dessen  Vater  F  ist.  Bei  Verbindungen  dieser 
einfachen  Bastarde  unter  sich  oder  mit  einfachen  Arten  ist  ein  Punct  zwischen 
das  vorangehende  Zeichen  der  Mutter  und  das  nachfolgende  des  Vaters  gesetzt; 
F.CF  hat  also  F  zur  Mutter,  CF  zum  Vater,  CE.S  hat  CE  zur  Mutter,  6'  zum 
Vater.  Die  Zahlen  rechts  unten  neben  den  Buchstaben  bezeichnen  die  einzelnen 
Stöcke  einer  Art  oder  eines  Bastards.  FS^,  FS.2,  FSs  sind  also  z.  B.  drei  ver- 
schiedene Stücke  des  Bastards  FS. 

I.     C  (Abutilon  Hildebrandi,  Fenzl), 
Von  dieser  Art  habe  ich  bereits  einige  Fälle  mitgetheilt,  in  denen  Befruch- 
tung  durch  die  nächsten  Verwandten    zwar  reichlichen  Samen,  aber  nur  wenige 

schwächHche   Nachkommenschaft    erzeugte^).  c,, 

Ein  weiteres  Beispiel  lieferten  meine  Versuche  c 

im  Jahre  187  i.     Die  Verwandtschaf  tsverhält-  <5 

nisse   der  betheiligten   Pflanzen    erhellen  aus 

nebenstehender  Uebersicht. 

Aus     Samen     einer     Frucht     der     am 

oberen     Capivary     wildwachsenden     Pflanze 

Co    wurden   die   Geschwister   C,    C",   C^,   Cj, 

gezogen.      Cr,    hat    C,    zur    Mutter,    C"    zum 

Vater;    C,-.    hat    zur    Mutter    C",   zum    Vater 

C;  endlich  die  Geschwister  C7,  Q,  C9  haben 


1)  Jenaische  Zeitschrift  für  Naturwissenschaft.  7.  Jahrg.  S.  22.  =  Ges.  Schriften  S.  405. 

2)  Jenaische  Zeitschrift  für  Naturwissenschaft.  7.  Jahrg.  S.  40.  =  Ges.  Schriften  S.  418. 


426 


Bestäubungsversuchc  an  Abutilon. 


C5  zur  Mutter,  C3  zum  Vater.  Die  mit  eigenem  Blüthenstaub  völlig  unfrucht- 
bare Pflanze  C^  wurde  nun  befruchtet  mit  Blüthenstaub  ihrer  Geschwister 
C's  und  Cc,,  ihrer  Mutter  Q,  ihres  Vaters  C\  und  der  minder  nahe  verwandten 
Pflanze  Q.  Im  Samenertrage  zeigte  sich  keine  erhebliche  Verschiedenheit.  Am 
17.  Februar  1872  wurden  je  30  Korn  dieser  fünferlei  Samen  gesät.  Die  durch 
Blüthenstaub  des  Vaters  Cg  und  des  Bruders  C,  erzeugten  Samen  gingen  gar 
nicht  auf.  Von  den  durch  Blüthenstaub  der  Mutter  C5  erzeugten  Samen  keimten 
zwei  oder  drei,  aber  die  Pflänzchen  gingen  schon  nach  wenigen  Tagen  wieder 
ein.  Zahlreichere  Pflanzen  entsprossten  den  durch  Cg  und  Q  erzeugten  Samen. 
Erstere,  die  Kinder  des  Bruders  Q,  wuchsen  sehr  kümmerlich;  nach  vier  Monaten 
waren  die  größten  kaum  zollhoch,  die  kleinsten  dagegen  der  durch  Blüthenstaub 
von  Q  erzeugten  mindestens  doppelt  so  hoch. 


IL   Bastard  CE.S. 

El  und  Eo  sind  zwei  wilde  Pflanzen,  die  ich  in  meinen  Garten  versetzt  habe, 
£3  ein  in  meinem  Garten  aufgegangener  Sämling,  der  wahrscheinlich  E^  zur  Mutter, 

E.2  zum  Vater   hat.     Das  Uebrige   er- 
giebt  nebenstehende  Uebersicht. 

Bestäubung  des  Bastards  CE.S 
mit  C-E4,  CEg,  Eg  und  6' lieferte  samen- 
reiche Früchte  1).  Die  Samen  wurden 
am  6.  September  auf  demselben  Beete 
ausgesät.  Zuerst  keimten,  nach  13 
Tagen,  die  durch  CEg  und  E-^  erzeug- 
CE.S  ten,  —  dann,  nach  15  Tagen,  die  durch 

den  Vater  S,  —  zuletzt,  nach  18  Tagen,  die  durch  die  Mutterpflanze  CE^  er- 
zeugten Samen.  Von  den  drei  ersteren  erschienen  zahlreiche  Pflanzen,  von  den 
durch  CE^^  erzeugten  46  Samen  keimten  nur  5,  und  diese  5  Pflänzchen  wachsen 
bis  jetzt  (Ende  October)  sehr  kümmerlich;  kaum  kräftiger  sind  die  durch  6*  er- 
zeugten; am  besten  von  allen  gedeihen  die  durch  CE^  erzeugten  und  ihnen 
kommen  die  durch  E-^  erzeugten  nahe. 


III.  Bastard  KCF. 

Die  Geschwister  CF^  und  CF2  haben  zur  Mutter  Q,   zum  Vater  F,  die  Ge- 
schwister F.CFi  und  F.CF2  zur  Mutter  F,  zum  Vater  CF^. 


i)  Gärtner  (Bastardzeugung  S.  507)  fand  „zusammengesetzte  Bastarde"  d.  h.  solche,  „deren 
weibliche  Unterlage  ein  fruchtbarer  Bastard,  der  männliche  Factor  aber  eine  andere  reine  Art  ist",  meist 
völlig  unfruchtbar  und  dies  namentlich  in  den  Fällen,  wo  dieselben  durch  „vermittelnde  Verwandt- 
schaft" entstanden  waren,  d.  h.  zwei  Arten  enthielten,  die  direct  nicht  oder  nur  schwierig  zu  verbinden 
waren,  wie  es  in  dem  Bastard  CE.S  mit  den  Arten  £  und  S  der  Fall  ist.  Er  fand  ferner  diese  durch 
vermittelnde  Verwandtschaft  entstandenen  zusammengesetzten  Bastarde  „dem  väterlichen  Typus  so  sehr 
ähnlich,  dass  sie  nur  Varietäten  desselben  zu  sein  scheinen".  Die  von  ihm  und  Kölreuter  beobachteten 
derartigen  Bastarde  gehörten  den  Gattungen  Nicotiana,  Lobelia  und  Verbascum  an.  Für  Abu- 
tilon kann  ich  die  von  Gärtner  aufgestellten  Regeln  nicht  bestätigen.  Die  hierher  gehörigen  Bastarde 
CE.S,  EE.S  und  CS.E  sind  sänimtiich  fiuchtbar  und  keineswegs  ihren  Vätern  besonders  ähnlich;  in  der 
Biattforrn  steht  sogar   CE.S  der  Mutter  CE  sehr  viel  näher  als  dem  Vater  S. 


Cx 

F 

Q 

V 

n 

CV, 

/  CF, 

d 

/ 

\ 

J 

1 

F.CF^  F.CF2 


Bestäubungsvci'suche  an  Abiitilon.  127 

F.CF2  ist  nun  völlig  unfruchtbar  mit  seinem  Vater  CR, ; 
10  mit  Blüthenstaub  des  letzteren  bestäubte  Blumen  fielen  ab,  ohne 
auch  nur  Frucht  anzusetzen ;  dagegen  brachten  10  gleich- 
zeitig^) mit  Blüthenstaub  des  Oheims  CF^^  bestäubte  Blumen 
ebenso  viele  Früchte  mit  keimfähigen  Samen.  Auch  mit  Blüthen- 
staub der  Mutter  F,  des  Bruders  F.CF^,  sowie  der  Pflanzen  A2,  Q 
und  F.EFi  lieferte  F.CF^  keimfähige  Samen.  Mit  eigenem  Blüthen- 
staube   ist  F.CF^  völlig  unfruchtbar. 

Umgekehrt   fielen  zwei  Blumen  von  CF2  nach  Bestäubung 
mit    F.CF.2    unbefruchtet   ab,     während    zwei   ebenso   bestäubte   Blumen    von   CF^ 
reife  Früchte   brachten,    deren    Samen    leider   durch  Raupen  aufgefressen    waren. 

Die  Pflanze  F.CFy,  an  welcher  nur  wenige  Versuche  gemacht  wurden,  scheint 
sich  ähnlich  zu  verhalten,  wie  ihr  Bruder  F.CF2. 

IV.  Bastard  FS. 

Von  den  Arten  F  und  6'  besitze  ich  nur  je  eine  Pflanze;  die  Bastarde  FS^, 
FS2,  FSg  und  SF  sind  also  sämmtlich  Geschwister.  Alle  vier  zeichnen  sich  aus 
durch  üppigen  Wuchs  (sie  sind  jetzt,  ein  Jahr  nach  der  Aussaat,  von  mehr  als 
doppelter  Manneshöhe)  und  durch  grosse  Fruchtbarkeit  '^) ;  ohne  mein  Zuthun,  durch 
Vermittlung  der  Kolibris,  haben  sie  sich  mit  Hunderten  von  Früchten  bedeckt. 
Zu  Bestäubungsversuchen  wurde  die  Pflanze  FS^  ausgewählt.  10  Blumen  mit 
Blüthenstaub  desselben  Stockes  bestäubt,  fielen  unbefruchtet  ab,  während  q  Blumen 
bestäubt  mit  F,  10  Blumen  mit  F.EF,  2  Blumen  mit  FV  ebensoviele  samenreiche 
Früchte  brachten.  Auch  mit  A,  mit  EF,  mit  FE,  mit  AI2,  mit  S^,  sowie  mit  ihren 
Geschwistern  FS2  und  SF  zeigte  FSi  sich  fruchtbar.  Die  aus  diesen  verschiedenen 
Kreuzungen  hervorgegangenen  Samen  erwiesen  sich,  soweit  sie  ausgesät  wurden,  als 
keimfähig,  darunter  auch  die  durch  Bestäubung  mit  SF  erhaltenen.  Völlig  un- 
fruchtbar dagegen  zeigte  sich  die  Pflanze  FS\  mit  ihrem  Bruder  FS^ ;  sieben  mit 
dessen  Blüthenstaube  bestäubte  Blumen  fielen  unbefruchtet  ab. 

Um  zu  ermitteln,  ob  die  Unfruchtbarkeit  dieser  beiden  Geschwister  eine 
gegenseitige  sei,  wurde  auch  an  FSs  eine  Reihe  von  Versuchen  gemacht.  4  Blumen 
mit  A,  I  Blume  mit  FV,  5  mit  FS^,  5  mit  SF  bestäubt  lieferten  ebensoviele  Früchte; 
ebenso  erhielt  ich  Früchte  mit  gutem  Samen  von  der  Mehrzahl  der  mit  F,  FP, 
M  und  6*  bestäubten  Blumen,  dagegen  nicht  eine  einzige  Frucht  von  5  Blumen, 
die  mit  Blüthenstaub  von  FSi  bestäubt  wurden. 


i)  D.  h.  es  wurden  gleichzeitig  nicht  alle  20  Blumen,  sondern  jedesmal  eine  Blume  mit  CF^  und 
zugleich  eine  andere  mit  (7/^  bestäubt. 

2)  Soweit  meine  Erfahrung  reicht,  sind  überhaupt  die  am  üppigsten  wachsenden  Bastarde  auch  die 
fruchtbarsten.  Auch  nach  Gärtner's  so  ungemein  reichen,  ein  Vierteljahrhundert  umfassenden  Erfahrungen 
, .zeigen  gerade  diejenigen  Bastarde,  bei  welchen  man  die  meiste  Fruchtbarkeit  bemerkt  hat,  unter  allen 
die  stärkste  Luxuriation  in  allen  Theilen"  (Bastardzeugung  S.  529).  Dass  umgekehrt  kümmerlich  wachsende, 
zwerghafte  Bastarde  völlig  unfnichtbar  zu  sein  pflegen,  ist  bekannt.  Den  üppigen  Wuchs  so  vieler  Bastard- 
pflanzen ihrer  Unfruchtbarkeit  zuzuschreiben,  wieKölreuter  wollte,  und  darin  „un  cas  tres  —  remarquable  d'appli- 
cation  de  la  loi  du  balancement  organique  et  physiologique"  sehen  zu  wollen,  wie  noch  ganz  neuerdings 
Quatrefages  es  thut  (Charles  Darwin  et  ses  precurseurs  fran(,ais.  1870.  S.  246.  Anm.),  ist  hiernach  (und  aus 
anderen  von  Gärtner  a.  a.  O.  entwickelten  Gründen)  durchaus  unstatthaft. 


428 


Bestäubungsversuche  an  Abutilon. 


Der  Blüthenstaub  von  IS^,  der  I S^  nicht  zu  befruchten  vermochte,  erzeugte 
Früchte  mit  reichlichen  keimfähigen  Samen  an  den  Pflanzen  CP,  EF2,  ET\,  F, 
f.EFi,  S  und  SV;  ebenso  befruchtete  der  auf  den  Narben  von  FS^  wirkungslose 
Blüthenstaub  von  FS^  die  Pflanzen  CV,  EJ\,  F.FEo,  P  und  S. 

V.  Bastard  IP. 
Die  beiden  Geschwister  FPi  und  FP^  scheinen  ebenso  unfruchtbar  mit 
einander  zu  sein,  wie  FS^  und  PS^;  zwei  Blüthen  von  FPo,  bestäubt  mit  FPi 
fielen  unbefruchtet  ab ;  ebenso  vier  von  den  fünf  mit  FP2  bestäubten  Blumen  der 
Pflanze  PPi;  auch  die  Frucht,  welche  die  fünfte  dieser  Blumen  angesetzt 
hatte,  fiel  jung  ab.  Dagegen  lieferten  beide  Pflanzen  Früchte  und  keimfähige 
Samen  mit  dem  Blüthenstaub  ihrer  Eltern  F  und  P;  ausserdem  f  P^  mit  A,  CS^ 
und  CV.  —  Der  Blüthenstaub  beider  Pflanzen  ist  zeugungskräftig;  denn  er  er- 
zeugte keimfähige  Samen  an  den  Pflanzen  CV,  EV^,  F,  Mj^  und  Jf,-  An  der 
Pflanze  P,  dem  Vater  von  FP^^  und  FP2,  erhielt  ich  von  fünf  mit  Blüthenstaub 
dieser  Kinder  bestäubten  Blumen  nur  eine,  ziemlich  samenreiche  Frucht,  deren 
Samen  noch  nicht  auf  ihre  Keimfähigkeit  geprüft  wurden, 

VI.  Bastard  P.EF. 

Die  vier  Pflanzen  EF.F^,  EFP^,  P.Et^  und  F.EF^  sind  Geschwister;  sie 
haben  dieselben  Eltern  F  und  EP^.  — 

Neun  Blumen  von  P .EF^,  bestäubt  mit  Blüthenstaub  anderer  Blumen  des- 
selben Stocks,  lieferten  keine  einzige  Frucht.    Zwanzig  Blumen  von  F.EF^,  bestäubt 


mit  Blüthenstaub  der  Geschwister  F.EI'2,  EF.F^  und  EF.l'2,  brachten  drei  Früchte 
mit  durchschnittlich  1,3  Samen  im  Fach;  die  samenreichste  der  drei  Früchte  hatte 
durchschnittlich  2,2  Samen  im  Fach. 
Dagegen  gaben 
10  Blumen    von   FEF,   bestäubt  mit  FE^  und  FE^ 

II _  .     .        EF2  und  EFs 

10 '  .     .  F 

6     ....     , F.CF,  und  FCF2 

I FS, 

Der  geringe  Erfolg  der  Bestäubung  mit  dem  Blüthenstaub  der  Geschwister 
lag    nicht   etwa    an  der  schlechten  Beschaffenheit  dieses  Blüthenstaubes,   der  sich 


10  Früchte  mit 
10 

9 

6 

I   Frucht  mit 


4.5 
4,6 

47 
4,5 
4,7 


Bestäubungsversuche  an  Abutilon.  ^2q 

an  anderen  Pflanzen  vollkommen  zeugungskräftig-  erwies;  der  Blüthenstaub  von 
F.EF2  erzeugte  samenreiche  Früchte  an  der  Pflanze  F8^,  der  von  EF.F^^  an  FE^, 
der  von  EF.F.2  an  F.  Auch  der  Blüthenstaub  von  F.  EFy  erzeugte  zahlreiche 
und,  soweit  sie  ausgesät  wurden,  sich  keimfähig  erweisende  Samen  an  den  Pflanzen 
F,  FCF.,  FS^  und  FS^.  — 

Die  durch  F.EF^  erzeugten  Samen  von  F.EF^  haben  übrigens  gekeimt  und 
kräftige  Pflanzen  gegeben,  die  bis  jetzt  im  Wachsthum  mit  den  durch  EF2,  durch  F, 
durch  F.CF2  und  durch  FS^  erzeugten  gleichen  Schritt  halten. 

VII.  Bastarde  EF  und  FE. 

Die  Verwandtschaftsverhältnisse  der  betreffenden  Pflanzen  erhellen  aus  der 
bei  FEE  gegebenen  Uebersicht. 

vSowohl  die  Geschwister  EF2  und  EF^,  als  ihre  Halbgeschwister  EF^,  FE^ 
und  FE2  wetteifern  in  üppigem  Wuchs  und  Fruchtbarkeit  mit  den  Bastarden  FS 
und  SF^).  —  Als  Versuchspflanzen  dienten  die  Halbgeschwister  EF^  und  FE^. 
Dieselben  sind  unfruchtbar  mit  einander.  Sieben  Blumen  von  EF^  lieferten  mit 
Blüthenstaub  von  FE^  keine,  10  Blumen  von  FE^  mit  Blüthenstaub  von  EF.2 
eine  einzige  sehr  dürftige  Frucht,  die  in  15  Fächern  nur  11  Samen  enthielt.  Die 
Samen  scheinen  taub  zu  sein,  haben  wenigstens,  vor  18  Tagen  ausgesät,  noch 
nicht  gekeimt. 

Auch  mit  Blüthenstaub  von  FE^  zeigten  sich  beide  Versuchspflanzen  un- 
fruchtbar; 10  Blumen  von  FE2  gaben  mit  Blüthenstaub  von  FE^  gar  keine, 
4  Blumen  von  EF^  eine  einzige  dürftige  Frucht  mit  nur  8  Samen  in  1 1  Fächern 
und  diese  Samen  erwiesen  sich  bei  der  Aussaat  als  taub. 

Dagegen  erzeugte  der  Blüthenstaub  von  EF^  ziemlich  reichlichen  Samen- 
ertrag, sowohl  bei  seinem  Bruder  EF2,  als  bei  seinem  Halbbruder  FE2 ;  1 2  Blumen 
von  EF2  gaben,  mit  EF^  bestäubt,  10  P>üchte  mit  durchschnittlich  3,  5  Samen  und 
10  Blumen  von  FE2,  ebenso  bestäubt,  9  Früchte  mit  durchschnittlich  4,  2  Samen 
in  einem  Fache. 

Mit  allen  sonstigen  Arten  und  Bastarden,  mit  denen  sie  bestäubt  wurden, 
zeigten  sich  beide  Pflanzen  fruchtbar ;  so  EF2  mit  E,  EF.  V,  F,  FS,  M  und  FS, 
sowie  FE2  mit  ÜV,  EF.F,  EFS,  E.FV,  EV,  F,  FS  und  M. 


I)  „Wenn  zwei  Arten  fruchtbare  Bastarde  erzeugen,  so  müssen  wir  sie  in  eine  Art  zusammen- 
ziehen" sagt  Professor  Keferstein  in  seinem  „Berichte  über  die  Fortschritte  der  Generationslehre  im  Jahre 
1867"  (S.  190).  Diese  Forderung  des  Berichterstatters  dürfte  wohl  kaum  unter  die  ,. Fortschritte  in  der 
Generationslehre"  zu  zählen  sein.  Schon  Gärtner  war  über  diesen  Standpunct  weit  hinaus.  So  sagt  er, 
um  nur  eine  der  vielen  bezüglichen  Stellen  seines  Buches  anzuführen  (Bastardzeugung,  S.  382):  „Knight 
hat  behauptet,  dass  die  Fruchtbarkeit  eines  Bastards  ein  directer  Beweis  davon  seie,  dass  die  beiden  Eltern 
zu  der  nämlichen  Species  gehören,  und  dass  ein  steriler  Bastard  von  verschiedenen  Arten  abstamme.  — 
Im  Folgenden  wird  sich  aber  die  Unrichtigkeit  des  von  Knight  behaupteten  Satzes  unzweideutig  ergeben."  — 
Nach  alle  dem,  was  schon  Gärtner  und  was  später  Darwin  über  diesen  Gegenstand  gesagt,  bedarf  derselbe 
keiner  erneuten  Besprechung.  Ich  möchte  nur  Herrn  Professor  Keferstein  fragen,  in  welcher  Weise  er 
seine  kategorische  Forderung  ausführen  würde,  wenn  zwei  Arten  {E  und  S)  zwar  mit  derselben  dritten 
{F)  fruchtbare  Bastarde  {EF,  FE,  FS,  >SF)  erzeugen,  nicht  aber  unter  sich.  —  Oder  wenn  zwei  direct 
nicht  zu  fruchtbaren  Bastarden  vereinbare  Arten  {E  und  S)  sich  durch  Vermittlung  einer  dritten  Art  (C 
oder  F)  zu  fruchtbaren  Bastarden  (CE.S,  EF.S,   CS.E)  verschmelzen  lassen.  — 


,TQ  Bestäubungsversuche  an  Abutilon. 

Umgekehrt  befruchtete  Blüthenstaub  von  EF.2  und  FE^^  fast  alle  Pflanzen, 
an  denen  er  versucht  wurde;  so  der  von  EF^  die  Pflanzen  C-,  CP,  CV,  EF.8, 
FSi,  SV  und  der  von  FE,  die  Pflanzen  F,  F.EF,  und  FS^.  — 


Es  beweisen  die  eben  mitgetheilten  Beispiele,  dass  bei  den  Bastarden  von 
Abutilon  und  wahrscheinlich  ganz  ebenso  bei  den  reinen  Arten  dieser  Gattung 
ziemlich  häufig  Fälle  mehr  oder  minder  vollständiger  Unfruchtbarkeit  zwischen 
nahe  verwandten  Pflanzenstöcken,  zwischen  Eltern  und  Kindern,  zwischen  Ge- 
schwistern und  selbst  Halbgeschwistern  vorkommen.  Ist  die  oben  ausgesprochene 
Auffassung  des  Zusammenhanges  zwischen  Verwandtschaft  und  Fruchtbarkeit 
richtig,  so  darf  man  hoffen,  ähnliche  Beispiele  durch  zu  nahe  Verwandtschaft  ver- 
minderter Fruchtbarkeit  auch  bei  anderen  Pflanzen  nachweisen  zu  können,  wird 
aber  völlige  Unfruchtbarkeit  zwischen  Verwandten  nur  bei  solchen  Arten  zu  finden 
erwarten  dürfen,  die  wie  Abutilon  mit  Blüthenstaub  desselben  Stockes  un- 
fruchtbar sind. 

Die  üblen  Folgen  der  Inzucht,  die  sich,  wie  Abutilon  zeigt,  schon  bei  der 
ersten  Verbindung  zu  nahe  verwandter  Pflanzen  bis  zu  völliger  Unfruchtbarkeit 
steigern  können,  sind  bei  allen  bisherigen  und  namentlich  auch  bei  Gärtners 
„Versuchen  und  Beobachtungen  über  die  Bastardzeugung  im  Pflanzenreich"  un- 
berücksicht  geblieben,  und  es  bedürfen  daher  mehrere  der  aus  diesen  Versuchen 
abgeleiteten  Sätze  einer  Nachprüfung.  Dies  gilt  z.  B,  von  dem  Satze,  dass  Bastarde 
„niemals  so  viele  vollkommene  und  keimfähige  Samen  erzeugen,  als  ihre  Stamm- 
eltern" (Gärtner  a.  a.  O.  S.  540).  Ebenso  von  dem  Satze,  „dass  der  stammelterliche 
Pollen  auf  die  Bastarde  kräftiger  wirkt,  als  der  eigene"  (Gärtner  a.  a.  O.  S.  425). 
In  keinem  einzigen  der  vielen  von  Gärtner  für  beide  Sätze  angeführten  FäUe  ist 
aus  seinem  Buche  zu  ersehen,  ob  die  geringere  Fruchtbarkeit  der  Bastarde,  ob 
die  minder  kräftige  Wirkung  des  Bastardpollens  Folge  gewesen  sei  der  Bastard- 
natur oder  nicht  vielmehr  zu  naher  Verwandtschaft  der  gekreuzten  Pflanzen. 
Kaum  findet  sich  bei  Gärtner  ein  Fall,  der  schlagender  die  Richtigkeit  des  zweiten 
Satzes  zu  beweisen  scheint,  als  die  oben  erwähnte  Pflanze  F .EF^,  an  welcher  29 
theils  mit  Blüthenstaub  desselben  Stocks,  theils  mit  dem  von  F.EF^,  EFF^  und 
EFF2  bestäubte  Blumen  nur  drei  dürftige  Früchte,  dagegen  31  mit  „stammelter- 
lichem Pollen"  (von  F,  EF^,  EF^,  FE^,  FE^)  bestäubte  Blumen  2g  Früchte  brachten, 
die  mehr  als  dreimal  so  samenreich  waren,  als  jene.  Und  doch  beweist  die 
Fruchtbarkeit  dieser  Pflanze  mit  andern  Bastarden  {J^S  und  F.CF),  sowie  die 
kräftige  Wirkung  ihres  Blüthenstaubes  und  des  Blüthenstaubes  ihrer  Geschwister 
auf  zahlreiche  andere  Pflanzen,  dass  der  überaus  dürftige  Samenertrag  der  Pflanze 
F.EFy  nach  Bestäubung  mit  J^.EF^,  EF.F^  und  EF.F^  nicht  davon  herrührte,  dass 
diese  Pflanzen  Bastarde,  sondern  einzig  davon,  dass  sie  Geschwister  sind.  —  Für 
eine  grosse  Zahl  von  Bastarden  ist  allerdings  die  Richtigkeit  beider  Sätze  ausser 
Frage,  für  alle  diejenigen  nämlich,  deren  Geschlechtstheile  mehr  oder  minder  ver- 
kümmert sind;  für  diese  aber  besagen  sie  nur,  was  sich  ganz  von  selbst  versteht 
und  ebenso  für  alle  übrigen  Pflanzen  gilt,  dass  gesunde  Geschlechtstheile  und 
Zeugungsstoffe  zur  Zeugung  tauglicher  sind,  als  verkümmerte,  unvollkommen  ent- 
wickelte. 


Bestäuhungs versuche  an  Abutilon.  ^^j 

Auch  der  Satz,  diiss  „die  meisten  fruchtbaren  Bastarde  in  fortgesetzten  Gene- 
rationen in  ihrem  Zeugungsvermögen  immer  mehr  und  mehr  abnehmen"  (Gärtner 
a.  a.  O.  S.  418),  bedarf  einer  neuen  Prüfung.  Es  ist  auf  diesen  Satz  von  Gegnern 
Darwin's  ganz  besonderes  Gewicht  gelegt  worden  und  Flourens  glaubt  mit  dem- 
selben eine  scharfe  Grenze  zwischen  Art  und  Abart  ziehen  zu  können  ').  Während 
Blendlinge  mit  unverminderter  Fruchtbarkeit  sich  dauernd  fortpflanzen,  soll  die 
Fruchtbarkeit  der  Bastarde  von  Geschlecht  zu  Geschlecht  abnehmen  und  bald 
völlig  erlöschen.  Darwin  hat  bereits  mit  gewohntem  Scharfblick  die  Vermuthung 
ausgesprochen,  dass  diese  vielfach  beobachtete  Abnahme  der  Fruchtbarkeit  Folge 
sei  nicht  der  Bastardnatur,  sondern  zu  enger  Inzucht  -')  und  ich  freue  mich  in  den 
hier  mitgetheilten  Beispielen  verminderter  Fruchtbarkeit  und  völliger  Unfruchtbar- 
keit als  Folge  zu  enger  Inzucht  bei  Abutilon-Bastarden  einen  neuen  Beleg 
für  die  Richtigkeit  der  Vermuthung  Darwin's  bieten  zu  können  ^). 
Itajahy,  October  1872. 


i)  „Toutes  les  varietes  d'une  meme  espece  sont  fecondes  entre  elles  d'une  feconditc  continue ;  les 
especes  d'un  meme  genre  n'ont  entre  elles  qu'une  fecondite  bornee"  Flourens,  Examen  du  livre  de 
M.  Darwin,  pag.  loi. 

2)  „I  believe  in  nearly  all  these  cases,  that  the  fertility  has  been  diminished  .  .  .  by  too  dose 
interbreeding"  Origin  of  species.  4*11  edition.  pj^.  295. 

3)  Gerade  in  dem  von  Gärtner  (a.  a.  O.)  als  Beleg  seines  i^atzes  angeführten  Falle  des  „sehr  frucht- 
baren Bastards  Dianthus  Armeria-deltoides"  der  sich  Jahre  lang  in  Gärtner's  Garten  von  selbst  aussäte, 
dessen  Fruchtbarkeit  aber  von  Jahr  zu  Jahr  abnahm  und  im  zehnten  Jahre  völlig  erlosch,  ist  es  kaum 
zweifelhaft,  dass  enge  Inzucht  stattgefunden  hat.  So  viel  aus  Gärtner's  Verzeichniss  seiner  Versuche  zu  er- 
sehen ist  (Bastardzeugung,  S.  689),  hat  derselbe  nur  einmal,  im  Jahre  1829,  vier  Blumen  (wahr- 
scheinlich an  derselben  Pflanze)  von  Dianthus  Armeria  mit  Dianthus  deltoides  bestäubt 
und  von  diesen  zwei  Früchte  geemtet. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten^). 

I.  Die  Geschlechtstheile  der  Soldaten  von  Calotermes. 
Mit  Taf.  XXXVIII  u.  XXXIX. 

Lespes  hat  unter  den  Arbeitern  und  Soldaten  des  Termes  lucifugus 
Männchen  und  Weibchen  gefunden.  Aeusserlich  waren  die  beiden  Geschlechter 
nicht  zu  unterscheiden.  Bei  den  weiblichen  Arbeitern  sah  er  Eierstöcke  mit  12 
bis  15  wenig  getrennten  Eiröhren,  die  in  einen  dickeren  Eileiter  mündeten.  Die 
beiden  Eileiter  verbanden  sich  zu  einer  kurzen  Scheide.  In  den  Eiröhren  fand 
sich  keine  Spur  von  Eiern,  dagegen  flüssiges  Fett  in  Kügelchen  von  oft  beträcht- 
licher Grösse.  Die  männlichen  Geschlechtstheile  der  Arbeiter  waren  äusserst  gering 
entwickelt:  zwei  kaum  sichtbare  Hoden,  deren  sehr  feine  Ausführungsgänge  zu 
einem  gemeinschaftlichen  Gange  sich  verbanden ;  an  letzterem  sassen  verkümmerte 
Samenblasen.  Waren  schon  bei  den  Arbeitern  alle  diese  Theile  sehr  zart  und 
schwierig  darzustellen,  so  fand  dies  in  noch  höherem  Grade  bei  den  Soldaten  statt  ^). 

Hagen  versuchte  vergeblich  bei  Arbeitern  verschiedener  Termes-  und 
H od otermes- Arten  innere  Geschlechtstheile  nachzuweisen-^)  und  ist  trotz  des 
Zutrauens,  welches  ihm  die  Arbeit  von  Lespes  zu  verdienen  scheint,  der  Meinung, 
dass  „die  Angabe  so  auffälliger  Thatsachen  vor  ihrer  allgemeinen  An- 
nahme eine  neue  Bestätigung  erfordert".  Auch  Gerstäcker  ^)  hält  das  Vorkommen 
von  Männchen  und  Weibchen  unter  den  Arbeitern  und  Soldaten  der  Termiten 
für  „kaum  g  1  a  u  b  1  i  c  h". 

Weshalb  die  von  Lespes  beobachteten  Thatsachen  „so  auffällig",  weshalb  die 
Vertretung  beider  Geschlechter  unter  den  Arbeitern  und  Soldaten  der  Termiten 
„kaum  glaublich"  sei,  haben  Hagen  und  Gerstäcker  nicht  erörtert.  Doch  hat 
wohl  auch  in  diesem  Falle,  um  mit  Bates  zu  reden,  „eine  irrige  Analogie  mit  den 
gesellig  lebenden  Hymenopteren  zu  falschen  Hypothesen  geführt"  ^),  wie  das  so 
vielfach  in  der  Naturgeschichte  der  Termiten  geschehen. 


1)  Jenaische  Zeitschrift  f.  Naturwiss.   1873.  Bd.  VII.  p.  333—340.  Taf.  XIX— XX. 

2)  Vergl.  den  Bericht  von  Hagen  in  Linnaea  entomol.  XII,  S.  320  u.  322. 

3)  Ebenda,  S.  22. 

4)  Lehrbuch  der  Zoologie  von  Peters,  Carus  u.  Gerstäcker.  II,  S.  41. 

5)  Linn.  entom.  XII.  S.  272. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Tenniten.  ^-i-j 

Mir  schienen  von  vornherein  die  Angaben  von  Lespes  sehr  wahrscheinHch 
und  glaubwürdig.  Bei  den  Hautflüglern  Hegt  die  Brutpflege  den  Weibchen  ob; 
wenn  bei  ihnen  ein  besonderer  Stand  für  die  Brutpflege  sich  bildete,  so  war  zu 
erwarten,  dass  er  von  den  Weibchen  sich  abzweigen,  aus  verkümmerten  Weibchen 
bestehen  werde.  Bei  den  Termiten  dagegen  scheint  es  kaum  zweifelhaft,  dass 
die  besonderen  Stände  der  Soldaten  und  Arbeiter  nicht  aus  den  geflügelten 
Thieren,  sondern  aus  deren  Jugendzuständen  hervorgegangen  sind,  und  wenn  dem 
so  ist,  so  liegt  natürlich  kein  Grund  vor  für  den  Ausschluss  eines  der  beiden  Ge- 
schlechter. 

Theoretisch  hatte  ich  also  gegen  die  Angaben  von  Lespes  keinerlei  Be- 
denken. Allein,  wie  Hagen,  habe  ich  bis  jetzt  bei  Arbeitern  und  Soldaten 
mehrerer,  sehr  verschiedenen  Gruppen  der  Gattung  Termes  angehörender  Arten 
vergeblich  nach  sicher  als  Hoden  oder  Eierstock  zu  deutenden  Spuren  innerer 
Geschlechtstheile  gesucht,  und  obwohl  ich  keines  besonderen  Geschicks  im  Zer- 
gliedern mich  rühmen  darf,  also  auf  mein  Nichtfinden  grosses  Gewicht  zu  legen 
kaum  berechtigt  war,  fingen  doch  leise  Zweifel  an  der  Richtigkeit  der  Beobach- 
tungen von  Lespes  sich  zu  regen  an.  Um  so  erfreuter  war  ich,  seine  schöne 
Entdeckung  bei  den  Soldaten  der  Gattung  Calotermes  vollständig  bestätigen 
zu  können.  Die  inneren  Geschlechtstheile  sind  bei  diesen  Soldaten  weit  weniger 
verkümmert,  als  bei  Termes  lucifugus,  und  kaum  minder  entwickelt,  als  bei 
den  geflügelten  Männchen  und  Weibchen ;  ja  bei  zwei  Arten  ist  das  Geschlecht 
der  Soldaten  sogar  äusserlich  zu  erkennen. 

Zur  Vergleichung  schicke  ich  die  Beschreibung  der  Geschlechtstheile  der 
geflügelten  Männchen  und  Weibchen  von  Calotermes  Canellae  n.  sp. ^)  voraus. 

Jeder  der  beiden  Eierstöcke  (Fig.  i)  besteht  aus  6  bis  7  spindelförmigen 
Eiröhren,  die  dem  Ende  eines  kurzen  weiten  Eileiters  aufsitzen.  Zwei  oder  drei 
der  Eiröhren  zeichnen  sich  vor  den  übrigen  meist  durch  grössere  Dicke  und  weiter 
entwickelte  Eier  aus.  Wie  überhaupt  bei  den  geflügelten  Termiten weibchen  sind 
selbst  die  am  weitesten  vorgeschrittenen  Eier  noch  weit  von  der  Reife  entfernt; 
die  grössten  erreichen  selten  mehr  als  Vs  ^^^  Länge  der  reichlich  i  mm  langen 
reifen  Eier  (Fig.  5)  und  treten  eben  in  die  Entwicklungsstufe,  auf  welcher  feine 
Körnchen  den  bis  dahin  durchsichtigen  Dotter  zu  trüben  und  das  Keimbläschen 
der  sich  in  die  Länge  erstreckenden  Eier  zu  verdecken  beginnen  (Fig.  4).  Die 
kurzen  Eileiter,  deren  Länge  übrigens  bedeutenden  Schwankungen  unterliegt,  ver- 
einigen sich  zur  Scheide,  deren  äussere  Oeffnung  von  unten  her  durch  das  grosse 
sechste  Bauchschild  verdeckt  wird.  Nicht  weit  vom  Ausgange  der  Scheide  liegt 
die  sehr  dickwandige  Samenblase  (Fig.  2  u.  3).  Sie  fällt  sofort  ins  Auge  durch 
die  dicke  dunkelgefärbte  Haut,  welche  ihre  Höhlung  auskleidet.     Das  Ende  dieser 


I)  Calotermes  Canellae  n.  sp.  steht  dem  C.  verrucosus  Hag.  sehr  nahe,  unterscheidet  sich 
aber  leicht  durch  geringere  Grösse  und  durch  die  Zahl  der  Adern  im  Randfelde  der  Flügel. 
Calotermes  Canellae. 
Länge  mit  den  Flügeln :  lo  mm 

Vorderflügel  mit  2\  Ader  im 

Hinterflügel  mit  i/ Randfelde 


C.  verrucosus. 
14  mm 

f  Ader  im  Randfelde 
ohne    J 


C.  Canellae   lebt  hauptsächlich  im  Holze  der  Canella  preta,    seltner  in  Guamirim,    Ceder 
und  Guarajuva. 

Fritz  Müllers  gesaniuieltc  Scbiiftfii. 


28 


.,  .  Beiträge  zur  Keiintniss  der  Termiten. 

Höhlung  ist  mehr  oder  weniger  gekrümmt;  in  der  ^Nlitte  ist  dieselbe  mehr  oder 
weniger  aufgetrieben  und  verjüngt  sich  dann  zu  einem  engen  Ausführungsgange. 
Zwischen  Scheide  und  Mastdarm  liegt  eine  sehr  ansehnliche  Kittdrüse  („glande 
sebifique"  Lespes),  aus  dicht  zusammengeknäuelten,  schwer  zu  entwirrenden  Röhren 
gebildet.  Man  kann  an  ihr  den  gemeinsamen  Ausführungsgang,  zwei  zu  diesem 
sich  vereinigende  Hauptäste  und  an  jedem  der  letzteren  4  bis  7  Zweige  unter- 
scheiden. Bei  dem  geflügelten  Weibchen  von  Calotermes  rugosus  Hag. 
gabelt  sich  der  Stamm  nur  zweimal,  so  dass  die  Drüse  aus  nur  vier  langen  ver- 
knäuelten  Röhren  besteht.  Die  Kittdrüse  von  Calotermes  gleicht  also  weit 
mehr  der  von  Lespes  beschriebenen  „glande  sebifique"  des  Ter  m  es  lucifugus, 
als  der  von  Hagen  als  Samenblase  gedeuteten  baumförmigen  Drüse  mit  zahl- 
reichen kurzen  gekrümmten  Aesten,  die  derselbe  bei  der  Königin  von  Termes 
nigricans  und  dem  geflügelten  Weibchen  von  T.  dirus  fand. 

Die  Hoden  der  geflügelten  Männchen  von  Calotermes  Canellae 
(Fig.  6 — 13)  lassen  sich  einer  Hand  mit  3  bis  6  meist  kurzen  Fingern  vergleichen. 
Ihre  sehr  wechselnde  Gestalt  mögen  die  Abbildungen  veranschaulichen.  Die 
beiden  Hoden  desselben  Thieres  pflegen  einander  in  Grösse,  Zahl,  Länge  und 
Stellung  der  Finger  sehr  ähnlich  zu  sein.  In  den  Fingern  sieht  man  stark  licht- 
brechende Kerne,  in  der  Hand  grössere,  runde,  durchsichtige  Zellen,  deren  Kerne 
in  frischem  Zustande  wenig  hervortreten.  Wie  die  Eierstöcke  scheinen  sie  noch 
weit  von  der  Reife  entfernt  zu  sein.  Die  Ausführungsgänge  der  Hoden,  bis- 
weilen dicht  unter  diesen  zu  einer  kleinen  Blase  aufgetrieben  (Fig.  6  u.  8),  münden 
in  eine  dickwandige,  birnförmige  Tasche,  die  sich  in  einen  über  dem  achten 
Bauchschilde  sich  öffnenden  Gang  fortsetzt. 

Bei  den  Soldaten  von  Calotermes  Canellae  sind  die  Bauchschilder 
des  Hinterleibes  wie  die  des  geflügelten  Männchens  gebildet,  das  sechste  nicht 
vergrößert,  das  siebente  und  achte  ungetheilt  und  letzteres  mit  zwei  griffeiförmigen 
Afteranhängen  versehen.  (Beim  Weibchen  ist  bekanntlich  das  sechste  Bauch- 
schild vergrössert,  das  siebente  und  achte  sind  in  je  zwei  kleine  seitliche  Platten 
zerfallen  und  die  Afteranhänge  fehlen.)  Ein  äusserer  Geschlechtsunterschied  ist 
nicht  vorhanden  oder  doch  kaum  angedeutet.  (Der  Hinterrand  des  achten  Bauch- 
schildes schien  mir  bei  den  weiblichen  Soldaten  zwischen  den  Afteranhängen  in 
der  Regel  etwas  tiefer  ausgebuchtet  zu  sein,  als  bei  den  männlichen;  vergl.  Fig.  15 
u.   16.) 

Die  inneren  Geschlechtstheile  der  weiblichen  Soldaten  (Fig.  14)  unterscheiden 
sich  von  denen  der  geflügelten  Weibchen  ausser  durch  geringe  Grösse  fast  nur 
durch  den  Mangel  der  Samenblase,  von  der  ich  keine  Spur  habe  finden  können. 
Im  unteren  Theile  der  Eiröhren  sieht  man  meist  grosse  blasse  Zellen,  von  denen 
zwei  die  ganze  Breite  der  Eiröhre  einzunehmen  pflegen,  mit  grossem  Kern  und 
deutlichem  Kernkörperchen.  Mehrfach  sah  ich  am  Anfang  jeder  Eiröhre  ein 
Häufchen  einer  undurchsichtigen  krümlichen  Masse,  die  ich  bei  den  geflügelten 
Weibchen  dieser  Art  ebensowenig  bemerkt  habe,  als  bei  den  Soldaten  von  Calo- 
termes nodulosus  und  rugosus.  Die  Eileiter  sind  im  Verhältniss  viel  länger 
und  dünner,  als  beim  geflügelten  Weibchen,  die  Kittdrüsen  stets  stark  entwickelt. 

Auch  die  Geschlechtstheile  der  männlichen  Soldaten  (Fig.  16 — 18)  sind  denen 
der  geflügelten  Männchen  durchaus  ähnlich.    Die  Hoden  zeigen  ebenso  mannich- 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  'lermiten. 


435 


faltige,  im  Allgemeinen  etwas  schlankere  Formen.  Das  Gewebe  der  Hand  ist 
bisweilen  von  dem  der  Finger  kaum  verschieden,  kleinzellig,  mit  stark  licht- 
brechenden Kernen,  In  einem  Falle  (Fig.  17)  sah  ich  den  Hoden  zu  einem  kleinen 
birnförmigen  Körper  ohne  alle  Anhänge  verkümmert;  den  zweiten  Hoden  fand 
ich  bei  diesem  Thiere  nicht. 

Bei  Calotermes  nodulosus  Hag.  und  rugosus  Hag.,  zwei  merk- 
würdigen nahe  verwandten  Arten,  deren  sehr  eigenthümliche  jüngste  Larven  uns 
vielleicht  in  ähnlicher  Weise  die  älteste  noch  lebende  Insektenform  zeigen,  wie 
die  Nauplius  die  älteste  Crustaceenform,  sind  die  männlichen  von  den  weib- 
lichen Soldaten  schon  äusserlich  an  der  Bildung  des  achten  Bauchschildes  zu 
unterscheiden.  Bei  den  männlichen  Soldaten  ist  wie  bei  den  geflügelten  Männchen 
der  Hinterrand  dieses  Schildes  zwischen  den  Afteranhängen  kaum  merklich  aus- 
gebuchtet (Fig.  21  u.  29),  bei  den  weiblichen  Soldaten  dagegen  (Fig.  20  u.  28) 
tief  ausgeschnitten  und  der  dunkle  dicke  Chitinrand  ist  in  der  Mitte  dieses  Aus- 
schnitts durch  dünnere  Haut  ersetzt,  —  der  erste  Schritt  zu  dem  Zerfallen  dieses 
Schildes  in  zwei  seitliche  Platten,  welches  die  geflügelten  Weibchen  zeigen. 

Die  männlichen  Soldaten  scheinen  wenigstens  in  manchen  Gesellschaften  von 
C.  nodulosus  weit  häufiger  zu  sein,  als  die  weiblichen.  Einmal  fand  ich  unter 
sieben  Soldaten  4  cJ,  3  $;  sechs  Soldaten  aus  einer  anderen  Gesellschaft  waren 
sämmtlich  S]  ein  drittes  Mal  wurde  unter  sieben  Stück  ein  einziges  $  gefunden. 
Von  C.  rugosus  fand  ich  in  einem  Falle  zwölf  männliche  und  zehn  weibliche, 
in  einem  anderen  sieben  männliche  und  sechzehn  weibliche  Soldaten. 

Ich  bedaure,  zur  Zeit  keine,  geflügelten  Männchen  und  Weibchen  der  beiden 
Arten  zur  Vergleichung  der  inneren  Geschlechtstheile  zur  Hand  zu  haben.  Ich 
kann  in  dieser  Beziehung  nur  anführen,  dass  die  weiblichen  Geschlechtstheile  von 
C.  rugosus  bis  auf  die  bereits  erwähnte  Verschiedenheit  der  Kittdrüse  und  eine 
etwas  abweichende  Form  der  Samenblase  ganz  mit  denen  des  C.  Canellae  über- 
einstimmen. 

Bei  den  weiblichen  Soldaten  beider  Arten  ist  wie  bei  C.  Canellae  die  Zahl 
der  Eiröhren  in  der  Regel  sechs,  seltener  sieben.  Bei  C.  nodulosus  (Fig.  19) 
sind  dieselben,  wo  sie  sich  an  den  Eileiter  ansetzen,  stark  eingeschnürt.  Deutlich 
ausgeprägte  Eier,  die  die  ganze  Lichtung  der  Ei  röhre  füllen,  habe  ich  bei  den 
wenigen  bis  jetzt  untersuchten  weiblichen  Soldaten  dieser  Art  nicht  gefunden; 
dagegen  finden  sich  solche  fast  bei  allen  weiblichen  Soldaten  von  C.  rugosus 
(Fig.  26  u.  27),  bisweilen  bis  über  20  in  einer  Eiröhre.  Die  grössten,  die  ich  ge- 
sehen, hatten  0,1  mm  Durchmesser  bei  0,06  mm  Höhe,  ihr  Keimbläschen  0,02  mm 
Durchmesser.  —  Eine  Samenblase  habe  ich  nicht  gefunden.  Die  stets  stark  ent- 
wickelte Kittdrüse  zeigte  sich,  wo  ich  sie  entwirren  konnte,  bei  den  weiblichen 
Soldaten  von  C.  rugosus  aus  vier  langen  Schläuchen  gebildet,  wie  bei  den  ge- 
flügelten Weibchen  derselben  Art. 

Wenn  schon  die  fingerförmigen  Fortsätze  der  Hoden  von  C.  Canellae  an 
die  Eiröhren  der  Weibchen  erinnern,  so  ist  die  Aehnlichkeit  zwischen  Hoden  und 
Eierstock  eine  noch  weit  grössere  bei  den  Soldaten  von  C.  nodulosus  und 
rugosus.  Als  ich  den  ersten  Soldaten  von  C.  nodulosus  zergliederte  und  das 
Fig.  22  gezeichnete  Gebilde  fand,  wusste  ich  in  der  That  nicht,  ob  ich  einen  ver- 
kümmerten Eierstock  oder  einen  Hoden  vor  mir  hätte.     Am  Ende  eines  gemein- 

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A-y()  Betträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 

schaftlichen  Ausführungsganges  sassen,  wie  am  Ende  des  Eileiters  sechs  Eiröhren, 
so  hier  sechs  fingerförmige  Anhänge,  die  aber  andererseits  wieder  durch  das 
kolbig  angeschwollene,  umgebogene  Ende  voll  stark  lichtbrechender  Kerne  an 
die  Hoden  anderer  Termiten  erinnerten.  —  Die  Hand  tritt  bei  beiden  Arten, 
besonders  bei  C.  rugosus,  meist  ganz  gegen  die  Finger  zurück  und  fehlt  oft 
vollständig,  während  das  Gewebe  der  Finger  selbst  dem  des  bandförmigen  Theiles 
am  Hoden  des  geflügelten  Männchens  von  C.  Canellae  gleicht  und  die  stark 
lichtbrechenden  Kerne  sich  auf  die  Spitze  der  Finger  beschränken.  Die  Zahl  der 
Finger  scheint  bei  C.  nodulosus  fast  ohne  Ausnahme  sechs  zu  sein,  bei  C.  rugosus 
öfter  sieben.  In  Betreff  der  auch  bei  diesen  Arten  ziemlich  wechselnden  Form 
und  Grösse  der  Hoden  verweise  ich  auf  die  Abbildungen  (Fig.  21 — 25  u.  29 — 32). 
Die  häufig  einseitige  Auftreibung  am  Anfange  des  Ausführungsganges  (vas  de- 
ferens),  die  schon  bei  C,  Canellae  erwähnt  wurde,  ist  in  der  Regel  vorhanden. 
Die  Ausführungsgänge  der  Hoden  sind  weit  länger,  als  bei  C.  Canellae;  die 
Tasche,  in  welche  sie  einmünden,  ist  namentlich  bei  C.  nodulosus  sehr  breit, 
ihr  Scheitel  nicht,  wie  bei  C.  Canellae,  abgerundet,  sondern  ausgebuchtet  oder 
tief  eingekerbt,  als  wäre  die  Tasche  aus  zwei  kugeligen  (C.  nodulosus)  oder 
eiförmigen  (C.  rugosus)  Hälften  zusammengesetzt. 

Auch  nachdem  ich  die  Geschlechtstheile  der  Soldaten  von  Calotermes 
kennen  gelernt,  habe  ich  bei  Arbeitern  und  Soldaten  verschiedener  Termes- 
Arten,  wie  Hagen  und  wie  ich  selbst  schon  früher,  wiederholt  vergeblich  nach 
solchen  gesucht  und  vermuthe,  dass  nicht  unser  Ungeschick  daran  schuld  war, 
dass  vielmehr  überhaupt  bei  diesen  Arten  nichts  mehr  zu  finden  sein  werde.  Wenn 
Lespes  glücklicher  war,  so  mag  es  daran  hegen,  dass  Termes  lucifugus  auch 
in  dieser  Beziehung,  wie  in  manchen  anderen,  den  Calotermes  näher  steht, 
als  die  meisten  übrigen  Termes- Arten.  Ich  erwähnte  schon  den  ähnlichen  Bau 
der  Kittdrüse.  Ebenso  besitzt  T.  lucifugus  nach  Lespes  acht  Harngefässe,  wie 
auch  die  Calotermes  deren  sechs  oder  acht  haben,  während  sich  sonst  bei 
Termes  vier  zu  finden  pflegen.  Auch  die  Lebensweise  ist  insofern  ähnlich, 
als  T.  lucifugus,  wie  unsere  Calotermes,  ohne  eigentliches  Nest  in  den 
Gängen  lebt,  die  er  in  abgestorbenem  Holze  nagt.  Aus  der  ganzen  Abtheilung 
der  Gattung  Termes,  deren  Soldaten  wie  die  von  Calotermes  scharfe  beissende 
Kiefer  besitzen,  während  der  Kopf  eines  nasenartigen  Fortsatzes  entbehrt,  ist  mir 
hier  noch  keine  Art  vorgekommen.  Sind  nun  schon  bei  den  Arbeitern  und  Soldaten 
von  T.  lucifugus  die  bei  den  Soldaten  von  Calotermes  noch  so  überaus 
deutlichen  Geschlechtstheile  so  weit  verkümmert,  dass  die  Eierstöcke  mitunter 
kaum  erkennbar  sind,  nie  Spuren  von  Eiern,  dagegen  Fettkügelchen  enthalten, 
dass  ebenso  die  Hoden  kaum  sichtbar  sind  und  dass  oft  gar  nichts  zu  finden  war, 
so  kann  es  nicht  befremden,  wenn  bei  Arten,  die  sich  in  anderer  Beziehung  viel 
weiter  von  Calotermes  entfernt  haben,  auch  die  Verkümmerung  der  Geschlechts- 
theile bei  Arbeitern  und  Soldaten  weiter  fortgeschritten  ist.  wenn  dieselben  entweder 
völlig  geschwunden  oder  doch  nicht  mehr  mit  Sicherheit  von  dem  Fettkörper  zu 
unterscheiden  sind. 

Fast  hätte  ich  vergessen,  eine  Frage  zu  beantworten,  die  man  wahrscheinlich 
stellen  wird:  warum  ich  nicht,  da  ja  bei  den  Arbeitern  von  Termes  lucifugus 
die  Geschlechtstheile   leichter   nachzuweisen   sind   als   bei  den  Soldaten,   auch  die 


Beiträge  zur   Kcnntniss  dei-  Termiten.  4^7 

Arbeiter  von  Calotermes  auf  ihre  Geschlechtstheile  untersuchte.  Die  Antwort 
ist  sehr  einfach.  Den  mir  bekannten  sechs  oder  sieben  Calotermes- Arten  fehlt 
ein  besonderer  Arbeiterstand. 

Zum  Schlüsse  will  ich  nicht  unterlassen,  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass 
rings  um  das  Mittelmeer  ein  Calotermes  (C.  flavicollis  Fabr.)  vorkommt 
und  von  da  leicht  lebend  nach  allen  Theilen  Europas  zu  verschicken  sein  wird, 
dass  somit  eine  bequeme  Gelegenheit  geboten  ist,  vorstehende  Angaben  an  einer 
Art  derselben  Gattung  nachzuprüfen. 

Itajahy,  Sa.  Catharina,  Brazil,  im  Juni   1872. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XXXVIII  und  XXXIX. 

Ffg.    I  — 18.    Calotermes  Canellae  F.  M. 

Fig.    I — 4.     Geflügeltes  Weibchen. 

Fig.    I.    Innere  Geschlechtstheile. 

Fig.    2  u.  3.    Samenblase. 

Fig.    4.    Stück  einer  Eiröhre. 

Fig.    5.    Reifes  (gelegtes)  Ei. 

Fig.    6— 13.    Geflügeltes  Männchen. 

Fig.    6.    Innere  Geschlechtstheile. 

Fig.    7 — 13.    Verschiedene  Formen  des  Hodens. 

Fig.  14 — 15.    Weiblicher  Soldat. 

Fig.  14.    Innere  Geschlechtstheile. 

Fig.  15.    Hinterrand   des  achten   ßauchschildes. 

Fig.  16  — 18.     Männlicher  Soldat. 

Fig.  16  u.    17.    Geschlechtstheile  im   Zusammenhang. 

Fig.  18.    Hoden. 

Fig.  ig- — 25.    Calotermes  nodulosus  Hag. 

Fig.  ig  u.  20.    Weiblicher  Soldat. 

Fig.  19.    Eierstock. 

Fig.  20.    Achtes  Bauchschild. 

Fig.  21 — 25.    Männlicher  Soldat. 

Fig.  2 1 .    Geschlechtstheile  im  Zusammenhang. 

Fig.  22 — 25.    Verschiedene  Formen  des  Hodens. 

Fig.  26 — 32.    Calotermes  rugosus  Hag. 

Fig. 26— 28.    Weiblicher  Soldat. 

Fig.  26.    Innere  Geschlechtstheile. 

Fig.  27.    Theil  einer  Eiröhre. 

Fig.  28.    Hinterrand  des  achten  Bauchschildes. 

Fig.  29 — 32.     Männlicher  Soldat. 

Fig.  29.    Geschlechtstheile  im  Zusammenhang. 

Fig.  30 — 32.    Verschiedene  Formen  des  Hodens. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten^). 

IL    Die  Wohnungen  unserer  Termiten. 
Mit   1 1   Textfiguren. 

In  Betreff  des  Nestbaues  der  Termiten  finden  sich  in  Hagen's  Monographie 
folgende  allgemeiue  Bemerkungen :  .^Bis  jetzt  scheint  es  sicher,  dass  alle  Arten 
gesellschaftlich  leben  und  wenigstens  eine  Art  von  Nest  bauen.  Am  unvoll- 
kommensten ist  dies,  wenn  sie  nur  in  abgestorbenen  Bäumen  oder  gar  nur  unter 
der  Rinde  wohnen.  Hierher  scheinen  die  Calotermes  zu  gehören.  Ueber  die 
Wohnungen  der  ganz  unter  dem  Erdboden  wohnenden  Arten  ist  eigentlich  noch 
nichts  bekannt.  Dass  hier  umfangreiche  Nester  in  der  Erde  angelegt  werden,  ist  aus 
einigen  Beobachtungen  wahrscheinlich  .  .  .  Hierher  gehören  der  Vermuthung  zu 
Folge  Hodotermes  und  eine  Anzahl  der  Gattung  Termes.  Die  Hügelbauten 
über  der  Erde,  die  der  Gattung  Termes  allein  zufallen,  sind  uns  am  genügendsten 
bekannt  .  .  .  Ich  rechne  dahin  auch  die  Thurm-  und  Pilzbauten  .  .  .  Als  letzte 
Art  der  Nester  bleiben  die  sogenannten  kugeligen  Baumnester  übrig.  Ihr  Bau 
ist  uns  noch  sehr  unvollkommen  bekannt  und  eine  Königin  darin  niemals  gefunden 
worden  .  .  .  Baumnester  scheint  nur  E  u  t  e  r  m  e  s  zu  haben ,  obwohl  einige 
Eutermes  auch  Hügel  bewohnen"  -). 

Diese  kurze,  von  kundiger  Hand  entworfene  Uebersicht  wird  genügen,  um 
weitere  Mittheilungen  über  die  Wohnungen  der  Termiten  wünschenswerth  er- 
scheinen zu  lassen,  und  mag  zugleich  dienen,  für  die  Beurtheilung  des  im  Fol- 
genden Gebotenen  den  mit  der  Naturgeschichte  dieser  Thiere  minder  Vertrauten 
einen  Anhaltspunct  zu  gewähren. 

,, Ueber  die  Lebensweise  und  den  Nestbau  von  Calotermes  ist  bis  jetzt 
nichts  bekannt"^).  Ich  habe  aus  dieser  Gattung  etwa  ein  halbes  Dutzend  Arten 
kennen    gelernt   (C.  S m e a t h m a  n i    m.,    C.    H a g e n i i    m. ^),    C.  r u g o s u s    Hag., 


i)  Jenaische  Zeitschrift  f.  Natnrvviss.   1873.  Bd.   VII.  p.  341 — 358. 

2)  Hagen  in  Linnaea  entomol.  XII,  S.  30. 

3)  Hagen  a.  a.  O.  S.  38. 

4)  Calotermes  Smeathmani  und  C.  Hagenii  unterscheiden  sich  von  anderen  bekannten  Arten 
dadurch,  dass  bei  den  Soldaten  der  aufgebogene  Vorderrand  des  Prothorax  gezähnelt  ist.  Auch  die  Kopf- 
bildung der  Soldaten  ist  eine  sehr  eigen thümliche.  Bei  den  Soldaten  von  C.  Smeathmani  finden  sich 
Flügelscheiden  an  Mittel-  und  Hinterbnisl,  die  bei  denen  des  C.  Hagenii,  wie  bei  denen  unserer  anderen 
Calo  te  rm  es- Arten  fehlen. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten.  J.*U 

C.  nodulüSLis  Hag.,  C.  Canellae  m.,  und  ein  oder  zwei  andere  der  letzten  nahe- 
stehende Arten).  Vom  Bau  einer  Wohnung  kann  man  bei  diesen  Arten  kaum  reden. 
Wie  die  Larven  vieler  Käfer,  nagen  die  Larven  (und  Nymphen)  von  Calotermes 
Gänge  im  Holze  abgestorbener  Bäume,  die  sie  niemals  verlassen.  Der  Unterschied  ist 
nur  der,  dass  in  diesen  Gängen  neben  den  Larven  auch  ein  eierlegendes  Weibchen 
mit  ihrem  Männchen  (Königin  und  König)  sich  dauernd  aufhält,  dass  man  daher 
bunt  durch  einander  Larven  des  verschiedensten  Alters  findet  und  dass  zum 
Schutze  dieser  Gesellschaft  ein  besonderer  Soldatenstand  vorhanden  ist,  aus  männ- 
lichen und  weiblichen  Larven  bestehend,  die  sich  nie  in  geflügelte  Thiere  ver- 
wandeln. 

Die  Calotermes  findet  man  hauptsächlich  in  noch  fast  gesundem,  hartem 
Holze;  der  völlig  gesunde  Kern  härterer  Holzarten  wird  von  ihnen  ebensowenig 
angegriffen,  als  der  stärker  vermoderte  Splint;  zwischen  beiden  beschränken  sich 
ihre  Gänge  nicht  selten  auf  eine  kaum  fingerdicke  Schicht.  Einzelne  Arten  haben 
eine  unverkennbare  Vorliebe  für  gewisse  Holzarten ;  so  C.  Canellae  für  Canella 
preta,  C.  rugosus  für  Cangerana,  in  welchen  beiden  Hölzern  ich  noch  keine  andere 
Art  getroffen  habe.  Am  wenigsten  wählerisch  scheint  C.  nodulosus  zu  sein, 
der  in  Peroba,  Aririba,  Piquia,  Ceder  (Cedrela),  der  Gissarapalme  u.  s.  w.  vor- 
kommt. Selten  trifft  man  zwei  oder  mehr  Arten  in  demselben  Stamme.  So  leben 
in  einem  grossen  umgestürzten  Guarajuva-Stamme  in  meinem  Walde  gleichzeitig 
C.  Hagenii,  nodulosus,  Canellae  und  eine  vierte  Art,  die  ich  im  geflügelten 
Zustande  noch  nicht  kenne.  Wenn  bei  solchem  Zusammenleben  die  Gänge  der 
einen  Art  auch  vielfach  zwischen  denen  der  anderen  hinlaufen,  so  scheinen  die 
Thiere  sich  doch  nie  in  die  Gänge  einer  fremden  Art  zu  verirren. 

Die  Gänge  der  C  a  1  o  t  e r  m  e  s  -  Gesellschaften  sind  meist  der  Achse  des  Baumes 
gleichlaufend  und  zum  grossen  Theil  so  eng,  dass  nur  ein  Soldat  oder  eine  er- 
wachsene Larve  auf  einmal  hindurch  kann.  Dies  gilt  namentlich  von  den  Gängen, 
welche  die  Holzschichten  quer  durchsetzen.  Stellenweise  finden  sich  weitere,  un- 
regelmässige, meist  flache  Räume,  in  denen  sich  die  geflügelten  Thiere  zu  sammeln 
pflegen.  Ein  besonderer  Raum  für  König  und  Königin  ist  nicht  vorhanden. 
Letztere  schwillt  nur  wenig  an  und  läuft  frei  in  den  Gängen  umher,  hier  und  da 
einzelne  Eier  ablegend,  um  die  sich  Larven  und  Soldaten  nicht  weiter  zu  bekümmern 
scheinen.  Sie  ist  gewöhnlich  begleitet  von  dem  Könige  und  in  der  Umgebung 
des  Königspaares  pflegen  die  Soldaten  häufiger  zu  sein,  als  an  anderen  Stellen. 
Die  Wand  der  Gänge  ist  meist  mit  einer  dünnen  Kothschicht  bekleidet,  während 
man  bisweilen  grössere  Kothmassen  am  blinden  Ende  eines  oder  des  anderen 
Ganges  angehäuft  findet. 

Dächte  man  sich  die  Volkszahl  einer  Calotermes -Gesellschaft  in  gleichem 
Räume  verzehnfacht  oder  verhundertfacht,  so  würden  die  von  der  dichtgedrängten 
Bevölkerung  ausgefressenen  Gänge  immer  näher  zusammenrücken,  die  dazwischen 
liegenden  Holzwände  würden  immer  dünner  werden  und  endlich  ganz  aufgezehrt 
werden.  Die  Kothbekleidung'  der  benachbarten  Räume  würde  unmittelbar  an- 
einanderstossen.  An  Stelle  des  verzehrten  Holzes  hätte  man  einen  von  Koth- 
wänden  durchzogenen  und  in  unregelmässige  Zellen  und  Gänge  getheilten  Raum. 
—  Diesen  allmäligen  Uebergang  von  weit  getrennten,  das  Holz  durchziehenden 
Gängen   zu  Kothanhäufungen,   die   in  ihrem  Gefüge  an   lockere  Brodkrume  oder 


,  ,Q  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 

an  einen  Schwamm  erinnern,  kann  man  nicht  selten  beobachten  in  Baumstämmen, 
die  von  einem  mit  Termes  Rippertii  nahe  verwandten  Euterm es ^)  bewohnt 
sind.  Beschränken  sich  diese  Kothanhäufungen  nicht  auf  das  Innere  des  Baumes, 
treten  sie  aus  demselben  hervor,  so  entstehen  die  bekannten  „kugeligen  Baum- 
nester", die  also  ursprünglich  nichts  anderes  sind,  als  der  gemeinsame  Abtritt 
eines  Euter mes-Volkes,  dann  aber  auch  als  Brutstätte  für  die  Eier  und  als 
Aufenthalt  für  die  Jungen  dienen.  —  Diese  Nester  werden  also  aus  dem  Baume 
heraus,  nicht  an  den  Baum  hinangebaut.  Anders  mag  es  bei  den  von  Auguste 
St.  Hilaire  und  Burmeister  erwähnten  Baumnestern  aus  Erde  oder  Lehm  sein ; 
zu  solchen  von  aussen  dem  Baume  angefügten  Nestern  würde  dann  auch  aussen 
am  Baume  ein  Gang  emporführen  müssen ;  bei  unserer  Art  sind  solche  vom  Neste 
ausgehende  Gänge  in  der  Regel  nicht  vorhanden. 

Der  Stoff,  aus  dem  unsere  Baumnester  bestehen,  ist  ausschliesslich  der  Koth 
der  Bewohner.  Ich  habe  oft  dem  Baue  oder  vielmehr  der  Ausbesserung  desselben 
zugesehen.  Schneidet  man  ein  Stück  des  Nestes  ab,  so  ziehen  sich  die  Arbeiter 
aus  den  dadurch  geöffneten  Gängen  ins  Innere  des  Nestes  zurück ;  es  erscheinen 
an  den  Oeffnungen  in  grosser  Zahl  die  kleinen  spitzköpfigen  Soldaten,  eifrig 
herumlaufend  und  mit  ihren  Fühlern  tastend.  Nach  einiger  Zeit  kehren  die  Ar- 
beiter zurück.  Jeder  betastet  zuerst  den  Rand  der  zu  schliessenden  Oeffnung, 
dreht  sich  dann  herum  und  legt  ein  braunes  Würstchen  auf  diesen  Rand  ab. 
Dann  eilt  er  entweder  sofort  ins  Innere  des  Nestes  zurtick,  um  den  anderen,  die 
dichtgedrängt  ihm  folgen,  Platz  zu  machen,  oder  er  dreht  sich  auch  wohl  noch 
einmal  um,  um  sein  Werk  zu  betasten  und  es  nöthigenfalls  zurecht  zu  drücken. 
Einzelne  Arbeiter  bringen  auch  wohl  zwischen  den  Kinnbacken  kleine  Bruch- 
stücke der  alten  Wände,  die  beim  Oeffnen  des  Nestes  in  dasselbe  hineingefallen 
sind,  und  fügen  sie  in  die  im  Bau  begriffenen,  noch  feuchten  Wände  ein.  Andere, 
doch  das  sieht  man  nur  selten,  die  nichts  aus  ihrem  Mastdarme  liefern  können, 
opfern  auf  dem  Altar  des  Vaterlandes  ihr  noch  unverdautes  Mahl,  das  sie  zwischen 
den  Koth  der  anderen  ausbrechen.  In  ruhigen  Zeiten  wird  das  Letztere  wahr- 
scheinlich nicht  geschehen,  sonder  nur,  wenn  es  gilt,  rasch  das  durch  den  Feind 
geöffnete  Nest  wieder  zu  schliessen.  —  Die  Soldaten  haben  sich  beim  Beginn  der 
Arbeit  grossentheils  wieder  ins  Innere  des  Nestes  zurückgezogen,  vielleicht  um 
Arbeiter  herbeiztiholen.  Einer  oder  ein  paar  bleiben  bei  jeder  zu  schliessenden 
Oeffnung,  Man  sieht  sie  ab  und  zu  die  Arbeiter  mit  ihren  Fühlern  berühren, 
wie  um  sie  zurechtzuweisen  oder  anzutreiben. 

Der  Eutermes,  der  diese  Baumnester  baut,  scheint  fast  alle  unsere  Holz- 
arten anzugreifen,  doch  niemals,  wenn  sie  noch  ziemlich  gesund  sind.  Man  findet 
ihn  oft  in  demselben  Stamme  mit  Calotermes,  diesen  dem  Kerne,  jenen  der  Rinde 
näher.  Zum  Baue  des  Nestes  zieht  er  härtere,  der  Verwesung  gut  widerstehende 
Stämme  z.  B.  von  Cangerana  vor.  An  dickeren  Stämmen  nimmt  das  Nest  nur 
eine  Seite  ein  und  springt  mehr  oder  weniger  stark,  halbkugelig  oder  eiförmig 
vor;  dünnere  umgiebt  es  bisweilen  ringsum.  An  der  Spitze  von  Baumstümpfen 
bildet  es  eine  rundliche  Kuppel  oder  sieht  aus,  wie  der  Knopf  einer  Stecknadel. 
Eines   der   grössten  Nester,   die   ich   gesehen,   bildete   eine  unregelmässige  Masse 

i)    Ich   möchte  den   Namen  Eutermes  auf  die  Arten  mit  s|)itzküpfigen  Soldaten  beschränken. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Tenriiten.  ^^j 

von    3  bis  4  Fuss   Durchmesser,    welche   zwei    an    der  Erde   liegende  Cangerana- 
Stämme  umschloss. 

Die  Oberfläche  der  Nester  zeigt  flache,  unregelmässige,  in  einander  ver- 
fliessende,  vmdeutliche  Erhöhungen,  die  im  Verein  mit  der  schwärzlichen  Farbe 
und  der  kugeligen  Gestalt  den  oft  gemachten  Vergleich  mit  einem  Negerkopf 
rechtfertigen.  Die  Farbe  ist  übrigens  verschieden,  bisweile  heller,  bräunlich  — 
häufiger  fast  schwarz,  was  theils  von  der  Nahrung  der  Baumeister,  theils  vom 
Alter  des  Nestes  abhängt.  Alte  Nester  sind  dunkler  und  zugleich 
fester  als  neugebaute.  Die  grössere  Festigkeit  älterer  Nester  hat 
wohl  ihren  Hauptgrund  in  der  grösseren  Dicke  der  Wände,  die 
im  Laufe  der  Zeit  durch  neue  Kothlagen  verstärkt  werden. 
Alten  Nestern  kann  man  mit  dem  Messer  wenig  anhaben,  son- 
dern muss  zur  Axt  greifen,  um  Stücke  davon  loszuhauen.  Fig-  i-  Bruchstück 

Ueber  den  inneren  Bau  dieser  Nester  ist  wenig  zu  sagen.      deTnat^^Gr^r  ^^ 
In  dem  Gewirr  unregelmässiger,  im  Verhältnisse  zur  Grösse  der 
Bewohner  weiter  Räume,  die,  durch  dünne,  aber  feste  Wände  gretrennt,  das  eanze 
Nest  durchziehen,   habe   ich    eine   bestimmte  Anordnung   nicht  erkennen  können. 

Oeffnet  man  ein  solches  Baumnest,  so  findet  man  in  den  oberflächlicheren 
Theilen  nur  Arbeiter  und  Soldaten,  sowie  kurz  vor  der  Schwärmzeit  (December) 
geflügelte  Thiere.  Dringt  man  tiefer  ein,  so  stösst  man  auf  Larven,  die  immer 
kleiner  werden,  je  weiter  man  ins  Innere  vorrückt.  Dann  kommen,  zu  unglaub- 
lichen Mengen  in  einzelnen,  sonst  durch  nichts  ausgezeichneten  Räumen  angehäuft, 
die  Eier  und  endlich  die  Eierlegerin,  die  Königin  mit  ihrem  Gemahl.  In  dem 
ersten  Neste,  welches  ich  öffnete,  fand  ich  den  Raum,  in  welchem  in  diesem 
Falle  zwei  Königinnen  sich  aufhielten,  durch  nichts  ausgezeichnet.  In  einem 
anderen  Falle  waren  um  die  Königin  herum  die  Wände  weit  dicker  cds  sonst 
und  nur  von  ziemlich  engen  Gängen  durchsetzt.  In  diesen  Gängen  hatte  sich 
der  König  versteckt,  während  sie  für  seine  umfangreichere  Gemahlin  viel  zu  eng 
waren. 

Wenn  man  bisher  in  Baumnestern  keine  Königin  gefunden  hat,  so  wird  dies 
kaum  daran  liegen,  dass  man  zufällig  nur  Nester  ohne  Königin  geöffnet  hat.  Das 
Nest  von  Termes  Rippertii  zum  Beispiel,  welchem  Osten-Sacken  zahlreiche 
Eier  und  junge  Larven  entnahm  ^),  enthielt  ohne  Frage  auch  eine  Königin.  Die 
Nester  sind,  wie  bereits  gesagt,  nicht  äusserlich  dem  Baume  angeklebt,  sondern 
gleichsam  aus  dessem  Innern  hervorgewachsen  und  gehen  ohne  scharfe  Grenze 
in  denselben  über.  Sprengt  man  das  Nest  vom  Baume  los,  so  bleibt  immer  ein 
Theil  daran  oder  darin  zurück  und  gerade  in  diesem  innersten  Theile  des  Nestes  hat 
man  die  Königin  zu  suchen.  Sie  da  herauszuholen  wird  aber  meist  mehr  Uebung 
in  der  Führung  der  Axt  verlangen,  als  reisende  Naturforscher  zu  besitzen  pflegen. 

So  weit  meine  Erkundigungen  reichen,  gehören  alle  in  Brasilien  den  Menschen 
in  seiner  Wohnung  belästigenden  Termiten  zu  den  Eutermes  mit  spitzköpfigen 
Soldaten ;  auch  hier  sind  die  Erbauer  der  Baumnester,  wie  es  scheint,  die  einzigen 
ihrer  Familie,  die  als  unwillkommene  Gäste  in  die  Häuser  eindringen  und  dann, 
wie  das  auch  von  den  Eutermes  anderer  Länder  berichtet  wird,  ihre  Nester 
unter  dem  Dache  anzulegen  lieben. 

1)  Linnaea  entomol.  XIV,  S.   119. 


AA2  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 

In  allen  Ständen  dem  eben  besprochenen  Eutermes  sehr  ähnlich  ist  eine 
zweite  hier  häufige  Art,  die  ihre  Nester  besonders  zwischen  den  Wurzeln  alter 
Stuken  der  Gissarapalme  (Euterpe,  Kohlpalme,  von  den  deutschen  Ansiedlern 
Palmite  genannt)  anzulegen  pflegt.  Diese  Gissarastuken  sind  überhaupt  ein 
Lieblingsaufenthalt  der  Termiten;  ich  habe  darin  bereits  acht  verschiedene  Arten 
angetroffen,  bisweilen  vier  bis  fünf  in  demselben  Stuken.  (Drei  Eutermes, 
darunter  der  später  zu  erwähnende  Eutermes  inquilinus  m.,  Termes  saliens 
m.,  T.  Lespesii  m.,  Anoplotermes  pacificus  m.,  Calotermes  nodu- 
losus  Hag.  und  C.  rugosus  Hag.)  Wie  viele  andere  Palmen  (und  überhaupt 
Monocot3dedonen)  sendet  die  Gissara  aus  dem  untersten  Theile  ihres  Stammes 
dichtgedrängte  fingerdicke  Luftwurzeln  schief  zur  Erde.  Bei  alten  Stämmen  sind 
die  ältesten  innersten  Wurzeln  verwest;  unter  dem  Stamme  bildet  sich  so  eine 
Höhle,  welche  die  jüngeren,  äusseren,  höher  am  Stamme  entspringenden  Luft- 
wurzeln wie  ein  kegelförmiger  Mantel  schützend  umschliessen.  In  dieser  Höhle 
legt  der  Gissara-Eu termes  sein  Nest  an,  doch  nie  unter  lebenden  Palmen, 
sondern  erst  einige  Jahre  nach  dem  Fällen.  Das  Nest  besteht,  wie  das  der  Baum- 
termite, aus  dem  Kothe  der  Thiere.  Die  Wände  sind  papierartig  dünn  und  so 
bröckhch,  dass  die  Hand  ohne  merklichen  Widerstand  durch  das  Nest  hindurch- 
fährt. Die  dünnen  Kothwände,  von  hellbräunlicher  Farbe, 
legen  sich  mehr  oder  weniger  regelmässig  wie  Zwiebel- 
schalen um  einen  gemeinsamen  Mittelpunct  herum,  vielfach 
unterbrochen  durch  Oeffnungen,  welche  die  so  gebildeten 
concentrischen  Räume  mit  einander  verbinden,  und  aus- 
1  lg.  2.  Königliches  Zimmer  einandergehalten    durch   Wände,    welche   diese   Räume  in 

der  Gissara-Termite.     (7.,  der      .  ,^  1      -      •  -7-  j    /- ••  ^1     -i 

nat.  Gr.)  "         eme  Menge   unr egelmassiger  Zimmer   und  Gange  theilen. 

In  der  Mitte  des  Baues  findet  sich  ein  verschieden  grosser 
fester  Kern,  der  das  Zimmer  des  Königspaares  umschliesst.  In  einem  Falle,  in  welchem 
die  schützenden  Wurzeln  der  Palme  noch  ihre  ganze  ursprüngliche  Festigkeit  be- 
sassen,  fehlte  dieser  feste  Kern;  die  Wände  der  Zelle,  in  der  sich  die  noch  ziem- 
lich junge  Königin  aufhielt,  waren  noch  ebenso  papierartig  dünn,  wie  das  übrige 
Nest.  In  recht  alten  und  volkreichen  Nestern  kann  dagegen  der  feste  Kern  die 
Grösse  eines  Kindeskopfes  erreichen.  Derselbe  ist  sehr  hart,  nur  von  engen,  für 
die  Königin  ungangbaren  Wegen  durchzogen  und  birgt  in  seiner  Mitte  das  meist 
ziemlich  unregelmässig  gestaltete  königliche  Gemach.  Nicht  eben  selten  findet 
man  bei  dieser  Art  zwei  Königinnen  mit  einem  einzigen  König  in  demselben 
Neste  und  demselben  Zimmer ;  der  umgekehrte  Fall,  dass  mit  einer  Königin  zwei 
Könige  lebten,  ist  mir  nur  einmal  vorgekommen.  Einmal  traf  ich,  in  einem  un- 
gewöhnhch  grossen  und  volkreichen  Neste  gleichzeitig  sechs  Königinnen  und  drei 
Könige.  —  Ein  anderes  Mal  fand  ich  in  demselben  Neste  zwei  königliche  Zimmer, 
aber  nur  eins  von  einem  königlichen  Paare  bewohnt,  das  andere,  von  dessen 
wahrscheinlich  längst  verstorbenen  Bewohnern  keine  Spur  mehr  zu  finden  war, 
mit  junger  Brut  gefüllt. 

Der  gefährlichste  Feind  dieser  Art  ist  das  Tatu,  Früher  oder  später,  wenn 
die  Wurzeln  der  Palme  morscher  werden,  erliegen  wohl  die  meisten  Bauten  den 
Angriffen    desselben.      Man    sieht   im   Walde   häufig   Gissarastuken,   durch   deren 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten.  aa-^ 

Wurzeln  an  einer  Seite  die  kräftigen  Klauen  des  Tatu  einen  Weg  gebrochen 
haben,  und  bisweilen  um  sie  her  gestreut  Bruchstücke  des  Termitennestes.  Bei 
einem  solchen  Ueberfalle,  der  gewiss  einem  grossen  Theile  des  Volkes  das  Leben 
kostet,  ist  dann  wenigstens  das  Königspaar  durch  die  dicken  harten  Wandungen 
seines  Zimmers  gesichert.  Die  erste  Königin  dieser  Art,  die  ich  überhaupt  sah, 
erhielt  ich  aus  einem  solchen  lose  im  Walde  gefundenen  festen  Kerne  eines  zer- 
störten Nestes. 

Auf  seiner  Reise  durch  die  Provinzen  Rio  de  Janeiro  und  Minas  geraes  sah 
Auguste  St.  Hilaire  Termitenbauten,  die  mitten  auf  dem  Wege  einfache,  einen 
halben  Fuss  hohe  Hügel  bildeten.  Solche  kleine  Hügelnester,  —  ob  von  derselben 
Art  gebaut,  ist  freilich  nicht  zu  entscheiden,  —  finden  sich  auch  hier  und  sind 
sogar  weitaus  die  häufigsten  aller  Termitenbauten.  Sie  sind  das  Werk  des  A  n  - 
oplotermes  pacificus  m.  ^).  Obwohl  anscheinend  aus  Erde  gebaut,  bestehen 
auch  sie,  wie  die  Eutermes-Nester,  aus  dem  Kothe  ihrer  Bewohner.  Die 
Anoplotermes  fressen  nämlich  Erde,  man  findet  in  ihrem  Magen  völlig  ver- 
rottete Pflanzenstoffe  und  einzelne  kleine  Steinchen.  Daher  scheinen  ihre  Nester 
aus  Erde  gebaut  zu  sein;  doch  habe  ich  gesehen,  wie  sie  durchschnittene  Nester 
in  der  Weise  der  Baumtermiten  mit  ihrem  Kothe  ausbesserten,  und  mich  über- 
zeugt, dass  diese  geflickten  Stellen  in  nichts  von  dem  übrigen  Neste  sich  unter- 
schieden. 

Die  Form  der  Nester  ist  eine  sehr  wechselnde.  Häufig  sind  sie  ganz  flach, 
in  Form  und  Grösse  einem  Kuhfladen  gleichend,  in  anderen  Fällen  unregelmässig 
knollig;  bisweilen  rundlich,  kegelförmig  oder  kurz  walzenförmig.  In  besonderer 
Menge  traf  ich  diese  Nester  auf  einem  frisch  gerodeten  Stücke  Urwald  in  der 
Colonie  Dona  Francisca,  auf  schwammigem,  sandig-sumpfigem  Boden.  Stellen- 
weise stand  hier  alle  zwei  bis  drei  Schritte  ein  Nest.  Die  höchsten  waren  etwa 
einen  Fuss  hoch,  bei  4  bis  6  Zoll  Durchmesser,  walzen-  oder  kegelförmig  mit 
abgerundeter  Spitze.  Auch  die  kleineren,  faust-  bis  kopfgrossen  waren  dort  meist 
doppelt  so  hoch  als  dick.  In  meinem  Walde  herrschen  die  flachen,  fladenförmigen 
Nester  vor.  Die  Farbe  ist  ein  bald  helleres,  bald  dunkleres,  fast  schwarzes  Grau.  Ge- 
wöhnlich lassen  sie  sich  mit  der  Hand  zerbröckeln  oder  doch  leicht  mit  dem  Messer 
schneiden.  Ungewöhnlich  dunkelgefärbte  und  feste  Nester  fand  ich  kürzlich  nahe 
dem  Gipfel  eines  unserer  höheren  Berge  (an  der  1 1  o  u  p  a  v  a).  Man  kann  in  der 
Regel  zwei,  freilich  ohne  scharfe  Grenze  ineinander  übergehende  Theile  an  diesen 
Nestern  unterscheiden.  Der  obere  Theil  bildet  eine  fast  dichte,  nur  von  einzelnen 
engen  Gängen  durchzogene  erdige  Masse,  in  der  sich  lebende  Wurzeln  benach- 
barter Pflanzen  (besonders  die  einer  strauchartigen  Piperacee)  auszubreiten  pflegen. 


i)  Die  Staaten  der  Gattung  Anoplotermes  m.  zeichnen  sich  dadurch  aus,  dass  sie,  —  hierin 
weiter  vorgeschritten,  als  wir  Menschen,  —  nur  Arbeiter,  aber  keine  Soldaten  besitzen.  Alle  Stände,  von 
der  jüngsten  Larve  an,  sind  dadurch  leicht  von  Calotermes,  Term.es  und  Eutermes  zu  unter- 
scheiden, dass  ihrem  Vormagen  (Kaumagen)  die  Bewaffnung  mit  Kauleisten  fehlt.  Durch  äussere  Merk- 
male weiss  ich  die  geflügelten  Thiere  nicht  von  Eutermes  zu  scheiden.  Es  gehört  hierher  eine  zweite 
hiesige  Art  (vielleicht  Termes  ater  Hag.)  und  wahrscheinlich  Termes  cingulatus  Burm.  Der  von 
Hagen  unter  T.  cingulatus  beschriebene  Soldat  gehört  nicht  zu  dieser,  sondeni  zu  einer  weit  verschie- 
denen Art,  T.  saliens  m. 


...  Beiträge  zur   Kenntniss  der  Termiten. 

Dieser  Theil  ist  von  den  Bewohnern  ziemlich  verlassen.  Der  untere  dichtbevöl- 
kerte Theil  enthält  zahlreiche  für  die  winzigen  Bewohner  sehr  weite,  vorherrschend 
in  wagerechter  Richtung  ausgedehnte  unregelmässige  Räume,  die  durch  dicke 
Wände  getrennt,  und  durch  engere  und  weitere  Gänge  verbunden  sind.  Das 
könighche  Zimmer  ist  nur  durch  seine  Grösse,  und  nicht  immer  durch  diese  vor 
den  übrigen  Räumen  ausgezeichnet  und  liegt  in  der  Regel  ziemlich  in  der  Mitte 
des  unteren  Theiles.  Mit  einer  erstaunlichen  Menge  von  Eiern  gefüllte  Zellen 
verrathen  seine  Nähe.  Der  obere  Theil  des  Nestes  ist  wahrscheinlich  der  ältere, 
dessen  früher  bewohnte  Räume  allmählich  mit  Koth  vollständig  ausgefüllt  worden 
sind.  Die  Nester  liegen  lose  am  Boden,  oder  sind  an  demselben  durch  von  unten 
eindringende  Wurzeln  befestigt.  Gern  lehnen  sie  sich  an  dicke  vorspringende 
Baumwurzeln,  und  finden  sich  auch  bisweilen  in  alten  stark  vermorschten  Gissara- 
stuken.  Dasselbe  Volk  besitzt  bisweilen,  —  doch  scheint  es  bei  dieser  Art  selten 
zu  sein,  —  mehr  als  einen  Bau.  In  einem  kleinen,  etwa  faustgrossen  Neste,  in 
welchem  keine  Königin  lebte,  fand  ich  Eierhaufen  und  zahlreiche  junge  Brut; 
eine  Königin  fand  sich  in  einem  in  der  Nähe  stehenden  grösseren  Neste.  — 
Oeffnungen  zum  Ein-  und  Austritt  der  Bewohner  finden  sich  nur  an  der  unteren, 
dem  Boden  aufliegenden  Seite  des  Nestes. 

Die  Bauten  des  Anoplotermes  pacificus  macht  sich  zuweilen  ein 
winziger  Eutermes  (Eut.  inquilinus  m.  ^))  zu  Nutze,  der  keine  eigenen  Nester 
zu  bauen  scheint.  Ich  habe  diesen  Eutermes  sowohl  in  Dona  Francisca 
als  hier  in  Nestern  von  Anoplotermes  pacificus  getroffen  und  zwar  hier 
ein  vollständiges  Volk  mit  König,  zwei  Königinnen,  Arbeitern,  Soldaten,  Eiern 
und  Larven  vom  verschiedensten  Alter.  Ob  der  Eindringling  den  Erbauer  des 
Nestes  vertreibt  oder  nur  alte  verlassene  Nester  sich  aneignet,  weiss  ich  nicht. 
Das  Letztere  ist  wohl  wahrscheinlicher.  Das  Nest,  in  welchem  ich  ihn  hier  fand, 
war  offenbar  ein  sehr  altes  und  die  dasselbe  durchziehenden  Wurzeln  grossentheils 
verschimmelt.  Es  hausten  darin  ausserdem  zwei  Ameisenarten  und  durch  den 
unteren  Theil  des  Nestes  ging  eine  Strasse  von  Ter m es  Lespesii.  —  Eine 
kleine  Gesellschaft  von  Eutermes  inquilinus,  nur  aus  Arbeitern  und  Sol- 
daten bestehend,  traf  ich  einmal  in  einem  ganz  alten  modrigen  Neste  von  Ter m es 
Lespesii.  Bemerkenswerth  ist,  dass  die  Arbeiter  des  Eutermes  inquilinus 
denen  des  Anoplotermes  pacificus  täuschend  ähnlich  sehen,  obwohl  sich 
bei  genauerer  Untersuchung  des  äusseren  und  inneren  Baues  durchaus  keine 
nähere  Verwandtschaft  beider  Arten  herausstellt. 

Wie  mancher  alte  Baumstumpf  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  von  Gängen 
verschiedener  Termitenarten  durchzogen  ist  (C  a  1  o  t  e  r  m  e  s  im  festeren  Kerne, 
Eutermes  im  morscheren  Splinte,  Züge  von  Termes  saliens  oder  Lespesii 
unter  der  Rinde),  so  ist  auch  der  Boden  des  Urwaldes  an  manchen  Stellen  voll- 
ständig durchwühlt  von  Termiten  und  nicht  selten  durchziehen  dieselbe  Erdscholle 
gleichzeitig  Gänge  von  drei  bis  vier  verschiedenen  Arten  (Termes  saliens, 
Lespesii,  Anoplotermes  ater  (?),  Eutermes  sp.). 

I)  Die  geflügelten  Thiere  dieser  Art  kenne  ich  noch  nicht.  König  und  Königin  habe  ich  mit  Hagen's 
Monographie  verglichen  und  halte  danach  die  Art  für  unbeschrieben.  Die  Soldaten  sind  durch  ihren  hell 
bernsteingelben  langnasigen  Kopf  sehr  ausgezeichnet. 


Beiträfje  zur  Kenntniss  der  Termiten. 


445 


Von  den  Wohnungen  dieser  unterirdisch  lebenden  Termiten  kenne  ich  bis 
jetzt  nur  die  des  Termes  Lespesii  m.  i).  Dieselben  sind  durch  eine  viel  weitere 
Kluft  von  den  aus  einem  ordnungslosen  Gewirr  unregelmässiger  Räume  be- 
stehenden Nestern  unserer  Eu  termes -Arten  getrennt,  als  diese  von  den  kaum 
den  Namen  einer  Wohnung  verdienenden  Gängen  der  Calotermes,  und  ge- 
hören, wie  die  riesigen  von  Smeathman  so  trefflich  geschilderten  Hügel  des 
Termes  bellicosus,zu  den  merkwürdigsten  Bauten,  die  überhaupt  von  Insecten 
aufgeführt  werden. 

Die  Häuser  des  Termes  Lespesii  haben  die  Gestalt  einer  dicken,  etwa 
spannenlangen  Wurst  oder  einer  Walze,  um  welche  sich  flache,  durch  seichte 
Furchen  geschiedene  Wülste  gürtelartig  her- 
umziehen. Auf  o,i  m  kommen  g  bis  12  solcher 
Wülste.  —  Auf  diesen  Ringwülsten  verlaufen 
schmale,  etwa  2  mm  breite  Längswülste,  jede 
von  einer  mittleren  Längsfurche  durchzogen 
(15  bis  20  auf  0,1  m).  —  Diese  Längswülste 
sind  nicht  immer  genau  gleichlaufend  und 
ihre  Entfernung  ist  sehr  beträchtlichen 
Schwankungen  unterworfen.  Die  meisten 
lassen  sich  über  eine  grössere  Zahl  von 
Querwülsten,  viele  über  das  ganze  Haus 
hin  verfolgen,  andere  nur  über  ein,  zwei  oder 
drei  Querwülste.  An  alten  Häusern  treten 
sowohl  Längs-  als  Querwülste  weniger  deut- 
lich hervor,  als  an  neueren;  besonders  bei 
letzteren  öffnen  sich  beim  Austrocknen  an 
der  Luft  längs  der  Furchen,  die  die  Längs- 
wülste durchziehen,  sowie  derjenigen,  welche 
die  Ringwülste  scheiden,  schmale  Risse  oder 
.Spalten.  An  beiden  Enden  des  Hauses  finden 
sich  meist  einige  kurze  Fortsätze  und  am  Ende 
eines  derselben,  als  einziger  Zugang  zu  dem 
sonst  völlig  geschlossenen  Hause,  eine  kleine 
runde  Oeffnung. 

Um  einen  Einblick  in  das  Innere  des  Hauses  zu  erhalten,  wollen  wir  es  der 
Länge  nach  durchschneiden.  Wir  sehen,  dass  es  aus  eben  so  vielen  durch  wage- 
rechte Scheidewände   geschiedenen  Kammern    oder  Stockwerken  besteht,   als  wir 


Pig.  3.     Haus  des  Termes  Lespesii 
(*/.,  der  nat.  Grösse). 


I)  Diese  Art  ist  dem  Erdhügelnester  bewohnenden  T.  siniilis  Hag.  äusserst  ähnlich. 


T.  similis  Hag. 
Länge  mit  den  Flügeln:      22 — 27   mm, 
Fühler :  1 5  gliederig, 

2tes  Fühlerglied :  so  lang  als  breit, 

3tes  Fühlerglied :  so  lang  als  die  folgenden, 


T.  Lespesii  P\  M. 
16 — 18  mm. 
13— 15  gliederig. 
viel  länger  als  breit. 
bei   1 5  gliedrigen  Fühlern  klein  und  ringfömiig. 


Die  Form  der  Oberlippe  der  Soldaten  ist  eine  ganz  verschiedene;  bei  T.  similis  beschreibt  sie  Hagen 
als  „breit,  nach  vorn  breiter,  gerade  abgeschnitten  mit  scharfen  Vorderwinkeln ;  in  der  Mitte  ein  drei- 
eckiger vorspringender  Lappen  angesetzt".  Nicht  ein  Wort  dieser  Beschreibung  passt  auf  die  Oberlippe 
des  Soldaten   von  Termes  Lespesii. 


,  .A  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 

äusserlich  Ringvvülste  wahrnahmen ;  wir  sehen,  dass  die  Ringwülste  den  Kammern, 
die  Ringfurchen  den  Scheidewänden  entsprechen.  Wir  erkennen  auch  sofort  als 
Ursache  der  Risse,  die  beim  Austrocknen  entstehen,  Röhren,  welche  die  Wand 
des  Hauses  durchziehen  und  unter  den  Ring-  und  Längsfurchen  verlaufen.  — 
Jedes  Stockwerk  hat  die  Gestalt  einer  flachen  Schachtel  mit  bauchiger  Aussenwand. 
Sehr  häufig  und  vielleicht  in  allen  Fällen,  wo  nicht  äussere  Hindernisse  die  Regel- 
mässigkeit des  Baues  gestört  haben,  sind  die  Kammern  fast  genau  kreisförmig.  Ich 
habe  mich  davon  wiederholt  mit  dem  Zirkel  überzeugt  und  bisweilen  bei  einem  Halb- 
messer von  etwa  3  cm  keine  i  bis  2  mm  überschreitenden  Abweichungen  gefunden. 
Würde  ein  Mensch  wohl  im  Stande  sein,  ohne  Werkzeuge  mit  dem  5-  bis  öfachen 
seiner  Länge  als  Halbmesser  einen  gleich  fehlerfreien  Kreis  zu  beschreiben? 

In  jedem  Stockwerke  sind  Boden  und  Decke  durch  einen  dicken,  oben  und 
unten    verbreiterten  Pfeiler   verbunden,   der   bald    die  Mitte   einnimmt,    bald  mehr 

Fig.  4-  Fig.  5. 


Fig.  4.  Haus  von  Termes  Lespesii,  Längsschnitt,  ^2  ^^'^  ^^^-  ^^-  ^  ^is  12  die  12  Stock- 
werke des  Hauses.     L  Längscanäle  in  der  Aussenwand.  i?  Ringcanäle  zwischen  den  Stockwerken. 

Fig.  5.  Projection  des  aus  dem  ersten  (/)  ins  neunte  (/AT)  Stockwerk  führenden  Weges,  aus  einem 
Hause  von  Termes  Lespesii,  nat.  Gr.  i  bis  ^  die  durch  die  Scheidewände  der  Stockwerke  führenden  Gänge. 

oder  weniger  dem  Umfang  genähert  ist.  Am  Fusse  des  Pfeilers  geht  eine  runde 
Oeffnung,  die  nur  ein  Thier  auf  einmal  durchlässt,  schief  durch  den  Boden  ins 
nächste  Stockwerk.  Geht  man  in  derselben  schief  absteigenden  Richtung,  in  der 
man  in  dieses  Stockwerk  eingetreten  ist,  an  dessen  Pfeiler  weiter,  so  gelangt  man, 
in  der  Mehrzahl  der  Fälle,  zu  dem  am  Fusse  desselben  gelegenen  Ausgang.  Auf 
diese  Weise  bildet  der  Weg,  der  vom  obersten  bis  zum  untersten  Stockwerk  durch 
die  Scheidewände  hindurch  und  an  den  Pfeilern  entlang  führt,  eine  Schrauben- 
linie oder  eine  Wendeltreppe,  die  man  sich  freilich  nicht  allzu  regelmässig  vorstellen 
darf.  Ich  gebe  als  Beispiel  diesen  Weg  aus  zwei  Häusern,  wie  er  sich  gerade 
von  oben  gesehen  (auf  eine  wagerechte  Ebene  projicirt)  darstellen  würde.  Bei 
dem  einen  Hause  (Fig.  5)  wurden  Lage  und  Richtung  der  Verbindungswege  für 
acht  aufeinanderfolgende  Scheidewände  aufgezeichnet.  Das  Stockwerk  IX  liegt 
etwa   0,1    m    über   Stockwerk  I.    —    Vom    ersten    (untersten)    Stockwerke   bis   ins 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 


447 


"«*&, 


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Fig.  6.  Projection  des  aus  dem  ersten  (/)  ins 
dreizehnte  {XIII)  Stockwerk  führenden  Weges,  aus 
einem  Hause  von  Termes  Lespesii,  nat,  Gr.  1  bis 
12  die  durch  die  Scheidewände  führenden  Gänge. 
•7  ö"^  7'*'  J'III  Nebenweg  aus  dem  sechsten  ins  achte 
Stockwerk.  8  9*  10*  XT  Nebenweg  aus  dem  neunten 
ins  elfte  Stockwerk. 


fünfte  bildet  der  Weg  eine  nach  rechts  aufsteigende  Schraubenlinie;  im  fünften 
Stockwerk  liegen  Eingang  und  Ausgang  sehr  weit  auseinander;  es  ist  fast,  als 
hätten  die  Baumeister  auf  diesem  langen  Wege  die  bis  dahin  verfolgte  Richtung 
vergessen,  da  von  da  ab  der  Weg  in  entgegengesetzter  Richtung,  links  aufsteigend, 
weiter  geht.  —  Im  zweiten  Hause 
(Fig.  6)  wurde  der  Weg  durch  zwölf 
Scheidewände  hindurch  verfolgt.  Auch 
hier  ändert  sich  die  Richtung  der 
Wendeltreppe,  nachdem  man  im  fünften 
Stockwerke  einen  ungewöhnlich  langen 
Weg  zwischen  Ein-  und  Ausgang 
zurückgelegt  hat.  Ausserdem  sind  in 
diesem  Hause,  wie  das  nicht  selten  vor- 
kommt, mehrere  Scheidewände  von  zwei 
Verbindungswegen  durchsetzt.  (Aus 
dem  sechsten  Stockwerk  führen  6'  und 

ff+  ins  siebente,  aus  diesem  7  und  r+  ins  achte;  ebenso  führt  ein  Nebenweg  aus 
dem  neunten  ins  elfte  Stockwerk.)  In  solchen  Fällen  pflegen  dann  auch  zwei 
Pfeiler,  einer  für  jeden  Durchgang,  vorhanden  zu  sein.  —  Wege,  die  aus  einem 
Stockwerke  unmittelbar  ins 
zweitfolgende  führen  und  im 
Innern  des  Pfeilers  des  da- 
zwischenliegenden verlaufen  (ein 
solcher  Weg  geht  in  Fig.  4 
aus  dem  zweiten  ins  vierte  Stock- 
werk), scheinen  nur  äusserst  sel- 
ten vorzukommen. 

Der  Bauplan  des  Hauses 
ist,  wie  man  sieht,  ein  sehr  ein- 
facher; eine  meist  zwischen  12 
und  16  schwankende  Zahl  flacher 
kreisförmiger  Stockwerke,  ge- 
schieden durch  wagerechte 
Scheidewände  und  verbunden 
durch  eine  Wendeltreppe,  die  an 
einem  dicken  mittleren  Pfeiler 
hinläuft.  Die  Regelmässigkeit 
der  Ausführung  ist  jedoch  nur 
selten  eine  einigermassen  voll- 
kommene. Die  Pfeiler  stehen 
selten  genau  in  der  Mitte,  selten  in  "benachbarten  Stockwerken  genau  übereinander. 
Ihre  Dicke,  wie  diel  Form  ihres  Querschnittes  ist  sehr  veränderlich.  Bisweilen 
dehnen  sie  sich  in  die  Breite  zu  Wänden  aus,  die  nicht  selten  bis  zur  Aussenwand 
des  Stockwerkes  reichen  (Fig.  7,  4,  so  wie  im  dritten,  fünften  und  sechsten  Stock- 
werk des  in  Fig.  4  dargestellten  Hauses),  Ja  es  kommt  vor,  dass  das  Stockwerk  durch 
den  wandartigen  Pfeiler  vollständig  in  zwei  Kammern  geschieden  wird  (Fig.  7,  ''))• 


Fig.  7.  Grundriss  von  fünf  Stockwerken  aus  Häusern  von 
Termes  Lespesii,  '/a  ^^^  "^'^'  G*"-  —  '^  Mittelpunct  der 
Kammer.  P  Pfeiler.  —  Die  Pfeile  zeigen  den  Weg  ins  nächst- 
untere Stockwerk.  —  5  ist  durch  den  wandartigen  Pfeiler  in 
zwei  Kammern  (a  u.  ß)  getheilt;  aus  a  gehen  zwei  Wege  ins 
nächstuntere  Stockwerk,  einer  nach  ß :  aus  ß  führt  kein  Weg 
in   das  darunterliegende  Stockwerk. 


448 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 


Die  Stockwerke  haben  nicht  immer  alle  die  gleiche  Höhe.  Bisweilen  ist  Boden 
oder  Decke  geneigt,  so  dass  ein  und  dasselbe  Stockwerk  auf  einer  Seite  höher  ist, 
als  auf  der  anderen ;  oder  es  reicht  ein  Stockwerk  nicht  durch 
die  ganze  Breite  des  Hauses,  so  dass  auf  einer  Seite  das  darüber 
und  das  darunter  liegende  Stockwerk  in  grösserer  oder  ge- 
ringerer Ausdehnung  zusammenstossen.  (Für  alle  diese  Un- 
regelmässigkeiten liefert  Fig.  3  Beispiele.)  Nicht  immer  ist  der 
Durchmesser  für  alle  Stockwerke  der  gleiche ;  nicht  selten  ist 
er  für  die  oberen  kleiner.  Nicht  immer  stehen  die  Stockwerke 
genau  über  einander ;  das  eine  oder  das  andere  springt  nach 
dieser  oder  jener  Seite  v^or.  In  einem  Falle  sprang  jedes 
folgende  Stockwerk  nach  derselben  Seite  und  gleich  stark 
über  das  vorhergehende  vor,  so  dass  das  ganze  Haus  einen 
ganz  regelmässigen  schiefen  Thurm  bildete.  Eine  ganz  eigen- 
thümliche  Abweichung  vom  gewöhnlichen  Bau  zeigt  das 
beistehend  im  Längsschnitt  dargestellte  Haus  (Fig.  8);  in 
seinem  unteren  Theile  finden  sich  mehrere  Kammern,  die  zu- 
sammen eine  fast  regelmässige  Kugel  bilden.  —  Grössere  Un- 
regelmässigkeiten der  äusseren  Form  sind  wahrscheinhch 
immer  durch  Steine,  Wurzeln  und  ähnliche  Hemmnisse  ver- 
anlasst, denen  die  Thiere  beim  Ausgraben  des  Bauplatzes 
begegnen. 
Von  den  Schwankungen  der  Grösse  mögen  die  Masse  von  zehn  ohne  Wahl 
herausgegriffenen  Häusern  eine  Vorstellung  geben,  die  nachträglich  nach  der  Zahl 
der  Stockwerke  geordnet  wurden: 


Fig.  8.  Haus  von  Ter 
mes  Lespesii,  Längs 
schnitt,  Vo  der  nat.  Gr. 


Zahl  der  Stockwerke. 


I      ... 

.       .      .       12 

II     ... 

.       .       .       12 

III    ... 

.       .       .        12 

IV      .     .     . 

.   .    .    13 

V       ... 

.   .   .    14 

VI      .     .     . 

.    .    .    14 

VII    ..     . 

.    .   .    15 

VIII  .     .     . 

.       .       .       21 

IX     .     .     . 

.       .       .       22 

X       .     .     . 

.       .       .       24 

Höhe. 

D 

urchmesser 

1 1  cm     .     . 

5-6 

cm 

12     „ 

•     5-6 

12     „ 

6-7 

12,5  „       . 

6—8 

14     „       • 

4.5—7 

14     ,>       • 

•     6-7 

13     „       • 

6—8 

19     '.       • 

•     4—7 

20     „ 

•     5-6 

20     „ 

3.5—5 

Die  Wände  des  Hauses  und  die  Scheidewände  bestehen  nicht  aus  einer 
gleichförmigen  dichten  Masse.  Ich  sagte  bereits,  dass  sie  von  ziemlich  regelmässig 
angeordneten  Röhren  durchzogen  sind.  An  der  nachstehend  abgebildeten  äusseren 
Oberfläche  eines  neu  angebauten  Stockwerkes  gewahrt  man  tiefe  P'urchen,  welche 
von  der  Seitenwand  her  auf  die  obere  Wand  treten  und  mehr  oder  weniger  weit 
nach  deren  Mitte  sich  hinziehen.  —  Den  Furchen  entsprechend  springt  die  noch 
dünne  Wand  nach  innen  leistenartig  vor.  Später  werden  diese  leistenartigen 
Vorsprünge  mehr  oder  weniger  vollständig  ausgeglichen.  —  Ein  solches  neu  auf- 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 


449 


gesetztes  Stockwerk  steht,  die  Mittelsäule  ausgenommen,  nur  in  sehr  loser  Ver- 
bindung mit  dem  nächst  älteren ;  hebt  man  es  ab,  so  sieht  man,  dass  seine  Wand 
unten  in  zwei  Platten  gespalten  ist,  welche  die  Decke  des  darunter  liegenden 
Stockwerkes  in  zwei,  etwa  4  bis  8  mm  von  einander  entfernten  Kreisen  treffen. 
So  entsteht  ein  Ringcanal  zwischen  je  zwei  Stockwerken,  und  da  die  Furchen 
auf  der  äusseren  Fläche  der  Wand  erst  überbrückt  und  zu  Röhren  geschlossen 
werden,  nachdem  ein  folgendes  Stockwerk  aufgesetzt  ist,  bleiben  natürlich  diese 
Röhren  mit  dem  Ringcanal  in  offener  Verbindung.  Dagegen  sind  die  unter  sich 
zusammenhängenden  das  ganze  Haus  durchziehenden  Röhren  in  dem  fertigen 
Hause  vollständig  abgeschlossen  sowohl  gegen  aussen,  als  gegen  die  inneren 
Räume  des  Hauses.  Diese  Bauweise  des  Termes  Lespesii,  die  von  einem 
Netzwerk  hohler  Räume  durchzogenen  Wände,  hat  man  bekanntlich  in  neuester 
Zeit  auch  für  menschliche  Wohnungen  empfohlen ;  ob  sie  den  Häusern  des  ersteren 
denselben  Dienst  leistet,  den  man  für  letztere  davon  erwartet,  nämlich  den  Luft- 
wechsel zu  erleichtern,  lasse  ich  dahingestellt. 


Fig.  9. 


Fig.  10. 


Fig.  II. 


Fig.  9.  Dach  eines  neiigebauten  Stockwerks  eines  Hauses  von  Termes  Lespesii,  v.  oben,  ^/^  d.  nat.  Gr. 

Fig.  10.  Längsschnitt  durch  die  Wand  zweier  neugebauten  Stockwerke  eines  Hauses  von  Termes 
Lespesii,  nat.  Gr.     R  Ringcanal. 

Fig,  II.  Längsschnitt  durch  einige  Kammern  eines  älteren  (dickwandigen)  Hauses  von  Termes 
Lespesii.  Nat.  Gr.  Der  in  die  feste  Grundmasse  eingelagerte  Lehm  ist  durch  dunklere  Punkte  und 
Striche  bezeichnet.     Grössere  Anhäufungen  von  Lehm  bei  L.  —  R  Ringcanal. 


Termes  Lespesii  verwendet  zum  Bau  seines  Hauses  nicht  ausschliesslich 
seinen  Koth,  obwohl  dieser  die  Hauptmasse  bildet,  sondern  gleichzeitig  die  lehmige 
oder  thonige  Erde,  in  der  er  dasselbe  baut.  Die  erste  dünne  Wand  eines  neuen 
Stockwerkes  besteht  fast  immer  aus  reinem  Koth.  Dickere  Lagen  von  reinem 
Lehm  pflegen  die  Thiere  besonders  in  den  von  den  Längs-  oder  Ringcanälen 
umgrenzten  Feldern  der  Aussenwand,  sowohl  an  der  Innen-,  wie  an  der  Aussen- 
seite  der  ersten  dünnen  Kothwand  aufzutragen.  Aussen  werden  diese  dann  wieder 
mit  einer  Kothschicht  bedeckt.  Anderwärts,  so  namentlich  in  den  Scheidewänden 
ist  der  Lehm  meist  nur  in  dünnen  Streifen,  Plättchen  oder  einzelnen  Körnchen 
zwischen  den  Koth  eingelagert. 

Die  Häuser  von  Termes  Lespesii  werden  in  der  Erde  angelegt,  eine 
Handbreit  bis  eine  Spanne  unter  der  Oberfläche.  Als  Bauplatz  wird  eine  Höhle  ge- 
graben, die  einen  etwa  fingerbreiten  leeren  Raum  um  das  Haus  bildet  (s.  Fig.  3). 
Mit  den  glatten  Wänden  dieser  Höhle  steht  das  Nest  durch  eine  kleine  Zahl  vom 
oberen  und  unteren  Ende  ausgehender  Fortsätze  in  Verbindung.  Durch  einen 
derselben  (selten  durch  mehrere)  führt  ein  Weg  aus  dem  untersten  Stockwerke 
in  federkieldicke  mit  einer  dünnen  bräunlichen  Kothschicht  ausgekleidete  Röhren, 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  29 


ACQ  Beiträge  zur  Kenntuiss  der  Termiten. 

die  die  Erde  auf  weite  Entfernung  durchziehen,  und  hier  und  da  zu  kleinen  un- 
regelmässigen Kammern  sich  erweitern.  Sie  führen  zu  alten  Baumstumpfen,  unter 
deren  Rinde  Termes  Lespesii  bisweilen  getroffen  wird,  zu  Gissara-Stuken 
u.  s.  w.,  und  ohne  Zweifel  auch  zu  anderen  Häusern. 

Werfen  wir  zum  Schlüsse  noch  einen  flüchtigen  Blick  auf  die  in  den  eben 
beschriebenen  Häusern  lebenden  Thiere,  deren  Bau  und  Lebensweise  ich  später 
ausführlicher  zu  besprechen  gedenke.  —  Unter  mindestens  dreissig  Häusern,  die 
ich  in  den  letzten  Monaten  geöffnet  und  von  denen  ich  allerdings  die  Mehrzahl 
schon  mehr  oder  minder  zerbrochen  erhielt,  waren  nur  drei  von  einer  Königin 
bewohnt;  in  dem  einen  fand  sich  der  König  in  derselben,  in  dem  zweiten  in  einer 
benachbarten  Kammer;  in  dem  dritten  Hause,  von  dem  ich  nur  ein  Bruchstück 
bekam,  wurde  er  nicht  gefunden.  In  diesen  drei  Häusern  befanden  sich  ausser 
König  und  Königin  nur  Arbeiter  und  Soldaten,  aber  weder  Eier  und  Larven, 
noch  Nymphen  oder  geflügelte  Männchen  und  Weibchen,  von  denen  letztere  in 
vielen,  Larven  fast  in  allen  übrigen  Häusern  zu  finden  waren.  Von  Eiern  traf 
ich  nur  ein  einziges  Mal  einen  grösseren  Haufen  von  vielleicht  einigen  Hunderten, 
ein  paar  mal  wenige  einzelne  Eier.  —  Eier  in  grösster  Menge  und  junge  Larven 
habe  ich  dagegen  einmal  (im  October  v.  J.)  zwischen  den  Wurzeln  eines  Gissara- 
Stukens  gefunden,  der  also  von  den  Thieren  als  Brüteplatz  benutzt  wurde.  Die 
Streifzüge,  die  man  ausser  dem  Neste  in  den  unterirdischen  Gängen  oder  unter 
Baumrinde  antrifft,  bestehen  wie  bei  anderen  Arten  nur  aus  Arbeitern  und  Soldaten. 
Das  Vorkommen  einer  Königin  in  nur  wenigen  Häusern  und  das  Fehlen  der 
Eier  und  Jugendformen  gerade  in  diesem  Häusern  beweist,  dass  dasselbe  Volk 
mehrere  Häuser  besitzt,  wenn  überhaupt,  wie  bei  den  Bienen,  gesonderte  Völker 
bestehen,  und  wenn  man  nicht  auch  hier,  wie  es  Bates  bei  Termes  arenarius 
annimmt,  für  einen  bestimmten  Bezirk  „die  ganze  Masse  von  dieser  Art  Termiten 
als  eine  einzige  grosse  Familie  betrachten"  muss^j. 

Bricht  man  ein  kleines  Loch  in  eine  Wand  des  Hauses  von  Termes  Les- 
pesii, so  kann  man,  ganz  wie  bei  den  Baumnestern,  die  Soldaten  sehr  bedächtig 
den  Schaden  untersuchen  und  dann  die  Arbeiter  mit  ihrem  Koth  denselben  wieder 
ausbessern  sehen.  Reisst  man  aber  ein  grösseres  Stück  der  Wand  eines  Stock- 
werkes weg,  so  ziehen  sich  die  Thiere  in  die  nächstliegenden  Stockwerke  zurück 
und  schliesen  mit  Koth  die  engen  Eingänge  zu  denselben,  wozu  sie  natürlich  nur 
wenig  Zeit  brauchen.  Auf  diese  Weise  lässt  sich  das  Haus  leicht  Stockwerk  für 
Stockwerk  gegen  eindringende  Feinde  vertheidigen. 

Termes  saliensm.-)  gräbt  ähnliche  weithin  laufende,  mit  Koth  aus- 
gekleidete Gänge,  wie  T.  Lespesii.  Sie  sind  in  der  Regel  etwas  weiter,  viel 
häufiger  zu  grösseren  niedrigen  Kammern  erweitert,  der  Kothüberzug  meist  dunkler. 

i)  Linnaea  entomol.  XII,  S.  273. 

2)  Zu  dieser  Art  oder  einer  kaum  verschiedenen  gehört  der  von  Hagen  unter  Termes  cingulatus 
beschriebene  und  (Linnaea  entomol.  XII.  Taf.  I.  Fig.  13)  abgebildete  Soldat.  Mit  ihren  gewaltigen  zum 
Beissen  untauglichen  Kinnbacken  köimen  die  Soldaten  von  Termes  saliens  nach  Art  der  Odontomachiden 
über  fuss  weite  Sprünge  nach  rückwärts  machen.  „Maxillis  longis  altissime  resiliens"  sagt  von  den  Termiten 
schon  Linne,  der  also  von  ähnlichen  Soldaten  Kunde  haben  musste.  Nahe  verwandt  scheint  der  ebenda 
Taf.  I.  Fig.  15  abgebildete  Soldat  zu  sein.  Man  kann  diese  Thiere  kaum  in  der  Gattung  Termes  be- 
lassen, die  wohl  am  besten  auf  die  Arten  zu  beschränken  wäre,  deren  Soldaten  scharfe  beissende  Kinn- 
backen (Mandibeln)  haben  und  eines  hörn-  oder  nasenartigen  P'ortsatzes  am  Kopfe  entbehren. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten.  ^ej 

Bald  laufen  sie  fast  unmittelbar  unter  der  Oberfläche,  bald  steigen  sie  bis  über 
fusstief  hinab.  In  solchen  tieferliegenden  Gängen  habe  ich  erwachsene  Nymphen 
in  grosser  Zahl  getroffen.  Eier  und  junge  Brut  findet  man  nicht  selten  zwischen  den 
Wurzeln  der  Gissara-Stuken,  wo  ich  auch  einmal  zwei  geflügelte  Tiere  sah.  Züge 
von  Arbeitern  und  Soldaten  gehen  auch  unter  die  Rinde  modernder  Bäume.  — 
Wahrscheinlich  wird  als  Wohnsitz  des  königlichen  Paares  ein  unterirdisches  Haus 
gebaut.  Dass  es  eine  zweite  Art  unterirdischer  Termiten nester  hier  gebe,  hat  man 
mir  mehrfach  berichtet;  sie  sollen  sehr  hart,  über  kopfgross,  rundlich  und  mit 
einer  Art  Stiel  versehen  sein,  im  Innern  aber  nicht  so  regelmässige  Kammern 
haben  wie  die  von  Termes  Lespesii.  Von  den  mir  bekannten  Arten  könnte 
nur  Termes  saliens  diese  Nester  gebaut  haben.  Ich  selbst  habe  noch  keins 
gesehen. 

Itajahy,  Sa.  Catharina,  Brazil,  im  Juli  1872. 


Nachtrag. 

Weit  seltener  als  die  Erbauer  der  Baumnester  und  die  zwischen  Gissara- 
wurzeln  hausenden  Eutermes  kommt  hier  eine  dritte  Art  dieser  Gattung  vor,  die 
wie  jene  beiden  gelbgraue  Flügel  mit  rostgelbem  Randfelde  besitzt.  Ihre  Woh- 
nungen bilden  ansehnliche  Kugeln,  die  im  Urwalde  lose  am  Boden  hegen.  Wäh- 
rend die  Baumnester  durchweg  fast  gleich  dicke  und  gleich  harte  Wände  haben 
und  während  bei  den  unter  Gissara-Stuken  häufigen  Nestern  ein  fester  Kern  von 
einem  lockeren  Gefüge  papierartig  dünner  bröcklicher  Wände  umgeben  ist,  um- 
schliesst  bei  diesen  Kugelnestern  eine  ungemein  harte  dicke  Schale  die  lockere, 
weichere  Mitte.  Stehen  sie  hierdurch  in  geradem  Gegensatz  zu  den  Gissara-Nestern, 
so  stimmen  sie  mit  diesen  darin  überein,  dass  ihr  Gefüge  kein  so  völlig  regel- 
loses ist,  wie  bei  den  Baumnestern,  dass  vielmehr  ihre  vorwiegend  in  tangentialer 
Richtung  ausgedehnten  Räume  eine  mehr  oder  minder  regelmässige  concentrische 
Anordnung  zeigen. 

Ich  hatte  kürzlich  Gelegenheit,  eines  dieser  Kugelnester  zu  untersuchen. 
Dasselbe  hatte  etwa  i  Meter  Durchmesser;  die  Höhe  war  etwas  geringer,  als  der 
wagerechte  Durchmesser,  da  der  sonst  fast  regelmässigen  Kugel  unten,  wo  sie 
dem  Boden  auflag,  ein  Abschnitt  fehlte.  Die  Oberfläche  des  Baues  war  mit 
kleinen  Moosen  und  Lebermoosen  bewachsen.  Die  harte  Schale,  die  abzusprengen 
manchen  kräftigen  Hieb  einer  schweren  Holzaxt  erforderte,  war  fast  einen  Fuss 
dick.  Sie  bestand  aus  stellenweise  ziemlich  regelmässig  concentrischen,  durch- 
schnittlich etwa  2  mm  dicken  Wänden,  die  durch  zahlreiche  Pfeiler  und  unregel- 
mässige Wände  verbunden  waren.  Bei  mehreren  Zählungen  fand  ich  in  der 
Richtung  des  Halbmessers  16  bis  18  concentrische  Räume  auf  0,1  m.  —  Nach 
der  Mitte  des  Nestes  zu  wurden  die  Wände  allmälig  dünner;  der  innerste  Kern 
war  leicht  mit  der  Hand  zu  zerbröckeln.  Hier  wurde,  leider  durch  einen  Axt- 
hieb völlig  zerquetscht,  die  Königin  angetroffen ;  sie  war  durch  kein  besonderes, 
festwandiges  Zimmer  beschützt,  welches  durch  die  dicke  harte  Schale  des  ganzen 
Nestes  überflüssig  gemacht  ist.     Um  sie  herum  fanden  sich  Eier  und  junge  Brut 

29* 


AC2  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 

in  ganz  unglaublicher  Menge.   Zahllose  geflügelte  Männchen  und  Weibchen  hielten 
sich  ausschliesslich  in  den  Räumen  der  harten  Rinde  des  Baues  auf. 

Im  Innern  dieses  Nestes  herrschte  eine  ziemlich  bedeutende  Wärme;  sie 
schien  mir  etwa  der  Blutwärme  gleich  zu  sein,  eher  höher,  als  niedriger.  Mitten 
im  Winter  und  in  tiefem  Waldesschatten  konnte  diese  Wärme  natürlich  nur  von 
den  Bewohnern  des  Nestes  selbst  erzeugt  sein.  —  Einen  saueren  Geruch,  von  dem 
Beobachter  anderer  Arten  sprechen,  habe  ich  eben  so  w^enig  bei  diesem  grossen 
Kugelneste,  als  bei  den  Nestern  anderer  hiesiger  Arten  wahrgenommen.  Der 
nicht  sehr  starke  Geruch  war  vielmehr  hier,  wie  bei  den  Baumnestern  ein  ganz 
eigenthümlich  harziger. 

Itajahy,  Ende  Juli  1872. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten^). 

III.  Die  „Nymphen    mit   kurzen  Flügelscheiden"  (Hagen),   „nymphes   de   la 
deuxieme  forme"  (Lespes).     Ein  Sultan  in  seinem  Harem. 

Mit  3  Textfiguren. 

Von  der  überraschenden  Menge  verschiedener  Zustände,  die  im  Termiten- 
staate angetroffen  werden,  bilden  —  nach  der  Meinung  ihres  gründlichsten  Kenners  ^) 
—  „eigentlich  nur  die  Nymphen  mit  kurzen  Flügelscheiden  ein  bis  jetzt  unlösliches 
Räthsel".  Dem  Versuche,  dieses  Räthsel  seiner  Lösung  näher  zu  führen,  muss 
ich  als  Einleitung  einige  Worte  über  das  geschlechtliche  Leben  der  Termiten 
vorausschicken. 

Zu  einer  bestimmten  (für  verschiedene  Arten  verschiedenen)  Jahreszeit  ver- 
lassen die  geflügelten  Männchen  und  Weibchen  das  Nest,  in  welchem  sie  mehrere 
Wochen  zuvor  ihre  letzte  Häutung  bestanden  haben,  und  erheben  sich  in  dichtem 
Schwärme  in  die  Luft.  Nach  kurzem  Fluge  senken  sie  sich  wieder  zu  Boden 
und  entledigen  sich  ihrer  Flügel.  Zum  Theil  erst  jetzt,  zum  Theil  schon  während 
des  Fluges  beginnt  die  Jagd  der  Männchen  nach  einer  Genossin.  Die  Paare, 
die  sich  gefunden,  suchen  dann  ein  Nest  ihrer  Art  wieder  zu  gewinnen.  Ehe  sie 
dieses  Ziel  wieder  erreichen,  erliegt  die  übergrosse  Mehrzahl  der  wehrlosen  Thiere 
den  Nachstellungen  der  Ameisen,  der  Vögel  und  anderer  Feinde.  Die  Begattung 
findet  weder  in  der  Luft,  noch  überhaupt  ausserhalb  des  Nestes  statt.  Erst  nach- 
dem ein  Paar  als  König  und  Königin  in  einem  Neste  Aufnahme  gefunden  hat, 
folgt  der  ausserhalb  des  Nestes  gefeierten  Verlobung  die  Vermählung  und  eine 
Jahre  lange  treue  Ehe. 

Ziemlich  abweichend  von  dieser  Darstellung,  welche  sich  in  allen  wesentlichen 
Puncten  derjenigen  anschliesst,  die  schon  vor  fast  hundert  Jahren  (1781)  Smeathman 
gegeben  hat,  pflegen  die  Angaben  neuerer  zoologischer  Lehrbücher  zu  lauten. 
Man  lässt  die  Termiten  sich  in  der  Luft  oder  doch  ausserhab  des  Nestes  begatten, 
die  Männchen  nach  der  Begattung  zu  Grunde  gehen  und  die  befruchteten  Weibchen 
in  das  Nest  zurückgebracht  werden. 


I)  Jenaische  Zeitschrift  f.  Naturwiss.   1873.  Bd.  VII.  p.  451 — 463. 
i)  Hagen  in  Linnaea  enthomol.  XTV.  S.   126. 


454 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Tenniten. 


Dass  das  Männchen  mit  seinem  Weibchen  in  das  Xest  zurückkehrt  und  in 
seiner  Gesellschaft  als  „König"  weiter  lebt,  bedarf  keiner  weiteren  Beweise,  nach- 
dem ausser  Smeathman  auch  Savage,  Lespes,  Bates  u.  A,  solche  Könige  bei  ver- 
schiedenen Arten  gefunden^  und  nachdem  auch  Hagen  erklärt,  dass  ihm  „durch 
vielfache  Angaben  glaubwürdiger  Forscher  und  durch  vielfache  Sendungen  solcher 
Nestbewohner  die  Existenz  eines  derartigen  Königs  zweifellos  erscheint"  ^).  Doch 
mag  immerhin  erwähnt  sein,  dass  auch  ich  den  König  bei  acht  oder  neun  Arten 
der  Gattungen  Calotermes  (rugosus,  nodulosus,  Hagenii),  Ter m  es  (Lespesii), 
Eutermes  (inquilinus  u.  a.)  und  Anoplotermes  (pacificus)  gefunden  habe.  — 
Da  die  zur  Zeit  des  Schwärmens  äusserst  winzigen  Hoden  nach  der  Rückkehr 
in  ein  Nest  so  bedeutend  wachsen,  dass  sie  den  grösseren  Theil  des  bisweilen 
beträchtlich  anschwellenden  Hinterleibes  füllen,  so  steht  die,  wahrscheinlich  oft 
wiederholte  Begattung  im  Innern  des  Nestes  ausser  Frage.  Damit  ist  allerdings 
eine  frühere  Begattung  ausserhalb  des  Nestes  nicht  ausgeschlossen.  Doch  ist  die- 
selbe sehr  unwahrscheinlich,  eben  weil  zur  Zeit  des  Schwärmens  Hoden  und  Eier- 
stöcke noch  sehr  wenig  entwickelt  sind.  Selbst  bei  einer  der  grössten  Arten 
(Termes  dirus)  konnte  Burmeister  die  inneren  Geschlechtstheile  des  geflügelten 
Männchens  nicht  nachweisen.  Auch  Hagen  untersuchte  viele  (Alcohol-)  Stücke 
geflügelter  Termiten  ohne  Genitalien  zu  treffen  ^).  Hat  man  doch  sogar  die  grosse 
Masse  eines  Termitenschwarmes  als  „sterile  Individuen"  ansehen  wollen.  Danach 
lässt  sich  bemessen,  wie  klein  noch  im  Verhältniss  zu  ihrem  späteren  gewaltigen 
Umfange  die  Geschlechtstheile  der  geflügelten  Thiere  sind;  als  Beispiel  will  ich 
anführen,  dass  bei  den  geflügelten  Männchen  unserer  grössten  Eutermes- Art 
die  Hoden  kaum  0,3  mm  Durchmesser  haben. 

Besässen  die  Termiten  die  langen,  so  leicht  ins  Auge  fallenden  und  kaum 
zu  verwechselnden  Samenfäden  der  übrigen  Insecten,  so  wäre  die  Frage,  ob  die 
geflügelten  Männchen  schon  zeugungsfähig  seien  und  ob  die  Weibchen  schon 
ausserhalb  des  Nestes  sich  begatten,  leicht  genug  zu  entscheiden.  Allein  in  den 
Hoden  geschlechtsreifer  Männchen  (Könige)  verschiedener  Arten  fand  ich  nur 
theils  grössere,  sehr  blasse  rundliche  Körperchen  (von  etwa  0,008  mm  Durchmesser 
bei  Eutermes  vernalis  m.),  die  Kern-  und  hüllenlos  zu  sein  scheinen  und 
bei  Wasserzusatz  zu  mehr  als  doppelt  so  grossem  Durchmesser  aufquellen,  theils 
kleinere  ziemlich  stark  lichtbrechende  Kügelchen  von  kaum  0,002  mm  Durch- 
messer. —  Erstere  sind  wahrscheinlich  die  befruchtenden  Bestandtheile  des  Samens. 
Sie  sind  so  blass  und  ihre  Gestalt  ist  so  wenig  ausgezeichnet,  dass  ich  noch  nicht 
mit  Bestimmtheit  sagen  kann,  ob  sie  schon  bei  den  geflügelten  Männchen  sich 
finden  und  dass  ich  sie  bis  jetzt  ebenso  vergeblich  in  der  Samentasche  von  Köni- 
ginnen, wie  in  der  der  geflügelten  Weibchen  gesucht  habe.  Habe  ich  recht  ge- 
sehen, so  sind  dieselben  bei  den  geflügelten  Männchen  (des  grossen,  Kugelnester 
bauenden  Eutermes)  allerdings  schon  vorhanden,  aber  noch  in  Zellen  eingeschlossen. 

Bis  jetzt  ist  noch  kein  in  der  Begattung  begriffenes  Termiten-Pärchen  ge- 
gefangen worden.  Was  man  wohl  als  Begattung  angesehen  hat,  sind  jene  mehr- 
fach beobachteten  gemeinsamen  Spaziergänge  der  Paare,  bei  welchen  das  Weibchen 
voranläuft,  das  Männchen  dicht  dahinter,  oft  mit  seinen  Kinnbacken  den  Hinter- 

1)  Hagen  a.  a.  O.  XII.  S.   i6. 

2)  Briefliche  Mittheilung  vom  25.  Novbr.  1871. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten.  4^S 

leib  des  Weibchens  erfassend.  Diesen  eigen thümlichen  Spaziergängen  habe  ich 
bei  Termes  Lespesii  wiederholt  zugesehen.  Brachte  ich  ausgefärbte  Thiere 
dieser  Art  aus  dem  Neste  in  ein  Glas,  so  pflegten  sie  nach  kurzer  Unruhe  dicht 
übereinander  geschichtet,  wie  sie  es  in  den  Kammern  des  Nestes  gewesen,  still 
am  Boden  zu  sitzen.  Schüttete  ich  sie  dann  auf  einen  Bogen  Papier,  so  schob 
sich  allmählig  ein  Pärchen  nach  dem  anderen  aus  dem  wimmelnden  Haufen 
hervor,  um  sich  langsam  von  demselben  zu  entfernen.  Einige  Paare  trennten 
sich  bald  wieder;  diese  erwiesen  sich,  soweit  sie  untersucht  wurden,  als  zwei 
Männchen,  Die  anderen,  die  bei  einander  ausharrten,  bestanden  immer  aus 
einem  vorangehenden  Weibchen  und  einem  nachfolgenden  Männchen.  Letzteres 
war  bis  auf  die  hintere  Hälfte  der  Flügel,  oder,  falls  es  diese  schon  abgeworfen 
hatte,  vollständig  unter  den  Flügeln  des  Weibchens  verborgen.  Blieb  es  einmal 
einige  Schritte  zurück,  so  schien  das  Weibchen  auf  dasselbe  zu  warten.  Nicht 
selten  hatte  das  Männchen  wirklich  (wie  Rosenschöld  angiebt),  und  nicht  bloss 
scheinbar  (wie  es  Lespes  bei  Termes  lucifugus  sah)  die  Spitze  des  Hinterleibes 
seiner  Genossin  eine  Zeit  lang  mit  den  Kinnbacken  (Mandibeln)  gefasst.  Es  schien 
das  eine  Art  bräutlicher  Liebkosung  zu  sein.  Von  einer  Begattung  habe  ich  dabei 
so  wenig  etwas  gesehen,  als  Smeathman,  Rosenschöld,  Lespes,  Tollin  u.  A.  ^). 
Das  Ziel  dieser  Spaziergänge  ist  wahrscheinlich  ein  Nest  ihrer  Art  als  neue  Heimat. 

Die  angebliche  Begattung  in  der  Luft  würde  ich  mit  Stillschweigen  über- 
gehen, wenn  nicht  Azara  und  Rengger,  welche  dieselbe  in  Paraguay  gesehen 
haben  wollen,  mit  Recht  den  Ruf  guter  und  zuverlässiger  Beobachter  genössen. 
Für  die  Termiten  haben  sie  freilich  diesen  Ruf  nicht  gerechtfertigt;  Azara  schreibt 
den  Termiten  sechs  Flügel  zu,  —  Rengger  will  den  Boden  Viertelstunden  weit 
von  männlichen  Termiten  oder  wenigstens  von  deren  Flügeln  bedeckt  gesehen  haben. 
Leider  sagt  er  ebenso  wenig,  woran  er  die  Flügel  als  männliche  erkannte,  als  in 
welcher  Weise  die  Begattung  in  der  Luft  vor  sich  ging.  Vermuthlich  haben  Beide 
nichts  weiter  gesehen,  als  was  auch  der  dritte  Beobachter  der  Termiten  Paraguays, 
Rosenschöld,  berichtet,  dass  nämlich  aus  den  dichten  Schwärmen  einer  dortigen 
Art  die  Thiere  paarweise  niederfallen,  um  dann  die  eben  erwähnten  Spaziergänge 
zu  beginnen.  Bei  dem  dürftigen  Flugvermögen  der  Termiten  und  bei  dem  Mangel 
von  Begattungswerkzeugen  halte  ich  die  Begattung  in  der  Luft  für  geradezu 
unmöglich. 

So  viel  zur  Rechtfertigung  Smeathman's  gegenüber  den  Bedenken  und  der 
abweichenden  Auffassung  der  „wissenschaftlichen  Zoologie".  Seine  Darstellung 
des   geschlechtlichen  Lebens   der  Termiten   scheint   mir,   soweit   ich   nach   den  in 


i)  Nur  M^netries  erzählt  in  einem  wunderlich  aus  Wahrem  und  Falschem  gemischten  Berichte  (Linn. 
entomol.  S,  Ii6),  dass  diese  Spaziergänge  mit  der  Begattung  enden.  Ich  glaube  diese  Angabe  ebenso 
bezweifeln  zu  dürfen,  wie  dass  die  Termiten  der  Serra  da  Mantiqueira  Bäume  entlauben,  um  die 
Blätter  in  ihr  Nest  zu  tragen  (wahrscheinlich  Verwechslung  mit  Ameisen  der  Gattung  Oecodoma),  dass 
die  Männchen  dieser  Termiten  kräftigere  Mandibeln  haben  als  die  Weibchen,  dass  die  Weibchen  gleich  in 
den  ersten  zwei  bis  drei  Tagen  nach  der  Heimkehr  ihre  (bei  anderen  Arten  um  diese  Zeit  ganz  unreifen) 
Eier  ablegen  und  dann  aus  dem  Neste  geworfen  werden,  dass  irgendwo  in  Brasilien  gebratene  Mandioc- 
wurzeln  die  Hauptnahrung  der  Bewohner  bildet,  u.  s.  w.  —  Menelries  fand  während  eines  fünfjährigen 
Aufenthaltes  in  verschiedenen  Provinzen  Brasiliens,  die  wahrscheinlich  sämmtlich  termitenreicher  sind,  als 
imsere  Santa  Catharina,  „nie  Termiten  in  wirklichen  Urwäldern".  In  meinem  eigenen  Urwalde  leben  über 
ein  Dutzend  Arten. 


,-A  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 

Hagen's  Monographie  gesammelten  Thatsachen  und  nach  eigenen  Erfahrungen 
urtheilen  kann,  durchaus  richtig  zu  sein;  allein  sie  ist,  wenn  auch  nicht  für  den 
von  Smeathman  beobachteten  Termes  bellicosus,  so  doch  für  manche  andere 
Arten  unvollständig.  Es  finden  darin  die  „Nymphen  mit  kurzen  Flügelscheiden" 
(oder  besser  Flügelansätzen  ^)  keine  Berücksichtigung. 

Schon  früher  mehrfach  beobachtet,  sind  diese  Thiere  zuerst  von  Lespes  aus- 
führlicher besprochen  worden.  Derselbe  unterschied  unter  den  Nymphen  des 
Termes  lucifugus,  den  er  bei  Bordeaux  beobachtete,  zwei  verschiedene  Formen, 
Die  „Nymphen  der  ersten  Form"  sind  lebhafter,  schlanker  und  haben  lange,  breite, 
den  vorderen  Theil  des  Hinterleibes  ganz  bedeckende  Flügelansätze,  sie  beginnen 
Anfangs  Mai  sich  zu  färben  und  verwandeln  sich  zwischen  15.  und  20.  Mai  in  ge- 
flügelte Thiere.  Die  „Nymphen  der  zweiten  Form"  sind  weit  seltener;  sie  sind 
dicker,  schwerfälliger  und  haben  kurze,  schmale,  seitlich  gelegene  Flügelansätze. 
Im  Februar,  als  Lespes  sie  zuerst  fand,  hatten  diese  Nymphen  dieselbe  Grösse, 
wie  die  übrigen  (6 — 7  mm);  später  wurden  sie  grösser  (8 — 10  mm);  aber  der 
Hinterleib  allein  wuchs,  besonders  beträchtlich  bei  den  Weibchen.  Dann  bedecken 
die  Rückenschilder  nicht  mehr  die  Seiten  und  werden  selbst  oben  durch  weiche 
Haut  getrennt.  Dieser  Anschwellung  des  Hinterleibes  entspricht  eine  stärkere 
Entwicklung  der  Geschlechtstheile.  Bei  den  weiblichen  Nymphen  der  ersten  Form 
hatte  kurz  vor  der  letzten  Häutung  jeder  Eierstock  etwa  12  Röhren,  von  denen 
aber  nur  zwei  oder  drei  unreife  Eier  enthielten;  dagegen  fanden  sich  bei  der 
zweiten  Form  bis  56  Röhren,  in  denen  bei  älteren  Nymphen  die  Eier  sichtbar 
wurden.  Auch  die  Hoden  waren  bei  der  zweiten  Form  viel  mehr  entwickelt.  — 
Die  Nymphen  der  zweiten  Form  überleben  die  Verwandlung  und  das  Schwärmen 
der  übrigen  und  wachsen  als  Nymphen  fort.  Erst  im  Juli  beginnen  sie  sich  etwas 
zu  bräunen;  sie  wurden  um  diese  Zeit  immer  seltener.  — 

Leider  reichen  die  Beobachtungen  von  Lespes  nur  bis  zu  dieser  Jahreszeit. 
Er  vermuthet,  dass  die  Nymphen  der  zweiten  Form  sich  im  August  in  geflügelte 
Männchen  und  Weibchen  verwandeln  und  schwärmen,  und  dass  aus  ihnen  König 
und  Königin  hervorgehen,  während  er  kleinere  Pärchen  flügelloser  Männchen 
und  Weibchen,  die  er  einigemal  in  den  Nestern  von  Termes  lucifugus  fand 
und  als  „petit  roi"  und  „petite  reine"  bezeichnet,  von  den  Nymphen  der  ersten 
Form  ableitete.  Diese  Annahme  stützt  sich  einzig  darauf,  dass  die  Entwicklung 
der  inneren  Geschlechtstheile  bei  König  und  Königin  sich  zu  der  bei  den  Nymphen 
der  zweiten  Form  etwa  ebenso  verhielt,  wie  die  bei  „petit  roi"  und  „petite  reine" 
zu  der  bei  den  Nymphen  der  ersten  Form.  Diese  verschiedene  Grösse  und  diese 
verschiedene  Entwicklung  der  Geschlechtstheile  bei  den  von  Lespes  gefangenen 
Königen  und  Königinnen  dürfte  jedoch  einfach  daraus  zu  erklären  sein,  dass  die- 
selben verschiedenen  Jahrgängen  angehörten.  — 


i)  Der  Name  Flügel  seh  ei  den  passt  eigentlich  überhaupt  nur  für  die  ältesten  Nymphen,  aus 
deren  Flügelansätzen  bei  der  nächsten  Häutung  wirkliche  Flügel  herausgezogen  werden;  er  ist  ganz  un- 
passend in  Fällen,  wo  es  gar  nicht  zur  Bildung  von  Flügeln  kommt.  So  darf  man  allerdings  mit  Hagen 
(Linn.  ent.  XIV.  S.  126)  „die  Soldatennymphen  mit  kurzen  Flügelscheiden  als  sehr  unverbürgt"  aus 
der  Formenreihe  der  Termiten  streichen;  wohl  aber  giebt  es  Soldaten  mit  Flügelan  sä  tzen,  aus  denen 
sich  „Flügel  entwickeln  müssten,  wenn  nicht  überhaupt  die  Soldaten  flügellos  blieben"  (Hagen,  a.  a.  O. 
S.  102).  So  die  von  Hagen  beschriebenen  Soldaten  des  Termes  (Termopsis?)  occidentis  Walker  und 
die  des  Calotermes  Smeathmani,  m. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten.  Acn 

Schon  Hagen  hat  gegen  die  Annahme  von  Lespes  geltend  gemacht,  „dass 
alle  bis  jetzt  untersuchten  Könige  und  Königinnen  die  Flügelschuppe  genau  von 
der  Form  und  Grösse  der  Imago  zeigen,  eine  Entwicklung,  welche  mit  den  kleinen 
rudimentären  Flügelscheiden  jener  Nymphen  durchaus  nicht  in  Einklang  zu  bringen 
ist.  Auch  der  etwaige  Gedanke,  dass  jene  Nymphen  bei  ihrer  letzten  Häutung 
aus  den  rudimentären  Scheiden  nur  Flügelschuppen  herauszögen,  scheint  unpassend, 
und  um  so  mehr,  als  die  Schuppen  eines  Königspaares  stets  deutlich  die  Abbruch- 
steile des  Flügels  zeigen.  Uebrigens  ist  der  Prothorax  der  Königin  niemals  von 
dem  der  Imago  in  der  Form  verschieden"  ^),  während  die  Nymphen  der  zweiten 
Form  sich  durch  breiteren  Prothorax  auszeichneten. 

Als  im  Juli  die  Nymphen  der  zweiten  Form  sich  zu  bräunen  begannen,  als 
somit  ihre  letzte  Häutung,  falls  sie  eine  solche  überhaupt  noch  zu  bestehen  hatten, 
nahe  bevorstand,  waren  ihre  Flügelansätze  noch  so  winzig,  dass  sich  in  ihnen 
unmöglich  Flügel  ausbilden  konnten,  wie  sie  die  im  Mai  schwärmenden  Thiere 
besitzen.  Und  selbst,  wenn  sie  solche  Flügel  bekämen,  würden  sie  mit  ihrem 
dicken  Hinterleibe  nicht  fliegen  können,  wie  wohl  Jeder,  der  lebende  Termiten 
gesehen,  zugestehen  wird.  Es  mag  hierbei  darauf  hingewiesen  werden,  dass  Bobe- 
Moreau,  der  lange  Jahre  hindurch  den  Termiten  in  und  um  Rochefort  seine  Auf- 
merksamkeit schenkte  (seine  Beobachtungen  begannen  1797,  sein  „Memoire  sur 
les  Termites  observes  ä  Rochefort  etc."  erschien  1843),  ebenfalls  nach  der  Schwärm- 
zeit noch  „verspätete  Nymphen"  antraf,  von  denen  er  vermuthet,  dass  sie  ohne 
weitere  Verwandlung  untergehen,  da  in  Rochefort  nie  ein  zweiter  Ausflug  be- 
obachtet wurde.  Hagen  hält  es  für  sicher,  dass  Bobe-Moreau  und  Lespes  dieselbe 
Art  untersucht  haben,  während  Lespes  glaubt,  dass  der  Termes  lucifugus 
von  Bordeaux  von  der  Rochefort-Termite  verschieden  sei.  Wie  dem  auch  sei, 
es  scheint  mir  kaum  einem  Zweifel  zu  unterliegen,  dass  auch  in  Bordeaux  ein 
zweiter  Ausflug  aus  den  Nymphen  der  zweiten  Form  hervorgegangener  Männchen 
und  Weibchen  nicht  stattfinde,  dass  vielmehr  diese  Nymphen  flügellos  bleiben 
und  nie  ihr  Nest  verlassen,  in  welchem  sie  unter  Umständen  zu  zeugungsfähigen 
Männchen  und  eierlegenden  Weibchen  sich  entwickeln. 

Derlei  nymphenähnliche  geschlechtsreife  Thiere  sind  bereits  bei  mehreren 
Arten  beobachtet  und  gewöhnlich  als  Königinnen  beschrieben  worden.  So  bildete 
Joly  eine  Königin  von  Termes  lucifugus  ohne  Flügelschuppen  ab  und  Lespes 
berichtet,  dass  Joly  ihm  nochmals  versichert,  dieselbe  sei  ohne  Spur  von  Flügel- 
schuppen gewesen.  Auch  das  von  Burmeister  als  Königin  beschriebene  Weibchen 
von  Termes  flavipes  war  flügellos  und  Hagen,  der  dasselbe  Thier  untersuchte, 
fand  darin  „ein  dem  Habitus  nach  einer  Königin  sehr  ähnliches  Thier  mit  den 
kurzen  Flügelscheiden  einer  Nymphe".  Ebenso  ist  Bates'  Königin  von  Termes 
arenarius  nach  Hagen  „eine  Nymphe  mit  unentwickelten  Flügelscheiden"  2). 
Ferner  ziehe  ich  hierher  ein  im  British  Museum  befindliches  (von  Walker  unter 
Termes  lucifugus  beschriebenes)  Stück  von  Calotermes  flavicollis, 
„eine  Nymphe  mit  kurzen  Flügelscheiden,  einer  Imago,  welche  die  Flügel  verloren 
hat,  täuschend  ähnlich.  Die  völlig  schwarze  Färbung,  der  blank  polirte  Kopf, 
Thorax  und  Leib  schliessen  die  Idee  einer  nochmaligen  Häutung  aus"^). 

i)  Hagen,  a.  a.  O.  XII.  S.   19. 

2)  Briefliche  Mittheilung  vom   2.  Januar   1872. 

3)  Hagen,  a.  a.  O.  XII.  S.  20  und  S.  59. 


^-g  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 

Es  treten  also  bei  gewissen  Termiten-Arten  die  Männchen  und  Weibchen 
unter  zwei  verschiedenen  Formen  auf.  Die  einen  aus  den  „Nymphen  der  ersten 
Form"  hervorgehend,  erhalten  Flügel  und  verlassen  in  Schwärmen  ihren  Geburts- 
ort. Nur  sehr  wenigen  Glücklichen  unter  ihnen  gelingt  es,  später  als  König  und 
Königin  einen  erledigten  Thron  zu  besteigen.  Die  anderen,  die  geschlechtsreif 
gewordenen  „Nymphen  der  zweiten  Form"  sehen  nie  das  Licht  des  Tages;  sie 
bleiben  flügellos  und  verlassen  nie  das  Nest,  in  dem  sie  aufgewachsen  sind  ^). 

Welche  Bedeutung  hat  nun  für  die  Erhaltung  und  das  Gedeihen  der  Art 
jede  dieser  beiden  Formen?  —  Ein  grösserer  Termitenstaat  entsendet  jährlich 
Hunderttausende  geflügelter  Männchen  und  Weibchen,  um  alle  zwei,  drei  oder 
vier  Jahre  ein  einziges  Königspaar  zurückerhalten  zu  können ;  so  bedeutend  sind 
die  Verheerungen,  die  alle  möglichen  Insectenfresser,  vom  Menschen  bis  zur 
Ameise,  unter  diesen  ganz  wehrlosen  Thieren  anrichten,  so  bedeutend  die  Schwierig- 
keiten, nachdem  Braut  und  Bräutigam  sich  gefunden,  ein  Nest  zu  erreichen,  in 
welchem  ein  Königspaar  verlangt  wird.  Wäre  es  nicht  einfacher  und  sicherer, 
alle  Männchen  und  Weibchen  wohlbehütet  daheim  zu  behalten?  Welche  Arbeit 
würden  die  Termiten  sparen,  wenn  sie  nicht  Jahr  für  Jahr  jene  wolkenartigen 
Schwärme  geflügelter  Thiere  aufzuziehen  hätten,  wie  sie  den  grossen  Hügelnestern 
entsteigen  '^) !  Ist  es  nicht  auffallend,  dass  bei  allen  Arten,  wo  dieselbe  überhaupt 
besteht,  jene  so  viel  einfachere  und  sichrere,  so  viel  Arbeit  ersparende  Weise  der 
Fortpflanzung  durch  nymphenähnliche  Männchen  und  Weibchen  nicht  längst  auf 
dem  Wege  der  natürlichen  Auslese  die  andere  von  so  viel  Gefahren  bedrohte 
durch  ausfliegende  Schwärme  völlig  verdrängt  hat,  nicht  längst  zur  einzigen  ge- 
worden ist?  Und  doch  scheinen  die  daheim  bleibenden  Männchen  und  Weibchen 
nur  als  seltener  Nothbehelf  zu  dienen  für  den  Fall,  dass  einmal  andere  nicht  zu 
erlangen  sind. 

Wo  immer  man  auf  derartige  Fragen  stösst,  darf  man  sich  getrost  an  Darwin 
wenden  und  bei  ihm  den  Schlüssel  zu  deren  Lösung  zu  finden  hoffen.  Wer  nach 
eigener  Beschäftigung  mit  dem  Gegenstande  die  volle  Tragweite  der  im  17.  Capitel 
seines  Werkes:  „The  Variation  of  animals  and  plants  under  domestication"  zu- 
sammengestellten Thatsachen  zu  würdigen  weiss,  wird  kaum  Bedenken  tragen, 
zuzugestehen,  dass  durch  dieselben  das  Gesetz  wenn  nicht  bewiesen,  so  doch  im 
höchsten  Grade  wahrscheinlich  gemacht  wird,  mit  welchem  Darwin  dieses  Capitel 

i)  Hagen  schreibt  mir,  dass  alle  Königinnen  (von  Termes  bellicosus,  dives,  obesus,  gilvus),  die 
er  bis  jetzt  aus  Asien  und  Africa  sah,  wirkliche  Imagos  sind  mit  dem  Flügelstummel,  von  dem  der 
Flügel  abgebrochen  —  dagegen  alle  Königinnen,  die  er  aus  Brasilien  und  überhaupt  aus  America  ge- 
sehen (von  Termes  flavipes,  morio  (?),  similis  (?),  arenarius),  offenbar  Nymphen  waren.  So  auffallend 
diese  Thatsache  scheinen  mag,  wäre  es  voreilig,  daraus  schon  jetzt  schliessen  zu  wollen,  dass  im  Vorkommen 
der  beiderlei  Formen  ein  Unterschied  zwischen  der  alten  und  der  neuen  Welt  bestehe.  Ich  habe  hier 
wohl  über  hundert  wirkliche  Königinnen  gesehen,  —  mehr  als  Hagen  aus  Asien  und  Afrika,  ehe  ich  zum 
ersten  Male  nymphenähnliche  Weibchen  traf. 

2)  Man  hat  von  der  Anlage  neuer  Staaten  durch  die  ausschwärmenden  Männchen  und  Weibchen 
gesprochen  (Rengger,  Tollin  u.  A.)  und  könnte  meinen,  dass  deshalb  das  Schwärmen  unentbehrlich  sei. 
Den  Männchen  und  Weibchen  von  Calotermes  will  ich  die  Fähigkeit  nicht  geradezu  absprechen,  auf 
eigne  Hand  weiter  zu  leben  und  eine  neue  Ansiedlung  zu  beginnen.  Bei  allen  Arten  von  Termes, 
Eutermes,  Anoplotermes,  deren  Lebensweise  ich  einigermassen  kenne,  würde  ein  geflügeltes  Pärchen 
die  Begründung  eines  neuen  Staates  mit  genau  demselben  Erfolge  unternehmen,  wie  ein  Paar  neugeborener 
Kinder,  die  man  auf  einer  wüsten  Insel  ausgesetzt  hätte. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten.  4=iQ 

schliesst:  „that  the  crossing  of  animals  and  plants  which  are  not  closely  related 
to  each  other  is  highly  beneficial  or  even  necessary,  and  that  interbreeding  prolonged 
during  many  generations  is  highly  injurious". 

Nun  besitzt  bei  der  Mehrzahl  der  Termiten-Arten,  deren  gesellschaftliche 
Verhältnisse  man  kennt,  jedes  Volk  (mit  seltenen  Ausnahmen)  ein  einziges  Königs- 
paar oder  auch  wohl  bisweilen  einen  einzigen  König  mit  zwei  Gemahlinnen. 
Somit  sind  sämmtliche  in  dem  Stocke  aufwachsende  Männchen  und  Weibchen  Ge- 
schwister. Die  ausschliessliche  Fortpflanzung  durch  eingeborene  Männchen  und 
Weibchen  würde  zur  engsten  Inzucht  führen.  Bei  dem  Schwärmen  können  sich 
Männchen  und  Weibchen  aus  verschiedenen  Stöcken  zusammenfinden,  deren  Ver- 
bindung hier  wie  sonst  eine  kräftigere  Nachkommenschaft  liefern  wird.  Bei  der 
massenhaften  Vertilgung  durch  zahlreiche  Feinde,  welcher  die  schwärmenden 
Termiten  ausgesetzt  sind,  wird  es  trotz  ihrer  Unzahl  geschehen  können,  dass  ein  Volk 
seinen  Thron  nicht  rechtzeitig  mit  einem  neuen  Königspaare  zu  besetzen  vermag. 
In  diesem  Nothfalle  treten  dann  als  Ersatz  die  daheim  in  sicherer  Hut  gehaltenen 
nymphenähnlichen  Männchen  und  Weibchen  ein  und  retten  das  Volk  vor  dem 
Aussterben.  — 

Mit  dem  Umstände,  dass  erst  dann  diese  Ersatzmännchen  oder  Weibchen 
nöthig  werden,  wenn  nach  Ablauf  der  Schwärmzeit  kein  wirkliches  Königspaar 
sich  gefunden  hat,  mag  die  verspätete  Entwicklung  der  „Nymphen  der  zweiten 
Form"  im  Zusammenhang  stehen.  —  Dass,  wie  Lespes  berichtet,  diese  Nymphen 
der  zweiten  Form  „immer  seltener  werden,  je  mehr  die  Zeit  ihrer  (nur  vermutheten, 
nicht  beobachteten !)  Verwandlung  herannaht"  ^),  wäre  gewiss  höchst  befremdlich, 
wenn  dieselben  sich  wirklich  in  geflügelte  Thiere  für  einen  zweiten  Ausflug  ver- 
wandelten; dagegen  erscheint  es  begreiflich,  dass  man  sie  allmälig  aussterben 
verhungern?)  lässt,  wenn  man  sie  nicht  mehr  braucht,  oder  dass  man  nur  so 
viele  am  Leben  erhält,  als  man  eben  braucht. 

In  überraschender  Weise  ähnlich  sind  diese  bei  den  Termiten  bestehenden  Ver- 
hältnisse dem  bei  Pflanzen  der  verschiedensten  Familien  beobachteten  Vorkommen 
geschlossener  („cleistogamer"  Kuhn)  Blüthen '-).  Wie  sich  an  gewissen  Pflanzen- 
stöcken ausser  offenen,  die  Kreuzung  verschiedener  Stöcke  vermittelnden  Blüthen 
andere  nie  sich  öffnende  (cleistogame)  Blüthen  entwickeln,  deren  Staubgefässe 
und  Stempel  stets  eingeschlossen  bleiben  und  durch  welche  die  Erhaltung  der 
Art  gesichert  wird,  falls  die  von  der  Gunst  äusserer  Umstände  abhängige  Fort- 
pflanzung durch  offene  Blüthen  unterbleibt,  so  entwickeln  sich  in  gewissen  Ter- 
mitenstöcken ausser  den  ausschwärmenden,  die  Kreuzung  verschiedener  Stöcke 
vermittelnden  Männchen  und  Weibchen  andere,  nie  ausschwärmende  (cleistogame) 
Männchen  und  Weibchen,  die  stets  im  Stocke  eingeschlossen  bleiben  und  durch 
welche  die  Erhaltung  der  Art  gesichert  wird,  falls  die  von  der  Gunst  äusserer  Um- 
stände abhängige  Fortpflanzung  durch  ausschwärmende  Männchen  und  Weibchen 
unterbleibt.  Wie  die  cleistogamen  Blüthen  mancher  Pflanzen  jüngeren  Knospen 
der  offenen  Blüthen,  so  sind  die  cleistogamen  Männchen  und  Weibchen  der  Ter- 
miten Jugendzuständen  der  ausschwärmenden  ähnlich;    dort  bleiben   die  Blumen- 

i)  Hagen's  Bericht  über  die  Arbeit  von  Lespcs,  a.  a.  O.  XII,  S.  317. 

2)  Vgl.  Hildebrand,  die  Geschlechtervertheilung  bei  den  Pflanzen.  1867.  S.  73.  Severin  Axell,  Om 
anordningarna  for  de  fanerogama  växternas  befruktning.     1869.     S.   10  u.  S.  76. 


460 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 


blätter,  hier  die  Flügel  auf  einer  niederen  Entwicklungsstufe  stehen.  Der  ver- 
schwenderischen Erzeugung  von  Blüthenstaub  in  offenen  Blüthen  entspricht  die 
verschwenderische  Erzeugung  geflügelter  Männchen  und  Weibchen,  wie  die  ge- 
ringe Zahl  der  X3'mphen  mit  kurzen  Flügelansätzen  dem  spärlicheren  Blüthen- 
staube  cleistogamer  Blüthen.  Wie  beim  Veilchen  die  cleistogamen  Blüthen  später 
als  die  offenen,  so  entwickeln  sich  bei  Termes  lucifugus  die  Nymphen  der 
zweiten  Form  später  als  die  der  ersten.  Wie  man  in  Frankreich  an  der  aus- 
ländischen Leersia  orizoides  bis  jetzt  nur  Fortpflanzung  durch  cleistogame 
Blüthen  beobachtete,  so  hat  man  im  Garten  zu  Schönbrunnen  bis  jetzt  nur  ein 
cleistogames  Weibchen  des  ausländischen  Termes  flavipes  gefunden,  —  wahr- 
scheinlich weil  in  beiden  Fällen  im  fremden  Lande  die  äusseren  Umstände  der 
gewöhnlichen  Fortpflanzungsweise  nicht  günstig  sind. 

Die  im  Vorstehenden  entwickelte  Ansicht  über  die  „N3'-mphen  mit  kurzen 
Flügelscheiden"  hatte  ich  mir  nach  den  in  Hagen's  Monographie  niedergelegten 
Thatsachen  gebildet  und  in  Briefen  ausgesprochen,  lange  bevor  ich  selbst  Gelegen- 
heit hatte,  solche  Thiere  zu  sehen.  Leider  entbehrte  gerade  der  eigentliche  Kern 
dieser  Ansicht  der  thatsächlichen  Begründung;  es  mangelte  der  Nachweis,  dass 
wirklich  die  cleistogamen  Ersatzmännchen  und  Weibchen  die  Fortpflanzung  der 
Art  übernehmen  in  Fällen,  wo  König  oder  Königin  im  Stocke  fehlen.  Man  wird 
begreifen,  mit  welch  freudiger  Ueberraschung  ich  einen  Fund  begrüsste,  der  mir 
jetzt  diesen  Nachweis  zu  liefern  gestattet. 

Ich  hatte  (am  11.  Nov.)  aus  einem  morschen  Gissara-Stuken  den  festen  Kern 
eines  Eutermes-Nestes  mit  heimgebracht,  der   ungefähr  Grösse   und  Gestalt  eines 

Hühnereies  hatte.  Um  den  Kern  waren  ansehn- 
liche Eiermassen  angehäuft  und  so  erwartete 
ich  darin  wie  gewöhnlich  ein  Königspaar  an- 
zutreffen. Allein  statt  in  seiner  Mitte  ein 
grösseres  königliches  Zimmer  zu  umschliessen, 
war  der  ganze  Kern  wie  ein  Schwamm  von 
unregelmässigen  Gängen  durchzogen  und  in 
diesen  Gängen  sassen,  hier  und  da  zu  fünf 
bis  sechs  dicht  zusammengedrängt,  nicht  weniger 
als  einunddreissig  (3 1 )  Ersatz weibchen  mit  kurzen 
Flügelansätzen  (Fig.  i),  6  bis  8  mm  lang,  und 
zwischen  ihnen  spazierte  ein  einziger  König  von 
ungefähr  gleicher  Grösse  herum,  und  zwar  ein 
wirklicher  König  mit  grossen  schwarzen  Augen 
und  Flügelschuppen,  von  denen  die  Flügel  ab- 
gebrochen waren.  Eine  Königin  fehlte.  Statt  eines  Königspalastes,  in  welchem 
ein  König  mit  seiner  ebenbürtigen  Gemahlin  in  keuscher  Ehe  lebte,  hatte  ich  also 
einen  Harem  vor  mir,  in  dem  ein  Sultan  mit  zahlreichen  Buhlen  sich  vergnügte  ^). 

1)  Vennuthlich  hat  schon  Bofinet  eine  ähnliche  Gesellschaft  von  Ersatzweibchen  von  Termes  luci- 
fugus gesehen;  es  waren  ihrer  sieben,  mitten  in  einem  Balken.  Sie  waren  8  bis  lo  mm  lang,  beinahe 
weiss  oder  sehr  hellroth.  In  ihrer  Nähe  fanden  sich  mehrere  Eierhaufen  und  sehr  zahlreiche  Larven, 
„genug,  um  damit  ein  Liter  zu  füllen".  (Vergl.  Hagen's  Bericht,  a.  a.  O.  X,  S.  130.)  Termes  lucifu- 
gus hat  sonst,  nach  Lespes,  nur  ein  einziges  Königspaar.     Auch    die   helle  Farbe   der   von  Bofinet   gefun- 


Fig.  I.  Zwei  Ersatzweibchen  von  Ter- 
mes lucifugus.  A  Die  gewöhnliehe  Form 
mit  kurzen  Flügelansätzen.  B  Die  seltenere 
Form  mit  längeren  Flügelansätzen. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten.  ^51 

Im  Laufe  eines  Tages  legten  diese  Ersatzweibchen  eine  ziemliche  Anzahl 
von  Eiern,  die  von  den  Arbeitern  in  kleine  Häufchen  zusammengetragen  wurden. 
Man  sah  an  ihrem  Hinterleibe  dieselben  wellenförmigen  Zusammenziehungen  wie 
bei  Königinnen  und  bei  mehreren    war   ich  Zeuge   von    dem  Austritt   eines  Eies. 

Die  Farbe  dieser  Weibchen  mit  kurzen  Flügelansätzen  ist  ein  lichtes  Braun, 
wodurch  sie  ebenso  von  den  blassen,  fast  farblosen  Arbeitern,  wie  von  dem  weit 
dunkleren  König  abstechen.  Im  ganzen  sehen  sie  den  Arbeitern  ziemlich  ähn- 
lich, ähnlicher  als  einer  der  anderen  Formen  ihrer  Art;  nur  sind  sie  doppelt  so 
gross.  Die  Flügelansätze  sind  bei  den  meisten  zu  klein,  um  bei  oberflächHcher 
Betrachtung  in  die  Augen  zu  fallen.  Der  Hinter- 
leib, nur  massig  angeschwollen,  hat  etwa  dieselbe 
eiförmige  Gestalt  und  steht  etwa  in  demselben  Ver- 
hältniss  zur  Gesammtlänge  wie  der  des  Arbeiters. 
Namentlich  aber  ist  die  Aehnlichkeit  des  Kopfes 
(Fig.  2)  auffallend;  die  „hellen,  sich  kreuzenden 
Linien",  die  den  Kopf  der  Eutermes- Arbeiter  aus- 
zuzeichnen pflegen^),  sind  bei  den  meisten  kaum  Fig.  2.  Kopf  eines  Ersatzweib- 
minder  deutlich,  als  bei  den  Arbeitern.    Die  Fühler     '='^^°^-    ^^,^1,^.  beiden  kleinen  Netz- 

'  _  äugen.       /    Die    Überlippe.       *    Die 

haben,  wie  die  der  Arbeiter,  14  Glieder,  während  die      Oberkiefer. 
Soldaten  13,  die  geflügelten  Thiere  15  Fühlerglieder 

besitzen.  Man  könnte  den  Kopf  für  den  eines  Arbeiters  halten,  fänden  sich  nicht 
kleine  runde  Netzaugen,  die  sich  indessen  kaum  über  ihre  Umgebung  erheben  und  kaum 
etwas  dunkler  als  diese  gefärbt  sind.  Nebenaugen  habe  ich  nicht  bemerkt.  Der 
Prothorax  erinnert  dadurch  an  den  der  Arbeiter,  dass  er  einen  queren  sattelförmigen 
Eindruck  hat,  welcher  einen  vorderen  Lappen  absondert ;  doch  ist  bei  den  Arbeitern 
dieser  vordere  Lappen  sehr  gross,  steil  aufgerichtet  und  in  der  Mitte  seines  Vorder- 
randes seicht  eingekerbt ;  bei  den  Ersatzweibchen  ist  er  nur  klein,  sanft  aufsteigend 
und  einfach  abgerundet.  Die  Grösse  des  vorderen  Lappens  wechselt  übrigens; 
bei  einigen  wenigen  Stücken  war  er  durch  einen  schmalen  Saum  ersetzt,  und 
dann  ähnelte  der  Prothorax  dem  des  Königs.  Die  Flügelansätze  nehmen  die 
ganzen  seitlichen  Ränder  des  Meso-  und  Metathorax  ein;  meist  (Fig.  i  A) 
sind  sie  kaum  halb  so  lang,  als  diese  Leibesringe  breit  und  bilden  dann  dreieckige 
wagerecht  nach  aussen  gerichtete  Vorsprünge,  deren  Hinderrand  ziemlich  gerade 
nach  aussen,  deren  Vorderrand  schief  nach  hinten  läuft.  Bei  sehr  wenigen  Stücken 
(Fig.  I  B)  sind  die  Flügelansätze  bedeutend  grösser;  auch  Meso-  und  Metathorax 
sind  in  diesem  Falle  stärker  entwickelt;  die  schief  nach  hinten  gerichteten  Flügel- 
ansätze reichen  etwa  bis  zur  Mitte  des  zweiten  Rückenschildes   des  Hinterleibes; 


denen  Weibchen  passt  nicht  zu  wirklichen  Königinnen.  —  Wenn  Hagen  vermuthet  (a.  a.  O.  XII,  S.  177), 
dass  Lespes  möglicherweise  gar  keine  Königinnen,  sondern  nur  grosse  Nymphen  der  zweiten  Form  gesehen 
habe,  so  widerspricht  dem  die  ausdrückliche  und  Joly  gegenüber  besonders  betonte  Versicherung  von 
Lespes  (a.  a.  O.  XII,  S.  332),  dass  bei  seinen  Königinnen  stets  die  Flügelschuppen  vorhanden  waren. 
In  den  verschiedenen  Grössenangaben  bei  Bofinet,  Joly  und  Lespes  kann  ich  keine  Schwierigkeit  erblicken, 
da  ja  die  Weibchen  nur  ganz  allmälig  von  der  Grösse  der  Imago  zu  jenem  fabelhaften  Umfange  heran- 
wachsen, der  die  Königinnen  der  Termiten  so  berühmt  gemacht  hat,  und  also  in  allen  dazwischen  liegenden 
Grössen  gefunden  werden  können. 

i)  Hagen,  a.  a.  O.  XII,  S.   187. 


a()2  Beiträge  zur  Keuntniss  der  Termiten. 

die  vorderen  Flügelansätze  bedecken  den  Vorderrand  der  hinteren.  —  Die  Bauch- 
schilder sind  wie  bei  den  geflügelten  Weibchen  gebildet. 

Die  inneren  Geschlechtsteile  (Fig.  3)  sind  von  denen  der  geflügelten  Weibchen 
fast  nur  dadurch  verschieden,  dass  sie  reife  Eier  enthalten.  Jeder  Eierstock  pflegt 
deren  etwa  ein  halbes  Dutzend  zu  haben.  Die  Eiröhren,  etwa  ein  Dutzend  für 
jeden  Eierstock  (die  Zahl  scheint  ziemlich  unbeständig  zu  sein),  sitzen  wie  bei  den 
geflügelten  Weibchen  büschelförmig  am  Ende  der  kurzen  Eileiter,  während  bei  der 
ausgewachsenen  Königin  jeder  Eierstock  ein  langes  Rohr  bildet,  das 
in  ganzer  Länge  ringsum  dicht  mit  überaus  zahlreichen  Eiröhren  be- 
setzt ist.  Samentasche  und  Kittdrüse  haben  die  gewöhnliche  Form. 
Eine  19  mm  lange  Königin,  die  mir  eben  zur  Hand  ist,  wiegt 
etwa  0,2  Gramm;  ebensoviel  wiegen  15  der  Ersatzweibchen.  Die  Eier- 
stöcke der  sämmtlichen  31  Ersatzweibchen  dürften  zusammen  kaum 
Fig.  3.  Ge-  so  viel  wiegen  und  kaum  so  viel  Eier  liefern,  als  die  einer  einzigen 
schlechtstheile      älteren  Königin. 

eines     Ersatz-  ,  ,     tt  i-   ■,        -kt  ^ 

Weibchens.  Da  Lespes   und    Hagen    auch   männliche  Nymphen   mit  kurzen 

i  Samentasche.      Flügelansätzen  trafen,  so  wird  wahrscheinlich  der  Könisf  ebenso  durch 

k  Kittdrüse.  „     '^  ,  ,        ,  ^^  ^ 

Ersatzmännchen  vertreten  werden  können,  wie  die  Königin  durch  Ersatz- 
weibchen. Ob  in  einem  Neste  gleichzeitig  für  beide  Geschlechter  eine  solche  Ver- 
tretung stattfinden  könne,  —  ob  aus  den  von  Ersatzweibchen  gelegten  oder  durch 
Ersatzmännchen  befruchteten  Eiern  alle  Formen  hervorgehen,  die  das  Termiten- 
volk zusammensetzen,  oder  etwa  nur  Arbeiter  und  Soldaten,  ob  von  allen  Arten 
und  in  allen  Stöcken  regelmässig  jedes  Jahr  Nymphen  mit  kurzen  Flügelansätzen 
erzeugt  werden,  —  das  sind  Fragen,  auf  die  ich  für  jetzt  selbst  nicht  mit  Ver- 
muthungen  antworten  mag  und  deren  vollständige  Lösung  Jahre  lang  fortgesetzte 
Beobachtungen  erfordern  dürfte. 


Anhang. 
Uebersicht  der  im  Termitenstaate  vorkommenden  Formen. 

Die  jüngsten  Larven  der  verschiedenen  Stände  fanden  Bates,  Lespes  und 
auch  ich  ununterscheidbar  ähnlich.  Ziemlich  früh,  noch  bevor  sie  die  halbe  Länge 
der  erwachsenen  Arbeiter  erreichen,  scheiden  sich,  durch  die  erste  Andeutung 
der  Flügelansätze,  die  Larven  der  später  zeugungsfähig  werdenden  Thiere  von 
denen  der  Soldaten  und  Arbeiter,  welche  letzteren  bei  Termes  saliens  und 
anderen  auch  an  ihrem  dickeren  Kopfe  kenntlich  sind.  Erst  kurz  vor  der  letzten 
Häutung  sind  die  Larven  der  Soldaten  von  denen  der  Arbeiter  zu  unterscheiden, 
so  verschieden  auch  beide  im  erwachsenen  Zustande  sein  mögen.  Eine  bis  jetzt 
vereinzelte  Ausnahme  bildet  der  von  Bofinet  beobachtete  Soldat,  der  so  klein 
war,  dass  er  als  solcher  das  Ei  verlassen  zu  haben  schien.  —  Sehen  wir  ab  von 
den  Geschlechtsverschiedenheiten  und  von  den  zweifachen  Formen  der  Arbeiter 
oder  Soldaten,  die  bei  einigen  Arten  vorzukommen  scheinen,  so  erhalten  wir  also 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Tennilen. 


463 


für  die  Gattungen  Termes  und  Eutermes  folg'ende  Uebersicht  der  im  Termiten- 
staate vorkommenden  Formen: 


I.  Jüngste  Larven. 


2.   Larven  der  nicht  zeugungsfähigen   Stände. 


4.   Larven  der  Soldaten.        5.    Larven  der  Arbeiter. 


6.  Soldaten. 


7.  Arbeiter. 


3.  Larven  der  zeugungsfähigen  Stände. 


8.  Nymphen  der 
ersten  Form. 


10.  Geflügelte  Thiere. 


9.  Nviiiphen  der 
zweiten  Form. 


I  1 2.  Ersatzmännchen  und 

II.  König  u.  Königin.  Ersatzweibchen. 


Itajahy,  im  November  1872. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten^). 

IV.  Die  Larven  von  Calotermes  rugosus  Hag. 
Mit  Tafel  XL— XLIII. 

Die  Calotermes  leben  ohne  eigentliches  Nest  in  Gängen,  die  sie  im  Holze 
abgestorbener  Bäume  ausnagen.  Ihre  Gestalt  entspricht  dieser  Lebensweise.  Der 
langstreckige  walzenförmige  Leib,  dessen  Seitenlinien  in  einer  Flucht  vom  Kopfe 
bis  zum  Ende  des  Hinterleibes  fortlaufen,  unterscheidet  sie  auf  den  ersten  Blick 
von  anderen  Termiten,  deren  kleine  Vorderbrust  eine  halsartige  Einschnürung 
bildet  zwischen  dem  Kopfe  und  dem  hinteren  Theile  des  Leibes,  deren  Hinterleib 
bei  Larven,  Arbeitern  und  Soldaten  meist  ^)  kürzer  und  länglich  eiförmig,  deren 
Beine  länger  und  schlanker  sind.  Der  „prothorax  magnus"  ^)  ist,  weil  allen  Ständen 
gemeinsam,  jedenfalls  das  wichtigste  äussere  Unterscheidungsmerkmal  der  Gattung 
Calotermes,  wenigstens  für  Denjenigen,  der  lebenden  Termiten  nachgeht;  alle 
übrigen,  die  Nebenaugen,  die  Adern  im  Randfelde  der  Flügel,  die  Haftlappen 
der  Füsse,  kommen  nur  den  geflügelten  Thieren  zu,  die  man  unter  hundert  Fällen 
kaum  zehnmal  in  einer  Termitengesellschaft  treffen  wird. 

Schon  die  jüngsten  Larven  pflegen  im  Allgemeinen  die  bezeichnete  Gestalt 
ihrer  älteren  Geschwister  zu  haben,  bei  Calotermes,  wie  bei  anderen  Termiten. 
Nur  haben  sie  bei  letzteren  oft  ein  ungemein  unreifes  Aussehen,  dicken  Kopf, 
lange,  aber  plumpe  Beine,  Fühler  u.  s.  w.  und  sind  sehr  träge  und  unbeholfen  in 
ihren  Bewegungen;  bei  Calotermes  dagegen  sind  sie  vom  ersten  Tage  an 
muntere,  lebhafte  Thierchen,  rascher  in  ihren  Bewegungen,  zierlicher  in  ihrem 
Aussehen,  als  ältere  Larven  und  Soldaten,  die  gerade  in  dieser  Gattung  plumper 
gebaut  sind  und  sich  langsamer  bewegen,  als  z.  B.  bei  Eutermes.  Es  ist  der- 
selbe Unterschied,  und  bedingt  durch  ähnliche  Ursachen,  wie  zwischen  einer  jungen 
Taube  und  einem  Küchen,  einer  jungen  Maus  und  einem  Füllen,  —  ein  Unter- 
schied, der  noch  um  vieles  schroffer  sich  ausprägt  zwischen  der  selbst  sich 
nährenden  Raupe  einer  Blattwespe  und  der  hilflosen  Made  einer  Honigbiene.  — 


i)  Jenaische  Zeitschrift  f.  Naturwiss.   1875.  Bd.  IX.  p.  241 — 264. 

i)  Ausgenommen  sind  z.  B.  ältere  Larven  von  Anoplotermes  pacificus  (Fig.   11). 

2)  Hagen,  Linn.  entomol.  XII,  S.  33. 


Beiträge  zur  Keiintniss  der  Termiten.  AÖ'^ 

Eine  Ausnahme  von  dieser  Regel,  dass  die  Jungen  das  Ei  in  einer  Gestalt 
verlassen,  die  sich  nur  wenig  von  der  älterer  Larven  unterscheidet,  bilden,  soweit 
mir  bekannt,  nur  die  beiden  Arten  Calotermes  rugosus  Hag.  und  C.  nodu- 
losus  Hag.  Als  ich  zum  ersten  Male  zwischen  den  Soldaten  und  erwachsenen 
Larven  des  Calotermes  rugosus,  die  sich  langsam  in  ihren  Gängen  fort- 
schoben ,  zierliche  schneeweisse  Thierchen  herumlaufen  sah ,  deren  völlig  ab- 
weichende Umrisse  sich  scharf  abzeichneten  auf  dem  dunkelblutroten  Cangerana- 
Holze,  in  dem  sie  lebten,  meinte  ich  eher  fremde  Gäste,  als  Junge  derselben  Art 
vor  mir  zu  haben.  In  vollem  Gegensatze  zu  den  Soldaten  und  erwachsenen 
Larven  ist  bei  den  jüngsten  die  Dreitheilung  des  Leibes  in  Kopf,  Brust  und 
Hinterleib  augenfälliger,  der  Leib  erscheint  flacher  und  breiter,  der  Hinterleib  ist 
vor  der  Mitte  stärker  verbreitet,  nach  hinten  stärker  verjüngt,  als  bei  irgend 
welchen  anderen  Termiten,  und  dazu  tragen  Vorder-  und  Mittelbrust  ansehnliche, 
wagerecht  abstehende,  den  Kopf  seitlich  weit  überragende  flügeiförmige  Fortsätze 
(Fig.  1—3). 

Wir  dürfen  uns  schon  jetzt  und  ehe  wir  auf  eine  nähere  Betrachtung  dieser 
jungen  Larven  eingehen,  die  Frage  vorlegen,  ob  wir  es  hier  mit  einem  Falle  von 
Anpassung  oder  von  Vererbung  zu  thun  haben,  mit  anderen  Worten,  ob  die 
jungen  Larven  die  Eigenschaften,  durch  die  sie  sich  von  ihren  älteren  Ge- 
schwistern auszeichnen,  selbst  als  Larven  im  Kampfe  ums  Dasein  erworben  haben, 
oder  ob  ihnen  dieselben,  nutzlos  für  sie  selbst,  nur  als  Erbstück  ihrer  vielleicht 
in  ähnlicher  Gestalt  geschlechtsreifen  Ahnen  geblieben  sind.  Im  ersteren  Falle 
würde  es  sich  kaum  der  Mühe  lohnen,  zu  den  Hunderten  bereits  beschriebener 
sonderbarer  Larvenformen  noch  eine  neue  zu  beschreiben ;  im  zweiten  Falle  wäre 
unsere  Larve  ein  überaus  merkwürdiges  Thier.  Denn  ist  schon  Calotermes 
eine  der  ältesten,  vielleicht  geradezu  die  älteste  unter  den  jetzt  lebenden  Insecten- 
gattungen,  (ihr  gehören  nach  Hagen's  Meinung  i)  die  von  Goldenberg  beschrie- 
benen Steinkohlentermiten  an),  so  würde  das  etwa  in  ihren  Jugendzuständen 
erhaltene  Bild  ihrer  Vorfahren  eine  ähnliche  Bedeutung  für  die  Klasse  der  Insecten 
beanspruchen  dürfen,  wie  Nauplius  für  die  Kruster. 

Die  Antwort  kann,  scheint  mir,  schon  jetzt,  —  schon  ehe  wir  die  späteren 
Schicksale  der  flügeiförmigen  Fortsätze  kennen,  —  kaum  zweifelhaft  sein.  Die 
jüngsten  Larven  von  Calotermes  rugosus  leben  mit  ihren  älteren  Geschwistern 
an  demselben  Orte,  von  gleicher  Nahrung,  unter  völlig  gleichen  Verhältnissen. 
Schon  dies  spricht  dafür,  dass  ihre  Eigenthümlichkeiten  als  ererbte,  nicht  als  erwor- 
bene aufzufassen  sind  ^).  Wichtiger  und  ich  glaube  völlig  durchschlagend  ist  ein 
anderer  Grund.  Die  älteren  Larven  haben  sich  in  ihrer  Gestalt  vollständig  ihrem 
Aufenthaltsorte  und  ihrer  Lebensweise  angepasst;  sie  zeigen  die  Walzenform,  die 
allen  in  der  Erde  wühlenden,  in  Stein  oder  Holz  bohrenden  Thieren  eigen  ist  und 
oft  Thieren  der  verschiedensten  Klassen  eine  auffallende  Aehnlichkeit  verleiht ;  man 
denke  an  Regenwurm  (L  u  m  b  r  i  c  u  s)  und  Blind  wühle  (Coecilia  lumbricoides), 
Tatuira  (Hippa)  und  Tatee  (Dasypus),  Maulwurfsgrille  (Gryllotalpa)  und 
Maulwurf  (Talpa).    Nicht  so  die  jüngsten  Larven.    Ihre  Gestalt  ist  so  ungeeignet 


i)  Linnaea  entomol.  XII,  S.  73. 

2)  Vergl.  Fritz  Müller,  Für  Darwin  S.  80.  81.  =  Ges.  Schriften  S.  252. 
Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  30 


.  AA  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 

wie  möglich  für  im  Holze  nagende  Thiere;  sie  würden  hier  gar  nicht  bestehen 
können,  fänden  sie  nicht  schon  durch  ältere  Genossen  für  ihren  geringen  Umfang 
überflüssig  weite  Gänge  ausgehöhlt.  Also  die  älteren,  nicht  die  jüngeren  Larven 
haben  sich  ihrer  gegenwärtigen,  für  beide  gemeinsamen  Lebensweise  angepasst; 
letztere  können  ihren  flacheren  Leib,  ihre  weit  vorspringenden  flügeiförmigen  Fort- 
sätze nicht  an  ihrem  jetzigen  Aufenthaltsorte  erworben,  sie  können  sie  nur  von 
anderwärts  mit  herübergenommen,  d.  h.  von  Vorfahren  ererbt  haben,  die  unter 
anderen  äusseren  Verhältnissen  lebten. 

Damit  erscheinen  aber  die  jüngsten  Larven  des  Calotermes  rugosus 
einer  besonderen  Beachtung  um  so  mehr  werth,  je  allgemeiner  sich  sonst  die 
Jugendformen  der  Insecten  als  nachträglich  erworbene  herausstellen,  die  auf  die 
dunkle  Urgeschichte  der  Klasse  auch  nicht  den  Schimmer  eines  Lichtstrahls 
fallen  lassen. 

Die  Larven  des  Calotermes  rugosus  sind  auf  ihrer  ersten  Altersstufe 
1,5  bis  2,5  mm  lang,  wovon  etwa  0,5  mm  auf  den  Kopf,  0,3  auf  Vorder-  und  Mittel- 
brust, der  Rest  auf  Hinterbrust  und  Hinterleib  kommt.  Der  Kopf  ist  so  breit 
wie  lang,  die  Vorderbrust  mit  den  flügeiförmigen  Fortsätzen  doppelt  so  breit  als 
der  Kopf,  der  dritte  breiteste  Hinterleibsring  fast  so  breit  wie  die  Vorderbrust. 
Die  Larven  sind  von  schneeweisser  Farbe,  welche  von  dem  durchscheinenden 
Fettkörper  herrührt.  So  weit  sie  der  Fettkörper  nicht  verhüllt,  sind  die  inneren 
Theile  grossentheils  schon  von  aussen  wahrzunehmen;  so  das  Rückengefäss,  die 
oberflächlichen  Luftröhren,  Gehirn  und  Bauchnervenknoten,  ein  Theil  des  Darm- 
rohres und  der  Harngefässe,  sowie  die  Ausführungsgänge  der  Speicheldrüsen  und 
Speichelblasen. 

Der  Kopf  erscheint  von  oben  gesehen  fast  kreisrund ;  in  der  hinteren  Hälfte 
ist  die  Rundung  fast  regelmässig;  vorn  zeigt  er  jederseits  eine  flache  Bucht,  in 
der  die  Kinnbacken  sitzen  und  dicht  hinter  dieser  eine  kleine  Fühlergrube.  Die 
Fühler  sind  fadenförmig,  etwa  0,7  mm  lang  und  haben  neun  deutlich  geschiedene 
borstentragende  Glieder.  Den  Vorderrand  des  Kopfes  überragt  die  Oberlippe, 
etwa  halb  so  breit,  als  die  Stirn,  mit  abgerundeten  Ecken.  Ausserdem  treten 
(namentlich  unter  dem  Drucke  eines  Deckgläschens)  die  Mundtheile  über  den 
Rand  des  Kopfes  und  der  Oberlippe  hervor,  nicht  weniger  als  13  verschiedene 
Spitzen  und  Spitzchen  (Fig.  17).    Augen  und  Nebenaugen  fehlen  noch  vollständig. 

Die  Breite  der  Vorderbrust  erscheint  verdreifacht  durch  die  wagerecht  ab- 
stehenden flügeiförmigen  Fortsätze,  in  welche  ihre  Rückenplatte  nach  rechts  und 
links  sich  ausbreitet.  Diese  Fortsätze  (Fig.  28)  sind  in  der  Mitte  leicht  gewölbt; 
Vorderrand  und  Aussenrand  bilden  einen  ununterbrochenen  Bogen,  der  mit  dem 
ausgeschweiften  Hinterrande  in  einer  abgerundeten,  hinterwärts  gerichteten  Ecke 
zusammenstösst.  Ganz  ähnlich,  nur  etwas  kürzer  und  schmäler  sind  die  Fortsätze 
der  Mittelbrust.  Die  einen  wie  die  anderen  tragen  am  Rande  vier  längere  Borsten. 
Die  Hinterecke  der  vorderen  legt  sich  bei  Bewegungen  über  den  Vorderrand 
der  hinteren  Fortsätze. 

Die  Hinterbrust  scheint,  von  oben  gesehen,  eher  dem  Hinterleibe  als  der 
Brust  anzugehören,  sie  ist  vorn  schmäler  als  hinten,  wo  sie  in  voller  Breite  mit 
dem  Hinterleibe  verbunden  ist  und  die  Seitenränder  des  Hinterleibes  setzen  sich 
in   unveränderter  Richtung   bis   zum  hinteren  Rande  der  Mittelbrust  fort.     Auch 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten.  a(^'j 

die  Rückenplatte  der  Hinterbrust  trägt  seitliche  Fortsätze,  die  aber  sehr  winzig 
und  bei  den  allerjüngsten  Larven  kaum  wahrzunehmen  sind;  sie  entspringen  nicht, 
wie  bei  Vorder-  und  Mittelbrust,  vom  ganzen  Seitenrande,  den  sie  kaum  über- 
ragen, sondern  an  dessen  vorderer  Hälfte. 

Die  Beine  gleichen  denen  älterer  Thiere  bis  auf  die  noch  fehlenden  End- 
dornen der  Schienen :  die  Füsse  haben  bereits  vier  Glieder  ^). 

Der  Hinterleib,  der  rasch  wächst  und  dessen  verschiedene  Ausdehnung  haupt- 
lich die  Verschiedenheit  der  Länge  bei  den  Larven  der  ersten  Altersstufe  bedingt 
(Fig.  I — 3),  verbreitert  sich  bis  zu  seinem  dritten  Ringe,  um  dann  nach  hinten 
bis  auf  ein  Drittel  oder  weniger  der  hier  erlangten  Breite  sich  zu  verjüngen  und  mit 
der  halbkreisförmig  abgerundeten  zehnten  Rückenplatte  zu  enden.  Er  ist  in  der 
Mittellinie  höher  als  an  den  Seiten,  gegen  die  er  von  der  Mitte  aus  dachförmig 
abfällt;  die  Bauchseite  ist  flach.  Die  abgerundeten  mit  einigen  Borsten  besetzten 
Seitenränder  der  Rückenplatten  pflegen  seitlich  etwas  vorzuspringen.  Eine  Reihe 
von  sechs  kurzen  Borsten  steht  nahe  dem  Hinterrande  jeder  Rückenplatte.  Die 
seitliche  Verbindungshaut  zwischen  Rücken-  und  Bauchplatten  ist  mit  ganz  kurzen 
spitzen  Dörnchen  besät  (Fig.  28).  Die  Afteranhänge  (Fig.  37  aä)  überragen  den 
Hinterleib  nicht;  noch  kürzer  sind  die  ungegliederten  Bauchanhänge  (Fig.  37  ba). 

Ich  wende  mich  nun  zur  genaueren  Betrachtung  einzelner  Theile  und  der 
Veränderungen,  die  sie  im  Laufe  der  Entwickelung  erleiden. 

Fühler  (Fig.  13 — 16).  Die  Fühler  der  jüngsten  Larve  haben  neun  deutlich 
geschiedene  Glieder;  das  erste  und  zweite  sind  walzenförmig,  letzteres  dünner 
und  bedeutend  kürzer;  das  dritte  etwa  von  Länge  des  ersten,  nach  dem  Ende 
sich  verdickend;  vom  vierten  an,  dem  kürzesten  von  allen,  nimmt  die  Länge  der 
Glieder  zu;  die  beiden  letzten  haben  etwa  die  Länge  des  ersten  und  dritten. 
Das  vierte  bis  sechste  Glied  sind  tonnenförmig,  das  siebente  bis  neunte  umgekehrt 
eiförmig;  das  letzte  Glied  ist  merklich  dünner,  als  das  vorletzte.  Die  dünnen  Borsten 
der  Fühler  bilden  an  jedem  Gliede  vom  vierten  an  einen  oberen  längeren  und 
einen  unteren  kürzeren  Kranz,  zwischen  denen  noch  zerstreute  kürzere  Borsten 
stehen.  Das  dritte  Glied  zeigt  sich  anfangs  nur  undeutlich,  später  immer  deutlicher 
durch  zwei  Ringfurchen  in  drei  Stücke  getheilt;  nur  das  oberste  dickste  trägt 
einen  Borstenkranz,  die  beiden  unteren  sind  borstenlos.  Gegen  Ende  dieser  Alters- 
stufe sieht  man  einen  unter  der  Haut  liegenden  Kreis  von  Borsten  am  mittleren 
Stücke  auftreten.  Nach  der  Häutung,  auf  der  folgenden  Altersstufe  (Fig.  14)  er- 
scheint dann  das  obere  Stück  des  früheren  dritten  als  kurzes  viertes  Glied,  das 
mittlere  als  oberstes  borstentragendes  Stück  des  dritten  Fühlergliedes.  In  gleicher 
Weise,  durch  Abschnürung  neuer  Glieder  am  Grunde  des  dritten  findet  auch 
weiterhin  die  Vermehrung  der  Fühlerglieder  statt,  deren  Zahl  bei  den  geflügelten 
Thieren  dieser  Art  auf  16  steigt.  Vor  der  letzten  Häutung  (Fig.  15)  finden  sich 
15  borstentragende  FühlergHeder,  deren  drittes  durch  eine  Ringfurche  in  einen 
oberen    beborsteten    und   einen  unteren  borstenlosen  Abschnitt  getheilt  ist.     Falls 


i)  Dieselbe  Gliederzahl  finde  ich  an  den  Füssen  der  jüngsten  Larven  bei  allen  von  mir  unter- 
suchten Termiten.  Hagen  unterschied  (Linnaea  entomol.  XII,  S.  i8)  nur  „ein  kurzes  Basal-  und  ein 
längeres  plumpes  Glied,  das  an  der  Spitze  2  Klauen  trägt",  wahrscheinlich,  weil  seine  Stücke  nicht  gut 
erhalten  waren.  Später  (Linn.  entomol.  XIV,  S.  120)  sagt  er  von  den  kürzlich  dem  Eie  entschlüpften 
Jungen  des  Eutermes  Rippertii:  „die  Trennung  der  drei  ersten  Fussglieder  kaum  ersichtlich." 

30* 


.f.o  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 

bei  jeder  Häutung  ein  neues  Fühlerglied  hinzukäme  (eine  nicht  unwahrscheinliche, 
wenn  schon  noch  nicht  erwiesene  Annahme),  so  würden  die  Larven  im  Ganzen 
sieben  Häutungen  zu  bestehen  haben.  —  Die  Soldaten  (Fig.  i6)  haben  gewöhnlich 
13  Fühlerglieder,  von  denen  das  dritte  bedeutend  länger  ist  als  seine  Nachbarn; 
doch  schwankt  die  Zahl  von   1 1  bis  1 4. 

Die  Zahl  der  Fühlergheder  gibt  für  die  Beurtheilung  der  Altersstufe  der 
Larven  einen  bequemen  Anhalt,  bequemer  und  sicherer,  als  die  Länge  der  Larven, 
die  je  nach  der  Füllung  des  Darmes  sehr  wechselt;  der  Hinterleib  eines  hungernden 
Thieres  kann  auf  seine  halbe  Länge  zusammenschrumpfen. 

Auf  Grund  dieser  Entwickelungsweise  darf  man  auch  an  den  Fühlern  der 
Termiten  Schaft  und  Geissei  unterscheiden,  ersterer  besteht  aus  den  beiden  Grund- 
gliedern letztere  aus  der  wechselnden  Zahl  der  übrigen.  Von  der  späteren  Ent- 
wickelung  auf  die  frühere  innerhalb  des  Eies  zurückschliessend,  durfte  man  er- 
warten, dass  die  Geissei  ursprünglich  nur  aus  einem  einzigen  Gliede  bestehen 
würde,  von  dessen  unterem  Ende  sich  das  vorletzte  abschnürt,  von  diesem  das 
drittletzte  u.  s.  w.  Und  wirklich  sah  ich  (Fig.  12)  im  Ei  einer  anderen  Calo- 
t  e  r  m  e  s  -  Art  zu  einer  Zeit,  wo  die  Beine  noch  vöUig  ungegliederte  Stummel 
waren,  die  Fühler  in  drei  deutliche  Glieder  (den  zweigliedrigen  Schaft  und  die 
eingliedrige  Geissei)  getheilt. 

Die  Zahl  der  Fühlerglieder  ist,  wie  schon  Hagen  bemerkt,  bei  den  einzelnen 
Termitenarten  „nicht  ganz  constant;  oft  findet  sich  eins  mehr  oder  weniger"  i). 
Trotzdem  bietet  diese  Zahl  meist  ein  recht  gutes  Artkennzeichen,  wenn  man  die 
eben  geschilderte  Entwickelungsweise  berücksichtigt;  die  verschiedene  Glieder- 
zahl beruht  fast  immer  darauf,  dass  eine  der  letzten  Abschnürungen  unterbleibt, 
oder  auch  eine  mehr  als  gewöhnlich  eintritt;  man  findet  daher  bei  überzähligen 
Fühlergliedern  das  dritte  Glied  kürzer,  bei  fehlenden  länger  als  gewöhnlich ;  seltener 
finden  sich  zwei  der  nächsten  Glieder  verschmolzen,  oder  eines  derselben  in  zwei 
zerfallen.  Man  hat  deshalb  stets  neben  der  Zahl  der  Fühlerglieder  auch  Länge 
und  Gestalt  des  dritten  und  der  nächstfolgenden  in's  Auge  zu  fassen. 

Das  dritte  Fühlerglied  ist  bei  den  Termiten  nach  Grösse  und  Gestalt  das 
wandelbarste,  mag  man  verschiedene  Arten  oder  die  verschiedenen  Stände  der- 
selben Art  vergleichen.  Der  Grund  mag  einfach  darin  liegen,  dass  es,  wie  wir 
gesehen,  das  jüngste  ist  2). 

Mundtheile  (Taf.  XLI  Fig.  17 — 25).  Oberlippe  (labrum).  Die  Ober- 
Hppe  pflegt  in  der  Gattung  Calotermes  nicht  länger  oder  selbst  kürzer  als 
breit  zu  sein,  ziemlich  geraden  Vorderrand,  abgerundete  Vorderecken  zu  haben 
und  etwa  die  halbe  Breite  der  Stirn  einzunehmen.  So  auch  schon  bei  den  jüngsten 
Larven  des  Caloter  mes  rugosus  (Fig.  17  ol).  Eine  andere  Eigenthümlichkeit 
dieser  Gattung  besteht  darin,  dass  nahe  dem  Vorderrande  der  Oberlippe  eine 
Querreihe  längerer  Haare  steht  (Fig.  23);  auch  diese  sind  bei  der  jüngsten  Larve 
schon  vorhanden,  wenn  auch  noch  sehr  kurz.  (Man  vergleiche  Fig.  17   0/  in  Bezug 


i)  Linn.  entomol.  XII,  S.  6. 

2)  Dasselbe  Verhältniss  kehrt  auch  bei  anderen  Insecten  wieder,  z.  B.  bei  den  Bienen,  bei  welchen 
bekanntlich  das  dritte  bisweilen  das  kürzeste,  bisweilen  das  längste  aller  Fühlerglieder  ist.  Auch  bei  den 
Bienen  ist,  wie  mir  scheint,  das  zweite  Fühlerglied  zum  Schafte  und  nicht,  wie  es  jetzt  üblich  ist,  zur 
Geissei  zu  rechnen. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten.  dÖQ 

auf  Gestalt  und  Behaarung  mit  Fig.  27,  welche  die  Oberlippe  der  jüngsten  Larve 
von  Anoplotermes  pacificus  darstellt.) 

Kinnbacken  (mandibulae).  Beim  Auskriechen  aus  dem  Ei  sind  die  Kinn- 
backen weich  und  weiss;  doch  bald  beginnen  sie  zu  verhärten  und  ihr  Innenrand 
bräunt  sich.  Wahrscheinlich  sind  die  Larven  von  Calotermes  rugosus,  wie 
von  anderen  Caloterm  es- Arten,  im  Stande  sich  selbt  zu  ernähren,  sobald  der 
Nahrungsvorrath,  den  sie  aus  dem  Eie  mitbringen,  verbraucht  ist,  ohne  dass  sie 
je  von  ihren  älteren  Geschwistern  gefüttert  werden.  Sobald  die  Verhärtung  des 
Innenrandes  eingetreten  ist,  erscheinen  dessen  vorher  minder  scharf  ausgeprägte 
Zähne  und  Vorsprünge  in  einer  Form  (Fig.  20),  die  kaum  von  derjenigen  der  älteren 
Larven  und  der  geflügelten  Thiere  (Fig.  25)  abweicht.  Man  unterscheidet  dann, 
wie  bei  anderen  Termiten  ^),  zwei  scharfe  Schneidezähne  am  oberen,  eine  quer- 
geriefte Kaufläche  am  unteren  Ende  des  Innenrandes.  (Auf  der  Zeichnung  sind 
die  bei  Calotermes  rugosus  schwach  entwickelten,  nur  bei  stärkerer  Ver- 
grösserung  zu  erkennenden  Querleisten  der  Kaufläche  nicht  zu  sehen.)  Die  Rich- 
tung der  Kaufläche  ist  bei  dem  Kinnbacken  der  rechten  und  dem  der  linken 
Seite  sehr  verschieden.  Eine  Gerade,  die  man  von  der  Spitze  des  obersten  Zahnes 
nach  dem  am  untern  Ende  des  Aussenrandes  liegenden  Gelenkhöcker  zöge,  würde 
bei  den  jüngsten  Larven  des  Calotermes  rugosus  mit  der  Kaufläche  des 
linken  Kinnbackens  einen  Winkel  von  etwa  45  ^,  mit  der  des  rechten  von  etwa 
100°  bilden.  Geringer  ist  die  Verschiedenheit  der  Richtung  bei  den  geflügelten 
Thieren.  Zwischen  den  beiden  oberen  Zähnen  und  der  Kaufläche  liegt  ein  dritter 
Zahn,  der  am  linken  Kinnbacken  der  Kaufläche,  am  rechten  den  oberen  Zähnen 
genähert  ist.  Dieser  dritte  Zahn  des  rechten  Kinnbackens  ist  stumpf  bei  der 
jüngsten  Larve,  spitz  bei  den  geflügelten  Thieren.  —  Aehnliche  Verschiedenheiten 
zwischen  rechtem  und  linkem  Kinnbacken  zeigen  auch  die  übrigen  Termiten  (so- 
wie nach  Westwood  2)  die  verwandten  Psociden) ;  sie  machen  sich  selbst  noch 
geltend  an  den  verkümmerten  Kinnbacken  der  spitzköpfigen  Soldaten  von 
Euterm  es. 

Schneidende  Zähne  am  oberen,  eine  quergeriefte  Kaufläche  am  unteren  Ende 
des  inneren  Kinnbackenrandes  sieht  man,  wie  bei  den  Termiten,  so  auch  bei  der 
Zoea-Form  der  aus  Nauplius-Brut  sich  entwickelnden  Garneelen.  Ueberhaupt  sind 
ähnlich  gebaute  Kinnbacken  unter  den  höheren  Krustern  sehr  häufig,  unter  den 
Insecten  nicht  selten,  und  man  fühlt  sich  versucht,  dabei  an  gemeinsamen  Ur- 
sprung zu  denken.  Für  sich  allein  wird  jedoch  diesem  ähnlichen  Bau  der  Kinn- 
backen kein  grosses  Gewicht  beizulegen  sein ;  die  Einrichtung  ist  zu  bequem,  als 
dass  sie  nicht  leicht  selbständig  bei  verschiedenen  Thieren  sich  hätte  ausbilden 
können.  Zeigt  doch  unser  eigenes  Gebiss  eine  ähnliche  Verbindung  von  Schneide- 
zähnen mit  dahinterliegenden  Mahlzähnen. 

Zunge  (lingua,  hypopharynx)  (Fig.  1 7  z,  Fig.  1 9).  Wie  von  vorn  und  oben 
durch  die  Oberiippe,  so  ist  die  zwischen  den  Kinnbacken  liegende  Mundöffnung 
von   hinten   und   unten    durch  die  sogenannte  Zunge  gedeckt.     Bei  den  jüngsten 


i)  Wenn    ich    von  Termiten    im  Allgemeinen    spreche,  beziehe  ich  mich  nur  auf  die  mir  bekannten 

Arten.  Nach  Hagen  gibt  es  Arten  mit  sechs  Zähnen  am  Innenrande  der  Kinnbacken.  Solche  kenne 
ich  nicht. 

2)  Tntroducl.  to  the  modern  Classific.  of  Insects.     Fig.  59.   2.  3. 


.-Q  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 

Larven  bildet  diese  ein  ansehnliches  gleichschenklig  dreieckiges  Blatt  mit  einem 
Winkel  von  etwa  45  °  an  der  Spitze ;  am  Grunde,  wo  sie  mit  der  sogenannten 
Unterlippe  verbunden  ist,  ist  sie  etwa  so  breit,  wie  die  Oberlippe  und  dabei  fast 
doppelt  so  lang.  Es  ist  die  mittelste,  unpaare  unter  den  zahlreichen  Spitzen  (Fig.  17), 
die  den  Vorderrand  des  Kopfes  überragen. 

Später  bleibt  die  Zunge  im  Wachsthum  gegen  die  benachbarten  Theile  etwas 
zurück ;  sie  wird  vorn  breiter,  stumpfer  und  namentlich  wird  sie  dicker ;  beim 
geflügelten  Insect  (Fig.  24,  von  der  Seite)  nähert  sich  ihre  Gestalt  der  einer 
menschlichen  Zunge;  ihre  leicht  gewölbte  obere  (vordere)  Fläche  ist  dicht  mit 
kurzen,  zarten,  rückwärts  gerichteten  Haaren  bekleidet.  —  In  den  Eiern  einer 
anderen  Calotermes- Art  sah  ich  hinter  den  Kinnbacken  und  zwischen  den 
„Unterkiefern*'  einen  paarigen  rundlichen  Vorsprung  (Fig.  1 2  x),  dessen  weitere 
EntWickelung  zu  verfolgen  ich  bis  jetzt  keine  Gelegenheit  hatte  und  von  dem 
ich  unentschieden  lassen  muss,  ob  er  den  inneren  Ast  des  Unterkiefers  oder  die 
erste  Anlage  der  Zunge  darstellt.  In  letzterem  Falle  wäre  diese  in  frühester  Zeit 
zweitheilig,  wie  sie  es  gewöhnlich  bei  den  Krustern  ist.  Bei  den  Krustern  pflegt 
man  bekanntlich  dieses  unpaare  meist  zweispaltige  Blatt,  das  von  vmten  her  die 
Mundöffnung  deckt,  Unterlippe  zu  nennen  und  das  würde  wohl  auch  für  die  Insecten 
der  zutreffendste  Name  sein,  wenn  derselbe  hier  nicht  unpassender  Weise  an  das 
zweite  Kieferpaar  vergeben  wäre.  —  Auffallend  ist  die  Aehnlichkeit  zwischen 
Oberlippe  und  Zunge  bei  den  jüngsten  Larven  von  Anoplotermes  pacificus 
(Fig.  26,  27);  beginnt  man  das  Rohr  des  Mikroskops  zu  senken,  nachdem  man 
die  Oberlippe  eingestellt,  so  ist  diese  kaum  verschwunden,  wenn  auch  schon  an 
gleicher  Stelle  und  in  täuschend  ähnlicher  Gestalt  die  Zunge  sich  zeigt;  man 
meint  noch  einmal  die  ihrer  Haare  beraubte  Oberlippe  vor  sich  zu  haben. 

Vordere  Kiefer  (Unterkiefer,  maxillae).  Taster  und  äussere  Lade  (Fig.  17, 
18  kt  und  kla)  erscheinen  schon  bei  der  jüngsten  Larve  ziemlich  in  ihrer  späteren 
Gestalt;  an  der  inneren  Lade  (Fig.  18  kli  18^)  sind  die  beiden  starken  Zähne, 
in  die  sich  später  ihre  Spitze  spaltet,  noch  sehr  klein  und  der  breite,  häutige,  am 
Rande  mit  kammartig  geordneten  steifen  Borsten  besetzte  Lappen,  in  welchen 
sich  später  der  untere  Theil  ihres  Innenrandes  ausbreitet,  kaum  angedeutet  und 
nur  mit  ganz  kurzen  Borsten  besetzt.  —  Bei  den  Soldaten  (Fig.  22)  bleiben  an 
beiden  Kieferpaaren  (wie  es  überhaupt  für  die  Termiten  Regel  ist),  die  Laden 
in  ihrem  Wachsthum  gegen  die  Taster  zurück,  sind  aber  in  ihrer  Gestalt  kaum 
von  denen  der  älteren  Larven  und  der  geflügelten  Thiere  verschieden. 

Hintere  Kiefer  (Unterlippe,  labium).  Das  zweite  Kieferpaar,  die  so- 
genannte Unterlippe,  erleidet  während  der  Entwickelung  der  Larve  keine  be- 
merkenswerthe  Veränderung.  Schon  bei  der  jüngsten  Larve  ist  die,  wie  es  scheint, 
allen  Termiten  gemeinsame  Verschiedenheit  zwischen  äusserer  und  innerer  Lade 
(Fig.  18  la  u.  li)  deutlich  ausgeprägt;  die  äussere  Lade  trägt  einzelne  kurze  Borsten; 
die  innere  Lade  ist  in  ihrer  unteren  Hälfte  mit  winzigen,  sehr  kurzen  Börstchen 
bedeckt,  ihr  oberes  Ende  ist  kahl,  zarthäutig  an  der  Spitze  meist  abgerundet,  und 
nahe  der  Spitze  sieht  man  einen  kleinen  dunkelgerandeten  Kreis,  zu  welchem 
man  bisweilen  ein  Nervenfädchen  verfolgen  kann,  oder  an  dessen  Stelle  ein 
zartes  blasses  Haar  (Eutermes),  oder  ein  „Taststiftchen"  (Termes  saliens, 
Arbeiter). 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten.  a-jj 

Die  flügeiförmigen  Fortsätze  (Fig.  28 — 30).  Wir  kommen  nun  zu 
der  auffallendsten  und  wichtigsten  Eigenthümlichkeit  unserer  Larve,  den  flügei- 
förmigen Fortsätzen  der  Vorder-  und  Mittelbrust,  Zunächst  ist  hervorzuheben, 
dass  dieselben  ohne  Frage  vollkommen  gleichwerthige  („homodyname")  Gebilde 
sind.  Beide,  die  Fortsätze  der  Vorderbrust  und  die  der  Mittelbrust,  nehmen  die 
ganze  Seite  der  Rückenplatte  ein,  ragen  wagerecht  nach  aussen,  sind  leicht  ge- 
wölbt; Vorder-  und  Aussenrand  sind  gewölbt  und  stossen  mit  dem  ausgeschw^eiften 
Hinterrande  in  einer  hinterwärts  gerichteten  Ecke  zusammen;  bei  beiden  zeichnen 
sich  unter  den  Haaren  oder  Borsten  des  Randes  vier  durch  ihre  Grösse  aus;  bei 
beiden  zieht  sich  am  Rande  hin  ein  nicht  von  besonderen  Wänden  begrenzter 
Kanal;  beide  scheinen  ausserdem  von  unregelmässigen  Kanälen  oder  Lücken 
durchzogen  zu  sein.  Unter  der  grossen  Zahl  junger  Larven,  die  ich  lebend  be- 
obachtete, sah  ich  nur  bei  einer  diese  Lücken  in  den  Fortsäzen  der  Mittelbrust 
von  einem  ziemlich  reichen  Blutstrom  durchzogen;  zahlreiche  Körnchen  (Blut- 
körperchen ?)  1)  traten  in  den  Randkanal  ein  am  Anfang  des  hinteren  Randes, 
umkreisten  zum  Theil,  im  Randkanal  fortgehend  den  Fortsatz,  während  andere  in 
unregelmässigen  Bahnen  ihn  durchsetzten  und  traten  vorn  am  Ende  des  Randkanals 
in  den  Leib  zurück. 

So  ähnlich  die  Fortsätze  der  Vorder-  und  die  der  Mittelbrust  bei  den  jüngsten 
Larven  sind,  so  verschieden  sind  ihre  späteren  Schicksale. 

Die  Fortsätze  der  Vorderbrust  unterliegen  einer  rückschreitenden  Umwandlung; 
sie  bleiben  im  Wachsthum  zurück  und  werden  geradezu  kleiner  bei  späteren 
Häutungen.  Ist  anfangs  die  Vorderbrust  mit  ihren  Fortsätzen  doppelt  so  breit 
als  der  Kopf,  so  ist  sie  schon  bei  Larven  mit  1 1  Fühlergliedern  nur  noch  etwa 
anderthalbmal  so  breit.  Dabei  ändert  sich  ihre  Gestalt  in  der  Weise,  dass  die 
nach  hinten  gerichtete  Ecke  sich  mehr  und  mehr  abrundet  und  schwindet,  so  dass 
endlich  der  Hinterrand  der  Vorderbrust  mit  dem  Aussenrande  der  Fortsätze  einen 
durch  keine  Aendervmg  der  Krümmungsrichtung  unterbrochenen  Bogen  bildet 
(Fig.  6).  Schliesslich  bleibt  von  ihnen  nur  ein  schmaler,  etwas  herabgebogener 
Saum  übrig,  wie  ihn  auch  andere  Calotermes-Arten  besitzen. 

Die  Fortsätze  der  Mittelbrust  scheinen,  wenn  man  die  Thiere  nur  oberflächlich 
von  oben  betrachtet,  noch  rascher  zu  schwinden,  als  die  der  Vorderbrust  (Fig.  6), 
Sieht  man  genauer  zu,  so  findet  man,  dass  sie  sich  (bei  Larven  mit  1 1  bis  12  Fühler- 
gliedern), nach  unten  und  hinten  biegen,  dicht  dem  Leibe  anlegen  und  weiter- 
wachsend sich  zu  den  Vorderflügeln  entwickeln.  Schon  sehr  frühe  und  ehe  sich 
noch  ihre  ursprüngliche  Gestalt  und  Behaarung  wesentlich  ändert,  sieht  man,  als 
erste  Anfänge  der  späteren  Flügeladern,  Luftröhren  in  sie  hineinwachsen.  Schon 
bei  Larven  mit  10  Fühlergliedern  (zweite  Altersstufe)  sah  ich  zwei  noch  ganz 
kurze  Luftröhren.  Bei  Larven  mit  1 1  Fühlergliedern  findet  man  diese  Luftröhren 
bereits  vollzählig  (Fig.  2g),  nämlich  drei,  die  der  Subcosta,  Mediana  und  Sub- 
mediana  (nach  Hagen's  Bezeichnung)  entsprechen.  Die  Randader  (Costa)  erhält 
keine  Luftröhre;  sie  entsteht  aus  dem  Randkanal  des  Fortsatzes.    (Vergl.  die  Ver- 

i)  Bei  Krusterlarven  ist  es  mir  wiederholt  begegnet,  dass  ich  an  einzelnen  Thieren  den  Kreislauf 
bequem  verfolgen  konnte,  während  im  Blute  der  Mehrzahl  geformte  Bestandtheile  fast  vollständig  fehlten 
und  in  einigen  Fällen  konnte  ich  mich  überzeugen,  dass  bei  ersteren  nicht  Blutkörperchen,  sondern 
schmarotzende  Infusorien  mit  dem  Blute  kreisten. 


.  _  ,  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 

theilung  der  Luftröhren  in  einem  ausgewachsenen  Flügelansatz  des  Calotermes 
Hagen ii,  Fig.  49.) 

Die  anfangs  sehr  winzigen  Fortsätze  der  Hinterbrust  holen  allmählich  die 
der  Mittelbrust  ein  und  sind  schliesslich  von  ihnen  nur  durch  eine  etwas  ver- 
schiedene Anordnung  der  Luftröhren  zu  unterscheiden.  Bei  erwachsenen  Larven 
reichen  die  Flügelansätze  der  Hinterbrust  bis  zum  Ende  des  zweiten  Hinterleibs- 
ringes. (Fig.  10,  von  Calotermes  Hagenii,  der  sich  hierin  ganz  wie  Calo- 
termes rugosus  und  andere  Calotermes  verhält.) 

Die  seitliche  Lage  der  Flügelansätze  unterscheidet  die  Larven  der  Calo- 
termes von  denen  der  Termes,  Eutermes  und  Anoplotermes  (Fig.  11), 
bei  welchen  sie  dem  Rücken  aufliegen.  Bei  letzteren  Gattungen  verlängern  sich 
in  der  letzten  Zeit  des  Larvenlebens  (bei  den  sogenannten  Nymphen)  die  Flügel- 
scheiden bedeutend,  so  dass  sie  fast  bis  zum  Ende  des  Hinterleibes  reichen;  bei 
Calotermes  findet  eine  solche  Verlängerung  nicht  statt,  dagegen  eine  sehr 
merkliche  Verdickung. 

Bei  den  Soldaten  des  Calotermes  rugosus  schwinden  auch  die  Flügel- 
fortsätze der  Mittelbrust,  wie  die  der  Vorderbrust,  bis  auf  einen  schmalen,  nach 
hinten  etwas  breiteren  Saum  (Fig,  7,  8).  Diese  verkümmerten  Flügelfortsätze  der 
Soldaten  von  Calotermes  rugosus  (Fig.  30)  sind  bei  aller  Unscheinbarkeit 
recht  merkwürdige  Gebilde.  Einerseits  verrathen  noch  die  vier  Borsten  ihres 
Randes  ihre  Herkunft  aus  den  ansehnlichen  flügeiförmigen  Fortsätzen  der  jungen 
Larven,  andererseits  lässt  der  Verlauf  ihrer  Luftröhren  nicht  nur  die  Gattung 
Calotermes  erkennen  (an  dem  langen  Aste,  den  die  Subcosta  (sc)  ins  Rand- 
feld abgibt),  sondern  beinahe  die  Art  (daran,  dass  sich  kurz  nach  Abgabe  dieses 
Astes  die  Mediana  (m)  an  die  Subcosta  (sc)  anlegt;  denn  nur  bei  Calotermes 
rugosus  und  nodulosus  findet  eine  ähnliche  Verbindung  dieser  beiden 
Adern  statt). 

Suchen  wir  die  eben  dargelegten  „ontogenetischen"  Thatsachen  für  die  Ur- 
geschichte (Phylogenie)  der  Insecten  zu  verwerthen. 

Die  flügeiförmigen  Fortsätze  der  jüngsten  Larven  von  Calotermes  rugosus 
sind  nicht  von  diesen  erworben,  sondern  von  ihren  Vorfahren  ererbt  worden.  Die 
Fortsätze  der  Vorder-  und  die  der  Mittelbrust  sind  gleichwerthige  Gebilde.  — 
Aus  den  Fortsätzen  der  Mittelbrust  entwickeln  sich  die  Vorderflügel.  —  Fassen 
wir  diese  drei,  wie  mir  scheint,  unanfechtbaren  Sätze  zusammen,  so  ergibt  sich 
als  Antwort  auf  die  Frage  nach  der  Herkunft  der  Insectenflügel : 

i)  Die  Flügel  der  Insecten  sind  nicht  aus  „Tracheenkiemen"  entstanden^). — 
Die  flügeiförmigen  Fortsätze  der  jüngsten  Larven  sind  gerade  die  einzigen  Theile, 
denen  Luftröhren  vollständig  fehlen,  während  sie  im  ganzen  übrigen  Leibe  reich- 
lich entwickelt  sind  (s.  u.). 

2)  Die  Flügel  der  Insecten  sind  entstanden  aus  seitlichan  Fortsätzen  der 
Rückenplatten  der  betreffenden  Leibesringe.  —  Aehnliche  Fortsätze  treten  in 
grosser  Zahl  und  Mannichfaltigkeit  bei  den  Krustern  auf,   den  ganzen  Leib  oder 


i)  Eine  ausführliche  Besprechung  der  Ansicht  Gegenbaur's,  dass  das  geschlossene  Tracheensystem 
vieler  Insectenlarven  als  Vorläufer  des  nach  aussen  communicirenden  zu  betrachten  sei,  und  dass  die  Flügel 
der  Insecten  aus  Tracheenkiemen  hervorgegangen,  behalte  ich  mir  für  eine  andere  Gelegenheit  vor. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten.  aj  -i 

Theile  desselben  schildförmig  deckend  oder  schalenartig  umschliessend.  Falls  also, 
was  allerdings  noch  des  Beweises  bedarf,  die  Insecten  von  Krustern  abstammen, 
würde  man  die  Flügel  der  ersteren  als  den  Seitentheilen  des  Rückenschildes  der 
letzteren  entsprechende  Bildungen  ansehen  dürfen. 

Welche  Verrichtung  den  flügeiförmigen  Fortsätzen  oblag,  mit  denen  die 
Vorfahren  der  Termiten  ausgestattet  waren,  darüber  lassen  sich  natürlich  für  jetzt 
nur  ganz  unsichere  Vermuthungen  aussprechen.  —  Der  Uebergang  vom  Leben 
im  Wasser  zum  Leben  in  trockener  Luft  ist  jedenfalls  durch  den  Aufenthalt  an 
feuchten  Orten  vermittelt  worden.  Die  Gestalt  unserer  jüngsten  Larven  würde 
nun  ganz  wohl  gepasst  haben  für  den  Aufenthalt  zwischen  feuchtem  moderndem 
Laube.  Hier  oder  an  ähnlich  feuchten  Orten  dürften  die  flügeiförmigen  Fortsätze 
in  ähnHcher  Weise  der  Athmung  gedient  haben,  wie  die  seitlichen  Fortsätze  der 
Rückenplatte  (die  „Seitentheile  des  Panzers")  bei  Zoea  und  Tanais.  Für  diese 
Deutung  der  flügeiförmigen  Fortsätze  als  Athmungswerkzeuge  in  feuchter  Luft 
dürfte  namentlich  auch  ihr  vollständiger  und  bei  ihrer  Grösse  sehr  auffälliger 
Mangel  an  Luftröhren  anzuführen  sein.  Denn  wenn  später  neben  ihnen  und  mit 
der  Zeit  sie  vollständig  ersetzend,  sich  die  Athmung  durch  Luftröhren  ausbildete, 
und  wenn  diese  auch  sonst  überallhin  im  Leibe  sich  verzweigten,  so  blieben  sie 
doch  natürlich  jenen  Flügelfortsätzen  fern,  so  lange  diese  selbst  in  anderer  Weise 
die  Athmung  vermittelten.  Erst,  als  sie  einer  anderen  Verrichtung  dienstbar 
wurden,  zu  Flügeln  sich  umwandelten,  erhielten  auch  sie  Luftröhren,  wie  wir  es 
noch  heute  an  diesen  Urflügeln  der  Mittelbrust  bei  Calotermes  rugosus  sehen. 

Beine  (Fig.  31  —  35).  Die  vier  Fussglieder  sind  bereits  bei  den  jüngsten 
Larven  deutlich  geschieden ;  die  Sohle  der  beiden  ersten  springt  noch  nicht  nach 
unten  vor  (Fig.  31),  wie  es  auch  später  (Pig.  34,  35)  nur  in  massigem  Grade  bei 
Calotermes,  meist  in  weit  höherem  Grade  bei  den  übrigen  hiesigen  Termiten 
der  Fall  ist.  Die  drei  Enddornen  der  Schienen,  anfangs  fehlend  oder  kaum  an- 
gedeutet, treten  sehr  zeitig  als  winzige  Höckerchen  auf,  erreichen  aber  erst  bei 
den  ausgewachsenen  Larven  ihre  volle  Grösse.  Der  Haftlappen  zwischen  den 
Fussklauen  (Fig.  35  h)  fehlt  den  Larven  und  Soldaten.  —  Das  Merkwürdigste  an 
den  Beinen  der  Termiten  ist  ein  Gebilde,  das  in  den  Schienen  aller  Beine  bei  allen 
Ständen  aller  mir  bekannten  Arten  vorkommt  und  dessen  Lage  meist  schon 
äusserlich  an  einem  queren  Eindruck  etwas  unterhalb  des  Kniees,  an  der  Streck- 
seite der  Schiene  zu  erkennen  ist.  Dasselbe  bildet  einen  birn-  oder  flaschen- 
förmigen,  seltener  fast  kugligen  Körper,  der  mit  kurzem  Stiel  oder  Hals  an  der 
bezeichneten  Stelle  mit  der  Wand  der  Schiene  verbunden  ist.  Es  scheint  ner- 
vöser Natur  zu  sein  und  erinnert  in  seiner  Lage  an  das  Hörorgan  der  Laubheu- 
schrecken; mein  Mikroskop  genügt  nicht,  um  eine  befriedigende  Einsicht  in 
seinem  feineren  Bau  zu  gewinnen.  Die  aus  dem  Schenkel  in  die  Schiene  ein- 
tretende Luftröhre  spaltet  sich  sofort  in  zwei  Aeste,  die  sich  in  der  Mitte  oder 
gegen  das  Ende  der  Schiene  wieder  vereinigen  und  von  denen  der  eine  in  der 
Gegend  des  fraglichen,  ihm  dicht  anliegenden  Gebildes  blasig  anschwillt.  Diese 
Anschwellung  der  Luftröhre  fehlt  noch  bei  den  jüngsten  Larven  des  Calotermes 
rugosus  (Fig.  32). 

In  der  Regel  besteht  bei  den  Termiten  kein  erheblicher  Unterschied  zwischen 
den  Beinen  desselben  Thieres  (die  Hinterbeine  sind  etwas  länger,  die  Vorderbeine 


,- .  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 

bisweilen  abweichend  beborstet);  nur  bei  den  Arbeitern  von  Anoplotermes 
pacificus  ist  die  ganze  Vorderschiene  merkUch  verbreitert  und  die  Anschwellung 
der  Luftröhre  erstreckt  sich  bis  fast  an's  Ende  derselben  (Fig.  36). 

Hinterleib.  Ueber  die  Fonn Wandlungen  des  Hinterleibes  ist  nur  zu 
sagen,  dass  er  sich  allmählich  mehr  und  mehr  der  Walzenform  nähert,  wie  sie 
für  die  erwachsenen  Larven  und  Soldaten  von  Calotermes  bezeichnend  ist. 
Wann  der  Unterschied  zwischen  Männchen  und  Weibchen  in  der  Bildung  der 
achten  Bauchplatte  des  Hinterleibes  zuerst  sich  bemerklich  macht,  kann  ich  nicht 
sagen,  da  ich  nicht  darauf  geachtet  habe. 

Aus  gleichem  Grunde  kann  ich  nicht  über  etwaige,  jedenfalls  unerhebliche 
Veränderungen  des  Rückengefässes  und  des  Nerve ns3^stems  berichten. 

Verdauungswerkzeuge.  Darmrohr.  Die  enge  Speiseröhre  der 
jüngsten  Larve  von  Calotermes  rugosus  erweitert  sich  in  der  Mitte  der 
Brust  allmählich,  um  ohne  scharfe  Grenze  in  den  spindelförmigen  Vormagen 
(Fig.  38  vm)  überzugehen,  der  in  der  Nähe  seines  hinteren  Endes  mit  einem 
Kranze  von  Kauleisten  (Fig.  38  kl,  Fig.  40,  41)  versehen  ist.  Der  Vormagen 
liegt  nicht  in  der  Mittellinie,  sondern  ist  schief  nach  links  und  hinten  gerichtet 
(Fig.  6  vm)  und  reicht  bis  in  den  dritten  Hinterleibsring.  Sein  Ende  ist  meist 
ziemlich  stark  in  den  Anfang  des  folgenden  Darmabschnittes,  des  Magens  oder 
Mitteldarmes,  eingestülpt.  Der  Mitteldarm  (Fig.  38  md)  wendet  sich  nach  oben, 
läuft  dicht  unter  der  Rücken  wand  des  dritten  Hinterleibringes  nach  rechts  und 
wenig  nach  vorn,  um  dann  wieder  nach  links  und  unten  umzubiegen ;  er  bildet 
so  eine  fast  vollständige  Schlinge,  und  das  durch  die  Einmündung  der  Harn- 
gefässe  bezeichnete  Ende  liegt  seinem  Anfange  nahe.  Hinter  der  Einmündung 
der  Harngefässe  erweitert  sich  der  Darm  zu  einem  kugligen  Sack  oder  Blind- 
darm (Fig.  38  bd),  dessen  Eingang  und  Ausgang  nahe  beisammen  liegen;  der 
nun  folgende  dünnere  Theil  des  Enddarmes  (Fig.  38  ed)  beschreibt  einen  kurzen 
nach  vorn  gerichteten  Bogen  und  läuft  dann  anfangs  an  der  rechten  Seite,  zuletzt 
in  der  Mittellinie  nahe  der  Rückenwand  nach  hinten  und  endet  mit  einem  kurzen 
erweiterten  Endstück.  Schon  sehr  zeitig,  sobald  die  Kinnbacken  erhärtet  sind, 
findet  man  Holz  im  Darme. 

Der  anfangs  kuglige  Blinddarm  nimmt  rasch  an  Grösse  zu  und  füllt  schon 
bei  halbwüchsigen  Larven  den  grösseren  Theil  des  Hinterleibes,  vom  dritten 
Ringe  an  bis  fast  an's  Ende,  in  seiner  ganzen  Breite  aus.  Bei  den  Soldaten 
scheint  sein  Umfang  wieder  etwas  abzunehmen,  und  in  höherem  Grade  ist  dies 
bei  den  geflügelten  Männchen  und  Weibchen  der  Fall. 

Während  die  übrigen  Arten  der  Gattung  Calotermes  in  dieser  Beziehung 
mit  Calotermes  rugosus  übereinstimmen,  zeigen  dagegen  die  Arten  der 
Gattungen  Termes,  Eutermes,  Anoplotermes  eine  so  überraschende 
Mannichfaltigkeit  im  Baue  ihres  Darmrohres,  wie  sie  vielleicht  nirgends  sonst 
innerhalb  eines  Kreises  äusserlich  so  ähnlicher  Thiere  sich  findet.  Allen  hiesigen 
Arten  gemeinsam  und  sie  von  Calotermes  unterscheidend  ist  die  Gestalt  des 
Vormagens  (Fig.  39  vm),  dessen  linke  Seitenwand  verkürzt,  die  rechte  kuglig 
aufgetrieben  ist,  so  dass  Eingang  und  Ausgang  nicht  mehr  einander  gegenüber- 
liegen,  sondern   ersterer   vorn,   letzterer   links.     Bisweilen   ist   der   mit  Kauleisten 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten.  ^y  e 

bewehrte  Endabschnitt  ziemlich  scharf  abgesetzt,  so  dass  man  mit  Hagen  den 
Vormagen  in  Kropf  und  Kaumagen  scheiden  könnte. 

Die  Kauleisten  (Fig.  40,  41)  sind  bei  den  allerjüngsten  Larven  des  Calo- 
termes  rugosus  noch  weich  und  farblos  und  deshalb  leicht  zu  übersehen. 
Doch  bräunen  sie  sich,  wie  der  Rand  der  Kirnbacken,  sehr  zeitig,  noch  ehe  die 
Zahl  der  Fühlerglieder  wächst;  und  gerade  solche  junge  Larven  sind  dann  be- 
sonders geeignet,  ein  klares,  übersichtliches  Bild  derselben  zu  geben.  Man  unter- 
scheidet sechs  Kauwülste  erster  Ordnung  {kw  I),  die  aus  einem  schmalen  aber 
höheren  vorderen  und  einem  flacheren  kreisförmig  verbreiterten  hinteren  Theile 
bestehen ;  letzterer  bleibt  farblos ;  die  gleichlaufenden  Ränder  des  vorderen  Theiles 
werden  durch  dunklere  harte  Leisten  gebildet.  —  Mit  diesen  ersten  sechs  wechseln 
sechs  Kauwülste  zweiter  Ordnung  [kw  II)  ab,  von  jenen  durch  den  Mangel  der 
grossen  flachen  Scheibe  am  hinteren  Ende  unterschieden  und  endlich  wechseln 
mit  diesen  zwölf  grösseren  wieder  zwölf  bedeutend  kleinere  Kauwülste  dritter 
Ordnung  {kw  III)  ab.  —  Obwohl  im  Einzelnen  bei  verschiedenen  Arten  von 
Termes  und  Eutermes  ziemlich  verschieden  gestaltet,  lassen  sich  deren  Kau- 
leisten doch  alle  auf  die  von  Calotermes  als  ihre  Grundform  zurückführen, 
wobei  die  sechs  überall  deutlich  entwickelten  blassen  Endscheiben  einen  bequemen 
Anhaltspunct  bieten.  Der  soldatenlosen,  Erde  fressenden  Gattung,  Anoplotermes 
fehlen  die  Kauleisten. 

Speicheldrüsen  (Fig.  42).  Nach  den  Angaben  Hagen's  über  Termes 
bellicosus^)  würden  erhebliche  Verschiedenheiten  im  Bau  der  Speicheldrüsen 
bei  den  verschiedenen  Ständen  derselben  Art  bestehen ;  ich  habe  solche  nirgends 
bei  den  von  mir  untersuchten  Arten  gefunden.  Die  Termiten  scheinen  allgemein 
zwei  sehr  ansehnliche  Speicheldrüsen  zu  besitzen,  die  ihrer  Hauptmasse  nach  im 
Anfang  des  Hinterleibes,  rechts  vom  Vormagen  zu  liegen  pflegen,  sowie  zwei 
grosse  dünnhäutige  Speichelblasen,  die  nach  hinten  noch  über  die  Speicheldrüsen 
hinausragen.  In  der  dünnen  Wand  der  Speichelblasen  konnte  ich  nie  eine  Spur 
von  drüsigem  Bau  gewahren.  Die  Speicheldrüse  bildet  bald  eine  zusammen- 
hängende tiefgelappte  Masse,  wie  bei  Calotermes,  bald  ist  sie  mehr  weniger 
vollständig  in  einzelne  rundliche,  den  Endzweigen  des  baumförmig  verästelten  Aus- 
führungsganges aufsitzende  Theile  zerfallen.  Der  Speichelblasengang  (Fig.  42  sbg) 
liegt  nach  aussen  vom  Speicheldrüsengang  (sdg);  er  ist  weiter,  aber  viel  dünn- 
wandiger, als  letzterer.  Die  innerste  Haut  beider  Gänge  zeigt  quere  (wahrschein- 
lich wie  in  den  Luftröhren  schraubenförmige)  Linien,  wie  sie  ja  auch  in  den 
Speichelgängen  anderer  Insecten,  z.  B.  der  Bienen,  auftreten.  Der  Speichelblasen- 
gang mündet  unter  spitzem  Winkel  in  den  Speicheldrüsengang  seiner  Seite  meist 
erst  beim  Eintritt  oder  nach  dem  Eintritt  in  den  Kopf.  Der  rechte  und  der 
linke  Speichelgang  münden  entweder  getrennt,  dicht  neben  einander,  am  Grunde 
der  Zunge,  wie  bei  Termes  Lespesii  und  saliens  (Fig.  43),  oder  sie  ver- 
einigten sich  zu  einem  unpaaren,  bei  Calotermes  (Fig.  18  sg)  ziemlich  langen 
Gange.  Bei  Termes  bellicosus,  der  auch  im  Bau  der  Soldaten  die  Mitte 
hält  zwischen  Calotermes  und  Termes  Lespesii,  zeichnet  Hagen  ^)  einen 
ganz  kurzen  unpaaren  Speichelgang. 

i)  Linnaea  entomol.  XII,  S.  302. 

2)  Peters'  Naturw.  Reise  nach  Mossambique.     Insecten.     Taf.  III  Fig.   i8l>. 


Ajf)  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 

Schon  bei  den  jüngsten  Larven  von  Calotermes  rugosus  zeigen  sich 
an  den  Speicheldrüsen  die  Eigenthümlichkeiten  ihrer  Gattung  vollständig  aus- 
geprägt. Man  kann,  wenn  man  diese  Larven  von  der  Unterseite  betrachtet,  von 
der  Mitte  der  Unterlippe  aus  (Fig.  i8)  den  unpaaren  Speichelgang  (sg)  nach 
hinten  verfolgen  bis  zu  seiner  Entstehung  aus  den  beiden  seitlichen  Speichel- 
gängen und  diese  weiter  bis  über  die  Stelle  hinaus,  wo  sich  Speichelblasengang 
{sbg)  und  Speicheldrüsengang  {sdg)  vereinigen. 

Harngefässe.  Die  jüngste  Larve  besitzt  vier  Harngefässe;  doch  bald 
sieht  man  neben  ihnen  ein  drittes  Paar  hervorsprossen  und  bei  einer  Larve  etwa 
vom  Alter  der  Fig.  5  gezeichneten  fand  ich  bereits  die  volle  Zahl,  nämlich  acht, 
von  denen  jedoch  vier  kürzer  und  erst  kaum  halb  so  weit  waren,  als  die  vier 
älteren.  Bei  vielen  Arten  von  Termes  und  ebenso  bei  Eutermes  und  Ano- 
plotermes  bleibt  die  Zahl  der  Harngefässe  zeitlebens  auf  vier  beschränkt. 

Athemwerkzeuge  (Taf .  XLIII).  Ueber  die  Luftröhren  der  Termiten  liegen 
nur  sehr  dürftige  und  selbst  in  Betreff  der  Zahl  und  Lage  der  Luftlöcher  nicht 
übereinstimmende  Angaben  vor. 

Die  Luftröhren  sind  schon  bei  den  jüngsten  Larven  des  Calotermes  ru- 
gosus  wohl  entwickelt  und  gerade  bei  ihnen  leichter  als  in  späterer  Zeit  im  Zu- 
sammenhange zu  überblicken.  Es  sind  10  Paar  Luftlöcher  vorhanden,  zwei  in 
der  Brust,  acht  im  Hinterleibe.  Das  erste  Paar  liegt  zwischen  Vorder-  und  Mittel- 
brust, das  zweite  zwischen  Mittel-  und  Hinterbrust.  Zwischen  Hinterbrust  und 
erstem  Hinterleibsringe  finden  sich  keine  Luftlöcher.  Die  übrigen  acht  Paare 
liegen  am  Rande  der  acht  ersten  Rückenplatten  des  Hinterleibes. 

Die  Verästelung  der  von  den  Luftlöchern  der  Brust  entspringenden  Luft- 
röhren, welche  starke  Aeste  in  den  Kopf,  andere  in  die  Beine  abgeben,  ist  eine 
sehr  verwickelte;  ich  habe  sie  nicht  vollständig  entwirren  können  (vgl.  Fig.  48, 
von  der  jüngsten  Larve  einer  anderen  Calotermes-Art).  In  die  flügeiförmigen 
Fortsätze  der  Vorder-  und  Mittelbrust  treten  während  der  ersten  Altersstufe  keine 
Luftröhren,  in  die  der  Vorderbrust  auch  später  nicht. 

Die  Luftlöcher  des  Hinterleibes  führen  zunächst  in  ein  kurzes  Sförmig  ge- 
bogenes blindes  Rohr  (Fig.  44  s),  das  vor  der  Mitte  ein  ganz  kurzes  Aestchen 
hat  Etwa  in  der  Mitte  dieses  blinden  Rohres,  oder  noch  vor  derselben  ent- 
springt der  Stamm  der  Luftröhren,  der  jetzt,  in  frühester  Jugendzeit,  bedeutend 
enger  ist,  als  das  Sförmige  Rohr.  Der  Stamm  der  Luftröhren  theilt  sich  bald  in 
einen  Bauch-  und  einen  Rückenast  (6  und  r),  und  jeder  von  diesen  wieder  in 
einen  vorderen  und  einen  hinteren  Zweig  {bv,  bh;  rv,  rh);  ersterer  verbindet  sich 
mit  dem  hinteren  Zweige  des  vorhergehenden,  letzterer  mit  dem  vorderen  Zweige 
des  folgenden  Paares.  So  wird  jederseits  sowohl  auf  der  Rücken-,  wie  auf  der 
Bauchseite  ein  im  Zickzack  verlaufendes  Längsrohr  hergestellt,  von  welchem  in 
jedem  Ring  ein  nach  der  Mittellinie  sich  wendender  Querzweig  {bq,  rq)  abgeht. 
Der  Bauchast  ist  bis  zur  Theilung  kürzer  als  der  Rückenast;  bei  jenem  ist  der 
vordere,  bei  diesem  der  hintere  Zweig  der  längere.  —  Der  quere  Zweig  des 
Rückens  [rq)  verästelt  sich,  ohne  weitere  Verbindungen  mit  anderen  einzugehen, 
und  scheint  namentlich  das  Rückengefäss  zu  versorgen.  Der  quere  Zweig  des 
Bauches  Ihq)  verbindet  sich  mit  dem  der  anderen  Seite  und  sendet  in  der  Nähe 
der   Mittellinie   einen  Längszweig   (/)    nach   vorn,   einen    anderen  nach  hinten  zur 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten.  a']'] 

Verbindung  mit  dem  davor  und  dem  dahinter  liegenden  Querzweige.  Es  wird 
auf  diese  Weise  in  der  Mitte  der  Bauchseite  eine  Leiter  von  Luftröhren  gebildet, 
zwischen  deren  Sprossen  die  Bauchnervenknoten  liegen,  welche  ihre  Luftröhren  (w), 
eine  von  rechts,  eine  von  links,  aus  der  hinter  ihnen  liegendeti  Sprosse  der  Leiter 
empfangen.  —  Von  der  Vertheilung  der  Luftröhren  an  das  Darmrohr  habe  ich 
kein  zusammenhängendes  Bild  erhalten. 

Die  spätere  Entwickelung  bringt  nur  insofern  eine  Aenderung  in  den  eben 
geschilderten  Verhältnissen  der  Athem  werk  zeuge  hervor,  als  das  Sförmige  blinde 
Rohr  fast  gar  nicht  weiter  wächst  und  daher  schliesslich  weit  enger  ist,  als  die 
von  ihm  ausgehenden  I>uftröhren.  Man  vergleiche  die  bei  gleicher  Vergrösserung 
gezeichneten  Figuren  46  und  47,  von  denen  erstere  der  jüngsten  Larve,  letztere 
dem  geflügelten  Weibchen  des  Calotermes  rugosus  entnommen  ist.  Der 
frühe  Stillstand  im  Wachsthum  des  Sförmigen  Rohres,  sein  winziger  Umfang 
beim  erwachsenen  Thiere,  scheinen  darauf  hinzuweisen,  dass  dasselbe  ein  aus 
entlegener  Vorzeit  ererbtes,  für  die  heutigen  Termiten  fast  oder  völlig  nutzloses 
Gebilde  ist.  — 

Mit  Calotermes  rugosus  stimmen,  soweit  meine  Erfahrung  reicht,  alle 
übrigen  Arten  der  Gattung  in  der  Anordnung  der  Luftröhren  überein.  Auch  bei 
allen  übrigen  Termiten  scheint  Zahl  und  Lage  der  Luftlöcher  stets  dieselbe  zu 
sein ;  das  Sförmige  blinde  Rohr  scheint  am  Hinterleibe  nirgends  zu  fehlen,  an 
den  beiden  Paaren  der  Brust  nirgends  vorzukommen,  so  wenig  wie  bei  Calo- 
termes. Im  Uebrigen  finden  sich  manche  Verschiedenheiten;  als  Beispiel  der- 
selben gebe  ich  (Fig.  45)  die  Anordnung  der  Luftröhren  im  Hinterleibe  von 
Termes  saliens.  Es  fehlen  hier  die  Längszweige,  durch  welche  bei  Calo- 
termes die  Leiter  in  der  Mitte  der  Bauchseite  hergestellt  wird  und  auch  die 
Verzweigung  des  Rückenastes  ist  eine  etwas  abweichende. 


Dem  Calotermes  rugosus  steht  im  geflügelten  Zustande  der  C.  nodu- 
losus  so  nahe,  dass  Hagen  zweifelhaft  blieb,  ob  nicht  ersterer  nur  „eine  varietas 
thorace  nigro  von  C.  no  dulosus  sei"  ^).  Auch  in  ihren  Jugendzuständen  stimmen 
diese  beiden  Arten  darin  überein  und  unterscheiden  sich  von  allen  übrigen  Ter- 
miten dadurch,  dass  die  jüngsten  Larven  flügeiförmige  Fortsätze  an  Vorder-  und 
Mittelbrust  tragen.  Doch  scheint  die  Gestalt  der  Larven  von  Calotermes  no- 
dulosus  (Fig.  9)  schon  eine  weniger  ursprüngliche  zu  sein.  Die  Fortsätze  der 
Mittelbrust  sind  nur  klein  und  schmal,  der  Hinterleib  länger,  weniger  flach,  in 
Mitte  weniger  verbreitert.  —  In  zweifelhaften  Fällen  bieten  diese  augenfälligen 
Verschiedenheiten  der  jüngsten  Larven  ein  bequemes  Mittel,  um  zu  entscheiden, 
ob  man  eine  Gesellschaft  von  Calotermes  rugosus  oder  von  C.  nodulosus 
vor  sich  habe. 

Wünschenswerth  und  wahrscheinlich  lohnend  wäre  die  Verfolgung  der  Ent- 
wickelung der  Termiten  und  besonders  der  Calotermes  im  Ei.  Vielleicht  fiele 
dabei  ein  ähnliches  Streiflicht  auf  den  Ursprung  der  Luftröhren  der  Insecten    — 


i)  Linnaea  entomol.  XII,  S.  63. 


^-g  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 

(das  mehrerwähnte  Sförmige  blinde  Rohr,  von  dem  die  Luftröhren  des  Hinter- 
leibes ausgehen,  erweckt  diese  Hoffnung),  —  wie  es  die  spätere  Entwickelung 
der  Larve  des  Calotermes  rugosus  auf  den  Ursprung  der  Flügel  wirft.  Mir 
selbst  gestattet  mein  Mikroskop  nicht,  eine  solche  Untersuchung  mit  einiger  Aus- 
sicht auf  Erfolg  zu  unternehmen. 
Itajahy,  31.  März   1874. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XL,  XLT,  XLII  und  XLIH. 

Fig.  I — 8.  Calotermes  rugosus  Hag.  Wandlungen  der  äusseren  Ge- 
stalt (8  :  i). 

Fig.  I — 3.  Jüngste  Larve,  mit  9  Fühlergliedem.  3  von  der  Bauchseite ;  die  6  Nerven- 
knoten des  Hinterleibes  schimmern  durch. 

Fig.  4.  Larve  mit  10  Fühlergliedern.  Der  Innenrand  der  Kinnbacken  ist  hart  und 
dunkel   geworden.     Die  Fortsätze    der  Hinterbrust   sind  deutlicher,    der  Hinterleib  länger. 

Fig.  5.  Larve  mit  1 1  Fühlergliedern.  Die  Fortsätze  der  Mittel-  und  Hinterbrust 
haben  sich  herabgebogen  und  liegen  den  Seiten  des  Leibes  an;  der  Hinterleib  nähert 
sich  der  Walzenform ;  die  Schienen  haben  deutliche  Enddornen.  Die  eigenthümliche 
Zeichnung  des  Hinterleibes  ist  durch  das  Durchschimmern  der  in  der  folgenden  Figur 
im  Umrisse  gezeichneten  Theile  bedingt. 

Fig.  6.  Larve  mit  12  Fühlergliedern.  Fühler  im  Verhältniss  viel  kürzer,  als  anfangs. 
Rückenplatte  der  Vorderbrust  kaum  noch  breiter  als  der  Kopf,  ihrer  bleibenden  Gestalt 
sich  nähernd.  Man  sieht  durchschimmern :  das  Rückengefäss  [rg)  in  der  Mittellinie ;  den 
Vormagen  {vm),  von  der  Mittelbrust  aus  schief  nach  links  bis  zum  dritten  Hinterleibsring 
sich  erstreckend;  den  Mitteldarm  {md),  der  im  dritten  Hinterleibsring  einen  Bogen  von 
links  und  hinten  nach  rechts  und  vorn  beschreibt;  den  Blinddarm  {bd),  die  ganze  Breite 
des  Hinterleibes  bis  fast  zum  Hinterrande  der  achten  Rückenplatte  einnehmend,  den 
Enddarm  [ed),  der  anfangs  an  der  rechten  Seite  des  Blinddarms,  dann  über  demselben 
nach  hinten  läuft  und  mit  einer  Erweiterung  endet. 

Fig.  7.    Soldatenlarve. 

Fig.  8.    Soldat. 

Fig.  9.    Jüngste  Larve  von  Calotermes  nodulosus  Hag.  (15:1). 

Fig.  IG.  Erwachsene  Larve  von  Calotermes  Hagenii  F.  M.  (4:1).  Flügel- 
ansätze den  Seiten  anliegend. 

Fig.  II.  Erwachsene  Larve  von  Anoplotermes  pacificusF.  M.  (8:1).  Flügel- 
ansätze dem  Rücken  aufliegend. 

Fig.  12.  Ei  eines  (namenlosen)  Calotermes  aus  Canella  preta  (50:  i).  Z.Ober- 
lippe (labrum).  /  Fühler,  bereits  dreigliedrig.  //.  Kinnbacken  (mandibula).  ///.  Vorderer 
Kiefer  (maxilla).  IV.  Hinterer  Kiefer  (labium).  V — VII.  Vorder-,  Mittel-  und  Hinterbein. 
X  Innerer  Ast  des  vorderen  Kiefers,   oder  Zunge?  — 

Fig.   13 — 16.    Entwickelung  der  Fühler  von  Calotermes  rugosus. 

Fig.  13.   Fühler  der  Larve  Fig.  3  (50:  i) ;  neungliedrig,  drittes  Glied  mit  zwei  Ringfurchen. 

Fig.  14.  Fühler  einer  wenig  älteren  Larve  (50:  i);  zehngliedrig,  drittes  Glied  mit 
einer  Ringfurche. 

Fig.  15.  Fühler  der  Nymphe  (50:  i);  fünfzehngliedrig,  das  dritte  Glied  in  einen  oberen 
beborsteten  und  einen  unteren  borstenlosen  Abschnitt  getheilt.  Beim  geflügelten  Thiere 
trägt  auch  letzerer  Borsten,  die  Fühler  sind  sechzehngliedrig. 

Fig.   16.   Fühler  des  Soldaten  (25  :  i). 

Fig.   17 — 25.    Mundtheile  des  Calotermes  rugosus. 

Fig.  17.  Kopf  der  jüngsten  Larve,  von  oben  (50:  i)  0/ Oberlippe.  Kb  Kinnbacken. 
z  Zunge.  Kt  Kiefertaster.  Kla  Aeussere  Kieferlade,  an  deren  Innenseite  man  die  Spitze 
der  inneren  Lade  sieht.  Lt  Lippentaster,  la  Aeussere,  li  innere  Lade  der  Unterlippe. 
/  Erstes  Glied  des  rechten  Fühlers,     sp  Speiseröhre,     h  Hirn. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten.  47  Q 

Fig.  i8.  Vorderer  und  hinterer  Kiefer  („Unterkiefer  und  Unterlippe")  der  jüngsten 
Larve,  von  unten  (loo:  i).  Buchstaben,  wie  in  Fig.  17,  ausserdem:  kli  Innere  Kiefer- 
lade,    sp  Speichelgang,     sbg  Speichelblasengang,     sdg  Speicheldrüsengang. 

Fig.   i8a.  Innere  Kieferlade,  gequetscht. 

Fig.   19.    Zunge  der  jüngsten  Larve  (50:  i). 

Fig.   20.    Kinnbacken  einer  Larve  mit  zehn  Fühlergliedem,  von  oben  (90  :  i). 

Fig.  21 — 23.    Mundtheile  des  Soldaten  (25:  i).     Buchstaben,  wie  zuvor. 

Fig.  21.    Hintere  Kiefer  („Unterlippe"). 

Fig.  22.    Vorderer  Kiefer  („Unterkiefer"). 

Fig.  23.    Oberlippe.  —  ep.  Epistom. 

Fig.  24.    Zunge  des  geflügelten  Thieres,  von  der  Seite. 

Fig.  25.    Kinnbacken  desselben,  von  oben  (25  :  i). 

Fig.  26.    Zunge        1   ,       .  t  ,        a  ,  ■  c-  ,  ■. 

Fig.  2-].    Oberlippe!  ^®''  J^i^S^ten  Larve  des  Anoplotermes  pacificus  (50  :  i). 

Fig.   28 — 30.    Flügelfortsätze  der  Brust  von  Calotermes  rugosus. 

Fig.  28.  Von  der  jüngsten  Larve  (50:  i).  Ä' Kopf.  F  Vorder-,  71/ Mittel-,  ^  Hinter- 
brust. I — III.  Erste  bis  dritte  Rückenplatte  des  Hinterleibes.  Zwischen  V  und  M'^)  das 
zweite,  an  den  Seiten  von  I — III  drittes  bis  fünftes  Luftloch  der  linken  Seite,  letztere 
drei  mit  dem  S-förmigen  blinden  Rohre. 

Fig.  29.  Von  einer  Larve  mit  elf  Fühlergliedern  (25  :  i).  In  den  Flügelfortsatz  der 
Mittelbrust  treten  Luftröhren  ein,  als  erste  Anlage  der  späteren  Flügeladern,  sc  Subcosta. 
Tu  Mediana,     sm  Submediana. 

Fig.  30.  Verkümmerter  Flügelfortsatz  der  Mittelbrust  des  Soldaten  (25  :  i).  Buch- 
staben, wie  in  Fig.  29. 

Fig.  31 — 35.    Zur  Entwickelung  der  Beine. 

Fig.  31.  Vorderschiene  und  Fuss  der  Fig.  i  gezeichneten  Larve  (90:  i).  Enddomen 
der  Schienen  fehlen.     Fussglieder  deutlich  geschieden. 

Fig.  32.  Theil  der  Vorderschiene  der  jüngsten  Larve  (200:  i).  Die  Luftröhre  theilt 
sich  bei  ihrem  Eintritt  in  die  Schiene  in  zwei  jetzt  noch  gleich  starke  Aeste. 

Fig.  33.  Die  drei  ersten  Fussglieder  des  Mittelbeins  der  jüngsten  Larve,  von  der 
Sohle  (100  :  i). 

Fig.  34.  Vorderschiene  und  Fuss  einer  5  mm  langen  Larve  (90:  i).  Enddomen 
der  Schienen  vorhanden,  der  eine  Ast  der  Luftröhre  aufgetrieben. 

Fig.  35.  Ende  der  Schiene  und  Fuss  vom  Mittelbein  des  geflügelten  Thieres  (100:  i). 
h  Haftlappen  zwischen  den  Fussklauen.  Ir  Luftröhre,  bis  in  den  Haftlappen  zu  verfolgen. 
s  Sehne  des  Beugemuskels. 

Fig.  36.  Vorderschiene  und  Fuss  des  Arbeiters  von  Anoplotermes  pacificus 
F.  M.  (50:  i).     Die  reichliche  Behaarung  ist  weggelassen. 

Fig.  37.  Ende  des  Hinterleibes  der  jüngsten  Larve  von  Calotermes  rugosus, 
von  unten,  a  After,  aa  Afteranhänge  (appendices  anales),  ba  Bauchanhänge  (appendices 
abdominales). 

Fig.  38.  Darmrohr  der  jüngsten  Larve  von  Calotermes  rugosus,  etwas  aus 
seiner  natürlichen  Lage  gezogen  (15  :  i).  vm  Vormagen,  kl  Kauleisten,  md  Mitteldarm 
(Magen),     bd  Blinddarm,     ed  Enddarm,     hg  Hamgefässe. 

Fig.  39.  Vormagen  {vrn)  und  Anfang  des  Mitteldarms  (;«</)  der  Nymphe  von 
Anoplotermes  pacificus  (8:1). 

Fig.  40.  Endstück  des  Vormagens  („Kaumagen")  einer  3  mm  langen  Larve  von 
Calotermes  rugosus  (90:1).  rm  Ringmuskeln,  kw  I,  kw  IL  kw  III,  Kauwülste 
erster,  zweiter  und  dritter  Ordnung. 

Fig.  41.    Ein  Theil    der  Kauwülste,    aus  demselben  Vormagen,  ausgebreitet  (90:  i). 

Fig.  42.  Speicheldrüse  {sd)  und  Speichelblase  {sb)  von  Calotermes  rugosus, 
Soldat  (25  :  i).  sg  Speichelgang,  sbg  Speichelblasengang,  sdg  Speicheldrüsengang.  Ir  In 
der  Speicheldrüse  sich  vertheilende  Luftröhre. 


i)  Zwischen  M  und  H'i  —  Herausgeber. 


aSo  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Termiten. 

Fig.  43.  Zunge  (z)  mit  den  Mündungen  der  Speichelgänge,  von  Ter  m  es  saliens 
F.  M.,  Arbeiter  (45  :  i). 

Fig.  44 — 50.  Vertheilung  der  Luftröhren.  In  allen  Figuren  bedeuten : 
//  Luftloch,  .y  Sförmiges  blindes  Rohr,  d  Bauchast.  dzj  Vorderer,  bk  Hinterer,  ög  Querer 
Zweig  desselben,  r  Rückenast.  r?)  Vorderer,  rk  Hinterer,  rg  Querer  Zweig  desselben. 
/  Längszweige  zwischen  den  Querzweigen  des  Bauchastes.  ;/  Zweige  zu  den  Bauchnerven- 
knoten. 

Fig.  44.  Vertheilung  der  Luftröhren  im  Hinterleibc  von  Calotermes  rugosus 
(Larve). 

Fig.  45.    Dieselbe  von  Termes  saliens  (Arbeiter). 

Fig.  46.  Sechstes  (VI)  und  siebentes  (VII)  Luftloch  des  Hinterleibes  von  der  jüngsten 
Larve  des  Calotermes  rugosus  (100:1).  Das  Sförmige  blinde  Rohr  viel  weiter, 
als  die  von  ihm  abgehenden  Luftröhren. 

Fig.  47.  Sechstes  (VI)  Luftloch  des  Hinterleibes  von  einem  geflügelten  Calotermes 
rugosus  (100:  1).  öz'  VII  Vorderer  Zweig  des  Bauchastes  der  vom  siebenten  Luftloch 
des  Hinterleibes  entspringenden  Luftröhre.  Das  Sförmige  blinde  Rohr  viel  enger,  als 
die  von  ihm  abgehenden  Luftröhren. 

Fig.  48.  Vertheilung  der  Luftröhren  in  der  Brust  der  jüngsten  Larve  eines  (namen- 
losen) Calotermes  aus  Canella  preta  (50:1).  vb  Luftröhre  des  Vorderbeins; 
//b  Luftröhre  des  Hinterbeins. 

Fig.  49.  Vertheilung  der  Luftröhren  im  Flügelansatz  der  Mittelbrust,  von  einer  er- 
wachsenen Larve  des  Calotermes  Hagenii  F.  M.  (25:1).  ri  Randkanal  (später 
Costa  des  Flügels),     sc  Subcosta.     w  Mediana,     sm  Submediana. 

Fig.  50.  Luftloch  am  Rande  der  achten  Rückenplatte  des  Hinterleibes,  von  einem 
geflügelten  Weibchen  des  Termes  saliens  F.  M.  (100:  i).  —  Ich  gebe  diese  Ab- 
bildung, weil  nach  Hagen  die  Termiten  nur  sieben  Paar  Luftlöcher  am  Hinterleibe 
haben  sollen.  — 


Larvae  of  Membracis  serving  as  Mllk-cattle  to  a 
Brazilian  Species  of  Honey-bees^). 

With  3  Figur  es. 

The  connection  between  the  ants  and  the  Aphides  has  long  since  been  gene- 
rally  known;  in  the  proper  season  we  alwa3^s  find  ants  very  busy  on  those  trees 
and  plants  on  which  the  Aphides  abound,  and  if  we  examine  more  closely  we 
discover  that  their  object  in  thus  attending  upon  them  is  to  obtain  the  saccharine 
fluid  which  they  secrete  from  two  setiform  tubes  placed  one  on  each  side  just 
above  the  end  of  the  abdomen,  and  which  may  well  be  denominated  their  milk 
(Kirby  and  Spence,  "Introduction  to  Entomology",  yth  edition,  p.  335).  It  has  also 
long  been  observed  and  described,  that  not  only  do  the  Aphides  yield  this  repast 
to  the  ants,  but  also  the  Cocci,  and  that  in  the  tropical  regions  of  India  and  Brazil, 
where  no  Aphides  occur,  the  ants  milk  the  larvae  of  several  species  of  Cercopis 
and  Membracis  (Kirby  and  Spence,  p.  336;  Westwood,  "Modern  Classification  of 
Insects,"  II.  p.  434).  Recently  Prof.  F.  Delpino,  of  Vallombrosa,  near  Florence, 
observed  the  same  connection  between  Formica  pubescens  and  Tettigometra 
virescens  {"Bolletino  Entomologico",  anno  IV.  Settembre  1872),  But,  as  far  as  I 
know,  it  has  never  been  observed  hitherto  that  honey-bees  also  nourish  themselves 
by  the  secretion  of  certain  hemipterous  insects.  Hence  the  following  Observation, 
made  some  months  ago  by  my  brother,  Fritz  MüUer  (Itajahy,  Prov.  St.  Catherina, 
Brazil)  may  be  worth  Publishing. 

Among  the  great  number  of  species  of  Melipona  and  Trigona  which,  in  the 
tropical  and  subtropical  regions  of  America,  as  is  known,  occupy  the  place  of  our 
hive-bee,  there  is  one  small  species  of  Trigona  which  has  only  once  been  found 
by  my  brother  on  flowers  (of  Sicyos  angulata),  and  which  seems  to  nourish  itself 
in  a  very  stränge  manner.  He  once  found  a  multitude  of  them  spread  over  the 
body,  already  strongly  putrifying,  of  a  large  toad;  the  interior  of  the  large  open 
mouth  of  the  toad  was  filled  with  these  bees,  probably  sucking  the  putrid  juice 
of    the    dead   body.     On    another   occasion   he   saw   a   great  number  of  the  same 


i)  Natiire,    a    weekly    illustrated  Journal  of   Science.    Vol.  VIII.  1873.  Pg-  201 — 202.   Published  by 
Hermann  Müller,  Lippstadt. 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  3^ 


482 


Larvse  of  Membracis. 


species  of    bees   in   the  putrifying   intestines  of  a  hen.     Repeatedly  he  saw  them 
sucking  the  juice  flowing  out  of  trees. 

In  consequence  of  other  observations  this  same  species  of  Trigona  is  supposed 
by  my  brother  to  suck  the  secretion  of  the  larvse  of  a  certain  hemipterous  insect 
belonging  to  the  genus  Membracis,  or  to  a  closely  allied  one.  As  I  do  not  pre- 
cisely  know  the  name  of  this  supposed  milk-cow,  I  here  give  the  illustration  of 
its  larvse  and  imago,  drawn  from  specimens  sent  me  by  my  brother. 


Fig.   I. 


Fig.   2. 


Fig.  3. 


Fig.  I.  Lateral  view  of  larva. 


Fig  2.  Lateral  view  of  imago. 


Fig.  3.  Front  view  of  head  of  imago. 


He  found  the  pedunculi  of  the  flowers  of  Cassia  multijuga  pretty  frequently 
occupied  by  societies  of  larvaä  of  this  species  closely  crowded  together.  Amongst 
these  larvae  there  was  present  a  great  number  of  the  above-mentioned  Trigona, 
marching  all  the  day  long  amongst  and  upon  them.  When  taken  between  the 
fingers,  the  larvse  of  Membracis  immediately  emitted  a  little  drop  of  a  limpid  fluid 
from  the  upward  bent  tip  of  their  abdomen — probably  a  sweet  fluid,  for  the  sucking 
of  which  the  larvse  are  visited  by  the  Trigona. 

Unfortunately  the  specimens  of  this  Trigona,  enclosed  in  a  letter  sent  me 
by  brother,  arrived  here  quite  broken,  so  as  not  to  be  determinable ;  but  in  a 
future  number  of  this  Journal  I  hope  to  be  able  accurately  to  name  both  the 
supposed  milker  and  the  supposed  milk-cow. 


Larvae  of  Membracis  serving  as  Milk-cattle  to  a 
Brazilian  Species  of  Bees^). 

With  4  Figures. 

My  letter  in  Nature,  vol.  viii.  p.  201,  was  incomplete  so  far  as  the  names  of 
the  Brazilian  insects  alluded  to  are  concerned,  but  I  am  now  enabled  acciirately 
to  name  both  the  supposed  milk-cow  and  the  supposed  milker,  With  regard  to 
the  former,  Mr.  Rogenhofer,  of  Vienna,  has  had  the  kindness  to  compare  my 
specimens  of  Membracis  with  the  coUection  in  the  museum  of  that  metropolis, 
and  informs  me  that  my  Membracis  belongs  to  the  genus  Potnia  of  Stäl  ( Umbonia 
of  Fairmaire),  the  species  most  probably  being  indicator  Fairm.  As  to  the  Trigona 
species  referred  to  in  the  above  letter,  I  have  in  the  meantime  received  numerous 
good  specimens,  not  only  a  number  of  workers,  but  also  some  males,  and  even 
one  queen.  Mr.  Frederick  Smith  has  been  good  enough  to  compare  my  specimens 
with  the  collection  in  the  British  Museum,  and  has  found  that  they  belong  to  an 
undescribed  species.  Having  worked  through  the  literature  on  Trigona  and  Meli- 
pona  as  completely  as  possible,  and  after  perusing  the  descriptions  of  about  one 
hundred  species,  not  having  found  a  single  one  of  wich  all  three  kinds  of  indi- 
viduals  are  known,  I  think  it  will  be  welcome  to  the  readers  of  this  Journal  who 
are  interested  in  entomology,  if  I  do  not  restrict  myself  to  merely  mentioning  the 
name  and  diagnostics  of  my  new  Trigona  species,  but  give  a  description  of  its 
workers,  male  and  queen,  adding  a  brief  account  of  its  peculiar  habits  and  economy 
from  my  brother's  (Fritz  Müller)  observations. 

Trigona  cagafogo^). 
Length  of  the  workers  and  males  5 — 5V2.  of  the  queen  6 — 7  mm.  Males  and 
workers  are  almost  alike  in  size,  colour,  and  outline  of  the  body,  and  are  distin- 
guished  from  most  other  species  of  the  same  genus  by  the  breadth  of  their  head 
and  the  narrowness  of  their  abdomen,  which,  in  the  workers,  scarcely  exceeds  half 
the  breadth  of  the  head.  In  the  males  the  abdomen  is  equally  slender,  but  the 
head   somewhat  less  broad ;   in  the  q\ieen  the  head  is  of  the  same  size  and  form 

i)  Nature,  a  weekly  illustrated  Journal  of  Science.  Vol.  X.  1874.  Pg-  3' — S^-  Published  by  Her- 
mann Müller,  Lippstadt. 

2)  I  call  the  species  Cagafogo,  using  the  vemacular  name  for  the  specific  one. 

31* 


484 


Larvae  of  Membracis. 


as   in   the   workers,    but   the   abdomen   is  so  much  dilated  as  to  reach  one  and  a 
half  times  the  breadth  of  the  head. 

The  head,  tegulae,  scutellum,  and  abdomen,  in  all  three  kinds  of  individuals, 
are  ferruginous,  smooth  and  shining,  the  posterior  margins  of  the  vertex,  of  the 
scutellum  and  of  the  last  segments  of  the  abdomen  have  a  black  pubescence ;  the 


Fig.   I.     Cagafogo,  worker  (side  view). 


Fig.  2.     Cagafogo,  male. 


rest  of  the  thorax,  together  with  the  legs,  is  black  with  black  pubescence;  the 
antennae  black,  the  greatest  part  ($)  or  the  whole  (S)  of  the  scape  rufo-piceous, 
the  flagellum  fuscous  beneath.  The  wings  by  far  exceed  the  abdomen ;  the  basal 
portion   and   radical   cell  of  the  anterior  wings  dark  fuscous;   their  apical  portion 


i^=E4i 


Fig.  3.     Cagafogo,  queen. 


Fig.  4.     Cagafogo,  queen  (from  beneath). 


and  the  posterior  wings  subhyaline;  the  stronger  nervures  brown,  the  feeblest 
ones  pale  ferruginous;  no  cubital  cell  at  all.  The  mandibles  with  two  teeth  at 
their  apex.  The  tibise  triangulär,  their  outside  pubescent  from  the  base  to  the 
middle,  towards  the  apex  slightly  excavated,  smooth,  shining,  and  naked.  The 
whole  body  destitute  of  feather-like  hairs.  The  unguiculae  of  the  males  are,  in 
this  as  in  other  Trigona  and  Melipona  species,  two-cleft ;  whilst  those  of  the  workers 
and  females  are  simple.  The  queen,  besides  her  larger  size  and  the  much  dilated 
abdomen,   differs  from   the   workers   by   the   colour   of  the  head  being  somewhat 


Larvse  of  Membracis. 


485 


paler,  the  antennae  longer,  the  thorax  strenger,  its  anterior  and  lateral  margins 
and  two  longitudinal  streaks  rufo  fuscous,  the  anterior  wings  provided  with  a 
completely  closed  cubital  cell,  the  legs  larger  and  more  robust,  especially  the 
anterior  and  middle  tibise  much  thicker,  the  outside  of  the  posterior  tibise  slightly 
convex  and  pubcscent  nearly  as  far  as  the  apex,  the  apex  of  the  posterior  tibise 
bordered  with  partly  feather-like  hairs^). 

The  nests  of  T.  cagafogo,  like  those  of  many  other  species,  are  built  in  hoUow 
trees.  One  of  two  nests  which  my  brother  had  the  opportiniity  of  observing  was 
found  in  a  tree  cut  down  a  long  time  before;  but  its  combs,  lying  in  confusion, 
probably  in  consequence  of  the  direction  of  the  trunk  having  been  altered  by 
felling  the  tree,  showed  that  the  nest  had  probably  been  built  before  the  tree  was 
felled.  In  this  nest,  the  inhabitants  of  which  partly  perished  by  having  been  plas- 
tered over  with  the  honey  which  flowed  from  the  damaged  honey-pots  during  the 
transport,  partly,  as  is  to  be  supposed,  flew  away  afterwards;  besides  a  great 
number  of  workers  and  a  small  number  of  males,  only  a  single  queen  was  found, 
viz.  that  iUustrated  in  Figs.  3  and  4.  The  honey-pots,  of  the  size  of  large  hazel- 
nuts,  were  closely  aggregrated  together.  The  honey  was  of  a  very  viscous  consi- 
stence,  partly  as  clear  as  water,  partly  lighter  or  darker  yellow ;  its  flavour  appeared 
to  my  brother  insipid,  pituitous,  and  somewhat  disagreeable  (the  latter  perhaps,  as 
he  supposes  himself,  because  he  was  conscious  of  the  cagafogos  feeding  upon 
Carrion).  The  brood-combs,  as  with  other  Trigonas,  were  simple  layers  of  hexagonal 
upright  cells.  The  wax,  of  which  both  the  honey-pots  and  the  brood-combs  were 
built,  was  nearly  of  a  pure  white  colour,  but  it  was  mixed  with  such  an  enoumous 
quantity  of  heterogeneous  ingredients  (perhaps  go  per  cent.)  that  the  building 
appeared  of  a  dirty  brown  or  blackish  colour. 

Another  nest,  found  by  my  brother  in  a  trunk  of  Canella  pimenta,  about 
five  meters  above  the  ground,  was  brought  safety  home  after  cutting  down  the 
tree;  but  a  week  afterwards  all  the  inhabitants  had  flown  away. 

The  most  striking  feature  in  the  natural  history  of  this  stingless  bee  is  its 
fondness  for  oily  matters,  and  its  singular  means  of  defence,  connected  with  a 
great  irritabiUty.  As  i  have  already  stated  (vol.  viii.  p.  201)  it  feeds  upon  Carrion; 
and  is  also  fond  of  old  stinking  cheese.  When  visiting  flowers,  it  seems  to  be 
also  guided  by  its  particular  taste;  it  Visits  in  swarms  the  flowers  of  a  bean  with 
glandulär  calyx ;  also  a  white-flowered  Abutilon  and  Sicyos  angulata,  the  flowers 
of  which  are  glandulär  and  secrete  an  oil.  It  was  also  observed  fertilising  the 
flowers  of  Asclepias  curassavica,  milking  the  larvae  of  Membracis,  repeatedly 
sucking  the  juice  flowing  out  of  trees,  and  devouring  the  sugar  spread  to  be  dried. 
Its  singular  means  of  defence  are  indicated  by  the  vernacular  name  Cagafogo 
(spit-fire),  for  although  stingless,  like  all  other  Trigonas  and  Mehponas,  it  possesses 
a  very  intense  venom,  which  causes  a  most  lively  Irritation  in  the  skin.  Whilst 
the  defenceless  species  are  for  the  most  part  very  peaceable,  the  Cagafogos,  on 
the  contrary,  are  so  irritable  that  the  Observation  of  their  nests  proves  impossible, 
unless  cold  weather  or  strong  breezes  from  the  land  keep  them  quiet. 

i)  A  more  füll  and  detailed  description  of  this  and  some  other  new  species  will  be  given  in  a 
separate  treatise  on  Trigona  and  Melipona,  to  be  published  by  my  brother  and  myself. 


Recent  researches  ol  Termites  and  Honey-bees^). 

(From  a  letter  to  Ch.  Darwin.) 

The  accompanying  letter,  just  received  from  Fritz  Müller,  in  Southern  Brazil, 
is  so  interesting  that  it  appears  to  me  well  worth  Publishing  in  Nature.  His  dis- 
covery  of  the  two  sexually  mature  forms  of  Termites,  and  of  their  habits,  is  now 
published  in  Germany;  nevertheless  few  Englishmen  will  have  as  yet  seen  the 
account. 

In  the  German  paper  he  justly  compares,  as  far  as  function  is  concerned, 
the  winged  males  and  females  of  the  one  form,  and  the  wingless  males  and 
females  of  the  second  form,  with  those  plants  which  produce  flowers  of  two 
forms,  serving  different  ends,  of  which  so  excellent  an  account  has  lately  appeared 
in  Nature  by  his  brother,  Hermann  Müller. 

The  facts,  also,  given  by  Fritz  Müller  with  respect  to  the  stingless  bees  of 
Brazil  will  surprise  and  interest  entomologists. 

Feb.  II.  Charles  Darwin. 

"For  some  years  I  have  been  engaged  in  studying  the  natural  history  of 
our  Termites,  of  which  I  have  had  more  than  a  dozen  living  species  at  my  dis- 
position.  The  several  species  differ  much  more  in  their  habits  and  in  their  ana- 
tomy  than  is  generally  assumed.  In  most  species  there  are  two  sets  of  neuters, 
viz.,  labourers  and  soldiers;  but  in  some  species  {Calotermes  Hg.)  the  labourers, 
and  in  others  {Anoploternies  F.  M.)  the  soldiers,  are  wanting.  With  respect  to 
these  neuters  I  have  come  to  the  same  conclusion  as  that  arrived  at  by  Mr.  Bates, 
viz.  that,  differently  from  what  we  see  in  social  Hymenoptera,  they  are  not  modi- 
fied  imagos  (sterile  females),  but  modified  larvse,  which  undergo  no  further  meta- 
morphosis.  This  accounts  for  the  fact  first  observed  by  Lespes,  that  both  the 
sexes  are  represented  among  the  sterile  (or  so-called  neuter)  Termites.  In  some 
species  of  Calotermes  the  male  soldiers  may  even  externally  be  distinguished 
from  the  female  ones.  I  have  been  able  to  confirm,  in  almost  all  our  species, 
the  fact  already  observed  by  Mr.  Smeathman  a  Century  ago,  but  doubted  by 
most  subsequent  writers,  that  in  the  Company  of  the  queen  there  lives  always  a 
king.     The  most  interesting  fact   in   the  natural  history   of   these   curious  insects 

I)  Nature  1874.  Vol.  IX.  p.  308,  309. 


Recent  researches  of  Termites  and  Honey-bees.  a^j 

is  the  existence  of  two  forms  of  sexual  individuals,  in  some  (if  not  in  all)  of  the 
species.  Besides  the  winged  males  and  females,  which  are  produced  in  vast 
numbers,  and  which,  leaving  the  termitary  in  large  swarms,  may  intercross  with 
those  produced  in  other  communities,  there  are  wingless  males  and  females,  which 
never  leave  the  termitary  where  they  are  born,  and  which  replace  the  winged 
males  or  females,  whenever  a  Community  does  not  find  in  due  time  a  true  king 
or  queen.  Once  I  found  a  king  (of  a  species  of  Eutermes)  living  in  Company 
with  as  many  as  thirty-one  such  complemental  females,  as  they  may  be  called, 
instead  of  with  a  single  legitimate  queen.  Termites  would,  no  doubt,  save  an 
extraordinary  amount  of  labour  if,  instead  of  raising  annually  myriads  of  winged 
males  and  females,  almost  all  of  which  (helpless  creatures  as  they  are)  perish  in 
the  time  of  swarming  without  being  able  to  find  an  new  home,  they  raised  so- 
lely  a  few  wingless  males  and  females,  which,  free  from  danger,  might  remain 
in  their  native  termitary;  and  he  who  does  not  admit  the  paramount  importance 
of  intercrossing,  must  of  course  wonder  why  this  latter  manner  of  reproduction 
(by  wingless  individuals)  has  not  long  since  taken  the  place  through  natural 
selection  of  the  production  of  winged  males  and  females.  But  the  wingless  indi- 
viduals would  of  course  have  to  pair  always  with  their  near  relatives,  whilst  by 
the  swarming  of  the  winged  Termites  a  chance  is  given  to  them  for  the  inter- 
crossing of  individuals  not  nearly  related.  I  sent  to  Germany,  about  a  year  ago, 
a  paper  on  this  subject,  but  do  not  know  whether  it  has  yet  been  published. 

"From  Termites  I  have  lately  turned  my  attention  to  a  still  more  interesting 
group  of  social  insects,  viz.,  our  stingless  honey-bees  (Melipona  and  Trigona). 
Though  a  high  authority  in  this  matter,  Mr.  Frederick  Smith,  has  lately  affirmed, 
that  'we  have  now  acquired  almost  a  complete  history  of  their  economy,'  I  still 
believe,  that  almost  all  remains  to  be  done  in  this  respect.  I  think  that  even 
their  affinities  are  not  yet  well  established,  and  that  they  are  by  no  means  inter- 
mediate  between  hive-  and  humble-bees,  nor  so  nearly  allied  tho  them,  as  is 
now  generally  admitted.  Wasps  and  hive-bees  have  no  doubt  independently 
acquired  their  social  habits,  as  well  as  the  habit  of  constructing  combs  of  hexa- 
gonal  cells,  and  so,  I  think,  has  Melipona.  The  genera  Apis  and  Melipona  may 
even  have  separated  from  a  common  progenitor,  before  wax  was  used  in  the  con- 
struction  of  the  cells;  for  in  hive-bees,  as  is  well  known,  wax  is  secreted  on  the 
ventral  side:  in  Melipona  on  the  contrary,  as  I  have  seen,  on  the  dorsal  side  of 
the  abdomen;  now  it  is  not  probable,  that  the  secretion  of  wax,  when  once 
established,  should  have  migrated  from  the  ventral  to  the  dorsal  side,  or  vice  versa. 

"The  queen  of  the  hive-bee  fixes  her  eggs  on  the  bottom  of  the  empty 
cells;  the  larvse  are  fed  by  the  labourers  at  first  with  semi-digested  food,  and 
afterwards  with  a  mixture  of  pollen  and  honey,  and  only  when  the  larvaB  are 
füll  grown,  the  cells  are  closed.  The  Meliponaa  and  Trigonae,  on  the  contrary, 
fill  the  cells  with  semidigested  food  before  the  eggs  are  laid,  and  they  shut  the 
cells  immediately,  after  the  queen  has  dropped  an  egg  on  the  food.  With  hive- 
bees  the  royal  cells,  in  which  the  future  queens  have  to  be  raised,  differ  in 
their  direction  from  the  other  cells;  this  is  not  the  case  with  Melipona  and 
Trigona,  where  all  the  cells  are  vertical'  with  their  orifices  turned  upward,  forming 
horizontal  (or  rarely  spirally  ascending)  combs.     You  know  that   honey   is   stored 


^gg  Recent  researches  of  Termites  and  Honey-bees. 

by  our  stingless  bees  in  large,  oval,  irregularly  clustered  cells;  and  thus  there 
are  many  more  or  less  important  differences  in  the  structure,  as  well  as  in  the 
economy,  of  Apis  and  Melipona. 

"My  brother,  who  is  now  examining  carefully  the  external  structure  of  our 
species,  is  surprised  at  the  amount  of  variability,  which  the  several  species  show 
in  the  structure  of  their  hind  legs,  of  their  wings,  &c.,  and  not  less  are  the  dif- 
ferences they  exhibit  in  their  habits. 

"I  have  hitherto  observed  here  14  species  of  Melipona  and  Trigona,  the 
smallest  of  them  scarcely  exceeding  2  millimetres  in  length,  the  largest  being 
about  the  size  of  the  hive-bee.  One  of  these  species  lives  as  a  parasite  within 
the  nests  of  some  other  species.  I  have  now,  in  my  garden,  hives  of  4  of  our 
species,  in  which  I  have  observed  the  construction  of  the  combs,  the  laying  of 
the  eggs  &c.,  and  I  hope  I  shall  soon  be  able  to  obtain  hives  of  some  more 
species.  Some  of  our  species  are  so  elegant  and  beautiful  and  so  extremely 
interesting,  that  they  would  be  a  most  precious  acquisition  for  zoological  gardens 
or  large  hot-houses ;  nor  do  I  think  that  it  would  be  very  difficult  to  bring  them 
to  Europe  and  there  to  preserve  them  in  a  living  State. 

"If  it  be  of  some  interest  to  you  I  shall  be  glad  to  give  you  from  time  to 
time  an  account  of  what  I  may  observe  in  my  Melipona  apiary. 

"Believe  me,  dear  Sir,  &c., 

"Fritz  Müller" 


The  Habits  of  various  Insects^). 

(A  letter  to  Ch.  Darwin.) 

I  delayed  answering  your  kind  letter  of  January  i  tili  I  should  have  had 
an  opportunity  of  examining  once  more  some  nests  of  leaf-cutting  ants,  to 
which  you  had  directed  my  attention.  In  the  meantime  I  received  Belt's  "Nica- 
ragua," which  I  have  read  with  extraordinary  interest,  and  for  which  I  must 
express  to  you  my  hearty  thanks. 

I  was  much  surprised  to  learn  from  Mr.  Belt's  book  how  closely  the  far- 
distant  province  of  Chontales  resembles  by  its  Vegetation  and  animal  life  our 
own  of  Sta.  Catharina.  I  am  thus  enabled  fuUy  to  appreciate  the  exactness  of 
many  of  his  Statements;  he  is  an  excellent  observer,  and  most  of  his  theories 
are  very  seducing.  As  to  leaf-cutting  ants,  I  have  always  held  the  same  view 
which  is  proposed  by  Mr.  Belt,  viz.  that  they  feed  upon  the  fungus  growing  on 
the  leaves  they  carry  into  their  nests,  though  I  had  not  yet  examined  their 
stomachs.  Now  I  find  that  the  Contents  of  the  stomach  are  colourless,  showing 
under  the  microscope  some  minute  globules,  probably  the  spores  of  the  fungus. 
I  could  find  no  trace  of  vegetable  tissue  which  might  have  been  derived  from 
the  leaves  they  gather;  and  this,  I  think,  confirms  Mr.  Belt's  hypothesis.  Here, 
as  in  Nicaragua,  the  Cercropise  are  always  inhabited  by  ants,  but,  I  think,  by  only 
a  Single  species.  I  have  cut  down  hundreds  of  them  and  never  missed  the  ants. 
I  wonder  that  it  had  never  occurred  to  me  that  the  trees  are  protected  by  the 
ants;  but  there  can  be  no  doubt  that  this  is  really  the  case,  for  young  plants  of 
Cercopise,  not  yet  inhabited  by  ants,  are  often  attacked  by  herbivorous  insects. 

A  few  days  ago  I  caught  on  the  flower  of  a  Vernonia  a  female  moth  be- 
longing  to  the  Glaucopidae,  of  which  family  there  are  here  numerous  species. 
When  I  seized  it  by  the  wings  nearly  the  whole  body  became  suddenly  envel- 
oped  in  a  large  cloud  of  snow-white  wool,  which  came  out  of  a  sort  of  pouch 
on  the  ventral  side  of  the  abdomen,  and  consisted  of  very  thin  flexuous  hairs 
I — 2  mm.  long,  three,  four,  or  five  of  which  used  to  proceed  from  the  same 
point.  I  preserved  the  moth  alive  for  some  time,  and  as  often  as  I  seized  her 
by  the  wings,  by  inflating  the  abdomen,  a  large  naked  membrane  became  visible, 


i)  Natvire  1874.  Vol.  X.  p.   102,  103. 


^go  The  Habits  of  various  Insects. 

and  somewhat  protruded  behind  the  first  (white)  seg-ment  of  the  ventral  face  of 
the  abdomen  (the  rest  of  which  is  black),  and  a  little  more  wool  appeared  under 
the  posterior  margin  of  this  segrnent.  I  am  at  a  loss  as  to  the  meaning  of  this 
Gurions  contrivance.  There  is  in  the  males  of  the  same  family  an  interesting 
secondary  sexual  character;  they  are  able  to  protrude  from  near  the  end  of  the 
abdomen  a  pair  of  long  hollow  hairy  retractile  filaments,  which  in  some  species 
exceed  the  whole  body  in  length,  In  the  beautiful  Belemnia  inaurata  there  is 
a  second  pair  of  shorter  filaments  which  are  wanting  in  all  the  other  species  I 
examined  {Eunomia  eagrus,  Eiichromia  jucunda,  Agyrta  ccertilea,  Eudule  invaria, 
Leucopsiimis  sp,,  Philoros  sp.,  &c.,  the  names  of  which  I  owe  to  the  kindness 
of  Dr.  A.  Gerstäcker,  of  Berlin).  In  some  species,  most  distinctly  in  Belemnia 
inaurata,  I  perceived  a  peculiar  odour  when  the  filaments  were  protruded;  this, 
I  think,  may  serve  to  allure  the  females,  which  in  all  our  species  appear  to  be 
much  less  numerous  than  the  males. 

I  mentioned  to  you  that  with  our  stingless  honey-bees  wax  is  secreted  on 
the  dorsal  side  of  the  abdomen;  now  this  is  also  the  case  with  some  of  our  so- 
litary  bees,  for  instance,  Anthophora  fulvifrons  Sm.,  and  with  some  species  nearly 
allied  to  that  genus.  These  solitary  bees  probably  use  the  wax  only  to  cement 
the  materials  with  which  they  build  their  nests.  Our  species  of  Melipona  and 
Trigona  also  never  employ  pure  wax  in  the  construction  of  their  cells  or  of  the 
large  pots  wherein  they  guard  their  provisions;  they  mix  it  with  clay,  resinous 
substances,  &c.,  so  that  in  some  species  wax  forms  hardly  lo  per  cent.  of  the 
material.  The  only  case,  as  far  as  I  know,  in  which  pure  wax  is  used,  is 
in  the  construction  of  a  tube,  which  Trigona  jaty  Sm.  builds  at  the  entrance 
of  its  nest. 

Among  European  Apid«,  Apis  and  ßombus  are  the  only  genera  which 
wet  with  hone}^  the  pollen  they  are  collecting,  and  in  consequence  of  this  habit 
the  hairs  on  the  outside  of  the  tibiae  of  the  hind-legs  have  disappeared.  This  is 
also  the  case  with  our  Meliponse,  Trigonse,  and  Euglossae.  Now  Centris,  Tetra- 
pedise,  Epicharis,  and  some  others  bees,  collect  pollen  in  the  same  way ;  but  not- 
withstanding,  in  some  species  the  hairs  on  the  tibiae  are  developed  in  an  extra- 
ordinary  degree.  This  seemed  to  me  rather  perplexing,  tili  I  lately  observed 
several  species  of  Centris  and  a  Tetrapedia  gathering  sand  in  the  large  hair- 
brushes  of  the  hind-tibiae,  which  accounts  for  the  conservation  and  excessive 
development  of  the  hairs. 

With  one  of  our  smallest  Trigonae  (7".  mirim  n.  sp.),  of  which  I  have  two 
hives  in  my  garden,  I  have  made  a  long  series  of  observations  on  the  construc- 
tion of  the  combs,  in  which  the  young  are  raised.  As  in  all  other  species  the 
combs  are  horizontal  and  consist  of  a  single  layer  of  hexagonal  cells,  like  those 
of  wasps;  but  the  cells  are  vertical.  There  is  always  in  this  species  (other  species 
behave  differently)  a  set  of  cells  constructed  at  the  same  time  in  the  circum- 
ference  of  the  two  or  three  uppermost  combs.  When  the  cells  are  ready,  they 
are  filled  with  food,  which  the  bees  vomit  from  their  mouths,  the  queen  lays  an 
egg  into  every  cell  and  these  are  then  immediately  shut.  The  eggs  at  first  lie 
horizontally ;  but  in  the  course  of  the  first  or  second  day  they  assume  a  perpen- 
dicular  position,  with  the  ticker  end  turned  upwards,  dipping  but  slightly  into  the 


The  Habits  of  various  Insects. 


491 


semi-fluid  food.  The  combs  are  never  used  more  than  once;  as  soon  as  the 
young  bees  have  left  them  (five  to  six  weeks  after  the  laying  of  the  eggs)  they 
are  destroyed  and  new  ones  built  in  their  place. 

Once  I  assisted  at  a  curious  contest,  which  took  place  between  the  queen 
and  the  worker  bees  in  one  of  my  hives,  and  which  throws  some  light  on  the 
intellectual  faculties  of  these  animals.  A  set  of  47  cells  had  been  filled,  8  on  a 
nearly  completed  comb,  35  on  the  following,  and  4  around  the  first  cell  of  a  new 
comb.  When  the  queen  had  laid  eggs  in  all  the  cells  of  the  two  older  combs 
she  went  several  times  round  their  circumference  (as  she  always  does  in  order 
to  ascertain  whether  she  has  not  forgotten  any  cell),  and  then  prepared  to  retreat 
into  the  lower  part  of  the  breeding  room.  But  as  she  had  overlooked  the  four 
cells  of  the  new  comb  the  workers  ran  impatiently  from  this  part  to  the  queen, 
pushing  her,  in  an  odd  manner,  with  their  heads,  as  they  did  also  other  workers 
they  met  with.  In  consequence  the  queen  began  again  to  go  around  on  the 
two  older  combs,  but  as  she  did  not  find  any  cell  wanting  an  egg  she  tried  to 
descend;  but  everywhere  she  was  pushed  back  by  the  workers.  This  contest 
lasted  for  a  rather  long  while,  tili  at  last  the  queen  escaped  without  having  com- 
pleted her  work.  Thus  the  workers  knew  how  to  advise  the  queen  that  some- 
thing  was  as  yet  to  be  done,  but  they  knew  not  how  to  show  her  where  it  had 
to  be  done.  In  the  same  hive  there  appeared  to  be  two  political  parties  among 
the  workers,  dissenting  about  the  construction  of  the  combs,  one  destroying  what 
the  other  had  begun  to  build;  but  it  would  require  a  very  long  and  tedious  ex- 
position  to  give  you  the  details  of  the  case. 

Our  several  species  of  honey-bees  differ  as  much  in  their  mental  dispositions 
as  they  do  in  external  appearance  and  size  (the  smallest  species,  called  Trigona 
Hlliput  by  my  brother,  is  only  about  2*5  mm.  long).  Some  rush  furiously  out  of 
their  nest,  whenever  an  enemy  approaches  it,  attacking  and  persecuting  the 
offender;  others  are  very  tarne,  and  permit  close  Observation  off  all  their  work. 
In  one  large  species  I  could  even  observe  with  a  lens  the  act  of  their  sucking  a 
Solution  of  sugar,  which  I  had  given  them,  and  there  was  no  doubt  that  at  least 
these  bees  really  suck,  and  do  not  lap,  like  dogs  or  cats,  as  Milne  Ewards,  Ger- 
stäcker, and  most  entomologists  think. 

There  is  one  species  {Trigona  liomäo  Sm.,  named  for  my  brother  by  Mr. 
Frederick  Smith  himself)  which  never  appears  to  collect  honey  or  pollen  from 
flowers,  on  which,  at  least,  I  have  never  seen  it.  It  robs  other  species  of  their 
provisions  and  sometimes  takes  possession  of  their  nests,  killing,  or  expelling  the 
owners.  The  hives  in  my  garden  have  often  been  invaded,  and  two  of  them 
destroyed,  by  these  robbers,  and  I  have  seen  in  the  forest  several  nests,  formerly 
inhabited  by  other  species,  occupied  by  them. 

Together  with  my  brother  at  Tippstadt  I  intended  to  publish  an  essay  on 
the  natural  history  of  our  stingless  boney-bees,  but  it  will  probably  cost  some 
years  to  give  a  tolerably  complete  account  of  them. 

Itajahy,  Santa  Catharina,  Brazil,  April  20.   1874. 


Stachellose  brasilianische  Honigbienen 

zur  Einführung  in  zoolog.  Gärten  empfohlen  von  Hermann  Müller  auf  Grund 
von  Beobachtungen  seines  Bruders  Fritz  Müller  in  Südbrasilien  y). 

Ich  möchte  Ihnen  einige  Mittheilungen  über  die  Lebensweise  stachelloser 
brasiUanischer  Honigbienen  machen,  welche  sich  auf  Beobachtungen  meines 
Bruders  Fritz  Müller  in  Südbrasilien  gründen. 

Sollte  Ihnen  dieser  Gegenstand  als  rein  zoologischer  wenig  geeignet  er- 
scheinen, um  vor  die  Sitzung  der  vereinigten  zoologischen  und  botanischen  Section 
gebracht  zu  werden,  oder  als  ausländischer  wenig  geeignet  für  einen  Provinzial- 
verein,  so  möchte  ich  dagegen  geltend  machen,  dass  die  Naturgeschichte  unserer 
europäischen  Honigbiene,  als  unserer  wichtigsten  Blumenbefruchterin,  auch  für 
unsere  Botaniker  von  hervorragendem  Interesse  sein  muss,  dass  aber  diese  Natur- 
geschichte durch  die  Betrachtung  der  stacheUosen  brasihanischen  Honigbienen, 
die  im  Ganzen  auf  etwas  tieferer  Entwicklungsstufe  stehen,  in  mehrfacher  Be- 
ziehung wesentliche  Aufklärung  erhält. 

Während  in  Europa  nur  eine  einzige  Art  von  Honigbienen  vorkommt,  unsere 
allbekannte  Apis  mellifica,  welche  stechen  kann,  sind  dagegen  die  Urwälder  Süd- 
amerikas von  einer  kolossalen  Mannigfaltigkeit  verschiedener  Arten  von  Honig- 
bienen bevölkert,  die  sämmtlich  nicht  stechen  können,  bei  denen  vielmehr  der 
Giftstachel  zu  einem  völlig  nutzlosen  Rudiment  verkümmert  ist.  Alle  diese  Arten, 
welche  man,  wohl  ohne  stichhaltigen  Grund,  in  zwei  Gattungen,  Melipona  und 
Trigona,  getrennt  hat  und  die  wir  daher  hier  unter  dem  Gattungsnamen  Melipona 
zusammenfassen,  stimmen  ausser  der  Verkümmerung  des  Stachels  darin  überein, 
dass  bei  ihnen,  nach  der  Entdeckung  meines  Bruders,  das  Wachs  nicht  auf  der 
Bauchseite,  sondern  auf  der  Rückenseite  des  Hinterleibes  abgesondert  wird,  und 
zwar  an  denselben  Hinterleibssegmenten,  an  deren  Bauchplatten  es  sich  bei  unserer 
Honigbiene  ausscheidet.  Im  Zusammenhange  damit  sind  dann  drittens  auch  die 
Organe  zum  Hervorziehen  der  Wachstäfelchen  andere  als  bei  unserer  Honigbiene. 
Der  zahnförmige  Fortsatz  an  der  Basis  der  hinteren  Ferse,  die  sogenannte  Wachs- 

i)  Vortrag  in  der  Sitzung  der  vereinigten  zoologischen  und  botanischen  Section  des  Westphälischen 
Provinzial Vereins  in  Münster  am  27.  December  1874  gehalten,  aber  wegen  unzureichender  Zeit  bedeutend 
abgekürzt. 

2)  Zoolog.  Garten  1875.  P-  4^ — 55- 


Stachellose  brasilianische  Honigbienen.  ä.Q% 

Zange,  deren  sich  unsere  Bienen  und  Hummeln  zu  diesem  Zwecke  bedienen,  fehlt 
bei  den  Meliponen  gänzlich,  dagegen  sind  ihre  Hinterbeine,  da  sie  nach  dem  Wachse 
weiter  zu  reichen  haben,  verhältnissmässig  länger  und  am  Endrande  der  Schienen 
mit  einem  Kamme  aus  langen,  gebogenen  Chitinzähnen  ausgerüstet,  welcher  ver- 
mutlich zum  Herausgreifen  der  Wachsblättchen  benutzt  wird. 

Von  der  Zahl  und  Mannigfaltigkeit,  in  welcher  diese  stachellosen  Honig- 
bienen in  Brasilien  auftreten,  kann  Ihnen  die  vorliegende  Sammlung  wenigstens 
eine  schwache  Vorstellung  geben.  Sie  finden  in  derselben  nicht  weniger  als  i8 
verschiedene  Arten,  welche  mein  Bruder  in  der  unmittelbaren  Umgebung  seines 
Wohnsitzes  beobachtet  hat,  die  grössten  Arten  (M.  Mondury  Sm.,  M.  Gurupü  nob. 
M.  Coyrepü  nob.)  ungefähr  von  der  Grösse  unserer  Honigbiene,  die  kleinste  Art, 
von  uns  M.  lilliput  getauft,  noch  nicht  einmal  3  mm  lang.  Nicht  minder  mannig- 
faltig als  in  ihrer  Grösse  sind  diese  Arten  auch  in  ihrer  ganzen  äusseren  Erschei- 
nung, ihrem  Gerüche,  ihrer  Flugweise,  ihrer  Gemüthsart  und  manchen  Eigen- 
thümlichkeiten  ihrer  Lebensweise.  Während  z.  B.  einige  (M.  Coyrepu  nob., 
M.  Gurupü  nob.,  M.  limäo  Smith)  ihr  lautes  Summen  augenblicklich  verstummen 
lassen  und  sich  furchtsam  zurückziehen,  sobald  man  nur  an  den  von  ihnen  be- 
wohnten Baumstamm  oder  Kasten  klopft,  stürzen  dagegen  andere  (M.  Cagafogo 
nob.,  M.  nificrus  Latr.  und  M.  Trombeta  nob.)  bei  der  geringsten  Veranlassung 
hervor,  umschwärmen  und  verfolgen  den  Angreifer  und  setzen  sich  summend 
und  beissend  in  dessen  Bart  und  Haare  fest. 

Die  wichtigsten  Eigenthümlichkeiten  in  der  Staatenbildung,  dem  Nestbau  und 
der  Brutversorgung  der  Meliponen  sind  folgende:  Auch  bei  ihnen  scheint  sich, 
soweit  meines  Bruders  Erfahrungen  reichen,  in  jeder  Gesellschaft  nur  eine  einzige 
Königin  zu  finden.  Neben  ihr  fand  derselbe  allerdings  bisweilen  eine  oder  mehrere 
jüngere  Weibchen,  die  aber  wahrscheinlich  noch  unfähig  waren,  Eier  zu  legen. 
Die  Hauptmasse  des  Bienenvolkes  besteht  auch  bei  den  Meliponen  aus  unfrucht- 
baren Weibchen  oder  Arbeitern,  die  in  der  Regel  erheblich  kleiner  sind  als  die 
Königin,  und  natürlich  ist  auch  eine  Anzahl  Männchen  oder  Drohnen  vorhanden. 
Diese  sind  von  gleicher  Grösse  und  Gestalt  wie  die  Arbeiter,  aber  durch  ge- 
spaltene Fussklauen  und  durch  den  Mangel  des  Pollen-Sammelapparates  an  den 
Hinterbeinen  von  diesen  leicht  zu  unterscheiden. 

Ihre  Nester  legen  die  stachellosen  Honigbienen  in  der  Regel  in  hohlen 
Bäumen  an,  deren  Zugänge  sie,  bis  auf  ein  einziges  Flugloch,  mit  Erde  oder  ver- 
schiedenen harzigen,  kautschukähnlichen  und  anderen  Pflanzenstoffen  vermauern. 
Diese  Baumaterialien  tragen  sie,  ebenso  wie  den  Blüthenstaub,  in  den  Körbchen 
der  Hinterbeine  heim.  In  alten  Nestern  der  M.  Coyrepü  nob.  findet  man  sogar 
ansehnhche  Mengen  von  Harz  als  Vorraths-Baumaterial  angehäuft.  Für  den  inneren 
Ausbau  ihres  Wohnraumes  verwenden  die  Meliponen  Wachs,  das  sie  immer  aber  erst 
mit  Erde,  Harz  oder  anderen  Stoffen  vermengen  bisweilen  (z.  B.  bei  M.  Cagafogo 
nob.)  in  solcher  Menge,  dass  das  Baumaterial  wohl  kaum  zum  zehnten  Theile  aus 
wirklichem  Wachse  besteht. 

Wenn  ich  vorhin  sagte,  dass  die  Naturgeschichte  unserer  Honigbienen  durch 
die  Betrachtung  der  Meliponen  wesentliche  Aufklärung  erhalte,  so  gilt  dies 
namentlich  auch  in  Bezug  auf  die  Absonderung  und  Verwendung  des  Wachses. 
Denn    während   die   meisten    einzeln   lebenden  Bienen   ihre  Brutzellen   ganz  ohne 


.Q.  StacheUose  brasilianische  Honigbienen. 

Wachs  bauen  und  einige  derselben  (z.  B.  Anthophora  fulvifrons  Sm.),  wie  mein 
Bruder  entdeckt  hat,  nur  ein  wenig  Wachs  erzeugen,  das  ihnen  vermutlich  als 
Bindemittel  für  Sand,  Erde  und  ähnliche  Baustoffe  dient,  bilden  die  Meliponen 
in  Bezug  auf  die  Menge  des  abgesonderten  Wachses  und  die  Vermischung  des- 
selben mit  andern  Stoffen  eine  vollständige  Stufenleiter  von  diesen  einzeln  lebenden 
Bienen  bis  zu  unserer  reines  Wachs  verwendenden  Apis  mellifica  und  lassen  uns 
somit  die  allmälige  Ausprägung  dieser  Eigenthümlichkeit  gewissermaassen  in 
ihrem  Werden  erkennen.  Eine  Abstammung  unserer  Honigbienen  von  den  Meli- 
ponen soll  damit  nicht  behauptet  sein;  eine  solche  ist  im  Gegentheile  sehr  un- 
wahrscheinlich, da  sich  nicht  wohl  voraussetzen  lässt,  dass  die  einmal  zur  Aus- 
prägung gelangte  Wachsabsonderung  vom  Rücken  auf  die  Bauchseite  des  Hinter- 
leibes gewandert  sei.  Die  Stammeltern  der  Honigbiene  werden  wohl  von  Anfang 
an  aus  den  Platten  der  Bauchsegmente  das  Wachs,  anfangs  in  geringer,  allmälig 
in  grösserer  Menge  ausgeschieden  haben ;  aber  in  der  Vermischung  des  Wachses 
mit  einer  erst  überwiegenden,  dann  immer  spärlicheren  Menge  fremder  Zutaten, 
mögen  sie  eine  ähnliche  Stufenleiter  dargeboten  haben  wie  die  Meliponen. 

Der  Wachsbau  selbst  ist  bei  den  Meliponen  ein  durchaus  anderer  als  bei 
unserer  Honigbiene;  er  besteht  nämlich  aus  zweierlei  ganz  verschiedenen  Bauten: 

1.  Zunächt  dem  Flugloche  befinden  sich  wagerechte,  über  einander  liegende 
Brutwaben,  jede  aus  einer  einzigen  Lage  regelmässig  sechsseitiger  Zellen  be- 
stehend, die  mit  ihren  Oeffnungen  nach  oben  gekehrt  sind,  jede  Wabe  mit  der 
darunter  liegenden  durch  kurze  Säulen  verbunden.  Der  ganze  Brutraum  ist  mit 
einer  aus  dünnen  Wachsplatten  gebauten  Hülle  umschlossen,  die  schwammartig 
von  weiten,  unregelmässigen  Gängen  durchzogen  wird  und  sich  mit  den  Rändern 
der  Brutwaben  durch  Wachsbalken  verbindet.  Abgesehen  von  der  Verschieden- 
heit des  Baumaterials  und  der  gerade  entgegengesetzten  Richtung  der  ZeUen 
stimmen  also  die  Brutwaben  nebst  ihrer  Umhüllung  in  Form  und  Anordnung 
annähernd  mit  unseren  Wespennestern  überein. 

2.  In  dem  Räume,  welcher  ausser  den  Brutwaben  und  ihrer  Umhüllung 
noch  frei  bleibt  und  welcher,  je  nach  der  Lage  des  Fluglochs  und  der  Gestalt 
des  bewohnten  Hohlraumes  über,  unter,  rechts,  links  oder  hinter  dem  Brutraume 
oder  an  mehreren  dieser  Stellen  zugleich  sich  vorfinden  kann,  befinden  sich,  oft 
ganz  oder  theilweise  in  die  schwammige  Wachshülle  mit  eingeschlossen,  grosse, 
rundliche,  unregelmässig  über  einander  gehäufte  Vorrathstöpfe,  theils  mit  Honig, 
theils  mit  Bienenbrot  (Blüthenstaub  und  Honig)  gefüllt.  Die  vorliegenden  Honig- 
töpfe der  kleinen  M.  mirim  nob.  haben  etwa  die  Grösse  einer  Flintenkugel  und 
stehen  mit  unregelmässig  nach  den  verschiedensten  Richtungen  hin  frei  in  die 
Luft  hinein  gebauten  Wachsbogen  in  Zusammenhange,  die  zunächt  als  vorläufiges 
Gerüst  gebaut  werden  und  zwischen  welche  dann  diese  kleinen  Meliponen  nach 
Bedürfnis  kugliche  Vorrathstöpfe  einschalten. 

Die  Vorrathstöpfe  der  M.  Coyrepü  nob.  haben  fast  die  Grösse  eines  Hühner- 
eies, und  es  mag  jeder  derselben  etwa  2 — 3  Esslöffel  voll  Honig  fassen.  Die 
Honigtöpfe  der  M.  Mondury  Smith,  welche  ungefähr  ebenso  gross  sind,  wie  die 
von  Coyrepü,  zeichnen  sich,  noch  mehr  als  die  der  beiden  vorigen  Arten,  durch 
die  kolossale  Wachsverschwendung  aus,  welche  an  ihnen  zu  Tage  tritt,  wenn  wir 
sie  mit  dem   Wachsbau   unserer   Honigbiene  vergleichen;    denn   die  Wanddicke 


Stachellose  brasilianische  Honigbienen.  40  S 

jener  schwarzen  Honigtöpfe   beläuft  sich  auf  4 — 10,   an  einigen  Stellen  sogar  bis 
18  mm. 

Die  Vervollkommnung  der  Wachsbaukunst,  welche  in  unserer  europäischen 
Honigbiene  ihren  Gipfelpunkt  erreicht  zu  haben  scheint,  wird  also  einerseits  in 
stufenweiser  immer  reichlicherer  Wachsabsonderung,  andererseits  in  stufenweise 
immer  sparsamerer  Wachsverwendung  bestanden  haben,  welche  letztere  den  Zu- 
satz anderer  Materialien  immer  mehr  entbehrlich  machte,  bis  zuletzt  die  erzeugte 
Wachsmenge  und  die  durch  stufenweise  Steigerung  erlangte  Sparsamkeit  in  der 
Verwendung  des  Wachses  ausreichten,  die  gesammten  Brut-  und  Vorrathsbehält- 
nisse  aus  reinem  Wachse  aufzubauen. 

Wie  in  Bezug  auf  die  Absonderung  und  Benutzung  des  Wachses,  so  bilden 
auch  in  Bezug  auf  den  Aufbau  der  hexagonalen  Zellen  und  die  Versorgung  der 
Brut  mit  Futter  die  Meliponen  eine  lehrreiche  Zwischenstufe  zwischen  den  ein- 
zeln lebenden  Bienen  und  unserer  Honigbiene.  Denn  während  die  einzeln  lebenden 
Bienen  immer  nur  cylindrische  Brutzellen  anfertigen,  unsere  Honigbienen  aber 
zwei  Schichten  regelmässig  hexagonaler  Zellen  gleichzeitig  aus  den  entgegen- 
gesetzten Seiten  einer  senkrechten  Mittelplatte  herausbauen,  lassen  dagegen  die 
Meliponen  die  Umwandlung  der  cylindrischen  Zellform  in  die  relmässig  hexagonale 
auf  das  Deutlichste  erkennen.  Sie  beginnen  nämlich  den  Bau  jeder  ihrer  hori- 
zontalen Brutwaben  mit  einer  einzigen  cylindrischen  Zelle,  welche  die  Mitte  der 
späteren  Brutwabe  bildet.  Nachdem  dieselbe  mit  Larvenfutter  und  einem  Ei  ver- 
sehen und  geschlossen  worden  ist,  wird  dicht  neben  sie  eine  zweite  cylindrische 
Zelle  gebaut,  die  sich  nur  an  der  Berührungsfläche  mit  der  ersten  abplattet. 
Nachdem  auch  diese  versorgt  und  geschlossen  ist,  werden  in  die  beiden  Winkel 
zwischen  den  beiden  ersten  Zellen  gleichzeitig  zwei  neue  cylindrische  Zellen  ge- 
baut, welche  sich  wieder  an  den  Berührungsflächen  mit  den  schon  vorhandenen 
Zellen  abplatten.  Nach  Versorgung  und  Schliessung  dieser  wird  in  jeden  der  nun 
vorhandenen  4  Winkel  eine  neue  Zelle  gesetzt  und  diese  Gruppe  von  4  Zellen 
wiederum  völlig  zu  Ende  geführt,  versorgt  und  geschlossen,  ehe  die  folgende 
Zellengruppe,  welche  6  nun  vorhandene  Winkel  auszufüllen  hat,  in  Angriff  ge- 
nommen wird;  und  so  fort.  Jede  Zelle  ist  also  cylindrisch,  soweit  ihre  Seiten- 
wände nicht  durch  Andrücken  an  Nachbarzellen  abgeplattet  worden  sind;  jede 
Zelle  aber  ist  regelmässig  hexagonal,  sobald  sie  von  6  Nachbarzellen  umschlossen 
wird.  Eine  Gruppe  neuer  Zellen  wird  um  die  vorhandene  Mitte  herum  immer 
nur  in  der  Weise  angebaut,  dass  sich  die  neuen  in  die  Winkel  zwischen  zwei 
oder  drei  bereits  vorhandenen  Zellen  einfügen  und  so  zunächst  Cylinder  mit  2 
oder  3  unter  Winkeln  von  120  Grad  zusammenstossenden  Säulenflächen  bilden. 
Die  äussersten  Zellen  einer  jeden  Brutwabe  sind  daher  immer,  auch  wenn  die 
ganze  Wabe  vollendet  ist,  cylindrisch  gerundet.  In  der  Regel  werden  von  einer 
neuen  Zellengruppe  sämmtliche  Winkel  zwischen  bereits  vorhandenen  Zellen  aus- 
gefüllt; bisweilen  jedoch  wird  ein  oder  der  andere  Winkel  übersehen  und  da- 
durch die  Regelmässigkeit  des  Zuwachses  der  Wabe  etwas  gestört.  Jede  Zellen- 
gruppe  wird  erst  vollständig  vollendet,  d.  h.  von  den  Arbeitern  mit  einem  aus- 
gespie'nen  Gemenge  von  Blütenstaub  und  Honig  versorgt,  von  der  Königin  mit 
einem  Ei  belegt  und  von  den  Arbeitern  durch  Einwärtsbiegen  der  ursprünglich 
zu  hoch  gebauten  Ränder  der  Zellenöffnung  geschlossen,  ehe  der  Aufbau  einer 
neuen  Zellengruppe  beginnt. 


AQß  Stachellose  brasilianische  Honigbienen. 

Sobald  jedoch  die  erste  Wabe  eine  gewisse  Grösse  erreicht  hat,  wird  auf 
ihrer  Mitte  die  zweite  Wabe  begonnen,  und  beide  werden  nun  gleichzeitig  durch 
Umbau  vergrössert.  Ehe  noch  die  erste  Wabe  vollendet  ist,  kann  die  zweite 
schon  so  weit  herangewachsen  sein,  dass  auf  ihrer  Mitte  der  Anfang  der  dritten 
Wabe  gebaut  wird,  so  dass  dann  einige  Zeit  lang  drei  Waben  zugleich  im  Baue 
begriffen  sind.  In  Folge  der  fremden  Beimischungen  schimmelt  das  Wachs  der 
Meliponen  sehr  leicht  und  hierin  mag  der  Grund  liegen,  dass  sie  ihre  Brutzellen 
und  in  der  Regel  auch  ihre  Vorrathstöpfe  nicht  mehr  als  einmal  benutzen,  sondern 
dieselben,  sobald  sie  leer  sind,  abbrechen  und  nach  Bedürfnis  wieder  neue  bauen. 
Ob  auch  die  vorliegenden  enorm  dickwandigen  Vorrathstöpfe  der  M.  Mondury 
Smith  zu  nur  einmaliger  Benutzung  bestimmt  gewesen  sind,  ist  mindestens  sehr 
zweifelhaft.  Von  den  Brutwaben  aber  werden  stets  die  untersten,  sobald  die 
Bienen  aus  ihnen  ausgekrochen  sind,  abgebrochen,  und  unter  dem  alten  Waben- 
bau wird  nun  ein  neuer  begonnen. 

In  Bezug  auf  die  Zellen  für  die  dreierlei  Individuen  ist  der  Wabenbau  der 
Meliponen  einfacher  als  bei  unserer  Honigbiene.  Da  nämlich  die  Drohnen  sich 
an  Grösse  nicht  von  den  Arbeitern  unterscheiden,  so  werden,  soweit  die  Erfahrung 
meines  Bruders  reicht,  auch  keine  besonderen  Zellen  für  dieselben  angefertigt, 
und  die  ZeUen  der  Königinnen  unterscheiden  sich  zwar  durch  bedeutenderen  Um- 
fang und  bedeutendere  Höhe  von  den  übrigen,  liegen  aber  mitten  zwischen  den- 
selben, indem  sie  nur  die  hexagonale  Regelmässigkeit  der  umgebenden  etwas 
stören  und  dieselben  nach  unten  oder  oben  etwas  überragen. 

Endlich  bilden  auch  in  Bezug  auf  die  Versorgung  der  Larven  mit  Futter- 
brei die  Meliponen  eine  lehrreiche  Zwischenstufe  zwischen  den  einzeln  lebenden 
Bienen  und  unserer  Honigbiene.  Denn  wie  jene  versorgen  sie  zunächst  die  Zellen 
mit  Larvenfutter,  auf  dasselbe  wird  sodann  ein  Ei  gelegt  und  nun  die  Zelle  ge- 
schlossen, während  bekanntlich  unsere  Honigbiene  ihre  Eier  in  die  leeren  Zellen 
legt  und  die  Larven  dann  in  den  offnen  Zellen  gefüttert  werden.  Die  Arbeits- 
theilung  dagegen  ist  bei  den  Meliponen  schon  ganz  dieselbe  wie  bei  den  Honig- 
bienen, indem  auch  bei  ihnen  der  Königin  ausschliesslich  das  Eierlegen  als  Auf- 
gabe zufällt,  während  die  Arbeiter  alle  übrigen  Arbeiten  verrichten. 

Von  den  Eigenthümlichkeiten  einzelner  Arten  will  ich  nur  einige  der  hervor- 
stechendsten kurz  erwähnen.  Einige  Arten  (M.  Coyrepü  nob.,  variabilis  nob., 
Mondury  Smith  und  Gurupü  nob.)  pflegen  ihr  Flugloch  mit  einem  kraterförmigen 
Walle  von  Erde  zu  umgeben.  M.  Jaty  Smith,  deren  vorliegenden  Stock  ich  vom 
Juli  bis  November  dieses  Jahres  lebend  hatte,  baut  vom  Flugloche  aus  eine  etwa 
8 — lo  mm  dicke,  selten  über  4 — 5  cm  lange  Röhre  aus  reinem  weissem  Wachs, 
die  sie  bisweilen  aber  nicht  immer  des  Nachts  schliesst.  M.  Trombeta  nob.  hat 
ihren  (portugiesischen)  Namen  von  ihrem  manchmal  bis  fusslangen,  vom  Flug- 
loche aus  sich  allmälig  erweiternden,  trompetenförmigen  Vorbau,  der  zahlreichen 
Bienen  auf  einmal  den  Einflug  gestattet.  Das  vorliegende  Exemplar  von  Ein- 
flugstrompete ist  nur  6  Zoll  lang  und  im  Eingange  3  —  4  Zoll  weit;  es  ist  aber 
offenbar  auch  dies  Exemplar  nicht  auf  einmal,  sondern  in  drei  auf  einander 
folgenden  Perioden  gebaut  worden,  indem  zwischen  dem  Flugloche  und  dem 
jetzigen  Trompeteneingange  auf  der  Aussenseite  der  Trompete  noch  zwei  frühere 
Mündungen  sich  erkennen  lassen.  Die  ganze  Trompete  besteht  gleichfalls  aus 
Wachs;    der   ältere  Theil   ist   schwärzlich,   der  jüngere  Rand  gelblich  grau.     Die 


Stachellose  brasilianische  Honigbienen.  ^g«? 

Innenfläche  der  Trompete  ist  von  vorspringenden  Leisten,  höheren  und  niederen, 
durchzogen,  die  in  verschiedenen  Richtungen  unregelmässig  sich  kreuzen  und 
kleine,  flache,  wabenartige  Vertiefungen  umschliessen.  M.  Hmäo  (sprich  limong!) 
Smith  endlich  baut  vor  ihr  Flugloch  einen  kopfgrossen  rundlichen  Klumpen  von 
schwärzlichem  Wachs,  der  wie  ein  Schwamm  von  unregelmässigen  Gängen  durch- 
zogen ist  und  nach  allen  Seiten  hin  zahlreiche  Ausgänge  bietet. 

Eine  in  mehrfacher  Beziehung  von  den  anderen  abweichende  Art  ist 
M.  Cagafogo  nob.,  die  sich  schon  durch  den  Besitz  eines  scharfen  Giftes  aus- 
zeichnet. Vor  allem  eigenthümlich  ist  ihre  Geschmacksrichtung.  Andere  Bienen, 
gesellige,  wie  einsam  lebende,  scheinen  in  Bezug  auf  Geruch  und  Geschmack  im 
Allgemeinen  dasselbe  angenehm  oder  widerlich  zu  finden  wie  wir;  der  Duft  der 
Blumen,  der  sie  anlockt,  erfreut  auch  uns;  der  Honig  ist  auch  für  uns  eine  leckere 
Speise.  Nicht  so  M.  Cagafogo,  Nur  selten  geht  sie  auf  Blumen  und  fast  nur 
auf  übelriechende;  dagegen  wird  sie  von  Allem  angelockt,  was  stinkt.  Eine  halb- 
verfaulte grosse  Kröte  fand  mein  Bruder  über  und  über,  bis  tief  in  das  weite 
Maul  hinein,  mit  Cagafogo's  bedeckt,  sie  finden  sich  ein  bei  den  Eingeweiden 
geschlachteter  Thiere,  besuchen  alten  stinkenden  Käse,  und  als  mein  Bruder  ein- 
mal den  Schädel  einer  Jararacassü  ^)  reinigte,  der  lange  in  Weingeist  gelegen 
hatte  und  eben  nicht  nach  Rosen  duftete,  kam  ein  Cagafogo  auf  seine  Hand 
geflogen.  Ihren  Honigbedarf  scheint  diese  Biene  meist  anderen  Quellen  zu  ent- 
nehmen als  den  Blumen;  sie  sammelt  sich  in  dichten  Scharen  an  dem  aus  der 
Rinde  von  Bäumen  ausfliessenden  süssen  Safte,  dem  auch  viele  Schmetterlinge 
vor  Blumenhonig  den  Vorzug  geben,  sowie  an  gehauenem  Zuckerrohr.  Und  wie 
viele  Ameisen  die  Blattläuse  als  Milchkühe  benutzen  und  die  an  ihrem  Hinter- 
leibe sich  ausscheidenden  süssen  Tröpfchen  lecken,  so  macht  es  die  M.  Cagafogo 
mit  den  Larven  einer  Membracide  ^), 

Am  auffallendsten  weichen  in  ihrer  Lebensweise  von  allen  übrigen  vor- 
liegenden Meliponen  drei  Arten  ab,  welche  sich,  anstatt  selbst  Blütenstaub  und 
Honig  einzutragen,  durch  Raub  und  Mord  oder  durch  Hinterlist  und  Betrug  von 
dem  Fleisse  ihrer  Geschwisterarten  zu  erhalten  wissen.  Eine  wegen  ihres  citronen- 
ähnlichen  Geruchs  von  den  portugiesischen  Bewohnern  Brasiliens  Abelha  Limäo 
genannte  Melipona  (Trigona  limäo  Smith),  von  glänzend  schwarzer  Farbe,  hat 
sich  des  Blumenbesuches  so  völlig  entwöhnt,  dass  ihre  saugenden  Mundtheile  zu 
winzigen  Rudimenten  verkümmert  sind.  Anstatt  den  Honig  mühsam  Tröpfchen 
für  Tröpfchen  im  Grunde  der  Blumen  aufzusuchen  und  aufzusaugen,  überfällt 
sie  in  Scharen  räuberisch  die  Wohnungen  anderer  Bienen  und  beraubt  sie  der 
Früchte  ihres  Fleisses,  sie  erbricht  und  entleert  ihre  Honigtöpfe  und  ihre  jüngeren 
Brutzellen  und  nimmt  bisweilen  auch  vollständig  Besitz  von  ihrem  Bau,  indem  sie 
die  rechtmässigen  Herren  vertreibt  oder  tödtet,  Ihre  Oberkiefer,  deren  sie  sich  als 
Angriffswaffe  bedient,  haben  sich  in  Anpassung  an  diese  Lebensweise  zu  enormer 
Grösse  und  Kräftigkeit  entwickelt. 

i)  Die  gefährlichste  dortige  Giftschlange. 

2)  Vgl,  meine  Aufsätze  in  der  Nature,  Vol.  VIII  Nr.  193,  July  10,  1873  ""^  ^o'-  ^-  Nr.  237,  May  14, 
1874.  „Larvae  of  Membracis  serviug  as  milkcattle  to  a  Brazilian  species  of  honey-bee."  In  dem  zweiten  dieser 
Aufsätze  ist  auch  eine  Abbildung  und  Beschreibung  aller  drei  Arten  von  Individuen  der  M.  Cagafogo  gegeben. 
=  Ges.  Schriften  S.  481   und  483. 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  3^ 


•  Qg  Stachellose  brasilianische  Honigbienen. 

Zwei  andere  Meliponaarten  scheinen  in  demselben  Sinne  Kukuksbienen  bei  den 
nächstverwandten  selbstsammelnden  Meliponen  zu  sein,  wie  unsere  Schmarotzer- 
hummeln bei  selbstsammelnden  Hummeln.  Der  Fall  ist  aber  bei  den  Meliponen 
in  sofern  noch  interessanter,  als  bei  ihnen  der  verwandtschaftliche  Zusammenhang 
klarer  zu  Tage  liegt.  Während  man  nämlich  bei  unseren  Schmarotzerhummeln 
zweifelhaft  sein  kann  und  bis  zu  dieser  Stunde  in  der  That  noch  getheilter 
Meinung  darüber  ist,  ob  sie  sich  von  gemeinsamen  Stammeltern  oder  von  bereits 
differenzirten  Arten  der  Gattung  Bombus  durch  Uebergang  zur  Kukukslebensweise 
abgezweigt  haben,  unterliegt  es  dagegen  bei  unseren  beiden  schmarotzenden  Meli- 
ponen, wie  ich  mich  durch  genaue  Untersuchung  überzeugt  habe,  nicht  dem 
mindesten  Zweifel,  dass  jede  derselben  derjenigen  Meliponaart  am  nächsten  ver- 
wandt ist,  in  deren  Nestern  sie  gefunden  wird.  M.  cuculina  nob,  gleicht  in  den 
meisten  Stücken,  mit  Ausnahme  der  Ausbildung  der  Hinterbeine,  an  welchen  der 
Pollen-Sammelapparat  wieder  verloren  gegangen  ist,  der  M.  Coyrepü  nob.,  in 
deren  Nest  sie  von  meinem  Bruder  gefunden  wurde,  und  in  demselben  Verhältnisse 
steht  M.  Gurupina  nob.  zu  M.  Gurupu  nob.  Natürlich  sind  bei  den  beiden  Kukuks- 
Meliponen  wie  bei  allen  Kukuksbienen  nur  Männchen  (bis  jetzt  noch  nicht  ge- 
funden) und  Weibchen  vorhanden,  keine  Arbeiter,  und  da  ihre  saugenden  Mund- 
theile  durchaus  nicht  verkümmert  sind,  so  werden  sie  wohl,  ebenso  wie  alle  ein- 
heimischen Kukuksbienen,  für  ihre  eigene  Beköstigung  auf  Blumen  fliegen  und 
Honig  saugen  und  nur  ihre  Larven  auf  Kosten  ihrer  fleissigeren  Geschwister- 
arten grossziehen,  indem  sie  in  die  mit  Larvenfutter  versorgten  Brutzellen  der- 
selben ihre  Eier  legen  ^). 

Das  wäre,  meine  Herren,  ein  kurzer  Auszug  aus  den  umfassenden  Be- 
obachtungen, welche  mein  Bruder  Fritz  Müller  an  den  Ufern  des  Itajah}^  in 
Südbrasilien  über  die  Lebensweise  der  Meliponen  gesammelt  hat.  Was  mich 
veranlasst  hat,  gerade  hier  diesen  Auszug  mitzutheilen,  ist  der  lebhafte  Wunsch, 
lebende  Meliponastöcke  sobald  als  möglich  in  unsere  zoologischen  Gärten  ein- 
geführt zu  sehen  und  vor  Allem  die  hier  anwesenden  Begründer  des  hiesigen 
zoologischen  Gartens  zu  veranlassen,  demselben  sobald  als  möglich  eine  Anzahl 
lebender  Meliponenstöcke  einzuverleiben. 

Dass  die  eingehende  Beobachtung  derselben  für  das  Verständniss  der  Natur- 
geschichte unserer  Honigbiene  von  höchster  Wichtigkeit  sein  würde,  werden  Sie 
wohl,  nach  den  von  mir  gegebenen  Andeutungen,  kaum  bezweifeln.  Dass  aber 
die  Einführung  lebender  Meliponenstöcke  in  unsere  zoologischen  Gärten  möglich 
sein  würde,  dafür  glaube  ich  den  vorliegenden  Stock  der  M.  (Trigona)  Jaty  Sm. 
als  Beleg  anführen  zu  dürfen,  welchen  ich  über  4  Monate  lebend  gehabt  habe 
und  welcher,  nach  meiner  Ueberzeugung,  auch  den  Winter  überdauert  haben 
würde,  wenn  ihn  nicht  auf  der  Seereise  von  Brasilien  hierher  ein  künftig  leicht 
zu  vermeidender  Unfall  betroffen  hätte.    Da  dieser  Unfall  zugleich,  wie  ich  glaube, 


i)  Neuerdings  hat  mein  Bruder  auch  in  den  Nestern  einer  dritten  Meliponaart  (M.  variabilis  nob.) 
des  Sammelapparates  entbehrende  Weibchen  gefunden,  welche  dieser  Art  näher  verwandt  sind  als  irgend 
einer  andern ;  ja  er  fand  sogar  bei  einer  besonderen  Farbenabänderung  der  M.  variabilis  solche  des  Sammel- 
apparates entbehrende  Weibchen  von  derselben  Farbenabänderung.  Dadurch  ist  die  Deutung  dieser 
Weibchen  als  Kukuksbienen  mehr  als  zweifelhaft  geworden.  Es  sind  höchst  wahrscheinlich  „Drohnen- 
mütter" der  betreffenden  Arten,  wie  solche  Vogel  (laut  der  Eichstädter  Bienenzeitung  1866  Nr.  i)  bei 
einen  ägyptischen  Bienen  beobachtet  hat.     (Nachträgliche  Bemerkung  während  des  Druckes.) 


Stachellose  brasilianische  Honigbienen.  ^gg 

den  Beweis  liefert,  dass  ein  nützlicher  Instinkt  durch  Veränderung  der  Umstände 
höchst  verderblich  werden  kann,  so  dürfte  seine  Mittheilung  wohl  von  allge- 
meinerem Interesse  sein. 

Die  zierlichen  Bienen,  welche  den  vorstehenden  Kasten  bewohnten,  hatten, 
wie  ich  mich  alltäglich  überzeugen  konnte,  den  unter  natürlichen  Umständen 
gewiss  sehr  nützlichen  Instinkt,  alle,  auch  die  kleinsten  Zugänge  ihres  Wohn- 
raumes, bis  auf  das  Flugloch,  mit  Harz  luftdicht  zu  verkitten.  So  oft  ich  z.  B. 
den  Glasdeckel  des  Kastens  nach  gewaltsamen  Loszwängen  mit  einem  Messer 
abgenommen  hatte,  war  es  nach  dem  Wiederauflegen  desselben  die  erste  Arbeit 
der  Bienen,  ihn  wieder  ringsum  luftdicht  anzukitten.  Für  die  überseeische  Reise 
nun  musste  der  Kasten  mit  einem  von  feinem  Drahtnetze  umschlossenen  Vorhofe 
versehen  werden,  in  welchen  die  Bienen  fliegen  konnten,  um  Sonnenlicht  und 
vorgesetzten  Honig  zu  geniessen,  ohne  sich  verfliegen  zu  können.  Wahrscheinlich 
gewöhnten  sich  nun  die  Bienen,  da  sie  aus  dem  Vorhofe  nie  heraus  konnten, 
denselben  als  integrirenden  Theil  ihres  Wohnraumes  zu  betrachten;  denn  nach- 
dem sie  einige  Wochen  in  demselben  eingesperrt  gewesen  waren,  machten  sie 
sich  daran,  auch  die  vielen  tausend  Maschen  des  Drahtnetzes  mit  kleinen  Wachs- 
blättchen  luftdicht  zuzukitten,  und  dies  wurde  von  der  Tochter  meines  Bruders, 
Anna  Müller,  welche  den  Stock  pflegte  und  mir  überbrachte,  leider  erst  bemerkt, 
nachdem  wohl  über  neun  Zehntel  des  ganzen  Bienenvolks  plötzlich  gestorben 
waren.  Das  plötzliche  Hinsterben  erfolgte  im  Verlaufe  zweier  Tage,  noch  ehe 
das  Zukitten  aller  Maschen  vollendet  war,  und  es  dürfte  wohl  ein  durch  den, 
wenn  auch  noch  nicht  vollendeten,  doch  bereits  sehr  weit  gediehenen  Luftabschluss 
bewirkter  Erstickungstod  gewesen  sein.  Da  indess  während  derselben  beiden 
Tage,  an  welchen  das  massenhafte  Hinsterben  erfolgte,  das  Meer  so  bewegt  war, 
wie  sonst  während  der  ganzen  Reise  nicht,  so  muss  die  Möglichkeit  zugestanden 
werden,  dass  vielleicht  nicht  der  Luftabschluss,  sondern  die  heftigen  Erschütterungen 
des  Stockes  Todesursache  gewesen  sein  könnten.  Künftige  Transportversuche 
werden  entscheiden.  Mir  scheint  die  erstere  Annahme  die  bei  weitem  wahr- 
scheinlichere, und  wenn  sie  richtig  ist,  so  wird  diese  Gefahr  bei  künftigen  Trans- 
porten sehr  leicht  zu  vermeiden  sein. 

Die  Ueberbringerin  schaffte  nun  dem  Vorhofe  Luft,  indem  sie  zahlreiche 
Maschen  mit  einer  Stricknadel  wieder  öffnete,  und  die  noch  übrig  gebhebenen 
Bienen  —  es  dürften  höchstens  200  gewesen  sein  —  kamen  wohlbehalten  in  Lipp- 
stadt an.  Bei  hellem  Sonnenschein  kamen  sie  ziemlich  zahlreich  aus  dem  Stocke 
heraus.  Die  meisten  schwebten,  sobald  sie  die  Eingangsröhre  verlassen  hatten, 
ihren  dünnen  Hinterleib  hoch  hebend  und  die  langen  Hinterbeine  senkrecht  nach 
unten  streckend,  längere  Zeit  schwebfliegenartig  vor  dem  Stocke,  das  Gesicht  der 
Eingangsröhre  zugewendet  und  allmälig  sich  von  dem  Stocke  entfernend,  als 
wollten  sie  sich  die  Lage  desselben  gehörig  einprägen.  An  warmen  sonnigen 
Tagen  sah  ich  oft  1 2  bis  20  gleichzeitig  in  dieser  Weise  vor  dem  Stocke  schweben 
und  erst  dann  dem  Stocke  den  Rücken  kehren  und  rasch  wegfliegen,  so  dass 
ich  sie  aus  dem  Auge  verlor,  wenn  sie  etwa  einen  Fuss  weit  von  dem  Stocke 
rückwärts  geschwebt  waren.  Manche  jedoch  kamen  mit  Bruchstücken  der  Leichen 
todt  gegangener  Kameraden  beladen  aus  dem  Flugloche,  und  diese  flogen  jedes- 
mal, ohne  sich  erst  umzusehen  und  ohne  sich  im  Fluge  zu  verweilen,  direct  weit 

32* 


CQQ  Stachellose  brasilianische  Honigbienen. 

weg.  Leider  gelang  es  mir  nie,  auf  den  benachbarten  Blumen  meines  Gartens 
eine  dieser  kleinen  Meliponen  anzutreffen;  sie  müssen  über  die  Gartenhecke 
weiter  weggeflogen  sein.  Nur  auf  einem  benachbarten  Rosenstocke  sah  ich  dann 
und  wann  einzelne  Exemplare  auf  den  Stengelblättern  sitzen  und  bald  sich  sonnen, 
bald  mit  den  Mandibeln  die  dünne  Wachsschicht  von  der  Blattoberfläche  ab- 
schaben. Unter  den  heimkehrenden  Exemplaren  wurde,  trotz  beständig  darauf 
gerichteter  Aufmerksamkeit,  niemals  ein  mit  Blüthenstaub  beladenes  bemerkt. 
Blumen,  welche  alle  ihre  Nahrungsbedürfnisse  hätten  befriedigen  können,  haben 
sie  also  jedenfalls  hier  nicht  gefunden.  Ob  sie  Honig  aus  hiesigen  Blumen  ent- 
nommen, ob  sie  also  überhaupt  hier  Blumennahrung  gefunden  haben,  weiss  ich 
nicht.  Der  im  Vorhof  ihnen  vorgesetzte  Honig  von  Apis  mellifica,  mit  dem  sie 
auch  auf  der  Reise  beköstigt  worden  waren,  wurde  von  ihnen  nicht  nur  eifrig 
gesaugt,  sondern  auch  in  die  Sammelkörbchen  der  Hinterschienen  gehäuft  und 
mit  in  den  Stock  genommen,  wahrscheinlich  um  Honigtöpfe  damit  zu  füllen.  Da 
ich  sie  niemals  mit  Blüthenstaub  heimfliegen  sah,  so  klebte  ich,  um  ihnen  Bau- 
material zu  liefern,  an  die  Vordervvand  des  Kastens,  rechts  und  links  von  der 
Eingangsröhre,  je  eine  Wachskugel  etwas  grösser  als  eine  Erbse,  und  zwar  rechts 
Wachs  derselben  Bienenart,  links  Wachs  ihres  Todtfeindes,  der  schwarzen  Raub- 
biene (M.  limäo).  Anfangs  wurden  beide  Wachssorten  gleich  eifrig  bearbeitet; 
die  Bienchen  sassen  oft  zu  4  bis  5  an  jedem  Wachsklumpen  und  bissen  mit  den 
Mandibeln  kleine  Wachsstücke  los,  die  sie  entweder  unmittelbar  in  das  Nest 
schleppten  oder  (häufiger)  erst  durch  zahlreiche  weiter  abgebissene  Stückchen  zu 
einem  Klümpchen  anhäuften,  welches  zwischen  Kopf  und  Vorderbeinen  gehalten  und 
ebenfalls  in  das  Nest  geschleppt  wurde;  nicht  selten  beluden  sie  auch  die  Sammel- 
körbchen ihrer  Hinterschienen  mit  Wachs.  Sobald  jedoch  der  Wachsklumpen 
von  M.  limäo  seiner  obersten  Schicht  entkleidet  war,  verliessen  ihn  meine  Bienchen, 
die  wahrscheinlich  nun  erst  den  eigenthümlichen  Geruch  des  Wachses  wahr- 
nahmen ;  von  dem  Jaty- Wachs  dagegen  trugen  sie  nicht  nur  die  erste  Kugel  voll- 
ständig sondern  auch  noch  den  grössten  Theil  einer  zweiten  Kugel  in  ihr  Nest. 
Um  den  inneren  Ausbau  ihres  Wohnraumes  kennen  zu  lernen,  brach  ich  eines 
Tages  im  September  die  aus  dünnen  Wachsblättchen  aufgebaute  und  von  lab}^- 
rinthischen  Gängen  durchzogene  Hülle,  welche  in  meinem  Stocke  nicht  nur  den 
Brutraum,  sondern  auch  die  neben  demselben  gelegenen  \^orrathstöpfe  über- 
deckte, vorsichtig  ab  und  warf  die  losgebrochenen  Stücke  in  den  hinteren  noch 
etwas  freien  Raum  darbietenden  Theil  des  Kastens.  Nachdem  ich  zahlreiche 
(wenigstens  10)  unregelmässig  mit  einander  verbundene  Wachsschichten  ab- 
getragen hatte,  gelangte  ich  endlich  zu  einem  kleinen,  kaum  mehr  als  30  mm  im 
Durchmesser  betragenden  Brutraume,  in  dessen  Mitte  sich  eine  einzige  winzige 
Wabe  von  nur  7  Zellen  befand.  Eine  dieser  Zellen  übertraf  die  übrigen  an  Höhe 
und  Umfang;  sie  mochte  wohl  eine  Königinzelle  sein.  Links  neben  dem  Brut- 
raum und  seiner  Umhüllung  fanden  sich  fünf  theils  noch  offene  theils  geschlossene, 
durch  Wachsbalken  mit  einander  verbundene  kugelig^e  Vorrathstöpf e ;  etwa  von 
der  Gnisse  einer  Flintenkugel;  die  offnen  waren  mit  klarem  durchsichtigem  Honig- 
gefüllt.  Ich  bekam  bei  diesem  Offenbrechen  jedenfalls  den  grössten  Theil,  wenn 
nicht  alle  in  dem  Stocke  noch  lebenden  Bienen  zu  sehen,  da  sie  höchst  unruhig 
sich  an  die  beschädigten  Stellen  drängten;  ich  schätzte  ihre  Zahl  auf  100  bis 
höchstens  200;    eine  Königin   sah    ich   unter   ihnen   nicht.     Trotz  dieser  geringen 


Stachel  lose  brasilianische  Honigbienen.  cq! 

Volkszahl  war  der  von  mir  angerichtete  Schaden  schon  nach  zwei  Tagen  fast 
vollständig  wieder  hergestellt,  mehrere  senkrechte  Wachswände  bis  zur  Glasdecke 
des  Kastens  aufgeführt  und  zahlreiche  den  Brutraum  unregelmässig  umhüllende 
Schalen  neugebaut.  Noch  an  den  sonnigen  Octobertagen  kamen  die  Bienchen, 
wenigstens  in  den  Mittagsstunden,  recht  munter  herausgeflogen  und  gaben  mir 
sogar  von  ihrer  (reistesgegenwart  und  Ueberlegung  noch  eine  bewundernswerthe 
Probe.  Einige  Honigbienen  (Apis  mellifica),  die  ihres  Stockes  beraubt  im  Garten 
umherirrten,  drängten  sich  nämlich  in  den  Vorhof  meines  Jatystockes,  um  den  dort 
den  Jaty's  als  Futter  hingestellten  Honig  für  sich  in  Anspruch  zu  nehmen;  aber 
die  Jaty's  wussten  die  riesenhaften  Eindringlinge,  die  ihre  eignen  Körpermasse 
wenigstens  um  das  50-  bis  loofache  übertrafen,  in  ebenso  muthiger  als  zweck- 
mässiger Weise  am  Honigraube  zu  verhindern ;  sie  flogen  denselben  an  die  Flügel 
und  bissen  sich  in  dieselben  ein,  und  zwar  in  der  Regel  je  zwei  in  den  Vorder- 
rand jedes  Vorderflügels  nahe  seiner  Basis.  Die  Honigbienen  suchten  nun  davon 
zu  kommen,  konnten  aber  nicht  fliegen  und  liefen  daher  höchst  unruhig  im  Vorhof 
umher,  und  die  Jaty's  blieben  mit  Ausdauer  in  die  Flügel  verbissen,  während  ihre 
Kameraden  sich  nun  ungestört  des  Honiggenusses  erfreuten.  Ich  sah  einmal 
nicht  weniger  als  sechs  in  dieser  Weise  von  Jaty's  gerittne  Honigbienen  in  dem 
Vorhof  umherrennen,  und  die  Jaty's  blieben  selbst  dann  noch  längere  Zeit  in  die 
Flügel  verbissen,  nachdem  ich  die  von  ihnen  gerittenen  Bienen  mit  einer  Pincette 
ergriffen  und  durch  Zerdrücken  von  Kopf  und  Thorax  getödtet  hatte. 

Als  Ende  October  kältere  Witterung  eintrat,  nahm  ich  den  Stock,  dessen 
Volk  sich  durch  einzelne  Todesfälle  allmälig  immer  mehr  vermindert  hatte,  in 
mein  Wohnzimmer.  Die  Zimmerwärme  vermochte  jedoch  niemals,  die  Thiere  aus 
ihrem  Neste  hervorzulocken,  während  sie  dagegen,  sobald  der  Stock  den  directen 
Strahlen  der  Sonne  ausgesetzt  wurde,  stets  nach  kurzer  Zeit  in  grösserer  oder 
geringerer  Zahl  herauskamen,  um  im  Vorhofe  schwebend  oder  sitzend  das  Sonnen- 
licht zu  geniessen.  Als  am  28.  November  nach  wochenlanger  trüber  Witterung 
endlich  wieder  ein  zwar  sehr  kalter,  aber  klarer,  sonniger  Morgen  eingetreten 
war,  beging  ich  die  Unvorsichtigkeit,  den  Stock  in  das  von  der  Sonne  beschienene, 
aber  erst  wenige  Grad  über  den  Gefrierpunkt  erwärmte  Fenster  meines  Wohn- 
zimmers zu  setzen.  Nach  kurzer  Zeit  kamen  alle  noch  lebenden  Bewohner  des 
Stockes,  40  —  50  an  der  Zahl,  munter  hervor,  um  sich  im  Vorhofe  der  Sonnen- 
strahlen zu  erfreuen ;  aber  es  dauerte  nicht  lange,  da  legte  sich  eine  nach  der 
andern  auf  den  Rücken,  zuckte  noch  einigemale  mit  Fühlern  und  Beinen  und 
verendete.  Wahrscheinlich  hatte  der  plötzliche  Temperaturwechsel  sie  getödtet. 
Es  gelang  nicht,  durch  Wiedererwärmen  eine  einzige  in  das  Leben  zurückzurufen. 

Ich  habe  die  an  meinem  Jatystocke  gemachten  Erfahrungen  etwas  eingehender 
mitgetheilt,  weil  ich  glaube,  dass  manche  derselben  bei  künftigen  Einführungs- 
versuchen berücksichtigt  werden  müssen.  Obgleich  nun  allerdings  die  Möglich- 
keit, die  Meliponen  bei  uns  zu  überwintern,  noch  keineswegs  bewiesen  ist,  so 
scheinen  mir  doch  die  an  meinem  Jatystocke  gemachten  Erfahrungen  weit  mehr 
für  als  gegen  dieselbe  zu  sprechen.  Jedenfalls  aber  ist  der  wissenschaftliche  Ge- 
winn, welchen  die  Einführung  lebender  Meliponenstöcke  in  unsere  zoologischen 
Gärten  verspricht,  so  bedeutend,  dass  keine  Geduld  und  Ausdauer  und  keine 
Kosten  gescheut  werden  sollten,  um  diese  Einführung,  wenn  sie  überhaupt  möglich 
ist,  auch  zu  verwirklichen. 


Poey's  Beobachtungen   über  die  Naturgeschichte  der 
Honigbiene  von  Cuba.    MeHpona  fulvipes  Guer.*). 

(Auszug  mit  Anmerkungen.) 

Poey's  schon  im  Jahre  185 1  erschienene  Arbeit  über  die  Honigbiene  von 
Cuba  ^),  weitaus  das  Beste,  was  ich  über  die  Naturgeschichte  der  stachellosen 
Honigbiene  gelesen  habe,  —  scheint  in  Europa  fast  unbeachtet  geblieben  zu  sein ; 
durch  einen  von  einigen  Anmerkungen  begleiteten  Auszug  auf  sie  hinzuweisen, 
mag  daher  nicht  unangemessen  sein.  Ich  übergehe  die  Beschreibung  der  Art 
und  beschränke  mich  auf  die  Mittheilungen  über  deren  Lebensverhältnisse,  wobei 
ich  meist  Poey's  eigene  Worte  beibehalte: 

„Melipona  -)  fulvipes  nistet  in  hohlen  Bäumen  ^),  und  zwar  nicht  nur  in  Cedern 
(Cedrela  odorata),  wie  Humboldt  angibt;  jeder  Baum,  der  ihr  sicheres  Obdach 
verspricht,  ist  ihr  recht.  Unter  sonst  gleichen  Umständen  dürfte  sie  Bäumen  aus 
der  Familie  der  Guttiferen  den  Vorzug  geben,  die  ausser  Wohnung  ihr  auch 
Harz  zu  ihrem  Bau  und  Blüthenstaub  bieten*).  —  Die  Bienen  passen  ihren  Bau 
der  Gestalt  und  den  Verhältnissen  der  vorgefundenen  Höhle  an,  nach  welcher 
sich  Länge  und  Umfang  des  Nestes  richten  ^).  Ihre  erste  Sorge  ist,  Spalten  und 
Ritze  zu  verschliessen,  die  dem  Licht  oder  feindlichen  Insecten  Einlass  gewähren 
könnten^);  sie  benutzen  dazu  gewöhnlich  ein  Gemisch  aus  Harz  und  anderen,  an- 
scheinend erdigen  ')  Stoffen,  welches  einen  sehr  harten,  bisweilen  zolldicken  Kitt 
bildet.  .  Als  einzigen  Eingang  lassen  sie  ein  Flugloch  von  0,01  m  Durchmesser*^), 
von  dem  aus  ein  allmälig  erweiterter  Gang  bis  zum  oberen  Ende  des  Baues  sich 
fortsetzt^).  Dann  gehen  sie  an  den  Bau  der  grossen  Vorrathstöpfe,  die  zur  Auf- 
nahme von  Honig  und  Blüthenstaub  ^^)  dienen,  Gestalt  und  Grösse  einer  Nuss 
haben  und  immer  an  den  beiden  Enden  des  Nestes,  oben  und  unten  angebracht 
sind;  zwischen  diesen  beiden  Niederlagen  bringen  sie  die  Waben  an  und  umhüllen 
sie  mit  einem  Mantel  aus  ziemlich  groben  Wachsblättern  ^^).  —  Die  Vorrathstöpfe 
werden  aus  dem  besten  Wachse  gebaut,  ebenso  die  Balken,  welche  das  Nest 
seitlich  an  den  Wänden  der  Höhle  befestigen  oder  die  Waben  unter  sich  ver- 
binden.    Die  Waben   sind   wagerecht   und   einander   so   nahe,   dass   sie  nur  einer 


*)  Zool.  Garten   1875.    '6.  Jahrg.  p.  291—297. 


Poey's  Beobachtungen  über  die  Naturgeschichte  der  Honigbiene  von  Cuba.  SO^ 

Biene  den  Durchgang  gestatten;  wie  die  Waben  der  Wespen  sind  sie  durch 
kleine  Säulen  mit  einander  verbunden.  Ihre  obere  Seite  erscheint  leicht  vertieft  ^''^). 
Jede  Wabe  kann  im  Durchschnitt  300  Zellen  enthalten  und  es  finden  sich  ihrer  in 
jedem  Stocke  etwa  ein  Dutzend  ^^).  Die  Zellen  sind  aus  einem  Stoffe  gebaut,  der 
mehr  dem  Papier  der  Wespennester  als  gewöhnlichem  Wachse  sich  nähert;  ihr  Boden 
ist  dunkler,  dicker  und  härter^*).  Ihre  Gestalt  ist  sechsseitig  mit  halbkugligem 
Boden;  ihr  Durchmesser  beträgt  4,5  mm.  Die  Zellen  bilden  eine  einzige  Schicht; 
alle  sind  von  gleicher  Grösse,  ohne  Unterschied  zwischen  Arbeiter-  und  Drohnen- 
zellen, Nie  traf  ich  Zellen,  die  man  ihrer  Grösse  wegen  für  königliche  hätte 
halten  können;  ob  vielleicht  zuweilen  vorkommende  querliegende  Zellen  diese 
Bedeutung  haben,  weiss  ich  nicht  ^^).  Ich  habe  in  meinem  Hause  Waben  gehabt, 
aus  denen  ich  täglich  20  Arbeiter  und  6  Männchen  (oder  vielmehr,  wie  Poey 
später  selbst  berichtigte,  kleine  Weibchen)  auskriechen  sah,  ohne  einen  Unter- 
schied in  der  Grösse  der  Zellen  zu  bemerken.  Ich  darf  nicht  mit  Stillschweigen 
übergehen,  dass  ich  am  Rande  der  Waben  mehr  als  einmal  einen  weissem  Wachse 
ähnlichen,  aber  dehnbaren  Stoff  getroffen  habe,  von  Grösse  und  Gestalt  einer 
Kichererbse,  auf  kurzem  Stiele  sitzend,  wie  ein  Pilz  ^^). 

In  allen  von  mir  untersuchten  Stöcken  befand  sich  sicher  nie  mehr  als  eine 
einzige  befruchtete  Königin  mit  angeschwollenem  Hinterleib  ^^).  Neben  der  Königin 
pflegt  man  eine  grössere  Anzahl  kleinerer  Weibchen  anzutreffen;  so  fand  ich  in 
einem  Schwärme  von  600  bis  1000  Arbeitern  (von  12  mm  Länge)  40  solcher 
kleiner  Weibchen  (von   10,5  mm  Länge)  ^^). 

Diese  Bienen  sammeln  mit  grossem  Eifer  weiche  Harze,  wie  die  von  Calo- 
phyllum  Calaba,  Garcinia  Cornea,  Laetia  apetala,  und,  wie  man  mir  sagt,  auch 
von  Mastix  und  Cypressen.  Haut  man  die  Rinde  eines  M  a  n  a j  u  (Garcinia  cornea) 
an,  wie  versteckt  er  auch  stehe,  so  kommen  im  Laufe  des  Tages  die  Bienen 
herbei,  um  das  für  ihr  Nest  nöthige  Harz  zu  holen ;  sie  tragen  es  an  den  Hinter- 
beinen fort,  oft  in  Klumpen  von  der  Grösse  eines  Reiskorns.  Ist  das  Harz  hart, 
so  tragen  sie  es  mit  den  Kinnbacken  ^'•'). 

Ich  habe  oft  Arbeitsbienen  heimkehren  sehen ,  die  auf  dem  Rücken  des 
Hinterleibes  Blättchen  eines  weissem  Wachse  ähnlichen  Stoffes  trugen;  für  ge- 
wöhnlich waren  es  3  oder  4  Stückchen  auf  dem  3.,  4.  und  5.  Ringe.  Ihre  Gestalt 
war  die  eines  dünnen  Blättchens,  ihre  Grösse  0,5  mm;  ich  kann  sie  mit  nichts 
besser  vergleichen  als  mit  den  von  der  Honigbiene,  Apis  mellifica,  ausgeschwitzten 
Wachsblättchen.  Ein  kleines  Klümpchen,  das  ich  aus  vielen  Blättchen  gebildet 
hatte,  Hess  sich  kneten,  wie  gewöhnliches  Wachs;  leider  ging  es  verloren,  so  dass 
ich  es  nicht  weiter  untersuchen  konnte.  Sind  es  Wachsblättchen,  die  die  Bienen 
von  der  Rinde  oder  der  Blattoberfläche  von  Pflanzen  abgeschabt  haben  ^O)  ? 

Zur  Aufnahme  der  Brut  stellen  die  Arbeitsbienen  der  Königin  die  leeren 
Waben  zur  Verfügung,  deren  Bau  sie  von  der  Mitte  aus  beginnen;  sobald  die 
Zellen  fertig  sind,  werden  sie  mit  einem  aus  Honig  und  wahrscheinlich  halb- 
verdautem, wieder  ausgebrochenem  Blüthenstaub  bestehenden,  halbflüssigen  Brei 
gefüllt.  Ist  die  ZeUe  voll  21),  so  eilt  die  Königin  herbei,  um  ein  Ei  hineinzulegen, 
welches  wenigstens  i  mm  lang  ist,  was  die  geringere  Bevölkerungszahl,  im  Ver- 
gleich mit  Apis,  erklärt.  Dann  wird  die  Zelle  geschlossen.  Der  Brei  ist  so  dick, 
dass   die  Larve   nach  dem  Auskriechen  nicht  untersinkt;    sie  liegt  gekrümmt  auf 


C04.  Poey's  Beobachtungen  über  die  Naturgeschichte   der  Honigbiene  von  Cuba. 

ihrer  Nahrung,  die  sie  allmälig  verzehrt.  Die  Zelle  wird  von  den  ^Vrbeitern  mit 
gutem  Wachs  geschlossen,  so  dass  die  Larve  keine  andere  Luft  hat,  als  die  an- 
fänglich in  der  Zelle  enthaltene;  später  wird  ein  Theil  des  Wachses  wieder  ent- 
fernt, und  ist  sie  zur  Puppe  geworden,  so  ist  nur  nach  das  ursprüngliche  dünne 
Deckelchen  übrig -2),  welches  die  junge  Biene  beim  Ausschlüpfen  selbst  mit  den 
Kinnbacken  öffnet.  Das  Ausschlüpfen  beginnt,  wie  der  Bau,  in  der  Mitte  der 
Wabe,  und  da  die  Arbeiter  die  entleerten  Zellen  sofort  abtragen,  könnte  eine 
halbleere  Wabe  die  Vermuthung  erwecken,  es  w^ürde  der  Wabenbau  vom  Um- 
fange her  begonnen.  Aus  diesem  Grunde  findet  man  auch  in  den  Nestern  der 
Meliponen  keine  leeren  Zellen. 

Nachts  hören  alle  Arbeiten  auf,  wenn  man  dies  aus  dem  Schweigen  des 
Schwarms  und  der  Abwesenheit  der  Wache  am  Flugloche  schliessen  darf^^). 

Anmerkungen. 

i)  Felipe  Poey,  Memorias  sobre  la  historia  natural  de  la  Isla  de  Cuba.  Tomo  I.  Habanna 
185 1,  pag.   122. 

2)  Poey  rechnet  seine  Biene  zu  Trigona;  wenn  ich  sie,  wie  Guerin,  Melipona  nenne,  so  denke 
ich  dabei  natürlich  nicht  an  den  müssigen  Streit  der  Systematiker  der  alten  Schule,  ob  Melipona  und 
Trigona  zwei  Gattungen  bilden  oder  nur  eine;  das  ist  ja  lediglich  Sache  des  Beliebens  oder  höchstens  eine 
Frage  der  Zweckmässigkeit,  und  wäre  als  solche  zu  bejahen,  da  die  Uebersicht  über  die  zahlreichen  und 
so  weit  auseinandergehenden  Arten  stachelloser  Honigbienen  durch  ihre  Vertheilung  in  mehrere  Gattungen 
nur  erleichtert  werden  könnte.  Trennt  man  Trigona  von  Melipona,  so  kann  fulvipes  trotz  ihrer  gezähnten 
Kinnbacken  nur  letzterer  Gattung,  d.  h.  dem  Verwandtschaftskreise  von  favosa,  anthidioides  u.  s.  w.  bei- 
gezählt werden,  wie  Flügelgeäder,  Bildung  der  Hinterschienen  u.  s.  w.  beweisen. 

3)  Dies  gilt  wahrscheinlich  für  alle  Meliponen  und  die  grosse  Mehrzahl  der  Trigonen  (um 
unter  diesem  Namen  einstweilen  die  vielgestaltigen  von  Melipona  abzutrennenden  Arten  zusammenzufassen). 
Einige  Trigonen  bauen  ihre  Nester  aussen  an  die  Aeste  der  Bäume,  wie  es  von  Tr.  amalthea  bekannt 
ist,  und  wie  ich  es  bei  der  nahe  verwandten  Tr.  ruficrus  fand.  Andere  sollen  in  der  Erde  nisten,  so  nach 
Peckolt  unsere  Tr.  cupira  Sm.  und  nach  Angabe  meines  Neffen  Gustav  Müller  eine  andere  kleinere 
Art,  in  der  ich  nach  dessen  Beschreibung  Tr.  opaca  F.  u.  H.  M.  zu  erkennen  glaube. 

4)  Ich  habe  von  einer  Bevorzugung  bestimmter  Bäume  von  Seiten  einer  oder  der  anderen  Bienenart 
bis  jetzt  nichts  bemerkt. 

5)  Nicht  immer  füllen  die  Nester  die  ganze  Höhlung;  bisweilen  wird  ein  Theil  derselben  einfach 
tmbenutzt  gelassen,  bisweilen  wird  der  unbenutzte  Theil  durch  eine  Wand  aus  Kitt  von  dem  bewohnten 
geschieden. 

6)  Dies  geschieht  wahrscheinlich,  noch  ehe  der  Schwärm  in  eine  neue  Wohnung  einzieht.  So  be- 
obachtete ein  hiesiger  Bienenzüchter,  dass  Jatys  in  massiger  Zahl  in  einen  leeren  Kasten  seines  Bienen- 
standes ein-  und  ausflogen;  erst  nach  längerer  Zeit,  nachdem  sie  das  Flugloch  in  ihrer  Weise  hergerichtet 
und  wahrscheinlich  auch  das  Innere  wohnlich  gemacht  hatten,  folgte  diesen  Vorläufern  der  ganze  Schwann. 
Bringt  man  einen  Schwärm  in  eine  neue  Wohnung,  so  ist  die  allererste  Sorge  der  Bienen,  ihren  lose 
liegenden  Bau  durch  Wachsbalken  an  Boden  und  Wänden  der  neuen  Wohnung  zu  befestigen. 

7)  Das  ist  sehr  wahrscheinlich;  unsere  sämmtlichen  Meliponen  sammeln  Erde  zu  diesem  Be- 
hufe;  dagegen  habe  ich  von  unseren  zahlreichen  Trigona-Arten  bisher  nur  eine,  Tr.  cupira  Sm.,  Erde 
sammeln  sehen. 

8)  Der  Durchmesser  des  Fluglochs  ist  auffallend  gross ;  unsere  Meliponen  pflegen  dasselbe  so 
eng  zu  machen,  dass  nur  eine  Biene  bequem  hindurch  kann.  Bei  M.  Gurupü  hat  es  6  mm,  bei  M.  pul- 
chella  F.  u.  H.  M.  (übereinstimmend  bei  4  Stöcken)  4  mm  Durchmesser.  Doch  mögen  auch  bei  Melipona 
hierin  Verschiedenheiten  zwischen  nahe  verwandten  Arten  vorkommen,  wie  es  bei  Trigona  in  der  That  der 
Fall  ist;  Tr.  pigra  F.  u.  H.  M.,  die  Pregui<;osa  der  Brasilianer,  baut  ein  enges  Flugloch  von  etwa  2  mm 
Durchmesser  für  den  Durchgang  einer  einzigen  Biene;  die  sehr  nahe  stehende  Tr.  mirim  F.  u.  H.  M., 
obwohl  noch  etwas  kleiner,  ein  viel  weiteres  von  5-  6  mm  Durchmesser,  in  welchem  gew<)hnlich  4  Bienen 
zugleich  als  Wache  sitzen. 


Poey's  Beobachtungen  über  die  Naturgeschichte  der  Honigbiene  von  Cuba.  rQ:: 

9)  Vom  Flugloch  aus  pflegt  ein  weiterer  gewölbter  Gang  aus  Kitt  oder  Wachs  auf  eine  kürzere 
oder  längere  Strecke  ins  Nest  hineinzugehen.  In  einem  meiner  Pregui90sa-Stöcke  geht  ein  solcher  Gang 
von  6  mm  Halbmesser  von  dem  unten  in  der  Mitte  der  einen  Wand  befindlichen  Flugloche  zuerst  0,06  m 
weit  in  dem  Winkel  zwischen  dieser  Wand  und  dem  Boden  bis  zur  nächsten  Ecke,  steigt  dann  in  dieser 
0,17  m  senkrecht  emj)or,  fast  liis  zur  Decke  des  Kastens  und  geht  dann  in  wagerechter  Richtung  auf 
die  anstossendc  Wand  über,  wo  er  noch  weiter  gebaut  wird.  —  In  einem  zweiten  Stocke  derselben  Art 
steigt  der  Gang  vom  Flugloch  senkrecht  an  der  betreffenden  Wand  bis  zu  deren  halber  Höhe  empor  und 
hat  bis  dahin  etwa  0,035  ^  Durchmesser;  dann  verengt  er  sich  auf  etwa  12  mm  Durchmesser  und  geht 
mit  veränderter  Richtung  noch  eine  lange  Strecke  auf  dieser  und  der  anstossenden  Wand  weiter.  Diese 
für  die  winzige  Art  ungemein  weiten  Gänge  sind  aus  Wachs  gebaut;  bei  anderen  Arten  habe  ich  sie  nie 
in  solcher  Ausdehnung  imd  immer  aus  Kitt  gebaut  gefunden.  Dass  sie  bei  M.  fulvipes  stets  vom  Flug- 
loche nach  dem  oberen  Ende  des  Baues  hingehen,  kann  ich  natürlich  nicht  geradezu  bestreiten ;  bei 
mehreren  meiner  Stöcke  von  Tr.  miriin  und  M.  pulchella  gehen  sie  in  gerader  Richtung  etwa  5  bis  6  cm 
am  Boden  des  Stockes  hin. 

10)  Oder  vielmehr  Bienenbrod;  denn  wie  Apis,  Bombus,  Euglossa,  Epicharis  u.  s.  w.  sammeln 
auch  die  Meliponiden  nicht  trockenen   Blüthenstaub,  sondern  durchfeuchten  ihn  sofort  mit  Honig. 

1 1)  Diese  gegenseitige  Lage  von  Waben  und  Honigtöpfen  sah  ich  nur,  wenn,  wie  in  dem  von 
Poey  gezeichneten  Neste,  der  Eingang  sich  etwa  in  der  Mitte  der  Höhe  des  Nestes  befindet.  Hat 
die  Höhle  ihren  Zugang  oben,  was  die  Bienen  eben  hinnehmen  müssen,  wie  sie  es  finden,  so  trifft  man 
die  Waben  oben,  die  Vorräthe  darunter;  umgekehrt,  wenn  das  Flugloch  unten  liegt,  immer  also  die  Brut- 
waben zunächst  dem  Eingange. 

12)  Eine  solche  leichte  Concavität  der  oberen  Wabenfläche  ist  mir  noch  bei  keiner  Art  aufgefallen. 

13)  "Die  Zellenzahl  und  somit  die  Grösse  der  einzelnen  Waben  ist  oft  bedingt  durch  die  Räumlich- 
keiten, über  welche  die  Bienen  zu  verfügen  haben ;  in  einer  weiten,  niedrigen  Höhle  wird  man  grössere, 
in  einer  engen,  hohen,  kleinere  Waben  erwarten  dürfen.  Die  Gesammtzahl  der  gleichzeitig  in  einem  Stocke 
vorhandenen  Zellen  ist  sehr  verschieden,  je  nach  der  Art,  nach  der  Jahreszeit  und  nach  der  Fruchtbarkeit 
der  Königin.  Die  fruchtbarste  Königin,  die  ich  gesehen,  von  Tr.  mirim,  legte  im  Sommer  etwa  150  Eier 
täglich,  was  —  die  Zeit  bis  zum  Auskriechen  zu  etwa  36  Tagen  gerechnet  —  5400  Zellen  ergibt. 

14)  Dies  gilt  wohl  auch  bei  Melipona  fulvipes  nur  für  ältere  Zellen,  in  denen  die  Larven  bereits 
ihre  Vorräthe  aufgezehrt  und  sich  eingesponnen  haben.  Ursprünglich  sind  die  Zellen  von  Wachs ;  dieses 
wird  aber  abgenagt,  nachdem  die  Larve  sich  eingesponnen,  und  es  bleibt  nun  oben  und  unten  nur  das 
papierähnliche  Gespinnst  der  Larve;  der  Boden  erscheint  jetzt  dunkler,  dicker  und  härter,  weil  auf  ihm 
ein  Rest  des  Futterbreies  festgetrocknet  ist. 

1 5)  Derlei  querliegende  Zellen  habe  ich  noch  nicht  gesehen ;  durch  Grösse  ausgezeichnete  Weisel- 
wiegen sind  auch  mir  bei  Melipona  noch  nicht  vorgekommen,  doch  kenne  ich  solche  von  verschiedenen 
Trigona- Arten. 

16)  Ganz  ähnliche  Gebilde  findet  man  regelmässig,  zwar  nicht  an  den  Waben  selbst,  wohl  aber  an 
der  sie  umgebenden  Wachshülle  bei  Melipona  pulchella.  Durch  ihre  weissliche  Farbe  stechen  sie  lebhaft 
ab  von' dem  röthlichen  Wachse.  Sie  bestehen  aus  einem  weichen,  klebrigen,  nicht  unangenehm  riechenden 
Harze,  das,  wie  andere  Stoffe,  wahrscheinlich  dem  Wachse  beigemengt  wird. 

17)  Guerin  hatte  bei  M.  fulvipes  zwischen  ein  paar  Hundert  Arbeitern  etwa  ein  halbes  Dutzend 
Weibchen  gefunden,  und  wohl  nur  darauf  gründet  sich  die  Angabe,  der  man  hie  und  da  begegnet,  dass 
bei  Melipona  zahlreiche  Königinnen  in  einem  Stocke  leben.  Um  so  wichtiger  ist  die  bestimmte  Angabe 
Poey's,  dass  nur  eine  einzige  Königin  auch  bei  dieser  Art  sich  findet,  wie  ich  selbst  es  stets  bei  den 
neun  Arten  von  Melipona  und  Trigona  fand,  deren  Nester  ich  untersucht  habe. 

18)  Poey  hielt  diese  kleinen  Weibchen  Anfangs  für  Drohnen,  hat  aber  später  selbst  seinen  Irrthum 
berichtigt.  Nur  bei  Melipona  scheinen  solche  kleine  Weibchen  vorzukommen.  Ob  aus  ihrer  Zahl  die  Köni- 
ginnen hervorgehen  oder  ob  sie  einen  eigenen  Stand  heiliger  Jungfrauen  („parthenogenetischcr  Weibchen") 
bilden,  bleibt  noch  zu  ermitteln*). 

19)  Nicht  minder  eifrig  im  Sammeln  harziger,  kautschukähnlicher  und  anderer  Pflanzensäfte  sind 
unsere    hiesigen    Bienen,    und    die    verschiedenen   Arten    haben   dabei    verschiedene    Liebhabereien.     Wohl. 


*)  Ein  genauer  Vergleich  eines  solchen  kleinen  Weibchens  mit  einer  befruchteten  Königin  von 
Melipona  (^oyrej^ü  F.  u.  H.  Müll,  hat  mich  überzeugt,  dass  ein  merklicher  Unterschied,  ausser  der  kolossalen 
Anschwellung  des  hefmchteten  Hinterleibes,  zwischen  beiden  nicht  cxistlrt.  Hermann  Müller. 


cq()  Poey's  Beobachtungen  über  die  Naturgeschichte  der  Honigbiene  von  Cuba. 

riechende  Harze  sammelt  M.  Coyrepü;  haut  man  eine  Bicuiba  (Myristica)  oder  einen  Blut  bäum 
(Pterocarpus)  an,  so  kann  man  sicher  sein,  dass  um  den  ausfliessenden  drachenblutähnlichen  Saft  M.  Garupü, 
Mondury  und  pulchella  sich  sammeln ;  ihr  Wachs  verdankt  demselben  seine  dunkelbraunrothe  oder  röth- 
liche  Farbe.  Tr.  mirim  sammelt  einen  ungemein  klebrigen  fadenziehenden  Saft,  vielleicht  von  einer  Ficus- 
Art;  die  nahe  verwandte  Tr.  pigra  liebt  balsamische  Stoffe,  z.  B.  Copaivabalsam  u.  s.  w.  Dass  zum  Tragen 
bisweilen  auch  die  Kinnbacken  benutzt  werden,  habe  ich  bei  Erde  eintragenden  Coyrepüs  gesehen,  von 
denen  einzelne  ausser  den  Höschen  an  den  Hinterschienen  auch  noch  ein  Maulvoll  mit  heimbrachten. 

20)  P  o  e  y  sah  also  die  Wachsblättchen  seiner  Melipona  an  ihrer  Bildungsstätte ;  er  wusste  sie  mit 
nichts  besser  zu  vergleichen  als  mit  den  Wachsblättchen  von  Apis,  und  doch,  —  es  scheint  fast  unbe- 
greiflich, dass  er  es  nicht  beim  ersten  Anblick  gethan,  —  erkannte  er  sie  nicht  als  solche  und  versäumte 
es,  sich  mit  leichter  Mühe  zu  überzeugen,  dass  sie  zwischen  den  Rückenplatten  des  Hinterleibes  ganz 
ebenso  abgesondert  werden,  wie  die  von  Apis  zwischen  den  Bauchplatten ;  er  versäumte  es,  so  eine  der 
wichtigsten  Thatsachen  in  der  Naturgeschichte  der  Meliponiden  festzustellen,  und  warum  ?  —  weil  er  bei 
seiner  Beobachtung  schon  die  vorgefasste  weitläufig  von  ihm  erörterte  Meinung  hatte,  dass  die  Meliponen 
kein  Wachs  absondern ! 

21)  Poey  scheint  das  Füllen  der  Zellen  und  das  Eierlegen  nicht  wirklich  gesehen,  sondern  diese 
Vorgänge  nur  erschlossen  zu  haben,  und  es  bleibt  daher  für  M.  fulvipes  noch  festzustellen,  ob  die  Zellen 
einzeln,  eine  nach  der  anderen,  gefüllt  und  belegt  werden,  oder  ob  jedesmal  gleichzeitig  eine  grössere  An- 
zahl fertig  gebaut,  gefüllt,  in  rascher  Folge  belegt  und  geschlossen  wird.  Ersteres  scheint  für  die  Meli- 
ponen, letzteres  für  die  Trigonen  Regel  zu     sein. 

22)  Oder  vielmehr  das  Gespinnst  der  Larve. 

23)  Dies  ist  keineswegs  der  Fall;  der  Wabenbau  und  andere  häusliche  Arbeiten  gehen  die  ganze 
Nacht  ununterbrochen  fort.  Das  laute  Summen  an  heissen  Tagen  hat  mit  diesen  Arbeiten  nichts  zu  thun, 
sondern  wohl  hauptsächlich  rascheren  Luftwechsel  durch  den  Flügelschlag  der  Bienen  zum  Zwecke.  Fürchten 
die  Bienen  für  die  Nacht  Gefahr,  so  schliessen  sie  ihr  Flugloch  mit  Wachs  oder  Harz,  natürlich  nicht 
luftdicht,  sondern  siebartig;  man  kann  dies  gewöhnlich  in  den  ersten  Nächten  beobachten,  nachdem  man 
einen  Schwärm  in  eine  neue  Wohnung  übergesiedelt  hat. 

Itajahy,  Ende  März   1875. 


Aus  Brasilien  (Meliponen)^)^). 

Herr  Redacteur!  Gestern  brachte  mir  die  Post  die  No.  23  der  Bztg.  vom 
15./ 12.  74,  für  deren  freundliche  Zusendung  ich  wohl  Ihnen  zu  danken  habe;  ich 
beeile  mich,  dieser  angenehmen  Pflicht  nachzukommen.  Da  ich  selbst  seit  einigen 
Jahren  mich  mit  der  Lebensweise  der  Meliponcn  beschäftige,  brauche  ich  Ihnen 
wohl  kaum  zu  sagen,  wie  lebhaft  mich  der  treffliche  Vortrag  von  Drory  erfreut 
hat,  in  dem  ich  so  Manches,  was  ich  an  meinen  eigenen  Melipona- Völkern  be- 
obachtet hatte,  vollkommen  bestätigt  fand.  —  Herr  Drory  hat  gewiss  Recht,  dass 
praktischen  Wert  die  Meliponen  für  Europa  gar  nicht  haben;  den  haben  sie  seit 
der  Einführung  der  europäischen  Immen  selbst  hier  nicht  mehr.  Doch  ganz  ab- 
gesehen von  allem  wissenschaftlichen  Interesse,  gibt  es  unter  denselben  so  zierlich 
gebaute  und  so  hübsch  gefärbte  Arten,  dass  ihre  Einführung  in  zoologischen 
Gärten  gewiss  des  Versuchs  wert  wäre.  Sie  drüben  einzubürgern,  dürfte  kaum 
so  schwierig  sein,  als  Herr  Drory  fürchtet.  Mögen  auch  die  in  der  Nähe  des 
Aequators  heimischen  Arten  vielleicht  nicht  unter  15"  R.  leben  können,  so  sinkt 
doch  schon  hier  (27"  S.  B.),  wo  noch  zahlreiche  Arten  leben,  das  Thermometer 
in  kalten  Wintern  bisw^eilen  auf  o*',  und  manche  Arten  gehen  ja  noch  südlicher 
bis  Rio  Grande  und  selbst  bis  in  die  Laplatastaaten.  Diese  aussertropischen  Arten 
würden  natürlich  viel  leichter  sich  drüben  eingewöhnen. 

Dass  der  Bau  der  Meliponen  schmutzig-braun  ist,  dagegen  das  frische  Wachs 
weiss,  will  Herr  Drory  durch  die  Beimischung  eines  dunklen  Speichels  bei  der 
Verarbeitung  erklären.  Das  ist  nun  wohl  ein  Irrtum.  Trotz  der  Verarbeitung 
ist  die  aus  reinem  Wachs  gebaute  Ausflugsröhre  unserer  Trigona  laty  schneeweiss, 
das  Wachs  ihrer  Brutwaben  und  Honigtöpfe  bräunUch  -  gelb,  —  Die  bei  ver- 
schiedenen Arten  sehr  verschiedene  (graue,  gelbe,  rötliche,  braune  bis  fast  schwarze) 
Farbe  des  Wachses  rührt  gewiss  zum  grössten  Teil  von  der  Beimengung  fremder 
Stoffe  her.  Teilweise  lassen  sich  diese  Stoffe  (z.  B.  Erde,  schleimige  Zusätze  u. 
dgl.)  durch  Ausschmelzen  wieder  abscheiden  und  man  erhält  so  z.  B.  aus  dem 
schmutziggrauen   Wachsbau   unserer   Cagafogo   (von    der   ich    nicht  sagen    kann, 


1)  Von  Herrn  Fritz  Müller,  kaiserl.  Beamten  in  Brasilien,  Bruder  des  Herrn  Professors  Dr.  H.  Müller 
in  Lippstadt.  Wir  hatten  Herrn  Fr.  Müller,  der  sich  lebhaft  mit  dem  Studium  der  Meliponen  beschäftigt, 
unterm  15./3.  75  No.  23  der  Bztg.  1874  ^^^  ^^"^  Aufsatze  des  Herrn  E.  Drory  über  Meliponen  gesendet 
und  hierauf  obigen  Artikel  als  Antwort  erhalten.  Die  Redaktion. 

2)  Eichstädt.  Bienenzeitung.   1875.  3^-  Band.  p.  215  (Nördlingen,  Becksche  Buchhandlung). 


cQg  Aus  Brasilien  (Meliponen). 

ob  es  dieselbe  Art  ist  wie  die  Cagafogo  von  Bahia)  ein  fast  schneeweisses  Wachs. 
Andere  Stoffe,  wie  Harze,  lassen  sich  so  nicht  wieder  trennen.  Die  dunkelbraun- 
rote Farbe  des  Wachses  bei  mehreren  Arten  rührt  besonders  von  den  drachen- 
blutähnlichen Säften  verschiedener  Bäume  (Pterocarpus,  Myristica)  her.  die  von 
diesen  Arten  eifrig  gesammelt  werden. 

Die  Frage,  die  neuerdings  in  Betreff  der  europäischen  Bienen  sich  erhoben 
hat  und  ebenfalls  in  der  mir  zugesandten  Nummer  der  Bztg.  besprochen  ist,  ob 
die  ganze  Masse  des  Futtersaftes  von  den  Speicheldrüsen  geliefert  wird,  ist  bei 
den  Meliponen  leicht  dahin  zu  entscheiden,  dass  bei  ihnen  dies  nicht  der  Fall 
ist;  denn  der  dickliche  Futterbrei,  auf  welchen  die  Königin  ihr  Ei  ablegt,  enthält 
eine  grosse  Menge  Pollenkörner.  Der  Futtersaft  wird  von  den  Arbeitern  aus- 
gebrochen, wie  ich  unendlich  oft  gesehen  habe. 

Wenn  bei  Ihnen  einzelne  Bienenvölker  sich  das  Rauben  angewöhnen,  so 
haben  wir  leider  eine  ganze  Art  Trigona  limäo  Sm.,  die  sich  des  mühsamen  Selbst- 
sammeins ganz  entwöhnt  hat  und  von  der  Ausplünderung  anderer  Arten  lebt, 
deren  Stöcke  sie  in  dichten  Schwärmen  überfällt  und  deren  gefährlichster  Feind 
sie  ist.  Sie  raubt  ihnen  nicht  nur  ihre  Vorräte,  sondern  leert  und  zerstört  auch 
die  Brutwaben,  von  denen  sie  kaum  die  ältesten  schont,  in  denen  die  Larven 
sich  bereits  eingesponnen  haben.  —  Bisweilen  nehmen  sie  sogar  bleibenden  Besitz 
von  den  Überfallenen  Wohnungen. 

Bei  Ihren  Bienen  werden  die  Brutzellen  mit  einem  Wachsdeckel  geschlossen 
für  die  letzte  Zeit  des  Larvenlebens  und  für  die  Puppenzeit.  Gerade  umgekehrt 
ist  es  bei  unseren  Meliponen.  Sobald  die  Königin  ein  Ei  in  die  gefüllte  Zelle 
gelegt,  wird  diese  geschlossen  und  so  ist  die  Larve  für  die  ganze  erste  Zeit  ihres 
Lebens  von  der  äusseren  Luft  abgeschlossen ;  erst  wenn  sie  sich  eingesponnen 
hat,  wird  das  Wachs  von  der  Oberfläche  der  Brutwaben  wieder  abgenagt,  so 
dass  sie  nun  von  der  äusseren  Luft  nur  durch  ihr  eigenes  Gespinnst  getrennt  ist. 

Meinen  besten  Dank  für  die  gütige  Uebersendung  der  so  gehaltreichen 
Nummer  Ihrer  Bztg.  wiederholend,  zeichne  ich  mit  etc. 

Itajahy,  Prov.  St.  Catharina,  i^.j^.  1875. 


On  Brazil  Kitchen  Middens,  Habits  of  Ants  etc.  ^). 

[Letter  to  Mr.  Darwin.] 

My  dear  Sir,  —  In  Desterro  I  met  with  two  young  men  (M.  Charles  Wiener, 
of  Paris,  and  M.  Carl  Schreiner,  from  the  National  Museum  of  Rio)  who,  by  order 
of  the  Brazilian  Government,  were  examining-  the  "Sambaquis"  of  our  province. 
I  accompanied  them  in  some  of  their  excursions.  These  "Sambaquis",  or  "Cas- 
queiros",  are  hillocks  of  shells  accumulated  by  the  former  inhabitants  of  our  coast ; 
they  exist  in  great  number,  and  some  of  them  are  now  to  be  found  at  a  distance 
of  several  miles  from  the  sea-shore,  though  originally  they  were,  of  course,  built 
near  the  spot  where  the  shells  lived.  Some  are  of  considerable  size;  we  were 
told  that  a  Sambaqui  on  a  little  island  near  San  Francisco  had  a  height  of  about 
loo  metres;  but  the  largest  I  have  seen  myself  did  not  exceed  lo  or  12  metres. 
As  to  the  shells  of  which  they  are  composed,  the  Sambaquis  may  be  divided 
into  three  classes,  viz. :  (i)  Sambaquis,  consisting  of  many  different  species  of 
bivalve  and  univalve  shells  (Venus,  Cardium,  Lucina  Area,  Ostrea,  Purpura,  Trito- 
nium,  Trochus  etc.),  all  of  which  are  at  present  living  in  the  neighbouring  sea. 
(2)  Sambaquis,  consisting  almost  exclusively  of  a  small  bivalve  shell,  the  "Birbigäs" 
of  the  Brazilians  ( Venus  flexuosa  ?),  exceedingly  common  in  shallow  bays  or  salt- 
water  lagoas,  the  bottom  of  which  is  of  mixed  mud  and  sand.  (3)  Sambaquis, 
consisting  exclusively  of  a  species  of  Corbula,  which  I  have  not  yet  seen  in  a  living 
State;  all  the  Brazilians  also,  whom  I  asked,  and  who  are  perfectly  acquainted  with 
any  edible  animal  of  their  marine  fauna,  are  unanimous  in  affirming  that  this  shell 
does  not  live  now  on  our  coast.  From  one  of  these  Corbula-Sambaquis  I  obtained 
a  specimen  of  a  small  Melampus,  which  I  have  found  living  near  the  mouth  of 
some  rivulets,  where  fresh  and  salt  water  are  mingling  in  ever-varying  proportions. 
When  the  lowlands  of  the  lower  Itajahy  and  some  of  its  tributaries  were  as 
yet  beneath  the  level  of  the  sea,  they  would  have  formed  a  large  estuary,  and 
here  probably  the  Corbulae  lived.  The  fragments  of  human  skulls  which  we 
found  in  one  of  these  Corbula-Sambaquis  were  of  truly  astonishing  thickness, 
whereas  those  I  have  seen  from  other  Sombaquis  are  hardly  thicker  than  our 
own.  Among  the  tools  which  are  to  be  found  in  the  Sambaquis,  stone-axes  are 
by  far  the  most  frequent.  But  as  M.  Wiener  will  probably  soon  publish  a  füll 
account  of  his  researches,  I  will  now  no  longer  dwell  on  this  subject. 

I)  Nature  vol.  XIII.   1876.  p.  304.  305. 


ejQ  On  Brazil  Kitchen  Middens,  Habits  of  Ants  etc. 

Some  time  ago  I  sent  to  Germany  for  publication  a  note  on  the  relation 
between  our  Imbauba  trees  (Cecropia)  and  the  ants  which  inhabit  their  hoUow 
Stern.  As  there  may  be  some  delay  in  Publishing,  I  will  give  you  a  short  abstract. 
Mr.  Belt  has  already  stated  that  the  ants  farm  scale-insects  in  the  cells  of  the 
Imbauba  stem,  and  he  believes  that  their  presence  must  be  beneficial.  This  is 
no  doubt  the  case;  for  they  protect  the  young  leaves  against  the  leaf-cutting 
ants  (Oecodoma).  Now  there  is  a  wonderful  contrivance  by  which,  as  in  the  case 
of  the  "bull's-horn  acacia",  the  attendance  of  the  ants  at  the  right  time  and  place 
is  secured.  At  the  base  of  each  petiole  there  is  a  large  flat  cushion,  consisting 
of  most  densely-crowded  hairs,  and  within  this  cushion  a  large  number  of  small 
white  pear-like  or  club-shaped  bodies  (specimens  inclosed)  are  successively  developed, 
which.  when  ripe,  emerge  at  the  surface  of  the  cushion,  like  asparagus  on  a  bed, 
and  are  then  greedily  gathered  by  the  ants  and  carried  awa}'^  to  the  nest,  The 
object  of  the  dense  hair-cushion  appears  to  be  (i)  to  secure  to  the  young  club- 
shaped  bodies  the  moisture  necessary  for  their  development;  and  (2)  to  prevent 
the  ants  from  gathering  the  unripe  bodies.  In  most  cases  it  is  by  hone^^-secreting 
glands  that  the  protecting  ants  are  attracted ;  now  Mr.  Belt  observed  ("Nicaragua", 
p.  225)  that  the  honey-glands  on  the  calyx  and  young  leaves  of  a  Passion -flo wer 
were  less  attractive  to  the  ants  than  were  the  scale-insects  living  on  the  stems; 
this  would  most  likely  be  the  case  with  the  Imbauba,  and  it  is  probable  that  the 
use  of  the  little  pear-shaped  bodies  is  to  form  an  attraction  stronger  than  that 
of  the  scale-insects,  and  thus  to  secure  the  attendance  of  the  protective  ants  on  the 
young  leaves.  As  far  as  I  could  make  out,  the  club-shaped  bodies  consist  mainly 
of  an  albuminous  substance.  The  ant  colonies  are  founded  by  fertilised  females, 
which  may  be  found  frequently  in  the  cells  of  young  Imbauba  plants.  Each 
internode  has  on  the  outside,  near  its  upper  end,  a  small  pit  where  the  wall  of 
the  cell  is  much  thinner  than  anywhere  eise,  and  where  the  female  makes  a  hole 
by  which  she  enters.  Soon  after  this  the  hole  is  completely  shut  again  by  a 
luxuriant  excrescence  from  its  margins,  and  so  it  remains  until  about  a  dozen 
workers  have  developed  from  the  eggs  of  the  female,  when  the  hole  is  opened 
anew  from  within  by  these  workers.  It  would  appear  that  the  female  ants,  living 
in  cells  closed  all  around,  must  be  protected  against  any  enemy ;  but  notwithstand- 
ing  a  rather  large  number  of  them  are  devoured  by  the  grub  of  a  parasitic  wasp 
belonging  tho  the  Chalcididse;  Mr.  Westwood  has  observed  that  the  pupae  of  the 
Chalcididse  exhibit  a  much  nearer  approach  to  the  obtected  pupae  of  the  Lepid- 
optera  than  is  made  by  any  other  Hymenoptera  ("Introd.  to  the  Modern  Classif. 
of  Insects,"  Part  XI.,  p.  162).  Now  the  pupa  of  the  parasite  of  the  Imbauba  ant 
is  suspended  on  the  wall  of  the  cell  by  its  posterior  extremity  just  like  the  chrysalis 
of  a  butterfly. 

I  hope  you  will  have  received  a  paper  on  ^glea,  a  curious  Decapod  inhabiting 
the  mountain  rivulets  of  our  Serra  do  Mar.  Lately  I  obtained  a  large  number  of 
specimens  of  this  ^glea,  and  among  them  a  female  with  eggs  in  an  advanced 
State  of  development.  Thus  I  was  enabled  to  satisfy  myself  that,  like  so  many 
fresh-water  and  terrestrial  animals,  the  marine  allies  of  which  undergo  a  trans- 
formation,  our  ^glea  does  not  experience  any  metamorphosis. 

Itajahy,  St.  Catharina,  Brazil,  Dec.  25,   1875. 


Einige  Worte  über  Leptalis^). 

Mit  2   Zeichnungen. 

„Für  gewisse  Fälle  der  Mimicry  oder  der  Bildung  der  natürlichen  schützenden 
Masken  und  Nachahmungen  .  .  .  scheint  die  natürliche  Züchtung  nicht  auszu- 
reichen." -')  „Nur  da,  wo  die  Stammform,  von  welcher  die  Umwandlung  zur 
Maske  ausgeht,  der  nachgeahmten  Species  ohnehin  schon  so  ähnlich  sieht,  dass 
eine  Verwechselung  von  Seiten  ihrer  Feinde  möglich  ist,  nur  da  ist  die  natür- 
liche Zuchtwahl  im  Stande,  die  Aehnlichkeit  zu  vervollkommnen  und  immer 
täuschender  zu  machen.  Da  dies  aber  nur  bei  einem  Theil  der  bis  jetzt  bekannten 
Beispiele  von  Mimicry  zutrifft,  so  müssen  in  den  übrigen  Fällen  noch  andere  bis 
jetzt  unbekannte  Ursachen  thätig  gewesen  sein."  ^)  Aehnliche  Bedenken  gegen 
die  Entstehung  der  Mimicry  durch  natürliche  Züchtung  sind  auch  anderwärts  laut 
geworden  und  verdienen  wohl  eine  eingehende  Besprechung. 

Die  Mimicry,  die  täuschende  Nachahmung  anderer  Arten,  ist,  insoweit  sie 
der  nachahmenden  Art  Sicherheit  vor  Feinden  gewährt,  nur  ein  besonderer  Fall 
der  schützenden  Aehnlichkeit,  von  deren  gewöhnlichster,  einfachster  Form,  der 
schützenden  Färbung,  die  allmählichsten  Uebergänge  zu  den  wundervollsten  Bei- 
spielen täuschender  Nachahmung  führen,  wie  z.  B.  von  einem  gewöhnlichen  ein- 
fach grünen  Heuspringer  zu  einer  Pterochroza,  deren  Flügel  ein  welkendes 
Blatt  bis  ins  Einzelnste  in  unübertrefflicher  Weise  nachahmen. 

Die  schützende  Färbung  kann  aber  offenbar  von  jedem  beliebigen 
Punkte  aus  durch  natürliche  Züchtung  sich  bilden.  Nehmen  wir  z.  B.  einen 
Schmetterling,  der  die  Gewohnheit  hat,  mit  ausgebreiteten  Flügeln  an  Baum- 
stämmen zu  ruhen,  wie  viele  Nachtschmetterlinge  und  unter  den  Tagfaltern  die 
Ageronien  und  die  ihnen  verwandte  Ectima  Liria.  Selbst  die  riesigste 
Art,  —  etwa,  um  einen  dieser  ausfliessende  Baumsäfte  saugenden  Schmetterlinge 
zu  nennen,  Erebus  Strix,  —  würde,  und  wenn  sie  im  blendendsten  Weiss 
prangte,  doch  nur  von  einer  bestimmten  Entfernung  her  für  Vögel  unterscheid- 
bar sein  und  auf  eine  weit  geringere  Entfernung  hin  die  Aufmerksamkeit  achtlos 
vorüberfliegender  Vögel  auf  sich  ziehen.  Jede  kleinste  Abänderung,  die  ihre 
Färbung   derjenigen    der   Baumrinde   oder   der   sie    bedeckenden    Flechten   näher 

i)  Jenaische  Zeitschrift  1876.  Bd.  X.  S.   i  — 12. 

2)  Oskar  Schmidt,  Descendenztheorie  und  Darwinismus.    1873.  S.   147. 

3)  Das  Unbewusste,  vom  Standpuncte  der  Physiologie  und  Descendenztheorie,  (Anonyme  Schrift 
E.  von  Hartmanns)   1873.  S.   11. 


I-  j  2  Einige  Worte  über  Leptalis. 

brächte,  würde  die  eine  wie  die  andere  Entfernung  und  damit  die  Wahrschein- 
lichkeit, von  Feinden  bemerkt  und  verzehrt  zu  werden,  verringern  und  also  „die 
Grundlage  für  weitergehende  Abweichungen  nach  derselben  Richtung  in  den 
folgenden  Generationen  bilden  können."  (Das  Unbewusste,  S.  lo.)  Von  jedem 
beliebigen  Ausgangspuncte  aus  würde  sich  also  auf  dem  Wege  der  natürlichen 
Auslese  jene  täuschende  Aehnlichkeit  mit  Baumflechten  erreichen  lassen,  durch 
welche  z.  B.  Ageronia  Epinome  plötzlich  den  Augen  des  Verfolgers  ent- 
schwindet, wenn  sie  sich  an  einem  Baumstamme  niedersetzt  und  die  Flügel  dem- 
selben anschmiegt. 

Ganz  eben  so  würde  von  jedem  beliebigen  Ausgangspuncte  aus  die  natür- 
liche Züchtung  dahin  wirken  können,  ein  Thier  unter  einem  zahlreichen  Schwärm 
einer  anderen  Art  für  die  Augen  seiner  Feinde  verschwinden  zu  lassen,  etwa 
einen  w^eissen  Pieriden  unter  einem  Schwärme  bunter  Ithomien.  Würden 
die  ersten  unerheblichen  Abweichungen  von  der  urspründlichen  weissen  Färbung 
auch  nur  dadurch  nützen,  dass  ihre  Inhaber  auf  minder  weite  Entfernung  hin  die 
Aufmerksamkeit  achtlos  vorüberfliegender  Feinde  auf  sich  zögen,  sie  würden 
eben  immerhin  nützen  und  „ihre  Inhaber  concurrenzfähiger  im  Verhältniss  zur 
Stammform  machen";  sie  würden  mithin  als  Grundlage  dienen  können  für  die 
allmähliche  Herausbildung  einer  Aehnlichkeit,  die  selbst  die  scharfen  Augen 
der  den  Ithomienschwarm  nach  Beute  durchspähenden  Vögel  zu  täuschen  im 
Stande  wäre.  Möglicherweise  haben  so  die  Weibchen  der  Perrhybris  (Pieris) 
Pyrrha,  deren  Männchen  jetzt  eine  vorwiegend  weisse  Oberseite  haben,  von 
einer  weissen  Stammform  aus  ihre  Heliconienähnlichkeit  entwickelt,  worin  nach 
dem  eben  Gesagten  gewiss  keine  „sehr  schwer  wiegende  Schwierigkeit"  für  die 
natürliche  Züchtung  zu  erblicken  wäre. 

Handelte  es  sich  in  den  erwähnten  Fällen  zunächst  darum,  das  zu  schützende 
Thier  weniger  auffallend  aus  seiner  Umgebung  hervortreten  zu  lassen,  und  konnte 
dies  durch  natürliche  Auslese  von  jedem  beliebigen  Puncte  aus  erreicht  werden, 
so  stellt  sich  die  Sache  etwas  anders  in  den  Fällen,  in  welchen  ein  einzelner 
Gegenstand  als  Vorbild  der  schützenden  Nachahmung  diente,  wie  z.  B.  bei  der 
Nachahmung  einer  Grabwespe  (Pepsis),  oder  eines  Laufkäfers  (Cicindela)  durch 
Heuschrecken  (Scaphura,  Phylloxyrtus).  Hier  ist  allerdings  von  vornherein 
eine  gewisse  Aehnlichkeit  der  nachahmenden  und  der  nachgeahmten  Art  uner- 
lässlich;  doch  wird  auch  hier  diese  Aehnlichkeit,  um  dem  Eingreifen  der  natür- 
lichen Auslese  als  Anhalt  dienen  zu  können,  eben  nur  gross  genug  zu  sein 
brauchen,  um  gelegentlich  einen  in  der  Ferne  achtlos  vorübereilenden  Feind  zu 
täuschen.  Ein  wie  geringes  Mass  kaum  angedeuteter  Aehnlichkeit  genüge,  um 
gelegentlich  einem  Thiere  das  Leben  zu  retten,  mag  ein  Fall  beweisen,  in  welchem 
ich  selbst  der  Betrogene  war.  Am  Stamme  einer  Cassia,  deren  ausfliessender 
.Saft  die  mannichfaltigsten  Kerfe  anlockt,  pflegte  vor  einiger  Zeit  auch  eine 
schwarze  Wespe  mit  weissen  Flügelspitzen  sich  einzufinden,  deren  Stich  ich  als 
besonders  schmerzhaft  fürchten  gelernt  hatte.  Eines  Tages  traf  ich  nun  an  dem 
Stamme  eine  Wanze,  die  höchstens  durch  die  blasseren  Spitzen  der  Flügel  an 
die  Wespe  erinnerte;  als  ich  sie  fassen  wollte,  hob  sie  die  Plügel  in  ähnlicher 
Weise,  wie  Wespen  zu  thun  pflegen ;  unwillkürlich  zog  ich  die  Hand  einen 
Augenblick  zurück  und  die  Wanze  entwischte. 


Einige  Worte  über  Leptalis.  cj^ 

Die  Annalime  einer  so  fernen  anfäng"Hchen  Aehnlichkeit  als  Auss^antifspunct 
für  die  Entstehung"  der  Mimicry  durch  natüriiche  Zuchtwahl  dürfte  kaum  in 
irgend  einem  der  bekannten  Fälle  einem  Bedenken  unterliegen.  Es  ist  dabei 
nicht  ausser  Acht  zu  lassen,  dass  die  Scharfsichtigkeit  der  Feinde,  auf  die  man  sich 
berufen  hat,  um  von  vornherein  einen  erheblichen  Grad  von  Aehnlichkeit  zwischen 
nachahmender  und  nachgeahmter  Art  zu  verlangen,  ja  doch  auch  eine  erst  all- 
mählich im  Kampfe  ums  Dasein  erworbene  Eigenschaft  ist,  die  eben  dadurch 
sich  steigern  musste,  dass  die  verfolgten  Arten  durch  schützende  Färbung,  durch 
Mimicry  u.  s.  w.  sich  den  minder  scharfsichtigen  Verfolgern  entzogen.  Diese 
immer  wachsende  Klugheit  und  Scharfsichtigkeit  der  Verfolger  erklärt  einerseits 
die  wunderbare  Vollendung  vieler  natürlichen  Nachahmungen,  macht  aber  ebenso 
andrerseits  die  Annahme  einer  anfangs  sehr  geringen  Aehnlichkeit  um  so  un- 
bedenklicher. 

Nach  diesen  Vorbemerkungen  wende  ich  mich  zur  Besprechung  des  ein- 
zigen mir  bekannten  Falles,  für  welchen  man  die  Unmöglichkeit  der  Entstehung 
der  Mimicry  durch  natürliche  Zuchtwahl  näher  zu  begründen  versucht  hat.  Er 
betrifft  die  Leptalis  arten  des  Amazonas,  welche  sich  unter  die  Schwärme  der 
Ithomien  mengen  und  diese  durch  üblen  Geruch  und  Geschmack  geschützten 
Schmetterlinge  aufs  Täuschendste  nachahmen.  Ich  will  zunächst  die  betreffende 
„Ausstellung  gegen  die  Tragweite  der  natürlichen  Zuchtwahl"  wörtlich  hersetzen.  ^) 

„Gewisse  weisse  Schmetterlinge  aus  der  Familie  der  Pieriden  (Leptalis) 
ahmen  diejenigen  Arten  der  Heliconiden  2),  in  deren  Bezirk  sie  leben,  so 
täuschend  nach,  dass  man  sie  äusserlich  fast  nur  durch  die  Struktur  der  Füsse 
unterscheiden  kann.  Die  copirten  Heliconiden  besitzen  einen  unangenehmen 
Geruch  und  Geschmack,  welcher  sie  vor  Verfolgungen  der  Vögel  schützt,  und 
da  nur  etwa  eine  Leptalis  auf  1000  Heliconiden  vorkommt,  so  reicht  dieser 
Schutz  für  die  ersteren  vollkommen  mit  aus.  Nun  stehen  sich  aber  beide  Gat- 
tungen mindestens  so  fern,  wie  etwa  Fleischfresser  und  Wiederkäuer  unter  den 
Vierfüssern,  man  kann  sich  daher  leicht  denken,  eine  wie  grosse  Zahl  von  Zwischen- 
formen für  den  Uebergang  nöthig  war,  wenn  dieser  nur  durch  Addition  zufälliger 
Individualabweichungen  erfolgen  sollte.  Flügel,  Fühler  und  Abdomen  haben  sich 
verlängert,  die  Farben  der  nachgeahmten  Arten  von  Gelb  und  Orange  bis  Braun 
und  Schwarz  werden  bis  auf  die  Grade  der  Durchsichtigkeit  und  die  Zeichnung 
der  kleinsten  Flecken  und  Streifen  treulich  copirt  und  selbst  die  Gewohnheiten 
sind  derart  modificirt,  dass  die  Leptaliden  dieselben  Orte  wie  ihre  Vorbilder 
besuchen  und  sogar  dieselbe  Flugart  angenommen  haben.  —  Es  ist  klar,  dass  die 
Aehnlichkeit  nützlich  ist,  aber  eben  so  klar,  dass  sie  erst  dann  einen  gewissen 
Schutz  gewähren  kann,  wenn  sie  gross  genug  wird,  um  das  scharfe  Auge  der 

i)  Das  Unbewusste,  S.   10.   11. 

2)  Die  von  Leptalis  nachgeahmten  „Heliconiden"  (Ithomia,  Mechanitis  u.  s.  w.)  sind 
neuerdings  und  mit  vollem  Rechte  aus  der  Gruppe  der  Heliconinen  ausgeschieden  und  mit  derjenigen 
der  Danainen  vereinigt  worden.  Die  Gattungen  Heliconius  und  Eueides,  auf  die  man  jetzt  die 
Heliconinen  beschränkt  hat,  enthalten,  soviel  mir  bekannt,  keine  nachgeahmten,  wohl  aber  verschiedene 
nachahmende  Arten.  So  ist  Eueides  Pavana  die  gelungenste  Nachahmung  der  so  manchen  anderen 
Schmetterlingen  (Castnia  acraeoides,  Dyschema  Amphissa,  Leptalis  sp.)  als  Vorbild  dienenden 
Acraea  Thalia. 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  33 


-j  ,  Einige  Worte  über  Leptalis. 

Vögel  ZU  täuschen.  Es  würde  also  bei  der  grossen  Differenz  der  äusseren  Er- 
scheinung eine  Zwischenstufe,  welche  immerhin  dem  Aussehn  der  Heliconiden 
schon  näher  steht  als  dem  der  Leptaliden,  doch  noch  hinreichend  deutliche  Ab- 
weichungen von  den  Heliconiden  zeigen,  um  von  den  Vögeln  deutlich  erkannt 
zu  werden,  also  den  Inhabern  wenig  oder  gar  nichts  nützen,  und  jedenfalls  würden 
solche  Zwischenstufen,  welche  den  gewöhnlichen  weissen  Pieriden  noch  näher 
stehen,  als  dem  Aussehn  der  Heliconiden,  in  keiner  Weise  irgend  welchen  Schutz 
geniessen,  also  auch  ihre  Inhaber  nicht  concurrenzfähiger  im  Verhältnisse  zur 
Stammform  machen."  — 

Wie  man  sieht,  geht  die  ganze  Beweisführung  von  der  Voraussetzung  aus, 
dass  die  Stammform  der  nachahmenden  Leptalisarten  ein  „gewöhnlicher  weisser 
Pieride"  gewesen  sei.  Wäre  das  erwiesen,  so  würde  ich  darin  immer  noch  keine 
„sehr  schwer  wiegende  Schwierigkeit"  für  die  Selectionstheorie  sehen  können; 
allein  unbegreiflicherweise  ist  auch  nicht  mit  einem  Worte  der  Versuch  gemacht, 
die  Zulässigkeit  und  Wahrscheinlichkeit  jener  Voraussetzung  zu  prüfen.  Weil  sie 
mit  den  deutschen  Weisslingen  in  dieselbe  Familie  gestellt  wird,  soll  etwa  des- 
halb die  Stammform  der  südamericanischen  Gattung  Leptalis  auch  weiss  ge- 
wesen sein  ?  Aber  fliegen  nicht  selbst  in  Deutschland  neben  dem  Kohlweissling 
der  Citronenvogel  und  gelbe  C  o  1  i  a  s  arten  ?  Mag  man  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit 
für  die  Gattung  Pieris  eine  weisse  Stammform  annehmen  dürfen,  da  sie  neben 
gelben,  rothen,  schwarzen  und  bunten  Arten  doch  auch  fast  in  aller  Welt  weisse 
Vertreter  hat,  so  lässt  sich  diese  Annahme  doch  keineswegs  auf  alle  Gattungen 
der  Familie  ausdehnen,  z.  B,  schon  nicht  auf  die  deutschen  Gattungen  Gono- 
pteryx  und  Colias,  eben  so  wenig  auf  Terias,  Callidryas,  Euterpe, 
Pereute  u.  s.  w.,  und  am  allerwenigsten  auf  die  Gattung  Leptalis,  die  „jeden- 
falls an  die  äusserste  Peripherie  der  Pieriden  gehört."  (Herrich-Schaeffer.) 
Zu  sehr  Laie  auf  dem  Gebiete  der  Schmetterlingskunde,  um  nicht  meinem  eigenen 
Urtheile  zu  misstrauen,  will  ich  noch  einige  bewährte  Meister  auf  diesem  Felde 
sich  hierüber  aussprechen  lassen.  „Ce  genre,"  sagt  Boisduval^)  von  Leptalis, 
„est  assez  anomal  et  il  se  pourrait  que  plus  tard  lorsque  l'on  connaitra  ses  meta- 
morphoses  il  constituät  une  tribu  particuliere  pres  des  Heliconide s."  „The 
neuration  of  the  posterior  wings,"  sagt  Doubleday^)  „and  the  f ive-branched 
subcostal  nervure,  with  four  of  its  nervules  very  short,  running  almost  directly 
to  the  Costa,  the  long  slender  abdomen,  the  elongate  wings  and  other  characters, 
bring  this  genus  very  near  to  the  Heliconidae."  Dass  man  der  Stammform 
einer  so  abweichenden  Gattung,  deren  Zugehörigkeit  zur  Familie  noch  nicht  ein- 
mal über  allen  Zweifel  erhaben  ist^),  nicht  ohne  Weiteres  Farbe,  Gestalt  und 
Flugweise  der  „gewöhnlichen  weissen  Pieriden"  beilegen  darf,  liegt  auf  der  Hand. 
Es  fehlt  somit  der  ganzen  obigen  „Ausstellung   gegen    die  Tragweite   der  natür- 

i)  Boisduval,  Species  general  des  Lcpidoptcres.     Tom.  I.      1836.     p.  412. 

2)  Doubleday  et  Hewitson,  Genera  of  Diurnal  Lepidoptera,  pag.  36. 

3)  Stell  hat  als  Raupe  der  Leptalis  Amphene  eine  Raupe  abgebildet,  die  kaum  einer  anderen 
Familie,  als  derjenigen  der  Danaiden  angehören  kann.  Möglich,  dass  Stell  in  diesem  Falle  die  Lep- 
talis mit  ihrem  Verbilde  verwechselt  und  die  Raupe  des  letzteren  als  die  der  ersteren  abgebildet  hat. 
Ist  die  betreffende  Raupe  wirklich  die  der  Leptalis,  so  würde  man,  trotz  ihrer  entwickelten  Vorderfüsse 
und  zweispaltigen  Fussklauen,  kaum  an  der  nahen  Verwandtschaft  dieser  Gattung  mit  den  von  so  vielen  ihrer 
Arten  nachgeahmten  heliconierähnlichen  Danainen  zweifeln  können. 


Einige  Wi)rtc  über  l^eplalis.  e  i  c 

liehen  Zuchtwahl"  die  unentbehrlichste  thatsächlichste  Unterlage.  Die  versäumte 
Erörterung  der  Frage  nach  der  Stammform  der  nachahmenden  Lept ausarten 
würde  schwerlich  auf  einen  „gewöhnlichen  weissen  Pieriden",  sie  würde  wahrschein- 
lich auf  den  Heliconinen  und  heliconier-ähnlichen  Danainen  im  Aussehen  ziemlich 
nahe  stehende  Schmetterlinge  hingeführt  haben 

Versuchen  wir  das  Versäumte  nachzuholen.  Von  den  65  Leptalisarten, 
die  Kirby  in  seinem  Verzeichnisse  der  Tagfalter  aufzählt  ^),  überschreiten  freilich 
nur  wenige  den  südlichen  Wendekreis;  es  sind  mir  hier,  unter  27*^  S.  B.,  nur  fünf 
Arten  vorgekommen  und  nur  von  vier  kann  ich  sagen,  dass  ich  sie  kenne,  da  ich 
die  fünfte  (Leptalis  Thermesia)  nur  zwei  oder  dreimal  gesehen  habe.  Die 
vier  häufigeren  Arten  sind  indess  wie  eigens  für  die  Erörterung  der  Frage  nach 
ihrer  Stammform  ausgelesen  und  so  lässt  sich  vielleicht  trotz  ihrer  so  dürftigen 
Zahl  eine  leidlich  sichere  Antwort  hoffen.  Eine  unserer  Arten,  Leptalis  Melia, 
trägt  ihr  eigenes  Gewand  (hat  wenigstens  unter  den  hiesigen  Schmetterlingen  kein 
Vorbild) ;  die  drei  übrigen  sind  nachahmende  Arten  und  haben  ihre  Vorbilder  in 
eben  so  viel  verschiedenen  Familien.  Leptalis  Astynome  trägt  die  Maske 
eines  heliconier-ähnlichen  Danainen,  der  Mechanitis  Polymnia  var.  Lysim- 
n  i  a.  Eine  Art,  deren  Namen  ich  nicht  erfahren  konnte  ^),  und  die  im  P'olgendem 
als  Leptalis  Thalia  bezeichnet  werden  mag,  ist  eine  so  gute  Nachahmung  der 
Acraea  Thalia,  dass  mir  ihre  Flügel  als  die  einer  unbekannten  Acraea  be- 
stimmt wurden.  Von  Leptalis  Melite  endlich  ahmt  das  Weibchen  einen  „ge- 
wöhnlichen weissen  Pieriden",  die  Daptonoura  Lycimnia  (Pieris  Flip- 
pantha)  nach. 

Beginnen  wir  mit  dem,  was  in  der  obigen  Ausstellung  als  letzte  und  höchste 
Leistung  der  Mimicry  betrachtet  zu  werden  scheint :  „selbst  die  Gewohnheiten  sind 
derart  modificiert,  dass  die  Leptaliden  dieselben  Orte  wie  ihre  Vorbilder  besuchen 
und  sogar  deren  Flugart  angenommen  haben."  Vollständiger  hätte  der  Sachver- 
halt nicht  auf  den  Kopf  gestellt  werden  können.  Das  Besuchen  derselben  Orte 
ist  ja  selbstverständliche  nothwendige  Vorbedingung  der  Mimicry ;  nie  findet  sich 
ein  Thier  von  einer  anderswo  lebenden  Art  nachgeahmt.  Hätten  die  nach- 
ahmenden mit  den  nachgeahmten  Arten  nicht  von  vornherein  an  denselben 
Orten  gelebt,  dann  würde  allerdings  die  Nachahmung  nicht  durch  natürliche 
Zuchtwahl  und  wohl  überhaupt  nicht  naturwissenschaftlich  zu  erklären  sein;  wir 
würden  Herrn  Eduard  Hart  mann  mit  seinem  wunderthätigen  hellsehenden 
Unbewussten  zu  Hülfe  rufen  müssen.  Was  aber  die  Flugart  betrifft,  so  sind 
doch  wohl  nicht  deshalb  die  Leptalis  schlechte  Flieger  geworden,  weil  sie  da- 
durch den  schlecht  fliegenden  Ithomien  ähnlicher  und  besser  gegen  Feinde 
geschützt  wurden;  sondern  umgekehrt  ist  deshalb  für  sie  das  Verstecken  hinter 
eine  schützende  Maske  zur  Noth wendigkeit  geworden,  weil  sie  so  jämmerliche 
Flieger  sind.  Ein  SchmetterHng  mit  dem  kräftigen  Flügelschlage  einer  Prepona 
kann  getrost  sein  eigenes  glänzendes  Blau  zur  Schau  tragen. 


i)  Kirby,  A  synonymic  catalogue  of  Diurnal  Lepidoptera.     1871.     p.  432. 

2)  Die  Namen  der  anderen  Arten,   wie   der   übrigen  hier   genannten    Schmetterlinge    danke    ich    der 
Güte  des  Herrn  Dr.  A.  Gerstaecker  in  Berlin. 

33* 


,i6 


Einige  Worte  über  Leptaüs. 


Nachahmeade  Arten  stehen  natürhch  immer  zwischen  ihrer  Stammform  und 
ihrem  Vorbilde;  sie  können  nicht  über  letzteres  hinausgehen.  Nicht  selten  be- 
schränkt sich  die  Nachahmung  auf  die  Weibchen,  oder  ist  doch  bei  diesen  besser 
durchgeführt.  Wo  also  merkliche  Geschlechtsverschiedenheiten  bei  nachahmenden 
Arten  vorkommen,  vi^ird  man  folgende  Reihe  haben:  Stammform,  Männchen, 
Weibchen  der  nachahmenden  Art,  nachgeahmte  Art.  Das  gibt  einigen  Anhalt 
für  die  Ermittelung  der  Stammform. 

Nun  zeigt  ein  einziger  Blick  auf  die  Abbildung  der  Leptalis  Amphione^) 
oder  besser  noch  der  Leptalis  Eunoe^),  dass  der  Schnitt  ihrer  Vorderflügel 
nicht  etwa  mitten  inne  steht  zwischen  dem  von  Pieris  und  dem  von  Ithomia 
oder  Mechanitis,  und  nach  Doubleday^)  sind  bei  Leptalis  „im  All- 
gemeinen die  Vorderflügel  der  Männchen  kleiner  und  mehr  sichelförmig  oder 
spitz,  als  die  der  Weibchen".  In  Bezug  auf  die  Vorderflügel  wird  sich  im 
Allgemeinen  folgende  Reihe  herausstellen:  Pieris,  Ithomia,  Leptalis  ?, 
Leptalis  S-  —  Darnach  würde  man   als  Stammform    der    nachahmenden  Lep- 


Umrisse  von  Hinterflügeln : 

I.  Pieris  Aripa  Boisd.  2.  Daptonoura  Lycimnia  Cram.  3.  Mechanitis  Polymnia 
Linn.  var.  Lysimnia  Fabr.  4.  Acraea  Thalia  L.  5.  Leptalis  Melia  Godt.  6.  Leptalis 
Melite  L.     7.  Leptalis  Astynome  Dalm.     8.  Leptalis  Thalia. 


t ausarten  nicht  etwa  einen  „gewöhnlichen  weissen  Pieriden",  sondern  eher  einen 
Schmetterling  vermuthen,  der  im  Flügelschnitt  mehr  noch,  als  die  Heliconier  sich 
von  Pieris  entfernt.  —  Doch  fassen  wir  unsere  hiesigen  nachahmenden  Lept aus- 
arten etwas  schärfer  ins  Auge;  vergleichen  wir  sie  einerseits  mit  ihrem  Vorbilde, 
andrerseits  mit  der  nicht  nachahmenden  Leptalis  Melia  und  einem  „gewöhnlichen 
weissen  Pieriden",  etwa  der  Pieris  Aripa  oder  der  Daptonoura  Lycimnia, 
um  zu  sehen,  nach  welcher  Seite  hin  wir  wohl  die  Stammform  zu  suchen  haben. 
Besonders  eigenthümlich  ist  bei  Leptalis  Melia  die  Gestalt  der  Hinter- 
flügel, ihre  grösste  Breite  liegt  bei  dieser  Art  ganz  in  der  Nähe  der  Plügelwurzel, 
bei  Pieris  Aripa  und  Daptonoura  dagegen  fast  am  Ende  des  Flügels.   Ver- 

i)  Boisduval,  Species  gen6ral  des  L6pidopteres.     Tome  I.     pl.    18,  flg.  2. 

2)  Doubleday  et  Hewitson,  Genera  of  Diurnal  Lepidoptera.     Tab.  V,  fig.  3. 

3)  Doubleday  et  Hewitson,  a.  a.  O.     pag.  36. 


Einige  Worte  über  Leptalis. 


517 


gleicht  man  nun  die  Hinterflügel  dieser  Arten    mit   denen   unsrcr   übrigen  Lep- 
talis und  ihrer  Vorbilder,  so  ergeben  sich  folgende  Reihen : 

1.  Pieris    oder    Daptonoura.      Mechanitis    Lysimnia.      Leptalis 
Astynome  $  Leptalis  Astynome  J.     Leptalis  Melia, 

2.  Pieris  oder  Daptonoura.     Acraea  Thalia.     Leptalis  Melia. 

3.  Pieris  oder  Daptonoura.   Leptalis  Melite  ?,   Leptalis  Melite  J. 
Leptalis  Melia. 

Die  Endpuncte  der  Reihen  sind  immer  dieselben:  einerseits  Pieris  und 
Daptonoura,  andrerseits  Leptalis  Melia;  die  nachahmenden  Arten  stehen 
immer  zwischen  letzterer  und  ihrem  Vorbilde,  und  zwar,  wo  ein  auffallender  Unter- 
schied der  Geschlechter  sich  findet,  die  Weibchen  näher  dem  Vorbilde,  die  Männchen 
näher  der  Leptalis  Melia.  In  Bezug  auf  die  Gestalt  der  Hinterflügcl  darf 
man  daher  mit  voller  Zuversicht  aussprechen,  dass  die  Stammform  unserer  nach- 
ahmenden Arten  nicht  den  „gewöhnlichen  weissen  Pieriden",  sondern  vielmehr 
der  am  entgegengesetztesten  Ende  der  Reihe  stehenden  LeptalisMelia  ähnlich 
gewesen  sei. 


Vorderflügel : 
I.  Daptonoura  Lycimnia    Cram.     2.  Leptalis  Melite  L.  J-     3-  Leptalis  Melite  L.  (j". 
4.  Leptalis  Melia  Godt.     5.  Leptalis  Thalia. 

Zu  dem  gleichen  Ergebniss  führt  die  Vergleichung  der  Gestalt  der  Vorder- 
flügel. Besonders  lehrreich  ist  hier  Leptalis  Melite.  Die  Männchen  (Fig.  3) 
haben  noch  ziemlich  den  Flügelschnitt  der  Leptalis  Melia  (Fig.  4);  einzelne 
Weibchen  (Fig.  2  d)  haben  fast  schon  die  Flügelform  ihres  Vorbildes,  der  Dap- 
tonoura Lycimnia  (Fig.  i)  erreicht,  während  andere  (Fig.  2a)  sehr  merklich 
dahinter  zurückbleiben.  Selbst  das  Flügelgeäder  bleibt  von  dieser  Umwandlung 
des  Flügelschnitts  nicht  unberührt.  Bei  Leptalis  Astynome,  Thalia  und 
Melia  entspringen  die  vier  Aeste,  die  von  der  Subcosta  zum  Vorderrande  gehen 
(8,  9,  10  und  II  nach  Herrich-Schaeffer),  sämmtlich  jenseits  der  Flügelzelle; 
ebenso  bei  Leptalis  Melite  d,  obwohl  einer  der  Aeste  (11),  oft  schon  dicht  an 
die  Zelle  heranrückt;  ebenso  auch  noch  bei  denjenigen  Weibchen,  die  den 
Männchen  im  Flügelschnitt  näher  stehen;  bei  denjenigen  Weibchen  aber,  deren 
Vorderflügel  am  meisten  der  Daptonoura  sich  nähern,  pflegt  jener  Ast  (11) 
vor  dem  Ende  der  Zelle  oder  doch  an  deren  Ende  abzugehen. 


_  .  Q  Einige  Worte  über  Leptalis. 

Von  der  Form  wenden  wir  uns  zur  Zeichnung  der  Flügel.  Leptalis  Thalia 
steht  in  dieser  Beziehung  mitten  inne  zwischen  ihrem  Vorbilde,  Acraea  Thalia, 
und  Leptalis  Melia:  mit  letzterer  stimmt  sie  fast  vollständig  in  der  Zeichnung 
der  Vorderflügel  (Fig.  4  und  5),  mit  ersterer  in  der  der  Hinterflügel  überein.  Lep- 
talis Melite,  bei  der  wir  schon  im  Flügelschnitt  ein  gewisses  Schwanken  be- 
merkten, zeigt  sich  weit  mehr  noch  in  der  Flügelzeichnung  als  noch  im  Werden 
begriffene,  unfertige,  noch  nicht  zur  Ruhe  gekommene  Art.  Von  Männchen 
(Fig.  3  a),  die  sich  in  der  Zeichnung  der  Vorderflügel  noch  ziemlich  eng  an  Lep- 
talis Melia  (Fig.  4)  anschliessen,  bis  zu  Weibchen  (Fig.  2),  die  schon  der  D a p - 
tonoura  (Fig.  i)  ganz  nahe  kommen,  findet  man  eine  eng  geschlossene  Reihe 
von  Uebergängen,  aber  unter  vielen  Dutzenden  von  Thieren  oft  kaum  zwei 
gleich  gezeichnete.  Der  Fortschritt  der  Zeichnung  hält  mit  dem  des  Flügel- 
schnittes nicht  immer  gleichen  Schritt ;  so  zeigen  die  in  der  Gestalt  vorgeschrittensten 
Flügel  (Fig.  2  c  und  d)  oft  noch  in  der  dunkeln  Vorderecke  ansehnliche  helle 
Flecke,  die  bisweilen  bei  anderen  in  der  Gestalt  dem  Vorbilde  ferner  stehenden 
(Fig.  2  a,  b)  schon  fast  oder  selbst  völlig  verschwunden  sind.  Was  sich  aus  der 
Vergleichung  des  Flügelschnittes  in  Betreff  der  Stammform  ergeben  hatte,  wird 
durch  die  Betrachtung  der  Zeichnung  nur  bestätigt. 

Endlich  die  Färbung.  Bei  Leptalis  Melia  ist  die  Oberseite  der  Flügel 
dottergelb  und  schwarz ;  auf  den  Vorderflügeln  herrscht  das  Schwarz,  auf  den 
Hinterflügeln  das  Gelb  vor.  Bei  den  Männchen  der  Leptalis  Melite  finden  wir 
dieselben  beiden  Farben ;  aber  das  Schwarz  tritt  mehr  zurück,  in  sehr  verschiedenem 
Grade  bei  verschiedenen  Thieren  (Fig.  3  a— d),  und  das  Gelb  ist  ein  weit  matteres 
unreines  Citronengelb ;  bei  den  Weibchen  dieser  Art  zeigt  die  Oberseite  der 
Flügel  fast  genau  dasselbe  unreine  Weiss,  wie  ihr  Vorbild,  Daptonoura  Ly- 
cimnia.  Bei  Leptalis  Thalia  schwankt  wie  bei  ihrem  Vorbilde,  Acraea 
Thalia,  die  Farbe  innerhalb  ziemlich  weiter  Grenzen;  sie  kommt  der  des  Vor- 
bildes täuschend  nahe,  ist  jedoch  meist  weniger  gesättigt  und  pflegt  einen  Stich 
ins  Gelbliche  zu  zeigen ;  bisweilen  sieht  es  aus,  als  ob  auf  gelben  Grund  die  P'arbe 
der  Acraea  aufgepinselt  worden  wäre.  Einmal  fing  ich  mitten  im  Winter 
(28.  Juli),  wo  sonst  weder  Acraea  noch  Leptalis  flogen,  eine  vereinzelte  Lep- 
talis Thalia,  bei  der  die  helleren  Stellen  der  Hinterflügel  rein  schwefelgelb, 
die  der  Vorderflügel  weisslich  gelb  waren.  —  So  weist  auch  die  Färbung  nicht 
auf  einen  „gewöhnlichen  weissen  Pieriden",  sondern  auf  einen  gelb  und  schwarzen 
Schmetterling  als  Stammform  der  nachahmenden  Leptalisarten  hin. 

Die  Vorfahren  der  jetzt  unter  der  Maske  anderer  Gattungen  auftretenden 
Leptalisarten  haben  ohne  Frage  schon  als  sie  noch  ihr  eigenes  Gewand  trugen, 
mehrere  vielleicht  in  Zeichnung  und  Farbe  ziemlich  verschiedene  Arten  gebildet, 
für  die  wir  jedoch  den  schmächtigen  Leib,  die  langen  schmalen  Vorderflügel,  die 
nahe  der  Wurzel  sehr  breiten  Hinterflügel  und  eine  hauptsächlich  in  Schwarz 
und  Gelb  ausgeführte,  in  ähnlicher  Weise,  wie  bei  den  heliconierähnlichen  Danainen 
angeordnete  Zeichnung  mit  leidlicher  Wahrscheinlichkeit  als  gemeinsame  Eigen- 
thümlichkeiten  annehmen  dürfen. 


Leptalis  dürfte  also  jedenfalls  kein  glücklich  gewähltes  Beispiel   sein,  um 
darauf  eine  „Ausstellung  gegen  die  Tragweite  der  natürlichen  Zuchtwahl"  zu  be- 


Einige  Worte  über  Lebtalis. 


519 


gründen,  und  ich  bezweifle,  dass  andere  Fälle  schützender  Achnlichkeil  sich  besser 
dazu  eignen  würden.  Eine  andere  Frage  ist  es,  ob  alle  Fälle  von  Mimicry,  nament- 
lich bei  den  Schmetterlingen,  als  schützende  Aehnlichkeit  aufzufassen  sind,  und 
ob  nicht  vielleicht  bei  diesen  mit  so  ausgeprägtem  Farbensinn  begabten  Thieren 
die  geschlechtliche  Auslese  bisweilen  zur  Nachahmung  eines  augenfälligen  schönen 
Vorbildes  geführt  habe.  Doch  auch  in  letzterem  Falle,  dessen  Vorkommen  mir 
nicht  unwahrscheinlich  ist,  würden  wir  uns  nicht  nach  „bis  jetzt  unbekannten  Ur- 
sachen" umzusehen  brauchen. 
Itajahy,  April   1875. 


Aeglea  Odebrechtii  n.  sp^). 

Mit  Tafel  XLIV. 

In  den  Bächen,  die  von  der  Serra  do  Mar  ostwärts  dem  Itajahy,  westwärts 
dem  Rio  das  Marombas  und  durch  ihn  dem  La  Plata  zufliessen,  lebt  auf  san- 
digem Grunde  ein  flinker,  flacher  Krebs,  stellenweise  so  häufig,  dass  sich  um 
ins  Wasser  gehängtes  Fleisch  in  kurzem  ihrer  20  bis  30  sammeln.  Durch  die 
Güte  des  Entdeckers,  des  Herrn  Emil  Odebrecht,  erhielt  ich  ein  (wie  er 
mir  sagte,  etwa  halbwüchsiges)  Männchen,  und  selten  hat  mich  ein  Thier  mehr 
überrascht.  Denn  der  nächste  Verwandte  dieses  in  den  Gebirgsbächen  nahe  der 
Ostküste  von  Südamerica  hausenden  Krebses  lebt  im  Meere  an  der  Westküste; 
es  ist  die  Aeglea  laevis,  die  nach  der  von  Milne  Edwards  gegebenen 
Beschreibung-)  kaum  von  unserm  Gebirgskrebs  zu  unterscheiden  ist.  —  In 
süssem  Wasser  ist  wohl  überhaupt  aus  der  ganzen  Abtheilung  der  Anomuren  noch 
keine  Art  gefunden,  und  ebenso  von  den  nächstverwandten  meerbewohnenden 
Gattungen  (Galathea  und  den  davon  abgetrennten  Pleuroncodes  Stimps., 
Munida  und  Grimothea)  noch  keine  an  der  Ostküste  von  Südamerica.  — 
Wie  kommt  nun  diese  Krebsform  des  Stillen  Meeres  auf  unsere  Berge?  — 

Schon  seines  Vorkommens  willen  ist  dieser  Krebs  wohl  der  Beschreibung  werth. 

Von  oben  betrachtet  (Fig.  i)  bildet  der  Umriss  des  Körpers  eine  ziemlich 
regelmässige  Ellipse,  die  reichlich  um  die  Hälfte  länger  als  breit  ist,  und  deren 
Vorderende  in  drei  Zähne,  einen  längeren  mittleren  und  zwei  kürzere  seitliche 
ausläuft.  Die  beiden  vorderen  Drittel  dieser  Ellipse  nimmt  die  Kopfbrust,  das 
hintere  der  Anfang  des  Hinterleibes  ein,  dessen  Schwanzende  nach  unten  um- 
geschlagen ist.  Der  Panzer  ist  flach,  mit  tiefer,  sehr  augenfälliger  Nackenfurche 
versehen.  Seine  Rückenwand  stösst  mit  den  Seitenwänden  in  scharfen  Seiten- 
kanten zusammen.  Der  Vorderrand  ist  mit  einem  geraden,  auf  der  Oberseite  ge- 
kielten Stirnschnabel  und  mit  einem  Zahne  an  jeder  Seitenecke  bewehrt ;  zwischen 
beiden  liegt  jederseits  eine  Augenbucht,  über  die  der  Stirnschnabel  etwa  doppelt 
so  weit  (4  mm)  vorspringt,  als  die  Seitenzähne.  Am  Seitenrand  des  Panzers  sieht 
man   ausserdem   noch   zwei   kleine,    kaum   über   denselben   vorspringende   Zähne, 

i)  Jenaische  Zeitschrift   1876.  Bd.  X.  S.   13—24.  Taf.  I. 
2)  Hist.  nat.  des  Crustac(^s.  II,  S.  258. 


Aeglea  Odebrechtii  n.  sp.  -2i 

den  einen  dicht  hinter  der  Nackenfurche,  den  anderen  weiter  nach  vorn,  etwa 
um  die  Hälfte  weiter  von  dem  hinteren  Zahne,  als  von  der  Vorderecke  entfernt. 
Der  Hinterrand  des  Panzers  ist  seicht  ausgebuchtet.  Die  Oberfläche  des  Panzers 
ist  mit  kleinen  Grübchen  ziemlich  dicht  bestreut,  im  Uebrigen  glatt  und  ohne 
auffallende  Erhabenheiten ;  nur  im  vorderen  Theile  des  Kopfgürtels  (arceau  cepha- 
lique  M.  Edw.)  liegen  jederseits  hinter  der  Augenbucht  zwei  flache  Buckel  hinter 
einander,  der  hintere  der  Mittellinie  etwas  näher.  Länge  des  Panzers  (bis  zur 
Spitze  des  Stirnschnabels):  23  mm;  Breite  zwischen  den  Vorderecken:  7,5  mm; 
zwischen  den  Vorderecken  des  Schultergürtels  (den  hinteren  Seitenzähnen) :  1 6  mm ; 
in  der  Mitte  des  Schultergürtels:  20  mm.,  am  Hinterende:  18  mm.  —  Die  von  den 
scharfen  Seitenkanten  schief  nach  unten  und  innen  steigenden  Seitenwände  des 
Panzers  haben  ihre  grösste  Breite  (7  mm)  an  der  hinteren  Ecke  des  Mundrahmens ; 
von  da  verschmälern  sie  sich  allmählich  nach  hinten  (bis  auf  2  mm),  rasch  nach 
vorn,  wo  der  Rand  des  Mundrahmens  auf  die  Vorderecke  zuläuft,  aber  durch 
eine  tiefe  Bucht,  in  der  das  erste  Glied  der  äusseren  Fühler  liegt,  davon  getrennt 
ist  (Fig.  4). 

Furchen  und  Nähte  des  Panzers.  Die  Nackenfurche  (sillon  cervical 
M.  Edw.)  fällt  nicht  mit  der  Grenznaht  zwischen  Kopf-  und  Schultergürtel  zu- 
sammen ;  sie  berührt  dieselbe  nur  auf  kurze  Strecken  und  liegt  sonst  vor  derselben; 
also  auf  dem  Kopfgürtel.  Ihr  mittlerer,  sehr  tief  eingedrückter  Theil  bildet  einen 
nach  vorn  offenen  Halbkreis  und  verbindet  sich  durch  eine  flachere  und  etwas 
breitere  Stelle  mit  den  wieder  tief  eingedrückten,  gradlinig  zum  Rande  laufenden 
Seitentheilen.  —  Auf  dem  Schultergürtel  laufen  zwei  etwas  gebogene,  sehr  augen- 
fällige Furchen  von  dessen  Vorderrande  nach  hinten,  aber  nicht  bis  zum  Hinter- 
rande, sondern  nur  bis  zu  einer  nahe  an  demselben  hinziehenden,  nicht  minder 
tiefen  Furche.  Alle  diese  Furchen  sind  nicht  etwa  Nähte,  in  denen  ursprünglich 
getrennte  Stücke  des  Panzers  zusammenstossen,  sondern  vielmehr  durch  den  An- 
satz verschiedener  Theile  an  dessen  Innenseite  bedingte  Eindrücke.  Nähte  sind 
dagegen  unverkennbar  schmälere  Linien,  die  flach,  aber  scharf  eingedrückt  auf 
der  Aussenfläche,  schwach  vorspringend  auf  der  Innenfläche  des  Panzers  ver- 
laufen und  als  helle  Linien  erscheinen,  wenn  man  den  Panzer  gegen  das  Licht  hält. 

Die  Naht,  welche  Kopf-  und  Schultergürtel  scheidet,  fällt  in  ihrem  mittleren 
Theile  mit  der  Nackenfurche  zusammen ;  wo  diese  sich  nach  vorn  krümmt,  geht 
jene  ziemlich  gerade  nach  aussen  weiter  bis  etwa  halbwegs  zwischen  Mittellinie 
und  Seitenrand  und  geht  dann  in  schwach  nach  vorn  gewölbtem  Bogen  schief 
nach  vorn  zum  Seitenrande,  wo  sie  wieder  mit  der  hier  endenden  Nackenfurche 
zusammentrifft;  darauf  läuft  sie  auf  der  Seitenwand  des  Panzers  schief  nach  vorn, 
um  im  Grunde  der  Fühlerbucht  zu  enden  (Fig.  4).  —  Der  Kopfgürtel  zeigt  keine 
deutlichen  Nähte.  Um  so  zahlreicher  sind  sie  auf  dem  Schultergürtel.  Zunächst 
wird  ein  mittleres,  etwa  ein  Drittel  der  Breite  einnehmendes  Rückenfeld  ab- 
gegrenzt durch  zwei  nach  aussen  von  den  Längsfurchen  in  gerader  Linie  vom 
vordem  zum  hintern  Rande  des  Schultergürtels  verlaufende  Nähte.  Dieselben 
laufen  bis  zum  Hinterrande  selbst,  nicht  blos,  wie  die  Längsfurchen,  bis  zur  hin- 
teren Randfurche.  Etwas  nach  aussen  von  diesen  Längsnähten  entspringt  von 
der  vorderen  Quernaht,  da  wo  sich  diese  schief  nach  vorn  wendet,  eine  schief 
nach  aussen  und  hinten  zur  Mitte  der  Seitenkante  des  Schultergürtels  verlaufende 


~22  Aeglea  Odebrechtii  n.  sp. 

Naht  welche  die  Seitentheile  des  Rückens  in  ein  dreieckiges  vorderes  und  ein 
viereckiges  hinteres  Feld  scheidet.  Als  besonderes  Stück  ist  von  dem  vorderen 
Felde  der  Schulterzahn  durch  Naht  abgegrenzt.  Nach  aussen  ist  das  vordere 
Seitenfeld  begrenzt  durch  eine  Naht,  die  vom  Schulterzahne  aus  dicht  an  der 
Seitenkante  sich  hinzieht;  am  Anfang  des  hinteren  Seitenfeldes  geht  diese  Naht 
vom-  Rücken  auf  die  Seitenwand  über  und  läuft  hier  in  der  Nähe  der  Seitenkante 
bis  zum  Hinterrande.  So  gehört  von  der  Seitenkante  des  Schultergürtels  der 
vordere  Theil  der  Seitenwand,  der  hintere  der  Rückenwand  an. 

Auf  den  Seitenwänden  (Fig.  4)  wird  zunächst  ein  schmaler,  über  den  Füssen 
liegender  Streifen  durch  eine  Längsnaht  abgesondert,  die  kurz  vor  dem  Hinter- 
ende mit  der  das  hintere  Seitenfeld  des  Rückens  nach  aussen  begrenzenden  Naht 
zusammenfliesst,  so  dass  das  hintere,  etwas  breitere,  abgerundete  Ende  jenes 
Streifens  unmittelbar  an  die  Rückenwand  stösst.  Ausserdem  finden  sich  zwei 
Quernähte.  Die  vordere  geht  von  der  hinteren  Ecke  des  Schulterzahnstückes 
schief  nach  hinten  und  trifft  über  dem  ersten  Paare  der  Lauffüsse  die  Längsnaht; 
die  hintere  begrenzt  nach  vorn  ein  kleines  dreieckiges,  zwischen  Rückenwand  und 
den  unteren  Längsstreifen  der  Seitenwand  eingetheiltes  Feldchen. 

Der  Panzer  unserer  A  e gl ea  ist  in  hohem  Grade  merkwürdig  dadurch,  dass 
an  ihm  neben  einander  und  beide  in  ungewöhnlicher  Deutlichkeit  ausgeprägt,  die 
Nackenfurche  und  die  Grenznaht  zwischen  Kopf-  und  Schultergürtel  sich  finden, 
und  dass  ebenso  auf  letzterem  ein  Mittelfeld  durch  Längsfurchen  und  gleichzeitig 
ein  anderes  durch  Längsnähte  abgegrenzt  wird.  Dieselben  Nähte  finden  sich  nach 
Milne  Edwards^)  unter  anderen  bei  Birgus  latro;  dieselben  oder  ähnliche 
Furchen  mehr  oder  minder  deutlich  bei  vielen  Krabben  und  Krebsen.  Dass  man 
nun  aber  nicht  ohne  Weiteres,  wie  man  zu  thun  pflegt,  Furchen  und  Nähte  als 
einander  entsprechend  betrachten  darf,  dass  man  keineswegs  immer  gleichwerthige 
Abschnitte  erhält,  wenn  man  z.  B.  einmal  einen  „sulcus  cervicalis",  ein  andermal 
eine  „sutura  cervicalis"  als  Grenze  zwischen  Kopf-  und  Schultergürtel  annimmt, 
beweist  das  gleichzeitige  Vorhandensein  von  Naht  und  Furche  bei  Aeglea. 

Ich  kehre  zur  Beschreibung  meines  Krebses  zurück.  Augenhöhlen  sind 
selbst  nicht  in  der  unvollständigen  Weise,  wie  sie  bei  Porcellana  vorkommen, 
vorhanden;  die  kurzen  Augenstiele  sind  sch'.ef  vorwärts  gerichtet.  Die  inneren 
Fühler  sitzen  unter  und  hinter  den  Augenstielen  (Fig.  3),  ihr  kurzes  dickes,  nach 
dem  Ende  zu  breiteres  Grundglied  trägt  keinerlei  Dornen  oder  Zähne ;  das  zweite 
Glied  sitzt  an  der  inneren  vorderen  Ecke  des  ersten,  ist  schlank,  walzenförmig, 
leicht  gebogen,  überragt  kaum  die  Augen  und  legt  sich  in  der  Ruhe  zwischen 
Augenstiele  und  Stirnschnabel;  das  dritte  ist  etwas  kürzer  und  wird  nach  unten 
eingeschlagen;  von  den  Endgeissein  ist  die  dickere  (13  gliedrig)  etwa  so  lang,  als 
das  dritte  Glied  des  Stieles,  die  andere  (10  gliedrig)  kürzer.  Der  Stiel  der  äusseren 
Fühler  ist  viergliedrig ;  das  erste  Glied  ist  unbeweglich  und  seine  Umgrenzung 
kaum  deutlich  zu  erkennen;  der  diesem  Gliede  eigenthümliche  Höcker  liegt  nahe 
der  vorderen  Ecke  des  Mundrahmens,  seine  Oeffnung  ist  nach  hinten  gerichtet. 
Das  zweite  Glied  liegt  in  derselben  Querlinie  mit  dem  Grundgliede  der  inneren 
Fühler;   aussen   trägt   es   einen   durch   Naht   deutlich   abgesetzten    spitzen,   kegel- 


i)  Annal.  des  Sc.  nat.  3.  Serie.     Zooig.  XVI.   fol.  8,  pag. 


Aeglea  Odebrechtii  n.  sp.  ^2? 

förmigen  Vorsprung  (Fig.  4),  wahrscheinlich  ein  Ueberbleibsel  des  äusseren  Astes 
(der  Schuppe  des  Garneelenfühlers) ;  es  ist  wie  das  folgende  Glied  dick  und  kurz; 
das  vierte  Glied  ist  weit  dünner,  walzenförmig,  etwa  so  lang,  wie  die  beiden  vorigen 
zusammen.     Die  vielgliedrige,  unbehaarte  Geissei  ist  34  mm  lang. 

Der  Mundrahmen  (cadre  buccal)  ist  vorn  um  die  Hälfte  breiter  als  hinten 
(Fig.  3)  und  nicht  durch  scharfe  Grenzen  von  dem  vorderen  Mundschilde  (Epistom) 
geschieden.  Die  inneren  Mundtheile  übergehe  ich,  da  ich  sie  nicht  mit  denen  der 
nächstverwandten  Gattungen  vergleichen  kann.  Die  äusseren  Kieferfüsse 
(Fig.  5)  reichen  ausgestreckt  etwa  bis  zur  Spitze  des  Stirnschnabels ;  das  zweite 
Glied  des  inneren  Astes  ist  ohne  blattförmigen  Vorsprung  nach  innen,  dreikantig, 
die  innere  vordere  Kante  bewimpert,  die  innere  hintere  Kante  mit  einer  Reihe 
kegelförmiger  Zähne  bewehrt  (wie  bei  den  ächten  Galathea  im  Sinne  von 
Stimpson);  das  dritte  Glied  etwa  von  Länge  des  zweiten,  nicht  breiter  als  das 
kurze  vierte;   das  fünfte  Glied  walzenförmig,   länger   als   seine  Nachbarn. 

Die  Birust platte  bildet  ein  gleichschenkliges  Dreieck  mit  nach  vorn  gerich- 
teter Spitze,  dessen  Grundlinie  (10  mm)  fast  der  Höhe  (12  mm)  gleich  kommt.  Die 
Grenzen  der  fünf  Stücke,  durch  deren  Verschmelzung  sie  gebildet  ist,  sind  durch 
breite,  seichte  Furchen  bezeichnet.  An  den  Hinterecken  jedes  dieser  Stücke  springen 
Gelenkhöcker  vor  für  die  betreffenden  fünf  Fusspaare  (äussere  Kieferfüsse,  Scheeren- 
füsse  und  drei  Paar  Lauffüsse).  Der  Hinterrand  hat  eine  breite,  flache,  vorn 
geradlinige  Bucht,  in  die  sich  der  letzte  freie  Brustring  einlegen  kann. 

Die  Scheerenfüsse  sind  von  massiger  Länge  (möglichst  gestreckt  30  mm), 
kräftig,  mehr  nach  vorn  als  nach  aussen  gerichtet,  nach  unten  sich  einschlagend; 
die  linke  Scheere  ein  wenig  stärker,  als  die  rechte.  Oberarm  dreikantig,  die 
innere  kürzeste  Kante  mit  fünf  spitzen  Zähnchen  bewehrt;  winzige  Zähnchen  an 
der  Endhälfte  der  beiden  anderen  Kanten,  die  obere  die  längste  (7  mm).  Vorder- 
arm weit  kürzer  als  der  Oberarm,  innen  5  mm  lang;  Vorder-  und  Hinterrand 
nach  aussen  fast  in  einen  Punct  zusammenlaufend.  Innenrand  stark  gewölbt,  mit 
5  Zähnen,  von  denen  der  vierte  der  längste ;  oben  trägt  der  Vorderarm  eine  aus 
kleinen  Höckern  gebildete,  dem  Innenrand  gleichlaufende  Leiste,  unten  zwei  Zähne. 
Hand,  links:  14  mm  lang,  11  breit,  5  dick;  rechts:  14  mm  lang,  9  breit,  4  dick. 
Obere  Fläche  körnig  rauh,  ohne  Zähne  oder  Dornen ;  der  kurze  Innenrand  fast 
halbkreisförmig  vorspringend,  fein  sägezähnig;  untere  Fläche  mit  einer  von  der 
Spitze  zum  äusseren  Gelenkhöcker  laufenden,  aus  verschmelzenden  Höckern  ge- 
bildeten Leiste.  Greifrand  in  seinem  oberen  Theile  schwach  löffeiförmig  aus- 
gehöhlt, darunter  mit  einer  zahnartig  vorspringenden  dreieckigen  Fläche  (diese  an 
der  linken  Hand  weit  stärker).  Oberer  Rand  der  löff eiförmigen  Aushöhlung  fein 
gekerbt  (links)  oder  gezähnelt  (rechts);  an  der  rechten  .Scheere  setzt  sich  diese 
Zähnelung  auch  auf  den  Rand  des  zahnartigen  Vorsprungs  fort.  Daumen  8  mm 
lang,  ziemlich  gerade,  sein  Greifrand  dem  des  feststehenden  Fingers  ähnlich. 

Die  drei  Paar  Lauffüsse  sind  schlank,  schwach  zusammengedrückt,  keins 
ihrer  Glieder  verbreitert;  sie  sind  unbewehrt,  nur  die  Kanten  mit  besser  fühlbaren 
als  sichtbaren,  endwärts  gerichteten  Dörnchen  oder  Börstchen  besetzt.  Das  Klauen  - 
glied fast  so  lang  als  die  beiden  vorhergehenden  zusammen,  dünn,  nur  schwach 
gebogen,  in  eine  harte  scharfe  Spitze  auslaufend.  Möglichst  gestreckt  sind  die 
vorderen  Lauffüsse  30  mm  lang  (Oberschenkel  9,  Unterschenkel  4,  Fussglied  5, 
Klauenglied  7  mm),  die  mittleren  29  mm,  die  hinteren  27  mm. 


-,j^  Aeglea  Odebrechtii  n.  sp. 

Die  Putzfüsse  (Fig.  7)  sind  sehr  beweglich  an  dem  ebenfalls  sehr  be- 
weglichen freien  letzten  Brustringe  eingelenkt;  das  erste  dicke  kurze  Glied  ist 
fast  ganz  häutig  und  trägt  nach  innen  die  Ruthe  (Fig.  7,  r);  dann  folgen  vier 
dünne  langstreckige  Glieder,  von  denen  in  der  Ruhe  das  erste  schief  nach  hinten  und 
aussen,  das  zweite,  längste  (Oberschenkel)  schief  nach  vorn  und  aussen,  das  dritte 
und  vierte  (Unterschenkel  und  Fussglied)  gerade  nach  innen  gerichtet  sind,  so 
dass  die  Spitze  des  Fussgliedes  die  Ruthe  von  unten  deckt.  Ein  deutlich  ab- 
gesetztes Fingerglied  konnte  ich  nicht  unterscheiden;  ich  sah  nur  am  Ende  des 
Fussgliedes  zwei  rundliche  mit  je  einer  Reihe  zierlicher  Zähnchen  besetzte  Höcker 
(Fig.  8)  oder  Knöpf chen,  als  dürftige  Reste  der  Scheerenfinger  an  den  Putzfüssen 
der  verwandten  Gattungen. 

Der  Hinterleib  (Fig.  2)  ist  gross  und  kräftig,  reichlich  so  lang,  als  die 
Kopfbrust;  er  lässt  sich  nicht  völlig  ausstrecken;  sein  hinteres  Ende  ist  nach 
unten  geschlagen,  wobei  die  Grenze  zwischen  viertem  und  fünftem  Ring  den 
hinteren  Rand  bildet.  Von  der  Brust  wird  durch  den  nach  unten  geschlagenen 
Schwanz  nur  der  letzte  freie  Ring  mit  Putzfüssen  und  Ruthe  bedeckt.  Der  Rücken 
der  vorderen  Ringe  ist  gewölbt  (Höhe  des  Bogens  fast  Ys  ^^^  Sehne),  der  des 
Schwanzes  flach.     Die  Breite  sinkt  vom  2.  bis  6.  Ring  von  17  auf  11  mm. 

Die  Rückenplatte  des  ersten  Ringes  ist  sehr  kurz ;  ihr  gewölbter  Vorder- 
rand passt  in  die  seichte  Bucht  am  Hinterrande  des  Panzers.  Dieser  Ring  ist 
der  einzige,  dessen  Bauchseite  durch  einen  dünnen,  queren,  verkalkten  Stab  ge- 
stützt ist;  die  Bauchseite  der  übrigen  ist  ganz  häutig;  am  zweiten  Ring  fand  ich 
ihren  mittleren  Theil  beutel-  oder  bruchsackartig  vorgetrieben. 

Am  zweiten  bis  sechsten  Ringe  sind  die  Seitenstücke  der  Rücken- 
platte durch  sehr  augenfällige  Furchen  vom  Mittelstücke  geschieden;  die  Seiten- 
stücke des  zweiten  Ringes  haben  einen  4  mm  langen  Seitenrand,  die  der  folgenden 
laufen  in  eine  schwach  vorwärts  gebogene  Spitze  aus;  ihr  zugeschärfter,  ein- 
gebogener Vorderrand  legt  sich  unter  den  gewölbten  Hinterrand  des  vorher- 
gehenden; am  sechsten  Ring  ist  der  Hinterrand  der  Seitenstücke  gerade.  Der 
2.  bis  5.  Ring  sind  etwa  gleich  lang  (3  mm),  der  6.  und  7.  länger  (5  mm).  Am 
sechsten  Ringe  nehmen  die  Seitenstücke  nur  etwa  -/s  der  Länge  ein;  das  vierte 
Drittel  bleibt  für  die  Einlenkung  der  Schwanzfüsse. 

Der  si  eb  e  n  tie  Ri  n  g  ist  in  seiner  vorderen  Hälfte  ziemlich  gleich  breit  (7  mm) ; 
dann  laufen  die  Seitenränder  bogig  nach  dem  schwach  eingekerbten  Hinterende 
zusammen ;  in  der  Mittellinie  dieses  Ringes  verläuft  eine  seichte  Furche.  Der 
Hinterrand  ist  bewimpert. 

Die  fünf  ersten  Hinterleibsringe  sind  vollkommen  anhanglos;  der  sechste 
trägt  die  blattförmigen  Schwanzfüsse,  die  mit  dem  siebenten  Ringe  eine  sehr  an- 
sehnliche (etwa  22  mm  breite,   10  mm  lange)  Flosse  bilden. 

Das  Grundglied  der  Schwanzfüsse  ist  von  ansehnlicher  Grösse,  dreieckig ; 
sein  Vorderrand  legt  sich  dem  Seitenstücke  des  6.  Ringes  an,  überragt  dasselbe 
etwas,  und  reicht,  wenn  der  Schwanz  eingeschlagen  ist,  bis  zur  Spitze  des  Seiten- 
stücks des  5.  Ringes;  der  Innenrand  schiebt  sich  unter  den  vorderen  Theil 
des  7.  Ringes;  der  Augenrand  trägt  in  seiner  vorderen  Hälfte  die  beiden  End- 
blätter; diese  sind  von  nahezu  gleicher  Grösse  und  Gestalt,  eiförmig,  7  mm  lang, 
das   vordere   (äussere,   untere)    3,5   mm.,   das   hintere   (innere,    obere)    4  mm    breit. 


Aeglea  Odebrechtii  n.  sp.  1:21:. 

Aussen  und  hinten  sind  sie  bewimpert.  Eine  Quernaht  zeigt  keines  der  Blätter, 
dagegen  die  Oberseite  des  inneren  einen  fast  bis  zum  Ende  desselben  zu  ver- 
folgenden Kiel. 

Die  Kiemen,  die  bei  Porcellana  und  nach  Milne  Edwards^)  auch 
bei  Galathea  die  gewöhnliche  Form  der  Krabbenkiemen  haben,  zeigen  bei 
unserer  Aeglea  einen  ganz  eigenthümlichen  Bau  (Fig.  9,  10);  jede  Kieme  besteht 
aus  einem  schmalen  Blatt,  das  nahe  seinem  unteren  Ende  angeheftet  und  an 
seinem  freien  äusseren  Rande  dicht  mit  langen  Fäden  besetzt  ist.  Nach  beiden 
Enden  des  Blattes  zu  werden  die  Fäden  kürzer.  Es  scheinen  stets  drei  Reihen 
von  Fäden  vorhanden  zu  sein,  eine  mittlere,  eine  hintere,  deren  Fäden  ein  wenig 
kürzer,  und  eine  vordere,  deren  Fäden  weit  dünner  und  nur  etwa  V3  so  lang  sind, 
als  die  der  mittleren  Reihe.  Der  fadenlose  innere  Rand  der  Kieme  legt  sich  der 
Leibeswand  an,  die  Fäden  sind  nach  vorn  gerichtet,  so  dass  die  hinteren  Kiemen 
die  vorderen  decken.  Von  hinten  beginnend,  findet  man  zuerst  zwei  grössere, 
dann  eine  etwa  dreimal  so  kleine  Kieme,  und  so  wechseln  immer  zwei  grosse 
mit  einer  kleinen  Kieme.  Im  Ganzen  zählte  ich  jederseits  zwölf.  (Für  Por- 
cellana gibt  Milne  Edwards  vierzehn  an ;  möglich,  dass  mir  beim  Heraus- 
nehmen der  Mundtheile  ein  paar  winzige  vordere  Kiemen  unvermerkt  verloren 
gegangen.) 


Vergleicht  man  diese  Beschreibung  der  Aeglea  unserer  Gebirgsbäche,  die 
ich  nach  ihrem  Entdecker  Aeglea  Odebrechtii  nenne,  mit  der  Beschreibung, 
die  Milne  Edwards^)  von  der  chilenischen  Aeglea  laevis  gibt,  so  findet  man 
kaum  folgende  Unterschiede: 

Der  Panzer  der  Aeglea  laevis  ist  viel  länger  als  breit,  der  Hinterleib 
weniger  lang  als  der  Panzer,  sein  siebenter  Ring  klein,  mit  den  auf  sehr 
langem  Grundghede  sitzenden  Blättern  der  Schwanzflosse  keinen  Fächer  bildend. 
Bei  Aeglea  Odebrechtii  ist  weder  der  siebente  Hinterleibsring  auffallend 
klein  im  Vergleich  mit  Galathea  und  Porcellana,  noch  das  Grundglied  der 
Schwanzfüsse  auffallend  lang  im  Vergleich  mit  Galathea  strigosa^).  Ferner 
ist  bei  Aeglea  laevis  der  Stirnschnabel  leicht  gekrümmt  und  die  Hand  der 
Scheeren  oben  mit  mehreren  kleinen  Zähnen  bewaffnet. 


Die  Gattung  Aeglea  hat  in  den  bisherigen  Anordnungen  der  Krebse  eine 
sehr  wechselnde  Stellung  eingenommen.  Von  Latreille  als  Galathea  laevis 
beschrieben,  wurde  der  chilenische  Vetter  unseres  Gebirgskrebses  durch  Leach 
als  eigene  Gattung  Aeglea  neben  Galathea  gestellt.  Milne  Edwards  ent- 
fernte ihn  nicht  nur  aus  der  Familie  der  Galatheiden,  die  er  zu  den  Panzer- 
krebsen, also  zu  den  Macruren  stellte,  sondern  brachte  ihn  sogar  in  eine  andere 
Hauptabtheilung,  zu  den  Anomuren  in  die  Familie  der  Porcellanen.  Dabtn 
blieben  jedoch  Aeglea  und  Galathea  nächste  Nachbarn ;  denn  es  schloss  (von 
den  Larvenformen    Megalops   und   Monolepis   abgesehen)   mit  Aeglea   die 


1)  Hist.  nat.  des  Crustaciiss.  I,  S.  83. 

2)  a.  a.  O.  II,  S.  259. 

3)  Nach  der  Abbildung  in  Th.  Bell,  British  stalk-eyed  Crustacea  S.  200. 


526 


Ae"lea  Odcbrechüi  n.  si 


Reihe  der  Anomuren,  und  Galathea  begann  die  der  Macruren.  —  Dana 
brachte  auch  Galathea  zu  den  Anomiiren  und  gab  ihr  wieder  Aeglea  als 
Nachbarn,  schob  aber  zwischen  diese  und  Porcellana  mehrere  andere  Familien, 
deren  Zahl  Stimpson  noch  vermehrte;  dieser  ordnet  i)  die  Anomuren  mit  freiem 
letzten  Brustring  (Schizosomi)  in  folgende  Reihe:  Porcellaniden,  Hippiden, 
Lithodiden,  Paguriden,  Aegleiden,  Galatheiden.  —  Thomas  Bell  vereinigt  da- 
gegen wieder')  die  Porcellaniens  (Porcellana,  Aeglea)  und  die  Gala- 
theides  (Galathea,  Grimothea)  von  Milne  Edwards  in  eine  einzige 
Familie,  die  er  zu  den  Anomuren  stellt;  welche  Auffassung  auch  unter  den 
deutschen  Kennern  dieser  Klasse  jetzt  die  herrschende  zu  sein  scheint. 

Am  verkehrtesten  ist  jedenfalls  die  Anordnung  von  Milne  Edwards. 
Zunächst  deshalb,  weil  sich  Aeglea  fast  in  allen  Stücken  weit  enger  an  Galathea 
anschliesst,  als  an  Porcellana.  Von  dem  glatten  Panzer  mit  scharfem  Seitenrand 
und  dem  nach  unten  geschlagenen  Schwänze  abgesehen,  die  allerdings  dem  Thiere 
ein  ziemlich  Porcellana-ähnliches  Ansehen  geben,  hat  Aeglea  mit  Porcellana 
im  Gegensatz  zu  Galathea  kaum  etwas  gemein,  als  das  kurze,  dicke,  unbewehrte 
Grundglied  der  inneren  Fühler  und  den  (bei  Porcellana  nicht  vollständigen) 
Mangel  der  Strudelf üsse  am  Hinterleibe  des  Männchens ;  dagegen  mit  Galathea 
im  Gegensatz  zu  Porcellana  den  völligen  Mangel  der  Augenhöhlen,  die  nach 
unten  sich  einschlagenden  inneren  Fühler,  den  Bau  der  äusseren  Kieferfüsse,  die 
Form    der   Brustplatte,   den   kurzen   Vorderarm    der  Scheerenfüsse   u.  s.  w.  —  Ja 

selbst  der  kräftige,  gewölbte 
Hinterleib  mit  ganz  ähnlich 
gestalteten  Seitenstücken 
und  ähnlich  gebauter 
Schwanzflosse  steht  dem 
von  Galathea  weit  näher, 
als  dem  von  Porcellana. 
Weit  schlimmer  ist  es,  dass 
die  eine  der  beiden  nächst- 
verwandten Gattungen  zu 
den  Anomuren,  die  andere 
zu  den  Macruren  gestellt  ist. 
Die  ganze  Unnatur  dieses 
Verfahrens  springt  sofort  in 
die  Augen,  sobald  man  Mil- 
ne Edwards'  Anordnung 
der  Decapoden  in  die  Form 
eines  Stammbaumes  bringt. 
Danach  würden  also  Galathea  und  Aeglea  erst  an  der  gemeinsamen 
Wurzel  der  Macruren  und  Anomuren  zusammenhangen  und  alle  diesen  beiden 
Gattungen  gemeinschaftlichen  Merkmale  müsste  im  Wesentlichen  schon  der  Urahn 
der  Macruren  und  Anomuren  besessen  haben  !    Bei  der  gewöhnlichen  reihen  weisen 


Porcellana.     Aeglea. 


Galathea.      Grimothea. 


Hrachyures 


Apterures 


Döcapodes. 


1)  Proceed.  Acad.  Nat.  Sc.  Decbr.   1858.  S.  65.  — 

2)  British  stalk-eyed  Crustacea,   1853,  S.   196. 


Aeglea  Odehiechtii  n.  sp.  ^27 

Anordnung  tritt  dieser  Widersinn  nicht  so  schreiend  zu  Tage,  da  ja  dabei  Aeglea 
und  Galathea  immerhin  nächste  Nachbarn  bleiben^). 

Für  das  Richtigste  möchte  ich  es  halten,  wie  Bell,  Gerstäcker,  Claus 
u.  s.  w.,  Galathea,  Aeglea  und  Porcellana  mit  den  neuerdings  davon  ab- 
gezweigten Gattungen  in  eine  gemeinsame  Gruppe  zusammenzufassen,  wobei  es 
natürlich  gleichgültig  ist,  ob  man  diese  als  Familie  bezeichen  oder  in  die  drei 
Familien  der  Galatheiden,  Aegleiden  und  Porcellaniden  spalten  will. 
Ein  endgültiges  Urtheil  wird  sich  jedoch  ohne  Kenntnis  der  Jugendformen  von 
Galathea  und  Aeglea  nicht  fällen  lassen.  Die  überaus  dürftige  Abbildung 
einer  Galathea-larve  bei  Bell-)  erinnert  weit  mehr  an  die  Zoea  der  Einsiedler- 
krebse, als  an  die  der  Porcellanen. 

Itajahy,  Sa.  Catharina,  Brazil,  Ende  Mai   1875. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XLIV. 

Fig.    I.  Aeglea  Odebrechtii,  halbwüchsiges  Männchen,  nat.  Gr. 

Fig.    2.  Hinterleib,  möglichst  gestreckt,  nat.  Gr. 

Fig.  3.  Die  Gegend  vor  dem  Munde,  nach  Entfernung  der  Kiefer  und  Kiefer- 
füsse  (2  :  i). 

Fig.    4.  Seitenwand  des  Panzers  und  Stiel  der  äusseren  Fühler  (2  :  i). 

Fig.    5.  Aeusserer  Kieferfuss  der  linken  Seite  (3  :  i). 

Fig.    6.  Die  Zähne  am  2.  Gliede  des  inneren  Astes  dieses  Fusses  (12:  i). 

Fig.    7.  Putzfuss  der  linken  Seite  (5:1)  r  Ruthe. 

Fig.    8.  Ende  dieses  Putzfusses  (100  :  i).     Die  Borsten  .sind  weggelassen. 

Fig.    9.  Letzte  Kieme  der  linken  Seite,  nat.  Gr. 

Fig.  10.  Stück  einer  Kieme  (5  :  i).  li  hintere,  vi  mittlere,  v  vordere  Reihe  der 
Kiemenfäden. 


i)  Der  nahen  Verwandtschaft  zweier  Formen,  die  man  aus  irgend  welchem  Grunde  auseinander 
reissen  zu  müssen  glaubt,  dadurch  Rechnung  zu  tragen,  dass  man  sie,  wenn  auch  in  verschiedene  Gruppen, 
so  doch  nebeneinanderstellt,  ist  ein  beliebter  Kunstgriff  der  alten  Schule.  Es  ist  im  Grunde  ein  einfacher 
Betrxig,  wenn  auch  nur  Selbstbetrug.  Hätten  die  vielverspotteten  Stammbäume  keinen  weiteren  Nutzen, 
als  derlei  Täuschungen  sofort  zu  entlarven  und  dadurch  unmöglich  zu  machen,  so  wäre  auch  dies  schon 
nicht  gering  anzuschlagen.  Hier  noch  ein  dem  obigen  ganz  ähnliches  Beispiel  aus  neuester  Zeit  (K  i  r  b  y ,  A 
synonymic  catalogue  of  diurnal  Lepidoptera.   1871): 

<g  4;  JJ 
rt  5^  .9  c  .S  ^  Heliconius.  Eueides  Colaenis,   Dione   und   über  100  andere  Gattungen, 

.5  .e  c  :3  ^  ■% " ■' 

CS  c  c  a.  <"  S: 

§  jS^  >>  o   Ki  5 

P  CA  5  S  'S  <!  Heliconinae  Nymphalinae 

Nymphalidae 

Danach  hätten  Eueides  und  Colaenis  ihren  gemeinsamen  Stammvater  erst  in  dem  gemeinsamen 
Ahnen  der  Heliconinen  und  Nymphalinen,  und  dieser  müsste  alle  den  Gattungen  Eueides  und  Colaenis 
gemeinschaftlichen  Merkmale  besessen  haben!  — 

2)  British  stalk-eyed  Crastacea,  S.  203. 


Ueber  das  Haarkissen  am  Blattstiel  der  Imbauba 
(Cecropia),  das  Gemüsebeet  der  Imbaubaameise^). 

Mit   I   Textfigur. 

Thomas  Belt  gebührt  das  Verdienst,  in  seinem  vortrefflichen  „Naturalist 
in  Nicaragua",  einer  wahren  Fundgrube  anziehender  Beobachtungen  und  an- 
regender Gedanken,  hingewiesen  zu  haben  auf  die  merkwürdigen  und  wichtigen 
Wechselbeziehungen  zwischen  gewissen  mit  Honigdrüsen  ausgestatteten  Pflanzen 
und  den  Ameisen,  welche  den  Honig  lecken  und  dafür  die  Pflanzen  gegen  ver- 
schiedene Feinde  schützen,  unter  denen  im  wärmeren  America  die  Tragameisen, 
Arten  der  Gattung  Oecodoma,  obenan  stehen. 

Belt  gedenkt  bei  dieser  Gelegenheit  auch  der  Imbauba  (Cecropia).  Der 
hohle,  durch  Querwände  in  Kammern  getheilte  Stamm  dieses  Baumes  ist  stets 
von  Ameisen  bewohnt,  die  hier  Schildläuse  halten  und  bei  jeder  Erschütterung 
des  Baumes  zu  Tausenden  hervorstürzen,  um,  wen  sie  da  finden,  mit  höchst  em- 
pfindlichen Bissen  zu  verfolgen.  Belt  glaubt,  dass  auch  diesem  Baume  die  An- 
wesenheit der  Ameisen,  denen  derselbe  so  geräumige  Wohnung  bietet,  von  Nutzen 
sei.  2)  Und  darin  hat  er  ohne  Frage  Recht  und  auch  in  diesem  Falle  sind  es  vor- 
nehmlich, wenn  nicht  ausschliesslich  die  Tragameisen  (Oecodoma),  gegen  deren 
Angriffe  die  im  Stamm  der  Imbauba  hausenden  Ameisen  als  treue  Wacht  und 
schützendes  Heer  dienen.  Wiederholt  sah  ich  junge  Imbaubastämmchen,  in  denen 
noch  keine  Ameisen  sich  angesiedelt  hatten,  nie  aber  solche,  die  bereits  von 
Ameisen  bewohnt  waren,  durch  Tragameisen  ihrer  Blätter,  bis  auf  die  Stiele  und 
Hauptnerven,  vollständig  beraubt  werden. 

Was  aber  veranlasst  die  Imbauba-Ameisen,  so  treue  Wacht  zu  halten  an  den 
Blättern  des  Baumes,  der  ihnen  Obdach  gewährt?  —  Erschütterungen  des  Baumes 
rufen,  wie  gesagt,  die  kleinen  Vertheidiger  desselben  zu  Tausenden  hervor;  aber 
gerade  gegen  die  Feinde,  die  Stamm  oder  Aeste  erschüttern,  gegen  das  Faul- 
thier,  das  ausschliesslich  von  den  Blättern  der  Imbauba  lebt,  oder  gegen  die  Axt 
des  Menschen,  vermögen   sie   trotz    ihrer   empfindlichen  Bisse  ^)   den    Baum    nicht 


1)  Jenaische  Zeitschrift  f.  Naturwiss.   1876.  Bd.  X.  p.  281 — 286. 

2)  Thomas  Belt,  The  Naturalist  in  Nicaragua.     London   1874,  p.  222. 

3)  Die  hiesige  Imbauba-Ameise  gehurt  zu  den  stachellosen  Arten,  bei  denen  nur  der  erste  Hinter- 
leibsring abgeschnürt  ist;  das  Geäder  ihrer  Vorderflügel  gleicht  dem  der  Formica- Arten  mit  Discoidal- 
zelle;  sie  unterscheidet  sich  von  Formica  durch  die  Zahl  ihrer  Tastergiieder :  die  Kiefertaster  haben  fünf, 
die  Lippentaster  drei  Glieder. 


Ueber  das  Haarkissen  der  Imbauba  etc. 


529 


ZU  schützen.  Das  Auf-  und  Absteigen  der  Tragameise  kann  weder  auf  diese 
Weise,  durch  Erschütterung,  sich  ihnen  bemerkhch  machen,  noch  wird  es  über- 
haupt von  den  im  Innern  des  Stammes  sich  aufhaltenden  Bewohnern  desselben 
bemerkt  werden  können.  Was  also  veranlasst  die  Imbauba-Ameise,  die  Blätter, 
—  namentlich  die  bei  allen  Pflanzen  zumeist  den  Angriffen  der  Tragameise  aus- 
gesetzten jüngeren  Blätter  zu  bewachen? 

Ich  war  vor  Kurzem  so  glücklich,  die  Antwort  auf  diese  Frage  zu  finden, 
und  hoffe,  sie  wird  auch  Anderen  nicht  weniger  Freude  und  Ueberraschung  be- 
reiten, als  mir  selbst. 

Am  Grunde  des  Blattstiels  der  Imbauba  gewahrt  man  ein  -flaches  Kissen, 
das  sich  etwa  i  mm  über  seine  Umgebung  erhebt  und  von  unten  her  reichlich 
die  Hälfte  des  Blattstiels  umfasst.  An  dem  Blatte  eines  0,07  m  dicken  Stammes 
war  dieses  Kissen  in  der  unteren  Mittellinie  des  Blattstieles  23  mm  breit,  erstreckte 
sich  von  da,  allmählich  verschmälert,  35  mm  nach  jeder  Seite  und  nahm  eine 
Fläche  von  etwa  8  qcm  ein.  So  lange  dieses  Kissen  von  dem  tütenartigen  Neben- 
blatte des  nächstunteren  Blattes  umschlossen  wird,  ist  es  weiss;  an  der  Luft  färbt 
es  sich  bald,  erst  hell-,  dann  rehbraun.  Den  Blättern  junger  Pflanzen  fehlt  dieses 
Kissen ;  ebenso  den  ersten  Blättern  dünner  Seitentriebe,  die  aus  geköpften  jüngeren 
Stämmen  hervorspriessen ;  so  waren  an  dem  8  mm  dicken  Triebe  eines  abgehauenen 
10  mm  dicken  Stämmchens  die  vier  ersten  Blätter  ganz  ohne  Kissen;  das  fünfte 
und  sechste  zeigten  ein  kleines  Kissen  auf  einer  Seite,  das  folgende  jederseits  ein 
kleines  Kissen  und  dazwischen,  in  der  Mittellinie,  einen  schmalen  Zwischenraum ; 
am  achten  Blatte  war  ein  vollständiges  Kissen,  das  aber  noch  durch  eine  obere 
und  untere  Bucht  in  der  Mittellinie  auf  die  Entstehung  aus  zwei  Kissen  hinwies ; 
das  neunte  Blatt  endlich  trug  ein  Kissen  von  gewöhnlicher  Form. 

Bei  der  Entwicklung  der  Blätter  zeigt  sich  das  Kissen  zuerst  als  ein  seiden- 
artig glänzender  weisslicher  Fleck,  von  ziemlich  weitläufig  stehenden,  einzelligen, 
borstenartigen,  leicht  gekrümmten  Haaren  gebildet.  Zwischen  diesen  spriessen 
später,  aufs  dichteste  gedrängt,  vielzellige  Haare  hervor,  gegen  deren  Zahl  die 
der  einfachen  Haare  fast  verschwindet.  Sie  erreichen  eine  Länge  von  reichlich 
I  mm  und  bestehen  aus  etwa  einem  Dutzend  ZeUen;  die  untersten  sind  gestreckt 
walzenförmig,  die  obern  eiförmig  oder  kuglig  und  dicker  als  die  unteren;  die 
Endzelle  läuft  in  eine  kürzere  oder  längere,  häufig  gekrümmte,  scharfe  Spitze 
aus.  Dicht  zusammengedrängt  bilden  diese  Haare  ein  ziemlich  festes  Kissen, 
dessen  Oberfläche  ein  einigermassen  sammetartiges  Ansehen  hat.  Wasserhell  und 
farblos,  bis  sie  an  die  Luft  treten,  beginnen  sie  an  der  Luft  von  der  Spitze  her 
sich  zu  bräunen  und  theilweise  zu  verschrumpfen. 

Wieder  später,  als  diese  vielzelligen,  am  Ende  perlschnurförmigen  Haare, 
und  erst  wenn  die  EnthüUuug  des  Blattes  nahe  rückt,  entwickeln  sich  in  den 
Kissen  keulenförmige  Gebilde,  die  bis  zu  0,8 — i  mm  Länge  heranwachsen,  bei 
0,3 — 0,5  mm  Dicke;  ihr  Ende  ist  abgerundet;  ihre  grösste  Dicke  fällt  bald  nahe 
dem  freien  Ende,  bald  gegen  die  Mitte  hin,  bald  endlich  ist  ihre  Dicke  eine  fast 
gleichbleibende,  so  dass  ihre  Gestalt  zwischen  birnförmig,  eiförmig  und  walzen- 
förmig schwankt.  Reif  erscheinen  sie  milchweiss,  glänzend,  etwas  durchscheinend. 
Sie  sind  nicht  saftig  und  weich,  sondern  ziemlich  fest  und  schrumpfen  beim 
Trocknen,  wobei  sie  gelblich  werden,  nur  massig  zusammen.   Sowie  sie  ihre  volle 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  34 


530 


Ueber  das  Haarkissen  der  Imbauba  etc. 


Grösse  erlangt  haben,  lösen  sich  diese  Kölbchen  ab  und  treten  allmählich  über 
die  Oberfläche  des  Haarkissens  hervor,  in  welchem  sie  während  ihres  Wachs- 
thums  versteckt  lagen,  Sie  fallen  nun  bei  leichter  Berührung  und  endlich  wohl 
auch  von  selbst  ab. 

Zur  Zeit,  wo  das  Haarkissen  durch  das  Abfallen  des  nächstunteren  tüten- 
förmigen  Nebenblattes  enthüllt  wird,  pflegt  schon  eine  Zahl  dieser  Kölbchen  mehr 
oder  weniger  aus  dem  Kissen  hervorgetreten  zu  sein;  dabei  aber  finden  sich 
noch  jüngere  Kölbchen  in  allen  Grössen  im  Innern  des  Kissens.    Der  Nachschub 


Spitze  eines  jungen,  nicht  von  Ameisen  bewohnten  Imbaubastämmchens,  nat.  Gr.  —  Die  Blätter  sind  ab- 
geschnitten. Der  oberste  der  drei  Blattstiele  von  dem  tütenförmigen  Nebenblatte  des  nächst  unteren  Blattes 
umhüllt.  Am  Grunde  der  beiden  unteren  Blattstiele  die  braunen  Haarkissen,  mit  milchweissen  Kölbchen  besetzt. 


neuer  Kölbchen  dürfte  eine  ganze  Reihe  von  Wochen  andauern,  da  sie  noch  auf 
dem  Haarkissen  des  dritt-  oder  selbst  viertletzten  Blattes  sich  zeigen.  Die  Haar- 
kissen der  obersten  Blätter  junger  Stämme,  die  noch  nicht  von  Ameisen  bewohnt 
sind,  pflegen  reichlich  mit  Kölbchen  geziert  zu  sein,  die  wie  milchweisse  Spargel- 
pfeifen aus  braunem  Beete  hervortreten;  man  findet  ihrer  60  bis  100  auf  einem 
einzigen  Kissen.  An  Pflanzen  aber  die  von  Ameisen  bewohnt  sind  und  das  ist 
schon  bei  daumesdicken  Stämmchen  fast  ausnahmslos  der  Fall,  sieht  man  in  der 
Regel  nur  ganz  vereinzelte  kaum  in  halber  Länge  vorragende  Kölbchen.  Schon 
hieraus  würde  sich  mit  befriedigender  Sicherheit  schliessen  lassen,  dass  die  Kölbchen, 
sowie  sie  reif  aus  dem  Haarkissen  sich  erheben,  von  den  Ameisen  abgeerntet 
werden,  —    dass   die  Besuche,    welche   die  Ameisen    beständig   bei  den  jüngeren 


Ueber  das  Haarkissen  der  Imbauba  etc. 


■^31 


Blättern  machen,  den  Haarkissen  am  Grunde  des  Blattstieles,  ihren  Gemüsebeeten 
gelten,  —  und  dass  in  Folge  dieser  steten  Besuche  die  Tragameisen  nicht  un- 
bemerkt zu  den  Blättern  der  Imbauba  gelangen  können.  Es  wurde  mir  indess 
auch  Gelegenheit,  dem  Abernten  eines  Gemüsebeetes  alz  Zeuge  beizuwohnen. 
Ich  hatte  die  Spitze  eines  25  mm  dicken  Imbaubastämmchens  mit  heimgenommen, 
welches  von  einem  sehr  schwachen,  wohl  kaum  einige  hundert  Arbeiter  zählen- 
den, wahrscheinlich  noch  jungen  Ameisenvolke  bewohnt  war.  Der  Stiel  des 
obersten  bereits  vollständig  entfalteten  Blattes  war  noch  von  dem  nächstunteren 
Nebenblatte  umschlossen,  und  als  ich  dieses  entfernte,  zeigte  sich  das  dadurch 
blossgelegte  Haarkissen  mit  zahlreichen  (etwa  50)  Kölbchen  besetzt.  Die  Ameisen 
hatten  ihren  Eingang  in's  innere  des  Stammes  ungewöhnlich  weit  von  der  Spitze, 
etwa  0,5  m  unter  dem  neuen  Gemüsebeete;  und  doch  hatte  ich  dasselbe  kaum 
zugänglich  gemacht,  so  erschienen  auch  schon  die  Ameisen  auf  demselben.  Jede 
packte  eines  der  weissen  Kölbchen  mit  den  Kinnbacken  und  lief  damit  stamm- 
abwärts,  um  es  heimzutragen.  Anfangs  ging  das  recht  rasch,  da  die  ganz  losen 
Kölbchen  eben  nur  wegzunehmen  waren.  Bei  denen  aber,  die  noch  fester  sassen, 
und  kaum  über  halb  vorsahen,  kostete  es  oft  ziemliche  Zeit  und  Mühe,  bis  sie 
nach  manchem  Ziehen  und  Wackeln  nach  verschiedenen  Seiten  sich  lösten  und  fort- 
getragen werden  konnten.  Nach  etwa  10  bis  15  Minuten  waren  nur  noch  vier  Kölb- 
chen übrig,  an  denen  verschiedene  Ameisen  vergeblich  ihre  Kräfte  versucht  hatten. 

So  ist  denn  der  Fall  der  Imbauba  dem  der  merkwürdigen  Ochsenhorn- 
Acacia^),  den  Thomas  Belt  so  lebensfrisch  geschildert  hat,  weit  ähnlicher,  als 
B  e  1 1  glaubte ;  hier  wie  dort  liefert  der  Baum  seinen  Vertheidigern  neben  Obdach 
auch  Nahrung  und  wie  dort  die  goldenen  Birnen  jedes  Blattes  eine  nach  der  an- 
deren reifen  und  so  dem  jungen  Blatte  für  längere  Zeit  den  Besuch  der  schützenden 
Ameisen  sichern,  so  bietet  auch  das  Gemüsebeet  jedes  neu  entfalteten  Imbauba- 
blattes  den  Ameisen  eine  Wochen  lang  andauernde,  Wochen  lang  sie  anlockende 
Ernte.  Dieser  fortdauernde  Nachschub  junger  Kölbchen  wird  ermöglicht  —  und 
darin  liegt  dessen  Bedeutung  —  durch  das  dichte  Haarkissen,  welches  nicht  nur 
den  unter  ihm  sich  entwickelnden  Kölbchen  die  nöthige  Feuchtigkeit  bewahrt, 
sondern  auch  die  Ameisen  hindert,  dieselben  vor  der  Reife  anzutasten. 

Und  nun  noch  Eins.  In  der  Regel  sind  es  Honigdrüsen,  welche  die 
schützenden  Ameisen  (hier  besonders  einen  kleinen  schwarzen  Crematogaster) 
herbeiziehen.  Dagegen  scheinen  die  Kölbchen  der  Imbauba  vorwiegend  aus  einem 
Eiweissstoffe  zu  bestehen.  Jodlösung  färbt  sie  dunkel  gelbbraun,  concentrirte 
Schwefelsäure  schön  rosenroth.  —  Da  die  von  ihnen  gezüchteten  Schildläuse  den 
Imbauba-Ameisen  Honig  oder  eine  ähnliche  süsse  Flüssigkeit  liefern,  dürften 
Honigdrüsen  auf  sie  keine  allzugrosse  Anziehungskraft  ausüben  und  so  bietet  ihnen 
die  Imbauba  als  Lockspeise  in  den  von  ihnen  so  eifrig  gesuchten  Kölbchen  nicht 
eine  süsse  saftige  Frucht,  sondern  gewissermassen  ein  Tiebig'sches  Fleischextract, 
einen  verdichteten  Eiweissstoff  in  möglichst  handlicher,  bequemer  Form.  Während 
wir  unsere  stickstoffhaltige  Nahrung  hauptlächlich  den  Tieren,  unsere  stickstofflose 
den  Pfanzen  entnehmen,  ist  das  Umgekehrte  also  bei  der  Imbauba- Ameise  der  Fall. 

Itajahy,  31.  October  1875. 


i)  Thomas  Belt,  a.  a.  O.,  p.  218. 

34* 


Aus  Brasilien  (Meliponen)^). 

(Eigentümliche  Flugstellen  der  Bienen.) 

In  der  von  Frau  Helene  Lieb  (Bztg.  1876,  Nr,  10  u.  11,  S.  133)  und  Herrn 
Köhler  (Nr.  17  u.  18,  S.  220)  angeregten  Frage:  was  „unsere  reinlichen  Bienen" 
an  Tierleichen  und  Mistpfützen  und  ähnlichen  unsauberen  Orten  suchen  und  saugen, 
will  ich  eine  kleine  Beobachtung  mitteilen,  die  als  Bestätigung  der  von  Herrn 
Köhler  ausgesprochenen  Vermutung  dienen  mag. 

Es  war  im  Quellgebiet  des  Uruguay,  nicht  weit  von  dessen  nördlichstem 
Quellflusse,  dem  Rio  das  Marombas,  wo  wir  in  einer  kleinen,  mit  halbmannshohem 
harten  Grase  bewachsenen,  von  Bäumen  ziemlich  freien  Lichtung  mitten  im  Ur- 
walde,  meilenweit  von  menschlichen  Wohnungen,  am  21,  November  unsere  Zelte 
aufgeschlagen  hatten.  Wir  lagen  dort  bis  zum  26.  Am  23.  hörte  ich  nun  nahe 
den  Zelten  das  bekannte  Summen  einer  Honigbiene;  sie  flog  dicht  am  Boden 
zwischen  zertretenem  und  verwelktem  Grase.  Ich  fing  den  an  dieser  Stelle  ganz 
unerwarteten  Gast;  es  war  die  gewöhnliche  schwarze  deutsche  Biene.  An  gleicher 
Stelle  zeigten  sich  an  demselben  Tage  noch  zwei  bis  drei,  und  zahlreichere  an 
den  folgenden  Tagen.  Blumen,  welche  die  Bienen  hätten  anlocken  können,  gab 
es  nicht  in  der  Nähe;  die  Blumenröhren  eines  schönen  goldgelben  Cestrum,  das 
die  Ufer  des  die  Lichtung  durchfliessenden  Baches  schmückte,  waren  für  sie  viel 
zu  lang.  Was  suchten  sie  also?  —  Ueber  die  Antwort  blieb  ich  nicht  lange  im 
Zweifel.  Die  Stellen,  wo  sie  sich  niedersetzten,  waren  solche,  an  denen  der  Boden 
und  das  trockene  Gras  mit  Harn  getränkt  zu  werden  pflegten. 

Am  24.  erhielten  wir  eine  Ladung  frischen  Rindfleisches,  welches  leicht  ge- 
salzen, zum  trocknen  an  einer  Rohrstange  aufgehängt  wurde.  Alsbald  sammelten 
sich  um  dasselbe  mehrere  Arten  von  Wespen,  die  grosse  Stücke  abnagten  und 
forttrugen,  sowie  in  grosser  Menge  verschiedene  stachellose  Honigbienen,  besonders 
zahlreich  eine  kleine  schwarze,  stark  nach  Citronen  riechende  Art,  die  ich  hier 
zum  ersten  Male  sah  (Trigona  citriodora  n.  sp.).  Dieselben  drängten  sich  besonders 
um  die  äussersten  niederhängenden  Zipfel  der  Fleischstücke,  wo  die  Salzlake  sich 
sammelte  und  zu  einer  gesättigten  Lösung  abdunstete.  Schüttelte  man  diese  Zipfel, 
so  purzelten  sie  dutzendweise  in  die  untergehaltene  Flasche.  Offenbar  war  es  das 
Salz,  welches  sie  hierher  zog.  —  Neben  den  stachellosen  Brasilianerinnen  fand  sich 

i)  Eichstädt.  Bienenztg.   1877.  Bd.  XXXIII.  p.  59 — 60.     Nürdlingen,  Becksche  Buchhandlung. 


Aus  Brasilien. 


533 


auch  die  stacheltragende  Honigbiene  der  alten  Welt  ein.  Ob  auch  von  ihr  Salz 
gesucht  und  gesaugt  wurde?  — 

Woher  aber,  werden  die  Leser  fragen  und  fragten  wir  uns,  woher  kamen 
diese  Bienen?  —  Der  nächste  Bienenstand  auf  den  Campos  dos  Curitibanos  war 
sicher  mehrere  Meilen  entfernt,  von  da  konnten  sie  kaum  unsere  kleine,  blumen- 
lose Lichtung  tief  im  Walde  so  rasch  aufspüren.  Wahrscheinlicher  schien  es,  dass 
verflogene  Schwärme  sich  im  Walde  selbst  angesiedelt  hatten,  und  diese  Vermutung 
wurde  bald  zur  Gewissheit;  wenige  Tage  später,  als  ich  selbst  den  Wald  schon 
verlassen  hatte,  fanden  meine  Reisegefährten  in  einem  hohlen  Baume  einen  Bienen- 
schwarm, der  ihnen  reiche  Honigausbeute  lieferte. 

Blumenau,  Sa.  Catharina,  Brazil,  24./12.  1876. 


Ueber    Haarpinsel,    Filzflecke  und    ähnliche   Gebilde 
auf  den  Flügeln  männlicher  Schmetterlinge^). 

Die  Männchen  zahlreicher  Arten  von  Tagfaltern  sind  ausgezeichnet  durch 
eigenthümliche  Haar-  oder  Schuppenbildungen  auf  ihren  Flügeln.  Ich  will  hier 
zusammenstellen,  was  ich  in  den  wenigen  mir  zugänglichen  Schmetterlingsbüchern  ^) 
über  diese  Gebilde  finde,  und  folge  dabei  der  Anordnung  der  Gattungen  in  K  i  r  b  y '  s 
Verzeichnis  der  Tagfalter^). 

I.  Nymphaliden. 
I.     Danainen, 

Danais.  Die  S  haben  einen  Fleck  eigenthümlich  gebildeter  Schuppen  am 
ersten  Aste  der  Mediana  oder  an  der  Submediana  der  Hinterflügel;  bisweilen 
hat  er  die  Gestalt  einer  Tasche,  die  sich  auf  der  Oberseite  der  Flügel  öffnet  und 
(wenigstens  bei  trockenen  Stücken)  mit  braunem  Staube  gefüllt  ist. 

Amauris(=  Danais  sect.  I,  Doubl,  gen.  D.  L.).  Die  S  haben  einen 
Fleck  eigenthümlich  gestalteter,  dichtstehender  Schuppen  an  der  Submediana  der 
Hinterflügel,  nicht  weit  vom  Afterwinkel. 

Euploea.  Bei  den  S  ist  der  Innenrand  der  Vorderflügel  meist  gerundet 
und  springt  so  vor,  dass  er  ein  beträchtliches  Stück  der  Hinterflügel  deckt. 
Bisweilen  haben  die  d  einen  oder  mehrere  kurze  Streifen  am  Innenrand  der 
Vorderflügel,  aus  blasseren  etwas  abweichend  gestalteten  Schuppen,  von  mattem, 
etwas  kreidigem  Ansehen.  Der  von  dem  vorstehenden  Innenrand  der  Vorder- 
flügel bedeckte  Theil  der  Hinterflügel  ist  oft  mit  Schuppen  von  sehr  eigenthüm- 
licher   Gestalt    bekleidet.      Sie    sind    verlängert,   haarähnlich,    am    Grunde    etwas 


i)  Jenaische  Zeitschrift   1877.  Bd-  XI.  S.  99 — 114. 

2)  Die  reichste  Ausbeute  gab  mir:  Doubleday  and  Westwood,  Genera  of  Diurnal  Lepidoptera. 
Leider  ist  mein  Exemplar  unvollständig.  Einzelne  Angaben  sind  entnommen  aus:  Keferstein,  Ge- 
schlechtsverschiedenheit der  Schmetterlinge  in  Stett.  entomol.  Ztg.  1853,  S.  354.  —  Butler,  Catalogue  of 
the  Satyridae  in  the  Brit.  Mus.  1868  (Anchiphlebia,  Gnophodes,  Cyllogenes).  —  Butler,  Ca- 
talogue of  Fabrician  Diurnal  Lepidopt.  1869  (Agrias). —  H  er  rich-Schäf  f  er,  Prodrom.  System.  Lepi- 
dopterorum  (Myscelia,  Hesperiden).  —  Felder,  Species  Lepidopterorum,  1864  (Papilio).  —  Hewit- 
son,  Description  of  one  hundred  Hesperidae,  1867  (Caecina).  —  Ilewitson,  Equatorial  Lepidoptera 
collected  by  Mr.  Buckley  1869  (Thecla  Bodora).  —  Boisduval,  Spec.  gen.  Lepidopt.  1836  (Lepta- 
lis,  Callidryas). 

3)  Kirby,  A  synonyniic  Catalogue  of  diurnal  Lepidoptera   1871. 


Ueber  Haarpinsel,  Filzflecke  und  ähnliche  Gebilde  etc.  -  -3  r 

breiter,  und  enden  in  eine  eiförmige  Ausbreitung,  die  ihnen  das  Aussehen  der 
Fühler  von  Pieris  gibt.  Bei  anderen  Arten  unterscheiden  sich  die  Schuppen 
dieser  Stelle  hauptsächlich  durch  ihre  Grösse  von  den  übrigen. 

Die  S  von  Athesis,  Thyridia,  Olyras,  Dircenna,  Ceratinia, 
Sais,  Mechanitis,  Ithomia,  Melinaea,  Tithorea,  also  fast  aller  Gat- 
tungen, die  man  neuerdings  von  den  Heliconinen  zu  den  Danainen  versetzt  hat, 
haben  „einen  Haarpinsel  auf  der  Oberseite  der  Hinterflügel  vorne  an  der  Sub- 
costalis"  (Her  rieh -Seh  äff  er),  oder  richtiger,  wie  es  Doubleday  bei  Olyras 
beschreibt,  „einen  langen  Fleck,  der  mit  sehr  langen  zarten  Haaren  besetzt  ist". 
Den  d"  von  Lycorea,  die  auch  in  diesen  Verwandtschaftskreis  gehört,  fehlt 
(nach  Herrich-Schäffer)  der  Haarpinsel,  dagegen  haben  sie  (nach  Double- 
day) „einen  ganzen  Haarbusch  jederseits  am  letzten  Hinterleibsring,  der  grossen- 
theils  in  den  Hinterleib  zurückgezogen  werden  kann".  — 

2.  Satyrinen. 

Bei  den  d  von  Antirrhaea  Archaea  (Anchiphlebia  Butl.)  ist  der 
Innenrand  der  Vorderflügel  wie  bei  Euploea  gewölbt  und  stark  gewölbt  ist 
auch  der  Vorderrand  der  Hinterflügel,  auf  der  Unterseite  des  Vorderflügels  findet 
sich  ein  kammförmig  behaarter  Fleck  (plaga  pectinatim  cirrata). 

Bei  Gnophodes  Morpena  besitzen  die  Hinterflügel  der  S  einen  grossen 
eirunden   weissen  Fleck   nahe   dem  Vorderrande,   wie   bei  Arten    von  Euploea. 

Die  d  von  Melanitis  Suradeva  (Cyllogenes  Butl.)  haben  einen  grossen 
dunkeln  seidenartigen  Fleck  auf  den  Vorderflügeln. 

Bei  Satyrus  Roxelana,  Clymene,  Maera,  Megera,  Hiera  bei 
Epinephele  Lycaon,  Janira,  Ida,  Tithonus,  bei  Hipparchia  Semele 
und  Arethusa  besitzen  die  S  auf  der  Oberseite  der  Vorderflügel  einen  dunklen 
Haarbusch. 

Mycalesis.  „Das  wichtigste  Merkmal  dieser  Gattung  besteht  im  Vor- 
handensein eines  Büschels  langer  Haare,  entweder  auf  der  Oberseite  der  Vorder- 
flügel, wo  sich  ein  schmaler  Schlitz  oder  besser  eine  Tasche  zu  ihrer  Aufnahme 
findet,  oder  auf  den  Hinterflügeln,  wo  sie  durch  den  Innenrand  der  Vorderflügel 
bedeckt  werden.  Dieser  Haarbüschel  kommt,  wie  gewöhnlich,  nur  den  d  zu,  und 
nach  seiner  Lage  lässt  sich  die  Gattung  in  zwei  Gruppen  theilen"  (Westwood). 

Die  S  von  Bia  Actorion  sind  ausgezeichnet  durch  einen  Büschel  langer 
blass  lederbrauner  Haare  nahe  dem  Innenrande  der  Hinterflügel,  die  willkürlich 
aufgerichtet  und  niedergelegt  werden  können  und  in  der  Ruhe  in  einer  langen 
Tasche  eingeschlossen  liegen,  und  ebenso  durch  einen  Fleck  mit  langen  schwarzen 
seidenartigen  Haaren  nahe  dem  Vorderrande  der  Hinterflügel.  Letzterem  liegt 
ein  nackter  Fleck  auf  der  Unterseite  der  Vorderflügel,  dicht  am  Innenrande, 
gegenüber. 

3.  Elymniinen. 

Elymnias  (=  Melanitis  Westw.  Gen.  D.  L.).  Die  d  haben  Haarbüsche 
auf  der  Oberseite  der  Hinterflügel,  nahe  der  Wurzel. 

4.  Morphinen. 

Amathusia.  Auf  der  Oberseite,  nahe  dem  Innenrande  der  Hinterflügel 
und   gleichlaufend   dem   Ende    des   Hinterleibes   findet   sich  beim   S  ein    kleiner. 


--.^  Ueber  Haarpinsel,  Filzflecke  und  ähnliche  Gebilde  etc. 

schief  aufsitzender  Haarbusch;  zwischen  diesem  Haarbusch  und  dem  ersten  Aste 
der  Mediana  ist  eine  lange  Falte  des  Flügels,  in  der  einige  wenige  lange  blasse 
Haare  verborgen  liegen. 

Zeuxidia.  Innenrand  der  Vorderflügel  beim  $  fast  gerade,  beim  $  sehr 
stark  erweitert  und  gerundet.  Die  Hinterflügel  des  S  tragen  auf  der  Oberseite, 
in  dem  Räume  zwischen  Costaiis  und  Subcostalis,  einen  eirunden  Fleck  mit  blass 
lederbraunen  Haaren;  ferner  in  der  Mitte  der  Zelle  einen  lang  eirunden  Fleck 
von  braunen,  der  Länge  nach  liegenden  Haaren  und  zwischen  diesem  Fleck 
und  dem  Innern  Winkel  der  Zelle  eine  Reihe  schief  nach  dem  Hinterleib  zu 
liegender  Haare. 

Das  S  von  Discophora  hat  einen  seidenartigen  Fleck  in  der  Mitte  der 
Oberseite  der  Hinterflügel. 

Tenaris  (==  Drusilla  Swains.).  Innenrand  der  Vorderflügel  beim  $  fast 
gerade,  beim  S  am  Grunde  verbreitert,  in  der  Mitte  ausgebuchtet.  Auf  dem 
Hinterflügel,  nahe  der  Wurzel,  verborgen  unter  der  Erweiterung  der  Vorder- 
flügel, ein  Haarbusch;  ein  zweiter  langer  Haarbusch  nahe  dem  Innenrande,  dem 
Ende  des  Hinterleibes  gegenüber. 

Clerone.  Innenrand  der  Vorderflügel  beim  S  schwach  erweitert.  Hinter- 
flügel oben,  nahe  dem  Ende  der  Brust,  beim  S  mit   einem  Büschel  feiner  Haare. 

Thaumantis.  Auf  der  Oberseite  der  Hinterflügel,  nahe  der  Wurzel,  theil- 
weise  vom  Innenrande  der  Vorderflügel  bedeckt,  beim  S  ein  Haarbusch. 

5.  Brassolinen. 

Opsiphanes.  Ein  langer  Haarpinsel  in  der  Mittelzelle  der  Hinterflügel, 
auf  der  Oberseite,  nahe  dem  Ursprünge  des  ersten  Astes  der  Mediana ;  ein  zweiter 
Haarpinsel  näher  dem  Innenrande,  dicht  an  der  Submediana,  etwa  der  Mitte  des 
Hinterleibes  gegenüber.  Bei  Opsiphanes  Soranus  ausserdem  ein  Bündel 
krummer,  blass  lederbrauner  Haare  zwischen  Costaiis  und  Subcostalis.  —  Auch 
bei  Opsiphanes  Cassiae  sehe  ich  nahe  der  Flügel wurzel  zwischen  Costaiis 
und  Subcostalis  ein  Büschel  zarter,  aber  gerader  und  dem  Flügel  gleichfarbiger 
Haare  uud  ihnen  gegenüber  auf  der  Unterseite  der  Vorderflügel  einen  kleinen 
matten  grauen  Fleck  zwischen  Mediana  und  Submediana,  letzterer  anliegend. 

Caligo.  Hinterflügel  des  S  mit  einem  kleinen  Haarbusche  nahe  dem 
Innenrande,  der  Mitte  des  Hinterleibes  gegenüber. 

Narope.  „Die  Submediana  der  Vorderflügel  ist  beim  S  gebogen,  um  Raum 
zu  geben  für  einen  Fleck  mit  langen  orangefarbenen  Haaren,  die  auf  der  Unter- 
seite zwischen  Mediana  und  Submediana  entspringen.  Ihm  gegenüber  eine  ge- 
glättete Stehe  auf  der  Oberseite  der  Hinterflügel." 

Dasyophthalma.  Innenrand  der  Vorderflügel  mehr  gewölbt  beim  J, 
als  beim  $;  auf  der  Oberseite  der  Hinterflügel  des  S  ein  eirunder  sammetartiger 
Fleck,  den  die  Subcostalis  und  ihr  Ast  durchschneiden ;  ein  kleiner  eirunder  Fleck 
nahe  der  Wurzel  der  Mittelzelle  ist  schuppenlos,  trägt  aber  einen  aufrechten 
schwarzen  Haarbusch. 

6.  Acraeinen  und  7.  Heliconinen. 

In  den  wenigen  Gattungen  dieser  beiden  Gruppen  scheinen  den  cJ  ähnliche 
Auszeichnungen  zu  fehlen. 


Ueber  Haarpinsel,  Filzflecke  und  ähnliche  Gebilde  etc.  c-iy 

8.     Nymphalinen. 

Das  d  von  Lachnoptera  trägt  auf  der  Oberseite  der  Hinterflügel,  nahe 
dem  Vorderrande  einen  eigenthümlichen  Fleck  haarähnlicher  Schuppen.  Diese 
sind  lang,  fast  linienförmig,  am  Grunde  tief  ausgerandet  und  schwach  verbreitert, 
nach  der  Spitze  in  einen  schlanken  Stiel  verjüngt  und  enden  in  eine  fächerähn- 
liche, aussen  gefranzte  Platte. 

Bei  Myscelia  Orsis  ist  der  „Hinterflügel  des  S  von  Zelle  5—7  mit  einem 
Filzfleck"  versehen  (Herrich-Schäffer). 

Bei  den  S  von  Didonis  Biblis  finde  ich  einen  auf  dem  dunklen  Grunde 
leicht  zu  übersehenden  ansehnlichen  schwarzen  Fleck  von  kohlenartigem  Aus- 
sehen auf  der  Unterseite  der  Vorderflügel  nahe  dem  Innenrande  zwischen  Sub- 
mediana  und  Mediana,  an  der  Stelle,  wo  letztere  ihren  ersten  Ast  abgibt;  ein 
kleinerer  ähnlicher  Fleck  liegt  nahe  dabei,  mehr  wurzelwärts.  Gegenüber  liegt 
ein  kleiner  schwarzer  Fleck  auf  der  Oberseite  der  Hinterflügel. 

P  r  e  p  o  n  a.  Ein  Haarbusch  steht  auf  dem  Hinterflügel  des  d  am  Rande  der 
Rinne,  die  den  Hinterleib  umschliesst,  und  ihm  gegenüber  am  Hinterleibe  ein 
eirunder,  von  einem  nackten  Saume  umgebener  Filzfleck. 

Agrias.  „Einige,  wenn  nicht  alle  Arten  haben  Haarpinsel  auf  den  Flügeln" 
(Butler). 

n.    Lemoniiden  (=  Eryciniden  Swains). 
Aus  dieser  Familie  ist  mir   kein  Beispiel  durch   eigenthümliche  Haar-   oder 
Schuppenbildungen  ausgezeichneter  Männchen  bekannt. 

III.  Lycaeniden. 

Thecla.  Bei  sehr  zahlreichen  Arten  sind  die  Vorderflügel  der  S  bezeichnet 
mit  einem  rundlichen,  sammet-  oder  filzartigen  Fleck,  nahe  dem  Ende  der  Mittel- 
zelle, der  nicht  selten  eine  mehr  oder  minder  erhebliche  Aenderung  des  Flügel- 
geäders  veranlasst.  Bisweilen  ist  die  Verschiedenheit  des  Aderverlaufs  zwischen 
$  und  d  derselben  Art  so  gross,  wie  sonst  zwischen  Arten  verschiedener  Gattungen. 
Grösse,  Gestalt,  Lage  des  Flecks  wechseln  ungemein.  Meist  ist  er  von  dunkler 
Farbe  und  dann,  wenn  in  gleichfarbiger  Umgebung,  oft  erst  nach  der  Ent- 
schuppung als  dunkler  Fleck  der  sonst  farblosen  Flügelhaut  deutlich  hervor- 
tretend. Seltener  ist  er  hell  (gelb  oder  weisslich)  auf  dunklem  (schwarzem  oder 
blauem)  Grunde.  So  bei  Thecla  AmbraxWestw.  (Gener.  D.  L.,  Taf .  LXXV, 
Fig.  7).  Bei  Thecla  Bodora  Hew.  ist  die  Oberseite  der  Flügel  mattblau,  die 
Vorderflügel  mit  breitem,  braunem  Vorderrande  und  Saum,  der  Fleck  sehr  gross 
und  glänzend  blau. 

IV.  Papilioniden. 

I.  Pier  inen. 
Bei  den  S  von  Leptalis  sind  nicht  selten,  wie  bei  Euploea,  Innenrand 
der  Vorder-  und  Vorderrand  der  Hinterflügel  verbreitert,  und  es  haben  in  diesem 
Falle  die  Hinterflügel  oben,  die  Vorderflügel  unten  eine  grosse  glänzende  Stelle 
mit  sehr  kleinen  dicht  angedrückten  Schuppen,  und  inmitten  derselben  einen  ei- 
runden, matt  kreideweissen  oder  aschgrauen  Fleck.  Wenn  die  Flügel  ausgebreitet 
sind,  liegen  die  Flecken  beider  Flügel  genau  aufeinander. 


r-jg  Ueber  Haarpinsel,  Filzflecke  und  ähnliche  Gebilde  etc. 

Die  d"  der  meisten  Caliidryas  haben  nahe  der  Wurzel  und  dem  Vorder- 
rande der  Hinterflügel  einen  Fleck  von  kreidigem  Aussehen  („sac  glanduleux" 
Boisduval),  dessen  Farbe,  Grösse  und  Gestalt  nach  den  Arten  sehr  wechselt. 
Bisweilen  ist  er  bedeckt  von  einer  Mähne  langer  Haare,  die  in  der  Mittelzelle 
wurzeln.  In  anderen  Fällen  findet  sich  ihm  gegenüber  ein  auf  der  Unterseite 
der  Vorderflügel  zwischen  Mediana  und  Submediana  liegender  Fleck.  Dieser 
Gegenfleck  und  die  Mähne  scheinen  sich  gegenseitig  auszuschliessen ;  wo  ich  die 
Mähne  finde  (Argante,  Trite),  vermisse  ich  den  Gegenfleck;  wo  dieser  vor- 
handen ist  (Philea,  Statira),  fehlt  die  Mähne.  Einige  Arten  (wie  die  indische 
Pomona)  tragen  Haare  auch  am  Innenrande  der  Vorderflügel.  In  einigen  Fällen 
endlich  (Eubule)  fehlen  sowohl  Haare  als  Flecken,  wenn  auch  der  Fleck  der 
Hinterflügel  nicht  spurlos. 

Bei  den  (S  einiger  Arten  von  Nathalis,  Gonoptery  x  und  Colias  kommen 
ähnliche  Flecken  vor. 

2.     Papilioninen. 

Die  erste  der  von  Felder  unterschiedenen  Abtheilungen  der  Gattung  Pa- 
pilio  enthält  den  P.  Priamus  und  die  ihm  nahe  stehenden  Arten  der  jetzt 
wieder  eingezogenen  Gattung  Ornithoptera.  Bei  den  J  dieser  Abtheilung  ist 
der  Innenrand  der  Hinterflügel  sehr  verbreitert  und  nach  innen  geschlagen ;  die 
Aussenseite  des  umgeschlagenen  Randes  ist  schwächer  beschuppt,  längs  der  Sub- 
mediana mit  einer  Mähne  bräunlicher  abstehender  Borsten  besetzt;  die  Wurzel- 
hälfte des  Umschlags  ist  abermals  nach  innen  geschlagen ;  die  innere  Fläche  des 
ganzen  Randes  ist  schwarz  beschuppt,  ohne  Haare. 

Bei  den  J  der  zweiten  Abtheilung,  die  ebenfalls  aus  Arten  der  früheren 
Gattung  Ornithoptera  besteht,  ist  der  Innenrand  der  Hinterflügel  in  ähnlicher 
Weise  nach  innen  umgeschlagen,  jedoch  an  der  Wurzel  nicht  abermals  nach 
innen,  sondern  wieder  nach  aussen  zurückgeschlagen;  die  innere  Fläche  des  um- 
geschlagenen Randes  und  das  von  ihm  bedeckte  Stück  des  Flügels  ist  bräun- 
lichweiss,  etwas  perlmutterglänzend  und  mit  dichtem  gleichfarbigen  Pelz  bedeckt. 

In  der  fünften  Abtheilung,  welche  Felder  mit  den  nächstverwandten  als 
amerikanische  Ornithopteren  bezeichnet  ^),  ist  die  Bildung  der  männlichen  Hinter- 
flügel ähnlich,  wie  die  der  zweiten  Abtheilung;  dieselben  sind  am  Afterwinkel 
tief  ausgebuchtet,  der  stark  verbreitete  Innenrand  ist  nach  innen,  der  Wurzeltheil 
des  Umschlags  aber  wieder  nach  aussen  umgeschlagen,  die  überdeckte  Fläche 
bräunhchweiss  beschuppt  und  bis  zur  Submediana  mit  wunderbar  dichtem  seiden- 
artigem weissen  Pelz  bekleidet. 

V.    Hesperiden. 

In  verschiedenen  Gattungen  ist  bei  den  S  der  Vorderrand  der  Vorderflügel 
umgeschlagen  („Costalumschlag"  Herrich-Schäffer),  und  die  eingeschlossene  Stelle 
dicht  mit  blassem  Daun  bedeckt.  Bei  anderen  Arten  (Ismene  Oedipodea) 
haben  die  S  einen  grossen  sammetartigen  Fleck  nahe  der  Wurzel  der  Vorder- 
flügel,   bei    anderen    (Flesperilla)    sind    sie    durch    einen    „Schuppenwulst"   der 


l)  Die  an  Aristolochia  lebende  Raupe  unseres  Papilio  Nephalion,  welche  derjenigen  der 
Ornithoptera  Heliacon.  (Boisduval,  Spec.  gen.  Lepid.  PI.  I,  Fig.  i)  ganz  ähnlich  ist,  rechtfertigt  diese 
Bezeichnung. 


Ueber  Haarjiinsel,  Fil/flcckc  und  ähnliche  Gebilde  etc.  coq 

Vorderflügel  ausgezeichnet,  während  bei  Caecina  „der  Innenrand  der  Vorder- 
flügel nahe  der  Wurzel  vorspringt,  unten  geglättet  ist  und  einen  Haarbusch  der 
Hinterflügel  bedeckt." 

Soweit  die  Tagfalter.  Dass  auch  unter  den  Nachtschmetterlingen  ähnliche 
Gebilde  nicht  fehlen,  beweist  Calesia  comosa  Guen.,  deren  d  einen  mächtigen 
Haarbusch  auf  der  Oberseite  der  Vorderflügel  tragen  ^). 


Wie  entfernt  auch  von  Vollständigkeit  vorstehende  Uebersicht  sein  möge, 
sie  wird  genügen,  die  weite  Verbreitung  der  betreffenden  Gebilde  unter  den  Tag- 
faltern, sowie  nicht  minder  ihre  überraschende  Mannichfaltigkeit  zu  zeigen.  Welche 
Verschiedenheit  zwischen  dem  unglaublich  dichten,  schneeweissen,  seidenartigen 
Pelz  in  dem  breiten  Umschlage  der  Hinterflügel  von  Papilio  Nephalion, 
dem  von  langer  Mähne  überdeckten  unter  dem  Innenrande  der  Vorderflügel  ge- 
borgenen grossen  kreidigen  Fleck  der  Hinterflügel  von  Callidryas  Trite, 
dem  zierlichen  Haarpinsel  mitten  auf  dem  Hinterflügel  von  Opsiphanes  Cassiae, 
und  dem  kohlenartigen  Fleck  inmitten  des  glänzenden  Morphoblau  des  Vorder- 
flügels einer  Thecla!  Und  doch  finden  sich  bei  aller  Verschiedenheit  gewisse 
gemeinsame  Züge.  Gemeinsam  ist  zunächst  der  Mehrzahl  dieser  Bildungen,  dass 
sie  für  gewöhnlich  nicht  offen  liegen,  sondern  eingeschlossen  sind,  sei  es,  und 
das  ist  der  häufigste  Fall,  zwischen  Innenrand  der  Vorder-,  und  Vorderrand  der 
Hinterflügel,  sei  es  zwischen  Innenrand  der  Hinterflügel  und  Hinterleib,  sei  es  in 
einem  Umschlag  am  Vorderrande  der  Vorder-,  oder  am  Innenrande  der  Hinter- 
flügel, sei  es  endlich  in  besonderen  Furchen,  Schlitzen  oder  Taschen.  Nicht  selten 
liegt  dem  Haarbusch  oder  Fleck  eine  kahle  Stelle  oder  auch  ein  ähnlicher  Fleck 
des  anderen  Flügels  oder  des  Hinterleibes  gegenüber.  Wo  Flecken  oder  Haar- 
büsche frei  auf  der  Fläche  der  Flügel  liegen,  finden  sie  sich  auf  der  Oberseite, 
so  dass  sie  auch  in  diesem  Falle,  wenn  der  Falter  mit  emporgeschlagenen  Flügeln 
ruht,  zwischen  den  Flügeln  eingeschlossen  sind.  Niemals  scheinen  sie  auf  der 
Unterseite  der  Hinterflügel  und  des  vorderen,  von  den  Hinterflügeln  unbedeckt 
gelassenen  Theiles  der  Vorderflügel  vorzukommen.  Die  Schuppen  der  Flecken 
pflegen  sehr  dicht  gedrängt  und  daher  fast  aufrecht  zu  stehen  und  bei  weitem 
fester  zu  haften  als  die  übrigen  Schuppen  der  Flügel.  Nach  dem  Entschuppen 
bleiben  die  Flecken  nicht  nur  an  den  dichtgedrängten  Anheftungsstellen  der 
Schuppen  kenntlich,  es  pflegt  auch  ihre  Haut  mehr  oder  weniger  getrübt  oder 
selbst  dunkel  gefärbt  zu  sein.  Nicht  selten  sind  sie  von  baumartig  verästelten 
oder  netzförmig  verbundenen  Luftröhren  durchzogen.  —  Die  zwischen  den  Flügeln 
oder  zwischen  Flügel  und  Hinterleib  verborgenen  Pinsel,  Mähnen  oder  Haar- 
büsche pflegen  sich  zu  sträuben,  sobald  die  Flügel  von  einander  oder  vom  Hinter- 
leibe entfernt  werden  Eines  willkürlichen  Sträubens  dürften  auch  alle  frei  auf 
der  Fläche  der  Flügel  liegende  Pinsel  fähig  sein;  bei  Opsiphanes  Cassiae 
kann  der  in  der  Mittelzeüe  der  Hinterflügel  liegende  Haarpinsel  zu  einer  voll- 
ständigen Halbkugel  sich  auseinanderspreizen.  — 

Die  bei  weitem  häufigste  Bildung,  Fleck  oder  Haarbusch  am  Vorderrande 
der  Hinterflügel,  zwischen  Costaiis  und  Subcostalis,  bedeckt  vom  Innenrande  der 

I)  Chenu,  Encyclop.  d'hist.  nat.  Lepidopt.  II,  pag.   132,  Fig.   114. 


-j^Q  Ueber  Haarpinsel,  Filzflecke  und  ähnliche  Gebilde  etc. 

Vorderflügel,  kommt  bei  so  weit  verschiedenen  Faltern  vor,  bei  Danainen  (Eii- 
ploea,  Ithomia  und  Verwandte),  bei  Satyrinen  (Mycalesis,  Bia),  bei  Mor- 
phinen (Zeuxidia),  bei  Brassolinen  (Opsiphanes),  bei  Nymphalinen  (Lach- 
noptera),  bei  Pierinen  (Leptalis,  Callidryas)  und  bei  Hesperiden  (Caecina), 
dass  an  Ererbung  von  gemeinsamen  Vorfahren  kaum  zu  denken  ist,  man  müsste 
denn  eine  ähnliche  Bildung  schon  dem  d  der  Stammform  aller  Tagfalter  zu- 
schreiben und  annehmen  wollen,  dass  dieselbe  der  Mehrzahl  seiner  Nachkommen 
verloren  gegangen  sei.  Aber  mit  fast  gleichem  Rechte  würde  man  dann  das  d 
jenes  Urtagfalters  mit  Fleck  oder  Haarbusch  am  Innenrande  der  Hinterflügel 
ausrüsten  müssen,  die  bei  Danainen,  Satyrinen,  Morphinen,  Brassolinen  und  Nym- 
phalinen vorkommen  und  an  welche  sich  die  bei  Papilionen  auftretende  Bildung 
anschliesst.  Weit  wahrscheinlicher  ist  es,  dass  diese  Ausrüstung  der  Männchen 
mit  eigenthümlichen  Schuppenflecken  und  Haarbüschen  sich  erst  später  und  un- 
abhängig in  verschiedenen  Gruppen  gebildet  hat.  Dafür  spricht  auch  ihre  grosse 
Verschiedenheit  innerhalb  derselben  Familie  oder  selbst  derselben  Gattung  (Myca- 
lesis). Was  also  in  dem  entferntest  stehenden  Gruppen  der  Tagfalter  diese 
Flecken  und  Haarbüsche  Gemeinsames  haben,  wird,  da  es  sich  kaum  auf  gemein- 
samen Ursprung  zurückführen  lässt,  als  Anpassung  an  die  gleiche  Verrichtung 
aufzufassen  sein.  Welches  diese  Verrichtung  sei,  darüber  sind  bis  jetzt,  soweit 
mir  bekannt,  nicht  einmal  Vermuthungen  laut  geworden. 

Zufällig  lernte  ich  vor  kurzem  die  Bedeutung  der  Flecken  und  Haare  bei 
einer  Art  kennen  und  konnte  seitdem  die  Vermuthung,  dass  sie  die  gleiche  Be- 
deutung auch  in  allen  übrigen  Fällen  haben  möchten,  bei  mehreren  anderen  Arten 
aus  verschiedenen  Familien  bestätigen. 

Ich  hatte  ein  jugendfrisches  S  von  Callidryas  Argante  gefangen  und  bog, 
um  einem  Freunde  die  mähnenartige  Behaarung  der  Hinterflügel  zu  zeigen,  Vorder- 
und  Hinterflügel  auseinander.  Dabei  kam  mir  ein  deutlicher  etwas  moschusähn- 
licher Duft  entgegen  und  ich  überzeugte  mich,  dass  derselbe  von  den  beim  Aus- 
einanderbiegen der  Flügel  sich  sträubenden  Haaren  ausging.  Diese  Beobachtung 
habe  ich  dann  an  zahlreichen  Männchen  derselben  Art  wiederholt  und  nur  bei 
einigen  alten  abgeflatterten,  zerschlissenen  Stücken  den  Geruch  nicht  sicher  wahr- 
nehmen könrien.  Von  anderen  ähnlich  ausgestatteten  Schmetterlingsmännchen 
habe  ich  seitdem  nur  wenige  zu  beriechen  Gelegenheit  gehabt.  An  einem  c^  von 
Prepona  Laertes  bemerkte  ich  einen  nicht  eben  starken,  doch  unverkennbaren 
Geruch,  der  von  dem  Haarbusche  der  Hinterflügel  ausging.  Mehrere  meiner 
Kinder  bemerkten  nicht  nur  denselben  Geruch,  den  sie  (ziemlich  treffend,  wie  mir 
scheint)  als  Fledermausgeruch  bezeichneten;  sie  fanden  auch  dieselbe  Stelle  als 
Sitz  des  Geruches  heraus.  Einen  ebenfalls  nicht  starken,  angenehmen,  etwas 
vanilleartigen  Geruch  verbreitete  ein  ^  von  Dircenna  Xantho;  auch  hier  Hess 
ich  meine  Kinder  den  Ausgangspunkt  des  Geruches  aufsuchen,  als  welchen  sie, 
wie  ich  selbst,  den  „Haarpinsel"  am  Vorderrande  der  Hinterflügel  erkannten. 
Weit  kräftiger,  als  bei  den  drei  eben  genannten  Arten  ist  der  wie  bei  Prepona 
fledermausartige  Geruch,  der  von  den  grossen  schwarzen  Flecken  auf  den  Vorder- 
flügeln einer  der  prächtigsten  unserer  Thecla- Arten  (Th.  Atys  Cr.)  ausgeht. 
Noch  mehrere  Wochen  nach  dem  Tode  ist  dieser  Geruch  deutlich  wahrzunehmen. 
Die  Oberseite  der  Vorderflügel   ist  bei  den  S   dieser   Thecla   nach   innen   blau, 


Ueber  Haarpinsel,  Filzflecke  und  ähnliche  Gebilde  etc.  e^j 

nach  aussen  schwarz;  der  schwarze  Saum  verbreitet  sich  von  der  Hinterecke,  wo 
er  etwa  75»  bis  zur  Flügelspitze,  wo  er  etwa  Yg  der  Länge  einnimmt;  auch  der 
Vorderrand  ist  bis  zur  Costaiis  schwarz.  In  dem  blauen  Theile  liegen  nun  zwei 
grosse  tiefschwarze  Flecken,  getrennt  durch  einen  blauen  Streifen,  welcher  die 
Lage  der  die  Mittelzelle  schliessenden  Queradern  bezeichnet.  Es  liegt  also  der 
eine  Fleck,  und  zwar  ist  dieser  kleiner,  innerhalb,  der  andere  grössere  ausserhalb 
der  Mittelzelle.  Der  innere  Heck  ist  fünfeckig  mit  gerundeten  Ecken ;  er  füllt 
das  Ende  der  Zelle  vollständig,  reicht  an  der  Subcostalis  fast  bis  zum  Ursprung 
ihres  ersten  Astes,  am  dritten  Aste  der  Mediana  etwa  halb  so  weit  und  ist  wurzel- 
wärts  begrenzt  durch  zwei  am  verkümmerten  Wurzeltheil  der  Discoidalis  im 
rechten  Winkel  zusammenstossende  Linien.  Der  äussere  Fleck,  durch  Queradern 
vom  Innern  geschieden,  stösst  nach  vorn  an  die  obere  Discoidalader,  nach  hinten 
an  den  zweiten  Ast  der  Mediana,  überragt  also  in  dieser  Richtung  den  Innern 
um  etwa  ein  Drittel ;  er  bildet  ein  querliegendes  Eirund,  dessen  Achsen  sich  etwa 
wie  5  zu  6  verhalten.  Die  untere  Discoidalader  und  der  dritte  Ast  der  Mediana 
durchschneiden  ihn;  jenseits  des  Fleckes  erstreckt  sich  von  jedem  der  drei  so 
gebildeten  Stücke  aus  ein  spitzer  dreieckiger  blauer  Fleck  in  den  schwarzen 
Saum  des  Flügels.  Die  Oberfläche  beider  Flecken  mag  zusammen  fast  Yk,  von 
der  des  ganzen  Flügels  betragen.  Die  dichtgedrängten  Schuppen  der  Flecken 
haften  sehr  fest;  nach  der  Entschuppung  erscheint  der  äussere  Fleck  leicht  gelb- 
lich getrübt,  der  innere  stark  gebräunt  und  fast  undurchsichtig;  die  Haut  des 
letzteren  springt  etwas  über  die  untere  Fläche  des  Flügels  vor.  Vergrössert  zeigt 
der  äussere  Fleck  ausser  den  dichtstehenden  Anheftungsstellen  der  Schuppen  nur 
einzelne  zarte,  kaum  verästelte  Luftröhren,  die  von  den  benachbarten  Flügeladern 
her  eintreten.  Dagegen  sieht  man  in  dem  innern  Fleck  (besonders  deutlich,  wenn 
man  ihn  von  unten  betrachtet),  ein  ziemlich  dichtes  Netz  nicht  sehr  feiner  Luft- 
röhren und  zwischen  diesen  rothbraune,  durchsichtige  Punkte. 

Von  reichlichen  baumförmig  verästelten  Luftröhren  ist  auch  der  Fleck  der 
Callidryas  Argante  durchzogen.  Derselbe  ist  etwas  blässer  als  seine  Um- 
gebung, von  der  er  sich  nicht  scharf  abhebt;  deutlicher  tritt  er  nach  dem  Ent- 
schuppen als  trübe  Stelle  hervor.  Er  liegt  in  dem  stumpfen  Winkel  zwischen 
der  Subcostalis  und  ihrem  Aste,  durch  einen  lichten  Saum  von  beiden  Adern 
getrennt,  aus  denen  Luftröhren  zu  ihm  gehen.  Er  ist  etwa  3  mm  lang  bei  0,6  mm 
grösster  Breite.  Die  den  Fleck  überdeckende  Mähne  aus  etwa  5  mm  langen 
Haaren  entspringt  von  einem  bis  1,3  mm  breiten  Streifen,  der  sich  in  der  Mittel- 
zelle von  der  Wurzel  her  auf  etwa  10  mm  an  der  Subcostalis  hinzieht.  Y- 

Was  mich  nun  vermuthen  lässt,  dass  dieselbe  Verrichtung,  die  bei  den  d 
von  Callidryas  Argante,  Thecla,  Prepona  Laertes  und  Dircenna 
Xantho,  also  Arten  aus  vier  weit  verschiedenen  Familien,  für  die  Flecken  und 
Haarbüschel  ihrer  Flügel  durch  Beobachtung  festgestellt  wurde,  nämlich  Gerüche 
auszuhauchen,   die   wahrscheinlich    ihren    Weibchen    angenehm   sind   und   sie   zur 

i)  Neben  Argante  kommt  hier  eine  sehr  ähnliche  blassere  Art  oder  Abart  vor,  die  ziemlich  gut 
zu  Boisduval's  Beschreibung  von  C.  Agarithe  stimmt  und  sich  in  Betreff  des  Geruchs,  wie  die  ächte 
Argante  verhält.  Bei  ihr  ist  der  Fleck  grösser,  er  reicht  nicht  nur  bis  an  die  Subcostalis  und  ihren 
Ast  heran,  sondern  füllt  auch  den  spitzen  Winkel  zwischen  diesen  beiden  Adern.  Unter  den  Stücken, 
die  ich  eben  zur  Hand  habe,  finde  ich  keine  Uebergänge  zwischen  beiden  Formen. 


_  .,  Ueber  Haarpinsel,  Filzflecke  und  ähnliche  Gebilde  etc. 

Begattung  reizen,  —  was  mich  vermuthen  lässt,  dass  dieselbe  Verrichtung  allen 
ähnlichen  Gebilden  auf  den  Flügeln  männlicher  Tagfalter  zukomme,  ist  nicht  nur 
die  bei  aller  Mannichfaltigkeit  unverkennbare  Aehnlichkeit  derselben;  es  sind 
mehr  noch  die  bereits  hervorgehobenen  Eigenthümlichkeiten  dieser  Flecken, 
Pinsel  u.  s.  w.,  welche  dieselben  für  eine  derartige  Verrichtung  besonders  taug- 
lich erscheinen  lassen.  Dieselben  sind  für  gewöhnlich  nicht  der  Luft  ausgesetzt, 
sondern  zwischen  Vorder-  und  Hinterflügel  oder  sonst  wie  eingeschlossen  oder 
doch  in  der  Ruhe  zwischen  den  aufgerichteten,  aneinanderliegenden  Flügeln  des 
Falters  geborgen.  So  kann  der  Riechstoff  nicht  zur  Unzeit  verdunsten  und  kann 
sich  zwischen  den  dicht  gedrängten  fast  aufrechten  Schuppen  der  Flecken, 
zwischen  den  Haaren  der  Pinsel,  Büsche  und  Mähnen  anhäufen.  Kaum  aber 
dürfte  auf  wirksamere  Weise  ein  riechender  Stoff  zu  voller  Wirkung  zu  bringen 
sein,  als  wenn  man  mit  ihm  die  Haare  eines  Pinsels  tränkt  und  diese  dann  plötz- 
lich nach  allen  Seiten  auseinanderspreizend  für  die  Verdunstung  eine  gewaltige 
Oberfläche  schafft. 

Wie  die  Ageronien,  die  ich  im  letzten  Sommer  zahlreich  in  vier  Arten  zu 
beobachten  Gelegenheit  hatte,  wie  es  scheint,  nur  während  der  Liebeswerbung 
das  eigenthümliche  knallende  Geräusch  beim  Fliegen  vernehmen  lassen,  so  mögen 
die  mit  Haarbüschen,  Pinseln  u.  dgl.  ausgestatteten  Schmetterlingsmännchen  die- 
selben ebenfalls  nur  bei  derselben  Veranlassung  ihren  Duft  verbreiten  lassen. 
Kürzlich  fing  ich  ein  Pärchen  von  Hesperia  Orcus  Cr.,  das  sich  dicht  um- 
flatternd im  Begriff  schien,  sich  zu  vereinigen.  Als  ich  das  im  Käscher  todt- 
gedrückte  Männchen  herausnahm,  fand  ich  den  Costalumschlag  des  einen  Flügels 
aufgeklappt  und  in  der  Ebene  des  Flügels  ausgebreitet.  Es  ist  mir  das  bei  den 
S  dieses  und  anderer  Dickköpfe  sonst  noch  nicht  begegnet  und  ich  wüsste  nicht, 
wie  ich  beim  Zusammendrücken  der  Brust  das  Aufklappen  hätte  zu  Wege  bringen 
können.  Wahrscheinlich  war  dasselbe  schon  vorher  von  dem  brünstigen  Männchen 
selbst  bewirkt  worden. 

Von  vorn  herein  habe  ich  nicht  erwartet,  bei  allen  betreffenden  Arten  auf- 
fallende oder  überhaupt  für  menschliche  Nasen  w^ahrnehmbare  Gerüche  zu  finden. 
Wie  der  Sinn  des  Geruchs  bei  uns  ein  selbst  im  Vergleich  mit  vielen  Säugethieren 
höchst  dürftig  entwickelter  ist,  so  dürfte  er  dies  in  noch  höherem  Grade  sein, 
wenn  wir  uns  mit  gewissen  Kerfen  und  namentlich  Schmetterlingen  messen.  Auf 
welche  unglaubliche  Entfernungen  jungfräuliche  Weibchen  von  Nachtschmetter- 
lingen die  Männchen  herbeiziehen,  ist  bekannt.  Für  die  Tagfalter  genügt  die 
Sicherheit,  mit  der  sie  die  als  Nahrung  für  ihre  Larven  tauglichen  Pflanzen  heraus- 
zufinden wissen,  um  die  Schärfe  ihres  Geruchsinnes  zu  beweisen.  So  mag  für 
Tagfalterweibchen  als  starker  Duft  erscheinen  können,  was  für  menschliche  Nasen 
nicht  zu  erspüren  ist.  Ich  war  daher  nicht  überrascht,  an  den  Filzflecken  ver- 
schiedener Thecla arten,  sowie  an  dem  sehr  ansehnlichen,  von  stattlicher  Mähne 
bedeckten  kreidigen  Fleck  von  Callidryas  Trite  nichts  riechen  zu  können, 
und  vermag  darin  kein  Bedenken  gegen  die  AUgemeingiltigkeit  meiner  Deutung 
dieser  Flecken  zu  finden. 

Es  sei  mir  vergönnt,  bei  dieser  Gelegenheit  hinzuweisen  auf  noch  einige 
andere  Geruch  verbreitende  Gebilde  bei  Schmetterlingen, 

Die  Männchen  der  meisten  Glaucopiden  vermögen  am  Ende  des  Hinterleibes 
auf  der  Bauchseite  zwei  lange   hohle   Fäden   vorzustülpen.     Bisweilen  (Leucop- 


Ueber  Haarpinsel,  Filzflecke  und  ähnliche  Gebilde  etc.  c^t 

sumus  sp.)  sind  diese  Fäden  von  mehr  als  Körperlänge  und  biegen  sich  dann 
beim  Hervortreten  in  Gestalt  eines  Widderhornes.  In  der  Regel  sind  sie  mit 
Haaren  besetzt,  die  beim  Vorstülpen  sich  aufrichten,  und  meist  verbreiten  sie 
einen  mehr  oder  weniger  starken,  für  uns  widerlichen  Geruch;  besonders  stark 
und  nicht  unangenehm,  zugleich  an  Blausäure  und  Chloroform  erinnernd,  ist  der- 
selbe bei  der  prächtigen  Belemnia  inaurata  (Euchromia  Eryx).  Ganz  ähn- 
liche, stark  riechende  Fäden  fand  ich  bei  einer  Motte,  deren  Namen  ich  nicht 
kenne.  1)  —  Bei  aller  äusseren  Verschiedenheit  sind  auch  bei  diesen  Fäden  der 
Glaucopiden-Männchen  dieselben  beiden  Erfordernisse  eines  Räucherwerkzeugs 
ausgebildet,  die  wir  bei  den  Haarpinseln  vieler  Tagfalter  trafen :  Schutz  vor  Ver- 
dunstung zur  Unzeit  und  Entfaltung  einer  grossen  Oberfläche,  wenn  der  Geruch 
sich  einstellen  soll. 

Bemerkenswerth  ist,  dass  in  dem  Verwandtschaftskreise  der  Ithomien  beider- 
lei Bildungen  vorkommen  und  sich  zu  vertreten  scheinen;  bei  Lycorea  fehlen 
die  „Haarpinsel"  am  Vorderrande  der  Hinterflügel,  die  der  Mehrzahl  der  Gattungen 
zukommen;  dagegen  besitzen  hier  die  Männchen  jederseits  am  Ende  des  Hinter- 
leibes einen  grossen  theilweise  einziehbaren  Haarbusch.  Aehnlich  ist  es  unter  den 
Pierinen.  Auch  hier  giebt  es  Arten,  eine  wenigstens  ist  mir  bekannt  — ,  die 
Gerüche  erzeugen  nicht  an  den  Flügeln,  sondern  am  Ende  des  Hinterleibes. 
Das  d  von  Daptonoura  Ilaire  trägt  dicht  vor  den  Afterklappen  auf  der 
Bauchseite  einen  etwa  4  mm  langen,  nicht  einziehbaren  Pinsel  grauer  Haare,  der 
sich  in  der  Ruhe  dicht  an  den  Bauchrand  der  Afterklappen  anlegt,  sie  ein  wenig 
überragend.  Er  lässt  sich,  was  man  durch  Drücken  des  Hinterleibes  bewirken 
kann,  nach  allen  Seiten  auseinanderspreizen  und  verbreitet  dann  einen  sehr  deut- 
lichen, wenn  auch  schwachen  Geruch.  Das  $  der  Daptonoura  Ilaire  habe 
ich  noch  nicht  gefangen,  doch  zweifle  ich  nicht,  dass  der  Haarpinsel  nur  dem  S 
zukommt  und  dass  dessen  Geruch  dem  Anlocken  der  $  und  nicht  der  Abwehr 
von  Feinden  dient.  Gerüche,  welche  letzteres  bewirken,  pflegt  der  Schmetterling 
natürlich  zu  entwickeln,  sobald  er  gefangen  wird.  So  stülpen  die  Weibchen  der 
verschiedenen  Maracuja-Falter  (Heliconius,  Eueides,  Colaenis^),  Agrau - 
lis),  wenn  man  sie  ergreift,  zwischen  der  7.  und  8.  Rückenplatte  des  Hinter- 
leibes zwei  in  der  Mittellinie  zusammenstossende  fleischige  Wülste  vor,  die  einen 
mehr  oder  weniger  lebhaften  Geruch  verbreiten,  während  ihre  Männchen  bei 
gleicher  Veranlassung  die  Afterklappen  auseinanderspreizen,  an  deren  Innenseite 
ähnhche  riechende  Wülste  sitzen.  —  Fängt  man  das  Männchen  von  Didonis 
Biblis,  so  lässt  es  auf  dem  Rücken  des  Hinterleibes  zwischen  dem  4.  und 
5.  Ringe  zwei  rundliche,  in  der  Mittellinie  zusammenstehende,  mit  kurzen  grauen 
Haaren  bedeckte  riechende  Wülste  hervortreten ;  durch  Drücken  des  Hinterleibes 
kann  man  noch  zwei  ähnliche  Wülste  zwischen  dem  5.  und  6.  Ringe  hervortreiben ; 
sie  sind  mit  etwas  längeren  weissen  Haaren  besetzt,  die  sich  beim  Hervortreten 
nach  allen  Seiten  auseinanderspreizen.  Ich  bedauere,  nicht  angeben  zu  können, 
wie  sich  die  Weibchen  von  Didonis  in  dieser  Beziehung  verhalten. 

Die  durch  Bat  es  so  berülimt  gewordenen  Ithomien  des  Amazonas,  die  den 
dortigen    Leptalis    und    manchen    anderen    nachahmenden   Faltern   als   Vorbilder 

i)  Dr.  Staudinger  bestimmte  sie  als  Cryptolechia  spec. 

2)  Obwohl  ich  die  Raupen  von  Colaenis  noch  nicht  kenne,  ist  es  mir  kaum  zweifelhaft,  dass  auch 
sie,  wie  die  der  drei  nächstverwandten  Gattungen,  an  Maracuja  (Passiflora)  leben. 


CAA  Ueber  Haarpinsel,  Filzflecke  und   ähnliche  Gebilde  etc. 

dienen,  sollen  durch  unangenehmen  Geruch  vor  Verfolgung  durch  Vögel  ge- 
schützt sein.  Ob  dies  derselbe  Geruch  ist,  den  die  Haarpinsel  der  Männchen 
voraussichtlich  auch  bei  ihnen,  wie  bei  der  nächstverwandten  Dircenna  Xan- 
tho,  verbreiten?  In  diesem  Falle  würde  sowohl  die  nach  Bat  es  hundertfach 
überwiegende  Zahl  der  Männchen,  als  die  vollkommene  Uebereinstimmung  der 
beiden  Geschlechter  in  Zeichnung  und  Färbung  sich  verstehen  lassen,  Wenn  nur 
Männchen  den  die  Verfolger  abstossenden  Geruch  besässen,  so  würden  diese 
letzteren  bei  gleicher  Zahl  der  Geschlechter  eben  so  oft  eine  geniessbare,  wie 
eine  unschmackhafte  Beute  fangen;  sie  würden  sich  deshalb  kaum  der  Jagd  auf 
die  Ithomien  entwöhnen.  Dies  aber  würde  um  so  sicherer  geschehen,  je  mehr  die 
ungeniessbaren  Männchen  an  Zahl  überwögen,  je  seltener  also  die  Jagd  einen 
schmackhaften  Bissen  lieferte.  Die  Weibchen  aber,  selbst  des  schützenden  Ge- 
ruches entbehrend,  würden  nur  durch  ihre  UnUnterscheidbarkeit  an  der  Sicher- 
heit Theil  haben,  welche  die  Männchen  in  dem  Gerüche  ihrer  Haarpinsel  fänden. 
So  wäre  in  diesem  Falle  die  gleiche  Färbung  der  beiden  Geschlechter  für  die 
Weibchen  eine  schützende  Aehnlichkeit,  auf  dieselbe  Weise  durch  natürliche 
Auslese  hergestellt  und  erhalten,  wie  die  der  nachahmenden  Leptalis, 

Ich  schliesse  mit  dem  Wunsche,  dass  Forscher,  denen  reiche  Sammlungen 
zugänglich  sind,  über  das  Vorkommen  und  den  feineren  Bau,  und  dass  Beobachter 
der  lebenden  Thiere  über  etwaige  Gerüche  der  Haarpinsel,  Filzflecke  und  ähn- 
licher Gebilde  auf  den  Flügeln  männlicher  Schmetterlinge  bald  weitere  Auf- 
schlüsse geben  mögen.  Hierzu  anzuregen  ist  der  einzige  Zweck  dieser  Zeilen, 
da,  was  ich  selbst  bieten  konnte,  kaum  der  Mittheilung  werth  gewesen  wäre. 

Itajahy,  Santa  Catharina,  Brazil  im  April  1876. 


Nachtrag. 


Von  Didonis  Biblis  habe  ich  im  Laufe  des  letzten  Monats  ausser  einer 
Menge  Männchen,  die  fast  täglich  in  Mehrzahl  gefangen  wurden,  auch  eine  ziem- 
liche Anzahl  Weibchen  zu  untersuchen  Gelegenheit  gehabt,  welche  letzteren,  wenig- 
stens jetzt  und  hier,  vielmal  seltener  sind,  als  die  Männchen. 

Die  Weibchen  besitzen  nur  die  vorderen  beiden  Wülste,  das  hintere  Paar 
fehlt  ihnen  vollständig;  die  vorderen  Wülste  sind  etwas  kleiner,  die  Haare  oder 
besser  haarähnlichen,  am  Ende  verbreiterten  und  abgerundeten  Schuppen  der- 
selben spärlicher,  als  beim  0,  doch  ihr  Geruch  nicht  minder  kräftig.  Dieser  Ge- 
ruch, wie  der  der  entsprechenden  vorderen  Wülste  des  J,  wurde  von  meinen 
Kindern  fast  einstimmig  als  unangenehm,  widerlich,  —  dagegen  der  Geruch  der 
hinteren  Wülste  des  Männchens  mit  Einstimmigkeit  als  angenehm,  blumenartig 
bezeichnet  und  mit  dem  von  Heliotrop  verglichen.  Diese  hinteren  weissen,  den 
Weibchen  fehlenden  Wülste  heben  sich  so  grell  ab  von  dem  schwarzen  Hinter- 
leibe, sie  sehen  so  allerliebst  aus,  dass  sie  höchst  wahrscheinlich  nicht  nur  durch 
ihren  Duft,  sondern  auch  als  Zierrath  das  Wohlgefallen  der  Weibchen  erwecken. 
Dasselbe  wird  auch  gelten  von  den  Flecken  auf  den  Vorderflügeln  der  Thecla- 
Männchen  in  den  Fällen,  wo  dieselben  hell  auf  dunklem  Grunde  erscheinen  oder, 
wie  bei  Thecla  Bodora  in  glänzendem  Blau  strahlen. 
Mai   1876. 


Aus   einem    Briefe  von  Fritz  Müller   aus   Brasilien^). 

....  Kürzlich  {25.  Oct. — 20.  Dezb.  1876)  habe  ich  nun  endhch  meinen  lang 
geplanten  Ausflug  in's  Hochland  unserer  Provinz  ausgeführt.  Es  war  eine  sehr 
lohnende  und  genussreiche,  und  dabei  nach  hiesigen  Begriffen  —  mit  sehr  wenig 
Beschwerden  und  Entbehrungen  verbundene  Reise;  ein  Europäer  würde  freilich 
nicht  gerne  wochenlang  Haus,  Stuhl,  Tisch,  Bett  u.  s.  entbehren  mögen.  Die 
Flora  im  Westen  der  Serra,  im  Quellgebiet  des  Uruguay  war  mir  eine  ganz  neue, 
wunderlich  gemischt  aus  brasilianischen  Formen,  aus  anderen,  die  oft  aufs  Täu- 
schendste Arten  der  alten  Heimat  (Deutschland)  glichen  (so  eine  dem  Geum 
urbanum  überaus  ähnliche  Art)  und  aus  der  nördlichen  Halbkugel  eingewandert 
scheinen,  und  wieder  anderen,  die  von  Süden  hergekommen  sein  dürften,  z.  B. 
eine  sehr  häufige  Drymis,  ein  schönblühender  Strauch  mit  sehr  aromatischer 
Rinde.  Die  bezeichnendsten  und  auffallendsten  Pflanzen  jenes  Gebietes  sind  die 
Araucaria  brasiliensis,  verschiedene  riesige  Bambusaceen,  die  in  den  meisten 
Auracarien  und  Laubwäldern  zum  Theil  fast  undurchdringliche  Dickichte  bilden, 
und  eine  überaus  häufige  Baumform  Xaxim  (Schasching)  genannt  (Dicksonia 
Sellowiana),  dessen  Stamm  mit  einem  überaus  dicken  braunen  Luftwurzelfilz  um- 
polstert ist;  z.  B.  bei  einem  Stamme  von  0,45  m  Durchmesser  kam  nur  0,09  m 
auf  den  eigentlichen  Stamm,  der  Rest  auf  den  Wurzelfilz.  Bisweilen  benutzt 
man  diese  Farn  zu  Zäunen;  man  pflanzt  sie  dicht  nebeneinander,  bei  weiterem 
Wachsthum  verschmilzt  dann  dies  Filzpolster  der  benachbarten  Stämme  mitein- 
ander und  der  ganze  Zaun  bildet  eine  einzige  zusammenhängende  Mauer. 

Zu  den  an  Deutschland  erinnernden  Blumen  gehören  auch  mehrere  Veilchen- 
arten, von  denen  eine,  weissblühend,  durch  ihre  cleistogamischen  Blüthen  merk- 
würdig ist,  einmal,  weil  diese  Blüthen  sich  unter  der  Erde  entwickeln,  und 
zweitens,  weil  hier  die  sonstige  Regel  nicht  zu  gelten  scheint,  dass  offene  und 
cleistogamische  Blüthen  gewissermassen  einander  vertreten;  oder  richtiger,  dass 
letztere  die  mangelnde  Fruchtbarkeit  der  ersteren  ersetzen.  Auf  der  Höhe  der 
Serra  fand  ich  die  weissen  Veilchen  in  voller  Blüthe,  die  offen  gewesenen  Blüthen 
hatten  reichlich  Früchte  angesetzt  und  gleichzeitig  waren  in  grosser  Anzahl 
unterirdische  Blüthen  und  Früchte  vorhanden.  Einige  Stunden  weiter  am  Fusse 
der  Serra  in  der  Nähe  des  Rio  Tayo  waren  die  Veilchen  bereits   fast    ganz  ver- 


I)  Flora   1877.  p.  239,  240. 
Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  35 


546 


Aus  einem  Briefe  von  Fritz  Müller  aus  Brasilien. 


blüht   (ich   sah   sie   hier  auf  der  Hinreise   blühen);    ich   konnte   nicht  eine  einzige 
Frucht  über  der  Erde  und  nur  äusserst  wenig  unter  der  Erde  finden. 

In  meiner  Nachbarschaft  (Blumenau)  kann  ich  mich  nicht  einer  Pflanze  mit 
hygroskopischen  in  die  Erde  sich  einbohrenden  Samen  entsinnen,  höchst  über- 
rascht war  ich  daher,  auf  den  Campos  jenseits  der  Serra  eine  ganze  Menge  an- 
zutreffen. Ausser  einem  kleinen  Storchschnabel-  (Erodium?)  über  ein  Dutzend 
Gräser,  Stipaceen,  Avenaceen,  Andropogoneen  u.  s.  w.,  und  jedenfalls  giebt  es 
deren  dort  noch  weit  mehr,  da  ja  mein  Besuch  in  den  Anfang  des  Sommers 
fiel,  am  20.  November  hatten  wir  noch  starken  Reif.  Unter  diesen  Grassamen 
waren  manche  recht  eigentümlich  und  abweichend  von  den  Formen,  die  Francis 
Darwin  beschrieben  hat.  Vor  allen  interessant  war  mir  eine  Aristida,  bei  der 
die  3  Aeste  der  Grannen  bis  fast  0,2  m  Länge  erreichten.  Trocknend  breiten 
sich  diese  Aeste  in  einer  auf  der  Achse  des  Samens  senkrechten  Ebene  aus,  und 
der  Samen  wird  durch  diese  so  langen  Aeste  in  fast  senkrechter  Stellung  ge- 
halten. Um  die  Aristidapflanzen  herum  pflegten  sich  noch  immer  zahlreiche 
Samen  zu  finden,  die  sich  schon  mehr  oder  weniger  vollständig  in  den  recht 
harten,  trockenen  Boden  eingebohrt  hatten.  —  Ausser  diesen  fand  ich  noch  drei 
andere  Arten  von  Aristida. 

Blumenau,  Sa.  Catharina. 


A  correlagäo  das  flores  versicolores  e  dos  insectos 

pronubos^). 

Muito  escassas  säo  ate  agora  as  observagöes  que  possam  elucidar  a  signi- 
ficagäo  biologica  das  flores  versicolores  ou  de  cor  mudavel. 

Ainda  hoje,  como,  ha  perto  ja  de  um  seculo  disse  Brotero  -),  a  cor  das  co- 
rollas  e  ordinariamente  desprezada  pelos  botanicos  modernos.  Ha  compendios  de 
botanica,  alias  excellentes,  que  nem  uma  linha  dedicam  a  cor  das  flores. 

So  Delpino'^)  trata  amplamente  deste  interessante  assumpto  e  a  eile  tambem 
säo  devidas  as  unicas  observagöes  que  possuimos,  relativas  a  funcgäo  das  flores 
versicolores.  O  distincto  professor  da  universidade  de  Genova  observou  os  in- 
sectos, que  visitavam  as  flores  do  Ribes  aureum  e  da  Caragana  arborescens.  Em 
ambas  essas  plantas  as  petalas,  amarellas  a  principio,  tomam  depois  uma  viva 
cor  alaranjada,  e  säo  ambas  mellitophilas,  isto  e,  visitadas  e  fecundadas  por  hy- 
menopteros  apiarios.  Ora,  Delpino  notou  que  no  Ribes  aureiim,  sinäo  todos  os 
apiarios,  ao  menos  a  Anthophora  pilipes  evitava  visivelmente  as  flores  alaranjadas, 
e  que  da  mesma  sorte  na  Caragana  arborescens  os  apiarios,  que  a  frequentavam, 
reservavam  quasi  exclusivamente  as  suas  visitas  as  flores  amarellas.  Elle  julga  que 
d'ahi  se  pode  concluir  que,  em  certos  casos,  a  variagäo  das  cores  nas  plantas 
versicolores,  estäo  em  correlagäo  causal  com  os  insectos  pronubos,  aos  quaes  de- 
nuncia  assim  o  momento  propicio  para  uma  visita  efficaz  das  flores.  ^). 

Ha  pouco  offereceu-se-me  uma  excellente  occasiäo  para,  em  outra  planta  de 
flores  versicolores,  fazer  uma  serie  de  observa^öes,  que  conflrmam  inteiramente  a 
opiniäo  de  Delpino.  Estava  e  ainda  esta  florescendo  perto  de  minha  casa  um 
pequeno  arbusto  de  uma  especie  de  Lantana,  cujos  capitulos  de  flores  se  acham  na 
altura  de  um  metro  ate  metro  e  meio,  a  mais  commoda  possivel  para  observagöes 
desta  natureza.  As  flores  duram  tres  dias,  sendo  amarellas  (cor  de  gemma  de  ovo) 
no  primeiro,  de  cor  approximada  a  de  laranja,  no  segundo;  röxas  ou  purpureas, 
no    terceiro;    as    cores,    pois,   säo   täo   differentes,   que    e   impossivel    confundil-as. 


i)  Arch.  do  Museu  Nacional  Rio  de  Janeiro   1877.  Vol.  II.  p.   19 — 23. 

2)  Felix  Avellar  Brotero^  Compendio  de  Botanica.     1788.     Tome  I.     pag.   144. 

3)  Frederico  Delpino,   Ulteiiori    observazioni    sulla    dicogamia    nel    regno    vegetal.    Parte  II    fasc. 
pag.  629. 

4)  Delpino,  —  1.  c.   pag.   29. 

35* 


(. -g  A  correlacäo  das  flores  versicolores  e  dos  insectos  pronubos. 

Emfim,  o  arbusto  e  facilmente  accessivel  por  todos  os  lados,  podendo-se  escolher 
sempre  o  logar  mais  commodo  para  observar  os  insectos  visitantes,  sem  os  in- 
quietar  ou  afugentar.  Näo  devia  deixar  passar,  sem  aproveital-a,  occasiäo  täo  op- 
purtuna.  Fui  pois  collocar-me  de  vigia,  para  espreitar  o  que  haviam  de  fazer  os 
insectos  que  viessem  visitar  as  flores  da  referida  Lantana.  Pela  estreiteza  do  tubo 
da  corolla,  e  pelo  seu  comprimento,  de  cerca  de  um  centimetro,  facil  era  de  prever 
que  OS  insectos  pronubos  seriam  lepidopteros,  sendo  estes  os  unicos  capazes  de, 
com  a  sua  tromba  delgada  e  comprida,  sugarem  o  mel  no  fundo  de  semelhante 
corolla.  Com  effeito  so  uma  unica  v^ez  vi  uma  Äugochlora  graminea,  Sm.,  hyme- 
noptero  da  familia  das  Andrenideas,  examinar  varias  flores,  tanto  röxas;  como 
amarellas,  sem  dellas  poder  tirar  nem  mel,  nem  pollen.  De  individuos  pertencentes 
aos  Lepidopteros  vi  nas  flores  desta  Lantana  12  differentes  especies,  a  saber:  a 
Danais  Erippus,  Cram.;  o  Heliconius  Apseudes,  Hübn.;  a  Colaenis  Dido,  L. ; 
a  Colaenis  Julia,  Tabr. ;  a  Dione  Juno,  Cram.;  a  Hesperocharis  Augustia  God. ; 
a  Eurema  Leuce,  Boisd. ;  a  Pieris  Elodia,  Boisd. ;  (ou  P.  Aripa,  Boisd.  ?)  a  Dap- 
tonoura  Lycimnia,  Cram, ;  a  Callidryas  Apris,  Tabr. ;  o  Papilio  Thoas,  L.  e  uma 
pequena  especie  da  familia  das  Hesperideas,  cujo  nome  ignoro.  O  Papilio  Thoas 
e  a  Colaenis  Dido  foram  vistas  so  uma  vez,  mas  fugiram  ao  approximar-me;  da 
mesma  sorte  fugiram  a  maior  parte  das  outras  borboletas,  sem  que  eu  pudesse 
ver  a  quantidade  de  flores  que  visitavam.  Felizmente  pude  observar  ä  vontade, 
de  14  de  Outubro  ate  7  de  Novembro,  perto  de  40  individuos  das  outras  dez 
especies,  principalmente  (ou  por  menos  medrosas  ou  por  mais  absortas  no  seu 
trabalho,  e  por  isso  as  que  melhor  se  prestavam  a  observagäo)  o  Heliconius  Apseudes 
e  a  Daptonoura  Lycimnia. 

As  observa^öes  que  pude  fazer  sobre  estas  dez  especies  acham-se  reunidas 
nas  notas  seguintes: 

1^ —  Heliconius  Apseudes.  Observei  7  individuos  desta  especie,  por  mais  ou 
menos  tempo;  vi  alguns  delies  visitarem  de  20  para  30  e  mais  flores.  E  nem 
sequer  uma  .so  vez  tocaram  uma  flor  röxa  ou  alaranjada,  sugando  exclusivamente 
nas  flores  amarellas  ou  do  primeiro  dia.  Quanto  ao  mais,  havia  certas  diffe- 
rengas  no  modo  de  proceder  dos  quatro  individuos  que  pude  vigiar  por  mais 
tempo  no  seu  trabalho.  O  primeiro  costumava  chupar  de  duas  ate  quatro  flores 
amarellas  em  cada  capitulo,  voando  depois  a  outro.  O  segundo  chupava  sempre 
todas  as  flores  amarellas  de  cada  capitulo,  cujo  numero  raras  vezes  excede  a  seis ; 
o  mesmo  fazia  quasi  sempre  o  terceiro,  nunca  enfiando  a  tromba  mais  de  uma 
vez  na  mesma  flor;  fiquei  muito  admirado  de  ver  que  ate  em  um  capitulo  com- 
posto  de  nove  flores  frescas,  misturadas  com  as  do  segundo  e  do  terceiro  dias, 
nem  se  esqueceu  de  nenhuma,  nem  visitou  duas  vezes  a  mesma  flor.  Pelo  con- 
trario, o  quarto  varias  vezes  tornou  a  chupar  em  flores  que  ja  tinha  visitado,  e 
isso  em  capitulo  cujo  numero  de  flores  frescas  näo  excedia  a  tres  ou  quatro.  As 
flores  desta  Lantana  näo  desabrocham  senäo  pelas  oito  ou  nove  horas  da  manhä, 
segundo  se  mostra  mais  claro  ou  escuro  o  dia;  ora,  näo  e  raro  vir  o  Heliconius 
Apseudes  visitar  a  planta  antes  deste  tempo,  quando  so  ha  flores  do  segundo  e 
terceiro  dias;  neste  caso,  conserva-se  a  pairar  e  a  voltear,  librando-se  nas  azas 
em  cima  de  um  ou  de  outro  capitulo,  sem  nunca  pousar. 


A  corrclarfio  das  flores  versicoloies  c  dos  insectos  pronubos.  z^Q 

2^ —  Daptonoura  Lycimnia.  Pude  observar  de  perto  13  individuos.  Nunca 
chuparam  senäo  flores  amarellas.  Uma  unica  vez  vi  uma  borboleta  desta  especie 
pousar  n'um  capitulo,  em  que  so  havia  flores  alaranjadas  e  roxas;  porem,  sem 
chupar  e  sem  se  demorar,  abandonou-o,  procurando  outro  com  flores  novas.  Esta 
especie  tambem  costuma  sugar  todas  as  flores  amarellas  do  capitulo  que  visita, 
sem  inserir  mais  de  uma  vez  a  sua  tromba  na  mesma  flor.  Näo  e  muito  raro 
ver  a  Daptonoura  Lycimnia  voltar  duas  e  ate  tres  vezes  ao  mesmo  capitulo, 
immergindo,  de  cada  vez,  a  tromba  em  todas  as  flores  do  primeiro  dia,  o  que  näo 
me  lembra  ter  observado  no  Heliconius  Apseiides. 

^0 — yO)  Y)si  especie  Colaenis  Julia,  que  näo  era  muito  rara  na  Laniana, 
apenas  tres  individuos  näo  fugiram  antes  de  me  approximar,  e  somente  estes 
visitaram  as  flores  amarellas;  da  mesma  sorte  dous  individuos  de  Dione  Juno, 
um  de  Hesperocharis  Augustia,  um  de  Eurema  Letice  e  um  de  Callidryas  Cipris 
sempre  evitavam  as  flores  alaranjadas  e  roxas. 

8^ —  Pieris  Elodia.  Esta  especie,  muito  mais  abundante  aqui  nesta  prima- 
vera  do  que  costuma  ser  em  outros  annos,  tambem  näo  e  rara  na  nossa  Lantana ; 
mas  sendo  muito  espantadiga,  so  pude  observar  tres  individuos.  O  primeiro  enflou 
a  tromba  indifferentemente  em  flores  amarellas  e  alaranjadas,  isto  e  do  primeiro 
e  do  segundo  dia.  Os  outros  dous,  porem,  so  visitavam  as  flores  amarellas;  um 
delles,  que  observei  por  muito  tempo,  nem  sempre  soube  evitar  as  flores  cujo  mel 
ja  tinha  sorvido.  Assim  e  que  havendo  na  circunferencia  de  certo  capitulo  sete 
flores,  seis  amarellas  e  uma  alaranjada,  eile  chupou  a  flor  que  estava  a  direita 
da  alaranjada;  depois,  rodeando  o  capitulo,  passou  a  chupar  a  segunda,  a  terceira 
e  assim  por  diante  ate  a  sexta;  evitou  a  septima,  que  era  a  alaranjada,  metteu 
a  tromba  outra  vez  na  primeira  e  na  segunda,  passando  em  seguida  para  outro 
capitulo. 

9*^ —  Danais  Erippus.  E'  esta  uma  especie  que  se  näo  pode  bem  observar 
sem  afugental-a.  Observei  quatro  individuos.  Um  chupava  so  flores  amarellas, 
evitando  as  alaranjadas  e  as  roxas;  os  outros  tres  davam  preferencia  inequivoca 
äs  flores  amarellas,  pois  que  näo  deixaram  de  metter  a  tromba  tambem  em  algumas 
das  alaranjadas  e  ate  —  uma  unica  vez  —  em  uma  das  roxas.  Em  28  de  Outubro 
vi  um  individuo  desta  especie  pousado  nas  flores  da  Lantana  antes  que  houvessem 
desabrochado  as  flores  roxas ;  por  isso  so  podia  procurar  mel,  mas  sem  achar,  nas 
flores  do  segundo  dia.  A  Danais  Erippus  tem  o  costume  de  enfiar  a  tromba  duas, 
tres  e  ate  quatro  vezes  em  seguida  na  mesma  flor  da  Lantana,  porem  näo  em 
todas;  provavelmente  so  naquellas  em  cujo  fundo  encontra  mel;  nunca  vi-o  im- 
mergir  a  tromba  mais  de  uma  vez  em  flor  alaranjada. 

10'^ —  Finalmente,  observei  tres  vezes  uma  pequena  borboleta  da  familia  das 
Hesperideas;  näo  sei  si  os  tres  individuos  eram  da  mesma  especie,  visto  como 
pertenciam  a  certas  especies,  numerosissimas  nesta  familia,  que  näo  se  podem 
distinguir  a  primeira  vista.  Duas  destas  Hesperideas,  que,  entretanto,  näo  observei 
por  muito  tempo,  so  chupavam  cm  flores  amarellas;  a  terceira  foi,  de  todas  as 
borboletas  por  mim  observadas  na  Lantana,  a  unica,  que  näo  pareceu  importar-se 
com  a  cor  das  flores,  mettendo  indifferentemente  a  tromba  em  flores  amarellas, 
alaranjadas  e  roxas. 


.  1-Q  A  correlacfio  das  flores  versicolores  e  dos  insectos  pronubos. 

As  observa9öes  que  acabo  de  referir  provam  sobejamente  a  funcgäo  que 
coube  as  flores  versicolores  da  Lantana.  Como  nas  especies  observadas  por  Del- 
pino,  a  mudan^a  de  cor  indica  aos  insectos  pronubos  as  flores  que  elles  devem 
visitar  para  se  proverem  de  mel,  e  que  säo  justamente  as  mesmas  que  precisam 
de  suas  visitas  para  serem  fecundadas.  E'  evidente  o  beneficio  que  d'ahi  colhe  a 
planta.  Si  as  flores  cahissem  no  flm  do  primeiro  dia,  flcava  reduzido  a  terga 
parte  o  numero  deUas;  seriam  pois  muito  menos  vistosos  os  capitulos,  e  muito 
menos  proprios  para  prendcr  a  attengäo  das  borboletas. 

Si  as  flores  durassem,  tres  dias,  sem  mudarem  de  cor,  os  insectos  pronubos 
perderiam  o  melhor  de  seu  tempo  em  visitas  inuteis  a  flores  que  por  estarem  ja 
fecundadas,  näo  precisavam  mais  dessas  visitas.  As  flores  do  segundo  e  terceiro 
dia,  distinguindo-se  pela  sua  cor  alaranjada  ou  roxa,  das  flores  amarelladas  do 
primeiro  dia,  continuam  a  contribuir  essencialmente  para  attrahir  os  insectos  indis- 
pensaveis  ä  fecundagäo,  sem  comtudo  seduzil-os  a  visitas  desnecessarias. 

Mas  porque  motivo  as  borboletas  säo  levadas  a  visitarem  so  as  flores  do 
primeiro  dia?  Sera  por  algum  instincto,  por  algum  habito  hereditario  e  congenito, 
em  virtude  do  quäl  ellas  evitam  as  flores  alaranjadas  e  roxas,  visitando  unicamente 
as  amarellas?  Ou  devera  cada  individuo  aprender  por  si  mesmo,  pela  sua  propria 
experiencia,  que  somente  as  flores  amarellas  retribuem  com  doce  nectar  o  im- 
portante  servigo  que  eile  Ihes  presta  transferindo  o  pollen  de  um  para  o  estigma 
de  outra?  As  differen^as  individuaes  observaveis  entre  borboletas  da  mesma 
especie  parecem  favorecer  esta  segunda  hypothese.  Porem  as  poucas  observa^öes 
que  fiz  säo  ainda  muito  insufficientes  para  auctorisarem  sobre  tal  assumpto, 
resposto  definitiva.  O  Brazil  e  assez  rico  em  plantas  de  flores  versicolores. 
Bastara  citar  varias  especies  de  Lantana  e  de  Combreüim,  diversas  especies  de 
Pleroma  (v.  g.  Pleroma  Sellowianum  e  o  magnifico  «Jaguaritäo»  da  ilha  de 
S.  Francisco),  de  Strychnos,  ■  de  AmphilopJiium,  de  Epidendrum,  entre  outros,  o 
Ep.  cinnabariniim),  etc. 

As  flores  de  todas  as  especies  do  genero  Lantana  e  do  Epidendrum  cinnaba- 
riniim säo  provavelmente  fecundadas  por  borboletas;  as  dos  generös  Pleroma  e 
Amphilophimn  por  apiarios  e  as  do  genero  Combretiim  por  beija-flores.  Conviria 
verificar  por  meio  de  observa9öes  directas  si  em  todas  essas  plantas  a  mudanga 
das  cores  tem  a  mesma  significa^äo  que  Ihe  attribuia  Delpino. 


As  maculas  sexuaes  dos  individuos  masculinos  das 
especies  Danais  Erippus  e  D.  Gilippus^). 

Mit  Tafel  XLV. 

Na  exposigäo  que  da  dos  caracteres  genericos  dos  Danais,  diz  Doubleday  '^) 
o  seguinte  a  respeito  das  differerKpas  sexuaes  que  se  encontram  nas  azas  dessas 
borboletas :  v  os  machos  do  primeiro  grupo  (comprehendendo  especies  africanas 
que  hoje  formam  o  genero  Amauris  ^))  tem  uma  certa  macula  formada  de  escamas 
muito  bastas  e  de  forma  peculiar,  situada  na  nervura  submedia  das  azas  pos- 
teriores, perto  do  angulo  anal.  No  segundo  grupo  (ao  quäl  pertencem  todas  as 
especies  americanas),  a  macula  sexual  «sexual  spot»  acha-se  no  primeiro  ramo  da 
nervura  media.  No  terceiro  grupo,  a  macula  sexual  existe  ou  neste  mesmo  ramo 
ou  na  nervura  submedia;  toma  as  vezes  a  forma  de  um  verdadeiro  bolso,  que  se 
abre  na  superficie  superior  da  aza  e  em  cujo  fundo,  ao  menos  em  exemplares 
seccos,  acha-se  um  p6  de  cor  parda.  Nas  especies  do  quarto  grupo  (que  hoje 
formam  o  genero  Ideopsis^)  falta  a  macula  sexual  das  azas  posteriores). 

Tendo-se  descoberto  recentemente  ^)  que  as  maculas  sexuaes  das  azas,  carac- 
teristicas  dos  machos  de  muitas  borboletas,  säo  orgäos  odoriferos  que  exhalam 
um  cheiro  as  vezes  bastante  forte,  certamente  agradavel  as  femeas  das  respectivas 
especies,  procedi  ao  exame  dessas  maculas  sexuaes  egualmente  nas  nossas  duas 
especies  de  Danais  {Danais  Erippus  Cram.  e  D.  Gilippus,  Cram.)  e  achei-lhes 
uma  estructura  muito  interessante  e  que  me  parece  merecer  descripgäo  circum- 
stanciada.  A  macula  sexual  (conservo  provisoriamente  o  nome  de  Doubleday  ate 
ser  definitivamente  estabelecida  a  sua  funcQäo)  e  situada,  nos  machos  do  Danais 
Erippus  e  do  D.  Gilipptis  entre  a  nervura  submedia  e  o  primeiro  ramo  da  media 
da  aza  posterior,  sendo  separada  do  dito  ramo  unicamente  por  um  intervallo  muito 
estreito  que  no  D.  Erippus  näo  eguala  e  no  D.  Gilippus  pouco  excede  o  diametro 
do  mesmo  ramo  (Fig.  i,  2,  7  e  8),    Ella  e  visivel  em  ambas  as  superficies,  superior 


i)  Arch.  do  Museu  Nacional  Rio  de  Janeiro   1877.  Vol.  II.  p.  25 — 29. 

2)  Doubleday,    Westwood,  Hewitson,  Genera  of  diumal  Lepidoptera,  pag.  89. 

3)  Kirby,  a  synonymic  Catalogue  of  diurnal  Lepidoptera,   1871.  pag.  8. 

4)  Kirby,  1.  c.  pag.  2. 

5)  Fritz  Müller,  no  Kosmos,  Zeitschrift,   1877.  I  pag.  391  =  Ges.  Schriften  S.  587. 


-  c  -i  As  maculas  sexuaes  dos  individuos  masculinos  das  especies  Danais  Erippus  e  D.  Gilippus. 

e  inferior,  da  aza,  formando  uma  pequena  intumescencia  preta,  mais  proeminente 
na  superficie  superior.  A  cor  preta  näo  e  devida  somente  as  escamas  de  forma 
ordinaria  que  a  cobrem,  porque  subsiste  depois  de  removidas  essas  escamas,  mas 
a  mesma  membrana  da  aza  que  se  acha  escurecida  e  ao  mesmo  tempo  um  pouco 
endurecida  neste  logar. 

A  forma  da  macula  sexual  approxima-se  da  elliptica,  sendo  o  eixo  maior 
parallelo  a  nervura.  Esta  macula  e  muito  maior  na  especie  menor,  que  e  o  D. 
Gilippus,  tendo  perto  de  4  millimetros  de  comprimento  sobre  1,5  ate  perto  de 
2  millimetros  de  largura,  emquanto  que  no  Erippus  raras  vezes  excede  a  2  millimetros 
de  comprimento  sobre  6  de  largura,  —  A  macula  sexual  e  oca  e  forma,  como 
Dotibleday  o  vio  em  algumas  especies  do  seu  terceiro  grupo  do  genero  Danais, 
uma  especie  de  bolsa  aberta  na  superficie  superior  da  aza,  onde  existe,  na  margem 
posterior  da  macula,  uma  fenda  estreita  occupando  a  metade  pouco  mais  ou  menos 
do  ambito.  A  parede  inferior  dessa  bolsa  ou  cavidade  e  formada  pela  propria 
membrana  da  aza;  a  parede  superior  separa-se  da  inferior,  a  pouca  distancia  da 
nervura,  sob  um  angulo  muito  agudo";  a  margem  livre  ou  posterior  desta  parede 
curva-se  ou  enrola-se  para  o  interior  da  cavidade,  como  e  bem  visivel  em  sec^öes 
transversaes  (Fig.  3  e  9). 

Cumpre  notar  que  no  animal  vivo  a  margem  livre  da  parede  superior 
applica-se  perfeitamente  a  parede  inferior,  ficando  assim  a  cavidade  fechada  por 
todos  OS  lados;  e  porem  facil  introduzir  pela  fenda,  que  separa  as  paredes,  qual- 
quer objecto  delgado;  o  que  sem  mais  explica^äo  comprehender-se-ha  a  vista  das 
figuras  3  e  g.  —  A  membrana  das  azas  dos  insectos  compöe-se,  como  se  sabe, 
de  duas  laminas  quasi  sempre  conglutinadas.  Estas  duas  laminas  existem  tambem 
nas  paredes  da  macula,  ou,  para  melhor  dizer,  da  cavidade  sexual,  mas  separam-se 
com  muita  facilidade,  costumando  haver,  nos  exemplares  frescos,  muito  sangue 
entre  ellas.  A  lamina  externa,  como  ja  disse,  e  dura,  quasi  preta,  coberta  de 
escamas  ordinarias. 

A  lamina  interna  e  muito  mais  delgada  e  offerece  um  aspecto  assaz  differente 
nas  duas  especies. 

No  D.  Erippus  (Fig.  4)  vem-se  pequenos  circulos  um  pouco  mais  transparentes 
do  que  o  resto  da  membrana,  de  cerca  de  o°"",oi  de  diametro,  de  cujo  centro 
eleva-se  um  pello  recto  de  cerca  de  o^^jOÖ  de  comprimento.  Esses  circulos  säo 
dispostos  em  fileiras  reguläres,  e  distam  uns  dos  outros  de  o°"",o3  ate  o'"'",o6. 
Alternando  com  as  fileiras  dos  circulos,  acham-se  implantadas  escamas  pardas, 
opacas,  muito  menores  do  que  as  escamas  ordinarias,  das  quaes  se  distinguem 
igualmente  pela  forma. 

No  D.  Gilippus  (Fig.  10)  os  circulos  säo  muito  mais  approximados  entre  si 
e  chegam  ate  as  vezes  quasi  a  tocar-se;  elles  säo  mais  transparentes  e  o  resto 
da  membrana  mais  opaca  do  que  no  D.  Erippus.  Faltam-lhes  os  pellos,  porem 
ainda  se  ve  no  centro  um  pontinho,  ultimo  vestigio  e  prova  de  sua  existencia  em 
tempos  passados,  As  escamas  säo  muito  menores  do  que  as  do  D.  Erippus,  tendo 
apenas  o""",04  de  comprimento,  o  quäl  e  cerca  de  o'"'",o8  no  D.  Erippus.  Prova- 
velmente  eram  escaminhas  destas  o  «po  de  cor  parda»  que  Doubleday  viu  em 
certas  outras  especies  de  Danais.  Näo  pude  perceber  cheiro  que  fosse  exhalado 
pelas   azas   dos   machos   de   uma   ou  outra  das  duas  espezies  catharincnsis,  porem 


As  maculas  sexuaes  dos  individuos  niasculinos  das  especies  Danais  Erippus  e  D.  Gilippus.  r  c  i 

antes  de  passar  a  discutir  a  significagäo  biologica  que  possam  ter  as  maculas 
sexuaes,  convem  descrever  ainda  succintamente  outro  orgäo  peculiar  ao  sexo 
masculino  e  que  parece  ter  escapado  ate  agora  a  attengao  dos  entomologos. 
Comprimindo-se  fortemente  o  abdomen,  sähe  de  cada  lado  do  ultimo  segmento 
um  tubo  membranoso  digitiforme  (Fig.  6  u  12),  fechado  na  extremidade,  que  sc 
acha  coberta  de  cabellos  escuros  os  quaes  se  väo  erigando  ao  passo  que  o  tubo 
sähe  do  abdomen,  exhalando,  ao  mesmo  tempo,  um  cheiro  bastante  forte  no 
D.  Gilippus,  e  menos  forte,  sem  deixar  de  ser  bem  distincto,  no  D.  Erippus, 
differenga  esta  que  depende  evidentemente  da  circumstancia  de  serem  muito  mais 
numerosos,  bastos  e  compridos  os  pellos  naquella  primeira  especie.  —  Ao  recolher-se 
no  abdomen,  o  tubo  vira-se  ou  inverte-se  de  modo  que  a  superfice  que  era  externa 
vem  a  ser  interna,  formando  uma  bainha  ou  estojo  ao  redor  dos  pellos,  que  parecem 
nascer,  em  forma  de  pincel,  no  fundo  do  tubo. 

Eis  OS  factos.  Resta  discutil-os.  Havendo  nas  azas  de  numerosas  especies 
de  borboletas,  e  unicamente  no  sexo  masculino,  escamas  de  forma  peculiar,  muitas 
vezes  reunidas  em  maculas  bem  circumscripta^  e  em  certos  casos  recolhidas  em 
sulcos  ou  pregas  da  aza  —  escamas  e  maculas  que  indubitavelmente  funccionam 
como  orgäos  odoriferos  —  parece  muito  provavel  que  as  escamas  modificadas, 
encerradas  na  cavidade  da  macula  sexual  dos  D.  Erippus  e  Gilippus  tenham  ou 
tiveram  a  mesma  funcgäo.  Talvez  seja  possivel  encontrar  ainda  nas  differentes 
especies  de  Danais  as  formas  intermediarias  que  liguem  as  bolsas  das  nossas 
especies  äs  maculas  que  se  acham  patentes  nas  azas  posteriores  dos  machos  do 
genero  Amauris. 

De  mais,  näo  scSmente  näo  se  percebe  cheiro  algum  exhalado  pelas  azas  de 
D.  Erippus  ou  Gilippus,  do  sexo  masculino  como  tambem  parece  summamente 
impropria  para  semelhante  funccäo  uma  cavidade  que  so  communica  com  o  ar 
por  meio  de  uma  fenda  estreita  e  alem  disso  fechada,  sem  haver  na  aza,  ao  que 
parece,  mechanismo  algum  para  abril-a.  E  como  existem  na  extremidade  do  ab- 
domen orgäos  de  cuja  funcgäo  odorifera  näo  se  pode  duvidar,  era  natural  a  con- 
jectura  de  serem  as  maculas  sexuaes  dos  D.  Erippus  c  Gilippus  orgäos  odoriferos 
em  estado  rudimcntario,  reduzidos  a  esta  forma  pelo  desenvolvimento  de  outros 
orgäos  na  extremidade  do  abdomen,  os  quaes  melhor  desempenhavam  a  mesma 
funcgäo.  Podiamos  citar  em  apoio  dessa  conjectura  certos  factos  analoges,  que  se 
däo  em  outras  familias  de  borboletas.  Comtudo  a  affluencia  de  sangue  para  as 
maculas  sexuaes,  em  gräo  pouco  commum  nas  azas  destes  insectos,  parece  vedar 
o  consideral-as  como  orgäos  rudimentäres ;  pois  a  ser  assim  devia  tambem  supp6r-se 
que  o  desenvolvimento  dos  orgäos  das  azas  estivesse  na  razäo  inversa  do  dos  or- 
gäos do  abdomen  e  que  aquelles  fossem  tanto  mais  rudimentäres  quanto  mais 
desenvolvidos    se   mostrassem   estes.     Ora  e  justamente  o  contrario  do  que  sc  da. 

No  D.  Gilippus^  os  orgäos,  tanto  das  azas,  como  do  abdomen,  säo  muito 
maiores  do  que  os  do  D.  Erippiis,  näo  obstante  ser  esta  ultima  especie  a  maior 
das  duas. 

Como  em  casos  de  duvida  convem  näo  cleixar  passar  desapercebida  circums- 
tancia alguma,  por  mais  insignificante  que  possa  parccer,  vou  mencionar  ainda  o 
facto  de  ter  achado,  em  alguns  machos  do  D.  Erippus,  alias  incolumes,  comple- 
tamente   descamada   uma   muito   pcquena  parte  da  aza  junto  da  fenda  da  macula 


rr  1  As  maculas  sexuaes  dos  individuos  masculinos  das  especies  Danais  Erippus  e  D.  Gilippus. 

sexual,  como  si  as  escamas  tivessem  sido  levadas  d'alli  por  algum  objecto  introdu- 
zido  repetidas  vezes  na  mesma  fenda.  Näo  seria  possivel  que  alguma  materia 
odorosa  fosse  produzida  no  intcrior  da  macula  sexual,  e  que  os  pellos  dos  orgäos 
odoriferos  do  abdomen,  introduzidos  na  cavidade  dessa  macula,  alli  se  impregnassem 
daquella  materia? 

A  posigäo  das  maculas  sexuaes  e  de  forma  tal,  que  a  extremidadc  do  ab- 
domen facilmente  se  Ihes  pode  applicar,  e  como  os  pellos  dos  orgäos  odoriferos, 
ao  sahircm  do  abdomen,  acham-se  unidos  em  forma  de  pincel,  näo  parece  im- 
possivel,  nem  mesmo  muito  difficil,  a  sua  introducgäo  na  fenda  das  maculas. 

Confesso,  comtudo,  francamente  que  esta  idea  näo  me  parece  ainda  estar  bem 
assentada.  So  um  estudo  comparativo  das  numerosas  especies  do  genero  Danais 
podera  dar  solugäo  definitiva  a  täo  interessante  questäo. 


Explica^äo  das  figuras  da  estampa  XLV. 

As  figuras  i  ate  6  referem-se  a  Danais  Erippus  (sexo  masculino),  as  figuras  7  ate 
12   a  Danais   Gilipptis  (sexo  masculino). 

Fig.  I  e  7. — Aza  posterior,  vista  de  cima,  tamanho  natural.  Os  numeros  das  ner- 
\-uras  sao  os  usados  por  Herrich  Schaeffer,  sende  na  nomenclatura  de  Dotibleday. 

i^    nervura  interna. 

i^  »        submedia. 

2  primeirol 

3  segundo  J-  ramos  da  nervura  media. 

4  terceiro  J 

5  nervura  discoidal.  • 

6  segundo]  ,  uj        1 

°      .     >  ramos  da  nervura  subdorsal. 

7  pnmeiroj 

8  nervura  dorsal. 

p  >>        predorsal. 

s    macula  sexual   (<  sexual  spot -   Doiibleday). 

Fig.  2   e  8 — Macula  sexual,  augmentada  cinco  vezes. 

//  primeiro  ramo  da  nervura  media. 

s   macula  sexual. 

Fig-  3   6  9 — Sec(;äo  transversal  da  mesma  macula,  augmentada   180  vezes. 

n  primeiro  ramo  da  nervura  media. 

/    i^arede     inferior!  ,  j  j     j  1  1 

'        j  .     >da  cavidade  da  macula  sexual. 

s    parede  supenorj 

Fig.  4  e  IG — Parte  da  membrana  interna  da  cavidade  da  macula  sexual,  aug- 
mentada 180  vezes. 

a  pontos  de  insercäo  das  escamas. 

b  uma  das  escamas. 

c  pontos  de  inser9äo  de  pellos,  que  faltao  no  D.  Gilippiis,  restando  comtudo  os 
pontos  de  insercäo. 

Fig.  5  e  II — Escamas  ordinarias  da  superficie  superior  das  azas  posteriores,  aug- 
mentadas   180  vezes. 

a  escamas  subjacentes  ou  inferiores, 

b  escamas  superiores. 

Fig.  5   B — As  mesmas  escamas  na  sua  posi^äo  natural. 

Fig.  6  e   12 — Orgäos  odoriferos,  vistos  de  cima,  augmentados  duas  vezes. 

a  ultimo  segmento  do  abdomen. 

b  orgäos  odoriferos. 


Os  orgäos   odoriferos  das   especies  Epicaliä  Acontius, 
Linn.  e  de  Myscelia  Orsis,  Dru.^). 

Mit  Tafel  XLVI. 

O  genero  Epicaliä,  Westw.  (ou  CatonepJiele,  Hübn.)  tem  adquirido  cc>rta 
fama^)  pela  differen^a  extraordinaria  que  exibem  no  colorido  das  azas  os  dous 
sexos  de  varias  especies  suas  representantes.  Si  v.  g.  comparamos  a  Epicaliä 
Numilia,  Cram.  com  a  Epicaliä  Acontius,  Linn,  veremos  que  as  femeas  das  duas 
especies,  e  da  mesma  sorte  os  machos,  säo  muito  mais  semelhantes  entre  si  do 
que  cada  uma  das  femeas  ao  seu  proprio  macho.  Os  machos  de  ambas  estas 
especies  säo  ornados  com  grarides  e  esplendidas  maculas  cor  de  laranja  em  fundo 
preto  avelludado,  havendo  tres  maculas  ellipticas  separadas  (duas  na  aza  anterior 
e  uma  na  posterior)  na  Epicaliä  Numilia,  cmquanto  que  na  Epicaliä  Acontius 
[Antiochus  Fabr.)  ha  uma  so  macula  na  aza 'anterior,  confluindo  com  a  da  aza 
posterior  em  uma  fita  ou  banda  larga,  commum  as  duas  azas.  Nas  femeas,  as 
maculas  das  azas  säo  de  um  amarello  cor  de  enxofro,  e  de  forma  inteiramente 
differente  da  que  se  ve  no  sexo  opposto;  na  Epicaliä  Acontius  {Medea,  Fabr.) 
ellas  formam  tres  fileiras  parallelas,  sendo  bastante  numerosas.  Com  effeito,  a 
dif ferenda,  entre  os  dous  sexos,  e  täo  grande  que  Westwood  os  collocou  em  generös 
differentes,  denominando  Myscelia  Media  ä  femea  da  Epicaliä  Acontius. 

As  duas  especies  que  acabo  de  mencionar  e  que  säo  as  unicas  Epicalias 
que  ate  agora  encontrei  na  provincia  de  Santa  Catharina,  säo  muito  interessantes 
tambem  pela  notavel  differenga  que  mostram  os  machos,  alias  täo  semelhantes, 
no  tocante  aos  orgäos  odoriferos.  Nos  machos  da  Epicaliä  Numilia  näo  me  foi 
possivel  achar  vestigio  algum  de  semelhantes  orgäos ;  parece  que  faltam  inteiramente 
nestes  insectos.  Nos  machos  da  Epicaliä  Acontius,  pelo  contrario,  elles  tomam 
um  clesenvolvimento  pouco  commum  e  exhalam  um  cheiro  fortissimo.  Estes  orgäos 
odoriferos  acham-se  escondidos  entre  as  azas  anteriores  e  posteriores,  occupando 
a  superficie  superior  destas,  e  a  inferior  d'aquellas.  Nas  azas  posteriores  ve-se 
(Fig.  ii),  contigua  a  macula  alaranjada  (/),  outra  macula  maior  (m)  de  cor  parda, 
e  que  näo  tem  a  apparencia  avelludada  do  resto  da  aza,  e  pode  antes  comparar-se 
a  uma  especie  de  feltro.  Essa  macula  feltrada  («Filzfleck»  Herrich-Schaeffer),  e 
limitada     pelas    nervuras    dorsal    (8)   e   discoidal    (5)    e    por    uma    recta    que    do 

i)  Arch.  do  Museu  Nacional  Rio  de  Janeiro   1877.  II.  p.  31 — 35. 
2)  Darwin,  Descent  of  man,   1871.  Vol.  I  pag.  388. 


--A  Os  orgäos  odoriferos  das  especies  Epicalia  Acontius,    Linn.  e  de  Miscelia  Orsis,  Dru. 

ponto  de  separagäo  das  nervuras  dorsal  e  subdorsal  vai  ao  ponto  em  quo  a 
nervura  discocellular  inferior  parte  da  discoidal ;  ella  accompanha  a  nen^ura  dorsal 
cm  cerca  de  2/5  de  seu  comprimento,  e  a  discoidal  ate  um  ponto  equidistante  da 
margem  da  aza  e  do  ponto  de  separa<;äo  das  nervuras  dorsal  e  subdorsal.  A  sua 
aria  e  pouco  mais  ou  menos  a  oitava  parte  da  aza  inteira.  A  macula  näo  differc 
muito  de  um  semi-circulo  de  12  millimetros,  nem  a  aza  de  um  circulo  de  24  milli- 
metros  de  diametro. 

Ordinariamente  esta  macula  e  coberta  pela  aza  anterior,  a  quäl  na  superficie 
inferior  e  provida  (Fig.  11,  m')  de  uma  macula  opposta  a  da  aza  posterior  e  quasi 
idcntica  a  esta  pela  sua  apparencia  feltrada,  cor,  forma,  e  dimensöes,  porem  menos 
visivel,  näo  so  por  contrastar  pouco  a  sua  cor  com  a  superficie  ambiente,  como 
tambem  por  ser  inteiramente  coberta  por  uma  crina  de  pellos  pretos  inseridos  ao 
longo  da  nervura  interna  (i).  Esta  macula  feltrada  das  azas  anteriores  estende-se 
da  nervura  interna  (i)  ate  ao  angulo  formado  pelo  segundo  e  terceiro  ramos  (3  e  4) 
da  nervura  mediana;  como  na  macula  das  azas  posteriores  so  uma  parte  insigni- 
ficante  cae  dentro  da  ceUula  media. 

A  crina,  a  que  acabo  de  alludir,  nasce  da  margem  posterior  da  macula,  ou, 
o  que  e  o  mesmo,  da  margem  anterior  da  nervura  interna,  dividindo-se  esta  em 
cinco  partes  eguaes.  A  segunda  e  terceira  destas  partes,  a  contar  da  base  da 
aza,  säo  occupadas  pela  crina,  composta  de  beilos  pellos  pretos  de  uns  sete  milli- 
metros de  comprimento. 

Esta  crina  cobre  exacta  e  inteiramente  a  macula  feltrada  da  das  azas  anteriores, 
separando-a  ao  rnesmo  tempo  da  das  posteriores. 

As  escamas  das  maculas  felpudas  ou  odoriferas  (fig.  13)  distinguem-se  das  es- 
camas  ordinarias  (fig.   12): 

1°;  pela  sua  forma,  principalmente  por  ser  a  sua  extremidade  desdentada. 

2^;  pelas  suas  dimensöes. 

Das  escamas  ordinarias  da  superficie  superior  das  azas,  as  superiores  (fig.  12,  s) 
tem  cerca  de  o'""\i4  de  comprimento  sobre  o'"'",o6  de  largura;  as  inferiores  ou  sub- 
jacentes  (fig.   12,  2)  cerca  de  o""",i  de  comprimento  sobre  o°'"\o8  de  largura. 

Das  escamas  odoriferas,  as  superiores  (fig.  13,  s)  tem  cerca  de  o""",33  de 
comprimento  sobre  o™'",i  de  largura,  e  as  inferiores  (fig.  13,2)  cerca  de  o""",24  de 
comprimento  sobre  o"™,  1 1   de  largura. 

3*^;  por  serem  muito  mais  opacas  e  apparentemente  privadas  das  linhas  lon- 
gitudinaes  täo  visiveis  nas  escamas  ordinarieis. 

4";  por  serem  implantadas  mais  firmemente  na  mcmibrana  das  azas,  de  modo 
que  passando  um  pequeno  pincel  por  cima  das  azas,  podem-se  remov(^r  as  escamas 
ordinarias,  ficando  quasi  incolumes  as  maculas  felpudas. 

Todas  essas  differen<;-.as  entrc  escamas  ordinarias  e  odoriferas  existem  tambem 
em  quasi  todas  as  especies,  cujas  azas  säo  dotadas  de  maculus  odoriferas.  Os  ca- 
rectcristicos  que  distinguem  a  Epicalia  Acontius  de  muitas  outras  especies  säo  os 
seguintes : 

I  •* ;  a  diff erenga  quc^  se  observa  tambem  nas  maculus  odoriferas  entre  as  es- 
camas superiores  e  inferiores;  porque  em  geral  as  escamas  odoriferas  costumam 
ser  todas  da  mesma  forma,  sem  distincc^äo  de  superiores  e  inferiores. 

2^;  a  circumstancia  de  gnardarem  quasi  a  mesma  distancia  nas  maculas  odo- 
riferas (fig.   15)  e  no  resto  das  azas  (fig.   14)  as   covinhas   ou  alveolos,   em    que  as 


Os  oigäos  odoiiferos  das  especies  Epicalia  Acontius,  Linn.  e  de  Miscelia  Orsis,  Dm.  ccn 

escamas  se  acham  implantadas,  visto  como  em    geral   as   escamas  odoriferas    cos- 
tumam  ser  muito  mais  unidas  do  que  as  ordinarias. 

Os  alveolos  das  escamas  odoriferas  (fig.  15),  alem  de  sercm  maiores,  säe  ccr- 
cados  de  uma  area  escura,  elliptica  ou  circular,  o  que  frequentemente  se  observa 
tambem  em  outros  casos. 

Ainda  e  digna  de  se  notar  a  modificagäo  consideravel  da  forma  das  azas  que 
tem  acorapanhado  o  desenvolvimento  das  maculas  odoriferas.  A  margem  interna 
(ou  posterior)  das  azas  anteriores  e  quasi  rectilinea  nas  femeas  da  Epicalia  Acon- 
tius (fig.  10)  e  em  ambos  os  sexos  da  Epicalia  Numilia  (fig.  9),  emquanto  que  nos 
machos  da  Epicalia  Acontius  (fig.  11),  e  muito  arqueada,  podendo  dcsta  sorte 
cobrir  uma  parte  muito  maior  das  azas  posteriores.  Da  mesma  maneira  acha-se 
ampliada  a  fimbria  anterior  das  margens  posteriores,  Dahi  resulta  que  a  femea 
da  Epicalia  Acontius  (fig.  10),  quanto  a  forma  das  azas,  approxima-se  mais  do 
mache  da  Epicalia  Numilia   (fig.  g),   do   que   do   macho   de   sua   propria   especie 

(fig-    II). 

Intimamente  alliado  ao  genero  Epicalia  e  o  genero  Myscelia,  representado 
na  provincia  de  Santa  Catharina  pela  Myscelia  Orsis,  Dru.  Ja  antes  de  ter  po- 
dido  examinar  o  macho  desta  especie,  eu  soube  por  Herrich  Schaeffer  i),  que 
elles  possue  uma  macula  feltrada»  (Filzfleck)  na  superficie  superior  das  azas 
posteriores  (fig.  i,  m),  entre  as  nervuras  quinta  e  septima,  isto  e,  entre  a  nervura 
discoidal  e  o  primeiro  ramo  da  subdorsal.  Ha  pouco  pude  convencer-me  de  que 
a  referida  macula  exhala  um  cheiro  fortissimo,  o  quäl  tem,  como  a  da  Epicalia 
Acontius  (sexo  masc),  certa  semelhanga  com  o  de  almiscar.  A  macula,  que 
occupa  cerca  de  1/9  (36  millimetros  quadrados)  •  da  superficie  da  aza  (315  milli- 
metros  quadrados)  ainda  ultrapassa  um  pouco  as  duas  nervuras  que  Herrich- 
Schaeffer  Ihc  da  por  limites;  e  de  cor  inteiramcnte  preta,  sendo  pardacenta  a  parte 
circumvizinha  da  aza  que,  como  a  macula,  e  coberta  pela  aza  anterior,  e  de  um 
azul  brilhante  o  disco  da  aza.  A  estructura  da  macula  pouco  differe  da  da  Epi- 
calia Acontius  e  por  isso  näo  carece  descripgäo  circumstanciada;  somente  as  es- 
camas odoriferas  näo  excedem  tanto  as  dimensöes  das  ordinarias.  As  azas  an- 
tertiores  säo  destituidas  de  orgäos  odoriferos. 

Deste  modo,  no  tocante  as  maculas  felpudas,  o  macho  da  Myscelia  Orsis  oc- 
cupa uma  posigäo  intermedia  entre  a  Epicalia  Numilia,  que  carece  de  semelhantes 
maculas,  e  a  Epicalia  Acontius,  que  as  possue  tambem  nas  azas  anteriores.  Avista 
deste  facto,  e  permittido  duvidar  sobre  si  os  limites  entre  os  dous  generös  j^i  sc 
acham  devida  e  definitivamente  estabelecidos.  Sabe-se  que  as  femeas  da  Myscelia 
Orsis  e  da  Epicalia  Acontius  concordam  tambem  perfeitamente  no  arranjo  das 
maculas  das  azas,  as  quaes  säo,  amarcllas  nesta,  e  brancas  naquella  especie,  differindo 
bastante  a  este  respeito  da  femea  da  Epicalia  Numilia ;  facto  este  que  muito  de- 
vera  contribuir  para  reforgar  aquella  duvida. 

Explica^äo  das  figuras  da  estampa  XLVI. 

As  figuras  i,  9,  10  e  11  sao  de  tamanho  natural;  as  mais  säo  augmentadas 
180  vezes. 

As  figuras   i   ate  8  referem-se  a  Myscelia   Orsis  (sexo  masculino). 


1)  Prodrom  System,  lepidopt.   I    1864  pag.   27,  n."  79. 


_j,o  Os  orgäos  odoriferos  das  especies  Epicalia  Acontius,  Linn.  e  de  Miscelia  Orsis,  Dru. 

Fif.  I.  — Aza  posterior  de  Mvscelia  Orsis  (sexo  masculino),  — tn —  macula  feltrada 
ou  odorifera. 

Fig.  2. — Escamas  da  superficie  inferior  das  azas. 

Fig.  3. — Ditas  do  disco  da  superficie  superior. 

Fig.  4. — Ditas  da  margem  posterior  da  superficie  superior  das  azas  posteriores. 

Fig.  5 — Ditas  da  macula  feltrada  — .f —  escamas  superiores  — i —  ditas  inferiores  ou 
subjacentes. 

Fig.  6. — Alveolos  das  escamas  da  superficie  inferior  das  azas  posteriores.  Como  em 
rnuitissimas  outras  especies  os  alveolos  da  superficie  inferior  distinguem-se  dos  da  superior 
por  serem  ligados  os  do  mesma  fileira  transversal  por  uma  linha. 

Fig.  7. — Alveolos  das  escamas  ordinarias  da  superficie  superior  das  azas  pos- 
teriores. 

Fig.  8. — Ditos  das  escamas  odoriferas. 

FifT.   9.— Contornos  das  azas  de  Epicalia  N^utnilia,  Cram.   (sexo  masculino). 

Fig.    10. — Ditas  de   Epicalia  Acotüius,  Linn.  (sexo  feminine),   [Medea,  Fabr.) 

Fig.    II. — Ditas  de  Epicalia  Acontius,  Linn.   (sexo  masculino),  {Antioclms,   Fabr.) 

b — macula  alaranjada  das  azas  posteriores. 

m—  macula  feltrada  das  mesmas  azas. 

m' — macula  feltrada  da  superficie  inferior  das  azas  anteriores,  cobertas  de  uma 
crina  de  cabellos  pretos. 

Fig.  12. — Escamas  ordinarias  da  superficie  superior  do  disco  das  azas  posteriores 
de  Epicalia  Acontius  (sexo  masculino). 

Fig.   13.  — Ditas  da  macula  feltrada  das  mesmas  azas. 

Fig.   14. —  Alveolos  das  escamas  ordinarias  das  mesmas  azas. 

Fig-   i5- — Ditos  das  escamas  odoriferas  da  macula  feltrada  das  mesmas  azas. 


Os  orgäos  odoriferos  nas  pernas  de  certos 
Lepidopteres^). 

Mit  Tafel  XLVII. 

'Em  todas  as  ordens,  disse  Darwin,  fallando  da  selec(;äo  sexual  e  dos  carac- 
teres  sexuaes  secundarios  dos  insectos  ^),  os  sexos  de  muitas  especies  apresentam 
differeiKjas,  cuja  significagäo  näo  se  conhece  .  .  .  Casos  destes  abundäo  nos  Lepi- 
doptcros.  Um  dos  mais  extraordinarios  e  o  de  terem  os  machos  de  ccrtas  bor- 
boletas  as  pernas  dianteiras  mais  ou  menos  astrophiadas.  As  azas  differem  tambcm 
muitas  vezes  nos  dous  sexos  pelas  nervuras  e  as  vezes  consideravelmente  pela 
figura,  como  no  Aricoris  epitus.  Os  machos  de  certas  borboletas  da  America 
do  Sul  tem  pinceis  de  cabellos  nas  margens  das  azas  e  excrescencias  Corneas 
no  disco  das  azas  posteriores.  Em  certas  borboletas  da  Inglaterra  so  os 
machos,  como  mostrou  Mr.  Wonfor,  säo  parcialmente  cobertos  de  escamas 
peculiares.» 

Hoje,  quasi  todas  essas  differengas  sexuaes  dos  Lepidopteros,  completamente 
inexplicaveis  ainda  ha  poucos  annos,  tornaram-se  ciaras  e  intelligiveis  depois  que 
se  descobrio  que  ellas  se  referem,  directa  ou  indirectamente,  a  producgäo  ou 
diffusäo  de  um  cheiro  particular  que,  de  certo,  devera  agradar  as  respectivas 
femeas.  Pertencem  a  esta  categoria  os  «pinceis»  ou  crinas  que  se  encontram 
frequentemente  na  margem  anterior  das  azas  posteriores,  e  cujo  cheiro  e  muito 
intenso  na  Callidryas  Cipris,  bem  sensivel  e  muito  agradavel  na  Dircenna 
Xantho  e  n'outras  especies,  e  as  escamas  peculiares  de  formas  muito  variadas, 
que  cxistem  nas  azas  dos  machos  em  muitas  especies  de  Satyrinas,  Holiconinas, 
Nymphalinas,  Picrinas,  etc.,  äs  quaes  Bernard  Deschamps'^)  deu  o  nome  de 
plumulas,  como  tambem  as  «excrescencias  Corneas»  ou  «maculas  sexuaes» 
que  existem  no  disco  das  azas  posteriores  dos  machos  das  Danais  Erippus  e 
Gilippus  *). 

1)  Arch.  do  Mus.  Nacional  Rio  de  Janeiro  1877.  Vol.  II.  p.  37 — 42. 

2)  Darwin,  Descent  of  man  187 1.  Vol.   i.  pag.  344. 

3)  Annales  des  Sc.  nat.  1837,  Fevrier,  Mars — citado  eni  Chenu,  Encyclopedie  d'hist.  nat.  Papillons 
Tome  I,  pag.  8. 

4)  No  vol.  XI  Adi  Jenaische  Zeitschrift  für  Naturwissenschaft.  1877  publicou-se  um  resumo  de 
quanto  achei  nos  varios  autores,  que  pude  consultar,  sobre  os  orgäos  odoriferos  nas  azas  das  borboletas, 
e  o  primeiro    ensaio    que    apresentei    para   mostrar  a  func^äo  dos  ditos  orgäos.  =  Ges.  Schriften  pag.  534. 


-^Q  Os  oi^äos  odoriferos  nas  pernas  de  certos  Lepidopteres. 

Quanto  as  differengas  que  ha  na  disposiQäo  das  nervuras  das  azas,  tambem 
estas  em  muitos,  sinäo  em  todos  os  casos,  säo  devidas  a  existencia,  nos  machos, 
de  um  orgäo  odorifero,  pelo  quäl  foram  deslocadas  certas  nervairas,  como  facil- 
mente  se  pode  verificar  nos  generös  Dircenna,  Mechanitis,  Thecla  (v.  g.  Thecla 
Acmon),  entre  as  borboletas  diurnas,  ou  no  genero  Rhamphidium  entre  as  noc- 
turnas.  A  figura  das  azas  acha-sc  tambem  frequentemente  mais  ou  menos  modi- 
ficada  pelos  orgäos  odoriferos. 

Entretanto  estes  orgäos  odoriferos  dos  machos  e  as  differen(;as  sexuaes  que 
delies  rcsultam,  näo  se  limitam  as  azas :  em  numerosas  especies,  mormente  de  borbo- 
letas nocturnas,  elles  occupam  o  abdomen;  emquanto  que,  em  algumas  outras, 
desenvolvem-se  nas  pernas.  Säo  orgäos  abdominaes  estes  que,  por  se  acharem, 
no  estado  de  rcpouso,  quasi  semprc  recolhidos,  ou  no  interior  ou  entre  es  escamas 
do  abdomen,  escaparam  inteiramente  ä  attengäo  dos  lepidopterologos.  A  unica 
noticia  que  encontrei  a  respeito  delles  refere-se  ao  genero  Lycorea  em  que  os 
machos,  segundo  Doubleday  «tem  um  grande  feixe  de  pellos  de  cada  lado  do 
ultimo  segmento,  capaz  de  ser  recolhido  em  grande  parte  no  interior  do  abdo- 
men» 1).  Como  nas  Lycoreas  e  Itunas,  assim  tambem  nos  machos  das  Danais, 
dos  Morphos,  das  Glaucopideas,  das  Cryptolechia  e  de  varias  outras  borboletas 
nocturnas  os  orgäos  odoriferos  estäo  situados  na  extremidade  do  abdomen,  tomando 
ora  a  forma  de  pinceis,  ora  a  de  protuberancias  mamilliformes  ou  digitiformes, 
ora  a  de  tubos  filiformes  muito  compridos  e  exhalando  em  quasi  todos  os  casos 
um  cheiro  fortissimo.  E'  muito  mais  raro  estarem  collocados  os  ditos  orgäos  no 
lado  dorsal,  como  se  ve  na  Didonis  Biblis,  ou  no  lado  ventral  do  abdomen, 
como  acontece  na  familia  das  Sphingideas.  Si,  em  muitos  outros  casos,  os  orgäos 
odoriferos  cram  de  ha  muito  conhecidos,  ignorando-so  a  sua  funcgäo,  e  contrario 
se  da  com  as  Sphingideas;  ja  desdc  muitos  annos  sabia-se  que  os  machos  de 
certas  especies  exhalam  um  cheiro  activo  de  almiscar;  mas  näo  se  tinha  achado, 
e  talvez  nem  mesmo  procurado  o  lugar  d'onde  cmanava  este  cheiro.  Emana 
eile  de  dous  pinceis  siduados  na  base  do  abdomen  e  que  podem  ser  recolhidos 
em  uma  especie  de  sulcos  formados  pelas  escamas  dos  dous  primeiros  segmentos 
abdominaes. 

Quanto,  cmfim,  aos  pinceis  e  apparelhos  analoges,  que  existem  nas  pernas 
de  certos  lepidopteros,  e  so  no  sexo  masculino,  ninguem  ate  hoje,  que  eu  saiba, 
fallou  na  funcgäo  que  elles  possam  exercer.  Entre  as  borboletas  diurnas  parecem 
estes  orgäos  limitar-se  a  familia  das  Hesperideas,  na  quäl  se  apresentam  sob  duas 
formas  differentes.  Nos  machos  de  uma  especie  da  Ilha  de  Java,  a  Ismene  Oedi- 
podea,  Swains,  as  tibias  do  terceiro  par  de  pernas  säo,  segundo  Westwood'),  de 
uma  grossura  extraordinaria  e  cobertas  de  densos  pellos;  em  varias  outras  especies 
da  familia,  as  mcsmas  tibias  säo  dotadas,  nos  machos,  do  um  pincel  de  pellos 
compridos.  Estes  princeis  das  tibiiis  («Schienenpinsel»)  ja  serviram  a  Herrich- 
Schaeffer  e  outros  autores,  para  caractorisar  certos  generös  das  Hesperideas,  como 

1)  Doubleday,  Westwood,  Hewitson,  Genera  of  diumal  lepidoptera,  pag.  196.  —  Os  mesmos 
feixes  de  pellos  apparecem  (Tab.  XVI.  Fig.  I.  da  raesma  obra)  na  figura  da  Ituna  Phenarete  sem  que  o 
texto  OS  mencione.     Nos  machos  de  Ituna  Ilione  eu  tambem  os  vi. 

2)  Doubleday- Westwood,  Hewitson,  Genera  of  diumal  lepidoptera,  pag.  574. 


Os  orgäos  odoriferos  nas  pernas  de  certos  Lepidopteres.  e^i 

Achlyodes,  Antigonus  e  outros.  Dcsde  que  vi  cm  uma  Hesperidea,  pertencente, 
pelos  caracteres  indicados  por  Herricli-Scliaeffer,  ao  genero  Antigonus,  que  os 
pinceis  das  tibias  podem  ser  recolhidos  em  uma  cspecie  de  sulco  formado  pelas 
escamas  do  abdomen,  näo  duvidei  de  que  os  ditos  pinceis  tambem  fossem  orgäos 
odoriferos,  visto  que  participam  de  um  dos  caracteristicos  mais  frisantes  desses 
orgäos,  que  consistem  em  serem  elles  de  uma  outra  mancira  protegidos,  no  cstado 
de  repouso,  contra  a  evapora^äo  de  seu  aroma.  E,  com  effeito,  ha  pouco  tive  a 
satisfacgäo  de  encontrar  uma  borboleta  nocturna,  cujas  tibias  cmittiam  um  cheiro 
Singular,  que,  sem  ser  muito  forte,  näo  deixava  comtudo  de  ser  perfeitamente 
perceptivel  tambem  a  nos,  cujo  olfacto  e  sem  duvida  muito  inferior  ao  de  muitos 
lepidopteres.  Era  uma  das  maiores  especies  da  familia  das  Erebideas,  tendo  com 
as  azas  abertas  o^.ig  de  largura,  especie  essa  cujo  nome  ainda  ignoro.  Nas 
femeas  dessa  Erebidea  as  tibias  de  terceiro  par  de  pernas  (Fig.  lo)  tem  a  forma 
delgada,  que  costumam  ter  nos  lepidopteres,  sende  a  sua  grossura  intermediaria 
a  do  femur  e  a  do  tarso.  Nos  machos  pelo  contrario  (Fig.  1 1  e  12)  as  mesmas 
tibias  säo  excessivamente  largas,  de  sorte  que  a  largura  (4""°)  e  igual  a  terga 
parte  do  comprimento  (o°"",i2).  A  superficie  externa  e  um  pouco  convexa; 
no  lado  interne  existe  um  sulco  longitudinal  principiando  a  3  ou  4  millimetros  da 
base  e  aprofundando-se  ao  passo  que  se  approxima  da  extremidade  tarsal  da 
tibia,  como  melhor  se  ve  em  secgöes  transversaes  (Fig.  14).  Toda  a  superficie 
interna,  exceptuando  apenas  a  extremidade  tarsal  e  parte  do  sulco,  e  coberta  de 
pcllos  de  4  a  6  millimetros  de  comprimento,  sendo  os  mais  curtos  os  da  margem 
superior  (Fig.  1 3).  Esses  pellos  säo  capazes  de  eri^arem-se,  formando  uma  especie 
de  escova  muito  densa,  e  e  n'este  estado  de  eri9amento  que  se  percebe  o  cheiro 
que  desprendem. 

Voltando  ao  estado  de  repouso,  os  do  meio  deitam-se  no  sulco  longitudinal 
paralleles  ao  eixo  da  tibia,  sendo  cobertos  por  uma  espessa  camada  dos  pellos 
lateraes  da  tibia;  em  cima  destes  ainda  se  applicam  os  densos  pellos  da  margem 
inferior  do  femur,  que  tambem  se  acham  muito  mais  desenvolvidos  no  sexo  mas- 
culino.  Desta  maneira  os  pellos  inferiores  e  mormente  os  deitados  no  sulco  lon- 
gitudinal da  tibia,  acham-se  sufficientemente  protegidos  pela  superposigäo  dos 
pellos  margin aes,  e  dos  do  femur  contra  a  perda  por  evapora9äo  de  qualquer 
substancia  odorifera,  de  que  elles  se  possam  impregnar  no  estado  de  repouso, 
emquanto  que  erigando-se,  exhibem  uma  superficie  enorme,  e  que  deve  causar 
uma  evaporagäo  correspodente  da  substancia  odorosa.  Convem  notar  que  ja 
Linneu  deu  a  uma  especie  de  Erebideas  o  nome  de  Noctua  odora ;  e  provavel 
que  tenha  cheiro  bastante  forte;  si  esse  odor  e  peculiar  ao  sexo  masculino  e 
produzido  pelas  tibias,  näo  sei  dizel-o.  Ha  na  mesma  familia  outras  especies, 
cujos  machos  tem  tibias,  de  forma  normal,  sem  a  cabelladura  desproporcionada 
da  nossa  primeira  especie,  sendo  a  delles  munida  so  de  um  pincel  de  pellos  com- 
pridos  procedente  do  lado  interior  da  base.  Ha  ainda  outras  especies  de  Erebideas 
que  parecem  ser  destituidas  de  orgäos  odoriferos  nas  pernas.  Assim  como 
certos  generös  Hesperideas  säo  caracterisados  pelos  pinceis  que  os  machos  tem 
nas  tibias  posteriores,  assim  tambem  os  machos  do  genero  Herminia  (que  alguns 
entomologos   incluem   na   familia   das  Pyralideas    outros    como   Speyer,   entre    as 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  3" 


-A-^  Oi  orgäos  odoriferos  nas  pernas  de  certos  Lcpidopteres. 

Noctuinas),  costumam  ser  munidos  de  pincois  nas  tibias  mais  ou  mcnos  largas; 
mas,  neste  caso,  as  tibias  dianteiras  säo  as  quo  apresentam  o  distinctivo  do  sexo 
masculino  ^). 

Na  familia  das  Geometrideas  um  bello  c  instructivo  exemplo  de  pinceis  nas 
pernas  posteriores  e  offerccido  pela  Panther  ödes  pardalaria,  Hübn.,  borboleta  que 
parece  habitar  todo  o  Brazil,  desde  o  Equador,  ate  alem  do  tropico  do  Capricornio. 
Spix  e  Martius  trouxeram-n'a  do  Rio  Ncgro  ^)  sendo  tambem,  ao  menos  em  certos 
annos,  frequentissima  na  provincia  de  Santa  Catharina.  Nesta  especie  as  tibias 
do  3."  par  de  pernas  säo  egualmente  muito  mais  grossas  nos  machos  (Fig.  204) 
do  que  nas  femeas  (Fig.  i),  scm  comtudo  attingirem  naquellcs  a  dimensöes  extra- 
ordinarias.  A  superficie  interna  e  cortada  por  um  sulco  longitudinal  (Fig.  3  6)  e 
neste  sulco  acha-se  escondido  um  pincel  de  pellos  finos  e  compridos,  implantados 
na  base  da  tibia  (Fig.  3,  ä);  a  diametro  destes  pellos  e  de  o,'""'oo4  ate  o,™'"©!  e  o 
seu  comprimento  egual  a  da  mesma  tibia.  A  cor  de  pincel  varia  um  pouco  nos 
diversos  individuos;  os  pellos  säo,  uns  baios-claros,  outros  pardos-escuros,  e  ate 
pretos;  predominam  geralmente  aquelles,  as  vezes  porem  da-se  o  contrario.  Ao 
longo  das  margens  do  sulco  nascem  escamas  (Fig.  9),  que  pelas  suas  dimensöes 
muito  maiores,  pela  forma  e  pela  cor  distinguem-sc  das  que  cobrem  o  resto  da 
tibia  (Fig.  8).  Aquellas  chegam  as  vezes  a  ter  quasi  o,°"°oüi  de  comprimento, 
estas  raras  vezes  excedem  a  ter^a  parte  desse  comprimento;  aquellas  säo  asyme- 
tricas,  imitando  mais  ou  menos  a  forma  da  lua  crescente,  estas  säo  symetricas, 
de  lados  parallelos,  com  3  ou  2  dentes  na  extremidade ;  emfim  as  escamas  maiores 
das  margens  do  sulco  säo  pallidas,  cor  de  palha;  as  menores  do  resto  da  tibia 
säo  pardas,  mais  ou  menos  escuras.  Inclinando-se  para  o  lado  do  sulco,  as 
escamas  maiores  formam  sobre  eile  uma  especie  de  tecto  (Fig.  6,  c  e  d),  achando- 
se  as  da  margem  inferior  cobertas  parcialmente  pelas  da  margem  superior. 
Assim  fica  realisada  neste  caso,  por  meios  differentes,  porem  egualmente  effi- 
cazes,  uma  cobertura  que  previne  a  perda  de  qualquer  aroma  que  o  pincel  possa 
conter.  Estendendo-se  a  tibia,  o  pincel  come^a  a  sahir  do  seu  escondrijo  e  a 
eriQar-se,  distendendo  para  todos  os  lados  os  seus  pellos,  mas  sem  desenvolver 
cheiro  perceptivel  ao  olphato  humano  ou  pelo  menos  ao  meu.  Sem  duvida  que 
no  vastissimo  grupo  das  borboletas  nocturnas,  de  que  ainda  näo  examinei  senäo 
um  numero  muitissimo  insignificante  de  especies,  devem  existir  numerosos  outros 
casos  de  apparelhos  odoriferos  tanto  nas  pernas.  como  nas  azas  e  n'outras  partes 
do  corpo.  O  fim  destas  linhas  näo  era.  nem  podia  ser,  elucidar  perfeitamente  o 
assumpto  de  que  fallei  aqui;  e  sim  unicamente  apontar  aos  jovens  naturalistas  do 
Brazil  mais  um  campo  vasto,  inexplorado  e  que  promette  uma  colheita  de  factos 
novos  e  interessantes. 

Explica9äo  da  Fig-ura  da  Estampa  XLVII. 

As  figuras    l   ate  9  referem-se  a  Pantherudes  pardalaria. 
Fig.   I. —  Perna  esquerda  do  3.*^  par  da  fcmea. 


1)  «Tibia   61argi    et  gami    de   pinceaux    de   poils    extensibles»    Chenu,  Encyclop^die  d'hist.    nat.  Pa- 
pillons.     Tome  II,  pag.  215. 

2)  Perty,  Delectus  animaliuin  articulatorum.     1830,  pag.    163.     Tab.  XXXII  Fig.    11.  —  Peity  Ihe 
da  o  nome  de  Phalaena  perspicillum. 


Os  oi^äos  odoriferos  nas  pernas  de  certos  Lepidopteres. 


ÖUJ 


Fig.  2.  —  A  mesma  do  macho. 

Fig.  3.  —  A  mesma  quebrada  no  meio  da  tibia. 

a  —  Parte  superior  com  o  pincel  que  nasce  da  base  da  tibia,  vista  do  lado  externo. 

b  —  Parte  inferior  com  o  sulco  em  que  se  recolhe  o  dito  pincel,  vista  do  lado 
interno. 

Fig.  4.  —  A  mesma  com  o  pincel  ericjado,  visto  do  lado  externo. 

As  figuras   i   e  4  säo  augmentadas  3  vezes. 

Fig.  5.  —  Sec^^ao  transversal  da  tibia  da  femea. 

Fig.  6.  —  Secgöes  transversaes  da  tibia  do  macho,  em  4  differentes  alturas,  indicadas 
na  fig.  2  a — d  (-f- rnargem  superior  =  superficie  externa). 

As  figures  5  e  6  söo  augmentadas   15  vezes. 

Fig.   7.  —  Escamas  da  superficie  superior  das  azas  anteriores. 

A.  —  Escamas  superiores. 

B.  —  Escamas  subjacentes  ou  inferiores. 

Fig.  8.  —  Escamas  da  superficie  externa  da  tibia. 

Fig.  9.  —  Escamas  das  margens  do  sulco  no  lado  interno  da  tibia.  As  figuras  7 
e  9  augmentadas  90  vezes. 

As  figuras  10  e  14  referem-se  a  uma  Erebidea,  de  19  centimetros  de  largura,  com 
as  azas  abertas. 

Fig.   10.  —  Perna  esquerda  do  3.*^  par  de  pernas,  da  femea. 

Fig.    II.  —  A  mesma  do  macho,  vista  do  lado  externo. 

Fig.   12.  —  Perna  direita,  do  3.*^  par  de  pernas,  do  macho,  vista  do  lado  interno. 

Fig,  13. —  Articula9äo  da  tibia  com  o  femur,  vista  de  cima,  com  os  pellos  da 
tibia  eri9ados. 

s  —  Pellos  da  margem  superior  da  tibia. 

i  —  Ditos  da  margem  inferior. 

As  figuras   10  e  13  säo  augmentadas  duas  vezes. 

Fig.  14. — Sec9öes  transversaes  da  tibia  do  macho  em  tres  differentes  alturas,  in- 
dicadas na  figuras   1 1  a — c,  augmentadas  4  vezes. 


36* 


Os  orgäos  odoriferos  nas  pernas  de  certos 
Lepidopteres^). 

(Supplemento.) 
Mit  Tafel  XLVIII. 

Conclui  a  noticia  sobre  os  orgäos  odoriferos,  que  distinguem  o  sexo  masculino 
de  varias  borboletas,  dizendo  que  este  assumpto  promettia  uma  colheita  riquissima 
de  factos  novos  e  interessantes.  Parece-me  com  cffeito  ser  essa  uma  mina  inex- 
haurivel.  Mal  se  tinham  passado  quinze  dias,  quando  pude,  as  formas  desses  orgäos 
descriptas  naquella  noticia,  ajuntar  outras  duas  das  mais  singulares  que  encontrei 
nos  machos  de  duas  especies  de  Erebideas. 

Uma  dellas  e  um  anäo  nesta  familia  de  gigantes,  cuja  largura,  com  as  azas 
abertas,  näo  excede  a  4  centimetros.  Em  certas  especies  da  mesma  familia,  como 
em  varias  Hesperideas  [Achlyodes,  Antigonns  etc.,)  os  orgäos  odoriferos  consti- 
tuem  um  pincel  de  pellos  compridos  implantado  na  base  das  tibias  posteriores; 
a  forma  que  se  reproduz  neste  caso  e  a  mesma,  porem  näo  säo  as  tibias  posteriores, 
mas  sim  as  anteriores,  de  cuja  base  nasce  o  pincel  odorifero. 

Compöe-se  este  pincel  de  pellos  pretos,  cujo  comprimento  (4  millimetros) 
excede  tanto  o  da  tibia  (2  millimetros)  como  o  do  femur  (3  millimetros).  Emquanto 
em  certas  Hesperideas  o  pincel  odorifero  das  pernas  posteriores  esconde-se  entrc 
as  coxas  posteriores  e  a  base  do  abdomen,  na  Erebidea  em  questäo  eile  se  recoUie 
ao  longo  do  lado  inferior  de  femur  cujas  margens  säo  bordadas  de  pellos  louros. 
formando  uma  especie  de  estojo  para  o  pincel  (Fig.  i).  A  tibia  anterior  näo 
sc'jmente  pode  estender-se,  a  maneira  do  que  se  observa  em  outros  Lepidopteros, 
ate  formar  uma  linha  recta  com  o  femur,  mas  tambcm  pode  vir  alem  (Fig.  2); 
e  e  por  m(Mo  desta  extensäo  excessiva  que  eile  se  desc^mbainha  ou  sähe  de 
seu  estojo,  eri(;,ando-se  ao  mesmo  tempo  o  pincel  odorifero.  Na  segunda  espe- 
cie, qu(^  t(^m  cerca  de  seis  centimetros  de  largura  com  as  azas  abertas,  os 
orgäos  odoriferos  occupam  o  femur  do  segundo  par  d('  pernas  ou  das  pernas 
medias. 

Näo  e  tanto  pela  sua  situagäo  insolita,  como  pelas  suas  dimensoes  que  estes 
orgäos  se  tornam  mais  interessantes,  pelas  suas  propor^öes  verdadeiramente  mons- 

i)  Arch.  do  Mus.   Nacional    Kio  de  Janeiro    1877.  Vol.  IL  p.  43 — 46. 


Os  orgfios  odoriferos  nas  pernas  de  certos  Lepidopteres.  e(): 

truosas,  formando  uma  cspecie  de  pella,  um  corpo  globuloso  ou  ellipsoide,  cujo 
diametro  e  quasi  egual  ao  comprimcnto  do  femur  (Fig.  5,  6  e  7).  Nem  as  per- 
nas anteriores,  nem  as  posteriores  (Fig.  3),  mostram  differen^a  alguma  nos  dous 
sexos  desta  especie;  as  pernas  medias  do  macho,  alem  do  femur  profundamente 
modificado  pelo  desenvolvimento  do  orgäo  odorifcro,  tambem  se  distingucm  das 
da  femea  (Fig.  4)  pelo  maior  comprimento  do  primciro  articulo  do  tarso.  O  femur 
tem  6  millimetros  de  comprimento  na  femea,  7  millimetros  no  macho,  a  tibia 
5  millimetros  em  ambos  os  sexos,  o  primeiro  articulo  do  tarso  3  millimetros  na 
femea,  2  e  1/2  millimetros  no  macho,  os  dcmais  articulos  do  tarso  401/2  milli- 
metros em  ambos  os  sexos.  Achando-se  evidentcmiente  muito  tolhida  a  mobili- 
dade  do  femv;r  pelo  orgäo  odorifero,  este  excesso  de  comprimento  do  primeiro 
articulo  do  tarso  talvez  sirva  para  compensar  aquellc  defeito. 

O  femur  dos  machos  (Fig.  5)  tem  uma  largura  de  2  e  1/2  millimetros,  a  quäl 
excede  um  pouco  a  ter^a  parte  do  comprimento  (7  millimetros),  e  ao  mesmo 
tempo  e  summamentc  achatado,  de  sorte  que  as  paredes  dorsal  e  ventral  quasi 
que  chegam  a  tocar-se  (Fig.  9).  A  superficie  ventral  e  um  pouco  convexa,  a 
dorsal  concava.  O  orgäo  odorifero,  que  occupa  esta  superficie  concava  do  femur, 
compöe-se  de  uma  parte  interior,  especialmente  odorifera,  e  de  outra  exterior, 
protectora.  Aquella  consiste  em  um  sem-numero  de  escamas  odoriferas  vastissimas 
(Fig.  9,  b;  Fig.  11),  que  cobrem  toda  a  superficie  dorsal  do  femur;  cstas  escamas 
tem  a  forma  de  uma  fita  estreita  de  cerca  de  o,'"'"o3  de  largura  e  de  2  ate  3 
millimetros  de  comprimento,  sendo  mais  compridas  pelo  lado  da  margem  anterior 
ou  superior  do  femur;  a  sua  extremidade  e  um  pouco  mais  ou  mcnos  larga  e  de 
forma  oval  (com  o,"'™o6  de  largura  sobre  o,'""^25  de  comprimento). 

Sento  muito  unidas  as  escamas  odoriferas,  por  causa  do  alargamento  tc^rmi- 
nal,  a  superficie  da  massa  compacta  em  que  se  acham  reunidas  e  necessariamente 
maior  do  que  a  sua  base,  isto  e,  do  que  a  superficie  do  femur,  donde  nascem 
(Fig.  9).  Extrabidas  do  femur,  as  escamas  odoriferas  tem  a  apparencia  da  paina, 
e,  como  certas  painas  separadas  das  respectivas  capsulas,  formam  uma  massa  fofa 
de  dimensöes  incriveis ;  parece  impossivel  que  volume  täo  grande  possa  caber  em 
espacjo  täo  limitado.  As  escamas  odoriferas  säo  protegidas  de  todos  os  lados  e 
cobertas  por  uma  orladura  de  escamas  largas  e  de  pellos,  inseridos  ao  redor  e 
nas  margens  do  femur.  As  escamas  interiores  dessa  orladura,  as  que  immedia- 
tamente  se  applicam  as  odoriferas  (Fig.  12,  a)  säo  ovaes,  geralmente  com  i,"""5 
ate  2°""  de  comprimento  sobre  o,™"6  ate  i,°""2  de  largura;  mais  para  fora  a  sua 
base  prolonga-se  em  uma  especie  de  peciolo  (Fig.  12,  b)  e,  ficando  este  peciolo 
cada  vez  mais  comprido  e  dalgado  ao  passo  que  a  lamina  torna-se  cada  vez  mais 
estreita  (Fig.  12,  c),  as  escamas  transformam-se  insensivclmente  em  pellos  (Fig.  12,  d) 
que  näo  poucas  vezes  mostram  a  sua  origem  pela  forma  da  sua  extremidade  um 
pouco  alargada.  Estes  pellos,  que  compöem  a  camada  externa  do  involucro  das 
{^scamas  odoriferas  (Fig.  9,  d),  säo  mais  compridos  na  margem  anterior  ou  superior 
do  femur,  e  mormente  na  base  desta  margem,  onde  o  seu  comprimento  excede  ao 
do  proprio  femur. 

Ha  pois  na  familia  das  Erebideas,  certas  especies  cujos  machos  säo  providos 
de  orgäos  odoriferos  nas  tibias  das  pernas  posteriores;  ha  outras  em  que  os  mes- 
mos  orgäos  acham-se  nas  tibias  das  pernas  anteriores,  outros  que  os  possuem  no 


-^^  Os  orgäos  odoriferos  nas  pernas  de  certos  Lepitopteres. 

femur  das  pernas  medias,  e  outras  ainda  em  cujas  pernas  näo  se  ve  apparelho 
algum  que  sirs'^a  de  orgäo  odorifero.  P6de-se  concluir  dahi  quc  os  ditos  orgäos 
näo  foram  herdados  do  progenitor  commun  da  familia,  mas  sim  adquiridos  poste- 
riormente  pelas  varias  especies  quo  hoje  gozam  destes  attractivos  sexuaes. 


Explica^äo  das  Figuras  da  Estampa  XLVIII. 

Fig.   I.  —  Perna  anterior  do  macho  de  uma  pequena  Erebidea,  augmentada  5  vezes 

—  a  —  pellos  louros  guamecendo  a  margem  do  femur  —  b  —  pincel  de  pellos  pretos 
implantados  na  base  da  tibia,  recolhido  na  gotteira  formada  pelos  pellos  do  femur. 

Fig.  2.  —  A  mesma  perna  com  o  pincel  odorifero  eri^ado. 

As  figuras  3  ate   12   referem-se  a  outra  especie  de  Erebideas. 

Fig.  3.  —  Perna  posterior  direita  do  macho. 

Fig.  4.  —  Perna  media  esquerda  da  femea. 

Fig.  5.  —  Perna  media  equerda  do  macho,  vista  do  lado  ventral. 

Fig.  6.  —  A  mesma,  vista  do  lado  dorsal. 

Fig.  7.  —  A  mesma,  pista  da  margem  anterior  ou  superior  do  femur  —  d  —  lado 
dorsal  —  v  —  lado  ventral. 

Fig.  8.  —  Perna  media  direita  do  macho,  vista  do  lado  dorsal,  depois  de  removidas 
as  escamas  odoriferas  —  a  —  escamas  —  b  —  pellos  que  guarnecem  as  margens  do 
femur,  protegendo  e  abrindo  as  escamas  odoriferas.  As  figuras  3  ate  8  säo  augmentadas 
2  vezes. 

Fig.  9.  —  Sec(;äo  transversal  do  orgäo  odorifero,  augmentada  5  vezes.  —  a  —  femur 

—  b  —  escamas  odoriferas  —  c  —  escamas  protectoras  —  d  —  pellos. 

Fig.   IG.  —  Escamas  pillosas  do  femur  das  pernas  medias  da  femea. 

Fig.  11.^ — •  Escamas  odoriferas,  cobrindo  o  lado  dorsal  do  femur  das  pernas  medias 
no  sexo  masculino. 

Fig.  12.  —  a  —  escamas  interiores  ovaes  —  b  —  escamas  pecioladas  —  c  — 
escamas  pillosas  —  d  —  pellos  da  orladura  que  protege  as  escamas  odoriferas.  As  fi- 
guras  IG  ate   12  säo  augmentadas   15  vezes. 


Tischgenossenschaft  zweier  Raupen^). 

Aus  einem  Briefe  an  Hermann  Müller  in  Lippstadt. 

Ich  habe  kürzlich  an  Raupen  einen  hübschen  Fall  von  „Commensalismus"' 
kennen  gelernt.  Mein  Freund  Scheidemantel  hat  versucht,  die  Thicre  in 
natürlicher  Grösse   zu   photographiren    und   ich   lege  Dir  einige  dieser  Bilder  bei. 

Die  grössere  Raupe  mit  rothem  Kopf  und  durch  lange,  ästige  Brennhaarc 
oder  sonst  gegen  Feinde  geschützt,  lebt  auf  Maulbeer-  und  anderen  Bäumen. 
Wie  andere,  durch  Geruch,  Brennhaare  oder  sonst  gegen  Feinde  geschützte 
Raupen,  sitzt  sie  auf  der  Oberseite  der  Blätter  und  ist  hell  gefärbt;  der  Kopf 
roth,  die  Haare  weiss.  Quer  über  ihrem  Rücken  zwischen  ihren  Dornen  und 
jedenfalls  durch  diese  sich  schützend,  sitzt  nun  eine  kleine  schwärzliche  Raupe. 
—  Ich  nahm  dieselbe  ab,  aber  sie  suchte  sich  bald  wieder  denselben  Platz.  Um 
sie  photographiren  zu  können,  wurde  die  grössere  Raupe  mit  Aether  betäubt, 
sie  erholte  sich  wieder  etwas,  ist  aber  doch  heute  (nach  zwei  Tagen)  in  Folge 
davon  gestorben.  Die  kleinere  Raupe  hat  nun  ihren  Platz  verlassen  und  bei 
einer  zweiten  in  derselben  Schachtel  befindlichen  Raupe  Zuflucht  gesucht,  wo  sie 
etwas  weiter  nach  vorn,  am  Anfang  des  Hinterleibes  sitzt.  Bei  ihrem  früheren 
Wirth  sieht  die  Stelle,  wo  sie  gesessen,  blass  und  wie  abgescheuert  aus.  Die 
kleine  Raupe  frisst  von  oben  her  kleine  Löcher  in  das  Blatt,  auf  dem  die  grössere 
sitzt.  —  Hoffentlich  werden  sich  beiderlei  Raupen  zu  Schmetterlingen  entwickeln. 
Meines  Wissens  ist  ein  ähnlicher  FaU  bis  jetzt  noch  nicht  beobachtet  worden. 

Blumenau,  22.  October  1876. 

i)  Zoolog.  Garten  1877.  18.  Jahrg.  S.  67, 


Der  Minhocäo^). 


Auf  dem  Hochlande  der  südlichen  Provinzen  Brasiliens,  dem  Quellgebiet 
des  Uruguay  und  Paranä,  hört  man  von  einem  wunderbaren,  unter  der  Erde 
lebenden  Riesenthiere  erzählen,  welches  dort  Minhocäo  genannt  wird. 

Minhocäo  ist  das  Vergrösserungswort  von  Minhoca,  Regenwurm,  lässt 
sich  also  mit  Riesenregenwurm  übersetzen. 

Was  man  von  diesem  Minhocäo  erzählt,  klingt  grossentheils  so  unglaublich, 
dass  man  sich  versucht  fühlt,  es  ohne  Weiteres  als  leere  Fabelei  zu  betrachten. 
Wer  sollte  nicht  ungläubig  lächeln,  wenn  er  von  einem  30  Klafter  langen, 
3  Klafter  dicken  Wurme  hört,  der  von  festem  Knochenpanzer  umgürtet,  gewaltige 
Fichtenstämme  (Araucaria  brasiliensis)  wie  Grashalme  zur  Seite  biegt  oder  um- 
stürzt, der  Bäche  in  neue  Bahnen  lenkt,  hier  trockenes  Land  zu  unergründlichem 
Sumpf  zerwühlt,  dort,  Abzugsgräben  bildend,  Sümpfe  trocken  legt,  durch  die  er 
seinen  Weg  nimmt? 

Und  doch  wird  man  bei  unbefangener  Prüfung  der  verschiedenen  Angaben 
über  den  Minhocäo  kaum  der  Ueberzeugung  sich  verschliessen  können,  dass  wirk- 
lich in  den  ausgedehnten  Sümpfen,  welche  den  Lauf  vieler  kleinerer  Zuflüsse  der 
genannten  Ströme  begleiten,  ein  solches  Thier  von  ungewöhnlicher  Grösse  hause, 
mag  auch  diese  Grösse  auf  ein  weit  bescheideneres  Maass  zurückzuführen  sein,  als 
zu  dem  sie  der  dem  Wunderbaren  holde  Volksmund  aufzubauschen  liebt. 

Vor  etwa  acht  Jahren  zeigte  sich  ein  Minhocäo  in  der  Nähe  der  Stadt  L  a  g  e  s. 
Francisco  de  Amaral  Varella,  in  Baguaes  wohnhaft,  sah  auf  einer  Reise 
nach  oder  von  Lagos,  etwa  10  Kilometer  von  dieser  Stadt,  am  Ufer  des  Rio 
das  Caveiras  ein  ihm  unbekanntes  Thier  von  riesiger  Grösse  liegen,  fast  einem 
Meter  dick,  doch  nicht  sehr  lang,  mit  einem  Schweinsrüssel;  ob  es  Beine  habe, 
sah  er  nicht.  Er  wagte  nicht,  allein  dasselbe  anzugreifen;  als  herbeigerufene 
Nachbarn  zur  Stelle  kamen,  war  es  bereits  verschwunden,  doch  nicht  ohne  eine 
bleibende  Spur  zu  hinterlassen.  Unter  dem  Boden  hinwühlend,  hatte  es  die  Erde 
über  sich  gelockert  und  diese  war  hinter  ihm  eingestürzt  und  so  ein  ziemlich  tiefer, 
etwa  einen  Meter  breiter  Graben  entstanden.  Ein  ähnlicher  Graben,  —  ob  von  dem- 
selben Thiere  herrührend?  —  zeigte  sich  einige  Wochen  später  auf  der  entgegen- 
gesetzten   Seite    der   Stadt,    etwa   6    Kilometer   von   ihr  («ntfernt.     Der  Weg   des 

1)  Zoolog.  Garten   1877.  S.  298 — 302. 


Der  Minhocäo.  c6q 

Thieres  führte  hier  unter  den  Wurzeln  einer  grossen  Fichte  hindurch  und  soll  sich 
in  einem  Sumpfe  verloren  haben.  —  Herr  Friedrich  Kelling,  dem  ich  diese 
Mittheilung-  danke,  lebte  damals  als  Kaufmann  in  Lages  und  sah  selbst  den  vom 
Minhocäo  aufgewühlten  Graben. 

Auf  einer  seiner  mühevollen  Reisen  zur  Ermittelurig  einer  Wegelinie  von 
Itajahy  nach  dem  Hochlande  der  Provinz  Santa  Catharina  kam  vor  mehreren 
Jahren  Herr  Emil  Odebrccht  in  eine  breite  sumpfige  Ebene,  welche  von  einem 
Arme  des  Marombas  durchflössen  wird.  Sein  Vordringen  in  diesem  Sumpf- 
lande wurde  sehr  erschwert  durch  schlangenartig  gewundene  Gräben,  die  sich  in 
der  Nähe  des  Flusses  hinzogen  und  hif^  und  da  mit  dc^mselben  yi  Verbindung 
standen;  dieselben  waren  zu  breit,  um  einfach  überschritten,  doch  schmal  genug, 
um  übersprungen  zu  werden,  also  etwa  von  gleicher  Breite,  wie  der  Graben,  den 
Herr  Kelling  bei  Lages  sah.  Herr  Odebrecht  wußte  sich  damals  die  Ent- 
stehung dieser  Gräben  in  keiner  Weise  zu  erklären,  ist  aber  jetzt  geneigt,  die- 
selben von  einem  den  Sumpf  durchwühlenden  Minhocäo  herzuleiten. 

Vor  etwa  14  Jahren,  im  Monat  Januar,  war  Antonio  Jose  Branco  mit 
seiner  ganzen  Familie  acht  Tage  von  seiner  Wohnung  abwesend,  die  etwa  10  Kilo- 
meter von  Curitibanos  in  der  Nähe  eines  dem  Rio  dos  Cachorros  zu- 
fliessenden  Baches  liegt.  Bei  der  Heimkehr  fanden  sie  ihren  Weg  unterwühlt, 
Erdschollen  seitwärts  aufgeworfen,  das  unterwühlte  Erdreich  eingestürzt.  Der  so  ge- 
bildete Graben  begann  an  der  Quelle  eines  Baches,  dem  er  bald  folgte,  bald  ihn  verliess, 
Biegungen  desselben  abschneidend,  und  endete  nach  700  bis  1000  Meter  in  einem 
Sumpfe.  Die  Breite  des  Grabens  soll  etwa  3  Meter  betragen.  Der  Bach  folgt 
seit  jener  Zeit  dem  vom  Minhocäo  gebahnten  Wege.  Der  Weg  des  Thieres  ist 
meist  unter  der  Erde  und  unter  dem  Bette  des  Baches  hingegangen ;  verschiedene 
Fichten  wurden  umgestürzt  und  brachen  beim  Niederfallen  auf  den  unebenen 
Boden.  Eine  dicke  Fichte,  an  welcher  der  Minhocäo  im  Vorbeigleiten  die  Rinde 
bis  aufs  Holz  durchgescheuert,  soll  noch  im  vorigen  Jahre  gestanden  haben  und 
noch  jetzt,  umgestürzt,  zu  sehen  sein.  —  Zahlreich  sind  damals  die  Nachbarn,  be- 
sonders die  Bewohner  von  Curitibanos  herbeigeeilt,  um  sich  die  durch  den 
Minhocäo  angerichteten  Verwüstungen  anzusehen.  Man  vermuthet,  derselbe  lebe 
noch  jetzt  in  dem  Sumpfe,  dessen  Wasser  sich  zu  Zeiten  ohne  erkennbare  Ursache 
plötzlich  trüben  soll;  ja,  man  will  in  stillen  Nächten  bisweilen  im  Sumpfe  ein 
dumpfes  Grollen,  wie  von  fernem  Donner,  hören  und  ein  leichtes  Erzittern  des 
Bodens  in  dem  nahen  Hause  spüren !  ?  —  Ich  hörte  über  diesen  Fall  zwei  Augen- 
zeugen, einen  Sohn,  Jose,  des  alten  Branco,  der  noch  jetzt  bei  seinem  Vater 
wohnt,  und  einen  Schwiegersohn,  Crescentio  Fernando  da  Maia,  der  vor 
[4  Jahren  ebenfalls  in  dessen  Hause  lebte.  —  Bemerken  will  ich  noch,  dass  dem 
Erscheinen  des  Minhocäo  längeres  Regenwetter  vorausging. 

In  der  Nähe  des  Rio  dos  Papagaios,  eines  Zuflusses  des  Iguassü  in 
der  Provinz  Parana  hörte  man  eines  Abends  (ums  Jahr  184g),  nach  längerem 
Regenwetter  im  Hause  eines  gewissen  Joäo  de  Deos  ein  Geräusch,  wie  wenn 
es  im  nahen  Walde  wieder  regnete,  sah  abcT  beim  Iliniiusblicken  sternenhellen 
Himmel.  Am  folgenden  Morgen  fand  man  jenscMts  eines  kleinen  Hügels  ein 
grosses  Stück  Landes  völlig  durchwühlt  und  von  einigen  tiefen  Gräben  durch- 
zogen; die  Gräben  führten  zu  einer  von  grossen  flachen,  nackten  Steinplatten  be- 


rjQ  Der  Miiihocäo. 

deckten  Stelle,  einem  sogenannten  Lageado,  auf  welchem  grosse  Schollen  des 
weisslichrothen  Thones,  aus  dem  das  zuvor  durchwühlte  Erdreich  bestand,  den 
weiteren  Weg  bezeichneten.  Derselbe  ging  von  dem  Lageado  in  das  durch 
Felswände  eingeengte  Bett  eines  Baches,  rechts  und  links  an  diesen  Wänden 
Thonspuren  zurücklassend  und  endete  an  einer  steilen  Felswand,  über  die  der 
Bach  in  einen  weiten  tiefen  Kessel  hinabstürzt,  um  sich  bald  mit  dem  Papa- 
gaios  zu  vereinigen,  welcher  14  Tage  lang  bis  zu  seiner  nahen  Mündung  in  den 
Iguassü  sich  trübe  zeigte. 

Drei  Jahre  später  besuchte  Herr  Lebino  Jose  dos  San  tos,  jetzt  als 
wohlliabender  Gutsbesitzer  in  Guarda-mor  bei  Curitibanos  lebend,  diese 
Gegend.  Er  sah  noch  das  durchwühlte  Feld,  die  Erdschollen  auf  den  Felsplatten 
und  die  Thonspuren  in  dem  felsigen  Bette  des  Baches  sehr  deutlich;  er  glaubte 
aus  diesen  verschiedenen  Spuren  schliessen  zu  müssen,  dass  dieselben  von  zwei 
Thieren  herrührten,  deren  Dicke  er  auf  2  bis  3  Meter  schätzte. 

In  derselben  Gegend  war  übrigens,  wie  mir  Senhor  Lebino  erzählt,  schon 
früher  wiederholt  der  Minhocäo  gesehen  worden.  In  der  Nähe  eines  Hauses  be- 
fand sich  ein  Tümpel,  aus  dem  man  den  Wasserbedarf  fürs  Haus  holte.  Man 
hatte  bemerkt,  dass  das  Wasser  durch  vom  Grunde  aufgewühlten  Sand  bisweilen 
getrübt  und  unbrauchbar  gemacht  wurde.  Eines  Morgens  nun  wollte  eine 
Schwarze  Wasser  holen,  fand  aber  den  ganzen  Tümpel  zerstört  und  sah  in 
einiger  Entfernung  ein  Thier  „so  gross  wie  ein  Haus"  sich  am  Boden  fort- 
bewegen. Sie  lief  mit  der  wunderbaren  Kunde  heim;  die  herbeieilenden  Be- 
wohner fanden  aber  nur  noch  den  durchwühlten  Boden  als  Spur  des  Thieres,  das 
sich  bereits  über  eine  nahe  Felswand  in  ein  tiefes  Wasser  hinabgestürzt  hatte.  — 
Ein  junger  Mann  sah  in  derselben  Gegend  plötzlich  auf  dem  Felde  eine  grosse 
Fichte  umstürzen.  Es  war  windstill,  auch  hatte  er  Niemand  hacken  hören ;  er  lief 
also  hin,  die  Ursache  des  Sturzes  zu  erkunden.  Da  sah  er  die  ganze  Erde  in 
Bewegung  und  aus  ihr  hervorbrechend  ein  riesiges,  wurmähnliches  schwarzes 
Thier,  „dicker  als  die  dickste  Fichte,  nicht  länger  als  ein  Lasso"  (etwa  25  Meter), 
mit  zwei  beweglichen,  dem  Leibe  sich  anschmiegenden  Hörnern  am  Kopfe. 

In  der  Provinz  Säo  Paulo,  —  auch  hierfür  ist  Senhor  Lebino  mein  Ge- 
währsmann, —  ist  nicht  weit  von  Ypanema  auf  dem  Campo  do  Tinga  ein 
Ort,  der  noch  heute  Charquinho,  d.  h.  kleiner  Sumpf,  heisst,  weil  ein  solcher 
früher  da  bestanden.  Aber  vor  Jahren  wühlte  bei  nassem  Wetter  ein  Minhocäo 
einen  Graben  durch  den  Sumpf  nach  dem  nahen  Flusse  und  verwandelte  ihn  so 
in  einen  dem  Ypanema  zufliessenden  Bach. 

Im  Jahre  1849  kam  Senhor  Lebino  auf  einer  Reise  in  die  Nähe  des  Ar a- 
pehy  im  Staate  Uruguay.  Dort  erzählte  man  ihm,  dass  wenige  Meilen  von 
seinem  Lagerplatze  ein  todter  Minhocäo  zu  sehen  sei.  Derselbe  sei  in  eine  sich 
allmählich  verengende  Felsenschlucht  gerathen,  habe  sich  da  festgeklemmt  und  so 
seinen  Tod  gefunden.  Seine  Haut  sei  so  dick  wie  die  Rinde  einer  Fichte  und  aus 
harten  Schildern  gebildet  wie  die  eines  Gürtelthieres. 

Als  ziemlich  sichere  Thatsache  lässt  sich  aus  den  vorstehend  mitgetheilten 
und  ähnlichen  Berichten  wohl  nur  das  entnehmen,  dass  bisweilen  im  Quellgebiet  des 
Uruguay  und  des  P  a  r  a  n  a  weithin  sich  erstreckende  Gräben  aufgeworfen  werden, 
die  kaum  einer  anderen  Ursache  als  dem  Wühlen  eines  grossen  Thieres  sich  zu- 


Der  Minhocäo. 


571 


schreiben  lassen.  Dies  scheint  besonders,  wenn  nicht  immer,  nach  längerem  Regen 
zu  geschehen.  Die  Gräben  scheinen  stets  von  Sümpfen  oder  Flüssen  auszugehen 
und  wieder  in  solche  auszulaufen.  Die  ebenso  dürftigen  als  unzuverlässigen  An- 
gaben über  das  Thier  lassen  vollständig  über  seine  Gestalt  und  selbst  über  seine 
Grösse  im  Unklaren.  Doch  wird  man  wohl  in  ihm  einen  riesigem  Lurchfisch, 
einen  Vetter  von  Lepidosiren  und  Ceratodus  vermuthen  dürfen.  Der 
„Schweinsrüssel"  dürfte  auf  eine  dem  Ceratodus  ähnliche  Kopfbildung,  die 
dem  Leibe  sich  anlegenden  „Hörner"  auf  ähnliche  Vordergliedmaassen,  wie  sie 
Lepidosiren  besitzt,  hindeuten,  wenn  nur  eben  diese  Angaben  selbst  auf  irgend 
welches  Vertrauen  Anspruch  machen  könnten. 

Jedenfalls  wird  es  der  Mühe  werth  sein,  dem  Minhocäo  weiter  nachzuspüren 
und  ihn  wo  möglich  für  einen  zoologischen  Garten  einzufangen. 


Nectar  absondernde  Drüsen^). 

(Brief  an  Fr,  Darwin  und  Erwiderung.) 

I  have  briefly  described  in  vol.  XV.  of  the  Linnsean  Society's  Journal,  tho 
nectar-glands  found  at  the  base  of  the  fronds  of  the  brake  fern  {Pteris  aqiiüina) 
which  are  visited  by  ants  for  the  sake  of  their  sweet  secretion.  This  case  seemed 
to  me  to  show  in  a  striking  manner  that  extra-floral  nectar-glands  are  not 
necessarily  protective  in  function,  because  the  fern  has,  in  England  at  least,  cx- 
tremely  few  enemies.  The  following  extract  of  a  letter  lately  received  from  Fritz 
Müller  (of  St.  Catharina,  Brazil)  is  of  considerable  interest  in  relation  to  this  sub- 
ject.     He   States   that 

"the  honey-glands  on  our  Pteris  aquilina  serve,  without  doubt,  to  protect 
the  fcrns  from  the  depredations  of  the  leaf-cutting  ants  (OLcodoma),  as  is  the  case 
with  Passiflora,  Luffa,  and  many  other  plants,  The  glands  of  the  Pteris  are 
eagerly  visited  by  a  small  black  ant,  Crematogaster,  of  which  the  (Ecodoma 
seems  to  stand  in  great  dread.  On  the  other  band,  when  no  protecting  ants  are 
present,  I  have  seen  (Ecodoma  gnawing  the  young  fronds;  here,  as  in  other  cases, 
it  is  only  the  young  leaves  that  stand  in  need  of  protection,  the  older  ones  not 
being  attacked  by  the  leaf-cutting  ants." 

This  fact  might,  no  doubt,  be  used  as  an  argument  by  those  who  believe 
that  all  nectar-glands  were  originally  developed  as  protective  organs,  and  this 
argument  would  have  great  force  if  it  could  be  shown  that  Pteris  aquilina  is  a 
form  which  has  arisen  in  countries  where  protection  is  needed;  but  even  in  that 
case  there  would  remain  the  difficulty  of  accounting  for  the  continued  functional 
activity  of  the  glands  in  districts  where  no  such  protection  is  required.  Or 
it  may  be  said  that  in  past  agcs  the  glands  on  our  European  Pteris  served 
as  a  protection  against  enemies  which  have  now  become  extinct.  But  here  we 
are  again  met  by  the  difficulty  of  accounting  for  the  continued  activity  of 
the  glands.  It  is  characteristic  of  evolution  that  great  changes  occur  in  the 
functions  of  organs,  and  1  think  that  it  will  generally  be  allowed  that  even 
the    the    most    beautifully    adapted  apparatus  must  hav(3  originated   in    an   organ 


i)  Nature   1877.  Bd.   XVI.  p.    100  u.    122. 


Nectar  absondernde  Drüsen. 


573 


performing  some  comparatively  simple  function.  The  question  at  issue  may 
perhaps  be  stated  as  foUows:  —  In  the  cases  where  the  nectar-glands  are 
now  well  developed  has  there  been  a  special  course  of  structural  dcvelopmcnt  in 
close  relation  with  the  need  of  the  plant  for  protection  ?  Has  there  been  a  course 
of  evolution  such  as  we  may  bclicve  has  taken  place  in  the  formation  of  the 
food-bodies  in  Acacia  sphcerocephala  and  Cecropia  peltata,  or  should  we  not 
rather  believe  that  the  sweet  secretion  has  been  developed  in  connection  with 
some  unknown  process  of  nutrition ;  according  to  this  view,  a  well  developed 
System  of  glands  may  continue  merely  performing  some  obscure  excretory  function, 
and  consequently,  although  the  presence  of  nectar-glands  has  undoubtedly  been 
of  the  utmost  importance  in  determining  the  survival  of  ccrtain  species,  yet  it  is 
hardly  fair  to  assume  that  all  nectar  glands  were  originally  protective  in  function. 
For  many  plants  secrete  large  quantities  of  sweet  fluid,  which  serves  no  such 
purpose.  This  argument  is  given  by  my  father  in  his  "Effects  of  Gross  and  Self- 
Fertilisation"  (p.  402).  In  addition  to  the  facts  there  given  in  support  of  this  view 
a  curious  case  described  by  Prof.  H.  Hoffmann  may  be  mentioned  ("Ueber  Honig- 
thau,"  1876).  He  states  that  numerous  large  drops  of  sweetish  fluid  appeared  on 
the  under-surface  of  the  young  leaves  of  a  camellia.  He  also  alludes  to  a  similar 
abnormal  production  of  honey-dew  on  an  ivy  plant. 

In  the  case  of  introduced  plants,  we  see  how  an  already  existing  quahty 
may,  without  any  special  course  of  development,  become  of  vital  importance  to 
its  possessor.  Thus,  Mr.  Belt  shows  ("Naturahst  in  Nicaragua,"  p.  74)  that  the 
lime,  Citrus  limoiium,  is  able  to  exist  in  a  wild  State,  because  its  leaves  are,  from 
some  unknown  reason,  distasteful  to  the  leaf-cutting  ants;  whereas  the  orange, 
C.  aurantium,  and  the  citron,  C.  medica,  can  only  survive  with  the  help  of  man. 
Fritz  Müller  concludes  his  letter  with  some  curious  facts  on  kindred  subjccts :  — 
"The  extreme  variabihty  of  the  nectar-glands  on  the  leaves  of  many  plants, 
is  a  somewhat  remarkable  fact.  Thus  our  Citharexylon  has  normally  two  large 
glands  at  the  base  of  the  leaves,  but  sometimes  there  is  only  one,  and  sometimes 
none  at  all ;  besides  these  there  are  smaU  glands  scattered  over  the  surface  of  the 
leaf,  the  number  of  which  varies  from  twent}^  to  none.  Similar  variations  occur 
in  the  nectar-glands  of  Alchornea  erythrospermum,  and  of  a  Xanthoxylon.  It 
seems  to  me  probable  that  in  all  the  cases  at  present  known,  these  glands  serve 
to  attract  protecting  ants ;  and  I  here  agree  with  Delpino,  although  I  do  not  hold 
with  him  that  caterpillars  are  the  chief  enemies  which  are  guarded  against  by 
Pheidole  and  Crematogaster;  but  I  think  with  Belt  tliat  these  latter  ants  protcct 
the  plant  against  the  leaf-cutting  species.  Indeed  it  is  precisely  those  plants 
which  are  free  from  the  attacks  of  ants  that  seem  to  be  especially  well  fitted  for 
caterpillars.  Thus  the  larvse  of  Gynaeria  live  on  Cecropia  peltata,  those  of  Epi- 
calia  mifiiilia  on  Alchornea  erythrospermum.  On  the  Cayieii  (?)  whose  leaves 
are  furnished  with  nectar-glands,  and  are  visited  by  protecting  ants,  the  cater- 
pillars of  manv  species  of  Callidryas  are  found.  FinaUy,  as  far  as  I  know,  all  the 
larvse  of  the  genus  Heliconius  feed  on  Passiflora.  Moreover,  the  same  relation 
holds  in  the  case  of  plants  protected  in  other  ways,  for  instance,  by  stinging  hairs 
or  by  poisonous  sap.  How  numerous  are  the  larvae  found  on  the  European 
stinging-nettle.     In   thi^   country   we   find   the   caterpillars   of  'Ageronien'   on  the 


--.  ,  Ncctar  absondernde  Drüsen. 

0/4 

stinging  Dalechampia ;    and    again   those  of  some  species  of  Danais  on  Asclepias, 
which  is  protected  by  its  milky  juice." 

Down,  Beckenham,  May  21    1877.  Francis  Darwin. 


Mr.  Francis  Darwin  has  made  an  interesting  addition  to  his  important  disco- 
\cvy  of  nectar-bearing  glands  on  the  young  fronds  of  Ptet'is  aqidlina,  supplied 
from  the  ever-welcome  expericnce  of  Mr.  Fritz  Müller.  The  latter  gentlcman 
finds  that  in  Brazil  the  Pteris  aquüina  is  protected  from  the  leaf-cutting  ants  by 
those  attracted  to  the  nectar,  and  Mr.  Darwin  adds  some  speculations  on  the  origin 
of  the  glands  and  their  continued  functional  activity  in  Europe  where  they  now 
appear  to  be  useless.  On  this  part  of  the  question  I  should  like  to  make  the 
foUowing  remarks:  — 

Prof.  Heer  has  shown  that  in  the  Miocene  plant-beds  at  Qiningen  and 
Radoboj,  ants  are  the  most  numerous  amongst  the  fossil  insects,  and  in  1849  as 
many  as  sixty-six  species  had  been  described  from  thcse  two  localities.  In  1865 
the  number  found  at  CEningen  alone  is  recorded  as  forty-four.  I  do  not  know 
what  the  total  number  of  species  is  that  have  been  recorded  from  the  two  places 
up  to  the  present  time,  but  it  probably  does  not  fall  short  of  cighty.  Amongst 
the  fossil  ants  from  Radoboj  there  are  spezies  of  the  Tropical  American  genera 
Atta  and  Ponera.  One  of  the  fossil  species  of  Atta  resembles  in  general  form 
and  in  the  venation  of  the  wings  the  curious  Atta  cephalotes  of  Tropical  America. 

As  there  are  only  about  forty  species  of  ants  existing  now  in  the  whole 
of  Europe  it  is  evident  that  in  the  Miocene  epoch  they  must  have  played  a 
much  more  important  part  in  Europe  than  they  do  now.  Plants  may  then 
have  been  exposed  to  the  attacks  of  ennemies  that  have  become  extinct  along 
with  the  general  impoverishment  of  the  fauna  and  flora  of  Europe  that  took 
place  in  Post-pliocene  times;  and  the  protection  afforded  by  ants  attracted  to 
the  nectar-bearing  glands  at  the  critical  stage  of  the  unfolding  of  the  young 
and  tender  leaves  may  have  been  as  important  to  some  plants  in  Europe,  then, 
as  it  is  to  many  in  Tropical  America  now. 

With  regard  to  the  persistency  of  the  nectar-producing  glands  up  to  the 
present  time  in  Europe,  it  is  to  be  remarked  that  many  plants  are  identical  with 
those  living  in  the  Miocene  period  and  the  world-wide  distribution  of  Pteris  aqui- 
lina  seems  to  indicate  that  it  is  of  very  ancient  origin.  If  a  plant  has  not  other- 
wise  varied  there  is  no  reason  apparent  why  it  should  do  so  in  this  respect  so 
long  as  the  secretion  of  nectar  is  not  positively  injurious  to  it.  I  have  recently 
noticed  in  my  garden  that  the  ants  that  attend  the  glands  at  the  bases  of  the 
leaves  of  the  cherry,  the  plum,  the  peach,  and  the  apricot,  stroke  with  their 
antennse  some  of  the  glands  that  are  not  excreting  when  they  arrive  at  them,  just 
as  they  do  the  bodies  of  the  aphides.  I  have  not  actually  noticed  that  this  pro- 
motes  a  flow  of  nectar,  but  ever  since  I  became  a  disciple  of  Darwin  I  have 
been  convinced  that  the  most  trivial  circumstance  is  worthy  of  notice ;  and  it  may 
be  that  the  slight  irritation  of  the  glands  kept  up  by  the  ants  is  sufficient  to 
ensure  the  perpetuation  of  a  function  of  the  plant  now  useless  to  itself.  It  is, 
however,  perhaps   too    soon  to  assume  that  the  glands  are  entiroly  useless  to  the 


Ncctar  absondernde  Drüsen. 


575 


plants  in  Europe.  Darwin  states  that  there  is  good  cvidencc  that  thc  absence  of 
glands  in  the  leavcs  of  peachcs,  ncctarines,  and  apricots  leads  to  mildew  ("Animals 
and  Plants  under  Domestication,"  vol.  IL  p.  231). 

Darwin  refers  at  the  same  place  to  the  variations  of  the  glands  of  the  leaves 
in  the  abovc-mentioncd  fruit  trees  and  1  may  add  that  they  are  extremety  variable 
on  the  cherry,  being  sometimes  absent,  sonK^times  on  the  stalk  and  sometimes  on 
the  blade  of  the  leaf.  The  young  leaf  in  its  earliest  stage,  before  it  expands,  has 
a  complete  fringe  of  them,  thus  bearing  out  Mr.  Francis  Darwin's  theory  that  the 
are  homologous  with  thi^  serration-glands  of  Reinke. 

May  I  suggest  to  souk^  of  your  corespondents  that  information  as  to  how 
far  north  in  Great  Britain  or  in  Europe  the  glands  on  the  above  fruit  trees  are 
attended  by  ants  and  especially  if  thc  wild  cherry  (which  I  have  not  had  an 
opportunity  of  observing)  is  so  attended,  would  be  of  great  interest. 

Cornwall  House,  Ealing,  June  8   1877.  Thomas  Bclt. 


Ueber  Blumen  und  Insecten^). 

Brief  F.  Müllers    an  Ch.  Darwin    mit  einleitender  Bemerkung  des  letzteren. 

The  enclosed  letter  from  that  excellent  observer,  Fritz  Müller,  contains  some 
miscellaneous  observations  on  certain  plants  and  insects  of  South  Brazil,  which 
are  so  new  and  curious  that  they  will  probably  interest  your  naturalist  readers. 
With  respect  to  his  case  of  bees  getting  their  abdomens  dusted  with  poUen  while 
gnawing  the  glands  on  the  calyx  of  one  of  the  Malpighiacese,  and  thus  effecting 
the  cross-fertilisation  of  the  flowers,  I  will  remark  that  this  case  is  closely  analogous 
to  that  of  Coronilla  recorded  by  Mr.  Farrer  in  your  Journal  some  years  ago,  in 
which  parts  of  the  flowers  have  been  greatly  modified,  so  that  bees  may  act  as 
fertilisers  while  sucking  the  secretion  on  the  outside  of  the  calyx.  The  case  is 
interesting  in  another  way.  My  son  Francis  has  shown  that  the  food-bodies  of 
the  Bull's-horn  Acacia,  which  are  consumed  by  the  ants  that  protect  the  tree  from 
its  enemies  (as  described  by  Mr.  Belt),  consist  of  modified  glands;  and  he  suggests 
that  aboriginally  the  ants  licked  a  secretion  from  the  glands,  but  that  at  a  sub- 
sequent  period  the  glands  were  rendered  more  nutritious  and  attractive  by  the 
retention  of  the  secretion  and  other  changes,  and  that  they  were  then  devoured 
by  the  ants.  But  my  son  could  advance  no  case  of  glands  being  thus  gnawed 
or  devoured  by  insects,  and  here  we  have  an  example. 

With  respect  to  Solanum  palinacanthum,  which  bears  two  kinds  of  flowers 
on  the  same  plant,  one  whith  a  long  style  and  large  stigma,  the  other  with  a 
Short  style  and  small  stigma,  I  think  more  evidence  is  requisite  before  this  species 
can  be  considered  as  truly  heterostyled,  for  I  find  that  the  poUen-grains  from  the 
two  forms  do  not  differ  in  diameter.  Theoretically  it  would  be  a  great  anomaly 
if  flowers  on  the  same  plant  were  functionally  heterostyled,  for  this  structure  is 
evidently  adapted  to  insure  the  cross-fertilisation  of  distinct  plants.  Is  it  not  more 
probable  that  the  case  is  merely  one  of  the  same  plant  bearing  male  flowers 
through  partial  abortion,  together  with  the  original  hermaphrodite  flowers?  Fritz 
Müller  justl}'  expresses  surprise  at  Mr.  Leggett's  suspicion  that  the  difference  in 
length  of  the  pistil  in  the  flowers  of  Poniederia  cor  data  of  the  United  States  is 
due  to  difference  of  age;    but  since  the  publication  of  my  book  Mr.  Leggett  has 


I)  Nature   1877.  Bd.  XVIT.  S.  78,  79. 


Ueber  Blumen  und  Insecten.  sy, 

fuUy  admitted,  in  the  Bulletin  of  the  Torrey  Botanical  Club,  that  this  species  is 
truly  heterostyled  and  trimorphic.  The  last  point  on  which  I  wish  to  remark  is 
the  difference  between  the  males  and  females  of  certain  butterflies  in  the  neuration 
of  the  wings,  and  in  the  presence  of  tufts  of  peculiarly-formed  scales.  An  American 
naturalist  has  recently  advanced  this  case  as  one  that  cannot  possibly  be  accounted 
for  by  sexual  selection.  Consequently,  Fritz  Müller's  observations  which  have 
been  published  in  füll  in  a  recent  number  of  Kosmos,  are  to  me  highly  interesting, 
and  in  themselves  highly  remarkable. 

Down,  Beckenham,  Kent,  November  21.  Ch.  Darwin. 

You  mention  ("Different  Forms  of  Flowers,"  page  331),  the  deficiency  of 
glands  on  the  calyx  of  the  cleistogamic  flowers  of  several  Malpighiaceae,  sug- 
gesting,  in  accordance  with  Kerner's  views,  that  this  deficiency  may  be  accounted 
for  by  the  cleistogamic  flowers  not  requiring  any  protection  from  crawling  insects. 
Now  I  have  some  doubt  whether  the  glands  of  the  calyx  of  the  Malpighiaceae 
serve  at  all  as  a  protection.  At  least,  in  the  one  species,  the  fertilisation  of  which 
I  have  very  often  witnessed,  they  do  not.  This  species,  Bunchosia  Gaudichaudiana, 
is  regularly  visited  by  several  bees  belonging  to  the  genera  Tetrapedia  and  Epi- 
charis.  These  bees  sit  down  on  the  flowers  gnawing  the  glands  on  the  outside 
of  the  cal3rx,  and  in  doing  so  the  under  side  of  their  body  is  dusted  with  pollen, 
by  which,  afterwards,  others  flowers  are  fertilised. 

There  are  here  some  species  of  Solanum  (for  instance  .S".  palinacanthiun) 
bearing  on  the  same  plant  long-styled  and  short  styled  flowers.  The  short-styled 
have  papillae  on  the  Stigma  and  apparently  normal  ovules  in  the  ovary,  but  not- 
withstanding  they  are  male  in  function,  for  they  are  exclusively  visited  by  pollen- 
gathering  bees  (Melipona,  Euglossa,  Augochlora,  Megacilissa,  Eophila,  n.  g.,  and 
others),  and  these  would  probably  never  insert  their  proboscis  between  the 
stamens. 

In  a  few  months  I  hope  to  be  able  to  send  you  seeds  of  our  white-flowered 
violet  with  subterranean  cleistogamic  flowers.  I  was  surprised  at  finding  that  on 
the  Serra  (about  iioometres  above  the  sea)  this  violet  produced  abundant  normal 
fruits  as  well  as  subterranean  ones,  while  at  the  foot  of  de  Serra,  though  it  had 
flowered  profusely,  I  could  not  find  a  singe  normal  fruit,  and  subterranean  ones 
were  extremely  scarce. 

According  to  Delpino  the  changing  colours  of  certain  flowers  would  serve 
to  show  to  the  visiting  insects  the  proper  moment  for  effecting  the  fertilisation 
of  these  flowers.  We  have  here  a  Lantana  the  flowers  of  which  last  three  days, 
being  yellow  on  the  first,  orange  on  the  second,  purple  on  the  third  day.  This 
plant  is  visited  by  various  butterflies.  As  far  as  I  have  sean  the  purple  flowers 
are  never  touched.  Some  species  inserted  their  proposcis  both  into  yellow  and 
into  orange  flowers  {Danais  erippiis,  Pieris  aripa),  others,  as  far  as  I  have 
hitherto  observed,  exclusively  into  the  yellow  flowers  of  the  first  day  {Heliconius 
apseudes,  Colcenis  julia,  Eurema  leuce).  This  is,  I  think,  a  rather  interesting 
case.  If  the  flowers  feil  off  at  the  end  of  the  first  day  the  inflorescence  would 
be  much  les  conspicuous;  if  they  did  not  change  tlieir  colour  much  time  would 
be  lost  by  the  butterflies  inserting  their  proboscis  in  already  fertiUsed  flowers. 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  37 


578 


Ueber  Blumen  und  Insecten. 


In  another  Lantana  the  flowers  have  the  colour  of  lilac,  the  entrance  of  the 
tube  is  yellow  surrounded  by  a  white  circle;  these  yellow  and  white  markings 
disappear  on  the  second  day. 

Mr.  Leggett's  Statements  about  Pontederia  cor  data  appear  to  me  rather 
Strange,  and  I  fear  that  there  is  some  mistakc.  In  all  the  five  species  of  the 
family  which  I  know  the  flowers  are  so  shortlived,  lasting  only  one  day,  that  a 
change  in  the  length  of  the  style  is  not  very  probable.  In  the  long-styled  form 
of  our  highland  Pontederia  the  style  has  its  füll  length  long  before  the  flowers 
open.  In  my  garden  this  Pontederia  is  visited  by  some  species  of  Augochlora 
collecting  the  poUen  of  the  longest  and  mid-length  stamens;  they  are  too  large  to 
enter  the  tube  of  the  coroUa,  and  have  too  short  a  proboscis  to  rcach  the  honey ; 
they  can  only  fertilise  the  long-styled  and  mid-styled  forms,  but  not  the  short- 
styled. 

Among  the  secondary  sexual  characters  of  insects  the  meaning  of  which  is 
not  understood,  you  mention  ("Descent  of  Man,"  vol.  i.,  p.  345)  the  differcnt  neu- 
ration  in  the  wings  of  the  two  sexes  of  some  butterflies.  In  all  the  cases  which 
I  know  this  difference  in  neuration  is  connected  with,  and  probably  caused  by, 
the  development  in  the  males  of  spots  of  peculiarly-formed  scales,  pencils,  or  other 
contrivances  which  exhale  odours,  agreeable  no  doupt  to  their  females.  This  is 
the  case  in  the  genera  Mechanitis,  Dircenna,  in  some  species  of  Thecla,  &c. 

Blumenau,  St.  Catharina,  Brazil,  October  19   1876.  (?) 


Maracujäfalter^). 


Die  Gattungen  Heliconius,  Eueides,  Colaenis  und  D i o n e  (=  Agrau- 
lis)  werden  bis  jetzt  allgemein  in  die  beiden  Familien  der  Heliconinen  und 
der  Nymphalinen  vertheilt.  Zu  letzteren  zählt  man  Colaenis  und  Dione; 
Eueides  stellt  man  bald  neben  Colaenis  zu  den  Nymphalinen  (so  Double- 
day  und  Felder),  bald  neben  Heliconius  zu  den  Heliconinen  (so  Herrich- 
Schäffer  und  K i r b y).  —  Keine  dieser  Anordnungen  ist  naturgemäss.  C o  1  a e - 
n i s  und  Dione  müssen  von  den  Nymphalinen  getrennt  und  mit  Heliconius 
und  Eueides  zu  einer  eigenen  Familie  verbunden  werden. 

Hier  in  möglichster  Kürze  der  Beweis  für  diese  Behauptung.  Die  vier  ge- 
nannten Gattungen  stimmen  überein  in  folgenden  Stücken: 

i)  Alle  ihre  Arten  leben  im  wärmeren  America  und  alle,  soweit  bekannt, 
legen  ihre  Eier  an  Arten  von  Maracuja  (Passiflora).  So  Heliconius 
Eucrate,  Eueides  Isabella  und  Aliphera,  Colaenis  Dido  und  Julia, 
Dione  Vanillae  und  Juno.  —  Keine  Nymphalinenraupe  lebt,  soviel  bekannt, 
an  Maracuja. 

2)  Die  Eier  sind  gelb,  haben  die  Gestalt  eines  Fingerhutes  und  eine  durch 
Längs-  und  Querriefen  gefelderte  Oberfläche.  —  Aehnliche  Eier  kommen  auch 
sonst  bei  Tagfaltern  vor;  ob  bei  Nymphalinen,  weiss  ich  nicht.  Dagegen 
finden  sich  in  letzterer  Familie  ganz  abweichende  Formen,  wie  bei  Siderone 
die  eines  weiten  umgedrehten  glatten  Fingerhutes  mit  ebener  Endfläche. 

3)  Die  Raupen  sind  Dornraupen.  Der  Kopf  trägt  zwei  Dornen  (die  bei 
Dione  Juno  nur  als  zwei  kurze  Spitzen  erscheinen).  Die  Vorderbrust  ist  meist 
unbedornt ;  nur  bei  Dione  Juno  trägt  sie  ein  kleines  Dornenpaar.  Mittelbrust 
und  Hinterbrust  tragen  je  zwei  Dornenpaare,  die  nicht  in  einer  Querreihe 
stehen,  ein  oberes  etwa  in  der  Mitte  zwischen  Vorder-  und  Hinterrand,  und 
ein  unteres  dicht  am  Vorderrand  des  Ringes.  Die  Hinterleibsringe,  mit  Aus- 
nahme des  letzten,  haben  je  drei  Dornenpaare  in  einer  Querreihe,  in  der  auch 
die  Luftlöcher  liegen.  Der  letzte  Ring  endlich  hat  zwei  Dornenpaare,  von  denen 
das  untere  weiter  nach  hinten  steht. 

Auch  unter  den  Nymphalinen  giebt  es  viele  Dornenraupen;  aber  ich 
kenne  keine  mit  genau  derselben  Anordnung  der  Dornen,  die  sich  auch  bei  den 
Raupen  von  Acraea  findet.    Allerdings  ist  die  Zahl  der  Nym  phalinen raupen, 

1)  Entomologische  Zeitung  des  entomolog.  Vereins  zu  Stettin  1877.  38.  Jahrg.  S.  492 — 496. 

3/ 


-Oq  Die  Maracujäfalter 

die  ich  selbst  untersuchen  oder  über  die  ich  (durch  meinen  Bruder  Hermann 
Müller)  befriedigende  Auskunft  erhalten  konnte,  keine  sehr  grosse.  Neben 
den  Dornraupen  aber  finden  sich  unter  den  Nymphali  nen  viele  andere  dorn- 
lose, mit  hörnertragendem  Kopfe,  wie  S  i  d  e  r  o  n  e  und  Protogonius. 

4)  Alle  Maracujäfalter  saugen  ausschliesslich  Blumenhonig,  keine  Art  den 
ausfliessenden  Saft  der  Bäume,  wie  unter  den  Nymphalinen  z.  B.  Epicalia, 
Temenis,  Callicore,  Gynaecia,  Ectima,  Ageronia,  Biblis,  Aga- 
nisthos,  Prepona,  Agrias,  Sm3'^rna,  Paphia  und  Siderone;  keine  Art 
setzt  sich  Feuchtigkeit  suchend  an  den  Boden,  wie  unter  den  Nymphalinen 
z.  B.  Hypanartia,  Eunica,  Haematera,  Apatura  u.  s.  w.,  oder  gar  an 
Pferdedung,  wie  Pyrameis.  —  Alle  Maracujäfalter  scheinen  mit  Vorliebe  die 
gleichen  Blumen  zu  besuchen ;  fleissig  und  andauernd  besuchten  z.  B.  alle  hiesigen 
Arten  (Heliconius  B  esckei ,  Apseudes  und  Eucrate  Euei  des,  Isabella 
und  Aliphera,  Colaenis  Julia  und  Dido,  Dione  Vanillae  und  Juno), 
mit  Ausnahme  der  überaus  seltenen  Eueides  Pavana  und  Dione  Moneta, 
eine  Poinsettia  in  meinem  Garten,  an  welcher  von  Nymphalinen  nur  gelegent- 
lich Anartia  Amalthea  sich  einfand,  ohne  sich  bei  dem  blüthenreichen  Busche 
zu  verweilen. 

5)  Die  Männchen  aller  Maracujäfalter  spreizen,  wenn  man  sie  ergreift,  die 
Afterklappen  auseinander,  an  deren  Innenseite  dann  zwei  stark  und  widrig 
riechende  Wülste  hervortreten;  die  Weibchen  dagegen  verbreiten  den  gleichen 
Geruch,  indem  sie  auf  der  Rückenseite  zwischen  letztem  und  vorletzem  Hinter- 
leibsringe eine  gelbe  Wulst  hervortreiben.  —  Unter  den  Nymphalinen  kenne 
ich  nichts  Aehnliches. 

6)  Fühler  und  Mundtheile  stimmen  im  Wesentlichen  bei  allen  Arten  überein, 
ohne  freilich  etwas  besonders  Auszeichnendes  zu  bieten.  Dies  gilt  namentlich 
auch  von  den  längs  der  Kiefer  stehenden  Anhängen  in  Gestalt  einer  flach- 
gedrückten Keule,  die  am  Ende  einen  schiefstehenden  Stift  tragen.  Es  ist  das 
die  gewöhnlichste  Gestalt  dieser  wohl  als  Schmeckstifte  zu  deutenden  Gebilde, 
die  in  einigen  anderen  Faltergruppen  abweichende,  bezeichnende  Fonnen  an- 
nehmen. 

7)  Die  Hinterflügel  der  Männchen  haben  auf  der  Oberseite,  nahe  dem 
Vorderrande,  soweit  dieselben  \'on  den  Vorderflügeln  bedeckt  werden,  eigen- 
thümhch  gestaltete,  am  Rande  gefranste  Schuppen,  „Duftschuppen",  wie  solche 
von  ziemlich  ähnlicher  Bildung  auf  der  Oberseite  der  Flügel  bei  den  Männchen 
des  deutschen  Baumweisslings  (Pieris  Crataegi)  vorkommen.  —  Weder  bei 
den  Nymphalinen  noch  bei  Acraea  kenne  ich  solche  Duftschuppen.  — 

8)  Die  Längsadern  der  Flügel  tragen  auf  der  Unterseite  in  eine  oder  zwei 
Reihen  gestellte  schwarze  Haare;  ähnliche  Haare  trägt  auch  der  Saum  der 
Flügel.  Bei  Acraea  findet  man  dieselben  Haare  und  zwar  nicht  nur  auf  den 
ausgebildeten  Adern,  sondern  auch  im  Verlauf  der  geschwundenen  dritten  Innen- 
randsader  der  Hinterflügel.  Bei  den  darauf  untersuchten  Nymphalinen  ver- 
misse ich  sie.  — 

g)  Das  Adergerüst  der  Flügel  ist  bei  allen  Maracujaf altern  ungemein  ähn- 
lich. Es  fällt  diese  Uebereinstimmung  sofort  in  die  Augen,  wenn  man,  am  besten 
in  etwas  vergrößerter  Zeichnung,  das  Adergerüst  der  \erschiedenen  Arten  neben- 


Die  Maracujäfalter.  cgj 

einander  vor  sich  hat.  Den  Unterschied,  der  zwischen  Heliconius  und  Eu- 
eides  einerseits,  Colaenis  und  Dione  andrerseits  darin  besteht,  dass  jene  eine 
geschlossene,  diese  eine  offene  Mittelzelle  der  Hintcrflügel  haben,  bemerkt  man 
dabei  kaum,  so  sehr  verschwindet  er  unter  dem  überwiegenden  Eindruck  des 
Gemeinsamen.  Dieses  in  Worte  zu  fassen,  würde  seitenlange  Auseinandersetzungen 
erfordern.  Ich  beschränke  mich  darauf,  cnnige  leichter  zu  übersehende,  gerade 
wegen  ihrer  anscheinenden  Unbedeutendheit  als  Beweis  für  die  nahe  Bluts- 
verwandtschaft sämmtlicher  Maracujäfalter  besonders  schwerwiegende  Eigen- 
thümlichkeiten  hervorzuheben. 

a)  Die  Mediana  der  Vorderflügel  hat  nahe  der  Wurzel  einen  nach  der 
Innenrandsader  zu  vorspringenden  kurzen,  seine  Spitze  saumwärts  wendenden 
Sporn;  bei  den  meisten  Arten,  so  auch  bei  Colaenis  Dido  und  Dione 
Vanillae  sehr  deutlich,  ist  er  nur  schwach  entwickelt  bei  Colaenis  Julia 
und  Dione  Juno.  Ein  ähnlicher  Sporn  findet  sich  auch  bei  einigen  anderen 
Faltern  verschiedener  Famihen;  so  bei  Morpho  und  unter  den  Nymphalinen 
bei  A  d  e  1  p  h  a  (=  H  e  t  e  r  o  c  h  r  o  a).  Er  fehlt,  soweit  ich  sie  kenne,  bei  allen 
Nymphalinen -Gattungen,  die  irgendwie  Anspruch  auf  nähere  Verwandtschaft 
mit  den  Maracujäf altern  erheben  könnten,  auch  bei  Acraea. 

b)  In  die  Mittelzelle  der  Vorderflügel  springt  aus  dem  Winkel  zwischen 
Mediana  und  Subcostalis,  mehr  oder  weniger  weit  und  deutlich,  der  Stamm  der 
weiterhin  geschwundenen  Discoidalis  vor.  Besonders  weit  vorspringend  sieht 
man  dieses  Wurzelstück  der  Discoidalis  bei  Eueides  Aliphera,  besonders 
dick  bei  Colaenis  Dido,  am  wenigsten  deutlich  bei  Colaenis  Julia.  Ich 
habe  bei  Acraea  und  vielen  Nymphalinen  vergeblich  nach  diesem  Ueberbleibsel 
der  Discoidalader  gesucht. 

c)  Nicht  weit  von  der  Elügelwurzel  wird  die  vSubcostalis  plötzlich  dünner,  indem 
ihr  vorderer  Rand  gerade  fortgeht,  der  hintere  aber  dem  vorderen  sich  plötzlich 
nähert.  Es  ist  die  Stelle,  wo  früher  die  Subcostalis  in  ihre  beiden  Hauptäste  sich 
spaltete,  von  denen  später  der  hintere  bis  zu  seiner  Wiedervereinigung  mit  dem 
vorderen  geschwunden  ist.  Man  kann  bisweilen,  z.  B.  bei  Colaenis  Dido, 
Heliconius  Eucrate,  den  Verlauf  dieses  eingegangenen  Astes  der  Subcostalis 
noch  ziemlich  deutlich  durch  die  ganze  Mittelzellc  hindurch  verfolgen.  Selbst  bei 
Thieren  derselben  Art  ist  diese  einstige  Theilungsstelle  der  Subcostalis  nicht 
immer  gleich  deutlich  zu  erkennen;  besonders  deutlich  pflegt  sie  zu  sein  bei 
Heliconius  Eucrate,  Eueides  Aliphera,  DioneVanillae  und  Dione 
Juno.     Ich   konnte   nichts   davon   sehen   bei  Acraea  und  bei  Nymphalinen. 

d)  P'ür  die  Hinterflügel  will  ich  nur  an  die  wurzelwärts  gebogene  Prae- 
costalis  erinnern,  welche  die  Maracujäfalter  von  Acraea  und  auch  wohl  von 
allen  etwa  in  ihre  Nähe  zu  stellenden  Nymphalinen  unterscheidet. 

Es  scheint  nicht  geboten,  die  Tragweite  der  einzelnen  hier  angeführten 
Merkmale  zu  erörtern;  für  Systematiker  der  altt^n  Schule  schreibe  ich  nicht;  für 
jeden  Anderen  liegt,  wie  mir  scheint,  deren  Bedeutung  auf  der  Hand, 

Man  möchte  fragen,  wie  es  möglich  war,  dass  die  Meister  der  Schmetterlings- 
kunde eine  Verwandtschaft  verkennen  konnten,  die  doch  jedem  Kinde,  wie  ich 
von   meinen   eigenen  weiss,   beim  ersten  Anblick  der  fliegenden  Falter  sofort  ins 


.02  Die  Maracujäf alter. 

Auge  springt  und  die  immer  neue  Bestätigimg  erhält,  je  mehr  man  die  Entwicklung, 
die  Lebensweise,  den  Bau  dieser  Thiere  kennen  lernt. 

Dass  man  Eueides  zwischen  Heliconius  und  Colaenis  hin  und  her 
warf,  so  lange  man  diese  beiden  Gattungen  in  verschiedene  Familien  stellte,  ist 
begreiflich.  Ist  doch  Eueides  von  Heliconius  kaum  durch  kürzere  Fühler, 
von  Colaenis  kaum  durch  die  geschlossene  Mittelzelle  der  Hinterflügel  ver- 
schieden (wenigstens  als  Falter,  und  die  sehr  abweichende  Puppe  kannte  man 
nicht),  —  ist  doch  einerseits  Eueides  Isabella  dem  Heliconius  Eucrate, 
andrerseits  Eueides  Aliphera  der  Colaenis  Julia  in  Schnitt,  Zeichnung 
und  Färbung  der  Flügel  so  täuschend  ähnlich,  dass  man  sie  leicht  für  kleine 
Stücke  dieser  Arten  halten  könnte.  Wie  man  aber  Colaenis  von  Heliconius 
losreissen  konnte,  verstehe  wer  kann.  In  der  ausführlichen  Darlegung  der  Gattungs- 
merkmale, die  Doubleday  giebt,  findet  man  als  allereinziges  erhebliches  Merk- 
mal, welches  Colaenis  von  Heliconius  unterscheidet,  die  bei  Colaenis  offene 
Mittelzelle  der  Hinterflügel;  aber  dieses  selbe  Merkmal  scheidet  Colaenis  ganz 
ebenso  von  etwa  50  der  113  von  Herrich-Schäff er  angenommenen  Nym- 
phali nen- Gattungen.  Zudem  sagt  Herrich-Schäffer  selbst,  dass  dieses 
Merkmal  nicht  einmal  zur  Trennung  sonst  übereinstimmender  Arten  in  ver- 
schiedene Gattungen  genüge,  und  vereinigt  demgemäss  unter  Adolias  Arten 
mit  offener  und  solche  mit  geschlossener  Mittelzelle.  Und  dabei  stellt  er  Heli- 
conius in  die  erste,  Colaenis  in  die  zehnte  seiner  Tagf alter- Familien ! 

Häckel's  Mahnung  an  die  Naturforscher,  sich  gründlicher  mit  Philosophie 
und  namentlich  mit  Logik  zu  befassen,  scheint  in  der  That  nicht  überflüssig 
zu  sein. 

Itajahy,  Sa.  Catharina,  Brazil,  April   1877. 


Die  Grannen  von  Aristida^). 

Das  Hochland   der  Provinz  Santa  Catharina   ist  reich  an  Gräsern  mit  dreh- 
baren Grannen.  Auf  zwei  Ausflügen  dahin  im  Vorsommer  (November,  December) 
des   vorigen   und   im  Nachsommer  (Februar,    März)  dieses  Jahres  habe  ich  gegen 
zwanzig  Arten  solcher  Gräser  gesehen.    Indem  die  Grannen  je  nach  der  wachsen- 
den   oder    abnehmenden   Feuchtigkeit    der   Luft    sich    rechts    oder   links   drehen, 
bohren    sich  die  unten  mit  harter,   scharfer  Spitze  und  einem  schief  aufwärts  ge- 
richteten  Barte   steifer    Haare   versehenen    Aehrchen   in    den  Boden   ein,   wie   es 
Francis   Darwin    vor   kurzem   bei   Stipa   ausführlich  beschrieben  hat  (Trans. 
Linn.  soc.  vol,  I.  part.  3.  p.   149.   1876).   —  Unter   diesen    Gräsern   unseres   Hoch- 
landes finden  sich  auch  mehrere  Arten  der  Gattung  A  r  i  s  t  i  d  a ,   bei  welchen  die 
das  Einbohren    in  die  Erde  vermittelnden  Einrichtungen    den  höchsten  Grad  der 
Vollkommenheit  erreichen.  Es  ist  nämlich  bei  ihnen  die  Granne  mehr  oder  weniger 
tief,  bisweilen  fast  in  ganzer  Länge,  in  drei  Aeste  gespalten,  die  sich  beim  Trock- 
nen  ziemlich  wagerecht   ausbreiten    (den  Samen   senkrecht  stehend  gedacht).     So 
kann   das   trocken   zu  Boden   fallende   Aehrchen    niemals   flach  auf  denselben  zu 
liegen  kommen,  was  natürlich  das  Einbohren  erleichtert.   Je  länger  im  Verhältniss 
zur  Frucht   und  zum  ungespaltenen  Theile  der  Granne  deren  Aeste  sind,   um  so 
steiler   wird   sich   dasselbe   stellen   müssen ;   fast  senkrecht  steht  es  bei  einer  Art, 
deren  Grannenäste  etwa  Spannenlänge  (0,2  m)  erreichen.  Man  hat  oft  Gelegenheit, 
die   in  den  Boden  eingebohrten  Früchte  dieser  Art  zu  sehen.     Am  7.  März  kam 
ich   auf   der   nordwärts   nach   der  Provinz  Parana  führenden  Strasse  in  der  Nähe 
des  Rio   das  Pedras  an  einen  kahlen,    dürren  Abhang,   der  fast  auschließlich  mit 
dieser  A  r  i  s  t  i  d  a  bewachsen    war.     In  Folge   anhaltender  Dürre   war  der  Boden 
ungewöhnlich  hart  und  seit  Monaten  nicht  von  Regen  benetzt  worden,  und  doch 
war  —  ein  ganz  eigenthümlicher  Anblick  —  die  Erde  zwischen  den  Grasbüschen 
wie   besät   mit   eingebohrten  Früchten,   die  allesammt  senkrecht  standen  und  die 
langen  Grannenäste   wagerecht  ausbreiteten.     Hier   und   da   sprossten   schon   die 
jungen,   grünen  Grasblättchen    an    der  Seite  der  Grannen  hervor.     Auf  der  Erde 
liegend  würden  an  ähnlichen  Stellen  bei  "trockenem  Wetter  die  Samen  nie  keimen 
können,  während  der  Thau  der  Nacht  genügt,  sie  in  die  zum  Keimen  hinreichende 
Feuchtigkeit     bietende    Erde     einzusenken.      Unserem     feuchten    Küstengebiete 

l)  Kosmos  (Leipzig,  Günthers  Verlag)   1877  I.  p.  353 — 354. 


,Q,  Die  Grannen  von  Aristida. 

0<54 

scheinen  Samen  mit  Drehgrannen  ganz  zu  fehlen.  Dagegen  ist  wohl  die  ganze 
Gattung  Stipa  vorzugsweise  in  übertrockenen  Gegenden  und  an  übertrockenen 
Standorten  heimisch. 

Merkwürdig  ist  es,  dass  eine  der  Aristida-Arten  die  hoch  entwickelten 
Formen  zum  Einbohren  der  Früchte  wieder  verloren  und  sich  in  ganz  eigen- 
artiger Weise  der  Verbreitung  durch  den  Wind  angepasst  hat.  Der  dünne 
Halm  dieses  Grases  wird  etwa  spannenhoch  und  trägt  vom  ersten  Drittel  seiner 
Höhe  ab  paarweise  gestellte,  in  verschiedenen  Richtungen  sich  ausspreizende, 
gegen  o,i  m  lange,  haardünne  Aeste,  welche  ihrerseits  in  gewöhnlich  zwei  bis 
drei  Zweige  sich  theilen.  Jeder  Zweig  trägt  ein  dünnes  Aehrchen,  das  Aehrchen 
gegen  12  mm  lang,  eine  ungefähr  gleich  lange,  ungedrehte,  gerade  Granne  mit 
seitHchen,  nur  etwa  ein  Viertel  dieser  Länge  erreichenden  Aesten,  die  mit  dem 
mittleren  Aste  einen  ganz  spitzen  Winkel  von  nur  wenigen  Graden  bilden.  Im 
Ganzen  sind  etwa  sechs  Hauptäste  des  Halmes  und  24  bis  30  Aehrchen  vor- 
handen. Zur  Zeit  der  Reife  fällt  nun  der  ganze  Halm  ab  und  wird  vom  Winde 
über  die  Grasfluren  (Campos)  hingetrieben.  In  Fußpfaden  fand  ich  hier  und  da 
völlige  Heuschichten  dieser  sparrig  verästelten  Aristida-Halme  zusammengeweht. 
Die  Aehrchen  scheinen  sich  nie  von  den  Halmen  zu  lösen.  Bricht  man  sie  ab, 
so  sieht  man  noch  die  für  bohrende  Samen  so  bezeichnende  Spitze  mit  dem 
Barte  schief  aufwärts  gerichteter  Haare,  als  Beweis,  dass  die  Vorfahren  auch  dieser 
Aristida  einst  das  Vermögen  sich  einzubohren  besassen. 

Itajahy,  April  1877. 


Beobachtungen   an   brasilianischen   Schmetterhngen  ^). 

I. 

I.  Die  Flügeladern  der  Schmetterlingspuppen. 
Mit  6  Textfiguren. 

An  Schmetterlingspuppen,  die  eben  ihre  Raupenhaut  abgestreift  haben,  sieht 
man  häufig  durch  die  noch  weichen  Flügeldecken  die  zarten,  weissen  Luftröhren 
durchschimmern,  welche  die  erste  Anlage  des  Adergerüstes  der  Vorderflügel 
bilden.  Bisweilen  lassen  sich  auch  die  tiefer  liegenden  Luftröhren  der  Hinter- 
flügel erkennen,  doch  vielleicht  nie  deutlich  genug,  um  ein  vollständiges,  zu- 
sammenhängendes Bild  ihres  Verlaufes  zu  gewinnen.  Mit  dem  Erhärten  der 
Puppenhaut  pflegt  dieses  Adergerüst  der  Puppenflügel  undeutlich  oder  völlig  un- 
sichtbar zu  werden;  selten  nur,  besonders  bei  grünen  Puppen  mit  glatten  Flügel- 
decken, z.  B.  Siderone  Ide,  bleibt  es  für  eine  Reihe  von  Tagen  sichtbar. 

Der  Verlauf  der  Luftröhren  in  den  Flügeln  der  jungen  Puppen  pflegt  nun 
nicht  unerhebhch  abzuweichen  von  dem  späteren  Adergerüst  der  Schmetterlings- 
flügel, und  wie  so  häufig  Jugendzustände  Aufklärung  geben  über  die  Stammes- 
geschichte, so  ist  unverkennbar  auch  in  diesem  Falle  der  Aderverlauf  des  Puppen- 
flügels weit  ursprünglicher,  dem  des  Urschmetterlings  weit  näher  stehend,  als  das 
Adergerüst  des  Schmetterlingsflügels. 

Gerade  für  die  Ordnung  der  Schmetterlinge  muss  aber  jeder  neue  Anhalt 
zur  Feststellung  ihrer  verwandtschaftlichen  Beziehungen  unter  einander  und  zu 
anderen  Insekten  und  somit  ihres  Stammbaumes  hoch  willkommen  sein.  Sagte 
doch  schon  Latreille:  „Lepidopterorum  ordo  entomologorum  scopulus"  und  dass 
dieser  Ausspruch  noch  heute  gilt,  beweist  unter  Anderem  die  geringe  Ueber- 
einstimmung  zwischen  den  der  neuesten  Zeit  angehörenden  Anordnungen  der 
Tagfalter  von  Herrich-Schäffer,  von  Kirby  und  von  Butler. 

Doch  besser  als  durch  allgemeine  Betrachtungen  veranschauliche  ich  wohl 
durch  Vorführen    einiger  Beispiele  die  Bedeutung  des  Flügelgeäders  der  Puppen. 

Ich  zeichne  zunächst  in  Fig.  i  den  Vorderflügel  der  Castnia  Ardalu s 
und  stelle  in  Fig.  2  den  der  Siderone  Ide  daneben.     Die  grosse  Verschieden- 


I)  Kosmos  1877.  Bd.  I.  S.  388—395. 


586 


Beobachtungen  an  brasilianischen  Schmetterlingen. 


heit  des  Adergerüstes  springt  sofort  in  die  Augen.  Bei  Siderone  eine  ein- 
fache Mittelzelle  und  die  von  ihr  nach  dem  Rande  des  Flügels  gehenden  Längs- 
adern, alle  anscheinend  aus  zwei  Stämmen  entspringend,  und  zwar  2  bis  4  aus 
der  Mediana,  ö  bis  11  aus  der  Subcostalalis.  Bei  Castnia  dagegen  entspringen 
nur  2  und  3  aus  der  Mediana,  7  bis  U  aus  der  Subcostalis,  während  die  da- 
zwischen liegenden  4  bis  6  als  Aeste  der  bei  der  Siderone  fehlenden  Disco- 
idalis  erscheinen,  durch  welche  die  Mittelzelle  der  Länge  nach  getheilt  wird. 
Ausserdem  wird  durch  einen  Querast  zwischen  8  und  9  eine  kleine  Nebenzelle 
gebildet    Zwischen  Mittelzelle  und  Innenrand  der  Flügel  verläuft  bei  Siderone 

■S 


Vorderflügel  von  Siderone  Ide  (2 


eine  einzige  einfache  Innenrandsader  {Ih),  während  Castnia  deren  drei  besitzt 
{la,  Ih,  Ic),  von  denen  die  beiden  hinteren  {la  und  Ib)  durch  einen  Querast 
verbunden  sind. 

Welches  der  beiden  Adergerüste  ist  nun  das  ursprüngliche,  dem  des  Ur- 
schmetterlings  näherstehende?  —  Gerstäcker,  welcher  dem  Flügelgeäder  der 
Kleinschmetterlinge  wegen  der  drei  Innenrandsadern  der  Hinterflügel  grössere  „Voll- 
kommenheit" zuschreibt,  würde  wohl  das  weit  einfachere  Adergerüst  der  Siderone 
für  unvollkommener  und  daher  wohl  auch  für  älter  erklären,  als  das  viel  ver- 
wickeitere der  Castnia.  —  Dr.  A.  Speyer,  der  den  Saturnien,  mit  nur  einer 
Innenrandsader  der  Hinterflügel,  hoch  entwickelten  Flügelbau  zuschreibt,  und  den 
Weidenbohrer  (Cossus),  dessen  Vorderflügel  im  Adergerüst  sich  kaum  von  denen 
der  Castnia  unterscheiden,  als  eine  Form  bezeichnet,  deren  Flügelgeäder  dem 
der  Haarflügler  (Phry  ga  nid  en)  und  somit  wahrscheinlich  der  Urform  der 
Schmetterlinge  besonders  nahe  steht,  wäre  ohne  Frage  entgegengesetzter  Meinung- 

Das  Flügelgeäder  der  Puppe  von  Siderone  Ide  (Fig.  3),  das  ich  am  ersten 
Tage  nach  der  Verpuppung  (10.  Juni  1876)  zeichnete,  entscheidet  sofort  die  Frage. 
Dasselbe  gleicht  weit  weniger  dem  des  Schmetterlings,  der  aus  der  Puppe  hervor- 
geht, als  dem  der  Castnia.  Wie  bei  dieser  finden  sich  drei  Innenrandsadern 
{la,  Ih,  Ic),   eine  Mediana   mit   zwei  (2  und  .?),   eine  Discoidalis   mit  drei  (/  bis  0) 


Beobachtungen  an  brasilianischen  Schmetterlingen. 


587 


und  eine  Subcostalis  mit  fünf  (7  bis  11)  Aasten.  Queradern  fehlen  noch.  —  Nach 
einigen  Tagen  verschmelzen,  jenseits  des  Ursprungs  der  Ader  11,  die  beiden  Haupt- 
äste der  Subcostalis  auf  eine  kurze  Strecke,  so  dass  dann  auch  die  von  den 
Aesten  der  Subcostalis  umschlossene  Nebenzelle  der  Castnia  Ardalu s  nicht  fehlt. 
Später  vereinigt  sich  diese  Nebenzelle  mit  der  Mittelzelle,  indem  die  sie  trennende 

Fig.  4. 


Fig.  3.  Flügelgeäder  der  Puppe  von 
Siderone   Ide.     (3  ;   i). 

Fig.  4.  Flügelgeäder  der  Puppe  von 
Callidryas  Argante.     (3:1.) 

Ader  verkümmert  und  schwindet.  An  den  Flügeln  verschiedener  Schmetterlinge 
ist  dieses  verkümmerte  Stück  des  hinteren  Hauptastes  der  Subcostalis  noch  deut- 
lich wahrzunehmen,  häufiger  noch  der  verkümmerte  Stamm  der  DiscoidaHs  und 
die  vordere  Innenrandsader  {le). 

Als  zweites  Beispiel  gebe  ich  (Fig.  4)  das  Flügelgeäder  einer  jungen  Puppe 
von  Callidryas  Argante;  von  dem  der  Siderone  Ide  unterscheidet  es  sich 
dadurch,  dass,  wie  bei  dem  Schmetterling,  die  beiden  hinteren  Innenrandsadern 
{la  und  Ib)  nahe  der  Wurzel  sich  vereinigen,  dass  die  beiden  Hauptäste  der  Sub- 
costalis schon  zur  Zeit  der  Verpuppung  verschmolzen  sind  und  ebenso  fast  bis 
ans  Ende  die  Aeste  Sund  .9;  endlich  dadurch,  dass  die  Discoidalis  nur  zwei  Aeste 
hat.  Es  ist  also  schon  in  der  Puppe,  wie  beim  Schmetterling  und  wie  bei  vielen 
anderen  Pieriden,  eine  Ader  weniger  vorhanden,  als  bei  Siderone.  So  viel  ich 
weiss,  nimmt  man  bis  jetzt  allgemein  an,  dass  die  fehlende  Ader  ein  Ast  der 
Subcostalis  sei;  Doubleday  wenigstens  beschreibt  die  Subcostalis  als  nur  vier- 
ästig und  bezeichnet  die  Ader  7  als  erste  Discoidalader.  Ein  Blick  auf  die  Puppe 
widerlegt  diese  Annahme  und  zeigt,  dass  die  Subcostalis  ihre  gewöhnlichen  fünf 
Aeste  vollzählig  besitzt,  dass  dagegen  statt  der  beiden  vorderen  Aeste  der  Disco- 
idalis {5  und  6)  nur  ein  einziger  vorhanden  ist. 

Ich  hoffe,  diese  wenigen  Beispiele  werden  genügen,  dem  Verlaufe  der  Luft- 
röhren in  den  Flügeln  junger  Schmetterlingspuppen  die  verdiente  Beachtung  zu- 
zuwenden. 

2.    Die  Duftschuppen  der  männlichen  Maracujäf alter  ^). 

Der  Geruchssinn  spielt  im  geschlechtlichen  Verkehr  vieler  Thiere  eine  wich- 
tige Rolle,  Zu  diesen  gehören  auch  die  Schmetterlinge.  Männchen  mancher 
Schwärmer   und  Nachtschmetterlinge   riechen   auf   unglaubliche   Entfernung   ihre 


i)  Veigl.    As   maculas    sexuaes  u.  s.  w.     Ges.    Schriften    S.    551. 
Ges.  Schriften  S.  559  und  Tafel  XLV— XLVm. 


Os    orgäos    odoriferos   u,  s.  w. 


egg  Beobachtungen  an  brasilianischen  Schmetterlingen. 

der  Begattung  harrenden  Weibchen.  Aber  auch  ihrerseits  verbreiten  viele 
Schmetterlingsmännchen  Gerüche,  die  jedenfalls  den  Weibchen  angenehm  sind 
und  ihre  Geschlechtslust  reizen.  Von  den  Männchen  des  Liguster-  und  des 
Windenschwärmers  weiss  man  seit  lange,  dass  sie  einen  im  Fluge  besonders 
stark  hervortretenden  Moschusgeruch  entwickeln,  ohne  dass  man  bisher  die  Stelle, 
von  der  dieser  Geruch  ausgeht,  ermittelt  hätte.  Die  Entomologen  in  Europa 
haben  eben  Wichtigeres  zu  thun.  Die  Männchen  einer  Motte  der  Gattung 
Cryptolechia  und  die  der  Glaucopidcn.  den  deutschen  Blutflecken 
(Zygaeniden)  verwandter  Schmetterlinge,  stülpen  am  Ende  des  Hinterleibes  ein 
Paar  hohle,  behaarte  Fäden  aus,  bisweilen  von  Körperlänge,  von  denen  ein  oft 
sehr  starker,  für  uns  bald  widerlicher,  bald  angenehmer  (z.  B.  wie  aus  Chloroform 
und  Bittermandelöl  gemischter)  Geruch  ausgeht.  Ebenso  können  bei  den  präch- 
tigsten der  südamerikanischen  Schmetterlinge,  den  riesigen  Morpho,  die  Männ- 
chen am  Ende  des  Hinterleibes  jederseits  eine  behaarte,  riechende  Wulst  hervor- 
treten lassen;  bei  dem  im  prachtvollsten  Blau  schillernden  M.  Adonis  und  dem 
ähnlichen  M.  Cytheris  ist  der  Geruch  vanilleähnlich.  —  Weit  häufiger  als  der 
Hinterleib  sind  die  Flügel  der  Sitz  der  das  Männchen  auszeichnenden 
Düfte.  Um  nur  einige  wenige  der  durch  besonders  starken  Geruch  ausgezeich- 
neten Arten  zu  nennen,  so  ist  bei  dem  Männchen  des  Papilio  Protesilaus, 
eines  dem  Segelf  alter  ähnlichen  Falters  mit  schuppenarmen,  durchsichtigen  Flügeln, 
der  Innen-  oder  Hinterrand  der  Hinterflügel  breit  nach  oben  umgeschlagen ; 
werden  diese  Flügel  stark  nach  vorn  gezogen,  so  öffnet  sich  der  Umschlag  und 
es  kommt  ein  sich  sträubender,  dichter  Bart  aus  langen  schwarzen  Haaren  zum 
Vorschein,  und  zugleich  wird  ein  lebhafter  Geruch  bemerkbar.  In  der  Familie 
der  Weisslinge  (Pier inen)  zeichnen  sich  in  dieser  Beziehung  aus  Leptalis 
Thermesia  und  der  durch  leicht  geschwänzte  Hinterflügel  merkwürdige  Gelb- 
ling Callidryas  Cipris;  bei  beiden  geht  der  Geruch  aus  von  einem  mit  eigen- 
thümlichen  Schuppen  bedeckten  Fleck,  der  auf  der  Oberseite  der  Hinterflügel 
nahe  dem  Vorderrande  liegt  und  bei  Callidryas  Cipris  noch  von  einer  Mähne 
langer  Haare  bedeckt  wird.  Bei  den  Männchen  fast  aller  Brassoliden,  grosser, 
den  Morpho  ähnlicher,  aber  minder  glänzend  gefärbter  Falter,  die  besonders 
am  frühen  Morgen  und  gegen  Abend  fliegen,  sind  die  Hinterflügel  mit  sehr  ver- 
schiedenartig gelegenen  und  gebildeten  Duftwerkzeugen  ausgestattet.  Einen  un- 
gewöhnlich starken  Bisamgeruch  bemerkte  ich  bei  einer  auf  der  Höhe  der  Serra 
gefangenen  Dasyophthalma;  hier  trägt  das  Männchen  auf  der  bläulich 
schwarzen  Oberseite  der  Hinterflügel  einen  eirunden  ockergelben  Fleck,  welchen 
die  Discoidalader  durchschneidet,  und  dahinter  in  der  Mittelzelle  einen  langen 
Pinsel  lehmgelber  Haare,  den  der  Falter  willkürlich  aufrichten  und  ausspreizen 
kann.  Bei  den  Männchen  vieler  Thecla- Arten  findet  sich  auf  der  Oberseite 
der  Vorderflügel  am  Ende  der  Mittelzelle  ein  meist  dunkler  Fleck,  aus  sehr  fest 
haftenden,  abweichend  gestalteten  Schuppen  gebildet;  bei  grösseren  Arten  pflegt 
ein  von  diesem  Fleck  ausgehender  Geruch  wahrnehmbar  zu  sein;  sehr  stark  (so 
dass  er  auffällt,  sobald  man  das  Thier  in  den  Käscher  bekommt)  und  dabei  wider- 
lich, fledermausähnlich,  ist  derselbe  bei  der  prachtvollen  Thecla  A  t  y  s. 

Gemeinsam  ist  allen  diesen  und  anderen  Duftwerkzeugen,  dass  sie,  so  lange 
der  Schmetterling  ruht,  wohl  geborgen  und  vor  Verdunstung  geschützt  sind,   sei 


Beobachtungen  an  brasilianischen  Schmetterlingen.  egg 

es  zwischen  den  Flügeln,  oder  zwischen  Flügel  und  Hinterleib,  sei  es  in  be- 
sonderen Rinnen  oder  durch  Umschlag  des  Randes  gebildeten  Taschen  der  Flügel 
(dahin  z.  B.  der  sogenannte  „Costalumschlag"  am  Vorderrande  der  Vorderflügel 
bei  vielen  Dickköpfen),  sei  es  im  Innern  des  Leibes,  wie  die  ausstülpbaren  Wülste 
und  Fäden  der  Morpho  und  der  Glaucopiden.  Besonders  wirksame  Räucher- 
vorrichtungen bilden  die  Pinsel  und  Mähnen,  die  während  der  Ruhe  mit  Riech- 
stoff sich  sättigen  und  dann  plötzlich,  sich  ausspreizend,  eine  ungemein  grosse  Ver- 
dunstungsfläche entfalten. 

Man  ist  wohl  berechtigt,  allen  ähnlichen  unter  den  Tagfaltern  sehr  ver- 
breiteten Vorrichtungen  dieselbe  Deutung  zu  geben,  auch  wenn  bis  jetzt  ein  Ge- 
ruch noch  nicht  beobachtet  wurde  und  selbst  wenn  ein  solcher  für  menschliche 
Nasen  überhaupt  nicht  wahrnehmbar  wäre. 

Natürlich  sind  diese  überaus  mannigfaltigen  Duft  Vorrichtungen  der  männ- 
lichen Schmetterlinge  nicht  plötzlich  in  ihrer  jetzigen  Vollkommenheit  zu  Tage 
getreten ;  sie  haben  sich  aus  einfacheren  Zuständen  entwickeln  müssen.  Und  da 
nun  viele  derselben  verhältnissmässig  junge  Bildungen  sind,  wie  ihre  sehr  ab- 
weichende Gestaltung  in  nahe  stehenden  Gattungen,  oder  selbst  innerhalb  der- 
selben Gattung  (z.  B.  Papilio)  beweist,  so  dürfte  die  Hoffnung  nicht  unberechtigt 
erscheinen,  noch  solche  einfachere  Zustände  aufzufinden.  Da  bisweilen  selbst 
wohlentwickelte  Duftflecke  (z.  B.  bei  Callidryas  Philea  cS)  oder  Haarbüschel 
(z.  B.  Mechanitis  Lysimnia  S)  keinen  für  uns  sicher  wahrnehmbaren  Geruch 
verbreiten,  so  musste  man  selbstverständlich  von  vornherein  bei  derlei  einfachen 
Formen  auf  Erkennen  durch  die  Nase  verzichten  und  ihre  Deutung  anderweitig 
sicher  stellen.  Es  lassen  sich  nun  in  der  That  auf  den  Flügeln  verschiedener 
Schmetterlinge  Schuppenbildungen  nachweisen,  die  man  mit  Wahrscheinlichkeit 
als  einfachere,  ursprünglichere  Duftwerkzeuge  betrachten  kann.  Unter  diesen  sind 
besonders  merkwürdig,  weil  ihre  Deutung  als  solche  wohl  kaum  einem  Zweifel 
unterliegen    kann,   die  Duftschuppen  der  männlichen  Maracujafalter. 

Die  Maracujafalter,  wie  ich  sie  nach  den  Pflanzen  nenne,  an  welchen, 
soweit  bekannt,  die  Raupen  aller  Arten  leben  ^),  bilden  eine  auf  das  wärmere 
Südamerika  beschränkte  Gruppe  engverwandter  Arten.  Ihre  langen  schmalen 
Flügel  geben  ihnen  ein  ganz  eigenartiges  Aussehen,  ihre  meist  schönen,  reinen, 
satten  Farben  machen  sie,  wie  die  Morpho,  zu  einer  wahren  Zierde  südamerika- 
nischer Landschaften.  Man  hat  aus  ihnen  vier  Gattungen  gebildet,  Heliconius, 
Eueides,  Colaenis  und  Dio  ne(-Agraulis)  und  diese  Gattungen  bisher  allgemein, 
unbegreiflicherweise  möchte  man  sagen,  wenn  bei  der  landläufigen  Systematik 
überhaupt  etwas  unbegreiflich  wäre,  —  in  zwei  verschiedene  Unterfamilien  oder 
Familien,  die  Heliconinen  und  die  N}'mphalinen  vertheilt ;  man  hat 
Colaenis  und  Dione  oder  selbst  Eueides  von  dem  nächstverwandten  Heli- 
conius losgerissen,  um  sie  mit  Ageronien,  mit  Apaturen,  mitSideronen 
zusammenzuwerfen !  Unter  sich  durch  ihre  geographische  Verbreitung,  durch  den 
Bau   der  Raupen    wie  der  Falter,  ja  selbst  durch  ihre  Liebhaberei  für  bestimmte 


i)  Von  den  hiesigen  Arten  wurden  auf  Maracujä  (Passiflora)  gefunden  die  Raupen  von  Heli- 
conius Eucrate,  Eueides  Isabella  nnd  Aliphera,  Colaenis  Julia  und  Dido,  Dione 
Vanillae  und  Juno. 


5go 


Beobachtungen  an  brasilianischen  Schmetterlingen. 


Blumen  ^)  auf's  Engste  verbunden,  scheinen  sie  keiner  anderen  Tagfaltergattung 
besonders  nahe  verwandt  zu  sein.  Am  nächsten  steht  wohl  noch  Acraea, 
deren  Raupen  in  allem  Wesentlichen  mit  denen  der  Maracujaf alter  übereinstimmen. 
Bei  allen  darauf  untersuchten  Männchen  der  Maracujaf  alter  nun  finden  sich 
auf  der  Oberseite  der  Hinterflügel  nahe  dem  Vorderrande,  besonders  zahlreich 
längs  der  Costal-  und  Subcostalader,  zwischen  den  gewöhnlichen  Schuppen  ein- 
zelne andere  von  sehr  auffallender  Gestalt,  wie  ich  sie  ähnlich  nur  bei  den  Männ- 
chen eines  Weisslings  der  Gattung  Hesperocharis  gesehen  habe.  Ihr  meist 
ziemlich  stark  gewölbter  Endrand  ist  dicht  mit  Fransen  besetzt,  welche  wie  durch 
einen  fremden  Stoff  mehr  oder  minder  mit  einander  verklebt  aussehen.  East 
noch  rein  erschienen  die  Eransen  bei  einem  Männchen  von  EueidesAliphera 
das  ich  dieser  Tage  aus  der  Puppe  erhielt  und  im  Laufe  des  ersten  Tages  tötete. 
—  Die  Schuppen  erscheinen  bis  auf  einen  hellen  Saum  längs  des  befransten 
Randes  trüb  und  undurchsichtig;  ihr  Stiel  ist,  im  Gegensatze  zu  dem  gewöhnlicher 
Schuppen,  dünn,  dünnhäutig,  und  schlaff;  das  Grübchen,  dem  er  eingefügt  ist 
ist  mehrfach  grösser  als  bei  den  anderen  Schuppen,  kuglig  und  dabei  breit  und 
dunkel  gerandet,  als  enthielte  es  einen  stark  lichtbrechenden  Stoff.  Im  Uebrigen 
ist,  wie  nachstehende  Eig.  5  zeigt,  die  Gestalt  der  Schuppen  eine  ziemlich 
wechselnde. 


aha 


Fig.  5- 


Fig.  6. 


Fig.  5.  Duftschuppen  männlicher  Maracujäfalter  (Vergr.  i8o  :  i).  a  Heliconius  Apseudes.  b  Heli- 
conius  Besckei.     c  Eueides  Aliphera.     d  Colaenis  Dido.     e  Dione  Juno. 

Fig.  6.  Anordnung  der  Duftschuppen  bei  Heliconius  Besckei.  a  Unterschuppen,  b  Deckschuppen. 
c  Duftschuppen. 

Bei  den  Männchen  von  Colaenis  Dido  kommen  diesse  Schuppen  auch 
anderwärts  auf  der  Oberseite  der  Elügel  vor.  Genauer  habe  ich  ihre  Anordnung 
erst  bei  Heliconius  Besckei  mir  angesehen.  Wie  bekannt,  bilden  die 
Schuppen  der  Tagfalter  Querreihen,  von  denen  jede  der  Elügelwurzel  nähere  die 
Einfügungsstellen  der  folgenden  dachziegelartig  deckt.  In  jeder  Querreihe 
wechseln  zweierlei  Schuppen  miteinander  ab,  die  einen,  der  Elügelhaut  aufliegen- 
den (Unterschuppen),  sind  meist  breiter  und  kürzer,  die  anderen  darüberhegenden 
(Deckschuppen)  schmäler  und  länger.  Wo  nun  an  der  bezeichneten  Stelle  diese 
regelmässige  Schuppenstellung  vollständig  ausgeprägt  ist,  pflegen  die  Duftschuppen 


I)  Poinsettia  pulcherrima  wurde  im  vorigen  Jahre  in  meinem  Garten  ausser  von  zahlreichen 
Thecla- Arten  und  einigen  Eryciniden  nur  selten  und  zufällig  von  anderen  Tagfaltern  besucht,  mit 
Ausnahme  der  Maracuj  äf  alter;  diese  fanden  sich  regelmässig  ein  und  verweilten  andauernd  beider 
Pflanze,  und  zwar  fast  alle  hiesigen  Arten.  Es  fehlten  nur  Eueides  Pavana,  den  ich  überhaupt  erst 
drei-  oder  viermal,  sowie  Dione  Moneta,  den  ich  erst  einmal  gesehen  habe. 


Beobachtungen  an  brasilianischen  Schmetterlingen.  cqi 

den  Ort  von  Deckschuppen  einzunehmen.  Doch  Hegen  ihre  Einfügungsstellen 
nur  selten  in  derselben  Linie  mit  denjenigen  der  anderen  Schuppen,  vielmehr 
meist  der  Flügelvvurzel  näher.  Namentlich  längs  der  Costalader,  wo  die  Duft- 
schuppen am  dichtesten  stehen,  ist  die  Anordnung  der  Schuppen  eine  minder 
regelmässige  und  hier  sind  auch  die  Duftschuppen  anscheinend  ganz  regellos 
zwischen   die  anderen  eingestreut. 

Was  nun  die  Deutung  als  Duftschuppen  betrifft,  so  spricht  dafür: 

i)  ihre  Beschränkung  auf  das  männliche  Geschlecht; 

2)  ihr  Vorkommen  an  der  Stelle,  die  vor  allen  anderen  häufig  von  Duft- 
vorrichtungen eingenommen  wird.  Hier,  d.  h.  auf  dem  vom  Hinterrande  der  Vorder- 
flügel bedeckten  Theile  der  Oberseite  der  Hinterflügel,  finden  sich  unter  den 
Danaiden  die  Duftvorrichtungen  bei  Arten  von  Euploea,  hier  die  langen 
Haarpinsel  von  Ithomia,  Mechanitis  und  den  meisten  heliconier-ähnlichen 
Danaiden;  unter  den  Satyrinen:  der  grosse  weisse  Duftfleck  von  Gnoph ödes 
Morpena,  der  Haarbüschel  verschiedener  My  cale  sis- Arten;  ein  Fleck  mit 
langen  schwarzen  seidenartigen  Haaren  bei  Bia  Actorion;  unter  den  Elym- 
niinen:  der  Haarbüschel  von  Elym  n  i  as;  unter  den  Morphinen:  der  eirunde 
lederbraune  Fleck  von  Z  e  u  x  i  d  i  a ,  sowie  ein  Haarbüschel  von  Tenaris,  Cle- 
rome  und  Thaumantis;  unter  den  Brassolinen:  der  eirunde  Fleck  von 
Dasyophthalma;  unter  den  Nymphalinen:  der  Fleck  von  Lachnoptera; 
unter  den  Pierinen:  der  Duftfleck  verschiedener  Arten  von  Leptalis,  Calli- 
dryas,  Nathalis  u.  s.  w.;  unter  den  Hesperiden  der  Haarbüschel  von 
C  a  e  c  i  n  a  ;  endlich  unter  den  Motten  (Hyponomeutiden)  der  lange  grau- 
blonde Haarbusch  von  Trichostibas. 

3)  die  Fransen  am  Endrande,  welche,  wie  andere  Duftvorrichtungen,  sowohl 
die  Ansammlung  von  Riechstoffen  begünstigen,  so  lange  die  Flügel  auf  einander 
liegen,  als  auch  eine  rasche  Verdunstung  derselben,  sobald  die  Flügel  sich  von 
einander  entfernen; 

4)  das  Grübchen,  in  welchem  der  Stiel  sitzt,  und  welches  man  von  ganz 
ähnhchem  Aussehen  in  unzw^eifelhaften,  starken  Geruch  verbreitenden  Duftflecken 
antrifft. 

Von  Gattungen,  die  man  in  die  Nähe  der  Maracujaf alter  zu  stellen  pflegt, 
habe  ich  nur  Acraea,  Argynnis  und  Melitaea  (von  letzteren  beiden  alpine 
Arten,  die  mein  Bruder  Hermann  gesammelt  hat)  untersucht,  aber  an  den 
Flügeln  der  Männchen  nichts  den  Duftschuppen  von  Heliconius,  Eueides, 
Colaenis  und  Dione  Aehnliches  finden  können.  Selbst  dieses  so  unscheinbare 
Merkmal  bestätigt  auf's  Neue  die  enge  Verwandtschaft  unter  sich  und  die  Ab- 
geschlossenheit der  Maracujaf altergruppe. 

Ausser  den  Düften,  durch  welche  männliche  Schmetterlinge  dem  umworbenen 
Weibchen  sich  angenehm  machen,  erzeugen  manche  Schmetterlinge  Gerüche,  die 
Insekten  fressenden  Vögeln  oder  anderen  Feinden  zuwider  sind  und  dadurch 
gegen  deren  Verfolgung  schützen.  Man  kann  sie  von  ersteren  leicht  dadurch 
unterscheiden,  dass  sie  bei  beiden  Geschlechtern  in  gleicherweise  auftreten  und  dass 
der  Schmetterling  sie  loslässt,  sobald  er  in  Gefahr  kommt,  sobald  er  also  z.  B, 
angefasst  wird.  Auch  die  Maracujaf  alter  besitzen  einen  solchen,  und  zwar  einen 
recht  starken  schützenden  Geruch.    Fängt  man  irgend  eine  Art,  sei  es  Männchen 


,^T  Beobachtungen  an  brasilianischen  Schmetterlingen. 

oder  Weibchen,  so  erscheinen  am  Ende  des  Hinterleibes  gelbe  Wülste,  je  nach 
dem  Geschlechte  verschieden  gestaltet  und  gelegen,  aber  bei  Männchen  und  Weib- 
chen genau  denselben  widerlichen  Geruch  verbreitend.  Es  könnte  dieser  Umstand 
gegen  die  eben  gegebene  Deutung  der  Duftschuppen  Bedenken  erregen;  es 
könnte  befremden,  dass  das  Männchen  neben  dem  sehr  starken,  die  Feinde  ab- 
stossenden,  noch  einen  anderen  sehr  schwachen,  für  uns  völlig  unmerklichen,  die 
Weibchen  anlockenden  Geruch  erzeugen  sollte.  Darauf  lässt  sich  sagen,  dass 
man  bereits  wenigstens  einen  Fall  kennt,  in  welchem  gleichzeitig  und  noch  dazu 
dicht  bei  einander  die  beiderlei  Gerüche  vorkommen.  Didonis  Biblis,  ein 
hübscher,  mittel  grosser,  schwarzer  Falter  mit  breitem  rothen  Bande  längs  dem 
Saume  der  Hinterflügel,  besitzt  in  beiden  Geschlechtern  auf  dem  Rücken  des 
Hinterleibes,  zwischen  viertem  und  fünftem  Ringe,  eine  schwärzlich  behaarte 
Doppelwulst,  die  hervorgestülpt  wird,  wenn  man  das  Thier  ergreift;  ausserdem 
besitzt  das  Männchen  eine  dem  Weibchen  vollständig  fehlende  weissbehaarte,  von 
dem  schwarzen  Hinterleib  grell  abstechende  Doppelwulst  zwischen  dem  fünften 
und  sechsten  Hinterleibsring,  die  das  gefangene  Thier  niemals  freiwillig  hervor- 
treten lässt.  Man  kann  mit  einiger  Vorsicht  bald  die  vordere,  bald  die  hintere 
Wulst  allein  hervordrücken  und  sich  so  von  der  Verschiedenheit  der  Gerliche 
überzeugen,  von  welchen  auch"  für  uns  der  der  vordem  Wulst  unangenehm,  der 
der  hintern  angenehm  ist.  Durch  diesen  Fall  verliert  die  überdies  kaum  zu  um- 
gehende Deutung  der  Duftschuppen  auf  den  Flügeln  der  männlichen  Maracuja- 
falter  das  Befremdliche,  was  sie  für  einen  vereinzelt  stehenden  Fall  haben  könnte. 


Beobachtungen   an   brasilianischen  SchmetterUngen ^). 

11.^) 

3.  Die  Duftschuppen  der  Männchen  von  Dione  Vanillae. 

Mit  7  Textfiguren. 

Dione  Vanillae  veranlasst,  ja  ich  darf  wohl  sagen,  zwingt  mich,  noch 
einmal  auf  die  Duftschuppen  der  Maracujafalter  zurückzukommen ;  so  abweichend 
in  Gestalt  und  Anordnung  sind  dieselben  bei  dem  genannten  Falter  von  denen 
der  meisten  Familiengenossen. 

In  manchen  Jahren  der  häufigste  aller  Maracujafalter,  war  in  diesem  Jahre 
Dione  Vanillae  hier  so  selten,  dass  ich  erst  vor  Kurzem,  beim  Nahen  des 
Winters,  das  erste  Männchen  erhielt.  Als  ich  mich  bei  diesem  an  der  gewohnten 
Stelle,  an  dem  von  den  Vorderflügeln  bedeckten  Theile  der  Hinterflügel,  nach 
Duftschuppen  umsah,  konnte  ich  keine  Spur  derselben  entdecken;  doch  belehrte 
mich  sofort  das  eigenthümliche  Aussehen  der  Adern  der  Vorderflügel,  wo  ich 
sie  zu  suchen  hatte.  Die  sechs  ersten  Adern  dieser  Flügel  (nach  H  er  rieh - 
Schäffer's  Zählungsweise  also  die  Innenrandsader,  sowie  die  Aeste  der  Mediana 
und  Discoidalis)  erscheinen  als  breite,  wulstige,  schwarze  Striche  auf  dem  fuchs- 
rothen  Grunde  der  Flügel,  und  bei  genauerem  Zusehen  erkennt  man,  dass  diese 
Striche  zusammengesetzt  sind  aus  einer  Reihe  quer  über  die  Adern  laufender 
Wülste,  zwischen  denen  nackte,  schuppenlose  Stellen  der  Adern  durchscheinen. 
Auf  diesen  Wülsten  nun  stehen  dichtgedrängte  Duftschuppen,  deren  Gestalt  eher 
an  die  mancher  Satyriden,  als  an  die  der  übrigen  Maracujafalter  erinnert. 

So  sehr  man  gewohnt  ist,  sogenannte  „secundäre"  Geschlechtsei genthümhch- 
keiten  in  abweichendster  Weise  bei  nahe  verwandten  Arten  ausgeprägt  zu  finden, 
befremdete  mich  doch  eine  so  durchgreifende  Verschiedenheit  innerhalb  eines  so 
eng  verbundenen  Verwandtenkreises,  wie  ihn  die  Maracujafalter  bilden.  Das  Be- 
fremden schwand,  als  ich  mich  überzeugte,  dass  die  Anordnung  der  Duft- 
schuppen bei  Dione  Vanillae  derjenigen  der  übrigen  Maracujafalter  keineswegs 
unvermittelt  gegenübersteht. 


1)  Kosmos  1877/78.  Bd.  II.  S.  38—42. 

2)  Vergl.  Kosmos  Bd.  I.  S.  388.  ==  Ges.  Schriften  S.  585. 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  3° 


594 


Beobachtungen  an  brasilianischen  Schmetterlingen. 


Auch  bei  H  e  1  i  c  o  n  i  u  s ,  wo  die  Duftschuppen  sich  auf  den  von  den  Vorder- 
flügeln bedeckten  Theil  der  Hinterflügel  beschränken,  stehen  dieselben  besonders 
zahlreich  längs  der  Flügeladern.  Bei  Colaenis  Dido  S  sind,  wie  ich  bereits 
in  meiner  ersten  Mitteilung  erwähnt  zu  haben  glaube,  die  Duftschuppen  nicht 
auf  jene  eine  Stelle  beschränkt,  sondern  über  den  ganzen  Flügel  verbreitet,  und 
zwar  stehen  sie,  wie  mich  jetzt  eine  genauere  Untersuchung  lehrt,  ausschliesslich 
auf  den  Flügeladern.  Sie  finden  sich  auf  den  Adern  2  bis  8  der  Hinterflügel, 
sowie  I  bis  7  der  Vorderflügel;  am  zahlreichsten  stehen  sie  auf  den  von  den 
Vorderflügeln  bedeckten  Adern  der  Hinterflügel.  Die  sämmtlichen  Schuppen- 
reihen der  Flügel  gehen,  wie  gewöhnlich,  ununterbrochen  und  fast  gerade,  nur 
leicht  nach  der  Flügelwurzel  zu  sich  wölbend,  über  die  Adern  hinweg,  auf  welchen 
die  Schuppen  gedrängter  als  sonst  stehen.  Zwischen  je  zwei  Reihen  gewöhnlicher 
Schuppen  steht  eine  Gruppe  von  Duftschuppen  in  einer  dichtgedrängten  queren 
Doppelreihe  (Fig.  2). 


Fig.  I.  Stück  der 
Innenrandsader  der  Vor- 
derflügel von  Diene 
Van i IIa e  (J  (90:  i). 

Fig.  2.  Stück  der 
4.  Ader  der  Vorderflügel 
von  Colaenis  Dido  ^ 
(45  :  I)- 

Fig.  3.  Stück  der 
2.  Ader  der  Vorderflügel 
von  Colaenisjulia  ^ 
(90:1). 


Fig.   I. 


Fig.  2. 


Fig.  3- 


Bei  Colaenis  Julia  S  sind  die  Duftschuppen  der  Hinterflügel  auf  die  von 
den  Vorderflügeln  bedeckten  Adern  7  und  8  beschränkt;  besonders  zahlreich 
finden  sie  sich  auf  7,  dem  ersten  Aste  der  Subcostalis  und  sind  hier  wie  bei 
Colaenis  Dido  angeordnet.  Ausserdem  kommen  aber  auch  Duftschuppen  auf 
den  Vorderflügeln  vor  und  zwar  auf  den  x\dern  i  bis  3,  wo  sie  eine  schon  an 
Dione  Vanillae  erinnernde  Anordnung  zeigen.  Von  den  Schuppenreihen 
geht  nur  jede  zweite,  wurzelwärts  sich  wölbend,  ununterbrochen  über  die  Adern 
hinweg;  die  Schuppen  auf  den  Adern  sind  länger,  schmäler,  stehen  gedrängter 
als  sonst  und  überdecken  einen  halbkreisförmigen,  etwas  vertieften,  etwa  -/s  der 
Breite  der  Ader  einnehmenden  Fleck,  der  dicht  mit  Duftschuppen  besetzt  ist  (Fig.  3). 

Bei  Dione  Juno  S  scheinen  die  Duftschuppen  dem  von  den  Vorderflügeln 
überdeckten  Theile  der  Hinterflügel  zu  fehlen ;  zwar  findet  man  bisweilen  einzelne 
zwischen  den  dieser  Stelle  entnommenen  Schuppen;  doch  konnte  ich  nicht  fest- 
stellen, dass  sie  wirklich  dort  festgesessen  hatten.  Sie  kommen  dagegen  vor  auf 
den  Adern  2  bis  6  der  Hinter-,  sowie  i  bis  6  der  Vorderflügel.  Sie  sind  an- 
geordnet wie  bei  Colaenis  Dido;  wo  sie  besonders  reichlich  vorkommen,  wie 
auf  der  Innenrandsader  der  Vorderflügel,  sind  die  Schuppenreihen  auf  der  Ader 
stärker  gekrümmt  und  die  Gruppen  der  Duftschuppen  sind  mehrreihig,  so  dass 
die  Anordnung  sich  derjenigen  auf  den  Vorderflügeln  von  Colaenis  Julia 
nähert. 


Beobachtungen  an   brasilianischen  SchmeUerlingcn. 


593 


B 


Bei  Dione  VaniUae  S  endlich  {¥\g.  i)  sind  die  Duftschuppen  beschränkt 
auf  die  Adern  i  bis  6  der  Vorderflügel.  Auf  i,  der  Innenrandsader,  nehmen 
sie  die  beiden  letzten  Drittel  der  Länge  ein,  auf  2,  3  und  5  die  ganze  Länge, 
auf  4  gehen  sie  wurzelwärts  noch  über  das  Ende  der  Mittelzelle  hinaus,  während 
sie  auf  6  erst  ein  Stück  jenseits  der  Mittelzelle  beginnen.  Es  geht  bei  dieser  Art 
nur  jede  dritte  Schuppenreihe  ununterbrochen  und  stark  wurzelwärts  gewölbt  über 
die  Duftschuppen  tragenden  Adern  hinweg.  Der  Zwischenraum  zwischen  je  zwei 
über  die  Ader  laufenden  Schuppenreihen  wird  fast  zur  Hälfte  eingenommen  von 
einem  dicht  mit  Duftschuppen  besetzten 
Felde,  welches  nach  beiden  Seiten  die  Ader 
überragt. 

Wie  in  Betreff  der  Anordnung,  so 
bildet  auch  in  Betreff  der  Gestalt  der  Duft- 
schuppen Colaenisjulia  ein  Verbindungs- 
glied zwischen  Colaenis  Dido  und  Dione 
Vanillae.  Die  Duftschuppen  der  Hinter- 
flügel (Fig.  4,  Ä)  schliessen  sich  wie  in  ihrer 
Anordnung,  so  in  ihrer  Gestalt  aufs  Engste 
denen  der  Colaenis  Dido  an,  während  die 
der  Vorderfügel  (Fig.  4,  B)  fast  doppelt  so  lang, 
weit  schlanker  und  vor  dem  Ende  halsartig 
verschmälert  sind,  und  so  auch  in  ihrer 
Gestalt  einigermassen  an  Dione  Vanillae 
erinnern. 

Bei  letzterer  Art  (Fig.  5)  erreichen  die  dün- 
nen, stabförmigen  Duftschuppen  etwa  0,7  mm 
Länge;  einem  undurchsichtigen,  kolbig  an- 
geschwollenen Wurzelende,  das  an  die  Duft- 
schuppen mancher  Weisslinge  erinnert,  folgt 
ein  dünner,  durchsichtiger  Stiel  von  etwa  Vs 
der  Gesammtlänge :  dann  eine  schmale,  ge- 
streckt lanzettförmige  Spreite;  diese  verjüngt  sich  nach  oben  wieder  in  einen  dünnen 
Stiel,  der  sich  am  Ende  zu  einer  schmalen,  länglichen,  abgerundeten,  mit  Fransen 
besetzten  Platte  erweitert.  Die  Schuppen,  welche  dichtgedrängt  im  Halbkreis  das 
Duftschuppen feld  umgeben,  sind  etwa  dreimal  so  lang  als  die  übrigen  Flügel- 
schuppen und  auch  abweichend  gestaltet,  sie  scheinen  einen  schützenden  Zaun  für 
die  Duftschuppen  zu  bilden. 

Unter  den  mir  bekannten  Duftschuppen  anderer  Schmetterlinge  sind  die 
verschiedener  Satyriden  (Fig.  6,  7)  denen  der  Dione  Vanillae  ziemlich  ähnlich. 

In  Farbe  und  Zeichnung,  besonders  auch  in  den  Silberflecken  der  Unterseite 
der  Flügel,  kommt  DioneVanillae  manchen  Perlmutterfaltern,  z.  B.  der  deutschen 
Argynnis  Aglaja,  so  nahe,  dass  ich  auch  diese  noch  einmal  auf  Duftschuppen 
untersuchte.  An  dem  von  den  Vorderflügeln  bedeckten  Theile  der  Hinterflügel, 
wo  ich  früher  danach  suchte,  hatte  ich  keine  gefunden ;  dagegen  traf  ich  sie  jetzt, 
wie  bei  Dione  Vanillae,  auf  den  Adern  der  Vorderflügel.  Sie  scheinen  sich, 
bei  Argynnis  Aglaja  und  Niobe  <$,   auf  die  Adqrn   i  bis  4  zu  beschränken, 

38* 


Fig.  4.        Fig.  5.  Fig.  6.  Fig.  7. 

Duftschuppen  180  mal  vergrössert : 

Fig.  4.   Von  Colaenis  Julia  (5-  A  vom 
Hinterflügel,  B  vom  Vorderflügel, 
^'g-  5-    ^on  Dione  Vanillae  (5 
Fig.  6.    Von  Euptychia  cosmopila(5 
Fig-  7-    Von  Erebia  goante  (^.    (Von 
Hermann  Müller  auf  den  Alpen  gefangen). 


596 


Beobachtungen  an  brasilianischen  SchmetterHngen. 


auf  denen  sie  nicht  in  Gruppen  vereinigt,  sondern  unregelmässig  zerstreut  stehen. 
Ihre  Gestalt  erinnert  an  die  Duftschuppen  von  Erebia  goante  (Fig  7).  Ihre 
genauere  Beschreibung  bleibt  billig  denen  überlassen,  die  sie  in  frischem  Zustande 
untersuchen  können. 

Zum  Schlüsse   eine  Uebersicht   des  Vorkommens   der  Duftschuppen  bei  den 
vorstehend  erwähnten  Arten: 


Heliconius 

Eueides 

Colaenis  JuHa 

Colaenis  Dido 

Dione  Juno   

Dione  Vanillae 

Argynnis  Aglaja  und  Niobe 


Vorderflügel,  Ader: 


7-8 
7-8 
7-8 
2—8 
2—6 
1—6 
1—4 


Hinterflügel,  Ader: 


o 

o 

1—3 

1—7 
1—6 

o 

o 


4.   Kommt   auch    geschlechüiche  Auswahl    von  Seiten    der  Männchen    vor? 

Bei  den  Schmetterlingen,  wie  überhaupt  in  der  Thierwelt.  ist  es  Regel,  dass, 
wenn  die  Geschlechter  verschieden  gefärbt  sind,  die  Männchen  das  glänzendere 
Gewand  tragen.  Ebenso  ist  es  Regel,  dass  die  Oberseite  der  Flügel  lebhafter 
gefärbt  ist,  als  die  Unterseite. 

Von  beiden  Regeln  macht  Pereute  Swainsonii,  ein  schwarzer  „Weiss- 
ling", wie  Claus  die  Pieriden  nennt,  und  machen  ebenso,  so  viel  ich  aus  den 
mir  zugänglichen  Beschreibungen  und  Abbildungen  ersehen  kann,  einige  andere 
Arten  derselben  Gattung  (P.  Charops  und  Antodyca)  eine  Ausnahme. 

Die  Grundfarbe  der  Flügel  ist  schwarz.  Die  Oberseite  zeigt  beim  Weibchen 
als  einzigen  Schmuck  eine  mattrothe,  fleischfarbene,  durch  die  schwarzen  Adern 
unterbrochene  Binde,  die  von  der  Mitte  des  Vorderrandes  zur  Eünterocke  geht. 
Auf  der  Unterseite  ist  diese  Binde  etwas  breiter  und  von  viel  dunklerem,  satterem, 
lebhafterem  Roth;  ausserdem  finden  sich  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel  zwei 
rothe  Flecke  an  der  Flügelwurzel  und  ein  breiter,  gelber  Streif  am  Vorderrande 
(zwischen  Costaiis  und  erstem  Aste  der  Subcostalis). 

Beim  Männchen  ist  das  Roth  der  Unterseite  kaum  so  lebhaft  als  das  der 
Oberseite  beim  Weibchen  ;  auf  der  Oberseite  aber  ist  die  Binde  schmäler,  weiss- 
lich  mit  kaum  noch  einem  Schimmer  von  Roth;  die  sie  durchsetzenden  Adern 
sind  breiter  schwarz  gerandet  und  einzelne  schwarze  Deckschuppen  sind  fast  über 
den  ganzen  helleren  Grund  der  Binde  zerstreut.  Dabei  ist  der  Hinterrand  der 
Vorderflügel  und  ein  grosser  Theil  der  Hinterflügel  grau  bereift. 

Noch  bedeutender  ist  der  Unterschied  der  Geschlechter  bei  Pereute  Charops; 
Das  Roth  der  Oberseite  der  Vorderflügel  ist  beim  Weibchen  ^)  dunkler,  lebhafter 
und  über  eine  grössere  Fläche  verbreitet,  als  bei  Pereute  Swainsonii,  beim 
Männchen  ^)  dagegen  völlig  verschwunden. 

Nach  Wallace  soll  nun  „bei  all  den  wenigen  Arten  von  Pieriden,  bei 
denen   die  Weibchen   auffallender  gefärbt   sind  als  die  Männchen,   das  Weibchen 


i)  Bois  Duval,  Spec.  göneral  des  Lepidopt.  I.   1836.  PI.   18.  Fig.   i. 

2)  Doubleday,    Hewitson,    Genera    of    diurnal    Lepidopt.    PI.  5.    Fig.  2  (Euterpe   marina). 


Beobachtungen  an  brasilianischen  Schnietterhngen.  cnn 

irgend  eine  andere  geschützte  Art  derselben  (regend  nachahmen"  ^).  Hier  indessen 
haben  wir  keinen  anderen,  der  Pereute  Swainsonii  auch  nur  entfernt  ähn- 
lichen Schmetterling.  Sollte  nun  in  diesem  Falle  die  lebhaftere  Färbung  der 
Weibchen  nicht  ebenso  auf  Rechnung  geschlechtlicher  Auswahl  gesetzt  werden 
dürfen,  wie  sonst  der  reichere  Farbenschmuck  der  Männchen? 

Mehr  als  einmal  habe  ich  mich  überzeugen  können,  dass  selbst  bei  Schmetter- 
lingen, deren  Männchen  an  Zahl  überwiegen,  diese  doch  nicht  blind  und  ohne 
Wahl  auf  jedes  beliebige  Weibchen  losstürzen,  das  sich  ihnen  bietet.  Ich  sah  oft, 
wie  ein  von  einem  Männchen  umflattertes  Weibchen  erwartungsvoll  seine  Flügel 
ausbreitete  und  den  Hinterleib  hob,  und  wie  dann  das  Männchen  noch  einige 
Mal  um  das  Weibchen  herum  und  darauf  plötzlich  davon  flog,  während  das 
Weibchen  noch  längere  Zeit  in  seiner  wartenden  Stellung  verharrte.  Um  so 
wählerischer  werden  aber  die  Männchen  sein  dürfen,  je  geringer  ihre  Zahl  ist. 
Und  bei  Pereute  scheinen  sie  bei  weitem  seltener  zu  sein  als  die  Weibchen. 
Bois  Duval  kannte  von  P.  Charops  nur  Weibchen,  und  wenigstens  hier 
und  in  diesem  Jahre  dürfte  kaum  ein  Männchen  auf  5  bis  6  Weibchen  von 
Pereute  Swainsonii  kommen. 

Fasst  man  die  lebhaftere  Färbung  der  Weibchen  der  letzteren  Art  auf  als 
Ergebniss  einer  von  den  Männchen  geübten  Wahl,  so  erklärt  sich  auch,  weshalb 
hier  gegen  die  Regel  die  Unterseite  die  schönere  ist.  Wird  ein  Schmetterlings- 
weibchen von  werbenden  Männchen  umflattert,  so  bietet  die  von  der  Sonne  be- 
strahlte Oberseite  der  Flügel  letzteren  die  bequemste  Stelle  zur  Schaustellung 
glänzender  Farben ;  das  mit  zusammengeschlagenen  Flügeln  sitzende  Weibchen 
zeigt  dagegen  den  Augen  der  Männchen  nur  deren  Unterseite. 

Uebrigens  fehlt  auch  dem  Männchen  der  Pereute  Swainsonii  nicht  ein 
seinem  Geschlechte  eigenthümlicher  Reiz;  es  trägt  auf  der  Oberseite  der  Flügel 
sehr  zahlreiche,  hoch  entwickelte,  d.  h.  von  gewöhnlichen  Schuppen  weit  ab- 
weichende Duftschuppen,  durch  deren  Gestalt  dieser  schwarze  Falter  sich  sofort 
als  „Weissling"  ausweist. 


1)  Darwin,  Descent  of  Man,   1871,  I.  p.  413. 


Beobachtungen   an   brasilianischen   SchmetterHngen  ^). 

111.2) 

5.  Acraea  und  die  Maracujäf alter  als  Raupen,  Puppen  und  Schmetterlinge. 

Mit  4  Textfiguren. 

In  einer  gedankenreichen  Abhandlung,  „über  den  phyletischen  Parallelismus 
bei  metamorphischen  Arten"  hat  Weismann  3)  für  die  Schmetterlinge  nach- 
gewiesen, dass  deren  Entwicklungsstufen,  Raupe,  Puppe  und  Schmetterling,  sich 
selbständig  verändern,  dass  die  auf  einer  Stufe  eingetretene  Aendorung  ohne  Ein- 
fluss  bleibt  auf  die  vorhergehende  und  folgende  Stufe,  dass  demnach  die  Wege, 
auf  welchen  die  einzelnen  Stufen  im  Laufe  der  Stammesgeschichte  sich  heran- 
bildeten, keineswegs  immer  gleichlaufend  waren.  Dieser  Mangel  an  Ueberein- 
stimmung  kann  sich  kund  geben  sowohl  in  ungleichen  Abständen  der  Form- 
verwandtschaft, als  in  ungleicher  Gruppenbildung.  In  Betreff  der  ungleichen  Ab- 
stände sind  bald  die  Raupen  einander  ähnlicher,  formverwandter,  als  die  aus  ihnen 
hervorgehenden  Schmetterlinge,  bald  umgekehrt.  In  Betreff  der  ungleichen 
Gruppenbildung  kann  wieder  ein  doppelter  Fall  eintreten :  Raupen  und  Schmetter- 
linge bilden  ungleichwerthige  Gruppen,  der  eine  Theil  bildet  Gruppen  höherer  oder 
niederer  Art,  —  oder  sie  bilden  ungleichgrosse  und  daher  einander  nicht  deckende, 
übereinandergreifende  Gruppen.  Formverwandtschaft  und  Blutsverwandtschaft 
fallen  also  nicht  immer  zusammen ;  nach  der  Aehnlichkeit  der  Raupen  würde  man 
eine  ganz  andere  Anordnung  erhalten,  als  nach  der  Aehnlichkeit  der  Schmetter- 
linge und  wahrscheinlich  würde  keine  der  beiden  der  wirklichen  Verwandtschaft 
entsprechen. 

Aus  diesem  in  zahlreichen  Beispielen  dargelegten  Thatbestande  folgert 
Weismann,  und  begründet  eingehend  und  überzeugend  diese  seine  Ansicht, 
dass  eine  innere  treibende  Entwicklungs-  oder  Umwandlungskraft,  wie  sie  unter 
mancherlei  Namen  von  verschiedenen  Anhängern  der  Entwicklungslehre  an- 
genommen wird,  nicht  bestehe,  dass  vielmehr  alle  Wandlungen  und  Fortschritte 
der  Arten   durch  äussere  Anstösse  hervorgerufen  werden,  —  Ein  recht  hübsches 

1)  Kosmos  1877/78.  Bd.  IL  S.  218—224. 

2)  Vergl.  Kosmos.  Bd.  I  S.  388  u.  Bd.  II  S.  38.  =  Ges.  Schriften  S.  585  u.  593- 

3)  Weismann,  Studien  zur  Descendenztheorie  II.   1876.  S.   139. 


Beobachtungen  an  brasilianischen  Schmetterlingen.  enn 

Beispiel  für  den  Mangel  an  „phyletischem  Parallelismus,"  wie  es  Weismann 
nennt,  zu  deutsch  für  die  verschiedene  Formverwandtschaft  der  Raupen,  Puppen 
und  Schmetterlinge  bieten  die  fünf  Gattungen  Acraea,  Heliconius,  Eueides, 
Colaenis  und  Dione  (=Agraulis).  Der  Mittheilung  werth  scheint  mir 
dieses  Beispiel  besonders  deshalb,  weil  hier  der  seltnere  Fall  eintritt,  dass  die 
Puppen  es  sind ,  welche  grössere  Verschiedenheit  zeigen ,  als  Raupen  und 
Schmetterlinge. 

Die  Arten,  deren  Raupen  und  Puppen  ich  beobachtete,  sind  Acraea 
Thalia  undAlalia,  Heliconius  Eucrate,  Eueides  Isabella,  Colaenis 
Dido  und  Julia,  Dione  VaniUae  und  Juno;  ausserdem  sah  ich  die  Puppe 
von  Eueides  Aliphera.  Zunächst  nur  auf  diese  Arten  bezieht  sich  das  Fol- 
gende, wenn  auch  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  vorausgesetzt  werden  darf,  dass 
sich,  —  die  weit  über  die  Welt  vo^rstreuten  Arten  von  Acraea  vielleicht  aus- 
genommen, —  sämmtliche  Gattungsgenossen  ihren  hiesigen  Vertretern  ähnlich 
verhalten  werden. 

Als  Falter  bilden  die  genannten  fünf  Gattungen  zwei  scharf  geschie- 
dene Familien,  die  der  Acraeinen  und  die  der  Maracujafalter.  In  letzterer 
sind  die  drei  Gattungen  Heliconius,  Eueides  und  Colaenis  nur  durch 
sehr  unerhebliche  Merkmale  geschieden;  von  Heliconius  unterscheidet  sich 
Eueides  durch  kürzere  Fühler,  von  dieser  Gattung  Colaenis  durch  offene  Mittel- 
zelle der  Hinterflügel.  Weiter  entfernt  sich  durch  abweichende  Bildung  der  Füsse 
und  die  Silberflecke  auf  der  Unterseite  der  Flügel  die  Gattung  Dione.  Höchst 
auffallender  Weise  sind  in  Farbe,  Zeichnung  und  selbst  Schnitt  der  Flügel,  einzelne 
Arten  denen  anderer  Gattungen  weit  ähnlicher,  als  ihren  eigenen  Gattungsgenossen. 
So  sind  Acraea  Thalia  und  Eueides  Pavana,  so  wieder  Heliconius 
Eucrate  und  Eueides  I  s  a  b  e  1 1  a ,  so  ferner  EueidesAliphera  und  Colae- 
nis Julia  einander  täuschend  ähnlich  und  letzteren  beiden  schliesst  sich,  wenig- 
stens für  die  Oberseite  der  Flügel,  Dione  Juno  an.  Ein  sicheres  Urtheil  über 
die  Verwandtschaft  der  einzelnen  Arten  wird  dadurch  erschwert;  denn  es  ist  nicht 
zu  sagen,  wie  viel  man  bei  dieser  Aehnlichkeit  auf  Rechnung  der  Blutsverwandt- 
schaft, wie  viel  etwa  auf  Rechnung  täuschender  Nachahmung  zu  setzen  habe. 

Als  Raupen  würde  man  alle  hiesigen  Arten  in  eine  einzige  Gattung 
stellen  müssen;  so  genau  stimmen  sie  überein  in  Zahl  und  Anordnung  ihrer  Dornen. 
(Je  4  Dornen,  nicht  in  Querreihe,  auf  2.  und  3.,  je  6  Dornen  in  Querreihe,  auf 
4.  bis  II.,  und  4  Dornen,  nicht  in  Querreihe,  auf  dem  letzten,  12.  Leibesringe.) 
Sie  sind  hierin  viel  weniger  von  einander  verschieden,  als  die  deutschen  Arten 
der  Gattung  Vanessa,  als  z.  B.  Tagpfauenauge  (V.  Jo)  oder  Trauermantel 
(V.  Antiopa)  vom  grossen  und  kleinen  Fuchse  und  Admiral  (V.  Polychloros, 
U r t i c a e ,  A t a  1  a n  t a)  ^).  Allerdings  fehlen  den  Raupen  von  Acraea  Thalia 
die  beiden  Dornen  des  Kopfes,  welche  die  anderen  besitzen,  und  umgekehrt  haben 
sie  ein  wohlentwickeltes  Dornenpaar  auf  dem  ersten  Leibesringe,  welches  den 
meisten  anderen  vollständig  fehlt ;  allein  dies  berechtigt  nicht  zu  einer  Trennung ; 
denn  die  bei  Heliconius,  Eueides  und  Colaenis  Dido  durch  Länge  aus- 
gezeichneten Dornen  des  Kopfes  sind  schon  kürzer,  als  die  der  nächsten  Leibes- 


i)  Weis  mann,  a.  a.  O.  S.   i'/i 


(yQQ  Beobachtungen  an  l)iasilianischen  Schmetterlingen. 

ringe  bei  Colaenis  Julia  und  Dione  Vanillae  und  verkümmern  zu  zwei 
winzigen  Spitzen  bei  Dione  Juno,  bei  welcher  ausserdem  der  erste  Leibesring 
ein  kurzes  Dornenpaar  trägt.  Es  steht  also  die  Raupe  der  Dione  Juno  der- 
jenigen von  Acraea  Thalia  ebenso  nahe  als  derjenigen  ihrer  Gattungsgenossen 
Dione  Vanillae. 

Wollte  man  je  zwei  verschiedene  Raupengruppen  bilden,  so  würde  dies  ge- 
schehen können  nicht  auf  Grund  ihrer  Formverschiedenheit,  wohl  aber  auf  Grund 
ihrer  Nahrungspflanzen.  Die  Raupen  von  Heliconius,  Eueidt^s,  Colaenis 
und  Dione  leben  auf  Arten  von  Maracuja  (Passiflora),  die  von  Acraea 
Thalia  und  x\  1  a  1  i  a  auf  Compositen  (M  i  k  a  n  i  a  und  V  e  r  n  o  n  i  a).  Diese  Raupen- 
gruppen würden  zusammenfallen  mit  den  aus  der  Formverwandtschaft  der  Falter 
sich  ergebenden ;  sie  würden  aber  immerhin  kaum  den  Werth  von  Gattungen, 
nicht  wie  die  der  Falter  den  von   Familien  beanspruchen  können. 

Ordnet  man  die  einzelnen  Raupenarten  nach  ihrer  Aehnlichkeit,  so  fällt, 
auch  abgesehen  von  dem  verschiedenen  Werthe  der  Gruppen,  diese  Anordnung 
nicht  zusammen  mit  der  auf  die  Aehnlichkeit  der  Falter  begründeten.  Es  er- 
giebt  sich  etwa  Folgendes: 

Falter. 

(Nymphaliden  mit  unten  behaarten  Flügeladern.) 


(Familien:) 

Maracuj  äf alter 

- 

Acraeiner 

(Gattungen :) 

Heliconius. 

Eucra  te. 

Eueides. 

Isabella. 

Colaenis. 

Dione. 

Acraea. 

Arten :) 

Dido.         Julia. 

Vanillae. 

Juno. 

Thalia 

Raupen. 

Die  Raupen  von  Eucrate,  Isabella  und  Dido  sind  in  ihrer  ganzen  Er- 
scheinung so  ähnhch,  dass  man  sie  für  verschiedenfarbige  Formen  derselben  Art 
halten  könnte;  sie  sind  lebhaft  gefärbt  und  sitzen  einzeln  auf  der  Oberseite  der 
Blätter.  Die  Raupen  von  Juno  und  Thalia  leben  gesellig ;  sie  sind  braun  oder 
bräunlich ;  die  Dornen  des  Kopfes  sind  verkümmert  oder  fehlen  ganz,  bei  J!u  n  o 
sind  überhaupt  alle  Dornen  so  kurz,  dass  sie  sich  dadurch  im  Ansehen  noch  mehr 
als  selbst  Thalia  von  den  übrigen  Arten  entfernt.  Den  Raupen  von  Julia  und 
Vanillae  fehlen  ebenfalls  grelle  Farben;  sie  leben  einzeln  und  halten  sich,  so- 
viel ich  mich  entsinne,  stets  an  der  Unterseite  der  Blätter.  Der  Formabstand 
der  Raupen  dürfte  kaum  ihrer  Blutsverwandtschaft  (Mitsprechen ;  xielmehr  scheint 
er,  wenigstens  was  die  Färbung  betrifft,  in  Zusammenhang  zu  stehen  mit  der 
verschiedenen  Lebensweise.  Wie  die  Falter,  so  haben  auch  dic>  Raupen  beim 
Zerdrücken  einen  widerlichen  Geruch,  der  sie  gewiss  für  manche  RaupenfresscT 
ungeniessbar  macht.  Geschützt  vor  solchen  Feinden  werden  sie  aber  nur  stüii 
(worauf  Wall ace  aufmerksam  machte),  wenn  diese  sie  rechtzeitig  und  nicht  erst 
nach  dem  Anbeissen  als  ungeniessbar  erkennen.  Leben  die  Raupen  in  solcher 
Menge  beisammen,  wie  es  bei  Acraea  Thalia  und  Dione  Juno  der  Fall  zu 
sein  pflegt,  so  wird  schon  der  Geruch  nahende  Feinde  abschrecken;  die  einzeln 
lebende  Raupe  wird  geschützt  sein,  wenn  sie  durch  grelle  Farben  weithin  sich 
kenntlich  macht,  wie  die  weisse,  schwarzpunktirte  und  schwarzbedornte  Raupe 
von  Heliconius  Eucrate,  die  schwarzbedornte  auf  blassem  Grunde  brennend 


Reobaclitungen  an   brasilianischen   Schmetterlingen. 


60  I 


roth  und  schwarz  gezeichnete  Raupe  von  Colaenis  Dido  und  die  ebenfalls 
bunte  Raupe  von  Eueides  Isabella.  Wie  augenfällig  diese  Raupen  sind, 
bewies  mir  noch  dieser  Tage  meine  Tochter  Selma,  die  mir  eine  kaum  halb- 
wüchsige Raupe  von  Heliconius  Eucrate  heimbrachte,  welche  sie  bei 
ziemlich  raschem  Vorbeireiten  auf  einem  Maracujablatte  hatte  sitzen  sehen.  Fehlt 
der  einzeln  lebenden  Raupe  lebhafte  Färbung  als  „Widrigkeitszeichen"  (Weis- 
m a  n n),  so  muss  sie  sich  verstecken,  wie  die  von  Colaenis  Julia  und  D i o n e 
V  a  n  i  1 1  a  e.  Die  Bedornung  ist  wohl  weniger  ein  Schutz  gegen  Vögel,  als  gegen 
kleinere  Feinde;  auch  sie  mag  bei  den  massenhaft  zusammenlebenden,  einen 
selbst  den  Menschen  anwidernden  Dunst  um  sich  verbreitenden  Raupen  von 
Dione  Juno  überflüssig  geworden  und  daher  allmäliger  Verkümmerung  an- 
heimgefallen sein.  Aehnliche  Beispiele  nahe  verwandter  Raupen,  von  denen  die 
einen  geseUig,  die  andern  einzeln  leben,  finden  sich  auch  sonst  unter  den  Tag- 
faltern; so  leben  die  Raupen  von  Morpho  und  Brassolis  geselHg,  die  von 
Opsiphanes  und  Caligo  einzeln;  so  die  Raupen  von  Papilio  Pomp  eins 
gesellig,  die  von  Papilio  Nephalion,  Polydamas,  Thoas  u.  s.  w.  einzeln. 
Und  auch  in  diesen  Fällen  scheint  sich  die  Formverwandtschaft  der  Raupen  mehr 
nach  ihrer  Lebensweise,  als  nach  ihrer  Blutsverwandtschaft  zu  richten,  falls  näm- 
lich, —  und  dabei  darf  man  ein  grosses  F"ragezeichen  nicht  unterdrücken  — , 
letztere  in  der  jetzt  üblichen  Anordnung  der  Falter  richtig  wiedergegeben  ist. 
So  sind  die  geseUigen  Raupen  von  Brassolis  denen  von  Morpho  bei  weitem 
ähnlicher,  als  den  einzeln  lebenden  ihrer  Familiengenossen  Opsiphanes  und  Caligo 


Fig.    I. 


Fig.  2. 


Fig.   3- 


Fig.  4. 


Fig.   I  —  4.     Puppen    von  Acraea  Thalia;    Heliconius    Eucrate;    Eueides  Isabella   und    Colaenis  Dido 
in  natürlicher  Grösse. 


Wie  erheblich  im  Vergleich  zu  der  engen  Form  Verwandtschaft  aller  Maracuja- 
falter  und  der  nicht  minder  grossen  Aehnlichkeit  ihrer  Raupen  die  Verschieden- 
heit ihrer  Puppen  sei,  zeigt  ein  Blick  auf  die  vorstehenden  Umrisse  der  Puppen 
von  Heliconius  Eucrate  (Fig.  2.),  Eueides  Isabella  (Fig.  3)  und  Co- 
laenis Dido  (Fig.  4).  Eine  Familie,  welche  diese  drei  so  ungleichen  Puppen 
umfasste,  würde  auch  Raum  haben  für  die  der  Acraea  Thalia  (Fig.   i). 

Die  Puppe  der  letztgenannten  Art  hat  in  ihrer  Gesammtform  nichts  Auffälliges, 
vielmehr  eine  ganz  gewöhnliche  Puppengestalt ;  si(^  ist  ziemlich  drehrund,  ohne  tief 
ein-  oder  vorspringende  Buchten,  Höcker  oder  Leisten  ;  ein  winziges  Spitzchen  steht 
am  Kopfe  auf  jeder  Augendecke,  ein  ähnliches  an  der  Flügelwurzel.  Was  sie  aus- 
zeichnet, sind  fünf  Paar  Dornen  auf  dem  Rücken  des  Hinterleibes.  Dieselben  finden 
sich  auch  bei  Acraea  Alalia,  scheinen  aber  anderen  Arten,  z.  B.  der  indischen 


^Q2  Beobaclitungen  an  brasilianischen  Schmetterlingen. 

A.  Viola e,  zu  fehlen.  ^  Im  vorigen  Sommer  traf  ich  unter  einigen  Gesellschaften 
von  Thalia- Raupen,  jede  aus  Kindern  derselben  Mutter  bestehend,  einzelne,  die 
durch  viel  kürzere  Domen  vor  ihren  Geschwistern  sich  auszeichneten  und  sich 
in  Puppen  verwandelten,  deren  fünf  Dornenpaare  in  gleichem  Verhältniss  kürzer 
waren,  als  gewöhnlich,  —  eine  Ausnahme  \'on  dem  Satze,  dass  iVenderungen  der 
einen  Entwickelungsstufe  ohne  Einfluss  bleiben  auf  die  übrigen.  Auf  Schmetter- 
ling und  Puppe  kann  überhaupt,  beiläufig  bemerkt,  dieser  von  Weismann  auf- 
gestellte Satz  nur  in  beschränkter  Weise  Anwendung  finden.  Die  Haut  der 
Puppen  bildet  Scheiden  oder  Decken  für  ^Vugen,  Fühler,  Rüssel,  Beine,  P^lügel 
des  Schmetterlings,  und  sobald  diese  Theile  beim  Schmetterlinge  erhebliche  Aen- 
derungen  erfahren,  werden  entsprechende  Aenderungen  bei  der  Puppe  eintreten 
müssen,  wie  denn  z.  B.  der  ungewöhnlich  lange  Rüssel  mancher  Dickköpfe 
(Hesperiden)  eine  das  Hinterleibsende  der  Puppe  weit  überragende  Rüssel- 
scheide bedingt.  —  Die  Farbe  der  Puppe  von  A  c  r  a  e  a  Thalia  ist  weisslich,  die 
Flügeladern,  einige  andere  Zeichnungen  und  die  Dornen  sind  schwarz;  metall- 
glänzende Spiegelflecke  fehlen  ihr. 

Bei  der  Puppe  von  Heliconius  Eucrate  springt  die  seitlich  zusammen- 
gedrückte Flügelgegend  stark  nach  unten  vor;  die  am  Flügelrande  hin  liegenden 
Fühlerscheiden  sind  den  Fühlergliedern  entsprechend  sägeartig  mit  kurzen  spitzen 
Dornen  besetzt ;  statt  der  winzigen  Spitzen  von  Acraea  Thalia  trägt  der 
Kopf  zwei  ansehnliche  höckrige  Vorsprünge;  der  Hinterleib  erhebt  sich  jederseits 
zu  einer  blattförmigen,  nach  oben  vorspringenden  Leiste,  die  mit  fünf  Dornen  von 
verschiedener  Länge  besetzt  ist;  das  vorderste  kopfwärts  gerichtete  Dornenpaar 
ist  das  längste.  —  Die  Puppe  ist  braun  und  geziert  durch  vier  Paar  lebhaft 
metallglänzender  Spiegolflecken,  ein  Paar  dicht  hinter  den  Fühlern,  drei  Paar, 
fast  zusammenfliessend,  auf  dem  Rücken  vor  dem  längsten  Dornenpaare.  In  der 
Mitte  jedes  dieser  letzteren  etwas  gewölbten  Spiegelflecken  steht  ein  kleiner  Dorn. 

Bei  der  Puppe  von  Colaenis  Dido  (welcher  die  von  Colaenis  Julia 
ähnlich  ist  und  an  welche  auch  die  von  Dione  Vanillae  und  Juno  sich  an- 
schliessen),  fehlen  die  Dornen,  die  Flügelgegend  ist  nur  massig  bauchwärts  ge- 
wölbt, die  Fühlerglieder  sind  nur  durch  kleine  Höcker  bezeichnet ;  statt  der  blatt- 
artigen Leisten  trägt  der  Hinterleib  an  der  Seite  des  Rückens  rechts  und  links 
je  fünf  knorrige  oder  höckrige  Vorsprünge.  Spiegelfleckcn  sind  in  gleicher  Zahl 
und  Lage  vorhanden,  wie  bei  Heliconius  Eucrate;  die  des  Rückens  haben 
statt  eines  Dornes  einen  warzenförmigen  Vorsprung  in  der  Mitte. 

Die  Puppen  von  Heliconius  und  Colaenis  erzeugen,  wenn  sie  sich  leb- 
haft bewegen,  und  das  tun  sie  bei  jeder  Störung,  durch  Reibung  der  Hinterleibs- 
ringe ein  namentlich  bei  Heliconius  Eucrate  sehr  vornehmliches  zischendes 
Geräusch,  das  vielleicht  kleinere  Feinde  verscheuchen  mag.  (Sehr  laut,  so 
dass  meine  Kinder  sie  Schreipuppen  nannten,  ist  das  auf  diese  Weise  erzeugte 
Geräusch  bei  den  Puppen  der  E  p  i  c  a  1  i  a  N  u  m  i  1  i  a.) 

Sind  nun  schon  bei  Heliconius  und  Colaenis  die  Puppen  viel  verschiedener, 
als  die  Falter  oder  Raupen,  so  gilt  dies  in  noch  weit  höherem  Grade  für  Eueides 
im  Vergleich  mit  seinen  oben  genannten  Vorwandten.  Die  Raupen  von  Eueides 
haben  nichts  ihnen  Eigentühmliches,  auch  für  die  Falter  Hesse  sich  ihre  Be- 
rechtigung, eine  eigene  Gattung  zu  bilden,  in  Zweifel  ziehen ;  als  Puppen  dagegen 


Beobachtungen  an  brasilianischen  Schmetterlingen.  5o3 

entfernen  sie  sich  weit  —  schon  durch  die  Art,  wie  sie  sich  aufhängen,  —  nicht 
nur  von  den  übrigen  Maracujafaltern,  nicht  nur  von  der  ganzen  grossen  Gruppe 
der  Nymphahden  (Danainen,  Satyrinen,  Elymniinen,  BrassoHnen,  Morphinen, 
Acraeinen,  Maracujaf alter  und  Nymphalinen  umfassend),  sondern  fast  von  allen 
andern  Schmetterlingen.  Die  Raupe  setzt  sich  zur  Verpuppung  an  die  Unterseite 
eines  Blattes;  die  Puppe  ist  mit  dem  Hinterende  befestigt,  hängt  aber  nicht  nach 
unten,  wie  die  anderen  Nymphaliden,  sondern  ihre  letzten  Ringe  sind  so  gekrümmt, 
dass  sich  die  Bauchseite  der  Puppe  der  vmteren  Blattfläche  anlegt.  Ich  kenne 
unter  den  nicht  gleichzeitig  durch  einen  Gürtel  befestigten  Puppen  keine,  die  eine 
solche  Stellung  annähme;  doch  scheint  etwas  ähnliches  vorzukommen  bei  Sta- 
lachtis,  deren  gürtellose  Puppe  nach  Bat  es  „durch  die  Befestigung  am  Hinter- 
ende in  geneigter  Stellung  erhalten"  wird.  B  a  t  e  s  unterschied  durch  diese  Eigen- 
thümlichkeit  die  Stalachtinen  von  den  Libytheinen  mit  „frei  am  Hinterende  auf- 
gehängter" Puppe. 

Ausser  durch  diese  so  ganz  eigenartige  Haltung  ihres  Leibcjs  ist  die  Puppe 
von  Eueides  Isabella  ausgezeichnet  durch  kürzere  hakenartige  und  längere  schmal 
säbelförmige  paarige  Fortsätze  an  Rücken  und  Kopf.  Ihre  Farbe  ist  weisslich, 
gelblich,  auch  wohl  schmutzig  gelbHch  grau;  in  letzterem  Falle  bleiben  die  vier 
langen  Fortsätze  des  Rückens,  sowie  ihre  Umgebung  und  die  Spitzen  der  übrigen 
Fortsätze  weiss  oder  gelbUch.  Die  Puppe  von  Eueides  Aliphera  ist  ganz  ähnlich, 
nur  sind  alle  Fortsätze  etwas  kürzer,  die  vier  langen  Fortsätze  des  Rückens  und 
einige  andere  Zeichnungen  sind  schwarz. 

Wenn  nun,  wie  Weismann  für  Raupen  und  Schmetterlinge  nachzuweisen 
sucht,  „der  Formabstand  stets  genau  dem  Abstände  der  Febensweise"  entspricht, 
so  legt  sich  die  Frage  nahe,  welche  Verschiedenheit  der  Lebensverhältnisse  den 
so  erheblichen  Formabstand  zwischen  den  Puppen  so  eng  verwandter  Schmetter- 
linge, wie  die  Maracujäfalter  es  sind,  bedingt  haben  möge.  Bei  Puppen,  die 
weder  essen  noch  trinken,  weder  der  Liebe  nachgehen,  noch  für  Brut  zu  sorgen 
haben,  kann  es  sich  dabei  nur  um  Schutz  vor  Feinden  handeln.  Sollten  aber  für 
Puppen  nächstverwandter  Arten,  deren  Raupen  von  nächstverwandten  Pflanzen 
sich  nähren,  im  gleichen  Lande,  zur  gleichen  Jahreszeit,  die  sie  bedrohenden  Feinde 
je  so  verschieden  gewesen  sein,  um  so  erhebliche  Formabstände  hervorzurufen? 
Man  darf  wohl  die  Frage  mit  ziemhcher  Zuversicht  verneinen  und  in  diesem  Falle 
die  Verschiedenheit  der  Puppen  nicht  aus  dem  „Abstände  in  der  Lebensweise", 
nicht  aus  der  Verschiedenheit  der  äusseren  Verhältnisse,  sondern  daraus  ableiten, 
dass  zufällig  d.  h.  in  Folge  irgend  welcher  glücklichen,  durch  irgend  welchen 
äusseren  Anstoss  veranlassten  Abänderung,  die  einen  in  einer,  die  anderen  in 
anderer  Weise  vor  den  gemeinsamen  Feinden  Schutz  fanden  und,  in  der  einmal 
eingeschlagenen  Richtung  durch  natürliche  i.\uslese  weitergeführt,  zuletzt  an  jetzt 
so  weit  auseinanderliegenden  Puncten  anlangten.  Wie  nun  für  die  eine  oder  an- 
dere Art  die  Besonderheiten  ihrer  Gestalt  oder  Farbe  als  Schutz  wirksam  sein 
mögen,  darauf  muss  ich  die  Antwort  schuldig  bleiben.  Nur  in  Betreff  der  Puppe 
von  Eueides  Isabella  will  ich  mir  eine  Vermuthung  erlauben.  Dass  sie  nicht  grün 
ist,  wie  andere  im  Laube  hängende  Puppen  (Siderone,  Epicalia,  Callidryas  u.  s.  w.) 
zu  sein  pflegen,  dass  ihre  Farbe  mehr  oder  minder  grell  absticht  von  dem  dunklen 
Grün    der  Blätter,    verbietet   an   Verstecken    zu  denken ;   dabei  ist  aber  doch  ihre 


f)Qi  Beobachtungen  an   brasilianischen  Schmetterlingen. 

Farbe  zu  matt,  zu  wenig  glänzend,  um  als  weithin  auffallendes  „Widrigkeits- 
zeichen" zu  dienen.  In  beiden  Fällen  würden  zudem  die  wunderlichen  Fort- 
sätze der  Puppe  unerklärt  bleiben. 

So  kommt  man  durch  Ausschluss  anderer  Möglichkeiten  auf  den  Gedanken 
an  „Mimicry'S  an  durch  Täuschung  des  Feindes  schützende  Aehnlichkeit.  Aber 
Aehnlichkeit  womit?  —  Nicht  selten  trifft  man  an  Blättern  todte,  von  Pilzen  durch- 
wucherte Insecten,  aus  deren  Leibe  die  weisslichen  oder  gelblichen  Pilze  in  aller- 
lei wunderlichen  Gestalten  hervorsprossen.  Diese  Insecten  bilden  natürlich  keine 
lockende  Beute  mehr.  An  solche  Pilzbildungen  könnten  die  Fortsätze  der  Eueides- 
Puppe  erinnern.  Allerdings  möchte  ich  nicht  behaupten,  dass  für  uns  in  \ollem 
Lichte  die  Aehnlichkeit  eine  täuschende  sei.  Allein  die  Puppe  hängt  im  Schatten 
des  Blattes,  auch  geringere  Aehnlichkeit  wird  minder  scharfsichtige  und  auf- 
merksame Feinde  irre  leiten  können,  und  auch  die  täuschendste  Nachahmung  hat 
ja  mit  minder  vollkommenen  Graden  der  Aehnlichkeit  beginnen  müssen. 


Der  Rückschlag  bei  Kreuzung  weit  abweichender 

Formen  ^). 

Mit   I   Textfigur. 

„Eine  mechanische  Theorie  der  Vererbung  müsste  zeigen  können,  dass  die 
Plastidulbewegungen  der  männHchen  und  der  weibHchen  Keimzelle  bei  ihrem 
Zusammentreffen  in  dem  Falle  der  Kreuzung  weit  abweichender  Formen  sich 
gegenseitig  so  modificiren,  dass  als  Resultante  die  Bewegungsart  der  gemein- 
samen Stammform  daraus  hervorgehen  muss." 

So  W  e  i  s  m  a  n  n  '^)  bei  Besprechung  von  H  ä  c  k  e  l's  „Perigenesis  der  Plastidule", 
in  welcher  Schrift  Letzterer  bekanntlich  eine  „mechanische  Erklärung  der  elemen- 
taren Entwickelungs- Vorgänge"  zu  geben  versucht. 

Die  Richtigkeit  der  Anschauungen  vorausgesetzt,  in  welchen  in  Betreff  der 
Vererbung  Weismann  und  Häckel  sich  begegnen,  dürfte  es  nicht  schwer 
sein,  die  verlangte  Erklärung  des  bei  Kreuzungen  auftretenden  Rückschlages  auf 
mathematischem  Wege  zu  geben  und  nachzuweisen,  dass  gerade  ein  um  so  auf- 
fallenderer Rückschlag  zu  erwarten  ist,  in  je  abweichenderer  Richtung  sich  die 
Eltern  von  ihrer  gemeinsamen  Stammform  entfernt  haben. 

Hören  wir  zunächst,  was  uns  die  beiden  genannten  Forscher  über  Ver- 
erbung sagen. 

Weismann  denkt  sich  die  Vererbungsfähigkeit  so,  „dass  dem  Keim  des 
Organismus  durch  die  Mischung  seiner  Bestandtheile  eine  ganz  bestimmte  Ent- 
wickelungsri(^htung  mitgetheilt  wird,  dieselbe  Entwickelungsrichtung,  wie 
sie  der  elterliche  Organismus  zu  Anfang  besessen  hat".  Die  „durch  Vererbung 
übertragene  Entwickelungsrichtung"  wird  aber  stets  durch  äussere  Einflüsse  „bald 
hierhin,  bald  dorthin  ein  wenig  abgelenkt",  und  das  Kind  den  Eltern  deshalb  nie 
völlig  gleich.  „Die  Variabilität  ist  nichts  Anderes,  als  die  Resultante  aus 
der  ererbten  Entwickelungsrichtung  und  den  äusseren  Einflüssen"  ■^). 

Nach  Häckel  setzt  sich  die  Lebensbewegung  jeder  späteren  Plastide,  — 
also  überhaupt  jedes  späteren  Organismus,  —  „zusammen  einerseits  aus  der  über- 


1)  Kosmos  Bd.  II.   1877/1878.  p.  57—59. 

2)  Weismann,  Studien  zur  Descendenz-Theorie.  II.  Leipzig  1876.  S.  299. 

3)  "Weis mann,  Ueber  die  Berechtigung  der  Darwin'schen  Theorie.  Leipzig  1863.    S.  24 — 25. 


6o6 


Der  Rückschlag  bei  Kreuzung  weit  abweichender  Formen. 


wiegenden  Reihe  der  alten  Plastidul-Bewegungen,  welche  durch  Vererbung 
getreu  von  Generation  zu  Generation  sich  erhalten  haben,  andrerseits  aus  einem 
geringen  Antheil  von  neuen  Plastidul-Bewegungen,  welche  durch  Anpassung  er- 
worben wurden"  (Perigenesis,  S.  47).  Die  individuelle  Plastidul-Bewegung,  welche 
der  ersten  Plastide  eines  auf  geschlechtlichem  Wege  erzeugten  Organismus  inne 
wohnt  und  dessen  „ganze  weitere  Entwickelung  bedingt",  ist  „die  Resultante  aus 
den  beiden  verschiedenen  Plastidul-Bewegungen  der  weiblichen  Ei-Plastide  und 
der  männlichen  Sperma-Plastide.  Wenn  wir  letztere  als  die  beiden  Seiten  eines 
Parallelogramms  der  Kräfte  betrachten,  so  ist  die  Plastidul-Bewegung  der  Mone- 
rula  und  der  daraus  hervorgehenden  Cytula  deren  Diagonale"  (Perigenesis, 
S.  53).  Oder  kürzer:  „Die  kindliche  Lebensbewegung  ist  die  Diagonale  zwischen 
der  mütterlichen  und  der  väterlichen  Lebensbewegung"  (Perigenesis,  S.  54). 

Ich  lasse  dahin  gestellt,  ob  man  be- 
rechtigt ist,  auf  diese  unendlich  verwickelten 
Verhältnisse  den  Satz  vom  Parallelogramm 
der  Kräfte  anzuwenden.  Ich  bezweifle  es 
und  fürchte,  dass  man  dadurch  nicht  mehr 
als  den  täuschenden  Schein  einer  „mecha- 
nischen Theorie"  erhalten  werde.  Doch  die 
Berechtigung  zu  gegeben,  so  würde  man  in 
folgender  Weise  das  Ergebniss  einer  ge- 
schlechtlichen Zeugung  veranschaulichen 
können. 

Durch  den  Anfangspunkt  o  eines 
rechtwinkligen  Coordinatensystems,  dessen 
Achse  der  x  die  Entwickelungsrichtung 
der  den  Eltern  gemeinsamen  Stammform 
bezeichnen  möge,  lege  man  zwei  Gerade, 
om  und  ov,  deren  Richtung  die  Ent- 
wickelungsrichtung der  mütterlichen  und  der  väterlichen  Keimzelle  darstellen 
möge.  Ausser  dieser  Entwickelungsrichtung  kommt  beim  Ergebnis  der  ge- 
schlechtlichen Zeugung  noch  in  Betracht,  mit  welcher  Kraft  das  eine  oder  andere 
Geschlecht  seine  Eigenthümlichkeiten  überträgt  („prepotency  of  transmission" 
Darwin).  Diese  Stärke  der  Ucbertragung  werde  durch  die  verschiedene  Länge 
der  Geraden  om  und  ov  ausgedrückt. 

Jede  der  beiden  elterlichen,  durch  die  Keimzelle  übertragenen  Entwickelungs- 
richtungen  ist  nun  die  Resultante  aus  der  weit  überwiegenden  Entwickelungs- 
richtung der  gemeinsamen  Stammform  und  aus  den,  seit  der  Trennung  von  den 
Stammformen  erfahrenen  Ablenkungen.  Wir  zerlegen  also  sowohl  om  als  ov  in 
diese  beiden  Componenten.  Die  stammelterliche  Entwickelungsrichtung  wird  dar- 
gestellt werden  durch  die  Projektionen  om'  und  ov'  der  Geraden  om  und  ov  auf 
die  Achse  der  x,  die  Ablenkung  durch  die  darauf  senkrechten  Projektionen  om" 
und  ov"  derselben  Gerade  auf  die  Ebene  der  yz.  Da  bei  Formen,  zwischen  denen 
überhaupt  fruchtbare  Vereinigung  möglich  sein  soll,  die  erworbene  Verschiedenheit 
gegen  die  ererbte  Ueberein.stimmung  äusserst  unbedeutend  ist,  so  sind  mox  und 
vox  stets  sehr  spitze  Winkel. 


Der  Rückschlag  bei  Kreuzung  weit  alnveichenrler  Formen.  (^Qy 

Zeichnet  man  nun  die  kindliche  Resultante  ok  und  zerlegt  auch  sie  in  die 
beiden  Componenten  ok',  welche  die  von  der  g(nneinsam(MT  Stammform  der  Eltern 
ererbte  Entwickelungsrichtung.  und  ok ',  wc^lche  die  Ablenkung  von  dieser  Rich- 
tung darstellt,  so  ist  in  allen  Fällen,  da  mox  und  vox  spitze  Winkel  sind,  ok'  =  om' 
-[-  ov',  d.  h.  es  summirt  sich  im  Kind(\  w^as  die  Eltern  von  gemeinsamen  Vor- 
fahren ererbten.     Dagegen  ist 

ok"  =  Vom" 2  +  ov"2  -}-  2om"  .  ov"  .  cos  m"ov". 
Also  nur  wenn  der  Winkel  m"ov"  =  o  ist,  d.  h.  wenn  om  und  ov  in  der- 
selben Ebene  mit  der  Achse  ox  auf  derselben  Seite  dieser  Achse  liegen,  oder 
mit  anderen  Worten,  wenn  Vater  und  Mutter  sich  in  genau  gleicher  Richtung, 
wenn  auch  verschieden  weit  von  der  Stammform  entfernt  haben,  wird  ok"  =  om" 
+  ov"  sein.  Nur  in  diesem  Falle  wird  keinerlei  Rückschlag  eintreten;  es  wird 
das  Verhältniss  der  stammväterlichen  Richtung  zur  Ablenkung  genau  dasselbe 
sein  bei  dem  Kinde,  wie  es  durchschnittlich  bei  den  Eltern  war. 

om'  +  ov'    om"  -f-  ov" 
ok  :  ok    = : 

2  2 

In  allen  anderen  Fällen  ist 


ok"  =  Vom"2  +  ov"^  -f~  2  om"  ,  ov"  .  cos  m"ov"  <  om"  -f  ov" 

oder 

om'  -|-  ov'    om"  -|-  ov" 
ok  :  ok    > : ■ . 

2  2 

In  allen  anderen  Fällen  also  ist  das  Verhältniss  der  stammväterlichen  Ent- 
wickelurigsrichtung  zur  Ablenkung  grösser  beim  Kinde,  als  es  durchschnittlich 
bei  den  Eltern  war,  und  zwar  um  so  grösser,  je  grösser  der  Winkel  m"ov" 
ist,  welcher  die  Verschiedenheit  der  Richtungen  ausdrückt,  in  denen  sich  die 
Eltern  von  ihrer  gemeinsamen  Stammform  entfernten.  So  oft  demnach  Vater 
und  Mutter  sich  nicht  in  genau  derselben  Richtung  von  der  Stammform  ent- 
fernten, wird  das  Kind  dieser  Stammform  ähnlicher  sein,  als  es  durchschnittlich 
die  Eltern  waren,  und  zw^ar  wird  der  Rückschlag  um  so  beträchtlicher  sein,  nicht 
je  ferner  die  Eltern  einander  oder  der  Stammform  stehen,  sondern  in  je  ab- 
weichenderen Richtungen  sie  sich  von  letzterer  entfernt  haben. 

Itajahy,  Mai   1877. 


Der  sprachlose  Urmensch  und  die  Sprachlosigkeit 

der  Kinder^). 

Auf  Grund  des  Satzes,  den  er  auf  die  geistige  Entwicklungsgeschichte  der 
Menschheit  ausdehnt,  dass  „die  Ontogenie  die  abgekürzte  Wiederholung  der 
Phylogenie"  ist,  betrachtet  Hellwald  (s,  Kosmos  I.  S.  325  u.  fgde.)  die  Sprach- 
losigkeit der  Kinder  als  einen  der  schlagendsten  Beweise  für  das  einstige  Be- 
stehen sprachloser  Urmenschen. 

Ich  bezweifle  die  Stichhaltigkeit  dieses  Beweises. 

Nicht  dass  ich  Bedenken  hätte  gegen  die  für  jeden  Anhänger  der  Ent- 
wicklungslehre unabweisliche  Annahme  des  sprachlosen  Urmenschen,  den  ich  so- 
gar für  einen  wirklichen,  in  seinem  Gliederbau  kaum  von  uns  verschiedenen 
Menschen,  nicht  aber,  wie  Hellwald,  für  ein  auf  allen  Vieren  kriechendes 
Menschenthier  halte.  Ebensowenig  bestreite  ich  die  Richtigkeit  des  Satzes,  dass  in 
gewissen  Fällen  „die  geschichtliche  Entwicklung  der  Art  sich  abspiegelt  in  deren 
Entwicklungsgeschichte",  eines  Satzes,  den  ich  ja  selbst  zuerst  bestimmter  und 
unter  Hervorhebung  der  nothwendigen  Einschränkungen  formulirt  habe.  Was 
ich  bezweifle,  ist  nur  die  Anwendbarkeit  dieses  Satzes  auf  den  vorliegenden  Fall. 

Wer  aus  der  in  der  Keimesgeschichte  erhaltenen  Urkunde  die  Stammes- 
geschichte einer  Art  zu  entziffern  unternimmt,  stösst  nur  zu  häufig  auf  Punkte, 
bei  denen  er  mit  Feuerbach's  bibhschem  Theologen  ausrufen  möchte: 

„Dieses  Punktum  entscheidet,  doch  ach,  s'  ist  nicht  zu  erkennen. 
Ob  es  ein  Fiiegensch  .  .  .,  oder  ein  Gottesdictat." 

Ich  fürchte,  was  H  e  1 1  w  a  1  d  für  ursprünglichen  Text,  für  Gottesdictat  ge- 
nommen, die  Hilflosigkeit,  Geistlosigkeit  und  die  dadurch  bedingte  Sprachlosigkeit 
unserer  Kinder,  dürfte  sich  bei  näherer  Betrachtung  einfach  als  —  ganz  etwas 
Anderes  ausweisen. 

Nur  in  äusserst  seltenen  Fällen  wird  überhaupt  eine  leidlich  treue  und  voll- 
ständige Erhaltung  der  Stammesgeschichte  in  der  Jugendgeschichte  erwartet 
werden  dürfen  und  nur  mit  äusserster  Vorsicht  und  Umsicht  sollte  man  daher 
letztere  bei  Feststellung  der  ersteren  benutzen.  —  Nehmen  wir  an,  die  Jugend- 
geschichte einer  Art  wiederhole  treu  und  vollständig  deren  geschichtliche  Ent- 
wicklung.    Welche  Aussicht   wäre   vorhanden,   dass   sie  sich  dauernd  so  erhalte? 

i)  Kosmos  1877/78.  Bd.  II.  S.  458 — 460.  Dort  (S.  453)  findet  sich  eine  Arbeit  mit  dem  Titel 
„Zum  Sprachenursprung",  deren  erster  Teil  von  Professor  Dr.  G.Jäger  stammt;  diesem  ist  von  der  Redaktion 
des  Kosmos  die  obentsehende  Mitteilung  Fritz  Müllers  als  zweiter  Teil  beigefügt. 


Der  sprachlose  Urmensch  und  die  Sprachlosigkeit  der  Kinder.  5oq 

Abgesehen  von  dem  „allmäligcn  Verklingen  der  Urgeschichte"  und  von  jenem 
Zurückweichen  später  erworbener  Zustände  in  frühere  Lebenszeit,  für  welches 
kürzlich  Weismann  in  seiner  vortrefflichen  Abhandlung  über  die  Schwärmer- 
raupen so  schlagende  Beispiele  gegeben  hat,  würde  bald,  welches  auch  die  Lebens- 
verhältnisse der  Jungen  sein  mögen,  eine  mehr  oder  minder  tiefgreifende  Ab- 
änderung der  Jugendformen  eintreten  und  so  durch  spätere  Zuthat  die  geschicht- 
liche Urkunde  unzuverlässig  werden. 

Entweder  nämlich,  und  darauf  ist  bereits  von  mir  und  Anderen  vielfach  hin- 
gewiesen worden,  würden  die  Jungen  für  sich  selbst  zu  sorgen  haben,  und  dann 
würde  auf  sie  „der  Kampf  ums  Dasein  und  die  damit  verbundene  natürliche  Aus- 
lese in  gleicher  Weise  verändernd  und  fortbildend  wirken,  wie  auf  erwachsene 
Thiere." 

Oder  aber  die  Jungen  würden  vor  dem  Kampfe  ums  Dasein  und  dessen  um- 
gestaltender Macht  durch  die  Brutpflege  der  Alten  mehr  oder  weniger  vollständig 
geschützt,  und  dann  würden  sie  einer  Rückbildung  und  Verkümmerung  verfallen, 
wie  wir  sie  in  ähnlicher  Weise  und  durch  ähnliche  Ursachen  bedingt  bei  Schma- 
rotzern zu  finden  pflegen.  Da  diese  letztere  Ursache  der  Fälschung  oder,  falls 
man  an  dem  Worte  Anstoss  nehmen  sollte,  der  Abänderung  des  ursprünglichen 
Entwicklungsverlaufes  bisher  wenig  Beachtung  gefunden  zu  haben  scheint,  darf 
ich    wohl   noch   einmal   an  einige  bereits  anderwärts  erwähnte  Beispiele  erinnern. 

Als  ich  vor  einigen  Jahren  unseren  Termiten  nachging,  überraschte  es  mich, 
in  den  jüngsten  Larven  der  Gattung  Calotermes  muntere  lebhafte  Thierchen  kennen 
zu  lernen,  rascher  in  ihren  Bewegungen,  zierlicher  in  ihrem  Aussehen  als  ihre 
älteren  Geschwister;  da  doch  bei  anderen  Termiten  die  Larven  anfangs  schreck- 
lich unbeholfene  Dinger  sind,  die  sich  kaum  von  der  Stelle  rühren,  von  ganz  un- 
reifem Aussehen,  mit  dickem  Kopfe,  langen,  aber  plumpen  Beinen  u.  s.  w.  Bei 
letzteren  werden  die  Larven  von  einer  zahllosen  Arbeiterschar  gewartet,  gefüttert, 
von  Ort  zu  Ort  getragen;  bei  Calotermes  fehlt  ein  besonderer  Abeiterstand ;  die 
Jungen  müssen  sich  selbst  ernähren  und  finden  nur  ihre  Wohnung,  Gänge  in 
dürrem  Holze,  bereits  vor. 

Aehnlich  ist  unter  den  Vögeln  der  Unterschied  zwischen  den  Jungen  der 
Nestflüchter  und  der  Nesthocker.  Welch  reizendes  Geschöpfchen  ist  nicht  von 
der  ersten  Stunde  ein  Küchlein  oder  Entchen,  das  der  Mutter  laufend  oder 
schwimmend  folgt,  selbst  sein  Futter  aufpickt,  den  warnenden  Ruf  der  Mutter 
versteht  oder,  verirrt,  sie  herbeiruft.  Wie  widerlich  dagegen  eine  junge  Taube, 
ein  junger  Sperling,  —  dieser  dickbäuchige,  glotzäugige,  nackte  Fleischklumpen, 
der  nichts  versteht,  als  zum  Verschlingen  des  von  der  Mutter  zugeführten  Futters 
den  Schnabel  aufzureissen. 

Weit  tiefer  greifenden  Verschiedenheiten  begegnen  wir  bei  den  Plaut- 
flüglern;  auf  der  einen  Seite  die  Larven  der  Blattwespen,  den  Schmetterlings- 
raupen ähnlich,  mit  Füssen,  deutlichem  Kopfe,  wohlentwickelten  Mundtheilen ;  auf 
der  anderen  Seite  die  fusslosen,  unbehülflichen  Maden  der  Ameisen,  Wespen, 
Bienen.  Jene  suchen  selbst  auf  Pflanzen  ihre  Nahrung,  fremden  Schutzes  gegen 
Feinde  entbehrend.  Diese  leben  theils  als  Schmarotzer  in  Pflanzengallen,  in 
Raupen  u.  s.  w.,    theils   an   sicherem  Ort  zwischen  reichlich  von  der  Mutter  auf- 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  39 


AjQ  Der  sprachlose  Urmensch  und  die  Sprachlosigkeit  der  Kinder. 

gespeicherter  Nahrung,  theils  werden  sie  von  wehrhaften  Arbeitern  geschützt  und 
gefüttert. 

Nun  hat  man,  ganz  abgesehen  von  den  Jugendzuständen,  ausreichende  Gründe 
zu  der  Annahme,  dass  unter  den  Termiten  die  Calotermes,  unter  den  Hautflüglern 
die  Blattwespen,  unter  den  Vögeln  die  Nestflüchter  die  ältere  ursprünglichere 
Form  der  betreffenden  Gruppen  sind;  man  darf  auch  ihre  Entwicklungsweise  als 
die  ursprünglichere  betrachten  und  annehmen,  dass  die  Jungen  der  nestbauenden 
Termiten,  der  Wespen  und  Bienen,  der  Nesthocker  wie  Schmarotzer,  durch  Nichts- 
thun,  das  ihnen  die  Brutpflege  der  Eltern  gestattete,  auf  ihren  jetzigen,  jämmer- 
lich hilflosen  Zustand  heruntergekommen  sind. 

In  der  Klasse  der  Säugethiere  wiederholen  sich  dieselben  Verhältnisse;  hier 
das  muthwillig  springende  Böckchen,  dort  der  blindgeborene  Hund,  das  nackte 
Mäuschen  und  unsere  eigenen  Kinder.  Auch  hier  bewährt  sich  die  in  anderen 
Klassen  gewonnene  Erfahrung,  dass  die  Jungen  um  so  unentwickelter,  um  so  geist- 
loser, um  so  Hilfsbedürftiger  ins  Leben  treten,  je  liebevollere  sorgsamere  Pflege 
ihrer  hier  von  Seiten  der  Eltern  wartet. 

Es  hätte  wohl  kaum  dieses  Umblicks  in  der  Thierwelt  bedurft,  um  sich  zu 
überzeugen,  dass  der  hilflose  Zustand  unserer  Säuglinge,  dass  namentlich  der 
Mangel  geistigen  Lebens  und  die  damit  nothwendig  verknüpfte  Sprachlosigkeit 
auf  nachträglicher  Abänderung  des  Entwicklungsganges  beruhen  und  nicht  auf 
den  Urzustand  der  erwachsenen  Vorfahren  zurückzuschliessen  erlauben.  Ein 
solches  seiner  eigenen  Sinne  und  Gliedmassen  nicht  mächtiges,  allen  Geisteslebens 
baares  Wesen  hat  nie  auf  eigene  Hand,  nie  als  erwachsener  Urmensch  leben 
können;  es  hat  entstehen  und  bestehen  können  nur  unter  der  treuen  Obhut  der 
hingebendsten  Mutterliebe.  Wenn  der  Zustand  unserer  Säuglinge  nicht  als  Beweis 
dienen  kann  für  die  Zahnlosigkeit  eines  nur  von  Milch  lebenden,  so  kann  er  es 
ebensowenig  für  die  Sprachlosigkeit  eines  auf  allen  Vieren  kriechenden  Ur- 
menschen. 

Kämen  übrigens  selbst  unsere  Kinder  auf  der  Höhe  geistiger  Befähigung 
zur  Welt,  wie  sie  etwa  ein  Kälbchen  oder  Füllen  seinen  Eltern  gegenüber  ein- 
nimmt; würden  sie  nicht  dennoch  sprachlos  sein,  sprachlos  sein  müssen?  und 
würde  selbst  dann  ihre  Sprachlosigkeit  etwas  für  oder  wider  die  Annahme  des 
sprachlosen  Urmenschen  beweisen? 

Wer  es  sich  klar  gemacht,  dass  der  geistige  Erwerb  der  Väter,  dass  der 
Besitz  bestimmter  Kenntnisse,  z.  B.  des  zum  Sprechen  unentbehrlichen  Wörter- 
schatzes, den  Kindern  nicht  durch  Vererbung,  sondern  nur  durch  Ueberlieferung 
mitgetheilt  werden  kann,  wird  über  die  Antwort  nicht  in  Zweifel  sein  und  dem 
wird  auch  die  von  Hellwald  versuchte  Anwendung  des  „biogenetischen  Grund- 
gesetzes" auf  die  geistige  Entwicklungsgeschichte  der  Menschheit  mindestens 
etwas  gewagt  erscheinen. 


Pflanzengattungen,  an  denen  mir  bekannte  Tagfalter- 
Raupen  leben  ^). 

(Erstere  geordnet  nach  Endlicher,  Genera  plantarum,  letztere  nach  Kirby.) 

{I.  Bambuseae:  Taygetis  (6). 

2.  Musaceae  (Musa,  Heliconia):  Opsiphanes  (lo),  Caligo  (ii). 

3.  Palmae:  ßrassolis  Astyra  (9). 

4.  Piper:  Protogonius  (31),  Papilio  Thoas  (71). 

5.  Ceeropia:  Gynaecia  (23). 

6.  Böhmeria:  Hypanartia  (21). 

7.  Aristolochia:  Papilio  Polydamas  (38),  P.  Nephalion  (39). 

[Vemonial 
^•|Mikania   r  Acraea  Thalia  (12),  Acr.  Eulalia  (13). 

9.  Schoenleinia  (Rubiaceae):  Adelpha  Iphicla  (27),  Adelpha  sp.  (28). 

10.  Asclepias:  Danais  Erippus  (i),  D.  Gilippus  (2). 

11.  Solanum:  Dircenna  Xantho  (3),  Mechanitis  Lysimnia  (4), 

12.  Cestrum:  Ithomia  sp.  (5). 

13.  Menispermum :  Morpho  Hercules  (7). 

14.  Cascaria:  Siderone  Ide  (29),  S.  strigosus  (30),  Diorhina  Licarsis  (32). 

15.  Passiflora:    Heliconius  Eucrate  (14),   Eueides  Aliphera  (15),   Eu.  Isabella  (16), 

Colaenis  Dido  (17),  C.  Julia  (13),  Dione  Juno  (19),  D.  Vanillae  (20). 

16.  Citrus:  Papilio  Evander  (47). 

J17.  Dalechampia:     Ageronia  Fornax  (24),  Ag.  Amphinome  (25), 
|i8.  Tragia:  Didonis  Biblis  (26). 

19.  Alchomea:  Epicalia  Numilia  {22). 

20.  Cassia:  Eurema  Sinoe  (34),  Callidryas  Eubule  (35),  C.  Philea  (36). 

21.  Inga   (semialata) :    Callidryas    Argante    (37),    Morpho    Epistrophis    (8),    Thecla 

Acmon  (33). 

Verwandte  Schmetterlinge  haben  vorherrschend  verwandte  Futterpflanzen ; 
besonders  merkwürdig  Ageronia  und  Didonis,  die  als  besondere  Familien  lange 
im  System  herumgewandert  sind,  und  erst  jetzt  als  Nachbargattungen  sich  zu- 
sammengefunden haben  und  deren  sehr  ähnliche  Raupen  auf  nesselnden  Euphor- 
biaceen  leben.  —  Selten  finden  sich  nichtverwandte  Tagfalter-Raupen  auf  der- 
selben Pflanze  zusammen,  wie  Protogonius  und  Pap.  Thoas,  —  Siderone  und 
Diorhina,  endlich  Call.  Argante,  Morpho  Epistrophis  und  Thecla  Acmon. 

Blumenau  (Prov.  Sa,  Catharina  Brazil),  8.  Dec.   1877. 


i)  Stett.  Entom.  Zeit.   1878.  39.  Jahrg.  p.  296. 

39" 


Proboscis  capable  of  sucking  the  Nectar  of 
Angrecum  sesquipedale^). 

Aus  einem  Briefe  an  Herrn.  Müller  vom    ii.  April   1873. 

Mit   I   Textfigur. 

Mr.  W.  A.  Forbes ,  in  the  number  for  June  1 2  started  the  question, 
whether  moths  are  known  to  inhabit  Madagascar  with  proboscides  capable 
of  such  an  expansion,  as  to  obtain  the  last  drops  of  the  nectar  secreted  in  the 
lower  part  of  the  whiplike  nectaries  of  Angrecmn  sesquipedale. 

As  long  a  direct  answer 
to  this  question  has  not  been 
given,  it  may  be  of  some  interest 
to  State  in  general  the  existence 
of  moths  provided  with  probos- 
cides sufficiently  long  for  the 
honey-spurs  in  question. 

Some  days  ago  I  received 
a  letter  from  m}'  brother,  Fritz 
Müller  (Itajahy,  Prov.  Sa.  Ca- 
tharina,  Brazil),  in  which  he  says : 
"I  recently  caught  a  Sphinx  (not 
determinable  by  Burmeister's 
"Brazilian  Sphingidse"),  the  pro- 
boscis of  which  has  a  length  of 
about  0,25  metres — a  lenght  not 
approached  by  any  honey-tube 
of  this  country  known  to  me. 
I  enclose  the  proboscis."  Being 
unable  to  get  the  name  of  this  species  of  Sphinx,  I  append  the  Illustration  of  its 
proboscis,  magnified  in  the  proportion  7:1.  This  proboscis,  in  its  contorted  con- 
dition  forming  a  roll  of  10 — 11  millimetres  in  diameter,  and  showing  at  least  20 
elegant  windings,  in  its  expanded  condition  attains  a  length  of  between  10  and  11 
inches,  and  would  consequently  bc  adapted  to  the  nectaries  of  Angrecum  sesqui- 
pedale, which  have  been  found  by  Darwin  ii72  inches  long,  with  only  the  lower 
inch  and  a  half  filled  with  nectar.  Darwin  indeed  says,  with  regard  to  the  fer- 
tilisation  of  Angrecum  sesquipedale  (p.  198  of  his  work  on  Orchids):  "there  must 
be  moths  with  proboscides  capable  of  extension  to  a  length  of  between  10  and 
1 1  inches."  2) 

Lippstadt,  July   i  Hermann  Müller. 

1)  Nature  1873.  Vol.  VIII.  p.  223. 

2)  2nd  edition  p.   163.     Der  Herausgeber. 


Scent-fans  of  a  Sphinx-moth^). 

Mit   I   Textfigur. 

Mr.  Meldola  read  the  following  extracts  from  a  letter  from  Dr.  Fritz  Müller 
to  Mr.  Charles  Darwin,  dated  from  Santa  Catharina,  Brazil,  27  th  November  1877. 

"My  children  lately  caught  on  the  flowcrs  of  Calonyction  (sp.?)  a  Sphinx- 
moth,  the  proboscis  of  which  is  22  centimetres  long.  As  I  think  that  you  would 
be  glad  to  see  this  curious  proboscis  I  send  it  to  you.  *  *  *  *  During  the  month 
of  October  I  have  watched  for  some  wecks  the  butterflies  visiting  a  Lantana 
near  my  house,  the  flowers  of  which  are  yellow  the  first  day,  orange  the  second, 
purple  the  third  day,  and  falling  off  on  the  morning  of  the  fourth.  Eight  out 
of  eleven  species  of  butterflies  {Heliconiiis  apseiides,  Cokmiis  Dido,  C.  Julia, 
Dione  Juno,  Hesperocharis  Anguitia,  Eurema  Leuce,  Daptonoura  Lycimnia, 
and  Callidryas  Cipris)  never  touched  an  orange  or  purple  flower, 
limiting  their  Visits  exclusively  to  the  yellow  ones.  Two  specimens 
of  Pieris  Aripa  (or  Elodia?)  proceeded  in  the  same  way,  whilst  a 
third  specimen  of  this  Pieris  inserted  its  proboscis  indifferently  into 
yellow  or  orange  flowers.  Three  specimens  of  Danais  Erippus 
evidently  preferred  yellow  flowers,  but  sometimes  also  tried  orange 
flowers,  and  one  of  them  even  once  put  its  proboscis  into  a 
purple  flower;  a  fourth  specimen  of  Danais  visited  yellow  flowers 
only.  Lastl3^  I  saw  three  specimens  of  Hesperida;  but  as  I  did 
not  catch  them,  and  as  the  species  most  closely  resemble  each 
other,  I  do  not  know  whether  they  belonged  to  the  same 
species;  two  visited  exclusively  yellow  flowers,  the  third  in- 
differently flowers  of  any  colour  —  yellow,  orange,  or  purple- 
These  observations,  of  which  a  füll  account  will  be  published  in  the 
'Archivos  do  Musco  Nacional  do  Rio  de  Janeiro,'  2)  confirm  those  by 
Delpino  on  Ribes  aureum  and  Caragana  arborescens.  If  the  flowers  lasted  but 
one  day  the  flowerheads  would  be  by  far  less  conspicuous;  if  they  lasted  three 
days  without  changing  colour,  butterflies  would  lose  much  time  in  visiting  honey- 
less,  already-fertilized  flowers.  *  *  *  Yesterday  I  caught,  for  the  first  ;.time,  the 
male  of  a  Sphinx-moth  which  exhaled  a  streng  musk-like  odour;  as  you  know, 
this  is  also  the  case  with  the  males  of  the  European  ^.  convolvuli  and  kS.  ligustri; 
but  nobody  has  as  yet,  so  far  as  I  know,  indicated  the  odoriferous  organ.  It  is 
formed  by  two  pencils  of  hairs  situated  on  the  ventral  side  of  the  base  of  the 
abdomen,  and  when  at  rcst  are  perfectly  hidden  by  the  scales  (hairs?). 

I  do  not  remembcr  whether  I  have  already  called  your  attention  to  an 
intcresting  secondary  sexual  character  observ^able  in  several  species  of  Callidryas 
and   some   other    Pierince.     The   costal   margin   of   the   anterior   wing   is   sharply 


Scent-fans  of 
a  Sphinx-moth. 


i)  Proceedings  of  the  Enlomological  Society  of  London.   1878.  p.  II — III. 
2)  Siehe  Ges.  Schriften  S.  547  ff.  auch  S.  577. 


^j  •  Scent-fans  of  a  Sphinx-moth. 

serrated  in  the  males,  while  it  is  smooth  in  the  females.  In  Callidryas  Philea 
some  females  have  the  wings  smooth,  others  serrated,  but  in  a  far  less  degree 
than  in  the  male.  This  ma}^  be  a  sort  of  weapon  in  the  battles  of  the  males 
Whether  in  Papilio  Grayi,  P.  Cleotas,  P.  Corcebiis,  and  thcir  allies,  the  serrated 
margin  of  the  fore  wings  is  limited  to  the  male  sex  I  do  not  know,  not  ha\ing 
yet  caught  females  of  these  rare  species.'' 

Mr.  Meldola  exhibited  the  proboscis  of  the  Sphinx  referred  to  in  the  above 
letter,  and  also  the  wings  of  a  male  specimen  of  Callidryas  Argante,  showing 
the  serrated  margin.  He  remarked  that  he  was  indebted  to  Mr.  Dar^\'in  for  having 
kindly  placed  the  letter  and  specimens  at  his  disposal.  With  reference  to  the 
length  of  proboscis  of  Sphinx-moths,  it  was  stated  that  in  the  British  Museum 
there  is  a  South- American  specimen  of  Macrosilia  cliientins,  the  proboscis  of 
which  is  23-5  centimetres  (^  g^|4  inches)  long.  Both  Mr.  Darwin  ('Fertilization 
of  Orchids',  1862,  p.  ig8)  and  Mr.  Wallace  ('Quarterly  Journal  of  Science',  Oct 
1867)  had  predicted  the  existence  in  Madagascar  of  a  moth  with  a  proboscis 
sufficiently  long  to  reach  into  the  nectar  of  Angrecum  sesquipedale,  the  nectar}^ 
of  which  orchid  is  from  ten  to  fourteen  inches  in  length.  This  prediction,  although 
not  at  present  specially  fulfilled  with  regard  to  Madagascar,  has  been  since  shown 
to  have  a  great  amount  of  probability  by  the  discovery  of  a  Sphinx  in  South 
America  with  a  proboscis  25  centimetres  (=  9 •  8  inches)  in  length.  This  specimen 
was  also  captured  by  Fritz  Müller  (see  'Nature',  vol.  viii.,  p.  223  =  Ges.  Schriften 
S.  612),  and  has  been  since  identified  as  Macrosilia  cluentius  (see  Nature',  vol.  xvii., 
p.  221=  Ges.  Schriften  S.  639).  The  selective  discrimination  of  flowers  of  certain 
colours  refered  to  in  the  foregoing  letter  appears  to  afford  additional  proof  of  the 
fact  that  insects  can  distinguish  colours — a  fact  of  the  utmost  importance  to  the 
theory  of  sexual  selection.  With  reference  to  the  serrated  costal  margin  of  the 
fore  wings  of  butterflies,  Mr.  Meldola  stated  that  this  character  had  been  shown 
to  exist  in  the  genus  Prioneris  by  Mr.  Wallace  (Trans.  Ent.  Soc.,  ser.  iii.,  vol.  iv.), 
and  in  the  genera  Amynthia  and  Pyrrhosticta  by  Mr.  A.  G.  Butler,  but  that,  so 
far  as  he  knew,   it  was  now  made  known  in  Callidryas  for  the  first  time. 

Mr.  A.  G.  Butler  stated  that  in  many  of  the  exotic  Notodontidce  he  had 
observed  a  fan-like  tuft  in  the  males.  With  reference  to  the  Sphingidce  of  Mada- 
gascar, he  stated  that  he  had  measured  the  proboscis  of  all  the  specimens  in  the 
British  Museum,  and  none  of  them  exceeded  five  inches  in  length.  Mr.  Butler 
further  remarked  that  the  whole  of  the  Old  World  species  of  butterflics  separated 
under  the  Hübnerian  genus  Catopsilia,  the  whole  of  the  New  World  species  se- 
parated under  the  genus  Phccbis  of  Hübner,  all  the  species  of  the  true  Callidryas, 
Boisd.,  and  one  species  only  of  the  genus  Aphrissa,  Butler,  have  the  serrated 
Costa  in  the  male  sex.  Aphrissa  Godartiana,  Swainson,  although  closely  allied 
to  A.  Hartonia,  Butler,  being  similar  in  colour  and  peittern,  but  differing  chiefly 
in  size  and  the  shortness  of  the  wings,  has  a  strongly  serrated  costa,  whilst  A.  Har- 
tonia has  the  costa  smooth.  With  regard  to  the  object  of  the  serrated  margin, 
Mr.  Butler  stated  that  he  was  disposed  to  accept  Fritz  MüUer's  explanation  that 
it  may  be  of  use  in  the  battles  of  the  males. 

Mr.  Bates  remarked  that  in  Prioneris  the  serrated  costal  margin  exists  in 
both  sexes. 


Notes  on  Brazillan  Entomoiogy  ^). 

Odours  emitted  by  Butterflies  and  Moths. 

Two  years  ago  I  ventured  to  suggest  '^)  that  all  those  various  pencils,  tufts  or 
manes  of  hairs,  all  those  chalky,  silky  or  velvety  spots  of  peculiar  scales,  as  well 
as  the  recurved  margins  or  other  poiiches  enclosing  pale  buff  or  white  down, 
which  distinguish  the  wings  of  the  male  sex  in  many  butterflies,  might  be  odo- 
riferous  organs.  This  Suggestion  might  then  have  been  justly  censured  as  too 
rash,  being  founded  on  the  actual  Observation  of  odours  in  four  species  only,  and 
I  feit,  of  course,  the  necessity  of  testing  this  view  by  examining  as  to  their 
odours  all  living  butterflies  I  might  be  able  to  procure.  I  will  here  give  the 
results  hitherto  obtained,  enumerating  those  species^)  in  which  distinct  odours 
could  be  perceived,  and  I  hope  the  facts  to  be  given  will  fully  justify  my  Sug- 
gestion. 

Odours,  as  well  as  colours,  may  have  been  acquired  by  butterflies  either  for 
protection  or  as  an  attraction  beetween  the  sexes.  Protective  odours  appear  to 
be  in  most  cases  equally  strong  in  both  sexes,  or  sometimes  stronger  in  the 
females;  they  may  exist  in  the  caterpillar  as  well  as  in  the  perfect  insect.  When 
capable  of  voluntary  emission,  they  are  emitted'  as  soon  as  the  animal  fears  some 
danger,  e.  g.,  when  it  is  seized,  and  this  may  in  some  cases  serve  to  distinguish 
them  from  sexual  odours. 

Sexual  odours  may  be  divided  into  two  classes. 

Firstly,  those  which  give  notice  to  the  opposite  sex  of  the  existence  of,  and 
lead  it  the  way  to,  the  odoriferous  animal.  Such  odours  must  exist  in  many 
female  moths  wich  attract  the  males  from  great  distances,  Among  butterflies  the 
males  appear  to  be  guided  more  by  the  colour  than  by  the  odour  of  their 
females. 

Secondly,  those  odours  which  do  not  serve  as  a  guide,  but  as  an  excitement 
to  the  opposite  sex.  They  appear  to  be  by  far  more  frequent  in  the  males, 
though   occurring   also   in   some  females.     Odours   of   both  classes  will  of  course 

i)  Trans.  Ent.  Soc.  Part.  III.   1878.  p.  211—223. 

2)  Jenaische  Zeitschrift  für  Naturwissenschaft,  XI.  p.  99.  =  Ges.  Schriften  S.  534. 

3)  I  am  much  indebted  for  the  names  of  the  butterflies  mentioned  in  this  paper  to  Prof.  A. 
Gerstaecker  and  Dr.  O.  Staudinger. 


()l()  Notes  OD  Brazilian  Entomology. 

be  agreeable  to  the  attracted  or  allured  sex:  but  in  the  first  class  the  odour  of 
the  female  is  agreable  to  the  male,  because  it  is  the  odour  of  his  female;  while  in 
the  second  class  the  odour  emitted  by  the  male  is  agreeable  to  the  female,  males 
with  that  peculiar  odour  having  been  preferred.  The  two  classes  may,  of  course, 
graduate  into  each  other. 

Colours,  whether  acquired  as  an  attraction  by  the  malcs  or  for  the  sake  of 
protection  by  the  females,  are  often  transmitted  to  the  opposite  sex ;  with  sexual 
odours  of  butterflies  this  seems  but  very  seldom  to  be  the  case. 

I  shall  not  enter  into  minute  descriptions  of  the  odoriferous  organs^),  nor 
mention  those  very  numerous  species,  which,  though  evidently  possessing  such 
Organs,  emit  odours  too  faint  for  human  noses ;  the  only  object  of  this  paper  being 
to  State  that  there  are  a  large  number  of  male  butterflies  provided  with  special 
Organs  for  the  production  and  emission  of  peculiar  odours. 

Butterflies. 

Family   i .    Nymphalidae. 

Subfamily  i.    Danainae. 

A.  Danais  group. 

Danais  Eripptis,  Danais  Güippiis'^),  Lycorea  [sp. ?]  and  Unna  Ilione  have 
a  pair  of  finger-like  hollow  processes  at  the  end  of  the  abdomen,  into  which  they 
can  be  retracted,  they  bear  a  tuft  of  black  hairs,  radiating  in  every  direction  and 
emitting  a  rather  disagreeable  odour,  when  the  processes  are  fully  protruded. 
This  odour  is  extremely  strong  in  Lycorea  and  Ituna,  less  so  in  D.  Güippus, 
and  rather  faint  in  D.  Erippus,  differences  exactly  corresponding  to  the  different 
sizes  of  the  tufts  in  the  several  species.  The  male  of  Ituna  sometimes  protrudes 
his  tufts,  when  he  is  seized,  so  that  in  this  butterfly  the  odour  may  serve  both 
to  repel  enemies  and  to  allure  females.  The  well-known  "sexual  spots",  or  rather 
pouches,  on  the  first  median  nervure  of  the  hind  wings  of  D.  Erippus  and 
Güippus,  which  are  much  larger  in  this  latter  species,  appear  to  be,  by  their 
microscopical  structure,  scent-producing  organs;  but  as  they  open  only  by  a  nar- 
row  slit,  odours  could  hardly  be  freely  emitted.  There  is  onc  curious  circum- 
stance,  which  may  perhaps  throw  some  light  on  their  as  yet  very  doubtful  func- 
tion;  the  scales,  though  pcrfectly  preserved  every where  eise,  are  often  wanting 
at  the  entrance  of  the  pouch,  as  if  they  had  been  scoured  away  by  somcthing 
introduced  into  the  slit.  It  would  be  worth  while  to  see  whether  this  be  the  case 
with  other  species  of  Danais  also.  Might  not  the  tufts  be  introduced  into  the 
pouches  to  be  impregnated  there  with  odoriferous  matter? 


1)  A  series  of  papers  describing  odoriferous  organs  of  various  butterflies  and  moths  have  been  sent 
for  publication  to  the  "Archivos  do  Museu  Nacional  do  Rio  de  Janeiro".  =  Ges.  Schriften  S.  555,  559, 
564,  625,  631. 

2)  Kirby  (Synon.  Catal.  of  Diurn.  Lepid.  187 1,  p.  7)  doubts  whether  D.  Güippus  may  not  be  a 
variety  of  D.  Erippus.  But  the  caterpillars  are  quite  different;  those  of  Erippus  have  two,  those  of 
Gilippus  three,  pairs  of  "tentacles".  The  microscopical  structure  of  the  "sexual  spot"  of  the  male  also 
shows  considerable  differences. 


Notes  on  Brazilian  Entomology.  51*7 

B.  Ithontia  group. 
The  males  have  a  tiift  or  pencil  of  long  hairs  near  the  anterior  margin  of 
the  bind  wings^),  which  in  all  our  species  emits  a  more  or  less  distinct  odour. 
The  odour  is  rather  strong  and  most  agrceable,  resembling  vanilla,  in  Dircenna 
Xantho,  rather  faint  in  Ceratinia  Eupompe  and  Ithomia  Sylvo;  it  is  still  more 
so  in  MecJianitis  Lyslmm'a,  where  I  perceived  it  distinctly  in  but  few  males.  In 
Thyridia  Megisto  the  odoriferous  tuft  is  not  limited  to  the  male  sex;  it  exists  in 
the  females  also,  but  the  hairs  are  shorter  and  less  numerous  and  the  odour 
emitted  is  much  fainter  than  in  the  males.  The  males  have  a  welldefined  brown 
spot,  covered  b\'  the  tuft;  this  is  hardly  distinguishable  in  the  females.  As  the 
tuft  exists  in  all  the  males  of  the  group — which  contains  about  a  dozen  of  genera 
with  more  than  two  hundred  species — as  it  is  wanting  in  almost  all  the  females, 
and  as  in  Thyridia  Megisto  it  is  much  less  developed  in  the  female  sex,  there 
can,  I  think,  hardly  be  any  doubt  that  it  has  been  acquired  as  a  sexual  attraction 
by  the  males  of  the  common  progenitor  of  the  group,  and  that  it  has  been  but 
recently  transmitted  to  the  females  of  Thyridia. 

Subfamily  2.    Satyrinse. 

The  males  of  Antirrhcea  Archcea  have  highly-developed  odoriferous  organs, 
and  emit  a  strong  odour;  there  is  a  most  elegant  mane  of  pale  buff  hairs  on  the 
under  side  of  the  front  wings,  and  opposite  to  it  the  bind  wings  bear  an  odori- 
ferous spot,  which  has  caused  a  considerable  modification  of  the  neuration  of  the 
wing2).  A  second  much  smaller  odoriferous  spot  exists  in  the  angle  between 
the  submedian  and  internal  nervures. 

In  the  allied  genus  Pierella  no  trace  of  odoriferous  organs  could  be  found 
nor  any  odour  perceived. 

Suhfamily  4.   Morphinse. 

The  wings  of  the  males  are  known  to  be  generally  provided  with  tufts  of  hairs 
or  with  spots  of  peculiar  appearance,  which  probably  will  prove  to  be  odoriferous 
organs.  The  only  genus,  the  wings  of  which  are  deprived  of  such  organs  is 
Morpho.  In  compensation  the  males  of  all  the  species  of  Morpho  which  I  have 
caught  (M  Hercules,  Epistrophis,  Adonis,  Cytheris,  Menelans,  Achilles)  are  able 
to  protrude  from  the  cnd  of  the  abdomen  a  pair  of  hcmisphcrical  bodies  covered 
with  short  hairs,  which  produce  a  very  distinct  odour.  In  the  splendid  M.  Adonis 
anp  the  allied  M.  Cytheris  this  odour  is  most  agreeable,  resembling  vanilla. 

Subfamily  5.    Brassolinaj. 

Pencils   of   hairs,   capablo   of  being  erccted  voluntarily,    or  spots  of  peculiar 

scales  are  present  on  the  hind  wings  of  most  genera.    Their  position  varies  much, 

even   within   the   limits    of  the   same   genus.     In    the   males  of  various  species  of 

Caligo,  Dasyophthalma   and  Opsiphanes,   I  found  that  very  distinct  odours  were 

1)  There  are  two  widely-separated  tufts  in  the  male  of  a  small  species  of  this  group,  resembling 
in  size  and  colour   Cyllopoda  dichroa,  one  of  our   Glaucopidce. 

2)  See  Butler,  Catal.  Satyrid.  Br.  Mus.  1869,  PI.  V.  fig.  3.  In  Butkr's  figure  of  the  mane 
("plaga  pectinatim  cirrata")  the  hairs  appear  to  be  directed  baclcward,  whil  the  contrary  is  the  case ;  they 
are  inserted  along  the  submedian  nervure  and  directed  forward. 


A  j  Q  Notes  on  Brazilian  Entomology. 

emitted  by  these  pencils  or  spots,  thc  odour  bcing  particularly  streng  in  a  species 
of  Dasyophthalma. 

Subfamily  6.   Acraeinae. 
On  crushing   eithcr   sex    of  Acrcea  Thalia,   a  disgusting  odour  is  perceived, 
which  probably  renders  it  unpalatable  to  most  insectivorous  animals;  there  appear 
to  be  no  special  organs  for  the  Omission  of  odours. 

Subfamily  7.  Heliconinae  ^). 
The  butterflies  of  this  subfamily  also  possess  a  disgusting  odour,  and  both 
sexes  are  provided  with  special  organs  for  its  emission.  In  the  male  thcy  are 
situated  between  the  anal  valves,  in  the  female  on  the  dorsal  side  of  the  end 
of  the  abdomen.  The  odours  emitted  appear  to  be  generally  stronger  in  the 
female  sex  -). 

Subfamily  8.    Nymphalinae. 

A.  Epicalia  groiip. 

Unusuall)^  strong  odours  are  emitted  by  the  males  of  Myscelia  Orsis  and 
Epicalia  Acontitis.  Both  of  them  have  a  large  odoriferous  spot  on  the  Upper 
side  of  the  hind  wings,  and  opposite  to  this  a  similar  spot,  covered  by  a  mane 
of  black  hairs,  is  situated  on  the  front  wings  of  Epicalia  Acontius.  It  is  very 
remarkable  that  the  odoriferous  organs,  which  are  so  highly  developed  in  Epicalia 
Acontius  are  completely  wanting  in  Epicalia  Ntimilia,  and  it  is  yet  more  remark- 
able that  they  closely  resemble  in  various  particulars  those  of  Antirrhcea  Archcea, 
though  they  were  no  doubt  independenth^  acquired  in  both  species.  In  both  these 
butterflies  the  posterior  margin  of  the  front  wings  and  the  anterior  margin  of  the 
hind  wings  are  much  dilated;  in  both  of  them  a  mane  of  long  hairs  is  inserted 
on  the  under  side  of  the  front  wings,  along  the  submedian  nervure,  covering 
an  odoriferous  spot  (which  is  well  developed  in  Epicalia,  but  most  rudimentary  in 
Antirrhcfiä),  and  opposite  to  the  mane  there  is  a  large  odoriferous  spot  on  the 
hind  wings,  the  central  part  of  which  fills  the  angle  between  the  two  subcostal 
nervures,  extending  into  the  three  adjoining  cells  of  the  wing.  If  we  knew  only 
these  two  species  of  NymphaliiUB  and  Satyrince  we  should  unhesitatingly  assume 
that  thcir  odoriferous  organs,  situated  on  thc  same  place,  composed  of  the  same 
parts,  and  in  the  same  position,  were  inherited  from  common  progenitors;  and 
yet  this  would  be  a  great  mistake. 

B.  Ageronia  group. 

In  the  male  of  Ageronia  Arethusa  a  rather  strong  odour  is  emitted  by 
two  large  brown  spots,  situated  between  th(^  wings,  one  on  the  under  side  of  the 
front  wing,  occupying  the  basal  half  of  the  cell  bt;tween  the  submedian  nervure, 
and  first  median  nervure,  the  other  on  the  uppcr  side  of  the  hind  wings.  The 
microscopical  structure  of  the  scales  and  the  wing-membrane  of  these  spots  differs 

1)  I  have  lately  shown  (Stettin.  Entomol.  Zeitung,  1877,  p.  492)  that  the  genera  Colccnis  and  Diane 
cannot  be  separated  from  Heliconius  and  Eueidcs.     Siehe  Ges.  Schriften  S.  579. 

2)  For  a  füll  description  of  the  odoriferous  organs  of  the  female  Helicoiüncc,  see  a  paper  in  Zeit- 
schrift für  Wissenschaftliche  Zoologie,  vol.  XXX.  p.   167.  =  Ges.  Schriften  S.  643. 


Notes  on  Brazilian  Entomology.  6lQ 

l)ut  littlc  from  that  of  thc  rcst  of  the  wings.   In  Ageronia  Amphinome  and  Feronia 
neither  odours  nor  odoriferous  organs  could  bc  dctccted. 

Didonis  Biblis  is,  so  far  as  odours  are  conccrned,  the  most  intcresting  of 
all  butterfli(\s  that  I  know.  The  male  is  able  to  emit  as  many  as  three  different 
odours.  On  scizing  a  Didonis  of  either  sex,  it  protrudes  on  the  dorsal  side  of 
the  abdomen,  betvveen  the  fourth  and  fifth  Segments,  a  pair  of  hemispherical 
protuberances,  coxered  with  greyish  hair-like  scales  and  producing  a  streng,  rather 
disagreeable  odour.  The  male  has  a  second  pair  of  similar  protuberances  between 
the  fifth  and  sixth  segments  of  the  abdomen,  covered  with  white  hair-like  scales. 
These  white  protuberances  he  ne\'er  exposes  when  caught ;  they  emit  an  agreeable 
odour,  comparable  to  that  of  heliotrope,  and  are  of  so  elegant  an  appearance  that 
they  probably  serve  at  the  same  time  as  an  ornament.  A  ver}^  different  musk- 
like  odour  is  produced  by  a  black  spot,  which  is  situated  on  the  under  side  of 
the  front  winsrs  of  the  male  near  the  base  between  the  median  and  submedian 
nervures.  This  odour  is  very  faint;  it  is  convenient  to  remove  the  abdomen  be- 
fore  trying  to  perceive  it.  I  may  add  that  the  bind  wings  of  the  male  also  havc 
a  very  small  greyish  spot  near  the  base.  which  is  wanting  in  the  female. 

C.  Apatura  group. 
A  distinct  odour  issues  from  the  tuft  of  black  hairs  which  distinguishes  the 
bind  wings  of  the  male  sex  of  Prepona  Laertes  and  several  other  allied  species. 

Family  3.  Lycsenidse. 

It  is  well  known  that  the  males  of  very  many  species  of  Thecla  have  a 
"sexual  spot''  on  the  disc  of  the  front  wings,  and  that  sometimes  (e.  g.,  in  the 
males  of  7".  Acrnon)  the  neuration  of  the  wings  is  greatly  altered  b}'^  the  presence 
of  this  spot.  In  the  male  of  T.  Atys  an  unusually  strong  odour  is  produced  by 
this  "sexual  spot",  and  more  or  less  distinct  odours  by  various  other  species  the 
names  of  which  I  do  not  know. 

Family  4.  Papilionidse. 
Subfamily   i.  Pierinae 

The  front  wings  of  the  male  Leptalis  Thermesia  have  a  chalky  oval  spot 
on  their  under  side,  and  opposite  to  this  there  is  a  dark-brownish  spot  on  the 
Upper  side  of  the  hind  wings.  Both  these  spots  emit  a  very  strong  odour,  dis- 
agreeable to  human  noses,  but  probably  not  so  to  his  females.  A  similar,  though 
much  fainter  odour  has  been  observed  in  the  male  Leptalis  Astynome  and  L.  Melite. 

A  very  delicious  perfume  is  produced  on  the  upper  side  of  the  wings  of 
the  male  Daptoiioiira  Lycininia.  It  is  rather  faint  and  often  hardly  distinguish- 
able  when  the  butterfly  is  caught.  In  this  case  it  may  easily  be  rendered  distinct 
by  keeping  the  living  animal  for  some  time  with  the  wings  closed.  On  the  whole 
Upper  surface  of  the  wings  there  are,  among  the  ordinary  scales,  in  the  males 
of  this  species  (as  in  many  species  of  Pieris,  Hesperocharis,  Archonias,  Pereute 
&c.),  numberless  peculiarly-formed  odoriferous  scales  or  "plumules",  as  they  were 
called  by  Bernard  Deschamps.  In  Daptonoura  Lycirnuia  these  "plumules"  are 
club-shaped  and  fringed  with  fine  hairs  at  the  end. 


()2o  Notes  on  Brazilian  Entomology. 

When  a  female  of  Daptonoura  Lycimnia  (and  various  other  butterflies, 
Callidryas,  Anartia,  &c.,  behave  in  the  same  manner)  is  willing  to  admit  a  male, 
she  expands  her  wings  horizontally,  lifts  a  little  the  end  of  the  abdomen  and  ex- 
poses  her  copulating  organs.  Then  the  male  is  seen  to  hover  above  and  to  fly 
around  her;  but  often,  far  from  accepting  the  offer  of  the  female,  which,  after  a 
long  courtship,  finally  surrenders  herseif  to  his  wishes,  he  suddenly  flies  away 
without  returning.  What  ma}^  be  the  cause  of  his  thus  abandoning  her  at  the 
decisive  moment?  The  only  thing  which  he  could  not  perceive,  whilst  chasing 
after  the  female,  is  that  part  of  her  sexual  organs  which  is  now  for  the  first  time 
exhibited  to  him.  Now,  these  copulating  parts  of  the  female,  when  protruded, 
emit  a  peculiar  odour,  and  it  is  probably  the  individual  odour  of  the  several  fe- 
males  which  determined  the  decision  of  the  male.  In  Daptonoura  Lycimnia  this 
odour  is  rather  faint,  though  quite  distinct.  It  is  very  different  from  that  emitted 
by  the  wings  of  the  male. 

The  male  of  Daptonoura  Ilaire  is  also  provided  with  "plumules"  on  the  Upper 
side  of  the  wings,  but  no  odour  was  here  perceived.  At  the  same  time  he  has 
a  tuft  or  pencil  of  brown  hairs  at  the  end  of  the  abdomen,  on  the  ventral  side. 
This  tuft  is  not  retractile,  but  applied  to  the  ventral  margin  of,  and  partially 
hidden  between,  the  anal  valves;  it  may  be  made  to  radiate  in  every  direction 
and  then  emits  a  rather  strong  odour.  This  tuft  of  hairs  exists  in  the  female 
also,  but  it  is  much  shorter,   and  I  could  not  perceive  any  odour  produced  by  it. 

The  males  of  most  species  of  Callidryas  have  a  chalky  spot  on  the  upper 
side  of  the  hind  wings,  near  the  base  and  the  anterior  margin;  sometimes  it  is 
covered  by  a  mane  of  long  hairs,  and  sometimes  the  front  wings  also  have  a 
similiar  spot  opposite  to  that  of  the  hind  wings.  I  perceived  a  musk-like  odour 
issuing  from  this  spot  and  mane  in  Callidryas  Cipvis,  C.  Argante,  and  C  Trite. 
It  is  unusualty  strong  in  Cipris,  very  distinct  in  Argante,  rather  faint  in  Trite. 
In  several  males  of  this  last  species  which  I  caught  two  years  ago  I  could  not 
perceive  any  odour,  while  I  find  it  to  be  quite  distinct  in  all  those  wich  I  have 
lately  examined.  Are  those  butterflies  producing  a  more  powerful  perfume  in 
1878  than  they  did  in  1876,  or  have  my  olfactory  organs,  by  continual  exercise, 
become  more  acute  in  the  meantime?  According  to  Boisduval,  the  chalky  spot 
is  wanting  in  the  male  Callidryas  Eubule,  and,  indeed,  it  may  easily  be  over- 
looked  through  hardly  differing  in  colour  from  the  rest  of  the  wing ;  but  it  exists, 
and  is  easily  discovered  by  its  opacity  after  denuding  the  wing.  It  emits  a  faint 
musklike  odour. 

The  females  of  Callidryas  Argante,  Eubule,  and  probably  also  of  other  species, 
show  on  either  side  of  the  protruded  copulating  organs  a  small,  shining,  circular 
spot,  from  which  a  very  strong  peculiar  odour  issues,  in  which  some  volatile  acid 
seems  to  predominate. 

Subfamily  2.  Papilioninse. 
When  special  organs  for  emitting  odours  are  developed  in  the  males  of  this 
subfamily,  they  are  placed  along  the  anal  margin  of  the  hind  wings,  which  is 
then  usually  recurved.  It  can  be  expanded,  and  the  odoriferous  organs  exposed 
by  moving  the  wings  strongly  in  a  forwad  direction.  In  some  species  a  very 
strong  odour  is  emitted  by  the  upper  side  of  the  wings  of  the  male  without  any 


Notes  on  Brazilian  Entomology.  021 

special  organs  having  been  found  (but  I  must  add,  that  I  have  not  yet  compared 
microscopically  the  wings  of  the  two  sexes).  This  is  the  case  with  Papilio  Poly- 
damas  and  Hyperion.  In  P.  Polydamas  there  appear  to  be  two  sets  of  males 
emitting  equally  streng  but  quite  different,  odours.  This  would  be  analogous  to 
the  case  of  the  two  sets  of  differently-coloured  females  in  some  species  of  this 
genus.  P.  Polydamas  is  generally  the  most  common  of  our  Papilios,  but  in  the 
last  Summer  it  has  been  rather  rare,  and  I  have  examined  but  a  small  number 
of  living  males;  thus,  on  examining  a  larger  number,  intermediate  odours  may 
be  found. 

In  Papilio  Scamander  or  Grayi^)  the  black  hairs  existing  in  both  sexes  on 
the  Upper  side  of  the  hind  wings,  are  much  more  developed  near  the  anal  margin 
in  the  males,  which  emit  a  strong,  most  agreeable  odour,  issuing  from  these  hairs ; 
the  females  are  scentless. 

In  the  male  Papilio  Protesilaus  the  hairs  near  the  anal  margin  of  the  hind 
wings  are  developed  to  a  long  black  beard,  which  is  hidden  by  the  recurved 
margin  of  the  wing,  and  exhales,  when  uncovered,  a  very  strong,  or  rather  dis- 
agreeable,   odour.     Beard  and  odour  are  wanting  completely  in  the  female  sex  ^). 

In  the  male  Papilio  Nephalion  the  pouch  formed  by  the  recurved  anal 
margin  of  the  hind  wings  is  filled  with  an  astonishing  quantity  of  white  silky 
down.  In  a  male  which  I  latel}^  caught  I  perceived  a  faint  agreeable  odour  on 
opening  the  pouch. 

Family  5.    Hesperidse. 

The  Hesperidm  agree  with  moths  in  many  particulars,  which  are  not  to  be 
found  in  any  other  butterflies.  Thus,  as  in  many  moths,  the  tibise  of  the  hind 
legs  are  provided  in  the  males  of  various  species  with  a  large  pencil  of  long 
hairs.  It  can  be  hidden  in  a  furrow  on  the  ventral  side  of  the  body,  between 
thorax  and  abdomen.  In  Plesioneiira  Eligiiis,  and  in  a  species  of  Achlyodes, 
I  perceived  a  very  faint  odour  issuing  from  the  pencils  when  they  were  expanding. 

Moths. 

In  butterflies,  as  we  have  seen,  the  odoriferous  organs  of  the  males  in  most 
cases  are  developed  on  the  wings;  in  but  few  genera  {Danai's,  Lycorea,  Ituna, 
Morpho,  Biblis)  they  were  found  on  the  abdomen,  and,  in  some  Hesperidce,  on 
the  hind  legs.  With  moths  the  case  appears  to  be  very  different.  Though  not 
wanting  on  the  wings,  these  organs  seem  to  occupy  much  more  frequently  the 
abdomen  or  legs. 

A  musk-like  odour  is  known  to  be  produced  by  several  male  sphinx  moths ; 
I  have   observed   it   in  Macrosilia  Antams   and   two   other  species.     It  is  emitted 


i)  This  butterfly  visited  in  large  numbers  the  flowers  of  a  red  Salvt'a,  in  the  highlands  of  the 
province  of  Santa  Catarina,  near  S.  Bento.  Some  specimens  agreed  with  BoisdtivaVs  description  of  P.  Sca- 
?nander,  others  with  that  of  Papilio  Grayi,  and  most  of  them  were  intemiediate  between  the  two. 

2)  Felder  (Species  Lepidopt.  1864,  p.  57)  states  that  among  a  large  number  of  specimens  of  Papilio 
Protesilaus,  Agesilaus  and  Telcsilaus  he  could  not  find  any  female.  In  1876  Pap.  Protesilaus  (var.  Tele- 
silaus)  was  extremely  common,  both  on  the  river  Itajahy  and  on  the  highlands  of  Curitibanos,  and  I  think 
1  have  caught  more  than  a  hundred  specimens,  among  which  there  were  but  two  females. 


A,,  Notes  on  Brazilian  Entomology. 

by  two  other  species.  It  is  emitted  by  two  pencils  of  pale  hairs  on  the  ventral 
side  of  the  abdomen,  which  can  be  hidden  in  longitudinal  grooves  on  the  first 
two  abdominal  segments.  To  see  them  in  the  living  male  he  must  be  held  with 
the  ventral  side  turned  upward,  so  that  he  can  freely  move  his  wings.  As  soon 
as  he  begins  to  flutter,  the  pencils  will  expand,  and  when  the  wings  cease  to 
move,  they  will  be  laid  down  again  into  their  grooves. 

The  males  of  the  Glaucopidce  are  provided  with  two  long  hollow  retractile 
filaments,  generali}^  beset  with  hairs,  which  they  can  protrude  from  the  end  of  the 
abdomen,  on  the  ventral  side;  sometimes  they  exceed  the  body  in  length,  and 
are  then  rolled  into  an  elegant  helix.  They  emit,  in  most  cases,  a  distinct  odour, 
which  is  ver}^  streng  in  some  species  {e.  g.,  Beleninia  inaiirata).  Two  similar 
filaments,  producing  a  strong  odour,  exist  in  the  male  of  a  Cryptolechia.  I  have 
Seen  retractile  pencils,  tufts  of  hairs,  or  hairy  protuberances,  some  of  them  emitting 
distinct  odours,  at  the  end  of  the  abdomen  of  various  other  male  moths,  of  which 
I  do  not  know  the  names. 

Pencils  or  tufts  of  hairs  appear  to  be  of  rather  frequent  occurrence  on  the 
legs  of  male  moths,  e.  g.,  among  the  Erebidce  and  Geometrida',  and  in  two  or 
three  cases  odours  were  observed  to  issue  from  them. 

In  one  of  our  largest  Erebidce  the  tibiae  of  the  hind  legs  are  much  dilated 
in  the  male,  and  densely  covered  with  peculiar  hairs,  capable  of  being  voluntarily 
erected;  they  emit  a  faint  but  distinct  odour. 

As  I  know  as  yet  but  a  very  insignificant  part  of  our  moths,  a  vast  number 
of  other  odoriferous  contrivances  may  be  expected  to  be  found  among  the  extremely 
numerous  species  of  these  insects. 

Sounds  made  by  Butterflies'^). 

I  know  here  four  species  of  Ageroiiia  [Feronia,  Fornax,  Amphinome  and 
Arethitsa),  all  of  which  are  rather  common  in  certain  localities  where  their  food- 
plants  {Dalechampia)  abound.  I  have  frequently  heard  the  noise  made  by  them 
and  can  fully  confirm  Mr.  Darwin's  Statement,  that  this  noise  is  produced,  almost 
exclusively,  when  two  are  chasing  each  other.  Sometimes  a  short,  clicking  noise 
is  made,  when  an  Ageronia  is  caught  in  the  net.  On  October  3oth,  1876,  at  the 
mouth  of  the  Rio  Trombudo,  a  tributary  of  the  Itajahy,  I  saw  two  butterflies 
chasing  each  other,  which  produced  a  loud  clicking  noise,  and  settled  from  time 
to  time  in  the  manner  of  Ageronia,  with  the  wings  expanded  horizontally,  on  dry 
Sterns  of  Tagtiara  (bamboo).  I,  of  course,  imagined  them  to  be  some  species  of 
Ageronia,  but  after  having  succeeded  in  catching  one  of  them,  found  that  it  was 
Eiinica  Mai'garita.  I  may  observe  that  the  neuration  of  the  wings  of  that  butter- 
fly  bears  a  rather  close  resemblance  to  that  of  Ageronia,  so  that  indeed,  it  ma}' 
be  more  nearl}^  allied  to  that  genus  than  is  generally  assumed. 

On  February  2 ist,  1877,  at  the  foot  of  the  Serra  de  Itajahy,  I  heard  a  noise 
resembling  that  of  Ageronia,  but  rather  louder,  produced  by  two  small  brown  butter- 
flies, which  seemed  to  be  Eitptychiai,  but  which  I  did  not  succeed  in  catching. 


i)  The  following  notes  are  supplementary  to  a   paper  by  Mr.  Meldola,  entilled  "Entomological  Notes 
bearing  on  Evolution",  in  Ann.  and  Mag.  of  Nat.  Hist.,  Feb.    1878. 


Notes  on  Brazilian  Entomology.  52"^ 

It  has  been  suggested  that  the  production  of  sound  by  Ageronia  is  connected 
with  the  existence  of  a  small  membranous  sac  at  the  base  of  the  front  wings, 
which  in  the  living  insect  is  filled  with  air  when  te  costal  nervure  is  compressed. 
But  this  sac  also  exists  in  several  other  butterflies,  which  seem  to  be  incapable 
of  producing  sounds,  e.  g.,  Pyrrhogyra  Edocia  and  Callicore  Eluina.  If  I  re- 
member  rightly,  in  Eunica  Margarita  the  sac  is  wanting. 

Insects  distingiiishing  Colours. 

In  flowers  with  changing  colours,  most  of  the  visiting  insects  perfectly 
distinguish  the  first  honey-filled  flowers,  as  I  have  ascertained  by  a  long  series  of 
observations  on  some  species  of  Lantana.  In  some  species  the  difference  in  colour 
between  the  fresh  flowers  and  the  older  ones  is  but  very  trifling,  a  small  yellow 
circle  surrounding  the  entrance  to  the  tube  of  the  corolla  during  the  first  day  and 
disappearing  afterwards, 

A  specimen  of  Victorina  Frayja  was  lately  observed  settling  on  the  flower 
of  a  rose-tree  painted  on  a  wall;  the  painter  was  much  pleased  by  seeing  his 
skill  thus  acknowledged  by  that  butterfly. 

Mimicry. 

In  some  years,  as  I  stated  in  1871,  Mechanitis  Lysimnia  is  here  hardly  more 
common  than  the  imitating  Leptalis  Astynome-,  but  in  most  years  M.  Lysimnia 
is  extremely  abundant  and  L.  Astynome  rather  rare. 

When  I  descended  in  a  canoe  the  western  branch  of  the  Itajahy  (December 
i6th,  1876),  small  white  butterflies  were  very  common  on  the  banks  of  the  river: 
all  appeared  to  be  of  the  same  species.  I  caught  about  a  dozen,  and  on  examining 
them  at  home  found  them  to  be  Leptalis  Neheniia,  which  so  wonderfully  mimics 
a  Pieris,  that  even  Boisduval  was  deceived  and  described  as  Pieris  Nehemia. 
Now,  in  his  case,  the  model  must  have  been  either  by  far  more  rare  than  the 
copy,  or  entirely  wanting. 

On  the  Itajahy  we  have  three  species  of  Eueides,  viz.,  E.  Pavana,  Isabella 
and  Aliphera;  all  of  them  are  rare,  and  E.  Pavana  extremely  so.  This  last 
species  closely  resembles  Acrma  Thalia ;  E.  Isabella  resembles  Mechanitis  Lysimnia 
and  Heliconius  Eiter ate,  while  E.  Aliphera  mimics  Colcenis  Julia.  I,  therefore, 
formerly  thought  that  the  three  rare  species  of  Eueides  mimicked  the  three  common 
species  of  Acrcsa,  Mechanitis  and  Colcenis.  Afterwards,  after  finding  that  the 
several  species  of  Eueides  possess  a  very  strong  and  repugnant  odour,  I  had  become 
somewhat  doubtful,  and  at  Säo  Bento  I  found  that  E.  Aliphera  was  extremely 
common,  so  common,  indeed,  that  repeatedly  I  caught  as  many  as  eight  specimens 
in  the  net  at  once,  whereas  C.  Julia  was  so  rare  that  I  have  only  seen  two  or 
three  specimens  altogether.  Thus,  judging  by  their  relative  abundance,  an  observer 
on  the  Itajahy  might  consider  E.  Aliphera  to  be  a  mimic  of  C.  Julia,  while  an 
observer  at  Säo  Bento  might  take  C.  Julia  to  be  a  mimic  of  E.  Aliphera. 

Correlation  oj  Habit  with  Protective  Resemblance. 
Any   number  of   cases   might   be   given.     The  case   which   has  most  Struck 
me  is  that  of  the  Caterpillar  of  a  small  moth  belonging  to  the  curious  Cochliopod 


^24.  Notes  on  Brazilian  Entomolog)'. 

oToup.  This  Caterpillar  has  long  lateral  processes,  overlapping  each  other,  and 
imitates  in  a  truly  wonderful  manner  a  dr}-  leaflet  of  the  food  plant  Cassia  uiiclti- 
juga  with  the  apical  half  gnawed  off.  Now,  when  gliding  along  slowly  and 
smoothly,  as  Cochliopod  larvse  are  accustomed  to  do,  it  has  the  stränge  habit  of 
making  curious  waving  movements  from  side  to  side,  just  as  a  dry  leaf  moved 
by  the  wind.  A  dry  leaf  marching  in  a  straightforward  manner  would  be  a  stränge 
thing,  and  might  rouse  the  attention  of  some  intelligent  bird,  whilst  it  would  not 
look  at  a  leaf  moved  by  the  wind. 

Another  curious  instance  is  that  of  the  Caterpillar  of  our  Brazilian  "leaf- 
butterfly"{  Siderone  strigosus) ;  when  very  young  it  feeds  on  tlie  tips  of  the  lanceo- 
late  leaves  of  a  Casearia,  sparing  the  mid  rib,  on  which  it  rests.  This  habit  of 
resting  on  the  denuded  ribs  of  leaves  is  common  to  various  young  caterpillars 
{Protogonms,  Adelpha,  Gynmsia),  and  they  are  thus  very  well  protected.  When 
somewhat  larger,  the  caterpillars  of  Siderone  strigosus  (and  of  Siderone  Ide, 
which  live  on  the  same  plant)  bite  small  pieces  from  the  leaf,  fastening  them  to 
the  mid  rib,  with  their  margins  rolled  in,  and  the  brown  colour  which  these  bits 
of  leaf  soon  assume  excellently  conceal  the  small  brown  Caterpillar  which  sits 
between  them ;  at  last  the  fuUgrown  larva  itself  perfectly  imitates  a  rolled  dry  leaf. 


Os  orgäos  odoriferos  da  Antirrhaea  Archaea  Hühner^) ^). 

Mit  Tafel  XLIX. 

As  differen(;;as  sexuaes  da  Äittirrhcea  Archcpa  produzidas  pelos  orgäos 
odoriferos  dos  machos  ja  se  acham  mencionadas  por  varios  autores.  Assim  West- 
wood ^),  considerando  a  Antirrhcea  como  terceira  secgäo  do  genero  Hcetera, 
distinguio  esta  secgäo  pelas  azas  anteriores  do  macho  dilatadas  na  margem 
interna  e  munidas  em  baixo  de  uma  crina.  Butler^),  tomando  a  Antirrhcea 
Archma  como  typo  de  um  novo  genero,  Anchiphlebia,  indicou  entre  os  caracteres 
distinctivos  deste  genero  näo  so  a  margem  interna  convexa  e  a  «plaga  pectinatim 
cirrosa»  das  azas  anteriores,  como  tambem  uma  differenga  muito  notavel  entre 
os  dous  sexos  nas  nervuras  das  azas  posteriores  «alse  venis  posticarum  prima  et 
secunda  subcostalibus  ad  origines  mari  valde  approximatis  et  sub parallel is» ;  ao 
mesmo  tempo  tambem  elucidou  e  illustrou  por  uma  figura  os  referidos  caracteres  ^). 

Os  pinceis  de  cabellos,  barbas  ou  crinas  constituem  em  muitos  casos  a  parte 
mais  notavel  dos  orgäos  odoriferos  dos  lepidopteros  machos;  em  muitos  casos 
tambem  estes  orgäos  säo  accompanhados  de  modificagöes  mais  ou  menos  pro- 
fundas  das  nervuras  das  azas;  parecia-me  porem  muito  estranho  terem  os  machos 
da  Antirrhcpa  Archcra  uma  crina  nas  azas  anteriores  e  as  nervuras  alteradas 
nas  posteriores,  sem  quc  ncstas  azas  posteriores  apparecesse,  nas  descripgöes 
e  figuras  existentes,  outro  indicio  de  orgäos  odoriferos.  Fui  pois,  por  causa  dessa 
anomalia  real  ou  apparente,  examinar  com  o  mais  vivo  interesse  diversos  indivi- 
duos  de  ambos  os  sexos  desta  borboleta  assaz  rara,  ao  que  mc  parece,  na  provincia 
de  Santa  Catharina,  onde  pela  primeira  vez  a  vi  no  mez  de  Janeiro  do  cor- 
rente  anno. 

Logo  ao  apanhal-os  convenci-me  de  que  os  machos,  e  so  estes,  säo  dotados 
de  um  cheiro  bastante  intenso,  emittido  pela  elegantissima  crina  das  azas  anteriores. 
Tambem  näo  tardei  a  reconhecer  que  aquella  anomalia  era  so  apparente,  visto 
como  ao  longo  das  nervuras  modificadas  das  azas  posteriores  se  estende  um  orgäo 

i)  Arch.  do  Mus.  Nacional.  Rio  de  Janeiro   1878.  Vol.  III.  pag.   i — 7. 

2)  Ha  uma  figura  de  AntirrhcEa  Archcca  representando  a  femea  na  Encyclopedie  d'Hist.  Nat.  par 
le  Dr.  Chenu.  Papillons  I,  pag.  299,  Fig,  514. 

3)  Westwood,  Getiera  Diurn.  Lepidopt.  pag.  365.  (185 1). 

4)  Butler,    Catalogue  Satyrid.  Brit.  Mus.  pag.    106.  (1868). 

5)  Butler,   Catal.  Satyr.  PI.    V.  Fig.  3. 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  4^ 


626 


Os  orgäos  odoriferos  da  AntirrhEca  Archa;a. 


odorifero  dos  mais  singularcs,  e  coniparando  os  meus  exemplares  com  a  figura  de 
Butler  cheguei  a  convencer-me  de  que  este  representa  erroneamente  a  crina 
das  azas  anteriores,  dando  aos  cabellos  uma  direcgäo  opposta  a  que  elles  real- 
mente  tem. 

Conviria  pois,  a  vista  dos  erros  e  omissöes  das  figuras  e  descrip^öes  existentes 
figurar  e  descrever  de  novo  os  orgäos  odoriferos  da  Antirrhcea  Archcea,  embora 
mesmo  elles  näo  fossem,  como  realmente  säo,  em  si  mesmos  muito  dignos  de  nota 
por  diversos  motivos. 

A  margem  interna  das  azas  anteriores  forma  nas  femeas  (Fig.  i),  uma  linha 
quasi  recta  desde  a  base  da  aza  ate  a  extremidade  da  nervura  interna;  nos  machos 
pelo  contrario  (Fig.  2),  essa  margem  forma,  entre  os  referidos  pontos,  um  arco 
quasi  regulär  de  120*^  de  um  circulo,  cujo  centro  se  acha  no  vertice  do  angulo 
formado  pela  nervura  mediana  e  o  seu  primeiro  ramo.  Da  mesma  sorte  a  nervura 
interna,  depois  de  ter  feito  um  angulo  obtuso  perto  da  base,  e  recta  nas  femeas, 
e  curvada  em  forma  de  S  nos  machos.  Deste  modo  a  area  comprehendida  entre 
as  nervuras  interna,  mediana  e  o  primeiro  ramo  desta,  fica  maior  na  razäo  de 
4:3  nos  machos,  e  a  maior  parte  desta  area  e  occupada,  na  superficie  inferior  da 
aza,  pela  crina  de  cabellos  louros  que  caracterisa  o  sexo  masculino.  Essa  crina 
comega  a  pouca  distancia  da  base  da  aza;  a  sua  linha  de  inser^äo  accompanha 
a  nervura  interna  (da  quäl  fica  comtudo  separada  por  um  intervallo  cuja  largura 
e  quasi  egual  a  da  mesma  nervura),  em  pouco  mais  de  dous  tergos  de  seu  com- 
primento,  e  depois,  diminuindo  pouco  a  pouca  o  raio  da  curvatura,  dirige-se  para  diante 
(isto  e,  para  o  lado  dorsal  da  aza),  terminando  a  pequena  distancia  da  do  ramo 
da  nervura  mediana.  Perto  da  base  da  aza,  os  cabellos  da  crina  (Fig.  5)  säo  rectos 
e  medem  cerca  de  3  millimetros  de  comprimento;  no  meio  12  ate  16  millimetros: 
nas  extremidades  cerca  de  8  millimetros  de  grossura,  sendo  obtusa  a  extremidade 
livre;  no  ponto  onde  a  crina  se  affasta  da  nervura  interna  os  cabellos  säo  maiores, 
chegando  a  medir  6  millimetros  de  comprimento,  e  um  pouco  curvos,  apresentando 
a  convexidade  voltada  para  a  base  e  margem  interna  da  aza. 

Os  cabeUos  näo  säo  dispostos  em  uma  so  fileira,  e  sim,  como  melhor  se  ve 
nos  seus  pontos  de  insergäo,  em  3,  4  ou  5  camadas,  elevando-se  este  numero  a 
10  ou  mais  nos  dous  primeiros  millimetros  a  contar  da  base  da  aza.  Removida 
a  crina,  a  parte  da  aza,  que  por  ella  se  achava  coberta,  näo  apresenta  aspecto 
sensivelmente  differente  do  da  superficie  cirumvizinha ;  entretanto  o  exame  micro- 
scopico    revela   differeuQas  profundas   na   disposigäo   e   forma   das   escamas. 

As  escamas  ordinarias  nesta  parte  (Fig.  10)  säo  dispostas  em  fileiras  regu- 
läres, nas  quaes  as  escamas  inferiores  ou  sücubas  alternam-se  com  as  escamas 
superiores  ou  incubas.  A  distancia  das  fileiras  e  de  cerca  de  o'"'",o8 ;  a  das  es- 
camas da  mesma  fileira  de  cerca  de  o""",o3 ;  as  escamas  superiores  ou  incubas 
(Fig.  10,  Ä),  säo  mais  compridas  (o™'",2)  muito  mais  estreitas  (o'"'",o3)  e  ao  mesmo 
tempo  muito  mais  escuras ;  as  inferiores  ou  sücubas  (Fig.  i  o,  B)  säo  menos  com- 
pridas (o'"™,i2),  mais  largas  (©""'.os)  e  mais  pallidas,  sendo  a  extremidade  destas 
ultimas  ou  arredondada,  como  a  das  incubas,  ou  denteada. 

Debaixo  da  crina  as  escamas  näo  säo  dispostas  em  fileiras  reguläres,  näo  se 
differenceiam  em  sücubas  e  incubas;  säo  muito  menos  bastas  do  que  as  ordinarias 
e    näo    cobrem  inteiramente  a  aza.     Pelo    lado    da   base   da  aza  ellas  säo  sensivel- 


Os  orgäos  odorifcros  da  Antirrha-a  Archa;a.  527 

mcnte  menores  do  que  as  ordinarias,  tcndo  (Fig.  ii)  pouco  mais  ou  menos  o  com- 
primento  das  sücubas  ordinarias  e  a  largura  das  incubas;  pelo  lado  da  margem 
externa  da  aza  väo  avigmentando  pouco  a  pouco  de  largura  de  modo  que  afinal 
(Fig.  1 2)  pouco  se  destinguem  das  sücubas  ordinarias  aprcscntando  a  extremidade 
arredondada. 

Na  cor  e  textura  ellas  se  assemelham  as  escamas  ordinarias  sücubas,  mostrando, 
como  estas,  bem  distinctas  as  estrias  longitudinaes,  quo  costumam  ser  imper- 
ceptiveis  nas  escamas  odoriferas;  faltam-lhe  tambem  todos  os  outros  caracteres 
que  distinguem  as  escamas  odoriferas. 

Entretanto  a  differenga  singular  e  notavel  entre  a  area  coberta  pela  crina 
e  a  superficie  circumvizinha  consiste  na  dircccjäo  das  escamas.  As  de  fora  in- 
vertem,  como  e  rcgra  geral,  a  sua  ponta  para  o  lado  da  margem  externa  da  aza 
isto  e,  para  a  direita  (Fig.  5);  as  de  baixo  da  crina  seguem  mais  ou  menos  rigoro- 
samente  a  direcQäo  dos  cabellos  que  as  cobrem  (assim,  na  fig.  5  as  escamas  da 
base  säo  dirigidas  para  cima,  as  da  parte  termintü  para  a  csqucrda),  de  modo  que 
em  certo  ponto  as  escamas  muito  vizinhas  e  separadas  apenas  pela  inser9äo  da 
crina  voltam-se  em  sentido  intciramente  opposto. 

Removidas  tambem  as  escamas  das  azas  anteriores,  apparece,  na  area  coberta 
pela  crina,  uma  macula  um  tanto  opaca,  de  forma  elliptica  (Fig.  2,  m),  sendo  os 
seus  eixos  de  7  e  3  millimetros.  Si  se  tirasse  uma  recta  do  vertice  do  angulo, 
entre  o  tronco  e  o  primeiro  ramo  da  nervura  media  para  o  ponto  em  que  a  crina 
se  affasta  da  nervura  interna,  essa  recta  coincidiria  com  o  eixo  maior  da  ellipse. 
A  opacidade  da  macula,  alias  pouco  consideravel,  devida  a  um  sem-numero  de 
pequenos  pontos  ou  antes  circulos  de  o""°oo2  de  diametro  apenas,  e  de  contornos 
escuros,  que  se  acham  espalhados  neste  logar  pela  membrana  da  aza. 

Assim  como  a  margem  interna  ou  posterior  das  azas  anteriores,  da  mesma 
Sorte  a  anterior  das  azas  posteriores  e  quasi  recta  nas  femeas  (Fig.  3),  e  sensivel- 
mente  arqueada  nos  machos  (Fig.  4).  A  superficie  superior  destas  azas  e  de  cor 
parda,  e  nclla  avistam-se,  nos  machos,  duas  maculas  que  mais  se  distinguem  pela 
differenga  do  brilho,  do  que  pela  cor.  A  maior  (Fig.  4,  m  ;  Fig.  7,  8  e  g)  rodeia 
OS  angulos  formados  pela  nervura  discocellular  superior  (des)  e  pelos  dous  ramos 
(6  e  7)  da  nervura  subcostal  prolongande-se  entre  estes  dous  ramos  ate  onde  elles 
acabam  de  correr  approximados  e  parallelos;  a  base  da  macula,  de  forma  quadri- 
latera  irregulär,  e  cinzenta  escura,  o  prolongamento  alvacento,  e  por  isso  mais 
visivel.  A  macula  menor  (Fig.  4,  m")  occupa  o  angulo  situado  entre  as  duas 
nervuras  internas.  Ambas  as  maculas  säo  abundantemente  cobertas  de  escamas 
especiaes  que,  pela  sua  opacidade  perfeita  e  falta  de  estrias  longitudinaes,  asse- 
melham-se  as  escamas  odoriferas  de  muitos  outros  lepidopteros ;  quanto  a  forma, 
as  da  macula  menor  (Fig.  15)  näo  differem  muito  das  escamas  ordinarias  incubas 
(P'ig.  13,  Ä)  da  parte  vizinha  da  aza;  as  da  macula  maior  (Fig.  16)  säo  pelo  con- 
trario täo  eäzreitas  que  quasi  confundem-sc  com  cabellos;  ellas  tem  cerca  de 
o'"°',i6  de  coiliprimento,  as  da  macula  menor  o'°'"i3  sobre  o°"",025  ate  3  millimetros 
de  largura.     \ 

Depois  de  escamadas  as  azas,  as  maculas  tornam-se  muito  mais  visiveis  do 
que  antes,  differen^ando-se  näo  so  por  certo  grau  de  opacidade,  como  tambem 
pela   sua  cor  Cornea,   bastante  pallida  na  macula  menor,  mais  accentuada  na  base 

40* 


52  8  ^^  orgäos  odoriferos  da  Antirrhaea  Archaea. 

e  assaz  escura  no  prolongamento  da  macula  maior.  Na  macula  menor  ramificam-se 
diversas  tracheas  delgadas,  que  nascem  das  duas  nervuras  e  limitam  a  mesma 
macula.  Na  macula  maior  as  tracheas  attingem  um  descnvolvimento  muito  mais 
consideralvel,  e  as  vezes  verdadeiramente  monstruoso,  variando  muito  a  este 
respeito,  conforme  os  diversos  individuos  que  se  observam.  A  maior  parte  das 
tracheas  que  percorrem  esta  macula,  costumam  apresentar  a  sua  parte  bazilar  mais 
ou  menos  dilatada,  e  tortuosa,  assemelhando-se  a  veias  varicosas  (Fig.  8).  Em  cer- 
tos  individuos  (Fig.  9)  essa  dilata<;äo  das  tracheas  chega  ao  ponto  de  ocuparem 
ellas  todas  a  area  da  macula  odorifera,  perdendo  ao  mesmo  tempo  as  suas  rami- 
ficagöes  capillares.  Descobri  este  mesmo  grau  de  varicosidade  na  Fig.  7,  entre 
OS  dous  ramos  da  nervura  subcostal,  e  a  esquerda  da  nervura  discocellular 
superior,  emquanto  ä  direita  da  mesma  nervura  ha  varias  formas  intermediarias 
entre  as  tracheas  normaes  e  as  excessivamente  varicosas  e  destituidas  de  ramos 
capillares. 

A  variabilidade  das  tracheas  estende-se  tambem,  ainda  que  em  grau  muito 
menos  consideravel,  as  nervuras  que  percorrem  as  maculas  e  das  quaes  nascem 
aquellas  tracheas;  os  dous  ramos  (6  e  7)  da  nervura  subcostal  ou  säo  quasi  paralleles 
(Fig.  4,  Fig.  8),  ou  convergem  (Fig.  7,  Fig.  9),  as  vezes  quasi  tocando-se;  nas  femeas 
(Fig.  3,  Fig.  6)  OS  dous  ramos  divergem  desde  o  principio.  A  nervura  discocellular 
superior  (des)  atravessa  a  macula  ou  em  linha  recta  (fig.  8),  ou  um  pouco  curvada 

(Fig.  9)- 

Essa  variabilidade  extraordinaria  das  tracheas  da  macula  odorifera  pode  servir 
de  exemplo  excellente  para  elucidar  a  regra  admiravelmente  discutida  por  Darwin  ^) 
de  que  <  a  parte  desenvolvida  em  alguma  especie,  n'um  grau  ou  maneira  extraordi- 
naria, em  comparagäo  com  a  mesma  parte  em  especies  alliadas,  tende  a  tornar-se 
consideravelmente  variavel».  Assim  pois  a  macula  odorifera  com  as  veias  e  tracheas 
profundamente  modificadas  si  näo  se  achar  exclusivamente  na  Antirrhcra  At^chcea, 
ao  menos  parece  limitar-se  as  tres  especies  semelhantes  reunidas  por  Butler  no 
genero  Anchiphlebia. 

Outro  ponto  notavel  e  a  separagäo  em  duas  partes  do  orgäo  odorifero,  pare- 
cendo  ser  reservada  as  azas  posteriores  a  produc(;äo,  e  as  anteriores  a  emissäo  ou 
exhalagäo  do  cheiro  que  deve  seduzir  as  femeas  amorosas.  Quanto  a  macula  opaca 
das  azas  anteriores,  parece  ser  um  orgäo  odorifero  rudimentario,  ficando  por  ora 
indeciso,  si  se  acha  em  via  de  progresso  ou  de  regresso,  si  mais  tarde  deve  aper- 
fei^oar-se  ou  desapparecer. 

Comparando-se  os  orgäos  odoriferos  da  Antirrhma  Archcea  com  os  de  Epi- 
calia  Acontius,  que  ha  pouco  descrevi,  encontra-se  uma  conformidade  quasi  com- 
pleta  entre  as  suas  partes  componentcs.  Em  ambas  as  especies,  eiqucllas  margtMis 
das  azas  que  mutuamente  se  cobrem,  säo  consideravelmente  dilatadas  e  arqueadas 
no  sexo  masculino;  em  ambas,  a  superficie  inferior  das  azas  anteriores  e  munida 
de  uma  crina  de  cabcUos  compridos  inscridos  ao  longo  da  nervura  interna,  e  co- 
brindo  uma  macula  odorifera  bem  desenvolvida  na  Epicalia  Acontius,  rudimen- 
taria  na  Antirrhrca  Archcea,  Opposta  ii  crina,  conta  em  ambas  as  especies  na 
superficie    superior    das   azas   inferiores  uma   macula  odorifera,    cuja  parte  central 


1)   Darwin,   Origin.  of  Species.  4='    edicüo,  pag.    177. 


Os  orgäos  odoriferos  da  Antirrhaea  Archa?a.  020 

occupa  o  angulo  situado  entre  os  dous  ramos  da  nervura  subcostal,  estendendo-se 
d'ahi  as  tres  cellulas  limitantes  da  aza.  Ora  tudo  isso  seria  muito  simples  e 
explicar-se-hia  facilmente  si  as  duas  cspezies  pertencessem  ao  mcsmo  genero  ou 
a  generös  alliados,  si  todos  aquelles  caracteres  com  que  concordam  os  seus  orgäos 
odoriferos,  podessem  scr  derivados  de  progenitores  communs.  Longe  disso,  porem, 
ellas  säo  de  duas  sub-familias  muito  differentes,  a  Antirrha'U  pertencendo  as 
Satyrideas  e  a  Epicalia  as  Nymphalideas,  e  tite  muitos  dos  parentes  os  mais 
proximos  de  uma  e  outra  especie  säo  destituidos  de  scmelantes  orgäos;  faltam, 
V.  g.  completamente  na  Epicalia  Numilia.  Assim,  pois,  näo  pode  haver  duvida 
de  que  os  orgäos  odoriferos  se  tenham  desenvolvido  independentes  um  do  outro 
nas  duas  especies,  e  que  tudo  quanto  elles  tem  de  commum  e  unicamente  devido 
a  circumstancia  de  se  terem  elles  accommodado  a  m(\sma  func^äo.  Os  dous 
orgäos  näo  säo  pois  «homologos»  e  sim  simplesmcnte  «analoges»,  e  constituem 
um  exemplo  dos  mais  notaveis  de  «convergencia»  como  modernamente  se  tem 
chamado  a  semelhanga  que  näo  resulta  de  heranga,  e  sim  provem  da  adaptagäo  a 
circumstancias  identicas.  Näo  conhe^o  outro  caso  que  prove  täo  clara  e  irrefragavel- 
mente  e  com  tanta  forga  atteste  a  verdade  de  uma  these  que  nunca  se  devia  perder 
de  vista  em  estudos  morphologicos.  E'  a  seguinte :  Si  em  duas  especies  certos 
orgäos  que  servem  a  mesma  func^äo,  se  acharem  no  mesmo  lugar,  e  se  compo- 
zerem  das  mesmas  partes  occupando  a  mesma  posigäo  relativa,  e  exhibindo  for- 
mas  semelhantes,  tudo  isso  por  si  so  ainda  näo  constitue  prova  sufficiente  de  serem 
aquelles  orgäos  homologos,  —  nem  siquer  no  caso  de  pertencerem  as  duas  especies 
a  mesma  familia. 


Explica9äo  das  figuras  da  estampa  XLIX. 

As  figuras  todas  se  referem  a  Antirrhcea  Archcea  Hübner;  as  figuras  i'"^  ate  a  4^ 
säo  de  tamanho  natural,  as  5^,  6^  e  7^  augmentadas  3  vezes,  as  8-''  e  9^  15  vezes,  e 
o  resto   180  vezes. 

Fig,  I.- — Aza  anterior  escamada  da  femea.  Note-se  nesta  figura  e  na  seguinte 
que,  alem  das  nervuras  bem  desenvolvidas,  ainda  se  avistam  distinctamente  na  cellula 
discoidal  os  vestigios  da  nervura  discoidal  dividida  em  dois  ramos,  como  do  ramo  posterior 
da  nervura  subcostal. 

Fig.  2.  —  Aza  anterior  escamada  do  mache;  /,  inser^äo  da  crina  dilatada  na  base; 
;«,  macula  opaca. 

Fig.  3.  —  Aza  posterior  escamada  da  femea. 

Fig.  4.  —  Dita  do  macho;  m\  macula  odorifera  maior,  coberta  pela  crina  da  aza 
anterior;  m'\  dita  menor  escondida  entre  a  aza  e  o  abdomen  da  borboleta. 

Fig.  5.  —  Crina  da  superficie  inferior  das  azas  anteriores  do  macho.  Na  figura 
publicada  por  Butler  (Catal  Satyrid.  Br.  M.  PI.  V  Fig.  3)  os  cabellos  parecem  ser  fixados 
pela  sua  extremidade  anterior  e  volvidos  para  traz.  Seria  differen^a  especifica?  E'  muito 
mais  provavel  que  seja  antes  erro. 

Fig.  6  e  7.  —  Parte  das  azas  posteriores  mostrando  a  differen<,;a  que  ha  nas  nervuras 
entre  o  sexo  feminine  (Fig.  6)  e  o  masculino  (Fig.  7) ;  5,  nervura  discoidal ;  6,  ramo  se- 
gundo;  7,  primeiro  ramo  da  nervura  subcostal ;  5,  nervura  costal;  des,  nervura  discocellular 
superior;  pc,  nervura  precostal. 

Fig.  8  e  9.  —  Macula  odorifera  maior  do  macho,  escamada,  de  dous  differentes 
individuos,  para  mostrar  a  grande  variabilidade  das  tracheas  que  se  ramificam  na  mesma 
macula.     Para  nao  complicar  a  figura,  deixou-se  de  indicar  as  inser(;öes  das  e.scamas. 


A,Q  Os  orgäos  odoriferos  da  Antirrhaea  Archaea. 

Fig.  lo.  —  Escamas  ordinarias  da  superficie  inferior  das  azas  anteriores.  A,  incubas. 
B,  siicubas. 

Fig.  II   e   12.  —  Escamas  da  ärea  coberta  pela  crina. 

Fig.  13  e  14.  —  Escamas  ordinarias  da  superficie  superior  das  azas  posteriores,  senclo 
Fig.  13  do  angulo  situado  entre  as  duas  nervuras  internas;  e  Fig.  14  do  intervallo  entre 
a  nervura  discoidal  e  o  segundo  ramo  da  subcostal.  A,  escamas  incubas,  B  escamas 
sucubas. 

Fig.   15.  —  Escamas  da  macula  odorifera  nienor. 

Fig.  16.  —  Escamas  da  maior. 


A  prega  costal  das  Hesperideas  ^). 

Mit  Tafel  L  und  LI. 

Fallando  nas  differengas  sexuaes  das  Hesperideas  Westwood  disse  que  <('m 
certos  grupos  dessa  familia  o  bordo  anterior  das  azas  anteriores  e  recurvado  nos 
machos,  sendo  o  espago  incluso  iibundantemente  vestido  de  pennugem  pallida»  ^). 
Herrich  Schseffer  den  a  este  bordo  recurvado  das  azas  anteriores  o  nome  de  prega 
costal  {Costalumschlag),  servindo-se  como  caracter  distinctivo  dos  generös  que  o 
possuem  ^). 

Näo  me  consta  que  ja  se  tenha  procedido  a  um  exame  microscopico  e  com- 
parativo  da  prega  costal  nas  diversas  especies  em  que  e  clla  observada,  nem  täo 
pouco  que  ja  se  tenha  emittido  alguma  opiniäo  sobre  a  sua  func^äo;  e  comtudo  a 
sua  estructura  e  as  vezes  täo  variada  e  diversa,  em  especies  mui  semeLhantes, 
que  ate,  sob  o  aspecto  puramente  systematico,  o  estudo  deste  orgäo  näo  deve  ser 
desprezado. 

De  muitas  centenas  de  Hesperideas  cujos  machos  säo  dotados  da  prega  costal, 
so  pude  conseguir,  por  aqui,  pouco  mais  de  uma  duzia,  numero  täo  limitado,  que 
näo  me  permittira  deduzir  resultados  geraes  das  minhas  observagöcs;  sera  pois  o 
unico  fim  desta  noticia  chamar  a  atten^äo  dos  entomologistas  sobre  um  assumpto 
que  tanto  a  merece. 

Nas  Hesperideas,  como  em  muitos  lepidopteros  nocturnos,  o  bordo  anterior 
das  azas  anteriores  e  occupado  por  uma  nervura  ä  que  os  lepidipterologistas 
deixaram  de  dar  um  nome;  e  como  tcnho  de  mencional-a  frequentemente,  designal- 
a-hei  pelo  nome  de  nervura  marginal  (Fig.  2,  7,  13,  20,  24,  26,  m.). 

As  especies  cuja  prega  costal  examinei,  säo  as  seguintes^): 

Telegomis  Midas,  Cram.  (Fig.  i — 5).  Dividindo  o  bordo  anterior  das  azas 
anteriores  em  cinco  partes  iguaes,  a  prega  costal  occupa  a  segunda  e  terceira 
dessas  partes,  a  contar  da  base ;  o  seu  comprimento  e  de  1 5'"".,  c  a  largura  de 
i^^.S.  Desdobrando-se  a  prega,  apparecc  no  bordo  da  aza,  como  se  ve  na 
Fig.  1  e  2,   uma   figura   limitada   por   dous   arcos   de   circulo   e  dividida  em  duas 

i)  Arch.  do  Mus.  Nacion.  Rio  de  Janeiro  1878.  Vol.  III.  p.  41  —  50. 

2)  Doubleday,  Westwood,  «Genera  of  Diurnal  Lepidoptera>,  pag.  506, — 1852. 

3)  Herrich  Schoeffer,  «Prodrom.  System,  lepidopt.»,  fascic.  III — 1868,  pag.  52. 

4)  Usei  dos  nomes  adoptados  por  Kirby,  «Catalogiie  Diurn.»  Lepidopt. — 187 1. 


f. -,2  -^  prcga  costal  das  Hesperideas. 

partes,  pela  corda  commum  destes  arcos.  Estas  duas  partes  säo  o  bordo  recur- 
vado  da  aza  limitado  pela  nervura  marginal  e  a  parte  da  aza  coberta  por  aquelle 
bordo  recurvado.  Ambos  os  arcos  que  limitam  a  mencionada  figura  säo  orlados 
de  uma  cercadura  de  escamas  lustrosas,  cor  de  palha.  Uma  terceira  orla  de  es- 
camas  da  mesma  cor,  porem  mais  delgadas  e  compridas,  acha-se  implantada  na 
extensäo  da  corda  commum,  cobrindo  completamente  a  parte  recurvada  da  aza. 
O  comprimento  das  escamas  desta  terceira  orla  iguala  ou  excede  pouco  a  largura 
da  prega:  säo  pois  mais  compridas  no  meio  da  corda  (1,5  ate  2'""".)  onde  esta 
mais  se  affasta  do  arco;  todas  ellas  tem  uma  haste  delgada  e  comprida,  que  em 
umas  (Fig.  3,  a)  se  dilata  a  pouco  e  pouco  em  forma  de  leque,  estreito  triangulär 
com  a  margem  mais  ou  menos  distinctamcnte  dcnteada,  em  quanto  que  em  outras 
(Fig.  3,  b)  a  haste  filiforme  termina  em  uma  lamina  oval,  ou  em  uma  fita  estreita 
com  a  extremidade  arredondada.  As  escamas  que  limitam  a  area  coberta  pelo 
bordo  recurvado  da  aza  (Fig.  4),  säo  de  forma  muito  variavel,  sendo  pela  maior 
parte  ovaes  ou  claviformes;  quasi  todas  ellas  säo  marcadas  por  macula  escura,  ter- 
minal, cheia  de  granula9öes  opacas,  e  separada  do  resto  da  escama  por  uma 
aureola  transparente.  Essas  maculas  escuras  säo  as  vezes  muito  pequenas  quasi 
reduzidas  a  um  ponto,  em  quanto  que  em  outros  casos  ellas  occupam  toda  a 
largura  da  escama;  e  nem  sempre  säo  exactamente  terminaes,  apresentando-se  as 
vezes  deslocadas  para  um  ou  outro  lado,  havendo  raras  vezes  duas  destas  maculas 
na  mesma  escama.  A  aureola  que  rodeia  as  maculas  escuras,  tem  em  geral  a 
forma   de   um    arco  de  circulo,   sendo  comtudo  as  vezes  de  forma  menos  regulär, 

As  estrias  longitudinaes  que  percorrem  as  escamas,  atravessam  tambem  as 
aureolas  transparentes,  tornando-se  mais  ou  menos  confusas  e  indistinctas  nas 
maculas  escuras.  A  opacidade  e  o  aspecto  granulado  destas  maculas  säo  caracteres 
frequentemente  encontrados  em  escamas  odoriferas ;  ora,  como  as  extremidades  das 
respectivas  escamas  com  as  maculas  escuras  acham-se  cobertas  pelo  bordo  livre 
da  prega  costal,  näo  parece  improvavel  que  aquellas  maculas  tambem  sejam 
odoriferas;  si  assim  fosse  as  escamas  maculosas  desempenhariam  ao  mesmo  tempo 
duas  func^öes  muito  diversas,  servindo  a  parte  basal  de  cercadura  para  fechar  a 
prega  costal,  e  a  terminal  do  orgäo  odorifero. 

Removendo  as  escamas  inseridas  ao  longo  da  linha  recta  que  separa  a  parte 
curva  do  resto  da  aza,  ou  cortando  transversalmente  a  prega  costal,  ve-se,  que  o 
espaQO,  comprehendido  entre  aquellas  escamas  e  a  parte  curva  da  aza,  e  coberto 
de  um  p6,  pardacento,  composto  pela  maior  parte  de  particulas  soltas  (Fig.  5,  ä) 
tendo  em  geral  de  o'°"',oi6  ate  o'"'",025  de  comprimento  sobrc  cerca  de  o™'",oo4 
de  largura,  as  dos  lados,  quasi  sempre  parallelas,  convergindo  rarissimas  vezes 
para  uma  das  extremidades,  säo  transparentes,  de  cor  um  pouco  amarellada,  e 
em  geral  atravessadas  por  uma  linha  mais  escura  e  opaca,  no  sentido  longi- 
tudinal. 

Entre  as  particulas  soltas  ha  outras  (Fig.  5,  6)  dispostas  em  fileiras,  por  fios 
curtos  e  finissimos,  como  tambem  alguns  cabellos  (Fig.  5  c,  d)  mais  ou  menos 
distinctamcnte  articulados. 

Estes  cabellos  revelam  a  origem  do  p6,  que  enche  a  cavidade  da  prega 
costal,  e  que  se  compöe  de  fragmentos  de  cabellos  articulados.  Emfim,  para 
complctar   a  lista   das   formas   que   as   ascamas   podem  tomar  na  prega  costal  do 


A  prega  costal  das  Hesperideas.  5- 


00 


Telegonus  Midas,  cumpre  mencionar  ainda  certas  escamas  estreitas  de  o""",6  de 
comprimento  sobre  o^^.oiö  de  largura,  quc  encontrci  na  cavidadc  da  prega,  sem 
podcr  indicar  o  lugar  exacto  em  que  ellas  se  achavam  inseridas. 

Jelegomis  (?)  especie  indeterminada  de  S.  Bento  (Fig.  6 — g). 

Esta  especie,  de  que  so  pude  conseguir  um  unico  exemplar  muito  estragado, 
porem  com  a  prega  costal  bem  conservada,  e  notavel  tanto  pela  extensäo  da 
prega  costal,  que  occupa  perto  de  trc^s  quintos  do  bordo  anterior  da  aza  (Fig.  6), 
como  pelo  calibre  insolito  da  nervura  marginal  (Fig.  7,  M),  que  e  muito  maior  do 
que  o  das  nervuras  costal  e  sub-costal  (Fig.  7,  c  e  sc).  A  cavidadc  formada  pela 
prega  costal  e  limitada  e  fechada  em  baixo,  por  escamas  numerosissimas  as  quaes 
nascem  ao  longo  da  linha  recta  que  separa  o  bordo  rccurvado  do  resto  da  aza, 
em  cima  pelo  bordo  recurvado.  A  nervura  costal  e  uma  cercadura  de  escamas 
menores  inseridas  ao  longo  desta  mesma  nervura. 

A  «pennugem  pallida»,  encerrada  no  intererior  da  prega  costal,  nasce  da  pa- 
rede  superior  da  mesma,  tanto  da  nervura  marginal,  como  do  bordo  recurvado  da 
aza  (Fig.  7).  Esta  «pennugem»  compöe-se  quasi  exclusivamente  de  cabellos  articu- 
lados;  os  articulos,  na  maior  parte  soltos  (Fig.  8),  variam  muito  em  cumprimento 
e  largura;  geralmente  a  largura  e  de  o'""\oo8  ate  ©'"".oi  sobre  o™™,o4  ate  o""",o6 
de  comprimento ;  os  que  se  acham  reunidos  em  numero  mais  ou  menos  consideravel 
costumam  ser  muito  mais  estreitos  (Fig.  9).  Os  articulos  säo  transparentes,  mas 
semeados  de  pontos  opacos. 

Telegonus  Mercatus,  Fab.  (Fig.  10,  11).  A  prega  costal  (Fig.  10, p)  e  menor  do 
que  nas  duas  especies  antecedentes,  sendo  o  comprimento  pouco  superior  a  terQa 
parte  do  bordo  anterior  da  aza,  e  a  largura  igualmente  pouco  mais  ou  menos  a 
metade  da  cellula  12  (segundo  a  nomenclatura  de  Herrich  Schseffer,  isto  e,  do 
intersticio  comprehendido  entre  a  nervura  costal  e  o  bordo  anterior  da  aza.  No 
interior  da  prega  encontra-se  uma  serie  de  escamas  mui  curiosas  (Fig.  1 1).  Ha, 
em  primeiro  lugar,  representando  a  forma  primitiva  de  que  as  mais  podem  ser 
derivadas,  escamas  maiores,  robustas  (Fig.  11,  i),  de  cerca  de  o™'",3  de  comprimento, 
de  que  um  sexto,  pouco  mais  ou  menos,  e  occupado  pela  lamina  terminal  triangulär 
ou  oval,  e  o  resto  pela  haste. 

Esta,  estreitando-se  abaixo  da  lamina  terminal,  forma  uma  especie  de  collo. 
Em  outras  escamas  semeUiantes,  porem  menores  (Fig.  1 1  g,  h),  o  collo  costuma  ser 
mais  estreito  e  a  lamina  terminal  menor,  näo  excedendo  e  nem  sequer  alcan^ando 
a  largura  da  parte  inferior  da  haste.  A  metamorphose  das  escamas  continua  no 
mesmo  sentido  (Fig.  11  e,  f)  ate  attingir  aquellas  formas  especiaes  (fig.  1 1  c,  d), 
em  que  o  collo,  que  liga  a  lamina  terminal  ä  haste,  acha-se  reduzido  a  um  fio 
mais  tenue. 

Finalmente,  escamas  ha  semelhantes  a  (^stas  ultimas,  que  terminando  como 
ellas  em  um  fio  delgadissimo,  as  vezes  quasi  imperceptivel,  näo  tem  lamina  ter- 
minal (Fig.   1 1   a,  6). 

Com  certeza,  algumas  destas  escamas  eram  d'antes  providas  de  laminas ;  pois, 
encontrei  varias  laminas  soltas,  semelhantes  as  da  Fig.  11,  c,  d;  parecendo-me, 
porem  provavel  que  algumas  d'entre  ellas  nunca  foram  providas  deste  appendice, 
porque,  o  numero  das  laminas  soltas  näo  e  equivalente  ao  das  escamas. 


A,  ,  A  prega  costal  das  Hesperideas. 

Hesperia  Syrichthus  Fab.  (Fig.  12,  18).  Esta  especie,  que  habita  näo  so  a 
America  do  Sul,  como  tambem  a  America  Central  e  a  parte  meridional  dos 
Estados-Unidos,  e  muito  frequente  na  provincia  de  Santa  Catharina. 

A  prega  costal  dos  machos,  bastante  larga,  occupa  metade  do  bordo  anterior 
das  azas  e  estende-se  ate  a  nervura  costal  (Fig.   12). 

A  nervura  marginal  (Fig.  13  m)  e  guarnecida  de  escamas  mais  ou  menos  cur- 
vas,  de  forma  oval  ou  orbicular  (Fig.  14).  Toda  a  superficie  interna  da  prega  costal, 
desde  a  nervura  costal  ate  a  marginal,  e  revestida  de  escamas  ou  cabellos  bastos 
de  differentes  formas. 

Na  extensäo  do  bordo  curvo  encontram-se  escamas  pallidas  (Fig.  15)  de 
forma  oval  com  a  extremidade  arredondada,  de  o"",©!   ate  o""°,o3  de  largura. 

No  fundo  do  angulo  formado  por  este  bordo  e  o  resto  da  aza,  acham-se 
escamas  menos  pallidas,  opacas,  muito  estreitas,  adelga^ando-se  em  ponta  aguda 
(Fig.  18),  de  o"°',o8  de  comprimento  sobre  cerca  de  o""",oo5  de  largura.  Emfim, 
na  parte  da  aza  coberta  pelo  bordo  recurvado  acham-se  escamas  de  duas  fonnas 
muito  diversas;  as  da  primeira  forma  (Fig.  17)  säo  lanceoladas,  com  o°"°,i4  ate 
o™'",i7  de  comprimento,  e  o'"",03  ate  0,04"""  de  largura;  as  da  segunda  forma 
(Fig.  16)  säo  muito  tenras,  transparentas  capillares,  variando  de  o'°™,2  ate  o"™,2  7 
de  comprimento  e  de  o"",oo2  ate  o"'",oo6  de  largura;  diminuindo  pouco  a  pouco 
a  largura,  ellas  terminam  em  um  fio  subtilissimo,  sendo  munidas,  na  extremidade, 
uma  lamina  extremamente  exigua,  que  tem  a  forma  de  um  triangulo  isoscelos 
obtusangulo.  Os  lados  deste  triangulo  säo  linhas  mui  delgadas  quasi  impercep- 
tiveis,  de  modo  que,  a  primeira  vista,  so  apparece  a  base  como  linha  recta  per- 
pendicular  no  extremo  do  fio  subtilissimo  que  a  sustenta.  Estas  singularissimas 
escamas  (Fig.  16)  da  Hesperia  Syrichtus,  si  bem  que  apparentemente  täo  diversas 
das  do  Telegonus  Mercatus,  podem,  näo  obstante,  ser  muito  facilmente  derivadas 
da  mesma  forma  (Fig.   11,  i). 

Leucochitonea  Arsalte,  Linn.  {Niveus,  Cram.)  (Fig.  ig- — 22).  A  prega  costal 
dos  machos  e  muito  menor  do  que  na  especie  antecedente,  occupando  apenas  um 
tergo  do  bordo  anterior  da  aza  e  menos  de  metade  da  largu  do  raintersticio  entre 
a  dita  prega  e  a  nervura  costal. 

A  pennugem  encerrada  na  prega  nasce  so  da  superficie  do  bordo  recurvado 
da  aza  e  acha-se  protegida  por  duas  fileiras  ou  cercaduras  de  escamas,  das  quaes 
uma  e  inserida  ao  longo  da  nervura  marginal  (Fig.  20,  M),  e  a  outra  ao  longo 
da  linha  recta  que  separa  a  parte  recurvada  do  resto  da  aza ;  o  comprimento  destas 
ultimas  escamas  iguala  a  largura,  sendo  muito  mais  curtas  as  inseridas  na  ner- 
vura marginal.  A  pennugem  compöe-se  de  duas  formas  differentes,  correspon- 
dentes  as  que  se  encontram  na  Hesperia  Syrichthus. 

As  da  primeira  forma  (Fig.  21)  assemelham-se  ao  ferro  de  uma  lan^a;  ellas 
tem  cerca  do  o""",i5  de  comprimento,  variando  a  largura  de  um  nono  ate  um 
quarto  do  comprimento,  e  achando-se  a  maior  largura  immediatamente  acima  do 
ponto  de  insersäo,  ou  a  pequena  distancia  dellc,  correndo  d'ahi  aos  lados  em  linha 
quasi  recta  a  ponta  aguda  da  escama.  Estas  escamas  (que  (nddentemente  corri^- 
spondem  äs  rc^presentadas  na  fig.  17  da  Hesperia  Syrichthus),  säo  pallidas,  tran- 
sparentes, com  a  ponta  mais  ou  menos  opaca,  e  a  base  quasi  sempre  percorrida 
por  uma  cstria  longitudinal  composta  de  granulös  opacos.    As  escamas  da  segunda 


A  prega  costal  das  Hesperideas.  635 

forma  (Fig.  22)  tem  o  mesmo  comprimento  de  o'""\i5,  e  säo  täo  delgadas  quo 
antes  merecem  o  nome  de  cabellos,  pois  que  a  sua  largura  raras  vezes  attinge  a 
o""°,oo2;  sendo  geralmente  muito  menores,  terminam  em  um  fio  subtilissimo,  em 
cujo  extremo  se  ve  um  botäosinho  punctiformc,  muitas  vezes  quasi  imperceptivel, 
e  que  parece  faltar  completamente  em  algumas  destas  escamas  ou  cabellos  (que 
correspondem  as  da  Fig.  16  da  Hesperia  Syrichtus). 

Thymele  Simplicius,  Stoll.  [Eurycles  Latr)  Fig.  23 — 28)  Herrich  Schseffer^) 
distinguiu  tres  variedades  de  Eudamus  (Goniurus)  Eurycles,  como  eile  chamou 
a  especie  designada  pelo  nome  de  Thymele  Simplicius  no  catalogo  de  Kirby.  Na 
primeira  variedadc,  as  azas  seriam  destituidas  de  pontos  c  maculas  transparentes, 
e  so  no  lado  inferior  haveria  tres  pontos  costaes.  Ainda  näo  vi  por  aqui  esta 
primeira  variedade.  Na  segunda  variedade  os  tres  pontos  costaes  seriam  visiveis 
em  ambos  os  lados  da  aza,  e  alem  disso  haveria  alguns  pontos  transparentes  pelo 
meio  do  bordo  anterior;  esta  segunda  variedade,  äs  vezes  tambem  por  aqui  se 
encontra,  sendo  os  machos  sempre  providos  de  prega  costal.  Emfim,  na  terceira 
variedade  os  pontos  e  maculas  transparentes  formariam  uma  fita  estreita,  as  vezes 
interrompida  na  cellula  terceira  (como  na  fig.  25),  outras  vezes  mostrando-se  inter- 
rompida  ate  alem  da  segunda  nervura  ou  primeiro  ramo  da  nervura  media  (como 
na  fig.  23).  Segundo  Herrich  Schaeffer  os  dous  individuos  machos,  cujas  azas 
interiores  acham-se  representadas  nas  figuras  23  e  25,  pertenceriam  a  esta  terceira 
variedade,  e,  näo  obstante,  um  delles  (Fig.  23  e  24)  näo  possue  nenhum  vestigio  de 
prega  costal,  emquanto  o  outro  (Fig.  25  e  26)  e  dotado  de  uma  prega  costal  bem 
desenvolvida. 

Como  esta  terceira  variedade  abunda  no  Rio  Itajahy,  pude  examinar  um 
numero  avultado  de  exemplares,  e  verifiquei  que  a  prega  costal  falta  em  todos 
OS  machos,  em  que  a  fita  transparente  entra  na  primeira  ceUula  (Fig.  23),  e  que 
existe  em  todos  aqueUes  em  que  a  mesma  fita  näo  passa  alem  da  segunda  ner- 
vura (Fig.  25).  Nestes  individuos  providos  de  prega  costal  o  numero  e  a  extensäo 
das  maculas  transparentes  säo  mui  variaveis ;  ha  um  numero  quasi  infinito  de  formas 
intermediarias  entre  a  segunda  variedade  de  Herrich  Schaeffer  e  outras  semelhantes 
aos  machos  destituidos  de  prega  costal,  possuindo,  como  estes,  maculas  transparentes 
nas  cellulas  3^  e  ö^,  e  distinguindo-se  dellas  apenas  pela  falta  da  macula  transparente 
da  primeira  cellula.  Da  mesma  sorte  tambem  se  observa  uma  variabilidade  con- 
sideravel  nas  escamas  de  que  se  compöe  a  pennugem  da  prega  costal. 

As  escamas  representadas  na  figura  27  säo  de  individuos  que  tinham  so 
tres  pontos  costaes  (nas  cellulas  7^  ate  9^),  e  careciam  de  macula  transparente  na 
cellula  3''  (Fig.  25);  as  da  fig.  18  foram  tiradas  da  prega  costal  de  um  macho 
que  tinha  quatro  pontos  costaes  (nas  cellulas  ö""  ate  g^)  e  uma  macula  transparente 
na  cellula  3^.  As  escamas  encerradas  na  prega  costal  mostram  duas  formas  prin- 
cipaes:  na  primeira  forma  (Fig.  27,  a,  b,  c,  d;  Fig.  28,  a,  b)  distingue-se  uma  parte 
inferior  lanceolada,  attenuando-se  em  uma  parte  terminal  mais  ou  menos  filiforme, 
cujo  extremo  se  dilata  de  novo  em  uma  especie  de  lamina  ou  leque  triangulär. 
O  comprimento  destas  escamas  que  em  certos  machos  (Fig.  28)  e  apenas  de  o'""\o8 
ate  o"'",i6,   eleva-se   em    outros   (Fig.  27)  de  o""",2  ate  o""",3.     As  escamas  da  se- 


i)  Prodrom,  systeni.  lepidopt.  fascic.  III — ^1868,  pag.  61. 


5i5  A  prega  costal  das  Hesperideas. 

gunda  forma  (Fig.  26,  e,  Fig.  28.  d)  costumam  ser  mais  delgadas,  sendo  as  vezes 
perfeitamente  capilliformes  (Fig.  28);  ellas  transformam-se  insensivelmento  em  fio 
subtilissimo,  em  cujo  extremo  so  em  poucos  casos  (Fig.  27,  e)  pode  se  distinguir 
um  botäosinho  punctiforme.  O  seu  comprimento  e  o  mesmo  da  primeira  forma. 
Alem  disso  costuma  haver  algumas  escamas  mais  curtas,  espessas  e  opacas  (Fig.  27,^; 
Fig.  28,  c),  semelhantes  as  da  primeira  forma.  —  A  prega  costal  occupa  quasi  a 
metade  do  bordo  anterior  da  aza,  porem,  e  bastante  estreita. 

Si  em  todos  os  districtos  habitados  pela  Thyniele  Simplicius  os  indi\'iduos 
niachos  privados  de  prega  costal  distinguirem  se  dos  mais,  o  que  acontece  aqui, 
pela  fita  transparente  prolongada  alem  da  segunda  nervura,  convira  consideral-os 
constitutuidores  de  uma  especie  distincta  e  näo  como  simples  variedade.  Como 
quer  que  seja,  porem,  e  digno  de  observagäo  que  de  duas  formas  täo  semelhantes, 
incluidas  na  mesma  variedade  por  Herrich  Schaeffer  e  outros,  uma  tenha  a  prega 
costal  bem  desenvolvida,  emquanto  a  outra  acha-se  inteiramente  destituida  da 
mesma  prega. 

Ninguem  ate  agora  parece  ter  reparado  nesta  falta  da  prega  costal  em  certos 
machos  do  Thymele  Sinipliciiis ;  provalvelmente  estes  machos,  por  causa  desta  mesma 
falta,  tem  passado  por  femeas,  erro  bem  perdoavel  quando  näo  se  podem  examinar 
OS  animaes  vivos,  cujo  sexo  facilmente  se  conhece  pelas  partes  genitaes. 

Thymele  ProtiUus  Herr.  Seh.  (Fig.  30).  A  prega  costal  occupa  quasi  a 
metade  do  bordo  anterior  da  aza,  estendendo-se  um  pouco  alem  da  macula  tran- 
sparente da  cellula  12.     Ha  no  interior  da  prega: 

I."  Escamas  de  cerca  de  o""",3  de  comprimento  (Fig.  30,  a)  com  a  base 
lanceolada  e  a  lamina  terminal  arredondada,  oval,  triangulär  ou  cordiforme  de 
largura  variavel. 

2,"  Cabellos  tenuissimos  (Fig.  30  b)  que  tem  o  mesmo  comprimento. 

3.*^  Escamas  estreitas  (Fig.  30,  c)  com  os  lados  quasi  parallelos,  de  cerca  de 
o""",i2  de  comprimento,  sobre  o°"",oo4  de  largura  apenas,  terminando  de  repente 
em  um  fio  subtilissimo,  quasi  imperceptivel. 

4.*'  Fragmentos  de  cabellos  articulados  (Fig.  30,  d)  qvie  em  geral  näo  säo 
muito  abundantes. 

Thymele  Proteus  Linn.  (Fig.  29).  Nesta  especie,  muito  semelhante  a  prece- 
dente,  a  prega  costal  costuma  näo  passar  alem  da  macula  transparente  da  cellula 
12,  sendo  tambem  mais  estreita  do  que  na  Thymele  ProtiUus.  Predominam  no 
interior  da  prega  os  cabellos  articulados  transparentes  (Fig.  29,  c),  cuja  largura 
raras  vezes  se  eleva  a  o"'",oo4 ;  o  comprimento  dos  articulos  e  de  o°"",o  1 6  ate  mais 
de  o'°'°,o3.  Geralmente  acham-se  estes  articulos  reunidos  em  numero  de  7  ate  12. 
Alem  disso  ha  escamas,  cuja  maior  parte  (Fig.  29,  a)  tem  cerca  de  o°"",2  de  com- 
primento sobre  o°"°,02  de  largura ;  säo  pallidas  e  percorridas  por  uma  estria  longi- 
tudinal  de  gräosinhos  opacos;  a  base  attenua-se  insensivelmento,  e  termina  em 
pequena  lamina  elliptica;  sua  largura  näo  excede,  ou  nem  mesmo  attinge  a  maior 
largura  da  base.  Ha  tambem  escamas  menor(\s  da  mesma  forma  (Fig.  29,  b), 
cuja  lamina  terminal  costuma  s(T  mais  estreita  ainda,  e  que  näo  apresentam  a 
estria  longitudinal  opaca  das  maiores. 

Entheus  Vitreus  Cram.  A  prega  costal  d<is  machos  desta  elegante  especie  e 
muito   estreita,   e  encerra  cabellos  articulados  c  transparentes;  os  articulos  ou  säo 


A  prega  costal  das  Hesperideas.  537 

soltos  Oll  reunidos  em  numero  de  lo,  ou  mais,  e  tem  geralmente  o°''°,oi5  de  com- 
primento  sobre  o'"™,oo4  de  largura ;  mas  tanto  o  comprimento  como  a  largura  säo 
miiito  variaveis. 

Afora  estas  especies,  examinei  a  prega  costal  de  varias  outras,  cujos  nomes 
näo  conhego ;  como  porem  observa9öes,  que  näo  podem  ser  verificadas  por  outros 
por  näo  se  conhecerem  as  especies,  em  que  foram  feitos,  säo  em  geral  de 
pouco  valor,  limito-me  a  dizer  algumas  palavras  sobre  algumas  das  formas  mais 
notaveis   de  escamas,   ou  cabellos,   que   encontrei   na  prega  costal  dessas  especies. 

Em  uma  especie  de  Telegonus  (com  as  maculas  transparentes  amarelladas, 
e  uma  grande  macula  prateada  na  superficie  inferior  das  azas  posteriores)  predomi- 
navam,  na  prega  costal,  escamas  capiUiformes  (Fig.  31,«)  transparentes,  muito  com- 
pridas  (tendo  ate  o°"",36),  que  de  repente  attenuam  se  em  fio  subtilissimo ;  eram 
acompanhadas  de  algumas  escamas  (Fig.  31,  b),  semelhantes  as  escamas  menores 
de  Thymele  Proteus  (Fig.  29,  b),   e  de  alguns  fragmentos  de  cabellos  articulados. 

Em  outra  especie  os  articulos  dos  cabellos  (Fig.  32)  que  muito  variavam  em 
comprimento  e  largura,  eram  notaveis  por  serem  ligados  por  fios  assaz  compridos, 
que  tambem  se  conservavam  nos  articulos  soltos. 

Emfim,  em  uma  especie  muito  semelhante  ao  Achlyodes  Thraso,  Hübn.  (i)  a 
prega  costal,  que  era  muito  estreita,  encerrava  escamas  lanceoladas  mais  ou  menos 
opacas  (Fig.  33,  b,  c)  e  cabellos  transparentes  (Fig.  33,  a)  notaveisEpor  serem  provi- 
dos  de  uma  especie  de  raiz  fusiforme  ou  appendice  vesicular,  transparente,  de  cerca 
de  o°"°,o25  de  comprimento,  e  o""°,oo8  de  grossura.  Nas  outras  Hesperideas  que 
examinei  encontrei  so  uma  vez  uma  raiz  semelhante  em  uma  escama  da  prega 
costal  de  Telegonus  Mercatus  (Fig.  ii,a).  Na  sub-familia  das  Pierinas  as  escamas 
odoriferas  espalliadas  na  superficie  das  azas  dos  machos  säo  quasi  sempre  providas 
de  appendices  vesiculares. 

Quanto  a  funcgäo  da  prega  das  Hesperideas,  crelo  que  näo  pode  haver  duvida 
de  que  tambem  pertenga  a  classe  dos  orgäos  odoriferos,  os  quaes  infinitamente 
diversificados,  distinguem  o  sexo  mascuHno  de  tantos  outros  lepidopteros  tendo 
em  certas  especies  do  genero  Papilio  tomado  uma  forma  muito  semelhante;  näo 
e,  porem,  a  margem  anterior  das  azas  anteriores,  e  sim  a  posterior  das  posteriores 
que  se  acha  recurv^ada,  cobrindo,  ora  uma  escova  de  pellos  compridos,  ora  uma 
pennugem  pallida  muito  densa.  No  Papilio  Protesilaus  a  escova  preta  incluida 
n'aqueUa  prega  marginal  exhala  um  cheiro  muito  intenso  e  desagradavcl,  emquanto 
um  aroma  suave  emana  da  pennugem  pallida  do  Papilio  Ncphalion.  Esta  pois 
evidenciada  nestas  especies  de  Papilio  a  funcgäo  odorifera  da  prega  marginal  das 
azas  posteriores,  e  pela  analogia  manifesta  que  com  ella  tem  a  prega  costal  das 
Hesperideas,  parece  muito  provavel  que  a  esta  tambem  se  deve  attribuir  a  mesma 
func(;äo. 


Explica^äo  das  Figuras  da  estampa  L  e  LI. 

Fig.     I,   5. —  Telegonns  Midas,    Cram. 

Fig.    I.  —  Aza  anterior  com  a  prega  costal  {P)  desdobrada,  de  tamanho  natural. 
Fig.    2.  — Prega  costal  desdobrada,  augmentada  3  vezes,  ^1/ nervura  marginal,  c  ner- 
vura  costal. 


^^g  A  prcga  costal  das  Hesperideas. 

Fig.  3.  —  Escamas  inseridas  ao  longo  clo  liniite  entre  a  inargem  recurvada  e  o  resto 
da  aza,  augmentadas  25  vezes. 

Fig.  4.  —  Escamas  inseridas  ao  longo  da  area  coberta  pela  margem  recurvada  augmen- 
tadas 25   vezes. 

Fig.  5.  —  Cabellos  articulados,  formando  um  pö  pardacento  no  interior  da  prega 
costal,  augmentado  1 80  vezes ;  a,  articulos  soltos ;  b,  ditos  unidos ;  cd,  cabellos  imperfeita- 
mente  articulados. 

Fig.    6,  9.  - —  Telegonus,  spec.  (?),  de  S.   Bento. 

Fig.    6.  —  Aza  anterior,  com  a  prega  costal  {P)  fechada,  de  tamanho  natural. 

Fig.  7.  —  Sec^äo  transversal  pelo  meio  da  prega  costal,  augmentada  25  vezes.  M, 
nervura  marginal;  c,  dita  costal;  se,  dita  sub-costal. 

Fig.    8.  —  Articulos  soltos  dos  cabellos  do  interior  da  prega,  augmentados  1 80  vezes. 

Fig.    9.  —  Cabello  articulado  augmentado   1 80  vezes. 

Fig.  10,    II.- —  Telego7ius  Mercahis,  Fab. 

Fig.  10.  —  Aza  anterior  com  a  prega  costal  (/*)  fechada,  augmentada  2  vezes.  /, 
nervura  sub-mediana  ou  interna;  2,  j,  4,  primeiro,  segundo  e  terceiro  ramos  da  nervura 
mediana ;  5,  segundo ;  6,  primeiro  ramo  da  nervura  discoidal ;  7.  quinto ;  8,  quarto ;  9, 
terceiro;  10,  segundo;   //,  primeiro  ramo  da  nervura  sub-costal;  12,  nervura  costal. 

Fig.  II.  —  Escamas  encerradas  na  prega  costal,  augmentadas   180  vezes. 

Fig.  12,    18.  —  Hesperia  Syrichthus,  Fab. 

Fig.  12.  —  Aza  anterior,  augmentada  3  vezes.     P,  prega  costal. 

Fig.  13.  —  Sec^äo  transversal  pela  prega  costal,  augmentada  25  vezes.  M,  s,  sc, 
nervuras  marginal,  costal  e  subcostal. 

Fig.  14.  — Escamas    inseridas    ao  longo  da  nervura  marginal,  augmentadas  30  vezes. 

Fig.  15.  —  Ditas  da  superficie  interna  da  margem  recurvada. 

Fig.  16,   17.  —  Ditas  da  area  coberta  pela  margem  recurvada. 

Fig.  18.  —  Ditas  do  fundo  do  angulo  formado  pela  margem  recurvada  e  o  resto  da 
aza.     As  figuras   15,   18  säo  augmentadas   180  vezes. 

Fig.  19,   22.  —  Leucochitonea  Arsalte,  Linn. 

Fig.  19.  —  Aza  anterior,  augmentada  3  vezes.     /'prega  costal. 

Fig.  20.  —  Sec^äo  transversal  pelo  meio  da  prega,  augmentadas  25  vezes. 

Fig.  21,  22.  —  Escamas  do  interior  da  prega,  augmentadas   180  vezes. 

Fig.  23 — 2'^.Thymele  Simpliciiis,  Stoll  (masc). 

Fig.  23.  —  Aza  anterior  de  um  macho  sem  prega  costal,  augmentada  2  vezes.  As 
cellulas  da  aza  säo  mumeradas  segundo  Herrich  Schseffer. 

Fig.  24.  —  Sec9äo  transversal  pela  mesma  aza  no  lugar  occupado  em  outros  machos 
pela   prega   costal,   augmentada  28  vezes.    M.  c.  es.  nervuras  marginal,  costal  e  subcostal. 

Fig.  25.  —  Aza  anterior  de  um  macho  provido  de  prega  costal  [P),  augmentada 
2   vezes. 

Fig.  26.  —  Sec(;äo  transversal  pelo  meio  da  prega  costal,  augmentada  25  vezes,  w.  c 
nervuras  marginal  e  costal. 

Fig.  27.  —  Escamas  do  interior  da  prega  costal. 

Fig.  28.  —  Ditas  de  outro  individuo. 

Fig.  29. —  Tliyinele  Proteus,  Linn.  (masc).   Escamas  da  prega  costal. 

Fig.  30. —  Thymele  Protilhis,  Herr.  Seh.  (masc).  Escamas  da  prega  costal. 

Fig.  31. —  Telegonus,  especie  indeterminada.     Escamas  da  prega  costal. 

Fig.  32.  —  Articulos   de  cabellos  da  prega  costal  de  uma  Hesperidea  indeterminada. 

F'g-33-  —  Cabellos  e  escamas  da  prega  costal  de  uma  especie  muito  semelhante 
ao  Ach ly ödes  Thraso,  Hübn. 

As  figuras  27 — 33  säo  augmentados,   180  vezes. 


Macrosilia  cluentius^). 

Aus  einem   Briefe  an  H.  Müller. 

In  Nature  (vol.  viii.  p.  223)  I  have  spoken  of  a  Sphinx  which,  with  its  pro- 
boscis  of  0,25  m  length,  would  be  capable  of  obtaining  nearly  all  the  nectar 
of  Angreciim  sesquipedale.  Lately  my  brother,  Fritz  Müller  (Itajahy,  Prov. 
St.  Cathariaa,  Brazil),  sent  me  the  wings  of  another  specimen  of  the  same  species, 
and  Dr.  Staudinger,  of  Dresden,  stated  by  comparison  of  these  wings  with  the 
Sphingidae  of  his  collection  that  the  name  of  the  species  is  Macrosilia  cluentius. 
Gramer. 

Lippstadt,  January  9,  Hermann  Müller. 

I)  Nature  Vol.  XVII.  1878.  p.  221. 


Ueber  die  Naupliusbrut  der  Garneelen'). 

Nach  dem  Erscheinen  des  Aufsatzes  über  die  Verwandhing  der  Garneelen  -) 
sprach  mir  Spence  Bäte  brieflich  sein  Bedenken  aus  über  die  Zusammengehörig- 
keit der  von  mir  beschriebenen  Jugendformen.  Man  solle  eigentlich  niemals 
Larven  auf  bestimmte  erwachsene  Thiere  beziehen,  ohne  sie  unmittelbar  aus  dem 
Ei  und  dieses  von  der  Mutter  erhalten  zu  haben.  Meine  Nauplius  seien  frei- 
schwimmend im  Meere  gefangen  worden  und  möglicherweise  gar  keine  Peneus- 
larven.  Aehnlich  äusserte  sich  später  in  einem  Briefe  Alexander  Agassiz,  und 
so  eben  finde  ich  dieselben  Bedenken  wiederholt  von  Herrn  Dr.  Paul  Mayer  3)  in 
einer  Besprechung  des  neuesten  Werkes  von  Claus:  „Untersuchungen  zur  Er- 
forschung der  genealogischen  Grundlage  des  Crustaceensystems". 

Die  Entwicklung  naupliusähnlicher  Larven  zu  langschwänzigen  Krebsen  ist 
von  solcher  Bedeutung  für  den  Stammbaum  der  Kruster,  dass  es  nicht  überflüssig 
scheint,  solchen  Bedenken  gegenüber  noch  einmal  auf  die  Gründe  hinzuweisen, 
welche  mich  den  von  mir  geschilderten  Entwicklungsgang  schon  jetzt  als  völlig 
gesicherte  Thatsache  betrachten  lassen.  Ich  wiederhole  zu  diesem  Behufe  wört- 
lich, was  ich  (im  October  1864)  als  Entgegnung  auf  Spence  Bate's  Zweifel  nieder- 
schrieb. 

„Die  Forderung,  dass  man  Jugendformen  nur  dann  bestimmten  Eltern  zu- 
schreiben solle,  wenn  man  sie  aus  den  der  Mutter  entnommenen  Eiern  erhalten, 
scheint  mir  unbillig.  WoUte  man  sie  zugestehen,  so  würde  sie  natürlich  nicht  nur 
für  die  jüngsten,  sie  würde  mit  ganz  gleichem  Rechte  für  alle  Jugendformen  zu 
stellen  sein  ;  für  jede  würde  man  verlangen  müssen,  dass  sie  entweder  aus  dem 
Ei  gezogen  oder  bis  zur  Geschlechtsreife  am  Leben  erhalten  worden  sei  und  unter 
dieser  Bedingung  würden  wir  für  immer  auf  die  Entwicklungsgeschichte  der 
meisten  Seethiere  verzichten  müssen.  Ich  meine,  es  sei  vollkommen  genügend, 
dass  man  die  Endglieder  der  Reihe  durch  eine  Kette  von  Zwischenformen  zu 
verbinden  vermöge,  die  so  eng  schliessen,  dass  über  die  Zusammengehörigkcnt 
je  zweier  einander  folgender  Glieder  vernünftigerweise  kein  Zweifel  obwalten 
könne.  Diesen  Beweis  aber  für  die  Zugehörigkeit  meines  Nauplius  zu  Pcneus 
oder  einer  nächstverwandten  Gattung  glaube  ich  in  völlig  ausreichender  Weise 
geliefert  zu  haben.  In  einer  Zeitschrift,  die  für  einen  Jahrgang  die  Zahl  von  12 
Tafeln  bestimmt  hat,  durfte  ich  freilich  nicht,  wie  Spence  Bäte  in  seiner  schönem 
Arbeit  über  die  Entwicklung  des  Carcinus  Maenas,    für  einen  einzigen  Auf- 


i)  Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Zoologie   1878.  Bd.  XXX.  S.   163 — 166. 

2)  Archiv  für  Naturgeschichte.  Bd.  XXIX,   i.   1863.  S.  8.  =  Ges.  Schriften  S.    167. 

3)  Jenaer  Literaturzeitung   1877.  Nr.   16.  S.   247. 


Ueber  die  Naupliushrut  der  Garneelcn.  (5  i  j 

satz  sieben  Tafeln  beanspruchen ;  ich  musstc  mich  darauf  beschränken,  aus  gegen 
50  Blättern  mit  Zeichnungen  über  die  Entwicklung  der  aus  Naupliusbrut  hervor- 
gehenden Garneelen  einige  wenige  der  bezeichnendsten  Formen  herauszuheben. 
Dabei  schien  es  mir,  als  selbstverständlich,  nicht  nöthig,  ausdrücklich  zu  bemerken, 
dass  die  geschilderten  Umwandlungen  der  einen  Form  in  die  andere,  nicht  etwa 
zu  den  wenigen  gegebenen  Zeichnungen  hinzugedichtet,  sondern  dass  sie  nach 
sorgsamer  Untersuchung  zahlreicher  Larven  dargestellt  wurden. 

Nur  an  einer  Stelle  standen  mir  Zwischenformen  nicht  in  reicher  Auswahl 
zu  Gebote;  zwischen  dem  a.  a.  O.  Taf.  II  (=  Ges.  Schriften  Taf.  XXII)  Fig.  2  ab- 
gebildeten Nauplius  und  der  Fig.  4  gezeichneten  Zoea  habe  ich,  wie  ich  auch  an- 
geführt habe,  nur  zwei  Zwischenformen  (wenigstens  von  derselben  Art)  zu  beobachten 
Gelegenheit  gehabt ;  einen  älteren  Nauplius,  dessen  drittes  Fusspaar  ich  in  Fig.  3 
zeichnete,   in  vier  Exemplaren  und  eine  jüngere  Zoea. 

Da  eben  gegen  diesen  Punkt  und  so  viel  ich  weiss,  ausschliesslich  gegen  diesen, 
gegen  die  Zugehörigkeit  der  Nauplius  zu  den  Zoea  sich  die  Bedenken  derer 
richten,  welche  an  die  Umwandlung  eines  Nauplius  in  einen  langschwänzigen  Krebs 
nicht  glauben  mögen,  so  seien  noch  einmal  die  Eigenthümlichkeiten  zusammen- 
gestellt, in  denen  die  ältesten  Nauplius  mit  den  jüngsten  Zoea  übereinkommen. 

Fürs  Erste  haben  sie  dieselbe  höchst  eigenthümliche  Bewegungs weise, 
durch  welche  sie  auf  den  ersten  Blick  von  allen  anderen  Krustern  unseres  Meeres 
sich  unterscheiden. 

Zweitens  haben  sie  dieselbe  Färbung;  namentlich  zeigen  die  beiden  vor- 
deren Gliedmassenpaare  und  das  gabiige  Schwanzende  ein  eigenthümliches  nach 
der  Spitze  zu  dunkleres  Braun,  das  ich  ebenfalls  bei  keinem  anderen  Kruster 
unseres  Meeres  kenne. 

Drittens:  Die  verhältnissmässige  Länge  der  beiden  ersten  Gliedmassenpaare, 
ihr  ganzes  Aussehen  ist  dasselbe;  nur  sind  sie  bei  der  Zoea  deutlicher  gegliedert 
und  das  zweite  ist  etwas  reichlicher  beborstet;  statt  drei  stehen  z.  B.  am  Ende 
des  inneren  Astes  vier  Borsten.  Ebenso  ist  das  Hinterende  der  Zoea  nur  dadurch 
verschieden,  dass  seine  Aeste  weiter  auseinanderstehen  und  dass  jeder  derselben 
statt  sechs,  wie  beim  älteren  Nauplius,  anfangs  sieben,   später  acht  Borsten  trägt. 

Viertens:  Aus  der  (Fig.  3  gezeichneten)  Bildung  des  dritten  Gliedmassen- 
paares des  ältesten  Nauplius  geht  hervor,  dass  er  nach  der  nächsten  Häutung 
Mandibeln  haben  muss  mit  spitzem  vorspringendem  Zahne  und  breiter  quer- 
geriefter Kaufläche,  und  dass  die  Mandibel  einen  borstenlosen  dunkelbraunen 
Anhang  tragen  muss.  Eine  solche  Mandibel  h a t ,  einen  solchen  Anhang  t r ä g t 
die  jüngste  Zoea,  und,  wohlgemerkt,  der  Nauplius  wurde  beobachtet  am  24.  Januar, 
die  Zoea  am  3.  Januar,  wo  ich  gar  nicht  wusste,  was  dieser  Anhang  der  Mandibel 
bedeute.  Ich  kenne  bei  keinem  anderen  jugendlichen  oder  erwachsenen  Krebs 
einen  ähnlichen  Anhang. 

Fünftens :  An  dem  ältesten  Nauplius  sieht  man,  dass  die  nächste  Entwicklungs- 
stufe vier  weitere  Gliedmassenpaare  besitzen  muss;  vier  weitere  Gliedmassen- 
paare, in  ihrer  Gestalt  den  im  Nauplius  vorhandenen  Anlagen  entsprechend,  be- 
sitzt die  jüngste  Zoea. 

Sechstens:  Die  Bildung  des  Herzens,  des  Darmes,  der  Leber  ist  genau 
dieselbe  bei  dem  ältesten  Nauplius  und  der  jüngsten  Zoea. 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  AI 


A  .-  Ueber  die  Naupliusbrut  der  Gameelen. 

Siebentens:  Bei  dem  ältesten  Nauplius  wurde  nahe  dem  Stirnrande  jederseits 
ein  trübes  feinkörniges  Gewebe  und  darüber  vorspringend  ein  rundliches  Knöpf- 
chen gesehen;  ganz  dasselbe  sieht  man  bei  der  jüngsten  Zoea.  Aus  jenem 
Gewebe  entwickeln  sich  später  die  paarigen  Augen  und  an  ihnen  erhält  sich  bis 
zur  Mysisform  das  Knöpfchen  (a.  a.  O.  Fig.  9,  o).  An  den  Augen  keines  ein- 
zigen anderen  Krebses  kenne  ich  ähnliche  Knöpfchen. 

Und  was  sind  nun  neben  all  diesem  Gemeinsamen  die  Unterschiede?  Dass 
die  Zoea  ein  wenig  grösser,  dass  der  beim  Nauplius  bereits  angedeutete  Rücken- 
schild wohl  entwickelt  ist,  dass  die  in  der  Anlage  vorhandenen  Füsse  in  Thätigkeit 
getreten,  dass  einige  neue  Borsten  hinzugekommen  sind,  —  Fortschritte,  die  alle- 
sammt  vorauszusagen  waren. 

Ich  sollte  meinen,  diese  Grlinde  müssten  so  ziemlich  genügen,  auch  den 
ärgsten  Zweifler  zu  überzeugen.  Doch,  wenn  denn  nun  einmal  mein  Nauplius 
nicht  von  einem  Peneus  stammen,  nicht  zu  einem  Peneus  werden  soll,  so  sage 
man  mir,  was  er  denn  möglicherweise  sein  könne.  Einen  Vater  muss  ja  doch  das 
Kind  haben. 

Noch  weniger  als  den  Garneelen  wird  man  ihn  natürlich  einem  anderen  Krebse 
aus  der  Abtheilung  der  Malacostraca,  etwa  einer  Krabbe  oder  Assel  zutheilen 
wollen.  Es  bleiben  also  in  unserem  der  Phyllopoden  entbehrenden  Meere  nur 
die  Copepoden  mit  den  Lernaeen  und  die  Rankenfüsser  mit  den  Wurzelkrebsen 
als  mögliche  Endpuncte  seiner  Entwicklung. 

Nun  zu  einem  Rankenfüsser  oder  Wurzelkrebs  kann  er  unmöglich  werden; 
schon  die  Bildung  des  Herzens,  der  Leber,  der  Mandibeln  beweist  es.  Zudem 
fehlen  ihm  die  „Stirnhörner"  der  Rankenfüsserlarven ;  es  fehlen  die  Zacken  und 
Zähne  mit  denen  beim  Nauplius  der  Rankenfüsser  das  dritte  Gliedmassenpaar  be- 
waffnet ist.  Nahe  dem  Uebergang  in  eine  zweite  Entwicklungsstufe,  wie  der 
(a.  a.  O.  Fig.  2  gezeichnete)  Nauplius  ist,  würde  man  bei  einem  Rankenfüsser  oder 
Wurzelkrebs  sechs  neue  Fusspaare  unter  der  Haut  desselben,  nicht  aber  deren 
vier  frei  am  Bauche  hervorsprossen  sehen,  u.  s.  w.  —  Weit  ähnlicher  als  denen 
der  Rankenfüsser  ist  derselbe  gewissen  Naupliusformen  der  Copepoden.  Auch 
bei  diesen  finden  sich  Entwicklungsstufen,  auf  welchen  ausser  den  drei  ursprüng- 
lichen Gliedmassenpaaren  Anlagen  von  vier  neuen  Paaren  zu  sehen  sind.  Allein 
ich  kenne  weder  aus  eigener  Erfahrung,  noch  finde  ich  unter  den  zahlreichen 
Abbildungen,  die  das  vortreffliche  Copepodenwerk  von  Claus  zieren,  irgend  eine 
Mandibelform,  die  der  unseres  Nauplius  zu  vergleichen  wäre.  Zudem  bleibt  bei 
allen  Copepoden  des  Meeres,  mit  Ausnahme  der  Corycaeiden,  das  dritte  Glied- 
massenpaar wohlbeborstet  als  Mandibularanhang  erhalten ;  die  Corycaeiden  aber, 
von  Anderem  abgesehen,  haben  kein  Herz,  das  unser  Nauplius  besitzt.  Dazu 
kommt,  dass  derselbe  die  Länge  eines  halben  Millimeter  erreicht,  also  danach 
eher  für  einen  geschlechtsreifen  Copepoden,  als  für  die  früheste  Jugendform  eines 
solchen  gelten  könnte.  Einem  Copepoden  zugehörig,  müsste  er  von  einer  un- 
bekannten riesigen  Art  aus  einer  noch  unbekannten  Familie  abstammen  und  es 
wäre  ziemlich  wunderbar,  dass  mir  diese  Riesenart  im  Laufe  langer  Jahre  nicht 
ein  einziges  Mal  ins  Netz  gegangen." 

Itajahy,  St.  Catharina,  Brazil,  Juni   1877. 


Die   Stinkkölbchen    der   weiblichen    Maracujäfalter.  ^). 

Mit  Tafel  LH. 

Die  Weibchen  der  durch  die  engsten  Bande  der  Blutsverwandtschaft  ver- 
bundenen Gattungen  Heliconius,  Eueides,  Colaenis  und  D  i  o  n  e 
(^Agraulis),  die  ich  unter  dem  Namen  der  Maracujaf alter  (nach  der  Futter- 
pflanze ihrer  Raupen)  zusammenfasse,  treiben,  wenn  man  sie  ergreift,  am  Ende 
des  Hinterleibes,  und  zwar  auf  dem  Rücken  zwischen  vorletztem  und  letztem 
Leibesrringe  eine  grosse  gelbliche  widerlich  riechende  Wulst  hervor,  die  durch 
eine  seichte  Längsfurche  in  eine  rechte  und  eine  linke  kuglig  gewölbte  Hälfte 
getheilt  wird  (Fig.  i  W,  Fig.  3  A,  W).  Die  Männchen  dieser  Falter  besitzen  zwei 
kleinere,  denselben  Geruch  verbreitende  Wülste  an  der  Innenseite  der  Afterklappen. 

Nun  hatte  ich  kürzlich  ein  Weibchen  unseres  schönen  grünen  Schmetterlings, 
der  Colaenis  Dido,  gefangen.  Beim  ersten  Ergreifen  wurde,  wie  gewöhnlich, 
die  grosse  Stinkwulst  rasch  vorgestülpt.  Als  sich  aber  das  Thier  beruhigt  hatte 
und  nun  aufs  Neue  gereizt  wurde,  wölbte  sich  diese  Wulst  ziemlich  langsam  hervor, 
und  dabei  fiel  mir  auf,  dass  der  Geruch  nicht  allmälig  zunahm,  sondern  ganz 
plötzlich  eine  sehr  merkliche  Steigerung  erfuhr.  Es  ergab  sich,  dass  diese  Steige- 
rung bedingt  war  durch  das  Hervortreten  zweier  winziger  Gebilde,  die  ich  bis 
dahin  übersehen  hatte,  gestielter  Kölbchen,  Stecknadeln  oder  den  Schwingkölbchen 
der  Fliegen  vergleichbar,  deren  eines  zu  jeder  Seite  unterhalb  der  Stinkwulst  am 
Hinterrande  des  vorletzten  Ringes  sitzt.  Man  braucht  nur  die  Köpfchen  dieser 
Stinkkölbchen  abzuschneiden,  um  sich  zu  überzeugen,  dass  von  ihnen  wirklich 
die  Verstärkung  des  von  der  Stinkwulst  entwickelten  Geruches  ausgeht. 

Bei  der  Uebereinstimmung  aller  Maracujaf  alter  in  Bau  und  Lebensweise  bis 
in  die  kleinlichsten  Einzelheiten  hinein  durfte  ich  erwarten,  dass  auch  die  Stink- 
kölbchen nicht  auf  diese  eine  Art  beschränkt  sein  würden  und  ich  fand  sie  wirklich 
bei  allen  Arten,  die  ich  darauf  untersuchen  konnte,  nämlich  ausser  bei  Colaenis 
Dido,  wo  ich  sie  zuerst  sah,  auch  bei  Colaenis  Julia,  bei  Heliconius  Ap- 
seudes,  Besckei  und  Eucrate,  bei  Eueides  Isabella,  bei  Dione  Juno 
und  Vanillae.  So  liefern  die  Stinkkölbchen  einen  neuen  Beweis  für  die  Zu- 
sammengehörigkeit der  vier  Gattungen,  die  man  bis  jetzt  allgemein  unter  die 
beiden  Familien  der  Hcliconinen  und  der  Nymphalinen  vertheilt,  wobei  Eueides 

i)  Zeitschrift  für  wissensch.  Zoolog.   1878.     Bd.  XXX.  S.   167—170.  Taf.  IX. 

41* 


A  .  ,  Die  Stinkkölbchen  der  weiblichen  Maracujäfaller. 

bald  ersteren  (Herrich-Schaeffer,  Kirby),  bald  letzteren  (Doubleday,  Felder)  zu- 
gezählt wird.  Theils  aus  diesem  Grunde,  theils  um  ihrer  selbst  willen  sind  diese 
eigenthümlichen  Gebüde  wohl  näherer  Betrachtung  werth. 

Wie  erwähnt  sitzen  die  Stinkkölbchen,  eines  auf  jeder  Seite,  am  Hinterrande 
des  vorletzten  Leibesringes  unterhalb  der  Stinkwulst  und  zwar  am  Ende  der  Bauch- 
platte dieses  Ringes.  Von  da  springen  sie,  wenn  die  Stinkwulst  vorgestülpt  wird, 
nach  hinten  und  etwas  nach  aussen  vor.  Sie  bestehen  aus  einem  etwa  ein  Milli- 
meter langen  Chitinstift,  der  am  Ende  keulenförmig  verdickt  ist.  Die  Verdickung 
ist  eine  ganz  allmälige  und  erreicht  kaum  den  doppelten  Durchmesser  des 
Stieles  bei  Heliconius  Apseudes  und  Eucrate  (Fig.  5A,B);  etwas  stärker 
ist  die  birnförmigc  Verdickung  bei  Eueides  Isabella  (Fig.  6  A,  B)  und  mehr 
noch  bei  Dione  Juno  (Fig.  7  B) ;  sie  nähert  sich  der  Kugelform  bei  D i o n e 
Vanillae  (Fig.  8^),  Heliconius  Besckei  (Fig.  ^  A)  und  Colaenis  Dido 
(Fig.  2  B)\  bei  der  letztgenannten  Art  erreicht  der  kuglige  Knopf  am  Ende  des 
Stieles  fast  0,5  mm  Durchmesser. 

Der  Stiel  ist  meist  braun,  bald  heller,  bald  dunkler;  ganz  blass,  fast  farblos 
ist  er  bei  Eueides  Isabella  (von  der  ich  jedoch  nur  ein  eben  ausgeschlüptes 
Weibchen  untersuchte),  dagegen  schwarz  bei  Dione  Juno.  Der  Kopf  ist  meist 
heller  als  der  Stiel,  gelblich  oder  bräunlich;  dunkler  fand  ich  ihn  bei  Dione 
Vanillae. 

Der  Kopf  der  Stinkkölbchen  ist  besetzt  mit  Schuppen,  die  je  nach  den  Arten 
sehr  verschieden  gestaltet  sind.  Der  Form  gewöhnlicher  Schmetterlingsschuppen 
nähern  sie  sich  am  meisten  bei  Heliconius,  besonders  bei  Heliconius  Ap- 
seudes (Fig.  3  B).  Hier  findet  man  einzelne  ganz  regelmässige  Schuppen,  deren 
Seitenränder  vom  Anheftungspuncte  aus  geradlinig  unter  mehr  oder  minder  spitzem 
Winkel  auseinanderlaufen  und  deren  Endrand  in  etwa  fünf  lange  spitze  Zacken 
ausläuft,  Schuppen  also,  wie  sie  nicht  selten  auf  den  Flügeln  vieler  Nachtschmetter- 
linge vorkommen.  Die  bisweilen  fast  dornartigen  Zacken  des  Endrandes  sind 
von  festerem  Gefüge  als  die  Spreite  der  Schuppe,  die  häufig  gefaltet  oder  zer- 
knittert erscheint.  Dazwischen  kommen  zahlreiche  minder  regelmässige,  doch  aus 
derselben  Grundform  ableitbare  Schuppen  vor.  —  Aehnlich,  doch  im  Allgemeinen 
weniger  regelmässig  und  noch  mehr  zusammengefaltet  oder  verbogen  sind  die 
Schuppen  bei  Heliconius  Besckei  (Fig.  4  ß)  und  Eucrate  (Fig.  5  C). 

Bei  Eueides  Isabella  (Fig.  6  C)  sind  die  Schuppen  der  Stinkkölbchen 
von  festerem  Gefüge;  die  Seitenränder  laufen,  ehe  sie  auseinanderweichen,  erst 
eine  Strecke  in  gleicher  Richtung  und  bilden  so  einen  Stiel,  der  etwa  Vs  bis  V2 
der  ganzen  Länge  einnimmt ;  die  Spreite  ist  kleiner  als  bei  Heliconius  und 
spaltet  sich  in  gewöhnlich  drei  lange  spitze  Zipfel. 

Weit  derber  noch  sind  die  Schuppen  der  Stinkkölbchen  bei  Dione  Vanillae 
(Fig.  8  B) ;  die  Spreite  ist  hier  ganz  geschwunden ;  es  bleiben  nur  der  Stiel  und 
die  langen  spitzen  dornartigen  Zacken,  so  dass  die  Schuppen  die  Gestalt  zwei  bis 
vierzinkiger  oft  wunderlich  gebogener  und  verkrümmter  Gabeln  annehmen. 

In  wieder  anderer  Weise,  ebenfalls  kaum  noch  als  solche  erkennbar,  finden 
sich  die  Schuppen  bei  Dione  Juno  (Fig.  7  B)  umgewandelt.  Ein  langer,  selten 
gerader  Stiel  erweitert  sich  am  Ende  in  eine  winzige  Spreite,  die  auch  ganz  fehlen 
kann;   von  der  Spreite   oder   dem  Ende   des  spreitelosen  Stieles  entspringen  ent- 


Die  Stinkkölbchen  der  weiblichen  Maracujäf alter.  g^e 

weder  unmittelbar  ein  oder  zwei  (selten  drei)  Borsten,  oder  es  ist  zwischen  Spreite 
und  Borsten  noch  eine  Art  Stiel  eingeschaltet,  der  meist  gerade  und  dabei  viel 
kürzer  und  dünner  ist  als  der  Stiel  der  Spreite.  Diese  verschiedenen  Theile  bilden 
nun  aUe  möglichen  Winkel  miteinander,  so  dass  eine  unglaubliche  Mannigfaltig- 
keit seltsamer  Formen  entsteht.  Es  kommt  auch  vor,  dass  der  Stiel,  statt  in  eine 
Spreite  sich  zu  erweitern,  sich  gabelt,  und  dass  jeder  Ast  am  Ende  ein  oder  zwei 
Borsten  trägt. 

Im  Gegensatz  zu  den  festen  gabiigen  Dornen  von  Dione  Vanillac  sind 
die  Schuppen  der  Stinkkölbchen  bei  C  o  1  a  e  n  i  s  (Fig.  2  C)  in  schlaffe,  dünnhäutige, 
meist  stark  gefaltete  und  zerknitterte  Lappen  umgewandelt,  mit  aller  Zacken  ent- 
behrenden Rändern.  — 

Welches  nun  auch  die  Form  der  Schuppen  sei,  man  bekommt  von  ihnen 
am  frischen  Stinkkölbchen  meist  so  gut  wie  nichts  zu  sehen,  ausser  etwa  bei 
eben  der  Puppe  entschlüpften  Thieren.  Es  häuft  sich  zwischen  ihnen  eine  meist 
gelbe,  riechende  Masse  an,  die  jedenfalls  an  der  Oberfläche  der  Stinkwulst  aus- 
geschieden wird.  Durch  diese  werden  sie  mit  einander  verklebt  und  oft  voll- 
ständig überdeckt,  so  dass  der  Stiel  nun  am  Ende  eine  fast  glatte  oder  leicht 
höckrige  Kugel  trägt,  deren  Durchmesser  bisweilen  das  doppelte,  ja  dreifache 
von  dem  der  keulenförmigen  Verdickung  am  Ende  des  Stieles  erreicht  (Fig.  2  A, 
^A,  j  A).  Durch  Weingeist,  Aether  oder  Benzin  lässt  sich  die  verklebende  Masse 
erweichen,  theilweise  lösen,  vmd  dann  mehr  oder  weniger  vollständig  entfernen. 
Was  ungelöst  bleibt,  erscheint  bald  in  Form  stark  lichtbrechender  Kügelchen 
(Fig.  5  B),  bald  auch  als  unregelmässige  SchoUen. 

Ausser  bei  den  Weibchen  der  Maracujäf  alter  sind  mir  ähnliche  Stinkkölbchen 
noch  bei  keinem  Schmetterlinge  vorgekommen.  Ueberhaupt  scheinen  die  bei 
beiden  Geschlechtern  auftretenden  Stinkvorrichtungen  unter  den  Schmetterlingen 
weit  weniger  verbreitet  und  weit  woniger  mannigfaltig  zu  sein,  als  die  dem  männ- 
lichen Geschlechte  eigenthümlichen  Duftvorrichtungen,  von  denen  man,  einmal 
darauf  aufmerksam  geworden,  täglich  neue  und  überraschende  Formen  findet. 

Itajahy,  St.  Catharina,  Brazil,  Juni   1877. 

Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  LH. 

Fig.  I.  Colaenis  Julia  $.  Ende  des  Hinterleibes  mit  vorgestülpter  Stinkvor- 
richtung, von  oben,  etwa  5:1.      W,  Stinkwulst,  Ä^,  Stinkkölbchen. 

Fig.  2.  Colaenis  Dido$.  A,  Stinkkölbchen  in  frischem  Zustande,  15:1;  B, 
dasselbe  mit  Weingeist  und  Benzin  gereinigt,   15:1;   C,  Schuppen  desselben,  90:1. 

Fig.  3.  Heliconius  Apseudes  9-  -^>  Ende  des  Hinterleibes,  mit  künstlich  vor- 
gedrückter Stink  Vorrichtung,  von  der  Seite,  15:1;  W,  Stinkwulst,  K,  Stinkkölbchen,  B, 
Schuppen  des  Stinkkölbchens,  90  :  i . 

Fig.  4.  Heliconius  BesckeiJ.  A,  Kopf  des  Stinkkölbchens,  gereinigt,  45  :  i ; 
B,  Schuppen  desselben,  90 :  i . 

Fig.  5.  Heliconius  Eucrate  $.  A,  Stinkkölbchen  in  frischem  Zustande,  15:1; 
B,  Kopf  desselben,  gereinigt,  45 :  i ;   C,  Schuppen  desselben,  90:1. 

Fig,  6.  Eueides  Isabella?.  A,  Stinkkölbchen  eines  eben  ausgeschlüpften  Thieres, 
15:1;  B,  Kopf  desselben,  45  :  i  ;   C,  Schuppen  desselben,  90  :  i. 

Fig.  7.  Dione  Juno$.  A,  Stinkkölbchen  im  frischen  Zustande,  15:  i;  B,  Kopf, 
desselben,  gereinigt,  90  :  i   (nur  ein  kleiner  Theil  der  Anhänge  gezeichnet). 

Fig.  8.  Dione  Vanillae  $.  A,  Stinkkölbchen,  15:  i;  B,  dornartige  Schuppen 
desselben,  90  :  i . 


Ueber  Numenia  Acontius, 

mitgetheilt  von  Herrn.  Müller^). 

Ich  erlaube  mir  Ihnen  von  dem  Inhalte  eines  Aufsatzes  meines  Bruders 
Fritz  Müller  Mittheilung  zu  machen,  den  ich  so  eben  empfing.  Er  bespricht 
Numenia  Acontius,  und  erörtert  die  auffallenden  Verschiedenheiten  der  beiden 
Geschlechter  dieser  brasilianischen  Falterart,  deren  Männchen  als  Papilio  Medea. 
dessen  Weibchen  als  Papilio  Antiochus  von  Fabricius  beschrieben  und  bis  vor 
wenigen  Jahren  allgemein  von  den  Entomologen  benannt  worden  ist.  Als  be- 
dingend für  den  verschiedenen  Schnitt  der  Flügel  beider  Geschlechter  wird  eine 
hochentwickelte  starkriechende  Duftvorrichtung  nachgewiesen,  welche  das  Männchen 
zwischen  beiden  Flügeln  trägt.  In  Bezug  auf  die  verschiedene  Färbung  beider 
Geschlechter  wird  als  wahrscheinlich  zu  erweisen  gesucht,  dass  zuerst  die  Weib- 
chen, unter  den  Männchen  wählend,  die  Medeazeichnung  ausgebildet  haben;  dass 
später  dieselbe  auch  auf  die  Weibchen  übertragen  worden  ist  und  sich  bei  ihnen 
in  mehreren  Arten  bis  zum  heutigen  Tage  erhalten  hat,  dass  aber  der  Geschmack 
der  Weibchen  im  Laufe  der  Zeit  sich  geändert  hat,  wodurch  Zeichnung  und 
schmückende  Farbe  der  Flügel  der  Männchen  vöUig  umgeprägt  worden  sind. 

Lippstadt,  IO./6.  78. 


i)  Zoolog.  Anzeiger  1878.    i.  Jahrg.  S.   13,   14. 


Ueber  Gerüche  von  Schmetterlingen^). 

Aus  einem  Briefe  an  Herrn.  Müller. 

Ich  werde  nächstens  die  Schmetterlingsarten  zusammenstellen,  an  denen  ich 
bis  jetzt  thatsächlich  Gerüche  wahrgenommen  habe.  Es  scheint,  dass  meine  Nase 
durch  fortdauernde  Uebung  immer  schärfer  wird.  Bei  Daptonoura  Lycimnia 
rieche  ich  jetzt  bei  jedem  frisch  gefangenen  Männchen  den  eigentümlichen  Duft ; 
Callidryas  Trite  J  fand  ich  vor  zwei  Jahren  stets  geruchlos;  gestern  fing  ich  ein 
S,  das  deutlich  roch.  Bei  Didonis  Biblis  S  riecht  auch  der  schwarze  Fleck  an 
der  Unterseite  der  Vorderflügel,  und  zwar  schwach  moschusartig,  so  dass  dieses 
Thier  drei  verschiedene  Gerüche  entwickelt.  Bei  Callidryas  haben  auch  die  $  stark 
riechende  Drüsen  an  den  Genitalien,  welche  die  brünstigen  $  vordrängen;  der 
Geruch  ist  säuerlich,  der  der  J  moschusartig. 

Itajahy,  Sa,  Catharina,   i6.  April. 


i)  Zoolog.  Anzeiger  1878.   i.  Jahrg.  S.  32. 


Ueber  die  Vorteile  der  Mimicry  bei  Schmetterlingen^). 

Es  ist  merkwürdig,  wie  man  sich  bisweilen  Jahre  lang  über  Fragen  den 
Kopf  zerbricht,  deren  Lösung  so  einfach  ist,  dass  man  kaum  begreift,  wie  man 
nur  einen  Augenblick  darin  eine  Schwierigkeit  hat  finden  können.  So  ist  es 
mir  mit  der  Mimicry  der  Schmetterlinge  gegangen,  Danainen,  Ithomiinen,  Acrae- 
inen,  Heliconiinen  scheinen  alle  gleich  gut  durch  widrigen  Geruch  und  Geschmack 
geschützt  zu  sein,  und  doch  gibt  es  unter  ihnen  eine  Menge  nachahmender  Arten. 
Besonders  stark  ist  der  Geruch  der  Eueides-Arten,  und  doch  ist  Eueides  pavana  ein 
Nachbild  von  Acraea  Thalia,  E,  Isabella  von  Helic.  Eucrate  oder  Mechanitis 
Lysimnia  und  E.  Aliphera  gleicht  bis  auf  die  Grösse  der  Colaenis  Julia.  —  Welchen 
Vortheil  kann  nun  eine  solche  durch  anwidernden  Geruch  geschützte  Art  davon 
haben,  dass  sie  einer  anderen  ebenfalls  geschützten  gleicht  ?  —  Wenn  ihre  Feinde 
aus  „Instinct"  diese  geschützte  Art  meiden,  keinen;  wenn  dagegen,  und  das  ist 
ja  so  wie  so  das  Wahrscheinlichere,  ihre  Feinde  sie  erst  durch  Erfahrung  als 
ungeniessbar  kennen  lernen  müssen,  einen  um  so  größeren,  je  weniger  zahlreich 
sie  ist.  Der  Nutzen,  den  zwei  ungeniessbare  Arten  von  ihrer  Aehnlichkeit  haben, 
verhält  sich  umgekehrt  wie  das  Quadrat  ihrer  Individuenzahl.  Statt  einer  all- 
gemeinen übrigens  höchst  einfachen  Deduction  ein  Beispiel.  —  Es  mögen  in 
einem  bestimmten  Bezirke  zwei  ungeniessbare  Arten  leben,  von  der  einen  10,000, 
von  der  anderen  2000  Stück.  Die  in  demselben  Bezirke  lebenden  Feinde  mögen 
jährlich  1200  Stück  einer  ungeniessbaren  Art  vertilgen,  bis  sie  sie  als  solche 
meiden.  So  viel  würde  jede  Art  verlieren,  wenn  sie  verschieden  wären;  sind  sie 
so  ähnlich,  dass  die  an  einer  gemachten  Erfahrungen  auch  der  andern  zu  gute 
kommen,  so  wird  die  erste  Art  1000  die  andere  200  Stück  verlieren,  erstere  also 
durch  die  Aehnlichkeit  200  also  2^0  der  Gesammtzahl,  letztere  dagegen  1000  d.  h. 
50^/0  der  Gesammtzahl  gewinnen.  —  Aus  dieser  Betrachtung  ergibt  sich  ferner, 
dass  wahrscheinlich  in  manchen  Fällen  (z.  B.  Thyridia  und  Itunaj  die  Frage, 
welche  von  beiden  Arten  Urbild,  welche  Nachbild  sei,  eine  müssige  ist;  jede  hat 
Vortheil  davon  gehabt,  der  anderen  ähnlich  zu  werden ;  sie  können  einander  ent- 
gegengekommen sein. 


i)  Zoolog.  Anzeiger  1878.   i.  Jahrg.  S.  54,  55. 


Wo  hat  der  Moschusduft  der  Schwärmer 
seinen  Sitz?^) 

I.  Unter  den  Tausenden  europäischer  Schmetterlingsjäger  scheint  sich  noch 
keiner  diese  Frage  vorgelegt  zu  haben.  Mit  der  Frage  wäre  ja  sofort  auch  die 
Antwort  zur  Hand  gewesen,  da  man  eben  einfach  der  Nase  nachzugehen  braucht, 
um  den  Ausgangspunkt  eines  starken  Geruches  zu  finden. 

Während  in  Europa  der  Windenschwärmer  nicht  selten  ist,  von  dessen  Männ- 
chen man  seit  lange  den  Moschusgeruch  kennt,  habe  ich  hier  heute  zum  ersten 
Male  ein  bisamduftendes  Schwärmermännchen  gefangen,  von  einer  kleinen,  nur 
0,04  Meter  langen  Art,  deren  Namen  ich  nicht  weiss.  Es  umflog  gegen  Abend 
die  reichblüthigen   grossen,   blauen  Dolden  eines  Agapanthus    in  meinem  Garten. 

Beim  Beriechen  ergab  sich  sofort,  dass  der  sehr  kräftige  Geruch  von  der 
Bauchseite  des  Hinterleibes  ausging.  Als  ich  nun,  die  Brust  zwischen  Daumen 
und  Zeigefinger  fassend,  den  Schwärmer  mit  aufwärts  gekehrter  Bauchseite  fest- 
hielt, bemerkte  ich,  dass,  so  oft  das  Thier  mit  den  Flügeln  schwirrte,  jederseits 
am  Anfange  des  Hinterleibes  ein  blonder  Haarpinsel  bisamduftend  sich  ausspreizte. 
Beruhigte  sich  das  Thier,  so  legte  sich  der  Pinsel  wieder  in  eine  Längsrinne,  die 
sich  jederseits  über  den  grösseren  Theil  der  beiden  ersten  Hinterleibsringe  er- 
streckte, und  verschwand,  indem  sich  die  die  Rinne  begrenzenden  Schuppen  über 
ihm  zusammenschlössen.  Während  der  Ruhe  war  von  dem  Pinsel  nichts,  von 
der  Rinne  kaum  etwas  zu  sehen.  Letztere  lässt  sich  am  todten  Thiere  sichtbar 
machen  durch  Zusammendrücken  des  Hinterleibes  von  hinten  nach  vorn;  zwischen 
den  auseinander  weichenden  Schuppen  zeigte  sich  dann  der  Boden  der  Rinne  als 
schmaler,  nackter  Längsstreif. 

Also  wieder  —  nur  an  einem  neuen  Orte  —  dieselbe  wirksame  Form  der 
Duftvorrichtungen,  die  als  Träger  deutlich  wahrnehmbarer  Gerüche  auf  den  Flügeln 
und  am  Ende  des  Hinterleibes  bei  verschiedenen  Tagfaltermännchen  gefunden 
wurde.  Ich  bezweifle  kaum,  daß  auch  die  unter  Dickköpfen  und  Nachtschmetter- 
lingen vorkommenden  „Schienenpinsel"  (Herrich-Schäffer),  die  z.  B.  bei  den 
Männchen  von  Pantherodes  pardalaria,  einem  zeitweise  hier  häufigen,  prachtvoll 
pantherartig,  schwarz  auf  gelb  gefleckten  Schmxetterhng,  mächtig  entwickelt  sind. 


I)  Kosmos  1878.  Bd.  III.  S.  84—85. 


^-Q  Wo  hat  der  Moschusduft  der  Schwärmer  seinen  Sitz? 

der  Verbreitung  eines  die  Weibchen  anlockenden  Duftes  dienen,  obwohl  ich  einen 
solchen  noch  nicht  habe  wahrnehmen  können. 

Ob  bei  den  Männchen  des  Winden-  und  des  Ligusterschwärmers  der  Mo- 
schusduft von  der  gleichen  Stelle  ausgeht?  Und  ob  auch  die  für  menschliche 
Nasen  geruchlosen  Schwärmermännchen  ähnliche  Duftpinsel  besitzen?  Beides  ist 
wahrscheinlich.     Möge  es  bald  durch  Beobachtungen  entschieden  werden. 

IL  Obige  Vermuthung  gründete  sich  hauptsächlich  auf  das  Verhalten  des 
Schienenpinsels  bei  Pantherodes  pardalaria  (vergl.  auch  Ges.  Schriften  S.  55g  und 
Taf.  XL VII),  der  am  Anfang  der  Hinterschiene  entspringend,  deren  volle  Länge 
erreicht,  und  sich  für  gewöhnlich  in  einer  tiefen  Längsrinne  birgt,  die  an  der 
Innenseite  der  Schiene  sich  hinzieht  und  überdacht  wird  von  eigenthümlichen, 
sehr  grossen  Schuppen  ihres  Randes.  Die  Entfaltung  des  Pinsels  scheint  durch 
sehr  kräftiges  Strecken  der  Schiene  bewirkt  zu  werden. 

Jene  Annahme  hat  sich  inzwischen  bestätigt.  An  einem  unserer  Schmetter- 
lingsriesen aus  der  Familie  der  Erebiden,  mit  etwa  0,19  Meter  Flügelspannung, 
konnte  ich  einen  wenn  auch  nicht  besonders  starken,  so  doch  ganz  unverkenn- 
baren, eigenthümlichen  Geruch  an  den  Hinterschienen  des  Männchens  wahr- 
nehmen. Schlank  bei  dem  Weibchen,  ist  bei  dem  Männchen  dieser  Art  die 
Hinterschiene  stark  verbreitert  (4  Millimeter  breit  bei  12  Millimeter  Länge),  und 
ihre  ganze  Innenseite  ist  mit  einem  dichten  Walde  von  Haaren  bedeckt,  die  sich 
zu  einer  gewaltigen  Bürste  aufsträuben  können,  während  sie  in  der  Ruhe  der 
Schiene  dicht  anliegen.  Dabei  liegen  zu  unterst,  in  einer  seichten  Längsrinne, 
die  Haare  der  Mittellinie,  überlag^ert  von  einer  dicken  Schicht  der  seitlichen  Haare, 
welche  dabei  schief  nach  der  Mittellinie  und  dem  Ende  der  Schiene  zu  ge- 
richtet sind  ^). 

Wie  wahrscheinlich  aus  über  die  ganze  Fläche  der  Flügel  verstreuten  Duft- 
schuppen die  mannigfachen,  auf  bestimmte  Stellen  beschränkten  Duftwerkzeuge 
der  Flügel  hervorgegangen  sind,  so  lässt  sich  auch  der  Schienenpinsel  von  Pan- 
therodes unschwer  ableiten  aus  einer  die  ganze  Innenseite  der  Schiene  bedeckenden 
Behaarung,  wie  sie  das  eben  erwähnte  Erebidenmännchen  zeigt,  und  zwar  um 
so  unbedenklicher,  als  auch  in  der  Familie  der  Erebiden  lange,  am  Anfange  der 
sonst  unbehaarten  Hinterschienen  sitzende  Haarpinsel  vorkommen. 

Bei  den  mir  bekannten  Dickköpfen  findet  sich  an  den  Hinterschienen  keine 
Vorrichtung  zur  Bergung  des  Pinsels ;  dagegen  sah  ich  bei  einer  der  ansehn- 
licheren Arten  dieser  Familie,  wahrscheinlich  einem  Antigonus,  dass  der  Schienen- 
pinsel in  einer  durch  die  Schuppen  des  Hinterleibes  gebildeten  Furche  versteckt  lag. 

Itajahy,  26.  November  1877. 


i)  Diesem  Erebiden  ähnlich  scheint  sich  ein  javanischer  Dickkopf,  Ismene  Oedipodea,  zu  verhalten, 
bei  dessen  Männchen  die  Hinterschienen  sehr  stark  verdickt  („extremely  thick")  und  dicht  behaart  („very 
densely  hairy")  sind.  (Doubleday,  Westwood,  Hewitson,  Genera  of  diurnal  Lepidoptera,  p.  514.) 
—  Es  darf  bei  dieser  Gelegenheit  daran  erinnert  werden,  dass  schon  L  i  n  n  e  einer  Erebidenart  den  Namen 
„odora"  gab;  Näheres  über  dieselbe  weiss  ich  nicht. 


In  Blumen  gefangene  Schwärmer^). 

Die  Arten  der  im  wärmeren  Asien  heimischen  Gattung  Hedychium  werden 
ausschliessHch  durch  Schmetterlinge  befruchtet,  wie  ihre  lange  enge  Blumenröhre 
beweist. 

Eine  der  hier  eingeführten  Arten,  mit  leuchtend  rothen  geruchlosen  Blumen, 
hat  sich  in  wunderbar  vollkommener  Weise  der  Uebertragung  des  Blüthenstaubes 
durch  die  Flügel  langrüsselicher  Tagfalter  angepasst;  sie  ist  bis  jetzt  die  einzige 
Pflanze,   bei  der  man  diese  eigenthümliche  Art  der  Bestäubung  beobachtet  hat  ^). 

Eine  zweite  Art,  mit  grösseren,  rein  weissen,  besonders  Abends  stark  duf- 
tenden Blumen  und  etwa  o,i  Meter  langer,  also  das  Mass  der  Tagfalterrüssel  weit 
übersteigender  Blumenröhre,  wird  fleissig  besucht  von  Schwärmern  mit  ent- 
sprechend langem  Rüssel.  Doch  wird  diesen  Schwärmern  der  Zugang  zum  Honig 
nicht  selten  versperrt  durch  unberufene  Gäste.  Ein  schmales  kurzflügliges, 
schwarzes  Käferchen,  das  sich  in  Menge  auf  allen  möglichen  Blumen  einzufinden 
pflegt,  dringt  häufig  auch  in  die  Blumenröhre  des  weissen  Hedychium  und  neben 
ihm  bleibt  dann  kein  Raum  für  den  Rüssel  der  Schwärmer. 

Falls  in  der  Heimat  der  Hedychien  ein  ähnlicher  Käfer  gleich  häufig  die 
Arbeit  der  die  Bestäubung  vermittelnden  Schwärmer  stört,  würde  die  natürliche 
Auslese  die  Entstehung  engerer  Blumenröhren  begünstigen,  in  denen  keine  Käfer 
sich  festsetzen  könnten.  In  der  That  giebt  es  ein  solches  engröhriges  Hedychium 
mit  hellgelber,  schwach  duftender  Blume.  Allein  auch  diese  für  Käfer  unzugäng- 
lichen Blumenröhren  haben  ihre  Gefahren,  —  für  die  Schwärmer,  wie  für  die 
Blumen.  Incidit  in  Scyllam,  qui  vult  vitare  Charybdim.  Grössere  Schwärmer 
mit  langem  und  verhältnissmässig  dickem  Rüssel  vermögen  diesen  in  die  enge 
Röhre  wohl  einzuführen,  aber  nicht  —  oder  doch  nicht  immer  —  wieder  heraus- 
zuziehen und  sind  dann  einem  langsamen  Hungertode  preisgegeben.  Macrosilia 
rustica  und  Antaeus  scheinen  nicht  selten  diesem  Schicksale  zu  erliegen;  andere 
Schwärmer  habe  ich  noch  nicht  als  Gefangene  des  Hedychium  getroffen.  Einer 
meiner  Freunde  fand  einmal  in  seinem  Garten  die  eiförmigen  Blütenähren  dieses 
Hedychiums  ringsum  behangen  mit  gefangenen,  zum  Theil  schon  todten  Schwär- 
mern,    Ich  selbst   sah  noch  vor  Kurzem  (am  Morgen  des  30.  Januar)  ein  Männ- 

1)  Kosmos  1878.  Bd.  III,  S.   178—179. 

2)  Vergl.  Hermann  Müller  in:  Nature,  Vol.  XIV,  p.   173.  —   1876. 


^  c  7  In  Blumen  gefangene  Schwärmer. 

chen  von  Macrosilia  Antaeus  zwischen  den  Blumen  des  gelben  Hedychium  hangen ; 
es  schien  todt;  doch  als  ich  die  Blütenähre  abschnitt,  begann  es  wieder  zu  schwirren 
und,  ansehnliche  Duftpinsel  am  Grunde  des  Hinterleibes  entfaltend,  einen  starken 
Geruch  zu  verbreiten,  der  mehr  an  den  der  Beutelratten  als  an  Moschus  erinnerte. 
Welche  vergeblichen  Anstrengungen  das  Thier  schon  gemacht  hatte,  um  sich  zu 
befreien,  dafür  zeugte  der  Zustand  der  Blume,  in  deren  Röhre  sein  Rüssel  fest- 
sass.  Blumenblätter,  Staubbeutel,  Narbe  waren  vollständig  zerstört  und  nichts 
übrig  geblieben,  als  die  dickwandige  und  durch  feste  Deckblätter  geschützte 
Blumenröhre.  Alle  Anstrengungen  aber  schienen  nur  dazu  gedient  zu  haben, 
den  Rüssel  immer  tiefer  in  die  enge  Röhre  hineinzuzwängen;  denn  es  war  der 
90  Milhmeter  lange  Rüssel  nicht  nur  bis  zum  Grunde  der  65  Millimeter  langen 
Blumenröhre  vorgedrungen,  sondern  seine  Spitze  hatte  sich  sogar  von  da  in  einer 
Länge  von  8  bis  10  Millimeter  wieder  aufwärts  gebogen.  — 

Während  sonst  süsser  Nectar  die  Kerfe  lohnt,  die  als  Liebesboten  den  be- 
fruchtenden Staub  von  Blume  zu  Blume  tragen,  führt  hier  die  Begegnung  von 
Schmetterling  und  Blume  zu  gegenseitigem  Verderben.  Wie  mag  es  in  der 
Heimat  des  Hedychium  sein?  Ob  auch  dort  in  gleicher  Weise  gefährdete 
Schwärmer  leben  und  ob  diese  etwa  die  Gefahr  kennen  und  meiden  gelernt  haben  ? 

Ich  empfehle  dieses  Beispiel  der  an  den  Honig  spendenden  Blumenröhren 
zum  Verderben  der  Blume  und  zu  eigenem  langsamen  Hinsterben  aufgehängten 
Schwärmer  zur  Beachtung  erstens  frommen  Gemüthern,  die  auch  in  den  Wechsel- 
beziehungen zwischen  Blumen  und  Kerfen  das  Walten  einer  allweisen,  allgütigen 
Vorsehung  zu  bewundern  lieben,  und  zweitens  Freunden  des  nie  irrenden  Un- 
bewussten,  denen  zufolge  „das  Hellsehen  des  Instinktes  ja  gerade  immer  solche 
Punkte  betrifft,  welche  die  bewusste  Wahrnehmung  überhaupt  nicht  zu  erreichen 
vermag"  ^).  Hier  wäre  ein  solcher  Punkt,  „für  welchen  der  Mechanismus  der 
sinnlichen  Erkenntniss  nicht  ausreicht";  die  todtbringende  Enge  der  Blumenröhre, 
zu  der  ein  einladend  weiter  Eingang  führt,  ist  von  aussen  nicht  zu  erkennen; 
aber  kein  unbewusstes  Hellsehen  warnt  den  Schwärmer  und  kein  Gott  erlöst 
mitleidig  die  nutzlos  verschmachtenden  Opfer. 

Itajahy,  28.  Februar  1877. 

i)  Hartmann,  Philos.  des  Unbewussten.  VI.  Aufl.  S.  368. 


Blumen  der  Luft^). 

(Ein  Falter  mit  Blumenduft). 

Mit  Bezug  auf  diesen  von  Jean  Paul  ihrer  glänzenden  Farben  wegen  den 
Tag-Schmetterlingen  beigelegten  Namen  (Vergl.  Kosmos  I.  S.  260)  schreibt  Herr 
Dr.  Fritz  Müller  aus  Itajahy  in  einem  Privatbriefe  vom   i.  März  c. : 

„Im  vergangenen  Monat  machte  ich  einen  mehrwöchentlichen  Ausflug  nach 
dem  Hochlande  im  Norden  unserer  Provinz,  Säo  Bento  im  Quellgebiete  des  Rio 
negro,  der  mir  recht  hübsche  Ausbeute,  aber  fast  nur  von  speciell  lepidoptero- 
logischem  Interesse  lieferte.  Häufig  war  dort  der  von  Boisduval  als  tres  rare 
bezeichnete  Papilio  Grayi,  dessen  Männchen  wirklich  auch  in  Betreff  des  Geruches 
als  „Blume  der  Luft"  bezeichnet  werden  kann.  Der  von  den  Hinterflügeln  aus- 
gehende Duft  ist  so  stark  und  so  würzig,  dass  ich  den  Schmetterling  wie  eine 
Blume,  zum  gelegentlichen  Daranriechen  in  der  Hand  getragen  habe." 


I)  Kosmos   1878.  Bd.  III.  S.   187. 


Die  Königinnen  der  Meliponen^). 

Die  schönste  unter  den  stachellosen  Honigbienen  des  südlichen  Brasiliens 
ist  die  Co3Tepü  oder  grosse  Mandagaia.  Sie  hat  etwa  die  Grösse  einer  euro- 
päischen Honigbiene;  ihre  etwas  geringere  Länge  wird  durch  grössere  Breite 
aufgewogen.  Kopf  und  Brust  sind  glänzend  schwarz,  der  oben  unbehaarte  Hinter- 
leib rothbraun,  mit  vier  dottergelben  Querbinden  geziert.  Im  April  1873  ent- 
nahm ich  einem  hohlen  Baumstamme  ein  Volk  dieser  schönen  Biene,  um 
es  in  meinem  Garten  lebend  zu  beobachten.  Nachdem  ich  Brutwaben  und 
Honigtöpfe  und  mit  ihnen  die  grösste  Zahl  der  Bewohner  herausgenommen 
hatte,  bemerkte  ich  zwischen  den  in  der  Höhle  des  Baumes  zurückgebliebenen 
bunten  Erbauern  des  Nestes  etwas  kleinere  Bienen,  deren  einfarbiger,  glän- 
zend brauner  Hinterleib  mit  eigenthümlich  seidenartig  glänzenden,  bräun- 
lichen, hinterwärts  gerichteten  Haaren  bekleidet  war.  Sie  waren  im  ganzen  Aus- 
sehen so  verschieden,  dass  ich  gar  nicht  an  die  Möglichkeit  dachte,  sie  könnten 
derselben  Art  angehören.  Ich  fing  neun  dieser  Bienen ;  alle  waren  Weibchen, 
wie  die  zwölfgliedrigen  Fühler  und  die  einfachen  Fussklauen  bewiesen  (bei  den 
Männchen  der  Meliponiden  sind  die  Fussklauen  gespalten);  allein  ihre  Hinter- 
schienen besassen  nicht  die  nackte,  glänzende,  vertiefte  Aussenfläche,  das  „Sammel- 
körbchen", in  welchem  die  Arbeiter  der  Meliponen  den  Blüthenstaub  heimtragen. 
Die  Aussenfläche  der  Hinterschienen  war  gewölbt  und  behaart,  zum  Blüthen- 
staubsammeln  kaum  tauglich.  Dies  legte  den  Gedanken  nahe,  es  seien  „Kukuks- 
bienen",  die  ihre  Eier  in  die  mit  Futterbrei  gefüllten  Brutzellen  ihrer  Verwandten 
einschmuggeln.  Unter  den  Hummeln  kennt  man  ja  eine  ganze  Anzahl  solcher 
schmarotzenden  Arten. 

Bald  darauf  erhielt  ich  ein  Volk  einer  zweiten  Melipona-Art,  der  Gurupü. 
Sie  ist  so  gross  wie  die  vorige  Art,  matt  schwarz  und  auf  der  ganzen  Oberseite, 
auch  des  Hinterleibes,  mit  dichter,  senkrecht  abstehender,  bräunlicher  oder  schwärz- 
licher Behaarung  bekleidet.  Nach  wenigen  Wochen  ging  dieses  Volk  zu  Grunde, 
wahrscheinlich  weil  wegen  Weisellosigkeit  die  älteren  Arbeiter  sich  zerstreut 
hatten;  die  zurückgebliebenen  Drohnen  und  jüngeren  Arbeiter  mussten  dann 
Hungers  sterben,  nachdem  sie  die  vorhandenen  Vorräthe  aufgezehrt  hatten.  Eines 
Tages  vermisste  ich  die  Wache  am  Flugloche,  es  flogen  keine  Bienen  mehr,  da- 

I)  Kosmos  1878.  Bd.  III.  S.  228—231. 


Die  Königinnen  der  Meliponen.  gec 

gegen  liefen  zahlreiche  Ameisen  aus  und  ein.  Ich  fand  bei  Untersuchung  des 
Stockes  todt  oder  sterbend  294  meist  noch  nicht  ausgefärbte  Arbeiter,  5g  Drohnen, 
die  dagegen  fast  alle  schon  ausgefärbt  waren,  und  21  zum  Theil  noch  in  den 
Brutzellen  eingeschlossene  Weibchen,  täuschend  ähnlich  den  bei  den  Coyrepü  ge- 
fundenen, wie  sie  durch  die  aussen  gewölbten  und  behaarten  Hinterschienen  von 
den  Arbeitern,  und  höchst  augenfällig  durch  die  braungelbe,  seidenglänzende, 
hinterwärts  gerichtete  Behaarung  des  Hinterleibes  von  allen  übrigen  Bewohnern 
des  Stockes  sich  unterscheiden. 

Eine  eingehendere  Untersuchung,  die  mein  Bruder  Hermann  Müller 
vornahm,  ergab,  dass  diese  abweichenden  Weibchen  der  beiden  Stöcke  ver- 
schiedenen Arten  angehörten,  von  denen  jede  trotz  des  ganz  verschiedenen  Aus- 
sehens in  vielen  Punkten  sich  eng  anschloss  an  die  Arbeiter,  in  deren  Gesell- 
schaft sie  gefunden  worden  war. 

Im  Freien  habe  ich  nur  einmal  ein  solches  Weibchen  gefangen,  so  ähnlich 
den  früher  gesehenen,  dass  mir  bei  oberflächlicher  Betrachtung  kein  Unterschied 
auffiel ;  indess  wollte  ein  glücklicher  Zufall,  dass  dasselbe,  wie  mein  Bruder  fest- 
stellte, einer  dritten  Art  angehörte,  und  sich  ebenso  an  unsere  dritte  grössere 
Melipona-Art,  die  Mondury  (Melipona  Mondury  Smith  =  Fulva  Lep.)  anschloss, 
wie  die  beiden  ersteren  an  die  grosse  Mandagaia  und  die  Gurupü. 

Häufiger  als  die  genannten  drei  grösseren  ist  hier  eine  vierte,  kleinere 
(6  bis  7,5  Millimeter  lange)  Melipona-Art,  die  ebenfalls  den  Namen  Manda^aia 
führt  und  besonders  durch  ihre  aussergewöhnliche  Veränderlichkeit  merkwürdig 
ist.  Kopf  und  Brust  sind  matt  schwarz,  der  oberseits  unbehaarte,  glänzende 
Hinterleib  ist  bald  ganz  schwarz,  bald  schwarz  mit  röthlichem  Grunde,  bald 
braunroth,  bald  röthlich,  und  auf  dem  Rücken  mit  vier,  seltener  fünf,  gelben  oder 
auch  weisslichen,  ununterbrochenen  oder  mehr  oder  weniger  breit  unterbrochenen 
QuerUnien  gezeichnet.  Das  Schildchen  ist  bald  glänzend  schwarz,  bald  gelb. 
Die  Kinnbacken  (Mandibeln)  sind  bald  ganzrandig,  bald  mehr  oder  minder  deut- 
lich gezähnt,  so  dass  nach  diesem  Merkmal,  durch  welches  Latreille  die  Gat- 
tung Melipona  und  Trigona  unterschied,  von  den  Arbeitern  dieser  Art  einige  zu 
Melipona,  andere  zu  Trigona  gehören  würden.  Von  dieser  Art  besass  ich  gegen 
Ende  des  Jahres  1874  drei  Völker,  alle  mit  schwarzem,  quergestreiftem  Hinter- 
leib, zwei  auch  mit  schwarzem  Schildchen,  während  bei  dem  dritten  gelbe  und 
schwarze  Schildchen  in  ungefähr  gleicher  Häufigkeit  vorkamen. 

Am  31.  Oktober  1874  sah  ich  zum  ersten  Male  auch  bei  dieser  Art  ein 
Weibchen,  welches  durch  einfarbig  braunen  Hinterleib  mit  hinterwärts  gerichteter, 
seidenglänzender,  gelbbrauner  Behaarung  in  dem  Gewimmel  der  Arbeiter  sich 
bemerklich  machte;  es  war  etwas  kleiner  als  diese.  Bald  fand  ich  diese  Weib- 
chen auch  in  den  beiden  anderen  Stöcken,  und  zwar  in  der  Farbe  des  Schild- 
chens übereinstimmend  mit  den  Arbeitern  des  betreffenden  Volkes.  Unter  dem 
Volke,  dessen  Arbeiter  bald  schwarze,  bald  gelbe  Schildchen  trugen,  fing  ich  fünf 
solcher  Weibchen  mit  schwarzem  und  ebenfalls  fünf  mit  gelbem  Schildchen. 

Nach  diesem  Funde  war  natürlich  nicht  mehr  daran  zu  denken,  dass  diese 
Weibchen  fremde  Eindringlinge,  dass  sie  Kukuksbienen  sein  könnten;  es  waren 
ohne  Frage  Weibchen    der  Art,   bei    welcher  sie  lebten.     Ob  jungfräuliche  Koni- 


5c5  I^'C  Königinnen  der  Meliponcn. 

ginnen  oder  ob  etwa  ein  besonderer  Stand  heiliger  Jungfrauen  -),  die,  ohne  von 
einem  Manne  zu  wissen,  Drohneneier  legen,  wie  die  von  Vogel  beobachteten 
„Drohnenmütterchen"  der  ägyptischen  Bienen,  kann  ich  noch  nicht  endgültig  ent- 
scheiden ;  da  jedoch  bis  auf  den  riesig  angeschwollenen  Hinterleib  mein  Bruder 
die  Königin  der  Coyrepü  völlig  übereinstimmend  fand  mit  den  kleinen  Weibchen 
desselben  Volkes,  so  ist  das  Erstere  mir  wahrscheinlicher.     ' 

So  haben  wir  denn  hier  vier  Melipona- Arten,  deren  fruchtbare  Weibchen, 
seien  es  Königinnen  oder  heilige  Jungfrauen,  überraschend  ähnlich  sind,  während 
die  unfruchtbaren  Weibchen  (Arbeiter)  und  die  Männchen  (Drohnen)  jeder  Art 
sich  weit  von  denen  der  übrigen  Arten  und  von  den  fruchtbaren  Weibchen 
der  eigenen  Art  entfernen. 

Wie  mag  dieses  Verhalten  zu  erklären  sein? 

Dass  die  Weibchen  mehrerer  verwandten  Arten  einander  sehr  ähnlich,  die 
Männchen  dagegen  von  einander  und  von  den  eigenen  Weibchen  sehr  verschieden 
sind,  kommt  auch  bei  den  Schmetterlingen  vor,  und  man  darf  in  diesem  Falle 
annehmen,  wie  Darwin  überzeugend  nachgewiesen  hat,  dass  die  unansehnlicheren 
Weibchen  die  ursprüngliche  Zeichnung  und  Färbung  bewahrten,  während  die 
Männchen  ihr  glänzendes  Kleid  der  von  den  Weibchen  geübten  geschlechtlichen 
Auslese  verdanken.  Auch  bei  unseren  Meliponen  wird  man  die  übereinstimmende 
Tracht  der  fruchtbaren  Weibchen  als  Erbtheil  einer  gemeinsamen  Stammform 
ansprechen  dürfen,  und  man  würde  ebenso  die  Verschiedenheit  der  Männchen  ohne 
grosse  Bedenken  der  geschlechtlichen  Auslese  zuschreiben,  wenn  es  sich  eben 
nur  um  die  Männchen  handelte.  Das  Auffallendste  aber  in  diesem  Falle  ist  nicht 
die  Verschiedenheit  der  Männchen,  sondern  dass  die  unfruchtbaren  Weibchen  das 
Gewand  der  Männchen  und  nicht  das  der  fruchtbaren  Weibchen  tragen.  Drohnen 
und  Arbeiter  stimmen  in  Grösse,  Gestalt  und  Färbung  fast  vollständig  überein; 
nur  die  Farbe  des  Gesichtes  ist  bisweilen  abweichend;  ausserdem  fehlen  den 
Drohnen  die  Sammelkörbchen  der  Hinterschienen,  ihre  Fussklauen  sind  gespalten, 
ihre  Fühler  dreizehngliedrig. 

Leider  ist  —  und  damit  fehlt  jedem  Erklärungsversuche  der  sichere  Boden 
—  bei  stachellosen  Honigbienen  noch  nicht  festgestellt,  wodurch  die  Entstehung 
der  drei  verschiedenen  Stände  bedingt  ist,  und  sie  stehen  in  ihrem  Bau  und 
namentlich  auch  in  ihrer  Brutpflege  den  stachelbewehrten  Honigbienen  der  alten 
Welt  nicht  nahe  genug,  um  ohne  Weiteres  das  bei  letzteren  Erforschte  auf  sie 
übertragen  zu  dürfen.  Die  in  einschichtigen  wagerechten  Waben  angeordneten 
Brutzellen  sind  bei  den  Meliponen  sämmtlich  von  gleicher  Grösse,  mögen  sie  für 
Männchen,  fruchtbare  oder  unfruchtbare  Weibchen  dienen  (bei  den  nahe  ver- 
wandten Trigonen  kommen  besondere,  sehr  grosse  „Wciselwiegen"  vor).  Die 
Brutzellen  werden  mit  Futterbrei  gefüllt,  bevor  das  Ei  gelegt  wird,  und  sobald 
dies  geschehen,  sofort  geschlossen.  Wenn  also  aus  den  Eiern  Weibchen  oder 
Männchen  hervorgehen,  je  nachdem  sie  befruchtet  werden  oder  nicht,  so  kann 
wenigstens  die  Königin  nicht  durch  verschiedene  Grösse  der  Zellen  veranlasst 
werden,   die  Befruchtung  zu   vollziehen   oder   zu  unterlassen,   und  wenn  die  Ent- 


i)  Ich   schl^e    diese    in    der    christlichen  Mythologie  seit  lange  in  gleichem  Sinne  übliche  deutsche 
Bezeichnung  vor  an  Stelle  des  langathmigen  P'remdwortes  :  ,,parthenogenetische  Weibchen". 


Die  Königinnen  der  Meliponen.  gcy 

Wickelung  der  Weibchen  zu  Königinnen  (ider  Arbeitern  bedingt  ist  durch  ver- 
schiedene Ernährung  der  Larve,  so  könnte  dabei  nur  die  Beschaffenheit,  nicht 
aber  die  Menge  des  Larvenfutters  in  Betracht  kommen.  In  einem  wichtigen 
Punkte  stimmen  übrigens  die  Meliponen  mit  den  europäischen  Bienen  überein : 
Die  fruchtbaren  Weibchen  entwickeln  sich  rascher,  die  Drohnen  langsamer  als 
die  Arbeiter,  und  diese  Uebereinstimmung  spricht  allerdings  zu  Gunsten  der 
Annahme,  dass  auch  die  Ursachen,  welche  die  Entstehung  des  einen  oder  des 
anderen  der  drei  Stände  bedingen,  dieselben  sein  mögen,  Ist  dies  aber  der  Fall, 
so  muss  es  um  so  befremdender  erscheinen,  dass  die  von  den  Drohnen  gezeugten 
fruchtbaren  Töchter  das  Gewand  des  Vaters  nicht  erben,  während  die  von  der 
Königin  vaterlos  erzeugten  Söhne  es  erhalten. 

Es  ist  kaum  denkbar,  dass  Arbeiter  und  Drohnen  unabhängig  von  einander 
dasselbe  von  dem  der  Königin  so  weit  verschiedene  Aussehen  erlangt  haben; 
vielmehr  wird  dasselbe  von  einem  der  beiden  Stände  erworben  und  dann  auf  den 
andern  übertragen  worden  sein. 

Die  Annahme,  dass  die  Arbeiter  zuerst  die  alterthümliche,  von  der  Königin 
ziemlich  treu  bewahrte  Tracht  ablegten,  und  dass  von  ihnen  aus  die  neue  Tracht 
auf  die  Drohnen  überging,  würde  die  weitere,  durch  nichts  zu  stützende  An- 
nahme fordern,  dass  nicht  nur  in  seltenen  Ausnahmefällen,  wie  bei  der  euro- 
päischen Biene,  sondern  regelmässig  die  Arbeiter  der  Meliponen  Drohneneier 
legen. 

Bei  weitem  wahrscheinlicher  scheint  es,  dass,  wie  bei  vielen  Schmetterlingen, 
zunächst  die  Männchen  der  verschiedenen  Arten  durch  geschlechtliche  Auslese 
sich  immer  weiter  von  einander  und  von  ihren  Müttern  entfernten.  Die  ganz 
eigenthümliche  und  bis  jetzt  wohl  beispiellose  Weise  der  Vererbung,  durch  welche 
diese  allmälig  anwachsende  Verschiedenheit  der  Männchen  in  gleichem  Grade 
auch  auf  die  unfruchtbaren,  aber  gar  nicht  auf  die  fruchtbaren  Weibchen  über- 
tragen wurde,  dürfte  vielleicht  damit  in  Zusammenhang  stehen,  dass  Drohnen 
und  Arbeiter  dasselbe,  die  Königinnen  aber  ein  anderes  Larvenfutter  erhalten. 

Doch  statt  weitere  unbeweisbare  Möglichkeiten  aufzusuchen,  will  ich  lieber 
einfach  gestehen,  dass  ich  eine  befriedigende  Erklärung  bis  jetzt  nicht  zu  geben  weiss. 


Fritz  Müllers  «resaramelte  Schriften.  4^ 


Hesperiden-Blumen  Brasiliens  ^). 

(Aus  einem  Briefe  an  Herrn.  Müller.) 

Eine  werthvolle  Vervollständigung  erfährt  der  zweite  Theil  meines  Aufsatzes 
über  die  Insekten  als  unbewusste  Blumenzüchter  (Kosmos,  Bd.  III.  S.  403  fgde.) 
durch  folgende  briefliche  Mittheilung  meines  Bruders  Fritz  Müller  aus  Blumenau, 
Südbrasilien  vom   18.  Sept.   1878: 

„Hier  wird  sich  vielleicht  eine  besondere  kleine  Gruppe  von  Blumen  unter- 
scheiden lassen ,  die  von  langrüsseligen ,  gegen  Abend  fliegenden  Dickköpfen 
(Hesperidea)  gezüchtet  sind.  Lange  Blumenröhren,  sehr  eng,  oder  doch  mit 
sehr  engem  Eingang,  geruchlos,  violett.  Dahin  namentlich  Franciscea  und  Bou- 
chea  (Verbena)  laetevirens,  vielleicht  auch  andere  Verbenen.  Von  Tagfaltern 
habe  ich  Franciscea  in  meinem  Garten  niemals  besucht  gesehen;  dass  sie  keine 
Schwärmerblume  sei,  zeigen  die  Farbe  und  Geruchlosigkeit.  Dickköpfe,  und 
zwar  nur  einige  wenige,  gegen  Abend  fliegende  Arten  „habe  ich  öfter  daran 
gefangen.  —  (Uebrigens  giebt  es  auch,  jedoch  bei  uns  nicht  wild,  eine  Franciscea 
mit  kleineren,  wohlriechenden  Blumen,  —  vielleicht  eine  Anpassung  an  Schwärmer.)" 
—  E.  Krause  hat  einmal  im  Kosmos  (Band  III.  S.  48)  behauptet,  dass  blaue 
und  violette  Blumen  bei  Dämmerungs-Beleuchtung  besonders  augenfällig  seien 
und  dass  man  daher  vermuthen  könne,  dass  sie  vorzugsweise  von  Dämmerungs- 
Insekten  befruchtet  werden  möchten.  Mit  dieser  Behauptung  stimmt  es  sehr  gut 
überein,  dass  die  gegen  Abend  fliegenden  Hesperiden,  vorstehender  Mittheilung 
zufolge,  sich  violettfarbige  Blumen  gezüchtet  haben. 


I)  Kosmos  1878/79.  Bd.  IV.  S.  481,  482. 


Oll  a  remarkable  case  of  mimicry  of  Eueides  pavana 

with  Acraea  Thalia^). 

(Letter  to  Mr.  Meldola.) 

Mr.  Meldola  communicated  the  following  note  on  a  remarkable  case  of 
mimicry  observed  by  Dr.  Fritz  Müller :  —  "I  have  just  reared  from  the  Caterpillar 
State  ten  specimens  (being  five  males  and  five  females)  of  Eueides  pavana.  This  is  one 
of  our  rarest  butterflies,  and  I  think  I  have  not  yet  caught  more  than  half-a-dozen, 
all  of  which  were  females.  These  resemble  Acrcea  Thalia  so  closely  that  before  they 
are  caught  they  can  be  distinguished  only  by  the  club  of  the  antennse  being 
yellow,  while  it  is  black  in  Acrcea.  Now  in  the  male  of  Eueides  pavana  the  club 
of  the  antennse  is  black  also,  and  this  has  no  doubt  been  the  cause  of  my  never 
catching  any  male.  I  know  of  no  other  case  in  which  the  males  of  a  mimicking 
butterfly  resemble  more  closely  the  mimicked  one  than  the  females  do,  while  the 
inverse  is  well  known  to  be  of  rather  frequent  occurrence." 


r)  Trans.  Ent.  Soc.  London   187g.  Proc.  p.  II. 


42' 


Epicalia  Acontius^). 

Ein  ungleiches  Ehepaar. 
Mit  6  Textfiguren. 

Ich  lege  dem  Leser  hier  die  Flügel  zweier  Schmetterlinge  vor,  in  welchen 
derselbe  wohl  kaum  Mann  und  Weib  einer  Art  vermuthen  dürfte.  Wenigstens 
hat  nicht  nur  Fabricius  dieselben  als  zwei  verschiedene  Arten  beschrieben,  den 


Fig.   I.  Fig.  2 

Oberseite  der  Flügel  von  Epicalia  Acontius  Linn. 

Fig  I.  Flügel  des  Weibchens  (Papilio  Medea  Fabr.).  Fig.  2.  Flügel  des  Männchens  (Papilio 
Antiochus  Fabr.) 

Die  Adening  ist  stärker  ausgedrückt,  als  sie  in  Wirklichkeit  erscheint.  Auf  den  sammetschwarzen 
Grunde,  der  an  denjenigen  Theilen  der  Unterflügel,  die  von  den  Oberflügeln  oder  dem  Hinterleibe  bedeckt 
werden,  einem  stumpfen  Schwarzgrau  Platz  macht,  treten  die  Adern  nur  als  schwarze  Rippen  hervor. 

Mann  als  Papilio  Antiochus,  das  Weib  als  Papilio  Medea,  und  als  solche  erscheinen 
sie  noch  1869  in  Butlers  Verzeichniss  der  Fabrici  us'schen  Schmetterlinge, 
sondern  West  w 00 d  hat  dieselben  in  dem  Prachtwerke  über  die  Tagfaltergattungen 
sogar  zu  zwei  verschiedenen  Gattungen  gestellt,  zwischen  die  er  nicht  weniger 
als  fünfzehn  andere  einschob,  den  Mann  zu  Epicalia,  das  Weib  zu  Myscelia.  Die 
Leser  von  Darwin's  „Descent  of  Man"  werden  sich  vielleicht  erinnern,  dass  er 
bei  Erörterung  der  geschlechtlichen  Auslese  dieses  durch  die  ungewöhnliche  Ver- 
schiedenheit der  Geschlechter  veranlassten  Missgriffs  gedenkt,  und  es  mag  Manchem, 


I)  Kosmos  1878/79.  Bd.  IV.  S.  285—292. 


Epicalia  Acontius. 


66 1 


der  mit  ausländischen  Faltern  wenig  vertraut  ist,  erwünscht  sein,  ein  Beispiel  dieser 
Verschiedenheit  näher  kennen  zu  lernen. 

Von  wem  und  auf  Grund  welcher  Thatsachen  die  Zusammengehörigkeit  der 
beiden  angeblichen  Arten  zuerst  ausgesprochen  worden  ist,  weiss  ich  nicht;  doch 
will  ich  zur  Beruhigung  etwaiger  Zweifler  bemerken,  dass  dieselbe  auch  nach 
meinen  Erfahrungen  kaum  einem  Bedenken  unterliegen  kann.  Von  einer  ähn- 
lichen Art  (Epicalia  Numilia,  —  das  Weibchen  hiess  früher  Myscelia  Micalia) 
habe  ich  die  beiden  nicht  minder  verschiedenen  Geschlechter  aus  Raupen  gezogen, 
und  Antiochus  würde  hier  ohne  Weib,  Medea  ohne  Mann  sein,  falls  die  beiden 
nicht  als  Gatten  zusammengehörten. 


Fig.  3.  Fig.  4. 

Flügel    der   beiden  Geschlechter   von    Epicalia 
Acontius  über  einander  gelegt. 

l'ig-    3-    Vorderflügel,     Fig.    4.      Plintcrflügel. 
(5  Männchen  (Antiochus),  Q  Weibchen  (Medea). 


Fig.  5.  Fig.  6. 

Lage    der  Flügel  beim    fliegenden  oder  mit  aus- 
gebreiteten  Flügeln  sitzenden  Schmetterlinge. 

Fig.  5.  Antochius,  Fig.  6.  Medea. 


Die  Abbildung  zeigt  nur  Umriss  und  Zeichnung,  nicht  die  Farbe  der  Flügel; 
die  Grundfarbe  ist  bei  beiden  Geschlechtern  schwarz,  beim  Männchen  von  sammet- 
artigem  Aussehen ;  die  helleren  Farben  sind  blass  schwefelgelb  bei  Medea,  leuchtend 
orange  bei  Antiochus.  Die  Vorderflügel  des  letzteren  legen  sich  so  weit  über  die 
Hinterflügel,  dass  die  Flecken  beider  Flügel  einen  einzigen  bilden,  und,  nur  durch 
den  schmalen  Hinterleib  getrennt,  der  an  dieser  Stelle  einen  Anflug  derselben 
Farbe  zeigt,  erscheinen  die  Flecken  beider  Seiten  als  zusammenhängendes  breites 
Querband.  Bei  Medea  werden  die  ausgebreiteten  Flügel  so  gehalten,  dass  die 
Flecken  aller  vier  Flügel  drei  gerade,  gleichlaufende  Querbinden  bilden,  welche 
durch  gleichgefärbte  Flecken  auf  dem  Leibe  des  Falters  vervollständigt  werden. 
Ausser  der  blassgelben  Zeichnung  trägt  jeder  Flügel  von  Medea  einen  kleinen 
zimmetbraunen  Fleck. 

In  ähnlicher  Weise  unterscheiden  sich  in  Zeichnung  und  Farbe  die  beiden 
Geschlechter  von  Epicalia  Numilia.  Bei  Epicalia  Acontius  tritt  dazu  noch  eine 
sehr  erhebliche  Verschiedenheit  des  Flügelschnittes. 

Zunächst  verläuft  bei  Medea,  wie  bei  beiden  Geschlechtern  von  Epicalia 
Numilia,  der  Hinterrand  der  Vorderflügel  in  gerader  Linie,  während  er  bei  An- 
tiochus stark  gekrümmt  ist;  ebenso  ist  auch  der  Vorderrand  der  Hinterflügel  bei 
diesem  weit  stärker  gekrümmt,  als  bei  jener.  In  Folge  davon  greifen  die  Flügel 
von  Antiochus  bei  weitem  mehr  über  einander;  fast  die  halbe  Breite  der  Hinter- 
flügel ist  unter  den  Vorderfügeln  versteckt;  die  zwischen  beiden  Flügeln  ver- 
borgene Fläche  ist  reichlich  doppelt  so  breit  bei  Antiochus,  als  bei  Medea. 


^^  -,  Epicalia  ,  Acontius. 

Nun,  solche  gekrümmte  Ränder,  welche  die  zwischen  den  Flügeln  ein- 
geschlossene Fläche  vergrössern,  pflegen  ein  unfehlbares  Zeichen  einer  an  dieser 
Stelle  versteckten  Duftvorrichtung  zu  sein.  Wie  sehr  man  sich  auf  dieses  An- 
zeichen verlassen  kann,  dafür  ein  Beispiel,  welches  mich  selbst  überrascht  hat. 
Einer  anderen  Frage  wegen  sah  ich  vor  einigen  Monaten  Doublcday's 
Schilderung  der  Gattung  Ageronia  durch  und  stiess  bei  der  Beschreibung  der 
Vorderflügel  auf  die  früher  nicht  beachteten  Worte:  „the  inner  margin  in  the 
male  occasionally  dilated"  (Innenrand  beim  Männchen  bisweilen  erweitert).  Sofort 
griff  ich  zum  Netz,  ging  in  meine  Bananenpflanzung,  wo  damals  einige  übereife 
Früchte  nicht  selten  von  Ageronien  besucht  wurden,  fing  auch  glücklich  ein 
Männchen  der  prächtig  blauen  Ageronia  Arethusa  und  wusste  wenige  Minuten 
nach  dem  Lesen  jener  Worte,  dass  dieses  Männchen  einen  ziemlich  starken 
Geruch  besitzt,  der  von  grossen,  doch  wenig  \on  ihrer  Umgebung  abstechenden, 
zwischen  den  Flügeln  verborgenen  Duftflecken  ausgeht.  —  Auch  bei  Antiochus 
trügt  dieses  Zeichen  nicht;  er  trägt  zwischen  den  Flügeln  eine  hochentwickelte, 
starkriechende  Duftvorrichtung,  auf  die  ich  später  zurückkommen  werde,  und 
durch  welche  die  starke  Krümmung  der  übereinandergreifenden  Flügelränder  be- 
dingt wurde  und  erklärt  wird.  Wem  darüber  ein  Zweifel  bleiben  sollte,  der  be- 
trachte das  ganz  ähnliche  Männchen  der  Epicalia  Numilia,  dessen  sammetschwarze 
Flügel  ebenfalls  mit  leuchtend  orangefarbenen  Flecken  prangen ;  ihm  fehlt  die 
Duftvorrichtung  vollständig  und  die  betreffenden  Flügelränder  verlaufen  genau 
wie  beim  Weibchen.  Eine  zweite  Verschiedenheit  des  Flügelschnittes,  die  auch 
bei  anderen  Epicalien  wiederkehrt  (z.  B.  bei  Numilia),  und  über  deren  Bedeutung 
ich  nichts  zu  sagen  weiss,  besteht  darin,  dass  bei  Medea  der  Vorderflügel  länger 
ist  und  seine  Spitze  fast  sichelartig  über  den  ausgebuchteten  Aussenrand  vorspringt. 

Wenden  wir  uns  nach  Erledigung  des  Flügelschnittes  wieder  zu  Zeichnung 
und  Farbe.  Wenn  sonst  bei  Faltern  oder  Nachtschmetterlingen  Mann  und  Weib 
so  verschiedenes  Gewand  tragen,  dass  dadurch  ihre  Zusammengehörigkeit  ver- 
hüllt wird,  so  pflegt  das  Weibchen  entweder  in  der  Unscheinbarkeit  seines  eigenen 
Kleides  oder,  wenn  es  grelle  Farben  zeigt,  in  der  Nachahmung  einer  anderen 
Art  Schutz  zu  finden.  Ersteres  gilt  z.  B.  für  Thecla  Hemon;  das  Weibchen  ist 
düsterbraun,  das  Männchen  (Thecla  Acmon)  glänzend  blau.  Letzteres  sehen  wir 
bei  Dyschema  Amphissa;  das  Männchen  ist  weiss,  das  bunte  Weibchen  ist  einer 
der  zahlreichen  Nachahmer  von  Acraea  Thalia.  —  Weder  das  Eine,  noch  das 
Andere  ist  bei  Epicalia  Acontius  der  Fall.  Medea  trägt  kein  fremdes  Kleid;  denn 
nicht  nur  fehlen  hier  ähnliche,  nicht  verwandte  Falter,  die  als  Vorbild  hätten 
dienen  können,  sondern  —  was  schwerer  wiegt  —  eine  ähnliche  Zeichnung  kehrt 
wieder  bei  einer  ganzen  Zahl  von  Arten  derselben  und  verwandter  Gattungen. 
Das  Weibchen  von  Myscelia  Orsis  z.  B.  zeigt  genau  dieselben  drei  gleichlaufenden 
Fleckenreihen.  —  Noch  weniger  wird  man  Medea  unscheinbar  nennen  können; 
das  helle,  grelle  Gelb  auf  schwarzem  Grunde  macht  sie  weithin  sichtbar.  Gerade 
in  letzter  Zeit  habe  ich  mehrfach  Gelegenheit  gehabt,  sie  neben  ihrem  Manne  auf 
Bananen  sitzen  zu  sehen,  und  stets  ist  mir,  wenn  ich  von  ferne  herankam,  das 
Weibchen  zuerst  in  die  Augen  gefallen.  Uebrigens  scheint  Medea  auch  mehr 
noch  als  Antiochus  das  Sitzen  mit  ausgebreiteten  Flügeln  zu  lieben. 


Epicalia  Acontius.  56^ 

Woher  also  die  so  auffallende,  in  Zeichnung  und  Farbe  gleich  stark  ausgeprägte 
Verschiedenheit  zwichen  Mann  und  Weib?  —  Nach  der  von  Darwin  (Descent 
of  Man.  I.,  p.  388)  gegebenen  Auseinandersetzung  darf  es  als  erwiesen  gelten,  so 
gut  eben  in  derlei  Fragen  etwas  zu  erweisen  ist,  dass  die  Stammform  der  Gattung 
in  ähnlicher  Weise  gezeichnet  war,  wie  jetzt  Medea  und  die  Weibchen  mancher 
anderen  Arten  aus  denselben  und  aus  verwandten  Gattungen,  und  dass,  wenn  statt 
dessen  heute  auf  den  Flügeln  von  Antiochus  im  Sammetschwarz  das  „Goldorange 
glüht",  dies  der  von  den  Weibchen  geübten  geschlechtlichen  Auslese  zu  danken  ist. 

Wie  aber  steht  es  mit  Medea?  Ist  bei  ihr  die  früher  beiden  Geschlechtern 
gemeinsame  Trac^ht  einfach  durch  Vererbung  erhalten  worden,  ohne  jetzt  eine 
weitere  Bedeutung  zu  haben,  oder  hat  sie  eine  solche  und  welche?  Ist  sie  Putz- 
oder Trutzfärbung,  oder  beides?  —  denn  das  Eine  schliesst  das  Andere  nicht  aus. 

Theile  ich  auch  nicht  Professor  Gustav  Jaeger's  Ansicht,  dass  Gelb  in 
der  Regel  Trutzfarbe  sei  ^),  so  möchte  ich  doch  die  Möglichkeit  nicht  in  Abrede 
stellen,  dass  es  bei  Medea  als  solche  diene.  Wenn  Epicalia  Acontius,  Mann  oder 
Weib,  von  einer  Banane  aufgescheucht,  an  der  sie  saugten,  sich  ganz  in  der  Nähe 
mit  flach  ausgebreiteten  Flügeln  auf  ein  Bananenblatt  setzen,  so  sieht  das  ganz 
aus,  als  wollten  sie  sagen:  „Seht  mich  doch  an!  was  wollt  ihr  von  mir?"  — 
Immerhin  aber  würde  dies  nur  die  Erhaltung  der  ursprünglichen  Farbe 
und  Zeichnung  oder  ihre  Fortbildung  zu  noch  grellerer  Augenfälligkeit  er- 
klären ,  nicht  aber  die  Weise ,  in  der  sie  sich  bei  den  Weibchen  einiger 
verwandten  Arten  umgestaltet  hat.  Leider  kenne  ich  von  diesen  Arten  nur 
sehr  wenige,  Epicalia  Numilia  und  Myscelia  Orsis  lebend,  Epicalia  Chromis 
und  Myscelia  Cyaniris  aus  Abbildungen.  Bei  Epicalia  Chromis  und  Myscelia 
Orsis  ist  die  Zeichnung  kaum  von  der  unserer  Medea  verschieden,  bei  M3^scelia 
Cyaniris  bilden  die  Flecken  sechs  statt  drei  Querbinden  (weiss  auf  blauem  Grunde ; 
ich  weiss  nicht,  welchen  Geschlechts  das  abgebildete  Thier  ist),  beim  Weibchen 
von  Numilia  sind  die  Flecken  grossentheils  geschwunden  und  eine  breite  gelbe 
Binde  geht  auf  den  Vorderflügeln  schief  vom  Vorderrande  nach  der  Hinterecke 
zu.  Diese  Umprägung  der  ursprünglichen  Zeichnung  in  neue  ansprechende 
Muster  hat  wohl  kaum  anders  vor  sich  gehen  können,  als  unter  der  Leitung  eines 
Auges,  das  an  ihnen  Gefallen  fand,  also  durch  geschlechtliche  Auswahl  von  Seiten 
der  Männchen.  Danach  wären  die  Männchen  der  Geschmacksrichtung,  wie  sie 
schon  die  gemeinsamen  Vorfahren  der  Gattungen  Myscelia  und  Epicalia  besassen, 
theils  vollständig  treu  geblieben,  theils  hätten  sie  sich  nur  wenig  von  derselben 
entfernt,  während  die  Weibchen  der  meisten  Arten  seit  lange  einer  völlig  neuen 
Geschmacksrichtung  huldigen.  „Denn  das  Weib  ist  falscher  Art  und  die  Arge 
liebt  das  Neue". 


i)  Kosmos.  Bd.  I.  S.  486  ff.  —  Ich  komme  vielleicht  später  ausführlich  auf  diese  Frage  zurück. 
Für  jetzt  mir  eine  thatsächliche  Berichtigung.  Orangen  sind  keineswegs  durch  die  gelbe  Farbe  und  das 
flüchtge  Oel  ihrer  Schale  vor  Vögeln  geschützt.  Im  Gegentheil  lockt  kein  anderes  Obst  eine  solche  Menge 
und  Mannigfaltigkeit  gefiederter  Gäste  aus  dem  Walde  herbei,  wie  eben  die  Orangen.  Dazu  kommt  ein 
Heer  aller  möglichen  Kerfe:  Wespen,  Wanzen,  Käfer,  FHegen,  Schmetterlinge.  Schon  Darwin  sah  bei 
Rio  de  Janeiro  Ageronia  besonders  zwischen  Orangenbäumen.  —  Wenn  J  a  e  g  e  r  bei  Begründung  seiner 
Ansicht  das  stechende  Wespen-  und  Hornissenvoik  voranstellt,  das  in  den  Farben  Oesterreichs  trutzt,  so 
lässt  sich  diesem  die  Korallenschlange  gegenüberstellen,  die  die  Farben  des  deutschen  Reiches  trägt. 


(f(fA  Epicalia  Acontius. 

Dabei  wäre  noch  zweierlei  zu  bemerken.  Erstens  pflegt  man,  nach  D  a  r  - 
w  i  n '  s  Vorgange,  bei  der  geschlechtlichen  Auslese  meist  nur  den  „Wettkampf 
der  Männchen  um  den  Besitz  der  Weibchen"  zu  berücksichtigen.  Indess ;  hat 
schon  Haeckel  (Generelle  Morphologie  1866.  IL  S.  244)  mit  Recht  hervorgehoben, 
dass,  wie  unser  eigenes  Beispiel  lehrt,  es  ebenso  einen  „Wettkampf  der  Weibchen 
um  den  Besitz  der  Männchen"  giebt  und  dass  die  „männliche  Zuchtwahl"  eben- 
so umgestaltend  auf  die  Weibchen  wirken  muss,  wie  die  „weibliche  Zuchtwahl" 
auf  die  Männchen.  Dass  auch  bei  den  Schmetterlingen  eine  solche  von  den 
Männchen  geübte  Wahl  sich  beobachten  lässt,  darauf  habe  ich  bereits  in  diesen 
Blättern  (Kosmos,  Band  IL  S.  42)  ^)  hingewiesen.  Dass  aber  —  dies  wäre  das 
Zweite  —  die  beiden  Geschlechter  ganz  v^erschiedenen  Geschmack  zeigen,  auch 
dafür  geben  ja  wir  selbst  das  Beispiel.  Vieles,  was  wir  als  geistigen  oder  leib- 
lichen Vorzug  an  Frauen  schätzen,  würde  diesen  und  würde  uns  selbst  an 
Männern  missfallen  und  umgekehrt.  Doch  fehlt  es  auch  nicht  an  unzweideutigen 
Beispielen  unter  den  Schmetterlingen  selbst,  wenn  auch  auf  dem  Gebiete  eines 
anderen  Sinnes.  Hat  ein  Männchen,  etwa  von  Callidryas  Argante,  lange  ein 
Weibchen  umflattert  und  mit  dem  Bisamhauch  seiner  Flügel  umduftet,  und  zeigt 
sie  endlich  sich  bereit,  ihm  zu  willfahren,  indem  sie  die  Flügel  ausbreitet  und 
das  Hinterleib-Ende  emporhebt,  —  so  sieht  man  nicht  selten,  dass  der  Bewerber 
noch  einige  Mal  um  sie  herum  und  dann  auf  Nimmerwiedersehen  davon  fliegt. 
Nun  aber  ist  das  Einzige,  was  das  Männchen  erst  jetzt  an  dem  umworbenen 
Weibchen  kennen  lernt,  der  eigenthümliche  Duft,  welcher  von  den  jetzt  zum 
ersten  Male  vor  ihm  cntblössten  Theilen  am  Ende  des  Hinterleibes  ausgeht.  Nur 
dieser  also  kann  noch  im  letzten  Augenblicke  entscheidend  auf  ihn  wirken.  Bei 
den  Weibchen  von  Callidryas  ist  dieser  Geruch  sehr  stark  und,  w^orauf  es  hier 
ankommt,  er  ist  nicht  moschusartig,  sondern  säuerlich,  himmelweit  verschieden 
von  dem  Flügelduft  der  Männchen. 

Wie  nun  aber  auch  die  Erhaltung  und  bei  einigen  Arten  die  mehr  oder 
minder  erhebliche  Umgestaltung  der  Mcdea-Zeichnung  geschehen  sein  mag',  von 
jener  Zeit  ab,  wo  sie  noch  beiden  Geschlechtern  der  Vorfahren  in  gleicher  Weise 
zukam.  Eines  lässt  sich  mit  voller  Zuversicht  aussprechen:  Entstanden  sein  kann 
diese  so  auffallende  und  eigenatige  Zeichnung  der  Medea  weder  durch  den  allei- 
nigen Einfluss  äusserer  Verhältnisse  (Wärme,  Feuchtigkeit,  Nahrung  u.  s.  w.), 
noch  durch  innere  „Wachsthumsgesetze",  noch  endlich  allein  durch  natürliche  Züch- 
tung als  Trutzfärbung,  sondern  hauptsächlich  und  wesentlich  nur  durch  geschlecht- 
liche Auswahl.  Dass  äussere  Verhältnisse  Farbe  und  Zeichnvmg  der  Schmett(T- 
linksflügel  beeinflussen  können,  hat  Weismann  überzeugend  nachgewiesen; 
ebenso  zeigte  derselbe,  dass  Zeichnungen,  die  durch  solche  oder  andere  Verhält- 
nisse auf  irgend  einem  Ringe  einer  Raupe  entstanden,  nicht  selten  auf  andere 
Ringe  sich  ausbreiten.  Dasselbe  wird  an  den  Flügeln  der  Fiilter  geschehen 
können.  Zeichnungen,  die  aus  irgend  welcher  Ursache  in  irgend  einer  Plügcl- 
zelle  auftraten,  werden  an  entsprechenden  Stellen  der  übrigen  Zellen  sich  wieder- 
holen können.  Soweit  solche  Zeichnungen  als  Widrigkeitszeichen  dienen,  können 
sie  durch  natürliche  Züchtung  grellere  Farben  erhalten  und  sich  vergrössern.    So 

i)  Siehe  Ges.  Schriften,  S.  597. 


Epicalia  Acontius.  665 

könnte  aus  einem  einfarbig"cn  grauen  oder  braunen  ein  bunter  Schmetterling 
werden,  und  die  an  entsprechenden  Orten  der  verschiedenen  Flügelzellen  sich 
wiederholenden  Zeichnungen  würden  dann  meist  nicht  verfehlen,  einen  angenehmen 
Eindruck  auf  uns  zu  machen.  Es  könnte  so  ein  für  uns  schöner  Schmetterling 
entstehen,  ohne  dass  irgend  welche  Auslese  in  Bezug  auf  Schönheit  stattgefunden 
hätte.  Allein  dies  hat  seine  leicht  zu  bezeichnenden  Grenzen.  Allen  diesen  blind 
wirkenden  Ursachen  ist  es  gleichgiltig,  was  aus  ihnen  hervorgeht,  ob  z.  B.  die 
Zeichnung  der  Vorder-  und  Hinterflügel  zusammenpasst  oder  nicht,  und  ob  dies 
in  der  einen  oder  anderen  Stelkmg  der  Flügel  geschieht.  Wo  wir  also  etwa  eine 
gerade  Linie  sehen,  die  ununterbrochen  über  die  Oberseite  der  Vorder-  und 
Hinterflügel  hinweggeht,  und  zwar  nur  bei  einer  einzigen,  ganz  bestimmten  Hal- 
tung der  Flügel  wie  sie  der  Schmetterling  beim  Fliegen  oder  beim  Sitzen  mit 
ausgebreiteten  Flügeln  annimmt,  während  bei  jeder  anderen  gegenseitigen  Lage 
der  Flügel  die  Linie  entweder  unterbrochen  oder  geknickt  erscheint^),  —  da 
dürfen  wir  mit  an  Gevvissheit  grenzender  Wahrscheinlichkeit  behaupten,  dass  ein 
überwachendes  Auge  bei  der  Entstehung  dieser  Linie  mitgewirkt  hat.  Dasselbe 
gilt  für  alle  zusammenhängenden  oder  zusammenstimmenden  Linien,  die  durch 
nicht  entsprechende  Punkte  der  verschiedenen  Flügelzellen  hindurchdringen. 

Sehen  wir  uns  Medea  hierauf  an.  Wie  gesagt,  bilden  die  schwefelgelben 
Flecken  drei  gleichlaufend  über  alle  vier  Flügel  hinwegziehende  Querbinden, 
jedoch  nur  bei  einer  ganz  bestimmten  gegenseitigen  Lage  der  Flügel.  Die 
Regelmässigkcit  hört  sofort  auf,  sobald  man  die  Vorderflügel  weiter  nach  vorn 
zieht  oder  nach  hinten  schiebt;  im  ersteren  Falle  stossen  nicht  nur  die  betreffen- 
den Fleckenreihen  der  Vorder-  und  Hinterflügel  nicht  mehr  aneinander,  sondern 
es  treten  auch  die  Flecken  am  Vorderrande  der  Hinterflügel  zu  Tage,  die  mit 
den  übrigen  nicht  in  gerader  Linie  liegen  und  vorher  durch  die  Vorderflügel 
bedeckt  wurden.  In  Betreff  des  zweiten  oben  bezeichneten  Merkmals  ist  be- 
sonders die  hintere  Fleckenreihe  der  Hinterflügel  beachtenswerth ;  in  jeder  Flügel- 
zelle liegt  ein  gelber  Fleck,  jedoch  nicht  an  entsprechenden  Punkten  der  einzelnen 
Zellen;  denn  in  letzterem  Falle  würden  sie  einen  Bogen  bilden  und  nicht  eine 
gerade  Linie.  Dass  nun  der  Schönheitssinn  eines  prüfenden  Auges  es  war,  der 
den  ursprünglichen  Bogen  zur  geraden  Linie  streckte,  das  kann  kaum  schlagen- 
der bewiesen  werden,  als  dadurch,  dass  die  beiden  vordersten,  diesem  Auge  un- 
zugänglichen, weil  durch  die  Vorderflügel  bedeckten  Flecken  dieser  Reihe  ihre  ur- 
sprüngliche Lage  bewahrt  haben  und  aus  der  geraden  Linie  der  übrigen  heraustreten. 

Wahrscheinlich  waren  es  die  Weibchen,  welche,  unter  den  Männchen  wählend, 
zuerst  bei  diesen  die  eigenthümliche  Medea-Zeichnung  ausbildeten.  Später  wurde 
dieselbe  auch  auf  die  Weibchen  übertragen  und  hat  sich  bei  ihnen  in  mehreren 
Arten   bis   zum  heutigen  Tage  erhalten.     Der  Geschmack    der  Weibchen  änderte 


i)  Schmetterlingsspiesser,  die  die  Flügel  aller  Falter  nach  derselben  Schablone  auseinanderspreizen, 
verhunzen  dadurch  oft  vollständig  die  eigenthümliche  Schönheit  ihrer  Zeichnung.  So  erscheinen  in  den 
nach  solchen  verzerrten  Leichen  gemachten  Abbildungen  von  Miscelia  Cyaniris  und  Chromis  in  Double- 
day's  Gen.  of  Diurn.  Lep.  PI.  XXVII.  Fig.  i  u.  2  die  Vorderflügel  viel  zu  weit  nach  vorn  gezogen. 
Noch  mehr  verunstaltet  erscheint  Epicalia  Pierretii  in  der  Abbildung  PI.  XXIX.  Fig.  4,  welcher  gewiss 
Niemand  ansieht,  dass  die  grossen  orange  Flecken  der  rechten  und  linken  Seite  eine  einzige  zusammen- 
hängende Querbinde  bilden.  — 


fj^(f  Epicalia  Acontius. 

sich  im  l^aufe  der  Zeit,  und  dadurch  wurden  die  Männchen  vollständig  umge- 
prägt, Zeichnung  und  schmückende  Farbe  der  Flügel  völlig  verändert. 

Die  kleinen  zimmetfarbenen  Flecken,  von  denen  eines  auf  jedem  Flügel  von 
Medea  steht  (doch  nicht  an  entsprechenden  Stellen,  auf  den  Vorderflügeln  in 
Zelle  5,  auf  den  Hinternflügeln  in  Zelle  i),  sind  sehr  veränderlich  in  Grösse  und 
Schärfe  des  Umrisses  und  dadurch  in  ihrer  Augenfälligkeit.  Ist  es  ein  werdender 
oder  ein  vergehender  Schmuck?  Da  sie  sich  nicht  nur  bei  der  sehr  ähnlichen 
Epicalia  Chromis,  sondern  auch  bei  dem  in  der  Zeichnung  schon  recht  abweichen- 
den Weibchen  der  Epicalia  Numilia,  ja  sogar,  wenigstens  an  den  Hinterflügeln, 
bei  dem  Männchen  von  Epicalia  Pierretii  wiederfinden,  so  stammen  sie  jeden- 
falls nicht  aus  neuester  Zeit.  Vielleicht  ist  in  ihnen  ein  letzter  Rest  einer  dritten, 
noch  älteren  Ausschmückung  der  Epicalien  erhalten. 

Hiermit  schliesse  ich  die  Betrachtung  unseres  ungleichen  Ehepaares  und 
will  nur  noch  hinzufügen,  dass  dasselbe  nur  einen  besonders  ausgezeichneten 
Fall  in  einer  langen  Reihe  ähnlicher  bildet!  Wohl  bei  den  meisten  Faltern  mit 
deutlich  ausgeprägter  Geschlechtsverschiedenheit,  bei  welchen  die  Färbung  des 
Weibchens  diesem  nicht  zum  Schutze  oder  Trutze  dient,  zeigen  uns  Farbe  und 
Zeichnung  der  Weibchen  eine  ältere,  die  der  Männchen  eine  neuere  Geschmacks- 
richtung der  Art.  Es  darf,  wem  reiche  Sammlungen  offen  stehen,  hieran  die 
Hoffnung  knüpfen,  mit  Aussicht  auf  Erfolg  die  Frage  in  Angriff  nehmen  zu 
können,  was  denn  überhaupt  Schmetterlinge  schön  finden  und  wie  sich  bei  ihnen, 
je  nach  den  verschiedenen  Familien,  Gattungen,  Arten,  der  Schönheitssinn  ent- 
wickelt und  im  Laufe  der  Zeit  fortgebildet  habe. 

Vergleicht  man  nun  noch  die  Duftvorrichtungen  der  Antirrhaea  Archaea 
mit  denen  der  Epicalia  iVcontius,  welche  ich  oben  beschrieb,  so  findet  man  eine 
fast  vollständige  Uebereinstimmung.  Bei  beiden  Arten  sind  die  übereinander- 
greifenden  Ränder  beider  Flügel  im  männlichen  Geschlechte  bedeutend  erweitert 
und  gebogen;  bei  beiden  ist  die  Unterfläche  der  Vorderflügel  ausgerüstet  mit 
einer  Mähne  langer  Haare,  welche  längs  der  Innenrandsader  entspringen  und 
einen  bei  Epicalia  Acontius  wohlentwickelten,  bei  Antirrhaea  Archaea  kaum  an- 
gedeuteten Duftfleck  bedecken.  Gegenüber  der  Mähne  liegt  bei  beiden  Arten 
auf  der  Oberseite  der  Hinterflügel  ein  Duftfleck,  dessen  mittlerer  Theil  den  Winkel 
zwischen  den  beiden  Aesten  der  Subcostal-Ader  einnimmt  und  von  da  in  die 
drei  anstossenden  Flügelzellen  übergreift. 

Das  Alles  wäre  nun  sehr  einfach  und  würde  sich  sehr  leicht  erklären,  wenn 
die  beiden  Arten  zu  derselben  oder  zu  nahe  verwandten  Gattungen  gehörten, 
wenn  also  alle  jene  Merkmale,  in  denen  ihre  Duftwerkzeuge  übereinstimmen,  von 
gemeinsamen  Vorfahren  abgeleitet  werden  könnten.  Doch  dem  ist  nicht  so.  Sie 
gehören  zu  sehr  verschiedenen  Unterfamilien,  Antirrhaea  zu  den  Sat3'^rinen,  Epi- 
calia zu  den  Nymphalinen,  und  zudem  entbehren  viele  der  nächsten  Verwandten 
der  einen  wie  der  anderen  Art  ähnlicher  Vorrichtungen ;  Duftwerkzeuge  fehlen 
z.  B.  vollständig  bei  Epicalia  Numilia.  Es  kann  daher  kein  Zweifel  darüber  be- 
stehen, dass  die  Duftvorrichtungen  sich  unabhängig  von  einander  bei  den  zwei 
Arten  entwickelt  haben  und  dass  Alles,  was  sie  Gemeinsames  haben,  einzig  dem 
Umstände  zuzuschreiben  ist,  dass  sie  sich  derselben  Verrichtung  angepasst  haben. 
Die  beiden  Duftwerkzeuge  sind  also  nicht  stammverwandt  (homolog),  sondern  ein- 


Epicalia  Acontius.  55y 

fach  formverwandt  (analog)  und  liefern  ein  Beispiel,  und  zwar  eins  der  bemerkens- 
werthesten,  der  „Convergenz",  wie  man  neuerdings  die  Aehnlichkeit  genannt  hat, 
die  nicht  auf  Ererbung  beruht,  sondern  von  Anpassung  an  gleiche  Verhältnisse 
herrührt. 

Ich  kenne  keinen  anderen  Fall,  der  so  klar  und  eindringlich  die  Wahrheit 
eines  Satzes  bewiese,  den  man  bei  morphologischen  Untersuchungen  nie  aus  den 
Augen  verlieren  sollte,  nämlich:  Wenn  bei  zwei  Arten  gewisse  Werkzeuge,  die 
derselben  Verrichtung  dienen,  an  gleichem  Orte  sich  finden  und  aus  denselben 
Theilen  in  derselben  gegenseitigen  Lage  und  von  ähnlicher  Form  bestehen,  so 
liefert  alles  dies  für  sich  allein  noch  keinen  vollgültigen  Beweis  dafür,  dass  diese 
Werkzeuge  „homolog"  sind,  —  selbst  dann  nicht,  wenn  beide  Arten  derselben 
Familie  angehören. 


Kritik  über^) 

Dr.  Paul  Kramer:    Theorie    und    Erfahrung,    Beiträge   zur  Beurteilung   des 
Darwinismus,  Halle,  L.  Nebert   1877^). 

„Die  Principien  des  Darwinismus  können  zur  Erklärung  der 
Thatsachen  nichts  beitragen,  durch  sie  wird  k  eine  u  ns  vor  Augen 
liegende  Wirklichkeit  verständlich.  Dies  das  kurze  Resultat 
und  das  einfache  Ergebniss  vorstehender  theoretischer  Betrach- 
tungen." So  verkündet  Verf.  am  Schlüsse  des  ersten,  „mathematische  Ent- 
wickelungen"  überschriebenen  Capitels  seiner  Schrift. 

Diese  „mathematischen  Entwickelungen"  erklärt  Prof.  S.  Günther  (Kosmos, 
III.  S.  292)  für  „planmässiger,  umfassender  und  deshalb  auch  wichtiger",  als  ver- 
schiedene früher  gegen  den  Darwinismus  gerichtete  mathematische  Betrachtungen 
und  glaubt,  „der  gebotenen  Leistung  einen  entschiedenen  Werth  zusprechen  zu 
müssen."  Nur  dieses  einer  so  berufenen  Feder  entflossene  günstige  Urtheil  ver- 
imlasst  mich,  auch  meinerseits  über  die  genannte  Schrift  mich  auszusprechen ; 
sonst  würde  ich  dieselbe  der  Beachtung  nicht  werth  halten  und  den  Verf.  nicht 
in  dem  stolzen  Bewusstsein  stören,  Darwin  gründlich  abgeführt  zu  haben. 

Prof.  Günther  hat  sich,  als  Mathematiker,  „vornehmlich  mit  dem  Gange 
der  Untersuchung  beschäftigt,  die  empirische  Grundlage  der  Prüfung  Anderen 
überlassend";  als  Nicht-Mathematiker  werde  ich  umgekehrt  hauptsächlich  die 
Voraussetzungen  ins  Auge  fassen,  auf  welchen  Verf.  seine  „mathematisch  ein- 
gekleideten Schlüsse"  aufbaut, 

Verf.  stellt  sich  die  Aufgabe,  darzulegen,  wie  weit  auf  dem  Gebiete  der 
secundärcn  Geschlechtscharaktere  „die  Darwinistische  Methode  eine  natürliche 
und  der  Wahrscheinlichkeit  nach  zum  Ziele  führende"  ist.  Behufs  der  „Ent- 
wickelung  einer  Fundamentalformel"  werden  nun  im  ersten  Abschnitt  der  matl)e- 
matischen  Entwickelungen  folgende  „Vorbedingungen"  aufgestellt: 

Erste  Vorbedingung.  Es  seien  pa  Weibchen  und  ma  Männchen  einer 
Thierart  in  einem  gewissen  Gebiete  vorhanden.  Letztere  allein  mögen  nach  einer 
bestimmten    Richtung    veränderlich    sein    und    zwar  mögen   immer    -     derselben 

während   der  Entwickeln nif  zum  reifen  Alter  abändern,   also   n unverändert 

bleiben.     Der  Bruch  ~  wird  Variabilitätscocfficient  g-enannt.  —  Zunächst 


i)  Kosmos   1878/79.  Bd.  IV.  S.  495 — 502. 

2)  Dem  Referenten  erst  im  September  1878  zugegangen. 


Kritik  über  Dr.  P.  Kramer. 


669 


ein  Wort  über  die  vom  Verf.  eingeführte  Bezeichnung.  Es  handelt  sich  in  der 
ganzen  Untersuchung  nie  um  die  absolute  Zahl  der  Weibchen  und  Männchen, 
sondern  stets  nur  um  deren  Verhältnisszahl ;  warum  also  nicht  einfach  sagen :  die 
Zahl  der  Männchen  sei  das  m  fache  von  der  der  Weibchen,  wo  m  ein  beliebisfer 
echter  oder  unechter  Bruch  sein  kann;  weshalb  drei  Buchstaben,  a,  p,  m,  wo 
einer  genügt?  Und  warum  für  den  Variabilitätscocfficienten  zwei  Buchstaben, 
wo  einer  ausreicht?  Dieselbe  eigenthümliche  Art  der  Bezeichnung  wiederholt 
sich  auch  später;  für  fünf  in  Betracht  gezogene  Grössen  kommen  zehn  Buch- 
staben zur  Verwendung.  Schon  dadurch  erhalten  die  „mathematischen  Entwicke- 
lungen"  eine  gewisse  schwerfällige  Unbeholfenheit,  durch  die  sie  auch  sonst  sich 
auszeichnen,  und  die  Fundamentalformel  gewinnt  sicher  nicht  an  Uebersichtlich- 
keit  und  Verständlichkeit  dadurch,  dass  die  Grössen,  auf  welche  es  ankommt,  als 
solche  gar  nicht  darin  auftreten. 

Der  Variabilitätscoefficient  wird,  ohne  dass  dies  irgendwo  ausdrücklich  ge- 
sagt wird,  (der  Verf.  scheint  es  als  selbstverständlich  anzusehen)  als  gleichbleibend 
angenommen.  Er  soll  der  gleiche  sein  für  Thiere,  deren  Vorfahren  seit  langer 
Zeit  unverändert  geblieben,  und  für  Thiere  derselben  Art,  deren  Vorfahren  in 
dieser  Zeit  von  Geschlecht  zu  Geschlecht  sich  fortwährend  geändert  haben.  Wer 
die  Darwin'  sehe  Theorie  an  der  Erfahrung  zu  prüfen  unternimmt,  der  sollte 
doch  wissen,  dass  eine  solche  Annahme  unvereinbar  ist  mit  den  allbekannten, 
Jahr  für  Jahr  tausendfältig  aufs  Neue  bestätigten  Erfahrungen  der  Gärtner  und  Thier- 
züchter. 

Zweite  Vorbedingung'.  „Die  Anzahl  der  Jungen  betrage  stets  das 
r fache  der  vorhandenen  Paare.  Die  Zahl  r  heisse  der  V ervielfältig u ngs- 
coefficient.  Er  ist  unter  allen  Umständen  eine  ganze  Zahl,"  —  Unter  allen 
Umständen?  Doch  wohl  nur  dann,  wenn  alle  Paare  gleich  fruchtbar  sind.  Und 
das  ist  ein  Umstand,  der  in  der  Wirklichkeit  vielleicht  niemals  eintritt.  Immer 
oder  fast  immer  schwankt  die  Zahl  der  Jungen  in  engeren  oder  weiteren  Grenzen. 
Mögen  bi,  bg,  bg  .  .  ,  bp  die  Anzahl  der  Jungen,  je  eines  der  p  in  einem  Ge- 
biete   vorhandenen   Paare   bezeichnen,    so   ist   allerdings  jede   dieser   Zahlen    eine 

ganze  Zahl  und  ebenso  Sb  =  pr ;  die  Wahrscheinlichkeit  aber,  dass  auch  r  =  — 

I  P 

eine  ganze  Zahl    sei,   ist  =-.     Wie   gross   ist   also   z.   B.   die   Wahrscheinlichkeit 

des  nach  dem  Verf.  „unter  allen  Umständen"  eintretenden  Falles,  dass  r  eine 
ganze  Zahl  ist,  für  die  Ehen  im  deutschen  Reiche?  Unter  allen  Umständen  be- 
weist der  Verf.  durch  diese  wunderliche  Behauptung,  die  übrigens  ohne  Einfluss 
ist  auf  den  Gang  der  mathematischen  Entwickelungen,  wie  vollberechtigt  gerade 
er   ist,   den  Darwinisten  Mangel   an  Vorsicht,    Klarheit  und  Schärfe  vorzuwerfen. 

In  derselben  „zweiten  Vorbedingung"  wird  die  Annahme  gemacht,  die  wir 
uns  merken  wollen,  „dass  eine  besondere  Auswahl  von  Seiten  der  Weibchen  oder 
Männchen  nicht  eintrete." 

Dritte  Vorbedingung.  „Nach  der  Erzeugung  der  Jungen  mögen  die 
alten  Thiere  sämmtlich  zu  Grunde  gehen."     Passt  für  zahlreiche  Thiere. 

In   der  vierten  Vorbedingung   wird  der  Bruchtheil  von  unveränderten 

t^ 
Eltern   abstammender  Jungen,  der  während  des  Heranwachsens  stirbt,  mit  -   be- 


670 


Kritik  ülier  Dr.  P.  Kramer. 


zeichnet  und  Abnahm  ecoe  ff  icient  genannt;  es  wird  angenommen,  dass  dieser 
Abnahmecoefficient   „bei  zunehmender  Variirung"  sich  ändere,  und  zwar  bei  ein- 

^1  .  t^        P^  .  t^       20^ 

mal  variirten  Thieren  um  —  •  -^—,  bei  zweimal  variirten  um  —  •  -^  u.  s.  w.,  so  dass 

t       p  t       p 

also  „der  Abnahmecoefficient  im  Verhältniss  der  abgelaufenen  Variationsperiode 
sich  ändert."  Worauf  gründet  sich  diese  Annahme?  Wenn  durch  den  Kampf 
ums  Dasein  eine  natürliche  Auslese  stattfindet,  dann  allerdings  wird  in  Folge  der 
Auslese,  aber  nicht  als  unmittelbare  Folge  der  Abänderung,  der  Abnahmecoeffi- 
cient, oder  sagen  wir  kürzer  die  Sterblichkeit  der  bevorzugten  Varietäten  kleiner, 
diejenige  der  in  ungünstiger  Richtung  abweichenden  grösser  sein,  als  die  der 
unveränderten  Thiere.  Wo  aber  keine  Auslese  eintritt,  da  besteht  kein  noth- 
wendiger  Zusammenhang  zwischen  Abänderung  und  Sterblichkeit.  Und  selbst 
zugestanden,  dass  jede  Abänderung  auch  die  Sterblichkeit  der  heranwachsenden 
Jungen  irgendwie  beeinflusse  (warum  nicht  ebenso  den  „Variabilitäts-"  und  den 
„Vervielfältigungscoefficienten?"),  zugestanden,  dass  der  Abnahmecoefficient  eine 
Funktion  sei  der  „abgelaufenen  Variationsperiode",  woher  in  aller  Welt  die  Be- 
rechtigung zu  der  Annahme,  dass  die  Veränderung  des  ersteren  den  letzteren 
proportional  sei?  —  Wir  wissen  nicht,  ob  überhaupt  y  ==  f  (x).  Was  schadet  es? 
Nehmen  wir  an,  es  sei  y  =  C  x!  Gewiss  ein  gutes  Beispiel  der  „äussersten  Vor- 
sicht", mit  welcher  Verf.  (S.  68)  sich  bewusst  ist,  zu  Werke  gehen  zu  müssen.  — 
Und  wenn  nun  das  Variiren  eine  Aenderung  der  Sterblichkeit  zu  Wege  bringen 
soll,  weshalb  soll  diese  Aenderung  erst  bei  den  Jungen  der  variirenden  Thiere 
eintreten,  wie  in  des  Verf.  mathematischen  Entwickelungen,  und  nicht  schon  bei 
den  variirenden  Thieren  selbst?  —  Die  ganze  Annahme  ist  aller  thatsächlichen 
Begründung  bar,  aufs  Gerathewohl  aus  der  Luft  gegriffen. 

Schlimmer  noch  steht  es  mit  der  fünften  Vorbedingung;  denn  sie 
schlägt  allen  Thatsachen  geradezu  ins  Gesicht.  „Die  Anzahl  der  Männchen, 
sowie  der  Weibchen  mögen  sich  im  Laufe  der  Zeiten  nicht  än- 
dern."!!! Vermag  der  Verf.  ein  einziges  Dorf,  eine  Stadt,  ein  Land  aufzuzeigen, 
dessen  Bewohnerzahl  nicht  „im  Laufe  der  Zeiten",  nein,  nur  im  Laufe  eines  ein- 
zigen kurzen  Menschenalters  sich  nicht  geändert?  Vermag  er  eine  einzige  Thier- 
oder  Pflanzenart  nachzuweisen,  für  welche,  nur  während  zehn  oder  zwanzig 
Generationen,  ein  unveränderter  Bestand  nicht  bewiesen,  nein,  nur  wahrscheinlich 
gemacht  werden  kann?  Von  selteneren  Thieren  und  Pflanzen  weiss  ja  jeder 
Sammler,  wie  sehr  ihre  Zahl  in  verschiedenen  Jahren  wechselt;  ebenso  ist  es  von 
schädlichen  Thieren  bekannt,  wie  ihre  Zahl  bald  rasch  zu  einer  allgemeinen  Land- 
plage anschwillt,  bald  ohne  menschliches  Zuthun  ebenso  rasch  zurücksinkt.  Bei 
anderen  Arten  pflegt  man  ihre  wechselnde  Häufigkeit  weniger  zu  beachten ;  doch 
könnte  ich  eine  lange  Reihe  einschlägiger  Beispiele  anführen.  Es  ist  ja  übrigens 
dieses  Auf-  und  Abwogen  im  Kampfe  ums  Dasein,  bei  deiji  ewigen  Wechsel 
der  äusseren  Verhältnisse  (Wetter  u.  s.  w.),  selbstverständlich.  Es  mag  hier  zu 
Lande,  wo  der  Einfluss  des  Menschen  noch  verschwindend  klein  ist,  vielleicht 
mächtiger  hervortreten,  als  wo  Feld  und  Wald  seit  lange  dem  Anbau  und  der 
Pflege  des  Menschen  unterworfen  wurden.  Für  die  Wirksamkeit  natürlicher  Aus- 
lese sind,  beiläufig  bemerkt,  die  Zeiten  äusserster  Bedrängniss,  durch  die  wohl 
jede  Art  wiederholt  hindurchgehen  muss,  von  der  grössten  Bedeutung. 


Kritik  über  Dr.  P.  Kramer. 


671 


Aber  wie  kommt  der  Verf.  zu  dieser  Annahme  von  der  Unveränderlichkeit 
der  Individuenzahl,  welche  die  Lehre  von  der  Unveränderlichkeit  der  Arten 
weit  hinter  sich  lässt  ?  Er  giebt  uns  selbst  die  Antwort :  „Unter  dieser  Bedingung 
ist  es  möglich,  die  Resultate  zu  einer  Gleichung  zusammenzufassen".  Die  An- 
nahme ist  also  einfach  gemacht,  weil  Verf.  sie  für  nöthig  hielt,  um  eine  „Funda- 
mentalformel" zu  gewinnen ,  um  dem  Darwinismus  mit  „mathematischen  Ent- 
wickelungen"  zu  Leibe  gehen  zu  können.  Ob  sie  wahr  sei,  oder  auch  nur  wahr- 
scheinlich, ist  Nebensache.  Kümmerte  sich  Virchow  um  die  Wahrheit  der 
gehässigen  Denunciation,  die  er  in  München  gegen  den  Darwinismus  schleuderte? 

Sechste  Vorbedingung,  i)  „Jedes  Männchen  möge  sich  immer  nur 
mit  einem  einzigen  Weibchen  paaren  und  2)  diejenigen  Männchen  oder  Weibchen, 
welche  nicht  beim  ersten  Male  (?)  einen  Gefährten  finden,  mögen  unfruchtbar  zu 
Grunde  gehen."  Ersteres  gilt  für  einzelne  Thiere;  was  der  zweite  Theil  der  An- 
nahme sagen  soll,  ist  mir  unerfindlich. 

Siebente  Vorbedingung.  „Eine  einmal  gewonnene  Charaktereigen- 
thümlichkeit  werde  ungeschwächt  auf  die  männlichen  Jungen  vererbt.  Diese 
Vorbedingung  ist  der  Ausdruck  eines  Hauptgedankens  der  Darwinistischen  Theorie 
und  wird  hier  zu  Grunde  gelegt,  da  die  Betrachtungen  sich  zunächst  ganz  eng 
an  die  Grundsätze  des  Darwinismus  anschliessen  sollen."  —  Aber  wo  hat  Dar- 
win, wo  hat  einer  seiner  Anhänger,  je  eine  ähnliche,  aller  Erfahrung  zuwider- 
laufende Behauptung  ausgesprochen?  Welchem  Thier-  oder  Pflanzenzüchter  fällt 
es  ein,  eine  „einmal  gewonnene  Charaktereigenthümlichkeit"  sofort  als  sicher  be- 
festigt zu  betrachten  und  auf  ihre  „ungeschwächte"  Vererbung  zu  rechnen?  So- 
weit mir  bekannt,  haben  alle  Darwinisten,  die  über  Vererbung  gesprochen,  dabei 
stets  den  Rückschlag  im  Auge  behalten.  —  Wie  verträgt  sich  übrigens  mit  dem 
hier  vorgegebenen  ganz  engen  Anschlüsse  an  die  Grundsätze  des  Darwinismus 
der  kurz  vorher  aufgestellte  ultra-immutabilistische  Satz  von  der  Unveränderlich- 
keit der  Individuenzahl? 

Dies  sind  die  Annahmen,  an  welche  sich  des  Verf.  „mathematisch  einge- 
kleidete Schlüsse"  knüpfen.  Zum  Theil,  und  es  sind  dies  gerade  die  wichtigsten, 
sind  sie  willkürlich  aus  der  Luft  gegriffen  oder  stehen  in  offenem  Widerspruche 
mit  aller  Erfahrung,  zum  Theil  haben  sie  nur  eine  beschränkte  Gültigkeit,  während 
der  Rest  nur  eine  Bezeichnung  gewisser  Verhältnisse  durch  Buchstaben  enthält 
Ich  verliere  kein  Wort  über  den  Werth,  der  demnach  den  Ergebnissen  des  Verf. 
beizulegen  ist. 

Im  zweiten  Abschnitte  der  „mathematischen  Entwickelungen"  wendet  Verf. 
die  gewonnene  Fundamentalgleichung  an  auf  den  Fall ,  dass  die  Anzahl  der 
Männchen  das  m  fache  von  der  Anzahl  der  Weibchen  ist"  und  stellt  sich  als 
Hauptaufgabe,  „die  nach  x  Generationen  vorhandene  Anzahl  von  veränderten 
und  unveränderten  Männchen  zu  bestimmen".  Es  wird  dabei  die  Ansicht  aus- 
gesprochen und  der  Rechnung  zu  Gnmde  gelegt,  dass  „eine  ererbte  und  eine 
selbst  erfahrene  Veränderung  wesentlich  gleichbedeutend  sind".  —  Verf.  wird  von 
jedem  Gärtner  oder  Thierzüchter  hören  können,  ob  wirklich  eine  zum  ersten  Male 
auftretende  und  eine  seit  einer  langen  Folge  von  Generationen  fortgeerbte  Ver- 
änderung „wesentlich  gleichbedeutend"  sind  in  Bezug  auf  den  Punkt,  der  allein 
hier  in  Frage  kommt,  die  wahrscheinliche  Veränderlichkeit  der  Nachkommen.  — 


672 


Kritik  über  Dr.  P.  Kramer. 


Das  vom  Verf.  gewonnene  Ergebniss  hätte  unter  den  von  ihm  gemachten 
Voraussetzungen  wohl  auf  einfacherem  Wege  gefunden  werden  können.  Da 
Verf.  in  diesem  Abschnitte  den  Abnahmecoefficienten  als  constant  annimmt,  da 
nach  seinen  Voraussetzungen  weder  die  absolute  Zahl,  noch  die  Verhältnisszahl 
der  Männchen  und  Weibchen,  ebensowenig  die  Fruchtbarkeit  der  Paare  und  die 
Sterblichkeit  der  Jungen  in  irgend  welcher  Beziehung  stehen  zu  dem  Zahlen- 
verhältniss  der  mehr  oder  minder  oft  abgeänderten  Männchen,  so  hängt  dieses 
einzig  und  allein  ab  von  dem  als  constant  angenommenen  VariabilitätscoOfficienten., 

Mögen  die  männlichen  Nachkommen  jedes  Paares  sich  in  zwei  Gruppen 
spalten,  von  denen  die  eine  unverändert,  dem  Vater  gleich,  die  andere  weiter 
verändert  ist,  und  mögen  diese  in  dem  Verhältnisse  i  :  v  stehen.  Für  drei  auf- 
einanderfolgende Generationen  ergiebt  sich  dann: 

1  +     1 

I      +     y  I     -i- 

I   -\-  V     i-|-v     i-|-v     i-f-v 

In  der  dritten  Generation  hat  man  also  eine  Gruppe  unveränderter,  drei 
Gruppen  einmal,  drei  Gruppen  zweimal  und  eine  Gruppe  dreimal  abgeänderter 
Männchen;  die  Zahlen  der  Männchen  je  einer  dieser  viererlei  Gruppen  stehen 
im  Verhältniss  von  i  :  v :  v^ :  v^.  Also  verhalten  sich  die  unveränderten  zu  den 
einmal,  zweimal,  dreimal  veränderten  Männchen,  wie  1:3V:  ßv^ :  v-l  Man  sieht 
sofort,  wie  das  in  den  folgenden  Generationen  weitergeht.  Für  die  x^e  Generation 
werden  die  Verhältnisszahlen  der  keinmal,  einmal,  zweimal,  .  .  .  bis  xmal  abge- 
änderten Männchen  dargestellt  durch  die  (x  +  i)  Glieder  der  Potenz  (i  +  v)x.  Für 
die  Männchen,  welche  3' mal  abgeändert  haben,  hat  man  also  Xy-v^,  wo  Xy  der  y^e 
Binominalcoefficient  von  x. 

Setzt  man  x  =  10,  v  =  Y,  ^^^^  multiplicirt  mit  2^^,  so  erhält  man  die  vom 
Verf.  auf  Seite  22  gegebenen  Zahlen, 

Zur  Erlangung  dieses  der  einfachsten  Ueberlegung  sich  mühelos  bietenden 
Ergebnisses  hat  der  Verf.  15  Seiten  und  eine  weitschichtige  Rechnung  mit  zehn 
Buchstaben  gebraucht.     Ein  einziger  thut's  auch,  wie  man  sieht. 

Verf.  knüpft  hieran  u.  a.  folgende  Bemerkung:  „Einzig  und  allein  in  dem 
einzigen,  aber  undenkbaren  Falle,  dass  n  der  Einheit  gleich  ist"  (d.  h.  dass  alle 
Männchen  variiren),  „finden  sich  künftighin  nur  veränderte  Formen,  in  allen 
übrigen  Fällen  bleibt  in  einer  guten  Anzahl  Nachkommen  die  alte 
Form  erhalten,"  Verf.  scheint  vergessen  zu  haben,  dass  es  zwischen  2  und  i 
auch  noch  Zahlen  giebt  wenn  auch  keine  ganzen ;  für  alle  diese  zwischen  i  und 
2  liegenden  Werthe  von  n  aber  tritt,  unter  den  Voraussetzungen  des  Verf.,  die 
Zahl  der  unveränderten  Männchen  zurück  gegen  die  der  am  meisten  veränderten. 
Für  n  =  1,5,  (v  =  2  nach  der  oben  gebrauchten  Bezeichnung),  würden  die  vom 
Verf.  gegebenen  Zahlen  in  gerade  umgekehrtem  Sinne  gelten:  unter  3^^  ==  5904g 
Männchen  würden  sich  ein  unverändertes,  20  einmal  veränderte  u.  s.  w.,  dagegen 
5120  neunmal  und  1024  zehnmal  veränderte  finden.  Wäre  59049  die  Zahl  der 
Männchen  in  einem  bestimmten  Gebiete,  und  wären  die  Männchen  hundertmal 
zahlreicher  als  die  Weibchen,  so  würde  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  jenes  eine 
unveränderte  Männchen   eine   Genossin   fände,    nur    ^loo.   die   Wahrscheinlichkeit, 


Kritik  über  Dr.  P.  Krämer. 


673 


class  eins  der  20  einmal  veränderten  Männchen  zur  Paarung  gelangte,  nur  Y5 
sein.  Wahrscheinlich  also  würden  schon  in  der  elften  Generation  alle  unver- 
änderten und  einmal  veränderten  Männchen  verschwunden  sein,  und  so,  selbst 
ohne  Auslese,  nach  und  nach  alle  minder  veränderten  Männchen  aussterben. 

Das  Ergebniss  dieses  zweiten  Abschnittes  ist,  dass,  wenn  keine  besondere 
Auswahl  von  Seiten  der  Weibchen  stattfindet,  —  wir  erinnern  uns,  dass  dies  eine 
der  Vorbedingungen  des  Verf.  war,  —  „ein  Chaos  von  ineinanderfliessenden 
Männchenformen"  entsteht.  Das  aber  steht  „mit  der  Erfahrung  im  schneidenden 
Widerspruch" ;  also  „folgt  nothwendig,  dass  der  Darwinismus  für  die  Ei'klärung 
der  sekundären  Geschlechtscharaktere  nicht  ausreicht."  —  Wir  könnten  uns  des 
Verf.  Vordersätze  wohl  gefallen  lassen  und  nur  bedauern,  dass  sie  auf  so  völlig 
haltlosen  Grundlagen  ruhen;  denn  wahrscheinlich  würde  die  Mehrzahl  der  Natur- 
forscher aus  denselben  Vordersätzen  den  Schluss  ziehen;  also  folgt  nothwendig, 
dass  bei  Entstehung  des  secundären  Geschlechtscharakters  eine  besondere  Aus- 
wahl im  Spiele  gewesen  ist. 

Der  dritte  Abschnitt  der  „mathematischen  Entwickelungen"  erwägt  den  Fall, 
dass  die  Eltern  nur  allmälig  absterben,  sieht  also  ab  von  der  dritten  Vorbedin- 
gung des  ersten  Abschnitts.  Ob  die  Untersuchung  den  verwandten  „umfäng- 
lichen mathematischen  Apparat"  wirklich  verlangt,  wie  Professor  Günther 
glaubt,  möchte  ich  bezweifeln;  jedenfalls  hat  dieser  umfängliche  Apparat  zur 
Folge  gehabt,  dass  Verf.  die  weitschichtige  Rechnung  nicht  über  die  dritte  Gene- 
ration hinausgeführt  hat.  Und  so  kann,  ganz  abgesehen  von  der  Unhaltbarkeit 
der  Voraussetzungen,  das  Ergebniss  dieses  Abschnittes  nicht  einmal  als  mathe- 
matisch bewiesen  betrachtet  werden;  denn  aus  den  ersten  Gliedern  einer  Reihe 
lässt  sich  kein  Schluss  ziehen,  der  über  sie  hinausreicht,  so  lange  nicht  das  Ge- 
setz, nach  welchem  sie  fortschreitet,  erkannt  ist.  Wie  nöthig  diese  von  jedem 
besonnenen  Mathematiker  geübte  Vorsicht  sei,  dafür  liefert  Verf.  in  demselben 
Abschnitte  ein  schlagendes  Beispiel.  Unter  der  Voraussetzung,  dass  „ein  Theil 
der  jedesmal  vorhandenen  Eltern  dreimal  zu  einer  Brut  gelangt  und  das  Absterben 
der  alten  Thiere  dabei  derart  geregelt  ist,  dass  im  Laufe  jeder  Entwickelungs- 
periode  der  dritte  Theil  dieser  ursprünglich  vorhandenen  Thiere  zu  Grunde  geht, 
so  dass  also  ein  Drittel  noch  zur  dritten  Brut  gelangt",  kommt  nämlich  Verf- 
nach  (obendrein  falscher)  Berechnung  von  nur  zwei  Gliedern  der  betreffenden 
Reihe  zu  dem  Schlüsse,  dass  unter  den  genannten  Bedingungen  und  bei  unver- 
änderter Sterbhchkeit  (Vt)  der  Jungen,  die  Fruchtbarkeit  der  Paare  (r) 
mit  der  Zeit  wachsen  mussü!  —  „Doch  lasse  man  dies  noch  einen  Augen- 
blick ausser  Acht",  fügt  der  Verf.  hinzu,  kommt  aber  nie  wieder  auf  diese  Frage 
zurück  und  lässt  so  den  Leser  in  Zweifel,  ob  ihm  überhaupt  klar  geworden,  was 
er  eigentlich  aus  seinen  Formeln  herausgelesen  hat.  Mit  dem  weitschichtigen 
Apparate  des  Verf.  würde  man  Bogen  brauchen,  um  die  auf  flacher  Hand  lie- 
gende Verkehrtheit   seines  Schlusses,   mathematisch   nachzuweisen.     Und  doch  ist 

die   Sache   höchst   einfach.     Die   vom  Verf.  mit   z= — -, — ; — r  bezeichnete    Grösse, 

t  (m+i) 

die  also  der  Fruchtbarkeit  der  Paare  (r)  proportional  ist,  so  lange  m  und  t  sich 
nicht  ändern,  drückt  nichts  anderes  aus,  als  die  Zahl  der  bei  jeder  Brutzeit  neu 
hinzutretenden  Männchen,   verglichen  mit  der  als  Einheit  betrachteten  Gesammt- 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  43 


674 


Kritik  über  Dr.  P.  Kramer. 


zahl  derselben.  Wir  wollen  ebenso  mit  Y  und  X  die  Zahl  der  Männchen  be- 
zeichnen, welche  beziehungsweise  zum  zweiten  oder  dritten  Male  die  Brutzeit  er- 
leben. Dann  ergiebt  sich,  da  von  den  erwachsenen  Männchen  jeder  Brut  ^3  die 
zweite,  Vs  die  dritte  Brut  erleben  sollen,  für  sieben  aufeinanderfolgende  Brutzeiten: 


X. 

Y. 

z. 

I 

2/  1458/ 

73 '2187 

1/  729/ 

'3  —    /2187 

II 

V3  =  ^^72187 

2/  486/ 

'9  /2187 

4/  972/ 

h   /2187 

III 

1/  243/ 

h   '2187 

8/   948/ 

/27  '2187 

10/   1296/ 

/27  /21S7 

IV 

V27  =  ^^   '2187 

32/   864/  ^^ 

'81  —     12187 

37/   999/ 

/81  /2187 

V 

16/   482/ 

/Sl  /2187 

74/   606/ 

/Sl  /2187 

121/    1089/ 

/243  /2187 

VI 

37/    333/ 

/243  /2187 

2421    726/ 

\-i2'i   '2187 

376/    1128/ 

/729        /2187 

VII 

121/    363/ 

'129  /2187 

752/ 

/2187 

1072/ 

/21S7 

Die  Rechnung  ist  leicht  fortzusetzen  und  es  ergiebt  sich,  was  schon  die  vor- 
geführten Glieder  veranschaulichen,  dass  Z  (und  das  ihm  proportionale  r)  keines- 
wegs mit  der  Zeit  wächst,  dass  sich  vielmehr  Gruppen  von  je  drei  Werthen  bilden, 
in  der  Weise,  dass  Zi  <  Zn  <  zni  >  Ziv  <  ZV  <  ZVI  >  ZVii  <  ....  und  dass 
(Zin— ZI)  >  (ZVI- ZIV)  >  (zix—zvii)  >  .  .  .  dass  sich  also  Z  mit  der  Zeit  einem 
Grenzwerthe  nähert,  der,  wie  schon  die  vorstehenden  Glieder  errathen  lassen, 
=  ^/.y  ist;  ebenso  nähert  sich  Y  dem  Werthe  ^/g  und  X  dem  Werthe  Ve.  so  dass 
schliesshch  X  :  Y  :  Z  =  i  :  2  :  3. 

Es  liegt  ja  auf  der  Hand,  sobald  bei  jeder  Brutzeit  gleichviel  frische  Männ- 
chen eintreten,  von  denen  -/s  ^^^^  nächsten,  '/s  zur  übernächsten  Brutzeit  übrig 
bleiben,  dass  dann,  bei  gleichbleibender  Gesammtzahl  das  Verhältniss  der  drei 
Altersklassen  das  eben  angegebene  sein  muss.  Verf.  hat  bei  seiner  Rechnung 
angenommen  (und  dieselbe  Annahme  ist  deshalb  obiger  Tabelle  zu  Grunde^  ge- 
legt), dass  das  Weiterleben  gewisser  Paare  über  die  erste  Brutzeit  hinaus  erst 
gleichzeitig  mit  dem  ersten  Auftreten  der  VariabiHtät  der  Männchen  eingetreten 
sei,  —  eine  äusserst  unwahrscheinliche  Annahme.  Die  weit  natürlichere  An- 
nahme, dass  beim  Eintritt  der  Variabilität  schon  Männchen  von  drei  Altersklassen 
im  Verhältniss  von  3:2:1  vorhanden  gewesen,  würde  die  Rechnung  sehr  ver- 
einfacht, z.  B.  für  Z,  wie  schon  erwähnt,  den  constanten  Werth  V2  gegeben 
haben.  Noch  einfacher  und  thatsächlich  vorkommenden  Verhältnissen  mehr  sich 
nähernd,  wäre  es  wohl  gewesen,  jedes  erwachsene  Männchen  drei  Brüten  erleben, 
jedes  Mal  also  ein  Drittel  der  Gesammtzahl  neu  hinzutreten  zu  lassen  ^). 

i)  Verf.  findet  richtig  für  die  erste  Brutzeit  Z  :=  '/^,  für  die  zweite  aber  nicht  Z  =  */^,  sondern 

— 2  -|-  V^io 

Z  =  .     Obwohl  er  nämlich  selbst  ausrechnet,  dass  für  aufeinander  folgende  Brüten  der  Werth 

3  ' 

von  Z  =  — ; ; ^^  sich   ändert,   obwohl   er   also   diese   verschiedenen  Werthe   in   demselben   Ausdrucke 

t  (I    +   m) 

nicht   mit    demselben  Buchstaben   hätte   bezeichnen  dürfen,   hat    er   dies    doch   gethan    in  den  S.   27  aufge- 
stellten Ausdrücken.    —    Ein   starkes  Stück    für   einen    preussischen   Oberlehrer!    —   Daher  jener    Irrthum. 

Führt  man  statt  — ; den  Buchstaben  Z  ein,  und  bezeichnet  die  dem  verschiedenen  Alter  der  Thiere 

t  (I    +  m) 

entsprechenden    beiden  Werthe    durch  Z'  und  Z",    so    erhält  man  zur  Bestimmung  von  Z"  die  Gleichung  : 

am       2am 

am  = 1 (Z'  +  Z")  +  am  Z'  Z",  oder:  -/.,  (Z'  +  Z")  +  Z'  Z"  =  7^,  also,  da  Z'  =  Vj,  ist,  Z"  =  «/y. 


Kritik  über  Dr.   P.  Kramer. 


675 


Ich  halte  cün,  um  die  l.cscr  nii^ht  zu  ermüden.  Die  noch  folgenden  Ab- 
schnitte der  „mathematischen  Entwickelungen"  sind  den  vorangehenden  eben- 
bürtig. Als  Beweis  genüge  ein  einziges  Beispiel  aus  dem  VI.  Abschnitte,  der 
überhaupt  durch  unglaubliche  Naivität  —  bezeichnendere  deutsche  Ausdrücke 
sind  unparlamentarisch  —  sich  auszeichnet.  Bilden  die  Weibchen  in  der  ersten 
Generation  2,  in  der  zweiten  4  =  2^  in  der  dritten  8  =  2^  in  der  vierten  16  =  2* 
Gruppen  —  so  weit  geht  die  Berechnung  des  Verf.  — ,  von  denen  immer  die 
Hälfte  schwächlich,  die  Hälfte  kräftig  sind,  und  „sind  1000  Entwickelungsperioden 
verflossen,  so  hat  man  schon  looi  verschiedene  Gruppen  unter  den  schwächlichen 
Weibchen,  und  ebenso  1001  verschiedene  Gruppen  unter  den  kräftigen  Weibchen 
der  letztgenannten  Generation."  Seit  wann  ist  2^^'^'^=  2  X  looi  ?  —  Man  meint 
in  100 1  Nacht  zu  lesen,  statt  in  „mathematischen  Entwickelungen"  eines  preuss- 
ischen  Oberlehrers.  — 

Dem  mathematischen  Theile  der  Schrift  schliessen  sich  drei  weitere  Capitel 
an,  in  denen  ich  Nichts  finde,  was  der  Beachtung  und  Besprechung  werth  wäre. 
Sie  enthalten  weder  neue  Thatsachen,  noch  Gedanken.  Wenn  im  zweiten  Capitel 
Verf.  an  „Beispielen  zum  Schlussverfahren  Darwinistischer  Schriftsteller"  nachzu- 
weisen sucht,  wie  schlecht  es  mit  deren  Logik  bestellt  sei  (dabei  inanchen  Miss- 
verständnissen verfallend,  wie  bei  zweien  der  drei  Beispiele,  die  er  der  Schrift 
des  Ref.  „Für  Darwin"  entlehnt),  so  räume  ich  für  meinen  Theil  willig  ein,  dass 
mich  der  Darwinismus  anfangs  zu  manchem  übereilten  Schluss,  zu  manchem  un- 
haltbaren Erklärungsversuche  verlockt  hat;  zum  Glücke  habe  ich  sie  meist  für 
mich  behalten.  Anderen  mag  es  ähnlich  gegangen  sein.  Man  darf  uns  wohl 
verzeihen,  dass  uns  bisweilen  das  neue  Licht  geblendet,  die  neue  Erkenntniss 
berauscht  hat.  Aber  was  haben  einzelne  Irrthümer,  Fehlschlüsse,  Uebertreibungen 
seiner  Anhänger  zu  thun  mit  der  Wahrheit  des  Darwinismus?  Und  was  bedeutet 
die  Bemängelung  einzelner  misslungener  Erklärungsversuche  durch  Herrn  Ober- 
lehrer Dr.  Paul  Kram  er  in  Schleusingen,  gegenüber  den  Tausenden  von  That- 
sachen, welche,  den  gesammten  Inhalt  weiter  Wissensgebiete  umfassend,  nur  von 
der  Abstammungslehre  und  vom  Darwinismus  aus  zu  verstehen  sind  ? 

Itajah}',  Septemb(>r   1878. 


43' 


Phryganiden-Studien  ^). 

(Mit  einer  Einleitung  von  Herrn.  Müller.) 
Mit  3   Textfiguren. 

I .  Einleitung. 

Zur  Feier  des  Tages,  an  welchem  unser  verehrter  Meister  Charles  Darwin 
sein  siebenzigstes  Lebensjahr  vollendet,  überreiche  ich  der  dem  Ausbau  seiner 
Entwickelungslehre  gewidmeten  Zeitschrift  einige  Aufsätze  meines  Bruders  Fritz 
Müller  über  eine  Insektenfamilie,  welche  gerade  jetzt  im  Lichte  dieser  Lehre 
einem  eingehenden  Verständnisse  sich  zu  eröffnen  verspricht.  Es  ist  die  P'amilie 
der  Haarflügler  (Trichoptera)  oder  Frühlingsfliegen  (Phryganiden).  Ich  hoffe  im 
Interesse  der  Leser  dieser  Aufsätze  zu  handeln,  wenn  ich  den  wesentlichsten  In- 
halt der  im  ersten  derselben  erwähnten  Speyer'  sehen  Abhandlung  hier  wiedergebe. 

Mein  Freund  Dr.  A.  Speyer,  der  schon  im  Jahre  1839  in  Oken's  „Isis" 
(S.  94)  eine  wahre  Verwandtschaft  zwischen  Lepidopteren  und  Pryganiden  be- 
hauptet hatte,  war  auch  der  Erste,  der  sich  fast  30  Jahre  später  durch  die  Dar- 
win'sehe  Theorie  und  durch  die  Stammbaum-Entwürfe  Haeckel's,  in  denen 
über  die  Abstammung  der  Schmetterlinge  eine  bestimmte  Ansicht  nicht  gewagt 
worden  war,  veranlasst  fand,  eine  genauere  anatomische  und  physiologische  Ver- 
gleichung  der  Eigenthümlichkeiten  beider  Gruppen  zur  weiteren  Begründung  seiner 
Ansicht  ins  Auge  zu  fassen.  Wenn  er  auch  leider  mitten  in  seinen  Unter- 
suchungen, durch  ein  dauerndes  Augenleiden  genöthigt,  abbrechen  musste,  so 
genügen  doch  die  von  ihm  angestellten  und  in  dem  hier  citierten  Aufsatze  mit- 
getheilten  Vergleichungen  wenigstens,  um  es  im  höchsten  Grade  wahrscheinlich 
zu  machen,  dass  die  Ordnung  der  SchmetterHnge  entweder  von  den  Frühlings- 
fliegen oder  von  ihnen  nahe  stehenden,  wenig  verschiedenen  Stammeltern  der- 
selben abstammt.  Denn  fast  sämmtliche  Eigenthümlichkeiten  des  Körperbaues 
und  der  Lebensweise  der  Frühlingsfliegen  kommen  auch  theils  den  Schmetter- 
lingen überhaupt,  theils  gewissen,  den  Phryganiden  am  nächsten  stehenden 
Schmetterlingen  zu. 

Den  Schmetterlingen  im  Allgemeinen  sind  mit  den  Frühlingsfliegen  gemein : 
Gestalt  und  Grössenverhältnisse  des  Kopfes  und  der  drei  Brustringe,  die  schmale 
Vorderbrust,   die   am    meisten    ausgebildete  Mittelbrust,    die   Form    und    Zahl    der 

I)  Kosmos  1878/79.  Bd.  IV.  S.  386—396. 


Phryganiden-Studien.  577 

Ringe  des  Hinterleibes,  der  beim  Männchen  ähnlich  gebildete  Organe  zum  Fest- 
halten bei  der  Begattung  trägt,  Beine  mit  dicht  zusammenstossenden  Hüften  und 
fünf  Fussgliedern,  Umriss  und  Bau  der  Flügel,  vielgliedrige,  in  der  Regel  lange, 
borstenförmige  Fühler,  dreigliedrige  Lippentaster,  ungetheilte  Unterlippe,  zu, kaum 
sichtbaren  Rudimenten  verkümmerte  Oberkiefer,  im  Wesentlichen  gleiche,  voll- 
kommene Umwandlung,  vegetabilische  Nahrung,  vvurmförmige,  dreizehnringlige 
Larven  mit  abgesondertem,  hornigem  Kopfe,  und  drei  Paar  vier-  bis  sechsglie- 
drigen,  hornigen  Brustfüssen,  als  Mundtheile  der  Larven  eine  quere,  eingekerbte 
oder  zweilappige  Oberlippe,  starke,  feste,  meist  gezähnelte  Oberkiefer,  kegel- 
förmige, gegliederte,  tastertragende  Unterkiefer,  welche  die  Unterlippe  zwischen 
sich  fassen  und  mit  ihr  die  Mundhöhle  von  unten  schliessen,  an  der  Unterlippe 
zwei  Lippentaster  und  zwischen  ihnen  die  Spindel,  in  denen  die  Spinngefässe 
münden. 

Als  besonders  auffallende  Eigenthümlichkeiten  der  Frühlingsfliegen,  die  auch 
bei  gewissen,  ihnen  am  nächsten  stehenden  Faltern  sich  finden,  seien  hier  noch 
ferner  hervorgehoben :  Das  Leben  der  durch  Kiemen  athmenden  Larven  im 
Wasser,  das  Sich-Bergen  derselben  in  selbstverfertigten  röhrigen ~, Hülsen ,  aus 
denen  die  Brustfüsse  zum  Kriechen  vorgestreckt  werden,  während  sich  das  Ende 
des  Körpers  durch  Nachschieber  oder  Häkchen  an  die  Röhre  anklammert,  das 
Verpuppen  in  diesen  Wohnungen,  die  bisweilen  schneckenhausförmige  Gestalt 
derselben  (bei  Psj^che  helix  unter  den  Faltern,  bei  Flelicopsyche  unter  den  Früh- 
lingsfliegen), die  Flüg'elfaltung  in  der  Ruhe,  die  Art  des  Fliegens  und  am  Boden 
Hinrutschens,  die  oft  rudimentäre  Beschaffenheit  der  Mundtheile,  die  Bekleidung 
der  Flügel  mit  Härchen,  die  sehr  locker  in  die  Flügelmembranen  eing"epflanzt 
sind,  fünf-  oder  sechsgliedrige  Kiefertaster,  Puppen  mit  frei  abstehenden  Scheiden 
der  äusseren  Organe. 

Durchgreifend  verschieden  sind  die  Phryganiden  von  den  Lepidopteren  nur 
durch  die  Gebrauchsfähigkeit  der  Beine  gegen  Ende  des  Puppenzustandes 
und  durch  die  Umbildung  ihrer  während  des  Jugendzustandes  (wie  bei  den 
Schmetterlingen)  beissenden  Mundtheile  zu  Schöpf-  und  Leckorganen.  Während 
sich  nämlich  bei  den  Schmetterlingen  die  Unterkiefer  zu  hornigen  Halbrinnen 
gestalten,  die  sich  zu  einem  aufrollbaren  Saugrohr  zusammenlegen,  bilden  sich 
bei  den  Frühlingsfliegen  die  Mundtheile  durch  Verschmelzung  von  Unterkiefer 
und  Unterlippe  zvi  einer  rinnen  form  igen  Schnauze,  die  Flüssigkeiten  nur  schöpfen 
oder  lecken  kann.  Dagegen  finden  sich  die  beiden,  den  Lepidopteren  eigen- 
thümlichen,  die  Wurzel  der  Vorderflügel  bedeckenden  Anhänge  (Schulterdecken, 
tegulae)  in  unvollkommener  Entwickelung  auch  schon  bei  den  Phryganiden,  und 
das  Flügelgeäder  der  letzteren,  welches  man  bei  oberflächlicher  Betrachtung  auch 
als  einen  durchgreifenden  Unterschied  derselben  von  den  Lepidopteren  hätte 
geltend  machen  können,  beweist  ja,  wie  aus  den  vorliegenden  Beobachtungen 
meines  Bruders  hervorgeht,  die  Abstammung  der  Schmetterlinge  von  den  Früh- 
lingsfliegen oder  nahen  Verwandten  derselben  gerade  in  der  unzweideutigsten 
Weise. 

Als  den  Frühlingsfliegen  noch  am  nächsten  stehende  Schmetterlinge  sind 
nach  Speyer  Psychiden,  Tineinen,  Hepialiden  und  besonders  Mikropteryginen, 
als  am  weitesten  von  ihnen  entfernte  die  Tagfalter  zu  betrachten. 

Lippstadt,  Januar  1879.  H er m.  Müller. 


5^8  Phryganiden-Studien. 

2.    Die  Flügeladern  der    Phr3-ganiden  und  der  Schmetterlinge. 

Auf  die  nahe  Verwandtschaft  der  Haarflügler  (Trichoptera)  oder  Frühlings- 
fliegen (Phryganiden)  und  der  Schmetterlinge  ist  schon  —  selbst  in  vordarwinischer 
Zeit,  ehe  noch  dabei  an  wirkliche  Verwandtschaft  gedacht  wurde  —  vielfach  hin- 
gewiesen worden. 

In  neuerer  Zeit  hat  mein  Bruder  FTej-mann  Müller  die  Abstammung  der 
SchmetterUnge  von  den  Haarflüglern  zu  tegründen  versucht,  besonders  aber  ist 
die  nahe  Verwandtschaft  dieser  beiden  Gruppen  aufs  Entschiedenste  betont  wor- 
den einerseits  von  einem  bewährten  Meister  der  Schmetterlingskunde,  Dr.  A.Speyer, 
dessen  Abhandlung  „Zur  Genealogie  der  Schmetterlinge"'  (in  der  Stettiner  ento- 
mologischen Zeitung  von  1869)  das  Beste  ist,  was  bis  jetzt  über  diesen  Gegen- 
stand gesehrieben  wurde,  andererseits  von  dem  eifrigsten  Forscher  auf  dem  Ge- 
biete der  Haarflügler,  Mr.  R.  Mac  Lachlan^). 

Mac  Lachlan  bemerkt,  dass  die  Anordnung  des  Flügelgeäders  durchaus 
nicht  unverträglich  sei  mit  einer  solchen  nahen  Verwandtschaft,  und  Dr.  Speyer 
hebt  hervor,  dass  zwischen  dem  Flügelgeäder  gewisser  Hepiahden  und  Cossiden 
unter  den  Schmetterlingen  und  dem  von  Ptilocolepus  und  Rhyacophila  unter  den 
Haarflügeln  „nicht  nur  Uebereinstimmung  in  den  wesentlichsten  Punkten,  sondern 
eine  bis  in  Detail  gehende  Aehnlichkeit  stattfindet."  Beide  aber  unterlassen  es, 
diese  Uebereinstimmung  des  Flügelgeäders  im  Einzelnen  nachzuweisen.  Ich  will 
versuchen,  dies  nachzuholen  und  dadurch  für  die  Zusammengehörigkeit  der  beiden 
Gruppen  einen  neuen  Beweis  liefern. 

Im  ersten  Bande  des  „Kosmos"  (S.  390)  -)  findet  sich  das  Flügelgeäder  von 
zwei  jungen  Schmetterlingspuppen  abgebildet.  Von  dem  der  fertigen  Schmetter- 
linge unterscheidet  es  sich  dadurch,  dass  i)  alle  Queradern  noch  vollständig  fehlen, 
dagegen  2)  verschiedene  Längsadern,  die  später  mehr  oder  weniger  vollständig 
schwinden,  noch  in  ganzer  Länge  vorhanden  sind.  Nach  Haeckel's  „biogene- 
tischem Grundgesetze"  darf  man  in  diesem  Puppengeäder  einen  ursprünglichen 
Zustand  erblicken.  Dies  giebt  einen  einfachen  Weg  an  die  Hand  zur  Vergleichung 
des  flügelgeäders  der  Schmetterlinge  und  Haarflügler.  Man  wähle  einen  Schmetter- 
ling mit  möglichst  unverstümmelten  Längsadern  und  zeichne  das  Geäder  mit 
Hinweglassung  aller  Queradern. 

Von  Haarflüglern  habe  ich  zu  diesem  Behufe  gleich  den  ersten  in  Kole- 
n  a  t  i '  s  Monographie  zur  Erläuterung  des  Geäders  abgebildeten  Oberflügel  ge- 
nommen   (von  Glyphidotaulius   umbraculum    Kol.),   von    den    Schmetterlingen   den 


i)  In  England  pflegt  man  die  Haarflügler  als  besondere  Ordnung  zu  betrachten,  in  Deutschland 
reiht  man  sie  als  Familie  der  Phryganiden  den  Netzflüglern  ein  und  stellt  diese  Ordnung  und  die  Schmetter- 
linge meist  so  ziemlich  an  die  entgegengesetzten  Enden  der  Insektenklasse.  In  Bezug  auf  diese  Anord- 
nung unterschreibe  ich,  was  Mac  Lachlan  sagt:  „Ich  erhebe  nachdrücklichen  Protest  gegen  eine  so 
weite  Trennung  der  beiden  Geschlechter,  in  Anbetracht,  dass,  welches  auch  das  Verhältniss  der  Haar- 
flügler zu  den  anderen  L  i  n  n  c '  sehen  Gruppen  der  Netzflügler  sein  mag,  ihre  Verwandtschaft  zu  den 
Schmetterlingen  eine  nahe  ist,  und  dass  ein  Versuch,  sie  so  weit  von  einander  zu  entfernen,  eine  Belei- 
digung für  Beide  ist  (Linnean  Soc.  Journ.  Zool.  Vol.  XI.  p.   loo). 

2)  Ges.  Schriften  S.  587, 


Phryganiden-Studien . 


679 


im  „Kosmos"  (Bd.  1,  S.  389)  ^)  dargestellten  Oberflügel  der  Castnia  Ardalus.    Ausser 
den  Queradern  sind  auch  die  Innenrandsadern  weggelassen. 

Man  erkennt  sofort  die  vollständige  Uebereinstimmung  in  Zahl  und  Ver- 
ästelung der  Adern.  Dem  Vorderrande  zunächst^  eine^ieinfache -Ader  {sc)  (Sub- 
costa  der  Haarflügler,  Costaiis  der  Schmetterlinge).  Dann  ein  Stamm  (Subcostalis 
der  Schmetterlinge),  der  sich  in  zwei  Aeste  spaltet,  einen  vorderen  einfachen 
{r  sc)  (ramus  radii  subcostalis  der  Haarflügler,  erster  Ast  der  Subcostalis  bei  den 
Schmetterlingen  genannt),  und  einen  hinteren,  zweimal  gabelig  gespaltenen  (r  d) 
(ramus  radii  discoidalis  der  Haarflügler,  2.  bis  5.  Ast  der  Subcostalis  bei  den 
Schmetterlingen).     Dann  folgt  eine  dritte  Hauptader  {y  th),   die  sich  in  einen  vor- 


1.  Vorderflügel  von  Glyphidotaulius  umbraculum  Kol.  (Nach  Kolenati,  Gener.  et  spec.  Trichopt. 
pars  I.    1848.  Tab.  I.  Fig.    i   A). 

2.  Vorderflügel  von  Castnia  Ardalus  Dalm.  (Nach  „Kosmos",  Bd.  I.  1877.  S.  389  ==  Ges.  Schriften 
S.  586.) 

In  beiden  Flügeln  sind  die  Innenrandsadern  und  Queradern  weggelassen. 

deren  gegabelten  und  hinteren  einfachen  Ast  spaltet  (ramus  thyrifer  der  Haar- 
flügler, bei  den  Schmetterlingen  heissen  die  beiden  Aeste  der  Gabel  Discoidal- 
rippen,  der  einfache  hintere  Ast  wird  als  dritter  Ast  der  Mediana  bezeichnet; 
doch  hatte  mich  schon  das  Puppengeäder  von  Siderone  Ide  gelehrt,  dass  er  zur 
Discoidalis  gehört).  Endlich  ein  vierter  Hauptast  {r  cf)  mit  zwei  Endzweigen 
(ramus  clavalis  der  Haarflügler,  JMediana  oder  Subdorsalis  der  Schmetterlinge). 

Dass  nicht  jeder  beliebige  Schmetterling,  mit  jedem  beliebigen  Haarflügler 
verglichen,  eine  so  vollständige,  so  auf  den  ersten  Blick  erkennbare  Ueberein- 
stimmung  zeigt,   bedarf   wohl   kaum    besonderer  Erwähnung.     Doch   sind   in  der 

I)  Ges.  Schriften  S.  58b. 


58o  Phryganiden-Studien. 

Regel  etwaige  Abweichungen  unschwer  auf  die  hier  dargestellte  Grundform 
zurückzuführen.  Umgekehrt  aber  steht  auch  Castnia  keineswegs  unter  allen 
Schmetterlingen  in  ihrem  Flügelbaue  den  Haarflüglern  am  nächsten.  Weit  enger 
schliesst  sich  diesen  Hepialus  an  in  der  Gestalt  der  Flügel,  in  dem  Vorhanden- 
sein einer  Querader,  welche  nahe  der  Flügelwurzel  bei  den  Haarflüglern  Costa 
und  Subcosta  verbindet,  sowie  eines  häutigen  Anhanges  am  Innenrande  der 
Flügelwurzel,  besonders  aber  dadurch,  dass  die  Hinterflügel  denselben  Aderlauf 
wie  die  Vorderflügel  zeigen,  während  bei  Castnia  und  den  meisten  anderen 
Schmetterlingen,  statt  der  elf  in  den  vorstehenden  Figuren  gezeichneten  .Vdern 
der  Vorderflügel,  die  Hinterflügel  ^)  nur  sieben  besitzen. 
Itajahy,  September  1878. 

3.  Wasserthiere  in  den  Wipfeln  des  Waldes. 

An  einem  heissen  Sommertage  stand  ich  —  vor  mehr  als  25  Jahren  —  mit 
einem  Freunde  unter  einem  Urwaldsbaume,  gegen  dessen  eisenharten  Stamm  wir 
unsere  Aexte  wohl  schon  eine  Stunde  lang  schwangen.  Dieser  Arbeit  noch 
wenig  gewohnt,  begannen  meine  Arme  zu  erlahmen,  und  einen  Augenblick  aus- 
ruhend, Hessen  wir  die  Aexte  sinken.  Da,  horch,  fallen  rings  um  uns  schwere 
Tropfen  nieder  aus  der  hohen  Krone  des  Baumes.  „Der  Baum  fängt  an  zu 
weinen",  rief  mein  Freund,  „er  kommt!"  Und  kaum  hatte  er  noch  einige  wichtige 
Hiebe  geführt,  da  begann  auch,  unter  lautem  Aechzen,  der  stolze  Stamm  sich 
langsam  doch  sichtlich  zu  neigen  und  in  beschleunigtem  Falle  schmetterte  er 
krachend  zur  Erde.  —  Wie  manches  Mal  habe  ich  seit  jenem  Tage  die  Thränen 
aufathmend  begrüsst,  mit  denen  ein  Urwaldriese  seinen  nahen  Fall  beweinte! 

Die  Aeste  fast  aller  grösseren  Bäume  sind  hier  reichlich  bewachsen  mit 
ananasähnlichen  Pflanzen  (Bromeliaceen),  zwischen  deren  stachlichen,  am  (jrunde 
oft  bauchigen  Blättern  das  Regenwasser  sich  sammelt.  Sind  diese  nie  völlig 
trockenen  Wasserbehälter  bis  zum  Rande  gefüllt,  so  giebt  ihr  Ueberfliessen  die 
erste  Kunde  von  dem  sonst  noch  unmerklichen  Weichen  des  Baumes  aus  seiner 
Gleichgewichtslage. 

Ausser  dem  Wasser  sammeln  sich  zwischen  den  Blättern  der  Bromelien 
dürres  Laub,  Holzstückchen,  Blüthen,  Früchte,  Samen,  die  hineinfallen  oder  von 
Wind  oder  Vögeln  hineingetragen  werden.  Vermodernd  mögen  sie  zur  Er- 
nährung der  Bromelien  beitragen.  Es  sammelt  sich  ferner,  theils  zwischen  den 
stachligen  Blättern  Schutz,  theils  zwischen  jenen  pflanzlichen  Abfällen  Nahrung 
suchend,  eine  ziemlich  mannigfaltige  Gesellschaft  von  Thieren.  —  Ausserhalb  des 
Wassers  Asseln,  Tausendfüsse,  Spinnen,  Ameisen  (namentlich  verschiedene  Pone- 
riden),  Landplanarien  u.  s.  w.  —  Im  Wasser  Käfer,   Blutegel    (eine   der  deutschen 


I)  Die  Herren  Insektenbeschreiber,  die  bereits  hunderte  von  Bänden  mit  unnützem  Baliast  i^efüllt 
haben,  haben  nicht  nur  in  jeder  Insektengruppe  eine  eigene  Namengebung  für  die  Adern  unh  Zellen  der 
Flügel  eingeführt,  sie  haben  bisweilen  sogar  bei  Vorder-  und  Hinterflügel  derselben  Thiere  entsprechende 
Adern  mit  verschiedenen,  verschiedene  mit  gleichen  Namen  belegt.  So  bei 'den  Haarflüglern.  Der  ramus 
thyrifer  der  Vorderflügel  heisst  bei  Kolenati  ramus  subdiscoidaHs  im  Hinterflügel,  der  ramus  clavalis 
der  Vorderflügel  heisst  im  Hinterflügel  cubitus  ;  diesen  selben  Namen  cubitus  führen  im  Vorderflügel  die 
Innenrandsadern,  welche  im  Hinterflügel  costulae  genannt  werden! 


Phryganiden-Studien.  5g  I 

Clepsine  bioculata   ähnliche  Art),   kleine  Frösche   und  deren  Kaulquappen,   sowie 
verschiedene  Larven  von  Fliegen,  von  Wasserjungfern  und  anderen  Kerfen  '). 

Zu  diesen  seit  Jahren  mir  bekannten  Bewohnern  der  Bromelien  habe  ich 
heute  einen  recht  merkwürdigen  neuen  gefunden,  der  mich  besonders  deshalb 
erfreute,  weil  ich  ausdrücklich  ausgezogen  war,  ihn  zu  suchen  -).  Es  begegnet 
einem  nicht  oft,  dass  man  sich  vorsetzt,  ein  bestimmtes  unbekanntes  Thier  zu 
entdecken  und  es  wirklich  auch  entdeckt.  Seit  Monaten  hatte  ich  unsere  fliessen- 
den und  stehenden  Gewässer  eifrigst  nach  Larven  von  Frühlingsfliegen  (Phry- 
ganiden)  durchsucht  und  etwa  ein  halbes  Schock  verschiedener  Arten  zusammen- 
gebracht. Da  fiel  mir  ein:  sollten  nicht  ebenso  gut,  wie  Wasserjungfern,  auch 
Phryganiden  als  Larven  in  dem  Wasser  der  Bromelien  leben  können?  Mit  dem 
Waldmesser  bewaffnet  ging  ich  sofort  in  meinen  Wald  und  hatte  wohl  kaum 
ein  Dutzend  Bromelien  abgehauen  und  untersucht,  als  ich  auf  das  erste  ganz 
eigenartige  Phryganidengehäuse  stiess.  Ich  habe  deren  jetzt  elf  vor  mir.  — 
Man  hätte  sich  eigentlich,  was  ich  freilich  nicht  gethan,  im  Voraus  sagen  können, 
wie  sie  etwa  aussehen  würden.  Sand  und  Steine,  woraus  unsere  meisten  Arten 
bauen,  giebt  es  in  den  Wipfeln  des  Urwaldes  nicht;  nur  dürres  Laub  steht  da 
reichlich  zur  Verfügung.  Ferner  wäre  die  gewöhnliche  drehrunde  Form  der 
Phryganidengehäuse  höchst  unbequem  gewesen  in  den  engen  Räumen,  zwischen 
breiten,  ziemlich  dicht  aneinander  liegenden  Blättern,  ganz  ebenso  wie  unter  Baum- 
rinde, wo  daher  vorwiegend  flach  gedrückte  Thiere  hausen.  So  sind  denn  die 
bis  15  mm  langen,  4  mm  breiten  Gehäuse  nicht  drehrund,  sondern  kaum  halb 
so  hoch  als  breit,  mit  scharfen  Seitenkanten,  so  dass  der  Querschnitt,  wie  der 
einer  Linse,  von  zwei  ziemlich  gleich  gewölbten  Bogen  gebildet  wird.  Die  Bauch- 
seite des  Gehäuses  besteht  meist  aus  fünf,  die  über  die  vordere  Oeffnung  vor- 
springende Rückenseite  aus  sechs  Blattstückchen,  von  denen  jedes  mit  einem 
Hinterrande  den  Vorderrand  des  vorhergehenden  deckt.  Am  hinteren  Ende 
liegen  Rücken-  und  Bauchwand  dicht  aneinander. 

Was  ich  für  mehrere  andere  Bewohner  der  Bromelien  nur  vermuthe,  glaube 
ich  für  diese  Phr3^ganidenlarve  mit  ziemlicher  Sicherheit  aussprechen  zu  können, 
dass  sie  nämlich  in  diesem  Wasser  über  der  Erde,  in  den  Wipfeln  der  Bäume, 
ihren  ausschliesslichen  Wohnsitz  habe,  und  ich  glaubte  aus  diesem  Grunde  auf 
sie  als  ein  der  Beachtung  werthes  Thier  aufmerksam  machen  zu  dürfen.  Denn 
nicht  nur  ist  sie  mir  bis  jetzt  in  unseren  fliessenden  und  stehenden  Gewässern 
nirgends  begegnet,  sondern  es  ist  auch  die  Gestalt  ihres  Gehäuses  dem  eigen- 
thümlichen  Aufenthaltsorte  trefflich  angepasst.  Sie  hat  in  unseren  Bächen  und 
stehenden  Gewässern  einen  nahen,  ziemlich  seltenen  Verwandten,  dessen  in  ähn- 
licher Weise  aus  Blättern  gebautes  Haus  bedeutend  grösser  und  minder  regel- 
mässig aus  weniger  zahlreichen  Blattstücken  zusammengefügt  ist.  Ich  besitze 
ein  solches  Gehäuse  von  4  cm  Länge  bei  6  cm  ^)  Breite  im  Lichten,  aus  zwei 
oberen  und  zwei  unteren  Blattstücken  bestehend,  von  denen  eines  2  cm  breit  ist, 
also  seitlich  weit  über  den  inneren  Raum  des  (xehäuses  hinausragt. 


i)  Anm.  d.  Red.     Dass    diese    Nalur- Aquarien    sich    zuweilen    auch    mit  Blumen    schmücken,    die 
ihnen  eigenthümlich  sind,   wurde  in   „Kosmos"   (Bd.  I.  S.   80)   erwähnt. 

2)  Siehe  Ges.  Schriften  S.  720. 

3)  Heisst  wohl  mm,  s.  auch  Taiel   LIV,  fig.   16.     Der  Herausgeber. 


582  Phrj'ganiden-Studien. 

Wenn  einmal  eine  Phryganide  mit  solchen  aus  Blättern  bauenden  Larven 
zufällig  ihre  Eier  in  das  Wasser  der  Bromelien  absetzte,  so  konnte  wohl  hier 
ihre  Brut  weit  leichter  als  die  anderer  Arten  mit  anderen  Gewohnheiten  sich  er- 
halten und  mit  der  Zeit  den  neuen  Verhältnissen  noch  enger  sich  anpassen ;  für 
die  meisten  von  unseren  Arten,  deren  Larven  nur  in  reinem,  rasch  flicssendem 
Wasser  gedeihen,  wäre  eine  solche  Uebersiedelung  unmöglich. 

Wenn  für  die  Puppen  der  Haarflügler  die  Stunde  der  Erlösung  gekommen 
ist,  durchnagen  sie  mit  scharfen  Kinnbacken  den  Verschluss  ihres  engen  Ge- 
fängnisses und  schwimmen  an  die  Oberfläche  des  AVassers,  um  hier  oder  auch  ausser- 
halb des  Wassers  ihre  Puppenhaut  abzustreifen.  Als  Schwimmbeine  dienen  ihnen  da- 
bei hauptsächlich  die  Mittelbeine,  deren  Füsse  mit  einer  Doppelreihe  langer  Wimpern 
besetzt  sind;  ähnlich  sind  bisweilen  auch  die  Vorderbeine  ausgerüstet,  während 
die  wimperlosen  Hinterbeine  beim  Schwimmen  unthätig  dem  Hinterleibe  anliegen. 
Die  Bewimperung  der  Beine  ist  bei  verschiedenen  Arten  verschieden  lang  und 
dicht,  über  eine  verschiedene  Zahl  von  Fussgliedern  ausgedehnt,  fehlt  aber,  soviel 
mir  bekannt  keiner  der  in  Bächen  und  Teichen  lebenden  Arten.  Dagegen  ist 
diese  Ausrüstung  zum  Schwimmen  den  Bewohnern  der  Bromelien  vollständig 
verloren  gegangen;  ihre  Beine  sind  ganz  wimperlos.  Sie  bedürfen  des  Schwim- 
mens  nicht,  um  an  die  Luft  zu  gelangen  und  hätten  zwischen  den  einander 
umschliessenden  Blättern  der  Bromelien  nicht  einmal  Raum  dazu. 

Das  Fortbestehen  der  Bewimperung  ihrer  Mittelbeine  dürfte  den  Puppen 
der  Bromelien-Bewohner  kaum  einen  merklichen  Nachtheil  gebracht  haben ;  eben- 
sowenig scheint  es  wahrscheinlich,  dass  das  Auftreten  unbewimperter  Beine  durch 
die  veränderten  Lebensbedingungen  hervorgerufen  oder  begünstigt  worden  sei. 
Auch  bei  anderen  Haarflüglern  dürften  bisweilen,  als  Rückschlag  in  eine  längst 
vergangene  Zeit,  unbewimperte  Beine  auftreten ;  allein  bei  ihnen  müssen  solche 
des  Schwimmens  unfähige  Puppen  zu  Grunde  gehen,  ohne  Nachkommen  zu 
hinterlassen.  In  den  Bromelien  dagegen  wirkt  solchem  Rückschlage  keine  Aus- 
lese entgegen  und  die  unbewimperte  Urform  der  Beine  konnte  auf  diese  Weise 
allmälig  wieder  zur  Alleinherrschaft  gelangen.  Dass  sie  es  gethan,  ist  ein  Beweis 
dafür,  dass  die  Puppen  schon  seit  lange  an  Orten  heimisch  sind,  w^o  der  Mangel 
der  Schwimmfähigkeit  ihnen  keinen  Nachtheil  brachte. 

Noch  ein  zweiter  Bewohner  unserer  Bromelien  scheint  besonderer  Beach- 
tung würdig,  ein  kleiner  Laubfrosch,  mit  Füssen  ohne  Schwimmhaut.  Er  trägt 
nämlich,  wie  die  berühmte  Wabenkröte,  seine  verhältnissmässig  sehr  grossen 
Eier  auf  dem  Rücken;  bei  einem  solchen  Fröschchen,  welches  ich  lebend  vor 
mir  habe,  füllen  neun  Eier  die  ganze  Länge  der  Breite  des  Rückens  von  den 
Schultern  bis  zum  Hinterende  ^j. 

Itajahy,  September  1Ö78. 

4.  D  i  c  G  r  u  m  i  c  h  a  -'). 
Unter   dem   Namen  Grumicha   hat   Aug.   S a i n  t -  H i  1  a i  r e   Larvengehäuse 
einer   Frühlingsfliege    aus   Flüssen    Brasiliens    beschrieben :   Röhren    aus   hartem, 


i)  Siehe  Ges.  Schriften  S.  776. 

2)  Siehe  Ges.  Schriften  S.  705,  Tafel  LIII,  Fig.  8. 


Phryganiden-Studien  58  ^ 

hornähnlichoni  Stoffe,  glatt,  glänzend,  schwarz  wie  Ebenholz,  leicht  gekrümmt 
und  allmälig  verjüngt,  wie  ein  Hörn.  Solche  Gehäuse  kommen  auch  in  den 
Zuflüssen  des  Itajahy  vor,  wo  diese  in  steinigem  Bette  rasch  dahinf Hessen,  und 
zwar  zwei  Arten,  eine  kleinere,  nur  8  bis  lo  mm  lang,  wurde  erst  in  einem  ein- 
zigen kleinen  Bergbache  getroffen  (Affenwinkel  in  Blumenau);  eine  grössere, 
zwei-  bis  dreimal  so  lang,  lebt  stellenweise  häufig  in  grösseren  Bächen  (Garcia, 
Warnow,  Neisse). 

Die  Röhren  dies(H"  grösseren  und  häufigeren  Art  erreichen  beim  Männchen 
(Fig.  I  A)  meist  17 — 20,  beim  Weibchen  (Fig.  i  B)  25  —  30  mm  Fänge.  Zur 
Verpuppung  heftet  die  Farve  ihre  Röhre  an  einen  Stein  oder  an  andere  schon 
festsitzende  Röhren  und  zwar  mittelst  einer  kurzgestielten  Scheibe.  Die  Farven 
lieben  sich  gesellig  festzusetzen  und  man  findet  nicht  selten  mehr  als  hundert 
Röhren  an  einander  gekittet.  Dicht  hinter  dem  Eingange  wird  die  Röhre  durch 
einen    Deckel   geschlossen.     Deckel,    Haftscheibe   und    deren    Stiel    bestehen    aus 

1 

I.  Zur  Verpuppung  angeheftele  Grumicharöhren, 
nat.  Grösse.  .1  eines  Männchens,  /J  eines  Weibchens. 
—  2.  Deckel  der  Röhre  eines  Männchens.  — ■  3.  Deckel 
der  Röhre  eines  Weibchens.  —  4.  Querwand  am 
Hinterende  der  Röhre  eines  AVeibchens. 

Fig.   2 — 4  achtmal  vergrössert. 

demselben  Stoffe,  wie  das  Gehäuse;  ganz  ähnliche  Haftscheiben,  Stiele  und  Deckel 
werden  auch  von  anderen  verwandten  Farven  gefertigt,  die  ihre  Röhren  aus 
Steinen  aufbauen ;  bei  Fetzteren  hat  wohl  noch  Niemand  in  Zweifel  gezogen,  dass 
der  Stoff  dazu  von  den  Spinndrüsen  der  Farve  geliefert  wird;  dasselbe  wird  also 
auch  für  diese  Gebilde  bei  der  Grumicha  gelten,  und  ebenso  für  deren  ganze 
Röhre,  die  ja  aus  demselben  Stoffe  besteht. 

Etwas  unter  seiner  Mitte,  also  der  Bauchseite  der  Röhre  näher,  hat  der 
Deckel  (Fig.  2,  3)  eine  schmale,  quere,  gerade  oder  häufiger  [etwas  gebogene 
Oeffnung.  Eine  zweite  kreisförmige  Oeffnung  findet  sich  in  der  Mitte  der  Quer- 
wand (Fig.  4),  die  schon  vor  dem  Festsetzen  das  hintere  Ende  der  Röhre  schliesst. 
Diese  beiden  Oeffnungen  ermöglichen  den  für  die  Athmung  der  Puppe  nöthigen 
Wasserwechsel.  Nach  Ablauf  der  Puppenzeit  schneidet  die  Puppe  mit  ihren 
scharfen  Kinnbacken  den  Deckel  ringsum  los,  verlässt  gegen  Abend  ihre  Röhre 
und  streift  ausserhalb  des  Wassers  ihre  Puppenhaut  ab,  um  als  graue  unschein- 
bare Motte  der  Fiebe  nachzugehen. 

An  den  von  der  Puppe  selbst  iibgelösten  Deckeln  lässt  sich  nun  sehr  be- 
quem deren  spaltförmige  Oeffnung  messen  und  es  ergiebt  sich  dabei,  dass  die 
Grösse  dieser  Oeffnung  so  genau,  als  man  es  eben  messen  kann,  übereinstimmt 
mit  derjenigen  der  hinteren  kreisförmigen  Oeffnung  der  Röhre.  Fetztere  hat 
bei   den    grösseren  ^veiblichen  Puppen  durchschnittlich  Vs  ^nm  Durchmesser,  ihre 

TT 

Grösse  ist  also    —  =  0,087  cimm.  —  Für   die    vordere  Oeffnung    wird   man  ohne 

erheblichen  Fehler  die  (xrösse  dem  Produkt  aus  Fänge  und  Breite  gleichsetzen 
dürfen;  als  Mittelwerth  von  17  ohne  Wahl  gesammelten  Deckeln  weiblicher 
Puppen  ergab  sich  auf  diesem  Wege  0,085  qmm. 


(f^A  Phryganiden-Studien. 

Das  Wäre  nun  wieder,  wie  beim  Wabenbau  der  Bienen,  eine  Gelegenheit, 
das  unbewusste  Hellsehen  des  Instinktes  oder  das  mathematische  Genie  des 
kleinen  Baumeisters  zu  bewundern,  der  trotz  so  abweichender  Gestalt  beiden 
Oeffnungen  gleiche  Grösse  zu  geben  weiss.  Im  Grunde  mag  aber  die  Sache 
ziemlich  einfach  sein;  es  wird  ja  der  Larve  nur  zugemuthet,  dass  sie  zu  unter- 
scheiden wisse,  wann  sie  von  einem  gleichmässigen  Wasserstrome  gebadet  wird. 
Ist  eine  der  Oeffnungen  kleiner,  so  fliesst  durch  sie  das  Wasser  schneller  und 
nach  ihr  zu  ist  der  Wasserstrom  im  Innern  der  Röhre  beschleunigt  oder  von  ihr 
weg  verlangsamt,  je  nachdem  sie  Aus-  oder  Eingangsöffnung  ist. 

Unter  Tausenden  festsitzender  Grumicha-Gehäuse,  die  ich  gesehen  —  man 
hebt  bisweilen  Hunderte  an  einem  einzigen  Steine  aus  dem  Wasser  —  habe  ich 
einige  wenige  getroffen,  die  nicht  durch  einen  hornigen  Deckel,  sondern  durch 
ein  quervorliegendes  Steinchen  geschlossen  waren.  Dieser  Tage  hatte  ich  zwei 
dieser  Röhren  mit  heimgenommen.  Nach  Entfernung  des  Steinchens  zog  ich 
aus  ihnen  Puppen  hervor,  die  nicht  nur  der  Art.  sondern  sogar  der  Gattung  nach 
von  denen  der  Grumicha  verschieden  waren.  Bei  Grumichapuppen  überragen 
z.  B.  die  Eühler,  selbst  der  Männchen,  nur  wenig  den  Hinterleib;  jede  Schiene 
trägt  am  Ende  zwei,  in  Länge  wenig  verschiedene  Spornen.  Die  Puppen  der 
beiden  Röhren  mit  Steinverschluss  hatten  Fühler  von  mehrfacher  Körperlänge; 
Vorder-  und  Mittelschienen  hatten  je  zwei  Spornen,  aber  von  sehr  ungleicher 
Länge;  die  Hinterschienen  hatten  ausser  den  beiden  Endspornen  auch  noch 
Mittelspornen,  —  anderer  LTnterschiede  nicht  zu  gedenken. 

Der  im  ersten  Augenblicke  befremdliche  Fund  erinnerte  mich  an  die  Bienen 
(Trigona  limäo)  und  Termiten  (Eutermes  inquilinus),  die,  statt  selbst  zu  bauen, 
die  Bauten  ihrer  Verwandten  sich  zu  Nutze  machen.  Warum  sollten  nicht  auch 
die  prächtigen  Grumicharöhren,  die  ja  nach  dem  Ausschlüpfen  der  ursprünglichen 
Bewohner  hier  und  da  in  Menge  zu  haben  sind,  ihre  Liebhaber  finden?  Es 
scheint  übrigens  der  fremde  Gast  keine  besondere,  ausschliesslich  die  Grumicha- 
röhren bewohnende  Art,  sondern  nicht  verschieden  zu  sein  von  einer  hier  ziem- 
lich häufigen  Larve,  die  für  gewöhnlich  ein  passendes  Stück  eines  hohlen  oder 
weichmarkigen,  leicht  auszuhöhlenden  Aestchens  als  Wohnung  benutzt.  —  Auch 
bei  den  Gehäusen  der  Haarflügler  also  darf  man  nicht  immer  ohne  Weiteres  den 
Inhaber  als  Erbauer  ansehen. 

Itajahy,  Oktober  1878. 

5.  Helicopsy  che  ^). 
Bei  Erörterungen  über  die  Verwandtschaft  der  Haarflügler  (Trichoptera,  Phr}^- 
ganiden,  Frühlingsfliegen,  Schmetterlingsfliegen)  mit  den  Schmetterlingen  pflegt 
in  erster  Reihe  der  ähnlichen  Entwickelungsweise  und  des  Umstandes  gedacht 
zu  werden,  dass  fast  alle  Larven  der  einen  und  einige  wenige  der  anderen  Gruppe 
sich  tragbare  Gehäuse  bauen.  „Die  Larven  der  Phryganiden",  sagt  z.  B.  Dr. 
A.  Speyer  (Zur  Generalogie  der  Schmetterlinge),  „wohnen  grösstentheils,  die 
der  Schmetterlinge  wenigstens  theilweise  in  tragbaren,  mit  anorganischen,  vege- 
tabilischen oder  animalischen  Stoffen  und  allerlei  Abfällen  bekleideten,  selbst  ver- 


I)  Siehe  Ges.  Schriften  S.  721. 


Phryganiden-Studien. 


6S5 


fertigten,  röhrigen  Hülsen,  aus  denen  nur  die  Brustfüsse  zum  Kriechen  vorge- 
streckt werden,  während  sich  das  Ende  des  Körpers  durch  Nachschieber  oder 
Häkchen  an  die  Röhre  anklammert.  Sie  verpuppen  sich  in  diesen  Wohnungen, 
welche  bei  manchen  Arten  beider  Gruppen  eine  ungemeine  Aehnlichkeit  zeigen, 
bei  beiden  nach  den  Arten  charakteristisch  verschieden  gebaut  sind.  Die  bei  den 
Insekten  so  auffällige  Form  des  gewundenen  Schneckenhauses  wiederholt  sich 
bei  Schmetterlingen,  wie  bei  Phryganiden  (Psyche  helix,  Helicopsyche)." 

Ob  wirklich  das  Bauen  tragbarer  Gehäuse  eine  von  den  gemeinsamen  Vor- 
fahren der  ohne  Frage  nahe  verwandten  Haarflügler  und  Schmetterlinge  ererbte 
Gewohnheit  sei,  scheint  mir  noch  nicht  über  allen  Zweifel  erhaben  zu  sein,  - — 
ausser  Zweifel  aber,  dass  die  überraschende  Aehnlichkeit  einzelner  Gehäuse  aus 
beiden  Gruppen  nicht  eine  ererbte,  sondern  eine  später  erworbene  ist,  dass  z.  B. 
die  auffallende  Form  des  gewundenen  Schneckenhauses  nicht  auf  engere  ver- 
wandtschaftliche Beziehungen   zwischen  Psyche   helix  und  Helicopsyche  hinweist. 


I — 3.  Gehäuse  verschiedener  Haarflügler,  nat.  Grösse,  von  der  Bauchseite.  —  4.  Helicopsychegehäuse 
mit  vier  Schneckenwindungen  und  schornsteinartig  emporstehendem,  ungewundenem  Afterende ;  3  mal  ver- 
grössert.  —  5,  6  Holzröhren  von  Puppen  (von  Macronema?)  bewohnt,  der  Länge  nach  durchgeschnitten,  nat. 
Grösse.  —  st,  sf  Steinchen,  zum  Verschluss  der  Röhren. — /Puppenhülle,  aus  Seide  gesponnen. — j- Sieb- 
förmige  hintere  Querwand  der  Puppenhüile.  —  l  Loch  durch  die  Wand  der  Röhre,  unentbehrlich,  wenn 
dieselbe  (Fig.  5  m)  hinten  durch  das  Mark  des  Zweiges  geschlossen,  überflüssig,  wenn  dieselbe  (Fig.  6) 
hinten  offen  ist '). 

Die  Aehnlichkeit  dieser  Larvengehäuse  mit  wirklichen  Schneckenhäusern 
ist  in  manchen  Fällen  so  täuschend,  dass  man  sie  mehrfach  als  solche  beschrieben 
(z.  B.  Valvata  arenifera  Lea  und  V.  lustrica  Say),  und  dass  Swainson  für  sie 
eine  eigene  Schneckengattung,  Thelidomus,  gebildet  hat,  —  so  täuschend,  dass 
man  sie  als  Nachahmung  von  Schneckenhäusern,  als  einen  Fall  von  Mimicr}'  zu 
betrachten  versucht  ist.  Ob  dies  etwa  für  Psyche  helix  zutrifft,  deren  Vorkom- 
men und  Lebensweise  ich  nicht  kenne,  ob  diese  in  ihrer  Schneckenähnlichkeit 
Schutz  gegen  Feinde  findet,  weiss  ich  nicht.  Für  Helicopsyche  ist  eine  solche 
Erklärung  ihrer  Schneckenform  bestimmt  abzuweisen;  hier,  wo  diese  Thiere  in 
mehreren  Arten  ungemein  häufig  sind,  leben  sie  nie  in  Gesellschaft  von  Schecken ; 
überhaupt  sind  mir  hier  keine  Schnecken  bekannt,  die  den  Helicopsychen  in 
Grösse  und  Gestalt  ähnlich  wären.  Welches  mag  also  wohl  der  Ursprung  der 
Schneckenform  der  Helicops3xhengehäuse,  ja  der  S  ch  necken  form  über- 
haupt sein? 


I)  Vergl.  auch  Ges.  Schriften,  Tafel  LIII  und  LIV. 


^g^  Phryganiden-Studien. 

Die  Gehäuse  verschiedener  Haarflüglerlarven  zeigen  Vorrichtungen,  durch 
welche,  wenn  das  Thier  Nahrung'  suchend  umherkriecht,  das  vorgestreckte  Kopf- 
ende von  oben  gedeckt,  möglichst  den  Blicken  und  Angriffen  etwaiger  Feinde 
entzogen  wird.  Hagen's  Abhandlung^)  „über  Phryganiden-Gehäuse"  bietet 
mehrfache  Beispiele;  mehrere  andere  habe  ich  hier  kennen  gelernt.  Die  Larven 
einer  durch  Fühler  von  drei-  bis  vierfacher  Körperlänge  ausgezeichneten  Art 
(Macronema?)  richten  sich  hohle  oder  von  ihnen  ausgehöhlte  Stücke  dünner  Zweige 
(Fig.  i)  dadurch  zur  Wohnung  her,  dass  sie  von  der  als  Bauchseite  benutzten 
Wand  des  Einganges  ein  halbkreisförmiges  Stück  herausnagen  und  unter  der 
nun  dachartig  vorspringenden  Rückenwand  ein  Steinchen  beweglich  anspinnen, 
welches  als  Deckel  den  Eingang  schliesst,  wenn  sie  sich  zurückziehen,  und  auch, 
wenn  sie  herv^orkommen,  den  Kopf  von  vorn  und  oben  schützen  hilft.  —  Einige 
Arten  aus  der  Familie  der  Leptoceriden  {=  Mystaciden),  darunter  auch  die  Be- 
wohner der  Bromelien,  bauen  ihr  Haus  aus  Blattstücken  (Fig.  2),  von  denen  eine 
nach  den  Arten  wechselnde  Zahl  die  Bauchseite,  eben  so  viel  oder  eins  mehr 
die  Rückenseite  bilden.  Das  vorderste  Blattstück  des  Rückens  springt  dachartig 
weit  über  den  Eingang  des  Hauses  vor.  —  Eine  andere  Leptoceridenlarve  be- 
kleidet ihr  kegelförmiges  Gehäuse  (Fig.  3)  mit  schmalen  Holzstückchen,  die  auf 
dem  Rücken  der  Länge  nach,  an  den  Seiten  schief  von  vorn  und  oben  nach 
hinten  und  unten  gelagert  sind;  auch  bei  ihr  springt  die  Rückenwand  des  Ein- 
ganges weit  über  die  Bauchwand  vor,  und  ausserdem  wird  noch  der  Vorderrand 
des  Rückens  von  etwa  einem  halben  Dutzend  schützend  sich  über  den  Eingang 
vorstreckender  Hölzchen  überragt.  —  Besser  noch  als  eine  gerade  vorspringende, 
würde  eine  gleichzeitig  leicht  abwärts  gebogene  Rückenwand  den  Eingang 
schützen;  eine  solche  aber,  falls  sie  nicht  bei  jedem  Weiterbau  abgebrochen  und 
neugebaut  werden  sollte,  müsste  zu  mehr  oder  weniger  gebogenen  Röhren  führen, 
wie  sie  unter  den  Leptoceriden  häufig-  vorkommen  und  endlich  zu  schnecken- 
artig gewundenen  Gehäusen. 

Wie  die  schneckenförmigen  Gehäuse  der  Helicopsychen  unter  den  Haar- 
flüglern,  so  stehen  die  regellos  gebogenen  Röhren  der  Wurmschnecken  (Ver- 
metiden)  vereinzelt  da  unter  den  regelmässigen  Schneckenhäusern  ihrer  Ver- 
wandten, und  es  ist  eine  hübsche  Bestätigung  von  Haeckel's  biogenetischem 
Grundgesetz,  dass,  wie  manche  von  diesen  (z.  B.  Magilus  antiquus)  bekanntlich 
ihr  Haus  regelmässig  beginnen  und  dadurch  ihre  Abstammung  von  regelrechten 
Schnecken  bekunden,  so  jene  bisweilen  noch  einen  ältesten  ungewundenen  Theil 
des  Gehäuses  erhalten  zeigen  (Fig.  4),  der  wie  ein  kleiner  Schornstein  emporragt 
und  die  Abstammung  von  Vorfahren  beweist,  die  noch  ungewundene  Röhren 
bauten, 

Itajahy,  December  1878. 

6.  Gedankenlose  Gewohnheit. 
Wem  wäre  es  nicht  schon  begegnet,  dass  er  eine  Handlung,  die  er  bei  be- 
stimmtem Anlasse  anzuführen  sich  gewöhnt  hat,  gedankenlos  auch  in  Fällen  aus- 
geführt, wo  dieselbe  völlig  zwecklos,  oder  selbst  zweckwidrig  war?     Dass  es  mit 


I)  Stettin.  Ent.  Zeit.   1864.  XXV.  S.   113  und  221. 


Phryganiden-Studien.  5gy 

den  ererbten  Gewohnheiten  der  Thiere,  dem  nach  Hartmann  unfehlbaren  In- 
stinkte, nicht  anders  ist,  dafür  giebt  die  eben  erwähnte,  in  Holzröhren  (Fig-,  5) 
lebende  Larve  (von  Macronema?)  ein  recht  schlackendes  Beispiel. 

In  Zweiten,  die  sie  sich  selbst  aushöhlt  (Fig".  5)  —  es  ist  das  der  häufigere 
Fall  —  richtet  sie  sich  für  die  Verpuppung  in  folg'ender  Weise  ein  :  Durch  die 
Wand  der  hinten  durch  das  Mark  (m)  des  Zweiges  geschlossenen  Höhle  nagt  sie 
von  innen  her  ein  kleines  Loch  (/);  den  Eingang  verschliesst  sie  durch  einen 
Stein  (st);  dann  spinnt  sie  eine  dünne,  die  Innenwand  der  Röhre  überkleidende 
seidene  Puppenhülle  (p) ;  die  vordere  Querwand  dieser  Puppenhülle  überzieht  und 
hält  den  Stein  des  Eingangs;  zwischen  Stein  und  Röhrenwand  ist  die  Puppen- 
hülle siebartig  durchlöchert,  und  ebenso  bildet  die  hintere  Querwand  ein  Sieb  (s). 
Die  so  eingeschlossene  Larve  oder  spätere  Puppe  unterhält  nun  behufs  der  Ath- 
mung  einen  beständigen  Wasserstrom  durch  ihr  Haus;  derselbe  tritt  durch  das 
vordere  Sieb  ein,  durch  das  hintere  Sieb  aus  der  Puppenhülle  in  den  hinteren  Raum 
der  Höhle  und  aus  diesem  durch  das  seitliche  Loch  nach  aussen.  Dieses  Loch  ist  also 
von  höchster  Wichtigkeit  für  den  Inhaber  der  Röhre.  —  Ergreift  die  Larve  von  einem 
hohlen  Zweige  Besitz  (Fig.  6),  so  sichert  sie  sich  auch  hinten  gegen  feindliche  Angriffe 
durch  einen  Stein  (sf) ;  diesen  bringt  sie  entweder  am  Ende  des  Zweiges  an,  oder 
wie  es  scheint,  häufiger)  im  Innern  des  Zweiges,  dicht  am  hintern  Siebe  der 
Puppenhülle.  Nun,  auch  in  diesem  Falle  unterlässt  sie  nicht,  durch  die  Wand 
der  hinten  offenen  Röhre  gewohnheitsgemäss  das  völlig  nutzlose,  übliche  Loch 
(Fig.  6,  /)  zu  nag'en. 

Itajahy,  December  1878. 


Ueber  Phryganiden'). 

Aus  Briefen  an  Hermann  Müller  in  Lippstadt. 

Blumenau,   i8.  Nov.   1878. 

Von  Phryganidenlarven  habe  ich  neuerdings  wieder  mehrere  neue  gefunden. 
Besonders  reich  an  eigenthümlich  gestalteten  Larvengehäusen  scheint  hier  die 
Gruppe  der  Hydroptiliden  zu  sein;  Hagen  kannte  (Stettin.  Ent.,  Zeit.,  1864)  nur 
4  hierher  gehörige  Gehäuse,  Ich  habe  s(^hon  9  gefunden,  die  man  in  6  ganz 
verschiedene  Gattungen  bringen  müsste: 

I.  Muschelähnliche  Gehäuse,  vorn  und  hinten  mit  engem,  spaltförmigen 
Eingang  (wie  Hydroptila).  Sie  werden  auf  der  scharfen  Kante  getragen.  (Be- 
sonders muschelähnlich  sehen  sie  aus,  wenn  sie  aus  stabförmigen  Diatomeen  ge- 
baut sind,  die  dann  gleichsam  Anwachsstreifen  bilden.) 

i)  Ober-  und  Unterrand  gleichlaufend,  fast  gerade;  aussen  mit  feinem  Sande 
bekleidet.     Larven  mit  3  Schwanzkiemen. 

2)  Von  ähnlicher  Gestalt,  aber  aus  Algen  oder  Diatomeen  gebaut.  Larve 
kiemenlos. 

3)  Rückenkante  stark  gewölbt,  Gehäuse  ohne  fremde  Stoffe  gebaut. 

IL  Gehäuse  aus  Diatomeen ,  seitlich  zusammengedrückt ,  vorn  und  hinten 
mit  schmalem  Spalt,  auf  der  Rückenkante  mit  2  Schornsteinen  (ich  nenne  sie 
einstweilen  Dicaminus).  Zur  Verpuppung  werden  sie  aufrecht  festgeheftet  und 
es  stehen  bisweilen  ganze  Dörfer  dieser  Häuser  auf  den  Steinen.  Der  Nutzen 
der  Schornsteine  ist  offenbar,  dem  zum  Athmen  nöthigen  Wasser  freieren  Zutritt 
zu  gewähren.  Die  Larven  in  den  Muschelhäuschen,  die  solcher  Röhren  ent- 
behren, sieht  man  fast  beständig  in  ihrem  Hause  lebhafte  schlängelnde  Bewe- 
gungen mit  dem  Hinterleibe  machen,  —  jedenfalls  zur  Herbeiführung  frischen 
Wassers.     Die  Dicaminuslarven  thun  dies  niemals. 

III.  Fast  walzenförmig,  aussen  mit  feinem  Sande  bekleidet.  Winzige  Röhren, 
nur  2  mm  lang,  bei  etwa  0,5  mm  Durchmesser. 

IV.  An  beweglichem  Stiele  festsitzende  Gehäuse. 

V.  Schildförmige,  ringsum  befestigte  Gehäuse,  einer  Eierhülse  von  Nephelis 
ähnlich,  an  jedem  Ende  mit  einem  kleinen  Loch.     Endlich: 


I)  Zoolog.  Anzeiger  1879.  2.  Jahrg.  S.  38 — 40. 


Ueber  Phryganiden.  s  68 Q 

VT.  Flaschen  form  ige  Gehäuse  {Lagenopsyche  nov.  gen.).  Diese  sind  be- 
sonders merkwürdig.  Von  fast  allen  bekannten  Ilydroptilidengehäusen,  deren 
Vorder-  und  Hinterende  gleich  und  gleichmässig  zum  Aus-  und  Einkriechen  der 
Larve  benutzt  zu  sein  pflegt,  unterscheidet  sich  das  Gehäuse  der  Lagenopsyche 
durch  die  grosse  Verschiedenheit  der  beiden  Enden:  vorn  eine  runde  Oeffnung, 
hinten  ein  langer  schmaler  Spalt.  —  Alle  übrigen  Phryganiden  sehen  aus  dem 
zuletzt  gebauten  weiteren  Theilc  ihrer  Röhren  heraus,  Lagenopsyche  zum  zuerst 
gebauten  Halse  der  Flasche.  —  Auch  für  die  veränderte  Lage  der  Puppe  im 
Gehäuse  (für  welche  vorn,  oben  und  unten  ist,  was  für  die  Larve  hinten,  rechts 
und  links  war)  kenne  ich  kein  anderes  Beispiel.  —  Die  Imagines  pflegen  in  den 
ersten  Nachmittagsstunden  auszukriechen. 

Blumenau,  13.  Oct.   1878. 
Die  Zahl  der  Arten  von  Phryganidengehäusen,    die  ich  bis  jetzt  hier  gefun- 
den, beträgt  etwa  dreissig  und  ich  bin  eben  dabei,  einen  durch  Abbildungen  er- 
läuterten   Bericht   über   dieselben   für   die   Archivos   unseres   Musen    nacional   zu 
schreiben  ^). 

Blumenau,  i.  Nov.   1878. 

Zu  meiner  Arbeit  über  Phryganidengehäuse  habe  ich  die  Abbildungen 
(3  Tafeln,  dicht  gefüllt)  fertig.  —  Mit  dem  Texte  hoffe  ich  rasch  zu  Ende  zu 
kommen  und  will  dann  an  eine  genauere  Untersuchung  der  Larven  gehen.  Die 
Gehäuse  habe  ich  von  folgenden  Arten  abgebildet: 

I — 4.  Rhyacophiliden,  bewegliche  Steinhäuschen.  i.  ohne  grössere 
Oeffnung  im  Dach,  2.  mit  einer  Oeffnung  in  der  Mitte  des  Daches,  ohne  Schorn- 
stein, 3  u.  4.  mit  Schornstein. 

5  u.  6.  H^-^dropsychiden.  5.  Grosse  Hydropsychide,  die  ein  sehr 
rohes  Haus  baut.  6.  Rh3'acophylax  n.  g.,  von  deren  wundervollem  Bau  ich  Dir 
im  letzten  Briefe  eine  Photographie  schickte. 

7 — 15.  Leptoceriden.  7.  Holzröhren,  8.  und  9.  Grumicha,  10.  Grumi- 
chinha  (d.  h.  kleine  Grumicha),  11.  Röhre  aus  Callitrichesamen,  12  u.  13.  Necto- 
psAxhe  n.  g.  (?),  wovon  ich  Dir  einige  Röhren  schicke.  Die  Larve  schwimmt, 
was,  soviel  mir  bekannt,  keine  der  bisher  bekannten  Phryganidenlarven  kann. 
Die  Hinterbeine  sind  langbewimperte  Schwimmbeine.  Das  fertige  Insect  {S)  ist 
ein  prächtiges  Thierchen;  die  Vorderflügel  beschuppt  (!),  gelb,  mit  silbernen 
Querbinden  und  einigen  grossen  tiefschwarzen  Flecken. 

14  u.  15.     Grössere  und  kleinere  Röhren  aus  Steinchen. 

16^ — 21.  Sericostomiden.  16.  Gehäuse  aus  Blättern,  17.  desgl.,  in  Bro- 
melien  lebend,  18  —  21.  Helicopsychearten. 

22 — 30.  Hy droptiliden.  22.  Winzige  2  mm  lange  Röhre,  23 — 25.  denen 
von  Hydroptila  ähnliche  Gehäuse  mit  Sand  (23),  Diatomeen  (24),  oder  ohne  fremde 
Zuthat  (25)  gebaut. 

26.    Diaulus  n.  g.  aus  Diatomeen,  mit  2  Schornsteinen. 

27  u.  28.    Lagenopsyche  n.  g.,  flaschenförmige  Gehäuse. 

29.    Rhyacopsyche  n.  g.  an  beweglichem  Stiele  festsitzende  Gehäuse. 

i)  Siehe  Ges.  Schriften  S.  694. 
Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  44 


/:  Ueber  Pryganiden. 

30.  Peltopsyche  n.  g.  Schildförmige,  festsitzende,  einer  Nepheliseierhülse 
ähnliche  Gehäuse,  von  denen  es  mir  noch  nicht  ausser  allem  Zweifel  ist,  ob  sie 
wirklich  HydroptiHden  zugehören. 

Phryganiden  und  Limnophiliden  werden  hier  wohl  fehlen. 

Blumenau,  13.  Jan.   1879^). 

Bei  den  Helicopsyche-Puppen  unserer  Bäche  sind  die  vier  ersten  Fussglieder 
zweizeilig  lang  und  dicht  bewimpert  an  dem  Mittel-,  schwächer  an  dem  Vorder- 
fuss,  wie  eben  bei  anderen  Phryganiden  auch.  Bei  der  Helicopsyche  der  Wasser- 
fälle, die  an  feuchten  Felswänden  lebt,  fehlt  diese  Bewimperung ;  ebenso  bei  einer 
kleinen  an  gleicher  Stelle  lebenden  Hydropsychide.  Dass  auch  die  Bromelien- 
Phryganide  dieser  Schwimmhaare  entbehrt,  schrieb  ich  schon  früher.  —  Diese 
Beispiele  scheinen  mir  wichtig,  weil  sie  recht  schlagend  zeigen,  dass  man  die 
Verkümmerung  nutzlos  gewordener  Theile  nicht  immer  einfach  und  unmittelbar 
als  Folge  des  Nichtgebrauchs  betrachten  kann.  Durch  Unthätigkeit  erworbene 
Rückbildung  mag  allerdings  schhesslich  zu  erblicher  Verkümmerung  führen 
und  Aehnliches  auch  bei  andern  Theilen  stattfinden.  Allein  die  Schwimmhaare 
der  Phryganidenpuppen  stehen  zur  Zeit,  wo  sie  in  Thätigkeit  treten,  gar  nicht 
mehr  in  lebendiger  Verbindung  mit  dem  Thiere;  sie  sitzen  der  Puppenhaut  auf, 
die  das  zum  Auskriechen  reife  Insect  lose  umhüllt ;  ob  sie  gebraucht  werden  oder 
nicht,  kann  ihre  Entwickelung  bei  den  Abkömmlingen  des  Insects  in  keiner 
Weise  beeinflussen.  Weshalb  also  schwinden  sie  so  rasch,  sobald  eine  Art  von 
ihren  nächsten  Verwandten  sich  nach  einem  Orte  entfernt,  wo  sie  nicht  schwim- 
men kann,  während  in  anderen  Fällen  nutzlos  gewordene  Theile  (z.  B.  die  nicht 
durchbrechenden  Zähne  im  Oberkiefer  der  Wiederkäuer)  sich  durch  unermess- 
liche  Zeiträume  forterben? 

Die  Nutzlosigkeit  entzieht  zunächst  den  betreffenden  Theil  der  Wirkung 
der  natürlichen  Auslese ;  Thiere,  bei  denen  der  Theil  weniger  oder  gar  nicht  ent- 
wickelt ist,  werden  nicht  ausgemerzt.  Allein  vereinzelt  auftretende  Abänderungen 
haben  ja,  —  den  Schluss  hätte  Kram  er  leicht  in  kaum  anfechtbarer  Weise 
ziehen  können,  —  nicht  die  mindeste  Aussicht  herrschend  zu  werden,  im  Gegen- 
theil  alle  Aussicht,  bald  wieder  spurlos  zu  verschwinden.  Daher  eben,  wo  kein 
andrer  Grund  für  deren  Verschwinden  hinzutritt,  das  überraschend  zähe  Ver- 
erben nutzloser  Bildungen.  Welches  ist  nun  bei  den  Phryganiden  dieser  Grund, 
der  das  rasche  Schwinden  der  nutzlos  gewordenen  Schwimmhaare  bedingt?  — 
Möglicherweise  könnte  vStoffersparnis,  wie  es  in  manchen  anderen  Fällen  fast 
zweifellos  geschieht,  auch  hier  mit  in  Betracht  kommen.  Weit  wahrscheinlicher 
aber  ist  mir,  dass  das  Verschwinden  der  Schwimmhaare  wesentlich  als  Rückschlag 
aufzufassen  ist  (wie  ich  in  den  meinem  vorigen  Briefe  beiliegenden  Mittheilungen 
aussprach).  Die  Neigimg  zum  Rückschlag,  wie  man  sie  sich  auch  körperlich 
begründet  denken  möge,  ist  ja  wahrscheinlich  allgemein  verbreitet;  sie  wird  im 
Zaume  gehalten  durch  die  natürliche  Auslese;  fällt  diese  weg,  so  wird  die  Zahl 
der  dem  Rückschlage  verfallenden  Thiere  mit  jeder  Generation  wachsen  und 
rasch  der  jüngere,  wieder  nutzlos  gewordene  Erwerb,  hier  z.  B.  die  Schwimm- 
haare, aufs  Neue  verloren  gehen.  Theile,  die  aus  sehr  alter  Zeit  stammen  (Zähne 
der  Säugcthicre),   werden  kaum  je   durch   Rückschlag   bei    einzelnen    Individuen 

I)  Zoolog.  Anzeiger   1879.   2.  Jahrg.  S.   180 — 182. 


Ueber  Phryganiden.  69! 

fehlen,  werden  also  auch,  falls  sie  nutzlos  werden,  wenigstens  aus  diesem  Grunde, 
nicht  leicht  wieder  verloren  gehen. 

Blumenau,   12.  Febr.   1879^). 

Gerade  zur  rechten  Zeit  (ich  war  eben  dabei,  abgeworfene  Puppenhäute 
verschiedener  Phryganiden  zu  untersuchen  und  zu  zeichnen)  traf  hier  ein  treff- 
liches Buch  von  Dr.  Palmen  aus  Helsingfors  ein:  „Zur  Morphologie  des  Tra- 
cheensystems". Derselbe  weist  nach,  dass  das  Erhaltenbleibcn  der  Tracheen- 
kiemen bei  der  Imago  von  Pteronarcys  regalis,  das  eine  sonderbare  Ausnahme 
zu  bilden  schien,  allgemeine  Regel  ist  für  alle  Perliden.  Bei  einer  Art  (No.  7 
in  Holzröhren  lebend,  Tetracentron  ?)  konnte  ich  mich  in  der  That  sofort  über- 
zeugen, dass  die  Kiemen  an  der  Purpenhaut  ganz  \eor  sind,  also  gehäutet,  nicht 
abgeworfen  werden,  und  fand  dieselben  auch  bald  darauf  an  einer  frisch  aus- 
gekrochenen Imago.  Bei  einer  anderen  Art  aber  (No.  15.  Steinröhren)  werden 
die  Kiemen  der  Puppen  bei  der  Verwandlung  abgeworfen,  so  dass  also  P  a  1  - 
m  e  n '  s  Vermuthung  sich  nicht  für  alle  Phryganiden  bestätigt.  —  Diese  Ueber- 
bleibsel  der  Kiemen  bei  geflügelten  Insecten  (—  dass  sie  auch  bei  Pteronarcys 
ganz  functionslos  sind,  hat  Hagen  nach  Beobachtung  lebender  Thiere  ausge- 
sprochen, — )  ist  höchst  merkwürdig.  Man  hat  also  zweierlei  „rudimentäre  Or- 
gane" zu  unterscheiden:  i.  solche,  welche  erwachsenen  Vorfahren  nützlich  waren 
und  von  diesen  ererbt  wurden;  2.  solche,  welche  nie  von  erwachsenen  Vorfahren 
in  tauglichem  Zustande  besessen  wurden,  die  vielmehr  von  Jugendzuständen  er- 
worben und  von  diesen  auf  das  erwachsene  Thier  übertragen  wurden.  —  Ein 
zweites  Beispiel  der  letzten  Art  bietet  dieselbe  Phryganide  (No.  7,  Tetracentron?). 
Auf  dem  Rücken  des  Hinterleibs  der  Imago  zeigt  der  Vorderrand  des  III.  bis 
VI.  Ringes  eigenthümliche  Vorsprünge,  die  den  übrigen  Ringen  fehlen;  ausser- 
dem finden  sich  zwei  dunkle  Chitinplättchen  am  Ende  des  V,  Ringes.  Es  sind 
diese,  der  Imago  jedenfalls  ganz  nutzlosen  Vorsprünge  und  Plättchen  Ueber- 
bleibsel  der  auf  dem  Hinterleibsrücken  der  Puppe  an  den  genannten  Ringen  ent- 
wickelten Zahnplatten,  die  gerade  bei  dieser  Art  sehr  stark  entwickelt  sind. 
Diese  den  Puppen  zum  Vor-  und  Rückwärtskriechen  in  ihren  Gehäusen  dienen- 
den Zähne  sind  in  Zahl  und  Gestalt  sehr  mannichfaltig  und  dürften  gute  Gattungs- 
merkmale geben. 

Die  Puppe  einer  unsrer  Arten,  einer  Rhyacophilide,  deren  Larve  frei  zwi- 
schen dicht  verflochtenen  Podostomeen  in  Stromschnellen  sich  aufzuhalten  liebt, 
hat  an  Vorder-  und  Mittelfüssen  wohlentwickelte  Fussklauen.  Um  zwischen  dem 
Gewirr  der  Podostomeenzweige  herauszukriechen,  werden  sie  ihr  sehr  nützlich  sein. 

Nach  dem  Verhalten  der  Puppen  dürften  die  Trichoptera  naturgemäss  in 
zwei  Hauptabtheilungen  zu  bringen  sein:  die  einen  (Rh\'acophiliden  und  Hydro- 
ptiliden)  ruhen  vollständig  in  rings  geschlossenen  Gespinnsten;  die  Gespinnste 
oder  Gehäuse  aller  anderen  (Leptoceriden,  Sericostomiden,  H3^dropsychiden  und 
wohl  auch  die  hier  fehlenden  Limnophiliden  und  Phryganiden)  haben  an  beiden 
Enden  Oeffnungen,  durch  welche  ein  steter  Wasserstrom  hindurchgeht,  unter- 
halten durch  fortwährende  Bewegungen  der  Puppe.  Dieser  Wasserstrom 
gibt,  beiläufig  bemerkt,  ein  treffliches  Mittel,  sich  vom  Leben  der  Puppe  zu  über- 
zeugen und  rechtzeitig,  ehe  sie  die  ganze  Gesellschaft  verpesten,  etwa  gestorbene 


I)  Zoolog.  Anzeiger  1879.   2.  Jahrg.  S.  283 — 284.  44' 


6g2 


Ueber  Phryganiden. 


ZU  entfernen.  Ehe  ich  diese  regelmässige  Aussonderung  etwaiger  Leichen  vor- 
zunehmen verstand,  habe  ich  mich  vergebHch  bemüht,  von  verschiedenen  ge- 
meinen Arten  Imagines  zu  erziehen. 

ßlumenau,  6.  April   1879^). 

An  die  London.  Entomol.  Society  habe  ich  einen  Bericht  über  unsre  Phry- 
ganiden geschickt  und  darin  auch  auf  eine  Eintheilung  dieser  Ordnung  hinge- 
wiesen, zu  der  mich  die  Beobachtung  der  lebenden  Puppen  geführt  hat-).  Ent- 
weder nämlich  sind  die  Puppengehäuse  an  beiden  Enden  mit  kleinen  Oeffnungen 
versehen,  durch  welche  die  Puppe  einen  beständigen  Wasserstrom  unterhält,  die 
Puppe  ist  also  in  steter  Bewegung;  oder  die  Puppe  ist  von  einem  rings  ge- 
schlossenen Gespinnst  umgeben,  in  welchem  sie  völlig  bewegungslos  ruht.  Zu 
letzterer  Abtheilung  gehören  die  Rhyacophiliden  (Gespinnst  frei  im  Gehäuse)  und 
Hydroptiliden  (Gespinnst  mit  der  Wand  des  Gehäuses  verschmelzend),  zur  ersten 
Abtheilung  die  übrigen  fünf  Familien.  Schon  Eaton  hat  auf  Grund  des  Baues 
der  Imago  die  Hydroptiliden  den  Rhyacophiliden  angereiht.  —  Schon  früh  haben 
wahrscheinlich  die  Trichoptera  sich  in  diese  beiden  Hauptgruppen  geschieden, 
von  denen  jede  noch  jetzt  durch  ziemlich  ursprüngliche  Formen  vertreten  ist, 
deren  Larven  frei  leben,  deren  Kiefertaster  in  beiden  Geschlechtern  gleich  ge- 
bildet sind  und  deren  Flügelgeäder  sich  ebenfalls  als  der  Urform  nahe  stehend 
ausweist  (einerseits  die  Hydropsychiden,  andererseits  die  Rhyacophiliden).  Die 
typische  Form  der  Gehäuse  ist  ebenfalls  verschieden;  die  der  ersten  Abtheilung 
werden  an  dem  sich  erweiternden  Mundende  weitergebaut;  bei  der  zweiten  Ab- 
theilung ist  in  der  Regel  kein  Unterschied  zwischen  Vorder-  und  Hinterende; 
die  Larve  benutzt  beide  Oeffnungen  gleichmässig  als  Thüren  u.  s.  w. 

Meine  allerdings  noch  ganz  provisorische  Auffassung  des  Stammbaums  der 
Trichoptera  ist  die  beistehend  dargestellte. 

0Tr. 


©Hps I ©R. 


.    .0Hps. 

/  \ 

OLe.   .    .  I 


II. 


0R. 


III. 


0R.  0Hpt. 


0P.  .    .0Li.  .   IV. 


•    .    .0S V. 

(Tr.  ==  Trichoptera,  R.  =  Rhyacophilidae,  Hpt.  =  Hydroptilidae,  Hps.  =  Hy- 
dropsychidae,  Le.  =  Leptoceridae,  Li.  =:  Limnophilidae,  P.  =  Phryganidae,  S.  = 
Sericostomidae.) 


i)  Zoolog.  Anzeiger   1879.  2.  Jahrg.  S.  405 — 407. 
2)  Siehe  Ges.  Schriften  S.  766. 


Ueber  Phryganiden.  603 

Phyletische  Stufen:  1.  Ohne  Larvengehäuse  (jetzt  noch  ein  Theil  der  Rhya- 
cophiliden  und  Hydropsychiden).  IL  Mit  festsitzendem  Larvengehäuse.  111.  Mit 
freiem  Larvengehäuse,  fünfghedrigen  Kiefertasten  bei  c^  und  $.  IV.  Kiefertaster- 
gheder  weniger  zahh-cich  beim  J  als  beim  ?,  doch  von  gleicher  Gestalt.  V.  Glie- 
der Kiefertaster  der  d  in  Zahl  und  Gestalt  verschieden  von  denen  der  ?. 

Ich  meine,  ich  habe  Dir  noch  nicht  von  einer  allerliebsten  Einrichtung  bei 
unsrer  kleinen  Grumicha  geschrieben  (es  ist  das  beiläufig  eine  neue,  Leptocerus 
sehr  nahe  stehende  Gattung  Grumichella  m.).  Sie  befestigt  nämlich  nicht,  wie 
die  grosse  Grumicha  und  andere  Trichopteren,  vor  der  Verpuppung  ihre  Ge- 
häuse, sondern  deren  Deckel.  Gewöhnlich  sitzen  die  Gehäuse  mit  dem  Mund- 
ende nach  oben  an  senkrechten  Felsen,  an  denen  eine  dünne  Wasserschicht 
niederfällt.  Gegen  dieses  Wasser  würden  die  Puppen  nach  Lösung  des  Deckels 
kaum  aus  dem  festsitzenden  Gehäuse  auskriechen  können,  oder  doch  von  dem- 
selben übel  zugerichtet  werden.  So  aber  bleibt  der  Deckel  am  Felsen  sitzen, 
wenn  er  vom  Gehäuse  ringsum  gelöst  ist,  und  in  letzterem  wird  die  Puppe  von 
dem  stürzenden  Wasser  fortgerissen,  um  an  einem  ruhigeren  Orte  herauszu- 
kriechen und  sich  zu  verwandeln. 


Sobre  as  casas  construidas  Ueber  die  von  den 

pelas  larvas  de  Insectos  Trlchopterenlarven  der 

Trichopteros  da  provincia  Provinz    Santa    Catharina 

de  Sa.  Catharina^).  verfertigten  Gehäuse^). 

Mit  Tafel  LIII,  LIV  und  LV. 


Introduc9äo. 

A  ordern  dos  insectos  trichopteros 
e  de  subido  interesse  debaixo  de  dous 
pontos  de  vista  distinctos :  o  genealogico 
e  o  biologico. 

No  systema  genealogico  dos  insec- 
tos, OS  trichopteros  occupam,  em  rela^äo 
aos  lepidopteros,  a  mesma  posigäo  que, 
entre  os  mammiferos,  como  hoje  quasi 
todos  admittem,  competo  aos  macacos 
antropomorphos  em  relagäo  ao  hörnern ; 
e  summamente  provavel  que  os  lepidop- 
etros  sejam  descendentes  de  algum  tri- 
choptero  extincto,  ou  ao  menos  que  am- 
bas  as  ordens  se  tenham  originado  e 
dcsenvolvido  de  um  typo  primitivo  com- 
mum,  do  quäl  menos  se  tivcssem  afas- 
tado  OS  modestos  trichopteros,  c  muito 
mais  os  brilhantes  lepidopteros.  Ora, 
si  este  motivo,  para  se  dar  maxima  im- 
portancia  a  pequena  ordern  dos  trichop- 
teros, e  de  data  muito  recente,  ao  con- 
trario ja  em  tempos  remotissimos  as 
casas  ou  estojos  que  as  larvas  desses  in- 

i)  Archiv,  do  Museu  Nacional  do  Rio  de  Janeiro 
1878.  vol.  III.  p.  99—124.  Est.  VIII— X. 


Einleitung. 


Die  Ordnung  der  Trichopteren  ist 
unter  zwei  verschiedenen  Gesichtspunkten 
von  hohem  Interesse:  dem  genealogi- 
schen und  dem  biologischen. 

In  dem  genealogischen  System  der 
Insekten  nehmen  die  Trichopteren  in 
Bezug  auf  die  Schmetterhnge  dieselbe 
Stellung  ein,  die  unter  den  Säugethieren, 
nach  der  heute  fast  allgemeinen  An- 
nahme, den  anthropomorphen  Affen  in 
Bezug  auf  den  Menschen  zukommt;  es 
ist  im  höchsten  Grade  wahrscheinlich, 
dass  die  Schmetterlinge  von  irgend  einem 
ausgestorbenen  Trichopteren  abstammen, 
oder  wenigstens,  dass  beide  Ordnungen 
aus  einer  gemeinsamen  Stammform  her- 
vorgegangen sind,  von  der  sich  die  un- 
ansehnlichen Trichopteren  weniger,  die 
farbenprächtigen  Schmetterlinge  viel 
weiter  entfernt  haben.  Wenn  nun  dieser 
Grund,  der  kleinen  Ordnung  der  Tricho- 
pteren eine  grosse  Wichtigkeit  beizu- 
legen,   von   sehr   neuem    Datum   ist,   so 


i)  Zeitsclir.  Aviss.  Zoologie  1880.  Bd.  35.  S.47 — 74 
mit  Taf.  IV — V.  Aus  dem  Portugiesischen  übersetzt 
von  dem  Bruder  des  Verfassers,  Dr.  Hermann  Müller 
in  Lippstadt. 


Ueber  die  von  den    Trichopterenlaiven  der  Provinz  Santa  Catharina   verfertigten  Gehäuse.  ÖQ'^ 


sectos  constriuMii  haviam  dcspcrtado  vivo 
Interesse  aos  que  entäo  se  entregavam  ao 
estudo  da  biologia  dos  insectos.  Na  opi- 
niäo  de  varios  auctores  o  xylophthoro  ou 
ligniperda  [6oXo^\>dpo<;]  de  .\ristoteles 
tcria  sido  uma  larva  de  Phryganea; 
todavia,  como  eile  se  näo  referc  a  vida 
aquatica  desto  animal,  e  miiis  provavel 
que  tivesse  sido  a  larva  de  algum 
If^pidoptero,  do  grupo  das  Psychideas 
talvoz.  Mas  seja  isso  como  for,  o  que 
e  vcrdade  e  que  os  grandes  observa- 
dores  do  seculo  passado,  a  quem  tanto 
deve  a  biologia  dos  insectos,  Reaumur, 
De  Geer  e  Roesel,  fizeram  tambem 
estudos  muito  importantes  sobre  a  histo- 
ria  natural  e  a  estructura  dessas  larvas 
de  trichopteros,  assim  como  de  suas 
casas. 


No  seculo  actual  deram-se  a  um 
estudo  especial  dos  mesmos  animaes, 
Pictet,  Kolenati,  Hagen,  Mac  Lachlan 
e  outros.  Entretanto,  todos  esses  tra- 
balhos  ficaram  quasi  exclusivamente 
adstrictos  ä  Europa,  sendo  ainda  hojc 
a  historia  natural  das  especies  extra- 
europeas  como  que  um  terreno  virgem 
e  desconhecido  ä  sciencia. 

Em  1864,  Hagen,  publicou  uma  lista 
descriptiva  de  todas  as  casas  de  Tricho- 
pteros, de  que  tinha  visto  exemplares 
ou  achado  alguma  noticia  em  outros 
auctores  ^) ;  devendo  notar-se  que  do 
vasto  territorio  do  Brasil,  so  se  acham 
mencionadas  nesta  lista  de  150  especies 
a  Grtimicha  de  Saint  Hilaire,  e  uma 
especie  de  Helicopsyche.  Assim,  pois, 
näo  sera  fora  de  proposito  dar  uma 
breve  noticia  das  especies  que  observei 
na  provincia  de  Santa  Catharina.  Por 
mais    deficiente    e   incompleta  que   seja 

i)  Hagen,  Ueber  Phryganiden-Gehäuse.  Stettiner 
entomol.   Zeitung.  Bd.  XXV.   1864.   P-  114  ep.  221. 


haben  dagegen  schon  in  sehr  entfernten 
Zeiten  die  Gehäuse  oder  Futterale,  die 
die  Larven  dieser  Insekten  bauen,  das 
lebhafteste  Interesse  Derer  erregt,  die 
sich  damals  dem  Studium  der  Biologie 
der  Insekten  hingaben.  Nach  der  Mei- 
nung verschiedener  Schriftsteller  v^^äre 
der  Holzverderber  (^0X09 i)-öpo<;)  des  Ari- 
stoteles eine  Phryganidenlarve  gewesen  ; 
doch  ist  es,  da  er  nichts  von  der  Wasser- 
Lebensweise  dieses  Thieres  erwähnt,  wohl 
wahrscheinlicher,  dasses  die  Larve  irgend 
eines  Schmetterlinges,  vielleicht  aus  der 
Gruppe  der  Psychiden,  gewesen  sein  mag. 
Dem  sei  aber  wie  ihm  wolle,  jedenfalls 
haben  die  grossen  Beobachter  des  ver- 
gangenen Jahrhunderts,  denen  die  Bio- 
logie der  Insekten  so  viel  verdankt, 
Reaumur,  De  Geer  und  Roesel,  auch 
sehr  wichtige  Studien  über  die  Natur- 
geschichte und  den  Bau  der  Trichopteren- 
larven,    so  wie   ihrer  Gehäuse  gemacht. 

Im  gegenwärtigen  Jahrhundert  wid- 
meten sich  dem  speciellen  Studium  dieser 
Tiere  Pictet,  Kolenati,  Hagen,  Mac  Lach- 
lan und  Andere.  Alle  diese  Arbeiten 
blieben  indessen  fast  ausschliesslich  auf 
Europa  beschränkt,  so  dass  die  Natur- 
geschichte der  aussereuropäischen  Arten 
fast  noch  heute  ein  jungfräuliches  und 
der  Wissenschaft  unbekanntes  Gebiet  ist. 

Im  Jahre  1864  veröffentlichte  Hagen 
ein  Verzeichniss  nebst  Beschreibungen 
aller  Trichoptcren-Gehäuse,  von  denen 
er  Exemplare  gesehen  oder  über  die  er 
bei  anderen  Schriftstellern  irgend  eine 
Angabe  gefunden  hatte  ^) ;  in  dieser  Liste 
von  150  Arten  finden  sich  aus  dem  un- 
geheuren Gebiet  Brasiliens  nur  eine 
Grumicha  von  Saint  Hilaire  und  eine 
Helicopsyche-Art  erwähnt.  Hiernach 
wird  es  also  nicht  unzweckmässig  sein, 
eine  kurze  Mittheilung  über  diejenigen 
Arten   zu  machen,   die  ich  in  der  Pro- 


i)  Hagen,  Ueber  Phryganiden-Gehäuse.  Stettiner 
entomol.  Zeitung.  Bd.  XXV.   1864.  S.  114  und  221. 


696 


Sobrc  as  casas  construidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


ainda  a  minha  lista  das  cspecies  catha- 
rinenses,  ao  menos  mostrara  quantas 
formas  inesperadas  e  curiosas  podem 
ainda  deparar-se  aos  que  quizerem  ex- 
plorar  as  aguas  do  Brasil  a  busca  das 
larvas  de  Trichopteros.  Limito-me  por 
esta  vez  as  casas  construidas  pelas  lar- 
vas, referindo-me  apenas  de  passagom 
a  um  ou  outro  ponto  notavel  da  estruc- 
tura  ou  dos  costumes  de  seus  habitan- 
tes,  cuja  descripgäo  reservo  para  outro 
trabalho. 


Quando,  ha  25  annos,  Brcmi  propoz 
o  genero  Helicopsyche,  de  quo  n'aquella 
epocha  apenas  se  conheciam  as  casas 
das  larvas,  baseou-se  no  facto  capital  de 
que  «todas  as  observagöes  feitas  ate  entäo 
a  esse  respeito  provaram  sempre  que  as 
differengas  existentes  no  typo  de  archi- 
tectura  das  casas  de  Phryganideas  indi- 
cam  generös  distinctos».  Sigo  o  exemplo 
de  Bremi,  propondo  generös  novos  para 
varios  typos  inteiramente  novos  de  casas 
de  Trichopteros;  semelliante  procedi- 
mento  me  parece  assaz  justificado,  com- 
quanto  sejam  ainda  desconhecidos  os 
insectos  perfeitos,  no  facto  da  trans- 
formagäo  que  soffrem  as  larvas  construc- 
toras  daquellas  casas.  Tomemos  o  exem- 
plo das  Helicopsyches,  täo  notaveis  pelas 
suas  casas  encaracoladas.  Tres  casos 
podiam  apresentar-se.  Primeiro,  que  os 
insectos  perfeitos,  nascendo  das  especies 
ja  täo  numcrosas  e  espalhadas  por  todo 
o  mundo,  daquellas  casas  encaracoladas, 
fossem  todos  täo  semelhantes  entre  si  e 
täo  differentes  de  todos  os  mais  Tricho- 
pteros, que  constituissem  um  genero 
distincto ;  neste  caso  näo  haveria  duvida 
alguma  sobre  o  genero  Helicopsyche. 


vinz  Santa  Catharina  beobachtet  habe. 
Denn  mag  auch  meine  Liste  der  Arten 
dieser  Provinz  noch  so  mangelhaft  und 
unvollständig  sein,  so  wird  sie  wenig- 
stens zeigen,  wie  viel  unerwartete  und 
merkwürdige  Formen  noch  aufgefunden 
werden  können,  wenn  man  die  Gewässer 
Brasiliens  auf  Trichopterenlarven  durch- 
sucht. Ich  beschränke  mich  für  dies 
Mal  auf  die  \'on  den  Larven  gebauten 
Gehäuse  und  nehme  höchstens  nebenbei 
Bezug  auf  die  eine  oder  andere  bemer- 
kenswerthe  Eigenthümlichkeit  des  Baues 
oder  der  Gewohnheiten  ihrer  Bewohner, 
deren  Beschreibung  ich  einer  anderen 
Arbeit  vorbehalte. 

Als  Bremi  vor  25  Jahren  die  Gattung 
Helicopsyche  aufstellte,  von  der  man  in 
jener  Epoche  kaum  die  Gehäuse  der 
Larven  kannte,  stützte  er  sich  auf  die 
Hauptthatsache,  dass  „alle  bis  dahin  in 
dieser  Hinsicht  gemachten  Beobachtun- 
gen immer  bewiesen  hatten,  dass  die  in 
der  Grundform  des  Baustiels  der  Phry- 
ganiden-Gehäuse  bestehenden  Verschie- 
denheiten verschiedene  Gattungen  an- 
zeigen". Ich  folge  dem  Beispiele  Bremi's, 
indem  ich  für  verschiedene  ganz  neue 
Grundformen  (Typen)  \'on  Trichopteren- 
Gehäusen 'neue  Gattungen  aufstelle;  ein 
solches  Vorgehen  scheint  mir  hinlänglich 
gerechtfertigt,  wie  sehr  auch  die  voll- 
kommenen Insekten  noch  unbekannt  sein 
mögen ;  denn  die  Larven ,  welche  die 
Gehäuse  bauen,  werden  durch  sie  auch 
umgeformt.  Nehmen  wir  z.  B.  die 
Helicopsyche-Arten,  die  sich  durch  ihre 
schneckenförmig  eingerollten  Gehäuse 
so  sehr  auszeichnen.  Drei  Fälle  können 
sich  darbieten.  Erstens  könnten  die 
vollkommenen  Insekten ,  die  aus  den 
schon  so  zahlreichen  und  durch  die  ganze 
Welt  verbreiteten  Arten  dieser  schnecken- 
förmigen Gehäuse  hervorgehen,  alle  unter 
sich  eben  so  ähnlich  und  von  allen  üb- 
rigen Trichopteren,    die   eine  besondere 


Ueber  die  von  den  Tnchoptercnlaivcn  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  5gy 


Em  seo-undo  logar,  podia-sc^  suppor 
que  fossem  todos  os  trichopteros  nascidos 
de  casas  encaracoladas,  täo  semclhantes 
as  especies  de  algiim  tnitro  genero,  que, 
no  estado  de  insectos  perfeitos,  näo  se 
podessem  distinguir  genericamente ;  tam- 
bem  neste  caso,  (que  näo  se  verifica  na 
HelicopsycJie  borealis,  Hag),  teria  sido 
conveniente  conservar  o  genero  Helico- 
psycJie^ visto  como  o  caracter  das  casas 
encaracoladas  e,  sem  duvida  nenhuma, 
muito  mais  importante  e  signal  muito 
mais  seguro  de  affinidade  do  que  aquellas 
ligeiras  differengas  nas  nervuras  das 
azas  e  outras  do  mesmo  jaez,  hoje  usadas 
para  distinguir  os  generös  dos  Tricho- 
pteros. Podera ,  emfim ,  acontecer  que 
as  varias  especies  cujas  larvas  construem 
casas  encaracoladas,  estejam  no  estado 
de  insectos  perfeitos,  täo  diversos  entre 
si ,  que  con\nria  separal-os  em  diversos 
generös;  tambem  neste  caso  deveria 
subsistir  o  nome  de  Helicopsyche,  para 
designar  por  uma  unica  palavra  os  con- 
structores  das  casas  encaracoladas,  c 
devia  subsistir  com  o  mesmo  direito  com 
que  continuam  a  ser  usados  os  nomes 
de  Bipinnaria,  Plnteus,  de  Nauplius, 
de  Zoea,  etc.  Ora,  tudo  o  que  acabo 
de  dizer  a  respeito  das  HelicopsycJies , 
vale  tambem  para  todos  os  generös 
que  von  propör  neste  trabalho. 


§   I- 

As   casas    das    Rhyacophylideas 

(flg.   1—4). 

Segundo     Pictet  ^) ,     as     larvas     das 

Rhyacophilideas    vivem    sem    casa    cm 

i)  Citado  por  Hagen,  1.  c.  p.   142. 


Gattung  bilden,  eben  so  verschieden  sein; 
in  diesem  Falle  würde  über  die  Gattung 
Helicopsyche  gar  kenn  Zweifel  sein. 

An  zweiter  Stelle  könnte  man  an- 
nehmen, dass  alle  Trichoptcren,  die  aus 
schneckenförmigen  Gehäusen  hervor- 
gehen, den  Arten  irgend  einer  anderen 
Gattung  so  ähnlich  wären,  dass  sie  im 
Zustande  der  fertigen  Insekten  nicht 
generisch  unterschieden  werden  könnten ; 
auch  in  diesem  Falle  (der  sich  in  Helico- 
psyche borealis  Hag.  nicht  bewahrheitet) 
würde  es  passend  sein,  die  Gattung 
Helicopsyche  festzuhalten,  da  ja  ohne 
irgend  welchen  Zweifel  das  Merkmal 
der  schneckenförmigen  Gehäuse  viel 
wichtiger  ist  und  viel  sicherer  auf  Ver- 
wandtschaft hinweist  als  jene  leichten 
Unterschiede  in  den  Flügelnerven  und 
andere  desselben  Schlages,  die  man 
heute  anwendet,  um  die  Gattungen  der 
Trichoptcren  zu  unterscheiden.  Endlich 
wird  es  sich  treffen  können,  dass  die 
verschiedenen  Arten ,  deren  Larven 
schneckenförmige  Gehäuse  bauen ,  im 
Zustande  fertiger  Insekten  so  verschieden 
unter  sich  sind,  dass  es  passend  sein 
würde,  sie  in  verschiedene  Gattungen  zu 
trennen;  auch  in  diesem  Falle  müsste 
der  Name  Helicopsyche  bestehen  bleiben, 
um  mit  einem  einzigen  Worte  die  Er- 
bauer schneckenförmiger  Gehäuse  zu 
bezeichnen,  und  müsste  mit  demselben 
Rechte  beibehalten  werden,  mit  dem  man 
fortfährt,  die  Namen  Bipinnaria,  Pluteus, 
Nauplius,  Zoea  u.  s.  w.  zu  gebrauchen. 
Alles  was  ich  soeben  hinsichtlich  der 
Helicopsyche- Arten  gesagt  habe,  gilt 
aber  ganz  eben  so  für  alle  Gattungen, 
die  ich  in  dieser  Arbeit  aufstellen  werde. 

i)   Die  Gehäuse  der  Rhyacophi- 
liden  (Fig.   i — 4). 
Nach  Pictet  ^)   leben  die  Larven  der 
Rhyacophiliden  ohne  Gehäuse  in  fliessen- 

i)  Citirt  von  Hagen,  1.  c.  S.    142. 


698 


Sobre  as  casas  constmidas  pelas  larvas  de  Insectos  Tricliopteros. 


aguas  correntes,  e  so  quando  estäo  para 
se  transformar  em  n3^mphas,  construem 
nas  pedras  uma  casa  tosca  c  immovcl; 
näo  obstante,  o  proprio  Pictet  ja  fig-urou 
uma  casa  movel,  feita  de  pedras  pela 
larva  de  uma  especie  desta  familia  \). 
Depois  de  construida  ou  fixada  a  casa, 
as  larvas  das  Rhyacophilideas,  atites  de 
se  transformarem,  ainda  fazem  ao  redor 
de  si  um  segundo  'involucro,  ou  casulo 
de  uma  niembrana  assaz  resistente,  de 
forma  oval,  fechado  do  todos  os  lados, 
o  quäl  se  acha  solto  no  interior  da  casa 
de  pedras.  Por  este  segundo  involucro 
as  nymphas  das  RJiyacophilideas  facil- 
mente  se  distinguem  das  de  todos  os 
mais  Ti'ichopteros.  Nos  corregos  e 
ribeiros  affluentes  do  rio  Itajahy  ha 
algumas  especics  desta  familia  que, 
no  estado  de  larvas,  parecem  prescindir 
de  casas;  os  casulos  de  suas  nymphas 
acham-se  cobertos  de  algumas  pedrinhas 
toscamente  accumuladas,  formando  um 
monticulo  täo  irregulär  que  näo  merece 
o  nome  de  casa.  Muito  mais  frequentes 
säo  algumas  outras  especies  que  ja  no 
estado  de  larvas  vivem  em  casas  mo- 
veis.  Estas  casas  (fig.  i — 4)  säo  feitas 
de  pedras  de  forma  oval,  com  dous 
orificios  ou  portas  nos  dous  extremos 
do  lado  ventral.  Näo  ha  differenga  entre 
OS  extremos  anterior  e  posterior  da  casa, 
podendo  a  larva  sahir  indifferentemente 
por  uma  ou  outra  porta.  Antes  de  se 
transformar  em  nympha,  a  larva  remove 
a  parede  ventral,  fixando]  toda  a  margem 
da  abobada  da  casa  a  alguma  pedra 
maior,  e  ao  mesmo  tempo  renne  mais 
firmemente  umas  as  outras  as  pedrin- 
has da  mesma  abobada. 


den  Gewässern  und  bauen  nur,  weim 
sie  sich  verpuppen  wollen ,  auf  den 
Steinen  ein  rohes  und  unbewegliches 
Gehäuse;  gleichwohl  hat  schon  Pictet 
selbst  ein  bewegliches  Gehäuse  abge- 
bildet, das  von  der  Larve  einer  Art 
dieser  Familie  aus  Steinen  verfertigt 
war  ^).  Nach  dem  Bau  und  der  Be- 
festigung ihres  Gehäuses  machen  die 
Larven  der  Rhyacophiliden,  bevor  sie 
sich  umwandeln,  um  sich  herum  noch 
eine  zweite  Hülle,  einen  Kokon  aus  einer 
ziemlich  widerstandsfähigen  Haut,  von 
ovaler  Form,  der  sich,  von  allen  Seiten 
geschlossen,  lose  im  Inneren  des  Stein- 
gehäuses befindet.  Durch  diese  zweite 
Hülle  unterscheiden  sich  die  Puppen 
der  Rhyacophiliden  leicht  von  denen 
aller  übrigen  Trichopteren.  In  Quellen 
und  Bächen,  die  dem  Itajahy  zufliessen, 
giebt  es  einige  Arten  dieser  Familie, 
die  im  Larvenzustande  von  Gehäusen 
abzusehen  scheinen ;  die  Hüllen  ihrer 
Puppen  finden  sich  mit  einigen  roh  zu- 
sammengehäuften Steinchen  bedeckt,  die 
ein  so  unregelmässiges  Häufchen  bilden, 
dass  es  den  Namen  eines  Gehäuses  nicht 
verdient.  Viel  häufiger  sind  einige  an- 
dere Arten,  die  schon  im  Larvenzustande 
in  beweglichen  Gehäusen  leben.  Diese 
Gehäuse  (Fig.  i — 4)  sind  aus  Steinen  ver- 
fertigt, von  ovaler  Form,  mit  zwei  Oeff- 
nungen  oder  Thüren  an  den  beiden 
Enden  der  Bauchseite.  Es  ist  kein  Unter- 
schied zwischen  dem  vorderen  und  hin- 
teren Ende  des  Gehäuses;  die  Larve 
kann  eben  so  gut  aus  der  einen  wie  aus 
der  anderen  Thür  hervorkommen.  Bevor 
sie  sich  zur  Puppe  umwandelt,  entfernt 
die  Larve  die  Bauchwand,  heftet  den 
ganzen  Rand  des  Gewölbes  ihres  Ge- 
häuses an  irgend  einen  grösseren  Stein 
und  verbindet  gleichzeitig  die  Steinchen 
dieses  Gewölbes  fester  mit  einander. 


i)  Hagen,  1.  c.  p.  144  \V\  6. 


i)  Hagen,  1.  c.  S.   144.  11°.  6. 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  6qq 


As  casas  de  todas  as  larvas  de  Tricho- 
pteros  devem  ser  atravessadas  conti nua- 
mcnte  por  uma  corrente  de  agua  frcsca, 
quc  mantem  a  r(\spira(;äo  das  mesmas 
larx'as.  Ora,  as  duas  portas  das  casinhas 
mov^eis  das  Rliyitcopliilideas  acham-se, 
como  ja  disse ,  na  parede  ventral ,  e 
applicadas  a  pedra  em  que  vivem ; 
circumstancia  esta  utilissima,  de  ccrto, 
para  impedir  a  entrada  de  qualquer 
inimigo,  poreni  muito  desfavoravel  a 
circulagäo  da  agua.  Este  inconveniente 
acha-se  remediado  de  differentes  ma- 
neiras  pelas  diversas  especies  cathari- 
nenses.  Em  uma  especie  pequena  (fig.  i), 
cujas  casas  raras  vezes  excedem  a  5'""' 
de  comprimento  sobre  3™™  de  largura, 
as  pedrinhas  da  abobada  säo  ligadas 
de  maneira  a  deixarem  cntre  si  pequenos 
orificios  ou  intersticios  irreguläres,  de 
numero,  tamanho  e  forma  muito  varia- 
veis.  As  vezes,  perto  de  um  ou  outro 
extremo,  encontra-se  um  orificio  um 
pouco  maior.  Esta  especie  vive  em  varios 
corregos  menores  de  curso  rapido;  ge- 
ralmente  no  lado  superior  das  pedras, 
as  casas  das  nymphas  (fig.  i,  B-B'), 
costumam  ser  fixadas  ao  lado  inferior 
das  mesmas  pedras.  Outra  especie  (fig.  2), 
que  encontrei  no  ribeiräo  da  Gruta  dos 
Macacos  ( <Affen\vinkel.  dos  allemäes  da 
colonia  de  Blumenau »)  e  que  costuma 
empregar  pedras  relati\amente  grandes 
na  construcQäo  de  suas  casas,  deixa  um 
unico  buraco  maior  no  centro  da  abo- 
bada. Este  buraco  e  frequentementc 
quadrangular  e  limitado  por  quatro  pe- 
dras, fechando-se  quando  a  larva  \ai 
transformar-se  em  nympha. 


Em  quasi  todos  os  logares  em  que 
um  ribeiräo  maior  ou  menor  corre  rapi- 
damente  em  um  leito  de  pedras,  estas 
acham-se  cobertas  de  milhares  de  casin- 


Die  Gehäuse  aller  Trichopterenlarven 
müssen  beständig  von  einem  Strom 
frischen  Wassers  durchflössen  werden, 
der  die  Athmung  dieser  Leirven  unter- 
hält. Nun  befinden  sich  die  beiden 
Thüren  der  beweglichen  Häuschen  der 
Rhyacophiliden,  wie  schon  gesagt,  in 
der  Bauchwand  und  dem  Steine  an- 
gedrückt, auf  dem  sie  leben ;  dieser  Um- 
stand, der  gewiss  sehr  nützlich  ist,  um 
den  Eintritt  irgend  welches  Feindes  zu 
verhindern,  ist  dagegen  für  die  Cirku- 
lation  des  Wassers  sehr  ungünstig.  Dieses 
Hindernis  findet  sich  bei  verschiedenen 
Arten  von  St.  Catharina  auf  verschie- 
dene Weise  beseitigt.  Bei  einer  kleinen 
Art  (Fig.  i),  deren  Gehäuse  in  seltenen 
Fällen  5  mm  Länge  bei  3  mm  Breite 
überschreiten ,  sind  die  Steinchen  des 
Gewölbes  derart  mit  einander  verbunden, 
dass  sie  zwischen  sich  kleine  Oeffnungen 
oder  unregelmässige  Zwischenräume 
lassen,  die  an  Zahl,  Grösse  und  Form 
mannigfach  wechseln.  Bisweilen  findet 
sich  nahe  dem  einen  oder  anderen  Ende 
eine  etwas  grössere  Oeffnung.  Diese 
Art  lebt  in  verschiedenen  kleineren 
Quellen  von  raschem  Lauf;  gewöhnlich 
auf  der  oberen  Seite  der  Steine;  die 
Gehäuse  der  Puppen  (Fig.  i  B,  B') 
pflegen  an  der  unteren  Seite  derselben 
Steine  befestigt  zu  werden.  Eine  an- 
dere Art  (Fig.  2),  die  ich  im  Bache 
„Affenwinkel"  (Gruta  dos  Macacos) 
antraf,  und  die  verhältnissmässig  grosse 
Steine  beim  Bau  ihrer  Gehäuse  anzu- 
wenden pflegt,  lässt  eine  einzige  grössere 
Oeffnung  in  der  Mitte  des  Gewölbes. 
Diese  Oeffnung  ist  häufig  viereckig  und 
von  \'ier  Steinen  umgrenzt;  sie  wird  ge- 
schlossen, wenn  die  Larve  sich  zur  Puppe 
umwandeln  will. 

An  fast  allen  Stellen,  wo  ein  grösserer 
oder  kleinerer  Bach  in  einem  Bette  von 
Steinen  schnell  fliesst,  finden  sich  diese 
mit     Tausenden     von     Rhyacophiliden- 


700 


Sobre  as  casas  coiistruidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


has  de  Rhyacophüideas  (fig.  3),  quo,  em 
vez  de  um  simples  buraco,  possuem  no 
meio  da  abobada  uma  chamine  ou  cano 
mais  ou  menos  alto,  construido  geral- 
mente  de  pedrinhas  muito  mais  miudas 
do  que  as  do  resto  da  casa. 

As  formas  e  cores  dessas  casinhas 
variam  ao  infinito,  segundo  o  caracter 
mineralogico  do  material  que  para  a 
sua  construccäo  as  larvas  encontram  nas 
aguas,  näo  so  nos  differentes  riboiros 
que  habitam,  como  tambem  na  mesma 
localidade.  As  tres  casinhas  da  fig.  3 
foram  tiradas  com  algumas  duzias  de 
outras  näo  menos  diversas  de  uma  unica 
pedra  do  Ribeiräo  do  Garcia.  As  casas 
das  nymphas,  fixadas  geralmente  no  lado 
inferior  das  pedras,  näo  tem  mais  cha- 
mine. Por  causa  da  extrema  variabilidade 
e  irregularidade  destas  casinhas,  e  quasi 
impossivel  decidir,  sem  um  exame  minu- 
cioso  das  larvas  e  nymphas  que  as 
habitam  e  dos  insectos  perfeitos  em  que 
estas  se  transformam,  si  todas  ellas  per- 
tencem  a  uma  so  especie.  As  que  no 
mez  de  Agosto  achei  no  Ribeiräo  da 
Triste  Miseria  {Trauriger  Jammer,  dos 
allemäes  de  Blumenau) ,  distinguiam-se 
por  uma  chamine  menos  alta,  menos 
estreita,  e  frequentemente  um  pouco 
inclinada  (fig.  4).  Talvez  seja  especie 
differente. 


§    2- 

As  casas  das  Hy dropsy chideas 
(fig.  5-6). 
Näo  se  conhece  larva  da  familia  das 
Hy  dropsy  chideas,  que  faga  casa  movel; 
quasi  todas  ellas  vivem  em  escondrijos 
de  construccäo  muito  rüde,  sendo,  ou 
corredores  assaz  compridos  e  tortuosos, 
cobertos  de  pedras,  fragmentos  de  plan- 
tas,  etc.,  ou  tambem  canaes  cylindricos 
cujas  paredes,  tecidas  pela  larva,  se 
compöem  de  seda  e  barro  ou  areia  fina, 


bauschen  (Fig.  3)  bedeckt,  die,  statt  einer 
einfachen  Oeffnung,  in  der  Mitte  des 
Gewölbes  einen  Schornstein  oder  eine 
Röhre  besitzen  —  mehr  oder  weniger 
hoch,  im  Allgemeinen  aus  viel  kleineren 
Stein chen  gebaut,  als  das  übrige  Gehäuse. 
Die  Formen  und  Farben  dieser  Ge- 
häuse variiren  ins  Unendliche  nach  dem 
mineralogischen  Charakter  des  Baumate 
rials,  welches  die  Larven  in  den  Gewäs- 
sern antreffen,  nicht  nur  in  den  verschiede- 
nen Bächen,  die  sie  bewohnen,  sondern 
auch  an  derselben  Lokalität.  Die  drei  Ge- 
häuse von  Fig.  3  wurden  mit  einigen 
Dutzend  anderen,  nicht  weniger  ver- 
schiedenen einem  einzigen  Steine  des 
Baches  Garcia  entnommen.  Die  Gehäuse 
der  Puppen,  die  gewöhnlich  an  der 
Unterseite  der  Steine  befestigt  sind, 
haben  keinen  Schornstein  mehr.  Wegen 
der  ausserordentlichen  Variabilität  und 
Unregelmässigkeit  dieser  Häuschen  ist 
es,  ohne  eine  minutiöse  Untersuchung 
der  Larven  und  Puppen,  die  sie  be- 
wohnen, und  der  fertigen  Insekten,  in 
die  diese  sich  umwandeln,  kaum  mög- 
lich zu  entscheiden,  ob  sie  alle  zu  einer 
einzigen  Art  gehören.  Die,  welche  ich 
im  Monat  August  im  Bache  „Trauriger 
Jammer"  (Triste  Miseria)  fand,  unter- 
scheiden sich  durch  einen  weniger  hohen, 
weniger  engen,  und  oft  etwas  geneigten 
Schornstein  (Fig.  4).  Sie  bilden  vielleicht 
eine  verschiedene  Art. 

2)  Die  Gehäuse  der  Hydrops}^ - 
chiden  (Fig.  5,  6). 
Aus  der  Familie  der  Hy  dropsy  chiden 
ist  keine  Larve  bekannt,  die  ein  beweg- 
liches Gehäuse  anfertigt;  sie  leben  fast 
alle  in  Verstecken  von  sehr  roher  Bau- 
art: entweder  in  ziemlich  langen,  ge- 
krümmten Gängen,  die  mit  Steinen, 
Pflanzenbruchstücken  u.  s.  w.  bedeckt 
sind,  oder  auch  in  cylindrischen  Kanälen, 
deren   von   der   Larve  gewebte  Wände 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  yoi 


como  OS  construidos  pela  larva  de 
Hydropsyche  ntaailicornis'^).  Na  pro- 
vincia  de  Santa  Catharina  abunda,  por 
baixo  das  pedras,  em  quasi  todas  as 
aguas  correntes,  uma  larva  desta  familia, 
a  maior  de  todas  as  larvas  de  Tri- 
chopteros  que  por  aqui  ha.  Ella  vive 
em  uma  especie  de  canal  on  corredor 
coberto  de  pedras  irregularmente  accu- 
muladas  e  em  geral  muito  mal  seguras 
por  alguns  fios  dc^  seda.  Para  se  trans- 
formar  em  nympha  ella  construc^  uma 
casa  de  pedras  firmemente  ligadas,  as 
vezes  enormes  para  animal  täo  pequeno. 
A  forma  externa  dessas  casas  (fig.  ^,  A), 
fixadas  no  lado  inferior  de  pedras 
maiores,  e  muito  irregulär,  variando  ao 
infinito,  segundo  a  forma  das  pedras 
empregadas  na  sua  construcgäo.  Ellas 
encerram  uma  cavidade  cylindrica  ou 
oval  de  cerca  de  20"""  de  comprimento 
sobre  6"™  de  largvira.  A  camada  inte- 
rior  da  parede  da  casa  e  feita  de  barro, 
areia  ou  pedrinhas  muito  intimamente 
unidas  pela  seda  que  fornecem  os  «seric- 
terios»  ou  glandulas  fiandeiras  da  larva. 
A  superficie  interna  da  casa  e  lisa;  em 
cada  extremidade  a  parede  e  perfurada 
de  cerca  de  meia  duzia  de  buraquinhos 
para  receber  a  agua  necessaria  a  re- 
spiragäo  da  nympha.  Contiguo  a  super- 
ficie interna  da  casa  de  pedras  acha- 
se  um  casulo  de  seda  branca,  ligeira- 
ramente  amarellada  (fig.  5,  ß).  A  mem- 
brana  do  casulo,  comquanto  tenuissima, 
e  muito  resistente;  os  extremos  (ou 
bases  do  C3dindro),  säo  crivados  de 
buracos  numerosissimos  de  cerca  de 
o,""°o8    de    diametro   (fig.   5,  R). 


i)    Westwood,    Introductlon    to    modern    Classi- 
fication of  Insects.  II.  p.  62.  fig.  68,  8. 


aus  Seide  und  Thon  oder  feinem  Sand 
bestehen,  wie  die  von  der  Larve  von 
Hydropsyche  maculicornis  gebauten  ^). 
In  der  Provinz  Santa  Catharina  ist  in 
fast  allen  fliessenden  Gewässern  auf  der 
Unterseite  der  Steine  eine  Larve  dieser 
Familie  ungemein  häufig,  die  grösste 
aller  bis  jetzt  bekannten  Trichopteren- 
larven. Sie  lebt  in  einer  Art  Kanal 
oder  Gang,  der  von  unregelmässig  zu- 
Scimmengehäuften  und  mit  einigen  Sei- 
denfäden im  Allgemeinen  sehr  schlecht 
befestigten  Steinen  bedeckt  ist.  Um  sich 
in  eine  Puppe  umzuwandeln,  baut  sie 
ein  Gehäuse  von  fest  zusammengehef- 
teten, bisweilen  für  ein  so  kleines  Thier 
auffallend  grossen  Steinen.  Die  äussere 
Form  dieser  mit  ihrer  Unterseite  an 
grössere  Steine  befestigten  Gehäuse 
(Fig.  5  A)  ist  sehr  unregelmässig,  nach 
der  Form  der  bei  ihrem  Bau  verwen- 
deten Steine  ins  Unendliche  wechselnd. 
Sie  umschliessen  einen  cylindrischen  oder 
ovalen  Hohlravim  von  ungefähr  20  mm 
Länge  bei  6  mm  Breite.  Die  innere 
Wandschicht  des  Gehäuses  ist  aus  Thon, 
Sand  oder  Steinchen  verfertigt,  die  mittels 
der  von  den  Seiden-  oder  Spinndrüsen 
der  Larve  gelieferten  Seide  sehr  innig 
vereinigt  sind.  Die  innere  Oberfläche 
des  Gehäuses  ist  glatt;  an  jedem  Ende 
ist  die  Wand  von  ungefähr  einem  halben 
Dutzend  kleiner  Löcher  durchbohrt,  um 
das  zur  Athmung  der  Puppe  nöthige 
Wasser  aufzunehmen.  Unmittelbar  an 
der  inneren  Oberfläche  des  Steingehäuses 
befindet  sich  ein  Kokon  von  weisser, 
schwach  gelblicher  Seide  (P'ig.  5  B). 
Die  Haut  des  Kokons  ist  zwar  sehr 
dünn,  aber  in  hohem  Grade  widerstands- 
fähig; die  Enden  oder  Grundflächen  des 
Cylinders  sind  von  sehr  zahlreichen 
Löchern  von  ungefähr  0,08  mm  Durch- 
messer siebartig  durchlöchert  (Fig.  5,  B'). 

i)  Westwood,    Introduction    to    modern    Classi- 
fication of  Insects,  II,  p.  62,  Fig.  68,  8. 


702 


Sobre  as  casas  constniidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


Mais  rara  e  outra  especie  da  mesma 
familia  (fig.  6),  quc  so  se  encontra  em 
corregos  de  curso  muito  rapide,  v.  g.  na 
«Gruta  dos  Macacos»  e  na  «Triste  Misc- 
ria»  de  Blumen  au.  As  suas  casas  säo  das 
mais  interessantes,  näo  so  na  ordern  dos 
Trichopteros,  como  dos  insectos  em  geral, 
podendo  rivalisar  com  as  do  cupim,  das 
formigas,  marimbondos,  abelhas,  etc. 
Estas  casas  nunca  säo  feitas  por  baixo, 
mas  sim  por  cima  das  pedras;  säo  con- 
struidas  sem  grande  arte,  (^  nada 
mais  säo  do  que  tubos  ou  canaes 
de  cerca  de  7™"  de  comprimento  so- 
bre 2™'"  de  diametro,  feito  de  fibras 
vegetaes  irregularmente  sobrepostas  ou 
entrelacadas,  ou  tambem  de  pedrinhas. 
Gada  casa  tem  um  vestibulo  ou  varanda, 
dilatando-se  em  forma  de  funil,  cuja  en- 
trada  mede  ate  7"""  de  altura  sobre  outro 
tanto  ou  mais  de  largura.  As  paredes 
lateraes  säo  geralmente  feitas  de  fibras 
entrelacadas,  servindo  de  tecto  uma  rede 
elegantissima  de  seda,  cujas  malhas  qua- 
drangulares  costumam  ter  o,™"'2  ate  o,"^'"3 
de  largura.  As  casas  säo  invariavelmente 
orientadas  de  tal  maneira  que  a  corrente 
d'agua  venha  bater  na  entrada  do  funil. 
Raras  vezes  estas  larvas  vivem  solitarias ; 
geralmente  fazem  as  suas  casas  contiguas 
umas  ao  lado  das  outras,  formando  as 
vezes  uma  longa  fileira  interrupta,  per- 
pendicular  ao  curso  da  agua,  interceptando 
e  retendo  desta  sorte  em  seus  funis  tudo 
quanto  a  agua  possa  trazer  de  comestivel. 
Para  a  transforma^äo  em  nymphas  parece 
que  as  larvas  sempre  substituem  pequenas 
pedras  as  fibras  vegetaes  das  suas  casas; 
sendo  essas  pedrinhas  fortemente  unidas 
e  cobrindo  uma  cavidade  de  cerca  de 
7"""  de  comprimento  sobre  3°""  de  lar- 
gura (fig.  6,  B,  B'),  cuja  parede  e  interior- 
mente  revestida,  como  na  especie  prece- 
dente,  de  uma  membrana  resistente. 
Nessas  casas  de  nymphas  näo  ha  mais 
varanda,  a  quäl  näo  sei  si  foi  removida 


Seltener  ist  eine  andere  Art  derselben 
Familie  (Fig.  6),  die  man  nur  in  Quellen 
von  sehr  raschem  Lauf,  z.  B.  im  „Affen - 
Winkel*'  und  im  „Traurigen  Jammer"  der 
Kolonie  Blumenau  antrifft.  Ihre  Gehäuse 
gehören  zu  den  interessantesten,  nicht 
nur  in  der  Ordnung  der  Trichopteren, 
sondern  der  Insekten  überhaupt;  sie 
können  mit  denen  der  Termiten,  Amei- 
sen, Wespen,  Bienen  u.  s.  w.  u^etteifern. 
Diese  Gehäuse  sind  niemals  auf  der 
Unterseite,  sondern  auf  der  Oberseite 
der  Steine  angeheftet;  sie  sind  ohne 
grosse  Kunst  gebaut  und  sind  nichts 
weiter  als  Röhren  oder  Kanäle  von  etwa 
7  mm  Länge  bei  2  mm  Durchmesser, 
hergestellt  aus  unregelmässig  über  ein- 
ander gelegten  oder  durch  einander  ge- 
flochtenen Pflanzenfasern,  oder  auch  aus 
Steinchen.  Jedes  Gehäuse  hat  einen 
Vorhof  oder  eine  Veranda,  die  sich 
trichterförmig  erweitert,  deren  Eingang 
bis  zu  7  mm  Höhe  bei  doppelt  so  viel 
oder  mehr  Breite  misst.  Die  Seiten- 
wände sind  gewöhnlich  aus  durch  ein- 
ander geflochtenen  Fasern  hergestellt 
und  dienen  als  Deckung  für  ein  höchst 
zierliches  Netz  von  Seide,  dessen  vier- 
eckige Maschen  gewöhnlich  0,2  bis  0,3  mm 
Weite  haben.  Die  Gehäuse  sind  unab- 
änderlich derart  orientirt,  dass  der 
Wasserstrom  in  den  Eingang  des  Trich- 
ters schlagen  muss.  In  seltenen  Fällen 
leben  diese  Larven  einzeln.  Gewöhnlich 
machen  sie  ihre  Gehäuse  dicht  neben 
einander,  so  dass  sie  bisweilen  eine  lange 
ununterbrochene  Reihe  bilden,  die  senk- 
recht zum  Laufe  des  Wassers  steht  und 
auf  diese  Weise  in  üiren  Trichtern  Alles 
auffängt  und  zurückhält,  w^as  das  Wasser 
Geniessbares  mit  sich  bringen  mag.  Bei 
der  Umwandlung  in  Puppen  scheinen 
die  Larven  die  vegetabilischen  Fasern 
ihrer  Gehäuse  immer  durch  kleine  Steine 
zu  ersetzen ;  diese  Steinchen  sind  fest 
vereinigt  und  bedecken  einen  Hohlraum 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  jq^ 


pela  larva  ao  proparar  a  casa  para  siia 
transformagäo,  ou  destruida  a  pouco  e 
pouco  pela  corrento  d'agua.  Os  insectos 
em  que  finalmente  sc  transformam  os 
moradores  dessas  intercssantissimas  casas 
assomelham-so,  pela  estructura  das  an- 
tcMinas  o  ncrvuras  das  azas,  ao  genero 
Sniicridea,  Mac  Lach  lau.  Assim  como 
ambos  os  sexos  de  Smicridea,  as  femeas 
tem  tanibcm  um  unico  espc^räo  nas  tibias 
anteriores,  quatro  nas  intermediarias  e 
quatro  nas  posteriores ;  porem,  os  maehos 
tem  so  dous  nas  tibias  posteriores.  E' 
um  caso  analoge  ao  do  genero  Hete- 
roplectron,  Mac  LacJiL,  da  familia  das 
T.eptocerideas,  em  que  as  tibias  posteri- 
ores dos  dous  sexos  differem  da  mes- 
ma  maneira.  Proponho  para  o  habil 
architecto  e  teceläo  o  nome  d(»  Rhyaco- 
pJiylax. 


§  3. 
As  casas  das  Leptocerideas 

(fig.  7  —  15). 
As  casas  de  todas  as  especies  desta 
familia  säo  moveis,  tendo  quasi  a  forma 
de  canudos  estreitos,  conicos,  um  pouco 
arqueados.  As  larvas  das  diversas 
especies  differem  muito  entre  si,  näo 
so  quanto  ao  material  que  empregam 
na  construc^äo  de  suas  casas  ou  estojos, 
como  tambem  em  rela<;äo  ao  modo  de 
fixal-as  ou  fechal-as  quando  estäo  para 
se  transformar  em  nymphas. 


A  casa,  a  mais  simples  e  rüde  (fig.  7), 
e   de  uma  larva  que  se  serve  para  este 


von  etwa  7  mm  Länge  bei  3  mm  Breite 
(Fig.  6  ß,  B"),  dessen  Wand  inwendig, 
eben  so  wie  bei  der  vorhergehenden  Art, 
von  einer  widerstandsfähigen  Haut  aus- 
gekleidet ist.  An  diesen  Puppengehäusen 
ist  niemals  eine  Veranda;  ich  weiss  in- 
dess  nicht,  ob  dieselbe  von  der  Larve 
entfernt  wird,  wenn  sie  das  Gehäuse  für 
ihre  Umwandlung  zurichtet  oder  ob  sie 
allmählich  durch  die  Strömung  des 
Wassers  zerstört  wird.  Die  Insekten, 
in  die  sich  die  Bewohner  dieser  inter- 
essantesten Gehäuse  endlich  umwandeln, 
sind  im  Baue  der  Fühler  und  Flügel- 
nerven der  Gattung  Smicridea  MacLach- 
lan  ähnlich.  Eben  so  wie  beide  Ge- 
schlechter von  Smicridea  haben  die 
Weibchen  einen  einzigen  Sporn  an  den 
vorderen,  vier  Sporne  an  den  mittleren 
und  vier  an  den  hinteren  Schienen;  die 
Männchen  dagegen  haben  nur  zwei 
Sporne  an  den  hinteren  Schienen.  Der 
Fall  ist  analog  dem  der  Gattung  Hetero- 
plectron  Mac  Lachlan,  aus  der  Familie  der 
Leptoceriden,  bei  der  die  Hinterschienen 
beider  Geschlechter  in  derselben  Weise 
differiren.  Ich  schlage  für  den  geschickten 
Baumeister  und  Weber  den  Namen 
Rh3^acophylax  vor. 

3)  Die  Gehäuse  der  Leptoceri- 
den (Fig.  7—15). 

Die  Gehäuse  aller  Arten  dieser  Fa- 
milie sind  beweglich  und  haben  fast  alle 
die  Form  enger,  kegelförmiger,  ein  wenig 
gebogener  Röhren.  Die  Larven  ver- 
schiedener Arten  sind  sehr  unter  sich 
verschieden,  sowohl  in  Bezug  auf  das 
Material,  das  sie  beim  Bau  ihrer  Ge- 
häuse oder  Futterale  verwenden,  als  auch 
hinsichtlich  der  Art,  dieselben  zu  be- 
festigen und  zu  verschliessen,  wenn  sie 
im  Begriff  sind,  sich  in  Puppen  umzu- 
wandeln. 

Das  einfachste  und  roheste  Gehäuse 
(Fig.  7)  ist  das  einer  Larve,  die  sich  zu 


704 


Sobre  as  casas  construidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


fim  de  fragmentos  de  ramos  que  nunca 
escasseiam  nos  corregos  do  mato.  Si  os 
ramos  säo  öcos,  servem  sem  mais  pre- 
paraQäo;  a  larva  corta  um  pedago  de 
comprimento  conveniente  e  tira  roendo 
um  pedacinho  semi-circular  da  margem 
ventral  da  entrada  (fig.  7,  A,  C),  ficando 
desta  Sorte  a  cabe^a  da  larva  coberta  e 
protegida  pela  margem  dorsal  da  mesma 
entrada.  Frequentemente  a  larva  fica  a 
esta  margem  superior  da  entrada  uma 
ou  algumas  pequenas  pedras,  protegendo 
assim  ainda  mais  a  entrada.  Si  os  ramos 
forem  massigos,  a  larva  tem  de  previa- 
mente  excaval-os,  devendo,  alem  disso, 
fazer  um  buraquinho  lateral  na  extremi- 
dade  posterior  do  tubo  que  tiver  ex- 
cavado,  para  a  sahida  da  agua  que  tem 
servido  a  respiragäo.  Os  paosinhos  habi- 
tados  por  larvas  adultas  tem  geralmente 
de  30  ate  35"""  de  comprimento,  che- 
srando  so  raras  vezes  a  medir  50°""  ou 
mais.  Um  so  vi  eu  que  tinha  So*"""  de 
comprimento  sobre  3"""  de  diametro; 
talvez  a  larva  deixasse  de  cortar  parte 
delle  por  ser  muito  leve.  Em  approxi- 
mando-se  a  epoca  da  transformacäo,  a 
larva  fixa  a  sua  casa  pela  margem 
ventral  da  extremidade  anterior,  por 
baixo  de  alguma  pedra  maior  ou  de 
algum  tronco  de  arvore  cahido  n'agua 
Feito  isso,  tapa  a  entrada  com  uma 
pedra  (fig.  7,  A\  p)  ligada,  ou  para  me- 
Ihor  dizer,  coUada  a  extremidade  anterior 
de  casulo  membranoso  da  nympha  (fig.  7, 
A\  n).  No  insersticio,  entre  a  pedra  e 
a  parede  do  tubo,  o  casulo  e  crivado 
de  buracos  de  cerca  de  o,"""i2  de  dia- 
metro. Da  mesma  sorte  acha-se  um 
crivo  transversal  (fig.  7,  A\A")  no  ex- 
tremo  posterior  do  casulo  da  nympha; 
crivo  este  que  e  quasi  coriaceo,  e  mais 
grosso  e  duro  do  que  a  membrana  qu(^ 
reveste  a  parede  do  tubo.  A's  vezes 
acontece  que  o  mesmo  crivo  applica-se 
ao  orificio  lateral  do  tubo  (fig.  7,  B,  B'). 
Si    o    tubo    e   öco,    geralmente   a   larva 


diesem  Zwecke  der  Bruchstücke  kleiner 
Zweige  bedient,  die  in  den  Waldbächen 
stets  in  reichlicher  Menge  vorhanden  sind. 
Wenn  die  Zweige  hohl  sind,  werden  sie 
ohne  weitere  Vorbereitimg  in  Gebrauch 
genommen ;  die  Larve  schneidet  ein 
Stück  von  passender  Länge  ab  und  nagt 
ein  halbkreisförmiges  Stück  aus  dem 
Bauchrande  des  Einganges  (Fig.  7  A,  C), 
so  dass  der  Kopf  der  Larve  von  dem 
Rückenrande  desselben  Einganges  be- 
deckt und  geschützt  bleibt.  Oft  befestigt 
die  Larve  an  diesen  oberen  Rand  des 
Einganges  einen  oder  einige  kleine 
Steine,  wodurch  sie  den  Eingang  noch 
mehr  schützt.  Wenn  die  Aeste  nicht 
hohl  sind,  so  hat  die  Larve  sie  erst  aus- 
zuhöhlen, dann  muss  sie  ausserdem  ein 
seitliches  Loch  in  das  hintere  Ende  der 
von  ihr  ausgehöhlten  Röhre  machen, 
für  den  Austritt  des  Wassers,  das  ihr 
zur  Athmung  gedient  hat.  Die  von  er- 
wachsenen Larven  bewohnten  Stäbchen 
haben  gewöhnlich  30  bis  35  mm  Länge; 
nur  in  seltenen  Fällen  erreichen  sie  50  mm 
oder  mehr;  ein  einziges  sah  ich,  das 
80  mm  Länge  bei  3  mm  Durchmesser 
hatte.  Vielleicht  hatte  die  Larve  dess- 
halb  unterlassen,  einen  Theil  desselben 
abzuschneiden,  weil  es  sehr  leicht  war. 
Wenn  die  Zeit  ihrer  Umwandlung  heran- 
naht, befestigt  die  Larve  ihr  Gehäuse 
mit  dem  Bauchrand  des  vorderen  Endes 
an  die  Unterseite  irgend  eines  grösseren 
Steines  oder  in  das  Wasser  gefallenen 
Baumstammes.  Dies  gethan,  stopft  sie 
den  Eingang  mit  einem  Stein  zu  (Fig.  7, 
A'p),  den  sie  an  das  vordere  Ende  des 
häutigen  Puppenkokons  (Fig.  7  A'ii) 
heftet  oder,  besser  gesagt,  leimt.  In  dem 
Zwischenraum  zwischen  dem  Steine  und 
der  Wand  der  Röhre  ist  der  Kokon 
von  Löchern  von  ungefähr  0,12  mm 
siebartig  durchlöchert.  Eben  so  befindet 
sich  ein  Quersieb  (Fig.  7  A\  A")  am 
hinteren  Ende  des  Puppenkokons.  Dieses 
Sieb   ist  fast  lederartig-  und  dicker  und 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse,  J05 


tapa-o  com  uma  pedra  tambem  na  ex- 
tremidade  posterior ;  algumas  vezes,  com- 
tudo,  a  larva  introdiiz  uma  pcdrinha  no 
interior  do  tubo,  applicando-a  ao  (Tivo 
(fig.  7,  C,  O).  Tambem  nestc  caso  as 
larvas  fazem  o  buraco  de  costume  (fig.  7, 
C\  0)  na  parede  do  tubo,  buraco  que, 
por  mais  indispensavel  que  seja,  quando 
o  tubo  för  fechado  posteriormente ,  e 
absolutamente  superfluo  c  inutil  quando 
for  aberto.  E'  um  dos  exemplos  mais 
frisantes  para  refutar  a  pretendida  «in- 
fallibilidade  do  instincto>. 


Sob  o  nome  de  Grumicha,  descreveu 
Aug.  St.  Hilaire  ^)  «tubos  de  uma  sub- 
stancia  dura,  Cornea,  de  meia  pollegada  de 
comprimento,  lisos  e  polidos,  pretos,  ar- 
queados,  a  pouco  e  pouco  adelgacados 
como  um  chifre,  habitados  por  uma  larva 
e  vivendo  em  rios  do  Brasil».  Essa 
descripQäo,  applica-se  perfeitamente  aos 
estojos  de  uma  larva  da  familia  das 
Leptocerideas,  assaz  frequente  em  alguns 
affluentes  maiores  do  rio  Itajahy  (Ri- 
beiräo  do  Garcia,  Warnow,  Neisse).  So 
OS  estojos  d'aqui  (fig.  8,  A)  säo  um  pouco 
maiores;  talvez  St.  Hilaire  tenha  visto 
so  as  larvas  ainda  näo  adultas.  Em 
todo  o  caso,  si  näo  for  a  mesma,  e  ao 
menos  muito  semelhante  a  nossa  a 
especie  descripta  pelo  celebre  naturalista 
francez.  Medi  20  estojos,  fixados  e  por 
isso,  adultos  de  femeas  que  tinham  26""" 
de  comprimento  '^) ,  termo  medio,  vari- 
ando  entre  24  e  28"""';  da  mesma  sorte 
20    estojos    fixados    de    machos    tinham 


härter  als  die  Haut,  welche  die  Wand 
der  Röhre  auskleidet.  Manchmal  trifft 
es  sich,  dass  dasselbe  Sieb  sich  an  die 
Seitenöffnung  der  Röhre  anlegt  (Fig.  7 

B,  B').  Wenn  das  benutzte  Zweigstück 
hohl  ist,  so  verstopft  es  die  Larve  ge- 
wöhnlich auch  am  hinteren  Ende  mit 
einem  Stein;  manchmal  indess  holt  die 
Larve  ein  Steinchen  in  das  Innere  der 
Röhre  und  legt  es    an  das  Sieb  (Fig.  7 

C,  C).  Auch  in  diesem  Falle  machen 
die  Larven  aus  Gewohnheit  ein  Loch  in 
die  Seitenwand  der  Röhre  (Fig.  7  C,  0), 
ein  Loch,  das,  wie  unentbehrlich  es  sein 
mochte,  wenn  die  Röhre  hinten  ge- 
schlossen war,  durchaus  überflüssig  und 
unnütz  ist,  wenn  sie  offen  war.  Es  ist 
dies  eines  der  passendsten  Beispiele,  um 
die  angebliche  „Unfehlbarkeit  des  Li- 
stinktes"  zu  widerlegen. 

Unter  dem  Namen  Grumicha  be- 
schrieb Aug.  St.  Hilaire^)  „Röhren  aus 
einer  harten,  hornigen  Substanz,  von 
halber  Daumenlänge,  glatt  und  glänzend, 
schwarz,  gebogen  und  an  Dicke  allmäh- 
lich abnehmend  wie  ein  Hörn,  von  einer 
Larve  bewohnt  und  in  den  Flüssen  Bra- 
siUens  vorkommend".  Diese  Beschreibung 
passt  vollständig  auf  die  Futterale  einer 
Larve  aus  der  Familie  der  Leptoceriden, 
die  in  einigen  grösseren  Zuflüssen  des 
Rio  Itajahy  (den  Bächen  Garcia,  Warnow, 
Neisse)  ziemlich  häufig  ist.  Nur  sind  die 
Gehäuse  von  hier  (Fig.  8  A)  ein  wenig 
grösser;  vielleicht  hat  St.  Hilaire  nur 
die  noch  nicht  erwachsenen  Larven  ge- 
sehen. In  jedem  Falle  ist  die  von  dem 
berühmten  französischen  Naturforscher 
beschriebene  Art  der  unserigen,  wenn 
nicht  gleich,  wenigstens  sehr  ähnlich. 
Ich  mass  20  angeheftete,  also  erwachsene 
Futterale  von  Weibchen ,  die  durch- 
schnittUch    26  mm  Länge  2)   hatten   und 


i)  Voyage  au  Bresil.    Tom  III,   1830,  p.  62. 

2)  Pelo  comprimento  de  estojos  curvados  entendo 
a  corda  entre  os  extremos  e  nfio  o  comprimento 
do  arco. 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften. 


1)  Voyage  au  Bresil.    Tom.  III,   1830,  p.  62. 

2)  Unter  Länge  der  gekrümmten  Futterale  ver- 
stehe ich  die  Sehne  zwischen  den  Endpunkten,  und 
nicht  die  Länge  des  Bogens. 

45 


7o6 


Sobre  as  casas  constniidas  pelas  larvas  de  Insectos  Tricliopteros. 


jgmm  (jg  comprimento ,  termo  medio, 
variando  entre  i6  e  21""™.  Os  estojos 
säo  curvados  quasi  uniformemente  em 
toda  a  sua  extcnsäo;  o  raio  da  curva- 
tura  e  de  cerca  de  3  centimts.,  augmen- 
tando  um  pouco  na  extremidade  anterior. 
Os  estojos  dos  machos  corrcspondem  a 
arcos  de  36  ^  os  das  femeas  a  arcos  de 
52  **,  pouco  mais  ou  menos.  A  extremi- 
dade posterior  ou  anal  do  estojo  tem 
cerca  de  i""°  de  diametro,  a  anterior 
ou  oval  cerca  de  2'"'°  nos  estojos  dos 
machos,  e  3™"  nos  das  femeas.  A  ex- 
tremidade posterior  e  fechada  por  uma 
parede  transversal,  da  mesma  substancia 
do  estojo,  tendo  no  centro  um  buraco 
circular  cujo  diametro  e  de  Y4  ^-^e  Vs 
de  millimetro  (fig.  8,  B).  As  larvas 
gostam  de  fixar-se  em  commum,  umas 
ao  lado  ou  ate  nos  estojos  das  outras. 
Näo  e  raro  encontrar  grupos  de  mais 
de  cincoenta,  e  ate  de  cem  estojos  col- 
lados  uns  aos  outros.  Os  estojos  säo 
fixados  so  pelo  extrcmo  anterior  por 
meio  de  um  pequeno  disco  adhesivo, 
substentado  por  um  curto  pe  ou  esteio; 
esses  discos  peciolados,  que  säo  da 
mesma  sustancia  dos  estojos,  nascem 
geralmentc  da  margem  lateral,  raras 
vezes  da  margem  dorsal,  quasi  nunca 
da  margem  ventral  do  orificio  oval  do 
estojo;  as  vezes  o  estojo  e  fixado  por 
dous  ou  trcs  discos  em  differentes  direc- 
Qöes.  Depois  de  fixado  o  estojo,  quer 
em  uma  pedra,  quer  em  outro  estojo,  e 
tapado  por  uma  tampa  ou  parede  trans- 
versal situada  a  pequena  distancia  (sem- 
pre  inferior  a  i  millimetro)  do  orificio 
anterior.  Essa  tampa  ou  operculo  tam- 
bem  e  feita  da  mesma  substancia  do 
estojo.  Apresenta  uma  fenda  transversal, 
situada  um  pouco  abaixo  do  centro  da 
tampa,  e  geralmente  arqueada,  voltando 
o  lado  convexo  para  abaixo  (fig.  8,  C, 
D).  Medi  os  operculos  de  17  femeas  e 
de  outros  tantos  machos,  o  que  se  pode 
muito   facilmonto   fazer  depois  que  elles 


zwischen  24  und  28  mm  variirten;  20 
ebenfalls  festgeheftete  Futterale  von 
Männchen  hatten  durchschnittlich  1 8  mm 
Länge  und  variirten  zwischen  16  und 
21  mm.  Die  Futterale  sind  in  ihrer 
ganzen  Ausdehnung  fast  gleichmässig 
gekrümmt;  der  Radius  der  Krümmung 
beträgt  ungefähr  3  cm  und  nimmt  am 
vorderen  Ende  ein  wenig  zu.  Die 
Futterale  der  Männchen  entsprechen 
Bogen  von  ungefähr  36  ^,  die  der  Weib- 
chen Bogen  von  ungefähr  52  ^  Das 
hintere  oder  Afterende  des  Köchers  hat 
ungefähr  i  mm  Durchmesser,  das  vordere 
oder  Mundende  ungefähr  2  mm  bei  den 
Futteralen  der  Männchen  und  3  mm  bei 
denen  der  Weibchen.  Das  hintere  Ende 
ist  durch  eine  Querwand  verschlossen, 
aus  derselbc^n  Substanz  wie  das  Futteral; 
diese  hat  in  der  Mitte  ein  kreisförmiges 
Loch,  dessen  Durchmesser  V4  bis  Yg  mm 
beträgt  (Fig.  8  B).  Die  Larven  befestigen 
sich  gern  gemeinsam,  die  einen  neben 
oder  selbst  an  den  Futteralen  der  anderen. 
Nicht  selten  trifft  man  Gruppen  von 
mehr  als  fünfzig  und  selbst  Hundert  an 
einander  geleimter  Futterale.  Die  Fut- 
terale sind  nur  mit  dem  vorderen  Ende 
mittels  einer  kleinen  Haftscheibe  be- 
festigt, die  von  einem  kurzen  Fuss  oder 
Stiel  getragen  wird.  Diese  gestielten 
Scheiben,  welche  aus  derselben  Substanz 
wie  die  Gehäuse  bestehen,  entspringen 
gewöhnlich  vom  Seitenrande,  in  seltenen 
Fällen  vom  Rückenrande,  fast  niemals 
vom  Bauchrande  der  Mundöffnung  des 
Futterals;  manchmal  ist  das  Futteral 
durch  zwei  oder  drei  Scheiben  in  ver- 
schiedenen Richtungen  befestigt.  Nach- 
dem das  Gehäuse,  sei  es  an  einem  Stein, 
sei  es  an  einem  anderen  Gehäuse,  be- 
festigt ist,  wird  es  mit  einem  Deckel 
oder  einer  Querwand  verschlossen,  die 
in  geringer  Entfernung  (immer  unter 
I  mm)  von  der  äusseren  Oeffnung  liegt. 
Dieser  Stöpsel  oder  Deckel  wird  eben- 
falls  aus   derselben   Substanz   verfertigt 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  tq? 


säo  removidos  pelas  nymphas,  ao  sahirom 
do  cstojo  para  soffrer  a  sua  ultima 
metamorphose.  O  diametro  dos  operculos 
das  femeas  varia  de  2  a  2, ""4  (termo 
medio:  2,'"'°24);  o  dos  operculos  dos 
machos  de  1,6  ate  i,'"'"8  (tcrmo  medio: 
i™™64);  o  comprimento  da  fenda  era 
n'aquellas  de  0,5  ate  o,"""8  (termo  medio : 
o,"""69) ;  nestas  de  0,45  ate  o,""'6  (termo 
medio:  o™™52);  emfim,  a  largura  da 
fenda  e  nas  primeiras  de  0,1  ate  o,'"'°i5 
(termo  medio:  o,°""i23);  nas  segundas 
de  0,07  ate  o,"" 1 2  (termo  medio :  o^^og). 
Multiplicando  o  comprimento  pela  lar- 
gura ter-se-ha,  sem  erro  notavel,  a  area 
da  fenda,  a  quäl  para  os  estojos  das 
femeas  seria,  pois,  de  o^^oSs  quadrados. 
Ora,  a  area  do  orificio  circular  na  ex- 
tremidade  posterior,  cujo  diametro  c  de 

Vs"""  nas   femeas  e  igual  a  ^^o,"""o87 

quadrados.  Assim  os  dous  orificios  an- 
terior e  posterior,  pelos  quaes  da-se  a 
entrada  e  sahida  da  agua,  que  mantem 
a  respira^äo  da  nympha,  tem  areas 
iguaes,  apezar  de  suas  formas  täo  di- 
versas. 


Quanto  a  substancia  de  que  säo  con- 
stituidos  OS  estojos  da  Grumicha,  acre- 
ditava  Bremi  que  era  fornecida  pelas 
proprias  larvas;  a  Hagen  pelo  contrario 
parecia  mais  provavel  que  fosse  com- 
posta    de  fibras  vegetaes^).     Acho  que 


wie  das  Futteral.  Er  bietet  eine  Quer- 
spalte dar,  die  ein  wenig  unter  der  Mitte 
des  Deckels  liegt  und  gewöhnlich  ge- 
krümmt ist,  so  dass  sie  ihre  konvexe 
Seite  nach  unten  kehrt  (Fig.  8,  C  D). 
Ich  mass  die  Deckel  von  17  Weibchen 
und  von  eben  so  viel  Männchen,  was 
sich  sehr  leicht  ausführen  lässt,  nachdem 
sie  durch  die  Puppen  entfernt  worden 
sind,  die  das  Futteral  verlassen  haben, 
um  ihre  letzte  Umwandlung  zu  erleiden. 
Der  Durchmesser  der  Deckel  der  Weib- 
chen variirt  von  2  bis  2,4  mm  (Durch- 
schnitt: 2,24  mm);  der  der  Deckel  der 
Männchen  von  1,6  bis  1,8  mm  (Durch- 
schnitt: 1,64  mm);  die  Länge  des  Spaltes 
ist  bei  jenen  0,5  bis  0,8  mm  (Durchschnitt : 
0,69  mm);  bei  diesen  0,45  bis  0,6  mm 
(Durchschnitt:  0,52  mm);  die  Breite  des 
Spaltes  endlich  beträgt  bei  den  ersteren 
0,1  bis  0,15  mm  (Durchschnitt:  0,123  mm); 
bei  den  letzteren  0,07  bis  o,  1 2  mm  (Durch- 
schnitt :  0,09  mm).  Indem  man  die»  Länge 
mit  der  Breite  multiplicirt,  erhält  man 
ohne  merklichen  Fehler  den  Flächenraum 
der  Spalte,  der  für  die  Futterale  der 
Weibchen  hiernach  0,085  Quadratmilli- 
meter betragen  würde.  Nun  ist  der 
Flächenraum  der  kreisförmigen  Oeffnung 
am  hinteren  Ende,  dessen  Durchmesser 
bei  den  Weibchen  Ya  m^n  beträgt,  gleich 

öp  =  0,087  Quadratmillimeter.  Die  beiden 

Oeffnungen ,  die  vordere  und  hintere, 
durch  die  der  Eintritt  und  Austritt  des 
Wassers  stattfindet,  welches  die  Ath- 
mung  der  Puppe  unterhält,  haben  also 
gleiche  Flächenräume,  trotz  ihrer  so  ver- 
schiedenen Gestalt. 

Was  den  Stoff  betrifft,  aus  dem  die 
Futterale  der  Grumicha  verfertigt  werden, 
so  glaubte  Bremi,  dass  er  von  den  Larven 
selbst  geliefert  würde ;  Hagen  dagegen 
hielt  es  für  wahrscheinlicher,  dass  er  aus 
Pflanzenfasern  zusammengesetzt  wäre  ^). 


i)  Hagen,   1.  c.  p.  227, 


i)  Hagen,  1.  c.  S.  227, 


45 


7o8 


Sobre  as  casas  constraidas  pelas  larvas  de  Insectos   Trichopteros. 


esta  opiniäo  de  Hagen  näo  pode  ser 
admittida,  porquanto,  entre  os  operculos 
escuros,  quasi  homogeneos,  duros  e  ela- 
sticos  da  Gritmicha,  e  as  redes  ou  crivos 
que  se  encontram  nos  extremos  do  casulo 
das  nymphas  de  certas  Hydropsychideas 
(fig.  5,  ß'),  nas  quaes  podem-se  distinguir 
todos  OS  fios  de  que  säo  tecidas,  ha 
tantas  formas  intermediarias,  que  näo  e 
possivel  por  em  duvida  que  umas  e 
outras  sejam  produzidas  do  mesmo 
modo.  Assim,  pois,  as  HydropsycJiideas 
näo  podem  nas  suas  casas  de  pedras, 
fechadas  de  todos  os  lados,  confeccionar 
os  seus  casulos  de  nenhum  material 
estranho.  Tambem  no  caso  das  Helico- 
psyches  e  outras  especies,  ninguem  de 
certo  pora  em  duvida  que  os  operculos 
de  suas  casas,  ja  muito  mais  scmelhantes 
aos  da  GruinicJia,  sejam  feitas  de  uma 
substancia  secretada  pelos  sericterios 
ou  glandulas  fiandeiras  das  respectivas 
larvas.  Ora,  entre  a  substancia  do  opor- 
culo  e  a  do  estojo  da  Grumicha  näo 
ha  differenga;  este  tambem  e  de  certo 
um  producto  exclusivo  da  larva.  Hagen 
näo  teria  com  certeza  commettido  seme- 
Ihante  erro  se  tivesse  estudado  os  oper- 
culos da  Grumicha ;  mas  nos  tres  estojos 
que  eile  examinou,  achou  os  orificios 
buccal  e  anal,  tapados  com  pequenas 
pedras,  sem  descobrir  outro  operculo. 


Esta  observagäo  de  Hagen  foi  para 
mim  por  muito  tempo  um  problema,  do 
quäl  em  väo  me  esforcei  por  achar  al- 
guma  soluQäo  plausivel.  Duvidar  de  um 
facto  täo  obvio  e  averiguado  por  obser- 
vador  täo  consciencioso  e  digno  de  toda 
a  confian^a,  era-me  impossivel.  Mas, 
por  outro  lado,  como  acreditar  que  lar- 
vas, que  fazem  casas  identicas,  as  fi- 
xassem  e  fechassem  de  modo  täo  com- 
pletamente  diverso? 


Ich  finde  diese  Meinung  Hagen's  unzu- 
lässig, weil  es  zwischen  den  dunkeln, 
fast  homogenen,  harten  und  elastischen 
Deckeln  der  Grumicha,  und  den  Netzen 
oder  Sieben,  die  man  an  den  Enden  der 
Puppenkokons  gewisser  H3'dropsychiden 
(Fig.  5  B')  antrifft  (bei  denen  alle  Fäden, 
aus  denen  sie  gewebt  sind,  unterschieden 
werden  können),  so  viele  Zwischenformen 
giebt,  dass  es  unmöglich  in  Zweifel  ge- 
zogen werden  kann,  dass  die  einen  und 
anderen  auf  dieselbe  Weise  hervorge- 
bracht werden.  Nun  können  die  Hydro- 
psychiden  in  ihren  von  allen  Seiten  ge- 
schlossenen Steingehäusen  ihre  Kokons 
nicht  aus  irgend  einem  äusseren  Material 
anfertigen.  Eben  so  wird  bei  dem  Ge- 
häuse der  Helicopsyche  und  anderer 
Arten  sicher  Niemand  in  Zweifel  ziehen, 
dass  die  Deckel  ihrer  Gehäuse,  die  denen 
der  Grumicha  schon  viel  ähnlicher  sind, 
aus  einem  Stoffe  verfertigt  werden,  der 
von  den  Seiden-  oder  Spinndrüsen  der 
betreffenden  Larven  abgesondert  wird. 
Zwischen  der  Substanz  des  Deckels  und 
des  Futterals  der  Grumicha  ist  aber  gar 
kein  Unterschied;  dieses  ist  also  sicher 
ebenfalls  ein  ausschliessliches  Produkt 
der  Larve.  Hagen  würde  sicherlich  einen 
solchen  Irrthum  nicht  begangen  haben, 
wenn  er  die  Deckel  der  Grumicha  studirt 
hätte;  aber  bei  drei  Futteralen,  die  er 
untersuchte,  fand  er  die  Mund-  und  After- 
öffnung mit  kleinen  Steinen  verstopft, 
ohne  einen  anderen  Deckel  zu  entdecken. 
Diese  Beobachtung  Hagen's  war  für 
mich  lange  Zeit  hindurch  ein  Räthsel, 
für  welches  ich  mich  vergeblich  bemühte, 
irgend  eine  plausible  Lösung  zu  finden. 
An  einer  so  leicht  festzustellenden  und 
von  einem  so  gewissenhaften  und  durch- 
aus zuverlässigen  Bc^obachter  ermittelten 
Thatsache  zu  zweifeln  war  mir  unmög- 
lich. Aber  wie  andererseits  glauben, 
dass  Larven ,  die  identische  Gehäuse 
machen,    sie    in    so   grundverschiedener 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlaiven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse,  ^qq 


Entretanto  o  facto  e  muito  simples. 
Os  estojos  de  Hagen  eram  cstojos  de 
Grumicha,  habitados,  fixados  e  fechados 
por  outra  especie  intrusa. 

No  Ribeiräo  do  Garcia,  perto  de  um 
lugar  onde  abundam  as  Gnunichas,  eu 
tambem  achei,  ha  pouco,  alguns  estojos 
de  Grumicha  fechados  por  uma  pedra, 
c  fixados  pela  margem  ventral  do  ori- 
ficio  anterior  por  meio  de  vnn  disco 
(fig.  g,  d)  coriaceo  transversal,  sem  pe- 
ciolo,  e  de  cor  pardacenta.  Abrindo  um 
destes  estojos,  vi  que  näo  encerrava 
n^'mpha  de  Grumicha,  e  sim  uma  nym- 
pha  identica,  ou  ao  mcnos  muito  seme- 
Ihante  a  dos  piiozinhos  (fig.  7).  O  estojo 
era  revestido,  como  a  cavidade  dos  pao- 
zinhos,  por  uma  membrana  que  formava 
ao  redor  da  n^^mpha  um  casulo  termi- 
nado  posteriormente  por  um  crivo  trans- 
versal; sendo  tambem  crivada  a  mem- 
brana que  fechava  o  intersticio  situado 
entre  a  pedra  que  serve  de  operculo  e 
o  estojo  (fig.  g,  B). 


Os  insectos,  cujas  larvas  \'ivem,  como 
intrusas,  nos  estojos  da  Grumicha,  e  os 
dos  paozinhos,  säo  muito  semelhantes; 
de  uns  e  de  outros  vi  so  muito  poucos, 
e  ainda  näo  os  examinei  minuciosa- 
mente;  por  ora,  a  unica  differencja,  que 
Ihes  achei,  consistia  na  cor,  muito  mais 
pallida  em  todos  os  intrusos,  e  mais 
escura  nos  insectos  dos  paozinhos.  Ve-se, 
por  este  exemplo,  que  näo  säo  somcnte 
as  casas  de  cupim  c  de  abelhas,  mas 
tambem  as  dos  Trichopferos,  que  podem 
ser  habitadas  por  especies  intrusas,  e 
que  por  isso  nem  sempre  os  insectos 
desta  ordem  podem  ser  considerados 
sem  mais  prova  e  exame,  como  os  archi- 


Weise  befestigen  und  verschliessen 
sollten  ? 

Indessen  ist  die  Thatsache  sehr  ein- 
fach. Die  Futterale  Hagen's  waren 
Grumichafutterale,  bewohnt,  befestigt 
und  verschlossen  von  einer  anderen,  ein- 
gedrungenen Art. 

Im  Bache  Garcia,  nahe  einer  Stelle, 
wo  Grumicha  sehr  häufig  ist,  habe  ich 
ebenfalls  kürzlich  einige  Grumichage- 
häuse  gefunden,  die  durch  einen  Stein 
verschlossen  und  mit  dem  Bauchrande 
der  vorderen  Oeffnung  mittels  einer 
stiellosen,  bräunlichgelb  gefärbten,  leder- 
artigen Querscheibe  (Fig.  g,  d)  befestigt 
waren.  Indem  ich  eines  dieser  Futterale 
öffnete,  sah  ich,  dass  es  keine  Grumicha- 
puppe,  sondern  vielmehr  eine  Puppe  ent- 
hielt, die  mit  derjenigen  der  Holzstäbchen 
(Fig.  7)  identisch  oder  ihr  wenigstens 
sehr  ähnlich  war.  Das  Futteral  war,  wie 
die  Höhlung  der  Stäbchen,  mit  einer 
Haut  ausgekleidet,  die  um  die  Puppe 
herum  einen  hinten  von  einem  Quersieb 
begrenzten  Kokon  bildete ;  eben  so  war 
auch  die  Haut,  die  den  zwischen  dem 
Futteral  und  dem  als  Deckel  dienenden 
Stein  befindlichen  Zwischenraum  ver- 
schloss  (Fig.  g  B),  siebartig  durchlöchert. 

Die  Insekten,  deren  Larven  als  Ein- 
dringlinge in  den  Grumichafutteralen 
leben,  und  die  der  Stäbchen,  sind  sehr 
ähnlich;  von  den  einen  und  anderen  sah 
ich  nur  sehr  wenige  und  habe  sie  noch 
nicht  im  Einzelnen  untersucht;  bis  jetzt 
besteht  der  einzige  Unterschied,  den  ich 
zwischen  ihnen  gefunden  habe,  in  der 
Farbe,  die  bei  allen  Eindringlingen  viel 
blasser,  bei  den  Insekten  der  Stäbchen 
dunkler  ist.  Man  sieht  aus  .diesem  Bei- 
spiele, dass  nicht  nur  die  Wohnungen 
der  Termiten  und  Bienen,  sondern  auch 
die  Gehäuse  der  Trichopteren  von  ein- 
gedrungenen Arten  bewohnt  sein  können, 
und   desshalb   auch   die  Insekten  dieser 


7  lo 


Sobre  as  casas  construidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


tectos  das  casas,  em  que  tiverem  soffrido 
a  sua  transformagäo. 


No  Ribeiräo  da  Gnifa  dos  Macacos 
«Affen Winkel»  vive  uma  segunda  especic 
de  Grumicha  (fig.  lo),  que  ainda  näo  en- 
contrei  em  outra  parte.  E'  muito  menor, 
e  por  isso  vou  designal-a  pelo  diminutive 
Grumidiinha.  O  seu  comprimento  näo 
excedc  a  lo™'".  Os  estojos  das  duas 
especics  säo  curvados  exactamente  da 
mesma  maneira,  sendo  o  raio  da  curva- 
tura  de  3  cm.,  pouco  mais  ou  menos.  Tam- 
bem  em  tudo  o  mais,  as  duas  especies  säo 
muito  semelhantes ,  e,  abstrahinclo-sc  do 
tamanho,  a  descripgäo  de  St.  Hilaire  app- 
lica-se  tambem  perfeitamente  a  Grumi- 
chinha;  säo  «tubos  de  uma  substancia 
dura,  Cornea,  lisos,  polidos,  pretos,  ar- 
queados,  levemente  adelgagados  como 
um  chifre>.  D'ahi  seria  difficillimo  di- 
stinguir  as  duas  especies  antes  de  haver 
a  Grumicha  ultrapassado  as  dimensöes 
da  Grumichinha ,  se  näo  fosse  assas 
differente  a  estructura  das  larvas  que 
produzem  estojos  täo  semelhantes.  Facil- 
mente  se  distinguem  as  duas  especies 
pela  cor  das  pernas,  mesmo  sem  pro- 
ceder  a  um  exame  minucioso  de  sua 
estructura ;  sendo  as  pernas  da  Grumicha 
pretas  e  lustrosas,  e  as  da  Grumichinha 
pallidas  e  pardacentas.  De  vinte  estojos 
adultos  (ja  fixados)  que  medi,  o  menor 
tinha  6""",  o  maior  lo""™  de  comprimento, 
sendo  o  comprimento  medio  de  7™"; 
näo  havendo,  como  na  Grumicha  dous 
grupos  bem  separados  de  estojos  maiores 
e  menores,  correspondentes  aos  dous 
sexos  masculino  e  feminino.  A  maneira 
de  fixar  e  fechar  os  estojos  e  quasi 
identica  a  da  Grumicha;  somente  e  de 
notar  que  o  peciolo  do  disco  adhesivo 
nasce  da  margem  ventral  da  entrada, 
o  que  quasi  nunca  se  da  com  a  Gru- 
micha;  alem  disto  a  fenda  do  operculo 


Ordnung  nicht  immer  ohne  weitere  Probe 
und  Untersuchung  als  die  Verfertiger  der 
Gehäuse,  in  denen  sie  ihre  Umwandlung 
durchmachen,  betrachtet  werden  können. 
Im  Bache  „Affenwinkel"  lebt  eine 
zweite  Grumicha- Art  (Fig.  10),  die  ich 
sonst  noch  nirgend  angetroffen  habe. 
Sie  ist  viel  kleiner  und  ich  will  sie  dess- 
halb  mit  dem  Verkleinerungswortc  Gru- 
michinha bezeichnen.  Ihre  Länge  über- 
steigt nicht  10  mm.  Die  Futterale  beider 
Arten  sind  genau  auf  dieselbe  Weise 
gekrümmt,  indem  der  Radius  der  Krüm- 
mung ungefähr  3  cm  beträgt.  Eben  so 
sind  in  allen  oder  den  meisten  Stücken 
beide  Arten  sehr  ähnlich  und,  abgesehen 
von  der  Grösse,  passt  die  Beschreibung 
St.  Hilaire's  eben  so  gut  auf  Grumichinha ; 
es  sind  „Röhren  von  einer  harten,  hor- 
nigen Substanz,  glatt,  glänzend,  schwarz, 
gebogen  und  an  Dicke  etwas  abnehmend, 
wie  ein  Hörn".  Es  würde  daher  sehr 
schwierig  sein,  beide  Arten  zu  unter- 
scheiden, bevor  die  Grumicha  die  Dimen- 
sionen der  Grumichinha  überschritten 
hat,  wenn  nicht  der  Bau  der  Larven, 
die  so  ähnliche  P'utterale  hervorbringen, 
ziemlich  verschieden  wäre.  Die  beiden 
Arten  lassen  sich  leicht  an  der  Farbe 
der  Beine  unterscheiden,  selbst  ohne 
dass  man  auf  eine  Untersuchung  der 
Einzelheiten  ihres  Baues  eingeht;  denn 
bei  Grumicha  sind  die  Beine  schwarz 
und  glänzend,  bei  Grumichinha  blass  und 
bräunlichgelb.  Von  20  erwachsenen 
(schon  befestigten)  Gehäusen,  die  ich 
mass,  hatte  das  kleinste  6  mm,  das  grösste 
10  mm  Länge,  im  mittleren  Durchschnitt 
betrug  die  Länge  7  mm ;  zweierlei  scharf 
getrennte  Gruppen  grösserer  und  klei- 
nerer Futterale,  wie  sie  bei  Grumicha 
den  beiden  Geschlechtern  entsprechen, 
sind  bei  Grumichinha  nicht  vorhanden. 
Ihre  Art  und  Weise,  die  Futterale  zu 
befestigen,  ist  fast  dieselbe  wie  bei  Grumi- 
cha; nur  ist  zu  bemerken,  dass  der  Stiel 


Uebcr  die  von  den  Trichoptcrenlarvcn  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  y  j  j 


(fig.  lo,  B)  acha-se  sempre  collocada  por 
cima  do  centro  e  näo  por  baixo,  como 
na  Griunicha  (fig.  8,  C,  D)  ^). 


Em  um  ribeirinho,  tributario  do 
Ribeiräo  do  Garcia,  em  cujas  aguas 
quasi  estagnadas  abunda  uma  especie 
de  Callitriche,  achei  uma  larva  de  um 
Trichoptero,  que,  pelas  suas  pernas  po- 
steriores, muito  delgadas  e  compridas, 
parece  pertencer  a  familia  das  Lepto- 
cerideas,  larva.  esta  que  faz  a  sua  casa 
com  as  sementes  da  mesma  Callitriche 
(fig.  ii).  A's  vezes,  em  parte  da  casa,  as 
sementes  säo  substituidas  por  pequenos 
fragmentos  do  casulo  da  Callitriche.  As 
sementes  säo  collocadas  transversalmente 
isto  e,  em  planes  perpendiculares  ao  eixo 
da  casa,  a  quäl  e  quasi  cylindrica,  um 
pouco  mais  estreita  na  parte  posterior 
As  casas  tem  de  5  a  6°""  de  comprimento 
sobre  cerca  de  2"™  de  diametro.  O 
aspecto  da  entrada  e  bastante  variavel, 
segundo  o  numero  das  sementes  que  a 
limitam;  äs  vezes  e  um  triangulo  equi- 
latero  ou  isosceles  (fig.  n,  B).  outras 
vezes  um  quadrilatero  regulär  ou  irregu- 
lär, etc.  Quando  estäo  para  se  trans- 
formar,  as  larvas  fecham  a  entrada  com 
uma  membrana  transversal,  deixando  no 
centro  um  pequeno  buraco. 

Nos  remansos  dos  ribeiros  maiores, 
V.  g.  do  Ribeiräo  do  Garcia,  vive  nos 
troncos  de  arvores  que  alli  apodrecem, 
ou  tambem  nas  pedras,  uma  larva  da 
familia  das  Leptocerideas  (fig.  12),  que 
faz  OS  seus  estojos  ou  casas  de  fibras 
vegetaes  ou  pedacinhos  de  madeira 
estreitos  e  compridos  que  ella  provavel- 

i)  No  salto  da  «Triste  Miseria»  de  Blumenau, 
vive  uma  terceira  especie  ainda  menor  de  Grumichas, 
cuja  descripc-fio  darei  ein  um  siippleniento  ;i  cstc 
trabalho. 


der  Klebscheibe  vom  ßauclirande  des 
Einganges  ausgeht,  was  bei  Grumicha 
fast  niemals  vorkommt:  ausserdem  be- 
findet sich  die  Spalte  des  Deckels 
(Fig.  10  i5)  immer  über  dessen  Mitte 
und  nicht  unter  derselben  wie  bei  Gru- 
micha (Fig.  8  C,  D)  1). 

In  einem  Bächelchen,  das  in  den 
Bach  Garcia  fliesst,  und  in  dessen  etwas 
sumpfigem  Wasser  eine  Callitriche-Art 
ungemein  häufig  ist,  fand  ich  eine  Tri- 
chopterenlarve,  die  nach  ihren  sehr  dün- 
nen und  langen  Hinterbeinen  zur  Fa- 
milie der  Leptoceriden  zu  gehören  scheint. 
Sie  verfertigt  ihr  Gehäuse  aus  den  Samen 
dieser  Callitriche  (Fig.  1 1).  Manchmal 
sind  in  einem  Theil  des  Gehäuses  die 
Samen  durch  kleine  Bruchstücke  der 
Kapseln  der  Callitriche  ersetzt.  Die 
Samen  sind  quer  gestellt,  d.  h.  senkrecht 
zur  Achse  des  Gehäuses,  das  fast  cylin- 
drisch,  nur  am  hinteren  Ende  etwas  ver- 
engt ist.  Die  Gehäuse  haben  5  bic  6  mm 
Länge  bei  etwa  2  mm  Durchmesser. 
Ihr  Eingang  sieht  sehr  verschieden  aus, 
je  nach  der  Zahl  der  Samen,  die  ihn 
umgrenzen,  manchmal  stellt  er  ein  gleich- 
seitiges oder  gleichschenk  eliges  Dreieck 
dar  (Fig.  1 1  B),  andere  Male  ein  regel- 
mässiges oder  unregehnässiges  Viereck 
u.  s.  w..  Wenn  die  Larven  im  Begriff 
sind,  sich  zu  verwandeln,  schliessen  sie 
den  Eingang  mit  einer  Querhaut,  in  deren 
Mitte  sie  ein  kleines  Loch  lassen. 

In  stehendem  Wasser  der  grösseren 
Bäche,  z.  B.  des  Baches  Garcia,  lebt  an 
Baumstämmen,  die  dort  verwesen,  oder 
auch  an  Steinen,  eine  Larve  aus  der 
Familie  der  Leptoceriden  (Fig.  12),  die 
ihre  Futterale  oder  Gehäuse  aus  Pflanzen- 
fasern oder  dünnen  und  langen  Holz- 
stückchen macht,  die  sie  wahrscheinlich 


i)  In  der  Gebirgsschlucht :  „Trauriger  Jammer" 
in  Blumenau  lebt  eine  dritte,  noch  kleinere  Art  von 
Grumicha,  deren  Beschreibung  ich  in  einem  Nach- 
trage zu  dieser  Arbeit  geben  werde. 


12 


Sobre  as  casas  constniidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


mente  tira  das  arvores  em  que  vive. 
A  largura  destes  pequenos  fragmentos 
e  ordinariamente  de  cerca  de  o,°""25, 
variando  o  comprimento,  de  i  ate  mais 
de  lo"'".  O  maior  dos  estojos  ainda 
livres,  que  vi  tem  20'"'"  de  comprimento, 
da  extremidade  posterior  ate  ä  margem 
superior,  e  17"™  ate  a  margem  inferior 
da  entrada;  o  diametro  e  de  2'"'"  na 
entrada,  e  de  i'"'"  na  extremidade  po- 
sterior; e  pois  muito  adelga^ado,  e  ao 
mesmo  tempo  muito  pouco  arqueado, 
sendo  o  raio  da  curvatura  da  face  ventral 
de  cerca  de  8  cm.  As  fibras  säo  dispostas 
em  sentido  longitudinal,  parallelamente  ao 
eixo,  na  face  dorsal  da  casa;  cerca  de 
meia  duzia  dessas  fibras  longitudinaes 
prolongam-se  alem  da  margem  superior 
da  entrada,  escondendo  e  protegendo 
a  cabega  da  larva.  As  fibras  da  face 
dorsal  tem  5  a  6"""  de  comprimento, 
havendo  comtudo  algumas  de  mais  de 
10""".  As  fibras  das  faces  lateraes  tem 
o  mesmo  comprimento  e  uma  direcgäo 
obliqua,  convergindo  para  o  lado  ventral 
e  o  extremo  posterior  da  casa,  e  formando 
um  angulo  muito  agudo  com  as  do  lado 
opposto.  Emfim  na  face  ventral,  as  fibras 
säo  muito  mais  curtas,  de  i  ate  2™"'  de 
comprimento,  formando  na  parte  anterior 
da  casa  angulos  quasi  rectos  näo  so  as 
de  um,  como  as  de  outro  lado.  Esta 
disposigäo  das  fibras  e  quasi  a  mesma 
em  todas  as  casas  que  vi,  si  bem  que 
nem  sempre  seja  täo  regulär  como  a 
que  acabo  de  descrever.  As  larvas  fre- 
quentemente  fixam  no  extremo  posterior 
da  casa  uma  ou  duas  fibras  muito  longas, 
que  excedem  as  vezes  o  comprimento 
de  toda  a  casa.  Em  uma  das  casas  vi 
coberta  a  maior  parte  da  superficie  so 
de  pedacinhos  pretos  de  madeira,  quo 
apenas  tem  metade  da'  largura  habitual, 
provenientes  provavelmente  do  tronco 
de  alguma  samambaia.  As  casas  das 
n3nTiphas  säo  mais  curtas  do  que  as  das 


von  den  Bäumen  entnimmt,  an  denen 
sie  lebt.  Die  Dicke  dieser  kleinen  Bruch- 
stücke ist  gewöhnlich  ungefähr  0,25  mm, 
bei  einer  zwischen  1  bis  10  mm  wechseln- 
den l^änge.  Das  grösste  der  noch  freien 
Futterale,  das  ich  sah,  hatte  20  mm  Länge 
vom  hinteren  Ende  bis  zum  oberen 
Rande  und  17  mm  lois  zum  unteren 
Rande  des  Einganges  ;  der  Durchmesser 
beträgt  2  mm  am  Eingang  und  i  mm 
am  hinteren  Ende;  es  ist  also  stark  ver- 
dünnt, und  gleichzeitig  sehr  wenig  ge- 
bogen, da  der  Radius  der  Krümmung 
der  Bauchfläche  ungefähr  8  cm  beträgt. 
Auf  der  Rückenfläche  des  Gehäuses 
sind  die  Fasern,  der  Länge  nach,  parallel 
der  Achse  geordnet;  etwa  ein  halbes 
Dutzend  dieser  Längsfasern  verlängern 
sich  über  den  oberen  Rand  des  Ein- 
ganges hinaus  und  verbergen  und 
schützen  so  den  Kopf  der  Larve.  Die 
Fasern  der  Rückenfläche  haben  5  bis 
6  mm  Länge,  einige  kommen  indess  vor 
von  mehr  als  10  mm  Länge.  Die  Fasern 
der  Seitenflächen  haben  dieselbe  Länge 
und  eine  schiefe  Richtung,  indem  sie 
nach  der  Bauchseite  und  dem  hinteren 
Ende  des  Gehäuses  zu  konvergiren  und 
mit  denen  der  entgegengesetzten  Seite 
einen  sehr  spitzen  Winkel  bilden.  Auf 
der  Bauchseite  endlich  sind  die  Fasern  viel 
kürzer,  von  i  bis  2  mm  Länge,  und  die  der 
einen  bilden  mit  denen  der  anderen  Seite 
im  vorderen  Theile  des  Gehäuses  ziem- 
lich rechte  Winkel.  Diese  Anordnung 
der  Fasern  ist  bei  allen  Gehäusen,  die 
ich  gesehen  habe,  ziemlich  dieselbe,  wenn 
sie  auch  nicht  immer  so  regelmässig  ist, 
wie  ich  soeben  beschrieben  habe.  Die 
Larven  befestigen  häufig  am  hinteren 
Ende  des  Gehäuses  eine  oder  zwei  sehr 
lange  Fasern,  die  manchmal  länger  sind 
als  das  ganze  Gehäuse.  An  einem  der 
Gehäuse  sah  ich  den  grössten  Theil  .der 
Oberfläche  nur  mit  schwarzen  Holz- 
fäsorchen  bedeckt,  die  kaum  die  Hälfte 


Ueber  die  von  den  Tiichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse. 


larvas  adultas ;  oito,  que  medi,  variavam 
entre  g  e  io™"'5  de  comprimcnto;  costu- 
mando  as  larvas  cortar  a  parte  posterior 
de  suas  casas  antes  de  fixal-as. 


Ambas  as  extremidades  de  cada 
casa  säo  fixadas  por  meio  de  um  disco 
adhesivo  peciolado,  que  geralmente  parte 
da  margem  ventral ,  e  raras  vezes  da 
margem  lateral  (como  acontece  na  extre- 
midade  anterior  da  fig.  i2,A,Ä).  Os 
dous  orificios  anterior  e  posterior  säo 
fechados  por  um  operculo  membranoso, 
apresentando  no  centro  uma  fenda  ellip- 
tica  de  cerca  de  o,""™!  de  largura  sobre 
o,'"'"4  de  comprimento.  A  fenda  posterior 
e  vertical,  dirigindo-se  do  lado  dorsal 
ao  ventral;  ignoro  ainda  quäl  a  direcgäo 
da  fenda  anterior  por  so  ter  visto  oper- 
culos  soltos. 

Pelo  modo  de  fixar  os  seus  estojos, 
assim  como  pela  direcgäo  vertical  da 
fenda  posterior,  assemelha-se  a  especie 
precedente  uma  outra  (fig.  13),  cujos 
estojos  säo  alias  de  aspecto  muito  diverse. 
Säo  tubos  estreitos,  roli^os,  quasi  rectos, 
e  pouco  adelgagados  na  parte  posterior. 
Estes  tubos  säo  feitos  de  uma  membrana 
resistente  e  elastica,  coberta  de  areia  täo 
fina  que  mais  facilmente  se  descobre 
pelo  tacto  do  que  pela  vista,  dando  aos 
tubos  um  aspecto  perfeitamente  liso  e 
polido.  A  cor  pardo-escura  c  devida  a 
supracitada  membrana;  e  näo  a  areia 
que  os  cobre,  a  quäl  e  geralmente  com- 
posta  de  gräozinhos  de  quarzo  hyalino 
de  o,"""o5  ate  o°""i  de  diametro.  O  com- 
primento dos  estojos  fixados  e  de  7  a 
g  mm^ ;  o  diametro  anterior  dos  maiores 
e  de  cerca  de  i,'"'"2,  e  dos  menores  o,"""g, 
de  modo   que   mais    differem  elles   pela 


der  gewöhnlichen  Dicke  batten  und  wahr- 
scheinlich von  dem  Stamme  einer  Samam- 
baia  entnommen  warcm.  Die  Puppen- 
gehäuse sind  kürzer  als  die  der  er- 
wachsenen Larven ;  acht,  die  ich  mass, 
variierten  zwischen  g  und  10,5  mm  Länge; 
das  kommt  daher,  dass  die  Larven  ge- 
wohnt sind,  den  hinteren  Theil  ihrer  Ge- 
häuse abzuschneiden,  bevor  sie  dieselben 
befestigen. 

Beide  Enden  jedes  Gehäuses  werden 
mittels  einer  gestielten  LIaftscheibe  be- 
festigt, die  gewöhnlich  vom  Bauchrande, 
in  seltenen  Fällen  (wie  z.  B.  am  vorderen 
Ende  der  Fig.  12  A,  A')  vom  Seitenrande 
ausgeht.  Die  vordere  und  hintere  Oeff- 
nung  sind  beide  mit  einem  häutigen 
Deckel  verschlossen,  der  in  der  Mitte 
einen  elliptischen  Spalt  von  ungefähr 
0,1  mm  Breite  bei  0,4  mm  Länge  dar- 
bietet. Der  hintere  Spalt  ist  senkrecht, 
von  der  Rücken-  nach  der  Bauchseite 
gerichtet:  welche  Richtung  der  vordere 
Spalt  hat,  weiss  ich  noch  nicht,  da  ich 
nur  lose  Deckel  gesehen  habe. 

In  der  Art,  ihre  Futterale  zu  be- 
befestigen und  in  der  senkrechten  Rich- 
tung des  hinteren  Spaltes  stimmt  mit  der 
eben  besprochenen  Art  eine  andere  (Fig. 
1 3)  überein,  deren  Futterale  übrigens  von 
sehr  verschiedenem  Aussehen  sind.  Es 
sind  enge,  runde,  fast  gerade,  im  hinteren 
Theile  etwas  verdünnte  Röhren.  Diese 
Röhren  sind  aus  einer  widerstandsfähigen 
und  elastischen  Haut  geniticht,  die  mit 
so  feinem  Sande  bedeckt  ist,  dass  man 
ihn  leichter  durch  das  Gefühl  als  durch 
das  Gesicht  entdeckt,  da  er  den  Röhren 
ein  vollkommen  glattes  und  glänzendes 
Aussehen  gibt.  Seine  dunkelbraune  Farbe 
verdankt  das  Gehäuse  der  oben  erwähn- 
ten Haut,  nicht  dem  Sande,  der  sie  be- 
deckt und  der  gewöhnlich  aus  durch- 
sichtigen Quarzkörnchen  von  0,05  bis 
0,1  mm  Durchmesser  zusammengesetzt 
ist.    Die  Länge  der  befestigten  Futterale 


714 


Sobre  as  casas  construidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


grossura  do  que  pelo  comprimento,  sendo 
o  diametro  da  extremidade  posterior  igual 
a  Ys  pouco  mais  ou  menos  do  da  ex- 
tremidade anterior. 


Entre  os  estojos  livres  encontrei  al- 
guns,  cujo  comprimento  era  quasi  o 
dobro  do  dos  fixos;  nestes  estojos  a  ex- 
tremidade posterior  era  muito  delgada 
e  sensivelmente  curva.  Säo  os  estojos 
fixados  pela  margem  ventral  de  ambas 
as  extremidades;  sendo  os  discos  adhesi- 
vos  ordinariamente  bilobados  ou  chan- 
frados  (fig.  13,  A). 

Os  orificios  anterior  e  posterior  säo 
fechados  por  um  operculo  membranoso. 
O  operculo  anterior  (fig.  13,  ^4")  tem  um 
orificio  central  e  circular  de  o,'""o75  de 
diametro,  ao  redor  do  quäl  vem-se  tres 
zonas  ou  anneis  concentricos ,  muito 
distinctos;  o  segundo  e  mais  escuro  do 
quo  o  primeiro  e  o  terceiro  eleva-se 
como  um  vallo  circular  por  sobre  o 
nivel  delles;  sendo  muito  variavel  a 
largura  relativa  dos  tres  anneis. 

O  operculo  posterior  (fig.  13,  A")  tem 
um  orificio  central  elliptico,  sendo  os 
eixos  da  ellipse  de  cerca  de  o ,"""25  e  o,""'i ; 
o  eixo  maior  e  vertical  como  na  especie 
precedente.  Ate  ha  pouco  considerei 
como  muito  rara  esta  especie,  tendo 
achado  so  alguns  estojos,  tanto  em 
diverses  ribeiros  menores,  como  no 
Ribeiräo  do  Garcia:  novamente  porem 
descobri  um  ponto  neste  mesmo  ribeiräo, 
onde  quasi  näo  havia  pedra  em  que  näo 
se  achassem  fixados  de  dez  a  vinte  ou 
mais  destes  estojos. 

A  semelhan^.a  das  duas  ultimas  espe- 
cies  näo  se  limita  aos  estojos  fixados 
e  fechados    do    mesmo   modo;   e   a   sua 


beträgt  7  bis  8,5  mm ;  der  vordere  Durch- 
messer der  grössten  beträgt  ungefähr 
1,2  mm,  der  der  kleinsten  o,g  mm,  so 
dass  sie  mehr  in  der  Weite  als  in  der 
Länge  differieren,  da  der  Durchmesser 
des  hinteren  Endes  immer  ungefähr  -/^ 
von    dem    des   vorderen  Endes   beträgt. 

Unter  den  freien  Futteralen  traf  ich 
einige,  deren  Länge  fast  das  Doppelte 
der  befestigten  betrug;  bei  diesen  Futte- 
ralen war  das  hintere  Ende  stark  \er- 
dünnt  und  merklich  gekrümmt.  Die 
Futterale  werden  mit  dem  Bauchrande 
beider  Enden  festgeheftet;  die  Haft- 
scheiben sind  gewöhnlich  zweilappig  oder 
ausgeschnitten  (Fig.   13 -4'). 

Die  hintere  und  vordere  Oeffnung 
werden  beide  mit  einem  häutigen  Deckel 
verschlossen.  Der  vordere  Deckel  (Fig. 
13,^4")  hat  in  der  Mitte  eine  kreisrunde 
Oeffnung  von  0,075  mm  Durchmesser, 
um  welche  herum  man  drei  sehr  ver- 
schiedene concentrische  Zonen  oder 
Ringe  sieht;  die  zweite  ist  dunkler  als 
die  erste,  und  die  dritte  erhebt  sich  wie 
ein  ringförmiger  Wall  über  das  Niveau 
der  beiden  anderen  ;  die  verhältnismässige 
Breite  der  drei  Ringe  ist  sehr  variabel. 

Der  hintere  Deckel  (Fig.  13^4'")  hat 
in  der  Mitte  eine  elliptische  Oeffnung; 
die  Achsen  der  Ellipse  betragen  unge- 
fähr 0,25  und  0,1  mm ;  die  grössere  Achse 
steht,  wie  bei  der  vorhergehenden  Art, 
senkrecht.  Bis  vor  Kurzem  betrachtete 
ich  diese  Art  als  sehr  selten,  da  ich  so- 
wohl in  verschiedenen  kleineren  Bächen 
als  im  Bache  Garcia  nur  wenige  Futte- 
rale gefunden  hatte;  neuerdings  aber 
habe  ich  in  demselben  Bache  eine  Stelle 
entdeckt,  wo  sich  fast  an  jedem  Steine 
10  bis  20  oder  mehr  dieser  Futterale 
angeheftet  finden. 

Die  Aehnlichkeit  der  beiden  letzten 
Arten  beschränkt  sich  nicht  auf  die  in 
gleicher    Weise     befestigten     und    ver- 


Ueber  die  von  den  Tricho]itercnlai  ven  der  Provinz  Santa  Catliarina  verfertigten  Gehäuse.  n  j  c 


affinidade  manifesta-se  tambem  pela 
estructura  das  larvas,  n3^mphas  e  iiisectos 
perfeitos.  As  larvas  säo  as  iinicas  entre 
todas  as  dos  TricJiopteros  catharinenscs 
que  sabem  nadar,  servindo-se  para  isso 
das  pernas  posterion^s,  distingiiindo-se 
tambem  das  outras  larvas  da  familia  das 
Leptocerideas  per  antennas  mais  desen- 
volvidas.  As  nymphas  tem  na  ex- 
tremidade  do  abdomen  duas  pontas 
fortes  e  longas  quc  ellas  fazem  sahir 
da  fenda  posterior  com  um  movimcnto 
de  vai-e-vem,  movimento  que  provavel- 
mente  serve  para  produzir  a  corrente 
d'agua  necessaria  a  respira^äo.  Emfim 
OS  insectos  perfeitos  da  ultima  especie 
säo  dos  mais  lindos  que  ha  na  ordem 
dos  Trichopteros ;  as  suas  azas  anteriores, 
amarellas,  cobcrtas  de  escamas,  como 
nos  Lepidopteros,  säo  ornadas  de  listras 
transversaes  prateadas,  a  de  malhas 
pretas  redondas,  Os  insectos  da  especie 
precedente  tem  cores  semelliantes,  porem 
muito  mais  desmaiadas. 


Ha  ainda,  nas  aguas  de  Stinta  Catlia- 
rina, um  outro  typo  de  estojos  de  Lepto- 
cerideas representado  por  duas  especies 
muito  semelhantes,  mas  de  tamanho  muito 
differente  (fig.  14  e  15).  Esses  estojos  säo 
feitos  de  pequenas  pedras.  e  säo  conicos, 
curvados,  fixados,  para  a  transformaQäo, 
pela  margem  ventral  de  ambas  as  ex- 
tremidades,  e  tapados  com  pedras,  ficando 
uma  fenda  semi-lunar  guarnecida  de 
dentes  ao  longo  da  margem  ventral. 


Os  estojos  da  especie  maior  {fig,  14) 
säo  construidos  de  pedrinhas  de  cerca 
de  o,™'"8  de  diametro  (variando  comtudo 
de  menos  de  o,"""3  ate  2""");  os  das  larvas 
adultas  säo  menos  curvados  e  alargados 
na  c^xtremidade  anterior  do  que  os  das 
mais  novas.     Em    uma   casa   de  9"""  de 


schlossenen  Futterale;  ihre  Verwandt- 
schaft zeigt  sich  auch  im  Bau  der  Larven, 
Puppen  und  fertigen  Insekten.  Ihre 
Larven  sind  die  einzigen  unter  allen  der 
Trichopteren  von  Sa.  Catharina,  die 
schwimmen  hönncn,  wozu  sie  sich  der 
Hinterbeine  bedienen;  von  den  anderen 
Larven  der  Familie  der  Leptoceriden 
unterscheiden  sie  sich  auch  durch  ent- 
wickeltere Fühler.  Die  Puppen  haben 
am  Hinterleibsende  zwei  starke  und  lange 
vSpitzen,  die  sie  mit  einer  hin-  und  her- 
gehenden Bewegung  aus  dem  hinteren 
Spalt  hervortreten  lassen;  diese  Bewe- 
gung dient  wahrscheinlich  dazu,  die  für 
die  Athmung  nöthige  Wasserströmung 
hervorzubringen.  Die  fertigen  Insekten 
der  letzten  Art  endlich  gehören  zu  den 
schönsten,  die  es  in  der  Ordnung  der 
Trichopteren  giebt;  ihre  gelben,  wie  bei 
den  Schmetterlingen  mit  Schuppen  be- 
deckten Vorderflügel  sind  mit  silbernen 
Querstreifen  und  schwarzen  runden 
Flecken  geschmückt.  Die  Insekten  der 
vorhergehenden  Art  haben  ähnliche, 
jedoch  viel  verwaschenere  Farben. 

Es  gibt  noch  einen  anderen  Typus 
von  Leptoceriden-Futteralen  in  den  Ge- 
wässern von  Santa  Catharina,  der  durch 
zwei  sehr  ähnliche,  aber  an  Größe  sehr 
verschiedene  Arten  (Fig.  14  und  15)  ver- 
treten ist.  Ihre  Futterale  sind  von  kleinen 
Steinchen  gemacht;  sie  sind  kegelförmig, 
gekrümmt;  für  die  Umwandlung  werden 
sie  mit  dem  Bauchrande  beider  Enden 
befestigt  und  mit  Steinen  verschlossen, 
so  dass  eine  halbmondförmige  Spalte 
frei  bleibt,  die  längs  des  Bauchrandes 
mit  Zähnen  besetst  ist. 

Die  Futterale  der  grösseren  Art 
(Fig.  14)  sind  aus  Steinchen  von  unge- 
fähr 0,8  mm  Durchmesser  (im  Ganzen 
wechseln  sie  von  weniger  als  0,3  bis  2  mm) 
angefertigt ;  die  der  erwachsenen  Larven 
sind  wenigi'r  gekrümmt  und  am  vorderen 
Ende    erweitert,    als    die    der    Jüngern. 


7i6 


Sobre  as  casas  construidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


comprimento  o  extremo  anterior  tinha 
3'"'",  o  posterior  i°""  de  diametro,  sendo 
o  raio  da  curvatura  do  lado  ventral  de 
cerca  de  i*^"".  Pelo  contrario,  cm  um 
estojo  ya.  fixado  de  15™""  de  comprimento, 
o  extremo  anterior  tinha  4,  o  posterior 
3'"'"  de  diametro,  e  o  raio  da  curvatura 
do  lado  ventral  tinha  cerca  de  3'"".  O 
orificio  posterior  do  estojo  das  larvas 
(fig,  1 4,  A')  e  fechado  por  uma  parede 
transversal  de  uma  substancia  parda  ou 
preta,  dura,  semelhante  ä  dos  estojos  da 
Qt'umicha,  ä  quäl  geralmente  se  acham 
colladas  algiimas  pedrinhas ;  essa  parede 
occupa  OS  dous  tergos  inferiores  da  al- 
tura  do  dito  orificio,  ficando  aberto  o 
tergo  superior  ou  dorsal,  sendo  este  ori- 
ficio limitado  em  baixo  por  vmia  linha 
recta.  Os  estojos  säo  fixados  em  angulos 
reintrantes  ou  fendas,  do  lado  inferior 
das  pedras,  pela  margem  ventral  de 
ambos  os  extremos,  por  meio  de  um 
ligamento  duro,  curto  e  largo,  occupando 
74  ate  ^4  da  circum ferenda  do  estojo 
(fig.  14,  B\  C,  E). 


Para  poder  fixar  a  margem  .ventral 
do  extremo  posterior,  a  larva  deve  evi- 
dentemente  remover  a  parede  trans- 
versal que  alli  ha;  quando  depois  vai 
fechar  de  novo  a  sua  casa,  seguc  um 
piano  inteiramente  diverso,  deixando 
uma  fenda  estreita  entre  as  margens 
ventraes  !  da  parede  transversal  e  do 
estojo  (fig.  14,  E').  Alem  disso  ella  faz 
nesta  fenda,  ao  longo  da  margem  ventral 
do  estojo,  uma  fileira  de  12  para  15 
dentes  (fig.  14,  B"),  que  constam  da 
mesma  substancia  dura  e  escura  do  oper- 
culo.  O  extremo  anterior  e  fechado  da 
mesma  maneira,  notando-se  que  os  dentes 
a  fenda  costumam  ser  menores  e  mais 
numerosos  (fig.  14,  C").  A  superficie 
externa    dos    operculos    e  quasi    sempre 


An    einem   Gehäuse   von    g  mm  Länge 


hatte    das    vordere    Ende 


mm.    das 


hintere  1  mm  Durchmesser;  der  Radius 
der  Krümmung  der  Bauchseite  betrug 
ungefähr  i  cm.  Dagegen  hatte  an  einem 
schon  befestigten  Futteral  von  15  mm 
Länge  das  vordere  Ende  4  mm.  das 
hintere  3  mm  Durchinesser,  und  der 
Radius  der  Krümmung  der  Bauchseite 
betrug  ungefähr  3  cm.  Die  hintere 
Oeffnung  des  Larvenfutterals  (Fig.  14  ^4') 
ist  mit  einer  Querwand  verschlossen,  die 
aus  einer  braunen  oder  schwarzen,  harten 
Substanz,  ähnlich  der  der  Grumicha- 
futterale  besteht,  an  welche  angeleimt 
sich  gewöhnlich  einige  Steinchen  finden ; 
diese  Wand  nimmt  die  zwei  unteren 
Drittel  der  Höhe  der  besagten  Oeffnung 
ein;  das  obere,  dorsale  Drittel  lässt  sie 
offen  ;  diese  Oeffnung  ist  unten  \'on  einer 
geraden  Linie  begrenzt.  Die  Futterale 
sind  in  einspringenden  Winkeln  oder 
Spalten  der  unteren  Seite  der  Steine 
befestigt  und  zwar  mit  dem  Bauchrande 
beider  Enden,  mittels  eines  harten,  kurzen 
und  breiten  Bandes,  das  ^j^  bis  ^/g  des 
UmfangesdesFutteraleseinnimmt  (Fig.  1 4 
B\  C,  E'). 

Um  den  Bauchrand  des  hinteren 
Endes  befestigen  zu  können,  muss  die 
Larve  offenbar  die  dort  vorhandene  Quer- 
wand entfernen ;  wenn  sie  dann  ihr  Ge- 
häuse wieder  verschliessen  will,  befolgt 
sie  einen  ganz  verschiedenen  Plan,  in- 
dem sie  einen  engen  Spalt  zwischen 
den  Bauchrändern  der  Querwand  und 
des  Futterals  frei  lässt  (Fig.  14E').  Ueber- 
dies  macht  sie  in  diesen  Spalt,  längs  dem 
Bauchrande  des  Futterals,  eine  Reihe 
von  12  bis  15  Zähnen  (Fig.  14  B''),  die 
aus  derselben  harten  und  dunkeln  Sub- 
stanz bestehen,  wie  der  Deckel.  Das 
vordere  Ende  wird  auf  dieselbe  Weise 
befestigt;  nur  pflegen  die  Zähne  des 
Spaltes  kleiner  und  zahlreicher  zu  sein 
(Fig.    14  C").     Die    äussere    Oberfläche 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catliarina  verfertigten  Gehäuse. 


717 


coberta  de  pequenas  pedras  chatas  (fig. 
14,  B\  C).  A  fenda  posterior  näo  se 
acha  geralmente  na  extremidade.  e  sim 
um  pouc(^  recolhida  para  dentro,  senden 
a  parte  \'entral  do  operculo  um  tanto 
curvada  para  o  intorior  do  estojo  (fig.  14, 

Assim  como  na  Gruniicha,  os  estojos 
das  n3miphas  podem  ser  separados  pelo 
seu  tamanho  em  dous  grupos  distinctos, 
tendo  OS  maiores  (fig.  14,  D,  E)  cerca 
de  IS'""',  e  os  menores  (fig.  14,  ß,  C) 
cerca  de  12"""  de  comprimento;  e  muito 
provavel  que,  como  naquella  especie,  os 
maiores  sejam  habitados  por  femeas  e 
os  menores  por  machos. 

Os  estojos  da  especie  menor  (fig.  15) 
säo  em  tudo  semelhantes  aos  da  maior; 
o  comprimento  dos  adultos  e  de  8  ate 
g™"',  sendo  o  diametro  anterior  de  cerca 
de  2  e  o  posterior  de  cerca  de  i^^s,  e  o 
raio  da  curvatura  do  lado  ventral  de  certa 
de  IS"'™.  Säo  construidos  de  pedrinhas 
menores,  näo  excedendo  geralmente  a 
o,"""5.  O  orificio  da  parte  superior  da 
parede  transversal  que  tapa  o  orificio 
posterior  (fig.  15,  A)  e  de  forma  oval, 
sendo  limitado  em  baixo  por  um  arco, 
9  näo  por  uma  linha  recta,  como  na 
especie  maior.  Esta  parede  costuma  ser 
de  cor  parda  centa,  mais  escura  em  redor 
do  buraco,  algumas  vezes  pallida  e  outras 
preta. 


A  maneira  de  fechar  e  fixar  o  estojo 
para  a  transformagäo  em  nympha  e 
identica  k  da  especie  maior;  a  unica 
differenga  digna  de  notar-se  esta  nas 
pedras  usadas  no  operculo  anterior;  em 
vez  de  algumas  pedras  menores  chatas 
e  que  näo  se  elevam  a  cima  do  piano 
da  entrada,  a  especie  menor  tapa  os 
orificios  tanto  anterior  como  posterior 
do  estojo  com  uma  unica  pedrinha,  que 


der  Deckel  ist  fast  immer  mit  icleinen 
flachen  Steinen  bedeckt  (Fig.  1 4  ß',  C). 
Der  hintere  Spalt  findet  sich  in  der 
Regel  nicht  am  Ende,  sondern  ist  ein 
wenig  nach  innen  zurückgezogen,  indem 
der  Bauchtheil  des  Deckels  sich  etwas 
in  das  Innere  des  Futterals  krümmt 
(Fig.  i^E\E"). 

Wie  bei  Grumicha  können  die  Pup- 
pengehäuse nach  ihrer  Grösse  in  zwei 
verschiedene  Gruppen  getheilt  werden; 
die  grösseren  (Fig.  14,  D,  E)  haben  un- 
gefähr 1 5  mm,  die  kleineren  (Fig.  1 4  ß,  C) 
ungefähr  1 2  mm  Länge ;  es  ist  sehr  wahr- 
scheinlich, dass,  wie  bei  jener  Art  die 
gr«)sseren  von  Weibchen,  die  kleineren 
von  Männchen  bewohnt  sind. 

Die  Futterale  der  kleineren  Art 
(Fig.  15)  sind  im  Ganzen  denen  der 
grösseren  ähnlich;  die  Länge  der  er- 
wachsenen beträgt  8 — g  mm,  der  vordere 
Durchmesser  ungefähr  2,  der  hintere 
ungefähr  i  \  mm,  der  Radius  der  Krüm- 
mung der  Bauchseite  ungefähr  15  mm. 
Sie  sind  aus  kleineren  Steinchen  ange- 
fertigt, die  im  Allgemeinen  0,5  mm 
nicht  überschreiten.  Die  Oeffnung  des 
oberen  Theils  der  Querwand,  welche  die 
hintere  Oeffnung  verschliesst  (Fig.  1 5  A) 
ist  von  ovaler  Form,  unten  von  einem 
Bogen  begrenzt,  und  nicht  von  einer 
geraden  Linie  wie  bei  der  grösse- 
ren Art.  Diese  Wand  pflegt  von  bräun- 
licher Farbe  zu  sein,  dunkler  um  die 
Oeffnung  herum,  manchmal  blass,  an- 
dere Male  schwarz. 

Die  Art,  das  Futteral  zur  Verwand- 
lung in  die  Puppe  zu  verschliessen  und 
zu  befestigen  ist  dieselbe  wie  bei  der 
grösseren  Art;  der  einzige  bemerkens- 
werthe  Unterschied  besteht  in  den  zum 
\'orderen  Deckel  gebrauchten  Steinen; 
statt  einiger  kleinerer  platter  Steine,  die 
sich  nicht  über  die  Ebene  des  Einganges 
erheben,  verstopft  die  kleinere  Art  so- 
wohl  die   vordere   als  die  hintere  Oeff- 


718 


Sobre  as  casas  construidas  pelas  larvas  de  Tnsectos  Trichopteros. 


costuma  sahir  muito  para  fora  dos  mes- 
mos  orificios  (fig.   15,  B\  B"). 


Por  mais  irreguläres  que  pare9am 
estas  pedrinhas,  vistas  de  fora,  ellas  näo 
deixam  comtudo  de  ser  escolhidas  com 
muito  cuidado;  examinando-as  depois 
de  removidas  pela  n)'mpha  ao  sahir  do 
estojo,  ve-se  que  todas  ellas  tem  uma 
face  quasi  plana  e  circular,  igual  ao 
orificio  do  estojo,  para  o  interior  do 
quäl  esta  voltada. 


^  4- 
Casas  de  especies  de  posicäo 
incerta  (fig,  16 — 17). 
Ainda  näo  pude  examinar  insectos 
perfeitos,  nem  mesmo  nymphas  das  duas 
especies  seguintes,  ncm  täo  pouco  achei 
nas  larvas  caracteres  que  me  permittissem 
determinar  com  certeza  a  familia  a  que 
pertencem;  so  posso  dizer  que,  ou  säo 
Leptocerideas  ou  SeiHcostomideas.  Em 
favor  desta  ultima  familia  podem  ser 
citados  os  angulos  anteriores  do  pro- 
thorax,  prolongados  nas  larvas  da  pri- 
meira  especie  em  pontas  agudas  e  com- 
pridas,  o  que  faz  lembrar  os  angulos 
anteriores  dos  segmentos  thoracicos  pon- 
tudos  que,  segundo  Pictet,  caracterisam 
as  larvas  do  genero  Trichostoma  da 
familia  das  Sericostomideas  ^).  As  casas 
das  duas  especies  säo  achatadas  e  feitas 
de  folhas:  as  da  primeira  especie  (fig.  16) 
constam  quasi  sempre  de  quatro  peda^os 
de  folhas,  formando  dous  o  lado  ventral 
e  os  outros  dous  o  lado  dorsal;  o  seu 
tamanho,  assim  como  a  sua  figura  säo 
extrcmamcnte  variaveis,  como  mostram 
as  figuras  16,  Ä,  B,  C,  D,  todas  de  ta- 
manho  natural.     O   que   e  constante  e: 


nung  des  Futterals  mit  einem  einzigen 
Steinchen,  welches  weit  über  diese  Oeff- 
nungen  nach  aussen  vorzuspringen  pflegt 
(Fig.  15,5'^"). 

So  unregelmässig  diese  Steinchen, 
von  aussen  gesehen,  erscheinen,  so  sind 
sie  doch  stets  mit  vieler  Sorgfalt  aus- 
gesucht; wenn  man  sie  untersucht,  nach- 
dem sie  die  Puppe  bei  ihrem  Aus- 
schlüpfen aus  dem  Futteral  entfernt  hat, 
sieht  man,  dass  sie  alle  eine  fast  ebene 
und  kreisförmige  Fläche  haben,  gleich 
der  Oeffnung  des  Futterals,  dessen  In- 
nerem diese  Fläche  zugewendet  ist. 

4)  Gehäuse  von  Arten  unsicherer 
systematischer  Stellung 
(Fig.  16,  17). 
Von  den  beiden  folgenden  Arten 
habe  ich  bis  jetzt  weder  die  fertigen 
Insekten,  noch  auch  die  Puppen  unter- 
suchen können,  eben  so  wenig  habe  ich 
an  den  Larven  Merkmale  gefunden,  die 
mir  gestattet  hätten,  die  Familie,  zu  der 
sie  gehören,  mit  Sicherheit  zu  bestimmen  ; 
ich  kann  nur  sagen,  dass  es  entweder 
Leptoceriden  oder  Scricostomiden  sind. 
Zu  Gunsten  dieser  letzteren  Familie 
können  die  Vorderecken  des  Prothorax 
angeführt  werden,  die  bei  den  Larven 
der  ersteren  Art  in  scharfe  und  lange 
Spitzen  ausgezogen  sind,  was  an  die 
zugespitzten  Vorderecken  der  Brustringe 
erinnert,  die,  nach  Pictet,  die  Larven 
der  Gattung  Trichostoma  aus  der  Fa- 
milie der  Scricostomiden  charakteri- 
sieren ^).  Die  Gehäuse  beider  Arten 
sind  plattgedrückt  und  aus  Blättern  ge- 
macht; die  der  ersteren  Art  (Fig.  16) 
bestehen  fast  immer  aus  vier  Blattstücken, 
von  denen  zwei  die  Bauchseite  und  die 
beiden  anderen  die  Rückenseite  bilden ; 
ihre  Grösse  und  Gestalt  sind  im  h<)chsten 


l)  Westwood,  Introduct.  to  niod.  classif.  of  In- 
sect.   II.  p.  68. 


i)  Westwood,  Introduct.   to    mod.  classif ic.   of 
Insects.   TT.  p.  68 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  y  j  g 


i^,  quc  as  duas  folhas  anteriores  cobrem 
a  parte  anterior  das  posteriores;  2",  que 
a  folha  dorsal  anterior  cstende-se  muito 
alem  da  ventral,  protegendo  deste  modo 
a  cabega  da  larva;  3^,  que  a  face  superior 
das  folhas  e  voltada  para  o  interior  da 
casa  e  a  face  inferior  para  fora.  Esta 
ultima  regra  parece  näo  ter  excepQäo, 
em  talvez  que  dous  motivos  concorra 
para  que  a  larva  colloque  as  folhas 
sempre  desta  maneira,  porque,  näo  so  a 
face  inferior  e  menos  livre  por  causa 
das  nervuras,  como  tambem  e  mais  facil 
curvar  qualquer  folha,  de  modo  que  a 
face  inferior  se  torne  convexa  e  a  su- 
perior concava,  do  que  em  sentido  opposto. 
As  folhas  estendem-se  geralmente  para 
OS  lados,  muito  alem  da  cavidade  interna 
da  casa  (fig.  16,  E),  que  e  revestida  de 
uma  membrana  tenuissima,  cuja  seccäo 
transversal  e  de  forma  elliptica,  sendo  a 
altura  igual  e  metade  pouco  mais  ou 
menos  da  largura.  As  dimcnsöes  da 
cavidade  interna  säo  muito  menos  vari- 
aveis  do  que  as  das  folhas;  ella  podera 
ter  uns  15'"'"  de  comprimento  sobre  4""" 
de  larofura  e  2'""'  de  altura.  A  casa  das 
nymphas  e  fixada  somente  pclo  extremo 
anterior,  por  meio  de  alguns  fios  de 
seda,  partindo  de  cada  lado  da  entrada, 
e  a  cavidade  interna  fechada  em  um 
e  outro  extremo  por  um  crivo  (fig.  16, 
D').  Esta  especie,  si  bem  que  näo  seja 
muito  frequente,  vive  nas  localidades  as 
mais  differentes,  tanto  em  aguas  quasi 
estagnadas,  como  em  corregos  de  rapido 
curso.  Para  fixar-se,  ella  prefere  as 
pedras  os  troncos  de  arvores  que  ca- 
hiram  n'agua. 


A     segunda     especie     (fig.     17)     e 
muito    notavel    pelo    lugcir    insolito,    ein 


Grade  wechselnd,  wie  die  Figuren  16  A, 
B,  C,  D,  alle  in  natürlicher  Grösse,  zeigen. 
Was  konstant  ist,  ist  i)  dass  die  beiden 
vorderen  Blätter  den  vorderen  Theil  der 
hinteren  bedecken;  2)  dass  das  vordere 
Rückenblatt  sich  nach  vorn  weit  über 
das  Bauchblatt  hinaus  ausdehnt,  so  dass 
es  auf  diese  Weise  den  Kopf  der  Larve 
schützt;  3)  dass  die  obere  Fläche  der 
Blätter  dem  Inneren  des  Gehäuses  zu- 
gekehrt und  die  untere  nach  aussen  ge- 
wendet ist.  Diese  letzte  Regel  scheint 
keine  Ausnahme  zu  haben,  und  es  wirken 
vielleicht  zwei  Beweggründe  dahin  zu- 
sammen, dass  die  Larve  die  Blätter 
immer  in  dieser  Weise  legt,  da  nicht 
nur  die  untere  Fläche  wegen  der  Nerven 
weniger  glatt  ist,  sondern  es  auch  leichter 
ist,  irgend  ein  Blatt  so  zu  krümmen,  dass 
die  untere  Fläche  sich  konvex  biegt 
und  die  obere  konkav,  als  in  entgegen- 
gesetztem Sinne.  Die  Blätter  dehnen 
sich  im  Allgemeinen  nach  den  Seiten 
weit  über  die  innere  Höhlung  des  Ge- 
häuses (Fig.  1 6  E)  aus,  die  mit  einer  sehr 
dünnen  Haut  ausgekleidet  ist ;  der  Quer- 
schnitt derselben  ist  von  elliptischer  Ge- 
stalt, ungefähr  halb  so  hoch  als  breit. 
Die  Dimensionen  des  inneren  Hohlraumes 
sind  viel  weniger  variabel  als  die  der 
Blätter;  er  hat  etwa  15  mm  Länge 
bei  4  mm  Breite  und  2  mm  Höhe.  Das 
Puppengehäuse  ist  nur  mit  dem  vorderen 
Ende  befestigt,  und  zwar  vermittelst 
einiger  Seidenfäden,  die  von  beiden 
Seiten  des  Einganges  ausgehen;  der 
innere  Hohlraum  ist  an  jedem  der  beiden 
Enden  mit  einem  Siebe  (Fig,  1 6  Z)')  ver- 
schlossen. Diese  Art  ist  zwar  nicht  sehr 
häufig,  sie  lebt  aber  an  den  verschieden- 
sten Oertlichkeiten,  sowohl  in  fast  stag- 
nirenden  Gewässern,  als  in  Quellen  von 
raschem  Lauf.  Um  sich  festzusetzen, 
zieht  sie  den  Steinen  die  ins  Wasser 
gefallenen  Baumstämme  vor. 

Eine   zweite   Art   (Fig.    17)    ist    sehr 
bemerkenswerth   durch   den  ungewöhn- 


720 


Sobre  as  casas  constraidas  pelas  larvas  de  Tnsectos  Trichopteros. 


que  as  larvas  tem  a  sua  residencia. 
Entre  as  folhiis  das  Bromeliaceas  quo 
abundam  como  parasitas  nas  arvoros 
do  matto  virgem,  ajunta-se  e  conserva-so 
por  muito  tempo  agua  de  chuva,  assim 
como  uma  \ariedade  extraordinaria  de 
substancias  vegetaes:  fragin(^ntos  de 
ramos,  folhas,  flores,  fructos  e  semcntes, 
que  as  vezes  alli  germinam ;  näo  e  raro 
ver-se  um  pesinho  de  gissara  elevando-se 
entre  as  folhas  de  alguma  Rr'onielia; 
encontra-se  emfim,  nutrindo-se  daquelles 
restos  vegetaes  mais  ou  menos  apodrc- 
cidos  ou  transformados  em  humus,  uma 
multidäo  de  animaes  terrestres  e  aquati- 
cos:  Planarias  (Geoplana),  Hirudineas 
(Clepsine),  Oniscos,  Centopeias,  Formigas, 
larvas  de  dipteros,  de  Lavadeiras,  Pere- 
recas,  etc.  Um  dia  limbrei-me  que,  como 
tantas  outras  larvas  aquaticas,  tambem 
podia  viver  naquelles  tanques  aereos  a 
larva  de  algum  Trichoptero.  Tomei  o 
facäo  e  fui  ao  matto.  Mal  tinha  cortado 
e  examinado  uma  duzia  de  Bromelias, 
encontrei  logo  uma  casa  de  Trichoptero, 
differente  de  todas  quatitas  tinha  visto 
em  outros  logares,  com  quanto  muito 
semelhante  äs  da  especie  preccdente. 
Como  a  daquella,  esta  e  feita  de  peda- 
90S  de  folhas,  e  com  effeito  e  a  so  cousa 
que  a  larva  tem  alli  a  sua  disposicäo.  A 
construcgäo  da  casa  e  apparentemente 
muito  semelhante  a  da  ultima  especie, 
mas  bastara  apresentar  as  seguintos 
differen<;as  para  bem  distinguil-as: 


i.*^  As  casas  säo  muito  menores;  a 
maior  que  vi  tem  14'""'  de  comprimento 
sobre  4'"""  de  largura;  a  cavidado  interna 
tem  cerca  de  2"'"  de  largura  sobre  i'""' 
de  altura. 


liehen  Ort,  an  dem  die  Larve  ihren 
Wohnsitz  hat.  Zwischen  den  Blättern 
der  Bromeliaceen,  die  an  den  Bäumen 
des  Urwaldes  in  reichlicher  Menge  schma- 
rotzen, sammelt  und  erhält  sich  auf  lang-e 
Zeit  Regenwasser,  so  wie  auch  eine 
ausserordentliche  Mannigfaltigkeit  vege- 
tabilischer Substanzen :  Bruchstücke  von 
Zweigen,  Blätter,  Bliithen.  Früchte  und 
Samen,  die  bisweilen  dort  keimen ;  nicht 
selten  sieht  man  ein  Gissara-Stämmchen 
sich  zwischen  den  Blättern  einer  Bro- 
melie  erheben;  endhch  trifft  man  hier 
eine  Menge  Land-  und  Wasserthiere, 
die  sich  von  den  mehr  oder  weniger 
verwesten  oder  in  Humus  umgewan- 
delten vegetabilischen  Ueberresten  näh- 
ren :  Landplanarien  (Geoplana),  Blut- 
egel (Clepsine),  Asseln,  Tausendfüsse, 
Ameisen,  Dipterenlarven,  Wasserjung- 
fern etc.  Eines  Tages  fiel  mir  ein,  dass. 
eben  so  gut  wie  so  viele  andere  wasser- 
bewohnende Larven,  in  diesen  luftigen 
Wasserbehältern  auch  irgend  eine  Tricho- 
pterenlarve  leben  könnte.  Mit  dem  Wald- 
messer bewaffnet  ging  ich  sofort  in  den 
Wald  und  hatte  wohl  kaum  ein  Dutzend 
Bromelien  abgehauen  und  untersucht, 
als  ich  auf  ein  Trichopterengehäuse  stiess, 
das  von  allen,  die  ich  an  anderen  Orten 
gesehen  hatte,  verschieden  war,  wenn 
es  auch  denen  der  vorigen  Art  sehr 
ähnlich  ist.  Wie  diese  ist  es  aus  Blatt- 
stücken gemacht  und  in  der  That  ist 
das  das  einzige  Baumaterial,  das  die 
Larve  hier  zu  ihrer  Verfügung  hat.  Der 
Bau  des  Gehäuses  ist  anscheinend  sehr 
ähnlich  dem  der  letzten  Art,  es  wird 
aber  hinreichen  folgende  Unterschiede 
hervorzuheben,  um  sie  sicher  zu  unter- 
scheiden : 

i)  Die  Gehäuse  sind  viel  kleiner; 
das  grösste,  das  ich  gesehen  habe,  hatte 
14  mm  Länge  bei  4  mm  Breite;  der 
innere  Hohlraum  hatte  etwa  2  mm  Breite 
bei   I  mm  Höhe. 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  n  21 


2.^  O  numoro  dos  peda^os  de  folha 
e  muito  maior ;  Qreralment(^  e  de  11 
(sendo  5  ventrcies  e  6  dorsacs ;  fig.  1 7 
A,  A')  ou  de  13  {sendo  6  ventraes  e  7 
dorsaes;  fig.  17,  B,  B');  a  ceisa  menor 
que  tenho  visto  tem  7, """5  de  compri- 
mento,  e  e  composta  de  9  peda^os  (4  ven- 
traes e  5  dorsaes). 


3.°  Esses  pedagos  de  folhas  säo  mais 
distinctos  e  regularmente  curvados  no 
meio  das  faces  dorsal  e  ventral. 

4.*^  Os  mesmos  peda^os  näo  excedem 
muito  os  lados  da  cavidade  interna ;  dahi 
resulta  um  aspecto  muito  mais  regulär 
e  uniforme  dessas  casinhas. 

As  arestas  lateraes  säo  agudas  e 
quasi  rectilineas  ou  parallelas  (fig.  17,  A), 
ou  con\^crgindo  sensivelmente  para  o 
extremo  posterior  (fig.  17,  B).  A  lar- 
gura  desmedida  e  as  margens  irreguläres 
de  muitas  casas  da  especie  precedente 
näo  conviriam  ao  domicilio  apertado  do 
hospede  das  Bromelias  ^). 


2)  Die  Zahl  der  Blattstücke  ist  viel 
grösser ;  in  der  Regel  beträgt  sie  1 1 
(wovon  5  auf  die  Bauchseite,  6  auf  die 
Rückenseite  kommen,  Fig.  17  yl,  A') 
oder  13  (6  auf  der  Bauch-,  7  auf  der 
Rückenseite,  Fig.  1 7  B,  B') ;  das  kleinste 
Gehäuse,  das  ich  gesehen  habe,  hat 
7,5  mm  Länge  und  ist  aus  9  Stücken 
(4  Bauch-  und  5  Rückenstücken)  zu- 
sammengesetzt. 

3)  Diese  Blattstücke  sind  schärfer 
von  einander  abgesetzt  und  in  der  Mitte 
der  Rücken-  und  Bauchfläche  regel- 
mässig gekrümmt. 

4)  Sie  gehen  über  die  Seiten  des 
inneren  Hohlraumes  nicht  viel  hinaus; 
die  Gehäuse  haben  daher  ein  viel  regel- 
mässigeres  und  gleichartigeres  Aussehen. 

Die  Seitenkanten  sind  scharf  und 
fast  geradlienig,  entweder  parallel  (Fig. 
17  A)  oder  nach  hinten  merklich  kon- 
vergirend  (Fig.  17  B).  Die  übermässige 
Breite  und  die  unregelmässigen  Ränder 
vieler  Gehäuse  der  vorhergehenden  Art 
würden  für  den  engen  Wohnsitz  des 
Bromeliengastes  nicht  passen  ^). 


?^  5. 

As    casas    das    Sericostomideas 

(fig.   18-21). 

A  familia  das  Sericostomideas  e  ate 
agora  representada  na  provincia  de 
Santa  Catharina  so  pelo  genero  Helico- 
psyche. 

Ora,  as  casas  encaracoladas  deste 
genero  ja  foram  descriptas  tantas  vezes 
que  so  valeria  a  pena  fallar  nas  especies 
catharinenses,  quando  fosse  possivel  com-  , 
paral-as  com  as  numerosas  especies 
publicadas  por  varios  auctores,  e  apontar 
os  seus  caracteres  distinctivos. 


l)  Ha  ainda  uma  terceira  especie,  intermediaria, 
nas  dimensoes  da  casa  e  no  numero  das  folhas  de 
que  e  feita,  entre  as  duas  descriptas;  hei-de  de- 
screvel-a,  no  supplemento  que  opportunamente  darei 
ao  presente  trabalho. 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften. 


5)    Die    Gehäuse    der    Sericosto- 
miden  (Fig.  18 — 21). 

Die  Familie  der  Sericostomiden  ist 
bis  jetzt  in  der  Provinz  Santa  Catharina 
nur  durch  die  Gattung  Helicopsyche 
vertreten. 

Nun  sind  die  schneckenförmigen  Ge- 
häuse dieser  Gattung  schon  so  viele  Male 
beschrieben  worden,  dass  es  sich  nur 
dann  der  Mühe  lohnen  würde,  von  den 
Arten  von  Santa  Catharina  zu  sprechen, 
wenn  es  möglich  wäre,  sie  mit  den  zahl- 
reichen, von  verschiedenen  Autoren  ver- 


i)  Es  gibt  noch  eine  dritte  Art,  die  in  den 
Dimensionen  des  Gehäuses  und  der  Zahl  der  Blätter, 
aus  denen  es  gemacht  ist,  zwischen  den  beiden  be- 
schriebenen die  Mitte  hält.  Ich  werde  sie  in  einem 
Nachtrage  zu  dieser  Arbeit  beschreiben. 

46 


722 


Sobre  as  casas  construidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


Limito-me,  pois,  ^ 
formas  que  encontrei 


a  dar  as  figuras  das 


A  primeira  dellas  (fig,  i8)  e  frequente 
em  diversos  corregos  de  curso  rapide  e 
muito  abundante  acima  do  Salto  da 
«Triste  Miseria»  («Trauriger  Jammer») 
de  Blumenau.  Si  me  näo  engano,  foi 
esta  mesma  especie  que  vi  na  Serra  do 
Itajahy.  A  segunda  (fig.  ig)  foi  achada 
so  no  Ribeiräo  Branco  («Weissbach»), 
affluente  do  Itajahy;  a  terceira  (fig.  20) 
em  remansos  do  Ribeiräo  do  Garcia;  a 
quarta  (fig.  21)  rarissima,  ao  que  parece, 
tanto  no  Ribeiräo  do  Garcia,  como  em 
alguns  ribeirinhos  menores. 

Ja  que  fallo  das  Helicopsyches  näo 
devo  deixar  de  tocar  em  um  trecho  de 
Hagen  ^)  relativo  a  esses  animaes;  depois 
de  citar  o  facto  observado  por  Shuttle- 
worth  de  se  acharem  as  larvas  ou 
nymphas  em  todas  as  casas  providas 
de  operculos,  Hagen  continüa:  «dahi 
resultaria  que  estes  animaes,  contra  o 
costume  das  Phryganideas ,  ja  como 
larvas,  munem  as  suas  casas  de  um 
operculo,  o  que  em  outras  especies  so 
se  encontra  no  estado  de  nymphas.» 
Ora,  todas  as  larvas  de  Trichopteros 
fixam  e  fecham  as  suas  casas  antes  de 
se  transformarem  em  nymphas;  todas 
ollas,  depois  de  prompta  a  casa  para  a 
transformagäo,  ainda  se  conservam  no 
estado  de  larvas  por  mais  algum  tempo. 
As  Helicopsyches,  a  este  respeito,  em 
nada  se  distinguem  dos  demais  Tri- 
chopteros; ellas  tambem  fazem  o  oper- 
culo da  entrada  so  quando  estäo  para 
se  transformar,  c  depois  de  terem  fixado 
a  sua  casa. 


öffentlichten  Arten  zu  vergleichen  und 
ihre  unterscheidenden  Merkmale  festzu- 
stellen. 

Ich  beschränke  mich  daher  darauf, 
die  Abbildungen  derjenigen  Formen  zu 
geben,  denen  ich  begegnet  bin. 

Die  erste  derselben  (Plg.  18)  ist  häufig 
in  verschiedenen  Quellen  von  raschem 
Lauf,  ungemein  häufig  über  der  Wald- 
schlucht „Trauriger  Jammer"  in  Blu- 
menau. Wenn  ich  mich  nicht  irre,  war 
es  diese  nämliche  Art,  die  ich  auf  der 
Serra  do  Itajahy  gesehen  habe.  Eine 
zweite  (Fig.  ig)  wurde  nur  in  dem 
„Weissbach"  (Ribeiräo  Branco),  einem 
Zufluss  des  Itajahy,  gefunden ;  eine  dritte 
(Fig.  20)  in  stehendem  Wasser  des  Baches 
Garcia;  eine  vierte  (Fig.  21),  wie  es 
scheint,  sehr  seltene,  sowohl  im  Bache 
Garcia  als  in  einigen  kleineren  Bächen. 

Da  ich  von  den  Helicops3^che-Arten 
spreche,  so  darf  ich  nicht  unterlassen, 
eine  Stelle  Hagen's  ^)  die  sich  auf  diese 
Thiere  bezieht,  zu  berühren.  Nachdem 
er  die  von  Shuttleworth  beobachtete 
Thatsache  citirt  hat,  dass  sich  in  allen 
mit  Deckeln  versehenen  Gehäusen  Larven 
oder  Puppen  fanden,  fährt  Hagen  fort: 
„daraus  würde  sich  ergeben,  dass  diese 
Thiere,  gegen  die  Gewohnheit  der  Phry- 
g"aniden,  schon  als  Larven  ihre  Gehäuse 
mit  einem  Deckel  versehen,  der  bei  an- 
deren Arten  nur  im  Puppenzustande  an- 
getroffen wird".  Nun  befestigen  und 
verschliessen  aber  alle  Trichopterenlarven 
ihre  Gehäuse,  bevor  sie  sich  in  Puppen 
umwandeln;  alle  bleiben,  nachdem  das 
Gehäuse  für  die  Verwandlung  bereit  ist, 
noch  einige  Zeit  im  Larvenzustande. 
Die  Helicopsyche-Arten  unterscheiden 
sich  in  dieser  Beziehung  in  Nichts  von 
den  übrigen  Trichopteren ;  sie  machen 
ebenfalls  den  Deckel  des  Einganges  erst, 
wenn  sie  im  Beo-riffe  stehen  sich  zu  ver- 


I)  Hagen,  1.  c.  p.   125. 


i)  Hagen,  1.  c.  S.   125. 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  llX 


§  6. 

As  larvas  das  Hydroptilideas 

(fig.  22—30). 

Resta  a   familia  das  Hydroptilideas, 

que,  em  relagäo  as  casas  ou  cstojos  das 

larvas,    e   aqui  de  todas  a  mais  rica  em 

formas  inteiramentc  novas  e  interessantes. 

Hagen    conhecia    em    1864   as  casas  de 

quatro    especies  desta  familia;    por  aqui 

ja  encontrei  nove  novos  especies  consti- 

tuindo  scis  t3'pos  differentes. 


As  casas  da  primeira  especie  (fig.  22) 
säo  as  que  mais  se  parecem  com  as 
das  outras  familias;  a  näo  terem  di- 
mensöes  muito  inferiores  as  que  se 
observam  nas  Leptocerideas  e  Seri- 
costomideas ,  podiam  passar  por  casas 
de  alguma  especie  dessas  familias.  Säo 
canudos  ou  tubos,  cujo  comprimento 
näo  excede  a  2, """5,  tendo  o,"""5  de  lar- 
gura;  säo  feitos  de  uma  membrana 
elastica,  resistente,  coberta  de  areia 
finissima  e  de  cor  pardoclara.  Näo  säo 
roli^os  e  sim  achatados,  sendo  a  sua 
altura  igual  ä  metade  pouco  mais  ou 
menos  da  largura;  a  face  ventral  ou 
e  plana  (fig.  22,  C),  ou  mais  frequente- 
mente  um  pouco  concava  (fig.  22,  A); 
vistos  por  cima  mostram  os  lados  ou 
rectos,  con\'ergindo  algum  tanto  para  o 
extremo  posterior  (fig.  22,  Ä)  ou  um 
pouco  convexos  (fig.  22,  B,  C). 


O  orificio  oval  acha-se  na  face  ven- 
tral, sendo  as  vezes  protegido  por  uma 
especie  de  escudilho  mais  largo  do  que 
o  resto  do  tubo  (fig.  22,  B,  D).  O  orificio 
anal  e,  ou  terminal  ou  ventral.  Os  tubos 
säo  fixados  pela  margem  ventral  de 
ambas  as  extremidades,  havendo  dous 
discos  adhesivos,  ou  um  so  bilobado  na 


wandeln   und  nachdem  sie  ihr  Gehäuse 
befestigt  haben. 

6)  Die  Larven  der  Hydroptiliden 
(Fig.  22—30). 

Noch  übrig  ist  die  Familie  der  Hy- 
droptiliden, die  in  Bezug  auf  die  Ge- 
häuse oder  Futterale  der  Larven  bis 
jetzt  von  allen  die  reichste  an  ganz 
neuen  und  interessanten  Formen  ist. 
Hagen  kannte  im  Jahre  1864  die  Ge- 
häuse von  vier  Arten  dieser  Familie; 
bis  jetzt  habe  ich  schon  neun  neue  Arten 
angetroffen,  die  sechs  verschiedene  Typen 
darstellen. 

Die  Gehäuse  der  ersten  Art  (Fig.  22) 
sind  diejenigen,  die  denen  der  anderen 
Familien  noch  am  meisten  ähnlich  sehen. 
Da  sie  in  ihren  Dimensionen  nicht  viel 
hinter  denen  zurückstehen,  die  bei  den 
Leptoceriden  und  Sericostomiden  ange- 
troffen werden,  so  könnten  sie  für  Ge- 
häuse einer  Art  dieser  Familien  durch- 
gehen. Es  sind  dünne  Röhren,  deren 
Länge  nicht  über  2,5  mm  hinausgeht, 
bei  0,5  mm  Breite;  sie  sind  aus  einer 
elastischen,  widerstandsfähigen  Haut  ge- 
macht, die  mit  feinstem  Sande  von  hell- 
brauner Farbe  bedeckt  ist.  Sie  sind 
nicht  walzenförmig,  sondern  abgeplattet, 
so  dass  ihre  Höhe  ungefähr  die  Hälfte 
der  Breite  beträgt;  die  Bauchfläche  ist 
entweder  eben  (Fig.  2  2  C),  oder  häufiger 
ein  wenig  konkav  (Fig.  22  A');  von  oben 
gesehen  zeigen  sie  die  Seiten  entweder 
gerade,  nach  dem  hinteren  Ende  etwas 
konvergirend  (Fig.  22  A)  oder  etwas 
konvex  (Fig,  22,  B,  C). 

Die  Mundöffnung  befindet  sich  an 
der  Bauchseite,  sie  ist  manchmal  von 
einer  Art  Schild  bedeckt,  welches  breiter 
ist,  als  der  übrige  Theil  der  Röhre 
(Fig.  22  B,  D).  Die  Afteröffnung  liegt 
entweder  am  Ende  oder  auf  der  Bauch- 
seite der  Röhre.  Die  Röhren  sind  mit 
dem  Bauchrande  beider  Enden  befestigt ; 

46* 


724 


Sobre  as  casas  construidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


extremidade  oval,  e  um  disco  simples 
na  anal  (fig.  22,  C).  Esta  especie  pigmea 
e  assas  frequente  debaixo  das  pedras, 
em  quasi  todos  os  ribeiros  maiores  ou 
menores.  As  larvas  desta  especie  e  da 
seguinte  säo  as  unicas  da  familia  das 
Hydroptilideas,  em  que  vi  branchias; 
säo  tres  fios  compridos  na  extremidade 
do  abdomen. 


As  tres  especies  seguintes  (fig.  23,  25) 
construem  os  seus  estojos  segundo  o 
typo  do  genero  Hydroptila.  do  quäl 
entretanto  se  distinguem  os  insectos  per- 
feitos  por  terem  um  esporäo  nas  tibias 
anteriores.  Os  estojos  säo  comprimidos 
lateralmente ,  abrindo-se  em  cada  ex- 
tremo  por  uma  fenda  vertical  muito 
estreita.  As  casas  da  primeira  destas 
tres  especies  (fig.  23)  tem  cerca  de  3'™' 
de  comprimento  sobre  1'"'"  de  altura  e 
o,'"'"5  de  largura,  apresentam  uma  cor 
acinzenta,  e  säo  feitas  de  uma  membrana 
resistente,  coberta  de  areia  fina.  A  sec- 
gäo  transversal  (fig.  23,  C),  e  lenticular; 
as  margens  dorsal  e  ventral  säo  rectas 
e  quasi  sempre  parallelas  (fig.  23,  A,  B); 
as  vezes  porem  convergem  um  pouco 
para  um  dos  extremos  (fig.  23,  C).  Os 
extremos  säo  arredondados,  semicircu- 
lares  (fig.  23,  A,  C);  as  vezes  formam 
arcos  maiores  de  l8o^  sendo  neste  caso 
mais  largos  do  que  a  parte  intermediaria 
(fig.  23,  B).  Näo  ha  dif ferenda  entre  ex- 
tremo  anterior  ou  posterior,  nem  täo 
pouco  entre  aresta  dorsal  ou  ventral. 
A  larva  sähe  indifferentemente  de  um 
ou  outro  extremo.  Para  a  transforma^äo, 
as  casas  säo  fixadas  nos  dous  extremos 
por  ligamentos   fibrosos. 


Na  forma  e  nas  dimensöes  säo 
muito  semelhantes  as  casas  desta  especie 
äs  da  seguinte   (fig.  24);    porem   e  facil- 


am  Mundende  haben  sie  zwei  Haft- 
scheiben oder  eine  einzige  zweilappige 
am  Afterende  eine  einfache  Scheibe 
(Fig.  22  C).  Diese  winzige  Art  ist  in 
allen  grösseren  und  kleineren  Bächen 
ziemlich  häufig  auf  der  unteren  Seite 
der  Steine.  Die  Larven  dieser  und  der 
folgenden  Art  sind  die  einzigen  aus  der 
Familie  der  Hydroptiliden,  bei  denen  ich 
Kiemen  gesehen  habe ;  es  sind  drei  Jange 
Fäden  am  Ende  des  Hinterleibes. 

Die  drei  folgenden  Arten  (Fig.  23 — 25) 
bauen  ihre  Futterale  nach  dem  T3^pus 
der  Gattung  Hydroptila,  von  der  sich 
indess  die  fertigen  Insekten  dadurch 
unterscheiden,  dass  sie  einen  Sporn  an 
den  Hinterschienen  haben.  Die  Futterale 
sind  seitlich  zusammengedrückt  und 
öffnen  sich  an  jedem  Ende  mit  einem 
sehr  schmalen  senkrechten  Schlitz.  Die 
Gehäuse  der  ersten  dieser  drei  Arten 
(Fig.  23)  haben  ungefähr  3  mm  Länge 
bei  1  mm  Höhe  und  0,5  mm  Breite; 
sie  sind  aus  einer  widerstandsfähigen 
Haut  gemacht,  mit  feinem  Sand  bedeckt 
und  von  aschgrauer  Farbe.  Ihr  Quer- 
durchschnitt (Fig.  25  C)  ist  linsenförmig; 
Rückenrand  und  Bauchrand  sind  gerade 
und  fast  immer  parallel  (Fig.  23  A,  B); 
manchmal  indessen  konvergiren  sie  ein 
wenig  nach  einem  Ende  (Fig.  23  C). 
Die  Enden  sind  abgerundet,  halbkreis- 
förmig (Fig.  23  A,  C);  bisweilen  bilden 
sie  Bogen  von  mehr  als  180°  und  sind 
in  diesem  Falle  breiter  als  der  mittlere 
Theil  (Fig.  23  B).  Es  besteht  kein  Unter- 
schied zwischen  Vorder-  und  Hinterende, 
eben  so  wenig  zwischen  Rücken-  und 
Bauchkante.  Die  Larve  tritt  ohne  Unter- 
schied aus  dem  einen  oder  anderen  Ende 
hervor.  Zur  Verwandlung  werden  die 
Gehäuse  an  beiden  Enden  mit  faserigen 
Bändern  befestigt. 

In  der  Gestalt  und  den  Dimensionen 
sind  die  Gehäuse  dieser  Art  denen  der 
folgenden  (Fig.  24)   sehr   ähnlich;   doch 


Ueber  die  von  den  Ttichoiiterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  12'^ 


limo  distinguir  as  casas  pela  differen^a 
do  material  de  que  säo  compostas,  e  as 
larv^as  pcla  falta  de  branchias.  Tambem  se 
manifesta,  no  arranjo  dos  materiaes,  uma 
differenga  muito  notavel  entre  as  margens 
dorsal  c  ventral,  sendo  pelamargem  dorsal 
que  come^a  a  construcgäo  da  casa.  Os 
extremes  anterior  e  posterior  säo  iguaes. 
Alg'umas  casas  säo  feitas  com  peda- 
cinhos  verdes,  provenientes  talvez  de 
alguma  alga  {fig.  24,  A) ,  de  especie 
differente.  O  maior  numero  das  casas 
(fig.  24,  B,  C)  säo  feitas  de  Diatomeas 
(fig.  24,  D),  varinhas  microscopicas,  rcc- 
tangulares,  de  cerca  de  0/^^25  de  com- 
primento  sobre  o,'"™oi  ate  o,'"'"oi5  de 
largura;  as  estrias  concentricas,  pro- 
duzidas  pelo  arranjo  dessas  varinhas, 
däo  as  casinhas  a  apparencia  de  iimas 
conchinhas  bivalvas  microscopicas,  ou 
de  miudas  Lminadias. 


De  par  com  essas  varinhas,  ou  tam- 
bem por  si  SOS,  as  larvas  empregam 
outra  especie  de  uma  bella  cor  de  laranja 
(fig.  24,  Z)'),  composta  de  articulos  de 
o,'"'"o2  ate  o,"""o2  5  de  largura,  que  das 
pallidas  e  transparentes  varinhas  se  desta- 
cam  como  umas  grinaldas  de  ouro.  As 
casas  säo  fixadas  (fig,  24,  B,  C),  como 
as  da  especie  precedente. 

As  casas  da  terceira  especie  catha- 
rinense  (fig.  25),  que  as  construe  pelo 
typo  dti  Hydj'optila,  säo  compostas  so 
de  uma  substancia  transparente,  sem  cor, 
produzida  pela  propria  larv'a,  sem  con- 
curso  de  corpos  estranhos. 

Ellas  tem  de  3  ate  3, "'"'5  de  com- 
primento  sobre  i  ate  i,'""*25  de  altura 
e  o,"""3  de  largura;  säo  pois  fortemente 
comprimidas,  mormente  na  parte  supe- 
rior  (fig.  2S,  B\  B"). 


sind  deren  Gehäuse  an  der  Verschieden- 
heit des  Materials,  aus  dem  sie  zusammen- 
gesetzt sind,  und  ihre  Larven  an  dem 
Fehlen  der  Kiemen  sehr  leicht  zu  unter- 
scheiden. Auch  zeigt  sich  bei  ihnen  in 
der  Anordnung  der  Baustoffe  eine  sehr 
bemerkenswerthe  Verschiedenheit  zwi- 
schen dem  Rücken-  und  dem  Bauch- 
rande, indem  der  Bau  des  Gehäuses  vom 
Rückenrande  her  angefangen  wird.  Das 
vordere  und  hintere  Ende  sind  gleich. 
Manche  Gehäuse  sind  aus  grünen  Stengel- 
chen gemacht,  die  bisweilen  von  einer 
Alge  herstammen  (Fig.  24,  A);  bisweilen 
scheinen  sie  verschiedener  Art.  Die  zahl- 
reichsten Gehäuse  (Fig,  24,  B,  C)  sind 
aus  Diatomeen  (Fig.  24,  D)  gemacht, 
rechteckigen  mikroskopischen  Stäbchen 
von  etwa  0,25  mm  Länge  bei  0,01  bis 
0,015  mm  Breite;  die  koncentrischen 
Streifen,  die  durch  die  Anordnung  dieser 
Stäbchen  hervorgebracht  werden,  geben 
den  kleinen  Gehäusen  das  Aussehen  win- 
ziger Muscheln, 

Zusammen  mit  diesen,  oder  auch  für 
sich  allein,  verwenden  die  Larven  eine 
andere  Art  Stäbchen  von  einer  schönen 
Orangefarbe  (Fig.  24,  U),  die  aus  Glie- 
dern von  0,02  bis  0,025  nim  Breite  zu- 
sammengesetzt sind,  und  sich  von  den 
blassen,  durchscheinenden  Stäbchen  wie 
goldige  Guirlanden  abheben.  Die  Ge- 
häuse werden  wie  die  der  vorhergehen- 
den Art  befestigt  (Fig.  24,  B,  C). 

Die  Gehäuse  der  dritten  catharinen- 
sischen  Art  (Fig.  25),  die  nach  dem  Typus 
von  Hydroptila  gebaut  werden,  sind  nur 
aus  einer  farblosen,  durchscheinenden 
Substanz  zusammengesetzt,  die  von  der 
Larve  selbst  hervorgebracht  wird,  ohne 
Hinzunahme  fremder  Körper. 

Sie  haben  3  bis  3,5  mm  Länge  bei 
I  bis  1,25  mm  Höhe  und  0,3  mm  Breite; 
sie  sind  also  stark  zusammengedrückt, 
besonders  im  oberen  Theile  (Fig.  25, 
B\  7i"). 


726 


Sobre  as  casas  constmidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


A  marg'em  x-entral  e  quasi  recta,  a 
parte  media  da  margem  dorsal  muito 
convexa,  e  os  extremes  arredondados. 
Näo  ha  differenga  entre  os  dous  extrcmos 
providos  de  fenda  estreita. 

A  casa  e  fixada  nas  pcdras  em 
posigäo  vertical  por  meio  de  fibras  que 
parecem  cstender-se  ao  longo  de  toda 
a  margem  ventral. 

As  tres  especies  precedentes  näo  säo 
muito  raras  nas  pedras  do  Ribeiräo  dos 
Bugres,  que  desagua  na  margem  direita 
do  Itajahy,  perto  de  2  kilometros  abaixo 
do  Ribeiräo  do  Garcia.  Uns  poucos  de 
exemplares  foram  tambem  achados  em 
outros  logares. 

O  mesmo  Ribeiräo  dos  Bugres  e  tam- 
bem o  domicilio  predilecto  da  seguinte 
especie  (fig.  26),  cujas  casinhas  represen- 
tam  um  t3'po  inteiramente  novo.  Por 
causa  das  duas  chamines,  de  que  as 
casinhas  säo  providas,  dei  a  esse  typo 
o  nome  de  Diauliis  (SiaoXo?  =  a  dous 
canos) ,  dedicando  a  especie  Diaulus 
Ladislavii  ao  illustrado  Director  Geral 
do  Museu  Nacional   do  Rio  de  Janeiro. 

As  casas,  de  cerca  de  2, "'"'5  de  com- 
primento  sobre  o,"""75  de  altura,  säo 
fortemente  comprimidas  dos  lados,  de 
modo  que  a  largura  seja  igual  de  um 
tergo  ate  um  meio  de  altura.  A  sec^äo 
transversal  e  elliptica  ou  lenticular;  as 
margcns  dorsal  e  ventral  säo  quasi  rectas, 
parallelas;  os  dous  extremos,  entre  os 
quaes  näo  ha  differenga,  säo  arredonda- 
dos e  providos  de  uma  estreita  fenda. 
Da  margem  dorsal  elevam-se  dous  canos 
quasi  cylindricos,  de  cerca  de  o,"™2  de 
diametro,  e  outro  tanto  de  altura,  ou 
verticaes,  ou  um  pouco  inclinados  para 
OS  extremos  da  casa.  A  distancia  dos 
dous  canos  geralmente  iguala  ou  ex- 
cede  de  pouco  a  metade  do  comprimento 
da  casa;  as  vezes,  comtudo,  essa  distancia 


Der  Bauchrand  ist  fast  gerade,  der 
mittlere  Theil  des  Rückenrandes  sehr 
konvex,  die  Enden  abgerundet.  Zwischen 
den  beiden  mit  enger  Spalte  versehenen 
Enden  ist  kein  Unterschied. 

Das  Gehäuse  wird  mittels  Fasern, 
die  sich  dem  ganzen  Bauchrande  ent- 
lang zu  erstrecken  scheinen,  in  senk- 
rechter Stellung  an  den  Steinen  fest- 
geheftet. 

Die  drei  vorhergehenden  Arten  sind 
nicht  sehr  selten  an  den  Steinen  des 
Bugres-Baches,  der  fast  zwei  Kilometer 
unterhalb  des  Baches  Garcia  auf  der 
rechten  Seite  in  den  Itajahy  mündet. 
Einige  wenige  Exemplare  wurden  auch 
an  anderen  Stellen  gefunden. 

Derselbe  Bugresbach  ist  auch  der 
Lieblingswohnsitz  der  folgenden  Art 
(Fig.  26),  deren  Häuschen  einen  ganz 
neuen  Typus  darstellen.  Wegen  der 
beiden  Schlote  oder  Röhren,  mit  denen 
diese  Häuschen  versehen  sind,  habe  ich 
diesem  Typus  den  Namen  Diaulus 
(StaoXoc  =  zweiröhrig)  gegeben ;  die  Art 
Diaulus  Ladislavii,  habe  ich  zu  Ehren 
des  Direktors  des  National-Museums  von 
Rio  de  Janeiro  benannt. 

Die  Gehäuse,  von  ungefähr  2,5  mm 
Länge  bei  0,75  mm  Breite,  sind  von 
den  Seiten  stark  zusammengedrückt,  so 
dass  ihre  Breite  ein  Drittel  bis  ein  Halb 
der  Höhe  beträgt.  Der  Querdurchschnitt 
ist  elliptisch  oder  linsenförmig ;  Rücken- 
und  Bauchrand  sind  fast  gerade  und 
parallel ;  die  beiden  Enden,  zwischen 
denen  kein  Unterschied  ist,  sind  ge- 
rundet und  mit  einem  schmalen  Schlitz 
versehen.  Vom  Rückenrande  erheben 
sich  zwei  fast  cylindrischc  Röhren,  von 
ungefähr  0,2  mm  Durchmesser  und 
doppelt  so  viel  Höhe,  entweder  senk- 
recht oder  ein  wenig  nach  den  Enden 
des  Gehäuses  geneigt.  Der  Abstand 
der  beiden  Röhren  ist  im  Allgemeinen 
gleich  oder  wenig  grösser  als  die  Llälfte 


Uebcr  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse. 


727 


c  S(')  d(^  um  ttT(;o  do  dito  comprimento, 
ou  ainda  menor.  Em  uma  so  casa  (fig.  26, 
B),  cntrc  milhares  que  vi,  cncontrei  tres 
canos,  em  voz  de  dous.  As  casas  do 
Diaiilus  Ladislavii  säo  contruideis  com 
as  mesmas  varinhas  rcctangulart^s  e 
transparentes  (fig.  24,  D),  empregadas 
por  uma  das  especics  precedentes  c  que 
abundam  nas  pedras,  onde  vivem  essas 
larvas.  A  disposigäo  das  varinhas  (fig.  26, 
C)  faz  ver  que  a  construcgäo  da  casa 
come^a  pelo  meio  da  margem  dorsal; 
ci  parte  superior  dos  canos  e  feita  so  dci 
uma  membrana  transparente  sem  varin- 
has. Observei  muitas  vezes  com  o  micro- 
scopio,  dentro  das  suas  casas,  as  larvas 
vivas  desta  especie,  assim  como  da 
especie  da  fig.  23.  A  forma  das  casas, 
abstracgäo  feita  dos  canos  do  Diaulus, 
e  quasi  identica,  mas  o  procedimento 
das  larvas  e  muito  diverso.  As  das 
casinhas  providas  de  chamines  conser- 
vam-se  quietas,  quasi  sem  movimento,  as 
das  casas  so  providas  de  duas  fendas 
estreitas  agitam  quasi  ininterruptamente 
o  seu  abdomen,  executando  movimentos 
serpentinos  ou  ondulatorios.  A  razäo 
dessa  differenga  e  evidente.  As  portas 
estreitas,  que  tem  a  vantagem  de  diffi- 
cultar  a  entrada  de  qualquer  inimigo, 
tem  ao  mesmo  tempo  o  inconveniente 
de  difficultar  a  passagem  da  agua  in- 
dispensavel  a  respiragäo  da  larva,  que 
por  isso  precisa  de  fazer  reforgos  con- 
tinuos  ptira  renoval-a.  Nas  casas  do 
Diaulus  Ladislavii  as  chamines  däo 
facil  accesso  a  agua,  e  as  larvas  podem 
descangar   quando   as  outras  trabalham. 


der  Länge  des  Gehäuses;  bisweilen  je- 
doch ist  der  Abstand  nur  ein  Drittel 
dieser  Länge  oder  noch  kleiner.  Bei 
einem  einzigen  Gehäuse  (Fig.  26,  B) 
unter  Tausenden,  die  ich  sah,  habe  ich 
drei  Röhren  statt  zwei  angetroffen.  Die 
Gehäuse  des  Diaulus  Ladislavii  sind  aus 
denselben!  rechteckigen  und  durchsich- 
tigen Stäbchen  (Fig.  24,  ü)  gebaut,  die 
von  einer  der  vorhergehenden  Arten  ver- 
wendet werden  und  die  sich  an  den 
Steinen,  wo  ihre;  Larven  leben,  in  reich- 
licher Menge  vorfinden.  Die  Anordnung 
der  Stäbchen  (Fig,  26,  C)  lässt  erkennen, 
dass  der  Bau  des  Gehäuses  mit  der 
Mitte  des  Rückenrandes  angefangen 
wird ;  der  obere  Theil  der  Röhren  wird 
nur  aus  einer  durchscheinenden  Haut, 
ohne  Stäbchen,  gemacht.  Oftmals  habe 
ich  die  Larven  dieser,  wie  auch  der  Art 
von  Fig.  23,  mit  dem  Mikroskop  lebend 
in  ihren  Gehäusen  beobachtet.  Die  Form 
der  Gehäuse  ist,  abgesehen  von  den 
beiden  Röhren  des  Diaulus,  fast  die- 
selbe, aber  das  Verhalten  der  Larven 
ist  sehr  verschieden.  Die  der  mit  Schloten 
versehenen  Häuschen  verhalten  sich 
ruhig,  fast  bewegungslos,  die  der  nur 
mit  zwei  schmalen  Schlitzen  versehenen 
Häuschen  dagegen  machen  mit  ihrem 
Hinterleib  fast  ununterbrochen  lebhaft 
schlängelnde  Bewegungen.  Der  Grund 
dieser  Verschiedenheit  ist  leicht  einzu- 
sehen. Die  engen  Thüren,  die  den  Vor- 
theil  haben,  den  Eintritt  irgend  eines 
Feindes  zu  hindern,  haben  gleichzeitig 
die  Unbequemlichkeit,  den  Durchgang 
des  für  die  Athmung  der  Larve  unent- 
behrlichen Wassers  zu  erschweren ;  diese 
ist  dadurch  genöthigt,  zur  Erneuerung 
desselben  ununterbrochene  Anstreng- 
ungen zu  machen.  In  den  Gehäusen 
des  Diaulus  Ladislavii  geben  die  Schlote 
dem  Wasser  leichten  Zutritt  und  die 
Larven  können  ausruhen,  während  die 
anderen  arbeiten. 


728 


Sobre  as  casas  construidas  jielas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


E'  bem  curioso  que  as  larvas  täo 
differentes  como  as  do  Diaulus  Ladis- 
lavii  e  as  Rliyacophilideas  que  fazem 
casinhas  movcis  de  pedras  (fig.  3),  sc 
sirvam  do  mesmo  expediente  para  facilitar 
a  circulagäo  da  ag"ua  nas  suas  casas, 
inteiramente  divcrsas  em  tudoo  mais. 
Para  a  transformagäo  em  nymphas,  as 
casas  do  Diaulus  Ladislavüsäo  fixadas 
no  lado  superior  de  pedras  em  posigäo 
vertical,  e  por  toda  a  margem  ventral. 
As  larvas  gostam  de  estabelecer-se  umas 
ao  lado  das  outras,  de  modo  a  formarem 
as  vezes  verdadeiras  aldeias  dessas  lindas 
casinhas  de  duas  chamines. 


Depois  de  fixada  a  casa,  a  larva  tece 
um  casulo  oval,  um  pouco  mais  largo 
no  extremo  anterior,  fechado  de  todos 
OS  lados,  como  o  das  Rliyacophilideas, 
do  quäl  se  distingue  por  näo  ser  solto, 
e  sim  continuo  com  as  paredes  da  casa. 
Como  o  Diaulus,  procedem  a  este  re- 
speito  tambem  as  tres  especies  prece- 
dentes. 

Em  alguns  ribeirinhos  de  curso  lento, 
cheios  de  Heteranthera  reniformis,  de 
Callitriche  e  de  Spirogyra,  abunda- 
vam  no  mez  de  Agosto  larvas  e  nym- 
phas de  uma  especie  interessantissima 
de  Hydroptilideas  (fig.  27),  ä  quäl,  pela 
forma  de  seus  estojos,  e  pela  planta  em 
que  vivem ,  e  de  que  se  nutrem  as 
larvas,  dou  o  nome  de  Lagenopsyche 
SpirogyrcB.  Uma  segunda  especie  do 
mesmo  genero,  para  a  quäl,  por  causa 
da  transparencia  perfeita  de  seus  estojos, 
proponho  o  nome  de  Lagenopsyche  hya- 
lina  (fig.  28)  vive  debaixo  de  pedras, 
em  corregos  de  curso  mais  rapido,  como 
no  Ribeiräo  dos  Bugres. 

Para  se  formar  uma  idea  dos  estojos 
de  Lagenopsyche,  imagine-se  cortada  a 
base    de    uma    garrafa,    e    comprimida 


Es  ist  sehr  merkwürdig',  dass  so  ver- 
schiedene Lar\en  wie  die  des  Diaulus 
Ladislavii  und  der  Rhyacophiliden,  die 
bewegliche  Häuschen  aus  Steinen  (Fig.  3) 
machen,  sich  zur  Erleichterung  der  Cir- 
kulation  des  Wassers  in  ihren  Gehäusen 
desselben  Auskunftsmittels  bedienen,  ob- 
gleich diese  Gehäuse  doch  übrigens  ganz 
verschieden  sind.  Zur  Verwandlung  in 
Puppen  werden  die  Gehäuse  des  Diaulus 
Ladislavii  mit  dem  ganzen  Bauchrande 
in  senkrechter  Stellung  an  der  oberen 
Seite  von  Steinen  befestigt.  Die  Larven 
setzen  sich  gern  Seite  an  Seite  neben 
einander  fest,  so  dass  sie  bisweilen  ganze 
Dörfer  dieser  niedlichen  Doppelschlot- 
häuschen bilden. 

Nachdem  das  Gehäuse  befestigt  ist, 
webt  die  Larve  einen  ovalen,  am  vor- 
deren Ende  etwas  erweiterten  Kokon, 
der  auf  allen  Seiten  geschlossen  ist  wie 
der  der  Rhyacophiliden,  von  dem  er 
sich  dadurch  unterscheidet,  dass  er  nicht 
frei  liegt,  sondern  mit  den  Wänden  des 
Gehäuses  zusammenhängt.  Wie  Diaulus 
verhalten  sich  in  dieser  Beziehung  auch 
die  drei  folgenden  Arten. 

In  einigen  kleinen,  langsam  fliessen- 
den Bächen,  die  mit  Heteranthera  reni- 
formis, Callitriche  und  Spirogyren  erfüllt 
sind,  waren  Mitte  August  Larven  und 
Puppen  einer  sehr  interessanten  Hydro- 
ptiliden-Art  (Fig.  27)  sehr  häufig,  der 
ich,  nach  der  Form  ihrer  Futterale  und 
der  Pflanze,  auf  der  sie  leben  und  von 
der  sich  die  Larven  nähren,  den  Namen 
Lagenopsyche  Spirogyrae  gegeben  habe. 
Eine  zweite  Art  derselben  Gattung,  für 
die  ich,  wegen  der  vollkommenen  Durch- 
sichtigkeit ihrer  Futterale,  den  Namen 
Lagenopsyche  hyalina  vorschlage  (Fig. 
28),  lebt  unter  Steinen,  in  Quellen  von 
rascherem  Laufe,    wie   im  Bugresbache. 

Um  sich  eine  Vorstellung  von  den 
Larven  von  Lagenopsyche  zu  machen, 
denke  man  sich  den  Boden  einer  Flasche 


Ueber  die  von  den  Tricliopterenlai  von  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  "7  20 


depois  ii  parte  inferior  dessa  garrafa 
sem  base  ate  se  tocarem  as  m  argen  s 
oppostas.  A  boeca  da  garrafa  e  circular; 
mais  para  traz  a  sec^äo  transversal  e 
elliptica,  tornando-se  os  dois  eixos  da 
ellipse  cada  vez  mais  differentes;  o  eixo 
maior  vai  augmentando,  o  menor  con- 
versa-se  quasi  igual  ao  diametro  da 
bocca  ate  perto  do  extreme  opposto, 
ende  rapidamente  decresce,  reduzindo-se 
a  zero  no  extreme  mesmo  em  que  as 
paredes  oppostas  se  applicam  uma  a 
outra.  A  larva  sähe  do  seu  estojo  pela 
bocca,  podendo  comtudo  sahir  tambem 
pelo  extreme  opposto,  afastando  uma  da 
outra  as  paredes  contiguas  da  fenda,  e 
carrega  o  estojo  em  posigäo  tal  que  o 
eixo  maior  de  qualquer  secgäo  e  ver- 
tical  e  o  menor  horizontal  (fig.  27,  C). 
Em  quanto  nas  casinhas  do  Diaulus 
Ladislavii  näo  ha  dif ferenda  entre  os 
dous  extremes,  e  sim  differenga  muito 
grande  entre  os  lados  dorsal  e  ventral, 
nos  estojos  de  Lagenopsyche  pelo  con- 
trario, as  margens  dorsal  e  ventral  säo 
identicas,  volvendo  o  animal  para  cima, 
ora  uma,  ora  outra  indifferentemente, 
e  os  duos  extremes  säo  muito  diverses, 
sende  o  anterior  uma  bocca  circular 
e  o  posterior  uma  fenda  vertical. 


Os  estojos  säo  feitos  sem  corpos 
estranhos,  so  com  a  substancia  fornecida 
pelos  enormes  sericterios,  ou  glandulas 
fiandeiras  da  larva,  substancia  esta  que 
produz,  pelo  endurecimento,  uma  mem- 
brana  coriacea  e  elastica. 

A  construc^äo  dos  estojos  comeya 
pela  bocca  da  garrafa  (fig.  27  A,  B, 
C,  D)  e  parece  que  a  larva,  continuando 


abgeschnitten  und  dann  den  unteren 
Theil  dieser  bodenlosen  Flasche  zu- 
sammengedrückt, bis  sich  die  entgegen- 
gesetzten Ränder  berühren.  Die  Mün- 
dung der  Flasche  ist  kreisförmig;  weiter 
hinten  ist  der  Querdurchschnitt  elliptisch, 
so  dass  die  beiden  Achsen  der  Ellipse 
immer  verschiedener  werden ;  die  längere 
Achse  nimmt  nämlich  mehr  und  mehr 
zu,  während  die  kürzere  bis  nahe  dem 
entgegengesetzten  Ende  etwa  gleich  dem 
Durchmesser  der  Mündung  bleibt;  hier 
nimmt  sie  plötzlich  ab  und  reducirt  sich 
an  dem  Ende  selbst,  in  welchem  die 
entgegengesetzten  Wände  sich  an  ein- 
ander legen,  auf  Null.  Die  Larve  tritt  aus 
ihrem  Gehäuse  durch  die  Mündung  her- 
vor, kann  jedoch  auch  aus  dem  entgegen- 
gesetzten Ende  hervortreten,  indem  sie 
die  sich  berührenden  Wände  des  Spaltes 
von  einander  entfernt;  sie  trägt  das 
Futteral  in  solcher  Stellung,  dass  die 
grössere  Achse  jedes  Querschnittes  senk- 
recht, die  kleinere  wagerecht  steht  (Fig. 
27  C).  Während  bei  den  Häuschen  von 
Diaulus  Ladislavii  kein  Unterschied 
zwischen  den  beiden  Enden ,  dagegen 
ein  sehr  grosser  Unterschied  zwischen 
Rücken-  und  Bauchseite  besteht,  sind 
bei  den  Futteralen  von  Lagenopsyche 
im  Gegentheile  Rücken-  und  Bauchrand 
identisch,  so  dass  das  Thier  ohne  Unter- 
schied den  einen  oder  den  anderen  nach 
oben  kehrt,  dagegen  die  beiden  Enden 
sehr  verschieden,  indem  das  vordere  eine 
kreisförmige  Mündung,  das  hintere  einen 
vertikalen  Spalt  darstellt. 

Die  Futterale  werden,  ohne  fremde 
Körper,  nur  aus  einem  Stoffe  gemacht, 
den  die  ausserordentlich  grossen  Seiden- 
oder Spinndrüsen  der  Larve  liefern ;  aus 
diesem  Stoffe  wird,  indem  er  erhärtet, 
eine  lederartige  elastische  Haut. 

Der  Ban  der  Futterale  beginnt  mit 
der  Mündung  der  Flasche  (P'ig.  27  A, 
B,  C,  D)  und  es  scheint,  dass  die  Larve, 


730 


Sobre  as  casas  constniidas  pclas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


para  traz  a  sua  obra,  esta  ao  mesmo 
tempo  reforgando  de  novas  camadas  a 
parte  anterior;  ao  mcnos  alli  as  paredcs 
da  garrafa  säo  muito  mais  grossas,  sendo 
tenuissimas  no  extremo  opposto.  A  todas 
as  mais  larvas  de  Trichopteros,  cujas 
casas  tem  os  duos  extremos  differentes, 
serve  de  porta  o  extremo  mais  novo; 
sendo  as  de  Lagenopsydie  as  unicas 
cuja  porta  sc  acha  no  extremo  mais 
antigo.  A  esta  porta  ou  bocca  da  gar- 
rafa sc  da  desde  o  principio  o  seu  dia- 
mctro  definitivo,  scm  sc  alargar  mais 
tarde.  Parece-me  provavel  que  as  lar- 
vas de  tenra  idade  vivem  sem  estojos; 
ao  menos  os  menores  estojos  que  vi 
eram  habitados  por  larvas  ja  assds 
crescidas,  as  quaes  quasi  que  näo  podiam 
dar  protecgäo  alguma ;  eram  funi's  muito 
curtos  de  membrana  tenuissima ,  nos 
quaes  nem  a  metade  da  larva  cabia. 
Provaveknente  a  utilidade  principal  do 
estojo  consistira  em  proteger  näo  a 
larva,  mas  sim  a  nympha,  que  e  incapaz 
de  fugir  e  defender-se.  A  bocca  de 
garrafa  tem,  na  Lagenopsyche  Spiro- 
gyrce,  ccrca  de  o,'"™5  de  diametro,  sendo 
o  comprimento  de  3, "^'"5  ate  4,"""5,  e 
a  altura  do  extremo  posterior  de  i,"""25 
ate  i,"""5.  Nem  na  fcSrma,  nem  nas 
dimensöes,  as  garrafas  da  Lagenopsyche 
hyalina  (fig.  28,  A)  se  distinguem  nota- 
velmente  das  da  L.  Spirogyrca.  A  diffc- 
ren^a  mais  patente  entre  as  duas  espe- 
cies,  consiste  na  apparencia  dos  estojos, 
OS  quaes  säo  incolores  e  perfeitamente 
transparentes  na  L.  hyalina,  de  uma  cor 
roxo-escura,  tirando  mais  ou  menos  ao 
pardo  na  L.  Spirogyrce,  cor  esse  que 
c  mais  escura  e  as  vezes  quasi  preta, 
do  lado  da  bocca,  ficando  para  traz 
cada  vez  mais  clara  e  desmeiada.  Seja 
dito  no  passagem  que  as  larvas  das 
duas  especies  facilmente  se  distinguem 
pelas  pernas  intermediarias  e  posteriores, 
providas    de    unhas    muito    mais    com- 


indem  sie  ihr  Werk  hinten  fortsetzt, 
gleichzeitig  den  vorderen  Theil  mit  neuen 
Schichten  verstärkt;  wenigstens  sind 
dort  die  Wände  der  Flasche  viel  dicker, 
während  sie  am  entgegengesetzten  Ende 
am  dünnsten  sind.  Allen  übrigen  Tricho- 
pterenlarven,  deren  Gehäuse  zwei  ver- 
schiedene Enden  haben,  dient  das  neueste 
Ende  als  Thür;  die  von  Lagenopsyche 
sind  die  einzigen,  deren  Thür  sich  am 
ältesten  Ende  befindet.  Dieser  Thür  oder 
Flaschenmündung  wird  von  Anfang  an 
ihr  definitiver  Durchmesser  gegeben ;  sie 
erfährt  später  keine  Erweiterung.  Es 
erscheint  mir  wahrscheinlich,  dass  die 
Larven  im  zarten  Alter  ohne  Futterale 
leben;  wenigstens  waren  die  kleinsten 
Futterale,  die  ich  gesehen  habe,  von 
schon  ziemlich  herangewachsenen  Larven 
bewohnt,  denen  sie  kaum  irgend  einen 
Schutz  gewähren  konnten ;  es  waren 
sehr  kurze  Trichter  von  äusserst  dünner 
Haut,  in  denen  noch  nicht  einmal  die 
Hälfte  der  Larve  Platz  hatte.  Wahr- 
scheinlich wird  der  Hauptnutzen  des 
Futterals  darin  bestehen,  nicht  die  Larve, 
sondern  vielmehr  die  Puppe  zu  schützen, 
die  unfähig  ist  zu  fliehen  und  sich  zu 
verteidigen.  Die  Mündung  der  Flasche 
hat  bei  Lagenops)'che  Spirogyrae  un- 
gefähr 0,5  mm  Durchmesser,  während 
die  Länge  3,5  bis  4,5  mm  und  die  Höhe 
des  hinteren  Endes  1,25  bis  1,5  mm  be- 
trägt. Weder  in  der  Form  noch  in  den 
Dimensionen  unterscheiden  sich  die 
Flaschen  von  Lagenopsyche  hyalina 
(Fig.  28  Ä)  bemerkenswerth  von  denen 
von  L.  Spirogyrae.  Ein  auffallenderer 
Unterschied  zwischen  beiden  Arten  be- 
steht in  dem  Aussehen  der  Futterale, 
die  bei  L.  hyalina  farblos  und  vollständig 
durchsichtig,  bei  L.  Spirogyrae  von  einer 
dunkelrothen,  mehr  oder  weniger  ins 
Braune  spielenden  Farbe  sind;  diese 
Farbe  der  Spirogyraefutterale  ist  am 
Munde  dunkler,  bisweilen  fast  schwarz, 


Uebcr  die  von  den  Trichoptcrenlarven  der  Provinz  .Santa  Calliarina  verfertigten  Gehäuse.  n  x\ 


pridiis  na  L.  Spirogyrce  du  quo  na 
L.  hyalina.  As  larvas  de  Lagenopsychc 
Spirogyrce  fixam  os  seus  cstojos  na 
face  inferior  das  follias  de  Heteranthera 
ou  Callitriche  (contei  17  estojos  em 
uma  unica  folha  de  Heteranthera)^as 
da  L.  hyalina  no  lado  inferior  de  pedras. 
Para  este  fim  o  estojo  e  deitado  cm 
um  dos  lados,  c  depois  fixado  de  cada 
lado  de  um  e  outro  extreme  por  meio 
de  discos  adhesivos  peciolados;  todos 
esscs  peciolos  säo  simples  na  L.  Spi- 
rogyrce (fig.  2-],  E,  F),  na  L.  hyalina,  os 
do  extreme  opposto  a  bocca  da  garrafa 
dividem-se  em  dous  ramos,  cada  um  dos 
quaes  termina  por  um  disco  (fig.  28,  B,  C). 


Fixado  o  estojo,  a  larva  fia  o  seu 
casulo  fechado  de  todos  os  lados,  quo 
se  confunde  com  as  paredes  do  estojo, 
do  quäl  deixa  desoccupado  cerca  de 
meio  millimetro  no  extreme  mais  largo. 
Esse  extremo,  que  era  o  posterior  para 
a  larva,  e  o  anterior  para  a  nympha, 
porque  antes  de  se  transformar,  a  larva 
muda  duas  vezes  a  sua  posigäo ;  pri- 
meiro  (fig.  27,  E)  volta  a  cabega  para 
o  extremo  mais  largo,  e  depois  (fig.  27, 
F)  volve  as  costas  para  a  superficie 
livre  do  estojo.  Muito  differentes  em 
tudo  o  mais,  os  estojos  de  Lagenopsyche 
assemelham-se,  no  modo  por  que  säo 
fixados,  aos  da  Hydroptila  flabellifera 
de  Bremi,  achados  na  Suissa,  e  que, 
segundo  Hagen,  podiam  pertencer  ao 
genero  Agraylea  ^). 


bleibt  dagegen  hinten  jedes  Mal  heller 
und  verwaschen.  Nebenbei  sei  bemerkt, 
dass  sich  die  Larven  beider  Arten  leicht 
an  den  Mittel-  und  Hinterbeinen  unter- 
scheiden lassen,  die  bei  L.  Spirogyrac 
mit  viel  längeren  Krallen  versehen  sind, 
als  bei  L.  h3'^alina.  Die  Larven  der 
Lagenopsyche  Spirogyrae  befestigen  ihre 
Futterale  an  der  unteren  Seite  der  Blätter 
von  Heteranthera  oder  Callitriche  (ich 
habe  17  Futterale  an  einem  einzigen 
Blatte  von  Heteranthera  gezählt)  —  die 
der  L.  hyalina  an  der  Unterseite  von 
Steinen.  Zu  diesem  Zwecke  wird  das 
Futteral  auf  eine  Seite  gelegt,  und  dann 
jederseits  an  beiden  Enden  mittels  ge- 
stielter Haftscheiben  befestigt.  Alle  diese 
Stiele  sind  bei  L.  Spirogyrae  (Fig,  27 
E,  F)  einfach;  bei  L.  hyalina  dagegen 
theilen  sich  die  des  dem  Munde  ent- 
gegengesetzten Flaschenendes  in  zwei 
Aeste,  deren  jeder  mit  einer  Scheibe 
endigt  (Fig.  28  B,  C). 

Nachdem  das  Futteral  befestigt  ist, 
spinnt  die  Larve  ihren  an  allen  Seiten 
geschlossenen  Kokon ,  der  mit  den 
Wänden  des  Futterals  verschmilzt;  von 
diesem  bleibt  nur  etwa  ein  halbes  Milli- 
meter am  breiteren  Ende  unbesetzt.  Das 
Ende,  welches  für  die  Larve  das  hintere 
war,  ist  für  die  Puppe  das  vordere,  denn 
bevor  sie  sich  umwandelt,  wechselt  die 
Larve  zwei  Mal  ihre  Stellung;  zuerst 
(Fig.  27  K)  wendet  sie  ihren  Kopf  nach 
dem  breiteren  Ende  und  dann  (Fig.  27  F) 
dreht  sie  den  Rücken  an  die  freie  Ober- 
fläche des  Futterals.  Obgleich  übrigens 
sehr  verschieden,  gleichen  die  Futterale 
von  Lagenopsyche  in  der  Art,  wie  sie 
befestigt  werden,  denen  der  Hydroptila 
flabellifera  Bremi,  die  in  der  Schweiz 
gefunden  worden  sind  und  nach 
Hagen  zur  Gattung  Agraylea  ^)  gehören 
können. 


i)  Hagen  loc.  cit.  p.   115  e  ]).   234,  n"  44 


i)  Hagen,  1.  c.  S.    115  und  S.   234,  No.  44. 


732 


Sobre  as  casas  conslruidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


O  primeiro  cnsaio  de  classifica^äo 
das  casas  dos  Tricliopteros,  parcce  tcr 
sido  feito  por  Willughb}^;  foi  publicado 
cm  17  lo  na  Historia  Insectorum  de  Ray. 

As  casas  säo  divididas  cm  duas  classes 
principaes  ^) : 

Insecta  aquatica  thecis  se  contegentia 
sunt  vel  theca. 

I.  immobili  seu  lapidibus  affixa  .  .  . 
.  .  .  vel. 

II.  mobili    aut   portatili,   migratoria». 
Esta    classificacäo    de  Willughby,    e 

ainda  seguida  por  Hagen  2),  que  tambem 
distingue :  i  "  casas  f ixadas  immoveis ; 
2  "  casas  livres  moveis. 

E,  com  effeito,  todas  as  especies  con- 
hecidas  podiam  ser  rcfcridas  a  uma  dessas 
duas  classes.  Hoje  o  caso  e  diverso; 
nos  corregos  de  Santa  Catharina  ha  uma 
larva  para  a  quäl  Willughby  deveria 
estabelecer  uma  terceira  classe:  <  theca 
lapidibus  affixa,  mobili»  sendo  os  seus 
estojos  fixados  por  meio  de  uma  corda 
flexi  vel  (fig.  29).  Proponho  para  esta 
curiosa  especie  o  nome  de  Rhyacopsyche 
Hagenii,  dedicando-a  ao  distincto  ento- 
mologista  do  Museu  de  Cambridge,  Dr. 
H.  A.  Hagen.  A  forma  dos  estojos  desta 
especie  varia  um  pouco  com  a  idade  da 
larva,  conformando-se  com  o  volume 
crescente  do  abdomen,  que,  na  familia 
das  Hydroptilideas  costuma  attingir  nas 
larvas  adultas,  a  uma  grossura  äs  vezes 
extraordinaria.  Os  estojos  das  larvas 
menos  velhas,  que  vi,  eram  cylindricos, 
quasi  rectos.  abertos  nos  dous  extrcmos, 
de  cerca  de  4,"""5  de  comprimento  sobre 
o,"""4  de  diametro.  Da  margem  de  um 
dos  orificios  parte  uma  corda  de  fios, 
geralmente    pouco    distinctos,    mais    ou 


Der  erste  Versuch  einer  Einteilung 
der  Trichopterengehäuse  scheint  von 
Willughb}^  gemacht  worden  zu  sein ;  er 
wurde  17 10  in  der  Historia  Insectorum 
von  Ray  veröffentlicht. 

Die  Gehäuse  werden  in  zwei  Haupt- 
klassen getheilt  ^) : 

„Insecta  aquatica  thecis  se  contegentia 
sunt  vel  theca 

I.  immobili  seu  lapidibus  affixa  ,  .  . 
.  .  .  vel 

II.  mobili    aut    portatili,   migratoria". 
Dieser    Eintheilung   Willughby's    ist 

noch  Hagen  ')  gefolgt ,  der  ebenfalls 
unterscheidet:  i)  befestigte,  unbeweg- 
liche Gehäuse;  2)  freie,  bewegliche  Ge- 
häuse. 

Und  in  der  That  können  alle  be- 
kannten Arten  auf  eine  dieser  beiden 
Klassen  bezogen  werden.  Heute  liegt 
der  Fall  anders;  in  den  Quellen  Santa 
Catharina's  giebt  es  eine  Larve,  für  die 
Willughb}'-  eine  dritte  Klasse  aufstellen 
müsste:  „theca  lapidibus  affixa,  mobili", 
da  ihre  Futterale  mittels  eines  biegsamen 
Seiles  befestigt  sind  (Fig.  29).  Ich  stelle 
für  diese  merkwürdige  Art  den  Namen 
Rhyacopsyche  Hagenii  auf,  indem  ich 
sie  dem  ausgezeichneten  Entomologen 
am  Museum  zu  Cambridge,  Dr.  H.  A. 
Hagen,  widme.  Die  Gestalt  der  Futterale 
dieser  Art  ändert  sich  etwas  mit  dem 
Alter  der  Larve,  entsprechend  dem 
wachsenden  Umfange  des  Hinterleibes, 
der  in  der  Familie  der  Hydroptiliden  bei 
erwachsenen  Larven  eine  bisweilen 
ausserordentliche  Dicke  zu  erreichen 
pflegt.  Die  Futterale  der  weniger  alten 
Larven,  die  ich  gesehen  habe,  waren 
cylindrisch,  fast  gerade,  an  beiden  Enden 
geöffnet,  von  ungefähr  4,5  mm  Länge 
bei  0,4  mm  Durchmesser.     Vom  Rande 


1)  Hagen  loc.  cit.  p.  139.  Westwood  Introduct.  i)  Hagen,  1.  c.   p.   139.     Westwood,    Introdiict. 
Vol.  II.  p.  63.                                                                           Vol.  II.  p.  63. 

2)  Hagen  loc.  cit.  p.   142  e  223.  2)  Hagen,  1.  c.  S.    142  und  223. 


lieber  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  n-i-i 


menos  torcidos,  cujo  comprimento  costuma 
ser  quasi  igual  ao  do  estojo,  pelo  outro 
extremo,  a  corda  e  fixada  no  lado  superior 
de  alguma  pedra.  A  cor.  do  estojo  e 
parda,  desmaiada;  näo  ouso  decidir  si 
e  feito  sem  corpos  extranhos,  ou  si  on- 
tram  na  sua  composic^-äo  fragmentos 
microscopicos  de  algas.  Mais  tarde 
apparece  n'aquelle  lado  do  cylindro,  de 
que  nasce  a  corda,  uma  especie  de  hernia 
{fig.  2g,  A,  B,  C,  H),  formada  por  uma 
membrana  mais  lisa  e  pallida,  que  vai 
augmentando  com  o  correr  do  tempo, 
tanto  em  comprimento  como  em  largura, 
ate  occupar  finalmente  cerca  de  tres 
quartos  do  comprimento  do  cylindro 
(fig.  29,  C),  sendo  no  meio  täo  larga 
como  este.  O  limite  entre  o  cylindro 
primitivo  e  esse  accrescimo  de  data  mais 
recente  e  geralmente  muito  bem  tragado 
quando  a  larva  esta  para  se  transformar, 
fechando  primeiro  (fig.  2g  Z),  E)  a  ex- 
trcmidade  do  estojo  opposta  a  da  corda 
por  uma  membrana  homogenea,  igual 
a  do  estojo;  ao  mesmo  tempo  toda  a 
parede  do  estojo  comega  a  engrossar 
muito  por  meio  de  novas  camadas,  pelo 
que  a  sua  cor  se  torna  cada  vez  mais 
escura.  Depois,  o  comprimento  da  corda 
fica  muito  reduzido,  e  esta  transforma-se 
em  uma  haste  curta  e  rija,  capaz  de 
sustentar  o  estojo  em  posi^äo  vertical. 
Finalmente  o  segundo  orificio  do  estojo 
e  tambem  fechado  (fig.  2  g  i^),  A  nympha 
acha-se  collocada  no  estojo  com  a  cabega 
para  cima,  fazcndo  para  cima,  fazendo 
para  sahir  um  buraco  no  extrema  su- 
perior. 


Esta  Hydropülideu  e  muito  rara; 
pelo  menos  ainda  näo  achei  logar  onde 
ella  abundasse. 


einer  der  Oeffnungen  geht  ein  Seil  ab, 
aus  in  der  Regel  wenig  unterscheidbaren, 
mehr  oder  weniger  gedrehten  Fäden, 
dessen  Länge  der  des  Futterals  ungefähr 
gleich  zu  sein  pflegt;  mit  dem  anderen 
Ende  ist  das  Seil  an  der  oberen  Seite 
irgend  eines  Steines  befestigt.  Die  Farbe 
des  Futterals  ist  verwaschen  braun ;  ich 
wage  nicht  zu  entscheiden,  ob  es  ohne 
fremde  Körper  gemacht  wird,  oder  ob 
mikroskopische  Algenfragmente  in  seine 
Zusammensetzung  eintreten.  Später  er- 
scheint an  der  Seite  des  Cylinders,  von 
der  das  Seil  ausgeht,  eine  Art  Bruch 
(hernia)  (Fig.  2g  A,  B,  C);  er  wird  von 
einer  glatteren,  blassen  Haut  gebildet, 
die  mit  der  Zeit,  sowohl  an  Länge  als 
an  Breite,  immer  mehr  zunimmt,  bis  sie 
schliesslich  fast  drei  Viertel  der  Länge 
des  Cylinders  einnimmt  (Fig.  29  C)  und 
in  der  Mitte  eben  so  dick  wie  dieser  ist. 
Die  Grenze  zwischen  dem  ursprünglichen 
Cylinder  und  diesem  Zuwachs  neuern 
Datums  hebt  sich  im  Allgemeinen  sehr 
scharf  ab;  wenn  die  Larve  im  Begriff 
steht,  sich  zu  verwandeln,  verschliesst 
sie  zuerst  (Fig.  29  D,  E)  das  dem  Seil- 
ende entgegengesetzte  Ende  des  Futterals 
mit  einer  homogenen,  der  des  Futterals 
gleichen  Haut.  Gleichzeitig  beginnt  die 
ganze  Wand  des  Futterals  mittels  neuer 
Schichten  sich  bedeutend  zu  verdicken, 
wodurch  ihre  Haut  jedes  Mal  dunkler 
wird.  Dann  verkürzt  sich  die  Länge 
des  Seiles  bedeutend  und  es  verwandelt 
sich  in  einen  kurzen  und  festen  Schaft, 
der  im  Stande  ist,  das  Futteral  in  auf- 
rechter Stellung  zu  tragen.  Endlich 
wird  die  zweite  Oeffnung  des  Futterals 
ebenfalls  verschlossen  (Fig.  29  E).  Die 
Puppe  befindet  sich  in  dem  Futterale  mit 
dem  Kopfe  nach  oben ;  zum  Ausschlüpfen 
macht  sie  am  oberen  Ende  ein  Loch. 

Diese  Hydroptilide  ist  sehr  selten ; 
ich  habe  wenigstens  noch  keine  Stelle 
gefunden,  wo  sie  häufig  wäre. 


734 


Sobre  as  casas  construidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


Vive  em  varios  ribeiros  (Jordäo, 
Gruta  dos  Macacos,  Triste  Aliseria,  etc.), 
preferindo  logares  onde  o  courso  da 
agua  e  muito  rapide.  Parecc  nutrir-se 
das  algas  que  costumam  cobrir  as  pedras 
de  semelhantes  localidades. 

Fixando-se  per  uma  corda,  näo 
pode  ser  levada  pela  corrente  da  agua, 
participando  deste  modo  das  \'antagens 
das  casas  immoveis,  sende  ao  mesmo 
tempo  capaz  de  pastar  em  area  maior 
do  que  si  a  casa  fosse  immovel ;  a  larva 
pode  Sahir  indifferemente  de  uma  e  outra 
porta  de  sua  casinha,  e  provavclmente 
podera  mudar  o  comprimento  da  corda. 
Este  Singular  costume  de  fixar  a  casa 
por  uma  corda  flexivel  devera  parecer 
muito  estranho  a  quem  so  estudar  as 
casas  e  as  larvas  mortas.  Quem  observar 
as  larvas  vivas  podera  facilmente  con- 
vencer-se  de  que  varias  outras  especies 
tambem  costumam  fixar,  si  bem  quo 
temporariamente,  as  suas  casas.  Pondo 
V,  g.  larvas  de  Helicopsyche  em  um 
copo  de  vidro,  em  cujas  paredes  verti- 
caes  ellas  so  com  muito  custo  podem 
subir  e  segurar-se,  carregadas,  como 
andam,  de  pesadas  casas  de  pedras, 
näo  obstante,  param  muitas  vezes  durante 
horas  inteiras  em  algum  ponto  destas 
paredes.  Examinando  essas  larvas  para- 
das,  ve-se  que  estäo  perfeitamente  re- 
colliidas  na  casa,  sem  se  segurarem 
pelas  pernas,  e,  sacudindo  levemente  o 
copo,  conhece-se  que  se  tem  fixado 
com  alguns  fios  de  seda.  E'  bem  sabido 
que  varias  lagartas  de  Lepidopteros, 
que  vivem  em  estojos  {Psyche),  procedem 
da  mesma  maneira,  fixando  por  alguns 
fios  OS  estojos,  e  recolhcndo-se  no  interior 
quando   querem   descangar. 


Sie  lebt  in  verschiedenen  Bächen 
(Jordan,  Affenwinkel,  Trauriger  Jammer 
u.  s.  w.),  zieht  aber  Stellen  vor,  wo  der 
Lauf  des  Wassers  sehr  rasch  ist.  Sie 
scheint  sich  von  Algen  zu  nähren,  die 
gewöhnlich  die  Steine  solcher  Stellen 
bedecken. 

Da  sie  sich  mit  einem  Seile  festheftet, 
so  kann  sie  nicht  von  der  Strömung  des 
Wassers  weggeführt  werden  und  theilt 
auf  diese  Weise  den  Vorthell  der  un- 
beweglichen Gehäuse;  gleichzeitig  ist 
sie  aber  im  Stande,  eine  weit  grössere 
Fläche  abzuweiden  als  wenn  das  Gehäuse 
unbeweglich  wäre ;  die  Larve  kann  ohne 
Unterschied  aus  der  einen  oder  anderen 
Thür  ihres  Häuschens  hervortreten  und 
wird  wahrscheinlich  die  Länge  des 
Seiles  verändern  können.  Diese  sonder- 
bare Gewohnheit,  ein  Haus  an  einem 
biegsamen  Seile  zu  befestigen,  wird  dem 
sehr  seltsam  erscheinen  müssen  der  nur 
die  Gehäuse  und  die  todten  Larven 
studirt.  Wer  die  lebenden  Larven  be- 
obachtet, wird  sich  leicht  überzeugen 
können,  dass  mannigfache  andere  Arten 
ebenfalls  ihre  Gehäuse  zu  befestigen 
pflegen,  wenn  auch  nur  vorübergehend. 
Wenn  man  z.  B.  Larven  von  Helico- 
psyche in  ein  Wasserglas  setzt,  an  dessen 
senkrechten  Wänden  sie,  da  sie  mit 
schweren  Steinhäusern  belastet  wandern, 
nur  mit  vieler  Mühe  emporklimmen  und 
sich  festhalten  können,  so  verweilen  sie 
trotzdem  oftmals  während  ganzer  Stun- 
den an  irgend  einem  Punkte  dieser 
Wände.  Untersucht  man  diese  Larven- 
Halteplätze,  so  sieht  man,  dass  die  Larven 
sich  vollkommen  in  das  Gehäuse  zurück- 
gezogen haben,  ohne  sich  mit  den  Beinen 
festzuhalten,  und  wenn  man  das  Glas 
leicht  schüttelt,  überzeugt  man  sich,  dass 
sie  sich  mit  einigen  Seidenfäden  ange- 
heftet haben.  Es  ist  wohl  bekannt,  dass 
verschiedene  Schmetterlingsraupen,  die 
in   Futteralen   leben    (Psyche),    auf    die- 


Uebei-  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  jt^^ 


Concluo  a  scrie  de  formas  novas  que 
acabo  de  descrevor  com  uma  cspccie 
(fig-.  30)  de  que  ainda  näo  vi  o  insecto 
perfeito,  mas  somcMitt^  fragmentos  de 
nympha,  e  por  isso  näo  sei  com  corteza 
a  que  familia  pertence.  O  abdomen  da 
larva  adulta  e  excessivamente  dilatado, 
mais  do  que  em  qualquer  outra  especic 
catharincnse ,  e  foi  principalmcntc  por 
este  motivo  que  a  colloquei  aqui. 

As  casas  säo  immovcis,  sendo  fixa- 
das  por  toda  a  face  ventral  sobre  as 
pedras  de  ribeiros  maiores  de  curso 
rapide. 

Ha  alguns  annos  vi-as  cm  grande 
abundancia  no  Ribeiräo  do  Warnow 
(afflucnte  do  Itajahy),  sendo  porem  muito 
raras  no  Ribeiräo  do  Garcia.  Ellas  säo 
ellipticas,  tendo  4  a  5"""  de  comprimento, 
e  2,'''''^2  ate  2,'"™5  de  largura,  e  raras 
vezes    elevam-se    no    centro   a   mais    de 

„  mm  . 

Säo  pois  achatadas,  semelhantes  a 
um  escudo,  ou,  melhor  ainda,  aos  casulos 
que  encerram  os  ovos  da  Nephelis 
vulgaris,  hirudinea  frequentissima  nas 
aguas  da  Europa.  Assim  como  esses 
casulos  de  Neplielis ,  ellas  säo  de  cor 
parda,  e  feitas  de  uma  substancia 
coriacea,  producto  secretado  provavel- 
mente  pelas  glandulas  fiandeiras  da  larva. 
A  parede  dorsal  e  muito  mais  espessa 
do  que  a  ventral,  a  ponto  de  quasi  näo 
se  poder  separar  incolume  da  pedra, 
em  que  estiver  collocada.  Na  face  dorsal 
quasi  sempre  clevam-se  linhas  parallelas 
que,  perpendiculares  ao  eixo  maior  da 
ellipse,  väo  ininterruptas  de  uma  a  outra 
margem  lateral.  A  distancia  de  uma 
a  outra   linha   costuma  variar  de  o,"'"^o8 


selbe  Weise  vorschreiten,  indem  sie  mit 
einigen  Fäden  die  Futterale  festheften 
und  sich  in  das  Innere  derselben  zurück- 
ziehen,  wenn   sie  sich  ausruhen  wollen. 

Ich  schliesse  die  Reihe  neuer  Formen, 
die  ich  soeben  beschrieben  habe,  mit 
einer  Art  (Fig.  30),  von  der  ich  noch 
nicht  das  vollkommene  Insekt,  sondern 
nur  Bruchstücke  der  Puppe  gesehen 
habe  und  desshalb  nicht  mit  Sicherheit 
weiss,  zu  welcher  Familie  sie  gehört. 
Der  Hinterleib  der  erwachsenen  Larve 
ist  äusserst  stark  verbreitert,  mehr  als 
bei  irgend  einer  anderen  catharinensi- 
schen  Art;  das  ist  der  Hauptgrund, 
wesshalb   ich   sie  hier  besprochen  habe. 

Die  Gehäuse  sind  unbeweglich,  in- 
dem sie  mit  der  ganzen  Bauchfläche  an 
den  Steinen  grösserer  Bäche  von  raschem 
Laufe  befestigt  sind. 

Vor  einigen  Jahren  sah  ich  sie  in 
grosser  Menge  im  Bache  Warnow  (einem 
Zufluss  des  Itajah}^),  wogegen  sie  im 
Bache  Garcia  sehr  selten  sind.  Sie  sind 
elliptisch,  von  4  bis  5  mm  Länge  und  2,2 
bis  2,5  mm  Breite;  in  seltenen  Fällen 
erheben  sie  sich  in  der  Mitte  auf  mehr 
als  0,5  mm. 

Sie  sind  also  abgeplattet,  ähnlich 
einem  Schild,  oder,  noch  besser,  den 
Kapseln,  welche  die  Eier  der  Nephelis 
vulgaris,  eines  in  den  Gewässern  Europas 
sehr  häufigen  Blutegels,  umschliessen. 
Eben  so  wie  diese  Kapseln  von  Nephelis 
sind  sie  von  brauner  Farbe  und  aus 
einer  lederartigen  Substanz  gemacht,  die 
wahrscheinlich  von  den  Spinndrüsen 
der  Larve  abgesondert  worden  ist.  Die 
Rückenwand  ist  viel  dichter  als  die 
Bauchwand,  so  dass  sie  kaum  unversehrt 
von  dem  Stein,  an  dem  sie  sitzen,  ge- 
trennt werden  können.  Auf  der  Rücken- 
fläche erheben  sich  fast  immer  parallele 
Linien,  die,  senkrecht  zur  grösseren 
Achse  der  Ellipse,  fast  ununterbrochen 
von  einem  zum  anderen  Seitenrande  ver- 


736 


Sobre  as  casas  constniidas  pelas  Larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


ate  o,'"'"i2.  Uma  vez  vi  essas  linhas  sub- 
stituidas  por  fileiras  transversaes  de 
pequenos  tuberculos:  em  outros  casos 
as  linhas  säo  mais  ou  menos  indistinctas. 
Perto  de  cada  extremo  do  eixo  maior 
ha  um  pequeno  orificio  circular  ou 
elliptico,  que  a  larva  parece  fechar  com- 
pletamentc  antes  de  passar  ao  estado 
de  nympha. 


Proponho  para  o  habitante  dessa 
curiosa  casa  o  nome  de  Peltopsyche 
Sieboldii,  dedicando  a  especie  ao  vene- 
ravel  veterano  dos  zoologos  allemäes  o 
Professor  Carl  Theodor  von  Siebold. 

Taes  säo  as  casas  de  Trichopteros 
que  ate  agora  achei  na  provincia  de 
Santa  Catharina.  Sem  duvida  o  numero 
das  especies  que  habitam  as  aguas  desta 
provincia  deve  ser  muito  maior,  e  a 
minha  lista  precisara  de  supplementos, 
provavelmente  mais  extensos  do  que  a 
primeira.  Comtudo,  imperfeito  e  incom- 
pleto  como  e,  o  presente  trabalho  talvez 
possa  servir  para  animar  outros  natu- 
ralistas  a,  näo  so  coUeccionarem  em 
outras  partes  do  Imperio  as  täo  curiosas 
casas  do  Trichopteros,  como  tambem 
a  se  entregarem  ao  estudo  muito  mais 
interessante  da  biologia  de  seus  habi- 
tantes. 

Itajahy,  Outubro  de  1878. 


laufen.  Der  Abstand  von  einer  zur  an- 
deren Linie  pflegt  von  0,08  bis  0,12  mm 
zu  variiron.  Einmal  sah  ich  diese  Linien 
durch  Querreihen  kleiner  Höcker  ersetzt ; 
in  anderen  Fällen  sind  die  Linien  mehr 
oder  weniger  unbestimmt.  Nahe  jedem 
Ende  der  grösseren  Achse  befindet  sich 
eine  kreisförmige  oder  elliptische  Oeff- 
nung,  die  die  Larve  vollständig  zu  ver- 
schliessen  scheint,  ehe  sie  in  den  Puppen- 
zustand übergeht. 

Ich  stelle  für  den  Bewohner  dieses 
merkwürdigen  Gehäuses  den  Namen 
Peltopsyche  Sieboldii  auf,  indem  ich  diese 
Art  dem  ehrwürdigen  Veteranen  der 
deutschen  Zoologen,  dem  Professor  Carl 
Theodor  v.  Sicbold  widme. 

Das  sind  die  Trichopterengehäuse, 
die  ich  bis  jetzt  in  der  Provinz  Santa 
Catharina  gefunden  habe.  Ohne  Zweifel 
muss  die  Zahl  der  Arten,  die  die  Ge- 
wässer dieser  Provinz  bewohnen,  sehr 
viel  grösser  sein  und  meine  Liste  wird 
Nachträge,  von  wahrscheinlich  grösserer 
Ausdehnung  als  diese  Liste  selbst,  er- 
fordern. Unvollkommen  jedoch  und  un- 
vollständig wie  sie  ist,  kann  die  vor- 
hegende Arbeit  vielleicht  dazu  dienen, 
andere  Naturforscher  anzuregen,  in  an- 
deren Theilen  des  Reichs  nicht  nur  die 
so  merkwürdigen  Gehäuse  der  Tricho- 
pteren  zu  sammeln,  sondern  sich  auch 
dem  viel  interessanteren  Studium  der 
Biologie  ihrer  Einwohner  zu  widmen. 

Itajahy,  Oktober  1878. 


ExpHca9äo  das  figunis  da  Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel 

estampa  LIII — LV^).  LIII LV. 

Fig.   I    64.     Casas    de    Rhyacophilideas,  Fig.    1—4.    Gehäuse   von   Rhyaco- 

augmentadas    duas    vezes    (o  que   d'ahi  por  philiden.  Vergr.  2:1. 
diante,    mais  brevemente,    fica  indicado  por 
2  :  I). 

Flg.   I.    Do  Ribeirao    dos    Bugres  A,  Ä  Fig.   i.     Aus    dem    Bugresbache.     A,Ä, 

casa  livre  de  larva.     A  —  vista  de   cima.  freies  Larvengehäuse;  A,  von  oben  A\  von 


1)  Aldi,  du  Musen  Nacional  1878.  III.  210—213. 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  n  xn 


A'  —  vista  da  face  ventral ,  mostrando  as 
duas  portas  da  casa.  />,  B' — casa  fixada 
de  nympha.  B — vista  de  cima.  B'  —  vista 
de  face  ventral ;  nao  havendo  mais  parede 
ventral,    ve-se  a  cavidade    interior    da  casa. 

Fig.  2.  Da  Gruta  dos  Macacos  («Affen- 
winkel»). Casas  livres  de  larvas.  A,  B  —  vis- 
tas  de  cima.  mostrando  o  orificio  dorsal. 
A' — a  casa  —  A  —  vista  da  face  ventral. 

Fig.  3.  Do  Ribeirao  do  Garcia.  Casas 
livres  de  larvas,  com  chamine,  vistas  do  lado. 

Fig.  4.  Da  Triste  Miseria  de  Blmnenau 
(«Trauriger  Jammer >).  A,  B  —  casas  de 
larvas,  livres,  vistas  de  lado.  C,  C—  casa 
de  nympha,  fixada,  sem  chamine.  C — vista 
de  cima.  C —  vista  da  face  ventral ;  ve-se 
no  interior  o  casulo  solto  da  nympha. 

Fig.  5  e  6.  Casas  de  Hydropsychideas, 
de  tamanho  natural. 

Fig.  5.  Do  Ribeirao  dos  Bugres.  A, 
A' — casa  de  nympha.  A  —  vista  de  cima. 
A' — vista  da  face  ventral,  com  a  cavidade 
interna  aberta.  B — casulo  membranaceo  de 
nympha,  incluido  na  casa  de  pedras.  B' — • 
crivo  do  extremo  do  mesmo  casulo  (15:  i). 


Fig.  6.  Rhyacophylax.  Da  Gruta  dos  Ma- 
cacos. A  —  casa  de  larva,  immovel,  com 
varanda  em  forma  de  funil,  coberta  de  uma 
rede.  B,  B'' — casa  de  nymphas.  B — vistas 
de  cima.     B' —  vistas  da  face  ventral. 

Fig.  7  e   15.    Casas  de  Leptocerideas. 

Fig.  7.  Ramos  habitados  por  larvas  de 
Leptocerideas,  de  tamanho  natural.  A  —  casa 
de  nympha.  A'—  a  mesma  cortada  longi- 
tudinalmente.  p  —  pedra  tapando  a  entrada. 
n  —  casulo  membranaceo  da  nympha.  er — 
crivo  no  extremo  do  casulo.  ca  —  tubo  ex- 
cavado  pela  larva.  0  —  buraco  na  parede  do 
tubo.     m  —  medulla  do  ramo. 

A"    O  crivo  (er),  8:1. 

B  Outro  ramo  encerrando  a  nj'mpha, 
notavel  por  achar-se  o  crivo  do  casulo 
applicado  ao  orificio  lateral  do  tubo.  B' — 
esse  orificio  com  o  crivo,  8:1. 

C  Ramo  öco ,  encerrando  a  nympha. 
C —  sec^ao  longitudinal  do  mesmo  ;  as  lettras 
como  em  A\ 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften. 


der  Bauchseite  gesehen  und  die  beiden 
Thüren  des  Gehäuses  zeigend.  5,  B\  fest- 
geheftetes Puppengehäuse;  B.  von  oben  B\ 
von  der  Bauchseite  gesehen;  da  es  keine 
Bauchwand  mehr  hat,  sieht  man  in  £'  den 
inneren  Hohlraum  des  Gehäuses. 

Fig.  2.  Aus  dem  Affenwinkel.  Freie 
Larvengehäuse;  A,  B.  von  oben  gesehen, 
die  Rückenöffnung  zeigend ;  A\  das  Gehäuse 
A  von  der  Bauchseite  gesehen. 

Fig.  3.  Aus  dem  Bache  Garcia.  Freie 
Larvengehäuse  mit  Schornstein,  von  der 
Seite  gesehen. 

Fig.  4.  Aus  dem  „Traurigen  Jammer" 
von  Blumenau.  A,  B,  freie  Larvengehäuse, 
von  der  Seite  gesehen;  G,  C\  befestigtes 
Puppengehäuse  ohne  Schornstein ;  C,  von 
oben,  C",  von  der  Bauchseite  gesehen ;  man 
sieht  im  Innern  den  losen  Puppenkokon. 

Fig.  5  und  6.  Gehäuse  von  Hydro- 
psychiden,  in  n  atürl.   Grösse. 

Fig.  5.  Aus  dem  Bugresbache.  A,  Ä, 
Puppengehäuse;  A,  von  oben  A!,  von  der 
Bauchseite  gesehen,  mit  geöffnetem,  inneren 
Hohlraum;  B,  häutiger  Puppenkokon,  aus 
dem  Steingehäuse,  in  dem  er  eingeschlossen 
lag,  herausgenommen;  B\  Sieb  am  Ende 
dieses  Kokons.  15  :  i-  (Gattung  Macro- 
nema  des  Nachtrags). 

Fig.  6.  Rhyacophylax.  Aus  dem  Affen- 
winkel. A,  unbewegliches  Larvengehäuse 
mit  trichterförmigem,  von  einem  Netz  be- 
deckten Vorhof;  B,  B\  Puppengehäuse;  B, 
von  oben,  B\    von  der  Bauchseite  gesehen. 

Fig.  7 — 15.  Gehäuse  von  Lepto- 
c  e  r  i  d  e  n. 

Fig.  7.  Von  Leptoceridenlarven  be- 
wohnte Zweige,  in  natürl.  Grösse.  A,  Puppen- 
gehäuse ;  Ä,  dasselbe  im  Längsdurchschnitt ; 
p.  Stein,  der  den  Eingang  verschliesst ;  n, 
häutiger  Kokon  der  Puppe ;  c?',  Sieb  am 
Ende  des  Kokons;  ca,  von  der  Larve  aus- 
gehöhlte Röhre ;  0,  Loch  in  der  Wand  der 
Röhre ;  m,  Mark  des  Zweiges. 

Ä\  das  Sieb  {&•).     8:1. 

B,  anderer,  die  Puppe  einschliessender 
Zweig,  dadurch  bemerkenswerth,  dass  das 
Sieb  des  Kokons  sich  der  Seitenöffnung  der 
Röhre  angelegt  findet;  B\  diese  Oeffnung 
mit  dem  Siebe.     8:1. 

C,  hohler,  die  Puppe  einschliessender, 
Zweig;  C",  Längsdurchschnitt  desselben;  die 
Buchstaben  wie  bei  Ä.  (Gattung  Tetra- 
centron des  Nachtrages.) 


738 


Sobre  as  casas  construidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


Fig.  8.  Gnimicha,  do  Ribeirao  do  Garcia. 
A  Grupos  de  estojos  fixados,  de  tamanho 
natural ;  os  maiores  säo  de  femeas,  os  me- 
nores  de  machos.  B  Tampa  do  orificio  pos- 
terior, com  buraco  central  e  circular,  8 :  i. 
C  Tampas  anteriores  de  femeas,  com  fenda 
transversal  abaixo  do  centro,  8 :  i .  D  —  dita 
de  um  macho,  8  :  i . 

Fig.  9.  Estojo  de  Grumicha,  occupado 
por  nympha  intrusa,  tapado  com  umä  pedra 
(p)  e  fixado  por  um  disco  transversal,  sem 
peciolo  (d).  er- — logar  onde  no  interior  ha 
um  crivo  transversal.  Do  Ribeirao  do  Garcia. 
De  tamanho  natural. 


B.  Pedra  que  servio  de  tampa  ao  estojo 
A,  removida  pela  nympha  ao  sahir  do  estojo, 
com  o  annel  crivado  que  a  ligava  ao  estojo 
(5:1)- 

Fig.  lO.  GruifiicJimha,  da  Gruta  dos  Ma- 
cacos.  A  Estojos  de  nymphas  fixados,  de 
tamanho  natural.  B  Tampa  anterior  com 
fenda  transversal  acima  do  centro,   15:1. 

Fig.  II.  A  Casa  feita  de  sementes  de 
Callitriche,  de  um  ribeirinho  tributario  do 
Ribeirao  do  Garcia,  3:1.  Ä  Entrada  da 
mesma  casa,  fechada  por  uma  membrana 
transversal,  com  buraco  central,  15:1.  B  En- 
trada de  outra  casa,  ainda  aberta,  3:1. 

Fig.  12.  Casas  de  pedacinhos  de  ma- 
deira,  do  Ribeirao  do  Garcia  2:1.  A,  A 
Casa  de  nympha  fixada.  A  —  vista  do  lado 
ventral.  Ä  —  vista  do  lado  esquerdo.  ^" — 
tampa  anterior.  A^" —  dita  posterior  da  mesma 
casa,  8:1.  B  Casa  de  larva  livre,  vista  do 
lade  ventral. 

Fig.  13.  A,  Estojo  de  nympha  coberto 
de  areia  finissima,  do  Ribeirao  do  Garcia, 
visto  do  lado  direito,  3:1.  A\  Extremo  pos- 
terior do  mesmo  estojo,  com  o  disco  ad- 
hesivo,  15:1.  ^" — tampa  anterior,  yl'"  — 
dita  posterior  do  mesmo,    15:1. 

Fig.  14.  Canudos  de  pedras,  especie 
maior,  do  Ribeirao  dos  Bugres,  vistos  do 
lado  direito,  de  tamanho  natural,  sendo 
A — casas  de  larvas  livres.  B,  C — casas 
de  nymphas  fixadas,  menores  (de  machos?). 
D,  E — ditas    maiores    (de    femeas?)    Ä— 


Fig.    8.     Grumicha    vom   Bache   Garcia. 

A,  Gruppen  festgehefteter  Futterale  in  natür- 
licher Grösse ;  die  grösseren  sind  von  Weib- 
chen, die  kleineren  von  Männchen ;  B,  Deckel 
der  hinteren  Oeffnung  mit  kreisförmigem 
Loch  in  der  Mitte.  8:1.  C,  vordere  Deckel 
von  Weibchen,  mit  Querspalt  unter  der 
Mitte.  8:1.  Z),  desgleichen  von  einem  Männ- 
chen.   8:1. 

Fig.  9.  A,  Grumichafutteral,  von  einer 
eingedrungenen  Puppe  besetzt,  mit  einem 
Sterne  (p)  verschlossen,  und  mit  einer  un- 
gestielten Querscheibe  id)  befestigt ;  er,  die 
Stelle,  wo  inwendig  sich  ein  Quersieb  be- 
findet. Aus  dem  Garciabache.  Natürliche 
Grösse.  (Der  Eindringling  ==  Tetracentron 
spec.  des  Nachtrages.) 

5,  Stein,  der  dem  Futteral  A  als  Deckel 
gedient  hat,  durch  die  Puppe  bei  ihrem 
Ausschlüpfen  aus  dem  Futteral  entfernt, 
mit  dem  siebförmig  durchlöcherten  Ringe,  der 
den  Stein  mit  dem  Futterale  verband.    5:1. 

Fig.  10.  Grumichinha  (Grumichella  des 
Nachtrages),  aus  dem  Affenwinkel.  A,  fest- 
geheftete Puppenfutterale ;  in  natürl.  Grösse. 

B,  vorderer  Deckel  mit  Querspalt  über  der 
Mitte.     15:1. 

Fig.  II.  A,  aus  Samen  von  Callitriche 
gemachtes  Gehäuse,  aus  einem  kleinen 
Bache,  der  in  den  Garciabach  fliesst.  3:1. 
A!,  Eingang  desselben  Gehäuses,  mit  einer 
Querhaut  verschlossen,  die  in  der  Mitte  ein 
Loch  hat.  15:1.  B,  Eingang  eines  anderen, 
noch  geöffneten  Gehäuses.    3:1. 

Fig.  12.  Gehäuse  aus  Holzstückchen, 
aus  dem  Garciabache.  2:1.  A,  A\  fest- 
geheftetes Puppengehäuse;  A,  von  der 
Bauchseite,  A\  von  der  linken  Seite  gesehen  ; 
A'\  vorderer,  Ä"\  hinterer  Deckel  desselben 
Gehäuses.  8:1.  B,  freies  Larvengehäuse,  von 
der  Bauchseite  gesehen.  (Setodes  spec.  des 
Nachtrages.) 

Fig.  13.  A,  mit  feinstem  Sande  be- 
decktes Puppenfutteral,  aus  dem  Garcia- 
bache, von  der  Seite  gesehen.  3:1.  Ä',  hin- 
teres Ende  desselben  Futterals  mit  der 
Haftscheibe.  15  :  i.  A",  vorderer,  A'",  hin- 
terer Deckel  desselben.  15:1.  (Setodes 
gemma.) 

Fig.  14.  Steinröhren,  grössere  Art  (Ma- 
rilia  major  des  Nachtrages)  aus  dem  Bugres- 
bache,  von  der  rechten  Seite  gesehen,  in 
natürlicher  Grösse.  A,  freie  Larvengehäuse ; 
B,  C,  kleinere  befestigte  Puppengehäuse  (von 
Männchen?);    D,    E,    desgl.    grössere     (von 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse. 


739 


paredes  transversaes  do  extremo  posterior 
das  casas  de  larvas  A ,  3:1.  B\  C  Ex- 
tremo anterior  das  casas  de  nymphas  (B,  C), 
3:1.  iff"  Fenda  do  extremo  posterior  da 
casa  de  nympha  B,  15:1.  C" — Dita  do 
extremo  anterior  de  C,  15:1.  —  E' —  Ex- 
tremo posterior  da  casa  de  nympha  E, 
3:1.  -£"'  Secc^ao  longitudinal  do  mesmo  ex- 
tremo,  6:1. 

Fig.  15  —  Canudos  de  pedras,  especie 
menor,  da  Gruta  dos  Macacos,  vistos  do 
lado  direito,  de  tamanho  natural,  sendo  A 
casas  de  larvas,  livres,  B  casas  de  nymphas, 
fixadas.  Ä  parede  transversal  do  extremo 
posterior  da  casa  de  larva,  25  :  i.  B'  extremo 
posterior,  B''  dito  anterior  de  B,  4:1.  ^"' 
fenda  do  extremo  posterior  e  -ß"  margem 
ventral  da  fenda  anterior  de  ^,    15:1. 

Fig  16 — 17.  Casas  de  posi^ao  syste- 
matica  incerta. 


Fig.  16.  Casas  de  folhas,  de  diversos 
ribeiros,  de  tamanho  natural,  A,  A\  B,  B\ 
C —  Casas  de  larvas  livres,  sendo  A,  B,  C 
vistas  de  cima,  A\  B''  da  face  ventral. 
D  —  Casa  de  nympha,  fixada,  er  indica 
o  logar,  em  que  se  acha  o  crivo  posterior. 
U —  Crivo  anterior  da  mesma  casa,  5:1. 
E — Sec^ao  transversal  de  uma  casa,  de 
tamanho  natural. 

Fig.  17.  Casas  de  folhas  de  larvas  vi- 
vendo  entre  as  folhas  de  Bromeliaceas  para- 
sitas  do  mato  virgem,  2:1.  A,  B,  vistas  de 
cima,  A\  B'  as  mesmas,  vistas  da  face  ven- 
tral. C,  C  SeccOes  transversaes  de  uma 
casa,  5:1. 

Fig.  18  —  21.  Casas  de  Sericostomideas 
do  genero  Helicopsyche,  2:1. 

Fig.  18.  Do  Ribeiräo  da  Triste  Miseria 
de  Blumenau.  B,  B\  B" —  Tampas  de  ca- 
sas de  nymphas,  8:1. 

Fig.  19.  Do  Ribeiräo  Branco  («Weiss- 
bach»). B,  B\  B'" — Tampas  de  casas  de 
nymphas,   8:1. 

Fig.  20.  De  remansos  do  Ribeiräo  do 
Garcia. 

Fig.   21.    Do  Ribeiräo  do  Garcia. 

Fig.  22 — 30.  Casas  de  Hydroptilideas, 
8:1. 


Weibchen  ?) ;  Ä,  Querwände  des  hinteren 
Endes  der  Larvengehäuse  ^,3:1;  B\  C\ 
vorderes  Ende  der  Puppengehäuse  B,  G, 
3:1;  B",  Spalt  am  hinteren  Ende  des 
Puppengehäuses  B,  15:1;  C",  Spalt  am 
vorderen  Ende  von  C,  15:1;  E\  hinteres 
Ende  des  Puppengehäuses  E,  3:1;  £"', 
Längsdurchschnitt  desselben  Endes,  6:1. 

Fig.  15.  Steinröhren,  kleinere  Art  (Ma- 
rilia  minor  des  Nachtrages)  aus  dem  Affen- 
winkel, von  der  rechten  Seite  gesehen,  in 
natürlicher  Grösse.  A,  freie  Larvengehäuse; 
B,  festgeheftete  Puppengehäuse;  A'  Quer- 
wand des  hinteren  Endes  des  Larvenge- 
häuses, 15  :  I  ;  B\  hinteres,  5",  vorderes 
Ende  von  B,  4:1;  B"\  Spalt  des  hinteren 
Endes  und  B'^ ,  Bauchrand  des  vorderen 
Spaltes  von  B,   15:1. 

Fig.  16  — 17.  Gehäuse  von  un- 
sicherer systematischer  Stellung. 
(Gattung  Phylloicus,  zu  Mac  Lachlan's  vierter 
Sektion  der  Leptoceriden  gehörig;  laut 
Nachtrag !) 

Fig.  16.  Blattgehäuse  von  verschiedenen 
Bächen  (Phylloicus  major  des  Nachtrages), 
in  natürlicher  Grösse.  A,  A\  B,  B\  C,  freie 
Larvengehäuse;  A,  B,  C,  von  oben,  A'  B\ 
von  der  Bauchseite  gesehen;  D,  festgehef- 
tetes Puppengehäuse;  er,  bezeichnet  die 
Stelle,  an  der  sich  das  hintere  Sieb  befindet, 
5:1;  D\  vorderes  Sieb  desselben  Gehäuses, 
5:1;  E,  Querdurchschnitt  eines  Gehäuses, 
in  natürl.  Grösse. 

Fig.  17.  Blattgehäuse  von  Larven,  die 
zwischen  den  Blättern  im  Urwalde  schma- 
rotzender Bromeliaceen  leben  (Phylloicus 
Bromeliarum  des  Nachtrages).  2:1.  A,  B, 
von  oben  gesehen ;  A',  B',  dieselben  von 
der  Bauchseite  gesehen;  C,  C"  Querdurch- 
schnitte durch  ein  Gehäuse.    5:1. 

Fig.  18 — 21.  Gehäuse  von  Seri- 
costomiden  der  Gattung  Helico- 
psyche.    2:1. 

Fig.  18.  Vom  Bache  „Trauriger  Jammer" 
in  Blumenau.  B,  B\  B\  Deckel  von  Puppen- 
gehäusen.   8:1. 

Fig.  IQ.  Vom  Weissbach  (Ribeiräo 
branco).  B,  B'  B'\  Deckel  von  Puppenge- 
häusen.   8:1. 

Fig.  20.  Aus  stehendem  Wasser  des 
Baches  Garcia. 

Fig.   21.     Aus  dem  Bache  Garcia. 

Fig.  22 — 30.  Gehäuse  von  Hydro- 
ptiliden.    8:1. 

4/ 


740 


Sobre  as  casas  constniidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


Fig.  22.  Canudinhos,  cobertos  de  areia 
finissima,  do  Ribeiräo  dos  Bugres.  A,  A', 
B  Casas  de  larvas  livres,  sendo  vistas  — 
A  —  da  face  ventral,  A' — do  lado  esquerdo, 
B  (outra  casa)  de  cima.  C- —  casa  de  nym- 
pha,  fixada,  vista  de  cima.  C —  a  mesma, 
do  lado  esquerdo.  C" — a  mesma,  vista  da 
face  ventral.  D  —  Casa  de  larva,  vista  de 
cima,   15:1. 

Fig.  23.  A,  B,  C —  Casas  de  larvas,  co- 
bertas  de  areia  do  Ribeiräo  dos  Bugres, 
vistas  do  lado.    C  —  Sec^äo  transversal  de  C. 

Fig.  24.  —  Casas  de  outra  especie,  do 
mesmo  Ribeiräo  dos  Bugres.  A  —  Casa  de 
larvas,  livre,  de  algas  (ou  outros  fragmentos 
de  plantas)  verdes.  B,  C  Casas  de  nymphas, 
fixadas,  de  Diatomaceas.  D,  U —  O  material 
para  a  construc^äo  destas  casas,   90:1. 

Fig.  25.  Casas  transparentes,  construidas 
sem  corpos  estranhos,  do  Ribeiräo  dos 
Bugres.  A~  Casa  de  larva,  livre.  B — casa 
de  nympha,  fixada  pela  raargem  ventral. 
B^  ^" — Sec^öes  transversaes  de  B. 

Fig.  26.  Casas  de  Diaidus  Ladislavii,  do 
Ribeiräo  dos  Bugres.  A  —  Casa  normal,  de 
dous  canos.  A' — Secyäo  transversal  da  mes- 
ma, 15:1.  B  Casa  de  tres  canos  (unica 
que  se  achou).  C —  Casa  de  larva  ainda 
em  via  de  construc9äo,  como  se  ve  dos  ex- 
tremos  ainda  pouco  prolongados  alem  dos 
canos,    25:1. 


Fig.  27.  Casas  de  Lagenopsyche  Spiro- 
gyne,  de  um  ribeirinho  affluente  do  Ribeiräo 
do  Garcia    (nas  terras  de  Plemique  Ka-hle)). 

A,  B,  C,  D  Casas  de  larvas  de  differente 
idade,  livres,  vistas  do  lado.  E — Casa 
fixada,  cuja  larva  ainda  näo  se  transformou 
em  nympha,  vista  de  cima.  F —  Casa  de 
nympha  fixada,  vista  de  cima.  F\  F", 
/'"' — Seccjöes  transversaes  da  mesma  casa 
pelos  pontos  /',  /",  /'". 

Fig.  28.  Casas  de  Lageiiopsyclie  hyaäna, 
do  Ribeiräo  dos  Bugres.    A  —  casa  de  larva. 

B,  C — de  nymphas. 

Fig.  29.  Casas  de  Rhyacopsydie  Hageiiii, 
do  Ribeiräo  da  Gruta  dos  Macacos  («Affen- 
winkel»), em  cima  do  salto  do  mesmo 
ribeiräo.      A,    B,    C— Casas    de    larvas    de 


Fig.  22.  Mit  feinstem  Sande  bedeckte 
Röhrchen  aus  dem  Bugresbache.  A,  A\  B, 
freie  Larvengehäuse;  A,  von  der  Bauch- 
seite; A\  von  der  linken  Seite  gesehen;  B, 
anderes  Gehäuse,  von  oben  gesehen ;  C, 
festgeheftetes  Puppengehäuse,  von  oben  ge- 
sehen; C",  dasselbe,  von  der  linken  Seite; 
C",  dasselbe  von  der  Bauchseite  gesehen; 
D,  Larvengehäuse  von  oben  gesehen.    15:1. 

Fig.  23.  A,  B,  G,  mit  Sand  bedeckte 
Larvengehäuse  aus  dem  Bugresbache,  von 
der  Seite  gesehen;  C",  Querdurchschnitt 
von   C. 

Fig.  24.  Gehäuse  anderer  Art,  aus  dem- 
selben Bugresbache.  A,  freies  Larvengehäuse, 
aus  grünen  Algen  (oder  anderen  Pflanzen- 
fragmenten); B,  C,  festgeheftete  Puppenge- 
häuse, aus  Diatomeen ;  D,  D\  das  Bau- 
material dieser  Gehäuse.    90  :  i. 

Fig.  25.  Durchscheinende  Gehäuse,  ohne 
fremde  Körper  gebaut,  aus  dem  Bugres- 
bache. A,  freies  Larvengehäuse;  B,  mit  dem 
Bauchrande  festgeheftetes  Puppengehäuse ; 
B\  B",  Querdurchschnitte  von  B. 

Fig.  26.  Gehäuse  von  Diaulus  La- 
d  i  s  1  a  V  i  i  aus  dem  Bugresbache.  A,  nor- 
males Gehäuse,  mit  zwei  Schornsteinen; 
A\  Querdurchschnitt  desselben,  15:1;  B, 
Gehäuse  mit  drei  Schornsteinen  (das  ein- 
zige, das  gefunden  wurde) ;  C,  Larvenge- 
häuse, welches  noch  im  Bau  begriffen  ist, 
wie  man  an  den  noch  wenig  über  die 
Schornsteine  hinaus  verlängerten  Enden  sehen 
kann.    25  :  i. 

Fig.  27.  Gehäuse  von  Lagenopsyche 
Spirogyrae,  aus  einem  kleinen  Neben- 
bächlein  des  Garciabaches  (im  Gebiete  von 
Henrique  Koehler).  A,  B,  C,  D,  freie  Lar- 
vengehäuse, in  verschiedenen  Zuständen,  von 
der  Seite  gesehen;  E,  befestigtes  Gehäuse, 
dessen  Larve  sich  noch  nicht  zur  Puppe 
umgewandelt  hat,  von  oben  gesehen;  F,  be- 
festigtes Puppengehäuse  von  oben  gesehen ; 
F',  F",  F'",  Querdurchschnitte  desselben 
Gehäuses  durch  die  Punkte  f,  f'\  /"'". 

Fig.  28.  Gehäuse  von  Lagenop.syche 
hyalina,  aus  dem  Bugresbache.  A,  Larven- 
gehäuse; B,   C,  Puppengehäuse. 

Fig.  29.  Gehäuse  von  Rhyacopsyche 
Hagenii,  aus  dem  Bache  „Affenwinkcl". 
A,  B,  0,  Larvengehäuse  in  verschiedenen 
Zuständen,    an    einem    bieg-samen  Seile    be- 


Ueber  die  von  den  Tricho]Hercnlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  jai 


differente  idade,  fixadas  por  uma  corda 
flexivel,  abertas  em  ambos  os  extremos. 
//  —  parte  mais  nova  da  casa.  DE — Casas 
de  larvas,  ja  fechadas  em  um  dos  extremos. 
F.  Casa  de  nympha  fechada  de  todos  os 
lados,  fixada  por  um  esteio  curto,  rijo. 
F' — Sec^ao  transversal  da  mesma  casa. 

Fig.  30.  Casas  de  Peltopsyche  Sieboldii, 
do  Ribeirao  do  Garcia.  A  —  casa  de  larva, 
B — de  nympha,  sendo  uma  e  outra  fixadas 
por  toda  a  face  ventral.  Ä —  Sec(,^äo  trans- 
versal do  A. 


festigt,  an  beiden  Enden  offen ;  h,  neuerer 
Theil  des  Gehäuses;  D,  E,  Puppengehäuse, 
an  einem  Ende  bereits  geschlossen ;  F, 
Puppengehäuse,  von  allen  Seiten  geschlossen, 
auf  einem  kurzen,  kräftigen  Stiele  befestigt; 
F'  Querdurchschnitt  desselben  Gehäuses. 

Fig.  30.  Gehäuse  von  Peltopsyche  Sie- 
boldii aus  dem  Bache  Garcia.  A,  Larven - 
gehäuse;  B,  Puppengehäuse,  beide  mit  der 
ganzen  Bauchfläche  befestigt;  A\  Quer- 
durchschnitt von  A. 


Sobre  as  casas  construldas  Ueber  die  von  den 

pelas  larvas  de  Insectos  Trichopterenlarven  der 

Trichopteros  da  provincia  Provinz    Santa    Catharina 

de  Sa.  Catharina^).  verfertigten  Gehäuse^). 


Supplemento. 


Nachtrag. 


Mit  Tafel  LVI. 


Com  este  supplemento  tenho  em  vista 
näo  s<S  completar  a  lista  das  especies 
catharinenses,  como  tambem  precisar  a 
sua  posi^äo  systematica  melhor  do  que 
me  foi  possivel,  quando  so  conhecia  as 
suas  larvas  e  nymphas.  Hoje  ja  tenho 
seguido  a  transforma(;äo  de  maior  numero 
ate  o  estado  de  insectos  perfeitos. 

§  I. 
Hydropsychideas. 

Esta  familia  foi  dividida  por  Mac- 
Lachlan  -)  em  cinco  sec^öes,  de  que  ao 
menos  tres  se  acham  representadas  na 
provincia  de  Santa  Catharina. 

A  casa  da  fig,  5  (Est.  LIII)  pertence 
ao  genero  Macronema,  que  constitue  a 
segunda  sec^äode  Mac-Lachlan.  Apezar 
de  rico  em  especies  espalhadas  por  todos  os 
paizes  tropicaes,  e  estender-se  na  America 
do  Norte   ate  46'^  e  na  Asia  ate  55°  de 


i)  Archiv,  do  Museu  Nacional  do  Rio  de  Janeiro 
1878.  vol.  III.  p.   125—134.  Est.  XI. 

2)  Mac-Lachlan,  a  monographic  revision  and 
Synopsis  of  the  Trichoptera  of  the  European  fiiuna : 
Part.  VII,   1878. 


Mit  diesem  Nachtrage  beabsichtige 
ich  nicht  bloss  die  Liste  der  cathari- 
nensischen  Arten  zu  vervollständigen, 
sondern  auch  ihre  systematische  Stellung, 
besser  als  es  mir  möglich  war,  so  lange  ich 
nur  ihre  Larven  und  Puppen  kannte,  zu 
präcisiren.  Heute  bereits  habe  ich  die 
Verwandlung  der  meisten  bis  zum  Zu- 
stande der  fertigen  Insekten  verfolgt. 

i)  Hydropsychiden. 

Diese  Familie  ist  von  Mac  Lachlan  -) 
in  fünf  Sektionen  getheilt  worden,  von 
denen  in  der  Provinz  Santa  Catharina 
sich  wenigstens  drei  vertreten  finden. 

Das  Gehäuse  (Taf.  LIII.  Fig.  5)  gehört 
zur  Gattung  Macronema,  die  Mac  Lach- 
lan's  zweite  Sektion  ausmacht.  Obgleich 
sie  reich  ist  an  über  alle  tropischen  Län- 
der verbreiteten  Arten  und  sich  in  Nord- 
amerika bis  zum  46.,  in  Asien  bis  zum 


1)  Zeitschr.  wiss.  Zoologie  1880.  Bd.  35.  S.  74—87. 

2)  Mac  Lachlan,  A  monographic  revision  and 
Synopsis  of  the  Trichoptera  of  the  European  fauna: 
Part.  VII.    1878. 


Uebcr  die  von  den  Tiichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  TAX 


latitude,    nada   se   sabia    ate    agora    das 
larvas  deste  genero  c  das  suas  casas. 

O  gcncro  Rhyacuphylax  (Est.  LIll, 
fig.  6)  devera  entrar  na  quarta  seccjäo, 
distinguido-se  de  todos  os  mais  generös, 
näo  so  desta  secgäo,  como  de  toda  a 
familia  das  Hydropsychideas  pelo  numero 
dos  esporöes  nas  tibias  dos  machos 
(i,  4,  2), 

Provavelmcnte  ha  de  ser  da  quinta 
sec^äo  uma  pequena  Hydropsychidea, 
de  que  ainda  näo  vi  os  insectos  per- 
feitos,  e  cujas  larvas  costumam  abundar 
nas  paredes  verticaes  de  rochedos,  que 
o  chuvisco  de  alguma  cachoeira  con- 
serva  sempre  humidas.  Ao  menos  as 
casas  construidas  pelas  larvas  (fig.  i, 
A,  B)  säo  muito  semelhantes  as  de 
Tinodes  {Hydropsyche)  maciilicornis 
Pict. 

Essas  casas,  agarradas  aos  rochedos, 
tem  geralmente  de  um  ate  dous  centi- 
metros  de  comprimento  sobre  outros 
tantos  millimetros  de  largura,  sendo 
algum  tanto  adelgagadas  em  um  e  outro 
extremo ;  as  vezes  o  seu  comprimento 
se  elcva,  sem  notavel  augmento  da 
largura,  a  mais  de  quatro  ou  cinco 
centimetros. 

As  mais  compridas  costumam  ser 
mais  ou  menos  tortuosas,  assemelhando- 
se  a  certos  vermes  {Geoplanas  ou  Ne- 
mertineas)  näo  so  pela  forma  como 
tambem  por  serem  m  olles. 

A  sua  cor  e  cinzenta,  mais  ou  menos 
esverdinhada. 

Säo  feitas  de  seda  misturada  e  co- 
bertas  de  algas  microscopicas,  diatomeas, 
etc.  Säo  semi-cylindros,  pois  näo  tem 
parede  ventral,  servindo  como  tal  a  pro- 


55.  Breitengrade  ausdehnt,  wusste  man 
noch  Nichts  von  den  Larven  dieser  Gat- 
tung und  von  ihren  Gehäusen. 

Die  Gattung  Rhyacophylax  (Taf.  LIII 
Fig,  6)  wird  in  die  vierte  Sektion  eintreten 
müssen ;  sie  unterscheidet  sich  von  allen 
übrigen  Gattungen,  nicht  nur  dieser 
Sektion,  sondern  der  ganzen  Familie 
der  Hydropsychiden,  durch  die  Zahl  der 
Sporne  an  den  Schienen  der  Männchen 
(i,  4,   2). 

In  die  fünfte  Sektion  ist  wahrschein- 
lich eine  kleine  Hydropsychide  einzu- 
reihen, von  der  ich  die  fertigen  Insekten 
noch  nicht  gesehen  habe,  und  deren 
Larven  an  senkrechten  Felswänden,  die 
vom  Staubregen  irgend  eines  Wasser- 
falles immer  feucht  gehalten  werden,  ge- 
wöhnlich sehr  häufig  sind.  Wenigstens 
sind  die  von  den  Larven  verfertigten 
Gehäuse  (Fig.  i,  Ä,  B)  sehr  ähnüch 
denen  von  Tinodes  (Hydropsyche)  ma- 
culicornis  Pict. 

Diese  an  den  Felsen  festsitzenden 
Gehäuse  haben  im  Allgemeinen  i  bis 
2  cm  Länge  bei  doppelt  so  viel  mm 
Breite;  an  beiden  Enden  sind  sie  etwas 
verdünnt;  bisweilen  steigert  sich  ihre 
Länge,  ohne  merkliche  Zunahme  der 
Breite,  auf  4  bis  5  cm. 


Die  längsten  sind  gewöhnlich  mehr 
oder  weniger  gekrümmt,  so  dass  sie  ge- 
wissen Würmern  (Geoplana  oder  Nemer- 
tinen)  ähneln,  und  zwar  nicht  nur  in 
der  Gestalt,  sondern  auch  darin,  dass  sie 
weich  sind. 

Ihre  Farbe  ist  aschgrau,  mehr  oder 
weniger  grünlich. 

Sie  sind  aus  vermischter  Seide  ge- 
macht, und  mit  mikroskopischen  Algen, 
Diatomeen  u.  s.  w.  bedeckt.  Sie  sind 
halb  cylindrisch  und  haben  keine  Bauch- 


744 


Sobre    as  casas  construidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


pria  rocha,  ä  quäl  se  applicam  os  bordos 
lateraes  do  semi-c)4indro. 

As  larvas  que  teccm  e  habitam 
essas  casinhas,  näo  attingem  as  vezes 
nem  ä  decima  parte  do  comprimento 
das  casas ;  assim,  quando  ellas  estäo  para 
se  transformar  em  nymphas,  se  conser- 
vam  iima  pequena  porcjäo  de  ccrca  de 
cinco  millimetros  de  comprimento,  da 
sua  morada  (fig.  i,  C),  cujas  paredes 
ellas  engrossam  muito,  ficando  ao  mesmo 
tempo  com  o  augmento  da  grossura  as  pa- 
redes mais  resistentes,  duras  e  quasi  carti- 
laginosas.  As  casas  das  nymphas  adherem 
firmemente  aos  rochedos,  emquanto  as 
das  larvas  säo  quasi  livres,  näo  oppondo 
resistencia  sensivel  ao  serem  removidas. 

No  rio  Itajahy  encontrei  na  super- 
ficie  de  pedras,  parcialmente  cobertas 
de  Podostemeas,  umas  poucas  de  ca- 
sas de  uma  Hydropsychidea,  pertencente 
provavelmente  tambcm  a  quinta  sec- 
Qäo  de  Mac  -  Lachlan ,  notaveis  por 
serem  extremamente  semelhantes  as 
casas  do  genero  Peltopsyche  da  familia 
das  Hydroptilideas.  Assim  como  estas, 
säo  escudos  chatos  ellipticos,  de  cor 
parda  mais  ou  menos  escura,  de  cerca 
de  7""™  de  comprimento  sobre  3"""  de 
largura.  Säo  pois  maiores  do  que  as 
das  nossas  especies  de  Peltopsyche. 
Falta-lhes  uma  parede  ventral,  sendo 
os  bordos  fixados  as  pedras.  Säo  feitas 
de  seda,  que  forma  uma  membrana 
muito  resistente,  quasi  coriacea,  e  cuja 
superficie  interna  e  muito  mais  pallida 
ou  ate  perfeitamente  branca.  Ainda  näo 
vi  OS  insectos  perf  eitos,  porem  as  nymphas 
mostram  pelo  numero  dos  esporöes  das 
tibias  (2,  4,  4),  pelos  palpos  maxillares, 
e  por  outros  caracteres,  que  näo  per- 
tencem  ao  genero  Peltopsyche,  nem  a 
outro  genero  de  Hydroptilideas  e  sim 
as  Hydropsychideas. 


wand,  da  der  Felsen,  dem  sie  die  Seiten- 
ränder des  Halbcylinders  anlegen,  selbst 
als  solche  dient. 

Die  Larven,  die  diese  Gehäuse  weben 
und  bewohnen,  erreichen  bisweilen  noch 
nicht  einmal  ein  Zehntel  der  Länge  der 
Gehäuse;  auch  behalten  sie,  wenn  sie 
im  Begriff  sind,  sich  in  Puppen  umzu- 
wandeln, nur  ein  kleines  Stück,  von  etwa 
5  mm  Länge,  von  ihrer  Wohnung  (Fig. 
I,  C),  deren  Wände'  sie  sehr  verdicken; 
gleichzeitig  mit  der  Zunahme  an  Dicke 
werden  die  Wände  widerstandsfähiger, 
hart  und  fast  knorpelig.  Die  Puppen- 
gehäuse haften  fest  an  den  Felsen,  wäh- 
rend die  der  Larven  fast  frei  sind  und 
dem  Versuche,  sie  zu  entfernen,  keinen 
merklichen  Widerstand  entgegensetzen. 

Ln  Flusse  Itajah)^  traf  ich  an  der 
Oberfläche  von  Felsen,  besonders  solcher, 
die  mit  Podostemeen  besetzt  waren,  einige 
wenige  Gehäuse  einer  Hydropsychide, 
die  wahrscheinlich  ebenfalls  in  die  fünfte 
Sektion  MacLachlan's  gehört;  sie  sind 
bemerkenswerth  wegen  ihrer  ausser- 
ordentlichen Aehnlichkeit  mit  den  Ge- 
häusen der  Gattung  Peltopsyche  aus  der 
Familie  der  Hydroptiliden.  Eben  so  wie 
diese  sind  es  platte  elliptische  Schilde 
von  mehr  oder  weniger  dunkelbrauner 
Farbe  von  ungefähr  7  mm  Länge  bei 
3  mm  Breite.  Sie  sind  also  grösser  als 
die  unserer  Peltopsyche- Arten.  Es  fehlt 
ihnen  eine  Bauchwand,  da  die  Ränder 
an  die  Felsen  festgeheftet  sind.  Sie  sind 
aus  Seide  gemacht,  die  eine  sehr  wider- 
standsfähige, fast  lederartige  Haut  bildet 
und  deren  innere  Oberfläche  blässer 
oder  bis  vollkommen  weiss  ist.  Ich  habe 
die  fertigen  Insekten  noch  nicht  ge- 
sehen, aber  die  Puppen  zeigen  durch 
die  Zahl  der  Schiensporne  (2,  4,  4),  durch 
die  Kiefertaster  und  durch  andere  Merk- 
male, dass  sie  nicht  zur  Gattung  Pelto- 
psyche, auch  nicht  zu  einer  anderen 
Gattung  der  Hydroptiliden,  sondern  zu 
den  Hydropsychiden  gehören. 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  y^c 


§  2,    Leptocerideas. 

Mac-Lachlan  divide  esta  familia  cm 
quatro  secgöes  de  que  so  a  primcira 
falta  a  fcuma  catharinensc. 

A'  segiinda  secfuo,  limitada  na  fauna 
europea  ao  genero  Odontocerum,  per- 
tencem  äs  duas  especies  cujos  tubos  con- 
struidos  de  pedrinhas  se  vem  nas  üg-  H 
e  i5daEst.LIV.  Elles  deveräo  constituir 
um  genero  novo,  para  o  quäl  proponho  o 
nome  de  Marilia,  chamando  as  duas 
especies  Marilia  major  (fig.  14)  e  Marilia 
minor  (fig.  15).  Distingue-se  esse  novo 
genero  de  Odontocerum  pelas  antennas 
näo  denteadas,  pelos  olhos  enormes 
dos  machos  (tocando-se  no  vertice  dos 
machos  da  Marilia  minor,  e  separados 
somente  por  um  intervallo  estreito  nos 
da  Marilia  major),  por  confhiirem  nas 
azas  tanto  anteriores  como  posteriores 
o  raio  («radius»)  e  o  primeiro  sector 
apical,  e  por  outros  caracteres. 


As  duas  especies  de  Marilia,  cujas 
casas  descrevi,  frequentam  varios  ri- 
beiröes.  Ha  uma  terceira  especie,  ao 
que  parece,  rarissima,  cujas  larvas  achei 
do  rio  Ttajahy.  As  casas  differem  das 
na  Marilia  major  quasi  que  por  serem 
apenas  muito  curtas ;  e  pois  escusado  de 
dar  uma  figura  dellas;  ter-se-ha  uma 
idea  exacta  da  sua  forma  imaginando-se 
cortada  a  metade  posterior  das  casas  da 
Marilia  major.  (Est.  LIV.,  fig.  14,  A) 
A  so  casa  dessa  terceira  especie  que 
agora  tenho,  tem  6™"'  de  comprimento. 
sendo  o  diametro  da  entrada  de  2'""'  e 
o  do  extrcmo  posterior  de  i,"""5.  O  ex- 
tremo  posterior  e  tapado,  como  nas  outras 
Marilias,  por  uma  parede  transversal 
com  buraco  elliptico  na  parte  superior. 
Cumpre  notar  que  a  substancia  de  que 
e  feita  essa  parede  e  com  que  se  acham 


2)  Leptoceriden. 

Mac  Lachlan  theilt  diese  Familie  in 
vier  Sektionen,  von  denen  der  Fauna 
von  Santa  Catharina  nur  die  erste  fehlt. 

Zur  zweiten  Sektion,  die  in  der 
europäischen  Fauna  auf  die  Gattung 
Odontocerum  beschränkt  ist,  gehören  die 
beiden  Arten,  deren  aus  Steinchen  gebaute 
Röhren  in  Fig.  14  und  15  (Taf.  LIV) 
dargestellt  sind.  Sie  werden  eine  neue 
Gattung  bilden  müssen;  ich  schlage  für 
dieselbe  den  Namen  Marilia  vor  und 
nenne  die  beiden  Arten  Marilia  major 
(Fig.  14)  und  Marilia  minor  (Fig.  15). 
Diese  neue  Gattung  unterscheidet  sich 
von  Odontocerum  durch  die  nicht  ge- 
zähnten Fühler,  durch  die  sehr  grossen 
Augen  der  Männchen  (auf  dem  Scheitel 
der  Männchen  von  Marilia  minor  be- 
rühren sich  die  Augen ;  bei  Marilia  major 
sind  sie  nur  durch  einen  schmalen  Zwi- 
schenraum getrennt),  durch  das  Ver- 
schmelzen des  Radius  und  der  ersten 
Endader  (sector  apical)  sowohl  auf  den 
Vorder-  als  auf  den  Hinterflügeln,  und 
durch  andere  Merkmale. 

Die  beiden  Arten  Marilia,  deren  Ge- 
häuse ich  beschrieben  habe,  sind  in 
verschiedenen  Bächen  häufig.  Es  giebt 
eine  dritte,  anscheinend  sehr  seltene  Art, 
deren  Larven  ich  im  Flusse  Itajahy  ge- 
funden habe.  Die  Gehäuse  unterscheiden 
sich  von  denen  von  Marilia  major  fast 
nur  dadurch,  dass  sie  viel  kürzer  sind, 
so  dass  es  überflüssig  ist,  eine  Abbildung 
von  ihnen  zu  geben ;  um  eine  genaue 
Vorstellung  von  ihrer  Gestalt  zu  ge- 
winnen, braucht  man  sich  nur  von  den 
Gehäusen  von  Marilia  major  (Fig.  14  A 
Taf.  LIV)  die  hintere  Hälfte  abgeschnitten 
zu  denken.  Das  einzige  Gehäuse  dieser 
dritten  Art,  welches  ich  jetzt  habe,  hat 
6  mm  Länge,  2  mm  Durchmesser  des 
Einganges  und  1,5  mm  Durchmesser 
des  hinteren  Endes.  Das  hintere  Ende 
ist,   wie  bei  den  anderen  Marilia- Arten, 


746 


Sobre  as  casas  construidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


grudadas  umas  as  outras,  as  pedrin- 
has  da  casa,  e  muito  pallida,  quasi  sem 
cor,  em  quanto  e  prcta  ou  parda  escura 
nas  duas  outras  especies. 


Talvcz  deva  ser  incluida  tambem 
nesta  mesma  segunda  sec^äo  de  Mac- 
Lachlan,  a  Grumicha  (Est.  LIII,  fig.  8) ; 
ao  menos  fica  excluida  da  quarta  secgäo 
pela  falta  de  cellula  mediana,  e  da 
terceira  per  possuir,  em  todas  as  azas, 
a  segunda  forquilha  apical  («apical  fork»), 

Entrem  na  terceira  secgäo  de  Mac- 
Lachlan  as  especies  das  figuras  7, 9,  i  o,  12 
e  1 3  (Est.  LIII  e  LIV)  e  provavelmente, 
a  julgar  pelo  comprimento  das  pernas 
posteriores  das  larvas,  a  da  fig.  1 1 .  As 
ditas  especies  pertencem  a  tres  diffc- 
rentes  generös. 

Tetracentron.  —  Os  insectos,  cujas 
larvas  vivem  ou  em  paosinhos  öcos 
(Est.  LIII,  fig.  7)  ou  intrusas  em  estojos 
de  Grumicha  (Est.  LIII,  fig.  9),  exhibem 
todos  os  caracteres  assignalados  por 
Brauer  no  genero  Tetracentron  de  que 
ate  agora  so  eram  conhecidas  duas 
especies  [T.  sarothropits  Br.  e  T.  aniabüe 
Mac-Lachl.),  ambas  naturaes  da  Nova 
Zelandia. 

Os  tubos  de  Grumicha  näo  säo  os 
unicos  sujeitos  a  ser  approveitados  por 
larvas  intrusas;  tambem  os  de  varias 
especies  menores,  como  de  Setodes 
gentma  (Est.  LIV,  fig.  13),  Marilia  minor 
(Est.  LIV,  fig.  15)  e  Grumichella  (Est. 
LIII,  fig.  10)  acham-se  as  vezes  occu- 
padas  por  larvas,  que  provavelmente 
tambem  pertencem  ao  genero  Tetra- 
centron. Acompanham  as  larvas  intrusas 
dos  tubos  de  Grumicha  näo  so  no  costume 
de  se  apoderarem  de  casas  alheias,  como 


durch  eine  Querscheidewand  mit  einem 
elliptischen  Loch  im  oberen  Theile  ver- 
schlossen. Die  Substanz,  aus  der  diese 
Wand  gemacht  ist  und  mit  der  die 
Steinchen  des  Gehäuses  an  einander  ge- 
leimt sind,  ist  sehr  blass,  fast  farblos, 
während  sie  bei  den  beiden  anderen 
Arten  schwarz  oder  braun  ist. 

Vielleicht  muss  in  dieselbe  zweite 
Sektion  Mac  Lachlan's  auch  die  Grumicha 
(Taf.  LIII,  Fig.  8)  eingeschlossen  werden ; 
wenigstens  wird  sie  von  der  vierten  Sek- 
tion durch  das  Fehlen  der  Medianzelle, 
von  der  dritten  durch  das  Vorhandensein 
einer  zweiten  Endgabel  („apical  fork") 
in  allen  Flügeln  ausgeschlossen. 

In  die  dritte  Sektion  Mac  Lachlan's 
gehören  die  Arten  der  Figuren  7,  9, 10,  12, 
13  (Taf.  LIII  u.  LIV)  und  wahrscheinlich, 
nach  der  Länge  der  Hinterbeine  der 
Larven  zu  urtheilen,  die  von  Figur  11. 
Die  genannten  Arten  gehören  zu  drei 
verschiedenen  Gattungen, 

Tetracentron.  —  Die  Insekten, 
deren  Larven  in  hohlen  Stäbchen  (Taf.  LIII, 
Fig.  7)  oder  als  Eindringlinge  in  den  Ge- 
häusen von  Grumicha  (Taf.  LIII,  Fig.  9) 
leben,  bieten  alle  von  Brauer  für  die  Gat- 
tung Tetracentron  angegebenen  Merk- 
male dar,  von  der  bis  jetzt  nur  zwei  Arten 
(T.  sarothropus  Br.  und  T.  amabile  Mac 
Lachl.),  beide  in  Neu-Seeland  einheimisch, 
bekannt  waren. 

Die  Gru micharöhren  sind  nicht  die 
einzigen,  die  von  eingedrungenen  Larven 
benutzt  werden;  auch  die  verschiedener 
kleinerer  Arten,  wie  Setodes  gemma  (Taf. 
LIV,  Fig.  13),  Marilia  minor  (Taf.  LIV, 
Fig.  1 5)  und  Grumichella  (Taf.  LIII,  Fig.  i  o) 
finden  sich  bisweilen  von  Larven  besetzt, 
die  wahrscheinlich  ebenfalls  in  die  Gat- 
tung Tetracentron  gehören.  Sie  stimmen 
mit  den  eingedrungenen  Larven  der  Gru- 
micharöhren  nicht  nur  in  der  Gewohn- 
heit überein,  sich  fremder  Gehäuse  zu  be- 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlarvcn  der  Provinz  Santa  Catbarina  verfertigten  Gehäuse. 


747 


tambcm  cm  sua  cstructura ,  v.  g. :  as 
tibias  posteriores  säo  divididas  em  duas 
articulagöes. 

Essas  larvas  quo  vivcm  intrusas 
nos  tubos  de  Setodes,  Marilia  e  Gru- 
micliella ,  costumam  fixar  pedacinhos 
de  madeira  no  extremo  anterior  dos 
mesmos  tubos.  Esses  peiosinhos,  iis 
vezes  muito  mais  grossos  e  compridos 
do  que  os  proprios  tubos,  ou  se  appli- 
cam  a  elles  ou  divergem  para  varias 
direc^öes  formando  com  o  tubo  angulos 
raras  vezas  maiores  de  30  graos.  (Veja- 
se  fig.  3,  sendo  A  ate  G  tubos  de 
Setodes  getnma,  Hei  tubos  de  Marilia 
minor  e  K  um  tubo  de  Grmnichella.) 

E'  provavol  que  os  paosinhos  sirvam 
para  encobrir  os  tubos  e  subtrahil-os 
desta  Sorte  aos  inimigos  de  seus  pro- 
prietarios  legitimes.  Com  effeito,  em 
certos  casos  (fig.  3,  G  e  K)  e  difficil 
descobrir-se  o  tubo  entre  os  paosinhos 
que  o  rodeam. 

Si  bem  que  seja  do  mesmo  genero, 
näo  sei  se  pertencera  k  mesma  especie 
uma  larva  que  achei  no  Ribeiräo  de 
Bugres  {fig.  4);  ella  morava  em  um 
paosinho  oco  e  apezar  de  ser  este  aberto 
na  parte  posterior,  ella  fez  um  pequcno 
buraco  e  cobrio  a  abertura  com  um 
pedago  de  madeira,  debaixo  da  quäl 
ficava  perfeitamente  escondida:  alem 
disso  furou  peda^os  menores  aos  lados 
e  na  face  ventral  do  extremo  anterior 
de  sua  casinha. 

Grumichella  (fig.  2).  Os  inscctos  cujas 
larvas  fazem  os  estojos  que  descrevi  sob 
o  nome  de  Grumichinha  (Est.  LIII,  fig. 
10)  säo  parcntes  proximos  do  genero 
Leptocertis,  do  quäl  comtudo  se  di- 
stingucm    por    possuir    nas    azas  postc- 


mächtigen,  sondern  auch  in  Eigenthüm- 
lichkeiten  des  Baues,  z.  B.  darin,  dass 
die  Hinterschienen  in  zwei  Glieder  ge- 
theilt  sind. 

Die  Larven,  die  als  Eindringlinge  in 
den  Röhren  von  Setodes,  Marilia  und 
Grtimichella  leben,  pflegen  an  das  vor- 
dere Ende  dieser  Röhren  Holzstückchen 
zu  befestigen.  Diese  Holzstückchen,  die 
bisweilen  viel  dicker  und  länger  sind, 
als  die  Rühren  selbst,  legen  sich  ent- 
weder an  diese  an  oder  stehen  in  ver- 
schiedenen Richtungen  unter  Winkeln 
von  selten  mehr  als  30  ^  von  der  Röhre 
ab.  (Siehe  Fig.  3,  in  welcher  A  bis  G 
Röhren  von  Setodes  gemma,  H  und  / 
Röhren  von  Marilia  minor  und  K  eine 
Röhre  von  Grumichella  darstellt.) 

Wahrscheinlich  dienen  diese  Holz- 
stückchen oder  Stäbchen  dazu,  die 
Röhren  zu  verdecken  und  auf  diese 
Weise  den  Feinden  ihrer  legitimen 
Eigenthümer  zu  entziehen.  In  der  That 
ist  es  in  gewissen  Fällen  (Fig.  3  G  und 
K)  schwer,  die  Röhre  zwischen  den  sie 
umgebenden  Stücken  zu  entdecken. 

Wenn  auch  zu  derselben  Gattung, 
so  dürfte  doch  nicht  zu  derselben  Art 
eine  Larve  gehören,  die  ich  im  Bugres- 
bache  gefunden  habe  (Fig.  4);  sie 
wohnte  in  einem  hohlen  Stäbchen  und 
machte,  trotzdem  dass  dies  am  oberen 
Ende  offen  war,  ein  kleines  Loch,  und 
bedeckte  die  Oeffnung  mit  einem  Holz- 
stück, unter  dem  sie  vollkommen  ver- 
borgen blieb;  ausserhalb  dieses  Holz- 
stückes befestigte  sie  an  den  Seiten 
und  an  der  Bauchfläche  des  vorderen 
Endes  ihres  Häuschens  kleinere  Stücke. 

Grumichella  (Fig.  2).  Die  Insek- 
ten, deren  Larven  die  Futterale  machen, 
die  ich  unter  dem  Namen  Grumichinha 
(Taf .  LIII,  Fig.  I  o)  beschrieben  habe,  sind 
nächste  Verwandte  der  Gattung  Lepto- 
cerus,   von   der  sie  sich  jedoch  dadurch 


748 


Sobre  as  casas  construidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


riores  as  forquilhas  apicaes  3^  c  ^^,  quer 
em  um  quer  em  outro  sexo,  emquanto 
que  no  genero  Leptocerus  falta  a  3  "^  e 
existe  a  i^  que  näo  se  encontra  nas 
Grumichinhas. 


Proponho  para  estes  insectos  o  nome 
generico  de  Grumichella.  Ate  o  anno 
passado  so  tinha  achado  as  Grumi- 
chinhas no  Ribeiräo  da  Gruta  dos 
Macacos  (Affenwinkel)  onde  säo  bastante 
raras;  pois  vivem  em  muito  maior 
abundancia  nas  cachoeiras  de  varios 
ribeiröes  (da  T^ste  Miseria,  do  Caete, 
etc.),  preferindo  os  rochedos  verticaes 
ao  longo  dos  quaes  corre  uma  tenuissima 
camada  d'agua. 

O  extremo  posterior  dos  canudos  de 
Grumichinha  e  fechado,  como  na  Gru- 
micha,  por  uma  parede  transversal  com 
um  buraco  central,  por  baixo  deste 
buraco  eleva-se  da  parede  terminal  do 
canudo  das  Grumichinhas  uma  saliencia 
triangulär,  especie  de  esporäo  (fig.  2,  A, 
B,  C,  D)  ou  recto  ou  um  pouco  curvado 
para  cima.  Inserido  em  alguma  fenda 
microscopica  da  rocha,  este  esporäo 
podera  servir  para  segurar  as  Grumi- 
chinhas. 

Por  outro  meio  ainda  muito  mais 
Singular,  as  Grumichinhas  sabem  escapar 
aos  perigos  de  que  parecem  inevitavel- 
mentc  ameagadas  nas  cachoeiras  que 
habitam. 

Outros  Trichopteros  e  entre  elles 
tambem  a  Grumicha,  quando  as  nym- 
phas  estäo  para  se  transformar  em 
insectos  perfeitos,  cortam  com  as  mandi- 
bulas  o  rcbordo  da  tampa  que  fecha  a 
entrada  do  tubo ;  feito  isto  a  tampa  cahe, 
fixando-se  o  tubo ;  entäo  a  nympha  sähe 
e  nadando  a  superficie  d'agua  ahi  soffre 
sua  ultima  transformagäo.  Os  canudos 
das  Grumichinhas  achando-se  geralmente 
fixados    com    a    entrada    volvida    para 


unterscheiden,  dass  sie  in  den  Hinter- 
flügeln sowohl  in  dem  einen  als  im  anderen 
Geschlechte  die  Endgabeln  3^  und  5^  be- 
sitzen, während  in  der  Gattung  Lepto- 
cerus 3'  fehlt,  dagegen  r^  vorhanden 
ist,  die  bei  den  Grumichinhas  nicht  an- 
getroffen wird. 

Ich  schlage  für  diese  Insekten  den 
Gattungsnamen  Grumichella  vor.  Bis 
vergangenes  Jahr  hatte  ich  die  Gru- 
michinhas nur  im  Bache  „Affenwinkel" 
gefunden,  wo  sie  ziemlich  selten  sind; 
in  weit  grösserer  Menge  leben  sie  an 
den  Wasserfällen  verschiedener  Bäche 
(Trauriger  Jammer,  Caete  u.  s.  w.),  da 
sie  senkrechte  Felsen  vorziehen,  an  denen 
eine  sehr  dünne  Wasserschicht  herabläuft. 

Das  hintere  Ende  der  Grumichinha- 
röhren  wird,  wie  bei  Grumicha,  durch 
eine  mit  einem  centralen  Loch  versehene 
Querwand  verschlossen;  unter  diesem 
Loch  erhebt  sich  von  der  Endwand  der 
Grumichinharöhre  ein  dreieckiger  Vor- 
sprung, eine  Art  Sporn  (Fig.  2  A,  B,  C, 
D),  entweder  gerade  oder  ein  wenig  nach 
oben  gebogen.  In  irgend  einen  mikro- 
skopischen Spalt  des  Felsens  eingefügt 
wird  dieser  Sporn  zum  Festhalten  der 
Grumichinhas  dienen  können. 

Noch  viel  seltsamer  ist  die  Art,  wie 
die  Grumichinhas  den  Gefahren  zu  ent- 
gehen wissen,  von  denen  sie  an  den 
Wasserfällen,  die  sie  bewohnen,  unver- 
meidlich bedroht  erscheinen. 

Andere  Trichopteren,  unter  ihnen 
auch  Grumicha,  durchschneiden,  wenn 
die  Puppen  bereit  sind,  sich  in  fertige 
Insekten  zu  verwandeln,  mit  den  Man- 
dibeln  den  Rand  des  Deckels,  der  den 
Eingang  der  Röhre  verschliesst ;  wenn 
dies  geschehen  ist,  fällt  der  Deckel, 
während  er  an  der  Röhre  befestigt  bleibt ; 
alsdann  kriecht  die  Puppe  hervor  und 
erleidet,  an  der  Oberfläche  des  Wassers 
schwimmend,    hier    ihre    Umwandlung. 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse. 


749 


cima,  em  rochedos  onde  a  agua  das 
cachoeiras  Ihes  cahe  do  alto,  as  nym- 
phas  depois  de  removida  a  tampa,  tenros 
e  frageis  animalsinhos  que  säo,  näo 
poderiam  sahir  de  seus  estojos  sem 
ficarem  quasi  infallivelmente  esmagados 
pela  forga  d'agua. 


Esse  perigo  e  felizmente  evitado  de 
um  modo  simplicissimo ;  o  peciolo  do 
disco  por  meio  do  quäl  os  tubos  das 
n3^mphas  se  acham  grudados  as  pcdras 
näo  procede  como  nas  Grumichas,  do 
bordo  do  tubo  e  sim  da  tampa  (fig.  2,  E). 
Assim,  desdo  que  a  tampa  for  separada 
do  tubo,  aquella  fixa-se  as  pedras,  in- 
colume  dentro  de  seu  estojo,  e  a  nympha 
e  levada  pelas  aguas  ate  parar  em  algum 
remanso,  onde  descansada  pode  meta- 
morphosear-se. 

Os  tubos  das  Grumichinhas  pro- 
venientes  das  differentes  cachoeiras  co- 
stumam  apresentar  certas  differengas: 
os  da  Gruta  dos  Macacos  säo  perfeita- 
mente  lisos  e  pretos;  os  da  Triste  Miscria 
säo  geralmcnte  menos  escuros,  menores 
e  providos  de  estrias  circulares  mais 
ou  menos  distinctas ;  os  de  uma  cachoeira 
perto  do  Belxior  (fig.  2,  B,  B')  costu- 
mam  ter  um  esporäo  muito  curto.  Mais 
differentes  säo  os  do  Ribeiräo  do  Caete, 
que  säo  geralmente  mais  compridos, 
menos  grossos,  com  o  esporäo  curvado 
visivelmente  para  cima  (fig.  2,  C,  D), 
e  a  tampa  em  vez  de  mostrar  uma 
fenda  semilunar  em  cima  do  centro, 
como  as  de  outras  cachoeiras  (Est.  LIII. 
fig.  10,  B)  tem  alem  de  uma  fenda  de 
forma  differente  e  variavel,  um  ou  dois 
buracos  menores  situados  em  baixo  da 
fenda  principal  (fig.  2,  E,  t ,  G). 


Da  die  Röhren  der  Grumichinha  sich 
in  der  Regel,  mit  dem  Eingange  nach 
oben  gekehrt,  an  Felsen  befestigt  finden, 
wo  das  Wasser  der  Wasserfälle  aus  der 
Höhe  auf  sie  herabfällt,  so  würden  die 
Puppen,  zarte  und  zerbrechliche  Thier- 
chen  wie  sie  sind,  nach  der  Entfernung 
des  Deckels  nicht  aus  ihren  Futteralen 
hervorgehen  können,  ohne  fast  unfehl- 
bar durch  die  Gewalt  des  Wassers  zer- 
quetscht zu  werden. 

Diese  Gefahr  wird  auf  eine  höchst 
einfache  Weise  glücklich  vermieden  :  der 
Stiel  der  Scheibe  mittels  \\'olcher  die 
Röhren  der  Puppen  an  die  Felsen  ge- 
leimt sind,  geht  nicht,  wie  bei  Grumicha, 
vom  Rande  der  Röhre,  sondern  vom 
Deckel  aus  (Fig.  2  E).  Sobald  daher  der 
an  die  Felsen  befestigte  Deckel  von  der 
Röhre  getrennt  ist,  wird  die  Puppe,  in 
ihrem  Gehäuse  unversehrt,  durch  das 
Wasser  bis  zu  irgend  einer  ruhigen  Stelle 
fortgeführt,  wo  sie  ausschlüpfen  und  sich 
verwandeln  kann. 

Die  von  verschiedenen  Wasserfällen 
stammenden  Röhren  der  Grumichinhas 
scheinen  gewisse  Verschiedenheiten  dar- 
zubieten :  die  des  Affenwinkels  sind  voll- 
ständig glatt  und  schwarz ;  die  des  Trau- 
rigen Jammers  sind  im  Allgemeinen  we- 
niger dunkel,  kleiner  und  mit  mehr  oder 
weniger  deutlichen  ringförmigen  Streifen 
versehen ;  die  eines  Wasserfalls  nahe  bei 
Belxior  (Fig.  2,  B,  B')  pflegen  einen  sehr 
kurzen  Sporn  zu  haben.  Abweichender 
sind  die  vom  Bache  Caete;  sie  sind  im 
Allgemeinen  länger,  weniger  dick  und  mit 
einem  deutlich  nach  oben  gekrümmten 
Sporn  (Fig.  2,  C,  D)  versehen;  ihr  Deckel 
zeigt  nicht,  wie  bei  den  Exemplaren 
anderer  Wasserfälle,  einen  halbmond- 
förmigen Spalt  über  der  Mitte  (Taf.  LIII, 
Fig.  10,  B),  sondern  ausser  einem  Spalte 
von  verschiedener  und  wechselnder  Ge- 
stalt, ein  oder  zwei  kleinere  Löcher,  die 
unter  dem  Hauptspalt  liegen  (Fig.  2, 
E,  F,  Q). 


750 


Sobre  as  casas  construidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


Näo  sei  si  esta  ultima  diffcren^a  sc- 
rä  constante,  porque  so  tcnho  oxa- 
minado  cerca  de  meia  duzia  de  tampas 
do  dito  ribeiräo;  de  outras  localidadcs 
examinei  mais  de  40,  encontrando  semprc 
a  fenda  semi-lunar. 


Cumpre  notar  que  ha  so  uns  16  a 
20  kilometros  da  Gruta  dos  Macacos 
ao  Ribeiräo  do  Caete ;  e  seria  pois  muito 
interessante  a  existencia  de  variedades 
locaes  täo  distinctas  em  logarcs  täo 
pouco  distantes. 

Setodes  (fig.  5  e  Est.  LTII,  fig.  12; 
Est.  LIV,  fig.  13).  Os  insectos  cujas 
larvas  construem  os  canudos  das  figuras 
1 2  (Est.  LIII)  e  1 3  (Est.  LIV)  säo  muito 
semelhantes  näo  so  na  forma  e  ner- 
vuras  das  azas  anteriores  como  tambem 
por  outros  caracteres  a  Setodes  punctata 
e  viridis  que  Mac-Lachlan  considera 
como  as  especies  typicas  do  genero 
Sedotes.  Comtudo  as  azas  posteriores 
säo  mais  largas  nas  especies  catha- 
rinenses  do  que  naquellas  duas  europeas, 
assemelhando-se  mais  as  do  genero 
Homilia. 

Si  por  este  motivo  as  nossas  especies 
tiverem  de  ser  removidas  do  genero 
Sedotes,  restringido,  como  foi,  por  Mac- 
Lachlan,  ao  menos  foram  parte  do  dito 
genero  no  sentido  mais  amplo,  em  que 
ate  ha  pouco  costumava  ser  tomado. 

A  respeito  daquellas  duas  especies, 
diz  Mac-Lachlan  que  säo  verdadeiras 
joias  entre  os  Trichopteros  europeos. 
Outro  tanto  e  com  mais  direito  ainda 
se  pode  dizer  a  respeito  de  uma  das 
nossas  especies  (a  da  fig.  1 3) ,  cujas 
azas  anteriores  amarc^lladas  ou  de  um 
amarello  alaranjado  acham-se  atravessa- 
das  de  listras  brancas  prateadas  e  orna- 
das  de  malhas  pretas  avelludadas.  Pro- 
ponho  para  esta  bellissima  especie  o 
nome  de  Setodes  ^emma. 


Ich  weiss  nicht,  ob  dieser  Unter- 
schied sich  als  konstant  herausstellen 
wird,  da  ich  nur  ungefähr  ein  halbes 
Dutzend  Deckel  von  dem  genannten 
Bache  untersucht  habe:  von  anderen 
Lokalitäten  habe  ich  mehr  als  40  Deckc^l 
untersucht  und  immer  einen  halbmond- 
förmigen Spalt  gefunden. 

Es  muss  bemerkt  werden,  dass  es 
vom  Affen winkel  zum  Bache  Caete  nur 
16  bis  20  Kilometer  sind;  die  Existenz 
so  verschiedener  Lokalvarietäten  an  so 
wenig  von  einander  entfernten  Orten 
würde  daher  sehr  interessant  sein. 

Setodes  (Fig.  5  und  Taf.  LIII, 
Fig.  12;  Taf.  LIV,  Fig.  13).  Die  In- 
sekten, deren  Larven  die  Röhren  von 
Fig.  12  und  13  bauen,  sind  in  Gestalt, 
Nerven  der  Vorderflügel  und  anderen 
Merkmalen  sehr  ähnlich  der  Setodes 
punctata  und  viridis,  die  MacLachlan 
als  typische  Arten  der  Gattung  Setodes 
betrachtet.  Doch  sind  die  Hinterflügel 
bei  den  catharinensischen  Arten  weniger 
breit  als  bei  den  beiden  europäischen; 
sie  gleichen  mehr  denen  der  Gattung 
Homilia. 

Wenn  unsere  Arten  aus  diesem 
Grunde  aus  der  Gattung  Setodes  in  dem 
von  MacLachlan  beschränkten  Sinne 
entfernt  werden  müssten,  so  würden  sie 
wenigstens  zu  dieser  Gattung  in  dem 
bisher  gebräuchlichen  weiteren  Sinne  zu 
stellen  sein. 

In  Bezug  auf  jene  beiden  Arten  sagt 
MacLachlan,  dass  es  wahre  Juwelen  seien 
unter  den  europäischen  Trichopteren. 
Dasselbe  lässt  sich  mit  noch  mehr  Recht 
von  einer  unserer  Arten  (der  von  Fig.  1 3) 
sagen,  deren  gelbliche  oder  orangegelbe 
Vorderflügel  von  weissen,  silbernen 
Bändern  durchschnitten  und  mit  sammet- 
schwarzen  Flecken  verziert  sind.  Ich 
schlage  für  diese  schönste  Art  den  Namen 
Setodes  gemma  vor. 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  j  cj 


Encontrei  novamcnte  uma  terceira 
especie  do  mesmo  gcncro  (fig.  5),  cujas 
larvas  e  nymphas  (muito  raras)  habitam 
embaixo  de  pedras  em  varios  ribeiröes 
(v.  g.  no  Ribeiräo  dos  Bugros),  preferindo 
OS  logares  em  quc  a  agua  csta  quasi 
parada.  Os  estojos  das  larvas  (fig.  5,  A,  A') 
säo  canudos  rectos  conicos,  feitos  de 
seda  misturada  e  coberta  com  miudissi- 
mos  gTäos  d'areia.  O  maior  que  vi  tem 
14™"  de  comprimento,  sendo  o  diametro 
da  entrada  de  2"""  e  o  do  extremo 
posterior  apenas  de  o,"""25. 


A  estes  canudos  acham-se  fixados 
de  um  e  outro  lado  da  face  dorsal,  peda- 
cinhos  de  madeira  ou  outros  fragmentos 
vegetaes ,  cobrindo  grande  parte  dos 
canudos  os  quaes  ultrapassam,  mais  ou 
menos ;  os  da  parte  anterior,  geralmente 
maiores  e  mais  proeminentes,  costumam 
ser  dirigidos  obliquamente  para  traz 
formando  com  o  eixo  do  tubo  angulos 
de  uns  15  a  20  graos. 

Segundo  a  natureza  dcsses  appen- 
dices  que  variam  consideravelmente  nas 
suas  dimensöes,  formas  e  cores,  tambem 
varia  ao  infinite  o  aspecto  do  estojo 
(fig.  5,  A,  B,  C,  D).  Como  as  das  ou 
tras  duas  especies  catharinenses ,  as 
larvas  desta  especie  tambem  cortam  a 
parte  posterior  de  seus  estojos  antes  de 
o  fixarem,  de  modo  que  os  estojos  das 
nymphas  (fig.  5,  B,  C,  D),  säo  mais  curtos 
do  que  os  das  larvas  adultas  (fig.  5,  A). 
A  maneira  de  fixar  e  fechar  os  estojos 
tambem  e  a  mesma  das  outras  duas 
especies.  Os  insectos  perfeitos  säo  bichin- 
hos  muito  modestos  tendo  azas  pallidas 
unicolores. 

A'  quarta  secrüo  de  Mac-Lachlan 
pertencem  as  duas  especies  cujas  larvas 


Neuerdings  habe  ich  eine  dritte  Art 
derselben  Gattung  gefunden  (Fig.  5), 
deren  (sehr  seltene)  Larven  und  Puppen 
in  verschiedenen  Bächen  (z,  B.  dem 
Bugresbache)  unter  Steinen  wohnen,  in- 
dem sie  diejenigen  Oertlichkeiten  vor- 
ziehen, an  denen  das  Wasser  fast  stille 
steht.  Die  Larvenfutterale  (Fig.  5,  A,  Ä) 
sind  gerade,  kegelförmige  Röhren,  aus 
Seide  gefertigt,  die  mit  äusserst  winzigen 
Sandkörnchen  vermischt  und  bedeckt 
sind.  Das  grösste,  das  ich  gesehen  habe, 
hatte  1 4  mm  Länge,  während  der  Durch- 
messer des  Einganges  2  mm,  der  des 
entgegengetzten  Endes  kaum  0,25  mm 
betrug. 

An  diesen  Röhren  finden  sich,  der 
einen  oder  der  anderen  Seite  der  Rücken- 
fläche angeheftet,  Holzstückchen  oder 
andere  Pflanzenfragmente,  die  einen 
grossen  Theil  der  Röhre  bedecken  und 
mehr  oder  weniger  über  sie  hinausgehen  ; 
die  des  vorderen  Theiles  sind  im  All- 
gemeinen grösser  und  hervorragender; 
sie  pflegen,  unter  Winkeln  von  15  bis 
20  Grad  mit  der  Achse,  schräg  nach 
hinten  gerichtet  zu  sein. 

Nach  der  Natur  dieser  Anhänge,  die 
in  ihren  Dimensionen,  Gestalten  und 
Farben  beträchtlich  variiren,  variirt  das 
Aussehen  des  Futterals  (Fig.  5,  ^,  B, 
C,  D)  ebenso  ins  Unendliche.  Wie 
die  beiden  anderen  catharinensischen 
Arten,  so  schneiden  auch  die  Larven 
dieser  Art,  bevor  sie  sich  festsetzen,  den 
hinteren  Theil  ihrer  Futterale  ab,  so  dass 
die  Futterale  der  Puppen  (Fig.  5,  B,  C,  D) 
kürzer  sind  als  die  der  erwachsenen 
Larven  (Fig.  5,  Ä).  Auch  die  Weise, 
die  Futterale  zu  befestigen  und  zu  ver- 
schliessen,  ist  dieselbe  wie  bei  den  beiden 
anderen  Arten.  Die  fertigen  Insekten 
sind  viel  unansehnlicher;  sie  haben  blasse 
einfarbige  Flügel. 

Zur  vierten  Sektion  MacLachlan's  ge- 
hören die  beiden  Arten,  deren  Larven  in 


752 


Sobre  as  casas  construidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


vivem  ein  casas  de  folhas  (Est.  LFV, 
fig.  i6  e  17),  e  sobre  cuja  posigäo  syste- 
matica  fiquei  em  duvida  no  meu  primeiro 
trabalho.  Näo  eram  ainda  conhecidas 
as  larv'as  e  suas  casas  de  especie  alguma 
desta  seccäo.  Os  insectos  perfeitos  di- 
stinguem-se  de  todos  os  generös  ate 
agora  estabelecidos  nesta  secgäo;  pelo 
raio  (radius)  que  se  une  ao  primeiro 
sector  apical  nas  azas  tanto  anteriores 
como  posteriores,  pela  cellula  discoidal 
aberta  nas  azas  posteriores  e  pela  falta 
nas  mesmas  azas  da  primeira  furquilha 
apical,  cxistindo  so  as  furquillias  2''', 
3^  e  5''.  Segundo  Mac-Lachlan  em  todas 
as  mais  especies  da  quarta  secgäo  as 
azas  posteriores  tem  a  cellula  discoidal 
fechada,  e  possuem  as  furquilhas  apicaes 
i"",  2*.  3''  e  5"^. 

Proponho  para  as  nossas  especies  o 
nome  de  Phylloicus  (cpoXXov,  folha  e  olxo? 
casa)  chamando  a  maior  Phylloicus 
major  e  a  menor,  täo  notavel  por  vi- 
\erem  suas  larvas  nas  Bromelias,  Phylloi- 
cus Bromeliarum. 

As  duas  especies  säo  muito  interes- 
santes pelo  numero  dos  esporöes  das 
suas  tibias.  Ha  um  genero  californico 
Heieroplectron  em  que  os  machos  tem 
2,  4,  2  esporöes  (isto  e,  2  nas  tibias 
anteriores,  4  nas  intermedias  e  2  nas 
posteriores)  e  as  femeas  2,  4,  4.  Ora 
ambos  os  sexos  de  Phylloicus  major 
tem  2,  4,  4  e  ambos  os  scxos  do  Phylloi- 
cus Bromeliarum   tem  2,  4,  2  esporöes. 

Em  tudo  mais,  as  duas  especies  säo 
täo  semelhantcs  que  scria  um  grande 
absurdo  o  querer  scparal-as  em  dois 
generös,  fornecendo  assim  um  magni- 
fico  cxemplo  para  fazcr  prevaleccr  a 
regra  hojc  geralmente  reconhccida  de 
ser  sufficiente  para  a  separaQäo  generica 


Blattgehäusen  leben  (Taf.  LIV,  Fig.  16,  17) 
und  über  deren  systematische  Stellung  ich 
in  meiner  ersten  Arbeit  im  Zweifel  blieb. 
Von  keiner  Art  dieser  Sektion  waren  bis- 
her die  Larven  und  ihre  Gehäuse  be- 
kannt. Die  fertigen  Insekten  unter- 
scheiden sich  von  allen  bis  jetzt  in  dieser 
Sektion  aufgestellten  Gattungen  durch 
den  Radius,  der  sich  in  den  Vorder-  wie 
in  den  Hinterflügeln  mit  dem  ersten  End- 
nerven (sector  apical)  vereinigt,  durch  die 
in  den  Hinterflügeln  offene  Discoidalzelle 
und  durch  das  Fehlen  der  ersten  End- 
gabel in  denselben  Flügeln,  in  denen 
nur  die  Gabeln  2^,  3^,  und  5^  vorhanden 
sind.  Nach  MacLachlan  haben  bei  allen 
oder  den  meisten  Arten  der  vierten 
Sektion  die  Hinterflügel  eine  geschlossene 
Discoidalzelle  und  besitzen  die  End- 
gabeln  i^,  2%  3=^,  und  5"^. 

Ich  schlage  für  unsere  Arten  den 
Namen  Phylloicus  {(pbXkov,  Blatt,  olxo?, 
Haus)  vor  und  nenne  die  grössere  Art 
Phylloicus  major,  die  kleine,  die  durch 
den  Aufenthaltsort  ihrer  Larven  an  Bro- 
melien  so  bemerk enswerth  ist,  Phylloicus 
Bromeliarum. 

Die  beiden  Arten  sind  sehr  interessant 
durch  die  Zahl  ihrer  Schienensporne. 
Es  gicbt  eine  kalifornische  Gattung 
Heteroplectron,  in  der  die  Männchen  2, 
4,  2  Sporne  (d.  h.  zwei  an  den  Vorder- 
vier an  den  Mittel-,  zwei  an  den  HintcT- 
schienen)  und  die  Weibchen  2.  4,  4  haben. 
Bei  Phylloicus  major  haben  nun  beide 
Geschlechter  2,  4,  4  und  bei  Phylloicus 
Bromelarium  beide  Geschlechter  2,  4,  2 
Schiensporne. 

Im  Ucbrigen  abcT  sind  beide  Arten 
so  ähnlich,  dass  es  eine  grosse  Thorheit 
sein  würde,  sie  in  zwei  Gattungen  trennen 
zu  wollen.  Sie  liefern  daher  c>in  vor- 
treffliches Beispiel  dafür,  dass  die  heute 
allgemein  als  richtig  anerkannte«  Regel, 
dass  irgend  welcher  Unterschied  in  den 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlai-ven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse. 


753 


qualquer     differen^a     no     numero     dos 
esporöes  ^). 

E  para  tornar  ainda  mais  frisante 
este  exemplo  ahi  esta  uma  terceira 
especie  catharinense  intermedia,  em  todos 
OS  respeitos,  entre  as  outras  duas  e  a 
que  por  isso  dou  o  nome  de  Phylloi- 
cns  meditis,  a  quäl  tem  2,  4,  4  esporöes 
como  o  Phylloicus  major,  em  quanto 
que  por  todos  os  mais  caracteres  mais 
se  parece  com  o  Phylloicus  Bromeliarum 
que  so  tem  2,  4,  2.  As  larvas  desta 
terceira  especie  vivem  de  preferencia 
nos  menores  fios  d'agua  em  cujo  leito 
ingreme  a  agua  gotteja  lentamente  de 
pedra  em  pedra.  Suas  casas  säo  muito 
semelhantes  as  do  Phylloicus  Bromeli- 
arum, sendo  comtudo  maiores  e  com- 
postas  de  menor  numero  de  folhas; 
costumam  ter  tres  ou  quatro  peda^os 
de  folhas  na  parede  ventral  e  quatro 
ou  cinco  na  dorsal,  em  quanto  que  as 
casas  das  Phylloicus  Bromeliarum  so 
contam  geralmente  5  ou  6  na  parede 
ventral  e  6  ou  7  na  dorsal,  tendo  as  do 
Phylloicus  major  2 ,  tanto  na  ventral 
como  na  dorsal.  —  Quando  estäo  para 
sc  fixar  as  larvas  do  Phylloicus  medius 
focham  a  cntrtida  da  casa  com  mais  um 
pedacinho  de  folha  que  ajuntam  a  parede 
ventral.  O  mesmo  fazem  as  larvas  do 
Phylloicus  Bromeliarum,  deixando  de 
fazel-o  as  do  Phylloicus  major. 


Sericostomideas. 
Helicopsyche  (fig.  6,  7).  As  differentes 
especies  desto  genero  distinguem-se  näo 

i)  «It  has  become  a  recognised  rule  that  a  dif- 
ference  in  the  number  of  spurs  in  two  insects  other- 
wise  allied  is  sufficient  for  generic  Separation.» 
Mac-Lachlan,  op.  cit.  part  I,  1874,  p.  12. 


Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften, 


Schienspornen  zur  generischen  Tren- 
nung ausreichend  sei,  keineswegs  immer 
zu  gelten  braucht  ^). 

Um  dieses  Beispiel  noch  schlagender 
zu  machon,  giebt  es  noch  eine  dritte 
catharincnsische  Art,  die  in  jeder  Hin- 
sicht zwischen  den  beiden  anderen  in 
der  Mitte  steht,  und  der  ich  desshalb 
den  Namen  Phylloicus  medius  gegeben 
habe;  sie  hat  2,  4,  4  Sporne  wie  Phyl- 
loicus major,  während  sie  sich  in  Bezug 
auf  alle  übrigen  Merkmale  mehr  wie 
Phylloicus  Bromeliarum  verhält,  der  2, 
4,  2  hat.  Die  Larven  dieser  dritten  Art 
leben  vorzugsweise  in  den  kleineren 
Wasseradern,  in  deren  Bett  das  Wasser 
langsam  von  Stein  zu  Stein  tropft.  Ihre 
Gehäuse  sind  sehr  ähnlich  denen  von 
Phylloicus  Bromeliarum ;  jedoch  sind  sie 
grösser  und  aus  einer  kleineren  Zahl  von 
Blättern  zusammengesetzt;  sie  pflegen 
auf  der  Bauchseite  drei  oder  vier,  auf 
der  Rückenseite  vier  oder  fünf  Blatt- 
stücke zu  haben;  während  die  Gehäuse 
von  Phylloicus  Bromeliarum  in  der  Regel 
auf  der  Bauchseite  fünf  oder  sechs,  auf 
der  Rückenseite  sechs  oder  sieben,  und 
die  von  Phylloicus  major  jederseits  zwei 
haben.  Wenn  die  Larven  von  Phylloicus 
medius  sich  festheften  wollen,  schliessen 
sie  den  Eingang  des  Gehäuses  mit  einem 
weiteren  Blattstück,  das  sie  der  Bauch- 
seite hinzufügen.  Dasselbe  thun  die 
Larven  von  Phylloicus  Bromeliarum, 
während  die  von  Phylloicus  major  es 
unterlassen. 

3)  Sericostomiden, 
Helicops3^che    (Fig.    6,    7).      Die 
verschiedenen     Arten     dieser     Gattung 

i)  "It  has  become  a  recognised  nile  that  a  dif- 
ference  in  the  number  of  spurs  in  two  insects  other- 
wise  allied  is  sufficient  for  generic  Separation."  Mac- 
Lachlan,  op.  cit.  part  I.  1874.  p.  1 2.  —  Uebrigens  weicht 
im  letzten  Satze  der  Uebersetzer  insofern  wesentlich 
von  dem  Autor  ab,  als  er  wörtlich  den  Schluss  zieht, 
welchen  jener   nur  denken  lässt.     Der  Herausgeber. 


754 


Sobre  as  casas  construidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


SO  pela  forma  das  casas  encaracoladas, 
que  suas  larvas  construem,  como  tambem 
pelas  tampas  com  que  as  mesmas  casas 
säo  fechadas  antes  das  larvas  passarem 
ao  estado  de  nympha.  Ja  dei  as  figuras 
das  tampas  de  duas  especies  (Est.  LIV, 
fig.  i8,  19,  B)  em  que  ellas  possuem 
uma  simples  fenda  transversal. 


Nas  tampas  das  casas  da  fig.  20 
(Est.  LIV)  OS  bordos  desta  fenda  säo 
guarnecidos  de  uma  fileira  de  dentes 
havendo  cerca  de  uma  duzia  de  dentes 
de  cada  lado. 

A  forma  da  fenda,  como  a  dos  dentes, 
e  sujeita  a  bastantes  variagöes,  como 
mostram  as  figuras  6,  Ä,  B,  C. 

Nas  tampas  das  casas  da  fig.  21 
(Est.  LIV),  näo  ha  fenda,  a  agua  neces- 
saria  a  respiragäo  da  nympha  e  intro- 
duzida  por  numerosos  buraquinhos,  for- 
mando  uma  especie  de  crivo  embaixo 
do  centro  da  tampa  (fig.  7). 

Entre  as  Helicopsyches  ha  tambem 
uma  especie  que  vive  fora  d'agua  nos 
rochedos  expostos  ao  chovisco  das  cacho- 
eiras  (v.  g.  na  Gruta  dos  Macacos  e  na 
Triste  Miseria  de  Blumenau) ;  suas  casas 
säo  muito  semelhantes  as  da  fig.  21 
Est.  LIV)  mas  as  tampas  säo  providas 
de  uma  fenda  simples. 

§  4. 
Hydroptilideas. 

Em  companhia  das  larvas  de  Llydro- 
ptilideas  (fig.  i)  de  Leptoccrideas  Gru- 
michinha  (fig.  2),  e  de  Sericostomideas 
(Helicopsyche)  que  povöam  os  rochedos 
das  nossas  cachoeiras,  vivem  tambem  as 
larvas  de  uma  especie  de  Hydroptilideas 
(fig.  8). 

Suas  casinhas  tem  cerca  de  3"""  de 
comprimento  sobre  o,™'"6  de  altura,  sendo 
comprimidas  dos  lados;  em  um  dos  ex- 
tremes ellas  säo  arredondadas  no  outro, 


unterscheiden  sich  nicht  allein  durch  die 
Gestalt  der  schneckenförmigen  Gehäuse, 
die  ihre  Larven  bauen,  sondern  auch 
durch  die  Deckel,  mit  denen  diese  Ge- 
häuse verschlossen  werden,  bevor  die 
Larven  in  den  Puppenzustand  übergehen. 
Ich  habe  bereits  die  Abbildungen  der 
Deckel  zweier  Arten  gegeben  (Taf.  JÄY, 
Fig.  18,  ig  B),  bei  denen  sie  einen  ein- 
fachen Querspalt  besitzen. 

Bei  den  Deckeln  der  Gehäuse  von 
Taf.  LIV,  Fig.  20  sind  die  Ränder  dieses 
Spaltes  mit  einer  Zahnreihe  besetzt,  die 
etwa  ein  Dutzend  Zähne  an  jeder  Seite  hat. 

Die  Form  des  Spaltes  wie  die  der 
Zähne  ist  ziemlichen  Abänderungen 
unterworfen,  wie  Fig.  6  .1,  B,  C  zeigen. 

An  den  Deckeln  der  Gehäuse  von 
Taf.  LIV,  Fig.  2 1  ist  kein  Spalt  vorhanden  ; 
das  zur  Athmung  der  Puppe  nöthige 
Wasser  wird  durch  zahlreiche  kleine 
Löcher  eingeführt,  die  unter  der  Mitte 
des  Deckels  eine  Art  Sieb  bilden  (Fig.  7). 

Auch  unter  den  Helicopsychen  giebt 
es  eine  Art,  die  ausserhalb  des  Wassers 
lebt,  an  Felsen,  die  dem  Staubregen  der 
Wasserfälle  ausgesetzt  sind  (z,  B.  im 
Affenwinkel  und  Traurigen  Jammer  in 
Blumenau) ;  ihre  Lläuser  sind  sehr  ähn- 
lich denen  von  Fig.  21,  aber  die  Deckel 
sind  mit  einem  einfachen  Spalte  ver- 
sehen. 

4)  Hydroptiliden. 

In  Gesellschaft  der  Larven  von  Hydro- 
psychiden  (Fig.  i),  Leptoceriden  (Grumi- 
chinha,  Fig.  2)  und  Sericostomiden 
(Helicopsyche),  die  die  Felsen  unserer 
Wasserfälle  bevölkern,  leben  auch  die 
Larven  einer  Art  von  Hydroptiliden 
(Fig.  8). 

Ihre  Häuschen  haben  ungefähr  3  mm 
Länge  bei  0,6  mm  Höhe;  sie  sind  von 
den  Seiten  zusammengedrückt;  an  dem 
einen    Ende    sind    sie    abgerundet,    am 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse.  ycc 


depois  de  se  tercm  mais  oii  monos 
estreitado,  säo  cortadas  transversalmente 
(fig.  6,A),  E'  por  este  extremo  quc  a 
larva  costuma  deitar  fora  a  cabega  para 
comer  ou  andar  c  e  por  eile  tambom 
que  a  casinha  e  fixada  e  pendurada  nos 
rochedos  (fig.  8,  B,  C).  Depois  de  fixada 
a  casa,  a  larva  tece  um  casulo  fechado 
por  todos  OS  lados  occupando  quasi  toda 
a  casa  com  cujas  paredes  se  confunde 
e  deixando  apenas  vasio  so  um  espago 
estreito  na  extremidade  inferior,  Dentro 
deste  casulo  a  nympha  acha-se  collocada 
com  a  cabega  para  baixo.  Toma  pois 
como  a  da  Lagenopsyche,  no  interior  de 
sua  casa,  uma  posigäo  opposta  a  que 
costumava  ter  a  larva. 


Quando  em  Outubro  do  anno  passado 
descrevi  as  casas  de  Peltopsyche  (Est.  LV, 
^ig"-  30)  ainda  estava  em  duvida  sobre  a 
posi^äo  systematica  desse  novo  genero. 
Desde  entäo  tive  occasiäo  de  me  con- 
vencer  pelo  exame  de  grande  numero  de 
larvas  e  nymphas,  de  que  näo  errei, 
collocando-o  na  familia  das  H3^dro- 
ptilideas. 

E'  um  dos  generös  mais  extraordi- 
narios,  distinguindo-se  dos  mais,  näo  so 
da  dita  familia,  como  de  toda  a  ordem 
dos  Trichopteros  por  uma  structura 
muito  insolita  e  complicada  das  antennas 
dos  machos.  Convenci-mc  tambom  de 
que  a  falta  das  estrias,  na  parede  dorsal 
das  casas,  näo  e  so  uma  varia^äo  in- 
dividual,  como  tambem  indica  differen^a 
especifica  dos  habitantes,  sende  muito 
differentes  as  nymphas  e  a  structura 
das  antennas  dos  machos  das  duas 
especies.  A  especie  de  casas  estriadas 
Peltopsyche  Sieboldii  (Est.  LV,  fig.  30), 
e  muito  mais  frequente,  c  abunda  cm 
quasi  todos  os  ribeiröes  maiores,  que 
desaguam    no   rio   Itajahy   (Garcia,   En- 


anderen,  nachdem  sie  sich  mehr  oder 
weniger  verengert  haben,  gerade  abge- 
schnitten (Fig.  6  A).  Durch  dieses  Ende 
pflegt  die  Larve  den  Kopf  herauszu- 
stecken, um  zu  essen  oder  zu  wandern ; 
mit  diesem  Ende  wird  auch  das  kleine 
Gehäuse  befestigt  und  an  den  Felsen 
aufgehängt  (Fig.  8  B,  C).  Nachdem  das 
Gehäuse  befestigt  ist,  webt  die  Larve 
einen  an  allen  Seiten  geschlossenen 
Kokon,  der  fast  das  ganze  Gehäuse  ein- 
nimmt, mit  dessen  Wänden  er  verschmilzt, 
indem  er  nur  einen  engen  Baum  am 
unteren  Ende  frei  lässt.  In  diesem  Kokon 
liegt  die  Puppe  mit  nach  unten  gerich- 
tetem Kopfe.  Sie  nimmt  also,  wie  die 
von  Lagenops3^che,  im  Innern  ihres  Ge- 
häuses eine  entgegengesetzte  Lage  ein  als 
sie  im  Larvenzustande  zu  haben  pflegte. 

Als  ich  im  Oktober  des  vergangenen 
Jahres  die  Gehäuse  von  Peltopsyche  (Taf, 
LV,  Fig.  30)  beschrieb,  war  ich  über  die 
systematische  Stellung  dieser  neuen  Gat- 
tung noch  im  Zweifel.  Seitdem  habe 
ich  Gelegenheit  gehabt,  mich  durch  die 
Untersuchung  einer  grossen  Zahl  von 
Larven  und  Puppen  zu  überzeugen,  dass 
ich  nicht  geirrt  habe,  indem  ich  sie  in 
die   Familie    der   Hytdroptiliden    stellte. 

Es  ist  eine  der  ausserordentlichsten 
Gattungen,  die  sich  von  den  meisten, 
nicht  nur  der  genannten  Familie,  sondern 
der  ganzen  Ordnung  der  Trichopteren 
durch  einen  sehr  ungewöhnlichen  und 
komplicirten  Bau  der  männlichen  Fühler 
auszeichnet.  Auch  habe  ich  mich  über- 
zeugt, dass  das  Fehlen  der  Streifen  auf 
der  Rückenwand  der  Gehäuse  nicht 
bloss  eine  individuelle  Abänderung  ist, 
sondern  eine  Art  Verschiedenheit  der  Be- 
wohner anzeigt,  indem  die  Puppen  und 
der  Bau  der  männlichen  Fühler  beider 
Arten  sehr  verschieden  sind.  Die  Art  mit 
gestreiften  Gehäusen,  Peltopsyche  Sie- 
boldii (Taf.  LV,  Fig.  30)  ist  \'iel  häufiger 
und  kommt  in  fast  allen  grösseren  Bächen, 

48* 


756 


Sobre  as  casas  construidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


cano,  Warnow  etc.);  a  de  casas  lisas, 
para  a  quäl  proponho  o  nome  de  Pelto- 
psyche  Mac  Lachlani,  foi  ate  agora  en- 
contrada  so  no  Ribeiräo  do  Warnow, 
onde  vive  em  companhia  do  Peltopsyche 
Sieboldii. 

§  5- 
Casas  de  origem  incerta 

(fig-  9)- 
Em  varios  ribeiröes  encontrei  em 
logares  onde  a  agua  estava  quasi  parada, 
adherentes  a  troncos  de  arvores  que  ali 
estavam  apodrecendo,  certos  estojos  mais 
ou  menos  cylindricos  de  3  para  4  centi- 
metros  de  comprimento  sobre  6  a  10  mili- 
metros  de  diametro,  compostos  de  peda- 
90s  de  foihas  e  outros  fragmentos  vege- 
taes  agglomerados  com  pouca  regulari- 
dade.  Essas  substancias  formavam  varias 
camadas  sobrcpostas,  de  modo  que  o 
diametro  da  cavidade  interior  era  muito 
menor  do  que  a  da  superficic  externa; 
näo  chegando  as  vezes  a  attingir  mesmo 
metade  d'elle.  Segundo  as  substancias 
de  que  se  compöem,  o  aspecto  desses 
estojos  e  muito  differente. 


Assim  o  estojo  da  fig.  g,  A  (do  Ri- 
beiräo dos  Bugres),  e  construido  quasi 
que  exclusivamente  com  foihas  dico- 
tyledoneas,  encontrando-se  entre  estas 
tambem,  algumas  sementes  de  alguma 
planta  da  familia  das  compostas;  pelo 
contrario,  entram  na  construcgäo  do 
estojo  da  fig.  9,  B  (do  Ribeiräo  do  Garcia) 
so  fragmentos  de  foihas  monocotyledoneas 
provenientes  talvez  de  alguma  palmeira. 

Todos  OS  estojos  que  ate  agora  vi  ja 
eram  vazios,  näo  contendo  mais  sinäo 
fragmentos  soltos  de  esqueleto  de  larvas 
que,  ainda  que  obviamente  provenham 
da  larva  de  algum  Trichoptero,  näo  me 
permittem  decidir  a  que  familia  devem 
pertencer. 


die  in  den  Itajahy  münden  (Garcia,  En- 
cano,  Warnow  u.  s.  w.)  in  grosser  Menge 
vor.  Die  Art  mit  glatten  Gehäusen,  für 
die  ich  den  Namen  Peltopsyche  MacLa- 
chlani  vorschlage,  wurde  bis  jetzt  nur  im 
Bache  Warnow  angetroffen,  wo  sie  in 
Gesellschaft  der  Peltopsyche  Sieboldii  lebt. 

5)  Gehäuse  u  n  g  e  w  i  s  s  e  n 
Ursprungs  (Fig.  9). 

In  verschiedenen  Bächen  habe  ich 
an  Orten,  wo  das  Wasser  fast  still  stand, 
an  dort  in  Verwesung  begriffenen  Baum- 
stämmen haftend,  mehr  oder  weniger 
cylindrische  Köcher  von  3  bis  4  cm 
Länge  bei  6  bis  10  mm  Durchmesser 
angetroffen,  die  aus  ziemlich  unregel- 
mässig an  einander  gefügten  Blattstücken 
und  anderen  Pflanzenfragmenten  zu- 
sammengesetzt waren.  Diese  Substanzen 
bildeten  verschiedene  über  einander  ge- 
legte Schichten,  so  dass  der  Durch- 
messer der  inneren  Höhlung  viel  kleiner 
als  der  der  äusseren  Oberfläche  war, 
und  bisweilen  nicht  einmal  auch  nur 
annähernd  die  Hälfte  desselben  erreichte. 
Nach  den  Substanzen,  aus  denen  sie 
sich  zusammensetzen,  ist  das  Aussehen 
dieser  Futterale  sehr  verschieden. 

So  ist  das  F'utteral  Fig.  9,  A  (aus 
dem  Bugrebache)  fast  ausschliesslich 
aus  Dicotyledonenblättern  verfertigt, 
zwischen  denen  man  einigen  Compo- 
siten-Samen  begegnet.  Dagegen  treten 
in  den  Bau  des  Futterals  Fig.  9,  B  (aus 
dem  Bache  Garcia)  nur  Bruchstücke 
von  Monokotyledonenblättern  ein,  die 
vielleicht  von  einer  Palme  stammen. 

Alle  Gehäuse,  die  ich  bis  jetzt  ge- 
sehen habe,  waren  schon  leer  und  ent- 
hielten nur  noch  abgelöste  Bruchstücke 
des  Larvenskeletts,  die  zwar  offenbar 
von  einer  Trichopterenlarvc  herrühren, 
aber  nicht  zu  entscheiden  gestatten,  zu 
welcher  Familie  sie  gehören  müssen. 


Ueber  die  von  den  Trichopterenlarven  der  Provinz  Santa  Catharina  verfertigten  Gehäuse. 


757 


Explica^äo  das  figuras  da 
estampa  LVI  ^). 

Fig.  I  (dimens.  nat).  A,  B  Casas  de  larvas 
de  uma  Hydropsychidea,  vivendo  nos  ro- 
chedos  de  cachoeiras.  C  casas  de  nymphas 
da  mesmas  especie.  O  secCj-Ao  transversal  de 
uma    destas    casas,    augmentada    tres    vezes. 

Fig.  2  (augm.  15  vezes).  A,  B,  C  Ex- 
tremo  posterior  de  casas  de  nymphas  de 
Grumichella,  visto  de  cima.  A\  B\  C  Dito 
visto  do  lado  esquerdo,  sendo  A,  Ä  da 
cachoeira    da    Triste  Miseria    de  Blumenau, 

B,  B'    de    uma    cachoeira  perto  de  Belxior, 

C,  C"  do  Ribeirilo  do  Caete.  D  Casa  de 
uma  larva  no\'inha  da  mesma  especie,  do 
Ribeirao  do  Caete,  vista  do  lado  direito.  -E, 
F,  G  Tampas  de  casas  de  nymphas  do 
mesmo  ribeirao. 

Fig.  3  (augm.  3  vezes).  Tubos  habitados 
por  larvas  intrusas.  (Tetracentron  ?)  sendo  A 
ate  G,  tubos  de  Setodes  geinma,  Hei 
tubos  de  Marilia  minor  e  K  um  tubo  da 
Grumichella. 

Fig.  4.  Casa  de  uma  larva  [Tetracentron?) 
do  Ribeirao  dos  Bugres  vista  pela  face  ventral 
(augm.  2   vezes). 

Fig.  5  (augm.  2  vezes).  Tubos  de  uma 
especie  de  Setodes.  A,  A  Tubo  de  larva  visto 
debaixo  em  A,  de  cima  em  A\  B.  C,  D 
Tubos  das  nymphas.  U  Tampa  do  extremo 
posterior  de  D  (augm.  6  vezes). 

Fig.  6.  A  tampa  da  casa  de  Helico- 
psyche  da  fig.  20  (Est.  LIV)  augm.  1 5  vezes. 
B,  C  Fendas  de  outras  tampas  da  mesma 
especie  augm.  45  vezes. 

Fig.  7.  Tampa  da  casa  de  Helicopsyche 
da  fig.   21   (Est.   LIV)  augm.   15  vezes. 

Fig.  8  (augm.  8  vezes).  Casas  de  Hydro- 
ptilideas  das  cachoeiras,  sendo  o  A  casa  de 
larva,  B  e.  C  casas  de  nymphas  fixadas  e 
suspensas  pelo  extremo  posterior. 

Fig.  g  (dimens.  nat.).  Estojos  de  algum 
Trichoptero  de  posigao  incerta,  sendo  A 
do  Ribeirao  dos  Bugres,  B  do  Ribeirao  do 
Garcia. 


Erklärung  der  Abbildungen 
auf  Tafel  LVI. 

Fig.  I.  (Nat.  Grösse.)  A,  B,  Larven- 
gehäuse einer  Hydropsychide,  die  an  den 
Felsen  von  Wasserfällen  lebt;  C,  Puppen- 
gehäuse derselben  Art ;  C",  Querdurchschnitt 
durch  eines  dieser  Puppengehäuse.     3:1. 

Fig.  2 .  (15  malige  Vergrösserung.)  A, 
B,  C,  hinteres  Ende  der  Puppengehäuse  von 
Grumichella,  von  oben  gesehen ;  A',  B\  C\ 
desgleichen,;  von    der  linken  Seite  gesehen ; 

A,  A\  vom  Wasserfall  des  „Traurigen  Jam- 
mers', in  Blumenau;  B,  B\  von  einem  Wasser- 
fall in  der  Nähe  von  Belxior;  C,  C",  aus 
dem  Bache  Caete ;  D,  Gehäuse  einer  jungen 
Larve  derselben  Art,  aus  dem  Bache  Caete, 
von  der  rechten  Seite  gesehen;  E,  F,  G, 
Deckel  von  Puppengehäusen  aus  demselben 
Bache. 

Fig-  3-  (3  malige  Vergrösserung.)  Von 
eingedrungenen  Larven  bewohnte  Röhren 
(Tetracentron?).  A—G,  Röhren  von  Seto- 
des gemma ;  H,  I,  Röhren  von  Marilia  minor  ; 
K,  eine  Röhre  von  Grumichella. 

Fig.  4.  Gehäuse  einer  Larve  (Tetra- 
centron?)  aus  dem  Bugresbache,  von  der 
Bauchseite  gesehen.    2:1. 

Fig.  5.  (2  malige  Vergrösserung.)  Röhren 
einer  Setodesart.  A,  Larvenröhre  von  unten ; 
A\  dieselbe  von  oben  gesehen;  B,  G,  D, 
Puppenröhren;  D\  Deckel  des  hinteren 
Endes  von  D.     6:1. 

Fig.  6.  Der  Deckel  des  Helicopsyche- 
gehäuses    von  Fig.  20.    (Taf.  LIV).      15:1. 

B,  C,  Spalte  anderer  Deckel    derselben  Art. 

45:  I- 

Fig.    7.       Deckel     des     Helicopsychege- 

häuses  von  Fig.  21.  (Taf.  LIV).   15  :  i. 

Fig.  8.  (8  malige  Vergrösserung.)  Hy- 
droptilidengehäuse  von  den  Wasserfällen. 
A,  Larvengehäuse ;  B,  C,  festgeheftete  und 
am  hinteren  Ende  aufgehängte  Puppenge- 
häuse. 

Fig.  9.  (Nat.  Grösse.)  Futterale  irgend 
einer  Trichoptere  unbestimmter  systema- 
tischer Stellung.  A,  aus  dem  Bugresbache; 
R,  aus  dem  Bache  Garcia. 


Errata.  Berichtigung  eines  Irrthums. 

Per  um  descuido  deixei  de  examinar  Durch   eine  Nachlässigkeit  habe  ich 

no  anno   passado  os  palpos  dos  machos     im    vergangenen    Jahre    versäumt,    die 


i)  Arch.  do  Mus.  Nac.   1878.  III.  213.  214. 


758 


Sobre  as  casas  construidas  pelas  larvas  de  Insectos  Trichopteros. 


e  por  isso  colloquei  erradamente  a  Grii- 
micha  na  familia  dos  Leptocerideas  (ou 
Mystacideas),  seguindo  o  exemplo  de 
Hagen  que  a  chama  de  Leptoceriis 
Grttmicha.  O  insecto  perfeito  concorda 
nos  esporoes  das  tibias  e  outrous  carac- 
teres  com  o  gcnero  Barypenthus,  de 
que  Burmeister  descreveu  duas  cspecies 
provenientes  de  Nova-Friburgo.  Ora, 
esse  genero,  a  que  a  Grttmicha  parece 
ser  alliada  foi  tambem  collocada  nova- 
mente  na  familia  das  Leptocerideas  por 
Mac  Lachlan.  O  meu^erro  provem  da 
nimia  confian^a  que  puz  .nesses  dous 
distinctos  entomologistas,  que  hoje  säo 
as  primeiras  autoridades  no  tocante  aos 
Trichopteros.  — 

Fritz  Müller. 


Taster  der  Männchen  zu  untersuchen 
und  desshalb  irrthümlicherweise  die  Gru- 
micha  in  die  Familie  der  Leptoceriden 
(oder  Mystaciden)  versetzt,  indem  ich  dem 
Beispiele  Hagen's  folgte,  der  sie  Lepto- 
cerus  Grumicha  nennt.  Das  vollkommene 
Insekt  stimmt  in  den  Schienspornen  und 
anderen  Merkmalen  mit  der  Gattung 
Barypenthus  überein,  von  der  Burmeister 
zwei  Arten  von  Neu-Freiburg  beschrieben 
hat.  Nun  ist  diese  Gattung,  der  die 
Grumicha  verwandt  zu  sein  scheint,  von 
MacLachlan  ebenfalls  kürzlich  in  die 
Familie  der  Leptoceriden  gestellt  worden 
Mein  Irrthum  kam  von  dem  zu  grossen 
Vertrauen  her,  das  ich  in  diese  beiden 
hervorragenden  Entomologen  setzte,  die 
heute  in  Bezug  auf  Trichopteren  die 
ersten  Autoritäten  sind. 

Fritz  Müller. 


Extracts  from  letters  regarding  Brazilian  caddis-flies^). 

(Letter  to  Mr.  M'Lachlan.) 

Mr.  M'Lachlan  exhibited  the  cases  and  sixteen  species  of  Brazilian  caddis- 
flies,  with  the  insects  bred  from  the  larvae  that  manufactured  some  of  them,  sent 
to  him  by  Dr.  Fritz  Müller,  from  Santa  Catharina.  Included  were  the  cases  ex- 
hibited at  the  meeting  of  the  4th  December  last.  Some  extracts  (with  notes)  from 
Dr.  Fritz  Müller's  letters  are  here  given :  — - 

"Helicopsyche.  In  some  cases  of  one  of  the  species  you  will  see,  well  pre- 
served,  the  oldest  part  of  the  case,  which  peeps  out  like  a  chimney  from  the  conical 
top.  There  are  here  two  or  three  other  species  of  Helicopsyche,  one  of  which 
lives  on  rocks  continually  wetted  by  the  spray  of  waterfalls:  the  pupa  of  this 
species  is  deprived  of  the  long  hairs  which  exist,  in  other  species,  on  the  first 
four  joints  of  the  fore  and  middle  legs,  and  which  the  pupse,  after  leaving  the 
case,  use  in  swimming  to  the  surface.  On  the  rocks  it  is,  of  course,  neither 
necessary  nor  possible  to  swim.  Should  not  Brauer's  Scetotricha  be  a  Helicopsyche? 
the  neuration  of  the  wings  is  very  similar  to  that  of  our  species-).  In  the  pupa 
of  Helicopsyche  ceylanica,  Brauer  ('Voyage  der  Novara',  Neuroptera)  describes 
the  first  Joint  of  the  maxillary  palpi  in  either  sex  as  being  much  shorter  than  the 
second;  but  this  is  not  the  case  with  our  species,  which  in  their  maxillary  palpi 
agree  with  Scutotricha.  Perhaps  there  may  not  be  any  real  difference  in  this 
respect  between  H.  ceylanica  and  the  Brazilian  species.  Brauer's  figure  of  the 
palpi  of  Helicopsyche  looks  as  if  there  were  something  wanting  at  the  base. 
There  are  several  other  differences  between  the  larvae  and  pupse  of  Helicopsyche 
1  have  examined  and  Brauer  s  description  of  H.  ceylanica ;  whether  they  be  real 
or  not  I  am  unable  to  decide.  The  anterior  margin  of  the  pronotum  of  the  larva 
is  armed,  in  our  several  species,  with  a  row  of  strong  spines,  straight  or  curved 
at  the  end.  The  branchiae  described  by  Brauer  I  have  been  unable  to  find  in 
any   of  our   species.     The   hooks  at  the  apex  of  the  abdomen  are  quite  different 

i)  Proceedings  Ent.  Soc.  London  1879.  p.  VI — VIII. 

2)  I  have  already  calied  attention  to  the  probability  that  Satotricha  may  be  allied  to  Helicopsyche, 
in  niy  'Revision  and  Synopsis  of  European  Trichoptera'  (pt.  V.,  p.  269,  Nov.   1876).  —  R.  M'L. 


-^Q  Extracts  from  lettres  regarding  Brazilian  caddis-flies. 

from  Brauer's  description.  The  lateral  tubercles  of  the  first  segment  of  the  ab- 
domen  are  beset  with  pairs  of  microscopical  spines.  In  describing  the  legs  of 
the  pupa,  Brauer  says  that  the  skin  of  the  pupa  bears  but  few  hairs;  if  indeed 
the  fore  and  middle  legs  of  the  pupa  were  hairless,  or  nearly  so,  H.  ceylanica 
would  probabl}'  not  live  in  the  water,  but  on  wet  places,  where  the  pupa  is  not 
obliged  to  swim.  According  to  Brauer  there  should  be  a  pair  of  horny  plates, 
armed  with  hooks,  on  the  back  of  abdominal  segments  2  —  6;  in  our  species  these 
exist  only  on  segments  3 — 6,  but  there  is  a  second  pair  on  segment  5,  with  the 
hooks  curved  in  an  opposite  direction.  Brauer's  figure  of  the  apex  of  the  ab- 
domen  shows  it  as  deprived  of  appendages.  I  cannot  help  thinking  this  must 
be  an  error;  all  our  species  have  well-developed  appendages  bearing  the  usual 
four  long  hairs. 

"The  pupse  of  a  species  of  Hydvopsichido'  living  on  the  same  rocks  here 
likewise  have  hairless  legs,  and  this  is  also  the  case  with  the  species  of  Lepto- 
ceridm  which  inhabits  Bromelka,  while,  in  a  closely  allied  species  ^)  living  in 
rivulets,  the  hairs  on  the  fore  and  middle  feet  are  well-developed,  as  you  will  see 
by  the  pupa-skins  I  send  you. 

"Of  the  other  species  I  send  you,  one  agrees  in  almost  every  particular  with 
Brauer's  description  of  the  New  Zealand  genus  Tetracentron,  so  that  I  presume 
it  will  belong  to  that  genus-).  The  larva  lives  in  hoUow  sticks  of  wood;  but, 
where  the  black  Dentalium-V^ke  tubes  abound,  it  sometimes  usurps  the  tubes  of 
this  latter  species.  The  tubes  described  by  Hagen  (Stett.  entom.  Zeit.,  1864,  p.  226» 
No.  23)  as  Leptocerus?  gj'umicha,  Vallot,  must  have  been  inhabitedby  strangers,  for 
they  were  closed  by  stones,  whereas  the  legitimate  owners  make  a  circular  cor- 
neous  operculum,  with  a  subcentral  opening.  Though  these  black  tubes  are  ex- 
tremely  abundant  in  some  places,  I  have  only  a  few  ill-preserved  insects,  which 
I  hope  to  replace  by  better  ones^). 

"There  is  another  smaller  species  which  also  lives  in  the  tubes  made  by 
different  Trichoptera,  and  which  has  the  curious  custom  of  fixing  to  the  mouths 
of  the  usurped  cases  sticks  of  wood.  Even  to  a  practised  eye  it  is  often  difficult 
to  discover  them  among  the  irregulär  straggling  sticks.  I  have  not  yet  bred  the 
insect  of  this  species,  but  judging  from  the  structure  of  the  larvse  it  must  be 
nearly  allied  to  Tetracentron. 

"Hydroptüidce.  The  cases  of  my  former  letter,  which  you  were  inclined 
to  doubt  as  belonging  to  Trichoptera,  are  those  of  Hydroptüidce.  I  have  often 
reared  the  imago.  The  family  appears  to  be  very  rieh  here.  I  already  know 
the  larvse  of  eleven  or  twelve  species.    The  most  curious  of  them  are  two  species 

1)  This  insect  belongs  to  Section  iv.  of  Leptocerida,  according  to  the  System  adopted  in  my  'Revision 
and  Synopsis  of  European  Trichoptera'.  It  probably  forms  a  new  genus  allied  to  Amsocentroptis  and 
Ganonetna.  The  cases  of  it,  and  of  that  inhabiting  the  Bromelice,  are  formed  of  large  pieces  of  leaves 
(or  entire  small  leaves)  attached  flatly  in  a  longitudinal  manner.  —  R.  M'L. 

2)  It  does  agree  with   Tetracentron  in  almost  every  particular.  —  R.  M'L. 

3)  These  black  tubes  have  probably  been  described  as  actual  shells  of  Dental/um.  Vallot  (Mem, 
Acad.  Dijon,  1855)  cites  doubtfully  Dentalium  corjietim,  Gmelin,  which  has  since  been  referred  as  the 
case  of  a  Trichopterous  insect,  as  identical  therewith,  and  renames  it  P]iryga7iea  grumicha.  The  insects 
sent  by  Dr.  Fritz  Müller  belong  to  the  Lcptocerida;,  but  to  an  undescribed  genus  of  uncertain  affinities 
—  R.  M'L. 


Extracts  from  letters  regarding  Brazilian  caddis-flies.  y5l 

which,  no  doubt,  form  a  ncw  gcniis  {Peltopsyche).  The  larvec  live  in  fixecl  flat 
shield-lii<c  cascs,  rescmbling  thc»  cgg-cases  of  NepJielis,  transversely  striatod  in 
one  species  (P.  Sieboldi),  smooth  in  the  other  (P.  Maclachlani).  The  antcnnae  of 
the  male  are  vcry  curious,  and  very  difforont  in  the  two  species.  Spurs  2.4.4. 
The  antennte  of  P.  Sieboldi  are  13-jointed  in  the  male,  and  the  number  is  pro- 
bably  the  same  in  P.  Maclachlani;  in  the  female  the  joints  are  more  numerous^). 

''Chimarrha?  The  larvae  of  somc  Rhyacophilidce  (Chimarrha?)  live  in 
movable  cases.  These  larvae  remove  the  ventral  wall  of  their  houses  before  fixing 
them  to  some  stone. 

"The  number  of  species  of  Trichoptera  that  I  have  seen  here,  either  in  the 
larval  or  perfect  State,  is  about  forty." 


i)  The  structure,  and  especially  the  habits,    of  Peltopsyche  differ  so  inuch   from  other  Hydroptüidce 
that  one  is  tempted  to  doubt  if  it  really  belong  to  the  family.  —  R.  M'L. 


On  a  trichopterous  insect  belonging  to  the  famlly 
Leptoceridae  with  branchiae^). 

The  Secretary  exhibited  a  specimen,  in  alcohol,  of  a  trichopterous  insect, 
showing  tracheo-branchise,  sent  from  Brazil  by  Dr.  Fritz  Müller,  who  communicatcd 
the  following  note  concerning  it:  — 

"I  send  you  enclosed  a  trichopterous  insect  belonging  to  the  family  Lepto- 
ceridce,  which  shows  very  distinctly  the  branchiae  lately  discovered  in  the  imago 
stage  of  this  order  by  Dr.  Palmen  ^},  of  Helsingfors.  As  these  branchiae  cannot 
be  readily  seen  excepting  immediately  after  transformation,  I  think  man}^  members 
of  the  Entomological  Society  may  not  yet  have  seen  them.  I  may  add  that 
Dr.  Palmen's  view,  that  the  branchiae  persist  in  all  those  Trichoptera  the  larvse 
and  pupae  of  which  possess  them,  does  not  hold  good.  At  least  in  one  species 
of  Leptoceridm  I  have  observed  that  they  are  cast  when  the  pupa  undergoes  its 
final  transformation." 

Mr.  M'Lachlan  said  that  the  discovery  by  Dr.  Palmen  of  branchiae  in  the 
perfect  insects  of  many  Trichoptera  was  an  extension  of  the  observations  originally 
made  by  Newport  ^),  and  after  him  by  Gerstäcker  and  others,  as  to  the  existence 
of  branchiaß  in  the  imagos  of  various  Perlida'.  Dr.  Palmen  appeared  to  be  of 
opinion  that  these  persistent  branchiae  serve  no  functional  purpose  in  Trichoptera, 
and  alludes  to  them  more  particularly  as  proving  that  the  branchial  System  of 
the  larva  and  the  stigmatic  System  of  the  imago  have  no  genetic  connection,  since 
in  the  imago  branchiae  and  Stigmata  may  cxist  side  b}'  side.  Mr.  M'Lachlan 
further  alluded  to  the  existence  of  marked  branchial  filaments  in  the  imago  of 
various  other  genera  of  European  Trichoptera  not  especialh^  alluded  to  by 
Dr.  Palmen,  such  as  Diplectrona,  Plectrocnemia  and  allies,  Ptilocolopus,  &c., 
and  thought  they  might  yet  be  found  to  serve  a  functional  (respiratory)  purpose. 
The  insect  sent  by  Dr.  Fritz  Müller  showed  two  or  three  branchial  filaments  on 
each  side  of  most  of  the  abdominal  segments. 

1)  Trans.  Ent.  Soc.  London  1879.  Proc.  p.  XIII.  XIV. 

2)  'Zur  Morphologie  des  Tracheensystems',   1877. 

3)  Ann.  &  Mag.  Nat.  Hist.   1844.     Trans.  Linn.  Soc.  xx.  p.  425  (1851). 


Notes  on  the  Cases  of  some  South  Brazilian 

Trichoptera^f). 

Little  is  known  about  the  cases  of  extra-European  Trichoptera.  A  short  ac- 
count  of  those  observed  by  me  in  Southern  Brazil  may  therefore  be  of  some 
interest. 

Of  the  seven  famihes  into  which  Trichoptera  are  at  present  divided,  only 
five  have  as  yet  been  found  here,  viz.,  Sericostomidce ,  Leptoceridcc ,  Hydro- 
psychidcc,  RJiyacophilidcc  and  Hydroptilidm.  These  may  be  grouped  into  two 
main  divisions  according  as  their  pupse  are  active  or  inactive.  In  the  first  group 
comprising  the  Sericostomidce,  Leptoceridce  and  Hydropsychidce,  the  case  of  the 
pupa  is  provided  with  small  opcnings  at  either  end,  through  which  a  continnal 
current  of  water  passes  moving  from  the  anterior  to  the  posterior  extremity.  The 
pupa  is  in  incessant  activity  to  maintain  this  current;  this  is  done,  at  least  in 
most  species,  principally  by  the  appendages  at  the  end  of  the  abdomen,  which 
may  be  seen  playing  in  the  opening  at  the  hind-end  of  the  case.  In  the  second 
group,  containing  the  Rhyacophilidce  and  Hydroptilidce^  the  larva  spins  a  cocoon 
closed  all  aroünd,  in  which  the  pupa  lies  quite  motionless.  This  cocoon  is  either 
free  within  the  case  {Rhyacophilidce),  or  confluent  with  the  walls  of  it  {Hydro- 
ptilidce).  The  fixity  or  mobility  of  the  cases  does  not  afford  a  distinctive  character 
of  the  two  last-named  families;  for  there  are  not  only  Rhyacophilideous  larvae 
living  in  portable  cases  and  Hydroptilideous  larvae  living  in  fixed  ones,  but  there 
are  even  cases  fixed  and  movable  at  the  same  time,  being  fastened  by  a  long 
flexible  string  {Rhyacopsyche). 

Sericostomidae. 

This  family,  as  far  as  I  know,  is  here  represented  only  by  the  curious  genus 
Helicopsyche,  of  which  I  have  seen  about  half-a-dozen  species.  The  case  of  one 
species   is   remarkable  for  the  first  built  portion  of  it  being  straight.     When  pre- 

1)  Trans  Ent.  Soc.  London   1879.  [).   131  — 144. 

2)  Figures  and  füll  descriptions  of  the  cases  mentioned  in  the  follovving  notes  have  been  sent  for 
publication  to  the  "Archivos  do  Museu  Nacional  do  Rio  de  Janeiro".  (=  Ges.  Schriften  S.  644  ff.)  [Some 
additional  notes  appear  in  the  Report  of  the  Proceedings  of  the  Meeting  of  the  Entomological  Society, 
held  on  the  2nd  April,   187g;  cf.  Proceedings,  pp.  vi — viii.  (=  Ges.  Schriften  S.  762)  — Ed.]. 


•j()A  Notes  on  the  Cases  of  some  South  Brazilian  Trichoptera. 

served  in  adult  spccimens,  this  oldcst  portion  pecps  out  from  the  top  of  thc  hclici- 
form  case  likc  a  littlc  chimney.  Most  of  the  larvae  of  Helicopsyche  are  rather 
sluggish  animals,  often  resting  motionless  on  the  same  spot  for  the  whole  day; 
they  then  retire  into  their  cases  after  having  fixed  thcm  tcmporarily  with  some 
threads  of  silk,  a  custom  which  is  to  be  observed  also  in  various  L(^ptocerideous 
larvae.  In  none  of  our  species  have  I  seen  branchias,  which,  according  to  Brauer, 
exist  in  Helicopsyche  ceylanica.  Before  passing  into  the  pupa  State,«  the  larva 
shuts  its  case  with  a  flexible  corneous  covering,  provided  in  most  of  our  species 
with  a  long,  simple  transverse  slit;  in  one  species  the  margins  of  the  slit  are  ser- 
rated,  and  in  another  species  there  is  no  slit  at  all,  but  a  sieve-Hke  spot  near  the 
centre  of  the  covering.  As  to  thc  pupse,  Brauer  says,  that  those  of  H.  ceylanica 
have  a  pair  of  hook-bearing  corneous  patches  at  the  basis  of  the  abdominal  Seg- 
ments from  the  second  to  the  sixth,  and  there  are  also  five  pairs  in  his  figure. 
This  would  be  very  stränge,  for  the  number  and  shape  of  these  patches  is  gencrally 
very  constant  within  the  limits  of  the  same  genus,  and  in  all  our  species  of 
Helicopsyche  there  are  four  pairs  only,  situated  at  the  basis  of  the  third,  fourth, 
fifth  and  sixth  abdominal  segments;  each  patch  bears  near  its  posterior  cnd  two 
or  three  short,  rather  blunt  teeth,  which  are  directed  backwards.  There  is  also, 
as  usually,  a  pair  of  corneous  patches  at  the  end  of  the  fifth  abdominal  segment, 
armed  with  strong,  sharp,  curved  teeth,  which  are  directed  forwards. 

One  of  our  species  of  Helicopsyche  lives  on  rocks  wetted  by  the  spray  of 
waterfalls;  it  is  by  far  more  lively  than  the  other  species.  The  waterfalls,  which 
are  of  very  frequent  occurence  in  all  our  mountain  rivulets,  are  generally  frequented 
by  three  more  species  of  Trichopterous  larvae,  belonging  to  three  different  families 
{LeptoceridcE,  Hydro psychidce  and  Hydroptilidm).  Now  the  pupae  of  those  four 
widely-different  species  agrce  in  their  feet  of  the  second  pair  of  legs  bcing  deprived 
of  the  fringes  of  long  hairs,  by  the  aid  of  which  the  pupae  of  other  Trichoptera 
swim  to  the  surface  of  the  water  when  they  are  about  to  undergo  their  final 
transformation. 

In  those  species  of  Helicopsyche,  which  I  have  bred,  the  perfect  insects  used 
to  emerge  from  the  pupae  soon  after  sunset. 

Leptoceridse. 

Of  M'Lachlan's  first  section  of  this  family  I  have  not  yet  seen  here  any  species. 

Sectio n  IL 
Two  of  our  genera  appear  to  belong  to  this  section. 

Genus  I. 

(Near  Odontoceriim,  though  distinguished  by  numerous  differences.    Antennae 

not  dentate ;  eyes  of  the  d"  very  large,  meeting  on  the  vertex  in  one  species 

and   nearly   so    in    another;    radius   of  the  anterior  wings  confluent  at  its 

apex  with  the  first  apical  sector,  &c.) 

The   case  of  the  larva  is  a  slightly-curved,  cylindrical,   firm  tube,  built  with 

sand  grains;  the  tail-end  is  closed  with  a  transverse  wall,  having  at  its  upper  or 

dorsal  margin  a  rather  large  oval  or  semicircular  opening.     Before  its  change  the 


Notes  on  the  Cases  of  some  South  Brazilian  Trichoptera.  ib'^ 

larva  cuts  a  portion  of  the  tail-end  of  its  tube  and  then  fixes  the  ventral  side  of 
either  end  and  closes  them  by  a  Single  stone  (in  one  species),  or  by  a  wall  built 
of  several  fragments  of  stone  (in  a  second  species),  in  such  a  way  that  thcrc 
remains  at  the  ventral  side  of  each  cxtremity  a  narrow  crescentic  slit,  the  ventral 
margin  of  which  is  beset  with  a  row  of  teeth.  It  is  curious  that  th(i  manner  of 
closing  the  tail-end  should  be  quite  different  in  the  larva  and  in  the  pupa  cases. 
The  pupa  has  five  pairs  of  corneous  patches  at  the  basis  of  the  abdominal  Seg- 
ments (from  third  to  seventh),  each  of  the  patches  bearing  a  Single  blunt  tooth, 
and  there  is  the  usual  pair  of  patches  at  the  end  of  the  fifth  segment,  having 
two  short  sharp  teeth. 

The  perfect  insects  emerge  from  the  pupae  in  the  evening,  generally  latcr 
than  Helicopsyche.  On  this  occasion  the  fasciculate  branchise  of  the  pupa  are 
shed,  like  those  of  Ephemeridai,  and  this  is  the  most  remarkable  feature  of  the 
genus;  for  it  appears,  that  in  most  Trichoptera  the  branchise  of  the  pupa  subsist 
in  the  imago  in  a  rudimentary  condition. 

There  are  here  two  species  of  this  genus,  differing  much  in  size,  the  larvcC 
of  which  live  in  clear  rivulets;  a  third  species  of  larvse,  building  unusually  short 
and  wide  tubes,  of  which  I  have  seen  but  hery  few  specimens  in  the  River 
Itajahy,  probably  belongs  to  the  same  genus. 

Genus  II.  Grumicha,  of  Saint  Hilaire. 
The  wings  having  no  median  cell,  the  insect  cannot  be  placcd  in  M'Lachlan's 
fourth  section,  while,  by  the  moderate  length  of  the  antennae  and  the  presence 
of  the  apical  fork,  No.  2,  in  all  the  wings  it  is  excluded  from  Section  III.  Thus 
I  place  it  here,  though  it  shows  no  particular  relation  to  Odontocerum.  (Spurs  2,  2,  2. 
Discoidal  ceU  closed,  and  radius  connected  to  the  first  apical  sector  by  a  trans- 
verse  nervule  in  all  the  wings.  Apical  forks,  Nos.  i,  2,  3,  5  in  the  anterior  i,  2,  5 
in  the  posterior,  wings.)  The  weUknown  black  Dentalium-like  tubes  of  the  larvse 
are  frequent  in  some  of  the  larger  tributaries  of  the  Itajahy.  The  larvse  are  re- 
markable for  the  tibise  of  the  hind  legs  consisting  of  two  joints.  The  tail-end  of 
the  tube  is  closed  with  a  transverse  wall,  having  a  central  circular  opening\ 
Before  its  change  the  larva  fixes  the  mouth-end  of  its  tube  by  a  petiolated  disc 
to  some  stone  or  to  other  tubes  of  the  same  species.  Clusters  of  more  than  a 
hundred  specimens  are  sometimes  found.  The  mouth-end  of  the  tube  is  closed 
with   a  circular   covering,   provided  with  a  transverse  opening  beneath  its  centre. 

Section  II I. 
Genus  I.  Tetracentron,  Brauer. 
One  species  of  this  New  Zealand  genus  is  extremely  common  here.  The 
larva,  which,  like  those  of  Grumicha,  have  two-jointed  tibise  on  the  hind  legs, 
lives  in  sticks  of  wood,  fragments  of  branches,  of  pctioles  of  Cecropia  leaves,  &c. 
These  are  hoUowed  out  in  convenient  lengths,  and  a  semicircular  piece  is  cut 
away  from  the  ventral  side  of  the  mouth-end,  so  that  the  dorsal  side  projects, 
protecting  the  larva  when  crawling  about;  besides  this,  for  more  protection,  a 
small  stone  is  fastened  to  the  projecting  dorsal  side,  which  closes  the  entrance 
when  the  larva  retires  into  its  case,  and  Covers  its  head  when  feeding.     Near  the 


n(j(j  Notes  on  the  Cases  of  some  South  Brazilian  Tiichoptera. 

end  of  the  boring  a  small  hole  is  gnawed  through  the  wall  of  the  stick  for  the 
issue  of  the  respirator}'  current.  For  its  transformation  the  larva  fixes  the  ventral 
side  of  the  mouth-end  of  its  case  to  some  stone  or  tree  (preferring  the  latter, 
when  obtainable),  and  closes  the  entrance  with  a  stone;  the  interior  of  the  stick  is 
clothed  with  a  silken  tissuc,  forming  a  cylindrical  cocoon,  closed  with  a  sieve  at  either 
end;  the  centre  of  the  anterior  sieve  is  attached  to  the  stone,  which  serves  as  a 
covering.  It  often  happens  that  the  larvae  find  hollow  sticks;  but  even  then  they 
gnaw,  before  their  change,  a  quite  purposeless  hole  through  the  wall  of  the  stick. 
(See  Kosmos,  "Gratulationsheft  zum  70jährigen  Geburtstage  Ch.  Darwins",  p.  395, 
fig.  6.)  ^)  The  pupse  agree  in  the  number  and  arrangement  of  the  corneous  patches 
of  the  abdomen  with  those  of  Helicopsyche,  but  each  patch  is  armed  with  from 
four  to  six  sharp  hooks.  The  branchise  of  the  pupa  are  not  shed  in  the  final 
transformation ;  they  can  easity  be  seen  in  the  imago  when  it  is  put  into  spirits 
of  wine  immediately  after  issuing  from  the  pupa. 

Sometimes  tubes  of  Gruniiclia  are  met  with,  which,  instead  of  a  corneous 
covering,  are  shut  with  a  stone  (such  were,  e.  g.,  the  tubes  described  by  Hagen 
in  Stettin,  entom.  Zeit.  1864,  p.  226),  and  these,  on  examination,  are  found  to  con- 
tain  pupae,  not  of  the  maker  of  the  tube,  but  of  an  intruding  Tetracentron.  I 
do  not  know  whether  it  is  a  distinct  species. 

In  some  small  mountain  rivulets  I  have  found  tubes  of  various  smaller  Lepto- 
ceridtT  [Setodes  (?),  Grumichella,  &c.)  tenanted  by  intruders,  which  have  the  curious 
habit  of  fastening  to  the  mouth-end  of  the  tube  bits  of  wood  or  sticks,  sometimes 
much  longer  than  the  tube,  and  concealing  it  almost  completely.  I  have  not  3^et 
seen  the  imago,  but  the  larv?e  agree  (e.  g".,  in  the  two-jointed  tibise  of  the  hind 
legs)  with  those  inhabiting  hollow  sticks. 

Genus  IL    Grumichella,  nov.  gen. 
(Very  nearly  related  to  Leptocerus.     The  neuration  of  the  anterior  wings  is 
quite  the  same;  in  the  posterior  wings  apical  fork  No.  i  is  wanting,  while 
Nos.  3  and  5  are   present   in   both  sexes.     Proportion  of  the  joints  of  the 
maxillar}^  palpi   10,   15,  20,  9,  17.) 
The  larvse   inhabit   waterfalls  and  rapids  of  mountain  rivulets.     But  for  size 
their   tubes  closeh^  resemble  those  of  Gruniicha,   which  are  thrice  as  long.     It  is 
rather   curious   that   those   almost    identical   tubes   should   belong   to  species  quite 
different  in  their  larval,  pupal  and  imago  states. 

The  tubes  of  Grumichella  show  two  interesting  contrivances,  by  which  the}' 
are  adapted  to  their  peculiar  habitat — i,  from  the  wall  which  closes  the  tail-end 
of  the  tube,  and  which  has,  as  in  Grumicha,  a  central  circular  opening,  tliere 
projects,  on  the  ventral  side  of  the  opening,  a  short,  stout,  triangulär  tooth  or 
spur,  which,  being  inserted  into  minute  crevices  of  the  rocks,  probabl}?^  serves  to 
give  hold  to  the  tubes;  2,  the  little  petiole  or  foot-stalk  of  the  diso,  by  which  the 
pupa  case  is  fastened,  does  not  proceed,  as  in  Grumicha,  from  the  margin  of  the 
tube,  but  from  the  corneous  covering.  The  pupa  cases  being  usually  fastened 
with  the  mouth-end  turned  upwards  to  perpendicular  rocks,  along  which  a  thin 
sheet  of  water  is  pouring  down,  if  th(!  tubes  were  fastened,  the  pupa',  after  having 

I)  =  Ges.  Schriften  S-  685. 


Notes  on  the  Cases  of  some  South  Brazilian  Trichoptera.  ^5y 

loosened  the  covering,  would  hardly  be  iihle  to  creep  out  of  their  tubes,  and,  if 
the}'^  succeeded  in  doing  so.  the  tender,  fragile  creatures  would  almost  infaUibly 
be  crushed.  But  now,  after  loosening  the  covering  which  remains  fastencd  to  the 
rock,  they  are  within  their  tubes  safely  carried  avvay  by  the  water  to  some  quiet 
place,  where  the}-  ma}"  with  leisure  creep  out  and  undergo  their  final  trans- 
formation.  The  pupa  is  remarkable  for  its  last  abdominal  segment  being  unusually 
long  (as  long  as  the  three  preceding  ones),  and  tapering  towards  the  end.  Number 
of  dorsal  patches  as  in  Helicopsyche,  each  patch  armed  with  two  short,  sharp  teeth. 

Genus  III.    Setodes  (?). 

There  are  here  three  species  agreeing  in  general  appearance  and  in  the 
neuration  of  the  anterior  wings  (one  of  them  even  in  colouring)  with  Setodes 
punctata  and  viridis;  but  the  posterior  wings  are  broader. 

The  larva3,  the  antennse  of  which  are  longer  than  in  any  other  Leptocerideous 
larva  known  to  me,  live  in  narrow,  cylindrical,  straight  or  slightly-arcuated  leathery 
tubes.  Before  its  change  the  larva  considerably  shortens  its  tube,  the  ventral 
side  of  either  end  of  which  is  then  fixed  by  means  of  a  disc,  usually  bilobed, 
and  the  extremities  closed  with  coverings  having  a  central  circular  or  elliptic 
opening.  The  appendages  at  the  end  of  the  abdomen  of  the  pupa  are  ver}'  long ; 
the  number  of  the  dorsal  patches  is  as  in  Gruniichella,  &c.,  those  at  the  basis 
of  the  4th,  5th  and  6th  segments  have  two  or  three  teeth,  but  those  at  the  basis 
of  the  third  and  at  the  end  of  the  fifth  segments  have  two  pairs  of  teeth,  those 
of  one  pair  being  much  smaller. 

In  one  of  the  three  species  the  slightly-arcuated  brown  tubes  are  covered 
with  very  fine  sand;  the  larva?  of  this  species  swim  ver}^  well,  their  hind  legs 
being  furnished  with  long  fringes.  The  imago  is  the  most  beautiful  Trichopterous 
insect  I  have  ever  seen. 

In  the  second  species  the  straight  tubes  are  covered  with  narrow  bits  of 
wood  or  other  vegetable  fibres;  those  on  the  back  are  arranged  longitudinally, 
projecting  considerably  beyond  the  mouth-end  of  the  tube;  those  on  the  sides 
and  beneath  are  disposed  in  an  oblique  direction. 

In  the  third  species  to  either  side  of  the  back  of  the  straigth  tube  there  are 
fixed  a  row  of  bits  of  wood,  projecting  laterally,  and  generally  decreasing  towards 
the  tail-end. 

Genus  IV. 
From   the   great  length  of  its  hind  legs  I  suppose  that  a  little  larva,   which 
makes   curious   nearly   c)'lindrical    cases    with    the   seeds   of  Callitriche,    must  be 
placed  in  this  section. 

Section  IV. 
The  cases  of  the  three  species  of  this  section,  with  the  larva?  of  which  I 
am  acquainted,  differ  from  those  of  all  other  Leptoceridcc,  by  their  inner  silken 
tube  being  much  flattened,  the  height  being  equal,  or  nearly  so,  to  half  the 
breadth.  The  external  aspect  of  the  cases  is  yet  much  more  flattened  and  broad; 
for  they  are  covered  with  bits  of  leaves,  which  laterally  project  more  or  less 
beyond  the  inner  tube. 


^58  Notes  on  the  Cases  of  some  South  Brazilian  Trichoptera. 

In  the  largest  species  the  cases  of  adiüt  larvse  are  usuall}^  made  of  four 
leaves  (sometimes  there  are  but  three),  t\vo  forming  the  ventral  and  two  the  dorsal 
side ;  the  anterior  dorsal  leaf  is  produced  far  ov^er  the  ventral  one,  so  as  to  protect 
the  larva  when  moving  about.  This  species  lives  in  rivulets.  The  case  of  the 
pupa  is  fixed  at  the  mouth-end,  either  extremity  of  the  interior  tube  being  closed 
with  a  sieve. 

In  the  smallest  species,  which  lives  on  trees  between  the  leaves  of  BromelicB, 
there  are  generally  five  or  six  bits  of  leaves  on  the  ventral,  and  one  more  (six 
or  seven)  on  the  dorsal  side  of  the  tube.  Before  its  change  the  larva  closes  the 
mouth  end  by  fastening  one  more  bit  of  leaf  to  the  ventral  side. 

This  is  also  done  by  the  third  species,  intermediate  between  the  other  two 
in  size  as  well  as  in  the  number  of  leaves  used  in  the  construction  of  its  case; 
there  are  generally  three  or  four  on  the  ventral  and  four  or  five  on  the  dorsal 
side.  This  species  lives  principall}'  in  very  small  rivulets,  with  hardlv  anv  water, 
trickling  along  a  declivitous  rock}-  ground. 

To  the  different  habitat  of  these  three  species  corresponds  a  remarkable 
difference  in  the  feet  of  the  pupae.  In  the  first  species  there  are  not  onl}^  dense 
fringes  of  long  hairs  on  the  second  pair,  but  similar  hairs,  though  much  less 
developed,  exist  also  on  the  fcet  of  the  fore-legs,  These  fringes  are  rather  rudi- 
mentary  in  the  third  species,  and  completely  wanting  in  the  Bromelia  species, 
which   in   this  respect  agrees  with  the  waterfall  Trichoptera. 

The  pupae  have  more  dorsal  patches  than  any  other  of  our  Leptoceridai ;  for 
there  is  a  pair  on  the  eighth  abdominal  segment  also,  and  besides  this,  there  is 
on   the   back   of   the   ninth  segment  a  pair  of  long  spcar-shapcd  horny  processes. 

The  first  species  emerges  from  the  pupa  in  the  evening,  as  most  Lepto- 
ceridce  do,  but  the  Bromelia  species  usually  durin g  the  first  hours  of  the  after- 
noon  (at  least  in  captivity).  The  branchise  of  the  pupa  subsist,  in  a  rudimentär}' 
condition,  in  the  perfect  insect. 

The  three  species  agree,  not  only  in  the  construction  of  their  cases,  in  the 
structure  of  their  larvae  and  pupse,  but  also  in  the  neuration  of  the  wings  and 
other  characters  of  the  perfect  insects  (in  all  the  wings  the  radius  is  confluent  at 
its  apex  with  the  first  apical  sector;  in  the  posterior  wings  tho  discoidal  cell  is 
open,  the  apical  forks  Nos.  2,  3  and  5  being  present).  It  would  be  most  un- 
natural to  separate  them  into  two  genera,  and  yet  they  differ  in  the  number  of 
spurs.  In  the  Bromelia  species  there  are  2,  4,  2  in  both  scxes,  while  the  other 
two  have  2,  4,  4.  In  any  other  respect  the  intermediate  species  resembles  more 
closely  to  the  Bromelia  species  than  to  the  larger  one,  with  which  it  agrees  in 
the  number  of  spurs. 

Hydropsychidse. 

Genus  I.    Macronema. 

The  larva  of  one  species  is  extremely  common,  being  mct  with  almost  every- 

where  under  large  stones.    The  larva  makes  a  very  rüde  dwcUing  with  irregularty- 

accumulated  and  loosely-connected  stones.     The  case  of  the  pupa  is  b}'^  far  more 

solid    and    regulär,   at   least   when    viewed   from  within.     The  inner  room  is  oval. 


Notes  on  the  Cases  of  some  South  Brazilian  Trichoptera.  y5Q 

the  surface  smooth,  and  the  stones  of  the  wall  firmly  connected.  At  either  end 
a  few  small  openings  ma}^  be  detected,  leading  through  the  wall.  Within  the 
case  there  is  a  cylindrical  silken  cocoon,  which  is  loosely  connected  with,  but 
may  be  easily  separated  from,  the  walls  of  the  stone-case,  and  which  has  a  trans- 
verse  sieve  at  either  end. 

Genus  II.  Tinodes  (?). 
Cases  similar  in  general  appearance  to  those  of  Tinodes  macidicornis  are 
very  common  on  rocks  exposed  to  the  spray  of  waterfalls.  They  consist  of  a 
soft  Silken  ribbon  interwoven  and  covered  with  microscopical  algse,  diatoms  and 
mud,  and  curved  into  a  semicylinder.  These  canals  without  a  basal  wall  can 
hardly  be  called  "tubes".  The  larva  is  remarkable  for  its  very  long  spinneret, 
which  projects  beyond  the  head.     I  have  not  yet  seen  the  imago, 

Genus  III. 
I  do  not  know  the  imago;  in  the  pupa  I  found  2,  4,  4  spurs.  The  cases,  of 
which  I  have  seen  but  veryr  few  specimens  in  the  River  Itajahy,  are  interesting 
on  account  of  their  close  resemblance  to  those  of  the  Hydroptilideus  genus  Pelto- 
psyche;  indeed,  before  I  had  an  opportunity  of  examining  the  larva?  and  pupse  I 
supposed  them  to  be  some  new  species  of  Peltopsyche,  or  even  unusually  large 
specimens  of  Peltopsyche  Maclachlani.  They  are  flat,  elliptical,  smooth,  buff- 
coloured  shields,  with  a  small  opening  at  either  end,  fixed  to  the  upper  side  of 
stones. 

Genus  IV.    Rhyacophylax,  nov.  gen. 

(Apears  to  be  nearly  related  to  Smicridea,  but  the  number  of  spurs  is  dif- 
ferent,  being  i,  4,  4  in  the  $,  and  i,  4,  2  in  the  S) 

This  is,  no  doubt,  as  to  the  cases,  the  most  curious  of  all  our  Hydropsychidce. 
The  cases  themselves  are  rather  rüde  canals,  covered  with  irregularly-interwoven 
vegetable  fibres,  but  at  its  mouth-end  each  case  has  a  large  funnel-shaped  verandah, 
covered  with  a  very  beautiful  silken  net.  The  larvae  live  in  the  rapids  of  various 
rivulets,  and  the  entrance  of  the  verandah  is  invariably  directed  towards  the  upper 
part  of  the  rivulet,  so  as  to  intercept  any  eatable  things  brought  down  by  the 
water.  Generally,  a  more  or  less  considerable  number  of  larvse  build  their  cases 
close  together,  so  as  to  form  transverse  rows,  on  the  Upper  side,  of  stones.  Lately, 
I  saw,  on  a  large  stone,  about  half-a-dozen  parallel  rows,  at  some  distance  from 
one  another;  one  of  them,  being  about  0.2  m.  long,  must  have  been  composed  of 
about  thirty  cases.  Before  the  end  of  the  larval  period  the  vegetable  fibres  are 
replaced  by  small  stones,  and  the  verandah  is  destroyed,  either  by  the  larva  or 
by  the  current  of  the  water.  One  day,  when  I  was  taking  to  my  house  a  stone 
with  beautiful  RJiyacophylax  cases,  some  of  the  larvse  left  their  houses,  crept  to 
the  edge  of  the  stone  and  then  descended,  suspending  themselves  in  the  air,  like 
Spiders,  by  a  thread  of  silk.  The  larva>  of  Grumichella,  also,  may  be  seen 
suspending  themselves  in  the  water  in  a  similar  way.  Such  a  faculty  must  prove 
highly  serviceable  to  larvee  living  in  rapids,  where  they  might  otherwise  be  easily 
swept  away  b}'  the  current. 

Fritz  Müllers  gesammelte  Schriften.  49 


n-iQ  Notes  ou  the  Cases  of  sonie  South  Brazilian  Tricboptera. 

Rhyacophilidse. 

Genus  I. 

(Spurs  of  a  J  piipa  2,  4,  4.) 

The  larva  lives,  principally,  without  any  case,  between  the  etangled  stems 
of  various  Podostemece,  which  densely  cover  the  stones  in  the  rapids  of  the 
Itajahy  and  its  tributaries.  It  is  carnivorous,  fragments  of  insect  larvae  (Hydro- 
psychidcB,  Perlidce,  &c.)  being  found  in  its  intestines,  and  its  anterior  legs  are 
armed  with  very  powerful  and  curious  forceps;  the  femur  is  very  thick,  and  has 
on  its  distal  inferior  angle  a  stout  process,  resembling  the  thumb  on  the  hand  of 
a  crab;  the  tibia  and  tarsus  are  extremely  short,  so  that  the  curved  claw  im- 
pinges  against  the  process  of  the  femur.  The  cocoon  of  the  pupa,  also,  is  not 
protected  by  a  regulär  case;  sometimes  there  are  some  loosely-connected  stones 
around  it,  but  at  other  times  it  appears  to  lie,  without  an)^  special  protection, 
between  the  Podostemecp,.  The  feet  of  the  first  and  second  pair  of  legs  are  pro- 
vided  in  the  pupa  with  strong  well-developed  claws,  which  I  have  notyet  seen 
in  any  other  Trichopterous  pupa.  They  are,  probabl}',  very  useful  to  the  pupa 
of  this  species,  which  has  to  make  its  way  between  the  densoly-intricate  stems  of 
Podostemece. 

Genus  IL 

The  larvse  of  some  smaller  species  of  Rhyacopliilidcp  build  portable  cases, 
agreeing  with  those  of  most  Hydroptilidcf  in  not  showing  any  difference  between 
the  two  extremities.  They  are  built  of  stones,  oval,  with  a  flat  bottom,  on  either 
end  of  which  there  is  an  opening;  the  stones  generally  being  of  comparatively 
large  size,  the  external  aspect  is  often  very  irregulär.  As  the  two  doors  of  these 
httle  stone-houses  are  in  the  flat  bottom,  they  would  not  freely  admit  the  water 
necessary  for  respiration,  when  the  larva  is  at  rest,  and  there  are  special  contri- 
vances  for  the  access  of  water  varying  in  the  several  species.  In  one  species, 
frequenting  small  mountain  rivulets,  small  passages  are  left  between  the  stones 
of  the  dorsal  side  of  the  house.  In  another  species,  which  often  Covers  by  count- 
less  thousands  the  stones  in  clear  streams,  an  upright  cylindrical  chimney,  made 
of  grains  of  sand,  rises  from  the  middle  of  the  house ;  its  height  sometimes  equals, 
or  even  exceeds,  the  length  of  the  house.  When  the  larva  is  about  to  change, 
the  bottom  and  chimney  are  removed,  the  borders  of  the  vault  are  fixed  to  the 
stone,  on  which  it  lives,  and  then  a  cocoon  of  the  usual  form  is  spun. 

Hydroptilidee. 
In  Hagen's  list  of  South  American  Neuroptera  (Synopsis  of  the  Neuroptera 
of  North  America,   1861,  p.  299),   no   species  of  this  family  is  mentioned,   and  yet 
it  will  probably   prove  to  be  one  of  the  most  numcrous  Trichopterous  families  in 
this  country,  including  the  most  varied  and  remarkable  larval  cases. 

Genus  I. 
There   are  here   various   species,   the   cases  of  which  resemble  more  or  less 
closely   the   well-known    cases   of  Phrixocoma  piilcJiricoi-nis,    being    much   c^om- 
pressed  from  the  sides  and  opened  by  a  narrow  slit  at  each  end.    They  are  either 


Notes  on  the  Cases  of  some  South  Brazilian  Tiichoptera.  111 

naked,  or  covered  with  very  fine  sand,  or  with  algae  or  diatoms,  which  in  one 
species  are  arranged  in  an  extremely  elegant  manner,  The  cases  of  the  pupae 
are  fixed  either  along  the  whole  ventral  margin  or  at  the  two  ends,  or  in  one 
species,  abounding  on  the  rocks  of  waterfalls,  at  one  end  only. 

Genus  II. 
Ver}'  minute,  nearly  cylindrical,  cpriaceous,  brown  tubes;    covered  with  very 
fine   sand,   which   in   the   pupa   State   are   fixed  at  either  end  to  the  underside  of 
stones,   showing   generally   two   adhesive   discs  on  the  anterior,    and  a  single  one 
on  the  posterior  end.     They  are  common  almost  everywhere. 

Genus  III.  Diaulus  Ladislavii. 
Strongly-compressed  oval  cases,  elegantly  covered  with  diatoms,  with  a 
narrow  slit  at  each  end  and  having  on  the  dorsal  margin  two  (or,  as  I  have  seen  in 
one  specimen,  three)  cylindrical  chimneys.  The  Observation  of  living  larvae  of 
this  and  of  the  first  genus  leaves  no  doubt  as  to  the  use  of  the  chimne3's.  Those 
inhabiting  cases  opened  only  by  a  slit  at  each  end  are  seen  moving  incessantly, 
and  working  very  hard,  in  order  to  maintain  a  current  of  water  through  these 
narrow  passages;  those  of  Diaulus,  on  the  contrary,  may  remain  motionless  for 
a  very  long  time,  the  water  necessary  for  respiration  having  a  free  access  through 
the  chimneys.  The  cases  of  the  pupse  are  fixed  in  an  upright  position  along  the 
whole  ventral  margin  on  the  upper  side  of  stones,  and  often  these  little  houses 
form  large  villages  of  a  rather  picturesque  aspect. 

Genus  IV.    Lagenopsyche. 

An  approximative  idea  of  the  cases  may  be  formed  by  imagining  the  bottom 
of  a  bottle  to  be  cut  away  and  then  its  under  part  to  be  compressed  until  the 
opposite  sides  touch  each  other,  thus  transforming  the  wide  circular  opening  into 
a  narrow  slit.  The  mouth  of  the  bottle  represents  the  mouth-end  of  the  larval 
case,  and  the  long  narrow  slit  at  the  tail-end  is  held  in  an  upright  position.  In 
one  species  (L.  liyalhia)  the  case  is  quite  colourless  and  perfectly  hyaline;  in  a 
second  species  (L.  Spirogyrce)  it  has  a  dark  violet,  or  brownish,  or  blackish,  colour, 
darker  towards  the  mouth-end.  For  transformation  the  case  is  placed  on  one  of 
its  broad  sides,  and  then  fixed  on  either  side  of  each  end  by  means  of  petiolated 
discs ;  at  the  mouth-end  of  the  larval  case  there  are  two  discs  in  both  the  species, 
and  as  many  exist  at  the  opposite  end  in  L.  Spirogyrce,,  but  in  L.  hyaliiia  there 
are  four,  the  petioles  dividing  before  the}^  expand  into  discs.  After  having  fixed 
its  case  the  larva  turns  its  head  towards  the  broader  end  of  it,  so  that  the  mouth- 
end  of  the  larval  case  becomes  the  tail-end  of  the  pupa  case,  and  vice  versa. 
L.  hyalina  lives  in  small  rivulets  under  stones,  L.  Spirogyrm  in  slowly-moving  or 
even  standing  waters  filled  with  Spirogyra,  Callitriche  and  Heteranthera  reni- 
fortnis ;  the  larvse  are  to  be  met  with  among  the  SpirogyrcR,  on  which  they  seem 
to  feed;  the  pupae  are  fixed  to  the  under  side  of  the  leaves  of  CallitricJie  or 
Heteranthera.     The  perfect  insects  emerge  early  in  the  afternoon. 

Genus  V.    Rhyacopsyche  Hagenii. 
The   larvse  live  in  rapids  of  mountain  rivulets.     The  brown  coriaceous  cases 
of  younger  kirvse  are  nearly  cylindrical  and  widely  open  at  each  end,  afterwards 

49* 


ny2  Notes  on  the  Cases  of  some  South  Brazilian  Trichoptera. 

they  are  widened  in  the  middle,  corresponding  to  the  increasing  thickness  of  the 
abdomen  of  the  larvse;  from  one  end  there  proceeds  a  string  of  silken  threads, 
generally  about  as  long,  but  sometimes  even  more  than  twice  as  long  as  the 
cases,  by  which  the  latter  are  fastened  to  the  upper  side  of  stones.  Thus  the 
larva  is  secured  against  being  carried  away  by  the  current,  and  at  the  same  time 
by  the  mobility  of  its  case  its  pasture  ground  is  greatly  enlarged,  and  the  more 
so  as  it  can  issue  indifferentl}^  at  either  end  of  its  tube.  It  feeds  on  microscopical 
algae.  Before  its  change  the  string  is  much  shortened  and  thickened,  being  thus 
transformed  into  a  rigid  footstalk,  able  to  sustain  the  case  in  an  upright  position. 
The  case  of  the  pupa  is  somewhat  compressed,  oval  or  club-shaped,  rounded  at 
the  upper,  attenuated  at  the  lower,  end,  The  pupa  emerges,  for  its  final  trans- 
formation,  at  the  upper  end  of  the  case. 

Genus  VI.  Teltopsyche. 
The  larvse  live  in  larger  tributaries  of  the  Itajahy,  preferring  rapids.  One 
species  (P.  Maclachlani)  has  as  yet  been  found  only  in  one  single  rapid  near  the 
mouth  of  the  Warnow.  The  cases  resemble  in  shape,  colour  and  size  the  well- 
known  egg-cases  of  Nephelis,  and  are  fixed,  often  in  very  large  numbers,  to  the 
upper  side  of  stones;  they  are  made  of  a  brown,  rather  tough,  coriaceous  sub- 
stance.  Their  upper  wall  forms  a  rather  flat  elliptical  shield,  smooth  in  P.  Macla- 
chlani, transversely  striated  in  P.  Sieboldü;  the  basal  wall  is  very  thin,  and  firmly 
glued  to  the  underlying  stone,  so  that  it  can  hardly  be  separated  without  being 
torn.  At  either  end  of  the  case  there  is  a  small  circular  opening.  In  most 
Hydroptilidoi  the  abdomen  of  the  older  larvse  is  much  swollen ;  in  Peltopsyclie  it 
is  so  in  a  quite  extraordinary  degree,  filling  nearly  the  whole  case.  The  very 
slender  anterior  part  of  the  body  is  bent  and  hidden  beneath  the  huge  abdomen, 
of  which  it  appears  to  be  only  an  insignificant  appendage.  The  pupa>  are 
remarkable  for  the  unusually  great  difference  which  the  complicated  corneous 
patches  on  the  back  of  the  abdomen  show  in  the  two  species.  The  perfect  in- 
sects  differ  from  all  known  Trichoptera  by  the  antennse  of  the  d,  some  of  the 
basal  joints  of  which  are  produced  into  long  processes  exhibiting  a  complicated 
structure,  very  different  in  the  two  species,  and  which  I  have  not  yet  been  able 
to  unravel  in  a  satisfactory  manner.  From  what  I  have  seen,  I  am  led  to  sup- 
pose  that  these  strangely  modified  basal  joints  of  the  antennse  may  be  odoriferous 
Organs. 


On  a  frog  having  eggs  on  its  back. 

On   the   abortlon   of  the   hairs  on  the  legs  of  certain 
coddis-flies  (Phryganiden)^). 

(Letter  to  Ch.  Darwin.) 
Mit  3  Textfiguren. 

Several  of  the  facts  given  in  the  following  letter  from  Fritz  Müller,  especially 
those  in  the  third  paragraph,  appear  to  me  very  interesting.  Many  persons  have 
feit  much  perplexed  about  the  steps  or  means  by  which  structures  rendered  useless 
under  changed  conditions  of  life,  at  first  become  reduced,  and  finally  quite  dis- 
appear.  A  more  striking  case  of  such  disappearance  has  never  been  published 
than  that  here  given  by  Fritz  Müller.  Several  years  ago  some  valuable  letters 
on  this  subject  by  Mr.  Romanes  (together  with  one  by  me)  were  inserted  in  the 
columns  of  Nature,  Since  then  various  facts  have  often  led  me  to  speculate  on 
the  existence  of  some  inherent  tendency  in  every  part  of  every  organism  to  be 
gradually  reduced  and  to  disappear,  unless  in  some  manner  prevented.  But  beyond 
this  vague  speculation  I  could  never  clearly  see  my  way.  As  far,  therefore,  as  I 
can  judge,  the  explanation  suggested  by  Fritz  Müller  well  deserves  the  careful 
consideration  of  all  those  who  are  interested  on  such  points,  and  may  prove  of 
widely  extended  application,  Hardly  anyone  who  has  considered  such  cases  as 
those  of  the  stripes  which  occasionally  appear  on  the  legs  and  even  bodies  of 
horses  and  apes — or  of  the  development  of  certain  muscles  in  man  which  are  not 
proper  to  him,  but  are  common  in  the  Quadrumana  —  or  again,  of  some  peloric 
flowers  —  will  doubt  that  characters  lost  for  an  almost  endless  number  of  gene- 
rations,  may  suddenly  reappear.  In  the  case  of  natural  species  we  are  so  much 
accustomed  to  apply  the  term  reversion  or  atavism  to  the  reappearance  of  a  lost 
part  that  we  are  liable  to  forget  that  its  disappearance  may  be  equally  due  to  this 
same  cause. 

As  every  modification,  whether  or  not  due  to  reversion,  may  be  considered 
as  a  case  of  Variation,  the  important  law  or  conclusion  arrived  at  by  the  mathe- 
matician  Delboeuf ,  may  be  here  applied ;  and  I  will  quote  Mr.  Murphy's  Condensed 
Statement  {"Habit  and  Intelligence",  1879,  p,  241)  with  respect  to  it:  "If  in  any 
species  a  number  of  individuals,    bearing  a  ratio  not  infinitely  small  to  the  entire 

i)  Nature   1879.  Vol.  XIX.  p.  462—464. 


'j'jA  On  the  abortion  of  the  hairs  on  the  legs  of  certain  coddis-flies. 

number  of  births,  are  in  every  generation  born  with  any  particular  Variation  which 
is  neither  beneficial  nor  injurious  to  its  possessors,  and  if  the  effect  of  the  Variation 
is  not  counteracted  by  reversion,  the  proportion  of  the  new  variety  to  the  original 
form  will  constantly  increase  until  it  approaches  indefinite^  near  to  equality." 
Now  in  the  case  advanced  by  Fritz  Müller  the  cause  of  the  Variation  is  sup- 
posed  to  be  atavism  to  a  very  remote  progenitor,  and  this  may  have  wholly  pre- 
vailed  over  any  tendency  to  atavism  to  more  recent  progenitors;  and  of  such 
prevalence  analogous  instances  could  be  given.  Charles  Darwin. 

My  Dear  Sir, 

If  I  remember   well,  I  have  already   told  you  of  the  curious  fauna  which  is 
to  be  met  with  between  the  leaves  of  our  Bromeliee.     Lately  I  found,  in  a  large 
Bromelia,  a  little  frog  (Hylodes?),  bearing  its  eggs  on  the  back,     The  eggs  were 
very   large,   so   that   nine   of  them    covered   the  whole  back 
from   the  Shoulders  to  the  hind  end,   as  you  will  see  on  the 
photograph  accompanying  this  letter,  Fig.  i   (the  little  animal 
was   so   restless  that  only  after  many  fruitless  trials  a  toler- 
able  photograph  could  be  obtained).    The  tadpoles,  on  emer- 
ging   from  the  eggs,  were  already  provided  with  hind-legs; 
and  one  of  them  lived  with  me  about  a  fortnight,  when  the 
fore  legs  also  had  made  their  appearance.     During  this  time 
I  saw  no  external  branchiae,  nor  did  I  find  any  opening  which 
might  lead  to  internal  branchiae. 
p-     j  There  is  here  another  locality  in  which  a  peculiar  fauna 

lives,  viz.,  the  rocks  of  waterfalls,  which  are  of  very  frequent 
occurrence  in  almost  all  our  mountain  rivulets.  On  these  rocks,  along  which 
the  water  is  slowly  trickling  down ,  or  which  are  continually  wetted  by  the 
spray  of  the  waterfall,  there  live  various  beetles  not  to  be  met  with  anywhere 
eise,  larvse  of  diptera  and  caddis-flies,  and  a  tadpole  remarkable  for  its  unusuall}^ 
long  tail. 

The  pupse  of  caddis-flies  living  on  the  rocks  of  waterfalls  (I  examined  three 
species  belonging  to  the  Hydropsychidm,  Hydroptilidce  and  Sericostomidce  [Helico- 
psyche]),  as  well  as  those  living  in  the  Bromeliae  (a  species  belonging  to  the 
Leptoceridoi),  are  distinguished  by  a  ver}^  interesting  feature.  In  other  caddis- 
flies  the  feet  of  the  second  pair  of  legs  (and  in  some  species  those  of  the  first 
pair  also)  are  fringed  in  the  pupse  with  long  hairs,  which  serve  the  pupa,  aftcr 
leaving  its  case,  to  swim  to  the  surface  of  the  water  for  its  final  transformation. 
Now  neither  on  the  surface  of  bare  or  moss-covered  rocks,  nor  in  the  narrow 
Space  between  the  leaves  of  Bromeliae,  the  pupae  have  any  necessit}^  nor  would 
even  be  able,  to  swim,  and  in  the  four  species  living  on  such  localities  which  I 
examined,  and  which  belong  to  as  many  different  families,  the  feet  of  the  pupse 
are  quite  hairless,  or  nearly  so,  while  in  allied  species  of  the  samc  families  or 
even  genera  {Helicopsyche)  the  fringes  of  the  legs,  used  for  swimming,  are  well 
developed. 

This  abortion  of  the  useless  fringes  in  the  caddis-flies  inhabiting  the  Bromelia« 
and  waterfalls  appears  to  me  to  be  of  considerable  interest,  because  it  cannot  be 


On  ihe  abortion  of  the  hairs  on  the  legs  of  certain  coddis-flies. 


775 


considered,  as  in  many  other  cases,  as  a  direct  consequence  of  disuse;  for  at  the 
time  when  the  pupse  leave  their  cases  and  when  the  fringes  of  their  feet  are 
proving  either  useful  or  useless,  these  fringes  as  well  as 
the  whole  skin  of  the  pupa,  ready  to  be  shed,  have  no  con- 
nection  whatever  with  the  body  of  the  insect;  it  is  there- 
fore  impossible  that  the  circumstance  of  the  fringes  being 
used  or  not  for  swimming,  should  have  an}'^  influenae  on 
their  being  developed  or  not  developed  in  the  descendants 
of  these  insects.  As  far  as  I  can  see,  the  fringes,  though 
useless,  would  do  no  härm  to  the  species,  in  which  they 
have  disappeared,  and  the  material  saved  by  their  not 
being  developed  appears  to  be  quite  insignificant,  so  that 
natural  selection  can  hardly  have  come  into  play  in  this 
case.  The  fringes  might  disappear  casually  in  some  indi- 
viduals;  but,  without  selection,  this  casual  Variation  would 
have  no  chance  to  prevail.  There  must  be  some  constant 
cause  leading  to  this  rapid  abortion  of  the  fringes  on  the 
feet  of  the  pupae  in  all  those  species  in  which  they  have 
become  useless,  and  I  think  this  may  be  atavism.  For 
caddis-flies,  no  doubt,  are  descended  from  ancestors  which 
did  not  live  in  the  water,  and  the  pupse  of  which  had  no 
fringes  on  their  feet.  Thus  there  may  even  now  exist  in 
all  caddis-flies  an  ancestral  tendency  to  the  production 
of  hairless  feet  in  the  pupae,  which  tendency  in  the  com- 
mon species  is  victoriously  counteracted  by  natural  selec- 
tion, for  any  pupa,  unable  to  swim,  would  be  mercilessly 
drowned.  But  as  soon  as  swimming  is  not  required  and 
the  fringes  consequently  become  useless,  this  ancestral  ten- 
dency, not  counterbalanced  by  natural  selection,  will  pre- 
vail, and  lead  to  the  abortion  of  the  fringes. 

I  do  not  remember  having  seen,  in  any  list  of  clei- 
stogamic  plants,  the  Podostemaceee.  These  curious  little 
aquatic  plants,  which  Lindley  placed  near  the  Piperaceee, 
Kunth  between  the  Juncaginese  and  Alismacese,  and  which  Sachs  considers 
as  being  of  quite  dubious  affinity,  cover  densely  the  stones  in  the  rapids  of  our 
rivers ;  on  the  branches  which  come  above  the  surface  of  the  water,  there  are 
pedunculated,  open,  fertile  flowers;  but  there  are  numerous  sessile  flower-buds 
also  on  the  branches,  which  probably  remain  submerged  for  ever;  I  have  not 
yet  ascertained  whether  these  submerged  flowers  are  fertile;  if  they  are  so,  they 
can  hardly  fall  to  be  cleistogamic. 

Blumenau,  St.  Catharina,  Brazil,  January  21,  1879. 

Fritz  Müller. 


Fig.  2.  Fig.  3. 

Fig.  2.  Tibia  and  tarsus 
of  the  two  pairs  of  legs  of 
the  pupa  of  a  species  of 
Leptoceridce,  inhabiting  Bro- 
melise. 

Fig  3.  The  same  of  a 
nearly  allied  species  inhabi- 
ting rivulcts. 


Bud- Variation  in  Bananas^). 

In  my  garden  there  is  a  large  plant  (planted  about  eleven  years  ago)  of  a 
variety  of  banana,  distinguished  by  purplish  stems  and  petioles,  red  fruits,  and 
by  a  very  peculiar  flavoiir  of  the  latter.  From  the  centre  of  this  plant,  covered 
by  the  rotten  stems  of  former  years,  there  are  now  growing  green  stems,  with 
green  petioles;  one  of  them  has  already  produced  fruits,  which  were  green  when 
immature,  and  yellow  when  ripe,  and  the  flavour  of  which  I  found  to  be  but 
slightly  altered.  All  the  young  stems  growing  from  the  circumference  of  the 
plant  are  purplish. 

May  not  many  of  the  varieties  of  bananas  have  been  produced  by  bud- 
variation  ? 

Itajahy,  April  7.  1879. 

I)  Nature   1879.  Vol.  XX.  p.   146. 


Schützende  Färbung  und  die  Farbenempfindung 

der  Tiere  ^). 

Den  im  Kosmos  (Bd.  II,  S.  5g)  besprochenen  Mittheilungen  hat  Sir  John 
L  u  b  b  o  c  k  eine  neue  Reihe  werthvoller,  scharfsinnig  ausgedachter  und  sorgsam 
durchgeführter  Versuche  an  Ameisen  folgen  lassen  ^),  Unter  anderen  stellte  er 
eine  lange  Reihe  lehrreicher  Versuche  an  über  das  Verhalten  der  Ameisen  gegen 
verschieden  gefärbtes  Licht  und  schliesst  aus  denselben:  i)  Ameisen  haben  das 
Vermögen,  Farben  zu  unterscheiden;  2)  sie  sind  sehr  empfindlich  gegen  Violet 
und  3)  scheint  es,  dass  ihre  Farbenempfindungen  sehr  verschieden  sein  müssen 
von  den  unsrigen.  Auch  der  dritte  dieser  Sätze  erhält  durch  Sir  John  Lub- 
bock's  Versuche  eine,  wie  mir  scheint,  ausreichende,  thatsächliche  Begründung. 

Das  häufige  Vorkommen  des  Daltonismus,  einer  so  tief  greifenden  Ver- 
schiedenheit der  Farbenempfindung  unter  den  Menschen,  lässt  es  nicht  unwahr- 
scheinlich erscheinen ,  dass  ähnliche  und  noch  erheblichere  Verschiedenheiten 
zwischen  den  verschiedenen  Arten  der  Thiere  bestehen.  Auf  dieselbe  Vermuthung 
führt  das  Verhalten  gewisser  Schmetterlinge  und  Bienen  gewissen  Blumen  gegen- 
über. Wenn  z.  B.  Callidryas  scheinbar  achtlos  an  blauen  Blumen  vorüberfliegt 
und  benachbarte  gelbe  oder  rothe  aufsucht,  die  uns  weit  weniger  augenfällig 
vorkommen,  möchte  man  diesen  Falter  für  blaublind  halten,  wie  den  Homer  des 
Dr.  Magnus.  Umgekehrt  sammelte  sich  an  einem  himmelblauen  Salbei  meines 
Gartens,  ohne  den  daneben  blühenden,  von  Callidryas  besuchten,  leuchtend  rothen 
Salbei  zu  beachten,  Melissoda  Latreillii,  eine  prächtige,  blau  glänzende  Biene, 
deren  Männchen  sich  durch  ungewöhnlich  lange  Fühler  auszeichnen. 

Und  doch  darf  man  wohl  behaupten,  dass  die  Mehrzahl  der  höheren  Wirbel- 
und  Gliederthiere  die  Farben  in  ganz  ähnlicher  Weise  empfindet  und  unter- 
scheidet, wie  wir.  Das  soll  natürlich  nur  sagen,  dass  sie  dieselben  Farben  em- 
pfinden, wie  wir,  und  dass  ihnen  und  uns  dieselben  Farben  gleich,  oder  ähnlich, 
oder  verschieden  und  zwar  in  ähnlichem  Grade  verschieden  erscheinen.  Mehr 
können  wir  ja  auch  von  unseren  Mitmenschen  kaum  behaupten,  mit  denen  wir 
uns  über  ihre  Farbenempfindungen  durch  die  Sprache  verständigen  können.  Den 
Beweis  für  meine  Behauptung  liefert  das  weite  Gebiet  der  schützenden  Färbungen 

1)  Kosmos   1879.  Bd.  V.  S.  62 — 63. 

2)  Journ.  Linn.  Soc.  Zool.  Vol.  XIV.  pag.  266. 


•j-j^  Schützende  Färbung  und  die  Farbenempfindung  der  Thiere. 

und  täuschenden  Nachahmungen.  Die  Feinde,  vor  denen  die  beireffenden  Thiere 
auf  diesem  Wege  geschützt  werden,  müssen  natürhch  eben  so  getäuscht  werden, 
wie  wir.  Sie  können  also  i)  nicht  auffallende  Farbenunterschiede  bemerken,  wo 
uns  solche  entgehen;  sonst  würde  eben  für  sie  keine  täuschende  Aehnlichkeit 
vorhanden  sein  in  allen  Fällen,  wo  sie  für  uns  besteht.  Sie  miissen  aber  auch 
2)  alle  dieselben,  oft  recht  feinen  Farbenabstufungen  unterscheiden,  in  welchen 
Vorbild  und  Nachbild  übereinstimmen;  sonst  hätten  sie  nicht  durch  Vertilgung 
aller  minder  genau  übereinstimmenden  Nachahmer  die  Uebereinstimmung  auf 
einen  oft  so  wunderbaren  Grad  der  Vollkommenheit  treiben  können. 

Vor  einem  Daltonisten  würde  ein  kirschrother  Käfer  im  grünem  Laube  ge- 
schützt sein.  Es  wäre  wohl  möglich,  dass  ähnliches  auch  in  der  Thierwelt  vor- 
käme, und  vielleicht  sind  solche  FäUe  bisher  nur  deshalb  nicht  beobachtet  wor- 
den, weil  man  nicht  an  die  Möglichkeit  ihres  Vorkommens  gedacht  hat.  Jeden- 
falls aber  dürften  sie  nur  seltene  Ausnahmen  von  der  allgemeinen  Regel  bilden. 

Itajahy,  November  1S78. 


Ituna  und  Thyridia^). 

Ein  merkwürdiges  Beispiel  von  Mimicry  bei  Schmetterlingen^). 

Mit  4  Textfiguren. 

Die  Gattungen  Ituna  und  Methona  wurden  1847  vonDoubleday  errichtet 
und  zwischen  Eutresis  und  Thyridia  in  die  Familie  der  Heliconien  eingereiht, 
aus  welcher  sie  später  mit  den  Ithomien  und  deren  ganzer  Vetterschaft  zu  den 
Danainen  versetzt  wurden.  Methona  hat  man  neuerdings  mit  Thyridia  Hübn. 
vereinigt  und  neben  dieser  steht  noch  in  Kirby's  Verzeichniss  der  Tagfalter 
(1871)  die  Gattung  Ituna. 

Man  scheint  diese  beiden  Gattungen  also  von  jeher  als  nächste  Verwandte 
betrachtet  zu  haben  und  noch  zu  betrachten.  Und  doch  ist  ihre  Aehnlichkeit 
keine  ererbte,  auf  Blutsverwandtschaft  beruhende,  sondern  eine  erworbene,  durch 
Nachahmung  entstandene.  Merkwürdig  schon  dadurch,  dass  die  Thiere  nicht 
etwa  nur  lebend  flüchtige  Sammler,  sondern,  sorgfältig  verglichen,  gelehrte  Forscher 
zu  täuschen  vermochten,  wird  die  Aehnlichkeit  der  genannten  Gattungen  in  noch 
höherem  Grade  beachtenswerth  dadurch,  dass  sie  sich  herausbildete  zwischen 
Thieren,  welche  beide  durch  Ungeniessbarkeit  geschützten  Faltergruppen  ange- 
hören. Auf  diese  Nachahmung  unter  geschützten  Arten  findet  die  für  die  ge- 
wöhnlichen Fälle  der  Mimicry  zutreffende  Erklärung  (und  eine  andere  ist  bis 
jetzt  meines  Wissens  nicht  gegeben  worden)  keine  Anwendung. 

Ituna  Ilione  und  Thyridia  Megisto,  deren  Flügel  ich  hier  vorlege,  sind  zwei 
bei  uns  ziemlich  seltene  Falter.  Zu  der  Aehnlichkeit  der  Flügel,  die  sich  in  der 
Anordnung  der  gelbhchen  Glasflecken,  der  schwarzen  Adern  und  Binden,  welche 
diese  Flecken  durchziehen  und  trennen,  und  der  weissen  Flecken  ausspricht, 
welche  den  schwarzen  Saum  der  Flügel  zieren,  kommt  noch  die  lange  gelbe 
Fühlerkeule  und  die  schwarzweisse  Zeichnung  des  Leibes  beider  Arten.  Beide 
Falter   theilen   mit    den  Ithomien   die  Vorliebe  für   die   weissen   Blüthenköpfchen 


1)  Kosmos  1879.  Bd.  V.  S.  100—108. 

2)  Anm.  d.  Red.  d.  Kosmos.  Dieser  Aufsatz,  wie  auch  der  über  Epicalia  Acontius  (Kosmos  IV. 
S.  285  =  Ges.  Schriften  S.  660),  waren  bereits  vor  dem  Abdrucke  der  Wallace' sehen  Arbeit  über  die 
Farben  der  Pflanzen  und  Thiere  in  unseren  Händen,  woraus  sich,  bei  der  Entfernung  des  Herrn  Verf., 
erklärt,  dass  er  die  neueren  Wallace' sehen  Aufstellungen  nicht  berücksichtigt  hat. 


78o 


Ituna  und  Thyridia. 


~'b 


eines  Adenostemma,  das  am  Saume  des  Waldes,  wie  am  Rande  durch  den  Wald 
führender  Wege  zu  wachsen  pflegt,  besuchen  aber  auch  andere,  besonders  weisse 
Blumen  derselben  Familie  (Compositae),  z.  B.  Vernonia,  Mikania,  Baccharis;  auf 
Blumen  aus  anderen  Familien  entsinne  ich  mich  nicht,  sie  gesehen  zu  haben. 

Die  Merkmale,  durch  welche  Doubleday  die  Gattung  Ituna  von  der  im 
Aussehen  so  ähnlichen  Methona  und  Thyridia  schied,  würden  nicht  hindern,  die- 
selben als  nächste  Ver- 
wandte zu  betrachten, 
und  auch  die  Unter- 
schiede, auf  welche  ich 
jetzt  hinweisen  will,  mö- 
gen recht  unerheblich 
erscheinen;  sie  erhalten 
ihre  Bedeutung  dadurch, 
dass  sie  sich  wieder- 
holen in  einer  langen 
Reihe  verwandter  Arten, 
von  denen  die  einen 
mit  Ituna,  die  anderen 
mit  Thyridia  überein- 
stimmen, dass  sie  also 
hinweisen  auf  eine  vor 
langer  Zeit  erfolgte 
Scheidung  der  Danainen 


Flügel  von  Ituna  Ilione  (^  \   Unterseite 

Flügel  von  Thyridia  Megisto  Qj 
Die  Zahlen  am  Flügelrande  bezeichnen  die  Flügelrippen  nach  Herrich- 
Schäffers  Zählungsweise. 


Fig.   I. 
Fig.  2. 


in   zwei   Gruppen,    deren   eine   Ituna,   deren    andere  Thyridia  angehört,   und   dass 
sie  somit   eine   gleich   frühe  Trennung   dieser   beiden  Gattungen  beweisen. 

Zunächst  sieht  man  am  Hinterflügel  beider  Arten  zwischen  je  zwei  Flügel- 
rippen zwei  weisse  Randflecken ;  auch  zwischen  Rippe  i  b  und  2  hat  Ituna  die- 
selbe, Thyridia  dagegen  die  doppelte  Zahl,  also  vier  solcher  Flecken.  Es  sieht 
aus,  als  wäre  das  Feld  zwischen  diesen  beiden  Rippen  ein  Doppelfeld,  und  das 
ist  es  auch.  Ursprünglich  hatte  jeder  Schmetterlingsflügel,  wie  viele  Nacht- 
schmetterhnge  und  die  Puppen  der  Tagfalter  beweisen,  drei  Innenrandsadern 
zwischen  Mittelzelle  und  Innenrand;  bei  den  Tagfaltern  ist  die  vorderste  dieser 
drei  Adern  oder  Rippen  (i  c)  geschwunden,  wenn  auch  nicht  immer  spurlos;  bei 
Acraea  Thalia  z.  B.  ist  ihr  Verlauf  an  den  Hinterflügeln  durch  eine  Reihe 
schwarzer  Haare  bezeichnet,  wie  sie  auch  längs  der  übrigen,  wohl  entwickelten 
Flügelrippen  stehen.  In  vielen  anderen  Fällen  ist  von  der  geschwundenen  Flügel- 
rippe (i  c)  selbst  kaum  noch  etwas  zu  sehen,  aber  ihr  früheres  Vorhandensein 
verräth  sich  noch  in  der  Zeichnung  der  Flügel,  welche  das  Feld  zwischen  Rippe 
1 6  und  2  als  ein  doppeltes  erscheinen  lässt.  In  anderen  Fällen  hat  sich  auch 
diese  Andeutung  des  ursprünglichen  Zustandes  verloren,  und  das  frühere  Doppel- 
feld zeigt  dieselbe  Zahl  von  Punkten  oder  Flecken,  wie  alle  übrigen.  Wie  bei 
Thyridia  erscheint  nun  das  betreffende  Flügelfeld  noch  als  Doppelfeld  bei  Dir- 
cenna,  Ceratinia,  Mechanitis,  Melinaea,  überhaupt  bei  dem  ganzen  Verwandt- 
schaftskreise der  Ithomien;  dagegen  wie  bei  Ituna  einfach  bei  Lycorea  und  Da- 
nais (sowie,  nach  Abbildungen  zu  schliessen,  bei  Hestia  und  Euploea). 


Ituna  und  Thyridia.  «7 gl 

Ein  zweites,  die  Gattungen  Thyridia  und  Ituna  unterscheidendes  Merkmal 
besteht  in  dem  Vorhandensein  einer  kleinen  ,.Wurzelzelle",  wie  sie  Herrich- 
Schäffer  nennt,  am  Grunde  der  Hinterflügel  von  Ituna;  dieselbe  kommt  auch 
bei  Lycorea  und  Danais  vor,  fehlt  dagegen  bei  Thyridia,  wie  bei  allen  übrigen 
Verwandten  der  Ithomien .  Diese  „Wurzelzelle"  pflegte  Herrich-Schäffer, 
wo  er  sie  fand,  als  Familien-Merkmal  zu  benutzen.  Er  unterschied  z.  B.  durch 
deren  Fehlen  oder  Vorhandensein  die  Familien  der  Heliconinen  und  Danainen, 
welch'  letztere  er  auf  die  Gattung  Danais  beschränkte.  Hätte  er  also  bei  Ituna 
und  Lycorea  die  allerdings  recht  winzige  Wurzelzelle  nicht  übersehen,  so  würde 
er  schon  diese  beiden  Gattungen  von  den  Ithomien  getrennt  und  Danais  an- 
geschlossen haben. 

Fig.  3-  Vordere  Hälfte  der  Flügelwurzel  der 
Hinterflügel  von  Ituna  Ilione  (^. 

Fig.  4.  Vordere  Hälfte  der  Flügelwurzel  der 
Hinterflügel  von  Thyridia  Megisto  (5". 

PC  Präcostalis.  C  Costaiis.  SC  Subcostalis. 
IVZ  Wurzelzelle. 

Fig.  3-  Fig.  4. 

Drittens  schliesst  sich  auch  in  der  Bildung  der  Duftwerkzeuge  der  Männchen 
Thyridia  an  die  Ithomien,  Ituna  an  Lycorea  und  Danais  an.  Die  Männchen  von 
Ithomia  und  ihren  Verwandten  besitzen  bekanntlich  einen  duftenden  „Haarpinsel 
auf  der  Oberseite  der  Hintcrflügel,  vorn  an  der  Subcostalrippe"  (Herrich- 
Schäffer),  dessen  sich  schon  Herrich-Schäffer  zur  Unterscheidung  der- 
selben bediente.  Gerade  bei  Thyridia  Megisto  ist  der  Geruch  dieser  Haarpinsel 
recht  kräftig,  und  es  ist  die  einzige  mir  bekannte  Art,  bei  welcher  diese  von  den 
Männchen  erworbene  Auszeichnung  auch  auf  die  Weibchen  übertragen  worden 
ist,  freilich  bei  letzteren  weit  dürftiger  entwickelt  und  schwächer  duftend.  Bei 
Ituna  fehlt  den  Hinterflügeln  dieser  Haarpinsel;  dagegen  besitzen  die  Männchen, 
wie  schon  Doubleday  wusste,  zwei  fingerförmige  Fortsätze  am  Ende  des 
Hinterleibes,  die  willkürlich  ausgestülpt  und  eingezogen  werden  können;  sie 
tragen  einen  mächtigen  schwarzen  Haarbusch,  der  sich  beim  Vorstülpen  nach 
allen  Richtungen,  wie  eine  Kugelbürste,  ausspreizt  und  einen  sehr  starken,  für 
mich  widerlichen,  Schnupftabaksgeruch  verbreitet.  Dieselben  Duftbüschel  am 
Ende  fingerförmiger  Fortsätze  finden  sich  in  ganz  gleicher  Weise  bei  Lycorea 
und  ebenfalls,  wenn  auch  minder  mächtig  entwickelt  und  schwächer  duftend,  bei 
Danais  Gilippus  und  Erippus,  bei  welchen  man  sie  bis  jetzt  übersehen  zu  haben 
scheint. 

Auf  Grund  dieser  Merkmale,  von  denen  namentlich  die  ersteren,  weil  offen- 
bar bedeutungslos  für  die  Wohlfahrt  der  Thiere,  als  sichere  Zeichen  gemeinsamen 
Ursprungs  gelten  dürfen,  sind  die  Ithomiinen  und  die  eigentlichen  Da- 
nainen  (Danais,  Lycorea,  Ituna;  —  Ilestia  und  Euploea  kenne  ich  nur  aus  Ab- 
bildungen) als  zwei  seit  langer  Zeit  getrennte  Gruppen  zu  betrachten,  die  sich 
mindestens  so  fern  stehen,  wie  etwa  Acraeinen  und  Maracujaf alter.  Auch  diese 
beiden  Gruppen  unterscheiden  sich  durch  das  Feld  zwischen  Rippe  i  b  und  2  der 
Hinterflügel,  welches  bei  den  Acraeinen  wie  bei  den  Ithomiinen  ein  Doppelfeld, 
bei    den    Maracujaf  altern    wie   bei   den   Danainen    einfach   ist.      Die   Raupen   der 


y82  llunu  und  Thyiidia. 

Acraeinen  und  Maracujäf alter  stimmen  vollständig  überein,  nicht  so  die  der  Da- 
nainen und  Ithomiinen;  erstere,  so  weit  bekannt,  auf  Asclepiadcen  lebend,  tragen 
auf  dem  Rücken  zwei  (Danais  Erippus),  drei  (Danais  Gilippus)  oder  vier  (Euploea 
Midamus)  Paar  langer,  fadenförmiger,  weicher,  nicht  zurückziehbarer  „Tentakel"; 
letztere,  so  weit  bekannt,  auf  Solaneen  oder  den  nahe  verwandten  Scrofularineen 
lebend,  sind  entweder  ganz  ohne  Anhänge  oder  haben  unterhalb  der  Luftlöcher 
fleischige,  kegelförmige  Fortsätze  (Mechanitis  Lysimnia)  ^). 

Wenn  nun  nach  allen  Merkmalen  Thyridia  zu  den  Ithomiinen,  Ituna  zu  den 
echten  Danainen  gehört  (wenn  also  letztere  nicht,  wie  K  i  r  b  y  thut,  durch  die 
Ithomiinen-Gattung  Athesis  von  Lycorea  getrennt  werden  darf),  so  könnte  die 
Aehnlichkeit  dieser  beiden  Gattungen  nur  dann  eine  von  gemeinsamen  Ahnen 
ererbte  sein,  wenn  in  ihnen  die  Tracht  der  Urahnen  aller  Ithomiinen  und  Da- 
nainen sich  erhalten  hätte.  Daran  aber  ist  nicht  zu  denken.  Hätten  die  Urahnen 
Flügel  mit  ausgedehnten  Glasflecken  besessen,  so  würden  nicht  so  zahlreiche 
Arten  beider  Gruppen  zu  der  ursprünglichen  Bildung  vollständig  beschuppter 
Flügel  zurückgekehrt  sein.  Auch  würden  mit  gleichem  Rechte  Lycorea  und 
verschiedene  in  Zeichnung  und  Färbung  ihr  auffallend  ähnliche  Ithomiinen  be- 
anspruchen dürfen,  die  uralte  Familientracht  bewahrt  zu  haben. 

So  liegt  also  ein  Fall  erworbener  Aehnlichkeit  vor,  ein  Fall  von  Nach- 
ahmung oder  Mimicry.  Aber  welche  der  beiden  Arten,  Ituna  Ilione  oder  Th}^- 
ridia  Megisto,  ist  das  Urbild,  welche  das  täuschende  Nachbild?  Doch  kann  da- 
rüber je  ein  Zweifel  sein  ?  Ist  nicht  das  Vorbild  immer  eine  häufige,  in  zahllosen 
Schwärmen  auftretende,  das  Nachbild  eine  hundertfach  seltenere  Art  ?  Trägt  nicht 
das  Vorbild  die  ererbten  Farben  seiner  Gattung  und  Familie,  während  das  Nach- 
bild, mit  fremden  Federn  geschmückt,  seine  ursprüngliche  Familientracht  abge- 
legt hat?  Und  ist  nicht  das  Vorbild  durch  widerlichen  Geschmack  und  Geruch 
ungeniessbar  und  dadurch  sicher  vor  Feinden,  und  sucht  nicht  eben  deshalb  das 
Nachbild  unter  seiner  Maske  Schutz,  weil  es  ohne  diese  als  leckerer  Bissen  ver- 
speist werden  würde?  —  Schade  nur,  dass  all'  diese  Kennzeichen  gar  manchmal 
im  Stiche  lassen. 

Die  nachahmende  Art  kann,  wenigstens  in  einzelnen  Bezirken,  häufiger  sein, 
als  ihr  Vorbild.  Es  können  ja,  wenn  beide  Arten  in  ein  neues  Gebiet  sich  ver- 
breiten, hier  die  Verhältnisse  der  ursprünglich  häufigeren  ungünstig,  der  selteneren 
g-ünstig  sein,  und  es  kann  so  das  ursprüngliche  Zahlenverhältniss  sich  umkehren; 
ja  dasselbe  kann  im  Laufe  der  Zeit  am  alten  Wohnsitz  der  Arten  geschehen. 
In  der  Provinz  Santa  Catharina  ist  Archonias  (Euterpe)  Tereas  fast  das  ganze 
Jahr  hindurch  an  Waldwegen  häufig;  dagegen  gehört  sein  Vorbild,  Papilio  Ne- 
phalion,  zu  den  seltenen  Schmetterlingen.  Das  Zahlenverhältniss  verschiedener 
Arten  wechselt  bisweilen  recht  erheblich  in  auf  einander  folgenden  Jahren;  es 
kann  ein  völlig  umgekehrtes  sein  auf  ziemlich  nahe  liegenden  Gebieten.  Hier 
am  Itajahy  ist  Colaenis  Julia  bei  weitem  häufiger  als  der  täuschend  ähnliche,  nur 
kleinere  Eueides  Aliphera;    dagegen   fand   ich   vor   einigen  Monaten   im   Norden 

I)  Die  von  Boisduval  (Spec.  g^n.  Lepidopt.  PI.  4  Fig.  9)  abgebildete,  der  Stalachtis  (Nerias) 
Euterpe  zugeschriebene  Raupe  scheint  die  einer  Mechanitis  zu  sein  ;  sie  gleicht  aufs  Haar  der  von  Mecha- 
nitis Lysimnia.  Ein  Blick  auf  diese  Figur  und  Fig.  10  und  11  derselben  Tafel,  welche  Raupen  echter 
Danainen    darstellen,   zeigt    sofort    die   grosse  Verschiedenheit  zwischen  Danainen-  und  Ithomiinen-Raupen, 


Ttuna  und  Thyridia.  ,  «73-1 

unserer  kleinen  Provinz,  auf  dem  Hochlande  bei  S.  Bento,  den  Eueides  Aliphera 
in  solcher  Menge,  dass  ich  einige  Male  ihrer  acht  mit  einem  Schlage  des  Netzes 
fing,  während  ich  Colaenis  Julia  im  Laufe  einer  Woche  kaum  zwei-  oder  dreimal 
sah.  Es  scheint  sogar  der  Fall  nicht  undenkbar,  dass  das  Urbild  einer  nach- 
ahmenden Art  ausstirbt  und  letztere  erhalten  bleibt.  So  könnten,  nach  der  Mei- 
nung von  Mr.  Trimen  und  Mr.  A.  G.  Butler^),  Papilio  Antimachus  und  Pa- 
pilio  Zalmoxis  Nachahmungen  riesiger,  ausgestorbener  oder  noch  unbekannter 
Acraea-Arten  sein.  Im  vorliegenden  Falle  sind,  wenigstens  in  Santa  Catharina, 
beide  Arten  selten,  und  ihre  Zahl  giebt  somit  keinen  Anhalt  zur  Ermittelung  des 
Urbildes. 

Das  zweite  Kennzeichen,  dass  das  Urbild  sein  eigenes,  die  Maske  ein  frem- 
des Gewand  trägt,  findet  eine  um  so  leichtere  und  sichere  Anwendung,  je  ver- 
schiedeneren Gruppen  die  beiden  ähnlichen  Arten  angehören,  je  weiter  also  die 
nachahmende  Art  von  dem  gewohnten  Aussehen  ihrer  Verwandten  sich  entfernen 
musste.  Wenn  gewisse  Heuschrecken  (Scaphura)  sich  in  Grabwespen  (Pepsis), 
wenn  andere  (Phylloscyrtus)  sich  in  Raubkäfer  (Odontocheila),  wenn  wieder  andere 
sich  sogar  in  Spinnen  -)  verkleiden,  so  kann  in  diesen  Fällen  um  so  weniger  ein 
Zweifel  darüber  sein,  welches  die  nachahmende  Art  sei,  als  sofort  auch  der  Nutzen 
der  Verkleidung  in  die  Augen  springt  ^). 

Auch  bei  manchen  anderen,  sich  minder  fern  stehenden  Arten,  leistet  dieses 
Kennzeichen  noch  gute  Dienste ;  so  ist  die  schwarze  Archonias  Tereas  mit  dem 
weissen  Flecken  der  Vorder-,  dem  rosenrothen  der  Hinterflügel  eine  ganz  fremde 
Erscheinung  unter  ihren  Gattungs-  und  Familiengenossen,  während  Papilio  Ne- 
phalion  einer  langen  Reihe  ähnlich  gefärbter  Arten  angehört,  so  dass  man,  auch 
wo  dieser  Papilio  selten,  Archonias  Tereas  aber  häufig  ist,  doch  nicht  in  Ver- 
suchung kommen  kann,  letzteren  Falter  als  Vorbild  des  ersteren  anzusehen. 

Je  näher  verwandt  die  beiden  ähnlichen  Arten  sind,  je  ähnlicher  sie  schon 
von  vorn  herein  waren,  um  so  misslicher  wird  im  Allgemeinen  die  Anwendung 
dieses  zweiten  Kennzeichens  werden;  es  wird  völlig  unanwendbar  sein,  wo  der 
nächste  Verwandtenkreis  der  einen  wie  der  anderen  Art  überhaupt  einer  gemein- 
samen, eigenthümlichen,  scharf  ausgeprägten  Form,  Zeichnung  und  Färbung  ent- 
behrt.    Colaenis   Julia    und    Eueides    Aliphera    können    hier    wieder    als    Beispiel 


i)  Raphael  Meldola,  Entomological  Notes,  bearing  on  Evolution.  Ann.  and  Magaz.  of  Nat. 
bist.  February   1878.  p.   157. 

2)  Ich  habe  diese  Verkleidung  nirgends  erwähnt  gefunden  ;  ich  sah  sie  ein  einziges  Mal.  Auf  einem 
Blatt  sass  ein  Thier,  das  ich  zunächst  für  eine  Spinne  hielt,  welches  aber  doch  ein  etwas  befremdliches 
Aussehen  hatte  ;  ich  besah  es  von  allen  Seiten,  ohne  ins  Klare  zu  kommen,  was  es  sei,  bis  es  aufsprang 
und  wegflog.     Das  Wunderlichste  daran  waren  die  langen,  spinnenartig  in  die  Quere  gestellten  Beine. 

3)  Und  doch  ist  dieses  unmöglich  scheinende  Missverständniss  einem  deutschen  Professor  gelungen. 
In  seinem  sehr  frisch  und  anregend  geschriebenen,  an  neuen  Thatsachen  und  Gedanken  reichen  Buche: 
.,Die  Insekten",  das  freilich  über  ausländische  Arten  auch  sonst  manches  Verkehrte  bringt,  spricht  Pro- 
fessor Vitus  Graber  (Bd.  II,  i.  S.  72)  von  „gewissen  Sandwespen,  welche,  um  ihre  Beute,  das  Grillen- 
genus Sphacura,  leichter  zu  überlisten,  sich  in  den  Habit  ihrer  Opfer  werfen."  Das  „Grillengenus  Spha- 
cura"  soll  jedenfalls  die  Locustinengattung  Scaphura  sein.  Der  Herr  Professor  hat  es  für  gut  befunden, 
den  Namen  ebenso  zu  verdrehen,  wie  die  Thatsache.  Die  Wespe  sieht  nicht  Heuschrecken  ähnlich,  son- 
dern die  Heuschrecke  Wespen  ähnlich  aus.  Die  Wespe  trägt  allerdings  Heuschrecken,  und  zwar  nichts 
als  Heuschrecken,  für  ihre  Brut  ein,  darunter  aber  niemals,  so  viel  ich  gesehen,  Scaphuren.  Diesen  dient 
eben  ihre  täuschende  Wespenähnlichkeit  als  Schutz. 


n^A  Ituna  und  Thyridia. 

dienen.  In  der  Gattung  Colaenis  findet  sich  neben  der  feurig"  rothen  Julia  die 
grüne  Dido  und  andere  Arten  mit  wieder  anderer  Färbung  und  ganz  abweichen- 
dem Flügelschnitt.  In  der  Gattung  Eueides  aber  steht  neben  der  feurigrothen 
Aliphera  die  bunte  Isabella  und  die  Acraea-ähnliche  Pavana. 

Von  den  beiden  Gattungen,  von  welchen  wir  ausgegangen  sind,  besitzt  nun 
wohl  Thyridia  eine  grössere  Zahl  ziemlich  ähnlicher  Verwandten  (z.  B.  Dircenna), 
als  Ituna,  und  man  dürfte  vielleicht  letztere  um  so  eher  für  die  nachahmende  Art 
halten,  als  sie  auch  in  Betreff  der  Blumen  die  Geschmacksrichtung  der  Ithomiinen 
und  nicht  die  der  blutsverwandten  Danais  zu  theilen  scheint. 

Dass  endlich  drittens  das  Vorbild  durch  unangenehmen  Geruch  und  Ge- 
schmack vor  Feinden  geschützt  ist,  während  die  nachahmende  Art  eines  solchen 
Schutzes  entbehrt  und  eben  deshalb  die  Verwechselung  mit  dem  unschmack- 
haften Vorbilde  ihr  nützlich  wird,  würde  Vorbild  und  Nachbild  sicher  unter- 
scheiden lassen,  wenn  alle  für  insektenfressende  Vögel  unschmackhafte  Kerfe 
auch  für  uns  einen  anwidernden  Geruch  besässen  und  wenn  nicht  auch  für  uns 
widerlich  riechende  Schmetterlinge  als  Nachahmer  aufträten. 

Die  Ithomien  des  Amazonas  und  ihre  Verwandten  (z.  B.  Mechanitis)  werden, 
wie  Bat  es  beabachtete,  von  so  vielen  Schmetterlingen  aus  den  verschiedensten 
Familien  nachgeahmt,  dass  man  sie  gewiss  mit  Recht  als  durch  Unschmack- 
haftigkeit  gegen  die  Verfolgung  der  Vögel  gesichert  betrachtet,  und  doch  hat 
man  bei  ihnen,  so  viel  ich  weiss,  einen  widerlichen  Geruch  noch  nicht  wahr- 
genommen ^) ;  der  Geruch,  den  die  Duftpinsel  der  Männchen  verbreiten,  ist  meist 


i)  Woher  rührt  wohl  die  von  Professor  Delboeuf  (Kosmos,  Bd.  II,  S.  io6)  angeführte  Angabe, 
dass  „die  Heliconiden"  (es  handelt  sich  a.  a.  O.  nicht  um  Heliconius,  sondern  um  Ithomia!),  „wenn 
sie  in  Gefahr  kommen,  eine  ekelerregende  Flüssigkeit  aussondern,  welche  sie  zum  unangenehmsten  aller 
Nahrungsmittel  macht."  ?  —  Wahrscheinlich  entfloss  sie  der  Feder  eines  jener  zahlreichen  Nachbeter  von 
B  a  t  e  s  und  W  a  1 1  a  c  e ,  welche  die  bahnbrechenden  Arbeiten  dieser  unübertrefflichen  Beobachter  über 
Mimicry  und  schützende  Aehnlichkeit  bis  zur  völligen  Plattheit  breit  treten  und  dabei  glauben,  durch 
Uebertreibung  und  eigene  Zuthat  dem  oft  aufgewärmten  Gerichte  neue  Würze  geben  zu  müssen.  Wenn 
Bennett  (a.  a.  O.)  meint,  dass  man  zwischen  der  Urform  von  Leptalis  und  deren  durch  ihre  Aehnlich- 
keit mit  Ithomia  geschützten  Nachkommen  mindestens  tausend  Zwischenformen  annehmen  müsse,  so  ist 
auch  das  eine  solche  von  völliger  Unkenntniss  des  Gegenstandes  zeugende  Uebertreibung,  und  der  auf 
diese  Annahme  gestützte  Beweis,  dass  die  Mimicry  der  Leptalis  nicht  durch  natürhche  Auslese  habe  ent- 
stehen können,  ein  Luftgebilde,  auf  welches  der  treffliche  Ausspruch  Harvey's  passt,  an  den  Huxley 
kürzlich  erinnert  hat  (Nature  XVII,  p.  418),  und  den  ich  in  des  Letzteren  Uebersetzung  anführen  will: 
„For  those  who  read  the  words  of  authors  and  to  whom  impressions  of  their  own  senses  do  not  repre- 
sent  the  things  signified  by  those  words,  conceive,  not  true  ideas,  but  false  eidola  and  inane  phantoms; 
whence  they  fill  tlieir  minds  with  shadows  and  chimaeras,  and  their  whole  theory  (which  they  think  to 
be  science),  represents  but  a  waking  dream  or  a  sick  man's  delirium."  —  Bennett  hat  schwerlich  jemals 
selbst  Leptalis  und  Ithomia  fliegen  sehen.  Auch  er  nimmt  offenbar  an,  wie  Andere,  die  ähnliche  Ein- 
würfe gemacht  haben,  dass  die  Stammform  von  Leptalis  weiss  gewesen  sei.  Dass  sie  dies  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  nicht  war,  dass  sie  vielmehr  wahrscheinlich  ähnlichen  Flügelschnitt,  ähnliche  Zeichnung 
und  Färbung  besass,  wie  viele  Ithomiinen,  habe  ich  anderwärts  nachzuweisen  versucht  (Jenaische  Zeitschr.,  X, 
S.  I.  1876  =  Ges.  Schriften  S.  511).  Wenn  es  heute  weisse  Leptalis-Arten  giebt,  zum  Theil  gewöhnlichen 
Weisslingen  (Pieris)  so  ähnlich,  dass  sie  von  Boisduval  als  Pieris  beschrieben  wurden  (Leptalis  Nehemia), 
so  sind  dies  Nachahmer  von  Weisslingen.  Auch  wenn  man  den  Betrag  der  ursprünglichen  Verschiedenheit 
zwischen  Leptalis  und  Ithomia  mögliclist  hoch  anschlägt  und  ihn  vergleicht  mit  dem  Betrag  individueller  Ver- 
schiedenheit bei  veränderlichen  Schmetterlingsarten,  werden  einige  Dutzend  Zwischenformen  mehr  als  genügen, 
die  Lücke   zu    füllen,    wobei    schon  die  erste  dieser  Zwischenformen  eine  merkbare  Annäherung  an  die  ge» 


Ituna  und  Thyridia.  ^3"; 

sehr  schwach  und  nichts  weniger  als  unangenehm,  vichnehr  vanille-  oder  rosen- 
ähnlich; in  ihm  kann  also  die  Ursache  der  Unschmackhaftigkeit  wohl  um  so 
weniger  gesucht  werden,  als  er  seinen  Sitz  in  den  Flügeln  hat,  die  gar  nicht 
mit  gefressen  werden.  So  haben  wir  also  zahlreichen  Nachahmern  als  Vorbild 
dienende  Arten  ohne  für  uns  erkennbare  Widrigkeit. 

Auf  der  anderen  Seite  befindet  sich  unter  den  mannigfachen  Nachahmern 
der  hier  zweimal  im  Jahre  in  zahlloser  Menge  erscheinenden  Acraea  Thalia  auch 
der  wohl  mehr  als  tausendmal  seltnere  Eueides  pavana,  der  dieselbe  Stinkvor- 
richtung am  Ende  des  Hinterleibes  und  denselben  widrigen  Geruch  besitzt,  wie 
alle  übrigen  Maracujafalter.  Ebenso  ist  die  Aehnlichkeit  der  drei  in  gleicher 
Weise  stinkenden  Vettern  Eueides  Aliphera,  Colaenis  Julia  und  Dione  Juno  sicher 
höchstens  zum  kleineren  Theile  ererbt,  wenigstens  zum  grösseren  Theile  aber 
nachträglich  erworben.  Ferner  haben  die  kräftig  stinkenden  Eueides  Isabella 
und  Heliconius  Eucrate  entweder  einander  oder  gemeinsam  die  (von  dem  äusserst 
schwachen,  für  uns  meist  kaum  wahrnehmbaren  Dufte  der  Männchen  abgesehen) 
für  uns  geruchlose  Mechanitis  Lysimnia  nachgeahmt,  und  unter  den  zahlreichen 
Schmetterlingen,  die  den  drei  letztgenannten  ähnlich  genug  sind,  um  gelegentlich 
mit  ihnen  verwechselt  zu  werden,  befinden  sich  auch  Arten  aus  den  Gruppen 
der  Ithomiinen  (Melinaea)  und  der  echten  Danainen  (Lycorea). 

In  die  Reihe  dieser  Fälle  nun,  in  welchen  die  beiden  ähnlichen  Arten  gleich 
gut  durch  Unschmackhaftigkeit  geschützt  scheinen,  gehören  auch  Thyridia  und 
Ituna.  Erstere  gehört  zu  den  Ithomiinen,  von  deren  Ungeniessbarkeit  eben  ge- 
sprochen wurde,  letztere  zu  den  Danainen,  welche  als  Vorbilder  nachahmender 
Arten  eine  ähnliche  Rolle  spielen  in  der  alten  Welt,  wie  die  Ithomiinen  in  der 
neuen.  Ja  sie  trotzen  noch  nach  ihrem  Tode  vermöge  ihrer  Ungeniessbarkeit 
dem  in  Gestalt  von  Milben  und  ähnlichem  Geschmeiss  verkörperten  Zahne  der 
Zeit,  Mr.  Raphael  Meldola  legte  im  vorigen  Jahr  der  Londoner  entomolo- 
gischen Gesellschaft  die  letzten  Reste  einer  grösstentheUs  durch  Ungeziefer  zer- 
störten alten  indischen  Schmetterlingssammlung  vor.  „Die  überlebenden  Stücke 
gehörten  alle  zu  geschützten  Gattungen  (Euploea,  Danais  und  Papilio),  was  be- 
weist, dass  die  Eigenschaft,  die  diese  Kerfe  umschmackhaft  macht,  in  gewissem 
Grade  auch  nach  dem  Tode  erhalten  blieb"  ^). 

Was  bedeutet  nun  diese  Mimicry  geschützter  Arten  ?  Welchen  Vortheil  kann 
es  dem  seltenen  Eueides  pavana  bringen,  der  gemeinen  Acraea  Thalia  so  wun- 
derbar ähnlich  zu  sein?  Welchen  Nutzen  kann  es  überhaupt  für  zwei  Arten 
haben,  einander  ähnlich  zu  sein,  wenn  jede  für  sich  durch  Ungeniessbarkeit  vor 
Verfolgung  geschützt  ist?  —  Offenbar  gar  keinen,  wenn  insektenfressende  Vögel, 
Eidechsen  u.  s.  w.  die  Kenntniss  der  für  sie  geniessbaren  und  ungeniessbaren 
Kerfe  mit  auf  die  Welt  bringen,  wenn  ein  unbewusstes  Hellsehen  ihnen  sagt, 
unter  welchem  Gewände  sie  einen  leckeren  Bissen  zu  verfolgen,  unter  welchem 
einen   ekelhaften    zu   meiden  haben.     Wenn  aber  jeder  einzelne  Vogel  erst  durch 


schützte  Art  zeigen,  also  einen  merkbaren  Vortheil  ihren  Verfolgern  gegenüber  haben  wird.  Man  darf 
nicht  ausser  Acht  lassen,  dass  es  sich  eben  nur  um  eine  Maske,  nicht  aber  um  tiefgreifende  Umwand- 
lungen des  Baues  handelt. 

i)  Nature,  Vol.  XVI,  p.   155.  —  Kosmos  I,  S.  442. 
Fritz  Müllers  gesaifamelte  Schriften.  5*^ 


-i<^()  Ituna  und  Thyridia. 

eigene  Erfahrung  diese  Unterscheidung  lernen  muss,  so  wird  auch  von  den  un- 
geniessbaren  Schmetterhngsarten  eine  gewisse  Zahl  dem  noch  unerfahrenen 
jugendlichen  Nachwüchse  der  Schmetterlingsfresser  zum  Opfer  fallen.  Wenn  nun 
zwei  ungeniessbare  Arten  einander  zum  Verwechseln  ähnlich  sind,  so  wird  die 
an  einer  derselben  gemachte  Erfahrung  auch  der  anderen  zu  Gute  kommen; 
beide  zusammen  werden  nur  dieselbe  Zahl  von  Opfern  zu  stellen  haben,  die  jede 
einzelne  stellen  müsste,  wenn  sie  verschieden  wären.  Sind  die  beiden  Arten 
gleich  häufig,  so  werden  beide  aus  ihrer  Aehnlichkeit  den  gleichen  Nutzen  ziehen ; 
jede  wird  die  Hälfte  des  Tributes  sparen,  den  sie  der  jugendlichen  Unerfahren- 
heit  ihrer  Feinde  zu  bringen  hat.  Ist  aber  die  eine  Art  häufiger,  so  wird  sich 
der  Nutzen  ungleich  vertheilen,  und  zwar  der  verhältnissmässige  Vortheil,  der 
für  jede  der  beiden  Arten  aus  ihrer  Aehnlichkeit  erwächst,  sich  umgekehrt  ver- 
halten, wie  das  Quadrat  ihrer  Häufigkeit  ^).  Mögen  z.  B.  in  einem  gewissen  Be- 
zirke während  eines  Sommers  1200  Schmetterlinge  einer  ungeniessbaren  Art  ver- 
tilgt werden,  bis  diese  als  solche  erkannt  ist,  und  mögen  daselbst  2000  von  einer, 
10  000  von  einer  zweiten  ungeniessbaren  Schmetterlingsart  leben.  Sind  sie  ganz 
verschieden,  so  wird  jede  1200  Stück  verlieren;  sind  sie  täuschend  ähnlich,  so 
wird  sich  dieser  Verlust  im  Verhältniss  ihrer  Häufigkeit  unter  sie  vertheilen,  die 
erstere  wird  200,  die  zweite  1000  verlieren.  Erstere  gewinnt  also  durch  die  Aehn- 
lichkeit 1000  oder  50  Proz.  der  Gesammtzahl,  letztere  nur  200  oder  2  Proz.  ihrer 
Gesammtzahl.  Während  also  die  Häufigkeit  der  beiden  Arten  sich  verhält  wie 
I  :  5,  verhält  sich  der  Vortheil,  den  sie  von  der  Aehnlichkeit  haben,  wie  25  :  i. 

Handelt  es  sich  um  zwei  Arten,  von  denen  die  eine  sehr  häufig,  die  andere 
sehr  selten  ist,  so  fällt  der  Vortheil  so  gut  wie  ganz  auf  Seite  der  selteneren 
Art.  Wäre  z.  B.  Acraea  Thalia  tausendfach  häufiger  als  Eueides  pavana,  so 
würde  letztere  einen  millionenfach  grösseren  Nutzen  von  der  Aehnlichkeit  dieser 
beiden  Arten  haben,  für  Acraea  ist  dieser  Nutzen  so  gut  wie  Null.  So  konnte 
Eueides  pavana  durch  natürliche  Auslese  zu  einer  der  gelungensten  Nachahmungen 
von  Acraea  Thalia  herangebildet  werden,  obwohl  er  eben  so  umschmackhaft  ist, 
wie  die  nachgeahmte  Art. 

Sind  dagegen  zwei  oder  auch  mehrere  ungeniessbare  Arten  nahezu  gleich 
häufig,  so  wird  Aehnlichkeit  ihnen  nahezu  gleichen  Vortheil  bringen,  und  jeder 
Schritt,  den  die  eine  oder  andere  in  dieser  Richtung  thut,   wird  durch  natürliche 


i)  Seien  a.^  und  a.^  die  Zahlen  zweier  ungeniessbaren  Schmetterlingsarten  in  einem  bestimmten  Be- 
zirk während  eines  Sommers,  und  sei  n  die  Zahl  der  Schmetterlinge  einer  wohl  unterschiedenen  Art,  die 
im  Laufe  des  Sommers  verzehrt  werden,  bis  deren  Ungeniessbarkeit  allgemein  bekannt  ist. 

Wären    die   beiden  Arten    ganz    verschieden,   so   verlöre    also  jede  n  Stück.     Sind    sie    dagegen  un- 

unterscheidbar   ähnlich,    so  verliert  die  erste ,   die    zweite 


a,    -ha,  a,    +  a. 

Der   absolute  Gewinn   durch    die  Aehnlichkeit   ist  also  für  die  erste  Art  n 


ai   +  aj        aj   -h  a, 

a,  n 

und    ebenso  für  die  zweite  — * . 

a,  +  a. 

Dieser  absolute  Gewinn,  verglichen  mit  der  Häufigkeit  der  Art,   giebt  als  relativen  Gewinn  für  die 

erste  Art  i,    =  ^ und  für  die  zweite  Art   i,  = —^ -,    woraus    sich    sofort     ergiebt 

'  aj  (a,    +   a,)  -         a,  (a,    +  a,) 


Ituna  und  Thyridia.  787 

Auslese  erhalten  werden  Sie  werden  einander  entgegen  kommen  und  man  wird 
schliesslich  nicht  sagen  können,  welche  von  ihnen  den  anderen  als  Vorbild  gedient 
hat.  So  erklären  sich  jene  Fälle,  wo  mehrere  verwandte  ungeniessbare  Arten, 
z.  B,  Colaenis  JuHa,  Eueides  Aliphcra  und  Dione  Juno  einander  ähnhch  sind, 
wo  diese  Aehnlichkeit  sich  nicht  als  ererbte  auffassen  lässt,  und  wo  doch  auch 
keine  der  Arten  vorwiegende  Ansprüche  zu  haben  scheint,  den  anderen  als  Vor- 
bild gedient  zu  haben. 

Es  dürften  hierher  auch  Ituna  und  Thyridia  gehören,  wenn  schon  wahr- 
scheinlich Ituna  die  grössere  Strecke  des  Weges  zurückgelegt  hat,  der  von  frü- 
herer Verschiedenheit  zu  ihrer  jetzigen  Aehnlichkeit  geführt  hat. 

Itajahy,  Septem.ber  1878. 


50* 


Ein  Käfer  mit  Schmetterlingsrüssel  ^). 

Von  H.  Müller  mit  einer  Beobachtung  von  F.  Müller. 

Mit   I   Textfigur. 

Bienen  und  Schmetterlinge  haben,  als  die  umfassendsten  Insektenabtheilungen 
die  sich  ausschliesslich  mit  Blumennahrung  beköstigen,  nicht  nur  als  unbewusste 
Blumenzüchter,  die  bedeutendste  Rolle  gespielt  2);  sie  sind  auch  selbst  durch  ihre 
Anpassung  an  die  Gewinnung  dieser  Kost  in  der  durchgreifendsten  Weise  um- 
gestaltet worden,  besonders  in  ihren  der  Nahrungsgewinnung  am  unmittelbarsten 
dienenden  Organen,  den  Mundtheilen.  Während  aber  die  Bienenfamilie  v^on  dem 
ursprünglichen  Grabwespenmunde  der  Prosopis  bis  zu  dem  ausgeprägten  Saug- 
rüssel der  Hummel  und  Honigbiene  die  mannigfachsten  Abstufungen  darbietet, 
und  so  die  stattgehabte  Umwandlung  uns  noch  heute  fast  Schritt  für  Schritt 
erkennen  lässt,  besteht  dagegen  zwischen  dem  Rüssel  der  Schmetterlinge  und 
dem  Munde  ihrer  muthmaasslichen  Stammeltern,  der  Phryganiden,  eine  Kluft, 
die  durch  keine  Zwischenstufe  überbrückt  wird.  Denn  die  sehr  unausgebildeten 
Rüssel  gewisser  Falter  sind  gewiss  nur  als  nachträgliche  Verkümmerungen,  nicht 
aber  als  Ererbungen  von  uralten  Stammeltern  her  zu  betrachten. 

Die  Erklärung  dieses  auffallenden  Unterschieds  liegt  in  der  alltäglichen  Er- 
fahrung, dass  für  raschere  und  erfolgreichere  Leistungen  auf  irgend  einem  be- 
sonderen Gebiete  einseitige  Beschränkung  auf  dasselbe  eine  der  ersten  Vor- 
bedingungen ist.  In  einseitiger  Beschränkung  auf  Gewinnung  tief  geborgenen 
Blumenhonigs  wurden  aber  die  Bienen  von  den  Schmetterlingen  von  Anfang  an 
in  mehrfacher  Hinsicht  übertroffen. 

Während  nämlich  die  Bienen,  gleich  ihren  muthmaasslichen  Stammeltern, 
den  Grabwespen,  auf  die  Anfertigung  und  Sicherstellung  ihrer  Bruthöhlen  einen 
sehr  bedeutenden  Theil  ihrer  Zeit  und  Kraft  zu  verwenden  haben,  liegt  den 
Schmetterlingen,  gleich  ihren  muthmaasslichen  Stammeltern,  den  Phryganiden, 
keine  andere  Brutversorgung  ob,  als  das  Ablegen  der  Eier  an  einen  passenden 
Ort  und  allenfalls  noch  die  schützende  Ueberkleidung  derselben  (z.  B.  mit  After- 
wolle,   beim    Schwammspinner,    Liparis   dispar   u.   a.).     Während    daher    bei    den 


i)  Kosmos   1879/80,  Bd.  VI,  S.  302 — 304. 
2)  Siehe  Kosmos  Bd.  III,  Heft  5  u.  6. 


Ein  Käfer  mit  Schmetterlingsrüssel. 


789 


blumenstet  gewordenen  Grabwespen,  den  Bienen  etc.  eine  Anpassung  der  Mund- 
theile  an  die  Gewinnung  tiefer  geborgenen  Blumenhonigs  nur  in  sofern  möglich 
war,  als  die  zur  Herstellung  der  Bruthöhlen  hauptsächlich  gebrauchten  Oberkiefer 
dadurch   unbehindert   blieben,   konnten   sich   die  Mundtheile   der   nur  nach  Liebe 


I  Nemognatha  vom  Itajahy  von  oben  gesehen.  2  Desgleichen  von  der  Seite  (2  :  i),  i-  Saugrüssel. 
3  Mundtheile  derselben.  4  Mundtheile  der  Nemognatha  chrysomelina  aus  Südfrankreich  (4  :  i).  a  Ober- 
lippe, b  Oberkiefer,  c  Unterkiefer,  d  Unterlippe,  e  die  beiden  Kieferladen  im  Querschnitt,  stärker 
vergrösser  t. 


und  Blumensüssigkeiten  umherflatternden  Falter  in  einseitigster  und  ungebundenster 
Weise  der  Gewinnung  tiefer  geborgenen  Honigs  anpassen.  Von  durchgreifender 
Entscheidung  für  den  raschen  Erfolg  dieser  Anpassung  war  dann  weiter  die  ein- 
seitige Beschränkung  derselben  auf  ein  Paar  einzelne  Stücke  der  Mundtheile,  die 
Kieferladen.  Denn  diese  konnten,  indem  sie  sich  verlängerten,  rinnig  aushöhlten 
und  zu  einer  Röhre  zusammenlegten,  durch  Naturauslese  gewiss  sehr  bald  zum 
typischen  Schmetterlingsrüssel  ausgeprägt  werden.  Bei  den  Bienen  dagegen  wurde 
derselbe  Anpassungsvorgang  nicht  nur  durch  den  gleichzeitigen  Gebrauch  der 
Oberkiefer  für  die  Brutversorgung,  sondern  auch,  und  wahrscheinlich  noch  weit 
wirksamer,  dadurch  bedeutend  verlangsamt,  dass  eine  grössere  Mannigfaltigkeit 
von  Theilen,  nämlich  Unterkiefer,  Unterlippe  und  Lippentaster,  zu  einem  com- 
plicirten  Saugapparate  sich  zusammenlegten  und  nun  sämmtlich  in  gleichem  Sinne 
zugleich  gesteigert  werden  mussten. 

Während  daher  die  Ausprägung  des  typischen  Bienenrüssels  erst  im  Verlaufe 
vielfacher  Verzweigung  der  Bienenfamilie  durch  zahlreiche  Schritte  langsam  und 
allmählich  zur  Vollendung  gediehen  ist,  scheint  dagegen  die  Vollendung  des 
Schmetterlingsrüssels  schon  bei  dem  ursprünglichen  gemeinsamen  Stamme  der 
Schmetterlingsfamilie,   noch  vor  seiner  Differenz irung  in  verschiedene  Zweige,  er- 


-QQ  Ein  Käfer  mit  Schmetterlingsrüssel. 

folgt   ZU  sein.     So  allein,   so  aber  auch  in  einfachster  Weise,    scheint  mir  die  un- 
überbrückte  Kluft  zwischen  Phryganidenmund  und  Falterrüssel  erklärbar. 

Für  die  Richtigkeit  der  einzigen  vielleicht  etwas  zu  gewagt  erscheinenden 
Voraussetzung  dieser  Erklärung,  dass  nämlich  die  Umbildung  zw^eier  Kieferladen 
in  einen  Schmetterlingsrüssel  in  verhältnissmässig  sehr  kurzer  Zeit  möglich  ge- 
wesen sein  müsse,  tritt  die  Käfergattung  Nemognatha  als  unantastbarer  Zeuge 
ein,  indem  sie  in  ihren  jetzt  noch  lebenden  Arten  dieselbe  Umbildung  uns  that- 
sächlich  vor  Augen  stellt. 

Bei  der  in  Südfrankreich  einheimischen  Nemognatha  chrysomelina  nämlich 
sind  die  Kieferladen,  wenn  auch  bereits  stark  verlängert,  doch  noch  von  ganz 
derselben  Bildung  wie  bei  anderen  Käfern  auch.  Bei  einer  schwärzlich  blau- 
glänzenden Nemognatha  Südbrasiliens  dagegen,  die  mein  Bruder  Fritz  Müller 
am  Itajahy  oft  wiederholt  an  Winden  saugend  beobachtete,  haben  sich  die  Kiefer- 
laden ausserordentlich  verlängert,  rinnig  ausgehöhlt  und  zu  einem  Saugrüssel  zu- 
sammengelegt, der,  abgesehen  von  der  ihm  fehlenden  Zusammenrollbarkeit,  ganz 
wie  ein  Falterrüssel  gebraucht  wird.  Hier  hat  sich  also  in  der  verhältnissmässig 
kurzen  Zeit  der  Differenzirung  einer  Gattung  in  einzelne  Arten  dasselbe  ereignet, 
was  wir,  um  die  unüberbrückte  Kluft  zwischen  Schmetterlingsrüssel  und  Phryga- 
nidenmund verstehen  zu  können,  für  die  Stammeltern  der  Schmetterlinge  voraus- 
setzen mussten. 

Hermann  Müller. 


Wasserthiere  in  Baumwipfeln  Y). 

(Elpidium  Bromeliarum.) 
Mit   I   Textfigur. 

Es  ist  nicht  zu  verwundern,  dass  die  feuchten,  schatttigen,  mit  mancherlei 
Nahrung  gefüllten  Verstecke  zwischen  den  Blättern  der  Bromelien  von  allerlei 
Gethier  benutzt  werden,  und  dass  manche  dieser  Thiere  sie  zu  ihrem  Lieblings- 
aufenthalt erkoren  haben  oder  ausschliesslich  ihnen  ihre  Eier  anvertrauen.  So 
werden,  nach  den  fast  dreissigjährigen  Erfahrungen  meines  Freundes  Frieden- 
reich,  fast  alle  Käfer  der  Bromelien  nur  in  ihnen  gefunden  und  dasselbe  scheint 
für  die  zahlreichen  Larven  von  Kerfen  der  verschiedensten  Ordnungen  und  für 
die  Kaulquappen  baumbewohnender  Frösche  zu  gelten,  welche  hier  ihre  Ver- 
wandlung durchmachen. 

Höchst  überraschend  dagegen  ist  es,  dass  unter  diesen  Wasserthieren  in 
den  Wipfeln  des  Waldes  auch  ein  Krebschen  lebt,  dessen  Verwandte  man  im 
Meere  zwischen  Tangen  zu  treffen  gewohnt  ist.  Es  ist  ein  wenig  über  i  mm 
langes  Muschelkrebschen  aus  der  Familie  der  Cytheriden. 

Von  den  beiden  artenreichen  und  über  die  ganze  Erde  verbreiteten  Gattungen 
Cypris  und  Cythere,  in  welche  der  unermüdete  Erforscher  der  süssen  und  salzigen 
Gewässer  von  Dänemark,  Otto  Friedrich  Müller,  die  ihm  bekannten  Muschel- 
krebschen vertheilte,  lebt  die  Cypris  fast  ausschliesslich  in  süssem,  die  Cythere  in 
salzigem  Wasser;  nur  ganz  vereinzelte  Ausnahmen  von  dieser  Regel  sind  bis 
jetzt  bekannt  geworden.  Auch  hier  kannte  ich  bisher  Cythere  nur  aus  dem  Meere, 
aus  süssem  Wasser  nur  Cypris.  Und  nimmer  hätte  ich  erwartet,  meine  alten  Be- 
kannten aus  der  Ostsee,  die  ich  einst  mit  Max  Schnitze  barfuss  im  Greifswalder 
Bodden    watend  gesammelt,   hier  auf  den  Bäumen  meines  Waldes  wiederzusehen. 

Auf  den  ersten  Blick  freilich  erkannte  ich  die  Cythere  der  Bromelien  nicht 
als  Verwandte  ihrer  im  Meere  lebenden  Vettern,  da  sie  sich  in  der  Gestalt  ihrer 
zweiklappigen  Schale  weit  entfernt  von  allen  anderen  Cytheren,  ja  von  allen  mir 
bekannten  Muschelkrebschen.  Ganz  allgemein  besitzen  diese  letzteren  seitlich  zu- 
sammengedrückte Schalen,  die  weit  höher  als  breit  sind  und  in  der  Regel  die 
Gestalt  einer  Bohne  oder  einer  Miesmuschel  haben.  Bei  der  Bewohnerin  der 
Bromelien  dagegen  ist  die  Breite  der  Schale  viel  grösser  als  die  Höhe;  dazu  ist 
die  Bauchseite   flach  und  von  einer  Längsfurche  durchzogen,   so  dass  sie  an  eine 

1)  Kosmos  1879/80.  Bd.  VI.  S.  386—388. 

2)  Siehe  Kosmos,  Bd.  IV.  S.  390  =  Ges.  Schriften  S.  680. 


792 


Wasserthiere  in  Baxiniwipfeln. 


Kaffeebohne  erinnert.  Jene  fallen  daher  ausser  Wasser  auf  die  Seite,  diese  kommt 
auf  den  Bauch  oder  auch  wohl  auf  den  Rücken  zu  liegen.  Das  ist  wohl  eine 
Anpassung  an  ihren  Aufenthaltsort.  Im  Meere  klettern  die  Cytheren  an  dünnen 
Tangzweigelchen;  in  den  Bromelien  müssen  sie  sich  auf  den  breiten,  glatten 
Flächen  aneinanderliegender  Blätter  bewegen. 

Ich   sagte,   dass   mir   unter  den   lebenden  Muschelkrebschen   keine  ähnliche 
Schalenform  bekannt  sei,  wohl  aber  kommt  merkwürdigerweise  unter  den  ältesten 

versteinerten  Cytheriden,  die  Bar- 
rande  aus  den  silurischen  Schichten 
Böhmens  beschrieben  hat,  eine  Art 
vor,  Elpe  pinguis,  von  welcher  unser 
Bromelienkrebschen  ein  getreues  Ab- 
bild in  fünfmal  verjüngtem  Massstabe 
ist.  Letzteres  habe  ich  daher  Elpi- 
dium  Bromeliarum  genannt;  denn  ob- 
wohl ohne  hervorstehende  Eigen- 
thümlichkeiten  im  Bau  seiner  Glied- 
massen, passt  es  doch  in  keine  der 
Gattungen,  in  welche  man  neuerdings 
die  alte  Gattung  Cythere  aufgelöst  hat. 
Soweit  ich  mich  bis  jetzt  nach 
ihm  habe  umsehen  können,  vom  Meere 
bis  etwa  loo  Kilometer  landeinwärts, 
ist  hier  Elpidium  überall  in  den  baum- 
bewohnenden Bromelien  des  Urwaldes 
häufig.  Da  es  nicht,  wie  andere  Thiere, 
die  mit  ihm  in  den  Bromelien  hausen, 
von  Baum  zu  Baum,  ja  nicht  einmal 
von  Bromelie  zu  Bromelie  wandern 
kann,  muss  seine  Verbreitung  durch 
Käfer  (Agabus,  Laccophilus,  Hister 
u.  s.  w.)  oder  andere  Bewohner  der 
Bromelien  bewirkt  werden,  denen 
die  winzigen  Thierchen  anhaften. 
(Wenn  sie  die  Schale  der  Mutter  ver- 
lassen, sind  die  jungen  Elpidien  nur  0,2  Millimeter  lang).  Da  also  die  Besiede- 
lung  der  Bromelien  mit  Elpidium  ganz  dem  Zufall  anheimgegeben  scheint,  muss 
es  um  so  mehr  überraschen,  dass  man  diese  Krebschen  fast  in  jeder  Bromelie 
antrifft. 

Es  kann  kaum  ausbleiben,  dass  sie  dann  und  wann  auch  in  andere  Gewässer 
verschleppt  werden,  wie  man  ja  umgekehrt  bisweilen  in  den  Bromelien  einzelne 
eingeschleppte  Cyclops  trifft.  Doch  habe  ich  mich  bis  jetzt  in  unseren  von  man- 
nichfachen  andern  kleinen  Krebschen  (Cyclops,  Canthocamptus,  Cypris,  Chydorus, 
Alona,  Camptocercus,  Pasithea,  Moina,  Ceriodaphnia,  Simocephalus  u.  s.  w.)  be- 
wohnten Gewässern  vergeblich  nach  Elpidium  umgesehen.  Es  scheint  ausserhalb 
der  Bromelien  nicht  zu  gedeihen. 
Itajahy,  November  1879. 


Elpidium  Bromeliarum  Fr.  Müller,  ein  Bäume  bewoh- 
nender Muschel-Krebs. 

I  von  oben,  2  von  unten,  3  nach  Entfernung  der  rech- 
ten Schale  von  der  Seite  gesehen.  4  Vorderer  Fühler. 
5,  6  Hinterer  Fühler  des  Männchens  und  Weibchens. 
7  Mandibel.  8  Maxiila.  9,  10,  11  Füsse  vom  i.,  2.  und 
3.  Paar.  12  Leibesende  des  Weibchens  von  unten. 
13  und  14  Ei  und  Junges  aus  der  Schale  der  Mutter. 
15  Elpe  pinguis  Barr. 

Die  Vergrösserung  ist  bei  i  —  3  =  10  :  i,  bei  4 — 12 
=  72  :  I  und  bei   13  und   14  ^  36  :  i. 


Descripgäo  do  Elpidium  Bromellarvim^). 

Crustaceo  da  familia  dos  Cytherideos. 
Mit  Tafel  LVII. 

Ja  nos  tempos  geologicos  mais  remotos,  de  que  nos  ficaram  restos  fosseis, 
OS  Cytherideos  achavam-se  representados  por  numerosas  especies,  e  desde  entäo 
alles  se  tem  mostrado  frequentes  ate  hoje.  As  especies  fosseis  viviam  todas  no 
Mar,  sendo  que  ainda  hoje  estes  pequenos  Crustaceos  encontram-se  em  todos  os 
mares.  Na  agua  doce,  povoada  pela  familia  alliada  dos  Cyprideos,  elles  säo  ex- 
cessivamente  raros;  ainda  näo  sobe  a  meia  duzia  o  numero  das  especies  obser- 
vadas  nos  Estados  Unidos,  na  Inglaterra  e  na  Scandinavia.  A  essas  pouquissimas 
especies  da  agua  doce  vou  ajuntar  mais  uma,  que  ha  pouco  achei  n'aquelles  tan- 
quezinhos,  que  nas  arvores  do  matto  virgem  formam-se  entre  as  folhas  das  Bro- 
meliaceas  parasitas.  Ella  ali  vive  em  abundancia  e  quasi  que  näo  ha  Bromelia 
sem  a  sua  colonia  de  Cytherideos;  e  provavel  que,  com  as  Bromelias,  ella  se 
estenda  por  todo  o  Brazil. 

Alem  de  ser  notavel  por  esse  domicilio  singular,  que  ella  habita  e  por  ser 
a  primeira  especie  de  agua  doce  achada  na  America  do  Sul,  a  especie  das  Bro- 
melias e  interessante  tambem  pela  sua  forma  insolita.  As  conchinhas  bivalvas 
das  numerosas  especies  näo  so  da  familia  dos  Cytherideos,  como  de  toda  a  ordern 
dos  Crustaceos  Ostracodes,  costumam  ser  comprimidas  lateralmente,  tendo  o  feitio 
de  um  mexilhäo  ou  de  um  feijäo  preto;  na  especie  das  Bromelias,  pelo  contrario, 
a  conchinha  assemelha-se  a  um  gräo  de  cafe,  sendo  a  largura  muito  maior  do 
que  a  altura,  a  face  dorsal  convexa,  a  ventral  plana  e  percorrida  por  um  sulco 
longitudinal.  Por  este  feitio  da  conchinha  a  especie  se  afasta  de  todos  os  Ostra- 
codes da  actualidade  ate  agora  descriptos  e  so  entre  as  especies  fosseis  mais  anti- 
gas  ha  uma  especie  muito  semelhante.  E'  a  Elpe  pingitis  (fig.  26)  descoberta 
por  Barrande  nas  camadas  silurianas  da  Bohemia;  desta,  com  effeito,  a  especie 
das  Bromelias  parece  ser  uma  copia  fiel  em  escala  cinco  vezes  menor. 

Foi  por  este  motivio.  que  Ihc  dei  o  nome  de  Elpidium  Bromeliarum. 

As  conchinhas  do  Elpidium  Bromeliarum  (fig.  1-4)  tem  ate  i,"""3  de  com- 
primento;  ja  com  metade  desse  comprimento  todos  os  membros  tem  adquirido 
a  sua  forma  definitiva  e  os  animaes  come^am  a  propagar-se.  A  largura  e  egual 
a  cerca  de  seis  setimos  e  a  altura  a  metade  pouco  mais  ou  menos  do  comprimento. 

I)  Arch.  do  Mus.  Nac.  do  Rio  de  Janeiro   1879.   Vol.  IV.  p.  27—34.    •45-  Est.  II. 


■jQ  I  Descrip9äo  do  Elpidium  Bromelianim. 

A  parte  posterior  du  conchinha  e  mais  larga  e  mais  alta  do  que  a  anterior, 
a  face  dorsal  e  conxexa,  a  ventriU  plana.  O  ligamento  elastico,  que  une  os  bor- 
dos dorsaes  das  duas  valvulas  da  conchinha  e  pelo  quäl,  como  nas  conchas  dos 
molluscos  Lamellibranchios,  £is  valvaüas  säo  abertas,  desde  que  os  musculos  ad- 
ductores  deixam  de  se  contrahir,  estende-se  ate  ao  extremo  posterior  da  face 
dorsal,  acabando  a  pouca  distancia  do  extremo  anterior,  A  \alvula  esquerda  e 
quasi  insensivelmente  mais  comprida  do  que  a  direita,  de  modo  que  o  seu  bordo 
cobre  o  desta,  quando  se  fecha  a  conchinha. 

Ao  longo  do  bordo  ventral  as  partes  sobrepostas  das  duas  valvulas,  na 
occasiäo  de  estar  fechada  a  conchinha,  säo  assas  largas  (fig.  2);  ellas  säo  trans- 
parentes, menos  grossas  do  que  o  resto  das  valvulas  e  formam  um  sulco  longi- 
tudinal  nas  conchas  fechadas.  A  superficie  da  conchinha  e  lisa  e  lustrosa;  ha 
nella  alguns  pellosinhos  muito  raros,  curtos,  delgados,  pela  maior  parte  rectos;  so 
uns  5  ou  6,  inseridos  ao  longo  do  bordo  anterior  de  cada  valvula,  säo  curvos, 
sendo  a  sua  ponta  volvida  para  baixo.  A  cor  das  conchinhas  e  parda,  ora  mais 
pallida,  ora  mais  escura;  o  pigmento  e  granuloso  e  encerrado  em  cellulas  grandes 
polygonaes,  situadas  por  baixo  da  camada  chitinosa  externa  das  xalvulas;  o  pig- 
mento come^a  a  depositar-sc  ao  rcdor  dos  nucleos  das  ditas  cellulas  (fig.  6)  e 
acaba  por  enchel-as  inteiramente,  ficando  transparentes  so  os  nucleos  e  os  limites 
entre  as  cellulas.  Perto  do  extremo  anterior  do  ligamento  dorsal  elastico  ha  em 
cada  valvula  uma  macula  redonda,  transparente,  destituida  de  pigmento ;  para  ver 
bem  essas  duas  maculas  cumpre  encarar  de  frente  as  conchinhas ;  ellas  säo  geral- 
mente  tanto  mais  visiveis,  quanto  mais  escuras  forem  as  conchinhas;  servem  de 
janellas  para  admittir  a  luz  aos  olhos.  Tambem  falta  o  pigmento  no  logar  em 
que  se  inserem  os  musculos  adductores  das  valvulas  As  impressöes  musculares 
(fig.  4m,  fig.  6),  que  mostram  differengas  caracteristicas  nas  diversas  especies  'de 
Cytherideos  e  Cyprideos,  distam  do  extremo  anterior  cerca  de  dous  quintos  do 
comprimento  das  valvulas,  achando-se  so  pouco  acima  do  nivel  da  face  ventral; 
ha  uma  macula  maior  composta  de  quatro  impressöes  ellipticas,  contiguas,  de 
que  as  duas  extremas  säo  menores  e  cujos  eixos  maiores  väo  obliquamente  de 
cima  e  de  diante  para  baixo  e  para  traz ;  alem  disso,  ha  uma  imprcssäo  muito 
menor,  quasi  circular,  as  vezes  pouco  visixel,  situada  um  pouco  adiante  das  qua- 
tro maiores. 

Os  dous  ollios  simples,  existentes  nas  familias  dos  C3'prideos  e  Cytherideos 
costumam  confluir  em  um  unico  olho  impar,  naquella  familia  e  ser  separados 
nesta.  Alem  disso,  segundo  Zenker,  os  olhos  dos  Cytherideos  adheririam  äs  val- 
vulas. Ha  comtudo  excepgöes  a  esta  regra  em  uma  e  outra  familia  e  entre  ellas 
figura  tambem  o  Elpidium  Bromeliarum. 

Esta  especie  tem  um  unico  olho  impar  com  duas  lentes  lateraes  (fig.  7-9) 
situado  em  baixo  do  extremo  anterior  do  ligamento  elastico,  junto  do  logar  em 
que  anteriormente  o  corpo  do  animal  separa-se  das  valvulas;  näo  adhere  a  con- 
chinha e  sim  pode  ser  movido  com  o  corpo  um  pouco  para  traz  e  para  diante. 
A  forma  do  bulbo  coberto  de  pigmento  preto  e  bastante  variavel,  parecendo 
serem  as  differen^as  independentes  tanto  da  edade  como  do  sexo  dos  animaes. 
As  antennas  anteriores  (fig.  3,  a,  fig.  10)  tem  cinco  articulos;  a  articulagäo  entre 
o  primeiro    e    segundo   permitte   um   movimento   extenso   de  cima  para  baixo;   a 


Descrip<;:äo  do  Elpidium  Bromeliarum.  yqe 

mobilidade  dos  mais  articulos  e  muito  limitada ;  o  primeiro  e  o  segundo  säo  muito 
mais  grosses  e  compridos  do  que  os  outros  articulos;  o  tcrceiro  e  o  quinto  tem 
so  metade  pouco  mais  oii  menos  do  comprimento  do  quarto,  o  quäl  se  formou 
pela  confluencia  de  dous,  como  mostra  a  disposi^äo  das  suas  sedas;  em  certos, 
bem  que  rarissinios,  individuos,  esses  dous  articulos  primitivos  se  tem  conservado 
perfeitamente  separados,  constando  neste  caso  as  antennas  de  seis  articulos.  E' 
uma  pro\a  do  pouco  valor,  que  na  classificagäo  dos  Cytherideos  possa  ter  o  nu- 
mero  dos  articulos  das  antennas,  que .  certos  autores  tem  usado  como  caracter 
distinctivo  dos  generös  noxamente  estabelecidos  na  dita  familia.  No  extremo  do 
primeiro  articulo,  ha  no  lado  superior  externo  um  pequeno  processo  triangulär  ou 
digitiforme,  guarneciclo  de  pellosinhos  bastos,  tenros,  curtos,  rectos.  Do  segundo 
articulo  nasce,  a  alguma  distancia  da  base  do  bordo  inferior,  um  pello  grosso, 
flexivel,  plumoso  na  parte  terminal,  cujo  comprimento  excede  o  do  primeiro  arti- 
culo da  antenna;  no  extremo  do  terceiro  articulo  ha  no  bordo  superior  uma  seda 
curta  e  rija ;  ha  duas  sedas  semelhantes  no  meio,  e  tres  mais  compridas  no  ex- 
tremo do  bordo  superior,  uma  no  meio  e  outra  no  extremo  do  bordo  inferior  do 
quarto  articulo ;  emfim,  ha  tres  ou  quatro  sedas  no  extremo  do  articulo  quinto  ou 
terminal  da  antenna. 

As  antennas  posteriores  (fig.  3,  «  2;  fig.  11-12),  inseridas  um  pouco  em 
baixo  e  para  fora  das  anteriores,  tem  quatro  articulos,  de  que  o  terceiro  e  o 
mais  comprido;  o  primeiro  e  um  pouco  menos  comprido,  porem  muito  grosso;  o 
segundo  e  o  quarto  säo  muito  mais  curtos;  näo  parece  haver  mobilidade  alguma 
entre  os  articulos  segundo  e  terceiro;  o  segundo  articulo  pode  descrever  um  arco 
consideravel  para  baixo,  e  o  quarto  e  capaz  de  se  mover  tanto  para  cima  como 
para  baixo. 

No  extremo  do  segundo  articulo  ha  no  lado  inferior  uma  seda  delgada  e 
comprida,  chegando  ate  ao  fim  do  articulo  seguinte,  o  articulo  terceiro  e  munido 
de  duas  sedas  curtas  pelo  meio  do  lado  inferior,  de  um  pello  delgado  perto  do 
extremo  do  lado  superior  e  de  um  forte  espinho  recto  e  movel  no  extremo  do 
lado  inferior ;  emfim  o  articulo  terminal  e  armado  de  tres  espinhos  fortes,  moveis, 
cujas  pontas  säo  curvadas  algum  tanto  para  baixo.  Nas  femeas  (fig.  1 1)  esses 
tres  espinhos  säo  lisos;  nos  machos  (fig.  12)  o  primeiro,  geralmente  um  pouco 
mais  curto  do  que  os  dous  terminaes,  e  serreado,  isto  e,  provido  de  uma  fileira, 
de  dentes  agudos. 

No  extremo  do  articulo  basal  das  antennas  posteriores,  articüla-se  ainda 
como  nos  mais  C3^therideos,  um  appendice  biarticulado  (fig.  11,  a),  muito  esbelto, 
em  cuja  ponta  se  abre  um  canal,  que  vem  de  uma  bexiga  (fig.  11,  6)  cheia  de 
um  liquido  um  pouco  amarellado  e  mais  refringente  do  que  a  agua.  Compri- 
mindo  a  antenne  isolada  com  a  bexiga,  entre  laminas  de  vidro,  vi  algumas  vezes 
Sahir  esse  liquido  da  ponta  do  appendice  em  um  fio  delgado,  que  näo  se  misturava 
com  a  agua.  Pela  posicäo,  que  occupa  o  appendice,  poderia  eile  ser  comparado 
ao  ramo  externo  existente  nas  antennas  posteriores  de  muitos  Crustaceos;  e  com- 
tudo  mais  provavel,  que  corresponda  ao  processo  conico  das  antennas  posteriores 
dos  Amphipodes,  em  cuja  ponta  tambem  se  abre  o  canal  excretorio  de  uma 
glandula.  A  bexiga  e  muito  maior  no  Elpidium  Bromeliarnm,  do  que  (segundo 
Zenker)  na  Cythere  viridis  do  mar  Baltico. 


_QÄ  Descrip^äo  do  Elpidium  Bromeliarum. 

As  partes  bocaes  constam  de  dous  pares  de  appendices,  designados  goral- 
mente  pelos  nomes  de  mandibulas  e  maxillas,  (on,  por  Zenker,  de  primeiro  e 
segundo  par  de  maxillas). 

As  mandibulas  (fig.  3,  m,  d;  fig.  13)  tcm,  como  nos  generös  Cypris  e  Cy- 
there,  uma  grande  parte  basal  triangulär,  percorrida  e  como  quo  esteiada  por 
diversas  varas  chitinosas.  A  parte  inferior  da  base  do  triangulo  prolonga-se  em 
um  processo  mandibular,  terminado  por  uma  serie  de  dentes  agudos.  Do  bordo 
anterior  da  mandibula  nasce  um  grosso  palpo,  composto  de  tres  ou  quatro  arti- 
culos,  que,  com  excep9äo  do  ultimo,  säo  pouco  distinctos.  O  palpo  tem  duas  sedas 
maiores  no  primeiro  articulo,  uma  curvada  e  plumosa  no  extremo  do  penultimo 
e  umas  quatro  no  ultimo  articulo.  Do  lado  externo  do  primeiro  articulo  do  palpö 
eleva-se  uma  lamina  membranosa,  volvida  para  cima,  cujo  bordo  superior  se  pro- 
longa  em  tres  pellos  grossos,  compridos,  rectos,  flexiveis  e  plumosos,  com  excep- 
Qäo  de  uma  curta  parte  basal,  que  e  nua. 

Ha  na  mesma  lamina  um  quarto  pello,  semelhantc  aos  outros  tres,  porem 
muito  curto  e  dirigido  em  sentido  opposto.  Em  individuos  sufficientemente  trans- 
parentes se  pode  ver,  que  a  lamina  esta  em  movimento  continuo  na  parte  da 
conchinha  situada  para  diante  dos  musculos  adductores. 

As  maxillas  (fig.  3,  mx;  fig.  14)  mostram  uma  grossa  parte  basal,  de  cujo 
bordo  terminal  nascem  quatro!  processos  quasi  cylindricos,  contiguos,  parallelos, 
armados  na  ponta  de  pellos  ou  sedas;  destes  processos  o  que  prolonga  o  bordo 
inferior  ou  interne  da  maxilla  termina  em  duas  sedas;  de  que  a  inferior  tem  a 
metade  terminal  plumosa  e  curvada  para  baixo;  cada  um  dos  dous  processos 
intermedios  acaba  em  tres  sedas  rijas,  agudas,  um  pouco  curvadas;  emfim  o  quarto 
processo,  formando  o  prolongamento  do  bordo  superior  da  maxilla,  e  mais  com- 
prido  que  os  outros  e  acaba  em  duas  sedas  mais  compridas  tambem;  este  quarto 
processo  e  biarticulado  nos  generös  Cypris  e  Cythere,  porem  na  especie  das  Bro- 
melias näo  me  foi  possivel  distinguir  dous  articulos.  Ha  na  maxilla,  como  na 
mandibula,  uma  lamina  membranosa,  guarnecida  de  compridos  pellos  plumosos; 
ella  e  muito  maior  do  que  a  das  mandibulas;  o  numero  dos  pellos  marginaes 
parece  ser  de  16  em  todos  os  animaes  adultos.  Alem  dos  pellos  marginaes  ha 
um  que  nasce  a  pouca  distancia  do  bordo  e  se  estende  em  sentido  opposto;  e 
semelhante  em  tudo  ao  pello  que  se  acha  no  segundo  articulo  das  antennas  an- 
teriores. A  lamina  membranosa  da  maxilla  e  dirigida  para  fora  e  esta  em  mo- 
vimento vibratorio  constante  no  espago  situado  atraz  dos  musculos  adductores. 

A's  partes  bocaes  seguem  tres  pares  de  pernas  (fig.  3,  p  i,  p  2,  p  3;  fig.  15-17); 
muito  semelhantes  entre  si,  tendo  comtudo  cada  par  certos  caracteres  distinctivos. 
As  pernas  säo  compostas  de  cinco  articulos ;  o  articulo  basal  e  muito  mais  grosso 
do  que  os  mais,  tendo  o  bordo  posterior  mais  comprido  e  mais  convexo  do  que 
o  anterior;  quando  o  animal  esta  andando  este  articulo  esta  virado  para  baixo, 
recolhidas  as  pernas  na  conchinha,  dirige-se  obliquamente  para  diante.  A  pouca 
distancia  da  base  nasce  do  bordo  posterior  um  pello  plumoso  semelhante  ao  do 
segundo  articulo  das  antennas  anteriores;  nos  dous  primeiros  pares  de  pernas  o 
comprimento  desse  pello  excede  ao  do  articulo  basal,  no  terceiro  par  e  muito 
mais  curto. 


Descrippäo  do  Elpidium  Biomeliarum.  »rgy 

Um  segundo  pello  semelhante,  porem,  muito  menor,  nasce  no  meio  do  bordo 
anterior,  e  um  terceiro,  muito  mais  curto  ainda,  no  extremo  do  bordo  anterior  do 
articulo  basal.  Ao  lado  deste  terceiro  pello  ha  no  primeiro  par  de  pernas  (fig.  15) 
um  gancho  ou  espinho  forte,  curvado  e  agudo,  que  falta  aos  dous  pares  posteriores. 

Os  articulos  segundo  ate  quarto  säo  esbeltos,  quasi  cylindricos,  dirigidos 
para  traz,  sendo  o  comprimento  do  segundo  articulo  igual  ou  pouco  superior  ao 
do  terceiro  e  quarto  unidos.  No  extremo  do  lado  ventral  do  segundo  articulo 
ha  nos  dous  primeiros  pares  de  pernas  um  espinho  forte,  curvado  um  pouco  para 
baixo,  o  quäl  se  acha  substituido  no  terceiro  par  por  uma  seda  recta,  muito  mais 
tenra.  O  articulo  quinto  ou  terminal  forma  nos  dous  primeiros  pares  uma  unha 
vigorosa  esbelta,  pouco  curvada,  cujo  comprimento  iguala  ou  pouco  excede  ao 
do  articulo  antecedente.  No  terceiro  par  de  pernas  (fig.  17)  o  articulo  terminal 
e  muito  mais  comprido  e  delgado  do  que  nos  pares  anteriores,  igualando  o  com- 
primento do  segundo  articulo,  a  sua  metade  basal  e  recta,  a  terminal  um  pouco 
curvada,  havendo  um  pequenino  espinho  entre  essas  duas  metades. 

Na  configuragäo  das  partes  bocaes  e  das  pernas  näo  ha  differenga  entre  os 
dous  sexos. 

As  partes  genitaes,  situadas  posteriormente  as  pernas,  säo  muito  volumosas 
e  complicadas  nos  machos  (fig.  ig-22).  O  membro  viril  (fig,  ig,  mv.)  e  um  gancho 
duro,  escuro,  curvado  em  semicirculo,  movido  por  um  forte  musculo.  Para  dentro 
e  para  diante  do  membro  ha,  como  nas  Cytheres  examinadas  por  Zenker,  um 
processo  digitiforme  (fig.  19-22,  pd)  ha  tambem,  como  nas  Cytheres,  uma  grande 
lamina  terminal  de  forma  muito  variavel  (fig,  19-22,  It;  fig.  20 — 21),  de  cuja  face 
ventral  nasce  junto  da  base  um  pello  quasi  igual  em  comprimento  a  mesma  la- 
mina. Os  orificios  gehitaes  das  femeas  (fig.  1 8,  og)  säo  situados  de  um  e  outro 
lado  do  abdomen  entre  o  terceiro  par  de  pernas  e  os  appendices  caudaes. 

Os  appendices  caiidaes  (fig.  18,  19,  22,  ac.)  säo  duas  pequenas  laminas  trian- 
guläres ou  ovaes,  munidas  de  duas  sedas  plumosas  terminaes  e  de  uma  terceira 
seda  mais  comprida,  que  nasce  de  sua  face  ventral  e  que  parece  faltar  as  vezes 
nos  machos. 

O  corpo  ainda  se  prolonga  um  pouco  alem  dos  appendices  caudaes,  termi- 
nando  em  uma  protuberancia  guarnecida  de  curtos  pellinhos. 

Os  ovos  (fig.  23)  quasi  esphericos,  de  cerca  de  o,"""  i.  de  diametro,  desen- 
volvem-se  como  na  Cypridina  Agassizei  ^),  dentro  da  conchinha  da  mäe.  Nas 
femeas  maiores  conta-se  as  vezes  mais  de  trinta  entre  ovos  e  filhos.  Os  filhos 
ali  ficam  ate  terem  chegado  a  0,-2  ate  o,'"'"  25  de  comprimento.  A  sua  conchin- 
ha entäo  ja  tem  approximadamente  a  sua  forma  caracteristica  e  definitiva  (fig.  24, 
25);  ella  mostra  so  quatro  pellos,  havendo  um  junto  de  cada  extremo  de  uma  e 
outra  valvula ;  o  olho  e  os  musculos  abductores  se  acham  situados  muito  mais 
para  traz  do  que  nos  animaes  adultos,  devido  isso  a  circumstancia  de  estar  ainda 
pouco  desenvolvida  a  parte  posterior  do  corpo;  em  lugar  dos  tres  pares  de  per- 
nas, ha  apenas  um  unico  par  de  ganchos  simples;  as  antennas,  pelo  contrario,  ja 
possuem  a  sua  organisagäo  definitiva. 

i)  Fritz  Müller,  Bemerkungen  über  Cypridina,  Jenaische  Zeitschrift  für  Naturw.  1870.  Vol.  V. 
pag.   255.  ==  Ges.  Schriften  S.  367. 


•jQ^  Descripcäo  do  Elpidium  Bromelianim. 

O  Elpidium  e  quasi  o  unico  entre  os  numcrosos  visitantes  e  habitantes  das 
Bromelias,  que  nellas  nasce  c  morre.  Muilos  animaes  väo  visitar  as  Bromelias, 
seja  para  se  agasalharem,  seja  para  se  nutrirem  das  substancias  organicas,  que 
entre  as  suas  folhas  se  accumulam,  seja  emfim  para  alli  depositarcm  os  seus  ovos. 
Esses  visitantes  passageiros  säo  variadissimos ;  ha  entre  elles  Vermes  Turbellarios 
{Geoplana),  Crustaceos  Itsopodes  {Phüoscia)  Arachnides,  Myriapodes,  muitos  In- 
sectos,  Batrachios  (pererecas)  e  ate  cobras.  Outras  cspecies  vivem  la  como  larvas, 
sahindo  depois  de  concluida  a  sua  metamorphose,  como  sejam  as  pererecas  e 
varios  insectos  Orthopteros  (Agrionideos),  Neuropteros,  Trichopteros,  Coleopteros 
(Parnideos)  e  Dipteros  (Culicideos,  Tipulidoos,  Syrphideos  e  outros).  Nem  para 
aquelles  visitantes  nem  para  estas  larvas  ha  difficuldade  alguma  em  explicar  a 
sua  estada  nas  Bromelias.  Com  o  Elpidium  o  caso  e  differente.  Näo  podendo 
esses  pequenos  Ostracodes  migrar  de  uma  Bromelia  e  muito  menos  ainda  de 
uma  arvore  a  outra,  como  e  que  näo  obstante  isso  podem  elles  estabelecer  novas 
colonias?  Elles  näo  poderäo  fazer  as  viagens  necessarias  sinäo  adherindo  ao 
corpo  de  qualquer  visitante  das  Bromelias.  Apezar  de  assim  parecer  abandonada 
ao  acaso  a  sua  transmigra(;äo,  ella  se  faz  com  a  mesma  regularidade  com  que  o 
pollen  das  flores  e  transportado  de  uma  planta  a  outra  pelos  insectos  pronubos, 
como  prova  o  facto  de  quasi  näo  haver  Bromelia  sem  a  sua  colonia  de  Elpidium. 

Resta  resumir  os  caracteres,  pelos  quaes  o  genero  Elpidium  pode  ser  distin- 
guido  dos  mais,  que  se  tem  estabelecido  na  familia  dos  Cytherideos:  Conchinha 
com  a  face  ventral  plana  e  a  largura  muito  superior  a  altura.  Olhos  reunidos 
em  um  unico  impar.  Antennas  anteriores  com  cinco  (ou  excepcionalmente  seis), 
posteriores  com  quatro  articulos.  Ultimo  articulo  das  antennas  posteriores  com 
tres  espinhos,  sendo  um  delles  serreado  nos  machos.  Pernas  iguaes  nos  dous 
sexos,  semelhantes  entre  si.  Articulo  basal  do  primeiro  par  de  pernas  armado  de 
um  gancho  terminal.  Articulo  ultimo  (unha)  do  terceiro  par  muito  comprido  e 
delgado.     Appendices  caudaes  ndo  articulados,  munidos  de  tres  sedas. 


Explica9ao  das  figuras  da  estampa  LVIP). 

Säo  augmentadas  25  vezes  as  figuras  i — 4;  90  vezes  as  figuras  5  e  23  —  25;  180 
vezes  as  figuras  6 — 22. 

Fig.   I. —  Elpidium  Bromeliarum,  visto  da  face  dorsal. 

Fig.   2. —  O  mesmo,  face  ventral. 

Fig.  3. —  Femea;  vista  do  lade  direito  depois  de  removida  a  valvula  do  mesmo  lade; 
0  olho.  (?'  antenna  anterior.  «"  antenna  posterior.  7nd  mandibula.  mx  maxilla.  p\  />",  />'" 
pernas.    og  orificio  genital,    ac  appendice  caudal. 

Fig.  4. —  Individuo  menor,  visto  do  lado  direito.    m  impressöes  musculares. 

Fig.  5. —  Impressöes  musculares  da  valvula  esquerda. 

Fig.  6. —  Fragment©  de  uma  valvula. 

Fig.  7. —  Olho  visto  do  lado  direito. 

Fig.  8,  9. —  O  mesmo  visto  de  cima,  de  dous  differentes  individuos. 

Fig.   10. —  Antenna  anterior. 


i)  Zur  Beurteilung  dieser  Tafel  im  Vergleich  der  Textabbildungen  aus  Kosmos  (Ges.  Schriften  S.  792 
siehe  die  Erklärung  aus  dem  Zool.  Anzeiger  Bd.  IV.   1881.  S.  505  ==  Ges.  Schriften  S.  831. 


Descrip^fio  do  Elpidium  Bromelianim.  ygg 

Fig.  II. —  Antenna  posterior  de  uma  femea.  «  appcndlce  biarticulado,  em  cuja  ponta 
se  abre  o  canal  excretorio  da  bexiga  b. 

Fig.   12. —  Extremo  da  antenna  posterior  de  um  macho. 

Fig.   13. —  Mandibula. 

Fig.   14. —  Maxilla. 

Fig.  15. —  Perna  do  primeiro  par,  distinguindo-se  pelo  gancho  no  extremo  do  ar- 
tirulo  basal. 

Fig.    16. —  Perna  do  segundo  par. 

Fig.  17. —  Perna  do  terceiro  par,  distinguindo-se  pelo  comprimento  do  articulo  ter- 
minal (unha). 

Fig.  18. —  Extremo  posterior  do  corpo  de  uma  femea,  face  ventral,  ac  appendices 
caudaes.    og  orificios  genitaes. 

Fig.  19. —  Orgaos  genitaes  do  lado  direito  de  uma  macho,  vistos  da  face  ventral. 
ac  appendices  caudaes.    //  lamina  terminal,    mv  membro  viril,  pd  processo  digitiforme. 

Fig.  20,  21. —  Lamina  terminal  dos  orgaos  genitaes  de  outros  dous  machos. 

Fig.  22. —  Extremo  posterior  do  corpo  de  um  macho,  visto  da  face  dorsal,  ac  appen- 
dices caudaes.   //  laminas    terminaes    dos    orgaos  genitaes.  pd  processos  digitiformes. 

Fig.   23. —  Ovo,  tirado  da  conchinha  de  uma  femea. 

Fig.  24. —  Larva,  tirada  da  conchinha.  da  sua  mae,  vista  do  lado  dorsal.  0  t)lho. 
m  musculos  adductores. 

Fig.  25. —  Sec^äo  transversal  da  mesma. 

Fig.  26. —  Elpe  pinguis  Barr,  copiada  de  Gerstaecker,  Klassen  und  Ordnungen  der 
Arthropoden. 


On  a  curious  insect  from  Brazil^). 

The  Secretary  also  exhibited  a  photograph  on  behalf  of  Dr.  Fritz  Müller, 
and  read  the  foUowing  note:  — 

"I  take  the  liberty  of  sending  you  a  Photographie  copy  of  some  drawings 
of  a  very  curious  dipterous  insect.  The  larva  is  remarkable  for  having  six  Seg- 
ments onty,  each  being  provided  on  the  ventral  side  with  a  complicated  disk,  by 
vvhich  it  firmly  adheres  to  the  rocks  of  rapids.  The  first  segment  of  the  larva 
is  a  cephalothorax,  comprising  the  head,  thorax,  and  first  abdominal  segment  of 
the  pupa.  The  pupa,  which  is  firmly  cemented  to  the  rocks,  has  its  antennae, 
wings  and  legs  free,  not  adherent  to  the  body,  The  perfect  insect  is  remarkable 
for  the  dimorphism  of  the  females.  One  set  of  females  agrees  in  the  want  of 
mandibulse  and  the  structure  of  the  oval  parts  with  the  males.  They  are  probably 
honey-sucking.  The  other  set  of  females  are  provided  with  mandibul£e,  like  the 
blood-sucking  females  of  Culex,  Tahaniis,  &c.  In  the  size  of  the  eyes  and  the 
structure  of  the  feet  the  blood-sucking  females  differ  much  less  from  the  males 
than  the  honey-sucking  females  do.  I  have  lately  sent  to  the  'Archivos  do  Museu 
Nacional  do  Rio  de  Janeiro'  a  description  of  this  insect,  accompanied  b}^  seven 
plates,  three  of  which  refer  to  the  highly  interesting  structure  of  the  larva." 


i)  Trans.  Ent.  Soc.  London   1879.  Proc.  p.  L. 


Verlag  von  ftvistaY  Fischer  in  Jena. 


i 


Gesammelte  Abhandlungen  von  N.  Pringsheim.  ^^^Z^T^Z^ 

VLerl3ände.     181)5  -9ü.  Preis:  GO  Mark. 


t  Erster  Band:    Befruchtung,  Vermehrung  und  Systematik  der  Algen. 

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graphischen Tafeln,     1895.  Preis:  15  Mark. 

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abgabe, osmotische  Versuche.  Mit  22  lithographischen  Tafeln  und  7  Al)hild. 
im  Text.     189().  Preis:  13  Mark. 

Kein  schöneres  Denkmal  hätte  dem  verstorhenen  Gelehrten  gesetzt  werden 
können,  als  es  von  seinen  Kindern  durch  dia  llerausgahe  der  gesammelten  Werke 
(lesseihen  geschah.  Es  sind  wortgetreue  Ahdrücke  von  Ahhandlungen,  welche  in 
den  Schriften  der  Königlichen  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin,  in  den 
Jahrhüchern  für  wissenschaftliche  Botanik,  in  den  Bferichten  der  Deutschen  bota- 
nischen üesellschaft  usw.,  zum  Teil  auch  als  vollständige  Broschüren  erschienen  sind. 

rvl^iircinncflnra    i/nn    laun     umfassend    die    Blütenpflanzen,     mit    besonderer 
CAKUidiUiidiiuici   vuii    Java,    Berücksichtigung  der  im  Hochgebirge  wildwach- 
senden Arten.     Ini  Auftrage  des  Holländischen  Kolonialniinisteriums   bearbeitet 
von  Dr.  S.  H.  Koorders. 

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Vorliegende  Arbeit  ist  die  erste  systematische  Bearbeitung  der  Flora  von  Sao 
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Diese  scluine  und  äußerst  wertvolle,  für  den  Zoologen  wie  für  den 
Botaniker  gleich  interr essan te  Arbeit,  in  welcher  Verf.  zahlreiche  eigene 
Beobachtungen  niedergelegt  hat,  gliedert  sich  im  I.  ,, speziellen  Teil"  folgender- 
maßen: A.  Cynipiniden.  1.  Rhndites  rosae  h.  avd  Nosn  eanina.  2.  lihodites 
ftpinosissimoe  Gir.  auf  Rosa  piinpinclUfolid.  3.  Die  übrigen  7?//orfrtes- Gallen  der 
Kose.  4.  Die  Entstehung  der  ////«(///(".v-Gallen.  5.  Biorrinxa  termiuahs  Hart,  auf 
Quercus.  G.  Andrictis  trilineatus  Hart,  auf  f,)uereus.  7.  Die  übrigen  Cijuipidei)- 
gallen  der  Eiche.  8.  CynipiJen^&WQn  auf  anderen  Pflanzen.  B.  Galeiden. 
1.  Isoso7)ia  auf  Luftwurzeln  vom  Ficus.  2.  Isosoma  orehidearmn  I.  0.  ^y.  auf 
CatÜeija.  3.  Blaslophaga  (jrossortim  auf  Fi'cns  rarirc  C.  Ten  thred inen. 
1.  Pontrmia  proxii)/a  Lepel,  auf  Salix  ani/jf/daliua.  2,  Pontania  Salicis  Christ 
auf  Salix  jmrpnrea.  3.  Poulania  rcsicator  Breini  auf  Salix  purpurea.  4.  Die 
anderen  PonlaniagaWen  der  Weide.  5.  Die  Entstehung  der  Po?«/a«?Vf-Blattgallen.  — 
Im  „allgemeinen  Teil"  weist  der  Verf.  die  Richtigkeit  seiner  vielfach  im  Gegen- 
satz zu  den  Untersuchungen  früherer  Beobachter  stehenden  allgemeinen  Schlüsse 
für  die  Aetioloüie  dieser  Gallen  nach.  ...  v.  Dal la  Torr e. 


fi.E.tTECHdTtCi. 


Verlag  yon  G^nstav  Fischer  iu  Jena. 


Die  Pflanzengallen  (Cecidlen)  Mittel-  und  Nordeuropas,    ^l^l^^^ 

und  Biologie  der  Bestimmungstabelien.  Von  Dr.  H.  Ross,  Konservator  am 
Kgl.  Botaiiischea  Museum  in  München.  Mit  233  Fig.  auf  10  Tafeln,  nach 
der  Natur  gezeichnet  von  Dr.  G.  Dunzinger ,  München,  und  24  Abbildungen 
im  Text.    (IX,  350  S.  gr.  8».)    1911.  Preis:  9  Mark. 

Inhalt:  I.Teil.  Erklärung  des  Begriffs  „Galle" :  Nomenklatur.  —  Die  Gallen 
erzeugenden  Tiere  (Cecidozoen).  —  Die  Gallenerreger  aus  dem  Pflanzenreich  (Cecido- 
phyten).  —  Verteilung  der  Gallen  am  Pflanzenkörper.  —  Einteilung  der  Gallen.  — 
Bedingung  für  die  Entstehung  der  Gallen.  Die  Gallen  erzeugenden  Stoffe.  —  Be- 
ständigkeit 'der  Gallformen.  —  Anzahl  der  Galltiere.  Larvenkammer.  —  Schutz- 
einrichtungen, Innciigalle,  Ueberwinterung  der  Gallen.  —  Verpilzte  Tiergallen.  — 
Milbenhäuscheü  (Acarodomatien).  —  Verbänderungen  (Fasciationen).  —  ünter- 
suchTlngsmethoden,  Zucht,  Präparieren  und  Aufbewanren  der  Gallen.  --  Hilfsmittel 
für  das  Studium  der  G allen bildun gen.  —  Nutzen  und  Ziele  der  Gallenkunde  und 
Gallenforschung. 

H.  Teil.  Bestimmungstabelien.  —  Erklärung  der  Abkürzungen  und  Zeichen 
in  den  Bestimmunggtabellen.  —  Sachregister  zum  I.  Teil.  —  Alphabethisches  Ver- 
zeichnis der  Gallenerreger  nach  den  Artnamen.  —  Alphabetisches  Verzeichnis  der 
Gallenerreger  nach  den  natürlichen  Ordnungen  und  Klassen.  —  Erklärung  der 
Figuren  auf  Tafel  I — X. 

Untersuchungen  über  die  Vermehrung  der  Laubmoose     ^"„f 

Organe  und  Stecklinge.  Von  Dr.  Carl  Correns,  a.  ö.  Prof.  der  Botanik  in 
Tübingen.     Mit  187  Abbildungen  im  Text.    (XXIV,  472  S.  gr.  8".)     1899. 

Preis:  1.5  Mark, 
j^nhalt:  Einleitende  Bemerkungen.  —  Spezieller  Teil:  1.  Die  Ver- 
mehrung durch  Brutorgane.  2.  Die  Vermehrung  durch  Stecklinge.  —  Allgemeiner 
Teil:  Morphologie  und  Phylogenie  der  Brutorgane.  2.  Bau  und  Entwicklung  der 
Brutorgane.  Ablösung.  Verbreitung.  3.  Keimung  der  Brutorgane  und  der  Steck- 
linge. 4.  Bedingungen  für  die  Keimung.  Weitere  Entwicklung.  Vorkommen  der 
Brutorgane.  Bedingungen  für  ihre  Bildung.  5.  Verwertung  der  Brutorgane  für  die 
Systematik  Uebersicht  über  die  untersuchten  Brutorgane.  —  Literaturverzeichnis. 
—  Register  der  Pflanzennamen. 


gebiet 


Das  Kapland,  insonderheit  das  Reic|i  der  Kapflora,  das  Wald- 

unt\    rlio    l^arrnn  Pflanzengeographisch   dargestellt   von 

UIIU  Uie  IVdllUU.  Rudolf  Marloth.  (Mit  Einfügung  hinter- 
lasbeuer  Schriften  A.  F.  \V.  Schimpers.)  Mit  192  Abbildungen  im  Text, 
28  Tafeln  in  Heliogravüre  und  8  Karten.  ( Wissenschaft! .  F>gebnisse  der 
deutschen'Tiefsee- Expedition  auf  dem  Dampfer  Valdivia  1898 — 1899.  Bd.  II,  3.) 
1,908. -4F/)L)_.:,  Preis:  100  Mark. 

Inhalt:  I.  Teil:  Die  allgemeinen  Verhältnisse  der  Vegetation  Süd- 
afrikas. 1.  Urographie  und  Hydrographie.  2.  Abriß  der  geologischen  Entwick- 
lung des  Landes.    3.  Klimatologie.  —  11.  Teil:  Allgemeine  Pflanzengeographie 

Südafrikas.  1.  Geschichte  der  I.tlanzengeographie  Südafrikas.  2.  Die  pflanzcn- 
geographische  Gliederung  Südafrikas.  —  IIL  Teil:  Das  Reich  der  Kapflora. 
A.  Allgemeine  Verhältnisse,  ß.  Die  Religionep  und  Formationen.  1.  Küsten  und 
Niederungen.  2.  Hügel  und  Vorberge.  3.  Die  Bergregion.  4.  Die  Hochgebirgs- 
kämme  und  Gipfel.  5.  Isolierte  Are-tle  der  Kapflora,  (i.  Das  Gebiet  der  Hartlaub- 
gehölze, —  IV.  Teil:  Die  Wälder  der  Südküste.  —  V.  Teil:  Das  zentrale  Ge- 
biet. 1.  Die  Karroo.  (1.  Die  große  Karro.  2.  Die  kleine  Karroo.  3.  Die  West- 
karroo.)  2.  Das  karroide  Hochland.  3.  Das  kleine  Namaland.  —  VI.  Teil:  All- 
gemeine Oekologie  der  Pflanzen  Südafrikas.  —  VII.  Teil:  Der  Ursprung 
der  Kapflora.  1.  Ueber  die  Vermischung  der  Begriffe  Kapflora  und  Flora  Süd- 
afrikas. 2.  Die  Beziehungen  der  Flora  des  südwestlichen  Kaplandes  zu  anderen 
Ländern.  3.  Uebersicht  der  Anschauungen  über  den  Ursprung  der  Flora  Süd- 
afrikas und  der  eigentlichen  Kapflora.  4.  Ueber  Veränderungen  in  der  Verteilung 
von  Land  und  Meer  im  Bereiche  Südafrikas  seit  der  Kreidezeit.  5.  Die  Aende- 
rungen  des  Klimas'  Südafrikas  seit  der  Kreidezeit.  6.  Verbreitungsgelegenheiten 
und  Verbreitungswege  der  ^äanzen.  7.  Versuch  einer  DarstellÄng  des  Entwick- 
lungsganges der  Kapflora.  8.  Andeutungen  über  den  Entwicklungsgang  der  Karroo- 
vegetation.  —  Anhang:  Die  Kulturpflanzen. 

Botanische  Z'situng: 

Marloth  hat  es  mittels  seiner  lebendigen  Sprache  meisterhaft  verstanden,  hier 
alle  jene  feinen  und  feinsten  Farbennuancierungen  der  prächtigen  Kapflora  dem 
Leser  wiederzugeben.  .  .  Was  das  Buch  Marloths  nun  so  überaus  anregend 
und  anziehen  l  macht,  das  sind  außer  der  schon  hervorgehobenen,  prachtvoll 
plastischen,     farbenreichen    Sprache    die    Ueberfülle    ökologisch- 

{)hy8iologischer  und  biologischer  Momente.  Es  gehört  eben  die  ganze 
iebevolle  Hingabe,  der  ganze  weitschauende  und  niemals  an  Einzelheiten  haften 
bleibende  Geist  Marloths  dazu,  eine  Flora  so  in  jeder  denkbaren  Hinsicht  mit 
gleicher  Genauigkeit  erforschen  zu  können.  Dabei  ist  noch  in  Betracht  zu  ziehen, 
daß  der  Verf.  nur  mit  größter  Schwierigkeit  die  nötigste  Literatur  erlangen  konnte. 

R.  M uschier. 

Fromtnannsche  Buchdruckerei  (Hermann  Pöble)  in  Jena.