Fritz Müller
Werke, Briefe und Leben
Gesammelt und herausgegeben
von
Dr. Alfred Möller
■1
Erster Band
Gesammelte Schriften
soweit sie bereits früher im Druck erschienen sind
Mit 303 Abbildungen im Text und einem Atlas mit 85 Tafeln
Text
Abteilung 1:
Arbeiten aus den Jahren 1844—1879 (Nr. 1-124)
(Seite 1-800)
Mit 157 Abbildungen im Text und Tafel 1 — 57 im Atlas
Jena
Verlag von Gustav Fischer
1915
Verlag Ton GriistaT Fischer in Jena.
Morphologie und Biologie der Algen. S. !]e'r BjL'nlk't r*S^""''
sität Freiburg i. Br. Zwei Bände. Preis: 32 Mark.
Erster Band: Spezieller Teil. Mit 3 farbigen und 473 schwarzen Abbild,
im Text. 1904. " Preis: 20 Mark.
Inhalt: I. Chrysomonadineae. II. Keterocontae. III. Chryptomonadineae.
IV. I^uglenaceae. V. Dinoflagellata. VI. Aoontae. VII. Chlorophyceae. VIII. Phaeo-
phyceae. IX. Rhodophyceae,
Zweiter Band: Allgeineiiier Teil: Mit 3 Tafeln und 150 Abbildungen im
Text. 1905. Preis: 12 Mark.
Inhalt: I. System der Algen. II. )ie Entwicklung der Fortpflanzungs-
organe. III. Die Algenzelle. IV. Die ■ ihrung der Algen. V. Die Lebens-
bedingungen. VI. Vegetationsperioden. ^il. Keizorschoinungen. VIII. Polimor-
phisnuis. IX. Generation.-^wechsel. X. Au-iassungen. XI. Hilfsmittel und Arbeits-
methoden.
Zeitschrift für Physiologie, Bd. VII, Heft 2/3:
. . . Jedem, der über Algen arbeitet, wird dieses großangelegte Werk ein un-
entbehrlicher Wegweiser sein.
Oesterreich. botanische Zeitschrift, 1905, Nr. 12:
Wie der erste Band enthält auch der zweite eine Fülle von Angaben ; er be-
weist sorgfältigste Literaturbenützung und eigene Untersuchungen. Wir besitzen
nunmehr in dem Oltmannschen Buche eine ungemein w ertvolle Zusam men-
fassung der die Algen betreffenden morphologischen, entwicklungsgeschichtlichen
und ökologischen Kenntnisse. W et t stein.
Naturwissenschaftliche Wochenschrift, vom 28. Januar 1906:
. . . Ein mustergültiges Kompendium für jeden, der sich um Algen
kümmert oder etwas wesentliches von ihnen zu erfahren wünscht.
niP RpnnranhiP ripr FarnP ^'"" ^ Christ, Basel. Mit einem Titelbild,
Ulb Ueuyrctpiim Uei rcirilb. i^ü Abbildungen (meist nach Originalphoto-
graphien) im Text und 3 Jvarten. 1910. Preis: 12 Mark.
I. Teil: Die Farne unter den Einflüssen von Boden und Klima.
Die Farne als mesotherme Hygrophyten und als Xerophyten.
II. Teil: Die Farnfloren. 1. Grundlagen der Florislik. 2. Die Floren-
gebiete. 3. Florengeschichtlicher Ueberblick. — Einige Literaturnachweise. -
Erläuterungen zu den Karten.
Geographische Zeitschrift, 17. Jahrg , 1911, 4. Heft:
Wie kaum ein zweiter war der Verf. berufen, die geographische Verbreitung
der Farne in zusammenhängender Darstellung zu geben. Ein Studium von mehr
als 30 Jahren verschaffte ihm die erforderliche Spezialkeniitnis und eine er^taun-
liche Vertrautheit mit den Lokalfloren aller Länder. So tritt das neue Werk des
Verf. in vollendeter Form uns entgegen, gediegen im Inhalt, glänzend in der Dar-
stellung, reich ausgestattet mit Bildern, die volles Lob verdienen. F. l'ax.
nio roi*nLi*Qii1-oi* Hol» ITrHo Beschreibende Darstellung der Geschlechter und
Uie rdlllMdUlCI Uei Ciue. .vichtigeren Arten der Farni)flanzen. Mit be-
sonderer Berücksichtigung der Exotischen. Von H. Christ, Basel. Mit 291
Abbildungen. 1897. ' Preis: 12 Mark.
Englers botanische Jahrbücher, 1898, Bd. 26, Heft 1:
Wer sich in die Kenntnis der Farne einarbeiten und kleinere Bammlungen da-
nach ordnen will, wird das Buch mit großem Vorteil gebrauchen. Namentlich ist
es zur Einführung für Gärtner besonders geeignet.
Boden und Klima auf kleinstem Raum. l'^rL'tJ^^s" !:'t.
Weilenkalk. Von Dr. Gregor Kraus, Professor der Botanik. Mit 1 Karte,
7 Tafeln und 5 Abbildungen im Text. 1911. Preis: 8 Mark.
Inhalt: Einleitung. I. Das Karbonat des Wellenkalkbodens: 1. Das Mutter-
gestein. 2. Der Boden. — II. Bodenphysikalisches und Klimatisches: 1. Bodenbau
(Morj)hologie des Bodens): Boden])rofil. Körnung (Körnigkeit) des Bodens. 2. Wasser-
gehalt des Bodens. -- HI. Temperatur. — IV. Hygrometrisches. — V. Anemoinetrie.
— Literatur.
Botanisches Z entralh latt, Bd. 117, Nr. 18:
Die Arbeit bedeutet einen großen Fortschritt in der Forschungsmethode und
in unserem Verständnis für die Ursachen der Pflanzenverteilung. Der Verf. zeigt
unter Mitteilung eines großen in jahrelangen Studien in günstigem Gelände am
Uebergang des Spessartsandsteins in dem Wellenkalk des Maintales gewonnenen
Materials, daß a,uf kleinstem Kaum in der Natur eine unendliche Mannigfaltigkeit
chemisch und physikalisch verschieden gebauter Standorte gegeben ist, deren Be-
schaffenheit für die Pflanzenverteilung maßgebende Bedeutung besitzt. Büsgen.
Fritz Müller
Werke, Briefe und Leben
Gesammelt und herausgegeben
' von
B Dr. Alfred Möller
s^m° Erster Band
^5 5 Gesammelte Schriften
^^ soweit sie bereits früher im Druck erschienen sind
"^^ Mit 303 Abbildungen im Text und einem Atlas mit 85 Tafeln
Text
Abteilung 1:
Arbeiten aus den Jahren 1844—1879 (Nr. 1-124)
Seite 1-800
Mit 157 Abbildungen im Text und Tafel 1-57 im Atlas
Jena
Verlag von Gustav Fischer
1915
Alle Rechte vorbehalten
11^3
Vorwort
Es war mir, dem unterzeichneten Herausgeber, vergönnt, drei Jahre lang
(1890 — 93) in Bhimenau, dem langjährigen Wohnorte Fritz Müllers, botanisch-
mykologischen Arbeiten mich widmen zu dürfen. Fritz Müller, dem ich durch
verwandtschaftliche Beziehungen nahestand, führte mich in den Tropenwald der
südbrasilianischen Küste ein, nahm an meinen Arbeiten, die er in jeder Hinsicht
zu fördern suchte, den lebhaftesten Anteil und war mir in fast täglichem Verkehr
ein immer gleich gütiger und bereitwilliger Lehrer und väterlicher Freund. So
lernte ich den großen Biologen, den genialen Beobachter der lebenden Natur
persönlich kennen, lieben und verehren.
So gewissenhaft Fritz Müller in der täglichen Aufzeichnung seiner Be-
obachtungen war, so gern er über sie sprach und in Briefen an gleichstrcbende
Naturforscher in aller Welt rückhaltlos berichtete, so wenig kümmerte ihn das
weitere literarische Schicksal dieser Mitteilungen. Ein Meister der Sprache, der
deutsch, englisch und portugiesisch in gleicher Gewandtheit und Vollendung
schrieb, spanische, französische, dänische, schwedische, italienische, ungarische Ar-
beiten ohne sichtliche Mühe mit Freuden las, verstand er es ausgezeichnet, die
Ergebnisse langer mühsamer, oft Tage und Jahre umfassender Beobachtungen in
knappster Form zusammenzufassen, und ein einfacher Brief auf dünnem, mit seiner
kleinen klaren Schrift bis zum äußersten Rande gefülltem Ueberseepapier trug
oftmals wertvolle wissenschaftliche Arbeit zu irgendeinem literarischen Freunde,
dem die Veröffentlichung überlassen blieb. Nie hat Fritz Müller Korrekturen
der unter seinem Namen veröffentlichten Abhandlungen und Abbildungen ge-
sehen, und so ist es nicht zu verwundern, daß er sich häufig über allzu viele oder
sinnstörende Druckfehler und über mangelhafte Wiedergabe seiner Zeichnungen
zu beklagen hatte. Weit störender war es für alle Verehrer des großen Natur-
forschers, daß infolge der geschilderten Umstände seine reiche Lebensarbeit in
beispielloser Weise in alle Winde zerstreut wurde, und daß manch reicher Schatz
nur in Briefen niedergelegter Beobachtungen der Oeffentlichkeit ganz vor-
enthalten blieb.
Bei dem hohen Ansehen, welches Fritz Müllers Name im Laufe der
Jahre sich in der ganzen Welt erwarb, wurde der wesentliche Inhalt seiner ge-
druckten Abhandlungen freilich in weiteren Kreisen bekannt; die Urschriften
aber, in viele Jahrgänge vieler Zeitschriften zerstreut, blieben denen schwer zu-
l\T Vonvort.
gänglich, die sie gründlich studieren, nachprüfen oder aus ihnen die dort so
reichlich gebotene Anregung zu weiteren Beobachtungen schöpfen wollten. Ein
Ueberblick über den unendlich reichen Gesamtertrag dieses ganz der Natur-
forschung geweihten Lebens war überhaupt unmöglich.
Als im Mai 1897 Fritz Müller die Augen für immer geschlossen hatte,
erstand vor mir gleich einer moralischen Pflicht die Aufgabe, alles zu sammeln,
was er an wissenschaftlichen Mitteilungen hinterlassen hatte, und über seinen
eigenartigen Lebens- und Entwicklungsgang die noch erreichbaren Nachrichten
zu gewinnen, damit es dereinst vielleicht möglich würde, diesem deutschen Forscher
in fremden Landen in der deutschen Literatur ein würdiges Denkmal zu setzen.
Meine seit nunmehr 17 Jahren fortgesetzten Sammlungen hatten sich all-
mählich der erreichbaren Vollständigkeit genähert. Die Briefe wissenschaftlichen
Inhalts waren von den Empfängern meist gesammelt und sorgsam aufbewahrt;
sie wurden mir für den beabsichtigten Zweck bereitwillig zur Verfügung gestellt.
Der ursprüngliche Plan, mit der Veröffentlichung dieser Briefe zu beginnen, er-
wies sich aber bald als unausführbar. Vielfach war der Inhalt der Briefe ganz,
noch öfter teilweise in den gedruckten Aufsätzen enthalten, dann wieder war
zum Verständnis ein Hinweis auf diese unerläßlich. Man mußte also die ge-
druckten Arbeiten sämtlich zur Hand haben, wenn unnötige Wiederholungen
vermieden und die Briefe in nutzbringender Form der Allgemeinheit zugänglich
gemacht werden sollten. Es sind nun im ganzen 250 gedruckte Abhandkmgen
aufgefunden und in diesem Bande vereinigt worden. Von ihnen ist nur eine:
„Für Darwin" selbständig im Buchhandel erschienen. Die übrigen sind auf 36
verschiedene deutsche und ausländische Zeitschriften und Vereinsberichte und auf
sehr viele Jahrgänge derselben verteilt. Es wäre unmöglich gewesen, all diese
zum Teil schwer zugänglichen Bände auf lange Zeit zur Verfügung zu haben.
So ergab sich der nun zur Ausführung in Angriff genommene Plan der Arbeit.
Die gedruckten Abhandlungen Fritz Müllers mußten zuerst gesammelt heraus-
gegeben werden, für die Folge ist dann die Veröffentlichung der Briefe und
die Schilderung des Lebensganges in Aussicht genommen.
Inzwischen stellte mich mein Beruf vor neue Aufgaben , welche meine
Zeit und Kraft völlig in Anspruch nahmen — Wohl war eine Zusammen-
stellung der gedruckten Abhandlungen schon von Loew (Ber. der Deutschen
Botan. Ges. 1897 Bd. XV S. 24) mit 1 10 Nummern, von Ludwig (Botanisches
Centralblatt 1897) mit 100 Nummern veröffentlicht, meine eigenen Nach-
forschungen hatten manches hinzugefügt; um aber die mögliche Vollständigkeit
zu erreichen, war planmäßige Arbeit in einer großen Bibliothek erforderlich.
Um Verhandlungen mit einem Verlage zu beginnen, mußte auch der Umfang
der einzelnen Schriften festgestellt und die Zahl der vorhandenen Abbildungen
und Tafeln ermittelt werden. Da hatte ich das Glück, in meinem Assistenten,
Herrn Forstassessor Bandow, die zur Vollendung der Arbeit unentbehrliche
Hilfe zu gewinnen. Bandow hatte sich mit dem Lebensgange und der Lebens-
arbeit Fritz Müllers vertraut gemacht und bald für die zu leistende Arbeit
ein lebhaftes Verständnis und freudige Begeisterung entwickelt. Er arbeitete
längere Zeit in der Berliner Bibliothek, und seinen emsigen selbstlosen Bemühungen
war es zu danken, daß im Laufe weniger Monate die Sammlung so vollständig
Vorwort. -y
wurde, wie sie nun vorliegt. Auch weiterhin widmete er sich der einmal über-
nommenen Aufgabe mit der ihm eigenen peinlichen Gewi.ssenhaftigkeit und bis
zum 31. Juli 19 14, bis zum Beginn der Arbeit über Trichodactylus (S. 1171) sah
er sie nach und nach entstehen, alle Korrekturen lasen wir gemeinsam. Die
Pflicht der Dankbarkeit gebietet, dem treuen Mitarbeiter und lieben Freunde, der
sein junges Leben dem Vaterlande gab, an dieser Stelle ein Denkmal zu setzen
das seinen Namen allen denen aufbewahrt, die aus den Gesammelten Schriften
Fritz Müllers Belehrung und Anregung schöpfen werden.
Max Bandow
wurde am 28. Juni 1881 zu Oppeln als Sohn des verstorbenen Baurats Bandow ge-
boren, besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt und das Falck-Realgymnasium zu
Berlin, welches er im Herbst igoo mit dem Zeugnis der Reife verließ. Er widmete
sich der preußischen Forstverwaltungslaufbahn, studierte zunächst zwei Semester Rechts-
und Staatswissenschaften in Berlin und besuchte dann die Forstakademie Eberswalde.
Nachdem er im Sommer 1904 das Forstreferendarexamen bestanden halte, diente er
als Einjährig-Freiwilliger beim Garde-Schützenbataillon, studierte fernere zwei Semester
Rechts- und Staatswissenschaften in Berlin und fcirderte seine forstliche Ausbildung
in der vorgeschriebenen zweijährigen praktischen Tätigkeit in verschiedenen preußischen
Oberförstereien. Nach bestandenem Forstassessorexamen im Frühjahr 1908 war
Bandow zunächst Assistent an der forstlichen, sodann seit 191 1 an der mykologischen
Abteilung der Hauptstation des forstlichen Versuchswesens zu Eberswalde. Bandow
war seit 19 10 verheiratet und hinterließ seine Witwe mit einem beim Tode des
Vaters ein Jahr alten Sohne Albrecht.
Ausgestattet mit einer guten Beobachtungsgabe und bemerkenswerter Hand-
geschicklichkeit, vor allem aber mit einer nie nachlassenden Gewissenhaftigkeit und
Zuverlässigkeit, fand er in den Aufgaben der mykologischen Abteilung ein ihn bald
lebhaft erfreuendes Arbeitsgebiet, auf dem er manche schöne Erfolge erreichte. Da-
neben aber widmete er sich mit großer Hingabe der Arbeit für die Herausgabe der
vorliegenden gesammelten Schriften Fritz Müllers, und seiner fleißigen Tätigkeit war
es zu danken, daß die im Herbst 19 13 begonnene Drucklegung ohne wesentlichen
Aufenthalt fortschreiten und binnen Jahresfrist nahezu vollendet werden konnte.
Unmittelbar aus der friedlichen Arbeit des ihm lieb gewordenen Laboratoriums
rief ihn der Mobilmachungsbefehl am 2. August nach Orteisburg zum i. Jäger-
bataillon, als dessen Reserveoffizier er ins Feld an die russische Grenze rückte. Am
22. und 23. August lag die 2. Kompagnie, welcher Bandow angehörte, in Schützen-
gräben vor dem Dorfe Lahna mit der Front nach Neidenburg. Am 23. mußte^ sidi
die Kompagnie ihrem Auftrage gemäß nach Eintreffen stärkerer feindlicher Kräfte
durch das Dorf nach Norden auf "die Brigade zurückziehen. Hierbei kam es in Lahna
zu einem heftigen Nah- und Nachtkampf. Dort fiel Bandow, sofort t()dlich getroffen.
Russische Hände bereiteten ihm auf deutschem Boden dicht beim Dorfe Lahna
das Heldengrab.
Die Drucklegimg des Werkes ist in erster Linie dem verständnisvollen
Entgegenkommen des Verlages zu danken. Trotz weitgehenden Entgegen-
kommens der Verlagsfirma war indessen ohne erhebliche Zuschüsse unser Plan
nicht zu verwirklichen. Mußten doch allein 85 Tafeln neu hergestellt werden.
Die erforderlichen Zuschüsse sind von dem Herrn Kultusminister, von dem
Herrn Landwirtschaftsminister und aus den Mitteln der Albert Samson-Stiftung
gegeben worden.
"yj Vorwort.
Für die Förderung und tatkräftige Unterstützung des Werkes habe ich daher
Seiner Exzellenz dem IMinister der geistlichen und Unterrichtsangelegen-
heiten Herrn von Trott zu Solz,
Herrn Ministerialdirektor Wirklichen Geheimen Oberregierungsrat Dr.
Schmidt,
Herrn Geheimen Regierungsrat Professor Dr. Krüß,
Seiner Exzellenz dem Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten
Freiherrn von Schorlemer,
Seiner Exzellenz dem Ministerialdirektor und Oberlandforstmeister a. D.
Herrn Wesener,
dem Herrn Regierungs- und Forstrat Gernlein,
sodann dem Kuratorium der Albert Samson-Stiftung und insbesondere
Herrn Geheimen Obermedizinalrat Professor Dr. Waldeyer
den ehrerbietigsten und herzlichsten Dank zu sagen.
Es lag der Gedanke nahe, Fritz Müllers Arbeiten in zoologische und
botanische zu trennen und so gesondert zum Druck zu bringen. 151 könnten
als überwiegend zoologisch, 83 als botanisch bezeichnet werden, 5 gehören eben-
sowohl der einen, wie der anderen Richtung an ; etwa 1 1 Arbeiten blieben dann
noch in unsicherer Stellung, Aber Fritz Müllers Arbeit weilte mit besonderer
Liebe auf den Grenzgebieten botanischer und zoologischer Forschung; die Be-
ziehungen der Blumen zu den Insekten, die Feigenwespen, die Ameisen der
Cecropien beschäftigten ihn auf das lebhafteste, und was er hierüber schrieb,
hätte man doppelt drucken müssen. Bald entschied ich mich dafür, alle Arbeiten
in der durch die Zeit der Veröffentlichung gegebenen Reihenfolge zu ordnen,
dies um so mehr, weil dabei das Lebenswerk des großen Naturforschers auf das
getreueste zum Spiegelbilde seiner Lebensgeschichte wird.
Im Anfange des brasilianischen Aufenthaltes war seine Arbeit ganz der
Meeresfauna gewidmet; später, als er seinen Wohnsitz mehr ins Innere des
Landes verlegte, stehen die Blütenbiologie, Bef ruchtun gs versuche, Vererbungs-
erscheinungen (Abutilon) im Mittelpunkte seiner nie ruhenden Tätigkeit. Viele
Jahre wurden dann der Beobachtung der Insekten, zuerst der Termiten, dann
der stachellosen Honigbienen gewidmet; gegen Ende der 70er Jahre folgen
die überraschenden Entdeckungen über Duftorgane der Schmetterlinge. Diese
wurden abgelöst von den unendlich mühsamen, aber höchst erfolgreichen Studien
über die Phryganiden, von denen die über Steingeröll zu Tale springenden Urwald-
bäche Blumenaus ein ungeahnt reiches Beobachtungsmaterial lieferten. In die
80er Jahre fallen die Beobachtungen von Feigeninsekten. Dann aber wendet
sich Fritz Müller im Alter wieder der „scientia amabilis" zu. Die Fülle der
Bromelien hatte seine Aufmerksamkeit erregt, mit Hilfe seiner scharfäugigen,
klettergewandten Enkel sammelte er aus den Baumkronen die vielgestaltigen
Formen, die ihn während seiner letzten Lebensjahre vollauf beschäftigten.
Das Bild seines Lebens, welches durch die Reihenfolge seiner Arbeiten dar-
gestellt wird, sollte nicht zerstört werden.
Daß die Arbeiten so, wie sie geschrieben waren, zum Teil also englisch,
französisch und portugiesisch wiedergegciben werden mußten, konnte nicht zweifel-
haft sein. Um sie aber der Wissenschaft wirklich nutzbar zu machen, erschien
Vorwort. VII
eine Uebersetzung zum mindesten der portuiriesischen Arbeiten erwünscht. Die
Abhandlung über die Gehäuse der Trichopterenlarven (S. 694 ff.) hatte schon
Hermann Müller, der Bruder, im Jahre 1880 für die Zeitschrift für wissen-
schaftliche Zoologie übersetzt; hier wurde der deutsche Text neben den portu-
giesischen gesetzt. Dil diese Anordnung dem Zwecke am besten zu dienen schien,
wurde sie auch für die späteren umfangreichen Abhandlungen aus den Archivos
do Museu Nacional gewählt.
Inzwischen waren nun schon mehrere portugiesische Abhandlungen, ins-
besondere diejenigen über die Duftorgane der Schmetterlinge, ganzseitig gedruckt.
Ihre deutschen Uebersetzungen wurden daher in einem Anhange angefügt.
Bei der Uebersetzung hat Herr E. Ule, zurzeit in Berlin, in bereitwilligster
Weise seine Hilfe geliehen, wofür ich hier den herzlichsten Dank ausspreche.
Indessen sind seine Uebersetzungen von mir so stark überarbeitet worden, daß
ich für die neu gewählte Fassung und etwaige Irrtümer ebenso wie für die von
mir allein übersetzten Arbeiten (Nachtrag zum Inhaltsverzeichnis a — f) auch allein
die Verantwortung tragen muß.
Offensichtliche Druckfehler habe ich überall ohne weitere Bemerkung be-
richtigt. In vielen zweifelhaften Fällen durfte ich mich mit Rückfragen an
Herrn Prof. Dr. G. W. Müller in Greifswald, an Herrn Prof. Dr. G. Lindau in
Berlin und auch an meinen hiesigen Kollegen Herrn Prof. Dr. Wolff wenden,
denen ich für ihre jederzeit bereitwillig geleistete Hilfe zu Dank verpflichtet bin.
— Daß trotz aller aufgewendeten Mühe Druckfehler dennoch durchgeschlüpft
sind, bitte ich mit der Schwierigkeit der Aufgabe für einen durch Amtspflichten
gebundenen Flerausgebcr zu entschuldigen.
Fritz Müllers gesammelte Schriften sind zum weitaus größten Teile Tat-
sachensammlungen. So feinsinnig und anziehend seine Betrachtungen über die
Tatsachen und ihre Verknüpfung auch sind, so wenig sie fehlen, da wo man sie
zu erwarten berechtigt ist, der ihnen gewidmete Raum ist verschwindend gering
gegenüber dem durch die meisterhafte Darstellung der Tatsachen selbst in An-
spruch genommenen. Die Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit der Beobachtung
aber, die Schärfe der Prüfung des Beobachteten, das staunenswerte Gedächtnis,
welches die Vorstellung des Beobachters mit greifbar deutlichen Vergleichsbildern
füllte, der Reichtum seiner Vorstellungsgabe, die durchaus eigenartige Versuchs-
anstellung und die Unermüdlichkeit in deren Verfolgung, das sind die großen
Eigenschaften, die PYitz Müller zum „Fürsten der Beobachter" werden ließen.
Deshalb können seine Arbeiten nie veralten, und dadurch rechtfertigt sich ihre
Sammlung und Herausgabe.
Eberswalde, im Mai 1915.
Dr. Alfred Möller.
I nhalts - Verzeichniss.
Ueber Hirudo tessulata und margi-
nata O. F. Müller, i Textfig.
De Hirudinibus circa Berolinum huc-
usque observatis
Clepsine costata, neue Art. 2 Textfigg.
Ueber Gammarus ambulans, neue Art.
3 Textfigg.
Ueber die Geschlechtstheile von Clepsine
und Nephelis. Taf. I
Bemerkungen in Betreff des Geschlechts-
verhältnisses bei den Hirudineen
13
14
17
18
Zur Kenntniss des Furchungsprocesses
im Schneckenei. Taf. II
Orchestia Euchore und Gryphus, neue
Arten aus der Ostsee, Taf. III,
und
Bemerkungen zu Zaddachs Synopseos
Crustaceorum Borussicorum prodro
mus
Ueber die Begattung der Clepsine com-
planata Sav.
Tanais Rhynchites und balticus, neue]
Arten aus der Ostsee. Taf. IV i —4
Eine Beobachtung über die Beziehung
der Gattungen Caligus und Chalimus.
Taf. IV 5—6
Beiträge zur Kenntniss der Landplana-
rien
Lumbricus corethrurus, Bürstenschvvanz
Einiges über die Annelidenfauna der
Insel Sa. Catharina an der brasi-
lianischen Küste. Taf. V, VI.
Die Magenfäden der Quallen
Archiv für Naturgesch.
1844 I
Ebenda 1846 I
Ebenda 1846 I
Müllers Archiv für Ana-
tomie 1846
Steenstrup, Untersuch, üb.
das Vorkommen des
Hermaphroditismus in
der Natur, aus d. Däni
sehen übersetzt von C.
Hornschuch , Greifs-
wald 1846
Archiv für Naturgesch
1848 I
Ebenda 1848 I
Ebenda i<
Zeitung f. Zoologie, Zoo-
tomie u. Paläozoologie
V. d'Alton 1849 I
Archiv für Naturgesch
1852 I
Ebenda 1852 I
Abhandl. d. Naturforsch
Ges. in Halle 1856
Bd. 4
Archiv für Naturgesch.
1857 I
Ebenda 1858 I
Dissertation Berlin 1844
Zeitschr. f. wissenschaftl.
Zoologie 1858 IX
Abhandl. d. Naturforsch. -
Ges. in Halle 1859 V
Zwei neue Quallen von Santa Catha-i
rina, Tamoya haplonema und quadru-1
mana. Taf. VII, VIII, IX
Polypen und Quallen von Santa Catha-
rina. Die Formwandlungen der Li-
riope catharinensis n. sp. Taf. X, XI
Polypen und Quallen von Santa Catha-sEbenda 1860 I
rina. Philomedusa Vogtii n. sp.i
1 Textfig. I
Archiv für Naturgesch,
1859 I
Für sich gedruckt bei H. W. Schmidt
Halle 1857; s. auch Ann. and
Mag. of Nat. History 1857 XX
p. I — 12.
s. auch Ann. and Mag. of Nat. His-
tory 1857 XX p. 13—15
s. auch Ann. and Mag. of Nat. His-
tory 1859 p. 446—447
Für sich gedruckt bei H. W. Schmidt
Halle 1859
s. Ann. and Mag. of Nat. History
1860 p. 432—436
I
6
23
26
30
36
40
44
50
52
56
59
61
75
76
83
85
93
Inhalts- Verzeichniss.
IX
Beschreibung einer Brachiopodenlarve.
Taf. XII
Das Kolonialneivensystem der Moos-
thiere nachgewiesen an Serialaria
Coutinhii n. sp. Taf. XIII -XIV
Cunina Köllikeri n. sp. Taf. XV
Die Brachiopodenlarve von Santa Ca-
tharina. 2. Beitrag
Ueber die systematische Stellung der
Charybdeiden
Polypen und Quallen von Santa Catha-
rina. Olindias sambaquiensis n. sp.
Taf. XVI
Ueber die angebliche Bilateralsym-
metrie der Rippenquallen
Die Rhizocephalen, eine neue Gruppe
schmarotzender Kruster. Taf. XVII
Entoniscus Porcellanae, eine neue
Schmarotzer-Assel. Taf. XVIII
Die Verwandlung der Porcellanen.
Taf. XIX
Bruchstück zur Entwicklungsgeschichte
der Maulfüsser. Taf. XX
Ein zweites Bruchstück aus der Ent-
wicklungsgeschichte der Maulfüsser.
Taf. XXI
Die Verwandlung der Garneelen. Erster
Beitrag. Taf. XXII
Die zweite Entwicklungsstufe dei
Wurzelkrebse (Rhizocephalen). Taf.
XXIII
Ueber die Ursache der Strömungen in
der Leibeshöhle der Sertularinen
Ueber eigenthümliche Gebilde in der
Samenflüssigkeit von Janthina. Taf.
XXIV
Observations sur la Respiration des
Ocypodiens
Ueber den Bau der Scheerenasseln
(Asellotes heteropodes M. Edw.)
Ein Wort über die Gattung Herklotsia
J. E. Gray u. Nachtrag dazu
Für Darwin. Leipzig bei Engelmann
1864. 67 Textfigg.
Reichert u. Dubois-Rey-
mond Arch. f. Anatom,
u. Physiol. 1860
Archiv für Naturgesch,
1860 I
Ebenda 1861 I
Ebenda 1861 I
Ebenda 1861 I
Ebenda 1861 I
Ebenda 1861 I
Ebenda 1862 I
Ebenda 1862 I
Ebenda 1862 I
Ebenda 1862 I
Ebenda 1863 I
Ebenda 1863 I
Ebenda 1863 I
Ebenda 1863 I
Ebenda 1863 I
Ann. d. sc. nat. 1863
4 Ser. Zool. Tome 20
p. 272
Archiv für Naturgesch.
1864 I
Ebenda 1864 I
s. Ann. and Mag. of Nat. History
1860 p. 310
s. auch Anat. Journ. niicrosc. Sc. 1861
I p. 300 — 305; Ann. des sc.
nat. 1862 IV Scr. Zool. Tome 18
p. 212; Arch. sc. phys. et nat
Gencve 1862 p. 179 — 180; Fro-
rieps Notiz. 1861 III p. 155 — 157;
Arch. per la zool. 1' analomia e
fisiolügia 1861 I p. loo — 10 1
s. Arch. sc. phys. et nat. Gcnöve
1862 p. 101 — 102.
s. Ann. and Mag. of Nat. Hist. 1861
VIII p. 505—506
s. wie vor. 1862 X p. 6 — 12
s. wie vor. 1862 p. 475—479 und
Arch. sc. phys. et nat. Geneve 1862
p. 376 — 378 s. Ann. and Mag
of Nat. Hist. 1862 p. 475 — 479
S.Ann, and Mag. of Nat. Ilist. 1862
p. 44—50
s. wie vor. 1862 p. 87 — 93 u. Arch
sc. nat. et phys. Gencve 1863
P. 351--352
s. Ann. and Mag. of Nat. History
1863 p. 47-50
s. wie vor. 1863 p. 13 — 19 u. Arch.
sc. phys. et nat. Gtneve 1863
p. 196—197
Ann. and Mag. of Nat. History
1864 XIV p. 104— 115
s. Ann. and Mag. of Nat. Hist.
1864 XIV p. 430—433; Quart.
Journ. microscop. Sc. N. Ser. Vol.
5 1865 p. 55
Englische Uebersetzung von Dallas,
London bei Murr.iy i8h9; fran
zösischcUei)ersetzung von Dcbray
Bull, scicnt. DCp. du Nord 1883
Auszüge: Arch. sc. phys. et nat,
Geneve 1865 p. 154—163; Bibl
Univ. 1865 Bull, scient. p. 154 ff.;
Ann. and Mag. of Nat. History
1865 XV p. 410—416
116
«-3
126
132
137
141
147
«53
'57
163
167
177
«83
«85
18K
190
«94
200
X
Inhalts- V erzeich ni SS.
d
Titel
Aus
Bemerkungen
'S
39
Description of a new Genus of Ani-
phipod Crustacea: Batea n. gen.
Taf. XXV
Ann. and Mag. of Nat.
History 1865 XV p.
2-6—277
—
264
40
Ueber Cuniaceen
Arch. f.Naturgesch 1865 I
—
266
41
Uebcr die Randbläschen der Hydroid-
quallen. i Textfig.
Schnitzes Arch. f. mikro-
skop. Anatom. 1865 I
—
274
42
Ueber Darwinella aurea, einen Schwamm
mit sternförmigen Hornnadeln. Taf.
XXVI
Ebenda
278
43
Notes on some of the Climbing-PIants
Journ. Linn. Soc. of Lon-
s. Kosmos 1882/83 XII p. 321 —
285
near Desterro in South Brazil. Taf.
don; Bot. 1865
329; Bot. Ztg. 1866 p. 57—60
XXVII
u. 65—69
44
Ueber das Holz einiger um Desterro
Botan. Zeitung 1866 24.
s. Journ. Linn. Soc. 1865 IX
289
wachsender Kletterpflanzen. Taf.
Jahrg.
P- 344—349
XXVIII
45
Ueber die Befruchtung der Martha
(Posoqueria) fragrans nebst Nachwort
von D. F, L. von Schlechtendal.
Taf. XXIX
Ebenda
299
46
Ueber Baianus armatus und einen Ba-
Archiv für Naturgesch.,
s. Ann. and Mag. of Nat. History
307
stard dieser Art und des Baianus
1867 I
1868 p. 393—412
improvisus var. assimilis Darw. Taf.
XXX, XXXI, XXXII
47
Notizen über die Geschlechtsverhält-
nisse brasilianischer Pflanzen
Botanische Zeitung 1868
Bd. 26
—
324
48
Befruchtungsversuche an Cipö alho
(Bignonia)
Ebenda
—
327
49
Ueber Befruchtungserscheinungen bei
Orchideen
Ebenda
—
330
50
Exkursionsberichte aus Südbrasilien
Flora 1869
—
332
51
Ueber einige Befruchtungserschei-
nungen
Botanische Zeitung 1869
Bd. 27
—
349
52
Ueber eine dimorj^he Faramea
Ebenda
—
351
53
Umwandlung von Staubgefässen in Stem-
pel bei Begonia. Uebergang von
Zwitterbliithigkeit in Getrenntblüthig-
keit bei Chamissoa. Triandrische
Varietät eines monandrischen Epi-
dendram. Taf. XXXIII
Botanische Zeitung 1870
Bd. 28
355
54
On the Modification of the Stamens in
a Species of Begonia. 5 Textfig.
Journ. Linn. Soc. (Bot.)
1871 XI
s. auch No. 53
358
55
Botanische Notizen
Botanische Zeitung 1870
—
360
56
Die Bewegung des Blüthenstieles von
Alisma
Jen. Zeitschr. f. Natur-
wissenschaft 1870 V
—
363
57
Bemerkungen über Cypridina. Taf.
XXXIV, XXXV
Ebenda 1870 V
—
367
58
Bruchstücke zur Naturgeschichte der
Bopyriden. Taf. XXXVI, XXXVII
Ebenda 1871 VI
—
384
59
Ueber den Trimorphismus der Ponte-
derien. 4 Textfigg.
Ebenda 187 i VI
—
400
60
Remarks on some white Ants
Proc. Bost. Soc. of Nat.
Hist. 187 1
—
404
61
Bestäubungsversuche an Abutilon-Arten
I u. II. 1 2 Textfigg.
Jen. Zeitschrift f. Natur-
wissenschaft 1873 VII
—
405
62
Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
Ebenda 1873 VII und
s. Arch. phys. et nat. Geneve 1874
432
I, 11 mit Nachtrag, III und Anhang,
1875 IX
p. 254 — 259; Ann. and Mag.
IV. 14 Textfigg. Taf. XXXVIII
of Nat. History 1874 p. 202—204
— XLIII
und Nature 1875 XII p. 218
63
Larvae of Membracis serving as Milk-
cattle to a Brazilian species of Honey-
bees. 7 Textfigg.
Nature 1873 VIII und
1874 X
481
64
Recent researches of Termites anc
Honey-bees
Nature 1874 IX
s. American Naturalist 1874 VIII
P- 554-556
486
65
The Habits of various Insects
Ebenda 1874 X
—
489
Inhalts-Verzeichniss.
XI
Stachellose brasilianische Honigbienen
Poeys Beobachtungen über die Natur-
geschichte der Honigbiene von Cuba.
Melipona fiilvipes Gucr.
Aus Brasilien (Meliponen)
On Brazil Kitchen Middens, Habits
of Ants etc.
Einige Worte über Leptalis. 2 Textfigg.
Aeglea Odebrcchtii nov. spec. Taf- XLI V
Ueber das Haarkissen am Blattstiel der
Imbauba (Cecropia), das Gemüsebeet
der Imbaubaameisc. i Textfig.
Aus Brasilien (Meliponen)
Ueber Haarpinsel, Filzflecke und ähn-
liche Gebilde auf den Flügeln männ-
licher Schmetterlinge
Aus einem Briefe Fritz Müllers aus
Brasilien (Flora des Hochlandes)
A correia^äo das flores versicolores e
dos insectos pronubos
As maculas sexuaes dos individuos
masculinos das especies Danais Erip
pus e D. Gilippus. Taf. XLV
Os orgäos odoriferos das especies Epi
calia Acontius, Linn. e de Myscelia
Orsis, Drury. Taf. XLVI
Os orgäos odoriferos nas pernas de
certos Lepidopteros. Supplemente
Taf. XLVH, XLVni
Tischgenossenschaft zweier Raupen
Der Minhocäo
Nectar absondernde Drüsen, mit einer
Erwiderung von Thomas Belt
Ueber Blumen und Insekten. Brief
mit Einleitung von Ch. Darwin
Maracujäfalter
Die Grannen von Aristida
Beobachtungen an brasilianisch. Schmet
terlingen I. i. Die Flügeladern der
Schmetterlingspuppen. 2. Die Duft-
schuppen der männlichen Maracujä-
falter. 6 Textfigg.
Fortsetzung des vorigen. H. 3. Die
Duftschuppen der (^ von Dione
Vanillae. 4. Kommt auch geschlecht
liehe Auswahl von Seiten des (^ vor?
7 Textfigg.
Fortsetzung des vorigen HI. 5. Acraea
und die Maracujäfalter als Raupen,
Puppen und Schmetterlinge. 4 Text
figuren
Der Zoolog. Garten 1875
Ebenda
Eichstädter Bienenztg.
1875 Bd. 31
Nature XHI 1876
Jen. Zeitschr. 1876 Bd. 10
Ebenda
Ebenda
Eichstädter Bienenztg.
1877 Bd. 33
Jenaische Zeitschrift 1877
XI
Flora 1877
Archiv, do ISIuseu nacio-
nal do Rio de Janeiro
1877 II
Ebenda 1877 II
S. Revisla agticola do linp. Insliluto
Fluminensc de Agricollura Rio
de Janeiro 1888 XIX \). 76-84
s. Eichstädter Bienenzeilung 1876
Bd. 32 S. 91 — 94
s. American Naturalist 1876 p. 534
— S36
Ebenda
Ebenda
Der Zoologische Garten
1877 18. Jahrg.
Ebenda
Nature 1877 XVI
Ebenda
Stettiner Entomol. Ztg.
1877 38. Jahrg.
Kosmos 1877 I
Ebenda
Ebenda 1877/78 II
Ebenda
s. George B. Longstaff, BuUerfly-
Hunting in inany lands, London
1912
Deutsche Uebersetzung s.auf S. 1427
dieses Werkes ; englische Ueber-
setzung bei Longstaff, Butterfly-
Hunting London 1912
Deutsche Uebersetzung s. S. 1432
dieses Werkes; englische Ueber-
setzung bei Longstaff, Butterfly-
Himting, London 191 2
Deutsche Uebersetzung s. auf S. 1436
dieses Werkes; vgl. auch Kosmos
1878/79 IV S. 285-292; eng-
lische Uebersetzung bei Longstaff
wie vor.
Deutsche Uebersetzung auf S. 1440
dieses Werkes; englische bei
Longstaff wie vor.
s. Nature XV p. 264; F'icld and
Forest II 1876/77 p. 217—218
Uebersetzt von E. Krause (('anisl
Sterne) in Ges. kleinere .Schriften,
von Ch. Darwin p. 220 — 221
Uebersetzt ins Englische bei Long-:
staff, Bultcrfly-Hunling in nianyj
lands, London 19 12
Englische Uebersetzung bei Long-
staff, Buttcrfly-IIunting wie oben
Ebenda
Ebenda
492
502
5"7
509
Sil
520
528
532
534
545
547
555
559
5«^7
568
572
57<'
579
I583
I 585
593
598
XII
Inhalts- Verzeichniss .
6
Titel
Aus
Bemerkungen -^
89
Der Rückschlag der Kreuzung weit
abstehender Formen, i Textfig.
Kosmos 1877/78 II
—
605
90
Der sprachlose Urmensch und die
Sprachlosigkeit der Kinder
Ebenda
—
608
91
Pflanzengattungen, an denen mir be-
kannte Tagfalter-Raupen leben
Stettin. Entomol. Ztg.
1878 39. Jahrg.
—
611
91a
Proboscis capable of sucking the Nectar
of Angrecum sesquipedale. (Erst
nachträglich aufgefundene und daher
nicht an der richtigen Stelle einge-
reihte Veröffentlichung. Der Herausg.)
I Textfig.
Nature 1873 VIII
612
92
Scent-fans of a Sphinx-moth. i Textfig.
Proc. Ent. Soc. Lond. 1878
—
615
93
Notes on Brazilian Entomoiogy (Odours
emitted by Butterflies and Moths)
Trans. Entomol. Soc. Lon-
don 1878
—
615
94
Os orgäos odoriferos da Antirrhaea
Archiv, do Museu Nacio-
Deutsche Uebersetzung auf S. 1448
625
Archaea Hübner. Taf. XLIX
nal do Rio de Janeiro
1878 III
dieses Werkes; englische Ueber-
setzung bei Longstaff, Butterfly-
Hunting in many lands, London
1912
Deutsche Uebersetzung auf S. 1454
95
A prega costal das Hesperideas. Taf.
Ebenda
631
L— LI
dieses Werkes ; englische wie vor.
96
Macrosilia cluentius
Nature Vol. XVII 1878
—
639
97
Ueber die Naupliusbrut der Garneelen
Zeitschr. f. Wissenschaft).
Zoologie 1878 Bd. 30
s. Ann. and Mag of Nat. Hist. 1878
Vol. I p. 481 — 485, Vol. 2 p. 426
—427
Englische Uebersetzung bei Long-
640
98
Die Stinkkölbchen der weiblichen Ma-
Ebenda
643
racujäfalter. Taf. LH
staff, Butterfiy-Hunting, London
99
Ueber Numenia Acontius
Zool. Anz. 1878 I. Jahrg.
191 2
646
100
Ueber Gerüche von Schmetterlingen
Ebenda
647
lOI
Ueber die Vortheile der Miniicry bei
Schmetterlingen
Ebenda
—
648
102
Wo hat der Moschusduft der Schwärmer
seinen Sitz?
Kosmos 1878 III
s. Entomol. Nachrichten 1878 4.
Jahrg. p. 109
649
103
[n Blumen gefangene Schwärmer
Ebenda
— .
651
104
Blumen der Luft
Ebenda
—
653
105
Die Königinnen der Meliponen
Ebenda
—
654
106
Hesperiden-Blumen Brasiliens
Ebenda 1878/79 IV
—
658
107
On a remarkable case of mimicry of
Eueides pavana with Acraea Thalia
Trans. Entom. Soc. Lon-
don 1879 Proc. II
—
659
108
Epicalia Acontius. Ein ungleiches Ehe-
paar. 6 Textfigg.
Kosmos 1878/79 IV
s. auch oben No. 78
660
109
Kritik über: Dr. Paul Kramer, Theorie
und Erfahrung, Beiträge zur Be-
urtheilung des Darwinismus, Halle,
L. Nebert 1877
Ebenda
668
110
Phryganiden-Studien. 3 Textfigg.
Ebenda
s. Zool. Anz. 1879 p. 38, 180,283,405
676
III
Ueber Phryganiden
Zool. Anz. 1879 2. Jahrg.
—
688
1 12
Sobre as casas construidas pelas larvas
de Insectos trichopteros da Provincia
de Santa Catharina. Supplemento.
Taf. LUX, LIV, LV, LVI
Archivos do Museu Na-
cion. do Rio de Janeiro
1878 III
•
694
'13
Ueber die von den Trichopterenlarvcn
der Provinz Santa Catharina verfer-
tigten Gehäuse. Nachtrag. Ueber-
setzung des vorigen von Dr. Hermann
Müller, Lippstadt
Zeitschr. f. wissenschaftl.
Zoologie 1880 Bd. 35
s. Nature XXIII 1880 p. 192 l
694
114
Extracts from letters regarding Brazilian
caddis-flies
Proc. Entomol. Soc. Lon-
don 1879
—
759
"5
On a trichopterous insect belonging to
the family Leptoceridae with branchiae
Ebenda
—
762
116
Notes on the Cases of some South
Brazilian Trichoptera
Ebenda
vgl. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoo-
Ic^ie 1880 p. 47—87
763
Inhalts- Verzeichniss.
XIII
"7
ii8
119
122
123
124
125
126
127
128
129
130
131
132
133
134
135
136
137
138
139
140
141
142
143
144
On a frog having eggs on its back. On
the abortion of the hairs on the legs
of certain caddis-flies (Phryganiden).
3 Textfigg.
Bud- Variation in Bananas
Schützende P^ärbung und die Farben-
empfindung der Tiere
Ituna und Thyridia, ein merkwürdiges
Beispiel von Mimicry bei Schmetter-
lingen. 4 Textfigg.
Ein Käfer mit Schmetterlingsrüssel.
1 Textfig.
Wasserthiere in Baumwipfeln, i Textfig.
Descripcäo do Elpidium Bromcliarum.
Taf. LVir
On a curious insect from Brazil (Pal-
tostoma torrentium)
A metamorphose de um insecto diptero
(Paltostoma torrentium)
Primeira parte : Descripcäo do ex-
terior da larva. Taf. LVIII
Secunda parte: Anatomia da larva.
Taf. LIX
Terceira parte: Anatomia da larva.
Taf. LX
Quarta parte: Chrysalida e insecto
perfeito. Taf. LXI
Erklärung
Die Putzfüsse der Kruster. 15 Textfigg.
Palaemon Potiuna. Ein Beispiel ab-
gekürzter Verwandlung. Berichtigung
Aehnlichkeit von Blumen und Früchten
I Textfig.
Branch-cutting Beetles
Paltostoma torrentium. Eine Mücke
mit zweigestaltigen Weibchen. 1 1
Textfigg.
Die Imbauba und ihre Beschützer (Az-
teca instabilis). 8 Textfigg.
Zur Kritik der Absonderungstheorie
Haeckels biogenetisches Grundgesetz bei
der Neubildung verlorener Glieder
Farbenwechsel bei Krabben und Gar
neelen
Movements of Plants
The movements of Leaves
Atyoida Potimirim , eine schlämm
fressende Süsswassergarneele. 20
Textfigg.
Verirrte Blätter, i Textfig.
Two Kinds of Stamens with different
Funct. in the sameFlower. i Textfig.
Leaves injured at Night by free Ra-
diation
Verwandlung und Verwandtschaft der
Blepharoceriden
Eine Beobachtung an Trigona mirim
Eine Pflanze, welche bei Nacht die
Himmelsgegenden anzeigt
Nature 1879
Ebenda
Kosmos 1879 V
Ebenda
Kosmos 1879/80 VI
Ebenda
Archivos do Museu Nac.
do Rio de Janeiro 1879
Vol. 4
Trans. Entom. Soc. of
London 1879 Proc.
Archiv, do jMuscu Nac. do
Rio de Janeiro 1879 IV
Zoolog. Anz. 1881 IV
Kosmos 1880 VII
Zoolog. Anz. 1880
Jahrg.
Kosmos 1880 VII
Nature i
Kosmos
Ebenda
io Vol. 22
ii VIII
Kosmos 1880/81 VIII
Ebenda
Ebenda
Nature i
I Vol. 23
Ebenda
Kosmos 1881 IX
Ebenda
Nature 1881 Vol. 24
Ebenda
Zoolog. Anz. 1881 IV
Kosmos 1881/82 X
Ebenda
Trans. Entom. Soc.
1879 Proc.
of London
s. Nature 1880 Vol. 22
Deutsche Uebcrsctzung auf S. 1463
dieses Werkes; siehe auch die
Erklärung auf S. 831
Deutsche Uebcrsctzung auf .S. 1470
dieses Werkes ; vgl. auch No. 1 3 1
vgl. die portugiesische Abhandlung
S. 1225
vgl. No. 125 S. 801 ; Entom. Monthly
Mag. Vol. 17 p. 225 — 226;
Naturhistoriker (Knauer) 3 Bd.
1880 No. 4 p. 30
Uebersetzt von Ernst Krause (Carus
Sterne) in Ges. kleinere Schriften
von Ch. Darwin p. 224—226
Uebersetzt wie vor. p. 222—224
vgl. die portugiesische Arbeit S.
1186; Journ. R. microscop. Soc.
Vol. 2 p. 42, 43
Uebersetzt von Ernst Krause ((."arus
Sterne) in Ges. kleinere Schriften
von Ch. Darwin p. 227
776
777
779
788
791
793
800
801
801
809
815
823
831
833
837
842
843
844
850
857
858
860
862
8Ü4
866
874
876
877
878
881
884
xw
Inhal ts-Verzeicliniss.
6
Titel
Aus
Bemerkungen -5
HS
Bemerkenswerte Fälle erworbener Aehn-
Kosmos 1881/82 X
— 1 887
lichkeit bei Schmetterlingen (Taf.
LXII) nebst einem Nachtrag: Ange-
Ebenda 1883 XHI
s. Trans. Entom. Soc. Proc. 1888
899
bissene Flügel von Acraea Thalia.
p. XXIII
I Textfig.
146
Bemerkungen zu: Hildebrand, Die
Lebensdauer und Vegetationsweise
der Pflanzen, ihre Ursachen und
ihre Entwicklung
Englers Botan. Jahrbuch
1882 n
904
147
Crotalaria cajanaefolia
Kosmos 1882 XI
—
908
148
Eine Beobachtung an Bauhinia brasi-
liensis. 2 Textfigg.
Ebenda
—
909
149
Bericht über: Graf zu Solms-Laubach,
Die Herkunft, Domestication und
Verbreitung des gewöhnlichen Fei-
genbaumes (Ficus Carica L.)
Ebenda
912
150
Caprificus und Feigenbaum
Ebenda
s. Bot. Ztg. XI 1882 p. 912—914;
Bot. Centrbl.XI 1882 p. 384— 386
922
151
Die gefügelose organische Substanz
der Termiten-Nester
Ebenda 1882/83 XII
—
927
152
Corbula intermedia
Ebenda
928
153
Ein Schmetterling, der einen Kolibri
nachahmt, i Textfig.
Ebenda
—
931
154
Bericht und Bemerkungen über: Dr.
Paul Mayer, Zur Naturgeschichte der
Feigeninsekten
Ebenda
s. Botan. Centralbl. 1883 XIV p.
13 — M
934
155
Zweigklimmer. Taf. LXHI
Ebenda
s. Botan. Centralbl. 1883 XIV
p. 72 — 73; ferner No. 43 und 44
dieses Verzeichnisses
939
156
Die Farben der Puppen von Papilio
Polydamas
Ebenda
Trans. Entom. Soc. Proc. 1883 p.
XXIII, XXIV
948
157
Wie die Raupe von Eunomia Eagrus
ihre Haare verwendet. i Textfig.
Ebenda
Trans. Entom. Soc. Proc. 1883 p.
XXIV, XXV
949
158
Animal Inteiligence
Naturc 1882/83 XXVII
Uebersetzung in Kosmos 1882/83
XII p. 460 — 462
950
159
Two Kinds of Stamens wilh Different
Functions in the same Flower.
2 Textfigg.
Ebenda
vgl. No. 140 und 162 dieses Ver-
zeichnisses
951
160
Bericht über: The colour and patterns
of insects by Dr. H. A. Hagen
Kosmos 1882/83 XII
—
953
161
Die Blumen des Melonenbaumes, i
Textfig.
Kosmos 1883 XIII
s. Bot. Centralbl. XV p. 102 — 103
957
162
Arbeitstheilung bei Staubgefässen von
Pollenblumen. 10 Textfigg.
Ebenda
—
960
1^3
Einige Nachträge zu Hildebrands Buch:
Die Verbreitungsmittel der Pflanzen
nebst Berichtigung. Taf. LXIV
Kosmos 1884 XIV
s. Bot. Centralbl. 1884 XX p. 234
-237
979
164
Einige Eigenthümlichkeiten der Eich-
hornia crassipes
Kosmos 1883 XIII
s. Bot. Centralbl. 1883 XVI p. 299
— 300; Biolog. Centralbl. 1886,87
VI p. 299; Trans. Linn. Soc.
1882 16 III
988
165
Biologische Beobachtungen an Blumen
Ber. d. Deutsch. Bot Ges.
s. Botan. Centralbl. 1883 XV p.
992
Südbrasiliens, i Textfig.
1883 I
164—166
166
Eine Aufgabe für Lepidopterologen
Berl. Entomol. Zeitschr.
1883 XXVII
—
997
167
Drymonema an der Küste Brasiliens
Zool. Anz. 1883 VI
—
999
168
Der Anhang am Hinterleibe der Acraea-
Weibchen
Ebenda
—
lOOI
169
Christian Conrad Sprengel
Nature 1883/84 XXIX
und 1884 XXX
—
1002
170
Anfrage Chr. K. Sprengel betreffend
Kosmos 1884 XIV
—
1004
171
Butterflies as Botanists
Nature 1884 XXX
Entom. Nachrichten 1884 p. 190
1005
172
On the larvae and pupae of some
Nymphalinae und Heliconinae
Proc. Entom. Soc. Lon-
don 1884
—
1006
Inhalts- Verzeichniss.
XV
173
174
175
176
177
178
179
180
181
182
183
184
185
186
187
188
189
190
191
192
193
194
195
196
197
198
199
200
201
202
203
204
Titel
Die Verzweigung von Stromanthe
Tonckat. i Textfig.
Jugendgeschiclite der Wurzelkrebse,
(Eine Besprechung.)
Die Zwiegestalt der Männchen der
nordamerikanischen Flußkrebse. (Be
rieht.)
Wird Philodendron durch Schnecken
bestäubt?
Fühler mit Beisswerkzeugen bei Mücken'
puppen. 4 Textfigg.
Die Blütenpaare der Marantaceen
5 Textfigg.
Eine zweizählige Blume von He-
dychium. i Textfig.
Endständige Zingiberaceenblüten.
Textfig.
Das Ende des Blütenstandes und die
Endblume von Hedychium. Taf,
LXV u. LXVI
Wie entsteht die Gliederung der In-
sektenfühier?
Die Zwitterbildung im Tierreiche
Einige Nachträge zu Hildebrands Buch :
Die Verbreitungsmittel der Pflanzen.
4 Textfigg.
Wurzeln als Stellvertreter der Blätter.
I Textfig.
Biologische Beobachtungen an brasi-
lianischen Orchideen
Notes on Fig-Insects
Neue Beobachtungen über Feigen-
wespen
Feigenwespen. Bericht über: Gustav
Mayr, Feigeninsekten
Critogaster und Trichaulus
Bericht über : Die Geschlechterdifferen-
zierung bei den Feigenbäumen von
Graf zu Solms-Laubach
Zur Kenntnis der Feigenwespen
Zur Kenntnis der Feigenwespen
Besprechung von „Biooks, The law of
Heredity '
Knospenlage der Blumen von Feijoa.
I Textfig.
Feijoa, ein Baum, der Vögeln seine
Blumenblätter als Lockspeise bietet.
I Textfig.
Ein Züchtungsversuch an Mais
Einige neue Beispiele langer Lebens-
fähigkeit von Samen und Rhizomen
Die Nymphen der Termiten
Ueber die Gattung Chimarrha
Die Larve von Chimarrha. i Textfig.
Eine deutsche Lagenopsyche. 1 Textfig.
Nebenspreiten an Blättern einer Be-
gonia. I Textfig.
Schiefe Symmetrie bei Zingiberaceen-
blumen. 3 Textfigg.
Aus
Bemerkungen
Ber. d. Deutsch. Bot. Ges
1884
Kosmos 1884 XIV
Ebenda
Kosmos 1884 XV
Ebenda
Ber. d. Deutsch. Bot. Ges.
1885 III
Ebenda
Ebenda
Kosmos 1885 XVI
Kosmos 1885 XVII
Ebenda
Ebenda
Ebenda
Verhandl. d. Bot. Ver.
d. Prov. Brandenburg
1886 XXVIII
Trans. Entom. Soc. Lon
don 1886
Biol. Centralbl. 1886 VI
Kosmos 1886 XVIII
Kosmos 1886 XIX
Kosmos 1886 XVIII
Entom. Nachr. 1886 XII
Ebenda 1887 XIII
Kosmos 1886 XVIII
Ber. d. Deutsch, bot. Ges.
1886 IV
Kosmos 1886 XVIII
Kosmos 1886 XIX
Biol. Centralbl. 1886/87
VI
Entom. Nachr. 1887 XIII
Ebenda
Ebenda
Ebenda
Ber. d. Deutsch, bot. Ges. s
1887 V
Ebenda
s. Bot. Centralbl. 1885 XXIII p. 19
vgl. No. 163 u. Bot. Centralbl. 1886
XXV p. 202—203
s. Bot. Centralbl. 1886 XXV p. 202;
Biol. Centralbl. V 1885/86 p. 765
Die Seite 1067 ist irrtümlich als
1167 bezeichnet
s. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1886
Heft 1 1
s. Bot. Centralbl. 1886 XXVII
p. 189 — 192; Biolog. Centralbl.
1885/86 V p. 745—746
s. Bot. Centralbl. 1886 XXVIII
p. 228; Biolog. Centralbl. VI
1886 p. 483
CA)
, Bot. Centralbl. 1887 XXX
P- 43—44
Bot. Centralbl. 1886 XXVI
p. 218 — 219; Biolog. Centralbl.
1886 VT p. 191 — 192
Bot. Centralbl.
P- 364—365
1887 XXXII
1008
1012
1016
1018
1020
1022
1025
1027
1030
1043
1046
1059
1065
1066
1068
1070
1077
1079
1081
1086
1089
1095
1098
1103
1108
IIIO
1112
1114
1 116
1119
II 22
XVI
Inhal ts-Verzeichniss.
205
206
20
208
209
211
212
213
214
215
216
217
218
219
220
223
224
225
Keimung der Bicuiba. Taf. LVII
Die Eier der Haarflügler
Larven von Mücken und Haarflüglern
mit zweierlei abwechselnd thätigen
Athemwerkzeugen. 3 Textfigg.
Zweiniännige Zingiberaceenblumen. 2
Textfig.
Ueber ein abweichendes Verhalten
einer in Europa gezogenen Urena
lobata bezüglich der Ausbildung der
Ameisen-Nektarien
Neue Beobachtungen über das absatz-
weise Blühen von Marica.
Abweichend gebildete Blumen von
Marica. 4 Textfigg.
Beobachtungen an Hypoxis decumbens.
7 Textfigg.
Abändening des Blüthenbaues von
Hedychium coronarium in Folge un-
genügender Ernährung. Taf. XLVIII
Freie Gefässbündel in den Halmen von
Olyra. 13 Textfigg.
Zur Verbreitung der Pflanzen durch
die Excremente der Thiere
Weitere Beobachtungen über das
Variieren der Blüthenzahl bei Hyp-
oxis decumbens. 2 Textfigg.
Fnicht in Fnicht von Carica Papaya.
I Textfig.
Kreuzung von Hedychium
Clepsine verrucata. Eine Berichtigung
Die Begattung der Clepsinen
Verzeichniss der in der Umgegend von
Blumenau und Desterro beobachteten
(60 verschiedenen Familien ange-
hörenden) Bäume und Sträucher
Trichodactylus, siri de agua doce sem
metamorphose. Taf. LXIX u. LXX
Trichodactylus, eine Süsswasserkrabbe
ohne Verwandlung. Uebersetzung
des vorigen.
O camarfio miudo do Itajahy, Atyoida
Potimirim. Taf. LXXI u. LXXH
Die kleine Gameele vom Itajahy,
Atyoida Potimirim. Uebersetzung
des vorigen
O camarfio preto, Palaemon Potiuna.
I. Des9ripcrio do animal adulto.
Die schwarze Gameele, Palaemon
Potiuna. Taf. LXXIII
I. Beschreibung des erwachsenen
Tieres. Uebersetzung des vorigen.
II. A metamorphose dos filhos
II. Die Verwandlung der Jungen.
Taf. LXXIV und LXXV
Descrip^äo da Janira exul, Crustaceo
Isopode do Estado de Santa Catha-
rina. Taf. LXX VI
Beschreibung der Janira exul, einer
Assel aus Santa Catharina
Ber. d. Deutsch. Bot. Ges.
1887 V
Entom. Nachr. 1888 XIV
Ebenda
Ber. d. Deutsch. Bot. Ges.
1888 VI
Biol. Centralbl. 1888/89
VIII
Ebenda
Ber. d. Deutsch. Bot. Ges.
1889 VII
Flora 1889
Ebenda
Ebenda
Monatl. Mitteil. d. Natur-
wissensch. Ver. Frank-
furt a. O. 1889/90 VII
Schriften d. Naturf. Ges.
in Danzig 1890
Flora 1890
Abh. d. Naturw. Ver.
Bremen 1890
Zoolog. Jahrb. 1890 V
Zoolog. Jahrb. Abt. f.
System. 1891 VI
Grunert, Forstl. Blätter
i8qi
Arch. do Museu Nac. do
Rio de Jan. 1892 VIII
Ebenda
Ebenda
Ebenda
s. Monatl. Mitteil, des Naturwiss.
Ver. Frankfurt a. O. VII 1889/90
p. 39-40
s. No. 165 dieses Verzeichnisses
s. Bot. Centralbl. 1890 XLII p. 8;
s. Bot. Centralbl. 1892 LI p. 243
vgl. No. 138 dieses Verzeichnisses
vgl. No. 128 dieses Verzeichnisses
II 24
128
130
134
139
141
'43
147
149
154
160
161
163
165
166
167
168
171
171
186
186
225
225
246
246
270
270
Inlialts-Verzeichniss.
xvn
Titel
Aus
226
228
229
230
231
232
233
234
235
236
237
238
239
240
241
242
243
244
245
246
247
Die Banibusraite , Dactylomys am-
blyonyx
Bemerkungen über brasilianische Bro-
meliaceen. 2 Textfigg.
Die Tillandsia augusta der Flora flu-
minensis. I Textfig.
Geradläufige Samenanlagen bei Hohen-
bergia. Taf. LXXVII
Aechmea Heningsiana und Billbergia
Schiniperiana Wittm.
Die Bromeliaceen von Blumenau
Mischlinge von Ruellia formosa und
silvaccola
Ueber Unfruchtbarkeit bei Bestäubung
mit eigenem Pollen
Ueber epiphytische Gewächse
Zum Diagramm der Zingiberaceen
Blüte. 5 Textfigg.
Contribution towards the history of a
new form of larvae of Psychodidae
(Diptera), from Brazil. Taf. LXX VIII
u. LXXIX
Die Untergattung Nidulariopsis Mez.
Taf. LXXX
Die Keimung einiger Bromeliaceen.
Taf. LXXXI
Orchideen von unsicherer Stellung
Taf. LXXXII
Billbergia distacaia Mez. i Textfig.
Das Ende der Blütenstandsachsen von
Eunidularium
Blumenblätter und Staubfäden von
Canistrum superbum. i Textfig.
Die Bromelia silvestris der Flora flu-
minensis. Taf. LXXXIII
Einige Bemerkungen über Bromeliaceen
I— XIII. Taf.LXXXIVu. LXXXV
und 3 Textfigg.
Ein Fall von Naturauslese bei imge
schlechtlicher Fortpflanzung
Ein Versuch mit Doppelbestäubung
Mischlinge von Ruellia formosa und
silvaccola
Observa9oes sobre a fauna marinha da
Costa de Santa Catharina mit Ueber-
setzung:
Beobachtungen über die Meeresfauna
der Küste von Santa Catharina
Bemerkungen
Der Züol. Garten 1892
Englers Jahrb. f. System.
Pflanzengeschichte und
Pf lanzengeograph. 1 892
XV
Ber. d. Deutsch, bot. Ges.
1892 X
Ebenda 1893 XI
Ebenda
Gartenflora 1893
Abhandl. d. Naturw. Ver.
Bremen 1893
Ebenda
Ebenda
Flora 1895
Trans. Entom. Soc. Lon-
don 1895
Ber. d. Deutsch. Bot. Ges.
1895 XIII
Ebenda
Ebenda
Ebenda
Ebenda
Ebenda
Ebenda 1896 XIV
Flora 1896 u. 1897
Flora 1897 Bd 84. Er-
gänzungsband
Flora 1897 Bd 83.
Jenaische Zeitschr. 1898
XXXI
Revista Museu Paulista
1899 III
s. auch No. 231
s. Bot. Centralbl. 1893 LV p. 160
s. auch No. 227
vgl. No. 142 und 207
zeichnisses
dieses Ver-
s. auch No. 232
1292
1293
1297
1301
'304
1306
1314
1322
1324
1325
J327
1330
1339
1345
1355
»357
1364
1365
1373
1400
1403
1413
XVIII
Inhal ts-Verzeichniss.
N achtrag".
Uebersetzung , portugiesischer Arbeiten Fritz Müllers.
13
Titel Aus
Bemerkungen
0)
'S
IT)
a
Die Beziehungen farbenwechselnder
Arch. do Museu Nac.
Uebersetzung von No. 76 dieses
1427
Blumen zu den befruchtenden In-
do Rio de Janeiro 1877
Verzeichnisses
sekten
Vol. II
b
Die Geschlechtsflecken bei den Männ-
chen der Arten Danais Erippus und
D. Gilippus. Taf. XLV
Ebenda
dgl.
von No. 77
1432
c
Ueber die Duftorgane von Epicalia
Acontius Linn. und Mj^scelia Orsis
Dniry. Taf. XLVI
Ebenda
dgl.
von No. 78
1436
d
Die Duftorgane an den Beinen gewisser
Schmetterlinge, und Nachtrag. Taf.
XLVII u. XLVIII
Ebenda
dgl.
von No. 79
1440
e
Die Duftorgane von Antirrhaea Archaea
Hübner. Taf. XLIX
Ebenda 1878 Vol. III
dgl.
von No. 94
1448
f
Die Schulterfalte der Hesperiden. Taf.
L u. LI.
Ebenda
dgl.
von No. 95
1454
g
Beschreibung von Elpidium Brome-
liarum. Taf. LVII
Ebenda 1879 Vol. IV
dgl.
von No. 123
1463
h
Die Verwandlung eines Zweiflüglers
(Paltostoma torrentium)
Ebenda
dgl.
von No. 125
1470
Erster Teil : Beschreibung des Aeusse-
—
1470
ren der Larve. Taf. LVIII
Zweiter Teil: Anatomie der Larve.
—
1479
Taf. LIX
Dritter Teil: Anatomie der Larve.
—
i486
Taf. LX
Vierter Teil: Puppe und vollkom-
—
1495
menes Insekt. Taf. LXI
Hierzu : Explanation of the female
Nature 1881 XXIV
—
1505
dimorphism of Paltostoma torren-
tium by Hermann Müller
Ueber HIrudo tessulata und marginata O. F. Müll.').
Mit I Textfigur.
Seit man Linne's Genus Hirudo in kleinere Gattungen geteilt hat, finden
sich O. F. MüUer's Hirudo tessulata und marginata ^) von den verschiedenen Schrift-
stellern den verschiedensten dieser neugebildeten Gattungen zugerechnet.
Hirudo tessulata wurde von Blainville^) zu Erpobdella (Nephelis Sav.),
von Auduin ^) zu Clepsine gezählt, und von Moquin-Tandon ^) als Synonym zu
seiner Piscicola tessellata gezogen. Ja ßlainville *') führte sie später gleichzeitig
unter Ichthyobdella (Piscicola Lam.) und als Varietät von Erpobdella (Nephelis)
vulgaris auf.
Hirudo marginata stellten Blainville und Audouin früher zu Clepsine ''), nach
dem aber Carena sie als Hir. cephalota beschrieben^) und als wahrscheinlich zu
zu Haemocharis Sav. (Piscicola Lam.) gehörig bezeichnet, und nachdem Moquin-
Tandon ^) die Benennung in Piscicola marginata geändert, traten auch sie dieser
letzteren Ansicht bei^°).
Schon eine genauere Vergleichung der von O. F. Müller und Braun *^) ge-
gebenen Beschreibungen beweist, dass beide Arten nur zu der Gattung Clepsine
gehören können. Kein anderer der bekannten Blutegel trägt seine Jungen unterm
Bauche mit sich, wie es Müller von H. tessulata, Braun von H. marginata (varie-
gata Braun) beobachtet hat ; bei keinem andern Blutegel ist ein gefiederter Darm-
kanal von aussen sichtbar.
Dass H. tessulata von Blainville zu Nephelis gestellt worden ist, beruht le-
diglich auf der Uebereinstimmung in der Zahl der Augen ; allein die acht Augen
von H. tessulata stehen in zwei Längsreihen, eine Stellung, die gerade der Gattung
i) Archiv für Naturgeschichte 1844. I. pg. 370—376. Taf. X, Fig. 14.
2) Histor. vermium Tom. I, pars II. pg. 45 u. 46.
3) Dictionn. des Sc. nat. Tom. 47 pg. 261.
4) Dict. classique d'hist. nat Tom. 4. pg. 208, Tom. 15. pg. 109.
5) Monogr. de la Fam. des Hirud. pg. 133.
6) Dict. des Sc. nat. Tom. 57 pg. 558, 564.
7) Blainville, 1. c. Tom. 47. pg. 266. Audouin, 1. c. Tom. 4. pg. 208.
8) Mem. dell. Accad. di Torino, Vol. XXV. pg. 298, 316; Vol. XXVIII. pg. 336.
9) Monogr. pg. 132.
10) Blainville, 1. c. Tom. 57. pg. 558. Audouin, 1. c. Tom. 15 pg. no.
11) Braun, Systematische Beschreibung einiger Egelarten. Berlin, 1805. pg. 56, 61.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. '
5 Hirudo tessulata und marginata.
Clepsine eigenthümlich ist; die Augen von Nephelis bilden dagegen, wie die von
Sanguisuga, Haemopis, etc. einen Halbkreis. Zu Piscicola hat man beide Arten
stellen zu müssen geglaubt wogen der deutlichen Sonderung des Kopfes; allein
selbst der Kopf, der hier aus mehreren Ringen zusammengesetzt ist, hat keine
Aehnlichkeit mit dem aus einem einzigen Stücke bestehenden Mundsaugnapf von
Piscicola geometra.
Uebrigens ist Moquin-Tandon's Piscicola tessellata weder, wie er meint, die
Hir. tessulata O. F. Müll., noch auch eine Piscicola, denn sie hat weder acht Augen,
noch einen aus einem Stück bestehenden, sondern aus zahlreichen Ringen zu-
sammengesetzten Kopf. Die Vergleichung der von Saint- Amans ^) gegebenen
Beschreibung und Abbildung, die Moquin-Tandon nur excerpirt und copirt hat,
hat es mir sehr wahrscheinlich gemacht, dass es nichts anderes ist, als H. marginata.
Soviel ergiebt sich aus dem, was über beide Arten bei den verschiedenen
Schriftstellern vorliegt; um jedoch ihre Stellung unter der Gattung Clepsine noch
fester zu begründen, wiU ich noch einige ihrer für diese Gattung bezeichnendsten
Eigenthümlichkeiten hervorheben. Beide Arten kommen nämlich um Berlin vor,
und ich habe so Gelegenheit gehabt, sie sowohl lebend zu beobachten, als zu
zergliedern. H. marginata findet sich gar nicht selten zwischen den Blättern der
Wasserpflanzen (besonders Spargan ium und Stratiotes) in allen Seen, wie auch in
den Gräben des Thiergartens ; H. tessulata, die seit O. F. Müller im erwachsenen
Zustande nicht wieder beobachtet zu sein scheint (Braun sah nur ziemlich junge
Individuen), fand ich nur selten in leeren Anodontenschaalen und an faulenden
Aesten im Tegler See.
Der Körper beider Arten ist bei erwachsenen Individuen verhältnissmässig
kurz, breit und nach vorn stark verschmälert; bei jüngeren Exemplaren von
H. marginata, und nach O. F. Müller auch von H, tessulata ist er schmaler, vorn
und hinten ziemlich gleich breit. Er ist ungemein flach, wodurch die den Clepsinen
eigenthümliche Fähigkeit, sich in eine Kugel einzurollen, bedingt wird. Die Zahl
der Ringe ist gegen 60.
Die Nervenknoten des Bauchstrangs, die sich in gleicher Anzahl, wie bei
Nephelis und Piscicola finden, schicken jederseits einen einzigen Nervenfaden aus,
der sich dann ohne bemerkbare Anschwellung verästelt ^). Die einzelnen Ganglien
liegen um je drei Ringe voneinander entfernt, während bei Piscicola in jedem
Ring, bei Nephelis, Sanguisuga, u. s. w. in jedem fünften Ring ein Ganglion
liegt. Daher bei gleicher Anzahl von Ganglien bei Piscicola 20, bei Clepsine 60,
bei Nephelis 100 Leibesringe gezählt werden. Ebenso wiederholen sich alle in
der Mehrzahl vorhandenen Organe, wie Darmanhänge, Gefässklappen, Hoden-
bläschen, von drei zu drei Ringen, wie sich denn auch in der Zeichnung äusserlich
dieses Zahlen verhältniss geltend macht (Segmens ternes, Savigny).
i) Hirudo oscillatoria Saint-Amans, M6m. de la Soc. Linneenne de Paris. Tom. III, pg, 193, Vol.
VIII. (besonders Fig. 5, wo auch die Augen, obgleich vom Verf. als solche nicht erkannt, deutlich ge-
zeichnet sind).
2) Auf diesen Bau des Nervensystems hat zuerst Audouin bei Clepsine complanata aufmerksam ge-
macht; ich habe ihn bei allen von mir untersuchten Clepsinen gefunden. Bei Albione, wo auch jedes
Ganglion nur ein Nervenpaar ausschickt, schwellen diese Nerven vor ihrer Teilung in ein sehr deutliches
Ganglion an, nach Audouin (Dict. classique d'hist. nat. Tom. 15. pg. 115) und R. "Wagner (Isis 1834, pg. 131.)
Hirudo tessulata und marginata.
Der Verdauungs- Apparat der Clepsinen ist theils durch einen in dem
dünnhäutigen Oesophagus gelegenen vorstreckbaren fleischigen Rüssel, theils
dadurch ausgezeichnet, dass nicht nur der Magen, sondern auch der Darm mit
seitlichen Blindsäcken versehen ist, was sich meines Wissens bei keinem anderen
Blutegel findet. Diese grosse Verästelung des Nahrungskanals erreicht nun gerade
ihr Maximum in H. tessulata und marginata. Der Magen
hat bei beiden Arten 7 Paar seitlicher Anhänge, von denen
das letzte sich zu beiden Seiten des Darms bis in die Gegend
des Saugnapfs erstreckt, und an der äussern Seite 5 secun-
däre Blindsäcke trägt. Bei H. tessulata sind alle diese
Anhänge ungetheilt, bei H. marginata hat jeder der zwölf
vordem Anhänge drei, jeder der zehn Nebenanhänge des
letzten Paares zwei, oft mannigfach ausgebuchtete Zweige.
Der zwischen den beiden letzten Magenanhängen gelegene
Darm hat jederseits vier Blindsäcke, die nach den Seiten
über die Magenanhänge hinweggehen ^). Ausser diesen
Anhängen, die sie mit den übrigen einheimischen Arten
der Gattung Clepsine gemein haben, besitzen H. tessulata
und marginata noch ein besonderes System von Blind-
säcken, nämlich vier Paar vor dem Magen gelegener An-
hänge, von denen das vordere nach vorn, die mittleren
seitlich, das hintere nach hinten gerichtet ist. Diese An-
hänge sind selten mit Nahrungsstoff gefüllt und deutlich
von aussen wahrnehmbar; wenn sie es sind, so zeigen sie
meist eine von der des Magens verschiedene Färbung.
Dass sie ein besonderes, dem eigentlichen Magen nicht zu-
zuzählendes System bilden, scheint mir theils aus der oft
verschiedenen Farbe ihres und des Mageninhalts, theils
aus der von den Magenanhängen abweichenden Gestalt,
theils aus der Richtung des vordersten und hintersten
Paares wahrscheinlich; denn auch bei den Magen- und
Darmanhängen der meisten Arten ist das vorderste Paar
nach vorn, das hinterste nach hinten gerichtet. Vor diesen Anhängen beginnt
der Rüssel , der bei den übrigen Arten sogleich vor dem Magen anfängt ; da-
i) Filippi, der neuerdings die Clepsinen zum Gegenstand einer speciellen anatomischen Unter-
suchung gemacht hat, betrachtet die beiden letzten langen Magenanhänge als Coeca, den zwischen ihnen
liegenden Theil des Darmkanals als Rectum. (Lettera del Dott. F. de P'ilippi al Sign. Dott. M. Rusconi
sopra l'anatomia e lo sviluppo delle Clepsine. Pavia 1839. p. 12). Ich glaube nicht, dass man diesem
letzten Paare eine andere Bedeutung beilegen kann, als den übrigen Magenanhängen ; sein Inhalt ist stets
dem der andern ganz gleich; selbst in der Form ist es bei einer der Clepsine complanata Sav. nahe
stehenden, wahrscheinlich neuen Art kaum davon verschieden, indem es sehr kurz ist, und noch vor dem
zweiten Paar der Darmanhänge endet. Der von Filippi als Rectum angesprochene Teil scheint mir gerade
der Hauptsitz der Verdauung zu sein, während der Magen hauptsächlich als Reservoir des Nahrungsstoffs
dienen mag. So sah ich den Mageninhalt bei einer H. marginata durch sechs Monate (Oktober bis April)
unverändert dieselbe Farbe behalten; sobald er dagegen in den Darm getreten ist, wird seine Farbe ge-
ändert. Auch sieht man ihn im Darme der fast farblosen Clepsine hyalina Moqu. Tand, durch eine
deutliche peristaltische Bewegung umhergetrieben; ein sehr schönes Schauspiel, das mich oft Stunden lang
gefesselt hat. ,
Nahrungskanal von
Clepsine marginata.
a Oesophagus; h Rüssel;
c die 4 Paar vor dem
Magen gelegener Anhänge ;
d die 7 Paar Magenanhänge ;
e die 4 Paar Darmanhänge;
f Rectum.
A Hirudo tessulata und marginata.
durch wird er natürlich hier auf ein verhältnissmässig weit geringeres Volumen
reducirt. Namentlich ist diess bei H. tessulata der Fall, wo er bei einem i Y2 Zoll
langen Exemplar kaum länger als bei einer 4 Linien langen Clepsine hyalina war.
Das Blut der H. tessulata und marginata ist, wie bei allen Clepsinen,
farblos^); das von Nephelis und Piscicola bekanntlich roth.
Die Geschlechtstheile, die ich bei der grossen H. tessulata genauer unter-
suchen konnte, bieten zwar im Einzelnen manche Abweichungen von denen der
Clepsine complanata, sind aber nach ganz demselben Typus gebaut. Dass
H. tessulata und marginata, wie die übrigen Clepsinen, ihre Jungen unterm Bauche
mit sich tragen, habe ich schon früher angeführt.
Nach allem diesem scheint mir kein Zweifel über die S3^stematische Stellung
beider Arten zu bleiben, denn die einzigen bedeutenderen Unterschiede von den
andern einheimischen Clepsinen bestehen in der deutlichen Sonderung des Kopfes,
dem verhältnissmässig grossen Saugnapf und der Anwesenheit der vor dem Magen
gelegenen Anhänge des Nahrungskanals.
Schliesslich mögen hier noch die Diagnosen beider Arten und ihre zahl-
reichen Synonyme Platz finden; eine ausführlichere Beschreibung scheint mir
durch die von O. F. Müller gegebene, an der nichts wesentliches zu ändern wäre,
unnöthig gemacht.
Clepsine tessulata.
Corpus gelatinosum, mollissimum, dilatatum, cinereo-viride, dorso macularum
flavescentium seriebus 2 — 6 notato, margine cinereo flavoque tessulato. Caput
subdistinctum. Oculi 8, in series duas longitudinales antice convergentes dispositi.
Long 18 — 20"', Lat. 4—5"'.
Hirudo tessulata. O. F. Müll., Hist. verm. Tom. I, pars II, pg. 45.
Hirudo tessulata, Der Spion. Braun, Syst. Beschreibung einiger Egelarten pg. 56.
Tab. VI. Fig. 6 — 10.
Hirudo (Erpobdella) tessellata. Blainville, Dict. des Sc. nat. Tom. 47. pg. 261.
Erpobdella vulgaris var. tessulata. Id. Ibid. Tom. 57. pg. 564.
Ichthyobdella tessellata. Id. Ibid. Tom. 57. pg. 558.
Clepsine marginata.
Corpus subcartilaginosum , dilatatum, fusco-viride , dorso macularum flave-
scentium seriebus quatuor, linearum ejusdem coloris serie media notato, margine
flavo-albofuscoque tessulato. Caput distinctissimum. Oculi 4, postici majores, magis
inter se distantes. Long. 10'", Lat. 2 — 2 Y2'".
i) Das Gefässsystem hat Filippi ganz übersehen; was er als Seitenstämme beschreibt, ist eine längs
des Randes verlaufende Höhle ohne scharfe Conturen, welche sich, wenn das Thier stark zwischen zwei
Glasplatten gedrückt wird, durch Zerreissung der Darmhaut mit dem Darminhalt füllt. Ich sah ein dünn-
häutiges mit Klappen versehenes contractiles Rückengefäss, ein Bauchgefäss, und jederseits, doch bis jetzt
noch nicht deutlich in ihrem ganzen Verlaufe, zwei Seitengefässe. Somit bedarf auch wohl Filippi's etwas
abentheuerliche Ansicht (1. c. p. lo) von einem unmittelbaren Uebergang des Nahrungsstoffs aus dem
Darmkanal in das Gefässsystem keiner besonderen Widerlegung. Die Contractionen des Rückengefässes
lassen sich bei den kleinem durchsichtigen Arten und bei den Jungen der grossem unterm Mikroskop be-
obachten; die Klappen öffnen sich, wenn der hinter ihnen, und schliessen sich, wenn der vor ihnen ge-
legene Theil des Gefässes sich zusammenzieht.
Hinido tessulata und marginata. e
Hirudo marginata. O. F. Müll. Hist. vermium Tom. I, pars II, pg. 46.
Hirudo variegata. Der gesellige Egel. Braun, Syst. Beschreib, einiger Egelarten,
pg. 61. Tab. VII. Fig. 1—6.
Hirudo cephalota. Carena, Mem. dell. Accad. di Torino. Vol. XXV. pg. 298, 316;
Tab. XII, Fig. 19. Vol. XXVIII, pg. 336.
Hirudo oscillatoria. Saint-Amans, Mem. de la Soc. Linn. de Paris. Tom. III, pg. 193,
pl. VIII.
Piscicola marginata. Moqu. Tand. Monogr. de la Fam. des Hirud. pg. 132. Tab. VII.
Fig. 2.
Piscicola tessellata. Id. Ibid. pg. 133. Tab. VII. Fig. 3. (excl. Synon. Hir. tessulata
O. F. Müll.)
Hirudo (Glossobdella) cephalota. Blainville, Dict. des Sc. nat. Tom. 47, pg. 266.
Ichthyobdella marginata. Id. Ibid. Tom. 57, pg. 558.
De Hirudinibus circa Berolinum hucusque observatis ^).
„Caeterum, nullius in verba jurans, aliorum inventa
consarcinare haud institui; quae ipse quaesivi, re-
peri, repetitis vicibus diversoque tempore obser-
vavi, propono."
O. F. Mueller, Histor. vermium.
Caput primum.
§ 1. Familiae diagnosis.
Hirudinum 2) nomine vermes ann ulati designantur, setis et bran-
chiis carentes, ore et ano praediti, pede disciformi^) carnoso
fulcris cartilagineis destituto postice terminati.
Quibus notis facile ab aliis omnibus vermibus distinguuntur. Discis enim
suctoriis sie dictis praeter Hirudines nonnisi Entozoa Trematoda gaudent, genera-
que dua incertae sedis, novissimis temporibus detecta, Gyrodactylus Nordm., et
Myzostoma Leuck. (Cyclocirra J. Muell.) E quibus Trematoda ano carent, Gyro-
dactylus discum radiis cartilagineis suffultum gerit, Myzostoma^) discis pluribus
neque in extrema corporis parte positis, pedibusque praeterea parvis carnosis in-
structum est.
Quem locum in zoologiae systemate naturali Hirudinum familia obtineat, non
satis inter auctores constat. Cuvier e. g. et Latreille cum Lumbricis, Naidibus,
Gordiis in Abranchiorum Cuv. vel Enterobranchiorum Latr. ordine ponunt ^) ; cum
Sipunculis in Apodum ordine Wiegmann "). Optime fortasse naturae convenientem
haberes Burmeisteri '') sententiam, qui Hirudines cum Entozois Trematodibus et
i) Dissertatio inauguralis zoologica quam consensu et auctoritate amplissimi philosophorum ordinis in
alma literarura viniversitate Friderica Guilelma Berolinensi pro summis in philosophia honoribus rite capessendis
die XIV. m. decembris A. MDCCCXLIV. h. 1. q. s. publice defendet auctor Fridericus Mueller Thuringus.
Berolini, typis fratrum Schlesinger.
2) Annelides Hirudin^es Sav.; Entomozoaria Apoda Myzocephala Monocotylaria seu Bdellaria Blainv.
(exclusis tarnen generibus Epibdella Bl., Nitzschia Baer, Axine Ok., Capsala Bosc, inter Entozoa Trema-
toda potius referendis); Trematodes Ascocoeli Malacobdellei s. Hirudinei Burmeist. (hunc in familia circum-
scribenda secutus sum).
3) seu, ut plerisque audit, disco suctorio; at talem non esse, Brandtius jam demonstravit. (Mediz.
Zool. Bd. IL pg. 230.)
4) Cf. Lov6n, Wiegm. Archiv. 1842. Bd. I, pg. 306. Tab. VIII.
5) Cuvier, Rfegne animal, Tom. III; Latreille, familles nat. du regne animal. 1825.
6) Wiegmann, Handbuch der Zoologie.
7) Burmeister, Handbuch der Naturgesch. Bd. H.
De Hinidinibus. ^
Planarieis (Turbellariis Dendrocoelis Ehrbg.) in eundem ordinem conjunxit, com-
muni Trematodum nomine ab illo designatum.
Planariis saltem Clepsinarum genus corporis forma depressa, proboscide qua
nutrimentnm hauritur, intestino ad arboris instar in ramos diviso, sanguine decolorci
aliisque notis haud absimile^). Sed structura interna diversissima; sanguinis circuitus
e. g. in Hirudinibus omnibus vasorum contractione, in Trematodibus et Planariis
motu vibratorio valvularam filiformium quae intra vasa existunt, efficitur ; nervorum
systema in illis ad Articulatorum normam compositum, a qua et in Trematodibus,
et, quantum innotuit^), in Planariis longe recedit, et quae alia.
Ipse Savignyo potissimum et Milne-Edwards 3) adstipularer, qui ordinem
vermium proprium hanc nostram familiam constituere arbitrantur.
§ 2. Forma externa.
Hirudinum corpus plus minus elongatum, in aliis exacte cylindricum, in aliis
subcylindricum, ventre piano, in aliis valde depressum, dilatatum; versus extremi-
tatem utramque plus minus attenuatum; plerumque molle lubricum, in quibusdam
duriusculum, cartilaginosum, in una e nostris specie mollissimum gelatinosum.
Annulorum numerus secundum genera diversus, in codem vero animali
constans, neque, ut in Lumbricis, aetate auctus. Caput et pedem versus annuli et
angustiores et breviores fieri, ad latera corporis prominere solent, quo margo cre-
natus vel dentatus apparet.
Caput, i. e. maxime antica corporis pars oculos gerens, maxillas et annulum
nerveum qui oesophagum cingit includens, modo distinctc a corpore separatum,
modo prorsus cum eo confusum est; modo annulis pluribus compositum, m^do
exannulatum. Contractione peculiari in disci formam redactum affigendo inservit.
Oculis plerumque binis usque denis instructum est, in figuras varias in superiore
ejus facie dispositis; raro oculis caret. Oculi non e simplicibus pigmenti acervulis
constant, sed sphaeras referunt, quarum altera dimidia pars pellucida, altera pig-
mento in pullis rubro, in adultis nigro vestita est. Quam oculorum structuram, a
Brandtio jam in Sanguisuga observatam, ipse distinctissime in Aulastomate, Xcphe-
lide, Clepsinis omnibus, minus distincte in Piscicola vidi.
Os raro (in Branchiobdella) exacte terminale, plerumque subinferum, annulis
primis incompletis ad labri instar prominentibus. In aliis inerme, in aliis maxillis
tribus (superiore duabusque lateralibus) vel duabus (superiore et inferiore), in aliis
denique proboscide exsertili tubulosa armatum.
Postice corpus pedC^) disciformi carnoso, ex annulis pluribus confusis, uti
ganglia docent, exorto terminatur, modo exacte terminali, h. e. in axem corporis
1) Magis adhuc ad Planarias et Trematoda accedere videtur Malacobdella grossa Blainv. (Hirudo
grossa O. F. Muell. Zool. D. Prodr.) in Molluscorum quorundam marinorum pallio parasitica, atque
Hirudinula illa, quam in Caligo curto Kröyer observavit. (cf. Isis, 1841 pg. 195.)
2) F. F. Schulze, De Planariarum vivendi rat. etc. pg. 39.
3) Savigy, Systeme des Annelides. — Milne-Edwards, in Lamarck, An. sans vertibres. Ed. II.
4) Pedis nomen servavi, quia usum organi optime exprimit; aptius fortasse cauda diceretur; sicuti
enim in cauda Vertebratorum medulla dorsalis, ita hie medulla ventralis ultra anum prolongatur. Anuni
supra caudam situm esse, multis mirum visum est; quod ad me, si infra inveniretur, aeque mirum mihi
videretur, ac si in Vertebrato quodam rectum columnam vertebrarum perforans in dorso aperiretur.
8
De Hirudinibus.
perpendiculari, modo oblique terminali, modo infero. Supra pedem in dorsi fine
an US Situs est Capite et pede alternatim affixis, erucarum geometrarum more
Hirudines progrediuntur. Quaedam corpore musculorum a dorso ad ventrem
descendentium ope deplanato et ancipite reddito habilissime natare, aliae corpus
in globum involvere valent.
§ 3, Partes internae.
Tractus intestinalis duae praesertim in Hirudinibus observantur formae
diversae, vario nutrimenti genere definitae. Nam omnes quidem e regno animali
victum petunt, sed aliae (Nephelis, Aulastoma) partes solidas devorant, aliae (San-
guisuga, Haemopis, Piscicola, Clepsine) succos tantum animalium exsugunt.
Ulis Oesophagus longus carnosus inermis aut maxillis minutis armatus, plicis
fortibus longitudinalibus instructus; ventriculus amplus tubum simplicem vix in
quinto quovis annulo parum angustatum referens, appendicibus lateralibus aut
prorsus destitutus aut ad extremitatem posticam duabus gracillimis donatus; in-
testinum amplum, in parte anteriore plicis validis circularibus rugulosis munitum,
in anum maximum abiens.
His tractus intestinalis minus simplex. Oesophagus in Sanguisuga et Haemo-
pide brevis musculosus maxillis tribus validis armatus, in Clepsine membranaceus
proboscidem musculosam cylindricam basi in bulbum incrassatam includens. Ventri-
culus appendicibus lateralibus coecis, quarum numerus in variis varius, instructus,
atque in Sanguisuga et Haemopide sphincteribus in plures quasi divisus; appendi-
cum par ultimum ceteris plerumque multo longius, juxta et sub intestino versus
posteriora descendens. Intestinum angustum, in Sanguisuga, Haemopide, Piscicola
exappendiculatum, in Clepsine appendicum lateralium paribus quatuor instructum.
Rectum angustissimum in anum exiguum desinens.
Digestio in iis, qui partibus solidis vescuntur, celerrime, in iis qui sanguinem
sugunt, lentius fit, et minus quidem lente in iis qui Molluscorum, lentissime in iis
qui Vertebratorum sanguinem. Aulastoma e. g. in una hebdomade Nephelides
duodecim devorare vidi ; Clepsinae hyalinae, quae Planorbium succis nutritur, diebus
quatuor usque octo, Clepsinae marginatae, quae Pisces et Batrachia aggreditur,
mensibus sex et ultra ad coenam unicam digerendam opus esse observavi; imo
Sanguisugae annorum plurium spatio egere dicuntur.
Quod ad glandulas secernentes attinet cum canali alimentari conjunctas, hepar
Hirudinibus omnibus esse videtur. In Sanguisuga, Aulastomate, Nephelide telam
illam fuscam vel flavescentem spongiosam constituit, quae undique fere tractum
intestinalem cingens totum paene inter illum et corporis parietes spatium occupat.
In Branchiobdella coecula brevissima refert, globulos virescentes includentia quibus
totus canalis alimentaris, oesophago et recto exceptis, circumdatur. In Clepsine
tessulata supra ventriculi superficiem ductuli flavescentes observantur, quorum
plures e centro communi radiorum instar progrediuntur; acidi nitrici pauxillo adjecto
color eorum viridis evadit, quo ductulos hepaticos esse probatur. (xlandulas salivales
Brandt in Sanguisugis observavit.
Vasorum systema formas duas offert typice diversas; in aliis enim (San-
guisuga, Aulastomate, Nephelide) circulatio horizontalis, in aliis (Branchiobdella,
Piscicola, Clepsine) verticaUs.
De Hirudinibus. q
Ulis vasa dua lateralia, quae contrahendo sanguinem propellunt; vas ventrale
gangliorum scriem cum mcdulla ventrali includens; vas dorsale in aliis satis
magnum, in aliis (Nephelide) fortasse nulluni. Sanguis, in omnibus hisce ruber-
rimus, in altero semper vase laterali prorsum, in altero retrorsum fluit. Directio
vero fluendi pluries per horam mutatur, ita ut mox in vase dextro prorsum, in
sinistro retrorsum, mox in dextro retrorsum, in sinistro prorsum fluat. Simul
fluctuatio existit, qua sanguis ab altero ad altcrum latus per vascula transversa
transit ^).
His vas dorsale contractile, cordis munere fungens, in Piscicola et Clepsine
valvulis instructum. Vas ventrale medullam ventralem non includens; hoc quoque
in Branchiobdella et Piscicola contrahitur; num in Clepsine, nescio; valvulis etiam
in Piscicola munitum. Vasa lateralia in Branchiobdella non hucusque reperta; in
Piscicola dua valvulis destituta, non contractilia ; in Clepsine, uti videtur, plura
exigua, rete singulare formantia, quorum tamen decursum completum plane per-
spicere nondum valui. Sanguinem pallidiorem, rubescentcm, flavesccntem , vel
omni colore destitutum, in Branchiobdella et Clepsine vase dorsali prorsum semper
propelli vidi, in Piscicola quoque valvulae directionis mutationem vetare vidcntur ^).
Respiratio, cujus Organa peculiaria desiderantur ^), in reti capillari cutaneo
fieri videtur. Cui ut reccns semper aqua advehatur, singulari modo, secundum
genera vario, corpus moveri solet. In aliis enim corpus solo pede (in Sanguisuga
et affinibus), vel pede simul et capite (in Clepsine) fixum motu undulatorio sursum
et deorsum flectitur ; in aliis (Piscicola, Branchiobdella) corpus pede fixum atque in
lineam rectam extensum coni superficiem describit, cujus apex in pede positus est.
Ad utrumque corporis latus prope vas laterale in quinto quovis annulo in
Sanguisuga et Aulastomate vesiculae parvae membranaceae sitae sunt, in facie
ventrali apertae, quibuscum canales in ansam flexi (schleifenförmige Organe auctorum)
cohaerent. Hae respirationis organa a pluribus habitae atque vesiculae respiratoriae
nuncupatae. Nihil vero cum respiratione commune eas habere, eo jam patet, quod
si Sanguisugam vivam aperire velis, eas prorsus albas neque vero reti respiratorio
praeditas invenies. Id potius iis tribuendum videtur munus, ut mucum quo corpus
lubricum reddatur, secernant.
Nervorum systema Articulatorum typum sequitur; habent enim ganghon
oesophago superpositum (cerebrale); et gangliorum ventralium seriem, filis binis
i) In Nephelide vulgari facile hie circulationis modus observari potest, si modo individua pcllucidiora
eliguntur; expositionem ejus accuratissimam figuris illustratam dedit J. Mueller (Meckels Archiv, 1828 pg. 22.
Tab. I, fig. I et 2).
Cf. etiam Duges, Ann. des Sc. nat. Tom. 15 pg. 308. R. Wagner, Isis 1832 pg. 635 sqq. In
Sanguisuga quoque et Aulastomate, si viva apeiiuntur, vasorum lateralium contractiones facile conspiciuntur.
2) Facillime in Clepsinis pullis sub microscopio vasis dorsalis contractiones et valvulae observantur.
Vas dorsale amplum, valde flexuosum, in tertio quovis annulo valvula instructum, cujus forma simiiis, ac in
Piscicola. In Clepsine tessulata caute a dorso aperta lentis jam ope valvulas conspicies. De Piscicola,
quam ipse non dissecui, cf. Leo, Muellers Archiv 1835. pg. 419 sqq. Tab. XI.
3) Branchiae Hirudinibus omnibus deesse videntur; nam in Brancheliio Sav. ([uoquc ap|)cndices illas
laterales branchiiformes, quibus hoc genus excelht, nihil de branchiarum natura habere Blainville obsenavit.
(Dict. des Sc. nat. Tom. 57 pg. 557.) Etiamsi vero branchiae hae essent, tamen cum Hirudinibus potius
hunc vermem conjungerem, quam cum Arenicola, toto coelo diversa, uti Latreillium fecissc videmus. (Famill.
natur. du regne anim. pg. 244.)
j^ De Hirudinibus.
valde sibi approximatis conjunctorum. Ganglion ventrale primum cum cerebral!
filis binis oesophagum cingentibus cohaeret; ganglion ultimum, in pede positum,
maximum, e pluribus coalitum. Numerus gangliorum ventralium viginti duo omnibus
esse videtur, Branchiobdella excepta, cui decem tantum; singula aequali a se in-
vicem distant annulorum numero, secundum genera diverso ; annulis quinis nimirum
in Sanguisuga et affinibus, (quaternis in Albione), ternis in Clepsine, binis in Bran-
chiobdella Astaci, singulis in Piscicola. Quo fit, ut gangliorum numero haud mu-
tato centum circa annuli in Sanguisuga, sexaginta ^) in Clepsine, viginti in Piscicola
numerentur. Eodem modo, ut ganglia, alia quoque Organa pluries obvia in quinto
quovis annulo in Sanguisuga, tertio in Clepsine repetuntur; quae ratio numerica
jam etiam extrinsecus in colorum dispositione apparet. Quod ut brevi designetur,
Sanguisugarum annuli quinati, Clepsinarum ternati (SegmensternesSav.) dicipossent.
Nervus sympathicus in Sanguisuga a Brandtio observatus; gangliis tribus con-
stat minutis pone maxillas positis, quae cum cerebro filis tenuissimis conjunguntur,
et filo nerveo exiguo supra ventriculum decurrente.
Hirudines omnes hermaphroditae ; aperturae genitales, anterior et posterior,
in linea media ventris, capiti propiores, sitae. Partium genitalium internarum
fabricam hie transeam, uberius hanc in capite tertio expositurus.
§ 4. Generum diagnoses.
Hirudines omnes uno eodemque genere Linnaeus amplectebatur ; at, cum
postea accuratiori examini subjectas tantopere inter se differre pateret, ut vix tam
arcto generis vinculo conjungi posse viderentur, unicum illud Linnaeanum genus
a Savignyo aliisque in plura minora dissolvebatur ; jamque, quod genus antea fuerat,
familiae dignitatem accepit.
E quibus generibus, quae intra Germaniae fines occurrunt, ita distinguuntur:
Sect. L Corpus valde depressum, dilatatum, in globum se in-
volvens. Caput a corpore discretum aut indiscretum, ex annulis
pluribus compositum, Annuli ternati.
Genus i. Clepsine. Os edentatum, proboscide exsertili armatum. Oculi (2 — 8.)
Sectio II. Corpuselongatum,plusminusdepressum,angustum.
Caput a corpore haud discretum ex annulis pluribus compositum.
Annuli quinati.
A. Oesophagus longus. Anus maximus.
Genus 2. Nephelis. Os inerme. Oesophagus plicis tribus longitudinalibus.
Oculi 8.
Genus 3. Aulastoma. Os maxillis tribus minutis armatum. Oesophagus plicis
longitudinalibus numerosis. Oculi 10.
B. Oesophagus brevi s. Anus exiguus.
Genus 4. Haemopis. Maxillae tres validae non compressae, obtuse parum
dentatae. Oculi 10.
i) Neque vero 76, ut Moquin-Tandon dicit.
De Hiradinibus.
Genus 5. Sanguisuga. Maxillae tres validae, compressae, argute multidentatae.
Oculi 10.
Sectio IIL Corpus elongatum teres. Caput a corpore discre-
tum, exannulatum.
Genus 6. Piscicola. Annuli vix distincti. Maxillae nullae. Oculi.
Genus 7. Branchiobdella. Annuli distinctissimi. Maxillae duae planae tri-
anguläres. Oculi nulli.
§ 5. Generum in sectiones distributio.
Plures jam auctores Hirudinum genera in sectiones distribuere conati sunt,
alio aliam sibi notam externam pro dividendi norma assumente; appendices bran-
chiiformes e. g., capitis et oris formam Savignyo '), oculorum praesentiam et defectum
Latreillio 2), maxillarum evolutionem Burmeistero 3). At, cum ex totius organismi
constructione vivendique ratione, neque vero e singulo quodam charactere. quem
e reliquorum complexu pro libitu tibi elegeris, omnis classificatio naturalis derivanda
sit, quid mirum, parum et inter se, et cum ipsa horum animalium natura has
distributiones convenire; modo enim genera diversissima (Clepsine et Sanguisuga;
Trochetia et Branchiobdella; Piscicola, Clepsine et Nephelis) in eandem sectionem
conjuncta, modo similia (Aulastoma, Sanguisuga) in diversas divulsa videmus.
Mihi, quae apud nos obviam veniunt genera (exclusis igitur Branchellio Sav.,
Albione Sav., Trochetia Dutr., Bdella Sav., Malacobdella Blainv.) in tres quas
supra proposui sectiones dividenda videntur, habitu externo, partium internarum
fabrica, vivendi modo distinctissimas, quarum notas brevi sequentibus exponam.
Sectio prima Clepsinarum genus amplectitur. His corpus valde depressum,
plus minus dilatatum, subtus planum vel concavum, facultate in globum sese in-
volvendi donatum; qua facultate, si vivas observas, primo intuitu distinguuntur.
Annuli ternati. Caput modo distinctum, modo indistinctum, annulatum. Pes inferus.
i) Sect. I. Sangsues Branchelliennes. Des branchies saillans. Ventouse orale d'une seule
piece Separee du corps par un fort etranglement. Ouvertüre circulaire. Branchellio n.
Sect. 2. Sangsues Albioniennes. Point de branchies. Ventouse orale d'une seule pi^ce
separ^e du corps par un fort etranglement. Ouvertüre sensiblement longitudinale. Albione. Haemo-
c h a r i s (= Piscicola) .
Sect. 3. Sangsues Bdelliennes. Point de branchies. Ventouse orale de plusieures pi^ces,
peu ou point separ^e du reste du corps; ouverture transverse comme ä deux lövres. Bdella. Sangui-
suga. Haemopis. Nephelis. Clepsine. cf. Sav. Syst. des. Annd. pg. io6.
2) I. Point d'yeux. Trochetia, Branchiobdella.
II. Des yeux. A. Albione Haemocharis.
B. Bdella. Sanguisuga. Nephelis.
Haemopis. Clepsine.
Latr. Famill. nat. du rögne anim. pg. 246.
3) A. Ohne oder mit un vollkommnen Kiefern.
Branchiobdella. Piscicola. Clepsine. Nephelis.
Albione. Aulastoma.
B. Mit grösseren harten am Rande meist gezähnten Kiefern. Haemopis. Hirudo
{= Sanguisuga) Bdella. Burmeister, Handb. der Naturgesch. Bd. II.
12
De Hirudinibus.
Oculi 2, 4, 6, vel 8. in series duas longitudinales parallelas vel antice convergentes
dispositi. Oesophagus plus minus longus, membranaceus, proboscide tubulosa ex-
sertili armatus. Maxillae nullae. Ventriculus et intestinum appendicibus coecis
lateralibus utrinque instructa. Circulatio verticalis, vase dorsali nimirum sanguinem
colore destitutum propellente. Vas ventrale gangliorum seriem non includens.
Ganglion quodvis nervorum par unicum emittens. Ova, in capsulam cartilagineam
haud inclusa, aut sub ventre secum gerunt, aut ad corpora aliena deposita, quiete
iis donec pulli excludantur supersedentes, quasi incubant. Pullos ventri affixos
secum portant. Pede et capite fixis corpus motu undulatorio flectere amant.
Natare nequeunt.
Sectione secunda genera Nephelis, Aulastoma, Haemopis, Sanguisuga com-
prehenduntur. His corpus elongatum angustum , plus minus depressum , capite
indistincto annulato, pede oblique terminali, annulis quinatis, Oculi 8 vel lo, in
figuram semicircularem vel hippocrepidiformem dispositi. Oesophagus musculosus,
proboscide carens. Maxillae tres, vel, si desunt, oesophagi plicae tres longitudinales.
Ventriculus appendicibus lateralibus saepius instructus; intestinum semper iis caret.
Circulatio horizontalis, vasis lateralibus nimirum pulsantibus. Sanguis ruberrimus.
Vas ventrale gangliorum seriem includens. Ganglion quodvis nervorum paria dua
emittens. Ova plura pariunt in capsulam cartilagineam communem inclusa ^). Ovis
depositis mater prolis non amplius curam habet. Pede fixo corpus antice liberum
motu undulatorio flectere solent. Corpore deplanato habilissime natant.
Tertiam denique sectionem Piscicola et Branchiobdella constituunt. Horum
corpus teres, elongatum, capite distincto, exannulato, pede exacte terminali. Proboscis
nulla; maxillae nullae, aut duae planae trianguläres. Intestinum exappendiculatum,
Circulatio verticalis, vasibus dorsali et ventrali contractilibus. Sanguis pallide rubens
vel flavescens. Vas ventrale gangliorum seriem haud includens. Ova capsulis
cartilagineis tecta pariunt; num vero hae capsulae embryones singulos includant,
an plures, nondum, quantum scio, constat. In Branchiobdellae capsulis omnibus,
quas perscrutatus sum, pullos singulos vidi. Prolis cura nulla. Pede fixae corpore
in lineam rectam extenso conum describere amant. Parasitice in Piscibus et
Crustaceis vitam degunt^).
i) Hae ovonim capsulae, quales Hiradinum genera lau data, Lumbricini, Naides pariunt, nullo modo,
ut saepius fit, cum Planariarum (lacteae, torvae etc.) ovis comparari possunt, omnino diversis. Illae enim
(Nephelidis saltem et Lumbricinorum plurium, quas observavi) ova completa vitello, albumine, chorio com-
posita, materia nutriente structuram nuUam offerente circumdata includunt. In Planariarum contra ovis recenter
partis ne ullum quidem germinis vestigium conspicuum ; tota cellulis granula minutissima globulosque majores
continentibus repleta, quae primo post partum tempore motu singulari quasi peristaltico, a celeberrimo
v. Siebold detecto praeditae sunt. Sero demum prima embryonum vestigia apparent. Praeterea Planariarum
ova in ipso jam matris utero formantur; capsulae vero (in plerisque saltem, si non in omnibus) extra, muci
superficie, quo involuta ova eduntur, in integumentum cartilagineum coagulante.
2) Quod ad locvun attinet generibus extra patriae fines obviis assignandum, cum parum de eorum
structura interna sciamus, incertas tantum de eo conjecturas proferre licet. Branchellion Sav. tribum proprium
constituere videtur, Malacobdella Blv. in Clepsinarum fortasse vicinio coliocanda, Albione cum Piscicola et
Branchiobdella conjungenda erit. Bdella Sav. (Limnatis Moqu. Td.) et Trochetia Dutr. quin sectioni nostrae
secundae adscribendae, vix dubito. Ejusdem sectionis Hirudinem lineatam O. F. Müll, esse suspicor, etiamsi
oculorum (sex) numcro differat. Quae omnia accuratius horum animalium examen postea docebit.
De Hirudinibus. t ^
§ 6. Mutuae generum relationes.
Quod ad mutuas relationes attinet, quae inter singula genera existunt, Clepsinae
notis plerisque ab aliis omnibus longe recedenti Nephelis quodammodo accedit
genitalium femineorum structura (cf. Cap. III).
Nephelidi proximum Aulastoma nutrimenti genere ideoque canalis alimentaris
fabrica. Haec enim sola e nostris genera partibus solidis (vermiculis, carne etc.)
vescuntur. Utrique Oesophagus longus carnosus, ventriculus amplus simpliciter
tubulosus, intestinum aeque amplum, in anum, ut pro tali nutrimenti genere opus
est, maximum abiens.
Jam vero Aulastoma maxillis exiguis et appendicum ventriculi pari unico
gracili a Nephelide transitum struit ad Haemopidem et Sanguisugam, maxillis
validis armatas, appendicibus ventriculi numerosis amplissimis instructas. Qui-
buscum etiam oculorum numero, genitalium structura, aliisque notis congruit.
Haemopis et Sanguisuga arctissimo affinitatis vinculo conjunctae et vix in
duo genera sejungendae, oesophago brevi, maxillis validis armato; ventriculo
appendicibus amplissimis instructo et sphincteribus in plures quasi diviso ; intestino
angusto in anum exiguum aperto a reliquis discrepantes, levioribus tantum inter
se differunt notis; maxillis nimirum in Haemopide non compressis, dentes paucos
obtusos, in Sanguisuga compressis, dentes plurimos acutos gerentibus, et genitalium
masculorum structura.
Piscicola systemate vasorum, vase dorsali nimirum contractili valvulis instructo,
et epididymide haud in glandulae formam contorta (cf. Cap. III.) cum Clepsine
congruit, intestini forma ad Haemopidem et Sanguisugam accedere videtur.
Branchiobdella denique, Piscicolae quidem inter omnes simillima, multis tarnen
rationibus, pro parte, ut oculorum defectus, e vita parasitica explicandis, et ab hac,
et aliis omnibus Hirudinibus longe recedit.
Caput secundum.
Hirudinum Berolinensium expositio systematica.
Sectio I. Hirudines corpore valde depresso dilatato in glo-
bum se involvente; capite distincto aut indistincto, annulis plu-
ribus composito, annulis ternatis.
Genus L Clepsine.
Os edentatum proboscide exsertili armatum.
Oculi (2—8.)
Hirudines dilatatae subtus planae vel concavae, dorso elevatae; pullos secum
ferentes. Braun.
Glossiphonia et Glossopora Rawl. Johns. Helluo spec. Oleen. Clepsine Sav.
Glossobdella Blainv.
Clepsinis omnibus corpus plus minus pellucidum, modo duriusculum cartilagi-
nosum, modo moUissimum gelatinosum, coloribus minus obscuris utplurimum ornatum.
j . De Hirudinibus.
Tractus intestinalis magis quam in alio ullo genere complicatus. Oesophagus
plerisque longus membranaceus, proboscidem carnosam tubulosam cylindricam basi
in bulbum incrassatam includens, Haec in aliis (ut Cl. hyalina) maxima quartam
fere corporis partem longitudine aequans, in aliis (Cl. tessulata) valde exigua facile
praetervidenda ; antice crenata apparet; protruditur musculis gracilibus ab oris
regione ad bulbum proboscidis descendentibus ; retrahitur fibris muscularibus a
postica bulbi parte in ventriculi parietes dispersis. Oesophagum sequitur ventriculus
longus angustus appendicum coecarum paribus 5 usque 7 (in nostris) instructus.
Hae plus minus longae, modo simplices, modo in ramos plures divisae ; par ultimum
ceteris plerumque multo longius ad utrumque corporis latus versus posteriora des-
cendens, appendicibus secundariis in latere exteriore interdum instructum ; raro (in Cl.
verrucata) anterioribus vix longius. Praeter haec 5 — 7 appendicum paria omnibus
communia in Cl. marginata et tessulata ventriculus alio adhuc appendicum systemate
gaudet, proventriculum quasi constituente. (cf. pg. 15.) Inter ultimum appendicum
ventriculi par intestinum tenue descendit, appendicum lateralium paribus quatuor
instructum. Hoc in pellucidioribus (Cl. hyalina, tessulata) motus peristaltici phae-
nomenon offert. Tum pars brevis in globulum dilatata sequitur, e qua rectum an-
gustum spiraliter saepius tortum egreditur, in anum exiguum loco solito situm abiens.
Aliae, quibus hoc genus excellit, notae supra jam expositae (Cap. I. § 5.); id
tantum hie adjiciam, nervorum par illud unicum e quovis ganglio ventrali pro-
grediens modo dimidiam corporis latitudinem indivisum percurrere (ut in Cl. verru-
cata, complanata), modo paulo postquam e ganglio egressum, in ramos plures solvi
(ut in Cl. tessulata).
Clepsinae aquas puriores fossarum, lacuum, fluviorum habitant. Extra aquam
mox pereunt. Nutriuntur aliae Molluscorum, aliae Vertebratorum sanguine. Pullos
ventre affixos secum portant
I. Clepsine marginata mihi ^).
Corpus subcartilaginosum, dilatatum, fuscoviride, dorso ma-
cularum f lavescentium seriebus4, linearum ejusdem coloris serie
media notato; margine flavo, albo, fuscoque tessulato. Oculi 4,
postici majores magis inter se distantes.
Long. max. 10'".
Hirudo marginata O. F. Muell. Hist. verm. Tom. I. pars II. pg. 46.
Hir. variegata. Der gesellige Egel. Braun, Systemat. Beschreib, einiger Egelarten.
pg. 61. Tab. VII, fig. I — 6.
Hir. cephalota Carena, Mem. dell. Accad. di Torino. Vol. XXV. pg. 298. Tab. XII,
fig 19. Vol. XXVIII. pag. 336.
Hir. oscillatoria Saint-Amans. Mem. de la Soc. Linneenne de Paris. Tom. III.
pg. 193. pl. VIII.
Piscicola marginata Moqu. Tand. Monograph. de la Fam. des Hirud. pg. 132. Tab. VII. fig. 2.
Piscicola tessellata Id. Ibid. pg. 133. Tab. VII, fig. 3. (exclus. synon. Hir. tessulata
O. F. Muell.)
Hir. (Glossobdella) cephalota Blainv. Dict. des Sc. nat. Tom. 47. pg. 266.
Ichthyobdella marginata Id. Ibid. Tom. 57. pg. 588.
I) Hujus generis et hanc et sequentem speciem esse, alio jam loco (Wiegmann's Archiv 1844. Bd. i.
pg- 370) uberius demonstravi.
De Hiradinibus. , c
Corporis color admodum variat, plerumque fusco viridis, interdum pulcherrime
viridis, interdum viridi-flavus, ventre semper pallidiore. Dorsum punctorum fla-
vescentium annulis ternis distantium sericbus 4 longitudinalibus; inter quas series
alia linearum transversalium ejusdem coloris e punctis singulis interdum compo-
sitarum observatur. Margo subinteger. Caput distinctum, ovale, apice mar-
ginibusque hyalinum, striis fuscis transversis et maculis flavescentibus una media
duabusque utrinque lateralibus ornatum. Oculi 4, quorum duo postici majores
magis inter se distant. Pes magnus corporis fere latitudine, radiis fuscis punctis-
que flavescentibus radiis interpositis ornatus. Intestinum extrinsecus plerumque
conspicuum, viride, flavum vel ruberrimum. Ventriculi proprii appendices utrinque
Septem, quarum sex priores transversae in ramos tres, saepe varie crenatos vel
lobatos dividuntur, ultima vero juxta corporis latera ad pedem usque extensa latero
externo appendicibus secundariis quinque bifurcis munita est. Ante ventriculum
proprium aliud appendicum systema, proventriculus, paribus 4 constans, quorum pri-
mum prorsum, secundum et tertium lateraliter, quartum retrorsum spectat. Intestini
tenuis, ut in omnibus, appendices utrinque 4. Proboscis parva.
Juniores angustae, Piscicolae habitu haud absimiles ; adultae dilatatae. Amoris
tempore testiculorum paria undecim et Ovaria extrinsecus pellucent ^).
Habitat aquas puriores rivorum et lacuum, ubi haud infrequens ad plantarum
folia et ramos arborum dejectos offenditur. (Thiergarten, See bei Tegel, Grunewald.)
Per totam Europam occurrere videtur; in Dania ab O. F. Muellero, in Ger-
mania a Braunio et memet ipso, in Italia a Carena, in Gallia a Saint-Amans pul-
cherrima haecce omnium species observata est.
Batrachiorum gyrinis sanguinem eam exsugere vidi ; Mollusca non aggreditur.
Mensibus Majo et Junio ovorum (60 — 80) flavo-viridium parit acervum, cui quiete
supersedet, donec pulli post hebdomadem circa exclusi matris ventri sese affigant,
et ab illa secum ferantur.
2. Clepsine tessulata mihi.
Corpus gelatinös um mollissimum dilatatum, cinereo- viride,
dorso macularum flavescentium seriebus 2— önotato. Caput sub-
distinctum. Oculi 8, in series duas longitudinaies antice conver-
gentes dispositi.
Long. 18'"
Hirudo tessulata O. F. Muell. Hist. verm. Tom. I, p. IL pg- 45-
— — , Der Spion, Braun, Systemat. Beschr. pg. 56. Tab. VI. flg. 6—10.
Hirudo (Erpobdella) tessulata Blainv. Dict. des Sc. nat. Tom. 47. pg. 261.
Erpobdella vulgaris var. tessellata. Id. Ibid. Tom. 57. pg. 584.
Ichthyobdella tessellata. Id. Ibid. Tom. 57. pg. 558.
Corpus mollissimum, quäle in Medusis, in junioribus angustius, in adultis
latissimum, cinereo-viride, rarius pallide violaceum, atomis fuscis adspersum. In
dorso maculae flavescentes series duas v. plures longitudinaies constituentes ; in ventre
aperturae genitales macularum albidarum instar conspicuae. Margo leviter crenatus.
I) Quas Saint-Amans (1. c.) describit ventris maculas sanguineas „en forme d'y grec," ventncuh
appendices fuisse suspicor.
j^ De Hirudinibus.
Caput orbiculare, animali quiescente, ut iam O. F. Mueller notavit, a cauda vix
distinguendum. Oculi 8, in series duas longitudinales dispositi, atri, areis albis cincti.
— Intestini appendicum numero cum Clepsine marginata congruit, forma differt.
Ventriculi enim appendicum paria sex priora itemque paris ultimi appendices secun-
dariae simplices neque ramosae vel bifurcae. Proboscis tam exigua ut vix quar-
tam tertiamve capitis partem longitudine aequet. — Testiculorum paria sex amoris
tempore extrinsecus conspicua.
Elegantem hanc speciem in Dania O. F. Mueller detexit; juniora exempla
Braun prope Neo-Ruppinum observavit. Alibi hucusque nondum reperta esse
videtur. Ipse in lacu prope Tegel inveni, ubi rarissima ad arborum ramos dejectos
et in Anodontum testis vacuis occurrit.
Vertebratorum, (piscium vel Batrachiorum) sanguine nutriri videtur, ut Cl.
marginata. Saepius enim contento sanguineo vel atropurpureo ventriculum scaten-
tem reperi, Mollusca vero, quae ei obtuli, nunquam aggressa est. Mense Junio
ova plurima (trecenta O. F. Mueller, CL et supra ego numeravimus) saturate
vitellina deponit, iisque donec pulli excludantur, quasi incubat. Aspectum quo nil
pulchrius mater offert pullis centum et quod excedit onusta; in quovis enim pullo
ventriculus elegantissime pinnatus, vitello virescente farctus, oculique octo coccinei
conspicui.
Mirum est, quanta de hac specie tam clare et distincte ab O. F. Muellero
descripta apud Blainvilleum et Moquin-Tandonium confusio. Blainville enim ocu-
lorum numero ductus Nephelidi generi eam adnumeravit ipsique postea Nephe-
lidi vulgari tanquam varietatem subjunxit. Moquin-Tandon, qua solet levitate,
Hirudinem oscillatoriam Saint-Amans hanc Muelleri speciem esse arbitratus, Pisci-
colae generi eam adscripsit; imo vero tantum abest, ut vix a Clepsine tessulata
Hir. oscillatoria differat (Moqu. Td. Monogr. pg. i8), ut vix ullam potius reperire
possis notam, qua Saint-Amansii cum exactissima O. F. Muelleri descriptione
congruat.
3. Clepsine verrucata mihi.
Corpus subcartilaginosum dilatatum antice vix angustatum,
dorso viridi-fuscescenteverrucarum valdeprominentium seriebus
sex notatum. Caput subdistinctum. Oculi 6 (rarissime 4) seriebus
duabus longitudinalibus subparallelis dispositi. Appendicum
ventriculi paria 7, par ultimum inter appendicum intestini par
primum et secundum terminatum^).
i) Non potui quin hunc characterem magis anatomicum quam zoologicum in diagnosin reciperem ;
quamvis enim toto jam habitu satis a sequente differat, nullas tarnen reperire valui notas extemas quibus
satis distincte ab ea discematur. Ceterum haec quoque nota quodammodo externa, intestino nimirum sae-
pissime, quoties cibo repletum, extrinsecus conspicuo. Alias quoque quae apud nos occurrunt species, si
cibo repletas invenias, facillime paris ultimi appendicum ventriculi longitudine et forma distinguere poteris.
Terminatur enim ultimum ventriculi appendicum par inter intestini appendicum
A. par primum et secundum in Cl. verrucata,
B. - secundum et tertium in Cl. com plan ata,
C. - tertium et quartum inCl. bioculata.
De Hirudinibus. . _
Long. 14'".
Corpus dilatatum aequali fere, in animali quiescente, antice et postice latitudine.
Dorsi color primarius virescens, lineolis vero fuscis creberrimis fuscescit. Verrucae
conicae albidae, valde prominentes seriebus sex longitudinalibus supra dorsum
dispositae ; aliae minores irregulariter sparsae. Verrucarum series duae intermediae
lineis fuscis longitudinalibus conjunctae. Margo crenatus pallidior. Venter albo-
virescens, atomis fuscis minutis adspersus ; in anteriore ventris parte pori genitales
conspicui, annulis fuscis utplurimum cincti.
Caput subdistinctum, quando protenditur semiellipticum, affixum orbiculare,
pedi tunc, si a ventre adspicias, simillimum; apice album, postice fasciis pallide
fuscis transversis notatum. Annuli corporis duo v. tres capiti proximi reliquis
multo obscuriores, nigricantes, coUare quasi formantes. Oculi sex, vix unquam
quatuor, in lineas duas longitudinales subparallelas dispositi.
Proboscis ut in sequentibus omnibus magna. Ventriculi appendicum paria 7,
gracilia, leviter retrorsum arcuata; par ultimum jam ante secundum intestini appen-
dicum par terminatum. Intestini appendicum par primum breve, paria tria ultima
sat longa gracilia retrorsum arcuata.
A Clepsine complanata, cui simillima, differt magnitudine, corpore minus
cartilaginoso molliore, crassiore, antice minus angustato; colore; poris genitalibus
annulo obscuro cinctis; capite subdistincto ; verrucarum dorsi numero, forma, colore;
intestini denique appendicum numero et forma. Haec sola nota per omnem aetatem
constans; jam enim pullos vix exclusos matris ventri adhuc adhaerentes facile ea
distingues.
Moribus quoque differt; complanata omnium segnissima, haec multo vividior.
Reperi hanc speciem, nondum quantum scio observatam, vel cum complanata
confusam, in lacu prope Tegel, ubi rara ad ramos arborum dejectos occurrit.
Mollusca Gasteropoda exsugit. Ova non observavi ; at puUis plurimis (centum
et ultra) onustas plures mensibus Majo et Junio offendi.
4. Clepsine complanata Sav.
Corpus subcartilaginosum duriusculum dilatatum antice acu-
minatum, cinereo vel fusco viride, dorso f usco-maculato, verru-
carum vix prominentium seriebus duabus longitudinalibus no-
tatum. Caput indistinctum. Oculi sex in series duas longitudi-
nales subparallelas dispositi. Appendicum ventriculi paria sex,
par ultimum inter appendicum intestini par secundum et tertium
terminatum.
D. pone par quartum in reliquis, et tunc quidem:
a. appendicibus secundariis aut caret, in Cl. Carenae,
b. aut instructum est, et quidem :
a. quatuor in Cl. hyalina,
ß. quinque,
1. simplicibus in Cl. tessulata,
2. bifurcis in Cl. margin ata.
Fritz Müllers gesammelte Schriften.
^o De Hinidinibus.
Long. 12'".
Hirudo complanata O. F. Muell. Hist verm. Tom. I, pars II, pg. 47.
— Carena, Mem. dell. Acad. di Torino. Tom. XXV. pg. 297.
— , Der Faule, Braun, Syst. Beschreib, pg. 58, Taf. VI, fig. 11 — 16.
Glossiphonia tuberculata Rawl. Johns. Treatise on the med. Leech. pg. 25.
Glossopora tuberculata. Id. Further Observ. on the med. Leech. pg. 49.
Clepsine complanata Sav. Syst. des Annelides, pg. 120.
— — Moqu. Tand. Monogr. pg. 10 1. Tab. IV, fig. i.
— — Filippi, Lettera sopra l'anatomia e lo sviluppo delle Clepsine.
Pavia 1839. pg. 5.
Glossobdella complanata. Blainv. Dict. des Sc. nat. Tom. 47. pg. 263, Tom. 57. pg. 515.
Corpus dilatatum, maxime depressum, duriusculum (presque crustace Moqu.
Td.), antice acuminatum, in caput indiscretum sensim abiens. Color admodum
variat; dorsum plerumque fusco vel cinereo viride, interdum griseum, rarissime
rubescens, punctis et lineolis fuscis modo aequaliter totam superficiem obtegenti-
bus, modo in figiiras elegantissimas dispositis ornatum. Verrucae seriebus duabus
dispositae, singulae lineis longitudinalibus fuscis conjunctae, albidae, punctis glan-
dulosis aureis circa 15 quaevis notata, maculas plerumque magis quam verrucas
constituentes. Raro enim prominent; quod si fit, non conum acutum, ut in Cl.
verrucata, sed hemisphaeram referunt. Verrucae praeterea minores, punctis glan-
dularibus aureis et hae notatae, saepius aut irregulariter sparsae, aut in lineas
longitudinales plus minus regulariter dispositae, observantur. Margo crenatus.
Venter paUidior, punctorum fuscorum seriebus duabus ab ore ad pedem usque
decurrentibus notatus. Caput indistinctum ; oculi sex in series duas longitudinales
parallelas parumve antice convergentes dispositi.
Appendicum ventriculi paria sex, simplicia vel crenata, parum retrorsum arcuata ;
par ultimum inter intestini appendicum par secundum et tertium terminatur. Appen-
dicum intestini paria duo priora breviora prorsum, duo posteriora retrorsum spectant.
Per totam Europam, uti videtur, vulgatissima ; legerunt in Suecia Bergmann,
in Dania O. F. Mueller, in Brittania Rawlins Johnson, in Gallia Moquin-Tandon,
in Italia Carena, Risso, Filippi. Ipse aeque frequentem in aquis stagnantibus et
fluviis Marchiae, quam in rivulis qui a Thuringiae montibus decurrunt, observavi.
Omnium segnissima, per totos saepe dies locum haud mutans. Physas, Plan-
orbes, Limnaeos aggreditur; pullos Nephelidis quoque sanguinem sugere vidi.
Primo vere (Februario, Martio) ova circa 70 albida ad saxa, plantas, vel vitrum,
in quo servatur, deponit, iisque immobilis tanquam incubans per hebdomadis spatium
supersedet. Tunc pulli excluduntur, quos ventri affixos secum fert.
5. Clepsine hyalina Moqu. Td.
Corpus subcartilaginosum hyalin um dilatatum, antice neque
vero postice angustatum, f lavic ans. Caput indistinctum. Oculisex.
Long. 5'".
Hirudo hyalina O. F. Muell. Hist. verm. Tom. I. p. IL pg. 49.
Clepsine hyalina Moqu. Tand. Monogr. pg. 106.
Glossobdella hyalina Blainv. Dict. des Sc. nat. Tom. 47. pg. 263. Tom. 57. pg. 565.
Corpus peUucidissimum, valde depressum, latum ; versus extremitatem posticam
latissimum, anteriora versus sensim angustatum, postice rotundatum vel medio
De Hirudinibus. j^
emarginatum, pede postice prominente. Color pallide flavescens; quando animal
extenditur vix conspicuus, quando contrahitur, citrinus. Dorsum punctulis v. striulis
nigricantibus interdum adspersum. Margo subinteger, crenis nudo oculo haud
conspicuis. Oculi sex, vel interdum, secundum O. F. Mueller, pari primo deficiente,
quatuor; paris primi minores approximati, rarissime in unum confusi; paris secundi
et tertii majores, remoti, aequaliter distantes.
Appendicum ventriculi paria 6; paria 5 anteriora retrorsum arcuata, plerumque
simplicia, rarius unum alterumve apice bilobum; par ultimum intestini appendices
omnes excedens, usque ad pedem fere extenditur et appendicibus secundariis 4
simplicibus in latere externo instructum est. Intestini appendicum paria 4, brevia,
pulcherrimum motus peristaltici spectaculum observatoris oculo offerentia. Proboscis
magna, quartam vel quintam corporis partem longitudine aequans.
Hirudinem hyalinam O. F. Muell. hanc neque sequentem esse, ex descriptione
ab illo data luculenter patet. Nam et oculorum situm accurate exposuit et appendices
secundarias paris ultimi appendicum ventriculi, quae sequenti desunt, observavit.
Rarius in lacubus nostris (See bei Tegel, Plötzensee et alibi) occurrit, inter
Stratiotis folia saepe latitans ; facile et propter minutiem et propter corpus prorsus
hyalinum praetervidenda.
Segnissima. Nutritur Gasteropodum minorum (Physae, Valvatae, Planorbis
nitidi, spirorbis etc.) sanguine. Ova pallide virescentia 10 — 30 parit, neque vero,
ut Cl. marginata, tessulata, complanata, ad corpora aliena deponit, sed sub ventre
secum portat, uti sequentes.
6. Clepsine Carenae !M[oqu. Tand.
Corpus sub c ar t il agi n osum dilatatum antice acuminatum,
postice angustatum, albo cinereum, dorso atomis fuscis dense
adsperso; marginibus et capite immaculatis. Caput indistin ctum.
Oculi sex.
Long. 5'".
Hirudo papulosa Braun, Syst. Beschr. pg. 64. Tab. VII, fig. 7 — 10.
Hir. trioculata Garen a, Mem. dell. Accad. di Torino. Vol. XXV. pg. 303. Vol. XXVIII.
pg- 334-
— — Blainv. Dict. des Sc. nat. Tom. 47. pg. 267.
Clepsine Carenae Moqu. Tand. Monogr. pg. 105. Tab. IV. fig. 4.
Glossobdella Carenae Blainv. Dict. des Sc. nat. Tom. 57. pg. 565.
Corpus peUucidum depressum, partem mediam versus latissimum, antice acu-
minatum, versus posteriora angustatum, postice rotundatum, pede haud prominente.
Color albo-cinereus ; dorsum punctis fuscis modo pallidioribus modo obscuri-
oribus in lineas longitudinales plus minus regulariter dispositis adspersum, quibus,
si animal contrahitur, totum fuscum apparet. Caput et margines punctis carent;
linea media dorsi aut Immaculata aut punctorum nigricantium acervulo in tertio
quovis annulo ornata. Margo subinteger. Oculi sex ; paris primi maxime approxi-
mati in unum paene confusi ; item et secundus atque tertius cujusvis latcris oculus
sibi proximi subcoalescentes. Quo fit, ut tres tantum oculi, nisi lente fortissima
contempleris, adesse videantur. Caeterum oculi paris secundi et tertii non, ut in
Cl. hyalina, aeque distantes, sed paris tertii a se invicem remotiores.
2^ De Hirudinibus.
Appendicum ventriculi paria 5 (in Cl. hyalina 6), quorum par ultimum flexu-
osum intestini quidem appendices omnes, ut in Cl. hyalina, excedit, appendicibus
vero secundariis caret Proboscis magna.
Praecedenti satis similis; differt corporis forma et colore, oculorum situ, pede
haud prominente, ventriculi appendicibus. Ad Cl. bioculatam corporis parte anteriore
acuminata, nee non colore quodammodo accedit.
Hirudinem papillosam Braun huc referendam esse diagnosis ab illo pro-
posita suadet, in qua capite acuminato, striis tribus minutissimis nigris (oculis) in
labio superiore praeditam esse dicit; colorem quoque cinereo-fuscum ei tribuit, at
Cl. hyalina flavescens.
In lacubus, fossis, fluviis ad plantas aquaticas minus frequens offenditur.
(Thiergarten, Grunewald, Schaafgraben, Spree.)
Antecedente vix vividior. Nutrimento inserviunt Gasteropoda minora, quorum
succos bibit. Majo et Junio ova 10 — 30 pallide virescentia parit, quae sub venire
secum fert.
7. Clepsine bioculata Sav.
Corpus subcartilaginosum, depressum, angustum, antice
acuminatum, albo-cinereum, fusco punctatum. Caput indistinc-
tum. Oculi 2.
Long. 8'".
Hirudo bioculata O. F. Muell. Hist. verm. Tom. I. p. II. pg. 41.
_ — Carena, Mem. dell. Accad. di Torino. Vol. XXV. pg. 302.
— — der Läufer, Braun, Syst. Beschr. pg. 53. Tab. VI, fig. i — 5.
Glossiphonia perata Rawl. Johns. Treatise on the Med. Leech. pg. 26.
Glossopora punctata Rawl. Johns. Further Observ. on the Med. Leech. pg. 50.
Clepsine bioculata Sav. Syst. des Annel. pg. 119.
■ — — Moqu. Tand. Monogr. pg. 102. Tab. IV, fig. 2.
— — Filippi, Lettera sopra l'anatomia e lo sviluppo delle Clepsine pg. 6.
Glossobdella bioculata Blainv. Dict. des Sc. nat. Tom. 47. pg. 265. Tom. 57. pg. 565.
? Helluo bioculatus Oken, Lehrb. der Naturgesch. Tbl. III, Abth. i. pg. 367 i).
Corpus angustius magisque elongatum, quam in reliquis generis speciebus;
antice acuminatum, margine annulis valde prominentibus quasi serrulatum vel den-
tatum. Color sordide albus vel griseus, punctis fuscescentibus variegatus; linea
media dorsi, capite, marginibus subimmaculatis. Oculi duo approximati. In un-
decimo circiter corporis annulo tuberculum cartilagineum flavo-fuscum conspicitur,
rarissime deficiens, cujus analogon in alia nulla specie vidi. Pullis adhuc deest.
Ventriculi appendicum paria sex, quorum quinque anteriora brevia lateraliter
spectant, ultimum amplum appendicibus secundariis destitutum inter appendicum
intestini par tertium et quartum terminatur, Proboscis magna.
Frequentissima ubicunque in fossis, stagnis, fluviis per totam Europam (Sueciam,
Daniam, Brittaniam, Germaniam, Galliam, Italiam) occurrit.
I) Interrogationis Signum adjeci; magis enim in Planariam, quam in Clepsinem nostram ejus descriptio
quadrat. En, quae dicit: Zwei Augen. Leib flach, schwarz, unten grau, i" lang (PI. torva?); bisweilen
ganz weiß. (PI. lactea?)
De Hirudinibus.
21
Omnium vividissima, unde etiam Braun nomine germanico „der Läufer" desig-
navit. Gasteropodum, ut rcliquae, succos sugit. Majo et Junio ova parit albida,
vix quiddam rubicunda, ventrique affixa secum portat, ut jam Rawlins-Johnson et
Filippi observaverunt. Quid vero Rawlins-Johnson cum marsupio suo abdominali ^)
sibi velit, in quo ova includantur, haud intelligo. Nihil enim tale quid observare
potui, nisi forte ventrem contractione peculiari concavum redditum ita designare
voluerit auctor laudatus. Rayerum, qui hanc capsulas globosas fusc^is parerc con-
tendit, Planariam lacteam potius quam Clepsinem nostram observasse, Filippi jam
notavit.
Huic specierum expositioni observationes quasdam Clepsinarum propagationem
spectantes adjungam, zoologorum attentione non prorsus fortasse indignas.
Copulam in Cleps. tessulata saepius vidi. Reciproca est, ut in Sanguisugis,
ita ut utrumque animal maris simul et feminae vicibus fungatur. Utrumque enim
alterius abdomini capite sese affigens, vaginam penis replicatam in alterius vulvam
(s. porum genitalem posteriorem) introducit. Tali modo conjuncta per totos dies sedent.
Cleps. complanatas, quamvis plurimas amoris tempore continua attentione obser-
vaverim, coeuntes nunquam observavi; sed eodem fere ante ovorum partum tem-
pore, quo Cleps. tessulatae coire solent, singulare mihi in Cleps. complanatis sese
obtulit phaenomenon, cujus neque analogon inter reliqua animalia reperire -), ncque
explicationem dare valeo. Ad utrumque nimirum faciei ventralis latus Organa
singularia filiformia, tres usque quinque corporis annulos longitudine aequantia modo
simplicia, modo ad basin usque bipartita exseruntur, modo singula modo plura,
mode in anteriore modo in posteriore corporis parte. Haec per plures dies pro-
pendent, dum animal, alioquin segnissimum, multo alacrius in vitro suo circum-
vagatur. Simul substantiae floccosae albidae magna copia secernitur, totam mox
vasis in quo servantur aquam turbidam reddens.
Inter phaenomenon hoc et propagationem relationem quandam existere, nuUus
dubito ; plurimas enim Cleps. complanatas per tria semestria domu observavi, neque
vero alio unquam tempore Organa haec filiformia eas exserere vidi, dum amoris
tempore ne una quidem inter triginta et plures non exserebat. Praeterea his
organis exsertis, ut in Cleps. tessulata post coitum, ovariorum motus peristalticus,
quo ova a funiculis suis solvuntur, incipit. Quo vero munere fungantur haec organa,
nescio ; anatomica quoque disquisitione nihil de eo docente. Nam corpora quidem
in crura dua reflexa divisa in tertio quovis annulo utrinque sub tractus intestinalis
appendicibus latentes reperi, quibus replicatis organa illa filiformia fortassis for-
mantur; num autem cum testiculis, quibus interjacent, aliave apparatus sexualis
parte cohaereant, videre haud contigit.
Corpora similia etiam in Cleps. verrucata, marginata, tessulata inveni, quam-
vis in nulla praeter complanatam specie organa filiformia exseri vidi. In Cleps.
1) When the whole of the ova are excluded, they are received into the abdominal pouch of
the parent, where they constantly remain, until their contents are fuUy evolved.
Rawl. Johns, furtber Observat. on the medic. Leech, pg. 58.
2) Nisi forte appendiculae generatrices a Morrenio (De Lumbr. terrestr. pg. 77.) sie dicta, f]uas in
Lumbrico terrestri auctor laudatus, in aliis pluribus Lumbricinis Gel. Dr. Hoffmeister et ipse observavimus,
Cleps. complanatae organis filiformibus analogae.
22
De Hinidinibus.
tessulata haec corpora Sanguisugae vel Aulastomatis vesiculis respiratoriis sie dic-
tis cum organis ansiformibus, quae eodem loco sitae sunt, quodammodo similia.
Brevi post eoitum in Cleps. tessulata, post Organa filiformia exserta in Cleps.
complanata, motus ovariorum peristalticus incipit, cxtrinsecus conspicuus, quo ova
de funiculis suis solvuntur. Eundem ovariorum motum etiam in Cleps. marginata,
hyalina, Carenae, bioculata vidi. Ova soluta paucos post dies, albuminis Strato tenu-
issimo et chorio subtili h3^alino munita pariuntur. Omnes enim spezies
modo laudatae oviparae^).
Pariendi actum saepissime in Cleps. complanata, interdum etiam in Cleps.
tessulata observavi. Corpore et ante et pone vulvam quam maxime coarctato, an-
terior corporis pars sub posteriorem ita inflectitur, ut vulva faciem ventralem partis
posterioris spectet. Fortibus tunc et quasi convulsivicis contractionibus ova eduntur
eorumque ea, quae primum egressa, a subsequentibus versus latera et dorsum pro-
pelluntur, donec in medio dorso ab utroque latere congredientia annulum completum
corpus cingentem efficiunt. Ex hoc annulo caput protrahens mater ovorum acer-
vum vitro apprimit, ubi mox muci, quo ova involuta sunt, superficies in membra-
nam tenuem pellucidam coagulatur. Tales ovorum acervos tres usque septem
ova dena usque quadragena continentes Cleps. tessulata et complanata, unum tan-
tum Ovis 60—80 compositum Cleps. marginata parit. Ovorum numerus, et color,
itemque amoris tempus secundum species variat, ut supra in specierum descriptio-
nibus notavi.
Ovis ad vitrum vel plantam aquaticam vel moUusci testam lapidemve de-
positis Cleps. tessulata, marginata, complanata immotae supersedent, ea quasi in-
cubantes, donec septem fere usque decem diebus praeterlapsis pulli excludantur, quas
tunc mater ventri affixos secum fert. Contra Cleps. hyalina, Carenae, bioculata
ipsa jam ova sub ventre secum portant, neque vero ad corpus alienum deponunt.
Quod etiam de Cleps. paludosa, apud nos non obvia, observavit Carena. Cleps.
verrucata quomodo sese habeat, nescio; omnes enim quas reperi pullos jam exclusos
sub ventre fovebant^).
i) Oviparas esse Cleps. bioculatam jam Rawlins Johnson, Cleps. bioculatam, Carenae, complanatam
Filippi observarunt. Contra Moquin-Tandon Cleps. complanatam ; Carena Cleps. bioculatam, Carenae (Hir.
trioculat. Car.) marginatam (Hir. cephalot. Car.) viviparas esse contendunt.
2) Reliqnam dissertationis partem imprimendani haud curavi, cum generum reliquorum expositio
parum novi contineat, genitaliiun vero fabrica, capite tertio explicanda, vix sine tabulis adjectis satis clare
demonstrari posse videretur.
Clepsine costata, neue Art^).
Mit 2 Textfiguren.
Diagnose: Corpus subcartilaginosum dilatatum fuscescens. Dorsum vitta media
longitudinali flava, nigro interrupta, lineisque punctorum obscuriorum prominulis
utrinque binis ternisve quasi costatum. Oculi duo, subrotundi. Long. 12 — 16'".
Die Zahl der Augen unterscheidet diese neue Art feist von allen bis jetzt
beschriebenen Hirudineen; unter den Clepsinen stimmen nur Cl. bioculata Sav.
und sanguinea Filippi hierin mit ihr überein 2); von beiden ist sie durch die
übrigen der angegebenen Charaktere, so wie durch den unten zu beschreibenden
Bau des Nahrungskanals hinreichend verschieden. In Gestalt und Art der Be-
wegung steht sie der Cl. marginata zunächst, und bildet gewissermassen ein
Mittelglied zwischen dieser und der Cl. verrucata.
Der Körper ist von etwas knorpliger Konsistenz, sehr flach, bei erwachsenen
Individuen sehr breit und nach vorn verschmälert ; bei den Jungen ziemlich schmal.
Seine Farbe ist grünlichbraun, auf dem schwach convexen Rücken bedeutend
dunkler als auf der ganz flachen Bauchseite. Mitten über den Rücken verläuft
vom Mund bis zum After eine gelbe Binde, die durch drei oder mehr schwarze
Flecken (von ungleicher Lage und Ausdehnung bei verschiedenen Individuen)
unterbrochen wird. Auf dem Kopf, der minder deuthch als bei Cl. marginata
gesondert ist, wird diese gelbe Binde breiter und trägt hier die beiden ansehn-
lichen, dem Vorderende sehr nahe liegenden, schwarzen rundlichen Augenpunkte.
Zwischen dieser mittleren Binde und dem Seitenrand verlaufen jederseits 2—3
durch dunklere Punkte gebildete Längslinien. Die deutlichste dieser Linien ist
von drei zu drei Ringen durch einen weissen Punkt unterbrochen. Sowohl diese
LängsHnien, als die mittlere Binde springen ziemlich stark vor und geben so dem
Thier ein geripptes Ansehen. Der Fuss ist gross, und auf der oberen Seite mit
weissen Radien gezeichnet. Der seitliche Rand des Körpers erscheint gekerbt,
jeder dritte Ring desselben ist durch dunklere Farbe ausgezeichnet.
Die inneren Theile zeigen alle wesentlichen Eigenthümlichkeiten der Clep-
sinen. — Von jedem Ganglion des Bauchstrangs (dessen einzelne Ganglien um je
drei Ringe von einander entfernt sind) g^t jederseits ein einziger Nerv ab, der sich
jedoch bald weiter theilt.
1) Archiv für Naturgeschichte, 1846. I. pg. 82—85. Taf. III, Fig. i u. 2.
2) Ausserdem hat Risso (HisL des princip. product. de l'Europe mcrid. Tom. 4. p. 429) eine San-
guisuga marginata mit zwei Augen beschrieben.
24
Clepsine costata.
Die männlichen Geschlechtstheile zeichnen sich aus durch eine auffallend grosse
Ruthenscheide (Fig i c), und dadurch, dass die Epididymis deutlich in zwei Abschnitte
gesondert ist; der in die Ruthenscheide einmündende vordere (Fig. i d) ist enger,
von einer festen sehnigen glänzenden Haut umschlossen, und von blassgelber Farbe,
der hintere (Fig. i e), der die unmittelbare erweiterte Fortsetzung des gemein-
schaftlichen Hodenausführungsganges seiner Seite ist, ist auffallend weit, anscheinend
drüsig, von einer zarten Haut bekleidet und weiss von Farbe. Die Zahl der
Hodenbläschen, die ausser der Zeit der Fortpflanzung bei den Clepsinen so leicht
zu übersehen sind, kann ich nicht bestimmt angeben.
Der Uterus (Fig'. i/) steht in der Mitte zwischen dem
der Cl. complanata und tessulata; mit dem der ersteren stimmt
er in der Form, mit dem der letzteren durch seine fleischige
Beschaffenheit überein. In der Figur ist der obere Querbalken
desselben etwas nach hinten gezogen, um den darunter liegenden
Theil und den Durchtritt des Nervenstrangs deutlicher zu zeigen.
— An ihn heften sich zu beiden Seiten die unter Magen und
Epididymis nach hinten steigenden Schläuche (Fig. i^) an, welche
in gewöhnlicher Weise die gewundenen
keimbereitenden Stränge der Clepsinen
einschliessen.
Der Magen hat wie bei Cl. mar-
ginata, tessulata, verrucata, sieben Paar
seitliche Anhänge, der Dünndarm wie
bei allen (einheimischen) Clepsinen, vier
Paare; das letzte Paar der Magen-
anhänge steigt bis vor das vierte Paar
der Darmanhänge nach hinten, während
es bei Cl. marginata und tessulata noch
über dies Paar hinausreicht, bei verrucata
schon vor dem zw^eiten Paare der Darm-
anhänge endet. Es trägt an der äussern
Seite 4 Nebenanhänge (5 bei Cl. marg.
und tess. keine bei verr.). Sowohl diese
Fig. I. Rüssel, Speicheldrüsen und
Genitalien der Clepsine costata, von oben. Der
die Genitalien bedeckende Magen ist weggenommen.
a Rüssel ; b Speicheldrüsen ; c Ruthenscheide ; d vor-
derer, blassgelber, e hinterer weisser Theil der Epi-
didymis ; / Uterus ; ^ die die keimbereitenden Stränge
einschliessenden Schläuche.
Fig. 2. Rüssel mit den Speichel-
drüsen isolirt. «Muskelfasern, die sich auf dem
Magen ausbreiten, und zum Zurückziehen des Rüs-
sels dienen.
Nebenanhänge des letzten Paares, als die
sechs vorderen Paare der Magenanhänge sind, wie bei Cl. marginata, zierlich ver-
ästelt. So lässt sich auch diese Art durch Zahl und Form ihrer Magenanhänge
scharf von allen übrigen unterscheiden, während auch hier die Vierzahl der allen
andern Hirudineen fehlenden Darmanhänge als ein sämmtlichen Clepsinen ge-
meinsames Merkmal sich bestätigt.
Die wichtigste anatomische Eigenthümlichkeit unserer Art ist jedoch der
Bau des vor dem Magen gelegenen Theils des Nahrungskanals, — Bekanntlich
nähren sich die einheimischen Clepsinen theils von den Säften der Mollusken,
theils (Cl. marginata und tessulata) vom Blute der (Fische (?) und) Batrachier. Bei
jenen beginnt gleich vor dem Magen der lange cylindrische muskulöse Rüssel
während bei diesen, deren Magen übrigens durch bedeutendere Verästelung
sich auszeichnet, vor demselben noch ein besonderes System von seitlichen An-
Clepsine costata. 2 t;
hängen des Nahrungskanals eingeschoben, und dadurch der Rüssel auf ein ver-
hältnismässig weit geringeres Volumen reducirt ist i). Clepsine costata schliesst
sich im Bau des Magens eng an die letzteren an; dagegen beginnt gleich
vor demselben ein ausnehmend langer, nicht cylindrischer, sondern nach vorn
immer enger werdender Rüssel (Fig. i a, Fig. 2), und jederseits liegen neben diesem
Rüssel, vor dem Magen, der Ruthenscheide und dem vorderen Theile der Epi-
didymis zwei ansehnliche weisse Drüsen, eine kleine vordere, und eine grössere
hintere (Fig. i 6, Fig. 2), deren ziemHch lange, anfangs weitere und noch von
Drüsenmasse umgebene Ausführungsgänge, sich nahe dem Hinterende des Rüssels
vereinigen und sich hier in die Seiten desselben einsenken. Man darf sie wohl
ohne Bedenken als Speicheldrüsen bezeichnen. Bei keiner anderen Clepsine kenne
ich ähnliche Drüsen ; dagegen erinnert ihre Lage an das vor dem Magen gelegene
System von Anhängen bei Cl. marginata und tessulata. Sollten diese vielleicht
dieselbe Function haben, während sie in der einfacheren Form einer blossen
Ausstülpung des Nahrungskanals auftreten? —
Das Vaterland der Clepsine costata ist die Krim, wo sie die Sümpfe der
Jaila, d. h. der Hochgebirge am Südrande der Halbinsel bewohnt. Ich erhielt
mehrere Exemplare die Herr Prof. Dr. C. Koch in Jena lebend aus ihrer Heimath
mitgebracht, durch die Güte des Herrn Geh. Rath Joh. Müller. Nach des Herrn
Entdeckers freundlicher Mittheilung sollen sie in ihrem Vaterlande auf ähnliche
Weise, wie unsere Sanguisugen, gefangen und mcdicinisch benutzt werden.
Allerdings macht es der Bau ihres Magens wahrscheinlich, dass sie vom Wirbel-
thierblute leben; allein umsonst suchte ich nach einem Apparate, mittels dessen
sie in die Haut des Menschen einzudringen im Stande wären ; auch gelang es
weder Herrn Prof. Koch, noch mir, sie an uns zum Saugen zu bringen, so dass doch
wohl die betreffende Anwendung einer weitern Bestätigung zu bedürfen scheint.
I) Siehe S. 3.
Ueber Gammarus ambulans, neue Art^).
Mit 3 Textfiguren.
Als einzige Repräsentanten der Ordnung der Amphipoden im Gebiet der
deutschen Süsswasserfauna sind bis jetzt wohl nur die beiden von Gervais zuerst
unterschiedenen Gammarus-Arten zu betrachten, der G. fluviatilis Edw. (RoeseHi
Ger\^) und G. pulex Fabr., da Koch's G. putaneus nur eine durch den Aufenthalts-
ort bedingte Varietät zu sein scheint. Diesen beiden kann ich eine neue sehr
eigenthümliche Art derselben Gattung hinzufügen, die ich zu Anfang Juni dieses
Jahres in einem mit Lemna und Hydrocharis bewachsenen Graben bei Greifswald
auffand.
Schon Grösse, Farbe, allgemeine Körperform und Manieren unterscheiden
sie zur Genüge von den genannten Arten. Sie ist im ausgestreckten Zustande
gegen 2'" lang, einförmig dvmkel schwärzlich- oder bräunlichgrün gefärbt, selten
heller und mehr gelblich, und trägt auf der Stirn zwischen beiden Augen einen
lebhaft schwefel- oder citronengelben querovalen, hinten in der Regel ausgerandeten
Fleck, der zugleich sich schwach über seine Umgebung erhebt. Der Körper ist
weit weniger zusammengedrückt, breiter, an den Seiten gewölbter,
als sonst in dieser und den verwandten Gattungen gewöhnlich, und damit steht
im Zusammenhang eine von der unserer anderen Arten abweichende Bewegungs-
weise, nach welcher ich den Namen dieser Art gewählt habe. Diese besteht
nämlich in der Regel nicht in dem sprungweisen Schwimmen auf der Seite,
sondern in einem aufrechten Gange, Dabei werden die drei letzten Abdominal-
segmente, die sehr kurz und zu einem Stück verwachsen sind, so untergeschlagen,
dass ihre Rückenfläche wagrecht auf dem Boden aufliegt ; betrachtet man dabei
den Körper von oben, so sieht man an seiner hintern Hälfte die drei letzten
wahren Fusspaare seitlich weit hervortreten, während die vier vorderen Paare
fast immer unter dem Thorax verborgen bleiben. Dies ist auch die gewöhnliche
Stellung des ruhenden Thieres. Nur selten, besonders wenn es gestört und ver-
folgt wird, schwimmt es nach Art des G. pulex, oder ruht auf der Seite, die
letzten Fusspaare nach dem Rücken in die Höhe geschlagen.
Der Kopf ist klein, ohne vorspringende Stirn, mit ziemlich kleinen rund-
lichen Augen.
i) Archiv für Naturgeschichte, 1846, I, p. 296 — 300. Taf. X Fig. A — C.
Gammarus ambulans.
27
Die oberen Antennen sind etwa um die Hälfte länger als die untern
und erreichen ungefähr ein Drittel der Körperlänge; die drei cylindrischen fast
gleich langen Glieder des Stiels, der bis etwa zur Mitte des letzten Stielgliedes
der unteren reicht, nehmen der Reihe nach an Dicke ab; die Geissei, gegen
1V2 mal so lang als der Stiel, besteht aus 14 Gliedern; die Nebengeissel ,
ausserordentlich klein, wenig länger als das erste Geisselglied und dreimal dünner
als dasselbe, ist aus zwei Gliedern zusammengesetzt (Fig. 3). Das erste und
zweite Glied der unteren Antennen sind kurz, ersteres mit einem nach unten
und vorn gerichteten konischen Fortsatz, in welchem ein cylindrischer Kanal zu
verlaufen scheint, das dritte und vierte Glied lang, cyUndrisch; die Geissei,
wenig länger als das letzte, vierte Stielglied, besteht aus sechs Gliedern. Sämmt-
liche Geisselglieder der Antennen tragen an ihrem Ende kurze Borsten ; die Stiel-
glieder sind der ganzen Länge nach mit einzelnen Borsten besetzt.
Fig. I.
Fig. 3.
Fig. 2.
Fig. I. Die 4 letzten Hinterleibssegmente, mit den 3 letzten Paaren der Afterfüsse und den Schwanz-
anhängen.
Fig. 2. Das letzte Paar der Afterfüsse, stärker vergrössert.
Fig. 3. Der Stiel der obern Antennen mit der kleinen Nebengeissel und dem Anfange der I4gliedri-
gen Geissei.
Bis zum vierten Segment des Thorax nimmt der Körper an Breite, und die
ansehnlichen Epimerien, die am Rande schwach gewimpert sind, an Grösse zu.
Der Rücken zeigt weder auf diesen noch auf einem der folgenden Segmente
eine Spur von Zähnen oder Dornen. Die vier ersten Fusspaare, wie gewöhnlich
nach vorn gerichtet, sind klein und schwach, weit kürzer als die drei letzten, von
denen das sechste das längste ist. Die Hände am ersten und zweiten Paare
sind fast vollkommen gleich gebildet, nur dass die des zweiten Paares, wie der
ganze Fuss, etwas länger und schlanker sind. Das 4te und 5te Glied dieser Paare
sind stark verdickt, letzteres (das Handglied) länglich viereckig, und wie die beiden
vorhergehenden Glieder, an der hintern Seite mit zahlreichen starken Borsten be-
waffnet. Die Klaue, massig gekrümmt, reicht bis zum Ende des fast gerade ab-
gestutzten mit kurzen Borsten besetzten Randes der Hand.
Die ersten Glieder der langen drei letzten wahren Fusspaare sind \on be-
trächtlicher Grösse, oblong, doch nach unten etwas verschmälert, (die des siebenten
Paares sind die breitesten), am Hinterende gezähnelt mit feinen kurzen Borsten
in den Buchten der Zähne und etwas stärkeren am Vorderrande.
28 Gammarus ambulans.
Die grossen, ovalen, die Eier schützenden Lamellen der Weibchen sind am
Rande mit einzeln stehenden langen Wimpern besetzt. Die Weibchen, deren
Anzahl die der Männchen bedeutend zu überwiegen scheint, wurden in der Mitte
des Juni mit Eiern angetroffen und gegen Ende des Monats begannen die ent-
wickelten Jungen die Bruthöhle der Mutter zu verlassen.
Die drei ersten Abdominalsegmente sind ein wenig länger als die des Thorax ;
die vordere Ecke ihres untern freien Randes ist abgerundet, die hintere in eine
nach hinten gerichtete Spitze verlängert. Die Schwimmfüsse, welche sie tragen,
sind von gewöhnlichem Bau, nur dass die langen Borsten, mit denen ihre Aeste
besetzt sind, einfach und nicht, wie z. B. bei G. pulex und locusta, gefiedert sind.
Die drei folgenden, letzten Abdominalsegmente sind kurz und
und zu einem einzigen ungegliederten Stück verschmolzen i), das
an seiner untern Seite die drei letzten Afterfusspaare, an seinem Ende zwei kleine
cylindrische, an der Spitze mit (in der Regel 5) kurzen Dornen bewehrte beweg-
liche Schwanzanhänge trägt. Die Enden der Basalglieder des 4ten und 5ten
Afterfusspaares liegen in gerader Linie mit dem Hinterleibsende; natürlich ist
also das Basalglied des weiter nach vorn eingelenkten 4ten Paares länger als das
des 5ten ; die beiden Aeste des 4ten Paares sind gleich, etwas länger als ihr Basal-
glied, und überragen die des folgenden Paares, dessen Aeste etwa von gleicher
Länge mit ihrem Basalglied, und bei dem der äussere Ast unbedeutend kürzer
als der innere ist. Basalglieder und Aeste sind am Hinterrand und an der Spitze
mit starken kurzen Dornen bewehrt; ich zählte deren (ohne die Enddornen) 4 an
den Aesten des 4ten und dem innern Aste des 5ten, 3 am äussern Aste dieses
letzteren Paares. Die Afterfüsse des sechsten Paares endlich sind ganz
rudimentär, kaum als eine winzige Spitze zwischen dem vorhergehenden
Paare und den Schwanzanhängen vortretend; sie bestehen aus einem dicken
konischen Basalglied, auf welches ein kurzes an seiner Hinterseite mit einigen
Borsten besetztes weit kleineres Endglied aufgesetzt ist (Fig. 2).
Unter den bekannten Arten der Gattung ist eigentlich keine, die der eben
beschriebenen besonders nahe stände; am meisten scheinen noch mit ihr über-
einzustimmen G. Ermanii Edw. aus Kamschatka, bei dem aber die sehr kurzen
letzten Afterfüsse zwei Aeste tragen und die Schwanzanhänge ohne Haare und
Dornen sind (Edw. Hist. nat. des Crust. HL p. 49) und G. Zebra Rathke von
der Küste Norwegens, bei dem aber die Nebengeissel völlig ungegliedert, die
einfachen letzten Afterfüsse ansehnlich gross, die Schwanzanhänge ganz rudimentär
sind (Nov. Act. Ac. Caes. Leop. Vol. XX. p. L p. 74).
i) Selbst bei den jüngsten Thieren, die man der Bruthöhle der Mutter entnommen, ist keine
Gliederung zu erkennen. Ueberhaupt sind diese Jungen den Alten schon ganz ähnlich; der Hauptunter-
schied liegt in der geringern Zahl der Geisselglieder, deren man an den oberen Antennen 4, an den unteren
3 zählt, während die Nebengeissel schon ihre 2 Glieder besitzt. Das Längenverhältniss der Fühler unter
sich, zum Körper, der Stiele zu den Geissein ist übrigens ziemlich wie später, indem die geringere Zahl
der Geisselglieder durch verhäJtnissmässig grössere Länge ersetzt wird. Ausserdem sind die Domen, Borsten
etc. noch weit weniger ausgebildet; die Zähnelung am Hinterrande des ersten Gliedes am 5ten — yten Fuss-
paare, die Dornen der Afterfüsse des 4ten und 5ten Paares, mit Ausnahme der Enddornen, fehlen noch,
die Schwanzanhänge tragen einen einzigen Dorn am Ende etc. Das sechste Paar der Afterfüsse ist ver-
hältnissmässig grösser, doch ganz von derselben Form, wie beim Erwachsenen.
Gammaras ambulans. 2q
Rathke hält es für nicht unzweckmässig-, die mit der zuletzt genannten
Art durch die Merkmale: „yeux circulaires, fausses pates abdominales de la
sixieme paire ne portant pas deux grands articles cilies" übereinstimmenden
Arten als eigene Gattung von Gammarus abzusondern. In diese würde auch
der G. ambulans zu stellen sein, Ueberhaupt dürften wohl die in Form und Zahl
ihrer Theile so verschiedenen Afterfüsse und Schwanzanhänge ein passenderes
Moment für die generische Sonderung der zahlreichen unter Gammarus und
Amphithoe begriffenen Arten abgeben, als die Nebengeissel ; denn gewiss sind
durch Modificationen im Bau der für die Bewegung der Amphipoden so wichtigen
Afterfüsse bedeutendere Differenzen in der ganzen Lebensweise bedingt, als durch
die An- oder Abwesenheit der Nebengeissel, die überdies bei mehreren Gammarus
zu einer fast verschwindenden Kleinheit herabsinkt (G. ambulans, Zebra u. s. w.),
und gewiss ist z. B. unser G. ambulans bei weitem mehr als die grosse Mehrzahl
der Amphithoe- Arten von den typischen Formen seiner Gattung (G. pulex, locusta)
verschieden.
Schliesslich die Diagnose der Art:
Gammarus ambulans, fronte inermi, oculis subrotundis, antennis superioribus
inferiores excedentibus, flagello auxiliari minimo biarticulato instnictis, dorso
laevi, pedibus spuriis paris sexti simplicibus, conicis, perexigiiis, appendicibus
caudae duabus, brevibus, cylindricis, apice spinulosis.
Long. 2'", antennar. sup. 0,8'".
Ueber die Geschlechtstheile von Clepsine und
Nephelis').
Mit Tafel I.
In derselben Abhandlung, in welcher Treviranus seine seitdem so viel be-
sprochenen Ansichten über die Geschlechtstheile und die Fortpflanzung des me-
dicinischen Blutegels entwickelt, beschreibt er auch die Geschlechtstheile von
Nephelis vulgaris mit dem besonderen Bemerken, dass dieselben hier wesentlich
verschieden gebaut seien ^). Ebenso erscheint auch in der von Filippi gegebenen
Beschreibung des Geschlechtsapparats der Clepsinen derselbe typisch verschieden
von dem aller übrigen Hirudineen ^).
Nach den Untersuchungen, die ich selbst darüber angestellt, scheint mir da-
gegen derselbe gemeinsame Plan, nach welchem die Geschlechtstheile in den
Gattungen Sanguisuga, Haemopis, Aulastoma, Piscicola gebaut sind, auch in den
beiden genanten Gattungen der Bildung derselben zu Grunde zu liegen, und theils
in dieser Hinsicht, theils weil sich daraus eine, meines Erachtens unzweifelhafte
Deutung der einzelnen Theile des Geschlechtsapparats auch für den medicinischen
Blutegel ergiebt, glaube ich die nachfolgenden, leider oft noch unvollständigen
Beobachtungen der Mittheilung nicht ganz unwerth.
Bei Clepsine tessulata^), die sich sowohl ihrer Grösse als der weichen, fast
gallertartigen Konsistenz ihres Körpers wegen vor allen andern Arten zu ana-
tomischen Untersuchungen eignet, liegen jederseits auf der Bauchseite nach aussen
von den bei den Clepsinen besonders entwickelten vom Bauch nach dem Rücken
aufsteigenden Muskeln (Filippi's fasci abdomino-dorsali) sechs Hoden (Fig. i.a),
d. h. ziemlich grosse, ovale, äusserst dünnwandige Bläschen, die ausser der Zeit der
Fortpflanzung zusammengefallen und leicht zu übersehen sind, während dieser
Zeit aber von einer milchigen Flüssigkeit strotzen und durch die Bauchdecken
hindurch schon von aussen sich wahrnehmen lassen. Von oben werden sie zum
Theil durch den Magen bedeckt, zwischen dessen seitlichen Anhängen sie liegen.
Nach aussen von ihnen verläuft jederseits ein ausserordentlich feiner Ausführungs-
gang (Fig 1.6) nach vorn bis in die Gegend des siebenten Bauchganglions; hier
i) Müllers Archiv für Anatomie. 1846. pg. 138—148. Taf. VIII.
2) Tiedem. und Trevir. Zeitschr. für Phsysiol. Bd. 4 pg. 166.
3) Filippi, lettera sopra l'anat. e lo sviluppo delle Clepsine. Pavia 1839.
4) Cf. Wieg mann 's Archiv. 1844. Bd. I, pg. 370 = Gesammelte Schriften pg. i.
Geschlechtstheile von Clepsine und Nephelis. ■. .
verdickt er sich plötzlich zur Epididymis (Fig. i.c), die sich nach innen unter
den Magen wendet, allmähg an Dicke zunehmend, mit mannichfachen Biegungen
in der Mittellinie bis etwa zum letzten Hodenpaare nach hinten geht, und von
da wieder nach vorn bis vor das sechste GangHon zurückkehrt; hier bildet sie
mehrere kurze verschlungene Windungen und mündet in das vordere Ende einer
zweischenkhgen, dickwandigen, sehnigglänzenden Scheide (Fig. i.d), die zwisch<Mi
dem sechsten und siebenten Ganglion nach aussen sich öffnet. — Einen besondern
Penis scheint diese Scheide nicht einzuschliessen, Sondern selbst, indem sie sich
theilweise nach aussen umstülpt, dessen Stelle zu vertreten.
Drei Ringe hinter der männhchen Geschlechtsöffnung liegt, wie jene in der
Mittellinie, die weibliche. Sie führt zu einem fleischigen, cylindrischen Uterus
(Fig. 3. a, Fig. 4.), der zuerst in der Länge von etwa drei Ringen nach hinten ge-
richtet ist, dann nach oben und vorn sich umbiegt und über der äussern Geschlechts-
öffnung sich in zwei schief nach vorn und aussen gerichtete Schenkel theilt, die
durch einen an beiden Enden verdickten Querbalken wieder verbunden werden.
Der nach hinten und der darüber liegende, nach vorn gerichtete Theil des Uterus
sind durch zahlreiche sehnige Fasern verbunden; durch die von den beiden
Schenkeln desselben und dem Querbalken gebildete Oeffnung geht der Bauch-
nervenstrang hindurch. An den beiden Enden des Querbalkens beginnen zwei
ungemein lange dünnhäutige Schläuche (Fig. 3. 6), die sich, unter dem Magen
umschlungen von den Windungen der Epididymis, bis nahe ans hintere Ende
des Körpers erstrecken. Anfangs ziemlich eng, erweitern sie sich bald, und ent-
halten in diesem weiteren, hinteren Theile den Körper an Länge mehrfach über-
treffende, gewundene Stränge, die an dem hinteren blinden Ende der Schläuche
festzusitzen scheinen. Die Zahl dieser Stränge, ob einer oder mehrere in jedem
Schlauche, konnte ich nicht mit Bestimmtheit ermitteln, da es mir nie gelang, ihre
Wandungen ohne Zerreissen vollständig zu entwickeln.
Ganz ähnlich ist der Bau der Geschlechtstheile bei Clepsine complanata
(Fig. 5.) und verrucata ^) ; sie unterscheiden sich hauptsächlich dadurch, dass der
Uterus dünnhäutig ist, und sich gleich an der Geschlechtsöffnung in zwei kurze,
gerade nach den Seiten gerichtete Schenkel theilt, die von oben durch den darüber
liegenden häutigen Querbalken gedeckt werden. So scheinen, wenn man nicht
auf den Nervenstrang achtet, der auch hier unter dem Querbalken hindurch geht,
auf den ersten Bhck die beiden langen Schläuche, in denen die gewundenen
Stränge eingeschlossen sind, unmittelbar in eine gemeinsame äussere Oeffnung
zu münden. Die Zahl der Hodenbläschen ist nach den Arten verschieden; so
zählte ich 6 Paar bei Cl. tessulata, 10 bei Cl. complanata, 11 bei Cl. marginata
(Hirud. marginata O. F. Müll.)''').
i) F. Müller, diss. de hiradinibus circa Berolinum observatis. Berol. 1844. p. 23 = Gesammelte
Schriften pg. 6.
2) Filippi hat die Hoden der Clepsinen, die verhältnismässig weit grösser sind, als bei irgend einem
andern Egel, meist übersehen oder wenigstens (bei Cl. padulosa, 1. c. pg. n) nicht als Theile des Geschlechts-
apparats erkannt ; Hoden sind ihm die oben als Epididymis bezeichneten Kanäle, die er mit einem gemein-
schaftlichen Atrium an der vordem Geschlechtsöffnung beginnen und mit ihren sehr feinen Enden in der
Nähe des Mundes sich anheften lässt. Noch abweichender ist seine Beschreibung der weiblichen Organe;
die beiden langen Schläuche sollen hinten zusammenhängen, und an dieser Vereinigungsstelle bei Cl. paiu-
dosa sechs kurze Winde Anhänge tragen, bei Cl. complanata mit vier in Schleifen gebogenen Kanälchen ver-
■12 Geschlechtstheile von Clepsine und Nephelis.
Bei Nephelis^) sind die weiblichen Organe denen der Clepsinen einigermaassen
ähnlich. Wie dort, finden sich zwei lange, weite häutige Schläuche (Fig. 6 a), die
sich zu den Seiten der Ganglienkette unter dem Darmkanal vom loten oder ii ten
Ganglion an nach vorn erstrecken, zwischen dem yten und 8ten Ganglion sich
verengern, nach innen biegen und in die beiden Enden eines kurzen zweischenkligen
Uterus {Fig. 6 6) einmünden. In diesen Schläuchen sind lange, ziemlich dicke,
wenig gewundene Stränge eingeschlossen.
Sehr abweichend ist dagegen die Form der männlichen Geschlechtstheile.
Vom hinteren Ende des Körpers bis etwa zum iiten Ganglion liegt jederseits
neben und unter dem Darmkanal eine aus zahlreichen kleinen Bläschen, den
Hodenbläschen, zusammengesetzte Drüse (Fig. 6 c), an deren unterer Seite ein
feiner Ausführungsgang (Fig. 6 d) nach vorn verläuft. Sobald dieser aus der
Drüse heraustritt, verdickt er sich, bekommt eine feste, sehnig-glänzende Haut, und
bildet so die Epididymis (Fig. 6e), die in dicht verschlungenen Windungen nach
aussen und unten von den weiblichen Organen bis etwa zum gten Ganglion sich
nach vorn erstreckt und hier sich wieder in einen dünnen Kanal (Fig. 6f) verengt,
der anfangs stark gebogen, dann immer enger und gerader werdend bis zum
5ten Ganglion geht, hier sich nach innen und hinten umbiegt und in das nach
vorn gerichtete Ende einer zweischenkligen, dickwandigen, sehnigen Scheide
(Fig. 6^) einmündet. Die Oeffnung dieser Scheide, welche auch hier keine be-
sondere Ruthe einzuschliessen scheint, liegt fünf Ringe vor der weiblichen
Geschlechtsöffnung. Alle innern Geschlechtstheile sind durch ein dichtes Zell-
gewebe an die Körperwand und den Darmkanal befestigt, während bei den
Clepsinen die Epididymis sowohl, als sämmtliche weibliche Organe völlig frei in
der Leibeshöhle liegen 2).
Die wesentliche Uebereinstimmung der Genitalien unserer beiden Gattungen
mit denen von Sanguisuga, Haemopis, Aulastoma, Piscicola werde ich nach der
gegebenen Beschreibung kaum noch besonders hervorzuheben brauchen. Die
Hoden erscheinen überall in Form dünnhäutiger Bläschen, auf der Bauchseite zu
beiden Seiten des Darmkanals liegend, bald einzeln und wenig zahlreich (6 — 12
Paare), bald in grosser Anzahl und jederseits zu einer traubigen Drüse zusammen-
gehäuft (Nephehs). Die Hoden jeder Seite haben einen gemeinschaftlichen Aus-
versehen sein ; die gewundenen Stränge sollen sich bis zur Geschlechtsöffnung erstrecken und in ein gemein-
schaftliches Atrium sich öffnen, etc. — Alle diese Angaben muss ich nach wiederholten, mit aller mir
möglichen Sorgfalt angestellten Untersuchungen, wenigstens für Cl. tessulata, complanata, verrucata, bestimmt
verneinen.
i) Ich untersuchte N. vulgaris und atomaria Moqu. Tand., die sich übrigens wohl kaum scharf als
Arten trennen lassen.
2) Treviranus hat 1. c. die Hoden übersehen und deshalb, wie Filippi bei den Clepsinen, die
Epididymis als Hoden bezeichnet; auch lässt er, wahrscheinlich nur in Folge eines Schreib- oder Druck-
fehlers, die weibliche Geschlechtsöffnung vor der männlichen liegen. Moquin-Tandon, der die männ-
lichen Organe ganz richtig beschreibt, giebt eine mir unerklärliche Abbildung der weiblichen Genitalien
seiner Neph. Gigas (Monograph. Tab. III. Fig. 7), nach welcher sie fast ganz wie bei Sanguisuga oder
Aulastoma gebaut sein würden. Aeusserlich soll N. Gigas nur durch ihre Grösse sich von N. vulgaris
unterscheiden, mit der sie auch nach Moquin-Tandons Zeichnungen im Bandes Darmkanals und der
männlichen Organe vollkommen übereinstimmt. Sollte wirklich eine so auffallende Verschiedenheit der
weiblichen Theile bei zwei sonst zum Verwechseln ähnlichen Arten sich finden? — Im Text geschieht
der weiblichen Organe von Nephelis nirgends auch nur mit einem Worte Erwähnung.
Geschlechtstheile von Clepsine und Nephelis. -,■,
gang, der bei allen sehr lang und in einem grossen Teile seines Verlaufs beträcht-
lich verdickt ist. Dieser dickere Theil, die Epididymis, ist bei Nephelis, Aulastoma,
Haemopis, Sanguisuga in Form einer Drüse verschlungen, und bei Piscicola ') zu
einer Samenblase erweitert. — Als wesentliche Bestandtheile des weiblichen Ap-
parats, der stets nach innen und hinten von dem männlichen liegt, finden sich ^) mehr
oder weniger lange gewundene Stränge, eingeschlossen in zwei häutige Säcke,
die bald kleine rundliche Bläschen darstellen (bei Sanguisuga-^), Haemopis, Aula-
stoma, Piscicola), bald grosse, lange Schläuche (Nephelis, Clepsine). — Ueberall
findet sich eine einzige männliche und eine weibliche Geschlechtsöffnung, beide
in der Mittellinie des Körpers, und zwar die erstere vor der zweiten gelegen.
Was nun die Deutung der einzelnen Theile betrifft, so sind neuerdings be-
kanntlich drei ganz verschiedene Ansichten verfochten worden. Aus der leicht
zu beobachtenden Thatsache, dass bei Sanguisuga aus der vordem Geschlechts-
öffnung ein penisartiges Organ, aus der hintern die Eier austreten, schloss man
zunächst auf die männliche und weibHche Natur der mit diesen Oeffnungcn in
Verbindung stehenden Theile, eine Ansicht, die wir z. B. von Moquin-Tan-
don, Brandt, R. Wagner vertreten finden. Dagegen erhob sich Treviranus,
der die sogenannten Hoden von Sanguisuga als Bildungsstätte der Eier, die Epi-
didymis als Hoden angesehen wissen will; die Eier sollen durch die Hoden hin-
durchgehen, da befruchtet werden und bei der Begattung, schon befruchtet, in
den Uterus eines andern Individuums übergeführt werden, um daselbst mit nährender
Materie (abgesondert durch die beiden sogenannten Ovarien) und einer schützenden
Hülle versorgt zu werden. Henle ^) endlich kehrte die alte Ansicht geradezu um ;
die sogenannten Hoden Hess er mit Treviranus die Keime der Eier, die in
den Ovarien eingeschlossenen Stränge den Saamen bilden, bei der Begattung also
die Eier aus den weiblichen Organen des -einen in die männhchen des andern
Individuums treten, da befruchtet werden und sich weiter entwickeln.
Schon die Vergleichung der äussern Form der Theile in den verschiedenen
Gattungen (namentlich die grosse Entwicklung der mit dem Uterus in Verbindung
stehenden Schläuche bei Clepsine und Nephelis, so wie die Epididymis von Pisci-
cola und Clepsine, die ganz deutlich als blosse Verdickung des Ausführungsgangs
der Hoden erscheint) machte mir die Ansicht von Treviranus, der er auch selbst
bei Nephelis untreu geworden ist, sehr unwahrscheinlich, noch ehe es mir gelungen
war, durch direkte Beobachtungen an Clepsine tessulata sie bestimmt zu wider-
legen und die Richtigkeit der älteren zu beweisen.
Im Mai beginnen nämlich bei Clepsine tessulata die ausser der Zeit der
Fortpflanzung ziemlich dünnen in den beiden langen Schläuchen eingeschlossenen
Stränge anzuschwellen und durch die Bauchdecken hindurch von aussen sichtbar zu
werden. Unter dem Mikroskop sieht man um diese Zeit in ihrem Innern zahlreiche,
von dem übrigen Gewebe scharf abgegrenzte kleine elliptische Zellen mit deuüichem
Kern (Fig. 7. 8.), die schnell an Umfang zunehmen, als Anschwellungen mehr und
1) Cf. Leo, in Müll. Arch. 1835. pg. 419. Tab. XI.
2) Gewiss auch bei Piscicola und Haemopis, wo sie noch nicht nachgewiesen sind.
3) Cf. Henle, in Müll. Arch. 1835. Tab. XIV. Fig. 8.
4) Müll. Archiv 1835. PS- 574-
Fritz Müllers gesammelte Schriften. ■^
■,. Geschlechtstheile von Clepsine und Nephilis.
mehr über die Oberfläche der Stränge vortreten, bis sie endlich in Form kleiner
Kugeln, deren Durchmesser dem des Stranges etwa gleich ist, fast ganz aus der
Substanz derselben hervorgetreten sind (Fig. 9, 10), und dann schon dem blossen Auge
wie Perlen an eine Schnur angereiht erscheinen, während das Mikroskop deutlich
das Purkinje'sche Bläschen und den Wagner'schen Keimfleck wahrnehmen lässt.
Etwa zu dieser Zeit (Ende Mai, Anfang Juni) findet die Begattung statt. Sie
ist, wie bei Sanguisuga, gegenseitig; mit dem Fusse festsitzend saugt jedes der
beiden Individuen mit dem Kopf sich an der Bauchseite des andern fest, worauf
ein konisches Organ aus der vordem Geschlechtsöffnung sich ausstülpt und in
die hintere des andern Thieres eintritt ; so vereinigt sitzen die Thiere meist mehrere
Tage lang^). Kurz nach der Begattung beginnen die beiden langen Schläuche
eine lebhafte peristaltische Bewegung, die wahrscheinlich dazu dient, die Eier
von den Strängen abzulösen; denn bald findet man sie frei in der Höhle der
Schläuche. Der Keimfleck und das Purkinje'sche Bläschen verschwinden, die
anfangs weisse Farbe ändert sich in ein schönes Dottergelb um, und um das
Ei bildet sich, durch eine sehr dünne Schicht farblosen Eiweisses vom Dotter
getrennt, ein zartes Chorion. Eine Woche etwa nach der Begattung w^erden die
Eier (150 und darüber) gelegt; über ihnen bleibt das Thier (wie Cl. complanata
und marginata) bis zum Auskriechen der Jungen gleichsam brütend sitzen, worauf
die, wie bei allen Clepsinen, noch sehr unentwickelten Jungen an den Bauch der
Mutter sich festheften und von ihr ziemlich lange Zeit mit herumgetragen werden.
In der Flüssigkeit der Hoden Wäschen zeigt das Mikroskop zu der Zeit, wo
die Eier in den Strängen sichtbar zu werden beginnen, eigenthümliche spindel-
förmige Körper (Fig. 11), die aus einer Zelle mit körnigem Inhalt und deutlichem
Kern zu bestehen scheinen, von der nach zwei entgegengesetzten Seiten eine
ungemeine Menge äusserst feiner, mit den Spitzen vereinigter Fäden ausgehen.
Unter diesen finden sich bald einzelne, bei denen die Fäden an der Spitze sich
mehr oder weniger zu trennen und der Zellenkern undeutlich zu werden beginnt.
Je mehr sich die Eier entwickeln, um so mehr treten auch die Fäden auseinander,
bis sie nach allen Seiten hin auseinanderstehen (Fig. 12) und endlich sich von-
einander trennen und frei in den Hodenbläschen schwimmen. So lange diese
Fäden in den Hoden verweilen, sah ich nie die mindeste Bewegung an ihnen;
als ich jedoch zwei Individuen untersuchte, die, um sich zu begatten, sich schon
aneinander festgesogen hatten, fand ich die Epididymis von eben solchen Fäden
strotzend, die in einer sehr lebhaften vibrirenden Bewegung begriffen waren und
sich so als Saamenthierchen zu erkennen gaben.
Bei Clepsine tessulata sind also in der That die sogenannten Hodenbläschen
die Bildungsstätten des Saamens, und die mit der hintern Genitalöffnung zusammen-
i) Diese Weise der Begattung scheint jedoch in der Gattung Clepsine nicht aligemein; vergl. über
Cl. complanata meine Diss. de himdinibus etc. Berol. 1844 pg. 33 = Gesammelte Schriften pg. 21. Wäh-
rend der Zeit der Fortpflanzung wurde bei dieser Art auch eine ziemlich lebhafte Fluctuation einer farblosen
Flüssigkeit längs der Seitenränder des Körpers beobachtet, die ich anfangs, durch Filippi's Darstellung
des Gefässsystems verleitet, für Blutbewegung nahm. Allein theils sind die Strömungen, worauf mich Herr
Geh. Rat Joh. Müller, dem ich diese, so wie die 1. c. beschriebenen penisartigen Organe zu zeigen Ge-
legenheit hatte, aufmerksam machte, nicht durch scharfe Conturen begrenzt, theils konnte ich sie eben
nur zur Zeit der Fortpflanzung beobachten, zu welcher sie also in besonderer Beziehung zu stehen scheinen.
Geschlechtstheile von Clepsine und Nephilis. -ic
hängenden Theile die weiblichen, die das Eigenthümliche haben, dass die keim-
bereitenden, gewundenen Stränge, also die eigentlichen Ovarien, eingeschlossen
sind in den eileitenden Schläuchen (die den bei Sanguisuga gewöhnlich sogenannten
Ovarien entsprechen).
Aehnliche Körper, wie die aus den Hoden von Cl. tessulata beschriebenen,
sind schon von Henle aus der Epididymis von Sanguisuga abgebildet worden ^) ;
ganz wie bei Sanguisuga finden sie sich bei Aulastoma, und in etwas anderer Form
auch in den Hoden von Nephelis (Fig. 14). Wahrscheinlich bilden sie sich aus
den von Treviranus und Henle als Eikeime betrachteten rundlichen Körperchen,
die sich in den Hoden von Sanguisuga 2), Aulastoma und NepheHs (Fig. 14) finden.
Bei Nephelis und Aulastoma, die bekanntlich nicht alle Eier gleichzeitig
ablegen, wie die Clepsinen, ist es auch leicht, im Mai und Juni die Eier sogar
gleichzeitig in allen Stadien der Entwicklung zu beobachten, theils noch ganz
klein und völlig in der Substanz der Stränge eingeschlossen, theils mehr oder
weniger daraus hervorgetreten und deutlich mit Purkinje'schem Bläschen und
Keimfleck versehen (Fig. 16), theils endlich schon abgelöst und frei im sogenannten
Eierstock, ohne Keimbläschen und Keimfleck, aber mit einer dünnen Eiweiss-
schicht und einem zarten Chorion bekleidet, ganz wie man sie auch in den eben
gelegten Cocons von Nephelis findet.
Mit Aulastoma stimmen aber Sanguisuga, Haemopis, Piscicola so genau in
der Form der Zeugungstheile überein, dass man gewiss auch hier die Hoden-
bläschen als saamenbereitend, als eigentliche Eierstöcke dagegen die in den so-
genannten Eierstöcken eingeschlossenen (bei Haemopis und Piscicola freilich noch
nicht einmal nachgewiesenen) Stränge wird anzusehen haben.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel I.
Fig. I. Männliche Organe von Clepsine tessulata. a Hoden, b Ausführungsgänge,
c Epididymis, d Ruthenscheide.
Fig. 2. Die Ruthenscheide zwischen zwei Glasplatten gepresst.
Fig. 3. Weibliche Organe derselben, a Uterus, b Eierstöcke.
Fig. 4. Der Uterus, stärker vergrössert.
Fig. 5. Geschlechtstheile von Clepsine complanata. (Die Hoden mit ihren Aus-
führungsgängen sind weggelassen.) a Epididymis, b Ruthenscheide, c Eierstücke, d Uterus.
Fig. 6. Geschlechtstheile von Nephelis vulgaris var. atomaria (Hirud. atomaria
Carena). a Eierstöcke, b Uterus, c Hoden, d Ausführungsgang derselben, e Epididymis,
/ vasa ejaculatoria seminis, g Ruthenscheide.
Fig. 7. Ein Stück der in den langen Schläuchen eingeschlossenen Stränge von
Clepsine tessulata.
Fig. 8. Ein Theil desselben mehr vergrössert.
Fig. 9. Ein eben solches Stück zur Zeit der Begattung, natürl. Grösse.
Fig. IG. Dasselbe vergrössert.
Fig. II. Die spindelförmigen Körperchen der Hodenflüssigkeit von Cleps. tessul.
Fig. 12. Dieselben, weiter entwickelt.
Fig. 13. Spermatozoen, aus der Epididymis derselben.
Fig. 14. Inhalt der Hodenbläschen von Nephelis vulgaris.
Fig. 15. Das freie Ende eines Eierstrangs von Neph. vulg.
Fig. 16. Ein reifes Ei daraus, stärker vergrössert.
1) Müll. Archiv 1835. Tab. XIV. Fig. 4b.
2) Müll. Archiv 1. c. Fig. 6a.
Bemerkungen im Betreff des Geschlechtsverhältnisses
bei den Hirudineen^).
Zu den Tieren, die bis jetzt trotz der mannichfach unter einander abweichenden
und sich widersprechenden Ansichten über die Bedeutung ihrer Geschlechts-
werkzeuge doch einstimmig als hermaphroditisch betrachtet worden sind, gehört
die Famihe der H irudineen; auch hier ist vom Hrn. Verf. der Hermaphroditismus
in Zweifel gezogen und der Nachweis getrennter Geschlechter mit ziemlicher
Ausführlichkeit versucht worden (S. 5 1 u. folg.) ; allein — wie mir scheint — mit
wenig Glück. Es liegt der gegebenen Darstellung eine teils unvollständige, teils
falsche Auffassung der anatomischen Verhältnisse zu Grunde, und sie entbehrt
so der festen Basis, auf die allein eine sichere physiologische Deutung sich
gründen kann.
Zunächst Aulastoma. — Hier sind in der Beschreibung der vom Verf. als
„mehr ruhende Partie", als unbeteiligt am eigentlichen Fortpflanzungsgeschäft
betrachteten Teile, der sogenannten Eierstöcke (Fig. 12, a\ a^), die in denselben
eingeschlossenen gewundenen Stränge übergangen, die von Sanguisuga schon
vor geraumer Zeit Henle beschrieben und abgebildet hat (Müll. Archiv, 1835,
Tab. XIV, Fig. 8), und die hier in ganz gleicher Weise sich finden. Wären diese
in den Monaten Mai, Juni einer genaueren Untersuchung unterworfen worden,
so würde sich der Verf. leicht überzeugt haben, dass hier und nicht in den Hoden-
bläschen (a, a) die wahre Bildungsstätte der Eier zu suchen ist. Für letztere
Meinung wird nur eine Figur von Henle (a. a. O. Fig. b, b) angeführt, die aber
weder Keimbläschen und Keimfleck, noch irgend welche Aehnlichkeit mit den
Eiern zeigt, die man in den frischgelegten Cocons der Hirudineen, z. B. der
Nephelis, findet. Dagegen lassen sich zur angegebenen Zeit an den in den sog.
Eierstöcken eingeschlossnen Strängen alle Entwicklungsstufen der Eier ver-
folgen'2). Man findet sie teils noch ganz in die Substanz der Stränge ein-
gebettet, teils wie Perlen über ihre Oberfläche vortretend und dann deutlich mit
Keimbläschen und Keimfleck versehen, teils schon, von den Strängen abgelöst,
i) Aus : „Steenstrup, Untersucliungen über das Vorkommen des Hermaphroditismus in der Natur, aus
dem dänischen übersetzt von C. Hornschuch mit Bemerkungen von Crepelin, Fritz Müller, Karsch, Max
Schultze imd dem Uebersetzer". Greifsvi^ald, 1846 pg. iio — 114.
2) Man hat die Bläschen (a* a*) sorgfältig bloszulegen, unverletzt herauszuschneiden und auf einer
Glasplatte behutsam zu öffnen.
Geschlechtsverhältnisse bei den Hirudineen. ,-
frei in der Höhle der Bläschen und dann ganz übereinstimmend mit den in den
frischgelegten Nepheliscocons enthaltenen. Diese Eier fand ich zur genannten Zeit
bei allen von mir untersuchten Individuen, und gleichzeitig bei allen in den
Hodenbläschen (a, a) die brombeerförmigen Körper, in der Epididymis („Zusammen-
wicklungen" des Verf.) die vom Verf. als Scheinsame angesprochenen blumenkohl-
artigen Körper, die ich bei Clepsine deuthch als eine Entwicklungsstufe der wahren
Samenfäden erkannt habe (cf, Müll. Archiv, 1846, S. 146, Taf. VIII, Fig. 11 — 13
= Gesammelte Schriften S. 34, Taf. I, Fig. 11— 13).
Bei Clepsine complanata hat Verf. ganz richtig die Hodenbläschen
(Fig. 8 u. 9, a, a) als Bildungsstätten des Samens nachgewiesen und die Eier an
den in den Schläuchen (ß, ß) eingeschlossenen gewundenen Strängen gefunden;
allein die Schlüsse, die aus diesen an sich richtigen Beobachtungen gezogen werden,
verheren dadurch alle Gültigkeit, dass der anatomische Zusammenhang der Teile
durchaus verkannt ist. Ich hoffe, wegen dieses categorischen Ausspruchs nicht
der Anmassung geziehen zu werden; lange Zeit hat mich das specielle Studium
des Baus der Clepsincn beschäftigt; die Untersuchung der kleinern, ihrer knorp-
ligen Consistenz halber grosse Schwierigkeiten darbietenden Cleps. complanata
wurde durch gleichzeitige Sectionen der grossen weichen Cl. tessulata controUiert,
und ausserdem ergaben diese Untersuchungen eine wesentliche Uebereinstimmung
des Geschlechtsapparats der Clepsinen mit dem von Nephelis, Piscicola.
Aulastoma, Sanguisuga, während bei des Verf. Darstellung alle Analogie mit
diesen Gattungen verschwindet (S. meinen Aufsatz über die Geschlechtsteile von
Clepsine und Nephelis in Müll. Arch. 1846 p. 138 Tab. VIII = Gesammelte Schriften
pg. 30 Taf, i). Der Verbindungsgang (b, b) zwischen den Hodenbläschen (a, a)
und den in den Säcken (ß, ß) eingeschlossenen gewundenen Strängen, den Verf. für
seine Theorie braucht und zeichnet, existiert nicht, eben so wenig als diese Stränge
sich an der hintern Geschlechtsöffnung ausmünden. — Die Kanäle {h\ b^) enden
nicht blind am Kopfende, wie Verf. Filippi nachschreibt, sondern biegen, wie auch
schon Grube nachgewiesen (in seinen Untersuchungen über die Entwicklungsgesch.
der Clepsinen, Königsberg 1844. S. 8.), vor dem ersten Hodenbläschen ihrer Seite
nach aussen um, und verlaufen, sehr verdünnt, aussen neben der Reihe der
Hodenbläschen nach hinten, und sind eben nichts, als die verdickten Ausführungs-
gänge derselben, entsprechend der Epididymis (den „Zusammenwicklungen") bei
Aulastoma und Sanguisuga.
In den Hodenbläschen nun finden sich die BrombeerzeUen und dieselben
spindelförmigen Körper, die Verf. auch in der Epididymis (b^ b^) gefunden und
als „Scheinsamen" bezeichnet ; in der Epididymis sah ich zur Zeit der Begattung
bei Cleps. tessulata freie sich lebhaft bewegende Samenfäden, so dass über die
männliche Natur dieser Teile kein Zweifel sein kann, eben so wenig, als über die
weibliche Natur der in den Säcken (ß, ß) eingeschlossenen Stränge, in denen sich
die Eier von ihrem ersten Auftreten bis zu ihrer Reife (d. h. dem Loslösen von
den Strängen) verfolgen lassen. Beides, Samen und Eier, finden sich gleichzeitig
in allen Individuen zur betreffenden Jahreszeit; wollte man ein Einbringen der
Brombeerkörper durch Begattung annehmen (die übrigens bei Cleps. tessulata
erst zur Zeit der Eireife Statt hat und gegenseitig ist), so hätte dies keinen denkbaren
Zweck, da keine Verbindung zwischen Hodenbläschen und Eiersträngen besteht.
38
Geschlechtsverhältnisse bei den Hirudineen.
Also männliche und weibliche Organe, die ihre Produkte gleichzeitig in
demselben Individuum entwickeln, d. h. Hermaphroditismus.
Verf. hat verschiedene Zellengebilde aus den Hodenbläschen als erste Ent-
wicklungszustände der Eier abgebildet und meint, dass sie durch den (nicht
existierenden) Verbindungsgang (b, b) in die Stränge der Säcke (ß, ß) träten,
betrachtet demnach diese Stränge als Eileiter seiner Weibchen. Gesetzt selbst,
dieser Verbindungsgang wäre vorhanden und dies Uebertreten erwiesen, so wäre
es jedenfalls ein fabelhafter Eileiter, der den Zweck hätte (denn was immer ge-
schieht, kann doch nicht ein unglücklicher Zufall sein), die Eier durch seine Wände
durchfallen zu lassen.
Was endlich des Verf. „indirecte Erfahrung" über das getrennte Geschlecht
der Clepsinen betrifft (S. 58), gleichsam das argumentum ad hominem, so gibt diese
ein treffendes Beispiel, wie man in Folge einer vorgefassten Meinung, — denn die
Clepsinen dürfen nun einmal nicht Zwitter sein — gegen die einfachsten Folgerungen
aus den klarsten Tatsachen sich verblenden kann. Allerdings sind zur Zeit, wo die
Eier zuerst in den Strängen der Säcke (ß, ß) sich bemerklich machen, die Hoden-
bläschen strotzend gefüllt mit Brombeerzellen ; allerdings nehmen letztere an Zahl ab,
wie die Eier sich weiter entwickeln; allerdings ist zur Zeit der Reife der Eier kaum
eine Spur derselben in den Hodenbläschen zu finden, — ich habe sie sogar ganz
vermisst, — allerdings müssen, soll Hermaphroditismus mit gegenseitiger oder Selbst-
befruchtung Statt haben (es sei denn, dass das früher gereifte Sperma bis zur Reife
der Eier in besondern Behältern bewahrt werde), beiderlei Geschlechtsstoffe gleich-
zeitig ihre höchste Entwicklung zeigen. Aber ist denn das hier nicht der Fall?
— Wie die Eier, so schreiten die Brombeerzellen in ihrer Entwicklung fort, werden
zu den spindelförmigen Körpern (.,Scheinsamen" des Verf.), und diese lösen sich in
freie Samenfäden ; natürlich werden der Brombeerzellen dabei immer weniger und
zuletzt verschwinden sie ganz; sie sind ja eben nicht die letzte, höchste, sondern
die erste, niedrigste Entwicklungsstufe des Samens. — Weil zur Zeit der Eireife
bei den eiertragenden (d. h. bei allen erwachsnen) Individuen keine Brombeerzellen
in den Hodenbläschen sich finden, sollen sie nicht dort abgesondert sein können
(???), sondern von aussen eingeführt (und wahrscheinlich während des Reifens der
Eier zur Befruchtung verwandt worden) sein. Mir ist kein Beispiel bekannt, wo
der Same in dieser seiner ersten Entwicklungsform zum Behuf der Befruchtung
auf ein andres Individuum übertragen würde.
Auch für die Planarien möchte die Verteilung der Geschlechter auf ver-
schiedne Individuen noch näher nachzuweisen sein. Alle Exemplare von Plan.
Helluo O. F. Müll, (ein Vortex nach Örsted's System, der sie fälschhch mit den
augenlosen PI. vulva, viridata, punctata, confundirt: Entwurf u. s. w. S. 42), die
ich in grosser Anzahl im Mai und Juni d. J. in einem Graben bei Greifswald
sammelte, waren mit zahlreichen braunen Eiern versehen, und bei allen, die ich
mikroscopisch untersuchte, fand ich eine kuglige Blase, mit lebhaft sich be-
wegenden Samenfäden gefüllt. Der gänzliche Mangel männlicher Tiere, das
Vorkommen des Samens bei allen eiertragenden, möchte wenigstens für eine un-
befangene Anschauung die Zwitterbildung hier wahrscheinUcher erscheinen lassen,
als die Verteilung des männUchen und weiblichen Zeugungsapparats auf ver-
schiedene Individuen.
Geschlechtsvcrhältnisse bei den ITirudineen.
39
Zum Schluss noch eine zoologische Bemerkung. Bei Gelegenheit der Regen-
würmer wird Rhynchelmis Limosella Hoffm. angeführt und als nicht
gleich mit Euaxes filirostris Grube bezeichnet (S. 48). Hoffmeister selbst,
mit welchem ich kurz vor dem Antritt seiner unglücklichen Reise, auf einer
Exkursion von Berlin nach Tegel, seinen Rhynchelmis sammelte, hielt denselben
für identisch mit Grube's Euaxes und auch ich habe keinen Unterschied gefunden
zwischen diesen gewiss autentischen Exemplaren und Grube's Beschreibung.
Zur Kenntniss des Furchungsprocesses
im Schneckeneie^).
Mit Tafel II.
Van Beneden bemerkt in seiner Entwicklungsgeschichte der Aplysia
d e p i 1 a n s bei Gelegenheit des Furchungsprocesses : „En meme temps que le
vitellus ce divise, il sort de l'interievir une vesicule blanche, contcnant un liquide
transparent, et qui va se perdre dans l'albumen. Cette vesicule est quelquefois
suivie d'une seconde qui suit la meme marche. Cette vesicule, simple ou double,
sort de la meme maniere du vitellus des Limaces, et, d'apres M. M. Dumortier et
Pouchet, de Limnees. Comment faudrait-il la determiner? Sa constance merite
une attention toute particuliere." (Ann. des Sc, nat. 11^ Ser. Zool. Tom. XV. 1841
p. 126.)
Schon ehe mir diese früheren Beobachtungen zu Gesicht gekommen, war
auch ich bei Untersuchungen über die Entwicklung einer kleinen Ostseeschnecke ^),
aus der Gruppe der Phlebenteres dermobranches von Quatrefages,
auf ähnliche Bläschen und auf ihre Beziehung zum Furchungsprocess aufmerksam
geworden. Die wichtige Rolle, die sie dabei spielten, Hess mich ein allgemeineres
Vorkommen derselben vermuthen, — eine Vermuthung, die durch die angeführte
Stelle, wenigstens für die Gasteropoden, vollkommen bestätigt wurde. Um so
mehr fühle ich mich veranlasst, durch baldige Publication der durch zahlreiche Be-
obachtungen gewonnenen Resultate die Aufmerksamkeit der Naturforscher auf
diesen Gegenstand zu lenken, der für die Theorie des Furchungsprocesses von be-
sonderer Wichtigkeit werden dürfte.
Das frisch gelegte Ei unserer Schnecke enthält im normalen Zustande —
(die nicht gar seltenen, namentlich für die Erklärung der Eischalenbildung be-
i) Archiv für Naturgeschichte, 1848. I. p. i — 6. Taf. I.
2) Das selten über 3—4"' lange Thierchen ist schon von O. F. Müller (Hist. verm. Vol. 1. p. 2. 1774.
pg. 70) als Fasciola capitata, später von O. Fabricius (Danske Vidensk. Selsk. naturvid. og math.
Afhandl. Anden Deel. 1826. pg. 23 und Isis 1845. pg. 66) als Planaria limacina beschrieben. Von
Johns ton ist es (Lond. Mag. of Nat. Hist. IX. pg. 79), wie ich aus einem Citat in Oersted's Werk über
Plattwürmer ersehe, schon richtig als Gasteropod erkannt und mit dem barbarischen Namen Limapontia (!)
nigra belegt worden. Auf dem Greifs walder Museum hat diesen Hr. Dr. Creplin in den richtiger
gebildeten Pontolimax (varians) umgewandelt.
Furchungsprocess im Schneckeneie. ^j
bemerkenswerthen Abweichungen sind hier ohne Interesse) — ein bis drei eigelbe
Dotter mit zarter Dotterhaut und meist noch mit nicht recht scharf umschriebenem
hellen Fleck als Rest des Purkinjeschen Bläschens, um diese Dotter eine ziemlich
dünne, trübe, nur wenig durchscheinende, anscheinend körnige Eiwcissschicht,
die von einer structurlosen, dünnen, durchsichtigen Schalenhaut umschlossen ist.
Die Form des Eies ist durch den Druck der benachbarten mehr oder weniger
unregelmässig.
Sofort nach dem Legen beginnt das Eiweiss durch Wasseraufnahme auf-
zuquellen; es wird durchsichtiger und zeigt sich aus kleinen, lose nebeneinander
liegenden Zellen bestehend; bald lösen sich auch diese Zellen auf und eine ganz
wasserhelle Schicht Hegt zwischen dem Dotter und der Schale, die jetzt zu einem
regelmässigen Ellipsoid ausgedehnt ist, dessen grosse Achse 4 bis 6 mal den Durch-
messer des sphärischen Dotters übertrifft.
Sobald das Eiweiss etwas durchsichtiger zu werden beginnt, — meist schon
10 bis 15 Minuten nach dem Legen, — fällt in der Nähe des Dotters ein die
Eiweisszellen an Grösse weit übertreffendes Bläschen in die Augen, gefüllt mit
einer schwach gelbUchen Flüssigkeit, in der wenig zahlreiche moleculare Körn-
chen schwimmen. Der Auflösungsprocess der Eiweisszellen beginnt fast constant
an der von diesem Bläschen entferntesten Stelle des Eies und um das Bläschen
herum sieht man, wenn er seinem Ende naht, die letzten Spuren der Eiweisszellen.
— Der Furchungsprocess dagegen geht ohne Ausnahme aus von der dem Bläs-
chen zugewandten Seite des Dotters, und da auch in seinem weitern Verlauf
durch die Lage des Bläschens die Richtung der theilenden Furchen und der neu
sich bildenden Furchungskugeln bedingt wird, mag dasselbe weiterhin mit dem
Namen Richtungsbläschen, vesicula directrix, bezeichnet werden.
Zunächst nun zeigt sich (Fig. i), dem Richtungsbläschen zugewandt, ein
hellerer Saum im Dotter; die Dottermasse zieht sich etwas von der Dotterhaut
zurück (Fig. 3, a), ein ähnlicher Vorgang findet am entgegengesetzten Pole statt
und bald wird eine den ganzen, nun mehr oder weniger in die Breite gezogenen
Dotter durchsetzende Furche bemerklich (Fig. 2). Das Richtungsbläschen liegt
in der die beiden so entstandenen Furchungskugeln trennenden Ebene oder der-
selben sehr nahe. Eine besondere Haut um die Furchungskugeln konnte ich
noch nicht wahrnehmen, wohl aber meist, nahe der dem Richtungsbläschen zu-
gekehrten Fläche, in jeder derselben einen helleren runden, besonders bei stärkerem
Druck deutlichen Fleck. — Ob es Zufall, dass ich in den um diese Zeit und später
untersuchten Eiern meist zwei kleinere Richtungsbläschen, in den früher unter-
suchten meist nur ein grösseres wahrnahm, oder ob auch dies Bläschen seinen
Furchungsprocess hat, der sich aber auf ein einmaliges Zerfallen in zwei beschränken
würde, oder ob endlich, wie Van Beneden annimmt, das zweite Bläschen während
der Furchung de l'interieur du vitellus aufsteigt, kann ich nicht bestimmt entscheiden.
Weiterhin finden sich die beiden Furchungskugeln, jede von einer besonderen
Haut umschlossen und ohne gemeinsame Haut, meist soweit auseinanderweichend,
dass sie nur eben sich berühren. Eine helle Stelle zeigt sich, dem Richtungs-
bläschen zugekehrt, in jeder Kugel (Fig. 3, b), und durch eine von dieser Stelle
ausgehende neue Furche (Fig. 4) werden beide Kugeln halbirt und der Dotter
ist so durch zwei aufeinander senkrechte Ebenen, in deren Durchschnittslinie die
»2 Purchungsprocess im Schneckeneie.
Richtungsbläschen liegen, in vier Kugeln zerklüftet. Diese vier Kugeln (Fig. 5)
bieten sich der Beobachtung meist in einer auf der Sehaxe senkrechten Ebene
liegend und verdecken dann natürlich die Richtungsbläschen (Fig. 5, a), wenn
nicht eine Lücke zwischen ihnen dieselben gewahren lässt (Fig. 5, 6); leichter
fallen sie in die Augen, wenn, wie in seltneren Fällen (Fig. 5, c), die Ebene der
Kugeln vertikal steht.
Die vier folgenden Furchungskugeln entstehen nicht durch ein Zerfallen der
vier erst gebildeten in gleiche Theile, sondern zeigen sich anfangs als kleine, fast
ganz wasserhelle, nur wenig Dotterkörperchen enthaltende Bläschen, die mit den
älteren abwechselnd an der den Richtungsbläschen zugewandten Seite derselben
hervortreten (Fig. 6, a, b), allmählich mehr Dottermasse in sich aufnehmen und
auf der älteren Kosten zu einer diesen gleichen Grösse heranwachsen (Fig. 7).
Wie sie aus denselben hervorgehen und während ihres Wachstums mit denselben
zusammenhängen, ist mir nicht klar geworden. Ihre mit den älteren alternirende
Lage wird besonders deutlich, wenn man Eier, deren vier Furchungskugeln, wie
meist der Fall, in einer horizontalen Ebene liegen, (am besten nach vorherigem
Betupfen mit Weingeist) stärker presst (Fig. 6, c).
Für den weiteren Verlauf des Furchungsprocesses, der, wie von den Schnecken
bekannt, bis zur Umwandlung des Dotters in eine Kugel mit wieder fast glatter
Oberfläche fortschreitet, habe ich die Beziehung der Richtungsbläschen zur Lage
der neuen Furchungskugeln noch nicht specieller nachzuweisen vermocht; die Ver-
hältnisse werden durch die grössere Zahl der Furchungskugeln zu complicirt. Im
Allgemeinen jedoch ist auch jetzt noch ihr Einfluss nicht zu verkennen (cf. Fig. 8).
— Nach Ablauf des Furchungsprocesses ist die erste weitere Erscheinung das
Auftreten zarter Flimmercilien an der einen (vorderen) Hälfte des noch kugligen
Embryo und die damit beginnende Bewegung desselben. Bei Embryonen, deren
Bewegung noch eine sehr langsame war und nur in leichten Schwankungen, noch
nicht in vollständiger Drehung bestand, fand ich die Richtungsbläschen meist in
der Nähe des vorderen bewimperten Theiles, so dass also dieser Theil, das Kopf-
ende, dem Ausgangspunkte der Furchung zu entsprechen scheint. Sobald die
Bewegungen des Embryo einigermassen lebhaft werden, kann natürlich die Lage
der Richtungsbläschen keine constante mehr bleiben ; sie scheinen jedoch bis zum
Ausschlüpfen der (wie bei Doris, Aptysia etc.) mit nautilusartiger Schale und
Deckel versehenen, mittelst der langen Wimpern des grossen zweilappigen Mund-
segels sehr hurtig umherschwimmenden Jungen unverändert sich zu erhalten.
Dies das Verhältniss der Richtungsbläschen zum Furchungsprocess und ihre
muthmassliche Beziehung zur Bildung des Embryo. — Welches aber ist nun ihre
eigentliche Bedeutung? Wo und wie entstehen sie und welchen Zusammenhang
haben sie mit den frühern Vorgängen der Zeugung? — Noch bin ich zu keinem
Resultate darüber gelangt, (was überhaupt leichter an Schnecken, die nicht durch
ihre Kleinheit die Zergliederung erschweren, zu gewinnen sein wird) und kann
nur zwei vereinzelte Beobachtungen anführen, die kaum eine Vermuthung in dieser
Hinsicht auszusprechen berechtigen. — Das eine Mal nämlich vermisste ich bei
Untersuchung einer kürzlich gelegten, ausnahmsweise kleinen Eierschnur in allen
Eiern das Richtungsbläschen in seiner gewöhnlichen P^orm, fand dagegen in einem
einzigen Ei ein ähnliches Bläschen, anscheinend etwas grösser und mit langen
Furchungsprocess im Schneckeneie. .^
Wimpern besetzt, durch die es die benachbarten Eiweisszellen in einen lebhaften
Strudel versetzte. Der Dotter erschien homogen, ohne Spur von Purkinje'schen
Bläschen oder von beginnender Furchung. In einem Theile dieser Eierschnur,
der erst nach 24 Stunden untersucht wurde, war noch keine Veränderung der
Dotter eingetreten, während sonst in Tagesfrist der Furchungsprocess fast beendigt
zu sein pflegt (bei einer Temperatur von durchschnittlich + 20 ° R.). War dies
bewimperte Bläschen ein früherer Entwicklungszustand der Richtungsbläschen,
und fehlten diese vielleicht eben deshalb, weil sie noch nicht zur nöthigen Reife
gelangt, in den übrigen Eiern?
Ganz ähnliche Bläschen, eine leicht gelbliche Flüssigkeit mit einzelnen kleinen
Körnchen umschliessend wie die Richtungsbläschen, aber mit langen Wimpern
besetzt und durch diese in rascher drehender Bewegung, beobachtete ich ein
zweites Mal in grosser Menge, als ich einen Theil des Geschlechtsapparats, die
Theilungsstelle des Ausführungsgangs der Zwitterdrüse in Eileiter und Samen-
gang mit mehreren in deren unmittelbarer Nähe einmündenden Nebenorganen,
unter das Microscop gebracht, in der aus diesen Theilen ausgetretenen Flüssigkeit.
In welchem Theile des gerade an dieser Stehe sehr complicirten Apparates sie ent-
halten gewesen, konnte ich nicht ermitteln ; später habe ich sie noch nicht wieder
gefunden.
Es liegt nahe, bei den langen Wimperfäden dieser Bläschen an die bei
unserer Schnecke einfach fadenförmigen, freilich mindestens noch 3 bis 4 mal so
langen Spermatozoiden zu denken. — Doch, es wird gerathener sein, vor der
Hand und bis genügendere Anhaltspunkte vorliegen, auf alle theoretisirenden
Betrachtungen zu verzichten.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel IL
Von den beigegebenen Figuren sind Fig. i — 8 unmittelbar aus dem Text klar. In
allen sind die Richtungsbläschen durch a bezeichnet; wo sie in der Zeichnung
fehlen, werden sie durch den Dotter verdeckt. — Fig. 3 stellt zwei in einer Eierschnur
nebeneinander gefundene Eier dar, das eine (a) mit zwei Dottern im Beginn der P'urchung,
das andere (d) mit einem einzelnen schon in zwei Furchungskugeln zerfallenen Dotter;
beachtenswert ist, wie ausser der Grösse auch die Lage der Richtungsbläschen und der
hellen Stelle des Dotters sie unterscheidet. — Die Figuren 6, c sind nach mit Weingeist
betupften, stärker gepressten Eiern gezeichnet; daher auch die schärfere Umgrenzung der
hellen Flecken der Kugeln.
Fig. 9 — 12 geben eine schematische Darstellung des Furchungsprocesses in seiner
Beziehung zu den Richtungsbläschen. Denkt man sich nämlich durch die Mitte des
Dotters ein rechtwinkliges Coordinatensystem der xyz so gelegt, dass die Axe der c durch
das (hier als stets einfach angenommene) Richtungsbläschen geht und die Ebene der yz die
erste Furchungsebene bildet, so geben die Fig. a die Projection des Dotters und Bläs-
chens auf die Ebene der x}', die Fig. b auf die Ebene der xz, die Fig. c auf die Ebene
der ^z, die Fig. d auf eine durch die Axe der z gehende Ebene, welche den rechten
Winkel zwischen den Ebenen der xz und yz halbirt; und zwar entspricht Fig. 9 dem in
Fig. I, Fig. IG dem in Fig. 3, b, — Fig. 11 dem in Fig. 5, Fig. 12 endlich dem in
Fig. 6 dargestellten Zustande des Dotters.
Orchestia Euchore und Gryphus, neue Arten
aus der Ostsee^).
Mit Tafel III.
Die Gattungen Talitrus und Orchestia bilden eine durch mehrfache Eigen-
thümlichkeiten des Baues und der Lebensweise ausgezeichnete Gruppe der Familie
der Gammarinen, deren Arten vorzugsweise wärmeren Meeren anzugehören, in
den arktischen Gewässern, der eigentlichen Heimath der typischen Gammarinen,
dagegen ganz zu fehlen scheinen ^).
In Bezug auf diese geographische Verbreitung der Gruppe, zugleich als Bei-
trag zur Kenntniss der heimischen Fauna, mag die Entdeckung zweier neuen
Ostsee-Arten nicht ohne Interesse sein. Ueberdies sind dieselben auch in syste-
matischer Hinsicht bemerkenswert!!. Während nämHch die genannten beiden
Gattungen in der Kürze der obern Antennen, im Bau der Mundtheile (Mangel
des Mandibularpalpus u. s. w.}, in der Grösse des fünften Epimerienpaares, in der Weise
der Bewegung, zahlreiche gemeinsame Abweichungen darbieten von dem gewöhn-
lichen Verhalten der Gammarinen, werden sie bekanntlich von einander einzig
durch das bei Orchestia mit grossen Händen versehene zweite Fusspaar unter-
schieden. Dass nun auch dies Merkmal keinen Gattungsunterschied begründen
könne, dafür liefern die beiden zu beschreibenden Arten einen neuen Beleg, indem
danach bei ihnen wie bei Orchestia platensis Kr., die Männchen zu Orchestia, die
Weibchen zu Talitrus gestellt werden müssten. Einstweilen mögen sie, nach
Kröyer's Vorgang, als Orchestien beschrieben werden.
Orchestia Euchore (Fig. i) ist von ziemlich schlanker Gestalt, massig von
den Seiten zusammengedrückt, von schmutzig bräunlicher Farbe und gegen
5'" lang.
Der Kopf ist, wie gewöhnlich, massig gross ohne vorspringende Stirn, mit
runden, ansehnlichen, schwarzen, dem Scheitel sehr nahestehenden, etwa um die
1) Archiv für Naturgeschichte. 1848. p. 53 — 64. Taf. IV.
2) Unter den zahlreichen von Kröyer beschriebenen grönländischen Amphipoden findet sich kein
Thier dieser Gruppe; eine einzige Art, Orch. nidrosiensis Kr., durch den Bau der Antennen und Kief er-
fasse schon an Gammarus sich annähernd, ist von der an Gammarinen so reichen norwegischen Küste be-
kannt geworden; dagegen sind z. B. aus Aegypten unter 5 Gammarinen 2 Orchestia und i Talitrus, aus
Südamerika unter ebenso viel 3 Orchestien, aus Neuholland und Neuseeland i Amphithoe, i Orchestia und
I TaUtrus beschrieben.
Orchestia Euchore und Gryphus. ^e
Breite ihres Durchmessers von einander entfernten Augen; derRücken glatt;
die Epimerien gross, das erste Paar kürzer und besonders schmäler, das fünfte,
unten tief ausgerandete, weit breiter als die dazwischenliegenden ; das sechste und
siebente klein; alle am unteren Rande kurz und schwach bewimpert.
Die obern Antennen, etwa von der Länge des Kopfes, reichen bis zum
Ende des vorletzten Stielgliedes der unteren ; ihre 5gliedrige Geissei ist fast ebenso
lang als der 3gliedrige Stiel.
Die untern Antennen erreichen etwa Vs der Körperlänge; Stiel und
Geissei sind gleich lang, letztere besteht aus i6 — 18 Gliedern, von denen das erste
doppelt so lang als die folgenden. Kurze Borsten finden sich am Ende der Geissei-
glieder und zerstreut längs der ganzen Stielglieder.
Die M u n d t h e i 1 e zeigen nichts Besonderes : die M a n d i b e In (Fig. 2) ziemlich
dick, ohne alle Spur eines Palpus, an der einwärts gebogenen Spitze in mehrere
hornige Zacken gespalten, darunter an der Innenseite sechs kurzgefiederte Borsten ;
unter diesen eine ansehnliche gefurchte Kaufläche; die Unterlippe (Fig. 3) fast
bis auf den Grund gespalten; des ersten Maxillenpaares (Fig. 4) äussere
Platte an der Spitze mit 8 bis g starken, an der Innenseite stumpf gezähnten hornigen
Dornen, die schmale innere Platte mit zwei einwärts gebogenen Federborsten ; eine
lange Federborste an der Innenseite der Innern Platte des zweiten Maxillen-
paares (Fig. 5) ; der Palpus der Kieferfüsse (Fig. 6) kurz, mit kurzem abgerundeten
Endgliede.
Die Füsse des ersten Paares sind ziemlich schwach; das vierte Glied
derselben nach dem Ende stark verbreitert, (von dreieckiger Form), am unteren
hintern Winkel mit starken Borsten bewaffnet und beim S mit einem häutigen
Saum eingefasst; das fünfte Glied ist beim S nach dem Ende verbreitert, unten
gerade abgeschnitten, am hintern Rande mit einem häutigen Saum eingefasst
(Fig. 7), beim $ von gleichmässiger Breite, ohne häutigen Saum, doch mit etwas
stärkeren Borsten längs des hinteren Randes (Fig. g). Die starke wenig ge-
krümmte Klaue (Fig. 8), deren Basis die halbe Breite vom untern Rande des
5ten Gliedes einnimmt, ist anscheinend zweigliedrig und trägt etwa in der Mitte
ihres Innenrandes zwei kurze dünne etwas gebogene Dornen.
Die Füsse des zweiten Paares sind durchweg bei beiden Geschlechtern
verschieden. Die der Männchen (Fig. 10) sind kräftige Greiffüsse; das erste
Glied von ziemlich gleichmässiger Breite; die drei folgenden, besonders das
vierte, sehr kurz; das 5te von sehr ansehnlicher Grösse, elliptisch (Breite zur
Länge etwa wie 3 : 4), mit schiefem, massig convexen mit kurzen Borsten besetzten
unteren Rande und einem kleinen abgerundeten Vorsprung an dessen hinteren
Ende. Die kräftige Klaue, von derselben Krümmung wie der untere Rand des
fünften Gliedes, und längs des Innenrandes einzelne sehr kurze fast haarförmige
Borsten tragend, reicht bis zu dem erwähnten Vorsprung.
Das zweite Fusspaar der Weibchen (Fig. 13) ist dünn und schwach; das
erste GHed ist blattförmig verbreitert, nach der Spitze stark verschmälert, mit
vorderem convexen gewimperten und hinterem geraden Rande; das vierte und
fünfte von ziemlich gleicher Grösse] und Form, nach unten stark verbreitert mit
einem häutigen Saum längs des Hinterrandes. Am Ende des vorderen geraden
Randes des fünften Gliedes (Fig. 14) ist die kurze ziemlich stark gekrümmte
fi Orchestia Euchore und Gryphus.
Klaue inserirt; sie reicht bis zum Ende eines von ihrer Basis schief nach unten
und hinten gerichteten geraden, dicht und kurz bewimperten Randes, und wird
überragt durch das abgerundete Ende des häutigen Saumes, der den längeren
convexen hinteren Rand einfasst. Die Seiten dieses GHedes tragen längs der
Grenze des häutigen Saumes mehrere Reihen dünner Borsten. — Das gegen-
seitige Verhältniss der 5 Fussglieder und der Klaue dieses Paares ist beim Männchen
ungefähr wie
10:3:3: 2: 15: 10;
beim Weibchen, wie 9:4:3:5: 5: i.
Diese auffallende Geschlechtsverschiedenheit ist indess um so weniger aus-
geprägt, je jünger die Thiere sind; noch bei einem Männchen von 74 der Länge
des Erwachsenen, welches 4 Geisselglieder an den oberen, 13 an den unteren
Antennen besass, war die Hand (Fig. i 2) auffallend klein ; bei einem anderen von
der halben Länge des Erwachsenen, mit 3 Geisseigliedern der oberen, 12 der
unteren Antennen, stand auch die Form der Hand (Fig. 11) so in der Mitte
zwischen der männlichen und weiblichen Bildung, dass danach allein das Ge-
schlecht nicht zu erkennen gewesen wäre.
Die übrigen Fusspaare zeigen nichts Auffallendes, als dass beim Männchen
das dritte und vierte Glied des siebenten Paares verdickt sind (Fig. i, a),
während beim Weibchen dies Paar dem sechsten ganz gleich gebildet ist. —
Die Längen Verhältnisse der 7 Fusspaare sind annähernd folgende:
Die Kiemen des ersten Paares (Fig. 13,^), am Grunde des zweiten Fuss-
paares befestigt, sind lang und schmal, 4 — 5mal so lang als breit, und wurm-
förmig gebogen; die übrigen vier Paare (Fig. 1 5) weit kürzer und von ovaler
Gestalt; alle mit einzelnen sehr zarten krausen Haaren besetzt.
Die Eierplatten der Weibchen, am Grunde des zweiten bis fünften Fuss-
paares sind lang, schmal, am Rande lang gewimpert; sie nehmen, bei ziemUch
gleicher Breite, der Reihe nach an Länge ab, so dass die erste (Fig. 13, c) gegen
4mal, die letzte nur doppelt so lang als breit ist.
Die Schwimmfüsse sind schmächtig ; das Basalglied, besonders des ersten
Paares, weit länger als die aus gegen 8 Gliedern bestehenden, mit wenigen kurz
und fein gefiederten Borsten besetzten Aeste.
Von den drei letzten Afterfusspaaren, den Springfüssen, ist das erste
bei weitem das längste, das dritte (Fig. 16) sehr kurz mit einem einzigen konischen
Endghede. — (Das Verhältniss dieser drei Fusspaare ist etwa 8:5:2).
Es ist endlich ein einziger Schwanzanhang (Fig, 17) vorhanden, eine
ziemlich dicke, in der Mitte seicht ausgerandete Platte, die jederseits am Ende
sowohl als auf der obern Fläche mit drei Dornen bewaffnet ist.
Zunächst verwandt mit der eben beschriebenen Art ist die Orchestia platensis
Kr. ^) von Montevideo, unterschieden jedoch durch die nur i4gliedrige Geissei
der unteren Antennen, durch die elliptischen Augen, die unbewaffnete Klaue des
i) Kröyer's Naturhistorisk Tidsskrift. Ny Räkke. Bd. i. Hft 3. 1844. p. 304.
Orchestia Euchore und Gryphus. ^^
ersten Fusspaars, den abgestutzten nicht ausgerandeten, mit nur lo Borsten be-
setzten Schwanzanhang. Von dem Männchen unterscheidet sich ferner Orch.
littorea Leach durch die fast rudimentäre Klaue des ersten Fusspaares; von dem
Weibchen TaHtrus saltator Edw. durch das weit kräftigere erste Fusspaar, durch
das nach dem Ende verdünnte 5te Glied desselben, dessen ganzen Endrand die
Klaue einnimmt, durch Form und Grössenverhältniss der letzten Glieder des
zweiten Fusspaares u. s. w., T. Beaucoudraii Edw. durch die das Ende des fünften
Gliedes überragende Klaue des zweiten Fusspaares.
Ich fand die Orchestia Euchore an der Ostküste Rügens, an dem steinigen
Strande zwischen Sassnitz und Stubbenkammer, in immenser Häufigkeit. Wo
nur irgend zwischen den Steinen, sicher vor den Wellen des Meeres, unter einer
Decke von Laub oder Tang ein feuchtes Plätzchen sich fand, da sah man, sobald
man die Decke hob, hunderte nach allen Seiten mit ungemeiner Behendigkeit
in grossen Sätzen davonspringen und kaum hatte man ein Thier gefasst, so war
auch schon der ganze Schwärm in die Spalten des umliegenden Gerölles ver-
schwunden.
Orchestia Gryphus (Fig. i8) ist im Habitus dem Talitrus saltator Edw. sehr
ähnlich, von mehr gedrungenem Bau als O. Euchore, wenig seitlich zusammen-
gedrückt, von blassgelblicher Farbe, glänzend glatt und gegen 4'" lang.
Der Kopf ist massig gross, ohne vorspringende Stirn, mit runden schwarzen
Augen, die etwa um das Doppelte ihres Durchmessers von einander entfernt
stehen ; der Rücken glatt ; die E p i m e r i e n , wie bei O. Euchore, der vordere
untere Rand des ersten besonders stark bewimpert.
Die oberen Antennen sind etwas kürzer als der Kopf ; der dreigliedrige
Stiel, dessen mittelstes Glied das bei weitem längste, ist über doppelt so lang,
als die ögliedrige Geissei. Die unteren Antennen des Männchens erreichen
etwa die Hälfte der Körperlänge; das erste und zweite Glied des Stieles sind
sehr kurz; das vierte, leicht nach unten gekrümmt, bildet reichlich die Plälfte
des ganzen Stiels und ist von ungefähr gleicher Länge mit der aus 20 Gliedern
bestehenden Geissei. Die Borsten an den Seiten der Stiel- und am Ende der
Geisselglieder sind sehr kurz. Beim Weibchen i) sind die unteren Antennen
weit kürzer, zeigen jedoch dasselbe gegenseitige Verhältniss der einzelnen Stiel-
glieder und des Stiels zur Geissei; — sie erreichen nur Vs der Körperlänge (?).
Die Mundtheile zeigten sich nur durch die weit stärker vorspringende
Kaufläche der Mandibeln, über welcher nur vier Federborsten gezählt wurden,
von denen der O. Euchore verschieden.
Das erste Fusspaar des Männchens (Fig. 19) ist von massiger Grösse;
das erste Glied lang, mit vorderem geraden, hinterem etwas convexen Rande,
wenig nach dem Ende zu verbreitert ; die beiden folgenden kurz ; das vierte nach
dem Ende zu stark verbreitert; das fünfte etwas kürzer als das vorhergehende.
i) Ich muss bemerken, dass das einzige Weibchen, welches sich unter meinen Exemplaren befand, noch
nicht völlig ausgewachsen war; die Grösse differirte nicht merklich von der des ausgewachsenen Männchens,
doch hatte die Geissei der unteren Antennen nur 15 Glieder und die Eieqjlatten waren in einem noch
sehr unentwickelten Zustande. Uebrigens pflegt ja in unserer Familie die relative Länge der Antennen,
im Verhältniss zum Körper, vom Alter ziemlich unabhängig zu sein, mindestens nicht mit der Zunahme
der absoluten Länge und der Gliederzahl in gleichem Masse zu wachsen.
^g Orchestia Euchore und Grjrphus.
gleichmässig breit; alle am hintern Rande mit ziemlich starken Borsten bewaffnet;
das vierte und fünfte am hinteren unteren Winkel mit kleinen abgerundeten
häutigen Vorsprüngen versehen; die Klaue (Fig. 20) stark, halb so lang als das
fünfte GUed, anscheinend zweigliedrig mit einem kleinen gekrümmten Dorn in
der Mitte des Innenrandes. — Beim Weibchen zeigte dieses Fusspaar eine ganz
gleiche Bildung; nur wurden (vielleicht als blosse Altersdifferenz) die häutigen
Vorsprünge am 4ten und 5ten Gliede und der Dorn an der Klaue vermisst.
Die Füsse des zweiten Paares sind beim Männchen (Fig. 21) kräftige
Greiffüsse von sehr charakteristischer Form: das erste Glied ist lang, ziemlich
schmal und gleichmässig breit; das zweite und das knieförmig gebogene dritte
kurz; das vierte bildet nur einen schmalen Wulst an der Basis des sehr grossen
fünften ; dies ist sehr breit und theilt sich in einen dickeren und längeren vorderen
(oder oberen) und einen kürzeren, schmäleren, in eine scharfe Spitze auslaufenden
hinteren (oder unteren) Ast, die einen Winkel von ungefähr 45 ^ einschliessen.
Im Grunde des zwischen beiden Aesten liegenden tiefen Ausschnittes findet sich
ein kleiner flach gewölbter Vorsprung. An der Spitze des vorderen Astes inserirt
sich die starke, schwach und besonders nur nach der Spitze zu gebogene Klaue,
die nicht völlig bis zur Spitze des hinteren Astes reicht und längs des Innenrandes
einzelne sehr kurze, feine Borsten trägt, während der ihr gegenüberliegende Rand
des vorderen Astes mit etwas stärkeren Borsten besetzt ist. — Das zweite Fuss-
paar des Weibchens (Fig. 2 2) hat grosse Aehnlichkeit mit dem der Orch.
Euchore; nur ist das erste Glied weniger blattförmig erweitert und hat den vor-
deren und hinteren Rand in gleicher Weise gebogen; das vierte Glied ist etwas
länger als das fünfte, hat seine grösste Breite nahe der Basis und zeigt hier am
hintern Rande einen starken, gerade abgestutzten Vorsprung; das fünfte Glied
mit der Klaue (Fig. 23) ist ganz wie bei Orch. Euchore gebildet, nur wurden ein
paar stärkere Borsten am Ende des der Klaue gegenüberliegenden schiefen Randes,
die dort sich finden (cf. Fig. 14), hier vermisst.
Die übrigen P'üsse sind von gewöhnlichem Bau; das sechste und siebente
Paar von fast gleicher Länge und auch beim Männchen von gleicher Form, ohne
Verdickung des dritten und vierten Gliedes am siebenten Paare. — Die Längen-
verhältnisse der Füsse sind annähernd (beim S), wie:
10 : 1 1 : 12 : 10 : 9 : 15 : 15.
Die Kiemen des ersten Paares (Fig. 24) sind wie bei Orch. Euchore
lang, schmal, wurmförmig gebogen; die des zweiten und dritten (Fig. 25)
kürzer und breiter, doch noch etwas gebogen ; die des vierten und fünften Paares
(Fig. 26) endlich einfach oval.
Die Schwimm füsse sind massig stark, alle drei Paare von fast gleicher
Länge; die Basalglieder etwas kürzer (etwa um Y5) als die aus ungefähr einem
Dutzend Gliedern bestehenden mit Federborsten besetzten Aeste.
Die drei Springfusspaare (Fig. 27) stehen etwa in dem Verhältniss von
4:2: I ; das Basalglied des ersten verhält sich zu dessen äusserem und innerem
Aste, wie 5:4:3; beim zweiten sind Basalglied und äusserer Ast gleich lang,
wenig länger als der innere Ast; das letzte (Fig. 28) trägt auf einem dicken
konischen Basalglied ein einziges weit schmäleres, an Länge diesem ziemlich
gleiches Endglied.
Orchestia Euchore und Gryphus. ^q
Der Schwanzanhang bildet eine einzige, dicke, seicht ausgerandete Platte
von der Länge der letzten Springfüsse, mit sechs Borsten an seinem Ende und
gegen lo an seiner oberen Fläche.
Das Männchen der Orchestia Gryphus unterscheidet sich von allen bei
Edwards (Hist. nat. des Crust. III. p. 1 5) aufgeführten Arten dadurch, dass
nicht, wie dort als allgemeines Merkmal hingestellt wird, die Füsse des ersten
Paares eine kleine unvollkommen scheerenförmige Hand besitzen, sondern einfache
Geh- oder Grabfüsse sind. Auch sonst ist unter allen beschriebenen Arten nur die
ägyptische O. Deshayesii Aud. ähnlich, und zwar nach der kurzen von Edwards
gegebenen Beschreibung in hohem Grade. — Das Weibchen unterscheidet sich
von Talitrus saltator Edw. durch das bei weitem schwächere erste Fusspaar, von
T. Beaucoudraii Edw.. wie Orch. Euchore.
Von Orchestia Gryphus wurden nur wenige Exemplare an der Ostküste
Rügens, an dem sandigen Gestade zwischen dem Peerd (auf Mönchgut) und dem
Kieköwer gefunden in Gesellschaft des dort sehr häufigen Talitrus saltator.
Eine genügende Diagnose unserer beiden Arten aufstellen zu wollen, würde
vergeblich sein, bevor eine kritische Revision der bisher beschriebenen Talitrus
und Orchestia stattgefunden; manches, was in den vorhandenen Beschreibungen
als oft fast einziges Art-, selbst als Gattungsmerkmal betrachtet wird, — Länge
der unteren Antennen, Bildung der ersten beiden Fusspaare, Verdickung des
siebenten Fusspaares, — rnag auch hier als blosser Geschlechtsunterschied sich
herausstellen. Es genüge einstweilen für die drei Arten, deren auffallende Ge-
schlechtsdifferenz bis jetzt bekannt ist, und die später wahrscheinlich in eine eigene
Gattung vereinigt werden müssen, die wichtigsten sowohl gemeinschaftlichen als
unterscheidenden Merkmale hervorzuheben:
Orchestia platensis, Euchore et Gryphus inter se conveniunt:
Antennis sup. capitis longitudinem haud aut vix superantibus ; m a n d i -
bulis palpi ne vestigio quidem gaudentibus; maxillarum paris F lamina
interna angusta setis pinnatis curvatis duabus instructa; palpi pedum maxil-
larium articulo ultimo brevi lato rotundato; pedibus II' paris in cf manu
valido instructis, in $ debilibus, ungue exiguo articuli V» foliaceo-dilatati, cujus
margini anterior! inseritur, apicem haud superante praeditis; branchiis F paris
angustis elongatis flexuosis ; pedibus saltatoriis paris ultimi exiguis conicis,
stylo terminah unico donatis; lamina caudali unica crassiuscula, spinis ornata.
Diff erunt :
Orchestia platensis Kr.
Antennis superioribus caput longitudine aequantibus aut vix superantibus ;
antennis Inf. vix tertiam corporis partem longitudine aequantibus, pedunculo
flagellum i4articulatum parum excedente; oculis ellipticis; primi pedis ar-
ticulo quinto apicem versus in d dilatato, haud dilatato in ?, ungue valido inenni ;
manu pedis secundi in d lata ovaH; pedis septimi articulo quarto in d in-
crassato, in $ gracili; lamina caudali truncata; longitudine Hnearum 6.
Orchestia Euchore F. Müll.
Antennis superioribus caput, inferioribus tertiam corporis partem,
harum pedunculo flagellum iSarticulatum longitudine aequantibus; oculis rotun-
dis; primi pedis articulo quinto apicem versus in d dilatato, haud dilatato in ?,
Fritz Müllers gesammelte Schriften. ^
j-Q Orchestia Euchore und Grj'phus.
ungue valido spinulis duabus in margine interiore armato ; manu pedis secundi
in J ovali; pedis septimi articulo quarto in S incrassato, in $ gracili; lamina
caudali emarginata; long. 5'".
Orchestia Gryphus F. Müll.
Antennis siip. capite brevioribus; inferioribus in S dimidiam, in $
qiiintam (?) corporis partem longitudine aequantibus, flagello 2oarticulato pedun-
culi dimidiam subaequante; oculis rotundis; primi pedis articulo quinto nee
in c^, nee in ? dilatato, ungue valido spinula unica in margine interiore armato;
manu pedis secundi lata, incisura profunda in ramos duos divisa, anteriorem
longiorem latiorem unguigerum, posteriorem acuminatum; pedis septimi arti-
culo quarto in utroque sexu gracili; lamina caudali emarginata; long. 4'".
Bemerkungen zu Zaddach's Synopseos Crustaceorum
Borussicorum prodromus^).
1, In dem Gattungscharakter von Leptocheirus ist (1. c. p. 7) der Mangel
der Nebengeissel an den obern Antennen aufgenommen. Eine solche ist aber bei
L. pilosus Zadd., der einzigen, im Greifswalder Bodden nicht eben seltenen Art,
in der That vorhanden, wenn auch in sehr rudimentärem Zustande, reducirt auf
ein einziges kleines Glied, welches kaum die halbe Breite und Y2 bis ^4 der
Länge des ersten Geisselgliedes erreicht und an der Spitze mehrere Borsten trägt,
unter denen in der Regel eine, oft das zweite Geisseiglied überragend, durch Länge
sich auszeichnet. Da diese winzige Nebengeissel meist an der Innern Seite des
ersten Geisseigliedes verborgen liegt, würde sie leicht der Aufmerksamkeit ent-
gehen, wenn dieselbe nicht durch die an der Seite dieses Gliedes hervortretenden
Endborsten derselben darauf hingelenkt würde,
2. Die Jaera der Ostsee, die von Z ad dach (1. c. p. 11) als J. Kröyerii Edw.
ausführlicher beschrieben wird und die ebenfalls im Greifswalder Bodden und an
der Rügenschen Küste unter Steinen einzeln vorkommt, kann ich nicht für die
genannte Art halten.
Milne Edwards sagt nämlich von seiner Jaera Kröyerii (Hist. nat. des
Crust. in. p. 149): „Corps tres-etroit; ... l'abdomen se termine par un petit
prolongement scutiforme de chaque cote duquel est une echancrure semi-
circulaire oü s'inserent les dernieres fausses pates." — Unsere Jaera dagegen ist
nur kaum dreimal so lang als breit und eine solche schildförmige Verlängerung
des Hinterleibes fehlt ihr; im Gegentheil zeigt das Ende desselben (Fig. 29), wie
auch Zaddach richtig angiebt, einen breiten mehr oder weniger tiefen Ausschnitt,
in welchem die styli caudales liegen.
I) Archiv für Naturgeschichte. 1848. I. p. 62 — 64.
\
Orchestia Euchore und Gryphus. c j
Diese Unterschiede berechtigen wohl, sie als eigene Art zu betrachten, die
sich von Jaera Kröyerii durch die angegebene Abweichung im Bau des Hinter-
leibes und den breiteren Körper, und wie diese von J. nivalis Kr. durch die Länge
der äussern Antennen, von J. albifrons Leach durch die von einander weit ent-
fernten Augen unterscheidet. Sie giebt ein neues Beispiel für die Eigenthümlich-
keit der Crustaceenfauna der Ostsee und mag den Namen Jaera baltica führen,
Erklärung- der Abbildungen auf Tafel IIL
Fig. I. Orchestia Euchore cj, dreimal vergrössert.
Fig. 2. Mandibel derselben.
Fig. 3. Unterlippe.
Fig. 4. Erste Maxille.
Fig. 5. Zweite Maxille.
Fig. 6. Kieferfüsse.
Fig. 7. Erstes Fusspaar des cj".
Fig. 8. Klaue desselben, mehr vergrössert.
Fig. g. Die letzten Glieder desselben Fusspaares vom $.
Fig. IG. Zweites Fusspaar des c^.
Fig. II u. 12. Dasselbe von jüngeren Männchen.
Fig. 13. Dasselbe vom Weibchen; a epimerum, ö erste Kieme, c Eierplatte.
Fig. 14. Dieses Fusses fünftes Glied mit der Klaue, stärker vergrössert.
Fig. 15. Kieme des zweiten Paares.
Fig. 16. Letztes Hinterleibsfusspaar.
Fig. 17. Schwanzanhang, von oben.
Fig. 18. Orchestia Gryphus (J, viermal vergrössert.
Fig. 19. Erstes Fusspaar des S-
Fig. 20. Dessen Klaue, stärker vergrössert.
Fig. 21. Zweites Fusspaar des S-
Fig. 22. Dasselbe vom 5.
Fig. 2T,. Dieses Fusses fünftes Glied mit der Klaue, stärker vergrössert,
Fig. 24. Kieme des ersten,
Fig. 25. des zweiten,
Fig. 26. des fünften Paares.
Fig. 27. Die drei letzten Hinterleibssegmente.
Fig. 28. Letztes Hinterleibsfusspaar, mehr vergrössert.
Fig. 29. Hinterleib der Jaera baltica, von oben.
lieber die Begattung der Clepsine complanata Sav.^).
(Glossiphonia sexoculata Moq. Tand. Monogr. ed. 2.)
Die älteste Beobachtung über die Begattung der Clepsinen scheint in
folgender paradox klingenden Mittheilung von Henle (Müll. Arch. 1837. P- 88)
enthalten zu sein: „Die Begattung ist bei Helluo^) nicht, wie man allgemein
nach der Analogie des medicinischen Blutegels annimmt, eine gegenseitige, sondern
ein Individuum spielt die Rolle des Männchens, das andere die des Weibchens,
Der doppelte Penis des Männchens, nur zur Begattungszeit sichtbar, sitzt auf der
linken Seite des Rückens, etwas weiter nach hinten, als die gewöhnlich sogenannte
weibliche Geschlechtsöffnung am Bauche; er wird in die vordere am Bauche ge-
legene Geschlechtsöffnung des anderen Thieres, die nach Moquin Tandon als
männlich gilt, eingeführt. Dieses, das Weibchen, hat aber auch nicht selten einen
doppelten, dem Rückcnpenis des Männchens ganz ähnlichen Penis am Bauche
ganz umsonst hervorgestreckt, vor der Oeffnung, welche den Rückenpenis des
Männchens aufnimmt. Die inneren Geschlechtstheile beider in der Begattung
begriffenen Thiere enthalten aber sowohl Eier, als bewegliche Fäden." — Scheint
nicht diese Darstellung Allem, was wir über den Bau der Clepsinen wissen,
geradezu Hohn zu sprechen ? Es sind zwei Geschlechtsöffnungen in der Mittel-
linie der Bauchfläche vorhanden, von denen die vordere mit aller Bestimmtheit
als männliche, die hintere als weibliche anzusprechen ist; mit der Rückenfläche
stehen die inneren Geschlechtstheile in keinerlei Verbindung; das Thier zeigt in
allen seinen Organen vollkommene seitliche Symmetrie; — und nun soll links auf
dem Rücken ein Penis hervortreten, um in die vordere männliche Geschlechts-
öffnung eines anderen Individuums eingeführt zu werden, während oft dies andere
als Weibchen fungierende Individuum einen ähnlichen Penis „ganz umsonst" am
Bauche vor der männlichen Geschlechtsöffnung hervorstreckt! — Dass trotz alledem
Henle, wenn er auch das Gesehene falsch deutet, wenigstens richtig gesehen,
wird das Folgende ergeben.
Eine weitere Mittheilung über die Begattung der Clepsinen, nach im Früh-
jahr 1844 angestellten Beobachtungen, gab ich selbst in meiner Inauguraldisser-
i) Zeitung für Zoologie, Zootomie und Palaeozoologie von E. D'Alton und II. Burmeister. 1849. I.
p. 197-199.
2) Die Gattung Helluo Ok. umfasste bekanntlich Nephelis und Clepsine Sav. ; auf Nephelis aber
kann sich Henle's Mittheilung wohl nicht beziehen, da hier nach Johnson's Beobachtung (cf. Moq.
Tand. Monogr. des Ilirud. ed. 2. p. 168) die Begattung ganz wie bei Sanguisuga geschehen soll.
Clepsine complanata. co
tation „de hirudinibus circa Berolinum hucusque observatis." Berol. 1844. p. 33.
= Ges. Schriften p. 21. — Clepsine tessulata sah ich in gegenseitiger Begattung
Tage lang vereinigt ; bei Clepsine complanata gelang es mir nicht, eine Begattung
zu beobachten ; dagegen fand ich kurz vor dem Eierlegen an beiden Seiten der Bauch-
fläche bald einzeln, bald in mehrfacher Zahl, bald dem vorderen, bald dem hinteren
Körperende näher, eigen thümliche fadenförmige, 3 bis 5 Körperringen an Länge
gleiche, einfache oder bis zum Grunde zweispaltige Körper vorgestreckt, ohne über
ihren etwaigen Zusammenhang mit den Geschlechtstheilen und über ilire Function
etwas Näheres ermitteln zu können. Sie erinnerten mich an die sogenannten Penes
der Lumbricinen (appendiculae generatrices nach Morren), die freilich, selbst
vollkommen räthselhaft, für ihre Deutung keinen Anhaltspunkt bieten konnten.
Im Frühjahr dieses Jahres hatte ich endlich Gelegenheit, an zahlreichen aus-
gezeichnet grossen Exemplaren von Clepsine complanata (an Stratiotes aloides in
Gräben bei Loitz an der Peene gefangen) wiederholt den Vorgang der Be-
gattung vollständiger zu verfolgen:
Aus den Hoden tritt die Samenflüssigkeit durch die engen seitlichen Aus-
führungsgänge in die langen gewundenen sog. Nebenhoden (cf. Müll. Arch. 1846.
Tab. VIII. fig. 5, a = Ges. Schriften Taf. I. fig. 5, a). Erschien vorher ein ununter-
brochener milchweisser Streifen zu jeder Seite der in der Mittellinie der Bauchfläche
durchschimmernden Eierstöcke, indem die prall gefüllten Hodenbläschen sich
gegenseitig berührten, so lassen sich nun bald die einzelnen sich entieerenden Hoden
unterscheiden und in einigen Tagen sind diese kaum hirsekorngrossen, um je drei
Ringe von einander entfernten weisslichen Flecken zusammengeschrumpft. An ihrer
Stelle sieht man nun nicht selten die gefüllten Windungen der Nebenhoden durch
die Bauchdecken durchschimmern, die jedoch öfter durch die unter ihnen liegenden
Eierstöcke vollständig dem Auge entzogen werden. — Das Mikroskop zeigt nun in
den Nebenhoden zu garbenförmigen Bündeln vereinigte, unbewegliche Spermatozo-
iden ; die grossen scheibenförmigen Zellenkerne, denen diese bei ihrer Entwicklung
aufsitzen, scheinen nicht mit aus den Hoden überzutreten. — Durch die Nebenhoden
gelangt die Samenmasse in die beiden von der vorderen Geschlechtsöffnung quer
nach aussen gehenden Schenkel der sog. Ruthenscheide {cf. a. a. O. fig. 5, b), —
dehnt diese, hier sich ansammelnd, aus und lässt sie in diesem gefüllten Zustande
als einen weissen Querbalken, in dessen Mitte die Geschlechtsöffnung, durch die
Bauchwand durchschimmern. — Mit langgerecktem Vorderende nach allen Seiten
hin tastend wandert nun das sonst so träge Thier munter umher, bis es ein anderes
Individuum seiner Art entdeckt. An dieses saugt es mit dem Kopfe sich an,
drückt die männUche Geschlechtsöffnung fest an dessen Leib, und indem es nach
einiger Zeit sich langsam wieder entfernt, lässt es aus dieser Oeffnung die von
einer ziemlich derben, anscheinend structurlosen Hülle umgebene in der Ruthen-
scheide angesammelte Samenmasse austreten, welche während des Andrückens
der Geschlechtsöffnung an das andere Individuum angeklebt worden ist. — Es
geschieht also die Begattung bei Clepsine complanata, wie bei den Ccphalo-
p o d e n , bei Cyclopsina u. s. w., durch Spermatophoren. Es bestehen dieselben
aus zwei meist ihrer ganzen Länge nach fest mit einander verklebten (den beiden
Schenkeln der Ruthenscheide entsprechenden) Schläuchen, die von der dünneren
Anheftungsstelle aus allmälig nach dem zuletzt austretenden kolbigen Ende zu
CA Clepsine complanata.
sich verdicken, an diesem Ende eine dünne kurze hakenförmig nach aussen ge-
bogene, mit einem feinen Kanal versehene Spitze tragen, und prall mit Spermato-
zoidenbündeln gefüllt sind. — Meist werden diese Samenschläuche auf der Bauch-
fläche, am gewöhnlichsten an der vorderen Körperhälfte, nahe der weiblichen
Geschlechtsöffnung angeheftet; häufig genug aber auch, wenn das brünstige
Männchen nicht rasch und bequem genug unter den platt aufliegenden Bauch
des Weibchens gelangen kann, am Rande des Körpers oder auf dem Rücken.
So erklärt sich der vom Rücken entspringende in die vordere Geschlechtsöffnung
des anderen Thieres eingeführte doppelte Penis, den He nie beobachtete, als ein
dem Rücken angehefteter, aus dieser Oeffnung vortretender Samenschlauch, und
der „ganz umsonst" am Bauche des Weibchens vorgestreckte Penis als ein eben
solcher Samenschlauch, mit dem dasselbe zufällig kurz zuvor von irgend einem
andern Individuum beschenkt worden war.
Die entleerte Ruthenscheide füllt sich nun aufs Neue mit Samenflüssigkeit,
und auf gleiche Weise werden neue Spermatophoren erzeugt und abgesetzt, bis
in etwa zwei Tagen der gesammte Samenvorrath des Thieres verbraucht ist. Die
angehefteten Spermatophoren entleeren sich ziemlich rasch ihres Inhaltes ; bei den
an der Bauchfläche befestigten wirkt bei dieser Entleerung mit der Druck, den
das Thier darauf ausübt, indem es mit Kopf und Schwanzscheibe festsitzend in
wellenförmigen Bewegungen den Körper bald von der Unterlage entfernt, bald
gegen sie anpresst; bei jedesmaligem Anpressen kann man oft ein weisses Wölk-
chen aus dem Samenschlauch austreten und sich im Wasser vertheilen sehen.
Gleichzeitig beobachtete ich einige Male deutlich ein abwechselndes Oeffnen und
Schliessen der weiblichen Geschlechtsöffnung (bei diesen Exemplaren, wie bei
Cleps. verrucata F. Müll., von einem dunkeln Ring umgeben und deshalb sehr
in die Augen fallend), die so das mit Wasser verdünnte Sperma gleichsam ein-
zuschlucken schien. Spermatozoiden in lebhafter Bewegung, meist einzeln, selten
zu kleinen Bündeln vereinigt, fand ich um die noch an ihren Strängen festsitzenden
Eier (a. a. O. fig, 9 u. 10), in den sie umschliessenden weiten Schläuchen (a, a. O.
fig. 5, c), den gewöhnlich sogenannten Eierstöcken.
Gefüllt fallen die Spermatophoren durch ihre Grösse (bis über T" lang) und
ihre milchweisse Färbung sehr in die Augen, weit weniger nach der Entleerung;
sie sind nun sehr zusammengefallen, fast ganz farblos und durchsichtig, und bleiben
in diesem Zustande, in welchem allein ich sie früher beobachtet hatte, oft noch
Tage lang hängen.
Ob bei anderen Arten der Gattung Clepsine (nur von Cl. tessulata ist bis
jetzt meines Wissens die Begattung beobachtet), ob in andern Gattungen der
Familie der Hirudineen eine ähnliche Spermatophorenbildung vorkommt, müssen
weitere Beobachtungen lehren. Mehr als wahrscheinlich ist mir aber ihr häufigeres
Vorkommen in der Familie der Lumbricinen; denn als Spermatophoren
glaube ich jetzt die längst bekannten räthselhaften Anhänge deuten zu müssen,
die man bald als Appendiculae generatrices, bald als Penes beschrieben hat. Aus
den Angaben von Hoffmeister über diese Anhänge (W. Hoffm., die bis jetzt
bekannten Arten aus der Familie der Regenwürmer. Braunschweig 1845. p. 8 von
Lumbric. Agricola; p. 30 von L. riparius; p. 41 von Criodrilus lacuum), die ich
zum Theil aus eigener Anschauung bestätigen kann, ergeben sich nämlich folgende
Clepsine complanata. ec
Gründe für diese Deutung: ihr Vorkommen zur Zeit der Fortpflanzung und in
der Gegend der Geschlechtstheile, — ihr Mangel an Zusammenhang mit inneren
Organen, — ihre Veränderlichkeit nach Zahl und Ort der Anheftung. An die
sonstige Uebereinstimmung, die im Gegensatz zu den übrigen Anneliden,
Blutegel und Regenwürmer in Bezug auf Fortpflanzung zeigen (Herm-
aphroditismus, Bildung von Eierkapseln, Mangel der Metamorphose), dürfte in
zweiter Reihe zu erinnern sein, um eine ähnliche Bedeutung der ähnlichen Organe
bei unserer Clepsine und den genannten Lumbricinen wahrscheinlich zu machen.
— Zu entscheidenden Untersuchungen über diese Penes der Regenwürmer dürfte
sich besonders der grosse, an den Wurzeln von Sagittaria im Teglersee bei Berhn
häufige Criodrilus lacuum Hoffm. eigenen, an dem ich in den Sommermonaten
diese Anhänge nie vermisst habe.
Notiz 1).
Ueber die Fortpflanzung von Sphaeroma Aega u. s. w. ist durch den Mangel
blattförmiger Anhänge zur Bildung einer äusseren Bruttasche die Ansicht ver-
anlasst worden, dass diese Thiere ihre Eier dem Wasser zum Brüten übergeben,
eine Ansicht, die namentlich von Rathke ausgesprochen worden ist. (Entwick-
lung der Crustaceen in Burdach's Physiologie. 2. Ausg. und Nov. Act. Ac. Nat.
Cur. vol. XX. p. I. 1843. p. 29.) Diese Ansicht ist wenigstens für Sphaeroma
unrichtig. Die jungen Sphaeromen entwickeln sich vielmehr im Leibe der Mutter;
Sphaeromaist lebendig gebärend, wie ich mich an einer in der Ostsee bei Greifs-
wald sehr häufigen, noch unbenannten Art zu überzeugen Gelegenheit hatte.
l) Findet sich xinmittelbar im Anschluss an die vorstehende Arbeit an derselben Stelle.
Tanais Rhynchites und balticus, neue Arten
aus der Ostsee^).
Mit Tafel IV, Fig. 1—4.
Im Sommer 1848 fand ich im Greifswalder Bodden zwischen Furcellaria
fastigiata Lamx. (Fucus furcellatus Linn.) einige kleine Crustaceen aus der sonder-
baren Gattung Tanais, die sich bei näherer Untersuchung als zwei neuen Arten
angehörig erwiesen. Die damals entworfene Beschreibung blieb aus Mangel an
Material und Zeit unvollendet und deshalb unpublicirt. Jetzt im Begriffe, die
Gestade der Ostsee für immer zu verlassen, habe ich keine Aussicht, das Fehlende
selbst ergänzen zu können; das damals Aufgezeichnete mag also wenigstens dienen,
das Vorkommen dieser Thiere in der Ostsee zu constatieren und die anwohnenden
Zoologen avif diese interessanten Bürger ihrer Fauna aufmerksam zu machen.
Die Stellung der neuen Arten unter den bisher beschriebenen ergibt sich
zunächst aus folgender Uebersicht:
I. Der unbewegliche Finger der Scheere des ersten Fusspaares ist die gerade
Fortsetzung vom Ende des vorletzten Gliedes.
A. Obere Fühler lang (Y3 der Körperlänge) T. Edwardsii Kr.
B. Obere Fühler kurz.
1. Schwanzanhänge ohne Nebengeissel, dreigliedrig. T. tomentosus Kr.,
und die Edwards'schen Arten.
2. Schwanzanhänge mit Nebengeissel; dieselbe
a. eingliedrig: T. Savignyi Kr., dubius Kr., balticus F. Müll.
b. zweigliedrig: T. gracilis Kr., Oerstedii Kr.
II. Der unbewegliche Finger keulenförmig, von der Basis des vorletzten Gliedes
senkrecht abstehend. — T. Curculio Kr,, T. Rhynchites F. Müll.
Tanais Rhynchites ist glänzend gelblichweiss gefärbt, etwa 3 mm lang,
etwa 1/2 mm breit. Das grosse Kopfschild, von etwa Y4 der gesammten Körper-
länge, ist von hinten nach vorn erst allmählich, dann plötzlich in einen Vs der
Kopflänge betragenden, dünnen gerade vorgestreckten, schnabelartigen Fortsatz
ausgezogen, der an seiner Spitze die Fühler, an deren Basis die Augen trägt.
Die oberen Fühler, von etwa Ve der Körperlänge, ziemlich plump, 5-gliedrig,
Archiv für Naturgeschichte. 1852. I. p. 87 — 90. Taf. IV, Fig. i — 4.
Tanais Rhynchites und balticus. =7
Stehen dicht nebeneinander am Vorderende des schnabelförmigen Fortsatzes; das
erste Glied ist das längste. Die unteren Fühler, etwas dünner und kürzer als die
oberen, sind auch 5-gliedrig (mit sechstem rudimentären Endgliede); die 3 ersten
Glieder sind kurz und dick, das vierte schlank und so lang wie die drei ersten
zusammengenommen.
Dicht hinter dem Grunde der oberen Fühler liegen die schwarzen rundlichen
Augen. Das erste Fusspaar (Fig. i u. 2) ist unförmlich gross und dick; mit aus-
gestrecktem Endgliede beträgt seine Länge über die Hälfte der gesammten
Körperlänge. Fünf Glieder sind daran mit Bestimmtheit zu unterscheiden: das
fast quadratförmige erste Glied articulirt mit seinem obern Rand und der hinteren
oberen Ecke mit dem Körper; der hintere und untere Rand sind frei; an den
vorderen Rand (die Füsse in ihrer gewöhnlichen Lage, gerade nach vorn gerichtet)
schliessen sich das zweite und dritte Glied an. Während nämlich in der obern
Hälfte dieses Randes das grosse dritte Glied unmittelbar mit dem ersten sich ver-
bindet, sind dieselben in der untern Hälfte durch das kleine dreieckige zweite
Glied getrennt. Das dritte Glied, das breiteste von allen, ist viereckig und die
untere Hälfte seines Vorderrandes in eine ziemlich gerade nach vorn und etwas
nach abwärts gerichtete gleichmässig breite Lamelle mit oberer abgerundeter und
unterer fast rechtwinkliger Vorderecke verlängert. Diese Lamelle bedeckt einen
Theil der Aussenfläche des folgenden Gliedes. Dies vierte Glied, etwas kürzer
und schon an der Basis etwas schmäler als das vorige, ist nach der Spitze zu
allmählich verdünnt. Von seinem unteren Rande entspringt, ziemlich rechtwinklig
zu der Achse des Gliedes ein keulenförmiger Fortsatz mit gerade abgestutztem
Ende; den Stiel der Keule deckt am Grunde nach aussen die vorspringende Lamelle
des dritten Fussgliedes. Die Länge dieser Keule, die den unbeweglichen Finger
der Scheere bildet, beträgt etwa 7<; von der des Fusses; der bewegliche Finger, oder
das 5te Fussglied ist ziemlich schlank, wenig gebogen, von fast Vs der gesammten
Länge des Fusses; seine Spitze trifft, wenn er eingeschlagen wird, einen kleinen
Einschnitt dicht vor dem abgestutzten Ende der Keule.
Die sechs freien Thoraxringe, wie der Hinterleib, bieten nichts von den be-
kannten Arten auffallend Abweichendes; der sechste letzte und längste Hinter-
leibsring, in der Mitte seines Hinterrandes ausgerandet, trägt die Schwan zanh an ge
von etwa Vio ^^^ Körperlänge. Ihr dickeres Grundglied ist mit einem Innern
viergliedrigen und einem äussern sehr kleinen eingliedrigen Zweige versehen.
Die einzige verwandte Art ist T. Curculio Kr., die Kröyer im Öresund fand ;
als unterscheidende Merkmale können dienen :
T. Curculio: Kopfschild über Vs, obere Antennen fast V4, Schwanzanhänge Vs
der Körperlänge; untere Antennen Ys der Länge der oberen; Hinterleib stumpf
abgerundet, Schwanzanhänge viergliedrig.
T. Rhynchites: Kopfschild unter V3» obere Antennen Ve. Schwanzanhänge
Vio der Körperlänge; untere Antennen ^5 der Länge der oberen; Hinterleib aus-
gerandet, Schwanzanhänge fünfgliedrig (Grundglied und viergliedriger Endzweig).
Tanais balticus, die zweite neue Art, milchweiss, 2mm lang, stimmt in
Gestalt und gegenseitigem Verhältnisse der einzelnen Körpertheile fast vollständig
mit T. Savignyi überein, den Kröyer bei Madeira auffand. — Es genügt also,
ihr© unterscheidenden Merkmale hervorzuheben. Die Schwanzanhänge sind bei
-g Tanais Rhynchites und balticus.
unserer Art fünfgliedrig, bei T. dubius von Bahia sechsgliedrig, bei T. Savignj^i
sieben gliedrig; T. Örstedii aus dem Öresund unterscheidet sich durch den kür-
zeren Kopf (Ye der Körperlänge, hier V5 — V4) und die zweigHedrige Nebengeissel
der Schwanzanhänge ; T. gracihs aus Spitzbergen durch dieselben Merkmale, den
schlankeren Körper, und die längern Scheerenfinger (länger als die Hand). — Mit
den übrigen Arten ist keine Verwechslung möglich.
Bei T. balticus wurden grosse Lamellen für die Eier beobachtet; die unter-
suchten Exemplare waren Weibchen; bei T. Rhynchites wurden sie vermisst.
Möglich dass die Thiere nicht specifisch, sondern nur sexuell verschieden sind. Aehn-
liche Verschiedenheit der Fussbildung zeigen Männchen und Weibchen bei Or-
chestia ; die abweichende Kopf bildung von T. Rhynchites Hesse sich eben aus der
Bildung des ersten Fusspaares erklären ; Antennen und Schwanzanhänge stimmen
überein. — Bei genügendem Material und Beobachtung der Jugendzustände wird
diese Frage sich leicht beantworten.
Erklärung der Abbildungen auf Taf. IV.
Fig. I. Fuss des ersten Paares von Tanais Rhynchites, von der äusseren;
Fig. 2. derselbe von der innern Seite gesehen.
Fig. 3. Tanais balticus F. Müll.
Fig. 4. Scheere des ersten Fusspaares von demselben Thiere, mehr vergrössert.
Eine Beobachtung über die Beziehung der Gattungen
CaHgus und ChaHmus^).
Mit Tafel IV, Fig. 5 und 6.
Schon längst hat Kröyer als höchst wahrscheinlich nachgewiesen, dass die
Gattung Chalimus Burm. nur ein Jugendzustand von Caligus sei. Im September
1846 fand ich auf einem am Ostseestrande frisch ausgeworfenen Cyprinus rutilus
oder erythrophthalmus eine grosse Menge eines Schmarotzerkrebses, dessen Be-
wegungsorgane vollkommen mit Caligus übereinstimmten, dessen Weibchen als
Zeichen der Geschlechtsreife meist Eiersäcke trugen, der aber trotz dieser
Geschlechtsreife mit einem Haftapparat, wie der Burmeister'sche Chalimus ver-
sehen war.
Zwischen diesen ausgebildeten Thieren fand sich ein etwas kleineres, das
sich durch seine milchige Undurchsichtigkeit noch ausserdem vor den übrigen
fast wasserhellen auszeichnete. Die Loupe zeigte an ihm die Gruben am Stirn-
rand nur wenig entwickelt und Abweichungen in der Bildung der Fühler und
Füsse. Um diese näher mit dem Mikroscope zu untersuchen, sollte das Thier,
unverletzt zu undurchsichtig, durch Nadeln zerstückelt werden. Aber was geschah?
Ich streifte durch die Nadeln eine Haut ab, unter der ein regelrechter Caligus
((?) zum Vorschein kam ; die Haut, so viel sich erkennen Hess, zeigte in ihren An-
hängen die grösste Aehnlichkeit mit Caligus Scombri. So stimmte z. B, das zweite
Fühlerpaar (nach Kröyer's Bezeichnungsweise) vollkommen mit der Kröyerschen
Abbildung überein. Zu bemerken mag noch sein, dass der neue Haftapparat des
CaHgus nicht in, sondern hinter dem Haftapparat des Chalimus 2) lag.
Kröyer's Vermuthung war so durch directe Beobachtung bestätigt.
Das Genus Chalimus, wie es Burmeister aufgesteUt, kann sonach, als blosser
Jugendzustand, nicht ferner bestehen. Es Hesse sich aber fragen: soU man nicht
diese geschlechtsreif en Caligus mit Haftapparat, von den übrigen ohne Haft-
1) Archiv für Naturgeschichte. 1852. I. p. 91 — 92. Taf. IV, Fig. 5 und 6.
2) Im Original steht irrtümlich „Caligus". Der Herausgeber.
^Q Caligus und Chalimus.
apparat, als eigenes Genus trennen und für dasselbe etwa den Namen Chalimus
beibehalten ? Da in allen übrigen Stücken bis auf die Zahl der Borsten an den
Flüssen die vollständigste Uebereinstimmung mit Caligus stattfindet, scheint mir
eine solche Trennung nicht gerechtfertigt.
Ich schlage für die, auch abgesehen vom Haftapparate mit keiner der bis-
her bescliriebenen übereinstimmende Art den Namen Caligus appendi-
culatus vor.
Erklärung der Abbildungen auf Taf. IV.
Fig. 5. Caligus appendiculatus F. Müll. 9- « Zweites Fusspaar.
Fig. 6. Zweites Fusspaar des Männchens.
Beiträge zur Kenntniss der Landplanarien ^).
Die Reisen des englischen Forschers Charles Darwin ^) haben uns mit einer
reichen Fauna von Landplanarien in den feuchten Urwaldregionen Südamerikas
bekannt gemacht, welche die Aufmerksamkeit der Zoologen im hohen Grade ver-
dienen. Musste zunächst die Eigenthümlichkeit des Vorkommens überraschen,
dass Würmer aus der Ordnung der Turbellarien, die wir in unseren Gegenden
nur im Wasser zu finden gewohnt sind, und welche ihres äusserst weichen, zarten
und aller festen Stützen entbehrenden Körperparenchyms willen ausschliesslich in
diesem Medium zu leben bsstimmt zu sein schienen, in zahlreichen Arten als Land-
bewohner auftreten, so wurde nicht weniger unser Interesse in Anspruch genommen
durch die Angaben über die ansehnliche Grösse dieser Thiere, den bunten Farben-
schmuck, die Nemerti neuartige Gestalt verbunden mit der inneren Organisation
der Planarien unserer süssen Wässer. Das Verlangen nach neuen und ausführ-
licheren Nachrichten über die Naturgeschichte dieser Urwaldbewohner ist leider
seit jenen Mittheilungen des verdienten Reisenden nur sehr dürftig befriedigt
worden. Es gewährte mir daher eine besondere Freude, solche von einem be-
währten Forscher zu erhalten, dem Dr. Fritz Müller, seit einigen Jahren in der
Colonie Blumenau in Südbrasilien, jetzt in Desterro auf der Insel St. Ca-
tharina ansässig. Wenn dieselben auch unter ungünstigen äusseren Umständen
und ohne die wünschenswerthen optischen Hülfsmittel entworfen sind, so stehe
ich doch nicht an, dieselben, als werthvolle Erweiterungen unserer bisherigen
Kenntniss bietend, mitzutheilen. Ich benutze zugleich die Gelegenheit, was wir
durch Darwin und einige Andere über diese Thiere erfahren haben, zusammen-
zustellen und füge endlich die Resultate einiger mikroskopischen Untersuchungen
über den feineren Bau dieser Thiere hinzu, welche ich an einem von Herrn Bur-
meister mitgebrachten und mir zu beliebiger Benutzung übergebenen in Spiritus
wohlerhaltenen Exemplare anstellte.
Bekanntlich entdeckte schon O. Fr. Müller, der Begründer unserer Kenntniss
der Turbellarien, eine auf dem Lande unter Steinen in feuchter Erde lebende Art,
von ihm Planaria terrestris genannt (Vermium terr. et fluv. hist. II, p. 68). Nach
i) Nach Mittheilungen des Dr. Fritz Müller in Brasilien und nach eigenen Untersuchungen von
Dr. Max Schnitze, Prof. an der Univ. Halle. Aus „Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft" in
Halle. 1856. 4. Bd. p. 19—38.
2) Naturwissenschaftliche Reisen, deutsch von E. Dieffenbach, 1844, p. 28. Annais and Magaz. of
natur. hist. vol. XIV, 1844, p. 241.
A, Landplanarien.
der kurzen Beschreibung, welche der berühmte dänische Zoologe von diesem Thiere
gab, besitzt^dasselbe einen fast cylindrischen, nur an der Bauchseite etwas abge-
platteten, 8 Linien langen, -/s Linien breiten Körper, ist oben schwärzlich grau,
unten weiss gefärbt, und lässt am vorderen Ende zwei kleine schwarze Augen-
punkte erkennen. Duges sah dieselbe Art in Frankreich (Ann, d. sc. nat. I ser.
Tom. XXI, p. 82) und fügte den Müller'schen Angaben noch hinzu, dass auch die
Lage der Mundöffnung, die Gestalt des muskulösen Schlundes und die baum-
förmigen Verästelungen des Darmcanales, das männliche Begattungsglied und
die Samengefässe mit den gleichen Theilen unserer Südwasserarten überein-
stimmen.
Mein Freund Fritz Müller ist, so viel mir bekannt, der einzige, welcher seit
jener Zeit das Thier wieder gefunden hat, das jedenfalls zu den seltneren gehört.
Es war in der Gegend von Grimmen bei Greifswald, wo einige Exemplare unter
Steinen entdeckt wurden, die leider nur mit der Lupe untersucht werden konnten,
doch die von Duges beschriebenen Theile alle erkennen Hessen.
Die mir in verschiedenen Briefen zugegangenen Mittheilungen F. Müller's
über die brasilianischen Landplanarien stelle ich in Folgendem zusammen :
„Uebereinstimmend mit den Planarien des süssen Wassers ist die Lage
der Mundöffnung, gegen das hintere Drittheil an der Unterseite des Körpers
sowie die dendrocoele Natur des Darmcanales; an letzterem finden sich die ge-
wöhnlichen 3 Hauptäste, ein vorderer und zwei hintere, deren Zweige mehrfach
getheilt zu sein pflegen. Der Rüssel erscheint, wie er durch die Haut hindurch-
schimmert, als langer Cylinder, in dessen Mitte die Mundöffnung als Querspalte
sichtbar ist. Bei näherer Untersuchung des herausgenommenen Rüssels findet
man indess, dass er sich in einen ansehnlichen flachen Napf oder eine Scheibe
ausbreiten lässt, die bald mehr elliptisch, bald mehr rund, im Umfange bald fast
ganzrandig, bald mehr weniger tief gelappt ist, und in ihrem Grunde etwas vor
der Mitte eine ziemlich enge Schlundöffnung zeigt, eine Bildung, die bei mehreren
der grösseren Seeplanarien, aber nicht bei unseren Süsswasserarten vorkommt. In
der Ruhe werden die seitlichen Ränder so eingerollt und das ganze Organ so
zusammengefaltet, dass es sich als Cylinder mit vorderer wellig gebogener Längs-
spalte darstellt.
Abweichend von der Gattung Planaria ist die langstreckige Körperform, die
geringe Abplattung, das spitz zulaufende vordere Körperende. Der Habitus ist so
oft weit mehr der einer Nemertine als einer Planarie. Abweichend ebenfalls, so
weit sie erkannt, sind die Augen, die in ungemeiner Anzahl vorhanden sind, aber
auch nicht wie bei Planaria nigra eine einfache Reihe bilden, die regelmässig am
vorderen Rande sich hinzieht, sondern nahe am Vorderrande in dichte Streifen
oder Flecke zusammengedrängt sind, von da aus in einer unregelmässigen Reihe,
die nach hinten immer laxer wird, bis zum Hinterende längs der Seitenränder
sich erstrecken.
Diese Eigenthümlichkeiten wie der Aufenthaltsort berechtigen wohl sie von
den Wasserplanarien generisch zu trennen. Man könnte nach Analogie von
Typhloplana, Leptoplana für sie den Namen Geoplana bilden. Sie lieben massig
feuchte Orte, unter Holz, Rinde, Steinen, zwischen Blättern der Bromeliaceen
(doch nicht in dem daselbst angesammelten Wasser). Tags scheinen sie zu ruhen,
Landplanarien. g-j
Nachts umherzuschweifen, Eier, etwas grösser als von Planaria ulvae, ziemhch
rundlich und schwerlich einem anderen Thiere angehörig, wurden einmal unter
Holz gefunden.
Eine naheliegende Frage ist, ob die Geoplanen, wie ihre Verwandten im
Wasser, auf der Körperoberfläche Flimmerhaare tragen. In Ermangelung eines
Mikroskopes bestreute ich, eines Experimentes in Joh. Müller's physiologischen
Vorlesungen mich erinnernd, ein recht grosses Exemplar der Geoplana rufiventris
mit ein wenig Arrowrootmehl und sah nun dieses auf dem Rücken constant vor-
wärts und dabei bisweilen etwas nach aussen, auf der Bauchseite hinterwärts sich
fortbewegen, wodurch die Existenz der Flimmerhaare ausser Zweifel gestellt scheint.
Die bisher beobachteten Arten sind:
1. Geoplana tristriata, blassgelblich grün, mit drei schmalen dunkeln Längs-
linien auf dem Rücken, Bauch heller. Grösste Breite nach dem zweiten
Drittheil der Länge, hier der Mund. Liebt das Kopfende aufwärts aufzu-
biegen. An der Biegungsstelle jederseits eine dichtgedrängte Gruppe von
Augenpunkten, die sich in unregelmässiger Reihe bis zum Hinterende fort-
setzen. Der vorderste Rand des Kopfes scheint augenlos. Länge 1V2 Zoll,
Breite 172 Linie. Häufig.
2. Geoplana octostriata, Habitus und Augen wie bei der vorigen, Farbe blass-
gelb, Bauch weisslich, auf dem Rücken jederseits vier dunkelbraune, ge-
näherte Längsstreifen, weit breiter als die Längslinien der vorigen. Nicht
selten.
3. Geoplana elegans, Habitus ähnlich, doch nach vorn etwas weniger verjüngt,
2V2 Zoll lang bei i Linie Breite. Augenpunkte sehr klein, bilden vorn eine
ziemlich breite dichte Binde, die nach hinten schmaler und weniger dicht
wird und in eine einfache Reihe übergeht. Farbe gelb, Bauch blasser, auf
der Mitte des Rückens ein breiterer dunkelschwarzer Längsstreif, zwischen
diesem und dem Seitenrande jederseits ein schmalerer dunkelorangefarbener
Längsstreif. Nur einmal gefunden.
4. Geoplana pallida, von ähnlicher Gestalt wie die vorige. Farbe gelblichweiss
mit einem einzigen, schmalen schwärzlichen Längsstreifen auf dem Rücken.
In mehreren Exemplaren zwischen Brettern.
5. Geoplana atra, dunkelschwarz, unten grau, fast cylindrisch, vorn und hinten
wenig verschmälert. Die Augen schwer erkennbar, doch vorhanden. Der
Rüssel mehr cylindrisch wie bei den Süsswasserplanarien, doch immer noch
am Mundende viel weiter als am Schlundende. Länge 9 Linien, Breite
V2 Linie. Einmal unter der Rinde einer morschen Figueira (Ficus doliaria ?)
gefunden.
6. Geoplana marginata, Rücken und Bauch dunkelschwarzbraun glänzend,
goldgelbe schmale Längsbinden auf der Mitte des Rückens, breitere matter-
gelbe Binden längs der Seitenränder; in diesen die Augenpunkte sehr
deutlich sichtbar, vorn dicht gedrängt, hinten in einfacher loser Reihe. Das
3 — 4 Zoll lange, einige Linien breite, vorn und hinten ziemlich stark ver-
jüngte Thier kroch im Hause.
7. Geoplana rufiventris, Rücken dunkelbraun, Bauch ziegelroth; vorn und
hinten massig verschmälert. Die Augen in mehreren Reihen dicht gruppirt,
^A Landplanarien,
an den Rändern des vorderen Körpertheils deutlich, hinten nicht wahr-
genommen. Das einige Linien breite, mehrere Zoll lange Thier an Holz
gefunden.
8. Geoplana olivacea, Bauch gelblichgrau, Rücken grünlich braun mit dunkel-
brauner hell eingefasster Längsbinde, nach dem Rande zu dunkler, nach
dem Kopfende heller. Augen längs des ganzen Körperrandes, vorne dichter,
hinten sehr einzeln. Nicht selten.
9. Geoplana Nephelis, ähnlich in Gestalt der vorigen, doch etwas weniger
langgestreckt, erinnert in Gestalt und Farbe an eine Nephelis. Der Rücken
einfarbig braun, der Bauch heller. Nicht selten.
10. Geoplana Maximiliani, fast wie die vorige, der Rücken mit einer helleren
gelblichen Längsbinde. Von der vorigen ist diese Art aber noch dadurch
unterschieden, dass Mund und Geschlechtsöffnung weit mehr nach hinten
liegen und der Penis fast kuglig, dagegen bei G. Nephelis lang cylindrisch
ist. Auch erschien bei letzterer die Rüsselöffnung ganzrandig, bei G. Maxi-
miliani dagegen (in einem Weingeistexemplar untersucht) tief fünflappig.
1 1 . Geoplana marmorata, Länge 4 Zoll, Breite 4 Linien, die Augenpunkte bieten
nichts Besonderes dar. Die Rückenseite ist blass röthlichgrau mit schwarzen
Fleckchen, die in unregelmässige, vielfach anastomosierende Längsreihen
geordnet sind, die Bauchseite ist blassgrau. Der Rüssel ist in einen flachen
Napf mit welligem Rande (an einem Weingeistexemplar) ausbreitbar.
12. Geoplana pulchella, das vordere Drittheil des Körpers oben bräunlich ziegel-
roth mit ovalen weisslichen Flecken, unten grau mit weisslicher Binde in
der Mitte. Augenpunkte nahe dem Vorderrande ziemlich gedrängt, die
Reihe derselben am Vorderrande nicht unterbrochen, in den zwei hinteren
Dritteln vermisst. Etwa zolllang bei reichlich i Linie Breite, nach vorn
nicht sehr stark verschmälert. Einmal beobachtet.
13. Geoplana subterranea, bietet schon durch Dir Vorkommen ein besonderes
Interesse, indem sie den Kreis der Lebensbedingungen, unter denen dieser
Thierform zu bestehen gestattet ist, aufs neue erweitert zeigt. Nachdem
man Plattwürmer in dem klaren Quellwasser der Gebirge, wie in den Seen
und Mooren des Flachlandes, unter den Steinen der Seeküste wie an den
fluthenden Tangen mitten im Weltmeere gefunden, nachdem sich die Aus-
sicht auf eine reiche Landplanarienfauna eröffnet hat, die im feuchten Moose,
unter Steinen und Rinden sich birgt und bis in die Wipfel des Urwaldes
aufsteigt, wo sie zwischen den stachligen Blättern der Bromelien, ein stets
feuchtes Asyl findet — so kommen nun auch Erdplanarien zum Vor-
schein, Genossen der Regenwürmer und Engerlinge. In bezeichnendem
Gegensatze zu ihren über der Erde lebenden farbigen, augenreichen Gattungs-
genossen ist diese im Dunkeln hausende Geoplana ohne Farbenschmuck und
Farbensinn, milchweiss und augenlos. Im Habitus entfernt sich diese Art
mehr als irgend eine von der typischen Planarienform. Ihr gleichmässig
schmaler, sehr langer, an den Enden abgerundeter Körper, der bei einer
Länge von 2 — 3, selbst über 4 Zoll, kaum die Breite von ^4 Linie erreicht,
giebt ihr vollständig das Ansehen einer Nemertine. Die milchweisse Farbe
erhält, wenn der Darm gefüllt ist, durch den durchschimmmerndcn Inhalt
Landplanarien. 65
desselben einen mehr weniger lebhaften Anflug von Fleischfarbe oder Rosen-
roth. Die Mundöffnung ist ungewöhnlich weit nach hinten gerückt, die
Genitalöffnung liegt ganz in der Nähe des Hinterendes. Der Rüssel ist
glockenförmig, der Darm von gewöhnlicher Form, seine Seitenzweige ein-
fach oder gabiig, dichtstehend.
Das Thier lebt besonders in lockerem, sandigem, aber auch schwerem,
zähem Lehmboden in Gesellschaft des Lumbricus corethrurus ^). Es mag
i) Die von F. Müller entworfene Beschreibung dieses interessanten neuen Regenwurms, welche auch
in Wiegmanns Archiv für Zoologie demnächst abgedruckt wird, lautet:
Lumbricus corethrums, Bürstenschwanz, der gemeinste der hiesigen Regenwürmer und fast in jeder
Scholle urbaren Landes zu finden; ziemlich schlank, weich, leicht zerreissend; die Haut fast farblos, durch-
scheinend, so dass die Körperfarbe hauptsächlich durch Darm nnd Blutgefässe bedingt ist, daher meist am
Vorderende mehr röthlich, in der Mitte mehr grau, hinten blass röthlichweiss erscheint. Der Gürtel ist
oben bräunlich gelb. Die Messung von 9 gürteltragenden Thieren, — in "Weingeist getödtet, weil im
Leben die Länge stets wechselt, — ergab im Mittel 28'" Länge, wovon 3'" auf den Gürtel, 4'" auf die davor-
liegenden Ringe kommen. Der Körper ist cylindrisch, vom Gürtel nach vorn verjüngt, hinterwärts ziemlich
gleichmässig dick. Die Zahl der Ringe ist etwa 200 — 250; vor dem Gürtel liegen 13; der Gürtel, den man oft
vermisst, umfasst deren 8. Der vorderste Ring ist längsgerieft, wie die drei vordem bei Geoscolex maximus
Leuck. Wenn das Thier tastend das Kopfende vorstreckt, scheinen aus dem ersten Ringe noch ein oder
zwei ähnliche vorzutreten nebst einem langgestielten, keulenförmigen Kopflappen. — Die Borsten zeigen
an den allervordersten Ringen die gewöhnliche Stellung, dass die 4 Borsten jeder Seite paarweise genähert
sind; so bleibt das obere Paar bis zum Gürtel, während die beiden Borsten des unteren Paares immer
weiter auseinander rücken ; vom Gürtel hinterwärts sieht man jederseits nur noch 2 Reihen einzelner Borsten;
es sind das, von unten nach oben gezählt, die erste und dritte Reihe; letztere verläuft ziemlich in der
Mitte zwischen Bauch und Rücken; die 2te und 4te Borste haben eine mit jedem Ringe wechselnde Höhe
der Insertion, ohne dass dabei eine bestimmte Norm in die Augen fiele; bald z. B. sieht man sie ab-
wechselnd höher und tiefer gestellt, so dass also die des iten, 3ten, 5ten . . . imd wieder die des 2ten, 4ten,
6ten . . . Ringes in derselben Längslinie liegen ; bald steigen 3 auf und 2 wieder nieder, so dass die am
Iten und 5ten Ringe gleich hoch stehen, die am 2ten und 4ten höher und noch höher die am dritten;
bald auch behaupten sie an mehreren Ringen hintereinander dieselbe Höhe, u. s. w. Nach einer grössern
oder geringern Zahl z. B. 20 oder 30 Ringen hören auch die beiden noch bestehenden Borstenreihen auf
regelmässig fortzugehen, erst die untere, dann die obere in der Mitte der Seiten verlaufende; auch diese
Borsten schwanken nun von Ring zu Ring in der Höhe der Insertion. Diese anscheinend vollkommen
chaotische Borstenstellung regelt sich nun in der Nähe des Hinterrandes wieder in der Weise, dass jeder
Ring 8 in nahezu gleicher Entfernung von einander stehende Borsten trägt, die mit denen der nächst-
anliegenden Ringe alterniren, wodurch denn 16 Längsreihen (oder auch 3 Schraubenlinien) von Borsten
entstehen. Merkwürdig ist, dass diese sonderbare Borstenstellung bei jüngeren Thieren sich noch nicht
findet; diese haben am Vorderende jederseits zwei Reihen gepaarter Borsten, die sich weiter hinten in
4 Reihen einzeln stehender Borsten auflösen.
Die Borsten am vordem Theile des Körpers sind zarter und scheinen schwach hakenförmig ge-
krümmt ; die am hintersten Theile sind sehr stark, gerade, bernsteinfarbig, stehen auf deutlichen Höcker-
chen und scheinen nicht vollständig zurückgezogen werden zu können. Der ganze Schwanz erhält durch
diese löreihigen starken Borsten ein bürstenartiges Ansehen. — Der Magen ist stark musculös. Die Eier-
hüllen sind fast kugelmnd, farblos, opalisirend; ich fand darin nie mehr, als ein Junges. —
Diese kurze Beschreibung wird genügen, eine ungefähre Vorstellung von unserem Regenwurme zu
geben und ihn wenigstens von den bisher beschriebenen Arten leicht unterscheiden lassen. Obwohl man
die Anordnung und Gestalt der Borsten als wesentliche Gattungsmerkmale der Regenwürmer anzusehen
pflegt und demnach unser hierin so eigenthümlicher Wurm die Aufstellung eines neuen Genus gebieterisch
zu fordern scheint, so habe ich mich doch, namentlich der regelmässig bcborsteten Jungen wegen, nicht
dazu entschliessen mögen, ehe nicht irgend ein erhebliches anatomisches oder physiologisches Moment
diese Trennung rechtfertigt, wie es z. B. bei Euaxes und dem einer näheren Untersuchung so werthen
Criodrilus der Fall ist. Vielleicht dürfte sich ein solches Moment herausstellen bei weiterer Verfolgung einer
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 5
56 Landplanarien.
befremden, dass ein so weiches Thierchen, das kaum leise Berührung ver-
trägt, in diesem Medium existiren und sich Wege bahnen könne. Diese
Schwierigkeit lösen die Regenwürmer, die den Boden so durchwühlen,
dass er wie ein Schwamm von glatten Gängen verschiedener Weite in allen
Richtungen durchsetzt ist. Zum Dank dafür werden die Regenwürmer von
dem Plattwurm aufgefressen oder vielmehr ausgesogen. Diese Art der
Nahrung war aus der Farbe des Darminhaltes unschwer zu erschliessen.
Ich habe aber auch Geoplanen getroffen, die eben einen jungen Lumbricus
mit dem vorgestülpten Rüssel gepackt hielten und deren Darm sich mit
frischem Blute zu füllen begann.
Zur mikroskopischen Untersuchung des inneren Baues wäre diese Art
vor allen anderen geeignet, nicht nur ihrer Durchsichtigkeit wegen, sondern
auch desshalb, weil man sie mit einiger Geduld in beliebiger Menge aus der
Erde bröckeln kann. Alle übrigen Geoplanen bekommt man nur selten zu
Gesicht, wie das ja auch mit der europäischen Planaria terrestris von O. F.
Müller der Fall ist."
So weit die Mittheilungen meines Freundes Fritz Müller.
Es sei mir gestattet, diesen Artbeschreibungen zunächst die von anderer
Seite bekannt gewordenen hinzuzufügen, die sich in ausländischen Zeitschriften
zerstreut finden und bisher nirgends zusammengestellt wurden. Was den Gattungs-
namen Geoplana betrifft, so scheint derselbe so passend gewählt, dass die Zoo-
logen demselben ihre Zustimmung gewiss nicht versagen werden. Das Bedürfniss,
die Landplanarien von den übrigen generisch zu trennen, empfand schon Darwin,
indem er sagt: „Die Landplanarien gehören zu dem Genus Planaria Duges
Polycelis Ehrbg.; sie können aber eine besondere Abtheilung dieser Gattung
bilden, characterisirt durch ihren mehr rundlichen schmalen Körper und die meist
vorhandenen Längsstreifen von sehr glänzenden Farben." Dessenungeachtet stellte
Darwin keinen neuen Namen für dieselben auf. Ausser dem englischen Reisenden
Eigenthümlichkeit, die mich veranlasst hat, dies unscheinbare Thierchen dem zoologischen Publicum vor-
zuführen. Fast bei allen grösseren Exemplaren fällt sofort etwa zu Ende der dritten Viertels der Ktirper-
länge eine kleine Stelle auf, die lebhafter geröthet, wie entzündet aussieht ; oft erscheint hier auf der Rück-
seite die zartere Haut aufgetrieben und gleichsam einen kleinen Bruchsack zu bilden. Bei in Spiritus ge-
töteten Exemplaren nimmt sich diese Stelle aus wie ein zweiter nur viel kleinerer Gürtel, indem sie sich
scharf absetzt, ein wenig über die davor- und dahinterliegenden Ringe erhebt, wohl weil bei der Zusammen-
ziehung des Körpers die hier schwächere Haut und Muskelschicht weniger "Widerstand leistet. Betrachtet
man nun diese Stelle, die ich an keinem der sehr zahlreichen erwachsenen Thiere, die ich in diesen Tagen
darauf angesehen, vermisst habe, mit der Lupe, so findet man, dass sie aus 5 bis 10 mehr oder weniger
deutlich geschiedenen, schmalen borstenlosen, allem Anscheine nach neugebildeten Ringen besteht.
Eine beginnende Quertheilung war beim Anblick dieser Neubildung mein erster Gedanke; allein
dann hätten sich doch Exemplare finden sollen, die aus solcher Quertheilung hervorgegangen wären, denen
entweder ein gehöriges Vorderende oder der Bürstenschwanz gefehlt hätte; solche habe ich vergeblich ge-
sucht. Bei einer, an 9 Exemplaren vorgenommenen Zählung der Ringe fanden sich zwischen Gürtel und
dieser Stelle nahezu gleichviel Ringe, etwa iio; die unbedeutenden Differenzen können aus Verzählen ent-
standen sein ; dagegen schwankte die Zahl der dahinterliegenden Ringe von 60 bis fast zum Doppelten.
So könnte denn vielleicht diese Stelle eine Bildungsstätte neuer Schwanzringe sein.
Eine, durch alle Jahreszeiten fortgesetzte Beobachtung mag vielleicht auch ohne Mikroskop Gewiss-
heit schenken.
Itajahy, Anfang Juni 1856. F. Müller.
Landplanarien. 5^
beschrieben noch Blanchard und Leidy Landplanarien. Ersterer^) erhielt zwei in
Spiritus aufbewahrte Exemplare einer von Claude Gay in Chile beobachteten Art,
die er zu anatomischen Untersuchungen benutzte, über welche weiter unten be-
richtet wird. Blanchard nannte dieselbe Polycladus Gayi. Der Gattungsname
kann nicht auf sämtliche Landplanarien ausgedehnt werden, und bleibt vorläufig
nur dieser Species. Dasselbe ist der Fall mit dem von Leidy 2), einer nordame-
rikanischen Landplanarie gegebenen Namen Rhynchodemus.
Die Darwin'schen Landplanarien, deren Beschreibung ich aus den Annais
and Magazine of nat. hist. vollständig übersetze, die ich aber mit dem neuen
Gattungsnamen Geoplana einführe, sind folgende:
14. Geoplana vaginuloides. Die Mündung des Nahrungscanais liegt um zwei
Drittheile der ganzen Körperlänge vom vorderen Ende entfernt. Die Breite
des Mundes Veo Zoll; V^o Zoll weiter nach hinten ist die sehr deutlich mar-
kirte Geschlechtsöffnung gelegen. Zahlreiche Augen in regelmässigen Ab-
ständen an dem vorderen Ende des Thieres, unregelmässig rings um den
Rand der Bauchseite. Der vordere Theil des Körpers verschmälert, mit
fast zugespitztem Ende und einer Grube an der unteren Seite, das hintere
Ende mit abgerundeter Spitze. Der Körper convex, auf dem Scheitel ab-
geflacht. Die Seiten und der Fuss schmutzigorange, weiter nach oben auf
jeder Seite zwei Streifen eines blassen Primel-gelb, äusserlich mit Schwarz
eingefasst, in der Mitte des Rückens ein glänzend schwarzer Streifen ; diese
Streifen werden schmaler nach beiden Enden zu. Länge des völlig aus-
gedehnten Thieres 2 7io Zoll, grösste Breite ^Vioo Zoll.
Gefunden unter der Rinde eines abgehauenen Baumes im Walde bei
Rio Janeiro.
15. Geoplana elegans. Die Lage der Oeffnungen wie in Geoplana vaginuloides.
Der vordere Theil des Körpers ein wenig verschmälert. Die Augen fehlen
am vorderen Ende und nur wenige sind rund um den Rand des Fusses.
Die Farben sind schön, der Rücken schneeweiss, mit zwei nahe an einander
liegenden röthlich braunen Streifen ; gegen die Seiten mit einigen sehr feinen
parallelen Streifen derselben Farbe; der Fuss weiss, nach aussen und am
Rande des Körpers getrübt durch ein hellschwärzliches Purpur. Der Körper
umkreist von drei farblosen Ringen, in deren zwei hinteren die Oeffnungen
gelegen sind. Länge ein Zoll, Breite gleichförmiger und grösser im Ver-
hältniss zur Länge als bei der vorigen Art.
Aufenthalt wie bei der vorigen.
16. Geoplana pulla. Der Saugmund kuglig, wenn er in Spiritus hervorgestreckt
und zusammengezogen ist. Die Augen sind zahlreich und liegen in regel-
mässigen Zwischenräumen am vorderen Theile des Körpers. Der Körper
ist leicht plattgedrückt, allmählig verdickt nach dem vorderen verschmälerten
und unten ausgehöhlten Ende, Der Rücken tief umbrabraun, mit einem
mittleren schmalen Streifen von spargelkohlbrauner Farbe, welcher über
1) Historia de Chile p. Claude Gay. Vers pl. I, Fig. 2 (konnte ich nicht vergleichen). Annales d.
sc. nat. 3 ser. T. VIII, p. 140.
2) Proceedings of the Academy of natural sciences of Philadelphia. Vol. V, 1850 — 1851, p. 241
u. 289.
5*
go Landplanarien.
die ganze Länge reicht; der Fuss wieder spargelbraun mit zwei hellen
Flecken für die Oeffnungen. Länge im vollkommen ausgedehnten Zustande
iVio Zoll, Breite Vio Zoll.
Sehr häufig unter Steinen, Montevideo und Maldon ado (Juni, August),
17. Geoplana bilinearis. Die Augen zahlreich in regelmässigen Abständen ge-
lagert. Der Körper ist fast cylindrisch, schmal, von fast gleichmässiger
Breite. Die Farbe oben blassschmutziggelb, mit zwei Streifen von dunkel-
braun, welche sich nach den Enden des Körpers näher rücken und schliess-
lich vereinigen. Länge im ausgedehnten Zustande i^io Zoll, Breite Vioo Zoll.
Aufenthalt wie bei G. pulla.
18. Geoplana nigrofusca. Die Nahrungsöffnung ist um etwas weniger als zwei
Drittel der ganzen Länge von dem vordersten Ende entfernt; die Ge-
schlechtsöffnung bei zusammengezogenem Körper um ^'-"lniQ Zoll mehr nach
hinten gelegen. Die Augen sind sehr zahlreich, die an der äussersten Spitze
sehr klein und in regelmässigen Entfernungen von einander, die am Rande
des Körpers gelegenen in Gruppen zu zweien oder dreien angeordnet. Der
Körper sehr abgeplattet, gegen das vordere Ende bedeutend verschmälert,
das hintere Ende schnell zugespitzt. Die Farbe ist auf dem Rücken gleich-
massig schwarzbraun, an der Bauchseite blasser. Die Länge des Körpers
im ausgedehnten Zustande 2 Zoll, die Breite ^j^q Zoll.
Aufenthalt unter faulem Holze: Maldonado (Mai).
19. Geoplana pallida. Die Mundöffnung und die Geschlechtsöffnung sind bei
etwas zusammengezogenem Körper ^^'^o Zoll von einander entfernt. Die
Schlundröhre misst ^Vioo Zoll in der Länge; ihr Rand ist sehr ausgebuchtet.
Die Augen sind zahlreich, 11 stehen dicht aneinander an dem vorderen
Körperende, die anderen am Rande in Gruppen zu zweien oder dreien
auch fast ausschliesslich an der vorderen Körperhälfte. Der Körper ist
sehr flach, beide Enden sind zugespitzt. Die Farbe ist oben und unten
weiss, der Darm schimmert röthlich durch. Beim Kriechen beträgt die
Länge 3 Zoll, die Breite 7io Zoll.
Aufenthalt unter Steinen auf trocknen Hügeln bei Valparaiso (Juli).
20. Geoplana elongata, die Mund- und die Geschlechtsöffnung sind nicht be-
kannt. Augen fehlen. Das hintere Ende des Körpers ist stumpf und ab-
gerundet. Die Farbe auf dem Rücken sepiabraun mit einem schmalen
dunkelbraunen Mittelstreifen, die Seite des Körpers hellbraun schmal ein-
gefasst, unmittelbar am Rande wieder dunkelbraun; die Bauchseite hell-
braun. Die Länge des Körpers beträgt beim Kriechen 5 Zoll, im stark
zusammengezogenen Zustande nur i^io Zoll, die Breite beim Kriechen
^Vioo Zoll, zusammengezogen ^^o Zoll.
Aufenthalt in faulem Holze in waldigen Bergen. Cap Tres Montes, westl.
Amerika (December).
21. Geoplana semilineata, der Körper rundlich, oben grünlich schwarz gefärbt
mit sehr kleinen weissen Punkten, über die vordere Hälfte des Körpers
erstrecken sich 4 parallele Streifen von helloran gegelber Farbe, von welchen
nur die beiden mittleren, einander mehr genäherten in die hintere Hälfte
Landplanarien. 5g
des Körpers reichen. Die Unterseite ist bleifarben, mit ungefärbten Stellen
für die Oeffnungen.
Aufenthalt unter Steinen auf einer der Chonos-Inseln im Norden von
Cap Tres Montes (December).
22. Geoplana maculata, die Enden des Körpers sehr dünn, die Breite fast gleich-
massig. Die Farbe ist auf der Rückseite schwarz mit zahlreichen länglichen,
verschieden grossen gelben Flecken ; die Unterseite weiss und schwarz ge-
fleckt. Die Länge beim Kriechen i 7io Zoll, die Breite 7io Zoll.
Aufenthalt in einem Walde in Valdivia (Februar).
23. Geoplana Tasmaniana, die Schlundröhre ist sehr ausdehnbar, die Mundöffnung
beinahe in der Mitte der Unterseite, die Geschlechtsöffnung Y^o Zoll weiter
nach hinten, beim Kriechen Vio Zoll. Die Augen sind am ganzen Rande
der Unterseite des Körpers zerstreut, doch zahlreicher am vorderen Ende,
Beide Enden des Körpers sind zugespitzt. Die Farbe der Rückseite ist
schmutzig honiggelb, ein dunkelbrauner, jederseits hell umbrabraun einge-
fasster Längsstreifen verläuft über ihre Mitte. Die Bauchseite ganz weiss.
Länge beim Kriechen 172 Zoll, im zusammengezogenen Zustande 7io Zoll.
Unter umgefallenen Bäumen in den Wäldern von Vandiemensland
häufig (Februar).
Von diesen durch Darwin bekannt gewordenen Arten stimmen einige höchst
wahrscheinlich mit den von F. Müller beobachteten überein. So dürfte die G. ele-
gans des Letzteren in der G. vaginuloides (Darwin) aufgehen, die G. pulla (Darwin)
mit G. olivacea oder Maximiliani (Müller) identisch sein. Einen endgültigen Ent-
scheid könnten wohl nur Abbildungen liefern, welche aber weder von Darwin ge-
geben noch von Fr. Müller bisher eingegangen sind. Sollte eine Verschiedenheit
der beiden erstgenannten sich später herausstellen, so müsste die G. elegans Müller's
einen anderen Namen erhalten, da dieser bereits von Darwin einer anderen Species,
der oben unter No. 15 aufgeführten, beigelegt worden. In jedem Falle muss aber
die G. pallida Müller's umgetauft werden, da Darwin's gleichnamige das Recht
der Priorität in Anspruch nimmt. Letztere könnte ihrer reinweissen Farbe wegen,
an die G. subterranea Müller's erinnern, wenn nicht die bestimmt betonte Ab-
wesenheit der Augen der unterirdisch lebenden Art ihre Berechtigung als besondere
Species genügend ausspräche.
Die zu den bisher aufgeführten 23 Species noch hinzukommenden beiden
von Blanchard und Leidy beschriebenen, oben bereits erwähnten Arten sind:
24. Geoplana (Polycladus) Gayi (Blanchard), auf dem Rücken schwarzgrün ge-
färbt mit weisser Mittellinie, der Rand mit breiter Orange-Einfassung,
welche von zwei schmalen schwarzen Linien begränzt wird; die Bauchseite
orange.
Länge 85 — go Millimeter, Breite ungefähr 30 Millimeter.
Aufenthalt in Chile an feuchten Orten auf der Erde.
25. Geoplana (Rhynchodemus) sylvatica (Leidy), Körper länglich spindelförmig,
vorn verschmälert, hinten zugespitzt, die Bauchseite etwas abgeplattet. Farbe
auf dem Rücken grau mit zwei braunen Streifen längs der Mittellinie und
einem queren gleichfalls braunen Fleck in oder dicht hinter der Mitte, der
Bauch weisslich. Das Kopfende braun, aufwärts gebogen, zeigt zwei
70
Landplanarien.
schwarze, seitlichgelegene Augen. Länge 2—5 Linien, Breite im vorderen
Viertel Ys Linie, im hintern Vi Linie.
Aufenthalt zwischen Steinen , Blumentöpfen etc. in den Gärten von
Philadelphia, sowie unter Holz und Rindenstücken in den Wäldern der
Umgegend,
Als 2 6ste Art schliesst sich dieser letztgenannten endlich an die Geoplana
(Planaria) terrestris O. F. Müller's, die einzige, bisher in Europa beobachtete Species.
Wir gedachten derselben bereits oben.
Was uns Darwin und Leidy über die Anatomie der Landplanarien mit-
theilen, bezieht sich nur auf die mit blossem Auge oder geringen Vergrösserungen
wahrnehmbaren Theile, den Verdauungsapparat, die ausführenden Theile des Ge-
schlechtsapparates und die Augen, und findet seine volle Bestätigung in den oben
mitgetheilten Angaben von F. Müller. Die Form des verzweigten Darmes ist bei
allen dieselbe wie bei unseren bekannten Süsswasserarten, ebenso die Lage der
Mundöffnung. Nur die Gestalt der Schlundröhre weicht, wie F. Müller besonders
hervorhebt, bei mehreren Arten wesentlich ab, indem die Cylinderform mehr zur
Trompetenform mit vielfach gefaltetem Rande der äusseren Mündung geworden.
Die Geschlechtsöffnung liegt durchweg hinter dem Munde und ist stets einfach,
wodurch sich die Landplanarien von den grösseren meerischen Formen, die wir
namentlich durch Quatrefages ^) kennen gelernt haben, und deren ich selbst einige
untersuchen konnte ^), entfernen. Penis und Samenleiter sind bei mehreren Arten
erkannt worden. Wo Augen vorhanden sind, finden sich entweder zwei, bei
G. terrestris und G. sylvatica, oder viele und diese sind dann stets am Rande
des Thieres in ziemlich gleichmässigen Abständen gruppenweise oder mehr einzeln
vertheilt. Dass dieselben einen lichtbrechenden Körper enthalten, führen Darwin
und Leidy an.
Mit obigen Angaben über die Lage der Mund- und Geschlechtsöffnung
stimmt, was Blanchard von seiner Gattung Polycladus meldet, nicht überein. Hier
soll die Mundöffnung statt im hinteren im vorderen Drittheil des Körpers und
die Geschlechtsöffnung noch weiter nach vorn liegen. Aus der weiteren Be-
schreibung des Thieres geht jedoch deutlich hervor, dass diesen Angaben nur
eine Verwechselung von hinten und vorn zu Grunde liegt, welche verzeihlich sein
mag, da Blanchard das Thier nicht lebend sah^). Bei solcher Auffassung ver-
lieren aber natürlich die Angaben von Blanchard über das Centralnervensystem
von Polycladus Gayi auch allen Werth. Dasselbe soll aus zwei über der Samen-
blase befindlichen Gehirnganglien und zwei nach hinten (vorn) laufenden Strängen
bestehen, welche wieder durch mehrere (bis 14) kleine Ganglien unterbrochen sind.
Welches Organ hier mit dem Nervensystem verwechselt worden, lässt sich schwer
i) Annales des sciences natur. 3 ser. Tom. IV, p. 129.
2) Verhandlungen der physikal. medicinischen Gesellschaft in Würzburg Bd. IV, 1854, p. 222.
3) Uebrigens ist dies, wie ich beiläufig anführe, nicht der erste Irrthum der Art, in welchen dieser
Forscher hier verfallen. Bei dem, in dem Darm von Cyprinus Brama sehr gemeinen Caryophyllaeus ist
ihm derselbe Irrthum unterlaufen. (Annales des sciences natur. 3 ser. Tom. X, p. 324, Tab. 12, Fig. 1, 2.
Auch hier wird das mit den Generationsorganen versehene Ende zum vorderen gestempelt, während es in
der That, wie auch alle älteren Beobachter richtig erkannten, das hintere ist.
Landplanarien. >m j
sagen, jedenfalls können über der Samenblase keine Gehirnganglien liegen, sondern
diese müssen am entgegengesetzten Körperende gesucht werden.
Bei diesem immerhin dürftigen Stande unserer Kenntniss von dem Baue der
Landplanarien kam es mir sehr erwünscht, ein Exemplar eines solchen Thieres
zur Untersuchung zu erhalten. Dasselbe war von Herrn Burmeister bei Rio
Janeiro gefunden und lebend in Spiritus gesetzt, in welchem es sich bis auf eine
zufällige Verletzung in der Mitte des Körpers recht gut erhalten hatte. Zur
mikroskopischen Untersuchung waren die Gewebe freiHch nur zum Theil noch
gut brauchbar. Doch gelang es, mit Hülfe des. Glycerins, das zur Aufhellung
von Spiritusprcäparaten für das Mikroskop oft vortreffliche Dienste leistet, eine
Einsicht in den feineren Bau mehrerer Organsysteme zu erhalten. Leider stand
die Entwickelung der Generationsorgane bei dem Thiere so zurück, dass über
die Geschlechtsdrüsen gar Nichts ermittelt werden konnte.
Unser Exemplar gehört keiner der oben characterisirten 26 Arten an und
führe ich dasselbe unter dem Namen von Geoplana Burmeisteri in das System ein.
Die Länge beträgt 2V2 Zoll, die grösste Breite hinter der Mitte des Körpers fast
Y2 Zoll, die Dicke i Linie. Der Körper ist nach vorn und hinten zugespitzt, nach
hinten schneller, nach vorn sehr allmählig verjüngt und in eine lange Spitze aus-
gezogen. Die Farbe ist auf dem Rücken sepiabraun, am Vorderende schwarz-
braun, ein hellbrauner Streifen von \ Linie Breite läuft in die Mitte des Rückens
vom vordersten bis zum hintersten Ende, sehr deutlich und scharf von fast
schwarzen Rändern begränzt im vorderen Viertel des Thieres, dann verwaschen
und erst in der Nähe des hinteren Endes wieder deutlicher. Auf dem Rücken
finden sich ferner eine Menge kleiner kreissrunder weisslicher Pünktchen zerstreut,
welche eben noch mit blossem Auge erkannt werden können, in der vorderen
Hälfte kleiner sind und dichter stehen als in der hinteren, und nach dem Kopfende
zu endlich ganz verschwinden. Die Unterseite ist gleichmässig graugelb, zeigt
dicht hinter der Mitte die Mundöffnung, aus welcher in unserem Exemplar das
vielfach gefaltete, trichterförmig erweiterte Mundende des Schlundrohres hervor-
ragt und 5 Linien weiter nach hinten die sehr kleine Geschlechtsöffnung, Augen
wurden bei mikroskopischer Untersuchung des Randes der vorderen Körperhälfte
aufgefunden und stellen in einfacher Reihe ziemlich dicht hintereinander liegende,
meist halbmondförmig gestaltete schwarzbraune Pigmentflecke dar, in deren nach
aussen gerichteter Concavität ein runder, durchsichtiger Körper liegt, welcher das
Licht nicht auffallend stark bricht und in dieser Beziehung ganz dem gleich-
gelagerten, als Linse zu deutenden Körper des Auges unserer Süsswasserplanarien
gleicht.
Die mikroskopische Untersuchung der Haut bestätigte zunächst die von
F, Müller ausgesprochene, übrigens nach seiner oben mitgetheilten Beobachtung
des Beweises durch das Mikroskop kaum mehr bedürfende Vermuthung, dass ein
Wimperepithelium hier so gut wie bei den übrigen Turbellarien vorhanden sei.
Wenn auch im Allgemeinen durch die Aufbewahrung in Spiritus der Wimper-
überzug sehr gelitten hatte, so konnten an einzelnen Stellen doch die Epithelial-
zellen mit ihrer Wimperkrone unzweifelhaft erkannt werden. Ob freilich dieser
Wimperüberzug ein ganz allgemeiner sei oder, wie bei vielen Schnecken, nur an
einzelnen Körperstellen vorhanden, Hess sich nicht entscheiden. Doch dürfte nach
-^ ■) Landplanarien.
Analogie der übrigen Turbellarien kaum ein Zweifel an der gleichmässigen Ver-
breitung jenes Ueberzuges gerechtfertigt sein. Die Wimperzellen sind farblos und
meist von Keilgestalt. Unverkennbar war an mehreren derselben die Verdickung
der vorderen, Wimpern tragenden Zellmembran, welche diesen Epithelialgebilden
eben so allgemein zuzukommen scheint, wie den Cylinderzellen des Darmes nach
den Beobachtungen von Funke und Kölliker. Unter ihnen befindet sich eine
Lage unregelmässig sechseckiger Pigmentzellen, welche der Sitz der eigentlichen
Hauptfärbung sind. Gänzlich vermisst wurden in der Haut unserer Geoplana
stäbchenförmige Körper, welche bekanntlich den Süss- und Seewasser-
Planarien so allgemein zukommen. Dieselben lassen sich, wie ich mehrfach be-
merkt habe, in Spiritus sehr gut conserviren, und konnte ihr Mangel demnach
schwerlich in der Aufbewahrungsmethode begründet sein.
Unter den Zellen der Haut folgt wie bei den übrigen Turbellarien ein Haut-
muskelnetz und zwar zunächst eine einfache Lage dicht aneinander gefügter
Längsfasern. Darunter befindet sich eine dichtere Schicht quergelagerter
Muskelelemente. Erstere lösen sich im Zusammenhange mit den Zellen der Ober-
haut leicht als dünnes Häutchen von den KLreismuskeln ab, die ihrerseits eine
innige Verbindung mit den Eingeweiden, namentlich den feineren Endzweigen
des Darmrohres eingehen, so dass sie nicht ohne anhängende Theile der letzteren
abgehoben werden konnten. Der Zustand der Maceration, in welchem sich durch
die mehrjährige Aufbewahrung unsere Geoplana befand, erleichterte die Trennung
der genannten Schichten, welche im frischen Zustande schwerlich ausführbar ge-
wesen wäre.
Die Elemente dieser Muskelschichten sind lange Fasern von 0,0006—0,002
Linien Breite, durchaus homogen, ohne Unterschied von Hülle und Inhalt, ohne
Spuren von Querstreifen, ganz denen gleichend, welche ich bei den Rhabdocoelen
unter den Turbellarien beschrieben und abgebildet habe (Beiträge zur Natur-
geschichte der Turbellarien, 1850), und wie sie sich bei den grösseren Dendro-
coelen des Wassers finden. Schmale und breite sind untermischt, die schmaleren
an Zahl bei weitem überwiegend, die breiteren theilen sich öfter, in einzelnen
Fällen sieht man pinselförmige Ausstrahlungen an denselben.
Den von den Ringmuskeln umgebenen Raum fand ich fast ganz ausgefüllt
vom Darmcanale, indem, wie schon angeführt wurde, von dem secernirenden
Theile der Geschlechtsorgane, welcher sich bei geschlechtsreifen Thieren in
grösserer oder geringerer Ausdehnung sicher zwischen die Verzweigungen des
Darmes einschieben wird, in unserem Exemplare Nichts wahrgenommen werden
konnte. Nur in der unmittelbaren Nähe der Geschlechtsöffnung nahm das kug-
lige Begattungsglied einen verhältnissmässig bedeutenden Raum ein. Den An-
fang des Darmrohres bezeichnete die äusserlich vorragende, gefaltete Mundöffnung
des Schlundrohres, von weisser Farbe, aus sehr dicht verfilzten schmalen Muskel-
fasern gebildet. Das Schlundrohr setzt sich unter der Haut verborgen und ziem-
lich die ganze Dicke des Thieres einnehmend als ein etwa i Linie starker und
4 Linien langer Cylinder nach vorn fort. Von ihm entspringen an dem der Mund-
öffnung 9ntgegengcsetzten Ende 3 Zweige des Darmes, einer nach vorn in der
Richtung des Schlundrohres verlaufend und unter Abgabe zahlreicher rechtwinklig
abstehender Aeste allmählig verschmälert bis in die Nähe des vorderen Endes
Landplanarien. «7 -i
reichend, und zwei nach hinten gehende Aestc, welche nach rückwärts umgebogen
längs des Schlundrohrcs und über dasselbe hinaus bis an das hintere Ende reichen,
und nach aussen zahlreiche Zweige abgeben. Diese Haupt- und die grösseren
Nebenzweige des Verdauungsrohres besitzen stark muskulöse Wandungen und
einen inneren kleinzelligen Epithelialbelag. Mit der immer mehr ins Feine gehenden
Theilung der Seitenäste des Nahrungscanales verdünnt sich die Muskelschicht
immer mehr, während die Epithelialzellen grösser und dunkler granulirt werden,
bis letztere die an die Ringmuskeln der Haut innen angehefteten traubigen Enden
der Darmverzweigungen ausschliesslich darstellen, nur von zarter structurloser
Hülle umgeben. Diese grosszelligen letzten Enden des verzweigten Verdauungs-
rohres dürften in ihrer Function einer Leber verglichen werden.
Die Muskelfasern des Nahrungscanales gleichen zum grossen Theile den
oben geschilderten der Haut. Ausser diesen finden sich aber noch andere mus-
kulöse Elemente in der ganzen Ausdehnung dieses Canals)^stems, welche den
organischen Muskelfaserzellen höherer Thiere in der Form nicht unähnlich sind.
Es sind dies meist spindelförmige, abgeplattete Körper mit abgerundeten oder
unregelmässig gerissenen Enden von ähnlicher Grösse und Gestalt, wie die breiten
kurzen Muskelfaserzellen aus Arterienhäuten, die ich in meiner Inauguraldissertation:
De arteriarum notione, structura etc., 1849, tab. III, Fig. 2 u. 4 abgebildet habe.
Dieselben sind durchsichtig, blass, farblos, nicht körnig, dagegen mit einer An-
deutung von Längsstrichelung versehen und entweder homogen, oder zeigen einen
körnigen centralen Streifen, welcher entweder durch die ganze Länge des faser-
zellenähnlichen Gebildes läuft, oder nur im Centrum auf eine kürzere Strecke
wahrnehmbar ist. Dieser Streifen besitzt in der Mitte immer eine Anschwellung
und ist nach den Enden zugespitzt, hat aber keine Aehnlichkeit mit einem scharf-
umschriebenen Kerne, sondern erinnert eher an die körnigen Axenstränge der
Muskelfäden, welche neuerdings C. Semper von den Schnecken beschrieben hat
(Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Bd. VIII, p. 345, Tab. VII, Fig. 10). Die Gestalt der
beschriebenen Körper variirt mannigfach. Wenn auch die Spindelform die ge-
wöhnliche ist, so kommen auch einzelne keulenförmige vor, welche an einem Ende
in einen längeren Faden ausgezogen sind, andere gleichen Bruchstücken von
Fasern, und noch andere stellen wirklich längere Fasern dar, gleichen dabei in
ihrem Lichtbrechungsvermögen und der Andeutung einer Längsstrichelung den
Spindelkörpern vollkommen, wenn ihre Breite auch eine geringere ist, so dass
ein Uebergang der einen Form zur andern nicht verkannt werden kann. Alle
diese Elemente kommen in den Wandungen des Verdauungsrohres mit schmäleren
Muskelfasern, wie ich sie in der Haut gelegen beschrieb, gemischt vor, und zeigen
wieder deutliche Uebergänge zu diesen, so dass ich namentlich aus diesem Grunde
den Schluss auf die muskulöse Natur auch der Spindelkörper zu ziehen nicht an-
stehe. Es scheint demnach, als wenn die breitesten unter den Muskclbändern im
Körper unserer Geoplana aus einzelnen, den Faserzellen der höheren Thiere ähn-
lichen Elementen zusammengesetzt wären, welche sich nach der Maceration leicht
isoliren lassen, oder, wo sie fester bereits verbunden waren, leicht abbrechen,
während die schmäleren lange continuirliche Fäden bilden, an welchen eine Ver-
schmelzung aus mehreren Zellen nicht mehr wahrzunehmen oder überhaupt niemals
vorhanden gewesen ist.
•JA Landplanarien.
In dem Schlundrohre unseres Thieres fand ich einen Bissen eingeschlossen,
welcher aus der Reibeplatte und den Kiefern einer vSchnecke mit anhängenden
muskulösen Theilen bestand. Es spricht diese Beobachtung wie die Angabe von
F. Müller über den Vernichtungskrieg, welchen die Geoplana subterranea gegen
die Regenwürmer führt, gegen die Annahme von Darwin, dass die Landplanarien
sich nur von vegetabilischer Kost nährten und zwar von zersetztem Holze, an
welchem man sie vornehmlich findet. Darwin hielt zwar einige Exemplare
2 1 Tage eingesperrt ohne ihnen anderes zur Nahrung zu reichen wie faules Holz,
und wuchsen die Thiere in dieser Zeit beträchtlich. Doch möchte diese Beobachtung
immer noch nicht entscheidend sein, da der Darm auf seinen Inhalt nicht unter-
sucht wurde. Unser Exemplar enthielt nicht eine einzige Pflanzenzelle in demselben.
Vom Nervensysteme konnte durch Präparation Nichts dargestellt werden,
und von den Generationsorganen habe ich nur noch den an der Geschlechts-
öffnung als kugligen Körper von ^/g Linie Durchmesser leicht isolirbaren Penis
und die Samenblase zu erwähnen. Letztere enthielt keine Spermatozoiden. Die
wahre Gestalt dieser contractilen und ganz aus feinen Muskelfasern gebildeten
Organe wird nur die Untersuchung frischer Exemplare ermitteln können. Ein
Gleiches gilt von den Geschlechtsdrüsen, dem Wassergefässsystem u. s. w. Immer
aber würde eine Aufbewahrung dieser so äusserst zarten Thiere behufs späterer
histologischer Untersuchungen in einer Lösung von doppelt chromsaurem Kali
I — 2 Gran auf eine Unze Wasser dem Spiritus bei weitem vorzuziehen sein, und
empfehle ich diese Lösung allen Sammlern aufs wärmste.
Lumbrlcus corethrurus, Bürstenschwanz ^).
Der Inhalt der Abhandlung ist in der Anmerkung S. 65 — 66 der gesammelten Schriften wieder-
gegeben. Angefügt ist noch die folgende Notiz des Herausgebers des Archivs:
Die obige Mittheilung ist mir im Januar 1857 mit folgendem Schreiben des
Hrn. Prof. Max Schultze in Halle zugegangen, welches manchem Leser des
Archives von Interesse sein dürfte:
Mit besten Grüssen sende ich Ihnen anbei die Beschreibung eines neuen
Regenwurmes von Dr. Fritz Müller in Colonie Blumenau in Brasihen, Ihnen
bekannt durch seine früheren Beiträge zu Ihrem Archiv, in welchem auch diese
Zeilen wohl einen Platz finden dürften.
Nachdem Müller mehrere Jahre Landbauer in der genannten Colonie ge-
wesen und kaum Zeit zu naturwissenschaftlichen Beobachtungen, geschweige denn
dazu hatte, solche in einer mittheilbaren Form niederzuschreiben, dürfen wir jetzt
auf reichhch erfolgende Mittheilungen und Sammlungen von ihm hoffen. Er ist
seit Kurzem als Lehrer der Mathematik an einer neugegründeten Schule in Desterro
auf der Insel St, Catharina angestellt, wohnt unmittelbar am Meere, dessen Fauna
er mir in beredten begeisterten Worten als eine ausserordentlich mannichfaltige
schildert, und wird sich zoologischen Studien nunmehr so viel es seine Zeit erlaubt
widmen. Ich freue mich ungemein, dass eine so tüchtige Kraft der Wissenschaft
wiedergewonnen ist. Ein Mikroskop habe ich ihm jetzt auch durch Bur meist er
hinüber geschickt
I) Archiv für Naturgt;schichte 1857. I. p. 113 116.
Einiges über die Annelidenfauna der Insel Santa
Catharina an der brasilianischen Küste ^).
(Aus einer brieflichen Mittheilung an Prof. Grube.)
Mit Tafel V und VI.
Die nachfolgenden Bemerkungen über brasilianische von Herrn Dr. Fr,
Müller gesammelte Anneliden glaube ich dem wissenschaftlichen Publikum um
so weniger vorenthalten zu dürfen, da uns von exotischen Thieren dieser Klasse
so wenig bekannt, die hier besprochenen von Herrn Dr. Müller lebend beob-
achtet und darunter viele neue Gattungen aufgestellt sind. Wir entnehmen daraus
zugleich, dass die grüne Blutfarbe bei den Anneliden weiter verbreitet ist, als wir
bisher gewusst, dass auch bei den Polynoen verschiedene Arten verschieden ge-
färbtes Blut besitzen, und dass sich die Zahl der Anneliden mehrt, denen das sonst
so allgemein vorkommende lebhaft pulsirende Rückengefäss und überhaupt ver-
zweigte Gefässe fehlen, und bei denen, wie es scheint, das Blut nur wandungslos
in der Leibeshöhle vorkommt, und zwar ein Blut, dessen P'arbstoff nicht an seiner
Flüssigkeit, sondern an den in ihm sehr zahlreich vorkommenden ganz regel-
mässig geformten Körperchen haftet. Was an genauerer Unterscheidung der
hier erwähnten Arten noch mangelt, das werden hoffentlich bald zu erwartende
Nachträge ergänzen. Ed. Grube.
. . . Wie zu erwarten stand, sind alle hiesigen Arten neu: Ihre Zahl beläuft
sich auf etwa 60, die sich, wie folgt, unter die einzelnen Familien verteilen:
Fam. Aphrodite a. 4 Polynoe (Lepidonote-) und 2 Palmyraarten. Letztere
dadurch interesssant, dass aUe Segmente gleich ausgestaltet sind und Rückencirren
tragen, auch das grüne Blut der P. obscura ist eine bemerkenswerthe Eigen-
thümlichkeit. Von den Polynoen hat die gemeinste Art (P. fusca) eine grössere
Zahl von Elytren als alle übrigen Lepidonotcn, nämlich 2 1 Paar -), die auf die
45 Segmente so vertheilt sind, dass sie dem 2ten, 4ten, 5ten, 7ten, gten u. s. w.
25sten, 27sten, 28sten, ßostcn, 3isten, 34sten, 36sten, 38sten, 4isten zukommen.
1) Archiv für Naturgeschichte 1858. I. p. 211 — 220. Taf. VI. u. VII.
2) Nicht mehr die einzige Art mit 21 Elytrenpaaren. Gr.
Annelidenfauna der Insel Santa Catharina. y^^
P. lunifera mit 37 Segmenten trägt ihre 15 Paar Elytren auf dem 2ten,
4ten, 5ten, yten u. s. w., igten, 2isten, 24sten, 27sten, ßosten, 33sten Segment.
Bei dieser und P. pallida beobachtet man Fhmmerepithelium auf der Basis
der Ruder, wo es auch sonst öfter vorkommt.
Fam. Eunicea. i Diopatra, i Onuphis, 3 — 4 Eunice, 3 Lumbriconereis und
I neue Gattung^),
Die Lumbriconereis sind entschieden nicht blosse Jugendzustände, wie für die
eine Art die beobachteten Eier und Spermatozoiden, für die anderen beiden die
sehr eigenthümliche Gebiss- und Borstenbildung beweist.
Diopatra hat grünes Blut. Die Normalzahl der Aftercirren der Euniceen,
die ich bei allen unseren Arten finde, ist 4, selten gleich lang wie bei 2 Lumbri-
conereis, meist die untere beträchtlich kürzer und selbst fast verschwindend klein.
Die Borsten in vollzähliger Entwickelung zeigen 6 verschiedene Formen an dem-
selben Ruder, von unten nach oben in folgender Ordnung: i) Rückenborsten,
bisweilen fast gerade und den Aciculis ähnlich, selten die einzige Bewaffnung des
Ruders bildend ; 2) ein Bündel zusammengesetzter Borsten ; 3) Aciculae meist in
mehrfacher Zahl, bisweilen mit knopfförmiger Spitze, bisweilen in eine haarförmige
Spitze auslaufend; 4) ein Bündel haarförmiger Borsten, denen sich bisweilen paleen-
ähnliche Borsten beigesellen ; 6) endlich einige sehr zarte nach dem Rückencirrus
zu sich erstreckende, nicht aus der Haut austretende Borsten,
Vielfache Eigenthümlichkeiten hat die Gattung Anisoceras' Gr. (Taf. V.
Fig. 1). Der elliptische Kopflappen trägt 2 Paar Augen, nahe dem Seitenrande
I Paar geringelter und daneben ein zweites Paar plumper ungeringelter Fühler.
Das zweiringlige Mundsegment, das beiderseits wulstig neben dem Kopflappen
vorspringt, ist anhangslos. Die ziemlich schlanken Ruder mit drei Lippen (Taf. V.
Fig. 2), einer unteren und zwei oberen, über der unteren ein Büschel sichelförmiger,
zwischen den oberen ein Büschel einfacher Borsten, eine einzelne Acicula, ein
kurzer Bauch- und ein ziemlich langer zweigliedriger Rückencirrus. Keine Kiemen.
Vier Aftercirren. Das abweichendste ist indessen das Gebiss, indem hier die Kiefer
in eine grosse Zahl (gegen 100) einzelner Zähne zerfallen, die jederseits vier paar-
weis genäherte gebogene Längsreihen bilden. Auch die Färbung ist eigenthüm-
lich, indem der gelbliche Körper auf dem Rücken jedes Segments zwei braun-
rothe Querbinden trägt.
Die unteren Fühler scheinen nicht den äusseren Rückenfühlern der Euniceen
zu entsprechen, sondern ähnliche nur beträchtlicher entwickelte und an die so-
genannten Fühlercirren der Spiodeen erinnernde Organe, wie sie sich bei den
Larven der Onuphis finden.
Fam. Lycoridea. 6 Arten Nereis, meist aus der Abtheilung Nereilepas,
Für diese scheint mir die Deutung des grossen oberen Züngelchens als Kieme
unzweifelhaft. Eine bis jetzt nur einmal beobachtete Art hat grünes Blut.
i) Herr Dr. Müller hatte noch nicht das Heft der Videnskabelige Meddelelser fra den natur-
historiske Forening i Kjöbenhavn vom Jahre 1856 in Händen, in welchen ich p. 60 die hier beschriebene
Gattung bereits unter dem Namen Anisoceras aufgestellt und darauf aufmerksam gemacht habe, dass auch
delle Chiaie eine zu derselben gehörige Art unter dem Namen Nereis Rudolphii in seinen Memorie
beschrieben. Die Art, welche Herr Dr, Müller vor Augen gehabt, scheint mir dieselbe, die Oerstedt
bei Punta arenas gefunden und die wir in der oben genannten Zeitschrift als Anisoceras vittata beschrieben. Gr.
78
Annelidenfauna der Insel Santa Catharina.
Fam. Ph)^llodocea. Eine kleine Eulalia und eine Hesione, letztere (H. picta)
mit weissen Querbinden auf schwärzlichem Grunde und mennigrothem Grundgliede
der Rücken- und Fühlercirren ist vielleicht die schönst gefärbte der bekannten
Anneliden. Sie ist fühlerlos (Taf. V. Fig. 3). Rothes Blut, dicht aneinander
liegende Hälften des Nervenstranges und büschelförmige Ovarien entfernen sie
von den eigentlichen Phyllodoceen.
Fam. Syllidea. Eine Art Syllis, die vielleicht wegen der Randpapillen
des Rüssels eine eigene Gattung Lalage bilden muss, wenn den übrigen Syllis
diese Papillen wirklich fehlen. Wie arm sind hier diese beiden in nordischen
Meeren so reichen Familien im Vergleiche mit den Euniceen.
Fam. Glycerea. Eine neue Gattung:
Gly cinde.
Mit reichlicher bewaffnetem Rüssel als irgend ein anderer Wurm (Taf. V.
Fig. 4. 5. 6). Randpapillen und nahe dem Rande ein Kreis von etwa 20 schwarzen
Kieferspitzchen, von denen die zwei untersten ansehnlich gross sind. Auf der
Rückenseite zwei Längsbinden farbloser aufwärtsgekrümmter Zähne (mehrere 100),
kleinere Zähnchen auf seiner Bauchfläche und einzelne flache Plättchen zerstreut
an den Seiten. Kopflappen geringelt, die vier Fühlerchen zweigliedrig, ein Paar
Augen an seiner Basis, ein zweites nahe der Spitze. Keine Kiemen. Rücken-
und Bauchcirrus und zwei blattförmige Lippen an jedem der beiden Borsten-
büschel. Zwei lange untere und zwei rudimentäre kuglige obere Aftercirren. Ich
vermisse bis jetzt bei diesem Thiere Gefässe. Die Flüssigkeit der Leibeshöhle hat
Blutfarbe, enthält zahlreiche grosse flache kreisrunde Scheibchen (von 74^ Milli-
meter Durchmesser 1)) und scheint die Stelle des Blutes zu vertreten.
Spec. Glycinde multidens.
Fam. Amytidea?
Sigambra Grubii. Kopflappen nicht deutlich vom langen Mundsegmente
geschieden mit zweilappiger Stirne; zwei winzigen Stirn- und drei Nacken-
Fühlern (Taf. V. Fig. 9), jederseits zwei Paar Fühlercirren ; der obere des hinteren
Paares sehr lang, zwischen denen des hinteren Paares ein Borstenbündelchen.
Ruder einästig mit einem Bündel einfacher Borsten und einer Acicula, kurzer
fadenförmiger Bauch- und langer schmal blattförmiger Rückencirrus, in dessen
Basis versteckt sich eine zweite Acicula, begleitet von einem einzelnen gestreckten
Häkchen (Taf, V. Fig. 7 u. 8). Zwei lange Aftercirren; zahlreiche kurze Seg-
mente. Rüssel cylindrisch mit Randpapillen, Darm mit seitlichen Fortsätzen in
die Basis der Ruder. Blut gelblich.
Fam. A r i c i e a. 2 Arten Spio (?), i Leucodore, i Magelona (nov. gen.),
I Gisela n. g., 4 Cirratulus, i Aricia, i Theodisca n. g., i Cherusca n. g., i Her-
mundura. Sie sehen, wie reichlich diese Familie oder vielmehr das Gemisch
heterogener nur durch negative Charaktere vereinigter Thiere hier vertreten ist.
Ob wirklich L e u c k a r t's Leucodore mutica der sogenannten Fühler entbehrt.
I) Wir hätten hier also ein drittes Beispiel von einer frei im Leibe einer Annelide fluctuirenden
an regelmässigen gefärbten Körperchen reichen Flüssigkeit, beim Mangel von Gefässen. An Glycera und
Capitella haben Quatrefages, van Beneden, Oersted und ich ähnliches beobachtet. Gr.
Annelidenfauna der Insel Santa Catharina.
79
möchte ich, beiläufig bemerkt, bezweifeln; da die Spionen leicht diese Organe
verlieren und nicht selten ohne dieselben angetroffen werden,
M a g e 1 o n a.
Kopflappen flach, häutig, breit herzförmig; zwei sehr lange mit cylindrischen
Papillen besetzte sogenannte Fühlercirren, ich sage sogenannte, da ich in der
That kaum eine Analogie zwischen diesen Organen und den Fühlercirren anderer
Rapacia finde.
Vordere Körperabtheilung aus 9 Segmenten mit zweizeiligen Bündeln ein-
facher Borsten, jedes mit einer cirrenartigen Lippe. Die sehr zahlreichen Seg-
mente der hinteren Körperabtheilung tragen jederseits eine untere und eine obere
Querreihe gestreckter Häkchen (Taf. V. Fig. 11) und zwischen beiden zwei cirren-
artige fadenförmige oder schmal blattförmige Fortsätze. Zwei Aftercirren. Wenig
vorstülpbarer Rüssel. Darm in der hinteren Körperabtheilung zwischen je zwei
Segmenten sehr stark eingeschnürt. Das Blut blassviolett mit sehr zahlreichen
Blutkü gelchen. Rücken- und Bauchgefäss; an der Grenze je zweier Segmente
der hinteren Körperabtheilung entspringt aus jedem derselben ein Seitengef äss ;
diese laufen neben einander nach aussen, dann geschlängelt nach hinten und enden
in eine gemeinsame contractile Blase (Taf. V. Fig. 10). Weitere Gefässe scheinen
zu fehlen. Das Blut fluctuirt sehr lebhaft, doch in stets wechselnder Richtung.
In der vorderen Körperabteilung scheint das Blut gefässlos die Leibeshöhle zu
füllen, und dringt in den Kopflappen und die Fühlercirren.
Spec. Magelona papillicornis.
Gisela.
Herzförmiger Kopflappen; zwei Paar Augen. Ein Büschel Haarborsten
zwischen einer breit blattförmigen unteren und oberen Lippe, von denen die
letztere in einen cirrusähnlichen Faden ausläuft ; auf der Bauchseite eine Querreihe
Hakenborsten, von denen eine einfach S-förmig und stärker ist, die anderen einen
kurzen scharf umgebogenen Schnabel haben (Taf. V. Fig. 12). Von der oberen
Lippe läuft eine niedrige häutige Lamelle mit stark flimmerndem Rande quer
über den Rücken und scheint als Kieme zu fungieren. Die vorderen Segmente
sind abweichend ausgestaltet. Zwei Aftercirren.
Spec. Gisela heteracantha.
Theodisca.
Theodisca schliesst sich im Baue der seitlichen Fortsätze an Aricia an, unter-
scheidet sich aber durch einen einzig dastehenden Rüssel, der dendritisch in zahl-
reiche fingerförmige mit Flimmerepithelium bedeckte Lappen zerschlitzt ist (Taf. V.
Fig. 14).
Ruder der hinteren Segmente Taf. V. Fig. 13, Aftersegment Taf. V, Fig. 15.
Spec. Theodisca aurantiaca.
Hermund ura.
Kopflappen zweispitzig oder vielmehr in zwei einstülpbare Stirnfühler (Taf. VI.
Fig. iq) auslaufend. Zweiästige Ruder, der lange untere Ast mit farbloser Acicula
und einem Büschel zahlreicher ziemlich starker einfacher Borsten ; der sehr kurze
obere Ast hat als einzige Bewaffnung eine Acicula, kürzer und stärker als die
gQ Annelidenfauna der Insel Santa Catharina.
des untern (Taf. VI. Fig. 21. Keine Kiemen. Zwei seitlich abstehende und ein
kurzer unpaariger Aftercirrus (Taf. VI. Fig. 20).
Spec. Hermundura tricuspis.
Cherusca.
Winziger Kopflappen mit unpaarem Fühler, auf seinem Rücken (oder dem
des isten Segments?) ein ästiger Anhang, fast wie eine Terebellenkieme ! Die
seitlichen P'ortsätze aller Segmente mit einer oberen und unteren blattförmigen
Lippe. Borsten des isten Segments ein Bündel gerader und ein Bündel schwach
S-förmig gebogener Borsten, am 2ten und ßten Segmente einige dieser S-förmigen
Haken und ein Bündel zarter Haarborsten, am 4ten bis 6ten Segmente nur diese
letzteren, ebenso am jten bis i3ten, an denen die Enden der beiden Lippen in
spateiförmige Paleen übergehen, die diesen Weichtheilen nicht ein-, sondern auf-
gepflanzt sind! (Taf. VI. Fig. 18). Die übrigen Segmente mit mehreren Büscheln
verschiedener starker Haarborsten und im oberen Theile des Ruders mit einem
Säckchen voll äusserst zahlreicher loser, in Masse goldglänzender sehr zarter
kurzer Borstchen, die bei jedem Reize in Menge entleert werden und mit dem
aus dem vorderen Theile des Ruders austretenden Schleime das Thier umgeben
(Taf. VI. Fig. 16). Drei Aftercirren (Taf. VI. Fig. 17). Diese hintere Körper-
abtheilung ist unendlich lang, ich habe schon über fusslange Fragmente, aber
noch kein unversehrtes Exemplar des sehr schmalen und flachen äusserst zer-
brechlichen Thieres gefunden.
Keine dieser sonderbaren Aricieen ist etwa nur Larvenzustand : ich habe
alle mit entwickelten Zeugungsstoffen beobachtet.
Familie? Drilidium.
Der kurze rundliche Körper hat gegen 20 undeutlich geschiedene Segmente;
ein deutlicher Kopflappen, zwei Augen, Mund am Vorderende, daneben ein paar
längere Papillen (Fühler?), winzige Borstenhöcker mit einer Acicula und ein
zwischen zwei kurzen Lippen vortretendes Bündel von etwa fünf einfachen lanzett-
förmigen Borsten. Haut mit kleinen Papillen besetzt. Kurzer muskulöser Schlund
und weiter häutiger etwas gebogener Darm, der frei in der Leibeshöhle liegt.
Das Thier, frei im Meerwasser aufgefischt, war nur 373 Millimeter lang, hatte
aber die Leibeshöhle voll Eier in verschiedenen Stadien der Entwickelung.
Fam. Pherusea. Ein Siphonostomum. Die sogenannten oberen Fühler
sind ohne Zweifel Kiemen, das beweist ihr Blutreichthum vmd ihr ungewöhnlich
lebhaft wimperndes Flimmerepithelium, auch die sogenannten unteren Fühler
scheinen mir wenig Anspruch auf diesen Namen zu haben.
Fam. Maldan ia. i Clymene und 1 Ammochares vielleicht nicht verschieden
von A. Ottonis, dessen Beschreibung mir nicht mehr erinnerlich ist. Clymene hat
einen vorstülpbaren Rüssel. Die zerschlitzte Kopfmembran des Ammochares ist
ziemlich blutreich und flimmert, und ist deshalb wohl als Kieme anzusprechen.
Blut roth. Zahlreiche blinde frei in der Leibeshöhle flottirende Gefässe.
Fam. Terebellacea. Etwa ein halb Dutzend Terebella, i Terebellides,
I Isoida nov. gen., i Sabellides ?, i Polycirrus.
Terebellides anguicomus (Taf. VI. Fig. 22). 17 Paar Borstenbündel, Haken-
borsten gestreckt, fehlen unter dem isten bis 4ten Borstenbüschel, unter dem 5ten
Annelidenfauna der Insel Santa Catharina. gl
sind sie von abweichender Form (Taf. VI. Fig. 23). Der hintere Körpertheil mit
Flösschen, die sehr winzige Häkchen tragen, ist durch eine Einschnürung in zwei
Abtheilungen geschieden, die vordere mit 11 — 12 ziemhch langen, die hintere mit
gegen 30 sehr kurzen Segmenten. Keine Aftercirren, kein die Fühlfäden deckendes
Blatt, diese zahlreich, zart mit lanzettlich verbreiterter Spitze. Kiemen aus vier
verwachsenen Blättern bestehend, die beiden unteren oder hinteren sehr klein und
nur an der Spitze als schmale Züngelchen vortretend, die obern mit queren kreis-
förmigen Lamellen besetzt. Vor dem muskulösen Magen zwei dunkelbraune
Drüsen. Einer der gemeinsten unserer Ringelwürmer.
Isoida.
Ueber dem Lippenblatte wenig zahlreiche kurze Fühlfäden, acht Kiemen-
fäden auf dem Rücken dicht beisammen, die vier äussern einfach, die vier innern
mit doppelter Reihe von Nebenfäden (Taf. VI. Fig. 26). Ausser dieser Form der
Kiemen erinnert das Thier auch dadurch bei oberflächlicher Betrachtung an die
Serpulaceen. dass es die Kiemen meist in der Richtung der Körperachse aus dem
häutigen Rohre vorstreckt. Kiemen und Fühlfäden flimmern. Im hinteren Theile
des Körpers nur Flösschen mit kurzen Häkchen ; vorn Bündel einfacher Borsten
und untere Häkchenreihen, an deren Stelle bei den ersten Borstenbüscheln eine
dichte Reihe kurzer, gerader Borsten; die Bewaffnung des ersten Segments be-
schränkt sich auf einen einzigen starken Stachel mit kurzer sichelförmiger Spitze.
Blut blassroth mit einem Stich in's Grünliche.
Spec. Isoida pulchella.
Sabellides? Das Thier, das ich seiner einfachen fadenförmigen Kiemen
wegen vorläufig hierher stelle, hat sonst, so viel ich mich der Sars'schen Be-
schreibung erinnere, wenig Aehnlichkeit mit dessen Art. Das Lippenblatt, 7*
des Umkreises bildend, umgiebt kreisförmig den Mund und trägt am Rande und
darüber die zahlreichen langen und ziemlich starken röthlichgrauen Fühlfäden,
die durch kein Blatt von oben gedeckt sind. Kiemenfäden sehr zahlreich in sechs
Gruppen den sechs Kiemen der Terebellen entsprechend, können sich pfropfen-
zieherartig zusammenziehen. Körper von gewöhnlicher Terebellenform, lang, mit
Borstenbüscheln und Häkchenreihen an allen Segmenten.
Polycirrus? beobachtete ich erst in wenigen unvollständigen Exemplaren.
Ein ziemlich langes Blatt über dem Munde trägt zahlreiche hohle Fäden mit
Flimmerepithelium, in denen das rothe Blut mit auffallend grossen Blutkörperchen
durch Contraktion dieser Fäden lebhaft hin und her wogt. Die Querreihen der
Häkchen beginnen unter dem yten Borstenbüschel.
Fam. Hermellacea. i Sabellaria, i Centrocorone.
Fam. ^erpulacea. 4 Sabellen ^), i Protula, i Eupomatus und verschiedene
Serpula- und Spirorbisröhren.
I) Die von Herrn Dr. Müller hier angeführten von ihm für neu gehaltenen Arten scheinen mir
noch nicht so genau charakteisirt, dass man sie mit Sicherheit von allen übrigen unterscheiden könnte;
weshalb ich es im Interesse der Wissenschaft für räthlicher halte, ihre Namen hier vorläufig noch nicht
mitzutheilen.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. "
g2 Annelidenfauna der Insel Santa Catharina.
Erklärung- der Abbildungen auf Tafel V und VI.
Fig. I. Vorende von Anisoceras vittata Gr. Oerst.
Fig. 2. Ruder derselben.
Fig. 3. Kopflappen von Hesione picta.
Fig. 4. Zahn von Glycinde multidens.
Fig. 5. Grössere Kieferspitzen von Glycinde multidens.
Fig. 6. Kleinere Kieferspitzen von Glycinde multidens.
Fig. 7. Ruder von Sigambra Grubii.
Fig. 8. Hakenborste von Sigambra Grubii.
Fig. 9. Vorderende von Sigambra Grubii.
Fig. 10. Gefässschlinge von Magelona papillicornis.
Fig. II. Hakenborste von Magelona papillicornis.
Fig. 12. Querreihe von Hakenborsten von Gisela heteracantha.
Fig. 13. Ruder der hinteren Segmente von Theodisca aurantiaca.
Fig. 14. Rüssel von Theodisca aurantiaca.
Fig. 15. Aftersegment von Theodisca aurantiaca.
Fig. 16. Ruder der hinteren Körperabtheilung von Cherusca nitens. a Säckchen
mit losen Borsten, b Schleimkügelchen.
Fig. 1 7. Aftersegment von Cherusca nitens.
Fig. 18. Palee des 7.— 13. Segments von Cherusca nitens.
Fig. 19. Einstülpbaare Stirnfühler von Hermundura tricuspis.
Fig. 20. Aftersegment von Hermundura tricuspis.
Fig. 21. Ruder von Hermundura tricuspis.
Fig. 22. Terebellides anguicomus.
Fig. 23. Hakenborste unterm 5. Borstenbüschel von Terebellides anguicomus.
Fig. 24. Hakenborste unterm 6. — 17. Borstenbüschel desselben Thieres.
Fig, 25. Hakenborste der Flösschen desselben Thieres.
Fig. 26. Vorende von Isoida pulchella.
Fig. 2"]. Aftersegment von Isoida pulchella.
Fig. 28. Borsten vor dem Borstenwechsel von Sabella.
Fig. 29. Borsten des ersten Segments nach dem Borsten Wechsel von Sabella.
Fig. 30. Borsten der hinteren Segmente von Sabella.
Fig. 31. Aftersegment einer Sabella.
Fig. 32. Augen mehr vergrössert von derselben.
Fig. 33. Hakenborsten vor dem Borstenwechsel von derselben.
Die Magenfäden der Quallen^).
Man kennt seit lange bei den höheren Schirmquallen, den Familien der
Rhizostomiden, Medusiden, Pelagiden und Charybdeiden, Gruppen tentakelähnlicher
Fäden in der Nähe des Mundes, die mit langsam wurmförmiger Bewegung begabt,
mit Flimmercilien bedeckt und mehr weniger reichlich mit Nesselorganen aus-
gestattet sind. Sie scheinen den Quallen der genannten Familien allgemein zu-
zukommen und dürften das einzige sie von den niederen Quallen (Cryptocarpae
Eschsch., Gymnophthalmata Forb., Craspedota Gegenb.) scheidende gemeinsame
Merkmal sein. Der Mangel des Velum wenigstens, den Gegenbaur als solches be-
trachtet, ist es eben so wenig, als die Bedeckung der Randkörperchen, von der
Forbes den Namen der Steganophthalmata entlehnte; zwei mit Charybdea marsu-
pialis Per. in den wesentlichsten Zügen ihres Baues übereinstimmende Arten,
Tamoya haplonema und quadrumana mihi, deren ausführliche Beschreibung ich dieser
Tage meinem Freunde Max Schultze übersandte, haben ein höchst entwickeltes Velum.
Weniger übereinstimmend, als über das Vorkommen, lauten die Angaben
über die Bedeutung dieser Fäden. Ihr constantes Vorkommen in der Nähe der
Geschlechtsorgane bei den ersten drei Familien gab Veranlassung, sie als „fühler-
ähnliche Anhänge der Geschlechtsorgane" zu bezeichnen und damit implicite eine
Beziehung zur Geschlechtsfunction auszusprechen. Gegenbaur, der sie bei Nausithoe
und Charybdea als hohle mit der Magenhöhle in Verbindung stehende Fäden be-
schreibt, erklärt sie als Reservoirs der im Gastrovascularsystem sich bewegenden
Flüssigkeit. Milne Edwards bezeichnet sie bei Charybdea als canaux biliaires.
Leuckart paralleHsirt sie den von ihm als nierenartige Absonderungsorgane ge-
deuteten Mesenterialfilamenten der Actinien.
Soweit ich darüber Angaben finde, werden sie allgemein als hohl und vom
Gastrovascularsystem frei nach aussen oder in die Geschlechtshöhlen gerichtet be-
schrieben.
Ich hatte Gelegenheit, diese Fäden bei den genannten beiden Arten von
Tamoya, bei einer Rhizostomide und bei einer grossen Chrysaora zu
untersuchen, ohne mich einer der gegebenen Deutungen anschliessen zu können.
Bei Tamoya finden sich die Geschlechtsorgane in den weiten Seitentaschen
des Magens, entfernt von den dem blossen Auge als trübe Streifen der Magen-
I) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 1858. IX. p. 542 — 543.
g^ Magenfäden der Quallen.
haut erscheinenden Gruppen der Magenfäden, so dass also wenigstens hier an eine
nähere Beziehung beider Organe nicht zu denken ist.
Bei allen 4 Arten finde ich die Fäden solid und in die Höhle des
Magens gerichtet, letzteres ist bei allen, namentlich bei Chrysaora leicht zu
constatiren, wo sie eine Länge von einigen Zoll erreichen ; ersteres wird besonders
nach Behandlung mit Chromsäurelösung deutlich, worauf sich die Rindenschicht
leicht von dem durchsichtigen bei frischen Fäden allerdings einer Höhle ähnlich
erscheinenden soliden Centralstrang abpinseln lässt. Dadurch ist denn für unsere
Arten die Erklärung von Gegenbaur unmöglich gemacht.
Nahe liegt es dagegen, an eine Beziehung der Magenfäden zur Verdauung
zu denken. Diese Vermuthung zu bestätigen oder zu widerlegen, bedeckte ich
Muskeln aus einer Krabbenscheere und ein Stück vom Hintertheile eines Alpheus
mit den einer lebenden Tamoya haplonema entnommenen Magenfädengruppen
und übergoss sie mit ein wenig Seewasser. Entsprechende Stücke legte ich in
reines Seewasser. Letztere zeigten sich nach 10 bis 12 Stunden nicht merklich
verändert. Dagegen war unter dem Einfluss der Magenfäden das Fleisch des
Alpheus vollständig, das aus der Krabbenscheere fast ganz zu einer trüben Flüssig-
keit gelöst; die schwärzlichgrüne Schaale des Alpheus hatte sich röthlich gefärbt;
ein schleimig erweichter Rest auf der Chitinplatte, von der die Muskeln der Krabben-
scheere entspringen, Hess unterm Mikroskop noch seine Muskulatur erkennen. Die
Magenfäden zeigten sich noch frisch, flimmernd und wie gewöhnlich in langsam
wurmförmiger Bewegung.
Ob nun ein eigenthümliches von dem der übrigen Magenwand verschiedenes
Secret von den Fäden erzeugt wird, oder ob sie nur zur Vergrösserung der ver-
dauenden Magenfläche dienen , ist allerdings hiermit noch nicht entschieden,
ersteres jedoch mir wahrscheinlicher, da ich unregelmässig rundliche dunkel con-
tourirte Körperchen von 0,01 Millimeter Durchm., die ich auf der Oberfläche der
Fäden und in der umgebenden Flüssigkeit bei Tamoya fand, im übrigen Theile
des Magens vermisste.
Auffallend sind die bei Tamoya sehr spärlich, bei den beiden anderen Arten
sehr reichlich den Fäden eingestreuten Nesselorgane, wie sie auch Will bei Cephea,
Gegenbaur bei Charybdea fand. Bei Tamoya und Chrysaora könnte man sie auf
Bewältigung lebend verschluckter Beute beziehen. Was aber können sie in der
centralen Höhle unserer polystomen Rhizostomide bedeuten, die weit entfernt liegt
von den Oeffnungen der Arme?
Zwei neue Quallen von Santa Catharlna^).
Tamoya haplonema und quadrumana.
Mit Tafel VII, VIII und IX.
Das Meer von Santa Catharina scheint nicht eben reich an Quallenarten zu
sein ; doch finden sich unter diesen mehrere in systematischer wie in anatomischer
Hinsicht besonders merkwürdige Formen. Zu diesen rechne ich vor allen die
beiden nachstehend näher zu beschreibenden Schirm quallen, die am Strande der
Praia de fora bei Desterro gefunden wurden.
Die eine derselben, Tamoya quadrumana mihi gehört zu den seltneren
Arten; im Laufe zweier Jahre bekam ich nur 3 Exemplare zu Gesicht, Weit
häufiger ist die andere, Tamoya haplonema mihi, von der ich bisweilen an
einem Tage über ein Dutzend fand.
Des Gemeinsamen beider Arten ist so viel, dass ich ihre Beschreibungen in
eine zusammenfasse, der Schilderung jedes Organes die specifischen Differenzen
anschliessend.
Der Körper ist glockenförmig, von wasserheller, recht fester Substanz und
deshalb wenig veränderlicher Form, aussen bedeckt mit kleinen flachwarzigen
Erhabenheiten, auf denen weissliche Fleckchen, Gruppen von Nesselzellen, liegen.
Bei T. haplonema ist die Glocke höher (15 cm hoch, bei 12 cm Durchm.), mit
flachem Scheitel, fast senkrecht niedersteigenden Wänden und ziemlich viereckig
im Querschnitt; bei T. quadrumana niedriger {10 cm hoch, bei 12 cm Durchm.),
der Halbkugel sich nähernd, mit gewölbtem Scheitel und nach unten ansehnlich
erweitert. Durch Längsfurchen sind die Seiten der Glocke aussen in 8 Längs-
wülste getheilt, 4 schmälere dickere, den Ecken des vierseitigen Querschnitts bei
T. haplonema entsprechend, und 4 breitere, flachere. Ich bezeichne der Kürze
wegen auch bei T. quadrumana erstere als Eck-, letztere als Seitenwülste. Bei
T. haplonema sind die Wülste in ihrer ganzen Länge ziemlich gleich breit,
die Seitenwülste reichlich doppelt so breit als die Eckwülste; diese letzteren sind
fast in der ganzen Länge von einer mittleren Längsfurche durchzogen und ausser-
dem finden sich auf jeder Seiten wulst im unteren Drittel noch zwei nach unten
convergirende seithche Furchen. Bei T. quadrumana sind die Eckwülste oben,
I) Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Halle. 1859. V. p. i— 12. Taf. I, II, III.
üA Zwei neue Quallen von Santa Catharina.
die Seitenwülste unten breiter (beide oben 3 cm, unten erstere 2 cm, letztere 6 cm),
die Mittelfurche der Eckwülste durchzieht nur deren oberes Drittel, während auf
den Seitenwülsten zwei parallele Längsfurchen ein mittleres 3 cm breites Feld
abgrenzen. Entsprechend den äusseren Furchen verlaufen ähnliche auf der Innen-
fläche der Glocke und ausserdem findet sich hier eine mittlere Längsfurche der
Seitenwülste, bei T. quadrumana nur im unteren Drittel, bei T. haplonema
in der ganzen Länge, jedoch häufig mehr als allmälige Verdünnung der Glocken-
substanz, denn als scharfe Furche ausgeprägt. Bisweilen zeigt sich auch bei beiden
Arten eine entsprechende schwache äussere Furche.
Vom unteren Ende der Eckwülste entspringen 4 sehr ansehnliche Fort-
sätze. Bei T. haplonema sind sie einfach keulenförmig, seitlich zusammen-
gedrückt, mit scharfer äusserer und innerer Kante, 6 bis 7 cm lang, 4 cm hoch,
am Ende einen bis gegen 5 Fuss langen bränlichen Fangfaden tragend ^). Weit
weniger einfach sind sie bei T. quadrumana; hier ist dieser abwärts gerichtete
und etwas einwärts gebogene Fortsatz am Ursprung rundlich, 16 — 18 mm dick,
wird aber bald seitlich zusammengedrückt, mit scharfer äusserer und innerer Kante;
seine Länge am inneren Rande beträgt etwa 45 mm; der äussere Rand trägt
IG bis 1 1 schwertförmige seitlich comprimirte mit der Spitze etwas einwärts ge-
bogene Fortsätze, von denen der erste unpaare von der Mittellinie, die folgenden
paarig von den Seiten des äusseren Randes entspringen. Sie nehmen an Länge
ab von dem ersten 45 mm bis zum letzten 10 — 15 mm langen; an der Basis deckt
jeder folgende von aussen den vorhergehenden und am Ende trägt jeder einen
sehr langen bräunlich gefärbten Fangfaden.
Die Fangfäden sind hohl, sehr contractu (mit deutlicher Längsmuskel-
schicht), und erscheinen durch in Querbinden geordnete Nesselzellen wie geringelt.
Sie scheinen kaum zu brennen, haften dagegen sehr fest an Gegenständen, mit
denen sie in Berührung kommen ; halbverdaute Fische im Magen der T. haplo-
nema fand ich noch von einem Stück Fangfaden umschlungen. Die Nesselzellen
dieser Art sind spindelförmig, 0,06 mm lang bei 0,015 mm Dicke, und jede ist
von etwa sechs soliden cylindrischen Fäden (0,0g mm lang, 0,004 mm dick) um-
geben, die vom Rande einer die Basis der Nesselzelle umhüllenden Scheide zu
entspringen scheinen. Bei T. quadrumana finden sich grössere spindelförmige
Nesselzellen (0,056 mm lang, 0,008 mm dick) und kleinere (0,012 mm lang, 0,003 "i^n
dick), jede Art für sich in Querstreifen geordnet, die mit den kleinen Nesselzellen
sind schmäler, aber weit zahlreicher. Der Kanal der Fangfäden setzt sich fort
durch die Anhänge der Glocke und steht auf unten näher zu bezeichnende Weise
mit dem Gastrovasculärsysteme in Verbindung.
Ziemlich in gleicher Höhe mit dem Ursprung der keulen- oder bandförmigen
Anhänge findet sich mitten auf den Seitenwülsten eine Querspalte, die in eine
die Substanz der Glocke fast vollständig durchsetzende Nische führt. Sie ist
von einer bei T. haplonema stärker entwickelten kreisförmigen Wulst umgeben
und nach abwärts erstreckt sich von ihr bis über den Rand der Glocke ins Velum
hinein eine zungenförmige Wulst, schmaler und dicker bei T. quadrumana,
l) Ein einziges Mal sah ich an einem der 4 keulenförmigen Anhänge einen zweiten überzähligen
Fangfaden. (Fig. 2.)
Zwei neue Quallen von Santa Catharina.
87
flacher und als Fortsetzung des von den convergirenden Seitenfurchen begrenzten
Feldes erscheinend bei T. haplonema. Im Grunde der Nische sitzt der gestielte
Randkörper.
Der untere Rand der Glocke ist eingefasst von einem reichlich zollbreiten
häutigen Velum, das bisweilen schlaff niederhängt, bisweilen mehr oder weniger
quergespannt erscheint.
Der dünnhäutige Magen nimmt den Grund der Glocke ein ; er erscheint
aufgeblasen mehr weniger kuglig und ist durch eine engere verschliessbare Stelle
von dem sehr beweglichen, am Ende erweiterten, vierkantigen und in 4 Lappen
gespaltenen Mundtrichter geschieden. Der Mundtrichter ist durch eine Schicht
Gallertsubstanz verdickt, die indess viel weicher ist, als die der Glocke, und die
auf der Mitte jedes Lappens eine abgerundete Längsrippe bildet. In ihrer Lage
entsprechen diese Lappen den Seiten der Glocke (also den Randkörperchen). —
Bei T. quadrumana ist der Mundtrichter relativ länger als bei T. haplonema,
wo er in der Regel selbst nicht bis zur Hälfte der Glockenhöhe niederreicht.
Abwechselnd mit den Mundlappen zeigt die Magenwand 4 trübe Streifen,
die schon durch die Loupe in Gruppen äusserst zahlreicher wurmförmiger und
langsam wurmförmig bewegter in die Höhle des Magens ragender Fäden von
5 — 6 mm Länge und 0,15 — 0,2 mm Dicke sich auflösen. Bei T. haplonema
erstrecken sich diese Streifen in gerader aufwärts gerichteter Linie durch die zwei
oberen Drittel der Magenwand ; die Fäden sind meist ein- bis zweimal in je 2 bis
3 lange Aeste getheilt, selten stärker verästelt. Bei T. quadrumana sind die
Streifen hufeisenförmig gebogen, der Bogen dem Grunde der Glocke, die Schenkel
dem Munde zugekehrt, und die Fäden unverästelt. — Die Flimmercilien, mit denen
diese Fäden bedeckt sind, erzeugen eine lebhafte nach deren Spitze gerichtete
Strömung; einzelne kleine Nesselzellen finden sich namentlich am unteren Theile
der Fäden ; ausserdem zeigt ihre Oberfläche unregelmässig rundliche, dunkel con-
tourirte Körperchen von 0,01 mm Durchm., und ähnliche, wahrscheinlich Secret
der Fäden, fanden sich in der umgebenden Flüssigkeit. Man ist beim ersten Blick
durchs Mikroskop versucht, diese Fäden für hohl zu halten; indessen weist eine
nähere Untersuchung die scheinbare Höhle als einen soliden durchsichtigen Central-
strang nach. Nach Behandlung mit Chromsäurelösung lässt sich leicht die äussere
Schicht von dem Centralstrange abpinseln.
Aehnliche wurmförmige Fäden, wie die unserer beiden Arten, sind bei den
meisten einer näheren Untersuchung unterworfenen höheren Schirmquallen ge-
funden worden. Indess weichen von denen der Tamoya die der übrigen Quallen
nach den früheren Angaben dadurch ab, dass sie hohl sind (so nach Gegenbaur
bei Nausithoe und Char}^bdea), nach aussen oder in die Geschlechtshöhlen ragen,
und in unmittelbarer Nähe der Geschlechtsorgane sitzen. Letzteres ist jedenfalls
ein reeller und charakteristischer Unterschied der EJiizostomiden, Medusiden und
Pelagiden von Tamoya; dagegen möchten wohl die ersteren Angaben einer
neuen Bestätigung bedürfen; wenigstens finde ich bei einer Rhizostomi de und
bei einer grossen Chrysaora, wo sie eine Länge von einigen Zoll erreichen,
die Magenfäden ebenfalls sohd und in die Höhle des Magens gerichtet.
Der Magen ist bei T. haplonema nur an den Ecken des Glockengrundes
befestigt, während die ganze Breite der Seiten offen bleibt als Eingang in 4 weite
83 Zwei neue Quallen von Santa Catharina.
Seitentaschen. Trotz dieses breiten Eingangs findet durch die straff heriiber-
gespannte Magenhaiit ein vollständiger Abschluss statt, so dass man Magen oder
Seitentaschen ziemlich stark aufblasen kann, ohne dass Luft aus einem in das
andere übertritt. — Weit complicirter sind diese Verhältnisse bei T. quadru-
mana; stülpt man hier, was leicht geschehen kann, die Glocke um, und entfernt
Mundtrichter und Magen, so erscheint der Boden der Glocke als ein Viereck mit
abgerundeten Ecken und leicht ausgebuchteten Seiten, jene den Eck Wülsten, diese
den Seiten der Glocke entsprechend. Der Ausbucht jeder Seite liegt eine stark
gewölbte i6 mm lange, 14 mm breite eiförmige Wulst vor, zu deren Seiten von
der hier stark verdickten Glocke zwei ansehnliche fingerförmige Fortsätze
ausgehen. Sie sind drehrund, 4 bis 5 cm lang, an der Basis gegen 2 cm dick,
allmälig verjüngt, mit abgerundeter Spitze; ihre Substanz ist etwas weicher, als
die der Glocke. Der Magen nun inserirt sich im ganzen Umfang des Vierecks,
mit Ausnahme der Ausbucht der Seiten, soweit ihnen die eiförmige Wulst vor-
liegt; hier bleibt der Eingang in die Seitentaschen.
Diese Seitentaschen nehmen die ganze innere Seitenwand der Glocke
ein; ihre innere Wand inserirt sich der Glocke längs der Mittelfurche der Eck-
wülste; sie entsprechen also in ihrer Lage den Randkörpern und wechseln ab mit
den fangfadentragenden Anhängen. Nach unten reichen sie bis zum Ursprung
dieser Anhänge und zu den Randkörperchen, und zwischen diesen 8 Puncten
noch etwas tiefer abwärts, bei T. haplonema mehr geradlinig am Glockenrande
endend, während bei T. quadrumana ein breiterer Fortsatz der Seitentasche
zu jeder Seite der bandförmigen Anhänge, ein schmälerer zu jeder Seite der
Randkörperchen bis ins Velum niedersteigt. Vom unteren Rande der Seiten-
taschen und bei T. quadrumana besonders von diesen Fortsetzungen derselben
gehen dendritisch verzweigte nicht anastomosirende Kanäle bis zum Rande des
Velum.
Seitentaschen und fangf adentragende Anhänge wechseln ab, wie bereits er-
wähnt ist; jede Seitentasche communicirt mit den beiden Anhängen und also jeder
Anhang mit den beiden Seitentaschen, zwischen denen er liegt. Der Anhang
entspringt nämlich mit breiter Basis von der Aussenseite des Glockenrandes,
während ein schmaler Fortsatz seines Innenrandes an dessen Innenseite sich in-
serirt gerade da, wo die Grenzlinie beider Seitentaschen unten endet; so bleibt
zwischen den oben abgerundet endenden Seiten des Anhangs und den gleichfalls
gerundet endenden Eckwülsten der Glocke jederseits eine schmale Spalte, die aus
der unteren Ecke der Seitentasche in den Kanal des Anhangs führt. Dieser
Kanal ist bei T. haplonema anfangs dreieckig, später viereckig und am untern
Ende schmal elliptisch ; letztere Form hat er durchweg bei T. quadrumana;
wo er einen Ast für jeden Finger abgiebt.
Wenn nun auch auf diese Weise der Kanal der Fangfäden ins Gastro-
vasculärsystem, also auf die Unterseite der Glocke führt, so ist es doch hier augen-
scheinlicher als sonst, dass die Fangfäden selbst nicht auf dieser Unterseite ent-
springen, wie es Gegenbaur als allgemeines Gesetz betrachten möchte. Im Gegen-
satz hierzu möchte ich unterständige Fangfäden, wie bei Sthenonia, als einen
Ausnahmsfall betrachten. Für Gegenbaur's Craspedota wenigstens erscheint es
als offener Widerspruch, gleichzeitig das Velum als Fortsetzung des Schirms an-
Zwei neue Quallen von Santa Catharina. 3q
zusehen und die stets nach aussen vom Velum befindlichen Randfäden der Unter-
fläche zuzutheilen.
Ob, wie nach der Analogie zu vermuthen, auch in den Stiel der Rand-
körperchen ein Fortsatz der Seitentaschen geht, ist mir nicht ganz klar geworden.
Flimmerbewegung sah ich nie in diesem Stiele. —
Die 8 fingerförmigen Fortsätze, die bei T. quadrumana paarweise vom
Glockengrunde niederhangen, sind, wie Finger vom Handschuh, lose umhüllt von
einer dünnen Haut, deren Höhle unten rings in offener Verbindung steht mit den
Seitentaschen ; von diesen aus aufgeblasen überragt sie die Spitze des Fingers
noch um einige Linien. — '
Die Gallertsubstanz des Mundtrichters setzt sich bei derselben Art von dessen
Kanten (abwechselnd also mit den Reifen der Magenfäden) nach oben in die
Magenwand bis zwischen die fingerförmigen Anhänge fort als ein etwa i cm
breiter flacher Streifen; dieser ist von einem schmalen Kanäle durchzogen, von
dem unter spitzem Winkel zahlreiche mehrfach verzweigte und mit kurzen fiedrig
gestellten Reiserchen dicht besetzte Aeste abgehen. Durch lebhafte Flimmer-
bewegung wird aus dieser äusserst zierlichen dendritischen Drüse eine feine,
dunkle Körnchen führende Flüssigkeit nach aussen gefördert. Die Mündung des
Kanals scheint noch innerhalb des Magens zu liegen, doch führt eine Rinne weiter
nach unten bis in den Mundtrichter, so dass diese Drüse jedenfalls als Excretions-
organ zu deuten ist.
In der Lage diesen Drüsen entsprechend finden sich bei T. haplonema
4 dünne verticale Scheidewände, die vom Magen zur Mitte der Seiten-
taschen gehen und den Raum zwischen Magen und Glocke in 4 Kammern theilen.
Ihre Ausdehnung unterliegt individuellen Schwankungen ; bisweilen reichen sie an
den Seitentaschen fast bis zu den Randkörperchen, am Magen bis zum Ursprung
der Mundlappen nieder. Ein der Drüse der T. quadrumana entsprechendes
Organ konnte ich in ihnen nicht auffinden.
Das ganze Innere der Glocke, Velum, Seitentaschen, Magen u. s. w. sind mit
theils einzelnen, theils in rundliche Gruppen vereinigten Nesselzellen besetzt, die
ein lebhaftes Brennen verursachen; sie sind von kurz elliptischer Form, etwa
0,024 mm lang bei 0,016 mm Durchm.
Das Nervensystem ist bei beiden Arten mit überraschender Deutlichkeit
ausgeprägt. In der Höhe der Randkörperchen verläuft in der inneren Wand der
Seitentaschen ein schmaler, weisslicher oder gelblicher Streif ringförmig um die
Höhle der Glocke, jederseits eingefasst von einem durchsichtigen Saume; bei
günstiger Beleuchtung ist er bisweilen selbst von aussen durch die Substanz der
Glocke hindurch wahrnehmbar, tritt aber mit besonderer Deutlichkeit hervor, wenn
man die Seitentaschen aufbläst; minder nachgiebig als deren Wandungen bildet
der Streifen dann eine Furche auf den aufgetriebenen Taschen. Diese geringere
Nachgiebigkeit wird dadurch veranlasst, dass der Nervenring eingebettet liegt
in eine dünne Leiste Gallertsubstanz, die als solche dem Gefühl erkennbar,
dem Auge zunächst als der erwähnte helle Saum erscheint. Bei T. haplo-
nema ist sie dicker und gewölbter als bei T. quadrumana. Bei letzterer
fand ich den Nervenring 0,10 mm bis 0,12 mm, den hellen Saum jederseits etwa
doppelt so breit.
go Zwei neue Quallen von Santa Catharina.
Dem Ursprung der bandförmigen Anhänge gegenüber bei T. quadrumana,
soweit hier die Wand der Seitentaschen im Niveau des Nervenrings der Glocke
sich anheftet, in einer Länge von etwa 3 mm, verdickt sich der Nerv bis auf
0,33 mm und sendet vom untern Rande dieses Ganglions gegen 20 verschiedene
starke (0,02 bis 0,06 mm dicke) Fäden ab, die bald nach ihrem Ursprung von
dem hier abgehenden undurchsichtigen Velum verdeckt werden, und theils in
diesem, theils und wohl hauptsächlich in dem bandförmigen Anhange sich ver-
breiten mögen. Bei T. haplonema sind diese Ganglien weniger ansehnlich, die
abgehenden Nerven weniger zahlreich, jedoch dicker als bei T. quadrumana.
Eine zweite Stelle, wo im Niveau des Nervenrings die Haut der Seiten-
taschen an die Glocke herantritt, ist an den Randkörperchen; auch hier
findet sich eine Anschwellung, von der ein ansehnlicher Nerv in den Stiel des
Randkörperchens tritt. Dieser Stiel entspringt im Grunde der Nische von deren
oberer Wand, wo die Glockensubstanz ihre geringste Dicke hat, und trägt am
Ende einen unregelmässig kugligen Körper von etwa i mm Durchm., blassgelb-
licher Farbe, und aussen, wenigstens stellenweise, von Flimmercilien bedeckt. In
diesen sind eingebettet zunächst ein mehr weniger endständiger elliptischer gelber
Körper von 0,75 mm Durchm., aus einer unregelmässig krystallinischen, zwischen
den Zähnen knirschenden, in Säure nicht löslichen Masse gebildet; ob derselbe
auch nach Innen durch eine besondere Haut abgegrenzt ist, also als Krystallsack
bezeichnet werden kann, weiss ich nicht. Dann zwei stark lichtbrechende Körper,
ein grösserer kugliger von 0,33 mm Durchm., dem Stiele näher liegend, und ein
kleinerer von minder regelmässiger Form, zwischen diesem und dem krystallinischen
Endkörper, Sie zeigen sich aus kugligen Zellen von 0,02 bis 0,03 mm Durchm.
zusammengesetzt, werden durch Säuren undurchsichtig weiss, und sind bis auf ein
aus dem Randkörper vorragendes Segment von schwarzem Pigment umgeben»
das feinkörnig und in kleinen Zellen von 0,005 bis 0,008 mm Durchm. enthalten
ist. Von dieser der T. haplonema entnommenen Beschreibung zeigen die Rand-
körperchen der T, quadrumana keine wesentliche Abweichung. Kann man
die lichtbrechende, von schwarzem Pigment umgebene Kugel unbedenklich als
Auge deuten, so scheint es dagegen zweifelhaft, ob man den unregelmässig kry-
stallinischen, dicht umschlossenen Endkörper ohne Weiteres den frei in einer Blase
bewegten Otolithen der Mollusken oder den Randbläschen der niederen Schirm-
quallen (Aequorea, Eucope u. s.w.) mit ihren kugligen, stark lichtbrechenden Con-
cretionen parallelisiren und als Gehörorgan ansprechen darf.
Weitere Nerven sah ich vom Nervenring nicht abgehen und konnte nament-
lich keine" aufwärts gerichteten Fäden auffinden, ebensowenig als einen zweiten
Nervenring in der Nähe des Mundtrichters, wie ihn die Angaben von Agassiz
würden vermuthen lassen.
Die Geschlechtsorgane ist man gewohnt, bei den mit Magenfäden ver-
sehenen Quallen in deren unmittelbarer Nähe zu suchen; bei Tamoya indess
finden sie sich weder an diesem Orte, noch in der sonst gewöhnlichen Form. Sie
bilden breite, dünne Platten von sehr verschiedener Ausdehnung, die in der ganzen
Länge des Seitenrandes der Seitentaschen entspringen und frei in deren Höhle
hineinragen, Ihre Seitenränder sind mehr weniger parallel, die freien Enden ab-
gerundet, Sie sind sehr dünnn, zart, leicht zerreisslich, von leicht getrübter gelb-
Zwei neue Quallen von Santa Catharina. g j
lieber oder weisslicher Färbung. Die jüngeren kürzeren sind meist auch schmäler;
im Verlauf des Wachsens scheinen mehrere benachbarte zu verfliessen, wobei bis-
weilen rundliche Lücken bleiben. Die Ovarien scheinen in der Regel beträcht-
lichere Ausdehnung zu erlangen als die Hoden; erstere fand ich bei T. quadru-
m a n a , von der ich kein Männchen sah, bis 1 6 cm lang bei 2 cm Breite, also weit
länger als irgend eine Dimension der Seitentasche. Sie scheinen in ihrer ganzen
Substanz Eier zu entwickeln, die sich in den verschiedensten Reifegraden neben-
einander finden ; sie sind elliptisch, farblos, mit feinkörnigem Dotter und deutlichem
Keimbläschen und Keimfleck ; die grössten, die ich (bei T. q u a d r u m a n a) sah,
hatten 0,16 mm Länge, 0,12 mm Breite, das Keimbläschen 0,04 mm, der Keim-
fleck 0,008 mm Durchm. Die Hoden (der T. h a p 1 o n e m a) scheinen aus einer
einzigen Lage langer Röhren mit von 0,025 bis über 0,06 mm wechselnder
Weite gebildet, die bald gestreckt und parallel verlaufen, bald in mäandrische
Windungen verschlungen und mannigfach ausgebuchtet sind, bald sich auf kür-
zere unregelmässige Zellen reduciren. Die reifen Spermatozoiden sind cercarien-
förmig mit 0,004 "^^n dickem, rundlichem Kopfe und sehr feinem haarförmigem
Anhang.
Was nun die verwandtschaftlichen Beziehungen und die syste-
matische Stellung unserer Arten betrifft, so scheint ihnen unter den näher
bekannten die von Gegenbaur genauer beschriebene Charybdea marsupialis
Per. am nächsten sich anzuschliessen und unbedenklich in dieselbe Familie mit
ihnen vereinigt werden zu können. Die ganze Architectonik der Glocke ist die-
selbe; ebenso ist der Bau der Randkörperchen und der mit weiten Seitentaschen
versehene Magen übereinstimmend. Freilich würde man dann nicht mehr mit
Gegenbaur das Velum als scheidendes Merkmal zwischen höheren und niederen
Schirmquallen ansehen können und ein anderes Unterscheidungszeichen suchen
müssen, wenn man überhaupt die in den Systemen von Eschholtz, Forbes und
Gegenbaur angenommene Zweitheilung beibehalten will. Ein solches charakte-
ristisches IMerkzeichen der höheren Schirmquallen, Rhizostomiden, Medusiden,
Pelagiden und Charj^bdeiden, würden die Magenfäden bieten können. Indessen
scheint die Entwicklungsgeschichte eher auf eine Dreitheilung hinzuweisen in
Quallen mit pol3Apenförmigen Ammen, Quallen mit Polypen als Ammen und
Quallen ohne Generationswechsel. Ob unsere Quallen nun nicht in die letzte
dieser Abtheilungen eintreten würden, mit denen sie die taschenförmigen Fortsätze
des Magens gemein haben, in denen sich die Geschlechtsproducte bilden, müssen
fernere Beobachtungen lehren. —
Die Gattung Tamoya der Familie der Charybdeiden einreihend, wird
es nöthig, die von Gegenbaur gegebene Charakteristik dieser Familie zu modi-
ficiren. Das Gemeinsame der drei Arten zusammenfassend, würde sie sich vor-
läufig wie folgt, stellen lassen : Körper glockenförmig mit 4 (blatt-, keulen- oder
bandförmigen) hohle Fangfäden tragenden Randanhängen. Zwischen ihnen 4 in
Nischen geborgene Randkörper mit Krystallsack und Augen. Magen im Grunde
der Glocke, die der 4-lappige Mundtrichter nicht überragt, mit 4 Gruppen Magen-
fäden und 4 Seitentaschen.
Die beiden so vereinigten Gattungen würden sich durch folgende Charaktere
scheiden :
92
Zwei neue Quallen von Santa Catharina.
Charybdea.
Glockenrand in Lappen getheilt.
Fortsätze des ]\Iagens mit Seitencanälen.
Fangfäden in die Seitencanäle mündend.
Magen und Mundtrichter nicht geschieden-
(?) Magenfäden hohl, in die Höhle der
Glocke gerichtet.
T a m o y a.
Glockenrand mit ganzrandigem Velum.
Seitentaschen ohne Nebencanäle.
Fangfäden in die Seitentaschen mündend.
Magen gegen den Mundtrichter ver-
schHessbar.
Magenfäden solid, in die Magenhöhle
gerichtet.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII, VIII und IX.
Fig. I. Tamoya haplonema, halbe nat. Gr.
Fig. 2. Keulenförmiger Anhang mit 2 Fangfäden.
F'g> 3- Querschnitt der Glocke in der Höhe der Nischen.
Fig. 4. Desgl. 2 cm höher.
Fig. 5. Längsschnitt durch den Ursprung des keulenförmigen Anhangs.
Fig. 6. 7. 8. Querschnitte desselben, oben, mitten und unten.
Fig. 9. Längsschnitt durch die Nische.
Fig. 10. Der untere Theil der Glocke von Innen.
Fig. II. Eingang in den Kanal des keulenförmigen Anhangs, von Innen; der innere
Fortsatz des Anhangs durchschnitten und zurückgebogen.
Fig. 2 — II in nat. Gr. Es bedeutet in diesen Figuren a Eckwulst der Glocke.
b Innenwand der Seitentasche, c Scheidewand zwischen Magen und Glocke, d Genital-
platten, n Nervenring, i' Velum.
Fig. 12. Verzweigung der Gastrovasculärsystems im Velum, etwas vergrössert.
Fig. 13. Nesselzellen der Fangfäden; a mit vorgetretenem Nesselfaden; b mit den
umgebenden soliden Fäden ; c einzelne dieser Fäden, abgerissen.
Fig. 14. Nesselzellen aus der Magen wand.
Fig. 15. Solide Achsenstränge der Magenfäden, vergr.
Fig. 16. Randkörper, desgl.
Fig. 17. Das grössere Auge desselben, stärker vergr. n Pigmentzellen, noch mehr vergr.
Fig. 18. Tamoya quadrumana, halbe nat. Gr.
Fig. ig. Handförmiger Anhang.
Fig. 20. Eingang der Nische.
Fig. 21. Längsschnitt durch die Nische; a Scheitel der Glocke; b eiförmige Wulst am
Eingang der Seitentaschen ; c Verdickung der Glocke, von der die fingerförmigen Anhänge
entspringen ; d Innenwand der Seitentasche ; v Velum.
Fig. 22. Querschnitt nacli der Linie AB (Fig. 21); a Aussenwand der Glocke
b Wulst unterhalb der Nische; c Wand des Fortsatzes der Seitentasche.
Fig 2T^. Verzweigung des Gastrovasculärsystems ins Velum, von Innen; <? Grenzlinie
der Seitentaschen; b Fortsätze der Seitentaschen; c Wulst unterhalb der Nische; n Nervenring.
Fig. 19—23 in nat. Gr.
Fig. 24. Grund der Glocke, halbe nat. Gr.
Fig. 25. Ende eines Magenfadens, vergr. a Körperchen aus der umgebenden Flüssigkeit.
Fig. 26. Magen und Mundtrichter, nat. Gr.; die Glocke ist umgestülpt, der Magen
aufgeblasen.
Fig. 2"]. Einige Aeste der dendritischen Drüse, schwach vergr.
Fig. 28. Ganglion an der Basis der bandförmig. Anhänge, vergr. a Seitentaschen.
b Fortsätze derselben ins Velum. c Innere Mittelfurche der Eckwülste, d Heller Saum
des Nervenrings, v Velum.
Fig. 29. Ei aus dem Ovarium, vergr.
Fig. 30. Genitalplatten von Tamoya haplonema, nat. Gr.
Fig. 31 — 33. Stücke der Hoden derselben Art, vergr.
Polypen und Quallen von Santa Catharina^).
Die Formwandlungen der Liriope catharinensis n. sp. 2)
Mit Tafel X und XI.
Liriope catharinensis ist — und ich gab ihr deshalb diesen Namen — , die
häufigste Schirmqualle im Meere von Santa Catharina. Sie schliesst sich eng an
die Liriope mucronata Gegenb. an, besitzt, wie diese, vier längere und vier be-
deutend kürzere Randfäden, ganzrandigen Mund, farbloses Gastrovasculärsystem,
so wie die frei in den Magen ragende konische Spitze des Magenstiels, unter-
scheidet sich aber durch geringere Grösse, da sie kaum je 6 mm im Durchmesser
überschreiten dürfte, durch 20 bis 30 röthlich gefärbte rundliche Nesselknöpfe am
Mundsaume und durch röthliche Färbung des Stromas, in das die in ringförmige
Wülste geordneten Nesselzellen der Fangfäden eingebettet sind. Diese Hinweisung
auf L. mucronata genügt, ein vorläufiges allgemeines Bild des Thieres zu geben ;
ich wende mich daher sofort zu näherer Betrachtung der einzelnen Theile.
Der Schirm, vollkommen farblos und glashell, bildet eine Glocke von etwa
5 mm Durchmesser mit kuglig gewölbtem Scheitel ; die Höhe, nicht unbedeutenden
individuellen Schwankungen unterworfen, mag durchschnittlich ^s ^^s Durch-
messers betragen. Die Gallertsubstanz ist ansehnlich dick und nimmt meist die
reichliche Hälfte der Höhe ein. Aus der Mitte der hohlen Fläche entspringt
als solider Fortsatz des Schirms ein etwa 2 mm langer, 0,4 mm dicker,
in eine konische Spitze auslaufender Zapfen (Fig. 2), an den, etwa 0,5 mm von
der Spitze, sich der Magen inserirt. Die verästelten Fasern, die Max Schultze
aus der Gallertsubstanz der höheren Medusen beschrieben hat und die ich höchst
entwickelt schon im frischen Zustande und bei schwacher Vergrösserung leicht
[) Archiv für Naturgeschichte. 1859. I. p. 310 — 321. Taf. XI.
2) Der Name Liriope ist zwei Mal vergeben, einmal an die in Rede stehende Meduse von Lassen
(Histoire nat. des zoophytes. Acalephes p. 331), zum anderen an einen Krebs von Rathke (Beiträge zur
Fauna Norwegens p. 60). Es könnte zweifelhaft erscheinen, welchem der beiden Thiere als dem früher
getauften der Name verbleiben soll, da die beiden angeführten "Werke in ein und demselben Jahre (1843)
erschienen sind. Doch stammt Lesson's Name offenbar aus früherer Zeit, da er, wie aus Agassiz Nomen-
clator zoologicus zu schliessen, schon in dem freilich nicht im Buchhandel erschienenen Prodome d'une Mono-
graphie des Meduses von Lesson, Rochefort 1837 enthalten Ist. Somit würde der Krebs zurückstehen,
und schlage ich vor, dessen Namen in Liriopsis umzuwandeln. Max Schultze.
Q^ Polypen und Quallen von Santa Catharina.
bemerklich bei mehreren niederen Quallen (Aeginiden, Aequorea etc.) wiederfand,
sind bei unserer Liriope sehr zart und wurden mir erst durch Behandlung mit
Chromsäurelösung sichtbar. Sie verästeln sich unter sehr spitzen Winkeln, deren
Schenkel vorherrschend eine radiäre Richtung zu haben scheinen. Ich bemerke
ausdrückHch, dass ich diese Fasern auch in dem von Gegenbaur bei L. mucro-
nata für hohl erklärten Magenstiel verfolgt habe.
Der Magen hängt, wenn das Thier ruhig im Wasser schwebt, als cylind-
risches Rohr (von 1,5 mm Länge und 0,15 mm Durchmesser) von seinem Stiele
nieder, schon für das blosse Auge durch seine geringere Durchsichtigkeit scharf
gegen den glashellen Stiel sich absetzend. Er besitzt dieselbe Beweglichkeit und
zeigt deshalb dieselbe wunderbare Vielgestaltigkeit, die man an dem Magenrohre
anderer Quallen beobachtet. Nicht selten verkürzt er sich so, dass die Spitze des
Magenstiels mehr oder weniger vorsieht, eine vollständige Umstülpung, wie sie
Gegenbaur von L. mucronata beschreibt und abbildet, sah ich nur bei ab-
sterbenden Thieren. Der Rand zeigt keine Spur von Lappenbildung, ist dagegen
geziert mit einer Reihe von etwa 25 rundlichen blassröthlichen Knöpf chen (Fig. 2
und 3) von 0,03 bis 0,04 mm Durchmesser, in welche reichliche Nesselzellen ein-
gelagert sind. Vereinzelte Nesselzellen finden sich auch sonst in der Nähe des
Mundsaumes.
Das ganz farblose und sehr zartwandige Gastrovascularsystem ist bei
hungernden Thieren schwer zu erkennen; die mattweisse Trübung, die auch bei
diesen im Absterben sich zeigt, ist mehr geeignet zu verwirren, als ein klares
Bild zu geben. Dagegen ist es auf das Prächtigste bei recht lebenskräftigen eine
tüchtige Mahlzeit verdauenden Thieren zu sehen. Hier strotzt es von durch-
scheinenden, lebhaft umherströmenden Kügelchen von 0,01 bis 0,015 mm Durch-
messer, die theils durch Flimmercilien, theils durch die Contractionen des Magens
in Bewegung gesetzt werden. Vom Magen steigen vier Gefässe am Magenstiele
in die Höhe, und nachdem sie (etwa 0,16 mm breit) aus dem Grunde der Glocke
sich abwärts auf die innere Seitenfläche gewendet, erweitern sie sich zu breiten,
flachen, ovalen Taschen von wechselnder Ausdehnung (etwa 1,3 mm lang und
0,9 bis I mm breit), die fast bis zu dem Ringgefässe niederreichen, mit dem sie
durch einen kurzen, weiten, nach dem Ringgefässe zu verbreiterten Kanal in Ver-
bindung stehen. In der Mitte zwischen den Einmündungen der Radiärgefässe
zeigt das weite Ringgefäss eine ansehnliche Bucht (Fig. 23), indem sein innerer
Rand einen nach innen convexen Bogen beschreibt, — eine Andeutung der cen-
tripetalen Gefässe der Geryonia proboscidalis. — Die festen Elemente der er-
nährenden Flüssigkeit sieht man besonders gegen Ende der Verdauung aus dem
Magen in die Gefässe, aus diesen in jenen strömen und hier ebenfalls durch
Flimmern umhergetrieben. Einen komischen Anblick gewährte bei einem solchen
in der Verdauung beobachteten Thiere ein Stück seines Fangfadens, was mit einer
Anzahl Cyclopiden verschluckt worden war, und während diese verdaut wieder
ausgestossen wurden, noch ganz unversehrt wurmartig im Magen herum und
schliesslich zum Munde hinauskroch. — Man bewundert die Geschicklichkeit, mit
der durch stellenweise Contractionen und Erweiterungen des Magenrohrs die aus-
gesogenen Chitinhüllen der meist aus kleinen Krustern (Cyclopiden, Mysis etc.)
bestehenden Nahrung von den assimilirten Stoffen gesondert und endlich entfernt
Polypen und Quallen von Santa Catharina. qc
werden, ohne dass dabei ein Körnchen der ernährenden Flüssigkeit mit verloren
ginge. Zu anderen Zeiten ist der Magen gegen die Gefässe abgeschlossen ; durch
Druck des Deckgläschens sieht man letztere oft unmittelbar über dem Magen
durch hineingepresste Ernährungsflüssigkeit ansehnlich aufgetrieben, ohne dass
diese in den Magen entweicht (Fig. 2).
Der Einmündung der Radiärgefässe gegenüber setzt sich das Gastrovascular-
system fort in die hier entspringenden Fangfäden, in deren Basis man bis-
weilen die im Ringkanale umhertreibenden Körperchen eintreten und flimmernd
bewegt sieht. Wenn diese Fäden in voller Ausdehnung vom ruhenden Thiere
niederhangen, übertreffen sie es vielmals an Länge und erscheinen dem blossen
Auge als zarte Perlenschnüre; während jetzt die Perlen etwa um ihren vierfachen
Durchmesser von einander entfernt sind, verfliessen sie vollkommen bei starker
Contraction der Fangfäden, die sich dann als röthliche den Durchmesser des
Thieres kaum übertreffende Würstchen darstellen. Jene Perlen sind ringförmige
Wülste, die in einem röthlichen Stroma zahlreiche längliche Nesselzellen ein-
gebettet enthalten.
Zwischen den Fangfäden finden sich im Umkreise des Schirmrandes vier
kurze Tentakel, von etwa 0,8 mm Länge und 0,05 mm Dicke; in jeder Be-
ziehung so verschieden von jenen, dass ich sie nicht mit gleichem Namen be-
zeichnen mag; — sie entspringen nicht vom Ringgefässe, sondern über demselben
von der Aussenfläche des Schirms, sind solid mit grosszelliger Achse, wenig be-
weglich und namentlich nicht contractu in der Richtung ihrer Länge. Beim
ruhenden Thiere sind sie starr nach aussen und etwas nach oben gerichtet; sie
sind leicht gebogen, nach der Spitze schwach verjüngt und tragen an der oberen
Hälfte der convexen in der gewöhnlichen Lage aus- und abwärts gerichteten
Seite etwa 8 halbkuglige Nesselballen (von Eschscholtz bei Eurybia als Saug-
warzen bezeichnet).
Die Nesselzellen (Fig. 8) sind von gewöhnlicher Form und der durch
verdünnte Säuren leicht zum Vorschnellen zu bringende Nesselfaden erschien ein-
fach, ohne weitere Bewaffnung erkennen zu lassen.
Um das Ringgefäss zieht sich ein ziemlich undurchsichtiger gelblicher Saum
der namentlich nach aussen scharf contourirte rundliche Zellen von 0,005 bis
0,008 mm Durchmesser zeigt und auf dem mehr oder weniger reichliche Nessel-
zellen liegen. An der Basis der Tentakel und in der Mitte zwischen diesen
Stellen zeigt er längliche Anschwellungen, denen die sogenannten „Randbläschen"
aufsitzen. Mit aller Wahrscheinlichkeit ist er als Nervenring zu deuten; dafür
spricht ausser den Randbläschen tragenden Anschwellungen, dass sich von jeder
dieser Anschwellungen ein zarter, aber scharf begrenzter Strang nach oben ver-
folgen lässt, vier zur Basis der Tentakel, vier zu Punkten, an denen das jüngere
Thier dem erwachsenen meist vollständig fehlende Tentakel getragen hat (Fig. 6
und 7).
Unter dem Ursprünge der Tentakel, den Raum zwischen diesem und dem
entsprechenden Ganglion des Nervenrings ziemlich vollständig füllend, so wie
schief nach oben, neben dem Urspnmge der Fangfäden, die aus dem Ring-
gefässe hervorgehend dicht über dem Nervenring nach aussen treten, — sitzt auf
der Aussenfläche des Schirms je ein sogenanntes „R and blas chen". Die rund-
gg Polypen und Quallen von Santa Catharina.
liehen Blasen haben etwa 0,03 mm Durchmesser und zeigen eine doppelte Contour ;
am oberen Rande entfernt sich die innere von der äusseren, eine Art breiten,
kurzen Stiel bildend, auf dem eine gelbliche Kugel von 0,02 mm Durchmesser
aufsitzt. Diese, dem Stiele gegenüber leicht ausgehöhlt, umfasst hier eine kleinere,
stark lichtbrechende Kugel (Fig. 9). — Häufiger bietet sich das Randbläschen
dem Auge so dar (Fig. 10), dass man die grössere Kugel als Halbmond der
kleineren sich anschliessend sieht, seltener so, dass sie als concentrische Hülle
derselben erscheint.
Diese Struktur der Randbläschen mag, wenn auch bei anderen Arten weniger
leicht erkennbar, ziemlich häufig vorkommen; den Halbmond neben der licht-
brechenden Kugel sehe ich in meinen älteren Zeichnungen von Olindias n. gen.
und finde ihn auch in den 5 bis 7 solcher Kugeln enthaltenden Randbläschen
einer Eucope, und das Randbläschen „mit einer nochmals besonders umhüllten
Concretion", das Gegenbaur von Geryonia proboscidalis erwähnt, scheint auf
etwas Aehnliches hinzuweisen. — Wie man sonst mit Ehrenberg jeden Pigment-
fleck als Auge anzusprechen pflegte, so ist man seit der Entdeckung der Gehör-
bläschen der Mollusken sehr freigebig mit dem Namen Gehörorgan gewesen und
auch die Randbläschen der Quallen erhalten jetzt allgemein diese Deutung. Nach
der gegebenen Beschreibung muss ich mich gegen diese Ansicht und für die
Auffassung von A g a s s i z erklären, der in ihnen Augen sieht (pigmentlose Augen
kommen, beiläufig bemerkt, auch bei den Cyclopiden vor), und werde daher weiter-
hin das „Randbläschen" als Auge, die „kuglige Concretion"' als Linse, die
grössere Kugel, in welche diese eingebettet ist, als Sehnerven bezeichnen.
Wenn ich von Auge und Sehnerven spreche, will ich indess damit keineswegs
behaupten, dass in diesen Organen das Licht als Licht empfunden werde. Im
Gegentheil scheint es mir kaum statthaft, eine Differenzirung in spezifische Sinnes-
nerven anzunehmen, wo sich oft nur mit Mühe Spuren eines Nervensystems nach-
weisen lassen. Wie w i r mit der Hand die tropische Mittagssonne leicht vom
Schatten unterscheiden, wie wir diese Unterscheidung erleichtern können durch
schwarze Bemalung oder eine passend angebrachte Linse, — so mögen auch viele
niedere Thiere im Lichte nur die begleitenden Wärmestrahlen empfinden. Ja,
eine mit dunkelem Pigment überlagerte Nervenanschwellung, wie es üblich ist,
als Auge zu bezeichnen, erscheint geradezu widersinnig, wenn man darunter nicht
ein solches Wärmeauge verstehen will; denn wie sollte die Empfindung des Lichtes
dadurch vermittelt werden, dass man den Nerven durch eine undurchsichtige Hülle
gegen das Licht schützt?
Das Velum ist von massiger Breite, quergespannt und wie gewöhnlich,
der Sitz reichlicher Ringmuskelfasern. An der Unterfläche des Schirms sind die
Ringmuskeln schwächer entwickelt, als man sie sonst bei Schirmquallen zu
sehen gewohnt ist, sie finden sich auch am Magenstiel. Von den Einmündungs-
stellen der Radiärgefässe in das Ringgefäss entspringen vier radiäre Faser-
züge in einer Breite von etwa 0,16 mm, verschmälern sich rasch bis auf ein
Drittel dieser Breite und lassen sich so auf der Mitte der Radiärgefässe bis in
die Nähe des Magenstiels verfolgen. Acht breitere Faserzüge begleiten seitlich
die Radiärgefässe vom oberen Rande der taschenförmigen Erweiterungen an,
treten mit ihnen auf den Magenstiel und füllen hier den ganzen Raum zwischen
Polypen und Quallen von Santa Catharina.
97
den Gefässen. Die Muskeln scheinen aus spindelförmigen Fasern zusammen-
gesetzt, oder um lieber das Beobachtete statt des Erschlossenen anzuführen, man
sieht eine feine parallele Strichelung, ohne die einzelnen Striche auf eine grössere
Länge verfolgen zu können.
Die Geschlechtsstoffe entwickeln sich in der der Schirmhöhle zuge-
kehrten Wand der taschenförmigen Erweiterungen der Radiärgefässe. Die Ovarien
erscheinen fast durchsichtig, die Hoden stärker weisslich getrübt, so dass sich
schon mit blossem Auge Männchen und Weibchen ziemlich sicher unterscheiden
lassen. Die Eier bilden eine einzige Schicht und finden sich nebeneinander in
der verschiedensten Grösse bis zu 0,13 mm Durchmesser, mit deutlichem Keim-
bläschen von 0,03 mm Durchmesser und Keimfleck; sie erhalten durch gegen-
seitigen Druck meist unregelmässige Formen ; die reiferen springen hüglig in die
Schirmhöhle vor. Die Samenfäden sind stecknadelförmig mit ellipsoidischem
Knopf und zartem langen Faden. Die Geschlechtsproducte werden nicht, wie
Gegenbaur anzunehmen scheint, nach innen ins Gastro vascularsystem, sondern
nach aussen entleert. Für die Männchen konnte ich dies durch direkte Beobach-
tung constatiren und für die Weibchen wird es mehr als wahrscheinlich durch
die Analogie mit den Männchen, mit anderen Quallen und durch das Hervorragen
der Eier in die Schirmhöhle.
Indem ich von der Beschreibung des geschlechtsreifen Thieres übergehe zur
Schilderung der Formwandlungen, die es während des Heranwachsens erleidet,
bedauere ich mit Bezeichnung einer empfindlichen Lücke beginnen zu müssen.
Versuche, in der Gefangenschaft junge Brut zu erhalten, blieben bis jetzt ohne
Erfolg; das dem Folgenden zu Grunde liegende Material wurde aus dem Meere
gefischt ; ich muss daher den Beweis schuldig bleiben, dass die jüngsten allerdings
höchst einfachen Formen direkt aus dem Eie der Liriope hervorgegangen sind,
— ein Beweis, der um so Wünschenswerther wäre, da ich bei denselben das sonst
dergleichen Embryonen charakterisirende Flimmerkleid vermisse, und da wir
wissen, dass die in der Verdauungshöhle der Aeginiden sprossenden Jungen in
gleich unvollkommenem Zustande sich von der Mutter lösen, wenn auch nicht
sie verlassen.
Die jüngsten mir zur Beobachtung gekommenen Embryonen (Fig. 13) sind
kuglig von 0,2 bis 0,3 mm Durchmesser, durchsichtig, von kleinzelligem Gefüge
und zeigen eine geschlossene Höhle, die etwa Y3 des Durchmessers einnimmt und
excentrisch dicht unter der Oberfläche der Kugel gelagert ist. An dieser Stelle
zeigt letztere eine die innere Höhle etwas überragende und über das Niveau der
Kugel unbedeutend sich erhebende minder durchsichtige Platte. Der nächste
Fortschritt (Fig. 14) ist die Eröffnung der inneren Höhle durch Bildung eines
Lochs in dieser Platte, die sich bald durch ihre Contractionen als Velum zu er-
kennen giebt. Im Umkreise derselben erscheinen (Fig. 15) vier warzenförmige
Hervorragungen, um sich zu kurzen Tentakeln zu entwickeln (Fig. 16), die ein
endständiges Nesselknöpf chen und über diesem ein kurzes Fädchen tragen. Zwischen
ihnen in einem dem Mittelpunkte näheren Kreise sprossen paarweis, je zwei ein-
ander gegenüberstehende zu gleicher Zeit, vier andere Tentakel hervor (Fig. 17),
die bald die älteren an Länge übertreffen. Jetzt beginnt auch das Gastrovascular-
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 7
Qg Polypen und Quallen von Santa Catharina.
System deutlicher hervorzutreten; man unterscheidet das matte Ringgefäss, an
dessen Rand die jüngeren Tentakel entspringen, so wie bei günstig geöffnetem
Velum den Magen und vier nach den älteren Tentakeln gerichtete Radiärgefässe.
Der Durchmesser des Thieres ist auf etwa 0,35 mm gestiegen. — Bei einem Durch-
messer von etwa 0,4 mm (Fig. 18) haben die jüngeren Tentakel die Länge des
Halbmessers erreicht, und an der Basis des älteren Paares, das sich durch zwei
Nesselballen von dem jüngeren mit einem einzigen endständigen Nesselknopfe
versehenen unterscheidet, beginnen die ersten Augen sich zu entwickeln. Im Um-
kreise des Ringgefässes treten Nesselzellen auf. — Ohne weitere wesentliche Ver-
änderung, als das Auftreten neuer Nesselballen an den vier jüngeren Tentakeln
und die Entwickelung von vier vollständigen Augen an deren Basis, erreicht das
Thier die Grösse von 0,8 mm (Fig. 19). Wollte man es jetzt klassificiren, so
würden es seine starren Tentakel zu Gegenbaur's Trach3^nemiden verweisen;
ihre unbedeutenden Krümmungen sind weniger erheblich, als ich sie bei einer
mit acht Tentakeln versehenen Trachynemidenlarve beobachtete. — Man sieht
um diese Zeit häufig eine eigen thümliche Bewegung des Thieres Fig. 19, B). Das
Velum wird fast bis zu völligem Verschlusse contrahirt, und gleichzeitig die die
Radiärgefässe begleitenden Muskeln, wodurch die Schirmhöhle eine vierlappige
Gestalt annimmt; die Tentakel werden durch diese Contractionen nach innen ge-
schlagen und schnellen dann plötzlich wieder nach aussen. — In dieser Periode
scheinen die Jungen von Liriope oder verwandten Gattungen schon verschiedent-
lich beobachtet worden zu sein. So von Eschscholtz, dessen Eurybia exigua
nur durch den Mangel der auch bei unserer Liriope später fehlenden älteren
Tentakel sich unterscheidet; (die angeblichen Magentaschen finden ihre Erklärung
im Hinblicke auf unsere Fig. 19, B oder 23). So auch von Gegenbaur, dessen
Eurybiopsis anisostyla noch vollständiger unserem Thiere gleicht, freilich aber sehr
wesentlich durch vier, nicht den kleineren, sondern den grösseren Tentakeln ent-
sprechende Radiärgefässe sich vuiterscheiden würde, wenn diese Angabe nicht
vielleicht auf einem Irrthume beruht. — Es werden also die Gattungen
Eurybia und Eurybiopsis als blosse Jugendzustände von Rüssel-
quallen eingehen müssen.
Bis zu dieser Zeit haben die Thiere so ziemlich ihre ursprüngliche Kugel-
form bewahrt; (man sehe die auch für unser Thier passende Seitenansicht, die
Gegenbaur von Eurybiopsis giebt). Jetzt beginnt eine Verdünnung der Schirm-
masse, und eine Ausdehnung der Glockenöffnung, wodurch die auf der Unter-
fläche liegenden Tentakel nach dem Rande und endlich nach dem Rücken ge-
schoben werden. Das Thier erscheint dadurch sehr verflacht, oft nicht einmal
halbkuglig und beginnt erst mit Ausbildung der vollständigen Liriopeform sich
wieder zu mästen. Zu mästen; denn die auch bei erwachsenen Thieren erheblich
schwankende Dicke des Schirms scheint hauptsächlich von dem sparsameren oder
reichlicheren Futter abzuhängen, das die Thiere finden. Eine Anzahl Liriope, die
über eine Woche in reinem Seewasser gehungert hatten, zeigten alle auffallend
flache Schirme.
Um nun von der Eurybiaform zu der der ausgebildeten Liriope zu gelangen,
müssen noch die Fangfäden und vier Augen auftreten, und muss der Magenstiel
und die Bewaffnung des Mundsaumes sich ausbilden.
Polypen und Quallen von Santa Catharina. qq
Das erste Auftreten der Fangfäden sah ich bei einem Thiere von i mm
Durchmesser (Fig. 20), wo zwei gegenüberstehende als kurze zapfenförmige Aus-
stülpungen des Ringgefässes sich zeigten und zwar dicht neben dem durch zwei
ältere Tentakel gezogenen Durchmesser. Die nervöse Natur des das Ringgefäss
umgebenden Saumes und der von ihm zu den Tentakeln gehenden zarten Stränge
zugegeben, so begreift sich, dass die Fangfäden nicht in, sondern neben diesem
Durchmesser auftreten, da sie sonst den Tentakelnerven durchbrechen müssten,
und ebenso ersieht man, weshalb die Augen in ihrer Lage den Tentakeln und
nicht den Fangfäden entsprechen. — Die Fangfäden entwickeln sich also eben-
falls paarweise, je zwei gegenüberliegende zu gleicher Zeit, und dasselbe gilt von
den vier noch fehlenden Augen. Zuerst erscheint von diesen der Sehnerv
(Fig. 12) als gelbliches Kügelchen, das ohne scharfe Grenze auf dem Nervenring
aufsitzt, genau in dem durch zwei ältere Tentakel gezogenen Durchmesser. Von
diesem hebt sich dann, wenn er ziemlich seine definitive Grösse erreicht hat, die
anfangs querelliptische Blase ab (Fig. ii,C), und endlich tritt auf ihm die an-
fangs fast punktförmige aber schon jetzt stark lichtbrechende Linse auf (Fig. 11, B).
Etwa gleichzeitig mit dem Auftreten der Augen erscheint die erste Spur
des Stiels in dem breiten Grunde des noch kurzen Magens, an dessen Rand
schon früher (Fig. 21) die Nesselk nöpf chen sichtbar geworden sind. Der
Stiel bildet anfangs einen ganz frei in die Magenhöhle ragenden Kegel, dessen
Basis bei weiterem Wachsthume den ganzen Grund des Magens füllt (Fig. 22).
Indem jetzt die Magenwand mit dem Umfange der Kegelbasis verwächst, wird
der Magen natürlich bei weiterer Verlängerung des kegelförmigen Zapfens von
dem Schirme abgehoben (Fig. 23, B) und endlich aus der Glocke hinausgeschoben,
und so ist denn, bei einem Durchmesser von 3 bis 4 mm die vollkommene Liriope-
form hergestellt. Mit der Verlängerung des Stiels hält die Verlängerung des
Magenrohrs gleichen Schritt, so dass die ältesten Thiere sich ebenso durch einen
besonders langen Magen, wie durch einen besonders langen Stiel auszeichnen.
Thiere, die vollständig und wohl entwickelt alle zwölf Randanhänge tragen,
sind nicht eben selten ; auffallender Weise steht dann hier deren Länge im um-
gekehrten Verhältnisse zu ihrem Alter; indess pflegen früher oder später die
ältesten für das erwachsene Thier äusserst winzigen Tentakelchen sich zu ver-
lieren und selten nur sieht man eins oder das andere bei geschlechtsreif en Thieren
erhalten.
Desterro, April 185g.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel X und XL
Fig. 5 — 7 und 13 — 20 sind 5omal, g und 10 sind i75mal, 11 und 12 sind 35omal
vergrössert. In allen bedeutet: -F. Fangfaden, G. Radiärgefäss, M. Magen, AI Nervenring,
i?. Ringgefäss, 6'. äussere Grenze der Schirmhöhle, /. ältere, T. jüngere Tentakel, V. Veluni.
Fig. I. Liriope catharinensis (6mai vergr.), von den Fangfäden ist kaum Y3 der
Länge gezeichnet.
Fig. 2. Magenstiel und Magen, unterm Druck des Deckgläschens (3omal).
Fig. 3. Nesselknopf vom Mundrand (i5omal).
Fig. 4. Stück des Fangfadens in massiger Contraction (loomal).
lOO
Polypen und Quallen von Santa Catharina.
Fig. 5. Tentakel von aussen.
Fig. 6. Ursprung dessselben von innen.
Fig. 7. Ursprung des Fangfadens von aussen.
Fig. 8. Nesselzelle aus dem Endballen der Tentakel (50omal).
Fig. 9 u. 10. Augen neben der Basis der Fangfäden.
Fig. II. Augen eines Thiers von 2,5 mm Durchmesser. A. von der Basis der
Tentakel. B. und C. von der Basis der Fangfäden.
Fig. 12. Auge von der Basis des Fangfadens eines Thieres von 2,2 mm Durchmesser.
Fig- 13 — 20. Jugendzustände der Liriope catharinensis von 0,25 bis i mm Durch-
messer — In Fig. 18 sind Magen und Ringgefässe wegen stark contrahirten Velums nicht
sichtbar; Fig. 19, B zeigt die Tentakel eingeschlagen. Alle Ansichten sind von unten,
mit Ausnahme von Fig. 13, B und Fig. 15.
Fig. 21. Magen eines Thieres von 2 mm Durchmesser (3omal), von unten.
Fig. 22. Magen eines Thieres von 2,2 mm Durchmesser, mit etwas umgebogenem
Mundrande.
Fig. 23. A. Thier von 2,5 mm Durchmesser, in der Verdauung begriffen, mit
strotzend gefüllten Gefässen (lörnal). B. Magenstiel desselben (4omal).
Fig. 24. Schematischer Längsschnitt durch den Ursprung der Tentakel. 71 Tentakel -
nerv? S. Schirm.
Fig. 25. Schematischer Längsschnitt durch den Ursprung der Fangfäden.
Polypen und Quallen von Santa Catharina^).
Philomedusa Vogtii n. sp.
Mit I Textfigur.
Die Schirmquallen werden von den mannichfachsten Schmarotzerthieren heim-
gesucht. Infusorien wimmeln in den Hoden der Tamoya; Trematoden und andere
Eingeweidewürmer finden sich oft in Menge in der Gallertsubstanz verschiedener
Arten; Asseln, Amphipoden und ein glasheller Palaemon bewegen sich in dem
Schleime der Scheibe und der Arme, deren Nesselfäden anderen Krustern raschen
Tod bringen, und eine im Verhältnis zum Wohnthiere riesige Krabbe (Libinia?)
pflegt zwischen den vier die Armplatte der Rhizostomiden tragenden Säulen zu
sitzen. Vor allen merkwürdig aber unter diesen Schmarotzern und wohl werth
einer besonderen Beschreibung erschien mir der actinienähnliche Polyp, dem die
folgenden Zeilen gewidmet sind, theils als das erste parasitisch lebende Thier
dieser Gruppe, theils weil seine fast quallenartige Durchsichtigkeit einen leichten
und sicheren Einblick in seine übrigens sehr einfachen anatomischen Verhältnisse
gestattet.
Philomedusa Vogtii, wie ich das Thier benenne 2), erscheint, wenn sie die
Leibeshöhle mit Wasser aufgeschwellt hat, als cylindrischer Schlauch von etwa
30 mm (selten bis 50 mm) Länge und etwa 5 mm Dicke. Das Hinterende ist in
der Regel schwach verjüngt, kuglig abgerundet oder mehr weniger trichterförmig
eingezogen. Am vorderen Ende steht ein Kranz von zwölf kurzen (gegen 4 mm
langen), plumpen, cylindrischen Tentakeln mit abgerundeter geschlossener Spitze,
die bald in einer Ebene ausgebreitet, bald schief nach vorn gestreckt, besonders
häufig aber nach hinten zurückgebogen getragen werden. Die Tentakel sind
sämmtlich von nahezu gleicher Länge; doch kann man, obschon diese Ungleichheit
oft durch verschiedenen Contractionszustand derselben verwischt wird, sechs längere
und sechs mit ihnen abwechselnde etwas kürzere unterscheiden. Zwischen je zwei
Tentakeln beginnend durchziehen zwölf seichte Längsfurchen die Oberfläche
1) Archiv für Naturgeschichte. 1860. I. p. 57 — 63. Taf. II, Fig. i.
2) Den Gattungsnamen wählte ich nach der Lebensweise ; durch den Artnamen sei es mir gestattet,
meine Hochachtung Hrn. C. Vogt zu bezeigen, in dem ich neben dem geistvollen Naturforscher zugleich
den rüstigen Kämpfer für die Principien verehre, deren Unterdrückung auch mich aus der alten Heimath
scheuchte und eine neue an den gastlichen Gestaden von Santa Catharina suchen Hess.
I02
Polypen und Quallen von Santa Catharina.
des Körpers und stossen in der Mitte des Hinterendes strahlig zusammen. Die
Färbung des Thieres beschränkt sich in diesem Zustande auf eine weissHche Trübung ;
bei stärkster Contraction, die ihm die Gestalt einer Feige mit zwölf Längsfurchen
und zahlreichen Querrunzeln zu geben pflegt, concentriert sie sich zu einem
schmutzigen, mehr oder weniger ins Röthliche ziehenden Gelb. Die Fühler er-
scheinen bisweilen schwach röthlich gefärbt, und innen an ihrer Basis pflegt ein
undurchsichtiger, hellgelber Ring zu liegen; weniger constant finden sich ähn-
liche Flecken aussen an ihrer Basis und bräunliche Flecken zwischen ihnen.
Die ganze Oberfläche des Körpers trägt einen kurz-
haarigen Flimmerüberzug, sowie auch überall, in be-
sonderer Menge jedoch an den Tentakeln, länglich schmale
Nesselzellen von 0,012 bis 0,016 mm Länge sich finden.
Die Form des Mundes ist eine sehr wechselnde. Wenn
die Tentakel schief hinterwärts gebogen sind, pflegt er als
weit offener Trichter zu erscheinen, umgeben von elf durch
scharfe Furchen geschiedenen Wülsten, die ebenso viel Ten-
takeln vorliegen. Einer der kürzeren Tentakel bleibt dabei
ohne vorliegende Wulst, während die den beiden benach-
barten entsprechenden Wülste sich durch ihre Breite aus-
zeichnen, wie denn überhaupt den längeren Tentakeln
breitere, den kürzeren schmälere Wülste entsprechen. Der
JVlund erscheint selten fast rund, meist in die Länge gezogen
in der Richtung des durch den wulstlosen Tentakel gehenden
Durchmessers. Diesem Tentakel entsprechend bleibt zwischen
den beiden anliegenden Wülsten eine ziemlich tiefe Rinne,
an deren äusserem Ende jede dieser Wülste sich in einen
kleinen zungenförmigen Fortsatz auszieht. Ein dritter ähn-
licher Fortsatz liegt zwischen diesen beiden, dem wulstlosen
Tentakel gegenüber. Diese drei Fortsätze, meist weiss und
undurchsichtig, fallen besonders ins Auge, wenn bei schief
vorwärts gerichteten Tentakeln der Mund fast geschlossen
ist; die Wülste, die nichts sind, als eigenthümliche Auf-
blähungen der Leibeshöhle, sind dann ziemlich abgeflacht und
die zungenförmigen Fortsätze erheben sich, gerade vorgestreckt, über deren Niveau.
Die Mundwülste, die sie trennenden Furchen und die an den zungenförmigen
Fortsätzen beginnende Rinne ziehen sich fort in den kurzen, etwa die doppelte
Länge der Tentakel erreichenden Magen, die unmittelbare Fortsetzung des
Mundtrichters. Die Ränder der Rinne scheinen sich in der ganzen Länge des
Magens zu einer vollständigen Röhre zusammenlegen zu können. Im Grunde
steht der Magen durch eine weite Oeffnung in Verbindung mit der Leibes-
höhle, in die man nicht selten vom Munde aus hineinsehen kann. Wenn er
sich schliesst durch Aneinanderlegen seiner Wände, erscheint er platt; schmal in
der Richtung des durch die Rinne gelegten Durchmessers, breit in darauf senk-
rechter Richtung gesehen. In letzterer seitlicher Ansicht sieht man, dass er auf
der Seite der Rinne weiter in die Leibeshöhle hineinragt, als auf der entgegen-
gesetzten.
Philomedusa Vo g t i i
in ausgedehntem Zu-
stande, 3mal vergrössert.
Polypen und Quallen von Santa Catharina. iq-^
Die weite Leibeshöhle ist durchweg mit FlimmerciHen bekleidet. Um
den Magen herum ist sie durch musculöse Wände in 12 Kammern getheilt, die
den Tentakeln entsprechen und in deren Höhle sich fortsetzen. Die Scheide-
wände reichen nicht vollständig bis zum Vorderende, vielmehr bleibt hier in
jeder ein rundes Loch als Communication zwischen je zwei benachbarten Kammern.
Auf diese Weise wird an der Basis der Tentakel eine Art Ringcanal um den
Mund hergestellt. Selten sieht man an anderen Stellen die Scheidewände von
Lücken durchbrochen. — Nach hinten setzen sich die Scheidewände, den Längs-
furchen folgend, fort bis ans Ende des Körpers, bilden aber jenseits des Magens
nur sehr niedrige Vorsprünge in die weite Leibeshöhle. Sie scheinen aus zwei
Lamellen gebildet; wenigstens erscheinen sie, gerade von aussen betrachtet, als
zwei dunkle durch einen hellen, schmalen, mittleren geschiedene Streifen.
Von der Insertion am Magen bis zu Anfang des hintersten Drittels oder
Viertels der Länge sind die Scheidewände eingefasst von einem breiten wellig
oder krausenartig gefalteten gelblichen, ziemlich undurchsichtigen Saume, dessen
frei in der Leibeshöhle flottirender Rand wulstig verdickt ist. An diesem etwa
0,1 mm breiten Rande, den eine hellere Linie scharf gegen die Krause absetzt,
ist die Flimmerbewegung besonders lebhaft und es sind ihm reichliche Nessel-
zellen von doppelter Länge und Dicke der in der äusseren Haut sich findenden
eingelagert. Diese zwölf Krausen verhalten sich verschieden in ihrer Erstreckung
nach vorn und hinten und zeigen dabei in noch deutlicherer Ausprägung die
schon in der Bildung des Mundes angedeutete bilaterale Symmetrie in Bezug auf
eine durch die Achse des Körpers und die Mundrinne gelegte Ebene. In ihrer
Erstreckung nach hinten betrachtet erscheinen, wenn man von der Seite der
Mundrinne aus zählt, constant als die längsten das iste, 3te und 5te Paar der
Krausen, von mittlerer Länge das 6te Paar, als die kürzesten das 2te und 4te
Paar. Diese beiden letzten Paare dagegen reichen am weitesten nach vorn, indem
die betreffenden Scheidewände am Magen nur etwa bis zu dessen Mitte herab-
steigen; das 3te, 5te und 6te Paar inseriren sich am Magengrunde, während die
beiden Scheidewände des ersten Paares noch über den Magen hinaus eine nach
innen geschlossene Kammer bilden. — Die verdickten Ränder der Krausen glaube
ich als Analoga der Mesenterialfäden der Actinien betrachten zu dürfen, die hier
nur die Eigenthümlichkeit haben, in ihrer ganzen Länge angeheftet zu sein. Die
Krausen selbst dürften sich als Bildungsstätten der Geschlechtsstoffe ausweisen,
von denen ich bis jetzt an zahlreichen, seit fast einem Jahre untersuchten Thieren
noch keine unzweideutigen Spuren auffand.
Bei grösseren Actinien pflegt nur das Hervorspritzen feiner Wasserstrahlen
beim Anfassen die Anwesenheit kleiner Oeffnungen der Leibeshöhle zu verrathen ;
bei unserem Thiere sind diese Oeffnungen selbst mit Leichtigkeit wahrzunehmen.
Sie zeigen sich schon dem blossen Auge als 12 radiäre Reihen heUer
Punkte am hintersten Theile der Körpers, die mit den Längsfurchen
abwechseln. Ihre Zahl wächst mit dem Alter und steigt bei den grössten Exem-
plaren bis gegen 20 in einer Reihe. Ihr Durchmesser ist verschieden ; die grösste
Oeffnung, die mir vorkam, war 0,1 mm lang und halb so breit. Unter dem Mikro-
skope kann man die durch die Flimmercilien der Leibeishöhle umhergetriebenen
Partikelchen bisweilen aus ihnen austreten sehen. Durch Contraction der Leibes-
IQ^ Polypen und Quallen von Santa Catharina.
wand werden sie natürlich geschlossen, sind aber auch selbständiger Verengerung
und Schliessung fähig; sich verengend erscheinen sie von einem hellen Hofe um-
geben; sind sie geschlossen, so zeigt sich an ihrer Stelle ein heller Fleck.
Die Mitte des Hinterendes ist bei dem wassergefüllten Thiere vollkommen
geschlossen; bei rascher Contraction verschliesst sich dagegen hier eine weite
Oeffnung zum Austritte des Wassers^), durch die dabei nicht selten
Theile der Krausen vorfallen. Bei einem grossen Exemplare, das ich zu be-
quemerer Beobachtung in ein Reagensgläschen brachte, sah ich, nachdem es sich
wieder aufgeschwellt hatte, einen schmalen Strang vom Ende einer der längeren
Krausen straff nach der Mitte des Hinterendes herübergespannt, der, wie ich
wusste, vorher nicht vorhanden gewesen war. Nach einer durch Erschütterung
des Glases bewirkten neuen leichten Contraction des Thieres begann der Strang
sich vom Hinterende zu entfernen und mit ausserordentlicher Langsamkeit und
unter Bewahrung seiner geradlinigen Form sich zusammenzuziehen; er erwies
sich so als ein bei der ersten Contraction eingeklemmtes, bei der durch die neue
Contraction bewirkten Erschliessung der Endöffnung wieder frei gewordenes
Stück der betreffenden Krause.
Ich fand die Philomedusa Vogtii zuerst vereinzelt an Olindias (nov. gen.
Eucopidarum) an der Unterfläche der Scheibe sitzen, später in Menge an Chrysaora,
wo sie an den Armen, in den Geschlechtshöhlen, im Magen und seinen Neben-
taschen sich aufhält. Von einer einzigen Qualle der letzteren Gattung habe ich
schon über 20 unserer Polypen abgelesen, — Die den Quallen entnommenen
Thiere pflegen Stücke der Fangfäden, der Genitalien, der Magenfäden u.s.w. des
Wohnthiers im Magen zu haben und in ihrer Leibeshöhle trifft man oft Nessel-
zellen der Qualle an. Sie vertragen, wie die Actinien, gut die Gefangenschaft,
können monatelang hungern und lassen sich auch andere als Quallenkost, namentlich
Anneliden, schmecken. Hat man eine grössere Zahl in demselben Gefässe, so werden
bisweilen kleinere von grösseren verschluckt und leben in deren Leibeshöhle wenig-
stens wochenlang weiter, wie es scheint ohne gegenseitige Störung des Befindens.
Die Thiere vermögen mit jeder beliebigen Stelle des Leibes sich anzuheften,
wahrscheinlich mittelst der Nesselzellen, die überhaupt auch in den Fangfäden der
Quallen grössere Dienste als Haftorgane, wie durch ihr Gift zu leisten scheinen.
Sie klettern nicht selten an der Wand der Glasgefässe empor und pflegen sich
dann mit dem Munde anzusaugen. Ehe sie zu behaglicher Ruhe sich aufgeschwellt,
ist ihre Gestalt eine sehr wechselnde, je nachdem dieser oder jener Körpertheil
stärker contrahirt ist, je nachdem die Tentakel eingezogen oder vorgestreckt sind
u.s.w. — Alle ihre Bewegungen sind sehr träge; sie bleiben, in Ruhe gelassen.
Tage lang auf dem Boden des Glases liegen oder an derselben Stelle der Wand
hängen, ohne andere Bewegungen als Contractionen der Ringmuskeln, die von
Zeit zu Zeit in langsam fortschreitenden Wellen von vorn nach hinten verlaufen.
Desterro, im Mai 1859.
I) Ebenso bei Cerianthus (vergl. Jules Haime in den Annales des sciences nat. 4. ser. Tom. I. p. 341),
mit welchem Polypen der oben beschriebene manche Verwandtschaft hat, freilich stimmt die Zahl und
besonders die Stellung der Tentakeln nicht, deren Cerianthus eine doppelte, Philomedusa eine einfache
Reihe besitzt. Uebrigens wäre in Betreff der systematischen Stellung zu berücksichtigen, dass die Thiere,
wie oben steht, noch nicht geschlechtsreif beobachtet sind. Max Schultz e.
Beschreibung einer Brachiopodenlarve^).
Mit Tafel XII.
Die Formwandlungen der niederen Thiere haben in den letzten Jahrzehenden
zu den Lieblingsgegenständen zoologischer Forschung gehört, und selten wohl
hat ein Gegenstand dankbarer, mit einer reicheren Fülle der überraschendsten Ent-
deckungen die auf ihn gewandte Mühe belohnt. Für die Mehrzahl der grösseren
Thiere liegen jetzt, Dank diesen vielseitigen Bemühungen unserer Zeitgenossen,
wenigstens die Grundzüge ihres Entwicklungsganges offen, und bietet auch der
Ausbau im Einzelnen der Zukunft noch ein reiches Feld für anziehende Unter-
suchungen, so bleiben doch kaum noch wenige Gruppen übrig, über deren frühere
Zustände nicht wenigstens Andeutungen oder wahrscheinliche Vermuthungen vor-
handen wären. Jedenfalls die wichtigste unter diesen in Bezug auf Entwicklung
noch im tiefsten Dunkel liegenden Gruppen ist, trotz ihrer spärlichen Vertretung
in der lebenden Thierwelt, die der Brachiopoden.
Mit freudiger Ueberraschung begrüsste ich daher den Anblick einer unver-
kennbaren Brachiopodenlarve, eines um so unerwarteteren Fundes, als mir er-
wachsene Brachiopoden unseres Meeres noch nicht bekannt sind ^), Ich eile, dies
erste Bruchstück aus der Formenreihe der Brachiopodenentwicklung zur Kenntnis
der Zoologen zu bringen, hoffend, dass es ferneren Nachforschungen gelingen
werde, die früheren und späteren Schicksale des interessanten Thierchens auf-
zuklären.
Um sich zunächst ein vorläufiges Bild der allgemeinen Umrisse desselben
zu machen, denke man sich ein zweiklappiges fast kreisrundes Muschelchen von
0,4 mm Durchmesser; die Schalen vollkommen gleichseitig, aber ungleich; eine
grössere, schwach gewölbte Rückenschale, welche ringsum die ganz flache, hinten
(am Schlussrand) ausgebuchtete Bauchschale überragt; an der Stelle des Schlosses
eine quer-ovale Platte zwischen den Schalen. Mantel rings offen. Im Umkreis
der Schalen ragen fünf Paar derber Borsten vor, unter denen das vierte nach
hinten gerichtete durch Länge und Stärke sich auszeichnet, und die mit Ausnahme
i) Reichert und Dubois R.'s Archiv für Anat. u. Physiol. 1860. p. 72—80. Taf. I B.
2) Hier die Bemerkung, dass ich neuerdings von dem Verfasser obenstehenden Aufsatzes ein Stück-
chen einer bei Desterro gefundenen Pinna-Schalc zugesandt erhielt, an welchem die Bauchschale einer
Crania oder verwandten Brachiopode angeheftet war. Max Schnitze.
jq5 Beschreibung einer Brachiopodenlarve.
des fünften hintersten im Mantel der Bauchschale wurzeln. Eine Reihe zarterer
haarförmiger Borsten entspringt jederseits dem Mantel der Rückenschale und
krümmt sich bogig nach unten über die Bauchschale. — Das Thier ist, wie die
Schale, vollkommen symmetrisch in Bezug auf eine durch die Mitte des Hinter-
randes senkrecht auf diesen gelegte Ebene. Der eigentliche Leib, rundlich im
Umriss, nimmt die Mitte der hinteren Schalenhälfte ein ; ein weiter flaschen-
förmiger Magen, daneben zwei Gehörblasen, nach vorn zwei dunkle Augenflecke
fallen daran zunächst in's Auge. Die vordere Schalenhälfte füllen vier Paar
cylindrischer Arme, zwischen denen vorn ein unpaarer rundlicher Knopf und
hinter diesem der Mund zu sehen ist. Auf gemeinsamem Stiele aus der Tiefe
vorgeschoben breiten sich die Arme strahlig um den Mund aus und mit Hülfe
ihres reichen Flimmerkleides schwimmt das Thier langsam umher.
Zur näheren Betrachtung der einzelnen Theile übergehend, so sind beide
Schalen sehr dünn, biegsam, blass hornfarbig, ziemlich durchsichtig. Die Rücken -
schale überragt rings die Bauchschale; sie ist flach schildförmig gewölbt, 0,41 mm
breit, 0,38 mm lang. Ein ziemlich genaues Bild ihres Umfanges erhält man, wenn
man über derselben Geraden, der grössten Breite der Schale, vorn einen Halb-
kreis, hinten eine Ellipse beschreibt, deren Achsen sich wie 6 : 7 verhalten. Die
Bauchschale, 0,3 mm lang, 0,38 mm breit, ist ganz flach; ihre Ränder laufen
bei dem ruhenden Thiere denen der Rückenschale in einer Entfernung von etwa
0,02 mm parallel, — mit Ausnahme des Hinterrandes, an dem sich eine flache
Ausbucht findet, wodurch hier die Entfernung der Schalenränder auf 0,05 mm
steigt. Der Rand der Bauchschale erscheint in einer Breite von etwa 0,025 mm
dunkler, mehr oder weniger röthlich braun gefärbt.
Mit ihrem Hinterrande dem ausgebuchteten Hinterrande der Bauchschale
anliegend, gewahrt man zwischen den Schalen eine querovale Platte, 0,06 mm
lang, 0,11 mm breit, mit dunklerem, oft braunröthlich gefärbtem, ringförmigem
Rande. Sie haftet an der Bauchschale, deren Bewegungen sie folgt, und steht
mit der Rückenschale nur durch Muskeln in Verbindung.
Der die Schalen auskleidende rings offene Mantel ist in der Mitte beider
Schalen sehr dünn und so bildet sich hier ein scharf umschriebenes helles Feld,
dessen Breite etwa Vs ^'^^ der der Rückenschale beträgt, und innerhalb dessen
das ruhende Thier geborgen liegt. Dies helle Feld ist umgeben von einem minder
durchsichtigen wulstigen Saume von etwa 0,04 mm Breite, in welchem ich einige
Male (in der Rückenschale) radiär verlaufende einfache oder am Ende gabiige,
nach innen offene, nach aussen geschlossene Canäle bemerkte.
In diesem verdickten Saume wurzeln Borsten von zweierlei Art: stärkere,
hornfarbige, wagerecht aus der Schale vorstehende und zartere, haarförmige, farb-
lose, die sich bogig um den entgegengesetzten Schalenrand krümmen. Im Mantel
der Bauchschale finden sich vier Paar Borsten der ersten Art, die der beiden
vordersten Paare sind etwa 0,15 mm lang und in der Ruhe nach vorn und etwas
nach innen gerichtet, wobei die Spitzen der beiden vordersten sich kreuzen; die
des dritten Paares, das an der ^breitesten Stelle der Schale entspringt, wenden
sich nach aussen und etwas nach hinten, sind nur 0,09 mm lang und überragen
kaum den Rand der Bauchschale. Alle sind ganzrandig und leicht S-förmig ge-
bogen. Weit ansehnlicher sind die Borsten des vierten Paares, sie entspringen
Beschreibung einer Brachiopodenlarve. jq^
etwa I mm vom Hinterrande der Bauchschale und reichlich eben so weit von der
Mittellinie; während die gerade Entfernung ihrer Spitze von der Wurzel 0,3 mm
beträgt, bilden sie einen nach aussen gewölbten Bogen von 0,07 mm Höhe. Dem
gleichförmig breiten Stiele folgt etwa zu Ende des ersten Viertels ihrer Länge
eine spindelförmige 0,02 mm breite Verdickung, von der aus sich die Borste all-
mälig verjüngt, bis zu der wieder sanft auswärts gebogenen Spitze. In ihrem
Endtheile und in mehr als der Hälfte ihrer Länge ist die Borste am Aussenrande
und seitlich mit kurzen hinterwärts gerichteten Dornen oder Zähnchen besetzt. In
der Ruhe sind diese Borsten meist gerade hinterwärts, bisweilen mehr nach aussen,
seltener so nach innen gerichtet, dass ihre Spitzen sich kreuzen. Zwischen dem
zweiten und dritten Paare der eben beschriebenen Borsten finden sich zwei Paar
Borsten der zweiten Art.
Nur das fünfte und hinterste Paar der stärkeren Borsten gehört der Rücken-
schale an, liegt zwischen den Borsten des vierten Paares, ist hinterwärts gerichtet
und entspricht in Grösse und Form den beiden vorderen Paaren der Bauchschale.
Desto zahlreicher sind in der Rückenschale die Borsten der zweiten Art; sie
bilden jederseits eine dem Rande in einer Entfernung von etwa 0,07 mm parallel
laufende Reihe; vorn bleibt zwischen den beiden vordersten Borsten ein freier
Raum von i mm, während die hintersten den grossen Borsten des vierten Paares
gegenüber entspringen. Ihre Zahl steigt auf 30 bis 40, sie sind haarförmig, ganz-
randig, farblos, elastisch, die mittelsten längsten etwa 0,2 mm lang. Unter dem
Rande der Bauchschale vorgetreten, biegen sie sich um diesen nach unten und
innen. Die beiden hintersten sieht man bisweilen neben den stärkeren Borsten
des fünften Paares wagerecht nach hinten ragen.
Der eigentliche Leib des Thieres (der fälschlich sogenannte Eingeweidesack),
nimmt den grössten Theil von der hinteren Hälfte des hellen Mittelfeldes ein, ist
vorn abgerundet und mit seiner ganzen oberen und unteren Fläche den Schalen
angeheftet. Die Musculatur, die neben dieser Anheftung an den Leib des
Thieres die einzige Verbindung der Schalen bildet, ist mir nicht ganz klar ge-
worden; ein breites Muskelpaar, das an den vorderen Ecken des Leibes von der
Rückenschale entspringt und nach hinten zur Bauchschale geht, sowie ein
schmaleres von den Seiten der querovalen Platte nach aussen und etwas nach
vorn zur Rückenschale gehendes Muskelpaar scheinen die wesentlichsten für die
Bewegungen der Schalen. Sie lassen sich nicht füglich als „Schliessmuskeln" be-
zeichnen, da die Schalen, durch die Platte aus einander gehalten, stets nahezu
gleiche Entfernung von einander zu bewahren scheinen ; einseitig wirkend, drehen
sie die Bauchschale (weit seltener, wenn diese gegen andere Körper gestützt ist,
sieht man Drehung der Rückenschale), und durch gleichzeitige Wirkung der
beiderseitigen Muskeln wird die Bauchschale nach vorn geschoben.
Die vordere Hälfte des hellen Feldes ist ziemlich vollständig gefüllt durch
die vier Paar Arme, die in der Ruhe knieförmig gebogen sind, so dass das
Knie nach hinten, die Spitze wieder nach vorne sieht; seltener ist das hinterste
Paar zu beiden Seiten des Leibes nach hinten geschlagen. Sie werden getragen
von einem in der Ruhe auf ein Minimum verkürzten gemeinsamen Stiel, der in
einem ansehnlichen querovalen Knopf von 0,05 mm Breite endet. Dieser pflegt
sich dicht an den Vorderrand des hellen Feldes zu legen, und ist namentlich in
jo8 Beschreibung einer Brachiopodenlarve.
seiner vorderen Hälfte dunkler bräunlich roth gefärbt. An der Bauchfläche des
Armstieles liegt der wulstig umrandete Mund, dessen Form je nach seinen ver-
schiedenen Contractionszuständen sehr wechselt; er erscheint enger oder weiter,
als Quer- oder Längsspalte, besonders oft auch T förmig, d. h. begrenzt von drei
nach vorn convexen Bogen, einem vorderen unpaaren und zwei kleineren hintern.
Um den Mund sind nun die Arme in einer von vorn und oben nach hinten und
unten geneigten Ebene geordnet, so dass also das vorderste Paar nach der Rücken-,
das hinterste unter dem Munde und nach der Bauchschale zu liegt. Sie sind von
gleicher Grösse, cylindrisch, etwa 0,03 mm dick und 0,15 mm lang, scheinen hohl
zu sein und sind mit (ihrem Durchmesser an Länge fast gleichkommenden) Flimmer-
cilien bekleidet.
Vom Munde aus läuft ein musculöser Schlund im Armstiele gerade nach
hinten und tritt in einen die ganze Länge der Leibeshöhle einnehmenden, weiten,
hinten flaschenförmig verbreiterten Magen, der blass dottergelb gefärbt und
im Gegensatze zu dem ganzen übrigen Thiere undurchsichtig ist. Man sieht in
ihm grosse Zellen von 0,006 mm Durchmesser und auf seiner Bauchseite mehr
oder weniger ausgeprägte rundliche braune Flecken von kleinzelligem Gefüge
(künftige Leber?), Ein Darm Hess sich nicht auffinden, vielmehr erschien der
Magen rings geschlossen.
Von Geschlechtsorganen und Gefässsystem war ebenfalls keine Spur zu ent-
decken ; Herzen sind daher schwerlich vorhanden, da sie sich durch ihre Pulsationen
hätten verrathen müssen.
Seitlich, doch mehr der Rückenfläche genähert, liegt jederseits nahe der
Vorderecke des Leibes ein dunkel schwarzbrauner Augenfleck von ovaler
Form (Durchmesser 0,015 und 0,013 mm), dessen längerer Durchmesser schief
nach hinten und aussen gerichtet ist. Zu den Seiten des Magens und über den-
selben (der Rückenschale zu) liegen zwei ansehnliche Gehörblasen von 0,04 mm
Durchmesser, in denen man 20 bis 30 Otolithen (von etwa 0,002 mm) in lebhafter
tanzender Bewegung erblickt. Das Nervensystem scheint schon deutlich aus-
geprägt zu sein, ist aber nur dann bruchstückweise wahrzunehmen, wenn es ge-
lingt, durch Drehen des Deckgläschens die Schalen ohne zu grosse Verletzung des
Thieres aus einander zu schieben ; ich verspare die Mittheilung meiner fragmen-
tarischen Beobachtungen^ bis sich mir aus ihnen ein zusammenhängendes, durch
wiederholte Prüfung gesichertes Bild gestaltet.
Da der Schwerpunkt des auf die Kante gestellten Thieres in die Rücken-
schale fällt, sieht man es fast immer auf dieser Schale liegen ; auch beim Schwimmen
scheint sie stets die untere zu sein. Das Schwimmen geschieht durch die
Flimmerbewegung der die Arme bekleidenden Cilien; die Arme werden zu diesem
Behufe aus der Schale vorgeschoben, strecken sich und breiten sich strahlig um
den Mund aus. Dass dabei der Mund vorausgehe, würde ich, als selbstverständ-
lich, nicht erwähnen, hätte man nicht neuerdings den seltsamen Gedanken gehabt,
bei den Brachiopoden das Vorn und Hinten nach der Lage nicht des Mundes,
sondern des Afters zu bestimmen. — Häufiger als das Schwimmen hat man Ge-
legenheit, das' sonderbare Kriechen des Thieres zu beobachten, welches durch
abwechselndes Drehen der Bauchschale nach rechts und links bewirkt wird. Dabei
schiebt sich das Thier namentlich durch Anstemmen der starken Borsten des
Beschreibung einer Brachiopodenlarve. jqq
vierten Paares vorwärts. Gleichzeitig werden, wenn die Bauchschale z. B. sich
nach links dreht, die um den linken Rand derselben sich krümmenden haar-
förmigen Borsten der Rückenschale durch den gegen sie drückenden Schalen-
rand gestreckt, um bei der folgenden Drehung nach rechts in ihre Ruhelage
zurück zu schnellen und so, Algenfäden u. dgl. umfassend, das Thier festzuhalten.
— Die Arme liegen bei diesen Drehungen der Bauchschale ruhig in der Rücken-
schale.
Dass nun unser Thier nur den Brachiopoden angereiht werden könne, wird
nach der gegebenen Beschreibung keiner weiteren Erörterung bedürfen. Der erste
Eindruck, dass es eine Larve sei, den mir später verschiedene Gründe zweifelhaft
machten, bestätigte sich schliesslich durch einige Fortschritte der Entwick-
lung an denselben Thieren, die ich in der eben beschriebenen Form beobachtet
hatte. Sie beschränken sich auf den kurzen Zeitraum von ein bis zwei Tagen,
nach welcher Zeit die Thiere starben, geben aber immerhin einige Andeutungen
für den weiteren Gang der Entwicklung. Die querovale Platte tritt unter der
bis zum Vorderrande der Rückenschale vorgeschobenen Bauchschale vor, be-
ginnt sich nach hinten zu verlängern und ein faseriges Ansehen zu zeigen
(Stiel?); sie folgt, nach wie vor, den Bewegungen der Bauchschale; — hinten
und rechts vom Magen ausgehend, und sofort sich nach vorn wendend tritt
ein anscheinend noch blind geschlossener Darm auf, die erste Störung der
vollkommenen Symmetrie; ein feinzelliges Gewebe erscheint vorn in der Leibes-
höhle zu den Seiten des Magens und verhindert die Otolithen von der Bauchseite
aus zu sehen ; — der Magen wird durchsichtiger und lebhaftes Flimmern in dem-
selben sichtbar.
Alle beobachteten Exemplare (und ich konnte mir einige Wochen hindurch
täglich wenigstens einige verschaffen) waren von ganz gleicher Grösse. Dass
grössere nicht vorkommen, erklärt sich aus den eben erwähnten Veränderungen,
die auf ein nahes Festsetzen hinweisen ; der Mangel jüngerer Formen mag vielleicht
daher rühren, dass sie bis dahin in der Schale der Mutter verweilen.
Dies die bis jetzt beobachteten Thatsachen. Wenn schon sie im Allgemeinen
mehr geeignet scheinen, die Neugierde zu wecken als zu befriedigen, Fragen an-
zuregen als zu lösen, — so lassen sich immerhin schon einige Folgerungen aus
ihnen herleiten.
Zunächst ergiebt sich, dass der Theil des Brachiopodenleibes, der in der
Larve Augen und Gehörblasen trägt, in welchem sich also die Centraltheile des
Nervensystems mit Grund vermuthen lassen, nicht wohl als blosser „Eingeweide-
sack" bezeichnet werden kann.
Ferner beantwortet sich definitiv die Frage nach dem Vorn und Hinten,
Oben und Unten der Brachiopoden und zwar zu Gunsten der herkömmlichen
Terminologie und gegen die von C. Vogt vertretene Ansicht, der sich mit Hinten-
ansetzung aller übrigen Organe durch die Lage des Afters hat leiten und verleiten
lassen. Hätte der eifrige Vertreter des Individualismus auch diesen Thieren ihr
Recht werden lassen, nach ihrer eigenen individuellen Natur und nicht nach einer
vagen Analogie mit den Muscheln gelagert zu werden, so würde er schwerlich
dem After diesen Vorrang vor dem Munde eingeräumt haben, so wonig als bei
Gasteropoden und anderen mit seitlichem After versehenen Thieren.
I jQ Beschreibung einer Brachiopodenlarve.
Die Bedeutung unserer Larve für die systematische Stellung der Brachio-
poden näher zu erörtern, muss ich mich enthalten, da ich die neueren Forschungen
über Brj^ozoen nur durch Jahresberichte kenne und ich selbst nur wenige Formen
derselben ziemlich oberflächlich untersucht habe. Dem Eindruck des ersten An-
blicks folgend würde gewiss Jeder, der unser Thier lebend zwischen lebenden
Muschellarven und Cellularien gesehen, ihm ohne Bedenken seine Stelle zur Seite
der letzteren anweisen. Was dabei zunächst als ähnlich in's Auge fällt, die kreis-
förmig gestellten Tentakel, steht in auffallendem Gegensatz zu der Armbildung
der erwachsenen Brachiopoden. Aber ob überhaupt unser Thier als Larve einer
der bekannten Brachiopodenformen angehört, und nicht vielmehr dem noch unbe-
kannten Repräsentanten einer neuen Gruppe mit kreisförmig gestellten Armen,
die dann in ähnlicher Weise den Meeresbr3'ozoen mit Tentakelkranz entsprechen
würde, wie die gewöhnlichen Brachiopoden den zweiarmigen Bryozoen des süssen
Wassers ?
Desterro, Ende März 1859.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIL
Fio-. I. Brachiopodenlarve aus dem Meere von Santa Catharina, mit zurückgezogenen
Armen; Durchmesser 0,4 mm.
Fig. 2. Dieselbe schwimmend.
Fig. 3. Ein Stück der Borste B.
Das Kolonialnervensystem der Moosthlere,
nachgewiesen an Serialaria Coutinhii n. sp.^).
Mit Tafel XIII und XIV.
Bei Thieren, die auf gemeinsamem Thierstock zu Kolonieen vereinigt leben
beobachtet man häufig Bewegungen des ganzen Stockes oder einzelner Thiere,
die zwar willkürlich, nicht aber vom Willen der Einzelthiere abhängig, sondern
von diesen wie auf höheren Befehl ausgeführt erscheinen. Dies gilt auch von den
Moosthieren. Bei einer Pedicellina, deren Thierzelle von einem 3V2 mm langen
starren auf dickerem beweglichen Sockel stehenden Stiele getragen wird, dauern
die Bewegungen dieses Stieles tagelang nach dem Verluste des Thieres unver-
ändert fort; bei einer weit kleineren Art derselben Gattung, die als Schmarotzer
auf Moosthieren und Hydroiden hier sehr häufig ist, beginnen die in ganzer Länge
beweglichen Stiele schon auf das Lebhafteste sich zu bewegen, wenn das Thier
an ihrer Spitze kaum als Knospe angedeutet ist. Ich erinnere auch an die bei
Mimosella gracilis von Hincks beobachteten gemeinsamen und gleichzeitigen
Bewegungen der doppeltfiedrig angeordneten Thierzellen. Wo nun überhaupt
bei solchen Thieren, wie es bei den Bryozoen der Fall ist, Nerven sich nach-
weisen lassen, da ist mit Grund zu vermuthen, dass nicht nur bei jedem Einzel-
thiere als Sitz des Einzelwillens, sondern dass auch in dem Thierstocke als
Sitz der Kolonialverwaltung ein Nervensystem bestehen werde. Der Nachweis
freilich dieses Nervensystems wird für die Mehrzahl der Moosthiere von äusserster
Schwierigkeit sein; um so schwieriger, je reducirter, verkalkter, undurchsichtiger,
— um so leichter, je entwickelter, weicher, durchsichtiger der Thierstock ist. In
dieser Beziehung nun dürfte nicht leicht eine ausgezeichnetere Art zu finden sein,
als eine im Meere von Santa Catharina nicht eben seltene Serialaria, deren Thier-
stock aus bis über zolllangen, dünnhäutigen fast vollkommen durchsichtigen
Gliedern besteht. Hier ist denn nun auch in der That ein Kolonialnervensystem
so leicht erkennbar, mit so überraschender Deutlichkeit in die Augen fallend, wie
ich Aehnliches sonst nur an dem Nervensysteme der Salpen gesehen zu haben
mich entsinne.
i) Archiv für Naturgeschichte 1860. I. p. 311 — 318. Taf. XIII.
j j 2 I^'is Kolonialnervensystem der Moosthiere.
Die Darstellung des Kolonialnervensystems als einzigen Zweck dieses Auf-
satzes betrachtend, beschränke ich die vorauszuschickende Beschreibung des Thieres
auf das zum Erkennen der Art und zum Verständnisse des Folgenden Noth-
wendige, und übergehe namentlich den inneren Bau der Einzelthiere.
Der sparrig verästelte, nach allen Seiten über spannenweit zwischen Tangen
sich ausbreitende Thierstock der Serialaria Coutinhii mihi ^) besteht aus walzen-
förmigen Gliedern, die bis über 40 mm Länge bei 1,35 mm Dicke erreichen, und,
von Glied zu Glied sich verjüngend, bis zu 0,1 mm dicken Endzweigelchen herab-
sinken. Die Verästelung des Stockes erscheint im Allgemeinen trichotomisch in
der Weise, dass vom Ende jedes Astes drei ungleich starke Zweige abgehen, die
beiden stärkeren nahezu in gleicher Ebene mit dem Aste, der dritte schwächere
einen Winkel von etwa 60 " mit der Ebene der beiden anderen bildend. An den
äussersten Verzweigungen verfolgt man leicht die Entstehung dieser Verästelungs-
weise: am Ende des Astes tritt zunächst ein einzelner neuer Trieb als gerade
Fortsetzung des Astes auf (fig. i, a), wird aber später (fig. i, a") durch einen
zweiten (fig. i, b'), der bald darauf neben ihm entspringt, mehr und mehr zur
Seite gedrängt, so dass der Winkel zwischen diesen Zweigen oft bis über 120^
steigt. Der dritte, wieder jüngere Zweig (fig. 1, c) zwischen den beiden älteren,
in einer auf der Ebene derselben senkrechten Ebene sich entwickelnd, pflegt jene
Ebene der beiden älteren kaum merklich hinabzudrängen, so dass dieselben eben
nahezu in gleicher Ebene mit dem Aste bleiben. Bisweilen, doch immer erst viel
später, und nachdem sich die früheren längst weiter verästelt haben, tritt dem
dritten gegenüber noch ein weit schwächerer vierter Zweig auf (fig. i, d);
selten selbst ein fünfter, eine Zahl, die ich noch nicht überschritten sah. Das
relative Alter der Zweige bleibt meist sehr deutlich ausgeprägt in ihrer Dicke
und Länge, so wie in dem Grade ihrer weiteren Verästelung.
Die Glieder des Stockes sind weich, biegsam, doch dabei elastisch, etwa wie
ein unterbundenes mit Wasser straff gefülltes Darmstück ; ihre in kochender Kali-
lauge nicht gelöste, also wohl aus Chitin bestehende zarte aber dabei feste Hülle
ist, wie der fast flüssige Inhalt, von fast wasserheller Durchsichtigkeit; eine leichte
gelbliche Trübung wird durch ein unmittelbar unter der Hülle gelegenes Pigment
bedingt. Die jüngsten Zweige zeigen sich weniger durchsichtig, während bei den
älteren vielerlei thierische und pflanzliche Schmarotzer oft den Einblick hindern.
[Späterer Zusatz: Nach Beobachtungen an anderen ctenostomen Bryozoen
vermuthe ich, dass die einzelnen Glieder durch eine von der Hülle ausgehende
quere Scheidewand getrennt sind.]
Der Stock haftet an Tangen u. s. w. mittelst sehr vereinzelter Wurzelfäden,
die bald am Ende der Aeste an Stelle der Zweige (fig. 2, a), bald an unbestimmten
Stellen des Stammes, besonders zwischen den Thierzellen entspringen (fig. 2, b) und
deren Ende sich flächenartig und lappig auf dem Tange ausbreitet.
Die Thierzellen stehen in Längsreihen am oberen Theile der Zweige, deren
unterer Theil in verschiedener Erstreckung leer bleibt, bald in ununterbrochener
i) Die Art benannte ich nach Herrn Dr. Joüojosc Coutinho, früheren Präsidenten der Provinz
Santa Catharina, dem ich die Müsse zu wissenschaftlichen Arbeiten, und dem also die Wissenschaft dankt,
was mir etwa hier zu ihrer Förderung zu leisten vergönnt sein sollte.
Das Kolonialnervensystem der Moosthiere. j j 7
dichtgedrängter Folge, bald mit einzelnen kurzen Lücken, bald (an den ältesten,
bisweilen selbst thierlosen Aesten) nur in einzelnen wenig zahlreichen Gruppen.
Sie erscheinen einseitswendig (wie bei Serialaria cornuta und lendigera Lam.) an
den jüngsten Endzweigelchen, an den übrigen aber in zwei mehr oder weniger
diametral gegenüberstehenden Reihen. Es treten nämlich zuerst zwei dicht neben-
einanderstehende Reihen auf, nach aussen von diesen bilden sich zwei neue Reihen
jüngerer Zellen ; ihnen folgt wieder nach aussen ein dritter, ein vierter Nachwuchs
u. s. f., während die altern Thiere absterben und endlich auch ihre Zellen abfallen.
Wenn, wie es an alten Aesten vorkommt, bei diesem Vorrücken der jungen Brut der
Durchmesser überschritten wird, schlägt natürlich scheinbar die Ordnung um,
indem nun die Knospen sich nach innen von den beiden Reihen reifer Thiere
finden. — Die Zellen sind häutig, in voller Ausdehnung gegen 0,6 mm lang und
von 0,2 mm auf 0,1 mm Durchmesser verjüngt; sie sitzen mit kuglig abgerundeter
Basis schief auf, nach der Spitze des Zweiges zu sich neigend und tragen am
Ende, beim Uebergange in die Tentakelscheide einen Kranz 0,04 bis 0,05 mm
langer, zarter, flacher, farbloser Borsten. Bei tiefem Zurückziehen des Thieres
wird ein volles Drittel der Zelle eingestülpt, und diese nimmt dann eine mehr
eiförmige Gestalt an. Die alten Zellen ohne Thiere, deren Vorderende stets ein-
gestülpt ist, erscheinen kürzer und dicker und von ellipsoidischer Form.
Das Thier, das einen Kranz von acht 0,3 mm langen Tentakeln trägt, ist in
der Zelle so gelagert, dass die Darmseite der Spitze, die Schlundseite dem Ur-
sprünge des Zweiges sich zuwendet; bei tiefem Zurückziehen richtet sich der ein-
gestülpte Zellentheil schief nach der Darmseite, um hier auf die Mitte der nicht
eingestülpten Zellenwand zu stossen ; von da wendet sich die Tentakelscheide
quer nach der Schlundseite und steigt an dieser bis zum Zellengrunde nieder.
Die Beachtung dieser Lagerungsverhältnisse, so wie der Richtung, in der
sich die neuen Thierknospen bilden, erleichtert wesentlich das rasche Zurechtfinden
an kleinen Stückchen, wie sie in den Gesichtskreis des Mikroskops fallen ; die
weiteren Verhältnisse der Einzelthiere sind nicht von Belang für die Auffassung
des Kolonialnervensy Sterns, zu dessen Darstellung ich jetzt mich wende.
Das Nervensystem jedes Zweiges besteht aus einem an dessen
Ursprung liegenden ansehnlichen Ganglion, aus einem von diesem
ausgehenden den Zweig der Länge nach durchziehenden Nerven -
stamme, dersich am oberen Ende inAeste theilt für die Ganglien
der hier entspringenden Stengelglieder, und aus einem reichen
Nervenplexus, der dem Stamme aufliegt, und diese Ganglien, so
wie die Basalganglien der Einzelthiere verbindet.
Die Basalganglien der Zweige (fig. 3 — 5, G) liegen genau an der Grenze
zwischen Ast und Zweig und in der Achse des letzteren ; sie sind meist von kug-
liger Form, oder auch etwas in die Länge gezogen und mehr spindelförmig und
von körnigem (kleinzelligem?) Gefüge. Blass und durchscheinend in den jüngsten
Zweigelchen, erhalten sie bald eine schwach gelbliche Färbung und werden un-
durchsichtig. Ihre Grösse steigt von 0,03 mm Durchmesser (in einem ganz jungen
erst 0,2 mm langen Zweigelchen gemessen) bis über 0,1 mm Durchmesser.
Vom Basalganglion läuft in gerader Linie und mit fast gleichbleibender Dicke
(je nach dem Alter 0,0 1 bis 0,05 mm) ein Nervenstamm bis nahe ans Ende
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 8
j . • Das Kolonialnervensystem der Moosthiere.
des Zweiges (fig. 3 — 5, S), jedoch nicht in der Achse, sondern sich der Seite der
Oberfläche mehr oder weniger nähernd, an welcher die ersten Thierknospen sich
bilden, und die ich kurzweg als die obere bezeichnen will. Meist ist er einfach,
bisweilen in zwei dicht aneinanderliegende oder stellenweise etwas auseinander-
weichende Stämme getheilt, selten nur (in alten Aesten) auf kürzere oder längere
Strecken in einen langmaschigen Plexus mit 3 bis 4 Hauptstämmen aufgel(')st.
Er ist von blasser Farbe und hat zarte glatte Contouren.
Die Basalganglien und die Hauptnervenstämme sind bei günstiger Beleuch-
tung oft schon mit der Loupe recht gut wahrzunehmen.
Der oberen Seite des Nervenstammes liegt, bald ihn dicht überdeckend, bald
in weiteren Maschen ihn überspinnend, ein Plexus dünnerer Nerven auf (fig. 3
bis 5, P), der sich seitlich nach der Ursprungshnie der Thierzellen ausbreitet und
besonders reich am Ende des Zweiges zwischen den Basalganglien der folgenden
Stengelglieder entwickelt. In diesem Endplexus scheint jedoch ausser den Aesten
zu den eben bezeichneten Ganglien auch wenigstens noch eine bogige Brücke
zwischen je zweien derselben dem Systeme des glatten Hauptnervenstammes an-
zugehören. Die Nerven des Plexus unterscheiden sich nämlich von dem Haupt-
stamme besonders dadurch, dass ihre Oberfläche durch aufgelagerte kernhaltige
Zellen uneben und mehr oder weniger knotig oder höckerig erscheint. Chrom-
säurelösung macht diese Zellen schwinden; die Nerven erhalten dadurch schärfere
nun gradlinige Contouren, denen noch die Kerne jener Zellen als kleine stärker
lichtbrechende Körnchen aufsitzen. — Es ist dieser Plexus besonders entwickelt
an dem mit Thierzellen besetzten Theile der Zweige und namentlich von äusserster
Complication in älteren Aesten, an denen schon eine Reihe successiver Generationen
sich gefolgt sind. Nach dem Ursprünge der Zweige pflegt er seitlich nicht über
den Nervenstamm hinauszugehen und ist dann kaum von ihm zu unterscheiden ;
bei der Ansicht von oben erscheinen dann beiderseits unebene Contouren, während
die Seitenansicht oben die unebenen Contouren des Plexus, unten die glatten des
Nervenstammes zeigt. In diesem thierlosen Theile der Zweige vermisst man bald
alle peripherischen Nerven, bald sieht man einzelne meist rücklaufende Fäden,
bald auch findet sich ein ziemlich entwickelter Plexus, der dann aber vertical
vom Stamme aufwärts sich ausbreitet, während die Ausbreitung des Plexus
zwischen den Thierzellen mehr oder weniger horizontal ist. In Bezug auf letzteren
Plexus sei noch erwähnt, dass man bisweilen, doch nicht constant, seine Fäden
unter der Ursprungslinie der Thierzellen zu einem etwas stärkeren Grenzstrang
zusammenfliessen sieht.
Es bleibt mir der Zusanuuenhang des eben geschilderten Kolonialnervcn-
systems mit den Einzelthieren zu besprechen. Dieser Zusammenhang ist nicht
immer leicht zu erkennen. Damit die zu untersuchende Gegend nicht von den
meist dicht gedrängten Thierzellen verdeckt werde, müssen diese seitlich liegen;
dann aber fällt dieselbe Gegend theils dicht an den Rand des cylindrischen
Zweiges, theils fast in dieselbe Ebene mit dem Hautpigmente und wird aus
beiden Gründen oft fast undurchsichtig ; ausserdem pflegt der Magen des zurück-
gezogenen Thieres störend in den Weg zu treten. Indessen lassen sich doch fast
an jedem Zweige ein oder das andere Thier oder leichter noch Knospen heraus-
finden, an denen dieser Zusammenhang unzweideutig zu erkennen ist. An der
Das Kolonialnervensystem der Moosthiere. IIS'
Grenze zwischen Zweig und Thierzelle, halb in jenen, halb in diese hineinragend,
liegt ein kugliges Ganglion von 0,04 bis 0,05 mm Durchmesser (in jungen Knospen
kleiner), das einerseits mit den Nerven des Plexus in Verbindung steht, während
ich nach der anderen Seite einen von ihm zum Darme gehenden Nerven beim
erwachsenen Thiere einigemal gesehen zu haben glaube und bei Knospen mit
Bestimmtheit gesehen habe. Den vorauszusetzenden Zusammenhang dieses Basal-
ganglions mit dem Oesophagealganglion vermochte ich nicht nachzuweisen.
Auch die Wurzeln, mögen sie nun am Ende der Aeste, oder in der Reihe
der Thierzellen, oder sonstwo am Aste entspringen, haben ihr Basalganglion und
ihren sie durchziehenden Nervenstamm. Bei ihrem ersten Auftreten sind die
Einzelthiere und die Zweige des Thierstocks durch nichts Wesentliches ausser
dem Orte ihres Ursprungs, die Wurzeln aber von beiden nicht einmal hierdurch
unterschieden und es findet Leuckart's geistvolle Lehre vom Polymorphismus
auf diese drei verschiedenen Gebilde eine ungezwungene Anwendung.
Es steht zu erwarten, dass ein ähnliches Kolonialnervensystem auch andern Moos-
thieren mit besonderm von den Thierzellen geschiedenen Stocke zukommen werde,
während, wo Zelle aus Zelle sprosst, wenigstens im Grunde der Zellen liegende
und durch Nervenfäden mit einander verbundene Ganglien sich vermuthen lassen.
[Späterer Zusatz : Die Basalganglien der Zweige und ihren Nervenstamm habe ich
bei verschiedenen Moosthieren mit reusenartigem Verschlusse der Zellen, Cteno-
stomata Allm., erkannt; in keiner der übrigen Abtheilungen vermochte ich aber
bis jetzt unzweideutige Spuren des Kolonialnervensystems aufzufinden.]
Desterro. im Januar 1 860.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIII und XIV.
Fig. I. Bruchstück einer Kolonie von Serialaria Coutinhii F. Müll. 6mal vergr. Mit
a ist der erste, mit b der zweite, mit c der dritte, mit d der vierte am Ende des vorher-
gehenden Stengelgliedes sprossende Zweig bezeichnet, iv junge Wurzeln.
Fig. 2. Zweig mit Wurzeln, I2mal vergr. a auf Tang [T) haftende, b jüngere
Wurzeln, c warzenförmige Wurzelknospe.
Fig. 3 — 5. Kolonialnervensystem der Serialaria. Fig. 3 u. 4 sind
gomal, fig. 5 ist 5omal vergr. Fig. 3 stellt das Nervensystem aus dem Gelenk A in fig. i ;
fig. 4 dasselbe aus dem Ende eines erst zwei noch unverästelte Endzweige tragenden Astes
dar. Es bezeichnet in diesen Figuren : G Basalganglion der Zweige, g Basalganglion der
Einzelthiere, 6" Nervenstamm der Zweige, P Nervenplexus, der demselben aufliegt, R Grenz-
strang desselben an der Ursprungslinie der Einzelthiere. Fig. 4 zeigt Nervenstamm und
Plexus von oben, fig. 5 von unten.
Fig. 6. Thierknospe von 0,06 mm Durchmesser, g Basalganglion. e Anlage iles
Thieres.
Fig. 7. Aeltere Thierknospe. g Basalganglion. e Anlage des Thieres. « Nerv von
jenem zu diesem. P Nerven des Kolonialnervenplexus. Fig. 6 u. 7 sind oomal ver-
grössert.
Cunina KöUikeri n. sp. ^).
Beitrag zur Naturgeschichte der Aeginiden.
Mit Tafel XV.
Eine der räthselhaftesten Thatsachen in der an Räthseln noch so reichen
Naturgeschichte der Schirmquallen ist das von Kölliker-) beobachtete Vor-
kommen sechszehnstrahliger „Stenogaste r" im Magen eines zehn-
strahligen „Eury Stoma". Die Bedeutung der bis jetzt vereinzelt stehenden
Beobachtung ist wenig gewürdigt worden, indem man bald dieses Vorkommen
selbst, bald die Verschiedenheit in der Tentakelzahl der beiden Formen als zu-
fällig ansah, — bald also, wie Kölliker, sie als „unmöglich im Zusammenhange
stehende" Arten, bald wieder die Stenogaster einfach als junge Eurystoma auf-
fasste. Weder das Eine aber noch das Andere ist zufällig. Stenogaster ist die
Brut von Eurystoma, kann sich aber unmöglich in letzteres verwandeln, da die
Zahl seiner Magentaschen und Tentakel eine viel grössere ist.
Seit März 1859 kenne ich eine achtstrahlige Cunina mit zwölfstrahliger
Brut, — Zahlen, die fast genau in demselben Verhältnisse stehen, wie die von
Kölliker beobachteten 10 und 16, — erst kürzlich jedoch fand ich Müsse und
reichen Stoff zu einer näheren Untersuchung, Die Hoffnung, in der ich sie unter-
nahm, das Räthsel dieser auffallenden Thatsache zu lösen, ist leider getäuscht
worden. Immerhin scheint mir aber die Mittheilung meiner Beobachtungen ge-
rechtfertigt, da sie wenigstens dienen werden, die Aufmerksamkeit aufs Neue
jener zu wenig beachteten Entdeckung Kölliker's zuzuwenden.
Nach dem Entdecker jener überaus merkwürdigen Thatsache nenne ich die
Qualle, an der ich sie unzählige Male bestätigen konnte, Cunina Köllikeri. Sie
gehört zu den häufigeren Quallen unseres Meeres und findet sich namentlich in
diesem Sommer in Menge, so dass ich einmal in einer Stunde über 50 Stück
sammeln koimte.
Die glashelle Gallertsche i be der Cunina Köllikeri (fig. i) wurde bis zu
6,5 mm Durchm. beobachtet; schon bei der Hälfte dieses Durchmessers pflegen
indessen alle Theile vollzählig vorhanden zu sein und noch früher schon, vor
vollständiger Entwickelung der Randbläschen, tritt die Geschlechtsreife ein. Je
1) Archiv für Naturgeschichte 1861. I. p. 42 — 52. Taf. IV".
2) V. Sieb, und Köll. Zeitschr. für wiss. Zool. 1853. Bd. IV. S. 327.
Cunina Köllikeri.
117
nach der Dicke der Gallertscheibe zeigt ihre Rückenfläche verschiedene Wölbungs-
grade von ziemlich flacher Scheibenform bis zur Halbkugel. Meist ist die Wölbung
nicht gleichmässig-, sondern der Scheitel stärker, selbst kuppelartig hervortretend,
der mittlere Gürtel geradlinig niedersteigend oder selbst flach eingesenkt, und
der Rand wieder in stärkerer Krümmung abwärts gebogen.
Der Rand zeigt, dem Ursprünge der Tentakel entsprechend, acht schmale,
tiefe, unterhalb von der Randhaut überbrückte Einschnitte; die dadurch gebildeten
Lappen sind in der Mitte breiter und bald durch einen einfachen Bogen begrenzt,
bald, wenn sie mehr als ein Randbläschen tragen, zwischen je zweien derselben
seicht eingekerbt. Von ihrem Rande schlägt sich die massig breite (nicht von
Kanälen durchzogene) Randhaut (fig. 2 u. 3, v), nach innen. Da ihr freier
Saum einen Kreis bildet, ist sie natürlich von sehr wechselnder Breite, am breitesten
den Tentakeln, am schmälsten der Mitte der Randlappen gegenüber.
Die Unterfläche der Scheibe ist in der Mitte eben oder fast unmerklich ge-
wölbt, im Umkreise in sanfter Neigung abwärts steigend. Den ebenen Theil
nimmt der Magen ein, dessen Durchmesser etwa der Hälfte des Scheibendurch-
messers gleichkommt. Vom Umkreise des Magens bis zum Ursprünge der Ten-
takel erstrecken sich die acht Magentaschen, die nur durch schmale Scheidewände
getrennt werden. Diese Scheidewände springen mit einer abgerundeten Wulst
in den Magen vor und sind von ziemlich gieichmässiger Breite, weshalb denn
natürlich die Magentaschen in gleichem Verhältnisse mit ihrer Entfernung vom
Mittelpunkte sich verbreitern. Die flach ausgebreitete untere Magenhaut, die dem
frei niederhängenden Magenrohre anderer Quallen entspricht, gleicht ihnen in
wunderbarer Contractilität. Der Mund (fig. 2, 3, 4, 11), fast stets in langsamer
Bewegung, ist bald völlig geschlossen, bald so weit geöffnet, dass die Eingänge
der Seitentaschen und die vorspringenden Wülste der sie trennenden Scheidewände
entblösst werden. In der Regel erscheint er als ganzrandige runde oder eiförmige
Oeffnung von wechselnder Weite in der Mitte, oder nach jeder beliebigen anderen
Stelle des Magens verschoben. Diese Kreisform kann er bis zu fast völligem
Verschlusse bewahren, oder dann auch die Form einer Längsspalte, eines Kreuzes
u. s. w. annehmen (fig. 4). Muskelfasern konnte ich in dieser Magenhaut nicht
sehen ; sie dürften wohl überhaupt bei Quallen nur da zu suchen sein, wo rasche
Bewegungen in stets gleicher Richtung auszuführen sind, nicht aber als Ver-
mittler langsamer proteusartiger Zusammenziehungen.
Ich erwähne bei Gelegenheit des Magens, dass die Nahrung unserer Qualle
hauptsächlich in einer kleinen hier sehr häufigen Physophoridc (Agalmopsis ?) zu
bestehen scheint, die ich einmal wirklich gefangen sah, während ich oft Nessel-
organe im Magen der Cunina fand, die mit denen aus den Nesselknöpfen der
Agalmopsis vollständig übereinstimmten.
In der Magenhöhle und ihren Nebentaschen besteht Flimmerbewegung.
Die Tentakel (fig. 5) entspringen mit verdickter Basis in den Einschnitten
des Scheibenrandes, dem Grunde der Magentaschen gegenüber, sie verjüngen sich
allmählich und enden mit abgerundeter Spitze. Ihre Länge wechselt von noch
nicht einem Drittel bis über zwei Drittel des Scheibendurchmessers; ihre eigenen
Bewegungen sind langsam und unerheblich und dürften sie sich kaum bis zur
Hälfte ihrer grössten Länge verkürzen können. Wie bei verwandten Arten werden
iia
Cunina Köllikeri.
sie bald strahlig ausgebreitet, wobei ihre Spitze leicht abwärts gebogen ist, bald
mehr auf- oder abwärts gerichtet. Die angeschwollene Basis des Tentakels ist
aus grossen kernhaltigen Zellen zusammengesetzt, nach oben geht sie in die aus
einer einfachen Reihe querer Zellen gebildete Achse über, nach unten setzt sie
sich mit einer kegelförmig zugespitzten, geraden oder seltener gebogenen, aus
3 bis 5 grossen Zellen bestehenden Wurzel in die Gallertscheibe fort. Die ziem-
lich dünne Rindenschicht enthält kleine runde Nesselorgane eingelagert, die be-
sonders gegen die Spitze hin dichter gedrängt sind und eine weissliche Trübung
oder leicht gelbliche Färbung bedingen. Eine „scheidenartige Umhüllung", die
Gegenbau r der Tentakelbasis der Aeginiden zuschreibt, sah ich nicht ; man
müsste denn die seitlich durch die Randlappen der Gallertscheibe und unterhalb
durch die Randhaut gebildete Rinne so bezeichnen, in die die Basis des abwärts
gebogenen Tentakels sich einlegt.
Die Randbläschen, die ich auch hier, — wenn sie überhaupt Sinnes-
organe sind, für Augen halte, sitzen am Saume der Randlappen; bei jüngeren
Thieren eins, bei älteren drei an jedem derselben, indem neben jenem ersten noch
jederseits ein neues sich bildet. Diese seitlichen Randbläschen kann man an ver-
schieden alten Thieren durch alle ihre Entwicklungsstufen verfolgen. Die Rand-
bläschen (fig. 8) sind elliptisch oder verkehrt eiförmig von etwa o,o6 bis o,o8 mm
Länge und 0,04 mm Dicke, sitzen mit stielförmig verdünnter Basis auf und haben
meist eine einzige rundliche oder elliptische endständige Concretion ; von der Basis
zieht sich ein zartcontourirter, feinkörniger Strang zur Concretion, um sie becher-
förmig zu umfassen. Bisweilen findet sich eine zweite kleinere Concretion unter-
halb der endständigen, selten mehrere (fig. g).
Die Aehnlichkeit dieser Randbläschen mit den Gehörorganen der Mollusken
und Ringelwürmer ist noch geringer, als selbst bei Linope, Eucope, Aequorea
u. s. w., und es würde kaum noch ein Schimmer von Aehnlichkeit bleiben, wenn
sich der mehrfach nachgewiesene Verbindungsgang der letztern mit der Körper-
oberfläche, den ich gleichfalls bei jungen Terebellen ^) sah, als allgemein vorhanden
ausweisen sollte.
Oberhalb jedes Randbläschens ist die Gallertsubstanz des Randlappens wulstig
verdickt und auf diesem Wulste verläuft centripetal ein bis etwa 0,2 mm langer
und 0,03 mm breiter scharf begrenzter Streifen, dessen Oberhautzellen rundliche
Nesselorgane erzeugen. Die Bildung der entsprechenden Nesselstreifen beginnt
vor dem Auftreten der seitlichen Randbläschen. Wie bei anderen Aeginiden
werden die Randlappen der Scheibe häufig nach innen umgebogen, in w^elcher
Lage dann die Nesselstreifen von den Randbläschen strahlig nach aussen ver-
laufen (fig. 2, 3).
Dem Nervensysteme glaube ich zurechnen zu müssen einmal einen
matten am Saume der Randlappen sich hinziehenden Streifen, in dem man zart
contourirte Zellen von 0,006 bis 0,008 mm Durchmesser unterscheidet, der bei den
Randbläschen anschwillt (fig. 8, g) und den schon erwähnten Strang zur Concretion
i) Diese jungen Terebellen, die in eiförmige Schleiminassen sich hüllend, sehr lange, bis zur Aus-
bildung der Kiemen, im Meere herumtreiben, haben auch das Eigenthümliche, nach dem Verschwinden
der Pigmentflecke des Kopflappens noch ein schwarzes Augenpaar zu entwickeln. Sie scheinen zu Terebella
annulicornis mihi zu gehören.
Cunina Köllikeri. j j q
abgiebt, und zweitens ein paar ansehnliche, ziemHch undurchsichtige, weit stärker
contourirte Wülste an der Basis jedes Tentakels (fig. 5, g), die ähnliche, aber gleich-
falls schärfer contourirte Zellen zeigen und zu denen ich wiederholt jenen anderen
Streifen verfolgt zu haben glaube.
Als b e z e i c h n e n d e E i g e n t h ii m 1 i c h k e i t e n der Cunina Köllikeri dürften
aus vorstehender Beschreibung die Zahl der Tentakel und Magentaschen, die Länge
der Tentakel, die Zahl und Form der Randbläschen und die oberhalb derselben
liegenden Nesselstreifen hervorzuheben sein. Es ist dabei zu bemerken, dass wenn
schon acht die gewöhnlichste Zahl der Tentakel und Magentaschen ist, doch auch
Ausnahmen nicht selten beobachtet werden. Während einiger Tage merkte ich
die Tentakelzahl aller untersuchten Thiere an und fand dabei 70 mit 8, 4 mit 7,
eins mit 6 und eins mit g Tentakeln, wobei ich mich überzeugte, dass die 7- und
6-strahligen nicht etwa, was auch vorkommt, aber leicht an den Magentaschen
und Randbläschen zu erkennen ist, nur zufällig einen. Tentakel eingebüsst hatten.
Die grosse Mehrzahl der beobachteten Exemplare trugen in reicher Menge
junge Brut im Magen und dessen Seitentaschen (fig. 11); nicht selten, bei etwa
30 Proz. der bruttragenden, wurden gleichzeitig reife, lebhaft wimmelnde Spermato-
zoiden gefunden; zweimal unter 76 Thieren fanden sich geschlechtsreife Männ-
chen ohne Brut. Eier wurden nie gesehen. Die beiden Männchen ohne Brut
waren kleinere Thiere ohne seitliche Randbläschen, die Männchen mit Brut hatten
ebenfalls grossentheils die Randbläschen noch nicht vollständig entwickelt und
ihre Brut hatte selten schon mehr als vier Tentakel; alle durch Grösse ausge-
zeichneten Exemplare hatten nur Brut, meist in allen möglichen Entwickelungs-
zuständen. Es scheint demnach, dass mit dem Erlöschen der Samenbildung die
Erzeugung von Brut durch Knospung beginnt, während man a priori eher das
Umgekehrte hätte erwarten sollen.
Die Bildungsstätten des Samens sind, wie schon durch Leuckart
bekannt wurde, die Scheidewände der Magentaschen, um deren freies Ende sie
sich hufeisenförmig herumziehen. Die Spermatozoiden (fig. 10) sind cercarienförmig
mit rundem Kopfe von etwa 0,003 "im Durchmesser und zartem, langem Faden.
Die frei im Magen und seinen Nebentaschen liegende Brut lässt sich zurück
verfolgen bis zu rundlichen kleinzelhgcn Körpern von 0,03 mm Durchmesser, die
mit aller Wahrscheinlichkeit herzuleiten sind von etwa gleichgrossen mit ver-
dünntem Stiele aufsitzenden Wucherungen der Magenwand (fig. 12). Diese letzteren
wurden im Verhältnisse zur Menge der Brut nur selten angetroffen, was aber
vielleicht in der Raschheit ihrer Bildung und Ablösung seine Erklärung findet.
Wie die innere Magenfläche, so sind auch diese Knospen und so ist die sämmt-
liche Brut im Innern des Magens mit zartem Flimmerkleide bedeckt, so zart, dass
es kaum genügt, die jüngeren Larven langsam herum zu bewegen. Man muss
dieses natürlich, wie die Flimmerhaare selbst, ausserhalb des Magens beobachten ;
wahrscheinlich weil sie die Brut nur im Magen untersucht, übersahen Kölliker
und Gegenbau r das Plimmerkleid. Wenn auch durch dieses die Cuninaspröss-
linge von anderen knospend an Quallen und Hydroiden erzeugten Jungen ab-
weichen, so hat doch diese Verschiedenheit durchaus nichts Auffallendes; vielmehr
erscheint es natürlich, dass die Oberfläche der Knospe die Eigenthümlichkeit der
Oberfläche theilt, aus der sie sich erhebt. — Leicht denkbar ist es, dass bei
■ ,„ Cunina Köllikeri.
anderen Aeginidensprösslingen das Flimmerkleid sich stärker entwickele und sich
längere Zeit während des freien Lebens im Meere erhalte und jedenfalls wird
die nur auf das Flimmerkleid der jungen Aeginopsis begründete Annahme, dass
die Aeginiden ohne Generationswechsel direkt aus dem Eie entstehen, eines neuen
und anderweitigen Beweises bedürfen.
Bei 0,05 mm Durchmesser fängt die Abgrenzung einer äusseren aus kugligen
Zellen gebildeten Schicht an, sich bemerklich zu machen (fig. 13); der innere
Raum scheint hohl zu sein. Bei 0,08 mm Länge wird die Gestalt eiförmig und
bald zieht sich das spitzere Ende in einen Tentakel aus (fig. 14) mit Nesselzellen
an der Spitze und grösseren quer gestellten Zellen im Innern. Ein zweiter
Tentakel tritt auf (fig. 15), die Magenhöhle wird deutlicher (fig. 16) und schon
jetzt oder wenig später (fig. 22) öffnet sich der Mund und es lässt sich eine
Scheidung der Leibeswand in zwei Schichten erkennen. Häufig nimmt jetzt
das Junge Formen an, die auffallend an Aeginopsis erinnern durch die zwei
gegenüberstehenden oft lang ausgedehnten und gekrümmten rückenständigen
Tentakel.
Die Achse der Tentakel entsteht aus der inneren Schicht der Leibeswand
als warzenförmige Wucherung, der gegenüber sich in der äusseren Schicht einige
Nesselzellen entwickeln (fig. 19, /). Bald erhebt sich über der zum Zapfen ver-
längerten Warze auch die äussere Schicht (fig. ig, e) und wird als Rindenschicht
\'on der sich verlängernden Achse mit emporgehoben, während die Nesselzellen
sich vermehren, doch aber stets auf die Spitze beschränkt bleiben.
Die Ordnung des Auftretens der folgenden Tentakel zu ermitteln wird sehr
erschwert durch ihre ungemeine Contractilität, die sie mit dem ganzen Körper
theilen und die wunderbar absticht gegen ihre spätere Starrheit. Tentakel, deren
Länge eben noch den Durchmesser des Körpers übertraf, sieht man sich voll-
ständig zurückziehen und für schwächere Vergrösserungen, die nicht die Nessel-
zellen zeigen, verschwinden. Es scheint indess die durch die Stellung der beiden
ersten Tentakel angedeutete bilaterale Anordnung sich auch bei der Bildung der
folgenden zu behaupten, die paarweise zu den Seiten der durch das erste Paar
bestimmten Geraden auftreten. Bei der Normalzahl 12 scheint die Reihenfolge
die zu sein (fig. 19), dass zuerst ein mittleres Paar (6, b) auftritt, im Kreuz mit
dem ersten (a, a) ; dann ein Tentakel zu jeder Seite des ersten, wie des zweiten
Tentakels (c, c, d, d); endlich ein Paar vor und ein anderes hinter den mittleren
Tentakeln {e, e, f, f).
Nicht selten bleibt die Zahl der Tentakel auf 11 oder 10, seltener auf g be-
schränkt, ein einziges Mal zählte ich deren 13.
Ich habe bereits des frühzeitigen Auftretens der Mundöffnung gedacht ; merk-
würdiger als dieses aber ist das frühzeitige Fressen der Jungen. Eine Cunina
hatte eine kleine Agalmopsis gepackt und hielt sie einige Stunden fest, um ihr
ein gutes Stück abzuverdauen, worauf der Rest munter weiter schwamm. Die
Cunina wurde bald darauf unter das Mikroskop gebracht; es war ein Männchen
mit nur wenig jüngerer Brut. Diese Jungen alle hatten, soweit sie einen Mund
hatten , denselben mit Nesselorganen aus den Nesselknöpfen der Agalmopsis
(fig. 17, a) gefüllt (fig. 17). Zeitig auch ist in der Magenhöhlo der Jungen und
besonders lebhaft am Mundsaume Flimmerbewegung sichtbar.
Cunina Köllikeri.
121
Die Tentakel pflegen vollständig v^orhandcn zu sein bei Jungen von 0,3 mm
JDurchmesser. Nun beginnt, bei rasch fortschreitendem Wachsthumc die Um-
wandlung in die regelmässig strahlige Form. Der Körper wächst zu einer unter-
halb der Tentakel vorspringenden Scheibe aus und erhält durch sie feste Umrisse.
Ihr Umfang ist ein regelmässiges Vieleck mit anfangs geraden, später einwärts
gebogenen Seiten, die in ihrer Lage den Tentakeln entsprechen (fig. 20). An den
vorspringenden Ecken entwickeln sich die Randbläschen (fig. 21). Der die Ten-
takel überragende Theil des Körpers scheidet sich in die durchsichtigeren Lappen
der Gallertscheibe, die halbkreisförmig zwischen je zwei Tentakeln vorspringen,
und in die zwischen ihnen ausgespannte Randhaut. — Der früher kreisförmige
Umfang des Magens wird wellig gebogen ; die flachen Buchten vertiefen und
erweitern sich zu den Magentaschen. Die Nesselstreifen oberhalb der Rand-
bläschen werden deutlich und damit hat das Junge alle charakteristischen Thcile
der Alten.
Wie andere ihrer Brutstätte entschlüpfende junge Quallen, z. B. die Spröss-
linge der Campanularien, dehnt sich unsere junge Cunina in den ersten Stunden
nach dem Verlassen des Magens wie durch Aufquellen merklich aus, indem gleich-
zeitig die bis dahin trübe Scheibe zu wasserheller Durchsichtigkeit sich aufhellt.
Sie hat nvm bis 2 mm Durchmesser und gleicht in allen wesentlichen Merkmalen,
die Zahlenverhältnisse ausgenommen , der achtstrahligen Cunina. Im Habitus
weicht sie besonders ab durch die noch ganz flache Scheibe mit wagrecht aus-
gebreitetem Rande und dadurch auffallender hervortretender Kerbung, so wie
durch die kürzeren Tentakel (Vö des Scheibendurchmessers), die kaum den Scheiben-
rand überragen. Die Form der Tentakel {fig. 28) ist plumper, ihre Rindenschicht
dicker, — die Nesselstreifen oberhalb der Randbläschen endlich (fig. 29) sind noch
weit kürzer, als bei der erwachsenen Cunina. Da die Umgrenzung des Magens
und seiner Taschen nur schwierig zu erkennen ist, kann man leicht in Versuchung
kommen, die Randlappen der Gallertscheibe für Magentaschen zu nehmen ').
Jüngere zwölfstrahlige Cunina, wie man sie leicht in der Gefangenschaft
züchtet, wurden auch einigemal frei im Meere aufgefischt; ältere bis jetzt noch
nicht, und bis dies gelungen, erscheint es rathsam, alle Erklärungsversuche zurück-
zuhalten.
Ich hob hervor, dass bei den im Magen Knospen treibenden Aeginiden das
Flimmerkleid jüngerer Formen nicht für ihre Entstehung aus Eiern beweisend ist,
und will zum Schlüsse noch eine Beobachtung" mittheilen, die es mir wahrschein-
lich macht, dass im Gegentheile auch bei dieser Familie ein Aufammen durch
Polypen vorkommt.
Zu Anfang dieses Jahres fing ich eine Liriope catharinensis, der ein langer
blassgelblicher Zapfen aus dem Munde hervorhing. Bei näherer Untersuchung
ergab sich derselbe als eine aus dichtgedrängten Ouallenknospen bestehende Aehre,
i) Bei Betrachtung der Figuren, die Gegenbaur von seinen Aeginetaarten giebt, kann ich mich
des Verdachtes nicht entschlagen, dass bei den meisten derselben dieser Missgriff geschehen sei, dass sie
also zu Cunina gehören. Auch die Beschreibungen geben nicht die Ueberzeugung des Gegentheils. Ich ver-
weise namentlich auf die Beschreibung und Abbildung der Aegineta globosa, deren „trichterförmig ein-
gezogener Magen" mir ein wahres Paradoxon scheint. Es dürfte die ganze Gattung einer neuen kritischen
Prüfung zu unterwerfen sein.
122
Cunina Köllikeri.
deren Ende die Liriope verschluckt hatte (fig. 30). Der frei vorhängende Theil
hatte 1,75 mm Länge und die grössten Quallenknospen fast 0,5 mm Durchmesser.
Sie waren fast halbkuglig und die gewölbte Fläche sass mit kurzem Stiele an
der gemeinsamen Achse fest. Am freien Rande erhoben sich acht halbkuglige
Randbläschen mit kugliger Concretion ; etwa in der Mitte zwischen Rand und
Scheitel sprossten abwechselnd mit den Randbläschen acht kurze plumpe Tentakel
hervor. Auf der freien, ebenen oder flach gewölbten Fläche der Knospe zeigte
sich ein grosser ganzrandiger Mund, der in einen flach ausgebreiteten Magen
führte.
Alle diese Eigenthümlichkeiten stimmen mit der achtstrahligen Form von
Cunina Köllikeri, während nicht die entfernteste Aehnlichkeit mit irgend einer
andern der im Laufe von vier Jahren hier von mir beobachteten Quallen besteht.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV.
Die Figuren 12 — 21 sind Qomal vergrössert; die Vergrösserung der übrigen ist auf
der Tafel selbst angegeben. Ueberall bedeutet / Randlappen der Scheibe, in Magen, n
Nebentasche desselben, v Randhaut, g Ganglion.
Fig. I. Cunina Köllikeri n. sp. von der Seite.
Fig. 2. Aelteres und
Fig. 3. jüngeres Exemplar von unten mit eingeschlagenem Randlappen.
Fig. 4. Mund des letzteren in verschiedenen Formen, die er in kurzer Zeit annahm.
Fig. 5. Tentakel von oben.
Fig. 6. Stück Tentakel, um die Längsstreifung und
Fig. 7. ein anderes, um die Zellen der Achse und deren Kerne zu zeigen.
Fig. 8. Randbläschen und Nesselstreifen.
Fig. g. Randbläschen von ungewöhnlicher Form.
Fig. IG. Fast reife Spermatozoiden, deren Fäden sich langsam zu bewegen beginnen.
Fig. 1 1 . Cunina Köllikeri mit Brut im Magen, von unten.
Fig. 12 — 21. Entwickeiung der Brut von der festsitzenden Knospe bis zum Auf-
treten der Randbläschen am regelmässig strahligen Thiere.
Fig. 15. Zeigt dasselbe Thier in zwei verschiedenen Formen.
Fig. 17. Junges mit Nesselorganen von Agalmopsis (17, a) im Munde.
Fig. 20. Von unten und 2 1 von oben.
Fig. 22. Junges bei stärkerer Vergrösserung, um die beiden Schichten der Leibes-
wand und das Flimmerkleid zu zeigen.
Fig. 2^. Zellen aus der Tentakelspitze desselben, mit jungen Nesselorganen.
Fig. 24. Ein Junges in vier verschiedenen Formen, die es in kurzer Zeit annahm.
Fig. 25. Junge mit auffallend lang ausgestreckten Armen.
Fig. 26. Zwölfstrahlige Cunina nach dem Verlassen der Magenhöhle, von oben.
Fig. 2J. Eine andere mit neun Tentakeln, von unten.
Fig. 28. Tentakel und
Fig. 29. Randbläschen und Nesselstreifen von derselben.
Fig. 30. Aehre von Medusenknospen (Cunina-') aus dem Magen von Liriope catha-
rinensis vorhängend.
Dcsterro, December 1860.
Die Brachiopodenlarve von Santa Catharina^).
Zweiter Beitrag.
Die Brachiopodenlarve, die ich vor zwei Jahren auffand und beschrieb -),
wurde von mir auch im vorigen und in diesem Jahre wiederholt, wenn auch nur
selten, beobachtet; ihr Vorkommen scheint sich auf den Spätsommer, auf die
Monate Februar bis April zu beschränken.
Meinen früheren Angaben über die schwärmende Larve habe ich nur einige
Bemerkungen über das Schwimmen des Thieres nachzutragen. Ich brachte damals,
um etwaigen Veränderungen bequem mit dem Mikroskope folgen zu können,
meine Larven in Uhrgläser, wodurch ich die Gelegenheit verlor, ihr behagliches
Umhertreiben im freieren Räume zu beobachten. Bringt man die Thierchen in
grössere Gläser mit reinem Seewasser, so sieht man sie bald langsam emporsteigen ;
die schwach klaffenden Schalen stehen senkrecht, der Schlossrand nach unten ;
dicht vor dem Vorderrande breiten sich die acht Arme strahlig und vvagerecht
aus mit leicht abwärts gebogener Spitze und über die Ebene der Arme ragt der
zwischen dem obersten Paare liegende rundliche Knopf empor; die starken Borsten
des vierten Paares zeigen dabei die in meiner früheren Abbildung gezeichnete
Richtung. So treiben sie nahe der Oberfläche langsam herum. Bei stärkerer
Erschütterung, oder auch sonst, ohne erkennbare Ursache, ziehen sie die Arme
ein und schHessen die Schalen, die sofort langsam sich umkehren und mit dem
Mundrande voraus zu Boden sinken. Werden auf diesem Wege die Arme wieder
vorgestreckt, so dreht .sich auch der Schlossrand sogleich wieder nach unten.
Die Dauer dieses Schwärmstadiums überstieg bei den eingefangenen Larven
nie 5 — 6 Tage, meist schon früher setzten sie sich fest, am Boden oder an den
Seiten des Glases; in letzterem, fünfmal beobachteten Falle stets den Mund nach
unten gerichtet. Die Bauchschale wird dabei stark nach vorn gezogen, so dass
ihr Vorderrand den der Rückenschale erreicht oder überragt, und die bis dahin
zwischen den Schalen verborgene querovale Platte (der Stiel) tritt hervor, indem
sie sich, wie es scheint, um den ausgebuchteten Hinterrand der Bauchschale \oll-
ständig herumdreht und so ihr vorderer Rand zum hinteren wird. Den ersten
i) Archiv für Naturgeschichte 1861. p. 53—56.
2) Archiv für Anatomie und Physiologie herausgegeben von Reichert und du Bois Reyniond i8(jo. p. ;2.
= Gesamm. Schriften pg. 105.
J24 -^^^ Brachiopodenlarve von Santa Catharina.
Tag oder länger hält sich das Thier vollständig zurückgezogen und ruhig; dann
pflegt es, bei leicht geöffneten Schalen, die Arme halb vorzustrecken, die dann
ab und zu, bald einzeln, bald zu mehreren, zuckend nach innen schlagen, — ganz
wie man es bei den Armen der Meeresbryozoen zu sehen gewohnt ist.
Nach wenigen Tagen beginnen am Vorderrande, in dem Räume, der zwischen
den zarteren Borsten der Rückenschale frei bleibt, neue rasch hervorwachsende
Borsten hervorzusprossen. Bei einem Thiere, das etwa nach einer Woche ab-
gelöst wurde, zählte ich deren gegen 20, die meist der Rückenschale angehörten.
Die längsten erreichten 0,8 mm Länge, also das Doppelte des Durchmessers der
Schale. Sie sind gerade, farblos, zart contourirt, am Grunde bis 0,006 mm dick,
in eine feine Spitze auslaufend, ungegliedert und mit zarten bis 0,02 mm langen,
schief aufwärts gerichteten Seitenborsten weitläufig besetzt. Die Weichtheile des-
selben Thieres zeigten keine auffallende Veränderung mit Ausnahme der schon weit
vorgeschrittenen Rückbildung der Sinneswerkzeuge. Die Augen hatten sich in
Gruppen von etwa 10 schwarzen Punkten aufgelöst; die früher prallkugligen
Gehörblasen waren zu länglichen Säckchen zusammengeschrumpft, die eng die
jetzt regungslosen Gehörstein che n umschlossen. Bei etwas älteren Thieren ver-
misste ich jede Spur von Sinneswerkzeugen, ohne dass sie deshalb ihre Empfind-
lichkeit gegen das Licht eingebüsst hätten. Dem vollen Sonnenlichte ausgesetzt,
begannen sie sogleich die Rückenschale heftig nach rechts und links zu drehen.
Eine meiner Larven hielt sich vier Wochen am Leben ; sie setzte sich fest
in der Nacht vom 12. zum 13. Februar und starb am 13. März, an dem ich aus-
nahmsweise nicht nach ihr gesehen hatte. So erfuhr ich ihren Tod erst Tags
darauf, als schon die Weichtheile fast ganz zerstört waren. Die älteren Borsten
der freilebenden Larve schienen noch vollständig vorhanden zu sein. Ausser diesen
und den Fiederborsten des Vorderrandes fand sich, etwa in der Mitte zwischen
der Mittellinie und dem Ursprünge der grossen Borsten des vierten Paares, jeder-
seits eine gerade, glatte, schief nach hinten vorstehende Borste von 0,2 mm Länge,
wenig dicker als die stärkeren Hinterborsten, aber weit stärker contourirt.
Höchst auffallend ist es, dass ich, theils schon vor zwei Jahren, nach Ab-
schluss meiner ersten Mittheilung, theils im Laufe dieses Sommers, wiederholt frei
im Meere schwimmende Larven auffischte, die offenbar weiter in ihrer Entwick-
lung vorgeschritten waren, als die ältesten meiner ansässigen jungen Brachiopoden.
Ihnen allen fehlte die querovale Platte, fehlte jede Spur von Sinnesorganen, fehlten
die Fiederborsten des Vorderrandes und mehr oder weniger vollständig die älteren
Borsten. Von den zarteren bogig gekrümmten Borsten waren meist noch einige
da und diese schienen unverkürzt, so dass die fehlenden wohl durch Ausfallen
verloren gegangen waren. Dagegen werden die stärkeren Borsten allmählich vom
Grunde aus aufgesaugt. So wenigstens die Borsten des vierten Paares. Diese
fand ich mehrmals noch in etwa halber Länge vorhanden, den Stiel mit der
spindelförmigen Anschwellung verschwunden , während die Spitze durch ihre
eigenthümliche Krümmung und Zähnelung leicht erkennbar blieb. Bei einem
anderen unzweifelhaft älteren Thiere war noch etwa 7g der Länge vorhanden, so
dass sie nicht einmal mehr den Schalenrand überragten. Dieses Thier, das älteste,
das ich überhaupt untersucht, hatte bis auf diesen schwachen Rest alle älteren
Borsten verloren. Dagegen hatten die beiden geraden glatten Borsten, die bei
Die Bracliiopodcnlarve von Santa Catharina. j 2 i;
jenem ältesten festsitzenden Thiere kaum aus der Schale hervorzutreten begannen,
die doppelte Länge des Schalendurchmessers erreicht und wurden, in dicke Muskel-
scheiden eingefügt, von dem Thiere kräftig und lebhaft bewegt, bald wagerecht
ausgebreitet, bald wieder hinten gekreuzt.
Die Weichtheile haben während dieser vollständigen Umgestaltung der Be-
borstung keine wesenilichen Veränderungen erlitten. Der rundliche Magen, nach
vorn bis zur Mitte des Längsdurchmessers reichend, zeigt noch die beiden dunklen
Flecken jüngerer Larven, die an zwei ähnliche Flecken gewisser Bryozoenlarven
erinnern. Flinten entspringt vom Magen der Darm, um sich an und unter dessen
Rande nach rechts und dann nach vorn zu biegen und etwa in der Mitte seiner
rechten Seite zu endigen. Vom vorderen Ende des Magens geht die Speiseröhre
(bei in die Schale zurückgezogenem Thiere) gerade nach vorn bis halbwegs zum
Vorderrande der Schale und biegt dann nach unten um, so dass der Mund wieder
nahe vor dem Magen zu liegen kommt. Die Arme, namentlich die beiden mitt-
leren Paare, sind länger und schmächtiger geworden und der Knopf zwischen
dem vorderen Paare hat an Umfang abgenommen. — Gefässe oder ein pulsinnides
Herz wurden noch nicht erkannt.
Desterro, Mitte März 1861.
Ueber die systematische Stellung der Chanbdeiden^).
Die E sc lisch oltz'sche Abtheilung der Discophorae phanerocarpae bildete
eine wohlumschriebene Gruppe engverwandter Thiere, verbunden durch eine grosse
Zahl gemeinsamer Merkmale : die Scheibe ein flaches, glattes Kugelsegment, aber
beim Schwimmen starker Wölbung fähig, mit gekerbtem Rande, in dessen Ein-
schnitten, stets in der Achtzahl, die Randkörperchen mit in Säuren unlöslichen
Krystallen; keine Randhaut; um den Mund vier Arme und mit ihnen wechselnd,
in besonderen Gruben, die Geschlechtstheile als krausenförmig gefaltete, bogig
gekrümmte Bänder; an gleicher Stelle die Magenfäden u. s. w. — Der Mund
freilich bald frei geöffnet (Medusiden), bald geschlossen und statt seiner zahl-
reiche Oeffnungen an den Armen (Rhizostomiden); allein diese Eigenthüm-
lichkeit der Rhizostomiden, so bedeutungsvoll sie jedenfalls ist für ihre ganze
Ernährungsweise, störte doch nicht die morphologische Einheit der Gruppe, da
sie unschwer aus der gewöhnlichen Mundform sich ableitete -). Einige später ent-
deckte etwas abweichende P^orm der Medusiden thaten ebenfalls der Einheit des
Gesammtbildes, das sie nur vervollständigten, keinen Eintrag ^). — Ein anderes
aber ist es mit der Familie der Charybdeiden, die Gegenbau r seinen
1) Archiv für Naturgeschichte 1861. I. p. 202 — 311.
2) Gegenbaur (Zeitschr. f. wiss. Zool. VIII. S. 210 Anm.) erklärt die Polystoniie der Rhizo-
stomiden für ein mit dem allgemeinen Plane der Medusen unvereinbares Paradoxon und bezweifelt selbst
das Faktum. Das Faktum ist leicht zu constatiren und neuerdings wiederholt, auch von mir, constatirt
worden. Auch die Erklärung scheint mir ziemlich auf der Hand zu liegen. Eine temporäre Polystomie,
wenn man es so nennen will, kann man leicht bei Hydroidquallen sehen, wenn sich die Ränder eines viel-
gefalteten vierlappigen Mundsaumes da und dort an einander legen. So wird auch die Polystomie der
Rhizostomiden entstehen durch Verwachsung der häutigen Blätter, die die Arme der Plianerocarpen um-
fassen. Wo die Oeffnungen der Arme die Form langer Spalten haben, die sich oft in riemenförmige
Tentakel fortsetzen, wie bei einer Cephea der südbrasilianischen Küste, kann über diese Entstehungsweise
kaum ein Zweifel bleiben. Schwieriger zu erklären scheint die Durchbrechung des Armstiels, oder sein
,, Entspringen mit vier Wurzeln," wie es bei derselben Cephea und nach Forskitl bei C. octostyla vor-
kommt.
3) So Nausithoe KüU. mit ihren acht überaus einfachen Geschlechtsdrüsen und Trichoplea n. g.
mit Randkörpern in tiefen Nischen auf der Unterfläche und 2 Zoll von dem ungetheilten Rande der zwei
Spannen im Durchmesser haltenden Scheibe. Unter den älteren minder genau gekannten Arten ist wohl
Medusa Persea Forsk. (Rhizostoina Eschsch.) trotz des ungetheilten Randes und der grossen Randhaut mit
Sicherheit zu den ,,Acraspeda" zu stellen.
Systematische Stellung der Charybdeiden.
127
Acraspeda, den Eschscholtz'schen Phanerocarpae anreihte. Die Charybdea
marsupialis Per. und mehr noch die von mir beschriebenen Tamoya haplonema
und quadrumana stellen sich fast in allen wesentlichen Zügen ihres Baues jenem
allgemeinen Bilde aufs Schroffste entgegen ; eine Glocke mit tiefgefurchten Seiten
und breiter Randhaut, fast keines Formwechsels fähig; die Randkörperchen in
der Vierzahl, fern vom Rande, in tiefen Nischen an der Aussenfläche der Glocke;
ein langer Mundtrichter nach Art der Thaumantias; Geschlechtstheile als breite
häutige Platten in den weiten Seitentaschen des Magens und daher fern von den
Magenfäden ; Fangfäden auf eigenthümlichen keulen- oder bandförmigen Fort-
sätzen, ein scharf ausgeprägtes Nervensystem u. s. f.
Fast noch auffallender tritt den gewöhnlichen Medusen in der äusseren Form,
und nur diese ist bekannt, die Charybdea periphylla Per. entgegen ; gleichsam eine
Tamoya quadrumana mit auf 16 vermehrten und ihrer Fangfäden beraubten band-
förmigen Anhängen.
Vermittelnde Uebergangsformen sich vorzustellen zwischen den Charyb-
deiden einer-, den Medusiden und Rhizostomiden andererseits, oder auch
beide Gruppen herzuleiten aus einer gemeinsamen Grundform, die wesentlich
mehr enthielte, als die allgemeinen Züge aller Hydromedusen, scheint somit kaum
thunlich. Das anschaulich frische Bild der Eschscholtz'schen Phanerocarpen
würde schattenhaft verblassen durch die Aufnahme der Charybdeiden, und
jedenfalls wäre ihre Vereinigung eine durchaus unnatürliche.
Und doch, wenn man die übliche Zweitheilung der Scheibenquallen beibe-
halten will, an der die Systeme von Forbes, Lütken und Gegen baur nichts
geändert haben, als die Namen ^), und die selbst da wiederkehrt, (in Bezug auf
die Quallenformen), wo die Discophorae, und mit Recht, nicht mehr als syste-
matische Einheit anerkannt werden, wie in den Acalephen und Hydroiden
von R. Leuckart, so können die Charybdeiden nur unter den höheren
Scheibenquallen ihre Stelle finden, mit denen sie wenigstens noch die Magenfäden
und den in Säuren unlöslichen Inhalt der Randkörper gemein haben. Xoch
ferner stehen sie, das bedarf keiner weiteren Erörterung, der Quallenbrut der
Hydroiden.
Schon bei Gelegenheit der Beschreibung der Tamoyen gedachte ich des-
halb einer wohl vorzuziehenden Dreitheilung der Scheibenquallen und vermuthete,
dass diese sich auf die Entwickelungsgeschichte würde stützen lassen. Früher
schon, wenn auch später erst die Kunde davon in mein Exil drang, hatte
R. Leuckart demselben Gedanken folgend, die Abtheilung der Ceratostera ge-
bildet, aber bald wieder aufgegeben. Denn jene Vermuthung hat sich bekanntlich
als durchaus unbegründet erwiesen. Krohn sah die Pelagia noctiluca sich ohne
Brutwechsel entwickeln, während Busch die Brut der kaum generisch zu sondern-
den Chrysaora bis zur Polypenform verfolgte. Unter den Hydroiden haben Gegen-
baur das Trachynema ciliatum, und ich die Geryonia (Liriope) catharinensis als
wahrscheinlich direkt aus dem Ei erwachsend kennen gelehrt, während im Gegen-
l) Nicht den Grund oder das Eintlieiluiigsprincip, wie Gegenbaur will. Eschscholtz belrachlet
keineswegs die „Keimwülste" weder als einziges, noch wichtigstes Merkmal der Phanerocarpen ; schon er
stellt, wie Gegenbanr, die Einschnitte des Randes voran und kennt sehr wohl „den häutigen weichen
Ringlappen am Rande der Scheibe" als gemeinsames Merkmal seiner Cryptocarpen.
j-R SysLeiiuiüschc SlcUung der Charybdeiden.
theile die nur auf das Flimmerkleid der jungen Aeginopsis gebaute Annahme
einer direkten Entwickelung der Aeginiden durch die flimmernde Brut im Magen
der Cunina Köllikeri ihre Stütze verlor.
Trotzdem ist die damals mir vorschwebende Gruppirung der Scheibenquallen
durch jede neue Untersuchung immer plausibler geworden. Es scheint mir, dass
hier, wie so manches Mal, die unbefangene Anschauung der älteren Beobachter
das Rechte getroffen, indem sie mit der Charybdea marsupialis und periphylla
die Ch. bitentaculata vereinigten, die heute als Aeginopsis mediterranea J. Müll,
oder Aeg. bitentaculata Köll. ^) in der Familie der Aeginiden Ggb. am Ende der
Cryptocarpen zu stehen pflegt. Nicht dass ich die Vereinigung von Charybdea
und Aeginopsis in dieselbe Gattung, oder auch nur, nach dem Beispiele von
Lütken, in dieselbe Familie befürworten möchte; aber ich meine, dass die
Familien der Charybdeiden und Aeginiden Ggb. zu einer den
Siphonophoren, Hydroiden und Acalephen (im Sinne R. Leuckart's)
gleich w er th igen Gruppe der Hydromedusen zu vereinigen seien.
Die höchstorganisirte aller bekannten Hydromedusen, und vielleicht aller Coelen-
tcraten, die Tamoya quadrumana mit den, wie es schien, die tiefunterste Stufe in
der Reihe der Quallen behauptenden Aeginiden zusammenzustellen, die zum Theil
selbst, wie Eurystoma Köll., nur mit der durch die Randhaut theilweise ge-
schlossenen Aushöhlung der unteren Körperfläche verdauten -), schien mir freilich
lange Zeit etwas waglich. Seit ich eine gerade diesem Eurystoma in Form, wie
in der Entwickelung der im Magen knospenden Brut höchst ähnliche Art selbst
eingehender untersuchen konnte, und seit mir Eschscholtz's treffliches „System
der Acalephen" wieder zur Hand ist, ist mir dieses Bedenken geschwunden
und ich halte jetzt meine Ansicht für hinreichend begründet, um sie der Beur-
theilung der Zoologen vorlegen zu dürfen.
Von der Unvereinbarkeit der Charybde iden mit den Acalephen R. Lt.
ist schon gesprochen. In ganz ähnlichem Gegensatze stehen die Cunina,, Aegi-
nopsis und ihre Verwandten zu den übrigen Cryptocarpen oder den Hydroid-
qu allen. — Die Scheibe dieser letzteren, obwohl von sehr wechselnder P'orm,
ist doch stets ganzrandig, und wie bei den Acalephen glatt, oder etwa mit schwach
vorspringenden von der Mitte des Rückens ausgehenden Leisten versehen ; sie
haben stets Strahlgefässe und Ringkanal, und zwar erstere, ausser bei sehr grosser
Menge, in fester Zahl; Randbläschen, wenn vorhanden, sind stets rundlich und
sitzend; die Randfäden, von sehr wechselndem Bau, nehmen doch stets die un-
mittelbare Nähe des Ringgefässes ein. In der Bildung der Geschlechtstheile end-
lich schliessen sich die Hydroidquallen den Acalephen oder Phanerocarpen an ;
denn, obschon von ungemeinem Formenreichthum, dessen äusserste Bildungen
indessen durch eine ziemlich engschliessende Reihe von Zwischenformen verbunden
sind, — von dem mundlosen Geschlechtskolben der Corymorphaquallen bis
i) Die abweichende Färbung darf kaum als Artunterschied gelten, in einer Thiergruppe, wo, wie l)ci
den Acalephen (Rhizostoma, Chrysaora u. a.) und Hydroiden (Corymorpha), die reichste Mannichfaltigkeit
der Färbung innerhalb der Art fast als Regel gelten kann.
2) Ich glaubte diese wohl irrthümliche Darstellung Kt'illiker's nicht bloss auf Gegenbaur's
Autorität hin anzweifeln zu dürfen, dessen Angaben ich bei anderen Quallen nicht immer ganz bewährt
gefunden hatte, und noch weniger auf Grund eines aprioristischen „allgemeinen Planes der Medusen."
Systematische Stellung der Charybdeiden. I2Q
ZU den dichtgedrängten Bäumchen längs der Strahlgefässe der OHndias ^), — so
nehmen sie doch stets die äussere Wand des Gastrovasculärsystems ein und ent-
leeren ihre Produkte nach aussen. — Dagegen ist die Scheibe der Cunina und
ihrer Verwandten häufig, wo nicht immer, am Rande gekerbt 2), und, wie bei den
Charybdeiden, von mehr weniger tiefen, mehr weniger weit auf die Rücken-
fläche sich fortsetzenden Furchen durchzogen ; der Magen hat breite Seitentaschen
in oft schwankender Anzahl, nie Strahlgefässe oder Ringkanal; die Randbläschen
sind meist gestielt; die Tentakel, nie die Zahl der Magentaschen überschreitend,
sind stets rückenständig, oft sehr fern vom Rande entspringend; ausserdem sind
sie bald durch eine eigenthümliche Starrheit, bald wieder durch „eine bei anderen
Medusen gar nicht bemerkte Beweglichkeit" (Eschsch.) ^) ausgezeichnet. Die Ge-
schlechtsstoffe der Cunina bilden sich im Innern der Seitentaschen und zwar in
den seitlichen Winkeln derselben, von wo ihre Bildungsstätte hufeisenförmig von
einer Tasche zur andern sich hinüberzieht.
Nach alle dem ist die Verbindung der Cunina, Aeginopsis u. s. w. mit den
Hydroiden eine ebenso lockere und gezwungene, durch keinerlei Uebergänge
vermittelte, wie es die der Charybdeiden mit den Acalephen ist. Wenn
also die Ausscheidung dieser beiden Familien aus ihrem jetzigen Verbände keinem
ernstlichen Bedenken unterliegen dürfte, so scheint ein solches auch ihrer Ver-
einigung nicht entgegenzustehen. Wohl liegt zwischen Cunina und Tamoya eine
weite Kluft, aber nicht weiter als zwischen den tentakel-, äugen- und mundlosen
Quallen von Corymorpha und Olindias, zwischen Nausithoe und Cephea, — eine
i) Olindias n. g. Habitus der Thaumantias mediterranea Ggb., vier Strahlgefässe und zahlreiche
(bis über loo) rücklaufende Gefässe ; am Rande äusserst dehnbare Fangfäden und wenig bewegliche Teu-
takel, beide hohl und von unbestimmter Zahl ; am Grunde der Tentakel paarweise die Randbläschen ; Ge-
schlechtstheile baumförmig verästelt längs der Strahlgefässe. — Vermuthlich sind auch die „Fangfäden" an
den Strahlgefässen von Melicertum nichts anderes als Geschlechtstheile, und dies um so eher als auch in
der Bildung der Randfäden Olindias zunächst an Melicertum sich anschliesst. — Als Uebergangsbildung
von magenständigen zu peripherischen Geschlechtstheilen lässt sich, um mich nicht auf noch unbeschriebene
Formen zu berufen, selbst Lizzia KöUikeri anführen, wo nach Gegen baur's von mir an einer verwandten
Art bestätigter Beobachtung, die dem Magen anliegende Geschlechtsdrüse von einem Aste des Strahlgefässes
durchzogen ist.
2) Gegenbaur ist der Ansicht, dass der Besitz eines Velum's einen uneingeschnittenen Rand des
Körpers vorausetze, und aus diesem Grunde, wie es scheint, leugnet er gegen Eschscholtz, Kölliker
und im Widerspruche mit sich selbst, die Kerbung des Randes der Aeginiden. Denn bei Aegineta flavescens
lässt er die Gallertsubstanz sich in beträchtlicher Dicke auf die Magentaschen fortsetzen ; dazwischen also
sind nur häutig überspannte Lücken oder Einschnitte der Gallertsubstanz, d. h. „des Körpers," da bei den
eines Ringgefässes entbehrenden Aeginiden doch nur das Aufhören der Gallertsubstanz die Grenze zwischen
Körper und Velum bezeichnen kann. Wie die Muskelhaut der Unterfläche sich bei den Aeginiden über
einen gekerbten Rand fortsetzt, so kann die Randhaut auch wieder bei ganzrandiger Scheibe fehlen, —
selbst bei Hydroidquallen; ich vermag wenigstens keine Spur derselben aufzufinden bei einem kleinen, stets
mit umgestülpter Scheibe schwimmenden Campanulariasprösslinge, Tintinnabulum resupinatum n. sp.
3) So bei Aegina sulfurea, wie sie in Eschsch. System S. 9, oder Aeg. citrea, wie sie S. 113 heisst.
Die zweite Eschscholtz'sche Art, Aegina rosea, dürfte von dieser zu trennen und zu Cunina zu stellen sein,
da es nach Es chschol t z's Abbildung (Taf. 10. Fig. 3 a) natürlicher scheint, dem Magen sechs dem Ur-
sprünge der Tentakel gegenüber ausgebuchtete Nebentaschen, als deren zwölf zuzuschreiben. — Wenn man
mit Gegenbaur die Aeginiden durch „starre Tentakel" kennzeichnet, so ist die Wahl des Namens
nach einer durch das gerade Gegentheil vor allen anderen Medusen ausgezeichneten Art nicht als besonders
glücklich zu bezeichnen.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 9
I -IQ Systematische Stellung der Charybdeiden.
Kluft wie zwischen junger Brut und erwachsenem Thier, über die die Phantasie
leicht durch Zwischenstufen einen allmählichen Uebergang findet, — und nicht
eine durch unvereinbare Merkmale errichtete Scheidewand. Von den seichten
Furchen in der flachen, leicht gekerbten, oft schon (nach Gegen bau r) knorpel-
harten Scheibe mehrerer Cunina führt die Zwischenform der Aegina citrea zu
Charybdea marsupialis und zu den complicirten Glocken der Tamoyen, während
auch den beiden äussersten Gattungen, die weder bei Hydroiden noch Acalephen
beobachtete A^erbindung einer Randhaut mit nicht ganzrandiger Scheibe als ge-
meinsames Merkmal zukommt. Von der flach ausgespannten Magenhaut der
Cunina mit ihrem einfachen proteusartigen Munde, wie sie sich ähnlich bei Aegi-
neta, Polyxenia, Aeginopsis bitentaculata wiederholt, leiten die vier Arme am
Munde der Aeginopsis Laurentii Brdt. zu der Magenbildung der Charybdea und
Tamoya. Ebenso lässt sich die Form der Geschlechtsteile von Tamoya zwanglos
aus denen der Cunina herleiten, aber weder die eine noch die andere auf die bei
Hydroiden und Acalephen entwickelte Grundform zurückführen. Wenn Tamoya
quadrumana eine ganze Reihe ganz neuer, bei Cunina selbst nicht angedeuteter
Theile, wenn sie ein wohlentwickeltes Nervensystem hat, so liegt darin nichts
Auffallendes; einige derselben, wie die acht fingerförmigen Fortsätze im Grunde
der Glocke und die dendritischen Drüsen , fehlen ja spurlos selbst noch der
T. haplonema.
Wesentlich verschieden ist allerdings die Bildung der Randkörperchen ; allein
theils wissen wir noch nichts über die Entwickelung derselben bei Charybdea und
Tamoya, noch über ihren Bau bei den Zwischenformen Aegina citrea und Aegi-
nopsis Laurentii, theils ist ihr Unterschied nicht erheblicher als zwischen den Augen-
flecken und Randbläschen der Hydroiden.
Ebenso ist die Tentakelbildung eine durchaus abweichende, — aber immerhin
durch ihren rückenständigen Ursprung- den Randfäden der Hydroiden und Aca-
lephen gemeinsam sich entgegenstellend. Die Tentakel der Cunina sind starr, die
der Tamoya contractu; aber auch die der jungen Caninabrut sind letzteres. Die
Tentakel der Cunina sind solid, die der Tamoya hohl; aber hohle und solide
Tentakel zeigen auch sonst nächstverwandte Gattungen, wie die verschiedenen
Campanulariasprösslinge ^) ; ja beiderlei Formen finden sich gleichzeitig oder nach-
einander bei demselben Thiere (Liriope). Also auch hierin dürfte ein Grund gegen
die Vereinigung unserer beiden P^amilien nicht zu suchen sein ; was aber be-
sonders für dieselbe spricht, ist, dass es zur Zeit nicht einmal möglich ist, eine
scharfe Grenze zwischen beiden zu ziehen und die mittleren Formen mit Sicher-
i) Den Campanulariensprösslingen mit soliden, wenig beweglichen Tentakeln, ganz ähnlich denen der
Canipanularien selbst, schlage ich vor, den Dalyell'schen Namen Tinlinnabuluni zu lassen; es scheint,
dass sie stets schon mit einer grösseren Tentakelzahl geboren werden. Hierher gehört auch Eucope poly-
styla Ggl). Was Gegenbaur bei dieser Art als randliche in die Substanz der Scheibe gerichtete Auf-
treibungen des Ringgefässes beschreibt und abbildet, dürfte nach dem nahe verwanden Tintinnabulum resu-
pinatum n. sp. zu schliessen, die verdickten Wurzeln der Tentakel sein. Die Campanulariensprüsslinge mit
hohlen, an der Basis erweiterten, sehr contraktilen Fangfäden, die beim Freiwerden deren stets uur vier,
und von vier weiteren die ersten Spuren zu haben scheinen (Eucope Ggb., excl. E. polystyla), haben meines
Erachtens Anspruch auf den Namen Thaumantias; denn es scheint mir kaum zweifelhaft, dass zu ihnen,
und nicht zur Th. mediterranea Ggb. die beiden Eschscholtz'schen Thaumantiasarten zugehören, und für
sie wäre also bei einer Trennung der Gattung der alte Name zu erlialten.
Systematische Stellung der Charybdeiden. j 7 j
heit der einen oder der anderen zuzuweisen. So Aeg'ina citrea, welche durch die
Form der Glocke, durch die Vierzahl der Arme und die grosse Beweglichkeit
der Tentakel, und Aeginopsis Laurentii, welche durch die vier Arme am Munde
den höheren Formen sich anschliesst. So auch Char3^bdea .periphylla Per., welche
durch die Gestalt der Randanhänge an Tamoya quadrumana erinnert, aber durch
die Melzahl derselben von den übrigen Char)^bdei den sich entfernt.
Ich möchte demnach die Charybdeiden in folgender Weise dem Systeme
der Hydromedusen einreihen :
Hydromedusae.
1. Röhren qu allen, mit Einschluss der freien Geschlechtsthiere (Chr3'so-
meträ).
2. Hydroiden.
a. Tubularinen nebst den Hydroidquallen ohne Sinnesorgane oder mit
Augenflecken.
b. Sertularinen nebst den Hydroidquallen mit Randbläschen ^).
In Bezug auf Entwickelung finden sich in dieser Gruppe:
a) Polypen ohne freie Geschlechtsthiere.
ß) Polypen mit freien Geschlechtsthieren,
y) Freie Geschlechtsthiere ohne Polypen (Trachynema, Liriope).
3. Acalephen R. Lt. (Discophorae phanerocarpae Eschsch.).
a. E i n m ü n d i g e (Medusiclae Eschsch.).
b. V i e 1 m ü n d i g e (Rhizostomidae Eschsch.).
4. Aeginoiden (Aegineae Lütk.).
a. Niedere. Cunina (mit Aegina rosea Eschsch.); Aegineta; Polyxenia;
Aeginopsis bitentaculata.
b. Höhere, Charybdeiden. Aeginopsis Laurentii (?); Aegina (citrea);
Charybdea (marsupialis) ; Tamoya; Periphylla (Ch. periphylla Per.).
Desterro, Mai 1861.
i) Gegenbaur ist meines Wissens der Erste gewesen, der bei den Hydroidquallen die systematische
Wichtigkeit der Ocellen und Randbläschen hervorgehoben und auf die Verschiedenheit der Randfäden
Gewicht gelegt hat, wie denn überhaupt die von ihm aufgestellten Familien der ,,Craspedota" durch Natür-
lichkeit und nicht ausschliessliche Betonung eines Merkmals sich sehr vorteilhaft vor den von Forbes und
selbst von Lütken vorgeschlagenen auszeichnen, und als bequemer Ausgangspunkt für weitere systematische
Versuche dienen können. Künftigen Bearbeitern möchte ich besonders eine sorgfältige Beachtung der
Randfäden empfehlen, durch die, wie es scheint, u. a. eine schärfere Umschreibung der Geryoniden und
Th auman tiade n (igb. möglich sein wird.
Polypen und Quallen von Santa Catharina^).
Olindias sambaquiensis n. sp.
Mit Tafel XVI.
Beschreibungen vereinzelter neuer Thiere, die nur die Zahl der schon ver-
zeichneten Arten anschwellen, ohne einen tieferen Einblick in ihren Bau, einen
freien Ueberblick über ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu gewähren, sind
im Allgemeinen mehr geeignet, den Fortschritt der Wissenschaft zu erschweren,
als zu fördern, indem sie nur den zu bewältigenden vStoff und nicht auch ent-
sprechend die zur Bewältigung n(')thige Kraft mehren. Wenn daher ihre Ver-
öffentlichung einer Rechtfertigung bedarf, so würde sie für die farbenprächtigste
Scheibenqualle unserer Küste theils in dem eigenthümlichen Baue ihrer Geschlechts-
theile, in der Anordnung ihrer Gefässe, Randfäden und Randbläschen liegen, die
sie zu einer vor vielen merkwürdigen und lehrreichen Art machen, theils in dem
Lichte, das von ihr aus auf einige ältere wenig bekannte Formen zu fallen
scheint, — wenn inir nicht schon dadurch ausführlichere Mittheilungen über sie
geboten wären, dass ich ihrer bereits wiederholt anderweitig Erwähnung gethan ^}.
Olindias sambaquiensis erscheint zu Zeiten, namentlich im Winter, bei ruhiger
See in grosser Menge in der Nähe des Ufers. Ich sah sie zuerst im Winter 1856
bei der Ortschaft Sambaqui, nördlich von Desterro, an der Westküste der Insel
Santa Catharina.
Die glashelle Scheibe ist farblos, seltener leicht röthlich angehaucht, und
von mittlerer Festigkeit^). Sie wurde bis zu 108 mm Durchm. beobachtet, doch
nur einmal unter vielen Hunderten; in der Regel schwankt der Durchmesser
geschlechtsreifer Thiere zwischen 50 bis 70 mm; — das jüngste, noch V()]lig ge-
schlechtslose Thier, das zur Beobachtung kam, hatte 16 mm Durchmesser. — Die
Oberfläche der Scheibe bildet im Zustande der Ruhe einen flachen Kugelabschnitt,
dessen Höhe etwa Vs bis Y4 des Durchmessers beträgt. In der Mitte springt die
Gallertsubstanz als stark gewölbter Hügel nach unten vor, wodurch hier ihre
i) Archiv für N;iturgeschichte 1861. I. p. 312 — 319. Taf. IX.
2) Im Archiv für Naturgeschichte 1859. Bd. i. p. 314. Z. 6 v. u. stellt durcli einen Druckfehler
Plindias statt Olindias.
3) Die Festigkeit der hier häufigeren grösseren .Scheibenquallen ordnet sich in aufsteigender Reihe
etwa wie folgt : Medusa, Chrysaora, Olindias, Cephea, Mesonema, Tamoya.
Polypen und Quallen von Santa Catharina. j'i?
Dicke etwa Vh tles Durchmessers erreicht; am Rande des Hügels, dessen Durch-
messer etwa Y4 des Durchmessers der Scheibe misst, ist sie nur noch halb so dick
und verjüngt sich von da an allmählich nach dem Scheibenrande zu.
Die quergespannte Randhaut ist ziemlich schmal, aber wie die stark ent-
wickelte Muskelschicht der Unterfläche .kräftiger Zusammenziehungen fähig, die
die Scheibe des schwimmenden Thieres mehr als halbkuglig krümmen (fig. 5).
Dabei pflegt sich die Unterfläche gürtelweise stärker zusammenzuziehen und da-
zwischen bleiben scharf vorspringende Parallelkreise, die der Unterfläche das An-
sehen einer Crinoline mit ihren Reifen geben. Auffallende Gruppen von Nessel-
zellen fehlen der Scheibe; einzelne finden sich unterhalb in der Nähe des Randes.
Die Ansatzstelle des Magens bildet ein Viereck, dessen Seiten etwa Vj des
Scheibenhalbmessers betragen. Von hier hängt der Magen als mundwärts be-
trächtlich erweitertes Rohr nieder, und erreicht, wenn das ruhende Thier ihn, wie
tastend, umherschwingt, fast die Länge des Scheibenhalbmessers. Der Mundrand
ist krausenartig gefaltet und in vier Zipfel ausgezogen, die den Ecken des Magen-
grundes in ihrer Lage entsprechen. Einzelne Nesselzellen finden sich überall auf
der Innern flimmernden Magenwand; ein Saum aus dichtgedrängten, länghchen,
etwa 0,02 mm langen Nessel^ellen umzieht den Mundrand.
Von den Ecken des Magengrundes gehen vier ziemlich weite Strahl-
gefässe zum Ringgefässe des Randes und von diesem wieder eine grosse
Zahl blinder Gefässröhren rücklaufend dem Mittelpunkte zu. Bei jenem grössten
Thiere wurden zwischen zwei Strahlgefässen 27 rücklaufende Gefässe ge-
zählt. Bei jüngeren Thieren lässt sich an der verschiedenen Länge dieser Gefässe
erkennen, dass sich zunächst eines in der Mitte zwischen zwei Strahlgefässen
bildet, dann eines in der Mitte jedes so gebildeten Achtelkreises. Weiter ist
strenge Regelmässigkeit ihres Auftretens selten zu verfolgen. Die ältesten und
längsten dieser Gefässe reichen bis in die Nähe des Magens. Ihr Verlauf ist in
der Regel in gerader Linie mittelpunktwärts. Abweichungen davon, Theilungen
der rücklaufenden Gefässe, Verbindungen derselben unter sich oder mit den
Strahlgefässen kommen öfter vor. Ich vermuthe, dass diese Unregelmässigkeiten,
meist wenigstens, Folge von Verletzungen sind.
Den Rand hält eine dreifache Reihe in Form und meist auch in Färbung
auffallend verschiedener Anhänge besetzt. Zu äusserst eine Reihe Tentakel
von wenig veränderlicher ungefähr dem Halbmesser der Scheibe gleichkommender
Länge. Sie pflegen in Zahl und Lage mehr oder weniger genau den Strahl- und
rücklaufenden Gefässen zu entsprechen. Die den Strahlgefässen entsprechenden
stehen ziemlich hoch (bis etwa 4 mm) über dem Rande; kaum tiefer die 4 da-
zwischenliegenden; dann folgen 8 merklich tiefer stehende, dann 1 6 wieder tiefer ;
was darüber hinausgeht, und ihre Zahl steigt oft über 80 und selbst 100, steht
dicht am Rande. Die Tentakel sind hohl und mit dem Ringgefässe in Ver-
bindung, zu dem sich von dem Ursprünge der etwas rückenständigen eine nach
dem Ringgefässe zu stark verengte Verbindungsröhre (fig. 4, v) hinzieht. Nessel-
wülste, deren dichtgedrängte, langgestreckte Nesselzellen doppelt so lang sind wie
die des Mundsaumes, umgeben die Tentakel, bald quer, bald schief gestellt, selten
aber vollständige Ringe bildend. In der Ruhe sind die über dem Rande stehenden
Tentakel meist schief nach aussen und oben gerichtet mit sanft abwärtsgebogener
I - , Polypen und Quallen von Santa Catharina.
Spitze, die anderen hängen nach unten. Diese letzteren sind, wie das erwähnte
geschlechtslose Thier bewies, dem sie noch fehlten, die jüngeren. Wahrscheinlich
entstehen alle unmittelbar am Ringgefässe und entfernen sich bei fortschreitendem
Wachsthume der Scheibe von demselben, so dass also die Höhe ihrer Anheftung
ihr Alter anzeigen und dass die Ordnung ihres Auftretens dieselbe, wie bei den
rücklaufenden Gefässen sein würde.
Nach innen von den Tentakeln, am Rande selbst, steht in weit grösserer,
etwa dreifacher Zahl, die Reihe der Fangfäden, die sich fast immer durch ver-
schiedene Färbung, wesentlicher aber durch ungemeine Dehnbarkeit von jenen
unterscheiden. Auch sie sind hohl und am Ursprünge nicht erweitert, sondern
verengt; ihre Nesselzellen, die denen der Tentakel gleichen, sind in meist ring-
förmige Wülste geordnet. Zusammengezogen sind sie etwa von der Länge der
Tentakel, können sich aber über fusslang ausdehnen. Diese Ausdehnung scheint
mir hier, wie in ähnlichen Fällen (Liriope, Eucope u. s. w.), eine rein passive zu
sein , ein allmähliches langsames Erschlaffen. Wenn Olindias mit zusammen-
gezogenen schopfartig nachschleifenden Fangfäden herumgeschwommen ist und
sich dann ruhig schwebend in einem hohen Glase hält, von Zeit zu Zeit durch
einen leichten Ruck ihrem langsamen Niedersinken entgegenwirkend, so sieht
man, während die älteren Tentakel strahlig sich ausbreiten, die Fangfäden ganz
allmählich sich senken und ausdehnen; die verbindenden farblosen Fäden zwischen
den anfangs dichtgedrängten Nesselwülsten entschwinden dabei fast dem Auge
und man glaubt einen dichten Regen goldener Perlen zu sehen ; am Boden des
Glases bilden die niedergesunkenen Enden ein dichtes Gewirr von Schlangen,
aus dem ab und zu einzelne plötzlich in die Höhe zucken, um sich wieder langsam
und anscheinend nur dem Gesetze der Schw-ere folgend niederzusenken, so dass
dieser goldene Regen der Danae ununterbrochen fortdauert. — Man hat gemeint,
dass beim Zusammenziehen der Fangfäden der Scheibenquallen Flüssigkeit aus
denselben in die Gefässe übertreten müsse, da sie dabei nur unbedeutend an
Dicke zunehmen , aber dabei vielleicht ausser Acht gelassen , dass bei gleich-
bleibendem Inhalte die Länge im umgekehrten quadratischen Verhältnisse
der Dicke sich ändert, dass also z. B., wenn der Faden von zwei Fuss auf einen
Zoll sich zusammenzieht, die Dicke noch nicht ganz 5mal grösser wird. Dem
Augenscheine nach — und eine Messung dürfte kaum ausführbar sein, — ist
mir die Aenderung der Dicke diesem Verhältnisse ganz entsprechend vor-
gekommen.
Endlich findet sich eine ebenfalls ansehnliche Zahl (gegen 200 bei einem
Thiere von 45 mm Durchmesser) ganz kurzer Randanhänge, die an die
keulenförmigen Anhänge der Thaumantias mediterranea Ggb. erinnern, aber hohl
sind. Vielleicht sind es nur junge Fangfäden.
Bei dem mehrfach erwähnten geschlechtslosen Thiere waren die P'angfäden
verhältnissmässig weit kürzer und viel weniger zahlreich (20 bis 30), die Tentakel
länger als bei erwachsenen Thieren. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass, wie bei
Liriope, noch jüngere Formen nur Tentakel besitzen.
Die Randbläschen (fig. 4) sitzen paarweise am Ursprünge der Tentakel;
sie sind rundlich oder cllipsoidisch von 0,2 mm Durchmesser mit einfacher hcht-
brechender Kugel von 0,03 mm, die wie bei Liriope befestigt ist. Ihr Inhalt ist
Polypen und Quallen von Santa Catharina. j -2 c
meist wasserhc^ll ; ein paarmal sali ich feine Körnchen darin herumtreiben, wie
von Flimmerhaaren bewegt.
Die Geschlcchtsthcile (fig. 2) nehmen den grössten Theil der Strahl-
gefässe ein, nur eine kleine Strecke in der Nähe des Magens freilassend. Sie
treten zuerst auf als einfache walzenförmige Ausstülpungen der Gefässwand, die
sich später unregelmässig baumartig verästelt (fig. 3), und bis über 8 mm Länge
erreichen können. Sie flimmern nicht nur innen, wie alle Gefässe, sondern auch
auf ihrer äusseren Oberfläche, unter der sich Samen oder Eier bilden. Hoden
und Eierstöcke zeigen für das unbewaffnete Auge keine Verschiedenheit. Bei
einem Thiere mittlerer Grösse zählte ich gegen 30 Bäumchen an einem Strahl-
gefässe.
Vielfach verschiedene Färbung bei Thieren derselben Art ist häufig bei
Polypen und Quallen (Gorgonia, Corymorpha, Cephea, Chrysaora u. s. w.) ; schwerlich
aber dürfte hierin ein anderes Thier unserer OUndias gleichkommen. Man denke
sich alle Mischungen von Gelb, Roth, Braun, Schwarz, — in allen Abstufungen
von leisem Anfluge bis zu voller Sättigung; und in allen möglichen Zusammen-
stellungen an Fangfäden und Tentakel, Gefässe und Geschlechtstheile, Mtigen und
Nesselsaum des Mundrandes \'ertheilt. Besonders häufig erscheinen Fangfäden,
Randstummelchen und Geschlechtstheile gelb (schwefel-, gold-, orangegelb), die
Gefässe rosenroth, der Magen gelb oder morgenroth mit dunklerem Nesselsaume,
die Tentakel braun ; häufig auch sind Fangfäden, Gefässe und Mundsaum rosen-
roth, die Tentakel brennend ziegelroth, die Geschlechtstheile gelblichweiss. Bis-
weilen ist das ganze Thier farblos bis auf den blassrosenrothen Mundsaum, mennig-
rothe Tentakelspitzen und leicht gelblich getrübte Geschlechtstheile, — oder wieder,
um aus der endlosen Menge verschiedener Färbungen noch das Gegentheil hiezu
hervorzuheben, die Fangfäden sind schwefelgelb, die Tentakel rothbraun, die Rand-
stummelchen und Geschlechtstheile schwarz, die Gefässe schwarzbraun, der Magen
bräunlich mit gelbem Saume. — Die Färbung der Gefässe hat ihren vSitz in der
der Scheibe zugekehrten Wand (s. fig. 2), das Ringgefäss ist stets farblos. An
Fangfäden und Tentakeln ist der körnige Farbstoff besonders an den Nessel-
wülsten angehäuft. — Bei den Thieren desselben Schwarmes, d. h. bei den gleich-
zeitig an der Küste erscheinenden, pflegt eine bestimmte Färbung vorzuherrschen,
wie z. B. an manchen Tagen nur gelbe, an anderen fast nur rothe Fangfäden
gesehen werden.
Im Magen der Olindias finden sich öfters Fischreste; als Schmarotzer trifft
man an ihr bisweilen Philomedusa Vogtii.
Es ist bezeichnend für die Unsicherheit, die noch in der x\nordnung der
Scheibenquallen herrscht, dass der Versuch, Olindias in die Systeme von Esch-
scholtz, Forbes, Lütken, Gegenbaur einzureihen, sie zu den Oceaniden von
Eschscholtz, den Geryoniden von Forbes, den Aequoreaden von Lütken
führt, ohne dass sie weder mit Oceania. noch mit Ger3ronia oder Aequorea Aehnlich-
keit hat, und dass sie in Gegenbaur's System gar nicht Platz findet, da sie durch
die Randbläschen von den Thaumantiaden, durch die Bildung der Geschlechts-
theile von den Eucopiden ausgeschlossen wird.
Die einzige Gattung, zu der sie verwandtschaftliche Beziehung zu
haben scheint, ist Melicertum Oken; auch bei diesen finden sich Randfäden von
j -j A Polypen und Quallen von Santa Catharina.
verschiedener Grösse und in verschiedener Höhe angeheftet, und ausserdem bis
jetzt völlig räthselhafte Fäden („cirri" Eschsch.) längs der Strahlgefässe, die viel-
leicht im Hinblicke auf Olindias als Geschlechtsthelle gedeutet werden dürfen.
Als Gattungsmerkmale von Olindias lassen sich vorläufig die folgenden
hervorheben : Magen ein häutiges Rohr ; Strahlgefässe 4, mit baumförmig ver-
ästelten Geschlechtstheilen besetzt ; zahlreiche rücklaufende Gefässe ; äusserst dehn-
bare Fangfäden und weniger bewegliche Tentakel ^) in grosser, unbestimmter Zahl ;
beide hohl und mit dem Ringgefässe in Verbindung; Randbläschen paarweise am
Grunde jedes Tentakels.
Desterro, Juni 1861.
i) Mit den von mir bei Liriope als Tentakel bezeichneten Anhängen haben die der Olindias im
Gegensatz zu den Fangfäden gemein: die mehr rückenständige Anheftung, die geringere Dehnbarkeit, und
wahrscheinlich das frühere Auftreten im Laufe der Entwickelung. Auch auf eine nähere Beziehung zum
Nervensysteme scheint die Lage der Randbläschen an ihrem Ursprünge hinzuweisen. Trotzdem also die
Tentakel der Olindias hohl sind, die der Liriope nicht, glaubte ich sie mit gleichem Namen bezeichnen
zu dürfen.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVI.
Fig. I. Olindias sambaquiensis, ruhig im Wasser schwebend, nat. Grösse. Von den
Fangfäden hat nur der kleinere Theil der Länge Platz gefunden.
Fig. 2. Geschlechtsthelle eines anderen Thieres, in seitlicher Ansicht, nat. Grösse.
Fig. 3. Einzelne Geschlechtsbäumchen, um die Art der Verästelung zu zeigen.
Fig. 4. Randbläschen, vergrössert. r Ringgefäss. / Tentakel, v Verbindungsröhre
zwischen beiden.
Fig. 5. Schwimmendes Thier, im senkrechten Durchschnitte. /'Fangfäden. // Randhaut.
Ueber die angebliche Bilateralsymmetrie der
Rippenquallen^).
Bei strahligen Thieren ist nur das Vorn V(3m Hinten, oder das Oben vom
Unten, bei zweiseitigen Thieren gleichzeitig das Vorn vom Hinten und das
Oben vom Unten verschieden. Strahlige Thiere sind durch so viel Ebenen, als
Strahlen vorhanden, zweiseitige durch eine einzige Ebene in S3niimetrische Hälften
theilbar; strahlige Thiere haben eine Achse, den Durchschnitt jener Ebenen, zwei-
seitige nur jene Mittelebene und keine Achse. In einfacher Zahl können bei
strahligen Thieren nur die in der Achse liegenden Theile vorhanden sein ; alle
Theile in der Mitte und auf der Grenze der Strahlen wiederholen sich in ein-
facher, alle anderen Theile in doppelter Strahlenzahl. Bei zweiseitigen Thieren
können in einfacher Zahl alle in der Mittelebene liegenden Theile auftreten und
alle Theile ausserhalb dieser Ebene sind paarweise vorhanden.
Lässt man die Trennungsebenen der Strahlen mit Beibehaltung ihrer gegen-
seitigen Lage um die Achse sich drehen, so wird durch dieselben fortwährend das
Thier in congruente Stücke geschnitten; zweiseitige Thiere sind überhaupt nicht
in congruente Stücke zerlegbar. Jeder einzelne Strahl eines Strahlthieres ist zwei-
seitig symmetrisch; zweiseitige Thiere sind durch ihrer Längsrichtung parallele
Ebenen nicht in Stücke theilbar, die selbst wieder zweiseitig symmetrisch wären.
Bei paariger Strahlenzahl, also bei 2-, 4-, östrahligen Thieren schneidet ausser-
dem jede durch die Achse gelegte Ebene den Körper in congruente Hälften und
jeder dieser Durchschnitte wird selbst wieder durch die Achse in congruente
Hälften getheilt. Zweiseitige Thiere sind (wie auch die Strahlthiere mit ungerader
Strahlenzahl), überhaupt nicht in congruente Hälften theilbar; — eine rechte Hälfte
lässt sich nicht durch eine linke ersetzen und aus zwei rechten Hälften congruenter
Thiere nicht ein ganzes Thier machen. Würden dagegen zwei congruente paarig-
strahlige Thiere auf gleiche Weise in congruente Hälften geschnitten, so würden
sich beliebige zwei dieser vier Hälften zu einem ganzen Thiere zusammenfügen
lassen.
Jede durch die Mitte eines Strahls gelegte Ebene, so wie jede Trennungs-
ebene zweier Strahlen theilt paarig-strahlige Thiere in zweiseitig angeordnete
i) Archiv für Naturgeschichte 1861. I. p. 320 — 325.
j og Angebliche Bilateralsymmetrie der Rippenquallen.
Hälften. Die Flälften eines zweiseitigen Thieres, rechts und links von der Mittel-
ebene, sind, jede für sich betrachtet, nicht mehr zweiseitig angeordnet.
Leicht Hesse sich die Reihe dieser Merkmale, die scharf und schroff die
strählige von der zweiseitigen Anordnung des Thierleibes scheiden, noch weiter
fortspinnen. Ich breche sie hier ab, denn schon höre ich fragen: wozu überhaupt
diese müssige Aufzählung selbst verständlicher Unterschiede zwischen Dingen, die
Niemand je verwechseln kann ? Genügt es nicht, einen Seestern neben einem
Krebse gesehen zu haben, oder selbst nur die Bezeichnungen strahlig und zwei-
seitig zu hören, um nie in Zweifel zu kommen, welche der beiden Anordnungs-
weisen man vor sich habe ? — Man sollte es meinen ; doch den Beweis des Gegen-
theils liefern u. a. die Rippenquallen. Nach allen angeführten Merkmalen
und wie man auch sonst sich die Begriffe mathematisch zergliedern möge, ergeben
sie sich als vollkommen strahlige und zwar zweistrahlige Thiere und zeigen
diesen Bau in vollster Regelmässigkeit und strengster Durchführung ausgeprägt,
ohne die leiseste Spur eines Ueberganges zu zweiseitiger Anordnung. — Und
doch scheint die herrschende Ansicht des Tages die entgegengesetzte zu sein.
Vorsichtig zweifelnd spricht sich Burmeister aus : „die Rippenquallen scheinen
nach beiden Typen gebaut zu sein, doch herrscht eine reguläre Eiform vor^)." —
Andere betrachten sie geradezu als „zweiseitig-symmetrische" Thiere, oder doch als
Uebergangsform „vom Radiärtypus zum bilateral-symmetrischen". So Agassi z-),
Vogt, Gegenbau r. Die gewichtigen Stimmen solcher (jegner nöthigten mich
zu einer etwas umständlicheren Auseinandersetzung des an sich allerdings höchst
einfachen Gegenstandes; mit dieser Auseinandersetzung der Unterschiede zwischen
strahligen und zweiseitigen Thieren ist zugleich auch schon mein Beweis für die
Stellung der Rippenquallen unter den ersteren gegeben. Es bleibt mir übrig, die
Gründe der entgegenstehenden Ansicht zu besprechen, die ich leider nirgends in
den mir zugänglichen Schriften zusammenhängend dargestellt finde.
Die nächste Veranlassung, die Rippenquallen als zweiseitige Thiere oder als
Mittelding zwischen diesen und den strahligen anzusehen, hat wohl die „von zwei
Seiten comprimirte" Körperform vieler Arten und namentlich die lang ausgezogene
Bandform von Cestum gegeben, indem Vogt den „symmetrischen Typus" am
deutlichsten ausgeprägt findet, und auch Gegen baur „die Bilateralsymmetrie
ihren Gipfelpunkt" erreichen lässt. Konnte nun diese auffallende Form des Venus-
gürtels wohl Anlass geben zu einer neuen Prüfung seines Rechtes als Strahlthier,
so kann sie doch so wenig als Beweis dagegen geltend gemacht werden, als etwa
die Kugelgestalt eines eingerollten Sphäroma dasselbe aus der Reihe der zwei-
seitigen Thiere ausschlicsst. — Die Rippenquallen als zweistrahlige Thiere auf-
gefasst, verliert zudem jene Bandform alles Auffallende; neben die C3^dippen mit
kreisrundem Querschnitte stellen sich dann die Cestum in ganz ähnlicher Weise,
wie neben die kugligen Echinus die langstrahligen Asterien und Ophiuren.
Einen zweiten Grund zur Annahme einer „Bilateralsymmetrie" scheint die
Zweizahl verschiedener Theile, der Trichteröffnungen, Mundschirme, IVIagengefässe,
Senkfäden u. s. w. abgegeben zu haben, — „Selbst bei den sonst radiär gebauten
1) Geschichte der Schöpfung. 6. Aufig. p. 330.
2) Nach den Jahresberichten von V. Carus und R. Leuckart.
Angebliche Bilatcralsymmetrie der Rip]icn(iiiallen. j^jg
Beroen" findet Gegenbaur in den beiden Trichteröffnung-en „die bilaterale
Symmetrie angedeutet ^)" und lässt die beiden Senkfäden der Cydippcn u. a. „nach
bilateraler Symmetrie" vertheilt sein -). In Zweizahl vorhanden ist nun allerdings
sogar die Mehrzahl der Theile zweiseitiger Thiere; die Vertheilung aber dieser
doppelt vorhandenen Theile bei den Rippenquallen, ihr ausschliessliches A^or-
kommen in zwei aufeinander senkrechten Ebenen, weit entfernt, Beweis „bilateraler
Symmetrie'" zu sein, ist vielmehr etwas damit durchaus Unverträgliches und ver-
bunden mit der Vierzahl aller Theile ausserhalb dieser Ebenen ein sicheres Kenn-
zeichen zweistrahliger Anordnung. Ganz abgesehen übrigens von den oben
aufgestellten Merkmalen strahliger und zweiseitiger Thiere, so ist zu verwundern,
dass man den Widerspruch nicht bemerkt hat, dc^r darin liegt, gleichzeitig die
Trichteröffnungen und die Senkfäden als bilateral-symmetrisch zu betrachten. Sind
es die Trichteröffnungen, so liegen z. B. bei Mnemia die Schmalseiten und
Mundschirme rechts und links, die Breitseiten mit Senkfäden ^) und Magengefässen
oben und unten. Sind es die Senkfäden, so finden sich die Breitseiten und Magen-
gefässe rechts und links, die Schmalseiten, Mundschirme und Trichteröffnungen
oben und unten. Eine Annahme führt die andere ad absurdum. Bei beiden
Annahmen ist überdiess, im Widerspruche mit dem wesentlichsten Grundzuge
zweiseitigen Baues, kein Unterschied zwischen Bauch und Rücken vorhanden.
Eine weitere hierher gehörige Bemerkung Gegenbaur 's ist mir unverständ-
lich geblieben. Es soll bei den Ctenophoren der Radiärtypus der Cölenteraten
in den bilateral-symmetrischen übergehen, „indem an zwei symmetrischen Körper-
hälften eine überwiegende iVusbildung der einzelnen Theile erfolgt^)." Da das
Thier nicht mehr als zwei Hälften hat, also die beiden Hälften mit überwiegender
Ausbildung der Theile das ganze Thier ausmachen, so begreift man nicht, wo die
in der Ausbildung" zurückbleibenden Theile Raum finden. Wollte man aber unter
„Hälften" nur gegenüberliegende Körpertheile verstehen, — und man ist allerdings
gewohnt, in naturgeschichtlichen Werken eine ganz neue mathematische Sprache
zu finden, — so würde auch ebensowenig das bei Rippenquallen vorkommende,
als ein für „bilateral-symmetrischen Typus" bezeichnetes Verhältniss ausgesprochen
sein. Oder sind etwa die Trichteröffnungen und Mundschirme überwiegend aus-
gebildete Magengefässe und Senkfäden, oder auch umgekehrt? — Oder sind
unsere eigenen Arme und Beine überwiegende Ausbildungen irgend welcher
Theile unserer Rücken- und Bauchflächc ?
In gewohnter einfach lichtvoller Weise hat C Vogt in den zoologischen
Briefen ^) die Unterschiede zwischen strahligem und zweiseitigem Baue aus-
einandergesetzt. Nach dieser seiner eigenen Darstellung hätte er die Rippenquallen
unbedingt als vollkommen strahlig gebaut bezeichnen müssen. Und doch hat auch
er von dem „langen Querband" des Venusgürtels sich irren lassen, das, wie er in
,,Ocean und Mittelmeer" bemerkt, „durch einen Schnitt, welchen man quer auf die
Achse des Bandes führt, in zwei vollkommen gleiche Hälften gespalten werden
1) Dieses Archiv XXII. Bd. i. p. 170.
2) Ebenda p. 176.
3) Die bei Mnemia Schweiggeri Eschsch. zwar sehr winzig sind, aber nicht fehlen.
4) Grundzüge der vergl. Anatomie p. 67.
5) Bd. I, p. 64 u. 65.
j^Q Angebliche Bilateralsymmetrie der Rippenquallen.
kann, in denen sich auch nicht die mindeste Spur einer radiären Anordnung er-
kennen lässt;" — es genügt, hinzuzusetzen: „so wenig, als in einem einzehien
Strahle irgend eines anderen Strahlthieres," um zu zeigen, dass die nicht zu be-
streitende Thatsache nichts gegen die strahlige Anordnung des Thieres beweist.
Und macht rnan noch darauf aufmerksam, dass die Hälften in der That voll-
kommen gleich, d. h. nicht bloss symmetrisch, sondern congruent sind, und dass
jede derselben eine zweiseitige Anordnung erkennen lässt, so ist damit eine Eigen-
thümlichkeit bezeichnet, die wohl allen paarig-strahligen Thieren, aber nicht
einem einzigen zweiseitigen zukommt.
Sind aber nicht, wenn auch vollkommene Strahlthiere , schon als zwei-
strahlig die Rippenquallen den zweiseitigen Thieren näher stehend, als
andere mehrstrahlige Thiere, und somit immerhin als Mittelglied zu betrachten ?
Ich meine: Nein. — Die nur in dem Namen liegende scheinbare Aehnlichkeit
verschwindet, sobald man „zweiseitig" mit „nicht strahlig" vertauscht. Im Gegen-
theile, je geringer die Zahl eines thierischen oder pflanzlichen Theiles, um so
sicherer pflegt sie festgehalten zu werden. Und so wäre auch hier zu vermuthen,
dass, je geringer die Strahlenzahl, um so strenger durchgeführt der strahlige Bau
sein werde, und dass ein Uebergang in andere Anordnungsweisen sich eher bei
hoher, als bei niederer Strahlenzahl werde finden lassen. Die Erfahrung bestätigt
diese Vermuthung: abgesehen von den Echinodermen , bei denen Johannes
Müll er 's Scharfblick überall Spuren zweiseitiger Anordnung erkannte, so finden
sich solche unter den Cölenteraten, z. B. bei der i2strahligen Philomedusa Vogtii
und bei der jungen Brut der ebenfalls vielstrahligen Cunina Köllikeri. In vollster
Strenge dagegen zeigt sich der strahlige Bau bei vielen vi erstrahl igen Scheiben-
quallen und bei den zweistrahligen Rippenquallen, die also auch in dieser Be-
ziehung als ächte Cölenteraten sich ausweisen.
Desterro, im Juni 1861.
Die Rhizocephalen, eine neue Gruppe schmarotzender
Kruster ^).
Mit Tafel XVII.
Rathke's Beiträge zur Fauna Norwegens schliessen mit der Beschreibung
zweier Thiere, Peltogaster paguri und carcini, die mir schon beim Lesen der vor-
trefflichen Abhandkmg als die merkwürdigsten der ganzen reichhaltigen Samm-
lung erschienen und seitdem einen der ersten Plätze behauptet haben in der Reihe
der Thiere, die selbst zu untersuchen mich verlangte. Zu dieser Untersuchung
wurde mir kürzlich Gelegenheit durch die Entdeckung zweier nahe verwandten
Arten; ihre Ergebnisse waren zum Theil so überraschend, aus dem Kreise der
gewohnten Vorstellungen heraustretend, dass es mir bei deren Mittheilung in der
That eine Beruhigung ist, an den europäischen Küsten jene beiden Verwandten
zu wissen und auf sie die Fachgenossen zur Prüfung meiner Angaben verweisen
zu können.
Der in den Leib des Wirthes eingesenkte Kopf dieser scheinbaren Würmer
treibt pflanzenartig Wurzeln, hohle Röhren, die vielverzweigt dessen Eingeweide
umspinnen, und ihre Brut stellt sich in die Mitte zwischen die der Lernaeen und
der Rankenfüsser. Sie bilden also eine neue Abtheilung schmarotzender Kruster,
die ich nach jener ersten Eigenthümlichkeit Rhizocephala nenne. Es steht zu
erwarten, dass in diesen Rhizocephalen sich eine reiche Fundgrube neuer P'ormen
eröffnen werde, da jeder der beiden Krebse, die ich bis jetzt in grösserer Zahl
untersuchen konnte, eine Art ernährt. Leider fehlen mir alle Hülfsmittel zur Be-
stimmung dieser Wohnthiere; doch werden sie spätere Besucher unserer Küste
auch ohne weitläufige Beschreibung leicht wiederfinden. Fast unter jedem Steine
werden sie eine schwärzlichgrüne, glattscheerige, ungemein flinke Porcellana treffen,
und kaum minder häufig einen kleinen Pagurus, der fast ausschliesslich in den
Gehäusen eines Cerithium Obdach sucht.
Der Schmarotzer der Porcellana mag Lernaeodiscus Porcellanae, der des
Einsiedlerkrebses Sacculina purpurea heissen. ich beschreibe zunächst die beiden
geschlechtsreifen Thiere und dann ihre Larven.
I) Archiv für Naturgeschichte i8(j2. I. p. 1—9. Taf. I.
j^2 D'^ Rhizocephalen.
Lernaeodiscus Porcellanae (fig. i — 4) findet sich ziemlich häufig i), meist einzehi,
selten zu zweien, dem Schwänze seines Wirthes an einem der vorderen Ringe
angeheftet, und füllt oft vollständig den Raum zwischen Schwanz und Brustschild.
Er hat die Gestalt einer fleischigen und blass gelblichfleischfarbenen Scheibe, die
bis über 10 mm breit wird, bei etwas geringerer Länge. Vorn und hinten ist
die Scheibe tief ausgebuchtet und jederseits in 5 bis 7 Lappen getheilt, deren meist
verbreitertes Ende häufig wieder eingebuchtet ist. Auf der Rückenfläche der
Scheibe, die dem Schwänze der Porcellana zugekehrt ist, sieht man in der Nähe
des Randes oft noch jenen Lappen ähnliche kleinere Hervorragungen. Auf der
Bauchfläche, die sich dem Brustschilde der Porcellana zuwendet, fällt zunächst
der Eierstock (fig. 2, b) in die Augen, der fast die ganze Fläche bis an den Ur-
sprung der Randlappen einnimmt, hinten eine breite und seichte Bucht, vorn
aber einen schmalen hinterwärts keulenförmig verbreiterten und ihn bis zur Hälfte
theilenden Einschnitt hat.
Unter dem Eierstocke (der Bauchfläche näher) liegen nahe dem Vorderrande
der Scheibe zwei sehr ansehnliche rundliche oder nierenförmige Drüsen (fig. 2, c)
von dem eigenthümlich durchscheinenden Ansehen, das so häufig den Hoden
niederer Thiere zukommt; ihre anfangs engen, später erweiterten und dann sehr
dünnhäutigen und schwer zu verfolgenden Ausführungsgänge verlaufen an ihrer
inneren Seite nach hinten; ich vermuthe, dass sie am hinteren Rande des Eier-
stocks in die gleich zu erwähnende Bruth(')hle münden. Gleichfalls unter dem
Eierstocke und in ihren LTmrissen demselben entsprechend, aber auch dessen
vorderen Einschnitt füllend breitet sich eine zartwandige Höhle aus, die eine
röthliche durchsichtige Flüssigkeit enthält; dass es eine einzige Höhle ist, wird
deutlich, wenn sie sich zusammenzieht; im ausgedehnten Zustande könnte man
versucht sein, ein Netzwerk zwischen den einzelnen Eiergruppen sich hinziehender
Röhren anzunehmen, die von einer im vorderen Einschnitte des Eierstocks liegen-
den Blase ausgingen, indem dann über den stärker vorspringenden Eiern die
Farbe der dünnen Flüssigkeitsschicht fast unmerklich wird und deutlicher nur in
den Furchen zwischen ihnen hervortritt.
In der hinteren Ausbucht der Scheibe findet sich eine ansehnliche, von ge-
kerbtem Rande umfasste Oeffnung (fig. 2, a), durch die man unter abwechselndem
Ausdehnen und Zusammenziehen des Körpers das Wasser ein- und ausstrcnnen
sieht. Sie führt zu einer weiten Brathöhle, von deren Ausdehnung man si(^h am
leichtesten überzeugt, wenn man sie mittelst einer fein ausgezogenen Glasröhre
aufbläst. Man sieht dann, dass sie die ganze Rückenfläche einnimmt, ausgenommen
den vorderen Einschnitt des Eierstocks, und sich in die Randlappen erstre(-kl,
die nur Aussackungen derselben sind. Man findet die Bruth()h]e meist prall ge-
füllt mit Eiern, die namentlich ihrer äusseren Wand ankleben und alle gleich alt
sind. Wenn sie sich der Reife nähern, erscheint der Rand der Scheibe durch-
sichtiger und endlich Randlappen und Rücken schwarz punktirt durch die Augen
der jungen Brut, die gleichzeitig ausschwärmt. Zwei Tage nac^h dem Ausschwärmen
fand ich bei einem Thiere schon wieder frische, in totaler Furchung begriffene
Eier (fig. 7) in der Bruthöhle, — Das in die Bruthöhle einströmende Wasser dient
I) S. u. den Aufsalz über Entoniscus. = Ges. Werke p. 147.
Die Rhizücephalen. j^-.
meines Erachtens nur dem Athmen der Eier, die ziemlich vollständig seinen Zu-
tritt zum Leibe der Mutter hemmen dürften. Auch bei vielen anderen Krustern
mag die Befestigung der Eier am mütterlichen Körper weniger durch den ge-
währten Schutz, als durch den steten Wasserwechsel für die Entwickelung der
Brut nöthig sein; selbst der Reife nahe sind mir vom Leibe der Mutter gelöste
Eier von Krabben und Garneelen immer zu Grunde gegangen, während das ge-
fangen gehaltene Weibchen sie sicher ausbrütet.
In der vorderen Ausbucht der Scheibe liegt ein gewölbtes Chitinschild
(fig. 2, s) mit concentrischen Streifen, zwischen denen bräunliche l^'arbetheilchcn
abgelagert zu sein pflegen. Aus seiner Mitte entspringt ein kurzer Hals, der
die Haut der Porcellana durchbohrt. Innen umgiebt ihn ein starker Chitinring
von 0,2 bis 0,3 mm Durchmesser, der sich in eine zackige nach oben erweiterte,
goldglänzende Krone fortsetzt. Je nach dem Alter des Thieres ist diese Krone
(fig. 2, 3, 4, k) verschieden entwickelt. Sie entsteht durch Chitinisirung der Kopf-
haut. Einzelne kleine Chitinplättchen (fig. 3, 4, b) trifft man bisweilen noch ober-
halb der Krone, die von der weichen Kopfhaut nur wenig überragt wird. — \"on
der oberen Fläche des Kopfes, an dem ich von Mund, Augen, Fühlern keine
Spur fand, entspringen nun zahlreiche Röhren (fig. 3, 4. w), bis zu 0,15 mm weit,
die zum Theil, namentlich die äusseren, schon in der Nähe blind enden, zum Theil,
sich vielfach verästelnd, besonders nach dem Darme der Porcellana sich hinziehen,
ihn weithin, selbst bis in die Brust hinein, umspinnen und zuletzt in blinde Reiser-
chen auslaufen. Nicht selten sieht man bis über 0,5 mm dicke, aus zahlreichen
einzelnen Röhren geflochtene Stränge den Weg zum Darme der Porcellana nehmen.
Diese Wurzeln, so kann man sie nach Ansehen und Verrichtung nennen, enthalten
in ihrer zarten Haut zahlreiche Fettkügelchen, die sich durch weit geringere und
dabei gleichförmige Grösse leicht von den Fetttheilchen im Schwänze des Krebses
unterscheiden.
Dafür, dass die Wurzeln durch den Hals mit dem weiten Flüssigkeitsbehälter
unter dem Eierstocke in Verbindung stehen, hat man einen sehr einfachen und
sicheren Beweis in einem vor Auffindung der Wurzeln mir unerklärlichen Um-
stände ; wenn man den Kopf des Schiri arotzers aus dem Leibe des Wirthes heraus-
löst, und bisweilen schon, wenn man den Schwanz der Porcellana vom Brust-
stücke losreisst, erfolgt ein augenblickliches und höchst augenfälliges Erblassen
des Lernaeodiscus durch Entleeren jener röthlichen Flüssigkeit. Ob die mit blinden
Wurzeln beginnende Höhle für die ernährende Flüssigkeit, die man kaum Ver-
dauungshöhle nennen kann, auch blind endige, muss ich noch unentschieden lassen,
obgleich mir ein öfter gesehener schmaler Fortsatz nach der Oeffnung der P)rut-
höhle zu eine Ausmündung an dieser Stelle wahrscheinlich macht.
Nach Männchen des Lernaeodiscus habe ich um so eifriger ausgeschaut, da
Rathke in der Bruthöhle von Peltogaster paguri einen kleinen Krebs, seine
Liriope pygmaea, beobachtet hat; allein bis jetzt ohne Erfolg. In der aus den
erwähnten grossen Drüsen gewonnenen Flüssigkeit sehe ich dagegen bewegliche
Theilchen, deren Gestalt genau zu erkennen mein Mikroskop nicht ausreicht; nach
der Art ihrer Bewegung trage ich kaum Bedenken, die Plüssigkeit für Samen
zu erklären.
T/iA Die Rhizocephalen.
Sacculina purpurea (fig. 5 u. 6), der Schmarotzer unseres kleinen Einsiedler-
krebses, scheint nicht minder häufig zu sein, als I.ernaeodiscus. Nachdem ich
einmal auf ihn aufmerksam geworden, konnte ich aus den während einer Ebbe
gesammelten Schneckenhäusern über 30 mit ihm behaftete Paguren herausklopfen.
Der Schmarotzer hängt als dicke, schwach gebogene, purpurrothe Wurst, die bis
über 6 mm lang und halb so dick beobachtet wurde, am Anfange des weichen
Hinterleibes und zwar an dessen linker gewölbter Seite, sein etwas dickeres Hinter-
ende mit der Oeffnung der Bruthöhle dem Kopfe des Wirthes und also der Mün-
dung des Schneckenhauses zuwendend. — Der Anheftungspunkt liegt auf der
hohlen Seite der Wurst, dem hinteren Ende etwas näher; die Enden erscheinen
von oben kuglig abgerundet.
Der Gast ist ebenso windschief wie sein Wirth; wenn man als untere die
hohle Fläche nimmt, mit der das Thier festsitzt, und das Hinten durch die Oeff-
nung der Bruthöhle bestimmt, so ist von den beiden Seiten, die unterhalb durch
Darm und Eierstock, auf dem Rücken durch eine seichte Furche geschieden sind,
hinten die linke, vorn die rechte stärker entwickelt. Vorn ist die Verschiedenheit
unbedeutend, hinten so stark, dass die Oeffnung der Bruthöhle ganz nach der
rechten Ecke des Hinterrandes gedrängt ist. Diese Oeffnung bildet eine kleine
Längsspalte, und lässt dieselbe Wasserströmung gewahren, wie bei Lernaeodiscus.
Links läuft der hintere Rand meist in eine mehr oder weniger deutliche, scharfe
Ecke aus. Der Darm und der darüber liegende Eierstock bilden einen ziemlich
schmalen, hinten und vorn verjüngten Streifen, der sich vom Anheftungspunkte
vorwärts fast bis zum Vorderrande, hinterwärts bis zur Oeffnung der Bruthöhle
erstreckt. — Die ganze übrige Wurst ist Bruthöhle. Die nahende Reife der Eier
verräth sich durch blassere, mehr durchscheinende Färbung.
Der concentrisch geriefte Schild am Anheftungspunkt ist schwach entwickelt;
die goldene Krone im Innern des Wirthes (fig. 6, k) dadurch von der des Lernaeo-
discus verschieden, dass von dem Ringe einzelne breite Aeste abgehen, deren
breite Zweige allmählich in die dünnere Kopfhaut verfliessen, während Lernaeo-
discus spitze, scharf umschriebene Zacken hat. Die dem Kopfe entsprossenden
Wurzeln erstrecken sich auf der linken Seite des Pagurus nach hinten und bilden
zwischen den Leberschläuchen ein dichtes Büschel aus wenigen Hauptstämmen
entspringender Röhren. Man kann aus diesem Büschel ziemlich leicht die es
durchsetzenden Leberschläuche hervorziehen und es so vollständig isoliren (fig. 5,
B, w). Die Farbe des Wurzelbüschels ist dunkelgrasgrün; es schimmert deutlich
durch die dünne Leibeswandung des Pagurus hindurch.
Die Larven der beiden Schmarotzer haben so viel Uebereinstimmendes,
dass ich nur die des Lernaeodiscus beschreibe und für die der Sacculina nur auf
das von jener Abweichende aufmerksam machen werde.
Die Larve von Lernaeodiscus (fig. 8) ist 0.2 mm lang, vorn 0,12 mm breit
und nach hinten anfangs schwach, im letzten Drittel rascher verjüngt. Am Ilinter-
ende trägt sie zwei kurze Spitzen. Der schwach gewölbte Vorderrand läuft jeder-
seits in ein kurzes an der Spitze etwas nach hinten gebogenes Hörn aus. Den
Rücken deckt ein Schild, das den Körper vorn und seitlich um 0,04 bis 0,05 mm
überragt; hinten deckt es kaum den Ursprung der beiden Spitzen und ebenso nur
den Anfang der Horner des Stirnrandes.
Die Rhiaocephalen. j^e
Auf der Unterfläche liegt in geringer Entfernung vom Vorderrande ein
grosses, etwas quergezogenes und vorn meist seicht ausgerandetes schwarzes
Auge, von dem sich ein starker Nerv hinterwärts verfolgen lässt, dem aber ein
lichtbrechender Körper zu fehlen scheint. Die Borsten zu den Seiten des Auges,
auf die Max Schnitze bei den jungen Rankenfüssern aufmerksam gemacht
hat, vermisse ich.
Die Ursprungsstelle der drei Fusspaare liegt etwa in der Mitte zwischen
Mittellinie und Seitenrand; das vorderste entspringt dicht hinter dem Auge, das
letzte am Ende des zweiten Fünftels der Länge. Das vorderste hat ein dickes
cylindrisches Grund-, und ein kurzes Endglied mit zwei längeren Borsten ; — das
zweite trägt auf dickem Grundgliede einen längeren äusseren (und vorderen) Ast mit
fünf, und einen kürzeren inneren mit drei langen Borsten ; — das dritte Fusspaar
ist bedeutend kürzer und schwächer als das zweite; sein äusserer Ast trägt vier,
der innere zwei längere Borsten. Die längeren Aeste sind geringelt, doch nicht
deutlich gegliedert.
Zwischen dem mittleren Fusspaare entspringt ein dreieckiger Schnabel mit
rückwärtsgerichteter Spitze. Der weite Darm, der den Schnabel noch etwas nach
vorn überragt, ist in den ersten Tagen noch dicht mit brauner Dottermasse ge-
füllt. Hinter dem letzten Fusspaare ist bisweilen eine leichte Einschnürung des
Körpers zu sehen.
Die Larve der Sacculina ist verschieden durch ein viel grösseres, die Stirn-
hörner und Endspitzen weit überragendes Rückenschild, durch Mangel des Auges,
durch mehr eiförmige Gestalt des Leibes und gerade, schief vorwärts gerichtete
Stirnhörner. Ausserdem fand ich bei ihr die bei Lernaeodiscus vermissten Borsten
in der Nähe des Vorderrandes und hinter dem letzten Fusspaare zu jeder Seite
des Darmes ein Häufchen bräunlicher undurchsichtiger Körnchen (Harn?), von
dem ich ebenfalls bei Lernaeodiscus nichts finden kann.
Nach den gegebenen Beschreibungen würden sich als bezeichnende Eigen-
thümlichkeiten der Rhizocephalen, die in die Mitte zwischen Siphonostomen und
Rankenfüssern zu stellen sein dürften, folgende hervorheben lassen :
Crustacea Rhizocephala. Larve mit drei Paar Schwimmfüssen, von denen
die beiden hintern zweiästig, mit zwei seitlichen Stirnhörnern, zwei Spitzen am
Ende des Leibes und häutigem Rückenschild. Erwachsenes Thier weich-
häutig, ungegliedert, ohne Augen, Fühler, Füsse und (?)Mund. Kopf in das Wohn-
thier eingesenkt, am Grunde zu einem Chitinkranze erhärtet, durch wurzelartige
blinde Fortsätze Nahrung aufnehmend. Zwitter mit beweglichen Syermatozoiden (?),
ohne Eiersäcke (wie die Rankenfüsser), mit weiter hinten geöffneter Bruthölile.
Gattungen:
i) Peltogaster Rthk. i).
2) Sacculina. Körper unsymmetrisch, wurstförmig; Kopf mitten auf der Bauch-
fläche. — Larve ohne Auge, mit zwei Stirnborsten.
i) Nach mehr als 15 Jahren sind mir die Einzelheiten von Rathke's Beschreibungen zu sehr ent-
schwunden, um diese Gattung charakterisieren oder selbst nur entscheiden zu können, ob nicht Sacculina
damit zu vereinigen sei.
Fritz Müllers gesamelte Schriften. lO
121^ Die Rhizocephalen.
3) Lernaeodisciis. Körper symmetrisch, scheibenförmige, Kopf am Vorderrande
der Scheibe. — Larve mit Auge, ohne Stirnborsten.
Desterro, Ende Juli 1861.
Erklärung- der Abbildungen auf Tafel XVII.
Fig. I. Lernaeodiscus am Schwänze der Porcellana angeheftet, wenig \ergr.
Fig. 2. Ein kleineres Exemplar, v. d. Bauchseite, I5mal vergr. a Oeffnung der
Bruthöhle, b Eierstock, c Hoden (?). .v Chitinschild. /■ Krone. — Der weiche Teil des
Kopfes fehlt.
Fig. 3 u. 4. Der innerhalb der Porcellana liegende Theil von Lernaeodiscus, 2 5mal
vergr. b einzelne Chitinplättchen. k Krone, iv Wurzeln, d Darm der Porcellana.
Fig. 5. Sacculina purpurea, 3mal vergr. A von unten. B von der rechten Seite.
(/, b, k wie in fig. 2.
Fig. 6 ^). Der innerhalb des Pagurus liegende Theil der Sacculina, I5mal vergr.
k Krone, w Wurzeln.
Fig. 7. Ei aus der Bruthöhle des Lernaeodiscus, in totaler Furchung, gomal vergr.
Fig. 8. Erster Jugendzustand des Lernaeodiscus, iSomal vergr. von unten.
Fig. 9. Erster Jugendzustand der Sacculina, v. oben, i Bemal vergr.
I) Siehe auch Fig. 7 der Tafel XXIII.
Anmerk. des Herausgebers des Archivs für Naturg. Der Herr Verf., dem wir schon so werthvolle
an der brasilianischen Küste angestellte Beobachtungen verdanken, hat offenbar die neueren Mittheilungen
über Peltogaster ct. (dies Archiv XXI. p. 15 und XXV. p. 232) nicht gekannt; ebenso wenig die Beobach-
tungen von Wright und Anderson New. Phil. Journ. VII, p. 312, sonst würde er dieselben erwähnt
haben. Die Beobachtungen der Letzteren von den sich im Wirthe verästelnden Canälen, werden durch
unseren Verf. auf das Vollständigste bestätigt. Um durch eine Rückfrage bei der weiten Entfernung des
Verf. diese interessante Mittheilung nicht zu verzögern, habe ich sie unverändert abdrucken lassen.
Entoniscus Porcellanae, eine neue SchmarotzerasseP).
Mit Tafel XVIII.
Als äusserstes Glied in der Reihe der durch Schmarotzerleben verkümmerten
Asseln galt bis jetzt die Gattung Bopyrus. Weit über diese Grenze hinaus ent-
fernt sich von Lebensweise und Bau der frei lebenden Asseln und von seiner
eigenen jugendlichen Gestalt ein Schmarotzer derselben Porcellana, um deren Darm
Lernaeodiscus seine Wurzeln schlingt und in deren Kiemenhöhle, beiläufig be-
merkt, nicht selten ein Bopyrus sich ansiedelt.
Das Weibchen dieses Schmarotzers liegt in einem dünnhäutigen Schlauche
zwischen Leber, Darm und Herz des Wirthes; sein Kopf hat Augen und Fühler
verloren und den Magen in sich aufgenommen ; die Brust ist zu einem regungs-
losen, ungegliederten, mit ungeheuren Brutblättern besetzten Schlauche geworden;
der lange wurmförmige äusserst bewegliche Hinterleib hat säbelförmige Beine
und kuglig über ihn hervorquellend, wie in einem Bruchsacke, liegt am Anfange
seines ersten Gliedes das Herz !
Als erster Binnenassel gab ich dem Thiere den Namen Entoniscus Porcellanae.
Das Weibchen (fig. i) erreicht eine Länge von lo bis 15 mm. Der Kopf
bildet einen etwa i mm langen, 1,5 mm breiten weisslichen, weichen, rundlichen
Klumpen. Oberhalb ist er durch eine seichte Längsfurche etwa wie ein Hirn in
zwei gewölbte Hälften geschieden, zwischen denen vorn und unten ein kurzer
abgerundeter Lappen vorspringt. Etwas vor der Mitte der ziemlich flachen Unter-
fläche sieht man als winzige I>ängsspalte den Mund, und um ihn — wahrschein-
lich Andeutungen früher deutlicherer Mundtheilo — verschiedene Linien, für die
ich, da ich sie im Einzelnen nicht zu deuten weiss, auf die Abbildung (fig. 5) ver-
weise. Die Aehnlichkeit des Kopfes mit einem Hirne wird noch erhöht durch
unregelmässige Furchen, die ihn fast wie Hirnwindungen durchziehen. Zerzupft
man die äussere Haut, so sieht man, dass sie herrühren von zahlreichen kegel-
förmigen Blindsäckchen, deren fettreichem Inhalte der Kopf seine weisse Farbe
dankt und die den früher als Leber gedeuteten Blindsäckchen am vorderen Lheile
des Darmes von Bopyrus entsprechen dürften. Von Fühlern und Augen ist bei
geschlechtsreifen Weibchen nichts zu finden ; bei einem jüngeren sah ich einmal
ij Archiv für Naturgeschichte 1862. I. p. 10 — 18. Taf. II.
148
Entoniscus Porcellanae.
ein paar plumpe kurze Zipfel über dem unpaaren unteren Lappen, die wahrschein-
lich Fühlerreste waren.
Aufwärts sich biegend bildet der Kopf einen stumpfen Winkel mit der Brust
und ist nur unbedeutender Bewegung von oben nach unten fähig. Ganz regungs-
los scheint das lange schlauchförmige ungegliederte Bruststück zu sein, das Leber
und Eierstöcke fast vollständig füllen; beide fallen durch lebhafte Färbung sofort
in die Augen, jene durch ein prachtvolles gesättigtes Orange, diese durch ein
röthliches Violett. Die Leber besteht aus zwei auf der Bauchseite dicht aneinander
gelagerten etwa 0,2 bis 0,3 mm weiten Schläuchen, die 0,5 mm vom Hinterende
der Brust blind beginnen und sich bis an den Kopf erstrecken. Die Eierstöcke
nehmen die Rückenseite ein, über die sie in unregelmässigen Hügeln hervorragen
und lassen vorn eben so viel freien Raum, wie die Leber hinten. Füsse habe ich
in der Regel selbst bei jüngeren Weibchen, die wegen der weniger entwickelten
Brutblätter leichter darauf zu untersuchen sind, völlig vermisst. Einige Male, und
nicht gerade bei jüngeren, traf ich einen oder den anderen in Form kurzer, kegel-
förmig zugespitzter, rückwärtsgekrümmter, mit kleinen Borstchen zerstreut besetzter
Zipfelchen (fig. 7). Zu ungeheueren, vielgefalteten, gelappten und zerschlitzten
häutigen Lappen sind dagegen die Brutblätter entwickelt. Wo ich sie deutlich
zählen konnte, — denn oft erscheinen sie als eine einzige kaum entwirrbare, ge-
waltige Blätterkrause, — fand ich sechs Paar! Sie sind durchzogen von engen
baumförmig verästelten Gängen, in die man bisweilen durch den Druck des Deck-
glases die Galle aus der zersprengten Leber hineintreiben kann und enthalten
äusserst zahlreiche dichtgedrängte Fettkügelchen eingelagert.
Wenn man schon bei Bopyrus verwundert die Eiermenge betrachtet, die sich
unter ihrer breit schildförmigen Brust anhäuft, so ist dieselbe bei Entoniscus noch
weit erstaunlicher; sie bildet unregelmässig zusammengeballte Haufen, deren Breite
oft der Länge der Brust gleichkommt, die sie vorn und hinten bisweilen noch weit
überragen, so dass nicht selten der ganze Körper vollständig in ihnen versteckt
ist. Und während Bopyrus, wie andere Asseln, jede Brut erst vollständig sich
entwickeln und ausschwärmen lässt, ehe er neue Eier legt, häuft Entoniscus eine
ganze Reihe aufeinander folgender Brüten gleichzeitig um sich an, so dass man
Stoff für die ganze Entwickelungsgeschichte den Brutblättern desselben Thieres
entnehmen könnte.
Dem Bruststücke folgt ein weit dünnerer höchst beweglicher, sechsgliedriger
Hinterleib, von sehr wechselnder Länge, bald weit kürzer, bald über anderthalb
Mal so lang wie die Brust. Diese Verschiedenheiten der Länge rühren nament-
lich her von den beiden ersten zu langen Cylindern ausgezogenen Ringen. Bei
einem Thiere von 14 mm Länge finde ich für die Länge des ersten Hinterleibs-
ringes 2,3; des 2ten 2; des 3ten 1,2; des 4ten 0,32; des 5ten 0,25 und des Oten
0,38 mm; die Dicke war beim ersten Ringe 0,25 und beim letzten 0,2 mm. Die
5 ersten Ringe tragen nahe ihrem hinteren Ende ein i*aar ungegliederter säbel-
förmiger borstenloser Füsse; die des dritten Paares sind die längsten und reichen
bis zum Ende des vorletzten Ringes. Die Füsse lassen sich nicht nur heben und
senken, sondern auch seitlich ausspreiten. Das letzte Glied des Hinterleibes (fig. 6)
ist am Ende oben abgestutzt und hat unterhalb einen bis zu seiner Mitte reichen-
den V förmigen Ausschnitt. — An der Bauchfläche des isten und 2ten Hinterleibs-
Entoniscus Porcellanae.
149
ringes, und weniger entwickelt an der des 3ten, zieht sich jederscits eine weit
vorspringende contractile Hautfalte hin ; ihr stark wellig gebogener Rand enthält
eine gefässartige Höhlung, die sich in den Rand des entsprechenden Fusses
fortsetzt.
Am Anfange des ersten Hinterleibsringes trägt dessen Rückenfläche eine
bruchsackartige Ausstülpung von etwa 0,5 mm Länge und fast gleicher Höhe;
darin liegt das ziemlich matt pulsirende Herz.
Wenn nun im Baue des Weibchens kaum die Blinddärmchen am Anfange
des Verdauungsrohres, die beiden Leberschläuche, und das am Anfange des
Hinterleibes liegende kurze Herz an Bopyrus erinnern, so tritt die Verwandtschaft
mit dieser Assel unverkennbar hervor in den Männchen (fig. 2 u. 3), die wie
dort fast beständige Begleiter des Weibchens, aber viel zwerghafter und daher
zwischen den unendlichen Eiermassen leicht zu übersehen sind. In der Regel
findet sich nur eines; ein einziges Mal sah ich ihrer zwei auf dem Leibe derselben
Dame spazieren gehen.
Das Männchen ist gegen 0,8 mm lang, kaum 3 — 4mal länger als die eben
ausgeschlüpften Jungen; in der Mitte der Brust erreicht die Breite fast Vs der
Länge; von da ab ist der Körper schwach nach vorn, stark nach hinten verjüngt.
Die Brust ist deutlich in 7, der Hinterleib in 6 Ringe geschieden; die Grenze
zwischen Kopf aber und erstem Brustringe ist nur durch eine tiefe seitliche Ein-
schnürung angedeutet. Der Kopf (fig. 8) hat die Gestalt eines Trapezes mit ab-
gerundeten Ecken, dessen Höhe der kürzeren der parallelen Seiten etwa gleich
und die Hälfte der längeren hinteren ist. Er trägt ein Paar ungegliederter, platter,
viereckiger Fühler ; mit der inneren Seite entspringen sie von der Unterfläche des
Kopfes, die vordere schliesst sich dem Stirnrande desselben an, die hintere ist ihr
ziemlich gleichlaufend und die äussere richtet sich schief nach hinten und aussen.
An der vorderen, stumpfen Ecke steht eine Gruppe kurzer, einwärts gekrümmter
Borsten. Augen fehlen oft; sind sie vorhanden, so sind sie vom Kopfe bis fast
an den Hinterrand des damit verschmolzenen ersten Brustringes gerückt. Der
Ursprung des dreieckigen Saugrüssels liegt auf der hinteren Grenze des Kopfes;
seine Spitze legt sich zwischen den Ursprung der Fühler.
Die sechs vorderen Brustringe tragen nahe dem Rande zu fast sitzenden
ungegliederten rundlichen Klumpen verkümmerte Füsse (fig. 9), mit denen nichts
desto weniger das Thier sich ziemlich rasch von der Stelle hilft. Der 7. Ring ist
fusslos, trägt aber am hinteren Rande jederseits einen warzenförmigen Vorsprung
und auf diesem die Geschlechtsöffnung.
Der hinterwärts stark verjüngte Hinterleib ist ohne Anhänge, wie bei den
Männchen zweier anderen hiesigen Bopyriden ; der letzte Ring zeichnet sich durch
grössere Länge vor den übrigen aus und ist am Ende mit winzigen Dörnchen
besetzt.
Von Innern Theilen fallen zunächst zwei weite, st^irk bräunlich gefärbte,
contractile Leberschläuche auf, die im isten oder 2ten Hinterleibsringe blind be-
ginnen und bis zum 2ten Brustringe sich erstrecken. Zwischen ihnen verläuft der
Darm. Ueber Darm und Leber lagert sich jederseits ein weiter schlauchförmiger
Hode, der von der schon erwähnten Geschlechtsöffnung durch 3 bis 4 Ringe nach
j CQ Entoniscus Porcellanae.
vorn sich erstreckt und in der Regel in jedem nach Luissen eine seitliche Aus-
sackung hat. — Das Herz sieht man dicht hinter der Leber pulsiren.
Ebenso ähnlich, wie die Männchen, sind die Larven (fig. 4) denen von
Bopyrus. Der flache asseiförmige Körper ist etwa 0,2 mm lang und halb so
breit; die grösste Breite fällt auf den 2ten und 3ten Brustring, von wo sich der
Körper hinterwärts bis auf 0,04, vorwärts bis auf 0,06 mm, die Breite des fast
geradlinigen Stirnrandes, verschmälert. Von der Länge nimmt etwa Y5 der Kopf,
den Rest nehmen zu gleichen Theilen Brust und Hinterleib ein, von denen jedes
deutlich in sechs Ringe geschieden ist. Der Kopf trägt oberhalb nahe der
hinteren Ecke zwei rundliche schwarze Augenflecke, wie es scheint, ohne licht-
brechenden Körper, unterhalb zwei kurze dicke zweigliedrige vordere Fühler, die
nur mit ihren Endborsten den Kopfrand überragen, und zwei lange hintere Fühler,
die gerade unter den Augen entspringen und bis zum Anfange des Hinterleibes
reichen; sie sind sechsgliedrig ; das vorletzte Glied und das letzte borstenförmige
sind die längsten. — Im Munde, der nahe dem Hinterrande des Kopfes liegt,
konnte ich nur 2 Kiefer unterscheiden. — Dicht am Vorderrande des Kopfes fällt
ein rundlicher, vorn ausgerandeter, aus hellen runden Körnchen gebildeter Fleck
in die Augen ; er erinnerte mich an den Fleck, den man am Kopfe vieler Amphi-
poden bemerkt (besonders deutlich bei dem Gammarus ambulans der pommerschen
Torfmoore, auch bei Leptocheirus pilosus Zadd.).
Die fünf vorderen Brustringe tragen gleichgebildete Füsse, die nahe an deren
Rande entspringen; man unterscheidet an ihnen zwei längere cylindrische Grund-
glieder, ein kurzes .drittes Glied, ein verdicktes eiförmiges Handglied von der
Länge des i. Grundgliedes und eine schwachgekrümmte kräftige Klaue, die
reichlich halb so lang, wie das Handglied ist. — Am sechsten Fusspaare, das dem
Rande weniger nahe entspringt, sind nur drei Glieder zu unterscheiden: ein
C3dindrisches Grundglied, ein winziges zweites und ein elliptisches Endglied, das
0,04 mm lang und halb so breit ist. Dieses Fusspaar pflegt dem Leibe dicht
anzuliegen mit einwärtsgerichtetem Grund- und rückwärts gewandtem Endgliede.
Der Hinterleib trägt zunächst vier Paar Schwimmfüsse mit halbmondförmigem
Grundgliede, das etwa in der Mitte der gewölbten Seite so angeheftet ist, dass
das eine wenig längere Hörn nach innen und etwas nach hinten, das andere nach
vorn und aussen gerichtet ist. Die Entfernung der Hörner ist 0,03 mm. Das
äussere Hörn trägt ein lanzettförmiges Endglied, das gerade in den Ausschnitt
des Halbmondes passt und an seinem schief abgeschnittenen Ende drei Borsten
von etwa doppelter Länge des Gliedes trägt. Bisweilen ist dieses Endglied am
vierten Paare merklich kleiner, als an den drei vordem ; meist iiber sind sie alle
gleich. Am inneren Hörne der drei vorderen Grundglieder steht eine einfache
Borste; bald fand ich diese Borsten alle gleich lang, etwas länger als die des
Endgliedes, öfter die 2te und 3te merklich kürzer, die letzte nur Ys der Länge
der ersten erreichend. Dem 4. Schwimmfusspaare fehlt diese Borste. Der 5te
Hinterleibsring trägt einen schmalen und kurzen borstenlosen Anhang (fig. 13),
der in eine längere innere und kürzere äussere Spitze gespalten ist. Endlich zu
den Seiten des letzten Hinterleib.sringes stehen an.sehnliche Anhänge mit dickem
Grundgliede und zwei schlanken zweigliedrigen Endästen, von denen der äussere
unbedeutend länger ist. Das letzte dornförmige Glied dieser Aeste ist gerade; ein
Entoniscus Porcellanae. j r j
kurzer Dorn findet sich aussen am Ende des Grundgliedes und des ersten Gliedes
der Aeste.
Die Thierchen kriechen nicht besonders behend, schwimmen aber recht hurtig.
Die ruckweise Bewegung-, im Vereine mit den langbeborsteten Schwimmfüssen
und dem durch die seitlichen Anhänge gabiig erscheinenden Schwänze, giebt ihnen
dabei eine entfernte Aehnlichkeit mit Cyclops.
Das Weibchen des Entoniscus ist im Innern der Porcellana so gelagert, dass
sein Kopf zwischen den Blindsäckchcn der I>eber verborgen liegt; dann zieht es
sich hinterwärts und unterm Herzen bis ans Ende der Kopfbrust; die Brutblätter
reichen sogar bisweilen noch ziemlich weit in den Hinterleib hinein. Das ganze
Thier, auch Kopf und Mund, ist ziemlich eng umschlossen von einem häutigen
Schlauche, der sich nach hinten in einen engeren Ausführungsgang fortsetzt, und
bis auf die Grenze zwischen Brustschild und dem freien Ringe sich verfolgen lässt,
der bei den Porcellanen das verkümmerte fünfte Fusspaar trägt. Dieser um-
hüllende Schlauch entsteht wahrscheinlich, indem der junge Entoniscus, um ins
Innere der Porcellana zu gelangen, die weiche Haut jenes Gelenkes nicht durch-
bricht, sondern vor sich herstülpt. So könnte man ihn, als in einer Einstülpung
der äusseren Haut seines Wirthes lebend, einen äusseren Schmarotzer nennen, wie
Bopyrus und andere Asseln, obwohl er zwischen Leber, Darm und Herz sich
bettet und von den Windungen der Samengänge umschlungen ist.
Nicht selten finden sich 2, einmal traf ich sogar 3 Entonicus bei derselben
Porcellana.
Sicher umschlossen von dem umhüllenden Schlauche bedarf das Männchen
des Entoniscus nicht die scharfkralligen Klammerfüsse der Bopyrusmännchen, und
das Weibchen hat wiederum eine ausreichende Bürgschaft für die eheliche Treue
seines Genossen in jenen Klumpfüssen, die ihm einen Ausflug ins freie Meer un-
möglich machen.
In Bezug auf das Vorkommen habe ich noch eines bemerkenswerthen Um-
standes zu gedenken, dass nämlich häufig Lernaeodiscus und Entoniscus bei der-
selben Porcellana sich finden. Aufmerksam geworden auf dies(\s Verhältniss und
wohl wissend, wie trüglich Schätzungen von Zahlenverhältnissen ohne wirkliche
Zählung sind, habe ich über die Schmarotzer von 1000 vom 4. Juli bis i. August
untersuchten Porcellanen Buch geführt. Glücklicherweise wurde diese Unter-
suchung dadurch sehr erleichtert, dass auch Entoniscus von aussen zu erkennen
ist, indem bei stark zurückgebogenem Schwänze bald die Leber oder die Eier-
stöcke, bald die Eier zwischen den Brutblättern, oder selbst die schwarzen Aeugel-
chen der jungen Brut in dem Gelenke hinter dem Brustschilde durchschimmern. —
Es fanden sich Lernaeodiscus bei 84, Entoniscus bei 4g unter jenen 1000 Porcellanen ;
danach hätte man bei 49X84 unter einer Million, oder bei 4 unter Tausend beide
Schmarotzer zugleich finden sollen, während sie 2imaP) vereinigt vorkamen, also
5mal häufiger, als die Häufigkeit jeder einzelnen Art erwarten liess. — Die Er-
klärung dieses häufigen gemeinsamen Vorkommens glaube ich darin zu finden,
I) Wobei weder die jüngeren, von aussen nicht erkennbaren Entoniscus mitgezählt wurden, die sich
später bei den Lernaeodiscus tragenden Porcellanen fanden, noch auch die mit Entoniscus behafteten, die
nur noch die goldene Krone abgefallener Lernaeodiscus an sich trugen.
j e2 Entoniscus Porcellanae.
dass Lernaeodiscus ein dichtes Aneinanderschliessen von Schwanz und Brustschild
hindert und so dem jungen Entoniscus den Zugang zur Bauchfläche der Porcellana
erleichtert.
Desterro, Anfang August 1861.
Erklärung- der Abbildungen auf Tafel XVI IL
Fig. I. Entoniscus Porcellanae, Weibchen, nach Entfernung der Eier aus den Brut-
blättern, I5mal vergr. e Eierstock, // Herz, / Leber.
Fig. 2. Männchen, bei gleicher Vergrösserung.
Fig. 3. Dasselbe, gomal vergr. // Hoden, / Leber, a Augen.
Fig. 4. Larve, den Brutblättern des Weibchens entnommen, 180 mal vergr.
Fig. 5. Mund des Weibchens und dessen L^mgebung, gomal vergr.
Fig. 6. Letzter Hinterleibsring desselben, 45mal vergr.
Fig. 7. Füsse von der Brust desselben, gomal vergr.
Fig. 8. Kopf des Männchens; v. oben; wie alle folgende Figuren, 180 mal vergr.
Fig. g. Fuss desselben.
Fig. 10 — 14. Füsse der Larve; flg. 10 vom letzten Brustringe; fig. 11 vum ersten,
12 vom dritten, 13 vom fünften und 14 vom sechsten Hinterleibsringe.
Die Verwandlung der Porcellanen*).
Vorläufige Mittheilung.
Mit Tafel XIX.
Seit zwei Jahren kenne ich eine Zoea, die sich durch den Mani^el des Rücken-
stachels und durch ungemeine Länge des gerade vorgestreckten Stirnhorns vor
ihren Verwandten auszeichnet; doch erst vor wenigen Monaten erkannte ich in
ihr den Sprössling derselben Porcellana, deren sonderbare Schmarotzer ich in
meinen letzten Aufsätzen den Lesern des Archivs vorführte. Inzwischen fand ich
Gelegenheit, die junge Brut von noch zwei anderen Porcellaniden zu untersuchen.
Die eine ist eine kleinere Porcellana mit fast kreisrundem Rückenschilde, die sich
selten an Felswänden zwischen Polypen und Moosthieren findet; — die andere
(Fig. I — 3) hält sich schmarotzend auf einigen Arten afterloser Seesterne auf und
unterscheidet sich im ganzen Aussehen, in den Scheeren, und besonders durch
die Kürze der äusseren Fühler so sehr von den eigentlichen Porcellanen, dass
ich sie als Vertreter einer eigenen Gattung ansehe und Porcellina stellicola nenne-).
Da diese Porcellana-Larven in allen wesentlichen Verhältnissen mit der
Zoeaform der jungen Krabben übereinstimmen, verspare ich ihre ausführliche
Beschreibung für eine grössere Arbeit über die Jugendzustände der Krabben, zu
der ich seit längerer Zeit Stoff sammle und beschränke mich für jetzt auf eine-
übersichtliche Schilderung ihres Baues.
Der Rückenschild ist von eiförmigem Umrisse und deckt nicht nur oben
und seitlich den vorderen ungegliederten Körpertheil, sondern auch die ersten
freien Ringe des Hinterleibes. Gerade vorgestreckt entspringt seinem Vorder-
rande ein Stachel oder Hörn, das die Länge des Schildes bis über 5mal (bei der
kleineren Porcellana 3mal) übertrifft. Zwei ähnliche Stacheln erstrecken sich vom
Hinterrande des Schildes gleichlaufend (bei Porcellina bisweilen auseinander-
weichend) gerade nach hinten; bei der kleineren Porcellana (Fig. 10), wo sie nur
7s der Länge des Schildes erreichen, ist ihre Spitze leicht abwärts gebogen und
nahe ihrem Ursprünge tragen sie einen ansehnlichen schief nach unten und vcjrn
gerichteten Dorn ; bei der gemeinen Porcellana sind sie unten mit einer ganzen
Reihe kleiner Dornen weitläufig besetzt und übertreffen schon die Länge des
i) Archiv für Naturgeschichte 1862. I. p. 194 — 199. Taf. VII.
2) Noch merkwürdiger durch ihre Lebensweise ist eine andere Porcellana (P. Crcplinii n. sp.), die
sich paarweise in der Röhre des Chaetopterus pergamentaceus aufhält.
■j e • Die Verwandlung der Porcellanen.
Schildes, dessen mehr ails dreifache Länge sie bei Porcellina erreichen. So ist
bei dieser letzten Art der Schild der eben ausgeschlüpften Jungen mit seinen
Fortsätzen doppelt so lang, als der der JMutter.
Ausser diesem wunderlichen Rückenschilde ist nur noch die Bildung des zu
einer Flosse verbreiterten letzten Ringes auffallend von anderen jungen Krabben
verschieden. Es ist bekannt, dass der letzte Ring der Krabbenlarven jederseits
in ein oft sehr ansehnliches Hörn sich auszieht, und dass in der mittleren Bucht
zwischen diesen Hörnern jederseits drei kurze gefiederte Borsten zu stehen pflegen.
Bei den Porcellanen sind die seitlichen Hörner durch unbedeutende Stacheln ver-
treten, und der mittlere Theil springt zwischen ihnen so weit vor, dass der ganze
Schwanz ungefähr die Gestalt einer Raute annimmt. Besonders langgezogen,
über doppelt so lang als breit, ist derselbe bei Porcellina. An jeder der beiden
hinteren Seiten der Raute stehen 5 lange gefiederte Borsten. (Eine Mittelform,
näher jedoch den Porcellanen sich anschliessend, bildet der Schwanz der jungen
Paguren.)
In allem Uebrigen, dem Baue der Augen, Fühler, Mundtheile und P\isse,
so wie der inneren Theile, stimmen die jungen Porcellanen vollständig mit den
jungen Krabben überein und zeigen keine grössere Verschiedenheit von ihnen,
als sie selbst oder jene unter sich.
Hier wie dort sind die vorderen Fühler (Fig. 5, a) ungegliedert und
haben einen starken Nervenknoten in der Nähe ihrer Spitze, von der ausser einigen
winzigen Borstchen zwei (bei Porcellina drei) längere eigenthümliche Fäden ent-
springen. Sie sind von gleichmässiger Dicke, oder seltener schwach verjüngt,
enden abgerundet und unterscheiden sich ausserdem durch sehr zarte Umrisse
und matte Trübung von anderen Borsten. Dieselben Fäden kehren übrigens
wieder auch an den vorderen Fühlern der jungen Bopyriden (besonders deutHch
bei Entoniscus Cancrorum n. sp.) und Rankenfüssern, bei welchen letzteren sie
einzeln auf einem winzigen Grundgliede dicht neben dem Auge entspringen.
Die hinteren Fühler (Fig. 5, b) zeigen bei Porcellina stelHcola schon grosse
Aehnlichkeit mit denen des erwachsenen Thieres (Fig. 2); dasselbe aufgetriebene
Grundglied mit der bekatmten Oeffnung des noch immer streitigen Sinnesorganes,
dasselbe spitzig dreieckige zweite Glied, von dem aussen und oben hier eine mehr-
gliedrige Geissei, dort ein einfacher stachelförmiger Fortsatz entspringt. Dieselben
Stücke in ganz ähnlicher Gestalt finden sich auch bei den anderen Arten ^).
Die Mundtheile (Hg. 5) bestehen aus einer höchst ansehnlichen Oberlippe
(t). zwei starken, scharf gezähnten, wie es scheint, tasterlosen Oberkiefern {d),
einer zweitheiligen Unterlippe (e) und zwei Paaren Unterkiefer (/, g). Der vordere
Unterkiefer (Fig. 8) ist in drei, der hintere (Fig. 9) in fünf mit starken, zum Theil
gezähnten oder gefiederten Borsten bewehrte Blätter gespalten, und letzterer trägt
nach aussen noch eine grössere häutige Platte, die nach hinten in einen finger-
förmigen Fortsatz ausläuft, der Fortsatz trägt eine, die Platte selbst vorn und am
Rande sechs gefiederte Borsten. Diese Platte ist aufwärts gebogen und zwischen
Leib und Rückenschild in beständiger Bewegung.
1) Bei der Zoca einer kleinen Xantho erreichen die äusseren Fühler (Fig. ii) die Länge des Stirn-
horns und die spätere Geissei ist von fast verschwindender Kleinheit.
Die Verwandlung der Porcellanen.
155
Die beiden Schwimmfusspaare bestehen aus einem starken cylindrischen
Grundgliede und je zwei Endästen, der innere Ast, den das Thier vorwärts zu
strecken liebt, hat vier, der äussere, der nach aussen und oben geschlagen zu
werden pflegt, zwei weniger deutlich geschiedene Glieder. Am Ende des äusseren
Astes stehen vier längere Fiederborsten, eine einzelne Fiederborste am Ende des
3ten Gliedes am inneren Aste des letzten I^aares, einfache Borsten am Grundgliede
und an allen Gliedern des inneren Astes.
Hinter dem Ursprung der Schwimmfüsse beginnt der sechsgliedrige anhangs-
lose Hinterleib, der oben etwas hinter der Mitte des Rückenschildes von diesem
sich loslöst.
Der Magen ist etwas erweitert, und zeigt schon (wenigstens bei Porcellina)
mit Borsten besetzte Längsleisten ; neben ihm liegen jederseits zwei vorwärts und
zwei rückwärts gerichtete Leberblindsäcke; der Darm verläuft gerade und öffnet
sich etwas vor der Mitte des Schwanzringes.
Das Herz, am Hinterende der Brust gelegen (bei jungen Krabben unter
dem Ursprünge des Rückenstachels), scheint schon ganz wie beim erwachsenen
Thiere gebaut zu sein und dieselben Gefässe abzugeben. Das vordere unpaare
Gefäss lässt sich leicht bis fast zur Spitze des Stirnhorns \erfolgen, dessen oberer
Wand es anliegt. Blutkörperchen sind in den ersten Tagen äusserst sparsam
(was indessen nicht für alle Zoea gilt).
In jedem Hinterleibsringe liegt ein ansehnlicher Nervenknoten, der
durch zwei getrennte Stränge mit seinen Nachbarn in Verbindung tritt; im
vorderen Theile des Thieres konnte ich das Nervensystem im Zusammenhange
noch nicht mit rechter Schärfe erkennen.
Wenn es leicht ist, in reichlicher Zahl sich die frühesten Zustände der ver-
schiedensten Krustenthiere zu verschaffen, so ist es um so schwieriger, über ihre
späteren Schicksale Aufschluss zu erhalten. Obschon die Porcellanen zu den aller
gemeinsten Krustern gehören, fand ich erst ein einziges Mal (im December vorigen
Jahres) eine ältere Larve (Fig. 6, 7). An der Stelle, wo ich sie fing, lebt weder
Porcellina stellicola, noch Porcellana Creplinii ; die Larven aber der gemeinen und
der kleineren Porcellana sind schon durch die hinteren Fortsätze des Rücken-
schildes auf den ersten Blick zu unterscheiden und so kann diese L^irve unbe-
denklich der ersteren Art zugetheilt werden, von deren frühester Form sie nur
durch 12 (statt 10) Borsten des Schwanzringes und durch die Anwesenheit je eines
Paares kurzer ungegliederter Anhänge an den vier vorhergehenden Ringen ver-
schieden ist. Diese eine Larve war zum Glück ungemein lehrreich dadurch, dass
sie, der Häutung nahe, schon die neuen Glieder mit verschiedener Deutlichkeit
innerhalb der alten wahrnehmen liess.
Die neuen äusseren Fühler hatten eine vielgliedrige Geissei, Füsse mit grossen
Scheeren und andere nicht vollständig zu entwirrende Gliedmassen waren hinter
den Schwimmfüssen angelegt, so wie innerhalb des Schwanzringes eine fächer-
förmige Endflosse (Fig. yj.
Wenn somit die Larve selbst sich eng an den frühesten Jugendzustand an-
schliesst, so dürfte das aus der nächsten Häutung hervorgehende Thier kaum noch
wesentlich von der erwachsenen Porcellana verschieden sein.
156
Die Verwandlune der Porcellanen.
So weit meine zu vorläufiger Mittheilung geeigneten Beobachtungen. Ihr
Ergebniss fasse ich in einige kurze Sätze zusammen:
Die Zoeaform der Krabben entbehrt vollständig der fünf eigentlichen Fuss-
paare und selbst der sie tragenden Ringe.
Die Schwimmfüsse der Zoea werden zu Kiefcrfüssen der Krabbe.
Die Porcellanen sind Krabben, die auf der Stufe der Megalops stehen ge-
blieben sind^).
Desterro, Anfangs November 1861.
i) Auch bei Milne Edwards stehen bekanntlich Megalops und Porcellana in derselben Familie.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIX.
Fig. I. Porcelli na stellicola n. g. et n. sp. 5mal vergr.
Fig. 2. Aeussere Fühler derselben, 25mal vergr.
Fig. 3. Fünftes Fusspaar des Männchens derselben, 4 5 mal vergr.
Fig. 4. Jüngste Zoeaform derselben, v. oben, I5mal vergr.
Fig. 5. Kopftheil derselben, v. unten, gomal vergr. a vordere, b hintere Fühler,
c Oberlippe, d Oberkiefer, e Unterlippe, / erstes, g zweites Paar der Unterkiefer.
Fig. 6. Aeltere Zoeaform der (in Santa Catharina) gemeinen Porcellana,
6mal vergr.
Fig. 7. Schwanzende derselben (45mal vergr.). Im Innern sieht man die fächer-
förmige Schwanzflosse des nächstfolgenden Zustandes angelegt.
Fig. 8. Erster und
Fig. g. Zweiter Unterkiefer der jüngsten Zoeaform der gemeinen Porcellana.
Fig. IG. Hintere Fortsätze des Rückenschildes von der jüngsten Zoeaform einer
kleineren Porcellana.
Fig. II. Aeussere Fühler der jüngsten Zoeaform einer kleinen Xanthu. g Geissei.
Bruchstück zur Entwickelunoseeschichte der
Maulfüsser^).
Mit Tafel XX.
Seit lange kennt man unter dem Namen ZoOa Jugendzustände der Krabben
und Einsiedlerkrebse, die sich besonders durch den Mangel der zehn Füsse aus-
zeichnen, denen die erwachsenen Thiere den Namen der Decapoden v^erdanken.
Denen der Krabben aufs Engste sich anschliessende Zoeaformen beschrieb ich kürz-
lich von den Porzellankrebsen. Aber auch bei gewissen Garneelen und Maulfüssern
kommen, wie ich seitdem fand, ähnliche Zustände vor. lieber die Verwandlungs-
geschichte der ersteren, die bald, wie bei Rankenfüssern und Wurzelkrebsen
(Rhizorephalen), mit monoculusartigen Formen anhebt, um durch sehr eigenthümliche
Zoea- und M3^sis-ähnliche Zustände hindurchzugehen, bald mit Zoeaformen beginnt,
die in Bau und Art der Bewegung denen der Einsiedlerkrebse ähneln, während bei
wieder anderen bekanntlich kaum von einer Verwandlung die Rede sein kann, —
hoffe ich in Kurzem eine einigermassen vollständige Uebersicht geben zu kininen ;
bei letzteren habe ich fürs Erste keine Aussicht zu neuen Beobachtungen und theile
daher mit, was ich über die einzige bis jetzt gefundene Earve aufgezeichnet habe.
Das 3,25 mm lange Thierchen (Fig. i) hat im Allgemeinen die Gestalt und hat
auch in vollem Masse die glashelle Durchsichtigkeit einer Alima. Die Körperringe
sind fast in gleicher Zahl, wie bei erwachsenen Maulfüssern vorhanden; denn mü-
der sechste und siebente Hinterleibsring sind noch nicht von einander geschieden ;
aber wie bei den Zoea der Krabben und Porzellankrebse fehlen noch spurlos die
Anhänge der sechs hinteren Brustringe ^), und die Seitenblätter der Schwanzflosse ^).
1) Archiv für Naturgeschichte 1862. I. p. 353 — 361. Taf. XIII.
2) Der überaus gezwungenen Auffassung, die die Brust der Kmster, wie die der Insekten, auf drei
Ringe beschränken will, habe ich mich nie befreunden können. Sie wird, scheint mir, durch die Entwicklungs-
geschichte der einer Verwandlung unterliegenden Krebse widerlegt, während die altherkönunliche augenfällige
Grenzlinie zwischen Brust und Hinterleib dadurch bestätigt wird. Nur die Rücksicht auf die Insekten
konnte von dieser ab und zu jener neuen künstlichen Demarcationslinie hinführen. Wenn nun aber überhaupt
Kruster in ihren Körperabschnitten mit Sicherheit den Insekten vergleichbar sind, so sind es gewisse Zoea-
formen (z. B. von Pagurus) mit drei Paar Mundtheilen, drei Paar Füssen und anhangslosem Hinterleibe.
Diese drei Fusspaare werden nun allerdings, wie jene Auffassung will, zu Kieferfüssen des Krebses, aber
die fünf eigentlichen Fusspaare desselben entstehen nicht etwa aus dem Hinterleibe der Zoea, während
hinten ein neues „Postabdonien" hervorsprosst, — sondern sie entstehen vor dem Hinterleibe und häufig
gleichzeitig und in gleicher Form mit dem dritten Paare der Kieferfüsse. Sie sind als ein den Insekten
ganz fehlender Zuwachs zur Brust zu betrachten, und es wiederholt sich hier noch einmal der Vorgang,
dass nach dem Auftreten neuer hinterer Füsse die vorderen ihrer ursprünglichen Verrichtung untreu und
zu Fühlern oder Fresswerkzeugen werden.
3) Die beiden letzten Hinterleibsringe, die meist so auffallend von den vorhergehenden ab-
j.o Bruchstück zur EiUwickelungsgeschichte der Maulfüsser.
Das Schild, das die drei hintersten Brustringe unbedeckt lässt, ist flach,
fast gar nicht seitlich herabgebogen. Sein hinterer Theil hat ungefähr die Gestalt
einer sog. Seemaus, also eines Vierecks, dessen Ecken in vor- und hinterwärts
gerichtete Spitzen ausgezogen, dessen Vorder- und Hinterrand gleich breit (etwa
2/3 der Länge), und dessen Seiten sanft gewölbt sind. Der Hinterrand ist in der
Mitte, so weit er dem Körper aufliegt, ausgebuchtet. Die vorderen Ecken liegen
über dem Ursprünge der hinteren Fühler; zwischen ihnen setzt sich das Schild
nach vorne fort, rasch sich verjüngend und in eine Spitze auslaufend, die den
Körper um etwa Vc, seiner Länge überragt. Die Länge des vom Schilde be-
deckten vorderen verhält sich zu der des hinteren unbedeckten Körpertheiles
etwa wie 3:5.
Der vorderste, Augen und Fühler tragende Abschnitt des Körpers (Fig. 2),
der fast ganz von einer ansehnlichen Nervenmasse gefüllt ist, bildet ein 0,28 mm
langes, hinten ebenso, vorn halb so breites Viereck, in dessen Mitte auf der Unter-
seite ein kurzer vorwärts gerichter Dorn steht. Von seinen vorderen Ecken ent-
springen die Augen, deren äusserste Wölbungen , wenn sie gerade seitwärts
gerichtet. 0,5 mm von einander entfernt sind; Vs dieser Entfernung kommt auf
den Stirnrand und die schlanken Grundglieder der Stiele. Das Endglied des
Augenstieles bildet einen schiefen Kegel, dessen vorderer Rand etwa -/.{ des
hinteren misst; letzterem kommt der Durchmesser der Grundfläche etwa gleich,
über welche sich das eigentliche Auge wölbt.
Unter dem Stirnrande sieht man in der Mitte eines halbkreisförmigen Vor-
sprunges ein kleines schwarzes unpaares Auge, welches vielleicht darauf hin-
deutet, dass auch hier die Entwickelung mit einäugigen Zuständen beginnt.
Etwas näher den Augen als den hinteren Fühlern entspringen vom Rande
des Körpers die vorderen Fühler, die auf dreigliedrigem Stiele einen zwei-
gliedrigen oberen und einen ungegliederten unteren Ast tragen und etwa Vö der
Körperlänge erreichen. Von den drei Gliedern des Stieles ist das mittlere halb
so lang als jedes der beiden anderen; die beiden ersten sind walzenförmig, das
dritte nach oben verdickt. Der obere Ast ist schlank, von der Länge des Stiels
und trägt eine lange Borste am Ende des ersten, zwei am Ende des kurzen
zweiten Gliedes. Der untere Ast ist kegelförmig zugespitzt, kürzer, aber weit
dicker als der obere, mit langer Endborste; er trägt (Fig. 3) etwa in der Mitte
.seiner oberen Fläche sechs dünne, walzenförmige Fäden oder „Stäbchen" mit ab-
gerundeter Spitze und sehr zarten Umrissen. Die drei oberen sind etwa 0,2 mm
lang; die drei unteren erreichen nur 7r, dieser Länge.
In Bezug auf diese „S t ä b c h e n" an den inneren Fühlern der
Kr u st er sei mir eine kleine Abschweifung gestattet. Es scheinen diese Gebilde,
auf die man in neuerer Zeit bei niederen Krustern von mehreren Seiten aufmerksam
geworden ist^) sehr allgemein in der ganzen Klasse verbreitet zu sein. Ich fand
welchen, denselben unter eigenem Namen, als Schwanz, entgegenzustellen, lässt sich ebenfalls aus der
Entwickelungsgeschichte der Genannten rechtfertigen
i) Schüdler sah sie 1846 bei Acanthocercus, Leydig 1851 bei Branchipus, später bei Polyphemus
u. a. Daphniden, Max Schultze 1852 bei Balanenlarven. Auch ,,eigenthümliche, schotenförmige, gestielte
Anhängsel" (Fig. 12), die mir 1846 am dritten und den folgenden Geisseigliedern der inneren Fühler des
Sphaeroma der Ostsee auffielen, dürften trotz der abweichenden Gestalt hierher gehören.
Bruchstück /ur Entwickeluiigsgeschichle dci Maulfüsscr. j -q
sie bei verschiedenen Copepoden, bei den Larven von Bakmen und Rhizocephalen,
bei jungen Bopyrus, bei Tanais u. a. Isopoden, bei Caprella, bei vielen Gamma-
rinen, bei H3rperia, bei Cuma und Bodotria und bei allen stielaugigen Krebsen,
die ich darauf untersuchte. Ich vermisste sie nur bei einigen Schmarotzern (Bo-
pyrus, Cymothoa) und landbewohnenden Krustern (Ligia, Orchestia). Von zwei
hiesigen Arten der letztgenannten Gattung fehlen sie der einen, während die
andere sie besitzt i). Ihre Zahl und Anordnung, ihre Grösse und Form unterliegt
vielfacher Verschiedenheit. Ein einziges Stäbchen fand ich an der Spitze der
Fühler bei mehreren Isopoden (Fig. 15), mitten am Fühler bei einem Copepoden
(Fig. 18); einen Fächer von etwa zehn Stäbchen bei jungen Bopyrus (Fig. 13). Bei
Isopoden, Caprellen, Amphipoden pflegen sie zu einem oder zweien an der Spitze
und auf der unteren Seite der Geisseiglieder zu stehen, bald aller, bald mit Aus-
nahme der unteren (Fig. 14. 17). Bei Squilla, wo der äussere Ast der inneren
Fühler sich nochmals spaltet, fand ich sie zu drei am Ende der 14 letzten Glieder
des kürzeren 42-gliedrigen Zweiges. Bei den Decapoden scheinen sie meist den
Anfang der Geissei einzunehmen und das Ende frei zu lassen. So bei Mysis, wo
sie bei einer Art (Fig. 10) sich auf einem eigenen Vorsprung zusammendrängen.
So auch bei Krabben, Porcellanen und Paguren (Fig. 8), wo sie in gr()sster Zahl
und ansehnlichster Grösse (bis i mm lang) vorkommen und in einer oder mehreren
Ouerreihen die dicken kurzen Glieder des einen aus verdickter Ba.sis rasch ver-
jüngten Fühlerastes besetzt halten. Wo die vorderen Fühler noch als Füsse dienen,
fehlen die Stäbchen, wie bei Garneelenlarven ^^), oder entspringen vom Kr)rper
selbst, wie bei den Larven der Balanen und Rhizocephalen.
Die Gestalt der Stäbchen ist in der Regel einfach walzenförmig; unten
zwiebeiförmig angeschwollen und hier mit derberer Hülle versehen fand ich sie
bei Squilla (Fig. 11), bei einer kleinen Garneele (Plippolyte? Fig. g) und bei
Ocypoda. Das Ende ist meist halbkuglig abgerundet und zeigt bisweilen einen
kleinen stärker lichtbrechenden Fleck. Bei der erwähnten Garneele (Fig. ga) war
dem abgerundeten Ende ein kurzes, zartes Spitzchen aufgesetzt. Bisweilen sind
sie nach dem Ende zu verjüngt; so fand ich sie bei Pagurus; hier, wie bei Krabben
und Porcellanen, sind sie durch zarte Ringfurchen in kürzere oder längere Glieder
i) Zusatz von M. Schu 1 tzc: Ausführlicher noch als an den Fritz Müller bekannten Stellen sind
die in Rede stehenden Gebilde geschildert von de la Valette in seiner Inauguraldissert. de Cramniaro
puteano 1857, von Leydig Naturgeschichte der Daphniden 1860. p. 42 — 46 und am genauesten von dem-
selben in dem Archiv für Anatomie und Physiologie 1860. „Ueber Gerachs- und Gehörorgane der Krebse
und Insekten" p. 281 ff. Leyding kommt wie Fritz Müller zu dem Schlüsse, dass die Gebilde aller
"Wahrscheinlichkeit nach Geruchsorgane seien. Was aber als das eigentlich Charakteristische für die
als Geruchsorgane zu deutenden Anhänge zu gelten habe, geht auch aus !>eyd ig's Darstellung noch nicht
hervor, doch dürfte vorläufig, abgesehen von ihrem Sitze an den Antennen (bei den Krebsen am inneren
Fühlerpaare), ihrem Nervenreichthume und einer gewissen Zartheit der äusseren Haut die stumpf ge-
endigte Spitze und der Anschein einer Oeffnung an derselben als charakteristisch gelten. Hiernach würden
die zuerst von mir bei Balanenlarven beschriebenen neben dem Auge entspringenden borstenartigen Fühler
(siehe Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. IV. 1852. p. 191), welche spätere Beobachter übersahen, Fritz
Müller aber wiederfand und mit zu den Geruchsorganen rechnet, eher Tastorgane sein. -
2) Die Fühler der Garneelen sind umgewandelte Schwimmfüsse; schwerlich aber umgekehrt die
Ruderfüsse der Daphnien ,, umgeformte Antennen."
jAq Bruchstück zur Entwickelungsgeschichte der Maulfüsser.
getheilt und kegelförmig zugespitzt. Bei grösseren Stäbchen erscheint der Inhalt
bisweilen zart längsgestreift, oder man sieht längsgeordnete feinste Körnchen.
Aeste und einen winzigen Taster ; der hintere (Fig. 6) ist ein ganz ungegliedertes
längliches Stummelchen mit einigen Borstchen am Ende.
Welches ist nun wohl die Verrichtung dieser Stäbchen tragen den
Fühlergeissein? Will man nicht an einen uns Landbewohnern ganz fehlenden
Sinn denken, — und dafür Hesse sich allerdings die Verkümmerung der inneren
Fühler bei landbewohnenden Krustern, bei Asseln, bei Orchestia, bei Oc3'poda ^)
anführen — so wird man kaum umhin können, sie als Geruchs werk zeuge
zu deuten. Zum Betasten fester Körper sind sie bei den Krabben, wo ihr Stäbchen-
besatz gerade am reichsten entwickelt ist, untauglich wegen ihrer Lage, ihrer
geringen Länge und selbst wohl wegen jener so zarten, leichtverletzlichen An-
hänge, Bewegungen des Wassers wahrzunehmen, wozu ebenfalls schon ihre Kürze
sie wenig passend erscheinen lässt, hindert sie eine lebhafte vom Munde aus bei
ihnen vorüberziehende Strömung. In einer solchen vom Munde wegführenden
Strömung wird man ebenfalls kein Geschmackswerkzeug suchen wollen. Es bleibt
so von unsern fünf Sinnen nur der Geruch übrig. Derselbe kann Thieren nicht
fehlen, die sich durch stark riechende Köder anlocken lassen. Sieht man nun, wie
die inneren Fühler der Krabben, Porcellanen, Paguren, in fast ununterbrochener
Bewegung sind , in kurzen , raschen Schlägen mit ihrem Stäbchenbüschel das
Wasser gleichsam durchfühlend, das in beständigem Strome bei ihnen vorüberzieht,
so darf man sie wohl für ebenso geeignet zu Wahrnehmung von Gerüchen halten,
wie die bisher als Geruchswerkzeuge gedeuteten Teile im Grundgliede der äusseren
oder inneren Fühler hierzu ungeeignet erscheinen, da ihnen das unerlässlichste
Erforderniss eines Geruchwerkzeuges, leichter und freier Zutritt des Wassers,
abgeht -).
Ich kehre zurück zu unserer Larve.
Die hinteren Fühler entspringen ebenfalls v^om Rande des Körpers an
den hinteren Ecken des erwähnten, Augen und Fühler tragenden Vierecks; kaum
kürzer als die vorderen bestehen sie aus einem zweigliedrigen Stiele und einem
gegen das abgerundete Ende etwas verbreiterten und mit Borsten besetzten blatt-
fr)rmigen Endgliede, das dem Stiele an Länge gleichkommt und in der Ruhe
hinterwärts gerichtet ist. Die gegliederte Geissei der erwachsenen Maulfüsser
vermisse ich.
Der Mund liegt in der Mitte zwischen den vier seithchen Ecken des
Schildes; vor ihm eine ansehnliche helmförmige Oberlippe; zu seinen Seiten
die anscheinend tasterlosen Oberkiefer (Fig. 4), mit je drei spitzen Zähnen be-
waffnet, die nach hinten an Länge zunehmen und an ihrem vorderen Rande
wieder fein gezähnelt sind. Dann folgen zwei Paar schwach entwickelter U nter -
kiefer; der vordere (Fig. 5) hat zwei mit je drei dornartigen Borsten bewaffnete
i) Auch bei Gelasimus finde ich die Stäbchen ungewöhnlich zart und kurz.
2) Wenn Leydig (Histologie p. 280) mit Recht Bedenken trägt, eine Höhlung, in der sich
„allerlei Detritus" anzuhäufen l'flegt, ohne Weiteres als „Ohrhöhle" anzuerkennen, so dürfte dieser wenig
zugängliche Raum mit seiner Ansammlung verwesender Stoffe gewiss noch weniger sich als „Nasenhöhle"
empfehlen.
BnichstücU zur Kntwickelungsgeschichte der Maulfüsser. j5f
Das nächstfolgende Fusspaar ist dünn, schlank, fünfgliederig, und reicht zu
den Seiten des Mundes nach vorn bis fast zum Ursprünge der hinteren Fühler;
seine beiden letzten kurzen Glieder pflegen einwärts und rückwärts gerichtet
zu sein.
Dicht dahinter entspringen die ansehnlichen Raubfüsse. Das Thierchen
liebt sie, während es senkrecht im Wasser schwebt, weit ausgespreizt zu tragen
(Fig. i). Dann reicht das Grundglied quer nach aussen bis zum Rande des
Schildes; das zweite und dritte bilden einen gegen das Ende schwach verdickten,
I mm langen Stiel, der schief nach oben gerichtet bis zur Höhe der Augen reicht ;
das vierte Glied ist kurz und undeutlich g'eschicden und verbindet den Stiel mit
dem wagerecht nach aussen gerichteten, i mm langem Handgliede, das schwach
keulenförmig verdickt ist und am geraden Innenrande einen längeren und eine
Reihe ganz kurzer Dornen trägt. Die Klaue endlich ist schwach gekrümmt, un-
gezähnt und hat etwa -/g der Länge des Handgliedes. Am Grunde der Raubfüsse
bemerkt man einen kleinen rundlichen, blatt- oder blasenförmigen Anhang.
Hinter den Raubf üssen folgen sechs anhangslose Ringe; die drei
vorderen, noch vom Schilde bedeckt, aber nicht mit ihm verwachsen, nehmen nach
hinten an Länge zu und verhalten sich etwa wie 2:3:4; zusammen sind sie halb
so lang als die drei hinteren, die unter einander gleich sind. Die sechs Ringe
zusammen sind 0,75 mm lang; ihre Breite beträgt 0,2 mm.
Um die Hälfte breiter, an den Gelenken etwas eingeschnürt und an den
hinteren Ecken mit je einem kurzen Dorne bewehrt, erscheinen die folgenden fünf
Ringe, die zusammen reichlich ^/4 der Körperlänge ausmachen. Die vier vorderen
von diesen fünf Ringen tragen Schwimmfüsse (Fig. 7), die alle in gleicher
Weise gebildet sind; ein 0,3 mm langes, kräftiges, am Ende etwas verbreitertes
Grundglied trägt zwei etwa halb so lange mit Borsten besetzte Endblätter, von
denen das innere gegen das Ende seines Innenrandes einen kleinen fingerförmigen
Fortsatz hat. Kiemen fehlen noch vollständig.
Der Schwanz endlich, aus einem einzigen vStücke bestehend, bildet ein
ansehnliches, viereckiges Blatt von etwa ^j^ der Körperlänge und kaum minderer
Breite; seine Seitenränder sind sanft gewölbt, sein Hinterrand seicht ausgebuchtet;
16 winzige Zähnchen stehen in dieser Ausbucht, ein etwas längeres an jeder Ilinter-
ecke und sechs an jedem Seitenrande.
Der einzige Maulfüsser, den ich hier kenne, ist eine Squilla, wenig oder
nicht verschieden von Squ. Mantis. Ihm wird wahrscheinlich die eben beschriebene
Larve zugehören. Junge Squillen derselben Art von etwa 10 mm Länge, gleichen
schon ganz den Erwachsenen bis auf die geringere Zahl der Fühlerglieder, der
Zähne an den Raubfüssen, der Kiemenfäden u. dergl. — Sie hatten noch die
glashelle Durchsichtigkeit unserer Larve und besassen, wie diese, ein un-
paares Auge.
Desterro, im Januar 1862.
Fritz Müllers ^esamnipltf Schriften II
f. Bruchstück zur Entwickelungsgeschichte der Maulfüsser.
Erklärung- der Abbildungen auf Tafel XX.
Fig. I. Zoeaform ^) eines Maulfüssers aus dem Meere von Santa Catharina, I5mal vergr.
Fig. 2 — 7. Einzelne Theile desselben, stärker (Qomal) vergr.
Fig. 2. Vorderster Theil des Körpers, v. u.
Fig. 3. Vordere Fühler, v. d. Seite.
Fig. 4. Oberkiefer.
Fig. 5. Vorderer Unterkiefer.
Fig. 6. Hinterer Unterkiefer.
Fig. 7. Die beiden letzten Ringe der Brust und der erste des Hinterleibs mit einem
seiner Schwimmfüsse.
Fig. 8 — 18. Stäbchen von den inneren Fühlern verschiedener Kruster ; gomal vergr.
(mit Ausnahme von Fig. 10, 12 u. 16). ^ Stamm, a äusserer, / innerer Ast des Fühlers,
7' Blutgefäss.
Fig. 8. von einem kleinen Pagurus. 8 a. Die Spitze eines der Stäbchen.
Fig. 9. Von einer kleinen Garneele (Hippolyte?). 9 a. Die Spitze stärker vergr.
Fig. 10. Von Mysis (45mal vergr.).
Fig. II. Von Squilla.
Fig. 12. Von dem Sphäroma der Ostsee (Vergrösserung unbestimmt).
Fig. 13. Von einem jungen Bopyrus.
Fig. 14. 15. Von zwei verschiedenen Tanaisarten.
Fig. 16. Von Caprella (iSomal vergr.) g Ganglion (?)
Fig. 17. Von Gammarus.
Fig. 18. Von einem Copepoden.
i) Ich möchte den Namen Zoea auf alle Krebslarven ausdehnen, die 2 Paar Fühler, 3 Paar Mund-
theile und 2 bis 3 Paar Füsse an der Brust besitzen, aber noch der 5 bis 6 letzten Paare der Bnistfüsse
entbehren.
Ein zweites Bruchstück aus der Entwickelungs-
geschichte der Maulfüsser^).
Mit Tafel XXI.
Durch die bei einer Art ungemein reich entwickelten „Stäbchen" der inneren
Fühler waren mir neuerdings die Hyperien merkwürdig geworden. Ich fing daher
ein Thierchen ein, das in seinen Umrissen und durch die Art, wie es in einem
Gewimmel anderer kleiner Krebsthiere herumschwamm, an Hyperia erinnerte,
und das mir durch den grünen Schimmer seiner Augen und seine Durchsichtig-
keit aufgefallen war. Schon die einfache Linse zeigte, dass es nicht war wofür
ich es gehalten, und eine nähere Untersuchung ergab Folgendes:
Das bis auf die Augen farblose Thier ist fast 2 mm lang. Sein Leib lässt
drei sehr verschieden ausgestattete, nahezu gleich lange Abschnitte unterscheiden :
der vordere ist ungegliedert, trägt Augen, Fühler, Mundtheile und ein ansehn-
liches Rückenschild, das von seiner hinteren Grenze weit nach hinten vorspringt;
der mittlere, ganz von diesem Schild bedeckt, besteht aus fünf Ringen, die zwei-
ästige Schwimmfüsse tragen ; der hintere Abschnitt ist anhanglos, aus drei kurzen
Ringen und einem grossen Schwanzblatte gebildet.
Die Mitte des geraden Stirnrandes trägt einen, ein wenig abwärts gerichteten
spitzen Fortsatz, dessen Länge etwa der halben Breite des Stirnrandes gleich-
kommt. Seitlich, vorn an den Stirnrand sich anschliessend, springen die grossen,
ungestielten und unbeweglichen, beinahe halbkugelig gewölbten Augen vor,
deren Oberfläche in regelmässig sechsseitige Feldchen (von 0,025 mm Durch-
messer) getheilt ist, und deren grüner Schimmer schon erwähnt wurde. Zwischen
ihnen liegt auf der Unterfläche ein kleiner scharf umschriebener schwarzer
Augenfleck. Hinter diesem entspringt ein kleiner vorwärts gerichteter Dorn
(Fig. 2, c). Noch etwas weiter nach hinten, doch noch zwischen den Augen und
ihnen genähert, stehen die inneren Fühler (Fig. 2, a; Fig. 3), die auf kurzem
dünnen Stiele ein längeres Endglied tragen und nur mit ihrer äussersten Spitze
den Stirnrand überragen. Ausser drei Borsten an der Spitze und einer am Aussen-
rande tragen sie oberhalb, nahe der Spitze, drei meist stark gekrümmte, einfach
walzenförmige Stäbchen mit abgerundetem Ende. Die äusseren F ü hier (Fig. 2, b)
entspringen dicht hinter den Augen, nahe dem Seitenrande des Körpers, sind drei-
I) Archiv für Naturgeschichte. 1863. 1. p. i — 7. Taf. I.
j A , Ein zweites Bruchstück aus der Enlwickelungsgeschichle der INIaulfüsser.
gliedrig, reichen ein- und vorwärts sich krümmend bis zur Aiitte des Endgliedes
der inneren Fühler und tragen an der Spitze sechs gefiederte Borsten.
Den J\I u n d , der etwas hinter der Alitte des vorderen Leibesabschnittes ge-
legen ist, umgeben Oberlippe, Unterlippe, ein Paar Oberkiefer und ein einziges
Paar Unterkiefer. Die Oberlippe (Fig. 4, a) überdeckt vollständig die
Oberkiefer; ihr freier Rand erscheint bald sanft gewölbt, bald (bei stärkerer Zu-
sammenziehung der Fig. 4, m gezeichneten Muskeln) in der Mitte ausgebuchtet.
An den Oberkiefern (Fig. 4, b) unterscheidet man einen mehr oberflächlich
nach hinten und innen mehr in der Tiefe und nach vorn gelegenen Theil ^), von
denen jeder mit mehreren Zähnen bewaffnet ist. Die beiden Hälften der Unter-
lippe (Fig. 4, c; Fig. 5) stossen in der Mittellinie zusammen; ihr Rand ist dicht
mit kurzen Haaren besetzt. Der Unterkiefer (Fig. 4, d) hat zwei übereinander-
gelegene mit einwärtsgerichteten Dornen bewaffnete Vorsprünge; der dem Körper
nähere trägt vier kürzere, der andere drei längere Dornen; nach hinten von
ersterem Hegt ein kleiner ungegliederter Anhang [Fig. 4, d'), dessen Innenrand
einige kurze Borsten trägt, und der wohl als äusserer Ast (fouet, M. Edw.) zu
deuten ist.
Mit der Rückenfläche des vorderen Leibesabschnittes ist das ansehnliche
Schild verwachsen. Es beginnt hinter den Augen und reicht bis über den
mitderen Leibesabschnitt hinaus, je nach dessen verschiedener Zusammenziehung
noch einen bis drei Ringe des hinteren Abschnittes bedeckend. Seine Breite ist
vorn Vs der Körperlänge (den Stirnfortsatz nicht mitgerechnet), hinten etwas ge-
ringer. Es ist seitlich nur wenig abwärts gebogen. Seine hinteren Ecken sind
in zwei starke hinterwärts gerichtete Spitzen ausgezogen, (Länge = % des Stirn-
fortsatzes) und einen (halb so langen) Stachel trägt die Mitte des Hinterrandes.
Ein winziges Höckerchen (Fig. 7. n) findet sich in der Mittellinie des Schildes am
Anfange des letzten Drittels des unverwachsenen Theiles. Der (an den Seiten-
theilen einwärts gekrümmte) Rand des Schildes ist eingefasst mit einem schmalen,
dünnen, fein und unregelmässig gezähnelten Saume (Fig. 7, s).
Der mittlere Leibesabschnitt ist, wie gesagt, aus fünf Ringen zu-
sammengesetzt und trägt fünf Paar zweiästiger Füsse (Fig. 4, e; Fig. 6),
die bis auf einige Unterschiede in der Beborstung übereinstimmend gebildet sind ;
alle haben einen dicken zweigliedrigen Stamm, einen stärkeren zweigliedrigen
inneren und einen schwächeren ungegliederten äusseren Ast, der von dem inneren
um die Länge seines kurzen Endgliedes überragt wird. Der äussere Ast trägt
vier längfere g-efiederte Borsten am Ende, eine an seinem Aussenrande und beim
vierten und fünften Fusspaare ausserdem zwei kürzere Borsten an seinem (rrunde.
Das Endglied des inneren Astes trägt beim fünften Fusspaare drei, beim dritten
und vierten vier lange Borsten und ausser diesen bei den ersten beiden Fuss-
paaren einen am Ende schwach einwärts gekrümmten Dorn etwa von halber
Länge des Astes, Kürzere Borsten stehen am Innenrande des inneren Astes.
Die drei folgenden anhanglosen Ringe machen zusammen kaum y.,
der Körperlänge aus und tragen jedcrseits je ein winziges rückwärts gerichtetes
Dörnchen.
i) Dieser tiefer gelegene Theil des Oberkiefers ist wahrscheinlich von mir bei der älteren nur einmal
gesehenen Maulfüsserlarve übersehen worden.
Ein zweites Bruchstück aus der Entwickelungsgeschichte der Maulfüsser. |5r
Der Schwanz ist ein ansehnliches spatelförmiges Blatt von 0.3 der T.eibes-
länge ; seine Breite kommt in der Mitte der Länge fast gleich, ist hinten nur
wenig geringer, vorn nur halb so gross. Der ziemlich gerade Hinterrand trägt
vier grössere, schmale und spitze Zähne; zwei davon nehmen die hinteren Ecken
ein ; zwischen jedem von diesen und dem nächsten der beiden mittleren Zähne
stehen vier, zwischen den beiden mittleren stehen zwei halb so lange Zähnchen ; vier
bis fünf weit kleinere Dörnchen stehen in jeder der so gebildeten 13 Buchten. Jeder
Seitenrand trägt in seiner hinteren Hälfte drei schmale rückwärts gerichtete Zähne.
Das Verdauungsrohr, von ziemlich gleichbleibender Weite, steigt vom
Munde schief nach vorn in die Höhe, um dann umbiegend gerade zum After zu
laufen, der am Anfange des Schwanzblattes gelegen ist. Im hinteren Theile des
vorderen Leibesabschnittes nimmt es die farblose Absonderung von zwei vorderen
und zwei hinteren weiten Leber schlauchen (Fig. 7, /) auf. Die vorderen
Leberschläuche sind kurz, schief nach vorn und aussen gerichtet, die hinteren
begleiten den Darm bis fast zum Schwänze und haben vorn eine ansehnliche Er-
weiterung (Fig, 8, /").
Das dem Darme aufliegende Herz (Fig. 7, a) bildet in den fusstragenden
Ringen einen gleichmässig weiten Schlauch, der im vorderen Leibesabschnitte,
über der erwähnten Erweiterung der hinteren Leberschläuche, sich aufs Doppelte
erweitert und im hinteren Drittel dieses Abschnittes endet. Hier, an seinem
vorderen Ende, wird es durch zwei ansehnliche dreieckige seitliche Äluskelbündel
(Fig. 7, i) an die Rückenwand befestigt. Für den Eintritt des Blutes sind fünf
Paar Oeffnungen vorhanden, ein Paar nahe dem hinteren Ende des vorderen
Leibesabschnittes, die folgenden ungefähr den Grenzen der fünf fusstragenden
Ringe entsprechend. Die vier vorderen Paare (Fig. 7, b) bilden ansehnliche mit
Klappen versehene Spalten; die des letzten Paares (Fig. 7, c) sah ich einmal sehr
deutlich kreisförmig; andere JMale waren sie minder deuthch zu erkennen und
schienen den vorderen ähnlich zu sein. — Innere balkenartige Muskeln fehlen
dem Herzen.
Die vom FI erzen abgehenden Gefässe beschränken sich auf ein vorderes
und ein hinteres. Am Eingange des ersteren (Fig. g) liegen ähnliche Klappen,
wie an den seitlichen Spalten. — Von diesem vorderen Gefässe geht ein starker
unpaarer Ast zwischen Schlund und Hirn nach unten, ein anderer jederseits nahe
dem Stirnrande bis zum Auge, während der schwache Endaat etwa in der Mitte
des Stirn fortsatzes sich öffnet. Das aus den Aesten des vorderen Gefässes aus-
tretende Blut strömt in der Leibeshöhle lebhaft nach hinten. Das hintere Gefä.ss
endet mit weiter Oeffnung (Fig. 7, h) etwas hinter dem After.
Selbst durch schwachen Druck des Deckgläschens, der eben hinreicht, das
Thier festzuhalten, wird der Blutlauf im Schwanzblatte leicht gestört; die dem
Gefässe entströmenden Blutkörperchen zögern oder stocken ganz in der Nähe der
hinteren Ecken, und man hat dann hier Gelegenh(!it, aufs Gemächlichste die merk-
würdige eigene Bewegung der Bl utk(')rperch en (Fig. 10) zu beobachten,
die Lieb er kühn bei den farblosen Blutzellen der Wirbelthiere kennen gelehrt
hiit. Sie besteht bei unserem Krebschen hauptsächlich darin, dass das Blut-
körperchen einen oder zwei kurze spitze Fortsätze ausschickt, und ist so langsam,
dass man sie nur an der nach einiger Zeit veränderten Gestalt des Blutkörperchens
j^^ Eiu zweites Bruchstück aus der Entwickelungsgeschichte der Maulfüsser.
erkennt. JMan überzeugt sich leicht, dass diese Formveränderungen, und dass
die unregelmässigen Gestalten der Blutkörperchen nicht etwas Krankhaftes, etwa
eine Erscheinung des Absterbens sind, wie man wohl geglaubt hat ; denn dieselben
mannichfachen Gestalten, die nach und nach dasselbe im Schwanzblatte ruhende
Blutkörperchen annimmt, findet man wieder in dem kroisenden Blute des eben
eingefangenen lebensfrischen Thieres.
Meine lückenhafte und der Nachprüfung bedürftige Beobachtung über die
Anordnung des Nervensystems übergehe ich.
Ueber die Deutung des eben beschriebenen Krebschens als Maulfüsser-
larve dürfte namentlich nach dem Bau des Herzens kaum ein Zweifel sein. Ob
sie zu derselben Art, oder wenigstens in dieselbe Entwickelungsreihe mit der
älteren Larve gehört, die ich vor Kurzem beschrieb, ist schwerer zu entscheiden.
Doch vermuthe ich es. Unter einer nicht unbedeutenden Zahl von Krebslarven,
die ich kenne, sind diese beiden die einzigen, die das kleine Dörnchen zwischen
dem Ursprünge der Fühler besitzen. Jedenfalls gehört die Farve einem in der
Nähe der Küsten lebenden Thiere an ; die sieben Exemplare, die ich untersuchte,
fing ich an drei aufeinander folgenden Tagen bei anhaltendem Südwinde, bei dem
niemals Thiere der hohen See in unsere Bucht kommen.
Gehören beide Lar\'en zusammen, so wird die Entwickelung jener älteren
aus dieser jüngeren kaum anders vor sich gehen können, als dass die drei vorderen
Fusspaare sich in das zweite Paar der Unterkiefer und die zwei ersten Paare der
Kieferfüsse umbilden, und dass zwischen ihnen und den beiden hinteren Fusspaaren
die sechs anhanglosen Ringe der älteren Larve entstehen.
Desterro, Mitte Februar 1862.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXI.
Fig. I ist 45mal, 2 bis 8 sind Qomal, 9 und 10 sind i8omal vergrössert.
Fig. I. Stomatopodenlarve von Praia de fora bei Desterro, v. u.
Fig. 2. Die Fühler, in ihrer gegenseitigen Lage, v. u. a der rechte innere, b der
linke äussere Fühler; c der kleine Dorn zwischen ihnen.
Fig. 3. Spitze des vordem Fühlers, v. d. Seite.
Fig. 4. Mundtheile in natürlicher Lage; a Oberlippe; h Oberkiefer; c Unterlippe;
d Unterkiefer ; d' äusserer Ast desselben ; e Fuss des ersten Paares ; di Muskeln der
Oberlippe.
Fig. 5. Unterlippe.
Fig. 6. Fuss des vierten Paares; a äusserer, i innerer Ast.
Fig. 7. Herz und Gefässe von oben, a Herz ; h Spalten zum Eintritte des Blutes ;
c runde Oeffnungen ohne Klappen; d Klappen am Ursprünge des vorderen Gefässes;
e vorderes Gefäss ; / Ast desselben, der zwischen Schlund und Hirn nach unten geht ;
g hinteres Gefäss; Ji dessen hintere Oeffnung; / Flügelmuskeln des Herzens; / Muskeln,
die den Schlund an den Rücken heften; /• Muskeln, die den After öffnen; / Leber;
in Anheftunssstelle des Rückenschildes ; 11 ein kleiner Dorn des Rückenschildes ; s der
gezähnelte Saum desselben.
Fig. 8. Der vordere Teil der Leber, v. o. ^S" Schlund; r/Darm: / vordere, /' hin-
tere Leberschläuche ; /" Erweiterung der letzteren.
Fig. 9. Ursprung des vorderen Gefässes aus dem Herzen, a eine oft zu beobach-
tende doch nicht bleibende Einschnürung dieses Gefässes.
Fig. 10. Blutkörperchen.
Die Verwandlung der Garneelen ^).
Erster Beitrag.
Mit Tafel XXII.
M i 1 n e Edwards deutete als wahrscheinlich der Gattung Peneus zugehörige
Garneelenlarve einen kleinen Krebs, den man früher als eigene Gattung Cryptopus
Latr., den Schizopoden zugezählt hatte. Krebschen, die im allgemeinen Ansehen
noch enger den Schizopoden sich anschliessen, im Besitze dreier Scheerenpaare
mit Crj^ptopus und Peneus übereinstimmen, beobachtete ich in mehreren Arten
und konnte sie zurückverfolgen zu scheerenloser Mysisform, von da zur Gestalt
einer Zoea, und eine Art weiter bis zur Gestalt eines Nauplius, zu jener jugend-
lichen Grundform also, die schon die Rhizocephalen und Lernaeen mit den Ranken-
füssern und der formenreichen Gruppe der Cyclopen verbindet.
Von der Zoeaform wurden fünf verschiedene Arten und einige derselben
ziemlich häufig während des ganzen Sommers beobachtet; die unveränderte
Naupliusform, wahrscheinlich dieselbe, in der das Thier aus dem Eie schlüpft,
kam ein einziges Mal (13. December) zur Beobachtung-).
Der Körper dieser jüngsten Larve (Fig. i) ist ungeghedert, birn förmig,
0,4 mm lang, vorn abgerundet und 0,2 mm breit, nach hinten bis auf Vj der
Körperlänge verjüngt, hinten abgestutzt und seicht ausgerandet. Nahe dem X^order-
rande steht ein kleines, schwarzes, scharfumschriebenes Auge. Der Hinterrand
trägt jederseits eine starke gerade Borste von halber Körperlänge und daneben
einen kurzen Dorn. Der Unterfläche des Eeibes entspringen sechs schlanke,
langbeborstete Füsse, von denen die vorderen und mittleren Vü' die hinteren etwa
die Hälfte der Körperlänge erreichen. Die vorderen stehen dicht am Stirnrande,
die mittleren nahe dahinter, die hinteren etwa in der Mitte des Körpers. Die
vorderen sind einfach, die mittleren und hinteren zweiästig; der hintere Ast er-
scheint als unmittelbare Fortsetzung des Stammes, und ist stärker, bei den hinteren
F'üssen auch viel länger als der vordere. Deutliche Gliederung ist nirgends an
1) Archiv für Naturgeschichte. 1863. I. p. 8—23. Taf. II.
2) Dies beweist, dass wenigstens zur Zeit der Fortpflanzung die Eltern sich nicht in der Nähe des
Strandes aufhalten, da sonst umgekehrt die jüngsten Larven die häufigsten sein müssten. Eine dem Peneus
Caramote nahe stehende Art, die hier häufig unter dem Namen Camaräo verspeist wird, erscheint im
Sommer überhaupt nur spärlich und kaum je über mittelgross auf dem Markte.
jgg Die Verwandlung der Garneelen.
den Füssen zu erkennen, eine Andeutung von vier bis fünf Gliedern ist am
hinteren Aste der mittleren Füsse zu sehen. Eine starke Borste von Körperlänge
steht nebst einigen kürzeren an der Spitze der vorderen Füsse, zwei an der Spitze
des vorderen Astes, sechs am vorderen Rande und der Spitze des hinteren Astes
der mittleren Füsse; je zwei Borsten an der Spitze und eine unter derselben an
jedem Aste der hinteren Füsse.
Das Thierchen ist ziemlich undurchsichtig und von bräunlicher Färbung, die
besonders an der Spitze der Füsse stärker hervortritt. Die Bildung des IMundes
und der inneren Theile wurde nicht beobachtet.
Die ziemlich biegsamen Füsse bilden mit ihren sparsamen langen Borsten
eben kein rasch förderndes Bewegungswerkzeug. Ein Mann, der senkrecht im
Wasser schwebend, mit weit ausgebreiteten Armen, schwanke Weidengerten in
der Hand, sich emporarbeiten wollte, würde etwa ein Bild der eigenthümlichen
Bewegungsweise geben, an der man auf den ersten Blick unter Hunderten anderer
kleiner Kruster diese Nauplius und die daraus hervorgehende Zoea erkennen kann ^).
Bei einer wenig grösseren (0,5 mm langen) Larve (Fig. 2), die in allgemeiner
Körpergestalt, Bildung der Füsse und Färbung mit der vorigen übereinstimmt
(am 13. Januar gefangen), hat sich das Hinterende in zwei dicke kegelförmige
Zapfen ausgezogen, an deren Spitze jetzt die beiden langen Schwanzborsten stehen,
begleitet nach innen von je zwei, nach aussen von je drei kürzeren, zum Theil
noch dornartigen Borsten. Auch die Zahl der Borsten an den mittleren Füssen
hat sich vermehrt. Als erste Andeutung des Rückenschildes zieht sich ziemlich
in der Mitte des Körpers eine Hautfalte quer über den Rücken. Die hinteren
Füsse sind mehr nach vorn und näher an die Mittellinie, an den zwischen ihnen
liegfenden Mund oerückt, vor welchem, zwischen den mittleren Füssen eine grosse
helmförmige Oberlippe („Mundkappe") gelegen ist. Der kurze Stamm dieser
Füsse hat sich fast kuglig verdickt; offenbar bildet sich in seinem Inneren irgend
ein neuer Theil, dessen Umrisse aber noch nicht deutlich hervortreten. Hinter
dem Munde, das mittlere Drittel der Körperlänge füllend, sind aus der Bauch-
fläche vier Paar langer plumper Zapfen hervorgesprosst, die sich hinterwärts dem
Körper anlegen. In der Gestalt der ersten beiden Paare lassen sich schon die
späteren Unterkiefer erkennen.
Eng an diese Larve schliessen sich vier andere an, die — wahrscheinlich
demselben Schwärme entstammend — gleichzeitig (24. Januar) gefangen wurden.
In der Anschwellung am Grunde der hinteren Füsse (Fig. 3) sind deutlich die
Umrisse des späteren Oberkiefers zu erkennen ; aus dem hinteren Aste hat sich
der lebende Inhalt mehr oder weniger vollständig zurückgezogen; der vordere
Ast ist noch ziemlich gefüllt, aber schon zu sehen, dass auch ihm nach der Häutung
Borsten fehlen werden. Von diesen Füssen wird also, ausser dem zum Oberkiefer
umgewandelten Stamme, nur ein kurzes borstenloses Stummelchen übrig bleiben.
— (Ein solches, durch seine dunkle bräunliche Färbung sehr augenfällig, wurde
i) An dieser Bewegungsweise hatte ich mit biossein Auge das eben beschriebene Thierchen als
Peneuslärve erkannt; das Mikroskop Hess diese Deutung, wenn nicht als irrig, so doch als höchst un-
wahrscheinlich erscheinen. Einen Monat später fanden sich Mittelformen, die dem unbewaffneten Auge
gegen das Mikroskop Recht gaben ; letzteres allein hätte mich wahrscheinlich nie die wahre Natur meines
Nauplius ahnen lassen.
Die Verwandlung der Garneelen. 1 5q
in der That einmal, am 3. Januar, bei einer sehr jungen Zoea beobachtet; sehr
bald aber schwindet auch dieses vollständig.) — Zwischen dem Ursprünge der
beiden vorderen Füsse sind jetzt schon zwei ansehnliche in der Mittellinie zu-
sammenstossende Ganglien zu unterscheiden. Im vorderen Winkel zwischen diesen
beiden Ganglien liegt das Auge, umgeben von mehreren kleinen orangefarbenen
Kügelchen (Oeltröpfchen ?). Ueber dem Auge, es von oben verdeckend, hat sich
ein trübes, feinkörniges Gewebe gebildet, dem jederseits ein kleines, durchsichtiges,
halbkuglig über den Stirnrand vorspringendes Knöpfchen aufsitzt. Darm, Leber
und Herz sind schon in ähnlicher Form vorhanden, wie bei den jüngeren Zoea.
Wahrscheinlich schon mit der nächsten Häutung, darauf deuten die bereits
angelegten Borsten derselben hin, treten die Fussstummel in Thätigkeit und aus
dem Nauplius wird eine Zoea, auf deren Anhänge sich schon ungezwungener die
für die erwachsenen Thiere üblichen Namen anwenden lassen. Ich bezeichne
also weiterhin die beiden ersten Fusspaare des Nauplius als Fühler, das dritte als
Oberkiefer, von den vier neuen Fusspaaren die beiden vorderen als Unterkiefer,
die hinteren als Kieferfüsse.
Als Zoea (Fig. 4 — 8) wurde unsere Larve von 0,8 bis 1,6 mm Länge be-
obachtet. Während dieses Lebensabschnittes entwickeln sich die paarigen Augen ;
es bilden sich 10 oder 11 neue Ringe, an dem ersten derselben ein Fusspaar und
an den fünf folgenden die Anlagen von solchen, so wie endlich die seitlichen
Schwanzanhänge. Diese neuen Theile sind natürlich in sehr wechselnder Gestalt
zu finden ; im Uebrigen erleiden die Thiere keine erheblichen Veränderungen, —
selbst nicht in der Grösse; denn die Zunahme der Länge rührt fast ausschliesslich
von der wachsenden Ausdehnung der 1 1 neuen Ringe her.
Das Rückenschild, 0,4 bis 0,5 mm lang, ist anfangs fast kreisrund und
flach ausgebreitet. Bald biegt es sich herab und deckt von den Seiten die Mund-
theile und die Grundglieder der Füsse. Flinten erhält es, so weit es dem Körper
aufliegt, eine seichte Ausbuchtung. Während es bei seinem ersten Auftreten (s. o.)
hinter dem jetzigen Oberkiefer von dem Körper sich abhebt, geschieht dies hinter
dem zweiten Paare der Kieferfüsse und frei vorspringend deckt es noch 2 — 3 der
neu sich bildenden Ringe. Vorn ist es zuerst von den aneinanderstossenden Augen
bedeckt (Fig. 4) ; wenn diese später auseinanderweichen, überdeckt es den Zwischen-
raum und den Grund der Augenstiele mit einem dreieckigen Fortsatze, der in
einen bis 0,12 mm langen Stachel ausläuft (Fig. 7). Andere stachelförmige Fort-
sätze fehlen ihm.
Unter diesem vordersten Theile des Rückenschildes und den paarigen Augen
liegt das un paare Auge: die ganze Breite (0,1 mm) zwischen dem Ursprünge
der vorderen Fühler füllen zwei ansehnliche Ganglien, die in der Mittellinie zu-
sammenstossen ; ihre vorderen Flächen sind stark gewölbt und über beid(^ spannt
sich in einem ziemlich halbkreisförmig gewölbten Bogen die Leibeshaut. Aus der
Tiefe des so zwischen den Ganglien und der Haut frei bleibenden Räume >s erhebt
sich ein keulenförmiges Stäbchen („Krystallkegel"), das fast die Haut erreicht und
in seinem unteren Theile von schwarzen Farbkörnchen umlagert ist. Die Haut
schien mir bei dieser Art ohne linsenförmige Verdickungen zu sein.
Die Fühler bilden noch das hauptsächlichste Bewegungswerkzeug, während
sie bei allen anderen Zoea (der Maulfüsser, Krabben, Porcellanen, Paguren und
J..Q Die Verwandlung der Garneelen.
der in Zoeaform das Ei verlassenden Garneelen) nichts mit der Ortsbewegung zu
thun haben.
Die vorderen (inneren) Fühler (0,4 mm lang) erscheinen jetzt in vier
Glieder geschieden, von denen das erste fast die Hälfte der Länge einnimmt ; die
längste der drei starken Endborsten hat fast die doppelte Länge des Fühlers.
Dicht an den Endborsten, nach aussen von ihnen, stehen ein oder zwei zarte
o,og mm lange Stäbchen, und ein oder zwei andere etwas unter der Spitze an der
Aussenseite des Endgliedes. Die hinteren (^äusseren) Fühler sind jetzt dicht
an die Seite der inneren gerückt und erreichen nur etwa Vs von deren Länge;
ihr dicker Stamm lässt 2, der innere (vordere) Ast 3, der äussere (hintere) bis
10 Glieder unterscheiden. Wie früher ist der innere Ast wenig kürzer aber viel
schmächtiger als der äussere. Die Zahl der gefiederten Borsten des äusseren
Astes steigt bis auf 10, von denen 4 an der Spitze, die anderen am Ende der
sechs vorhergehenden Glieder stehen.
Die grosse Oberlippe (L) hat etwa die Gestalt eines preussischen Soldaten-
helmes, den man sich nur breiter und dessen Schirm man sich bedeutend ver-
grössert und in der Mitte ausgerandet denken müsste. Der Helm, dessen Spitze
\orwärts gerichtet ist, i:<" unbeweglich und von ihm gehen Muskeln in den be-
weglichen Schirm, der sich deckend über den Mund und einen Theil der Ober-
kiefer legt.
Von den kräftigen Oberkiefern (///) fällt bei Betrachtung des unver-
letzten Thieres von unten nur ein langer 2 — 3-spitziger Zahn in die Augen, der
weit über die tiefer gelegene mit niedrigen Leisten und Höckern besetzte Kau-
fläche vorspringt. Am Grunde des Zahnes, nach der Kaufläche zu, stehen mehrere
derbe, mit kurzen Dörnchen besetzte Borsten (Fig. 8). — Die Oberkiefer sind
tasterlos. Es scheint dies eine Eigenthümlichkeit zu sein, in der alle Zoea
mit den Insekten übereinstimmen und die hier doppelt auffallend ist, da nicht nur
das erwachsene Thier Kiefertaster besitzt, sondern auch die jüngeren Larven an
dieser Stelle zweiästige Füsse besitzen, aus denen die Kiefer hervorgehen.
An den Unterkiefern {IV, V) unterscheidet man den Stamm mit Vor-
sprüngen an seiner Innenseite, die fast das Ansehen von Gliedern haben und mit
starken, zum Theil dornartigen, zum Theil gezähnelten oder gefiederten Borsten
besetzt sind, — einen mehrgliedrigen Endtheil (inneren Ast?), der an Innenseite
und Spitze längere und zartere Borsten trägt, — und einen kleinen länglichen
blattförmigen Anhang (äusseren Ast, fouet M. Edw. Fig. 5, a, a) an dessen Rande
einige wenige zarte Borsten stehen. An den Unterkiefern des ersten Paares {IV)
hat der Stamm 2 längere, an denen des zweiten ( V) 4 kürzere Vorsprünge, an
jenen der Endtheil 3, an diesen 5 Glieder.
Die Kieferfüsse {VI, VII) scheinen wenig bei der Ortsbewegung mitzu-
wirken. Sie bestehen aus einem, namentlich am ersten Paare dicken Stamme,
einem längeren 4— 5-gliedrigen inneren und einem kürzeren ungegliederten äusseren
Aste. Ausser den Endborsten finden sich Borsten von verschiedener Längte auch
am Innenrande des Stammes und des inneren Astes, so wie am Aussenrande
des äusseren. Das erste Paar ist länger und kräftiger als das zweite.
Die beiden Aeste des Schwanzes treten jetzt, durch eine halbkreisförmige
Ausbucht getrennt, unter ungefähr rechtem Winkel auseinander, erscheinen am
Die Verwandlung der Garneelen. j -7 j
Ende abgerundet und erhalten am inneren Rande zweimal eine neue Borste, so
dass deren Zahl erst auf 7, dann auf 8 an jedem Aste steigt. Die älteste Borste
bleibt durch grössere Länge (0,4 mm) kenntlich, die äusserste, der ebenfalls schon
beim jüngsten Nauplius vorhandene Dorn, bleibt dadurch von den übrigen unter-
schieden, dass sie glatt ist, während die anderen mit kurzen Dörnchen und längeren
Haaren fiedrig besetzt sind.
Das Verdauungsrohr hat nichts Besonderes; der After, anfangs endständig
(Fig. 4) rückt später auf die Bauchseite bis fast zur Mitte des letzten Ringes
(Fig. 7). Die Leber, von gelblicher P'arbe, besteht aus drei Paar weiten Schläuchen,
(einem vorderen oberen, einem seitlichen, einem hinteren unteren), und hat in ihrem
Baue ebenfalls Nichts von anderen Zoea Abweichendes.
Die Lage des Herzens {h) ist die gew()hnhche, am Ende des mit dem
Rückenschilde verwachsenen Leibesabschnitts; mit fortschreitender Ausdehnung
des Schildes rückt auch das Herz allmählich weiter nach hinten. So liegt es bei
den älteren Nauplius über dem dritten Fusspaare (Oberkiefer), jetzt über dem
sechsten und siebenten (Kieferfüssen). Der Bau des Herzens dagegen weicht auf-
fallend ab von dem der älteren Thiere ebenso, wie von den anderen Decapodcn-
larven. Es gleicht dem vordersten erweiterten Abschnitte des Herzens der kürz-
lich von mir beschriebenen jüngeren Maulfüsserlarve. Es fehlen nämlich die sich
kreuzenden Balken im Innern und die Zahl der Spalten für den Eintritt des Blutes
ist auf zwei beschränkt, die im hinteren Theile des Herzens auf dessen Unterseite
liegen. Diese zwei Spalten sind ungemein augenfälhg und ich glaube die An-
gabe, dass sie die einzigen sind, mit aller Bestimmtheit machen zu können. Oft
und lange habe ich bei dieser und verwandten Arten den Lauf der Blutkügelchen
durchs Herz und in dessen Nähe verfolgt, und nie sie anders als hier eintreten
sehen ; von vorn herkommende Blutkörperchen sah ich einigemal dicht am Herzen
entlang gleiten, um zu diesen hinteren Spalten zu gelangen. Auch dürften die
später trotz des inneren Balkenwerks leicht zu erkennenden übrigen Spalten jetzt
an dem einfachen Schlauche kaum zu übersehen sein. — Ein Gefäss entspringt
am Vorderende, ein zweites unter dem abgerundeten Hinterende des Herzens.
Am Ursprünge des ersteren wurden Klappen gesehen. Andere Gefässe scheinen
noch zu fehlen. Ein grosser Theil des aus dem vorderen Theile des Körpers
zurückkehrenden Blutes macht, wie bei anderen Zoöa, einen LTmweg durch das
Rückenschild.
Dies die Theile, die während dieses ganzen Zeitraums sich ziemlich un\er-
ändert erhalten.
Von den neu auftretenden Theilen sind der Zeitfolge nach zuerst die
paarigen Augen zu betrachten; denn schon bei den ältesten Nauplius war
ihre erste Spur zu erkennen (s. o.). Sie bilden bald eine ansehnliche, über dem
vorderen Theile des Rückenschildes liegende, den Stirnrand überragende, vorn
ausgerandete Masse (Fig. 4). Nahe ihrer äusseren, hinteren Ecke tritt ein schwarzer
Farbfleck auf, von dem aus sich bald strahlige Linien zur Oberfläche des .späteren
eigentlichen Auges verfolgen lassen (Fig. 6); nach vorn und innen davon imter-
scheidet man den verdickten Sehnerven, hinter dem ein freier, später von einem
Muskel durchsetzter Riium bleibt. Die anfangs dicht zusammenstossenden Augen
rücken nun rasch auseinander, so dass das unpaare Auge und in ganzer Breite
die Ganglien, zwischen denen es liegt, wieder von oben sichtbar werden.
j-. Die Verwandlung der Garneelen.
Eigenthümliche Gebilde, die ich nicht zu deuten weiss und die den anderen
beobachteten Arten zu fehlen scheinen, sind die beiden halbkugligen durchsichtigen
Knöpfchen, die schon bei den ältesten Nauplius am Stirnrande vorspringen. Sie
verhalten sich anfangs als zarte fast kugliche wasserhelle Bläschen (Fig. 4, o),
später als winzige mehr derbhäutige und undurchsichtige zitzenförmige Anhänge
am Vorderrande der Augenstiele während des ganzen Larvenlebens (Fig. g, o).
Die neuen Ringe, an denen später die Brust- und Afterf üsse sich ent-
wickeln, bilden anfangs einen ungegliederten, weichen, kurzen, aber rasch sich
verlängernden Gürtel. Noch ehe dieser Gürtel die Länge des hinter ihm liegenden
Leibesabschnittes erreicht, lässt sich eine anfangs freilich wenig deutliche Sonderung
in 1 1 Ringe wahrnehmen. Anfangs sind diese ziemlich gleich lang, ja die vorderen
länger und deutlicher geschieden; gegen Ende dieses Zeitraumes aber bilden die
fünf hinteren etwa 7;. der gesammten Körperlänge, von denen die sechs vorderen
kaum V9 ausmachen, w^ihrend der Rest der Länge halb vor und halb hinter diesen
neuen Ringen liegt ^). Die fünf hinteren neuen Ringe (Hinterleibsringe) erhalten
am hinteren Rande in der Mitte des Rückens ein kurzes Dörnchen und der letzte
derselben ausserdem eins an jeder Seite. Von inneren Theilen ist in diesen neuen
Ringen anfangs nur der Darm deutlich unterscheidbar, später bildet sich die Kette
der Nervenknoten aus und erst gegen Ende dieses Zeitraums sondern sich die
Muskeln in scharf geschiedene Bündel.
Die neuen Anhänge sprossen an der Bauchseite der entsprechenden Ringe
als anfangs einfache Zapfen hervor, die aber bald einen längeren äusseren und
kürzeren inneren Ast unterscheiden lassen. Zuerst und schon, wenn eben eine
Sonderung der neuen Ringe sich bemerklich zu machen anfängt, das dritte Paar
der Kieferfüsse und die Seitenblätter des Schwanzfächers, weit später auf einmal
die fünf Paare der Brustfüsse. Die Aeste der Kieferfüsse erhalten vor Ablauf
dieses Zeitraums ausgebildete Endborsten , bleiben aber noch ungegliedert, die
Brustfüsse bleiben borstenlose Stummel. Die seitlichen Schwanzblätter, die un-
mittelbar (ohne Gelenk) dem Grundgliede aufsitzen, erhalten einzelne kurze Borstchen,
besonders die Spitze des längeren äusseren Blattes; die langen Fiederborsten der
späteren Zeit fehlen noch. Durch das Hervorsprossen der Schwanzanhänge an der
Bauchseite unterscheiden sich unsere Thiere nicht nur von den Porcellanen, sondern
auch von denjenigen Garneelen, die in Zoeaform das Ei verlassen und bei denen,
wie bei Porcellana, diese seitlichen Schwanzblätter innerhalb der breiten Schwanz-
flosse angelegt werden.
Den allmählichen Aenderungen, die das Ansehen des Thieres durch die Aus-
bildung der paarigen Augen, der neuen Leibesringe und ihrer Anhänge erleidet,
folgt, wenn es eine Länge von etwa 1,6 mm erreicht hat, eine neue tiefgreifende,
plötzliche Verwandlung, der Uebergang in die Mysisform (Fig. 9). Die Fühler
I) Ob der erste dieser 1 1 Ringe, wie ich glaube, schon bei Beginn dieses Zeitraums vorhanden ist,
ob also alle 14, oder nur 10 Ringe als wirklich neu zu bezeichnen sind, lasse ich unentschieden. In letz-
terem Falle hätte man: im ersten Zeitraum (Nauplius) fünf ursprüngliche Ringe (Fühler, Oberkiefer,
Schwanz) und die Bildung von fünf neuen (für Unterkiefer und Kieferfüsse) ; im zweiten Zeitraum (Zoca)
Bildung von 2X5 neuen Ringen, von denen die einen (Brustringe) jetzt, die andern (Hinterleibsringe) im
dritten Zeitraum (Mysisform) Fussstummel erhalten. Dies einfache Verhältniss jedoch, weit entfernt,
ein allgemeingültiges zu sein, würde nicht einmal für alle Arten der Gattung Peneus passen.
Die Verwandlung der Ganieclen. j -; -j
hören auf der Bewegung zu dienen ; sie werden abgelöst durch den langen Hinter-
leib, der eben noch wie eine nutzlose Last mühsam nachgeschleppt wurde und
dessen kräftige Muskeln jetzt das Thier in hüpfender Bewegung weiter schnellen,
— und durch die langbeborsteten Brustfüsse.
Das R ü c k e n s c h i 1 d , mit no(^h ungezähneltem Stirnfortsatze, hat am Vorder-
rande jederseits zwei kurze Zähne erhalten, einen über dem Auge, den anderen
an der unteren Ecke. Es deckt nach Kurzem die Brustringe vollständig, von
denen anfangs einige wenigstens oberhalb noch unbedeckt bleiben.
Die vorderen Fühler (Fig. 12, /) haben ihre langen Borsten verloren.
Die drei ersten Glieder erscheinen jetzt als Stiel, indem nach innen von dem
vierten, stäbchentragenden Gliede ein zweiter anfangs ung'egliederter, in eine
einfache Borste auslaufender Ast sich entwickelt.
Der äussere Ast der hinteren Fühler (Fig. 12, IIa) ist zur Schuppe
des Garneelenfühlers geworden, zu einem ungegliederten Blatte, dessen Aussenrand
in einen kurzen Zahn ausläuft, während die weiter vorspringende Spitze und der
Innenrand mit langen Fiederborsten besetzt sind. Neben diesem Blatte, nach
innen und unten, steht ein kurzer, borstenloser, ungegliederter Zapfen, aus dem
später die Geissei des Fühlers hervorgeht. Ob dieser Zapfen aus dem inneren
Aste des Zoeafühlers sich entwickelt, oder neu sich bildet, während jener innere
Ast vollständig schwindet, lasse ich unentschieden; wahrscheinlich ist mir letzteres;
ich glaube, dass man die Geissei des Garneelenfühlers als mittleren Ast (palpe
M. Edw.) zu betrachten hat.
Die schon bei Zoea vorhandenen Füsse haben keine auffallende Veränderung
erlitten. Das dritte Paar der Kieferfüsse gleicht jetzt den beiden vorhergehenden.
Die fünf neuen Fusspaare (Fig'. 11) haben anfangs alle dieselbe Bildung; der
ungegliederte Stamm trägt einen kurzen, ebenfalls ungegliederten inneren Ast mit
zwei Endborsten und einen doppelt so langen, in seiner oberen Hälfte geringelten
und mit langen Borsten besetzten äusseren Ast, der in fast beständiger strudelnder
Bewegung ist.
Am Schwänze (Fig. 10) sind die Seitenblätter jetzt auf kurzem Grundgliede
beweglich eingelenkt und mit langen Fiederborsten besetzt; das Mittelstück (der
siebente Hinterleibsring) erscheint länger und schmäler, als wenn man die beiden
auseinanderweichenden Aeste bis zu fast völliger Verschmelzung zusammenge-
schoben hätte; die Borsten der Zoea sind vollzählig erhalten, aber zu kurzen
Dornen zusammengeschrumpft. Der After liegt am Anfange dieses letzten Ringes.
Um dieselbe Zeit findet eine bedeutende Veränderung des Herzens statt,
das vier neue Spalten für den Eintritt des Blutes und innere Muskelbalken erhält.
In dieser Mysis-ähnlichen Gestalt wurde unsere Larve von kaum 2 bis 4,5 mm
Länge beobachtet. Während dieses Zeitraumes bilden sich die Gehörwerkzeuge,
die Scheeren und Gangfüsse aus, Oberkiefertaster, Afterfüsse und Kiemen werden
angelegt.
Die Geissein der Fühler verlängern und gliedern sich; bei Thieren von
4 bis 4,5 mm Länge sind die beiden Geissein der inneren Fühler dreighedrig:
die äussere, etwas kürzere, trägt etwa sieben Stäbchen ; die Geisscl der äusseren
Fühler erreicht fast die Länge der Schuppe.
l'jA Die Verwandlung der Garneelen.
Im Grundgliede des inneren Fühlers bildet sich das Gehör Werkzeug.
Das untere Drittel dieses Gliedes erhält nach aussen eine Auftreibungf, die oben
durch einen halbmondförmigen Ausschnitt begrenzt wird (Fig. 12). Im Inneren
dieser Auftreibung unterscheidet man bald (bei Thieren von 3 mm Länge) eine
längliche Höhle. In der Höhle erscheint wenig später ein kugliger, stark licht-
brechender Gehörstein und in der halbmondförmigen Ausbucht drei bis \ier kurze
gefiederte unten kuglig verdickte Borstchen (Fig. 15). Der Gehörstein scheint
nicht frei in der Höhle zu liegen, sondern (wie es im Schwänze der Mysis der
Fall ist) durch zarte Fädchen gehalten zu werden, die von einem nach innen von
der Höhle gelegenen Nervenknoten ausgehen.
Der vorwärts gerichtete Dorn der Oberlippe beginnt zu schwinden, ist
aber noch bei 4,5 mm langen Thieren als kleines Spitzchen zu erkennen. Am
Oberkiefer erscheint etwa zur Zeit, wo die Gehörsteine sich bilden, der Taster
als kleine Warze, die iich bald verlängert, aber ungegliedert und borstenlos bleibt.
Die Scheeren zeigen sich schon bei 2,8 mm langen Thieren angedeutet,
indem der noch ungegliederte innere Ast der entsprechenden drei Fusspaare innen
unter der Spitze einen kleinen Vorsprung erhält. Bei Thieren von 3,5 mm Länge
sind diese P'üsse schon wie beim erwachsenen Thiere gegliedert und jener Yor-
sprung (der unbewegliche Scheerenfinger) erreicht -/s der Länge des Endgliedes
(des beweglichen Fingers), das noch seine beiden Endborsten trägt (Fig. 14). Auch
am vierten und fünften Paare der Brustfüsse (Fig. 13) ist jetzt der innere Ast in
fünf Glieder getheilt und übertrifft schon um etwas die Länge des äusseren. Bei
4.5 mm langen Thieren sind die Scherenfinger gleich lang; am vierten und fünften
Fusspaare sieht man einen spitzen Vorsprung, die Klaue, neben den Endborsten,
und namentlich am vierten übertrifft die Länge des eigentlichen Fusses schon weit
die des äusseren Astes.
Die Afterfüsse sind schon bei 2,8 mm langen Thieren als kleine Warzen
erkennbar: anfangs sind sie einfach und es ist, wie bei den Brustfüssen, der äussere
Ast, der sich zuerst entwickelt. Bei Thieren von 4,5 mm Länge sind sie schon
recht ansehnlich (Fig. 16), aber noch ohne Gliederung und Borsten, und der innere
Ast erscheint nur als unbedeutender Anhang des äusseren.
Die Anfänge der Kiemen sind als kleine rundliche Wucherungen am
Grunde der Kieferfüsse und Scheerenfüsse schon bei Thieren unter 4 mm Länge
zu erkennen; später auch am vierten Paare der Brustfüsse.
Von der 4,5 mm langen Mysis-artigen Larve ist nur ein kleiner Schritt noch
zur Garneelenform. Die jüngsten in dieser Gestalt beobachteten Thiere waren
etwa 5 mm lang. Ihr Stirnhorn hatte oben drei Zähne. Die Fühler hatten keine
Veränderung erlitten. An den Augen war der kleine Anhang nicht mehr zu
sehen. Das unpaare Auge war sehr undeutlich geworden. Die Oberlippe hatte
ihren Dorn vollständig verloren, der Taster des Oberkiefers zwei Glieder und kurze
Borsten erhalten. Die beiden vorderen Paare der Kieferfüsse haben sich dem
Munde dicht angelegt und sind weit kürzer als das dritte. Die äusseren Aeste
der Brustfüsse, die bei manchen PeniHis (als sog, palpus flagelliformis) sich lebens-
länglich erhalten , sind vollständig verschwunden. Die Afterfüsse haben (am
äusseren Aste) Glieder und Borsten erhalten. i3as mittlere Blatt des Schwanz-
fächers ist nach hinten verjüngt und trägt am gerade abgeschnittenen Hinterrande
Die Ver\\andliing der Garneelcn. j-y-
lo Dornen, von denen die an den Ecken die längsten sind; drei kürzere Dornen
stehen an jedem Seitenrande. Die Kiemen (eine über dem vierten Brustfusse, je
zwei über den \ orhergehenden) sind noch ganzrandige längHche Blätter (fieder-
spaltig bei g mm langen Thieren). Die Leber fängt an durch Bildung neuer
Schläuche und Verästelung der älteren eine zusammengesetztere Form anzunehmen.
Ueber g— lo mm lang wurde das Thier noch nicht beobachtet.
Eine zweite Larven art ist als ältere Zoea leicht dadurch von der eben
besprochenen zu unterscheiden , dass der Vorderrand des Schildes ausser dem
mittleren noch jederseits einen kürzeren seitlichen schief nach vorn und aussen
gerichteten stachelförmigen Fortsatz hat. Dabei ist sie auf gleicher Stufe der Ent-
wickelung grösser und wurde als Zoea bis 2,3 mm lang gesehen. Jüngere Zoea,
denen noch die P'ortsätze des Schildes fehlen , sind denen der ersten Art so
ähnlich, dass es mich Mühe gekostet hat, sie an der Bildung der Fühler u. s. w.
unterscheiden zu lernen. Am unpaaren Auge dieser zweiten Art (Fig. 17) bildet
die Haut meist zwei linsenförmige Verdickungen zu den Seiten d(^s Stäbchens;
einmal sah ich eine einzige grössere dem Stäbchen gegenüber. Zwischen den
beiden Nervensträngen der Bauchkette lässt sich ein unpaares von Knoten zu
Knoten verlaufendes Fädchen unterscheiden (das den anderen Arten schwerlich
fehlt, aber noch nicht deutlich bei ihnen gesehen wurde). Trotz der ungemeinen
Aehnlichkeit mit der ersten Art ist der Gang der Entwickelung ein etwas ab-
weichender, indem das dritte Paar der Kieferfüsse und die Schwanzanhänge nicht
vor-, sondern gleichzeitig mit den Brustfüssen auftreten.
Eine dritte Art (Pig. 18 — 22) wurde von jüngeren 1,2 mm langen Zoea,
bei denen die neuen Ringe noch von gleicher Länge waren und eben die ersten
Stummel des dritten Paares der Kieferfüsse und der Schwanzanhänge sich ge-
bildet hatten, bis zu 3 mm langen, mit drei unvollkommenen Scheerenpaaren und
Afterfüssen versehenen Mysis-ähnlichen Formen verfolgt. Sie ist ausgezeichnet
durch sehr reiche Bewaffnung des Rückenschildes und der Hinterleibsringe mit
stachelförmigen Fortsätzen ; auch das mittlere Blatt des Schwanzfächers ist bei der
Mysisform in zwei lange Spitzen ausgezogen (Fig. 21). Der Gang der Entwicke-
lung scheint ganz wie bei der ersten Art zu sein ; die Form des Grundgliedes der
inneren Fühler bei den ältesten zur Beobachtung gekommenen Larven (Fig. 22)
lässt vermuthen, dass auch hier ein dem der ersten Art ähnliches Ohr sich l)ilden
werde.
Von zwei weiteren Arten, deren Zoea in der Bildung der Fühler, der dorn-
tragenden Oberlippe, des vielgliedrigen zweiten Unterkiefers, des Schwanzes, des
Herzens u. s. w. sich eng an die drei anderen anschliessen, wurde die eine bis
jetzt nur bis zur scheerenlosen Mysisform verfolgt, die andere aber, die drei
Scheerenpaare erhält, entfernt sich im Gange ihrer Entwickelung so weit von
den übrigen, dass i(^h ihre Verwandlungsgeschichte einer besonderen Schilderung
vorbehalte.
Desterro, im März 1862.
.-^ Die Verwandlung der Garneelen.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXII.
Die ganzen Thiere, so wie Fig. lo und 19, sind 45mal, Fig. 3 und 17 sind iSomal,
Fio- 20 bis 22 sind 2 5mal, alle übrigen Qomal vergrössert. Die römischen Zahlen / bis
XIX bezeichnen die den 19 Paaren des erwachsenen Thieres entsprechenden Anhänge.
g Geissei des zweiten Paares; a äusserer, / innerer Ast der Anhänge; L Oberlippe;
// Herz; / leber; /' vorderer, /" mittlerer, /'" hinterer Leberschlauch; o Anhang am Auge
von unbekannter Bedeutung; s mittlerer Stirnfortsatz; / orangefarbene Oeltröpfchen.
Fig. I. Jüngerer Nauplius eines Peneus aus dem Meere von Sta. Catliarina v. o.
Fig. 2. Aelterer Nauplius desselben v. d. S.
Fig. 3. Drittes Fusspaar eines noch etwas älteren Nauplius mit der Anlage der
Oberkiefer, A v. u., B. v. d. S.
Fig. 4. Jüngere Z o c a desselben, v. o.
Fig. 5. Mundtheile derselben Zoea, v. u.
Fig. 6. Augen e'.ner etwas älteren Zoea.
Fig. 7. A eitere Zoea desselben, v. u.
Fig. 8. Oberkiefsr einer älteren Zoea.
Fig. 9. Jüngere Mysisform desselben, v. d. S.
Fig. 10. Schwanz dci^elben Thieres, v. u.
Fig. II. Fuss des I3ten Paares, von demselben Thiere.
Fig. 12. Fühler einer 3,3 mm langen Larve, v. u.
Fig. i^. Fuss des I2tenl -n . , t
,,.° ^ „ , ^ > Paares von einer ^,5 mm langen Larve.
rig. 14. Fuss des I3tenj " "^ '^
Fig. 15. Theil vom Grundgliede der inneren Fühler mit ausgebildetem Gehörwerkzeuge,
von einer etwa 4 mm langen Larve.
Fig. 16. Füsse des i8ten Paares, von einer 4,5 mm langen Larve, v. d. S.
Fig. 17. Unpaares Auge von der Zoea einer nahe verwandten Art, v. u.
Fig. 18. Zoea einer dritten Art kurz vor der Verwandlung in die Mysisform,
v. d. Seite.
Fig. 19. Hinterer Theil des Rückenschildes derselben, v. o.
Fig. 20. Hinterer Theil des Rückenschildes von einer 3 mm langen mysisförmigen
Lar\e derselben Art, v. o.
Fig. 21. Schwanz derselben mysisförmigen Larve, v. u.
Fig. 22. Stirnfortsatz und innerer Fühler derselben, v. o.
Die zweite Entwickelungsstufe der Wurzelkrebse
(Rhizocephalen) ^) ").
Mit Tafel XXIII.
Drei Tage ungefähr, nachdem die jungen Wurzelkrebse in NaupHusform die
Bruthöhle ihrer Mutter verlassen, verwandeln sie sich, wie ich kürzlich an drei
verschiedenen Arten beobachtete, in eine neue von der ersten sehr abweichende
Gestalt, die sich auf's Allerengste anschliesst an die zweite Entwickelungsstufe der
Rankenfüsser -^l. Dieselbe Form des zu einer muschelähnlichen Schale zusammen-
geklappten Rückenschildes, dieselbe Bildung der in ähnlicher Weise nirgends sonst
wiederkehrenden Haftfüsse, der zwölf langbeborsteten Schwimmfüsse und der
Schwanzanhänge, und natürlich also vollkommen dieselbe Art der Bewegung,
Nur die paarigen Augen fehlen.
Da somit die Wurzelkrebse sich als nächste Verwandte der
Rankenfüsser herausstellen, so scheint es passend, auch auf die früheste Jugend-
form beider Gruppen noch einmal vergleichend zurückzublicken. Die Birnform
1) Archiv für Naturgeschichte. 1863. I. p. 24—33. Taf. III, Fig. i — 7.
2) Der Verfasser bemerkt bei Uebersendung des hier folgenden Aufsatzes an den Unterzeichneten,
dass er auf den Abdruck verzichte, wenn der in demselben beschriebene Cypris-ähnliche Entwickelungszustand
der Rhizocephalen bereits bekannt sei. Nun hat allerdings Lilljeborg diesen Entwickelungszustand von
Peltogaster sulcatus gesehen (Ann. and Mag. of nat. history 3. ser. Vol. VII. 1861. p. 57), auch ist die
von Fritz Müller auf Grund seiner Untersuchungen ausgesprochene Ansicht, dass die Rhizocephalen
Rankenfüsser seien, nicht neu, vielmehr von Anderson und Lilljeborg bereits vorgebracht und
begründet. Aber Lilljeborg sah die Cypris-ähnlichen Jungen von Peltogaster nur als leere Schalen
an älteren Entwickelungsstufen desselben Thiercs ansitzen, woraus durchaus noch nicht mit Nothwendigkeit
das Hervorgehen des einen aus dem andern geschlossen werden kann, wie auch Fr. Müller hervorhebt,
der eine ähnliche Beobachtung wie Lilljeborg machte; neu dagegen und eine wesentliche Lücke aus-
füllend sind die Beobachtungen von Fritz Müller über die direkte Umwandlung der aus dem Eie ge-
schlüpften Jungen in die Cypris-Form. Danach und wegen der mancherlei anderweitigen Beobachtungen und
gehaltvollen Bemerkungen, welche in dem nachstehenden Aufsatze meines geschätzten Freundes enthalten
sind, glaube ich bei der verehrlichen Redaction dieses Archives den unveränderten Abdruck desselben be-
antragen zu dürfen. Max Schnitze.
3) Leider kann ich in meiner literarischen Einöde weder Darwin's ausführliche Darstellung dieser
Larven, noch die Arbeiten seiner Vorgänger vergleichen. Junge Balaniden hatte ich häufig Gelegenheit zu
untersuchen und konnte an ihnen die von Krohn geschilderte Verwandlung des NaupHus in die sog.
cyprisähnliche Gestalt verfolgen.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. '^
j _ g Die zweite Entwickelungsstufe der Wurzelkrebsc.
des ungegliederten Leibes, die Zahl der langborstigen Füsse, von denen die beiden
vorderen einfach, die vier hinteren zweiästig sind, und das selten fehlende unpaare
Auge haben sie gemein mit zahlreichen anderen jungen Krebschen. Sie stimmen
unter sich überein und unterscheiden sich von anderen Nauplius durch die seit-
lichen Hörner des breiten, wenig gewölbten Stirnrandes und vielleicht durch die
beiden zarten ungegliederten Fäden (Riechfäden), die auf der Bauchseite neben
dem Auge entspringen ^). Im Gegensatze zu den jungen Rankenfüssern mit ihrem
wohlentwickelten Darmrohre, mit den zahlreichen scharf geschiedenen Muskel-
bündeln der Füsse u. s. w. haben die jungen Wurzelkrebse ein weit unreiferes
Ansehen. Verdauungswerkzeuge scheinen vollständig zu fehlen. Eine kleine, wie
es scheint, rings geschlossene Höhlung, die dicht vor dem Schnabel gelegen ist,
und bei einer neuen Art, Peltogaster (?) socialis, durch die lebhafte dunkelgrüne
Farbe ihres aus lo bis 12 Kügelchen bestehenden Inhalts leicht in die Augen
fällt, ist vielleicht a)s erste Anlage der später der Ernährung dienenden Theile zu
betrachten. Die reichlichen Dotterreste, um die ich früher eine Hülle unterscheiden
und als Darm deuten zu können meinte, liegen frei in der Leibeshöhle. Der
Schnabel scheint ohne Mundöffnung und ebensowenig ist ein After zu bemerken.
Sicher nehmen die Thierchen keine feste Nahrung zu sich. Ebenso fehlen die von
den Rankenfüssern wohl als Fresswerkzeuge benutzten Zacken, Haken und Dornen
am Grunde der Füsse. Endhch ist das Hinterende nicht schwanzförmig ausge-
zogen und entbehrt des eigenthümlichen stachelförmigen Fortsatzes.
Zur Schilderung der zweiten Entwickelungsstufe wähle ich Lernae-
odiscus Porcellanae, da ich hier namenthch den Bau der Schwimmfüsse vollständiger
zu erkennen vermochte. Die beiden anderen beobachteten Arten weichen übrigens
nur unerheblich von dieser ab.
Während der ersten beiden Tage pflegt sich der Schwärm der jungen Wurzel-
krebse nahe der Oberfläche des Wassers, an der Lichtseite des Glases aufzuhalten.
Im Laufe des dritten Tages senkt er sich zu Boden und noch vor Ablauf des-
selben pflegt ein grosser Theil sich gehäutet und verwandelt zu haben.
Der ziemlich flache Leib des Nauplius klappt sich bei dieser Verwandlung
so nach unten zusammen, dass die Seitenränder des Rücken Schildes nur eine
schmale Spalte zwischen sich lassen, wodurch das Thier (Fig. i) die Gestalt eines
0,2 mm langen, 0,08 mm hohen und kaum 0,05 mm dicken Muschel chens bekommt.
Die Mittellinie des Rückens ist ziemlich gleichmässig gewölbt und bildet ungefähr
einen Viertelkreis. Die freien Seitenränder steigen vom vorderen Ende der Rücken-
linie bogig nach unten und hinten, einen Sechstelkreis bildend, dessen Mittelpunkt
in die Rückenlinie fällt und dessen Halbmesser sich zu dem der letzteren wie 3
zu 5 verhält; von da verlaufen sie ziemlich geradhnig (unbedeutend nach innen
i) Die Stirnhörner sind nicht blosse Fortsetzungen des Rückenscliildcs, von dem sie bei den Wur/el-
krebsen bald weit überragt, bald nur am Gnmde bedeckt Averden; an der Spitze sind sie offen und hier
pflegt bei massigem Druck der Leibesinhalt der jungen Wurzelkrebse auszutreten; wiederholt schienen sie mir
bei Wurzelkrebsen und Balaniden mit wurst- und birnförmigen Schläuchen in Verbindung zu stehen. Die
beiden Fäden an der Bauchfläche dürften allen jungen Wurzelkrebsen zukommen, sie finden sich auch bei
Lernaeodiscus Porcellanae, wo ich sie früher vermisste; es fragt sich jedoch, ob sie nicht auch bei anderen
Nauplius nur bisher übersehen sind. Sie gleichen den Anhängen an den innereu Fühlern vieler Krebs-
thiere, die ich mit Leydig für Riechwerkzeuge halte, und dürften dieselbe Verrichtung haben. Bei Bala-
niden sah ich sie unmittelbar vom Gehirne entspringen.
Die zweite Entwickelungsstufe der Wurzelkrebse. j'jq
sich Wölbend), in gleicher Richtung mit der Sehne der Rückenlinie, die sie um
etwa Vs ihrer Länge überragen ; von den leicht abgestumpften Hinterecken end-
lich steigen sie in fast gerader Linie nach oben und vorn, um im hinteren End-
punkte der Rückenlinie wieder zusammen zu stossen. In seiner vorderen Hälfte
ist der untere Rand mit etwa lo kurzen schief hinterwärts gerichteten Borsten
besetzt; ähnliche Borsten sind bei Sacculina purpurea über die ganze Oberfläche
der Schale zerstreut.
So bedeutend diese Wandlung der Gestalt ist, so ist sie doch gering gegen
die Veränderungen, die die Anhänge des Thieres erleiden. Vollständig ver-
schwinden die Stirnhörner, der dreieckige Schnabel und die beiden hinteren Fuss-
paare; letztere werden bei der Häutung unverändert, mit ihrem Inhalte ab-
geworfen ^), während aus Schnabel und Stirnhörnern vor der Häutung der lebende
Inhalt sich zurückzieht und wie von allen anderen Theilen nur die Chitinhülle
abgestreift wird. Das erste Fusspaar verwandelt sich in die eigenthümlichen
Haftfüsse. Ziemlich unverändert erhalten sich nur das Auge und die Riechfäden.
Das Auge hat in der Regel an Umfang zugenommen, in verschiedenem Grade
bei verschiedenen Exemplaren (in dem Fig. i gezeichneten ist es von besonderer
Grösse) ; seine Lage wechselt etwas bei den Bewegungen des Thieres ; es ist etwa
Y3 der Länge vom Vorderende, Yg der Höhe vom Rücken entfernt. Der Ursprung
der Riechfäden (Fig. 2, r), deren Länge etwas zugenommen hat. liegt jetzt vor
dem Auge, zwischen den Haftfüssen, wie bei der sog. Cyprisform der Ranken-
füsser. Aeusserst selten nur sah ich bei unbehelligten Thieren ihre Spitze vorn
oder unten aus der Schale hervortreten.
Die Haftfüsse gehen, wie erwähnt und wie für die Rankenfüsser schon
Krohn nachwies, aus dem ersten Fusspaare hervor. Das von Anfang
an starke Grundglied beginnt sich bald gegen sein oberes Ende noch mehr zu
verdicken und springt dann nach innen und unten bedeutend über das Endglied
vor. In diesem angeschwollenen Grundgliede bildet sich aus einem feinkörnigen
trüben Gewebe der ganze Haftfuss. (Was Krohn bei einer der Häutung nahen
Rankenfüsserlarve dem verdickten Ende der vordersten Füsse ansitzen sah, dürfte
wohl eher das Endglied des Naupliusfusses, als das des späteren Ilaftfusses ge-
wesen sein.)
Die Haftfüsse (Fig. 2) sind dreigUedrig. Das kräftige Grundglied ist
vorwärts gerichtet, von Ve <3er Leibeslänge, am Grunde reichlich halb so hoch
und gegen die Spitze stark verjüngt; sein Unterrand ist etwas länger als der
obere. Das zweite Glied ist walzenförmig und hat etwa Vs der Länge des Grund-
gliedes; seine Spitze scheint durch weiche Haut geschlossen. Näher dem Grunde
als der Spitze entspringt von seiner unteren Seite das sehief abwärts gerichtete
Endglied, das wenig kürzer, aber viel dünner und kegelförmig zugespitzt ist.
Dicht am Grunde trägt jedes der beiden letzten Glieder unterhalb einen zart-
häutigen, zungenförmigen Anhang; der des zweiten Gliedes hat reichlich 2/3. der
des dritten etwa die Hälfte der Länge des Grundgliedes. Man sieht in diesen
Anhängen meist einige kleine stark lichtbrechende Körnchen, die ich mich nicht
I) Rankenfüsser sah ich noch nicht während der Häutung; ob nicht bei ihnen, wie bei den Garneelen,
aus dem dritten Fusspaare sich die Oberkiefer hervorbilden?
jgQ Die zweite Entwickelungsstufe der Wurzelkrebse.
in den Stäbchen an den inneren Fühlern anderer Krebsthiere gesehen zu haben
entsinne. Das zweite Glied ist von dem Grundgliede durch einen vollständigen
Ring weicher Haut geschieden. Die Beweglichkeit der Endglieder ist daher eine
sehr grosse. Aus demselben Grunde findet man an der Chitinhülle abgestorbener
Thiere die beiden letzten Glieder der Haftfüsse stets abgefallen.
An die hintere untere Ecke des Grundgliedes setzt sich, durch ein Gelenk
mit ihm verbunden, eine hinterwärts gerichtete Chitinleiste (Fig. 2 u. 3, k'),
die mit dem Unterrande des Grundgliedes ziemlich gleiche Länge hat, und mit
dieser verbindet sich knieförmig eine zweite aufwärts gerichtete Leiste (Fig. 2 u. 3, k")
von derselben Länge. Letztere ist oben in zwei gieichlaufende dünne Aeste ge-
spalten, einen äusseren und einen inneren, die etwa -/s der Länge dieser Leiste
ausmachen. Die oberen gabiigen Enden der rechten und der linken Leiste liegen
dicht nebeneinander, nahe dem Rücken und ungefähr um die Länge der Leiste
vom Vorderende der Schale entfernt. Diese Leisten dienen als Ansatzstellen für
Muskeln, die theik von ihnen in die Füsse gehen, theils sie nach vorn und hinten
an die Rücken wand befestigen.
Die Haftfüsse werden benutzt, wie bei den Rankenfüssern. Zwar sah ich
die jungen Wurzelkrebschen nie, wie jene, an der Wand des Glases empor-
khmmen, sondern stets in der Nähe des Bodens bleiben ; allein, wenn sie durch
das Deckgläschen beengt, nicht bequem schwimmen konnten, pflegten sie die
beiden Haftfüsse abwechseld vorzustrecken, um mit dem Ende des zweiten Gliedes
sich am Glase festzuheften und den Leib nachzuziehen. Bisweilen schienen sie
auch das Endglied wie einen Haken zu benutzen.
Den hinteren Theil der Schale füllt der die S c h w i m m füsse vmd S c h \\' a n z -
anhänge tragende Leibesabschnitt. Als erste Anlage dieser Theile unterscheidet
man in einem an der Bauchfläche des Nauplius sich bildenden körnigen, trüben Ge-
webe von unten eine tiefe Längsfurche und schief nach innen und hinten verlaufende
Trennungslinien der einzelnen Füsse, von oben eine Scheidung in einzelne Ab-
schnitte durch quere Linien. Durch diese Neubildungen wird eine zuletzt sehr
ansehnliche Auftreibung gebildet, die kielförmig nach unten und hinten vorspringt
und an ihrem Ende die beiden Spitzen des Hinterleibes mit emporhebt. Wahr-
scheinlich durch einen an seiner vorderen oberen Ecke sich ansetzenden Muskel
wird der neue Leibesabschnitt mehr und mehr nach vorn und oben gezogen, so
dass kurz vor der Verwandlung die hintere Hälfte des erwähnten Vorsprungs leer
erscheint und nur von den dicht zusammengelegten Borsten der Schwimmfüsse
durchsetzt wird.
Nach der Verwandlung erscheint dieser hinterste Abschnitt des
Leibes in der Seitenansicht (Fig. 4) als stumpfwinkliges Dreieck. Der obere
freie Rand, die längste Seite des Dreiecks, liegt in der Ruhe dicht unter dem
Rückenschilde, ist fast 0,1 mm lang, leicht gewölbt und geht durch abgerundete
Ecken über in die kürzeren Seiten, die vorn und unten unter einem Winkel von
etwa 120*^ zusammenstossen. Durch den vorderen Rand steht dieser hintere Ab-
schnitt mit dem vorderen Theile des Leibes in Verbindung; der untere Rand, in
der Ruhe wagerecht etwas über dem Rande der Schale liegend, trägt die Schwimm-
füsse. Eine Scheidung in einzelne Ringe ist nur angedeutet durch schmale Chitin-
leisten, die auf jeder Seite von den Füssen der oberen vorderen Ecke zulaufen,
Die /weite PIntwickelungsslufe der Wurzelkrebse. j 3 j
ohne sie ganz zu erreichen, und durch eine Einkerbung des oberen freien Randes,
die die hintere Ecke, den Schwanz, von dem fusstragenden Theile scheidet. Die
vorderste Leiste bildet den Vorderrand dieses Leibesabschnitts; in geringer Ent-
fernung von den Füssen sind die Leisten jeder Seite unter sich durch abwärts
gewölbte Querleisten verbunden. Der ganze zwischen den Leisten enthaltene
Raum ist gefüllt von den mächtigen Muskeln der Füsse; ein starker und langer
Muskel entspringt von der vorderen oberen Ecke und geht über das Auge und
die gabiigen Chitinleisten der Haftfüsse hinweg zur Rückenwand.
Die zwölf Schwimm füsse (Fig. 5) sind kurz und bestehen aus einem
stärkeren (etwa 0,012 mm langen) Grundgliede und zwei zweigliedrigen Aesten,
von denen der äussere etwas länger als der innere und als das Grundglied ist.
Am Ende jedes Astes stehen drei lange gerade steife Borsten, deren Länge etwa
der halben Höhe der Schale gleichkommt; eine ähnliche Borste steht am ersten
Gliede des inneren Astes, während das erste Glied des äusseren Astes eine etwa
dreimal kürzere Borste trägt. Beim lebenden Thiere pflegen beide Aeste und die
langen Borsten so dicht an einander zu liegen, dass letztere wie eine einzige starke
Borste erscheinen.
Der Schwanz, die über den fusstragenden Theil vorspringende, oberhalb
durch eine seichte Kerbe geschiedene hinterste Ecke des Leibes, trägt jederseits
einen zweigliedrigen Anhang mit einer längeren und einer kürzeren Borste am
Ende.
Darwin deutet bei den Rankenfüssern den die Schwimmfüsse und später
die Ranken tragenden Leibesabschnitt als Thorax, den dahinterliegendon als Ab-
domen. Letzteren darf man wohl, namentlich im Hinblicke auf die Garneelen,
als dem Schwänze (den beiden letzten Leibesringen) der höheren Krebsthiere ent-
sprechend ansehen. Ob auch ersterer überhaupt bestimmten Ringen der höheren
Krebse entspricht, und welchen, wage ich nicht zu entscheiden, möchte ihn aber
eher dem Hinterleib, als der Brust derselben gleichsetzen.
Versuche, die M^eiteren Schicksale der jungen Wurzelkrebse zu verfolgen,
blieben bis jetzt ohne Erfolg, selten überlebten einzelne, ohne weitere Veränderung,
die erste Woche. Eine einzige hierher gehörige Beobachtung führte mir der
Zufall zu.
An demselben Pagurus, in den die purpurrothe Sacculina ihre grünen Wurzeln
treibt, lebt eine zweite Art von Wurzelkrebsen, Peltogaster (?) socialis n. sp., in
Gestalt dottergelber, 5 mm langer Würste, die in der Mitte festsitzen und an einem
Ende die Oeffnung der Bruthöhle haben. Es pflegen 4 bis 6 gleich alte Würstchen
neben einander zu sitzen. Vier solche beisammensitzende Würstchen, von nur
1,5 mm Länge, — die kleinsten, die ich sah, — hatten das Ende, an dem später
die Bruthöhle sich öffnet, trichterförmig eingezogen (Fig. 6) ; in der Mitte der Ein-
senkung sprang wieder ein kleiner Hügel vor und auf diesem sass die leere Chitin-
hülle eines Krebschens auf, das ganz den eben geschilderten glich. Ausser der
Schale waren Schwimmfüsse und Schwanzanhänge mit dem sie tragenden Leibes-
abschnitte erhalten; von den Haftfüssen waren nur noch die oberen gabligen
Chitinleisten vorhanden, die aus der Schale hervorsahen und am Rande jener Ein-
senkung festzusitzen schienen; zwischen ihnen ging ein gerader Balken von der
Schale zum Thiere, vielleicht eine der unteren Leisten. Die Länge der Schale
jO, Die zweite Entwickelungsstufe der "Wurzelkrebse.
war 0,3 mm, während sie gleich nach der Verwandlung, wie bei Lernaeodiscus,
nur 0,2 mm beträgt, — Ist es die Haut desselben Thieres, das jetzt in Wurmform
festsitzt, oder etwa die eines Männchens, das hier in seinem Berufe sterbend
hängen geblieben ist?
Desterro, im Mai 1862.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIII.
Fig. I. Zweite Entwickelungsstufe von Lernaeodiscus Porcellanae; nach einem am
14. April ausgeschwärmten Thiere am 19. April gezeichnet.
Fig. 2. Die Haftfüsse und die zwischen ihnen liegenden Riechfäden (r) einer solchen
Larve, i', k" di^ knieförmig zusammenstossenden Chitinleisten, die den Muskeln dieser
Füsse zum Ansätze dienen.
Fig. 3. Die knieförmigen Leisten von einer Larve, deren Weichtheile schon durch
Verwesung zerstört wu.ien.
Fig. 4. Der die Schwimmfüsse tragende Leibesabschnitt.
Fig. 5. Einer der Schwimmfüsse. a äusserer, i innerer Ast.
Fig I — 5 sind 36omal vergrössert.
Fig. 6. Chitinhülle einer ähnlichen Larve, dem Hinterrande eines jungen Peltogaster
socialis aufsitzend ; 1 8omal vergr.
Fig. 7. Chitinring der Sacculina purpurea, 25mal vergr. a Ausserhalb der Leibes-
wand des Pagurus liegende Platte; h der innerhalb des Pagurus sich ausbreitende Kranz.
Diese Figur soll die mangelhafte Fig. 6 meines ersten Aufsatzes über die Rhizo-
cephalen ersetzen (vergl. Seite 146).
Nachschrift.
Auf die Frage, mit der ich vor wenigen Wochen vorstehenden Aufsatz
schloss, wurde mir heute unerwartet Antwort.
Unter einer Gesellschaft von sechs jungen Peltogaster socialis fand sich einer,
dessen Hinterende die leeren Häute von zwei Krebschen ansassen, während seine
Genossen je eine trugen. Jene Häute können nicht beide dem Peltogaster an-
gehören, und wahrscheinhch also gehört ihm keine; denn für eine verschiedene
Deutung der beiden ganz gleichgebildeten Häute liegt kein Grund vor. Man
wird sie unbedenklich als Ueberreste von Männchen ansehen können, die in
Krebsgestalt dem wurmförmigen Weibchen sich verbunden haben.
Desterro, 26. Mai 1862.
Ueber die Ursache der Strömuneen in der
Leibeshöhle der Sertularinen^).
In seinen vortrefflichen „I.egons sur la physiologie et l'anatomie comparee"
bezeichnet Milne Edwards, wie ich so eben lese, die Strömungen in der Leibes-
höhle der Sertularinen als eine Erscheinung, über deren Ursachen man noch nichts
Sicheres wisse -). Dies veranlasst mich zur Mittheilung einiger vor längerer Zeit
(1860) niedergeschriebenen Bemerkungen, die mir geeignet scheinen, diese Frage
einer abschliessenden Entscheidung näher zu führen.
Die Saftbewegung in der gemeinschaftlichen Höhle des Polypenstockes der
Hydroiden ist bald [Grant, van Beneden, Siebold^)] einem Flimmerepithelium,
bald (Ehrenberg,. Loven) einem Motus peristalticus der Leibeshöhle zuge-
schrieben worden. Beide Ursachen wirken gleichzeitig.
Dass die namentlich in jungen Knospen stets sehr lebhaften wimmelnden
Bewegungen der in der Leibesflüssigkeit schwebenden Theilchen, und dass ähn-
liche tanzende Bewegungen dieser Körnchen, die überall in der Leibeshöhle vor-
kommen, von Flimmerhaaren bewirkt werden, ist wohl kaum zu bezweifeln.
Aber neben diesen Bewegungen sieht man raschere oder langsamere Strö-
mungen, die oft über weite Strecken des Stammes in gleicher Richtung fort-
gehen und eine Anhäufung der Leibesflüssigkeit an bestimmten Stellen zur Folge
haben, von welchen eine folgende Strömung in entgegengesetzter Richtung sie
wieder hin wegführt. Bei lanijsamcren Strömen lassen sich oft sehr deutlich
beiderlei Bewegungen neben einander beobachten, das Fortströmen in der Mitte
der Röhre und das Wirbeln einzelner Körnchen am Rande*).
Für diese Strömungen nun bleibt kaum eine andere Ursache denkbar, als
Zusammenziehung der Leibeswand. Direkte Beweise für eine solche fand ich bei
Plumularia laxa n. sp. ^).
i) Archiv für Naturgeschichte 1863. 1. p. 34 — 36.
2) ,,On n'est pas encore bien fixe sur la cause de ces courants" oj). cit. Vol. III. p. 50.
3) Auch Milne Edwards schliesst sich dieser Ansicht an.
4) Ein gleichzeitiges Aufwärtsströmen an einer Seite der Röhre und Abwärtsstrümen an der anderen,
wie es Milne Edwards (1. c. p. 49) beschreibt, entsinne ich mich nicht, bei einer der von mir be-
obachteten Arten gesehen zu haben; doch mögen andere Arten sich hierin anders verhalten.
5) Eine besonders zierliche und durchsichtige, hier ziemlich seltene Art. Aus einer auf Tangen
hinkriechenden Röhre erheben sich senkrechte etwa 15 mm hohe Stämmchen mit 20 bis 3ofiedrig ge-
j g^ Ueber die Ursache der Strömungen in der Leibeshöhle der SerUilarinen.
Hier sah ich einmal zwischen der I.eibesröhre und deren Chitinhülle einige
lose Körnchen, die stets in einer dem Strome innerhalb der Leibesröhre entgegen-
gesetzten Richtung sich bewegten. Wenn der innere Strom durch Zusammen-
ziehung der Leibeswand erzeugt wird, so ist natürlich dieser äussere ein noth-
wendiger Begleiter desselben, so wie umgekehrt seine Anwesenheit für diese Ur-
sache des inneren beweisend ist. Es ist ganz dasselbe Verhältniss, wie zwischen
den beiden entgegengesetzten Strömungen in den Füssen der Pycnogoniden, der
des Darminhalts innerhalb und der des Blutes ausserhalb des sich zusammen-
ziehenden Darmblindsacks.
Es lag nun nahe, an der Leibesröhre selbst den Nachweis der Zusammen-
ziehung zu versuchen. An einer Stelle, wo durch den aufsteigenden Strom die
Leibesflüssigkeit sich angehäuft hatte, mass ich den Abstand der Leibeswand von
der Chitinhülle und fand ihn auf einer Seite zu 0,004 ^^^^ während sie sich auf
der anderen dicht anlagen. Es trat bald darauf ein absteigender Strom ein und
als derselbe aufhörte, war jener Abstand auf 0,01 mm gestiegen. Der Durch-
messer des Rohres war jetzt 0,042, war also 0,048 gewesen und hatte sich folglich
um Ys vermindert.
Diese Beobachtung besteht sehr wohl mit der Angabe van Benede n's,
nie Bewegungen an der Röhre der Campanularien gesehen zu haben (wenn auch
nicht mit der von ihm behaupteten, „immobilite absolue"); denn dieser „motus
peristalticus" fällt vollständig in das Gebiet jener langsamen Bewegungen, die,
wie das Fortschreiten der Gestirne, nicht als solche unseren Sinnen sich bemerk-
lich machen, sondern aus vergleichenden Beobachtungen verschiedener Zeiten er-
schlossen werden müssen.
Desterro, Juni 1862.
stellten bis übar 2 mm langen Aesten, die in derselben Ebene liegend, abwechelnd rechts und links vom
Stamme abgehen. Jeder Ast trägt auf seiner oberen Fläche 2 bis 3 ungestielte kegelförmige Becherchen
mit weiter kreisförmiger glattrandiger Oeffnung. Die campanularienähnlichen Thiere können sich nicht ganz
in diese Becherchen zurückziehen.
Ueber eigenthümliche Gebilde in der Samenflüssigkeit
von Janthina^).
Mit Tafel XXIV.
Selten nur verirren sich in den buchtenreichen Mecresarm, der die Insel
Santa Catharina von dem südamerikanischen Festlande scheidet, Thiere des hohen
Meeres. Zu diesen bisweilen Jahre lang vermissten Gästen gehören auch zwei
Arten von Janthina, die als Begleiter von Velellaschwärmen zu erscheinen pflegen.
Die eine, mit spitzerem Gewinde (J. exigua I>am.), von der ausser leeren Schalen
nur einmal einige Weibchen gesehen wurden, trägt ihre Eier an dem schaumigen
Anhange des Fusses; die andere, wiederholt gefundene, mit flacherem Gewinde
(J. pallida Harv.) ist lebendig gebärend, vmd bei ihr konnte ich mich überzeugen,
dass der schaumige Anhang in ganz gleicher Weise beiden Geschlechtern zukommt.
In der Samenflüssigkeit der letzteren Art finden sich sehr eigenthümliche
Gebilde, auf die ich die Aufmerksamkeit der Besucher des Mittelmeeres und
Anderer lenken möchte, die Gelegenheit haben zur Untersuchung dieser merk-
würdigen Schnecken. Mir selbst bietet sich vielleicht in Jahren eine solche Ge-
legenheit nicht wieder, und dies möge mich entschuldigen, wenn ich abgerissen
und unfertig, wie sie sind, meine Beobachtungen über jene Gebilde mittheile.
Schon mit blossem Auge gewahrt man in der Samenflüssigkeit der Janthina -)
zahlreiche weisse wurmförmige Gebilde, die darin lebhaft herumschwimmen. Ihre
Länge beträgt etwa 0,5 mm (ohne das unten zu erwähnende Schwimmwerkzeug).
Das bewaffnete Auge unterscheidet an ihnen zunächst zwei scharf abgesetzte
Abschnitte, die der Kürze wegen als Kopf und Schwanz bezeichnet werden
mögen. Der Kopf nimmt etwa ein Viertel der Länge ein, ist bald ziemlich regel-
mässig kegelförmig (Fig. 7), bald in seinem hinteren, dickeren Theile mit unregel-
mässigen Vorsprüngen versehen (Fig. 8, g), und vorn bisweilen statt der einfachen
in eine doppelte Spitze auslaufend (Fig. 9). Es sind ihm zahlreiche dunkelgerandete
Körnchen von verschiedener Grösse eingelagert, die ihn ziemUch undurchsichtig
machen; eine besondere Haut Hess sich um ihn nicht unterscheiden. Der Schwanz,
1) Archiv für Naturgeschichte 1863. I. p. 179—183. Taf. X. Fig. i — 10.
2) Wahrscheinlich nicht während des ganzen Jahres; meine Beobachtungen vor zwei Jahren fielen,
wie die diesjährigen, in den Oktober, dem im Mittelmeere der April entsprechen würde.
.o/, Eigenthümliche Gebilde in der Samenflüssigkeit von Janthina.
von etwa dreifacher Länge des Kopfes, ist vorn weit schmäler als der hintere
Kopfrand, verbreitert sich nach hinten allmähhch und endet abgerundet ; er ist
fast ganz undurchsichtig und dicht mit etwa 0,03 mm langen zarten Haaren be-
setzt (Fig. 7, 8, 9). Diese Haare sieht man lebhaft sich bewegen, aber nicht regel-
mässig in gleicher Richtung schlagen, wie Flimmerhaare thun, sondern unregel-
mässig durcheinander wallen und wimmeln, so dass man in ihnen nicht die Ur-
sache der raschen Bewegung suchen kann, mit der die Gebilde in weiten Bogen
durch das Wasser ziehen. Kopf und Schwanz scheinen bei dieser Bewegung als
träge Masse von einer ausser ihnen liegenden Kraft fortgeschleift zu werden ;
und so ist es in der That. Fast um die doppelte Länge des Kopfes von dessen
Spitze entfernt, geht demselben bahnbrechend eine kegelförmige Spitze voraus,
mit zarten aber scharfen Umrissen, von der aus, wie ein flatternder Schleier, eine
vollkommen durchsichtige zarte Haut etwa bis zur Mitte des Kopfes niederwallt.
Bisweilen konnte ich in dieser Haut eine äusserst zarte Längsstreifung erkennen.
Ihre Umrisse werden nach hinten zu verschwindend zart, so dass ich sie fast nie
bis zum hinteren Rande verfolgen konnte; ein einziges Mal bei einem jüngeren
Exemplare (Fig. 6), sah ich deutlich den hinteren Rand, an dem sich die Haut
.in zarte Fasern aufzulösen schien. Vom Vorderende des Kopfes liess sich einige-
mal (Fig. 5, 7) ein schmaler, nicht scharf umrandeter Strang bis in die Nähe der
kegelförmigen Spitze verfolgen. Ob diese wallende Haut („undulirende Membran")
eine kegelförmige Hülle bildet, die durch einen mittleren freien Stiel mit dem
Kopfe in Verbindung steht, oder ob sie flächenhaft sich ausbreitet und unmittel-
bar dem Kopfe angeheftet ist, muss ich unentschieden lassen ; als ich eben dieser
Frage meine Aufmerksamkeit zuwandte, raubte mir die schwarze Wolkenwand
eines heraufziehenden Gewitters das zur Fortsetzung gerade dieser Untersuchung
so unentbehrliche Licht, und als ich dieselbe wieder aufnehmen konnte, fand ich
meinen ganzen Vorrath durch beginnende Zersetzung unbrauchbar geworden. In
der Nähe der kegelförmigen Spitze lösen sich von der Haut mehrere schmale
Flimmerhaaren ähnliche Zipfel ab. Während des Schwimmens nun schwingen
diese Zipfel rasch und kräftig und die ganze Haut ist in lebhafter wallender Be-
wegung. Im Schlepptau dieses eigenthümlichen Schwimm Werkzeuges fortgezogen,
schien mir der Schwanz sich stets völlig ruhig zu verhalten ; das ganze Gebilde
von der kegelförmigen Spitze der wallenden Haut bis zum abgerundeten Ende
des Schwanzes bildet dann einen schwach gekrümmten Bogen {Fig. 4, 5, 7, 8),
und ähnlich gekrümmt ist die Bahn, die es durchzieht. Ruht die Haut und mit
ihr der Kopf, so sieht man den Schwanz langsam sich winden und krümmen
(Fig. 9), ohne dass dadurch eine merkliche Ortsveränderung bewirkt würde.
Getäuscht durch so mannigfache Bewegungen hatte ich vor zwei Jahren
unsere Gebilde für Schmarotzerthiere gehalten, an denen ich freiUch vergeblich
mich abmühte, Spuren von Mund, Darm u. s. v^^ zu entdecken. Als ich kürzlich
wieder eine männliche Janthina untersuchen konnte, fand ich in deren Samen
meine Schmarotzer so dicht gedrängt, dass mir schon dadurch Zweifel aufstiegen,
ob ich es nicht vielmehr mit einem wesentlichen Bestandtheile des Samens zu
thun habe. Und nun fiel mir dann auch sofort die Aehnhchkeit auf zwischen
den wimmelnden Haaren des Schwanzes und Samenfäden, die, der Reife nahe,
sich noch nicht von ihrer Bildungsstätte gelöst haben, — und bald gelang es.
Eigenthümliche Gebilde in der Samenflüssigkeit von Janthina. 187
mehrere Schwänze in Gruppen unverkennbarer Samenfäden zu zerdrücken, die
aufs Haar den in der Samenflüssigkeit frei umherschwärmenden ghchen (Fig. 10).
Somit war die Bedeutung unserer Gebilde als wesentlicher Bestandtheil des
Samens festgestellt; aber sind es die Bildungsstätten der Samenfäden, von denen
diese später, gereift, sich ablösen, oder sind es Samenträger („Spermatophoren"),
um die sich die reifen Samenfäden gesammelt haben? Erstere Annahme ist mir
die wahrscheinlichere : es sprechen für sie namentlich mehrfach beobachtete Exem-
plare (Fig. 6), an denen die Samenfäden nicht nur regungslos waren, sondern mir
auch kürzer erschienen. Ausser diesen wurden zahlreiche andere, noch jüngere
Formen gesehen; die jüngsten, die zur Beobachtung kamen (Fig. i), hatten die
Gestalt eines langgezogenen Eies von etwa 0,2 mm J.änge und 0,1 mm Dicke.
Der grösste Theil dieser eiförmigen Körper erscheint vollkommen durchsichtig,
leer; nur das dickere Ende ist vcfn einer rundlichen Masse gefüllt, die durch dicht
eingelagerte Körnchen undurchsichtig wird, Sie erscheint dunkler auf der der
Spitze des Eies zugewandten Seite, heller auf der entgegengesetzten, ohne dass
jedoch eine scharfe Grenze zwischen dem dunkleren und dem helleren Theile zu
erkennen wäre. Eine solche Grenze hat sich ausgebildet, wenn die Körper zu
etwa 0,3 mm Länge herangewachsen sind (Fig. 2); der hellere und dunklere Theil
erscheinen jetzt etwa wie eine Eichel und der sie umfassende Becher. Später ver-
längert sich der hellere Theil und wächst aus in den Schwanztheil unserer Gebilde
(Fig. 3, 4, 5), während der dunklere Kopf theil allmählich Kegelform annimmt
(Fig. 4, 5), und der vorderste häutige Theil seine bewegende Thätigkeit beginnt;
noch aber unterscheidet sich der Schwanz, im Gegensatze zu späterer Zeit, von
dem Kopfe durch sein weit helleres Aussehen und seine Oberfläche ist, statt mit
Samenfäden, bedeckt mit kleinen, rundlichen, durchsichtigen Körnchen (Bläschen ?)
und erinnert dadurch an die kugligen oder länglichen Körper, an denen z. B. in
der Leibeshöhle der Ringelwürmer die Samenfäden sich entwickeln.
Desterro, Anfang November 1862.
Erklärung- der Abbildungen auf Tafel XXIV.
Fig. I — C). Eigenthümliche Gebilde aus der Samenflüssigkeit von Janthina, auf ver-
schiedenen Entwickelungsstufen ; gomal vergrössert.
Fig. I — 3 u. 9 ruhend; Fig. 4 — 8 schwimmend; in Fig. 9 der Schwanz in lang-
sam windender Bewegung.
Fig. 10. Samenfäden, durch Druck vom Schwanztheile dieser Gebilde abgelöst
36omal vergrössert.
Observations sur la Respiration des Ocypodiens^).
(Extraites d'une lettre a M. Milne-Edwards et datee de Desterro [Bresil],
le 12 juillet 1863.)
Vous avez signale, chez les Ocypodes, l'existence d'une espece de surface
articulaire entouree de poils a l'article basilaire des pattes de la troisieme et qua-
trieme paire. Je trouve, chez VOcypode rJiombea, qu'il existe entre les bases de
ces pattes un orifice assez large qui conduit dans la cavite branchiale, et j'ai pu
constater, chez des animaux vivants, l'entree de l'eau par cet orifice. J'ai vu la
meme disposition chez deux especes de Gelasimus, dont l'une me parait etre le
Gelas. vocans. Chez cette derniere espece, les poils qui entourent la surface lisse
des articles basilaires des pattes n'ont rien de particulier, tandis que chez l'autre
espece plus petite de Gelasimus et chez VOcypode rhombea, ces memes poils sont
depourvus de filaments lateraux, plus ou moins moniliformes et remplis d'une
substance albuminoide et peut-etre ncrveuse (montrant une couleur rose assez vive
sous l'influence d'une Solution de sucre concentree et de l'acide sulfurique). Ils
ressemblent beaucoup aux appendices qui se trouvent aux antenncs anterieures de
presque tous les Crustaces, et que je considere avec M. Leydig comme des organes
olfactifs. Ces appendices, etant completement rudimentaires chez l'Ocypode, comme
la tige de l'antenne qui les porte, on pourrait soup^onner que chez ce Brachyure
terrestre, comme chez les Vertebres terrestres, les organes olfactifs se trouvassent
ä l'entree de la cavite respiratoire.
I.es Ocypodes ne sont pas les seuls Brachyures, qui possedent un orifice
afferent de la chambre branchiale, situe en arriere des branchies. En observant
les habitudes d'un des plus interessants de nos Brachyures, le Sesarma Pisonii,
qui grimpe sur les Rhizophores, pour en manger les feuilles, j'ai vu que cet animal
soulevait la partie posterieure de la carapace et qu'il se formait ainsi une fente
assez large au-dessus des bases des pattes de la quatrieme et cinquieme paire. II
en est de meme chez un petit Grapse (voisin du Gr. messor, ä ce qu'il me parait),
chez lequel j'ai repete beaucoup de fois cette Observation. II ne souleve jamais
I) Annales des Sciences naturelles 1863, 4. Ser. Zool. T. 20. p.
Observations sur la Respiration des Ocypodiens. l3g
la carapace quand il se trouve submerge, tandis qu'il ne tarde pas a le faire des
qu'il respire l'air. Par le soulevement de la carapace l'ouverture inspiratrice an-
terieure se retrecit beaucoup et peut-etre se ferme completement ; ainsi il y aurait
ici deux orifices afferents dont Tun serait destine de preference ä la respiration
aquatique, tandis que l'autre servirait exclusivement a la respiration aerieniie.
Enfin, il m'a paru que chez VEriphia gonagra et chez quelques autres Brachyures
{Sesarnia, Cyclügrapsiis, etc.) qui se trouvent souvent dans la necessite de respirer
l'air pendant beaucoup d'heures, il se peut former un petit orifice temporaire ä cote
des bases des pattes de la cinquieme paire, qui irait deboucher au-dessous de la
base de l'abdomen. Cet orifice afferent posterieur, qui se trouve chez ces differents
Brachyures terrestres ou amphibies, me rappelait la description que vous avez
donnee de la chambre branchiale de la Ranine qui, suivant Rumph, viendrait aussi
a terre et grimperait jusque sur le faite des maisons.
Ueber den Bau der Scheerenasseln (Asellotes
heteropodes M. Edw.)^).
Vorläufige Mittheilung.
Scheerenasseln kommen überall an den europäischen Küsten vor; sie wurden
bei Neapel und Nizza, an den Küsten Englands und der Bretagne, Norwegens
und Dänemarks gefunden und fehlen selbst nicht der salzarmen Ostsee. Da somit
überall Gelegenheit zu deren Prüfung ist, scheint es mir nicht unpassend, in Kürze
die Hauptergebnisse mitzutheilen, die mir die Untersuchung einer hiesigen, kaum
von Tanais dubius Kr. verschiedenen Art lieferte.
Die Gliederung des Leibes, die Bildung der Füsse, den Bau der Mundtheile
des Weibchens fand ich übereinstimmend mit den Angaben Kröyers-).
Der Panzer, der den Kopf und den ersten scheerentragenden Brustring
bedeckt, überwölbt, frei nach unten vorspringend, kleine Höhlen zu den Seiten
des Leibes.
In diesen Höhlen bewegt sich ein von hinten nach vorn gerichteter Wasser-
strom, unterhalten wie bei den Zoea und wie bei allen erwachsenen Krabben und
Krebsen, durch einen, hier lang säbelförmigen Anhang des zw^eiten Maxillen-
paares. — Auch der äussere rückwärts gerichtete Ast des ersten Kieferpaares
liegt in dieser Höhle.
Besondere Kiemen, wie sie die Diastyliden (Cumaceen) haben, konnte ich
nicht auffinden ; dagegen sind wie bei den Zoea, die Seitentheile des Panzers von
sehr reichlichen Blutströmen durchzogen, und sind als Hauptsitz der Athmung
anzusehen.
Die Schwimmfüsse des Hinterleibs haben nichts mit der Athmung^ zu thun ;
ich sah nie auch nur ein einziges der grossen Blutkörperchen in ihre lang-
beborsteten blattförmigen Aeste eintreten.
1) Archiv für Naturgeschichte 1864. I. p. 1 — 6.
2) Vergl. Naturhistor. Tidskrift 4. Bind 1842. S. 167 ff. und Ny Räkke 2. Bind 1847. S. 412 ff.
Wenn van Beneden (Recherches sur la faune litt, de Belgique. Crustaccs. PI. XVl^is fig. 1 — 8) dem
Hinterleibc nur vier deutlich geschiedene Ringe, allen Füssen der freien Brustringe gleichen Bau und ein
kurzes erstes Glied giebt, das den von Kröyer und mir beobachteten Arten fehlt, und wenn er die
Kieferfüsse in einer ganz wunderlichen unerhörten Form erscheinen lässt, so dürften alle diese Abweichungen
wohl eher auf einer irrthümlithen Auffassung als auf specifischen Verschiedenheiten der von ihm unter-
suchten Art beruhen.
Ueber den Bau der Scheerenasseln. j q j
Das Herz erstreckt sich durch die ganze Länge der Brust bis in den ersten
vom Panzer bedeckten Ring ; seitliche Spalten zum Eintritte des Blutes sah ich im
2ten, 3ten und 4ten Ringe; die beiden Spalten desselben Ringes liegen einander
nicht genau gegenüber.
Die Leber besteht, wie bei den Bopyriden, aus einem einzigen Paare von
Blindschläuchen, die vom Kopfe bis in den Hinterleib reichen.
Im Grunde der oberen Fühler liegt ein Gehörwerkzeug, eine kleine von oben
her zugängliche Höhle mit einem Gehörst einchen.
Die frei vorspringenden Augen liegen nach hinten, aussen und unten von
den vorderen Fühlern, eine Lage, die sich nicht mit der Annahme eines vor dem
Fühlerringe liegenden Augenringes verträgt^).
Die Augen , wenigstens des Männchens, sind beweglich ; ihre Chitinhülle
(durch Kochen mit Kalilauge und Behandlung mit Säure dargestellt) zeigt in
diesem Geschlechte stark nach innen vorspringende linsenförmige Verdickungen,
die dem Weibchen fehlen.
Die vorderen Fühler der Jungen und der Weibchen sind plump, wenig
beweglich, viergliedrig (das 4te Glied winzig) und tragen einen einzigem Riech-
faden am Ende des dritten Gliedes.
Die Eierstöcke sind einfache Schläuche; die unpaare weibliche Geschlechts-
öffnung liegt am Hinterrande des vorletzten Brustringes.
Die Bruttasche, die stets nur wenige, bisweilen nur i bis 3 Eier umschliesst,
wird gebildet von vier Paar hinter den Füssen der vier ersten freien Brustringe
befestigten Blättern, die für jede Brut sich neu erzeugen.
Die Männchen erleiden vor Erlangung der Geschlechtsreife eine bedeutende
Verwandlung und finden sich geschlechtsreif in zwei verschiedenen Formen.
Immer sind ihre vordem Fühler lang, schlank, sehr beweglich, reichlich mit
Riechfäden ausgestattet; es fehlen ihnen alle beweglichen Anhänge des Mundes
(mit Ausnahme der den Wasserstrom durch die Athemhöhle unterhaltenden
Geissein); ob ihr Mund geschlossen ist, wurde mir nicht deutlich; ihren Darm
fand ich stets völlig leer. Wenn sie also wohl im geschlechtsreifen Zustande
nicht fressen, so werden sie für diese Zeit des Fastens mit einem reichen Vorrath
von Fett ausgerüstet. Die Hoden scheinen, wie die Eierstöcke, einfache Schläuche
zu sein ; sie münden in eine grosse querovale unpaare Blase, die im letzten Brust-
ringe unter dem Darme liegt, die Geschlechtsöffnungen scheinen an der Spitze
zweier kurzen warzenförmigen Vorsprünge zu liegen, die dieser letzte BrustrinL;
beim Männchen trägt. Die Samcmkörperchcm sind KügelchcMi von etwa 0,004 »^'^i-
Durchmesser; an denen ich weder einen Kern, noch strahlenförmige Fort-
sätze sah; an einer Stelle haben sie einen winzigen warzen- und kiiopfformigen
Vorsprung.
Die gewöhnlichere Form der Mäimchen erscheint verhältnissmässig etwas
breiter als die Weibchen ; ihre Scheeren sind von sehr abweichender Form, länger,
langfingeriger,- bew(>glicher; die Riechfäden steh(>n zu je zwei bis drei (sehr selten
zu vier) am Grunde des vierten und am Ende dieses und der folgenden JHihler-
gUeder, Die andere sehr seltene Form, die man wohl kaum einmal unter 100
I) Wie Claus, kann ich die Augen der Krebse nicht als Gliedmassen ansehen.
JQ2 Ueber den Bau der Scheerenasseln.
gewöhnlichen Männchen findet, schliesst sich in der Form des Leibes und der
Scheeren eng an die Weibchen an; ihre vorderen Fühler gleichen denen der
gewöhnlichen Männchen, sind aber noch reichlicher mit Riechfäden ausgestattet,
indem dieselben an denselben Stellen wie dort zu je fünf bis sieben beisammen
stehen.
Die Entwickelung ist die der Asseln ; das Junge im Eie ist nach oben
gekrümmt, so dass also die vordere und hintere Hälfte der Rückenfläche einander
zugewandt sind, wie es schon Rathke bei Ligia und Idothea fand.
Die Leibesringe des ausschlüpfenden Jungen sind vollzählig vorhanden : die
Anhänge des Kopfes und der sechs ersten Brustringe sind wohlentwickelt, der
längere innere Ast der Schwanzanhänge hat nur drei Glieder, statt der fünf des
erwachsenen Thieres; aber es fehlen noch vollständig nicht nur, wie bei vielen
anderen Asseln V, das letzte siebente Paar der Brustfüsse, sondern auch die fünf
Paar Schwimmfüsse des Hinterleibes. Diese sechs fehlenden Fusspaare treten
später gleichzeitig auf.
So weit meine Beobachtungen.
Ich weiss nicht, ob Kröyer und van Ben e den, die auch von Männchen
und Weibchen sprechen, dieselben anders, als durch die nichts entscheidende
Ab- oder Anwesenheit der Brutblätter unterschieden haben, möchte aber immerhin
die Vermuthung wagen, dass nicht nur die beiden von Kröyer bei Madeira
gesammelten Formen (Tanais Edwardsii und Savign)d) als Männchen und Weibchen
zusammengehören sondern ebenso die beiden Formen des Oeresunds (T. Curculio
und Oerstedii). — Tanais Edwardsii weicht in ähnlicher Weise von T. Savignyi
ab, wie das Männchen unserer Art von seinem dem T. Savignyi höchst ähnlichen
Weibchen. Diesem Weibchen steht ebenfalls T. Oerstedii sehr nahe, während
allerdings T. Curculio durch die Bildung des Kopfes und der Scheeren sich weit
von unserem Männchen, wie von allen Gattungsgenossen entfernt; aber wenn
innerhalb derselben Art verschieden gebildete Männchen sich finden, so darf eine
weit auseinanderlaufende Gestaltung derselben innerhalb der Gattung nicht auf-
fallen. Ich führe noch zur Stütze dieser Ansicht an, dass im Greifswalder Bodden
zwei Formen von Tanais zusammenleben, von denen die eine häufigere dem
T. Oerstedii, die andere, wie die Männchen unserer Art, weit seltenere, dem
T. Curculio sehr nahe steht.
Welche Stellung im Systeme gebührt nun diesen Scheerenasseln, die von
allen anderen Asseln durch ihre Scheeren, durch ihre Avigen, ihre Gehörwerk-
zeuge, durch ihren der Athmung dienenden Panzer, durch die Lage ihres Herzens,
durch ihre fastenden Männchen, durch die der Hinterleibsfüsse entbehrenden
Jungen u. s. w. sich entfernen, und erwachsen, kaum ein wesentliches Merkmal
mit ihnen gemein haben? — Die an die Amphipoden, denen ältere Beobachter
sie anschliessen, durch die vorwärts gerichteten Fühler, deren vorderes Paar bei
Rhoea zwei Geissein trägt, durch die abweichende Bildung der beiden vorderen
und die (wenigstens bei Tanais) verbreiterten Grundglieder der drei hinteren
i) Nach Milne Edwards bei den Cymothoaden, ich fand es ebenso bei den Bopyriden, bei Ligia
und Philoscia; nach Untersuchung ziemlich weit entwickelter Eier vermuthe ich ein gleiches Verhalten bei
Idothea und Sphaeroma. Die geringe Entwickelung des siebenten Brustringes bei Serolis macht auch hier
ähnliche Jugendzustände wahrscheinlich.
Ueber den Bau der Scheerenasseln.
193
Fusspaare der Brust, so wie durch Lage und Bau des Herzens erinnern und deren
Athmung vollständig wie bei den Jugendformen der Krabben und Krebse vor
sich geht?
Die Entwickelung scheint mir unzweideutig zu beweisen, dass sie ächte
Asseln sind, dass sie sich nicht den stieläugigen Krebsen und viel weniger noch
den Amphipoden annähern lassen, an die die erwachsenen Thiere so vielfach
erinnern. Es ist mir ausser zahlreichen Asseln kein Krebs bekannt, der das Ei
(oder, wie Ligia, eine anhanglose früheste Larvenhaut ^)) verliesse mit bis zum
vorletzten Brustringe vollständig entwickelten Gliedmassen, während dieselben
dem letzten Brustringe noch fehlen. — Dem Amphipoden-Ei scheint stets ein
„Micropyl- Apparat" zuzukommen ^) ; die Jungen liegen darin in umgekehrter Weise
gekrümmt und verlassen es mit vollzähligen GHedmassen.
Aber was wollen nun innerhalb der Ordnung der Isopoden die Scheeren-
asseln bedeuten? — Die Antwort wird verschieden ausfallen je nach den syste-
matischen Grundanschauungen, von denen man ausgeht.
Wer die Arten als unveränderliche Bildungen ansieht, die bei jeder der
hundertfach wiederholten Schöpfungen fix und fertig aus den Elementen zusammen-
schössen, und die Urform (den Typus) jeder grösseren oder kleineren Gruppe aus
den der Mehrzahl ihrer Mitglieder gemeinsamen Merkmalen aufbaut, der wird
natürlich in den Scheerenasseln die von dem Typus der Isopoden am weitesten
abirrende Asselform erblicken.
Wer dagegen mit Darwin als Endziel der Systematik die Aufstellung eines
Stammbaumes der Thier- und Pflanzenwelt, und wer daher als Urform einer
Gruppe den gemeinsamen Stammvater derselben betrachtet, der wird im Gegen-
theile zu der Ansicht geneigt sein, dass unter allen Asseln der Gegenwart die
Scheerenasseln mit ihren beweglichen Augen und ihrer Zoea-Athmung der Urassel
am nächsten stehen, die vielleicht noch, wie der Urvater aller Malacostraca, eine
durch Nauplius und Zoeaformen hindurchgehende Verwandlung zu bestehen hatte.
Desterro, im Juni 1863.
i) Näheres hierüber nächstens.
2) Ich vermisste den „Micropyl-Apparat" bei keinem der zahlreichen von mir hierauf untersuchten
Amphipoden aus den Gattungen Gammarus, Amphithoe, Podocerus, Corophium, Orchestia u. a. und fand
ihn ebenfalls bei Caprella.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. I3
Ein Wort über die Gattung Herklotsia J. E. Gray^).
„In my opinion, this inordinate multipli-
cation of genera destroys the main ad-
vantages of Classification."
Darwin, Lepadidae S. 216^).
Herklots hat in seiner Bearbeitung der Seefedern drei Arten von Renilla
unterschieden, R. reniformis Pall., violacea Quoy et Gaim., und Edwardsii n. sp. —
Die von ihm gegebenen Diagnosen enthalten indess kein einziges Merkmal, das
die wirkliche Verschiedenheit dieser Arten verbürgte. — Die Gestalt der Scheibe,
die Streifung ihrer Unterfläche, die Länge und Form des Stiels sind sämmtlich
Verhältnisse, die beim lebenden Thiere in beständigem Wechsel begriffen sind,
so dass danach bisweilen dieselbe Scheibe in derselben Minute jeder der drei
Arten eingereiht werden könnte. Der angebliche Mangel der „spicules" bei
R. violacea beruht offenbar auf schlechter Erhaltung der Exemplare und die
geringe Zahl der Polypen bei R. Edwardsii würde nur dann als bezeichnend
gelten dürfen, wenn nachgewiesen wäre, dass von ihr die beobachtete Zahl nicht
überschritten würde; denn bei jüngeren Scheiben aller Arten ist die Polypenzahl
natürlich eine geringe. Ueber Zahl und Stellung der die Polypenzellen um-
stehenden Zähne oder sonstige zur sicheren Unterscheidung von Renillaarten
brauchbare Merkmale findet man bei Herklots nichts.
Dass man nun auf solche Merkmale, die selbst zur Artunterscheidung völlig
ungenügend sind, Gattungen bauen könne, scheint kaum glaublich. Doch dem
unermüdlichen Fabricanten neuer Gattungen und Arten in allen Klassen des
Thierreichs, Herrn J. E. Gray, ist in dieser Beziehung nichts unmöglich. Er hat
denn auch (s. R. Leuckart's Jahresbericht in dies. Archiv. XXVII. Bd. 2. S. 346)
die Renilla Edwardsii zum Typus einer neuen Gattung Herklotsia zu erheben
verstanden.
Diese Gattung Herklotsia ist ein zu ergötzliches Beispiel der Verirrungen,
die der Beobachter der lebenden Thierwelt so manches Mal an den Museums-
i) Archiv für Naturgeschichte 1864. I. p. 352 — 358.
2) Darwin schrieb diese Worte in Bezug auf die Gattung Scalpellum, deren vier ihm bekannte
Arten J. E. Gray in ebenso viele Genera vertheilt hatte. Dabei hat er spasshafter Weise die Zahl der
Stücke des Gehäuses, auf welche diese Genera fast ausschliesslich begründet waren, für drei derselben irrig
angegeben.
Ein Wort über die Gattung Herklotsia. jqe
Zoologen zu rügen hat, als dass ich mir das Vergnügen einer kritischen Beleuch-
tung versagen könnte.
Die von Gray gegebenen Diagnosen der Gattungen Herklotsia und Renilla
sind (nach Leuckart's Jahresbericht a. a. O.) die folgenden:
Herklotsia. Disk expanded, upper surface armed with spicula surrounding
the edge of the cells, lower moderately striated. The stem inserted in a deep
notch on the lower edge, and separated from the disk by a well defined groove.
Polypes few, placed in series.
Renilla. Disk smooth above and beneath, without spicula and continued
into the stem. Polypes numerous.
Sehen wir uns die einzelnen Merkmale etwas näher an.
„Disk expanded" — Vortrefflich ; — ganz als wollte man die Diagnose einer
Vogelgattung mit den Worten beginnen : „Flügel ausgebreitet", als wollte man
die zufällige Stellung, die der Ausstopfer einem Thiere gegeben, als Gattungs-
kennzeichen verwerthen. „Disk expanded", als wäre die Renillascheibe ein starres
Gebilde, wie eine Muschelschale oder Krebsscheere , und nicht vielmehr der
wechselvollsten Gestaltveränderung in ungewöhnlich hohem Grade fähig. — Ent-
nimmt man zur Ebbezeit eine prächtige dunkelviolette Renilla, bei der je sieben
mit goldgelben Kalknadeln durchspickte Zähne den Rand der Zellen umgeben,
dem Boden des Meeres, so findet man die Scheibe trichterförmig eingezogen und
unmittelbar in den langen, am Ende bald kolbigen, bald zugespitzten Stiel sich
fortsetzend. In ein Glas mit Seewasser geworfen, breitet sich die Scheibe zu-
nächst, ohne sich auszudehnen, flach in einer Ebene aus ; der Stiel zieht sich aufs
Aeusserste zusammen und während er eben etwa die dreifache Länge des Scheiben-
durchmessers hatte und von der Unterseite gerade abwärts gerichtet war, liegt
er jetzt als unbedeutender Vorsprung von kaum Y4 des Scheibendurchmessers in
der Ausbucht der Scheibe und in gleicher Ebene mit dieser. Bei längerem
Liegen beginnt die Scheibe sich durch eine in der Mitte ihrer oberen Fläche
gelegene grosse Oeffnung ^) allmählich mit Wasser zu füllen. Die Polypen treten
hervor, der Durchmesser der Scheibe steigt nach und nach wohl auf mehr als
das Fünffache; (genaue Messungen sind mir augenblicklich nicht zur Hand).
Dabei wölbt sich die obere Scheibenfläche, die beiden Lappen, zwischen denen
der Stiel entspringt, schieben sich übereinander, und auch der Stiel streckt sich
wieder und füllt sich mit Wasser. Die vorgestreckten Polypen sieht man ohne
äusseren Anlass nur selten sich bewegen, die Scheibe dagegen ist nie in Ruhe;
sie zeigt langsame kräftige Zusammenziehungen, die vom Ansatzpunkte des Stieles
nach dem gegenüberliegenden Rande der Scheibe fortschreiten und dabei diese
durch eine Reihe auffallend verschiedener Gestalten hindurchführen. Auch der
Stiel nimmt an diesen Zusammenziehungen Antheil; er schnürt sich dabei bis-
weilen von der Spitze her zu einem fadenförmigen Strange zusammen, um dann
i) Diese, wie es scheint, bisher übersehene Oeffnung wurde zuerst, vor einigen Jahren, von meiner
damals siebenjährigen Tochter Rosa bemerkt, die aus ihr einen kräftigen Wasserstrahl spritzen sah, als
sie eine lebende Renilla aus dem Meere nahm. Eine ähnliche Oeffnung fand später, nach brieflicher Mit-
theilung, Max Schultze bei Pennatula. Auch an der Spitze des Stiels hat Renilla eine kleine Oeffnung,
aus der ebenfalls bisweilen ein zarter Wasserstrahl hervorspritzt, wenn man eine aufgeschwellte Scheibe
aus dem Wasser nimmt.
13*
igö
Ein Wort über die Gattung; Herklotsia.
sofort wieder zu einem weiten Rohre sich aufzublähen. — Ganz ähnhch verhält sich
Renilla reniformis, nur dass sie nicht die vollkommene Trichterform der anderen
Art anzunehmen vermag^).
„Upper surface armed with spicula surrounding the edge of the cells" heisst
es weiter von Herklotsia und im Gegensatze dazu von Renilla: „disk smooth,
without spicula". Wenn unter „spicula" Kalknadeln verstanden sind, so begreife
ich nicht, wie man von deren Fehlen bei ReniUa sprechen kann, da dieselben
alle Theile der Scheibe durchsetzen und bei der oberflächlichsten Untersuchung
in die Augen fallen. Sollten aber, unpassender Weise, durch diesen Ausdruck
die von zahlreichen Kalknadeln gestützten \'orspringenden Zähne um den Zellen-
rand bezeichnet sein, so fehlen diese wahrscheinlich ebenso wenig irgend einer
Art; bei R. reniformis sind sie wohl entwickelt. Wenn Gray sie vermisste, so
lag dies an der schlechten Erhaltung seiner Exemplare. Bei verwesenden und
schon bei langsam sterbenden Thieren fallen die oberflächlichen Kalknadeln leicht
ab und die Zähne am Zellenrande sind dann nur schwierig nachzuweisen.
„Lower surface moderately striated" bei Herklotsia, — „disk smooth beneath"
bei Renilla. — Die Streif ung der Unterfläche oder richtiger die netzförmige
Zeichnung mit langstreckigen strahlig geordneten Maschen bezeichnet die Grenzen
der einzelnen Polypenzellen, Wo deren Scheidewände auf die untere Wand der
Scheibe stossen, stehen die oberflächlichen Kalknadeln dichter vmd ausserdem
erscheinen, wenn die Zellen sich aufblähen, ihre Grenzen als vertiefte Linien, an
deren Stelle umgekehrt beim Einschrumpfen der Zellen wieder deutliche erhabene
Linien treten können. Dazwischen liegt natürlich ein Mittelzustand, in welchem
abgesehen von den leicht abfallenden zarten Kalknadeln, die Unterfläche glatt
erscheint. Daraus ergiebt sich von selbst der systematische Wert dieses Merkmals.
„The Stern separated from the disk by a well defined groove" bei Herklotsia,
— „the disk continued into the stem" bei Renilla. Bei Renilla reniformis sieht
man fast nie, selten bei älteren, häufig dagegen bei jüngeren Scheiben unserer
zweiten Art den Stiel durch eine deutliche tiefe Furche von der Scheibe geschieden.
Diese Furche ist aber nicht etwa, wo sie vorkommt, etwas Festes, Bleibendes,
sondern tritt nur bei bestimmten Contractionszuständen hervor. Dieselbe Renilla-
scheibe kann, was dieses Merkmal betrifft, in einer Stunde ein Dutzendmal aus
einer in die andere Gattung und wieder zurückspazieren.
Ich kann wohl den wirklichen Werth all dieser Gray 'sehen Gattungs-
merkmale nicht besser ins rechte Licht setzen, als indem ich ein untrügliches
Recept mittheile, eine Herklotsia bei lebendigem Leibe tuto, cito et jucunde in
eine Renilla zu verwandeln. Man setze das Thier in einer flachen Schale, nur
so eben von Wasser bedeckt, eine Stunde lang den Strahlen der tropischen
Mittagssonne aus, spüle es ab und die Renilla ist fertig. Die Kalknadeln der
Oberfläche liegen abgefallen am Boden der Schale, die Zähne am Zellenrande
sind zusammengesunken, und bei dem Zustande von Erschlaffung, in dem sich
das Thier befindet, ist sicher weder Streifung der Unterfläche, noch eine Furche
am Grunde des Stieles vorhanden. Man sieht, für Gra)''sche Genera bedarf es
keiner jahrtausendelangen natürlichen Züchtung, um eines aus dem anderen hervor-
gehen zu lassen,
i) Näheres über diese und andere Lebenserscheinungen derRenillen bleibt einem anderen Orte vorbehalten.
Ein Wort über die Gattung Herkiotsia. I g^
Doch es bleibt uns noch ein Kennzeichen der Gattung Herkiotsia: „Polypes
few, placed in series", und dagegen bei Renilla: „Polypes numerous". Zuerst sei
hierzu bemerkt, dass die Ausdrücke few und numerous überhaupt zu denen
gehören, die ihrer Unbestimmtheit wegen für immer aus allen Diagnosen ver-
bannt werden sollten. Ist z. B. in unserem Falle bei lo, oder 20, oder 100 Polypen
die Grenze zwischen dem few und dem numerous zu suchen ? — Aber abgesehen
hiervon, so hätte Herr Gray am Rande jeder beliebigen Renillascheibe sehen
können, dass hier eine Neubildung von Zellen und Polypen stattfindet, — er hätte
sich danach sagen können, dass überhaupt die dem Rande näheren Polypen jünger
sind als die mittelständigen ; — er hätte sich sagen können, dass auch die polypen-
reichste Renillascheibe in ihrer Jugend nur wenige Polypen besass und dass somit
das few und das numerous nichts mehr und nichts weniger als eine Altersver-
schiedenheit bezeichnet und wie all seine übrigen Merkmale nicht einmal specifischen,
geschweige denn generischen Werth hat.
In den ersten Wochen, das sei hier beiläufig angeführt, sind sogar, wie man
sich denken konnte, die jungen Renillen einfache Polypen ohne Kalknadeln ; aber
schon in dieser frühesten Zeit ist, wie später, der Stiel durch eine I^ängsscheide-
wand in zwei Kammern getheilt und an der Spitze mit einer Oeffnung versehen.
Glücklicherweise hatte Herr J. E. Gray im British Museum keine Gelegenheit,
diese jüngsten Renillen zu sehen, auf die sonst unfehlbar wieder ein neues Genus
gegründet worden wäre.
Ich habe die Aufstellung der Gattung Herkiotsia eine ergötzliche Verirrung
genannt. Leider hat die Sache auch ihre ernste Seite. — Die Gattung wurde
nicht beiläufig, etwa bei Beschreibung einer neuen Art, von einem Neulinge auf-
gestellt, sondern in einer Abhandlung, welche eine kritische Revision der syste-
matischen Anordnung der Seefedern zum Zweck hat, und von einem Manne, mit
dem sicher Wenige sich messen können, was Reichthum und Vielseitigkeit der
auf eigene Anschauung und Untersuchung gestützten zoologischen Kenntnisse
betrifft. Welch trauriges Licht wirft es auf den Zustand der heutigen Systematik,
dass an solcher Stelle und von solcher Hand ein ähnlicher Missgriff gethan werden
durfte. Und der Fall ist kein vereinzelter. Fast jede Seite eines zoologischen
Jahresberichtes liefert Belege für die wüste, grundsatz- und haltlose Weise, in der
man heutzutage so vielfach ins Blaue hinein Gattungen und Arten fabricirt. Um
ihre Wissenschaft vor vollständiger Verwilderung zu bewahren, ist es wahrlich
die höchste Zeit, dass die Systematiker sich allen Ernstes der Erörterung der
allgemeineren Fragen zuwenden, von denen aus sie allein für ihre Arbeiten festen
Boden und sichere leitende Grundsätze gewinnen können. — Die Anregung, die
hierzu durch Darwin's Buch über die Entstehung der Arten gegeben wurde,
hätte zu keiner gelegeneren Stunde kommen können.
Desterro, 31. März 1864.
Nachtrag zum vorstehenden Aufsätze^).
Von Max Schultze.
Fritz Müll er 's Beobachtung grösserer Oeffnungen zur Wasseraufnahme
und Abgabe bei Renilla, welche mir bereits seit längerer Zeit durch briefliche
Mittheilungen bekannt war, veranlasste mich die mir zu Gebote stehenden Spiritus-
exemplare von Pennatula auf solche Oeffnungen anzusehen. Dass bei den Penna-
tuliden sämmtlich dergleichen Oeffnungen vorhanden seien, war an sich nicht zu
bezweifeln, da die Wasserlöcher ein wesentliches Ghed in der Organisation der
Coelenteraten darstellen. Es handelte sich aber darum, die Lage dieser Oeff-
nungen, deren bisher Niemand Erwähnung gethan, zu bestimmen und vor allen
Dingen festzustellen, ob ein der bei Renilla constanten grösseren mittleren Scheiben-
öffnung entsprechendes Wasserloch auch den echten Pennatuliden zukomme. Gleich
die ersten Nachforschungen bei zwei wohl erhaltenen Exemplaren der Pennatula
rubra aus dem Mittelmeere, welche das hiesige anatomische Museum besitzt,
führten zu einem sehr bestimmten Resultat, insofern an beiden Exemplaren je
eine grössere Oeffnung gefunden wurde, welche offenbar nur zur Wasseraufnahme
und Abgabe in das innere Höhlensystem des Stammes dienen konnte. Doch ver-
hielten sich beide Exemplare verschieden. Auf der körnigen hinteren Oberfläche
des Stammes von P. rubra verläuft eine mittlere Längsrinne mit glattem Boden
und von weisslicher Farbe. Dieselbe beginnt kaum sichtbar am oberen Ende des
Schaftes und verbreitet sich nach abwärts, um am Anfange des drehrunden Stieles
zu verschwinden. Hier an der Grenze von Fahne und Stiel entsteht aus der
Längsrinne an einem der beiden Exemplare eine tiefe seitlich ausweichende
Furche, und führt sofort in eine weite Oeffnung, durch welche leicht eine ge-
knöpfte Sonde in das Hohlraum System des Stieles vorgeschoben werden kann.
Drückt man den Stiel aufwärts nach der Oeffnung zu, so fliesst eine ansehnliche
Menge Flüssigkeit aus dem Innern aus. An dem anderen Exemplare fehlt hier
an der Hinterseite die tiefere Furche mit der Oeffnung gänzlich, dafür zeigt sich
auf der vorderen Fläche in der Höhe des sechsten Polypen tragenden Zweiges
etwas seitlich von der Mittellinie in versteckter Lage eine ansehnliche Oeffnung
mit wulstigem Rande, durch welche eine geknöpfte Sonde leicht aufwärts und
abwärts in das Hohlraumsystem des Körpers vorgeschoben werden kann.
i) Archiv für Naturgeschichte 1864. 1. p. 359 — 360.
Nachtrag zum vorstehenden Aufsatze. ign
Nach diesem Befunde war ich erstaunt, an mehreren Exemplaren von
Pennatula (Pteroeides Herklots) spinosa des hiesigen anatomischen und zoologi-
schen Museums keine Spur einer solchen grösseren Oeffnung zu finden. Ebenso-
wenig bei den kleinen zierlichen Pennatula pulchella. Dagegen fand sich eine
den beschriebenen entsprechende Oeffnung an einem Exemplar von Pteroeides
japonicum des hiesigen zoologischen Museums und zwar auf der Mitte der Hinter-
seite des Schaftes in der Höhe des, von unten gerechnet, sechsten Polypen
tragenden Armes. Die Sonde glitt von hier aus leicht aufwärts in das Innere.
Ausser diesen grösseren Wasserlöchern kommen bei der Pennatula wie bei
Renilla, wie es scheint, allgemein kleinere Oeffnungen vor und zwar constant
an der Spitze des Stieles. Bei Renilla sind dieselben von Fritz Müller gesehen.
Ihre Anwesenheit bei Pennatula ist leicht zu constatiren, wenn man Exemplare,
die nicht gar zu stark in Spiritus erhärtet sind, nach der Spitze des Stieles zu
mit den Fingern streicht. Ich sah bei dieser Operation immer mehrere feine
Strahlen Flüssigkeit aus winzigen Oeffnungen des Stieles hervordringen.
Für Darwin^).
Mit 67 Textfiguren.
„Caeterum, nullius in verba jurans, aliorum inventa
consarcinare haud institui; quae ipse quaesivi, re-
peri, repetitis vicibus diversoque tempore obser-
vavi, propono."
O. F. Müller, Histor. vermium.
Vorwort.
Die folgenden Blätter wollen nicht die für und wider Darwin's Lehre von der
Entstehung der Arten vorgebrachten Gründe aufs neue erörtern und gegeneinander
abwägen. Sie wollen einfach auf einige dieser Lehre günstige Thatsachen hin-
weisen, gesammelt auf demselben Boden Südamerika's, auf welchem in Darwin,
wie er uns erzählt, zuerst der Gedanke aufkeimte, sich mit der „Entstehung der
Arten, diesem Geheimniss der Geheimnisse" zu beschäftigen.
Nur durch Herbeischaffen neuen verwerthbaren Stoffes wird sich allmählich
die Streitfrage für eine endgültige Entscheidung spruchreif machen lassen, und
dieses erscheint einstweilen wichtiger als eine wiederholte Zergliederung des bereits
vorliegenden. Zudem bleibt es billig fürs Erste Darwin selbst überlassen, die An-
griffe der Gegner abzuwehren von dem stolzen Baue, den er mit solcher Meister-
hand aufgeführt.
Desterro, 7. September 1863. F. M.
I.
Als ich Charles Darwin's Buch „über die Entstehung der Arten" gelesen
hatte, schien es mir, dass einer der Wege und der sicherste vielleicht, die darin
entwickelten Ansichten auf ihre Richtigkeit zu prüfen, der sei, dass man eine
möglichst ins Einzelne gehende Anwendung auf eine bestimmte Thiergruppe ver-
suche. Ein solcher Versuch, sei es für die Familien einer Klasse, sei es für die
Gattungen einer grösseren Familie, oder für die Arten einer reichen Gattung einen
Stammbaum aufzustellen, und von den gemeinsamen Urahnen der verschiedenen
engeren und weiteren Kreise möglichst ausgeführte und anschauliche Bilder zu
entwerfen, konnte ein dreifach verschiedenes Ergebniss liefern.
i) Leipzig. Engelraann. 1864.
Für Darwin. 20I
Es konnten i. Darwin's Vorraussetzungen bei ihrer Anwendung zu unverein-
baren, sich widersprechenden Folgerungen führen, aus denen dann auf die Irrig-
keit der Voraussetzungen zurück geschlossen werden durfte.
Waren Darwin's Ansichten falsch, so war zu erwarten, dass Widersprüche
ihre Anwendung im Einzelnen auf jedem Schritte begleiten, und dass sie, sich
häufend, die Voraussetzungen, aus denen sie hervorgegangen, mit vereinter Wucht
aufs Gründlichste zermalmen würden, so wenig auch die auf jeden besonderen Fall
gebauten Schlüsse die Unbedingtheit mathematischer Beweise haben mochten.
Es konnte 2. der Versuch in ausgedehnterer oder beschränkterer Weise ge-
lingen. War es möglich, auf Grund und mit Hilfe der Darwin'schen Lehre zu
zeigen, in welcher Folge die verschiedenen engeren und weiteren Kreise aus der
gemeinsamen Grundform und von einander sich losgelöst, in welcher Folge sie
die jetzt sie bezeichnenden Eigenthümlichkeiten erworben, welche Umwandlungen
sie im Laufe der Zeiten erlitten hatten, — war eine solche von inneren Wider-
sprüchen freie Aufstellung eines Stammbaumes, einer Urgeschichte der betrachteten
Thiergruppe möglich, so musste diese Aufstellung, je vollständiger sie die be-
kannten Arten in sich aufnahm, und je tiefer sie in das Einzelnste des Baues
hinabzusteigen vermochte, um so mehr in sich selbst die Bürgschaft der Wahr-
heit tragen, und um so überzeugender den Beweis liefern, dass der Grund, auf
dem sie gebaut, kein lockerer Sand, dass er mehr, als blos „ein geistreicher
Traum" sei.
Freilich war es 3. auch möglich, und dies musste von vorn herein als der
wahrscheinlichere Fall erscheinen, dass der Versuch an den ihm entgegentretenden
Schwierigkeiten scheiterte, ohne die Frage, für oder wider, in Anerkennung er-
zwingender Weise zu entscheiden. Glückte es indess nur, für sich selbst auf diesem
Wege zu einem einigermassen gesicherten selbstständigen Urtheile über diese so
tief in die höchsten Fragen eingreifende Angelegenheit zu gelangen, so musste
auch das schon als reicher Gewinn gelten.
Entschlossen, den Versuch zu wagen, hatte ich zunächst für eine bestimmte
Klasse mich zu entscheiden. Die Wahl musste sich auf diejenigen beschränken,
deren Hauptformen leicht in einiger Mannichfaltigkeit lebend zu erhalten waren.
Eine so lange und bunte, und doch so innig verknüpfte Reihe nun, wie sie aus
der Klasse der Kruster die Krabben und Krebse, die Maulfüsser, die Diastyliden,
die Amphipoden und Asseln, die Ostracoden und Daphniden, die Copepoden und
Schmarotzerkrebse, die Rankenfüsser und Wurzelkrebse unserer Küste boten (nur
die Phyllopoden und Xiphosuren fehlten), stand mir aus keiner anderen Klasse
zur Verfügung. Auch ohne diesen Umstand hätte indessen die Wahl der Kruster
kaum zweifelhaft sein können. Nirgends, wie das schon von verschiedenen Seiten
ausgesprochen wurde, ist ja die Versuchung dringender, den Ausdrücken : „Ver-
wandtschaft, Hervorgehen aus gemeinsamer Grundform", und ähnlichen eine mehr
als blos bildliche Bedeutung beizulegen, als bei den niederen Krustern. Nament-
lich bei den Schmarotzerkrebsen pflegte ja längst alle Welt, als wäre die Um-
wandlung der Arten eine selbstverständliche Sache, in kaum bildlich zu deutender
Weise von ihrer Verkümmerung du rch's Schmarotzerleben zu reden. Es mochte
wohl Niemandem als eines Gottes würdiger Zeitvertreib erscheinen, sich mit dem
Ausdenken dieser wunderlichen Verkrüppelungen zu belustigen und so liess man
202
Für Darwin.
sie durch eigene Schuld, wie Adam beim Sündenfall, von der früheren Voll-
kommenheit herabsinken.
Dass bereits ein grosser Theil der weiteren und engeren Kreise, in die sich
diese Klasse gliedert, als endgültig festgestellt gelten durfte, während bei zwei
anderen Klassen, in denen ich heimisch war, den Ringelwürmern und Quallen,
alle versuchten Anordnungen nur als vorläufige Uebersichten erscheinen mussten,
war ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorzug. Diese unverrückbaren Gruppen,
wie die scharfgezeichneten Formen des starren reichgegliederten Hautgerüstes,
waren nicht nur als sichere Ausgangs- und Stützpuncte, sie waren auch als wohl-
thätige unerbittliche Schranken vom höchsten Werthe bei einer Aufgabe, bei der
nun einmal, ihrer Natur nach, die Phantasie frei ihre Schwingen entfalten musste.
Indem ich also begann, mir von diesem neuen Standpuncte der Darwin'schen
Lehre aus unsere Kruster näher anzusehen, indem ich versuchte, die Anordnung
derselben in die Form eines Stammbaumes zu bringen und über den wahrschein-
lichen Bau der Stammeltern mir Rechenschaft zu geben, sah ich freilich bald, —
und ich war darauf gefasst gewesen, — dass es langjähriger Vorarbeiten bedürfen
würde, ehe die eigentliche Aufgabe in ernstlichen Angriff genommen werden könne.
Die bisherigen systematischen Arbeiten legten meist mehr Gewicht auf die die
Gattungen, Familien, Ordnungen scheidenden, als auf die die Glieder jedes Kreises
unter sich verknüpfenden Merkmale und lieferten deshalb oft verhältnissmässig
wenig verwendbaren Stoff. Vor Allem aber war eine eingehende Kenntniss der
Entwickelung unentbehrlich, und Jedermann weiss, wie lückenhaft in dieser Be-
ziehung das bisher Erkannte ist. Diese Lücken waren um so schwieriger auszu-
füllen, da man, wie van Beneden für die Decapoden bemerkt, wegen der oft un-
glaublich verschiedenen Entwickelung nächstverwandter Formen, meist Familie für
Familie, oft Gattung für Gattung, ja man kann in Hinblick auf Peneus hinzusetzen,
bisweilen selbst Art für Art besonders studiren musste, und da diese Untersuch-
ungen, an sich mühsam und zeitraubend, in ihrem Erfolge oft von einem glück-
lichen Ungefähr abhingen.
Musste so aber auch der „Stammbaum der Krebse" als ein Unternehmen
erscheinen, für dessen befriedigende Ausführung die Kraft und die Lebensfrist
eines Einzelnen kaum ausreichen mochte, selbst unter günstigeren Verhältnissen,
als eine entlegene Insel, fern vom grossen Markte des wissenschaftHchen Lebens,
fern von Bibliotheken und Museen, sie bieten konnte, — so wurde mir doch täg-
lich seine Ausführbarkeit weniger zweifelhaft, und täglich machten mich neue
Erfahrungen der Darwin'schen Lehre günstiger gestimmt.
Wenn ich mich nun entschliesse, über die Gründe mich auszusprechen, die
sich mir aus der Betrachtung unserer Kruster zu Gunsten der Darwin'schen An-
sichten ergaben, und die — neben allgemeineren Erwägungen und beiläufigen
Erfahrungen auf anderen Gebieten — wesentlich dazu beitrugen, die Richtigkeit
jener Ansichten mir immer wahrscheinlicher zu machen, so bestimmt mich dazu
hauptsächlich eine Aeusserung Darwin's. „Wer immer", sagt er (Uebers. v. Bronn,
S. 486), „sich zur Ansicht neigt, dass Arten veränderlich sind, wird durch gewissen-
haftes Geständniss seiner Ueberzeugung der Wissenschaft einen guten Dienst
leisten." Dem in diesen Worten enthaltenen Wunsche entspreche ich meinerseits
um so lieber, da dies mir Gelegenheit bietet, öffentlich dem Danke Worte zu
Für Darwin.
203
leihen, zu dem ich mich Darwin auf's Tiefste verpflichtet fühle für die Belehrung
und Anregung, die ich seinem Buche in so reichem Maasse schulde. So werfe
ich denn getrost dieses Sandkorn in die Wagschale gegen den „Berg von Vor-
urtheilen, unter welchem dieser Gegenstand vergraben ist", unbekümmert, ob auch
mich die Priester einer alleinseligmachenden Wissenschaft zu den Träumern rechnen
werden und zu den „Kindern an Erkenntniss der Naturgesetze".
IL
Eine falsche Voraussetzung wird früher oder später, wenn man weiter und
weiter den aus ihr fliessenden Folgerungen nachgeht, zu Ungereimtheiten und
greifbaren Widersprüchen führen. Solche Widersprüche zwischen den aus Dar-
win's Lehre für die Klasse der Kruster sich ergebenden Schlüssen aufzufinden,
habe ich mich viel bemüht während der nicht kurzen Zeit peinlichen Zweifels, in
der das Zünglein der Wage mir völlig ungewiss schwankte zwischen dem Für
und dem Wider, und in der jede zu rascherer Entscheidung führende Thatsache
mir hoch willkommen sein musste. Ich habe keinen gefunden, weder damals,
noch später. Die ich gefunden zu haben meinte, lösten sich bei näherer Betrach-
tung, oder verwandelten sich selbst in Stützen der Darwin'schen Lehre.
Auch von anderen Seiten sind, soviel mir bekannt geworden, keine noth-
w endigen Folgerungen der Darwin'schen Voraussetzungen als in offenem, un-
vereinbarem Widerspruche stehend nachgewiesen worden. Und doch, da zu den
Gegnern Darwin's die gründlichsten Kenner der Thierwelt gehören, sollte man
meinen, dass es ihnen ein Leichtes hätte sein müssen, ihn längst unter der Menge
ungereimter widerspruchsvoller Folgerungen zu erdrücken, wenn solche überhaupt
aus seiner Lehre zu ziehen wären. Auf diesen Mangel nachgewiesener Wider-
sprüche glaube ich ganz dasselbe Gewicht legen zu dürfen zu Gunsten Darwin's,
das wider ihn seine Gegner dem Mangel nachgewiesener Zwischenformen zwischen
den Arten verschiedener Erdschichten beimessen. Letzterem Umstände wird übrigens,
abgesehen von den Gründen, die Darwin für ein nur sehr ausnahmsweises Er-
haltensein solcher Zwichenformen gibt, keine übergrosse Bedeutung , beizulegen
geneigt sein, wer je die Entwicklung eines Thieres an aus dem Meere gefischten
Larven verfolgt, und dabei Monate, Jahre lang vergeblich nach Zwischenformen
gesucht hat, von denen er doch weiss, dass sie zu Tausenden ihn umschwärmen.
In welcher Weise nun überhaupt Widersprüche sich als nothwendige Aus-
flüsse der Darwin'schen Voraussetzungen herausstellen könnten, mögen einige
Beispiele veranschaulichen.
Es scheint für alle Krabben, die längere Zeit ausser Wasser sich aufhalten,
Bedürfniss zu sein (weshalb, berührt uns hier nicht), dass von hintenher Luft in
ihre Kiemenhöhle eintrete. Diese Krabben nun, die sich mehr oder minder dem
Wasser entfremdet haben, gehören den verschiedensten Familien an: den Rani-
niden (Ranina), Eriphinen (Eriphia gonagra), Grapsoiden (Aratus, Sesarma u. A.),
Ocypodiden (Gelasimus, Ocypoda) u. s. w. Die Scheidung dieser Familien würde
ohne Zweifel in weit frühere Zeit zu setzen sein, als die Gewohnheit einzelner
ihrer Mitglieder, das Wasser zu verlassen. Die auf Luftathmung bezüglichen Ein-
richtungen könnten also nicht von einem gemeinsamen Stammvater ererbt, also
kaum in übereinstimmender Weise gebaut sein. Fände sich eine solche, nicht auf
?04
Für Danvin.
zufällige Aehnlichkeit zurückführbare Uebereinstimmung, so würde sie als Beweis
gegen die Richtigkeit der Darwin'schen Ansichten in die Wage zu legen sein.
Ich werde weiter unten zeigen, wie in diesem Falle der Befund, weit entfernt
solche Widersprüche zu bieten, vielmehr im vollsten Einklänge steht mit dem,
was sich aus Darwin's Lehre voraussagen Hess.
Ein zweites Beispiel. Man kennt vier Arten von Melita (valida, setipes,
anisochir, Fresnelii), und ich kann eine fünfte hinzufügen (Fig. i), deren zweites
Fusspaar auf der einen Seite eine kleine Hand von gewöhnlicher Bildung, auf
der anderen aber eine ungeheure Kneifzange trägt. Diese As}^mmetrie ist etwas
so Ungewöhnliches unter den Amphipoden, die Bildung der Kneifzange weicht
soweit ab von dem, was man sonst in dieser Ordnung sieht, und ist so überein-
stimmend bei den fünf Arten, dass man diese unbedenklich als denselben, nur
ihnen unter den bekannten Arten gemeinsamen Stammeltern entsprossen ansehen
müsste. Einer dieser Arten nun, der von Savigny in Aegypten gesammelten
M. Fresnelii, soll die den anderen
zukommende Nebengeissel der vor-
deren Fühler fehlen. Bei der Zu-
verlässigkeit aller Arbeiten Savigny's
ist die Richtigkeit dieser Angabe
kaum zu bezweifeln. Besässe nun
die An- oder Abwesenheit der
Nebengeissel die Bedeutung eines
Gattungen scheidenden Merkmals,
die man ihr beizulegen pflegt, oder
fänden sich sonstige erhebliche Unter-
schiede zwischen Melita Fresnelii und
den anderen genannten Arten, die es
natürlich erscheinen Hessen, jene als eigene Gattung abzuscheiden, diese mit den
übrigen Melitaarten vereinigt zu lassen, d. h., im Sinne der Darwin'schen Lehre,
anzunehmen, dass alle anderen Melita gemeinsame Stammeltern besassen, die
nicht zugleich Stammeltern der Melita Fresnelii gewesen, — so würde das im
Widerspruch stehen mit dem aus der Bildung der Kneifzange gezogenen Schlüsse,
dass MeUta Fresnelii und die vier andern genannten Arten gemeinsame Stammeltern
besassen, die nicht zugleich Stammeltern der übrigen Melitaarten gewesen. — Es
würde folgen
Fig. I. Melita exilii n. sp. Männchen, 5mal vergr.
Zwischen den Füssen sieht mau die grossen Kiemenblätter
vorragen.
aus der Bildung der Kneifzange :
O.
M. palmata etc. M. exilii etc. M. P'resnelii.
aus der An und Abwesenheit der Nebengeissel ;
M. plamata etc. M. exilii etc. M. Fresnelii.
Wie im ersten Falle, bei den Krabben, eine typische Uebereinstimmung
unabhängig von einander entstandener Einrichtungen, so würde im zweiten jede
tiefer greifende Verschiedenheit als nächst verwandt anzusprechender Arten ein
für Darwin's l^ehre sehr bedenklicher Umstand sein. Nun scheint mir aber, dass
die Nebengeissel in keiner Weise einen Grund abgeben kann, die enge verwandt-
Für Darwin.
205
schaftliche Beziehung" von Mehta Fresnelii zu M. exih"i u. s. w. zu bezweifehi,
welche anzunehmen die eigenthümliche Bildung der unpaaren Kneifzange gebietet.
Man muss fürs Erste an die Möglichkeit denken, dass die nicht immer leicht
aufzufindende Nebengeissel von Savigny doch nur übersehen wurde, wie auch
Spence Bäte vermuthet. P'ehlt sie wirklich, so ist daran zu erinnern, dass ich sie
bei Arten der Gattungen Leucothoe, Cyrtophium, Amphilochus finde, bei welchen
Gattungen sie von Savigny, Dana. Spence Bäte vermisst wurde, dass eine durch
den Bau der Hüftblätter (epimeres Edw., coxae Sp. B.), der Schwanzfüsse (uro-
poda Westwood) u. s. w. als echte Amphithoe ^) sich ausweisende hiesige Art sie
besitzt, dass sie bei manchem Cerapus zu einem kaum nachweisbaren Reste ver-
kümmert, ja dass sie bisweilen in der Jugend vorhanden ist, im reifen Alter (wenn
auch vielleicht nie spurlos) schwindet, wie Spence Bäte bei Acanthonotus Owenii
und Atylus carinatus fand und wie ich für einen durch gefiederte Kiemen merk-
würdigen Atylus unseres Meeres bestätigen kann, und dass nach alledem noch
heute, wo die wachsende Menge der bekannt gewordenen Amphipoden und die
dadurch herbeigeführte Zersplitterung in zahlreiche Gattungen ein Herabsteigen
zu sehr kleinlichen Unterscheidungsmerkmalen erfordert, dennoch die Benutzung
der Nebengeissel als Gattungsmerkmal beanstandet werden muss und dass also
der Fall der Melita Fresnehi kein Bedenken gegen Darwin's Lehre erregen kann.
III.
Wenn die Widerspruchslosigkeit der Folgerungen, die für ein engeres und
somit leichter zu übersehendes Gebiet aus ihr flössen, ein günstiges Vorurtheil für
Darwin's Ansichten erwecken musste, so durfte es als ein wirklicher Triumph
derselben begrüsst werden, wenn weit greifende Schlüsse, die auf sie gebaut
wurden, nachträglich durch Thatsachen bestätigt wurden, deren Bestehen die
bisherige Wissenschaft in keiner Weise ahnen Hess. Aus manchen Erfolgen dieser
Art, von denen ich berichten könnte, wähle ich als Beispiele zwei aus, die mir
von besonderer Wichtigkeit waren und Entdeckungen betreffen, deren grosse Be-
deutung für die Morphologie und Systematik der Kruster auch die Gegner Dar-
win's nicht in Abrede stellen werden.
Betrachtungen über die Entwickelungsgeschichte der Kruster hatten mich
zu dem Schlüsse geführt, dass wenn überhaupt höhere und niedere Kruster von
gemeinsamen Urahnen ableitbar wären, auch erstere einst Nauplius-ähnliche Zu-
stände durchlaufen haben müssten. Wenig später entdeckte ich Nauplius-ähnliche
Larven von Garneelen (Troschel's Arch. f. Naturgesch. 1863. I. S. 8 = Gesammelte
Schriften S. 167) und gestehe, dass dieser Fund für mich den ersten entscheiden-
den Ausschlag zu Darwin's Gunsten gab.
Die den Krabben und Krebsen, den Amphipoden und Asseln zukommende
gleiche Zahl von Leibesringen ^), von denen die sieben letzten stets abweichend
1) Ich nehme diese, wie alle genannten Amphipodengattungen in der ihnen von Spence Bäte (Catal.
of Amphipodous Crustacea) gegebenen Begrenzung.
2) Wie Claus betrachte ich die Augen der Kruster nicht als Gliedmassen und rechne daher keinen
besonderen Augenring an, zähle dagegen das Mittelstück des Schwanzes mit, dem man vielfach die Be-
deutung eines Leibesringes abspricht. Gegen die Deutung als Leibesring ist wohl nur der Mangel der
Gliedmassen anzuführen, dafür namentlich das Verhalten des Darmes, der in diesem Stücke auszumünden
pflegt, bisweilen selbst es seiner ganzen Länge nach durchsetzt, wie bei Microdeutopus und einigen anderen
,Q^ Für Darwin.
von den vorhergehenden ausgestattet sind, musste unabweisHch als Erbtheil der-
selben Urahnen angesprochen werden. Wenn nun heute noch die Mehrzahl der
Krabben und Krebse und überhaupt der stieläugigen Kruster Zoea-ähnliche Ent-
wickelungszustände durchläuft, und dieselbe Weise der Verwandlung ihren Stamm-
eltern zuzuschreiben war, so musste ein Gleiches, wenn auch nicht für die Stamm-
eltern der Asseln und Amphipoden, so doch für die gemeinsamen Urahnen dieser
und der stieläugigen Kruster gelten. Eine solche Annahme aber war jedenfalls
sehr gewagt, so lange ihr nicht eine einzige Thatsache aus dem eigenen Gebiete
der Edriophthalmen zur Stütze gegeben werden konnte, da der Bau dieser so in
sich abgeschlossenen Gruppe fast unvereinbar schien mit manchen Eigenthümlich-
keiten der Zoea. So bildete für mich dieser Punct lange eine der Hauptschwierig-
keiten bei Anwendung der Darwin'schen Ansichten auf die Kruster, und kaum
durfte ich hoffen, noch jetzt bei Amphipoden oder Asseln Spuren jenes Durch-
gangs durch die Zoeaform erhalten zu finden und damit einen thatsächlichen
Beweis für die Richtigkeit jenes Schlusses zu erlangen. Da machte mich van Be-
neden's Angabe, dass eine Scheerenassel (Tanais Dulongii), nach Milne Edwards
Amphipoden. Bei Microdeutopus fühlt man sich sogar versucht, wie schon Spence Bäte hervorhebt, kleine
Fortsätze dieses röhrenförmigen Schwanzstückes als verkümmerte Gliedmassen zu deuten. Auch Bell
(British Stalk-eyed Crust. pag. XX) will bei Palaemon serratus Gliedmassen des letzten Ringes in Form
kleiner beweglicher Spitzen beobachtet haben.
Man hat mehrfach versucht, den Leib der höheren Kruster in kleinere aus gleicher Ringzahl ge-
bildete Abschnitte zu zerlegen und diese Abschnitte bald aus 3, bald aus 5, bald aus 7 Ringen zusammen-
gesetzt, ohne dass einer dieser Versuche sich allgemeiner Zustimmung hätte erfreuen können. Meine
eigenen Untersuchungen leiten mich zu einer Auffassung, die sich nahe an die van Beneden's anschliesst.
Ich nehme vier Abschnitte von je 5 Ringen an: Urleib, Vorderleib, Hinterleib, Mittelleib. Der Urleib
begreift die Ringe, die die Naupliusförmige Larve aus dem Eie mitbringt; später wird er durch die in
seiner Mitte sich entwickelnden jüngeren Abschnitte in Kopf und Schwanz getrennt. Diesem Urleibe
gehören die beiden Fühlerpaare, die Kinnbacken (mandibulae) und die Schwanzfüsse (posterior pair of
pleopoda Sp. B.) an. Noch beim erwachsenen Thiere verräth sich die Zusammengehörigkeit dieser End-
abschnitte bisweilen durch die Aehnlichkeit ihrer Anhänge, besonders die des äusseren Astes der Schwanz-
füsse mit dem äusseren Aste (der sog. Schuppe) des zweiten Fühlerpaars. Selbst zu Trägern höherer
Sinneswerkzeuge können, wie die Fühler, so die Schwanzfüsse werden, wie das Ohr der Mysis zeigt.
Die zeitliche Folge der Leibesabschnitte scheint ursprünglich die gewesen zu sein, dass erst der
Vorderleib, dann der Hinterleib, zuletzt der Mittelleib sich bildete. Der Vorderleib erscheint beim er-
wachsenen Thiere ganz oder zum Theile mit dem Kopfe verschmolzen, seine Anhänge (siagonopoda Westw.)
alle oder theilweise der Nahrungsaufnahme dienstbar und meist scharf von denen der folgenden Gruppe
geschieden. Die Ringe des Mittelleibes scheinen stets sofort nach ihrem Auftreten Gliedmassen zu treiben,
während die Ringe des Hinterleibes oft während längerer Abschnitte des Larvenlebens, oder selbst für
immer (bei manchen weiblichen Diastylideen) sich fusslos erhalten ; ein Grund, neben manchen anderen, —
den Mittelleib der Krebse nicht, wie es üblich ist, dem stets fusslosen Hinterleibe der Insecten gleichzu-
stellen. Die Anhänge des Mittelleibes (pereiopoda) scheinen niemals, selbst nicht in ihrer jugendlichsten
Form, zwei gleichwerthige Aeste zu besitzen, — eine Eigenthümlichkeit, die die Anhänge des Hinter-
leibes auszuzeichnen pflegt. Es ist dieses ein Umstand, der als wichtiges Bedenken gegen die Gleich-
stellung des Mittelleibes der Malacostraca mit dem bei den Copepoden die Schwimmfüsse, bei den Cirri-
pedien die Rankenfüsse tragenden Leibesabschnitte geltend zu machen ist.
Die Füsse des Hinterleibes und des Schwanzes in eine Gruppe (als fausses pattes abdominales, oder
als pleopoda) zusammenzufassen, scheint nicht gerechtfertigt. Wo eine Verwandlung stattfindet, entstehen
sie wohl immer zu verschiedenen Zeiten, und durchaus verschieden sind sie fast immer in Bau und Ver-
richtung. Selbst bei den Amphipoden, wo die Schwanzfüsse den beiden letzten Paaren der Hinterleibs-
füsse ähnlich zu sehen pflegen, sind sie in der Regel durch irgendwelche Eigenthümlichkeit ausgezeichnet,
und während die Hinterleibsfüsse in ermüdender Einförmigkeit sich durch die ganze Ordnung wiederholen,
gehören bekanntlich die Schwanzfüsse zu den veränderlichsten Theilen des Amphipodenleibes.
Für Darwin.
?07
in die gleiche Familie mit der gemeinen Wasserassel gehörig, einen Panzer be-
sitze, wie die Decapoden, auf diese Thiere aufmerksam, und eine nähere Unter-
suchung ergab, dass diese Asseln treuer, als irgend ein anderer der erwachsenen
Kruster manche der wesentlichsten Zoeaeigenthümlichkeiten, namentlich deren
Athmungsweise bewahrt haben. Während bei allen anderen Asseln die Hintcr-
leibsfüsse der Athmung dienen, sind diese bei unserer Scheerenassel (Fig. 2) reine
Bewegungswerkzeuge, in die nie ein Blutkörperchen eintritt, und der Haupt-
sitz der Athmung ist, wie bei den Zoea in den von reichlichen Blutströmen
durchrieselten Seitentheilen des Pan-
zers, unter welchem ein beständiger
Wasserstrom hinzieht, erhalten, wie
bei Zoea und den erwachsenen Deca-
poden, durch einen Anhang des zweiten
Kieferpaares, der allen anderen Edri-
ophthalmen abgeht. Fig. 2. Tanais dubius (?) Kr. ?. 25mal vergr. Man
Beide Entdeckungen, das sei ne- sieht die Eingangsöffnung (x), m die vom Panzer über-
, , ., 1 1 1 . T TT7- 1 r^ wölbte Höhlung, in welcher ein Anhang des zweiten
benbei bemerkt, dankt dieWlSSenschaft Kieferpaares (/) spielt. An 4 Füssen (i, k, l, m) finden
weniger einem glücklichen Zufall, als sich Anlagen der Blätter, die später die Bruthöhle bilden.
unmittelbar Darwin und seiner Lehre.
Peneusarten leben in den Meeren Europa 's, wie hier ; ihre Naupliusbrut ist
sicher manchem der zahlreichen Forscher, die jene Meere ausbeuten, und mir
selbst ') wiederholt unbeachtet durch die Hände gegangen ; denn sie hat Nichts,
was ihr unter den so mannichfaltigen und oft so wunderlichen Naupliusformen
eine besondere Aufmerksamkeit zulenken könnte. Als ich, wegen der Aehnlich-
keit der Bewegung in ihr eine junge Peneus-Zoea vermuthend, zum ersten Male
eine solche Larve eingefangen hatte, und nun unter dem Mikroskope einen von
jenen Zoea himmelweit verschiedenen Nauplius fand, hätte ich diesen ohne Zweifel,
als der Entwicklungsreihe, die ich verfolgte, völlig fremd, bei Seite geworfen,
wenn nicht gerade der Gedanke an frühere Nauplius-ähnliche Zustände der höheren
Krebse, die ich freilich kaum noch in der Gegenwart erhalten glaubte, mich leb-
haft beschäftigt hätte.
Und hätte ich nicht schon lange unter den Edriophthalmen nach Resten
der vorausgesetzten Zoeazustände gesucht und Alles mit Eifer erfasst, was diese
widerspenstige Ordnung mir fügsam zu machen versprach, so hätte schwerlich
van Beneden's kurze Andeutung mich so elektrisch berührt und zu erneuter Be-
schäftigung mit den Scheerenasseln angeregt, und dies um so weniger, da ich
schon einmal, an der Ostsee mich mit ihnen geplagt hatte, ohne weiter als meine
Vorgänger kommen zu können, und da zweimal auf denselben Gegenstand zurück-
zukommen, nic:ht eben nach meinem Geschmack ist.
IV.
Unsere Scheerenassel, die überhaupt in fast allen Verhältnissen ihres Baues
ein höchst merkwürdiges Thier ist, lieferte mir noch eine zweite, für die Lehre von
der Entstehung der Arten durch natürliche Züchtung, beachtenswerthe Thatsache,
i) Mecznikow fand neuerdings Nauplius-ähnliche Larven von Gameelen im Meer bei Neapel (Anm.
aus der engl. Uebersetzung von 1869).
208
Für Darwin.
Wo bei den Krustern hand-, oder scheerenförmige Bildungen vorkommen,
pflegen dieselben bei den Männchen stärker, als bei den Weibchen entwickelt zu
sein, und schwellen bei ihnen oft zu ganz unverhältnissmässiger Grösse an, wie
wir es oben bei Melita sahen. Ein bekannteres Beispiel solcher Riesenscheeren
liefern die Männchen der sogenannten Winkerkrabben (Gelasimus), von denen
man sagt, dass sie diese Scheere
■ beim Laufen „hocherhaben tra-
gen, als ob sie damit winkten";
— eine Angabe, die wenigstens
nicht für alle Arten richtig ist;
eine kleine besonders gross-
scheerige Art, die ich z. B. in
den Mandioccafeldern an der
Mündung des Cambriü zu Tau-
senden herumlaufen sah, hält
sie stets dicht an den Leib ge-
presst. — Eine zweite Eigen-
thümlichkeit der Krustermänn-
chen besteht nicht selten in einer
reichlicheren Entwicklung zar-
ter Fäden an der Geissei der vor-
deren Fühler, die Spence Bäte
Hörfäden (auditory cilia) nennt,
und die ich, wie vor mir, ohne
dass ich es wusste, Leydig als
Riechwerkzeuge deutete. So
bilden sie, wie auch van Bene-
den für Bodotria angibt, lange
dichte Büschel bei den Männchen
mancher Diastylideen , deren
Weibchen sie nur in spärlicher
Anzahl besitzen. Für die Cope-
poden machte Claus auf die Ver-
schiedenheit der Geschlechter in
dieser Beziehung aufmerksam.
Es spricht, beiläufig bemerkt,
diese stärkere Entwicklung bei
den Männchen, wie mir scheint, sehr zu Gunsten der von Leydig und mir ver-
tretenen Ansicht, da auch sonst ja die männhchen Thiere nicht selten durch den
Geruch beim Aufspüren der brünstigen Weibchen geleitet werden.
Bei unserer Scheerenassel nun gleichen die jungen Männchen bis zur letzten
der Geschlechtsreife vorausgehenden Häutung den Weibchen ; dann aber erleiden
sie eine bedeutende Verwandlung. Sie verlieren unter Anderem die beweglichen
Anhänge des Mundes bis auf diejenigen, die der Unterhaltung des Athemstromes
dienen; man findet ihren Darm stets leer und sie scheinen nur noch der Liebe
zu leben. Was aber das Merkwürdigste ist, sie erscheinen nun unter zwei ver-
Fig. 3. Kopf der gewöhnlichen Form der Männchen von
Tanais dubius (?) Kr. gomal vergr. Zwischen den Scheeren-
füssen ragen die Endborsten des zweiten Fühlerpaares vor.
— Fig. 4. Mundgegend desselben, v. unten. X. Oberlippe. —
Fig. 5. Kopf der seltneren Form der Männchen, 25mal vergr. —
Fig. 6. Fühlergeissel desselben mit den Riechfäden, gomal vergr.
Für Darwin.
209
schiedenen Gestalten. Die einen (Fig. 3) bekommen gewaltige, langfingrige, recht
bewegliche Scheeren und statt des einzigen Riechfadens der Weibchen deren etwa
12 bis 17, die zu zwei bis drei an den Gliedern der Fühlergeissel stehen. Die
andern (Fig. 5) behalten die plumpe Scheerenform der Weibchen ; dafür aber sind
ihre Fühler (Fig. 6) mit weit zahlreicheren Riechfäden ausgerüstet, die zu 5 bis 7
beisammen stehen.
Zunächst, ehe ich auf deren Bedeutung eingehe, noch ein Wort über die
Thatsache selbst. Es war natürlich daran zu denken, ob nicht etwa zwei ver-
schiedene Arten mit sehr ähnlichen Weibchen und mehr verschiedenen Männchen
zusammenlebten, oder ob nicht die Männchen, statt in zwei scharf geschiedenen
Formen aufzutreten, nur innerhalb sehr weiter Grenzen veränderlich wären. Ich
kann weder das Eine, noch das Andere annehmen. Unsere Scheerenassel lebt
zwischen dicht verfilzten Wasserfäden, die einen etwa zolldicken Ueberzug auf
Steinen in der Nähe des Ufers bilden. Bringt man eine Handvoll dieses grünen
Filzes in ein grösseres Glas mit reinem Seewasser, so sieht man bald seine Wände
sich mit Hunderten, ja Tausenden dieser kleinen plumpen weisslichen Asseln be-
decken. So habe ich mit der einfachen Linse manches Tausend, und ich habe
mit dem Mikroskope sorgfältig viele Hunderte durchgemustert, aber ich habe
keine Verschiedenheiten unter den Weibchen und keine Zwischenformen zwischen
den zweierlei Männchen auffinden können.
Das Vorkommen nun dieser zweierlei Männchen wird der Schule als blosses
Curiosum, es wird denen, welche den ., Schöpfungsplan" als „freie Conception eines
allmächtigen Verstandes" ansehen, „welche in dessen Gedanken gereift ist, bevor
sich dieselbe in greifbaren, äusseren Formen offenbarte", als blosse Laune des
Schöpfers erscheinen, da sie weder aus dem Gesichtspuncte praktischer Zweck-
mässigkeit, noch aus dem „typischen Bauplane" erklärbar ist. Von Darwin's Lehre
aus erhält dagegen diese Thatsache Sinn und Bedeutung, und sie scheint hin-
wiederum geeignet, Licht zu werfen auf eine Frage, in der Bronn „den ersten
und erheblichsten Einwand gegen die neue Theorie" erblickte, — wie es möglich
sei, dass aus der Häufung in verschiedenen Richtungen auseinanderlaufender
kleinster Abänderungen, Abarten und Arten entstehen, die von der Stammform
nett und scharf wie ein gestieltes Dicotyledonenblatt sich abheben und nicht mit
ihr und untereinander, wie der unregelmässige krause Lappen einer Blätterflechte
mit der übrigen Flechtenmasse verfliessen.
Lassen wir die noch gleichgebildeten Männchen unserer Scheerenassel, —
meinetwegen, wie Bronn will, nach allen beliebigen Richtungen hin, — abzuändern
beginnen. War die Art ihren Lebensverhältnissen angepasst, war in dieser Be-
ziehung bereits durch natürliche Züchtung das Beste erreicht und gesichert, so
hatten neue die Art als Art berührende Abänderungen, als Rückschritte keine
Aussicht sich geltend zu machen, mussten vielmehr, wie sie auftauchten, wieder
verschwinden und nur für die geschlechtlichen Beziehungen blieb den abändernden
Männchen der Kampfplatz geöffnet. Hier konnten sie Vortheile über ihre Mit-
bewerber erlangen, indem sie entweder ihre Weibchen besser aufzuspüren oder
besser zu fassen vermochten. Die besten Riecher besiegten alle, die ihnen in
dieser Beziehung nachstanden, wenn sie nicht andere Vorzüge, etwa kräftigere
Scheeren, entgegenzustellen hatten. Die besten Packer besiegten alle schwächer
Fritz Müllers gesammelte Schriften. '4
2IO
Für Danvin.
Fig. 7. Orchestia Darwinii n. sp. Männchen.
bewaffneten Kämpen, wenn sie nicht andere Vorzüge, etwa schärfere Sinne, ihnen
entgegenstellten. Man begreift, wie auf diese Weise einerseits alle in der Aus-
bildung der Riechfäden, andrerseits alle in der Ausbildung der Scheeren minder
begünstigten Zwischenstufen vom Kampfplatze verschwinden und zwei scharf ge-
schiedene Formen, die besten Riecher und die besten Packer als einzige Gegner
übrig bleiben konnten. Zur Zeit scheint sich der Kampf zu Gunsten der letzteren
entscheiden zu wollen, da sie in weit überwiegender Mehrzahl, vielleicht zu Hundert
auf Einen Riecher vorkommen.
Wenn daher Bronn, um auf dessen Einwand zurückzukommen, „gerne zu
Gunsten der Darwin'schen Theorie und zur Erklärung, warum nicht viele Arten
durch Zwischenglieder in einander verfliessen, noch irgend ein äusseres oder inneres
Princip entdecken möchte,
welches die Abänderungen
jeder Art nur in einer Rich-
tung weiter drängte, statt sie
in allen Richtungen bloss zu
gestatten", — so wird ein
solches, wie in diesem, so in
vielen anderen Fällen einfach
darin zu finden sein, dass eben
nur wenige Richtungen offen
stehen, nach denen hin die
Veränderungen zugleich Verbesserungen sind, in denen also sie sich häufen und
befestigen können, während sie in allen anderen als gleichgültig oder nach-
theilig „wie gewonnen, so zerronnen" sein werden.
Das Vorkommen von zweierlei Männchen bei derselben Art mag vielleicht
eine nicht allzu seltene Erscheinung sein bei Thieren, wo sich dieselben weit von
der Bildung der Weibchen entfernen. Doch nur bei solchen, die man sich in ge-
nügender Menge verschaffen kann, wird es möglich sein, sich zu überzeugen, dass
man nicht etwa verschiedene Arten oder verschiedene Altersstufen vor sich habe.
Ich kann aus dem Bereiche meiner wenig ausgedehnten Erfahrung ein zweites
Beispiel geben. Es betrifft einen Strandhüpfer (Shore-hopper, Orchestia). Das
Thier (Fig. 7) lebt an sumpfigen Stellen in der Nähe des Meeres, unter moderndem
Laube, in der lockeren Erde, welche die Sumpfkrabben (Gelasimus, Sesarma,
C)^clograpsus u. s. w.) um den Eingang ihrer Höhlen aufwerfen, ja unter trockenem
Kuh- und Pferdedung. Wie es sich so weiter vom Strande entfernt, als die Mehr-
zahl seiner Gattungsgenossen, — (einige freilich gehen meilenweit in's Land, bis
auf tausend Fuss hohe Berge, wie O. tahitensis, telluris, sylvicola) — , so entfernt
sich das Männchen noch mehr von allen bekannten Arten durch die gewaltigen
Scheeren des zweiten Fusspaares. Nur die Orchestia Gryphus, von der sandigen
Küste von Mönchgut, zeigt eine entfernt ähnliche Bildung, während sonst die
gewöhnliche Handform der Amphipoden sich findet. Namentlich in der Bildung
dieser Scheeren nun findet eine erhebliche Verschiedenheit zwischen den Männchen
statt, so gross als sie sonst kaum zwischen zwei Arten der Gattung wiederkehrt,
und wie bei der Scheerenassel trifft man nicht etwa eine lange Reihe in einander
verfliessender Bildungen, sondern nur zwei durch keinerlei Zwischenglieder ver-
Für Darwin.
211
bundene Formen (Fig. 8 u. 9). Man würde die Männchen unbedenklich als zwei
wohl geschiedene Arten betrachten, wenn sie nicht an gleicher Stelle mit ununter-
scheidbaren Weibchen zusammenlebten. Dass nun gerade bei dieser Art die
doppelte Scheerenform der Männchen vorkommt, ist insofern beachtenswerth, als
die weit von der gewöhnlichen Bildung der anderen Arten abweichende Gestaltung
der Scheeren darauf hinweist, dass sie noch neuerdings beträchtliche Veränderungen
erlitten habe, und als daher von vornherein gerade bei ihr eher als bei anderen
ein solches Vorkommen zu erwarten war.
Fig. 8.
Fig. 10. $
Fig. 8 u. 9. Die zweierlei Scheeren der Männchen von Orchestia Darwinii. 45 mal vergr.
Fig. 10. Hüftblatt des vorletzten Fusspaares vom Männchen, sowie Hüftblatt nebst den drei fol-
genden Gliedern desselben Fusspaares vom Weibchen der Melita Messalina. 45mal vergr.
Fig. II. Hüftblatt desselben Fusspaares vom Weibchen der Melita insatiabilis.
Ich kann mich nicht enthalten, bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen,
dass man (soviel Spence Bate's Katalog ersehen lässt) zu zweierlei verschiedenen
Männchen (Orchestia telluris und sylvicola), die zusammen in den Wäldern von
Neuseeland gesammelt wurden, erst einerlei Weibchen kennt, und die Vermuthung
zu wagen, dass hier ein ähnlicher Fall vorliege. Es ist mir nicht wahrscheinHch,
dass von diesen gesellig lebenden Amphipoden zwei nahe verwandte Arten unter
den gleichen Lebensbedingungen mit und durcheinander vorkommen sollten.
Wie die Männchen mehrerer Melita- Arten durch die mächtige unpaare Kneif-
zange, so sind die Weibchen einiger anderen Arten derselben Gattung dadurch
vor allen anderen Amphipoden ausgezeichnet, dass bei ihnen eine besondere Vor-
richtung entwickelt ist, die dem Männchen das Halten derselben erleichtert. Die
Hüftblätter des vorletzten Fusspaares sind in hakenförmige Fortsätze ausgezogen,
an die sich das Männchen mit den Händen des ersten Fusspaares festklammert.
Die beiden Arten, von denen ich diese Bildung kenne, gehören zu den begattungs-
eifrigsten Thieren ihrer Ordnung, selbst Weibchen, die mit Eiern auf beliebiger
14*
212
Für Darwin.
Entwickelungsstufe beladen sind, haben nicht selten ihr Männchen auf dem Rücken.
Beide Arten sind nahe verwandt mit der an den europäischen Küsten weit ver-
breiteten und häufig untersuchten Melita palmata Leach (Gammarus Dugesii Edw.) ;
leider aber finde ich keinen Aufschluss darüber, ob auch die Weibchen dieser oder
einer andern europäischen Art eine ähnliche Vorrichtung besitzen; bei Melita exilii
sind alle Hüftblätter von gewöhnlicher Bildung. Doch, wie dem auch sei, mögen
sie nun bei zwei oder bei zwanzig Arten sich finden, jedenfalls ist das Vorkommen
jener eigenthümlichen hakenförmigen Fortsätze ein sehr beschränktes.
Unsere beiden Arten nun leben geschützt unter flach aufliegenden Steinen
in der Nähe des Ufers, die eine, Melita Messalina, so hoch, dass sie nur selten
vom Wasser bedeckt wird, die andere, Melita insatiabilis, ein wenig tiefer; beide
Arten leben in zahlreichen Schaaren beisammen. Weder ist also zu erwarten, dass
häufiger als bei anderen Arten den Liebespaaren störende Einflüsse drohen, noch
auch würde es dem Männchen, das etwa sein Weibchen verlöre, schwerer werden
als denen anderer Arten, ein neues zu finden. Ebensowenig ist abzusehen, wie diese
das Begattungsgeschäft sichernde Vorrichtung am Körper des Weibchens anderen
Arten nachtheilig sein könnte. So lange aber weder nachgewiesen ist, dass unsere
Arten dieser Vorrichtung besonders bedürftig sind, oder dass dieselbe anderen
Arten mehr schädlich als nützlich sein würde, so lange wird man ihr Vorhandensein
nur bei diesen wenigen Amphipoden als Werk nicht einer voraus berechnenden
Weisheit, sondern eines von der natürlichen Züchtung benutzten glücklichen Zufalls
ansprechen dürfen. Bei letzterer Annahme ist das so vereinzelte Vorkommen be-
greiflich, während man nicht absieht, warum der Schöpfer mit einer Vorrichtung,
die er doch mit dem „allgemeinen Bauplane" der Amphipoden vereinbar fand,
gerade nur diese wenigen Arten beglückte und sie anderen versagte, die unter
gleichen äusseren Verhältnissen leben und selbst in dem ungewöhnlichen Be-
gattungseifer ihnen gleichen. In Gesellschaft oder nächster Nachbarschaft der
beiden Melita leben nämlich zwei Allorchestes, von denen man ebenfalls fast mehr
Pärchen, als einzelne Thiere trifft und deren Weibchen doch nichts von jenen
Fortsätzen der Hüftblätter zeigen.
Wie diesen, so wird man, meine ich, gegen die von Agassiz mit so viel Geist
und Sachkenntniss vertretene Auffassung der Arten als verkörperter Gedanken
des Schöpfers alle ähnlichen Fälle geltend machen dürfen, in welchen Einrich-
tungen, die allen Arten einer Gruppe gleich nützlich sein würden, der Mehrzahl
fehlen und nur einzelnen bevorzugten Günstlingen, die deren nicht mehr als andere
bedürftig erscheinen, sich zugetheilt finden.
V.
Unter den auch in der Naturgeschichte der Kruster zahlreichen Thatsachen,
auf die von Darwin's Lehre aus ein neues helles Licht fällt, ist mir neben den
zwiefältigen Männchen unserer Scheerenassel und der Orchestia Darwinii noch eine
besonders wichtig erschienen, — das Verhalten der Kiemenhöhle bei den luft-
athmenden Krabben, von denen ich leider einige der merkwürdigsten (Gecarcinus,
Ranina) noch nicht untersuchen konnte. Da dies Verhalten, das Vorhandensein
eines hinter den Kiemen gelegenen Eingangs, selbst als Thatsache bisher nur bei
Ranina beachtet wurde, will ich etwas näher darauf eingehen. Ich erwähnte
Für Darwin.
213
schon, dass, wie es Darwin's Lehre fordert, diese Eingangsöffnung bei den ver-
schiedenen Familien in verschiedener Weise zu Stande kommt.
Bei der Froschkrabbe (Ranina) des indischen Meeres, die sich nach Rumph
bis auf die Dächer der Häuser zu versteigen Hebt, fehlt nach Milne Edwards
die gewöhnliche vordere Eingangsöffnung ganz und der Eingang eines in den
hintersten Theil der Kiemenhöhle mündenden Canales findet sich unter dem An-
fang des Hinterleibes.
Am einfachsten ist die Sache bei mehreren Grapsoiden. So bei Aratus
Pisonii, einer allerliebsten, lebhaften Krabbe, die auf die Manglebüsche (Rhizophora)
steigt und deren Blätter benagt. Mit ihren kurzen, aber ungemein spitzen Klauen,
die wie Stecknadeln prickeln, wenn sie einem über die Hand läuft, klettert sie
mit grosser Behendigkeit die dünnsten Zweiglein hinauf. Als ich einmal ein
solches Thier auf meiner Hand sitzen hatte, sah ich, wie es den hinteren Theil
seines Panzers hob, und wie sich dadurch jederseits über den letzten Füssen eine
breite Spalte erschloss, durch die ich tief in die Kiemenhöhle hineinsehen konnte.
Ich habe seitdem das merkwürdige Thier mir nicht wieder verschaffen können,
dagegen konnte ich dieselbe Beobachtung oft wiederholen an einem anderen Thiere
derselben Familie (einem echten Grapsus, wie es scheint), das häufig an den Felsen
unserer Küste lebt. Während der hintere Theil des Panzers sich hebt und die
erwähnte Spalte sich bildet, scheint zugleich der vordere Theil sich zu senken und
die vordere Eingangsöffnung zu verengen oder ganz zu schliessen. Unter Wasser
findet das Heben des Panzers nie statt. Das Thier öffnet also seine Kiemenhöhle
vorn oder hinten, je nachdem es Wasser oder Luft zu athmen hat. — Wie das
Heben des Panzers zu Stande kommt, weiss ich nicht, doch glaube ich, dass es
dadurch geschieht, dass ein häutiger Sack, der unter dem hinteren Theile des
Panzers aus der Leibeshöhle weit in die Kiemenhöhle hineinragt, durch Hinein-
treiben der Leibesflüssigkeit angeschwellt wird. —
Dasselbe Heben des Panzers beobachtete ich auch bei einigen Arten der
verwandten Gattungen Sesarma und Cyclograpsus, die in sumpfigem Boden tiefe
Löcher graben und manchmal auf dem feuchten Schlamme herumlaufen, oder wie
lauernd vor ihren Löchern sitzen. Man muss aber bei diesen Thieren sich oft
lange gedulden, ehe sie, dem Wasser entnommen, ihre Kiemenhöhle der Luft
erschliessen, denn es besteht bei ihnen eine wundervolle Vorrichtung, vermöge
deren sie auch ausser Wasser noch eine Zeitlang Wasser zu athmen fortfahren
können. — Die Oeffnungen zum Austritt des Wassers, das der Athmung gedient
hat, liegen bekanntlich bei diesen, wie bei den meisten Krabben in den vorderen
Ecken des Mundrahmens (cadre buccal Edw.), während von dessen hinteren Ecken
aus die Eingangsspalten der Kiemenhöhle über dem ersten Fusspaare sich hin-
ziehen. Der Theil des Panzers nun, der zu den Seiten des Mundes zwischen den
beiderlei Offnungen sich hinzieht (die regions pterygostomiennes), erscheint bei
unseren Thieren, und schon Milne Edwards hat das als eine besonders auffallende
Eigenthümlichkeit derselben hervorgehoben, in kleine quadratische Feldchen von
äusserster Regelmässigkeit getheilt. Dieses Aussehen ist bedingt theils durch
kleine warzenförmige Erhöhvmgen, theils und vorzugsweise durch eigenthümlich
knieförmig gebogene Haare, die gewissermaassen ein dicht über der Oberfläche
des Panzers ausgespanntes feines Netz oder Haarsieb bilden. Tritt nun eine
214
Für Darwin.
Wasserwelle aus der Kiemenhöhle aus. so verbreitet sie sich im Nu in diesem
Haarnetze und wird durch angestrengte Bewegungen des in der Eingangsspalte
spielenden Anhanges der äusseren Kieferfüsse der Kiemenhöhle wieder zugeführt.
Während das Wasser so als dünne Schicht über dem Panzer hingleitet, wird es
sich wieder mit Sauerstoff sättigen und dann aufs Xeue der Athmung dienen
können. Zur Vervollständigung dieser Einrichtung tragen die äussern Kieferfüsse,
wie ebenfalls längst bekannt, eine vorspringende, mit dichtem Haarsaum bedeckte
Leiste, die vorn nahe der Mittellinie beginnt und nach hinten und aussen zur
hintern Ecke des Mundrahmens sich hinzieht. Die beiden Leisten der rechten und
linken Seite bilden also zusammen ein Dreieck mit nach vorn gewandter Spitze,
einen Wogenbrecher, durch welchen das der Kiemenhöhle entströmende Wasser
vom Munde abgehalten und der Kiemenhöhle wieder zugeleitet wird. — In recht
feuchter Luft kann der in der Kiemenhöhle enthaltene Wasservorrath stundenlang
Fig. 13-
Fig. 12.
vorhalten und erst, wenn er zu Ende geht, hebt
das Thier seinen Panzer, um von hinten her
Luft zu den Kiemen treten zu lassen.
Bei Eriphia gonagra liegen die der Luft-
athmung dienenden Eingangsöffnungen der
Athemhöhle nicht wie bei den Grapsoiden über,
sondern hinter dem letzten Fusspaare, zu den
Seiten des Hinterleibes.
Bei den sehn eil füssigen Sandkrabben (Ocy-
poda), ausschliesslichen Landthieren, die im
Wasser kaum einen Tag sich lebend erhalten,
während weit früher schon ein Zustand gänz-
licher Erschlaffung eintritt und alle willkür-
lichen Bewegungen aufhören ^), kennt man
schon längst, ohne jedoch ihren Zusammen-
hang mit der Kiemenhöhle zu ahnen, eine
eigenthümliche Vorrichtung an den Füssen
des dritten und vierten Paares (Fig. 1 2). Diese
beiden Fusspaare sind dichter als die übrigen
aneinandergerückt; die einander zugewendeten Flächen ihrer Grundglieder, also die
hintere Fläche am dritten, die vordere am vierten Fusse, sind eben, glatt, und ihre
Ränder tragen einen dichten Besatz langer seidenglänzender, eigenthümlich ge-
stalteter Haare (Fig. 13). Milne Edwards, der ihrem Aussehen nach diese Flächen
passend mit Gelenkflächen vergleicht, meint, dass sie dazu dienen, die Reibung
zwischen den beiden Füssen zu vermindern. Man musste sich bei dieser Deutung
fragen, wie denn gerade bei diesen Krabben und gerade nur zwischen diesen
beiden Füssen eine solche die Reibung mindernde Vorrichtung nöthig werde.
Fig. 1 2. Hinterer Eingang in die
Kiemenhöhle von Ocypoda rhombea Fabr.
Nat. Gr. Der Panzer und der 4. Fuss der
rechten Seite sind entfernt.
Fig. 13. Spitzen einiger Haare vom
Grundglied des 3. Fusses. 45mal vergr.
i) Da dies nicht im Meere, sondern in Gläsern mit Seewasser beobachtet wurde, konnte man
denken, dass die Thiere ermatten und sterben, nicht weil sie unter Wasser sind, sondern weil sie den darin
enthaltenen Sauerstoff aufgezehrt. Ich brachte daher in dasselbe Wasser, aus dem ich eben eine bewusst-
lose Ocypoda genommen hatte, deren Beine schlaff niederhingen, eine Lupea diacantha, die durch Ver-
weilen an der Luft in gleichen Zustand gerathen war, und wie jene in der Luft, erholte sich diese im
Wasser.
Für Darwin.
215
abgesehen davon, dass die sonderbaren Haarbürsten, die ja im Gegentheil die
Reibung mehren mussten, unerklärt bleiben. Indem ich nun die Füsse einer
grossen Sandkrabbe in mancherlei Richtungen hin und herbog, um zunächst zu
sehen, bei welchen Bewegungen des Thieres Reibung an der bezeichneten Stelle
stattfinde, und ob dies vielleicht ihm besonders wichtige, oft wiederkehrende Be-
wegungen seien, — bemerkte ich, als ich die Füsse weit auseinander gespreizt
hatte, in der Tiefe zwischen ihnen eine ansehnliche runde Oeffnung, durch die sich
leicht Luft in die Kiemenhöhle einblasen, oder auch ein feines Stäbchen einführen
Hess. Die Oeffnung mündet in die Kiemenhöhle hinter einem kegelförmigen Zapfen,
der an Stelle einer bei Ocypoda fehlenden Kieme über dem dritten Fusse steht.
Sie wird seitlich begrenzt von Leisten, die sich oberhalb der Einlenkung der Füsse
erheben und an die sich der untere Rand des Panzers anlegt. Auch nach aussen
wird sie bis auf eine schmale Spalte von diesen Leisten überwölbt. Ueber diese
Spalte legt sich der Panzer, der gerade hier weiter als sonst nach unten vorspringt,
und so wird eine vollständige Röhre gebildet. Während Grapsus Wasser immer
nur von vorn her zu seinen Kiemen treten lässt, sah ich dasselbe bei Ocypoda
auch durch die soeben besprochene Oeffnung einströmen.
Mit Ocypoda stimmen in der Lage der hinteren Eingangsöffnung und den
sie begleitenden Eigenthümlichkeiten des dritten und vierten Fusspaares zwei
andere dem Wasser entfremdete Arten derselben Familie überein, die ich zu unter-
suchen Gelegenheit hatte. Die eine, vielleicht der Gelasimus vocans, die in Mangle-
sümpfen lebt, und die Oeffnung ihrer Höhle mit einem dicken, mehrere Zoll hohen,
walzenförmigen Schornstein zu versehen liebt, hat die Bürsten am Grundgliede
der betreffenden Füsse aus gewöhnlichen Haaren gebildet. Die andere, ein
kleinerer Gelasimus, in M. Edwards' Naturgeschichte der Kruster nicht verzeichnet,
die trocknere Stellen liebt und sich nicht scheut, unter der scheitelrechten Mittags-
sonne eines Decembertages im glühenden Sande umherzuschweifen, aber auch im
Wasser wenigstens mehrere Wochen lang auszudauern vermag, hat dagegen in
diesen Bürsten, wie Ocypoda, borstenlose, zarte, ja noch zartere und regelmässiger
eingeschnürte Haare ^). Was diese eigenthümlichen Haare bedeuten mögen, ob sie
nur fremde Körper von der Kiemenhöhle abhalten, ob sie der vorbeiströmenden
Luft Feuchtigkeit geben, oder ob sie etwa, wie ihr Ansehen namentlich bei dem
kleinen Gelasimus an die Riechfäden der Krabben erinnert, so auch ähnliche
Dienste leisten, das gebührend zu erörtern würde uns zu weit von unserem Gegen-
stande abführen. Doch sei bemerkt, dass bei beiden Arten, besonders bei Ocypoda,
die Riechfäden an der gewöhnlichen Stelle sehr verkümmert sind, und ihre Fühler-
geissein im Wasser nie die eigenthümlichen schlagenden Bewegungen ausführen,
wie man sie bei anderen Krabben und auch bei den grösseren Gelasimus sieht,
und dass allerdings wohl bei diesen luftathmenden Krabben, wie bei den luft-
athmenden Wirbelthieren, der Sinn des Geruchs am Eingange der Athemhöhle
zu suchen sein dürfte.
i) Dieser kleinere Gelasimus ist auch dadurch merkwürdig, dass bei ihm besonders augenfällig der
chamäleontische Farbenwechsel hervortritt, den manche Krabben zeigen. Der Panzer eines Männchens,
das ich eben vor mir habe, prangte vor fünf Minuten, als ich es fing, in seinem hinteren Theile in
blendendem Weiss ; jetzt zeigt er an derselben Stelle ein mattes Grau.
2l6
Für Darwin.
Soweit das Thatsächliche in Betreff des Luftathmens der Krabben. Es ist
schon oben angedeutet worden, weshalb Darwin's Lehre fordert, dass, wenn über-
haupt besondere Einrichtungen für die Luftathmung bestanden, dieselben ver-
schieden in den verschiedenen Eamilien gebildet seien. — Dass die Erfahrung
mit dieser Forderung in vollem Einklang steht, wird um so schärfer zu Gunsten
Darwin's betont werden dürfen, als die Schule, weit entfernt, so tiefgreifende Ver-
schiedenheiten voraussehen oder erklären zu können, dieselben vielmehr als etwas
höchst Verwunderliches wird betrachten müssen. Wenn bei den nahe verwandten
Familien der Ocypodiden und Grapsoiden die grösste Uebereinstimmung herrscht
in allen wesentlichen Verhältnissen ihres Baues, wenn für alles Andere, für die
Sinne, für die Gliederung der Gliedmassen, für jedes Stäbchen und Haarbüschelchen
des verwickelten Magengerüstes, für das Herz und den Kreislauf, wenn für die
der Wasserathmung dienenden Einrichtungen bis auf die mikroskopischen Häkchen
an den Haaren der die Kiemen abfegenden Geissein derselbe Bauplan sklavisch
festgehalten ist, woher nun auf einmal diese Ausnahme, diese völlige Verschieden-
heit für die Luftathmung?
Die Schule wird kaum eine Antwort haben auf diese PYage, sie müsste sich
denn auf den mit Recht unter uns in Verruf gekommenen theologisch-teleologischen
Standpunct stellen wollen, von dem aus das Zustandekommen einer Einrichtung
als erklärt gilt, wenn man ihre „Zweckmässigkeit" für das Thier nachweisen kann.
Von diesem aus würde man allerdings sagen können, dass eine über den hinteren
Füssen weitklaffende Spalte, die für Aratus Pisonii zwischen dem Laube der
Manglebüsche nichts Bedenkliches hatte, nicht passte für die im Sande lebende
Ocypoda; dass um dem Eindringen des Sandes vorzubeugen, hier die Oeffnung
der Kiemenhöhle an deren tiefster Stelle angebracht, dass sie von ihr aus abwärts
gerichtet, dass sie tief zwischen breiten mit schützenden Haarbürsten umsäumten
Flächen verborgen sein musste. — Es liegt diesen Blättern fern, im Allgemeinen
auf eine Zurückweisung jener Zweckmässigkeitslehre einzugehen. Dem vielen
Trefflichen, was seit Spinoza hierüber gesagt ist, wäre auch kaum etwas Wesent-
liches nachzutragen. Nur das möge bemerkt sein, dass ich es gerade als eine der
wichtigsten Leistungen der Darwin'schen Lehre ansehe, die nun einmal auf dem
Gebiete des Lebens unabweisbaren Nützlichkeitsbetrachtungen ihrer mystischen
Ueberschwenglichkeit entkleidet zu haben. — Für den vorliegenden Fall genügt
es, auf den Gelasimus der Manglesümpfe hinzuweisen, der hier mit verschiedenen
Grapsoiden dieselben äusseren Verhältnisse theilt, und doch nicht mit ihnen, sondern
mit der sandbewohnenden Ocypoda übereinstimmt.
VI.
Kaum minder schlagend als das Beispiel der luftathmenden Krabben ist das
Verhalten des Herzens in der Abtheilung der Edriophthalmen, die man billig
nach dem Vorgange von Dana und Spence Bäte, nur in zwei Ordnungen, die
Amphipoden und die Asseln, theilt.
Bei den Amphipoden, denen die genannten Forscher mit Recht auch die
Caprellen und Wallfischläuse (die Lämodipoden Latreille's) zuzählen, hat das
Herz unveränderlich dieselbe Lage; es dehnt sich als langer Schlauch durch die
sechs dem Kopfe folgenden Ringe und hat drei Paar mit Klappen versehener
Für Danvin.
217
Spalten zum Eintritt des Blutes, die im zweiten, dritten und vierten dieser Ringe
liegen. So fanden es La Valette bei Niphargus (Gammarus puteanus) und Claus
bei Phronima, und ebenso fand ich es bei einer ansehnlichen Zahl von Arten aus
den verschiedensten Familien ^). Die einzige, unerhebliche Ausnahme, auf die ich
bis jetzt gestossen bin, bietet die Gattung Brachyscelus 2) ; hier besitzt das Herz
nur zwei Spaltenpaare, indem es nach vorn nur bis in den zweiten Leibesring
reicht und des sonst in diesem Ringe liegenden Spaltenpaares entbehrt. ^)
Dieser Einförmigkeit gegenüber, die das Herz in der ganzen Ordnung der
Amphipoden zeigt, muss es sehr auffallen, es in der nächststehenden Ordnung der
Asseln als eines der veränderlichsten Organe wiederzufinden.
Bei den Scheerenasseln (Tanais) gleicht das Herz durch seine langstreckige
Schlauchform, sowie durch Zahl und Lage der Eingangsspalten dem Amphipoden-
herzen, mit dem Unterschiede jedoch, dass die beiden Spalten jedes Paares nicht
genau einander gegenüberliegen.
Bei allen übrigen Asseln ist das Herz nach dem Hinterleibe hingerückt.
Bei den wunderlich missgestalteten Binnenasseln der Porzellankrebse (Entoniscus
Porcellanae) ist das kuglige Herz des Weibchens auf eine kurze Strecke des lang-
gezogenen ersten Hinterleibsringes beschränkt und scheint ein einziges Spaltenpaar
zu besitzen. Bei dem Männchen des Entoniscus Cancrorum n. sp. (Fig. 16) Hegt das
Herz im dritten Hinterleibsringe. Bei den Schildasseln (Cassidina) ist das Herz
(Fig. 14) ebenfalls kurz und mit zwei Spaltenpaaren versehen, die im letzten Ringe
des Mittelleibes und dem ersten des Hinterleibes liegen. Bei einer jungen Fischassel
i) Besonders bequem für die Beobachtung der Herzspalten pflegen die Jungen im Ei, kurz vor
dem Ausschlüpfen, zu sein; sie sind meist genügend durchsichtig, die Bewegungen des Herzens sind
weniger stürmisch, als später, und sie liegen still selbst ohne den Druck eines Deckglases. — Bei der her-
kömniHchen Ansicht von der Verbreitung der Amphipoden, dass sie an Mannichfaltigkeit polwärts zu-,
nach dem Aequator hin abnehmen, mag man es befremdlich finden, wenn ich von einer ansehnlichen
Artenzahl an einer subtropischen Küste rede. Ich bemerke also, dass ich in wenigen Monaten und ohne
grössere, vom Strande aus unzugängliche Tiefen auszubeuten, 38 verschiedene Arten auffand, darunter 34
neue, — was mit den früher, namentlich durch Dana bekannt gewordenen schon 60 brasihanische Amphi-
poden ergiebt, während Kröyer in seinen „Grönlands Amfipoder" aus dem damals schon von weit zahl-
reicheren Forschern durchsuchten arctischen Meere mit Einschluss von 2 Lämodipoden nur 28 Arten
kannte.
2) Nach Milne Edwards' Anordnung würden die Weibchen dieser Gattung zu den Hyperines
ordinaires, die bisher unbekannten Männchen zu den Hyperines anormales gehören, deren unterscheidendes
Merkmal, die wunderlichen zickzackförmig zusammengelegten unteren Fühler, überhaupt eben nur eine
Geschlechtseigenthümlichkeit männlicher Thiere ist. Bei dem Systematisiren nach einzelnen todten Exem-
plaren, über deren Geschlecht, Alter u. s. w. man nichts weiss, sind ähnliche Missgriffe unvermeidlich.
So hat, um ein anderes Beispiel aus neuester Zeit zu geben, ein berühmter Fischkenner, Bleeker, kürzlich
zwei Gruppen der Cyprinodonten dadurch unterschieden, dass die einen, Cyprinodontini, eine pinna analis
non elongata, die andern, Aplocheilini, eine pinna analis elongata haben sollen; danach würden von einem
hier sehr häufigen Fischchen die Weibchen zur ersten, die Männchen zur zweiten Gruppe gehören. Solche
Missgriffe sind, wie gesagt, für den »dry skin philosopher« unvermeidlich und deshalb verzeihlich; sie
beweisen aber immerhin, wie grundsatz- und haltlos vielfach noch die heutige Systematik ins Blaue hinein
geht, und wie sehr sie des untrüglichen Prüfsteins für den Werth der verschiedenen Merkmale bedürftig
ist, den Darwin's Lehre ihr zu geben verspricht.
3) In Milne Edwards' Le(;ons sur la physiol. et l'anat. comp. III. p. 197 finde ich die Angabe,
dass nach Frey und Leuckart das Herz der Caprella linearis fünf Paar Spalten besitze; ich habe voll-
kommen durchsichtige junge Caprellen untersucht, — wahrscheinlich Junge der Caprella attenuata Dana,
mit der sie zusammen vorkamen, — aber nur die gewöhnlichen drei Spaltenpaare finden können.
2l8
Für Darwin.
(Anilocra) endlich (Fig. 15) sehe ich das Herz durch die ganze Länge des Hinter-
leibes sich erstrecken und mit vier (oder fünf?) Spalten versehen, die nicht paar-
weise, sondern abwechselnd in dem einen Ringe links, im nächsten rechts gelegen
sind. Bei anderen Thieren dieser Ordnung, die ich bis jetzt nur beiläufig untersuchte,
werden sich voraussichtlich noch weitere Verschiedenheiten finden lassen.
Woher nun in zwei einander so nahe stehenden Ordnungen dort jene Be-
ständigkeit, hier diese Veränderlichkeit desselben hpchwichtigen Organes? Von
der Schule wird man keine Erklärung erwarten dürfen, sie wird entweder die
Erörterung des Woher als ihrem Gebiete fremd, als jenseit der Grenzen der
Naturwissenschaft liegend ablehnen, — oder auch durch eine hochtönende, mit grie-
Fig. 15-
Fig. 14
Fig. 14. Herz einer jungen Cassidina. — Fig. 15. Herz
einer jungen Anilocra. — Fig. 16. Hinterleib des Männchens
von Entoniscus Cancrorum. h. Herz. /. Leber.
chischen Worten reich durch-
spickte Umschreibung des That-
bestandes den zudringlichen Fra-
ger zu verblüffen suchen. Da ich
leider mein Griechisch vergessen,
ist mir der zweite Ausweg ver-
schlossen ; da ich aber zum Glück
nicht zu den zünftigen Meistern,
sondern, mit Freiherrn von Lie-
big zu reden, zu den „Spazier-
gängern an den Grenzen der
Naturwissenschaft" zähle, kann
mich jenes zimperliche Beden-
ken der Schule nicht abhalten,
eine Antwort zu suchen, die sich
denn auch von Darwin's Stand-
puncte aus in ungezwungenster
Weise bietet.
Da ausser den Scheerenasseln, welche anderweite Gründe als der Urassel
besonders nahestehend anzusehen berechtigen (s. o.), und ausser den Amphipoden
auch die Krabben und Krebse ein Herz mit drei Spaltenpaaren und in wesentlich
gleicher Lage besitzen, — da dieselbe Lage des Herzens sogar bei den Embryonen
der Heuschreckenkrebse (Squilla) wiederkehrt (s. u.), wo das Herz des erwachsenen
Thieres und selbst schon, wie ich anderwärts zeigte, das weit von der Reife ent-
fernter Larven als langer Schlauch mit zahlreichen Oeffnungen sich weit durch
den Hinterleib streckt, — so darf man unbedenklich das Amphipodenherz als
Urform des Edriophthalmenherzens ansehen. Da ferner bei diesen Thieren das
Blut von den Athemwerkzeugen ohne Gefässe dem Herzen zuströmt, liegt es auf
der Hand, wie vortheilhaft eine möglichst genäherte Lage dieser Organe ihnen
sein muss. Als Urform der Athmungsweise hat man Grund, das bei den Scheeren-
asseln bestehende Verhältniss (s. o.) zu betrachten. Wo nun später, wie bei der
Mehrzahl der Asseln, Kiemen am Hinterleibe sich entwickelten, änderte sich, indem
es ihnen näher rückte, Lage und Bildung des Herzens, ohne dass für diese jüngere
Bildungsweisc sich wieder ein gemeinsamer Plan herausstellte, entweder weil diese
Umwandlung des Herzens erst nach der Scheidung der Stammform in unter-
geordnete Gruppen stattfand, oder weil wenigstens zur Zeit dieser Scheidung das
Für Darwin.
219
abändernde Herz sich noch in keiner neuen Form befestigt hatte. Wo dagegen
die Athmung dem vorderen Theile de§ Leibes verbUeb, — sei es in der ursprüng-
lichen Weise der Zoea, wie bei den vScheerenasseln, sei es, indem Kiemen am
Mittelleibe sich entwickelten, wie bei den Amphipoden, — da vererbte sich un-
verändert auch die Urform des Herzens, weil etwa auftauchende Abweichungen
eher Nachtheil, statt Vortheil brachten und sofort wieder untergingen.
Ich schliesse diese Reihe vereinzelter Beispiele mit einer Beobachtung, die
freilich nur zur Hälfte ins Bereich der Kruster fällt, auf das sich diese Blätter
beschränken wollen, und auch mit den eben besprochenen Verhältnissen keinen
weiteren Zusammenhang hat, als den, nur von Darwin's Lehre aus eine „verständ-
liche und Verständniss bringende Thatsache" zu sein. Als ich dieser Tage eine
Lepas anatifera öffnete, um das Thier mit der Beschreibung in Darwin's „Mono-
graph on the Subclass Cirripedia" zu vergleichen, stiess ich im Gehäuse dieses
Rankenfüssers auf einen blutrothen Ringelwurm mit kurzem, flachen Leibe, etwa
Y2 Zoll lang bei 2 Linien Breite, mit 25 Leibesringeln, ohne vorspringende Borsten-
höcker und ohne Gliedfäden. Der kleine Kopflappen trug 4 Augen und 5 Fühler ;
jeder Leibesring jederseits am Rande ein schief aufwärts gerichtetes Büschel ein-
facher Haarborsten und ziemlich entfernt davon auf der Bauchseite eine Gruppe
dickerer Borsten mit stark hakig gebogener zweizackiger Spitze. Ausserdem fand
sich über jedem der seitlichen Borstenbüschel eine Kieme, einfach an wenigen
der vordersten Ringe, weiterhin und bis zum Ende des Leibes stark baumförmig
verästelt. Das Thier, ein mit Eiern gefülltes Weibchen, gehört nach alledem
offenbar in die Familie der Amphinomiden, die einzige Familie, deren Angehörige
als treffliche Schwimmer im offenen Meere leben. — Dass dasselbe sich nicht zu-
fällig zur Lepas verirrt habe, sondern ihr als regelmässiger bleibender Gast zu-
gehöre, dafür bürgt seine im Verhältniss zu dem schmalen Eingange des Lepas-
gehäuses erhebliche Grösse, der vollständige Mangel des Regenbogenschimmers,
der die Haut freilebender Ringelwürmer und namentlich auch der Amphinomiden
auszuzeichnen pflegt, die Bildung und Stellung der unteren Borsten u. s. w. —
Dass nun aber gerade ein Wurm aus der Familie der im hohen Meere lebenden
Amphinomiden in der ebenfalls an Holz, Rohr u. dgl. im Meere fluthenden Lepas
als Gast sich findet, ist ohne Weiteres verständlich vom Standpuncte der Darwin-
schen Lehre aus, während die Verwandtschaft dieses Schmarotzers mit den frei-
lebenden Würmern des offenen Meeres völlig unbegreiflich bleibt bei der Annahme,
dass er selbstständig für den Aufenthalt in der Lepas geschaffen wurde.
Wie günstig nun auch für Darwin sich die besprochenen Beispiele ausnehmen,
man wird ihnen, und das mit vollem Recht, das Bedenken entgegenstellen dürfen,
dass es eben nur vereinzelte Thatsachen sind, die bei weit über das unmittelbar
Gegebene hinausgehenden Betrachtungen nur zur leicht mit dem täuschenden
Schimmer des Irrhchts von der rechten Bahn abziehen. Je hochragender der Bau,
um so breiter muss die sichernde Unterlage wohl gesichteter Thatsachen sein.
Wenden wir uns denn zu einem weiteren Felde, der Entwickelungsgeschichte
der Kruster, auf dem die Wissenschaft bereits eine bunte Fülle merkwürdiger
Thatsachen zusammengetragen hat, die aber für sie ein wüstes Haufwerk unhand-
lichen Rohstoffs geblieben sind, und sehen wir, wie unter Darwin's Hand diese
zerstreuten Werkstücke zu einem wohlgefügten Baue sich zusammenschliessen, in
220
Für Darw'in.
dem jedes, tragend und getragen, seine bedeutsame Stelle findet. Unter Darwin's
Hand, — denn ich werde Nichts zu thun haben, als eben die Bausteine an die
Stelle zu setzen, die' seine Lehre ihnen anweist. „Wenn die Könige baun, haben
die Kärrner zu thun."
VII.
Ueberblicken wir zunächst die vorliegenden Thatsachen.
Unter den stieläugigen Krustern (Podophthalma) kennt man nur
äusserst wenige Arten, die in der Gestalt der Eltern, mit vollzähligen, wohlge-
gliederten Leibesanhängen das Ei verlassen. So nach Rathke ^) der europäische
Flusskrebs und nach Westwood eine westindische Landkrabbe (Gecarcinus). Beide
Ausnahmen gehören also zu der geringen Zahl im süssen Wasser oder auf dem
Lande lebender Krabben und Krebse, — wie ja auch in manchen anderen FäUen
Süsswasser- und Landthiere der Verwandlung entbehren, während ihre Verwandten
im Meere eine solche durchlaufen. Ich erinnere an die vorwiegend dem süssen
Wasser und dem Lande angehörigen Regenwürmer und Blutegel unter den
Ringelwürmern, an die Plattwürmer des süssen Wassers und das Tetrastemma der
salzarmen Ostsee unter den Strudelwürmern, an die Lungenschnecken und an die
Flusskiemenschnecken, deren Junge (nach Troschel's Handb. der Zoologie) keine
mit Wimpern besetzte Mundlappen tragen, während die der so ähnlichen Strand-
schnecken (Littorina) sie besitzen.
Alle Meerbewohner dieser Abtheilung scheinen eine mehr oder minder be-
trächtliche Verwandlung zu bestehen. Nur unerheblich scheint dieselbe beim
Hummer zu sein, dessen Brut nach van Beneden sich dadurch vom erwachsenen
Thiere unterscheidet, dass ihre Füsse nach Art der Mysis einen frei nach aussen
ragenden Schwimmast besitzen. Auch scheinen, nach einer von Couch gegebenen
Abbildung, die Anhänge des Hinterleibes und Schwanzes noch zu fehlen.
Weit tiefer greifend ist die Verschiedenheit der jüngsten Brut vom ge-
schlechtsreifen Thiere bei der weit überwiegenden Mehrzahl der Podophthalmen,
die als Z o e a das Ei verlassen. Diese Jugendform findet sich, soweit die bisherigen
Erfahrungen reichen, bei allen Krabben, mit alleiniger Ausnahme jener einen \'on
Westwood untersuchten Art. Ich sage Art und nicht Gattung, denn Vaughan
Thompson fand bei derselben Gattung Gecarcinus Zoeabrut '^), die auch bei anderen
landbewohnenden Krabben (Ocypoda, Gelasimus etc.) getroffen wird. — Alle
Anomuren scheinen ebenfalls als Zoea ihren Lebenslauf zu beginnen; so die
Porcellanen, die Tatuira (Hippa emerita) und die Einsiedlerkrebse. Unter den
1) Gewährsmänner sind nur angeführt bei Thatsachen, die ich selbst zu bestätigen keine Gelegen-
heit hatte.
2) Bell (Brit. Stalk-eyed Crust. pg. XLV) hält sich berechtigt, Thompson's Beobachtung ohne
Weiteres zu „eliminiren", weil derselbe nur Eier tragende Weibchen in Weingeist habe untersuchen
können. Wer sich aber so viel mit der Entwicklung dieser Thieie beschäftigt, wie Thompson, musste
sehr wohl auch an Eiern, die von der Reife nicht allzufern und nicht allzuschlecht erhalten waren, un-
zweideutig erkennen können, ob daraus eine Zoea ausschlüpfen werde. Zudem spricht zu Thompson's
Gunsten die Lebensweise der Landkrabben. „Jährlich einmal" erzählt Troschel's Ilandb. der Zoologie,
„wandern sie in grossen Schaaren zum Meere, um ihre Eier abzulegen, und nachher sehr entkräftet zu
ihren Wohnplätzen zurück, welche nur von Wenigen erreicht werden." — Wozu diese aufreibenden
Wanderungen zum Meere bei Arten, deren Junge als Landthiere das Ei und die Mutter verlassen? —
Für Darwin.
221
langschwänzigen Krebsen kennt man dieselbe früheste Jugendform namentlich von
zahlreichen Garneelen; so von Crangon (Du Cane), Caridina (Joly), Hippolyte,
Palaemon, Alpheus u. s. w. Endlich ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch die
jüngste Brut der Heuschreckenkrebse (Squilla) sich hier anschliesst. —
Die wichtigsten Eigenthümlichkeiten nun, welche diese Zoeabrut vom er-
wachsenen Thiere unterscheiden, sind die folgenden :
Der Mittelleib mit seinen Anhängen, jenen fünf Fusspaaren, denen Krabben
und Krebse den Namen der Zehnfüsser danken, fehlt noch vollständig, oder ist
doch kaum angelegt; Hinterleib und Schwanz sind anhanglos; letzterer besteht
aus einem einzigen Stücke. Den Kinnbacken (mandibulae) fehlen, wie bei den
Insekten, die Taster. Die Kieferfüsse, von denen das dritte Paar oft noch fehlt,
sind noch nicht in den Dienst des Mundes gezogen, sondern erscheinen als zwei-
ästige Schwimmfüsse. Kiemen fehlen, oder wo sich deren erste Anlagen als kleine
warzenförmige Vorsprünge erkennen lassen, sind dieses dichte vom Blute noch
nicht durchströmte Zellenmassen, die also mit der Athmung nichts zu thun haben.
Ein Austausch zwischen den Gasen jrjg ,7 Fig. ig.
des Wassers und des Blutes wird über-
all an der dünnhäutigen Oberfläche
des Leibes statthaben können; als
Hauptsitz der Athmung aber darf
man unbedenklich die Seitentheile
des Panzers bezeichnen. Sie bestehen
ganz wie es Leydig von den Daphnien
beschreibt aus einem äusseren und
einem inneren Blatte, deren Zwischen-
raum von zahlreichen an den Enden
verbreiterten Querbälkchen durchsetzt
ist; die Lücken zwischen diesen Bälk-
chen werden von reicheren Blutströ-
men diu"chflossen, als sie sonstwo im
Leibe der Zoea sich finden. Dazu
kommt, dass ein beständiger Strom frischen Wassers in der Richtung von hinten
nach vorn unter dem Panzer hinzieht, unterhalten, wie beim erwachsenen Thiere,
durch einen blatt- oder zungenförmigen Anhang des zweiten Kieferpaares (Fig. 1 8).
— Zusatz feiner Farbtheilchen zu dem Wasser lässt selbst bei den kleineren Zoea
leicht diesen Athemstrom wahrnehmen.
Die Zoea der Krabben (Fig. 17) pflegen sich auszuzeichnen durchlange
stachelförmige Fortsätze des Panzers ; ein solcher ragt von der Mitte des Rückens
empor, ein zweiter von der Stirn nach unten und häufig steht noch ein kürzerer
jederseits nahe der hinteren, unteren Ecke des Panzers. Alle diese Fortsätze
fehlen jedoch nach Couch bei Mala, nach Kinahan bei Eurynome, und bei einer
dritten Art aus derselben Gruppe der Oxyrhynchen (der Gattung Achaeus zugehörig
oder nahestehend) finde ich ebenfalls nur einen unbedeutenden Rückenstachel, wäh-
rend Stirn und Seiten unbewehrt sind. Wieder ein Beispiel, das zur Vorsicht mahnt
beim Schliessen nach Analogie. Nichts schien näher zu liegen, als die schnabel-
förmige Bildung der Stirn bei den Oxyrhynchen zurückzuführen auf den Stirn-
Fig. 17. Zoea einer Sumpfkrabbe [Cyclograpsus (?)],
45 mal vergr.
Fig. 18. Kiefer (maxilla) des zweiten Paares von
derselben, iSomal vergr.
222
Für Darwin.
Fig. 19—23.
fortsatz der Zoea, und nun findet sich, dass gerade den Jungen der Oxyrhynchen
ein solcher Stirnfortsatz vöUig abgeht. — Wichtigere Eigenthümlichkeiten der
Krabbenzoea, wenn auch weniger augenfällig als jene Fortsätze des Panzers, die
im Verein mit den grossen Augen ihnen oft ein so wunderliches Aussehen ver-
leihen, sind die folgenden : die vorderen (inneren) Fühler sind einfach, ungegliedert,
am Ende mit 2 — 3 Riechfäden versehen; die hinteren (äusseren) Fühler laufen in
einen oft ungemein langen stachelförmigen Fortsatz (styliform process, Spence
Bäte) aus, und tragen aussen einen bisweilen sehr winzigen Anhang (squamiform
process, Sp. B.), der Schuppe des Garneelenfühlers entsprechend i) ; daneben ist
oft schon die erste Anlage der späteren Fühlergeissel erkennbar. Schwimmfüsse
(später Kieferfüsse) sind nur zwei Paare vorhanden ; es fehlt das dritte (nicht, wie
Spence Bäte will, das erste) vollständig, oder ist wie die fünf folgenden Fusspaare
nur als winzige Knospe vorhanden. Der
Schwanz, von sehr wechselnder Form,
trägt immer drei Paar Borsten an seinem
Hinterrande. Die Krabbenzoea pflegen
im Wasser sich so zu halten, dass der
Rückenstachel nach oben steht, der
Hinterleib nach vorn gekrümmt, der in-
nere Ast der Schwimmfüsse nach vorn,
der äussere nach aussen und oben ge-
richtet ist.
Zu bemerken ist noch, dass die
Zoea der Krabben, wie auch der Porcel-
lanen, der Tatiiira, der Garneelen beim
Ausschlüpfen aus dem Eie von einer die
Stachelfortsätze des Panzers, die Borsten
der Füsse und Fühler verhüllenden Haut
umschlossen sind, die sie schon nach
wenigen Stunden abstreifen. Bei Achaeus
habe ich mir angemerkt, dass der Schwanz dieser jüngsten Larvenhülle an die Gar-
neelenlarven erinnert, und dasselbe scheint bei Mala der Fall zu sein (S. Bell, Brit.
Stalk-eyed Crust. pg. 44).
So weit sie beim ersten Anblick sich von ihnen zu entfernen scheinen, so
eng schHessen sich an die Zoea der Krabben die der Porcellanen (Fig. 24) an.
Fühler, Mundtheile, Schwimmfüsse zeigen dieselbe Bildung. Der Schwanz aber
trägt fünf Paar Borsten, der Rückenstachel fehlt, der Stirnfortsatz dagegen und
die Seitenstacheln sind von abenteuerlicher Länge und gerade nach vorn und
hinten gerichtet.
Auch die Zoea der Tatuira (Fig. 25) scheint nur wenig von denen der
Krabben abzuweichen, denen sie auch in ihrer Bewegungsweise gleicht. Der
Panzer besitzt nur einen kurzen, breiten Stirnfortsatz; der Hinterrand des Schwanzes
ist mit zahlreichen kurzen Borsten besetzt.
Schwänze verschiedener Krabbenzoea. Fig. 19
von Pinnotheres. — Fig. 20 von Sesarma. — Fig. 21
von Xantho. — Fig. 22. 23 von unbekannter Herkunft.
i) In einem Aufsatze über die Verwandlung der Porcellanen habe ich diesen Anhang irrthümlich
als „Geissei" bezeichnet (s. Ges. Schriften p. 154).
Für Darwin.
223
Die Zoca der Einsiedlerkrebse (Fig. 26) besitzt die einfachen inneren Fühler
der Krabbenzoea; die äusseren Fühler tragen auf kurzem Stiele aussen ein an-
sehnliches der Schuppe der Garneelenfühler ähnliches Blatt, innen einen kurzen
dornförmigen Fortsatz und zwischen beiden die noch kurze, aber schon mit zwei
Fig. 2-].
Fig. 24.
Fig. 25.
%
Fig. 24. Zoea der Porcellina stelli-
cola F. Müll. I5mal vergr.
Fig. 25. Zoea der Tatuira (Hippa
eremita L.). 45nial vergr.
Fig. 26. Zoea eines kleinen Ein-
siedlerkrebses. 45mal vergr.
Fig. 27. Zoea eines an Rhizostoma
cruciatum Less. sich aufhaltenden Pa-
laemon. 45mal vergr.
Endborsten bewehrte Geissei. Wie bei den Krabben finden sich nur zwei Paar
wohl entwickelte Schwimmfüsse (Kieferfüsse) ; aber auch das dritte Paar ist schon
als ansehnlicher, zweigliedriger, wenn auch noch borstenloser Stummel vorhanden.
Der Schwanz trägt fünf Paar Borsten. Das Thierchen pflegt sich im Wasser
gerade ausgestreckt zu halten mit abwärts gerichtetem Kopfe.
In derselben Haltung sieht man gewöhnlich die Zoea der Garneelen
(Fig. 27), die überhaupt im allgemeinen Ansehen mit denen der Einsiedlerkrebse
übereinstimmen. Zwischen den grossen zusammengesetzten Augen findet sich bei
ihnen ein kleines unpaares Auge. Die inneren Fühler tragen am Ende eines bis-
2 24. ^^^ Darwin.
weilen ansehnlich langen Grundgliedes innen eine gefiederte Borste, die auch schon
bei den Einsiedlerkrebsen sich findet, aussen ein kurzes Endglied mit einem oder
einigen Riechfäden. Die äusseren Fühler zeigen eine wohlentwickelte, bisweilen
deutlich gegliederte Schuppe und meist nach innen davon einen dornartigen Fort-
satz; die Geissei scheint in der Regel noch zu fehlen. Das dritte Paar der Kief er-
fasse scheint stets, wenigstens als ansehnlicher Stummel schon vorhanden zu sein.
Das spateiförmige Schwanzblatt trägt fünf bis sechs Borstenpaare am Hinterrande.
Die Entwicklung der Zoeabrut zum geschlechtsreifen Thiere verfolgte Spence
Bäte bei Carcinus Maenas; er wies nach, dass die Umwandlung eine ganz all-
mähliche ist, dass sich in ihr keine scharf geschiedenen Entwicklungsstufen, wie
etwa beim Schmetterlinge Raupe und Puppe abgrenzen lassen. Leider besitzen
wir nur diese einzige vollständige Beobachtungsreihe und ihre Ergebnisse dürfen
nicht ohne Weiteres als allgemein giltig betrachtet werden ; so bewahren die
jungen Einsiedlerkrebse das allgemeine Aussehen und die Bewegungsweise der
Zoea, während die Anlagen der Füsse des Mittel- und Hinterleibes heranwachsen,
und erscheinen dann auf einmal, indem diese in Thätigkeit treten, in ganz neuer
Gestalt, die von der des erwachsenen Thieres hauptsächlich durch vollkommene
S3^mmetrie des Leibes und durch vier Paar wohlgebildeter Schwimmfüsse am
Hinterleibe sich unterscheidet ^).
Sehr eigenthümlich scheint die Entwicklung der Panzerkrebse zu sein.
Claus fand in den Eiern der Languste (Palinurus) Embryonen mit vollständig
gegliedertem Leibe, denen die Anhänge des Schwanzes, des Hinterleibes, und
der beiden letzten Ringe des Mittelleibes fehlen ; sie besitzen ein einfaches un-
paares und ansehnliche zusammengesetzte Augen; die vorderen Fühler sind ein-
fach, die hinteren mit einem kleinen Nebenaste versehen; die Kinnbacken taster-
los; das dritte Paar der Kieferfüsse wie die beiden folgenden Fusspaare in zwei
fast gleichlange Aeste gespalten, während das letzte der vorhandenen Fusspaare
und das zweite Paar der Kieferfüsse nur einen unbedeutenden Nebenast tragen.
Coste will bekanntlich aus den Eiern desselben Krebses junge Phyllosomen ge-
zogen haben, — eine Angabe, die um so mehr einer nähern Begründung bedarf,
als die neueren Untersuchungen von Claus über Phyllosoma ihr keineswegs günstig
scheinen.
Die grossen zusammengesetzten Augen, die früh bewegt zu werden pflegen
und bisweilen schon in frühester Zeit auf langen Stielen stehen, sowie der Panzer,
der den ganzen Vorderleib deckt, weisen bei aller Verschiedenheit den bisher
betrachteten Larven sofort ihre Stelle unter den Podophthalmen an. Nicht ein
bezeichnendes Merkmal aber dieser Abtheilung bleibt der Brut einiger zur Gattung'
Peneus oder in deren Nähe gehörigen Garneelen. Dieselben verlassen das Ei mit
ungegliedertem eiförmigen Leibe, unpaarigem Stirnauge und drei Paar Schwimm-
füssen, von denen die vorderen einfach, die beiden anderen zweiästig sind, — in
jener unter niederen Krustern so häufigen Larvenform also, der O. F. Müller den
Namen Nauplius gab. Keine Spur eines Panzers, keine Spur der paarigen
Augen, keine Spur von Kauwerkzeugen neben dem von einer helmförmigen
Kappe überwölbten Munde!
i) Die Glaucothoö Peronii Edw. mag ein solcher junger noch symmetrischer Pagurus sein.
Für Darwin.
225
Für eine dieser Arten wurden bereits die Zwischenformen, die vom Nauplius
zur Garneele führen, in ziemhch enggeschlossner Reihe aufgefunden.
An die jüngsten Nauplius (Fig. 28) schliessen sich Formen, bei denen hinter
dem dritten Fusspacire eine Hautfalte als erste Andeutung des Panzers quer über
den Rücken zieht und auf der Bauchseite vier Paar plumpe Zapfen hervorspriessen,
— Anlagen neuer Gliedmassen. Innerhalb des dritten Fusspaares bilden sich
kräftige Kinnbacken aus.
Bei einer folgenden Häutung treten die neuen Gliedmassen, — Kiefer, vordere
und mittlere Kieferfüsse, — in Thätigkeit und damit ist aus dem Nauplius eine
Zoea geworden (Fig. 29), völlig übereinstimmend mit der Zoea der Krabben in
Fig. 28.
Fig. 29.
Fig. 28. Nauplius einer Garneele. 45mal
vergr.
Fig. 29. Jüngere Zoea derselben Garneele.
45mal vergr.
der Zahl der Leibesanhänge, — wenn auch freilich sehr abweichend in Gestalt
und Bewegungsweise und selbst in manchen Verhältnissen des inneren Baues.
Als hauptsächlichste Bewegungswerkzeuge dienen noch die schlanken langbe-
borsteten beiden vorderen Fusspaare, die späteren Fühler; das dritte Fusspaar
verliert seine Aeste und wird zu tasterlosen Kinnbacken. Die Oberlippe erhält
einen ansehnlichen vorwärts gerichteten Stachel, der sich bei allen verwandten
Zoeaarten wiederfindet. Die zweiästigen Kieferfüsse scheinen wenig bei der Be-
wegung witzuwirken. Der gabiige Schwanz erinnert mehr an die bei niederen
Krustern, namentlich den Copepoden vorkommenden Formen, als an das spatei-
förmige Schwanzblatt, das die Zoea der Alpheus, Palaemon, Hippolyte und andrer
Garneelen, der Einsiedlerkrebse, der Tatuira, der Porcellanen auszeichnet. Das
Herz besitzt nur ein Spaltenpaar und keine sein Innres balkenartig durchsetzenden
Muskeln, während bei anderen Zoea zwei Spaltenpaare und ein innres Balkenwerk
stets deutlich erkennbar sind.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. '5
226
Für Darwin
Während dieses Zoeazeitraums bilden sich (Fig. 30) die paarigen Augen, es
bilden sich die Ringe des Mittel- und Hinterleibes, die hinteren Kieferfüsse, die
seitlichen Schwanzanhänge und die stummei-
förmigen Anlagen der Füsse des MitteUeibes.
Die Schwanzanhänge spriessen wie andere
Gliedmassen frei an der Bauchfläche herv^or,
während sie bei anderen Garneelen, bei den
Porcellanen u. s. w. im Innern des spatei-
förmigen Schwanzblattes angelegt werden.
Indem die Füsse des Mittelleibes in
Thätigkeit treten, geht, unter gleichzeitigen
anderen tiefgreifenden Veränderungen, die
Zoea in die Mysis- oder Schizopodenform
über (Fig. 31). Die Fühler hören auf, der Be-
wegung zu dienen ; sie werden abgelöst durch
den langen Hinterleib, der vor Kurzem noch
als unnütze Last mühsam nachgeschleift wurde
und dessen kräftige Muskeln jetzt das Thier
in munteren Sprüngen durch's Wasser
schnellen und durch die langgeborsteten
Brustfüsse. Die vorderen Fühler haben ihre
langen Borsten verloren und neben dem
letzten (vierten) mit Riechfäden ausgestatte-
ten Gliede erscheint ein zweiter anfangs un-
gegliederter Ast. Der äussere bisher viel-
gliedrige Ast der hinteren Fühler ist zu einem
einfachen Blatte, der Schuppe des Garneelen-
fühlers geworden; daneben erscheint die
stummeiförmige Anlage der Geissei, wahr-
scheinlich als Neubildung, indem der innere
Ast vollständig schwindet. Die fünf neuen
Fusspaare sind zweiästig, der innere Ast kurz,
einfach, — der äussere länger, am Ende ge-
ringelt, langbeborstet und wie bei den Mysis
in beständiger strudelnder Bewegung. Das
Herz erhält neue Spalten und innere Muskel-
balken.
Während der Mysiszeit bilden sich Gehörwerkzeuge im Grundgliede der
vorderen Fühler, die inneren Aeste der drei vorderen Fusspaare entwickeln sich
Fig. 30. Aeltere Zoea derselben Garneele
45mal vergr.
Fig. 31. Mysisform derselben Garneele. 45mal vergr.
Für Darwin.
227
ZU Scheeren, die der zwei hinteren zu Gang-füssen; an den Kinnbacken sprosst
ein Taster, am Mittelleibe sprossen Kiemen, am Hinterleibe Schwimmfüsse hervor.
Der Dorn der Oberlippe bildet sich zurück. — Das Thier nähert sich so all-
mählich der Garneelenform, in der das unpaare Auge undeutlich geworden, der
Dorn der Oberlippe, die äusseren Aeste der Scheeren- und Gangfüsse verloren
gegangen sind, die Taster der Kinnbacken und die Hinterleibsfüsse deutliche
Glieder und Borsten erhalten haben und die Kiemen in Thätigkeit treten.
Bei einer anderen Garneele, deren verschiedene Larvenzustände leicht als zu-
sammengehörig erkannt werden an einem dunkelgelben scharfumschriebenen Fleck,
der das unpaare Auge umgiebt, stimmen die jüngsten
wahrscheinlich aus Nauplius hervorgehenden Zoea
(Fig. 32) in allen wesentlichen Verhältnissen mit
der eben besprochenen Art überein; dagegen ist
die weitere Entwicklung namentlich dadurch sehr
abweichend, dass weder die Füsse des Mittelleibes
noch die des Hinterleibes sich gleichzeitig bilden und
dass eine mit Mysis in Zahl und Eildung der Glied-
massen vergleichbare Entwicklungsstufe fehlt.
Zeitig zeigen sich Spuren der äusseren Kiefer-
füsse. Dann erscheinen Füsse an vier Ringen des
Mittelleibes und zwar zweiästig an den drei vorderen,
einfach, indem der innere Ast fehlt, an dem vierten
Ring. An den inneren Aesten entwickeln sich
Scheeren, die äusseren Aeste gehen verloren, ehe
noch ein innerer Ast am vierten Ringe aufgetreten
ist (Fig. 32). Letzterer erscheint wieder anhanglos,
so dass also hier in früherer Zeit vier, in späterer
nur drei Ringe des Mittelleibes Gliedmassen tragen.
Der fünfte Ring fehlt noch vollständig, während in-
zwischen auch sämmtliche Hinterleibsringe Glied-
massen erhalten haben und zwar einer nach dem an-
deren, von vorn nach hinten. Das erwachsene Thier
wird jedenfalls, darauf weisen die drei Scheerenpaare
hin, dem der vorigen Art sehr nahe stehen^).
Der jüngsten Zoea unserer Garneelen sehr nahe steht die jüngste der von
Claus beobachteten Larven der Schizopodengattung Euphausia ; aber während ihre
vorderen Fühler schon zweiästig sind, und sie hierin sich weiter vorgeschritten
zeigt, fehlen ihr noch die mittleren Kieferfüsse. Auch bei ihr fand Claus das
Herz mit einem einzigen Spaltenpaare versehen. Ob nicht auch hier der Zoea
naupliusähnliche Zustände vorausgehen?
Fig. 32. Jüngste (beobachtete)
Zoea einer anderen Garneele. Man
bemerkt die winzigen Knospen des
dritten Paares der Kieferfüsse. Die
Hinterleibsringe beginnen sich zu
bilden. Paarige Augen werden noch
vermisst. Vergr. 45mal.
i) Die ältesten beobachteten Larven zeichnen sich aus (s. Fig. 33) durch ungewöhnliche Länge der
Geissei der äusseren Fühler, und gleichen hierin der von Claus bei Messina gefundenen Sergesteslarve
(Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. XIII. Taf. XXVII, P'ig. 14). Diese ungemeine Länge der Pühler lässt
vermuthen, dass sie unserer gemeinsten, vielverspeisten, dem Peneus setiferus von Florida nächstverwandten
Garneele zugehören. Das Acanthosoma von Claus (a. a. O. Fig. 13) ist der Jüngern Mysisform der von
mir im Archiv für Naturgesch. 1863. Taf. II. Fig. 18 (= Ges. Schriften Taf. XXII Fig. 18) abgebildeten
Larve ähnlich, die ich auf Sicyonia carinata zu beziehen geneigt bin.
15*
221
Für Darwin.
Die Entwicklungsgeschichte der M^'sis, deren nahe Verwandtschaft mit
den Garneelen neuerdings wieder allgemein anerkannt wird, hat van Beneden
ausführlich geschildert. Soweit ich sie nachprüfte, kann ich dessen Angaben nur
bestätigen. — Die Entwicklung des Embryo beginnt mit der Bildung des —
Schwanzes! Derselbe tritt auf als einfacher Lappen, dessen Rückenfläche der
Rückenfläche des Embryo zugewandt ist und dicht anliegt. (Die Jungen anderer
stieläugiger Kruster sind bekanntlich im Ei so gekrümmt, dass die Bauchflächen
der vorderen und hinteren Körperhälfte einander zugekehrt sind, bei ihnen er-
scheint also der Rücken, bei M^^sis die Bauchseite gewölbt.) Bald nimmt der
Schwanz die Gabelform an, die wir bei der zuletzt betrachteten Garneelenzoea
kennen lernten. Dann sprossen am entgegengesetzten Leibesende zwei Paar
plumpe säbelförmige Anhänge hervor und dahinter ein Paar leicht zu übersehender
Höcker, — Fühler und Kinnbacken. Jetzt birst die Eihaut, ehe noch irgend ein
inneres Organ, irgend ein Gewebe ausser den Zellen der Hautschicht gebildet ist.
Man könnte das Junge
einen Nauplius nennen ;
eigentlich freilich ist nichts
da, als eine rohe Nach-
bildung einer Nauplius-
haut, ge Wissermassen eine
neue Eihaut, innerhalb
deren' die Mysis sich ent-
wickelt. Die zehn Paar
Anhänge des Vorder-
leibes (Kiefer , Kiefer-
füsse) und des Mittel-
leibes treten gleichzeitig
auf; später mit einem
Male die fünf Paar Hinterleibsfüsse. Kurz nachdem die junge M3'^sis die
Naupliushülle abgestreift, verlässt sie die Bruttasche der Mutter ^).
Aus der Entwicklungsgeschichte der Maulfüsser, denen man, den Mangel
einer besonderen Kiemenhöhle einseitig betonend, eine Zeitlang auch die Mysis,
die Leucifer, die Phyllosomen zuzählte, die man aber jetzt wieder, wie ursprüng-
lich Latreille, auf die Heuschreckenkrebse (Squilla), die Glaskrebse (Erichthus)
und ihre nächsten Verwandten beschränkt, sind bisher nur sehr vereinzelte Bruch-
stücke bekannt geworden. Die Verfolgung der Entwicklung im Ei wird er-
schwert durch den Umstand, dass die Heuschreckenkrebse nicht wie Krabben
und Krebse ihr Laich mit sich herumtragen, sondern in die von ihnen bewohnten
unterirdischen Gänge absetzen in Gestalt dünner, runder, dottergelber Platten.
Das Laich ist deshalb überhaupt schwierig zu erhalten und leider verdirbt es in
Tagesfrist, wenn es seiner natürlichen Brutstätte entnommen wird, während man
an den Eiern einer einzigen gefangen gehaltenen Krabbe wochenlang den Fort-
schritten der Entwicklung nachgehen kann. Die Eier der Squilla sterben, wie
I) Van Beneden, der selbst die Augenstiele als Gliedmassen betrachtet, kann doch nicht umhin, bei
Mysis zu bemerken: „Ce pedicule n'apparait aucunement comme les autres appendices et paratt avoir une
autre valeur morphologique."
Fig- 33- Aeltere Larve, aus der Fig. 32 gezeichneten Zoea hervor-
gehend. Es fehlt der letzte Ring und die beiden letzten Fusspaare des
Mittelleibes. Vergr. 2omal.
Für Darwin.
229
I'ig- 34- Embryo einer
Squilla, 45mal vergr. a Herz.
vom Leibe der Krabbe entfernte Eier, weil ihnen der lebhafte Strom frischen
Wassers fehlt, den die Mutter behufs ihrer eigenen Athmung durch ihre Höhle
treibt.
Beistehende Abbildung eines Squillaembryo zeigt, dass derselbe einen langen,
gegliederten, anhanglosen Hinterleib, einen zweilappigen Schwanz, sechs Paar
Gliedmassen und ein kurzes Herz besitzt; letzteres pulsirt
nur schwach und langsam. Erhält er vor dem Aus-
schlüpfen nicht noch weitere Gliedmassen, so dürfte die
jüngste Larve auf gleicher Stufe mit der jüngsten Claus-
schen Euphausialar\'e stehen.
Von den beiden bis jetzt bekannt gewordenen
Larvenformen, die mit Sicherheit, wenn auch nicht dem
Heuschreckenkrebse, so doch einem Maulfüsser zu-
zutheilen sind, übergehe ich die jüngere ^), da deren
Gliedmassen sich nicht zuverlässig deuten lassen, und
erwähne nur, dass bei ihr die drei letzten Hinterleibs-
ringe noch anhanglos sind. Der älteren Larve (Fig. 35), die namentlich durch
die Gestalt der grossen Raubfüsse und des vorhergehenden Fusspaares an die
erwachsenen Heuschre(;kenkrebse erinnert, fehlen noch die sechs den Raubfüssen
folgenden Fusspaare. Die entsprechenden Leibesringe sind schon wohl entwickelt,
ein unpaares Auge ist noch vorhanden, die
vorderen Fühler sind schon zweiästig, wäh-
rend den hinteren die Geissei fehlt, die
Kinnbacken sind tasterlos; die vier vorderen
Hinterleibsringe tragen zweiästige, kiemen-
lose Schwimmf üsse ; der fünfte Hinterleibs-
ring ist anhanglos; ebenso der Schwanz,
der noch als einfaches am Hinterrande mit
zahlreichen kurzen Zähnchen besetztes Blatt
erscheint. Man sieht, die Larve steht im
Wesentlichen auf der Stufe der Zoea.
VIII.
Minder mannichfaltig, als die der stiel-
äugigen Kruster ist die Entwicklungsweise
der Asseln (Isopoda) und Flohkrebse (Amphi- p.^ ^^ ^^^^^^^ ^arve (Zoea) eines Maul-
poda), die Leach in der Abtheilung Edrioph- füssers, ismal vergr.
thalmen, der Kruster mit Sitzaugen vereinigte.
Als Beispiel für die Entwicklung der Isopoden mögen die Felsenasseln
(Ligia) dienen. Wie bei Mysis ist bei ihnen der Schwanztheil des Embryo nicht
nach unten, sondern nach oben gekrümmt; wie dort, bildet sich zunächst eine
Larvenhaut, innerhalb deren dann die Assel sich entwickelt. Bei Mysis Hess sich
diese erste Larvenhaut einem Nauplius vergleichen; bei Ligia erscheint sie als
völlig anhanglose Made, die in einen langen einfachen Schwanz ausläuft. Die
I) Archiv für Naturgeschichte, 1863, Taf. I. = Ges. Schriften Taf. XXI.
230
Für Darwin.
Eihaut bleibt länger erhalten, als bei Mysis; sie birst, wenn schon die Gliedmassen
der jungen Assel vollzählig angelegt sind. Die Rückenfläche der Assel ist etwas
hinter dem Kopfe mit der Larvenhaut verwachsen. An dieser Stelle findet sich,
nachdem die Verbindung nicht lange vor der Häutung gelöst ist, ein blattförmiger
Anhang, der nur kurze Zeit besteht und schon geschwunden ist, ehe noch die
junge Assel die Bruttasche der Mutter verlässt.
Das Junge gleicht, wenn es für sich selbst zu sorgen anfängt, den Alten
fast in allen Stücken, bis auf einen wichtigen Unterschied: statt sieben besitzt es
nur sechs Paar Gangbeine; der letzte Ring des Mittelleibes ist nur wenig ent-
wickelt und anhanglos. Dass auch die geschlechtlichen Eigenthümlichkeiten noch
nicht ausgebildet sind, dass den Männchen noch die bandförmigen Verdickungen
an den vorderen Gangbeinen und die der Begattung dienenden Anhänge fehlen,
bedarf kaum besonderer Erwähnung.
Fig. 36.
Fig. 37-
Fig. 38.
Fig. 36. Embryo von Ligia im Ei, I5mal vergr. D. Dotter, L. Leber.
Fig. 37. Madenförmige Larve derselben. I5mal vergr. R. Rest der
Eihaut. Man sieht an der Bauchseite von vorn nach hinten: vordre, hintre
Fühler, Kinnbacken, vordre, hintre Kiefer, Kieferfüsse, sechs Gangfüsse, den
letzten anhanglosen Ring des Mittelleibes, fünf Hinterleibsfüsse, Schwanz-
füsse.
Fig. 38. Embryo einer Philoscia im Ei, 25mal vergr.
Auf die Frage, inwieweit die Entwicklung der Felsenasseln bei den übrigen
Isopoden sich wiederholt, kann ich nur ungenügende Antwort geben. Die Krüm-
mung des Embryo nach oben statt nach unten fand ich wie Rathke auch bei
Idothea, und ebenso bei Cassidina, Philoscia, Tanais und den'Bopyriden, vermisste
sie überhaupt bei keiner der darauf untersuchsen Asseln. Bei Cassidina ist auch
die erste anhanglose Larvenhaut leicht zu erkennen ; es fehlt ihr der lange Schwanz,
doch ist sie innerhalb des Eies stark gekrümmt, wie bei Ligia, und deshalb nicht
mit einer „inneren Eihaut" zu verwechseln; letzteres könnte man bei Philoscia,
wo sie sich eng an die Eihaut anschliesst und nur im Hinblick auf Ligia und
Cassidina als Larvenhaut zu deuten ist. — Den blattförmigen Anhang am Rücken
kennt man seit lange an den Jungen der gemeinen Wasserassel [Asellus^)]. —
i) Leydig hat diesen blattförmigen Anhang der Wasserasseln der „grünen Drüse" oder ,, Schalen-
drüse" anderer Kruster verglichen; er nimmt dabei an, dass die grüne Drüse ohne Ausführungsgang sei,
und beruft sich darauf, dass beiderlei Organe „an derselben Stelle" sich finden. Die Deutung ist keine
glückliche. Einmal überzeugt man sich, wie auch Claus fand, bei Leucifer sehr leicht, dass die „grüne
Drüse" wirklich am Ende des von Milne Edwards als „tubercle auditif", von Spence Bäte als „olfactory
Für Darwin.
231
Dass den Jungen der Landasseln (Porcellionides Edw.) und Fischasseln (Cymotho-
adiens Edw.) das letzte Fusspaar des Mittelleibes fehle, hat schon Milne Edwards
bemerkt. Das Gleiche gilt für die Schachtasseln (Idothea), für die lebendig ge-
bärenden Kugelasseln (Sphaeroma) und Schildasseln (Cassidina), für die Bopyriden
(Bopyrus, Entoniscus, Cryptoniscus n. g.) und für die Scheerenasseln (Tanais), also
wahrscheinlich für die überwiegende Mehrzahl der Isopoden. Alle übrigen Glied-
massen pflegen bei den jungen Asseln wohlentwickelt zu sein. Nur bei den
Scheerenasseln fehlen sämmliche Füsse des Hinterleibes (aber nicht des Schwanzes) ;
sie entwickeln sich gleichzeitig mit dem letzten Fusspaare des Mittelleibes.
Das letzte Fusspaar am Mittelleibe der Larve, das vorletzte also des er-
wachsenen Thieres, ist fast immer dem vorhergehenden gleichgebildet; eine be-
achtenswerthe Ausnahme machen jedoch hierin Cryptoniscus und Entoniscus; —
beachtenswerth als Beleg zu Darwin's Satze, dass „in ungewöhnlicher Weise ent-
wickelte Theile sehr veränderlich" sind ; denn für das „. .--■
F>g- 39- i^ig- 4°-
abweichend gebildete Fusspaar besteht die grösstmög-
liche Verschiedenheit zwischen den drei bisher beobach-
teten Arten. Bei Cryptoniscus (Fig. 3g) ist dieser letzte
Fuss dünn, ruthenförmig ; bei Entoniscus Cancrorum
ungemein lang, mit stark verdickter Hand und eigen-
thümlich gebildeter Scheere versehen ; bei Entoniscus Fig. 39. Embryo von Crypto-
Porcellanae sehr kurz, unvollständig gegliedert mit "'Fi^'.P4o"^"LSSr^°i^^i''vom
grossem eiförmigen Endgliede (Fig. 40). Mittelleibe von der Larve des
Einige Asseln erleiden unmittelbar vor dem Ein- Entoniscus Porcellanae, iSomal
° vergr.
tritte der Geschlechtsreife eine erhebliche Verwandlung;
so die Männchen der Scheerenasseln, von denen schon oben die Rede war, und
nach Hesse die Pranizae, bei denen beide Geschlechter in die als Anceus bekannte
Form übergehen sollen. Doch will Spence Bäte, ein sorgfältiger Beobachter, mit
weit in der Entwickelung vorgeschrittenen Eiern beladene Weibchen in Praniza-
form gesehen haben.
Wir treffen in dieser Ordnung zum ersten Male eine weitgehende rück-
schreitende Verwandlung als Folge des Schmarotzerlebens. Schon bei einigen
Fischasseln (Cymothoa) sind die Jungen muntere Schwimmer, die Alten blödsichtige,
steife, plumpe Gesellen, deren kurze Klammerfüsse nur noch geringer Bewegung
fähig sind. Bei den Lausasseln (Bopyrus, Phryxus, Kepone u. s. w., die man
füglich in einer Gattung hätte beisammen lassen können), Schmarotzern der
Krabben und Krebse, die hauptsächlich in deren Kiemenhöhle ihren Wohnsitz
nehmen, pflegen den erwachsenen Weibchen die Augen ganz zu fehlen ; die Fühler
verkümmern ; der breite Leib ist häufig in Folge des beschränkten Raumes un-
symmetrisch entwickelt, seine Ringe sind mehr oder minder verschmolzen, die
Füsse verkrüppelt, die Anhänge des Hinterleibes aus langbeborsteten Schwimm-
füssen zu blatt- oder zungenförmigen, bisweilen verästelten Kiemen geworden.
Bei den zwerghaften Männchen pflegen Augen, Fühler, Füsse besser erhalten zu
denticle" bezeichneten Vorsprunges ausmündet. Und zweitens ist die Steile eine so verschiedene, als sie
nur irgend sein kann. Dort eine paarige Drüse, am Grunde der hinteren Fühler, also an der Unterseite
des zweiten Ringes ausmündend; hier ein unpaares Gebilde in der Mittellinie des Rückens hinter
dem siebenten Ringe („hinter der Grenzlinie des ersten Brustsegments" Leydig) sich erhebend.
232
Für Darwin.
sein, als bei den Weibchen ; dagegen sind am Hinterleib nicht selten alle Anhänge
und bisweilen jede Spur von Gliederung verschwunden. Bei den Weibchen der
Binnenasseln (Entoniscus), welche in der Leibeshöhle von Krabben und Porcellanen
gefunden werden, schwinden Augen, Fühler, Mundtheile, schwindet die Gliederung
des wurmförmigen Leibes, schwinden bei einer Art (Fig. 41) sämmtliche Glied-
massen fast spurlos und den Cryptoniscus planarioides endlich würde man, wenn
nicht Eier und Junge die Krebsnatur verriethen, fast eher für einen Plattwurm
als für eine Assel halten. Unter den Männchen dieser verschiedenen Bopyriden
nimmt das des Entoniscus Porcellanae die niedrigste Stelle ein; es bleibt lebens-
länglich auf sechs Fusspaare beschränkt, die zu ungestalten kugligen Klumpen
verkrüppeln.
Fig. 41.
Fig. 42.
Fig. 43-
Fig. 41. Entoniscus
Cancrorum , Weibchen,
3mal vergr.
Fig. 42. Cryptoniscus
planarioides, "Weibchen,
3inal vergr.
Fig. 43. Embryo eines
Corophium, gomal vergr.
Die Flohkrebse (Amphipoda) sind schon zeitig im Eie von den Asseln
zu unterscheiden durch die abweichende Lagerung des Embryo, dessen Hinterende
nach unten gekrümmt ist. Ebenfalls sehr früh zeigt sich bei allen Thieren dieser
Ordnung, die bis jetzt darauf untersucht wurden ^), ein eigenthümliches Gebilde
am vorderen Theile des Rückens, durch welches der Embryo an die „innere
Eihaut" befestigt ist, und das man, unpassend wie mir scheint, als „Mikropyl-
apparat" bezeichnet hat 2). Man wird durch dasselbe erinnert an die Verbindung
der jungen Asseln mit der Larvenhaut, und an das unpaare „Haftorgan" im Nacken
der Wasserflöhe (Cladocera), welches bei Evadne besonders entwickelt ist und
während des ganzen Lebens sich erhält, bei Daphnia pulex aber, nach Leydig,
ebenfalls nur bei jüngeren Thieren vorhanden, bei ausgewachsenen spurlos ge-
schwunden ist.
Das Junge erhält schon im Eie die volle Zahl seiner Leibesringe und Glied-
massen; wo Leibesringe mit einander verschmelzen, wie die beiden letzten Ringe
des Mittelleibes bei Dulichia, die beiden letzten Hinterleibsringe mit dem Schwänze
i) Bei den Gattungen Orchestoidea, Orchestia, Allorchestes, Montagua, Batea n. g., Amphilochus,
Atylus, Microdeutopus, Leucothoe, Melita, Gammarus (nach Meissner und La Valette), Amphithoe, Cerapus,
Cyrtophium, Corophium, Dulichia, Protella, Caprella.
2) So wenig am Ende der Name zur Sache thut, sollte man doch den Namen „Mikropyle" auf
Canäle der Eihaut beschränken, die dem Eintritte des Samens dienen. Ueber den „Mikropylapparat" der
Amphipoden aber geht die äussere Eihaut, nach den eigenen Angaben von Meissner und La Valette un-
durchbohrt hinweg, er scheint nie vor der Befruchtung vorhanden zu sein, erreicht seine grösste Entwick-
lung in einer späteren Zeit des Eilebens und die ihn durchsetzenden zarten Canäle scheinen sogar nicht
immer vorhanden zu sein; überhaupt scheint er mehr dem Embryo als der Eihaut anzugehören. Ich ver-
mochte mich noch nicht zu überzeugen, dass überhaupt die sogenannte „innere Eihaut" wirklich eine
solche sei und nicht etwa eine erst nach der Befruchtung gebildete friihestc Larvenhaut, wie man im
Hinblick auf Ligia, Cassidina und Philoscia annehmen möchte.
Für Darwin.
233
bei Gammarus ambulans und Corophium dentatum n, sp., der letzte Hinterleibsring
mit dem Schwänze bei Brachysceliis ^), oder wo ein oder mehrere Ringe fehlen,
wie bei Dulichia und den Caprellen, da findet man dieselbe Verschmelzung, den-
selben Mangel schon bei den der Bruttasche der Mutter entnommenen Jungen.
Auch Eigenthümlichkeiten in der Bildung der Gliedmassen, sofern sie beiden Ge-
schlechtern zukommen, pflegen schon bei den ausschlüpfenden Jungen ausgeprägt
zu sein, so dass diese in der Regel nur durch plumpere Gestalt, geringere Zahl
der Fühlerglieder, der Riechfäden, sowie der Borsten und Zähne, mit denen Leib
oder Füsse bewaffnet sind, auch wohl durch verhältnissmässig grössere Neben-
geissel von ihren Eltern abweichen.
Eine Ausnahme von dieser Regel machen die meist an Quallen lebenden
Hyperinen ; bei ihnen haben Junge und Alte oft ein ausserordentlich verschiedenes
Aussehen; aber auch bei ihnen findet keine Neubildung von Leibesringen und
Gliedmassen, sondern nur eine allmähliche Umwandlung derselben statt-). So
i) Nach Spence Bäte soll bei Brachyscelus crusculum der fünfte Hinterleibsring nicht mit dem
sechsten (dem Schwänze), sondern mit dem vierten verschmolzen sein, was ich bei der grossen Ueberein-
stimmung, die sonst diese Art mit den beiden von mir untersuchten zeigt, bezweifeln möchte.
2) Spence Bäte vermisste bei den Jungen der Hyperia galba sämmtliche Füsse des Hinterleibes und
die zwei letzten Fusspaare des Mittelleibes ; die sehr auffallende Angabe bedarf um so mehr der Be-
stätigung, da er diese winzigen Thierchen
nur in getrocknetem Zustande untersuchte.
Nachträglich wurde mir die erwünschte
Gelegenheit, die Entwicklung einer an Rippen-
quallen, besonders Beroe güva Eschsch. nicht
seltenen Hyperia zu verfolgen. Die jüngsten
Larven, aus der Bruttasche der Mutter, be-
sitzen schon sämmtliche Füsse des Mittel-
leibes; dagegen vermisse ich, wie Spence
Bäte, die des Hinterleibes. Anfangs ziem-
lich einfach, werden diese Füsse bald sämmt-
lich wie die Vorderfüsse zu reichgezähnelten
Greiffüssen und zwar von dreifach ver-
schiedener Form , indem die Vorderfüsse
(Fig. 44), die beiden folgenden (Fig. 45)
und endlich die drei letzten Fusspaare
(Fig. 46) unter sich ähnlich und von den
übrigen abweichend gebildet sind. In dieser
Gestalt erhalten sich die Füsse sehr lange,
während die Hinterleibsanhänge zu kräftigen
Schwimmwerkzeugen, und die anfangs, wie
mir schien, ganz fehlenden Augen zu ge-
waltigen Halbkugeln heranwachsen. Bei dem
Uebergang in die Gestalt des erwachsenen
Thieres erleiden namentlich die drei letzten
Fusspaare (Fig. 49) eine bedeutende Ver-
änderung. Die Verschiedenheit der beiden
Geschlechter ist bedeutend; die Weibchen sind durch einen sehr breiten Mittelleib, die Männchen (Lestri-
gonus) durch sehr lange P^ühler ausgezeichnet, von denen die vorderen ungemein reichliche Riechfäden tragen.
Die jüngsten Larven können natürlich nicht schwimmen; es sind unbehilfliche Thierchen, die sich
Fig. ^^ — ^6. Füsse einer halbwüchsigen Hyperia Mar-
tinezii*) n. sp. — Fig. 47 — 49. Füsse eines ziemlich er-
wachsenen Männchens derselben Art.; und zwar 44 u. 47 vom
ersten Paare der Vorderfüsse (gnathopoda), 45 u. 48 vom
ersten, 46 u. 49 vom letzten Fusspaare des Mittelleibes,
gomal vergr.
*) Benannt nach meinem geschätzten Freunde, dem liebenswürdigen spanischen Zoologen, Herrn
Francisco de Paula Martinez y Saes, zur Zeit auf einer Reise um die Erde.
22 , Für Darwin.
gehen, um einige Beispiele zu geben, die gewaltigen Scheeren am drittletzten
Fusspaare der Phronima sedentaria nach Pagenstecher aus einem einfachen Fusse
von gewöhnlicher Bildung hervor, und umgekehrt bildet sich die Scheere am
vorletzten Fusspaare des jungen Brachyscelus zu einem einfachen Fusse um. Bei
den Jungen der letztgenannten Gattung ist der lange Kopf in eine kegelförmige
Spitze ausgezogen und trägt auffallend kleine Augen ; beim Heranwachsen er-
reichen diese, wie bei den meisten Hyperinen, einen ungeheueren Umfang und
füllen fast vollständig den nun kuglig erscheinenden Kopf, u. s. w.
Die Verschiedenheit der Geschlechter, die bei den Gammarinen besonders
in der Bildung der Vorderfüsse (gnathopoda Sp. Bäte), bei den H3^perinen in der
Bildung der Fühler ausgesprochen zu sein pflegt, und oft so beträchtlich ist, dass
man Männchen und Weibchen als verschiedene Arten beschrieben und mehrfach
sogar in verschiedene Gattungen (Orchestia und Talitrus, — Cerapus und Derco-
thoe, — Lestrigonus und Hyperia) und selbst Familien (HA^perines anormales und
Hyperines ordinaires) gestellt hat, bildet sich erst aus, wenn die Thiere ziemlich
herangewachsen sind. Bis dahin gleichen die Jungen im Allgemeinen den Weib-
chen, sogar in einigen Fällen, wo diese sich weiter als die Männchen von dem
„Typus" der Ordnung entfernen. So ist das zweite Paar der Vorderfüsse bei den
männlichen Strandhüpfern (Orchestia) mit einer kräftigen Hand versehen, wie bei
der Mehrzahl der Amphipoden, bei den Weibchen in höchst abweichender Weise
gebildet. Die Jungen gleichen dennoch den Weibchen. — So fehlen, — ein äusserst
seltener Fall ^) — , den Weibchen von Brachyscelus die hinteren (oder unteren)
Fühler, das Männchen besitzt dieselben, wie andere Amphipoden, bei den Jungen
finde ich, wie Spence Bäte, keine Spur davon.
Hervorzuheben ist noch, dass die Ausbildung der geschlechtlichen Eigentüm-
lichkeiten mit erlangter Geschlechtsreife nicht stille steht.
Jüngere geschlechtsreife Männchen von Orchestia Tucurauna n. sp. z. B. haben
schlanke untere Fühler mit unverschmolzenen Geisseigliedern, der Greifrand (palm
Sp. B.) der Hand des zweiten Fusspaares ist gleichmässig gewölbt, das letzte
Fusspaar ist schlank, den vorhergehenden ähnlich. Später verdicken sich die
Fühler, die zwei, drei, vier ersten Glieder der Geissei verschmelzen, der Greifrand
namentlich an die Schwimmblättchen des Wirthes festklammem; die erwachsenen Hyperien, die man nicht
selten frei im Meere trifft, sind, wie man weiss, die trefflichsten Schwimmer ihrer Ordnung. (,,I1 nage
avec une rapidite extreme" sagt van Beneden von Hyp. Latreillii Edw.).
Offenbar ist die Verwandlung der Hyperien als eine erworbene, nicht als eine ererbte zu
betrachten, d. h. das späte Auftreten der Hinterleibsanhänge und die eigenthümliche Fussbildung der
Jungen sind nicht mit der geschichtlichen Entwicklung der Amphipoden in Verbindung zu bringen, sondern
auf Rechnung des Schmarotzerlebens der Jungen zu setzen.
Wie bei Brachyscelus ist hier gegen die gewöhnliche Weise der Schmarotzer dem Alter und nicht
der Jugend die freiere Beweglichkeit geblieben. Noch auffallender ist ein ähnliches Verhalten bei Caligus
unter den schmarotzenden Copepoden. Das junge Thier, von Burmeister als eigene Gattung, Chalimus,
beschrieben, liegt mittelst eines von seiner Stirn entspringenden Taues, dessen Ende in der Haut eines
Fisches festsitzt, an diesem vor Anker. Beim Eintritt der Geschlechtsreife wird das Tau gekappt, und
nicht selten fängt man die erwachsenen Caligus, vortreffliche Schwimmer, frei im Meere. — (S. Archiv
für Naturgesch. 1852. I, S. 91 = Ges. .Schriften p. 59.)
i) „I know of no case in which the inferior (antennae) are absolete, when the superior are deve!
oped" Dana. (Darwin, Monograph on the Subclass Cirripedia. Lepadidae. pg. 15.).
Für Darwin.
235
der Hand erhält nahe seiner unteren Ecke eine tiefe Bucht, die mittleren Glieder
des letzten Fusspaares schwellen zu einer ansehnlichen Verdickung an. Kein
Museumszoolog würde anstehen, zwei besondere Species zu fabriciren, wenn ihm
die ältesten und jüngsten geschlechtsreifen Männchen ohne die verbindenden
Zwischenformen übersandt würden. Bei jüngeren, aber, wie die mikroskopische
Untersuchung der Hoden lehrt, schon geschlechtsreifen Männchen der Orchestia
Tucuratinga n. sp. fehlt die in Fig. 50 gezeichnete Bucht des Greifrandes der
Hand, sowie der entsprechende Vorsprung des Fingers noch vollständig. — Aehn-
liches kann man bei Cerapus, bei Caprella und wahrscheinlich überall beobachten,
wo überhaupt erhebliche Geschlechtsverschiedenheiten vorkommen.
Fig. 50-
Fig. 51-
Fig. 52.
Fig. 50. Vorderfuss des zweiten Paares (second pair of gnathopoda) vom Männchen und
Fig. 51 vom Weibchen der Orchestia Tucuratinga, I5mal vergr.
Fig. 52. Männchen einer Bodotria, lomal vergr. Man beachte die langen unteren Fühler, die dem
Leibe dicht anliegen, und deren Spitze unter den Schwanzanhängen sichtbar ist.
An die artenreichen Abtheilungen der stieläugigen und der sitzäugigen
Kruster reiht sich, ersteren wohl näher verwandt als letzteren, die merkwürdige
Familie der einäugigen Diastyliden oder Cumaceen. Die Jungen, die Kr03''er
der Bruttasche der Weibchen entnahm und die ein Viertel der Länge der Mutter
erreichten, glichen dem erwachsenen Thiere fast in allen Stücken. Ob innerhalb
der ähnlich wie bei Mysis gebildeten Bruttasche eine Verwandlung stattfinde, wie
bei Mysis oder Ligia, weiss man nicht ^).
Gleich dürftig ist unsere Kenntniss der Entwicklungsgeschichte der Mu.schel-
krebschen (Ostracoda). Man weiss kaum mehr, als dass ihre vorderen Glied-
massen sich früher als die hinteren entwickeln (Zenker).
I) Ein zuverlässiger englischer Forscher, Goodsir, beschrieb schon 1843 die Bruttasche und die
Eier von Cuma. Kroyer, dessen peinliche Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit bewundernd anerkennt, wer je
mit ihm auf gleichem Arbeitsfelde zusammentraf, bestätigte 1846 Goodsir's Angaben und entnahm, wie
oben erwähnt, der Bruttasche weit entwickelte, den Eltern ähnliche Embryonen. Damit ist die Frage, ob
die Diastyliden erwachsene Thiere oder Larven seien, vollständig und für immer entschieden, und nur die
berühmten Namen eines Agassiz, Dana, Milne Edwards, die sie trotzdem neuerdings wieder zu Larven
stempeln möchten (s. van Beneden, Rech, sur la faune littor. de Belgique. Crustaces. pg. 73. 74), ver-
anlassen mich, auf Grund zahlreicher eigener Untersuchungen mit van Beneden's Worten zu erklären:
„Parmi toutes les formes embryonnaires de podophthalmes ou d'edrioplnhalmes que nous avons observees
sur nos cötes, nous n'en avons pas vu une seule qui eüt meme la moindre ressemblance avec un Cuma
quelconque." Das Einzige, was aus den von Kroyer aufgestellten, drei Seiten füllenden Familien-
charakteren der Cumaceen (Kroyer, Nat. Tidsskrift. Ny Raekke. Bd. IL S. 203—206) auf die Larven von
Hippolyte, Palaemon und Alpheus passt, ist: „Duo antennarum paria." Und das passt bekanntlich so
ziemlich auf alle Kruster. Wie wohlberechtigt war man also, diese mit jenen zu identificiren. Es genügt
übrigens, einen Blick auf die Paiaemonlarve (Fig. 27) und auf die Cumacee (Fig. 52) zu werfen, um sich
von deren ungeheurer Aehnlichkeit zu überzeugen.
2-2 5 Für Darwin.
IX.
Die Abtheilung der Kiemenfüsser (Branchiopoda) umfasst zwei auch
durch ihre Entwicklung geschiedene Gruppen, die Blattfüsser (Phyllopoda)
und die Wasserflöhe (Cladocera). Die letzteren, mit vier bis sechs Paar blatt-
förmiger Füsse ausgestattete winzige Thierchen , die hauptsächlich dem süssen
Wasser angehören und in ähnlichen Formen über alle Welt verbreitet sind, ver-
lassen das Ei mit vollzähligen Gliedmassen. Die Blattfüsser dagegen, deren Fuss-
zahl zwischen lo und 60 Paaren schwankt, und von denen einige zwar in der
gesättigten Soole der Salzwerke und der Natronseen leben, aber nur eine, ziemlich
abweichende Gattung (Nebalia) im Meere gefunden wird ^), haben eine Verwand-
lung zu bestehen. Die jüngsten Larven sind Nauplius, die wir schon einmal
ausnahmsweise bei einigen Garneelen trafen und die wir von nun ab fast ohne
Ausnahme wiederfinden werden. Die bisweilen so zahlreichen Leibesringe und
Füsse bilden sich nach und nach von vorn nach hinten, ohne dass durch die Zeit
ihres Auftretens oder durch ihre Gestalt scharfgeschiedene Leibesabschnitte be-
zeichnet werden. Alle Füsse sind im Wesentlichen gleich gebaut und erinnern
an die Kiefer der höheren Kruster'-). Man könnte die Phyllopoden als Zoea
betrachten, die nicht zur Bildung eines eigenthümlich ausgestatteten Hinter- und
Mittelleibes gekommen sind, und statt dessen die den Naupliusgliedmassen zuerst
folgenden Anhänge in vielfacher Wiederholung erzeugt haben.
Die Entwicklungsgeschichte, wie die ganze Naturgeschichte der Cope-
poden, — die theils frei lebend das süsse Wasser und in weit mannichfacheren
Formen das Meer bevölkern, theils als Schmarotzer Thiere der verschiedensten
Klassen belästigen und dabei oft zu wunderlicher Missgestalt verkümmern, — lag
.bis vor Kurzem sehr im Argen. Man wusste zwar längst, dass die Cyclopen des
süssen Wassers in Naupliusform ausschlüpfen, und kannte einige andere Jugend-
zustände derselben ; man hatte durch Nordmann dieselbe früheste Jugendform für
mehrere Schmarotzerkrebse kennen gelernt, die bis dahin fast allgemein als
Würmer gegolten hatten ; — aber es fehlten die verbindenden Mittelglieder, welche
die Leibesabschnitte und Gliedmassen der Larven auf die des erwachsenen Thieres
zurückzuführen erlaubt hätten. Die umfassenden und sorgfältigen Untersuchungen
von Claus haben diese Lücke ausgefüllt und die Abtheilung der Copepoden zu
einer der bestgekannten der ganzen Klasse erhoben. Den Arbeiten dieses wackeren
Forschers sind die folgenden Angaben entnommen. Ich hebe aus der Fülle wichtiger
Thatsachen, die darin niedergelegt sind, nur das für das Verständniss der Kruster-
entwicklung im Allgemeinen Unentbehrliche hervor, weil, was die Copepoden im
Besonderen anlangt, schon durch die Darstellung ihres neuesten Bearbeiters die
Thatsachen in's rechte Licht gestellt sind, und Jedem, der offene Augen hat, als
wichtige Belege für die Darwin'sche Lehre erscheinen müssen ^).
1) Dürfte man die Phyllopoden als nächste Verwandte der Trilobiten betrachten, worüber ich kein
Urtheil wage, so würden sie neben Lepidosteus und Polypterus, Lepidosiren und Protopterus ein weiteres
Beispiel liefern für die Erhaltung im Meere längst erloschener Formen im Binnenwasser. Das Vorkommen
der Artemien in übersalzenem Wasser würde dabei zeigen, dass sie nicht durch das süsse Wasser, sondern
durch die hier geringere Mitbewerbung der Vernichtung entgingen.
2) „Der Kiefer der Krebslarve ist eine Art Phyllopodenfuss" Claus.
3) Das neueste grössere Werk von Claus über Copepoden kenne ich noch nicht; doch wird sich
von ihm ohne Zweifel dasselbe sagen lassen.
Pur Darwin.
237
Alle von Claus untersuchten Larven der freilebenden Copepoden haben in
frühester Zeit drei Gliedmassenpaare (die späteren P'ühler und Kinnbacken), die
vorderen mit einfacher, die zwei nachfolgenden mit zweifachen Gliederreihen oder
Aesten. Das unpaare Auge, Oberlippe, Mund nehmen schon ihre bleibende Stelle
ein. Die hintere, meist kurze, gliedmassenlose Leibespartie trägt zwei Endborsten,
zwischen denen der After liegt. Die Gestalt dieser Naupliusbrut ist äusserst
mannichfaltig, bald seitlich comprimirt, bald flach, — bald langstreckig, bald oval,
bald rund oder selbst breiter als lang u. s. w. Die Veränderungen, welche die
ersten Larvenstadien mit dem weiteren Wachsthume erleiden, beruhen im Wesent-
lichen auf einer Streckung des Leibes und Hervorsprossen neuer Gliedmassen.
„Das nachfolgende Stadium weist schon ein viertes Extremitätenpaar, die späteren
Maxillen, auf." Dann folgen auf einmal drei neue Gliedmassenpaare (die Kiefer-
üsse und die zwei vorderen Schwimmfusspaare). Noch bleibt die Larve Nauplius-
Fig. 53- Fig. 54-
Fig. 53. 54. Nauplius von Copepoden,
erstere 90, letztere 180 mal vergr.
ähnlich, indem die drei vordem Gliedmassenpaare Ruderfüsse darstellen ; bei einer
neuen Häutung verwandelt sie sich in den jüngsten Cyclops-ähnlichen Zustand,
sie gleich nun im Bau der Fühler und Mundtheile dem erwachsenen Thiere, wenn
auch die Zahl der Gliedmassen und Leibesringe noch eine viel geringere ist, denn
es sind nur, in Form mit Borsten besetzter Wülste, die Anlagen des dritten
und vierten Schwimmfusspaares hinzugekommen und der Leib besteht aus dem
ovalen Kopfbruststück, dem zweiten bis vierten Thoracalsegment und einem
langgestreckten Endgliede. Bei den Cyclopiden haben die hinteren Fühler ihre
Nebenäste verloren, die Kinnbacken vollständig den früheren Schwimmfuss ab-
geworfen, während bei den übrigen Familien diese Anhänge mehr oder weniger
verändert fortbestehen. „Ueber diese Stufe der freien Entwicklung gelangen
viele Formen der parasitischen Copepoden, z. B. Lernanthropus und Chondracanthus,
nicht hinaus, indem sie weder die Gliedmassen des dritten und vierten Paares
erhalten, noch eine Sonderung des fünften Thoracalsegments vom Abdomen zu
Stande kommt; andere (Achtheres) sinken sogar durch den späteren Verlust der
beiden Schwimmfusspaare auf eine tiefere Stufe zurück. Alle freilebenden Cope-
poden aber und die meisten Schmarotzerkrebse durchlaufen noch eine grössere
oder geringere Reihe von Entwicklungsstadien, in welchen in continuirlicher
Aufeinanderfolge die Gliedmassen eine höhere Gliederung erhalten, die hinteren
Fusspaare zur Entwicklung kommen und aus dem gemeinsamen Endabschnitt
sich der Reihe nach das letzte Thoracalsegment und die einzelnen Abdominal-
segmente sondern."
^38
Für Darwin.
Aus der Entwicklungsgeschichte der Schmarotzer krebse sei nur noch
hervorgehoben, dass einige derselben, z. B. Achtheres percarum, zwar auch wie die
andern in Nauplius-ähnlicher Gestalt das Ei verlassen, indem der plumpe, ovale,
mundlose Leib zwei Paar einfache Ruderfüsse und dahinter als Rest des dritten
Paares zwei mit einer langen Borste versehene Auftreibungen trägt, dass aber
unter dieser Naupliushaut schon eine weit verschiedene Larve fertig liegt, die
nach wenig Stunden ihre unbeholfene Hülle sprengt und nun in einer Gestalt
auftritt, „welche in der Gliederung des Körpers und in der x\usbildung der
Extremitätenpaare mit dem ersten Cyclopsstadium übereinstimmt" (Claus). Die
ganze Reihe von Naupliusstadien, welche die freilebenden Copepoden durchlaufen,
wird hier vollständig übersprungen.
Fig. 55-
Fig- 56-
Fig- 55- Nauplius der Tetraclita porosa, nach der ersten Häutung, gomal vergr. Man sieht um das Auge
das Gehirn, von dem die Riechfäden entspringen, und dahinter einige zarte zur Mundkappe gehende Muskeln.
Fig. 56. Nauplius der Sacculina purpurea, kurz vor der zweiten Häutung, iSomalvergr. Im ersten
Fusspaare sind die späteren Haftfüsse, im Hinterleibe sechs Paar langborstiger Schwimmfüsse zu erkennen.
Eine letzte sehr eigenthümliche Abtheilung der Kruster bilden die beiden
Ordnungen der Rankenfüsser (Cirripedia) und der Wurzelkrebse
(R h i z o c e p h a 1 a) 1).
1) Ueber die Stellung der Rankenfüsser herrschen die abweichendsten Ansichten. Die Einen weisen
ihnen eine sehr untergeordnete Stellung unter den Copepoden an; so Milne Edwards (1852). Im ge-
raden Gegensatz zu dieser Auffassung seines Vaters stellt sie Alph. Milne Edwards als Basinotes allen
übrigen Krustern (Eleutheronotes) gegenüber. Darwin betrachtet sie als besondere den Podophthalmen,
Edriophthalmen u. s. w. gleichwerthige Unterklasse. Dies scheint mir das Passendste. Die Wurzelkrebse
möchte ich nicht den Rankenfüssern einverleiben, wie Liljeborg, sondern als gleichwerthig gegenüberstellen,
wie die Amphipoden den Isopoden. — Man spricht auch wohl von der nahen Verwandtschaft der Ranken-
füsser mit den Ostracoden; die Aehnlichkeit aber der sogenannten „cyprisähnlichen Larven" oder Ranken-
füsserpuppen, wie sie Darwin nennt, mit den Cypris ist eine so rein äusserliche, selbst was die Schale
anlangt, dass mir die Verwandtschaft kaum grösser scheint, als etwa die des Peltogaster socialis (Fig. 59)
mit der Familie der Schlack- und Leberwürste.
Für Darwin. 2^q
Auch hier schwärmt die Brut in Naupliusgestalt aus und streift nach Kurzem
eine früheste durch keine erwähnenswerthen Eigenthümlichkeiten ausgezeichnete
Larvenhaut ab. Auch hier kehrt dieselbe Birnform des ungegliederten Leibes,
dieselbe Zahl und Bildung der Füsse, dieselbe Lage des unpaaren Auges (das
indess bei Sacculina purpurea und nach Darwin bei einigen Lepas vermisst wird),
dieselbe Lage der „Mundkappe" wieder, wie sie bei den Nauplius der Garneelen
und der Copepoden sich findet. Unterschieden von letzteren sind die Nauplius
der Rankenfüsser und Wurzelkrebse durch den Besitz eines Rückenschildes oder
Panzers, der bisweilen (Sacculina purpurea) den Körper ringsum weit überragt;
unterschieden nicht nur von anderen Nauplius, sondern soviel mir bekannt von
allen anderen Krustern dadurch, dass Gebilde, die sonst mit den beiden vorderen
Gliedmassenpaaren (Fühlern) verbunden sind, hier von ihnen getrennt auftreten.
Die vorderen Fühler der Copepoden, der Cladoceren, der Phyllopoden (Leydig,
Claus), der Ostracoden (wenigstens der Cypridinen), der Diastyliden, der Edri-
ophthalmen und der Podophthalmen tragen mit wenigen, Landthiere oder Schmarotzer
betreffenden Ausnahmen, eigenthümliche Fäden, deren ich schon mehrmals als
„Riechfäden" Erwähnung gethan. Ein Paar ganz ähnliche Fäden entspringen bei
den Larven der Rankenfüsser und Wurzelkrebse unmittelbar vom Gehirn (Fig. 55).
Am Grunde der unteren Fühler mündet bei Krabben und Krebsen, bei
letztern am Ende eines kegelförmigen Vorsprunges die sogenannte „grüne Drüse"
aus. Ein ähnlicher kegelförmiger Vorsprung mit dem ihn durchsetzenden Aus-
führungsgange ist bei den meisten Amphipoden sehr augenfällig. Bei den Ostra-
coden beschreibt Zenker eine im Grunde der unteren Fühler gelegene Drüse, die
am Ende eines ungemein langen „Stachels" ausmündet. Bei den Nauplius der
Cyclops und Cyclopsine findet Claus helle „Schalendrüsen", die am mittleren Glied-
massenpaare (den hinteren Fühlern) beginnen. Dagegen münden bei den Nauplius
der Rankenfüsser und Wurzelkrebse die „Schalendrüsen" am Ende kegelförmiger
Fortsätze von bisweilen abenteuerlicher Länge, die von den Ecken des breiten
Stirnrandes ausgehen und bald als Fühler (Burmeister, Darwin), bald als blosse
„Hörner des Rückenschildes" (Krohn) gedeutet worden sind. Die Verbindung der
„Schalendrüse" mit den Stirnhörnern wurde bei Lepaslarven in unzweideutiger
Weise erkannt, wie denn überhaupt die AehnHchkeit der Stirnhörner mit dem
kegelförmigen Vorsprung an den unteren Fühlern der Amphipoden oder des
Leucifer eine vollständige ist ^).
Uebereinstimmend in diesen wichtigen Eigenthümlichkeiten bieten die Nauplius
der beiden Ordnungen in manchen anderen Stücken erhebliche Unterschiede. Der
Hinterleib der jungen Rankenfüsser läuft unterhalb des Afters in einen langen
am Ende gabiig getheilten schwanzförmigen Anhang aus und über dem After
steht ein zweiter langer Stachelfortsatz ; der Hinterleib der Wurzelkrebse endet in
zwei kurze Spitzen, in eine „bewegliche Schwanzgabel, wie bei den Räderthieren"
(Oscar Schmidt). Die jungen Rankenfüsser haben Mund, Magen, Darm, After und
ihre beiden hinteren Gliedmassenpaare sind mit mannichfachen Zacken, Borsten
und Haken besetzt, die jedenfalls bei der Nahrungsaufnahme mitwirken. Dies
i) Es mag bei dieser Gelegenheit erwähnt werden, dass bei den Weibchen von Brachyscelus, denen
die hinteren Fühler fehlen, doch die kegelförmigen Vorspiünge mit dem sie durchsetzenden Canale erhalten
bleiben.
240
Für Darwin.
Alles vermisst man bei den jungen Wurzel krebsen. Die Nauplius der Ranken-
füsser haben als solche mehrfache Häutungen zu bestehen ; die Nauplius der
Wurzelkrebse können, — mundlos, wie sie sind, — natürlich nicht lange als solche
leben und schon nach wenigen Tagen verwandeln sie sich in ebenfalls mundlose
„Puppen", wie sie Darwin nennt.
Der Panzer klappt sich zusammen, so dass das Thierchen ein muschelähn-
liches Aussehen erhält, die vordersten Gliedmassen verwandeln sich in sehr eigen-
thümliche Haftfüsse („prehensile antennae" Darw.), die beiden folgenden Paare
werden abgeworfen, wie die Stirnhörner. Am Hinterleibe haben sich unter der
Naupliushaut sechs Paar kräftiger, zweiästiger, langborstiger Schwimmfüsse ge-
bildet, und dahinter stehen zwei kurze borstentragende Schwanzanhänge. (Fig. 58.)
Fig. 57
Fig. 57. Puppe eines Balaniden
(Chthamalus ?) , 5omal vergr. —
Die Haftfüsse sind in den ziem-
lich undurchsichtigen vorderen
Theil der Schale zurückgezogen.
Fig. 58. Puppe der Sacculina
purpurea, 1 80 mal vergr. Die Fäden
an den Haftfüssen mögen die An-
fänge der späteren Wurzeln sein.
Die Puppen der Rankenfüsser (Fig. 57), die gleichfalls mundlos sind, stimmen
in allen diesen Stücken vollständig mit denen der Wurzelkrebse überein, bis ins
Einzelnste der Gliederung und Beborstung der Schwimmfusspaare ^) ; sie unter-
scheiden sich von ihnen besonders durch den Besitz paariger zusammengesetzter
Augen. Bisweilen scheinen auch Spuren der Stirnhörner zu bleiben ^).
Wie die Rankenfüsser und Wurzelkrebse im Allgemeinen jetzt einander weit
ähnlicher sind, als in ihrem Naupliuszustande, so gilt dasselbe ebenso für die
einzelnen Mitglieder jeder der beiden Ordnungen.
Die Puppen beider Ordnungen setzen sich mittelst der Haftfüsse fest; die
der Rankenfüsser an Felsen, Muscheln, Schildkröten, Treibholz, Schiffe u. s. w.,
die der Wurzelkrebse an den Hinterleib von Krabben, Porcellanen, Einsiedler-
krebsen. Der Panzer der Rankenfüsser verwandelt sich bekanntlich in ein eigen-
thümliches Gehäuse, um dessentwillen man sie früher zu den Mollusken stellte, und
die Schwimmfüsse wachsen zu langen Ranken aus, die dem nun geöffneten Munde
Nahrung zustrudeln. Die Wurzelkrebse bleiben mundlos ; sie verlieren spurlos alle
Gliedmassen und erscheinen als wurst-, sack-, oder scheibenförmige mit Eiern
gefüllte Auswüchse ihres Wohnthieres (Fig. 59, 60); von der Anheftungsstelle
senken sich wurzelartig verästelte geschlossene Röhren in das Innere des Wirthes,
1) Man vergleiche die Abbildung, welche Darwin (Balanidae, PI. XXX, Fig. 5) vom ersten
Schwimmfüsse der Puppe von Lepas australis gibt, mit der im Archiv für Naturgeschichte (1863, Taf. III,
Fig. 5 == Ges. Schriften Taf. XXIII) mitgetheilten von Lernaeodiscus Porcellanae. Der einzige Unterschied,
dass bei letzteren am Ende des äusseren Astes nur 3 Borsten stehen, bei den Rankenfüssern 4 am ersten,
5 an den folgenden Schwimmfüssen, mag auf einem Irrthum meinerseits beruhen.
2) Darwin beschreibt als „acoustic orifices" kleine Oeffnungen in der Schale der Rankenfüsserpuppen,
die öfter von einem Rande umgeben, bei Lepas pectinata auf kurzen homartigen Fortsätzen gelegen sind.
Ich trage kaum Bedenken, die Oeffnungen für die der „Schalendrüse", die homartigen Fortsätze für Ueber
bleibsei der Stirnhörner zu halten.
Für Darwin.
241
dessen Darm umspinnend, oder zwischen den Leberschläuchen sich ausbreitend.
Die einzigen Lebensäusserungen, die diesen Non plus ultra's in der Reihe der
rückschreitend sich verwandelnden Kruster geblieben, sind einmal kräftige Zu-
sammenziehungen der Wurzeln und dann ein abwechselndes Ausdehnen und
Zusammenziehen des Körpers, in Folge dessen Wasser durch eine weite Oeffnung
der Bruthöhle einströmt und wieder ausgetrieben wird ^).
Von mehreren in Bau und Entwicklung abweichenden Rankenfüssern ver-
dient hier Cryptophialus minutus Erwähnung, der von Darwin massenweise in
der Schale der Concholepas peruviana bei den Chonos-Inseln gefunden wurde.
Fig. 59-
Fig. 60.
Fig. 61.
Fig. 62. Fig. 63.
mm,
Fig. 64.
Fig- 59- Junge Peltogaster socialis, am Hinterleibe eines kleinen Einsiedlerkrebses; bei einem der-
selben sind die in der Leber des Krebses büschelförmig verzweigten Wurzeln gezeichnet. Thier und
Wurzeln dottergelb.
Fig. 60. Junge Sacculina purpurea mit ihren Wurzeln; das Thier purpurroth, die Wurzeln dunkel-
grasgrün, 5mal vergr. (vergi. auch Ges. Schriften Taf. XVII).
Fig. 61. 62. 63. Eier von Tetraclita porosa in der Furchung, gomal vergr. Die grössere der beiden
zuerst gebildeten Furchungskugeln ist stets dem spitzen Ende des Eies zugewandt.
Fig. 64. Ei von Lernaeodiscus Porceilanae, in der Furchung, gomal vergr.
Das anfangs elliptische Ei wird nach Darwin bald am vorderen Ende breiter und
erhält drei keulenförmige Hörner, eins hinten, eins an jeder Vorderecke; innre
Theile sind jetzt noch nicht zu entdecken. Später schwindet das hintere Hörn
und im Innern der vorderen lassen sich die Haftfüsse erkennen. Aus dieser
„ei-ähnlichen Larve" (egg-like larva ; — I hardly know% what to call it, sagt Darwin)
geht unmittelbar die Puppe hervor. Ihr Panzer ist wenig seitlich zusammen-
gedrückt und behaart, wie bei Sacculina purpurea, die Haftfüsse sind von an-
sehnlicher Grösse, Schwimmfüsse fehlen, wie beim erwachsenen Thiere die ent-
sprechenden Rankenfüsse.
Zum Schlüsse dieses Ueberblicks einige Worte über die frühesten Ent-
wickelungsvorgänge im Ei der Kruster. Vor Kurzem noch galt als allgemeine
Regel, dass sich durch theilweise Furchung des Dotters eine Keimscheibe und in
dieser, der Bauchseite des Embryo entsprechend, ein Primitivstreifen bilde. Man
weiss jetzt, dass bei den Copepoden (Claus), bei den Wurzelkrebsen (Fig. 64), und,
i) Die Wurzeln der an einem kleinen Einsiedlerkrebse schmarotzenden Sacculina puipurea (Fig. 60)
machen sich zwei schmarotzende Asseln zu Nutze, ein Bopyrus und der schon erwähnte Cryptoniscus
planarioides (Fig. 42); sie siedeln sich unter der Sacculina an und bringen sie zum Absterben, indem sie
die von den Wurzeln zugeführte Nahrung vorwegnehmen; die Wurzeln aber wuchern auch ohne Sacculina
weiter, imd erlangen selbst, namentlich wo ein Bopyrus sich aus ihnen nährt, oft eine ungewöhnliche Aus-
dehnung.
Fritz Müllers gesammelte Schriften.
16
■yA'y Für Darwin.
wie ich hinzusetzen kann, bei den Rankenfüssern (Fig. 6i — 63) die Furchung eine
totale ist. und die Embryonen ohne vorausgehenden Primitivstreifen in ihrer
ganzen Gestalt angelegt werden. Wahrscheinlich wird Letzteres überall der Fall
sein, wo die Jungen als wirkliche Nauplius (und nicht blos mit Naupliushaut, wie
bei Achtheres) ausschlüpfen. Beiderlei Entwicklungsweisen können bei nächst-
verwandten Thieren vorkommen, wie Achtheres unter den Copepoden beweist ^).
X.
Vielleicht vermag ein Anderer, glücklicher als ich, auch ohne Darwin den
leitenden Pfaden zu finden durch den Wirrwarr der bald bei nächsten Verwandten
so himmelweit verschiedenen, bald bei Gliedern der entferntesten Kreise so über-
raschend ähnhchen Entwicklungsformen, die so eben flüchtig an uns vorüber-
zogen. Vielleicht vermag ein schärferes Auge mit Agassiz den ,,seit Urbeginn
feststehenden Plan des Schöpfers" ^) herauszulesen, der auch hier, wie ein portu-
giesisches Sprichwort sagt ^), „in krummen Linien gerade" geschrieben haben mag.
Mir will es scheinen, dass von einem allgemeinen Plane, von einer typischen, nach
den einzelnen] Abtheilungen, Ordnungen, Familien gegliederten Entwicklungs-
weise der Kruster kaum die Rede sein kann, wenn z. B. unter den langschwän-
zigen Krebsen der Flusskrebs in bleibender Gestalt, der Hummer mit Schizo-
podenfüssen , Palaemon wie die Krabben als Zoea, Peneus wie die Ranken-
füsser als Nauplius das Ei verlässt, und wenn immer noch in derselben Unter-
ordnung der Langschwänze Palinurus und Mysis und Euphausia wieder andere
und andere Jugendformen zeigen; — wenn neue Gliedmassen bald als freie
Stummel an der Bauchseite hervorspriessen, bald unter der glatt über sie hinweg-
gehenden Haut sich bilden und beiderlei Entwicklungsweisen an verschiedenen
Gliedern bei demselben Thiere, und an demselben Gliederpaare bei verschiedenen
Thieren gefunden werden ; — wenn bei den Podophthalmen die Gliedmassen des
Mittel- und Hinterleibes bald alle gleichzeitig, bald jene und bald diese früher,
und wenn wieder in jeder der beiden Gruppen bald alle Paare gleichzeitig auf-
treten, bald eines nach dem andern, — wenn unter den Hyperinen bei Phronima
ein einfacher Fuss zur Scheere, bei Brachyscelus eine Scheere zum einfachen
Fusse wird, u. s. w. —
Und doch sollte ja nach der Lehre der Schule gerade in der Jugend, gerade
im Laufe der Entwicklung der „Typus" am un verhülltesten hervortreten. Aber
hören wir, was uns überhaupt die Schule über die Bedeutung der Entwicklungs-
geschichte und über ihre Beziehung zur vergleichenden Anatomie und Syste-
matik sagt.
Lassen wir zwei ihrer bewährtesten Meister reden.
i) Es ist niclit die Rede gewesen von den Pycnogoniden, weil ich sie nicht für Kruster halte;
nicht von den Xiphosuren und Trilobiten, die ich nie selbst untersuchte, weil ich sie zu wenig kenne und
namentlich mit den von Barrande gegebenen Aufschlüssen über die Enlwickelung der letzteren nicht im
Einzelnen bekannt geworden biu.
2) ,,a plan fully matured in the beginning and undeviatingly pursued", oder: „In the beginning His
plan was formed and from it He has never swerved in any particular" Agassiz and Gould, Principles of
Zoology.
3) „Deos escreve direito em linhas tortas." Zum Lesen dieser sonderbaren Schrift bedarf man be-
kanntlich der Brille des Glaubens, die an's Mikroskop gewöhnten Augen selten passt.
Für Darwin.
H3
„Indem die vergleichende Anatomie", sagte Johannes Müller 1844 in seinen
Vorträgen über diese Wissenschaft, und die Ansichten meines unvergesslichen
Lehrers sind lange Jahre die meinigen geblieben, — „indem die vergleichende
Anatomie uns die unendlich mannichfache Gestaltung desselben Organes in der
Thierwelt zeigt, gibt sie uns hierin das Mittel, durch Vergleichung dieser ver-
schiedenen Formen das eigentlich Wesentliche, den Typus dieser Organe zu er-
kennen und davon alles Unwesentliche abzuscheiden. — Hierin dient ihr zur
Controle oder Probe die Entwicklungsgeschichte. Da nämlich der Begriff der
Entwicklung nicht der des Grösserwerdens ist, sondern der des Fortschritts von
einem noch nicht Unterschiedenen, welches aber potentia die Unterschiede in sich
enthält, zu einem actu Unterschiedenen, so leuchtet ein, dass, je weniger ein Organ
entwickelt ist, es sich um so mehr dem Typus nähert, und dass es bei seiner Ent-
wickelung immer mehr Besonderheiten in sich aufnimmt. Die durch die ver-
gleichende Anatomie und die durch die Entwicklungsgeschichte gefundenen Typen
müssen nun übereinstimmen."
Nachdem Johannes Müller dann die Idee einer Stufenleiter der Thiere, und
eines Durchlaufens mehrerer Thierstufen während der Entwicklung bekämpft,
fährt er fort : „Das Wahre an dieser Idee ist, dass jeder Embryo anfangs nur den
Typus seiner Abtheilung an sich trägt, woraus sich erst später der Typus der
Klasse, Ordnung u. s. w. entwickelt."
Agassiz spricht sich 1856 in einem elementaren Werke ^), in das man doch
nur aufzunehmen pflegt, was man als wohlgesichertes Besitzthum der Wissenschaft
betrachtet, in folgender Weise aus:
„Die Eierstockseier aller Thiere sind vollkommen gleich
(identical), kleine Zellen mit Dotter, Keimbläschen und Keimfleck" (§278). „Die
Organe des Körpers werden gebildet in der Reihenfolge ihrer
organischen Wichtigkeit; die wesentlichsten erscheinen immer
zuerst. So die Organe des vegetativen Lebens, Darm u. s. w. später als die des
animalen Lebeus, Nervensystem, Skelet u. s. w., und diesen wieder gehen die all-
gemeineren Erscheinungen voraus, die dem Thiere als solchem zukommen" 2).
(§ 318.) „So bestehen beim Fische die ersten Veränderungen in der Dotter-
furchung und der Bildung eines Keimes, — Vorgängen, die allen Thierklassen
gemeinsam sind. Dann erscheint die Rückenfurche, die das Wirbelthier kenn-
zeichnet, — das Hirn, die Sinneswerkzeuge; — später bilden sich Darm, Glied-
massen unb die bleibende Form der Athmungswerkzeuge, woraus mit Sicherheit
die Klasse erkannt wird. Erst nach dem Ausschlüpfen bezeichnen die Eigen-
thümHchkeiten der Zahn- und Flossenbildung Gattung und Art" (§319). „Daher
gleichen Embryonen verschiedener Thiere einander um so mehr,
je jünger sie sind." (§ 320.) „Somit ist die hohe Bedeutung der Entwicklungs-
geschichte unzweifelhaft. Denn, wenn die Bildung der Organe statt-
findet in der ihrer Wichtigkeit entsprechenden Ordnung, so
muss selbstverständlich (of itself) diese Reihenfolge ein Kriterium
ihres verhältnissmässigen Werthes für die Systematik (Classification)
i) Principles of Zoology. Part I. Comparative Physiology. By Louis Agassiz and A. A. Gould.
Revised Edition. Boston, 1856.
2) „and these, in tum, are preceded by the more general phenomena, belonging to the animal as such."
16*
_ . , Für Darwin.
244
sein. Die Eigenthümlichkeiten, welche früher erscheinen, soll man höher werthen
(should be considered of higher value), als die, welche später erscheinen." (§ 321.)
„Ein System um wahr und natürlich zu sein, muss übereinstimmen
mit der Aufeinanderfolge der Organe in der Entwicklung des
Embryo." (§ 322).
Ich weiss nicht, ob noch heute Jemand geneigt sein wird, diese Sätze in
ihrem ganzen Umfange zu unterschreiben^). Sicher ist, dass im Wesenthchen
gleiche Ansichten noch überall bei systematischen Erörterungen durchklingen,
und dass sich bis in die letzten Jahre hinein die wenig glücklichen Versuche
wiederholt haben, die Entwicklungsgeschichte als Grundlage der Systematik zu
benutzen.
Wie stimmen nun mit diesen Sätzen unsere Erfahrungen aus der Entwick-
lungsgeschichte der Kruster? Dass diese Erfahrungen sich grösstentheils auf die
„freie Verwandlung" nach dem Verlassen des Eies beziehen, kann der Anwend-
barkeit der zunächst für die „embryonale Entwicklung" im Eie ausgesprochenen
Sätze keinen Eintrag thun; Agassiz selbst hebt hervor (§ 391), dass beiderlei
Veränderungen von gleicher Natur und gleicher Wichtigkeit sind und dass kein
wesentlicher Unterschied (any radical distinction) dadurch bedingt wird, dass die
einen vor, die andern nach der Geburt stattfinden.
„Die Eierstockseier aller Thiere sind identisch, kleine Zellen
mit Dotter, Keimbläschen, Keimfleck." Ja, etwa wie alle Insecten identisch sind,
— kleine Thiere mit Kopf, Brust und Hinterleib, — wenn man nämlich, nur das
Gemeinsame berücksichtigend, absieht von der Verschiedenheit ihrer Entwicklung,
von der Ab- oder Anwesenheit und dem mannichfaltigen Bau der Dotterhaut,
von der wechselnden Zusammensetzung des Dotters, der verschiedenen Zahl und
Bildung der Keimflecken u. s. w. Zahlreiche , leicht zu vermehrende Beispiele
solcher tiefgreifenden Verschiedenheiten gibt Leydig's Lehrbuch der Histologie.
— Bei den Krustern liefern die Eierstockseier sogar bisweilen treffliche Merkmale
zur Unterscheidung von Arten derselben Gattung, wie sie z. B. bei einer hiesigen
Porcellana schwärzlichgrün, bei einer zweiten dunkelblutroth, bei einer dritten
dottergelb sind; und innerhalb derselben Ordnung zeigen sie erhebliche Unter-
schiede in der Grösse, die, wie schon van Beneden und Claus hervorgehoben, in
innigem Zusammenhang steht mit der späteren Entwicklungs weise.
„DieOrgane desKörpers werden gebildet in der Reihenfolge
ihrer organischen Wichtigkeit; die wesentlichsten erscheinen
immer zuerst." Man könnte den Satz von vornherein als unbeweisbar be-
zeichnen, da es unmöglich ist, sei es im Allgemeinen, sei es für ein besonderes
Thier, eine Reihenfolge der Wichtigkeit unter gleich unentbehrlichen Theilen
festzustellen. — Was ist wichtiger, Lunge oder Herz? — Leber oder Niere? —
Arterie oder Vene? — Man könnte statt wie Agassiz die Organe des animalen
Lebens, mit gleichem Rechte die des vegetativen Lebens vorausstellen, da w^ohl
i) Agassiz' eigene Ansichten sind neuerdings, soviel aus Rudolf Wagner's Anzeige seines „Essay
on Classification" zu ersehen ist, wesentlich andre geworden. Eine Kritik der obigen älteren, aber noch
heute weitverbreiteten Ansichten trifft Agassiz selbst nicht mehr. Seine neuere Auffassungsweise kenne
ich leider eben nur aus R. W.'s etwas confusem Berichte und habe daher geglaubt, mir irgendwelche
kritische Bemerkung über dieselbe nicht erlauben zu dürfen.
Für Darwin.
245
diese ohne jene, nicht aber jene ohne diese denkbar sind. Man könnte einwenden,
dass ja nach diesem Satze provisorische Organe als die früher entstandenen an
Wichtigkeit die bleibenden später gebildeten übertreffen müssten. — Aber halten
wir uns an die Kruster. Bei Polyphemus findet Leydig schon während der Fur-
chung die erste Anlage des Darmrohrs, Bei Mysis bildet sich zuerst ein pro-
visorischer Schwanz, bei Ligia eine madenförmige Larvenhaut. Das einfache un-
paare Auge entsteht früher und wäre also wichtiger, als die zusammengesetzten
paarigen ; die Schuppe des Garneelenfühlers wichtiger, als die Geissei ; die Kiefer-
füsse der Krabben und Krebse wichtiger als Scheeren und Gangfüsse, bei den
Asseln die sechs vorderen Fusspaare wichtiger, als das ganz gleich gebildete
siebente; bei den Amphipoden das wichtigste aller Organe der bald nach dem
Ausschlüpfen spurlos verschwindende „Mikropylapparat" ; bei den Cyclopen wich-
tiger als alle Schwimmfüsse die Borsten des Schwanzes, bei den Cirripedien die
hinteren Fühler, von denen man nicht weiss, wo sie bleiben, wichtiger als die
Rankenfüsse u. s. w. Die unwesentlichsten aller Organe wären die Geschlechts-
theile, die wesentlichste Eigenthümlichkeit aber läge in der bis auf's Eierstocksei
zurückführbaren Farbe.
„Embryonen, Jugendzustände verschiedener Thiere gleichen
einander um so mehr, je jünger sie sind", oder wie Johannes Müller es
ausdrückt, „nähern sich um so mehr dem gemeinsamen Typu s". So
verschieden die Begriffe sein mögen, die man mit dem Worte Typus verbindet
so wird doch Niemand bestreiten, dass die typische Form des vorletzten Fuss-
paares der Amphipoden die eines einfachen Gangfusses, und nicht die einer Scheere
ist; denn letztere findet sich bei keinem einzigen erwachsenen Amphipoden; man
kennt sie nur von den Jungen der Gattung Brachyscelus, die sich also hierin
unzweifelhaft weiter vom T3APUS ihrer Ordnung entfernen, als die Alten. Dasselbe
gilt von den jungen Männchen der Strandhüpfer (Orchestia) in Bezug auf das
zweite Paar der Vorderfüsse (Gnathopoda). Ebenso wird kaum Jemand anstehen,
den Besitz von sieben Fusspaaren als „typische" Eigenthümlichkeit der Edrioph-
thalmen anzuerkennen, die Agassiz gerade danach Tetradecapoden nennt; die
jungen Asseln, die Dodecapoden sind, stehen auch hier dem „Typus" ferner als
die Alten.
Regel ist allerdings, und so lässt es Darwin's Lehre erwarten, dass im Fort-
schritte der Entwicklung die anfangs ähnlicheren Formen immer weiter aus-
einandergehen ; aber hier, wie in anderen Klassen, sind die Ausnahmen, für die
die Schule keine Erklärung hat, zahlreich. Nicht selten könnte man den Satz,
geradezu umkehren und behaupten, dass die Verschiedenheit um so grösser wird,
je weiter man in der Entwicklung zurückgeht, und das nicht nur in Fällen, wo
von zwei nahestehenden Arten die eine sich direct entwickelt, die andere mehr-
fache Larvenzustände durchläuft, — wie etwa der Flusskrebs und die aus Nauplius-
brut hervorgehenden Garneelen. Man kann dasselbe sagen z. B. von Asseln und
Amphipoden; bei den erwachsenen Thieren ist die Gliedmassenzahl dieselbe; man
kann beim ersten Anblick eines Cyrtophium, einer Dulichia, man kann selbst nach
sorgfältiger Untersuchung einer Scheerenassel in Zweifel bleiben, ob man eine
Assel oder einen Amphipoden vor sich habe, bei den ausschlüpfenden Jungen ist
die Zahl der Gliedmassen verschieden und geht man zurück ins Eileben, so ge-
246
Für Darwin.
nügt der flüchtigste Blick, um an der Krümmung nach oben oder unten selbst
die jüngsten Embryonen der beiden Ordnungen zu unterscheiden.
In anderen Fällen gehen die Wege, die von gleichem Ausgan gspuncte zu
gleichem Ziele führen, in der Mitte der Entwicklung weit auseinander, wie bei
den oben geschilderten Garneelen mit Naupliusbrut.
Endlich, damit auch die letzte Möglichkeit erschöpft werde, kommt es vor,
dass die grösste Aehnlichkeit in die Mitte der Entwicklung fällt. Das schlagendste
Beispiel liefern Rankenfüsser und Wurzelkrebse, mag man nun die beiden Ord-
nungen mit einander, oder die Glieder einer jeden unter sich vergleichen; aus
ganz verschieden ablaufender Furchung (s. Fig. 61 — 64) gehen mannichfaltige
Nauplius hervor, diese verwandeln sich in äusserst ähnliche Puppen und aus den
Puppen werden wieder himmelweit verschiedene geschlechtsreife Thiere.
„Wenn die Bildung der Organe stattfindet in der ihrer Wich-
tigkeit entsprechenden Ordnung, so muss selbstverständlich
diese Reihenfolge ein Kriterium ihres verhältnissmässigen
Werthes für die Systematik sein." — Vorausgesetzt nämlich, dass
physiologischer und systematischer Werth eines Organes zusammen-
fallen ! — Wie es in christlichen Landen eine Katechismusmoral gibt, die Jeder
im Munde führt, Niemand zu befolgen sich verpflichtet hält oder von Anderen
befolgt zu sehen erwartet, so hat auch die Zoologie ihre Dogmen, die man ebenso
allgemein bekennt, als in der Praxis verläugnet. Ein solches Dogma ist die von
Agassiz stillschweigend gemachte Voraussetzung. Unter Hundert, die sich ge-
drungen fühlen, als Einleitung eines Handbuchs oder einer monographischen Ar-
beit ihr systematisches Glaubensbekenntniss abzulegen, werden Neun und neunzig
damit beginnen, dass ein natürliches System sich nicht auf ein einziges Merkmal
stützen dürfe, sondern alle Merkmale, den gesammten Bau des Thieres zu berück-
sichtigen habe, dass man aber diese Merkmale nicht wie gleichnamige Grössen
einfach summiren dürfe, dass man sie nicht zählen, sondern wägen und das jedem
einzelnen beizulegende Gewicht nach seiner physiologischen Bedeutung bemessen
müsse. — Vielleicht folgt dann noch einiges allgemein gehaltene Wortgeklingel
über die vergleichungsweise Wichtigkeit von animalen und vegetativen Organen,
von Kreislauf, Athmung u, dgl. — Geht es aber an die eigentliche Arbeit, an
das Sichten und Anordnen der Arten, Gattungen, Familien u. s. w., so wird wahr-
scheinlich nicht Einer der Neun und neunzig sich dieser schönen Regeln erinnern
und den hoffnungslosen Versuch ihrer Durchführung im Einzelnen unternehmen.
-■ Agassiz z. B. betrachtet wie Cuvier und im Gegensatz zur Mehrzahl der
deutschen und englischen Zoologen die Strahlthiere als eine der grossen Haupt-
abtheilungen des Thierreichs, trotzdem dass Niemand etwas weiss über die Be-
deutung der strahligen Anordnung für das Leben dieser Thiere, und trotzdem
dass die strahligen Echinodermen aus bilateralen Larven hervorgehen. Die „eigent-
lichen Fische" theilt derselbe in Ctenoiden und Cycloiden, je nachdem der Hinter-
rand der Schuppen gezähnelt oder glatt ist, — ein Umstand, dessen Wichtigkeit
für das Thier verschwindend klein sein muss gegen die Eigenthümlichkeiten der
Bezahnung, der Flossenbildung, der Wirbelzahl u. s. w.
Um zu unserer Klasse der Kruster zurückzukehren, hat man bei deren Ein-
theilung etwa auf die Unterschiede in den „wesentlichsten Organen" vorwaltende
Für Darwin.
247
Rücksicht genommen ? — Etwa auf das Nervensystem ? — Bei den Corycaeiden
fand Claus alle Bauchganglien in eine einzige breite Masse verschmolzen, bei den
Calaniden eine lange Bauchganglienkette, jene also hierin den Spinnenkrabben,
diese dem Hummer ähnlich, aber Niemandem fällt es im Traume ein, deshalb an
eine Verwandtschaft der Corycaeiden mit den Krabben, der Calaniden mit den
Krebsen zu denken. — Oder auf die Organe des Kreislaufs? — Aber da stehen
unter den Copepoden die Cyclopiden und Corycaeiden ohne Herz neben den Cala-
niden und Pontelliden mit einem Herzen. Und ebenso stellen sich unter den
Ostracoden neben die herzlosen Cypris und Cythere die, wie ich finde, ein Herz
besitzenden Cypridinen. — Oder auf die Athmungswerkzeuge? — Milne Edwards
hatte es gethan, als er die Mysis und Leucifer von den Decapoden trennte, aber
er selbst hat dies später als Fehlgriff erkannt. Bei einer Cypridina sehe ich an-
sehnliche Kiemen, die ich bei einer zweiten Art vollständig vermisse, aber dies
scheint mir kein Grund, diese Arten selbst nur generisch zu trennen. —
Auf der anderen Seite, was wissen wir von der physiologischen Bedeutung
der Segmentenzahl und all der Dinge, die wir als typische Eigenthümlichkeiten
der verschiedenen Ordnungen zu betrachten, denen wir den höchsten systematischen
Wert beizulegen pflegen?
„Die Eigenthümlichkeiten, welche früher erscheinen, soll
man höher werthen als die, welche später erscheinen. Ein System
um wahr und natürlich zu sein, muss übereinstimmen mit der
Aufeinanderfolge der Organe in der Entwicklung des Embryo."
Sind früher erscheinende Eigenthümlichkeiten höher zu werthen, als später auf-
tretende, so wird in Fällen, wo der Bau des erwachsenen Thieres die eine, der
Bau der I>arve eine andre Stellung im System fordert, nicht jenes, sondern diese
den entscheidenden Ausschlag zu geben haben. Wie man Lernaeen und Ranken-
füsser um ihrer Naupliusbrut willen aus ihrem früheren Verbände löste und den
Krustern zuwies, so wird man aus gleichem Grunde Peneus von den Garneelen
trennen und mit Copepoden und Rankenfüssern vereinigen müssen. Aber davor
dürfte wohl auch der eifrigste Embryomane zurückschrecken.
Ein „wahres und natürliches System" der Kruster würde der Reihenfolge
der Erscheinungen nach in erster Linie die verschiedene Weise der Furchung,
dann die Lagerung des Embryo, weiterhin die Zahl der im Ei angelegten Glied-
massen u. s. f. zu berücksichtigen haben und dürfte sich etwa in folgender Weise
darstellen :
Classis Cmstacea.
Subclass I. Holoschista. Totale Furchung. Kein Primitivstreifen.
Naupliusbrut.
Ord. I. Ceratometopa. Nauplius mit Stirnhörnern. (Ranken-
füsser, Wurzelkrebse.)
Ord. 2. Leiometopa. Nauplius ohne Stirnhörner. (Cope-
poden, ohne Achthercs u.s.w., Phyllopoden, Peneus.)
Subclass n. Hemischista. Keine totale Furchung.
A. Nototropa. Embryo aufwärts gekrümmt.
Ord. 3. Protura. Der Schwanz bildet sich zuerst. (Mysis.)
248
Für Darwin.
Ord. 4. Saccomorpha. Eine maden form ige Larvenhaut
bildet sich zuerst. (Asseln.)
B. Gasterotropa. Embryo bauch wärts gekrümmt.
Ord. 5. Zoeogona. Gliedmassen nicht vollzählig im Ei
angelegt. Zoeabrut. (Mehrzahl der Podophthalmen.)
Ord. 6. Ametabola. Gliedmassen vollzählig im Ei an-
gelegt. (Astacus. Gecarcinus. Amphipoden, ohne
Hyperia ?)
Die Probe mag genügen. Je weiter man auf diesem Wege ins Einzelne
einginge, um so glänzender würde sich, wie man sich denken kann, die Natürlich-
keit einer solchen Anordnung herausstellen.
Alles in Allem genommen, so darf man wohl das Urtheil, das Agassiz über
Darwin's Lehre aussprach, mit weit grösserem Rechte auf die eben beleuchteten
Sätze anwenden: „Keine Theorie, so plausibel sie auch erscheinen mag, kann in
der Wissenschaft zugelassen werden, wenn sie nicht durch Thatsachen unterstützt
wird."
XL
Von dem nicht wohl zu umgehenden unerquicklichen Seitenblicke auf die
Schule, die so vornehm herabzublicken weiss auf den „geistreichen Traum" Dar-
win's und auf die „schwindelhafte Begeisterung" seiner Freunde, wende ich mich
zu der angenehmen Aufgabe, die Entwicklungsgeschichte der Kruster aus dem
Gesichtspuncte der Darwin'schen Lehre zu betrachten.
Darwin selbst hat bereits die aus seinen Voraussetzungen für das Gebiet
der Entwicklungsgeschichte sich ergebenden Folgerungen im dreizehnten Kapitel
seines Buches erörtert. Für eine mehr ins Einzelne gehende Anwendung wird
es indess nöthig, zunächst im Allgemeinen diesen Folgerungen etwas weiter nach-
zugehen, als es dort geschehen ist.
Die Veränderungen, durch welche sich Junge von ihren Erzeugern entfernen
und deren allmähliche Häufung die Entstehung neuer Arten, Gattungen, Familien
veranlasst, können in früherem oder späterem Lebensalter auftreten, in der Jugend
oder zur Zeit der Geschlechtsreife. Denn letztere ist bei weitem nicht immer eine
Zeit des Stillstandes, wie bei den Insecten; die meisten anderen Thiere fahren
auch dann noch fort, zu wachsen und sich zu verändern. (Man vergleiche das
oben über die Männchen der Amphipoden Bemerkte.) Gewisse Abweichungen
können sogar ihrer Natur nach erst eintreten, wenn das Junge die Entwicklungs-
stufe der Eltern erreicht hat. So besitzen die Seeraupen (Polynoe) anfangs nur
wenige Leibesringe, die während der Entwicklung allmählich zu einer für ver-
schiedene Arten verschiedenen, für jede derselben beständigen Zahl anwachsen;
ehe nun ein Junges die Ringzahl seiner Eltern überschreiten könnte, müsste es
sie natürlich erreicht haben. Man wird einen ähnlichen nachträglichen Fortschritt
überall vermuthen dürfen, wo die Abweichung der Nachkommen in einem Zu-
wachse neuer Ringe und Gliedmassen besteht.
Die Nachkommen gelangen also zu einem neuen Ziele, ent-
weder indem sie schon auf demWege zur elterlichen Form früher
oder später abirren, oder indem sie diesen Weg zwar unbeirrt
durchlaufen, aber dann statt stille zu stehen noch weiter schreiten.
Für Darwin.
249
Die erstere Weise wird vorwiegend gewirkt haben, wo die Nachkommen-
schaft gemeinsamer Ahnen einen in den wesentlichsten Zügen auf gleicher Stufe
stehenden Formenkreis bildet, wie etwa sämmtliche Amphipoden, oder Krabben,
oder Vögel. Dagegen wird man zur Annahme der zweiten Weise des Fort-
schreitens geführt, sobald man von gemeinsamer Stammform Thiere abzuleiten
sucht, von denen die einen übereinstimmen mit Jugendzuständen der anderen.
Im ersteren Falle wird die Entwicklungsgeschichte der Nachkommen mit
der ihrer Vorfahren nur bis zu dem Puncte zusammenfallen können, an dem ihre
Wege sich schieden, über deren Bau im erwachsenen Zustande wird sie nichts
lehren. Im zweiten Falle wird die ganze
Entwicklung der Vorfahren auch von
den Nachkommen durchlaufen und soweit
daher die Entstehung einer Art auf dieser
zweiten Weise des Fortschreitens beruht,
wird die geschichtliche Entwicklung der
Art sich abspiegeln in deren Entwicklungs-
geschichte. — In der kurzen Frist weniger Wochen
oder Monden führen die wechselnden Formen der
Embryonen und Larven ein mehr oder minder voll-
ständiges, mehr oder minder treues Bild der Wand-
lungen an uns vorüber, durch welche die Art im
Laufe ungezählter Jahrtausende zu ihrem gegen-
wärtigen Stande sich emporgerungen hat.
Eines der einfachsten Beispiele bietet die Ent-
wicklung der Wurmröhren. Gerade durch seine
Einfachheit aber scheint es geeignet, auch Manchem,
der nicht sehen möchte, die Augen zu öffnen, und
mag deshalb hier Platz finden. Vor drei Jahren fand
ich an der Wand eines meiner Gläser einige kleine
Wurmröhren (Fig. 65), deren Bewohner drei Paar
bärtige Kiemenfäden trugen und eines Deckels ent-
behrten. Man hätte sie danach zur Gattung Protula
stellen müssen. Wenige Tage später hatte sich einer
der Kiemenfäden am Ende zu einem keulenförmigen
Deckel verdickt (Fig. 66). Jetzt erinnerten die Thiere durch den bärtigen Deckel-
stiel an die Gattung Filograna, nur dass diese zwei Deckel besitzt. Nach wei-
teren drei Tagen, während deren ein neues Paar Kiemenfäden hervorgesprosst
war, hatte der Deckelstiel seine seitlichen Fäden verloren (Fig. 67) und die
Würmer waren zu Serpula geworden. Hier bietet sich von selbst die Annahme,
dass die Urwurmröhre eine Protula war, - — dass einige Nachkommen derselben,
die sich bereits zu vollständigen Protula entwickelt hatten, nachträgHch sich durch
die Bildung eines Deckels vervollkommneten, der ihre Röhre vor feindlichen Ein-
dringlingen schützte, — dass spätere Nachkommen dieser letzteren endlich die
Fig. 65. Fig. 66. Fig. 67.
Fig. 65 — 67. Junge Wurmröhre,
mit der einfachen Linse, etwa 6mal
vergr.
FiR- 65 *), ohne Deckel, Protula-
stufe.
Fig. 66, mit bärtigem Deckelstiel,
Filogranastufe.
Fig. 67, mit nacktem Deckelstiel,
Serpulastufe.
i) Fig. 65 ist aus der Erinnerung gezeichnet, da mir die Thierchen, die ich anfangs für junge Protula
nahm, erst merkwürdig wurden und ich sie zeichnete, als ich das Auftreten des Deckels bemerkte.
2'r\ Für Darwin.
seitlichen Fäden des Deckelstiels wieder verloren, die sie wie ihre Vorfahren ent-
wickelt hatten.
Was sagt die Schule zu diesem Falle? Woher und wozu, wenn die Serpula als
fertige Arten entstanden oder erschaffen wurden, diese seitlichen Fäden des Deckel-
stiels? Sie blos um eines einmal entworfenen unabänderlichen Bauplanes willen
hervorspriessen zu lassen, selbst wenn sie sofort wieder als überflüssig eingezogen
werden mussten, wäre doch sicher eher Beweis kindischer Tändelei oder schulmeister-
lichen Pedantismus, als unendlicher Weisheit. Aber nein, ich irre mich, von Ur-
beginn her wusste ja auch der Schöpfer, dass einst neugierige Menschenkinder über
Analogien und Homologien grübeln, dass christliche Naturforscher sich abmühen
würden, seine Schöpf ungsgedanken nachzudenken; — jedenfalls, um diesen die
Einsicht zu erleichtern, dass der Deckelstiel der Serpula einem Kiemenfaden
homolog sei, Hess er denselben bei seiner Entwicklung einen Umweg machen
und durch die Form eines bärtigen Kiemenfadens hindurchgehen.
Die in der Entwickelungsgeschichte erhaltene geschicht-
liche Urkunde wird allmählich verwischt, indem die Entwick-
lung einen immer geraderen Weg vom Ei zum fertigen Thiere
einschlägt, und sie wird häufig gefälscht durch den Kampf ums
Dasein, den die freilebenden Larven zu bestehen haben.
Wie nämlich das Gesetz der Erblichkeit kein strenges ist, wie es individuellen
Schwankungen Raum gibt in Betreff der Form der Eltern, so gilt ein Gleiches
auch für die Zeitfolge der Entwicklungsvorgänge. Jeder Familienvater, der darauf
Acht hatte, weiss ja, dass selbst bei Kindern derselben Eltern z. B. die Zähne
weder in genau demselben Alter, noch in derselben Folge hervorbrechen oder
gewechselt werden. — Nun wird es im Allgemeinen einem Thiere von Nutzen
sein, der Vorzüge, durch die es im Kampfe ums Dasein sich behauptet, so früh
als möglich theilhaftig zu werden. Ein verfrühtes Auftreten später erworbener
Eigenthümlichkeiten wird meist Vortheil, ein verspätetes Nachtheil bringen ; ersteres,
wo es einmal zufällig sich zeigt, wird durch die natürliche Auslese erhalten werden.
Ebenso jede Abänderung, die den Kreuz- und Querzügen durch mannichfache
Larvenzustände eine mehr geradlinige Richtung gibt, den Entwicklungsgang ver-
einfacht, abkürzt, in frühere Lebenszeit und endlich ins Eileben zurückdrängt.
Da dieser Uebergang einer durch verschiedenartige Jugendzustände hindurch-
gehenden in eine mehr unmittelbare Entwicklung nicht Folge eines inwohnenden
mystischen Triebes, sondern abhängig ist von zufälHg sich bietenden Fortschritten,
so wird derselbe bei nächstverwandten Thieren auf die verschiedenste Weise vor
sich gehen und sehr verschiedene Zeit zu seinem Ablaufe erfordern können. Eines
ist jedoch hierbei nicht zu übersehen. Die geschichtliche Entwicklung der Art
dürfte schwerlich je im fortwährend gleichmässigen Flusse vor sich gegangen sein ;
Zeiten der Ruhe werden mit Zeiten rascheren Fortschreitens gewechselt haben.
Formen nun, die in Zeiten rascheren Fortschrittes nach kurzem Bestände von
anderen abgelöst wurden, dürften auch der Entwicklungsgeschichte der Nach-
kommen sich weniger tief eingeprägt haben, als solche, die in Zeiten der Ruhe
bei einer langen Reihe aufeinanderfolgender Geschlechter sich unverändert wieder-
holten. Diese besser befestigten Formen, weniger zu Abänderungen geneigt,
werden bei dem Uebergange zu directer Entwicklung zäheren Widerstand leisten
Für Darwin.
'■5^
und auch bei sonst noch so verschiedenem Verlaufe dieses Vorganges in gleich-
massiger Weise und bis zuletzt sich erhalten.
Im Allgemeinen wird es, wie gesagt, den Jungen vortheilhaft sein, in Gestalt
der Eltern, mit all deren Vorzügen ausgerüstet den Kampf ums Dasein zu be-
ginnen, im Allgemeinen, — doch nicht ohne Ausnahmen. Dass festsitzenden
Thieren eine der Ortsbewegung fähige Brut fast unentbehrlich ist, dass die munter
durchs Meer schwärmenden Larven träger Schnecken, im Boden wühlenden Ge-
würmes u. s. w. durch Ausstreuen der Art über weitere Strecken wesentliche
Dienste leisten, liegt auf der Hand. In anderen Fällen ist eine Verwandlung da-
durch unentbehrlich geworden, dass sich eine Teilung der Arbeit zwischen die ver-
schiedenen Lebensaltern herausgebildet hat, dass z. B. die Larven ausschliesslich das
Geschäft der Ernährung übernommen haben. — Ein fernerer in Betracht zu ziehender
Umstand liegt in der Grösse der Eier, ein einfacher Bau ist mit weniger Stoff
herzustellen, als ein mehr zusammengesetzter; je unvollkommener die Larve, um so
kleiner kann das Ei sein, eine um so grössere Menge derselben kann die Mutter
bei gleichem Aufwand an Stoff liefern. In der Regel, glaube ich, wird zwar dieser
Vortheil einer zahlreicheren den einer vollkommneren Brut bei weitem nicht auf-
wiegen ; wohl aber in FäUen, wo die Hauptschwierigkeit für die Jungen darin be-
steht, einen passenden Ort für ihre Entwicklung zu finden und wo es daher gilt,
die grösstmögliche Menge von Keimen auszustreuen. So bei vielen Schmarotzern.
Es mag hier, wo vom Uebergang der urspünglichen Entwicklung mit Ver-
wandlung in directe Entwicklung die Rede ist, an der Stelle sein, ein Wort zu
sagen über den oben berührten Mangel der Verwandlung bei Süsswasser- und
Landthieren, deren meerbewohnende Verwandte noch eine solche durchlaufen.
Dieses Verhalten scheint in zwiefacher Weise erklärbar. Entweder wanderten
besonders Arten ohne Verwandlung ins süsse Wasser ein, oder die Verwandlung
wurde bei den Uebergesiedelten rascher beseitigt, als bei den im Meere zurück-
gebliebenen Genossen.
Thiere ohne Verwandlung konnten natürlich leichter übersiedeln, da sie nur
sich selbst und nicht zugleich mannichfache Jugendformen den neuen Verhält-
nissen anzuschmiegen hatten. Bei Thieren mit Verwandlung aber musste im All-
gemeinen die immer bedeutende Sterblichkeit der Larven eine noch grössere sein
in neuen, als in altgewohnten Verhältnissen; jeder Schritt zur Vereinfachung des
Entwicklungsganges musste also hier ein noch grösseres Uebergewicht über die
Artgenossen geben und das Verwischen der Verwandlung daher rascher vor sich
gehen. Was in jedem Einzelfalle stattgefunden hat, ob die Art einwanderte, nach-
dem sie die Verwandlung verloren, — oder die Verwandlung verlor, nachdem sie
einwanderte, wird nicht immer leicht zu entscheiden sein. Wo meerbewohnende
Verwandte ohne oder mit geringer Verwandlung" sich finden, wie der Hummer
als Vetter des Flusskrebses, wird man nach der ersteren, — wo auf dem Lande
oder im süssen Wasser noch Verwandte mit Verwandlung leben, wie bei Gecar-
cinus, zu letzterer Annahme greifen dürfen.
Wie neben diesem allmählichen Verklingen der Urgeschichte zugleich eine
Fälschung der in der Entwicklungsgeschichte niedergelegten Urkunde statt-
finde durch den Kampf ums Dasein, den die freilebenden Jugendzustände zu be-
stehen haben, bedarf keiner weiteren Ausführung. Denn selbstverständlich muss
2 c 7 Für Darwin.
auf Larven, die für sich selbst zu sorgen haben, der Kampf ums Dasein und die
damit verbundene natürliche Auslese in gleicher Weise verändernd und fortbildend
wirken, wie auf erwachsene Thiere. Die von den Fortschritten des erwachsenen
Thieres unabhängigen Veränderungen der Larve werden um so bedeutender sein,
je länger die Lebensdauer der Larve im Vergleich zu der des erwachsenen Thieres,
je abweichender ihre Lebensweise und je schärfer ausgesprochen die Theilung der
Arbeit zwischen den verschiedenen Entwicklungsstufen. Diese Vorgänge haben
in gewisser Weise eine dem allmählichen Verklingen der Urgeschichte entgegen-
gesetzte Wirkung; sie vergrössern die Unterschiede zwischen den einzelnen Ent-
wicklungsstufen und man begreift, wie selbst ein geradliniger Entwicklungsgang
durch sie wieder in eine Entwicklung mit Verwandlungen umgebildet werden
kann. So lassen sich manche und, wie mir scheint, triftige Gründe für die Ansicht
geltend machen, dass die ältesten Insecten den heutigen Geradflüglern, vielleicht
den flügellosen Schaben, näher standen als irgend einer anderen Ordnung und
dass die ^.vollkommene Verwandlung" der Käfer, Schmetterlinge u. s. w. späteren
Ursprungs ist. Es hat, glaube ich. früher vollkommene Insecten, als Raupen oder
Puppen, dagegen weit früher Nauplius und Zoea als vollkommene Garneelen ge-
geben. Man könnte im Gegensatz zu der ererbten Verwandlung der Garneelen,
die der Käfer, Schmetterlinge u. s. w. eine erworbene nennen^).
Welche der verschiedenen zur Zeit in einer Thierklasse bestehenden Ent-
wicklungsweisen beanspruchen dürfe, als die der ursprünglichen zunächst stehende
zu gelten, ist nach dem Obigen leicht zu ermessen.
Die Urgeschichte der Art wird in ihrer Entwicklungs-
geschichte um so vollständiger erhalten sein, je länger die
Reihe der Jugendzustände ist, die sie gleichmässigen Schrittes
durchläuft, und um so treuer, je weniger sich die Lebensweise
der Jungen von der der Alten entfernt, und je weniger dieEigen-
thümlichkeiten der einzelnen Jugendzustände als aus späteren
in frühereLebensabschnitte zurückverlegtoderalsselbstständig
erworben sich auffassen lassen.
Machen wir die Anwendung auf die Kruster.
XII.
Nach allen im letzten Satze aufgestellten Kennzeichen erscheint bis jetzt die
Garneele, die wir (Fig. 28 — 31) von Nauplius durch Zoea und Mysis ähnliche Zu-
stände bis zur Gestalt eines langschwänzigen Krebses begleiteten, als dasjenige
Thier, welches im Bereiche der höheren Kruster (Malacostraca) die vollständigste
und treueste Kunde gibt von seiner Urgeschichte. Die vollständigste, das liegt
auf der Hand. Die treueste, das ist anzunehmen, einmal weil die Lebensweise
der einzelnen Altersstufen eine minder verschiedene ist, als bei der Mehrzahl der
übrigen Podophthalmen ; — denn vom Nauplius bis zur jungen Garneele wurden
sie frei schwimmend im Meere getroffen, während Krabben, Porcellanen, die
Tatuira, Squilla und viele Langschwänze erwachsen unter Steinen, in Felsspalten,
Erdlöchern, unterirdischen Gängen, im Sande u. s. w. sich aufzuhalten pflegen,
i) Anmerkung aus der englischen Uebersetzung des Buches siehe am Schlüsse dieser Arbeit.
Der Herausgeber.
Für Darwin.
253
noch abweichenderer Sitten nicht zu gedenken, wie sie Einsiedlerkrebse, Muschel-
wächter u. s. w. zeigen, — und zweitens vorzüglich weil die Eigenthümlichkeiten,
die namentlich die Zoea dieser Art vor anderen Zoea auszeichnen (die Benutzung
der vordersten Gliedmassen zum Schwimmen, der gabiige Schwanz, das einfachere
Herz, der anfängliche Mangel der paarigen Augen und des Hinterleibes u. s. w.),
weder aus einem Zurückverlegen später erworbener Vorzüge in dieses frühere
Lebensalter abzuleiten sind, noch überhaupt als Vorzüge vor anderen Zoea er-
scheinen, welche die Larve im Kampfe um's Dasein erworben haben könnte.
Eine ähnliche Entwicklung musste einst der Urahn aller Malacostraca
durchlaufen, verschieden von der unserer Garneele wohl besonders dadurch, dass
sie noch gleichmässigeren Schrittes durchmessen wurde ohne die plötzlichen
Wechsel der Form und der Bewegungsweise, die bei letzterer besonders daraus
entstehn, dass bei dem Nauplius gleichzeitig vier, bei der Zoea gleichzeitig fünf
Gliedmassenpaare hervorspriessen und mit einem Male in Thätigkeit treten. Es
ist anzunehmen, dass sich nicht nur ursprünglich, sondern auch noch bei den
Larven der ersten Malacostraca die neuen Leibesringe und Gliedmassenpaare
einzeln, zuerst die Ringe des Vorderleibes, dann des Hinterleibes, und zuletzt des
Mittelleibes, und zwar in jedem Leibesabschnitte die vorderen früher als die hinteren
bildeten, zuletzt also von allen der hinterste Ring des Mittelleibes. — Von dieser
ursprünglicheren Weise sind heute noch mehr oder minder deutliche Spuren selbst
bei Arten gebHeben, bei denen sonst der Entwicklungsgang der Vorfahren schon
ziemlich verwischt ist. So bilden sich einzeln, von vorn nach hinten, die Hinter-
leibsfüsse der Fig. 33 gezeichneten Garneelenlarve und später als sie die
letzten Füsse des Mittelleibes; so bei PaHnurus die beiden letzten Fusspaare
des Mittelleibes später als die übrigen; so entbehren bei jungen Maulfüsser-
larven noch die drei letzten Hinterleibsringe, bei älteren noch der letzte der-
selben der Gliedmassen; so entsteht bei den Asseln noch heute das geschichtlich
jüngste Fusspaar später als alle übrigen. Vollständiger erhalten, als bei irgend
einem der höheren Kruster ist diese schrittweise von vorn nach hinten vorrückende
Bildung neuer Leibesringe und Gliedmassen bei den Copepoden^).
Die ursprüngliche von der niedersten Stufe, die wir überhaupt freilebend in
der Klasse der Kruster kennen , von NaupHus ausgehende Entwicklung der
Malacostraca ist heute bei der Mehrzahl derselben ziemlich verwischt. Dass dieses
Verwischen wirklich in der Weise vor sich gegangen, die oben aus Darwin's
Lehre als deren unmittelbare Folge abgeleitet wurde, wird um so leichter nach-
zuweisen sein, je mehr dieser Vorgang noch im lebendigen Flusse begriffen, je
weniger vollständig er bereits abgelaufen ist. Die schlagendsten Beispiele darf
man in der noch unbekannten Entwicklungsgeschichte der verschiedenen Schizo-
i) Man weiss, dass in mehreren Fällen selbst bei erwachsenen Thieren der letzte Ring des Mittel-
leibes oder einige der letzten entweder ihrer Gliedmassen entbehren oder selbst völlig fehlen. (Entoniscus
Porcellanae J, Leucifer u. s. w.) Das könnte davon herrühren, dass die Thiere sich von dem gemeinsamen
Stamme trennten, ehe noch diese Gliedmassen überhaupt gebildet wurden. Doch ist es mir in den Fällen,
die ich näher kenne, wahrscheinlicher, dass dieselben später wieder verloren gegangen sind. Dass gerade
diese Gliedmassen und Ringe sich leichter verloren, als andere („Mr. Dana, believes, that in ordinary Crusta-
ceans, the abortion of the segments with their appendages takes almost always place at the posterior end
of the cephalothorax". Darwin, Balanidae, S. in), findet seine Erklärung darin, dass sie als die jüngsten
weniger als die anderen durch langdauemde Vererbung befestigt waren.
, ^ . Für Darwin.
poden, Peneiden, überhaupt der langschwänzigen Krebse zu erhalten hoffen. Für
jetzt erscheinen als besonders lehrreich die mannichfachen Zoeaformen. Fast alle
Eigenthümlichkeiten, durch die sie sich von der Urform der Peneus-Zoea (Fig. 2g,
30, 32) entfernen, lassen sich in der That auffassen als aus späterer Zeit in diesen
früheren Lebensabschnitt zurückverlegt. So die grossen zusammengesetzten Augen ;
so die Bildung des Herzens; so die Raubfüsse bei Squilla; so der kräftige mus-
culöse, gerade ausgestreckte Hinterleib bei Palaemon, Alpheus, Hippolyte und den
Einsiedlerkrebsen ; — (bei letzteren ist gegenwärtig der Hinterleib des erwachsenen
Thieres freilich ein ungeschlachter mit Leber und Geschlechtstheilen gefüllter Sack,
aber ziemlich kräftig noch auf der Glaucothoestufe, und noch kräftiger war er
jedenfalls, als diese Stufe noch die bleibende Form des Thieres war). — So auch
der meist unter die Brust geschlagene, dabei aber kräftige Hinterleib der Zoea
von Krabben, Porcellanen und der Tatuira; letztere beide schwimmen noch jetzt
leidlich mittelst des Hinterleibes, selbst erwachsen; die Krabben wenigstens in
der Jugend, als sogenannte Megalops. — So endlich die Verwendung der beiden
vorderen Gliedmassenpaare als Fühler. Merkwürdig ist besonders das zweite
Fühlerpaar, das bei den verschiedenen Zoea sich immer einen Schritt hinter dem
des erwachsenen Thieres hält. Bei den Krabben fehlt eine „Schuppe" vollständig;
ihre Zoea haben sie angedeutet in Form eines oft sehr winzigen beweglichen
Anhanges. Bei den Einsiedlerkrebsen findet sich ein solcher meist beweglicher
dornförmiger Fortsatz als Rest der Schuppe ; ihre Zoea haben eine wohlentwickelte,
aber ungegliederte Schuppe, Eine eben solche Schuppe besitzen die erwachsenen
Garneelen, bei deren Zoea erscheint sie noch gegliedert, wie der äussere Ast am
zweiten Fusspaare der Nauplius oder der Peneus-Zoea. —
Die langen stachelförmigen Fortsätze am Panzer der Krabben- und Porcellanen-
Zoea sind auf diesem Wege nicht zu erklären, doch ist ihr Nutzen für die Larven
augenscheinlich. Wenn z. B. der Leib der Zoea von Porcellana stellicola (Fig. 24)
ohne die Fortsätze des Panzers und ohne den nicht steif ausstreckbaren Hinterleib
kaum eine halbe Linie, mit den Fortsätzen vier Linien lang ist, so bedarf es eines
achtmal weiteren Maules, um das so ausgerüstete Thierchen zu verschlingen ^).
Somit können diese Fortsätze des Panzers als von der Zoea selbst im Kampfe
ums Dasein erworben angesehen werden.
Auf ein früheres Eintreten ursprünglich später erfolgender Vorgänge ist
auch die Bildung neuer Gliedmassen unter der Haut der Larven zurückzuführen.
Der ursprüngliche Hergang war jedenfalls, dass sie erst nach der Häutung frei
am Bauche im nächsten Larvenstadium hervorsprossten, während sie jetzt schon
vor der Häutung sich entwickeln und so um ein Stadium früher in Thätigkeit
treten. Bei Larven, die aus anderen Gründen als der Urform näher stehend gelten
müssen, pflegt auch hierin die ursprüngliche Weise vorzuherrschen. So bilden sich
die Schwanzfüsse (die „seitlichen Schwanzblätter") frei am Bauche bei Euphausia
und den Garneelen mit Naupliusbrut, innerhalb des Schwanzblattes bei den Gar-
neelen mit Zoeabrut, bei Pagurus, bei Porcellana.
I) In ähnlicher Weise dienen der Persephone, einer seltenen Krabbe aus der Familie der Leucosiden,
ihre langen Scheerenfüsse. Ergreift man das Thier, so streckt es dieselben stocksteif gerade nach unten
und man würde sie wahrscheinlich eher brechen, als biegen können.
Für Darwin. 9rcr
Ein Zusammendrängen mehrerer Stadien in eines und dadurch eine Ab-
kürzung, Vereinfachung des Entvvickkmgsganges spricht sich aus in dem gleich-
zeitigen Auftreten mehrerer neuen Gliedmassenpaare,
Wie frühere Jugendzustände nach und nach vollständig verloren gehen
können, zeigen Mysis und die Asseln. Bei Mysis findet sich noch ein Rest des
Naupliusstadiums ; zurückgedrängt in eine Zeit, wo er noch nicht selbst für sich
zu sorgen hatte, ist der Nauplius zu einer blossen Haut herabgesunken ; bei Ligia
(Fig. 36, 37) hat diese Larvenhaut die letzten Spuren von Gliedmassen verloren,
bei Philoscia (Fig. 38) ist sie kaum mehr nachzuweisen.
Wie die Stachelfortsätze der Zoea, so sind die Scheeren am vorletzten Fuss-
paare des jungen Brachyscelus als von der Larve selbst erworben anzusehen. Die
erwachsenen Thiere schwimmen vortrefflich und sind nicht an ihr Wohnthier ge-
bunden; sobald die Chrysaora Blossevillei Less. oder das Rhizostoma cruciatum
Less., an dem sie sitzen, in der Nähe des Strandes ein Spiel der Wellen wird,
fliehen sie dieselben, sie sind nur von lebensfrischen Quallen zu erhalten. Die
Jungen sind unbehülfliche Geschöpfe, schlechte Schwimmer; für sie musste ein
besonderes Werkzeug zum Festhalten von grossem Nutzen sein.
Die Entwicklungsgeschichte der verschiedenen Malacostraca im Einzelnen
durchzusprechen, dürfte keine dem Zeitaufwande entsprechende Ausbeute liefern;
bei vollständigerer Kenntniss würde es lohnender sein. Ich verzichte hier darauf,
will jedoch nicht unerwähnt lassen, dass sich dabei manche bis jetzt nicht be-
friedigend zu lösende Schwierigkeiten herausstellen würden. Auf diese vereinzelten
Schwierigkeiten lege ich indess um so weniger Gewicht, als ja noch vor Kurzem,
vor Entdeckung der Garneelennauplius, dieses ganze Gebiet der Entwicklung der
Malacostraca für Darwin's Lehre fast unzugänglich war.
Auch bei den Widersprüchen, die sich aus der Anwendung der Darwin'schen
Lehren auf diesem Gebiete zu ergeben scheinen, verweile ich nicht. Ich überlasse
es den Gegnern, sie aufzusuchen. Die meisten sind leicht als nur scheinbar nach-
zuweisen. Nur zweien dieser Einwendungen, die zu nahe liegen, um nicht ge-
macht zu werden, glaube ich vorbeugen zu müssen.
,.Die Eigenthümlichkeiten, in welchen die Zoea der Krabben, der Porcellanen,
der Tatuira, der Einsiedlerkrebse, der Garneelen mit Zoeabrut übereinstimmen
und durch welche sie sich gemeinsam von den aus Nauplius hervorgehenden
Larven der Peneus unterscheiden, drängen (wird man sagen können) zu der An-
nahme, dass schon der gemeinsame Stammvater dieser verschiedenen Decapoden
in ähnlicher Zoeaform das Ei verliess. Auf diesen Stammvater würden dann aber
weder die Peneus mit ihrer Naupliusbrut, noch selbst, wie es scheint, die Panzer-
krebse sich zurückführen lassen. — Die Entwicklungsweise der Peneus, der Pali-
nurus, sowie mehrere eigenthümliche Larven von unbekannter Herkunft, die aber
mit aller Wahrscheinlichkeit langschwänzigen Krebsen zuzuschreiben sind, ver-
langen dagegen die entgegengesetzte Annahme, dass die verschiedenen Gruppen
der Langschwänze unabhängig von einander und unabhängig von den Krabben
von der ursprünglichen zu ihrer gegenwärtigen Entwicklungsweise gelangten." —
Darauf ist zu antworten, dass das Vorkommen der Zoeaform bei all den genannten
Decapoden, dass ihr Bestehen bei Peneus während des ganzen an Fortschritten
reichsten Lebensabschnittes, in dem die weite Kluft von Nauplius bis zum Deca-
256
Für Darwin.
poden sich ausfüllt, dass ihre Wiederkehr selbst in dem so abweichenden Ent-
wicklungsgang der Maulfüsser, dass das Auftreten einer den jüngsten Peneus-Zoea
sich eng anschliessenden Larvenform bei der Schizopodengattung Euphausia, dass
die Anklänge an den Bau der Zoea, die selbst die erwachsenen Scheerenasseln
in ihrer Athmungsweise bewahrt haben, — dass Alles dieses die Zoea als eine
jener Entwicklungsstufen bezeichnet, die während einer langen Zeit der Ruhe,
vielleicht durch eine ganze Reihe geologischer Formationen als bleibende Form
bestanden und dadurch auch der Entwicklung der Nachkommen sich tiefer ein-
prägten und hier einen festeren Kern bildeten inmitten anderer leichter zu ver-
wischender Jugendzustände. So kann es denn nicht befremden, dass auch bei
unabhängig erfolgendem Uebergange der ursprünglichen Vetwandlungsweise in
directe Entwicklung dennoch in verschiedenen Familien, bei denen die früheren
Entwicklungsstufen verwischt sind, das Larvenleben in gleicher Weise mit dieser
Zoeaform anhebt. Ausser dem aber, was allen Zoea gemeinsam ist. und dem, was
sich leicht als aus einem späteren Stadium in dieses zurück verlegt erklären lässt,
stimmen z. B. die Zoea der Krabben mit denen von Pagurus und Palaemon in
keinerlei Einzelheiten des Baues überein, die eine gemeinsame Ererbung anzu-
nehmen geböten. Somit erscheint die Annahme unbedenklich, dass als Krabben
und Krebse sich schieden, die Stammeltern jeder dieser Gruppen noch eine voll-
ständigere Verwandlung durchHefen, dass der Uebergang in die heutige Entwick-
lungsweise einer späteren Zeit angehört. Man kann für die Krabben hinzusetzen,
dass bei ihnen dieser Uebergang nur wenig später stattfand und zwar bevor die
heutigen Familien sich trennten. Die Anordnung der Panzerfortsätze und mehr
noch die gleiche Zahl der Schwanzborsten bei den verschiedensten Krabbenzoea
(Fig. ig — 23) beweisen es. Eine ähnliche Uebereinstimmung in der Zahl so un-
wichtig scheinender Gebilde ist nur aus gemeinsamer Ererbung erklärbar. Man
kann mit Bestimmtheit voraussagen, dass unter den Krabben keine Art sich finden
wird, die ähnlich wie Peneus noch heute Naupliusbrut hervorbrächte^).
Von allen übrigen Krustern entfernen sich, wie wir sahen, Mysis und die
Asseln in höchst auffallender Weise dadurch, dass ihre Embryonen nach oben statt
wie sonst nach unten gekrümmt sind. Weist, könnte man fragen, diese so vereinzelt
stehende Eigenthümlichkeit nicht, im Sinne der Darwin'schen Lehre, auf gemein-
same Ererbung hin? Verlangt sie nicht, dass man einerseits als Kinder gleicher
Stammeltern Mysis mit den Asseln, andererseits die übrigen Podophthalmen mit
den Amphipoden vereinige? — Ich denke nein. — Nur für denjenigen, der eine
Eigenthümlichkeit um desswillen höher werthet, weil sie in früherer Zeit des Ei-
lebens auftritt, besteht eine solche Nöthigung. Wer die Arten nicht als unab-
hängig und unveränderlich erschaffen, sondern als allmählich geworden ansieht,
wird sich sagen, dass, als die Vorfahren unserer Mysis, wahrscheinlich viel später
als die der Amphipoden und Asseln, dazu kamen, schon als Embryonen zahlreiche
Leibesringe und Gliedmassen zu entwickeln, als sie nun gerade ausgestreckt im
i) Ich darf nicht unterlassen zu bemerken, dass das über die Entwicklung der Krabben Gesagte,
eigentlich nur für die von Alph. Milne Edwards als Eustomes zusammengefassten Gruppen der Cyclometopa,
Catometopa und Oxyrhyncha gilt. Aus der Gruppe der Oxystomata, so wie der den Krabben nahe stehenden
Anomura apterura Edw. sind mir von keiner Art die frühesten Jugendzustände bekannt geworden.
Für Darwin. 2^7
Eie nicht mehr Platz fanden und sich daher krümmen mussten, diess eben nur
entweder abwärts oder aufwärts geschehen konnte, und dass, welche Umstände
auch für die eingeschlagene Richtung entscheidend sein mochten, dabei schwerlich
eine nähere verwandtschaftliche Beziehung zu einer der beiden Edriophthalmen-
ordnungen im Spiele war.
Die verschiedene Krümmung des Embryo bei Amphipoden und Asseln ist,
das sei hier noch bemerkt, insofern belehrend, als sie beweist, dass die heutige
Entwicklungsweise erst nach der Scheidung dieser Ordnungen sich bildete, dass
bei dem Urstamme der Edriophthalmen die Embryonen, wenn nicht Nauplius, so
doch noch kurzleibig genug waren, um wie die von der Naupliushaut umschlossenen
Achthereslarven, gerade ausgestreckt im Eie Platz zu finden. Andererseits zeugt
die innerhalb jeder der beiden Ordnungen herrschende Gleichförmigkeit der Ent-
wicklung, die sich bei den Amphipoden z. B. in der Bildung des „Mikropyl-
apparates", bei den Asseln im Mangel des letzten Paares der Gangfüsse ausspricht,
dafür, dass die heutige Entwicklungsweise aus sehr früher Zeit herrührt und bis
vor die Trennung der jetzigen Familien zurückreicht. Auch in diesen beiden
Ordnungen darf man wie bei den Krabben kaum Spuren früherer Jugendzustände
zu finden hoffen, es sei denn in der Familie der Scheerenasseln ^). Man führe
mir einen Amphipoden, eine Assel mit Naupliusbrut vor, deren Bestehen doch
bei unabhängig entstandenen Arten nicht auffallender sein würde, als das einer
Garneele mit Naupliusbrut, und ich gebe die ganze Darwin'sche Lehre verloren.
Wenn wir bei den Krabben und ebenso bei Asseln und Amphipoden zu
der Annahme geführt wurden, dass um die Zeit, wo diese Gruppen von dem ge-
meinsamen Stamme sich lösten, zugleich eine Vereinfachung ihres Entwicklungs-
ganges stattfand, so erscheint auch dies von Darwin's Lehre aus begreiflich. Wenn
irgendwelche einer Thiergruppe günstige Umstände eine weitere Ausbreitung der-
selben, ein Auseinandergehen in neue verschiedenen Lebensverhältnissen sich an-
passende Formen veranlassten, so wird einmal schon diese grössere Veränderlich-
keit, die eben in der Bildung neuer Formen sich kundgibt, auch die fast immer
vortheilhafte Vereinfachung der Entwicklung begünstigen und es wird ausserdem
gerade jetzt, bei dem Einleben in neue Verhältnisse, wie oben in Betreff der Süss-
wasserthiere angedeutet wurde, diese Vereinfachung doppelt vortheilhaft sein und
daher in dieser Beziehung eine doppelt strenge Auslese stattfinden.
Soviel über die Entwicklung der höheren Kruster.
Eines näheren Eingehens in die Entwicklungsgeschichte der niederen Kruster
bedarf es nicht nach dem, was im Allgemeinen über die geschichtliche Bedeutung
der Jugendzustände gesagt, und nach der Anwendung, die davon eben auf die
Malacostraca gemacht wurde. Man sieht ohne Weiteres, wie die von Claus ge-
gebene Schilderung der Copepodenentwicklung fast Wort für Wort als Urgeschichte
dieser Thiere gelten kann, man findet in der Naupliushaut der Achthereslarven,
i) Ob der Mangel der Hinterleibsfüsse bei den jungen Tanais ein Erbstück aus der Zeit der Urassel,
oder eine später erworbene Eigenthümlichkeit ist, was mir für jetzt annehmbarer scheint, wird sich vielleicht
mit einiger Sicherheit entscheiden lassen, wenn man Entwicklung und Lebensweise der Familiengenossen,
Apseudes und Rhoea, kennen gelernt hat. Letztere ist bekanntlich die einzige Assel, die noch eine Neben-
geissel an den vorderen Fühlern besitzt.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 1/
258
Für Darwin.
in der eiähnlichen Larve von Cryptophialus ganz ähnliche Spuren eines Ueber-
gangs zu directer Entwickhing, wie sie schon die NaupHushülle der Mysis-
embryonen und die madenförmige Larve der Ligia zeigten, u. s. w.
Es genüge, auf einen wesentlichen Unterschied im Entwicklungsgange der
höheren und niederen Kruster hinzuweisen. Bei letzteren werden alle neuen
Leibesringe und Gliedmassen, die sich zwischen die Endabschnitte des Nauplius-
leibes einschieben, in ununterbrochener Folge von vorn nach hinten gebildet ; bei
ersteren tritt noch einmal eine Neubildung in der Mitte des Leibes auf, der Mittel-
leib, der sich auf ähnliche Weise zwischen Vorderleib und Hinterleib drängt, wie
diese ihrerseits zwischen Kopf und Schwanz des Nauplius. — Was schon die
Vergleichung der Gliedmassen der erwachsenen Thiere wahrscheinlich macht,
findet also in der Entwicklungsgeschichte eine neue Stütze, dass nämlich den
niederen Krustern, ebenso wie den Insecten, ein dem Mittelleibe der Malacostraca
entsprechender Leibesabschnitt völlig abgeht. Dass die Schwimmfüsse der Cope-
poden, sowie der Puppen von Rankenfüssern und Wurzelkrebsen den Hinterleibs-
füssen der Malacostraca entsprechen, d. h. mit ihnen aus gleicher Quelle durch
Ererbung sich ableiten, ist wahrscheinlich.
Es wäre leicht, die einzelnen Fäden, welche die Jugendformen der ver-
schiedenen Kruster liefern, zu einem Gesammtbilde der Urgeschichte dieser Klasse
zu verweben. Ein solches Gemälde, mit einigem Geschick angelegt und in frischen
Farben ausgeführt, würde sicher mehr Anziehendes haben, als die trockenen Er-
örterungen, die ich an die Entwicklungsgeschichte dieser Thiere knüpfte. Noch
aber wäre die Verschürzung der losen Fäden vielfach eine willkürliche, mit gleichem
Rechte so oder so auszuführen ; noch wäre manche Lücke nur diu-ch mehr oder
minder gewagte Voraussetzungen auszufüllen. Minder auf diesem Gebiete Be-
wanderte würden dann leicht auch da auf sicherem Boden zu wandeln glauben,
wo nur die Phantasie eine luftige Brücke geschlagen; Kenner dagegen würden
bald diese schwachen Stellen des Baues herausfinden, aber dann leicht auch das
als in der Luft schwebend ansehen, was auf wohlerwogene Thatsachen gebaut
wurde. Diesen Missdeutungen seines wirklichen Gehaltes nach einer und der
anderen Seite vorzubeugen, wäre es nöthig, ein solches Bild fortlaufend mit langen
dürren Erläuterungen zu begleiten. Das hat mich abgehalten, die Umrisse, die
ich schon entworfen hatte, weiter auszumalen \).
Bei dem äussersten, am weitesten in die nebelgraue Urzeit zurückweichenden
Vorposten der Klasse, dem Nauplius, angelangt, blickt man sich natürlich um, ob
von da aus nicht Wege zu erspähen sind nach anderen naheliegenden Gebieten.
Man könnte mit Oscar Schmidt bei der Hinterleibsbildung der Nauplius an die
bewegliche Schwanzgabel der Räderthiere erinnern, in denen ja Manche überhaupt
nahe Verwandte der Kruster, oder doch der Arthropoden erkennen wollen; man
könnte bei den sechs den Mund umstehenden Füssen an einen ursprünglich
strahligen Bau denken, u. s. w. Sicheres vermag ich nicht zu sehen. — Selbst
nach den näher liegenden Gebieten der Tausendfüsse und der Spinnen finde ich
keine Brücke. Nur für die Insecten bietet vielleicht die Entwicklung der Malaco-
straca einen Anknüpfungspunct. Wie manche Zoea besitzen die Insecten drei
i) Zusatz aus der englischen Uebersetzung des Ruches am Ende dieser Arlieit. Der Herausgeber.
Für Darwin. ^cq
Paar der Nahrungsaufnahme, drei Paar der Bewegung dienende Gliedmassen ; wie
die Zoea, haben sie einen anhanglosen Hinterleib; wie bei allen Zoea, entbehren
bei allen Insecten die Kinnbacken des Tasters. Allerdings des Gemeinsamen
wenig, bei dem Vielen, was diese beiden Thierformen unterscheidet. Immerhin
mag die Vermuthung, dass die Insecten ihren gemeinsamen Stammvater in einer
Zoea hatten, die sich zum Leben auf dem Lande erhob, weiterer Prüfung em-
pfohlen sein.
Manches in den obigen Aufstellungen mag verfehlt sein, manche Deutung
misslungen, manche Thatsache nicht ins rechte Licht gestellt. Eines aber, hoffe
ich, soll mir gelungen sein, — unbefangene Leser zu überzeugen, dass wirk-
lich Darwin's Lehre, wie für so viele andere ohne sie unerklärbare Thatsachen, so
auch für die Entwicklungsgeschichte der Kruster den Schlüssel des Verständnisses
bietet. Die Mängel also dieses Versuches wolle man nicht dem von der sicheren
Hand des Meisters vorgezeichneten Plane, man wolle sie einzig dem Ungeschick
des Handlangers zur Last legen, der nicht für jedes Werkstück die rechte Stelle
zu finden verstand.
In der Vorrede der englischen Uebersetzung des Buches „Für Darwin",
welche von W. S. Dallas F. L. S., London bei John Murray i86g besorgt wurde,
sagt der Uebersetzer, es seien ihm von Fritz Müller mehrere Verbesserungen und
Zusätze zu der Arbeit geliefert worden. Die Verbesserungen, welche sich auf
Druckfehler und falsche Stellung der Figuren bezogen, sind in dem vorliegenden
Abdruck ohne weiteres berücksichtigt. Die Zusätze finden sich an den S. 252
und 258 angemerkten Stellen und lauten:
Zu S. 252 :
I will here briefly give my reasons for the opinion that the socalled "com-
plete metamorphosis" of Insects, in which these animals quit the eg^g as grubs or
caterpillars, and afterwards become quiescent pupae incapable of feeding, was not
inherited from the primitive ancestor of all Insects, but acquired at a later period.
The Order Orthoptera, including the Pseudoneuroptera {Ephemera, Libel-
lula, &.c) appears to approach nearest to the primitive form of Insects. In
f avour of this view we have : —
1, The structure of their buccal organs, especiaUy the formation of the labium,
"which retains, either perfectly or approximately, the original form of a second
pair of maxillse" (Gerstäcker).
2. The segmentation of the abdomen; "like the labium, the abdomen also
very generally retains its original segmentation, which is shown in the development
of eleven segments" (Gerstäcker). The Orthoptera with eleven segments in the
abdomen, agree perfectly in the number of their bod3^-scgments with the Prawn-
larva represented in fig. 33. or indeed, with the higher Crustacea (Podophthalma
and Edriophthalma) in general, in which the historically youngest last thoracic
Segment (see XII), which is sometimes late-developed, or destitute of appen-
dages, or even deficient, is still wanting.
26o
Für Darwin.
3. That, as in the Crustacea. the sexual orifice and anus are placed upon
different segments; "whilst the former is situated in the ninth segment, the latter
occurs in the eleventh" (Gerstäcker).
4. Their palaeontological occurrence; "in a fossil State the Orthoptera make
their appearance the earliest of all Insects, namely as early as the Carboniferous
formation, in which the}^ exceed all others in number" (Gerstäcker).
5. The absence of uniformity of habit at the prcsent day in an order so
small when compared with the Coleoptera, Hymenoptera, e^c. For this also is
usually a phenomenon characteristic of very ancient groups of forms which have
already overstepped the climax of their development, and is explicable b}^ extinction
in mass. A Beetle or a Butterfly is to be recognised as such at the first glance,
but onty a thorough investigation can demonstrate the mutual relationships of
Tennes, Blatta, Mantis, Forficula, Ephemera, Libellula, &.c. I may refer to a
corresponding remarkable example from the vegetable world : amongst Ferns the
genera Aneimia, Schizcea and Lygodium, belonging to the group Schizceacece which
is very poor in species, differ much more from each other than an}'^ two forms
of the group Polypodiacece which numbers its thousands of species.
If, from all this, it seems right to regard the Orthoptera as the order of
Insects approaching most nearly to the common primitive form, we must also
expect that their mode of development will agree better with that of the primitive
form, than, for example, that of the Lepidoptera, in the same way that some of
the Prawns (Peneus) approaching most closely the primitive form of the Decapoda,
have most truly preserved their original mode of development. Now, the majority
of the Orthoptera quit the egg in a form which is distinguished from that of the
adult Insect almost solely by the want of wings; these larvae then soon acquire
rudiments of wings, which appear more strongly developed after every moult.
Even this perfectly gradual transition from the youngest larva to the sexually
mature insect, preserves in a far higher degree the picture of an original mode
of development, than does the so-called complete metamorphosis of the Coleoptera,
Lepidoptera, or Diptera, with its abruptly separated larva-, pupa- and imago-states.
The most ancient Insects would probably have most resembled these wingless
larvse of the existing Orthoptera. The circumstance that there are still numerous
wingless species among the Orthoptera, and that some of these {Blattidce) are so
like certain Crustacea (Isopods) in habit that both are indicated by the same name
i^' Baratta") by the people in this country, can scarcely be regarded as of any
importance.
The contrary supposition that the oldest Insects possessed a "complete meta-
morphosis", and that the "incomplete metamorphosis" of the Orthoptera and
Hemiptcra is only of later origin, is met by serious difficulties. If all the classes
of Arthropoda (Crustacea, Insecta, Myriopoda and Arachnida) are indeed all
branches of a common stem (and of this there can scarcely be a doubt), it is
evident that the water-inhabiting and water-breathing Crustacea must be regarded
as the original stem from which the other terrestrial classes, with their tracheal
respiration, have branched off. But nowhere among the Crustacea is there a mode
of development comparable to the "complete metamorphosis" of the Insecta, nowhere
among the young or adult Crustacea are there forms which might resemble the
P"ür Darwin. 201
maggots of the Diptera or Hymenoptera, the larvse of the Coleoptera, or the cater-
pillars of the Lepidoptera, still less any bearing even a distant resemblance to
the quiescent pupae of these animals. The pup^, indeed, cannot at all be regarded
as members of an original developmental series, the individual stages of which
represent permanent ancestral states, for an animal like the mouthless and footless
pupa of the Silkworm, enclosed by a thick cocoon, can never have formed the
final, sexually mature State of an Arthropod.
In the development of the Insecta we never see new segments added to
those already present in the youngest larvae, but we do see segments which were
distinct in the larva afterwards become fused together or disappear. Considering
the parallelism which prevails throughout organic nature between palaeontological
and embryonic development, it is therefore improbable that the oldest Insects
should have possessed fewer segments than some of their descendants. But the
larvse of the Coleoptera, Lepidoptera, &c., never have more than nine abdominal
segments, it is therefore not probable that they represent the original young form
of the oldest Insects, and that the Orthoptera, with an abdomen of eleven seg-
ments, should have been subsequently developed from them.
Taking into consideration on the one band these difficulties, and on the
other the arguments which indicate the Orthoptera as the order most nearly
approaching the primitive form, it is my opinion that the "incomplete meta-
morphosis" of the Orthoptera is the primitive one, inherited from the original
parents of all Insects, and the "complete metamorphosis" of the Coleoptera,
Diptera, &c., a subsequently acquired one.
Zu S. 258:
I will only give, as an example, the probable history of the production of a
Single group of Crustacea, and indeed of the most abnormal of all, the Rhizo-
cephala, which in the sexually mature State differ so enormously even from their
nearest allies, the Cirripedia, and from their peculiar mode of nourishment stand
quite alone in the entire animal kingdom.
I must preface this with a few words upon the homology of the roots of
the Rhizocephala, i.e. the tubules which penetrate from its point of adhesion into
the body of the host, ramify amongst the viscera of the latter, and terminate in
caecal branchlets. In the pupae of the Rhizocephala (fig. 58) the foremost limbs
("prehensile antennee") bear, on each of the two terminal joints, a tongue-like, thin-
skinned appendage, in which we may generally observe a few small strongly
refractive granules, like those seen in the roots of the adult animal. I have there-
fore supposed these appendages to be the rudiments of the future roots. A per-
fectly similar appendage, "a most delicate tube or ribbon", was found by Darwin
in free-swimming pupae of Lepas mistralis on the last joints of the "prehensile
antennae". From the perfect accordance in their entire structure shown by the
pupae of the Rhizocephala and Cirripedia, there can be no doubt that the append-
ages of Sacculina and Lepas, which are so like each other and spring from
the same spot, are homologous structures.
Now in three species of Lepas, in Dichelaspis Warwickii and in Scalpellum
Peronii, Darwin saw, on tearing recently-affixed animals from their point or
Support, that a long narrow band issued from the same point of the antennae;
202
Für Darwin.
its end was torn awa3% and in Dichelaspis, judging from its riigged appearance,
it had attached itself firmly to the support. From this it follows that this append-
age in Lepas australis can hardly be anything but a young cement-duct. If,
therefore, the supposition that the appendages on the antennae of the pupae of
PUiizocephala are young roots be correct, the roots of the Rhizocephala are homo-
logous with the cement-ducts of the Cirripedia. And this, stränge as it may
appear at the first glance, seems to me scarcely doubtful. It is true that the act
of adhesion of the Rhizocephala has never yet been observed, but it is more
than probable that they attach themselves, just like the Cirripedia, by means of
the antennae, and that therefore the points of attachment in the two groups indicate
homologous parts of the bod}^ From the point of attachment in the Rhizocephala
the roots penetrate into the bod}^ of the host, whilst in the Cirripedia, the cement-
ducts issue from the same point. The roots are blind tubes, ramified in different
species. The cement-ducts in the basis of the Balanidae likewise contitute a gene-
rally remarkably complicated System of ramified tubes, with regard to the mode
of termination of which nothing certain has yet been made out. Individual caecal
branches are not unfrequently seen even in the vicinity of the carina; and, at
least in some species, in which the cement-ducts divide into extremely numerous
and fine branchlets, forming a network which gradually becomes denser towards
the circumference of the basis, these seem nowhere to possess an orifice.
Now as to the question : How were Cirripedia converted by natural selection
into Rhizocephala?
A considerable number of existing Cirripedia settle exclusively or chiefly
upon living animals; — on Sponges, Corals, MoUusks, Cetaceans, Turtles, Sea-
Snakes, Sharks, Crustaceans, Sea Urchins, and even on Acalephs. Dichelaspis
Darwinii was found by Filippi in the branchial cavity of Palimirus vulgaris,
and I have met with another species of the same genus in the branchial cavity
of Liipea diacantha.
The same thing may have taken place in primitive times. The supposition
that certain Cirripedes might once upon a time have selected the soft ventral
surface of a Crab, Porcellana or Pagurtis, for its d wellin g-place, has certainly
nothing improbable about it. If then the cement-ducts of such a Cirripede instead
of merely spreading on the surface, pierced or pushed before them the soft ventral
skin and penetrated into the interior of the host, this must have been beneficial
to the animal, because it would be thereby more securely attached and protected
from being thrown off during the moulting of its host. Variations in this direction
were preserved as advantageous.
But as soon as the cement-ducts penetrated into the body-cavit}^ of the host
and were bathed by its fluids, an endosmotic interchange must necessarily have
been set up between the materials dissolved in these fluids and in the Contents
of the cement-ducts, and this interchange could not be without influence upon
the nourishment of the parasite. The new source of nourishment opened up in
this manner was, as constantly flowing, more certain than that offered by the
nourishment accidentally whirled into the mouth of the sedentary animal. The
individuals favoured in the development of the cement-ducts now converted into
nutriferous roots, had more than others the prospect of abundant food, of vigorous
Für Darwin.
263
growth, and of producing a niimerous progeny. With the further development,
assisted by natural selection, of the roots embracing the intestine of the host and
spreading amongst its hepatic tubes, the introduction of nourishment through the
mouth and all the parts implicated in it, such as the whirling cirri, the buccal
Organs, and the intestine, gradually lost their importance, became aborted by
disuse, and finally disappeared without leaving a trace of their existence. Protected
by the abdomen of the Grab, or by the shell inhabitcd by the Paguriis, the
parasite also no longer required the calcareous test, in which, no doubt, the first
Cirripedes settling upon these Decapods rejoiced. This protective covering, having
become superfluous, also disappeared, and there remained at last only a soft sack
filled with eggs, without limbs, without mouth or alimentary canal, and nourished,
like a plant, by means of roots, which it pushed into the body of its host. The
Cirripede had become a Rhizocephalon.
If it be desired to form a notion of what our parasite may have looked like
when half way in its progress from the one form to the other, we may consult
the figures given by Darwin (Lepadidse PI. IV., figs. i — 7) of Anelasma squalicola.
This Lepadide, which lives upon Sharks in the North Sea, seems, in fact, to be in
the best way to lose its cirri and buccal organs in the same manner. The widely-
cleft, shell-less test is supported upon a thick peduncle, which is immersed in the
skin of the Shark. The surface of the peduncle is beset with much-ramified,
hollow filaments, wich "penetrate the Shark's flesh like roots" (Darwin). Darwin
looked in vain for cement-glands and cement. It seems to me hardly doubtful,
that the ramified hollow filaments are themselves nothing but the cements-ducts
converted into nutritive roots, and that it is just in consequence of the development
of this new source of nourishment, that the cirri and buccal organs are in the
highest degree aborted. All the parts of the mouth are extremely minute; the
palpi and exterior maxillse have almost disappeared; the cirri are thick, inarti-
culate, and destitute of bristles; and the muscles both of the mouth and cirri are
without transverse striation. Darwin found the stomach perfectly empty in the
animal examined by him.
Description of a new Genus of Amphipod Crustacea^).
Batea, nov. gen.
Mit Tafel XXV.
Antennse simple. Coxae of the first pair of gnathopoda rudimentary, those
of the second pair of gnathopoda and the first two pair of pereiopoda largely
developed. Coxse of the second pair of pereiopoda deeply excavated upon the
Upper part of the posterior margin. First pair of gnathopoda rudimentary, con-
sisting of coxa and basis only; second pair of gnathopoda subchelate. Mandibles
having an articulated appendage. Maxilhpeds having a squamiform plate on both
the basis and ischium joints. Fourth and fifth pairs of pleopoda with styHform
rami, sixth pair with subfoHaceous rami. Telson single, deeply cleft.
Species Batea catharinensis, F. M.
I will here add some remarks on the sexual differences of this interesting
species. The pereion is somewhat longer and higher in the female; the antennse
of the same are shorter. The first Joint of the peduncle of the upper antennae has
three, the second four fasciculi of hairs on the inferior side in the male ; they are
wanting in the female. The long setse at the extremity of the alternate articles
of the flagellum of the first antenna? are directed downwards in the female, back-
wards in the male. The third and fourth joints of the peduncle of the lower an-
tennae have fasciculi of short hairs on their upper sides in the male, which are
wanting in the female. (The eyes are larger in the male.) The flagellum of the
lower antennae has long upward-directed setse at the extremities of alternate joints
in the female, which do not exist in the male. The first pair of gnathopoda are
shorter in the male, with but few hairs near the top ; they are as long as the basis
of the second pair of gnathopoda in the female, slender, flexible, with long hairs
on the anterior margin, and shorter curved hairs at the distal extremity. The coxae
of the second pair of gnathopoda are much higher in the female. The first two
I) Annais and Magazine of natural History 1865. p. 276 — 277. Plate X.
Description of a new Genus of Amphipod Crustacea. 26 S
pairs of pereiopoda have the carpus and propodos fringed with long hairs at the
posterior margin ; these hairs are wanting in the female.
Desterro, Brazil, Oct. lo, 1864.
Erklärung- der Abbildungen auf Tafel XXV.
Fig. I. Batea catharinensis, male: b, superior antennse ; g, maxilliped ; h, first gna-
thopod; h^, coxa; If-, basis; /, second gnathopod; q, second pleopod; r, third ditto;
s, fourth ditto ; /, fifth ditto ; v, posterior pleopod ; z, telson.
Ueber Cumaceen^).
Beleuchtung- der Abhandlung Van Beneden's^) über diese Familie.
Kröyer^) stellte 1846 die Familie der Cumaceen auf und schilderte ihren
Bau in meisterhafter Weise. Als ich 1857 einige Thiere dieser Familie unter-
suchte, fand ich, dass Kröyer wie gewöhnlich seinen Nachfolgern nur eine
dürftige Nachlese übrig gelassen hatte und hielt desshalb die Mittheilung meiner
Beobachtungen für überflüssig. Indessen scheint über der Naturgeschichte der
Cumaceen ein eigener Unstern zu walten. Nachdem Goodsir'*) Bruttasche und
Eier der Weibchen gesehen, nachdem Kröyer Junge der Bruttasche entnommen
und sorgfältig die Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen erörtert, hat
dennoch Agassi z in den Cumaceen Garneelenlarven finden wollen und unbe-
greiflicherweise haben die beiden bedeutendsten Forscher auf diesem Gebiete,
H. Milne Edwards und Dana der nicht näher begründeten Vermuthung von
Agassiz mehr Gewicht beigemessen als den bestimmten unzweideutigen An-
gaben von Goodsir und Kröyer. Und nachdem Kröyer eine musterhafte
Darstellung des Baues und namentlich auch der nicht eben leicht zu entwirrenden
Mundtheile gegeben, ist neuerdings VanBeneden mit einer durchaus verfehlten
Auffassung dieser Verhältnisse hervorgetreten und unbegreiflicherweise hat wieder
ein Forscher, der eben so scharf zu beobachten als umsichtig die Arbeiten seiner
Vorgänger zu würdigen versteht, Claus°), der oberflächlichen Darstellung Van
Beneden's den Vorzug gegeben vor der gründlichen Arbeit Kröyer's, des
anerkannten Meisters in carcinologischen Untersuchungen. Somit ist, was 1857
überflüssig erscheinen musste, 1864 wieder Bedürfniss geworden, eine erneute ein-
gehende Schilderung des Baues der Cumaceen. Ich will jedoch diese Schilderung
verschieben, bis es mir gelungen ist, die mir bekannt gewordenen Bruchstücke
aus der Entwicklungsgeschichte der Cumaceen zu einem einigermassen vollstän-
digen Bilde zu ergänzen, und beschränke mich für jetzt auf eine Beleuchtung der
1) Archiv für Naturgeschichte 1865. I. p. 311 — 323.
2) Van Beneden, Recherches sur la faune littorale de Beigique. Crustaccs. 1861. S. 71 — 87.
Les Cumades.
3) Kröyer, Naturhistorisk Tidsskrift. Ny Raekke. II. Bd. S. 203—206.
4) Goodsir in Edinl)urgh New. Philos. Journal 1843, und daraus in Bell British Staik-cyed
Crustacea p. 321 — 333.
5) Claus, Die freilebenden Copepoden 18G3. S. 18.
Ueber Cumaccen. 207
Abhandlung Van Bencden's. Es ist hohe Zeit, einer noch weiteren Verbreitung
der darin gehäuften Irrthümer vorzubeugen und die älteren richtigen Angaben
wieder in ihr Recht einzusetzen.
V. B. beginnt seine Abhandlung mit einer geschichtlichen Einleitung; es
wird darin über K r ö y e r's Aufsatz gesagt, dass er diese Thiere mit der alle seine
Arbeiten bezeichnenden Sorgfalt untersuchte (a. a. O. S. 73), und an einer anderen
Stelle seiner Abhandlung (S. 78) wiederholt V. B,, dass Krö3^er diese Kruster
mit Sorgfalt und mit vollständiger Kenntniss ihres Baues beschrieben habe. Wer
die Cumaceen kennt, wird diesem Urtheile freudig zustimmen ; aber es nimmt sich
äusserst sonderbar aus im Munde V. B.'s, der, wie wir sehen werden, alle nicht
beim ersten flüchtigen Blicke ins Auge fallenden Verhältnisse, die Mundtheile,
die Athemwerkzeuge, die Geschlechtsunterschiede u. s. w., in durchaus von Kröyer
abweichender Weise darstellt und zwar ohne je auch nur mit einem Worte dieser
Verschiedenheit zwischen seiner und Kröyer's Darstellung zu gedenken. Dies
ist ein erster schwerer Vorwurf, der der Abhandlung V. B.'s gemacht werden
muss. Kröyer's Arbeiten sind stets mit so peinlicher Gewissenhaftigkeit abge-
fasst, dass jeder ernste Forscher es für seine Pflicht halten wird, alle Punkte der
eingehendsten Erörterung zu unterziehen, bei denen er sich von Kr 03^ er abzu-
weichen genöthigt sieht. Fühlt V. B. sich so hoch über Kröyer erhaben, dass
er erwartet ohne Weiteres seine eigenen Angaben denen des bewährten dänischen
Forschers vorgezogen zu sehen ? Oder ist er sich der Unterschiede zwischen
seiner und Kröyer's Darstellung gar nicht bewusst geworden? Hat er in der-
selben flüchtigen Weise, in der er seine Beobachtungen angestellt, auch die Ar-
beiten seiner Vorgänger gelesen?
Wie Kröyer wird auch Spence Bäte behandelt. Derselbe hatte aus-
gesprochen, wie V. B. in seiner geschichtlichen Einleitung (S. 74) berichtet, dass
in der Form der Kinnbacken ^) die Cumaceen sich den Amphipoden nähern. V. B.
selbst findet dagegen, dass die Kinnbacken der Cumaceen viel von denen der
Mysis haben (S. 87); aber wieder hält er es nicht der Mühe w^erth, auch nur mit
einem Worte seine Auffassung der jenes gründlichen Amphipodenkenners gegen-
über zu begründen ^).
i) Mit Kröyer übersetze ich mandibulae durch Kinnbacken, maxillae durch Kiefer.
2) Das merkwürdigste Beispiel der harmlosen Selbstgenügsamkeit, die sich in diesem Verfahren aus-
spricht, bietet in derselben Sammlung carcinologischer Aufsätze der die Gattung Naupridia (oder wie V. B.
schreibt, Naupredia) betreffende Abschnitt (a. a. O. p. 96). Diese Gattung war bekanntlich von La tr ei IIa
aufgestellt worden für Caprelliden, die fünf Paar Füsse in ununterbrochener Reihe und eine Kieme am
Grunde des 2ten, 3ten und 4ten Paares haben sollten. Danach hatte man wohl mit Recht vermuthet,
dass es sich um Thiere der Gattung Proto Leach (Leptomera Latr.) handle, die zufällig ihre letzten beiden
Fusspaare verloren hatten. Dem gegenüber meint V. B. : „11 est inutile de faire remarquer qua des car-
cinologistes ont eu tort de supposer que cas Naupredia ne sont qua des Leptomera mutil6s; ce sont bien
des crustaces complets." Zum Beweise folgt dann eine Beschreibung, die vollständig auf eine Leptomera
passen würde, der die letzten beiden Fusspaare fehlen, und die also nur zur Stütze der von V. B. be-
kämpften oder vielmehr nicht einmal des Bekämpfens werth gehaltenen Ansicht dienen kann, und zum
Schlüsse heisst es dann : „on est tr^s-dispose, en les voyant, ;i les prendre pour des Caprella mutil6s ;
. . . . ce sont cependant bien comme nous venons de le voir, des animaux entiers". Natürlich : V. B.
sagt es ; das muss genügen. Daher kein Wort über die Merkmale, durch die man eine Naupridia von
einer verstümmelten Proto unterscheiden könnte; kein Wort über die Markmale, die ausser dam Mangel
zweier Fusspaare die Gattung kennzeichnen sollen; es muss genügen, dass V. B. das Bestehen solcher
268
Ueber Cumaceen.
Der geschichtlichen Einleitung folgt die Beschreibung dreier von V. B. an
der belgischen Küste beobachteten Arten. Zwei derselben, Bodotria Goodsirii
und Leucon cercaria werden als neu betrachtet, die dritte als Cuma Rathkii Kr.
bestimmt. Vergleicht man nun Beschreibung und Abbildung mit Kröyer's
Diagnose, so findet man nicht eines der für diese Art besonders bezeichnenden
Merkmale erwähnt oder gezeichnet, weder die gezähnelten Längsleisten des Panzers,
noch die sägeartige Bewaffnung oder den grossen („maximum validumque" Kr.)
dornartigen Fortsatz am Hinterrande des letzten Brustringes, noch die Verbreiterung
am Ende des Grundgliedes der vom ersten freien Ringe entspringenden Füsse,
noch endlich die dreizehn Paare seitlicher Dornen am mittleren Schvvanzanhange.
Und doch müssten alle diese Verhältnisse, wie ich nach Untersuchung einer nahe-
stehenden Art behaupten darf, bei der von V. B. angewandten Vergrösserung
deutlich hervortreten. Dagegen sagt V. B. ausdrücklich, dass man zwischen den
drei letzten Ringen der Brust keine anderen als Grössenunterschiede sehe, und
dass der mittlere Schwanzanhang leicht gezähnelt, aber borstenlos sei. Doch will
ich trotz alledem nicht behaupten, dass die Art V. B.'s doch nicht die Cuma
Rathkii Kr. sein könne; denn man darf sich nicht allzusehr auf V. B.'s Zeich-
nungen und Beschreibungen verlassen ^).
Zu den einzelnen Angaben der Abhandlung übergehend beginne ich mit
einem Punkte, in Betreff dessen die beiden ersten Beobachter, welche mehrere
Arten von Cumaceen zu untersuchen Gelegenheit hatten, sich widersprechen.
G o o d s i r schreibt denselben kleine paarige Augen zu, die so dicht beisammen
stehen, dass das Thier auf den ersten Blick einäugig erscheint; dabei werden sie,
— ob in Folge eines Druckfehlers ? — „gestielt, aber sitzend" 2) genannt. Kröyer
bezeichnet die Cumaceen als augenlos. Ich finde bei meinen Arten ein unpaares
Auge mit bisweilen sehr ansehnlichen Linsen, so dass also Goodsir's Angaben
(von der sich selbst widersprechenden Bezeichnung: „gestielt, aber sitzend" ab-
gesehen) im Wesentlichen richtig sind; denn zwischen zwei bis zu anscheinender
Einäugigkeit genäherten Augen und einem einzigen Auge mit paarig angeordneten
Linsen ist kein grosser Unterschied. Dass Kröyer die Augen übersah, erklärt
sich, wenn sie nicht seinen Arten wirklich fehlen, wohl aus deren blasser Färbung
Merkmale behauptet, dass er sagt: „qu'on pourra joindre divers caracteres egalement importants ä ceux que
ce savant (Latreille) leur a attribues dejä". — Ich stimme Spence Bäte bei (Catalogue of Amphipod.
Crustac. p. 382), der die Naupridia tristis V. B. für eine verstümmelte Proto pedata Leach erklärt. —
Eines muss jedoch anerkannt werden: der Name Naupridia tristis ist vortrefflich gewählt; V. B.'s Auf-
satz ist ein trauriges Beispiel der traurigen Ergebnisse, die nur beiläufige Ausflüge in Gebiete,
auf denen man nicht heimisch ist, zu liefern pflegen.
i) ,,I1 est prudent de ne pas trop s'en rapporter au dessin et aux descriptions" sagt V. B. (S. 77)
in Bezug auf Cyrianassa gracilis Sp. B. — Bei V. B.'s eigenen carcinologischen Arbeiten ist solche Vorsicht
gewiss an der Stelle. Den trefflichen Spence Bäte aber halte ich für Pflicht gegen diesen halben Vor-
wurf der UnZuverlässigkeit in Schutz zu nehmen. Ich habe bei Bestimmung von gegen 50 Amphipoden
unseres Meeres in Spence Bate's Catalogue of Amphipod. Cnistacea mindestens die dreifache Zahl von
Abbildungen und Beschreibungen nahestehender Arten genau verglichen und mich überzeugt, dass dieser
der Wissenschaft so früh entrissene englische Forscher meisterhaft verstand, selbst in kurzen Beschreibungen
wirklich bezeichnende Arteigenthümlichkeiten scharf hervorzuheben und sie treu in seinen Zeichnungen wieder-
zugeben, und dass, einzelne Irrthümer abgerechnet, denen der Beste nicht entgeht, seine Abbildungen und
Beschreibungen als durchaus zuverlässig bezeichnet werden dürfen.
2) ,,pedunculated, but sessile" s. Bell, Brit. Stalk-eyed Crustacea S. 323.
Ueber Cumaceen.
269
bei den eigentlichen Cuma -). V. B. leugnet nun richtig das Vorhandensein ge-
stielter Augen (S. 79) und sagt, dass die Cumaceen sitzende Augen haben, wie
die Edriophthalmen (S. 87); über die Beschaffenheit dieser Augen aber findet sich
in der Beschreibung von Cuma kein Wort, und bei Bodotria und Leucon sollen
einige Pigmentflecken die Stelle des Auges vertreten. Die Dürftigkeit dieser
Angaben, die weit hinter dem schon von Goodsir Gebotenen zurückbleiben, ist
um so befremdlicher, da V. B. eine Bodotria untersuchte, bei welcher Gattung
das dunkelgefärbte, an der äussersten Spitze des Körpers gelegene Auge dem
ersten Blicke seine grossen Linsen zeigt, und da ihm in seinem Leucon cercaria
eine so durchsichtige Art vorlag, wie sie noch keinem anderen P'orscher zu Ge-
bote gestanden hat. Die Abbildung, die V. B. von dem Augenflecken eines zer-
quetschten Thieres dieser Art giebt (PI. XIV. fig. 2), mag naturgetreu sein ; nur
ist für die Untersuchung eines Auges das Zerquetschen eben keine besonders
empfehlenswerthe Methode.
In Betreff der Fühler ist hervorzuheben, dass V. B. (S. 86) an den hinteren
Fühlern von Leucon eine kleine Nebengeissel beschreibt, und deren sogar zwei,
die eine zweigliedrig, die andere ungegliedert zeichnet (Taf. XIV. fig. 2). Da
nicht nur die übrigen Cumaceen, sondern überhaupt alle höheren Kruster im er-
wachsenen Zustande niemals mehr als einen gegliederten Anhang am zweiten
Fühlerpaare tragen, würde das Vorkommen einer und mehr noch das ganz un-
erhörte Vorkommen zweier Nebengeisseln ein höchst merkwürdiger Umstand sein.
Derselbe bedarf indess um so mehr der Bestätigung, da der Widerspruch zwischen
Beschreibung und Abbildung kein günstiges Vorurtheil für die Zuverlässigkeit
der einen wie der anderen erwecken kann.
Von den Kinnbacken seiner drei Arten giebt V. B. Abbildungen, die
auch nicht die leiseste Aehnlichkeit mit einander haben und alle unvollständig
und falsch sind. Wie Kröyer richtig angibt, sind die Kinnbacken der Cumaceen.
verglichen mit denen anderer höherer Kruster, schlank („elongata angustata" Kr.),
mit starken Zähnen an der Spitze, einem sehr grossen Kaufortsatze und zwischen
beiden mit einem Kamme starker Borsten oder Dornen („pectine setoso" Kr.) ver-
sehen. Bei Cuma hat nun V. B. den Borstenkamm weggelassen und von dem
Uebrigen eine ziemlich verquetschte Ansicht gegeben, bei Bodotria nur den
Borstenkamm und die Zähne der Spitze gezeichnet, und bei Leucon sind als Kinn-
backen zwei plumpe Stummel dargestellt, die am Grunde zusammenstossen und
anscheinend durch ein unpaares Stück verbunden sind, wahrscheinlich die Unter-
lippe des Thieres. Dass nicht nur bei Krustern und Insekten, dass ebenso bei
Schnecken, bei Fischen, bei Säugethieren und wo sonst Kauwerkzeuge vorkommen,
dieselben bei den Gliedern derselben natürlichen Familie übereinstimmend gebaut
sind und dass deshalb wenigstens zwei seiner Abbildungen falsch sein müssen,
scheint V. B. nicht in den Sinn gekommen zu sein. Sonst würde er entweder
durch erneute Untersuchung übereinstimmende Bilder von den drei Arten zu er-
halten gesucht, oder die völlige Verschiedenheit der Kinnbacken bei drei so nahe-
i) Spence Bäte hat die Cumaceen richtig als einäugig erkannt, wie ich aus einem Briefe desselben
weiss. Seine Abhandlung über diese Thiere habe ich nicht gesehen. — V. B. mag auch diese Arbeit
Spence Bate's, obwohl er sein Urtheil darüber abgiebt, nur obenhin angesehen haben, da er seiner Dar-
stellung der Augen nicht «edenkt.
270
Ueber Cumaceen.
Stehenden Arten als einen in seiner Art einzigen Fall hervorgehoben haben.
Aber weder von dem einen noch von dem anderen ein Wort im Texte, der noch
dürftiger ist als selbst die Abbildungen. Die Kinnbacken der Cuma „haben nichts
Merkwürdiges, als den Mangel eines Tasters" (S. 83) ; die von Bodotria ,.sind kurz
und plump und ihre freie Spitze ist mit kleinen steifen Borsten besetzt" (S. 80) und
auch die von Leucon „haben nichts Besonderes, als ilire plumpe Form und ihre
kurzen zum Kauen dienenden Borsten" (S. 86).
Die beiden Kieferpaare, von Kröyer richtig beschrieben, sind bei Cuma
und Leucon von V. B. vollständig übersehen worden ; es werden als solche die
beiden ersten Paare der Kieferfüsse beschrieben und abgebildet und zwar der
Abwechslung wegen als vorderer Kiefer bei Cuma (Taf. XII. fig. 4, e) der erste,
bei Leucon (Taf. XIV. fig. 3, b) der zweite und als hinterer Kiefer bei Cuma
(Taf. XII. fig. 4, /) der zweite und bei Leucon (Taf. XIV. fig. 3, c) der erste
Kieferfuss. Dass bei Leucon wirklich diese Umkehrung der natürlichen Reihen-
folge stattgefunden, dass der (Taf. XIV. fig. 3, b) als vorderer Kiefer abgebildete
und beschriebene Theil wirklich der zweite Kieferfuss sei, darüber lässt seine
Grösse, die Länge des Grundgliedes und die für die Gattung Leucon bezeichnende
Gliederzahl (sechs, bei Cuma fünf) keinen Zweifel. Dass (in Taf. XIV. fig. 3, c)
statt fünf nur drei Glieder gezeichnet sind, verdient kaum besonderer Erwähnung,
da solche Ungenauigkeiten zu häufig wiederkehren, um einzeln aufgezählt zu
werden.
Dadurch, dass bei Cuma und Leucon die beiden Kieferpaare übersehen
wurden, erhält natürlich V. B. (und Claus hat sich diese Auffassung angeeignet)
für die Cumaceen zwei Leibesringe weniger als für die übrigen Malacostraca und
es bleiben ihm nur drei Paar eigentlicher Füsse.
Bei Bodotria wird die Sache noch hübscher. Zunächst versichert V. B. (S. 76),
dass hier die Gesammtzahl der Anhänge des Cephalothorax dieselbe sei, wie bei
den übrigen Cumaceen, also elf Paar nach V. B. ; nur sei das dritte Paar der
Kieferfüsse zu eigentlichen Füssen geworden und von letzteren daher ein Paar
vorhanden. Weiterhin aber werden (S. 80) zwei Paar Fühler, ein Paar Kinn-
backen, zwei Paar Kiefer, drei Paar Kieferfüsse, ein Paar eigentlicher Füsse mit
äusserem Aste und ein Paar einfacher Füsse aufgezählt, was denn doch wohl
dreizehn und nicht elf Paar ausmacht. Aber es kommt noch besser! Trotzdem
dass ein Paar eigentlicher Füsse mit äusserem Aste, und vier Paare ohne solchen
Ast beschrieben werden, versichert V. B. wiederholt (S. 76 und S. 81), dass die
Zahl der eigentlichen Füsse sich auf vier Paar beläuft; also eins und vier ist
vier ! ! ! — „il n'y a pas de doute ä cet egard", wie V. B. zur Beruhigung derer
hinzusetzt, die die Richtigkeit dieser Rechnung bezweifeln möchten. — Ein weiteres
Beispiel seiner neuen Rechenkunst bietet uns V. B. in der Behauptung, dass der
Panzer der Bodotria von 10 Ringen gebildet werde ^), dass 4 freie Brustringe
vorhanden seien, und dass der ganze Cephalothorax aus derselben Ringzahl wie
bei Cuma, nämlich aus 11 Ringen bestehe; demnach wäre also 10 + 4=11.
Was bei Bodotria als Kiefer abgebildet wird (Taf. XIII. fig. 11, 12), mögen
Bruchstücke dieser Anhänge oder auch der Kieferfüsse sein, die ich indess nicht
I) „Dix somites concourent ä la formalion de la caiapace" a. a. O. S. 79.
Ueber Cuinaceen.
271
näher zu bestimmen vermag; der Text giebt in diesem Falle noch weniger An-
halt, als sonst, da es einfach heisst: „nous passons sous silcnce les deux paires de
mächoires". — Um die Verwirrung vollständig zu machen, steht die Erklärung
der auf die Gliedmassen von Bodotria bezüglichen Abbildungen (S. 166 und
Taf. XIII. fig. 10 — 15) in Widerspruch mit dem Texte. Die beiden ersten Paare
der Kieferfüsse werden als sehr schlank und zart beschrieben und kein äusserer
Ast derselben erwähnt; in der Abbildung sieht man dagegen äusserst ansehnliche,
kräftige mit äusserem Aste versehene Gliedmassen (fig. 13 und 14). In der Er-
klärung der Abbildungen wird das zweite Paar der Kieferfüsse als letztes be-
zeichnet, im Texte ein drittes Kieferfusspaar beschrieben. Im Texte wird das
erste eigentliche Fusspaar als zweiästig, dem dritten Kieferfusspaar durchaus ähn-
lich, aber bedeutend länger geschildert; in der Abbildung (fig. 15) sieht man einen
einfachen Fuss kaum halb so lang, als die vorhergehenden Gliedmassen. — Bei
näherer Vergleichung ergiebt sich, dass, was im Texte als drittes Paar der Kiefer-
füsse, erstes und zweites Paar der eigentlichen, in der Erklärung der Abbildungen
als erstes und zweites Paar der Kieferfüsse und erstes Paar eigentlicher Füsse
bezeichnet wird.
Eine ähnliche Sudelei ist natürlich in keiner Weise zu entschuldigen, aber
sie erklärt sich leicht aus dem Umstände, für den diese und andere Abhandlungen
desselben Werkes mannichfache Beläge liefern, dass V. B. seine Aufsätze aus
einzelnen zu verschiedenen Zeiten abgefassten Theilen zusammengestückt und
dabei sich nicht einmal die Mühe gegeben hat, dieselben noch einmal aufmerksam
durchzulesen und mit einander in Einklang zu bringen. V. B. fand bei Unter-
suchung der Anhänge am Cephalothorax der Bodotria nur elf Paar; da er damals
seine neue Gliedmassentheorie noch nicht fertig hatte, benannte er sie im Ein-
klänge mit seinen Vorgängern und nahm richtig an, dass er die Kiefer übersehen
haben könne ^). Als er später bei Cuma und Leucon in Betreff der Kiefer nicht
glücklicher war, hielt er sich überzeugt, dass wirklich nur elf Paar Anhänge vor-
handen seien, taufte daher die einzelnen Gliedmassen um und nahm diese neuen
Namen auch in die Erklärung der zu Bodotria gezeichneten Abbildungen auf, ohne
jedoch die abweichenden ursprünglichen Benennungen im Texte zu ändern.
Ueber die so höchst eigenthümlichen Kiemen der Cumaceen erfahren wir
in V. B.'s Abhandlung nicht ein Wort, er scheint dieselben für kiemenlos zu halten,
und zu glauben, dass sie mit ihrer dicken verkalkten Haut athmen. Eine besondere
Kiemenhöhle spricht er ihnen ausdrücklich ab (S. 87). Und doch sind die Athem-
bewegungen das Erste, was bei Betrachtung einer lebenden Cuma die Aufmerk-
samkeit fesselt; und doch scheint es kaum möglich, die gewaltig grosse Kieme
(„branchia maxima" Kr.) zu übersehen, wenn man eine Cuma mit der Nadel zer-
zupft; und doch haben bereits Goodsir und Kröyer Lage und Gestalt der
Kiemen richtig beschrieben ; und doch untersuchte V. B. eine ungewöhnlich durch-
sichtige Art, bei der das ganze Spiel der Athembewegungen sich aufs prächtigste
musste verfolgen lassen.
i) Statt einfach zu erklären: ich konnte die von Kröyer beschriebenen Kiefer nicht finden, sagt
V. B. : „nous passons sous silence les deux paires de mächoires". Man merke sich für vorkommende Fälle
diesen Euphemismus.
212 Ueber Cumaceen.
V. B. versichert, dass er von seinen drei Arten beide Geschlechter lebend
gesehen habe (S. 78), sowie dass er vollständig die Angaben Kröyer's und
Goodsir's über die Eier und Embryonen dieser Thiere bestätigen könne (S. 75).
— Ohne diese ausdrückliche Versicherung würde man versucht sein zu glauben,
dass ihm überhaupt nie ein Weibchen vorgekommen sei, denn alle von ihm be-
schriebenen und abgebildeten Thiere sind Männchen. Bei Cuma und Leucon
spricht sich V, B. überhaupt nicht über das Geschlecht der dargestellten Thiere
aus und erwähnt keinerlei Geschlechtsverschiedenheiten ; es beweisen aber die
Länge der hinteren Fühler, sowie die Anwesenheit von äusseren Aesten am
vierten Paare der Brustfüsse und von Anhängen an den ersten Hinterleibsringen,
dass man Männchen vor sich hat vmd zwar wahrscheinlich noch nicht geschlechts-
reife Männchen, wie namentlich die unbedeutende Entwicklung der erwähnten
äusseren Aeste vermuthen lässt. Bei Bodotria ist allerdings von Weibchen die
Rede; aber die von dem angeblichen Weibchen abgebildeten und als bezeichnend
für dieses Geschlecht betrachteten Theile, die des reichen Riechfädenbüschels noch
entbehrenden vorderen Fühler, die hinteren Fühler, welche die Länge des Panzers
erreichen und, äusserlich ungegliedert, eine vielgliedrige Geissei umschliessen, die
borstenlosen Hinterleibsanhänge, gehören sämmtlich einem jungen Männchen an.
Bei den Weibchen auch dieser Gattung, die als solche an der Anwesenheit von
Eiern, sei es im Leibe, sei es in der Bruttasche, erkannt wurden, finde ich die
hinteren Fühler äusserst kurz und den Hinterleib fusslos ^). — Es bleibt nun frei-
lich noch ein höchst auffälliger Unterschied zwischen den Alännchen und dem
angeblichen Weibchen, letzteres soll an den Hinterecken des Panzers jederseits
eine starke Spitze tragen, „die nicht einem wirklichen Dorne gleicht, sondern
vielmehr in ihrer ganzen Länge geringelt ist, wie ein fühlerähnlicher Anhang"
(S. 79). Was ist dieser fühlerähnliche Anhang hinten am Panzer, dem Aehnliches
im ganzen Bereiche der Kruster nicht gesehen wird ? Die Abbildung (Taf. XHI.
fig. 6) lässt darüber keinen Zweifel; es ist offenbar einer der beiden Fühler, der
sich unter dem Mikroskop zufällig so gelagert hat, dass seine Spitze die hintere
untere Ecke des Panzers überragt. Die Ringelung ist ganz dieselbe, wie sie der
(fig. 8) in stärkerer Vergrösserung dargestellte Fühler zeigt, und beschreibt man
(in fig. 6) um den Ursprung des vollständig gezeichneten Fühlers einen Kreis
durch dessen Spitze, so geht derselbe genau auch durch die Spitze des wunder-
baren Panzeranhangs.
Dass er mit seinen angeblichen Geschlechtseigenthümlichkeiten der Weibchen
in Widerspruch mit Kröyer steht, demzufolge die Weibchen der Cumaceen ver-
kümmerte nur V40 bis Vso der Länge des Körpers erreichende hintere Fühler haben
u. s. w., scheint V. B. wie gewöhnlich nicht gemerkt zu haben.
Die Embryonen der Cumaceen sollen im Laufe der Entwicklung die grösste
Aehnlichkeit mit denen der Mysis haben (S. 87). Hätte die ganze Abhandlung
nicht in jeder Zeile den Beweis geliefert, wie unglaublich oberflächlich V. B. die
i) Kröyer sagt zwar in der Diagnose von Bodotria: quinque pedum abdominalium paria feminarum
permagna, natatoria" ; allein er selbst hat diese Gattung nicht untersucht , sondern die Diagnose nach
Goodsir's Angaben entworfen, der auch nur ein einziges Exemplar beobachtete; dieses hielt Kröyer,
wahrscheinlich wegen des Mangels äusserer Aeste an den vier letzten Paaren der Brastfüsse, irrigerweise
für ein Weibchen.
Ueber Cumaceen.
273
Cumaceen sich betrachtet hat, so würde man aus dieser Behauptung zu schliessen
geneigt sein, dass er überhaupt niemals den Embryo einer Cuma sah. Gerade
ihm, der so eingehend und sorgfältig die Entwicklung der M3'sis verfolgt hatte,
hätte es ja beim ersten flüchtigen Blicke auf einen Cumaceenembryo auffallen
müssen, dass hier von der wichtigsten Eigenthümlichkeit der jungen Mysis, von
der naupliusähnlichen Larvenhaut mit ihren säbelförmigen Fühlern und ihrem
Gabeischwanze, auch nicht die leiseste Spur vorhanden ist; ähnlich ist nur die
Lagerung des Embryo, dessen Schwanzende wie bei Mysis und den Isopoden
nach oben gekrümmt ist.
V. B. zieht aus seinen Beobachtungen den Schluss, dass die Cumaceen ihre
natürliche Stelle im System zur Seite der Mysis finden und zwar wegen des
Mangels der Augenstiele eine niedrigere Stufe einnehmen (S. 87). Er stützt sich
dabei auf die Aehnlichkeit der Kinnbacken, die aber ganz wie bei den Amphi-
poden gebaut und denen von Mysis nicht ähnlicher sind, als denen eines beliebigen
Decapoden oder Isopoden ; auf den Mangel einer besonderen Kiemenhöhle, die
aber vorhanden ist; auf die Aehnlichkeit der Verdauungswerkzeuge, die aber
einer Magenbewaffnung entbehren („ventriculus nuUis intus organis manducatoriis
instructus" Kr.), während die Leberschläuche nicht mehr an Mysis, als an die
Asseln erinnern; auf die Bildung der Bruttasche, die aber wie bei den Amphi-
poden zwischen den vorderen und nicht wie bei Mysis zwischen den hinteren
Füssen angebracht ist, endlich auf die Entwicklung, von der so eben die Rede war.
Nach alledem dürfte die Abhandlung Van Beneden's über die Cumaceen
in ihrer Art einzig dastehen in der zoologischen Literatur^). Sie enthält, wie
einmal Lessing sagte, und das ist das glimpflichste Urtheil, das sich über sie
fällen lässt, — sie enthält viel Neues und Wahres; schade nur, dass das Wahre
nicht neu, und das Neue nicht wahr ist.
Desterro, im December 1864.
i) Von der schönen Arbeit über die Entwicklung der Mysis abgesehen sind übrigens die meisten
Aufsätze in den „Untersuchungen über die Kruster der belgischen Küste" der Abhandlung über die Cu-
maceen ziemlich ebenbürtig. Es dürfte kaum der Mühe lohnen, sie in ähnlicher Weise einzeln durchzu-
sprechen. Dieses eine Beispiel wird genügen, um die äusserste Vorsicht bei Benutzung derselben räthlich
erscheinen zu lassen.
Fritz Müllers gesammelte Schriften.
Ueber die Randbläschen der Hydroidquallen^).
Mit I Textfigur.
In seinen ganz vortrefflichen „Studien über das Gehörorgan der Decapoden"
gedenkt Victor Mensen beiläufig der Randbläschen einer E u c o p e Ggb., und
gibt von denselben eine Beschreibung und Abbildung, die weit abweicht von der
Darstellung aller früheren Beobachter ^). Es soll danach an der centralen Seite
der „Hörblasen" oder „Otolithensäcke", wie Hensen die Randbläschen nennt,
eine verdickte Stelle sich finden, von der aus sehr feine Haare nach einem in
der Mitte des Sackes liegenden, von einer inneren Blase umschlossenen Steine
gehen.
Veranlasst durch die Angaben Hensen 's habe ich mir die Randbläschen
verschiedener Hydroidquallen noch einmal angesehen und glaube danach behaupten
zu dürfen, dass sich dieser umsichtige Beobachter denn doch wohl in seiner Auf-
fassung der Randbläschen von Eucope getäuscht hat, die er nur einmal zu unter-
suchen Gelegenheit fand.
Ueber die An- oder Abwesenheit der zarten Häärchen kann ich freilich
nichts sagen, da diese für mein Mikroskop kaum erkennbar sein würden. Allein
es erscheint mir unzweifelhaft, einmal, dass die „Steine" nicht frei in der Mitte
des Randbläschens schweben, nur durch zarte Häärchen gehalten, und zweitens,
dass die „innere Blase" gar keine Blase ist, sondern ein dichter Körper. Ich
glaube mich hiervon selbst bei Eucope überzeugt zu haben, obwohl gerade die
vier zugänglichen Arten dieser Gattung wegen der geringen Grösse der Bläschen
und der oft in Mehrzahl vorhandenen „Steine" und wegen der meist nicht besonders
durchsichtigen Umgebung derselben wenig geeignet sind, befriedigende Bilder
zu geben.
Am bequemsten bieten sich die frei über die Scheibe vorspringenden, ver-
kehrt eiförmigen, mit stielförmig verdünnter Basis aufsitzenden Randbläschen der
Cunina KöUikeri F. M. der Untersuchung dar. Der „Stein" ist bei ihnen
endständig und von der Basis zieht sich deutlich ein blasser Strang nach dem
„Steine" hin, um ihn becherförmig zu umfassen ^). Es ist unmöglich dieses Ver-
halten in Einklang zu bringen mit Hensen's Darstellung der „Otolithensäcke"
i) Schultze's Archiv für mikrosc. Anat. 1865. Bd. I. p. 143 — 147. Taf. VII, Fig. 4.
2) Studien über das Gehörorgan der Decapoden, S. 37, Anm. i ; Fig. 24, B.
3) Archiv für Naturgeschichte 1861. Taf. IV. Fig. 8. = Ges. Schriften Taf. XV, Fig. 8.
Ueber die Randbläschen der Hydroidquallen. ^^c
von Eucope, während man sich nur den Strang verkürzt und dadurch den Stein
ins Innere der Blase zurückgezogen zu denken braucht, um die bei den Hydroid-
quallen gewöhnliche Bildung der Randbläschen zu erhalten, wie ich sie bei
Liriope^) beschrieb und auch jetzt wieder bei dieser und anderen Arten sehe.
Da ich indessen, wie Agassiz, Cunina nicht zu den Hydroidquallen rechne'-*),
musste ich billig Bedenken tragen, das bei ihr leicht festzustellende Verhalten der
Randkörper als Beweis gegen die Richtigkeit der Darstellung Hensen's geltend
zu machen ; immerhin konnten ja bei Hydroiden und
Aeginiden die Randkörper in völlig verschiedener
Weise gebaut sein.
Ich war daher erfreut, bei einer Hydroidqualle
auf eine Bildung der Randbläschen zu stossen, die
in der Mitte steht zwischen dem bei Cunina und
dem bei Liriope zu beobachtenden Verhalten. Diese
noch unbeschriebene Qualle, Aglauropsis Agas- -o ,,,.• i, a i
-^ ' " x- fc> Randblaschen von Aglauropsis
sizii F. M., erinnert durch ihre Gestalt, durch die AgassiziiF.M. Aus dem Grunde
Bildung und selbst die Färbung des Magens und der f^"" ^^^'l. ^^^^^bt .sich auf einem
•^ ° '^ kurzen dünnen Stiele ein blasser,
Geschlechtstheile an Aglaura hemistoma Per. et solider, birnförmiger Körper, der
Le S., unterscheidet sich aber von letzterer Gattung ^'^^ ^" '^['^ ^^"1. ^f ß.'''^^ 'f.''^^'
, . . und in dessen Ende ein kugliger,
durch die Vierzahl der Geschlechtstheile und der Strahl- starkiichtbrechender, in Säuren unter
gefässe und die grosse Zahl der Randbläschen. Diese Luftentwicklung löslicher Stein ein-
" ° gesenkt ist.
letzteren, von etwa 0,075 ^^ Durchmesser, sind stark
gewölbt; ihr frei vorspringender Abschnitt bildet eine Glocke, deren Höhe etwa
V3 des unteren Durchmessers beträgt. Aus dem Grunde der Blase erhebt sich
nun auf einem kurzen dünnen Stiele ein blasser, nicht hohler birnförmiger Körper,
der bis in die Mitte der Blase reicht und in dessen Ende ein kugliger stark
lichtbrechender Stein von etwa 0,015 mm Durchmesser zur Hälfte eingesenkt ist.
Der Stein löst sich in Säure unter Luftentwicklung. — Dasselbe Bild, in aller nur
wünschenswerthen Klarheit und Schärfe, bot mir eine grosse Zahl von Randbläschen.
Dies stimmt nun wieder völlig zu dem, was ich früher (a. a. O.) von Liriope
und Cunina angegeben habe, — ist aber ebensowenig wie jene Angaben mit
Hensen's Darstellung zu vereinigen. Dies über den Bau der Randbläschen;
nun einige Worte über ihre Verrichtung.
Die Randbläschen der Hydroidquallen gelten jetzt fast allgemein als Hör-
werkzeuge. Agassiz und ich dürften so ziemlich die einzigen sein, die sie
noch jetzt als Augen betrachten. Auch Hensen bezeichnet sie ohne Bedenken
als „Hörblasen" und „Otolithensäcke". Ich muss gestehen, dass gerade H e n s e n 's
meisterhafte Darstellung des Gehörorgans der Krebse mich auf's Neue in meiner
Auffassung bestärkt hat.
Bei den Krebsen besteht das Ohr in einer als Einstülpung der äusseren
Haut zu betrachtenden, häufig offenen Höhle. In dieser Höhle finden sich stets
in ganz eigenthümlicher Weise eingelenkte Haare und oft Hörsteine, die mitunter
1) Archiv für Naturgeschichte 1859. S. 3 14. Taf. XI. Fig. 9—12. = Ges. Schriften S. 93. Taf. X, Fig. 9—12.
2) Fritz Müller, über die systematische Stellung der Charybdeiden im Archiv für Naturgeschichte
1861. p. 302. = Ges. Schriften S. 126. — Agassiz, Contributions to the natural history of the United
States of America. Vol. IV. 1862. S. 9 u. S. 167.
18*
2^5 Ueber die Randbläschen der Hydroidquallen.
ganz lose liegen, oder nur durch die in sie eintretenden Haare gehalten werden.
Sie bestehen bald blos aus organischem Stoffe, bei M3^sis vielleicht aus Fluor-
calcium, wie es scheint nie aus kohlensaurem Kalk, und werden bisweilen durch
von aussen eingeführte Quarzstückchen u. dgl. ersetzt. Gerade bei den höchst-
entwickelten Formen des Ohres fehlen sie vollständig. Das Wesentlichste von
diesen verschiedenen Gebilden sind die Hörhaare, die auch selbständig, ohne Höhle
und Steine, auf der Oberfläche des Körpers vorkommen und durch bestimmte
Töne in Schwingungen versetzt werden.
Bei den Hydroidquallen haben wir dagegen kuglige oder birnförmige, vor-
springende, geschlossene Blasen, die einem wahrscheinlich als Nervenring ^) zu
deutenden Streifen aufsitzen; von dem an dieser Stelle meist angeschwollenen
Ringe geht ein kugliger oder birnförmiger, sitzender oder gestielter Fortsatz in
die Blase hinein (bei Cunina sie vollständig durchsetzend), und umfasst becher-
förmig eine wahrscheinlich aus Ca C bestehende Kugel. — Welche Spur von
Aehnlichkeit nun zwischen diesen Randbläschen und dem Ohre der Krebse, ausser
dass in letzterem auch bisweilen ein kugliges festeres Gebilde sich findet, das
aber (nach Hensen) nie aus Ca C zu bestehen scheint? — Und selbst das Vor-
handensein der von Hensen beschriebenen Haare zugegeben, würden diese so
ungemein blassen und zarten Häärchen eines gallertartig weichen Thieres Steifig-
keit und Elasticität genug besitzen können, um durch Schallwellen in regelmässige
Schwingungen versetzt zu werden?
Noch geringer, wo möglich, ist die Aehnlichkeit zwischen den Randbläschen
der Hydroidquallen und den Hörblasen mit schwingenden Steinchen, wie sie bei
Mollusken und Rippenquallen vorkommen.
Wenn für die Deutung der Randbläschen als Ohren kein weiterer Grund
vorzuliegen scheint, als die Aehnlichkeit, die sie beim ersten AnbHck, aber nicht
bei näherer Vergleichung mit dem Ohre einer Mysis, eines Leucifer, einer Schnecke
haben, so ist wohl gegen die Deutung als Augen nichts einzuwenden, als dass
die in diesem Falle als Linsen anzusprechenden Theile aus Kalk bestehen. Dieser
Grund würde nicht ohne Gewicht sein, wenn alle sonst in der Thierwelt der
i) Claus (Zeitschr. für wiss. Zool. XIII. p. 440) glaubt die Deutung dieses Ringes als Nervenring
um so entschiedener zurückweisen zu müssen, „als es sich hier nicht um einen Gegensatz von Ganglien
und nach den einzelnen Organen ausstrahlenden Fasern handelt". Claus scheint dabei übersehen zu haben,
dass bei jener Deutung nicht nur auf Anschwellungen des Ringes Bezug genommen wurde, welche in ihrer
Lage den allgemein als Sinneswerkzeuge betrachteten Randbläschen entsprechen, sondern auch auf zarte Stränge
(Nerven ?), die von den Anschwellungen nach dem Ursprung der Tentakel hin verfolgt wurden. „Der Ring ist
absolut abgeschlossen, und was noch mehr sagt, bei den höher organisirten grossen Scheibenquallen überhaupt
nicht nachzuweisen", wie Claus weiter bemerkt. Darauf ist zu erwidern: i) dass in diesem Falle die
Grösse den Nachweis des Nervensystems nicht erleichtert, sondern erschwert ; 2) dass, wie bei den Rippen-
quallen, so auch bei den höheren Scheibenquallen, das Nervensystem ganz wo anders liegen kann, als bei
den Hydroidquallen; 3) dass, wenn auch nicht bei den echten Scheibenquallen, so doch bei Tamoya ein
unzweifelhafter, dem unbewaffneten Auge sichtbarer, Nerven aussendender Nervenring vorhanden ist. —
Was die dem fraglichen Nervenring bei Liriope u. s. w. aufgelagerten Nesselzellen betrifft, auf deren An-
wesenheit auch ich aufmerksam gemacht hatte, so können sie, wenn sie überhaupt bei der Frage in Betracht
kommen, höchstens für, in keiner Weise gegen die Deutung als Nervenring sprechen; zum Fangen von
Beute können sie an jenem Orte nicht dienen ; hat ihre Anhäufung längs des Ringes irgend eine Bedeutung
für das Thier, so kann es wohl nur die sein, ein wichtiges Organ, wie etwa einen Nervenring zu schützen.
Hensen spricht sich bei Eucope für die Anwesenheit eines Nervensystems aus.
Ueber die Randbläschen der Hydroidquallen. 27 7
Brechung des Lichts dienenden Hnsenförmigen Gebilde gleiche chemische Zu-
sammensetzung hätten. Das ist indessen nicht der Fall, die 4 grossen schönen
Linsen von Ampelisca Kr. (Amphipod), und ebensowohl die Cornealinsen, wie sie
Claus nennt, von Coryceus und anderen Copepoden bestehen aus Chitin, und aus
Arragonit (nach brieflicher Mittheilung von Max Schnitze) die Randkörper
der höheren Quallen, die nur als Augen gedeutet werden können, wenn die von
Henry James-Clark gegebene Darstellung derselben i) richtig ist. Wie es
bei den Hörsteinen, nach Hensen's Meinung nur auf „eine gewisse specifische
Schwere" anzukommen scheint, so wird bei einer Linse ebenfalls weniger ihre
chemische Zusammensetzung, als ihre Durchsichtigkeit, ihr Brechungsexponent
und ihre Gestalt in Betracht kommen. Und wie Hensen von den Hörhaaren
behauptet und nachweist, „dass wenn nur der Nerv, welchen man in sie eintreten
sieht, sensibel ist, tiefe Töne durch sie zur Perception gebracht werden müsse n"
(a. a. O. S. 26), so wird man von den H3^droidquallen behaupten dürfen, dass wenn
sie nur gegen Licht empfindlich sind, dieses durch die Randbläschen zur Wahr-
nehmung gebracht werden muss. Das Licht muss an der Oberfläche der Blase,
es muss zum zweiten Male an der Oberfläche des Steines gebrochen werden ; es
muss auf das Ende des die Kugel umfassenden Stieles stärker wirken, als auf
jede andere Stelle der Qualle.
Desterro, Januar 1865.
i) In Agassiz, Contribution etc. Vol. III, PI. Xlb Fig. i6; Vol. IV. p. 41.
Ueber Darwinella aurea, einen Schwamm mit
sternförmigen Hornnadeln^)^).
Mit Tafel XXVI.
Am Strande der Praia de fora bei Desterro findet sich äusserst selten an
Steinen oder Tangen ein kleiner goldgelber Hornschwamm, der sich dadurch vor
allen bekannten Schwämmen auszeichnet, dass er ansehnliche sternförmige Nadeln
enthält, die nicht aus Kalk oder Kiesel, sondern aus einem, wie es scheint, von
dem der Fasern nicht verschiedenen, in kochender Kalilauge löslichen Stoffe
bestehen.
Das Aeussere des Schwammes hat, die schöne Goldfarbe abgerechnet, nichts
Besonderes. Bald sah ich ihn als ganz dünnes Häutchen einige Quadratlinien bis
etwa einen halben Quadratzoll eines Steines überziehen, bald zarte Tange in einer
wenige Linie dicken Schicht umwachsen und dann Formen annehmen der ähn-
lich, die O. Schmidt von Spongelia incrustans abgebildet hat ^). Möglich, ja
wahrscheinlich ist es, dass die Stelle, an welcher der Schwamm so äusserst selten
vorkommt, nicht sein eigentlicher Standort ist, und dass er an letzterem zu be-
trächtlicherer Grösse heranwächst und dann auch in eigenthümlicher bezeichnender
Tracht auftritt.
Die Spitzen der kegelförmigen Höcker, welche wie bei anderen Horn-
schwämmen die Oberfläche bedecken, erscheinen heller als die übrige Oberfläche,
da sie von den farblosen Enden der in die Höcker aufsteigenden Fasern einge-
nommen werden. Nur selten tritt beim frischen Schwamm eine oder die andere
Faser frei über den Höcker vor; dagegen sehe ich bei einem in Weingeist auf-
bewahrten Stücke die meisten Fasern hervorstehen. Ein rundes Ausströmungs-
loch habe ich nur einmal, an einer sonst nicht ausgezeichneten Stelle eines
Schwammes gesehen; es hatte wohl kaum i mm Durchmesser. — Mit der ein-
fachen Linse sieht man auf der Oberfläche ein dichtes Netzwerk zarter gesättigt
x) Schultze's Archiv für mikrosk. Anat. 1865. I. p. 344 — 353. Taf. XXI.
2) Max Schultze, dem ich im vorigen Jahre ein Bruchstück des Schwammes mittheilte, nannte
ihn Darwinia (Verhandl. d. naturhist. Vereins d. Rheinlande und Westphalens, Jahrg. XXII, 1865, Sitzungs-
berichte p. 6); da dieser Name seit 1855 von Spence Bäte an einen Amphipoden vergeben ist, habe
ich ihn in Darwinella geändert.
3) Oscar Schmidt, Spongien des adriatischen Meeres. Taf. III, Fig. 7.
Ueber Darwinella aurea.
279
gelber Linien; sie bestehen, wie stärkere Vergrösserungen zeigen, aus spindel-
förmigen Anhäufungen gelber Körnchen, ganz ähnlich denen, die O. Schmidt
von Spongelia elegans gezeichnet hat ^). Ueber ihnen zieht sich eine dünne, farb-
lose, körnchenfreie Hautschicht hin.
Die zwischen den Hartgebilden liegende Schwammmasse ist sehr weich und
wird durch zahlreiche gelbe Körnchen undurchsichtig gemacht. Ich kann über
ihren Bau nichts weiter sagen, da ich nie Zeit fand, wenn mir einmal dieser seltene
Fund in die Hände fiel, ihn sofort zu untersuchen; schon nach einigen Tagen
aber fand ich ihn in Gläsern mit Seewasser immer abgestorben und die Weich-
theile so weit zersetzt, dass sie leicht zwischen Fasern und Nadeln herauszuspülen
waren. An der Luft geht die schöne Goldfarbe rasch in ein dunkles schmutziges
Braun über.
Abweichend, so viel ich weiss, von allen bisher beschriebenen Hornschwämmen,
aber übereinstimmend mit zwei anderen hiesigen Arten bilden die schwach ver-
ästelten Fasern der Darwinella kein zusammenhängendes Geflecht, sondern
steigen entweder ganz getrennt empor (Fig. i) oder verkleben doch nur hie und
da miteinander. Den gemeinsamen Boden, von dem sich die Fasern erheben,
bildet eine dünne Haut, mit welcher der Schwamm seine Unterlage überkleidet
und die in chemischer Hinsicht nicht von den Fasern und Nadeln verschieden
scheint; alle diese Hartgebilde bleiben in kalter Kalilauge oder concentrirter
Schwefelsäure wenigstens während einiger Stunden unverändert, lösen sich aber
rasch in starker kochender Kalilauge.
Die Fasern, deren Verästelungsweise aus den beigegebenen Zeichnungen
(Fig. I — 4) ersichtlich ist, sind elastisch, blass horngelb und verjüngen sich ganz
allmählig nach der Spitze zu; eine 4 mm lange Faser z. B. von 0,06 auf 0,016 mm.
— Die Spitze selbst ist abgerundet (Fig. 6).
Man unterscheidet an den Fasern eine durchsichtige, anscheinend festere
Rinde und ein mehr oder weniger getrübtes, anscheinend weicheres Mark. Die
Rinde wird nach der Spitze zu dünner und fehlt der äussersten Spitze ganz.
Mark wie Rinde sind deutlich geschichtet. In der Rinde sind die Schichtungs-
linien im Allgemeinen der Achse der Faser gleichlaufend; kleine Biegungen der
Faser werden durch die später abgesetzten Schichten wieder ausgeglichen. Im
Marke wiederholen die Schichtungslinien im Allgemeinen die Form der Spitze
der Faser, bilden also quere, mehr oder weniger stark nach oben gewölbte Flächen,
durch die das Mark oft ein gekammertes Aussehen erhält. Die Schichten des
Markes gehen unmittelbar über in die der Rinde; es sind eben dieselben Schichten.
Jede neue Schicht, die sich auf der Faser absetzt, bildet eine sie umhüllende zarte
Röhre, die oben durch eine dicke gewölbte Kuppel geschlossen ist. Die Röhren
bilden die Rinde, die Kuppeln das Mark. — Ich finde bei Darwinella nichts,
was auf ein Wachsthum der Fasern durch „Intussusception" hinwiese, wie es
Schmidt für Spongia annimmt 2). Natürlich kann ich nicht die Richtigkeit
dieser Auffassung für Spongia anzweifeln wollen ; für Darwinella aber muss ich
meine entschiedene Meinung dahin aussprechen, dass die Fasern einzig durch
i) O. Schmidt, Supplement der Spongien des adr. Meeres. Taf. I, Fig. 9-
2) Suppl. der Spongien des adr. Meeres. S. 8.
2Qq Ueber Darwinella aurea.
Auflagerung neuer Schichten wachsen. Besonders belehrend sind in dieser Be-
ziehung Fasern, deren Wachsthum, — wahrscheinlich dadurch, dass sie über die
Oberfläche des Schwammes hervorragten — , längere Zeit unterbrochen wurde.
Diese stark gedunkelten und verhärteten jedenfalls leblosen Spitzen wachsen später,
wenn sie wieder von der Schwammmasse überdeckt werden, in ganz derselben
Weise weiter, wie früher (Fig. 7). Bei Fasern, die ihre Spitze verloren hatten
(Fig. 8), sieht man nie vom Marke aus einen jungen Zapfen hervorwachsen, wie
es Schmidt bei Spongia sah; es lagern sich einfach neue Schichten darüber,
durch welche sie weiter wachsen. Man kann daher bei Darwinella nicht sagen,
dass die Faser sich „neue Schichten der umgebenden weicheren Muttersubstanz
assimilirt"^). Wollte man selbst den allem Anschein nach abgestorbenen Fasern
dies Vermögen noch zugestehen, so würde man es doch nicht auf fremde Körper
ausdehnen können, auf die der Schwamm in ganz gleicher Weise hornige Schichten
absetzt. So sah ich ganze Zweige eines zarten mit Gemellaria verwandten Moos-
thierstockes vollständig von einer geschichteten Hülle umschlossen und diese
Schichten gingen ununterbrochen über in die einer Schwammfaser -j. Auch der
Fig. 10 gezeichnete Fall, wo ein junger Ast wieder von den später abgesetzten
Schichten des Stammes überlagert und in den Stamm wieder aufgenommen worden
ist, lässt sich als Beweis dafür anführen, dass ihm keinerlei Wachsthum von innen
heraus zukam, dass er sich bei seinem Wachstume vielmehr ebenso leidend ver-
hielt, wie jeder andere feste Körper, auf dessen Oberfläche das Protoplasma des
Schwammes erhärtend Schichten absetzt.
Die Aeste treten auf als kugelförmige Hervorragungen der äussersten Schicht
des Stammes, unter denen die älteren Schichten unbehelligt und geradlinig fort-
gehen, so dass die Aeste aussehen wie ganz unabhängige, dem Stamme äusserlich
aufgeleimte Gebilde. Anfangs structurlos, mit einfachem Umriss, erscheinen sie
bald geschichtet. Die Ursprungsstellen älterer Aeste erscheinen, wie das auch
anderen Beobachtern an anderen Schwämmen aufgefallen ist, stark verdickt, indem
die äusseren Schichten in immer flacher werdenden hyperbolischen Linien vom
Ast auf den Stamm übergehen (Fig. 9). Noch auffallender ist dieselbe Erscheinung
an geknickten Fasern (Fig. 9); auch hier folgen die späteren Schichten an der
Innenseite des durch die Knickung entstandenen Winkels dessen Schenkeln nicht
bis zum Scheitel, sondern biegen in immer grösseren und flacheren Bogen aus
der Richtung des einen in die des anderen um. Ebenso geschieht es, wo zwei
sich kreuzende Fasern mit einander verkleben, in den von ihnen gebildeten Winkeln.
i) Suppl. der Spongien des adr. Meeres. S. 8.
2) Ich will mir erlauben bei dieser Gelegenheit eine Vermuthung auszusprechen über die sonder-
baren aus der Oberfläche der Spongelia fistularis Schmidt (Suppl. S. 28. Taf. II, Fig. 28, 29. Taf. III,
Fig. 4) hervorragenden Röhren. Ich fand kürzlich eine Reniera, deren Oberfläche dicht bedeckt war mit
kreisrunden auf kleinen Erhebungen angebrachten scharfrandigen Oeffnungen, die in tiefe glattwandige
Röhren führten. Dazwischen lagen die gewöhnlichen Ausströmimgslöcher. Ich meinte, eine ganz wunder-
bare neue Gattung gefunden zu haben. Als aber mein Schwamm ruhig in einem Glase mit Seewasser lag,
kamen aus jedem Loche die beiden zarten langen Fangfäden einer winzigen Spiodee hervor und tasteten
justig umher. Nach dem Trocknen treten die Röhren von Schwammnadeln bedeckt mehrere Millimeter
über die eingeschrumpfte Oberfläche des Schwammes hervor. — Sollten nicht die Röhren der Spongelia
fistularis auch aus Wm^nröhren entstanden sein, die von den Fasern des Schwammes aus mit einer hornigen
Hülle umkleidet wurden?
Ueber Darwinella aurea. 28 1
Diese Ausfüllung geradliniger Winkel durch hyperbolisch gekrümmte
Schichten, sowie umgekehrt bei kleineren Biegungen der Faser, die Rückkehr
der später abgelagerten Schichten zu geraden Linien scheinen darauf hinzuweisen,
dass sie nicht aus einer ruhenden Umgebung, dass sie vielmehr aus einer über
die Fasern hin sich bewegenden Masse abgesetzt wurden. Die Bildungsgeschichte
der Fasern scheint, mit Einem Worte, ganz dieselbe zusein, wie nach Schachts
Darstellung 1) die der ZeUstofffäden in der Aussackung des Embryosacks von
Pedicularis silvatica und im Innern von Caulerpa.
Nicht selten (Fig. 2) sind die Fasern auf weite Strecken dicht bedeckt mit
einer bräunlichen einzelligen Alge.
Zwei andere Hornschwämme unserer Küste stimmen im Bau der Fasern
vollständig mit Darwin ella überein.
Neben den Fasern enthält Darwin ella zahlreiche ansehnliche sternförmige
Nadeln. Dieselben haben drei bis acht schlanke allmählig zu einer meist scharfen
Spitze verjüngte Strahlen, deren Länge von 0,1 bis über i mm wechselt; an der-
selben Nadel sind sie nahezu gleich lang. Die Anordnung der Strahlen ist eine
ziemlich man nichf altige (Fig. 2 — 5); bis jetzt kamen zur Beobachtung:
i) Nadeln mit 3 Strahlen; diese genau oder nahezu in derselben Ebene zu-
sammenstossend :
a) unter Winkeln von etwa 120°;
b) unter Winkeln von i8o^ 90° und 90°;
c) unter Winkeln von etwa iSo^ 120° und 60^.
2) Nadeln mit 4 Strahlen:
a) rechtwinkliges Kreuz;
b) schiefwinkliges Kreuz mit Winkeln von 120'' und 60^; selten;
c) zwei Strahlen bilden einen rechten Winkel, die beiden andern eine auf
dessen Ebene senkrechte Gerade ; sehr selten ;
d) dreistrahliger Quirl, d. h. drei Strahlen in einer Ebene, Winkel von etwa
120" bildend, der vierte darauf senkrecht; häufig.
3) Nadeln mit 5 Strahlen:
a) drei Strahlen in einer Ebene; die beiden andern bilden eine darauf senk-
rechte Gerade; nicht selten;
b) vierstrahHger Quirl; d. h. vier Strahlen bilden ein Kreuz, auf dessen Ebene
der fünfte senkrecht steht; häufig.
4) Nadeln mit 6 Strahlen:
a) die Strahlen bilden drei auf einander senkrechte Gerade; nicht selten;
b) fünfstrahliger Quirl; sehr selten.
5) Nadeln mit 7 Strahlen 1
6) Nadeln mit 8 Strahlen/
Wie die Fasern zeigen auch die Nadeln eine deutliche Scheidung in Mark
und Rinde; die innere Grenzlinie der Rinde pflegt sogar weit schärfer als bei
den Fasern hervorzutreten. Nach der Spitze der Strahlen zu wird die Scheidung
in Mark und Rinde weniger deutlich. Während bei den Fasern die Rinde nach
i) H. Schacht, Lehrbuch der Anatomie und Physiol. der Gewächse. I. Theil, S. 45. Taf. I, Fig. 44, 45.
Vergl. auch M. Schnitze, Die Hyalonemen. Bonn 1860. pag. 24 Anm.
282 Ueber Darwinella aurea.
der Spitze zu schwindet und diese selbst nur aus dem bogig geschichteten Marke
besteht, verjüngt sich bei den Nadeln das Mark rascher als die Rinde und die
Spitze scheint marklos zu sein. Eine grössere Markhöhle am Kreuzungspunkte
der Strahlen pflegt namentlich bei kleinen drei- oder vierstrahligen Nadeln sehr
deutlich zu sein. (Fig. 1 1 .)
Eine Schichtung der Rinde ist bei frischen Nadeln kaum wahrzunehmen;
bisweilen sieht man einige recht deutliche oberflächliche Schichtungslinien, aber
überzeugt sich dann meist leicht, dass diese nicht der Nadel selbst, sondern nach-
träglich auf sie abgesetzten Schichten angehören. Nach kurzem Kochen in
schwacher Kalilauge, wobei die Nadeln etwas aufgequollen waren, trat dagegen
die Schichtung der Rinde deutlich herv^or. Das Mark zeigte sich in diesen ge-
kochten Nadeln verschrumpft, wellig gebogen und durch einen deutlichen Zwischen-
raum von der Rinde geschieden. Ebenso sah ich es bisweilen (Fig. 12) nach
mehrtägigem Liegen des Schwammes in Wasser. Einigemal sah ich im Marke,
doch nie recht deutlich, Linien, die spitze Winkel, mit der Spitze der Strahlen
zugewandtem Scheitel, bildeten; — vielleicht Schichtungslinien, die dann wie bei
den Fasern die Form der Spitze wiederholen würden.
Die Nadeln liegen hauptsächlich in den tieferen Theilen des Schwammes,
wo sie um die Stämme und älteren Aeste der Fasern oft ein dichtes Gewirre
bilden. Nicht selten herrschen bestimmte Nadelformen an bestimmten Stellen vor;
so zeigt Fig. 4 lauter vierstrahlige Nadeln und so waren die im Allgemeinen
seltenen sieben- und achtstrahligen Nadeln, die mir früher nie vorgekommen waren,
an einer kleinen Stelle eines vor Kurzem untersuchten Schwammes, dem Fig. 2
und 3 entnommen sind, ziemlich häufig. Die Nadeln liegen theils frei in der
weichen Schwammmasse, theils sind sie mit den Fasern verklebt, oder selbst voll-
ständig in sie eingeleimt. Selten verkleben zwei sich kreuzende Strahlen ver-
schiedener Nadeln. Auch an die die Unterlage des Schwammes überziehende
Haut können Nadeln befestigt werden. Es finden sich in diesen Fällen stets die
uns schon bekannten hyperbolischen Schichtungslinien.
Meist sind die Strahlen der Nadeln gerade ausgestreckt; doch ist bisweilen
der eine oder andere Strahl unter einem stumpfen oder selbst rechten Winkel
gebogen und die umgebogenen Spitzen sind dann, soviel ich gesehen, immer fest-
geleimt; — wahrscheinlich, weil die elastischen Strahlen, durch Druck von aussen
gebogen, bei Nachlass des Druckes sich wieder strecken, wenn sie nicht inzwischen
an benachbarte Fasern festgekittet worden sind.
Während bei Darwinella die Nadeln ausserhalb der Fasern liegen und nur
ausnahmsweise mehr oder weniger vollständig in sie aufgenommen werden, pflegen
bei Kieselschwämmen mit entwickeltem Fasergerüste ^) die Nadeln den Fasern
eingebettet zu sein. Doch ist dieser Unterschied kein w^esentlicher ; denn auch
bei letzteren entstehen die Nadeln wohl immer ausserhalb der Fasern und werden
erst später von ihnen umwachsen.
I) Diese Corneosilicispongiae, wie sie Schmidt nennt (Supplement S. 42) können keinenfalls eine
systematische Abtheilung bilden, da von nächst verwandten Arten die einen ein höchst entwickeltes Faser-
gerüst besitzen können, während bei den anderen kaum die Spitzen der Nadeln durch eine Spur erhärteten
Protoplasmas verklebt sind. Das Letztere ist z.B. nach Schmidt der Fall bei seiner Reniera aquaeductus,
das Erstere bei einer der genannten bis auf die Farbe höchst ähnlichen hiesigen Art; man wird diese
Arten nicht auseinander reissen dürfen.
Ueber Darwinella aurea.
283
Freunden Darwin's werden die eben besprochenen Hornnadeln ein er-
freulicher Fund sein, da sie einen willkommenen Anhalt bieten für die An-
wendung seiner Lehre auf die Klasse der Schwämme. Wenn irgendwo, so zeigte
sich in dieser Klasse die Auffassungsweise von Agassiz in entschiedenem Vor-
theile über die Lehre Darwin's. Die gleichen Gestalten (z. B. dreistrahlige Sterne)
waren einmal in kohlensaurem Kalk, ein anderes Mal in Kieselsäure ausgeführt,
zwei so verschiedenen Stoffen, dass das Band, welches in der Uebereinstimmung
der Form sich unverkennbar kund gab, eben nur, wie Agassiz will, ein geistiges
sein zu können schien. War die Thierwelt geschaffen nach einem vorbedachten
Plane, so leuchtete ein, wie in diesem Plane zuerst im Allgemeinen der Gedanke
einer Schwammnadel gefasst, wie eine bestimmte Nadelform vorgezeichnet und
wie dann zu deren Ausführung bald der eine, bald der andere Stoff gewählt
werden konnte. Wie aber sollte man die Kalk- und die Kieselschwämme aus
einer nicht blos gedachten, — wie sollte man sie im Sinne 'der Darwin'schen
Lehre aus einer in bestimmten irdischen Stoffen lebendigen Urform ableiten ?
Es war offenbar eine dreifache Annahme möglich.
Man konnte Kalk- und Kieselnadeln als wesentlich verschiedene unabhängig
von einander entstandene Gebilde betrachten und sich dabei etwa auf die den
Kalknadeln mangelnde feine Höhlung in der Achse der Kieselnadeln berufen.
Man konnte zweitens Kieselnadeln aus Kalknadeln oder umgekehrt hervor-
gehen lassen. Letztere Annahme wurde indess ebenso unwahrscheinlich durch die
Verschiedenheit des Stoffes, wie erstere durch die Uebereinstimmung der Formen.
Man konnte drittens zu der Annahme einer einfach hornigen Grundform
greifen, die später bei den einen verkalkt, bei den anderen verkieselt sei; aber
auch diese Annahme dürfen die Gegner abweisen mit der Forderung, doch irgend
welche Spur dieser „imaginären, nur zur Stütze einer phantastischen Theorie herbei-
gerufenen" ^) Hornnadeln aufzuweisen. — Nun denn, die Hornnadeln haben nicht
nur bestanden, sie bestehen noch und damit ist der dritten, an sich schon an-
sprechendsten Annahme eine gewisse thatsächliche Stütze gegeben.
Zum Schluss, um auch der Schule gerecht zu werden, die Diagnose der
neuen Gattung.
Darwinella: Ceratospongiae fibris dendroideis in rete non conjunctis et
spiculis magnis stelliformibus in kali caustico solubilibus praeditae,
Desterro, September 1865.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVL
Die Abbildungen stellen sämmtlich Fasern und Nadeln der Darwinella aurea
dar, und zwar Fig. 1^5 bei i5maliger, 6 — 11 bei Qomaliger und Fig. 12 bei 36omaliger
Vergrösserung. — Man beachte in '
Fig. I. den häutigen Ueberzug über den Tang, dem die Schwammfaser aufsitzt, das
abgebissene Ende des dunkleren von jüngeren Schichten umschlossenen Stammes, die
i) The supposed intermediate forms between the species of different geological periods are „ima-
ginary beings, called up merely in support of a fanciful theory" Agassiz, Contributions to the Nat. Hist.
of the U. S. Vol. III. S. 90.
284
Ueber Darwinella aurea.
Verschmelzung des 2. und 4. Astes, die durch spätere Schichten ausgeglichene Biegung
am ersten Zweige des 4. Astes; in
Fig. 2. den dunklen Ueberzug (von einzelligen Algen) auf einem Theile der Fasern
und Nadeln; links die grosse achtstrahlige Nadel, unten in der Mitte die Verklebung
zweier sich kreuzender Nadeln, rechts die vierstrahlige Nadel, von der ein Strahl an den
häutigen Ueberzug des Tanges befestigt ist, während von einem andern sich eine Faser
erhebt. (Es sind in dieser Figur kaum die Hälfte der in dem Präparat vorhandenen
Nadeln gezeichnet); in
Fig. 3. die fast vollständig eingekittete vierstrahlige Nadel rechts; in
Fig. 4. den Ursprung der Fasern aus der häutigen Ausbreitung und die umgebogenen
festgeleimten Spitzen an den beiden obern Nadeln.
Fig. 5. Einzelne Nadeln.
Fig. 6. Spitze einer Faser.
Fig. 7 — 10. Unregelmässig geschichtete Fasern, aus deren Schichtung man ebenso
ihre ganze Lebens- und Leidensgeschichte herauslesen kann, wie aus den Jahresringen
eines Baumes seine mageren und fetten Jahre u. s. w.
Fig. 7. Aus einer Faserspitze, die längere Zeit über ihren Höcker frei vorstand,
dabei erhärtete und dunkelte und auf der sich in dieser Zeit eine Diatomee angesetzt
hat, erhob sich später eine seitliche Faser, die aber bald dasselbe Schicksal hatte ; nach-
dem beide wieder vom Schwamm überwachsen worden, ist von jeder Spitze ein Zweig
weiter gewachsen ; in dem Winkel zwischen beiden erscheinen hyperbolische Schichtungs-
linien.
Fig. 8. Eine Faser wurde abgefressen und entblösst; in der Wundfläche häufte
sich Schmutz an; später wurde sie wieder überwachsen und ein junger Ast bildete sich
an ihrem Ende.
Fig. 9. Eine Faser wurde rechtwinklig geknickt; der Winkel füllte sich mit hyper-
bolisch gekrümmten Schichten; an der Aussenseite des wagerechten Schenkels bildete sich
ein Zweig, der in der ursprünglichen Richtung der Faser weiter wuchs. Links sieht man
eine der Faser aufgeleimte Nadelspitze.
Fig. 10. Zwei entblösst gewesene Faserenden sind verklebt; an der einen sind unter
dem Ursprung eines seitlichen Astes einige fremde Körnchen hangen geblieben ; der seit-
liche Ast wurde verbogen, aber die Biegung durch jüngere Schichten wieder ausgeglichen;
ungefähr um dieselbe Zeit, und vielleicht durch dieselbe Ursache wurde die Spitze eines
jüngeren Zweiges umgebogen, und in Folge davon von den später abgesetzten Schichten
des Stammes umschlossen und seinem Bestehen als Zweig ein Ende gemacht.
Fig. II. Kleine dreistrahlige Nadeln mit grosser Höhle am Kreuzungspunkte der
Strahlen.
Fig. 12. Stück des Strahles einer grossen Nadel, nach mehrtägigem Liegen in Wasser
hat sich das Mark deutlich von der Rinde abgehoben und erscheint wellig (schraubenförmig ?)
gebogen.
Notes on some of the Climbing-Plants near Desterro,
in South BraziP).
Aus einem Briefe an C. Darwin.
Mit Tafel XXVII.
In your Paper on the "Movements and Habits of Climbing-Plants", you say
that you have seen no tendrils formed by the modification of branches, and you
even seem to entertain some doubt whether such tendrils exist. In the genus
Strychnos, the tendrils are caUed by Endlicher ramuli cirriformes, and I have now
satisfied myself that they really are of this nature. On the branches of upright
shoots of a Strychnos which grows here, the tendrils are disposed in a very
regulär manner. On the branches, the leaves of the first, third, fifth, &c. pairs
are horizontal, those of the second, fourth, and sixth pairs are vertical in relation
to the main axis; and it is from the angles of every under leaf of these latter
pairs that the tendrils spring. Now, on the points commonly occupied by tendrils,
true branches are sometimes developed. The leaves from the angles of which
the tendrils spring are often much reduced in size, while in other cases they are
but little or not at all changed. Each tendril bears near its tip a pair of rudi-
mentary leaves; and whilst very young the tendrils are straight, but soon become
curved downwards and rolled into a helix, whether they have clasped a support
or not. This Strychnos is a very inefficient cHmber; the short stiff tendrils but
rarely catch anything.
A member of the Hippocrateaceae, probably a Tontelia, is likewise a brauch
climber. One of its branches, three feet in length, had not as yet developed
leaves, and resembled a gigantic tendril, with most of its lateral branchlets already
grasping neighbouring objects. From the angles of the tendril-branches, other
branches arise, which as far as I have seen, are not sensitive, and never clasp
anything. This latter arrangement must be serviceable to the plant; for such
branches grow upright without being arrested in their course, whilst the plant is
secured by the tendril-branches.
Caulotretus, one of the Leguminosse, offers another case of tendrils being
formed from modified branches. In the species which I observed, the branches
bear tendrils only in the angle of their first leaf, and this leaf is always rudi-
mentary. In young shoots it might, at first sight, be thought that tendrils spring
from the axils of all their leaves. In this plant every tendril appears to consist
I) Journal of the Linnean Society of London. Bot. 1865. IX. p. 344 — 349. PI. IX.
2g A On some Brazilian Climbing-Plants.
of two parts, separated by a small swelling — the inferior being straight, the
superior curved, with its end rolled into a helix. But what appears to be the
inferior part of a tendril is in fact the first internode of a young branch, the
swelling being its terminal bud, and the tendril reall}^ Springs from this young
branch, from the angle of its first squamiform leaf, but nevertheless accompanied
by two stipules. The end of the tendril very soon rolls up into a helix; but it
does not lose by this the faculty of catching a support; on the contrar}'- I know
of no other tendrils which become entangled with small objects so easily as these
roUed-up, highly elastic tendrils of the Caulotretus.
By far more interesting than the tendrils of Strychnos and Caulotretus are
those (PI. XXVII. figs, i and 2) of a climbing Papilionaceous plant with a woody
stem, which from its general aspect I suppose to belong to the Dalbergiece, Benth.
They consist of thin, slender, flexible, leafless branches, with numerous (12 — 25)
internodes, armed with sharp, hard, hook-like stipules. The young, soft, herbaceous
shoots of this plant w^hich rise from the ground are leafless. I saw one, seven
feet high, which in its lower half was naked, while the upper half bore about a
dozen tendrils stretched out in every direction. The oldest of these tendrils were
from nine to twelve inches long, and armed with from twelve to sixteen pairs of
sharp hooks: at the sides of the younger tendrils there were large, foliaceous,
deciduous stipules, and at their bases very small bract-like leaves. The hooks of
the tendrils are evidently stipules, which so often in this family assume the form
of hooks or spines; in fact, while in the older tendrils they are strongly curved,
and have a hard, sharp, darkly coloured apex, at the summits of the younger
ones they are straight, soft, and green, resembling in this early State the much
larger stipules at the bases of the tendrils. Afterwards, on the summit of the
shoot, true leaves are developed at the bases of the tendrils instead of the small
rudimentary ones; and finally, when the plant has reached the light, and spreads
over the upper surface of a thicket or tree, the tendrils disappear. The inverse
may be observed when the plant sets out on the conquest of a new dominion, a
neighbouring tree for instance. Then a branch bearing only leaves begins to
produce on its tip tendrils supported by leaves, and finally, growing rapidly to a
long slender shoot, it produces only tendrils, the leaves being replaced by small
squamse. Thus in this plant, the branches assume four different shapes: — ist,
tendrils, leafless, armed with hook-like stipules; 2nd, long, slender, leafless shoots,
bearing tendrils and broad deciduous stipules; 3rd, branches with leaves, from
the axils of which tendrils spring; and 4th, branches bearing only leaves without
tendrils. Between the leaf and the tendril there is an accessory bud (fig. i b),
which often developes into a branch; these branches issuing from the accessory
buds seem never to produce tendrils. The tendrils, after having clasped a support,
thicken partially where they are in contact with it (fig. i a). Tendrils which have
caught nothing behave in different ways. Some wither and faU after contracting
irregularly. Others likewise become flexuous, or contract into a spire, or occasio-
nally into a helix, but remain, thickening somewhat and becoming ligneous and
rigid. Others produce branches from one or some of their internodes: this also
occurs, and perhaps more frequently, with tendrils which have found a support;
in this case the tendrils thicken much, and sometimes attain a diameter of more
On some Brazilian Climbing-Plants. 287
than one inch (fig. 2 a, a. thickened tendril clasping a branch of a Psidiuin ;
b, branch issuing from the tendril; c, tendril-bearing branch; d, branch from an
accessory bud, without tendrils). Lastly, the tendrils even transform themselves
into true branches: in this case they may remain nearly straight or become but
little flexuous, and at their ends they produce leaves; the first of these leaves
have sometimes hook-hke persistent stipules, Hke those of the tendril, while the
stipules of the following leaves are deciduous like those on other branches. These
tendrils often become much elongated. I saw a shoot, almost all the tendrils of
which were developed into Serpentine branches; and under each of these branches
there was a straight branch from an accessory bud. One of the tendrils was
thirty inches long; it had twenty-five pairs of hooks, and at the tip three short
internodes with leaves and destitute of hooks; from its seventeenth internode a
branch arose. Excepting their hook-like stipules, by which they may be easily
recognized, the branches formed by tendrils resemble in almost every respect the
ordinary branches; but, as far as I have seen, they never produce tendrils, nor
do the branches which spring from an internode of a tendril or (as I have already
stated) from an accessory bud.
If we restrict the name of tendrils to filamentary organs used exclusively
for climbing, those of the present plant would be excluded; for after having done
their work as tendrils, they may be transformed into, and do all the work of
branches.
While in this plant the highly modified tendrils may be changed again into
true branches, in two other plants which I have seen, the branches themselves,
without having suffered any modification, act as tendrils. One of these plants
belongs to the Dalbergiew. Many of its branches had clasped small branches of
a tree. These tendril branches, as they may be called, had not continued to grow
beyond the support; and where they touched it, most of them had thickened:
some showed a tendency to spiral contraction, forming a semicircle between the
support and the stem. The plant does not twine. I may add that another genus,
belonging to the same section of the Leguminosae, namely Hecastophyllum, is
also a branch climber.
The second plant above referred to is a Securidaca (Polygalaceae), and a
most powerful cUmber (fig. 3). Its branches often curvfe in a very odd and com-
plicated manner. Thus I saw a thin branch, which with its lateral twigs had
become curved like ribs into semicircles (about four inches in diameter), imitating
the bones of the thorax ; from the twigs sprang secondary branchlets, which were
very regularly curved, twisted together, and formed into a sort of network around
the middle hollow space. When the branches wind round a support, they thicken
and become more rigid, like true tendrils; but even these thickened parts may
bear leaves or secondary branches. In the preceding plant the branches seem
to be arrested in their longitudinal growth when they clasp a support; in the
present plant the)^ continue to grow, and the same branch may successively catch
different objects. The branches which project freely from a thicket are rather
thin and slender: with their twigs spreading all in the same horizontal plane and
diminishing in length towards the extremity of the branch, and with their leaves
arranged in two horizontal rows, they apparently form gigantic bipinnate leaves;
288 ^^ some Brazilian Climbing-Plants.
and when covered with their bluish-purple flowers, this Securidaca is one of the
most elegant and magnificent plants of our flora.
From the last two plants it is but one step to the primordial and simplest
condition of branch climbers, exhibited by the numerous species which scramble
up a thicket without twäning and without the aid of rootlets, hooks, or tendrils.
Thus we can trace in the development of branch climbers the foUowing
stages: —
1. Plants supporting themselves only by their branches stretched out at right
angles — for example, Chiococca.
2. Plants clasping a support with their branches unmodified — Securidaca
{Hippocratia according to Endlicher, Gen, Plant. No. 5700, "arbores v. frutices,
ramis contortis scandentes").
3. Plants climbing with the tendril-like ends of their branches. According
to Endlicher (Gen. PI. No. 5745), this is the case with Helinus ("ramulorum apicibus
cirrhosis scandens").
4. Plants with highly modified tendrils, which may, however, be transformed
again into branches — for example, the above-mentioned Papilionaceous plant
5. Plants with tendrils used exclusively for climbing — Strychnos, Caulotretus.
I will here add a few miscellaneous observations. You describe some species
of Bignonia in which the tips of the tendrils become enlarged and adhesive after
remaining for a short time in contact with some object; but the trifid tendrils of
Haplolophium, one of the Bignoniacese , terminate (without having come into
contact with any object) in smooth shining disks, which, however, after adhesion,
sometimes become considerably enlarged. In Cardiospermuni you State that the
common peduncle which bears the subpeduncles with the flower-buds and the
pair of short tendrils, although it spontaneously revolves, does not bend on contact
or contract spirally; hence it may be worth mentioning, as showing a difference
in the action of the tendrils in related genera, that in Serjania the common peduncle
contracts spirally when the single tendril which it bears has clasped, as frequently
happens, the plant's own stem.
With respect to spirally twining plants, you State that though the Hibbertia
dentata sometimes revolves in one direction and sometimes in the other, yet it
invariably twines from left to right. But in another genus belonging to the same
family, namely the Davilla, the stem twines indifferently from left to right or
from right to left; and I once saw a shoot, ascending a tree about five inches
in diameter, reverse its course in the same manner as so frequently occurs with
Loasa. Although individuals, as we have just seen, in some few cases twine in
opposite directions, yet you say that you have not as yet met with any case of
two species in the same genus twining in opposite directions. and you are able
to give only two cases of species within the same natural order thus twining.
But a Mikania growing here twines from right to left, whilst the Mikania scandens
described by you twines in an opposite direction; and I believe that there are
species of Dioscorea which twine in opposite directions. Lastly, with respect to
the thickness of the support which can be ascended by spiraUy twining plants,
I have lately seen a trunk about five feet in circumference which was thus
ascended by a plant apparently belonging to the Menispermaceae.
Ueber das Holz einiger um Desterro wachsender
Kletterpflanzen ^).
Mit Tafel XXVIII.
Wie längst bekannt, sind die holzigen Stämme vieler Kletterpflanzen durch
eine vom gewöhnlichen Baue des Dicotyledonenstammes abweichende Bildung
ihres Holzes ausgezeichnet. In einem Lande, das an Kletterpflanzen vielleicht
reicher ist als jedes andere der Erde, habe ich Gelegenheit gehabt, eine ziemliche
Zahl solcher „anomalen Holzbildungen" und darunter, wie ich glaube, manches
Neue zu sehen. Ich will im Folgenden eine kurze Uebersicht meiner Beobachtungen
geben, so weit sie den gröberen ohne Mikroskop erkennbaren Bau des Holzes
betreffen.
Das Gemeinsame der mannigfachen Abweichungen vom gewöhnUchen Baue,
die man an den Stämmen holziger Kletterpflanzen beobachtet, besteht darin, dass
bei ihnen der Holzkörper der Länge nach in mehr oder minder vollständig ge-
schiedene Stücke zerklüftet oder von Strängen eines weicheren Gewebes durch-
zogen ist. Die Stämme werden dadurch biegsamer, als wenn dieselbe Holzmasse
eine regelmässige dichte Walze bildete. Die Zerklüftung kann auf mehrere
wesentlich verschiedene Weisen zu Stande kommen, drei derselben, — durch un-
gleichmässiges Wachsthum des Holzkörpers, durch Entwickelung der Markstrahlen
zu zusammenhängenden Längsplatten, durch Bildung äusserer Holzringe, — finden
sich bei Pflanzen der verschiedensten Familien; zwei andere sind jede auf einen
kleinen Kreis engverwandter Arten, die kletternden Bignoniaceen und Sapindaceen
beschränkt.
Bei einer ersten Gruppe anomaler Stämme wird die Zerklüftung des Holz-
körpers durch ein ungleichmässiges Wachsthum desselben hervorgebracht. Indem
einzelne Theile im Umfange des Holzkörpers rascher, andere langsamer wachsen
oder ganz zu wachsen aufhören, entstehen vorspringende Längswülste, die durch
Rinnen oder Spalten geschieden sind. Bei den wenigen Pflanzen dieser Gruppe,
die ich gesehen, schienen mir immer die Hauptwülste mit den Blättern abzu-
wechseln. — Die Rinde umgiebt diese Stämme entweder in gleichmässiger Dicke,
oder sie wuchert stärker an denselben Stellen, wo das Holz im Wachsthum zurück-
bleibt und füllt so die Spalten des Holzkörpers aus.
i) Botanische Zeitung 1866. 24. Jahrg. p. 57 — 60. 65 — 69. Taf. III.
Fritz Müllers gesammelte Scbriften. '9
,QO Ueber das Holz einiger um Desterro wachsender Kletterpflanzen.
Im ersteren Falle ist die Zerklüftung des Holzes schon aussen sichtbar.
Nur ganz enge Spalten, deren Weite die doppelte Dicke der Rinde nicht über-
trifft, sind auch hier von Rinde ausgefüllt; aber der Querschnitt zeigt, dass jede
Wand der Spalte ihre eigene Rinde hat. Ich habe diesen Fall gesehen bei einer
weissblühenden Lantana ^) (Fig. 3), welche zu den zahlreichen Kletterpflanzen ge-
hört, die ohne andere zu umwinden und ohne die Hülfe von Wurzeln, Dornen
oder Ranken in dichtem (xebüsch emporklettern. Der mittlere unzerklüftete
Theil des Holzringes ist hier meist so unbedeutend, dass die Stämme beim Zer-
brechen leicht in vier Stücke spalten ; bei einem Stamm von 1 8 mm Durchmesser
kamen nur 4 mm auf den mittleren Theil und davon reichlich ein Drittel auf
das Mark.
Im zweiten Falle, den ich bei Peixotoa, bei Tetrapterys und bei Condylo-
carpon beobachtete, ist die Zerklüftung des Holzes von aussen nicht zu bemerken.
Von Peixotoa (Fig. 2) habe ich nur kaum fingerdicke Stämme gefunden,
auf deren Holzkörper 6 oder 8 seichte Längsfurchen sich hinziehen. Bemerkens-
werth ist an diesen Stämmen der weisse brüchige Kork, der unregelmässige hohe
Längsrippen bildet und dessen Dicke bisweilen die des Stammes übertrifft.
Bei Tetrapterys (Fig. i) sehe ich an allen mir vorliegenden Stücken sechs
oft sehr tief einschneidende schmale Hauptspalten, zwischen denen, in verschiedener
Zahl und Anordnung, seichtere Furchen zu verlaufen pflegen. Das Holz der
übrigen von mir untersuchten windenden Malpighiaceen ist bis auf das von
Dicella (s. u.) regelmässig gebildet.
Höchst eigenthümlich ist die Bildung alter Stämme von Condylocarpon
(Fig. 4), einer schönen windenden Apocynee mit glänzenden wirtelständigen Blättern
und kleinen goldgelben Blüthen. Das Holz jüngerer Aeste bis zu etwa i cm
Durchmesser bildet einen regelmässigen Ring zwischen Mark und Rinde. Wenn
die Stämme ungefähr die angegebene Dicke erreicht haben, machen sich seichte
Längsfurchen bemerklich, besonders deutlich in der Nähe der Blätter; macht man
hier einen Querschnitt (Fig. 4. A), so sieht man, dass von den Furchen aus weisse
gefässlose Streifen durch das gelbliche Holz nach dem an dieser Stelle drei-
kantigem Marke sich hinziehen. Bei etwas älteren Stämmen (Fig. 4. C) sieht man
den jüngeren Theil des Holzringes von zahlreichen mehr oder minder tief ein-
schneidenden Längsspalten durchzogen , die von der weissen Rinde ausgefüllt
sind. Bis jetzt hat also das Holz die grösste Aehnlichkeit mit dem von Tetra-
pterys. Später aber wird das Wachsthum des Holzes äusserst unregelmässig ; die
älteren Spalten werden wieder vom Holze überwuchert und neue bilden sich am
Rande, um bald ihrerseits dasselbe Schicksal zu erleiden. So zeigt der alte
Stamm (Fig. 4. D) zahlreiche unregelmässig zerstreute Inseln von weisser Rinde
inmitten des gelblichen Holzes. Die Zerklüftung des Holzes durch Längsfurchen
ist nicht beschränkt auf dicotyledonische Kletterpflanzen; sie findet sich auch
an der holzigen Achse der bisweilen über 70 Fuss langen Luftwurzeln eines Philo-
dendron (Cipo d'Imbe der Brasilianer). — (Fig. 21.) — Abweichend vom ge-
wöhnlichen Bau monocotyledonischer Stämme besteht das PIolz hier nicht aus
i) Die Gattungen sind nach Endlicher, Genera plantaruni, bestimmt; zur ßestinmiung der Arten
h:ihc ich keine Hülfsniitlcl.
Ueber das Holz einiger um Desterro wachsender Kletterpflanzen. 20 1
einzelnen im Parenchym zerstreuten Bündeln, sondern bildet eine zusammen-
hängende Masse in der Mitte des Stammes, die im Querschnitt eine sechsblättrige
Rosette darstellt. Um das Holz liegt ein weiches weisses Parenchym mit zahl-
reichen Harzgängen, in dessen äussersten Zellenlagen Chlorophyllkörner auftreten,
und dieses ist umgeben von einer sehr zähen, leicht abzulösenden schwarzen Rinde.
Bei einer zweiten Gruppe von Kletterpflanzen ist der Holzkörper dadurch
in vollständig von einander getrennte Stücke zerspalten, dass die Markstrahlen
zusammenhängende durch die ganze Länge des Stammes sich hinziehende Längs-
platten bilden. Ausser bei einigen noch unbestimmten Pflanzen fand ich diesen
Bau bei Clematis, bei einigen Cocculus-Arten, deren Stamm nicht über fingersdick
zu werden scheint, bei einem hier sehr häufigen Cissus und bei Aristolochia
(Fig. 5). Der von dickem, deutlich geschichtetem, braunem Korke bedeckte
Stamm von Aristolochia ist wie der von Cissus im Querschnitt elliptisch; die
Holzbündel sind durch weit breitere Markstrahlen von einander geschieden, als in
den übrigen genannten Gattungen. In der längeren Achse des Querschnittes
liegen einander gegenüber zwei breite durch secundäre Markstrahlen tief ein-
geschnittene Holzbündel ; zwischen ihnen jederseits 2 oder häufiger 3 schmalere. —
Das Holz ist gelblich, von weiten Gefässen durchzogen, das seine Bündel trennende
und umgebende Gewebe weiss, und nach aussen von jedem Holzbündel liegt ein
Streifen eines saftreichen Gewebes, das durch zahlreiche mit bitterem aromatischem
Harze gefüllte Zellen eine dunkelbraune Farbe erhält.
Aehnlich ist der Bau des Stammes auch bei Bryonia (Fig. 8). In der Mitte
des Querschnitts sieht man einen dunkleren, grünlichen, fünfstrahligen Stern,
dessen Strahlen nur durch ganz schmale weisse Linien getrennt werden. Etwas
weiter nach außen, mit den Strahlen des Stammes abwechselnd, liegen fünf ähn-
liche dunkle Flecken, wie jene aus einem saftreichen Gewebe bestehend. Von
ihnen gehen breitere, von den Strahlen des Sternes schmalere Holzbündel aus.
die durch secundäre Markstrahlen in schmale, bisweilen eine einzige Reihe der
sehr weiten Gefässe enthaltende Platten zerklüftet sind. Ein ähnlicher dunkler
Fleck wie am inneren findet sich am äusseren Ende jedes Holzbündels.
Bei einer dritten Gruppe anomaler Holzbildungen beschränkt sich das fort-
laufende Gewebe (Cambium) nicht wie bei der Mehrzahl der Dicotyledonen auf
einen einzigen Kreis, sondern um den mittleren Holzring herum entstehen in der
Rinde neue Streifen, Bogen oder vollständige Ringe von fortbildendem Gewebe
und von ihnen erzeugt jüngere, den mittleren Holzring umschliessende und durch
Rindenschichten von ihm getrennte Holzbildungen. Besonders schön und regel-
mässig findet sich dieser Bau des Holzes bekanntlich bei verschiedenen Meni-
spermeen, deren Holzkörper überdies durch zusammenhängende Markstrahlplatten
zerklüftet ist. Die Stämme erreichen bisweilen eine ansehnliche Dicke und dann
wird die Zahl der einander umschliessenden Holzringe eine sehr beträchtliche; ich
habe in meinem Walde am Itajah}" Menispermeenstämme gesehen, die fast eine
Spanne im Durchmesser hatten und wie gewaltige Taue sich in weiten Bogen
von Baum zu Baume spannten. Das in Fig. 12 gezeichnete Holz gehört wahr-
scheinlich einer Pflanze derselben Familie an; die aus weicherem saftreichem Ge-
webe gebildeten dunklen Flecken am äusseren Ende jedes Holzbündels lassen
die einander umschliessenden Holzkreise besonders deutlich hervortreten. —
10*
,Q2 Ueber das Holz einiger um Desterro wachsender Kletterpflanzen.
Dagegen gehört die Pflanze, von der das Fig. 9 abgebildete Holz entnommen ist,
und die ich wie die vorige noch nicht blühend gefunden habe, sicher weder zu
den Menispermeen, noch in eine der anderen Familien (Ampelideen, Convolvulaceen,
Gnetaceen), in denen nach Kunth (Lehrbuch der Botanik I. S. 14g) eine ähnliche
Bildung des Holzkörpers vorkommt.
Bei Mucuna (Fig. 13) wächst das Holz regelmässig bis zu einem Durch-
messer von 5 bis 6 cm und darüber; dann bildet sich, durch einen ansehnlichen,
bisweilen über i cm breiten Zwischenraum getrennt, ein äusserer Holzring, um
welchen ich bei einem Stamme von etwa 14 cm Durchmesser noch die Anfänge
eines dritten mehrfach unterbrochenen Ringes sehe. — Die äusseren Holzbündel
bilden keinen geschlossenen Ring, sondern sind durch Längsplatten von Parenchym
getrennt. Das Holz auch der älteren Stämme ist weich, saftreich und von sehr
weiten Gefässen durchzogen. Sehr schön sieht man in den Zwischenräumen
zwischen den Holzringen die Basttheile der Holzbündel, wie sie Schacht nennt,
die sich durch dunklere Färbung und radiäre Streifung vor dem umgebenden
Parenchym auszeichnen. —
Bei den bisher erwähnten Pflanzen besteht kein erheblicher Unterschied
zwischen dem Bau des mittleren Holzringes vmd dem des umschliessenden jüngeren
Holzes. Anders ist es bei Securidaca (Fig. 6). Die jüngeren Zweige dieses prächtig
blühenden Kletterstrauches sind drehrund und haben ein festes dichtes Holz, in
welchem mit blossem Auge kaum Gefässe zu erkennen sind. Wenn die Zweige
etwa I cm Durchmesser erreicht haben, oft schon früher, nur selten (z.B. Fig. 6. A)
beträchtlich später, beginnt die Bildung des Aussenholzes. Das neue Cambium
bildet keine vollständigen Ringe, sondern Bogen von sehr wechselnder Aus-
dehnung, bisweilen so klein, dass das von ihnen erzeugte Holz nur ein einziges
weites Gefäss enthält. Das neue Holz hat Gefässe von ansehnlicher Weite und
ist viel weicher als der Kern, welcher sich bisweilen auch durch weit dunklere
Färbung auszeichnet. Noch weicher als das neue Holz sind die dessen einzelne
Stücke trennenden Bogen, die aus zwei scharf geschiedenen Schichten bestehen.
Die Stücke des Aussenholzes lassen sich leicht aus einander nehmen, namentlich
wo sie grössere wie Zwiebelschalen über einander liegende Bogen bilden (Fig. 6. B )
In Betreff ihrer oft sehr verwickelten Anordnung in älteren Stämmen verweise
ich auf die Abbildungen (Fig. 6. C, D). Immer beginnt die Entwickelung des
Aussenholzes und immer bleibt sein Wachsthum weit stärker an den Enden eines
Durchmessers, welcher auf der durch den Ursprung der zweizeilig angeordneten
Blätter gehenden Ebenen senkrecht steht. An dem dicksten Stamme, den ich
besitze, beträgt der grösste Durchmesser 12 cm, der darauf senkrechte 9 cm, der
Durchmesser des Kernholzes 6 mm. —
Fast ganz wie bei Securidaca ist das Aussenholz bei einer Hippocrateaceo
mit nicht aufspringenden saftigen Früchten, also wahrscheinlich einer Tontelea
(Fig. 7) angeordnet. Das Holz ist röthlichbraun, der Bast, der in einer dünnen
Schicht die einzelnen Lagen des Aussenholzes überzieht, schneeweiss und seiden-
glänzend. — Es verdient bemerkt zu werden, dass diese beiden so verschiedenen
Familien angehörenden Klettersträucher ausser im Baue des Holzes auch in der
Art des Kletterns übereinstimmen. Sie gehören zu den wenigen Pflanzen, deren
junge Zweige als Ranken dienen, um Gegenstände, mit denen sie in Berührung
Ueher das Holz einiger um Desterro wachsender Kletterpflanzen. 2Q^
kommen, sich herumbiegen, sich dann verdicken und so den Kletterstrauch be-
festigen. Ausser bei Securidaca und Tontelea kenne ich diese Weise des Kletterns
nur noch bei Hecastophyllum und einer zweiten Papilionacee aus derselben Ab-
theilung der Dalbergieen, — Hätten De Candolle und Mohl je einen dieser Zweig-
klimmer gesehen, so würde es sicher jenem nicht eingefallen sein, die Stengel
der windenden Pflanzen mit den Ranken zusammenzustellen, — noch diesem,
das Umschlingen der Stütze bei Schlingpflanzen als Folge einer durch die Be-
rührung erregten Reizbarkeit zu betrachten.
Vielleicht gehört hierher auch das Holz der häufig abgeplatteten Stämme
von Dicella, in welchem ebenfalls unregelmässig angeordnete bogenförmige Holz-
streifen mit Streifen eines weichen gefässlosen Gewebes wechseln.
Eine vierte Gruppe bilden die Stämme der rankentragenden Bignoniaceen,
von denen ich über ein Dutzend Arten untersucht habe. Durchschneidet man
einen frischen jüngeren Zweig einer Bignonia, bei dem schon ein dünner fester
Holzring um das Mark vorhanden ist, so fallen nach aussen vom Holzringe vier
scharf gegen die umgebende Rinde abgesetzte dunklere Flecke ins Auge, die mit
den Blättern abwechseln. Seitlich sind sie begrenzt durch gerade, meist gleich-
laufende Linien, aussen durch einen nach aussen, innen durch einen nach innen
gewölbten Bogen; dieser innere Bogen liegt dem Holzringe dicht an. Bisweilen
erkennt man schon jetzt eine, in etwas späterer Zeit meist sehr deutliche, quere
Streif ung der Flecke, bedingt durch abwechselnde Schichten weicheren und
festeren Gewebes.
Diese zwischen Holz und Rinde eingeschalteten, scharf gegen beide ab-
gesetzten Stücke, die anfangs nur vier dünne, saftreiche Längsstreifen bilden,
wachsen nun in der Richtung des Halbmessers in gleichem Maasse mit dem
Stamme weiter, so dass ihr inneres Ende immer bis in die Nähe des Markes, ihr
äusseres bis zu den äussersten Rindenschichten reicht (Fig. i8. A). So wird durch
sie der Holzkörper in vier fast bis aufs Mark getrennte Stücke zerklüftet. Später
bildet sich von innen her in den Spaltstücken Holz, das von dem des eigent-
lichen Holzkörpers nicht auffallend verschieden ist, aber nicht mit demselben ver-
schmilzt, sondern durch eine dünne Schicht unverholzten, dünnwandigen Paren-
chyms getrennt bleibt. Diese trennende Schicht setzt sich auch längs des
weichen Theils der Spaltstücke und bis in die Rinde hinein fort, gegen die sich
dieselben, wenigstens in jüngeren Stämmen, wie gesagt, eben so scharf absetzen
wie gegen das Holz.
Die jüngeren Stämme der verschiedenen Arten zeigen keine auffallenden
Unterschiede in dieser Beziehung; aber aus den gleichen Jugendformen geht im
Fortschritte des Wachsthums eine ziemlich mannigfache Bildung der älteren Stämme
hervor. Ich habe solche alte Stämme von fünf Arten untersucht; eine derselben
ist ein Haplolophium, die anderen, deren Blüthen und Früchte ich nicht kenne,
mögen zu Bignonia gehören.
Am einfachsten ist die Wachsthumsweise einer Art mit vierseitigem Stamme
(Fig. 15). Die Seitenlinien der Spaltstücke sind bei dieser Art nicht gleichlaufend,
sondern haben fast die Richtung von Halbmessern ; daher werden die Spalt-
stücke nach aussen breiter; sie bleiben dabei immer von denselben Geraden be-
grenzt. Die Holzbildung in den Spaltstücken hält ziemlich gleichen Schritt mit
■yQ, Ueber das Holz einiger um Dcsteiro wachsender Klelterjiflanzen.
der des Holzkörpers, so dass die durch den weichen Kindentheil der Spaltstückc
o-efüllten Spalten des letzteren eine geringe Tiefe haben. Der Holzkörper wächst
rascher längs der ihn von den Spaltstücken trennenden Parenchymplatten ; er
bildet die Seiten, die Spaltstücke bilden die abgerundeten Ecken des vierseitigen
Stammes. Die Parench3^mplatten zwischen Holzkörper und Spaltstücken sind bei
dieser Art besonders breit und augenfällig. Das Holz hat sehr deutliche Schichtungs-
linien, deren Wölbung in den Spaltstücken nach innen, im Holzkörper (wenigstens
seinem älteren Theile) nach aussen gerichtet ist.
Bei einer zweiten Art (Fig. 14) sind die Seitenlinien der Spaltstücke in
jüngeren Zweigen gleichlaufend oder kaum merklich aus einander laufend; wenn
die Stämme etwa i cm Dicke erreicht haben, tritt zu jeder Seite jedes Spalt-
stückes, ihm dicht anliegend, ein neues, etwa halb so breites auf, neben diesem
ersten später ein zweites, ein drittes u. s. w. — Das Holz der mittleren Spalt-
stücke reicht etwa halb so weit nach aussen, als das des Holzkörpers, das der
seitlichen um so weiter, je weiter von der Mitte des Stammes sie selbst entstanden
sind. Dadurch erhalten die nach aussen erweiterten Furchen, in denen der Rinden-
theil der Spaltstücke liegt, treppenförmige Seitenwände.
Bei einer dritten Art (Fig. 16) laufen die Seitenlinien der Spaltstücke nach
aussen zusammen, und wenn der Stamm kaum i cm Dicke überschritten hat,
finden sie sich vollständig vom Holzkörper umwachsen; später bilden sich bis-
weilen nach aussen von den ersten neue Spaltstücke, die aber bald in gleicher
Weise umwachsen werden. Ziemlich tiefe Längsrinnen, die der Holzkörper eines
g cm dicken Stammes zeigte, schienen hauptsächlich durch ungleichmässigcs
Wachsthum des Holzkörpers bedingt zu sein; vier solche Rinnen lagen in der
Richtung der Spaltstücke, vier damit abwechselnd; von letzteren war an einem
2,5 cm dicken Stamme noch nichts zu sehen. Obwohl die vier Stücke des Holz-
körpers bei dieser Art nur auf unbedeutende Strecken durch Spaltstücke getrennt
sind, scheinen sie doch nicht mit einander zu verwachsen, sondern durch eine zu-
sammenhängende dünne Schicht unverholzten Parenchyms getrennt zu bleiben;
eine von dejn erwähnten g cm dicken Stamme abgesägte, etwa 5 mm dicke
Scheibe bekam beim Trocknen feine Spalten in der Richtung der Spaltstücke
und war dann leicht in vier Stücke zu zerbrechen, während die Kraft meiner
Hände nicht ausreichte, sie in irgend einer anderen Richtung zu zerbrechen.
Dem der letzterwähnten Art sehr ähnlich ist während langer Jahre der
Stamm von Haplolophium gebaut (Fig. 18); nur macht sich ein ungleichmässigcs
Wachsthum des Holzkörpers früher und in höherem Maasse bemerklich, so dass
z. B. ein Stamm von 3 cm Durchmesser gegen 20 unregelmässig vertheilte Längs-
rinnen von verschiedener Tiefe zeigte. Auch treten bisweilen nach dem Um-
wachsen der ältesten Spaltstücke neue, nicht nur in deren Verlängerung, sondern
auch mit ihnen abwechselnd auf. — Recht alte Stämme aber (Fig. 18. C) sind durch
eine Eigenthümlichkeit ausgezeichnet, die mir bei keiner anderen Bignoniacee
vorgekommen ist, durch die Bildung eines äusseren Holzringes. Das Aussenholz
ist von dem des mittleren Holzkörpers nicht verschieden.
Weit mehr als bei allen vorhergehenden Bignoniaceen ist das Holz einer
fünften Art (Fig. 17) zerklüftet. Zweige von 3 bis 4 mm Durchmesser besassen
nur die 4 gewöhnlichen Schaltstücke; bei 5 bis 6 mm (Fig. 17. ^4) fanden sich
Ueber das Holz einiger um Desterro wachsender Kletterpflanzen. 9qc
mit ihnen abwechselnd vier jüngere; die Spaltstücke hatten jetzt gleichlaufende
Seitenlinien ; Holztheil und Rindentheil waren von ungefähr gleicher Länge. Leider
fehlen mir Zwischenstufen zwischen diesen Zweigen und einem 2 cm dicken Stamme.
Ich habe die Pflanze erst einmal gefunden und konnte mir zwar leicht, als ich
die überaus zierliche Bildung des Holzes erkannt, ein langes Stück des einen
Baum umwindenden Stammes herausschneiden, aber nur mit Mühe einige dünne
Zweige erklettern. — Die Spaltstücke des Stammes haben, abweichend von denen
der jüngeren Zweige, die Gestalt einer Raute, deren kürzere Diagonale den nach
innen gewendeten Holztheil von dem nach aussen gewendeten Rindentheile
scheidet. Bei dieser Gestalt würden sie vom Holzkörper umwachsen werden,
wenn dem nicht durch das Auftreten neuer Spaltstücke vorgebeugt würde, die
sich an die Seiten der älteren anlegen und etwa halb so breit als diese sind; die
Form der Spaltstücke lässt hier die treppenförmige Bildung der Seitenwände
der in das Holz eindringenden Spalten noch weit deutlicher hervortreten, als bei
der zweiten Art. Ausser den vier ältesten und tiefsten Spalten finden sich noch
4 zweiter und 8 dritter Ordnung, die ebenfalls der Bildung von Spaltstücken
ihre Entstehung verdanken. Man kann leicht die zahlreichen Spaltstücke, die
das Holz bilden helfen, aus einander nehmen. — Nicht genug mit dieser be-
deutenden Zerklüftung-; es findet sich noch zwischen den Holztheilen der vier
ältesten Spaltstücke ein weisses, weiches Parenchym, das an einigen Stellen
meines Stammes 2, an anderen (wie in der Abbildung Fig. 17. ß) 3 von den
4 Stücken des Holzkörpers, an anderen alle 4 vollständig von einem schmalen
das Mark umschliessenden Holzringe abschneidet. Dies Parenchym steht in Zu-
sammenhang mit den Parenchymplatten, welche die Spaltstücke vom Holzkörper
trennen, und scheint aus einer Wucherung desselben hervorgegangen zu sein.
Diese Art mit dem stark zerklüfteten Stamme ist, so viel ich bis jetzt gesehen,
die einzige windende unter unsern Bignonien; die andern verlassen sich beim
Klettern ausschliesslich auf die Ranken ihrer Blätter oder befestigen sich nach-
träglich durch Haftwurzeln.
Einen auffallenden Gegensatz zu dieser Art bildet, in Lebensweise und Bau
des Holzes, eine andere Bignonie, die ich niemals klettern sah, sondern nur als
niedrigen Busch mit schwanken, oft niederliegenden Aesten, sie erzeugt meist
vollständige dreizählige Blätter und nur wenige einfache Ranken. Ihr Holz er-
scheint als runde furchenlose Walze, indem die Holzbildung in den Spaltstücken
gleichen Schritt hält mit der im eigentlichen Holzkörper. So wenigstens in
fingerdicken Stämmen. Ich vermochte nicht die Spaltstücke aus dem Holze
herauszunehmen, was bei anderen Arten leicht ist; ich bin an einigen Zweigen
sogar in Zweifel über deren Vorhandensein gewesen, während bei anderen
namentlich ihr Rindentheil, vier dunklere, scharf umschriebene Flecken in der
Rinde bildend, sofort ins Auge fällt.
Eine fünfte Gruppe wird gebildet von den Stämmen einiger kletternden
Sapindaceen. Bei ihnen ist der mittlere Holzring umgeben von mehreren Neben-
achsen, die mit demselben durch eine gemeinsame Rinde verbunden sind. Ihre
Zahl und Anordnung wechselt nach den Arten.
Bei einer Serjania (Fig. 19), die in allen Zäunen in und um Desterro wuchert,
finden sich drei Nebenachsen, welche die Hauptachse in ihrer ganzen Länge be-
,Q^ Ueber das Holz einiger um Desteno wachsender Kletteqifianzen.
gleiten und beim Ursprung jedes dritten Blattes auf eine kurze Strecke mit ihr
verschmelzen (Fig. 19. A). Die Blätter entspringen zwischen den Nebenachsen
von den Seiten des dreiseitigen Stammes in einer bald nach rechts, bald nach
links aufsteigenden SchraubenHnie. Steigt die Schraubenlinie nach rechts auf, so
entspringt eine Ranke links von jedem Blatte und die links davon verlaufende
Nebenachse ist in der Nähe seines Ursprungs mit der Hauptachse verschmolzen ;
dagegen stehen die Ranken rechts und die rechtsliegende Nebenachse verschmilzt
mit der Hauptachse, wenn die Blattspirale nach links aufsteigt. Oberhalb des
Blattes ist die dem Blatte gegenüberliegende Nebenachse weiter von den beiden
anderen entfernt, zwischen denen das Blatt steht, als diese letzteren von einander
(Fig. 19. B).
Minder einfach ist die Anordnung der Nebenachsen bei einer anderen
Sapindacee, von der ich Blüthen und Früchte nicht gesehen habe, also nicht weiss,
ob sie zu Paullinia oder Serjania gehört (Fig. 20). Schneidet man einen Stamm
in der Mitte zwischen zwei Blättern durch, so sieht man (Fig. 20. A) die Haupt-
achse von sechs Nebenachsen umgeben, die durch zwei breite Lücken in zwei
Gruppen (die eine von 4, die andere von 2) geschieden sind. Verfolgt man diese
an älteren Stämmen schon äusserlich als vorspringende Wülste zu erkennenden
Nebenachsen am Stamme abwärts, so findet man, dass sie in sehr verschiedener
Höhe entspringen. Bezeichnen wir die älteste am tiefsten entspringende mit i,
die nächstjüngere mit 2 u. s. f. bis zur jüngsten 6, so stehen sie um die Haupt-
achse herum in folgender Ordnung: 3, 6, i, 4, — Lücke — , 2, 5, — Lücke. —
Jede Nebenachse ist also von der nächstjüngeren durch zwei andere getrennt,
oder ■% des Umfangs von ihr entfernt.
Verfolgen wir nun unsern Stamm nach oben. Etwas unterhalb des nächsten
Blattes trennt sich in der Lücke zwischen 2 und 4 eine neue Nebenachse (7)
von der Hauptachse; mit dieser neuen Nebenachse verschmilzt 4 und von 2 geht
ein dünnes Holzbündel zu ihr hinüber. Von den verschmolzenen Nebenachsen
entspringt das Blatt, die Ranke und etwaige Aeste. Dicht über dem Blatte
zeigen sich also die Nebenachsen in der Fig. 20 B gezeichneten Anordnung. In
grösserer oder geringerer Entfernung vom Blatte trennen sich 4 und 7 wieder;
die Hauptachse ist nun von 7 Nebenachsen umgeben, die von einer einzigen
Lücke unterbrochen sind und in folgender Ordnung stehen: 3. 6. i. 4. 7- 2. 5. —
Lücke. — (Diese Anordnung zeigt die Fig. 112 in Schacht's Lehrbuch der
Anatomie u. Physiol. der Gewächse. IL S. 58). — Meist schon unter der Mitte
des Stengelghedes, bisweilen erst weiter oben verschmilzt die älteste Nebenachse i.
wieder mit der Hauptachse, so dass aufs Neue zwei Lücken vorhanden sind, bei
folgender Anordnung der Nebenachsen: 3. 6. — Lücke. — 4. 7. 2. 5. — Lücke. —
Unter dem folgenden Blatte trennt sich eine neue Nebenachse (8) von der Haupt-
achse, in der Lücke zwischen 3 und 5, verschmilzt mit 5, erhält ein Holzbündel
von 3 und trennt sich oberhalb des Blattes wieder von 5. Dann verschmilzt 2
mit der Hauptachse, eine neue Nebenachse löst sich ab in der früher von i ein-
genommenen Lücke zwischen 4 und 6 und so weiter. — Jede Nebenachse durch-
läuft also 6V2 Stengelglied; sie trennt sich von der Hauptachse etwas unterhalb
eines Blattes, verschmilzt mit der links neben ihr liegenden Nebenachse und er-
hält ein Holzbündel von der rechtsHegenden ; sie trennt sich von jener wieder
Ueber das Holz einiger um Desterro wachsender Kletterpflanzen. 2Q7
oberhalb des Blattes; am Ende des dritten Steng-elo-liedes verschmilzt sie für eine
kurze Strecke mit der rechts von ihr entspringenden Nebenachse, giebt am Ende
des 5ten Stengelgliedes ein Holzbündel zu der links entspringenden und ver-
schmilzt wieder mit der Hauptachse in der Mitte des siebenten. Am Ende des
achten wird die so entstandene Lücke von einer neuen Nebenachse ausgefüllt. —
An allen untersuchten Aesten des einzigen weitrankenden Busches dieser Art,
den ich kenne, stand jede folgende Nebenachse ^8 ^^^ Umfangs rechts von der
vorhergehenden und die Blätter bildeten eine nach rechts aufsteigende Schrauben-
linie; doch ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch die entgegengesetzte Richtung
vorkommt.
Bei zwei anderen rankenden Sapindaceen, unter denen eine hier sehr häufige
PauUinia, habe ich den Stamm regelmässig gebildet gefunden.
Der Stamm von Strychnos (Fig. lo) lässt sich in keine der bisher betrachteten
Gruppen einreihen. Auf dem Querschnitte des frischen Stammes sieht man um
einen mittleren regelmässig gebildeten Kern dunklere Flecken, die bald in ziemlich
regelmässige concentrische Kreise geordnet sind, bald ohne Ordnung in den
äusseren Holzschichten zerstreut scheinen ; nach aussen ist jeder Fleck von einem
weissen Bogen begrenzt. Es sind die Querschnitte von Strängen eines weichen,
dünnwandigen, in seinem dunkleren Theile saftreichen Gewebes, die den Stamm
in seiner ganzen Länge durchziehen. Ausser langen, am Ende spitz zulaufenden
Zellen finden sich in diesem Gewebe schmale Markstrahlen.
Zu den sonderbarsten Stammbildungen gehört bekanntlich die von Caulo-
tretus. Die deutschen Ansiedler am Itajahy haben diesen plattgedrückten Stämmen,
welche mit regelmässigen, kurzen, welligen Biegungen in die Wipfel der höchsten
Urwaldsbäume aufsteigen, den bezeichnenden Namen „Affentreppen" gegeben.
Die Abplattung ist schon an ganz jungen Zweigen vorhanden. Bemerkenswerth
ist an diesen jungen Zweigen (Fig. ii) die kreuzförmige Gestalt des Markes. Die
Blätter oder Blattnarben finden sich wie bei Securidaca an den Breitseiten der
Stämme, so dass, wie hier und wie bei Lantana, Condylocarpon und Tetrapterys,
die vorwiegend entwickelten Abschnitte des Holzkörpers mit den Blättern ab-
wechseln. Aeltere Stämme fehlen mir hier.
Soweit die Thatsachen. Nun noch einige Worte über ihre Beziehung zur
Frage nach der Entstehung der Arten. Es liegt auf der Hand, dass dieselben
der Lehre Darwin's durchaus günstig sind.
Die weit überwiegende Mehrzahl der von mir beobachteten holzigen Kletter-
pflanzen hat einen auf die eine oder andere Weise zerklüfteten Stamm, den ich
noch bei keiner der zahlreichen, darauf untersuchten, nicht kletternden Sträucher
und Bäume gefunden. Bei einer Bignonia, die nicht mehr klettert, sind noch die
bei verwandten Arten die Zerklüftung bewirkenden Theile vorhanden, aber keine
Zerklüftung mehr. Jedenfalls also ist diese Zerklüftung des Stammes den Kletter-
pflanzen von wesentlichem Nutzen und wo bei einer derselben eine Abweichung
vom gewöhnlichen Baue in dieser Richtung eintrat, wurde sie durch die natürliche
Auslese erhalten und vervollkommnet. Leichtere Abweichungen vom gewöhnlichen
Bau, wie ungleichmässiges Wachsthum des Holzes, Vereinigung der Markstrahlen
zu zusammenhängenden Platten, Theilung der Holzbündel in radiärer statt in
2q8 Ueber das Holz einiger um Desteno wachsender Kletterpflanzen.
seitlicher Richtung {worauf nach Schacht die Bildung äusserer Holzringe beruht)
konnten leicht bei Pflanzen der verschiedensten Familien unabhängig von ein-
ander sich ausbilden. Es würde aber 'im höchsten Grade unwahrscheinlich sein,
dass so eigenthümHche Bildungen, wie die Spaltstücke der Bignonien oder die
vom Stamme sich loslösenden und nach einem bestimmten Verlauf wieder mit
demselben verschmelzenden Nebenachsen der Sapindaceen zweimal bei verschiedenen
Pflanzen unabhängig von einander in gleicher Weise sich entwickelt hätten.
Diese durfte man also von Darwin's Lehre aus a priori nur bei nächstverwandten
Arten zu finden hoffen, die sie von gemeinsamen Vorfahren ererbten. — Wären
dagegen die Arten unveränderlich und unabhängig von einander erschaffen, hätte
ein Schöpfer jeder die ihren Lebensverhältnissen entsprechenden Einrichtungen
zugetheilt, so wäre kein Grund abzusehen, warum derselbe die Bildung des Big-
nonien- und Sapindaceen-Stammes nicht ebenso unter die entferntest stehenden Fami-
lien vertheilt haben sollte, wie die des Stammes von Clematis oder Menispermum ^).
Desterro, October 1865.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVIII.
Die Figuren sind alle nach Querschnitten frischer Stämme in natürlicher Grösse
gezeichnet.
Fig. I . Tetrapterys.
Fig. 2. Peixotoa.
Fig. 3. Lantana.
Fig. 4. Condylocarpon. A Querschnitt dicht unter einem Blattwirtel. B Quer-
schnitt desselben Stammes etwa 1,5 cm höher genommen. C Querschnitt eines älteren.
D Querschnitt eines alten Stammes, der lange Zeit, — g Jahre habe ich ihn so gekannt — ,
an einer schattigen Stelle der Erde aufgelegen und vielleicht daher eine ungewöhnliche
dicke Rinde erhalten hat.
Fig. 5. Aristolochia.
Securidaca.
Hippocrateacee (Tontelea?).
Bryonia.
Unbestimmt.
Strychnos
Caulotretus, junger Zweig.
Menispermee (?).
Fig. 13. Mucuna.
Fig. 14^ — 17. Verschiedene Bignoniaceen (Bignonia?).
Fig. 18. Haplolophium.
Fig. 19. Serjania. A Durch den Ursprung einer Ranke gemachter Querschnitt; zur
Seite der durchnittenen Ranke sieht man die Blattnarbe. B Querschnitt durch die Mitte
eines Stengelgliedes; das nächste Blatt unter dem Querschnitt steht zwischen den Neben-
achsen I und 2.
Fig. 20. Sapindacee (Paullinia?). A Querschnitt durch die Mitte eines Stengelgliedes.
B Querschnitt eines älteren Stammes dicht über einer Blattnarbe. Die Zahlen i. 2. 3. u. s. w.
bezeichnen die Reihenfolge des Alters der Nebenachsen.
Fig. 21. Luftwurzel von Philodendron.
i) Ich darf diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne Darwin öffentlich meinen Dank aus-
zusprechen für die Uebersendung seiner anziehenden, an trefflichen Beobachtungen reichen Abhandlung „on
the movements and habits of climbing plants", durch die ich zur Beschäftigung mit den in vielen Hin-
sichten so merkwürdigen Kletterpflanzen angeregt wurde.
Fig.
6.
Fig.
7-
Fig.
8.
Fig.
9-
Fig.
10.
Fig.
1 1.
Fig.
12.
Ueber die Beiruch tung der Martha (Posoqueria?)
fragrans ^).
Mit Tafel XXIX.
Auf einem Spatziergange traf ich vor Kurzem einen Strauch, der init weissen
herrHch duftenden Bkimen geschmückt war. Es fiel mir auf, dass ich in den
grossen weitgeöffneten Staubbeuteln keine Spur von Blüthenstaub bemerkte. Dies
veranlasste mich zu einer näheren Untersuchung, deren Ergebnisse ich im
Folgenden mittheilen will.
Der Strauch gehört in die Familie der Rubiaceen, zur Gruppe der Gardenieen,
in die unmittelbare Nähe der Gattung Posoqueria Aubl, von der er vielleicht
kaum zu trennen ist. Doch soll Posoqueria (Endlicher genera plantarum No. 3308)
„stamina brevissima, apice infracto geniculata" besitzen ; letzteres Hesse sich, wie
man sehen wird, höchstens von den beiden oberen Staubfäden unseres Strauches
sagen und gerade diese beiden sind von ansehnlicher Länge. Ausserdem sind
wohl, da das Gegentheil nicht bemerkt wird, bei Posoqueria, wie es in der Familie
Regel ist, die Staubgefässe frei und alle von gleicher Bildung. Ich schlage für
unsere Pflanze, falls sie noch keinen anderen besitzen sollte, den Namen Martha
fragrans vor.
Die kurzgestielten Blumen stehen am Ende der Zweige; ihre 11 bis 14 cm
lange Röhre hat meist eine ziemlich wagerechte Richtung.
Die Knospe (Fig. i im Längsschnitt) ist wie bei Posoqueria dadurch aus-
gezeichnet, dass ihr dickeres von den Zipfeln der Blumenkrone gebildetes Ende
abwärts gebogen ist und mit der langen Röhre einen stumpfen Winkel bildet.
Eigenthümlich ist auch die Knospenlage der Blumenkrone, während sonst bei
den Rubiaceen die Zipfel der Blumenkrone eine klappige oder (wie beim Kaffee)
eine gedrehte Knospenlage zeigen, werden bei unserer Pflanze die beiden unteren
Zipfel von den seitlichen und diese wieder von dem oberen gedeckt, also voll-
ständig wie bei den Blumenblättern der Schmetterlingsblumen. Nach der Ent-
faltung der Blumenkrone ist deren in der Knospe so augenfällige Unregel-
mässigkeit nur noch in der etwas grösseren Länge und Breite des oberen Zipfels
ausgesprochen (Fig. 2). —
I) Botanische Zeitung 186G. 24. Jahrg. p. 129 — 133. Taf. VI. A.
-,QQ Ueber die Befruchtung der Martha fragrans.
Die Staubfäden entspringen in der Röhre der Blumenkrone dicht unter dem
bärtigen Schlünde. Der untere Staubfaden ist kürzer, aber breiter als die übrigen ;
er ist wenig länger als der Durchmesser des Schlundes, nach oben allmählig ver-
jüngt, doppelt so breit als dick und im Querschnitt (Fig. 5) nierenförmig, da seine
innere Fläche von einer tiefen Längsfurche durchzogen ist, sein Gefässbündel
liegt der inneren Fläche viel näher als der äusseren. Die seitlichen Staubfäden
sind unbedeutend länger und schmäler, als der untere, und im Querschnitt unregel-
mässig eiförmig; die oberen Staubfäden endlich sind etwa doppelt so lang, aber
nur halb so dick, als der untere, und im Querschnitt den seitlichen ähnlich.
Die Staubbeutel, die am Rücken über der Basis befestigt sind, hängen
ziemlich fest zusammen und zwar besonders fest die seitlichen mit den oberen.
So bilden sie bis zur Zeit, wo sie sich öffnen, einen blassgelben dick eiförmigen
Knopf, dessen stumpf kegelförmige Spitze geschlossen ist, während am unteren
Ende ein enger Eingang bleibt zu der von den Staubbeuteln umschlossenen
mittleren Höhle. Die äussersten Spitzen der Staubbeutel und die unterhalb des
Befestigungspunktes liegenden Theile enthalten keinen Blüthenstaub. Wodurch
das Zusammenhalten der Staubbeutel bewirkt wird, ob nur durch das Ineinander-
greifen der Unebenheiten ihrer Seitenflächen, oder ob, wie es mir einige Male unter
dem JMikroskope schien, durch einen besonderen Kitt, lasse ich unentschieden.
Die Körner des Blüthenstaubes (Fig. 6) sind kuglig, von etwa 0,06 mm Durch-
messer; ihre äussere Haut erhält durch netzförmige Verdickungen ein zelliges
x\nsehen und zeigt gewöhnlich 4, selten 3, höchst selten 5 dünnhäutige Stellen
zum Austritt der Schläuche. Jeder dieser Stellen sitzt eine durchsichtige, ziemlich
stark lichtbrechende Halbkugel auf, neben welcher oder auch unter welcher, sie
wie einen Deckel emporhebend, der Pollenschlauch hervortritt.
In Folge der ungleichen Länge der Staubfäden ist der Staubbeutelknopf
schief nach unten gerichtet. Der untere und die beiden seitlichen Staubfäden
sind dabei, so lange sie den unversehrten Knopf tragen helfen, ziemlich gerade;
die oberen dagegen zeigen eine doppelte Biegung, die bald ziemlich scharf knie-
förmig, bald sanfter, mehr bogenförmig ist, die erste Biegung liegt etwa in der
Mitte ihrer Länge, die zweite nahe ihrem oberen Ende. Man kann daher an
diesen Staubfäden einen unteren, mittleren und oberen Abschnitt unterscheiden.
In früherer Zeit sind die unteren Abschnitte beider oberen Staubfäden gleich-
laufend, die mittleren weichen nach aussen aus einander, die oberen sind wieder
nach innen gerichtet und heften sich nahe beisammen an die Rückenfläche ihrer
Staubbeutel. Je näher die Reife der Blüthe rückt, um so mehr weichen die
unteren Abschnitte der oberen Staubfäden aus einander, so dass zur Zeit des
Aufblühens diese Staubfäden ein weites Thor bilden, das etwa so breit als hoch
ist (Fig. 2, C).
Die Staubbeutel springen mit Längsspalten nach innen auf, etwa einen Tag
bevor die Blume sich öffnet, und der Blüthenstaub fällt in die Höhle des Staub-
beutelknopfes. Nach dem Aufspringen schrumpfen die Staubbeutel stark zusammen
und nehmen eine bräunliche Farbe an. Der Durchmesser des Knopfes sinkt
durch dieses Einschrumpfen bis auf etwa die Hälfte (man vergleiche P'ig. i mit
Fig. 2), und der Blüthenstaub sämmtlicher Staubbeutel wird dadurch in eine
einzige lose zusammenhängende Masse zusammengepresst.
Ueber die Befruchtung der Martha fragrans. ßOI
Nun beginnen die Blumen sich zu öffnen. Zuerst entfalten sich, obgleich zu
innerst gelegen, die beiden untern Zipfel; der obere bleibt mit den mittleren bis-
weilen noch stundenlang zusammenhängend und bildet eine Art gewölbter Ober-
lippe oder ein Schutzdach über den Staubgefässen. Die entfalteten Zipfel breiten
sich wagerecht aus, oder biegen sich selbst mehr oder weniger stark zurück. An
dem ersten Strauche, den ich fand, pflegten sie sich meist ziemlich wagerecht zu
halten (Fig. 2), an einem andern stark zurück zu biegen (Fig. 3, 4).
Wird jetzt einer der beiden oberen Staubfäden an der Innenseite seiner
oberen Biegung' (Fig. 2, A, C, x) berührt, so birst der Staubbeutelknopf in drei
Stücke, ein unteres, gebildet von dem unteren, und zwei seitliche, gebildet von je
einem seitlichen und einem oberen Staubbeutel. Die seitlichen Stücke schnellen
nach aussen, der untere Staubfaden springt nach oben, wodurch — wie bei Cata-
setum — der Blütenstaub mit grosser Gewalt hinweggeschleudert wird ; kaum hier
und da bleibt ein einzelnes Körnchen an den Staubbeuteln haftend.
Um Richtung und Anfangsgeschwindigkeit dieses Wurfes festzustellen, wählte
ich zwei in jeder Hinsicht möglichst ähnliche frisch aufgeblühte Blumen ; ich hielt
die erste mit senkrecht gestellter Röhre so, dass ihr Staubbcutelknopf in gleicher
Höhe mit der Oberfläche eines Tisches war und schoss ab ; der Blüthenstaub fiel
auf den Tisch in einer Entfernung von 420 mm. Nachdem nun in 210 mm Ent-
fernung ein Buch auf den Tisch gestellt war. wurde die zweite Blume von der
gleichen Stelle aus abgeschossen ; der Blüthenstaub traf das Buch in 65 mm Höhe,
— Ein ähnlicher Versuch mit zwei anderen Blumen ergab für die Weite des
Wurfs 480 mm, für die Höhe iio mm. — Daraus berechnet sich, als Mittel der
beiden Versuche, dass der Blüthenstaub mit einer Anfangsgeschwindigkeit von
etwa 3 m in der Secunde, einen Winkel von etwa 50 ^ mit der Richtung der
Blumenröhre bildend, fortgeschleudert wird. Selbstverständlich machen diese
Zahlen keinen Anspruch auf Genauigkeit ^). — Bisweilen bleibt bei dem Wurfe
der ganze Blüthenstaub in einer Masse vereint, häufiger wird er in kleineren oder
grösseren Brocken über eine kürzere oder längere Strecke verstreut. Er haftet
leicht selbst an glatten Gegenständen, z. B. der Klinge eines Federmessers.
Die Stelle, deren Berührung die plötzliche Entladung des Staubbeutelknopfes
veranlasst, ist eine sehr beschränkte. Man kann die Staubbeutel, man kann den
untern und die seitlichen Staubfäden überall berühren, man kann diese Staub-
fäden durchschneiden, ohne dass der Schuss losgeht; selbst die oberen Staubfäden
kann man — mit einiger Vorsicht und einem recht scharfen Messer — sowohl
dicht an der Blumenkrone, als dicht an den Staubbeuteln durchschneiden, man
kann an der ganzen äussern gewölbten Seite des von ihnen gebildeten Thores
hinfahren; aber sobald man, etwa mit der Spitze eines Bleistifts, von oben oder
i) Ist TO die Weite, /i die Höhe des Wurfs, a der Elevationswinkel, c die Anfangsgeschwindigkeit,
so ist bekanntlich tang. a = ~ — und c = 1/ ^ ^ ^ . Für den ersten Versuch ist a = 37" 56', c := 2,914 m ;
w ' sin 2 «
für den zweiten ist 0 = 42*30'; c = 3,07301. Da die Röhre senkrecht stand, ist 90" — a der Winkel
zwischen Röhre und Richtung des Wurfes. — w und k in der angegebenen Weise an zwei verschiedenen
Blumen zu bestimmen, hat das Ueble, dass wenn w für beide nicht gleich ist, k zu klein erhalten wird ;
doch da die Richtung des Wurfs in der Nähe des Scheitels der Parabel nahezu wagerecht ist, wird der
Fehler kein allzu erheblicher werden.
-,Q2 Ueber die Befruchtung der Martha fragrans.
von unten her an der Innenseite des Thores hinstreichend an die obere Biegung
der Staubfäden kommt, hat man, ehe man sichs versieht, den Blüthenstaub an der
Nase oder im Barte sitzend. Hat man zuvor den unteren Staubfaden durch-
geschnitten, so schnellen bei Berührung der bezeichneten Stelle die seitlichen
Stücke wie gewöhnlich nach aussen, aber der Blüthenstaub kann natürlich nicht
weggeschleudert werden ; es bleibt dann gewöhnlich der untere Staubbeutel mit
einem der seitlichen Stücke verbunden und in diesem nun aus drei Staubbeuteln
bestehenden Stücke bleibt der Blüthenstaub liegen. — Hat man den untern Staub-
faden, einen der oberen und den dazwischenliegenden seitlichen durchgeschnitten,
so biegen sich die beiden übrigen in derselben Weise wie nach dem Platzen des
Knopfes nach aussen ; da nun alle Spannung der seitlichen und oberen Staub-
fäden aufgehört hat, kann man die sonst so empfindliche Stelle auf jede Weise
misshandeln, ohne dadurch den Knopf zu sprengen.
Um das Ausschleudern des Blüthenstaubes zu veranlassen, bedarf es nur
einer ganz leisen Berührung an der bezeichneten Stelle. In meiner Stube hatte
ich Mühe, die zn Versuchen bestimmten Blumen vor den fliegen zu bewahren,
die oft zur Unzeit den Knopf entluden. Im Allgemeinen natürlich störend, haben
mir einmal diese zudringlichen Eingriffe der Fliegen einen guten Dienst geleistet.
Ich hatte im Freien einigemal den Blüthenstaub auf dem oberen Blumenkron-
zipfel liegend gefunden und wusste mir das nicht recht zu erklären, bis ich sah,
wie eine Fliege in eine erst halb geöffnete Blume kroch und hier die Staubladung
abschoss, die nun natürlich gegen den noch darüber gewölbten oberen Zipfel
der Blumenkrone geworfen wurde. Nachdem die Blume eine Zeitlang geöffnet
ist, erfolgt die Entladung auch, wenn man den untern Theil der Naht zwischen
den beiden oberen Staubbeuteln berührt.
Ohne äusseren Anstoss scheint keine Entladung stattzufinden. Eine Blume,
die ich vor Insekten geschützt hatte, begann bereits zu welken, als am siebenten
Tage nach dem Aufblühen durch eine zufällige Berührung der Schuss losging.
Indem der untere Staubfaden, den Blüthenstaub auswerfend, nach oben
schnellt, legt er sich über den Schlund der Blumenkrone und verschliesst den-
selben bis auf einen schmalen Spalt jederseits (Fig. 2, D). Sein oberes Ende
drückt fest gegen den Rand des Schlundes und biegt sich noch stärker, wenn
man diesen wegschneidet. — Der Staubfaden wird nach oben geschnellt und hier
festgehalten durch die pralle Füllung der Zellen seiner Rückenwand; wenn man
die Rückenhälfte abspaltet, richtet er sich gerade in die Höhe. (Der Versuch ist
mir oft misslungen, indem ich bald zu viel, bald zu wenig weggeschnitten hatte.)
Spaltet man den unteren Staubfaden bald nach der Entladung des Blüthenstaubes
in zwei seitliche Hälften, so biegen sich dieselben ebenso stark nach aussen, als
sie nach oben gekrümmt sind. Die Spannung, die das Aufwärtsschnellen des
Staubfadens bewirkte, liegt also nur im mittleren Theile der Rückenwand und
überwiegt ebenso sehr die der Seitentheile dieser Wand, als die der Innenwand.
Somit hat die grosse Breite, die diesen Staubfaden vor den übrigen auszeichnet,
nichts mit dem Aufwärtsschnellen zu thun und scheint keinen anderen Nutzen zu
haben als den, den Schlund der Blume vollständiger zu schliessen.
Etwa acht bis zwölf Stunden nach der Entladung des Blüthenstaubes beginnt
der untere Staubfaden sich langsam zu erheben, etwa zwei Stunden später steht
Ueber die Befruchtung der Martha fragrans. ^q-i
er aufrecht, um dann noch langsamer sich nach aussen zurückzubiegen. Diese
zweite dem blitzschnellen Aufwärtsschlagen folgende langsame Bewegung, durch
welche der verschlossene Schlund der Blume wieder geöffnet wird, beruht auf
einem Einschrumpfen oder Vertrocknen der Rücken wand des Staubfadens. Früher
weiss, nimmt dieselbe jetzt eine gelbliche Farbe an. — Man kann das Aufrichten
sehr rasch bewirken, wenn man die Blume (die Rückenfläche des Staubfadens
nach unten gewandt) über einer brennenden Lampe hin- und herfährt.
Der Griffel, der in seiner oberen Hälfte schraubenförmig gedreht ist, rtdcht
etwa bis in die Mitte der Röhre der Blumenkrone; in einer Röhre von 112 mm
Länge hatte er genau 56 mm, in einer andern 108 mm langen Röhre hatte er
60 mm. Die Narbe ist behaart und zweispaltig; in der Knospe liegen die beiden
Hälften aneinander, später weichen sie auseinander.
Im Grunde der Röhre findet sich eine ansehnliche Menge Honig, der bis-
weilen bis über Ve ihrer Länge füllt. — Die Blume ist, wie schon bemerkt, von
reiner weisser Farbe und verbreitet einen starken ungemein lieblichen Wohlgeruch.
Es sei hier beiläufig bemerkt, dass weisse Farbe und starker süsser Duft
sich sehr häufig beisammen finden. Alle unsere stark duftenden Rubiaceen (Coffeä,
Gardenia, Randia) sind weissblühend. Unsere zahlreichen gelben und rothen
Apocyneen (Allamanda, Echites, Prestonia, Condylocarpon, Lochnera) sind geruchlos,
während eine schneeweisse Tabernaemontana die Luft weithin mit betäubend süssem
Dufte füllt. Ebenso entbehren unsere blauen, violetten oder rothen Winden (Qua-
moclit, Ipomoea) des Geruches, während die weissen Riesenblumen von Calonyction
lieblich duften. Neben gelben fast geruchlosen haben wir in unseren Gärten und
halbverwildert stark riechende weisse Arten von Hedychium und Jasminum. Diese
wenigen Beispiele mögen genügen ; jeder Pflanzenkenner wird zahlreiche andere
hinzufügen können. Wahrscheinlich werden alle diese weissen duftreichen Blumen
von nächtlichen Insekten besucht, die, durch die weisse Farbe und den Wohl-
geruch angelockt, ihre Befruchtung bewirken oder unterstützen. Calonyction, das
mit unserer Martha fragrans auch die ungewöhnliche Länge der Blumenröhre
gemein hat, öffnet sich gegen Abend und welkt kurz nach Sonnenaufgang.
Bei Martha fragrans wird nur ein Dämmerungsfalter mit langer Rollzunge
den Honig aus dem Grunde der langen Röhre schlürfen nnd nur ein solcher den
Blüthenstaub zu der tief verborgenen Narbe bringen können. Nun, wenn ein
solcher Schmetterling durch den Duft oder die weisse Farbe einer frisch geöffneten
Blume angelockt zu ihr heranfliegt, wird er die Oeffnung der Röhre, die in ihrer
Tiefe seine süsse Nahrung birgt, rings von den aufrechtstehenden Staubfäden ver-
sperrt finden und nur zwischen den beiden oberen Staubfäden bleibt ihm ein
weites Thor geöffnet. Will er aber hier seine Zunge einschieben, so wird er fast
unfehlbar an einen der Punkte stossen, deren Berührung den ihm gestellten Selbst-
schuss entladet. Seine Rollzunge wird von dem kräftig dagegen geschleuderten
Blüthenstaube überstreut und zugleich wird ihm der Eingang zum Honigvorrath
vor der Nase zugeschlagen und erst nach zwölf Stunden wieder geöffnet. Auf diese
We ise wird die Befruchtung der Blume durch ihren eigenen
Blüthenstaub verhindert. — Wahrscheinlich wird sich der getäuschte
Schmetterling zu trösten wissen, indem er eine andere Blume — (vielleicht, von dem
Schusse verscheucht, an einem anderen Strauche) — aufsucht, deren unterer Staub-
■iQA Ueber die Befruchtung der Martha fragrans.
faden sich bereits nach aussen gebogen hat und ihn ohne weitere FährHchkeit
die Rollzunge bis zum Grunde der Röhre einführen lässt, — wobei dann die durch
die ganze Breite der Röhre sich ausspreizende haarige Narbe den anhaftenden Blüthen-
staub abfegen und sich so mit dem Staube einer anderen Blume befruchten wird.
Wer in einer mondhellen Nacht bei einem Strauche Wache stehen wollte,
würde wohl Zeuge dieses Befruchtungsvorganges werden können, der übrigens
so einfach aus dem Baue und den Lebenserscheinungen der Blume sich ergiebt,
dass er kaum einer weiteren Bestätigung bedürftig scheint. Dass die Entladung
des Staubbeutelknopfes vorzüglich des Nachts und durch Insekten stattfindet,
unterliegt übrigens keinem Zweifel. Ich habe meine Pflanzen während mehrerer
Wochen täglich besucht und mit einer Ausnahme (5. Decbr.) des Morgens stets
fast alle Blumen entladen, gegen Abend aber zahlreiche gefüllte Knöpfe gefunden.
So zählte ich am Morgen des 9. Decbr. 44 Blumen, deren unterer Staubfaden
den Schlund schloss, die also während der letzten 8 bis 12 Stunden, also in der
Nacht abgeschossen worden waren und 5 noch geladene Blumen ; gegen Sonnen-
untergang fanden sich 9 im Laufe des Tages entladene, 23 bereits geöffnete
schussbereite und eine grössere Zahl dem Aufbrechen nahe Blumen. Früh am
nächsten Morgen wurden 53 im Laufe der Nacht entladene Blumen gezählt, deren
unterer Staubfaden den Grund schloss oder sich zu heben begann ; von den 7
unentladenen waren mehrere so zwischen Blättern versteckt, dass sie einem
Schmetterlinge kaum zugänglich waren. Nur einmal, am 5. Decbr., fand ich des
Morgens nur 2 während der Nacht entladene neben etwa 20 schussbereiten
Blumen ; es hatte die ganze Nacht vom 4. zum 5. December sanft geregnet. Die
nächtlichen Schützen, die bei Regenwetter feiern, sind ohne Zweifel Insekten.
Desterro, December 1865.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIX.
Fig. I. Knospe von Martha (Posoqueria?) fragrans, der Länge nach durchschnitten.
Fig. 2. Frisch geöffnete Blume. A Seitenansicht vor der Entladung; x die Stelle,
auf deren Berührung die Entladung folgt. — Der Pfeil zeigt die Richtung des Schusses
// Seitenansicht nach der Entladung; C Ansicht von oben vor und D nach der Entladung.
Fig. 3. Längs durchschnittene Blume kurz nach der Entladung.
Fig. 4. Eine solche, einen Tag nach der Entladung.
Fig- 5- Querschnitt des unteren Staubfadens.
Fig. 6. PüUenkorn, 10 Stunden nach der künstlichen Befruchtung von der Narbe
genommen.
Nachwort zu vorstehendem Aufsätze^).
Von D. F. L. V. Schlechtendal.
Ob die von Hrn. Müller beobachtete Pflanze wirklich eine neue Gattung
sei, wird nicht eher zu entscheiden sein, als bis dieselbe mit der von Hrn. Prof.
Dr. Karsten in Berlin beschriebenen und (nach getrockneten Exemplaren?) von
Hrn. Prof. Schmidt abgebildeten Gattung Stannia (beruhend auf der einen Art,
St. formosa Karst., bei Tovar in der Nähe von Caracas gefunden) verglichen
worden ist, unter gleichzeitiger Beobachtung der Aublet'schen Gattung Poso-
queria. Obwohl nämlich die Karsten'sche Pflanze (s. dess. Ausw. n. u. schön
blühender Gew. Venezuela's, Heft II. p. 27. t. IX.) durch die Bildung ihrer Staub-
gefässe eine grosse Aehnlichkeit mit der Pflanze Müller's zu haben scheint, so
sind doch noch manche Verschiedenheiten zu beachten und manche Mängel in
der Beschreibung durch weitere Betrachtung der lebenden Pflanzen zu beseitigen,
ehe ein entscheidendes Urtheil über die beiden Pflanzen abgegeben werden kann,
von denen die eine, als ein 12 — 20 F. hohes Bäumchen, auf den mit Urwald
bedeckten Gebirgen bei der Colonie Tovar in einer Höhe von 5 — 6000 F. in der
Nachbarschaft von Caracas (ungefähr zwischen dem 9 — lo*' S. Br.) von Karsten
gefunden ward, die andere aber, als ein Strauch, in der Nähe von Desterro auf
der Insel Sta. Catharina (ungefähr zwischen dem 47 — 48*^ S. Br.) durch Fr. Müller
beobachtet wurde. Die verschiedene Richtung der beiderseitigen Blumen, das
Fehlen der Angaben über die Knospenverhältnisse der Blumenkrone und über
die genauere Beschaffenheit der Corollentheile und deren Neigung zur Symmetrie,
so wie das Fehlen der eigentlichen Formen und des Zusammenhangs der Staub-
fäden und Antheren, über das Trennen der letzteren von einander, über den
Geruch der Blumen; weiter die Unkenntniss über die Frucht- und Blattbildung
der Pflanze (von Sta. Catharina fordern zu einer genauen Vergleichung beider
Gewächse im frischen Zustande auf, von denen es allerdings sehr wahrscheinlich
ist, dass sie einer Gattung, aber wohl zweien verschiedenen Arten angehören.
Was die Gattung Posoqueria betrifft, so giebt Karsten schon an, dass Stannia
sich von ihr durch die ungleich langen (oder wie ich lieber sage, durch die sym-
metrisch gebildeten) Staubgefässe unterscheide, und durch die gerade aufrechten,
nicht herabhängenden Corollen, durch welche sie sich aber der Müller'schen
i) Botanische Zeitung 1866. 24. Jahrg. p. 133.
Fritz Müllers gesammelte Schriften.
3o6
Nachwort zu vorstehendem Aufsatze.
mit wagerecht stehenden nähern würde. Aber auch die Staubgefässe von Poso-
queria verdienen eine genauere Beachtung, denn ich sehe an der Abbildung in
der Encyclopedie methodique, welche doch gewiss von Au biet entnommen ist,
dass die Staubgefässe auch nicht gleich gebildet sein müssen {obwohl davon in
E n d 1 i c h e r's Genera nichts steht), während De Candolle sie auch inaequalia
nennt, weil unter Fig. c, c zwei verschiedenartige abgebildet sind, auch das
„Alabastrum hinc gibbum" deutet an, dass hier eine Neigung zur S3^mmetrie vor-
handen sei und dass daher auch hier eine Ungleichheit der Corolleneinschnitte
und ein Zusammenhängen der Antheren stattfinden könne, mithin wohl kein
zwingender Grund zur Annahme neuer Gattungen vorhanden sei. Der Blüthen-
stand scheint bei allen eine Cyma composita zu sein, deren einzelne Cymen aber
nur 3 — I blumig sind, doch ist nach Abbildungen allein darüber schwer ein Urtheil
zu fällen und ich habe bei dieser ganzen Betrachtung absichtlich von der Unter-
suchung der wenigen Herbarien-Exemplare, welche ich besitze, abgesehen, da
eine Untersuchung der Lebenserscheinungen doch nur an der lebenden Pflanze
vorgenommen werden kann.
Ueber Baianus armatus und einen Bastard dieser Art
und des Baianus improvisus var. assimilis Darw/).
Mit Tafel XXX, XXXI und XXXII.
I.
Darwin hat bei Acasta purpurata, die in der Rinde einer Isis, so wie bei
Acasta cyathus und sulcata, die in Schwämmen leben, am äusseren Aste des vierten
Paares der Rankenfüsse den vorderen Rand einiger der unteren Gheder mit starken
abwärts gekrümmten Zähnen bewehrt gefunden, durch welche, wie er glaubt, diese
Glieder in kieferähnliche Gebilde verwandelt und wunderbar passend werden,
irgend welche Beute zu fassen, (Darwin, Balanidae S. 84 und S. 311.) Von
keinem anderen Rankenfüsser ist bis jetzt eine ähnliche Bewaffnung bekannt
geworden.
Als ich zum ersten Male in einen Schwamm eingebettete Balaniden traf,
sah ich mich natürlich sofort nach dieser Bewaffnung um und hatte die Freude,
beide Aeste eines der Rankenfüsse mit ähnlichen aber in weit grösserer Zahl
entwickelten Zähnen ausgerüstet zu finden. Allein bei näherer Untersuchung
ergab sich zu meiner grossen Ueberrcischung, dass bei meiner Art nicht das vierte,
sondern das dritte Paar die Zähne trug und dass dieselbe keine Acasta war, son-
dern ein ächter Baianus mit porösen Wänden und poröser Basis, im Gehäuse
kaum zu unterscheiden von Baianus trigonus Darw.
Vorkommen. Dieser Baianus armatus, wie ich ihn wegen der reichen
Bewaffnung seiner Ranken nenne, lebt fast ausschliesshch in Schwämmen. Die
drei ersten aufeinandersitzenden Gehäuse, zwei noch mit dem Thiere, traf ich am
Strande ausgeworfen und ziemlich abgerieben; sie schienen nicht einem festen
Körper aufgesessen zu haben und an geschützten Stellen, besonders unter der tief
ausgehöhlten Basis des einen, fand sich lockere Schwammmasse, die sich nach
den Nadeln als einer hier nicht seltenen grossen schwefelgelben Papillina ent-
stammend bestimmen Hess. Da indess diese Papillina, (und vielleicht überhaupt
die ganze Gattung Papillina Schmidt) nichts anderes ist als eine Vioa, die sich in
Schneckenhäusern und anderen Kalkgebilden ansiedelt, sie durchlöchert und mit
i) Archiv für Naturgeschichte 1867. I. p. 329 — 356. Taf. VII— IX.
io8 Ueber Baianus armatus.
der Zeit fast ganz verzehrt, um endlich sie weit überwuchernd zu kuchenförmigen
Massen anzuwachsen, die bis über einen Fuss Durchmesser erreichen können, so
bheb es zweifelhaft, ob in diesem Falle der Baianus den Schwamm oder der
Schwamm den Baianus aufgesucht hatte und dies um so mehr, da die Gehäuse
mehrfach von dem Schwämme angefressen waren. — Später habe ich den Baianus
armatus oft und zahlreich in einer Reniera wiedergefunden, die in Gestalt, Farbe
und Nadelform der Reniera aquaeductus Schmidt nahe steht und sich besonders
durch ihr sehr entwickeltes, so leicht wie beim Badeschwamm auswaschbares
Fasergerüst auszeichnet. Sehr selten (nur einmal traf ich bis jetzt drei Stück), ist
der Baianus in einem unserer gemeinsten Schwämme, der als dunkelrothe mit
steilen zackigen Berggipfeln besetzte Masse ganze Felswände überzieht und in
seinen Hartgebilden an Reniera digitata Schmidt sich anschliesst. — Um so.
häufiger ist er dagegen an einem achtstrahligen Polypen, Carijoa rupicola F. M. ^),
der etwa mannstief unter dem mittleren Wasserstande an einem einzeln stehenden
Felsen {nicht weit vom Ufer am Südende der Praia de fora) wuchert und dichte
schwach verästelte bis 0,15 m hohe Gebüsche bildet. Den etwa 2 mm dicken
fleischfarbenen Stamm dieses Polypen pflegt ein dunkeldottergelber Schwamm mit
stecknadelförmigen Kieselnadeln als dünne Kruste zu überziehen und an solchen
i) Carijoa rupicola (Fig. 56). Der ganze bis 0,15 m hohe, gerade aufsteigende oder leicht ge-
bogene, etwa 2 mm dicke Stamm des Polypenstocks wird gebildet von einem einzigen Polypen, der seine
Tentakel am Ende desselben entfaltet und dessen Leibeshöhle den ganzen Stamm durchzieht. Der Polyp
kann sich ins obere Ende des Stammes zurückziehen. Dieser zurückziehbare Theil ist schneeweiss. Die ge-
fiederten Tentakel laufen in einen dünnen Endfaden aus, der knotig erscheint, wie ihre schlanken seitlichen
Anhänge. Unterhalb des Tentakelkranzes finden sich einige zarte Kalknadeln. Die das Magenrohr um-
gebenden Scheidewände setzen sich durch die ganze Länge des hohlen Stammes fort als acht schwach vor-
springende Längslinien; zwei derselben, die nebeneinanderliegen, tragen einen wellig gebogenen häutigen
Saum mit verdicktem Rande, in welchem sich ebenfalls in der ganzen Länge des Stammes die dunkelge-
färbten, bräunlich violetten Eier entwickeln. Die Wand des Stammes ist unten bis etwa 0,5 mm dick ;
nach oben wird sie dünner und biegsam; im unteren Theile erscheint der Stamm glatt, im oberen weicheren
Theile von acht Längsfurchen durchzogen. Vorspringende Kalknadeln fehlen. Die Wand erhält Festigkeit
durch dichtgedrängte Kalknadeln (Fig. 57), die in der Achse parallelen Ebenen in allen möglichen Rich-
tungen gelagert sind, sie sind gerade oder schwach gebogen mit mehr oder minder zahlreichen Knoten un-
regelmässig besetzt, die einen sind länger (durchschnittlich 0,25, einzelne über 0,5 mm), schlanker, glatter;
die anderen, durch Zwischenformen in erstere übergehend, kürzer, plumper, mit zahlreicheren, stärkeren
Vorsprüngen besetzt. Letztere finden sich stellenweise mit einander verschmolzen. — Von dem Stamme
entspringen zahlreiche Aeste, meist 4 — 5 in nahezu gleicher Höhe; die grosse Mehrzahl derselben bleibt
kurz (etwa 4 mm lang) und einfach; einzelne verlängern sich und treiben dann ihrerseits wieder seitliche
Zweige. Aeste und Zweige gleichen in ihrem Bau vollständig dem Stamme. Jeder trägt am Ende einen
Polypen und ist von dessen Leibeshöhle durchzogen. Die Leibeshöhlen der einzelnen Polypen, die als
Stamm, Aeste und Zweige den Polypenstock zusammensetzen, stehen nicht mit einander in Verbindung.
Vom unteren Ende des Stammes entspringen dünnere Röhren, die als Wurzeln dienen nnd wo sie glatten
Flächen aufliegen, sich oft abplatten und verbreitern. Bisweilen verwachsen zwei benachbarte Aeste ober-
flächlich mit einander; häufiger geschieht dies bei den Wurzeln. — Am Lichte verbleicht die Farbe der
getrockneten Polypenstöcke sehr rasch vollständig. Auch frisch sind einzelne Stöcke fast farblos, andere
aber auch weit dunkler gefärbt, als der Fig. 56 dargestellte. — Der Name Carijoa ist abgeleitet von dem
der Bewohner unserer Insel zur Zeit der Entdeckung durch die Europäer, der Carijös. — Ausser dem
dottergelben Ueberzuge finden sich minder häufig noch 4 oder 5 Reniera-Arten der Carijoa aufsitzend,
dunkelroth, blassviolett, grünlichgrau und schneeweiss gefärbt; man kann sich nichts Bunteres denken, als
ein solches gleichzeitig, wie ich es gesehen habe, von all diesen Schwämmen durchsetztes und umhülltes
Carijoagebüsch.
Ueber Baianus armatus.
309
schwammbedeckten Polypenstämmen fehlt nur selten der Baianus armatus ; er sitzt
da manchmal zu 10—12 dicht aneinandergedrängt und ist ebenfalls bis zur Mün-
dung von dem Schwämme überkleidet. — An demselben Felsen leben noch vier
andere Balaniden; zu oberst, über dem mittleren Wasserspiegel, Chthamalus stellatus,
an der unteren Grenze dieser Art und meist dicht von ihr bedeckt, Tetraclita
porosa, besonders an der Seeseite; ein wenig tiefer sitzen einige grosse Gehäuse
von Baianus tintinnabulum, dann folgt, bis ins Bereich der an der Landseite des
Felsens angesiedelten Carijoa hinabreichend, Baianus improvisus var. assimilis.
Letzteren findet man auch in einzelnen Stöcken an Carijoa, bisweilen dem B. ar-
matus aufsitzend, oder ihm als Unterlage dienend. Ein einziges Mal habe ich
einen kleinen nur 8 mm hohen B. tintinnabulum an Carijoa angetroffen.
Bisweilen, doch ziemlich selten, findet man B. armatus an Felsen festge-
wachsen. Einmal traf ich zwei Gehäuse in Gesellschaft von zahlreichen B. im-
provisus var. assimilis an einer lebenden Purpurschnecke. Endlich besitze ich
zwei Stück, die neben einander auf der Röhre einer Serpula (Eupomatus flori-
bundus F. M.) sitzen, welche dicht daneben zwei Gehäuse von B. improvisus var.
assimilis trägt. Dieser gemeinste aller hiesigen Balanen findet sich bisweilen sogar
in Reniera als Begleiter des B. armatus vor.
Allgemeines Aussehen, Das Gehäuse des B. armatus ist nach Gestalt
und Farbe sehr wechselnd in seinem allgemeinen Aussehen (Fig. i — 13). Zum
grossen Theile ist, wie bei anderen Arten, so auch hier diese Verschiedenheit
bedingt durch die Unterlage, auf der sich das Thier angesiedelt hat. Am regel-
mässigsten sind daher im Allgemeinen die in weiche Schwämme eingebetteten
Gehäuse, deren Entwickelung nirgends auf Hindernisse stösst. Man findet die-
selben hier meist steil kegelförmig, bisweilen fast cylindrisch (Fig. 11), den Längs-
durchmesser (vom Rostrum zum Kiel) meist etwas grösser als den Querdurch-
messer, Rostrum und Kiel ziemlich gleich hoch, die Basis stets hohl und zwar
meist in hohem Grade. Hierin also stimmt B. armatus mit dem verwandten
B. spongicola überein und unterscheidet sich wie dieser von den schwammbe-
wohnenden Acasta, bei denen die Basis mit starker Wölbung vorspringt. Selbst
in Reniera aber fehlen sehr abweichende Formen nicht; ich habe Gehäuse ge-
sehen, bei denen das Rostrum nur halb so hoch, und wieder andere (Fig. 12), bei
denen es über doppelt so hoch war, als der Kiel.
Besonders mannichfaltig ist die Gestalt der auf Carijoa sitzenden Gehäuse
(Fig. I — 9 u. 13); sie ist verschieden, je nachdem sie längs oder quer, oder schief
dem Polypenstamme aufsitzen, der meist eine tiefe Furche in der Basis bildet.
Diese ist in der Richtung der Furche verlängert und dies hat wieder Einfluss
auf das ganze Gehäuse, so dass noch in der Mitte der Höhe die Breite von V5
bis % der Länge wechselt. Nicht selten sind die einzelnen Gehäusstücke von
sehr verschiedener Höhe, bisweilen die sämmtlichen Stücke der einen Seite doppelt
so hoch als die der anderen (Fig. 6). Selten ist die Furche der Basis zu einer
vollständigen Röhre geschlossen; so in Fig. 9, wo man zwischen Rostrum und
Seitenstück die Oeffnung der in der Mitte der Basis beginnenden Röhre sieht,
oder in Fig. 13, wo die Oeffnung oben vom Seiten- und Kieselseitenstücke, seit-
lich und unten von Rostrum und Kiel begrenzt wird. — Einmal traf ich Baianus
armatus der Spitze eines Zweiges aufsitzend (Fig. 5) und hier bildete die Basis
. ^ ^ Ueber Baianus armatus.
um den Zweig ein kegelförmiges Rohr, länger als die halbe Höhe des Gehäuses;
der Durchmesser der Basis war nur halb so gross als die Länge der Mündung.
In anderen Fällen wieder (Fig. 8) ist die Basis über doppelt so lang als die Mün-
dung. Auch in der Glitte bauchig aufgetriebene Gehäuse kommen \or (Fig. 2
u. 9). Eine besonders auffallende Form ist die, welche ich Fig. 13 (A von hinten,
B von der Seite) gezeichnet habe. Das Gehäuse sitzt quer auf dem Carijoastamme.
Rostrum und Kiel sind ungewöhnlich breit, fast gleichseitig dreieckig; sie um-
fassen den Stamm und stossen unter ihm auf einer Seite in einer scharfen Kante
zusammen ; dagegen sind die Wände der Seiten- und Kieselseitenstücke nur ganz
schmale Streifen. Doch man müsste hundert und aber hundert andere und wieder
andere Formen zeichnen, wenn man die Mannichfaltigkeit dieser an Carijoa an-
gesiedelten Balanen erschöpfen wollte. Vorherrschend ist indess auch hier und
ebenso bei den an Felsen sitzenden Gehäusen eine steile Kegelform. Die beiden
an Purpura beobachteten Gehäuse waren flacher als gewöhnlich, ihre Wände
minder steil, die Basis grösser im Vergleiche zur Mündung.
Die Oberfläche der Wände ist meist glatt, seltener mit unbedeutenden Längs-
rippen versehen; stärkere Rippen pflegen die an Felsen sitzenden Gehäuse zu
haben. Die Farbe der Wände ist bald ganz blass, bald sind sie heller oder dunkler
schmutzig bräunlich purpurn gestreift. Die Radien pflegen eine mehr oder minder
deutliche schmutzige Purpurfarbe zu zeigen. Nicht selten zeigt sich eine auf-
fallende Farbenverschiedenheit zwischen den beiden Seiten desselben Gehäuses;
kann man hierbei an den Einfluss des Lichtes denken, so ist diese Erklärung
nicht anwendbar auf eine Gruppe von drei Gehäusen, von denen das unterste
grösste ungewöhnlich dunkel gefärbt, das zweite daraufsitzende fast weiss ist, und
das dritte jüngste, das dem zweiten aufsitzt, besonders deutliche weissliche Rippen
und dazwischen hellbraune Streifen hat. Die Scheide ist blass; die Deckelstücke
bald blass, bald dunkel, meist aber wenigstens nach der Spitze zu röthlich.
Die Oberhaut fand ich nie an den Radien, selten in Spuren am vmteren
Theile der Wände erhalten; doch besitze ich ein Exemplar aus Reniera, dessen
Wände noch vollständig von einem gelblichen Häutchen bedeckt sind und dessen
Radien ausserdem durch ihre weisse Farbe sich auszeichnen (Fig. 1 1).
So verschieden nun in Gestalt und Färbung die Gehäuse des B. armatus
auch sein mögen, so stimmen sie doch alle vollständig überein in der eigenthüm-
lichen Form ihrer Mündung, die an die des Bai. trigonus erinnert, aber abweichend
von letzterer Art stets deutlich gezähnt ist^). Die Radien sind immer schief, am
meisten die des Rostrum ; ihre freien Ränder pflegen mit der Wand des Rostrum
einen Winkel von etwas unter, mit der des Seitenstücks von etwas über 60 "^ zu
bilden und etwa in der Mitte den Alae des Seitenstücks zu begegnen. Ebenso
begegnen sich etwa in der Mitte die Ränder der Radien des Seitenstücks und
der Alae des Kielseitenstücks, während die Ränder der Alae des Kiels erst dicht
an den Wänden der Kielseitenstücke auf deren Radien stossen. Wie die Zähnelung
der Mündung, so sieht man als zweite Eigenthümlichkeit an allen wohlerhaltenen
Gehäusen, dass das Rostrum an der Mündung etwas nach innen gebogen ist.
l) Die einzige, aber wohl nur scheinbare Ausnahme bilden die drei Gehäuse, die ich am Strande
ausgeworfen gefunden habe; ihre Mündungen sind ganzrandig und ungezähnt; doch glaube ich, dass sie
ihre Zähne erst beim Umhertollen im Meere und in der Brandung verloren haben.
Ueber Baianus armatus.
3"
Betrachtet man die Mündung von oben (Fig. 14), so tritt die Zähnelung derselben
nicht hervor und man sieht dann auf die grösste Breite der Mündung als Basis
einerseits ein gleichschenkliges Dreieck aufgesetzt, dessen Spitze mit einem Winkel
von 50 — 54° von dem Kiele gebildet wird, andererseits ein niedriges Trapez,
dessen ein wenig nach innen gebogene kleinere Basis die Radien des Rostrum
bis zu ihrem Kreuzungspunkte mit den Alae der Seitenstücke bilden. Die Seiten
des Dreiecks reichen von der Spitze des Kiels bis nahe an die Spitzen der Seiten-
stücke; die Höhe des Trapezes ist etwa Y4 von der des Dreiecks, die Höhe des Drei-
ecks ungefähr seiner Basis, der grössten Breite der Mündung gleich. Die kleinere
Basis des Trapezes misst etwa % der grösseren. — Fünfeckige Mündungen, aus
einem Dreieck und einem Trapez gebildet, die die grösste Breite der Mündung
zur gemeinsamen Basis haben, kommen auch sonst bei Balanen vor, z. B. bei
B. improvisus var. assimilis; eigenthümlich aber ist dem B. armatus die geringe
Höhe des Trapezes. Noch niedriger, fast verschwindend, wird dasselbe bei
B. trigonus, so dass hier die Mündung wie ein gleichseitiges Dreieck mit zwei
leicht abgestumpften Ecken aussieht. — Legt man eine Ebene durch die Spitze
von Kiel und Rostrum, parallel der durch die Spitzen der Seitenstücke gehenden
Geraden, oder um es mehr praktisch als mathematisch auszudrücken, legt man
ein Lineal in der angegebenen Richtung auf die Spitzen von Kiel und Rostrum,
so sieht man, dass die Spitzen der Kieselseitenstücke nicht ganz diese Ebene er-
reichen, und dass die Spitzen der Seitenstücke noch etwas weiter davon abstehen.
Es muss auffallen, wie ungemein selten und in wie geringem Grade die Regel-
mässigkeit der Mündung durch die grössten Unregelmässigkeiten des Gehäuses
gestört wird.
Grösse. In dem mit Reniera aquaeductus verwandten Schwämme fand
ich nur kleinere Gehäuse, deren Durchmesser der Basis und deren Höhe selten
8 mm erreichte; grösser werden sie an Carijoa oder an Felsen; die grössten, die
ich gesehen, sind die drei aus Papillina. — Hier einige Maasse:
I.
II.
m.
IV.
V.
VI.
VII.
Länge der Basis . .
6
7,3
".3
8,3
20
14
6,2
Breite derselben . .
5
6,8
9,3
6,9
14
16
6,2
Länge der Mündung
3,6
5.1
6,9
5
6
6
2,6
Breite derselben . .
2,8
3,8
5,5
4
5,4
5
2
Höhe des Rostrum .
5.5
8,1
9.7
1,1
17
5
4
Höhe des Kiels . .
5.5
9.1
ri
8,5
4
12,4
2,8
I. Mittel aus 8 Messungen; Gehäuse aus Reniera.
II. Mittel aus 5 Messungen; Gehäuse an Carijoa sitzend.
III. Mittel aus 5 Messungen; Gehäuse an Felsen sitzend.
IV. Mittel aus 20 Messungen, worunter die vorstehenden 18 inbegriffen sind
V. und VI. Zwei der Gehäuse aus Papillina, die dem dritten leeren Gehäuse
aufsitzen; V hat den Kiel, VI das Rostrum der Mündung des unterliegenden
Gehäuses zugewandt; indem nun bei ersterem das Rostrum über 4mal so lang
ist als der Kiel, bei letzterem der Kiel fast 3mal so lang als das Rostrum, werden
die Ebenen der Mündungen aller drei Gehäuse nahezu gleichlaufend.
VII. Gehäuse, das einer Purpura aufsitzt.
S c u t a. Die Schilder sind sehr schmal ; der Schliessrand (occludent margin)
ist fast oder völlig doppelt so lang als der Basalrand, der Rückenrand (tergal
- . 2 Ueber Baianus armatus.
margin) wenig kürzer als der Schliessrand. Die Spitze ist meist schwach aufwärts
Gebogen, die Aussenfläche mit stark vorspringenden Anwachsstreifen und i bis 6
Längsreihen meist sehr tiefer, oft (Fig. 15) ansehnhch weiter Gruben bedeckt. Bei
28 aufs Gerathewohl herausgegriffenen Thieren fanden sich im unteren Theile
der Schilder einmal jederseits 2, achtmal 3, ebenso oft 4, einmal 5, einmal 6 Reihen;
ferner 6mal auf dem einen Schilde 3, auf dem anderen 4, zweimal einerseits 4,
andererseits 5, endlich einmal auf einer Seite 5, auf der anderen 6 Grubenreihen.
Eine einzige Reihe von Gruben habe ich nur bei den beiden auf Purpura sitzenden
Thieren gesehen. Auf der Innenseite des Schildes (Fig. 16) sieht man eine nicht
sehr breite Gelenkleiste (adductor ridge), die bis über die Hälfte oder selbst bis
zum unteren Drittel des Schildes reicht und hier abgerundet oder mit einer kleinen
Spitze endet. Die Adductorleiste ist unbedeutend und reicht kaum weiter als die
Gelenkleiste nach unten. Bisweilen findet sich eine sehr zarte scharfe Längsleiste
zwischen Gelenk- und Adductorleiste. Für den musculus depressor lateralis ist
eine meist schmale und tiefe Grube vorhanden. Namentlich bei grösseren Thieren
sind die Schilder oft von ungewöhnlicher Dicke.
Terga (Fig. 17, 18). Diese stimmen ganz mit der von Darwin für Baianus
trigonus gegebenen Beschreibung überein. Die 6 — 7 Leisten für den musculus
depressor^) überragen nie den Basalrand des Rückenstücks. Die Borstenreihen
i) Darwin's Angaben über die Wirknng der drei Muskelpaare, die vom Deckel nach dem Grunde
des Gehäuses niedersteigen, scheinen mir nach dem, was ich namentlich an Tetraclita porosa gesehen, nicht
ganz richtig zu sein. Durch die depressores scuti laterales wird nach Darwin der Deckel geöffnet. Plötz-
liche Zusammenziehungen der depressores rostrales bewirken wahrscheinlich die Schläge, die das Thier mit
der schnabelförmigen Spitze der Terga austheilt. Durch die gemeinsame Zusammenziehung der drei Paare
wird der Deckel mit überraschender Kraft niedergehalten. Gehoben kann der Dekel nur werden durch
den Druck des Körpers gegen die Basis (Darwin, Balanidae S. 62).
Versucht man den Deckel einer Tetraclita porosa aus dem Gehäuse zu schneiden, so wird das Messer
überall freien Weg finden bis auf zwei einander gegenüberliegende Stellen in der Gegend der Sporen. Hier
liegt der Deckel der Scheide eng an; die Haut, die die Basis des Deckels mit der Scheide verbindet, ist
hier schmäler und fester als sonst. So wird durch diese beiden Stellen eine freilich etwas verschiebbare
Achse gebildet, um die sich der Deckel drehen kann. Man kann nun an frischen Thieren leicht die ein-
zelnen Muskeln fassen und anziehen und so über ihre Wirkung Aufschluss erhalten. Wie schon die Be-
festigungsweise des Deckels erwarten lässt, wird durch die depressores tergi der Kielrand der Rückenstücke
niedergezogen, dagegen die Rostralecke der Schilder gehoben und der Schlussrand nimmt eine fast wag-
rechte Lage an (Fig. 52). Diese Muskeln allein bewirken das kräftige Niederhalten des geschlossenen
Deckels; derselbe stützt sich dabei mit dem Kielrande der Rückenstücke gegen die Scheide, die an dieser
Stelle mehr oder weniger deutliche Spuren der Abnutzung zu zeigen pflegt. Durch die depressores scuti
aber, die laterales sowohl als die rostrales, wird die Basis der Schilder niedergezogen, der Kielrand der
Rückenstücke gehoben und der Schliessrand nimmt eine mehr oder weniger steile Lage an (Fig. 53). Weil
nun seine Spitze weiter hervortritt, erscheint dabei der ganze Deckel gehoben; das ist aber nur scheinbar;
man kann dieses Erheben der Spitze auch hervorbringen, indem man statt von innen an den depressores
scuti zu ziehen, von aussen die Rostralecke der Schilder niederdrückt. — Ein Heben und Senken des
ganzen Deckels findet überhaupt nur in ziemlich beschränktem Masse statt: in wie weit dabei ein An-
stemmen des Körpers gegen die Basis mitwirkt, lasse ich unentschieden.
Das Oeffnen des Deckels wird, glaube ich, nur durch das Andrängen des Thieres gegen die Deckel-
spalte hervorgebracht ; die depressores laterales können ihn nicht öffnen. Wie man sich leicht an Deckeln
überzeugt, die man mit der verbindenden Haut herausgenommen hat, drehen sich nämlich beim Oeffnen
und Schliessen die beiden Hälften des Deckels um eine durch die Rostralecke der Schilder und die Kiel-
ecke der Rückenstücke gehende Achse ; was über dieser Achse liegt, entfernt sich beim Oeffnen von der
Mittellinie; was darunter liegt, nähert sich derselben. Die depressores scuti laterales aber gehen von unter-
halb der Drehungsachse gelegenen Punkten nach unten und etwas nach aussen, können also unmöglich ihre
Ansatzpunkte der Mittellinie nähern, wie es zum Oeffnen des Deckels nöthig wäre.
Ueber Baianus armatus.
313
auf den Anwachsstreifen der Deckelstücke sind bei Baianus armatus, namentlich
auf dem Schilde, stärker entwickelt als bei den wenigen anderen Arten, die ich
vergleichen konnte. Kurz und zart sind sie auf der Kielseite (Fig. 19), bis über
0,2 mm lang und zart auf der Schildseite (Fig. 20) des Rückenstücks; von gleicher
Länge, aber weit dicker und dichtgedrängt auf dem Schilde (Fig. 21). Es wechseln
längere und kürzere Borsten, doch nicht als zwei scharf geschiedene Formen, wie
es z. B. bei B. improvisus var. assimilis (Fig. 22) der Fall ist. Die Chitinstränge
(tubuli Darw.), die von den Borsten aus wellig gebogen die Deckelstücke durch-
setzen, verjüngen sich rasch zu zarten Fäden, die man beim Zerzupfen der durch
Säure entkalkten Deckelstücke leicht aus der umgebenden Masse herauszieht^).
Die Stücke des Gehäuses. Die Röhren, welche die Wände durch-
ziehen, sind ziemlich weit, im obersten Theile dicht ausgefüllt, ohne quere Scheide-
wände. Die Innenfläche der Wände ist meist in ganzer Länge, bisweilen nur
unten längsgerippt. Die Radien sind aussen glatt, glänzend, mit feiner Streifung
in doppelter Richtung, die eine den Scheidewänden, die andere der Naht (sutural
edge) gleichlaufend; die erstere Streifung ist immer weit deutlicher; sie ist nicht
bedingt durch Vorspringen der Scheidewände. Bei den Radien des Rostrum und
der Seitenstücke steht diese Streifung ziemlich senkrecht auf der Wand der Seiten-
stücke, bei den Radien der Kielseitenstücke senkrecht auf der Wand dieser Stücke.
Innen sind die Radien, so weit sie nicht den Alae aufliegen, oft durch die vor-
springenden Scheidewände feingerippt; meist sind diese Rippen sehr deutlich,
bisweilen aber kaum wahrzunehmen und bisweilen sind die Radien innen ganz
glatt. An den Scheidewänden der Radien, deren Zwischenräume bis zur Naht
dicht ausgefüllt, aber oft durch röthliche Färbung von den weissen Scheidewänden
ausgezeichnet sind, habe ich keine deutliche Zähnelung erkennen können. Die
Nähte der Alae sind glatt. Die Scheide hat einen scharfen, frei nach unten vor-
springenden Rand.
Basis. Die Basis ist porös. Nur in sehr seltenen Fällen springt sie über den
unteren Rand des Gehäuses vor. Auch bei den in Schwämmen angesiedelten
Thieren sind die Kittröhren (Fig. 54. 55) wohl entwickelt, während sie von
Darwin bei Acasta vermisst wurden. Nach der Behandlung der Basis mit Säure
erscheinen sie als farblose, leere Röhren. Ihre Verästelung ist verschieden bei
verschiedenen Thieren, aber genau dieselbe für die verschiedenen älteren und
jüngeren Röhren desselben Thieres, so dass also die Aeste jedes jüngeren Kreises
denen der älteren inneren gleichlaufen. Nicht selten kommen blind endende Aus-
läufer vor (Fig. 55, a, b). Am Rande der Basis, den man selten wohlerhalten
unter das Mikroskop bekommt, sah ich die Kittröhren in sehr feine netzförmig
verbundene Reiserchen sich theilen, ähnlich wie es Darwin von Bai. tintinnabulum
beschreibt und abbildet (Darwin, Balanidae. PI. 28. Fig. 4, a).
Mundtheile. Die Oberlippe (Fig. 23) hat drei nahe beisammen stehende
Zähne zu jeder Seite des mittleren Einschnitts. Die Kinnbacken (Fig. 24 — 26)
haben vier deutliche Zähne; der fünfte fehlt bisweilen völlig; meist aber ist er
als kleiner Höcker über der unteren Ecke des Kinnbackens zu unterscheiden;
i) Bei Tetraclita porosa, wo die Chitinstränge bis zum Ende ziemlich dick bleiben, sah ich aus deren
Ende ein blasses Fädchen hervorragen, als wenn ein Nerv in die Stränge einträte; zwischen den Borsten
und den Chitinsträngen scheint eine Art Gelenk zu bestehen.
, j , Ueber Baianus armatus.
ich habe einmal bei demselben Thiere den fünften Zahn auf einer Seite unge-
wöhnlich deutlich entwickelt gesehen, während er auf der anderen vollständig
fehlte. Die Kiefer haben einen geraden Rand, mit einer ganz winzigen Kerbe
(Fig. 27) unter den obersten Borsten, oder ohne eine solche (Fig. 28). Für die
untersten Borsten ist kein Vorsprung vorhanden. Die oberste und die beiden
untersten Borsten sind nur wenig länger als die längsten der mittleren. Nur etwa
ein Drittel des oberen Kieferrandes ist behaart.
Rankenfüsse. Erstes Paar: der längere Ast ist etwa doppelt so lang
als der kürzere, bisweilen noch länger und hat fast doppelt so viel (18 — 20) Glieder;
die letzten Glieder sind bedeutend länger als die unteren, walzenförmig und am
Ende mit einem fast vollständigen Kranze von Borsten besetzt. Der kürzere Ast
hat meist g— 1 1 kurze Glieder mit dicht beborstetem Vorsprunge an der Beuge-
seite, der an den mittleren Gliedern am bedeutendsten ist.
Zweites Paar: Kurz, plump, dicht beborstet ; der vordere oder äussere Ast
mit 1 1 — 13 Gliedern, etwa nur ^/g — V4 länger als der innere; dieser ist 9— lo-gliedrig
und etwa so lang, als der kürzere Ast des ersten Paares. — An abgeworfenen
Häuten und meist auch sonst sieht man den längeren Ast gerade ausgestreckt,
den kürzeren leicht gekrümmt.
Drittes Paar: Vom Grunde dieses Fusspaares zieht sich eine dicht mit
langen dünnen Haaren besetzte Linie nach dem Rücken in die Höhe. Ihrer Länge
und Gestalt nach halten die Ranken dieses Paares die Mitte zwischen den kurzen
und plumpen Ranken des vorhergehenden und den langen schlanken Ranken
der folgenden Paare. Der unbedeutend längere vordere oder äussere Ast hat
etwa 15 — 17 Glieder, der hintere 1 oder 2 weniger. Die Aeste sind ungefähr so
lang wie der längere Ast des ersten Paares. Eine grössere oder geringere Zahl
der Glieder beider Aeste sind an der Beugeseite mit starken gekrümmten Zähnen
bewaffnet; bei jüngeren Thieren ist die Bewaffnung schwächer und auf einige
der mittleren Glieder beschränkt; bei grösseren Thieren pflegen nur die beiden
letzten Glieder des äusseren , die vier oder fünf letzten Glieder des inneren
Astes der Zähne zu entbehren. Immer ist die Bewaffnung des äusseren Astes
(Fig. 44) stärker als die des Innern. — Diese hakig nach abwärts gebogenen
Zähne (Fig. 46) halten nicht nur den oberen Theil des stark vorspringenden
Randes der Beugeseite der Glieder besetzt, sondern erstrecken sich von da
aus, allmählich kleiner werdend und endlich in winzige Spitzchen übergehend,
über einen grösseren oder geringeren Theil der Aussenfläche der Glieder. Dieser
mit Zähnen und Flaken besetzte Theil erhebt sich meist als flache Wulst ein
wenig über seine Umgebung. Ausser den Zähnen der Beugeseite finden sich
besonders an den unteren Gliedern spitze nach oben stehende Dörnchen an der
Streckseite, einige ebenfalls aufwärts gerichtete Dornen an der Aussenseite des
oberen Randes und ebenda oft mehrere Gruppen sehr zarter Spitzchen.
Die mittleren Glieder des äusseren Astes tragen nach innen von dem Zahn-
besatze zwei bis vier Borstenpaare; zu diesen gesellt sich früher oder später eine
erst einfache, dann mehrfache Reihe von Borsten am Innenrande des oberen Endes
der Glieder und endlich an den letzten Gliedern ein dichter unregelmässiger
Borstenbesatz, der oft einen grossen Theil der Innenfläche bedeckt. Am inneren
Aste sind schon an den unteren Gliedern die Borsten der Innenfläche zahlreicher.
Ueber Baianus armatus.
315
Viertes bissechstesPaar: Die Ranken der letzten drei Fusspaare findet
man selten alle unversehrt ; bald fehlt der einen, bald der anderen ein grösseres oder
kleineres Stück. Diese Verluste werden bekanntlich mehr oder minder vollständig
ersetzt, indem sich in den letzten der gebliebenen Glieder eine Zahl von neuen
Gliedern bildet und nach der nächsten Häutung in Thätigkeit tritt. Die Häufig-
keit solcher Verstümmelungen erlaubt kaum, etwas über die Gliederzahl dieser
Ranken zu sagen. An den letzten Paaren kann dieselbe bis über 45 steigen, und
ihre Länge ist oft mehr als ßmal so gross, als die des dritten Paares. Die Glieder
aller dieser Ranken sind dünner, aber weit länger als die der vorderen Paare;
die oberen Glieder tragen an der Beugeseite fast immer vier Borstenpaare, am
vierten Fusspaare manchmal nur drei.
Am vierten Fusspaare pflegt die Rückenseite des ersten Gliedes des äusseren
Astes mit ziemlich starken aufwärts gerichteten Zähnchen bewehrt zu sein; an
den mittleren Gliedern beider Aeste, besonders aber des äusseren, findet man
meist ausser den kurzen spitzen Dornen an der Aussenseite des Endrandes in
deren Nähe noch mehr oder minder zahlreiche aufwärtsgerichtete Dornen über
die Aussenfläche des Gliedes zerstreut; in seltneren Fällen verwandeln sich diese
Dornen am äusseren Aste in abwärts gerichtete schwach gekrümmte Zähne, so
dass dann (Fig. 47) eine ähnliche, aber freilich weit schwächere Bewaffnung ent-
steht, als am dritten Paare.
Das fünfte Fusspaar ist ausgezeichnet durch einen starken, etwas gekrümmten,
aufwärtsgerichteten Zahn (Fig. 48), der am Anfange der Rückenseite des zweiten
Stielgliedes steht; meist folgt ihm noch ein ähnlicher kleinerer Zahn, seltener
deren zwei (Fig. 48), oder gar keiner.
Am sechsten Fusspaare sind die Stielglieder und die ersten GHeder der
Ranken auf der Rückenseite mit sehr zahlreichen kurzen, anliegenden, aufwärts-
gerichteten Spitzchen bedeckt.
Ruthe. Am Grunde der Ruthe, zwischen ihr und dem After, ist der ge-
wöhnliche kegelförmige Fortsatz vorhanden ; die Ruthe, zu mehrfacher Länge der
Ranken ausdehnbar, ist nur mit wenigen kurzen Haaren besetzt.
Eier: 0,17 mm lang; 0,09 mm dick. An den Larven finde ich nichts
Besonderes, sie sind denen von Tetraclita porosa sehr ähnlich,
Verwandtschaft. Der nächste Verwandte des Baianus armatus ist B. trigonus.
Ob überhaupt ersterer nicht besser als blosse Abart zu betrachten und als ß. trigonus
var. armatus zu bezeichnen sei, wird nur nach Vergleichung mit zahlreichen Exem-
plaren des B. trigonus von verschiedenen Fundorten zu entscheiden sein. Doch
lässt sich für seine Artberechtigung anführen, dass B. trigonus bisher nur im
indischen und stillen Meere und nicht im atlantischen, dass er nur an Schalen
von Weichthieren und an Holz und nicht in Schwämmen gefunden wurde; dass
bei B. trigonus das Gehäuse meist flach und gerippt, die Mündung ganzrandig
und fast gleichseitig, bei B. armatus das Gehäuse meist steil kegelförmig und
glatt, die Mündung stets deutlich gezähnt und fünfeckig ist ; dass die Schilder bei
B. armatus schmäler sind, dass die bei B. armatus nie vermisste, beim ersten
Blick in die Augen fallende Bewaffnung des dritten Fusspaares von Darwin
bei B. trigonus ebensowenig erwähnt wird, als der ebenfalls bei B. armatus stets
vorhandene starke Zahn am Stiele des fünften Paares.
3i6
Ueber Baianus armatus.
Die auf Carijoa sitzenden Gehäuse erinnern bisweilen, bei vorwaltender Ent-
wickelung in die Länge, besonders wenn zugleich die Basis etwas vorspringt, im
allgemeinen Aussehen an die auf Gorgonien lebenden Arten, die bei Darwin
die Section B. der Gattung Baianus bilden; doch ist diese Aehnlichkeit eben nur
Folge der ähnlichen Befestigungs weise und kaum Zeichen einer näheren Ver-
wandtschaft. — Im Uebrigen gilt von unserer Art, was Darwin über die ver-
wandtschaftlichen Beziehungen des B. trigonus sagt.
Bedeutung der Bewaffnung der Ranken. Wenn auch nicht in
gleich mächtiger Weise entwickelt, findet sich eine ähnliche Bewaffnung der
Ranken mit Dornen und Spitzchen doch auch bei anderen Balanen. Bei einzelnen
Exemplaren von B. improvisus var. assimilis finden sich diese sonst aufwärts ge-
richteten Dornen an der Aussenseite der Glieder des dritten (Fig. 50) und vierten
(Fig. 51) Fusspaares sogar nach abwärts und rückwärts gerichtet, wie bei B. ar-
matus. — Man findet diesen Besatz mit Dornen und Spitzchen fast ausschliesslich
an den dem Rande der Deckelspalte zugewandten Flächen; so an der Aussen-
seite der mittleren Paare und an der Rückenseite des letzten Paares. An dieser
Stelle können sie nicht zum Fange irgend welcher Beute, sondern kaum zu etwas
Anderem dienen, als zum Reinhalten der Deckelspalte. Man sieht in der That
an lebenden Thieren, dass gerade die Ranken des dritten und vierten Paares,
deren Aussenflächen besonders reich bedornt sind, beim Vorstrecken und Ein-
ziehen der Ranken dicht am Rande der Deckelspalte hinstreichen.
Dass nun gerade bei schwammbewohnenden und sonst keineswegs einander
nahestehenden Arten diese Bewaffnung zu mächtigen gebogenen Zähnen ent-
wickelt ist, weist auf einen Zusammenhang zwischen der eigenthümlichen Be-
waffnung und dem eigenthümlichen Aufenthaltsorte hin, und es liegt die Ver-
muthung nahe, dass die Zähne dazu dienen, die rasch wuchernde Schwammmasse
zu zerreissen und zu entfernen, welche die Mündung des Gehäuses zu überwachsen
droht. Bemerken swerth ist dabei der Umstand, dass bei Acasta die Zähne am
äusseren Aste des vierten, bei Baianus armatus an den Aesten des dritten Fuss-
paares stehen. Man könnte diesen Umstand in ähnlicher Weise zu Gunsten der
Darwin'schen Ansicht von der Entstehung der Arten verwerthen, wie die ver-
schiedene Bildung des hinteren Eingangs zur Kiemenhöhle bei den verschiedenen
luftathmenden Krabben ^). Baianus armatus ist weit näher mit anderen niclit
schwammbewohnenden Balanen verwandt, als mit Acasta ; B. armatus und spongi-
cola einerseits, die Acastaarten andererseits können somit die Gewohnheit sich in
Schwämmen anzusiedeln nicht von einem gemeinsamen Urahnen geerbt haben.
Einrichtungen, die auf diesen eigenthümlichen Wohnplatz sich beziehen, müssen
sich unabhängig von einander bei den einen und den anderen gebildet haben
und es kann daher nicht befremden, dieselben bei Baianus armatus und bei Acasta
an verschiedenen Stellen des Leibes entwickelt zu finden.
II.
Die Balanen galten bis vor Kurzem allgemein als sich selbst befruchtende
Zwitter. Dass indess wenigtens nicht in allen Fällen Selbstbefruchtung stattfindet,
wurde durch eine merkwürdige Beobachtung Darwin's bewiesen, der bei mehreren
i) Siehe Fritz Müller, Für Darwin. Leipzig 1864. S. 20. = Ges. Schriften S. 212 ff.
Ueber ßalanus armatus.
317
Baianus balanoides die Ruthe verstümmelt und geschlossen und nichts desto
weniger in deren Gehäusen wohlentwickelte Larven fand (Darwin, Balanidae S. loi).
Mir ist es schon lange zweifelhaft gewesen, ob überhaupt die Selbstbefruchtung
Regel sei. Wozu die oft den dreifachen Durchmesser des Gehäuses übertreffende
Länge der Ruthe, wenn dieselbe ausserhalb des Gehäuses nichts zu suchen hat?
— Einige neuerdings gemachte Beobachtungen haben mich in diesem Zweifel
bestärkt.
Man weiss, dass die Balanen sehr empfindlich gegen das Licht sind ^), dass
sie ihre Ranken sofort einziehen und den Deckel schliessen, sobald man z. B. mit
der Hand zwischen ihnen und dem Fenster hinfährt. Merkwürdig ist dabei, dass
einzelne Thiere viel scheuer, andere wieder dreister sind, dass erstere immer sich
länger geschlossen halten, letztere sich rascher hervorwagen und sogar an das in
regelmässigen Zwischenräumen wiederholte Vorüberfahren der Hand sich gewöhnen.
Aehnliche geistige Verschiedenheiten fand ich auch, beiläufig bemerkt, zwischen
den Thieren einer Gruppe von Eupomatus floribundus. — Als ich nun einmal,
diese Beobachtungen wiederholend, dem Spiele der Ranken einiger Baianus ar-
matus zusah, die ich frisch von Carijoa genommen und von ihrem Schwammüber-
zuge gesäubert hatte, sah ich, wie einer derselben plötzlich mit dem Schlagen der
Ranken aufhörte, sie einige Secunden unbeweglich und weit ausgespreizt hielt,
und wie während dessen die Ruthe sich zu äusserster Länge vorstreckte und wie
tastend oder suchend herumfuhr. Ich beunruhigte nun meine Thiere nicht weiter
mit dem Schatten der Hand, um wo möglich dieses neue Schauspiel sich wieder-
holen zu sehen, und in der That sah ich bald aufs Neue nicht nur bei diesem,
sondern noch bei drei oder vier anderen Thieren mehrmals dieselbe Erscheinung.
Ich legte nun diese brünstigen Thiere dicht nebeneinander, um ihnen eine gegen-
seitige Begattung zu erleichtern; allein so oft die langgestreckte Ruthe in den
Bereich der Ranken eines Nachbars kam, wurde sie von denselben hin- und her-
geschleudert, ohne dass dieser still hielt, um ihr Einlass zu gewähren. Darauf
untersuchte ich zwei der Thiere und fand den ganzen Ruthenkanal dicht mit
Samen gefüllt, aber bei beiden auch Eier, die bereits die Furchung durchgemacht
hatten, also einer Befruchtung nicht mehr bedurften. Bei einer solchen Füllung
der Ruthe hatte wohl, indem sie sich zu äusserster Länge ausdehnte. Same aus-
getrieben werden müssen (was ich auf einem weissen Teller nicht hatte sehen
können); zugleich war aber bei der Länge der meist in seitlicher Richtung sich
ausstreckenden Ruthe dieser Same dem durch die eigenen Ranken erzeugten
Strudel entzogen und nachbarlichen Thieren, die dessen bedürfen mochten, anheim-
gegeben worden. — Auffallenderweise habe ich die damals gleichzeitig an vier
oder fünf Thieren gemachte Beobachtung noch nicht wiederholen können, obwohl
ich mehrfach bei zahlreichen frischen Thieren mich danach umgesehen habe.
i) Die Empfänglichkeit der Balanen gegen Lichteindrücke ist nicht abhängig von den durch Leidy
entdeckten Augen. Ich hatte einen grossen Bai. tintinnabulum lebend aus seinem Gehäuse genommen und
von dem Deckel abgelöst, mit welchem die Augen in Verbindung blieben. Derselbe lag in einem Teller
mit Wasser mit halbentrollten Ranken. So oft ihn der Schatten der Hand traf, rollte er mit einer plötz-
lichen Bewegung die Ranken ein. Bei B. tintinnabulum sind die Augen sehr deutlich; bei B. armatus
habe ich sie noch nicht gefunden und die geringere Grösse der letzteren Art trägt daran nicht Schuld ; denn
auch bei kleineren B. tintinnabulum sind sie sehr leicht nachzuweisen.
3i8
Ueber Baianus armatus.
Die zweite Beobachtung, die zu beweisen scheint, dass zuweilen sogar eine
Befruchtung zwischen verschiedenen Arten von Baianus vorkömmt, ist die folgende:
Unter den an Carijoa erbeuteten Balanen, die ich nach dem ersten Anblicke als
B. improvisus var. assimilis bestimmt hatte, war mir einer (Fig. 2g) durch etwas
röthliche Färbung aufgefallen, wie ich sie sonst nie bei dieser unendlich häufigen
Art gesehen hatte. Als ich ihn näher ansah, fand ich statt der schmalen mit
einem gelblichen Häutchen bedeckten Radien des B. assimilis (wie ich im Fol-
genden der Kürze wegen statt B. improvisus var, assimilis sagen will) die wohl-
entwickelten glänzenden Radien des B. armatus mit ihrer eigenthümlichen Streifung.
Dabei war aber die Form der Mündung, das Ansehen der Schilder und der
Wände mit ihren durchscheinenden Streifen und den bei der röthlichen Färbung
doppelt deutlichen Querwänden ihrer Röhren ganz wie bei B. assimilis. Unter
Hunderten von B. armatus hatte ich nie entfernt ähnliche Wände, Mündung,
Schilder, unter ungezählten Tausenden von B. assimilis nie entfernt ähnliche
Radien getroffen ; — ich konnte nicht umhin, mir allen Ernstes die Frage vor-
zulegen, ob ich nicht einen Bastard der beiden Arten vor mir habe, deren Eigen-
thümlichkeiten hier so wunderbar vereinigt waren. Ich habe später noch drei
dieser vermuthlichen Bastarde getroffen; zwei derselben sassen wie der erste un-
mittelbar auf Carijoa, der dritte (Fig. 30) auf einem B. assimilis; umgekehrt sass
einem der anderen ein B. assimilis auf. Eine nähere Untersuchung dieser vier
Thiere ergab nun Folgendes:
Allgemeines Aussehen. In der Form der deutlich gezähnten Mündung
(Fig. 31), deren grösste Breite beinahe in die Mitte zwischen Kiel und Rostrum
fällt, in den durchscheinenden Streifen der glatten Wände und der eigenthüm-
lichen in Worten schwer wiederzugebenden Krümmung ihrer Ränder glichen alle
vier Thiere dem Bai. assimilis, in der Bildung der Radien, bis auf den etwas
schiefer verlaufenden Rand, dem Bai. armatus. Die Färbung war bei einem etwas
röthhch, bei den übrigen fast weiss, bei zweien im unteren Theile des Gehäuses
gelblich. Zufällig, in Folge ihrer Befestigungsweise, war bei allen die Basis weit
länger als breit und das Rostrum höher, bei einem über doppelt so hoch als
der Kiel.
Grösse. Mittel aus den Massen der vier Gehäuse: Länge der Basis 7,1 mm;
Breite derselben 3,7 mm; Länge der Mündung 4,3 mm; Breite derselben 3,4 mm;
Höhe des Rostrum 8 mm ; des Kiels 4,4 mm.
Scuta (Fig. 33. 34). Der Basalrand der Schilder hat über ^4 ^^^ Länge
des Schliessrandes und ist sogar länger als der Rückenrand ; auf der Aussenfläche,
die keine Spur von Gruben oder Längsstreifen zeigt, springen die Anwachsstreifen
nur massig vor; auf der Innenseite ist eine starke Adductorleiste vorhanden, die
nach oben mit der Gelenkleiste verschmilzt und nach unten fast bis zum Basal-
rande zu verfolgen ist. Die Grube für den depressor lateralis ist flacher und
mehr rundlich, als bei Bai. armatus Regel ist.
Terga (Fig. 35. 36). Die Rückenstücke sind wie die Schilder, denen des
Bai. assimilis weit ähnlicher als denen des Bai. armatus, und von ersteren kaum
durch den etwas breiteren Sporn verschieden. Sie sind breiter als bei Bai. ar-
matus; der Sporn, der noch nicht Vs der Breite der Basis einnimmt, ist fast um
seine eigene Breite vom Schildrande entfernt; eine flache Längsrinne nimmt
Ueber Baianus armatus.
3IQ
fast die ganze Breite des Spornes ein. Die Leisten für den depressor carinalis
sind sehr stark entwickelt und überragen den Basalrand.
Besonders neugierig war ich auf die Behaarung der Deckelstücken, da hierin
Bai. armatus und assimilis sehr von einander abweichen ; bei B. armatus stehen
kurze zarte Haare auf der Kielseite (Fig. 19), lange schlanke Haare auf der Schild-
seite (Fig. 20) der Rückenstücke, lange starke dicht gedrängte Haare (Fig. 21)
auf den Schildern; bei Bai. assimilis (Fig. 22) finden sich überall mit je i — 3 der
längeren zarten Haare abwechselnde kurze dicke Dornen. Ich war überrascht,
bei dem vermuthlichen Bastarde weder die eine noch die andere, noch auch eine
mittlere Bildung zu finden. Auf dem Rückenstücke (Fig. 37) standen zu beiden
Seiten der haarfreien Rinne ziemlich lange und zarte Haare; auf dem Schilde
waren dieselben kürzer, aber weder dicker noch gedrängter. Ich will bemerken,
dass ich diese Haare nur bei einem Thiere untersucht habe.
Stücke des Gehäuses. Die Stücke des Gehäuses, die sich bei Bai. as-
similis schon beim lebenden Thiere leicht auseinandernehmen lassen, hielten bei
dem einen (Fig. 29 gezeichneten) Thiere, wo ich sie trennte, selbst nach dem
Kochen in Kalilauge noch recht fest zusammen. Die Wände, von denen bereits
erwähnt ist, dass ihre ziemlich weiten Röhren im oberen Theile zahlreiche Scheide-
wände besitzen, sind innen in ihrer ganzen Länge längsgerippt. Der frei nach
unten vorspringende Rand der Scheide ist schmaler als bei Bai. armatus, aber
stärker entwickelt, als bei Bai. assimilis.
Mundtheile. Die Oberlippe glich bei dem einen Thier (Fig. 38) ganz
der von Bai. armatus; auch bei den anderen hatte sie jederseits nur drei Zähne;
aber bei zweien (Fig. 39) war der äussere Zahn weit von den anderen entfernt,
und bei dem vierten (Fig. 40) waren die beiden äusseren Zähne dicht zusammen-
gerückt und etwas von dem inneren entfernt; weder das Eine, noch das Andere
ist mir bei Bai. armatus vorgekommen, ersteres dagegen oft bei Bai, assimilis.
Von den zahlreichen Zähnchen, die bei Bai. assimilis die Ränder des mittleren
Einschnittes besetzt halten, war nichts zu sehen.
Die Kinnbacken (Fig. 41. 42) hätte man ebensowohl für die eines Bai.
armatus als eines Bai. assimilis halten können, da sie sich bei diesen beiden Arten
nicht erheblich unterscheiden.
An den Kiefern waren bei allen vier Thieren die mittleren Borsten kürzer,
als es bei Bai. armatus, länger, als es bei Bai. assimilis gewöhnlich ist (Fig. 43);
wie bei letzterer Art war mehr als die Hälfte des oberen Randes behaart.
Rankenfüsse. Erstes Paar: Der längere 19 — 22-gliedrige Ast war
bei drei Thieren etwa doppelt so lang, beim vierten nur um ^'4 länger, als der
kürzere, der bei zweien 14 Glieder hatte (bei den anderen 11 und 13). Eine so
grosse Gliederzahl ist mir bei Bai. armatus nicht vorgekommen ; bei Bai. assimilis
ist sie oft noch grösser (15 — 18). Bekanntlich sind bei letzterer Art die beiden
Aeste in der Regel fast gleich lang; doch habe ich auch bei ihr schon einen
Unterschied von 9 Gliedern (15 und 24) beobachtet.
Zweites Paar: 13 — 16 Glieder am äusseren, 12 — 13 am inneren Aste; bei
Bai. armatus 11 — 13 an jenem, 9 — 10 an diesem; bei einem Bai. assimilis, den ich
eben zur Hand habe, zähle ich 17 und 16.
•},Q Ueber Baianus armatus.
Drittes Paar (Fig. 45): Bei drei Thieren fand ich am äusseren Aste 13 — 16,
am inneren 12 — 14 Glieder: das vierte hatte auf einer Seite 13 und 12, auf der
anderen 21 und 20 Glieder; — Beborstung und Bewaffnung dieses Fusspaares
war bei allen vier Thieren die des Bai. assimilis; die Borsten an der Innenfläche
der Glieder waren sehr zahlreich (Fig. 45) und auf der Aussenseite fanden sich
nur gerade, meist aufwärts gerichtete kleine Dornen und Spitzchen (Fig. 46).
Viertes bis sechstes Paar: Die Beugeseite der oberen Glieder trug
am fünften und sechsten Paare der Rankenfüsse bei allen vier, am vierten bei
drei Thieren fünf Borstenpaare ; das vierte Thier hatte an den Gliedern des vierten
Fusspaares nur vier Borstenpaare. — Bei Bai. assimilis ist sechs die gewöhnliche
Zahl der Borstenpaare an den Gliedern der hinteren Ranken. Die Aussenfläche
der Glieder war am vierten Paare in ähnlicher Weise bewaffnet, wie am dritten.
Von dem starken Zahne, der bei Bai. armatus am Stiele des fünften Paares steht,
war bei keinem der vier Thiere eine Spur zu finden.
Ruthe wie bei Bai. armatus; bei Bai. assimilis ist dieselbe in der Regel
mit längeren und zahlreicheren Haaren besetzt.
Verwandtschaft. Der eben dargelegte Befund scheint mir keine andere
Annahme zuzulassen, als die, dass wirklich die vier Thiere Bastarde sind von Bai.
armatus und Bai. assimilis. — Wollte man sie nicht als solche gelten lassen, so
müsste man sie entweder als Abart, sei es des Bai. armatus, sei es des Bai. assimilis,
oder auch als eigene Art betrachten.
Nun aber haben bei B. armatus die Wände niemals durchscheinende Längs-
linien oder Querscheidewände in den sie durchziehenden Röhren, niemals fällt die
grösste Breite der Mündung fast in die Mitte zwischen Kiel und Rostrum; die
Schilder sind immer bedeutend schmäler; nie wurden die Grubenreihen der Aussen-
fläche vermisst, nie auf der Innenfläche eine bis nahe zum Basalrande zu ver-
folgende Adductorleiste gesehen; die Rückenstücke haben nie einen so schmalen
Sporn, nie eine Längsrinne, nie über den Basalrand vorspringende Leisten für den
musc. depressor; niemals wurden die starken gekrümmten Zähne an den Ranken
des dritten Paares, nie der starke Zahn am Stiele des fünften Fusspaares vermisst,
niemals mehr als vier Borstenpaare an den hinteren Ranken gefunden u. s. w.
Bei Bai. assimilis dagegen, einer hier so gemeinen Art, dass jede Scherbe,
jede Schuhsohle, jedes Tauende, das einige Zeit im Meere gelegen, von ihr bedeckt
ist, habe ich niemals eine ähnliche röthliche Färbung gesehen, wie sie einer der
vermuthlichen Bastarde zeigte, immer fand ich die Radien ganz schmal, mit dünnem
Häutchen bedeckt, niemals breit und glänzend; immer zwischen den Haaren der
Deckelstücke kurze Dörnchen (Fig. 22) und den Sporn schmaler; immer die Ober-
lippe mit zahlreichen (Fig. 22 — 28) Zähnen besetzt, und bei den freilich nicht
sehr zahlreichen Thieren, die ich dieser Tage darauf angesehen, fand ich immer,
wenigstens an einigen Gliedern der hinteren Ranken sechs Borstenpaare, anderer
kleinerer Unterschiede nicht zu gedenken.
Man sieht, die Unterschiede von der einen wie von der anderen Art sind
zu bedeutend für eine blosse Abart ; sie würden bedeutend genug sein, um unsere
Thiere als eigene Art zu betrachten, wenn dem nicht andere Bedenken entgegen-
ständen. Balanen-Arten pflegen nie, wo sie einmal vorkommen, so vereinzelt auf-
zutreten, dass man im Laufe eines Monats nicht mehr als vier Stück sollte zu-
Ueber Baianus armatus.
321
sammenbringen können ^). Und wie wunderbar wäre es, wenn zwischen Bai. ar-
matus und Bai. assimilis am Stamme von Carijoa noch eine dritte Art sich an-
siedelte, die in so eigenthümlicher Weise zwischen beiden die Mitte hielte, wie
unsere Thiere es thun, die fast in Allem, wodurch sie sich von Bai. assimilis ent-
fernen, in der Färbung des einen Gehäuses, in der festeren Verbindung seiner
Stücke, in der Bildung der glänzenden gestreiften Radien, im Baue der Ober-
lippe, übereinstimmen mit Bai. armatus, die fast in Allem, wodurch sie sich von
armatus entfernen, in der Bildung der Wände, der Mündung, der Deckelstücke
u. s. w., übereinstimmen mit Bai. assimilis und wieder in andern Verhältnissen,
wie in der Zahl der Borstenpaare an den hinteren Ranken, genau zwischen beiden
in der Mitte stehen.
Nach alledem scheint es mir das Einfachste und Natürlichste, die über-
raschende Mischung der Merkmale von Bai. armatus und assimilis, die unsere
Thiere zeigen, aus einer wirklichen Mischung zu erklären, dieselben also als Bastarde
der beiden Arten zu betrachten.
Warum aber, wird man bei dieser Annahme fragen müssen, sind Bastarde
von Balanen nicht ungemein häufig, wenn sie überhaupt vorkommen ? Die ver-
schiedenen Arten pflegen ja so gewöhnlich sich mit- und durcheinander anzu-
siedeln, dass man nicht selten drei und mehr Arten in derselben Gruppe vereinigt
findet. — Ich kann darauf nur mit Vermuthungen antworten. Um Bastarde von
Pflanzen zu erzielen, muss man die Narbe sorgfältig gegen den Blüthenstaub der
eigenen Art abschliessen ; wird auf die Narbe zugleich Blüthenstaub der eigenen
und einer anderen Art gebracht, so bleibt letzterer wirkungslos. In ähnlicher
Weise mag bei Thieren, wenn auf das Ei gleichzeitig Same der eigenen
und einer anderen Art einwirkt, letzterer wirkungslos bleiben. Wo nun ver-
schiedene Baianusarten in Menge beisammen sitzen, wird den Eiern nie Same der
eigenen Art fehlen, also keine Bastarderzeugung stattfinden. Eine solche wird
nur eintreten können, wenn die Eier eines Thieres nur mit Samen einer fremden
Art in Berührung kommen. Dies konnte nun leicht der Fall sein bei einem ver-
einzelten Bai. assimilis, der sich in ein Carijoagebüsch verirrt hatte und hier, tief
versteckt, nur von Bai. armatus umgeben war. — Ist diese Erklärung richtig, so
würden unsere Bastarde aus durch Samen des Bai. armatus befruchteten Eiern
des Bai. assimilis hervorgegangen sein.
Eine weitere Frage, welche diese Bastarde anregen, ist die, warum dieselben
von Bai. assimilis gerade die Bildung der Wände, der Deckelstücke, der Ranken
u. s. w., von Bai. armatus gerade die Bildung der Radien, der Oberlippe u. s. w.
angenommen haben. — Man wird sagen können, dass die nur quergestreiften
Schilder, die schwach bewehrten Ranken des Bai. assimilis, dass die breiten glatten
Radien, die sechszähnige Oberlippe des Bai. armatus sich weniger von dem in
der Gattung gewöhnlichen Verhalten entfernen, als die tiefgrubigen Schilder und
die mächtigen Zähne an den Ranken des Bai. armatus, als die schmalen haut-
i) Ich kann nicht genau sagen, unter welcher Zahl von Bai. armatus die vier Bastarde gefunden
wurden, da ich eine grosse Menge der ersteren verbraucht habe, ohne sie zu zählen; es mögen etwa 400
gewesen sein. Einen Monat oder länger habe ich täglich, so oft das Meer nicht zu bewegt war, an dem
Carijoafelsen getaucht und an den heraufgeholten Polypen nicht selten mit einem Male 30 bis 40 Balanen
erbeutet.
Fritz Müllers gesammelte Schrilten. 21
5 22 Ueber Baianus armatus.
bedeckten Radien, und die mit 22 — 28 Zähnen besetzte Oberlippe des Bai. assimilis.
Aehnliches gilt von der einförmigen Behaarung der Deckelstücken. Damit aber
ist der Tatbestand nur unter einen gemeinsamen Gesichtspunkt gefasst und nicht
erklärt. Darüber hinaus wird man, wie gewöhnlich, so auch hier ohne Darwin's
Lehre von der Entstehung der Arten kaum kommen können. Betrachtet man
aber die Arten einer Gattung als Abkömmlinge einer gemeinsamen Urform und
sieht dabei in Uebereinstimmung mit einer bekannten Erfahrung der Gärtner
ihre verschiedenen Eigenthümlichkeiten als um so besser befestigt, als um so
weniger veränderlich an, je früher sie erworben wurden, je länger sie sich schon
unverändert fortgeerbt haben, so wird begreiflich, dass vor allen fest die schon
der Urform eigenen Merkmale haften und dass diese daher bei Kreuzung zweier
Arten sich leichter auf den Mischling übertragen werden, als später erworbene
Eigenthümlichkeiten von Vater oder Mutter.
Man wird von diesem Gesichtspunkte aus, glaube ich, manche Eigenthüm-
lichkeiten der Bastarde erklären können und umgekehrt vielleicht in manchen
Fällen von der Form der Bastarde auf die Urform der Gattung zurückschliessen
dürfen, letzteres natürlich nur mit grosser Vorsicht; denn schon die Thatsache,
dass die von Männchen der einen mit Weibchen einer anderen Art erzeugten
Mischlinge nicht übereinstimmen mit den von Männchen der zweiten mit Weibchen
der ersten gezeugten, liefert den Beweis, dass noch andere Umstände bei der
Gestaltung der Mischlinge in Betracht kommen.
Desterro, im Februar 1865.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXX, XXXI und XXXII.
Taf. XXX. Fig. i — 28 sind mit Ausnahme von Fig, 22 von Baianus armatus, die
folgenden mit Ausnahme von Fig. 32 von einem Bastarde dieser Art und des Baianus
improvisus var. assimih's Darw. entnommen.
Fig. I — 13. Baianus armatus und zwar i — Q und 13 von Carijoa. Fig. 2 sitzt dem
Rostrum eines anderen B. armatus, Fig. 5 der Spitze eines Carijoazweiges auf. Fig. 13
zeigt dasselbe Thier, A von der Kielseite, B in seitlicher Ansicht. Fig. 10 von einem
Felsen; der einspringende Winkel der Basis ist bedingt durch die umliegende Schale einer
kleinen Miesmuschel. Fig. 11 u. 12 aus einem mit Reniera aquaeductus Schmidt ver-
wandten Schwämme. In allen diesen Figuren, wie in Fig. 29 u. 30 bedeutet c Carina,
r Rostrum.
Fig. 14. Umriss der von oben gesehenen Mündung des Gehäuses.
Fig. 15. Schild von aussen (mit besonders grossen Gruben und entfernten An-
wachsstreifen).
Fig. 16. Ein anderes (besonders breites) Schild von innen.
Fig. 17. 18. Rückenstück von aussen und von innen.
Fig. 19 — 21. Borsten der Deckelstücke, nach Behandlung derselben mit Säure, und
zwar Fig. 19 von des Kielseile, Fig. 20 von der Schildseite des Rückenstücks. Fig. 21
vom Schilde.
Fig. 22. Borsten vom Rückenstücke eines Baianus improvisus var. assimilis.
Fig. 23. Oberlippe von Baianus armatus.
Fig. 24. Kinnbacken.
Fig. 25. 26. Untere Ecke zweier anderen Kinnbacken.
Fig. 2-]. 28. Kiefer.
Fig. 29. Bastard von Bai. armatus und Bai. improvisus, einem Carijoastamme auf-
sitzend. Von diesem Thiere sind Fig. 31, 33 — 38, 41 — 43 entnommen.
Ueber Baianus armatus.
323
Fig. 30. Ein zweiter Bastard, dem Kiele eines Bai. improvisus var. assimilis auf-
sitzend, der seinerseits an Carijoa sass. Von diesem Tiiiere ist Fig. 3g entnommen.
Fig. 31. Umriss der von oben gesehenen Mündung des Gehäuses von dem Bastard
Fig. 30.
Fig. 32. Umriss der Mündung von Bai. improvisus var. assimilis.
Fig. 33. 34. Schild von aussen und von innen.
Fig. 35. 36. Rückenstück von aussen und von innen.
Fig. 37. Borsten von den Anwachsstreifen des Rückenstücks.
Fig. 38 — 40. Oberlippe von drei verschiedenen Thieren.
Fig. 41. Kinnbacken.
Fig. 42. Untere Ecke desselben.
Fig. 43. Kiefer.
Fig. 44. Vorderer Ast des dritten Paares der Rankenfüsse von Bai. armatus, von
innen, weshalb nur die den Rand überragenden Zähne sichtbar sind.
Fig. 45. Derselbe Ast von dem Bastard, von aussen.
Fig. 46. Neuntes Glied vom äusseren Ast des dritten Fusspaares, von einem grossen
Baianus armatus, von aussen.
Fig. 47. Zehntes Glied vom äusseren Ast des vierten Fusspaars, von B. armatus,
von aussen.
Fig. 48. Zweites Stielglied des fünften Fusspaares von B. armatus.
Fig. 49. Siebentes Glied vom äusseren Ast des dritten Fusspaares, von dem Bastard,
von aussen.
Fig. 50. Dasselbe Glied von einem Bai. improvisus var. assimilis, von aussen.
Fig. 51. Zehntes Glied vom äusseren Aste des vierten Fusspaares, von Baianus
improvisus var. assimilis, von aussen.
Flg. 52. 53. Senkrechter Durchschnitt des Gehäuses von Tetraclita porosa, um die
Wirkung der Musculi depressores zu erläutern. Auf den Sporen ist durch einen Punkt
die Stelle angedeutet, um welche die Muskeln den Deckel drehen; in Fig. 52 sind die
depressores tergi, in Fig. 53 die depressores scuti zusammengezogen.
Fig. 54. 55. Kittröhren aus der Basis von zwei in Reniera angesiedelten Baianus
armatus. R Rand der Basis, a , a" , a" , b' , b" , b'" blinde Ausläufer ; a b' sind die
ältesten, a" b'" die jüngsten derselben.
Fig. 56. Carijoa rupicola, zum Theil von einem gelben Schwämme überzogen und
mit Baianus armatus besetzt.
Fig. 57. Kalknadeln dieses Polypen.
Notizen über die Geschlechtsverhältnisse
brasilianischer Pflanzen ^).
Aus einem Briefe an Friedrich Hildebrand.
Wir sind hier sehr reich an dimorphen Pflanzen (Er3^throxylon, Villarsia,
Plumbago, Statice, Cordia und namenüich eine Menge von Rubiaceen : Hedyotis,
Borreria, Manettia u. s. w.) und trimorphe Arten bietet uns die Gattung OxaHs
eine ganze Zahl. Unsere hiesigen Lythrarieen dagegen (Nesaea, Cuphea) scheinen
alle monomorph zu sein. Zu Versuchen an diesen Pflanzen bin ich bis jetzt noch
nicht gekommen.
Durch Ihr Buch (Die Geschlechtervertheilung bei den Pflanzen — der Brief
ist an F. Hildebrand gerichtet) erhielt ich die erste Kunde von John Scott's
Versuchen an Oncidium; ich selbst habe im letzton Sommer zahlreiche Versuche
an hiesigen Vandeen angestellt und wie Scott gefunden, dass z. B. bei Oncidium
flexuosum, micropogon, unicorne u. a. sowie bei verschiedenen Arten von Notylia,
Gomeza, Stigmatostalix und Burlingtonia Bestäubung mit Staubmassen desselben
Stockes nie Befruchtung zur Folge hat, während stets Frucht angesetzt wird,
wenn man Staubmassen eines fremden Stockes anwendet. Das Merkwürdigste
bei dieser Sache scheint übrigens Scott übersehen zu haben: Staubmassen und
Narbenflächen desselben Stocks wirken bei diesen Arten als tödliches Gift auf
einander — am raschesten bei Notylia, wo gar keine Schiauchbildung eintritt
und schon nach etwa zwei Tagen die Staubmassen durch und durch schwarz sind
und ebenso die Narbenfläche, und bald darauf die Blüthen abfallen. In anderen
Arten beginnt erst nach 7 — 8 Tagen, nachdem schon lange Schläuche vorhanden,
eine Bräunung auf der Grenze zwischen Blüthenstaub und Narbe aufzutreten. —
Staubmassen einer fremden Art scheinen nie, auch wenn sie nicht befruchtend
wirken, eine ähnliche giftige Wirkung zu haben.
Die Eigenthümlichkeit vieler Orchideen, erst lange nach der Bestäubung und
lange nachdem die Schläuche des Blüthenstaubes bis zum unteren Ende vor-
i) Botanische Zeitung 1868. Bd. 26. Sp. 113 — 116.
Notizen über die Geschlechtsverhältnisse brasilianischer Pflanzen. t2S
gedrungen, ihre Eichen zu entwickeln — die, wie ich von Darwin höre, auch
von Ihnen beobachtet wurde (s. Bot. Ztg. 1863) — scheint den Vandeen und
Epidendreen sehr allgemein zuzukommen; es ist mir hier noch keine Pflanze aus
diesen beiden Gruppen vorgekommen, die zur Blüthezeit schon wohlentwickelte
Eichen hatte. Bei einem auch sehr merkwürdigen hiesigen Epidendrum (bei
welchem die seitlichen Antheren ebenfalls fruchtbar sind und ihre Staubmassen
auf die Narbe fallen lassen, Selbstbefruchtung bewirkend, während die Staub-
massen der sonst allein entwickelten mittleren Anthere wie gewöhnlich nur durch
Insekten entfernt werden können) werden die Eichen erst etwa Y2 Ja-hr nach der
Blüthezeit reif zur Befruchtung,
Noch leichter als bei den Lobeliaceen könnte man bei Scaevola sich zu dem
Irrthum verleiten lassen — und auch ich bin demselben bei meiner ersten Be-
kanntschaft mit der Pflanze nicht entgangen — dass hier Selbstbestäubung un-
vermeidlich, Fremdbestäubung unmöglich sei; in der der Reife nahen Knospe
bildet das sogenannte Indusium einen weit über den Narbenkopf vorspringenden
Becher mit gewimpertem Rande, der durch die Staubbeutelröhre hindurchwächst,
dabei allen Blüthenstaub in sich aufnimmt, und dann nach dem Oeffnen der
Blüthe sich schliesst. Beim Aufbrechen der Blüthen sind also die Staubbeutel
leer und der Blüthenstaub findet sich am Ende des Griffels in einem wohl-
verschlossenen Behälter angehäuft. Später wird durch den über das Indusium
hinauswachsenden Narbenkopf der Blüthenstaub aus diesem Behälter vorgeschoben.
In welcher Weise die Bestäubung zustande kommt, habe ich leider nicht ermitteln
können, da die Pflanze nicht in der Nähe von Desterro wächst und in meinem
Garten nicht gedeihen wollte.
Noch bevor ich Ihre Versuche an Corydalis cava kennen lernte, hatte ich
ähnliche Beobachtungen an Eschscholtzia gemacht. Es findet hier nothwendig
Selbstbestäubung statt, aber weder der Staub derselben Blume, noch überhaupt
desselben Stockes bewirkte jemals Befruchtung. Die Pollenschläuche schienen in
diesem Falle nie tief in das Narbengewebe einzudringen, — Ein hübscher Ver-
such, den ich öfter gemacht, ist, dass man auf eine der beiden langen Narben
derselben Blume Staub desselben, auf die andere Staub eines fremden Stockes
bringt. Geschieht dies früh, sobald die Blumen sich öffnen, so sieht man meist
noch an demselben Tage, ehe sie sich wieder schliessen, dass letztere Narbe sich
zu erheben beginnt, erstere in unveränderter Stellung verharrt. Tags darauf steht
die mit fremdem Staube versehene Narbe senkrecht, die mit Staub des eigenen
Stockes bestreute ist wagerecht geblieben. — Da Eschscholtzia hier nicht heimisch
ist, weiss ich nicht, ob die Unfruchtbarkeit mit eigenem Pollen wirklich der Art
als solcher zukommt, oder bei meinen Pflanzen nur durch die Uebersiedelung in
in ein neues Klima bedingt ist.
Ich vermuthe nach mannigfachen beiläufigen Beobachtungen, dass diese Un-
fruchtbarkeit mit Blüthenstaub desselben Stockes, wie sie nun schon für Corydalis
cava, für viele Oncidien und andere Vandeen, und wenigstens als individuelle
Eigenthümlichkeit für Eschscholtzia durch Versuche festgestellt ist, namentlich
unter den Monocotyledonen eine weite Verbreitung besitzt, und hoffe bald weitere
J2t) Notizen über die Geschlechtsverhältnisse brasilianischer Pflanzen.
Versuche hierüber anstellen zu können. — Vielleicht bringen manche exotische
Pflanzen in den europäischen Gärten und Gewächshäusern nur deshalb keine
Früchte, weil alle Exemplare des Gartens nur Theilstufen desselben Stockes sind.
Mit dieser Vermuthung will ich natürlich nicht in Abrede stellen, dass in vielen
anderen Fällen die veränderten Lebensbedingungen Schuld der Unfruchtbarkeit
sind. Eine wahrscheinlich schon durch die ersten Ansiedler von den Azoren
oder Portugal eingeführte Petersilie trägt hier, in nicht sehr verschiedenem Klima,
reichlich Samen, während man seit Jahren hier vielfach Petersilie aus deutschen
Samen gezogen hat, ohne dass dieselbe, übrigens kräftig wachsend, je auch nur
eine einzige Blüthe oder Frucht gebracht hätte.
Sa. Catharina, 12. September 1867.
Befruchtungsversuche an Cipö alho (Bignonia)^).
Die Provinz Santa Catharina ist reich an kletternden Bignoniaceen (Bignonia,
Haplolophium, Amphilophium). Mehrere derselben pflegen reichlich zu blühen,
alle aber setzen sehr selten Frucht an , und von einigen der gewöhnlichsten
blüthenreichsten Arten habe ich noch nie eine Frucht gesehen. Die Blüthen
werden fleissig von verschiedenen Kerfen (Käfern, Wanzen, Hummeln) besucht,
und häufig wird von denselben die Narbe mit Blüthenstaub versehen. So habe
ich von einem grossen Stocke eines Amphilophium, der in meiner Nachbarschaft
während des letzten Sommers über vier Monate lang reichHch blühte, ohne eine
einzige Frucht zu bringen, — zahlreiche ältere Blüthen untersucht, und in allen
zwischen den geschlossenen Lippen der Narbe Blüthenstaub gefunden, der kurze
Schläuche getrieben hatte.
Mangelnder Besuch die Bestäubung vermittelnder Kerfe konnte also nicht,
wie es bei einigen hiesigen Orchideen der Fall ist, die Ursache des seltenen Frucht-
tragens sein. Es war vielmehr zu vermuthen, dass auch die Bignonien in die Reihe
der Pflanzen gehören würden, welche, unfruchtbar mit ihrem eigenen Blüthenstaube,
zur Fruchtbildung der Bestäubung mit Blüthenstaube eines anderen Stockes ihrer
Art bedürfen ^).
Zwei reichlich blühende Stöcke einer durch den starken Knoblauchsgeruch
ihrer Stengel ausgezeicheten Bignonia („Cipo alho" der Brasilianer), die an einem
vor mehreren Jahren abgeholzten, jetzt mit niederem Gebüsch und Farrnkraut
(Pteris) bewachsenen Hügel in der Nähe meines Hauses wachsen, boten mir
Gelegenheit, einige Versuche zur Entscheidung dieser Frage anzustellen.
Die Narbe der Bignonien bildet bekanntlich zwei breite Lippen , die im
jungfräulichen Zustande weit klaffen, aber sofort sich schliessen, sobald Blüthen-
staub auf dieselben gebracht wird. Man braucht daher bei Befruchtungsversuchen
weder die Staubbeutel der zu bestäubenden Blüthen zu entfernen, noch bedarf
man sonstiger Vorkehrungen, um der späteren Einwirkung anderweitigen Blüthen-
staubes vorzubeugen. Dies gewährt nicht nur eine namentlich für Versuche an
wildwachsenden Pflanzen werthvoUe Erleichterung, sondern auch den Vortheil,
dass das Ergebniss der Versuche durch keinerlei störende Eingriffe beein-
trächtigt wird.
Erster Versuch. Am 8. und 9. Januar bestäubte ich an dem einen Stocke
(A) 5, an dem anderen (B) 2 Blüthen mit ihrem eigenen Blüthenstaube; ferner
1) Botanische Zeitung 1868. Bd. 26. Sp. 625—629.
2) Veigl. Darwin, Variation of Animals and Plauts under domestication. 1868. Vol. II. S. 131.
T28 Befruchtungsversuche an Cipö alho.
am Stocke (Aj 9, am Stocke (B) 2 Blüthen mit Blüthenstaube desselben Stockes,
aber von verschiedenen Blüthen; endlich 9 Blüthen von (A) mit Blüthenstaub
von (Bj und 5 Blüthen von (B) mit Blüthenstaub von (A). Am Nachmittag des
10. Januar waren die Blumenkronen aller bestäubten Blüthen abgefallen; die
Griffel waren frisch und hatten natürlich geschlossene Narben, während an un-
bestäubten Blüthen auch nach dem Abfallen der Blumenkrone die Lippen der
Narbe noch klaffen.
Am 17. Januar waren alle mit eigenem oder mit Blüthenstaub desselben
Stockes bestäubten Blüthen abgefallen ; ebenso einige der mit dem anderen Stock
gekreuzten Blüthen. Die übrigen zeigten schwellende Fruchtknoten.
Am 25. Januar waren auch diese Blüthen sämmtlich abgefallen, bis auf eine
einzige des Stockes (B), bei welcher der Fruchtknoten zu dreifacher Länge des
Kelches herangewachsen war.
Am 2. Februar hatte die junge Frucht 0,04 m Länge ^) bei 0,02 m Breite,
— am II. Februar 0,08 m Länge bei 0,04 m Breite, — am 7. März 0,092 m
Länge bei 0,048 m Breite, und damit, wie es scheint, ihre volle Grösse erreicht.
Zweiter Versuch. Am 18. Januar wurden am Stocke (A) 4 Blüthen mit
Blüthenstaub desselben Stockes, 6 Blüthen mit Blüthenstaub des Stockes (B) bestäubt.
Am 25. Januar waren die ersteren Blüthen sämmtlich, von den letzteren 3
abgefallen ; auch die drei übrigen waren am 2. Februar abgefallen.
Dritter Versuch. Am 2. Februar wurden am Stocke (A) 6 Blüthen mit
Blüthenstaub desselben Stockes, 6 mit Blüthenstaub von (B); am Stocke (B) wurde eine
Blüthe mit Blüthenstaub desselben Stockes, eine mit Blüthenstaub von (A) bestäubt.
Am 4. Februar waren abgefallen die mit Blüthenstaub desselben Stockes be-
stäubte Blüthe von (B) und eine der in gleicher Weise bestäubten Blüthen von (A).
Am II. Februar fanden sich noch 5 der mit (B) gekreuzten Blüthen am
Stocke (A) und hatten frische Fruchtknoten; ausserdem war noch eine der mit
Blüthenstaub desselben Stockes bestäubten Blüthen vorhanden, fiel aber ab bei
leiser Berührung.
Am 14. Februar waren von den 5 eben erwähnten Blüthen noch 2 vor-
handen; ihre Fruchtknoten erschienen nicht merklich geschwollen.
Am 22. Februar war von diesen 2 Blüthen noch eine abgefallen; der Frucht-
knoten der letzten überlebenden war soweit gewachsen, dass er den Kelchrand
zu überragen begann.
Am 7. März war diese Frucht 0,046 m lang, 0,024 m breit, und bis zum
22. März hatte sie ungefähr die Grösse der Frucht des Stockes (B) erreicht.
Vierter Versuch. Am 4. Februar wurden 3 Blüthen des Stockes (A) mit
Blüthenstaub eines dritten in der Nähe wachsenden Stockes (C) versehen.
Am II. Februar fielen zwei dieser Blüthen bei leiser Berührung ab, die
dritte wurde nicht gefunden, wahrscheinlich war sie schon sammt dem Faden
mit dem sie gezeichnet war, abgefallen.
Fünfter Versuch. Am 22. März wurden 5 Blüthen des Stockes (B) mit
Blüthenstaub eines vierten in grösserer Entfernung mitten im Urwalde wachsenden
Stockes (D) bestäubt.
i) Im Original steht 0,04 Mm, ebenso noch 7 mal in diesem und dem 9. folgenden Absatz. Es ist
stets m dafür gesetzt worden.
Befruchtungs versuche an Cipo alho. ^2Q
Am 3. April hatten sämmtliche fünf Blüthen junge, den Kelchrand bereits
überragende Früchte entwickelt.
Sechster Versuch. Am 9. Januar wurden 10 Blüthen des Stockes (A) und
6 Blüthen des Stocke (B), und am 19. Januar wurde eine Blüthe des Stockes (A)
mit Blüthenstaub eines Amphilophium bestäubt. Bei mehreren wurde ein be-
ginnendes Schwellen des Fruchtknotens beobachtet, und sie blieben meist länger
sitzen, als die mit Blüthenstaub desselben Stockes bestäubten Blüthen. — Alle
indess, mit Ausnahme einer einzigen des Stockes (B), fielen im Laufe der ersten
beiden Wochen ab.
Der Fruchtknoten dieser einen Blüthe hatte während der ersten Woche
(bis zum 17. Januar) etwa gleichen Schritt gehalten mit den mit Blüthenstaub von
(A) bestäubten Blüthen des Stockes (B) ; aber schon am 25. Januar war die eine
Frucht, welche die letzteren Blüthen lieferten, zu dreifacher Länge des Kelches
herangewachsen, während die erstere, mit Amphilophium gekreuzte, kaum zur
Hälfte aus dem Kelche hervorsah, und seit dieser Zeit hat sich dieselbe merk-
würdiger Weise in völlig unverändertem Zustande erhalten. Sie ist nicht mehr
gewachsen, ist aber immer noch — ein Vierteljahr nach der Bestäubung! —
frisch und glänzend grün, obwohl viel zu klein, um auch nur einen einzigen
Samen zu enthalten. —
Fassen wir das Ergebniss der Versuche kurz zusammen.
Es wurden an 2 Stöcken 29 Blüthen mit Blüthenstaub desselben Stockes
(von denselben oder von verschiedenen Blüthen) bestäubt. Alle fielen nach kurzer
Zeit ab. An denselben beiden Stöcken wurden 30 Blüthen mit Blüthenstaub
anderer in der Nähe wachsender Stöcke bestäubt. Nur 2 Früchte entwickelten
sich, aber die meisten Blüthen hafteten länger am Stocke, als im vorigen Falle,
und viele zeigten ein beginnendes Schwellen des Fruchtknotens,
Endlich wurden 5 Blüthen eines Stockes mit Blüthenstaub eines entfernt
wachsenden Stockes bestäubt. Alle fünf setzten Frucht an.
Die vollständige Unfruchtbarkeit mit eigenem, die vollkommene Fruchtbar-
keit mit fremdem Blüthenstaube, wie sie im ersten und dritten Falle sich zeigte,
hatte ich erwartet. Die äusserst geringe Fruchtbarkeit aber, die sich im zweiten
Falle bei Kreuzung dreier nachbarlich wachsender Stöcke herausstellte, war im
hohen Grade auffallend. Sind die drei nachbarlich wachsenden Pflanzen etwa
Sämlinge derselben Mutterpflanze, vielleicht selbst aus Samen derselben Frucht
entsprossen und wegen zu naher Verwandtschaft so unfruchtbar? Oder sind sie
an gleicher Stelle, unter gleichen Lebensbedingungen wachsend, einander so
ähnhch geworden, dass der Blüthenstaub der einen kaum mehr auf die andere
wirkt, als deren eigener Blüthenstaub? Oder umgekehrt, sind sie etwa nur
früher verbundene Theilstücke, Schösslinge eines einzigen Stockes, die durch
jahrelanges unabhängiges Leben einen geringen Grad gegenseitiger Befruchtimgs-
fähigkeit erlangt haben ? — Oder endlich, war es nur ein neckischer Zufall, dass
bei Kreuzung der Nachbarstöcke von 30 Blüthen nur 2, dass dagegen alle mit
fernher gebrachtem Blüthenstaube bestäubten Blüthen Frucht ansetzten ? — Für
jetzt wage ich keine der verschiedenen Möglichkeiten als die wahrscheinlichere
zu bezeichnen.
Itajahy (Santa Catharina, Brazil), April 1868.
Ueber Befruchtungserscheinungen bei Orchideen^).
Aus einem Briefe an Friedrich Hildebrand.
In Ihrem Aufsatze über Fruchtbildung der Orchideen erwähnen Sie der
der Gattungen Catasetum und Acropera, und bezeichnen Darwin's Ansicht,
dass dieselben getrennte Geschlechter sind, als des experimentellen Beweises be-
dürftig (mit den betreffenden Worten hat aber nicht die Richtigkeit von Darwin's
Ansicht bezweifelt werden sollen. H.). — An Catasetum mentosum habe ich im
December 1866 mehrfache Versuche angestellt. Pollinien von demselben oder
von einem anderen Stocke, auf die Narbe von Catasetum gebracht, erweichen,
zerfallen in Vierlingsgruppen von Pollenkörnern und beginnen Schläuche zu
treiben, bewirken aber kein Wachsthum des Fruchtknotens. In einem Falle sah
ich die bestäubten Blüthen ein wenig früher welken, als die unbestäubtcn. —
Merkwürdig ist und spricht auch für die männliche Natur von Catasetum, dass
die Blüthen etwa 2 Tage nach Entfernung der Pollinien zu welken beginnen,
während benachbarte Blüthen, die ihre Pollinien noch haben, völlig frisch
bleiben ! — Die Monachanthus-Form, mit Pollinien von Catasetum bestäubt, bringt
riesige Früchte. — Der zu Catasetum mentosum gehörige Monachanthus hat noch
eine I-Clebscheibe und ein elastisches Füsschen, und hat auch kleine Pollinien,
aber die Anthere öffnet sich nicht, die Pollinien bleiben eingeschlossen, treten nie
in Verbindung mit dem Füsschen, und können somit nie von Insekten entführt
werden. Auf die Narbe von Catasetum gebracht (was aber in der Natur un-
möglich ist, nicht nur wegen des Eingeschlossenseins der Pollinien, sondern auch
weil die Narbe von Catasetum nicht klebrig ist), treiben sie Schläuche; ob sie
etwa auch Fruchtbildung veranlassen können, habe ich noch nicht beobachtet.
Auffallend ist, wie die Pollenkörner dieser verkommenen PoUinien unter einander
in Grösse und Gestalt verschieden sind. (Nach Darwin's Theorie erklärlich,
weil sie der Controle der natürlichen Auslese entbehren.)
An Acropera hat Darwin selbst, wir er mir schrieb, sich von der Irrigkeit
seiner früheren Ansicht überzeugt. Ich habe die Gattung hier noch nicht gefunden,
aber zwei Arten von Cirrhaea, bei denen ebenfalls die Narbe nur einen sehr
engen Querspalt bildet, häufig bestäubt; es lässt sich nur das Ende der langge-
streckten Pollinien in den engen Spalt einführen, dieses aber sehr leicht; das
i) Botanische Zeitung. 1868. Bd. 26. Sp. 629 — 631.
Ueber Befruchtungserscheinungen bei Orchideen. 7 7 I
PoUinium steht in fast ganzer Länge hervor, aber nichts destoweniger findet
man es am nächsten Tage tief in dem Griffelkanal. Dicht hinter der engen
Eingangsspalte erweitert sich nämlich der Griffelkanal trichterförmig und ist hier
mit losem, feuchtem Gewebe gefüllt. In dieser feuchten Umgebung schwillt das
eingebrachte Ende des Polliniums und muss daher in den unteren, weiteren Theil
des Kanals vordringen. Nachdem das ganze Pollinium eingeschlüpft ist, wirkt
die Anschwellung der Säule, die den oberen Theil des Kanals schliesst, gleich-
falls mit, das Pollinium weiter hinabzutreiben. — Eine ähnliche Anschwellung der
Säule, in Folge deren sich die Narbenkammer im Laufe des ersten Tages oder
wenig später Schliesst, findet sich als erste Wirkung des Pollens fast bei allen
Vandeen, und es scheint, dass Pollinien jeder beliebigen Art diese Wirkung auf
die Narbe jeder beliebigen anderen ausüben können.
Das Schwinden der Pollenschläuche der Orchideen kurz nach der Befruchtung,
das Sie, gegenüber R, Brown's Ansicht, dass dieselben noch zur Zeit der
Fruchtreife vorhanden seien, bei allen von Ihnen untersuchten Arten beobachteten,
dürfte doch vielleicht nicht allgemeine Regel sein. Ich meine in wenigen Fällen
die sechs Stränge noch in der reifen Frucht gesehen zu haben, kann mich aber
leider nicht entsinnen, bei welcher Art.
Ist es Ihnen bei Ihren Bastardirungsversuchen an Orchideen nicht auf-
gefallen, dass der Embryo der bastardirten Samen oft in Form und Grösse be-
deutend vom Typus der Mutter sich entfernt? (ich habe auf diesen Punkt nicht
Acht gegeben. H.). — Mir schien es in mehreren Fällen, als gliche der Embryo
dem der väterlichen, die Samenhülle derjenigen der mütterlichen Art. Besonders
auffallend war mir folgender Fall: die Samen von Epidendrum cinnabarinum
haben einen langen, fadenförmigen Stiel, durch dessen ganze Länge sich ein aus
mehreren Zellenreihen bestehender Embryoträger hinzieht; nun hatte ich eine
Frucht durch Bestäubung von Cattleya Leopold! mit Ep. cinnabarinum erhalten.
Sie enthielt nur äusserst wenige Samen, aber diese von höchst sonderbarem Aus-
sehen : der lange Embryostiel des Epidendrum war in der kurzen Samenhülle der
Cattleya auf die wunderlichste Weise hin- und hergebogen oder zusammen-
geknäult (es wäre dies wiederum ein Beweis für den direkten Einfluss der
Bastardirung auf die durch sie erzeugte Frucht. H.)
Excursionsberichte aus Südbrasilien ^)^).
Wir brachen am 27. April bei Tagesanbruch auf und marschirten der
Mündung des Itajahy zu. Der Weg führt bald in der Nähe des Flusses hin, bald
entfernt er sich davon, grössere Krümmungen desselben abschneidend; — bald
durch Weideland, bald durch Zuckerrohr oder Mandiocapflanzungen, selten durch
ein Stückchen Urwald. Vom Flusse aus steigt das Land ziemlich steil empor,
bald in einer Flucht, bald stufenförmig — in unserer Gegend etwa 30 Fuss, —
und senkt sich dann wieder ein wenig nach dem Fusse der Berge zu, die bald
dicht an den Fluss herantreten, bald, namentlich weiter unten, bis stundenweit
davon entfernt sind. In letzterem Falle pflegt die Senkung zwischen dem Fluss-
rand und dem Fusse der Berge sumpfig zu sein.
An dem Zustande des Weidelandes, das mit Zäunen von Palmenlatten oder
mit Hecken von stachligen Acacien oder Citronen umgeben ist, konnten wir
meist mit ziemlicher Sicherheit die Nationalität der Besitzer erkennen ; eine saubere,
glatte Grasfläche gehörte sicher einem Deutschen, bei Brasilianern war das Gras
oft völlig überwuchert von einer Malvacee mit kleiner gelber Blüthe (Mata pasto,
Weidetödter) und von allerlei Buschwerk, namentlich einer Cassia. ■ — Hie und da
war die Weide zu einem förmlichen Walde junger Guyavenbäume geworden, an
denen wir leider nur noch äusserst wenige Früchte fanden. — Häufig trafen wir
weiter unten am Flusse, in Hecken und am Waldrande eine kletternde Amaran-
tacee (Chamissoa), mit reifenden Früchten. Die Blüthen stehen in grossen losen
Rispen und sind ganz unansehnlich; später aber färbt sich die Blüthenhülle leb-
haft roth und die Pflanze bildet nun eine wahre Zierde der Hecken, noch mehr
aber, wenn die Samen reif sind, wie wir sie beim Heimwege trafen ; sie erscheinen
dann als weisse Perlen in den rothen Rispen. (Der Samen ist schwarz, aber von
einem weissen Arillus umhüllt). An einigen Stellen ist das Flussufer von einem
undurchdringlichen Walde eines schönen Grases eingefasst (Canna brava, d. h.
wildes Rohr oder Uba; Gynerium?), das dem Zuckerrohr ähnlich, aber viel höher
ist und auf hohen Stielen grosse Rispen kleiner Blüthen trägt. — Zu Mittag
hatten wir in einem deutschen Wirthshause am Gaspar gegessen, unser Nacht-
quartier schlugen wir in einer brasilianischen Venda auf, der Mündung eines der
bedeutendsten Zuflüsse des Itajahy, des lAiiz Alves, gegenüber. — Es wurde hier
1) Aus Briefen an seinen Bruder, Hrn. H. Müller zu Lippstadt, datirt Itajahy, ii. u. i8. Juni 1868.
2) Flora 1869. p. 337—348 und 353—364-
Excursionsberichte aus Südbrasüien. -2-jt
Reis ausgedroschen; in der Mitte der unter freiem Himmel befindlichen Tenne
war ein starker Pfosten aufgestellt, an welchen 2 Pferde gebunden waren; ein
Negerbursche bestieg ein drittes und trieb die beiden anderen um den Pfosten
herum. — Nachdem wir unser stark mit Cuminho (Muttcrkümmel) gewürztes
Hühnerfricassee verzehrt hatten, streckten wir uns auf eine Rohrmatte nieder.
(28. April). Einige Gäste, die schon lange vor Tage zu Canoe nach dem
Luiz Alves aufbrachen, machten auch uns munter und beim ersten Morgengrauen
traten wir unsern kurzen Tagemarsch nach der Mündung des Flusses an. Der
Weg wandte sich bald vom Flusse nach den hier durch ein breites Sumpfland
davon getrennten Bergen und führte erst an deren Fusse hin, dann durch das
Sumpfland hindurch dem Flusse wieder zu. Die spärlichen Bewohner trafen wir
beim Einernten des Reises beschäftigt.
Statt unserer Gissara-Palme (von den Deutschen gewöhnlich Palmitto genannt),
mit schlankem weissem Stamm und glänzend grünen zweizeilig gefiederten Blättern
wächst, im Sumpflande die Giriva (gewöhnlich Coqueiro) mit dickerem Stamme
und buschigen Blättern, deren Fiedern nach allen Seiten von der Mittelrippe
abstehen. Auch trafen wir häufig den gleichfalls sumpfliebenden zierlichen
Schlingfarn (Lygodium), von dem ich Dir^) einmal einige Blättchen schickte. Es
ist merkwürdig, wie die wenigen Gattungen der durch ihre Sporangienbildung
so eigenthümlichen Gruppe der Schizaeaceen (Aneimia, Schizaea, Lygodium —
die 4te Gattung Mohria kenne ich nicht) sich in ihrem Habitus weiter von einander
entfernen, als irgend zwei Arten der Tausende von Arten zählenden Gruppe der
Polypodiaceen. Beides, die Vereinzelung der Gruppe und die grosse Verschieden-
heit der wenigen Formen, weist auf dieselbe Ursache hin. — ein massenhaftes
Aussterben von Mittelformen. — Längs des Weges war rechts und links der
Urwald 10 Klafter breit niedergehauen, um dem Wege mehr Luft und Licht zu
verschaffen. Jetzt war an dessen Stelle über mannshohes Gebüsch gewachsen,
das in dem Sumpflande grossentheils aus Compositae bestand (Baccharis u. a.).
Sehr häufig war eine Baccharis (vielleicht B. triptera), die Johannes ^j, als er sie
zuerst ohne Blüthen sah, für einen Cactus ansah, und deren blattloser mit 3 breiten
Flügeln eingefasster Stengel in der That einer Rhipsalis ähnlich genug sieht.
Ich sah hier zum ersten Male eine ausnahmsweise Blätter tragende Pflanze dieser
Art. Wir bewunderten die Blüthenpracht einer hier äusserst häufigen Mela-
stomacee (Pleroma), die über und über mit grossen, dunkelblauvioletten Blüthen
bedeckt war.
Gegen 1 1 Uhr erreichten wir den Itajahy-mirim oder kleinen Itajahy (den
kleinen Fluss, wie er hier gewöhnlich heisst); nachdem uns der Fährmann lange
hatte warten lassen, ruhten wir jenseits in einem deutschen Wirthshause während
des Mittags aus, um dann nach der ein kleines Stündchen entfernten Villa do
Itajahy weiter zu gehen. Das Flussufer ist hier niedrig, das Land flach, sandig
und sumpfig, und der Pflanzen wuchs verräth die Nähe des Meeres, Am Fluss-
ufer ein strauchiger Hibiscus mit grossen gelben Blumen, in sumpfigen Gräben
ein schönes wohlriechendes Crinum und ein grosser Farn (Chrysodium), im Gebüsch
1) seil. Hern. H. Müller zu Lippstadt.
2) Neffe des Verf. und Begleiter auf der Tour.
■2-iA ExcursLonsberichte aus Südbrasilien.
ein Hedyosmum (Chloranthacee) mit weissen beerenartigen Früchten und eine
Norantca (Marcgraviacee) mit sonderbaren becherförmigen Bracteen an den
Blüthenstielen.
Der Itajahy erweitert sich vor seiner Mündung zu einem weiten Hafen, der
durch eine von Norden her vorspringende schmale flache Landzunge vom Meere
geschieden ist. Südlich vor der Mündung ist ein schroffes Felsufer. — Die kleine
Villa bietet mit ihren weissen Häusern, meist Kaufläden, einen recht freundlichen
Anblick; die Umgegend freilich ist ziemlich öde und bietet nicht einmal Trink-
wasser, das vom Nordufer geholt werden muss.
Auf dem Wege vom Kleinen Fluss zur Villa fanden wir reife Früchte einer
auch hier nicht seltenen Schlingpflanze mit holzigem Stamme (eine Dilleniacee,
vielleicht Curatella '), hier „Cipo pao" genannt). Die Früchte öffnen sich in sehr
eigenthümlicher Weise. Sie springen in Meridianrichtung auf etwa ^4 des Um-
fanges auf, dann löst sich die Schale noch etwa zur Hälfte vom Fruchtboden
los, und jede der beiden Klappen erhält dann noch einen Sprung von unten nach
oben. So entstehen zwei breite, innen scharlachrothe Flügel, deren jeder am
Ende einen von schneeweisser saftiger Hülle umschlossenen Samen trägt.
(29. April). In der Nacht hatte es stark geregnet und noch am Morgen
regnete es schwach, so dass wir erst ziemlich spät unsere Reise fortsetzen konnten.
Vom Itajahy führte unser Weg südwärts, meist in geringer Entfernung von der
Küste hin. Die Küste bildet eine Reihe felsiger Vorgebirge, zwischen denen
Buchten mit sandigem Strande sich mehr oder weniger tief landeinwärts biegen.
An diese schliessen sich dann sandige oder sumpfige Niederungen an.
Nachdem wir einen ersten Berg überstiegen hatten, kamen wir in die sandige
Ebene der Praia brava. In dem tiefen weissen Sande wächst nur dürftige Man-
diocca (und dazwischen im Sommer Wassermelonen). In dem Gebüsche am Wege
herrschte eine Dodonaea mit schmalen weidenähnlichen Blättern vor, die immer
schlechten Boden anzeigt. Weiterhin wurde das Land hügelig, mit feuchten Thälern
dazwischen, und hier trafen wir zum ersten Male in grösserer Menge die prächtige
Indaia-Palme, deren Stamm selten eine bedeutende Höhe erreicht, während die
aufsteigenden Blätter von riesiger Grösse sind (man sagt fast 30 Fuss, doch habe
ich sie nicht selbst gemessen). Von einer etwas grösseren Höhe stiegen wir dann
zum Strande des Meeres nieder, dem wir etwa Yg Stunde lang bis zur Mündung
des Cambriü folgten. An der Fluthgrenze krochen weithin im Sande eine weisse
und eine rothe Ipomoea und eine Schmetterlingsblume, die in Blüthenfarbe und
Blattform der letzteren Ipomoea auffallend glich. Dazwischen häufig Acicarpha
mit stachligen Blüthenköpfchen, unsere einzige Pflanze aus der kleinen Familie
der Calycereen, der nächsten Verwandten der Compositae. Weiter oben folgte
dann ein Gürtel stachliger Bromeliaceen (Dyckia?).
Während wir den Fährmann erwarteten, der uns vom flachen Nord- an das
hohe Südufer des Cambriü bringen sollte, fingen wir einige kleine Krabben (Ge-
lasimus), die im Uferschlamme ihre Löcher hatten. — Am Südufer des Cambriü
bilden einige schmutzige Kramläden und andere Häuser eine elende Ortschaft.
Etwa eine Stunde jenseit derselben kamen wir an den Fuss des durch seinen
I) ist vielmelir Doliocarpus, und wahrscheinlich D. grandiflorus Mart. Redact.
Excursionsberichte aus Südbrasilien.
335
schlechten Weg berüchtigten Morro do Boi (Ochsenberg). Das nächtliche Regnen
und Nässein während des Tages hatten den rothen Thonboden gewaltig schlüpfrig
gemacht, und das Aufsteigen auf dem steilen Wege mit zahlreichen Steinen und
Drecklöchern und überhängenden Buschwerk war keineswegs angenehm ; aber
noch schlimmer war das Hinabsteigen auf dem steileren Südabhange. Die Maul-
thiere und Pferde hatten hier, wie überall auf schmutzigen Wegen, eine eigen-
thümliche Art Treppen gebildet; jedes Thier tritt in die Tapfen seines Vorgängers
und so entstehen allmälig tiefe schlammgefüllte quere Löcher, durch quere Wülste
festeren Thones geschieden, von denen man bei nassem Wetter nur zu leicht in
die Schlammkessel abgleitet. Wir hatten zu viel auf den Weg zu achten, um
viel nach dem Urwalde um uns blicken zu können ; doch fanden wir auf dem
Gipfel des Berges ein prächtiges Exemplar eines Catasetum, das wir uns für den
Rückweg hinter einer dicht am Wege stehenden Palme verwahrten. Dasselbe
hatte eine über fusshohe Aehre mit ziemlich weit entwickelten Knospen, die schon
als männliche zu erkennen waren ; von den den männlichen Blüthen eigenthüm-
lichen schlangenzahnförmigen Anhängen der Säule (den „Antennen" Darwin's)
war aber noch keine Spur zu sehen. — Jenseits des Morro do Boi hatten wir
noch zwei kleinere minder unwegsame Berge zu übersteigen, ehe wir an den
Strand von Porto Bello kamen. Der Weg führte häufig nahe am Meere hin und
war reich an wundervollen Aussichten. — Auf Felsen am Wege fanden wir das
hübsche Epidendrum cinnabarinum in Blüthe, eine der häufigsten Ochideen der
Insel Sa. Catharina, die sich aber nie weit von der Küste zu entfernen und hier ^)
ganz zu fehlen scheint. Dasselbe scheint von der prächtigsten unserer Erd-
orchideen zu gelten, die wir ebenfalls blühend trafen; sie hat grosse rothe wohl-
riechende Blumen, die denen von Vanilla ähnlich sind (Vanillidium n. gen. mihi).
In der Nähe des Strandes liegt eine kleine jämmerliche Venda, in der wir
Nachtquartier suchen mussten, da die Sonne sich zum Untergange neigte.
Hier, soweit wir das Innere sehen konnten, die Beschreibung des 30 Palmen
(zu 8 Zoll) langen, 26 Palmen tiefen Hauses: Die Thüre führt in den 11 Palmen
breiten, 15 Palmen tiefen Laden. Vor dem Ladentisch ein 6 Palmen breiter
Raum, in dem rechts an der Wand eine niedrige Holzbank. -- Auf dem Tisch
links hinter dem Ladentisch stehen ein paar Kästen, Seife, Lichter, Knöpfe u. dgl.
enthaltend , und verschiedene Blechbüchsen , darunter einige Korbflaschen mit
Schnaps. — An der Wand gegenüber dem Ladentisch ein paar Fässer mit
Mandiocamehl, Mais und einige Fässer, vielleicht mit Salz. An der Hinterwand,
aus deren aus senkrechten und wagrechten Palmenlatten gebildeten Gitterwerk
der Lehm fast vollständig herausgefallen war, befanden sich einige Pfund Pulver
in Blechbüchsen und trockenes Fleisch. Der ganze Werth der vorhandenen
Waaren mochte kaum 20 Milreis übersteigen. — Als wir eintraten, sprangen uns
ein paar Jungen entgegen, deren einziger Anzug in einem schmutzigen zer-
schlissenen Hemde bestand, und die sich seit Wochen nicht gewaschen und in
ihrem Leben noch nicht gekämmt zu haben schienen. Kaum sauberer sah die
Hausfrau aus, die uns Nachtquartier gewährte und Abendbrod zuzubereiten ver-
sprach. Bald erschien auch der Hausherr, Senhor Damiäo, hinkend und schiel-
i) seil, zu Itajahy.
336
Excursionsberichte aus Südbrasilien.
äugig, der leer vom Fischfang heimkehrte und ein langes Verhör über Woher
und Wohin anstellte. Einige fabelhaft zerlumpte Neger kamen, einen Schnaps
zu trinken oder Kautabak zu kaufen. Als es dunkel wurde, erschien ein Talg-
licht, das durch einige Tropfen geschmolzenen Talges auf eine Blechbüchse
befestigt, aber wiederholt von den tobenden Jungen heruntergestossen wurde.
Zum Abendbrod wurden auf den Ladentisch eine Pfanne mit Eiern, eine Schüssel
mit Mandiocamehl, Kaffee und Zucker gesetzt. Dann wurde uns eine schmutzige
Rohrmatte, dito Laken, Kopfkissen und Wolldecke gereicht, mit denen wir unser
Lager in dem Raum vor dem Ladentisch auf der glücklicherweise ziemlich
trockenen Erde herrichteten. — Nachdem wir uns hingelegt, belustigte sich
Johannes damit, durch eine der zahlreichen Spalten der Wand dem Abendessen
unserer Wirthe zuzusehen und später liess Senhor Damiäo seine Sprösslinge eine
endlose Zahl von Padre nosso's und Ave Maria's herbeten, was so stockend ging,
dass es jedenfalls nicht tägliche Praxis war, sondern nur geschah, um den Gästen
seine Frömmigkeit zu zeigen.
(30. April). Sobald der Regen, mit welchem der Tag anbrach, nachliess,
machten wir uns auf und beschrieben zunächst einen Halbkreis längs des sandigen
Strandes des Busens von Porto hello. Nachdem wir über den Pereque gesetzt,
wandten wir uns landeinwärts. Von Pereque bis Tijuccas dehnt sich eine meist
fruchtbare Ebene aus, zwischen der und dem Meere die bergige Halbinsel von
Porto hello liegt. Unser Weg führte an dem westlichen Fusse dieser Berge hin,
durch Ansiedlungen, deren Ansehen zum Theil Wohlhabenheit verrieth. Rechts
hatten wir meist schönes Weideland, auf dem hie und da prächtige, über manns-
hohe Büsche eines Philodendron (Aroidee) mit grossen fiederspaltigen Blättern
standen. Das Nässein, dass uns fast ununterbrochen begleitete, verwandelte sich
ab und zu in stärkeren Regen, so dass wir in den Häusern am Wege Schutz
suchen mussten, und endlich erreichte uns ein ziemlich anhaltender Platzregen,
der uns ziemlich durchweicht hatte, ehe wir in einen grossen Schuppen flüchten
konnten, in welchem die Trümmer eines Zuckergeschirrs herumlagen.
Von Bobos bis Tijuccas führte unser Weg durch die hier sumpfige Niederung.
Hier sah ich zum ersten Male in Brasilien ein Equisetum, und fand einen Strauch,
dessen von weisser saftiger Hülle umschlossene Samen nicht aus der geöffneten
Frucht herausfielen. Am Nordufer des ziemlich ansehnlichen Tijuccasflusses zieht
sich eine volkreiche Villa hin, von Kaufleuten und Handwerkern bewohnt, — Ein
deutscher Schneider hat hier ein gutes Wirthshaus, in das wir heisshungrig ein-
fielen, da wir seit unserem aus Kaffee und Mandiocamehl bestehenden Frühstücke
nur einige Bananen genossen hatten und durch den Regen unsere Ankunft bis
lange nach Mittag verzögert worden war.
Am Ufer des Tijuccas wächst ein riesiges Eryngium, das wir auch am
Biguassü wiedersahen, mit über mannshohen schilfartigen Blättern. Merkwürdig,
dass so viele Pflanzen der verschiedensten Familien, Gräser, Riedgräser, Typha,
Kalmus, Ranunculus Lingua u. s. w. am Rande der Gewässer dieselbe Schilfform
annehmen ! —
(i. Mai). Ein frischer Landwind hatte den Regen verscheucht und kein
Wölkchen am Himmel gelassen. Auf dem Wege zur Ueberfahrtsstelle über den
Tijuccasfluss fanden wir ein den deutschen Arten ganz ähnliches Hypericum in
Excursionsberichte aus Südbrasilien.
337
Blüthe und jenseits, wo der Weg noch eine Strecke am Ufer hinführte, eine mehrere
Fuss hohe strauchartige Mimosa mit reizbaren Blättern. In einer vertrockneten
Hibiscusblüthe fing ich einen Käfer, der mich sehr überraschte, da ich von der
Existenz der sonderbaren Gattung nichts vvusste; die Maxillen desselben waren
nämlich fadenförmig und ragten bis über das Ende des Hinterleibes hinaus. Nach
meiner Rückkehr sah ich aus Gerstäckers Zoologie, dass das Thier zu der weit-
verbreiteten und selbst in Südeuropa vertretenen Gattung Nemognatha gehört. —
Vom Flusse führt der fast immer an Drecklöchern reiche Weg quer durch das
sumpfige Uferland. An diesem Wege hatte ich wiederholt während meiner früheren
stets im Sommer unternommenen Reisen eine Hippocrateacea in Blüthe gefunden ;
jetzt trafen wir sie endlich mit Früchten, grossen runden Beeren, die von süssem
Schleim umhüllte Samen einschliessen und allein die Gattung Salacia (oder Tontelea)
von Hippocratea unterscheiden , welche aufspringende Kapseln und geflügelte
Samen besitzt. Ein ähnliches Verhältniss besteht zwischen den in Wuchs und
Blüthenbau vollständig übereinstimmenden Gattungen Paullinia einerseits, Serjania
und Urvillea andererseits. Offenbar sind in diesen Fällen die der Verbreitung
der Samen einerseits durch die Vögel, andererseits durch den Wind dienenden
Einrichtungen verhältnissmässig sehr neuen Ursprungs, und das scheint über-
haupt sehr häufig der Fall zu sein. Merkwürdig ist, dass selbst in der Familie
der Compositae, die seit alter Zeit ihre für die Verbreitung durch den Wind
unübei treffliche Federkrone besitzen, neuerdings eine Gattung (Wulffia) Beeren-
früchte zu bilden begonnen hat. (Eine Wulffia kommt am Morro do boi vor,
wo wir uns aber dies Mal vergebens danach umsahen). Nachdem wir das sumpfige
Uferland von Tijuccas hinter uns hatten, überstiegen wir eine Reihe niederer
Berge, die Morretes, von denen wir öfter herrliche Aussichten aufs Meer, nach
den Bergen von Porto-bello und der Insel Avoredo hin hatten. — In der Nähe
der Morretes fanden wir die Zäune am Wege überrankt von einer allerliebsten
scharlachrothen Winde (Quamoclit), die durch eine beginnende Unregelmässigkeit
ihrer Blumen bemerken swerth ist. Die Blumenröhre ist etwas gebogen und die
Staubfäden treten alle dicht an der oberen gewölbten Seite aus der Röhre hervor.
— Wir hatten dann ein Thal mit tiefem weissen Sande zu durchwaten, um zu
einem zweiten höheren Berge, dem Morro do Mafra zu gelangen, von dem wir
zum ersten Male die Berge von Sa. Catharina erblickten. — Jenseits des Morro
do Mafra hatten wir rechts vom Wege niedere Hügel, an denen der Weg hin
und her, auf und nieder bog, links unter uns tiefes Sumpfland, das sich zum
Inferninho hinzieht. Dieser verdient mehr den Namen eines Sumpfcanals, als
eines Flusses, ist nur schmal und fast stagnirend. Wir überschritten ihn auf einer
hölzernen Brücke, den umgebenden Sumpf auf einem guten Steindamm, und
erreichten gegen Mittag den Fuss der zwischen Inferninho und Tijuquinhas auf-
steigenden Berge. Hier wohnt seit etwa ^4 Jahren ein Deutscher, Daniel Schneider,
der früher am Itajahy, meinem jetzigen Hause gerade gegenüber wohnte und jetzt
in Inferninho einen Kramladen hat. Bei ihm hatten wir uns vorgenommen, den
Rest des Tages zu bleiben, um die benachbarten Sümpfe auszubeuten. Allein
wir fanden fast die ganze zahlreiche Familie krank am Wechsel fieber, das einige
schon seit Monaten nicht lös wurden. Unsere sonst so blühende Nachbarin sah
aus, wie aus dem Grabe gestiegen. Ebenso, hörten wir, solle es in allen Häusern
Fritz Müllers gesammelte Schriften. -2
338
Excursionsberichte aus Südbrasilien.
bis S. Miguel hin aussehen. Wir haben während des ganzen letzteren, zum Theil
recht nassen Sommers, nicht Einen ordentlichen Landwind gehabt, der die Aus-
dünstungen der sumpfigen Niederungen von Inferninho u. s. w. hätte wegfegen
können, und das mag die Veranlassung zu dieser so anhaltenden und ausgedehnten
Epidemie gegeben haben. Ich hielt es unter diesen Verhältnissen nicht für
gerathen, dicht am Sumpfe, und nicht für angenehm, unter einem Haufen kranker
schreiender Kinder zu übernachten, und so brachen wir nach einer gehörigen
Mittagsruhe wieder auf, und erreichten gegen Abend, jenseits des unbedeutenden
Tijuquinhas und nahe dem Meeresufer, ein „Wirthshaus für Reisende" wie die
deutsche Aufschrift sagte, welches kürzlich ein italienischer Kaufmann eingerichtet
hatte. Auch hier litt Alles mehr oder weniger am Wechselfieber.
(2. Mai). Der Weg von Tijuquinhas bis Biguassü führt dicht am Meere
hin, das hier wie ein grosser Binnensee erscheint, umschlossen von den malerischen
Bergen der vorliegenden Insel Sa. Catharina. Meist steigen die Berge unmittelbar
vom felsigen Ufer auf; in der Nähe der unbedeutenden Villa de S. Miguel ist
sandiger Strand. Die Küste ist ziemlich dicht von einer meist armen Fischer-
bevölkerung bewohnt. Die Berge reichen bis an den Biguassü, über den eine
hübsche neue Brücke führt und an dessen Südufer wieder eine sumpfige, jetzt
von Wechselfieber heimgesuchte Niederung beginnt. In dieser ist der kletternde
Sumpffarn (Lygodium) sehr häufig. — Einige verkrüppelte Bäume im Sumpfe
waren dicht mit Orchideen bedeckt, Brassavola fragrans, Cattleya amethystina^
Epidendrum triandrum m. , und PleurothaUis- Arten, fast ausschliesslich auf die
Nähe der Küste beschränkte Arten. Etwa eine Stunde von Biguassü hatten wir
eine sonderbare Brücke zu passiren, die vor kaum Jahresfrist gebaut worden,
deren Pfeiler aber schon ein Hochwasser eingerissen hatte, so dass jetzt nur noch
das Geländer mit einigen die rechte und linke Seite verbindenden Balken im
Wasser schwamm. Ein Brett war von jedem Ufer schief hinab nach dem Ge-
länder, ein zweites an jedem Ende von einer Seite des Geländers zur andern
gelegt. Wir überschritten glücklich diese schmale schwankende Brücke und
stärkten uns dann im Hause eines Deutschen durch ein kräftiges Frühstück, Von
hier aus diente uns meist der Sand des Strandes als Weg, nur einigemal wurden
weiter vorspringende Vorgebirge oder Landzungen abgeschnitten. In der Nähe
der Meerenge drängen sich die bis dahin zerstreuten Häuser dichter in eine
Strasse zusammen, in der man tiefen losen Sand zu durchwaten hat. In diesem
Sande wuchert Vinca rosea und in den Zäunen am Wege blühten zwei Pflanzen,
die ich sonst nirgends gefunden habe, eine behaarte weisse Winde (Ipomoea) und
ein Plumbago, das vielleicht mit Schiffsballast eingeführt worden ist; denn, wie
ich kürzlich erfuhr, ist es eine indische Art, die Plumbago zeylanica. Auch eine
andere an der Erde hinkriechende Winde (Evolvulus) mit zierlichen kleinen
Blättchen und weissen Blumen habe ich bis jetzt nur auf den Felsen zu beiden
Seiten der Meerenge (Estrato) gesehen.
Eine leichte Brise trieb das Fährboot rasch über die Meerenge; drüben
wuschen wir unsere Füsse, zogen seit Monaten einmal wieder Strümpfe und Schuhe
an und marschirte.n dann, gegen 3^/3 Uhr, in die Stadt Desterro ein.
Der 3. Mai war Sonntag und ich konnte so erst am 4. verschiedene Geschäfts-
gänge in der Stadt abmachen und erst am 5. setzten wir unsere Reise fort.
Excursionsberichte aus Südbrasilien.
339
(5. Mai). Wir setzten wieder von der Stadt nach dem Festlande über und
folgten nun der Strasse, die die Küste mit dem Hochlande von Lages verbindet;
es ist die belebteste Strasse der Provinz, denn einmal liefert uns Lages Schlacht-
vieh und Pferde, und dann müssen alle Waren, deren die Bewohner des Hoch-
landes bedürfen, auf Maulthieren hinaufgeschafft werden. Man begegnet daher
nicht selten Schaaren (Tropas) von Maulthieren, oder auch Heerden von Pferden
oder Rindvieh. Vor letzterem muss man sich hinter die Zäune am Wege, oder
in Wald oder Gebüsch zurückziehen. — Nachdem wir einige Hügel überstiegen,
kamen wir in ein sandiges Uferland, die Praia comprida („langer Strand"). Es
wohnen hier ziemlich viele, vor langer Zeit eingewanderte Deutsche, die fast voll-
ständig zu Brasilianern geworden sind. Wir sahen hier ein ansehnliches Feld
rings mit Pitta (Fourcroya) eingefasst, die meist ihre riesigen Blüthenschäfte (20
bis 30' hoch) getrieben hatte. — Die Häuserreihe der Praia comprida setzt sich
fort bis zur Stadt Säo Jose; es ist ein unbedeutender todter Ort, der sich längs
der hier hügeligen und felsigen Küste hinzieht. — Vom Maruim, über den (wie
über mehrere ihm folgende Gewässer) eine gute steinerne Brücke führt, dehnt
sich wieder bis zum Cubatäo ein sandiges und sumpfiges Uferland aus, das bei
hoher Fluth zum grossen Theil unter Wasser kommt, wie der Pflanzenwuchs und
mehrere nackte Schlammflächen verriethen. In den Gräben längs des Weges liefen
zahllose Sumpfkrabben (Cyclograpsus) umher. Am Wege wuchsen Salicornia,
Statice, und Sesuvium, und als Gesträuch Laguncularia, Schinus, Myrsine u. s. w.
— Noch bevor wir den Cubatäo erreichten, wandten wir uns, dem Thale dieses
Flusses folgend, landeinwärts. Links hatten wir den südlich vom Cubatäo bis ans
Meer herantretenden hohen Bergzug des Cambirela, rechts die die Thäler des
Cubatäo und Maruim scheidenden Berge mit dem steilen Abhänge der Pedra
branca. — Etwa zwei Stunden, bis zu unserer Mittagsstation im Hause eines
deutschen Sattlers, blieb das Thal völlig eben. Die Pflanzenwelt bot eben nichts
Besonderes; ziemlich häufig war eine hübsche weisse Passiflora, die jetzt wohl-
schmeckende, aber kleine Früchte trug. — Weiterhin begann das Land sich zu
heben, der Weg führte über einige unbedeutende Hügel ; bei guter Zeit erreichten
wir unser Nachtquartier beim Schmidt Hard.
(6. Mai). Bei Tagesanbruch ging es weiter, zunächst dem am Ufer des
Cubatäo liegenden Kirchdorf (Freguezia) S. Amaro zu. Dann hatten wir ein paar
ansehnliche Berge zu übersteigen und zwischen ihnen ein fruchtbares Thal (Vargem
grande) zu durchwandern und einen grossen Bach zu durchwaten, um endlich von
der Strasse nach Lages abzubiegen, den Cubatäo auf einer neuen Brücke zu über-
schreiten und das Gebiet der Colonie Theresopolis zu betreten, deren Stadtplatz
wir in der Mitte des Nachmittags erreichten. — Wir hatten auf diesem Wege
mancherlei bei uns nicht wachsende Pflanzen getroffen. So eine grosse Nessel
(Urtica) mit weissen Beeren; sie gehört, wie unsere beiden Nesseln, von denen
die eine (am Flussufer) mennigrothe, die anderen auf vielverästelten purpurrothen
Stielen milchweisse Beeren trägt, zur Untergattung Urera; alle drei sind strauch-
artig. Dann eine prachtvolle kletternde Cassia mit grossen goldgelben Blüthen
(die Gattung ist hier reich an Arten, von denen wir 7 bis 8 auf unserer Reise
sahen); eine Hydrocotyle mit vierzipfeligen Blättern, zwei hübsche Lycopodien,
eine Begonia mit grossen, unten dunkelrothen Blättern u. s. w.
340
Excursionsberichte aus Südbrasilien.
(7. — 10. Mai). Die nächsten Tage benutzten wir zu kleinen Spaziergängen
in der Nähe des Stadtplatzes der Colonie. Am 8. kam der Direktor der Colonie,
Todeschini, von einer Reise nach Desterro zurück, und holte uns aus dem Wirths-
hause, in dem wir abgestiegen waren, in sein eigenes Haus, wo wir ganz vor-
treffliches Quartier, und an unserem liebenswürdigen Wirth, einem früheren öster-
reichischen Offiziere, die angenehmste Gesellschaft fanden. Auch meine anderen
Thercsopolitaner Bekannten wurden in diesen Tagen aufgesucht, der Ingenieur
der Colonie Heeren und der katholische Pastor Roer, Landsmann und naher
Bekannter meines Universitätsfreundes Anton Karsch in Münster. Der letztere
nimmt lebhaftes Interesse an Naturwissenschaften und besuchte mich, so oft er
nach Desterro kam, obwohl man ihn auf der Seereise von Europa herüber vor
mir gewarnt hatte als einem schrecklich gottlosen Menschen, der nicht einmal
seine Kinder taufen lasse.
Die Colonie Theresopolis ist vor etwa 8 Jahren gegründet worden, auf einem
Gebiet, wie man es für Landbau nicht schlechter hätte wählen können. Steile
steinige Berge reichen meist bis ans Ufer des Cubatäo und der einmündenden
Bäche. Dabei liegt die Colonie schon so hoch über dem Meere, dass Zuckerrohr
und Mandioca nicht mehr gedeihen. Dagegen wachsen vortreffliche Kartoffeln.
Nur die Nähe der Stadt Desterro, wo die Leute für Butter, Hühner, Eier, Schmalz,
auch wohl Speck und Wurst, für Kartoffeln, Mais, schwarze Bohnen guten Absatz
finden, macht das Bestehen der Colonie möglich. Doch liegen viele der Anfangs
vertheilten Grundstücke, nachdem die Besitzer sich darauf zum Theil jahrelang
gequält, jetzt wieder wüste. Die Bewohner sind nach dem zur Colonie gehörigen
Capivary, zum Theil auch hieher gezogen. Es sind meist Solinger, Westfalen
und Holsteiner.
(11. Mai). Mit Tagesanbruch machten wir uns auf, um am rechten Ufer
des Cubatäo aufwärts zu gehen. Derselbe ist hier ein rasch fliessendes Gewässer,
das über kleineres und grösseres Gerolle dahinrauscht. Die Anlage des meist
guten Weges hat gewaltige Mühe gekostet, da er auf lange Strecken aus dem
harten Thonschiefer der steilen Bergwände hat herausgehauen und gesprengt
werden müssen. Er führte durch theils bewohnte, theils verlassene Ansiedlungen
und oft auf lange Strecken durch Wald. Wir sahen am Wege mehrere Sträucher
von Mate oder Paraguaythee, der an einzelnen Stellen der Colonie S. Isabel sehr
häufig sein soll und auch hier am Itajahy einzeln vorkommt, dann eine schöne
kletternde Fuchsia, einen allerliebsten Farn Ceropteris, dessen Wedel auf der
Unterseite mit goldgelbem Staube bedeckt sind, und ein Galium, das unter den
deutschen Arten dem G. Aparine noch am meisten ähnlich sieht, aber mennig-
rothe Beeren trägt. Ein Seitenthal führte uns an den Fuss des hohen Berges,
der die Wasserscheide zwischen dem Cubatäo und dem Capivary bildet. Letzter
ist etwa 2 Tagereisen von seiner Quelle abwärts von Deutschen bewohnt; dann
folgt ein Wasserfall, unterhalb dessen er schiffbar und von Brasilianern bewohnt
ist. Er geht in den Tubaräo, der bei der Stadt Laguna mündet. — Der Weg,
von Deutschen angelegt, unterscheidet sich durch sein allmäliges Ansteigen sehr
vortheilhaft von brasilianischen Bergwegen und war jetzt, bei trockenem Wetter,
vortrefflich. Zur Rechten hatten wir oft steile Abhänge von mehreren hundert
Füssen. — Bei einer kürzlichen Wegebesserung waren eine Menge Bäume gefällt
Excursionsberichte aus Südbrasilien. 74^1
worden, die uns eine sehr erwünschte Gelegenheit boten, Orchideen zu sammeln.
In Blüthe fanden wir ein niedliches Epidendrum (vielleicht variegatum) und
blüthenlos verschiedene andere hier ^) fehlende Arten, z. B. das hübsche Oncidium
pulvinatum. Häufig" blühte auf Bäumen eine prächtige Amaryllis (die zuerst
durch Dr. Blumenau in die deutschen Gärten gekommen ist, und in den Catalogen
als A. Tettaui geht). Die Aeste mehrerer Bäume waren bedeckt von einem sehr
hübschen Moose, von dem ich Dir eine Probe beilege. Bei weitem das Interes-
santeste waren mir aber fruchtende Exemplare eines Farn, der, soviel ich aus
Endlicher's Gen. Plant, sehen kann, eine neue Gattung der Ophioglosseen bildet.
An Felsen fanden wir einen anderen sehr hübschen Farn (eine Doryopteris) und
eine allerliebste Gesneriacee, auf der Erde eine niedliche Sauvagesia (eine zweite
Art dieser den Veilchen verwandten aber regelmässige Blüthen tragenden Gattung
wächst am grossen Wasserfall des Itajahy). Auf der Höhe des Berges war ein
stattlicher Baumfarn sehr häufig, der keiner der hier vertretenen Gattungen (Also-
phila, Hemitelia, Trichopteris) angehört, wahrscheinlich ein Balantium, — dessen
Stamm ein höchst wunderliches Aussehen dadurch erhält, dass er von unten bis
oben mit einem dichten Filz schwarzer Luftwurzeln bedeckt ist. Unten ist dieser
Wurzelfilz so dick, dass der an sich wenige Zoll dicke Stamm manchmal bis gegen
2 Fuss Durchmesser erhält. — Die Ränder des Weges waren hier geschmückt
durch drei Arten von Coccocypselum, von denen 2 auch hier vorkommen ; es
sind das kriechende Rubiaceen, deren ziemlich unansehnliche Blüthen in dichten
Köpfchen stehen und deren Früchte, birnförmig oder rundlich, sehr schön blau
gefärbt sind. — Ausser der Taguarassu (Riesenrohr) und anderen hiesigen Taguara-
Arten fanden wir hier (und später anderwärts am Capivary und anderen Stellen
der Colonien Theresopolis und S. Isabel) ein grosses Rohr mit dichtem Stamme,
die Caraha (spr. Caracha), dessen ältere Stämme oft sehr hübsch gefleckt und
dann als Spazierstöcke sehr beliebt sind.
Den Capivary-Abhang unseres Berges stiegen wir auf weniger bequemen,
zum Theil mit ähnlichen Treppen, wie am Morro do Boi versehenen Wege hinab,
an dessen Besserung wir eine Schaar Arbeiter beschäftigt fanden. — Vom Fusse
des Berges gingen wir noch etwa 3 Stunden bald am rechten, bald am linken
Ufer des Capivary, den wir ein paarmal durchwateten, abwärts bis zum Wirthshaus
von Busch, das wir etwa halb 4 Uhr erreichten. Eine dralle freundliche und
gesprächige Frau füllte unsere hungrigen Mägen bald mit solider westfälischer Kost,
und bis gegen Abend schlenderten wir dann am Flussufer und in den benachbarten
Pflanzungen umher. Wir fanden uns hier umgeben von einer Pflanzenwelt, die
von der am Itajahy vielfach abwich, wohl mehr in Folge der bedeutend höheren
Lage, als des leichteren sandigen Bodens. Einige schöne Cederstämme (Cedrela)
abgerechnet, war der palmenlose Laubwald weit niedriger, als bei uns. Dafür er-
hoben sich zu doppelter Höhe des Laubholzes stattliche Araucarien, die uns hier
ganz fehlen. Ich habe mehrmals in deutschen Büchern für die Jugend unsere
Araucaria abgebildet gesehen, jedenfalls nach Gewächshausexemplaren, — kegel-
förmig mit ganz unten am Stamm beginnenden Aesten; so sind allerdings junge
Bäume, z. B. zwei, die vor meinem Hause stehen und vielleicht etwa sechs Jahre
i) seil, zu Itajahy.
-, , T Excursionsberichte aus Südbrasilien.
alt sind. Eine alte Araucaria brasiliensis sieht aber gerade aus, wie ein lateinisches
T; bisweilen hat der Stamm noch einige wenige Aeste. die in verschiedener Höhe
ähnliche T's bilden. — Die Araucarie ersetzt hier am oberen Capivars^ sowohl
unsere Gissarapalme, die Pfosten, Balken und Latten, als die Uricanna (Geonoma),
deren Blätter das Dach für die ersten Hütten der Ansiedler liefern. Die Häuser
sind aus Araucarienbalken gebaut, die Wände mit Araucarienbrettern verkleidet,
die Dächer mit Araucarienschindeln gedeckt. — Die Capoeira, d. h. das nach dem
Fällen des Urwaldes auf schi essende Buschwerk, bestand vorherrschend aus einer
Croton-Art. Ein schönes Abutilon, eine stattliche rothblühende Lobelia, zwei
scharlachrothe Sal via- Arten, zwei gelbe Sisyrinchium und mindestens ein halbes
Dutzend von den hiesigen verschiedenen Solanum-Arten waren alles hier fehlende
Pflanzen. Unter den Solanum trug das Eine rothe kirschenähnliche Früchte.
(i2. Mai). Von Busch gingen wir noch ein Paar Stunden am Capivary hinab,
hauptsächlich, um die Bäume einer kürzlich gefällten Urwaldstrecke nach Orchideen
abzusuchen. Ausser der einen Art, die ich dort suchte und reichhch fand (Onci-
dium unicorne) brachten wir namentlich mehrere Maxillarien mit zurück. — Die
Araucarien hören hier schon wieder auf. — Wir sahen einige unzweifelhaft wilde,
alte Stämme von Sambucus australis, der dem deutschen S. nigra ziemlich ähnlich
ist, und nicht selten seiner als Schwitzmittel benützten Blüthen wegen angepflanzt
wird; ferner eine kleine Cucurbitacee (Elaterium), deren scharfe stachlige Früchte
beim Aufspringen die Samen weit von sich schleudern und eine (leider nicht
blühende) Mutisia mit weissfilzigen Blättern; (eine andere Mutisia mit glatten
Blättern auf der Insel Sa. Catharina; die Mutisiae sind meines Wissens die einzigen
Compositae mit rankentragenden Blättern). — In grosser Menge fanden wir hier
Kürbisse angepflanzt, die ein hier unentbehrliches Winterfutter für's Rindvieh
bilden; schon jetzt sahen wir die Viehweiden vollständig vertrocknet. — Kein
Winter geht hier ohne Fröste vorüber. Weiter unten am Capivary ist das Kllima
natürlich milder und zum Bau von Zuckerrohr geeignet. — Unser Nachtquartier
nahmen wir wieder bei Busch und kehrten Tags darauf (13. Mai) auf demselben
Wege, den wir gekommen, nach dem Stadtplatz von Theresopolis zurück und
ruhten hier einen Tag (14. Mai) von unserem Capivary- Ausfluge aus.
(15. Mai). Nachmittags gingen wir, in Begleitung des Ingenieurs Heeren,
von Theresepolis nach S. Isabel, ich mit meiner grossen Botanisirbüchse, Heeren
und Johannes jeder mit einer dicken rothen Wolldecke für die voraussichtlich
kalten Nächte beladen. Wir überschritten den Cubatäo auf einer im Bau befind-
lichen Brücke, folgten dem rechten Ufer des Cederbaches, den wir dann durch-
wateten, um rechts ab in das Thal eines kleinen Zuflusses desselben einzubiegen.
Dieser Bach ist noch unbewohnt, wir gingen also im Schatten eines schönen
Urwaldes, in welchem der Baumfarn mit dem dicken schwarzen Wurzelfilze sehr
häufig war. — Auf der Höhe eines ansehnlichen Berges erreichten wir die Grenze
der Colonie S. Isabel, zu deren weit höher als Theresopolis gelegenem Stadtplatze
wir in der Abenddämmerung niederstiegen. Wir trafen schon auf dem Wege
unseren Freund Reusing, der uns nach Boa Vista begleiten wollte und uns in
seine Junggesellenwirthschaft einführte. Den Nachtisch zu unserem Abendbrod
bildeten gekochte Pinhoes (Araucariensamen), die Hauptnahrung unserer Indianer
und wilden Schweine. Sie mundeten mir vortrefflich und stehen im Geschmacke
Excursionsberichte aus Südljiasilien. -. ,i -.
etwa in der Mitte zwischen Kartoffeln und Kastanien. Wir bereiteten dann unser
Lager aus Rohrmatten und einigen schönen Löwen- und Tigerfellen, wie sie hier
heissen, d. h. von Puma und Jaguar.
(16. Mai). Am Morgen war es bitter kalt und Alles rings mit starkem Reif
bedeckt. Ein steiler Weg, mit Steinen, oft von 3 — 4 Fuss Durchmesser, übersät,
führte uns auf den Morro do Gongo; auf dessen Gipfel trafen wir einen ziemlich
kümmerlichen Baumwuchs; Orchideen schienen auf den Bäumen ganz zu fehlen,
statt der flechtenähnlichen Tillandsia usneoides waren die Aeste hier dicht mit
wirklichen Bartflechten bedeckt. Im Gebüsch am Wege, in dem wir mehrere
Myrtaceen mit sehr wohlriechenden Blättern, leider ohne Blüthen und Früchte
fanden, gab es viele wohlschmeckende schwarze Brombeeren. (Ein anderer Rubus,
auf der Insel Sa. Catharina, hat grüne, ziemlich fade Früchte.) Auch trafen wir
hier eine Cucurbitacee mit dunkelrothen, kugligen, kirschenähnlichen Früchten
mit sehr bitterem Fleisch; und mit reifen Samen eine (weissblühende) 12 — 15 Fuss
hohe einjährige Lobelia. Von Morro do Gongo stiegen wir hinab in's Thal des
Rio das Antas. Dieser, wie die anderen Flüsse, die wir bis Boa Vista zu über-
schreiten hatten, sind Nebenflüsse des Tijucca's. — Ueber einen zweiten unbe-
deutenden Berg kamen wir zu dem Rio das Capivaras, dessen Lauf wir auf eine
längere Strecke erst auf dem rechten, dann auf dem linken Ufer (die eine Brücke
verbindet), folgten. An einer Stelle des Flusses wuchs in Menge eine Myrio-
phyllum-ähnliche und wahrscheinlich zu dieser Gattung gehörige Pflanze. Soweit
wir ihn begleiteten, fliesst der Capivaras langsam durch ein sumpfiges Thal mit
torfartigem Boden. Im Sommer muss hier eine sehr interessante Flora zu finden
sein; jetzt blühte leider gar nichts von den verschiedenen neuen Pflanzen, die
meine Neugier reizten. An manchen Stellen war (wie später am Taguaras) der
Wald fast ausschliesslich gebildet von einer Mimosa (oder doch Mimosee) mit
schlankem weissem Stamm und kleiner luftiger Krone aus zarten doppeltgefiederten
Blättern. Araucarien waren hier stellenweise sehr häufig. Wir rasteten eine Zeit-
lang und labten uns an frischem Maisbrod und Lages-Käse im Hause eines
früheren Itajahybewohners , dessen dortiges Land ich vor einigen Jahren mit
August ^) zusammen kaufte. — Mit neuen Kräften machten wir uns an die Er-
steigung des Morro chato („flacher Berg"), der allmälig anstieg, aber dafür stunden-
lang sich hinzog. Hier (wie auch vor- und nachher) trafen wir am Wege mehrere
freie Plätze, auf denen zahlreiche Pfähle in die Erde geschlagen waren, und in
der Nähe gewöhnlich Feuerstellen. Es sind Plätze, an denen die Tropeiros über-
nachten ; die Pfähle dienen zum Anbinden der Maulthiere. — Uns begegnete hier
ein grosser Trupp Rindvieh, dessen Treiber grossentheils von ziemlich reinem
Indianerblut zu sein schienen. Wir mussten in dorniges Gebüsch an einem steilen
Bergabhang uns hinaufflüchten ; über meinen Begleitern, hinter denen ich botani-
sirend etwas zurückgeblieben war, erschien da plötzlich ein gewaltiger Ochse, der
vom Wege abgekommen war; das Abenteuer ging zum Glück ohne andere Folgen
vorüber, als das Heerens Rock in den Dornen jämmerlich zerfetzt wurde und wir
andern mehr oder weniger blutige Hände davon trugen. — Von Morro chato aus
erblickten wir auch zum ersten Male das Ziel unseres Ausflugs, das Campo von
i) ein Verwandter.
■lA, Excursionsberichte aus Südbrasilien.
Boa Vista: die wellenförmigen Umrisse der Berge, die sonst rings den Gesichts-
kreis begrenzten, waren auf eine Strecke unterbrochen durch eine gerade wage-
rechte Linie, die links mit einem senkrechten Absturz endete, und auch durch
ihre gelbliche Farbe von dem dunkeln Urwalde sich abhob. — Steil führte der
Weg hinab in das schmale Thal des Rio bonito und eben so steil auf der anderen
Seite in die Höhe. Bei nassem Wetter muss der rothe Thon dieses Weges glatt
sein wie Seife, und man begreift kaum, wie er dann zu passiren ist. Ein letzter
Berg trennte uns noch von unserem heutigen Reiseziele, dem Rio das Taguaras,
an dessen rechtem Ufer wir noch eine Strecke aufwärts gingen bis zu einem der
letzten Bewohner, einem früheren Gastwirth aus der Gegend von Essen, der hier
einen kleinen Kramladen hat und Reisende beherbergt.
Der ganze Strich, den wir an diesem Tage durchwandert, gehört zum
Gebiete der Colonie S. Isabel; die Ansiedlungen liegen ziemlich zerstreut; viele
früher bewohnte Stellen sind jetzt verlassen und in der That ist das ungemein
bergige, oft steinige und unfruchtbare Land mit seinen Winterfrösten nichts
weniger, als einladend für einen Landmann.
In unserem Wirthe fand ich einen alten Bekannten, der bei seiner Ankunft
vor 8 bis lo Jahren seinen ersten Kaffee in Brasilien in meinem Hause getrunken
hatte. — Den Abend verplauderten wir, um das Feuer in der Küche sitzend, bei
einem Glas Grog. — Während des Abends begann der Himmel sich zu umwölken,
eine Veränderung, die wir mit getheilten Gefühlen betrachteten: sie war uns
angenehm, weil ohne sie die Nacht jedenfalls noch kälter geworden wäre, als
die letzte in Isabel, — aber unlieb, weil sie uns die Aussicht von Boa Vista zu
verderben drohte.
(17. Mai). Wir folgten zunächst, langsam aufsteigend, und nach einiger
Zeit vom rechten zum linken Ufer watend, dem Rio das Taguaras und gelangten
nach kaum einer Stunde an den Fuss des Berges von Boa Vista. Hier begann
ein etwas mühsames Steigen. Zunächst einige Stellen mit den bekannten Treppen,
bei denen die Maulthiere die Schlammkessel so tief ausgetreten hatten, dass sie
über die zwischenliegenden Stufen mit ihrem Bauche hinschleifen mussten. Dann
ging es steil hinauf auf steinigem von den zahlreichen Viehtruppen ausgetretenem
Wege. Oft hielten uns Brombeergebüsche auf, nicht durch ihre Dornen, sondern
durch die Fülle ihrer Früchte. Dazwischen blühten Fuchsien und die prachtvolle
strauchartige Melastomacee Pleroma. Ihre ziemlich grossen Blüthen sind beim
Aufblühen schneeweiss und färben sich allmälig dunkelpurpurroth ; — gleichzeitig
schmücken den Strauch die Blüthen mit Weiss, Rosa und dunklem Purpur. —
Auf mehr als halber Höhe betraten wir eine breite ziemlich ebene Vorstufe.
Niedrige Bäume, jetzt meist fast blattlos, aber dicht behangen mit weisslichen
Früchten, da und dort hoch überragt von einzelnen Araucarien, und Gebüsch, das
namentlich aus mannigfachen Strauch- und baumartigen Compositae gebildet war.
In einer kleinen Senkung war eine mit Sphagnum bewachsene Sumpfstelle, in
der in Menge Xyris und Eriocaulon wuchsen (beides von den auf Sa. Catharina
wachsenden verschiedene Arten). — Es begegnete uns hier eine zahlreiche Rinder-
heerde und kurz darauf hörten wir nahe vor uns einen lauten Schrei, den zunächst
wohl keiner von uns weiter beachtete. Als wir aber bald nach einer Biegung
des Weges denselben weithin überbhcken konnten, und keinen Menschen darauf
Excuisionsberichte aus Südbrasilien. i^r
gewahrten, zerbrachen wir uns die Köpfe über den Schrei. „Vielleicht ein Bugre
(Indianer)? Dort links unten ist ein grosses Pinheiral (Araucarienwald), in dem
sie wohl jetzt zur Zeit der Pinhoes sich herumtreiben mögen." — „Nun dann
können wir uns auf einen Pfeil aus dem Walde gefasst halten." — Reusig revi-
dirte seinen Revolver und vorsichtig um uns blickend schritten wir weiter. — Als
wir den letzten steilen Absatz zum Campo hinaufstiegen, löste sich das Räthsel.
Ein Neger kam dahergesprengt, einen Ochsen vor sich hertreibend. Nach der
ersten Begrüssung fragten wir ihn: „Vosse gritou?" (Haben Sie geschrieen?) —
„Sim Senhores" und er erzählte uns, dass er einem von jener Herde zurückgelaufenen
Ochsen nachgesprengt und dabei jenen Schrei ausgestossen ; ehe wir an die Biegung
des Weges gekommen, war er rasch dahinjagend uns schon aus dem Gesichte
gewesen. — Wo möglich noch steiler, als zu der Vorstufe, führte der Weg hinauf
auf den Campo. Vielleicht ein zwanzig Fuss unter dem Scheitel des Berges tritt
Sandstein an die Stelle des Thonschiefers, der uns bisher begleitet hatte. — Als
wir den Scheitel des Berges betraten, hatten wir vor uns eine weite, fast ebene
Grasfläche von vielleicht 2 Quadratmeilen, hie und da unterbrochen von kleinen,
niedrigen Wäldchen, sogenannte Capäos. Die Waldlosigkeit des Campo von
Boa Vista ist jedenfalls nicht eine Folge seiner hohen Lage; denn westwärts
sieht man gar manche höhere wohlbewaldete Berge, und bedeutend tiefer als
Boa Vista liegt in der Nähe ein kleineres Campo, das von Invernadinha. Viel-
leicht trägt wohl die Bodenbeschaffenheit daran Schuld, dass keine Bäume gedeihen.
Die fast wagrechten Sandsteinschichten, die hie und da ganz nackt zu Tage treten,
sind von einer dünnen Erdschichte bedeckt. Der Pflanzenwuchs hatte ein ganz
eigenthümliches Gepräge. Die Gräser hart und schmalblätrig, die übrigen allesamt
niedrige Pflanzen mit kleinen dichtstehenden Blättern. Einige Sumpfstellen mit
Sphagnum und Lycopodium. In Blüthe fanden wir leider fast nichts; kaum eine
Polygala vom Habitus der deutschen Arten mit lebhaft dunkelblauen Blüthen und
eine kleine Lobelia; von einer wohlriechenden Labiate sammelte ich Samen und
ebenso von zwei kaum spannenhohen Sträuchern aus der Familie der Ericeen,
einer Gaylussacia mit kleinen gelblichweissen Beeren und (wahrscheinlich) einer
Andromeda. Sonst kenne ich von Ericeen hier nur ein Vaccinium in der Nähe
der Küste, das ziemlich hoch wird, schöne rothe Blüthen und blaue den Heidel-
beeren ähnlich schmeckende Früchte („Comarinhas") trägt. — Wir lagerten uns
am Rande eines Capäo's, nachdem wir, um vor Schlangen sicher zu sein, die
Pflanzen um uns her mit dem Waldmesser weggeputzt hatten, und verzehrten
unser Frühstück aus Maisbrod und Lageskäse. Während Reusing und Johannes
sich noch im Grase ruhten, durchstreifte ich mit Heeren den Capäo; die niedrigen
knorrigen Bäume waren meist Myrtaceen (wahrscheinlich Eugenia). Sie v/aren
bedeckt mit Flechten und Moosen; doch fehlten auch Orchideen nicht, und ich
fand darunter eine mir neue Art (dem Ansehen nach vielleicht ein Oncidium
oder eine Gomezia). — Der Boden war zum grössten Theile dicht bedeckt mit
stachligen Bromeliaceen.
Wir streiften dann noch einige Stunden auf dem Campo umher, um uns
der Aussicht zu erfreuen ; denn wirklich verdient der Campo seinen Namen Boa
Vista („schöne Aussicht") in vollem Maasse und der Himmel hatte sich gegen
Mittag so weit aufgehellt, dass wir fast nach allen Seiten uns ihrer erfreuen
34^
Excursionsberichte aus Südbrasilien.
konnten. Im Westen der steile zackige Kamm der Serra, durch die der Weg
nach dem Hochlande aufsteigt, fern im Norden der Morro bahü am Luiz Alves
im Gebiete des untern Itajahy, dessen Ouellgebiet eine Tagereise von uns nach
Westen lag ; hier liegt an seinen Ufern am Wege nach Lages die Militär-Colonie
Santa Theresa. Rings um uns ein Gewirr dunkel bewaldeter Berge und Thäler,
aus denen nirgends eine Spur menschlicher Ansiedelungen hervorblickte. Das
Meer, das von einigen Stellen aus bei hellem Himmel zu sehen sein soll, sahen
wir nicht; wohl aber meinten wir die Berge der Insel Sa. Catharina zu unter-
scheiden. — Der Berg von Boa Vista soll völlig isoliert sein und ringsum gleich
steil in die umliegenden Thäler abfallen. — Wir kehrten von Boa Vista wieder
in unser voriges Nachtquartier zurück, das wir gegen 4 Uhr erreichten.
(18, Mai). Auf unserem Rückweg nach Theresopolis folgten wir bis zum
Capivaras der Lageaner Strasse, auf der wir gekommen waren. Das Wasser des
Rio bonito, den wir am Morgen zu durchwaten hatten, war so eisig kalt, dass es
mir mehrstündigen Kopfschmerz, Heeren einen tüchtigen Schnupfen verursachte.
— Im Thale des Capivaras verliessen wir die Strasse und wandten uns rechts,
um einem Pfade (einer sog. „Picade") durch den Wald zu folgen. Der schmale
Pfad war vielleicht seit Jahren nicht betreten und so verwachsen, dass wir ihn
ohne Reusing und Heeren sicher bald verloren hätten. Wir überschritten den
Capivaras auf einem darüber gefällten Baumstamme und gelangten bald in die
Nähe des unter uns im Thale rauschenden Rio das Antas. Der Wald war fast
ohne Unterholz ; ausser hohen nicht sehr dicht stehenden Bäumen und dem sehr
häufigen Filzfarn war der Boden fast ausschliesslich mit hohem Rohr bedeckt. —
Wir fanden hier eine prachtvolle Fruchtdolde einer Bomarea (d. h. rankenden
Alströmeria) ; eine Dolde mit über 30 spannenlangen Strahlen und am Ende eines
jeden eine Frucht, die nach dem Aufspringen ihrer drei Klappen ein zierlich
gestaltetes Körbchen bildet, gefüllt mit kugelrunden schönrothen Samen. Diese
schönen Früchte lernte ich erst auf dieser Reise kennen (zuerst am Capivary),
während ich die Pflanze auf Sa. Catharina häufig blühend getroffen hatte. So
brachte mir diese Reise wieder 4 Pflanzen, deren lebhaft gefärbte Samen nach
dem Aufspringen der Frucht nicht ausfallen, und ich kenne nun schon mehr als
20 Familien, in denen solche Pflanzen vorkommen (ausser 2 — 3 unbestimmten
Familien die Commelynaceen, Amarantaceen, Apocyneen, Verbenaceen ?, Magnolia-
ceen, Dilleniaceen, Capparideen, Samydeen, Bixaceen, Cucurbitaceen, Marcgravia-
ceen, Meliaceen, Sapindaceen, Celastrineen (Evonymus europaeus), Papilionaceen
und Mimoseen). — Dem Rio das Antas folgten wir bis in die Nähe des Quell-
bezirks des Michelsbachs, durchwateten ihn dann und erreichten bald, oben am
Michelsbach, die ersten Ansiedler von Theresopolis. Bald kamen wir nun auch,
am Michelsbach niedersteigend, auf einen vortrefflich nivellirten glatten Weg, auf
dem wir uns ordentlich von unserem Auf- und Niederklettern auf holprigen Wegen
erholten und gemächlich dem Stadtplatze zuschlenderten. Mit der Abenddämme-
rung langten wir hier an. An einem Theile des Michelsbachs (und ebenso des
Cederbachs) ist das Thal breiter und die Berge steigen sanfter an und haben
besseren Boden, als sonst am oberen Cubatäo und seinen Zuflüssen. An diesen
günstiger gelegenen Stellen sind auch die Ansiedler recht gut vorwärts gekommen.
Excursionsberichte aus Südbrasilien.
347
Am Michelsbach und Cederbach wächst in grosser Menge eine stattliche manns-
hohe Cleome mit grossen eigenthümlich gestalteten Blüthen und langen sehr
samenreichen Schoten, die ich nirgends sonst getroffen habe ^).
(19. Mai). Wir hatten unsere Abreise von Theresopolis auf den nächsten
Morgen festgesetzt. Aber bei schwachem Ostwind begann es am Abend zu
regnen, und da solcher Regen nicht rasch vorüberzugehen pflegt, verschoben wir
sie um einen Tag.
(20. Mai). In der That hätte uns der nächste Tag kein besonders Reise-
wetter geboten, da es fast ununterbrochen nässelte und regnete.
(21. Mai). Viel besser sah es freilich auch am folgenden Himmelfahrts-
morgen nicht aus. Doch trieb uns die Sehnsucht nach den Unsern fort. Die
Wege, namentlich die steilen thonigen Bergwege, waren durch den Regen ab-
scheulich geworden. Dabei fing es bald wieder an zu nässein und von Zeit zu
Zeit stärker zu regnen. — Gegen Mittag endlich (wir waren zum Glück unter
Dach und Fach, unser Mittagbrod im Hause des Schusters Müller in S. Amaro
verzehrend) ergoss sich ein förmlicher Platzregen, den ein Wirbelsturm der Reihe
nach gegen alle Seiten des Hauses trieb. Damit hatte indess auch der Regen
ein Ende, und bald erschien im Westen ein schmales Streifchen blauen Himmels,
das sich langsam ausdehnte; die dicke graue Wolkendecke zog sich mehr und
mehr zurück und nach einigen Stunden hatten wir wolkenlosen Himmel über
uns. — Wir gingen bis zu unserem früheren Nachtquartier bei Hard.
{22. Mai). Von Hard nach Desterro, wo wir bis zum 25. Mai blieben und
einige Ausflüge in die nächste Umgebung machten, um einige hier fehlende
Orchideen für meinen Garten zu sammeln.
{25. Mai). Von Desterro nach Tijuquinhas.
(27. Mai). Von Tijuquinhas nach Tijuccas. In der Nähe von Morretes trafen
wir einen Baum (eine Sapotacee), dessen Früchte kleinen Orangen einigermassen
ähnlich sahen und uns auch von Brasilianern Laranjos do mato („wilde Orangen")
genannt wurden. Sie hatten ein süsses, recht angenehm schmeckendes Fleisch,
dessen freilich wegen der grossen Kerne nicht eben viel war.
(28. Mai). Von Tijuccas nach Cambriü. — An dem Strande von Porto hello
trafen wir tiefe Ebbe, so dass wir den Pereque bequem durchwaten konnten.
Früher trug der Pereque eine Brücke, die aber vor etwa 10 Jahren ein Hoch-
wasser weggeführt hat. Dann konnte man jahrelang den Weg nur zur Ebbezeit
passieren ; ich selbst habe einmal einen halben Tag bei Porto hello liegen müssen
und musste dann bis an den Hals in's Wasser. Erst nachdem mehrere Menschen
im Pereque ihren Tod gefunden, hat man einen Fährmann angestellt. — In dem
jetzt vom Wasser entblössten Sande war eine kleine Scutella mit fünf Löchern
sehr häufig; sie hält sich dicht unter der Oberfläche auf und ihre Anwesenheit
verrät sich durch fünf kleine, den Löchern entsprechende Vertiefungen im Sande.
— Vom Morro do Boi nahmen wir unser jetzt blühendes und mit langen „antennae"
I) Nach der mitgeteilten Bleistiftskizze Cleome gigantea Linn., die übrigens stellenweise durch ganz
Brasilien, von Rio Grande do Sul bis in das Amazonasgebiet vorkommt. Redact.
348
Excursionsberichte aus Südbrasilien.
versehenes Catasetum mit uns. — Wir fanden Nachtquartier in einer äusserst
schmutzigen Venda hart am Flussufer des Cambriü, die uns aber wenigstens eine
vortreffliche Tainha (Seefisch) zum Abendbrot lieferte.
(2g. Mai). Von Cambru bis zum kleinen Itajah)^ wo wir wegen Regen-
wetter am 30. Mai liegen bleiben mussten.
(31. Mai). Vom kleinen Itajahy bis zum Gaspar. Wir trafen am Wege
eine Sapotacee mit noch wohlschmeckenderen birnförmigen Früchten.
(i. Juni). Nachts regnete es und bei Nässein und trübem Wetter legten
wir die letzten Stunden nach unserer Heimath zurück.
Ueber einige Befruchtungserscheinungen ^).
Aus einem Briefe an F. H i 1 d e b r a n d.
Eschscholtzia californica hat sich in meinem Garten (Itajahy bei St. Catharina)
während mehrerer Jahre vollständig unfruchtbar mit eigenem Pollen gezeigt;
dasselbe war auch dies Jahr wieder der Fall. Ich hatte schon vor ein paar Jahren
diese Beobachtung Darwin mitgetheilt, der dann auch darauf achtete, aber seine
Eschscholtzia fruchtbar mit eigenem Pollen fand. Auf meinen Wunsch erhielt
ich von ihm Samen seiner Pflanzen. Leider sind in Folge des unmässig nassen
Wetters, dem im November eine ebenso ungewöhnliche Hitze folgte, mehrere der
Sämlinge ganz zu Grunde gegangen, und die anderen haben mehr oder weniger
gekränkelt; meine Pflanzen hingegen, die seit etwa 6 Generationen hier leben,
haben viel weniger gelitten, und nicht eine ist vor dem Blühen eingegangen.
Auch während der Blüthe war bald glühende Sonnenhitze, bald schwerer Gewitter-
regen den Versuchen ungünstig; doch stellte sich soviel heraus, dass diese aus
dem von Darwin erhaltenen Samen gezogenen Pflanzen zwar nicht ganz un-
fruchtbar, aber doch viel weniger fruchtbar waren nach Bestäubung mit eigenem
Pollen. Die Versuche an einer dieser Pflanzen waren folgende:
I. Octbr. 23. {3V2 Uhr Nachm.) Eine am Morgen geöffnete Blüthe mit eigenem
Pollen bestäubt.
Octbr. 24. Narben verwelkt (würden bei meiner Pflanze frisch geblieben sein).
Novbr. 15. Der Fruchtknoten, bis zu 1 2 mm herangewachsen, beginnt zu welken.
II. Novbr. 3. Eine Blüthe a mit Pollen einer anderen Blüthe desselben Stockes
bestäubt; eine andere, 6, mit Pollen einer anderen Pflanze.
Novbr. 5. Narben von a ausgebreitet, frisch; von b aufgerichtet, welkend.
Novbr, g. Fruchtknoten von a \z mm, von b 26 mm lang.
Novbr. II. Fruchtknoten von a 19 mm, von b 47 mm lang.
Novbr. 15. Fruchtknoten von a 30 mm, von b 56 mm lang.
Novbr. 18. Fruchtknoten ebenso.
Novbr. 30. Früchte reif; a enthält 10 Samen, wovon 4 sehr klein; b enthält
59 Samen.
III. Novbr. g. Zwei Blumen, a und b, ähnlich wie bei Versuch IL bestäubt.
Novbr. 10. Narben von a frisch; etwas aufgerichtet; von b welk, ganz auf-
gerichtet.
i) Botanische Zeitung. 1869. Bd. 27. p. 224 — 226.
ocQ Ueber einige Befruchtungserscheinungen.
Novbr. (5. Fruchtknoten von a 11 mm, von b 18 mm lang.
Novbr. 18. Fruchtknoten von a 12 mm, von b 49 mm lang.
Novbr. 22. Ebenso.
Die Frucht a verwelkte vor der Reife, die Frucht b lieferte am 4. De-
cember 45 Samen.
Von einer anderen Pflanze habe ich einmal nach Bestäubung mit Pollen
desselben Stockes eine 56 mm lange Frucht erhalten, die aber die für ihre Länge
unbedeutende Zahl von 24 Samen enthielt. — Die Pflanzen scheinen durch ihren
Anbau in einem neuen Klima w^eit unfruchtbarer mit eigenem Pollen geworden
zu sein, als sie bei Darwin waren, der, wenn ich mich recht erinnere, über 70%
des normalen Samenertrages von selbstbestäubten Pflanzen erhielt.
Vor Kurzem blühte in meinem Garten eine einzelne Scorzonera-Pflanze, und
zwar sehr reichlich, ohne aber auch nur einen guten Samen zu bringen ; ich habe
mehrere junge Pflanzen, und bin neugierig, zu erfahren, ob auch diese unfrucht-
bar sein werden, ob also die Unfruchtbarkeit Folge des Klima's oder der Be-
stäubung mit eigenem Pollen war.
Auf der Insel Santa Catharina ist eine Art von Epidendrum nicht selten,
bei welcher 3 Antheren fruchtbar entwickelt sind; die beiden seitlichen dienen
der Selbstbefruchtung, die mittlere kann, wie bei anderen Epidendrum-Arten, nur
durch Insekten entfernt werden, was indess ausserordentlich selten zu geschehen
scheint. Hier am Itajahy kommt nur ein Epidendrum vor, welches jener triand-
rischen Art so ähnlich ist, dass man es kaum für mehr als eine Varietät halten
möchte, und dieses Epidendrum ist monandrisch. Die triandrische Art oder Varietät
ist fast geruchlos, die monandrische hat einen sehr starken würzigen Geruch. —
Das gelegentliche Auftreten der in der Regel fehlenden seitlichen Antheren ist
ja auch bei anderen Orchideen beobachtet worden, dass es bei der Art von Sta.
Catharina durch natürliche Züchtung wieder zur bleibenden Eigenthümlichkeit
geworden ist, mag seinen Grund darin haben, dass die Art wenig oder nicht von
Insekten besucht wurde, und dass es ihr deshalb vortheilhafter war, sich selbst
befruchten zu können. Immerhin ist es höchst merkwürdig, bei zwei sonst fast
ununterscheidbar ähnlichen Formen eine Verschiedenheit in der Zahl der An-
theren anzutreffen, da ja deren Zahl zur Scheidung der beiden Hauptgruppen der
Familie dient.
Ueber den Dimorphismus einer Rubiacee, einer Art von Faramea, verspricht
Fritz Müller einen eingehenderen Aufsatz; auch hat er ein zur noch nicht
genau bekannten Gattung Streptochaeta Nees gehöriges Gras gefunden, dessen
Beschreibung sehr wünschenswerth.
Ueber eine dimorphe Faramea^).
Unter den zahlreichen dimorphen Rubiaceen ist in mehrfacher Beziehung
besonders bemerkenswerth ein kleiner Baum, der an manchen Stellen am Itajahy,
z. B. in meinem eigenen Walde, ziemhch häufig wächst und im Frühling (October,
November) sich mit grossen, schneeweissen Blüthenrispen schmückt. Weiss sind
nicht nur die Blumenkronen, sondern ebenso die Kelche, Fruchtknoten, Deck-
blättchen und die Aeste der Rispe. Der Baum wurde mir in Kew als Faramea
bestimmt.
Zunächst fällt die ungewöhnlich grosse Verschiedenheit in der Länge der
Griffel und Staubfäden in die Augen. In der langgriffiigen Form ist (nach
Messungen an 12 Blüthen von 5 verschiedenen Bäumen) der Griffel 26 bis 37,
im Durchschnitt 32 mm, in der kurzgriff Hgen Form (nach Messungen an 12 Blüthen
von 3 verschiedenen Bäumen) 14 bis 17, im Durchschnitt 15,7 mm lang, — Die
langen Griffel überragen die Blumenröhre um 7 bis 14, durchschnitthch um
11,3 mm, die kurzen sind in der Blumenröhre eingeschlossen. — Die Staubbeutel
der langgriffiigen Form sind in der Blumenröhre eingeschlossen, fast sitzend, und
stehen 12 bis 19, im Durchschnitt 15,2 mm über dem Fruchtknoten, also in gleicher
Höhe mit den Narben der kurzgriffligen Form. In der kurzgriffligen Form da-
gegen werden die Staubbeutel 16 bis 20, im Durchschnitt 18,1 mm lang, von den
Staubfäden weit über die Blumenröhre emporgehoben, und stehen 31 bis 37, im
Durchschnitt 34,4 mm über dem Fruchtknoten, also etwa in gleicher Höhe mit
den Narben der langgriffiigen Form.
Zu dieser auffallenden Längenverschiedenheit der Griffel gesellt sich eine
sehr abweichende Gestalt der Narben ; die langen Griffel theilen sich in zwei
ziemlich kurze und breite, die kurzen in zwei lange, schlanke, bisweilen vielfach
gewundene Narben.
Die Staubbeutel der kurzgriffligen Form sind ein wenig grösser als die der
langgriffiigen. Die Farbe der Staubbeutel und des Blüthenstaubes ist kaum ver-
schieden, sehr verschieden dagegen die Grösse der Blüthenstaubkörner, die in der
kurzgriffligen Form etwa 1/12, in der langgriffiigen nur etwa Vis rn^n Durchmesser
haben. Es bestätigt sich also auch in diesem Falle das Gesetz, dass bei dimorphen
und trimorphen Pflanzen mit ungleich grossen Blüthenstaubkörnern die grösseren
i) Botanische Zeitung. 1869. Bd. 27. Sp. 606—611.
-,£2 Uebei eine dimorphe Faramea.
Körner in den höher stehenden Staubbeuteln sich finden, — ein Gesetz, das wir
für jetzt als Thatsache hinnehmen müssen, ohne es befriedigend erklären zu können.
Während verschiedene Grösse der Blüthenstaubkörner bei dimorphen und
trimorphen Pflanzen sehr gewöhnlich ist, bietet Faramea meines Wissens das erste
Beispiel einer verschiedenen Beschaffenheit ihrer Oberfläche; die kleineren Blüthen-
staubkörner der langgriffligen Form sind glatt, die grösseren der kuszgriffligen
Form ziemlich dicht mit kurzen Spitzen besetzt, wie diejenigen vieler Winden
und Malvaceen. In Folge dieser Oberflächenbildung fällt der Blüthenstaub der
kurzgriffligen Pflanzen weniger leicht aus den Staubbeuteln heraus (wie man sieht,
wenn man die Staubbeutel auf ein Glastäfelchen tupft), haftet dagegen leichter z. B.
an den Haaren eines Pinsels. Beides ist von offenbarem Nutzen für die Pflanze;
der Blüthenstaub der weit vorstehenden Staubbeutel wird weniger leicht vom
Winde verweht werden, dagegen leichter an dem haarigen Leibe besuchender
Kerfe haften, welche jedenfalls diese Staubbeutel nur leise berühren. Die Staub-
beutel der langgriffligen Pflanzen sind in der Blumenröhre eingeschlossen, und
dadurch ihre glatten, leicht herausfallenden Blüthenstaubkörner vor dem Winde
geschützt, und besuchende Kerfe werden mit ihren in die enge Blumenröhre ein-
geführten Saugwerkzeugen derb an diesen Staubbeuteln hin- imd herstreichen
müssen.
In jüngeren Knospen sind die Staubbeutel bei beiden Formen von Faramea,
wie bei anderen Rubiaceen, nach innen gekehrt; sie bleiben so und springen
nach innen auf bei der langgriffligen Form ; bei der kurzgriffligen Form dagegen
findet man schon vor dem Aufblühen die Staubbeutel, in Folge einer Drehung
der Staubfäden um ihre Achse, mehr oder weniger nach aussen gekehrt. An
den ersten Blüthenständen, die ich untersuchte, waren bei der Mehrzahl der Blüthen
sämmthche Staubbeutel vollständig nach aussen gedreht. Dies ist jedoch, wie ich
später fand, keineswegs der gewöhnlichere Fall, und galt nicht einmal für alle
Blüthenstände jenes ersten Baumes. Man findet alle möglichen Uebergangsformen
von Blüthen, deren Staubbeutel sämmtlich ihre ursprüngliche Richtung unver-
ändert bewahrt haben und nach innen aufspringen, zu solchen, deren Staubbeutel
sämmtlich um i8o° gedreht sind, und also genau nach aussen sich öffnen. Die
mannigfachen Mittelglieder kommen bei weitem häufiger vor, als die Endglieder
der Reihe, und namentlich sind Blüthen mit lauter nach innen aufspringenden
Staubbeuteln selten. An lo ohne Wahl herausgegriffenen Blüthen von drei ver-
schiedenen Bäumen hatten sich, nach ungefährer Schätzung, die Staubbeutel
etwa um folgende Winkel gedreht:
l)
90 0
180«
90 0
180°
6)
135°
135"
90°
135"
2)
I800
90 0
90 0
45^
7)
30«
180O
60 0
135°
3)
45"
90 0
180«
180^
8)
90«
90«
90«
90 0
4)
90"
90 0
90«
90"^
9)
o"
O«
90 0
90«
5)
180O
90^
90«
o«
10)
QÖ
qO
90«
Dreizählige Blüthen, wie die letzte der eben aufgezählten, sind nicht eben selten ;
weit seltener kommen fünfzählige vor. — Die Drehung findet immer in gleicher
Richtung statt, und zwar von O. durch S. nach W., in derselben Richtung also
in welcher die jungen Triebe mehrerer keimenden Rubiaceen, z. B. der Manettia-
Ueber eine dimorphe Faramea. -ic-i
Arten, sich bewegen. (Nicht alle klimmenden Rubiaceen drehen sich in dieser
Richtung ; in entgegengesetzter z. ß. Sabicea.)
Die grosse Länge der Staubfäden ist natürlich eine nur langsam und stufen-
weise erworbene Eigenthümlichkeit der kurzgriffligen Form von Faramea. Seit
die allmählich immer länger werdenden Staubfäden die Staubbeutel zu einer
solchen Höhe über den Eingang der Blumenrohre emporhoben, dass besuchende
Kerfe ihre Saugwerkzeuge nicht mehr zwischen ihnen, sondern unterhalb derselben
einführten, hatten nach aussen aufspringende Staubbeutel mehr Aussicht, ihren
Blüthenstaub an solche Kerfe abzusetzten, als nach innen aufspringende, und seit
jener Zeit würde es für die Pflanze von Vortheil gewesen sein, wenn alle ihre
Staubbeutel sich um volle 180" gedreht hätten. Noch heute ist dieses nicht der
Fall; noch heute ist die Richtung, nach welcher hin die Staubbeutel sich öffnen,
eine sehr wechselnde, selbst nicht für die Staubbeutel derselben Blüthe gleiche;
— ein hübscher Beleg dafür, dass im innigsten Zusammenhange stehende, einander
ergänzende Eigenthümlichkeiten — wie hier die Länge der Staubfäden und das
Aufspringen der Staubbeutel nach aussen — nicht in allen Fällen zu gleicher
Zeit erworben zu sein brauchen.
Dieses Schwanken in der Richtung, nach welcher die Staubbeutel der kurz-
griffligen Form aufspringen, scheint mir die bemerkenswertheste Eigenthümlich-
keit unserer Faramea zu sein, und ich kann mir nicht versagen, bei dieser
Gelegenheit an eine zweite Rubiacee zu erinnern, die sich ebenfalls in Bezug
auf eine für ihre Befruchtung sehr wichtige Eigenthümlichkeit in einem noch
schwankenden, ich möchte sagen unfertigen Zustande befindet. Es ist die
Posoqueria (Martha fragrans), deren Blüthenbau ich vor einigen Jahren beschrieben
habe ^). (Bot. Zeitg. 1866. No. 17 = Ges. Schriften S. 299.) Dieselbe kann, wie die tief
in der langen Blumenröhre verborgene Narbe beweist, nur durch langrüsslige Abend-
schmetterlinge bestäubt werden. Die Blüthen dieser Posoqueria öffnen sich meist
gegen Abend, allein eine nicht unbeträchtliche Zahl auch zu verschiedenen Zeiten
des Tages, bisweilen selbst am frühen Morgen. Da nun auch am Tage zahlreiche
Kerfe durch die weithin sichtbaren, stark duftenden Blumen angelockt werden
und die Entladung des Blüthen staubes fast aller zur Unzeit geöffneten Blumen
veranlassen, ohne jedoch diesen Blüthenstaub auf die Narbe anderer Blumen über-
tragen zu können, so geht der Blüthenstaub fast aller dieser Blumen vollständig
verloren. Ich habe selbst mehrmals gesehen, wie Hummeln zu solchen Blumen
flogen und deren Blüthenstaub angeworfen erhielten.
Wie es für die kurzgrifflige Form von Faramea vortheilhaft wäre, wenn alle
Staubbeutel aller Blüthen um 180° gedreht würden und so, genau nach aussen
aufspringend, besuchenden Kerfen ihre volle Fläche darböten, so offenbar für
Posoqueria, wenn alle Blüthen gegen Abend sich öffneten und kein Blüthenstaub
im Laufe des Tages vergeudet würde. Aber trotz der unverkennbaren Wichtig-
keit, welche dort die Richtung hat, nach welcher hin die Staubbeutel, — hier die
Zeit, zu welcher die Blüthen sich öffnen, sehen wir bei beiden Arten in dieser
Beziehung ein Schwanken, welches Denen jedenfalls befremdlich und unerklärlich
erscheinen wird, die mit Agassiz in den Arten verkörperte Gedanken des
1) Die Gardenia suaveolens der Flora fluminensis (Pars III. Tab. 9) ist wahrscheinlich dieselbe Pflanze.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 23
^ _ . ' Ueber eine dimorphe Faramea.
„Schöpfers" sehen. — Sieht es nicht aus, als hätte der „Schöpfer" das Richtige
wohl eingesehen, aber nicht durchzuführen vermocht — als hätte er gewollt, aber
nicht gekonnt? —
Werden nun Faramea und Posoqueria in diesem unfertigen Zustande
verharren, oder werden einst alle Staubbeutel der kurzgriffligen Faramea nach
aussen aufspringen, alle Blüthen von Posoqueria gegen Abend aufblühen ? — Mir
scheint es kaum zweifelhaft, dass früher oder später Letzteres der Fall sein wird.
Bei Faramea geht der Blüthenstaub der nach innen aufspringenden Staub-
beutel der kurzgriffligen Pflanzen, bei Posoqueria derjenige der vorzeitig sich
öffnenden Blumen zum grossen Theil für die Befruchtung verloren; die nach
aussen aufspringenden Staubbeutel der ersteren, die gegen Abend sich öffnenden
Blüthen der letzteren betheiligen sich fast ausschliesslich an der Bestäubung. Je
mehr nach aussen aufspringende Staubbeutel ein Stock der kurzgriffligen Faramea,
je mehr rechtzeitig aufblühende Blumen ein Stock der Posoqueria erzeugt, um so
zahlreichere Nachkommenschaft wird er unter sonst gleichen Verhältnissen hinter-
lassen. So wird schon die natürliche Auslese dahin wirken, die Zahl der nach
innen sich öffnenden Staubbeutel der kurzgriffligen Faramea, der zur Unzeit sich
öffnenden Blüthen von Posoqueria mehr und mehr zu beschränken.
Dass auch, abgesehen von der natürlichen Auslese, namentlich bei Posoqueria,
wo bereits die weit überwiegende Mehrzahl der Blüthen gegen Abend sich öffnet,
schon aus diesem Grunde, weil sie zur Zeit die zahlreicheren sind, eine stetige
Zunahme dieser rechtzeitigen Blüthen zu erwarten sei, werde ich bei einer anderen
Gelegenheit nachzuweisen versuchen.
Itajahy, im April 1869.
Umwandlung von Staubgefässen in Stempel
bei Begonia. Uebergang von Zwitterblüthigkeit in
Getrenntblüthigkeit bei Chamissoa. Triandrische
Varietät eines monandrischen Epidendrum ^).
Aus einem Briefe an H. Müller.
Mit Tafel XXXIII.
Der von Dir mitgetheilte Fall von Salix cinerea ^) ist mir besonders dadurch
merkwürdig geworden, dass ich selbst seit mehr als einem Monat den umgekehrten
Fall, die Umwandlung von Staubgefässen in Stempel, bei einer Begonia beobachte,
und noch immer fast in jeder frischen männHchen Blüthe eine neue wunderliche und
überraschende Zwischenform finde. Ich will Dir zur Probe einige Beispiele mittheilen.
Fig. I. Gewöhnliches Staubgefäss. Fig. 2 und 3. Mittelband mit vorspringendem
Winkel und einigen unvollkommenen NarbenpapiUen {ß). Fig. 4. Mittelband stark
verbreitert, mit Andeutung von Papillen. Fig. 5. Mittelband gegabelt, ohne Pa-
pillen. Fig. 6. Staubfächer verkürzt. Mittelband verbreitert, wohlentwickelte Narben-
papiUen {ß). Fig. 7. Wohlentwickelte Narbe, weder Blüthenstaub noch Eichen.
Fig. 8. Staubfächer und Narbe wohlentwickelt. Fig. g. Gute Narbe; an jedem
Rande des Mittelbandes ein nach innen gebogener, in eine Spitze auslaufender
Fortsatz, der eine mit gutem Blüthenstaub, der andere mit guten Eichen. P'ig. 10.
Gute Narbe; Staubfaden mit tiefer Rinne, deren Ränder ein kurzes Eipolster
tragen, an dem zwischen meist unvollkommenen Eichen ein winziges Fach mit
gutem Blüthenstaube sich findet. Fig. 11. Zwei umgewandelte Staubgefässe unten
verschmolzen; beide mit je 2 Staubfächern, das eine mit, das andere ohne Narbe.
Fig. 12. Zwei Staubgefässe aus derselben Blüthe; beide mit schiefer Narbe, das
eine trägt Blüthenstaub am Mittelbande selbst, Eichen an einem zweispitzigen
Fortsatze; das andere Eichen am Mittelbande selbst, Blüthenstaub an einem Fort-
satze. Fig. 13. Zwei hochverwachsene Staubgefässe mit grossen Narben, das eine
ohne Blüthenstaub und Eichen, das andere mit tiefer Rinne, von deren Rändern
jederseits ein kurzer Fortsatz ausgeht, der eine Blüthenstaub, der andere Eichen
erzeugend. Fig. 14. Dem Vorigen ähnlich, aber nur ein Rand der Rinne trägt
1) Botanische Zeitung 1870. Bd. 28. Sp. 149—153. Taf. II.
2) Botanische Zeitung 1868. Sp. 843.
23*
^j-A Umwandlung von Staubgefässen in Stempel bei Begonia etc.
einen schmalen, langen Fortsatz mit 2 Eichen. Fig. 15. Zwei Staubgefässe ver-
wachsen, a. mit Narbe und tiefer Rinne; an jedem Rande ein kurzer Fortsatz,
der eine mit Staubfach, der andere mit etwa einem Dutzend Eichen ; b. oberer
Theil normal, am Rande unterhalb des verkürzten Staubfachs einerseits ein Fort-
satz mit Narbenpapillen, andererseits ein Eipolster mit zahlreichen guten Eichen.
Fig. 16. Zwei umgewandelte und ein normales Staubgefäss verwachsen, a. An
einem Rande der Rinne ein Eipolster mit guten Eichen, am anderen (in der Figur
nicht zu sehen) ein kurzer Fortsatz mit Staubfach und oberhalb desselben 7 Eichen.
b. Sehr grosse Narbe, ein Ast derselben gabelig; Rinne jederseits mit einem Fort-
satze; der eine unten mit einem kleinen Staubfache, weiter oben mit 2 Eichen,
von denen eins in eine Narbe verwandelt ist! (was ich auch in anderen Blüthen
gesehen habe; zwischen normalen Eichen finden sich keulenförmige Körper von
Grösse der Eichen, aber gelb, wie die Narben, und mit völlig eben solchen Papillen
besetzt! Fig 16,/?). Fig. 17. Drei freie umgewandelte Staubgefässe aus derselben
Blüthe, a. mit kopfförmiger Narbe; Mittelband jederseits in einen etwas einwärts-
gebogenen Fortsatz ausgezogen, mit Pollenfach an jedem Rande, b. Einseitige
Narbe; an einem Rande des Mittelbandes ein Staubfach und oberhalb desselben
ein Fortsatz mit papillöser Spitze, am anderen ein einwärts gebogener Fortsatz
mit Eichen, c. Die ganze Fläche des verbreiterten Mittelbandes mit einem grossen
Eipolster bedeckt; oberhalb desselben an jedem Rande ein kleines Staubfach.
Fig, 18. Drei Staubgefässe verwachsen ; a. ohne Blüthenstaub, Eichen und Narben ;
b. mit wohlentwickelter Narbe und grossem Eipolster; c. ohne Narbe, an einem
Rande ein normales, am anderen ein verkürztes Staubfach, unterhalb desselben
zahlreiche Eichen, darunter eines (/?) in eine Narbe verwandelt. Fig. ig. Vier um-
gewandelte und ein normales Staubgefäss verwachsen ; a. b. c. mit wohlentwickelten
Narben, ohne Blüthenstaub und Eichen ; d. mit nur einem wohlentwickelten Narben-
ast, am anderen nur an der Spitze Papillen; ein unregelmässig gebogenes Staub-
fach unterhalb des letzteren Astes. Fig. 20. Drei Staubgefässe verwachsen ;
a. normal, 6. mit kugliger Narbe, ohne Pollen und Eichen, c. mit grosser Narbe
und kurzem Staubfache an einem Rande u. s. w.
Fig. I — 19 sind alle von derselben Pflanze; Fig. 20 von einer zweiten ; beide
wachsen nahe bei einander an meinem Gartenzaun und stammen wahrscheinlich
von derselben Mutterpflanze. An der zweiten Pflanze habe ich männliche Blüthen
gesehen (leider nicht gezeichnet), bei denen alle Staubgefässe verschwunden waren
und ein unterständiger Fruchtknoten sich gebildet hatte. ' Hoffentlich werden sie
noch wieder erscheinen. Der Blüthenstand dieser Begonien hat gewöhnlich 5 oder
II Blüthen in der durch Fig. C. und D. dargestellten Anordnung. Die gabel-
ständigen männlichen Blüthen enthalten meist lauter normale Staubgefässe, höchstens
finden sich solche leise Andeutungen einer Umwandlung, wie in Fig. 2—4. —
Dagegen finden sich in allen neben den weiblichen Blüthen stehenden Blüthen
I — 3, in der zweiten Pflanze häufig 4 — 5 Staubgefässe stärker umgewandelt und
in der Resfel verwachsen. — Ich will Samen dieser beiden Pflanzen aussäen,
und hoffe so noch mehr Pflanzen mit solchen männlichen Blüthen zu erhalten.
KürzHch wurde ich auf das getrennte Geschlecht einer Chamissoa aufmerksam
deren Blüthen (Fig. A. und B.) dem Hermaphroditismus noch so nahe stehen, wie
Umwandlung von Staubgefässen in Stempel bei Begonia etc. -icy
ich es bei keiner anderen diöcischen Pflanze kenne. Zuerst hielt ich die Pflanze
für dimorphisch, aber bei näherem Zusehen ergab sich, dass die Staubgefässe der
langgriffligen (weiblichen) Pflanzen völlig pollenlos sind, und dass die Narben-
schenkel der kurzgriffhgen (männlichen) Pflanzen nie sich auseinanderbiegen. Das
Merkwürdige ist nun, dass nicht nur die Narbenpapillen dieser kurzen Griffel
noch ziemlich gut entwickelt sind, sondern dass auch der Fruchtknoten ein Eichen
enthält, das ich unte- dem Mikroskop in nichts von dem der weiblichen Pflanze
verschieden fand, welches aber natürlich wegen der an einander liegenden Narben-
schenkel nie befruchtet werden kann.
Ich meine, Dir früher von einem bei Desterro ziemlich häufigen Epidendrum
erzählt zu haben, bei dem auch die beiden seitlichen Antheren fruchtbar entwickelt
sind und die Selbstbefruchtung der Blüthen vermitteln. Kürzlich brachte ich von
einem gefällten Baume in der Nähe meines Hauses ein Epidendrum mit grossen
Knospen heim, das vollkommen jenem von Desterro glich. — Heute Mittag komme
ich zufällig bei der Laube vorüber, in deren Schatten ich es hingeworfen hatte,
und finde es in voller Blüthe, aber keine Spur seitlicher Antheren! Sonst kaum
ein Unterschied, als ein schwacher Wohlgeruch, den die hiesige Pflanze besitzt,
die der Insel St. Catharina völlig entbehrt, — Schon im vorigen Jahre habe ich
in Blumenau's Garten eine ähnliche Pflanze gesehen, die aber im Habitus sich
etwas mehr von der triandrischen Form entfernte, auch, meine ich, noch stärker
roch ^). — Jedenfalls können die beiden Formen, die monandrische des Itajahy und
die triandrische der Insel St. Catharina und der gegenüberliegenden Strandgebüsche,
nur als Varietäten angesehen werden, trotzdem sie sich in einem Merkmale unter-
scheiden, welches zur Scheidung der beiden Hauptgruppen der Familien dient, in
der Zahl der fruchtbaren Antheren. — Die ursprüngliche Form ist jedenfalls die
monandrische des Urwaldes; das Auftreten der seitlichen Antheren ist ein Rück-
fall in einen längst verlornen Charakter, der in einer des Urwaldes fast ganz ent-
behrenden Gegend wahrscheinlich deshalb als nützlich durch natürliche Auslese
erhalten wurde, weil mit dem Urwalde die zur Befruchtung nöthigen Insekten
fehlen mochten, und die einst beseitigte Selbtbefruchtung so wieder vortheilhaft
wurde, — Viele auf Insekten angewiesene Orchideen, so das gemeine Oncidium
flexuosum, tragen auf St. Catharina fast nie Samen, viel weniger als hier. — Bei
Desterro ist die triandrische Varietät ziemlich häufig, hier habe ich von der mon-
andrischen nur die beiden erwähnten Pflanzen bis jetzt gesehen. Ich bin neugierig,
wie die geographische Verbreitung der beiden Formen sein wird; die Pflanze
kommt z. B, in der Nähe der Mündung des Itajahy vor, wo die Verhältnisse denen
der Insel ähnlicher sind, als den hiesigen; doch habe ich dort keine Blüthen ge-
sehen. — Merkwürdig ist auch, dass mit der Nothwendigkeit der Befruchtung
durch Insekten auch der Duft verloren gegangen ist,
Itajahy, den 12. April i86g.
Nachschrift vom 17. April. An einer männlichen Pflanze von Chamissoa
sah ich gestern einige Blüthen, deren kurze Griffel klaffende Schenkel hatten, und
dass solche Blüthen fruchtbar sind, zeigten einige Früchte an derselben Pflanze.
I) Botanische Zeitung 1869. Nr. 14. = Ges. Schriften S. 350.
On the Modification of the Stamens in a Species
of Begonia^).
Aus einem Briefe an Ch. Darwin.
Mit 5 Textfiguren.
Itajahy, S. Catharina, BrazU.
March 14, 1869.
My dear Sir,
In your book on 'Variation under Domestication' you mention a remarkable
plant of Begonia frigida producing hermaphrodite flowers with inferior perianth.
I have lately found an analogous wild plant of another Begonia, which is here
a common weed. In this plant all the male flowers show a strong tendency to
become hermaphrodite — one, two, or three of the central stamens being trans-
formed more or less completely into pistils. No two of these male flowers appear
to be exactly alike ; and almost every day affords a new and surprising modification.
Here are some cases: —
Fig. I.
Fig. 2.
^,0 1
4^>f^,
Fig. 3-
Fig. 4.
Fig. 5-
Fig. I. A Single stamen modified; connectivum much dilated; on either margin a short anther with
good pollen; at the end, well-developed stigmatic papillse.
Fig. 2. A Single stamen modified; a well-developed Stigma; neither anthers nor ovules.
Fig. 3. Three modified stamens, united at the base. a, well-developed Stigma ; no pollen; numerous
ovules, differing in nothing from those of the normal 9 flowers. b, club-shaped, without pollen, ovules,
and stigmatig papillae. c, pollen on both margins of the connectivum ; ovules on the convex margin ; apex
of the connectivum smooth, without stigmatic papill?e, but one of the ovules transformed into a stigma.
Fig. 4. Three stamens united. a, not modified; b, connectivum much dilated, pollen on either
margin, neither ovules nor stigmatic papillär ; c, well-developed stigmatic papiil?c, pollen (a small quantity)
on one margin alone of the much dilated connectivum, a few ovules.
Fig. 5. Three stamens, modified and united: a and b without pollen, with large Stigmas and
numerous ovules ; e nearly normal, only the tip of the connectivum being somewhat enlarged and provided
with small stigmatic papillse.
I) Journ. Linn. Soc. (Bot.) 187 1. XI. p. 472—474.
On the Modification of the Stamens of a Species of Begonia. 7cg
Once I saw (fig. 3, s) in the midst of the white ovules, a dark yellow body
of a club-shaped form, having nearly the size of an ovule, covered by club-shaped
papillae exactly resembling in shape and colour those of the Stigma; so that in
this case an ovule appeared to have been transformed into a stigma!
Since I found this plant, I have been looking out for others ; and yesterday
I at length met with a second specimen (growing within 2 yards distance from
the first), which promises to offer still more curious modifications. Some of the
male flowers of this second plant have been transformed completely into female
ones with superior perianth, but distinguished from the normal ? flowers by the
perianth having (as in the male flowers) two large broad outer and two small
narrow inner segments (whilst the female flowers have five segments, one being
smaller), and by their having from four to five Stigmas and as many alae on the
ovarium (the female flowers have three). In one of these abnormal female flowers
there were some naked ovules between the Stigmas beside those included in the
ovarium. In the first plant all the ovules of the male flowers are naked. There
are some unripe pods on the second plant, all of which are produced by normal
$ flowers ; as soon as they are ripe I shall send you seeds of this second plant also.
Botanische Notizen^).
Aus einem Briefe an Friedrich Hildebrand.
Eine Passiflora- Art wird, wie es Delpino für Passiflora princeps vermuthet,
wahrscheinlich ausschhesslich oder doch vorzugsweise durch Kolibri's bestäubt,
die die Blumen sehr fleissig besuchen, während ich nie grössere Insekten daran
sah. Honig habe ich nie in den Blumen gefunden. Jedenfalls suchen die Kolibri's
die kleinen Insekten, die oft in der innersten Kammer der Blume sich finden und,
einmal dorthin verirrt, wohl durch die mehrfachen Gitter über dieser Kammer
zurückgehalten werden. An einer kleinen, weissblühenden, wohlriechenden Art,
die reichlich Honig absondert, sah ich nie Kolibri's. Bei einer Gesneriacee fand
ich, dass Honig in den protandrischen Blüthen erst in der zweiten (weiblichen)
Periode der Blüthezeit abgesondert wird; Pollen und Honig suchende Bienen
müssen also, wenn sie beiderlei Bedürfnisse befriedigen wollen, sowohl jüngere
(männliche), als ältere (weibliche) Blumen aufsuchen.
Bei einer Jussieua sind die, sonst in der FamiUe der Onagrarieen nach innen
aufspringenden Antheren eigenthümlich gedreht, so dass sie ziemlich nach aussen
sich öffnen, und vor Insekten geschützte Blumen sich nicht selbst bestäuben.
Die Nectarien sind sehr zierlich gebildet, von einem Haarsaum überwölbte, halb-
kreisförmige Gruben. Nicht selten ist bei dieser Art die erste Blume eines Astes
fünfzählig, während sonst die Blumen vierzählig sind. Aehnliche Vermehrung der
Zahl der Blüthentheile bei den Erstlingsblumen habe ich kürzlich bei einer Pflanze
von Eschscholtzia gesehen, wo die 6 — 8 ersten Blumen 5—7 Blumenblätter hatten,
bei einem Agapanthus, wo die erste Blume achtzähhg war, und bei einem weissen
Siphocampylus, wo an einigen Aesten die erste Blume sechszählig war (im vorigen
Jahre war an derselben Pflanze die erste Blume yzählig). Bei einer anderen Art
von Jussieua fand ich vor Kurzem eine Blüthe, die statt 8 Staubgefässen damals
20 hatte, indem jedem Kelchblatte 2, jedem Blumenblatte 8 gegenüber standen.
Ein Herr Silveiro daMotta will, wie er im „Auxiliador da Industria
nacional" berichtet, grün und roth, sowie gelb und roth gestreiftes Bastardzucker-
rohr erhalten haben, indem er je einen grünen und einen rothen sowie einen gelben
und einen rothen Steckling in dasselbe Loch pflanzte (man pflanzt als Stecklinge
drei Augen enthaltende Stücke der Rohrs). Ich hoffe hier rothes Zuckerrohr er-
I) Botanische Zeitung 1870. Bd. 28. Sp. 273 — 275.
Botanische Notizen. i5l
halten zu können, und will dann den Versuch, den ich noch mit einigem Miss-
trauen betrachte, wiederholen.
In die Zahl der mit Blüthenstaub derselben Pflanze unfruchtbaren Arten
gehört auch Tabernaemontana echinata. Ich hatte beim Niederhauen eines jungen
Waldes der duftigen Blüthen wegen ein Bäumchen dieser Art stehen lassen, das
schon voriges Jahr reichlich blühte, ohne Frucht anzusetzen; auch dies Jahr war
fast die Blüthezeit ohne Fruchtansatz vorüber gegangen, als ich etwa eine Stunde
von meinem Hause ein anderes blühendes Bäumchen fand. Ich bestäubte nun
3 Blüthen mit Blüthenstaub dieses zweiten Baumes, und alle 3 haben Frucht an-
gesetzt, während mehrere mit Blüthenstaub desselben Baumes bestäubte, wie alle
sich selbst überlassenen Blüthen ohne Fruchtbildung abgefallen sind, — Wahr-
scheinHch ist auch ein Calonyction mit sehr grossen, weissen Blumen mit eigenem
Pollen unfruchtbar; wenigstens habe ich durch Bestäubung mit Pollen derselben
Pflanze keine Frucht erhalten, habe aber leider nur eine blühende Pflanze, und
kann also für jetzt den Gegenversuch mit fremdem Pollen nicht anstellen.
In Betreff der verschiedenen Grösse der Pollenkörner bei den heterostylen
Pflanzen spricht Delpino in seinen Note critiche zu Ihrem Buche über die Ge-
schlechtervertheilung die Ansicht aus, dass diese verschiedene Grösse im Zusam-
menhange stehe mit der verschiedenen Länge des Weges, den die Pollen schlauche
zu durchlaufen haben. Sind auch die Pollenschläuche bei ihrem Wachsthum ge-
wiss nicht allein auf den im Pollenkorn enthaltenen Stoff angewiesen, so scheint
mir diese Ansicht doch nicht ganz unwahrscheinlich. Man würde in diesem Falle
erwarten müssen, auch bei verwandten Arten eine der Griffellänge entsprechende
Verschiedenheit im Durchmesser der Pollenkörner zu finden. Einige allerdings
noch nicht zahlreiche Messungen an Convolvulaceen und Salvia-Arten scheinen
allerdings für eine solche Abhängigkeit zu sprechen.
An verschiedenen hiesigen Marantaceen habe ich die von Ihnen gesehenen
Bestäubungseinrichtungen ebenfalls schon vor längerer Zeit kennen gelernt; unser
kultivirter Arrow-root, dessen Blüthen keinen Pollen mehr erzeugen, hat noch
den elastisch vorschnellenden Griffel behalten. Die Ursache der so häufigen Un-
fruchtbarkeit der nur auf ungeschlechtlichem Wege vermehrten Pflanzen ist
übrigens bei verschiedenen Arten eine verschiedene: unsere Dioscorea- Arten
bringen, mit Ausnahme einer einzigen, überhaupt nie Blüthen, dasselbe soll bei
mehreren Varietäten des Zuckerrohrs der Fall sein. Bei den Bananen scheint die
Unfruchtbarkeit, wie beim Arrow-root, hauptsächlich in den männlichen Blüthen
zu liegen; die Antheren erzeugen zwar meist etwas Pollen, aber äusserst wenig
im Vergleich mit der fruchtbaren Musa coccinea, und vertrocknen ohne auf-
zuspringen; doch ist der Pollen gut, wenigstens bei einer Varietät (Banana de
Säo Thome), mit deren Blüthenstaub ich Musa coccinea bestäubte und Samen
erhielt, die indessen nicht zu keimen scheinen. Beim Ingwer scheinen Pollen,
Narbe und Eichen vollkommen normal zu sein, vielleicht ist die Pflanze mit
eigenem Pollen unfruchtbar, und bringt hier keinen Samen, weil alle unsere
Pflanzen Theile eines einzigen Stockes sind. — Mandioc und Aypim bringen
ziemlich häufig Samen, der indess nur selten zu keimen scheint.
Die in einem Ihrer Briefe erwähnten kleinen Blüthen des Kaffeebaumes
habe ich vorige Woche in der Pflanzung meines Bruders ziemlich häufig ge-
302
Botanische Notizen.
funden, halte sie aber (genauere Untersuchung und Experimente vorbehaltend)
nicht für weibliche, sondern für verkümmerte unfruchtbare Blüthen, die bei be-
stimmten Witterungsverhältnissen auftreten mögen. Die Griffel und Narben
hatten grünliche Farbe, und, soviel ich mit der Lupe sehen konnte, keine Papillen,
überhaupt ein ebenso unreifes Ansehen, wie die Staubgefässe, die von den ein-
gerollten Rändern der Blumenkronzipfel umschlossen werden.
Dass Norantea, wie Delpino vermuthet, von Vögeln bestäubt werde, be-
zweifle ich, da die Färbung der Blüthen eine dunkle ist; ich habe daran nie
Kolibri's gesehen, die allerdings hier sonst bei der Bestäubung der Blüthen sehr
thätig mitwirken, aber vor Allem helle, grelle Farbe zu lieben scheinen ; scharlach-
farbene Salvien, Combretum mit anfangs goldgelben, später orangefarbenen
Staubfäden, Manettia u. s. w. werden von ihnen sehr fleissig besucht.
Itajahy, 7. Dezember 1869.
Die Bewegung des Blüthenstieles von Alisma^).
An den Ufern des Itajahy, dicht am Wasser und nicht selten überfluthet
von dem schwellenden Flusse, wächst in Menge ein stattliches Alisma^). Der
Blüthenstiel erhebt sich bis mannshoch und trägt drei im Quirl stehende Aeste.
Unterhalb der Aeste ist der Blüthenstiel nackt; sein oberer Theil trägt wie die
Aeste entfernt stehende Deckblattwirtel, in deren Achseln dicht gedrängt die
Blüthen entspringen.
Betrachtet man eine Gruppe dieses AI isma, so fällt es auf, dass die oberen
Enden der Blüthenstiele und ihrer Aeste in höchst mannigfacher Weise gekrümmt
sind. Die einen stehen fast gerade in die Höhe, andere sind in einfacher Krüm-
mung stärker oder schwächer zur Seite geneigt, bei wieder anderen sind die
einzelnen Stengel glieder in verschiedenen Ebenen gebogen. Die Aeste sind bald
schief aufwärts gerichtet mit dem Hauptstiele zu- oder von ihm abgewendeter
Spitze, bald stehen sie wagerecht ab und ihre Spitze zeigt seitwärts oder nieder-
wärts. Die drei Aeste desselben Blüthenstieles stimmen meist weder in der Stärke
noch in der Richtung ihrer Krümmung überein. — Und auch für jeden einzelnen
Blüthenstiel sind Grad und Richtung der Krümmung stetem Wechsel unterworfen.
Nach Verlauf einiger Stunden wird man nur selten den einen oder anderen in
seiner früheren Stellung wiederfinden. Ein Blüthenstiel, der sich vorher etwa nach
W neigte, wird jetzt vielleicht in gleicher Weise sich nach N oder O biegen, oder
fast gerade sich emporstrecken, oder auch, indem seine einzelnen Glieder nach ver-
schiedenen Seiten sich krümmen, schlangenförmig oder fast schraubenförmig auf-
steigen.
Alle diese nach Form und Richtung so wechselvollen Krümmungen beob-
achtet man jedoch nur an den jüngeren, noch in raschem Wachstum begriffenen
Gliedern des Blüthenstieles, namentlich vor dem Aufbrechen der Knospen; die
älteren, samentragenden haben sich gestreckt und stehen am Hauptstiele aufrecht,
an den Aesten ziemlich wagerecht.
Ich habe einen jungen Blüthenstiel während dreier Tage, so oft meine Zeit
es gestattete, beobachtet und jedesmal die Richtung, nach welcher seine Spitze
hinzeigte, aufgezeichnet und die Entfernung der Spitze von der die Verlängerung
des unteren nackten Theiles bildenden Verticallinie gemessen. Ich will der Mit-
theilung dieser Beobachtungsreihe vorausschicken, dass in diesen drei Tagen (8.,
i) Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft. 1870. V. p. 133 — 137.
2) Dasselbe wurde mir in Kew als Alisma macrophylla Kth. (?) bestimmt.
>64
Die Bewegung des Blüthenstieles von Alisma.
9, und 10, Januar) der untere nackte Theil des Blüthenstieles von 0,9 zu 1,1 Meter
Höhe heranwuchs, und dass der obere Knospen tragende Theil am Morgen des
8. Januar 0,14, am Morgen des 9. Januar 0,19, am Morgen des 10. Januar 0,25
und am Abend desselben Tages 0,30 Meter lang war. Die Aeste waren noch
ganz kurz und ihre Deckblattwirtel dicht zusammengedrängt. — Auch mag er-
wähnt sein, dass die drei Tage sonnig und ungewöhnlich heiss waren ; das Thermo-
meter zeigte um 6^ 45" Vormittags an jedem der drei Tage 24*^ C und um i Uhr
Nachmittags 32" C am 8. Januar, 34*^ C am 9. und 10. Januar.
Zeit der Beobachtung
Richtung der
Stengelspitze
Entfernung der Stengel-
spitze von der Verticalen
1868
Januar 8.
6" 45" Vm.
8"
10"
SWgW
SSW
SSO
0,044 Meter
0,054 „
0,038 „
i" Nrn.
ONO
0,042 „
4" 45"
NOgN
NWgN
0,044 >>
0,044 „
Januar 9.
6" 45'" Vm.
W
0,026 Meter
gh i5„.
12"
SOgS
NO
0,098
0,036
3h jjm -f^j^
6h 30m
7" 30"
NWgW
OgN
NWgN
0,130 „
0,076 „
0,140 „
Januar 10.
5" 45- Vm.
0
0,055 Meter
6" 45"
8'"5-
N
SSW
0,098 „
0,142 „
gh 550,
9" 45'"
SWgS
w
0
0,130 „
0,084 "
0,174 ,.
12"
SSO
0,022 „
i" Nm.
w
0,208 „
2''5-
w
0,216 „
2" 54"
w
0,186 „
4" 54""
6"
7"
OgN
OgS
OgN
0,065 ',
0,194 "
0,136 „
Am 8. Januar beschreibt also die Spitze des Blüthenstiels in 10 Stunden
drei Viertel eines Kreises und bewegt sich dabei in gleicher Richtung wie der junge
Schössling einer Winde, Bohne oder einer anderen nach rechts sich windenden
Pflanze. Die Krümmung des in Bewegung begriffenen oberen Theiles erleidet
dabei keine auffallende Veränderung; die Entfernung der Spitze von der Vertical-
linie beträgt Yi bis Vs von der Länge dieses oberen Theiles.
Am 9. Januar wird in gleicher Richtung fast die ganze Windrose (^732). in
8V2 Stunde (von 6^ 45"" Vm. bis 3'' 15'" Nm.) durchlaufen, aber statt eines Kreises
beschreibt die Spitze jetzt eine langgezogene Ellipse, deren kleine Achse etwa
von NO nach SW gerichtet und etwa viermal in der grossen enthalten ist. Bei
der ersten Beobachtung am Morgen und ebenso Mittags steht der Blüthenstiel
fast aufrecht, während er in der Mitte des Vor- und Nachmittags stark gekrümmt
Die Bewegung des Blüthenstieles von Alisma. ß5£-
ist, — Wahrscheinlich wurde von 3^^ 15*" bis 7*" 30"' noch ein fast vollständiger
Umlauf in gleicher Richtung gemacht. Ich sage „wahrscheinlich", denn es muss unent-
schieden bleiben, ob die Spitze des Blüthenstieles von 3^ 15™ bis 6^ 30'" durch S,
oder durch N hindurch von NWgW nach OgN gelangte; da sie indess von da
in der am vorigen und am Morgen dieses Tages befolgten Richtung weiter geht,
erscheint die erstere Annahme, bei der die Drehungsrichtung sich nicht geändert
haben würde, als die bei weitem wahrscheinlichere.
Am nächsten Tage (10. Januar) wird die Bewegung eine weit unregelmässigere.
Am frühen Morgen macht das Ende des Blüthenstieles von 5^ 45"" bis 8^ 5"" fast
^4 eines Umgangs in des früheren Richtung von O durch N bis nach SSW; dann
aber statt nach S weiter zu gehen, kehrt es nach W zurück und vollendet in
etwas über vier Stunden einen ersten Umlauf in entgegengesetzter Richtung und bis
6^ Abends fast % eines zweiten Umlaufs, um sich dann von Neuem in die frühere
Richtung zurückzuwenden, indem es von OgS nach O statt nach S zu wandert
Dass beim Umkehren in die entgegengesetzte Richtung, sowohl am Morgen
(zwischen 8^ 5" und 8^ 55™), als am Abend (zwischen 4'' 54" und 7^) eine sehr be-
deutende Verlangsamung der Bewegung sich zeigt, hat nichts Befremdendes. Sehr
auffallend aber ist die fast vollständige Unbeweglichkeit, in welcher der stark
gebogene Blüthenstiel von i^ bis 2^ 54™ Nm. verharrt, während er vorher in einer
Stunde mehr als einen Viertelkreis durchlaufen hatte und nachher in zwei Stunden
fast 180*^ durchläuft. Auch abgesehen von diesem Stillstand und von der Ver-
langsamung in der Nähe der Wendepunkte ist die Winkelgeschwindigkeit eine
sehr wechselnde, bald so rasch, dass ein Umlauf kaum 2Y2 Stunde, bald wieder
so langsam, dass er über 5 Stunden erfordert haben würde. — In höchst unregel-
mässiger Weise wechselt endlich an diesem Tage die Krümmung des beweglichen
Theiles des Blüthenstieles. Mittags steht seine Spitze ganz in der Nähe der Vertical-
linie, — eine Stunde später ist sie eine gute Spanne davon entfernt; und während
ihr Weg während der ersten Morgenstunden sich auf eine Ellipse mit von N nach
S gerichteter grossen Achse zurückführen lässt, beschreibt sie später eine ausser-
ordentlich langgezogene Ellipse, deren grosse Achse von W nach O gerichtet ist.
Die Unregelmässigkeiten der Bewegung während dieses dritten Tages, gegen-
über der regelmässigen Bewegung des ersten Tages, mögen wenigstens zum Theil
ihre Erklärung in dem Umstände finden, dass am ersten Tage nur ein einziges
Stengelglied, das zwischen dem Ursprung der Aeste und dem ersten Deckblatt-
wirtel gelegene, dass aber am dritten Tage deren drei in Bewegung waren. Viel-
leicht war (abgesehen von dem Stillstande am Nachmittage und dem zweimaligen
Richtungswechsel), die Bewegung jedes einzelnen Gliedes eine ziemlich regelmässige
— jedenfalls aber war ihre Winkelgeschwindigkeit eine verschiedene, denn bald
waren sie alle drei nach gleicher Richtung gebogen (wie um i Uhr Nm.), bald
krümmten sie sich nach verschiedenen, ja, das erste und dritte bisweilen nach fast
entgegengesetzten Richtungen (wie am Mittag). Im ersten Falle musste natürlich
die Entfernung der Spitze von der Verticallinie vermehrt, im zweiten vermindert
werden und ebenso musste dadurch die Winkelgeschwindigkeit des ganzen beweg-
lichen Theiles (dessen Richtung durch die einer vom Ursprung der drei Aeste
nach der Spitze gezogenen Geraden bestimmt wurde) bald beschleunigt, bald ver-
langsamt erscheinen.
■ifyf. Die Bewegung des Blüthenstieles von Alisma.
Aehnliche Bewegungen, wie die Blüthenstiele unseres Alisma, vollführen
bekanntlich die jungen Schösslinge aller windenden und vieler rankentragenden
oder mittelst ihrer Blattstiele klimmenden Kletterpflanzen, bei denen diese Be-
wegungen durch Darwin so meisterhaft geschildert worden sind.
Dass bisher nur bei Kletterpflanzen derartige Bewegungen beobachtet wurden,
dass sie als eine diesen ausschliesslich zukommende Eigenthümlichkeit er-
schienen, war eine ernste Schwierigkeit für Darwins Lehre von der Entstehung
der Arten.
Dass die Fähigkeit des Windens, deren sich in einigen Fällen fast alle Arten
einer grossen Familie erfreuen, in anderen auf vereinzelte Gattungen, oder selbst
auf einzelne Arten einer Gattung (z. B. Valeriana) beschränkt ist, weist darauf
hin, dass diese Fähigkeit zu sehr verschiedenen Zeiten erworben worden ist, und
dass bis in die jüngste Zeit die Umwandlung nicht windender in windende Pflanzen
fortgedauert hat. Ferner weist das Vorkommen windender Pflanzen in so ver-
schiedenen Familien, wie es z. B. die Farn, die Dioscoreen, die Asclepiadeen, die
Dilleniaceen sind, darauf hin, dass ihre Entstehung sich an eine im Pflanzenreiche
weit verbreitete,! von der natürlichen Zuchtwahl benutzte und weiter ausgebildete
Lebenserscheinung geknüpft haben werde. Da nun das Winden jene eigenthüm-
liche Bewegung der jungen Schösslinge zur nothwendigen Voraussetzung hat, da
eine Pflanze nothwendig sich bewegen musste, ehe sie in einer Schraubenlinie
sich an anderen emporwinden konnte, so durfte man eben in jener Bewegung
diese die Entstehung der windenden Pflanzen vermittelnde Lebenserscheinung suchen,
und mit Bestimmtheit erwarten, ähnliche Bewegungen an nicht kletternden Pflanzen
auffinden zu können. Es ist zu verwundern, dass Darwins Gegner seinen Freunden
noch nicht diese Schwierigkeit vorgehalten, an sie noch nicht die Forderung ge-
stellt haben, solche Bewegungen nicht kletternder Pflanzen — als nothwendige
Vorbedingung für die Möglichkeit des Entstehens windender aus nicht windenden
Pflanzen — nachzuweisen.
Jetzt würde eine solche Forderung zu spät kommen. Unser Alisma zeigt
in der That so deutlich, als irgend eine Kletterpflanze, dies „spontaneous revolving
movement". Ich habe Grund, das Vorkommen ähnlicher Bewegungen bei einigen
anderen Pflanzen zu vermuthen, und kann sogar meinen deutschen Landsleuten
eine im alten Vaterlande häufig gebaute Pflanze bezeichnen, die wie Alisma
kurz vor der Blüthezeit die Stengelspitze im Kreise herumdreht. Es ist der ge-
meine Lein. Meine Kinder hatten sich vor mehreren Jahren eine Pflanze dieser
ihnen bis dahin nur dem Namen nach bekannten Art gezogen und an dieser
machte mich meine Tochter Rosa auf die Bewegung aufmerksam. Ich konnte
mich mit Sicherheit von deren Vorhandensein überzeugen, wurde aber durch die
Ungunst der Witterung gehindert, sie mehrere Tage genauer zu verfolgen.
Itajahy, Februar 1868.
Bemerkungen über Cypridina^).
Mit Tafel XXXIV und XXXV.
Die folgenden Bemerkungen über Cypridina stützten sich auf die Unter-
suchung von drei Arten, die bei Desterro in der Nähe des Strandes gefangen
wurden. Zwei derselben, Cypridina Agassizii (Fig. 13 — 26) und C nitidula
(Fig. g — 12), tragen Kiemen und schliessen sich im Bau der Gliedmaassen an
Grube's C. oblonga an. Die dritte, C. Grubii (Fig. i — 8), ist kiemenlos und
erinnert durch zwei auffallend lange Endborsten der Fühler an Philo med es
longicornis Lilj. — Ich behalte für alle drei, wie überhaupt für alle Muschel-
krebse, die seitliche Augen und die bekannten „geringelten Anhänge" besitzen,
den Namen Cypridina bei; denn so lange nicht der Bau der Gliedmaassen bei
der Mehrzahl der bekannten Arten so weit erforscht ist, dass man den syste-
matischen Werth der einzelnen Merkmale und die verwandtschaftlichen Beziehungen
der einzelnen Arten mit einiger Sicherheit übersehen kann, erscheint mir die
Spaltung der Gattung verfrüht.
I. Der griffeiförmige Stirnanhang.
Grube sah bei Cypridina oblonga einen dünnen, griffeiförmigen, zwei-
gliedrigen Anhang, der ihm innen am Grunde der Fühler zu sitzen schien, jedoch
nur einmal , und zwar auf der rechten Seite bemerkt wurde ^). Ueber dessen
Bedeutung blieb er im Ungewissen. — Einen ähnlichen Anhang besitzen die von
mir beobachteten Cypridinen. Er ist in der That nur einmal vorhanden, entspringt
aber nicht vom Grundgliede der Fühler, sondern in der Mittellinie, dicht unter
dem grossen unpaaren Auge.
Von besonderer Länge, fast so lang wie der Endschenkel der knieförmigen
Fühler, ist der griffeiförmige Anhang bei Cypridina Grubii (Fig. 2 a, Fig. 3).
Wie bei C. oblonga besteht derselbe aus zwei Abtheilungen oder Gliedern. Das
Grundglied ist etwas kürzer und dicker als das Endglied und seine Haut derber;
gegen das Ende ist es schwach kolbig angeschwollen. Man erkennt in seinem
Innern Längsstreif ung, die wohl von zarten Fasern herrührt und zwischen den
Fasern sind in dem kolbig verdickten Theile "leine Körnchen eingelagert (Fig. 3 a).
i) Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft 1870. V. p. 255 — 276. Taf. VIII u, IX.
2) Archiv für Naturgesch. XXV, Bd. I, S. 332. — Taf. XII, Fig 5, a; Fig. A, a.
T^g Bemerkungen über Cypridina.
Das zarthäutige Endglied, das sich gegen die Spitze schwach verjüngt und ab-
gerundet endet, hat einen ganz wasserhellen Inhalt.
Bei Cypridina Agassizii hat der griff eiförmige Anhang {Fig. 20 a,
Fig. 21) etwa die halbe Länge des Endschenkels der Fühler. Er sitzt auf einem
besonderen Vorsprunge dicht unterhalb des mittleren Auges; seine beiden Glieder
sind von etwa gleicher Länge, das Grundglied aber ist nur halb so dick als das
Endglied, gegen das Ende halsartig eingeschnürt und am Grunde mit einem
doppelten Kranze zartester Härchen umgeben. Das Endglied ist am Grunde
bauchig angeschwollen und nach dem abgerundeten Ende zu schwach verjüngt.
Bei Cypridina nitidula erschien, an einem in Holzessig getödteten
Thiere, der Anhang als einfacher ungegliederter, am Grunde etwas verdickter
Stab mit abgerundeter Spitze.
Man wird diesen Stirnanhang der Cypridinen als Sinneswerkzeug betrachten
dürfen ; welcherlei Empfindungen es vermittle, darüber wage ich keine Vermuthung.
Ein „frontales Sinnesorgan", das freilich nur in seiner Lage mit dem der Cypri-
dinen übereinstimmt, wurde bekanntlich von Claus bei verschiedenen Copepoden
nachgewiesen ^).
2. Die Putzfüsse.
Die Cypridinen besitzen jederseits etwa in der Mitte der Körperlänge einen
langen, dünnen, „geringelten Anhang" (Fig. 15 h, Fig. 19), der nach dem Rücken
in die Höhe steigt und gegen die Spitze hin mehr oder minder zahlreiche, steife,
spitze Borsten trägt, welche ihrerseits wieder mit kurzen, spitzen Dörnchen besetzt
sind. Milne Edwards deutete diese Anhänge als „pattes oviferes"^) und alle
späteren Beobachter, die sich überhaupt über deren Verrichtung ausgesprochen
haben, sind ihm in dieser Deutung gefolgt; so Baird, Grube und Claus. Grube
erinnert dabei „an das ganz ähnlich gebildete Organ, welches beim Weibchen
von Limnetis brachyurus als Rückenast des 9. und 10. Fusspaars auftritt
und hier nicht zum Halten, sondern zum Tragen der Eier dient, indem sie sich
um dasselbe zu einem Klumpen backen". — Eier hat freilich Niemand weder an
diesen „eiertragenden Füssen", noch überhaupt innerhalb der Schale von Cypri-
dina gesehen, und so hätte man sich wenigstens wie Grube auf eine blosse Ver-
muthung beschränken und nicht wie Andere jene Deutung als ausgemachte That-
sache hinstellen sollen.
Bekanntlich wurde bei Cypris dem letzten Fusspaare ebenso allgemein und
ebenso ohne jede thatsächhche Begründung dieselbe Leistung zugeschrieben, bis
W. Zencker die jedenfalls richtigere Ansicht aussprach, dass diese ebenfalls auf-
wärts gebogenen, sehr beweglichen Füsse dazu dienen, „die grosse Kiemenplatte
mit ihren gefiederten Haaren zu reinigen" % Das hätte auch für die geringelten
Anhänge der Cypridinen auf den rechten Weg leiten können. Dieselben sind in
der That nichts Anderes als Putzfüsse. Beobachtet man eine lebende Cypri-
dina nitidula oder eine C. Agassizii mit nicht zu undurchsichtiger Schale,
i) Claus, die freilebenden Copepoden. S. 55. Taf. XXXI, Fig. 17.
2) Milne Edwards, Hist. nat. des Crustaces. Explication des Planches, pag. 28.
3) W. Zenker, Studien über die Krebsthiere. S. 17.
Bemerkungen über Cypridina. X^Q
SO sieht man die geringelten Anhänge, die mit ihrem meist rechtwinkHg ab-
stehenden Borstenbesatz fast wie die Bürsten aussehen , deren man sich zum
Reinigen von Glascyhndern bedient, in fast ununterbrochener, lebhafter Bewegung.
Einem Ringelwurm vergleichbar, der aus seiner Röhre weit vorgestreckt nach
allen Seiten umhertastet, kriechen sie und biegen sie sich nach allen Richtungen ;
namentlich an den Kiemen und in deren Umgebung fegen sie und putzen sie
fleissig hin und her. Mit den Eiern, die allerdings wenigstens bei C. Agassizii
innerhalb der Schale der Mutter sich entwickeln, haben sie nichts zu schaffen.
Sie sind bei beiden Geschlechtern in völlig gleicher Weise ausgebildet.
Ich habe die „geringelten Anhänge" Putzfüsse genannt und damit schon
ausgesprochen, dass ich sie als ein Gliedmaassenpaar betrachte; auch von Milne
Edwards, Baird und Dana werden sie als Füsse bezeichnet (pattes oviferes, ovi-
ferous feet, pes ad ova pertinens). Grube, der sie, wie erwähnt, dem Rückenast
des 9. und 10. Fusspaares der weiblichen Limnetis vergleicht, sagt von ihnen:
„Bei Cypridina scheint es gar nicht mehr zur Bildung einer freien Fussplatte
zu kommen und blos dieser Anhang ausgebildet zu sein." Gegen diese Auf-
fassung ist einzuwenden, dass die hinteren Füsse der Muschelkrebse (Cypris,
Cythere) gar keinen Rückenast, sondern überhaupt nur eine einzige Gliederreihe
besitzen, also ihr gar nicht vorhandener Rückenast sich nicht wohl in den ge-
ringelten Anhang umwandeln konnte. Zudem ist auf den Vergleich mit den
Eierträgern der Phyllopoden kaum Gewicht zu legen, da die Aehnlichkeit der
letzteren mit den Putzfüssen der Cypridinen sich darauf beschränkt, dass beide
nach oben gerichtet sind; im Uebrigen ist ihr Bau so verschieden, als ihre Ver-
richtung; jene sind ungegliederte, nackte P'äden, diese in zahlreiche Ringe ge-
gliedert und mit ansehnlichen Borsten bewehrt. Nach Claus i) „erscheint das
letzte Extremitätenpaar der Muschelkrebse nach dem Rücken zu emporgerichtet,
verkümmert zuweilen und wird in seiner Leistung durch einen gekrümmten,
geringelten Faden ersetzt, welcher zum Tragen der Eier unterhalb der Schale
dient (Cypridina)." Danach scheint Claus, wenn ich ihn recht verstehe, die „ge-
ringelten Fäden" nicht als das umgewandelte Fusspaar, sondern als ein selbständig
entstandenes Gebilde zu betrachten, das die Arbeit des verloren gegangenen Fuss-
paares übernommen hat. Man würde bei dieser Ansicht sich die Verkümmerung
des Fusspaares als Folge der Ausbildung der geringelten Fäden denken können,
die seine Arbeit besser verrichteten und es dadurch entbehrlich machten, etwa wie
bei einigen Acanthaceen (M e n d o z i a) der Kelch verkümmert, weil er durch die
Deckblätter entbehrlich gemacht worden ist.
Einfacher jedoch und natürlicher scheint mir die Annahme, dass die gerin-
gelten Anhänge der Cypridinen nichts Anderes sind, als eben das umgewandelte
letzte Fusspaar der Muschelkrebse. Bei Cythere sehen wir dieses Fusspaar in
seiner ursprünglichen Form und Verrichtung, dem vorhergehenden gleichend, ab-
wärts gerichtet, der Ortsbewegung dienend. Bei Cypris ist dasselbe Fusspaar
schon nach hinten und oben gebogen und zu einer neuen Leistung verwendet
doch im Bau noch sehr wenig verändert; nur sind seine Glieder länger, schmäch-
tiger geworden und haben, wie mir scheint, eine bedeutend grössere Beweglichkeit
i) Claus, Grundzüge der Zoologie, 1866. S. 208.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 24
o^Q Bemerkungen über Cypridina.
erlangt; auch die Endklaue ist sehr beweglich und bisweilen (nach Zenker) kämm -
artig gezähnt. Bei Cypridina sind die Putzfüsse in hohem Grade für ihre neue
Verrichtung vervollkommnet worden; ihre Beweglichkeit ist auf's Höchste ge-
steigert, indem ihre Glieder in zahlreiche Ringel zerfallen sind, wie es ja auch
mit einzelnen Gliedern an verschiedenen Fusspaaren mancher Garneelen (Lys-
mata, Stenopus) der Fall ist, und statt der spärlichen Borsten von gewöhn-
lichem Bau, die sich bei Cypris finden, sind sie mit einer vortrefflichen Bürste
ausgerüstet.
Bei dieser Gelegenheit darf ich wohl darauf hinweisen, dass trefflich aus-
gerüstete Putzfüsse auch unter den höheren Krustern, bei Porcellana, Hippa
und Pagurus vorkommen. Es sind dieses die ebenfalls nach dem Rücken in
die Höhe geschlagenen, aus dünnen, sehr beweglich mit einander verbundenen
Gliedern gebildeten Füsse des letzten Brustringes, die man bisher allgemein als
„verkümmerte" (Milne-Edwards, Troschel, Vogt, Gerstäcker, Claus etc.), „scheinbar
überflüssige" (Vogt) Anhänge betrachtet hat. Ich wurde auf ihre Bedeutung zu-
erst aufmerksam bei einer Porcellana (Polyonyx Creplinii F. M.), die sich in
der Röhre von Chaetopterus aufhält und welcher wegen des reichlichen
Schleimes, den ihr Wirth absondert, Reinlichkeit besonders Noth thut. Ich hielt
ein eiertragendes Weibchen dieser Art einige Zeit lebendig und dieses Hess die
durch Länge und Beweglichkeit ausgezeichneten Putzfüsse fast nie ruhen ; bald
senkte es sie tief in die Kiemenhöhle, bald kehrte es seinen Rücken ab^ und bald
fuhr es damit zwischen den Eiern herum wie ein Bäcker, der Teig knetet. Später
habe ich auch bei anderen Porcellanen, bei Hippa und bei Pagurus die Putzfüsse
in Thätigkeit gesehen ; sie dienen bei diesen Thieren hauptsächlich zum Reinigen
der Kiemenhöhle. Ihre letzten Glieder sind sehr reichlich mit mannichfach ge-
stalteten Borsten besetzt, die Bürsten, Kämme etc. darstellen ; bei Hippa sind ausser-
dem an diesen Putzfüssen die Innenränder der Scheere sehr zierlich gezähnelt.
Wäre man nicht gewöhnt gewesen, die Bezeichnung „rudimentär" und andere,
die früher eine nur bildliche Bedeutung hatten, eben deshalb ziemlich leichtfertig
und gedankenlos anzuwenden, so hätte der erste Blick auf ihre prächtige Be-
borstung überzeugen müssen, dass man in diesen Putzfüssen der Anomuren nicht
verkümmerte Füsse vor sich habe, sondern im Gegentheil für eine besondere,
sehr wichtige Verrichtung umgestaltete und zu grosser Vollkommenheit
ausgebildete Gliedmassen. Bei den Krabben, die keine besonderen Putzfüsse
haben, wird, beiläufig bemerkt, die Reinigung der Kiemen durch die in der Kiemen-
höhle spielenden Anhänge der Kieferfüsse besorgt, deren Borstenbesatz eine reiche
Musterkarte verschiedener Kammformen bietet.
3. Die Riechfäden und Spürborsten der Fühler.
Die Fühler (antennes superieures pediformes M. Edw.) sind bei verschiedenen
Arten von Cypridina in verschiedener Weise gegliedert und mit Borsten aus-
gerüstet; selbst die beiden Geschlechter derselben Art zeigen Verschiedenheiten
in dieser Beziehung und mehr noch in der Ausbildung der Riechfäden.
Von Cypridina Grubii habe ich nur Männchen gesehen. Die Fühler
(Fig. 2, b. Fig. 4) zeigen sechs deutliche Glieder; das erste ist wie gewöhnlich
borstenlos und bildet mit dem folgenden ein Knie; das zweite und dritte tragen
Bemerkungen über Cypridina. -yn j
nur wenige kurze Borsten; am Ende des vierten stehen, und zwar an der Unter-
seite, drei längere, gerade, einfache Borsten und über ihnen die Riechfäden-
borste (Fig. 4, ci). Diese ist mehr als doppelt so lang als die beiden Endglieder
des Fühlers zusammen und läuft wie eine gewöhnliche Borste in eine feine dunkel-
gerandete Spitze aus ; ihr unteres Drittel ist spindelförmig verdickt und das zweite
Sechstel ihrer Länge an der Unterseite mit einem dichten Büschel zahlreicher
Riechfäden besetzt, deren Länge etwa der halben Länge der Borste gleichkommt.
Am Ende des letzten Fühlergliedes stehen 5 (oder 6 ?) grössere Borsten, von denen
4 eine besondere Erwähnung verdienen. Zwei derselben (Fig. 4, /) laufen nämlich
nicht in eine scharfe, dunkelrandige Spitze aus, sondern in einen walzenförmigen,
am Ende abgerundeten, sehr zarthäutigen Faden, der ganz das Aussehen eines
Riechfadens hat. Die beiden anderen Borsten (Fig. 4, d) zeichnen sich durch ihre
grosse Länge aus, welche die des ganzen Fühlers übertrifft; in der ersten Hälfte
ihrer Länge trägt jede derselben eine Reihe von sieben kurzen Haaren ; die beiden
ersten sind gewöhnliche Haare, die fünf folgenden zartwandig, Riechfäden ähnlich.
Beim Männchen von Cypridina Agassizii (Fig. 20, b) ist die Gliederung
der Fühler ziemlich dieselbe, wie bei C. Grubii, nur sind das 5. und 6. Glied
auf der Unterseite mit einander verschmolzen; oberhalb sind sie deutlich ge-
schieden ; an den Seiten verläuft die Grenzlinie, allmählich undeutlicher werdend,
schief nach unten und hinten. Die Borsten am Ende des Fühlers scheinen von
einem besonderen, ganz kurzen siebenten Gliede getragen zu werden. — Der
Riechfädenbüschel (Fig. 20, Fig. 22) steht an derselben Stelle wie bei
C. Grubii und ist so mächtig und eigenthümlich entwickelt, dass man ihn auf
den ersten Blick eher für einen besonderen Ast des Fühlers, als für eine um-
gewandelte Borste nehmen möchte. Es fehlt nämlich das nackte Ende der Borste,
welches dieselbe bei C. Grubii sofort als solche erkennen lässt; der spindelförmig
geschwollene Theil, hier allein vorhanden, reicht etwa bis zum Ende des Fühlers ;
seine grösste Dicke kommt etwa einem Viertel seiner Länge gleich. Seine Wand
ist dick, stark und unregelmässig quer gerunzelt. Die Riechfäden stehen in etwa
sechs Gruppen am oberen, in etwa fünf am unteren Rande; auch die Spitze gabelt
sich in mehrere Riechfäden. Nach aussen und hinten vom Riechfädenbüschel
steht eine gewöhnliche Borste. Am Ende des sechsten Gliedes und zwar an der
Unterseite steht eine starke Borste, die am Ende in zwei kurze, dünnwandige
Fäden mit abgerundeter Spitze ausläuft. — Unter den Endborsten des Fühlers
sind hervorzuheben: eine starke, klauenartige Borste (Fig. 17, e) mit leicht auf-
wärts gebogener Spitze, etwa so lang wie das 5. und 8. Glied zusammen, und
eine Borste (Fig. 17, y), die dünner als die übrigen ist und in einen zarthäutigen
Faden mit abgerundeter Spitze ausläuft.
Beim Weibchen von Cypridina Agassizii (Fig. 17) steht an der Stelle
des Riechfädenbüschels eine gewöhnliche Borste (Fig. 17, a); am Ende des folgenden
Gliedes (wahrscheinlich dem 5. und 6. des Männchens entsprechend) findet sich,
an gleicher Stelle, wie am 6. GHede des Männchens, eine ähnliche Borste wie bei
jenen, die aber am Ende in drei (bisweilen vier?) Fäden sich spaltet. (Fig. 17, ß).
Die Endborsten gleichen denen des Männchens; doch sah ich nur an einer der-
selben, die durch S-förmige Krümmung sich auszeichnet (Fig. 17, ö), drei kurze,
blasse, seitliche Fäden, während solche beim Männchen zahlreicher vorkommen.
24*
-ym-y Bemerkungen über Cypridina.
Bei dem Weibchen von Cypridina nitidula ist die Beborstung der
Fühler (Fig. ii) fast ganz wie bei C. oblonga Gr. — Bei letzterer sind das
dritte und vierte Glied der Fühler von C. Grubii und C. Agassizii in eins
verschmolzen; bei C. nitidula verschmelzen damit auch noch die beiden folgenden
Glieder. Dagegen ist das Endglied (beim Männchen von C. Agassizii das 7.)
sehr deutlich abgesetzt. Die Riechfädenborste ist dicker und kürzer, die sechs
Riechfäden an deren Ende dagegen viel länger, als bei C. oblonga. Unter den
Endborsten läuft, wie bei C. Agassizii, eine (Fig. 11, 7) in eine riechfaden-
ähnliche Spitze aus.
Bei einem Männchen (Fig. 9). das vermuthlich zu derselben Art gehört,
bildeten die Riechfäden ein dichtes Büschel wie bei C. Agassizii, während
zwei der Endborsten ungemein verlängert sind, wie bei C. Grubii.
Ich kann mich nicht entsinnen, bei anderen Krustern Fächer oder Büschel
von Riechfäden am Ende oder an der Seite gewöhnlicher Borsten gesehen zu
haben. Die Endborsten mit zarthäutigem Endfaden, dessen abgerundete Spitze
bisweilen das Licht etwas stärker bricht, sind gewöhnlichen Riechfäden schon
ähnlicher. Was schon Claus als wahrscheinlich aussprach, dass^die Riechfäden
„morphologisch den dunkel contourirten Haaren und Borsten entsprechen möchten" ^),
wird durch ihr Verhalten bei Cypridina zur Gewissheit. — Ebenso eigenthüm-
lich sind die zarten, seitlichen Fädchen an einzelnen Endborsten, namentlich an
den beiden langen Borsten der C. Grubii. Diese langen Endborsten, die Lilje-
borg als Gattungsmerkmal verwerthet, dürften eine Eigenthümlichkeit des männ-
Hchen Geschlechtes sein und als Spürborsten beim Aufsuchen der Weibchen
dienen ; ich habe sie wenigstens nur bei männlichen Thieren gefunden 2).
4. DieSchwimmfüsse
(„pattes natatoires" M. Edw. „Aeusserc Antennen" Grube).
Zunächst ein Wort über die Benennung dieses Gliedmaassenpaares, für
welches ich die ältere Bezeichnung von Milne Edwards beibehalte, trotzdem kein
Zweifel darüber obwalten kann, dass es dem zweiten Fühlerpaare der höheren
Kruster entspricht. — Es mag zweckmässig scheinen, einander entsprechende
(homologe) Theile überall mit gleichem Namen zu belegen, obwohl ich nichts
Uebles darin finden kann, dass wir beim Fisch von Brustflossen, beim Vogel von
Flügeln, beim Hunde von Vorderbeinen, beim Menschen von Armen reden. Will
man aber gemeinsame Bezeichnungen für Reihen entsprechender Theile einführen,
so sollten dieselben so gewählt sein, dass sie entweder überhaupt nichts über deren
i) Claus, die freilebenden Copepoden. 1863. S. 55.
2) Man ei innert sich, dass bei den Männchen einiger anderen Kruster die hinteren Fühler ausser-
ordentlich verlängert sind ; so bei den Cumaceen und einigen Hyperinen (den Hyperiens anormales
M. Edw.). Dabei sind diese Fühler so dünn und muskelschwach, dass sie nicht zum Halten, sondern
offenbar nur zum Aufspüren der Weibchen dienen können. Beachtenswerth ist, dass dieselben Fühler, die
bei den Männchen so ungewöhnlich verlängert sind, bei den Weibchen sowohl der Cumaceen, als der
Hyperiens anormales verkümmern, oder sogar (in der Gattung Brachyscelus Sp. Bäte) ganz fehlen.
Ohne dies Verhalten damit vollständig erklären zu wollen, will ich darauf hinweisen, dass die Männchen
diese Fühler nur dann in den ausschliesslichen Dienst des Geschlechtslebens ziehen konnten, wenn ihnen
keine anderweitige wichtige Leistung oblag. In diesem Falle aber, wenn sie anderweitig entbehrlich waren,
konnten sie bei den Weibchen leicht verkümmern.
Bemerkungen über Cypridina. '^7'^
Verrichtung aussagen, oder wenigstens von der ursprünglichen Verrichtung der-
selben ausgehen. Es Hesse sich etwa rechtfertigen, die Flügel der Vögel als
Vorderbeine zu bezeichnen; es wäre geradezu lächerlich, die Vorderbeine des
Hundes Flügel zu nennen. Und ganz ebenso wie die Flügel umgewandelte Beine,
nicht aber die Beine umgewandelte Flügel sind, so sind auch die Fühler der
Kruster umgewandelte Schwimmfüsse, nicht aber die Schwimmfüsse von Cypridina,
Daphnia etc. umgewandelte Fühler. Es scheint mir daher verkehrt, sie Fühler
(Antennen) zu nennen, blos weil sie bei andern Krustern zu Fühlern geworden
sind ^).
Das dicke, muskelreiche Grundglied und die langborstige Geissei der
Schwimmfüsse (Fig. 2, Fig. 15, Fig. 20, c) wiederholen sich in sehr gleich-
förmiger Weise bei allen Cypridinen; um so mannichfacher gestaltet sich nach
Art und Geschlecht der innere oder Nebenast dieser Füsse. Er wurde von Baird
vermisst bei Cypridina Brendae^); winzig und ungegliedert fand ihn Grube
bei C. oblonga; zweigliedrig, mit zwei kurzen, gekrümmten Endklauen ist er
nach Baird bei C. Mac Andrei ^). Die von Baird und Grube untersuchten Thiere
waren vermuthlich Weibchen. Zweigliedrig ist der Neben ast auch bei dem
Weibchen von Cypridina Agassizii (Fig. 18, y); das erste Ghed ist kurz
das zweite reichlich dreimal so lang, fast so lang, wie das dicke Grundglied des
Fusses, es ist mit zarten Härchen besetzt, gegen das Ende verjüngt und trägt
eine einzige, ihm an Länge etwa gleichkommende Endborste.
Bei den Männchen von Cypridina Agassizii (Fig. 23, y), und C. Grubii
(Fig. 5), sowie bei dem vermuthlich zu C. nitidula gehörigen Männchen ist dieser
Nebenast der Schwimmfüsse dagegen dreigliedrig und bildet ein Greifwerkzeug,
indem das Endglied sich klauenartig gegen das zweite Glied einschlägt. Bei
C. Agassizii und nitidula ist das Endglied um etwa ein Drittel kürzer, bei
C Grubii fast eben so lang, als das zweite Ghed; bei den beiden ersten Arten
ist das Endglied nach der scharfen Spitze zu verjüngt und hat einen glatten Greif-
rand; bei C. Grubii ist es in ganzer Länge gleich breit, gegen das Ende stark
gekrümmt, am Ende abgerundet und sein Greifrand ist mit einigen Höckerchen
besetzt. In der Nähe des Gelenkes trägt das Endglied auf der Aussenseite eine
Borste, die bei Cypridina Grubii nur kurz, bei C. Agassizii länger als das
Endglied selbst und noch länger bei C. nitidula ist.
5. Die Kinnbackenfüsse. („Pedes mandibulares" Dana. „Mandibelpalpen"
Grube.) (Fig. 6. Fig. 12. Fig. 15, d. Fig. 20, d. Fig. 24 und 25.)
Für Füsse, die an ihrem Grundgliede einen dem Kinnbacken der höheren
Kruster entsprechenden Kaufortsatz tragen, ist wohl kein treffenderer Name zu
finden, als der ihnen von Dana beigelegte der Kinnbackenfüsse (pedes
mandibulares).
i) Wenn Milne Edwards (Hist. nat. des Crust. III. pag. 411) von den Copepoden sagt: „les
antennes . . . de la seconde paire manquent quelquefois et sont d'autres fois transformees en rames",
so ist Letzteres, wie wir jetzt durch Claus wissen, geradezu falsch; sie sind gerade in diesem Falle nicht
umgewandelt, sondern haben ihre ursprüngliche P'orm und Verrichtung beibehalten.
2) Baird, Nat. Hist. of the British Entomostraca, S. 182. Tab. XXIII, Fig. 6.
3) Baird, a. a. O. S. 180. Taf. XXII, Fig. 6.
-,'7A Bemerkungen über Cypridina.
Grube hat das, was ich mit Dana und Claus Kinnbacken f ü s s e nenne,
Kinnbacken t a s t e r (oder vielmehr in wissenschaftlicherem Deutsch: „Mandibel-
palpen") genannt und noch andere wahrscheinlich den beiden folgenden Glied-
maassenpaaren zugehörige Theile als „sichelförmigen Anhang" (Fig. 15, e) und
„Mandibellade" (Fig. 15, /^j) demselben Fusspaare zugerechnet. Letzteres ist schon
aus dem Gnmde nicht gerechtfertigt, weil die Kinnbackenfüsse alle Theile wirk-
lich besitzen, auf die sie irgend rechtmässiger Weise Anspruch machen können.
Aber auch abgesehen davon ist die Bezeichnung Kinnbackentaster nicht passend.
Bei den Nauplius der Copepoden wie der höheren Kruster (Peneus) sind die
Gliedmaassen des dritten Paares zweiästige Schwimmfüsse ; im Grundgliede der-
selben entsteht später ein Kaufortsatz, der Kinnbacken (Mandibel). In diesem
Zustande verharren sie bei den Muschelkrebsen und vielen Copepoden. Bei diesen
Thieren ist also, wie Claus ^) richtig hervorhebt, der sogenannte Taster „der
primäre Theil und nichts Anderes, als der Larvenfuss selbst, während wir den
Kautheil als ein secundäres Product des basalen Gliedes anzusehen haben". —
Die Nauplius von Peneus verlieren nun beim Uebergang in die Zoea-Form
diesen „Taster" vollständig ; es bleibt ihnen nur der anhanglose Kautheil. Ebenso
sind die Kinnbacken aller unmittelbar dem Ei entschlüpfenden Zoea stets tasterlos.
Erst in weit späterer Zeit sprosst bei vielen höheren Krustern aus dem anhang-
losen Kinnbacken wieder ein Taster hervor. Hier ist also der Kautheil das
Frühere, der Taster das später Entstehende, gerade umgekehrt wie bei
den Muschelkrebsen und Copepoden. Möglich wäre es nun allerdings,
dass dieser Taster nichts Anderes ist, als der wieder erschienene und zu einem
neuen Dienste verwandte Schwimmfuss des Nauplius, dass also die „Mandibel-
palpen" der höheren und niederen Kruster wirklich homolog sind. Es ist ja
nichts Seltenes, namentlich bei Pflanzen, dass längst verlorene Theile gelegentlich
wiedererscheinen und auch dafür, dass solche wiedererschienene Theile auf's Neue
durch natürliche Züchtung befestigt und zu einer bleibenden Eigenthümlichkeit
der Art werden, könnte ich wenigstens ein schlagendes Beispiel geben. — Ebenso
möglich ist es aber, dass der gegliederte Anhang am Kinnbacken der höheren
KJruster eine Neubildung ist, die mit dem Schwimmfüsse des Nauplius in keinem
Zusammenhang steht. Neue Gliederreihen haben sich ja an den ursprünglich ein-
fachen vorderen Fühlern vieler höheren Kruster entwickelt. — Die Bezeichnung
des dritten Gliedmaassenpaares der Cypridinen als Kinnbackentaster (Mandibel-
palpe) ist daher voreilig, wenn dadurch ausgedrückt werden soll, dass es dem
Kinnbackentaster der höheren Kruster entspricht; denn diese Annahme ist
unerwiesen und wie mir scheint unerweisbar. Wäre sie erwiesen, so würde die
Bezeichnung dennoch verkehrt sein, weil nicht die Taster der höheren Kruster,
sondern die Schwimmfüsse des Nauplius und die ihnen noch so ähnlichen Kinn-
backenfüsse der Cypridinen die ursprüngliche Form darstellen. Unpassend wäre
endlich der Name „Taster" auch, wenn er die Leistung dieser Gliedmaassen be-
zeichnen sollte, die offenbar mehr mit der Ortsbewegung des Thieres und dem
Herbeischaffen der Nahrung, als mit dem Betasten zu thun haben. Nach alledem
darf wohl die Bezeichnung „Mandibelpalpen" als ungeeignet zurückgewiesen werden.
i) Im Original irrtümlich 15, e.
2) Claus, die freilebenden Copepoden, S. 26.
Bemerkungen über Cypridina. t^c
Wie Zenker bei Cypris und Cythere, Baird bei Cypridina Brendae
und Grube bei C. oblonga, zähle auch ich an den Kinnbackenfüssen fünf
Glieder.
Das kurze erste Glied trägt bei Cypridina Agassizii und nitidula
einen säbelförmigen, nach innen und oben gerichteten Fortsatz, den Kinnbacken.
Fig. 12, a. Fig. 25.) — Bei C. Grubii habe ich denselben nicht gesehen. Der
gewölbte Rand des säbelförmigen Kinnbackens ist bei C. Agassizii (Fig. 25)
in seiner unteren Hälfte mit mehreren (vier) Gruppen kurzer, steifer Haare be-
setzt, in seiner oberen Hälfte mit sechs zahnartigen Vorsprüngen versehen, von
denen der unterste ziemlich lang und scharf, die beiden obersten ganz flach und
stumpf sind. Die Spitze des Kinnbackens ist abgerundet und trägt zwei Borsten,
die eine kürzer, dicker, gerade, blass, die andere eine gewöhnliche Borste, länger,
dünner, "-gebogen. Unter der Spitze findet sich am gewölbten Rande des Kinn-
backens ein flacher Ausschnitt, der mit feinen Härchen besetzt ist und an seinem
oberen Ende eine blasse, abwärts gerichtete Borste trägt. Man fühlt sich ver-
sucht, die zarten Härchen als Schmeckhärchen zu deuten. — Die Haare und die
zahnartigen Vorsprünge des gewölbten Randes finden sich auch bei Cypridina
nitidula; der Kinnbacken endet bei dieser Art in eine scharfe Spitze.
Das zweite Glied des Kinnbackenfusses hat bei C. Agassizii und
nitidula an seiner hinteren, unteren Ecke einen rückwärts gerichteten Vorsprung
(Fig. 12, ß. Fig. 24, ß), der am Ende vier steife Borsten trägt. Bei C. Grubii
fehlt derselbe.
Am Ende des zweiten Gliedes steht bei C Agassizii ein kleiner unge-
gliederter, dem Hauptaste gleichlaufender Nebenast (Fig. 24., y), den ich bei
C. nitidula und C. Grubii nicht gesehen habe.
In Betreff der bei den einzelnen Arten ziemlich verschiedenen Beborstung
der Kinnbackenfüsse verweise ich auf die Abbildungen (Fig. 6, Fig. 12, Fig. 24).
— Man erkennt sofort die wesentliche Uebereinstimmung dieses Fusspaares, einer-
seits mit dem dritten Gliedmaassenpaare der älteren Nauplius, andererseits mit
dem Kinnbacken (dem ersten Kieferpaar nach Zenker) von Cythere und Cypris,
zwischen denen es in mancher Hinsicht in der Mitte steht. Wie bei Nauplius
überwiegt der eigentliche Fuss an Masse bedeutend den Kaufortsatz und der
Nebenast hat gleiche Richtung mit dem Hauptaste. Bei Cythere und Cypris
erscheint der Fuss nur noch als Anhang des Kinnbackens, der Nebenast hat sich
senkrecht zum Hauptaste gestellt und ausserdem bei Cypris in ein zartes, drei-
eckiges mit breiten gefiederten Haaren besetztes Blatt verwandelt.
Es versteht sich nach diesem Hinblick auf Nauplius und C3''there von
selbst, dass man nicht nach noch anderen etwa diesem Fusspaare zuzurechnenden
Theilen zu suchen hat, und dass die von Grube als „säbelförmiger Anhang" und
„Mandibellade" bezeichneten Theile ihm nicht zug'ehören können.
Fühler, Schwimmfüsse, Kinnbackenfüsse und Putzfüsse sind bei allen C y p r i-
d i n e n in ziemlich übereinstimmender Weise gebildet ; was zwischen Kinnbacken-
füssen und Putzfüssen liegt, bietet dagegen bei den verschiedenen Arten eine in
einem Kreise so engverwandter Formen ganz ungewöhnliche Verschiedenheit dar.
Diese Theile, die in ihrer Gesammtheit dem 4., 5. und 6. Gliedmaassenpaare von
-.-^ Bemerkungen über Cypridina.
Cypris und Cythere entsprechen, sind ebenso schwierig zu untersuchen als
zu deuten. Die von Milne Edwards, Liljeborg und Grube gegebenen Deutungen
schweben völlig in der Luft; den Aufsatz von Claus „über die Organisation der
Cypridinen" kenne ich leider nicht. Ich selbst habe nur bei Cypridina Agas-
sizii eine einigermassen befriedigende Einsicht in Bau und Zusammenhang dieser
Gliedmaassen gewonnen, würde aber auch für diese Art über deren Deutung im
Einzelnen nur mehr oder minder begründete Vermuthungen aussprechen können,
was ich unterlasse, um die Zahl der nur muthmasslichen Deutungen nicht um
noch eine zu vermehren.
6. Aeussere Geschlechtsverschiedenheiten.
Der langen Spürhaare am Ende der Fühler, die vermuthlich nur den Männchen
zukommen, der reichen Riechfädenbüschel, sowie der Greifanhänge an den Schwimm-
füssen, die dasselbe Geschlecht auszeichnen, ist bereits gedacht worden. — Bei
Cypridina Agassizii sind die Männchen ausserdem viel kleiner (etwa 1,5 mm
lang) als die Weibchen (etwa 2 mm lang), und daran auf den ersten Blick zu
erkennen. Merkwürdig ist es, dass ich von dieser Art stets bei weitem mehr
Männchen als Weibchen gefunden habe; eines Tages (12. Novbr. 1865), an dem
ich besonders glücklich im Fange dieser Thiere war, erbeutete ich 57 Männchen
und nur 6 Weibchen. — Von C. Grubii habe ich überhaupt nur sehr wenige
Thiere gefangen, unter denen sich kein einziges Weibchen befand. — Umgekehrt
habe ich von C. nitidula nur Weibchen gesehen, wenn nicht, wie ich vermuthe,
ein einzelnes dieser Weibchen in der weisslichen Färbung und dem Glänze der
Schale gleichendes Männchen (Fig. q) derselben Art angehört. In diesem Falle
würden die Geschlechter bei dieser Art sich auffallend durch die Gestalt der
Schalen und die Grösse der paarigen Augen unterscheiden. Dass die Eier im
hinteren Theile der Schale ausgebrütet werden, wie ich bei Cypridina Agas-
sizii fand, würde deren stärkere Wölbung beim Weibchen, — die langen Spür-
borsten des Männchens würden das stärkere Vorspringen des vorderen Schalen-
theiles bei diesem Geschlechte erklärlich machen ; die grösseren Augen des
Männchens würden ebenfalls nichts Auffallendes haben.
Ein letztes unterscheidendes äusseres Merkmal der Männchen bietet ihr sehr
ansehnliches Begattungsglied. Um dasselbe zu schwellen und so hervortreten
zu lassen, tödtete ich die Thiere, wie Zenker mit Cypris that, in heissem Wasser,
— Das Begattungsglied (Fig. 26, p) besteht aus einem dicken, unpaaren Stamme,
der sich in einen rechten und einen linken Schenkel gabelt, von denen jeder
wieder in einen äussern und einen Innern Ast sich spaltet. Bei C. Agassizii
sind alle diese Theile ziemlich schlank, der innere Ast erscheint als unmittelbare
Fortsetzung des Schenkels, der äussere ist dünner; beide sind nach dem Ende zu
verjüngt und haben eine kahle, abgerundete Spitze. Bei C. Grubii (Fig. 7) sind
die Schenkel kurz und dick, fast kuglig und springen über die Ansatzstelle der
Aeste vor; auf dem Gipfel des Vorsprungs hegt die Geschlechtsöffnung. Die
Aeste sind ebenfalls kurz und dick; ihr Durchmesser beträgt kaum ein Drittel
von dem des Schenkels; am Ende trägt jeder zwei blasse Borsten. Man fühlt
sich versucht, das Begattungsglied für ein umgewandeltes, zweiästiges Fusspaar
zu halten.
Bemerkungen über Cypridina. -inn
7. Die Kiemen.
Die Kiemen der Cypridinen sind bereits vor 30 Jahren von Philippi gesehen
und abgebildet, aber nicht als solche erkannt worden. Spätere Beobachter scheinen
nur kiemenlose Arten untersucht zu haben. Claus spricht noch 1866 allen Muschel-
krebsen Respirationsorgane ab ^). Meiner Angabe, dass bei Cypridina ansehn-
liche Kiemen vorkommen 2), scheint derselbe keinen Glauben geschenkt zu haben.
Philippi sah bei Asterope elliptica hinter den Putzfüssen vier wurst-
förmige Körper am Rücken emporstehen. Das sind die Kiemen. An gleicher
Stelle, und bei todten Thieren in gleicher Gestalt, jedoch in grösserer Zahl, finden
sie sich bei Cypridina Agassizii (Fig. 15, br. Fig. 26, br) und nitidula.
Bei Cypridina Agassizii entspringt jederseits dicht neben der Mittel-
linie des Rückens eine Reihe von sieben (bisweilen nur sechs) schmalen, nach
oben kaum merklich breiteren Blättern. Sie sind etwas schief eingefügt, so dass
der Hinterrand jedes Blattes den Vorderrand des folgenden von aussen deckt.
Nahe dem oberen Ende trägt jedes Blatt einen kleinen, warzenförmigen Vor-
sprung, durch den wohl eine zu enge Berührung derselben verhütet wird. Dem
Rande des Blattes entlang verläuft ein einfacher, ziemlich weiter Hohlraum.
Bei C. nitidula sind, wenn ich mich recht entsinne, die Kiemen zahlreicher.
Dagegen ist ihre Zahl geringer bei ganz jungen Thieren. Junge von C. Agassizii,
die die Schale der Mutter noch nicht verlassen hatten (Fig. 1 4), besassen nur drei
Kiemenpaare, die von vorn nach hinten an Grösse zunahmen. Die hintersten
Kiemen sind also wahrscheinlich die ältesten.
Der Athemstrom wird unterhalten durch die ununterbrochenen Bewegungen
des mit langen Fiederborsten besetzten Blattes (Fig. 15,^), welches Grube den
„grossen, blattförmigen Anhang des ersten Maxillenpaares" nennt ^). Ich habe
versäumt, durch Zusatz feiner Farbtheilchen zum Wasser festzustellen, in welcher
Richtung der Athemstrom an den Kiemen vorüberfliesst. — Hinter dem letzten
Kiemenpaare trägt der Rücken einen kurzen, walzenförmigen, unpaaren Fortsatz,
der schief nach vorn und oben gerichtet und mit einigen kurzen Härchen besetzt
ist. Bei C. Grubii fehlt mit den Kiemen auch dieser Fortsatz vollständig.
Höchst auffallend ist es, dass die Kiemen auch Cypridina oblonga zu
fehlen scheinen, die sich im Bau der Gliedmaassen auf's Engste an C. Agassizii
und nitidula anschliesst. Grube's Zergliederung der C. o b 1 o n g a ist eine so
sorgfältige gewesen, dass er die Kiemen, wären sie in ähnlicher Weise wie bei
den letzteren beiden Arten entwickelt, kaum hätte übersehen können.
8. Herz und Blutlauf.
Ein Herz habe ich bei Cypridina Agassizii und nitidula gesehen;
die wenigen Thiere von C. Grubii, die ich gefangen, hatten ganz undurchsichtige
Schalen und ich kann nicht sagen, ob dieser Art mit den Kiemen nicht etwa
auch das Herz fehlt.
i) Claus, Grundzüge der Zoologie, S. 209.
2) Fritz Müller, Für Darwin, 1864, S. 72. = Ges. Schriften S. 247.
3) In Grube's Zeichnung (Arch. für Naturgesch. XXV, Bd. I, Taf. XII, Fig. 4) ist dies Blatt in
verkehrter Lage dargestellt; der gewölbte Rand mit dem Fiederborsten ist nicht der vordere, sondern
der hintere.
T-o Bemerkungen über Cypridina.
Die Schale der Cypridinen hängt nur auf eine ganz kurze Stelle mit dem
Rücken des Thieres zusammen; an dieser von oben durch die Schale gedeckten
Stelle, nach hinten und oben von dem mittleren Auge, liegt das Herz. Es bildet
bei Cypridina Agassizii (Fig. i6) einen kurzen Sack, der höher als lang und
unten weiter als oben ist.
Vom Laufe des Blutes, das arm an Blutkörperchen ist, habe ich nur wenig
gesehen. Die meisten Thiere sind zu undurchsichtig, um mehr als die Bewegungen
des Herzens erkennen zu lassen. Nur von C. Agassizii habe ich ein paar fast
farblose Thiere gefangen, die durchsichtig genug waren, um die Blutkörperchen
in ihrem Laufe durch Herz und Kiemen verfolgen zu können. In das Herz tritt
das Blut von hinten und unten und strömt nach vorn und oben, wo eine grosse
Oeffnung zum Austritt des Blutes zu sein scheint. Von da sah ich den Blutstrom
sofort nach unten umbiegen, an der Vorderwand des Herzens hinabsteigen und
hinter das mittlere Auge treten. In den Kiemen steigt das Blut an deren vorderem
Rande in die Höhe, am hinteren Rande wieder hinab. — In den Fühlern sah
ich die Blutkörperchen an der Beugeseite des Knies der Spitze zu, an der Streck-
seite nach dem Körper zurücklaufen.
9. Allgemeine Bem er kun gen.
Seit W. Zenker's vortrefflicher Arbeit über Cypris und Cythere werden die
Muschelkrebse fast allgemein als besondere Ordnung der Kruster betrachtet. Das
will sagen, dass sie sich selbständig vom Urstamme der Klasse, und nicht von
einem der anderen Hauptäste desselben abgezweigt haben. Nur Gerstäcker ^)
ordnet sie noch neuerdings den Branchiopoden unter. „Die Ostracoden", sagt
derselbe, „schliessen sich den Cladoceren, von denen sie gewöhnlich als eigene
Ordnung abgetrennt werden, eben so eng an, wie diese den Phyllopoden . . .
Die beiden ersten Beinpaare derselben werden zwar gewöhnlich als Maxillen
beschrieben, geben sich aber nicht nur durch ihren in mehrere Lappen geschlitzten
Stamm, sondern auch durch die besonders am ersten Paare stark entwickelte
Kieme ^) als Analoga der Cladoceren- und Ph3dlopoden-Beine zu erkennen." Gegen
diesen Vergleich der Kiefer der Muschelkrebse mit den Beinen der Cladoceren
und Ph3^11opoden ist sicher nichts einzuwenden; nur passt derselbe eben so gut
auf die Kiefer der Copepoden und der höheren Kruster (Malacostraca) ; nament-
lich bei den Jugendzuständen der letzteren ist die Aehnlichkeit bisweilen eine
überraschende, so dass auch Claus den Kiefer der Krebslarven „eine Art Phyllo-
podenfuss" genannt hat. Diese Uebereinstimmung beweist also nichts für eine
nähere Verwandtschaft der Muschelkrebse und Branchiopoden; was sie beweist.
i) Peters, Carus und Gerstäcker, Handbuch der Zoologie, II, 1863, S. 399.
2) Die bei den Knistern so häufig vorkommenden schwingenden Platten, die mit langen Fieder-
haaren besetzt zu sein pflegen, werden, wo man keine besseren Kiemen hat finden können, immer noch
häufig, wie hier von Gerstäcker, als Kiemen bezeichnet, — aber ohne allen Grund. In allen Fällen,
wo ich diese sogenannten Kiemen an lebenden Thieren untersuchte, fand ich, dass sie zu den blut-
ärmsten Th*eilen des Körpers gehören. Allerdings dienen sie meist der Athmung, aber nur dadurch,
dass sie einen Strom frischen athembarcn Wassers zuführen. Noch bei den höchststehenden Krustern, den
Krabben, wird der Athemstrom bekanntlich durch eine solche schwingende Platte geregelt, die das gleiche
Recht auf den Namen Kieme hat, wie die entsprechenden Platten an den Kiefern von Cypris.
Bemerkungen über Cypridina.
379
ist, dass die Branchiopoden, Copepoden, Ostracoden und Malacostraca erst lange
nach der Naupliuszeit, dass sie erst dann von dem gemeinsamen Stamme sich
trennten, als auch diese den Kinnbackenfüssen zunächst folgenden, bei allen diesen
Ordnungen in ähnlicher Weise gebildeten Gliedmaassen bereits entwickelt waren.
Die Stammeltern mögen zu dieser Zeit dieselbe Gliedmaassenzahl besessen haben,
wie jetzt Cypris und Cythere; wie bei diesen hinter den Kinnbacken noch
vier Gliedmaassenpaare sich finden , so sprosst auch bei dem N a u p 1 i u s von
Peneus die gleiche Zahl von Fussstummeln hinter den Kinnbackenfüssen gleich-
zeitig hervor. Die einzige Ordnung, deren Kiefer in ganz abweichender Weise
gebildet sind, bei der überhaupt ähnliche Gliedmaassen fehlen, sind die Pecto-
straca Haeckel's, die Rankenfüsser und Wurzelkrebse; diese mögen schon früher
von dem Urstamme der Classe sich getrennt haben; in diesem Falle wäre die
Auffassung von Alph. Milne Edwards die richtige, der sie als Basin otes allen
übrigen Krustern (Eleutheronotes) gegenüberstellt.
Wenn somit Gerstäcker's Bedenken gegen die von Zenker, wie mir scheint,
genügend begründete Abtrennung der Muschelkrebse als eigener Ordnung nicht
stichhaltig erscheinen, so können andererseits die eigenthümlich entwickelten
Riechfäden . der Stirnanhang, die sonderbaren Putzfüsse, die rückenständigen
Kiemen der Cypridinen nur als neue Stützen für die Auffassung Zenker's
betrachtet werden, welcher namentlich auch Claus, der eben so glückliche wie
umsichtige Forscher auf dem Gebiete der niederen Kruster, und E. Haeckel in
seinem bewundernswerthen Versuche einer „genealogischen Uebersicht des natür-
lichen Systems der Organismen" sich angeschlossen haben.
Für die ziemlich allgemein angenommene nähere Verwandtschaft der Muschel-
krebse mit den Rankenfüssern liefert die Betrachtung der Cypridinen keinen
neuen Anhalt, man müsste denn den unpaaren Stirnanhang den beiden Fäden
vergleichen, welche an ähnlicher Stelle bei den Larven der Rankenfüsser und
Wurzelkrebse sich finden. Ich habe früher i) gegen die Annahme einer solchen
Verwandtschaft mich ausgesprochen und bis jetzt keinen Grund zur Aenderung
meiner Ansicht gefunden. Die Annahme beruht einzig auf der zweiklappigen
Schale der Rankenfüsserpuppen ; wenn man aber gesehen hat, wie diese Schale
durch das Zusammenklappen eines flachen Rückenschildes sich bildet, und wenn
man unter den Phyllopoden als nah verwandte Familien die nackten Artemien,
die von einem einfachen Rückenschilde bedeckten A p u s und die von einer zwei-
klappigen Schale umschlossenen Limnadien findet, kann man kaum auf diese
Bildung der Schale irgend ein Gewicht legen, wenn es sich um die Verwandt-
schaft ganzer Ordnungen handelt.
Unter den drei Familien der Muschelkrebse stehen offenbar die C y p r i d i n e n
am höchsten; die hohe Entwickelung der Sinneswerkzeuge, der Augen, der
Riechfäden, zu denen sich noch der Stirnanhang und die Schmeckhärchen (?) am
Kinnbacken gesellen, sowie der Besitz von Herz und Kiemen, weisen ihnen diese
Stelle an. Trotzdem aber stehen die Cypridinen in mehrfacher Beziehung der
Urform der Gruppe unverkennbar näher, als Cypris und Cythere; so darin,
dass das zweite Gliedmaassenpaar meist noch einen Nebenast besitzt, und dass
I) Für Darwin, S. 59, Anm. = Ges. Schriften S. 238.
■li^Q Bemerkungen über Cypridina.
das dritte noch einen kräftigen umfangreichen Fuss bildet; beides sind Eigen-
thümlichkeiten, die an die Gliedmaassenbildung von Nauplius erinnern. Wahr-
scheinlich gilt dasselbe von dem Begattungsgliede, das viel einfacher gebaut ist,
als bei Cythere und Cypris. Keinenfalls haben sich die höher stehenden
Cypridinen aus der niedriger stehenden Form der Cypris oder Cythere,
sondern als selbstständiger Zweig aus der Stammform der Muschelkrebse ent-
wickelt.
Auf dasselbe Verhältniss stossen wir übrigens auch bei den freilebenden
Copepoden, unter welchen „unstreitig die Calaniden zugleich mit den Pontelliden
die höchste Stufe einnehmen" (Claus). Auch hier sind gerade diese höchst stehenden
Familien in dem umfangreichen Nebenast der „hinteren Antennen", sowie in dem
zweiästigen, den hinteren Antennen ähnlichen „Mandibularpalpus" der Urform
des Nauplius weit ähnlicher geblieben, als alle übrigen Copepoden, — vielleicht
weil sie der ursprünglichen Lebensweise, dem freien Umherschwimmen im offenen
Meere, treu blieben.
Calaniden und Pontelliden einerseits , Cypridinen andererseits,
stimmen auch darin überein, dass sie die einzigen Familien ihrer Ordnung sind,
die ein Herz besitzen und dieses Herz hat bei beiden etwa dieselbe Lage; ob
genau dieselbe, ist wegen der bei Cypridina mangelnden Gliederung des Leibes
nicht zu sagen. Dabei drängt sich denn natürlich die Frage auf, wie diese über-
einstimmende Lage des Herzens zu erklären sei. — Ehe ich die Beantwortung
dieser Frage versuche, kann ich mir nicht versagen, darauf hinzuweisen, wie
scharf und schlagend in diesem Falle der Gegensatz hervortritt, der in der Auf-
fassung der morphologischen Fragen zwischen den Anhängern Darwin's und den
Bekennern des Schöpfungsdogma's ^) obwaltet. Während uns die eben auf-
geworfene Frage Schwierigkeiten bietet, die wohl kaum befriedigend zu lösen
sind, wird sie unseren Gegnern überflüssig, vielleicht lächerlich erscheinen, sie
werden es selbstverständlich finden, dass „dem Bauplan der Classe gemäss" das
Herz bei Cypridina an gleicher Stelle liegt, wie z. B. bei Calanus oder
Daphnia. Umgekehrt wird es die Anhänger der „alten Schöpfungsh3rpothese",
i) Durch Professor Keferstein erhalten wir neuerdings (Bericht über die Fortschritte der Generations-
lehre im Jahre 1867) die unerwartete Belehrung, dass wir die Gegner Darwin's nicht richtig ver-
stehen, wenn wir glauben, dass sie mit dem Ausdruck Schöpfung wirklich Schöpfung meinen ; Schöpfung
soll „nichts weiter als eine uns unbekannte, unfassbare Weise der Entstehung" heissen. Es soll dadurch
nur in verblümter Weise das verschämte Geständniss ausgesprochen werden, dass man über die Entstehung
der Arten „gar keine Meinung habe" und haben wolle. Nach dieser Erklärung des Wortes würde
man ebensowohl von der Schöpfung der Cholera und der Syphilis, von der Schöpfung einer Feuersbrunst
und eines Eisenbahnunglücks, wie von der Schöpfung des Menschen reden können. Natürlich bedeuten
dann auch die beliebten Ausdrücke Schöpfunsplan oder Bauplan nicht den Plan des Schöpfers, sondern
„nichts weiter als eine uns unbekannte, unfassbare" Ursache der Aehnlichkeit verwandter Formen. Ver-
wandtschaft aber bedeutet bekanntlich bei unseren Gegnern nicht wirkliche Verwandtschaft, sondern nichts
weiter als Aehnlichkeit. Wenn dieselben von verkümmerten Theilen reden, meinen sie nicht, dass diese
Theile wirklich verkümmert sind, d. h. dass sie vordem wohl entwickelt waren, sondern nichts weiter, als
dass sie klein und nutzlos sind. Wenn sie aber sagen nutzlos, meinen sie nicht wirklich nutzlos, — Nutz-
loses konnte ja die unendliche Weisheit nicht schaffen, — sondern nichts weiter als von „unbekanntem,
unfassbarem" Nutzen, etc. etc.
Aber wie kann erwarten, richtig verstanden zu werden, wer immer etwas Anderes sagt, als
was er meint? —
Bemerkungen über Cypridina. ^gj
wie sie Weismann nennt, befremden müssen, dass die Kiemen der Cypridinen
am Rücken stehen, der bei keinem anderen Kruster Kiemen trägt. Wir dagegen
hätten als wahrscheinlich voraussagen können, dass wenn bei Muschelkrebsen
Kiemen vorkämen, dass sie dann in ihrer Lage nicht mit denen anderer Kruster
übereinstimmen würden. Denn Kiemen haben sich bei den Krustern überhaupt
erst spät entwickelt ; selbst unter den Podophthalmen und Edriophthalmen
sind bis heute die der Urform zunächst stehenden Gattungen (Mysis, Tanais)
kiemenlos geblieben. Die Stammeltern der Muschelkrebse besassen sicherlich
keine Kiemen. Die Kiemen von Cypridina also und die irgend eines anderen
kiementragenden Krusters sind keinenfalls das Erbtheil eines gemeinsamen Ahnen,
vielmehr haben sich die der ersteren unabhängig entwickelt und es dürfte desshalb
eine abweichende Lage derselben mit grösserer Wahrscheinlichkeit erwartet werden,
als eine übereinstimmende. —
Die gleiche Lage des Herzens bei Calaniden , Pontelliden und Cypri-
dinen würde sich, um auf die oben angeregte Frage zurückzukommen, am ein-
fachsten erklären, wenn wir annehmen dürften, dass schon die gemeinsamen Stamm-
eltern der Copepoden und Muschelkrebse ein Herz an gleicher Stelle be-
sassen und auf die genannten Familien vererbten, während dasselbe bei der Mehr-
zahl der Copepoden sowie bei Cypris und Cythere im Laufe der Zeiten
verloren ging.
Zu Gunsten der Annahme, dass schon die gemeinsamen Stammeltern von
Copepoden und Muschelkrebsen eine Herz besassen, lässt sich geltend machen,
dass schon die Nauplius von Peneus ein Herz haben, wodurch das sehr frühe
Auftreten desselben bei den Krustern wahrscheinlich wird; ferner, dass, wie er-
wähnt, gerade die mit einem Herzen versehenen und auch sonst höher stehenden
Familien beider Ordnungen der Urform unverkennbar ähnlicher sind, als die
übrigen niedriger stehenden, des Herzens entbehrenden Familien, dass keinenfalls
erstere aus letzteren, dass weit eher letztere aus ersteren hervorgegangen sein
können. Dafür, dass das Herz verloren gehen könne, liefern unter den Glieder-
thieren die Milben den Beweis. Der Mangel des Herzens scheint bei diesen in
ursächlichem Zusammenhange zu stehen mit der geringen Grösse; natürlich ist
das Herz um so entbehrlicher, zu je winzigerem Umfange der Körper herabsinkt.
Von den Muschelkrebsen wissen wir nun, dass sie früher eine weit ansehnlichere
Grösse erreichten ; auch ohne die handgreiflichen Beweise, die uns ihre versteinerten
Schalen liefern, würde die geringe Zahl an Gattungen armer, scharf geschiedener
Familien schliessen lassen, dass wir in den heutigen Muschelkrebsen nur kümmer-
liche Reste eines früher weit reicher entfalteten Formenkreises vor uns haben.
Möglich, dass in gleicher Weise, wie bei den Milben, auch bei ihnen das Herz
mit Abnahme der Grösse geschwunden ist. — Es darf dabei auch der Pycno-
goniden gedacht werden. Zenker und Krohn haben bei diesen Thieren ein
Herz nachgewiesen; bei den Arten, die ich untersuchte, habe ich es nicht ge-
funden, ohne jedoch dessen Nichtvorhandensein behaupten zu können; jedenfalls
aber war es bei ihnen, wenn vorhanden, ziemlich überflüssig; denn es war keine
Bewegung des Blutes wahrzunehmen, die nicht aus den Zusammenziehungen
der in die langen Beine eintretenden Blindschläuche des Darms zu erklären ge-
wesen wäre.
Tg-, Bemerkungen über Cypridina.
Immerhin, wenn auch wahrscheinHch, kann die Annahme eines Herzens für
die gemeinsamen Stammeltern von Copepoden und Muschelkrebsen nicht als er-
wiesen gelten.
Die zahlreichen Copepoden ohne Herz (Cyclopiden, Harpactiden,
Peltidien und Cor3^caeiden) und auch C3^pris und Cythere haben im
Uebrigen nicht das Aussehen verkümmerter Thiere. Und auch ohne jene An-
nahme lässt sich die gleiche Lage des Herzens bei Calaniden und Cypridinen er-
klären, wenn man die Weise ins Auge fast, in der bei den Arten ohne Herz
das Blut bewegt wird. „Bei den Cyclopiden, Harpactiden und Peltidien
übernehmen die fast rv^thmischen Bewegungen des Magens, in welchem derselbe
zum Theil durch äussere Muskelzüge aufwärts gezogen und dann wieder in ent-
gegengesetzter Richtuug herabgedrängt wird, die Function des fehlenden Cir-
culationsorgans, und bringen die im Leibesraume befindliche Blutmenge in eine
gewisse Strömung" ^). — Ganz dasselbe sah ich bei einer grossen, ziemlich durch-
sichtigen Cypris, bei welcher gleichzeitig auch die Leberschläuche sich regel-
mässig zusammenzogen. Die Bewegungen der oberen Magen wand, sowie der
von ihr nach oben gehenden Muskeln geben ein so täuschendes Bild eines über
dem Magen liegenden Herzens, dass ich immer wieder ein Herz zu sehen glaubte,
nachdem ich mich längst auf's Bestimmteste von dessen Abwesenheit überzeugt
hatte 2).
Das Blut wird also von derselben Stelle aus in Bewegung gesetzt bei den
Arten mit und bei denen ohne Herz, und an dieser Stelle würde bei letzteren
am leichtesten ein Herz sich bilden können, etwa indem die schmalen Muskel-
züge, die jetzt hier sich finden, breiter würden, zu einem Schlauche zusammen-
träten und selbstständig sich zusammenzögen. Die gleiche Lage des Herzens bei
Cypridinen und Calaniden würde sich also daraus erklären, dass schon in frühester
Zeit, schon bei deren gemeinsamen Stammeltern, wenn denselben auch ein Herz
fehlte, doch schon von derselben Stelle aus, wo bei ihren Nachkommen das Herz
liegt, die Bewegung des Blutes ausging. — Ich will bei dieser Gelegenheit auf
ein ähnliches Verhalten bei Echinodermen-Larven hinweisen. Bei Tornaria, in
welcher Alex. Agassiz eine Seestern-Larve vermuthet, liegt bekanntlich über der
Grenze von Speiseröhre und Magen eine grosse zum Wassergefässsystem gehörige
Blase, von deren vorderem, kegelförmig ausgezogenen Ende ein Muskel zum
Vorderende der Larve geht. Muskel wie Blase ziehen sich von Zeit zu Zeit
kräftig zusammen. Dicht über der Blase aber fand ich ein Herz. Ich habe die
EntWickelung der Tornaria nicht verfolgt; aber nachdem, was wir durch Alex.
Agassiz über die Entwickelung des Wassergefässsystems der Seesternlarven wissen,
ist jedenfalls jene Blase früher vorhanden gewesen als das Herz; vor dem Auf-
treten des letzteren wurde das Blut durch die Bewegungen der Blase und ihres
Muskels in eine gewisse Strömung versetzt und das Herz bildete sich an derselben
Stelle, von der aus schon früher das Blut in Bewegung gesetzt wurde.
i) Claus, die freilebenden Copepoden, S. 6i.
2) In ähnlicher Weise ist vielleicht auch Gegenbaitr getäuscht worden, der bei Sapphirina ein
Herz beschreibt, dessen Vorhandensein von Claus auf's Entschiedenste in Abrede gestellt wird. — Oder
haben etwa die beiden Forscher zwei verschiedene Arten vor sich gehabt, die eine mit, die andere ohne Herz?
Bemerkungen über Cypridina. '\S'\
Unter den bis jetzt bekannt gewordenen Copepoden ohne Herz stehen einige
(z. B. Oithona) den Calaniden so nahe, dass möghcher Weise sich noch Ueber-
gangsformen finden werden, die auch in Bezug auf das Herz die Mitte halten
zwischen Calaniden und Cyclopiden oder Corycaeiden, Arten, die ein im Vergleich
mit dem der Calaniden unvollkommenes Herz besitzen, und solche Arten dürften
dann vielleicht, namentlich durch ihre Entwickelungsgeschichte, Aufschluss darüber
geben, ob ihr Herz als ein werdendes oder ein verkümmerndes zu betrachten sei,
und damit die Frage entscheiden, ob die Stammeltern der Copepoden und Muschel-
krebse des Herzens entbehrten oder mit einem solchen versehen waren.
Itajahy, Februar i86g.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXIV und XXXV.
Fig. I — 8. Cypridina Grubii, Männchen.
Fig. 2. Vorderer Theil des Leibes, a Stirnanhang, ö Fühler, c Schwimmfuss.
Fig. 3. Stirnanhang. 3 a der keulenförmige Theil des Grundgliedes, stärker vergrössert.
Fig. 4. Die 4 letzten Glieder des Fühlers. « Riechfädenborste. -/ Riechfäden am
Ende des Fühlers, ö Spürborsten.
Fig. 5. Greifanhang des Schwimmfusses.
Fig. 6. Kinnbackenfuss.
Fig. 7. Einer der beiden Schenkel des Begattungsgliedes. « äusserer, ß innerer Ast.
Fig. 8, Eine der beiden Schwanzplatten.
Fig. 9. Männliche Cypridina, vermuthlich das Männchen von C. n i t i d u 1 a.
Fig. 10 — 12. Cypridina nitidula, Weibchen.
Fig. II. Fühler, ß Riechfädenborste, y Riechfaden am Ende des Fühlers, s klauen-
artige Borste.
Fig. 12. Kinnbackenfuss. a Kinnbacken, ß Fortsatz am Grunde des zweiten Gliedes.
Fig. 26. s. u.
Fig. 13 — 19. Cypridina Agassizii, Weibchen.
Fig. 13. Erwachsenes Weibchen.
Fig. 14. Junges, aus der Schale dieses Weibchens genommen.
Fig. 15. Weibchen, nach Entfernung der Schale, ö Fühler. <: Schwimmfuss. «/Kinn-
backenfuss. e/g viertes bis sechstes Gliedmassenpaar. /? Putzfuss. q Unpaarer Fortsatz
des Rückens, dr Kiemen.
Flg. 16. Herz, /i Putzfuss.
Fig. 1 7. Fühler, a Borste, die an der Stelle des Riechfädenbüschels des Männchens
steht, ß Riechfädenborste, y Riechfaden am Ende des Fühlers, d 6* förmige Borste mit
seitlichen Fädchen. s klauenförmige Borste.
Figi8. Schwimmfuss, von innen, a Grundglied, ß erstes Glied des Hauptastes
y Nebenast.
Fig. 19. Putzfuss.
Fig. 20 — 26. Cypridina Agassizii, Männchen.
Fig. 20. Vorderer Teil des Leibes, a Stirnanhang, d c d e wie in Fig. 15.
Fig. 21. Stimanhang unterhalb des mittleren Auges.
Fig. 22. Riechfädenbüschel.
Fig. 23. Schwimmfuss. (^ ß y wie in Fig. 18.
Fig. 24. Kinnbackenfuss. ß Fortsatz des 2. Gliedes, y Nebenast.
Fig. 25. Kinnbacken.
Fig. 26. (Auf Tafel XXXIV.) Der hintere Theil des Leibes. /) Begattungsglied.
g unpaarer Fortsatz des Rückens, br Kiemen.
Bruchstücke zur Naturgeschichte der Bopyriden^).
Mit Tafel XXXVI und XXXVII.
Die im Nachstehenden mitgetheilten Beobachtungen über Bopyriden wurden
meist in den Jahren 1861 und 1862 am Strande von Desterro gesammelt. Sie
sind so überaus lückenhaft, dass ich lange Bedenken getragen habe, sie zu ver-
öffentlichen. Ich thue es jetzt, wo ich selbst keine Aussicht mehr habe, sie zu
vervollständigen, in der Hoffnung, dass dadurch Besucher der Seeküste zu ein-
gehender Beschäftigung mit diesen merkwürdigen Schmarotzerasseln veranlasst
werden mögen, deren Bau, Entwickelung und Lebensweise noch eine reiche Ernte
überraschender Thatsachen zu liefern verspricht.
I. Binnenasseln. (Ent oniscus.)
Binnenasseln wurden bis jetzt in folgenden Decapoden gefunden:
i) in einer bei Desterro unter Steinen ungemein häufigen schwärzlich-grünen
Porcellana, von welcher etwa 5 7o damit behaftet sind -) ;
2) in einer ebenda an Felswänden zwischen Sertularien und Moosthieren
selten vorkommenden kleineren Porcellana 3), Es wurde ein einziges Mal ein
Weibchen von Entoniscus getroffen, das beim Herausnehmen zerriss und von
dem ich nicht sagen kann, ob es derselben Art angehört, wie die Binnenassel
der gemeinen Porcellana;
3) in Porcellana (Polyonyx) Creplinii F. M.^). Fast in jeder Röhre
von Chaetopterus findet man bei Desterro, wo der genannte Wurm übrigens
ziemlich selten ist, diese Porcellana und zwar in der Regel ein Pärchen^); nur
dreimal traf ich einzelne Thiere, einmal ein Weibchen, zweimal ein Männchen.
Jedes dieser drei einzeln vorkommenden Thiere beherbergte einen Entoniscus,
1) Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft 1871. 6. Jahrg. S. 53—72. Taf. III u. IV.
2) s. Archiv für Naturgesch. 1862. I. S. 10. Taf. II. = Ges. Schriften S. 147. Taf. XVIII.
3) Alph. Milne Edwards konnte mir weder diese, noch die erstere Art bestimmen.
4) Nach brieflicher Mittheilung von Alph. Milne Edwards ist diese Art der Porcellana biungui-
culata Dana (Polyonyx Stimps.) nahe verwandt. Meine Porcellina stellicola (Arch. für Naturg.
1862. Taf. VII, Fig. I = Ges. Schriften Taf. XIX Fig. i) scheint nach demselben die Porcellana
angusta Dana (Minyocerus Stimps.) zu sein.
5) Einmal traf ich statt der Porcellana Creplinii ein Pärchen der Pinnixa chaetopterana
Stimps. —
Bruchstücke zur Naturgeschichte der Bopyriden. -i^c
während in keinem der paarweise lebenden ein solcher Schmarotzer gefunden
wurde. Man darf also wohl annehmen, dass eben wegen des Entoniscus, der wie
die Rhizocephalen stets Unfruchtbarkeit seines Wirthes zur Folge hat, jene drei
Thiere keinen Genossen gefunden hatten oder von demselben verlassen worden
waren ^).
Die Entoniscusweibchen, die in Porcellana Creplinii gefunden wurden, hatten
nicht wie die der gemeinen Porcellana röthlich-violette, sondern blass dottergelbe
Eierstöcke; ihre Brutblätter erschienen mir weniger stark zerschlitzt und gekräuselt.
Männchen und Junge glichen den in der gemeinen Porcellana vorkommenden;
4) in einem Achaeus, der an Felsen zwischen Moosthieren, Ascidien u. s. w.
lebt. Der Entoniscus wurde nur einmal gefunden. Ich habe mir von ihm nur
angemerkt, dass das Männchen sechs wohlgebildete Fusspaare und ein zwei-
spitziges Schwanzende hat; durch beides unterscheidet es sich von dem des
Entoniscus Porcellanae, durch die Form des Schwanzendes auch von dem
des Entoniscus Cancrorum^);
5) in mehreren Xantho- Arten der Küste von Desterro. Die Binnenassel
dieser Krabben, Entoniscus Cancrorum^), ist in beiden Geschlechtern und
nicht minder in ihrer frühesten Jugendform erheblich verschieden von Ento-
niscus Porcellanae. Während bei dem Weibchen des letzteren die ganze
Länge des Mittelleibes mit gewaltigen, zerschlitzten, vielgefalteten Brutblättern
besetzt ist, zwischen deren Falten die Eier sich anhäufen, ist bei Entoniscus
Cancrorum eine geschlossene Bruthöhle vorhanden, gebildet von einem einzigen
Paare von Brutblättern, das dicht hinter dem Kopfe entspringt. Die Bruthöhle
stellt einen Sack von sehr wechselnder Gestalt und Grösse dar, der schief nach
vorn gerichtet ist und mit seiner oberen Fläche sich der Unterseite des Kopfes
anlegt, welchen er mehr oder weniger weit überragt, Füsse fehlen vollständig,
man müsste denn seitliche Wülste, die mehr oder minder deutlich in der Nähe
des Hinterleibsendes vorzuspringen pflegen, als Fussstummel ansprechen wollen.
Der bei Entoniscus Porcellanae so ungemein lange, mit langen Säbelbeinen
ausgerüstete Hinterleib ist bei Ent. Cancrorum so plump und fast so regungslos,
wie der Mittelleib. Selten sind die Weibchen ziemlich gerade ausgestreckt; meist
findet man den Hinterleib in rechtem ^), oder spitzem ^) Winkel aufwärts gebogen.
Das Herz liegt oft, wie bei Ent. Porcellanae, in einer bruchsackähnlichen
Ausstülpung des Hinterleibes, während in anderen Fällen dessen Haut glatt
darüber hinweggeht. Die Hautfalten mit wellig gebogenem Rande, die bei Ent.
Porcellanae sich an der Bauchfläche der ersten Hinterleibsringe hinziehen,
sind bei Ent. Cancrorum ebenfalls vorhanden und sogar in der Regel weit
stärker entwickelt.
1) Die wenig über federkieldicken Ausgänge der Chaetopterus-Röhre, die einige Zoll hoch senkrecht
aus dem Schlamme emporstehen, in welchem die Röhre wagerecht eingebettet Hegt, sind viel zu eng, um
die Porcellana durchzulassen; doch kann diese, wie ich gesehen, die Röhre verlassen, indem sie sie der
Länge nach aufschlitzt.
2) s. F. Müller, Für Darvvm, Fig. 16. = Ges. Schriften S. 218.
3) s. Taf. XXXVI, Fig. 1—3 und Für Darwin, Fig. 41. = Ges. Schriften S. 232.
4) s. Für Darwin, Fig. 41.
5) s. Taf. XXXVI, Fig. i.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 25
386
Bruchstücke zur Naturgeschichte der BopjTiden.
Das Männchen von Ent. Can cror um. hat weder die Klumpfüsse, noch
die eigenthümliche Fühlerbildung des Männchens von Ent. Porcellanae,
schliesst sich vielmehr in beiden Beziehungen an die Männchen von Bop3^rus an ^).
Die Jungen von Ent. Cancrorum (Fig. 2 u. 3) stimmen überein mit denen
von Ent, Porcellanae und unterscheiden sich, wie diese, von denen der
Bopyrusarten dadurch, dass das letzte Beinpaar des Mittelleibes abweichend von
den vorangehenden gebildet ist. Die Unterschiede der Jungen der beiden
Entoniscus- Arten bestehen hauptsächlich in Folgendem:
Entoniscus Porcellanae
Länge (am ersten Tage): 0,2 mm. Stirn-
rand fast gerade.
Heller unpaarer Fleck dicht am Stirn-
rande.
Greifrand an der Hand der 5 ersten
Beinpaare glatt.
Sechstes Beinpaar kurz, 3 gliedrig mit
elliptischem klauenlosen Endgiiede.
Der letzte Ring des Mittelleibes fehlt (?).
Das fünfte Fusspaar des Hinterleibes
noch wenig entwickelt, borstenlos,
GrundgHed der Hinterleibsfüsse mit einer
Borste,
Endglied der Hinterleibsfüsse schief ab-
geschnitten, lanzettförmig.
Entoniscus Cancrorum
Länge (am ersten Tage): 0,3 mm. Stirn-
rand gewöbt.
Dieser Fleck wurde vermisst.
Dieser Greifrand mit wenigen kleinen
Zähnchen bewehrt.
Sechstes Beinpaar lang, 5 gliedrig, mit
klauentragender Hand.
Der letzte Ring des Mittelleibes vor-
handen.
Das fünfte Fusspaar des Hinterleibes
den vorangehenden gleich gebildet.
Dasselbe Grundglied mit 2 Borsten.
Das borstentragende Ende des End-
gliedes der Hinterleibsfüsse gerade
abgeschnitten.
Der Hauptunterschied der beiderlei Larven liegt in der Bildung des letzten
Beinpaares, welches bei Ent. Porcellanae in anscheinend verkümmertem, bei
Ent. Cancrorum in besonders entwickeltem Zustande auftritt. Es hat bei
letzterer Art zunächst drei lange schlanke cylindrische Glieder, von denen jedes
der beiden ersten etwa der halben Breite des Leibes an Länge gleichkommt, das
dritte unbedeutend kürzer ist. Dann folgt ein ansehnliches Handglied, welches
schief abgeschnitten ist. so dass der obere Rand fast doppelt so lang ist, als der
untere; der untere Rand läuft in einen kürzern Zahn aus, gegen welchen eine
etwa in der Mitte des schiefen Endrandes eingelenkte gekrümmte Klaue ein-
schlägt. Auch der obere Rand läuft in eine scharfe Spitze aus, an welcher eine
im Innern des Handgliedes gelegene Drüse zu münden scheint. In der Ruhe
liegt dies Beinpaar dem Leibe dicht an und zwar ist dabei das erste Glied nach
innen, das zweite nach vorn, das dritte nach hinten gerichtet, — Die Larven des
Entoniscus Cancrorum lieben, sich im Wasser umhertreiben zu lassen,
in welchem sie dabei in ganz eigenthümlicher Stellung schweben (Fig. 2).
Der Hinterleib wird gegen die Brust geschlagen; der Rücken ist nach oben,
Kopf und Schwanzende sind nach unten gerichtet; die Beine des sechsten
i) Der Hinterleib des Männchens ist abgebildet in „Für Darwin" Fig. i6. = Ges. Schriften S. 218.
Bruchstücke zur Naturgeschichte der BopjTiden. t^t
Paares werden lang nach aussen vorgestreckt und etwas nach oben gebogen, so
dass beide zusammen einen flachen Bogen darstellen, von dessen Mitte der Körper
niederhängt. —
Beim Eindringen in den Leib der Krabben wird wahrscheinlich dies eigen-
thümlich entwickelte sechste Beinpaar der Larve von besonderer Wichtigkeit sein. —
Das Vorkommen von Binnenasseln in so weit verschiedenen Thieren, wie
Porcellana, Achaeus und Xantho sind, berechtigt zu der Erwartung, dass sie auch
geographisch eine weitere Verbreitung haben und ebenso wie die Bopyrusarten
in allen Meeren sich finden werden. Wer Lust hat, sie aufzusuchen, möge seine
Aufmerksamkeit besonders auf solche Krabbenweibchen richten, die leer herum-
laufen zur Zeit, wo ihre Genossinnen mit Eiern beladen sind.
2. Bopyrus resupinatus. (Taf. XXXVI, Fig. 4 — 9.)
Wenige Thiere dürften mehr von Schmarotzern geplagt werden, als ein bei
Desterro unendlich häufiger kleiner Einsiedlerkrebs, der seine Wohnung meist in
der Schale eines Cerithium^) einnimmt. Weit über die Hälfte dieser Einsiedler-
krebse sind bewohnt von einem im Verhältniss zu seinem Wirthe riesigen Faden-
wurm, dessen Windungen durch die Wand des von ihm ausgedehnten Hinterleibes
des Krebses hindurchschimmern. Ausserdem leben an dem Hinterleibe desselben zwei
verschiedene Arten von Wurzelkrebsen, Sacculina purpurea^), und Pelto-
gaster socialis^), und zwei Asseln, Bopyrus resupinatus und Cryptoni-
scus planarioides, und zwar ebenfalls so häufig, dass etwa jeder fünfte Pagurus
einen dieser Schmarotzer trägt. Unter 300 Paguren, die ich vom 15. November 1861
bis 13. April 1862 untersuchte, fand ich nämlich 281 mit Sacculina purpurea, 227
mit Peltogaster socialis, 40 mit Bopyrus resupinatus und 46 mit Cryptoniscus
planarioides behaftet. — Im Gegensatz zu diesem vielgeplagten kleinen Pagurus
waren weit über hundert Paguren von einer grösseren und weit selteneren Art
sämmtlich frei von Schmarotzern ; ein hübscher Beleg dafür, dass im Allgemeinen,
— aus naheliegenden Gründen, — mit der Häufigkeit einer Art die Zahl und
Mannichfaltigkeit ihrer Schmarotzer zunimmt.
1) Dieses Cerithium, vielleicht die häufigste aller bei Desterro lebenden Schnecken, bildet die
Hauptnahrung zweier anderen, ebenfalls dort häufigen Schnecken, des Murex senegalensis Lam. und der
mit Turbinella angulifera nahe verwandten Turbinella Müllen Dkr. (n. s.) — Der Murex bohrt ein rundes
Loch durch das Gehäuse des Cerithium; wenn dieses dann sterbend seinen Deckel öffnet, so kommt von
vorn die Turbinella, um sich am Schmause zu betheiligen. An einigen Stellen des Strandes kann man zur
Ebbezeit dutzendweise solche Cerithien sammeln, an denen gleichzeitig hinten ein Murex und vorn eine
Turbinella sitzen.
Nach dem Tode der Schnecke dient das Gehäuse des Cerithium nicht nur dem Pagurus mit seinen
mannichfachen Schmarotzern zum Aufenthalt, sondern am Eingange der von Pagurus bewohnten Gehäuse
siedelt sich nicht selten eine kleine weisse Crepidula an, unter welcher dann wieder bisweilen ein Pinno-
theres Schutz sucht.
2) Siehe Archiv für Naturgesch. 1862. I, Taf. I, Fig. 5—9. = Ges. Schriften S. 141 Taf. XVII. —
Ich lasse einstweilen, bis eine wissenschaftliche, d. h. genealogische Anordnung der Rhizocephalen möglich
sein wird, den Namen dieser Art ungeändert. Als ich den Namen gab, wusste ich nicht, dass Thompson
schon einen anderen Wurzelkrebs Sacculina getauft hatte. Meine Sacculina purpurea gehört nicht zur
Gattung Sacculina Thomps., sondern eher zu Peltogaster Rthke.
3) F. Müller, Für Darwin, Fig. 59. = Ges. Schriften S. 241.
25*
■jOg Bruchstücke zur Naturgeschichte der Bopyriden.
Die beiden eben erwähnten Asseln, Bopyrus resupinatus und Cryptoniscus
planarioides, sind vor allem merkwürdig dadurch, dass sie nicht unmittelbar aus
dem Pagurus, sondern aus den Wurzeln der Sacculina purpurea ihre Nahrung
ziehen.
Bopyrus resupinatus setzt sich unter Sacculina purpurea fest und zwar
dieser seine Bauchseite, dem Pagiirus seinen Rücken zuwendend. Ich habe wieder-
holt solche junge Bopyrus, die sich zum Theil noch wenig von ihrer jüngsten
Larvenform entfernten, an dieser Stelle angetroffen. Indem nun der Bopyrus die
aus dem Leibe des Pagurus durch die darin verzweigten Wurzeln der Sacculina
zuströmende Nahrung sich aneignet, stirbt die Sacculina ab. So hatte ich am
22. Septbr. 1861 einen mit Sacculina behafteten Pagurus in ein Glas mit Seewasser
gesetzt ; Tags darauf schwärmte junge Sacculina-Brut aus ; als ich aber am 26. Septbr.
den Pagurus wieder aus seinem Schneckenhause nahm, war die Sacculina ver-
schwunden und an ihrer Stelle sass ein junger Bopyrus, ein jungfräuliches, un-
bemanntes Weibchen ohne Brutblätter. Mit dem Abfallen der Sacculina sterben
indess ihre Wurzeln nicht ab, sondern pflegen im Gegentheil nur um so kräftiger
weiter zu wuchern, so dass durch sie oft ein ansehnlicher Theil des Hinterleibes
gefüllt wird und schon von aussen dunkelgrün erscheint. Nie habe ich die Zu-
sammenziehungen der Sacculinawurzeln so kräftig und regelmässig erfolgen sehen,
als in einem Pagurus, an welchem ein grosser Bopyrus sass, der gewiss schon
seit geraumer Zeit die Sacculiua verdrängt hatte. — In einigen wenigen leider
nicht näher untersuchten Fällen vermisste ich den grünen Fleck an der Anheftungs-
stelle des Bopyrus; wahrscheinlich hatte sich derselbe in diesen Fällen, statt unter
Sacculina purpurea, unter Peltogaster socialis angesiedelt, dessen glatte Wurzeln
nicht zu sehen sind; denn auch unter letzterem Wurzelkrebse habe ich Bopyrus-
larven getroffen.
Daraus, dass der Bopyrus beim Festsetzen sich der Sacculina und nicht dem
Pagurus zuwendet, erklärt sich eine Eigenthümlichkeit, die bei einer nahestehenden
und voraussichtlich auch in ihrer Lebensweise ähnlichen Art zu einer wunderlichen
Verwechslung Anlass gegeben hat. Hesse hat unter dem Namen Athelgue
einen Bopyrus beschrieben, bei dessen Weibchen angeblich „dieconvexe Rücken -
Seite des Cephalothorax von 6 — 7 Paaren seitlicher durchscheinender Platten
bedeckt ist, unter welchen sich die Bruthöhle für die Eier befindet ^). — Also eine
Assel mit rückenständiger Bruthöhle ! Gewiss ein nicht minder wunderbares Thier,
als etwa ein Känguru mit rückenständigem Beutel, oder ein Käfer mit Flügeln
am Bauche. Offenbar hat Hesse Bauchseite und Rückenseite verwechselt, weil
sein Athelgue dem Pagurus nicht die Bauchseite, sondern wie Bopyrus resupinatus
die Rückenseite zuwendet.
Bopyrus resupinatus verlässt das Ei als etwa 0,2 mm lange,
0,12 mm breite, flache asseiförmige Larve (Fig. 4), ganz ähnlich denen an-
derer Bopyrusarten. Die sechs Beinpaare der Brust sind glei ch gebildet ; das 7.
fehlt, wie wahrscheinlich bei allen jungen Isopoden. Die 5 Hinterleibsfüsse haben,
wie bei Entoniscus und fast allen von mir gesehenen Bopyridenlarven, ein ein-
ziges Endblatt, die Schwanzfüsse haben zwei griffeiförmige Aeste und in der Mitte
i) Gerstäcker, Jahresbericht für 1861 im Archiv für Naturgesch. 28. Jahrg. Bd. 2. S. 558.
Bruchstücke zur Naturgeschichte der Bopyriden. 730
seines Hinterrandes trägt der letzte Leibesring einen kurzen kegelförmigen Fort-
satz. Bei den Entoniscus-Larven fehlt ein solcher Fortsatz, dagegen scheint er
den Larven der echten Bopyriden allgemein zuzukommen und meist stärker als
bei Bopyrus resupinatus entwickelt zu sein. Von auffallender Länge sah ich
denselben bei einer (im März 1862) im Meere aufgefischten Larve (Fig 10),
die ohne Frage von einem Bopyriden abstammt, obwohl sie durch 2 - ästige
Hinterleibsfüsse von den übrigen mir bekannt gewordenen Bopyruslarven ab-
weicht. Ueber die morphologische Bedeutung dieses Fortsatzes, der bei der
zuletzt erwähnten Larve fast an den Schwanzstachel der Xiphosuren erinnert, bin
ich ausser Stande, eine Vermuthung auszusprechen.
Die jüngsten Larven, die unter Sacculina purpurea gefunden wurden,
hatten bereits eine Länge von 0,6 mm erreicht (Fig. 5). Ihre Gestalt ist ge-
streckter geworden, indem die grösste Breite kaum der halben Länge des Leibes
gleichkommt; an den vorderen Fühlern hat sich ein Büschel von etwa 10 ansehn-
lichen Riechfäden entwickelt, die der Larve wahrscheinlich beim Aufsuchen ihres
Wohnthieres von Nutzen sind. Die Brust trägt jetzt sieben gleichgebildete Bein-
paare. Die Schwimmfüsse des Hinterleibes sind noch unverkümmert, ihr Endblatt
mit 5 — 6 langen Borsten versehen. Die Grundglieder der Schwanzfüsse, bei den
jüngsten Larven durch einen breiten Zwischenraum getrennt, nehmen jetzt fast
die ganze Breite des letzten Leibesringes ein. Von den anfangs etwa gleichlangen
Aesten der Schwanzfüsse ist jetzt der äussere etwa doppelt so lang als der
innere.
Nach dem Festsetzen der Larve verkümmern die Riechfäden, die den er-
wachsenen Thieren vollständig fehlen, und die Schwimmfüsse des Hinterleibes
verwandeln sich in Kiemen, Bei dem obenerwähnten jungen Weibchen, das nach
dem Abfallen der von ihm verdrängten Sacculina zum Vorschein kam, bestanden
die Kiemen aus einfachen zungenförmigen Anhängen ; an einigen derselben be-
gann indess schon ein kurzer zweiter Ast hervorzusprossen ; zu diesem zweiten
kommt später noch ein dritter Ast. Von den Schwanzfüssen bleiben nur kurze
abgerundete Stummel übrig, an deren Rande ein breiter Blutstrom hinfliesst und
die also ebenfalls der Athmung dienen. — In diesen Schwanzanhängen fliesst das
Blut am Innenrande nach hinten, am Aussenrande nach vorn ; in den dreitheiligen
Kiemen am Hinterrande der Aeste nach aussen, am Vorderrande wieder nach
innen. — Die kurzen plumpen Beine krümmen sich allmählich um den Seitenrand
des Leibes nach oben, so dass nur der Bopyrus sich mit denselben an dem Pagurus,
dem er, wie gesagt, seine Rückenfläche zuwendet, festhalten kann (Fig. 6).
Beim Herannahen der Geschlechtsreife entwickeln sich an der Bauchseite
grosse Brutblätter, die eine sehr ansehnliche Bruthöhle umschliessen. Dieselbe
überragt seitlich die Ränder des Leibes, nach vorn den Kopf und ein kurzer
abgerundeter Zipfel springt jederseits neben dem Hinterleibe nach hinten
vor (Fig. 7, 8). Die vordersten dieser blattförmigen Anhänge, die rinnen-
förmig zusammengebogen den Kopf überragen, mögen dazu dienen, die aus
den Sacculina -Wurzeln zuströmende Nahrung dem Munde des Bopyrus zu-
zuleiten. —
Nach der Bildung der Kiemen des Weibchens würde Bopyrus resupinatus
eher zur Gattung Jone als zu Bopyrus zu stellen sein ; doch finden sich zwischen
■2QQ Bruchstücke zur Naturgeschichte der Bopyriden.
der Kiemenform der Jone thoracica und des Bopyrus squillarum so mannichfache
Uebergangsformen, dass die erstere Gattung sich nicht von letzterer trennen lässt,
obwohl Milne Edwards auf dieselben sogar zwei verschiedene Familien begründete.
Das etwa 2 mm lange Männchen des Bopyrus resupinatus (Fig. g) hat die
gewöhnhche Gestalt der Bopyrusmännchen ; sein Hinterleib zeigt nur sehr un-
deutliche oder gar keine Spur von Gliederung und ist ganz ohne alle Anhänge;
ein breiter Blutstrom zieht an seinem Rande hin.
3. Cr5^ptoniscus planarioides^). (Taf. XXXVII, Fig. 12 — 19.)
Am 8. August 1861 hatte ich eine Anzahl Pagurus aus ihren Cerithium-
gehäusen herausgeklopft, um an ihnen nach Sacculina und Bopyrus resupinatus
zu suchen : ausser diesen beiden traf ich noch einen dritten Schmarotzer in Form
einer flachen milchweissen Scheibe von 5 — 6 mm Länge und 2,5 mm Breite, die
etwa in der Mitte der dem Pagurus zugewandten Fläche festsass und in der Nähe
der Anheftungsstelle eine Oeffnung zeigte, von der aus sie ganz wie ein Lernaeo-
discus oder eine Sacculina sich aufblasen Hess. Ich glaubte in diesem Schma-
rotzer einen neuen Wurzelkrebs vor mir zu haben und wurde in dieser Meinung
bestärkt, als ich später (im October) fand, dass an der Anheftungsstelle ein wie
bei Sacculina purpurea gebildeter Chitinkranz liegt, von dem aus grüne Wurzeln
sich ins Innere des Pagurus senken, Chitinkranz und Wurzeln Hessen sich im
Zusammenhang mit dem Schmarotzer aus dem Pagurus herauslösen. Nach einer
blutrothen Zeichnung auf der Unterseite der milchweissen Scheibe, die an den
Darm eines dendrocölen Plattwurms erinnerte, nannte ich das Thier Peltogaster
planarioides.
Kurz darauf traf ich an demselben Pagurus ganz ähnliche, nur grössere
(9 — 10 mm lange) und anders gefärbte, bald gelbe, bald braunpunctirte Schmarotzer;
erstere enthielten Eier mit noch wenig entwickelten, letztere solche mit fast reifen
Embryonen. Schon die gelben Eier waren sofort an der Krümmung des Embryo
nach oben als Asseleier zu erkennen und in den Eiern der braunpunctirten Thiere
fanden sich Larven, die mit denen von Bopyrus und Entoniscus die grösste Aehn-
lichkeit hatten. Dass ich also in diesen Schmarotzern einen noch mehr als selbst
Entoniscus von der Asselform sich entfernenden Bopyriden vor mir hatte, unter-
lag keinem Zweifel.
Wochenlang liefen nun in meinem Tagebuche bei Aufzählung der an Pa-
gurus erbeuteten Schmarotzer dieser „Bopyrus agnostus" und „Peltogaster
planarioides" neben einander her, ohne dass ich nur an die Möglichkeit
dachte, dass letzterer eine jüngere Form des ersteren sein könnte. Und neben
diesen beiden wurden noch jüngere, etwa 2 mm lange, schmutzig röthlichbraune
Thiere derselben Art als junge Sacculina purpurea aufgeführt, da sie die
gleichen Wurzeln, den gleichen Chitinkranz besassen und in Gestalt und Farbe
weit mehr dieser Sacculina als dem milchweissen „Peltogaster planarioides"
ähnlich waren.
Erst am 28. November, als ich gleichzeitig, als Ausbeute von 270 Paguren,
8 Cryptoniscus in den verschiedensten Altersstufen vor mir hatte, 2 junge röthlich-
l) Vergl. F. Müller, Für Darwin, Fig. 39 und 42. = Ges. Schriften S. 231 u. 232.
Bruchstücke zur Naturgeschichte der Bopyriden. iqi
braune, 3 milchweisse planarienähnliche („Peltogaster planarioides"), einen gelben
mit unreifen, einen braunpunctirten mit fast reifen Embr3^onen („Bopyrus agnostus")
und endlich einen, der schon seine Brut entleert hatte und nun einen schlaffen
häutigen farblosen Sack bildete, — überzeugte ich mich von der Zusammen-
gehörigkeit dieser verschiedenen Formen.
Leider kann ich über den Bau und die Entwickelung dieser in so mannich-
fachen und völlig unkenntlichen Vermummungen auftretenden Asselart nur äusserst
dürftige Mittheilungen machen.
Die beim Ausschlüpfen etwa 0,2 mm langen Jungen ^) sind augenlos; der
Vorderrand des Kopfes (Fig. 12 a) ist halbkreisförmig; an seinen hinteren
Ecken stehen die kräftigen sechsgliedrigen. äusseren, dicht neben ihnen nach
innen die äusserst winzigen (dreigliedrigen?) inneren Fühler. — Die Brust
trägt sechs Beinpaare, von denen das letzte abweichend von clen vorangehenden
und von denen anderer junger Bopyriden gebaut ist. Das vorletzte Glied, das
bei den fünf ersten Beinpaaren eine kurze eiförmige Hand bildet, ist beim
sechsten Paare (Fig. 1 2 b) allerdings auch dicker als die anderen Glieder, aber
lang und walzenförmig und trägt nicht ein kurzes einschlagbares, sondern ein
wenig oder gar nicht bewegliches, sehr langes borstenförmiges Endglied. — Die
Schwimmfüsse des Hinterleibes (Fig. 1 2 c) haben zwei in verschiedener Höhe ein-
gelenkte Aeste. — Im Anfang des Hinterleibes liegt (im Darme?) eine rund-
liche Anhäufung eines dunkel braunroth gefärbten Stoffes.
In welcher Weise die jungen Cryptoniscus sich an Sacculina pur-
purea festsetzen, wurde nicht beobachtet. Die jüngsten festsitzenden Thiere, •
die gefunden wurden (Fig. 13), hatten bereits die Sacculina verdrängt und voll-
ständig alle Gliedmaassen verloren. Sie erschienen als schmutzig röthlich braune,
eiförmige Körper von etwa 2 mm Länge, die in der Nähe des stumpferen
Endes festgeheftet waren. Von inneren Theilen wurde ein vom Anheftungspunkte
ausgehender weiter blinder Schlauch gesehen, der jederseits mehr oder weniger
tief gelappt oder in 5 bis 6 kurze Fortsätze ausgezogen war, wahrscheinlich die
Leber, — und ausserdem am freien spitzeren Ende des Leibes ein kräftig sich
zusammenziehendes Herz — Wurden die Thiere vom Pagurus losgerissen, so
pflegte der Chitinkranz der Sacculina, die sie verdrängt und aus deren Wurzeln
sie nun ihre Nahrung zogen, mit ihnen in Verbindung zu bleiben.
Beim weiteren Wachsthum verwandelt sich der eiförmige Körper, in die
Breite und Länge wachsend, in eine immer flachere Scheibe, während gleich-
zeitig der Anheftungspunkt nach der einen Fläche dieser Scheibe hinrückt. Die
Farbe wird heller und geht in ein reines Milchweiss über, auf welchem der jetzt
blutroth gefärbte gelappte Schlauch (die Leber?) scharf sich abzeichnet. Diese
Färbung zeigen Thiere von 4 bis 7 mm Länge und 2,6 bis 4 mm Breite. Die
Leber (?) liegt auf der dem Pagurus zugewandten Seite der Scheibe und gleicht
jetzt ganz dem Darmrohr einer Clepsine; von dem Anheftungspunkte aus geht
nach dem einen stumpferen Ende der Scheibe ein weites unpaares Rohr, welches
jederseits etwa ,5 Fortsätze bis in die Nähe des Scheibenrandes sendet, — nach
dem anderen spitzeren Ende jederseits ein engeres Rohr, das nach aussen 2 bis 3
i) F. Müller, Für Darwin, Fig. 39.
,Q2 Bruchstücke zur Naturgeschichte der Bopyriden.
ähnliche Fortsätze trägt. Zwischen der Leber (?) und der vom Pagurus ab-
gevvandten Fläche der Scheibe liegt der, wie es scheint, unpaare Eierstock, der
milchweiss gefärbt ist und fast die ganze Länge und Breite der Scheibe einnimmt
(Fig. 1 4). — Das Herz habe ich bei Thieren in diesem Alter nicht mehr gesehen ;
es mag vom Eierstock verdeckt oder auch verkümmert sein.
Wie gesagt, pflegt man mit dem Cryptoniscus zugleich den Chitinkranz der
von ihm verdrängten Sacculina und bisweilen selbst einen Theil ihrer Wurzeln
herauszureissen. Diese feste Verbindung, die mich verleitet hatte, den Cryptoniscus
selbst für einen Rhizocephalen anzusehen, wird dadurch bewirkt, dass das Mund-
ende der planarien ähnlichen Assel durch den Chitinkranz hindurch in die Wurzeln
der Sacculina eindringt und hier zu einem unregelmässig gelappten Knopf an-
schwillt (Fig. 14 c. Fig. 15). Spuren von Fühlern oder Mundtheilen habe ich an
diesem Knopfe nicht gefunden. Die Mundöffnung dürfte am Ende eines rüssel-
förmigen Fortsatzes zu suchen sein, den ich einmal von diesem Knopfe ausgehen
sah (Fig. 15); gesehen habe ich sie nicht.
Die ganze Scheibe bildet einen weiten, jetzt noch leeren Sack, die Brut-
höhle, die von einer in der Nähe des Anheftungspunktes liegenden Oeffnung aus
sich aufblasen lässt. Wann und auf welchem Wege die Eier aus dem Eierstock
in die Bruthöhle gelangen, kann ich nicht sagen.
Bei völlig ausgewachsenen, g bis 10 mm langen Thieren findet man die
Eier in der Bruthöhle und in denselben den Embryo meist schon mehr oder
weniger entwickelt. Ihre Farbe hat sich in Gelb verwandelt und da sie
die ganze Scheibe füllen, zeigt das ganze Thier dieselbe Farbe (Fig. 16).
Wenn die Jungen dem Ausschlüpfen nahe sind, erscheint das Thier mit roth-
braunen Punkten besäet (Fig. 17). Aehnliche dunkle Punkte sieht man um
diese Zeit bekanntlich an den Eiern der meisten Kruster; aber bei Crypto-
niscus sind es nicht, wie sonst, die Augen, deren dunkle Färbung die nahende
Reife verkündet; Augen sind überhaupt nicht vorhanden; es findet sich viel-
mehr, wie bereits erwähnt, im Anfang des Hinterleibes (vielleicht im Darme),
eine rundliche, bald regelmässige, scharf umschriebene, bald unregelmässig aus-
gebreitete Anhäufung eines dunkel gefärbten Stoffes. — Während die Eier in
der Bruthöhle sich entwickeln, schwindet allmählich immer mehr der blutrothe
Inhalt der Leber (?), so dass zur Zeit, wo die Jungen ausschwärmen, bisweilen
kaum noch Spuren davon zu erkennen sind.
Sind die Jungen ausgeschwärmt, so zeigt die Mutter noch einmal ein völlig
verändertes Aussehen; es ist von ihr nichts übrig geblieben, als eine leere farb-
lose Haut. In der Oeffnung der Bruthöhle sieht man jetzt mehrere Paare finger-
förmiger Anhänge sich lebhaft bewegen, deren Zahl und Gestalt nicht bei allen
Thieren dieselbe zu sein scheint. Sie haben wahrscheinlich dazu gedient, in der
Bruthöhle den für die Athmung der Eier nöthigen Wasserwechsel zu unterhalten,
und sind vielleicht als umgewandelte Hinterleibsfüsse („fausses pattes abdominales")
zu betrachten. (Man kann dieselben natürlich auch vor dem Ausschwärmen der
Jungen zu sehen bekommen, wenn man die Eier durch einen Einschnitt entleert.)
— Ebenso tritt jetzt in der ziemlich durchsichtigen Haut deutlich ein Gerüst von
Chitinleisten hervor, dessen Anordnung auf der dem Pagurus zugewandten Fläche
aus Fig. 18 ersichtlich ist. In diesen Chitinleisten scheint noch ein Rest der
früheren Gliederung des Cryptoniscus erhalten zu sein.
Bruchstücke zur Naturgeschichte der Bopyriden. 7 0-1
Wahrscheinlich wird die Mutter bald nach dem Ausschwärmen der Brut
absterben und abfallen, und keinenfalls noch einmal in sich Eier und Junge
erzeugen. Dafür spricht ihr ganzes Aussehen und namentlich der gänzliche
Schwund von Leber und Eierstock. Auch hierin, dass mit einer einmaligen Eier-
erzeugung sein Lebenslauf abgeschlossen ist, steht Cryptoniscus einzig da unter
seinen Verwandten.
Mit diesem Verhalten dürfte die Seltenheit der Männchen im Zusammen-
hang stehen. Von Bopyrus oder Entoniscus trifft man selten ein Weibchen,
dem nicht ein Männchen sich zugesellt hätte. An weit über 50 Cryptoniscus
habe ich dagegen ein einziges Mal eine kleine, 0,9 mm lange Assel gefunden,
die ich als dessen Männchen betrachten zu dürfen glaube (Fig. 19). In der
Bildung der Fühler, der Gliederung der Brust, die 7 Paar gleichgebildeter Beine
trägt, und in dem anhanglosen Hinterleibe stimmt es mit der Mehrzahl der
Bop3Tidenmännchen überein; eigenthümlich sind ihm die stark vorspringenden
und mit kurzen Dörnchen bewehrten Seitenecken der Leibesringe und der in zwei
spitze Zipfel gespaltene und an diesen Spitzen dicht mit kurzen Dörnchen be-
setzte Schwanz.
4. Micron iscus fuscus. (Taf. XXXVII, Fig. 20.)
Das Vorkommen der Bopyriden scheint nicht auf Decapoden, Rankenfüsser
und Wurzelkrebse beschränkt zu sein, an denen sie allein bis jetzt beobachtet
wurden; denn kaum einer anderen Familie dürfte eine Schmarotzerassel zu-
zurechnen sein, die ich einmal (im November 1864) dem Rücken eines Copepoden
aufsitzend fand.
Das Thierchen hatte eine Länge von nur 0,2 mm, wovon V4 auf den Kopf
und ebensoviel auf den Hinterleib kam ; es hatte die Gestalt eines ziemlich stark
gewölbten Schildes. Die Leibesringe waren vollzähhg und deutlich geschieden.
Der Kopf, von einem breiten häutigen Saume eingefasst, trug jederseits nahe
seiner hinteren Ecke ein Auge und einen plumpen (ungegliederten?) Fühler.
Vordere Fühler wurden nicht gesehen. Die Beine der Brust waren mit Aus-
nahme des dritten Paares kurze plumpe Klammerfüsse mit dickem kugeligen
Handglied und kurzer stumpfer Klaue. Die Beine des dritten Paares, weit länger
als die übrigen, ragten weit über die Seiten der Brust vor; ihr letztes Glied
bildete ein klauenloses eiförmiges Blatt, das dem Leibe des Wirthes fest anlag.
Hinterleibsfüsse und Schwanzanhänge waren borstenlos, — ein Beweis, dass das
Thierchen nicht etwa eine noch frei schwimmende Assellarve war, die sich nur
vorübergehend an den Copepoden angesetzt hatte. Wahrscheinlich war es noch
ein jüngeres Thier, dem möglicherweise noch tiefgreifende Umwandlungen bevor-
standen; denn Eier wurden bei demselben noch nicht gefunden. — Seine Farbe
war dunkelbraun, die Beine und der häutige Saum des Kopfes farblos.
5. Zur Systematik der Bopyriden.
Ueber die systematische Stellung der Bopyriden herrscht unter den Zoologen
eine seltene Einstimmigkeit. Man stellt sie allgemein ans Ende der Isopoden,
neben die Cymothoiden. Gerstäcker reiht die Bopyriden geradezu der Abtheilung
der schwimmenden Asseln ein, während Milne Edwards die Abtheilung der
schwimmenden Asseln mit den Cymothoiden schliesst und diesen als besondere
•2Q , Bruchstücke zur Naturgeschichte der Bopyriden.
Abtheilung die festsitzenden Asseln (Jone, Bop3T-us) folgen lässt, und wieder
Andere (z. B. Claus) die Familien der Asseln, ohne sie in grössere Abtheilungen
zu vereinigen, in einfacher Reihe neben einander stellen, an deren Ende dann,
neben die Cymothoiden, die Bopyriden zu stehen kommen. Allgemein scheint
man also die Cymothoiden als nächste Verwandte der Bopyriden anzusehen.
Dieser Ansicht kann ich mich nicht anschliessen ; denn ausser dem, was allen
Asseln zukommt, haben diese beiden Familien nichts gemein, als die schmarotzende
Lebensweise und mit gleichem Rechte würde man z. B, unter den Insecten Läuse
und Flöhe neben einander stellen.
Wie bei allen durch's Schmarotzerleben stark veränderten Thieren (Lernäen,
Pentastomen u. s. w.) hat man natürlich auch bei diesen schmarotzenden Asseln
hauptsächlich die Jugendformen ins Auge zu fassen, um ihre verwandtschaftlichen
Beziehungen zu erkennen. Schon der erste flüchtige Blick aber auf die Taf. XXXVI,
Fig. 3, 4 und lo gezeichneten jungen Bop)Tiden und die zur Vergleichung daneben
gestellte junge Cymothoe (Fig. ii) wird Jedem den Eindruck machen müssen,
dass die beiden Familien eher an die entgegengesetzten Enden ihrer Ordnung,
als neben einander gehören. Eine nähere Vergleichung bestätigt dies.
Bei den Jungen von Cymothoe sieht man wie bei allen schwimmenden
Asseln (Sphaeromiden, Cymothoiden) beide Fühlerpaare von nahezu gleicher Länge
und Gestalt; bei den jungen Bopyriden, wie bei den gehenden Asseln (Idotheiden,
Aselliden, von denen jedoch die Tanaiden auszuscheiden sind, und Onisciden) die
vorderen Fühler sehr kurz, selbst wenn sie mit reichlichen Riechfäden ausgerüstet
sind (Fig. 5) ; die hinteren Fühler dagegen, namentlich bei den jüngsten Larven
stets von sehr ansehnlicher Länge.
Bei Cymothoe und überhaupt bei den schwimmenden Asseln finden sich
tastertragende, bei den Bopyriden wie bei den gehenden Asseln tasterlose Kinn-
backen (Mandibeln). Bei Cymothoe und allen schwimmenden Asseln ist der letzte
(der Schwanzring) der grösste, bei den jungen Bopyriden wie oft bei den Oni-
sciden der kleinste der Hinterleibsringe. — Bei Cymothoe und den meisten
schwimmenden Asseln tragen die Schwanzfüsse zwei grosse blattförmige lang-
bewimperte Endäste ; bei den jungen Bopyriden sind diese Endäste griffeiförmig,
wie bei den Aselliden und Onisciden. — Alle für die schwimmenden Asseln
bezeichnenden Merkmale fehlen also den Bopyriden, während sie in der Bildung
der Fühler, der Kinnbacken, des Hinterleibes, der Schwanzfüsse an die gehenden
Asseln und zwar zumeist an die Onisciden, und unter diesen wieder zunächst an
die Gattung Ligia sich anschliessen. Gar manche junge Bopyridenform könnte,
vom Rücken betrachtet, für eine mikroskopische Ligia gelten. Abweichend ist,
von den verkümmerten Mundtheilen abgesehen, hauptsächlich die Bildung der
Hinterleibsfüsse, die bei Ligia der Athmung, bei den jungen Bopyriden der Orts-
bewegung dienen, und die Leber, die bei Ligia aus drei Paar, bei den Bopyriden
aus einem einzigen Paare langer Blindschläuche besteht. In beiden Beziehungen
nähern sich die jungen Bopyriden aber nicht etwa den Cymothoiden, sondern
vielmehr den Scheerenasseln (Tanais). - Auch die ungegliederten, aber mit End-
borsten versehenen Aeste der Schwanzfüsse stehen in der Mitte zwischen den
meist gegliederten borstentragenden Aesten der Scheerenasseln (Tanais) und den
ungegliederten borstenlosen Endgriffeln der Felsenasseln (Ligia). —
Bnichstücke zur Naturgeschichte der ßopyriden.
395
Von den verkümmerten Mundtheilen abgesehen, dürften die jungen Bopyriden
der Urform der Asseln näher stehen , als irgend andere lebende Asseln , die
Scheerenasseln natürlich ausgenommen, die sich indess soweit von allen übrigen
Asseln entfernen, dass man sie wohl besser als eigene Unterordnung den eigent-
lichen Asseln gegenüberstellt. Das Schmarotzerleben, dem die Bopyriden schon
seit uralter Zeit sich hingaben und durch welches viele Arten im erwachsenen
Zustande bis zur Unkenntlichkeit umgewandelt wurden, dürfte gerade dazu bei-
getragen haben, dass die Form der freischwimmenden Jungen sich nur wenig
veränderte. Den freilebenden Asseln war es vortheilhaft, die Eigenschaften, durch
die sie im Kampfe ums Dasein sich behaupteten, möglichst früh zu besitzen; die
Jungen nahmen daher allmählich fast vollständig die Gestalt der Eltern an. Anders
bei den festsitzenden Bopyriden ; die ihnen unentbehrlichen frei beweglichen Jungen
wurden nur wenig beeinflusst von den Veränderungen, denen im Laufe der Zeiten
die festsitzenden Alten unterlagen, und gleichzeitig wirkte der Kampf ums Dasein
während der Zeit des freien Umherschwärmens um so weniger verändernd auf
diese jugendlichen Bopyriden ein, einen je kürzeren Abschnitt ihres Lebens diese
Jugendzeit umfasste ^).
Statt der herkömmlichen Anordnung der Asseln möchte ich folgende, wahr-
scheinlich ihrer wirklichen Verwandtschaft besser entsprechende in Vorschlag
bringen :
I. Unterordnung. Scheerenasseln.
I. Familie: Tanaiden.
(Asellotes heteropodes M. Edw.)
II. Unterordnung. Eigentliche Asseln.
( A. Gehende Asseln. (Isopodes marcheurs M. Edw.)
a. Ligioiden.
Familie: Bopyriden.
(Joniens u, Bopyriens M. Edw.)
Familie: Onisciden.
b. Aselloiden.
Familie: Aselliden.
(Asellotes homopodes M. Edw.
I 5. Familie: Idotheiden.
B. Schwimmende Asseln. (Isopodes nageurs M. Edw.)
(6. Familie: Cymothoiden.
7. Familie: Sphaeromiden.
(?) 8. Familie: Praniziden.
l) Ich vermuthe nach einigen meiner Zeichnungen, dass bei manchen jungen Bopyriden noch eine
Spur des zweiten Astes der äusseren Fühler vorkommt. Dies würde der oben ausgesprochenen Ansicht
eine wesentliche Stütze verleihen und ich will deshalb nicht versäumen, die Aufmerksamkeit späterer Be-
obachter darauf hinzulenken. — Bis jetzt kennt man im Bereich der Edriophthalmen diesen zweiten Ast
der äusseren Fühler (die sogenannte Schuppe des Fodophthalmenfühlers) nur bei der Tanaidengattung
Apseudes (nach brieflicher Mittheilung von Spence Bäte). —
, _/; Bruchstücke zur Naturgeschichte der Bopyriden.
Die Bop3^riden zerfallen in drei (oder vier?) sowohl durch Bau als durch
Aufenthaltsort verschiedene Gruppen.
Die erste Gruppe bilden die äusserlich, am Hinterleibe oder in der Kiemen-
höhle von Decapoden festsitzenden Arten, für die man bereits eine ganze Zahl
von Gattungen aufgestellt hat (Bopyrus, Jone, Phryxus, Gyge, Athelgue u. s. w.),
die man aber besser fürs Erste in der einen Gattung Bopyrus vereinigt Hesse.
Ich habe aus dieser Gruppe 5 Arten beobachtet, den oben besprochenen Bopyrus
resupinatus und vier andere, die in der Kiemenhöhle eines Grapsus (Leptograpsus
rugulosus?), einer Porcellana, eines Alpheus und einer Hippolyte leben. Ihre
Jungen sind, soweit ich sie kenne, dadurch ausgezeichnet, dass die sämmtlichen
Beinpaare der Brust gleich gebildet sind und dass sie am Schwanzende einen
unpaaren griffeiförmigen Fortsatz besitzen. — Nach beiden Merkmalen dürfte die
in Fig. 10 gezeichnete Larve von einem Thiere dieser Gruppe abstammen.
Die zweite Gruppe umfasst die in der Leibeshöhle von Krabben und Por-
cellanen lebenden Arten, die Gattung Entoniscus. Das letzte Beinpaar der
Brust ist bei den Larven abweichend gebildet, die Hinterleibsfüsse der Larve
haben einen einzigen blattförmigen Endast.
Die dritte Gruppe, die Gattung Cryptoniscus, lebt an Rankenfüssern und
Wurzelkrebsen. Hierher gehört ausser Cryptoniscus planarioides der in Baianus
balanoides lebende Schmarotzer, welchen Goodsir als Männchen dieses Baianus
beschrieb, Darwin aber als weibliche Schmarotzerassel erkannte ^), sowie Rathke's
an Peltogaster paguri lebende Liriope pygmaea. Nach der mir brieflich mit-
getheilten Ansicht eines der gründlichsten Kenner der Edriophthalmen, Spence
Bate's, gehören diese drei Arten in eine einzige Gattung, für die ich den Namen
Cryptoniscus beibehalten zu dürfen glaube, da der Name Liriope schon vor Rathke
durch Lesson an eine Qualle vergeben wurde 2). — Ein eigenes Urtheil über diese
Ansicht Spence Bate's habe ich nicht, da mir die Beschreibung des Baianus-
schmarotzers von Goodsir und die Arbeit von Lillieborg über Liriope nicht
zugänglich sind. — Bei den Jungen von Cryptoniscus planarioides ist, wie bei
denen von Entoniscus, das letzte Beinpaar der Brust abweichend gebildet; die
Schwimmfüsse des Hinterleibes aber tragen zwei griffelförmige Aeste.
Einer vierten Gruppe endlich scheint der an Copepoden schmarotzende
Microniscus zugetheilt werden zu müssen. Bei keinem anderen bekannten
Bopyriden ist zu irgend einer Lebenszeit das dritte Beinpaar der Brust abweichend
von den übrigen gebaut.
Wie in vielen anderen Fällen finden wir also auch bei den Bopyriden, dass
bestimmte Gruppen verwandter Schmarotzer auf bestimmte Gruppen verwandter
Wohnthiere beschränkt sind. Dieses Vorkommen verwandter Schmarotzer an
verwandten Wohnthieren, wobei nicht selten dem Verwandtschaftsgrade der Wirthe
der Verwandtschaftsgrad der Gäste entspricht, lässt sich auf verschiedene Weise
entstanden denken. Entweder war i. schon die Stammform der Wirthe von der
Stammform der Gäste bewohnt und während erstere sich umwandelnd in ver-
i) Darwin, Monograph of thc Cirripedia. Lepadidae. S. 55. Anm.
2) Ueber die Priorität der Lesson'schen Namengebung s. Max Schultze, Arch. für Naturgesch.
1859. I. S. 310, Anm. = Ges. Schriften S. 93.
Bruchstücke zur Naturgeschichte der Bopyriden. ^q-j
schiedene Arten, Gattungen^ Familien aus einander ging, thaten ein Gleiches, den
Veränderungen der Wohntiiiere sich anpassend, auch die Schmarotzer. Oder
2. die gemeinsame Stammform der Schmarotzer, die ursprünglich nur an einer
bestimmten Art von Wohnthieren lebte und von dieser sich später auf andere
verwandte Arten verbreitete, oder auch gleichzeitig auf mehreren verwandten
Arten als Schmarotzer sich niederliess, nahm den Eigenthümlichkeiten der ver-
schiedenen Wohnthiere entsprechende neue Formen an und zerfiel so in eine
Gruppe verwandter Arten oder selbst Gattungen. Oder es konnten endlich
3. schon ursprünglich verschiedene verwandte Arten an anderen ebenfalls unter
sich verwandten Arten zu schmarotzen beginnen. Bald mag vorwiegend die eine,
bald die andere Weise, selten wohl ausschliesslich eine derselben die jetzt be-
stehende Vertheilung der Schmarotzer herbeigeführt haben. Mit Sicherheit den
Antheil der einen und der anderen festzustellen, wird vielleicht in keinem Falle
mög'Hch sein.
Was die gesammte Familie dQr Bopyriden betrifft, so ist der erste der eben
aufgezählten Fälle natürlich sofort auszuschliessen ; denn zur Zeit, als die gemein-
same Stammform der Decapoden, Copepoden, Rankenfüsser und Wurzelkrebse
lebte, an denen jetzt diese Schmarotzer vorkommen, gab es überhaupt noch keine
Asseln. Die grösste Wahrscheinlichkeit hat hier der dritte Fall für sich. Es
dürfte einst zwischen den Bopyriden und den übrigen Krustern ein ähnliches
Verhältniss bestanden haben, wie gegenwärtig zwischen den Cymothoiden und
den Fischen. Alle Cymothoiden scheinen an Fischen ihre Nahrung zu suchen;
einige fallen schaarenweise über todte oder auch kranke Fische her; — andere,
treffliche Schwimmer, heften sich nur zeitweise schleimfressend oder blutsaugend
an lebende Fische, gelegentlich auch, wie ich selbst erfahren, an badende Menschen ;
— andere endlich, die Minderzahl, sind im Alter festsitzende Schmarotzer mit
ziemlich verkrüppelten Bewegungswerkzeugen. Auch deren Vorfahren waren
einst ohne Zweifel nur gelegentliche Besucher ihrer Wohnthiere und es ist nicht
unwahrscheinlich, dass die Nachkommen mancher Arten, die jetzt noch frei leben,
einst zu bleibenden Gästen der von ihnen besuchten Fische werden. Ebenso
mögen einst die frei lebenden Vorfahren der Bopyriden an anderen Krustern
ihre Nahrung gesucht und von diesen mögen verschiedene Arten nach und nach
aus zeitweiligen Besuchern zu festsitzenden Schmarotzern geworden sein.
Anders stellt sich die Sache für die einzelnen Gruppen der Bop3^riden. Es
ist nicht unwahrscheinlich, dass der gemeinsame Stammvater der Bopyrusarten,
es ist so gut wie gewiss, dass derjenige der Entoniscus und ebenso derjenige der
Cryptoniscusarten selbst schon ein Schmarotzer war und dass die Mehrzahl der
heute mit solchen Schmarotzern behafteten Arten dieselben von ihren Vorfahren
ererbt haben.
Besonders merkwürdig ist in dieser Beziehung die Cryptoniscusgnippe durch
ihr gleichzeitiges Vorkommen an Rankenfüssern und Wurzelkrebsen. Wenn
Schmarotzer, die auf eine bestimmte einzelne Art von Wohnthieren beschränkt
und von dieser so völlig abhängig sind, wie es mit Cryptoniscus der Fall ist,
durch gelegentliches Verirren der Jungen sich auf andere Arten verbreiten, so
wird dies sicher nur auf nahe verwandte Arten, nicht aber auf so weit ver-
schiedene Thiere geschehen, wie jetzt Balanen und Wurzelkrebse sind. Sollte
-,Qg Bruchstücke zur Naturgeschichte der Bopyriden.
auch z. B. gelegentlich die Larve des Goodsir'schen Cryptoniscus, statt den an
Felsen haftenden Baianus aufzusuchen, sich in ein Schneckenhaus verirren, in
welchem ein mit Peltogaster behafteter Pagurus wohnte, so ist es doch kaum
denkbar, dass dieser Peltogaster trotz seiner völlig umgewandelten Form und
trotz seiner völlig verschiedenen Nahrung in Geruch und Geschmack und über-
haupt in der chemischen Beschaffenheit seiner Säfte dem Baianus so ähnlich ge-
blieben sei, dass die Larve an ihm sich festsetzen und einen passenden Boden
für ihre Entwickelung finden sollte. Dies ist um so weniger glaublich, als der
Goodsir'sche Schmarotzer nicht einmal die anderen Balaniden. die an gleicher
Stelle und untermischt mit Baianus balanoides leben (Baianus perforatus und
Chthamalus stellatus) ^), heimzusuchen scheint. Ein Uebersiedeln der Cryptoniscus-
arten von Rankenfüssern auf Wurzelkrebse oder umgekehrt ist mithin im höchsten
Grade unwahrscheinlich; ich bin vielmehr der Meinung, dass die mit Cryptoniscus
behafteten Wurzelkrebse dieselben von der Zeit her ererbt haben, wo ihre Vor-
fahren selbst noch Rankenfüsser waren. Dass von dem gemeinsamen Stamm-
vater der Wurzelkrebse diese Schmarotzer, wie es scheint, nur auf wenige seiner
Nachkommen übergegangen sind, ist dabei so wenig befremdlich, als dass oft
nur sehr vereinzelte Thiere die ihrer Art eigenthümlichen Schmarotzer beherbergen.
— Es würde demnach die Entstehung der Wurzelkrebse in eine verhältnissmässig
neue Zeit fallen, in der schon die Familie der Bopyriden in die jetzt bestehenden
Hauptgruppen sich aufgelöst hatte, oder mit anderen Worten die Gattung Crypto-
niscus würde älter sein, als die ganze Gruppe der Rhizocephalen. Wie in diesem,
mögen in manchen anderen Fällen die Schmarotzer zur Bestimmung des be-
ziehungsweisen Alters verschiedener Thiergruppen sich benutzen lassen.
Ich habe im Vorstehenden den Cryptoniscus planarioides als Schmarotzer
von Sacculina purpurea, den Bop3T-us resupinatus als Schmarotzer von Pagurus
bezeichnet, obwohl beide sich jetzt in vollkommen gleicher Weise zu Sacculina
und Bopyrus verhalten , nämlich die Sacculina verdrängen , um aus deren im
Pagurus fortwuchernden Wurzeln ihre Nahrung zu ziehen. Es wird dies keiner
weitläufigen Rechtfertigung bedürfen; denn offenbar ist Cryptoniscus von der
Sacculina aus, Bopyrus vom Pagurus aus an den jetzt beiden gemeinsamen
Wohnsitz, den Anheftungspunkt der Sacculina an den Pagurus gelangt. Crypto-
niscus (Liriope) pygmaeus ist noch einfacher Schmarotzer von Peltogaster paguri,
den er nicht verdrängt, und entsinne ich mich recht, so hat man im Vaterlande
dieser Thiere auch einen Bopyrus gefunden, der als einfacher Schmarotzer am
Hinterleibe von Pagurus lebt. Möglich, dass diese norwegischen Arten einst auch
noch die bequeme und ausgiebige Nahrungsquelle entdecken, an der ihre brasi-
lianischen Verwandten sich bereits niedergelassen haben.
Itajahy, Sa. Catharina, Brazil, im December 1869.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXVI und XXXVII.
Fig. I — 3. Entoniscus Cancrorum.
Fig. I. Erwachsenes Weibchen.
Fig. 2. Jüngste Larve, in ihrer Lieblingsstellung.
1) Darwin, Balanidae. .S. 272.
Bruchstücke zur Naturgeschichte der Bopyriden. -iqq
Fig- 3- Jüngste Larve von der Bauchseite, mit ausgebreiteten Gliedmaassen.
Fig. 4 — 9. Bopyrus resupinatus.
Fig. 4. Jüngste Larve, vom Rücken. /. Leber.
Fig. 5. Aeltere Larve, an einem mit Sacculina behafteten Pagurus gefunden ; (die
drei letzten Beinpaare der Brust und die Schwimmfüsse des Hinterleibes sind weggelassen).
Fig. 6. Junges Weibchen, vom Rücken. /. Leber. //. Herz.
Fig. 7. Erwachsenes Weibchen, vom Rücken.
Fig. 8. Ein solches von der Bauchseite.
Fig. 9. Männchen. /. Leber, h. Herz. /. Hoden.
Fig. 10. Bopyridenlarve von unbekannter Abkunft, d. Darm. /. Leber.
Fig. II. Junge Cymothoe, der Bruthöhle der Mutter entnommen.
Fig. 12 — 19. Cryptoniscus planarioides.
Fig. 12. Theile der jüngsten Larve: a. Kopf. h. ein Bein des 5. Paares der Brust.
c. ein Schwimmfuss vom letzten (5.) Paare des Hinterleibes.
Fig. 13. Junges festsitzendes Weibchen. //. Herz. /. Leber (?). di. Chitinkranz der
Sacculina.
Fig. 14. Halbwüchsiges Weibchen, c. Mundende desselben. L. Leibeswand des
Cryptoniscus. m. das in die Wurzeln der Saccuhna eingesenkte Mundende ; zwischen
beiden der Chitinring der Sacculina, an dem man den im Innern des Pagurus sich aus-
breitenden Kranz k. und die ausserhalb desselben liegende Platte p. unterscheidet.
Fig. 15. Mundende eines anderen Weibchens. L. und m. wie in Fig. 14. B. Ein-
gang zur Bruthöhle des Cryptoniscus. eh. Chitinring der Sacculina.
Fig. 16. Aelteres Weibchen.
Fig. 1 7. Weibchen mit fast reifer Brut. Am Anheftungspunkte grüne Sacculina-
wurzeln.
Fig. 18. Chitingerüst in der Leibeswand eines alten Weibchens. B. Eingang zur
Bruthöhle, in welchem man 4 fingerförmige Anhänge sieht. Ch. Chitinplatte der Sacculina.
Fig. 19. Männchen. //. Herz. /. Leber.
Fig. 20. Microniscus fuscus.
Ueber den Trimorphismus der Pontederien^).
Mit 4 Textfiguren.
Vor mehreren Jahren wurde hier als Zierpflanze eine Pontederia (wahr-
scheinlich Pontederia crassipes) eingeführt, die sich seitdem auf ungeschlecht-
lichem Wege mit unglaublicher Schnelligkeit vermehrt hat. In einem Graben,
in welchen ich vor noch nicht zwei Jahren eine kleine Pflanze dieser Pontederia
warf, hat dieselbe auf weite Strecken ihre einheimische Verwandte, die Heter-
anthera reniformis R. & P., verdrängt, und entfaltet jetzt täglich Hunderte
von Blüthenähren.
Nach Endlicher (Gen. plant. No. 1088, b, a.) sollen bei den eigentlichen
Pontederien die Staubfäden ziemlich gleich lang sein. Unsere Pflanze dagegen
(Fig. 4) hat drei kurze und drei sehr lange Staubfäden; die Staubbeutel der
ersteren liegen am Ein gange der Blumenröhre, die der letzteren stehen etwa
2 cm darüber. Die Narbe steht zwischen diesen beiden Gruppen von Staubbeuteln,
ganz wie bei der mittelgrif fügen Form von Lythrum Salicaria. Es war mir
kaum zweifelhaft, dass auch diese Pontederia trimorph sei und dass die, welche
ihr Stamina subaequalia zuschrieben, lang- oder kurzgrifflige Pflanzen vor sich
hatten, während die hier eingeführte Pflanze der mittelgriffligen Form angehörte.
Ich war daher sehr gespannt, die Blumen einer zweiten Art zu untersuchen, die
im unteren Laufe des Itajahy-mirim in grosser Menge an den Ufern
hin wächst.
Bei einem Ausfluge, den ich deshalb im October 1868 nach dem „kleinen
Flusse" machte, (wie von den Anwohnern des Itajahy der Itajahy-mirim gewöhn-
lich genannt wird), fand ich die Pontederia leider noch nicht in Blüthe. Dagegen
leuchteten mir in voller Pracht ihre spannenlangen dunkelblauen Blüthenähren
entgegen, als ich vor wenigen Tagen an der Mündung des kleinen Flusses vor-
überfuhr. Nach dem Landen gelang es mir, vom Ufer aus einige Blüthen zu er-
reichen und diese waren — zu meiner nicht geringen Freude — theils lang-,
theils kurzgrifflig !
Um auch der mittelgriffligen Form habhaft zu werden, Hess ich mich im
Canoe den kleinen Fluss hinauffahren. Von jeder Pflanze, an der wir vorüber-
kamen, — (eine einzige Pflanze bedeckt oft eine Fläche von mehreren Quadrat-
i) Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft 187 1. Bd. 6. p. 74 — 77.
Ueber den Trimorphismus der Pontederien. ^OI
ruthen) — wurde eine Aehre gepflückt und untersucht; aber umsonst! — Lang-
grifflig, kurzgrifflig, — kurzgrifflig, langgrifflig ging es fort und fort, bis ich nach
stundenlangem vergeblichen Suchen umkehrte, ohne eine einzige mittelgrifflige
Pflanze gefunden zu haben. —
Schon beim Beginn der Fahrt fiel es mir auf, dass die Blumen verschiedener
Pflanzen sich sehr merklich in ihrer Farbe unterschieden ; das Blau der einen war
dunkler und rein, das der anderen blasser und ins Violette ziehend. Bald be-
merkte ich, dass alle dunklen Blumen kurzgrifflig; die blasseren langgrifflig waren,
so dass ich nun schon aus der Ferne die beiden Formen unterscheiden konnte.
Unter Hunderten von Pflanzen kam keine Ausnahme vor.
Diese verschiedene Farbe der lang- und der kurzgriffligen Blumen ist eben
so auffallend, als das Fehlen der mittelgriffligen Form. Hat die Pflanze, wie es
bei manchen auf ungeschlechtlichem Wege rasch sich vermehrenden Arten der
Fall zu sein scheint, das Vermögen verloren, keimfähige Samen zu erzeugen und
sind alle Pflanzen des Itajahy-mirim nur Theile je eines lang- und eines kurz-
griffligen Stockes? — Oder entstehen aus den durch Kreuzung je zweier Formen
erzeugten Samen bei Pontederia nur immer wieder diese beiden Formen, aber
nicht die dritte, und erben dann mit der Form der Staubgefässe und Griffel die
Sämlinge auch die eigenthümliche Farbe des Vaters oder der Mutter? — Ich
kann für jetzt keine Antwort geben, sondern nur für die Möglichkeit der einen
wie der anderen Annahme auf ein ähnliches Verhalten trimorpher Oxalis-Arten
hinweisen. Von einer auf der Insel Santa Catharina ungemein häufigen Art finden
sich dort nur zwei Formen, die völlig unfruchtbar sind und sogar in der Regel
nur ganz taube („contabescirte" Gärtner) Staubbeutel hervorbringen. Aus Samen
der langgriffligen Form einer weissen trimorphen Oxalis, die mit Blüthenstaub
der längeren Staubgefässe der mittelgriffligen Form bestäubt worden war, erhielt
ich nur lang- und mittelgrifflige, aber keine kurzgriffligen Sämlinge. Bemerken
will ich noch, dass junge, anscheinend gesunde Früchte sowohl an lang- als an
kurzgriffligen Pflanzen von Pontederia in Menge vorhanden waren. —
Die trimorphen Pontederien sind in mehrfacher Beziehung der Beachtung
werth. Zunächst schon als Zuwachs zu der noch so geringen Zahl der bisher als
trimorph erkannten Pflanzen, die alle der Gattung Lythrum und ihren nächsten
Verwandten, sowie der Gattung Oxalis angehören. Dann als trimorphe Monoco-
tyledonen ; denn alle bisher bekannt gewordenen dimorphen und trimorphen Arten
sind Dicotyledonen. Ferner als weiteres Beispiel für die Richtigkeit einer Vermuthung,
die Darwin vor Jahren mir brieflich aussprach, dass nämlich Wasser- und Marsch-
pflanzen besonders zum Dimorphismus geneigt seien. Vor allem aber wegen ihrer
unregelmässigen Blüthen ^) und der eigenthümlichen, von Lythrum und Oxalis
völlig abweichenden Weise, in welcher bei ihnen der Trimorphismus zu Stande
kommt. Bei Lythrum und Oxalis wechseln bekanntlich die längeren und kür-
zeren Staubfäden miteinander ab; jene stehen den Kelch-, diese den Blumen-
blättern gegenüber; die Staubbeutel desselben Staubblattkreises stehen in gleicher
oder nahezu gleicher Höhe. Bei Pontederia dagegen gehört von den längeren
i) ,,As yet I know of no case of dimorphism in flowers which are very irregulär: such flowers
being apparently always sufficiently visited and crossed by insects." Darwin, brieflich, 1867.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 20
402
Ueber den Trimorphismus der Pontederien.
Staubgefässen eines (Fig. 2, 3, 4, A) dem äusseren, zwei (Fig. 2, 3, 4. B) dem
inneren Kreise an, von den kürzeren zwei (Fig. 2, 3, 4, a) dem äusseren, eines
(Fig. 2, 3. 4, b) dem inneren Kreise; sowohl die drei längeren, als die drei kürzeren
Staubgefässe entspringen neben einander. Sowohl in der Gruppe der längeren
als in der der kürzeren Staubgefässe entspringen die den Kelchblättern gegen-
überstehenden (A, ä) etwas höher, als die den Blumenblättern gegenüberstehenden
[B, b), so dass also von den längeren Staubgefässen das mittlere {A), welches von
dem unpaaren (vorderen) Kelchblatte entspringt, höher steht, als die seitlichen (ß),
während umgekehrt von den kürzeren Staubgefässen das mittlere (6), welches von
dem unpaaren in beiden Arten mit einem dottergelben Fleck gezeichneten Blumen-
blatte entspringt, tiefer steht, als seine Nachbarn (a). Bei der mittelgriffligen und
Fig. j.
Fig. 2.
Fig. 3-
Fig. 4.
Fig. I. Blume der Pontederia aus dem Itaj ahy-mirim ,
von der Seite, nat. Gr. — s Spalt zwischen den seitlichen Kelch-
und seitlichen Blumenblättern.
Fig. 2. Griffel und Staubgefässe der kurzgrif fügen Form
dieser Art.
Fig. 3. Dieselben von der langgriffligen Fonn derselben Art.
Fig. 4. Dieselben von der mittelgriffligen Form einer anderen
Pontederia (crassipes?). —
In Fig. 2, 3 und 4 bedeuten: N. Narbe. A. unpaares,
a paariges Staubgefäss des äusseren Kreises. B paariges, b unpaares
Staubgefäss des inneren Kreises. Ein Staubgefäss a, sowie ein Staub-
gefäss B ist weggelassen.
langgriffligen Form stehen auch die Staubbeutel der beiden seitlichen kürzeren
Staubgefässe in nicht ganz gleicher Höhe.
Die Blüthenstaubkörner sind bei der mittelgriffligen Form der Pontederia
crassipes (?) ein wenig grösser in den langen, als in den kurzen Staubgefässen.
Den Blüthenstaub der Pontederia des Itajahy-mirim habe ich nicht mikroskopisch
untersucht. — Die aufwärts gebogene Narbe der langgriffligen Blumen der letz-
teren Art ist bedeutend grösser als die der kurzgriffligen, wie es bei vielen an-
deren dimorphen Pflanzen der Fall ist.
Noch einer Eigenthümlichkeit der Pontederia des Itajahy-mirim mag" hier
beiläufig erwähnt sein. Die Kelch- und Blumenblätter sind nur am Schlünde der
Blumenröhre mit einander verwachsen, im unteren Theile der Röhre dagegen
frei ; namentlich bleiben zwischen den seitlichen Kelch- und den seitlichen Blumen-
blättern deutlich klaffende Spalten (Fig. i, s), durch die man den Griffel von aussen
Ueber den Trimoiphismus der Pontederien. dOX
sehen kann. Das unpaarc Blumenblatt war bei einigen kurzgriffligen Blumen
auch in seinem unteren Theile mit den seitlichen Kelchblättern verwachsen. —
Bei Pontederia crassipes (?) und Heteranthera reniformis sind Kelch- und Blumen-
blätter zu einer rings geschlossenen Röhre verwachsen. —
Die den Pontederien nahe verwandte Heteranthera reniformis ist nicht
trimorph; die drei kürzeren Staubgefässe der trimorphen Pontederien, die von
den seitlichen Kelchblättern und dem unpaaren Blumenblatt entspringen, fehlen
hier; das übrig bleibende Staubgefäss des äusseren Kreises ragt weit über die
Blumenröhre vor und trägt einen bläulichen Staubbeutel, während die beiden
Staubgefässe des inneren Kreises weit kürzer sind und gelbe Staubbeutel tragen.
Der Griffel hat bei allen Pflanzen nahezu gleiche Länge und die Narbe steht in
gleicher Höhe mit dem blauen Staubbeutel^).
Itajahy, Sa. Catharina, Brazil,
im Dezember i86g.
i) Endlicher's Angabe (gen. plant. No. 1087), dass Heteranthera „stamina 3, limbi lobis
interioribus opposita" besitzt, ist wenigstens für H. reniformis falsch.
26*
Remarks on some white ants^).
Dr. Hagen also remarked that Mr. Fritz Müller had sent to him some
white ants from Itahahy, St. Catharina, Brazil, with the foUowing remarks: —
„These nests of white ants are more or less regulär cylinders, one span high
and two or three inches thick. By horizontal floors they are divided into twelve
or fifteen compartments or Chambers. The outer surface bulges out so that one
can make out the number of Chambers by the enlargements of the cylinder. A
pillar goes through all the compartments; close to this, or in it, runs an obHque
passage from each Chamber to the next. Sometimes all these passages together
form a somewhat regulär winding stair through all the compartments. For the
impregnated female these passages are too narrow, and she can therefore not
leave her Chamber.
There are, both in the outer wall and in the horizontal divisions, passages
too small to admit the passing of the winged ants; but neither in the outside
wall nor in the Chambers is there any opening to the outside in nests which
have not been injured.
In the outside wall the passages run from top to bottom. In the divisions,
from circumference to centre without reaching this latter. In the flat compart-
ments they are not to be detected from the outside; in the circumference they
appear as flattened ridges. In drying, the outer side of the passages falls off,
and then they are to be seen as deep hoUows with inflated borders. In undisturbed
nests the only entrance seems to be on the upper surface some inches under ground.-
The nest is not directly connected with the earth, but is surrounded by about
a finger's breadth of free space. The nest can, therefore, as soon as the upper
end is freed from earth, be easily taken out of the ground.
I have never found in one of these nests more than one impregnated female.
Besides the winged ants, the eggs and the larvae, there are found two kinds of
laborers; of these one kind is distinguished by a truncated nose.
Not in the nest but in the same piece of land, are found, in planting corn,
Single white ants with disproportionately large heads and long mandibles."
The winged ants were stated by Dr. Hagen to belong to Termes striatus,
or perhaps to T. similis; the imago is in too bad a condition for accurate determin-
ation. The soldier with truncated nose was figured by him as T. similis ; the
soldier with long mandibles, as T. cingulatiis.
No description of white ants' nests like this has ever been given before.
i) Proceedings of the Boston Society of Natural History. 1871. p. 205, 206. Section of Entomology.
January 26. 1870.
Bestäubungsversuche an Abutil on- Arten ^).
Mit 8 Textfiguren.
Pflanzen, deren eigener Blüthenstaub keine Befruchtung bewirkt, sind be-
sonders bequem zu Bastardirungsversuchen. Das oft so mühsame und häufig
nicht ohne schwere Verletzung der Blumen auszuführende Entfernen der Staub-
beutel ist bei ihnen nicht nöthig; es genügt die Zufuhr fremden Blüthenstaubes
abzuhalten. Ich wählte daher für eine Reihe von Versuchen, durch die ich aus
eigener Erfahrung die Gesetze der Bastard erzeugung im Pflanzenreiche kennen
zu lernen beabsichtigte, zunächst mehrere selbst unfruchtbare („self-sterile" Darwin)
Arten der Gattung Abu ti Ion.
Die Ergebnisse, welche die Versuche des vorigen Jahres in Bezug auf Samen-
ertrag lieferten, will ich im Folgenden kurz besprechen, — nicht weil ich den-
selben einen besonderen Werth beilege, sondern weil ich hoffe, dadurch auch
Andere anzuregen zu Versuchen über die mannichfachen Fragen, die sich dabei
aufdrängen.
Meine Bestäubungsversuche wurden angestellt:
i) an einem Abutilon vom oberen Capivary, das mir in Kew als verwandt
mit Ab. virens bestimmt wurde;
2) an einem hier in Gärten öfter zu findenden Abutilon, das mir ein deutscher
Gärtner als Ab. striatum bezeichnete;
3) an einem Bastarde dieser beiden Arten , dessen Mutter das Capivary-
Abutilon, dessen Vater das Ab. striatum ist, welchem letzteren es in
Wuchs, Blatt und Blüthe weit ähnlicher ist, als der Mutter;
4) an einem am Ufer des Itajahy häufigen Abutilon mit schmalem lanzet-
förmigem Blatte und rother Blüthe, das von den Brasilianern Embira
branca („weisser Bast") genannt wird.
Ausser dem Blüthenstaube dieser Arten kam zur Verwendung:
5) Blüthenstaub einer weissblühenden Pflanze der Embira branca, die auch
durch kleinere Blüthen und 11- bis i2fächrige Früchte (bei der roth-
blühenden Form meist 14 — löfächrig) sich auszeichnete. Meine Kinder
fanden eine einzige Pflanze zwischen der gewöhnlichen rothblühenden
Form am Rio do Testo, einem Nebenflusse des Itajahy.
1) Jen. Zeitschrift für Naturwissenschaft 1873. 7- Ja^i'g- ''^- 22 — 45.
,qA Bestäubungsversuche an Abutilon-Arten
6) Blüthenstaub eines schönen baumartigen Abutilon mit über mannshohem
Stamme und tiefgelappten Blättern , von dem ich eine einzige Pflanze
etwa 5 Stunden von hier (am Pocinho) nicht weit vom Ufer des Itajahy fand.
7) Blüthenstaub des Abutilon vexillarium, von dem ich eine Blüthe aus dem
Garten des Dr. Blumenau erhielt.
Die Zahl der Fächer ist bei den Früchten dieser verschiedenen Arten sehr
unbeständig, daher giebt die Zahl der Samen in der ganzen Frucht kein passendes
Maass der Fruchtbarkeit. Bei voller Fruchtbarkeit d. h. wenn alle Eichen sich
zu guten Samen entwickelten, würde eine 8 fächrige Frucht des Capivary- Abutilon
64 bis 72, eine 1 1 fächrige 88 bis 99 Samen enthalten; eine 8 fächrige Frucht mit
60 Samen nähert sich also der vollen Fruchtbarkeit weit mehr, als eine 1 1 fächrige
mit gleicher Samenzahl; erstere hätte durchschnittlich 7,5, letztere nur 5,5 Samen
in einem Fache. Diese Durchschnittszahl, die man erhält, indem man die Zahl
der Samen durch die Zahl der Fächer tlieilt, ist für diese Pflanzen das passendste
Maass der Fruchtbarkeit,
Die Früchte des Abutilon werden hier oft von kleinen, in ihrem Innern
lebenden Raupen heimgesucht; fressen dieselben eine grössere Zahl von Fächern
aus, so fällt die Frucht gewöhnlich kurz vor der Reife ab; wo nur wenige, i, 2
oder höchstens 3 Fächer ausgefressen waren , habe ich die Gesammtzahl der
Samen nach der Zahl derer berechnet, die in den unversehrten Fächern sich
fanden, also z. B. für eine 10 fächrige Frucht, die in 8 unversehrten Fächern
44 Samen enthielt, — ^ — = 55 Samen angenommen.
8
I. Abutilon vom Capivary.
Zu Versuchen dienten 6 Pflanzen. Vier derselben (I, II, III, IV) sind Ge-
schwister, d. h. stammen von Samen ein und derselben Frucht, die ich im Mai
1868 am Capivary pflückte. Die Pflanze V hat die Pflanze II zur Mutter; der
Vater, sowie die .Eltern der Pflanze VI, die ebenfalls aus Samen jener einen
Frucht gezogen waren, sind durch eine Ueberschwemmung zerstört worden. Der
Vater von V war Mutter von VI.
Die Eigenschaft, mit eigenem Blüthenstaube völlig unfruchtbar zu sein, hatte
ich schon früher an all diesen Pflanzen durch Versuche festgestellt; deshalb fehlen
solche Versuche fast ganz unter den nachstehend aufgeführten. Wie unbestäubte
Blüthen fallen solche, die mit Blüthenstaub desselben Stockes bestäubt wurden,
je nach Wetter und Jahreszeit 4 bis 7 Tage nach dem Aufblühen saramt dem
oberen Theile des Blüthenstieles ab.
In Betreff der Bestäubung sei erwähnt, dass deren einzige natürliche Ver-
mittler während der Dauer der Versuche (4. Juli bis 4. Oktober) die Kohbris
waren, denen überhaupt für unsere Winterflora fiist ausschliesslich dieses Geschäft
obHegt. Indem diese von unten her ihren Schnabel in die hängenden Blumen-
glocken stecken, wird ihr Kopf mit dem leicht ausfallenden Blüthenstaube über-
streut, den sie dann an die abwärts gerichteten, über die Staubgefässe mehr oder
weniger weit vorstehenden Narben der zunächst besuchten Blumen wischen. —
Zu anderen Zeiten habe ich auch, doch nur selten, einen grossen gelben Schmetter-
ling aus der Familie der Pieriden an den Blumen dieses Abutilon gesehen. Bei
Bestäubungsversuche an Abutilon-Arten.
407
der künstlichen Bestäubung wurden (wie auch bei den übrigen Arten) gewöhnlich
die ganzen Bkimen benutzt, um unmittelbar mit ihren Staubbeuteln die Narben
zu betupfen ; des Pinsels bediente ich mich nur, wenn die den Blüthenstaub
liefernde Blüthe selbst bestäubt werden sollte, also nicht abgeschnitten werden
durfte. Zum Schutze der bestäubten Blüthen gegen die Kolibris dienten Gazebeutel ^).
Zahl der
Zahl der
Zahl der Samen
in einer
Durchschnittliche Zahl der
Bestäubt:
bestäubten
reifen
Frucht
Samen
in einem
Fache
Blumen
Früchte
Kleinste
I Grösste
Mittel
Kleinste
Grösste
Mittel
Abutilon vom Capivary I
Durch Kolibris
?
13
3
76
22,6
0,3
6,9
2,2
mit Ab Capivary II
IG
8
40
68
57,6
5,0
7,0
5,9
mit Ab. striatum
I
0
mit Ab. Capivary-striatum I
3
I
64
7,1
mit Ab. Capivary-striatum III
I
0
mit Ab. V. Rio do Testo
' 5
2
15
27
21,0
1,5
2,5
2,G
mit Ab. vom Pocinho
"
41
59
50.0
4,6
5,9
5,2
gleichzeitig mit Ab. Embira und
Ab. V. Pocinho
:' 3
2
] 44
48
46,0
4,8
4,9
4.8
Abutilon vom Capivary II
Durch Kolibris
?
21
7
51
26,8
0,8
5,7
2,2
mit Blüthenstaub desselben
Stockes
I
0
mit fremdem Blüthenstaub der
eignen Art
17
II
20
54
35,7
2,2
5,4
3,8
mit Ab. striatum
3
2
27
42
34,5
3,0
4,2
3,6
mit Abutilon Capivary-striatum
2
I
26
3,2
mit Ab. Embira
6
3
29
42
33,3
2,9
4,2
3,4
mit Ab. vom Pocinho
7
2
33
37
35,0
3,7
4,1
3.9
Abutilon vom Capivary III
Durch Kolibris
?
3
II
22
15,7
1,1
2,2
1,6
mit eignem Blüthenstaub
2
0
mit fremdem Blüthenstaub der
eigenen Art
9
7
IG
30
23,4
1,1
3,0
2,4
mit Abutilon striatum
3
0
mit Ab. Capivary-striatum I
I
I
29
2,9
mit Ab. Embira
I
24
2,7
Abutilon vom Capivary IV
mit eigenem Blüthenstaub
I
0
mit fremdem Blüthenstaub der
eigenen Art
2
2
56
66
61,0
6,0
6,2
6,1
mit Abutilon striatum
I
I
17
1,9
mit Ab. Capivary-striatum I
3
2
55
59
57,0
5,5
5,9
5,7
mit Ab. Embira
I
I
61
6,1
mit Ab. vom Pocinho
2
2
12
12
12,0
1,1
1,3
1,2
gleichzeitig mit Ab. striatum und
Ab. Embira
I
I
17
1,7
i) Einige der Gazebeutel waren etwas zu enge, so dass sich die Blumenkronen nicht frei genug
entfalten konnten; wurden diese Gazebeutel entfernt, so breiteten sich die Blumenkronen weit über das
gewöhnliche Maass, fast in eine Ebene aus, während sie ohne vorherige Einengung eine Glocke bilden,
deren Höhe grösser ist, als der Halbmesser der Oeffnung.
4o8
Bestäubungsversuche an Abutilon-Arten.
Zahl der
Zahl der
Zahl der Samen
n einer
Durchschnittliche Zahl der
Bestäubt :
bestäubten
reifen
Frucht
Samen
in einem
Fache
Blumen
Früchte
Kleinste
Gross te
Mittel
Kleinste
Grösste
Mittel
Abutilon vom Capivary V
1
Durch Kolibris
?
lO
9
53
25.4
1,0
5,9
2,7
mit fremdem Blüthenstaub der
eigenen Art
9
8
44
57
49,5
4,4
6,5
5,9
mit Ab. striatum
5
5
32
61
43.2
4,0
6,1
5,0
mit Ab. Capivary-striatum
5
3
56
63
59,0
6,2
6,4
6,3
mit Ab. Embira
5
5
46
58
54>o
5,1
6,4
6,0
mit Ab vom Pocinho
7
2
60
62
61,0
6,0
6,9
6,4
mit A. vexillarium
I
I
17
1,7
gleichzeitig mit Blüthenstaub der
eigenen Art u. mit Ab. Embira
2
2
54
54
54>o
6.7
6,7
6,7
gleichzeitig mit Ab. Embira und
Ab. striatum ^)
I
I
62
6.9
Abutilon vom Capivary VI
Durch Kolibris
?
i8
9
48
22,8
1,0
5,3
2,5
mit Ab. striatum
6
6
47
70
58,9
5,2
7,7
6,7
mit Ab. Capivary-striatum III
I
i^)
17
1,7
mit Ab. Capivary-striatum IV
3
3
60
66
64,0
6,6
6,7
6,6
mit Ab. Embira
3
3
15
50
30.0
1,5
5,6
3,1
mit Ab. vom Pocinho
2
2
24
33
28,5
2,7
3,6
3,2
gleichzeitig mit Blüthenstaub der
eigenen Art und Ab. striatum
I
I
62
7,7
gleichzeitig mit Ab. Embira und
Ab. striatum
2
2
55
62
58.5
6,9
6,9
6,9
Abutilon vom Capivary I, II,
III, IV, V, VI
Durch Kolibris
?
65
3
76
24,1
0,3
6,9
2,6
mit eigenem Blüthenstaub
4
0
mit fremdem Blüthenstaub der
eigenen Art
47
36
IG
68
42,7
1,1
7,0
4,6
mit Ab. striatum
19
14
17
70
46,8
1,9
1^1
5,3
mit Ab. Capivary-striatum
19
13
26
66
51,9
1,7
7,1
5,5
mit Ab. Embira (einschliessHch
des Ab. vom Rio do Testo)
22
14
15
61
37,9
1,5
6,4
3,9
mit Ab. vom Pocinho
i '5
10
12
62
37,3
1,1
6,9
4,0
Wenn bei diesen Versuchen nur etwa 7:3 der bestäubten Blüthen reife Früchte
lieferten, so ist der Ausfall fast einzig den Verwüstungen verschiedener Raupen
zuzuschreiben; an dem geringen Fruchtertrag nach Bestäubung mit dem Abutilon
vom Pocinho trägt der Umstand Schuld, dass dieselbe während tagelang an-
haltenden Regenwetters vorgenommen wurde.
i) Wenn gleichzeitig Blüthenstaub zweier fremden Arten zur Bestäubung verwandt wurde, wurde die
eine Hälfte der Narben mit der einen, die zweite Hälfte mit der zweiten Art bestäubt. Wo gleichzeitig
mit Blüthenstaub der eigenen und einer fremden Art bestäubt wurde, wurde eine einzige Narbe mit dem
der eigenen Art, alle übrigen mit dem der fremden Art versehen.
2) Diese Frucht hätte eigentlich aus der Tabelle wegbleiben sollen, da ihre Samenarmuth davon
herrührt, dass eine ungenügende Menge Blüthenstaubes zur Befruchtung verwandt wurde.
Bestäubungsversuche an Abutilon-Arten. 40Q
Bemerkenswerth ist nun zunächst der Unterschied in dem Samenertrag der
durch künstliche und der durch natürliche Bestäubung erzeugten Früchte ; erstere
hatten durchschnittlich 4,6, letztere 2,5^) Samen im Fach. In der That war aber
das Ergebniss der natürlichen Bestäubung durch die Kolibris ein noch weit un-
günstigeres, als es hiernach zu sein scheint. Die Pflanzen waren (mit Ausnahme
von IV) während der ganzen Dauer der Versuche mit zahlreichen Blüthen be-
deckt; (von III. habe ich am 27. August auf einmal 100 Blüthen abgeschnitten,
um deren Griffelzahl zu untersuchen); ich entsinne mich nicht eine ältere Blume
gesehen zu haben, deren Narben nicht reichlich mit Blüthenstaub bedeckt gewesen
wären, und doch fiel die grosse Mehrzahl, wohl wenigstens ^lo ab, ohne über-
haupt Frucht anzusetzen. Die Mehrzahl der Früchte war sehr arm an Samen,
während einige wenige allerdings in Samenzahl mit den reichsten der durch künst-
liche Bestäubung erhaltenen Früchte wetteiferten. Nach künstlicher Bestäubung
mit fremdem Blüthenstaube dagegen setzten alle Blüthen (mit Ausnahme einiger
an der Pflanze III) Frucht an, und fast alle Früchte (wieder die Pflanze III aus-
genommen) enthielten reichliche Samen. — Schon bei anderen Pflanzen hatte ich
Gärtner's Meinung nicht bestätigt gefunden , dass „künstliche Befruchtung der
reinen Arten gewöhnlich eine geringere Samenzahl erzeugt, als die natürliche".
Meine Erfahrungen an Abutilon stehen zu dieser Meinung Gärtner's, der sich
auf eine ungeheure Zahl Jahrzehnte hindurch mit bewundernswerthester Ausdauer
und Sorgfalt fortgeführter Versuche stützte, in schneidendstem, jedoch leicht zu
erklärendem Widerspruch. Gärtner zog seine Versuchspflanzen in Töpfen, brachte
sie während der Blüthezeit in ein geschlossenes Zimmer, castrirte sie und — was
wohl die Hauptsache ist — verwandte wahrscheinlich häufig Blüthenstaub des-
selben Stocks zur Bestäubung; darin und nicht in der künstlichen Bestäubung
d. h. in dem Umstände, dass statt des Rückens einer Hummel oder eines Schmetter-
lingsrüssels ein Pinsel zur Uebertragung des Blüthenstaubes diente, dürfte die
Ursache des geringeren Ertrags seiner künstlich bestäubten Pflanzen zu suchen
sein. — Ebenso leicht erklärt sich der geringe Erfolg der natürlichen Befruchtung
bei Abutilon; ist ein KoUbri zu einem blüthenreichen Busche herangeflogen, so
pflegt er ihn, wenn nicht gestört, emsig von Blüthe zu Blüthe schwirrend, voll-
ständig abzusuchen ; ehe er dann einen anderen Busch besucht, pflegt er gewöhn-
lich einige Zeit auf einem benachbarten Zweig zu rasten, auch wohl inzwischen die
Blumen einer anderen Pflanze abzusuchen, (in meinem Garten z. B. die Blüthen
einer Manettia. die nahebei an einer Bauhinia rankt oder die leuchtenden Blüthcn-
stände einer Musa coccinea). So werden nur die Blumen, die er von einem
anderen Stocke kommend zuerst besucht, eine volle Ladung fremden Staubes
erhalten; alle übrigen bekommen Blüthenstaub des eigenen Stockes, entweder
rein oder mit einer mehr oder weniger erheblichen Beimengung fremden Staubes,
— letzteren aber, wie der Erfolg zeigt, selten in einer zu vollständiger Befruch-
tung ausreichenden Menge. Daher nur wenige Früchte und von diesen wieder
nur ein kleiner Theil mit reichlichem Samen. Es wäre dabei auch an die Mög-
lichkeit zu denken, dass reichliche Bestäubung mit eigenem die spätere Befruch-
tung durch fremden Blüthenstaub beeinträchtigt, indem entweder einfach der
i) Soll wohl 2,6 heissen ? Herausgeber.
A,Q Bestäubungsversuche an Abutilon- Arten.
Zugang zur Narbenoberfläche erschwert, oder auch diese durch längere Einwirkung
des eigenen Blüthenstaubes für fremden unempfänglich gemacht wird ; wenigstens
Letzteres scheint indess kaum der Fall zu sein, soweit ich aus meinen hierauf
gerichteten, leider durch die unvermeidlichen Raupen grossentheils vereitelten
Versuchen schliessen darf. Für Ersteres scheint das Ergebniss einiger Versuche
zu sprechen ; so wurden von 2 jungfräulichen frisch aufgeblühten Blumen der
Pflanze V. die eine sofort mit fremdem, die andere erst stark mit eigenem und
unmittelbar darauf mit fremdem Blüthenstaub bestäubt; erstere gab eine Frucht
mit 6, 3, letztere mit nur 4, 4 Samen im Fach. An der Pflanze II wurden 2 frische
Blumen mit Gaze bedeckt, nachdem die eine stark mit Blüthenstaub ihres Stockes
bestäubt worden war; fünf Tage später wurden beide mit fremdem Blüthenstaub
versehen; die eine, die diesen in jungfräulichem Zustande erhalten hatte, lieferte
4,4, die andere, auf deren Narben zuvor 5 Tage lang eigener Blüthenstaub ge-
legen hatte, nur 2, 2 Samen im Fach.
Weiter ist hervorzuheben die auffallende Verschiedenheit im Samenertrage
der Pflanzen I bis IV, die wie gesagt aus Samen einer einzigen wildwachsenden
PYucht gezogen sind. Der durchschnittliche Ertrag mit fremdem Blüthenstaub
der eigenen Art war bei IV: 6,1 — bei I: 5,9 — bei II: 3,8 — endlich bei III:
2,4 Samen im Fach; die reichsten Früchte von III enthielten durchschnittlich nicht
über 3, die ärmsten von I und IV nicht unter 5 und 6 Samen im Fach. — 1869
habe ich von der Pflanze III gar keine Früchte erhalten ^). — Also nicht blos bei
Bastarden und bei illegitimen Sprösslingen dimorpher und trimorpher Pflanzen,
sondern auch bei anderen wildwachsenden reinen Arten kommt es vor, dass aus
Samen derselben Frucht gezogene Pflanzen sich sehr erheblich in ihrer Frucht-
barkeit unterscheiden.
In Bezug auf die Verbindung mit fremden Arten ergab sich, dass bei drei
Pflanzen (II, III, V) die eine oder andere fremde Art grösseren, bei einer Pflanze
(IV) ebenso hohen Samenertrag lieferte, als die eigene Art; bei einer Pflanze (VI)
war keine künstUche Bestäubung mit der eigenen Art vorgenommen worden und
nur bei einer Pflanze (I) überstieg die Samenzahl in den durch die eigene Art
erzeugten P'rüchten (5, 9 Samen im Fach) um etwas die der fruchtbarsten Bastard-
verbindungen (mit Abutilon vom Pocinho 5,2 Samen).
Der Satz, dass Kreuzung mit fremden Arten immer weniger Samen liefert,
als Befruchtung mit der eigenen Art, bestätigte sich also nicht bei obigen Versuchen
Die drei zur Bestäubung verwandten Arten zeigten in Bezug auf die durch
sie erzeugte Samenzahl nicht dieselbe Reihenfolge bei den verschiedenen als weib-
liche Unterlage dienenden Pflanzen des Capivarv- Abutilon. Mit III lieferte Striatum
doppelt so viel, mit V noch nicht V.s so viel Samen, wie die beiden anderen Arten.
Bei IV war das Verhältniss von Embira und Striatum dasselbe wie bei V, wo-
gegen das Abutilon vom Pocinho, das mit V die reichsten Früchte lieferte, bei
IV nur Vö soviel Samen gab als Embira. Bei II war der Ertrag für alle drei
I) Diese unfruchtbare Pflanze III ist auch sonst vor ihren Geschwistern ausgezeichnet durch etwas
kleinere blassere Blumen, durch längere Griffel, die meist schon aus der Knospe hervortreten, und durch
kleinere blassere Narben. Sie ist von kräftigem Wuchs, sehr reichblühend und, wie es scheint, besonders
lebenszäh, da sie allein zwei grosse Ueberschwemnmngen überdauert hat, deren erster mehrere andere an
gleichem Orte wachsende Geschwister erlegen sind.
Bestäubungsversuche an Abutilon-Arten. ^Ij
Arten ziemlich derselbe. Man vergleiche nachstehende (aus den obigen Tabellen
entnommene) Zusammenstellung:
IL P: 3,9. — S: 3,6. — E: 3,4
IV. E: 6,1.— S: 1,9.— P: 1,2
V. P: 6,4. — E: 6,1. — S: 1,9
VI. S: 6,7.— P: 3,2.— E: 3,1
Es scheint also jede einzelne Pflanze ihre eigenthümliche Empfängnissfähig-
keit („Wahlverwandtschaft" Gärtner) für verschiedene fremde Arten zu besitzen.
Doch sind die Versuche bei weitem nicht zahlreich genug, um schon jetzt dieses
Ergebniss als gesichert betrachten zu dürfen.
Wirksamer, d. h. samenreichere Früchte erzeugend als der Blüthenstaub der
eigenen reinen Art erwies sich ebenfalls bei den Pflanzen I, III und V der Blüthen-
staub einer Bastardpflanze: Abutilon Capivary-striatum I.
Es würde voreilig sein, aus diesen Ergebnissen den Schluss ziehen zu wollen,
dass im Allgemeinen das Abutilon vom Capivary reicheren oder ebenso reichen
Samenertrag liefert mit einer Reihe fremder Arten und einem seiner Bastarde,
wie mit Pflanzen der eigenen Art. Ich vermuthe, dass in letzterem Falle die
Fruchtbarkeit meiner Pflanzen hinter der normalen zurückblieb und zwar weil
alle meine Pflanzen des Capivary- Abutilon sehr nahe Verwandte sind. Wenigstens
aber bieten auch diese Versuche einen neuen , allerdings schon ziemlich über-
flüssigen Beleg dafür, dass die Fruchtbarkeit nicht als untrüglicher Prüfstein der
Zusammengehörigkeit verschiedener Pflanzen zur selben Art zu verwerthen ist.
Ebenso zeigen sie, dass die Weise in welcher Gärtner („Bastarderzeugung" S. 204)
die „Wahlverwandtschaftsgrade der Arten bei der Bastardbefruchtung" berechnete,
indem er das Maximum der bei Bastardbefruchtung erhaltenen Samen mit der
mittleren Samenzahl durch „natürliche Befruchtung" an wilden Pflanzen ent-
standener guter Früchte verglich, ebenso praktisch unbrauchbar sein kann, wie
sie theoretisch falsch ist. Soll der Samenertrag durch Blüthenstaub der eigenen
und durch den fremder Arten verglichen werden, so ist es, um ein reines Resultat
zu erhalten, natürlich unerlässlich, dass alle übrigen Verhältnisse, die möglicher-
weise jenen Ertrag beeinflussen könnten, in beiden Fällen möglichst gleich seien.
Beiderlei Früchte müssen entweder von wildwachsenden oder von im Garten
gezogenen, von in freier Luft oder von im Zimmer stehenden Pflanzen, beide
von künstlich bestäubten Blumen gewonnen sein ; es müssen entweder Maximum
mit Maximum oder Mittelwerth mit Mittelwerth verglichen werden ; ja es müssen
womöglich beiderlei Früchte zu gleicher Zeit an demselben Stocke gereift sein.
Wollte man nach Gärtners Berechnungsweise mit dem mittleren Samenertrag der
durch „natürliche Befruchtung" entstandenen Früchte der Pflanze III (2,4 Samen
im Fach), das Maximum der Samen vergleichen, die der Blüthenstaub von Abu-
tilon striatum an der Pflanze II erzeugte, (7,7 Samen im Fach), so würde die
Fruchtbarkeit dieser Bastardverbindung über dreimal so gross sein, als die der
reinen Art!
Eine letzte befremdende Thatsache ist es, dass bei den Pflanzen V und VI
die reichsten Früchte aus denjenigen Blumen hervorgingen, die gleichzeitig mit
Blüthenstaub verschiedener Arten bestäubt worden waren. An der Pflanze V
z. B. enthielten 5 durch Abutilon striatum erzeugte Früchte durchschnittlich 5,0
412
Bestäubungsversuclie an Abutilon-Artcn.
und keine mehr als 6,i Samen; ebenso viel durch Embira erzeugte Früchte durch-
schittlich 6,0 und keine mehr als 6,4 Samen im Fach, während eine Blume der-
selben Pflanze, von deren Narben die eine Hälfte mit Abutilon striatum, die
andere mit Embira bestäubt wurde, eine Frucht mit 6, 9 Samen im Fache Ueferte.
— Einen ähnlichen Fall werden wir unten noch einmal wiederfinden. — Weitere
Versuche werden entscheiden müssen, ob dieser Samenreichthum nach gleich-
zeitiger Bestäubung mit zweierlei Blüthenstaub ein blos zufälliger war. Ich bin
geneigt, aus unten anzuführenden Gründen, das Gegentheil anzunehmen.
IL Abutilon striatum.
Ein Abutilon, das mir als striatum bezeichnet wurde, findet sich hier bisweilen
in Gärten angepflanzt, wo es niemals Früchte trägt. Ich besitze davon drei, aus
verschiedenen Gärten stammende Pflanzen, die eben-
falls weder jede für sich, noch mit einander gekreuzt
jemals Samen tragen, — ein Beweis, dass alle drei auf
ungeschlechtlichem Wege von derselben Mutterpflanze
abstammen, nur Theilstücke ein und desselben Stockes
sind ^). Ich betrachte sie daher im Folgenden als eine
einzige Pflanze.
Dieses Garten-Abutilon wird ebenso fleissig, wie
die einheimischen Arten, von Kolibris besucht, aber nicht
durch sie bestäubt. Das verschiedene Verhalten der
Kolibris wird bedingt durch einen Umstand, dem man
gewiss kaum irgend welche Bedeutung für das Gedeihen
der Art beigemessen hätte, und durch den sie doch hier
zu fast vollständiger Unfruchtbarkeit verurtheilt ist. Die
Kelchzipfel nämlich sind beträchtlich kürzer, als bei dem
Abutilon vom Capivary, und so wird es den Kolibris
möglich, die Spitze des Schnabels am Grunde der Blume
zwischen zwei benachbarten Blumenblättern einzuführen,
wobei natürlich Staubbeutel und Narben unberührt bleiben.
Den Besuch des Kolibris verrathend bleibt ein kleines
Loch an der Stelle, wo derselbe die Blumenblätter aus-
einandergeschoben hat • {a in der beistehenden Figur). Ein einziges Mal sahen
meine Kinder einen Kolibri von einer grösseren Art, die sonst Abutilon nicht
besucht, von unten her an die Blüthen dieser Art heranfliegen. Im September
wurden während einiger Wochen zwei meiner Pflanzen von einem Schwärme
kleiner schwarzer Honigbienen (Melipona) besucht, die aber ebensowenig Narben
und Staubbeutel berührten ; sie bissen sich Löcher in den Kelch (b), um zu dem
Honig zu gelangen. Einige grosse Hummeln, die ich zur selben Zeit an diesen
Pflanzen sah, benutzten die von den Bienen gebissenen Löcher. — Obwohl also
i) „Je Tai dit et je le lepete: un ne juge de ki j^arente que par la fecondit^" heisst es in einem
Buche, das zu dem Unverdautesten gehurt, was gegen Darwin geschrieben wurde. Der berühmte Verfasser
würde nach diesem so emphatisch proclamirten Satze meine drei Pflanzen für ebenso viel verschiedene
Arten erklären müssen. Ja, streng genommen, müsste er Staubgefässe und Griffel jeder einzelnen Blüthc
bei dieser und allen anderen selbst unfruchtbaren Pflanzen als verschiedenen Arten angeh(")rig betrachten.
S. Flourens, Examen du livre de M. Darwin. Paris 1864. S. loi.
Bestäubungsversuche an Abutilon-Arten.
413
die eine meiner Pflanzen rings von Arten umgeben war, durch deren Blüthen-
staub sie leicht zu befruchten ist, wurde doch nur eine einzige Frucht durch „natür-
liche Bestäubung" erzeugt.
Abutilon striatuni
Bestäubt :
Zahl der
bestäubten
Blumen
Zahl der
reifen
Früchte
Zahl der Samen
Frucht
Kleinste Grösste
in einer
Mittel
Durchschnittliche Zahl der
Samen in einer Frucht
Kleinste Grösste Mittel
auf natürlichem Wege
?
1
43
4,8
mit Blüthenstaub der eigenen Art
5
0
mit Ab. vom Capivary
8 + X
7 + 63 '! 8
55
37,9
1,0
5,9
4.1
mit Ab. Capivary-striatum I
17
9 25
55
37,5
2,5
5,5
4,2
mit Ab. Capivary-striatum IV
I
I
20
2,2
mit Ab. Embira
15 + X
4 + 7 ii 17
45
29,5
1,9
5.6
3.3
mit Ab. vom Pocinho
14
3 i 21
45
30,7
2,6
5,0
3,7
gleichzeitig mit Ab. vom Capi-
vary und mit Embira
2
2
17
36
26,5
1,9
4,0
3,0
gleichzeitig mit Ab. vom Pocinho
und mit Embira
2
I
32
3.2
Die einzige Blüthe, die ohne mein Zuthun Frucht ansetzte, war, wie die
Aussaat der Samen gezeigt hat, durch Blüthenstaub des Abutilon Embira be-
fruchtet worden. — An zwei Stöcken, die von den übrigen Abutilonpflanzen ziem-
lich entfernt stehen, und bei denen daher eine (überhaupt kaum jemals stattfindende)
Bestäubung durch Kolibris oder Immen nicht zu befürchten stand, wurde eine
grosse Zahl Blüthen an dem einen mit Abutilon vom Capivary, an dem anderen
mit Embira bestäubt, ohne dass diese (in der Tabelle mit x bezeichneten) Blüthen
gezeichnet und mit Gaze bedeckt wurden; an ersterem Stocke wurden 63, an dem
anderen 7 Früchte geerntet.
Abutilon striatum befruchtet also hier, wie wir bereits sahen und noch weiter
sehen werden, fremde Arten und wird von ihnen befruchtet. Somit ist seine
Unfruchtbarkeit in unseren Gärten nicht dem Klima, sondern dem Umstände zu-
zuschreiben, dass wir nur Theile einer einzigen Pflanze hier besitzen. Dasselbe
mag der Grund der Unfruchtbarkeit mancher anderen stets auf ungeschlechtlichem
Wege vermehrten Pflanzen sein, z. B. des Ingwers und der süssen Bataten, deren
Blüthenstaub und Eichen regelmässig ausgebildet zu sein scheinen. Ebenso mag
es sich bei manchen in europäischen Gärten unfruchtbaren Pflanzen verhalten.
In anderen Fällen findet sich bei solchen Pflanzen allerdings eine mehr oder
weniger bedeutende Verkümmerung der Geschlechtstheile; so beim Arrow-root,
dessen Staubbeutel ich stets vollkommen leer fand. Ja, einige scheinen sich sogar
des Blühens völlig entwöhnt zu haben, wie mehrere Arten von Dioscorea. Die
Varietäten des Zuckerrohrs hat man danach in blühende und nicht blühende
eingetheilt.
III. Bastard Abutilon Capivary-striatum.
Ein grösseres Gewicht für die Unterscheidung von Arten und Varietäten
als der unvollkommenen oder vollkommenen Fruchtbarkeit bei der ersten Kreuzung
legt Gärtner dem Umstände bei, dass Arten-Bastarde in der ersten Generation
fast immer nur einen einzigen Typus zeigen, während bei Varietäten-Bastarden
kaum je eine Pflanze der anderen vollkommen gleich ist. Dass dies im iMlgemeinen
richtig ist, ist nach den so überaus reichen Erfahrungen Gärtner's nicht zu be-
414
Bestäubungsversiiche an Abutilon-Arten.
zweifeln, wie es ja auch vom Standpunkte der Darwin'schen Lehre sich leicht
erklärt. Dass aber auch dieser Unterschied zwischen Arten und Varietäten kein
durchgreifender ist, zeigt der Bastard Abutilon Capivary-striatum. Von den fünf
Pflanzen, die ich 1869 gezogen, trägt jede ihr ganz eigenthümliches Gepräge in
Wuchs, Blatt, Blüthe und Frucht. Ich lege eine Skizze der Blüthen von den vier
zu Versuchen verwendeten Pflanzen bei, zu der ich noch bemerken will dass
I der Riese unter seinen Geschwistern und jetzt über 10 Fuss hoch ist, während
IV, obwohl ein halb Jahr älter, kaum 2 Spannen Höhe hat. II ist ebenso durch
die Länge der Blattstiele wie der Blüthenstiele ausgezeichnet. Bei I und I^'
(sowie bei der fünften Pflanze, die erst wenige Blumen brachte) strotzen die Staub-
beutel von gutem Blüthenstaub ; bei II und III sind sie meist völlig leer und
farblos, nur in einzelnen Blüthen findet man in einigen wenigen Staubbeuteln
eine geringe Menge Blüthenstaubes, der aber, wenigstens bisweilen (Abutilon
vom Capivary VI), gut ist.
1
Zahl der
Zahl der
Zahl de
Samen
in einer
Durchschnittliche Zahl der
Bestäubt :
bestäubten
reifen
Frucht
Samen
in einem
Fache
Früchte
Früchte
Kleinste
Grösste
Mittel
Kleinste
Grösste
Mittel
Abutilon Capivary-striatum I
auf natürlichem Wege
?
2
6o
62
61,0
5.0
6,2
5.6
mit Blütenstaub ders. Pflanze
3
o
mit Ab. Capivary-striatum 11
I
o
mit Ab. Capivary-striatum TV
2
2
58
71
64.5
6,4
6.5
6,4
mit Ab. vom Capivarj'
1
5
50
68
61,8
4,5
6,8
5.9
mit Ab. striatum
5
5
23
64
39.4
2,3
5,8
4,0
mit Ab. Embira
i6
2
53
55
54.0
4,8
5.0
4,9
mit Ab. vom Rio do Testo
3
O
mit Ab. vom Pocinho
3
I
39
3.5
gleichzeitig mit Ab. vom Capi-
vary und Ab. striatum.
2
2
52
53
52,5
5,2
5.3
5.2
Abutilon Capivary-striatum II
mit Ab. Capivary-striatum I
3
3
45
52
48,5
5,8
6.4
6,1
mit Ab. vom Capivar}-
3
3
46
50
48,0
6,0
6,6
6,3
mit Ab. striatum
2
2
37
50
43-5
4,6
5,6
5.1
mit Ab. Embira
3
2
18
4'
29,5
2,6
5.1
3.9
mit Ab. vom Rio do Testo
I
O
gleichzeitig mit Ab. vom Capi-
vary u. striatum
I
I
38
5.4
Abutilon Capivary-striatum III
mit Ab. Capivary-striatum I
5
5
II
55
41,8
1.1
5.2
4.1
mit Ab. Capivary-striatum II
I
o
mit Ab. Capivary-striatum IV
2
2
28
32
30,0
3,5
4,0
3,7
mit Ab. vom Capivary
7
4
35
55
45.5
3.9
6,1
5.1
mit Ab. striatum
4
4
29
44
36,5
3.2
4.4
3,7
mit Ab. Embira
4
3
32
45
39,3
3,2
5.0
4.2
mit Ab. vom Rio do Testo
3
i o
mit Ab. vom Pocinho
4
2
43
47
45,0
4.7
4.8
4.7
gleichzeitig mit Ab. vom Capi-
vary und Ab. striatum
2
I
54
5.4
gleichzeitig mit Ab. v. Pocinho
1
und Embira.
2
1 I
58
6,4
Bestäuhungsversuche an Abutilon-Arten.
415
A Blüthe des Abutilon Capivarj-. B Blüthe von Abutilon striatum. /, //, i//, IV Blüthen von
2 verschiedenen Pflanzen des Bastards Abutilon Capivary-striatuni.
^jg Bestäubungsversuche an Abutilon- Arten.
An der kümmerlichen vierten Pflanze, die nur wenige Blüthen brachte,
wurde eine Blume mit Abutilon Capivary-striatum I, drei mit Abutilon vom
Capivary, eine mit Abutilon striatum und eine mit Abutilon Embira bestäubt;
nur die mit Abutilon striatum bestäubte reifte eine Sfächrige Frucht mit 35 Samen
(4, 4 Samen im Fach),
Betrachten wir zuerst die an der Pflanze I erhaltenen Ergebnisse. Sie ist,
wie beide elterlichen Arten, unfruchtbar mit ihrem eigenen Blüthenstaub ; fruchtbar
mit dem der Eltern und des Bastards IV vmd zwar, entgegengesetzt dem gewöhn-
lichen Verhalten, fruchtbarer mit diesem, als mit jenen. Sie lieferte mit dem
Bastard IV einen höheren Samenertrag, als irgend eine Pflanze der mütterlichen
Art, wenn mit Blüthenstaub der eigenen Art befruchtet! Wir haben bereits ge-
sehen, dass ihr Blüthenstaub, wenn zur Befruchtung der mütterlichen Art ver-
wendet, meist einen reicheren Samenertrag lieferte, als der der reinen Art. Auch
hierin verhält sich diese Pflanze ganz wie ein Varietäten-Bastard.
Die beiden durch „natürliche Befruchtung" (w^ahrscheinlich mit Blüthenstaub
des Abutilon vom Capivar}^) entstandenen Früchte waren im Gegensatz zu der
Samenarmuth der meisten derartigen Früchte des Capivarj^-Abutilon reich an
Samen und liefern gerade dadurch einen guten Beleg für die Richtigkeit der
oben gegebenen Erklärung jener Samenarmuth. Sie stammen nämlich von den
ersten Blüthen der Pflanze, die eine nach der andern aufblühten, also nicht mit
Blüthenstaub desselben Stockes bestäubt werden konnten. Die späteren Blüthen
sind fast alle zu künstlicher Bestäubung benutzt worden.
Bei Bestäubung mit Embira fielen meist die ganzen Blüthen oder wenige
Tage nach dem Abfallen der Blumenkrone die jungen Früchte ab; von 16 (oder
mit Einschluss des Abutilon vom Rio do Testo, von ig) Blüthen wurden nur 2
reife Früchte erhalten.
Die Pflanzen II und III, die von männlicher Seite fast vollkommen unfruchtbar
waren, lieferten, wie die Tabelle nachweist, ebenfalls einen ziemlich reichen Samen-
ertrag ; auffallend ist, dass bei ihnen die Bestäubung mit Embira viel leichter an-
zuschlagen schien, als bei der ersten Pflanze: von 3 und 4 bestäubten Blumen
wurden 2 und 3 Früchte geerntet.
Bei der Pflanze III wiederholt sich die Erscheinung, dass die reichsten
Früchte durch Bestäubung mit zweierlei Blüthenstaub erzielt wurden. Das Abutilon
vom Capivary erzeugte durchschnittlich 5, i, striatum 3,7 Samen im Fach; beiderlei
Blüthenstaub vereinigt gab 5,4 Samen. Ja während Abutilon Embira durch-
schnittlich 4,2 — das Abutilon vom Pocinho 4,7 Samen lieferte, fanden sich in
einer durch Blüthenstaub dieser beiden Arten erzeugten Frucht 6,4 Samen. Dies
war überhaupt die samenreichste unter tg Früchten, die von dieser Pflanze ge-
erntet wurden.
Unter den P>üchten der dritten Pflanze findet sich eine sehr arme mit nur
1 1 Samen, die aus der Tabelle hätte wegbleiben sollen ; die Blume war mit einer
unzureichenden Menge von Blüthenstaub aus einem einzigen zweifächrigen Staub-
beutel bestäubt worden, wie solche einzeln fast in jeder Blüthe des Bastards I,
sowie der mütterlichen Art (des Capivary-Abutilon) vorkamen.
Bemerkenswerth ist noch das Verhalten der Bastardpflanzen gegen Blüthen-
staub von Abutilon striatum und von Embira. Keine Bestäubung schlug sicherer
Bestäubungsversuche an Abutilon-Arten. aii
an, als die mit Abutilon striatum, der väterlichen Art, — keine schwieriger, als die
mit Embira. — 12 Blumen, mit Abutilon striatum bestäubt, lieferten eben so viel
Früchte; die einzige Frucht, die an der Pflanze IV reifte, war dieses Ursprungs.
Von 31 Blumen dagegen, die mit Embira (einschliesslich der Abart vom Rio do
Testo) bestäubt wurden, wurden nur 7 Früchte erhalten. Diese Früchte aber
waren samenreicher (4, 4), als dife durch Abutilon striatum erzeugten (3, 9). Am
auffallendsten tritt dieses Verhältniss bei dem Bastard I hervor, wo ig Blumen
mit Embira bestäubt 2 Früchte mit durchschnittlich 4,9, dagegen 5 Blumen mit
striatum bestäubt auch 5 Früchte mit durchschnittlich 4,0 Samen im Fach gaben.
Nicht immer entspricht also der grösseren Leichtigkeit, mit der die Befruchtung
angenommen wird, auch ein grösserer Samenreichthum. Dasselbe gilt wohl über-
haupt für alle bei der Fruchtbarkeit der Pflanzen in Betracht kommenden Um-
stände; im Allgemeinen wird wohl, je leichter die Bestäubung von der Narbe
angenommen wird, um so kräftiger auch die Einwirkung des Blüthenstaubs auf
den Fruchtknoten, um so sicherer und vollkommener die Befruchtung der Eichen,
um so samenreicher die Frucht, um so keimfähiger der Samen, um so kräftiger
und fruchtbarer die Nachkommenschaft sein. Einen vollkommenen Parallelismus
aber wird man, wie in dem eben angeführten, so in vielen anderen Fällen vermissen.
IV. Abutilon (Embira branca der Brasilianer).
Bestäubungsversuche wurden an zwei Stöcken vorgenommen ; da sich zwischen
den Ergebnissen kein erheblicher Unterschied zeigt, fasse ich sie in eine einzige
Tabelle zusammen.
Die Vermittler der Bestäubung sind auch hier die Kolibris. Die Blüthen
hängen nicht, wie bei den bisher besprochenen Formen, sondern ihre Achse steht
fast wagerecht; die Griffel treten nicht gerade aus der Staubfädenröhre hervor,
sondern biegen sich beim Austritt fast rechtwinklig um, so dass die Narben nach
allen Seiten über die Staubbeutel hinausragen, — eine Lage, die bei der Richtung
der Blumenkrone offenbar für die Bestäubung günstiger ist. Zwischen den Staub-
gefässen pflegt bei dieser Art eine Menge winziger Käfer sich zu sammeln, welche
auf die Kolibris ebenso anlockend wirken mögen, wie der Honig, der im Grunde
der Blume ziemlich reichlich abgesondert wird^).
Von den sehr zahlreichen durch „natürliche Befruchtung" entstandenen
Früchten wurde nur ein kleiner Theil untersucht; das Ergebniss ist, wie man
sieht, dasselbe wie bei dem Abutilon vom Capivary, indem sie im Durchschnitt
nur etwa halb so viel Samen enthalten, wie künstlich befruchtete.
Bei Bestäubung mit Blüthenstaub desselben Stockes fiel nur in drei Fällen
3 — 4 Tage nach der Bestäubung die ganze Blüthe ab, in 9 Fällen 4 — 8 Tage
nach der Bestäubung die junge P>ucht; in einem Falle hielt sich die Frucht
21 Tage. Die Unempfänglichkeit für die Bestäubung mit eigenem Blüthenstaube
ist also keine so vollkommene, wie bei dem Abutilon vom Capivary.
i) Aus der Menge von Insectenresten, die Darwin, Burmeister u. A. im Magen der Kolibris an-
gehäuft fanden, hat man gewiss mit Recht geschlossen, dass Insecten einen wesentlichen Bestandtheil ihrer
Nahrung bilden und nicht blos zufällig mit dem Honig eingeschlürft werden. Wenn man aber nun um-
gekehrt behauptet hat, dass der Honig nur beiläufig und zufällig mit den Insecten aufgenommen wurde, so
liegt dafür auch nicht die Spur eines Beweises vor.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 27
4i8
Bestäubungsversuche an Abutilon-Arten.
Abutilon Embira
Bestäubt :
Zahl der
bestäubten
Blumen
Zahl der
reifen
Früchte
[ Zahl der Samen in einer
i Frucht
iKleinste Grösste i Mittel
Durchschnittliche Zahl der
Samen in einem Fache
Kleinste Grösste Mittel
Durch Kolibris
mit Blüthenstaub desselben
Stocks
mit fremdem Blüthenstaub der
eigenen Art
mit der Varietät vom Rio do Testo
mit Ab. vom Capivary
mit Ab. striatum
mit Ab. Capivary-striatum I
mit Ab. vom Focinho
gleichzeitig mit Blüthenstaub der
eigenen Art und mit Ab. vom
Capivary
gleichzeitig mit Ab. vom Capi-
vary und mit Ab. striatum
7
6
12
i6
1 1
114
7
4
IG
6
IG
5
5
30
59
21
6
42
69
69
6g
74
23
56
43
55
31,1
56,7
59,5
49,3
I2,G
34,8
37,4
50
48,5
0,3
2,1
4,2^)
1,4
0,4
0,6
2,0
3,2
4,9
5,7
1,6 1)
4,6
1,9
4,3
3,3
4,2
2.2
4,1
4,4')
3,6
0,9
2,6
2,9
3,8
3,7
Wenn auch die Befruchtung- mit Blüthenstaub der Arten vom Capivary und
vom Pocinho, sowie des Bastards Abutilon Capivary-striatum I noch einen höheren
Samenertrag lieferte, als die „natürliche Befruchtung", so steht doch weit mehr
als bei dem Capivary-Abutilon der Ertrag der Bastardfrüchte gegen den der
künstlich mit Blüthenstaub der eigenen Art befruchteten zurück. Ob etwa die
grössere Geneigtheit des Capivary-Abutilon, Bastardbefruchtung anzunehmen, im
Zusammenhang steht mit dessen vollständiger ausgeprägter Selbstunfruchtbarkeit,
kann nur durch weit umfangreichere Versuche an zahlreichen auf ihr Verhalten
zum eigenen Blüthenstaube genau geprüften Arten entschieden werden. Doch
mag erinnert werden an die Schwierigkeit der Bastarderzeugung in der derselben
Familie angehörigen Gattung Hibiscus, deren Arten, soweit meine Erfahrung
reicht, vollkommen fruchtbar sind mit eigenem Blüthenstaube, sowie andererseits
an die überraschende Leichtigkeit, mit der fernstehende selbstunfruchtbare Arten
von Vandeen sich kreuzen lassen.
So weit der Bericht über den Samenertrag meiner Bestäubungsversuche. Ich
schliesse ihm als nothwendige Ergänzung einige Worte an über die aus dem
Samen gezogenen jungen Pflanzen.
Im April 1869 hatte ich frischen hier geernteten Samen von drei verschiedenen
Früchten des Capivary-Abutilon ausgesät. Die Pflanzen, durch deren Erzeugung ^)
ich diese P'rüchte erhalten hatte, waren Geschwister, aus Samen derselben Frucht
gezogen. Nur 2 Pflänzchen gingen auf von 180 Samen (es sind die oben mit
V und VI bezeichneten Pflanzen). Ich schrieb dies damals der Ungunst der
Witterung oder der unpassenden Jahreszeit zu. — Nun aber habe ich von der
Ernte, über die ich so eben berichtet, Samen von weit über 100 Früchten aus-
gesät und fast alle haben reichliche und kräftige Pflanzen geliefert. Zu gleicher
i) Hier liegt ein mit Sicherheit nicht mehr aufzuklärender Druckfehler des Originals vor.
2) Soll wohl Kreuzung heissen. Herausgeber.
Herausgeber.
Bestäubungsversuche an Abuülon- Arten. 4. IQ
Zeit und an gleicher Stelle mit den übrigen wurden auch sieben verschiedene
Aussaaten des Capivary-Abutilon gemacht und zwar:
i) zwei Aussaaten von 2 Früchten der Pflanze V, erzeugt durch Blüthen-
staub ihres Oheims III. — Gesät am 4. October, gingen nach 14 Tagen
reichliche Pflanzen auf, die aber bis jetzt nicht sehr kräftig wachsen.
2) vier Aussaaten von Früchten der Pflanze I, erzeugt durch Blüthenstaub
ihres Bruders IL — Zwei Aussaaten vom i. October keimten nach 24,
eine vom 20. October nach 18, eine vom 24. October nach 21 Tagen. —
Mehr als 200 Samen lieferten kaum über ein Dutzend so schwächlicher
Pflänzchen, dass nur 4 die ersten Wochen überlebten und bis heute ein
sehr kümmerliches Wachsthum zeigen ^).
3) eine Aussaat von Samen einer Frucht der Pflanze IV, erzeugt durch
Blüthenstaub ihres Bruders II, am 1 1 . October. — Erst nach einem vollen
Monat, am 11. November zeigten sich einige Pflänzchen. Ob von den
56 Samen überhaupt mehr als zwei gekeimt haben (soviel Pflanzen sind
noch vorhanden), kann ich nicht sagen. Die Pflänzchen zeigen ein etwas
kräftigeres Wachsthum, als die unter 2, erwähnten.
I) Das Missrathen dieser Aussaaten war mir sehr verdriesslich, da sie zu Beobachtungen über die
Vererbung der Eigenthümlichkeiten einzelner Blüthen bestimmt waren. Ein ähnliches Missgeschick, ver-
anlasst durch Ueberschwemmung, Dürre, Raupenfrass, Ameisen u. s. w. hat bisher fast alle meine der-
artigen Versuche vereitelt. Das Wenige, was ich hierüber in Bezug auf Abutilon zu sagen habe, mag hier
eine Stelle finden.
Die Zahl der Griffel ist bei dem Capivary-Abutilon, wie bei anderen Arten, eine sehr schwankende.
Die Pflanze VI wurde aus Samen einer ggriffligen Blume gezogen, die mit Blüthenstaub einer anderen
ebenfalls ggriffligen Blume befruchtet war; bei ihr herrschen nun die ggriffiigen Blüthen entschieden vor.
Ich finde 38 Früchte dieser Pflanze verzeichnet, von denen 4 Sfächrig, 24 gfächrig und 10 lofächrig
waren; danach würden die Sgriffligen Blüthen 11 "/o» ^i^ ggriffligen 63 7o> die 10 griff ligen 26 "/o bilden.
Leider ist ein Vergleich mit den durch eine Ueberschwemmung zerstörten Eltern nicht mehr möglich. Bei
drei noch lebenden Geschwistern dieser Eltern, den Pflanzen I, II, III fanden sich unter 100 Blüthen
bei I bei II bei III
mit 7 Griffeln : o
„ 8 „ 3
„ 9 ,. 25
„ 10 „ 54
„II „ 18
An der Pflanze I wurde sogar einmal eine Blume mit 12 Griffeln beobachtet. (Man muss beim
Zählen der Griffel die Röhre der verwachsenen Staubfäden aufschlitzen, in der sich nicht selten einzelne
Griffel verbergen; dadurch wird es eine etwas zeitraubende Arbeit.)
Die Pflanze V stammt von einer ggriffligen Blume von II, befruchtet mit Blüthenstaub einer
iigriffligen Blume der Mutter von VI; bei ihr fanden sich unter 100 Blumen
mit 7 Griffeln 2
„ 8 „ 27
„ 9 » 38
!, 10 „ 31
.,11 „ 2
Beim Vergleich mit der Mutterpflanze (II) fällt auf, dass sich das Verhältniss der 9 griff ligen zu den
10 grif fügen Blumen fast gerade umgekehrt hat; bei der Mutter ist es etwa 9:10, bei der Tochter etwa
11:9. — Auffallender noch ist die grosse Zahl von Blumen (fast 30 7o) mit weniger als 9 Griffeln, während
die Mutter solcher Blumen nur 3 "/^ und darunter gar keine mit 7 Griffeln brachte.
27*
0
I
3
6
43
39
48
51
6
3
A2Q Bestäubungsversuche an Ahutilon-Arten.
Ich darf nicht unterlasssen anzuführen, dass die Samen der einen noch nicht
einmal ganz reifen Frucht, die ich vom Capivary mitgebracht hatte und die so
verschrumpft waren, dass sie des Säens gar nicht werth schienen, gut aufgingen.
Ich glaube nicht zu irren, wenn ich das verspätete Keimen nur weniger Samen
der Pflanzen I und IV, und die Schwächlichkeit der Sämlinge dem Umstände
zuschreibe, dass diese Samen durch Geschwister der betreffenden Pflanzen erzeugt
worden waren, so dass also bei diesem Abutilon nicht nur die Bestäubung mit
Blüthenstaub desselben Stockes völlig wirkungslos wäre, sondern auch die Be-
fruchtung durch die nächsten Verwandten zwar ziemlich reichlichen Samen, aber
nur wenige schwächliche Nachkommenschaft erzeugen würde. Ich gedenke diesen
Punkt noch ferner ins Auge zu fassen und kann den Wunsch nicht unterdrücken,
dass auch mit anderen selbst unfruchtbaren Pflanzen ähnliche Versuche angestellt
werden möchten.
An den meisten meiner Versuchspflanzen hatte ich einzelne Blumen gleich-
zeitig mit Blüthenstaub zweier verschiedenen fremden Arten bestäubt (und zwar
eine gleiche Zahl Narben mit jeder Art). Wie erwähnt hatte ich von solchen
Blumen mehrfach besonders samenreiche Früchte erhalten. Diese Versuche waren
angestellt worden, um durch sie nach Gärtner's Vorgang über den „Grad
der sexuellen Verwandtschaft der beiden Arten zu der weiblichen Unterlage" zu
entscheiden, falls der Samenertrag darüber in Zweifel lassen sollte. Das Ergebniss
der Aussaat ist nun ein ganz unerwartetes gewesen. Mit Kölreuter's und W. Herbert's
früheren Erfahrungen übereinstimmend behauptet Gärtner, dass bei „gleichzeitiger
Bestäubung mit verschiedenen Pollenarten" nicht etwa „der eine Pollen eine ge-
wisse Zahl von Eichen befruchtet, der andere aber eine andere", dass vielmehr
„nur Eine gleichförmige Befruchtung durch eine von den Pollenarten stattfindet,
nämlich durch denjenigen Pollen, welcher die stärkste sexuelle Verwandtschaft
zur weiblichen Unterlage hatte" (Gärtner, Bastard erzeugung im Pflanzenreiche
S. 36). Der treffliche Gärtner ist vorsichtig genug, dies nur für diejenigen Arten
als gültig auszusprechen, an denen er selbst, Kölreuter und W. Herbert die be-
treffenden Versuche angestellt. — Bei Abutilon scheint nun, soweit ich bis jetzt
urtheilen kann, stets das Gegentheil, die Erzeugung von zweierlei Bastarden statt-
zufinden. Mit Sicherheit kann ich dies für jetzt nur für diejenigen Fälle behaupten,
in denen Blüthenstaub von Embira zugleich mit dem einer anderen Art zur Ver-
wendung kam. Denn schon fast vom Erscheinen des ersten Blattes an sind die
Bastarde der Embira auf den ersten Blick an ihren langen schmalen Blättern zu
erkennen. Ich führe daher einstweilen nur folgende Pralle an :
i) Eine Frucht von Striatum, befruchtet durch Capivary und Embira, lieferte
6 Sämlinge von Striato-Capivary, 3 Sämlinge von Striato-Embira.
2) Eine Frucht des Capivary-Abutilon IV, befruchtet durch Embira und
Striatum, lieferte i Sämling Capivary-Embira, 5 Sämlinge Capivary-striatum.
3) Eine Frucht des Capivary-Abutilon V, ebenso befruchtet, lieferte 3 Säm-
linge Capivary-Embira, 5 Capivary-striatum.
4) Eine Frucht des Capivary-Abutilon VI, ebenso befruchtet, gab 6 Capivary-
Embira, 5 Capivary-striatum.
5) Eine Frucht derselben Pflanze, ebenso befruchtet, gab 5 Sämlinge Capivary-
Embira, 20 Capivary-striatum.
Bestäubungsversuche an Ahutilon-Arten.
421
/\ 0 0
~~<y\
/ V°
0/ \
/• \
/ •
Oo§/
\ 0 /
\ • 0 1
•\ 0 0 /
\ / 0
oo\/
ooy
In Betreff der vier ersten Fälle muss ich bemerken, dass ich versäumt hatte,
die zu dicht stehenden Pflänzchen rechtzeitig zu verpflanzen, und dass daher die
Mehrzahl bei einer anhaltenden Trockniss zu Grunde ging; die oben gegebene
Zahl der übrig gebliebenen ist zu gering, um weitere Betrachtungen daran zu
knüpfen. Dagegen verdient der fünfte Fall noch eine besondere Besprechung.
Ich hatte in diesem Falle die Samen jedes Faches besonders ausgesät und dabei
die Ordnung, in der die Fächer aneinander stiessen, bemerkt. Die Sämlinge
aus einem der 8 Fächer sind leider alle jung umgekommen. Ich stelle das Er-
gebniss wohl am anschaulichsten in einer Figur dar, in welcher schwarze Kreise
die Bastarde Capivary - Embira , weisse
Kreise die Bastarde Capivar3'^-striatum vor-
stellen mögen. Man sieht, der Blüthen-
staub von Embira hat seine Einwirkung
auf vier Fächer beschränkt, wahrschein-
lich dieselben, deren Narben mit ihm be-
legt worden waren, während der Blüthen-
staub des Abutilon Striatum seinen Ein-
fluss über die ganze Frucht ausgedehnt hat ^). Ich stelle daneben eine Figur,
welche die Zahl der Samen in den einzelnen Fächern der Frucht zeigt, von der
diese Sämlinge stammen. Die 4 Fächer rechts sind samenreicher (32), als die
4 Fächer links (23). Die Zahl der Eichen bei diesem Abutilon ist 8 bis 9 im
Fach; in 2 oder 3 Fächern der rechten Seite sind also sämmtliche Eichen be-
fruchtet w^orden. Ob die samenreichen Fächer die sind, auf welche zweierlei
Blüthenstaub einwirkte, kann ich leider nicht sagen. Man lernt ja gewöhnlich
erst im Verfolg einer Untersuchung alle Umstände kennen, auf die zu achten
von Werth sein kann. Wenn aber Früchte, durch Blüthenstaub zweier fremder
Arten erzeugt, sich samenreicher erwiesen, als solche, die dem Blüthenstaube der
einen oder andern dieser beiden Arten ihre Entstehung verdankten, so scheint
es allerdings wahrscheinlich, dass in diesen Früchten diejenigen Fächer, auf welche
zweierlei Blüthenstaub einwirkte, mehr Samen enthalten werden als die, in welchen
nur einerlei Blumenstaub sich geltend machte.
Die Thatsache, dass bei Abutilon aus solchen Früchten zweierlei Bastarde
hervorgehen, scheint eine einfache Erklärung für deren grösseren Samenreichthum
zu bieten und eben deshalb möchte ich diesen nicht für blos zufällig halten. Der
Mangel an „Wahlverwandtschaft", um mich des bequemen Ausdrucks von Gärtner
zu bedienen, giebt sich nicht selten, besonders bei völlig unfruchtbaren Ver-
bindungen, schon auf der Narbe kund, indem Narbe und Blüthenstaub entweder
gar nicht oder feindlich -), oder unvollkommen, wenige oder nicht ins Narben-
i) Es ist durch Gärtner bekannt, dass man von einer einzigen Narbe aus alle Fächer eines mehr-
fächrigen Fruchtknotens befruchten kann ; bei dem Abutilon vom Capivary habe ich dasselbe beobachtet.
Die Verschmelzung getrennter Carpelle zu einem einzigen Fruchtknoten ist daher nicht bloss ein „morpho-
logischer Fortschritt", sondern von wesentlichem Nutzen für die Befruchung der Pflanzen.
2) Diese „tödtliche Bestäubung", wie er sie nennt, scheint zuerst Gärtner an Lychnis diurna nach
Bestäubung mit Pollen von Saponaria officinalis, Silene bellidiflora und Lychnanthus volubilis beobachtet zu
haben. Häufig ist sie bei den Vandeen (Oncidium, Burlingtonia, Gomeza, Notylia u. s. w.) nach Be-
stäubung mit eigenem Blüthenstaub, wie auch nach Bestäubung von Oncidium flexuosum mit Pollinien von
Notylia.
A22 Bestäubungsversuche an Abutilon-Arten.
gewebe eindringende Pollenschläuche entwickelnd, auf einander einwirken; in
andern Fällen macht sich derselbe erst nach der Befruchtung der Eichen geltend,
indem die Samen vor der Reife vertrocknen oder der Embryo sich nur unvoll-
kommen entwickelt. In der Mehrzahl der Fälle aber, in denen die Einwirkung
zeugungskräftigen Blüthenstaubes auf eine empfängnissfähige weibliche Unterlage
eine hinter der normalen zurückbleibende Samenzahl erzeugt, dürfte dies davon
abhängen, dass nur ein Theil der Eichen befruchtet wird. Dass aber einige Eichen
eines Fruchtknotens von Blüthenstaub einer fremden Art befruchtet werden,
andere nicht, deutet auf eine Verschiedenheit der Eichen oder, mit Gärtner zu
reden, darauf hin, dass nicht alle die gleiche Wahlverwandtschaft zu dem fremden
Blüthenstaube besitzen. Kommen nun Pollenschläuche von zwei fremden Arten
gleichzeitig im Fruchtknoten an, so werden es wahrscheinlich nicht immer die-
selben Eichen sein, die für beiderlei Arten sich unempfänglich erweisen ; manche,
die von der ersten Art nicht befruchtet worden wären, werden es durch die
zweite und umgekehrt, wodurch denn natürlich eine grössere Zahl von Samen
erzeugt wird, als durch jede einzelne der fremden Pollenarten.
Nach Kölreuter's und Gärtner's Erfahrungen soll, wenn eine zur Befruchtung
hinreichende Menge eigenen Blüthenstaubes und gleichzeitig fremder Blüthen-
staub auf die Narben gebracht wird, „der eigene Befruchtungsstoff nur allein an-
genommen, der fremde hingegen gänzlich verdrungen und von der Befruchtung
ausgeschlossen" werden. (Gärtner, Bastarderzeugung S. 34.) Auch dies gilt
wenigstens nicht immer für Abutilon. Ich habe an Blumen des Capivary-Abutilon
eine Narbe mit Blüthenstaub der eigenen Art, die übrigen mit Blüthenstaub von
Abutilon striatum oder Embira bestäubt. Die Bestäubung der einen Narbe würde
ausgereicht haben, eine ziemlich samenreiche Frucht zu liefern ; so erhielt ich von
einer Blume der Pflanze II, in welcher eine einzige Narbe mit Blüthenstaub der
Pflanze I bestäubt wurde, eine Frucht mit 54 Samen (5, 4 im Fach), eine der
reichsten Früchte, die ich von dieser Pflanze erntete. Allein aus der „gemischten
Bestäubung" ging dennoch nicht blos die reine Art hervor. So wurde an einer
Blume der Pflanze V eine Narbe mit Blüthenstaub der Pflanze II, die sieben
übrigen Narben mit Blüthenstaub von Embira bestäubt; aus dem Samen der so
erhaltenen Frucht habe ich 10 Sämlinge gezogen, von denen g Bastarde (Abutilon
Capivary-Embira) sind und nur einer der reinen Art (Abutilon vom Capivary)
angehört.
Nach der Meinung Kölreuter's und Herbert's sollen „bei einer Vereinigung
einer geringen Menge des eigenen mit einer grösseren eines fremden Befruch-
tungsstoffs" Varietäten (Kölreuter's „Tincturen oder halbe Bastarde") hervor-
gebracht werden können, die „zwar keine wirklichen Hybriden wären, aber in
einem gewissen Grade von der natürlichen Form abweichen". Gärtner bestreitet
diese Möglichkeit aufs Entschiedenste. Bei der Leichtigkeit, mit der sich bei
ihnen zweierlei Samen in derselben Frucht erzeugen, dürften die in Gärten jetzt
so zahlreich vertretenen Abutilon-Arten besonders geeignet sein, solche „Tincturen"
entstehen zu lassen, deren MögHchkeit ich trotz allen Versuchen und Gegen-
gründen Gärtner's nicht von vornherein in Abrede stellen möchte. Der Blüthen-
staub wirkt ja nicht nur auf die Eichen, sondern, wie u. A. Hildebrand's Ver-
Bestäubungsversuche an Abutilon-Arten. 42^
suche an Orchideen beweisen, auch auf den ganzen Fruchtknoten. Dass aber ein
Fruchtknoten, auf den zweierlei Blüthenstaub eingewirkt, eine der EigenthümHch-
keit der beiden Pollenarten entsprechende Rückwirkung äussern könne auf die
in ihm reifenden Samen, scheint mir nicht unwahrscheinlich, wenn ich an das
bekannte Beispiel von Lord Morton's arabischer Stute denke, die von einem
Quagga-Hengste einen Bastard geboren hatte und später von einem schwarzen
arabischen Hengste zwei Füllen warf, deren Beine noch deutlicher gestreift waren,
als die des Bastards, ja als die des Quagga selbst.
Auch in dieser Beziehung dürften daher weitere Versuche an Abutilon-
Arten über den Erfolg der gleichzeitigen oder successiven Bestäubung mit ver-
schiedenen Pollenarten wünschenswerth erscheinen.
Itajahy, Sa. Catharina, Brazil,
im Januar 187 i.
Bestäubungsversuche an Abutilon^).
IL Beispiele von Unfruchtbarkeit als Folge zu naher Verwandtschaft.
Mit 4 Textfiguren.
Die völlige Unfruchtbarkeit gewisser Pflanzen mit Blüthenstaub derselben
Blume (Corydalis cava) oder selbst aller Blumen desselben Stocks (Arten von
Abutilon, Bignonia, Oncidium u. s. w.) bildet nur einen besonderen Fall
des Gesetzes, dass Selbstbestäubung minder kräftige Nachkommenschaft liefert,
als Kreuzung. Und dieses Gesetz, für welches jede Blume einen Beleg bietet, die
durch Duft oder Farbenschmuck Bienen und Schmetterlinge zum Honiggenuss
und dadurch zur Vermittelung der Kreuzung einladet, ist wieder nur ein be-
sonderer Fall eines allgemeineren Gesetzes, dass nämlich enge Inzucht zwischen
nahen Verwandten nachtheilig wirkt; denn, als Einzelwesen betrachtet, sind ja
eben Staubgefässe und Stempel desselben Pflanzenstocks oder gar derselben
Blume die denkbar nächsten Verwandten. Eine noch allgemeinere Fassung lässt
sich letzterem Gesetze geben, wenn man in dasselbe die Verminderung der Frucht-
barkeit mit einschliesst, die in allen Graden bis zu völliger Unfruchtbarkeit ein-
tritt als Folge zu geringer Verwandtschaft der gekreuzten Pflanzen, also bei der
Bastardzeugung. Jede Pflanze, könnte man sagen, erfordert zur Erlangung
möglichst kräftiger und zeugungsfähiger Nachkommenschaft einen gewissen Betrag
von Verschiedenheit zwischen den sich vereinigenden männlichen und weiblichen
Zeugungsstoffen ; sowohl wenn dieser Betrag abnimmt (bei zu naher Verwandt-
schaft), als wenn er steigt (bei zu geringer Verwandtschaft) nimmt die Frucht-
barkeit ab. Die vollständige Uebereinstimmung zwischen „illegitimen" Spröss-
lingen dimorpher und trimorpher Pflanzen einerseits und den Bastarden ver-
schiedener Arten andrerseits berechtigt wohl zu einer solchen Zusammenfassung
der beiden durch entgegengesetzte Ursachen bedingten Arten der Unfruchtbar-
keit unter einen gemeinsamen Gesichtspunct. Selbstverständlich soll damit das
thatsächlich Gegebene nur ausgesprochen, nicht aber erklärt sein. Ebenso soll
damit natürlich nur eines der vielen, die grössere oder geringere Fruchtbarkeit
einer Verbindung bedingenden Verhältnisse ausgesprochen sein.
Je grösser bei einer Art die zur Erzielung des höchsten Grades der Frucht-
barkeit erforderliche Verschiedenheit der Zeugungsstoffe ist, um so grösser wird
i) Jen. Zeitschrift für Natui-wissenschaft 1873. 7. Jahrg. S. 441 — 450.
Bestäubungsversuche an Abutilon. 4 2S
im Allgemeinen — (ceteris paribus) — die Verschiedenheit der Pflanzen sein
sein dürfen, die überhaupt noch Nachkommen mit einander zeugen können. Mit
anderen Worten: Arten, die mit Blüthenstaub desselben Stockes völlig und selbst
mit Blüthenstaub nahe verwandter Stöcke mehr oder weniger unfruchtbar sind,
werden im Allgemeinen besonders leicht durch Blüthenstaub anderer Arten sich
befruchten lassen. Die selbst unfruchtbaren, dagegen zur Bastardbildung so
überaus geneigten Arten der Gattung Abutilon liefern ein gutes Beispiel zu
diesem Satze, der auch bei Lobelia, Passiflora, Oncidium sich zu be-
stätigen scheint.
Ich will diese allgemeinen Betrachtungen hier nicht weiter fortsetzen. Die-
selben sollten nur andeuten, in welchem Sinne und in welchem Zusammenhang
ich die im Folgenden mitzutheilenden Beispiele von Unfruchtbarkeit zwischen
nahen Verwandten aufgefasst zu sehen wünschte.
Im Folgenden bezeichnen A, C, E, F, M, P sechs einheimische Abutilon-
Arten, von denen ich C als Abutilon vom Capivary, E als Embira branca, F als
Abutilon vom Pocinho schon in einem früheren Aufsatz erwähnt habe ^). Das
Abutilon vom Capivarj'- ist von Fenzl Abutilon Hildebrandi getauft worden. Die
Namen der übrigen Arten hoffe ich später mittheilen zu können. Mit S ist Abu-
tilon striatum, mit V Abutilon vexillarium bezeichnet. Zur Bezeichnung der ein-
fachen Bastarde sind die Buchstaben der stammelterlichen Arten ohne weiteres
Zeichen nebeneinander gestellt, und zwar die mütterliche Art voran. So bezeichnet
EF einen Bastard, dessen Mutter E, dessen Vater F ist. Bei Verbindungen dieser
einfachen Bastarde unter sich oder mit einfachen Arten ist ein Punct zwischen
das vorangehende Zeichen der Mutter und das nachfolgende des Vaters gesetzt;
F.CF hat also F zur Mutter, CF zum Vater, CE.S hat CE zur Mutter, 6' zum
Vater. Die Zahlen rechts unten neben den Buchstaben bezeichnen die einzelnen
Stöcke einer Art oder eines Bastards. FS^, FS.2, FSs sind also z. B. drei ver-
schiedene Stücke des Bastards FS.
I. C (Abutilon Hildebrandi, Fenzl),
Von dieser Art habe ich bereits einige Fälle mitgetheilt, in denen Befruch-
tung durch die nächsten Verwandten zwar reichlichen Samen, aber nur wenige
schwächHche Nachkommenschaft erzeugte^). c,,
Ein weiteres Beispiel lieferten meine Versuche c
im Jahre 187 i. Die Verwandtschaf tsverhält- <5
nisse der betheiligten Pflanzen erhellen aus
nebenstehender Uebersicht.
Aus Samen einer Frucht der am
oberen Capivary wildwachsenden Pflanze
Co wurden die Geschwister C, C", C^, Cj,
gezogen. Cr, hat C, zur Mutter, C" zum
Vater; C,-. hat zur Mutter C", zum Vater
C; endlich die Geschwister C7, Q, C9 haben
1) Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft. 7. Jahrg. S. 22. = Ges. Schriften S. 405.
2) Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft. 7. Jahrg. S. 40. = Ges. Schriften S. 418.
426
Bestäubungsversuchc an Abutilon.
C5 zur Mutter, C3 zum Vater. Die mit eigenem Blüthenstaub völlig unfrucht-
bare Pflanze C^ wurde nun befruchtet mit Blüthenstaub ihrer Geschwister
C's und Cc,, ihrer Mutter Q, ihres Vaters C\ und der minder nahe verwandten
Pflanze Q. Im Samenertrage zeigte sich keine erhebliche Verschiedenheit. Am
17. Februar 1872 wurden je 30 Korn dieser fünferlei Samen gesät. Die durch
Blüthenstaub des Vaters Cg und des Bruders C, erzeugten Samen gingen gar
nicht auf. Von den durch Blüthenstaub der Mutter C5 erzeugten Samen keimten
zwei oder drei, aber die Pflänzchen gingen schon nach wenigen Tagen wieder
ein. Zahlreichere Pflanzen entsprossten den durch Cg und Q erzeugten Samen.
Erstere, die Kinder des Bruders Q, wuchsen sehr kümmerlich; nach vier Monaten
waren die größten kaum zollhoch, die kleinsten dagegen der durch Blüthenstaub
von Q erzeugten mindestens doppelt so hoch.
IL Bastard CE.S.
El und Eo sind zwei wilde Pflanzen, die ich in meinen Garten versetzt habe,
£3 ein in meinem Garten aufgegangener Sämling, der wahrscheinlich E^ zur Mutter,
E.2 zum Vater hat. Das Uebrige er-
giebt nebenstehende Uebersicht.
Bestäubung des Bastards CE.S
mit C-E4, CEg, Eg und 6' lieferte samen-
reiche Früchte 1). Die Samen wurden
am 6. September auf demselben Beete
ausgesät. Zuerst keimten, nach 13
Tagen, die durch CEg und E-^ erzeug-
CE.S ten, — dann, nach 15 Tagen, die durch
den Vater S, — zuletzt, nach 18 Tagen, die durch die Mutterpflanze CE^ er-
zeugten Samen. Von den drei ersteren erschienen zahlreiche Pflanzen, von den
durch CE^^ erzeugten 46 Samen keimten nur 5, und diese 5 Pflänzchen wachsen
bis jetzt (Ende October) sehr kümmerlich; kaum kräftiger sind die durch 6* er-
zeugten; am besten von allen gedeihen die durch CE^ erzeugten und ihnen
kommen die durch E-^ erzeugten nahe.
III. Bastard KCF.
Die Geschwister CF^ und CF2 haben zur Mutter Q, zum Vater F, die Ge-
schwister F.CFi und F.CF2 zur Mutter F, zum Vater CF^.
i) Gärtner (Bastardzeugung S. 507) fand „zusammengesetzte Bastarde" d. h. solche, „deren
weibliche Unterlage ein fruchtbarer Bastard, der männliche Factor aber eine andere reine Art ist", meist
völlig unfruchtbar und dies namentlich in den Fällen, wo dieselben durch „vermittelnde Verwandt-
schaft" entstanden waren, d. h. zwei Arten enthielten, die direct nicht oder nur schwierig zu verbinden
waren, wie es in dem Bastard CE.S mit den Arten £ und S der Fall ist. Er fand ferner diese durch
vermittelnde Verwandtschaft entstandenen zusammengesetzten Bastarde „dem väterlichen Typus so sehr
ähnlich, dass sie nur Varietäten desselben zu sein scheinen". Die von ihm und Kölreuter beobachteten
derartigen Bastarde gehörten den Gattungen Nicotiana, Lobelia und Verbascum an. Für Abu-
tilon kann ich die von Gärtner aufgestellten Regeln nicht bestätigen. Die hierher gehörigen Bastarde
CE.S, EE.S und CS.E sind sänimtiich fiuchtbar und keineswegs ihren Vätern besonders ähnlich; in der
Biattforrn steht sogar CE.S der Mutter CE sehr viel näher als dem Vater S.
Cx
F
Q
V
n
CV,
/ CF,
d
/
\
J
1
F.CF^ F.CF2
Bestäubungsvci'suche an Abiitilon. 127
F.CF2 ist nun völlig unfruchtbar mit seinem Vater CR, ;
10 mit Blüthenstaub des letzteren bestäubte Blumen fielen ab, ohne
auch nur Frucht anzusetzen ; dagegen brachten 10 gleich-
zeitig^) mit Blüthenstaub des Oheims CF^^ bestäubte Blumen
ebenso viele Früchte mit keimfähigen Samen. Auch mit Blüthen-
staub der Mutter F, des Bruders F.CF^, sowie der Pflanzen A2, Q
und F.EFi lieferte F.CF^ keimfähige Samen. Mit eigenem Blüthen-
staube ist F.CF^ völlig unfruchtbar.
Umgekehrt fielen zwei Blumen von CF2 nach Bestäubung
mit F.CF.2 unbefruchtet ab, während zwei ebenso bestäubte Blumen von CF^
reife Früchte brachten, deren Samen leider durch Raupen aufgefressen waren.
Die Pflanze F.CFy, an welcher nur wenige Versuche gemacht wurden, scheint
sich ähnlich zu verhalten, wie ihr Bruder F.CF2.
IV. Bastard FS.
Von den Arten F und 6' besitze ich nur je eine Pflanze; die Bastarde FS^,
FS2, FSg und SF sind also sämmtlich Geschwister. Alle vier zeichnen sich aus
durch üppigen Wuchs (sie sind jetzt, ein Jahr nach der Aussaat, von mehr als
doppelter Manneshöhe) und durch grosse Fruchtbarkeit '^) ; ohne mein Zuthun, durch
Vermittlung der Kolibris, haben sie sich mit Hunderten von Früchten bedeckt.
Zu Bestäubungsversuchen wurde die Pflanze FS^ ausgewählt. 10 Blumen mit
Blüthenstaub desselben Stockes bestäubt, fielen unbefruchtet ab, während q Blumen
bestäubt mit F, 10 Blumen mit F.EF, 2 Blumen mit FV ebensoviele samenreiche
Früchte brachten. Auch mit A, mit EF, mit FE, mit AI2, mit S^, sowie mit ihren
Geschwistern FS2 und SF zeigte FSi sich fruchtbar. Die aus diesen verschiedenen
Kreuzungen hervorgegangenen Samen erwiesen sich, soweit sie ausgesät wurden, als
keimfähig, darunter auch die durch Bestäubung mit SF erhaltenen. Völlig un-
fruchtbar dagegen zeigte sich die Pflanze FS\ mit ihrem Bruder FS^ ; sieben mit
dessen Blüthenstaube bestäubte Blumen fielen unbefruchtet ab.
Um zu ermitteln, ob die Unfruchtbarkeit dieser beiden Geschwister eine
gegenseitige sei, wurde auch an FSs eine Reihe von Versuchen gemacht. 4 Blumen
mit A, I Blume mit FV, 5 mit FS^, 5 mit SF bestäubt lieferten ebensoviele Früchte;
ebenso erhielt ich Früchte mit gutem Samen von der Mehrzahl der mit F, FP,
M und 6* bestäubten Blumen, dagegen nicht eine einzige Frucht von 5 Blumen,
die mit Blüthenstaub von FSi bestäubt wurden.
i) D. h. es wurden gleichzeitig nicht alle 20 Blumen, sondern jedesmal eine Blume mit CF^ und
zugleich eine andere mit (7/^ bestäubt.
2) Soweit meine Erfahrung reicht, sind überhaupt die am üppigsten wachsenden Bastarde auch die
fruchtbarsten. Auch nach Gärtner's so ungemein reichen, ein Vierteljahrhundert umfassenden Erfahrungen
, .zeigen gerade diejenigen Bastarde, bei welchen man die meiste Fruchtbarkeit bemerkt hat, unter allen
die stärkste Luxuriation in allen Theilen" (Bastardzeugung S. 529). Dass umgekehrt kümmerlich wachsende,
zwerghafte Bastarde völlig unfnichtbar zu sein pflegen, ist bekannt. Den üppigen Wuchs so vieler Bastard-
pflanzen ihrer Unfruchtbarkeit zuzuschreiben, wieKölreuter wollte, und darin „un cas tres — remarquable d'appli-
cation de la loi du balancement organique et physiologique" sehen zu wollen, wie noch ganz neuerdings
Quatrefages es thut (Charles Darwin et ses precurseurs fran(,ais. 1870. S. 246. Anm.), ist hiernach (und aus
anderen von Gärtner a. a. O. entwickelten Gründen) durchaus unstatthaft.
428
Bestäubungsversuche an Abutilon.
Der Blüthenstaub von IS^, der I S^ nicht zu befruchten vermochte, erzeugte
Früchte mit reichlichen keimfähigen Samen an den Pflanzen CP, EF2, ET\, F,
f.EFi, S und SV; ebenso befruchtete der auf den Narben von FS^ wirkungslose
Blüthenstaub von FS^ die Pflanzen CV, EJ\, F.FEo, P und S.
V. Bastard IP.
Die beiden Geschwister FPi und FP^ scheinen ebenso unfruchtbar mit
einander zu sein, wie FS^ und PS^; zwei Blüthen von FPo, bestäubt mit FPi
fielen unbefruchtet ab ; ebenso vier von den fünf mit FP2 bestäubten Blumen der
Pflanze PPi; auch die Frucht, welche die fünfte dieser Blumen angesetzt
hatte, fiel jung ab. Dagegen lieferten beide Pflanzen Früchte und keimfähige
Samen mit dem Blüthenstaub ihrer Eltern F und P; ausserdem f P^ mit A, CS^
und CV. — Der Blüthenstaub beider Pflanzen ist zeugungskräftig; denn er er-
zeugte keimfähige Samen an den Pflanzen CV, EV^, F, Mj^ und Jf,- An der
Pflanze P, dem Vater von FP^^ und FP2, erhielt ich von fünf mit Blüthenstaub
dieser Kinder bestäubten Blumen nur eine, ziemlich samenreiche Frucht, deren
Samen noch nicht auf ihre Keimfähigkeit geprüft wurden,
VI. Bastard P.EF.
Die vier Pflanzen EF.F^, EFP^, P.Et^ und F.EF^ sind Geschwister; sie
haben dieselben Eltern F und EP^. —
Neun Blumen von P .EF^, bestäubt mit Blüthenstaub anderer Blumen des-
selben Stocks, lieferten keine einzige Frucht. Zwanzig Blumen von F.EF^, bestäubt
mit Blüthenstaub der Geschwister F.EI'2, EF.F^ und EF.l'2, brachten drei Früchte
mit durchschnittlich 1,3 Samen im Fach; die samenreichste der drei Früchte hatte
durchschnittlich 2,2 Samen im Fach.
Dagegen gaben
10 Blumen von FEF, bestäubt mit FE^ und FE^
II _ . . EF2 und EFs
10 ' . . F
6 .... , F.CF, und FCF2
I FS,
Der geringe Erfolg der Bestäubung mit dem Blüthenstaub der Geschwister
lag nicht etwa an der schlechten Beschaffenheit dieses Blüthenstaubes, der sich
10 Früchte mit
10
9
6
I Frucht mit
4.5
4,6
47
4,5
4,7
Bestäubungsversuche an Abutilon. ^2q
an anderen Pflanzen vollkommen zeugungskräftig- erwies; der Blüthenstaub von
F.EF2 erzeugte samenreiche Früchte an der Pflanze F8^, der von EF.F^^ an FE^,
der von EF.F.2 an F. Auch der Blüthenstaub von F. EFy erzeugte zahlreiche
und, soweit sie ausgesät wurden, sich keimfähig erweisende Samen an den Pflanzen
F, FCF., FS^ und FS^. —
Die durch F.EF^ erzeugten Samen von F.EF^ haben übrigens gekeimt und
kräftige Pflanzen gegeben, die bis jetzt im Wachsthum mit den durch EF2, durch F,
durch F.CF2 und durch FS^ erzeugten gleichen Schritt halten.
VII. Bastarde EF und FE.
Die Verwandtschaftsverhältnisse der betreffenden Pflanzen erhellen aus der
bei FEE gegebenen Uebersicht.
vSowohl die Geschwister EF2 und EF^, als ihre Halbgeschwister EF^, FE^
und FE2 wetteifern in üppigem Wuchs und Fruchtbarkeit mit den Bastarden FS
und SF^). — Als Versuchspflanzen dienten die Halbgeschwister EF^ und FE^.
Dieselben sind unfruchtbar mit einander. Sieben Blumen von EF^ lieferten mit
Blüthenstaub von FE^ keine, 10 Blumen von FE^ mit Blüthenstaub von EF.2
eine einzige sehr dürftige Frucht, die in 15 Fächern nur 11 Samen enthielt. Die
Samen scheinen taub zu sein, haben wenigstens, vor 18 Tagen ausgesät, noch
nicht gekeimt.
Auch mit Blüthenstaub von FE^ zeigten sich beide Versuchspflanzen un-
fruchtbar; 10 Blumen von FE2 gaben mit Blüthenstaub von FE^ gar keine,
4 Blumen von EF^ eine einzige dürftige Frucht mit nur 8 Samen in 1 1 Fächern
und diese Samen erwiesen sich bei der Aussaat als taub.
Dagegen erzeugte der Blüthenstaub von EF^ ziemlich reichlichen Samen-
ertrag, sowohl bei seinem Bruder EF2, als bei seinem Halbbruder FE2 ; 1 2 Blumen
von EF2 gaben, mit EF^ bestäubt, 10 P>üchte mit durchschnittlich 3, 5 Samen und
10 Blumen von FE2, ebenso bestäubt, 9 Früchte mit durchschnittlich 4, 2 Samen
in einem Fache.
Mit allen sonstigen Arten und Bastarden, mit denen sie bestäubt wurden,
zeigten sich beide Pflanzen fruchtbar ; so EF2 mit E, EF. V, F, FS, M und FS,
sowie FE2 mit ÜV, EF.F, EFS, E.FV, EV, F, FS und M.
I) „Wenn zwei Arten fruchtbare Bastarde erzeugen, so müssen wir sie in eine Art zusammen-
ziehen" sagt Professor Keferstein in seinem „Berichte über die Fortschritte der Generationslehre im Jahre
1867" (S. 190). Diese Forderung des Berichterstatters dürfte wohl kaum unter die ,. Fortschritte in der
Generationslehre" zu zählen sein. Schon Gärtner war über diesen Standpunct weit hinaus. So sagt er,
um nur eine der vielen bezüglichen Stellen seines Buches anzuführen (Bastardzeugung, S. 382): „Knight
hat behauptet, dass die Fruchtbarkeit eines Bastards ein directer Beweis davon seie, dass die beiden Eltern
zu der nämlichen Species gehören, und dass ein steriler Bastard von verschiedenen Arten abstamme. —
Im Folgenden wird sich aber die Unrichtigkeit des von Knight behaupteten Satzes unzweideutig ergeben." —
Nach alle dem, was schon Gärtner und was später Darwin über diesen Gegenstand gesagt, bedarf derselbe
keiner erneuten Besprechung. Ich möchte nur Herrn Professor Keferstein fragen, in welcher Weise er
seine kategorische Forderung ausführen würde, wenn zwei Arten {E und S) zwar mit derselben dritten
{F) fruchtbare Bastarde {EF, FE, FS, >SF) erzeugen, nicht aber unter sich. — Oder wenn zwei direct
nicht zu fruchtbaren Bastarden vereinbare Arten {E und S) sich durch Vermittlung einer dritten Art (C
oder F) zu fruchtbaren Bastarden (CE.S, EF.S, CS.E) verschmelzen lassen. —
,TQ Bestäubungsversuche an Abutilon.
Umgekehrt befruchtete Blüthenstaub von EF.2 und FE^^ fast alle Pflanzen,
an denen er versucht wurde; so der von EF^ die Pflanzen C-, CP, CV, EF.8,
FSi, SV und der von FE, die Pflanzen F, F.EF, und FS^. —
Es beweisen die eben mitgetheilten Beispiele, dass bei den Bastarden von
Abutilon und wahrscheinlich ganz ebenso bei den reinen Arten dieser Gattung
ziemlich häufig Fälle mehr oder minder vollständiger Unfruchtbarkeit zwischen
nahe verwandten Pflanzenstöcken, zwischen Eltern und Kindern, zwischen Ge-
schwistern und selbst Halbgeschwistern vorkommen. Ist die oben ausgesprochene
Auffassung des Zusammenhanges zwischen Verwandtschaft und Fruchtbarkeit
richtig, so darf man hoffen, ähnliche Beispiele durch zu nahe Verwandtschaft ver-
minderter Fruchtbarkeit auch bei anderen Pflanzen nachweisen zu können, wird
aber völlige Unfruchtbarkeit zwischen Verwandten nur bei solchen Arten zu finden
erwarten dürfen, die wie Abutilon mit Blüthenstaub desselben Stockes un-
fruchtbar sind.
Die üblen Folgen der Inzucht, die sich, wie Abutilon zeigt, schon bei der
ersten Verbindung zu nahe verwandter Pflanzen bis zu völliger Unfruchtbarkeit
steigern können, sind bei allen bisherigen und namentlich auch bei Gärtners
„Versuchen und Beobachtungen über die Bastardzeugung im Pflanzenreich" un-
berücksicht geblieben, und es bedürfen daher mehrere der aus diesen Versuchen
abgeleiteten Sätze einer Nachprüfung. Dies gilt z. B, von dem Satze, dass Bastarde
„niemals so viele vollkommene und keimfähige Samen erzeugen, als ihre Stamm-
eltern" (Gärtner a. a. O. S. 540). Ebenso von dem Satze, „dass der stammelterliche
Pollen auf die Bastarde kräftiger wirkt, als der eigene" (Gärtner a. a. O. S. 425).
In keinem einzigen der vielen von Gärtner für beide Sätze angeführten FäUe ist
aus seinem Buche zu ersehen, ob die geringere Fruchtbarkeit der Bastarde, ob
die minder kräftige Wirkung des Bastardpollens Folge gewesen sei der Bastard-
natur oder nicht vielmehr zu naher Verwandtschaft der gekreuzten Pflanzen.
Kaum findet sich bei Gärtner ein Fall, der schlagender die Richtigkeit des zweiten
Satzes zu beweisen scheint, als die oben erwähnte Pflanze F .EF^, an welcher 29
theils mit Blüthenstaub desselben Stocks, theils mit dem von F.EF^, EFF^ und
EFF2 bestäubte Blumen nur drei dürftige Früchte, dagegen 31 mit „stammelter-
lichem Pollen" (von F, EF^, EF^, FE^, FE^) bestäubte Blumen 2g Früchte brachten,
die mehr als dreimal so samenreich waren, als jene. Und doch beweist die
Fruchtbarkeit dieser Pflanze mit andern Bastarden {J^S und F.CF), sowie die
kräftige Wirkung ihres Blüthenstaubes und des Blüthenstaubes ihrer Geschwister
auf zahlreiche andere Pflanzen, dass der überaus dürftige Samenertrag der Pflanze
F.EFy nach Bestäubung mit J^.EF^, EF.F^ und EF.F^ nicht davon herrührte, dass
diese Pflanzen Bastarde, sondern einzig davon, dass sie Geschwister sind. — Für
eine grosse Zahl von Bastarden ist allerdings die Richtigkeit beider Sätze ausser
Frage, für alle diejenigen nämlich, deren Geschlechtstheile mehr oder minder ver-
kümmert sind; für diese aber besagen sie nur, was sich ganz von selbst versteht
und ebenso für alle übrigen Pflanzen gilt, dass gesunde Geschlechtstheile und
Zeugungsstoffe zur Zeugung tauglicher sind, als verkümmerte, unvollkommen ent-
wickelte.
Bestäuhungs versuche an Abutilon. ^^j
Auch der Satz, diiss „die meisten fruchtbaren Bastarde in fortgesetzten Gene-
rationen in ihrem Zeugungsvermögen immer mehr und mehr abnehmen" (Gärtner
a. a. O. S. 418), bedarf einer neuen Prüfung. Es ist auf diesen Satz von Gegnern
Darwin's ganz besonderes Gewicht gelegt worden und Flourens glaubt mit dem-
selben eine scharfe Grenze zwischen Art und Abart ziehen zu können '). Während
Blendlinge mit unverminderter Fruchtbarkeit sich dauernd fortpflanzen, soll die
Fruchtbarkeit der Bastarde von Geschlecht zu Geschlecht abnehmen und bald
völlig erlöschen. Darwin hat bereits mit gewohntem Scharfblick die Vermuthung
ausgesprochen, dass diese vielfach beobachtete Abnahme der Fruchtbarkeit Folge
sei nicht der Bastardnatur, sondern zu enger Inzucht -') und ich freue mich in den
hier mitgetheilten Beispielen verminderter Fruchtbarkeit und völliger Unfruchtbar-
keit als Folge zu enger Inzucht bei Abutilon-Bastarden einen neuen Beleg
für die Richtigkeit der Vermuthung Darwin's bieten zu können ^).
Itajahy, October 1872.
i) „Toutes les varietes d'une meme espece sont fecondes entre elles d'une feconditc continue ; les
especes d'un meme genre n'ont entre elles qu'une fecondite bornee" Flourens, Examen du livre de
M. Darwin, pag. loi.
2) „I believe in nearly all these cases, that the fertility has been diminished . . . by too dose
interbreeding" Origin of species. 4*11 edition. pj^. 295.
3) Gerade in dem von Gärtner (a. a. O.) als Beleg seines i^atzes angeführten Falle des „sehr frucht-
baren Bastards Dianthus Armeria-deltoides" der sich Jahre lang in Gärtner's Garten von selbst aussäte,
dessen Fruchtbarkeit aber von Jahr zu Jahr abnahm und im zehnten Jahre völlig erlosch, ist es kaum
zweifelhaft, dass enge Inzucht stattgefunden hat. So viel aus Gärtner's Verzeichniss seiner Versuche zu er-
sehen ist (Bastardzeugung, S. 689), hat derselbe nur einmal, im Jahre 1829, vier Blumen (wahr-
scheinlich an derselben Pflanze) von Dianthus Armeria mit Dianthus deltoides bestäubt
und von diesen zwei Früchte geemtet.
Beiträge zur Kenntniss der Termiten^).
I. Die Geschlechtstheile der Soldaten von Calotermes.
Mit Taf. XXXVIII u. XXXIX.
Lespes hat unter den Arbeitern und Soldaten des Termes lucifugus
Männchen und Weibchen gefunden. Aeusserlich waren die beiden Geschlechter
nicht zu unterscheiden. Bei den weiblichen Arbeitern sah er Eierstöcke mit 12
bis 15 wenig getrennten Eiröhren, die in einen dickeren Eileiter mündeten. Die
beiden Eileiter verbanden sich zu einer kurzen Scheide. In den Eiröhren fand
sich keine Spur von Eiern, dagegen flüssiges Fett in Kügelchen von oft beträcht-
licher Grösse. Die männlichen Geschlechtstheile der Arbeiter waren äusserst gering
entwickelt: zwei kaum sichtbare Hoden, deren sehr feine Ausführungsgänge zu
einem gemeinschaftlichen Gange sich verbanden ; an letzterem sassen verkümmerte
Samenblasen. Waren schon bei den Arbeitern alle diese Theile sehr zart und
schwierig darzustellen, so fand dies in noch höherem Grade bei den Soldaten statt ^).
Hagen versuchte vergeblich bei Arbeitern verschiedener Termes- und
H od otermes- Arten innere Geschlechtstheile nachzuweisen-^) und ist trotz des
Zutrauens, welches ihm die Arbeit von Lespes zu verdienen scheint, der Meinung,
dass „die Angabe so auffälliger Thatsachen vor ihrer allgemeinen An-
nahme eine neue Bestätigung erfordert". Auch Gerstäcker ^) hält das Vorkommen
von Männchen und Weibchen unter den Arbeitern und Soldaten der Termiten
für „kaum g 1 a u b 1 i c h".
Weshalb die von Lespes beobachteten Thatsachen „so auffällig", weshalb die
Vertretung beider Geschlechter unter den Arbeitern und Soldaten der Termiten
„kaum glaublich" sei, haben Hagen und Gerstäcker nicht erörtert. Doch hat
wohl auch in diesem Falle, um mit Bates zu reden, „eine irrige Analogie mit den
gesellig lebenden Hymenopteren zu falschen Hypothesen geführt" ^), wie das so
vielfach in der Naturgeschichte der Termiten geschehen.
1) Jenaische Zeitschrift f. Naturwiss. 1873. Bd. VII. p. 333—340. Taf. XIX— XX.
2) Vergl. den Bericht von Hagen in Linnaea entomol. XII, S. 320 u. 322.
3) Ebenda, S. 22.
4) Lehrbuch der Zoologie von Peters, Carus u. Gerstäcker. II, S. 41.
5) Linn. entom. XII. S. 272.
Beiträge zur Kenntniss der Tenniten. ^-i-j
Mir schienen von vornherein die Angaben von Lespes sehr wahrscheinHch
und glaubwürdig. Bei den Hautflüglern Hegt die Brutpflege den Weibchen ob;
wenn bei ihnen ein besonderer Stand für die Brutpflege sich bildete, so war zu
erwarten, dass er von den Weibchen sich abzweigen, aus verkümmerten Weibchen
bestehen werde. Bei den Termiten dagegen scheint es kaum zweifelhaft, dass
die besonderen Stände der Soldaten und Arbeiter nicht aus den geflügelten
Thieren, sondern aus deren Jugendzuständen hervorgegangen sind, und wenn dem
so ist, so liegt natürlich kein Grund vor für den Ausschluss eines der beiden Ge-
schlechter.
Theoretisch hatte ich also gegen die Angaben von Lespes keinerlei Be-
denken. Allein, wie Hagen, habe ich bis jetzt bei Arbeitern und Soldaten
mehrerer, sehr verschiedenen Gruppen der Gattung Termes angehörender Arten
vergeblich nach sicher als Hoden oder Eierstock zu deutenden Spuren innerer
Geschlechtstheile gesucht, und obwohl ich keines besonderen Geschicks im Zer-
gliedern mich rühmen darf, also auf mein Nichtfinden grosses Gewicht zu legen
kaum berechtigt war, fingen doch leise Zweifel an der Richtigkeit der Beobach-
tungen von Lespes sich zu regen an. Um so erfreuter war ich, seine schöne
Entdeckung bei den Soldaten der Gattung Calotermes vollständig bestätigen
zu können. Die inneren Geschlechtstheile sind bei diesen Soldaten weit weniger
verkümmert, als bei Termes lucifugus, und kaum minder entwickelt, als bei
den geflügelten Männchen und Weibchen ; ja bei zwei Arten ist das Geschlecht
der Soldaten sogar äusserlich zu erkennen.
Zur Vergleichung schicke ich die Beschreibung der Geschlechtstheile der
geflügelten Männchen und Weibchen von Calotermes Canellae n. sp. ^) voraus.
Jeder der beiden Eierstöcke (Fig. i) besteht aus 6 bis 7 spindelförmigen
Eiröhren, die dem Ende eines kurzen weiten Eileiters aufsitzen. Zwei oder drei
der Eiröhren zeichnen sich vor den übrigen meist durch grössere Dicke und weiter
entwickelte Eier aus. Wie überhaupt bei den geflügelten Termiten weibchen sind
selbst die am weitesten vorgeschrittenen Eier noch weit von der Reife entfernt;
die grössten erreichen selten mehr als Vs ^^^ Länge der reichlich i mm langen
reifen Eier (Fig. 5) und treten eben in die Entwicklungsstufe, auf welcher feine
Körnchen den bis dahin durchsichtigen Dotter zu trüben und das Keimbläschen
der sich in die Länge erstreckenden Eier zu verdecken beginnen (Fig. 4). Die
kurzen Eileiter, deren Länge übrigens bedeutenden Schwankungen unterliegt, ver-
einigen sich zur Scheide, deren äussere Oeffnung von unten her durch das grosse
sechste Bauchschild verdeckt wird. Nicht weit vom Ausgange der Scheide liegt
die sehr dickwandige Samenblase (Fig. 2 u. 3). Sie fällt sofort ins Auge durch
die dicke dunkelgefärbte Haut, welche ihre Höhlung auskleidet. Das Ende dieser
I) Calotermes Canellae n. sp. steht dem C. verrucosus Hag. sehr nahe, unterscheidet sich
aber leicht durch geringere Grösse und durch die Zahl der Adern im Randfelde der Flügel.
Calotermes Canellae.
Länge mit den Flügeln : lo mm
Vorderflügel mit 2\ Ader im
Hinterflügel mit i/ Randfelde
C. verrucosus.
14 mm
f Ader im Randfelde
ohne J
C. Canellae lebt hauptsächlich im Holze der Canella preta, seltner in Guamirim, Ceder
und Guarajuva.
Fritz Müllers gesaniuieltc Scbiiftfii.
28
., . Beiträge zur Keiintniss der Termiten.
Höhlung ist mehr oder weniger gekrümmt; in der ^Nlitte ist dieselbe mehr oder
weniger aufgetrieben und verjüngt sich dann zu einem engen Ausführungsgange.
Zwischen Scheide und Mastdarm liegt eine sehr ansehnliche Kittdrüse („glande
sebifique" Lespes), aus dicht zusammengeknäuelten, schwer zu entwirrenden Röhren
gebildet. Man kann an ihr den gemeinsamen Ausführungsgang, zwei zu diesem
sich vereinigende Hauptäste und an jedem der letzteren 4 bis 7 Zweige unter-
scheiden. Bei dem geflügelten Weibchen von Calotermes rugosus Hag.
gabelt sich der Stamm nur zweimal, so dass die Drüse aus nur vier langen ver-
knäuelten Röhren besteht. Die Kittdrüse von Calotermes gleicht also weit
mehr der von Lespes beschriebenen „glande sebifique" des Ter m es lucifugus,
als der von Hagen als Samenblase gedeuteten baumförmigen Drüse mit zahl-
reichen kurzen gekrümmten Aesten, die derselbe bei der Königin von Termes
nigricans und dem geflügelten Weibchen von T. dirus fand.
Die Hoden der geflügelten Männchen von Calotermes Canellae
(Fig. 6 — 13) lassen sich einer Hand mit 3 bis 6 meist kurzen Fingern vergleichen.
Ihre sehr wechselnde Gestalt mögen die Abbildungen veranschaulichen. Die
beiden Hoden desselben Thieres pflegen einander in Grösse, Zahl, Länge und
Stellung der Finger sehr ähnlich zu sein. In den Fingern sieht man stark licht-
brechende Kerne, in der Hand grössere, runde, durchsichtige Zellen, deren Kerne
in frischem Zustande wenig hervortreten. Wie die Eierstöcke scheinen sie noch
weit von der Reife entfernt zu sein. Die Ausführungsgänge der Hoden, bis-
weilen dicht unter diesen zu einer kleinen Blase aufgetrieben (Fig. 6 u. 8), münden
in eine dickwandige, birnförmige Tasche, die sich in einen über dem achten
Bauchschilde sich öffnenden Gang fortsetzt.
Bei den Soldaten von Calotermes Canellae sind die Bauchschilder
des Hinterleibes wie die des geflügelten Männchens gebildet, das sechste nicht
vergrößert, das siebente und achte ungetheilt und letzteres mit zwei griffeiförmigen
Afteranhängen versehen. (Beim Weibchen ist bekanntlich das sechste Bauch-
schild vergrössert, das siebente und achte sind in je zwei kleine seitliche Platten
zerfallen und die Afteranhänge fehlen.) Ein äusserer Geschlechtsunterschied ist
nicht vorhanden oder doch kaum angedeutet. (Der Hinterrand des achten Bauch-
schildes schien mir bei den weiblichen Soldaten zwischen den Afteranhängen in
der Regel etwas tiefer ausgebuchtet zu sein, als bei den männlichen; vergl. Fig. 15
u. 16.)
Die inneren Geschlechtstheile der weiblichen Soldaten (Fig. 14) unterscheiden
sich von denen der geflügelten Weibchen ausser durch geringe Grösse fast nur
durch den Mangel der Samenblase, von der ich keine Spur habe finden können.
Im unteren Theile der Eiröhren sieht man meist grosse blasse Zellen, von denen
zwei die ganze Breite der Eiröhre einzunehmen pflegen, mit grossem Kern und
deutlichem Kernkörperchen. Mehrfach sah ich am Anfang jeder Eiröhre ein
Häufchen einer undurchsichtigen krümlichen Masse, die ich bei den geflügelten
Weibchen dieser Art ebensowenig bemerkt habe, als bei den Soldaten von Calo-
termes nodulosus und rugosus. Die Eileiter sind im Verhältniss viel länger
und dünner, als beim geflügelten Weibchen, die Kittdrüsen stets stark entwickelt.
Auch die Geschlechtstheile der männlichen Soldaten (Fig. 16 — 18) sind denen
der geflügelten Männchen durchaus ähnlich. Die Hoden zeigen ebenso mannich-
Beiträge zur Kenntniss der 'lermiten.
435
faltige, im Allgemeinen etwas schlankere Formen. Das Gewebe der Hand ist
bisweilen von dem der Finger kaum verschieden, kleinzellig, mit stark licht-
brechenden Kernen, In einem Falle (Fig. 17) sah ich den Hoden zu einem kleinen
birnförmigen Körper ohne alle Anhänge verkümmert; den zweiten Hoden fand
ich bei diesem Thiere nicht.
Bei Calotermes nodulosus Hag. und rugosus Hag., zwei merk-
würdigen nahe verwandten Arten, deren sehr eigenthümliche jüngste Larven uns
vielleicht in ähnlicher Weise die älteste noch lebende Insektenform zeigen, wie
die Nauplius die älteste Crustaceenform, sind die männlichen von den weib-
lichen Soldaten schon äusserlich an der Bildung des achten Bauchschildes zu
unterscheiden. Bei den männlichen Soldaten ist wie bei den geflügelten Männchen
der Hinterrand dieses Schildes zwischen den Afteranhängen kaum merklich aus-
gebuchtet (Fig. 21 u. 29), bei den weiblichen Soldaten dagegen (Fig. 20 u. 28)
tief ausgeschnitten und der dunkle dicke Chitinrand ist in der Mitte dieses Aus-
schnitts durch dünnere Haut ersetzt, — der erste Schritt zu dem Zerfallen dieses
Schildes in zwei seitliche Platten, welches die geflügelten Weibchen zeigen.
Die männlichen Soldaten scheinen wenigstens in manchen Gesellschaften von
C. nodulosus weit häufiger zu sein, als die weiblichen. Einmal fand ich unter
sieben Soldaten 4 cJ, 3 $; sechs Soldaten aus einer anderen Gesellschaft waren
sämmtlich S] ein drittes Mal wurde unter sieben Stück ein einziges $ gefunden.
Von C. rugosus fand ich in einem Falle zwölf männliche und zehn weibliche,
in einem anderen sieben männliche und sechzehn weibliche Soldaten.
Ich bedaure, zur Zeit keine, geflügelten Männchen und Weibchen der beiden
Arten zur Vergleichung der inneren Geschlechtstheile zur Hand zu haben. Ich
kann in dieser Beziehung nur anführen, dass die weiblichen Geschlechtstheile von
C. rugosus bis auf die bereits erwähnte Verschiedenheit der Kittdrüse und eine
etwas abweichende Form der Samenblase ganz mit denen des C. Canellae über-
einstimmen.
Bei den weiblichen Soldaten beider Arten ist wie bei C. Canellae die Zahl
der Eiröhren in der Regel sechs, seltener sieben. Bei C. nodulosus (Fig. 19)
sind dieselben, wo sie sich an den Eileiter ansetzen, stark eingeschnürt. Deutlich
ausgeprägte Eier, die die ganze Lichtung der Ei röhre füllen, habe ich bei den
wenigen bis jetzt untersuchten weiblichen Soldaten dieser Art nicht gefunden;
dagegen finden sich solche fast bei allen weiblichen Soldaten von C. rugosus
(Fig. 26 u. 27), bisweilen bis über 20 in einer Eiröhre. Die grössten, die ich ge-
sehen, hatten 0,1 mm Durchmesser bei 0,06 mm Höhe, ihr Keimbläschen 0,02 mm
Durchmesser. — Eine Samenblase habe ich nicht gefunden. Die stets stark ent-
wickelte Kittdrüse zeigte sich, wo ich sie entwirren konnte, bei den weiblichen
Soldaten von C. rugosus aus vier langen Schläuchen gebildet, wie bei den ge-
flügelten Weibchen derselben Art.
Wenn schon die fingerförmigen Fortsätze der Hoden von C. Canellae an
die Eiröhren der Weibchen erinnern, so ist die Aehnlichkeit zwischen Hoden und
Eierstock eine noch weit grössere bei den Soldaten von C. nodulosus und
rugosus. Als ich den ersten Soldaten von C. nodulosus zergliederte und das
Fig. 22 gezeichnete Gebilde fand, wusste ich in der That nicht, ob ich einen ver-
kümmerten Eierstock oder einen Hoden vor mir hätte. Am Ende eines gemein-
28^
A-y() Betträge zur Kenntniss der Termiten.
schaftlichen Ausführungsganges sassen, wie am Ende des Eileiters sechs Eiröhren,
so hier sechs fingerförmige Anhänge, die aber andererseits wieder durch das
kolbig angeschwollene, umgebogene Ende voll stark lichtbrechender Kerne an
die Hoden anderer Termiten erinnerten. — Die Hand tritt bei beiden Arten,
besonders bei C. rugosus, meist ganz gegen die Finger zurück und fehlt oft
vollständig, während das Gewebe der Finger selbst dem des bandförmigen Theiles
am Hoden des geflügelten Männchens von C. Canellae gleicht und die stark
lichtbrechenden Kerne sich auf die Spitze der Finger beschränken. Die Zahl der
Finger scheint bei C. nodulosus fast ohne Ausnahme sechs zu sein, bei C. rugosus
öfter sieben. In Betreff der auch bei diesen Arten ziemlich wechselnden Form
und Grösse der Hoden verweise ich auf die Abbildungen (Fig. 21 — 25 u. 29 — 32).
Die häufig einseitige Auftreibung am Anfange des Ausführungsganges (vas de-
ferens), die schon bei C, Canellae erwähnt wurde, ist in der Regel vorhanden.
Die Ausführungsgänge der Hoden sind weit länger, als bei C. Canellae; die
Tasche, in welche sie einmünden, ist namentlich bei C. nodulosus sehr breit,
ihr Scheitel nicht, wie bei C. Canellae, abgerundet, sondern ausgebuchtet oder
tief eingekerbt, als wäre die Tasche aus zwei kugeligen (C. nodulosus) oder
eiförmigen (C. rugosus) Hälften zusammengesetzt.
Auch nachdem ich die Geschlechtstheile der Soldaten von Calotermes
kennen gelernt, habe ich bei Arbeitern und Soldaten verschiedener Termes-
Arten, wie Hagen und wie ich selbst schon früher, wiederholt vergeblich nach
solchen gesucht und vermuthe, dass nicht unser Ungeschick daran schuld war,
dass vielmehr überhaupt bei diesen Arten nichts mehr zu finden sein werde. Wenn
Lespes glücklicher war, so mag es daran hegen, dass Termes lucifugus auch
in dieser Beziehung, wie in manchen anderen, den Calotermes näher steht,
als die meisten übrigen Termes- Arten. Ich erwähnte schon den ähnlichen Bau
der Kittdrüse. Ebenso besitzt T. lucifugus nach Lespes acht Harngefässe, wie
auch die Calotermes deren sechs oder acht haben, während sich sonst bei
Termes vier zu finden pflegen. Auch die Lebensweise ist insofern ähnlich,
als T. lucifugus, wie unsere Calotermes, ohne eigentliches Nest in den
Gängen lebt, die er in abgestorbenem Holze nagt. Aus der ganzen Abtheilung
der Gattung Termes, deren Soldaten wie die von Calotermes scharfe beissende
Kiefer besitzen, während der Kopf eines nasenartigen Fortsatzes entbehrt, ist mir
hier noch keine Art vorgekommen. Sind nun schon bei den Arbeitern und Soldaten
von T. lucifugus die bei den Soldaten von Calotermes noch so überaus
deutlichen Geschlechtstheile so weit verkümmert, dass die Eierstöcke mitunter
kaum erkennbar sind, nie Spuren von Eiern, dagegen Fettkügelchen enthalten,
dass ebenso die Hoden kaum sichtbar sind und dass oft gar nichts zu finden war,
so kann es nicht befremden, wenn bei Arten, die sich in anderer Beziehung viel
weiter von Calotermes entfernt haben, auch die Verkümmerung der Geschlechts-
theile bei Arbeitern und Soldaten weiter fortgeschritten ist. wenn dieselben entweder
völlig geschwunden oder doch nicht mehr mit Sicherheit von dem Fettkörper zu
unterscheiden sind.
Fast hätte ich vergessen, eine Frage zu beantworten, die man wahrscheinlich
stellen wird: warum ich nicht, da ja bei den Arbeitern von Termes lucifugus
die Geschlechtstheile leichter nachzuweisen sind als bei den Soldaten, auch die
Beiträge zur Kcnntniss dei- Termiten. 4^7
Arbeiter von Calotermes auf ihre Geschlechtstheile untersuchte. Die Antwort
ist sehr einfach. Den mir bekannten sechs oder sieben Calotermes- Arten fehlt
ein besonderer Arbeiterstand.
Zum Schlüsse will ich nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu machen, dass
rings um das Mittelmeer ein Calotermes (C. flavicollis Fabr.) vorkommt
und von da leicht lebend nach allen Theilen Europas zu verschicken sein wird,
dass somit eine bequeme Gelegenheit geboten ist, vorstehende Angaben an einer
Art derselben Gattung nachzuprüfen.
Itajahy, Sa. Catharina, Brazil, im Juni 1872.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXVIII und XXXIX.
Ffg. I — 18. Calotermes Canellae F. M.
Fig. I — 4. Geflügeltes Weibchen.
Fig. I. Innere Geschlechtstheile.
Fig. 2 u. 3. Samenblase.
Fig. 4. Stück einer Eiröhre.
Fig. 5. Reifes (gelegtes) Ei.
Fig. 6— 13. Geflügeltes Männchen.
Fig. 6. Innere Geschlechtstheile.
Fig. 7 — 13. Verschiedene Formen des Hodens.
Fig. 14 — 15. Weiblicher Soldat.
Fig. 14. Innere Geschlechtstheile.
Fig. 15. Hinterrand des achten ßauchschildes.
Fig. 16 — 18. Männlicher Soldat.
Fig. 16 u. 17. Geschlechtstheile im Zusammenhang.
Fig. 18. Hoden.
Fig. ig- — 25. Calotermes nodulosus Hag.
Fig. ig u. 20. Weiblicher Soldat.
Fig. 19. Eierstock.
Fig. 20. Achtes Bauchschild.
Fig. 21 — 25. Männlicher Soldat.
Fig. 2 1 . Geschlechtstheile im Zusammenhang.
Fig. 22 — 25. Verschiedene Formen des Hodens.
Fig. 26 — 32. Calotermes rugosus Hag.
Fig. 26— 28. Weiblicher Soldat.
Fig. 26. Innere Geschlechtstheile.
Fig. 27. Theil einer Eiröhre.
Fig. 28. Hinterrand des achten Bauchschildes.
Fig. 29 — 32. Männlicher Soldat.
Fig. 29. Geschlechtstheile im Zusammenhang.
Fig. 30 — 32. Verschiedene Formen des Hodens.
Beiträge zur Kenntniss der Termiten^).
IL Die Wohnungen unserer Termiten.
Mit 1 1 Textfiguren.
In Betreff des Nestbaues der Termiten finden sich in Hagen's Monographie
folgende allgemeiue Bemerkungen : .^Bis jetzt scheint es sicher, dass alle Arten
gesellschaftlich leben und wenigstens eine Art von Nest bauen. Am unvoll-
kommensten ist dies, wenn sie nur in abgestorbenen Bäumen oder gar nur unter
der Rinde wohnen. Hierher scheinen die Calotermes zu gehören. Ueber die
Wohnungen der ganz unter dem Erdboden wohnenden Arten ist eigentlich noch
nichts bekannt. Dass hier umfangreiche Nester in der Erde angelegt werden, ist aus
einigen Beobachtungen wahrscheinlich . . . Hierher gehören der Vermuthung zu
Folge Hodotermes und eine Anzahl der Gattung Termes. Die Hügelbauten
über der Erde, die der Gattung Termes allein zufallen, sind uns am genügendsten
bekannt . . . Ich rechne dahin auch die Thurm- und Pilzbauten . . . Als letzte
Art der Nester bleiben die sogenannten kugeligen Baumnester übrig. Ihr Bau
ist uns noch sehr unvollkommen bekannt und eine Königin darin niemals gefunden
worden . . . Baumnester scheint nur E u t e r m e s zu haben , obwohl einige
Eutermes auch Hügel bewohnen" -).
Diese kurze, von kundiger Hand entworfene Uebersicht wird genügen, um
weitere Mittheilungen über die Wohnungen der Termiten wünschenswerth er-
scheinen zu lassen, und mag zugleich dienen, für die Beurtheilung des im Fol-
genden Gebotenen den mit der Naturgeschichte dieser Thiere minder Vertrauten
einen Anhaltspunct zu gewähren.
,, Ueber die Lebensweise und den Nestbau von Calotermes ist bis jetzt
nichts bekannt"^). Ich habe aus dieser Gattung etwa ein halbes Dutzend Arten
kennen gelernt (C. S m e a t h m a n i m., C. H a g e n i i m. ^), C. r u g o s u s Hag.,
i) Jenaische Zeitschrift f. Natnrvviss. 1873. Bd. VII. p. 341 — 358.
2) Hagen in Linnaea entomol. XII, S. 30.
3) Hagen a. a. O. S. 38.
4) Calotermes Smeathmani und C. Hagenii unterscheiden sich von anderen bekannten Arten
dadurch, dass bei den Soldaten der aufgebogene Vorderrand des Prothorax gezähnelt ist. Auch die Kopf-
bildung der Soldaten ist eine sehr eigen thümliche. Bei den Soldaten von C. Smeathmani finden sich
Flügelscheiden an Mittel- und Hinterbnisl, die bei denen des C. Hagenii, wie bei denen unserer anderen
Calo te rm es- Arten fehlen.
Beiträge zur Kenntniss der Termiten. J.*U
C. nodulüSLis Hag., C. Canellae m., und ein oder zwei andere der letzten nahe-
stehende Arten). Vom Bau einer Wohnung kann man bei diesen Arten kaum reden.
Wie die Larven vieler Käfer, nagen die Larven (und Nymphen) von Calotermes
Gänge im Holze abgestorbener Bäume, die sie niemals verlassen. Der Unterschied ist
nur der, dass in diesen Gängen neben den Larven auch ein eierlegendes Weibchen
mit ihrem Männchen (Königin und König) sich dauernd aufhält, dass man daher
bunt durch einander Larven des verschiedensten Alters findet und dass zum
Schutze dieser Gesellschaft ein besonderer Soldatenstand vorhanden ist, aus männ-
lichen und weiblichen Larven bestehend, die sich nie in geflügelte Thiere ver-
wandeln.
Die Calotermes findet man hauptsächlich in noch fast gesundem, hartem
Holze; der völlig gesunde Kern härterer Holzarten wird von ihnen ebensowenig
angegriffen, als der stärker vermoderte Splint; zwischen beiden beschränken sich
ihre Gänge nicht selten auf eine kaum fingerdicke Schicht. Einzelne Arten haben
eine unverkennbare Vorliebe für gewisse Holzarten ; so C. Canellae für Canella
preta, C. rugosus für Cangerana, in welchen beiden Hölzern ich noch keine andere
Art getroffen habe. Am wenigsten wählerisch scheint C. nodulosus zu sein,
der in Peroba, Aririba, Piquia, Ceder (Cedrela), der Gissarapalme u. s. w. vor-
kommt. Selten trifft man zwei oder mehr Arten in demselben Stamme. So leben
in einem grossen umgestürzten Guarajuva-Stamme in meinem Walde gleichzeitig
C. Hagenii, nodulosus, Canellae und eine vierte Art, die ich im geflügelten
Zustande noch nicht kenne. Wenn bei solchem Zusammenleben die Gänge der
einen Art auch vielfach zwischen denen der anderen hinlaufen, so scheinen die
Thiere sich doch nie in die Gänge einer fremden Art zu verirren.
Die Gänge der C a 1 o t e r m e s - Gesellschaften sind meist der Achse des Baumes
gleichlaufend und zum grossen Theil so eng, dass nur ein Soldat oder eine er-
wachsene Larve auf einmal hindurch kann. Dies gilt namentlich von den Gängen,
welche die Holzschichten quer durchsetzen. Stellenweise finden sich weitere, un-
regelmässige, meist flache Räume, in denen sich die geflügelten Thiere zu sammeln
pflegen. Ein besonderer Raum für König und Königin ist nicht vorhanden.
Letztere schwillt nur wenig an und läuft frei in den Gängen umher, hier und da
einzelne Eier ablegend, um die sich Larven und Soldaten nicht weiter zu bekümmern
scheinen. Sie ist gewöhnlich begleitet von dem Könige und in der Umgebung
des Königspaares pflegen die Soldaten häufiger zu sein, als an anderen Stellen.
Die Wand der Gänge ist meist mit einer dünnen Kothschicht bekleidet, während
man bisweilen grössere Kothmassen am blinden Ende eines oder des anderen
Ganges angehäuft findet.
Dächte man sich die Volkszahl einer Calotermes -Gesellschaft in gleichem
Räume verzehnfacht oder verhundertfacht, so würden die von der dichtgedrängten
Bevölkerung ausgefressenen Gänge immer näher zusammenrücken, die dazwischen
liegenden Holzwände würden immer dünner werden und endlich ganz aufgezehrt
werden. Die Kothbekleidung' der benachbarten Räume würde unmittelbar an-
einanderstossen. An Stelle des verzehrten Holzes hätte man einen von Koth-
wänden durchzogenen und in unregelmässige Zellen und Gänge getheilten Raum.
— Diesen allmäligen Uebergang von weit getrennten, das Holz durchziehenden
Gängen zu Kothanhäufungen, die in ihrem Gefüge an lockere Brodkrume oder
, ,Q Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
an einen Schwamm erinnern, kann man nicht selten beobachten in Baumstämmen,
die von einem mit Termes Rippertii nahe verwandten Euterm es ^) bewohnt
sind. Beschränken sich diese Kothanhäufungen nicht auf das Innere des Baumes,
treten sie aus demselben hervor, so entstehen die bekannten „kugeligen Baum-
nester", die also ursprünglich nichts anderes sind, als der gemeinsame Abtritt
eines Euter mes-Volkes, dann aber auch als Brutstätte für die Eier und als
Aufenthalt für die Jungen dienen. — Diese Nester werden also aus dem Baume
heraus, nicht an den Baum hinangebaut. Anders mag es bei den von Auguste
St. Hilaire und Burmeister erwähnten Baumnestern aus Erde oder Lehm sein ;
zu solchen von aussen dem Baume angefügten Nestern würde dann auch aussen
am Baume ein Gang emporführen müssen ; bei unserer Art sind solche vom Neste
ausgehende Gänge in der Regel nicht vorhanden.
Der Stoff, aus dem unsere Baumnester bestehen, ist ausschliesslich der Koth
der Bewohner. Ich habe oft dem Baue oder vielmehr der Ausbesserung desselben
zugesehen. Schneidet man ein Stück des Nestes ab, so ziehen sich die Arbeiter
aus den dadurch geöffneten Gängen ins Innere des Nestes zurück ; es erscheinen
an den Oeffnungen in grosser Zahl die kleinen spitzköpfigen Soldaten, eifrig
herumlaufend und mit ihren Fühlern tastend. Nach einiger Zeit kehren die Ar-
beiter zurück. Jeder betastet zuerst den Rand der zu schliessenden Oeffnung,
dreht sich dann herum und legt ein braunes Würstchen auf diesen Rand ab.
Dann eilt er entweder sofort ins Innere des Nestes zurtick, um den anderen, die
dichtgedrängt ihm folgen, Platz zu machen, oder er dreht sich auch wohl noch
einmal um, um sein Werk zu betasten und es nöthigenfalls zurecht zu drücken.
Einzelne Arbeiter bringen auch wohl zwischen den Kinnbacken kleine Bruch-
stücke der alten Wände, die beim Oeffnen des Nestes in dasselbe hineingefallen
sind, und fügen sie in die im Bau begriffenen, noch feuchten Wände ein. Andere,
doch das sieht man nur selten, die nichts aus ihrem Mastdarme liefern können,
opfern auf dem Altar des Vaterlandes ihr noch unverdautes Mahl, das sie zwischen
den Koth der anderen ausbrechen. In ruhigen Zeiten wird das Letztere wahr-
scheinlich nicht geschehen, sonder nur, wenn es gilt, rasch das durch den Feind
geöffnete Nest wieder zu schliessen. — Die Soldaten haben sich beim Beginn der
Arbeit grossentheils wieder ins Innere des Nestes zurückgezogen, vielleicht um
Arbeiter herbeiztiholen. Einer oder ein paar bleiben bei jeder zu schliessenden
Oeffnung, Man sieht sie ab und zu die Arbeiter mit ihren Fühlern berühren,
wie um sie zurechtzuweisen oder anzutreiben.
Der Eutermes, der diese Baumnester baut, scheint fast alle unsere Holz-
arten anzugreifen, doch niemals, wenn sie noch ziemlich gesund sind. Man findet
ihn oft in demselben Stamme mit Calotermes, diesen dem Kerne, jenen der Rinde
näher. Zum Baue des Nestes zieht er härtere, der Verwesung gut widerstehende
Stämme z. B. von Cangerana vor. An dickeren Stämmen nimmt das Nest nur
eine Seite ein und springt mehr oder weniger stark, halbkugelig oder eiförmig
vor; dünnere umgiebt es bisweilen ringsum. An der Spitze von Baumstümpfen
bildet es eine rundliche Kuppel oder sieht aus, wie der Knopf einer Stecknadel.
Eines der grössten Nester, die ich gesehen, bildete eine unregelmässige Masse
i) Ich möchte den Namen Eutermes auf die Arten mit s|)itzküpfigen Soldaten beschränken.
Beiträge zur Kenntniss der Tenriiten. ^^j
von 3 bis 4 Fuss Durchmesser, welche zwei an der Erde liegende Cangerana-
Stämme umschloss.
Die Oberfläche der Nester zeigt flache, unregelmässige, in einander ver-
fliessende, vmdeutliche Erhöhungen, die im Verein mit der schwärzlichen Farbe
und der kugeligen Gestalt den oft gemachten Vergleich mit einem Negerkopf
rechtfertigen. Die Farbe ist übrigens verschieden, bisweile heller, bräunlich —
häufiger fast schwarz, was theils von der Nahrung der Baumeister, theils vom
Alter des Nestes abhängt. Alte Nester sind dunkler und zugleich
fester als neugebaute. Die grössere Festigkeit älterer Nester hat
wohl ihren Hauptgrund in der grösseren Dicke der Wände, die
im Laufe der Zeit durch neue Kothlagen verstärkt werden.
Alten Nestern kann man mit dem Messer wenig anhaben, son-
dern muss zur Axt greifen, um Stücke davon loszuhauen. Fig- i- Bruchstück
Ueber den inneren Bau dieser Nester ist wenig zu sagen. deTnat^^Gr^r ^^
In dem Gewirr unregelmässiger, im Verhältnisse zur Grösse der
Bewohner weiter Räume, die, durch dünne, aber feste Wände gretrennt, das eanze
Nest durchziehen, habe ich eine bestimmte Anordnung nicht erkennen können.
Oeffnet man ein solches Baumnest, so findet man in den oberflächlicheren
Theilen nur Arbeiter und Soldaten, sowie kurz vor der Schwärmzeit (December)
geflügelte Thiere. Dringt man tiefer ein, so stösst man auf Larven, die immer
kleiner werden, je weiter man ins Innere vorrückt. Dann kommen, zu unglaub-
lichen Mengen in einzelnen, sonst durch nichts ausgezeichneten Räumen angehäuft,
die Eier und endlich die Eierlegerin, die Königin mit ihrem Gemahl. In dem
ersten Neste, welches ich öffnete, fand ich den Raum, in welchem in diesem
Falle zwei Königinnen sich aufhielten, durch nichts ausgezeichnet. In einem
anderen Falle waren um die Königin herum die Wände weit dicker cds sonst
und nur von ziemlich engen Gängen durchsetzt. In diesen Gängen hatte sich
der König versteckt, während sie für seine umfangreichere Gemahlin viel zu eng
waren.
Wenn man bisher in Baumnestern keine Königin gefunden hat, so wird dies
kaum daran liegen, dass man zufällig nur Nester ohne Königin geöffnet hat. Das
Nest von Termes Rippertii zum Beispiel, welchem Osten-Sacken zahlreiche
Eier und junge Larven entnahm ^), enthielt ohne Frage auch eine Königin. Die
Nester sind, wie bereits gesagt, nicht äusserlich dem Baume angeklebt, sondern
gleichsam aus dessem Innern hervorgewachsen und gehen ohne scharfe Grenze
in denselben über. Sprengt man das Nest vom Baume los, so bleibt immer ein
Theil daran oder darin zurück und gerade in diesem innersten Theile des Nestes hat
man die Königin zu suchen. Sie da herauszuholen wird aber meist mehr Uebung
in der Führung der Axt verlangen, als reisende Naturforscher zu besitzen pflegen.
So weit meine Erkundigungen reichen, gehören alle in Brasilien den Menschen
in seiner Wohnung belästigenden Termiten zu den Eutermes mit spitzköpfigen
Soldaten ; auch hier sind die Erbauer der Baumnester, wie es scheint, die einzigen
ihrer Familie, die als unwillkommene Gäste in die Häuser eindringen und dann,
wie das auch von den Eutermes anderer Länder berichtet wird, ihre Nester
unter dem Dache anzulegen lieben.
1) Linnaea entomol. XIV, S. 119.
AA2 Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
In allen Ständen dem eben besprochenen Eutermes sehr ähnlich ist eine
zweite hier häufige Art, die ihre Nester besonders zwischen den Wurzeln alter
Stuken der Gissarapalme (Euterpe, Kohlpalme, von den deutschen Ansiedlern
Palmite genannt) anzulegen pflegt. Diese Gissarastuken sind überhaupt ein
Lieblingsaufenthalt der Termiten; ich habe darin bereits acht verschiedene Arten
angetroffen, bisweilen vier bis fünf in demselben Stuken. (Drei Eutermes,
darunter der später zu erwähnende Eutermes inquilinus m., Termes saliens
m., T. Lespesii m., Anoplotermes pacificus m., Calotermes nodu-
losus Hag. und C. rugosus Hag.) Wie viele andere Palmen (und überhaupt
Monocot3dedonen) sendet die Gissara aus dem untersten Theile ihres Stammes
dichtgedrängte fingerdicke Luftwurzeln schief zur Erde. Bei alten Stämmen sind
die ältesten innersten Wurzeln verwest; unter dem Stamme bildet sich so eine
Höhle, welche die jüngeren, äusseren, höher am Stamme entspringenden Luft-
wurzeln wie ein kegelförmiger Mantel schützend umschliessen. In dieser Höhle
legt der Gissara-Eu termes sein Nest an, doch nie unter lebenden Palmen,
sondern erst einige Jahre nach dem Fällen. Das Nest besteht, wie das der Baum-
termite, aus dem Kothe der Thiere. Die Wände sind papierartig dünn und so
bröckhch, dass die Hand ohne merklichen Widerstand durch das Nest hindurch-
fährt. Die dünnen Kothwände, von hellbräunlicher Farbe,
legen sich mehr oder weniger regelmässig wie Zwiebel-
schalen um einen gemeinsamen Mittelpunct herum, vielfach
unterbrochen durch Oeffnungen, welche die so gebildeten
concentrischen Räume mit einander verbinden, und aus-
1 lg. 2. Königliches Zimmer einandergehalten durch Wände, welche diese Räume in
der Gissara-Termite. (7., der . ,^ 1 - • -7- j /- •• ^1 -i
nat. Gr.) " eme Menge unr egelmassiger Zimmer und Gange theilen.
In der Mitte des Baues findet sich ein verschieden grosser
fester Kern, der das Zimmer des Königspaares umschliesst. In einem Falle, in welchem
die schützenden Wurzeln der Palme noch ihre ganze ursprüngliche Festigkeit be-
sassen, fehlte dieser feste Kern; die Wände der Zelle, in der sich die noch ziem-
lich junge Königin aufhielt, waren noch ebenso papierartig dünn, wie das übrige
Nest. In recht alten und volkreichen Nestern kann dagegen der feste Kern die
Grösse eines Kindeskopfes erreichen. Derselbe ist sehr hart, nur von engen, für
die Königin ungangbaren Wegen durchzogen und birgt in seiner Mitte das meist
ziemlich unregelmässig gestaltete königliche Gemach. Nicht eben selten findet
man bei dieser Art zwei Königinnen mit einem einzigen König in demselben
Neste und demselben Zimmer ; der umgekehrte Fall, dass mit einer Königin zwei
Könige lebten, ist mir nur einmal vorgekommen. Einmal traf ich, in einem un-
gewöhnhch grossen und volkreichen Neste gleichzeitig sechs Königinnen und drei
Könige. — Ein anderes Mal fand ich in demselben Neste zwei königliche Zimmer,
aber nur eins von einem königlichen Paare bewohnt, das andere, von dessen
wahrscheinlich längst verstorbenen Bewohnern keine Spur mehr zu finden war,
mit junger Brut gefüllt.
Der gefährlichste Feind dieser Art ist das Tatu, Früher oder später, wenn
die Wurzeln der Palme morscher werden, erliegen wohl die meisten Bauten den
Angriffen desselben. Man sieht im Walde häufig Gissarastuken, durch deren
Beiträge zur Kenntniss der Termiten. aa-^
Wurzeln an einer Seite die kräftigen Klauen des Tatu einen Weg gebrochen
haben, und bisweilen um sie her gestreut Bruchstücke des Termitennestes. Bei
einem solchen Ueberfalle, der gewiss einem grossen Theile des Volkes das Leben
kostet, ist dann wenigstens das Königspaar durch die dicken harten Wandungen
seines Zimmers gesichert. Die erste Königin dieser Art, die ich überhaupt sah,
erhielt ich aus einem solchen lose im Walde gefundenen festen Kerne eines zer-
störten Nestes.
Auf seiner Reise durch die Provinzen Rio de Janeiro und Minas geraes sah
Auguste St. Hilaire Termitenbauten, die mitten auf dem Wege einfache, einen
halben Fuss hohe Hügel bildeten. Solche kleine Hügelnester, — ob von derselben
Art gebaut, ist freilich nicht zu entscheiden, — finden sich auch hier und sind
sogar weitaus die häufigsten aller Termitenbauten. Sie sind das Werk des A n -
oplotermes pacificus m. ^). Obwohl anscheinend aus Erde gebaut, bestehen
auch sie, wie die Eutermes-Nester, aus dem Kothe ihrer Bewohner. Die
Anoplotermes fressen nämlich Erde, man findet in ihrem Magen völlig ver-
rottete Pflanzenstoffe und einzelne kleine Steinchen. Daher scheinen ihre Nester
aus Erde gebaut zu sein; doch habe ich gesehen, wie sie durchschnittene Nester
in der Weise der Baumtermiten mit ihrem Kothe ausbesserten, und mich über-
zeugt, dass diese geflickten Stellen in nichts von dem übrigen Neste sich unter-
schieden.
Die Form der Nester ist eine sehr wechselnde. Häufig sind sie ganz flach,
in Form und Grösse einem Kuhfladen gleichend, in anderen Fällen unregelmässig
knollig; bisweilen rundlich, kegelförmig oder kurz walzenförmig. In besonderer
Menge traf ich diese Nester auf einem frisch gerodeten Stücke Urwald in der
Colonie Dona Francisca, auf schwammigem, sandig-sumpfigem Boden. Stellen-
weise stand hier alle zwei bis drei Schritte ein Nest. Die höchsten waren etwa
einen Fuss hoch, bei 4 bis 6 Zoll Durchmesser, walzen- oder kegelförmig mit
abgerundeter Spitze. Auch die kleineren, faust- bis kopfgrossen waren dort meist
doppelt so hoch als dick. In meinem Walde herrschen die flachen, fladenförmigen
Nester vor. Die Farbe ist ein bald helleres, bald dunkleres, fast schwarzes Grau. Ge-
wöhnlich lassen sie sich mit der Hand zerbröckeln oder doch leicht mit dem Messer
schneiden. Ungewöhnlich dunkelgefärbte und feste Nester fand ich kürzlich nahe
dem Gipfel eines unserer höheren Berge (an der 1 1 o u p a v a). Man kann in der
Regel zwei, freilich ohne scharfe Grenze ineinander übergehende Theile an diesen
Nestern unterscheiden. Der obere Theil bildet eine fast dichte, nur von einzelnen
engen Gängen durchzogene erdige Masse, in der sich lebende Wurzeln benach-
barter Pflanzen (besonders die einer strauchartigen Piperacee) auszubreiten pflegen.
i) Die Staaten der Gattung Anoplotermes m. zeichnen sich dadurch aus, dass sie, — hierin
weiter vorgeschritten, als wir Menschen, — nur Arbeiter, aber keine Soldaten besitzen. Alle Stände, von
der jüngsten Larve an, sind dadurch leicht von Calotermes, Term.es und Eutermes zu unter-
scheiden, dass ihrem Vormagen (Kaumagen) die Bewaffnung mit Kauleisten fehlt. Durch äussere Merk-
male weiss ich die geflügelten Thiere nicht von Eutermes zu scheiden. Es gehört hierher eine zweite
hiesige Art (vielleicht Termes ater Hag.) und wahrscheinlich Termes cingulatus Burm. Der von
Hagen unter T. cingulatus beschriebene Soldat gehört nicht zu dieser, sondeni zu einer weit verschie-
denen Art, T. saliens m.
... Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
Dieser Theil ist von den Bewohnern ziemlich verlassen. Der untere dichtbevöl-
kerte Theil enthält zahlreiche für die winzigen Bewohner sehr weite, vorherrschend
in wagerechter Richtung ausgedehnte unregelmässige Räume, die durch dicke
Wände getrennt, und durch engere und weitere Gänge verbunden sind. Das
könighche Zimmer ist nur durch seine Grösse, und nicht immer durch diese vor
den übrigen Räumen ausgezeichnet und liegt in der Regel ziemlich in der Mitte
des unteren Theiles. Mit einer erstaunlichen Menge von Eiern gefüllte Zellen
verrathen seine Nähe. Der obere Theil des Nestes ist wahrscheinlich der ältere,
dessen früher bewohnte Räume allmählich mit Koth vollständig ausgefüllt worden
sind. Die Nester liegen lose am Boden, oder sind an demselben durch von unten
eindringende Wurzeln befestigt. Gern lehnen sie sich an dicke vorspringende
Baumwurzeln, und finden sich auch bisweilen in alten stark vermorschten Gissara-
stuken. Dasselbe Volk besitzt bisweilen, — doch scheint es bei dieser Art selten
zu sein, — mehr als einen Bau. In einem kleinen, etwa faustgrossen Neste, in
welchem keine Königin lebte, fand ich Eierhaufen und zahlreiche junge Brut;
eine Königin fand sich in einem in der Nähe stehenden grösseren Neste. —
Oeffnungen zum Ein- und Austritt der Bewohner finden sich nur an der unteren,
dem Boden aufliegenden Seite des Nestes.
Die Bauten des Anoplotermes pacificus macht sich zuweilen ein
winziger Eutermes (Eut. inquilinus m. ^)) zu Nutze, der keine eigenen Nester
zu bauen scheint. Ich habe diesen Eutermes sowohl in Dona Francisca
als hier in Nestern von Anoplotermes pacificus getroffen und zwar hier
ein vollständiges Volk mit König, zwei Königinnen, Arbeitern, Soldaten, Eiern
und Larven vom verschiedensten Alter. Ob der Eindringling den Erbauer des
Nestes vertreibt oder nur alte verlassene Nester sich aneignet, weiss ich nicht.
Das Letztere ist wohl wahrscheinlicher. Das Nest, in welchem ich ihn hier fand,
war offenbar ein sehr altes und die dasselbe durchziehenden Wurzeln grossentheils
verschimmelt. Es hausten darin ausserdem zwei Ameisenarten und durch den
unteren Theil des Nestes ging eine Strasse von Ter m es Lespesii. — Eine
kleine Gesellschaft von Eutermes inquilinus, nur aus Arbeitern und Sol-
daten bestehend, traf ich einmal in einem ganz alten modrigen Neste von Ter m es
Lespesii. Bemerkenswerth ist, dass die Arbeiter des Eutermes inquilinus
denen des Anoplotermes pacificus täuschend ähnlich sehen, obwohl sich
bei genauerer Untersuchung des äusseren und inneren Baues durchaus keine
nähere Verwandtschaft beider Arten herausstellt.
Wie mancher alte Baumstumpf in seiner ganzen Ausdehnung von Gängen
verschiedener Termitenarten durchzogen ist (C a 1 o t e r m e s im festeren Kerne,
Eutermes im morscheren Splinte, Züge von Termes saliens oder Lespesii
unter der Rinde), so ist auch der Boden des Urwaldes an manchen Stellen voll-
ständig durchwühlt von Termiten und nicht selten durchziehen dieselbe Erdscholle
gleichzeitig Gänge von drei bis vier verschiedenen Arten (Termes saliens,
Lespesii, Anoplotermes ater (?), Eutermes sp.).
I) Die geflügelten Thiere dieser Art kenne ich noch nicht. König und Königin habe ich mit Hagen's
Monographie verglichen und halte danach die Art für unbeschrieben. Die Soldaten sind durch ihren hell
bernsteingelben langnasigen Kopf sehr ausgezeichnet.
Beiträfje zur Kenntniss der Termiten.
445
Von den Wohnungen dieser unterirdisch lebenden Termiten kenne ich bis
jetzt nur die des Termes Lespesii m. i). Dieselben sind durch eine viel weitere
Kluft von den aus einem ordnungslosen Gewirr unregelmässiger Räume be-
stehenden Nestern unserer Eu termes -Arten getrennt, als diese von den kaum
den Namen einer Wohnung verdienenden Gängen der Calotermes, und ge-
hören, wie die riesigen von Smeathman so trefflich geschilderten Hügel des
Termes bellicosus,zu den merkwürdigsten Bauten, die überhaupt von Insecten
aufgeführt werden.
Die Häuser des Termes Lespesii haben die Gestalt einer dicken, etwa
spannenlangen Wurst oder einer Walze, um welche sich flache, durch seichte
Furchen geschiedene Wülste gürtelartig her-
umziehen. Auf o,i m kommen g bis 12 solcher
Wülste. — Auf diesen Ringwülsten verlaufen
schmale, etwa 2 mm breite Längswülste, jede
von einer mittleren Längsfurche durchzogen
(15 bis 20 auf 0,1 m). — Diese Längswülste
sind nicht immer genau gleichlaufend und
ihre Entfernung ist sehr beträchtlichen
Schwankungen unterworfen. Die meisten
lassen sich über eine grössere Zahl von
Querwülsten, viele über das ganze Haus
hin verfolgen, andere nur über ein, zwei oder
drei Querwülste. An alten Häusern treten
sowohl Längs- als Querwülste weniger deut-
lich hervor, als an neueren; besonders bei
letzteren öffnen sich beim Austrocknen an
der Luft längs der Furchen, die die Längs-
wülste durchziehen, sowie derjenigen, welche
die Ringwülste scheiden, schmale Risse oder
.Spalten. An beiden Enden des Hauses finden
sich meist einige kurze Fortsätze und am Ende
eines derselben, als einziger Zugang zu dem
sonst völlig geschlossenen Hause, eine kleine
runde Oeffnung.
Um einen Einblick in das Innere des Hauses zu erhalten, wollen wir es der
Länge nach durchschneiden. Wir sehen, dass es aus eben so vielen durch wage-
rechte Scheidewände geschiedenen Kammern oder Stockwerken besteht, als wir
Pig. 3. Haus des Termes Lespesii
(*/., der nat. Grösse).
I) Diese Art ist dem Erdhügelnester bewohnenden T. siniilis Hag. äusserst ähnlich.
T. similis Hag.
Länge mit den Flügeln: 22 — 27 mm,
Fühler : 1 5 gliederig,
2tes Fühlerglied : so lang als breit,
3tes Fühlerglied : so lang als die folgenden,
T. Lespesii P\ M.
16 — 18 mm.
13— 15 gliederig.
viel länger als breit.
bei 1 5 gliedrigen Fühlern klein und ringfömiig.
Die Form der Oberlippe der Soldaten ist eine ganz verschiedene; bei T. similis beschreibt sie Hagen
als „breit, nach vorn breiter, gerade abgeschnitten mit scharfen Vorderwinkeln ; in der Mitte ein drei-
eckiger vorspringender Lappen angesetzt". Nicht ein Wort dieser Beschreibung passt auf die Oberlippe
des Soldaten von Termes Lespesii.
, .A Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
äusserlich Ringvvülste wahrnahmen ; wir sehen, dass die Ringwülste den Kammern,
die Ringfurchen den Scheidewänden entsprechen. Wir erkennen auch sofort als
Ursache der Risse, die beim Austrocknen entstehen, Röhren, welche die Wand
des Hauses durchziehen und unter den Ring- und Längsfurchen verlaufen. —
Jedes Stockwerk hat die Gestalt einer flachen Schachtel mit bauchiger Aussenwand.
Sehr häufig und vielleicht in allen Fällen, wo nicht äussere Hindernisse die Regel-
mässigkeit des Baues gestört haben, sind die Kammern fast genau kreisförmig. Ich
habe mich davon wiederholt mit dem Zirkel überzeugt und bisweilen bei einem Halb-
messer von etwa 3 cm keine i bis 2 mm überschreitenden Abweichungen gefunden.
Würde ein Mensch wohl im Stande sein, ohne Werkzeuge mit dem 5- bis öfachen
seiner Länge als Halbmesser einen gleich fehlerfreien Kreis zu beschreiben?
In jedem Stockwerke sind Boden und Decke durch einen dicken, oben und
unten verbreiterten Pfeiler verbunden, der bald die Mitte einnimmt, bald mehr
Fig. 4- Fig. 5.
Fig. 4. Haus von Termes Lespesii, Längsschnitt, ^2 ^^'^ ^^^- ^^- ^ ^is 12 die 12 Stock-
werke des Hauses. L Längscanäle in der Aussenwand. i? Ringcanäle zwischen den Stockwerken.
Fig. 5. Projection des aus dem ersten (/) ins neunte (/AT) Stockwerk führenden Weges, aus einem
Hause von Termes Lespesii, nat. Gr. i bis ^ die durch die Scheidewände der Stockwerke führenden Gänge.
oder weniger dem Umfang genähert ist. Am Fusse des Pfeilers geht eine runde
Oeffnung, die nur ein Thier auf einmal durchlässt, schief durch den Boden ins
nächste Stockwerk. Geht man in derselben schief absteigenden Richtung, in der
man in dieses Stockwerk eingetreten ist, an dessen Pfeiler weiter, so gelangt man,
in der Mehrzahl der Fälle, zu dem am Fusse desselben gelegenen Ausgang. Auf
diese Weise bildet der Weg, der vom obersten bis zum untersten Stockwerk durch
die Scheidewände hindurch und an den Pfeilern entlang führt, eine Schrauben-
linie oder eine Wendeltreppe, die man sich freilich nicht allzu regelmässig vorstellen
darf. Ich gebe als Beispiel diesen Weg aus zwei Häusern, wie er sich gerade
von oben gesehen (auf eine wagerechte Ebene projicirt) darstellen würde. Bei
dem einen Hause (Fig. 5) wurden Lage und Richtung der Verbindungswege für
acht aufeinanderfolgende Scheidewände aufgezeichnet. Das Stockwerk IX liegt
etwa 0,1 m über Stockwerk I. — Vom ersten (untersten) Stockwerke bis ins
Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
447
"«*&,
LA
\
UM
Fig. 6. Projection des aus dem ersten (/) ins
dreizehnte {XIII) Stockwerk führenden Weges, aus
einem Hause von Termes Lespesii, nat, Gr. 1 bis
12 die durch die Scheidewände führenden Gänge.
•7 ö"^ 7'*' J'III Nebenweg aus dem sechsten ins achte
Stockwerk. 8 9* 10* XT Nebenweg aus dem neunten
ins elfte Stockwerk.
fünfte bildet der Weg eine nach rechts aufsteigende Schraubenlinie; im fünften
Stockwerk liegen Eingang und Ausgang sehr weit auseinander; es ist fast, als
hätten die Baumeister auf diesem langen Wege die bis dahin verfolgte Richtung
vergessen, da von da ab der Weg in entgegengesetzter Richtung, links aufsteigend,
weiter geht. — Im zweiten Hause
(Fig. 6) wurde der Weg durch zwölf
Scheidewände hindurch verfolgt. Auch
hier ändert sich die Richtung der
Wendeltreppe, nachdem man im fünften
Stockwerke einen ungewöhnlich langen
Weg zwischen Ein- und Ausgang
zurückgelegt hat. Ausserdem sind in
diesem Hause, wie das nicht selten vor-
kommt, mehrere Scheidewände von zwei
Verbindungswegen durchsetzt. (Aus
dem sechsten Stockwerk führen 6' und
ff+ ins siebente, aus diesem 7 und r+ ins achte; ebenso führt ein Nebenweg aus
dem neunten ins elfte Stockwerk.) In solchen Fällen pflegen dann auch zwei
Pfeiler, einer für jeden Durchgang, vorhanden zu sein. — Wege, die aus einem
Stockwerke unmittelbar ins
zweitfolgende führen und im
Innern des Pfeilers des da-
zwischenliegenden verlaufen (ein
solcher Weg geht in Fig. 4
aus dem zweiten ins vierte Stock-
werk), scheinen nur äusserst sel-
ten vorzukommen.
Der Bauplan des Hauses
ist, wie man sieht, ein sehr ein-
facher; eine meist zwischen 12
und 16 schwankende Zahl flacher
kreisförmiger Stockwerke, ge-
schieden durch wagerechte
Scheidewände und verbunden
durch eine Wendeltreppe, die an
einem dicken mittleren Pfeiler
hinläuft. Die Regelmässigkeit
der Ausführung ist jedoch nur
selten eine einigermassen voll-
kommene. Die Pfeiler stehen
selten genau in der Mitte, selten in "benachbarten Stockwerken genau übereinander.
Ihre Dicke, wie diel Form ihres Querschnittes ist sehr veränderlich. Bisweilen
dehnen sie sich in die Breite zu Wänden aus, die nicht selten bis zur Aussenwand
des Stockwerkes reichen (Fig. 7, 4, so wie im dritten, fünften und sechsten Stock-
werk des in Fig. 4 dargestellten Hauses), Ja es kommt vor, dass das Stockwerk durch
den wandartigen Pfeiler vollständig in zwei Kammern geschieden wird (Fig. 7, ''))•
Fig. 7. Grundriss von fünf Stockwerken aus Häusern von
Termes Lespesii, '/a ^^^ "^'^' G*"- — '^ Mittelpunct der
Kammer. P Pfeiler. — Die Pfeile zeigen den Weg ins nächst-
untere Stockwerk. — 5 ist durch den wandartigen Pfeiler in
zwei Kammern (a u. ß) getheilt; aus a gehen zwei Wege ins
nächstuntere Stockwerk, einer nach ß : aus ß führt kein Weg
in das darunterliegende Stockwerk.
448
Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
Die Stockwerke haben nicht immer alle die gleiche Höhe. Bisweilen ist Boden
oder Decke geneigt, so dass ein und dasselbe Stockwerk auf einer Seite höher ist,
als auf der anderen ; oder es reicht ein Stockwerk nicht durch
die ganze Breite des Hauses, so dass auf einer Seite das darüber
und das darunter liegende Stockwerk in grösserer oder ge-
ringerer Ausdehnung zusammenstossen. (Für alle diese Un-
regelmässigkeiten liefert Fig. 3 Beispiele.) Nicht immer ist der
Durchmesser für alle Stockwerke der gleiche ; nicht selten ist
er für die oberen kleiner. Nicht immer stehen die Stockwerke
genau über einander ; das eine oder das andere springt nach
dieser oder jener Seite v^or. In einem Falle sprang jedes
folgende Stockwerk nach derselben Seite und gleich stark
über das vorhergehende vor, so dass das ganze Haus einen
ganz regelmässigen schiefen Thurm bildete. Eine ganz eigen-
thümliche Abweichung vom gewöhnlichen Bau zeigt das
beistehend im Längsschnitt dargestellte Haus (Fig. 8); in
seinem unteren Theile finden sich mehrere Kammern, die zu-
sammen eine fast regelmässige Kugel bilden. — Grössere Un-
regelmässigkeiten der äusseren Form sind wahrscheinhch
immer durch Steine, Wurzeln und ähnliche Hemmnisse ver-
anlasst, denen die Thiere beim Ausgraben des Bauplatzes
begegnen.
Von den Schwankungen der Grösse mögen die Masse von zehn ohne Wahl
herausgegriffenen Häusern eine Vorstellung geben, die nachträglich nach der Zahl
der Stockwerke geordnet wurden:
Fig. 8. Haus von Ter
mes Lespesii, Längs
schnitt, Vo der nat. Gr.
Zahl der Stockwerke.
I ...
. . . 12
II ...
. . . 12
III ...
. . . 12
IV . . .
. . . 13
V ...
. . . 14
VI . . .
. . . 14
VII .. .
. . . 15
VIII . . .
. . . 21
IX . . .
. . . 22
X . . .
. . . 24
Höhe.
D
urchmesser
1 1 cm . .
5-6
cm
12 „
• 5-6
12 „
6-7
12,5 „ .
6—8
14 „ •
4.5—7
14 ,> •
• 6-7
13 „ •
6—8
19 '. •
• 4—7
20 „
• 5-6
20 „
3.5—5
Die Wände des Hauses und die Scheidewände bestehen nicht aus einer
gleichförmigen dichten Masse. Ich sagte bereits, dass sie von ziemlich regelmässig
angeordneten Röhren durchzogen sind. An der nachstehend abgebildeten äusseren
Oberfläche eines neu angebauten Stockwerkes gewahrt man tiefe P'urchen, welche
von der Seitenwand her auf die obere Wand treten und mehr oder weniger weit
nach deren Mitte sich hinziehen. — Den Furchen entsprechend springt die noch
dünne Wand nach innen leistenartig vor. Später werden diese leistenartigen
Vorsprünge mehr oder weniger vollständig ausgeglichen. — Ein solches neu auf-
Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
449
gesetztes Stockwerk steht, die Mittelsäule ausgenommen, nur in sehr loser Ver-
bindung mit dem nächst älteren ; hebt man es ab, so sieht man, dass seine Wand
unten in zwei Platten gespalten ist, welche die Decke des darunter liegenden
Stockwerkes in zwei, etwa 4 bis 8 mm von einander entfernten Kreisen treffen.
So entsteht ein Ringcanal zwischen je zwei Stockwerken, und da die Furchen
auf der äusseren Fläche der Wand erst überbrückt und zu Röhren geschlossen
werden, nachdem ein folgendes Stockwerk aufgesetzt ist, bleiben natürlich diese
Röhren mit dem Ringcanal in offener Verbindung. Dagegen sind die unter sich
zusammenhängenden das ganze Haus durchziehenden Röhren in dem fertigen
Hause vollständig abgeschlossen sowohl gegen aussen, als gegen die inneren
Räume des Hauses. Diese Bauweise des Termes Lespesii, die von einem
Netzwerk hohler Räume durchzogenen Wände, hat man bekanntlich in neuester
Zeit auch für menschliche Wohnungen empfohlen ; ob sie den Häusern des ersteren
denselben Dienst leistet, den man für letztere davon erwartet, nämlich den Luft-
wechsel zu erleichtern, lasse ich dahingestellt.
Fig. 9.
Fig. 10.
Fig. II.
Fig. 9. Dach eines neiigebauten Stockwerks eines Hauses von Termes Lespesii, v. oben, ^/^ d. nat. Gr.
Fig. 10. Längsschnitt durch die Wand zweier neugebauten Stockwerke eines Hauses von Termes
Lespesii, nat. Gr. R Ringcanal.
Fig, II. Längsschnitt durch einige Kammern eines älteren (dickwandigen) Hauses von Termes
Lespesii. Nat. Gr. Der in die feste Grundmasse eingelagerte Lehm ist durch dunklere Punkte und
Striche bezeichnet. Grössere Anhäufungen von Lehm bei L. — R Ringcanal.
Termes Lespesii verwendet zum Bau seines Hauses nicht ausschliesslich
seinen Koth, obwohl dieser die Hauptmasse bildet, sondern gleichzeitig die lehmige
oder thonige Erde, in der er dasselbe baut. Die erste dünne Wand eines neuen
Stockwerkes besteht fast immer aus reinem Koth. Dickere Lagen von reinem
Lehm pflegen die Thiere besonders in den von den Längs- oder Ringcanälen
umgrenzten Feldern der Aussenwand, sowohl an der Innen-, wie an der Aussen-
seite der ersten dünnen Kothwand aufzutragen. Aussen werden diese dann wieder
mit einer Kothschicht bedeckt. Anderwärts, so namentlich in den Scheidewänden
ist der Lehm meist nur in dünnen Streifen, Plättchen oder einzelnen Körnchen
zwischen den Koth eingelagert.
Die Häuser von Termes Lespesii werden in der Erde angelegt, eine
Handbreit bis eine Spanne unter der Oberfläche. Als Bauplatz wird eine Höhle ge-
graben, die einen etwa fingerbreiten leeren Raum um das Haus bildet (s. Fig. 3).
Mit den glatten Wänden dieser Höhle steht das Nest durch eine kleine Zahl vom
oberen und unteren Ende ausgehender Fortsätze in Verbindung. Durch einen
derselben (selten durch mehrere) führt ein Weg aus dem untersten Stockwerke
in federkieldicke mit einer dünnen bräunlichen Kothschicht ausgekleidete Röhren,
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 29
ACQ Beiträge zur Kenntuiss der Termiten.
die die Erde auf weite Entfernung durchziehen, und hier und da zu kleinen un-
regelmässigen Kammern sich erweitern. Sie führen zu alten Baumstumpfen, unter
deren Rinde Termes Lespesii bisweilen getroffen wird, zu Gissara-Stuken
u. s. w., und ohne Zweifel auch zu anderen Häusern.
Werfen wir zum Schlüsse noch einen flüchtigen Blick auf die in den eben
beschriebenen Häusern lebenden Thiere, deren Bau und Lebensweise ich später
ausführlicher zu besprechen gedenke. — Unter mindestens dreissig Häusern, die
ich in den letzten Monaten geöffnet und von denen ich allerdings die Mehrzahl
schon mehr oder minder zerbrochen erhielt, waren nur drei von einer Königin
bewohnt; in dem einen fand sich der König in derselben, in dem zweiten in einer
benachbarten Kammer; in dem dritten Hause, von dem ich nur ein Bruchstück
bekam, wurde er nicht gefunden. In diesen drei Häusern befanden sich ausser
König und Königin nur Arbeiter und Soldaten, aber weder Eier und Larven,
noch Nymphen oder geflügelte Männchen und Weibchen, von denen letztere in
vielen, Larven fast in allen übrigen Häusern zu finden waren. Von Eiern traf
ich nur ein einziges Mal einen grösseren Haufen von vielleicht einigen Hunderten,
ein paar mal wenige einzelne Eier. — Eier in grösster Menge und junge Larven
habe ich dagegen einmal (im October v. J.) zwischen den Wurzeln eines Gissara-
Stukens gefunden, der also von den Thieren als Brüteplatz benutzt wurde. Die
Streifzüge, die man ausser dem Neste in den unterirdischen Gängen oder unter
Baumrinde antrifft, bestehen wie bei anderen Arten nur aus Arbeitern und Soldaten.
Das Vorkommen einer Königin in nur wenigen Häusern und das Fehlen der
Eier und Jugendformen gerade in diesem Häusern beweist, dass dasselbe Volk
mehrere Häuser besitzt, wenn überhaupt, wie bei den Bienen, gesonderte Völker
bestehen, und wenn man nicht auch hier, wie es Bates bei Termes arenarius
annimmt, für einen bestimmten Bezirk „die ganze Masse von dieser Art Termiten
als eine einzige grosse Familie betrachten" muss^j.
Bricht man ein kleines Loch in eine Wand des Hauses von Termes Les-
pesii, so kann man, ganz wie bei den Baumnestern, die Soldaten sehr bedächtig
den Schaden untersuchen und dann die Arbeiter mit ihrem Koth denselben wieder
ausbessern sehen. Reisst man aber ein grösseres Stück der Wand eines Stock-
werkes weg, so ziehen sich die Thiere in die nächstliegenden Stockwerke zurück
und schliesen mit Koth die engen Eingänge zu denselben, wozu sie natürlich nur
wenig Zeit brauchen. Auf diese Weise lässt sich das Haus leicht Stockwerk für
Stockwerk gegen eindringende Feinde vertheidigen.
Termes saliensm.-) gräbt ähnliche weithin laufende, mit Koth aus-
gekleidete Gänge, wie T. Lespesii. Sie sind in der Regel etwas weiter, viel
häufiger zu grösseren niedrigen Kammern erweitert, der Kothüberzug meist dunkler.
i) Linnaea entomol. XII, S. 273.
2) Zu dieser Art oder einer kaum verschiedenen gehört der von Hagen unter Termes cingulatus
beschriebene und (Linnaea entomol. XII. Taf. I. Fig. 13) abgebildete Soldat. Mit ihren gewaltigen zum
Beissen untauglichen Kinnbacken köimen die Soldaten von Termes saliens nach Art der Odontomachiden
über fuss weite Sprünge nach rückwärts machen. „Maxillis longis altissime resiliens" sagt von den Termiten
schon Linne, der also von ähnlichen Soldaten Kunde haben musste. Nahe verwandt scheint der ebenda
Taf. I. Fig. 15 abgebildete Soldat zu sein. Man kann diese Thiere kaum in der Gattung Termes be-
lassen, die wohl am besten auf die Arten zu beschränken wäre, deren Soldaten scharfe beissende Kinn-
backen (Mandibeln) haben und eines hörn- oder nasenartigen P'ortsatzes am Kopfe entbehren.
Beiträge zur Kenntniss der Termiten. ^ej
Bald laufen sie fast unmittelbar unter der Oberfläche, bald steigen sie bis über
fusstief hinab. In solchen tieferliegenden Gängen habe ich erwachsene Nymphen
in grosser Zahl getroffen. Eier und junge Brut findet man nicht selten zwischen den
Wurzeln der Gissara-Stuken, wo ich auch einmal zwei geflügelte Tiere sah. Züge
von Arbeitern und Soldaten gehen auch unter die Rinde modernder Bäume. —
Wahrscheinlich wird als Wohnsitz des königlichen Paares ein unterirdisches Haus
gebaut. Dass es eine zweite Art unterirdischer Termiten nester hier gebe, hat man
mir mehrfach berichtet; sie sollen sehr hart, über kopfgross, rundlich und mit
einer Art Stiel versehen sein, im Innern aber nicht so regelmässige Kammern
haben wie die von Termes Lespesii. Von den mir bekannten Arten könnte
nur Termes saliens diese Nester gebaut haben. Ich selbst habe noch keins
gesehen.
Itajahy, Sa. Catharina, Brazil, im Juli 1872.
Nachtrag.
Weit seltener als die Erbauer der Baumnester und die zwischen Gissara-
wurzeln hausenden Eutermes kommt hier eine dritte Art dieser Gattung vor, die
wie jene beiden gelbgraue Flügel mit rostgelbem Randfelde besitzt. Ihre Woh-
nungen bilden ansehnliche Kugeln, die im Urwalde lose am Boden hegen. Wäh-
rend die Baumnester durchweg fast gleich dicke und gleich harte Wände haben
und während bei den unter Gissara-Stuken häufigen Nestern ein fester Kern von
einem lockeren Gefüge papierartig dünner bröcklicher Wände umgeben ist, um-
schliesst bei diesen Kugelnestern eine ungemein harte dicke Schale die lockere,
weichere Mitte. Stehen sie hierdurch in geradem Gegensatz zu den Gissara-Nestern,
so stimmen sie mit diesen darin überein, dass ihr Gefüge kein so völlig regel-
loses ist, wie bei den Baumnestern, dass vielmehr ihre vorwiegend in tangentialer
Richtung ausgedehnten Räume eine mehr oder minder regelmässige concentrische
Anordnung zeigen.
Ich hatte kürzlich Gelegenheit, eines dieser Kugelnester zu untersuchen.
Dasselbe hatte etwa i Meter Durchmesser; die Höhe war etwas geringer, als der
wagerechte Durchmesser, da der sonst fast regelmässigen Kugel unten, wo sie
dem Boden auflag, ein Abschnitt fehlte. Die Oberfläche des Baues war mit
kleinen Moosen und Lebermoosen bewachsen. Die harte Schale, die abzusprengen
manchen kräftigen Hieb einer schweren Holzaxt erforderte, war fast einen Fuss
dick. Sie bestand aus stellenweise ziemlich regelmässig concentrischen, durch-
schnittlich etwa 2 mm dicken Wänden, die durch zahlreiche Pfeiler und unregel-
mässige Wände verbunden waren. Bei mehreren Zählungen fand ich in der
Richtung des Halbmessers 16 bis 18 concentrische Räume auf 0,1 m. — Nach
der Mitte des Nestes zu wurden die Wände allmälig dünner; der innerste Kern
war leicht mit der Hand zu zerbröckeln. Hier wurde, leider durch einen Axt-
hieb völlig zerquetscht, die Königin angetroffen ; sie war durch kein besonderes,
festwandiges Zimmer beschützt, welches durch die dicke harte Schale des ganzen
Nestes überflüssig gemacht ist. Um sie herum fanden sich Eier und junge Brut
29*
AC2 Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
in ganz unglaublicher Menge. Zahllose geflügelte Männchen und Weibchen hielten
sich ausschliesslich in den Räumen der harten Rinde des Baues auf.
Im Innern dieses Nestes herrschte eine ziemlich bedeutende Wärme; sie
schien mir etwa der Blutwärme gleich zu sein, eher höher, als niedriger. Mitten
im Winter und in tiefem Waldesschatten konnte diese Wärme natürlich nur von
den Bewohnern des Nestes selbst erzeugt sein. — Einen saueren Geruch, von dem
Beobachter anderer Arten sprechen, habe ich eben so w^enig bei diesem grossen
Kugelneste, als bei den Nestern anderer hiesiger Arten wahrgenommen. Der
nicht sehr starke Geruch war vielmehr hier, wie bei den Baumnestern ein ganz
eigenthümlich harziger.
Itajahy, Ende Juli 1872.
Beiträge zur Kenntniss der Termiten^).
III. Die „Nymphen mit kurzen Flügelscheiden" (Hagen), „nymphes de la
deuxieme forme" (Lespes). Ein Sultan in seinem Harem.
Mit 3 Textfiguren.
Von der überraschenden Menge verschiedener Zustände, die im Termiten-
staate angetroffen werden, bilden — nach der Meinung ihres gründlichsten Kenners ^)
— „eigentlich nur die Nymphen mit kurzen Flügelscheiden ein bis jetzt unlösliches
Räthsel". Dem Versuche, dieses Räthsel seiner Lösung näher zu führen, muss
ich als Einleitung einige Worte über das geschlechtliche Leben der Termiten
vorausschicken.
Zu einer bestimmten (für verschiedene Arten verschiedenen) Jahreszeit ver-
lassen die geflügelten Männchen und Weibchen das Nest, in welchem sie mehrere
Wochen zuvor ihre letzte Häutung bestanden haben, und erheben sich in dichtem
Schwärme in die Luft. Nach kurzem Fluge senken sie sich wieder zu Boden
und entledigen sich ihrer Flügel. Zum Theil erst jetzt, zum Theil schon während
des Fluges beginnt die Jagd der Männchen nach einer Genossin. Die Paare,
die sich gefunden, suchen dann ein Nest ihrer Art wieder zu gewinnen. Ehe sie
dieses Ziel wieder erreichen, erliegt die übergrosse Mehrzahl der wehrlosen Thiere
den Nachstellungen der Ameisen, der Vögel und anderer Feinde. Die Begattung
findet weder in der Luft, noch überhaupt ausserhalb des Nestes statt. Erst nach-
dem ein Paar als König und Königin in einem Neste Aufnahme gefunden hat,
folgt der ausserhalb des Nestes gefeierten Verlobung die Vermählung und eine
Jahre lange treue Ehe.
Ziemlich abweichend von dieser Darstellung, welche sich in allen wesentlichen
Puncten derjenigen anschliesst, die schon vor fast hundert Jahren (1781) Smeathman
gegeben hat, pflegen die Angaben neuerer zoologischer Lehrbücher zu lauten.
Man lässt die Termiten sich in der Luft oder doch ausserhab des Nestes begatten,
die Männchen nach der Begattung zu Grunde gehen und die befruchteten Weibchen
in das Nest zurückgebracht werden.
I) Jenaische Zeitschrift f. Naturwiss. 1873. Bd. VII. p. 451 — 463.
i) Hagen in Linnaea enthomol. XTV. S. 126.
454
Beiträge zur Kenntniss der Tenniten.
Dass das Männchen mit seinem Weibchen in das Xest zurückkehrt und in
seiner Gesellschaft als „König" weiter lebt, bedarf keiner weiteren Beweise, nach-
dem ausser Smeathman auch Savage, Lespes, Bates u. A, solche Könige bei ver-
schiedenen Arten gefunden^ und nachdem auch Hagen erklärt, dass ihm „durch
vielfache Angaben glaubwürdiger Forscher und durch vielfache Sendungen solcher
Nestbewohner die Existenz eines derartigen Königs zweifellos erscheint" ^). Doch
mag immerhin erwähnt sein, dass auch ich den König bei acht oder neun Arten
der Gattungen Calotermes (rugosus, nodulosus, Hagenii), Ter m es (Lespesii),
Eutermes (inquilinus u. a.) und Anoplotermes (pacificus) gefunden habe. —
Da die zur Zeit des Schwärmens äusserst winzigen Hoden nach der Rückkehr
in ein Nest so bedeutend wachsen, dass sie den grösseren Theil des bisweilen
beträchtlich anschwellenden Hinterleibes füllen, so steht die, wahrscheinlich oft
wiederholte Begattung im Innern des Nestes ausser Frage. Damit ist allerdings
eine frühere Begattung ausserhalb des Nestes nicht ausgeschlossen. Doch ist die-
selbe sehr unwahrscheinlich, eben weil zur Zeit des Schwärmens Hoden und Eier-
stöcke noch sehr wenig entwickelt sind. Selbst bei einer der grössten Arten
(Termes dirus) konnte Burmeister die inneren Geschlechtstheile des geflügelten
Männchens nicht nachweisen. Auch Hagen untersuchte viele (Alcohol-) Stücke
geflügelter Termiten ohne Genitalien zu treffen ^). Hat man doch sogar die grosse
Masse eines Termitenschwarmes als „sterile Individuen" ansehen wollen. Danach
lässt sich bemessen, wie klein noch im Verhältniss zu ihrem späteren gewaltigen
Umfange die Geschlechtstheile der geflügelten Thiere sind; als Beispiel will ich
anführen, dass bei den geflügelten Männchen unserer grössten Eutermes- Art
die Hoden kaum 0,3 mm Durchmesser haben.
Besässen die Termiten die langen, so leicht ins Auge fallenden und kaum
zu verwechselnden Samenfäden der übrigen Insecten, so wäre die Frage, ob die
geflügelten Männchen schon zeugungsfähig seien und ob die Weibchen schon
ausserhalb des Nestes sich begatten, leicht genug zu entscheiden. Allein in den
Hoden geschlechtsreifer Männchen (Könige) verschiedener Arten fand ich nur
theils grössere, sehr blasse rundliche Körperchen (von etwa 0,008 mm Durchmesser
bei Eutermes vernalis m.), die Kern- und hüllenlos zu sein scheinen und
bei Wasserzusatz zu mehr als doppelt so grossem Durchmesser aufquellen, theils
kleinere ziemlich stark lichtbrechende Kügelchen von kaum 0,002 mm Durch-
messer. — Erstere sind wahrscheinlich die befruchtenden Bestandtheile des Samens.
Sie sind so blass und ihre Gestalt ist so wenig ausgezeichnet, dass ich noch nicht
mit Bestimmtheit sagen kann, ob sie schon bei den geflügelten Männchen sich
finden und dass ich sie bis jetzt ebenso vergeblich in der Samentasche von Köni-
ginnen, wie in der der geflügelten Weibchen gesucht habe. Habe ich recht ge-
sehen, so sind dieselben bei den geflügelten Männchen (des grossen, Kugelnester
bauenden Eutermes) allerdings schon vorhanden, aber noch in Zellen eingeschlossen.
Bis jetzt ist noch kein in der Begattung begriffenes Termiten-Pärchen ge-
gefangen worden. Was man wohl als Begattung angesehen hat, sind jene mehr-
fach beobachteten gemeinsamen Spaziergänge der Paare, bei welchen das Weibchen
voranläuft, das Männchen dicht dahinter, oft mit seinen Kinnbacken den Hinter-
1) Hagen a. a. O. XII. S. i6.
2) Briefliche Mittheilung vom 25. Novbr. 1871.
Beiträge zur Kenntniss der Termiten. 4^S
leib des Weibchens erfassend. Diesen eigen thümlichen Spaziergängen habe ich
bei Termes Lespesii wiederholt zugesehen. Brachte ich ausgefärbte Thiere
dieser Art aus dem Neste in ein Glas, so pflegten sie nach kurzer Unruhe dicht
übereinander geschichtet, wie sie es in den Kammern des Nestes gewesen, still
am Boden zu sitzen. Schüttete ich sie dann auf einen Bogen Papier, so schob
sich allmählig ein Pärchen nach dem anderen aus dem wimmelnden Haufen
hervor, um sich langsam von demselben zu entfernen. Einige Paare trennten
sich bald wieder; diese erwiesen sich, soweit sie untersucht wurden, als zwei
Männchen, Die anderen, die bei einander ausharrten, bestanden immer aus
einem vorangehenden Weibchen und einem nachfolgenden Männchen. Letzteres
war bis auf die hintere Hälfte der Flügel, oder, falls es diese schon abgeworfen
hatte, vollständig unter den Flügeln des Weibchens verborgen. Blieb es einmal
einige Schritte zurück, so schien das Weibchen auf dasselbe zu warten. Nicht
selten hatte das Männchen wirklich (wie Rosenschöld angiebt), und nicht bloss
scheinbar (wie es Lespes bei Termes lucifugus sah) die Spitze des Hinterleibes
seiner Genossin eine Zeit lang mit den Kinnbacken (Mandibeln) gefasst. Es schien
das eine Art bräutlicher Liebkosung zu sein. Von einer Begattung habe ich dabei
so wenig etwas gesehen, als Smeathman, Rosenschöld, Lespes, Tollin u. A. ^).
Das Ziel dieser Spaziergänge ist wahrscheinlich ein Nest ihrer Art als neue Heimat.
Die angebliche Begattung in der Luft würde ich mit Stillschweigen über-
gehen, wenn nicht Azara und Rengger, welche dieselbe in Paraguay gesehen
haben wollen, mit Recht den Ruf guter und zuverlässiger Beobachter genössen.
Für die Termiten haben sie freilich diesen Ruf nicht gerechtfertigt; Azara schreibt
den Termiten sechs Flügel zu, — Rengger will den Boden Viertelstunden weit
von männlichen Termiten oder wenigstens von deren Flügeln bedeckt gesehen haben.
Leider sagt er ebenso wenig, woran er die Flügel als männliche erkannte, als in
welcher Weise die Begattung in der Luft vor sich ging. Vermuthlich haben Beide
nichts weiter gesehen, als was auch der dritte Beobachter der Termiten Paraguays,
Rosenschöld, berichtet, dass nämlich aus den dichten Schwärmen einer dortigen
Art die Thiere paarweise niederfallen, um dann die eben erwähnten Spaziergänge
zu beginnen. Bei dem dürftigen Flugvermögen der Termiten und bei dem Mangel
von Begattungswerkzeugen halte ich die Begattung in der Luft für geradezu
unmöglich.
So viel zur Rechtfertigung Smeathman's gegenüber den Bedenken und der
abweichenden Auffassung der „wissenschaftlichen Zoologie". Seine Darstellung
des geschlechtlichen Lebens der Termiten scheint mir, soweit ich nach den in
i) Nur M^netries erzählt in einem wunderlich aus Wahrem und Falschem gemischten Berichte (Linn.
entomol. S, Ii6), dass diese Spaziergänge mit der Begattung enden. Ich glaube diese Angabe ebenso
bezweifeln zu dürfen, wie dass die Termiten der Serra da Mantiqueira Bäume entlauben, um die
Blätter in ihr Nest zu tragen (wahrscheinlich Verwechslung mit Ameisen der Gattung Oecodoma), dass
die Männchen dieser Termiten kräftigere Mandibeln haben als die Weibchen, dass die Weibchen gleich in
den ersten zwei bis drei Tagen nach der Heimkehr ihre (bei anderen Arten um diese Zeit ganz unreifen)
Eier ablegen und dann aus dem Neste geworfen werden, dass irgendwo in Brasilien gebratene Mandioc-
wurzeln die Hauptnahrung der Bewohner bildet, u. s. w. — Menelries fand während eines fünfjährigen
Aufenthaltes in verschiedenen Provinzen Brasiliens, die wahrscheinlich sämmtlich termitenreicher sind, als
imsere Santa Catharina, „nie Termiten in wirklichen Urwäldern". In meinem eigenen Urwalde leben über
ein Dutzend Arten.
,-A Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
Hagen's Monographie gesammelten Thatsachen und nach eigenen Erfahrungen
urtheilen kann, durchaus richtig zu sein; allein sie ist, wenn auch nicht für den
von Smeathman beobachteten Termes bellicosus, so doch für manche andere
Arten unvollständig. Es finden darin die „Nymphen mit kurzen Flügelscheiden"
(oder besser Flügelansätzen ^) keine Berücksichtigung.
Schon früher mehrfach beobachtet, sind diese Thiere zuerst von Lespes aus-
führlicher besprochen worden. Derselbe unterschied unter den Nymphen des
Termes lucifugus, den er bei Bordeaux beobachtete, zwei verschiedene Formen,
Die „Nymphen der ersten Form" sind lebhafter, schlanker und haben lange, breite,
den vorderen Theil des Hinterleibes ganz bedeckende Flügelansätze, sie beginnen
Anfangs Mai sich zu färben und verwandeln sich zwischen 15. und 20. Mai in ge-
flügelte Thiere. Die „Nymphen der zweiten Form" sind weit seltener; sie sind
dicker, schwerfälliger und haben kurze, schmale, seitlich gelegene Flügelansätze.
Im Februar, als Lespes sie zuerst fand, hatten diese Nymphen dieselbe Grösse,
wie die übrigen (6 — 7 mm); später wurden sie grösser (8 — 10 mm); aber der
Hinterleib allein wuchs, besonders beträchtlich bei den Weibchen. Dann bedecken
die Rückenschilder nicht mehr die Seiten und werden selbst oben durch weiche
Haut getrennt. Dieser Anschwellung des Hinterleibes entspricht eine stärkere
Entwicklung der Geschlechtstheile. Bei den weiblichen Nymphen der ersten Form
hatte kurz vor der letzten Häutung jeder Eierstock etwa 12 Röhren, von denen
aber nur zwei oder drei unreife Eier enthielten; dagegen fanden sich bei der
zweiten Form bis 56 Röhren, in denen bei älteren Nymphen die Eier sichtbar
wurden. Auch die Hoden waren bei der zweiten Form viel mehr entwickelt. —
Die Nymphen der zweiten Form überleben die Verwandlung und das Schwärmen
der übrigen und wachsen als Nymphen fort. Erst im Juli beginnen sie sich etwas
zu bräunen; sie wurden um diese Zeit immer seltener. —
Leider reichen die Beobachtungen von Lespes nur bis zu dieser Jahreszeit.
Er vermuthet, dass die Nymphen der zweiten Form sich im August in geflügelte
Männchen und Weibchen verwandeln und schwärmen, und dass aus ihnen König
und Königin hervorgehen, während er kleinere Pärchen flügelloser Männchen
und Weibchen, die er einigemal in den Nestern von Termes lucifugus fand
und als „petit roi" und „petite reine" bezeichnet, von den Nymphen der ersten
Form ableitete. Diese Annahme stützt sich einzig darauf, dass die Entwicklung
der inneren Geschlechtstheile bei König und Königin sich zu der bei den Nymphen
der zweiten Form etwa ebenso verhielt, wie die bei „petit roi" und „petite reine"
zu der bei den Nymphen der ersten Form. Diese verschiedene Grösse und diese
verschiedene Entwicklung der Geschlechtstheile bei den von Lespes gefangenen
Königen und Königinnen dürfte jedoch einfach daraus zu erklären sein, dass die-
selben verschiedenen Jahrgängen angehörten. —
i) Der Name Flügel seh ei den passt eigentlich überhaupt nur für die ältesten Nymphen, aus
deren Flügelansätzen bei der nächsten Häutung wirkliche Flügel herausgezogen werden; er ist ganz un-
passend in Fällen, wo es gar nicht zur Bildung von Flügeln kommt. So darf man allerdings mit Hagen
(Linn. ent. XIV. S. 126) „die Soldatennymphen mit kurzen Flügelscheiden als sehr unverbürgt" aus
der Formenreihe der Termiten streichen; wohl aber giebt es Soldaten mit Flügelan sä tzen, aus denen
sich „Flügel entwickeln müssten, wenn nicht überhaupt die Soldaten flügellos blieben" (Hagen, a. a. O.
S. 102). So die von Hagen beschriebenen Soldaten des Termes (Termopsis?) occidentis Walker und
die des Calotermes Smeathmani, m.
Beiträge zur Kenntniss der Termiten. Acn
Schon Hagen hat gegen die Annahme von Lespes geltend gemacht, „dass
alle bis jetzt untersuchten Könige und Königinnen die Flügelschuppe genau von
der Form und Grösse der Imago zeigen, eine Entwicklung, welche mit den kleinen
rudimentären Flügelscheiden jener Nymphen durchaus nicht in Einklang zu bringen
ist. Auch der etwaige Gedanke, dass jene Nymphen bei ihrer letzten Häutung
aus den rudimentären Scheiden nur Flügelschuppen herauszögen, scheint unpassend,
und um so mehr, als die Schuppen eines Königspaares stets deutlich die Abbruch-
steile des Flügels zeigen. Uebrigens ist der Prothorax der Königin niemals von
dem der Imago in der Form verschieden" ^), während die Nymphen der zweiten
Form sich durch breiteren Prothorax auszeichneten.
Als im Juli die Nymphen der zweiten Form sich zu bräunen begannen, als
somit ihre letzte Häutung, falls sie eine solche überhaupt noch zu bestehen hatten,
nahe bevorstand, waren ihre Flügelansätze noch so winzig, dass sich in ihnen
unmöglich Flügel ausbilden konnten, wie sie die im Mai schwärmenden Thiere
besitzen. Und selbst, wenn sie solche Flügel bekämen, würden sie mit ihrem
dicken Hinterleibe nicht fliegen können, wie wohl Jeder, der lebende Termiten
gesehen, zugestehen wird. Es mag hierbei darauf hingewiesen werden, dass Bobe-
Moreau, der lange Jahre hindurch den Termiten in und um Rochefort seine Auf-
merksamkeit schenkte (seine Beobachtungen begannen 1797, sein „Memoire sur
les Termites observes ä Rochefort etc." erschien 1843), ebenfalls nach der Schwärm-
zeit noch „verspätete Nymphen" antraf, von denen er vermuthet, dass sie ohne
weitere Verwandlung untergehen, da in Rochefort nie ein zweiter Ausflug be-
obachtet wurde. Hagen hält es für sicher, dass Bobe-Moreau und Lespes dieselbe
Art untersucht haben, während Lespes glaubt, dass der Termes lucifugus
von Bordeaux von der Rochefort-Termite verschieden sei. Wie dem auch sei,
es scheint mir kaum einem Zweifel zu unterliegen, dass auch in Bordeaux ein
zweiter Ausflug aus den Nymphen der zweiten Form hervorgegangener Männchen
und Weibchen nicht stattfinde, dass vielmehr diese Nymphen flügellos bleiben
und nie ihr Nest verlassen, in welchem sie unter Umständen zu zeugungsfähigen
Männchen und eierlegenden Weibchen sich entwickeln.
Derlei nymphenähnliche geschlechtsreife Thiere sind bereits bei mehreren
Arten beobachtet und gewöhnlich als Königinnen beschrieben worden. So bildete
Joly eine Königin von Termes lucifugus ohne Flügelschuppen ab und Lespes
berichtet, dass Joly ihm nochmals versichert, dieselbe sei ohne Spur von Flügel-
schuppen gewesen. Auch das von Burmeister als Königin beschriebene Weibchen
von Termes flavipes war flügellos und Hagen, der dasselbe Thier untersuchte,
fand darin „ein dem Habitus nach einer Königin sehr ähnliches Thier mit den
kurzen Flügelscheiden einer Nymphe". Ebenso ist Bates' Königin von Termes
arenarius nach Hagen „eine Nymphe mit unentwickelten Flügelscheiden" 2).
Ferner ziehe ich hierher ein im British Museum befindliches (von Walker unter
Termes lucifugus beschriebenes) Stück von Calotermes flavicollis,
„eine Nymphe mit kurzen Flügelscheiden, einer Imago, welche die Flügel verloren
hat, täuschend ähnlich. Die völlig schwarze Färbung, der blank polirte Kopf,
Thorax und Leib schliessen die Idee einer nochmaligen Häutung aus"^).
i) Hagen, a. a. O. XII. S. 19.
2) Briefliche Mittheilung vom 2. Januar 1872.
3) Hagen, a. a. O. XII. S. 20 und S. 59.
^-g Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
Es treten also bei gewissen Termiten-Arten die Männchen und Weibchen
unter zwei verschiedenen Formen auf. Die einen aus den „Nymphen der ersten
Form" hervorgehend, erhalten Flügel und verlassen in Schwärmen ihren Geburts-
ort. Nur sehr wenigen Glücklichen unter ihnen gelingt es, später als König und
Königin einen erledigten Thron zu besteigen. Die anderen, die geschlechtsreif
gewordenen „Nymphen der zweiten Form" sehen nie das Licht des Tages; sie
bleiben flügellos und verlassen nie das Nest, in dem sie aufgewachsen sind ^).
Welche Bedeutung hat nun für die Erhaltung und das Gedeihen der Art
jede dieser beiden Formen? — Ein grösserer Termitenstaat entsendet jährlich
Hunderttausende geflügelter Männchen und Weibchen, um alle zwei, drei oder
vier Jahre ein einziges Königspaar zurückerhalten zu können ; so bedeutend sind
die Verheerungen, die alle möglichen Insectenfresser, vom Menschen bis zur
Ameise, unter diesen ganz wehrlosen Thieren anrichten, so bedeutend die Schwierig-
keiten, nachdem Braut und Bräutigam sich gefunden, ein Nest zu erreichen, in
welchem ein Königspaar verlangt wird. Wäre es nicht einfacher und sicherer,
alle Männchen und Weibchen wohlbehütet daheim zu behalten? Welche Arbeit
würden die Termiten sparen, wenn sie nicht Jahr für Jahr jene wolkenartigen
Schwärme geflügelter Thiere aufzuziehen hätten, wie sie den grossen Hügelnestern
entsteigen '^) ! Ist es nicht auffallend, dass bei allen Arten, wo dieselbe überhaupt
besteht, jene so viel einfachere und sichrere, so viel Arbeit ersparende Weise der
Fortpflanzung durch nymphenähnliche Männchen und Weibchen nicht längst auf
dem Wege der natürlichen Auslese die andere von so viel Gefahren bedrohte
durch ausfliegende Schwärme völlig verdrängt hat, nicht längst zur einzigen ge-
worden ist? Und doch scheinen die daheim bleibenden Männchen und Weibchen
nur als seltener Nothbehelf zu dienen für den Fall, dass einmal andere nicht zu
erlangen sind.
Wo immer man auf derartige Fragen stösst, darf man sich getrost an Darwin
wenden und bei ihm den Schlüssel zu deren Lösung zu finden hoffen. Wer nach
eigener Beschäftigung mit dem Gegenstande die volle Tragweite der im 17. Capitel
seines Werkes: „The Variation of animals and plants under domestication" zu-
sammengestellten Thatsachen zu würdigen weiss, wird kaum Bedenken tragen,
zuzugestehen, dass durch dieselben das Gesetz wenn nicht bewiesen, so doch im
höchsten Grade wahrscheinlich gemacht wird, mit welchem Darwin dieses Capitel
i) Hagen schreibt mir, dass alle Königinnen (von Termes bellicosus, dives, obesus, gilvus), die
er bis jetzt aus Asien und Africa sah, wirkliche Imagos sind mit dem Flügelstummel, von dem der
Flügel abgebrochen — dagegen alle Königinnen, die er aus Brasilien und überhaupt aus America ge-
sehen (von Termes flavipes, morio (?), similis (?), arenarius), offenbar Nymphen waren. So auffallend
diese Thatsache scheinen mag, wäre es voreilig, daraus schon jetzt schliessen zu wollen, dass im Vorkommen
der beiderlei Formen ein Unterschied zwischen der alten und der neuen Welt bestehe. Ich habe hier
wohl über hundert wirkliche Königinnen gesehen, — mehr als Hagen aus Asien und Afrika, ehe ich zum
ersten Male nymphenähnliche Weibchen traf.
2) Man hat von der Anlage neuer Staaten durch die ausschwärmenden Männchen und Weibchen
gesprochen (Rengger, Tollin u. A.) und könnte meinen, dass deshalb das Schwärmen unentbehrlich sei.
Den Männchen und Weibchen von Calotermes will ich die Fähigkeit nicht geradezu absprechen, auf
eigne Hand weiter zu leben und eine neue Ansiedlung zu beginnen. Bei allen Arten von Termes,
Eutermes, Anoplotermes, deren Lebensweise ich einigermassen kenne, würde ein geflügeltes Pärchen
die Begründung eines neuen Staates mit genau demselben Erfolge unternehmen, wie ein Paar neugeborener
Kinder, die man auf einer wüsten Insel ausgesetzt hätte.
Beiträge zur Kenntniss der Termiten. 4=iQ
schliesst: „that the crossing of animals and plants which are not closely related
to each other is highly beneficial or even necessary, and that interbreeding prolonged
during many generations is highly injurious".
Nun besitzt bei der Mehrzahl der Termiten-Arten, deren gesellschaftliche
Verhältnisse man kennt, jedes Volk (mit seltenen Ausnahmen) ein einziges Königs-
paar oder auch wohl bisweilen einen einzigen König mit zwei Gemahlinnen.
Somit sind sämmtliche in dem Stocke aufwachsende Männchen und Weibchen Ge-
schwister. Die ausschliessliche Fortpflanzung durch eingeborene Männchen und
Weibchen würde zur engsten Inzucht führen. Bei dem Schwärmen können sich
Männchen und Weibchen aus verschiedenen Stöcken zusammenfinden, deren Ver-
bindung hier wie sonst eine kräftigere Nachkommenschaft liefern wird. Bei der
massenhaften Vertilgung durch zahlreiche Feinde, welcher die schwärmenden
Termiten ausgesetzt sind, wird es trotz ihrer Unzahl geschehen können, dass ein Volk
seinen Thron nicht rechtzeitig mit einem neuen Königspaare zu besetzen vermag.
In diesem Nothfalle treten dann als Ersatz die daheim in sicherer Hut gehaltenen
nymphenähnlichen Männchen und Weibchen ein und retten das Volk vor dem
Aussterben. —
Mit dem Umstände, dass erst dann diese Ersatzmännchen oder Weibchen
nöthig werden, wenn nach Ablauf der Schwärmzeit kein wirkliches Königspaar
sich gefunden hat, mag die verspätete Entwicklung der „Nymphen der zweiten
Form" im Zusammenhang stehen. — Dass, wie Lespes berichtet, diese Nymphen
der zweiten Form „immer seltener werden, je mehr die Zeit ihrer (nur vermutheten,
nicht beobachteten !) Verwandlung herannaht" ^), wäre gewiss höchst befremdlich,
wenn dieselben sich wirklich in geflügelte Thiere für einen zweiten Ausflug ver-
wandelten; dagegen erscheint es begreiflich, dass man sie allmälig aussterben
verhungern?) lässt, wenn man sie nicht mehr braucht, oder dass man nur so
viele am Leben erhält, als man eben braucht.
In überraschender Weise ähnlich sind diese bei den Termiten bestehenden Ver-
hältnisse dem bei Pflanzen der verschiedensten Familien beobachteten Vorkommen
geschlossener („cleistogamer" Kuhn) Blüthen '-). Wie sich an gewissen Pflanzen-
stöcken ausser offenen, die Kreuzung verschiedener Stöcke vermittelnden Blüthen
andere nie sich öffnende (cleistogame) Blüthen entwickeln, deren Staubgefässe
und Stempel stets eingeschlossen bleiben und durch welche die Erhaltung der
Art gesichert wird, falls die von der Gunst äusserer Umstände abhängige Fort-
pflanzung durch offene Blüthen unterbleibt, so entwickeln sich in gewissen Ter-
mitenstöcken ausser den ausschwärmenden, die Kreuzung verschiedener Stöcke
vermittelnden Männchen und Weibchen andere, nie ausschwärmende (cleistogame)
Männchen und Weibchen, die stets im Stocke eingeschlossen bleiben und durch
welche die Erhaltung der Art gesichert wird, falls die von der Gunst äusserer Um-
stände abhängige Fortpflanzung durch ausschwärmende Männchen und Weibchen
unterbleibt. Wie die cleistogamen Blüthen mancher Pflanzen jüngeren Knospen
der offenen Blüthen, so sind die cleistogamen Männchen und Weibchen der Ter-
miten Jugendzuständen der ausschwärmenden ähnlich; dort bleiben die Blumen-
i) Hagen's Bericht über die Arbeit von Lespcs, a. a. O. XII, S. 317.
2) Vgl. Hildebrand, die Geschlechtervertheilung bei den Pflanzen. 1867. S. 73. Severin Axell, Om
anordningarna for de fanerogama växternas befruktning. 1869. S. 10 u. S. 76.
460
Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
blätter, hier die Flügel auf einer niederen Entwicklungsstufe stehen. Der ver-
schwenderischen Erzeugung von Blüthenstaub in offenen Blüthen entspricht die
verschwenderische Erzeugung geflügelter Männchen und Weibchen, wie die ge-
ringe Zahl der X3'mphen mit kurzen Flügelansätzen dem spärlicheren Blüthen-
staube cleistogamer Blüthen. Wie beim Veilchen die cleistogamen Blüthen später
als die offenen, so entwickeln sich bei Termes lucifugus die Nymphen der
zweiten Form später als die der ersten. Wie man in Frankreich an der aus-
ländischen Leersia orizoides bis jetzt nur Fortpflanzung durch cleistogame
Blüthen beobachtete, so hat man im Garten zu Schönbrunnen bis jetzt nur ein
cleistogames Weibchen des ausländischen Termes flavipes gefunden, — wahr-
scheinlich weil in beiden Fällen im fremden Lande die äusseren Umstände der
gewöhnlichen Fortpflanzungsweise nicht günstig sind.
Die im Vorstehenden entwickelte Ansicht über die „N3'-mphen mit kurzen
Flügelscheiden" hatte ich mir nach den in Hagen's Monographie niedergelegten
Thatsachen gebildet und in Briefen ausgesprochen, lange bevor ich selbst Gelegen-
heit hatte, solche Thiere zu sehen. Leider entbehrte gerade der eigentliche Kern
dieser Ansicht der thatsächlichen Begründung; es mangelte der Nachweis, dass
wirklich die cleistogamen Ersatzmännchen und Weibchen die Fortpflanzung der
Art übernehmen in Fällen, wo König oder Königin im Stocke fehlen. Man wird
begreifen, mit welch freudiger Ueberraschung ich einen Fund begrüsste, der mir
jetzt diesen Nachweis zu liefern gestattet.
Ich hatte (am 11. Nov.) aus einem morschen Gissara-Stuken den festen Kern
eines Eutermes-Nestes mit heimgebracht, der ungefähr Grösse und Gestalt eines
Hühnereies hatte. Um den Kern waren ansehn-
liche Eiermassen angehäuft und so erwartete
ich darin wie gewöhnlich ein Königspaar an-
zutreffen. Allein statt in seiner Mitte ein
grösseres königliches Zimmer zu umschliessen,
war der ganze Kern wie ein Schwamm von
unregelmässigen Gängen durchzogen und in
diesen Gängen sassen, hier und da zu fünf
bis sechs dicht zusammengedrängt, nicht weniger
als einunddreissig (3 1 ) Ersatz weibchen mit kurzen
Flügelansätzen (Fig. i), 6 bis 8 mm lang, und
zwischen ihnen spazierte ein einziger König von
ungefähr gleicher Grösse herum, und zwar ein
wirklicher König mit grossen schwarzen Augen
und Flügelschuppen, von denen die Flügel ab-
gebrochen waren. Eine Königin fehlte. Statt eines Königspalastes, in welchem
ein König mit seiner ebenbürtigen Gemahlin in keuscher Ehe lebte, hatte ich also
einen Harem vor mir, in dem ein Sultan mit zahlreichen Buhlen sich vergnügte ^).
1) Vennuthlich hat schon Bofinet eine ähnliche Gesellschaft von Ersatzweibchen von Termes luci-
fugus gesehen; es waren ihrer sieben, mitten in einem Balken. Sie waren 8 bis lo mm lang, beinahe
weiss oder sehr hellroth. In ihrer Nähe fanden sich mehrere Eierhaufen und sehr zahlreiche Larven,
„genug, um damit ein Liter zu füllen". (Vergl. Hagen's Bericht, a. a. O. X, S. 130.) Termes lucifu-
gus hat sonst, nach Lespes, nur ein einziges Königspaar. Auch die helle Farbe der von Bofinet gefun-
Fig. I. Zwei Ersatzweibchen von Ter-
mes lucifugus. A Die gewöhnliehe Form
mit kurzen Flügelansätzen. B Die seltenere
Form mit längeren Flügelansätzen.
Beiträge zur Kenntniss der Termiten. ^51
Im Laufe eines Tages legten diese Ersatzweibchen eine ziemliche Anzahl
von Eiern, die von den Arbeitern in kleine Häufchen zusammengetragen wurden.
Man sah an ihrem Hinterleibe dieselben wellenförmigen Zusammenziehungen wie
bei Königinnen und bei mehreren war ich Zeuge von dem Austritt eines Eies.
Die Farbe dieser Weibchen mit kurzen Flügelansätzen ist ein lichtes Braun,
wodurch sie ebenso von den blassen, fast farblosen Arbeitern, wie von dem weit
dunkleren König abstechen. Im ganzen sehen sie den Arbeitern ziemlich ähn-
lich, ähnlicher als einer der anderen Formen ihrer Art; nur sind sie doppelt so
gross. Die Flügelansätze sind bei den meisten zu klein, um bei oberflächHcher
Betrachtung in die Augen zu fallen. Der Hinter-
leib, nur massig angeschwollen, hat etwa dieselbe
eiförmige Gestalt und steht etwa in demselben Ver-
hältniss zur Gesammtlänge wie der des Arbeiters.
Namentlich aber ist die Aehnlichkeit des Kopfes
(Fig. 2) auffallend; die „hellen, sich kreuzenden
Linien", die den Kopf der Eutermes- Arbeiter aus-
zuzeichnen pflegen^), sind bei den meisten kaum Fig. 2. Kopf eines Ersatzweib-
minder deutlich, als bei den Arbeitern. Die Fühler '='^^°^- ^^,^1,^. beiden kleinen Netz-
' _ äugen. / Die Überlippe. * Die
haben, wie die der Arbeiter, 14 Glieder, während die Oberkiefer.
Soldaten 13, die geflügelten Thiere 15 Fühlerglieder
besitzen. Man könnte den Kopf für den eines Arbeiters halten, fänden sich nicht
kleine runde Netzaugen, die sich indessen kaum über ihre Umgebung erheben und kaum
etwas dunkler als diese gefärbt sind. Nebenaugen habe ich nicht bemerkt. Der
Prothorax erinnert dadurch an den der Arbeiter, dass er einen queren sattelförmigen
Eindruck hat, welcher einen vorderen Lappen absondert ; doch ist bei den Arbeitern
dieser vordere Lappen sehr gross, steil aufgerichtet und in der Mitte seines Vorder-
randes seicht eingekerbt ; bei den Ersatzweibchen ist er nur klein, sanft aufsteigend
und einfach abgerundet. Die Grösse des vorderen Lappens wechselt übrigens;
bei einigen wenigen Stücken war er durch einen schmalen Saum ersetzt, und
dann ähnelte der Prothorax dem des Königs. Die Flügelansätze nehmen die
ganzen seitlichen Ränder des Meso- und Metathorax ein; meist (Fig. i A)
sind sie kaum halb so lang, als diese Leibesringe breit und bilden dann dreieckige
wagerecht nach aussen gerichtete Vorsprünge, deren Hinderrand ziemlich gerade
nach aussen, deren Vorderrand schief nach hinten läuft. Bei sehr wenigen Stücken
(Fig. I B) sind die Flügelansätze bedeutend grösser; auch Meso- und Metathorax
sind in diesem Falle stärker entwickelt; die schief nach hinten gerichteten Flügel-
ansätze reichen etwa bis zur Mitte des zweiten Rückenschildes des Hinterleibes;
denen Weibchen passt nicht zu wirklichen Königinnen. — Wenn Hagen vermuthet (a. a. O. XII, S. 177),
dass Lespes möglicherweise gar keine Königinnen, sondern nur grosse Nymphen der zweiten Form gesehen
habe, so widerspricht dem die ausdrückliche und Joly gegenüber besonders betonte Versicherung von
Lespes (a. a. O. XII, S. 332), dass bei seinen Königinnen stets die Flügelschuppen vorhanden waren.
In den verschiedenen Grössenangaben bei Bofinet, Joly und Lespes kann ich keine Schwierigkeit erblicken,
da ja die Weibchen nur ganz allmälig von der Grösse der Imago zu jenem fabelhaften Umfange heran-
wachsen, der die Königinnen der Termiten so berühmt gemacht hat, und also in allen dazwischen liegenden
Grössen gefunden werden können.
i) Hagen, a. a. O. XII, S. 187.
a()2 Beiträge zur Keuntniss der Termiten.
die vorderen Flügelansätze bedecken den Vorderrand der hinteren. — Die Bauch-
schilder sind wie bei den geflügelten Weibchen gebildet.
Die inneren Geschlechtsteile (Fig. 3) sind von denen der geflügelten Weibchen
fast nur dadurch verschieden, dass sie reife Eier enthalten. Jeder Eierstock pflegt
deren etwa ein halbes Dutzend zu haben. Die Eiröhren, etwa ein Dutzend für
jeden Eierstock (die Zahl scheint ziemlich unbeständig zu sein), sitzen wie bei den
geflügelten Weibchen büschelförmig am Ende der kurzen Eileiter, während bei der
ausgewachsenen Königin jeder Eierstock ein langes Rohr bildet, das
in ganzer Länge ringsum dicht mit überaus zahlreichen Eiröhren be-
setzt ist. Samentasche und Kittdrüse haben die gewöhnliche Form.
Eine 19 mm lange Königin, die mir eben zur Hand ist, wiegt
etwa 0,2 Gramm; ebensoviel wiegen 15 der Ersatzweibchen. Die Eier-
stöcke der sämmtlichen 31 Ersatzweibchen dürften zusammen kaum
Fig. 3. Ge- so viel wiegen und kaum so viel Eier liefern, als die einer einzigen
schlechtstheile älteren Königin.
eines Ersatz- , , tt i- ■, -kt ^
Weibchens. Da Lespes und Hagen auch männliche Nymphen mit kurzen
i Samentasche. Flügelansätzen trafen, so wird wahrscheinlich der Könisf ebenso durch
k Kittdrüse. „ '^ , , , ^^ ^
Ersatzmännchen vertreten werden können, wie die Königin durch Ersatz-
weibchen. Ob in einem Neste gleichzeitig für beide Geschlechter eine solche Ver-
tretung stattfinden könne, — ob aus den von Ersatzweibchen gelegten oder durch
Ersatzmännchen befruchteten Eiern alle Formen hervorgehen, die das Termiten-
volk zusammensetzen, oder etwa nur Arbeiter und Soldaten, ob von allen Arten
und in allen Stöcken regelmässig jedes Jahr Nymphen mit kurzen Flügelansätzen
erzeugt werden, — das sind Fragen, auf die ich für jetzt selbst nicht mit Ver-
muthungen antworten mag und deren vollständige Lösung Jahre lang fortgesetzte
Beobachtungen erfordern dürfte.
Anhang.
Uebersicht der im Termitenstaate vorkommenden Formen.
Die jüngsten Larven der verschiedenen Stände fanden Bates, Lespes und
auch ich ununterscheidbar ähnlich. Ziemlich früh, noch bevor sie die halbe Länge
der erwachsenen Arbeiter erreichen, scheiden sich, durch die erste Andeutung
der Flügelansätze, die Larven der später zeugungsfähig werdenden Thiere von
denen der Soldaten und Arbeiter, welche letzteren bei Termes saliens und
anderen auch an ihrem dickeren Kopfe kenntlich sind. Erst kurz vor der letzten
Häutung sind die Larven der Soldaten von denen der Arbeiter zu unterscheiden,
so verschieden auch beide im erwachsenen Zustande sein mögen. Eine bis jetzt
vereinzelte Ausnahme bildet der von Bofinet beobachtete Soldat, der so klein
war, dass er als solcher das Ei verlassen zu haben schien. — Sehen wir ab von
den Geschlechtsverschiedenheiten und von den zweifachen Formen der Arbeiter
oder Soldaten, die bei einigen Arten vorzukommen scheinen, so erhalten wir also
Beiträge zur Kenntniss der Tennilen.
463
für die Gattungen Termes und Eutermes folg'ende Uebersicht der im Termiten-
staate vorkommenden Formen:
I. Jüngste Larven.
2. Larven der nicht zeugungsfähigen Stände.
4. Larven der Soldaten. 5. Larven der Arbeiter.
6. Soldaten.
7. Arbeiter.
3. Larven der zeugungsfähigen Stände.
8. Nymphen der
ersten Form.
10. Geflügelte Thiere.
9. Nviiiphen der
zweiten Form.
I 1 2. Ersatzmännchen und
II. König u. Königin. Ersatzweibchen.
Itajahy, im November 1872.
Beiträge zur Kenntniss der Termiten^).
IV. Die Larven von Calotermes rugosus Hag.
Mit Tafel XL— XLIII.
Die Calotermes leben ohne eigentliches Nest in Gängen, die sie im Holze
abgestorbener Bäume ausnagen. Ihre Gestalt entspricht dieser Lebensweise. Der
langstreckige walzenförmige Leib, dessen Seitenlinien in einer Flucht vom Kopfe
bis zum Ende des Hinterleibes fortlaufen, unterscheidet sie auf den ersten Blick
von anderen Termiten, deren kleine Vorderbrust eine halsartige Einschnürung
bildet zwischen dem Kopfe und dem hinteren Theile des Leibes, deren Hinterleib
bei Larven, Arbeitern und Soldaten meist ^) kürzer und länglich eiförmig, deren
Beine länger und schlanker sind. Der „prothorax magnus" ^) ist, weil allen Ständen
gemeinsam, jedenfalls das wichtigste äussere Unterscheidungsmerkmal der Gattung
Calotermes, wenigstens für Denjenigen, der lebenden Termiten nachgeht; alle
übrigen, die Nebenaugen, die Adern im Randfelde der Flügel, die Haftlappen
der Füsse, kommen nur den geflügelten Thieren zu, die man unter hundert Fällen
kaum zehnmal in einer Termitengesellschaft treffen wird.
Schon die jüngsten Larven pflegen im Allgemeinen die bezeichnete Gestalt
ihrer älteren Geschwister zu haben, bei Calotermes, wie bei anderen Termiten.
Nur haben sie bei letzteren oft ein ungemein unreifes Aussehen, dicken Kopf,
lange, aber plumpe Beine, Fühler u. s. w. und sind sehr träge und unbeholfen in
ihren Bewegungen; bei Calotermes dagegen sind sie vom ersten Tage an
muntere, lebhafte Thierchen, rascher in ihren Bewegungen, zierlicher in ihrem
Aussehen, als ältere Larven und Soldaten, die gerade in dieser Gattung plumper
gebaut sind und sich langsamer bewegen, als z. B. bei Eutermes. Es ist der-
selbe Unterschied, und bedingt durch ähnliche Ursachen, wie zwischen einer jungen
Taube und einem Küchen, einer jungen Maus und einem Füllen, — ein Unter-
schied, der noch um vieles schroffer sich ausprägt zwischen der selbst sich
nährenden Raupe einer Blattwespe und der hilflosen Made einer Honigbiene. —
i) Jenaische Zeitschrift f. Naturwiss. 1875. Bd. IX. p. 241 — 264.
i) Ausgenommen sind z. B. ältere Larven von Anoplotermes pacificus (Fig. 11).
2) Hagen, Linn. entomol. XII, S. 33.
Beiträge zur Keiintniss der Termiten. AÖ'^
Eine Ausnahme von dieser Regel, dass die Jungen das Ei in einer Gestalt
verlassen, die sich nur wenig von der älterer Larven unterscheidet, bilden, soweit
mir bekannt, nur die beiden Arten Calotermes rugosus Hag. und C. nodu-
losus Hag. Als ich zum ersten Male zwischen den Soldaten und erwachsenen
Larven des Calotermes rugosus, die sich langsam in ihren Gängen fort-
schoben , zierliche schneeweisse Thierchen herumlaufen sah , deren völlig ab-
weichende Umrisse sich scharf abzeichneten auf dem dunkelblutroten Cangerana-
Holze, in dem sie lebten, meinte ich eher fremde Gäste, als Junge derselben Art
vor mir zu haben. In vollem Gegensatze zu den Soldaten und erwachsenen
Larven ist bei den jüngsten die Dreitheilung des Leibes in Kopf, Brust und
Hinterleib augenfälliger, der Leib erscheint flacher und breiter, der Hinterleib ist
vor der Mitte stärker verbreitet, nach hinten stärker verjüngt, als bei irgend
welchen anderen Termiten, und dazu tragen Vorder- und Mittelbrust ansehnliche,
wagerecht abstehende, den Kopf seitlich weit überragende flügeiförmige Fortsätze
(Fig. 1—3).
Wir dürfen uns schon jetzt und ehe wir auf eine nähere Betrachtung dieser
jungen Larven eingehen, die Frage vorlegen, ob wir es hier mit einem Falle von
Anpassung oder von Vererbung zu thun haben, mit anderen Worten, ob die
jungen Larven die Eigenschaften, durch die sie sich von ihren älteren Ge-
schwistern auszeichnen, selbst als Larven im Kampfe ums Dasein erworben haben,
oder ob ihnen dieselben, nutzlos für sie selbst, nur als Erbstück ihrer vielleicht
in ähnlicher Gestalt geschlechtsreifen Ahnen geblieben sind. Im ersteren Falle
würde es sich kaum der Mühe lohnen, zu den Hunderten bereits beschriebener
sonderbarer Larvenformen noch eine neue zu beschreiben ; im zweiten Falle wäre
unsere Larve ein überaus merkwürdiges Thier. Denn ist schon Calotermes
eine der ältesten, vielleicht geradezu die älteste unter den jetzt lebenden Insecten-
gattungen, (ihr gehören nach Hagen's Meinung i) die von Goldenberg beschrie-
benen Steinkohlentermiten an), so würde das etwa in ihren Jugendzuständen
erhaltene Bild ihrer Vorfahren eine ähnliche Bedeutung für die Klasse der Insecten
beanspruchen dürfen, wie Nauplius für die Kruster.
Die Antwort kann, scheint mir, schon jetzt, — schon ehe wir die späteren
Schicksale der flügeiförmigen Fortsätze kennen, — kaum zweifelhaft sein. Die
jüngsten Larven von Calotermes rugosus leben mit ihren älteren Geschwistern
an demselben Orte, von gleicher Nahrung, unter völlig gleichen Verhältnissen.
Schon dies spricht dafür, dass ihre Eigenthümlichkeiten als ererbte, nicht als erwor-
bene aufzufassen sind ^). Wichtiger und ich glaube völlig durchschlagend ist ein
anderer Grund. Die älteren Larven haben sich in ihrer Gestalt vollständig ihrem
Aufenthaltsorte und ihrer Lebensweise angepasst; sie zeigen die Walzenform, die
allen in der Erde wühlenden, in Stein oder Holz bohrenden Thieren eigen ist und
oft Thieren der verschiedensten Klassen eine auffallende Aehnlichkeit verleiht ; man
denke an Regenwurm (L u m b r i c u s) und Blind wühle (Coecilia lumbricoides),
Tatuira (Hippa) und Tatee (Dasypus), Maulwurfsgrille (Gryllotalpa) und
Maulwurf (Talpa). Nicht so die jüngsten Larven. Ihre Gestalt ist so ungeeignet
i) Linnaea entomol. XII, S. 73.
2) Vergl. Fritz Müller, Für Darwin S. 80. 81. = Ges. Schriften S. 252.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 30
. AA Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
wie möglich für im Holze nagende Thiere; sie würden hier gar nicht bestehen
können, fänden sie nicht schon durch ältere Genossen für ihren geringen Umfang
überflüssig weite Gänge ausgehöhlt. Also die älteren, nicht die jüngeren Larven
haben sich ihrer gegenwärtigen, für beide gemeinsamen Lebensweise angepasst;
letztere können ihren flacheren Leib, ihre weit vorspringenden flügeiförmigen Fort-
sätze nicht an ihrem jetzigen Aufenthaltsorte erworben, sie können sie nur von
anderwärts mit herübergenommen, d. h. von Vorfahren ererbt haben, die unter
anderen äusseren Verhältnissen lebten.
Damit erscheinen aber die jüngsten Larven des Calotermes rugosus
einer besonderen Beachtung um so mehr werth, je allgemeiner sich sonst die
Jugendformen der Insecten als nachträglich erworbene herausstellen, die auf die
dunkle Urgeschichte der Klasse auch nicht den Schimmer eines Lichtstrahls
fallen lassen.
Die Larven des Calotermes rugosus sind auf ihrer ersten Altersstufe
1,5 bis 2,5 mm lang, wovon etwa 0,5 mm auf den Kopf, 0,3 auf Vorder- und Mittel-
brust, der Rest auf Hinterbrust und Hinterleib kommt. Der Kopf ist so breit
wie lang, die Vorderbrust mit den flügeiförmigen Fortsätzen doppelt so breit als
der Kopf, der dritte breiteste Hinterleibsring fast so breit wie die Vorderbrust.
Die Larven sind von schneeweisser Farbe, welche von dem durchscheinenden
Fettkörper herrührt. So weit sie der Fettkörper nicht verhüllt, sind die inneren
Theile grossentheils schon von aussen wahrzunehmen; so das Rückengefäss, die
oberflächlichen Luftröhren, Gehirn und Bauchnervenknoten, ein Theil des Darm-
rohres und der Harngefässe, sowie die Ausführungsgänge der Speicheldrüsen und
Speichelblasen.
Der Kopf erscheint von oben gesehen fast kreisrund ; in der hinteren Hälfte
ist die Rundung fast regelmässig; vorn zeigt er jederseits eine flache Bucht, in
der die Kinnbacken sitzen und dicht hinter dieser eine kleine Fühlergrube. Die
Fühler sind fadenförmig, etwa 0,7 mm lang und haben neun deutlich geschiedene
borstentragende Glieder. Den Vorderrand des Kopfes überragt die Oberlippe,
etwa halb so breit, als die Stirn, mit abgerundeten Ecken. Ausserdem treten
(namentlich unter dem Drucke eines Deckgläschens) die Mundtheile über den
Rand des Kopfes und der Oberlippe hervor, nicht weniger als 13 verschiedene
Spitzen und Spitzchen (Fig. 17). Augen und Nebenaugen fehlen noch vollständig.
Die Breite der Vorderbrust erscheint verdreifacht durch die wagerecht ab-
stehenden flügeiförmigen Fortsätze, in welche ihre Rückenplatte nach rechts und
links sich ausbreitet. Diese Fortsätze (Fig. 28) sind in der Mitte leicht gewölbt;
Vorderrand und Aussenrand bilden einen ununterbrochenen Bogen, der mit dem
ausgeschweiften Hinterrande in einer abgerundeten, hinterwärts gerichteten Ecke
zusammenstösst. Ganz ähnlich, nur etwas kürzer und schmäler sind die Fortsätze
der Mittelbrust. Die einen wie die anderen tragen am Rande vier längere Borsten.
Die Hinterecke der vorderen legt sich bei Bewegungen über den Vorderrand
der hinteren Fortsätze.
Die Hinterbrust scheint, von oben gesehen, eher dem Hinterleibe als der
Brust anzugehören, sie ist vorn schmäler als hinten, wo sie in voller Breite mit
dem Hinterleibe verbunden ist und die Seitenränder des Hinterleibes setzen sich
in unveränderter Richtung bis zum hinteren Rande der Mittelbrust fort. Auch
Beiträge zur Kenntniss der Termiten. a(^'j
die Rückenplatte der Hinterbrust trägt seitliche Fortsätze, die aber sehr winzig
und bei den allerjüngsten Larven kaum wahrzunehmen sind; sie entspringen nicht,
wie bei Vorder- und Mittelbrust, vom ganzen Seitenrande, den sie kaum über-
ragen, sondern an dessen vorderer Hälfte.
Die Beine gleichen denen älterer Thiere bis auf die noch fehlenden End-
dornen der Schienen : die Füsse haben bereits vier Glieder ^).
Der Hinterleib, der rasch wächst und dessen verschiedene Ausdehnung haupt-
lich die Verschiedenheit der Länge bei den Larven der ersten Altersstufe bedingt
(Fig. I — 3), verbreitert sich bis zu seinem dritten Ringe, um dann nach hinten
bis auf ein Drittel oder weniger der hier erlangten Breite sich zu verjüngen und mit
der halbkreisförmig abgerundeten zehnten Rückenplatte zu enden. Er ist in der
Mittellinie höher als an den Seiten, gegen die er von der Mitte aus dachförmig
abfällt; die Bauchseite ist flach. Die abgerundeten mit einigen Borsten besetzten
Seitenränder der Rückenplatten pflegen seitlich etwas vorzuspringen. Eine Reihe
von sechs kurzen Borsten steht nahe dem Hinterrande jeder Rückenplatte. Die
seitliche Verbindungshaut zwischen Rücken- und Bauchplatten ist mit ganz kurzen
spitzen Dörnchen besät (Fig. 28). Die Afteranhänge (Fig. 37 aä) überragen den
Hinterleib nicht; noch kürzer sind die ungegliederten Bauchanhänge (Fig. 37 ba).
Ich wende mich nun zur genaueren Betrachtung einzelner Theile und der
Veränderungen, die sie im Laufe der Entwickelung erleiden.
Fühler (Fig. 13 — 16). Die Fühler der jüngsten Larve haben neun deutlich
geschiedene Glieder; das erste und zweite sind walzenförmig, letzteres dünner
und bedeutend kürzer; das dritte etwa von Länge des ersten, nach dem Ende
sich verdickend; vom vierten an, dem kürzesten von allen, nimmt die Länge der
Glieder zu; die beiden letzten haben etwa die Länge des ersten und dritten.
Das vierte bis sechste Glied sind tonnenförmig, das siebente bis neunte umgekehrt
eiförmig; das letzte Glied ist merklich dünner, als das vorletzte. Die dünnen Borsten
der Fühler bilden an jedem Gliede vom vierten an einen oberen längeren und
einen unteren kürzeren Kranz, zwischen denen noch zerstreute kürzere Borsten
stehen. Das dritte Glied zeigt sich anfangs nur undeutlich, später immer deutlicher
durch zwei Ringfurchen in drei Stücke getheilt; nur das oberste dickste trägt
einen Borstenkranz, die beiden unteren sind borstenlos. Gegen Ende dieser Alters-
stufe sieht man einen unter der Haut liegenden Kreis von Borsten am mittleren
Stücke auftreten. Nach der Häutung, auf der folgenden Altersstufe (Fig. 14) er-
scheint dann das obere Stück des früheren dritten als kurzes viertes Glied, das
mittlere als oberstes borstentragendes Stück des dritten Fühlergliedes. In gleicher
Weise, durch Abschnürung neuer Glieder am Grunde des dritten findet auch
weiterhin die Vermehrung der Fühlerglieder statt, deren Zahl bei den geflügelten
Thieren dieser Art auf 16 steigt. Vor der letzten Häutung (Fig. 15) finden sich
15 borstentragende FühlergHeder, deren drittes durch eine Ringfurche in einen
oberen beborsteten und einen unteren borstenlosen Abschnitt getheilt ist. Falls
i) Dieselbe Gliederzahl finde ich an den Füssen der jüngsten Larven bei allen von mir unter-
suchten Termiten. Hagen unterschied (Linnaea entomol. XII, S. i8) nur „ein kurzes Basal- und ein
längeres plumpes Glied, das an der Spitze 2 Klauen trägt", wahrscheinlich, weil seine Stücke nicht gut
erhalten waren. Später (Linn. entomol. XIV, S. 120) sagt er von den kürzlich dem Eie entschlüpften
Jungen des Eutermes Rippertii: „die Trennung der drei ersten Fussglieder kaum ersichtlich."
30*
.f.o Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
bei jeder Häutung ein neues Fühlerglied hinzukäme (eine nicht unwahrscheinliche,
wenn schon noch nicht erwiesene Annahme), so würden die Larven im Ganzen
sieben Häutungen zu bestehen haben. — Die Soldaten (Fig. i6) haben gewöhnlich
13 Fühlerglieder, von denen das dritte bedeutend länger ist als seine Nachbarn;
doch schwankt die Zahl von 1 1 bis 1 4.
Die Zahl der Fühlergheder gibt für die Beurtheilung der Altersstufe der
Larven einen bequemen Anhalt, bequemer und sicherer, als die Länge der Larven,
die je nach der Füllung des Darmes sehr wechselt; der Hinterleib eines hungernden
Thieres kann auf seine halbe Länge zusammenschrumpfen.
Auf Grund dieser Entwickelungsweise darf man auch an den Fühlern der
Termiten Schaft und Geissei unterscheiden, ersterer besteht aus den beiden Grund-
gliedern letztere aus der wechselnden Zahl der übrigen. Von der späteren Ent-
wickelung auf die frühere innerhalb des Eies zurückschliessend, durfte man er-
warten, dass die Geissei ursprünglich nur aus einem einzigen Gliede bestehen
würde, von dessen unterem Ende sich das vorletzte abschnürt, von diesem das
drittletzte u. s. w. Und wirklich sah ich (Fig. 12) im Ei einer anderen Calo-
t e r m e s - Art zu einer Zeit, wo die Beine noch vöUig ungegliederte Stummel
waren, die Fühler in drei deutliche Glieder (den zweigliedrigen Schaft und die
eingliedrige Geissei) getheilt.
Die Zahl der Fühlerglieder ist, wie schon Hagen bemerkt, bei den einzelnen
Termitenarten „nicht ganz constant; oft findet sich eins mehr oder weniger" i).
Trotzdem bietet diese Zahl meist ein recht gutes Artkennzeichen, wenn man die
eben geschilderte Entwickelungsweise berücksichtigt; die verschiedene Glieder-
zahl beruht fast immer darauf, dass eine der letzten Abschnürungen unterbleibt,
oder auch eine mehr als gewöhnlich eintritt; man findet daher bei überzähligen
Fühlergliedern das dritte Glied kürzer, bei fehlenden länger als gewöhnlich ; seltener
finden sich zwei der nächsten Glieder verschmolzen, oder eines derselben in zwei
zerfallen. Man hat deshalb stets neben der Zahl der Fühlerglieder auch Länge
und Gestalt des dritten und der nächstfolgenden in's Auge zu fassen.
Das dritte Fühlerglied ist bei den Termiten nach Grösse und Gestalt das
wandelbarste, mag man verschiedene Arten oder die verschiedenen Stände der-
selben Art vergleichen. Der Grund mag einfach darin liegen, dass es, wie wir
gesehen, das jüngste ist 2).
Mundtheile (Taf. XLI Fig. 17 — 25). Oberlippe (labrum). Die Ober-
Hppe pflegt in der Gattung Calotermes nicht länger oder selbst kürzer als
breit zu sein, ziemlich geraden Vorderrand, abgerundete Vorderecken zu haben
und etwa die halbe Breite der Stirn einzunehmen. So auch schon bei den jüngsten
Larven des Caloter mes rugosus (Fig. 17 ol). Eine andere Eigenthümlichkeit
dieser Gattung besteht darin, dass nahe dem Vorderrande der Oberlippe eine
Querreihe längerer Haare steht (Fig. 23); auch diese sind bei der jüngsten Larve
schon vorhanden, wenn auch noch sehr kurz. (Man vergleiche Fig. 17 0/ in Bezug
i) Linn. entomol. XII, S. 6.
2) Dasselbe Verhältniss kehrt auch bei anderen Insecten wieder, z. B. bei den Bienen, bei welchen
bekanntlich das dritte bisweilen das kürzeste, bisweilen das längste aller Fühlerglieder ist. Auch bei den
Bienen ist, wie mir scheint, das zweite Fühlerglied zum Schafte und nicht, wie es jetzt üblich ist, zur
Geissei zu rechnen.
Beiträge zur Kenntniss der Termiten. dÖQ
auf Gestalt und Behaarung mit Fig. 27, welche die Oberlippe der jüngsten Larve
von Anoplotermes pacificus darstellt.)
Kinnbacken (mandibulae). Beim Auskriechen aus dem Ei sind die Kinn-
backen weich und weiss; doch bald beginnen sie zu verhärten und ihr Innenrand
bräunt sich. Wahrscheinlich sind die Larven von Calotermes rugosus, wie
von anderen Caloterm es- Arten, im Stande sich selbt zu ernähren, sobald der
Nahrungsvorrath, den sie aus dem Eie mitbringen, verbraucht ist, ohne dass sie
je von ihren älteren Geschwistern gefüttert werden. Sobald die Verhärtung des
Innenrandes eingetreten ist, erscheinen dessen vorher minder scharf ausgeprägte
Zähne und Vorsprünge in einer Form (Fig. 20), die kaum von derjenigen der älteren
Larven und der geflügelten Thiere (Fig. 25) abweicht. Man unterscheidet dann,
wie bei anderen Termiten ^), zwei scharfe Schneidezähne am oberen, eine quer-
geriefte Kaufläche am unteren Ende des Innenrandes. (Auf der Zeichnung sind
die bei Calotermes rugosus schwach entwickelten, nur bei stärkerer Ver-
grösserung zu erkennenden Querleisten der Kaufläche nicht zu sehen.) Die Rich-
tung der Kaufläche ist bei dem Kinnbacken der rechten und dem der linken
Seite sehr verschieden. Eine Gerade, die man von der Spitze des obersten Zahnes
nach dem am untern Ende des Aussenrandes liegenden Gelenkhöcker zöge, würde
bei den jüngsten Larven des Calotermes rugosus mit der Kaufläche des
linken Kinnbackens einen Winkel von etwa 45 ^, mit der des rechten von etwa
100° bilden. Geringer ist die Verschiedenheit der Richtung bei den geflügelten
Thieren. Zwischen den beiden oberen Zähnen und der Kaufläche liegt ein dritter
Zahn, der am linken Kinnbacken der Kaufläche, am rechten den oberen Zähnen
genähert ist. Dieser dritte Zahn des rechten Kinnbackens ist stumpf bei der
jüngsten Larve, spitz bei den geflügelten Thieren. — Aehnliche Verschiedenheiten
zwischen rechtem und linkem Kinnbacken zeigen auch die übrigen Termiten (so-
wie nach Westwood 2) die verwandten Psociden) ; sie machen sich selbst noch
geltend an den verkümmerten Kinnbacken der spitzköpfigen Soldaten von
Euterm es.
Schneidende Zähne am oberen, eine quergeriefte Kaufläche am unteren Ende
des inneren Kinnbackenrandes sieht man, wie bei den Termiten, so auch bei der
Zoea-Form der aus Nauplius-Brut sich entwickelnden Garneelen. Ueberhaupt sind
ähnlich gebaute Kinnbacken unter den höheren Krustern sehr häufig, unter den
Insecten nicht selten, und man fühlt sich versucht, dabei an gemeinsamen Ur-
sprung zu denken. Für sich allein wird jedoch diesem ähnlichen Bau der Kinn-
backen kein grosses Gewicht beizulegen sein ; die Einrichtung ist zu bequem, als
dass sie nicht leicht selbständig bei verschiedenen Thieren sich hätte ausbilden
können. Zeigt doch unser eigenes Gebiss eine ähnliche Verbindung von Schneide-
zähnen mit dahinterliegenden Mahlzähnen.
Zunge (lingua, hypopharynx) (Fig. 1 7 z, Fig. 1 9). Wie von vorn und oben
durch die Oberiippe, so ist die zwischen den Kinnbacken liegende Mundöffnung
von hinten und unten durch die sogenannte Zunge gedeckt. Bei den jüngsten
i) Wenn ich von Termiten im Allgemeinen spreche, beziehe ich mich nur auf die mir bekannten
Arten. Nach Hagen gibt es Arten mit sechs Zähnen am Innenrande der Kinnbacken. Solche kenne
ich nicht.
2) Tntroducl. to the modern Classific. of Insects. Fig. 59. 2. 3.
.-Q Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
Larven bildet diese ein ansehnliches gleichschenklig dreieckiges Blatt mit einem
Winkel von etwa 45 ° an der Spitze ; am Grunde, wo sie mit der sogenannten
Unterlippe verbunden ist, ist sie etwa so breit, wie die Oberlippe und dabei fast
doppelt so lang. Es ist die mittelste, unpaare unter den zahlreichen Spitzen (Fig. 17),
die den Vorderrand des Kopfes überragen.
Später bleibt die Zunge im Wachsthum gegen die benachbarten Theile etwas
zurück ; sie wird vorn breiter, stumpfer und namentlich wird sie dicker ; beim
geflügelten Insect (Fig. 24, von der Seite) nähert sich ihre Gestalt der einer
menschlichen Zunge; ihre leicht gewölbte obere (vordere) Fläche ist dicht mit
kurzen, zarten, rückwärts gerichteten Haaren bekleidet. — In den Eiern einer
anderen Calotermes- Art sah ich hinter den Kinnbacken und zwischen den
„Unterkiefern*' einen paarigen rundlichen Vorsprung (Fig. 1 2 x), dessen weitere
EntWickelung zu verfolgen ich bis jetzt keine Gelegenheit hatte und von dem
ich unentschieden lassen muss, ob er den inneren Ast des Unterkiefers oder die
erste Anlage der Zunge darstellt. In letzterem Falle wäre diese in frühester Zeit
zweitheilig, wie sie es gewöhnlich bei den Krustern ist. Bei den Krustern pflegt
man bekanntlich dieses unpaare meist zweispaltige Blatt, das von vmten her die
Mundöffnung deckt, Unterlippe zu nennen und das würde wohl auch für die Insecten
der zutreffendste Name sein, wenn derselbe hier nicht unpassender Weise an das
zweite Kieferpaar vergeben wäre. — Auffallend ist die Aehnlichkeit zwischen
Oberlippe und Zunge bei den jüngsten Larven von Anoplotermes pacificus
(Fig. 26, 27); beginnt man das Rohr des Mikroskops zu senken, nachdem man
die Oberlippe eingestellt, so ist diese kaum verschwunden, wenn auch schon an
gleicher Stelle und in täuschend ähnlicher Gestalt die Zunge sich zeigt; man
meint noch einmal die ihrer Haare beraubte Oberlippe vor sich zu haben.
Vordere Kiefer (Unterkiefer, maxillae). Taster und äussere Lade (Fig. 17,
18 kt und kla) erscheinen schon bei der jüngsten Larve ziemlich in ihrer späteren
Gestalt; an der inneren Lade (Fig. 18 kli 18^) sind die beiden starken Zähne,
in die sich später ihre Spitze spaltet, noch sehr klein und der breite, häutige, am
Rande mit kammartig geordneten steifen Borsten besetzte Lappen, in welchen
sich später der untere Theil ihres Innenrandes ausbreitet, kaum angedeutet und
nur mit ganz kurzen Borsten besetzt. — Bei den Soldaten (Fig. 22) bleiben an
beiden Kieferpaaren (wie es überhaupt für die Termiten Regel ist), die Laden
in ihrem Wachsthum gegen die Taster zurück, sind aber in ihrer Gestalt kaum
von denen der älteren Larven und der geflügelten Thiere verschieden.
Hintere Kiefer (Unterlippe, labium). Das zweite Kieferpaar, die so-
genannte Unterlippe, erleidet während der Entwickelung der Larve keine be-
merkenswerthe Veränderung. Schon bei der jüngsten Larve ist die, wie es scheint,
allen Termiten gemeinsame Verschiedenheit zwischen äusserer und innerer Lade
(Fig. 18 la u. li) deutlich ausgeprägt; die äussere Lade trägt einzelne kurze Borsten;
die innere Lade ist in ihrer unteren Hälfte mit winzigen, sehr kurzen Börstchen
bedeckt, ihr oberes Ende ist kahl, zarthäutig an der Spitze meist abgerundet, und
nahe der Spitze sieht man einen kleinen dunkelgerandeten Kreis, zu welchem
man bisweilen ein Nervenfädchen verfolgen kann, oder an dessen Stelle ein
zartes blasses Haar (Eutermes), oder ein „Taststiftchen" (Termes saliens,
Arbeiter).
Beiträge zur Kenntniss der Termiten. a-jj
Die flügeiförmigen Fortsätze (Fig. 28 — 30). Wir kommen nun zu
der auffallendsten und wichtigsten Eigenthümlichkeit unserer Larve, den flügei-
förmigen Fortsätzen der Vorder- und Mittelbrust, Zunächst ist hervorzuheben,
dass dieselben ohne Frage vollkommen gleichwerthige („homodyname") Gebilde
sind. Beide, die Fortsätze der Vorderbrust und die der Mittelbrust, nehmen die
ganze Seite der Rückenplatte ein, ragen wagerecht nach aussen, sind leicht ge-
wölbt; Vorder- und Aussenrand sind gewölbt und stossen mit dem ausgeschw^eiften
Hinterrande in einer hinterwärts gerichteten Ecke zusammen; bei beiden zeichnen
sich unter den Haaren oder Borsten des Randes vier durch ihre Grösse aus; bei
beiden zieht sich am Rande hin ein nicht von besonderen Wänden begrenzter
Kanal; beide scheinen ausserdem von unregelmässigen Kanälen oder Lücken
durchzogen zu sein. Unter der grossen Zahl junger Larven, die ich lebend be-
obachtete, sah ich nur bei einer diese Lücken in den Fortsäzen der Mittelbrust
von einem ziemlich reichen Blutstrom durchzogen; zahlreiche Körnchen (Blut-
körperchen ?) 1) traten in den Randkanal ein am Anfang des hinteren Randes,
umkreisten zum Theil, im Randkanal fortgehend den Fortsatz, während andere in
unregelmässigen Bahnen ihn durchsetzten und traten vorn am Ende des Randkanals
in den Leib zurück.
So ähnlich die Fortsätze der Vorder- und die der Mittelbrust bei den jüngsten
Larven sind, so verschieden sind ihre späteren Schicksale.
Die Fortsätze der Vorderbrust unterliegen einer rückschreitenden Umwandlung;
sie bleiben im Wachsthum zurück und werden geradezu kleiner bei späteren
Häutungen. Ist anfangs die Vorderbrust mit ihren Fortsätzen doppelt so breit
als der Kopf, so ist sie schon bei Larven mit 1 1 Fühlergliedern nur noch etwa
anderthalbmal so breit. Dabei ändert sich ihre Gestalt in der Weise, dass die
nach hinten gerichtete Ecke sich mehr und mehr abrundet und schwindet, so dass
endlich der Hinterrand der Vorderbrust mit dem Aussenrande der Fortsätze einen
durch keine Aendervmg der Krümmungsrichtung unterbrochenen Bogen bildet
(Fig. 6). Schliesslich bleibt von ihnen nur ein schmaler, etwas herabgebogener
Saum übrig, wie ihn auch andere Calotermes-Arten besitzen.
Die Fortsätze der Mittelbrust scheinen, wenn man die Thiere nur oberflächlich
von oben betrachtet, noch rascher zu schwinden, als die der Vorderbrust (Fig. 6),
Sieht man genauer zu, so findet man, dass sie sich (bei Larven mit 1 1 bis 12 Fühler-
gliedern), nach unten und hinten biegen, dicht dem Leibe anlegen und weiter-
wachsend sich zu den Vorderflügeln entwickeln. Schon sehr frühe und ehe sich
noch ihre ursprüngliche Gestalt und Behaarung wesentlich ändert, sieht man, als
erste Anfänge der späteren Flügeladern, Luftröhren in sie hineinwachsen. Schon
bei Larven mit 10 Fühlergliedern (zweite Altersstufe) sah ich zwei noch ganz
kurze Luftröhren. Bei Larven mit 1 1 Fühlergliedern findet man diese Luftröhren
bereits vollzählig (Fig. 2g), nämlich drei, die der Subcosta, Mediana und Sub-
mediana (nach Hagen's Bezeichnung) entsprechen. Die Randader (Costa) erhält
keine Luftröhre; sie entsteht aus dem Randkanal des Fortsatzes. (Vergl. die Ver-
i) Bei Krusterlarven ist es mir wiederholt begegnet, dass ich an einzelnen Thieren den Kreislauf
bequem verfolgen konnte, während im Blute der Mehrzahl geformte Bestandtheile fast vollständig fehlten
und in einigen Fällen konnte ich mich überzeugen, dass bei ersteren nicht Blutkörperchen, sondern
schmarotzende Infusorien mit dem Blute kreisten.
. _ , Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
theilung der Luftröhren in einem ausgewachsenen Flügelansatz des Calotermes
Hagen ii, Fig. 49.)
Die anfangs sehr winzigen Fortsätze der Hinterbrust holen allmählich die
der Mittelbrust ein und sind schliesslich von ihnen nur durch eine etwas ver-
schiedene Anordnung der Luftröhren zu unterscheiden. Bei erwachsenen Larven
reichen die Flügelansätze der Hinterbrust bis zum Ende des zweiten Hinterleibs-
ringes. (Fig. 10, von Calotermes Hagenii, der sich hierin ganz wie Calo-
termes rugosus und andere Calotermes verhält.)
Die seitliche Lage der Flügelansätze unterscheidet die Larven der Calo-
termes von denen der Termes, Eutermes und Anoplotermes (Fig. 11),
bei welchen sie dem Rücken aufliegen. Bei letzteren Gattungen verlängern sich
in der letzten Zeit des Larvenlebens (bei den sogenannten Nymphen) die Flügel-
scheiden bedeutend, so dass sie fast bis zum Ende des Hinterleibes reichen; bei
Calotermes findet eine solche Verlängerung nicht statt, dagegen eine sehr
merkliche Verdickung.
Bei den Soldaten des Calotermes rugosus schwinden auch die Flügel-
fortsätze der Mittelbrust, wie die der Vorderbrust, bis auf einen schmalen, nach
hinten etwas breiteren Saum (Fig, 7, 8). Diese verkümmerten Flügelfortsätze der
Soldaten von Calotermes rugosus (Fig. 30) sind bei aller Unscheinbarkeit
recht merkwürdige Gebilde. Einerseits verrathen noch die vier Borsten ihres
Randes ihre Herkunft aus den ansehnlichen flügeiförmigen Fortsätzen der jungen
Larven, andererseits lässt der Verlauf ihrer Luftröhren nicht nur die Gattung
Calotermes erkennen (an dem langen Aste, den die Subcosta (sc) ins Rand-
feld abgibt), sondern beinahe die Art (daran, dass sich kurz nach Abgabe dieses
Astes die Mediana (m) an die Subcosta (sc) anlegt; denn nur bei Calotermes
rugosus und nodulosus findet eine ähnliche Verbindung dieser beiden
Adern statt).
Suchen wir die eben dargelegten „ontogenetischen" Thatsachen für die Ur-
geschichte (Phylogenie) der Insecten zu verwerthen.
Die flügeiförmigen Fortsätze der jüngsten Larven von Calotermes rugosus
sind nicht von diesen erworben, sondern von ihren Vorfahren ererbt worden. Die
Fortsätze der Vorder- und die der Mittelbrust sind gleichwerthige Gebilde. —
Aus den Fortsätzen der Mittelbrust entwickeln sich die Vorderflügel. — Fassen
wir diese drei, wie mir scheint, unanfechtbaren Sätze zusammen, so ergibt sich
als Antwort auf die Frage nach der Herkunft der Insectenflügel :
i) Die Flügel der Insecten sind nicht aus „Tracheenkiemen" entstanden^). —
Die flügeiförmigen Fortsätze der jüngsten Larven sind gerade die einzigen Theile,
denen Luftröhren vollständig fehlen, während sie im ganzen übrigen Leibe reich-
lich entwickelt sind (s. u.).
2) Die Flügel der Insecten sind entstanden aus seitlichan Fortsätzen der
Rückenplatten der betreffenden Leibesringe. — Aehnliche Fortsätze treten in
grosser Zahl und Mannichfaltigkeit bei den Krustern auf, den ganzen Leib oder
i) Eine ausführliche Besprechung der Ansicht Gegenbaur's, dass das geschlossene Tracheensystem
vieler Insectenlarven als Vorläufer des nach aussen communicirenden zu betrachten sei, und dass die Flügel
der Insecten aus Tracheenkiemen hervorgegangen, behalte ich mir für eine andere Gelegenheit vor.
Beiträge zur Kenntniss der Termiten. aj -i
Theile desselben schildförmig deckend oder schalenartig umschliessend. Falls also,
was allerdings noch des Beweises bedarf, die Insecten von Krustern abstammen,
würde man die Flügel der ersteren als den Seitentheilen des Rückenschildes der
letzteren entsprechende Bildungen ansehen dürfen.
Welche Verrichtung den flügeiförmigen Fortsätzen oblag, mit denen die
Vorfahren der Termiten ausgestattet waren, darüber lassen sich natürlich für jetzt
nur ganz unsichere Vermuthungen aussprechen. — Der Uebergang vom Leben
im Wasser zum Leben in trockener Luft ist jedenfalls durch den Aufenthalt an
feuchten Orten vermittelt worden. Die Gestalt unserer jüngsten Larven würde
nun ganz wohl gepasst haben für den Aufenthalt zwischen feuchtem moderndem
Laube. Hier oder an ähnlich feuchten Orten dürften die flügeiförmigen Fortsätze
in ähnHcher Weise der Athmung gedient haben, wie die seitlichen Fortsätze der
Rückenplatte (die „Seitentheile des Panzers") bei Zoea und Tanais. Für diese
Deutung der flügeiförmigen Fortsätze als Athmungswerkzeuge in feuchter Luft
dürfte namentlich auch ihr vollständiger und bei ihrer Grösse sehr auffälliger
Mangel an Luftröhren anzuführen sein. Denn wenn später neben ihnen und mit
der Zeit sie vollständig ersetzend, sich die Athmung durch Luftröhren ausbildete,
und wenn diese auch sonst überallhin im Leibe sich verzweigten, so blieben sie
doch natürlich jenen Flügelfortsätzen fern, so lange diese selbst in anderer Weise
die Athmung vermittelten. Erst, als sie einer anderen Verrichtung dienstbar
wurden, zu Flügeln sich umwandelten, erhielten auch sie Luftröhren, wie wir es
noch heute an diesen Urflügeln der Mittelbrust bei Calotermes rugosus sehen.
Beine (Fig. 31 — 35). Die vier Fussglieder sind bereits bei den jüngsten
Larven deutlich geschieden ; die Sohle der beiden ersten springt noch nicht nach
unten vor (Fig. 31), wie es auch später (Pig. 34, 35) nur in massigem Grade bei
Calotermes, meist in weit höherem Grade bei den übrigen hiesigen Termiten
der Fall ist. Die drei Enddornen der Schienen, anfangs fehlend oder kaum an-
gedeutet, treten sehr zeitig als winzige Höckerchen auf, erreichen aber erst bei
den ausgewachsenen Larven ihre volle Grösse. Der Haftlappen zwischen den
Fussklauen (Fig. 35 h) fehlt den Larven und Soldaten. — Das Merkwürdigste an
den Beinen der Termiten ist ein Gebilde, das in den Schienen aller Beine bei allen
Ständen aller mir bekannten Arten vorkommt und dessen Lage meist schon
äusserlich an einem queren Eindruck etwas unterhalb des Kniees, an der Streck-
seite der Schiene zu erkennen ist. Dasselbe bildet einen birn- oder flaschen-
förmigen, seltener fast kugligen Körper, der mit kurzem Stiel oder Hals an der
bezeichneten Stelle mit der Wand der Schiene verbunden ist. Es scheint ner-
vöser Natur zu sein und erinnert in seiner Lage an das Hörorgan der Laubheu-
schrecken; mein Mikroskop genügt nicht, um eine befriedigende Einsicht in
seinem feineren Bau zu gewinnen. Die aus dem Schenkel in die Schiene ein-
tretende Luftröhre spaltet sich sofort in zwei Aeste, die sich in der Mitte oder
gegen das Ende der Schiene wieder vereinigen und von denen der eine in der
Gegend des fraglichen, ihm dicht anliegenden Gebildes blasig anschwillt. Diese
Anschwellung der Luftröhre fehlt noch bei den jüngsten Larven des Calotermes
rugosus (Fig. 32).
In der Regel besteht bei den Termiten kein erheblicher Unterschied zwischen
den Beinen desselben Thieres (die Hinterbeine sind etwas länger, die Vorderbeine
,- . Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
bisweilen abweichend beborstet); nur bei den Arbeitern von Anoplotermes
pacificus ist die ganze Vorderschiene merkUch verbreitert und die Anschwellung
der Luftröhre erstreckt sich bis fast an's Ende derselben (Fig. 36).
Hinterleib. Ueber die Fonn Wandlungen des Hinterleibes ist nur zu
sagen, dass er sich allmählich mehr und mehr der Walzenform nähert, wie sie
für die erwachsenen Larven und Soldaten von Calotermes bezeichnend ist.
Wann der Unterschied zwischen Männchen und Weibchen in der Bildung der
achten Bauchplatte des Hinterleibes zuerst sich bemerklich macht, kann ich nicht
sagen, da ich nicht darauf geachtet habe.
Aus gleichem Grunde kann ich nicht über etwaige, jedenfalls unerhebliche
Veränderungen des Rückengefässes und des Nerve ns3^stems berichten.
Verdauungswerkzeuge. Darmrohr. Die enge Speiseröhre der
jüngsten Larve von Calotermes rugosus erweitert sich in der Mitte der
Brust allmählich, um ohne scharfe Grenze in den spindelförmigen Vormagen
(Fig. 38 vm) überzugehen, der in der Nähe seines hinteren Endes mit einem
Kranze von Kauleisten (Fig. 38 kl, Fig. 40, 41) versehen ist. Der Vormagen
liegt nicht in der Mittellinie, sondern ist schief nach links und hinten gerichtet
(Fig. 6 vm) und reicht bis in den dritten Hinterleibsring. Sein Ende ist meist
ziemlich stark in den Anfang des folgenden Darmabschnittes, des Magens oder
Mitteldarmes, eingestülpt. Der Mitteldarm (Fig. 38 md) wendet sich nach oben,
läuft dicht unter der Rücken wand des dritten Hinterleibringes nach rechts und
wenig nach vorn, um dann wieder nach links und unten umzubiegen ; er bildet
so eine fast vollständige Schlinge, und das durch die Einmündung der Harn-
gefässe bezeichnete Ende liegt seinem Anfange nahe. Hinter der Einmündung
der Harngefässe erweitert sich der Darm zu einem kugligen Sack oder Blind-
darm (Fig. 38 bd), dessen Eingang und Ausgang nahe beisammen liegen; der
nun folgende dünnere Theil des Enddarmes (Fig. 38 ed) beschreibt einen kurzen
nach vorn gerichteten Bogen und läuft dann anfangs an der rechten Seite, zuletzt
in der Mittellinie nahe der Rückenwand nach hinten und endet mit einem kurzen
erweiterten Endstück. Schon sehr zeitig, sobald die Kinnbacken erhärtet sind,
findet man Holz im Darme.
Der anfangs kuglige Blinddarm nimmt rasch an Grösse zu und füllt schon
bei halbwüchsigen Larven den grösseren Theil des Hinterleibes, vom dritten
Ringe an bis fast an's Ende, in seiner ganzen Breite aus. Bei den Soldaten
scheint sein Umfang wieder etwas abzunehmen, und in höherem Grade ist dies
bei den geflügelten Männchen und Weibchen der Fall.
Während die übrigen Arten der Gattung Calotermes in dieser Beziehung
mit Calotermes rugosus übereinstimmen, zeigen dagegen die Arten der
Gattungen Termes, Eutermes, Anoplotermes eine so überraschende
Mannichfaltigkeit im Baue ihres Darmrohres, wie sie vielleicht nirgends sonst
innerhalb eines Kreises äusserlich so ähnlicher Thiere sich findet. Allen hiesigen
Arten gemeinsam und sie von Calotermes unterscheidend ist die Gestalt des
Vormagens (Fig. 39 vm), dessen linke Seitenwand verkürzt, die rechte kuglig
aufgetrieben ist, so dass Eingang und Ausgang nicht mehr einander gegenüber-
liegen, sondern ersterer vorn, letzterer links. Bisweilen ist der mit Kauleisten
Beiträge zur Kenntniss der Termiten. ^y e
bewehrte Endabschnitt ziemlich scharf abgesetzt, so dass man mit Hagen den
Vormagen in Kropf und Kaumagen scheiden könnte.
Die Kauleisten (Fig. 40, 41) sind bei den allerjüngsten Larven des Calo-
termes rugosus noch weich und farblos und deshalb leicht zu übersehen.
Doch bräunen sie sich, wie der Rand der Kirnbacken, sehr zeitig, noch ehe die
Zahl der Fühlerglieder wächst; und gerade solche junge Larven sind dann be-
sonders geeignet, ein klares, übersichtliches Bild derselben zu geben. Man unter-
scheidet sechs Kauwülste erster Ordnung {kw I), die aus einem schmalen aber
höheren vorderen und einem flacheren kreisförmig verbreiterten hinteren Theile
bestehen ; letzterer bleibt farblos ; die gleichlaufenden Ränder des vorderen Theiles
werden durch dunklere harte Leisten gebildet. — Mit diesen ersten sechs wechseln
sechs Kauwülste zweiter Ordnung [kw II) ab, von jenen durch den Mangel der
grossen flachen Scheibe am hinteren Ende unterschieden und endlich wechseln
mit diesen zwölf grösseren wieder zwölf bedeutend kleinere Kauwülste dritter
Ordnung {kw III) ab. — Obwohl im Einzelnen bei verschiedenen Arten von
Termes und Eutermes ziemlich verschieden gestaltet, lassen sich deren Kau-
leisten doch alle auf die von Calotermes als ihre Grundform zurückführen,
wobei die sechs überall deutlich entwickelten blassen Endscheiben einen bequemen
Anhaltspunct bieten. Der soldatenlosen, Erde fressenden Gattung, Anoplotermes
fehlen die Kauleisten.
Speicheldrüsen (Fig. 42). Nach den Angaben Hagen's über Termes
bellicosus^) würden erhebliche Verschiedenheiten im Bau der Speicheldrüsen
bei den verschiedenen Ständen derselben Art bestehen ; ich habe solche nirgends
bei den von mir untersuchten Arten gefunden. Die Termiten scheinen allgemein
zwei sehr ansehnliche Speicheldrüsen zu besitzen, die ihrer Hauptmasse nach im
Anfang des Hinterleibes, rechts vom Vormagen zu liegen pflegen, sowie zwei
grosse dünnhäutige Speichelblasen, die nach hinten noch über die Speicheldrüsen
hinausragen. In der dünnen Wand der Speichelblasen konnte ich nie eine Spur
von drüsigem Bau gewahren. Die Speicheldrüse bildet bald eine zusammen-
hängende tiefgelappte Masse, wie bei Calotermes, bald ist sie mehr weniger
vollständig in einzelne rundliche, den Endzweigen des baumförmig verästelten Aus-
führungsganges aufsitzende Theile zerfallen. Der Speichelblasengang (Fig. 42 sbg)
liegt nach aussen vom Speicheldrüsengang (sdg); er ist weiter, aber viel dünn-
wandiger, als letzterer. Die innerste Haut beider Gänge zeigt quere (wahrschein-
lich wie in den Luftröhren schraubenförmige) Linien, wie sie ja auch in den
Speichelgängen anderer Insecten, z. B. der Bienen, auftreten. Der Speichelblasen-
gang mündet unter spitzem Winkel in den Speicheldrüsengang seiner Seite meist
erst beim Eintritt oder nach dem Eintritt in den Kopf. Der rechte und der
linke Speichelgang münden entweder getrennt, dicht neben einander, am Grunde
der Zunge, wie bei Termes Lespesii und saliens (Fig. 43), oder sie ver-
einigten sich zu einem unpaaren, bei Calotermes (Fig. 18 sg) ziemlich langen
Gange. Bei Termes bellicosus, der auch im Bau der Soldaten die Mitte
hält zwischen Calotermes und Termes Lespesii, zeichnet Hagen ^) einen
ganz kurzen unpaaren Speichelgang.
i) Linnaea entomol. XII, S. 302.
2) Peters' Naturw. Reise nach Mossambique. Insecten. Taf. III Fig. i8l>.
Ajf) Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
Schon bei den jüngsten Larven von Calotermes rugosus zeigen sich
an den Speicheldrüsen die Eigenthümlichkeiten ihrer Gattung vollständig aus-
geprägt. Man kann, wenn man diese Larven von der Unterseite betrachtet, von
der Mitte der Unterlippe aus (Fig. i8) den unpaaren Speichelgang (sg) nach
hinten verfolgen bis zu seiner Entstehung aus den beiden seitlichen Speichel-
gängen und diese weiter bis über die Stelle hinaus, wo sich Speichelblasengang
{sbg) und Speicheldrüsengang {sdg) vereinigen.
Harngefässe. Die jüngste Larve besitzt vier Harngefässe; doch bald
sieht man neben ihnen ein drittes Paar hervorsprossen und bei einer Larve etwa
vom Alter der Fig. 5 gezeichneten fand ich bereits die volle Zahl, nämlich acht,
von denen jedoch vier kürzer und erst kaum halb so weit waren, als die vier
älteren. Bei vielen Arten von Termes und ebenso bei Eutermes und Ano-
plotermes bleibt die Zahl der Harngefässe zeitlebens auf vier beschränkt.
Athemwerkzeuge (Taf . XLIII). Ueber die Luftröhren der Termiten liegen
nur sehr dürftige und selbst in Betreff der Zahl und Lage der Luftlöcher nicht
übereinstimmende Angaben vor.
Die Luftröhren sind schon bei den jüngsten Larven des Calotermes ru-
gosus wohl entwickelt und gerade bei ihnen leichter als in späterer Zeit im Zu-
sammenhange zu überblicken. Es sind 10 Paar Luftlöcher vorhanden, zwei in
der Brust, acht im Hinterleibe. Das erste Paar liegt zwischen Vorder- und Mittel-
brust, das zweite zwischen Mittel- und Hinterbrust. Zwischen Hinterbrust und
erstem Hinterleibsringe finden sich keine Luftlöcher. Die übrigen acht Paare
liegen am Rande der acht ersten Rückenplatten des Hinterleibes.
Die Verästelung der von den Luftlöchern der Brust entspringenden Luft-
röhren, welche starke Aeste in den Kopf, andere in die Beine abgeben, ist eine
sehr verwickelte; ich habe sie nicht vollständig entwirren können (vgl. Fig. 48,
von der jüngsten Larve einer anderen Calotermes-Art). In die flügeiförmigen
Fortsätze der Vorder- und Mittelbrust treten während der ersten Altersstufe keine
Luftröhren, in die der Vorderbrust auch später nicht.
Die Luftlöcher des Hinterleibes führen zunächst in ein kurzes Sförmig ge-
bogenes blindes Rohr (Fig. 44 s), das vor der Mitte ein ganz kurzes Aestchen
hat Etwa in der Mitte dieses blinden Rohres, oder noch vor derselben ent-
springt der Stamm der Luftröhren, der jetzt, in frühester Jugendzeit, bedeutend
enger ist, als das Sförmige Rohr. Der Stamm der Luftröhren theilt sich bald in
einen Bauch- und einen Rückenast (6 und r), und jeder von diesen wieder in
einen vorderen und einen hinteren Zweig {bv, bh; rv, rh); ersterer verbindet sich
mit dem hinteren Zweige des vorhergehenden, letzterer mit dem vorderen Zweige
des folgenden Paares. So wird jederseits sowohl auf der Rücken-, wie auf der
Bauchseite ein im Zickzack verlaufendes Längsrohr hergestellt, von welchem in
jedem Ring ein nach der Mittellinie sich wendender Querzweig {bq, rq) abgeht.
Der Bauchast ist bis zur Theilung kürzer als der Rückenast; bei jenem ist der
vordere, bei diesem der hintere Zweig der längere. — Der quere Zweig des
Rückens [rq) verästelt sich, ohne weitere Verbindungen mit anderen einzugehen,
und scheint namentlich das Rückengefäss zu versorgen. Der quere Zweig des
Bauches Ihq) verbindet sich mit dem der anderen Seite und sendet in der Nähe
der Mittellinie einen Längszweig (/) nach vorn, einen anderen nach hinten zur
Beiträge zur Kenntniss der Termiten. a']']
Verbindung mit dem davor und dem dahinter liegenden Querzweige. Es wird
auf diese Weise in der Mitte der Bauchseite eine Leiter von Luftröhren gebildet,
zwischen deren Sprossen die Bauchnervenknoten liegen, welche ihre Luftröhren (w),
eine von rechts, eine von links, aus der hinter ihnen liegendeti Sprosse der Leiter
empfangen. — Von der Vertheilung der Luftröhren an das Darmrohr habe ich
kein zusammenhängendes Bild erhalten.
Die spätere Entwickelung bringt nur insofern eine Aenderung in den eben
geschilderten Verhältnissen der Athem werk zeuge hervor, als das Sförmige blinde
Rohr fast gar nicht weiter wächst und daher schliesslich weit enger ist, als die
von ihm ausgehenden I>uftröhren. Man vergleiche die bei gleicher Vergrösserung
gezeichneten Figuren 46 und 47, von denen erstere der jüngsten Larve, letztere
dem geflügelten Weibchen des Calotermes rugosus entnommen ist. Der
frühe Stillstand im Wachsthum des Sförmigen Rohres, sein winziger Umfang
beim erwachsenen Thiere, scheinen darauf hinzuweisen, dass dasselbe ein aus
entlegener Vorzeit ererbtes, für die heutigen Termiten fast oder völlig nutzloses
Gebilde ist. —
Mit Calotermes rugosus stimmen, soweit meine Erfahrung reicht, alle
übrigen Arten der Gattung in der Anordnung der Luftröhren überein. Auch bei
allen übrigen Termiten scheint Zahl und Lage der Luftlöcher stets dieselbe zu
sein ; das Sförmige blinde Rohr scheint am Hinterleibe nirgends zu fehlen, an
den beiden Paaren der Brust nirgends vorzukommen, so wenig wie bei Calo-
termes. Im Uebrigen finden sich manche Verschiedenheiten; als Beispiel der-
selben gebe ich (Fig. 45) die Anordnung der Luftröhren im Hinterleibe von
Termes saliens. Es fehlen hier die Längszweige, durch welche bei Calo-
termes die Leiter in der Mitte der Bauchseite hergestellt wird und auch die
Verzweigung des Rückenastes ist eine etwas abweichende.
Dem Calotermes rugosus steht im geflügelten Zustande der C. nodu-
losus so nahe, dass Hagen zweifelhaft blieb, ob nicht ersterer nur „eine varietas
thorace nigro von C. no dulosus sei" ^). Auch in ihren Jugendzuständen stimmen
diese beiden Arten darin überein und unterscheiden sich von allen übrigen Ter-
miten dadurch, dass die jüngsten Larven flügeiförmige Fortsätze an Vorder- und
Mittelbrust tragen. Doch scheint die Gestalt der Larven von Calotermes no-
dulosus (Fig. 9) schon eine weniger ursprüngliche zu sein. Die Fortsätze der
Mittelbrust sind nur klein und schmal, der Hinterleib länger, weniger flach, in
Mitte weniger verbreitert. — In zweifelhaften Fällen bieten diese augenfälligen
Verschiedenheiten der jüngsten Larven ein bequemes Mittel, um zu entscheiden,
ob man eine Gesellschaft von Calotermes rugosus oder von C. nodulosus
vor sich habe.
Wünschenswerth und wahrscheinlich lohnend wäre die Verfolgung der Ent-
wickelung der Termiten und besonders der Calotermes im Ei. Vielleicht fiele
dabei ein ähnliches Streiflicht auf den Ursprung der Luftröhren der Insecten —
i) Linnaea entomol. XII, S. 63.
^-g Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
(das mehrerwähnte Sförmige blinde Rohr, von dem die Luftröhren des Hinter-
leibes ausgehen, erweckt diese Hoffnung), — wie es die spätere Entwickelung
der Larve des Calotermes rugosus auf den Ursprung der Flügel wirft. Mir
selbst gestattet mein Mikroskop nicht, eine solche Untersuchung mit einiger Aus-
sicht auf Erfolg zu unternehmen.
Itajahy, 31. März 1874.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XL, XLT, XLII und XLIH.
Fig. I — 8. Calotermes rugosus Hag. Wandlungen der äusseren Ge-
stalt (8 : i).
Fig. I — 3. Jüngste Larve, mit 9 Fühlergliedem. 3 von der Bauchseite ; die 6 Nerven-
knoten des Hinterleibes schimmern durch.
Fig. 4. Larve mit 10 Fühlergliedern. Der Innenrand der Kinnbacken ist hart und
dunkel geworden. Die Fortsätze der Hinterbrust sind deutlicher, der Hinterleib länger.
Fig. 5. Larve mit 1 1 Fühlergliedern. Die Fortsätze der Mittel- und Hinterbrust
haben sich herabgebogen und liegen den Seiten des Leibes an; der Hinterleib nähert
sich der Walzenform ; die Schienen haben deutliche Enddornen. Die eigenthümliche
Zeichnung des Hinterleibes ist durch das Durchschimmern der in der folgenden Figur
im Umrisse gezeichneten Theile bedingt.
Fig. 6. Larve mit 12 Fühlergliedern. Fühler im Verhältniss viel kürzer, als anfangs.
Rückenplatte der Vorderbrust kaum noch breiter als der Kopf, ihrer bleibenden Gestalt
sich nähernd. Man sieht durchschimmern : das Rückengefäss [rg) in der Mittellinie ; den
Vormagen {vm), von der Mittelbrust aus schief nach links bis zum dritten Hinterleibsring
sich erstreckend; den Mitteldarm {md), der im dritten Hinterleibsring einen Bogen von
links und hinten nach rechts und vorn beschreibt; den Blinddarm {bd), die ganze Breite
des Hinterleibes bis fast zum Hinterrande der achten Rückenplatte einnehmend, den
Enddarm [ed), der anfangs an der rechten Seite des Blinddarms, dann über demselben
nach hinten läuft und mit einer Erweiterung endet.
Fig. 7. Soldatenlarve.
Fig. 8. Soldat.
Fig. 9. Jüngste Larve von Calotermes nodulosus Hag. (15:1).
Fig. IG. Erwachsene Larve von Calotermes Hagenii F. M. (4:1). Flügel-
ansätze den Seiten anliegend.
Fig. II. Erwachsene Larve von Anoplotermes pacificusF. M. (8:1). Flügel-
ansätze dem Rücken aufliegend.
Fig. 12. Ei eines (namenlosen) Calotermes aus Canella preta (50: i). Z.Ober-
lippe (labrum). / Fühler, bereits dreigliedrig. //. Kinnbacken (mandibula). ///. Vorderer
Kiefer (maxilla). IV. Hinterer Kiefer (labium). V — VII. Vorder-, Mittel- und Hinterbein.
X Innerer Ast des vorderen Kiefers, oder Zunge? —
Fig. 13 — 16. Entwickelung der Fühler von Calotermes rugosus.
Fig. 13. Fühler der Larve Fig. 3 (50: i) ; neungliedrig, drittes Glied mit zwei Ringfurchen.
Fig. 14. Fühler einer wenig älteren Larve (50: i); zehngliedrig, drittes Glied mit
einer Ringfurche.
Fig. 15. Fühler der Nymphe (50: i); fünfzehngliedrig, das dritte Glied in einen oberen
beborsteten und einen unteren borstenlosen Abschnitt getheilt. Beim geflügelten Thiere
trägt auch letzerer Borsten, die Fühler sind sechzehngliedrig.
Fig. 16. Fühler des Soldaten (25 : i).
Fig. 17 — 25. Mundtheile des Calotermes rugosus.
Fig. 17. Kopf der jüngsten Larve, von oben (50: i) 0/ Oberlippe. Kb Kinnbacken.
z Zunge. Kt Kiefertaster. Kla Aeussere Kieferlade, an deren Innenseite man die Spitze
der inneren Lade sieht. Lt Lippentaster, la Aeussere, li innere Lade der Unterlippe.
/ Erstes Glied des rechten Fühlers, sp Speiseröhre, h Hirn.
Beiträge zur Kenntniss der Termiten. 47 Q
Fig. i8. Vorderer und hinterer Kiefer („Unterkiefer und Unterlippe") der jüngsten
Larve, von unten (loo: i). Buchstaben, wie in Fig. 17, ausserdem: kli Innere Kiefer-
lade, sp Speichelgang, sbg Speichelblasengang, sdg Speicheldrüsengang.
Fig. i8a. Innere Kieferlade, gequetscht.
Fig. 19. Zunge der jüngsten Larve (50: i).
Fig. 20. Kinnbacken einer Larve mit zehn Fühlergliedem, von oben (90 : i).
Fig. 21 — 23. Mundtheile des Soldaten (25: i). Buchstaben, wie zuvor.
Fig. 21. Hintere Kiefer („Unterlippe").
Fig. 22. Vorderer Kiefer („Unterkiefer").
Fig. 23. Oberlippe. — ep. Epistom.
Fig. 24. Zunge des geflügelten Thieres, von der Seite.
Fig. 25. Kinnbacken desselben, von oben (25 : i).
Fig. 26. Zunge 1 , . t , a , ■ c- , ■.
Fig. 2-]. Oberlippe! ^®'' J^i^S^ten Larve des Anoplotermes pacificus (50 : i).
Fig. 28 — 30. Flügelfortsätze der Brust von Calotermes rugosus.
Fig. 28. Von der jüngsten Larve (50: i). Ä' Kopf. F Vorder-, 71/ Mittel-, ^ Hinter-
brust. I — III. Erste bis dritte Rückenplatte des Hinterleibes. Zwischen V und M'^) das
zweite, an den Seiten von I — III drittes bis fünftes Luftloch der linken Seite, letztere
drei mit dem S-förmigen blinden Rohre.
Fig. 29. Von einer Larve mit elf Fühlergliedern (25 : i). In den Flügelfortsatz der
Mittelbrust treten Luftröhren ein, als erste Anlage der späteren Flügeladern, sc Subcosta.
Tu Mediana, sm Submediana.
Fig. 30. Verkümmerter Flügelfortsatz der Mittelbrust des Soldaten (25 : i). Buch-
staben, wie in Fig. 29.
Fig. 31 — 35. Zur Entwickelung der Beine.
Fig. 31. Vorderschiene und Fuss der Fig. i gezeichneten Larve (90: i). Enddomen
der Schienen fehlen. Fussglieder deutlich geschieden.
Fig. 32. Theil der Vorderschiene der jüngsten Larve (200: i). Die Luftröhre theilt
sich bei ihrem Eintritt in die Schiene in zwei jetzt noch gleich starke Aeste.
Fig. 33. Die drei ersten Fussglieder des Mittelbeins der jüngsten Larve, von der
Sohle (100 : i).
Fig. 34. Vorderschiene und Fuss einer 5 mm langen Larve (90: i). Enddomen
der Schienen vorhanden, der eine Ast der Luftröhre aufgetrieben.
Fig. 35. Ende der Schiene und Fuss vom Mittelbein des geflügelten Thieres (100: i).
h Haftlappen zwischen den Fussklauen. Ir Luftröhre, bis in den Haftlappen zu verfolgen.
s Sehne des Beugemuskels.
Fig. 36. Vorderschiene und Fuss des Arbeiters von Anoplotermes pacificus
F. M. (50: i). Die reichliche Behaarung ist weggelassen.
Fig. 37. Ende des Hinterleibes der jüngsten Larve von Calotermes rugosus,
von unten, a After, aa Afteranhänge (appendices anales), ba Bauchanhänge (appendices
abdominales).
Fig. 38. Darmrohr der jüngsten Larve von Calotermes rugosus, etwas aus
seiner natürlichen Lage gezogen (15 : i). vm Vormagen, kl Kauleisten, md Mitteldarm
(Magen), bd Blinddarm, ed Enddarm, hg Hamgefässe.
Fig. 39. Vormagen {vrn) und Anfang des Mitteldarms (;«</) der Nymphe von
Anoplotermes pacificus (8:1).
Fig. 40. Endstück des Vormagens („Kaumagen") einer 3 mm langen Larve von
Calotermes rugosus (90:1). rm Ringmuskeln, kw I, kw IL kw III, Kauwülste
erster, zweiter und dritter Ordnung.
Fig. 41. Ein Theil der Kauwülste, aus demselben Vormagen, ausgebreitet (90: i).
Fig. 42. Speicheldrüse {sd) und Speichelblase {sb) von Calotermes rugosus,
Soldat (25 : i). sg Speichelgang, sbg Speichelblasengang, sdg Speicheldrüsengang. Ir In
der Speicheldrüse sich vertheilende Luftröhre.
i) Zwischen M und H'i — Herausgeber.
aSo Beiträge zur Kenntniss der Termiten.
Fig. 43. Zunge (z) mit den Mündungen der Speichelgänge, von Ter m es saliens
F. M., Arbeiter (45 : i).
Fig. 44 — 50. Vertheilung der Luftröhren. In allen Figuren bedeuten :
// Luftloch, .y Sförmiges blindes Rohr, d Bauchast. dzj Vorderer, bk Hinterer, ög Querer
Zweig desselben, r Rückenast. r?) Vorderer, rk Hinterer, rg Querer Zweig desselben.
/ Längszweige zwischen den Querzweigen des Bauchastes. ;/ Zweige zu den Bauchnerven-
knoten.
Fig. 44. Vertheilung der Luftröhren im Hinterleibc von Calotermes rugosus
(Larve).
Fig. 45. Dieselbe von Termes saliens (Arbeiter).
Fig. 46. Sechstes (VI) und siebentes (VII) Luftloch des Hinterleibes von der jüngsten
Larve des Calotermes rugosus (100:1). Das Sförmige blinde Rohr viel weiter,
als die von ihm abgehenden Luftröhren.
Fig. 47. Sechstes (VI) Luftloch des Hinterleibes von einem geflügelten Calotermes
rugosus (100: 1). öz' VII Vorderer Zweig des Bauchastes der vom siebenten Luftloch
des Hinterleibes entspringenden Luftröhre. Das Sförmige blinde Rohr viel enger, als
die von ihm abgehenden Luftröhren.
Fig. 48. Vertheilung der Luftröhren in der Brust der jüngsten Larve eines (namen-
losen) Calotermes aus Canella preta (50:1). vb Luftröhre des Vorderbeins;
//b Luftröhre des Hinterbeins.
Fig. 49. Vertheilung der Luftröhren im Flügelansatz der Mittelbrust, von einer er-
wachsenen Larve des Calotermes Hagenii F. M. (25:1). ri Randkanal (später
Costa des Flügels), sc Subcosta. w Mediana, sm Submediana.
Fig. 50. Luftloch am Rande der achten Rückenplatte des Hinterleibes, von einem
geflügelten Weibchen des Termes saliens F. M. (100: i). — Ich gebe diese Ab-
bildung, weil nach Hagen die Termiten nur sieben Paar Luftlöcher am Hinterleibe
haben sollen. —
Larvae of Membracis serving as Mllk-cattle to a
Brazilian Species of Honey-bees^).
With 3 Figur es.
The connection between the ants and the Aphides has long since been gene-
rally known; in the proper season we alwa3^s find ants very busy on those trees
and plants on which the Aphides abound, and if we examine more closely we
discover that their object in thus attending upon them is to obtain the saccharine
fluid which they secrete from two setiform tubes placed one on each side just
above the end of the abdomen, and which may well be denominated their milk
(Kirby and Spence, "Introduction to Entomology", yth edition, p. 335). It has also
long been observed and described, that not only do the Aphides yield this repast
to the ants, but also the Cocci, and that in the tropical regions of India and Brazil,
where no Aphides occur, the ants milk the larvae of several species of Cercopis
and Membracis (Kirby and Spence, p. 336; Westwood, "Modern Classification of
Insects," II. p. 434). Recently Prof. F. Delpino, of Vallombrosa, near Florence,
observed the same connection between Formica pubescens and Tettigometra
virescens {"Bolletino Entomologico", anno IV. Settembre 1872), But, as far as I
know, it has never been observed hitherto that honey-bees also nourish themselves
by the secretion of certain hemipterous insects. Hence the following Observation,
made some months ago by my brother, Fritz MüUer (Itajahy, Prov. St. Catherina,
Brazil) may be worth Publishing.
Among the great number of species of Melipona and Trigona which, in the
tropical and subtropical regions of America, as is known, occupy the place of our
hive-bee, there is one small species of Trigona which has only once been found
by my brother on flowers (of Sicyos angulata), and which seems to nourish itself
in a very stränge manner. He once found a multitude of them spread over the
body, already strongly putrifying, of a large toad; the interior of the large open
mouth of the toad was filled with these bees, probably sucking the putrid juice
of the dead body. On another occasion he saw a great number of the same
i) Natiire, a weekly illustrated Journal of Science. Vol. VIII. 1873. Pg- 201 — 202. Published by
Hermann Müller, Lippstadt.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 3^
482
Larvse of Membracis.
species of bees in the putrifying intestines of a hen. Repeatedly he saw them
sucking the juice flowing out of trees.
In consequence of other observations this same species of Trigona is supposed
by my brother to suck the secretion of the larvse of a certain hemipterous insect
belonging to the genus Membracis, or to a closely allied one. As I do not pre-
cisely know the name of this supposed milk-cow, I here give the illustration of
its larvse and imago, drawn from specimens sent me by my brother.
Fig. I.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. I. Lateral view of larva.
Fig 2. Lateral view of imago.
Fig. 3. Front view of head of imago.
He found the pedunculi of the flowers of Cassia multijuga pretty frequently
occupied by societies of larvaä of this species closely crowded together. Amongst
these larvae there was present a great number of the above-mentioned Trigona,
marching all the day long amongst and upon them. When taken between the
fingers, the larvse of Membracis immediately emitted a little drop of a limpid fluid
from the upward bent tip of their abdomen — probably a sweet fluid, for the sucking
of which the larvse are visited by the Trigona.
Unfortunately the specimens of this Trigona, enclosed in a letter sent me
by brother, arrived here quite broken, so as not to be determinable ; but in a
future number of this Journal I hope to be able accurately to name both the
supposed milker and the supposed milk-cow.
Larvae of Membracis serving as Milk-cattle to a
Brazilian Species of Bees^).
With 4 Figures.
My letter in Nature, vol. viii. p. 201, was incomplete so far as the names of
the Brazilian insects alluded to are concerned, but I am now enabled acciirately
to name both the supposed milk-cow and the supposed milker, With regard to
the former, Mr. Rogenhofer, of Vienna, has had the kindness to compare my
specimens of Membracis with the coUection in the museum of that metropolis,
and informs me that my Membracis belongs to the genus Potnia of Stäl ( Umbonia
of Fairmaire), the species most probably being indicator Fairm. As to the Trigona
species referred to in the above letter, I have in the meantime received numerous
good specimens, not only a number of workers, but also some males, and even
one queen. Mr. Frederick Smith has been good enough to compare my specimens
with the collection in the British Museum, and has found that they belong to an
undescribed species. Having worked through the literature on Trigona and Meli-
pona as completely as possible, and after perusing the descriptions of about one
hundred species, not having found a single one of wich all three kinds of indi-
viduals are known, I think it will be welcome to the readers of this Journal who
are interested in entomology, if I do not restrict myself to merely mentioning the
name and diagnostics of my new Trigona species, but give a description of its
workers, male and queen, adding a brief account of its peculiar habits and economy
from my brother's (Fritz Müller) observations.
Trigona cagafogo^).
Length of the workers and males 5 — 5V2. of the queen 6 — 7 mm. Males and
workers are almost alike in size, colour, and outline of the body, and are distin-
guished from most other species of the same genus by the breadth of their head
and the narrowness of their abdomen, which, in the workers, scarcely exceeds half
the breadth of the head. In the males the abdomen is equally slender, but the
head somewhat less broad ; in the q\ieen the head is of the same size and form
i) Nature, a weekly illustrated Journal of Science. Vol. X. 1874. Pg- 3' — S^- Published by Her-
mann Müller, Lippstadt.
2) I call the species Cagafogo, using the vemacular name for the specific one.
31*
484
Larvae of Membracis.
as in the workers, but the abdomen is so much dilated as to reach one and a
half times the breadth of the head.
The head, tegulae, scutellum, and abdomen, in all three kinds of individuals,
are ferruginous, smooth and shining, the posterior margins of the vertex, of the
scutellum and of the last segments of the abdomen have a black pubescence ; the
Fig. I. Cagafogo, worker (side view).
Fig. 2. Cagafogo, male.
rest of the thorax, together with the legs, is black with black pubescence; the
antennae black, the greatest part ($) or the whole (S) of the scape rufo-piceous,
the flagellum fuscous beneath. The wings by far exceed the abdomen ; the basal
portion and radical cell of the anterior wings dark fuscous; their apical portion
i^=E4i
Fig. 3. Cagafogo, queen.
Fig. 4. Cagafogo, queen (from beneath).
and the posterior wings subhyaline; the stronger nervures brown, the feeblest
ones pale ferruginous; no cubital cell at all. The mandibles with two teeth at
their apex. The tibise triangulär, their outside pubescent from the base to the
middle, towards the apex slightly excavated, smooth, shining, and naked. The
whole body destitute of feather-like hairs. The unguiculae of the males are, in
this as in other Trigona and Melipona species, two-cleft ; whilst those of the workers
and females are simple. The queen, besides her larger size and the much dilated
abdomen, differs from the workers by the colour of the head being somewhat
Larvse of Membracis.
485
paler, the antennae longer, the thorax strenger, its anterior and lateral margins
and two longitudinal streaks rufo fuscous, the anterior wings provided with a
completely closed cubital cell, the legs larger and more robust, especially the
anterior and middle tibise much thicker, the outside of the posterior tibise slightly
convex and pubcscent nearly as far as the apex, the apex of the posterior tibise
bordered with partly feather-like hairs^).
The nests of T. cagafogo, like those of many other species, are built in hoUow
trees. One of two nests which my brother had the opportiniity of observing was
found in a tree cut down a long time before; but its combs, lying in confusion,
probably in consequence of the direction of the trunk having been altered by
felling the tree, showed that the nest had probably been built before the tree was
felled. In this nest, the inhabitants of which partly perished by having been plas-
tered over with the honey which flowed from the damaged honey-pots during the
transport, partly, as is to be supposed, flew away afterwards; besides a great
number of workers and a small number of males, only a single queen was found,
viz. that iUustrated in Figs. 3 and 4. The honey-pots, of the size of large hazel-
nuts, were closely aggregrated together. The honey was of a very viscous consi-
stence, partly as clear as water, partly lighter or darker yellow ; its flavour appeared
to my brother insipid, pituitous, and somewhat disagreeable (the latter perhaps, as
he supposes himself, because he was conscious of the cagafogos feeding upon
Carrion). The brood-combs, as with other Trigonas, were simple layers of hexagonal
upright cells. The wax, of which both the honey-pots and the brood-combs were
built, was nearly of a pure white colour, but it was mixed with such an enoumous
quantity of heterogeneous ingredients (perhaps go per cent.) that the building
appeared of a dirty brown or blackish colour.
Another nest, found by my brother in a trunk of Canella pimenta, about
five meters above the ground, was brought safety home after cutting down the
tree; but a week afterwards all the inhabitants had flown away.
The most striking feature in the natural history of this stingless bee is its
fondness for oily matters, and its singular means of defence, connected with a
great irritabiUty. As i have already stated (vol. viii. p. 201) it feeds upon Carrion;
and is also fond of old stinking cheese. When visiting flowers, it seems to be
also guided by its particular taste; it Visits in swarms the flowers of a bean with
glandulär calyx ; also a white-flowered Abutilon and Sicyos angulata, the flowers
of which are glandulär and secrete an oil. It was also observed fertilising the
flowers of Asclepias curassavica, milking the larvae of Membracis, repeatedly
sucking the juice flowing out of trees, and devouring the sugar spread to be dried.
Its singular means of defence are indicated by the vernacular name Cagafogo
(spit-fire), for although stingless, like all other Trigonas and Mehponas, it possesses
a very intense venom, which causes a most lively Irritation in the skin. Whilst
the defenceless species are for the most part very peaceable, the Cagafogos, on
the contrary, are so irritable that the Observation of their nests proves impossible,
unless cold weather or strong breezes from the land keep them quiet.
i) A more füll and detailed description of this and some other new species will be given in a
separate treatise on Trigona and Melipona, to be published by my brother and myself.
Recent researches ol Termites and Honey-bees^).
(From a letter to Ch. Darwin.)
The accompanying letter, just received from Fritz Müller, in Southern Brazil,
is so interesting that it appears to me well worth Publishing in Nature. His dis-
covery of the two sexually mature forms of Termites, and of their habits, is now
published in Germany; nevertheless few Englishmen will have as yet seen the
account.
In the German paper he justly compares, as far as function is concerned,
the winged males and females of the one form, and the wingless males and
females of the second form, with those plants which produce flowers of two
forms, serving different ends, of which so excellent an account has lately appeared
in Nature by his brother, Hermann Müller.
The facts, also, given by Fritz Müller with respect to the stingless bees of
Brazil will surprise and interest entomologists.
Feb. II. Charles Darwin.
"For some years I have been engaged in studying the natural history of
our Termites, of which I have had more than a dozen living species at my dis-
position. The several species differ much more in their habits and in their ana-
tomy than is generally assumed. In most species there are two sets of neuters,
viz., labourers and soldiers; but in some species {Calotermes Hg.) the labourers,
and in others {Anoploternies F. M.) the soldiers, are wanting. With respect to
these neuters I have come to the same conclusion as that arrived at by Mr. Bates,
viz. that, differently from what we see in social Hymenoptera, they are not modi-
fied imagos (sterile females), but modified larvse, which undergo no further meta-
morphosis. This accounts for the fact first observed by Lespes, that both the
sexes are represented among the sterile (or so-called neuter) Termites. In some
species of Calotermes the male soldiers may even externally be distinguished
from the female ones. I have been able to confirm, in almost all our species,
the fact already observed by Mr. Smeathman a Century ago, but doubted by
most subsequent writers, that in the Company of the queen there lives always a
king. The most interesting fact in the natural history of these curious insects
I) Nature 1874. Vol. IX. p. 308, 309.
Recent researches of Termites and Honey-bees. a^j
is the existence of two forms of sexual individuals, in some (if not in all) of the
species. Besides the winged males and females, which are produced in vast
numbers, and which, leaving the termitary in large swarms, may intercross with
those produced in other communities, there are wingless males and females, which
never leave the termitary where they are born, and which replace the winged
males or females, whenever a Community does not find in due time a true king
or queen. Once I found a king (of a species of Eutermes) living in Company
with as many as thirty-one such complemental females, as they may be called,
instead of with a single legitimate queen. Termites would, no doubt, save an
extraordinary amount of labour if, instead of raising annually myriads of winged
males and females, almost all of which (helpless creatures as they are) perish in
the time of swarming without being able to find an new home, they raised so-
lely a few wingless males and females, which, free from danger, might remain
in their native termitary; and he who does not admit the paramount importance
of intercrossing, must of course wonder why this latter manner of reproduction
(by wingless individuals) has not long since taken the place through natural
selection of the production of winged males and females. But the wingless indi-
viduals would of course have to pair always with their near relatives, whilst by
the swarming of the winged Termites a chance is given to them for the inter-
crossing of individuals not nearly related. I sent to Germany, about a year ago,
a paper on this subject, but do not know whether it has yet been published.
"From Termites I have lately turned my attention to a still more interesting
group of social insects, viz., our stingless honey-bees (Melipona and Trigona).
Though a high authority in this matter, Mr. Frederick Smith, has lately affirmed,
that 'we have now acquired almost a complete history of their economy,' I still
believe, that almost all remains to be done in this respect. I think that even
their affinities are not yet well established, and that they are by no means inter-
mediate between hive- and humble-bees, nor so nearly allied tho them, as is
now generally admitted. Wasps and hive-bees have no doubt independently
acquired their social habits, as well as the habit of constructing combs of hexa-
gonal cells, and so, I think, has Melipona. The genera Apis and Melipona may
even have separated from a common progenitor, before wax was used in the con-
struction of the cells; for in hive-bees, as is well known, wax is secreted on the
ventral side: in Melipona on the contrary, as I have seen, on the dorsal side of
the abdomen; now it is not probable, that the secretion of wax, when once
established, should have migrated from the ventral to the dorsal side, or vice versa.
"The queen of the hive-bee fixes her eggs on the bottom of the empty
cells; the larvse are fed by the labourers at first with semi-digested food, and
afterwards with a mixture of pollen and honey, and only when the larvaB are
füll grown, the cells are closed. The Meliponaa and Trigonae, on the contrary,
fill the cells with semidigested food before the eggs are laid, and they shut the
cells immediately, after the queen has dropped an egg on the food. With hive-
bees the royal cells, in which the future queens have to be raised, differ in
their direction from the other cells; this is not the case with Melipona and
Trigona, where all the cells are vertical' with their orifices turned upward, forming
horizontal (or rarely spirally ascending) combs. You know that honey is stored
^gg Recent researches of Termites and Honey-bees.
by our stingless bees in large, oval, irregularly clustered cells; and thus there
are many more or less important differences in the structure, as well as in the
economy, of Apis and Melipona.
"My brother, who is now examining carefully the external structure of our
species, is surprised at the amount of variability, which the several species show
in the structure of their hind legs, of their wings, &c., and not less are the dif-
ferences they exhibit in their habits.
"I have hitherto observed here 14 species of Melipona and Trigona, the
smallest of them scarcely exceeding 2 millimetres in length, the largest being
about the size of the hive-bee. One of these species lives as a parasite within
the nests of some other species. I have now, in my garden, hives of 4 of our
species, in which I have observed the construction of the combs, the laying of
the eggs &c., and I hope I shall soon be able to obtain hives of some more
species. Some of our species are so elegant and beautiful and so extremely
interesting, that they would be a most precious acquisition for zoological gardens
or large hot-houses ; nor do I think that it would be very difficult to bring them
to Europe and there to preserve them in a living State.
"If it be of some interest to you I shall be glad to give you from time to
time an account of what I may observe in my Melipona apiary.
"Believe me, dear Sir, &c.,
"Fritz Müller"
The Habits of various Insects^).
(A letter to Ch. Darwin.)
I delayed answering your kind letter of January i tili I should have had
an opportunity of examining once more some nests of leaf-cutting ants, to
which you had directed my attention. In the meantime I received Belt's "Nica-
ragua," which I have read with extraordinary interest, and for which I must
express to you my hearty thanks.
I was much surprised to learn from Mr. Belt's book how closely the far-
distant province of Chontales resembles by its Vegetation and animal life our
own of Sta. Catharina. I am thus enabled fuUy to appreciate the exactness of
many of his Statements; he is an excellent observer, and most of his theories
are very seducing. As to leaf-cutting ants, I have always held the same view
which is proposed by Mr. Belt, viz. that they feed upon the fungus growing on
the leaves they carry into their nests, though I had not yet examined their
stomachs. Now I find that the Contents of the stomach are colourless, showing
under the microscope some minute globules, probably the spores of the fungus.
I could find no trace of vegetable tissue which might have been derived from
the leaves they gather; and this, I think, confirms Mr. Belt's hypothesis. Here,
as in Nicaragua, the Cercropise are always inhabited by ants, but, I think, by only
a Single species. I have cut down hundreds of them and never missed the ants.
I wonder that it had never occurred to me that the trees are protected by the
ants; but there can be no doubt that this is really the case, for young plants of
Cercopise, not yet inhabited by ants, are often attacked by herbivorous insects.
A few days ago I caught on the flower of a Vernonia a female moth be-
longing to the Glaucopidae, of which family there are here numerous species.
When I seized it by the wings nearly the whole body became suddenly envel-
oped in a large cloud of snow-white wool, which came out of a sort of pouch
on the ventral side of the abdomen, and consisted of very thin flexuous hairs
I — 2 mm. long, three, four, or five of which used to proceed from the same
point. I preserved the moth alive for some time, and as often as I seized her
by the wings, by inflating the abdomen, a large naked membrane became visible,
i) Natvire 1874. Vol. X. p. 102, 103.
^go The Habits of various Insects.
and somewhat protruded behind the first (white) seg-ment of the ventral face of
the abdomen (the rest of which is black), and a little more wool appeared under
the posterior margin of this segrnent. I am at a loss as to the meaning of this
Gurions contrivance. There is in the males of the same family an interesting
secondary sexual character; they are able to protrude from near the end of the
abdomen a pair of long hollow hairy retractile filaments, which in some species
exceed the whole body in length, In the beautiful Belemnia inaurata there is
a second pair of shorter filaments which are wanting in all the other species I
examined {Eunomia eagrus, Eiichromia jucunda, Agyrta ccertilea, Eudule invaria,
Leucopsiimis sp,, Philoros sp., &c., the names of which I owe to the kindness
of Dr. A. Gerstäcker, of Berlin). In some species, most distinctly in Belemnia
inaurata, I perceived a peculiar odour when the filaments were protruded; this,
I think, may serve to allure the females, which in all our species appear to be
much less numerous than the males.
I mentioned to you that with our stingless honey-bees wax is secreted on
the dorsal side of the abdomen; now this is also the case with some of our so-
litary bees, for instance, Anthophora fulvifrons Sm., and with some species nearly
allied to that genus. These solitary bees probably use the wax only to cement
the materials with which they build their nests. Our species of Melipona and
Trigona also never employ pure wax in the construction of their cells or of the
large pots wherein they guard their provisions; they mix it with clay, resinous
substances, &c., so that in some species wax forms hardly lo per cent. of the
material. The only case, as far as I know, in which pure wax is used, is
in the construction of a tube, which Trigona jaty Sm. builds at the entrance
of its nest.
Among European Apid«, Apis and ßombus are the only genera which
wet with hone}^ the pollen they are collecting, and in consequence of this habit
the hairs on the outside of the tibiae of the hind-legs have disappeared. This is
also the case with our Meliponse, Trigonse, and Euglossae. Now Centris, Tetra-
pedise, Epicharis, and some others bees, collect pollen in the same way ; but not-
withstanding, in some species the hairs on the tibiae are developed in an extra-
ordinary degree. This seemed to me rather perplexing, tili I lately observed
several species of Centris and a Tetrapedia gathering sand in the large hair-
brushes of the hind-tibiae, which accounts for the conservation and excessive
development of the hairs.
With one of our smallest Trigonae (7". mirim n. sp.), of which I have two
hives in my garden, I have made a long series of observations on the construc-
tion of the combs, in which the young are raised. As in all other species the
combs are horizontal and consist of a single layer of hexagonal cells, like those
of wasps; but the cells are vertical. There is always in this species (other species
behave differently) a set of cells constructed at the same time in the circum-
ference of the two or three uppermost combs. When the cells are ready, they
are filled with food, which the bees vomit from their mouths, the queen lays an
egg into every cell and these are then immediately shut. The eggs at first lie
horizontally ; but in the course of the first or second day they assume a perpen-
dicular position, with the ticker end turned upwards, dipping but slightly into the
The Habits of various Insects.
491
semi-fluid food. The combs are never used more than once; as soon as the
young bees have left them (five to six weeks after the laying of the eggs) they
are destroyed and new ones built in their place.
Once I assisted at a curious contest, which took place between the queen
and the worker bees in one of my hives, and which throws some light on the
intellectual faculties of these animals. A set of 47 cells had been filled, 8 on a
nearly completed comb, 35 on the following, and 4 around the first cell of a new
comb. When the queen had laid eggs in all the cells of the two older combs
she went several times round their circumference (as she always does in order
to ascertain whether she has not forgotten any cell), and then prepared to retreat
into the lower part of the breeding room. But as she had overlooked the four
cells of the new comb the workers ran impatiently from this part to the queen,
pushing her, in an odd manner, with their heads, as they did also other workers
they met with. In consequence the queen began again to go around on the
two older combs, but as she did not find any cell wanting an egg she tried to
descend; but everywhere she was pushed back by the workers. This contest
lasted for a rather long while, tili at last the queen escaped without having com-
pleted her work. Thus the workers knew how to advise the queen that some-
thing was as yet to be done, but they knew not how to show her where it had
to be done. In the same hive there appeared to be two political parties among
the workers, dissenting about the construction of the combs, one destroying what
the other had begun to build; but it would require a very long and tedious ex-
position to give you the details of the case.
Our several species of honey-bees differ as much in their mental dispositions
as they do in external appearance and size (the smallest species, called Trigona
Hlliput by my brother, is only about 2*5 mm. long). Some rush furiously out of
their nest, whenever an enemy approaches it, attacking and persecuting the
offender; others are very tarne, and permit close Observation off all their work.
In one large species I could even observe with a lens the act of their sucking a
Solution of sugar, which I had given them, and there was no doubt that at least
these bees really suck, and do not lap, like dogs or cats, as Milne Ewards, Ger-
stäcker, and most entomologists think.
There is one species {Trigona liomäo Sm., named for my brother by Mr.
Frederick Smith himself) which never appears to collect honey or pollen from
flowers, on which, at least, I have never seen it. It robs other species of their
provisions and sometimes takes possession of their nests, killing, or expelling the
owners. The hives in my garden have often been invaded, and two of them
destroyed, by these robbers, and I have seen in the forest several nests, formerly
inhabited by other species, occupied by them.
Together with my brother at Tippstadt I intended to publish an essay on
the natural history of our stingless boney-bees, but it will probably cost some
years to give a tolerably complete account of them.
Itajahy, Santa Catharina, Brazil, April 20. 1874.
Stachellose brasilianische Honigbienen
zur Einführung in zoolog. Gärten empfohlen von Hermann Müller auf Grund
von Beobachtungen seines Bruders Fritz Müller in Südbrasilien y).
Ich möchte Ihnen einige Mittheilungen über die Lebensweise stachelloser
brasiUanischer Honigbienen machen, welche sich auf Beobachtungen meines
Bruders Fritz Müller in Südbrasilien gründen.
Sollte Ihnen dieser Gegenstand als rein zoologischer wenig geeignet er-
scheinen, um vor die Sitzung der vereinigten zoologischen und botanischen Section
gebracht zu werden, oder als ausländischer wenig geeignet für einen Provinzial-
verein, so möchte ich dagegen geltend machen, dass die Naturgeschichte unserer
europäischen Honigbiene, als unserer wichtigsten Blumenbefruchterin, auch für
unsere Botaniker von hervorragendem Interesse sein muss, dass aber diese Natur-
geschichte durch die Betrachtung der stacheUosen brasihanischen Honigbienen,
die im Ganzen auf etwas tieferer Entwicklungsstufe stehen, in mehrfacher Be-
ziehung wesentliche Aufklärung erhält.
Während in Europa nur eine einzige Art von Honigbienen vorkommt, unsere
allbekannte Apis mellifica, welche stechen kann, sind dagegen die Urwälder Süd-
amerikas von einer kolossalen Mannigfaltigkeit verschiedener Arten von Honig-
bienen bevölkert, die sämmtlich nicht stechen können, bei denen vielmehr der
Giftstachel zu einem völlig nutzlosen Rudiment verkümmert ist. Alle diese Arten,
welche man, wohl ohne stichhaltigen Grund, in zwei Gattungen, Melipona und
Trigona, getrennt hat und die wir daher hier unter dem Gattungsnamen Melipona
zusammenfassen, stimmen ausser der Verkümmerung des Stachels darin überein,
dass bei ihnen, nach der Entdeckung meines Bruders, das Wachs nicht auf der
Bauchseite, sondern auf der Rückenseite des Hinterleibes abgesondert wird, und
zwar an denselben Hinterleibssegmenten, an deren Bauchplatten es sich bei unserer
Honigbiene ausscheidet. Im Zusammenhange damit sind dann drittens auch die
Organe zum Hervorziehen der Wachstäfelchen andere als bei unserer Honigbiene.
Der zahnförmige Fortsatz an der Basis der hinteren Ferse, die sogenannte Wachs-
i) Vortrag in der Sitzung der vereinigten zoologischen und botanischen Section des Westphälischen
Provinzial Vereins in Münster am 27. December 1874 gehalten, aber wegen unzureichender Zeit bedeutend
abgekürzt.
2) Zoolog. Garten 1875. P- 4^ — 55-
Stachellose brasilianische Honigbienen. ä.Q%
Zange, deren sich unsere Bienen und Hummeln zu diesem Zwecke bedienen, fehlt
bei den Meliponen gänzlich, dagegen sind ihre Hinterbeine, da sie nach dem Wachse
weiter zu reichen haben, verhältnissmässig länger und am Endrande der Schienen
mit einem Kamme aus langen, gebogenen Chitinzähnen ausgerüstet, welcher ver-
mutlich zum Herausgreifen der Wachsblättchen benutzt wird.
Von der Zahl und Mannigfaltigkeit, in welcher diese stachellosen Honig-
bienen in Brasilien auftreten, kann Ihnen die vorliegende Sammlung wenigstens
eine schwache Vorstellung geben. Sie finden in derselben nicht weniger als i8
verschiedene Arten, welche mein Bruder in der unmittelbaren Umgebung seines
Wohnsitzes beobachtet hat, die grössten Arten (M. Mondury Sm., M. Gurupü nob.
M. Coyrepü nob.) ungefähr von der Grösse unserer Honigbiene, die kleinste Art,
von uns M. lilliput getauft, noch nicht einmal 3 mm lang. Nicht minder mannig-
faltig als in ihrer Grösse sind diese Arten auch in ihrer ganzen äusseren Erschei-
nung, ihrem Gerüche, ihrer Flugweise, ihrer Gemüthsart und manchen Eigen-
thümlichkeiten ihrer Lebensweise. Während z. B. einige (M. Coyrepu nob.,
M. Gurupü nob., M. limäo Smith) ihr lautes Summen augenblicklich verstummen
lassen und sich furchtsam zurückziehen, sobald man nur an den von ihnen be-
wohnten Baumstamm oder Kasten klopft, stürzen dagegen andere (M. Cagafogo
nob., M. nificrus Latr. und M. Trombeta nob.) bei der geringsten Veranlassung
hervor, umschwärmen und verfolgen den Angreifer und setzen sich summend
und beissend in dessen Bart und Haare fest.
Die wichtigsten Eigenthümlichkeiten in der Staatenbildung, dem Nestbau und
der Brutversorgung der Meliponen sind folgende: Auch bei ihnen scheint sich,
soweit meines Bruders Erfahrungen reichen, in jeder Gesellschaft nur eine einzige
Königin zu finden. Neben ihr fand derselbe allerdings bisweilen eine oder mehrere
jüngere Weibchen, die aber wahrscheinlich noch unfähig waren, Eier zu legen.
Die Hauptmasse des Bienenvolkes besteht auch bei den Meliponen aus unfrucht-
baren Weibchen oder Arbeitern, die in der Regel erheblich kleiner sind als die
Königin, und natürlich ist auch eine Anzahl Männchen oder Drohnen vorhanden.
Diese sind von gleicher Grösse und Gestalt wie die Arbeiter, aber durch ge-
spaltene Fussklauen und durch den Mangel des Pollen-Sammelapparates an den
Hinterbeinen von diesen leicht zu unterscheiden.
Ihre Nester legen die stachellosen Honigbienen in der Regel in hohlen
Bäumen an, deren Zugänge sie, bis auf ein einziges Flugloch, mit Erde oder ver-
schiedenen harzigen, kautschukähnlichen und anderen Pflanzenstoffen vermauern.
Diese Baumaterialien tragen sie, ebenso wie den Blüthenstaub, in den Körbchen
der Hinterbeine heim. In alten Nestern der M. Coyrepü nob. findet man sogar
ansehnhche Mengen von Harz als Vorraths-Baumaterial angehäuft. Für den inneren
Ausbau ihres Wohnraumes verwenden die Meliponen Wachs, das sie immer aber erst
mit Erde, Harz oder anderen Stoffen vermengen bisweilen (z. B. bei M. Cagafogo
nob.) in solcher Menge, dass das Baumaterial wohl kaum zum zehnten Theile aus
wirklichem Wachse besteht.
Wenn ich vorhin sagte, dass die Naturgeschichte unserer Honigbienen durch
die Betrachtung der Meliponen wesentliche Aufklärung erhalte, so gilt dies
namentlich auch in Bezug auf die Absonderung und Verwendung des Wachses.
Denn während die meisten einzeln lebenden Bienen ihre Brutzellen ganz ohne
.Q. StacheUose brasilianische Honigbienen.
Wachs bauen und einige derselben (z. B. Anthophora fulvifrons Sm.), wie mein
Bruder entdeckt hat, nur ein wenig Wachs erzeugen, das ihnen vermutlich als
Bindemittel für Sand, Erde und ähnliche Baustoffe dient, bilden die Meliponen
in Bezug auf die Menge des abgesonderten Wachses und die Vermischung des-
selben mit andern Stoffen eine vollständige Stufenleiter von diesen einzeln lebenden
Bienen bis zu unserer reines Wachs verwendenden Apis mellifica und lassen uns
somit die allmälige Ausprägung dieser Eigenthümlichkeit gewissermaassen in
ihrem Werden erkennen. Eine Abstammung unserer Honigbienen von den Meli-
ponen soll damit nicht behauptet sein; eine solche ist im Gegentheile sehr un-
wahrscheinlich, da sich nicht wohl voraussetzen lässt, dass die einmal zur Aus-
prägung gelangte Wachsabsonderung vom Rücken auf die Bauchseite des Hinter-
leibes gewandert sei. Die Stammeltern der Honigbiene werden wohl von Anfang
an aus den Platten der Bauchsegmente das Wachs, anfangs in geringer, allmälig
in grösserer Menge ausgeschieden haben ; aber in der Vermischung des Wachses
mit einer erst überwiegenden, dann immer spärlicheren Menge fremder Zutaten,
mögen sie eine ähnliche Stufenleiter dargeboten haben wie die Meliponen.
Der Wachsbau selbst ist bei den Meliponen ein durchaus anderer als bei
unserer Honigbiene; er besteht nämlich aus zweierlei ganz verschiedenen Bauten:
1. Zunächt dem Flugloche befinden sich wagerechte, über einander liegende
Brutwaben, jede aus einer einzigen Lage regelmässig sechsseitiger Zellen be-
stehend, die mit ihren Oeffnungen nach oben gekehrt sind, jede Wabe mit der
darunter liegenden durch kurze Säulen verbunden. Der ganze Brutraum ist mit
einer aus dünnen Wachsplatten gebauten Hülle umschlossen, die schwammartig
von weiten, unregelmässigen Gängen durchzogen wird und sich mit den Rändern
der Brutwaben durch Wachsbalken verbindet. Abgesehen von der Verschieden-
heit des Baumaterials und der gerade entgegengesetzten Richtung der ZeUen
stimmen also die Brutwaben nebst ihrer Umhüllung in Form und Anordnung
annähernd mit unseren Wespennestern überein.
2. In dem Räume, welcher ausser den Brutwaben und ihrer Umhüllung
noch frei bleibt und welcher, je nach der Lage des Fluglochs und der Gestalt
des bewohnten Hohlraumes über, unter, rechts, links oder hinter dem Brutraume
oder an mehreren dieser Stellen zugleich sich vorfinden kann, befinden sich, oft
ganz oder theilweise in die schwammige Wachshülle mit eingeschlossen, grosse,
rundliche, unregelmässig über einander gehäufte Vorrathstöpfe, theils mit Honig,
theils mit Bienenbrot (Blüthenstaub und Honig) gefüllt. Die vorliegenden Honig-
töpfe der kleinen M. mirim nob. haben etwa die Grösse einer Flintenkugel und
stehen mit unregelmässig nach den verschiedensten Richtungen hin frei in die
Luft hinein gebauten Wachsbogen in Zusammenhange, die zunächt als vorläufiges
Gerüst gebaut werden und zwischen welche dann diese kleinen Meliponen nach
Bedürfnis kugliche Vorrathstöpfe einschalten.
Die Vorrathstöpfe der M. Coyrepü nob. haben fast die Grösse eines Hühner-
eies, und es mag jeder derselben etwa 2 — 3 Esslöffel voll Honig fassen. Die
Honigtöpfe der M. Mondury Smith, welche ungefähr ebenso gross sind, wie die
von Coyrepü, zeichnen sich, noch mehr als die der beiden vorigen Arten, durch
die kolossale Wachsverschwendung aus, welche an ihnen zu Tage tritt, wenn wir
sie mit dem Wachsbau unserer Honigbiene vergleichen; denn die Wanddicke
Stachellose brasilianische Honigbienen. 40 S
jener schwarzen Honigtöpfe beläuft sich auf 4 — 10, an einigen Stellen sogar bis
18 mm.
Die Vervollkommnung der Wachsbaukunst, welche in unserer europäischen
Honigbiene ihren Gipfelpunkt erreicht zu haben scheint, wird also einerseits in
stufenweiser immer reichlicherer Wachsabsonderung, andererseits in stufenweise
immer sparsamerer Wachsverwendung bestanden haben, welche letztere den Zu-
satz anderer Materialien immer mehr entbehrlich machte, bis zuletzt die erzeugte
Wachsmenge und die durch stufenweise Steigerung erlangte Sparsamkeit in der
Verwendung des Wachses ausreichten, die gesammten Brut- und Vorrathsbehält-
nisse aus reinem Wachse aufzubauen.
Wie in Bezug auf die Absonderung und Benutzung des Wachses, so bilden
auch in Bezug auf den Aufbau der hexagonalen Zellen und die Versorgung der
Brut mit Futter die Meliponen eine lehrreiche Zwischenstufe zwischen den ein-
zeln lebenden Bienen und unserer Honigbiene. Denn während die einzeln lebenden
Bienen immer nur cylindrische Brutzellen anfertigen, unsere Honigbienen aber
zwei Schichten regelmässig hexagonaler Zellen gleichzeitig aus den entgegen-
gesetzten Seiten einer senkrechten Mittelplatte herausbauen, lassen dagegen die
Meliponen die Umwandlung der cylindrischen Zellform in die relmässig hexagonale
auf das Deutlichste erkennen. Sie beginnen nämlich den Bau jeder ihrer hori-
zontalen Brutwaben mit einer einzigen cylindrischen Zelle, welche die Mitte der
späteren Brutwabe bildet. Nachdem dieselbe mit Larvenfutter und einem Ei ver-
sehen und geschlossen worden ist, wird dicht neben sie eine zweite cylindrische
Zelle gebaut, die sich nur an der Berührungsfläche mit der ersten abplattet.
Nachdem auch diese versorgt und geschlossen ist, werden in die beiden Winkel
zwischen den beiden ersten Zellen gleichzeitig zwei neue cylindrische Zellen ge-
baut, welche sich wieder an den Berührungsflächen mit den schon vorhandenen
Zellen abplatten. Nach Versorgung und Schliessung dieser wird in jeden der nun
vorhandenen 4 Winkel eine neue Zelle gesetzt und diese Gruppe von 4 Zellen
wiederum völlig zu Ende geführt, versorgt und geschlossen, ehe die folgende
Zellengruppe, welche 6 nun vorhandene Winkel auszufüllen hat, in Angriff ge-
nommen wird; und so fort. Jede Zelle ist also cylindrisch, soweit ihre Seiten-
wände nicht durch Andrücken an Nachbarzellen abgeplattet worden sind; jede
Zelle aber ist regelmässig hexagonal, sobald sie von 6 Nachbarzellen umschlossen
wird. Eine Gruppe neuer Zellen wird um die vorhandene Mitte herum immer
nur in der Weise angebaut, dass sich die neuen in die Winkel zwischen zwei
oder drei bereits vorhandenen Zellen einfügen und so zunächst Cylinder mit 2
oder 3 unter Winkeln von 120 Grad zusammenstossenden Säulenflächen bilden.
Die äussersten Zellen einer jeden Brutwabe sind daher immer, auch wenn die
ganze Wabe vollendet ist, cylindrisch gerundet. In der Regel werden von einer
neuen Zellengruppe sämmtliche Winkel zwischen bereits vorhandenen Zellen aus-
gefüllt; bisweilen jedoch wird ein oder der andere Winkel übersehen und da-
durch die Regelmässigkeit des Zuwachses der Wabe etwas gestört. Jede Zellen-
gruppe wird erst vollständig vollendet, d. h. von den Arbeitern mit einem aus-
gespie'nen Gemenge von Blütenstaub und Honig versorgt, von der Königin mit
einem Ei belegt und von den Arbeitern durch Einwärtsbiegen der ursprünglich
zu hoch gebauten Ränder der Zellenöffnung geschlossen, ehe der Aufbau einer
neuen Zellengruppe beginnt.
AQß Stachellose brasilianische Honigbienen.
Sobald jedoch die erste Wabe eine gewisse Grösse erreicht hat, wird auf
ihrer Mitte die zweite Wabe begonnen, und beide werden nun gleichzeitig durch
Umbau vergrössert. Ehe noch die erste Wabe vollendet ist, kann die zweite
schon so weit herangewachsen sein, dass auf ihrer Mitte der Anfang der dritten
Wabe gebaut wird, so dass dann einige Zeit lang drei Waben zugleich im Baue
begriffen sind. In Folge der fremden Beimischungen schimmelt das Wachs der
Meliponen sehr leicht und hierin mag der Grund liegen, dass sie ihre Brutzellen
und in der Regel auch ihre Vorrathstöpfe nicht mehr als einmal benutzen, sondern
dieselben, sobald sie leer sind, abbrechen und nach Bedürfnis wieder neue bauen.
Ob auch die vorliegenden enorm dickwandigen Vorrathstöpfe der M. Mondury
Smith zu nur einmaliger Benutzung bestimmt gewesen sind, ist mindestens sehr
zweifelhaft. Von den Brutwaben aber werden stets die untersten, sobald die
Bienen aus ihnen ausgekrochen sind, abgebrochen, und unter dem alten Waben-
bau wird nun ein neuer begonnen.
In Bezug auf die Zellen für die dreierlei Individuen ist der Wabenbau der
Meliponen einfacher als bei unserer Honigbiene. Da nämlich die Drohnen sich
an Grösse nicht von den Arbeitern unterscheiden, so werden, soweit die Erfahrung
meines Bruders reicht, auch keine besonderen Zellen für dieselben angefertigt,
und die ZeUen der Königinnen unterscheiden sich zwar durch bedeutenderen Um-
fang und bedeutendere Höhe von den übrigen, liegen aber mitten zwischen den-
selben, indem sie nur die hexagonale Regelmässigkeit der umgebenden etwas
stören und dieselben nach unten oder oben etwas überragen.
Endlich bilden auch in Bezug auf die Versorgung der Larven mit Futter-
brei die Meliponen eine lehrreiche Zwischenstufe zwischen den einzeln lebenden
Bienen und unserer Honigbiene. Denn wie jene versorgen sie zunächst die Zellen
mit Larvenfutter, auf dasselbe wird sodann ein Ei gelegt und nun die Zelle ge-
schlossen, während bekanntlich unsere Honigbiene ihre Eier in die leeren Zellen
legt und die Larven dann in den offnen Zellen gefüttert werden. Die Arbeits-
theilung dagegen ist bei den Meliponen schon ganz dieselbe wie bei den Honig-
bienen, indem auch bei ihnen der Königin ausschliesslich das Eierlegen als Auf-
gabe zufällt, während die Arbeiter alle übrigen Arbeiten verrichten.
Von den Eigenthümlichkeiten einzelner Arten will ich nur einige der hervor-
stechendsten kurz erwähnen. Einige Arten (M. Coyrepü nob., variabilis nob.,
Mondury Smith und Gurupü nob.) pflegen ihr Flugloch mit einem kraterförmigen
Walle von Erde zu umgeben. M. Jaty Smith, deren vorliegenden Stock ich vom
Juli bis November dieses Jahres lebend hatte, baut vom Flugloche aus eine etwa
8 — lo mm dicke, selten über 4 — 5 cm lange Röhre aus reinem weissem Wachs,
die sie bisweilen aber nicht immer des Nachts schliesst. M. Trombeta nob. hat
ihren (portugiesischen) Namen von ihrem manchmal bis fusslangen, vom Flug-
loche aus sich allmälig erweiternden, trompetenförmigen Vorbau, der zahlreichen
Bienen auf einmal den Einflug gestattet. Das vorliegende Exemplar von Ein-
flugstrompete ist nur 6 Zoll lang und im Eingange 3 — 4 Zoll weit; es ist aber
offenbar auch dies Exemplar nicht auf einmal, sondern in drei auf einander
folgenden Perioden gebaut worden, indem zwischen dem Flugloche und dem
jetzigen Trompeteneingange auf der Aussenseite der Trompete noch zwei frühere
Mündungen sich erkennen lassen. Die ganze Trompete besteht gleichfalls aus
Wachs; der ältere Theil ist schwärzlich, der jüngere Rand gelblich grau. Die
Stachellose brasilianische Honigbienen. ^g«?
Innenfläche der Trompete ist von vorspringenden Leisten, höheren und niederen,
durchzogen, die in verschiedenen Richtungen unregelmässig sich kreuzen und
kleine, flache, wabenartige Vertiefungen umschliessen. M. Hmäo (sprich limong!)
Smith endlich baut vor ihr Flugloch einen kopfgrossen rundlichen Klumpen von
schwärzlichem Wachs, der wie ein Schwamm von unregelmässigen Gängen durch-
zogen ist und nach allen Seiten hin zahlreiche Ausgänge bietet.
Eine in mehrfacher Beziehung von den anderen abweichende Art ist
M. Cagafogo nob., die sich schon durch den Besitz eines scharfen Giftes aus-
zeichnet. Vor allem eigenthümlich ist ihre Geschmacksrichtung. Andere Bienen,
gesellige, wie einsam lebende, scheinen in Bezug auf Geruch und Geschmack im
Allgemeinen dasselbe angenehm oder widerlich zu finden wie wir; der Duft der
Blumen, der sie anlockt, erfreut auch uns; der Honig ist auch für uns eine leckere
Speise. Nicht so M. Cagafogo, Nur selten geht sie auf Blumen und fast nur
auf übelriechende; dagegen wird sie von Allem angelockt, was stinkt. Eine halb-
verfaulte grosse Kröte fand mein Bruder über und über, bis tief in das weite
Maul hinein, mit Cagafogo's bedeckt, sie finden sich ein bei den Eingeweiden
geschlachteter Thiere, besuchen alten stinkenden Käse, und als mein Bruder ein-
mal den Schädel einer Jararacassü ^) reinigte, der lange in Weingeist gelegen
hatte und eben nicht nach Rosen duftete, kam ein Cagafogo auf seine Hand
geflogen. Ihren Honigbedarf scheint diese Biene meist anderen Quellen zu ent-
nehmen als den Blumen; sie sammelt sich in dichten Scharen an dem aus der
Rinde von Bäumen ausfliessenden süssen Safte, dem auch viele Schmetterlinge
vor Blumenhonig den Vorzug geben, sowie an gehauenem Zuckerrohr. Und wie
viele Ameisen die Blattläuse als Milchkühe benutzen und die an ihrem Hinter-
leibe sich ausscheidenden süssen Tröpfchen lecken, so macht es die M. Cagafogo
mit den Larven einer Membracide ^),
Am auffallendsten weichen in ihrer Lebensweise von allen übrigen vor-
liegenden Meliponen drei Arten ab, welche sich, anstatt selbst Blütenstaub und
Honig einzutragen, durch Raub und Mord oder durch Hinterlist und Betrug von
dem Fleisse ihrer Geschwisterarten zu erhalten wissen. Eine wegen ihres citronen-
ähnlichen Geruchs von den portugiesischen Bewohnern Brasiliens Abelha Limäo
genannte Melipona (Trigona limäo Smith), von glänzend schwarzer Farbe, hat
sich des Blumenbesuches so völlig entwöhnt, dass ihre saugenden Mundtheile zu
winzigen Rudimenten verkümmert sind. Anstatt den Honig mühsam Tröpfchen
für Tröpfchen im Grunde der Blumen aufzusuchen und aufzusaugen, überfällt
sie in Scharen räuberisch die Wohnungen anderer Bienen und beraubt sie der
Früchte ihres Fleisses, sie erbricht und entleert ihre Honigtöpfe und ihre jüngeren
Brutzellen und nimmt bisweilen auch vollständig Besitz von ihrem Bau, indem sie
die rechtmässigen Herren vertreibt oder tödtet, Ihre Oberkiefer, deren sie sich als
Angriffswaffe bedient, haben sich in Anpassung an diese Lebensweise zu enormer
Grösse und Kräftigkeit entwickelt.
i) Die gefährlichste dortige Giftschlange.
2) Vgl, meine Aufsätze in der Nature, Vol. VIII Nr. 193, July 10, 1873 ""^ ^o'- ^- Nr. 237, May 14,
1874. „Larvae of Membracis serviug as milkcattle to a Brazilian species of honey-bee." In dem zweiten dieser
Aufsätze ist auch eine Abbildung und Beschreibung aller drei Arten von Individuen der M. Cagafogo gegeben.
= Ges. Schriften S. 481 und 483.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 3^
• Qg Stachellose brasilianische Honigbienen.
Zwei andere Meliponaarten scheinen in demselben Sinne Kukuksbienen bei den
nächstverwandten selbstsammelnden Meliponen zu sein, wie unsere Schmarotzer-
hummeln bei selbstsammelnden Hummeln. Der Fall ist aber bei den Meliponen
in sofern noch interessanter, als bei ihnen der verwandtschaftliche Zusammenhang
klarer zu Tage liegt. Während man nämlich bei unseren Schmarotzerhummeln
zweifelhaft sein kann und bis zu dieser Stunde in der That noch getheilter
Meinung darüber ist, ob sie sich von gemeinsamen Stammeltern oder von bereits
differenzirten Arten der Gattung Bombus durch Uebergang zur Kukukslebensweise
abgezweigt haben, unterliegt es dagegen bei unseren beiden schmarotzenden Meli-
ponen, wie ich mich durch genaue Untersuchung überzeugt habe, nicht dem
mindesten Zweifel, dass jede derselben derjenigen Meliponaart am nächsten ver-
wandt ist, in deren Nestern sie gefunden wird. M. cuculina nob, gleicht in den
meisten Stücken, mit Ausnahme der Ausbildung der Hinterbeine, an welchen der
Pollen-Sammelapparat wieder verloren gegangen ist, der M. Coyrepü nob., in
deren Nest sie von meinem Bruder gefunden wurde, und in demselben Verhältnisse
steht M. Gurupina nob. zu M. Gurupu nob. Natürlich sind bei den beiden Kukuks-
Meliponen wie bei allen Kukuksbienen nur Männchen (bis jetzt noch nicht ge-
funden) und Weibchen vorhanden, keine Arbeiter, und da ihre saugenden Mund-
theile durchaus nicht verkümmert sind, so werden sie wohl, ebenso wie alle ein-
heimischen Kukuksbienen, für ihre eigene Beköstigung auf Blumen fliegen und
Honig saugen und nur ihre Larven auf Kosten ihrer fleissigeren Geschwister-
arten grossziehen, indem sie in die mit Larvenfutter versorgten Brutzellen der-
selben ihre Eier legen ^).
Das wäre, meine Herren, ein kurzer Auszug aus den umfassenden Be-
obachtungen, welche mein Bruder Fritz Müller an den Ufern des Itajah}^ in
Südbrasilien über die Lebensweise der Meliponen gesammelt hat. Was mich
veranlasst hat, gerade hier diesen Auszug mitzutheilen, ist der lebhafte Wunsch,
lebende Meliponastöcke sobald als möglich in unsere zoologischen Gärten ein-
geführt zu sehen und vor Allem die hier anwesenden Begründer des hiesigen
zoologischen Gartens zu veranlassen, demselben sobald als möglich eine Anzahl
lebender Meliponenstöcke einzuverleiben.
Dass die eingehende Beobachtung derselben für das Verständniss der Natur-
geschichte unserer Honigbiene von höchster Wichtigkeit sein würde, werden Sie
wohl, nach den von mir gegebenen Andeutungen, kaum bezweifeln. Dass aber
die Einführung lebender Meliponenstöcke in unsere zoologischen Gärten möglich
sein würde, dafür glaube ich den vorliegenden Stock der M. (Trigona) Jaty Sm.
als Beleg anführen zu dürfen, welchen ich über 4 Monate lebend gehabt habe
und welcher, nach meiner Ueberzeugung, auch den Winter überdauert haben
würde, wenn ihn nicht auf der Seereise von Brasilien hierher ein künftig leicht
zu vermeidender Unfall betroffen hätte. Da dieser Unfall zugleich, wie ich glaube,
i) Neuerdings hat mein Bruder auch in den Nestern einer dritten Meliponaart (M. variabilis nob.)
des Sammelapparates entbehrende Weibchen gefunden, welche dieser Art näher verwandt sind als irgend
einer andern ; ja er fand sogar bei einer besonderen Farbenabänderung der M. variabilis solche des Sammel-
apparates entbehrende Weibchen von derselben Farbenabänderung. Dadurch ist die Deutung dieser
Weibchen als Kukuksbienen mehr als zweifelhaft geworden. Es sind höchst wahrscheinlich „Drohnen-
mütter" der betreffenden Arten, wie solche Vogel (laut der Eichstädter Bienenzeitung 1866 Nr. i) bei
einen ägyptischen Bienen beobachtet hat. (Nachträgliche Bemerkung während des Druckes.)
Stachellose brasilianische Honigbienen. ^gg
den Beweis liefert, dass ein nützlicher Instinkt durch Veränderung der Umstände
höchst verderblich werden kann, so dürfte seine Mittheilung wohl von allge-
meinerem Interesse sein.
Die zierlichen Bienen, welche den vorstehenden Kasten bewohnten, hatten,
wie ich mich alltäglich überzeugen konnte, den unter natürlichen Umständen
gewiss sehr nützlichen Instinkt, alle, auch die kleinsten Zugänge ihres Wohn-
raumes, bis auf das Flugloch, mit Harz luftdicht zu verkitten. So oft ich z. B.
den Glasdeckel des Kastens nach gewaltsamen Loszwängen mit einem Messer
abgenommen hatte, war es nach dem Wiederauflegen desselben die erste Arbeit
der Bienen, ihn wieder ringsum luftdicht anzukitten. Für die überseeische Reise
nun musste der Kasten mit einem von feinem Drahtnetze umschlossenen Vorhofe
versehen werden, in welchen die Bienen fliegen konnten, um Sonnenlicht und
vorgesetzten Honig zu geniessen, ohne sich verfliegen zu können. Wahrscheinlich
gewöhnten sich nun die Bienen, da sie aus dem Vorhofe nie heraus konnten,
denselben als integrirenden Theil ihres Wohnraumes zu betrachten; denn nach-
dem sie einige Wochen in demselben eingesperrt gewesen waren, machten sie
sich daran, auch die vielen tausend Maschen des Drahtnetzes mit kleinen Wachs-
blättchen luftdicht zuzukitten, und dies wurde von der Tochter meines Bruders,
Anna Müller, welche den Stock pflegte und mir überbrachte, leider erst bemerkt,
nachdem wohl über neun Zehntel des ganzen Bienenvolks plötzlich gestorben
waren. Das plötzliche Hinsterben erfolgte im Verlaufe zweier Tage, noch ehe
das Zukitten aller Maschen vollendet war, und es dürfte wohl ein durch den,
wenn auch noch nicht vollendeten, doch bereits sehr weit gediehenen Luftabschluss
bewirkter Erstickungstod gewesen sein. Da indess während derselben beiden
Tage, an welchen das massenhafte Hinsterben erfolgte, das Meer so bewegt war,
wie sonst während der ganzen Reise nicht, so muss die Möglichkeit zugestanden
werden, dass vielleicht nicht der Luftabschluss, sondern die heftigen Erschütterungen
des Stockes Todesursache gewesen sein könnten. Künftige Transportversuche
werden entscheiden. Mir scheint die erstere Annahme die bei weitem wahr-
scheinlichere, und wenn sie richtig ist, so wird diese Gefahr bei künftigen Trans-
porten sehr leicht zu vermeiden sein.
Die Ueberbringerin schaffte nun dem Vorhofe Luft, indem sie zahlreiche
Maschen mit einer Stricknadel wieder öffnete, und die noch übrig gebhebenen
Bienen — es dürften höchstens 200 gewesen sein — kamen wohlbehalten in Lipp-
stadt an. Bei hellem Sonnenschein kamen sie ziemlich zahlreich aus dem Stocke
heraus. Die meisten schwebten, sobald sie die Eingangsröhre verlassen hatten,
ihren dünnen Hinterleib hoch hebend und die langen Hinterbeine senkrecht nach
unten streckend, längere Zeit schwebfliegenartig vor dem Stocke, das Gesicht der
Eingangsröhre zugewendet und allmälig sich von dem Stocke entfernend, als
wollten sie sich die Lage desselben gehörig einprägen. An warmen sonnigen
Tagen sah ich oft 1 2 bis 20 gleichzeitig in dieser Weise vor dem Stocke schweben
und erst dann dem Stocke den Rücken kehren und rasch wegfliegen, so dass
ich sie aus dem Auge verlor, wenn sie etwa einen Fuss weit von dem Stocke
rückwärts geschwebt waren. Manche jedoch kamen mit Bruchstücken der Leichen
todt gegangener Kameraden beladen aus dem Flugloche, und diese flogen jedes-
mal, ohne sich erst umzusehen und ohne sich im Fluge zu verweilen, direct weit
32*
CQQ Stachellose brasilianische Honigbienen.
weg. Leider gelang es mir nie, auf den benachbarten Blumen meines Gartens
eine dieser kleinen Meliponen anzutreffen; sie müssen über die Gartenhecke
weiter weggeflogen sein. Nur auf einem benachbarten Rosenstocke sah ich dann
und wann einzelne Exemplare auf den Stengelblättern sitzen und bald sich sonnen,
bald mit den Mandibeln die dünne Wachsschicht von der Blattoberfläche ab-
schaben. Unter den heimkehrenden Exemplaren wurde, trotz beständig darauf
gerichteter Aufmerksamkeit, niemals ein mit Blüthenstaub beladenes bemerkt.
Blumen, welche alle ihre Nahrungsbedürfnisse hätten befriedigen können, haben
sie also jedenfalls hier nicht gefunden. Ob sie Honig aus hiesigen Blumen ent-
nommen, ob sie also überhaupt hier Blumennahrung gefunden haben, weiss ich
nicht. Der im Vorhof ihnen vorgesetzte Honig von Apis mellifica, mit dem sie
auch auf der Reise beköstigt worden waren, wurde von ihnen nicht nur eifrig
gesaugt, sondern auch in die Sammelkörbchen der Hinterschienen gehäuft und
mit in den Stock genommen, wahrscheinlich um Honigtöpfe damit zu füllen. Da
ich sie niemals mit Blüthenstaub heimfliegen sah, so klebte ich, um ihnen Bau-
material zu liefern, an die Vordervvand des Kastens, rechts und links von der
Eingangsröhre, je eine Wachskugel etwas grösser als eine Erbse, und zwar rechts
Wachs derselben Bienenart, links Wachs ihres Todtfeindes, der schwarzen Raub-
biene (M. limäo). Anfangs wurden beide Wachssorten gleich eifrig bearbeitet;
die Bienchen sassen oft zu 4 bis 5 an jedem Wachsklumpen und bissen mit den
Mandibeln kleine Wachsstücke los, die sie entweder unmittelbar in das Nest
schleppten oder (häufiger) erst durch zahlreiche weiter abgebissene Stückchen zu
einem Klümpchen anhäuften, welches zwischen Kopf und Vorderbeinen gehalten und
ebenfalls in das Nest geschleppt wurde; nicht selten beluden sie auch die Sammel-
körbchen ihrer Hinterschienen mit Wachs. Sobald jedoch der Wachsklumpen
von M. limäo seiner obersten Schicht entkleidet war, verliessen ihn meine Bienchen,
die wahrscheinlich nun erst den eigenthümlichen Geruch des Wachses wahr-
nahmen ; von dem Jaty- Wachs dagegen trugen sie nicht nur die erste Kugel voll-
ständig sondern auch noch den grössten Theil einer zweiten Kugel in ihr Nest.
Um den inneren Ausbau ihres Wohnraumes kennen zu lernen, brach ich eines
Tages im September die aus dünnen Wachsblättchen aufgebaute und von lab}^-
rinthischen Gängen durchzogene Hülle, welche in meinem Stocke nicht nur den
Brutraum, sondern auch die neben demselben gelegenen \^orrathstöpfe über-
deckte, vorsichtig ab und warf die losgebrochenen Stücke in den hinteren noch
etwas freien Raum darbietenden Theil des Kastens. Nachdem ich zahlreiche
(wenigstens 10) unregelmässig mit einander verbundene Wachsschichten ab-
getragen hatte, gelangte ich endlich zu einem kleinen, kaum mehr als 30 mm im
Durchmesser betragenden Brutraume, in dessen Mitte sich eine einzige winzige
Wabe von nur 7 Zellen befand. Eine dieser Zellen übertraf die übrigen an Höhe
und Umfang; sie mochte wohl eine Königinzelle sein. Links neben dem Brut-
raum und seiner Umhüllung fanden sich fünf theils noch offene theils geschlossene,
durch Wachsbalken mit einander verbundene kugelig^e Vorrathstöpf e ; etwa von
der Gnisse einer Flintenkugel; die offnen waren mit klarem durchsichtigem Honig-
gefüllt. Ich bekam bei diesem Offenbrechen jedenfalls den grössten Theil, wenn
nicht alle in dem Stocke noch lebenden Bienen zu sehen, da sie höchst unruhig
sich an die beschädigten Stellen drängten; ich schätzte ihre Zahl auf 100 bis
höchstens 200; eine Königin sah ich unter ihnen nicht. Trotz dieser geringen
Stachel lose brasilianische Honigbienen. cq!
Volkszahl war der von mir angerichtete Schaden schon nach zwei Tagen fast
vollständig wieder hergestellt, mehrere senkrechte Wachswände bis zur Glasdecke
des Kastens aufgeführt und zahlreiche den Brutraum unregelmässig umhüllende
Schalen neugebaut. Noch an den sonnigen Octobertagen kamen die Bienchen,
wenigstens in den Mittagsstunden, recht munter herausgeflogen und gaben mir
sogar von ihrer (reistesgegenwart und Ueberlegung noch eine bewundernswerthe
Probe. Einige Honigbienen (Apis mellifica), die ihres Stockes beraubt im Garten
umherirrten, drängten sich nämlich in den Vorhof meines Jatystockes, um den dort
den Jaty's als Futter hingestellten Honig für sich in Anspruch zu nehmen; aber
die Jaty's wussten die riesenhaften Eindringlinge, die ihre eignen Körpermasse
wenigstens um das 50- bis loofache übertrafen, in ebenso muthiger als zweck-
mässiger Weise am Honigraube zu verhindern ; sie flogen denselben an die Flügel
und bissen sich in dieselben ein, und zwar in der Regel je zwei in den Vorder-
rand jedes Vorderflügels nahe seiner Basis. Die Honigbienen suchten nun davon
zu kommen, konnten aber nicht fliegen und liefen daher höchst unruhig im Vorhof
umher, und die Jaty's blieben mit Ausdauer in die Flügel verbissen, während ihre
Kameraden sich nun ungestört des Honiggenusses erfreuten. Ich sah einmal
nicht weniger als sechs in dieser Weise von Jaty's gerittne Honigbienen in dem
Vorhof umherrennen, und die Jaty's blieben selbst dann noch längere Zeit in die
Flügel verbissen, nachdem ich die von ihnen gerittenen Bienen mit einer Pincette
ergriffen und durch Zerdrücken von Kopf und Thorax getödtet hatte.
Als Ende October kältere Witterung eintrat, nahm ich den Stock, dessen
Volk sich durch einzelne Todesfälle allmälig immer mehr vermindert hatte, in
mein Wohnzimmer. Die Zimmerwärme vermochte jedoch niemals, die Thiere aus
ihrem Neste hervorzulocken, während sie dagegen, sobald der Stock den directen
Strahlen der Sonne ausgesetzt wurde, stets nach kurzer Zeit in grösserer oder
geringerer Zahl herauskamen, um im Vorhofe schwebend oder sitzend das Sonnen-
licht zu geniessen. Als am 28. November nach wochenlanger trüber Witterung
endlich wieder ein zwar sehr kalter, aber klarer, sonniger Morgen eingetreten
war, beging ich die Unvorsichtigkeit, den Stock in das von der Sonne beschienene,
aber erst wenige Grad über den Gefrierpunkt erwärmte Fenster meines Wohn-
zimmers zu setzen. Nach kurzer Zeit kamen alle noch lebenden Bewohner des
Stockes, 40 — 50 an der Zahl, munter hervor, um sich im Vorhofe der Sonnen-
strahlen zu erfreuen ; aber es dauerte nicht lange, da legte sich eine nach der
andern auf den Rücken, zuckte noch einigemale mit Fühlern und Beinen und
verendete. Wahrscheinlich hatte der plötzliche Temperaturwechsel sie getödtet.
Es gelang nicht, durch Wiedererwärmen eine einzige in das Leben zurückzurufen.
Ich habe die an meinem Jatystocke gemachten Erfahrungen etwas eingehender
mitgetheilt, weil ich glaube, dass manche derselben bei künftigen Einführungs-
versuchen berücksichtigt werden müssen. Obgleich nun allerdings die Möglich-
keit, die Meliponen bei uns zu überwintern, noch keineswegs bewiesen ist, so
scheinen mir doch die an meinem Jatystocke gemachten Erfahrungen weit mehr
für als gegen dieselbe zu sprechen. Jedenfalls aber ist der wissenschaftliche Ge-
winn, welchen die Einführung lebender Meliponenstöcke in unsere zoologischen
Gärten verspricht, so bedeutend, dass keine Geduld und Ausdauer und keine
Kosten gescheut werden sollten, um diese Einführung, wenn sie überhaupt möglich
ist, auch zu verwirklichen.
Poey's Beobachtungen über die Naturgeschichte der
Honigbiene von Cuba. MeHpona fulvipes Guer.*).
(Auszug mit Anmerkungen.)
Poey's schon im Jahre 185 1 erschienene Arbeit über die Honigbiene von
Cuba ^), weitaus das Beste, was ich über die Naturgeschichte der stachellosen
Honigbiene gelesen habe, — scheint in Europa fast unbeachtet geblieben zu sein ;
durch einen von einigen Anmerkungen begleiteten Auszug auf sie hinzuweisen,
mag daher nicht unangemessen sein. Ich übergehe die Beschreibung der Art
und beschränke mich auf die Mittheilungen über deren Lebensverhältnisse, wobei
ich meist Poey's eigene Worte beibehalte:
„Melipona -) fulvipes nistet in hohlen Bäumen ^), und zwar nicht nur in Cedern
(Cedrela odorata), wie Humboldt angibt; jeder Baum, der ihr sicheres Obdach
verspricht, ist ihr recht. Unter sonst gleichen Umständen dürfte sie Bäumen aus
der Familie der Guttiferen den Vorzug geben, die ausser Wohnung ihr auch
Harz zu ihrem Bau und Blüthenstaub bieten*). — Die Bienen passen ihren Bau
der Gestalt und den Verhältnissen der vorgefundenen Höhle an, nach welcher
sich Länge und Umfang des Nestes richten ^). Ihre erste Sorge ist, Spalten und
Ritze zu verschliessen, die dem Licht oder feindlichen Insecten Einlass gewähren
könnten^); sie benutzen dazu gewöhnlich ein Gemisch aus Harz und anderen, an-
scheinend erdigen ') Stoffen, welches einen sehr harten, bisweilen zolldicken Kitt
bildet. . Als einzigen Eingang lassen sie ein Flugloch von 0,01 m Durchmesser*^),
von dem aus ein allmälig erweiterter Gang bis zum oberen Ende des Baues sich
fortsetzt^). Dann gehen sie an den Bau der grossen Vorrathstöpfe, die zur Auf-
nahme von Honig und Blüthenstaub ^^) dienen, Gestalt und Grösse einer Nuss
haben und immer an den beiden Enden des Nestes, oben und unten angebracht
sind; zwischen diesen beiden Niederlagen bringen sie die Waben an und umhüllen
sie mit einem Mantel aus ziemlich groben Wachsblättern ^^). — Die Vorrathstöpfe
werden aus dem besten Wachse gebaut, ebenso die Balken, welche das Nest
seitlich an den Wänden der Höhle befestigen oder die Waben unter sich ver-
binden. Die Waben sind wagerecht und einander so nahe, dass sie nur einer
*) Zool. Garten 1875. '6. Jahrg. p. 291—297.
Poey's Beobachtungen über die Naturgeschichte der Honigbiene von Cuba. SO^
Biene den Durchgang gestatten; wie die Waben der Wespen sind sie durch
kleine Säulen mit einander verbunden. Ihre obere Seite erscheint leicht vertieft ^''^).
Jede Wabe kann im Durchschnitt 300 Zellen enthalten und es finden sich ihrer in
jedem Stocke etwa ein Dutzend ^^). Die Zellen sind aus einem Stoffe gebaut, der
mehr dem Papier der Wespennester als gewöhnlichem Wachse sich nähert; ihr Boden
ist dunkler, dicker und härter^*). Ihre Gestalt ist sechsseitig mit halbkugligem
Boden; ihr Durchmesser beträgt 4,5 mm. Die Zellen bilden eine einzige Schicht;
alle sind von gleicher Grösse, ohne Unterschied zwischen Arbeiter- und Drohnen-
zellen, Nie traf ich Zellen, die man ihrer Grösse wegen für königliche hätte
halten können; ob vielleicht zuweilen vorkommende querliegende Zellen diese
Bedeutung haben, weiss ich nicht ^^). Ich habe in meinem Hause Waben gehabt,
aus denen ich täglich 20 Arbeiter und 6 Männchen (oder vielmehr, wie Poey
später selbst berichtigte, kleine Weibchen) auskriechen sah, ohne einen Unter-
schied in der Grösse der Zellen zu bemerken. Ich darf nicht mit Stillschweigen
übergehen, dass ich am Rande der Waben mehr als einmal einen weissem Wachse
ähnlichen, aber dehnbaren Stoff getroffen habe, von Grösse und Gestalt einer
Kichererbse, auf kurzem Stiele sitzend, wie ein Pilz ^^).
In allen von mir untersuchten Stöcken befand sich sicher nie mehr als eine
einzige befruchtete Königin mit angeschwollenem Hinterleib ^^). Neben der Königin
pflegt man eine grössere Anzahl kleinerer Weibchen anzutreffen; so fand ich in
einem Schwärme von 600 bis 1000 Arbeitern (von 12 mm Länge) 40 solcher
kleiner Weibchen (von 10,5 mm Länge) ^^).
Diese Bienen sammeln mit grossem Eifer weiche Harze, wie die von Calo-
phyllum Calaba, Garcinia Cornea, Laetia apetala, und, wie man mir sagt, auch
von Mastix und Cypressen. Haut man die Rinde eines M a n a j u (Garcinia cornea)
an, wie versteckt er auch stehe, so kommen im Laufe des Tages die Bienen
herbei, um das für ihr Nest nöthige Harz zu holen ; sie tragen es an den Hinter-
beinen fort, oft in Klumpen von der Grösse eines Reiskorns. Ist das Harz hart,
so tragen sie es mit den Kinnbacken ^'•').
Ich habe oft Arbeitsbienen heimkehren sehen , die auf dem Rücken des
Hinterleibes Blättchen eines weissem Wachse ähnlichen Stoffes trugen; für ge-
wöhnlich waren es 3 oder 4 Stückchen auf dem 3., 4. und 5. Ringe. Ihre Gestalt
war die eines dünnen Blättchens, ihre Grösse 0,5 mm; ich kann sie mit nichts
besser vergleichen als mit den von der Honigbiene, Apis mellifica, ausgeschwitzten
Wachsblättchen. Ein kleines Klümpchen, das ich aus vielen Blättchen gebildet
hatte, Hess sich kneten, wie gewöhnliches Wachs; leider ging es verloren, so dass
ich es nicht weiter untersuchen konnte. Sind es Wachsblättchen, die die Bienen
von der Rinde oder der Blattoberfläche von Pflanzen abgeschabt haben ^O) ?
Zur Aufnahme der Brut stellen die Arbeitsbienen der Königin die leeren
Waben zur Verfügung, deren Bau sie von der Mitte aus beginnen; sobald die
Zellen fertig sind, werden sie mit einem aus Honig und wahrscheinlich halb-
verdautem, wieder ausgebrochenem Blüthenstaub bestehenden, halbflüssigen Brei
gefüllt. Ist die ZeUe voll 21), so eilt die Königin herbei, um ein Ei hineinzulegen,
welches wenigstens i mm lang ist, was die geringere Bevölkerungszahl, im Ver-
gleich mit Apis, erklärt. Dann wird die Zelle geschlossen. Der Brei ist so dick,
dass die Larve nach dem Auskriechen nicht untersinkt; sie liegt gekrümmt auf
C04. Poey's Beobachtungen über die Naturgeschichte der Honigbiene von Cuba.
ihrer Nahrung, die sie allmälig verzehrt. Die Zelle wird von den ^Vrbeitern mit
gutem Wachs geschlossen, so dass die Larve keine andere Luft hat, als die an-
fänglich in der Zelle enthaltene; später wird ein Theil des Wachses wieder ent-
fernt, und ist sie zur Puppe geworden, so ist nur nach das ursprüngliche dünne
Deckelchen übrig -2), welches die junge Biene beim Ausschlüpfen selbst mit den
Kinnbacken öffnet. Das Ausschlüpfen beginnt, wie der Bau, in der Mitte der
Wabe, und da die Arbeiter die entleerten Zellen sofort abtragen, könnte eine
halbleere Wabe die Vermuthung erwecken, es w^ürde der Wabenbau vom Um-
fange her begonnen. Aus diesem Grunde findet man auch in den Nestern der
Meliponen keine leeren Zellen.
Nachts hören alle Arbeiten auf, wenn man dies aus dem Schweigen des
Schwarms und der Abwesenheit der Wache am Flugloche schliessen darf^^).
Anmerkungen.
i) Felipe Poey, Memorias sobre la historia natural de la Isla de Cuba. Tomo I. Habanna
185 1, pag. 122.
2) Poey rechnet seine Biene zu Trigona; wenn ich sie, wie Guerin, Melipona nenne, so denke
ich dabei natürlich nicht an den müssigen Streit der Systematiker der alten Schule, ob Melipona und
Trigona zwei Gattungen bilden oder nur eine; das ist ja lediglich Sache des Beliebens oder höchstens eine
Frage der Zweckmässigkeit, und wäre als solche zu bejahen, da die Uebersicht über die zahlreichen und
so weit auseinandergehenden Arten stachelloser Honigbienen durch ihre Vertheilung in mehrere Gattungen
nur erleichtert werden könnte. Trennt man Trigona von Melipona, so kann fulvipes trotz ihrer gezähnten
Kinnbacken nur letzterer Gattung, d. h. dem Verwandtschaftskreise von favosa, anthidioides u. s. w. bei-
gezählt werden, wie Flügelgeäder, Bildung der Hinterschienen u. s. w. beweisen.
3) Dies gilt wahrscheinlich für alle Meliponen und die grosse Mehrzahl der Trigonen (um
unter diesem Namen einstweilen die vielgestaltigen von Melipona abzutrennenden Arten zusammenzufassen).
Einige Trigonen bauen ihre Nester aussen an die Aeste der Bäume, wie es von Tr. amalthea bekannt
ist, und wie ich es bei der nahe verwandten Tr. ruficrus fand. Andere sollen in der Erde nisten, so nach
Peckolt unsere Tr. cupira Sm. und nach Angabe meines Neffen Gustav Müller eine andere kleinere
Art, in der ich nach dessen Beschreibung Tr. opaca F. u. H. M. zu erkennen glaube.
4) Ich habe von einer Bevorzugung bestimmter Bäume von Seiten einer oder der anderen Bienenart
bis jetzt nichts bemerkt.
5) Nicht immer füllen die Nester die ganze Höhlung; bisweilen wird ein Theil derselben einfach
tmbenutzt gelassen, bisweilen wird der unbenutzte Theil durch eine Wand aus Kitt von dem bewohnten
geschieden.
6) Dies geschieht wahrscheinlich, noch ehe der Schwärm in eine neue Wohnung einzieht. So be-
obachtete ein hiesiger Bienenzüchter, dass Jatys in massiger Zahl in einen leeren Kasten seines Bienen-
standes ein- und ausflogen; erst nach längerer Zeit, nachdem sie das Flugloch in ihrer Weise hergerichtet
und wahrscheinlich auch das Innere wohnlich gemacht hatten, folgte diesen Vorläufern der ganze Schwann.
Bringt man einen Schwärm in eine neue Wohnung, so ist die allererste Sorge der Bienen, ihren lose
liegenden Bau durch Wachsbalken an Boden und Wänden der neuen Wohnung zu befestigen.
7) Das ist sehr wahrscheinlich; unsere sämmtlichen Meliponen sammeln Erde zu diesem Be-
hufe; dagegen habe ich von unseren zahlreichen Trigona-Arten bisher nur eine, Tr. cupira Sm., Erde
sammeln sehen.
8) Der Durchmesser des Fluglochs ist auffallend gross ; unsere Meliponen pflegen dasselbe so
eng zu machen, dass nur eine Biene bequem hindurch kann. Bei M. Gurupü hat es 6 mm, bei M. pul-
chella F. u. H. M. (übereinstimmend bei 4 Stöcken) 4 mm Durchmesser. Doch mögen auch bei Melipona
hierin Verschiedenheiten zwischen nahe verwandten Arten vorkommen, wie es bei Trigona in der That der
Fall ist; Tr. pigra F. u. H. M., die Pregui<;osa der Brasilianer, baut ein enges Flugloch von etwa 2 mm
Durchmesser für den Durchgang einer einzigen Biene; die sehr nahe stehende Tr. mirim F. u. H. M.,
obwohl noch etwas kleiner, ein viel weiteres von 5- 6 mm Durchmesser, in welchem gew<)hnlich 4 Bienen
zugleich als Wache sitzen.
Poey's Beobachtungen über die Naturgeschichte der Honigbiene von Cuba. rQ::
9) Vom Flugloch aus pflegt ein weiterer gewölbter Gang aus Kitt oder Wachs auf eine kürzere
oder längere Strecke ins Nest hineinzugehen. In einem meiner Pregui90sa-Stöcke geht ein solcher Gang
von 6 mm Halbmesser von dem unten in der Mitte der einen Wand befindlichen Flugloche zuerst 0,06 m
weit in dem Winkel zwischen dieser Wand und dem Boden bis zur nächsten Ecke, steigt dann in dieser
0,17 m senkrecht emj)or, fast liis zur Decke des Kastens und geht dann in wagerechter Richtung auf
die anstossendc Wand über, wo er noch weiter gebaut wird. — In einem zweiten Stocke derselben Art
steigt der Gang vom Flugloch senkrecht an der betreffenden Wand bis zu deren halber Höhe empor und
hat bis dahin etwa 0,035 ^ Durchmesser; dann verengt er sich auf etwa 12 mm Durchmesser und geht
mit veränderter Richtung noch eine lange Strecke auf dieser und der anstossenden Wand weiter. Diese
für die winzige Art ungemein weiten Gänge sind aus Wachs gebaut; bei anderen Arten habe ich sie nie
in solcher Ausdehnung imd immer aus Kitt gebaut gefunden. Dass sie bei M. fulvipes stets vom Flug-
loche nach dem oberen Ende des Baues hingehen, kann ich natürlich nicht geradezu bestreiten ; bei
mehreren meiner Stöcke von Tr. miriin und M. pulchella gehen sie in gerader Richtung etwa 5 bis 6 cm
am Boden des Stockes hin.
10) Oder vielmehr Bienenbrod; denn wie Apis, Bombus, Euglossa, Epicharis u. s. w. sammeln
auch die Meliponiden nicht trockenen Blüthenstaub, sondern durchfeuchten ihn sofort mit Honig.
1 1) Diese gegenseitige Lage von Waben und Honigtöpfen sah ich nur, wenn, wie in dem von
Poey gezeichneten Neste, der Eingang sich etwa in der Mitte der Höhe des Nestes befindet. Hat
die Höhle ihren Zugang oben, was die Bienen eben hinnehmen müssen, wie sie es finden, so trifft man
die Waben oben, die Vorräthe darunter; umgekehrt, wenn das Flugloch unten liegt, immer also die Brut-
waben zunächst dem Eingange.
12) Eine solche leichte Concavität der oberen Wabenfläche ist mir noch bei keiner Art aufgefallen.
13) "Die Zellenzahl und somit die Grösse der einzelnen Waben ist oft bedingt durch die Räumlich-
keiten, über welche die Bienen zu verfügen haben ; in einer weiten, niedrigen Höhle wird man grössere,
in einer engen, hohen, kleinere Waben erwarten dürfen. Die Gesammtzahl der gleichzeitig in einem Stocke
vorhandenen Zellen ist sehr verschieden, je nach der Art, nach der Jahreszeit und nach der Fruchtbarkeit
der Königin. Die fruchtbarste Königin, die ich gesehen, von Tr. mirim, legte im Sommer etwa 150 Eier
täglich, was — die Zeit bis zum Auskriechen zu etwa 36 Tagen gerechnet — 5400 Zellen ergibt.
14) Dies gilt wohl auch bei Melipona fulvipes nur für ältere Zellen, in denen die Larven bereits
ihre Vorräthe aufgezehrt und sich eingesponnen haben. Ursprünglich sind die Zellen von Wachs ; dieses
wird aber abgenagt, nachdem die Larve sich eingesponnen, und es bleibt nun oben und unten nur das
papierähnliche Gespinnst der Larve; der Boden erscheint jetzt dunkler, dicker und härter, weil auf ihm
ein Rest des Futterbreies festgetrocknet ist.
1 5) Derlei querliegende Zellen habe ich noch nicht gesehen ; durch Grösse ausgezeichnete Weisel-
wiegen sind auch mir bei Melipona noch nicht vorgekommen, doch kenne ich solche von verschiedenen
Trigona- Arten.
16) Ganz ähnliche Gebilde findet man regelmässig, zwar nicht an den Waben selbst, wohl aber an
der sie umgebenden Wachshülle bei Melipona pulchella. Durch ihre weissliche Farbe stechen sie lebhaft
ab von' dem röthlichen Wachse. Sie bestehen aus einem weichen, klebrigen, nicht unangenehm riechenden
Harze, das, wie andere Stoffe, wahrscheinlich dem Wachse beigemengt wird.
17) Guerin hatte bei M. fulvipes zwischen ein paar Hundert Arbeitern etwa ein halbes Dutzend
Weibchen gefunden, und wohl nur darauf gründet sich die Angabe, der man hie und da begegnet, dass
bei Melipona zahlreiche Königinnen in einem Stocke leben. Um so wichtiger ist die bestimmte Angabe
Poey's, dass nur eine einzige Königin auch bei dieser Art sich findet, wie ich selbst es stets bei den
neun Arten von Melipona und Trigona fand, deren Nester ich untersucht habe.
18) Poey hielt diese kleinen Weibchen Anfangs für Drohnen, hat aber später selbst seinen Irrthum
berichtigt. Nur bei Melipona scheinen solche kleine Weibchen vorzukommen. Ob aus ihrer Zahl die Köni-
ginnen hervorgehen oder ob sie einen eigenen Stand heiliger Jungfrauen („parthenogenetischcr Weibchen")
bilden, bleibt noch zu ermitteln*).
19) Nicht minder eifrig im Sammeln harziger, kautschukähnlicher und anderer Pflanzensäfte sind
unsere hiesigen Bienen, und die verschiedenen Arten haben dabei verschiedene Liebhabereien. Wohl.
*) Ein genauer Vergleich eines solchen kleinen Weibchens mit einer befruchteten Königin von
Melipona (^oyrej^ü F. u. H. Müll, hat mich überzeugt, dass ein merklicher Unterschied, ausser der kolossalen
Anschwellung des hefmchteten Hinterleibes, zwischen beiden nicht cxistlrt. Hermann Müller.
cq() Poey's Beobachtungen über die Naturgeschichte der Honigbiene von Cuba.
riechende Harze sammelt M. Coyrepü; haut man eine Bicuiba (Myristica) oder einen Blut bäum
(Pterocarpus) an, so kann man sicher sein, dass um den ausfliessenden drachenblutähnlichen Saft M. Garupü,
Mondury und pulchella sich sammeln ; ihr Wachs verdankt demselben seine dunkelbraunrothe oder röth-
liche Farbe. Tr. mirim sammelt einen ungemein klebrigen fadenziehenden Saft, vielleicht von einer Ficus-
Art; die nahe verwandte Tr. pigra liebt balsamische Stoffe, z. B. Copaivabalsam u. s. w. Dass zum Tragen
bisweilen auch die Kinnbacken benutzt werden, habe ich bei Erde eintragenden Coyrepüs gesehen, von
denen einzelne ausser den Höschen an den Hinterschienen auch noch ein Maulvoll mit heimbrachten.
20) P o e y sah also die Wachsblättchen seiner Melipona an ihrer Bildungsstätte ; er wusste sie mit
nichts besser zu vergleichen als mit den Wachsblättchen von Apis, und doch, — es scheint fast unbe-
greiflich, dass er es nicht beim ersten Anblick gethan, — erkannte er sie nicht als solche und versäumte
es, sich mit leichter Mühe zu überzeugen, dass sie zwischen den Rückenplatten des Hinterleibes ganz
ebenso abgesondert werden, wie die von Apis zwischen den Bauchplatten ; er versäumte es, so eine der
wichtigsten Thatsachen in der Naturgeschichte der Meliponiden festzustellen, und warum ? — weil er bei
seiner Beobachtung schon die vorgefasste weitläufig von ihm erörterte Meinung hatte, dass die Meliponen
kein Wachs absondern !
21) Poey scheint das Füllen der Zellen und das Eierlegen nicht wirklich gesehen, sondern diese
Vorgänge nur erschlossen zu haben, und es bleibt daher für M. fulvipes noch festzustellen, ob die Zellen
einzeln, eine nach der anderen, gefüllt und belegt werden, oder ob jedesmal gleichzeitig eine grössere An-
zahl fertig gebaut, gefüllt, in rascher Folge belegt und geschlossen wird. Ersteres scheint für die Meli-
ponen, letzteres für die Trigonen Regel zu sein.
22) Oder vielmehr das Gespinnst der Larve.
23) Dies ist keineswegs der Fall; der Wabenbau und andere häusliche Arbeiten gehen die ganze
Nacht ununterbrochen fort. Das laute Summen an heissen Tagen hat mit diesen Arbeiten nichts zu thun,
sondern wohl hauptsächlich rascheren Luftwechsel durch den Flügelschlag der Bienen zum Zwecke. Fürchten
die Bienen für die Nacht Gefahr, so schliessen sie ihr Flugloch mit Wachs oder Harz, natürlich nicht
luftdicht, sondern siebartig; man kann dies gewöhnlich in den ersten Nächten beobachten, nachdem man
einen Schwärm in eine neue Wohnung übergesiedelt hat.
Itajahy, Ende März 1875.
Aus Brasilien (Meliponen)^)^).
Herr Redacteur! Gestern brachte mir die Post die No. 23 der Bztg. vom
15./ 12. 74, für deren freundliche Zusendung ich wohl Ihnen zu danken habe; ich
beeile mich, dieser angenehmen Pflicht nachzukommen. Da ich selbst seit einigen
Jahren mich mit der Lebensweise der Meliponcn beschäftige, brauche ich Ihnen
wohl kaum zu sagen, wie lebhaft mich der treffliche Vortrag von Drory erfreut
hat, in dem ich so Manches, was ich an meinen eigenen Melipona- Völkern be-
obachtet hatte, vollkommen bestätigt fand. — Herr Drory hat gewiss Recht, dass
praktischen Wert die Meliponen für Europa gar nicht haben; den haben sie seit
der Einführung der europäischen Immen selbst hier nicht mehr. Doch ganz ab-
gesehen von allem wissenschaftlichen Interesse, gibt es unter denselben so zierlich
gebaute und so hübsch gefärbte Arten, dass ihre Einführung in zoologischen
Gärten gewiss des Versuchs wert wäre. Sie drüben einzubürgern, dürfte kaum
so schwierig sein, als Herr Drory fürchtet. Mögen auch die in der Nähe des
Aequators heimischen Arten vielleicht nicht unter 15" R. leben können, so sinkt
doch schon hier (27" S. B.), wo noch zahlreiche Arten leben, das Thermometer
in kalten Wintern bisw^eilen auf o*', und manche Arten gehen ja noch südlicher
bis Rio Grande und selbst bis in die Laplatastaaten. Diese aussertropischen Arten
würden natürlich viel leichter sich drüben eingewöhnen.
Dass der Bau der Meliponen schmutzig-braun ist, dagegen das frische Wachs
weiss, will Herr Drory durch die Beimischung eines dunklen Speichels bei der
Verarbeitung erklären. Das ist nun wohl ein Irrtum. Trotz der Verarbeitung
ist die aus reinem Wachs gebaute Ausflugsröhre unserer Trigona laty schneeweiss,
das Wachs ihrer Brutwaben und Honigtöpfe bräunUch - gelb, — Die bei ver-
schiedenen Arten sehr verschiedene (graue, gelbe, rötliche, braune bis fast schwarze)
Farbe des Wachses rührt gewiss zum grössten Teil von der Beimengung fremder
Stoffe her. Teilweise lassen sich diese Stoffe (z. B. Erde, schleimige Zusätze u.
dgl.) durch Ausschmelzen wieder abscheiden und man erhält so z. B. aus dem
schmutziggrauen Wachsbau unserer Cagafogo (von der ich nicht sagen kann,
1) Von Herrn Fritz Müller, kaiserl. Beamten in Brasilien, Bruder des Herrn Professors Dr. H. Müller
in Lippstadt. Wir hatten Herrn Fr. Müller, der sich lebhaft mit dem Studium der Meliponen beschäftigt,
unterm 15./3. 75 No. 23 der Bztg. 1874 ^^^ ^^"^ Aufsatze des Herrn E. Drory über Meliponen gesendet
und hierauf obigen Artikel als Antwort erhalten. Die Redaktion.
2) Eichstädt. Bienenzeitung. 1875. 3^- Band. p. 215 (Nördlingen, Becksche Buchhandlung).
cQg Aus Brasilien (Meliponen).
ob es dieselbe Art ist wie die Cagafogo von Bahia) ein fast schneeweisses Wachs.
Andere Stoffe, wie Harze, lassen sich so nicht wieder trennen. Die dunkelbraun-
rote Farbe des Wachses bei mehreren Arten rührt besonders von den drachen-
blutähnlichen Säften verschiedener Bäume (Pterocarpus, Myristica) her. die von
diesen Arten eifrig gesammelt werden.
Die Frage, die neuerdings in Betreff der europäischen Bienen sich erhoben
hat und ebenfalls in der mir zugesandten Nummer der Bztg. besprochen ist, ob
die ganze Masse des Futtersaftes von den Speicheldrüsen geliefert wird, ist bei
den Meliponen leicht dahin zu entscheiden, dass bei ihnen dies nicht der Fall
ist; denn der dickliche Futterbrei, auf welchen die Königin ihr Ei ablegt, enthält
eine grosse Menge Pollenkörner. Der Futtersaft wird von den Arbeitern aus-
gebrochen, wie ich unendlich oft gesehen habe.
Wenn bei Ihnen einzelne Bienenvölker sich das Rauben angewöhnen, so
haben wir leider eine ganze Art Trigona limäo Sm., die sich des mühsamen Selbst-
sammeins ganz entwöhnt hat und von der Ausplünderung anderer Arten lebt,
deren Stöcke sie in dichten Schwärmen überfällt und deren gefährlichster Feind
sie ist. Sie raubt ihnen nicht nur ihre Vorräte, sondern leert und zerstört auch
die Brutwaben, von denen sie kaum die ältesten schont, in denen die Larven
sich bereits eingesponnen haben. — Bisweilen nehmen sie sogar bleibenden Besitz
von den Überfallenen Wohnungen.
Bei Ihren Bienen werden die Brutzellen mit einem Wachsdeckel geschlossen
für die letzte Zeit des Larvenlebens und für die Puppenzeit. Gerade umgekehrt
ist es bei unseren Meliponen. Sobald die Königin ein Ei in die gefüllte Zelle
gelegt, wird diese geschlossen und so ist die Larve für die ganze erste Zeit ihres
Lebens von der äusseren Luft abgeschlossen ; erst wenn sie sich eingesponnen
hat, wird das Wachs von der Oberfläche der Brutwaben wieder abgenagt, so
dass sie nun von der äusseren Luft nur durch ihr eigenes Gespinnst getrennt ist.
Meinen besten Dank für die gütige Uebersendung der so gehaltreichen
Nummer Ihrer Bztg. wiederholend, zeichne ich mit etc.
Itajahy, Prov. St. Catharina, i^.j^. 1875.
On Brazil Kitchen Middens, Habits of Ants etc. ^).
[Letter to Mr. Darwin.]
My dear Sir, — In Desterro I met with two young men (M. Charles Wiener,
of Paris, and M. Carl Schreiner, from the National Museum of Rio) who, by order
of the Brazilian Government, were examining- the "Sambaquis" of our province.
I accompanied them in some of their excursions. These "Sambaquis", or "Cas-
queiros", are hillocks of shells accumulated by the former inhabitants of our coast ;
they exist in great number, and some of them are now to be found at a distance
of several miles from the sea-shore, though originally they were, of course, built
near the spot where the shells lived. Some are of considerable size; we were
told that a Sambaqui on a little island near San Francisco had a height of about
loo metres; but the largest I have seen myself did not exceed lo or 12 metres.
As to the shells of which they are composed, the Sambaquis may be divided
into three classes, viz. : (i) Sambaquis, consisting of many different species of
bivalve and univalve shells (Venus, Cardium, Lucina Area, Ostrea, Purpura, Trito-
nium, Trochus etc.), all of which are at present living in the neighbouring sea.
(2) Sambaquis, consisting almost exclusively of a small bivalve shell, the "Birbigäs"
of the Brazilians ( Venus flexuosa ?), exceedingly common in shallow bays or salt-
water lagoas, the bottom of which is of mixed mud and sand. (3) Sambaquis,
consisting exclusively of a species of Corbula, which I have not yet seen in a living
State; all the Brazilians also, whom I asked, and who are perfectly acquainted with
any edible animal of their marine fauna, are unanimous in affirming that this shell
does not live now on our coast. From one of these Corbula-Sambaquis I obtained
a specimen of a small Melampus, which I have found living near the mouth of
some rivulets, where fresh and salt water are mingling in ever-varying proportions.
When the lowlands of the lower Itajahy and some of its tributaries were as
yet beneath the level of the sea, they would have formed a large estuary, and
here probably the Corbulae lived. The fragments of human skulls which we
found in one of these Corbula-Sambaquis were of truly astonishing thickness,
whereas those I have seen from other Sombaquis are hardly thicker than our
own. Among the tools which are to be found in the Sambaquis, stone-axes are
by far the most frequent. But as M. Wiener will probably soon publish a füll
account of his researches, I will now no longer dwell on this subject.
I) Nature vol. XIII. 1876. p. 304. 305.
ejQ On Brazil Kitchen Middens, Habits of Ants etc.
Some time ago I sent to Germany for publication a note on the relation
between our Imbauba trees (Cecropia) and the ants which inhabit their hoUow
Stern. As there may be some delay in Publishing, I will give you a short abstract.
Mr. Belt has already stated that the ants farm scale-insects in the cells of the
Imbauba stem, and he believes that their presence must be beneficial. This is
no doubt the case; for they protect the young leaves against the leaf-cutting
ants (Oecodoma). Now there is a wonderful contrivance by which, as in the case
of the "bull's-horn acacia", the attendance of the ants at the right time and place
is secured. At the base of each petiole there is a large flat cushion, consisting
of most densely-crowded hairs, and within this cushion a large number of small
white pear-like or club-shaped bodies (specimens inclosed) are successively developed,
which. when ripe, emerge at the surface of the cushion, like asparagus on a bed,
and are then greedily gathered by the ants and carried awa}'^ to the nest, The
object of the dense hair-cushion appears to be (i) to secure to the young club-
shaped bodies the moisture necessary for their development; and (2) to prevent
the ants from gathering the unripe bodies. In most cases it is by hone^^-secreting
glands that the protecting ants are attracted ; now Mr. Belt observed ("Nicaragua",
p. 225) that the honey-glands on the calyx and young leaves of a Passion -flo wer
were less attractive to the ants than were the scale-insects living on the stems;
this would most likely be the case with the Imbauba, and it is probable that the
use of the little pear-shaped bodies is to form an attraction stronger than that
of the scale-insects, and thus to secure the attendance of the protective ants on the
young leaves. As far as I could make out, the club-shaped bodies consist mainly
of an albuminous substance. The ant colonies are founded by fertilised females,
which may be found frequently in the cells of young Imbauba plants. Each
internode has on the outside, near its upper end, a small pit where the wall of
the cell is much thinner than anywhere eise, and where the female makes a hole
by which she enters. Soon after this the hole is completely shut again by a
luxuriant excrescence from its margins, and so it remains until about a dozen
workers have developed from the eggs of the female, when the hole is opened
anew from within by these workers. It would appear that the female ants, living
in cells closed all around, must be protected against any enemy ; but notwithstand-
ing a rather large number of them are devoured by the grub of a parasitic wasp
belonging tho the Chalcididse; Mr. Westwood has observed that the pupae of the
Chalcididse exhibit a much nearer approach to the obtected pupae of the Lepid-
optera than is made by any other Hymenoptera ("Introd. to the Modern Classif.
of Insects," Part XI., p. 162). Now the pupa of the parasite of the Imbauba ant
is suspended on the wall of the cell by its posterior extremity just like the chrysalis
of a butterfly.
I hope you will have received a paper on ^glea, a curious Decapod inhabiting
the mountain rivulets of our Serra do Mar. Lately I obtained a large number of
specimens of this ^glea, and among them a female with eggs in an advanced
State of development. Thus I was enabled to satisfy myself that, like so many
fresh-water and terrestrial animals, the marine allies of which undergo a trans-
formation, our ^glea does not experience any metamorphosis.
Itajahy, St. Catharina, Brazil, Dec. 25, 1875.
Einige Worte über Leptalis^).
Mit 2 Zeichnungen.
„Für gewisse Fälle der Mimicry oder der Bildung der natürlichen schützenden
Masken und Nachahmungen . . . scheint die natürliche Züchtung nicht auszu-
reichen." -') „Nur da, wo die Stammform, von welcher die Umwandlung zur
Maske ausgeht, der nachgeahmten Species ohnehin schon so ähnlich sieht, dass
eine Verwechselung von Seiten ihrer Feinde möglich ist, nur da ist die natür-
liche Zuchtwahl im Stande, die Aehnlichkeit zu vervollkommnen und immer
täuschender zu machen. Da dies aber nur bei einem Theil der bis jetzt bekannten
Beispiele von Mimicry zutrifft, so müssen in den übrigen Fällen noch andere bis
jetzt unbekannte Ursachen thätig gewesen sein." ^) Aehnliche Bedenken gegen
die Entstehung der Mimicry durch natürliche Züchtung sind auch anderwärts laut
geworden und verdienen wohl eine eingehende Besprechung.
Die Mimicry, die täuschende Nachahmung anderer Arten, ist, insoweit sie
der nachahmenden Art Sicherheit vor Feinden gewährt, nur ein besonderer Fall
der schützenden Aehnlichkeit, von deren gewöhnlichster, einfachster Form, der
schützenden Färbung, die allmählichsten Uebergänge zu den wundervollsten Bei-
spielen täuschender Nachahmung führen, wie z. B. von einem gewöhnlichen ein-
fach grünen Heuspringer zu einer Pterochroza, deren Flügel ein welkendes
Blatt bis ins Einzelnste in unübertrefflicher Weise nachahmen.
Die schützende Färbung kann aber offenbar von jedem beliebigen
Punkte aus durch natürliche Züchtung sich bilden. Nehmen wir z. B. einen
Schmetterling, der die Gewohnheit hat, mit ausgebreiteten Flügeln an Baum-
stämmen zu ruhen, wie viele Nachtschmetterlinge und unter den Tagfaltern die
Ageronien und die ihnen verwandte Ectima Liria. Selbst die riesigste
Art, — etwa, um einen dieser ausfliessende Baumsäfte saugenden Schmetterlinge
zu nennen, Erebus Strix, — würde, und wenn sie im blendendsten Weiss
prangte, doch nur von einer bestimmten Entfernung her für Vögel unterscheid-
bar sein und auf eine weit geringere Entfernung hin die Aufmerksamkeit achtlos
vorüberfliegender Vögel auf sich ziehen. Jede kleinste Abänderung, die ihre
Färbung derjenigen der Baumrinde oder der sie bedeckenden Flechten näher
i) Jenaische Zeitschrift 1876. Bd. X. S. i — 12.
2) Oskar Schmidt, Descendenztheorie und Darwinismus. 1873. S. 147.
3) Das Unbewusste, vom Standpuncte der Physiologie und Descendenztheorie, (Anonyme Schrift
E. von Hartmanns) 1873. S. 11.
I- j 2 Einige Worte über Leptalis.
brächte, würde die eine wie die andere Entfernung und damit die Wahrschein-
lichkeit, von Feinden bemerkt und verzehrt zu werden, verringern und also „die
Grundlage für weitergehende Abweichungen nach derselben Richtung in den
folgenden Generationen bilden können." (Das Unbewusste, S. lo.) Von jedem
beliebigen Ausgangspuncte aus würde sich also auf dem Wege der natürlichen
Auslese jene täuschende Aehnlichkeit mit Baumflechten erreichen lassen, durch
welche z. B. Ageronia Epinome plötzlich den Augen des Verfolgers ent-
schwindet, wenn sie sich an einem Baumstamme niedersetzt und die Flügel dem-
selben anschmiegt.
Ganz eben so würde von jedem beliebigen Ausgangspuncte aus die natür-
liche Züchtung dahin wirken können, ein Thier unter einem zahlreichen Schwärm
einer anderen Art für die Augen seiner Feinde verschwinden zu lassen, etwa
einen w^eissen Pieriden unter einem Schwärme bunter Ithomien. Würden
die ersten unerheblichen Abweichungen von der urspründlichen weissen Färbung
auch nur dadurch nützen, dass ihre Inhaber auf minder weite Entfernung hin die
Aufmerksamkeit achtlos vorüberfliegender Feinde auf sich zögen, sie würden
eben immerhin nützen und „ihre Inhaber concurrenzfähiger im Verhältniss zur
Stammform machen"; sie würden mithin als Grundlage dienen können für die
allmähliche Herausbildung einer Aehnlichkeit, die selbst die scharfen Augen
der den Ithomienschwarm nach Beute durchspähenden Vögel zu täuschen im
Stande wäre. Möglicherweise haben so die Weibchen der Perrhybris (Pieris)
Pyrrha, deren Männchen jetzt eine vorwiegend weisse Oberseite haben, von
einer weissen Stammform aus ihre Heliconienähnlichkeit entwickelt, worin nach
dem eben Gesagten gewiss keine „sehr schwer wiegende Schwierigkeit" für die
natürliche Züchtung zu erblicken wäre.
Handelte es sich in den erwähnten Fällen zunächst darum, das zu schützende
Thier weniger auffallend aus seiner Umgebung hervortreten zu lassen, und konnte
dies durch natürliche Auslese von jedem beliebigen Puncte aus erreicht werden,
so stellt sich die Sache etwas anders in den Fällen, in welchen ein einzelner
Gegenstand als Vorbild der schützenden Nachahmung diente, wie z. B. bei der
Nachahmung einer Grabwespe (Pepsis), oder eines Laufkäfers (Cicindela) durch
Heuschrecken (Scaphura, Phylloxyrtus). Hier ist allerdings von vornherein
eine gewisse Aehnlichkeit der nachahmenden und der nachgeahmten Art uner-
lässlich; doch wird auch hier diese Aehnlichkeit, um dem Eingreifen der natür-
lichen Auslese als Anhalt dienen zu können, eben nur gross genug zu sein
brauchen, um gelegentlich einen in der Ferne achtlos vorübereilenden Feind zu
täuschen. Ein wie geringes Mass kaum angedeuteter Aehnlichkeit genüge, um
gelegentlich einem Thiere das Leben zu retten, mag ein Fall beweisen, in welchem
ich selbst der Betrogene war. Am Stamme einer Cassia, deren ausfliessender
.Saft die mannichfaltigsten Kerfe anlockt, pflegte vor einiger Zeit auch eine
schwarze Wespe mit weissen Flügelspitzen sich einzufinden, deren Stich ich als
besonders schmerzhaft fürchten gelernt hatte. Eines Tages traf ich nun an dem
Stamme eine Wanze, die höchstens durch die blasseren Spitzen der Flügel an
die Wespe erinnerte; als ich sie fassen wollte, hob sie die Plügel in ähnlicher
Weise, wie Wespen zu thun pflegen ; unwillkürlich zog ich die Hand einen
Augenblick zurück und die Wanze entwischte.
Einige Worte über Leptalis. cj^
Die Annalime einer so fernen anfäng"Hchen Aehnlichkeit als Auss^antifspunct
für die Entstehung" der Mimicry durch natüriiche Zuchtwahl dürfte kaum in
irgend einem der bekannten Fälle einem Bedenken unterliegen. Es ist dabei
nicht ausser Acht zu lassen, dass die Scharfsichtigkeit der Feinde, auf die man sich
berufen hat, um von vornherein einen erheblichen Grad von Aehnlichkeit zwischen
nachahmender und nachgeahmter Art zu verlangen, ja doch auch eine erst all-
mählich im Kampfe ums Dasein erworbene Eigenschaft ist, die eben dadurch
sich steigern musste, dass die verfolgten Arten durch schützende Färbung, durch
Mimicry u. s. w. sich den minder scharfsichtigen Verfolgern entzogen. Diese
immer wachsende Klugheit und Scharfsichtigkeit der Verfolger erklärt einerseits
die wunderbare Vollendung vieler natürlichen Nachahmungen, macht aber ebenso
andrerseits die Annahme einer anfangs sehr geringen Aehnlichkeit um so un-
bedenklicher.
Nach diesen Vorbemerkungen wende ich mich zur Besprechung des ein-
zigen mir bekannten Falles, für welchen man die Unmöglichkeit der Entstehung
der Mimicry durch natürliche Zuchtwahl näher zu begründen versucht hat. Er
betrifft die Leptalis arten des Amazonas, welche sich unter die Schwärme der
Ithomien mengen und diese durch üblen Geruch und Geschmack geschützten
Schmetterlinge aufs Täuschendste nachahmen. Ich will zunächst die betreffende
„Ausstellung gegen die Tragweite der natürlichen Zuchtwahl" wörtlich hersetzen. ^)
„Gewisse weisse Schmetterlinge aus der Familie der Pieriden (Leptalis)
ahmen diejenigen Arten der Heliconiden 2), in deren Bezirk sie leben, so
täuschend nach, dass man sie äusserlich fast nur durch die Struktur der Füsse
unterscheiden kann. Die copirten Heliconiden besitzen einen unangenehmen
Geruch und Geschmack, welcher sie vor Verfolgungen der Vögel schützt, und
da nur etwa eine Leptalis auf 1000 Heliconiden vorkommt, so reicht dieser
Schutz für die ersteren vollkommen mit aus. Nun stehen sich aber beide Gat-
tungen mindestens so fern, wie etwa Fleischfresser und Wiederkäuer unter den
Vierfüssern, man kann sich daher leicht denken, eine wie grosse Zahl von Zwischen-
formen für den Uebergang nöthig war, wenn dieser nur durch Addition zufälliger
Individualabweichungen erfolgen sollte. Flügel, Fühler und Abdomen haben sich
verlängert, die Farben der nachgeahmten Arten von Gelb und Orange bis Braun
und Schwarz werden bis auf die Grade der Durchsichtigkeit und die Zeichnung
der kleinsten Flecken und Streifen treulich copirt und selbst die Gewohnheiten
sind derart modificirt, dass die Leptaliden dieselben Orte wie ihre Vorbilder
besuchen und sogar dieselbe Flugart angenommen haben. — Es ist klar, dass die
Aehnlichkeit nützlich ist, aber eben so klar, dass sie erst dann einen gewissen
Schutz gewähren kann, wenn sie gross genug wird, um das scharfe Auge der
i) Das Unbewusste, S. 10. 11.
2) Die von Leptalis nachgeahmten „Heliconiden" (Ithomia, Mechanitis u. s. w.) sind
neuerdings und mit vollem Rechte aus der Gruppe der Heliconinen ausgeschieden und mit derjenigen
der Danainen vereinigt worden. Die Gattungen Heliconius und Eueides, auf die man jetzt die
Heliconinen beschränkt hat, enthalten, soviel mir bekannt, keine nachgeahmten, wohl aber verschiedene
nachahmende Arten. So ist Eueides Pavana die gelungenste Nachahmung der so manchen anderen
Schmetterlingen (Castnia acraeoides, Dyschema Amphissa, Leptalis sp.) als Vorbild dienenden
Acraea Thalia.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 33
-j , Einige Worte über Leptalis.
Vögel ZU täuschen. Es würde also bei der grossen Differenz der äusseren Er-
scheinung eine Zwischenstufe, welche immerhin dem Aussehn der Heliconiden
schon näher steht als dem der Leptaliden, doch noch hinreichend deutliche Ab-
weichungen von den Heliconiden zeigen, um von den Vögeln deutlich erkannt
zu werden, also den Inhabern wenig oder gar nichts nützen, und jedenfalls würden
solche Zwischenstufen, welche den gewöhnlichen weissen Pieriden noch näher
stehen, als dem Aussehn der Heliconiden, in keiner Weise irgend welchen Schutz
geniessen, also auch ihre Inhaber nicht concurrenzfähiger im Verhältnisse zur
Stammform machen." —
Wie man sieht, geht die ganze Beweisführung von der Voraussetzung aus,
dass die Stammform der nachahmenden Leptalisarten ein „gewöhnlicher weisser
Pieride" gewesen sei. Wäre das erwiesen, so würde ich darin immer noch keine
„sehr schwer wiegende Schwierigkeit" für die Selectionstheorie sehen können;
allein unbegreiflicherweise ist auch nicht mit einem Worte der Versuch gemacht,
die Zulässigkeit und Wahrscheinlichkeit jener Voraussetzung zu prüfen. Weil sie
mit den deutschen Weisslingen in dieselbe Familie gestellt wird, soll etwa des-
halb die Stammform der südamericanischen Gattung Leptalis auch weiss ge-
wesen sein ? Aber fliegen nicht selbst in Deutschland neben dem Kohlweissling
der Citronenvogel und gelbe C o 1 i a s arten ? Mag man mit einiger Wahrscheinlichkeit
für die Gattung Pieris eine weisse Stammform annehmen dürfen, da sie neben
gelben, rothen, schwarzen und bunten Arten doch auch fast in aller Welt weisse
Vertreter hat, so lässt sich diese Annahme doch keineswegs auf alle Gattungen
der Familie ausdehnen, z. B, schon nicht auf die deutschen Gattungen Gono-
pteryx und Colias, eben so wenig auf Terias, Callidryas, Euterpe,
Pereute u. s. w., und am allerwenigsten auf die Gattung Leptalis, die „jeden-
falls an die äusserste Peripherie der Pieriden gehört." (Herrich-Schaeffer.)
Zu sehr Laie auf dem Gebiete der Schmetterlingskunde, um nicht meinem eigenen
Urtheile zu misstrauen, will ich noch einige bewährte Meister auf diesem Felde
sich hierüber aussprechen lassen. „Ce genre," sagt Boisduval^) von Leptalis,
„est assez anomal et il se pourrait que plus tard lorsque l'on connaitra ses meta-
morphoses il constituät une tribu particuliere pres des Heliconide s." „The
neuration of the posterior wings," sagt Doubleday^) „and the f ive-branched
subcostal nervure, with four of its nervules very short, running almost directly
to the Costa, the long slender abdomen, the elongate wings and other characters,
bring this genus very near to the Heliconidae." Dass man der Stammform
einer so abweichenden Gattung, deren Zugehörigkeit zur Familie noch nicht ein-
mal über allen Zweifel erhaben ist^), nicht ohne Weiteres Farbe, Gestalt und
Flugweise der „gewöhnlichen weissen Pieriden" beilegen darf, liegt auf der Hand.
Es fehlt somit der ganzen obigen „Ausstellung gegen die Tragweite der natür-
i) Boisduval, Species general des Lcpidoptcres. Tom. I. 1836. p. 412.
2) Doubleday et Hewitson, Genera of Diurnal Lepidoptera, pag. 36.
3) Stell hat als Raupe der Leptalis Amphene eine Raupe abgebildet, die kaum einer anderen
Familie, als derjenigen der Danaiden angehören kann. Möglich, dass Stell in diesem Falle die Lep-
talis mit ihrem Verbilde verwechselt und die Raupe des letzteren als die der ersteren abgebildet hat.
Ist die betreffende Raupe wirklich die der Leptalis, so würde man, trotz ihrer entwickelten Vorderfüsse
und zweispaltigen Fussklauen, kaum an der nahen Verwandtschaft dieser Gattung mit den von so vielen ihrer
Arten nachgeahmten heliconierähnlichen Danainen zweifeln können.
Einige Wi)rtc über l^eplalis. e i c
liehen Zuchtwahl" die unentbehrlichste thatsächlichste Unterlage. Die versäumte
Erörterung der Frage nach der Stammform der nachahmenden Lept ausarten
würde schwerlich auf einen „gewöhnlichen weissen Pieriden", sie würde wahrschein-
lich auf den Heliconinen und heliconier-ähnlichen Danainen im Aussehen ziemlich
nahe stehende Schmetterlinge hingeführt haben
Versuchen wir das Versäumte nachzuholen. Von den 65 Leptalisarten,
die Kirby in seinem Verzeichnisse der Tagfalter aufzählt ^), überschreiten freilich
nur wenige den südlichen Wendekreis; es sind mir hier, unter 27*^ S. B., nur fünf
Arten vorgekommen und nur von vier kann ich sagen, dass ich sie kenne, da ich
die fünfte (Leptalis Thermesia) nur zwei oder dreimal gesehen habe. Die
vier häufigeren Arten sind indess wie eigens für die Erörterung der Frage nach
ihrer Stammform ausgelesen und so lässt sich vielleicht trotz ihrer so dürftigen
Zahl eine leidlich sichere Antwort hoffen. Eine unserer Arten, Leptalis Melia,
trägt ihr eigenes Gewand (hat wenigstens unter den hiesigen Schmetterlingen kein
Vorbild) ; die drei übrigen sind nachahmende Arten und haben ihre Vorbilder in
eben so viel verschiedenen Familien. Leptalis Astynome trägt die Maske
eines heliconier-ähnlichen Danainen, der Mechanitis Polymnia var. Lysim-
n i a. Eine Art, deren Namen ich nicht erfahren konnte ^), und die im P'olgendem
als Leptalis Thalia bezeichnet werden mag, ist eine so gute Nachahmung der
Acraea Thalia, dass mir ihre Flügel als die einer unbekannten Acraea be-
stimmt wurden. Von Leptalis Melite endlich ahmt das Weibchen einen „ge-
wöhnlichen weissen Pieriden", die Daptonoura Lycimnia (Pieris Flip-
pantha) nach.
Beginnen wir mit dem, was in der obigen Ausstellung als letzte und höchste
Leistung der Mimicry betrachtet zu werden scheint : „selbst die Gewohnheiten sind
derart modificiert, dass die Leptaliden dieselben Orte wie ihre Vorbilder besuchen
und sogar deren Flugart angenommen haben." Vollständiger hätte der Sachver-
halt nicht auf den Kopf gestellt werden können. Das Besuchen derselben Orte
ist ja selbstverständliche nothwendige Vorbedingung der Mimicry ; nie findet sich
ein Thier von einer anderswo lebenden Art nachgeahmt. Hätten die nach-
ahmenden mit den nachgeahmten Arten nicht von vornherein an denselben
Orten gelebt, dann würde allerdings die Nachahmung nicht durch natürliche
Zuchtwahl und wohl überhaupt nicht naturwissenschaftlich zu erklären sein; wir
würden Herrn Eduard Hart mann mit seinem wunderthätigen hellsehenden
Unbewussten zu Hülfe rufen müssen. Was aber die Flugart betrifft, so sind
doch wohl nicht deshalb die Leptalis schlechte Flieger geworden, weil sie da-
durch den schlecht fliegenden Ithomien ähnlicher und besser gegen Feinde
geschützt wurden; sondern umgekehrt ist deshalb für sie das Verstecken hinter
eine schützende Maske zur Noth wendigkeit geworden, weil sie so jämmerliche
Flieger sind. Ein SchmetterHng mit dem kräftigen Flügelschlage einer Prepona
kann getrost sein eigenes glänzendes Blau zur Schau tragen.
i) Kirby, A synonymic catalogue of Diurnal Lepidoptera. 1871. p. 432.
2) Die Namen der anderen Arten, wie der übrigen hier genannten Schmetterlinge danke ich der
Güte des Herrn Dr. A. Gerstaecker in Berlin.
33*
,i6
Einige Worte über Leptaüs.
Nachahmeade Arten stehen natürhch immer zwischen ihrer Stammform und
ihrem Vorbilde; sie können nicht über letzteres hinausgehen. Nicht selten be-
schränkt sich die Nachahmung auf die Weibchen, oder ist doch bei diesen besser
durchgeführt. Wo also merkliche Geschlechtsverschiedenheiten bei nachahmenden
Arten vorkommen, vi^ird man folgende Reihe haben: Stammform, Männchen,
Weibchen der nachahmenden Art, nachgeahmte Art. Das gibt einigen Anhalt
für die Ermittelung der Stammform.
Nun zeigt ein einziger Blick auf die Abbildung der Leptalis Amphione^)
oder besser noch der Leptalis Eunoe^), dass der Schnitt ihrer Vorderflügel
nicht etwa mitten inne steht zwischen dem von Pieris und dem von Ithomia
oder Mechanitis, und nach Doubleday^) sind bei Leptalis „im All-
gemeinen die Vorderflügel der Männchen kleiner und mehr sichelförmig oder
spitz, als die der Weibchen". In Bezug auf die Vorderflügel wird sich im
Allgemeinen folgende Reihe herausstellen: Pieris, Ithomia, Leptalis ?,
Leptalis S- — Darnach würde man als Stammform der nachahmenden Lep-
Umrisse von Hinterflügeln :
I. Pieris Aripa Boisd. 2. Daptonoura Lycimnia Cram. 3. Mechanitis Polymnia
Linn. var. Lysimnia Fabr. 4. Acraea Thalia L. 5. Leptalis Melia Godt. 6. Leptalis
Melite L. 7. Leptalis Astynome Dalm. 8. Leptalis Thalia.
t ausarten nicht etwa einen „gewöhnlichen weissen Pieriden", sondern eher einen
Schmetterling vermuthen, der im Flügelschnitt mehr noch, als die Heliconier sich
von Pieris entfernt. — Doch fassen wir unsere hiesigen nachahmenden Lept aus-
arten etwas schärfer ins Auge; vergleichen wir sie einerseits mit ihrem Vorbilde,
andrerseits mit der nicht nachahmenden Leptalis Melia und einem „gewöhnlichen
weissen Pieriden", etwa der Pieris Aripa oder der Daptonoura Lycimnia,
um zu sehen, nach welcher Seite hin wir wohl die Stammform zu suchen haben.
Besonders eigenthümlich ist bei Leptalis Melia die Gestalt der Hinter-
flügel, ihre grösste Breite liegt bei dieser Art ganz in der Nähe der Plügelwurzel,
bei Pieris Aripa und Daptonoura dagegen fast am Ende des Flügels. Ver-
i) Boisduval, Species gen6ral des L6pidopteres. Tome I. pl. 18, flg. 2.
2) Doubleday et Hewitson, Genera of Diurnal Lepidoptera. Tab. V, fig. 3.
3) Doubleday et Hewitson, a. a. O. pag. 36.
Einige Worte über Leptalis.
517
gleicht man nun die Hinterflügel dieser Arten mit denen unsrcr übrigen Lep-
talis und ihrer Vorbilder, so ergeben sich folgende Reihen :
1. Pieris oder Daptonoura. Mechanitis Lysimnia. Leptalis
Astynome $ Leptalis Astynome J. Leptalis Melia,
2. Pieris oder Daptonoura. Acraea Thalia. Leptalis Melia.
3. Pieris oder Daptonoura. Leptalis Melite ?, Leptalis Melite J.
Leptalis Melia.
Die Endpuncte der Reihen sind immer dieselben: einerseits Pieris und
Daptonoura, andrerseits Leptalis Melia; die nachahmenden Arten stehen
immer zwischen letzterer und ihrem Vorbilde, und zwar, wo ein auffallender Unter-
schied der Geschlechter sich findet, die Weibchen näher dem Vorbilde, die Männchen
näher der Leptalis Melia. In Bezug auf die Gestalt der Hinterflügcl darf
man daher mit voller Zuversicht aussprechen, dass die Stammform unserer nach-
ahmenden Arten nicht den „gewöhnlichen weissen Pieriden", sondern vielmehr
der am entgegengesetztesten Ende der Reihe stehenden LeptalisMelia ähnlich
gewesen sei.
Vorderflügel :
I. Daptonoura Lycimnia Cram. 2. Leptalis Melite L. J- 3- Leptalis Melite L. (j".
4. Leptalis Melia Godt. 5. Leptalis Thalia.
Zu dem gleichen Ergebniss führt die Vergleichung der Gestalt der Vorder-
flügel. Besonders lehrreich ist hier Leptalis Melite. Die Männchen (Fig. 3)
haben noch ziemlich den Flügelschnitt der Leptalis Melia (Fig. 4); einzelne
Weibchen (Fig. 2 d) haben fast schon die Flügelform ihres Vorbildes, der Dap-
tonoura Lycimnia (Fig. i) erreicht, während andere (Fig. 2a) sehr merklich
dahinter zurückbleiben. Selbst das Flügelgeäder bleibt von dieser Umwandlung
des Flügelschnitts nicht unberührt. Bei Leptalis Astynome, Thalia und
Melia entspringen die vier Aeste, die von der Subcosta zum Vorderrande gehen
(8, 9, 10 und II nach Herrich-Schaeffer), sämmtlich jenseits der Flügelzelle;
ebenso bei Leptalis Melite d, obwohl einer der Aeste (11), oft schon dicht an
die Zelle heranrückt; ebenso auch noch bei denjenigen Weibchen, die den
Männchen im Flügelschnitt näher stehen; bei denjenigen Weibchen aber, deren
Vorderflügel am meisten der Daptonoura sich nähern, pflegt jener Ast (11)
vor dem Ende der Zelle oder doch an deren Ende abzugehen.
_ . Q Einige Worte über Leptalis.
Von der Form wenden wir uns zur Zeichnung der Flügel. Leptalis Thalia
steht in dieser Beziehung mitten inne zwischen ihrem Vorbilde, Acraea Thalia,
und Leptalis Melia: mit letzterer stimmt sie fast vollständig in der Zeichnung
der Vorderflügel (Fig. 4 und 5), mit ersterer in der der Hinterflügel überein. Lep-
talis Melite, bei der wir schon im Flügelschnitt ein gewisses Schwanken be-
merkten, zeigt sich weit mehr noch in der Flügelzeichnung als noch im Werden
begriffene, unfertige, noch nicht zur Ruhe gekommene Art. Von Männchen
(Fig. 3 a), die sich in der Zeichnung der Vorderflügel noch ziemlich eng an Lep-
talis Melia (Fig. 4) anschliessen, bis zu Weibchen (Fig. 2), die schon der D a p -
tonoura (Fig. i) ganz nahe kommen, findet man eine eng geschlossene Reihe
von Uebergängen, aber unter vielen Dutzenden von Thieren oft kaum zwei
gleich gezeichnete. Der Fortschritt der Zeichnung hält mit dem des Flügel-
schnittes nicht immer gleichen Schritt ; so zeigen die in der Gestalt vorgeschrittensten
Flügel (Fig. 2 c und d) oft noch in der dunkeln Vorderecke ansehnliche helle
Flecke, die bisweilen bei anderen in der Gestalt dem Vorbilde ferner stehenden
(Fig. 2 a, b) schon fast oder selbst völlig verschwunden sind. Was sich aus der
Vergleichung des Flügelschnittes in Betreff der Stammform ergeben hatte, wird
durch die Betrachtung der Zeichnung nur bestätigt.
Endlich die Färbung. Bei Leptalis Melia ist die Oberseite der Flügel
dottergelb und schwarz ; auf den Vorderflügeln herrscht das Schwarz, auf den
Hinterflügeln das Gelb vor. Bei den Männchen der Leptalis Melite finden wir
dieselben beiden Farben ; aber das Schwarz tritt mehr zurück, in sehr verschiedenem
Grade bei verschiedenen Thieren (Fig. 3 a— d), und das Gelb ist ein weit matteres
unreines Citronengelb ; bei den Weibchen dieser Art zeigt die Oberseite der
Flügel fast genau dasselbe unreine Weiss, wie ihr Vorbild, Daptonoura Ly-
cimnia. Bei Leptalis Thalia schwankt wie bei ihrem Vorbilde, Acraea
Thalia, die Farbe innerhalb ziemlich weiter Grenzen; sie kommt der des Vor-
bildes täuschend nahe, ist jedoch meist weniger gesättigt und pflegt einen Stich
ins Gelbliche zu zeigen ; bisweilen sieht es aus, als ob auf gelben Grund die P'arbe
der Acraea aufgepinselt worden wäre. Einmal fing ich mitten im Winter
(28. Juli), wo sonst weder Acraea noch Leptalis flogen, eine vereinzelte Lep-
talis Thalia, bei der die helleren Stellen der Hinterflügel rein schwefelgelb,
die der Vorderflügel weisslich gelb waren. — So weist auch die Färbung nicht
auf einen „gewöhnlichen weissen Pieriden", sondern auf einen gelb und schwarzen
Schmetterling als Stammform der nachahmenden Leptalisarten hin.
Die Vorfahren der jetzt unter der Maske anderer Gattungen auftretenden
Leptalisarten haben ohne Frage schon als sie noch ihr eigenes Gewand trugen,
mehrere vielleicht in Zeichnung und Farbe ziemlich verschiedene Arten gebildet,
für die wir jedoch den schmächtigen Leib, die langen schmalen Vorderflügel, die
nahe der Wurzel sehr breiten Hinterflügel und eine hauptsächlich in Schwarz
und Gelb ausgeführte, in ähnlicher Weise, wie bei den heliconierähnlichen Danainen
angeordnete Zeichnung mit leidlicher Wahrscheinlichkeit als gemeinsame Eigen-
thümlichkeiten annehmen dürfen.
Leptalis dürfte also jedenfalls kein glücklich gewähltes Beispiel sein, um
darauf eine „Ausstellung gegen die Tragweite der natürlichen Zuchtwahl" zu be-
Einige Worte über Lebtalis.
519
gründen, und ich bezweifle, dass andere Fälle schützender Achnlichkeil sich besser
dazu eignen würden. Eine andere Frage ist es, ob alle Fälle von Mimicry, nament-
lich bei den Schmetterlingen, als schützende Aehnlichkeit aufzufassen sind, und
ob nicht vielleicht bei diesen mit so ausgeprägtem Farbensinn begabten Thieren
die geschlechtliche Auslese bisweilen zur Nachahmung eines augenfälligen schönen
Vorbildes geführt habe. Doch auch in letzterem Falle, dessen Vorkommen mir
nicht unwahrscheinlich ist, würden wir uns nicht nach „bis jetzt unbekannten Ur-
sachen" umzusehen brauchen.
Itajahy, April 1875.
Aeglea Odebrechtii n. sp^).
Mit Tafel XLIV.
In den Bächen, die von der Serra do Mar ostwärts dem Itajahy, westwärts
dem Rio das Marombas und durch ihn dem La Plata zufliessen, lebt auf san-
digem Grunde ein flinker, flacher Krebs, stellenweise so häufig, dass sich um
ins Wasser gehängtes Fleisch in kurzem ihrer 20 bis 30 sammeln. Durch die
Güte des Entdeckers, des Herrn Emil Odebrecht, erhielt ich ein (wie er
mir sagte, etwa halbwüchsiges) Männchen, und selten hat mich ein Thier mehr
überrascht. Denn der nächste Verwandte dieses in den Gebirgsbächen nahe der
Ostküste von Südamerica hausenden Krebses lebt im Meere an der Westküste;
es ist die Aeglea laevis, die nach der von Milne Edwards gegebenen
Beschreibung-) kaum von unserm Gebirgskrebs zu unterscheiden ist. — In
süssem Wasser ist wohl überhaupt aus der ganzen Abtheilung der Anomuren noch
keine Art gefunden, und ebenso von den nächstverwandten meerbewohnenden
Gattungen (Galathea und den davon abgetrennten Pleuroncodes Stimps.,
Munida und Grimothea) noch keine an der Ostküste von Südamerica. —
Wie kommt nun diese Krebsform des Stillen Meeres auf unsere Berge? —
Schon seines Vorkommens willen ist dieser Krebs wohl der Beschreibung werth.
Von oben betrachtet (Fig. i) bildet der Umriss des Körpers eine ziemlich
regelmässige Ellipse, die reichlich um die Hälfte länger als breit ist, und deren
Vorderende in drei Zähne, einen längeren mittleren und zwei kürzere seitliche
ausläuft. Die beiden vorderen Drittel dieser Ellipse nimmt die Kopfbrust, das
hintere der Anfang des Hinterleibes ein, dessen Schwanzende nach unten um-
geschlagen ist. Der Panzer ist flach, mit tiefer, sehr augenfälliger Nackenfurche
versehen. Seine Rückenwand stösst mit den Seitenwänden in scharfen Seiten-
kanten zusammen. Der Vorderrand ist mit einem geraden, auf der Oberseite ge-
kielten Stirnschnabel und mit einem Zahne an jeder Seitenecke bewehrt ; zwischen
beiden liegt jederseits eine Augenbucht, über die der Stirnschnabel etwa doppelt
so weit (4 mm) vorspringt, als die Seitenzähne. Am Seitenrand des Panzers sieht
man ausserdem noch zwei kleine, kaum über denselben vorspringende Zähne,
i) Jenaische Zeitschrift 1876. Bd. X. S. 13—24. Taf. I.
2) Hist. nat. des Crustac(^s. II, S. 258.
Aeglea Odebrechtii n. sp. -2i
den einen dicht hinter der Nackenfurche, den anderen weiter nach vorn, etwa
um die Hälfte weiter von dem hinteren Zahne, als von der Vorderecke entfernt.
Der Hinterrand des Panzers ist seicht ausgebuchtet. Die Oberfläche des Panzers
ist mit kleinen Grübchen ziemlich dicht bestreut, im Uebrigen glatt und ohne
auffallende Erhabenheiten ; nur im vorderen Theile des Kopfgürtels (arceau cepha-
lique M. Edw.) liegen jederseits hinter der Augenbucht zwei flache Buckel hinter
einander, der hintere der Mittellinie etwas näher. Länge des Panzers (bis zur
Spitze des Stirnschnabels): 23 mm; Breite zwischen den Vorderecken: 7,5 mm;
zwischen den Vorderecken des Schultergürtels (den hinteren Seitenzähnen) : 1 6 mm ;
in der Mitte des Schultergürtels: 20 mm., am Hinterende: 18 mm. — Die von den
scharfen Seitenkanten schief nach unten und innen steigenden Seitenwände des
Panzers haben ihre grösste Breite (7 mm) an der hinteren Ecke des Mundrahmens ;
von da verschmälern sie sich allmählich nach hinten (bis auf 2 mm), rasch nach
vorn, wo der Rand des Mundrahmens auf die Vorderecke zuläuft, aber durch
eine tiefe Bucht, in der das erste Glied der äusseren Fühler liegt, davon getrennt
ist (Fig. 4).
Furchen und Nähte des Panzers. Die Nackenfurche (sillon cervical
M. Edw.) fällt nicht mit der Grenznaht zwischen Kopf- und Schultergürtel zu-
sammen ; sie berührt dieselbe nur auf kurze Strecken und liegt sonst vor derselben;
also auf dem Kopfgürtel. Ihr mittlerer, sehr tief eingedrückter Theil bildet einen
nach vorn offenen Halbkreis und verbindet sich durch eine flachere und etwas
breitere Stelle mit den wieder tief eingedrückten, gradlinig zum Rande laufenden
Seitentheilen. — Auf dem Schultergürtel laufen zwei etwas gebogene, sehr augen-
fällige Furchen von dessen Vorderrande nach hinten, aber nicht bis zum Hinter-
rande, sondern nur bis zu einer nahe an demselben hinziehenden, nicht minder
tiefen Furche. Alle diese Furchen sind nicht etwa Nähte, in denen ursprünglich
getrennte Stücke des Panzers zusammenstossen, sondern vielmehr durch den An-
satz verschiedener Theile an dessen Innenseite bedingte Eindrücke. Nähte sind
dagegen unverkennbar schmälere Linien, die flach, aber scharf eingedrückt auf
der Aussenfläche, schwach vorspringend auf der Innenfläche des Panzers ver-
laufen und als helle Linien erscheinen, wenn man den Panzer gegen das Licht hält.
Die Naht, welche Kopf- und Schultergürtel scheidet, fällt in ihrem mittleren
Theile mit der Nackenfurche zusammen ; wo diese sich nach vorn krümmt, geht
jene ziemlich gerade nach aussen weiter bis etwa halbwegs zwischen Mittellinie
und Seitenrand und geht dann in schwach nach vorn gewölbtem Bogen schief
nach vorn zum Seitenrande, wo sie wieder mit der hier endenden Nackenfurche
zusammentrifft; darauf läuft sie auf der Seitenwand des Panzers schief nach vorn,
um im Grunde der Fühlerbucht zu enden (Fig. 4). — Der Kopfgürtel zeigt keine
deutlichen Nähte. Um so zahlreicher sind sie auf dem Schultergürtel. Zunächst
wird ein mittleres, etwa ein Drittel der Breite einnehmendes Rückenfeld ab-
gegrenzt durch zwei nach aussen von den Längsfurchen in gerader Linie vom
vordem zum hintern Rande des Schultergürtels verlaufende Nähte. Dieselben
laufen bis zum Hinterrande selbst, nicht blos, wie die Längsfurchen, bis zur hin-
teren Randfurche. Etwas nach aussen von diesen Längsnähten entspringt von
der vorderen Quernaht, da wo sich diese schief nach vorn wendet, eine schief
nach aussen und hinten zur Mitte der Seitenkante des Schultergürtels verlaufende
~22 Aeglea Odebrechtii n. sp.
Naht welche die Seitentheile des Rückens in ein dreieckiges vorderes und ein
viereckiges hinteres Feld scheidet. Als besonderes Stück ist von dem vorderen
Felde der Schulterzahn durch Naht abgegrenzt. Nach aussen ist das vordere
Seitenfeld begrenzt durch eine Naht, die vom Schulterzahne aus dicht an der
Seitenkante sich hinzieht; am Anfang des hinteren Seitenfeldes geht diese Naht
vom- Rücken auf die Seitenwand über und läuft hier in der Nähe der Seitenkante
bis zum Hinterrande. So gehört von der Seitenkante des Schultergürtels der
vordere Theil der Seitenwand, der hintere der Rückenwand an.
Auf den Seitenwänden (Fig. 4) wird zunächst ein schmaler, über den Füssen
liegender Streifen durch eine Längsnaht abgesondert, die kurz vor dem Hinter-
ende mit der das hintere Seitenfeld des Rückens nach aussen begrenzenden Naht
zusammenfliesst, so dass das hintere, etwas breitere, abgerundete Ende jenes
Streifens unmittelbar an die Rückenwand stösst. Ausserdem finden sich zwei
Quernähte. Die vordere geht von der hinteren Ecke des Schulterzahnstückes
schief nach hinten und trifft über dem ersten Paare der Lauffüsse die Längsnaht;
die hintere begrenzt nach vorn ein kleines dreieckiges, zwischen Rückenwand und
den unteren Längsstreifen der Seitenwand eingetheiltes Feldchen.
Der Panzer unserer A e gl ea ist in hohem Grade merkwürdig dadurch, dass
an ihm neben einander und beide in ungewöhnlicher Deutlichkeit ausgeprägt, die
Nackenfurche und die Grenznaht zwischen Kopf- und Schultergürtel sich finden,
und dass ebenso auf letzterem ein Mittelfeld durch Längsfurchen und gleichzeitig
ein anderes durch Längsnähte abgegrenzt wird. Dieselben Nähte finden sich nach
Milne Edwards^) unter anderen bei Birgus latro; dieselben oder ähnliche
Furchen mehr oder minder deutlich bei vielen Krabben und Krebsen. Dass man
nun aber nicht ohne Weiteres, wie man zu thun pflegt, Furchen und Nähte als
einander entsprechend betrachten darf, dass man keineswegs immer gleichwerthige
Abschnitte erhält, wenn man z. B. einmal einen „sulcus cervicalis", ein andermal
eine „sutura cervicalis" als Grenze zwischen Kopf- und Schultergürtel annimmt,
beweist das gleichzeitige Vorhandensein von Naht und Furche bei Aeglea.
Ich kehre zur Beschreibung meines Krebses zurück. Augenhöhlen sind
selbst nicht in der unvollständigen Weise, wie sie bei Porcellana vorkommen,
vorhanden; die kurzen Augenstiele sind sch'.ef vorwärts gerichtet. Die inneren
Fühler sitzen unter und hinter den Augenstielen (Fig. 3), ihr kurzes dickes, nach
dem Ende zu breiteres Grundglied trägt keinerlei Dornen oder Zähne ; das zweite
Glied sitzt an der inneren vorderen Ecke des ersten, ist schlank, walzenförmig,
leicht gebogen, überragt kaum die Augen und legt sich in der Ruhe zwischen
Augenstiele und Stirnschnabel; das dritte ist etwas kürzer und wird nach unten
eingeschlagen; von den Endgeissein ist die dickere (13 gliedrig) etwa so lang, als
das dritte Glied des Stieles, die andere (10 gliedrig) kürzer. Der Stiel der äusseren
Fühler ist viergliedrig ; das erste Glied ist unbeweglich und seine Umgrenzung
kaum deutlich zu erkennen; der diesem Gliede eigenthümliche Höcker liegt nahe
der vorderen Ecke des Mundrahmens, seine Oeffnung ist nach hinten gerichtet.
Das zweite Glied liegt in derselben Querlinie mit dem Grundgliede der inneren
Fühler; aussen trägt es einen durch Naht deutlich abgesetzten spitzen, kegel-
i) Annal. des Sc. nat. 3. Serie. Zooig. XVI. fol. 8, pag.
Aeglea Odebrechtii n. sp. ^2?
förmigen Vorsprung (Fig. 4), wahrscheinlich ein Ueberbleibsel des äusseren Astes
(der Schuppe des Garneelenfühlers) ; es ist wie das folgende Glied dick und kurz;
das vierte Glied ist weit dünner, walzenförmig, etwa so lang, wie die beiden vorigen
zusammen. Die vielgliedrige, unbehaarte Geissei ist 34 mm lang.
Der Mundrahmen (cadre buccal) ist vorn um die Hälfte breiter als hinten
(Fig. 3) und nicht durch scharfe Grenzen von dem vorderen Mundschilde (Epistom)
geschieden. Die inneren Mundtheile übergehe ich, da ich sie nicht mit denen der
nächstverwandten Gattungen vergleichen kann. Die äusseren Kieferfüsse
(Fig. 5) reichen ausgestreckt etwa bis zur Spitze des Stirnschnabels ; das zweite
Glied des inneren Astes ist ohne blattförmigen Vorsprung nach innen, dreikantig,
die innere vordere Kante bewimpert, die innere hintere Kante mit einer Reihe
kegelförmiger Zähne bewehrt (wie bei den ächten Galathea im Sinne von
Stimpson); das dritte Glied etwa von Länge des zweiten, nicht breiter als das
kurze vierte; das fünfte Glied walzenförmig, länger als seine Nachbarn.
Die Birust platte bildet ein gleichschenkliges Dreieck mit nach vorn gerich-
teter Spitze, dessen Grundlinie (10 mm) fast der Höhe (12 mm) gleich kommt. Die
Grenzen der fünf Stücke, durch deren Verschmelzung sie gebildet ist, sind durch
breite, seichte Furchen bezeichnet. An den Hinterecken jedes dieser Stücke springen
Gelenkhöcker vor für die betreffenden fünf Fusspaare (äussere Kieferfüsse, Scheeren-
füsse und drei Paar Lauffüsse). Der Hinterrand hat eine breite, flache, vorn
geradlinige Bucht, in die sich der letzte freie Brustring einlegen kann.
Die Scheerenfüsse sind von massiger Länge (möglichst gestreckt 30 mm),
kräftig, mehr nach vorn als nach aussen gerichtet, nach unten sich einschlagend;
die linke Scheere ein wenig stärker, als die rechte. Oberarm dreikantig, die
innere kürzeste Kante mit fünf spitzen Zähnchen bewehrt; winzige Zähnchen an
der Endhälfte der beiden anderen Kanten, die obere die längste (7 mm). Vorder-
arm weit kürzer als der Oberarm, innen 5 mm lang; Vorder- und Hinterrand
nach aussen fast in einen Punct zusammenlaufend. Innenrand stark gewölbt, mit
5 Zähnen, von denen der vierte der längste ; oben trägt der Vorderarm eine aus
kleinen Höckern gebildete, dem Innenrand gleichlaufende Leiste, unten zwei Zähne.
Hand, links: 14 mm lang, 11 breit, 5 dick; rechts: 14 mm lang, 9 breit, 4 dick.
Obere Fläche körnig rauh, ohne Zähne oder Dornen ; der kurze Innenrand fast
halbkreisförmig vorspringend, fein sägezähnig; untere Fläche mit einer von der
Spitze zum äusseren Gelenkhöcker laufenden, aus verschmelzenden Höckern ge-
bildeten Leiste. Greifrand in seinem oberen Theile schwach löffeiförmig aus-
gehöhlt, darunter mit einer zahnartig vorspringenden dreieckigen Fläche (diese an
der linken Hand weit stärker). Oberer Rand der löff eiförmigen Aushöhlung fein
gekerbt (links) oder gezähnelt (rechts); an der rechten .Scheere setzt sich diese
Zähnelung auch auf den Rand des zahnartigen Vorsprungs fort. Daumen 8 mm
lang, ziemlich gerade, sein Greifrand dem des feststehenden Fingers ähnlich.
Die drei Paar Lauffüsse sind schlank, schwach zusammengedrückt, keins
ihrer Glieder verbreitert; sie sind unbewehrt, nur die Kanten mit besser fühlbaren
als sichtbaren, endwärts gerichteten Dörnchen oder Börstchen besetzt. Das Klauen -
glied fast so lang als die beiden vorhergehenden zusammen, dünn, nur schwach
gebogen, in eine harte scharfe Spitze auslaufend. Möglichst gestreckt sind die
vorderen Lauffüsse 30 mm lang (Oberschenkel 9, Unterschenkel 4, Fussglied 5,
Klauenglied 7 mm), die mittleren 29 mm, die hinteren 27 mm.
-,j^ Aeglea Odebrechtii n. sp.
Die Putzfüsse (Fig. 7) sind sehr beweglich an dem ebenfalls sehr be-
weglichen freien letzten Brustringe eingelenkt; das erste dicke kurze Glied ist
fast ganz häutig und trägt nach innen die Ruthe (Fig. 7, r); dann folgen vier
dünne langstreckige Glieder, von denen in der Ruhe das erste schief nach hinten und
aussen, das zweite, längste (Oberschenkel) schief nach vorn und aussen, das dritte
und vierte (Unterschenkel und Fussglied) gerade nach innen gerichtet sind, so
dass die Spitze des Fussgliedes die Ruthe von unten deckt. Ein deutlich ab-
gesetztes Fingerglied konnte ich nicht unterscheiden; ich sah nur am Ende des
Fussgliedes zwei rundliche mit je einer Reihe zierlicher Zähnchen besetzte Höcker
(Fig. 8) oder Knöpf chen, als dürftige Reste der Scheerenfinger an den Putzfüssen
der verwandten Gattungen.
Der Hinterleib (Fig. 2) ist gross und kräftig, reichlich so lang, als die
Kopfbrust; er lässt sich nicht völlig ausstrecken; sein hinteres Ende ist nach
unten geschlagen, wobei die Grenze zwischen viertem und fünftem Ring den
hinteren Rand bildet. Von der Brust wird durch den nach unten geschlagenen
Schwanz nur der letzte freie Ring mit Putzfüssen und Ruthe bedeckt. Der Rücken
der vorderen Ringe ist gewölbt (Höhe des Bogens fast Ys ^^^ Sehne), der des
Schwanzes flach. Die Breite sinkt vom 2. bis 6. Ring von 17 auf 11 mm.
Die Rückenplatte des ersten Ringes ist sehr kurz ; ihr gewölbter Vorder-
rand passt in die seichte Bucht am Hinterrande des Panzers. Dieser Ring ist
der einzige, dessen Bauchseite durch einen dünnen, queren, verkalkten Stab ge-
stützt ist; die Bauchseite der übrigen ist ganz häutig; am zweiten Ring fand ich
ihren mittleren Theil beutel- oder bruchsackartig vorgetrieben.
Am zweiten bis sechsten Ringe sind die Seitenstücke der Rücken-
platte durch sehr augenfällige Furchen vom Mittelstücke geschieden; die Seiten-
stücke des zweiten Ringes haben einen 4 mm langen Seitenrand, die der folgenden
laufen in eine schwach vorwärts gebogene Spitze aus; ihr zugeschärfter, ein-
gebogener Vorderrand legt sich unter den gewölbten Hinterrand des vorher-
gehenden; am sechsten Ring ist der Hinterrand der Seitenstücke gerade. Der
2. bis 5. Ring sind etwa gleich lang (3 mm), der 6. und 7. länger (5 mm). Am
sechsten Ringe nehmen die Seitenstücke nur etwa -/s der Länge ein; das vierte
Drittel bleibt für die Einlenkung der Schwanzfüsse.
Der si eb e n tie Ri n g ist in seiner vorderen Hälfte ziemlich gleich breit (7 mm) ;
dann laufen die Seitenränder bogig nach dem schwach eingekerbten Hinterende
zusammen ; in der Mittellinie dieses Ringes verläuft eine seichte Furche. Der
Hinterrand ist bewimpert.
Die fünf ersten Hinterleibsringe sind vollkommen anhanglos; der sechste
trägt die blattförmigen Schwanzfüsse, die mit dem siebenten Ringe eine sehr an-
sehnliche (etwa 22 mm breite, 10 mm lange) Flosse bilden.
Das Grundglied der Schwanzfüsse ist von ansehnlicher Grösse, dreieckig ;
sein Vorderrand legt sich dem Seitenstücke des 6. Ringes an, überragt dasselbe
etwas, und reicht, wenn der Schwanz eingeschlagen ist, bis zur Spitze des Seiten-
stücks des 5. Ringes; der Innenrand schiebt sich unter den vorderen Theil
des 7. Ringes; der Augenrand trägt in seiner vorderen Hälfte die beiden End-
blätter; diese sind von nahezu gleicher Grösse und Gestalt, eiförmig, 7 mm lang,
das vordere (äussere, untere) 3,5 mm., das hintere (innere, obere) 4 mm breit.
Aeglea Odebrechtii n. sp. 1:21:.
Aussen und hinten sind sie bewimpert. Eine Quernaht zeigt keines der Blätter,
dagegen die Oberseite des inneren einen fast bis zum Ende desselben zu ver-
folgenden Kiel.
Die Kiemen, die bei Porcellana und nach Milne Edwards^) auch
bei Galathea die gewöhnliche Form der Krabbenkiemen haben, zeigen bei
unserer Aeglea einen ganz eigenthümlichen Bau (Fig. 9, 10); jede Kieme besteht
aus einem schmalen Blatt, das nahe seinem unteren Ende angeheftet und an
seinem freien äusseren Rande dicht mit langen Fäden besetzt ist. Nach beiden
Enden des Blattes zu werden die Fäden kürzer. Es scheinen stets drei Reihen
von Fäden vorhanden zu sein, eine mittlere, eine hintere, deren Fäden ein wenig
kürzer, und eine vordere, deren Fäden weit dünner und nur etwa V3 so lang sind,
als die der mittleren Reihe. Der fadenlose innere Rand der Kieme legt sich der
Leibeswand an, die Fäden sind nach vorn gerichtet, so dass die hinteren Kiemen
die vorderen decken. Von hinten beginnend, findet man zuerst zwei grössere,
dann eine etwa dreimal so kleine Kieme, und so wechseln immer zwei grosse
mit einer kleinen Kieme. Im Ganzen zählte ich jederseits zwölf. (Für Por-
cellana gibt Milne Edwards vierzehn an ; möglich, dass mir beim Heraus-
nehmen der Mundtheile ein paar winzige vordere Kiemen unvermerkt verloren
gegangen.)
Vergleicht man diese Beschreibung der Aeglea unserer Gebirgsbäche, die
ich nach ihrem Entdecker Aeglea Odebrechtii nenne, mit der Beschreibung,
die Milne Edwards^) von der chilenischen Aeglea laevis gibt, so findet man
kaum folgende Unterschiede:
Der Panzer der Aeglea laevis ist viel länger als breit, der Hinterleib
weniger lang als der Panzer, sein siebenter Ring klein, mit den auf sehr
langem Grundghede sitzenden Blättern der Schwanzflosse keinen Fächer bildend.
Bei Aeglea Odebrechtii ist weder der siebente Hinterleibsring auffallend
klein im Vergleich mit Galathea und Porcellana, noch das Grundglied der
Schwanzfüsse auffallend lang im Vergleich mit Galathea strigosa^). Ferner
ist bei Aeglea laevis der Stirnschnabel leicht gekrümmt und die Hand der
Scheeren oben mit mehreren kleinen Zähnen bewaffnet.
Die Gattung Aeglea hat in den bisherigen Anordnungen der Krebse eine
sehr wechselnde Stellung eingenommen. Von Latreille als Galathea laevis
beschrieben, wurde der chilenische Vetter unseres Gebirgskrebses durch Leach
als eigene Gattung Aeglea neben Galathea gestellt. Milne Edwards ent-
fernte ihn nicht nur aus der Familie der Galatheiden, die er zu den Panzer-
krebsen, also zu den Macruren stellte, sondern brachte ihn sogar in eine andere
Hauptabtheilung, zu den Anomuren in die Familie der Porcellanen. Dabtn
blieben jedoch Aeglea und Galathea nächste Nachbarn ; denn es schloss (von
den Larvenformen Megalops und Monolepis abgesehen) mit Aeglea die
1) Hist. nat. des Crustaciiss. I, S. 83.
2) a. a. O. II, S. 259.
3) Nach der Abbildung in Th. Bell, British stalk-eyed Crustacea S. 200.
526
Ae"lea Odcbrechüi n. si
Reihe der Anomuren, und Galathea begann die der Macruren. — Dana
brachte auch Galathea zu den Anomiiren und gab ihr wieder Aeglea als
Nachbarn, schob aber zwischen diese und Porcellana mehrere andere Familien,
deren Zahl Stimpson noch vermehrte; dieser ordnet i) die Anomuren mit freiem
letzten Brustring (Schizosomi) in folgende Reihe: Porcellaniden, Hippiden,
Lithodiden, Paguriden, Aegleiden, Galatheiden. — Thomas Bell vereinigt da-
gegen wieder') die Porcellaniens (Porcellana, Aeglea) und die Gala-
theides (Galathea, Grimothea) von Milne Edwards in eine einzige
Familie, die er zu den Anomuren stellt; welche Auffassung auch unter den
deutschen Kennern dieser Klasse jetzt die herrschende zu sein scheint.
Am verkehrtesten ist jedenfalls die Anordnung von Milne Edwards.
Zunächst deshalb, weil sich Aeglea fast in allen Stücken weit enger an Galathea
anschliesst, als an Porcellana. Von dem glatten Panzer mit scharfem Seitenrand
und dem nach unten geschlagenen Schwänze abgesehen, die allerdings dem Thiere
ein ziemlich Porcellana-ähnliches Ansehen geben, hat Aeglea mit Porcellana
im Gegensatz zu Galathea kaum etwas gemein, als das kurze, dicke, unbewehrte
Grundglied der inneren Fühler und den (bei Porcellana nicht vollständigen)
Mangel der Strudelf üsse am Hinterleibe des Männchens ; dagegen mit Galathea
im Gegensatz zu Porcellana den völligen Mangel der Augenhöhlen, die nach
unten sich einschlagenden inneren Fühler, den Bau der äusseren Kieferfüsse, die
Form der Brustplatte, den kurzen Vorderarm der Scheerenfüsse u. s. w. — Ja
selbst der kräftige, gewölbte
Hinterleib mit ganz ähnlich
gestalteten Seitenstücken
und ähnlich gebauter
Schwanzflosse steht dem
von Galathea weit näher,
als dem von Porcellana.
Weit schlimmer ist es, dass
die eine der beiden nächst-
verwandten Gattungen zu
den Anomuren, die andere
zu den Macruren gestellt ist.
Die ganze Unnatur dieses
Verfahrens springt sofort in
die Augen, sobald man Mil-
ne Edwards' Anordnung
der Decapoden in die Form
eines Stammbaumes bringt.
Danach würden also Galathea und Aeglea erst an der gemeinsamen
Wurzel der Macruren und Anomuren zusammenhangen und alle diesen beiden
Gattungen gemeinschaftlichen Merkmale müsste im Wesentlichen schon der Urahn
der Macruren und Anomuren besessen haben ! Bei der gewöhnlichen reihen weisen
Porcellana. Aeglea.
Galathea. Grimothea.
Hrachyures
Apterures
Döcapodes.
1) Proceed. Acad. Nat. Sc. Decbr. 1858. S. 65. —
2) British stalk-eyed Crustacea, 1853, S. 196.
Aeglea Odehiechtii n. sp. ^27
Anordnung tritt dieser Widersinn nicht so schreiend zu Tage, da ja dabei Aeglea
und Galathea immerhin nächste Nachbarn bleiben^).
Für das Richtigste möchte ich es halten, wie Bell, Gerstäcker, Claus
u. s. w., Galathea, Aeglea und Porcellana mit den neuerdings davon ab-
gezweigten Gattungen in eine gemeinsame Gruppe zusammenzufassen, wobei es
natürlich gleichgültig ist, ob man diese als Familie bezeichen oder in die drei
Familien der Galatheiden, Aegleiden und Porcellaniden spalten will.
Ein endgültiges Urtheil wird sich jedoch ohne Kenntnis der Jugendformen von
Galathea und Aeglea nicht fällen lassen. Die überaus dürftige Abbildung
einer Galathea-larve bei Bell-) erinnert weit mehr an die Zoea der Einsiedler-
krebse, als an die der Porcellanen.
Itajahy, Sa. Catharina, Brazil, Ende Mai 1875.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XLIV.
Fig. I. Aeglea Odebrechtii, halbwüchsiges Männchen, nat. Gr.
Fig. 2. Hinterleib, möglichst gestreckt, nat. Gr.
Fig. 3. Die Gegend vor dem Munde, nach Entfernung der Kiefer und Kiefer-
füsse (2 : i).
Fig. 4. Seitenwand des Panzers und Stiel der äusseren Fühler (2 : i).
Fig. 5. Aeusserer Kieferfuss der linken Seite (3 : i).
Fig. 6. Die Zähne am 2. Gliede des inneren Astes dieses Fusses (12: i).
Fig. 7. Putzfuss der linken Seite (5:1) r Ruthe.
Fig. 8. Ende dieses Putzfusses (100 : i). Die Borsten .sind weggelassen.
Fig. 9. Letzte Kieme der linken Seite, nat. Gr.
Fig. 10. Stück einer Kieme (5 : i). li hintere, vi mittlere, v vordere Reihe der
Kiemenfäden.
i) Der nahen Verwandtschaft zweier Formen, die man aus irgend welchem Grunde auseinander
reissen zu müssen glaubt, dadurch Rechnung zu tragen, dass man sie, wenn auch in verschiedene Gruppen,
so doch nebeneinanderstellt, ist ein beliebter Kunstgriff der alten Schule. Es ist im Grunde ein einfacher
Betrxig, wenn auch nur Selbstbetrug. Hätten die vielverspotteten Stammbäume keinen weiteren Nutzen,
als derlei Täuschungen sofort zu entlarven und dadurch unmöglich zu machen, so wäre auch dies schon
nicht gering anzuschlagen. Hier noch ein dem obigen ganz ähnliches Beispiel aus neuester Zeit (K i r b y , A
synonymic catalogue of diurnal Lepidoptera. 1871):
<g 4; JJ
rt 5^ .9 c .S ^ Heliconius. Eueides Colaenis, Dione und über 100 andere Gattungen,
.5 .e c :3 ^ ■% " ■'
CS c c a. <" S:
§ jS^ >> o Ki 5
P CA 5 S 'S <! Heliconinae Nymphalinae
Nymphalidae
Danach hätten Eueides und Colaenis ihren gemeinsamen Stammvater erst in dem gemeinsamen
Ahnen der Heliconinen und Nymphalinen, und dieser müsste alle den Gattungen Eueides und Colaenis
gemeinschaftlichen Merkmale besessen haben! —
2) British stalk-eyed Crastacea, S. 203.
Ueber das Haarkissen am Blattstiel der Imbauba
(Cecropia), das Gemüsebeet der Imbaubaameise^).
Mit I Textfigur.
Thomas Belt gebührt das Verdienst, in seinem vortrefflichen „Naturalist
in Nicaragua", einer wahren Fundgrube anziehender Beobachtungen und an-
regender Gedanken, hingewiesen zu haben auf die merkwürdigen und wichtigen
Wechselbeziehungen zwischen gewissen mit Honigdrüsen ausgestatteten Pflanzen
und den Ameisen, welche den Honig lecken und dafür die Pflanzen gegen ver-
schiedene Feinde schützen, unter denen im wärmeren America die Tragameisen,
Arten der Gattung Oecodoma, obenan stehen.
Belt gedenkt bei dieser Gelegenheit auch der Imbauba (Cecropia). Der
hohle, durch Querwände in Kammern getheilte Stamm dieses Baumes ist stets
von Ameisen bewohnt, die hier Schildläuse halten und bei jeder Erschütterung
des Baumes zu Tausenden hervorstürzen, um, wen sie da finden, mit höchst em-
pfindlichen Bissen zu verfolgen. Belt glaubt, dass auch diesem Baume die An-
wesenheit der Ameisen, denen derselbe so geräumige Wohnung bietet, von Nutzen
sei. 2) Und darin hat er ohne Frage Recht und auch in diesem Falle sind es vor-
nehmlich, wenn nicht ausschliesslich die Tragameisen (Oecodoma), gegen deren
Angriffe die im Stamm der Imbauba hausenden Ameisen als treue Wacht und
schützendes Heer dienen. Wiederholt sah ich junge Imbaubastämmchen, in denen
noch keine Ameisen sich angesiedelt hatten, nie aber solche, die bereits von
Ameisen bewohnt waren, durch Tragameisen ihrer Blätter, bis auf die Stiele und
Hauptnerven, vollständig beraubt werden.
Was aber veranlasst die Imbauba-Ameisen, so treue Wacht zu halten an den
Blättern des Baumes, der ihnen Obdach gewährt? — Erschütterungen des Baumes
rufen, wie gesagt, die kleinen Vertheidiger desselben zu Tausenden hervor; aber
gerade gegen die Feinde, die Stamm oder Aeste erschüttern, gegen das Faul-
thier, das ausschliesslich von den Blättern der Imbauba lebt, oder gegen die Axt
des Menschen, vermögen sie trotz ihrer empfindlichen Bisse ^) den Baum nicht
1) Jenaische Zeitschrift f. Naturwiss. 1876. Bd. X. p. 281 — 286.
2) Thomas Belt, The Naturalist in Nicaragua. London 1874, p. 222.
3) Die hiesige Imbauba-Ameise gehurt zu den stachellosen Arten, bei denen nur der erste Hinter-
leibsring abgeschnürt ist; das Geäder ihrer Vorderflügel gleicht dem der Formica- Arten mit Discoidal-
zelle; sie unterscheidet sich von Formica durch die Zahl ihrer Tastergiieder : die Kiefertaster haben fünf,
die Lippentaster drei Glieder.
Ueber das Haarkissen der Imbauba etc.
529
ZU schützen. Das Auf- und Absteigen der Tragameise kann weder auf diese
Weise, durch Erschütterung, sich ihnen bemerkhch machen, noch wird es über-
haupt von den im Innern des Stammes sich aufhaltenden Bewohnern desselben
bemerkt werden können. Was also veranlasst die Imbauba-Ameise, die Blätter,
— namentlich die bei allen Pflanzen zumeist den Angriffen der Tragameise aus-
gesetzten jüngeren Blätter zu bewachen?
Ich war vor Kurzem so glücklich, die Antwort auf diese Frage zu finden,
und hoffe, sie wird auch Anderen nicht weniger Freude und Ueberraschung be-
reiten, als mir selbst.
Am Grunde des Blattstiels der Imbauba gewahrt man ein -flaches Kissen,
das sich etwa i mm über seine Umgebung erhebt und von unten her reichlich
die Hälfte des Blattstiels umfasst. An dem Blatte eines 0,07 m dicken Stammes
war dieses Kissen in der unteren Mittellinie des Blattstieles 23 mm breit, erstreckte
sich von da, allmählich verschmälert, 35 mm nach jeder Seite und nahm eine
Fläche von etwa 8 qcm ein. So lange dieses Kissen von dem tütenartigen Neben-
blatte des nächstunteren Blattes umschlossen wird, ist es weiss; an der Luft färbt
es sich bald, erst hell-, dann rehbraun. Den Blättern junger Pflanzen fehlt dieses
Kissen ; ebenso den ersten Blättern dünner Seitentriebe, die aus geköpften jüngeren
Stämmen hervorspriessen ; so waren an dem 8 mm dicken Triebe eines abgehauenen
10 mm dicken Stämmchens die vier ersten Blätter ganz ohne Kissen; das fünfte
und sechste zeigten ein kleines Kissen auf einer Seite, das folgende jederseits ein
kleines Kissen und dazwischen, in der Mittellinie, einen schmalen Zwischenraum ;
am achten Blatte war ein vollständiges Kissen, das aber noch durch eine obere
und untere Bucht in der Mittellinie auf die Entstehung aus zwei Kissen hinwies ;
das neunte Blatt endlich trug ein Kissen von gewöhnlicher Form.
Bei der Entwicklung der Blätter zeigt sich das Kissen zuerst als ein seiden-
artig glänzender weisslicher Fleck, von ziemlich weitläufig stehenden, einzelligen,
borstenartigen, leicht gekrümmten Haaren gebildet. Zwischen diesen spriessen
später, aufs dichteste gedrängt, vielzellige Haare hervor, gegen deren Zahl die
der einfachen Haare fast verschwindet. Sie erreichen eine Länge von reichlich
I mm und bestehen aus etwa einem Dutzend ZeUen; die untersten sind gestreckt
walzenförmig, die obern eiförmig oder kuglig und dicker als die unteren; die
Endzelle läuft in eine kürzere oder längere, häufig gekrümmte, scharfe Spitze
aus. Dicht zusammengedrängt bilden diese Haare ein ziemlich festes Kissen,
dessen Oberfläche ein einigermassen sammetartiges Ansehen hat. Wasserhell und
farblos, bis sie an die Luft treten, beginnen sie an der Luft von der Spitze her
sich zu bräunen und theilweise zu verschrumpfen.
Wieder später, als diese vielzelligen, am Ende perlschnurförmigen Haare,
und erst wenn die EnthüUuug des Blattes nahe rückt, entwickeln sich in den
Kissen keulenförmige Gebilde, die bis zu 0,8 — i mm Länge heranwachsen, bei
0,3 — 0,5 mm Dicke; ihr Ende ist abgerundet; ihre grösste Dicke fällt bald nahe
dem freien Ende, bald gegen die Mitte hin, bald endlich ist ihre Dicke eine fast
gleichbleibende, so dass ihre Gestalt zwischen birnförmig, eiförmig und walzen-
förmig schwankt. Reif erscheinen sie milchweiss, glänzend, etwas durchscheinend.
Sie sind nicht saftig und weich, sondern ziemlich fest und schrumpfen beim
Trocknen, wobei sie gelblich werden, nur massig zusammen. Sowie sie ihre volle
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 34
530
Ueber das Haarkissen der Imbauba etc.
Grösse erlangt haben, lösen sich diese Kölbchen ab und treten allmählich über
die Oberfläche des Haarkissens hervor, in welchem sie während ihres Wachs-
thums versteckt lagen, Sie fallen nun bei leichter Berührung und endlich wohl
auch von selbst ab.
Zur Zeit, wo das Haarkissen durch das Abfallen des nächstunteren tüten-
förmigen Nebenblattes enthüllt wird, pflegt schon eine Zahl dieser Kölbchen mehr
oder weniger aus dem Kissen hervorgetreten zu sein; dabei aber finden sich
noch jüngere Kölbchen in allen Grössen im Innern des Kissens. Der Nachschub
Spitze eines jungen, nicht von Ameisen bewohnten Imbaubastämmchens, nat. Gr. — Die Blätter sind ab-
geschnitten. Der oberste der drei Blattstiele von dem tütenförmigen Nebenblatte des nächst unteren Blattes
umhüllt. Am Grunde der beiden unteren Blattstiele die braunen Haarkissen, mit milchweissen Kölbchen besetzt.
neuer Kölbchen dürfte eine ganze Reihe von Wochen andauern, da sie noch auf
dem Haarkissen des dritt- oder selbst viertletzten Blattes sich zeigen. Die Haar-
kissen der obersten Blätter junger Stämme, die noch nicht von Ameisen bewohnt
sind, pflegen reichlich mit Kölbchen geziert zu sein, die wie milchweisse Spargel-
pfeifen aus braunem Beete hervortreten; man findet ihrer 60 bis 100 auf einem
einzigen Kissen. An Pflanzen aber die von Ameisen bewohnt sind und das ist
schon bei daumesdicken Stämmchen fast ausnahmslos der Fall, sieht man in der
Regel nur ganz vereinzelte kaum in halber Länge vorragende Kölbchen. Schon
hieraus würde sich mit befriedigender Sicherheit schliessen lassen, dass die Kölbchen,
sowie sie reif aus dem Haarkissen sich erheben, von den Ameisen abgeerntet
werden, — dass die Besuche, welche die Ameisen beständig bei den jüngeren
Ueber das Haarkissen der Imbauba etc.
■^31
Blättern machen, den Haarkissen am Grunde des Blattstieles, ihren Gemüsebeeten
gelten, — und dass in Folge dieser steten Besuche die Tragameisen nicht un-
bemerkt zu den Blättern der Imbauba gelangen können. Es wurde mir indess
auch Gelegenheit, dem Abernten eines Gemüsebeetes alz Zeuge beizuwohnen.
Ich hatte die Spitze eines 25 mm dicken Imbaubastämmchens mit heimgenommen,
welches von einem sehr schwachen, wohl kaum einige hundert Arbeiter zählen-
den, wahrscheinlich noch jungen Ameisenvolke bewohnt war. Der Stiel des
obersten bereits vollständig entfalteten Blattes war noch von dem nächstunteren
Nebenblatte umschlossen, und als ich dieses entfernte, zeigte sich das dadurch
blossgelegte Haarkissen mit zahlreichen (etwa 50) Kölbchen besetzt. Die Ameisen
hatten ihren Eingang in's innere des Stammes ungewöhnlich weit von der Spitze,
etwa 0,5 m unter dem neuen Gemüsebeete; und doch hatte ich dasselbe kaum
zugänglich gemacht, so erschienen auch schon die Ameisen auf demselben. Jede
packte eines der weissen Kölbchen mit den Kinnbacken und lief damit stamm-
abwärts, um es heimzutragen. Anfangs ging das recht rasch, da die ganz losen
Kölbchen eben nur wegzunehmen waren. Bei denen aber, die noch fester sassen,
und kaum über halb vorsahen, kostete es oft ziemliche Zeit und Mühe, bis sie
nach manchem Ziehen und Wackeln nach verschiedenen Seiten sich lösten und fort-
getragen werden konnten. Nach etwa 10 bis 15 Minuten waren nur noch vier Kölb-
chen übrig, an denen verschiedene Ameisen vergeblich ihre Kräfte versucht hatten.
So ist denn der Fall der Imbauba dem der merkwürdigen Ochsenhorn-
Acacia^), den Thomas Belt so lebensfrisch geschildert hat, weit ähnlicher, als
B e 1 1 glaubte ; hier wie dort liefert der Baum seinen Vertheidigern neben Obdach
auch Nahrung und wie dort die goldenen Birnen jedes Blattes eine nach der an-
deren reifen und so dem jungen Blatte für längere Zeit den Besuch der schützenden
Ameisen sichern, so bietet auch das Gemüsebeet jedes neu entfalteten Imbauba-
blattes den Ameisen eine Wochen lang andauernde, Wochen lang sie anlockende
Ernte. Dieser fortdauernde Nachschub junger Kölbchen wird ermöglicht — und
darin liegt dessen Bedeutung — durch das dichte Haarkissen, welches nicht nur
den unter ihm sich entwickelnden Kölbchen die nöthige Feuchtigkeit bewahrt,
sondern auch die Ameisen hindert, dieselben vor der Reife anzutasten.
Und nun noch Eins. In der Regel sind es Honigdrüsen, welche die
schützenden Ameisen (hier besonders einen kleinen schwarzen Crematogaster)
herbeiziehen. Dagegen scheinen die Kölbchen der Imbauba vorwiegend aus einem
Eiweissstoffe zu bestehen. Jodlösung färbt sie dunkel gelbbraun, concentrirte
Schwefelsäure schön rosenroth. — Da die von ihnen gezüchteten Schildläuse den
Imbauba-Ameisen Honig oder eine ähnliche süsse Flüssigkeit liefern, dürften
Honigdrüsen auf sie keine allzugrosse Anziehungskraft ausüben und so bietet ihnen
die Imbauba als Lockspeise in den von ihnen so eifrig gesuchten Kölbchen nicht
eine süsse saftige Frucht, sondern gewissermassen ein Tiebig'sches Fleischextract,
einen verdichteten Eiweissstoff in möglichst handlicher, bequemer Form. Während
wir unsere stickstoffhaltige Nahrung hauptlächlich den Tieren, unsere stickstofflose
den Pfanzen entnehmen, ist das Umgekehrte also bei der Imbauba- Ameise der Fall.
Itajahy, 31. October 1875.
i) Thomas Belt, a. a. O., p. 218.
34*
Aus Brasilien (Meliponen)^).
(Eigentümliche Flugstellen der Bienen.)
In der von Frau Helene Lieb (Bztg. 1876, Nr, 10 u. 11, S. 133) und Herrn
Köhler (Nr. 17 u. 18, S. 220) angeregten Frage: was „unsere reinlichen Bienen"
an Tierleichen und Mistpfützen und ähnlichen unsauberen Orten suchen und saugen,
will ich eine kleine Beobachtung mitteilen, die als Bestätigung der von Herrn
Köhler ausgesprochenen Vermutung dienen mag.
Es war im Quellgebiet des Uruguay, nicht weit von dessen nördlichstem
Quellflusse, dem Rio das Marombas, wo wir in einer kleinen, mit halbmannshohem
harten Grase bewachsenen, von Bäumen ziemlich freien Lichtung mitten im Ur-
walde, meilenweit von menschlichen Wohnungen, am 21, November unsere Zelte
aufgeschlagen hatten. Wir lagen dort bis zum 26. Am 23. hörte ich nun nahe
den Zelten das bekannte Summen einer Honigbiene; sie flog dicht am Boden
zwischen zertretenem und verwelktem Grase. Ich fing den an dieser Stelle ganz
unerwarteten Gast; es war die gewöhnliche schwarze deutsche Biene. An gleicher
Stelle zeigten sich an demselben Tage noch zwei bis drei, und zahlreichere an
den folgenden Tagen. Blumen, welche die Bienen hätten anlocken können, gab
es nicht in der Nähe; die Blumenröhren eines schönen goldgelben Cestrum, das
die Ufer des die Lichtung durchfliessenden Baches schmückte, waren für sie viel
zu lang. Was suchten sie also? — Ueber die Antwort blieb ich nicht lange im
Zweifel. Die Stellen, wo sie sich niedersetzten, waren solche, an denen der Boden
und das trockene Gras mit Harn getränkt zu werden pflegten.
Am 24. erhielten wir eine Ladung frischen Rindfleisches, welches leicht ge-
salzen, zum trocknen an einer Rohrstange aufgehängt wurde. Alsbald sammelten
sich um dasselbe mehrere Arten von Wespen, die grosse Stücke abnagten und
forttrugen, sowie in grosser Menge verschiedene stachellose Honigbienen, besonders
zahlreich eine kleine schwarze, stark nach Citronen riechende Art, die ich hier
zum ersten Male sah (Trigona citriodora n. sp.). Dieselben drängten sich besonders
um die äussersten niederhängenden Zipfel der Fleischstücke, wo die Salzlake sich
sammelte und zu einer gesättigten Lösung abdunstete. Schüttelte man diese Zipfel,
so purzelten sie dutzendweise in die untergehaltene Flasche. Offenbar war es das
Salz, welches sie hierher zog. — Neben den stachellosen Brasilianerinnen fand sich
i) Eichstädt. Bienenztg. 1877. Bd. XXXIII. p. 59 — 60. Nürdlingen, Becksche Buchhandlung.
Aus Brasilien.
533
auch die stacheltragende Honigbiene der alten Welt ein. Ob auch von ihr Salz
gesucht und gesaugt wurde? —
Woher aber, werden die Leser fragen und fragten wir uns, woher kamen
diese Bienen? — Der nächste Bienenstand auf den Campos dos Curitibanos war
sicher mehrere Meilen entfernt, von da konnten sie kaum unsere kleine, blumen-
lose Lichtung tief im Walde so rasch aufspüren. Wahrscheinlicher schien es, dass
verflogene Schwärme sich im Walde selbst angesiedelt hatten, und diese Vermutung
wurde bald zur Gewissheit; wenige Tage später, als ich selbst den Wald schon
verlassen hatte, fanden meine Reisegefährten in einem hohlen Baume einen Bienen-
schwarm, der ihnen reiche Honigausbeute lieferte.
Blumenau, Sa. Catharina, Brazil, 24./12. 1876.
Ueber Haarpinsel, Filzflecke und ähnliche Gebilde
auf den Flügeln männlicher Schmetterlinge^).
Die Männchen zahlreicher Arten von Tagfaltern sind ausgezeichnet durch
eigenthümliche Haar- oder Schuppenbildungen auf ihren Flügeln. Ich will hier
zusammenstellen, was ich in den wenigen mir zugänglichen Schmetterlingsbüchern ^)
über diese Gebilde finde, und folge dabei der Anordnung der Gattungen in K i r b y ' s
Verzeichnis der Tagfalter^).
I. Nymphaliden.
I. Danainen,
Danais. Die S haben einen Fleck eigenthümlich gebildeter Schuppen am
ersten Aste der Mediana oder an der Submediana der Hinterflügel; bisweilen
hat er die Gestalt einer Tasche, die sich auf der Oberseite der Flügel öffnet und
(wenigstens bei trockenen Stücken) mit braunem Staube gefüllt ist.
Amauris(= Danais sect. I, Doubl, gen. D. L.). Die S haben einen
Fleck eigenthümlich gestalteter, dichtstehender Schuppen an der Submediana der
Hinterflügel, nicht weit vom Afterwinkel.
Euploea. Bei den S ist der Innenrand der Vorderflügel meist gerundet
und springt so vor, dass er ein beträchtliches Stück der Hinterflügel deckt.
Bisweilen haben die d einen oder mehrere kurze Streifen am Innenrand der
Vorderflügel, aus blasseren etwas abweichend gestalteten Schuppen, von mattem,
etwas kreidigem Ansehen. Der von dem vorstehenden Innenrand der Vorder-
flügel bedeckte Theil der Hinterflügel ist oft mit Schuppen von sehr eigenthüm-
licher Gestalt bekleidet. Sie sind verlängert, haarähnlich, am Grunde etwas
i) Jenaische Zeitschrift 1877. Bd- XI. S. 99 — 114.
2) Die reichste Ausbeute gab mir: Doubleday and Westwood, Genera of Diurnal Lepidoptera.
Leider ist mein Exemplar unvollständig. Einzelne Angaben sind entnommen aus: Keferstein, Ge-
schlechtsverschiedenheit der Schmetterlinge in Stett. entomol. Ztg. 1853, S. 354. — Butler, Catalogue of
the Satyridae in the Brit. Mus. 1868 (Anchiphlebia, Gnophodes, Cyllogenes). — Butler, Ca-
talogue of Fabrician Diurnal Lepidopt. 1869 (Agrias). — H er rich-Schäf f er, Prodrom. System. Lepi-
dopterorum (Myscelia, Hesperiden). — Felder, Species Lepidopterorum, 1864 (Papilio). — Hewit-
son, Description of one hundred Hesperidae, 1867 (Caecina). — Ilewitson, Equatorial Lepidoptera
collected by Mr. Buckley 1869 (Thecla Bodora). — Boisduval, Spec. gen. Lepidopt. 1836 (Lepta-
lis, Callidryas).
3) Kirby, A synonyniic Catalogue of diurnal Lepidoptera 1871.
Ueber Haarpinsel, Filzflecke und ähnliche Gebilde etc. - -3 r
breiter, und enden in eine eiförmige Ausbreitung, die ihnen das Aussehen der
Fühler von Pieris gibt. Bei anderen Arten unterscheiden sich die Schuppen
dieser Stelle hauptsächlich durch ihre Grösse von den übrigen.
Die S von Athesis, Thyridia, Olyras, Dircenna, Ceratinia,
Sais, Mechanitis, Ithomia, Melinaea, Tithorea, also fast aller Gat-
tungen, die man neuerdings von den Heliconinen zu den Danainen versetzt hat,
haben „einen Haarpinsel auf der Oberseite der Hinterflügel vorne an der Sub-
costalis" (Her rieh -Seh äff er), oder richtiger, wie es Doubleday bei Olyras
beschreibt, „einen langen Fleck, der mit sehr langen zarten Haaren besetzt ist".
Den d" von Lycorea, die auch in diesen Verwandtschaftskreis gehört, fehlt
(nach Herrich-Schäffer) der Haarpinsel, dagegen haben sie (nach Double-
day) „einen ganzen Haarbusch jederseits am letzten Hinterleibsring, der grossen-
theils in den Hinterleib zurückgezogen werden kann". —
2. Satyrinen.
Bei den d von Antirrhaea Archaea (Anchiphlebia Butl.) ist der
Innenrand der Vorderflügel wie bei Euploea gewölbt und stark gewölbt ist
auch der Vorderrand der Hinterflügel, auf der Unterseite des Vorderflügels findet
sich ein kammförmig behaarter Fleck (plaga pectinatim cirrata).
Bei Gnophodes Morpena besitzen die Hinterflügel der S einen grossen
eirunden weissen Fleck nahe dem Vorderrande, wie bei Arten von Euploea.
Die d von Melanitis Suradeva (Cyllogenes Butl.) haben einen grossen
dunkeln seidenartigen Fleck auf den Vorderflügeln.
Bei Satyrus Roxelana, Clymene, Maera, Megera, Hiera bei
Epinephele Lycaon, Janira, Ida, Tithonus, bei Hipparchia Semele
und Arethusa besitzen die S auf der Oberseite der Vorderflügel einen dunklen
Haarbusch.
Mycalesis. „Das wichtigste Merkmal dieser Gattung besteht im Vor-
handensein eines Büschels langer Haare, entweder auf der Oberseite der Vorder-
flügel, wo sich ein schmaler Schlitz oder besser eine Tasche zu ihrer Aufnahme
findet, oder auf den Hinterflügeln, wo sie durch den Innenrand der Vorderflügel
bedeckt werden. Dieser Haarbüschel kommt, wie gewöhnlich, nur den d zu, und
nach seiner Lage lässt sich die Gattung in zwei Gruppen theilen" (Westwood).
Die S von Bia Actorion sind ausgezeichnet durch einen Büschel langer
blass lederbrauner Haare nahe dem Innenrande der Hinterflügel, die willkürlich
aufgerichtet und niedergelegt werden können und in der Ruhe in einer langen
Tasche eingeschlossen liegen, und ebenso durch einen Fleck mit langen schwarzen
seidenartigen Haaren nahe dem Vorderrande der Hinterflügel. Letzterem liegt
ein nackter Fleck auf der Unterseite der Vorderflügel, dicht am Innenrande,
gegenüber.
3. Elymniinen.
Elymnias (= Melanitis Westw. Gen. D. L.). Die d haben Haarbüsche
auf der Oberseite der Hinterflügel, nahe der Wurzel.
4. Morphinen.
Amathusia. Auf der Oberseite, nahe dem Innenrande der Hinterflügel
und gleichlaufend dem Ende des Hinterleibes findet sich beim S ein kleiner.
--.^ Ueber Haarpinsel, Filzflecke und ähnliche Gebilde etc.
schief aufsitzender Haarbusch; zwischen diesem Haarbusch und dem ersten Aste
der Mediana ist eine lange Falte des Flügels, in der einige wenige lange blasse
Haare verborgen liegen.
Zeuxidia. Innenrand der Vorderflügel beim $ fast gerade, beim $ sehr
stark erweitert und gerundet. Die Hinterflügel des S tragen auf der Oberseite,
in dem Räume zwischen Costaiis und Subcostalis, einen eirunden Fleck mit blass
lederbraunen Haaren; ferner in der Mitte der Zelle einen lang eirunden Fleck
von braunen, der Länge nach liegenden Haaren und zwischen diesem Fleck
und dem Innern Winkel der Zelle eine Reihe schief nach dem Hinterleib zu
liegender Haare.
Das S von Discophora hat einen seidenartigen Fleck in der Mitte der
Oberseite der Hinterflügel.
Tenaris (== Drusilla Swains.). Innenrand der Vorderflügel beim $ fast
gerade, beim S am Grunde verbreitert, in der Mitte ausgebuchtet. Auf dem
Hinterflügel, nahe der Wurzel, verborgen unter der Erweiterung der Vorder-
flügel, ein Haarbusch; ein zweiter langer Haarbusch nahe dem Innenrande, dem
Ende des Hinterleibes gegenüber.
Clerone. Innenrand der Vorderflügel beim S schwach erweitert. Hinter-
flügel oben, nahe dem Ende der Brust, beim S mit einem Büschel feiner Haare.
Thaumantis. Auf der Oberseite der Hinterflügel, nahe der Wurzel, theil-
weise vom Innenrande der Vorderflügel bedeckt, beim S ein Haarbusch.
5. Brassolinen.
Opsiphanes. Ein langer Haarpinsel in der Mittelzelle der Hinterflügel,
auf der Oberseite, nahe dem Ursprünge des ersten Astes der Mediana ; ein zweiter
Haarpinsel näher dem Innenrande, dicht an der Submediana, etwa der Mitte des
Hinterleibes gegenüber. Bei Opsiphanes Soranus ausserdem ein Bündel
krummer, blass lederbrauner Haare zwischen Costaiis und Subcostalis. — Auch
bei Opsiphanes Cassiae sehe ich nahe der Flügel wurzel zwischen Costaiis
und Subcostalis ein Büschel zarter, aber gerader und dem Flügel gleichfarbiger
Haare uud ihnen gegenüber auf der Unterseite der Vorderflügel einen kleinen
matten grauen Fleck zwischen Mediana und Submediana, letzterer anliegend.
Caligo. Hinterflügel des S mit einem kleinen Haarbusche nahe dem
Innenrande, der Mitte des Hinterleibes gegenüber.
Narope. „Die Submediana der Vorderflügel ist beim S gebogen, um Raum
zu geben für einen Fleck mit langen orangefarbenen Haaren, die auf der Unter-
seite zwischen Mediana und Submediana entspringen. Ihm gegenüber eine ge-
glättete Stehe auf der Oberseite der Hinterflügel."
Dasyophthalma. Innenrand der Vorderflügel mehr gewölbt beim J,
als beim $; auf der Oberseite der Hinterflügel des S ein eirunder sammetartiger
Fleck, den die Subcostalis und ihr Ast durchschneiden ; ein kleiner eirunder Fleck
nahe der Wurzel der Mittelzelle ist schuppenlos, trägt aber einen aufrechten
schwarzen Haarbusch.
6. Acraeinen und 7. Heliconinen.
In den wenigen Gattungen dieser beiden Gruppen scheinen den cJ ähnliche
Auszeichnungen zu fehlen.
Ueber Haarpinsel, Filzflecke und ähnliche Gebilde etc. c-iy
8. Nymphalinen.
Das d von Lachnoptera trägt auf der Oberseite der Hinterflügel, nahe
dem Vorderrande einen eigenthümlichen Fleck haarähnlicher Schuppen. Diese
sind lang, fast linienförmig, am Grunde tief ausgerandet und schwach verbreitert,
nach der Spitze in einen schlanken Stiel verjüngt und enden in eine fächerähn-
liche, aussen gefranzte Platte.
Bei Myscelia Orsis ist der „Hinterflügel des S von Zelle 5—7 mit einem
Filzfleck" versehen (Herrich-Schäffer).
Bei den S von Didonis Biblis finde ich einen auf dem dunklen Grunde
leicht zu übersehenden ansehnlichen schwarzen Fleck von kohlenartigem Aus-
sehen auf der Unterseite der Vorderflügel nahe dem Innenrande zwischen Sub-
mediana und Mediana, an der Stelle, wo letztere ihren ersten Ast abgibt; ein
kleinerer ähnlicher Fleck liegt nahe dabei, mehr wurzelwärts. Gegenüber liegt
ein kleiner schwarzer Fleck auf der Oberseite der Hinterflügel.
P r e p o n a. Ein Haarbusch steht auf dem Hinterflügel des d am Rande der
Rinne, die den Hinterleib umschliesst, und ihm gegenüber am Hinterleibe ein
eirunder, von einem nackten Saume umgebener Filzfleck.
Agrias. „Einige, wenn nicht alle Arten haben Haarpinsel auf den Flügeln"
(Butler).
n. Lemoniiden (= Eryciniden Swains).
Aus dieser Familie ist mir kein Beispiel durch eigenthümliche Haar- oder
Schuppenbildungen ausgezeichneter Männchen bekannt.
III. Lycaeniden.
Thecla. Bei sehr zahlreichen Arten sind die Vorderflügel der S bezeichnet
mit einem rundlichen, sammet- oder filzartigen Fleck, nahe dem Ende der Mittel-
zelle, der nicht selten eine mehr oder minder erhebliche Aenderung des Flügel-
geäders veranlasst. Bisweilen ist die Verschiedenheit des Aderverlaufs zwischen
$ und d derselben Art so gross, wie sonst zwischen Arten verschiedener Gattungen.
Grösse, Gestalt, Lage des Flecks wechseln ungemein. Meist ist er von dunkler
Farbe und dann, wenn in gleichfarbiger Umgebung, oft erst nach der Ent-
schuppung als dunkler Fleck der sonst farblosen Flügelhaut deutlich hervor-
tretend. Seltener ist er hell (gelb oder weisslich) auf dunklem (schwarzem oder
blauem) Grunde. So bei Thecla AmbraxWestw. (Gener. D. L., Taf . LXXV,
Fig. 7). Bei Thecla Bodora Hew. ist die Oberseite der Flügel mattblau, die
Vorderflügel mit breitem, braunem Vorderrande und Saum, der Fleck sehr gross
und glänzend blau.
IV. Papilioniden.
I. Pier inen.
Bei den S von Leptalis sind nicht selten, wie bei Euploea, Innenrand
der Vorder- und Vorderrand der Hinterflügel verbreitert, und es haben in diesem
Falle die Hinterflügel oben, die Vorderflügel unten eine grosse glänzende Stelle
mit sehr kleinen dicht angedrückten Schuppen, und inmitten derselben einen ei-
runden, matt kreideweissen oder aschgrauen Fleck. Wenn die Flügel ausgebreitet
sind, liegen die Flecken beider Flügel genau aufeinander.
r-jg Ueber Haarpinsel, Filzflecke und ähnliche Gebilde etc.
Die d" der meisten Caliidryas haben nahe der Wurzel und dem Vorder-
rande der Hinterflügel einen Fleck von kreidigem Aussehen („sac glanduleux"
Boisduval), dessen Farbe, Grösse und Gestalt nach den Arten sehr wechselt.
Bisweilen ist er bedeckt von einer Mähne langer Haare, die in der Mittelzelle
wurzeln. In anderen Fällen findet sich ihm gegenüber ein auf der Unterseite
der Vorderflügel zwischen Mediana und Submediana liegender Fleck. Dieser
Gegenfleck und die Mähne scheinen sich gegenseitig auszuschliessen ; wo ich die
Mähne finde (Argante, Trite), vermisse ich den Gegenfleck; wo dieser vor-
handen ist (Philea, Statira), fehlt die Mähne. Einige Arten (wie die indische
Pomona) tragen Haare auch am Innenrande der Vorderflügel. In einigen Fällen
endlich (Eubule) fehlen sowohl Haare als Flecken, wenn auch der Fleck der
Hinterflügel nicht spurlos.
Bei den (S einiger Arten von Nathalis, Gonoptery x und Colias kommen
ähnliche Flecken vor.
2. Papilioninen.
Die erste der von Felder unterschiedenen Abtheilungen der Gattung Pa-
pilio enthält den P. Priamus und die ihm nahe stehenden Arten der jetzt
wieder eingezogenen Gattung Ornithoptera. Bei den J dieser Abtheilung ist
der Innenrand der Hinterflügel sehr verbreitert und nach innen geschlagen ; die
Aussenseite des umgeschlagenen Randes ist schwächer beschuppt, längs der Sub-
mediana mit einer Mähne bräunlicher abstehender Borsten besetzt; die Wurzel-
hälfte des Umschlags ist abermals nach innen geschlagen ; die innere Fläche des
ganzen Randes ist schwarz beschuppt, ohne Haare.
Bei den J der zweiten Abtheilung, die ebenfalls aus Arten der früheren
Gattung Ornithoptera besteht, ist der Innenrand der Hinterflügel in ähnlicher
Weise nach innen umgeschlagen, jedoch an der Wurzel nicht abermals nach
innen, sondern wieder nach aussen zurückgeschlagen; die innere Fläche des um-
geschlagenen Randes und das von ihm bedeckte Stück des Flügels ist bräun-
lichweiss, etwas perlmutterglänzend und mit dichtem gleichfarbigen Pelz bedeckt.
In der fünften Abtheilung, welche Felder mit den nächstverwandten als
amerikanische Ornithopteren bezeichnet ^), ist die Bildung der männlichen Hinter-
flügel ähnlich, wie die der zweiten Abtheilung; dieselben sind am Afterwinkel
tief ausgebuchtet, der stark verbreitete Innenrand ist nach innen, der Wurzeltheil
des Umschlags aber wieder nach aussen umgeschlagen, die überdeckte Fläche
bräunhchweiss beschuppt und bis zur Submediana mit wunderbar dichtem seiden-
artigem weissen Pelz bekleidet.
V. Hesperiden.
In verschiedenen Gattungen ist bei den S der Vorderrand der Vorderflügel
umgeschlagen („Costalumschlag" Herrich-Schäffer), und die eingeschlossene Stelle
dicht mit blassem Daun bedeckt. Bei anderen Arten (Ismene Oedipodea)
haben die S einen grossen sammetartigen Fleck nahe der Wurzel der Vorder-
flügel, bei anderen (Flesperilla) sind sie durch einen „Schuppenwulst" der
l) Die an Aristolochia lebende Raupe unseres Papilio Nephalion, welche derjenigen der
Ornithoptera Heliacon. (Boisduval, Spec. gen. Lepid. PI. I, Fig. i) ganz ähnlich ist, rechtfertigt diese
Bezeichnung.
Ueber Haarjiinsel, Fil/flcckc und ähnliche Gebilde etc. coq
Vorderflügel ausgezeichnet, während bei Caecina „der Innenrand der Vorder-
flügel nahe der Wurzel vorspringt, unten geglättet ist und einen Haarbusch der
Hinterflügel bedeckt."
Soweit die Tagfalter. Dass auch unter den Nachtschmetterlingen ähnliche
Gebilde nicht fehlen, beweist Calesia comosa Guen., deren d einen mächtigen
Haarbusch auf der Oberseite der Vorderflügel tragen ^).
Wie entfernt auch von Vollständigkeit vorstehende Uebersicht sein möge,
sie wird genügen, die weite Verbreitung der betreffenden Gebilde unter den Tag-
faltern, sowie nicht minder ihre überraschende Mannichfaltigkeit zu zeigen. Welche
Verschiedenheit zwischen dem unglaublich dichten, schneeweissen, seidenartigen
Pelz in dem breiten Umschlage der Hinterflügel von Papilio Nephalion,
dem von langer Mähne überdeckten unter dem Innenrande der Vorderflügel ge-
borgenen grossen kreidigen Fleck der Hinterflügel von Callidryas Trite,
dem zierlichen Haarpinsel mitten auf dem Hinterflügel von Opsiphanes Cassiae,
und dem kohlenartigen Fleck inmitten des glänzenden Morphoblau des Vorder-
flügels einer Thecla! Und doch finden sich bei aller Verschiedenheit gewisse
gemeinsame Züge. Gemeinsam ist zunächst der Mehrzahl dieser Bildungen, dass
sie für gewöhnlich nicht offen liegen, sondern eingeschlossen sind, sei es, und
das ist der häufigste Fall, zwischen Innenrand der Vorder-, und Vorderrand der
Hinterflügel, sei es zwischen Innenrand der Hinterflügel und Hinterleib, sei es in
einem Umschlag am Vorderrande der Vorder-, oder am Innenrande der Hinter-
flügel, sei es endlich in besonderen Furchen, Schlitzen oder Taschen. Nicht selten
liegt dem Haarbusch oder Fleck eine kahle Stelle oder auch ein ähnlicher Fleck
des anderen Flügels oder des Hinterleibes gegenüber. Wo Flecken oder Haar-
büsche frei auf der Fläche der Flügel liegen, finden sie sich auf der Oberseite,
so dass sie auch in diesem Falle, wenn der Falter mit emporgeschlagenen Flügeln
ruht, zwischen den Flügeln eingeschlossen sind. Niemals scheinen sie auf der
Unterseite der Hinterflügel und des vorderen, von den Hinterflügeln unbedeckt
gelassenen Theiles der Vorderflügel vorzukommen. Die Schuppen der Flecken
pflegen sehr dicht gedrängt und daher fast aufrecht zu stehen und bei weitem
fester zu haften als die übrigen Schuppen der Flügel. Nach dem Entschuppen
bleiben die Flecken nicht nur an den dichtgedrängten Anheftungsstellen der
Schuppen kenntlich, es pflegt auch ihre Haut mehr oder weniger getrübt oder
selbst dunkel gefärbt zu sein. Nicht selten sind sie von baumartig verästelten
oder netzförmig verbundenen Luftröhren durchzogen. — Die zwischen den Flügeln
oder zwischen Flügel und Hinterleib verborgenen Pinsel, Mähnen oder Haar-
büsche pflegen sich zu sträuben, sobald die Flügel von einander oder vom Hinter-
leibe entfernt werden Eines willkürlichen Sträubens dürften auch alle frei auf
der Fläche der Flügel liegende Pinsel fähig sein; bei Opsiphanes Cassiae
kann der in der Mittelzeüe der Hinterflügel liegende Haarpinsel zu einer voll-
ständigen Halbkugel sich auseinanderspreizen. —
Die bei weitem häufigste Bildung, Fleck oder Haarbusch am Vorderrande
der Hinterflügel, zwischen Costaiis und Subcostalis, bedeckt vom Innenrande der
I) Chenu, Encyclop. d'hist. nat. Lepidopt. II, pag. 132, Fig. 114.
-j^Q Ueber Haarpinsel, Filzflecke und ähnliche Gebilde etc.
Vorderflügel, kommt bei so weit verschiedenen Faltern vor, bei Danainen (Eii-
ploea, Ithomia und Verwandte), bei Satyrinen (Mycalesis, Bia), bei Mor-
phinen (Zeuxidia), bei Brassolinen (Opsiphanes), bei Nymphalinen (Lach-
noptera), bei Pierinen (Leptalis, Callidryas) und bei Hesperiden (Caecina),
dass an Ererbung von gemeinsamen Vorfahren kaum zu denken ist, man müsste
denn eine ähnliche Bildung schon dem d der Stammform aller Tagfalter zu-
schreiben und annehmen wollen, dass dieselbe der Mehrzahl seiner Nachkommen
verloren gegangen sei. Aber mit fast gleichem Rechte würde man dann das d
jenes Urtagfalters mit Fleck oder Haarbusch am Innenrande der Hinterflügel
ausrüsten müssen, die bei Danainen, Satyrinen, Morphinen, Brassolinen und Nym-
phalinen vorkommen und an welche sich die bei Papilionen auftretende Bildung
anschliesst. Weit wahrscheinlicher ist es, dass diese Ausrüstung der Männchen
mit eigenthümlichen Schuppenflecken und Haarbüschen sich erst später und un-
abhängig in verschiedenen Gruppen gebildet hat. Dafür spricht auch ihre grosse
Verschiedenheit innerhalb derselben Familie oder selbst derselben Gattung (Myca-
lesis). Was also in dem entferntest stehenden Gruppen der Tagfalter diese
Flecken und Haarbüsche Gemeinsames haben, wird, da es sich kaum auf gemein-
samen Ursprung zurückführen lässt, als Anpassung an die gleiche Verrichtung
aufzufassen sein. Welches diese Verrichtung sei, darüber sind bis jetzt, soweit
mir bekannt, nicht einmal Vermuthungen laut geworden.
Zufällig lernte ich vor kurzem die Bedeutung der Flecken und Haare bei
einer Art kennen und konnte seitdem die Vermuthung, dass sie die gleiche Be-
deutung auch in allen übrigen Fällen haben möchten, bei mehreren anderen Arten
aus verschiedenen Familien bestätigen.
Ich hatte ein jugendfrisches S von Callidryas Argante gefangen und bog,
um einem Freunde die mähnenartige Behaarung der Hinterflügel zu zeigen, Vorder-
und Hinterflügel auseinander. Dabei kam mir ein deutlicher etwas moschusähn-
licher Duft entgegen und ich überzeugte mich, dass derselbe von den beim Aus-
einanderbiegen der Flügel sich sträubenden Haaren ausging. Diese Beobachtung
habe ich dann an zahlreichen Männchen derselben Art wiederholt und nur bei
einigen alten abgeflatterten, zerschlissenen Stücken den Geruch nicht sicher wahr-
nehmen könrien. Von anderen ähnlich ausgestatteten Schmetterlingsmännchen
habe ich seitdem nur wenige zu beriechen Gelegenheit gehabt. An einem c^ von
Prepona Laertes bemerkte ich einen nicht eben starken, doch unverkennbaren
Geruch, der von dem Haarbusche der Hinterflügel ausging. Mehrere meiner
Kinder bemerkten nicht nur denselben Geruch, den sie (ziemlich treffend, wie mir
scheint) als Fledermausgeruch bezeichneten; sie fanden auch dieselbe Stelle als
Sitz des Geruches heraus. Einen ebenfalls nicht starken, angenehmen, etwas
vanilleartigen Geruch verbreitete ein ^ von Dircenna Xantho; auch hier Hess
ich meine Kinder den Ausgangspunkt des Geruches aufsuchen, als welchen sie,
wie ich selbst, den „Haarpinsel" am Vorderrande der Hinterflügel erkannten.
Weit kräftiger, als bei den drei eben genannten Arten ist der wie bei Prepona
fledermausartige Geruch, der von den grossen schwarzen Flecken auf den Vorder-
flügeln einer der prächtigsten unserer Thecla- Arten (Th. Atys Cr.) ausgeht.
Noch mehrere Wochen nach dem Tode ist dieser Geruch deutlich wahrzunehmen.
Die Oberseite der Vorderflügel ist bei den S dieser Thecla nach innen blau,
Ueber Haarpinsel, Filzflecke und ähnliche Gebilde etc. e^j
nach aussen schwarz; der schwarze Saum verbreitet sich von der Hinterecke, wo
er etwa 75» bis zur Flügelspitze, wo er etwa Yg der Länge einnimmt; auch der
Vorderrand ist bis zur Costaiis schwarz. In dem blauen Theile liegen nun zwei
grosse tiefschwarze Flecken, getrennt durch einen blauen Streifen, welcher die
Lage der die Mittelzelle schliessenden Queradern bezeichnet. Es liegt also der
eine Fleck, und zwar ist dieser kleiner, innerhalb, der andere grössere ausserhalb
der Mittelzelle. Der innere Heck ist fünfeckig mit gerundeten Ecken ; er füllt
das Ende der Zelle vollständig, reicht an der Subcostalis fast bis zum Ursprung
ihres ersten Astes, am dritten Aste der Mediana etwa halb so weit und ist wurzel-
wärts begrenzt durch zwei am verkümmerten Wurzeltheil der Discoidalis im
rechten Winkel zusammenstossende Linien. Der äussere Fleck, durch Queradern
vom Innern geschieden, stösst nach vorn an die obere Discoidalader, nach hinten
an den zweiten Ast der Mediana, überragt also in dieser Richtung den Innern
um etwa ein Drittel ; er bildet ein querliegendes Eirund, dessen Achsen sich etwa
wie 5 zu 6 verhalten. Die untere Discoidalader und der dritte Ast der Mediana
durchschneiden ihn; jenseits des Fleckes erstreckt sich von jedem der drei so
gebildeten Stücke aus ein spitzer dreieckiger blauer Fleck in den schwarzen
Saum des Flügels. Die Oberfläche beider Flecken mag zusammen fast Yk, von
der des ganzen Flügels betragen. Die dichtgedrängten Schuppen der Flecken
haften sehr fest; nach der Entschuppung erscheint der äussere Fleck leicht gelb-
lich getrübt, der innere stark gebräunt und fast undurchsichtig; die Haut des
letzteren springt etwas über die untere Fläche des Flügels vor. Vergrössert zeigt
der äussere Fleck ausser den dichtstehenden Anheftungsstellen der Schuppen nur
einzelne zarte, kaum verästelte Luftröhren, die von den benachbarten Flügeladern
her eintreten. Dagegen sieht man in dem innern Fleck (besonders deutlich, wenn
man ihn von unten betrachtet), ein ziemlich dichtes Netz nicht sehr feiner Luft-
röhren und zwischen diesen rothbraune, durchsichtige Punkte.
Von reichlichen baumförmig verästelten Luftröhren ist auch der Fleck der
Callidryas Argante durchzogen. Derselbe ist etwas blässer als seine Um-
gebung, von der er sich nicht scharf abhebt; deutlicher tritt er nach dem Ent-
schuppen als trübe Stelle hervor. Er liegt in dem stumpfen Winkel zwischen
der Subcostalis und ihrem Aste, durch einen lichten Saum von beiden Adern
getrennt, aus denen Luftröhren zu ihm gehen. Er ist etwa 3 mm lang bei 0,6 mm
grösster Breite. Die den Fleck überdeckende Mähne aus etwa 5 mm langen
Haaren entspringt von einem bis 1,3 mm breiten Streifen, der sich in der Mittel-
zelle von der Wurzel her auf etwa 10 mm an der Subcostalis hinzieht. Y-
Was mich nun vermuthen lässt, dass dieselbe Verrichtung, die bei den d
von Callidryas Argante, Thecla, Prepona Laertes und Dircenna
Xantho, also Arten aus vier weit verschiedenen Familien, für die Flecken und
Haarbüschel ihrer Flügel durch Beobachtung festgestellt wurde, nämlich Gerüche
auszuhauchen, die wahrscheinlich ihren Weibchen angenehm sind und sie zur
i) Neben Argante kommt hier eine sehr ähnliche blassere Art oder Abart vor, die ziemlich gut
zu Boisduval's Beschreibung von C. Agarithe stimmt und sich in Betreff des Geruchs, wie die ächte
Argante verhält. Bei ihr ist der Fleck grösser, er reicht nicht nur bis an die Subcostalis und ihren
Ast heran, sondern füllt auch den spitzen Winkel zwischen diesen beiden Adern. Unter den Stücken,
die ich eben zur Hand habe, finde ich keine Uebergänge zwischen beiden Formen.
_ ., Ueber Haarpinsel, Filzflecke und ähnliche Gebilde etc.
Begattung reizen, — was mich vermuthen lässt, dass dieselbe Verrichtung allen
ähnlichen Gebilden auf den Flügeln männlicher Tagfalter zukomme, ist nicht nur
die bei aller Mannichfaltigkeit unverkennbare Aehnlichkeit derselben; es sind
mehr noch die bereits hervorgehobenen Eigenthümlichkeiten dieser Flecken,
Pinsel u. s. w., welche dieselben für eine derartige Verrichtung besonders taug-
lich erscheinen lassen. Dieselben sind für gewöhnlich nicht der Luft ausgesetzt,
sondern zwischen Vorder- und Hinterflügel oder sonst wie eingeschlossen oder
doch in der Ruhe zwischen den aufgerichteten, aneinanderliegenden Flügeln des
Falters geborgen. So kann der Riechstoff nicht zur Unzeit verdunsten und kann
sich zwischen den dicht gedrängten fast aufrechten Schuppen der Flecken,
zwischen den Haaren der Pinsel, Büsche und Mähnen anhäufen. Kaum aber
dürfte auf wirksamere Weise ein riechender Stoff zu voller Wirkung zu bringen
sein, als wenn man mit ihm die Haare eines Pinsels tränkt und diese dann plötz-
lich nach allen Seiten auseinanderspreizend für die Verdunstung eine gewaltige
Oberfläche schafft.
Wie die Ageronien, die ich im letzten Sommer zahlreich in vier Arten zu
beobachten Gelegenheit hatte, wie es scheint, nur während der Liebeswerbung
das eigenthümliche knallende Geräusch beim Fliegen vernehmen lassen, so mögen
die mit Haarbüschen, Pinseln u. dgl. ausgestatteten Schmetterlingsmännchen die-
selben ebenfalls nur bei derselben Veranlassung ihren Duft verbreiten lassen.
Kürzlich fing ich ein Pärchen von Hesperia Orcus Cr., das sich dicht um-
flatternd im Begriff schien, sich zu vereinigen. Als ich das im Käscher todt-
gedrückte Männchen herausnahm, fand ich den Costalumschlag des einen Flügels
aufgeklappt und in der Ebene des Flügels ausgebreitet. Es ist mir das bei den
S dieses und anderer Dickköpfe sonst noch nicht begegnet und ich wüsste nicht,
wie ich beim Zusammendrücken der Brust das Aufklappen hätte zu Wege bringen
können. Wahrscheinlich war dasselbe schon vorher von dem brünstigen Männchen
selbst bewirkt worden.
Von vorn herein habe ich nicht erwartet, bei allen betreffenden Arten auf-
fallende oder überhaupt für menschliche Nasen w^ahrnehmbare Gerüche zu finden.
Wie der Sinn des Geruchs bei uns ein selbst im Vergleich mit vielen Säugethieren
höchst dürftig entwickelter ist, so dürfte er dies in noch höherem Grade sein,
wenn wir uns mit gewissen Kerfen und namentlich Schmetterlingen messen. Auf
welche unglaubliche Entfernungen jungfräuliche Weibchen von Nachtschmetter-
lingen die Männchen herbeiziehen, ist bekannt. Für die Tagfalter genügt die
Sicherheit, mit der sie die als Nahrung für ihre Larven tauglichen Pflanzen heraus-
zufinden wissen, um die Schärfe ihres Geruchsinnes zu beweisen. So mag für
Tagfalterweibchen als starker Duft erscheinen können, was für menschliche Nasen
nicht zu erspüren ist. Ich war daher nicht überrascht, an den Filzflecken ver-
schiedener Thecla arten, sowie an dem sehr ansehnlichen, von stattlicher Mähne
bedeckten kreidigen Fleck von Callidryas Trite nichts riechen zu können,
und vermag darin kein Bedenken gegen die AUgemeingiltigkeit meiner Deutung
dieser Flecken zu finden.
Es sei mir vergönnt, bei dieser Gelegenheit hinzuweisen auf noch einige
andere Geruch verbreitende Gebilde bei Schmetterlingen,
Die Männchen der meisten Glaucopiden vermögen am Ende des Hinterleibes
auf der Bauchseite zwei lange hohle Fäden vorzustülpen. Bisweilen (Leucop-
Ueber Haarpinsel, Filzflecke und ähnliche Gebilde etc. c^t
sumus sp.) sind diese Fäden von mehr als Körperlänge und biegen sich dann
beim Hervortreten in Gestalt eines Widderhornes. In der Regel sind sie mit
Haaren besetzt, die beim Vorstülpen sich aufrichten, und meist verbreiten sie
einen mehr oder weniger starken, für uns widerlichen Geruch; besonders stark
und nicht unangenehm, zugleich an Blausäure und Chloroform erinnernd, ist der-
selbe bei der prächtigen Belemnia inaurata (Euchromia Eryx). Ganz ähn-
liche, stark riechende Fäden fand ich bei einer Motte, deren Namen ich nicht
kenne. 1) — Bei aller äusseren Verschiedenheit sind auch bei diesen Fäden der
Glaucopiden-Männchen dieselben beiden Erfordernisse eines Räucherwerkzeugs
ausgebildet, die wir bei den Haarpinseln vieler Tagfalter trafen : Schutz vor Ver-
dunstung zur Unzeit und Entfaltung einer grossen Oberfläche, wenn der Geruch
sich einstellen soll.
Bemerkenswerth ist, dass in dem Verwandtschaftskreise der Ithomien beider-
lei Bildungen vorkommen und sich zu vertreten scheinen; bei Lycorea fehlen
die „Haarpinsel" am Vorderrande der Hinterflügel, die der Mehrzahl der Gattungen
zukommen; dagegen besitzen hier die Männchen jederseits am Ende des Hinter-
leibes einen grossen theilweise einziehbaren Haarbusch. Aehnlich ist es unter den
Pierinen. Auch hier giebt es Arten, eine wenigstens ist mir bekannt — , die
Gerüche erzeugen nicht an den Flügeln, sondern am Ende des Hinterleibes.
Das d von Daptonoura Ilaire trägt dicht vor den Afterklappen auf der
Bauchseite einen etwa 4 mm langen, nicht einziehbaren Pinsel grauer Haare, der
sich in der Ruhe dicht an den Bauchrand der Afterklappen anlegt, sie ein wenig
überragend. Er lässt sich, was man durch Drücken des Hinterleibes bewirken
kann, nach allen Seiten auseinanderspreizen und verbreitet dann einen sehr deut-
lichen, wenn auch schwachen Geruch. Das $ der Daptonoura Ilaire habe
ich noch nicht gefangen, doch zweifle ich nicht, dass der Haarpinsel nur dem S
zukommt und dass dessen Geruch dem Anlocken der $ und nicht der Abwehr
von Feinden dient. Gerüche, welche letzteres bewirken, pflegt der Schmetterling
natürlich zu entwickeln, sobald er gefangen wird. So stülpen die Weibchen der
verschiedenen Maracuja-Falter (Heliconius, Eueides, Colaenis^), Agrau -
lis), wenn man sie ergreift, zwischen der 7. und 8. Rückenplatte des Hinter-
leibes zwei in der Mittellinie zusammenstossende fleischige Wülste vor, die einen
mehr oder weniger lebhaften Geruch verbreiten, während ihre Männchen bei
gleicher Veranlassung die Afterklappen auseinanderspreizen, an deren Innenseite
ähnhche riechende Wülste sitzen. — Fängt man das Männchen von Didonis
Biblis, so lässt es auf dem Rücken des Hinterleibes zwischen dem 4. und
5. Ringe zwei rundliche, in der Mittellinie zusammenstehende, mit kurzen grauen
Haaren bedeckte riechende Wülste hervortreten ; durch Drücken des Hinterleibes
kann man noch zwei ähnliche Wülste zwischen dem 5. und 6. Ringe hervortreiben ;
sie sind mit etwas längeren weissen Haaren besetzt, die sich beim Hervortreten
nach allen Seiten auseinanderspreizen. Ich bedauere, nicht angeben zu können,
wie sich die Weibchen von Didonis in dieser Beziehung verhalten.
Die durch Bat es so berülimt gewordenen Ithomien des Amazonas, die den
dortigen Leptalis und manchen anderen nachahmenden Faltern als Vorbilder
i) Dr. Staudinger bestimmte sie als Cryptolechia spec.
2) Obwohl ich die Raupen von Colaenis noch nicht kenne, ist es mir kaum zweifelhaft, dass auch
sie, wie die der drei nächstverwandten Gattungen, an Maracuja (Passiflora) leben.
CAA Ueber Haarpinsel, Filzflecke und ähnliche Gebilde etc.
dienen, sollen durch unangenehmen Geruch vor Verfolgung durch Vögel ge-
schützt sein. Ob dies derselbe Geruch ist, den die Haarpinsel der Männchen
voraussichtlich auch bei ihnen, wie bei der nächstverwandten Dircenna Xan-
tho, verbreiten? In diesem Falle würde sowohl die nach Bat es hundertfach
überwiegende Zahl der Männchen, als die vollkommene Uebereinstimmung der
beiden Geschlechter in Zeichnung und Färbung sich verstehen lassen, Wenn nur
Männchen den die Verfolger abstossenden Geruch besässen, so würden diese
letzteren bei gleicher Zahl der Geschlechter eben so oft eine geniessbare, wie
eine unschmackhafte Beute fangen; sie würden sich deshalb kaum der Jagd auf
die Ithomien entwöhnen. Dies aber würde um so sicherer geschehen, je mehr die
ungeniessbaren Männchen an Zahl überwögen, je seltener also die Jagd einen
schmackhaften Bissen lieferte. Die Weibchen aber, selbst des schützenden Ge-
ruches entbehrend, würden nur durch ihre UnUnterscheidbarkeit an der Sicher-
heit Theil haben, welche die Männchen in dem Gerüche ihrer Haarpinsel fänden.
So wäre in diesem Falle die gleiche Färbung der beiden Geschlechter für die
Weibchen eine schützende Aehnlichkeit, auf dieselbe Weise durch natürliche
Auslese hergestellt und erhalten, wie die der nachahmenden Leptalis,
Ich schliesse mit dem Wunsche, dass Forscher, denen reiche Sammlungen
zugänglich sind, über das Vorkommen und den feineren Bau, und dass Beobachter
der lebenden Thiere über etwaige Gerüche der Haarpinsel, Filzflecke und ähn-
licher Gebilde auf den Flügeln männlicher Schmetterlinge bald weitere Auf-
schlüsse geben mögen. Hierzu anzuregen ist der einzige Zweck dieser Zeilen,
da, was ich selbst bieten konnte, kaum der Mittheilung werth gewesen wäre.
Itajahy, Santa Catharina, Brazil im April 1876.
Nachtrag.
Von Didonis Biblis habe ich im Laufe des letzten Monats ausser einer
Menge Männchen, die fast täglich in Mehrzahl gefangen wurden, auch eine ziem-
liche Anzahl Weibchen zu untersuchen Gelegenheit gehabt, welche letzteren, wenig-
stens jetzt und hier, vielmal seltener sind, als die Männchen.
Die Weibchen besitzen nur die vorderen beiden Wülste, das hintere Paar
fehlt ihnen vollständig; die vorderen Wülste sind etwas kleiner, die Haare oder
besser haarähnlichen, am Ende verbreiterten und abgerundeten Schuppen der-
selben spärlicher, als beim 0, doch ihr Geruch nicht minder kräftig. Dieser Ge-
ruch, wie der der entsprechenden vorderen Wülste des J, wurde von meinen
Kindern fast einstimmig als unangenehm, widerlich, — dagegen der Geruch der
hinteren Wülste des Männchens mit Einstimmigkeit als angenehm, blumenartig
bezeichnet und mit dem von Heliotrop verglichen. Diese hinteren weissen, den
Weibchen fehlenden Wülste heben sich so grell ab von dem schwarzen Hinter-
leibe, sie sehen so allerliebst aus, dass sie höchst wahrscheinlich nicht nur durch
ihren Duft, sondern auch als Zierrath das Wohlgefallen der Weibchen erwecken.
Dasselbe wird auch gelten von den Flecken auf den Vorderflügeln der Thecla-
Männchen in den Fällen, wo dieselben hell auf dunklem Grunde erscheinen oder,
wie bei Thecla Bodora in glänzendem Blau strahlen.
Mai 1876.
Aus einem Briefe von Fritz Müller aus Brasilien^).
.... Kürzlich {25. Oct. — 20. Dezb. 1876) habe ich nun endhch meinen lang
geplanten Ausflug in's Hochland unserer Provinz ausgeführt. Es war eine sehr
lohnende und genussreiche, und dabei nach hiesigen Begriffen — mit sehr wenig
Beschwerden und Entbehrungen verbundene Reise; ein Europäer würde freilich
nicht gerne wochenlang Haus, Stuhl, Tisch, Bett u. s. entbehren mögen. Die
Flora im Westen der Serra, im Quellgebiet des Uruguay war mir eine ganz neue,
wunderlich gemischt aus brasilianischen Formen, aus anderen, die oft aufs Täu-
schendste Arten der alten Heimat (Deutschland) glichen (so eine dem Geum
urbanum überaus ähnliche Art) und aus der nördlichen Halbkugel eingewandert
scheinen, und wieder anderen, die von Süden hergekommen sein dürften, z. B.
eine sehr häufige Drymis, ein schönblühender Strauch mit sehr aromatischer
Rinde. Die bezeichnendsten und auffallendsten Pflanzen jenes Gebietes sind die
Araucaria brasiliensis, verschiedene riesige Bambusaceen, die in den meisten
Auracarien und Laubwäldern zum Theil fast undurchdringliche Dickichte bilden,
und eine überaus häufige Baumform Xaxim (Schasching) genannt (Dicksonia
Sellowiana), dessen Stamm mit einem überaus dicken braunen Luftwurzelfilz um-
polstert ist; z. B. bei einem Stamme von 0,45 m Durchmesser kam nur 0,09 m
auf den eigentlichen Stamm, der Rest auf den Wurzelfilz. Bisweilen benutzt
man diese Farn zu Zäunen; man pflanzt sie dicht nebeneinander, bei weiterem
Wachsthum verschmilzt dann dies Filzpolster der benachbarten Stämme mitein-
ander und der ganze Zaun bildet eine einzige zusammenhängende Mauer.
Zu den an Deutschland erinnernden Blumen gehören auch mehrere Veilchen-
arten, von denen eine, weissblühend, durch ihre cleistogamischen Blüthen merk-
würdig ist, einmal, weil diese Blüthen sich unter der Erde entwickeln, und
zweitens, weil hier die sonstige Regel nicht zu gelten scheint, dass offene und
cleistogamische Blüthen gewissermassen einander vertreten; oder richtiger, dass
letztere die mangelnde Fruchtbarkeit der ersteren ersetzen. Auf der Höhe der
Serra fand ich die weissen Veilchen in voller Blüthe, die offen gewesenen Blüthen
hatten reichlich Früchte angesetzt und gleichzeitig waren in grosser Anzahl
unterirdische Blüthen und Früchte vorhanden. Einige Stunden weiter am Fusse
der Serra in der Nähe des Rio Tayo waren die Veilchen bereits fast ganz ver-
I) Flora 1877. p. 239, 240.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 35
546
Aus einem Briefe von Fritz Müller aus Brasilien.
blüht (ich sah sie hier auf der Hinreise blühen); ich konnte nicht eine einzige
Frucht über der Erde und nur äusserst wenig unter der Erde finden.
In meiner Nachbarschaft (Blumenau) kann ich mich nicht einer Pflanze mit
hygroskopischen in die Erde sich einbohrenden Samen entsinnen, höchst über-
rascht war ich daher, auf den Campos jenseits der Serra eine ganze Menge an-
zutreffen. Ausser einem kleinen Storchschnabel- (Erodium?) über ein Dutzend
Gräser, Stipaceen, Avenaceen, Andropogoneen u. s. w., und jedenfalls giebt es
deren dort noch weit mehr, da ja mein Besuch in den Anfang des Sommers
fiel, am 20. November hatten wir noch starken Reif. Unter diesen Grassamen
waren manche recht eigentümlich und abweichend von den Formen, die Francis
Darwin beschrieben hat. Vor allen interessant war mir eine Aristida, bei der
die 3 Aeste der Grannen bis fast 0,2 m Länge erreichten. Trocknend breiten
sich diese Aeste in einer auf der Achse des Samens senkrechten Ebene aus, und
der Samen wird durch diese so langen Aeste in fast senkrechter Stellung ge-
halten. Um die Aristidapflanzen herum pflegten sich noch immer zahlreiche
Samen zu finden, die sich schon mehr oder weniger vollständig in den recht
harten, trockenen Boden eingebohrt hatten. — Ausser diesen fand ich noch drei
andere Arten von Aristida.
Blumenau, Sa. Catharina.
A correlagäo das flores versicolores e dos insectos
pronubos^).
Muito escassas säo ate agora as observagöes que possam elucidar a signi-
ficagäo biologica das flores versicolores ou de cor mudavel.
Ainda hoje, como, ha perto ja de um seculo disse Brotero -), a cor das co-
rollas e ordinariamente desprezada pelos botanicos modernos. Ha compendios de
botanica, alias excellentes, que nem uma linha dedicam a cor das flores.
So Delpino'^) trata amplamente deste interessante assumpto e a eile tambem
säo devidas as unicas observagöes que possuimos, relativas a funcgäo das flores
versicolores. O distincto professor da universidade de Genova observou os in-
sectos, que visitavam as flores do Ribes aureum e da Caragana arborescens. Em
ambas essas plantas as petalas, amarellas a principio, tomam depois uma viva
cor alaranjada, e säo ambas mellitophilas, isto e, visitadas e fecundadas por hy-
menopteros apiarios. Ora, Delpino notou que no Ribes aureiim, sinäo todos os
apiarios, ao menos a Anthophora pilipes evitava visivelmente as flores alaranjadas,
e que da mesma sorte na Caragana arborescens os apiarios, que a frequentavam,
reservavam quasi exclusivamente as suas visitas as flores amarellas. Elle julga que
d'ahi se pode concluir que, em certos casos, a variagäo das cores nas plantas
versicolores, estäo em correlagäo causal com os insectos pronubos, aos quaes de-
nuncia assim o momento propicio para uma visita efficaz das flores. ^).
Ha pouco offereceu-se-me uma excellente occasiäo para, em outra planta de
flores versicolores, fazer uma serie de observa^öes, que conflrmam inteiramente a
opiniäo de Delpino. Estava e ainda esta florescendo perto de minha casa um
pequeno arbusto de uma especie de Lantana, cujos capitulos de flores se acham na
altura de um metro ate metro e meio, a mais commoda possivel para observagöes
desta natureza. As flores duram tres dias, sendo amarellas (cor de gemma de ovo)
no primeiro, de cor approximada a de laranja, no segundo; röxas ou purpureas,
no terceiro; as cores, pois, säo täo differentes, que e impossivel confundil-as.
i) Arch. do Museu Nacional Rio de Janeiro 1877. Vol. II. p. 19 — 23.
2) Felix Avellar Brotero^ Compendio de Botanica. 1788. Tome I. pag. 144.
3) Frederico Delpino, Ulteiiori observazioni sulla dicogamia nel regno vegetal. Parte II fasc.
pag. 629.
4) Delpino, — 1. c. pag. 29.
35*
(. -g A correlacäo das flores versicolores e dos insectos pronubos.
Emfim, o arbusto e facilmente accessivel por todos os lados, podendo-se escolher
sempre o logar mais commodo para observar os insectos visitantes, sem os in-
quietar ou afugentar. Näo devia deixar passar, sem aproveital-a, occasiäo täo op-
purtuna. Fui pois collocar-me de vigia, para espreitar o que haviam de fazer os
insectos que viessem visitar as flores da referida Lantana. Pela estreiteza do tubo
da corolla, e pelo seu comprimento, de cerca de um centimetro, facil era de prever
que OS insectos pronubos seriam lepidopteros, sendo estes os unicos capazes de,
com a sua tromba delgada e comprida, sugarem o mel no fundo de semelhante
corolla. Com effeito so uma unica v^ez vi uma Äugochlora graminea, Sm., hyme-
noptero da familia das Andrenideas, examinar varias flores, tanto röxas; como
amarellas, sem dellas poder tirar nem mel, nem pollen. De individuos pertencentes
aos Lepidopteros vi nas flores desta Lantana 12 differentes especies, a saber: a
Danais Erippus, Cram.; o Heliconius Apseudes, Hübn.; a Colaenis Dido, L. ;
a Colaenis Julia, Tabr. ; a Dione Juno, Cram.; a Hesperocharis Augustia God. ;
a Eurema Leuce, Boisd. ; a Pieris Elodia, Boisd. ; (ou P. Aripa, Boisd. ?) a Dap-
tonoura Lycimnia, Cram, ; a Callidryas Apris, Tabr. ; o Papilio Thoas, L. e uma
pequena especie da familia das Hesperideas, cujo nome ignoro. O Papilio Thoas
e a Colaenis Dido foram vistas so uma vez, mas fugiram ao approximar-me; da
mesma sorte fugiram a maior parte das outras borboletas, sem que eu pudesse
ver a quantidade de flores que visitavam. Felizmente pude observar ä vontade,
de 14 de Outubro ate 7 de Novembro, perto de 40 individuos das outras dez
especies, principalmente (ou por menos medrosas ou por mais absortas no seu
trabalho, e por isso as que melhor se prestavam a observagäo) o Heliconius Apseudes
e a Daptonoura Lycimnia.
As observa^öes que pude fazer sobre estas dez especies acham-se reunidas
nas notas seguintes:
1^ — Heliconius Apseudes. Observei 7 individuos desta especie, por mais ou
menos tempo; vi alguns delies visitarem de 20 para 30 e mais flores. E nem
sequer uma .so vez tocaram uma flor röxa ou alaranjada, sugando exclusivamente
nas flores amarellas ou do primeiro dia. Quanto ao mais, havia certas diffe-
rengas no modo de proceder dos quatro individuos que pude vigiar por mais
tempo no seu trabalho. O primeiro costumava chupar de duas ate quatro flores
amarellas em cada capitulo, voando depois a outro. O segundo chupava sempre
todas as flores amarellas de cada capitulo, cujo numero raras vezes excede a seis ;
o mesmo fazia quasi sempre o terceiro, nunca enfiando a tromba mais de uma
vez na mesma flor; fiquei muito admirado de ver que ate em um capitulo com-
posto de nove flores frescas, misturadas com as do segundo e do terceiro dias,
nem se esqueceu de nenhuma, nem visitou duas vezes a mesma flor. Pelo con-
trario, o quarto varias vezes tornou a chupar em flores que ja tinha visitado, e
isso em capitulo cujo numero de flores frescas näo excedia a tres ou quatro. As
flores desta Lantana näo desabrocham senäo pelas oito ou nove horas da manhä,
segundo se mostra mais claro ou escuro o dia; ora, näo e raro vir o Heliconius
Apseudes visitar a planta antes deste tempo, quando so ha flores do segundo e
terceiro dias; neste caso, conserva-se a pairar e a voltear, librando-se nas azas
em cima de um ou de outro capitulo, sem nunca pousar.
A corrclarfio das flores versicoloies c dos insectos pronubos. z^Q
2^ — Daptonoura Lycimnia. Pude observar de perto 13 individuos. Nunca
chuparam senäo flores amarellas. Uma unica vez vi uma borboleta desta especie
pousar n'um capitulo, em que so havia flores alaranjadas e roxas; porem, sem
chupar e sem se demorar, abandonou-o, procurando outro com flores novas. Esta
especie tambem costuma sugar todas as flores amarellas do capitulo que visita,
sem inserir mais de uma vez a sua tromba na mesma flor. Näo e muito raro
ver a Daptonoura Lycimnia voltar duas e ate tres vezes ao mesmo capitulo,
immergindo, de cada vez, a tromba em todas as flores do primeiro dia, o que näo
me lembra ter observado no Heliconius Apseiides.
^0 — yO) Y)si especie Colaenis Julia, que näo era muito rara na Laniana,
apenas tres individuos näo fugiram antes de me approximar, e somente estes
visitaram as flores amarellas; da mesma sorte dous individuos de Dione Juno,
um de Hesperocharis Augustia, um de Eurema Letice e um de Callidryas Cipris
sempre evitavam as flores alaranjadas e roxas.
8^ — Pieris Elodia. Esta especie, muito mais abundante aqui nesta prima-
vera do que costuma ser em outros annos, tambem näo e rara na nossa Lantana ;
mas sendo muito espantadiga, so pude observar tres individuos. O primeiro enflou
a tromba indifferentemente em flores amarellas e alaranjadas, isto e do primeiro
e do segundo dia. Os outros dous, porem, so visitavam as flores amarellas; um
delles, que observei por muito tempo, nem sempre soube evitar as flores cujo mel
ja tinha sorvido. Assim e que havendo na circunferencia de certo capitulo sete
flores, seis amarellas e uma alaranjada, eile chupou a flor que estava a direita
da alaranjada; depois, rodeando o capitulo, passou a chupar a segunda, a terceira
e assim por diante ate a sexta; evitou a septima, que era a alaranjada, metteu
a tromba outra vez na primeira e na segunda, passando em seguida para outro
capitulo.
9*^ — Danais Erippus. E' esta uma especie que se näo pode bem observar
sem afugental-a. Observei quatro individuos. Um chupava so flores amarellas,
evitando as alaranjadas e as roxas; os outros tres davam preferencia inequivoca
äs flores amarellas, pois que näo deixaram de metter a tromba tambem em algumas
das alaranjadas e ate — uma unica vez — em uma das roxas. Em 28 de Outubro
vi um individuo desta especie pousado nas flores da Lantana antes que houvessem
desabrochado as flores roxas ; por isso so podia procurar mel, mas sem achar, nas
flores do segundo dia. A Danais Erippus tem o costume de enfiar a tromba duas,
tres e ate quatro vezes em seguida na mesma flor da Lantana, porem näo em
todas; provavelmente so naquellas em cujo fundo encontra mel; nunca vi-o im-
mergir a tromba mais de uma vez em flor alaranjada.
10'^ — Finalmente, observei tres vezes uma pequena borboleta da familia das
Hesperideas; näo sei si os tres individuos eram da mesma especie, visto como
pertenciam a certas especies, numerosissimas nesta familia, que näo se podem
distinguir a primeira vista. Duas destas Hesperideas, que, entretanto, näo observei
por muito tempo, so chupavam cm flores amarellas; a terceira foi, de todas as
borboletas por mim observadas na Lantana, a unica, que näo pareceu importar-se
com a cor das flores, mettendo indifferentemente a tromba em flores amarellas,
alaranjadas e roxas.
. 1-Q A correlacfio das flores versicolores e dos insectos pronubos.
As observa9öes que acabo de referir provam sobejamente a funcgäo que
coube as flores versicolores da Lantana. Como nas especies observadas por Del-
pino, a mudan^a de cor indica aos insectos pronubos as flores que elles devem
visitar para se proverem de mel, e que säo justamente as mesmas que precisam
de suas visitas para serem fecundadas. E' evidente o beneficio que d'ahi colhe a
planta. Si as flores cahissem no flm do primeiro dia, flcava reduzido a terga
parte o numero deUas; seriam pois muito menos vistosos os capitulos, e muito
menos proprios para prendcr a attengäo das borboletas.
Si as flores durassem, tres dias, sem mudarem de cor, os insectos pronubos
perderiam o melhor de seu tempo em visitas inuteis a flores que por estarem ja
fecundadas, näo precisavam mais dessas visitas. As flores do segundo e terceiro
dia, distinguindo-se pela sua cor alaranjada ou roxa, das flores amarelladas do
primeiro dia, continuam a contribuir essencialmente para attrahir os insectos indis-
pensaveis ä fecundagäo, sem comtudo seduzil-os a visitas desnecessarias.
Mas porque motivo as borboletas säo levadas a visitarem so as flores do
primeiro dia? Sera por algum instincto, por algum habito hereditario e congenito,
em virtude do quäl ellas evitam as flores alaranjadas e roxas, visitando unicamente
as amarellas? Ou devera cada individuo aprender por si mesmo, pela sua propria
experiencia, que somente as flores amarellas retribuem com doce nectar o im-
portante servigo que eile Ihes presta transferindo o pollen de um para o estigma
de outra? As differen^as individuaes observaveis entre borboletas da mesma
especie parecem favorecer esta segunda hypothese. Porem as poucas observa^öes
que fiz säo ainda muito insufficientes para auctorisarem sobre tal assumpto,
resposto definitiva. O Brazil e assez rico em plantas de flores versicolores.
Bastara citar varias especies de Lantana e de Combreüim, diversas especies de
Pleroma (v. g. Pleroma Sellowianum e o magnifico «Jaguaritäo» da ilha de
S. Francisco), de Strychnos, ■ de AmphilopJiium, de Epidendrum, entre outros, o
Ep. cinnabariniim), etc.
As flores de todas as especies do genero Lantana e do Epidendrum cinnaba-
riniim säo provavelmente fecundadas por borboletas; as dos generös Pleroma e
Amphilophimn por apiarios e as do genero Combretiim por beija-flores. Conviria
verificar por meio de observa9öes directas si em todas essas plantas a mudanga
das cores tem a mesma significa^äo que Ihe attribuia Delpino.
As maculas sexuaes dos individuos masculinos das
especies Danais Erippus e D. Gilippus^).
Mit Tafel XLV.
Na exposigäo que da dos caracteres genericos dos Danais, diz Doubleday '^)
o seguinte a respeito das differerKpas sexuaes que se encontram nas azas dessas
borboletas : v os machos do primeiro grupo (comprehendendo especies africanas
que hoje formam o genero Amauris ^)) tem uma certa macula formada de escamas
muito bastas e de forma peculiar, situada na nervura submedia das azas pos-
teriores, perto do angulo anal. No segundo grupo (ao quäl pertencem todas as
especies americanas), a macula sexual «sexual spot» acha-se no primeiro ramo da
nervura media. No terceiro grupo, a macula sexual existe ou neste mesmo ramo
ou na nervura submedia; toma as vezes a forma de um verdadeiro bolso, que se
abre na superficie superior da aza e em cujo fundo, ao menos em exemplares
seccos, acha-se um p6 de cor parda. Nas especies do quarto grupo (que hoje
formam o genero Ideopsis^) falta a macula sexual das azas posteriores).
Tendo-se descoberto recentemente ^) que as maculas sexuaes das azas, carac-
teristicas dos machos de muitas borboletas, säo orgäos odoriferos que exhalam
um cheiro as vezes bastante forte, certamente agradavel as femeas das respectivas
especies, procedi ao exame dessas maculas sexuaes egualmente nas nossas duas
especies de Danais {Danais Erippus Cram. e D. Gilippus, Cram.) e achei-lhes
uma estructura muito interessante e que me parece merecer descripgäo circum-
stanciada. A macula sexual (conservo provisoriamente o nome de Doubleday ate
ser definitivamente estabelecida a sua funcQäo) e situada, nos machos do Danais
Erippus e do D. Gilipptis entre a nervura submedia e o primeiro ramo da media
da aza posterior, sendo separada do dito ramo unicamente por um intervallo muito
estreito que no D. Erippus näo eguala e no D. Gilippus pouco excede o diametro
do mesmo ramo (Fig. i, 2, 7 e 8), Ella e visivel em ambas as superficies, superior
i) Arch. do Museu Nacional Rio de Janeiro 1877. Vol. II. p. 25 — 29.
2) Doubleday, Westwood, Hewitson, Genera of diumal Lepidoptera, pag. 89.
3) Kirby, a synonymic Catalogue of diurnal Lepidoptera, 1871. pag. 8.
4) Kirby, 1. c. pag. 2.
5) Fritz Müller, no Kosmos, Zeitschrift, 1877. I pag. 391 = Ges. Schriften S. 587.
- c -i As maculas sexuaes dos individuos masculinos das especies Danais Erippus e D. Gilippus.
e inferior, da aza, formando uma pequena intumescencia preta, mais proeminente
na superficie superior. A cor preta näo e devida somente as escamas de forma
ordinaria que a cobrem, porque subsiste depois de removidas essas escamas, mas
a mesma membrana da aza que se acha escurecida e ao mesmo tempo um pouco
endurecida neste logar.
A forma da macula sexual approxima-se da elliptica, sendo o eixo maior
parallelo a nervura. Esta macula e muito maior na especie menor, que e o D.
Gilippus, tendo perto de 4 millimetros de comprimento sobre 1,5 ate perto de
2 millimetros de largura, emquanto que no Erippus raras vezes excede a 2 millimetros
de comprimento sobre 6 de largura, — A macula sexual e oca e forma, como
Dotibleday o vio em algumas especies do seu terceiro grupo do genero Danais,
uma especie de bolsa aberta na superficie superior da aza, onde existe, na margem
posterior da macula, uma fenda estreita occupando a metade pouco mais ou menos
do ambito. A parede inferior dessa bolsa ou cavidade e formada pela propria
membrana da aza; a parede superior separa-se da inferior, a pouca distancia da
nervura, sob um angulo muito agudo"; a margem livre ou posterior desta parede
curva-se ou enrola-se para o interior da cavidade, como e bem visivel em sec^öes
transversaes (Fig. 3 e 9).
Cumpre notar que no animal vivo a margem livre da parede superior
applica-se perfeitamente a parede inferior, ficando assim a cavidade fechada por
todos OS lados; e porem facil introduzir pela fenda, que separa as paredes, qual-
quer objecto delgado; o que sem mais explica^äo comprehender-se-ha a vista das
figuras 3 e g. — A membrana das azas dos insectos compöe-se, como se sabe,
de duas laminas quasi sempre conglutinadas. Estas duas laminas existem tambem
nas paredes da macula, ou, para melhor dizer, da cavidade sexual, mas separam-se
com muita facilidade, costumando haver, nos exemplares frescos, muito sangue
entre ellas. A lamina externa, como ja disse, e dura, quasi preta, coberta de
escamas ordinarias.
A lamina interna e muito mais delgada e offerece um aspecto assaz differente
nas duas especies.
No D. Erippus (Fig. 4) vem-se pequenos circulos um pouco mais transparentes
do que o resto da membrana, de cerca de o°"",oi de diametro, de cujo centro
eleva-se um pello recto de cerca de o^^jOÖ de comprimento. Esses circulos säo
dispostos em fileiras reguläres, e distam uns dos outros de o°"",o3 ate o'"'",o6.
Alternando com as fileiras dos circulos, acham-se implantadas escamas pardas,
opacas, muito menores do que as escamas ordinarias, das quaes se distinguem
igualmente pela forma.
No D. Gilippus (Fig. 10) os circulos säo muito mais approximados entre si
e chegam ate as vezes quasi a tocar-se; elles säo mais transparentes e o resto
da membrana mais opaca do que no D. Erippus. Faltam-lhes os pellos, porem
ainda se ve no centro um pontinho, ultimo vestigio e prova de sua existencia em
tempos passados, As escamas säo muito menores do que as do D. Erippus, tendo
apenas o""",04 de comprimento, o quäl e cerca de o'"'",o8 no D. Erippus. Prova-
velmente eram escaminhas destas o «po de cor parda» que Doubleday viu em
certas outras especies de Danais. Näo pude perceber cheiro que fosse exhalado
pelas azas dos machos de uma ou outra das duas espezies catharincnsis, porem
As maculas sexuaes dos individuos niasculinos das especies Danais Erippus e D. Gilippus. r c i
antes de passar a discutir a significagäo biologica que possam ter as maculas
sexuaes, convem descrever ainda succintamente outro orgäo peculiar ao sexo
masculino e que parece ter escapado ate agora a attengao dos entomologos.
Comprimindo-se fortemente o abdomen, sähe de cada lado do ultimo segmento
um tubo membranoso digitiforme (Fig. 6 u 12), fechado na extremidade, que sc
acha coberta de cabellos escuros os quaes se väo erigando ao passo que o tubo
sähe do abdomen, exhalando, ao mesmo tempo, um cheiro bastante forte no
D. Gilippus, e menos forte, sem deixar de ser bem distincto, no D. Erippus,
differenga esta que depende evidentemente da circumstancia de serem muito mais
numerosos, bastos e compridos os pellos naquella primeira especie. — Ao recolher-se
no abdomen, o tubo vira-se ou inverte-se de modo que a superfice que era externa
vem a ser interna, formando uma bainha ou estojo ao redor dos pellos, que parecem
nascer, em forma de pincel, no fundo do tubo.
Eis OS factos. Resta discutil-os. Havendo nas azas de numerosas especies
de borboletas, e unicamente no sexo masculino, escamas de forma peculiar, muitas
vezes reunidas em maculas bem circumscripta^ e em certos casos recolhidas em
sulcos ou pregas da aza — escamas e maculas que indubitavelmente funccionam
como orgäos odoriferos — parece muito provavel que as escamas modificadas,
encerradas na cavidade da macula sexual dos D. Erippus e Gilippus tenham ou
tiveram a mesma funcgäo. Talvez seja possivel encontrar ainda nas differentes
especies de Danais as formas intermediarias que liguem as bolsas das nossas
especies äs maculas que se acham patentes nas azas posteriores dos machos do
genero Amauris.
De mais, näo scSmente näo se percebe cheiro algum exhalado pelas azas de
D. Erippus ou Gilippus, do sexo masculino como tambem parece summamente
impropria para semelhante funccäo uma cavidade que so communica com o ar
por meio de uma fenda estreita e alem disso fechada, sem haver na aza, ao que
parece, mechanismo algum para abril-a. E como existem na extremidade do ab-
domen orgäos de cuja funcgäo odorifera näo se pode duvidar, era natural a con-
jectura de serem as maculas sexuaes dos D. Erippus c Gilippus orgäos odoriferos
em estado rudimcntario, reduzidos a esta forma pelo desenvolvimento de outros
orgäos na extremidade do abdomen, os quaes melhor desempenhavam a mesma
funcgäo. Podiamos citar em apoio dessa conjectura certos factos analoges, que se
däo em outras familias de borboletas. Comtudo a affluencia de sangue para as
maculas sexuaes, em gräo pouco commum nas azas destes insectos, parece vedar
o consideral-as como orgäos rudimentäres ; pois a ser assim devia tambem supp6r-se
que o desenvolvimento dos orgäos das azas estivesse na razäo inversa do dos or-
gäos do abdomen e que aquelles fossem tanto mais rudimentäres quanto mais
desenvolvidos se mostrassem estes. Ora e justamente o contrario do que sc da.
No D. Gilippus^ os orgäos, tanto das azas, como do abdomen, säo muito
maiores do que os do D. Erippiis, näo obstante ser esta ultima especie a maior
das duas.
Como em casos de duvida convem näo cleixar passar desapercebida circums-
tancia alguma, por mais insignificante que possa parccer, vou mencionar ainda o
facto de ter achado, em alguns machos do D. Erippus, alias incolumes, comple-
tamente descamada uma muito pcquena parte da aza junto da fenda da macula
rr 1 As maculas sexuaes dos individuos masculinos das especies Danais Erippus e D. Gilippus.
sexual, como si as escamas tivessem sido levadas d'alli por algum objecto introdu-
zido repetidas vezes na mesma fenda. Näo seria possivel que alguma materia
odorosa fosse produzida no intcrior da macula sexual, e que os pellos dos orgäos
odoriferos do abdomen, introduzidos na cavidade dessa macula, alli se impregnassem
daquella materia?
A posigäo das maculas sexuaes e de forma tal, que a extremidadc do ab-
domen facilmente se Ihes pode applicar, e como os pellos dos orgäos odoriferos,
ao sahircm do abdomen, acham-se unidos em forma de pincel, näo parece im-
possivel, nem mesmo muito difficil, a sua introducgäo na fenda das maculas.
Confesso, comtudo, francamente que esta idea näo me parece ainda estar bem
assentada. So um estudo comparativo das numerosas especies do genero Danais
podera dar solugäo definitiva a täo interessante questäo.
Explica^äo das figuras da estampa XLV.
As figuras i ate 6 referem-se a Danais Erippus (sexo masculino), as figuras 7 ate
12 a Danais Gilipptis (sexo masculino).
Fig. I e 7. — Aza posterior, vista de cima, tamanho natural. Os numeros das ner-
\-uras sao os usados por Herrich Schaeffer, sende na nomenclatura de Dotibleday.
i^ nervura interna.
i^ » submedia.
2 primeirol
3 segundo J- ramos da nervura media.
4 terceiro J
5 nervura discoidal. •
6 segundo] , uj 1
° . > ramos da nervura subdorsal.
7 pnmeiroj
8 nervura dorsal.
p >> predorsal.
s macula sexual (< sexual spot - Doiibleday).
Fig. 2 e 8 — Macula sexual, augmentada cinco vezes.
// primeiro ramo da nervura media.
s macula sexual.
Fig- 3 6 9 — Sec(;äo transversal da mesma macula, augmentada 180 vezes.
n primeiro ramo da nervura media.
/ i^arede inferior! , j j j 1 1
' j . >da cavidade da macula sexual.
s parede supenorj
Fig. 4 e IG — Parte da membrana interna da cavidade da macula sexual, aug-
mentada 180 vezes.
a pontos de insercäo das escamas.
b uma das escamas.
c pontos de inser9äo de pellos, que faltao no D. Gilippiis, restando comtudo os
pontos de insercäo.
Fig. 5 e II — Escamas ordinarias da superficie superior das azas posteriores, aug-
mentadas 180 vezes.
a escamas subjacentes ou inferiores,
b escamas superiores.
Fig. 5 B — As mesmas escamas na sua posi^äo natural.
Fig. 6 e 12 — Orgäos odoriferos, vistos de cima, augmentados duas vezes.
a ultimo segmento do abdomen.
b orgäos odoriferos.
Os orgäos odoriferos das especies Epicaliä Acontius,
Linn. e de Myscelia Orsis, Dru.^).
Mit Tafel XLVI.
O genero Epicaliä, Westw. (ou CatonepJiele, Hübn.) tem adquirido cc>rta
fama^) pela differen^a extraordinaria que exibem no colorido das azas os dous
sexos de varias especies suas representantes. Si v. g. comparamos a Epicaliä
Numilia, Cram. com a Epicaliä Acontius, Linn, veremos que as femeas das duas
especies, e da mesma sorte os machos, säo muito mais semelhantes entre si do
que cada uma das femeas ao seu proprio macho. Os machos de ambas estas
especies säo ornados com grarides e esplendidas maculas cor de laranja em fundo
preto avelludado, havendo tres maculas ellipticas separadas (duas na aza anterior
e uma na posterior) na Epicaliä Numilia, cmquanto que na Epicaliä Acontius
[Antiochus Fabr.) ha uma so macula na aza 'anterior, confluindo com a da aza
posterior em uma fita ou banda larga, commum as duas azas. Nas femeas, as
maculas das azas säo de um amarello cor de enxofro, e de forma inteiramente
differente da que se ve no sexo opposto; na Epicaliä Acontius {Medea, Fabr.)
ellas formam tres fileiras parallelas, sendo bastante numerosas. Com effeito, a
dif ferenda, entre os dous sexos, e täo grande que Westwood os collocou em generös
differentes, denominando Myscelia Media ä femea da Epicaliä Acontius.
As duas especies que acabo de mencionar e que säo as unicas Epicalias
que ate agora encontrei na provincia de Santa Catharina, säo muito interessantes
tambem pela notavel differenga que mostram os machos, alias täo semelhantes,
no tocante aos orgäos odoriferos. Nos machos da Epicaliä Numilia näo me foi
possivel achar vestigio algum de semelhantes orgäos ; parece que faltam inteiramente
nestes insectos. Nos machos da Epicaliä Acontius, pelo contrario, elles tomam
um clesenvolvimento pouco commum e exhalam um cheiro fortissimo. Estes orgäos
odoriferos acham-se escondidos entre as azas anteriores e posteriores, occupando
a superficie superior destas, e a inferior d'aquellas. Nas azas posteriores ve-se
(Fig. ii), contigua a macula alaranjada (/), outra macula maior (m) de cor parda,
e que näo tem a apparencia avelludada do resto da aza, e pode antes comparar-se
a uma especie de feltro. Essa macula feltrada («Filzfleck» Herrich-Schaeffer), e
limitada pelas nervuras dorsal (8) e discoidal (5) e por uma recta que do
i) Arch. do Museu Nacional Rio de Janeiro 1877. II. p. 31 — 35.
2) Darwin, Descent of man, 1871. Vol. I pag. 388.
--A Os orgäos odoriferos das especies Epicalia Acontius, Linn. e de Miscelia Orsis, Dru.
ponto de separagäo das nervuras dorsal e subdorsal vai ao ponto em quo a
nervura discocellular inferior parte da discoidal ; ella accompanha a nen^ura dorsal
cm cerca de 2/5 de seu comprimento, e a discoidal ate um ponto equidistante da
margem da aza e do ponto de separa<;äo das nervuras dorsal e subdorsal. A sua
aria e pouco mais ou menos a oitava parte da aza inteira. A macula näo differc
muito de um semi-circulo de 12 millimetros, nem a aza de um circulo de 24 milli-
metros de diametro.
Ordinariamente esta macula e coberta pela aza anterior, a quäl na superficie
inferior e provida (Fig. 11, m') de uma macula opposta a da aza posterior e quasi
idcntica a esta pela sua apparencia feltrada, cor, forma, e dimensöes, porem menos
visivel, näo so por contrastar pouco a sua cor com a superficie ambiente, como
tambem por ser inteiramente coberta por uma crina de pellos pretos inseridos ao
longo da nervura interna (i). Esta macula feltrada das azas anteriores estende-se
da nervura interna (i) ate ao angulo formado pelo segundo e terceiro ramos (3 e 4)
da nervura mediana; como na macula das azas posteriores so uma parte insigni-
ficante cae dentro da ceUula media.
A crina, a que acabo de alludir, nasce da margem posterior da macula, ou,
o que e o mesmo, da margem anterior da nervura interna, dividindo-se esta em
cinco partes eguaes. A segunda e terceira destas partes, a contar da base da
aza, säo occupadas pela crina, composta de beilos pellos pretos de uns sete milli-
metros de comprimento.
Esta crina cobre exacta e inteiramente a macula feltrada da das azas anteriores,
separando-a ao rnesmo tempo da das posteriores.
As escamas das maculas felpudas ou odoriferas (fig. 13) distinguem-se das es-
camas ordinarias (fig. 12):
1°; pela sua forma, principalmente por ser a sua extremidade desdentada.
2^; pelas suas dimensöes.
Das escamas ordinarias da superficie superior das azas, as superiores (fig. 12, s)
tem cerca de o'""\i4 de comprimento sobre o'"'",o6 de largura; as inferiores ou sub-
jacentes (fig. 12, 2) cerca de o""",i de comprimento sobre o°'"\o8 de largura.
Das escamas odoriferas, as superiores (fig. 13, s) tem cerca de o""",33 de
comprimento sobre o™'",i de largura, e as inferiores (fig. 13,2) cerca de o""",24 de
comprimento sobre o"™, 1 1 de largura.
3*^; por serem muito mais opacas e apparentemente privadas das linhas lon-
gitudinaes täo visiveis nas escamas ordinarieis.
4"; por serem implantadas mais firmemente na mcmibrana das azas, de modo
que passando um pequeno pincel por cima das azas, podem-se remov(^r as escamas
ordinarias, ficando quasi incolumes as maculas felpudas.
Todas essas differen<;-.as entrc escamas ordinarias e odoriferas existem tambem
em quasi todas as especies, cujas azas säo dotadas de maculus odoriferas. Os ca-
rectcristicos que distinguem a Epicalia Acontius de muitas outras especies säo os
seguintes :
I •* ; a diff erenga quc^ se observa tambem nas maculus odoriferas entre as es-
camas superiores e inferiores; porque em geral as escamas odoriferas costumam
ser todas da mesma forma, sem distincc^äo de superiores e inferiores.
2^; a circumstancia de gnardarem quasi a mesma distancia nas maculas odo-
riferas (fig. 15) e no resto das azas (fig. 14) as covinhas ou alveolos, em que as
Os oigäos odoiiferos das especies Epicalia Acontius, Linn. e de Miscelia Orsis, Dm. ccn
escamas se acham implantadas, visto como em geral as escamas odoriferas cos-
tumam ser muito mais unidas do que as ordinarias.
Os alveolos das escamas odoriferas (fig. 15), alem de sercm maiores, säe ccr-
cados de uma area escura, elliptica ou circular, o que frequentemente se observa
tambem em outros casos.
Ainda e digna de se notar a modificagäo consideravel da forma das azas que
tem acorapanhado o desenvolvimento das maculas odoriferas. A margem interna
(ou posterior) das azas anteriores e quasi rectilinea nas femeas da Epicalia Acon-
tius (fig. 10) e em ambos os sexos da Epicalia Numilia (fig. 9), emquanto que nos
machos da Epicalia Acontius (fig. 11), e muito arqueada, podendo dcsta sorte
cobrir uma parte muito maior das azas posteriores. Da mesma maneira acha-se
ampliada a fimbria anterior das margens posteriores, Dahi resulta que a femea
da Epicalia Acontius (fig. 10), quanto a forma das azas, approxima-se mais do
mache da Epicalia Numilia (fig. g), do que do macho de sua propria especie
(fig- II).
Intimamente alliado ao genero Epicalia e o genero Myscelia, representado
na provincia de Santa Catharina pela Myscelia Orsis, Dru. Ja antes de ter po-
dido examinar o macho desta especie, eu soube por Herrich Schaeffer i), que
elles possue uma macula feltrada» (Filzfleck) na superficie superior das azas
posteriores (fig. i, m), entre as nervuras quinta e septima, isto e, entre a nervura
discoidal e o primeiro ramo da subdorsal. Ha pouco pude convencer-me de que
a referida macula exhala um cheiro fortissimo, o quäl tem, como a da Epicalia
Acontius (sexo masc), certa semelhanga com o de almiscar. A macula, que
occupa cerca de 1/9 (36 millimetros quadrados) • da superficie da aza (315 milli-
metros quadrados) ainda ultrapassa um pouco as duas nervuras que Herrich-
Schaeffer Ihc da por limites; e de cor inteiramcnte preta, sendo pardacenta a parte
circumvizinha da aza que, como a macula, e coberta pela aza anterior, e de um
azul brilhante o disco da aza. A estructura da macula pouco differe da da Epi-
calia Acontius e por isso näo carece descripgäo circumstanciada; somente as es-
camas odoriferas näo excedem tanto as dimensöes das ordinarias. As azas an-
tertiores säo destituidas de orgäos odoriferos.
Deste modo, no tocante as maculas felpudas, o macho da Myscelia Orsis oc-
cupa uma posigäo intermedia entre a Epicalia Numilia, que carece de semelhantes
maculas, e a Epicalia Acontius, que as possue tambem nas azas anteriores. Avista
deste facto, e permittido duvidar sobre si os limites entre os dous generös j^i sc
acham devida e definitivamente estabelecidos. Sabe-se que as femeas da Myscelia
Orsis e da Epicalia Acontius concordam tambem perfeitamente no arranjo das
maculas das azas, as quaes säo, amarcllas nesta, e brancas naquella especie, differindo
bastante a este respeito da femea da Epicalia Numilia ; facto este que muito de-
vera contribuir para reforgar aquella duvida.
Explica^äo das figuras da estampa XLVI.
As figuras i, 9, 10 e 11 sao de tamanho natural; as mais säo augmentadas
180 vezes.
As figuras i ate 8 referem-se a Myscelia Orsis (sexo masculino).
1) Prodrom System, lepidopt. I 1864 pag. 27, n." 79.
_j,o Os orgäos odoriferos das especies Epicalia Acontius, Linn. e de Miscelia Orsis, Dru.
Fif. I. — Aza posterior de Mvscelia Orsis (sexo masculino), — tn — macula feltrada
ou odorifera.
Fig. 2. — Escamas da superficie inferior das azas.
Fig. 3. — Ditas do disco da superficie superior.
Fig. 4. — Ditas da margem posterior da superficie superior das azas posteriores.
Fig. 5 — Ditas da macula feltrada — .f — escamas superiores — i — ditas inferiores ou
subjacentes.
Fig. 6. — Alveolos das escamas da superficie inferior das azas posteriores. Como em
rnuitissimas outras especies os alveolos da superficie inferior distinguem-se dos da superior
por serem ligados os do mesma fileira transversal por uma linha.
Fig. 7. — Alveolos das escamas ordinarias da superficie superior das azas pos-
teriores.
Fig. 8. — Ditos das escamas odoriferas.
FifT. 9.— Contornos das azas de Epicalia N^utnilia, Cram. (sexo masculino).
Fig. 10. — Ditas de Epicalia Acotüius, Linn. (sexo feminine), [Medea, Fabr.)
Fig. II. — Ditas de Epicalia Acontius, Linn. (sexo masculino), {Antioclms, Fabr.)
b — macula alaranjada das azas posteriores.
m— macula feltrada das mesmas azas.
m' — macula feltrada da superficie inferior das azas anteriores, cobertas de uma
crina de cabellos pretos.
Fig. 12. — Escamas ordinarias da superficie superior do disco das azas posteriores
de Epicalia Acontius (sexo masculino).
Fig. 13. — Ditas da macula feltrada das mesmas azas.
Fig. 14. — Alveolos das escamas ordinarias das mesmas azas.
Fig- i5- — Ditos das escamas odoriferas da macula feltrada das mesmas azas.
Os orgäos odoriferos nas pernas de certos
Lepidopteres^).
Mit Tafel XLVII.
'Em todas as ordens, disse Darwin, fallando da selec(;äo sexual e dos carac-
teres sexuaes secundarios dos insectos ^), os sexos de muitas especies apresentam
differeiKjas, cuja significagäo näo se conhece . . . Casos destes abundäo nos Lepi-
doptcros. Um dos mais extraordinarios e o de terem os machos de ccrtas bor-
boletas as pernas dianteiras mais ou menos astrophiadas. As azas differem tambcm
muitas vezes nos dous sexos pelas nervuras e as vezes consideravelmente pela
figura, como no Aricoris epitus. Os machos de certas borboletas da America
do Sul tem pinceis de cabellos nas margens das azas e excrescencias Corneas
no disco das azas posteriores. Em certas borboletas da Inglaterra so os
machos, como mostrou Mr. Wonfor, säo parcialmente cobertos de escamas
peculiares.»
Hoje, quasi todas essas differengas sexuaes dos Lepidopteros, completamente
inexplicaveis ainda ha poucos annos, tornaram-se ciaras e intelligiveis depois que
se descobrio que ellas se referem, directa ou indirectamente, a producgäo ou
diffusäo de um cheiro particular que, de certo, devera agradar as respectivas
femeas. Pertencem a esta categoria os «pinceis» ou crinas que se encontram
frequentemente na margem anterior das azas posteriores, e cujo cheiro e muito
intenso na Callidryas Cipris, bem sensivel e muito agradavel na Dircenna
Xantho e n'outras especies, e as escamas peculiares de formas muito variadas,
que cxistem nas azas dos machos em muitas especies de Satyrinas, Holiconinas,
Nymphalinas, Picrinas, etc., äs quaes Bernard Deschamps'^) deu o nome de
plumulas, como tambem as «excrescencias Corneas» ou «maculas sexuaes»
que existem no disco das azas posteriores dos machos das Danais Erippus e
Gilippus *).
1) Arch. do Mus. Nacional Rio de Janeiro 1877. Vol. II. p. 37 — 42.
2) Darwin, Descent of man 187 1. Vol. i. pag. 344.
3) Annales des Sc. nat. 1837, Fevrier, Mars — citado eni Chenu, Encyclopedie d'hist. nat. Papillons
Tome I, pag. 8.
4) No vol. XI Adi Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft. 1877 publicou-se um resumo de
quanto achei nos varios autores, que pude consultar, sobre os orgäos odoriferos nas azas das borboletas,
e o primeiro ensaio que apresentei para mostrar a func^äo dos ditos orgäos. = Ges. Schriften pag. 534.
-^Q Os oi^äos odoriferos nas pernas de certos Lepidopteres.
Quanto as differengas que ha na disposiQäo das nervuras das azas, tambem
estas em muitos, sinäo em todos os casos, säo devidas a existencia, nos machos,
de um orgäo odorifero, pelo quäl foram deslocadas certas nervairas, como facil-
mente se pode verificar nos generös Dircenna, Mechanitis, Thecla (v. g. Thecla
Acmon), entre as borboletas diurnas, ou no genero Rhamphidium entre as noc-
turnas. A figura das azas acha-sc tambem frequentemente mais ou menos modi-
ficada pelos orgäos odoriferos.
Entretanto estes orgäos odoriferos dos machos e as differen(;as sexuaes que
delies rcsultam, näo se limitam as azas : em numerosas especies, mormente de borbo-
letas nocturnas, elles occupam o abdomen; emquanto que, em algumas outras,
desenvolvem-se nas pernas. Säo orgäos abdominaes estes que, por se acharem,
no estado de rcpouso, quasi semprc recolhidos, ou no interior ou entre es escamas
do abdomen, escaparam inteiramente ä attengäo dos lepidopterologos. A unica
noticia que encontrei a respeito delles refere-se ao genero Lycorea em que os
machos, segundo Doubleday «tem um grande feixe de pellos de cada lado do
ultimo segmento, capaz de ser recolhido em grande parte no interior do abdo-
men» 1). Como nas Lycoreas e Itunas, assim tambem nos machos das Danais,
dos Morphos, das Glaucopideas, das Cryptolechia e de varias outras borboletas
nocturnas os orgäos odoriferos estäo situados na extremidade do abdomen, tomando
ora a forma de pinceis, ora a de protuberancias mamilliformes ou digitiformes,
ora a de tubos filiformes muito compridos e exhalando em quasi todos os casos
um cheiro fortissimo. E' muito mais raro estarem collocados os ditos orgäos no
lado dorsal, como se ve na Didonis Biblis, ou no lado ventral do abdomen,
como acontece na familia das Sphingideas. Si, em muitos outros casos, os orgäos
odoriferos cram de ha muito conhecidos, ignorando-so a sua funcgäo, e contrario
se da com as Sphingideas; ja desdc muitos annos sabia-se que os machos de
certas especies exhalam um cheiro activo de almiscar; mas näo se tinha achado,
e talvez nem mesmo procurado o lugar d'onde cmanava este cheiro. Emana
eile de dous pinceis siduados na base do abdomen e que podem ser recolhidos
em uma especie de sulcos formados pelas escamas dos dous primeiros segmentos
abdominaes.
Quanto, cmfim, aos pinceis e apparelhos analoges, que existem nas pernas
de certos lepidopteros, e so no sexo masculino, ninguem ate hoje, que eu saiba,
fallou na funcgäo que elles possam exercer. Entre as borboletas diurnas parecem
estes orgäos limitar-se a familia das Hesperideas, na quäl se apresentam sob duas
formas differentes. Nos machos de uma especie da Ilha de Java, a Ismene Oedi-
podea, Swains, as tibias do terceiro par de pernas säo, segundo Westwood'), de
uma grossura extraordinaria e cobertas de densos pellos; em varias outras especies
da familia, as mcsmas tibias säo dotadas, nos machos, do um pincel de pellos
compridos. Estes princeis das tibiiis («Schienenpinsel») ja serviram a Herrich-
Schaeffer e outros autores, para caractorisar certos generös das Hesperideas, como
1) Doubleday, Westwood, Hewitson, Genera of diumal lepidoptera, pag. 196. — Os mesmos
feixes de pellos apparecem (Tab. XVI. Fig. I. da raesma obra) na figura da Ituna Phenarete sem que o
texto OS mencione. Nos machos de Ituna Ilione eu tambem os vi.
2) Doubleday- Westwood, Hewitson, Genera of diumal lepidoptera, pag. 574.
Os orgäos odoriferos nas pernas de certos Lepidopteres. e^i
Achlyodes, Antigonus e outros. Dcsde que vi cm uma Hesperidea, pertencente,
pelos caracteres indicados por Herricli-Scliaeffer, ao genero Antigonus, que os
pinceis das tibias podem ser recolhidos em uma cspecie de sulco formado pelas
escamas do abdomen, näo duvidei de que os ditos pinceis tambem fossem orgäos
odoriferos, visto que participam de um dos caracteristicos mais frisantes desses
orgäos, que consistem em serem elles de uma outra mancira protegidos, no cstado
de repouso, contra a evapora^äo de seu aroma. E, com effeito, ha pouco tive a
satisfacgäo de encontrar uma borboleta nocturna, cujas tibias cmittiam um cheiro
Singular, que, sem ser muito forte, näo deixava comtudo de ser perfeitamente
perceptivel tambem a nos, cujo olfacto e sem duvida muito inferior ao de muitos
lepidopteres. Era uma das maiores especies da familia das Erebideas, tendo com
as azas abertas o^.ig de largura, especie essa cujo nome ainda ignoro. Nas
femeas dessa Erebidea as tibias de terceiro par de pernas (Fig. lo) tem a forma
delgada, que costumam ter nos lepidopteres, sende a sua grossura intermediaria
a do femur e a do tarso. Nos machos pelo contrario (Fig. 1 1 e 12) as mesmas
tibias säo excessivamente largas, de sorte que a largura (4""°) e igual a terga
parte do comprimento (o°"",i2). A superficie externa e um pouco convexa;
no lado interne existe um sulco longitudinal principiando a 3 ou 4 millimetros da
base e aprofundando-se ao passo que se approxima da extremidade tarsal da
tibia, como melhor se ve em secgöes transversaes (Fig. 14). Toda a superficie
interna, exceptuando apenas a extremidade tarsal e parte do sulco, e coberta de
pcllos de 4 a 6 millimetros de comprimento, sendo os mais curtos os da margem
superior (Fig. 1 3). Esses pellos säo capazes de eri^arem-se, formando uma especie
de escova muito densa, e e n'este estado de eri9amento que se percebe o cheiro
que desprendem.
Voltando ao estado de repouso, os do meio deitam-se no sulco longitudinal
paralleles ao eixo da tibia, sendo cobertos por uma espessa camada dos pellos
lateraes da tibia; em cima destes ainda se applicam os densos pellos da margem
inferior do femur, que tambem se acham muito mais desenvolvidos no sexo mas-
culino. Desta maneira os pellos inferiores e mormente os deitados no sulco lon-
gitudinal da tibia, acham-se sufficientemente protegidos pela superposigäo dos
pellos margin aes, e dos do femur contra a perda por evapora9äo de qualquer
substancia odorifera, de que elles se possam impregnar no estado de repouso,
emquanto que erigando-se, exhibem uma superficie enorme, e que deve causar
uma evaporagäo correspodente da substancia odorosa. Convem notar que ja
Linneu deu a uma especie de Erebideas o nome de Noctua odora ; e provavel
que tenha cheiro bastante forte; si esse odor e peculiar ao sexo masculino e
produzido pelas tibias, näo sei dizel-o. Ha na mesma familia outras especies,
cujos machos tem tibias, de forma normal, sem a cabelladura desproporcionada
da nossa primeira especie, sendo a delles munida so de um pincel de pellos com-
pridos procedente do lado interior da base. Ha ainda outras especies de Erebideas
que parecem ser destituidas de orgäos odoriferos nas pernas. Assim como
certos generös Hesperideas säo caracterisados pelos pinceis que os machos tem
nas tibias posteriores, assim tambem os machos do genero Herminia (que alguns
entomologos incluem na familia das Pyralideas outros como Speyer, entre as
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 3"
-A-^ Oi orgäos odoriferos nas pernas de certos Lcpidopteres.
Noctuinas), costumam ser munidos de pincois nas tibias mais ou mcnos largas;
mas, neste caso, as tibias dianteiras säo as quo apresentam o distinctivo do sexo
masculino ^).
Na familia das Geometrideas um bello c instructivo exemplo de pinceis nas
pernas posteriores e offerccido pela Panther ödes pardalaria, Hübn., borboleta que
parece habitar todo o Brazil, desde o Equador, ate alem do tropico do Capricornio.
Spix e Martius trouxeram-n'a do Rio Ncgro ^) sendo tambem, ao menos em certos
annos, frequentissima na provincia de Santa Catharina. Nesta especie as tibias
do 3." par de pernas säo egualmente muito mais grossas nos machos (Fig. 204)
do que nas femeas (Fig. i), scm comtudo attingirem naquellcs a dimensöes extra-
ordinarias. A superficie interna e cortada por um sulco longitudinal (Fig. 3 6) e
neste sulco acha-se escondido um pincel de pellos finos e compridos, implantados
na base da tibia (Fig. 3, ä); a diametro destes pellos e de o,'""'oo4 ate o,™'"©! e o
seu comprimento egual a da mesma tibia. A cor de pincel varia um pouco nos
diversos individuos; os pellos säo, uns baios-claros, outros pardos-escuros, e ate
pretos; predominam geralmente aquelles, as vezes porem da-se o contrario. Ao
longo das margens do sulco nascem escamas (Fig. 9), que pelas suas dimensöes
muito maiores, pela forma e pela cor distinguem-sc das que cobrem o resto da
tibia (Fig. 8). Aquellas chegam as vezes a ter quasi o,°"°oüi de comprimento,
estas raras vezes excedem a ter^a parte desse comprimento; aquellas säo asyme-
tricas, imitando mais ou menos a forma da lua crescente, estas säo symetricas,
de lados parallelos, com 3 ou 2 dentes na extremidade ; emfim as escamas maiores
das margens do sulco säo pallidas, cor de palha; as menores do resto da tibia
säo pardas, mais ou menos escuras. Inclinando-se para o lado do sulco, as
escamas maiores formam sobre eile uma especie de tecto (Fig. 6, c e d), achando-
se as da margem inferior cobertas parcialmente pelas da margem superior.
Assim fica realisada neste caso, por meios differentes, porem egualmente effi-
cazes, uma cobertura que previne a perda de qualquer aroma que o pincel possa
conter. Estendendo-se a tibia, o pincel come^a a sahir do seu escondrijo e a
eriQar-se, distendendo para todos os lados os seus pellos, mas sem desenvolver
cheiro perceptivel ao olphato humano ou pelo menos ao meu. Sem duvida que
no vastissimo grupo das borboletas nocturnas, de que ainda näo examinei senäo
um numero muitissimo insignificante de especies, devem existir numerosos outros
casos de apparelhos odoriferos tanto nas pernas. como nas azas e n'outras partes
do corpo. O fim destas linhas näo era. nem podia ser, elucidar perfeitamente o
assumpto de que fallei aqui; e sim unicamente apontar aos jovens naturalistas do
Brazil mais um campo vasto, inexplorado e que promette uma colheita de factos
novos e interessantes.
Explica9äo da Fig-ura da Estampa XLVII.
As figuras l ate 9 referem-se a Pantherudes pardalaria.
Fig. I. — Perna esquerda do 3.*^ par da fcmea.
1) «Tibia 61argi et gami de pinceaux de poils extensibles» Chenu, Encyclop^die d'hist. nat. Pa-
pillons. Tome II, pag. 215.
2) Perty, Delectus animaliuin articulatorum. 1830, pag. 163. Tab. XXXII Fig. 11. — Peity Ihe
da o nome de Phalaena perspicillum.
Os oi^äos odoriferos nas pernas de certos Lepidopteres.
ÖUJ
Fig. 2. — A mesma do macho.
Fig. 3. — A mesma quebrada no meio da tibia.
a — Parte superior com o pincel que nasce da base da tibia, vista do lado externo.
b — Parte inferior com o sulco em que se recolhe o dito pincel, vista do lado
interno.
Fig. 4. — A mesma com o pincel ericjado, visto do lado externo.
As figuras i e 4 säo augmentadas 3 vezes.
Fig. 5. — Sec^^ao transversal da tibia da femea.
Fig. 6. — Secgöes transversaes da tibia do macho, em 4 differentes alturas, indicadas
na fig. 2 a — d (-f- rnargem superior = superficie externa).
As figures 5 e 6 söo augmentadas 15 vezes.
Fig. 7. — Escamas da superficie superior das azas anteriores.
A. — Escamas superiores.
B. — Escamas subjacentes ou inferiores.
Fig. 8. — Escamas da superficie externa da tibia.
Fig. 9. — Escamas das margens do sulco no lado interno da tibia. As figuras 7
e 9 augmentadas 90 vezes.
As figuras 10 e 14 referem-se a uma Erebidea, de 19 centimetros de largura, com
as azas abertas.
Fig. 10. — Perna esquerda do 3.*^ par de pernas, da femea.
Fig. II. — A mesma do macho, vista do lado externo.
Fig. 12. — Perna direita, do 3.*^ par de pernas, do macho, vista do lado interno.
Fig, 13. — Articula9äo da tibia com o femur, vista de cima, com os pellos da
tibia eri9ados.
s — Pellos da margem superior da tibia.
i — Ditos da margem inferior.
As figuras 10 e 13 säo augmentadas duas vezes.
Fig. 14. — Sec9öes transversaes da tibia do macho em tres differentes alturas, in-
dicadas na figuras 1 1 a — c, augmentadas 4 vezes.
36*
Os orgäos odoriferos nas pernas de certos
Lepidopteres^).
(Supplemento.)
Mit Tafel XLVIII.
Conclui a noticia sobre os orgäos odoriferos, que distinguem o sexo masculino
de varias borboletas, dizendo que este assumpto promettia uma colheita riquissima
de factos novos e interessantes. Parece-me com cffeito ser essa uma mina inex-
haurivel. Mal se tinham passado quinze dias, quando pude, as formas desses orgäos
descriptas naquella noticia, ajuntar outras duas das mais singulares que encontrei
nos machos de duas especies de Erebideas.
Uma dellas e um anäo nesta familia de gigantes, cuja largura, com as azas
abertas, näo excede a 4 centimetros. Em certas especies da mesma familia, como
em varias Hesperideas [Achlyodes, Antigonns etc.,) os orgäos odoriferos consti-
tuem um pincel de pellos compridos implantado na base das tibias posteriores;
a forma que se reproduz neste caso e a mesma, porem näo säo as tibias posteriores,
mas sim as anteriores, de cuja base nasce o pincel odorifero.
Compöe-se este pincel de pellos pretos, cujo comprimento (4 millimetros)
excede tanto o da tibia (2 millimetros) como o do femur (3 millimetros). Emquanto
em certas Hesperideas o pincel odorifero das pernas posteriores esconde-se entrc
as coxas posteriores e a base do abdomen, na Erebidea em questäo eile se recoUie
ao longo do lado inferior de femur cujas margens säo bordadas de pellos louros.
formando uma especie de estojo para o pincel (Fig. i). A tibia anterior näo
sc'jmente pode estender-se, a maneira do que se observa em outros Lepidopteros,
ate formar uma linha recta com o femur, mas tambcm pode vir alem (Fig. 2);
e e por m(Mo desta extensäo excessiva que eile se desc^mbainha ou sähe de
seu estojo, eri(;,ando-se ao mesmo tempo o pincel odorifero. Na segunda espe-
cie, qu(^ t(^m cerca de seis centimetros de largura com as azas abertas, os
orgäos odoriferos occupam o femur do segundo par d(' pernas ou das pernas
medias.
Näo e tanto pela sua situagäo insolita, como pelas suas dimensoes que estes
orgäos se tornam mais interessantes, pelas suas propor^öes verdadeiramente mons-
i) Arch. do Mus. Nacional Kio de Janeiro 1877. Vol. IL p. 43 — 46.
Os orgfios odoriferos nas pernas de certos Lepidopteres. e():
truosas, formando uma cspecie de pella, um corpo globuloso ou ellipsoide, cujo
diametro e quasi egual ao comprimcnto do femur (Fig. 5, 6 e 7). Nem as per-
nas anteriores, nem as posteriores (Fig. 3), mostram differen^a alguma nos dous
sexos desta especie; as pernas medias do macho, alem do femur profundamente
modificado pelo desenvolvimento do orgäo odorifcro, tambem se distingucm das
da femea (Fig. 4) pelo maior comprimento do primciro articulo do tarso. O femur
tem 6 millimetros de comprimento na femea, 7 millimetros no macho, a tibia
5 millimetros em ambos os sexos, o primeiro articulo do tarso 3 millimetros na
femea, 2 e 1/2 millimetros no macho, os dcmais articulos do tarso 401/2 milli-
metros em ambos os sexos. Achando-se evidentcmiente muito tolhida a mobili-
dade do femv;r pelo orgäo odorifero, este excesso de comprimento do primeiro
articulo do tarso talvez sirva para compensar aquellc defeito.
O femur dos machos (Fig. 5) tem uma largura de 2 e 1/2 millimetros, a quäl
excede um pouco a ter^a parte do comprimento (7 millimetros), e ao mesmo
tempo e summamentc achatado, de sorte que as paredes dorsal e ventral quasi
que chegam a tocar-se (Fig. 9). A superficie ventral e um pouco convexa, a
dorsal concava. O orgäo odorifero, que occupa esta superficie concava do femur,
compöe-se de uma parte interior, especialmente odorifera, e de outra exterior,
protectora. Aquella consiste em um sem-numero de escamas odoriferas vastissimas
(Fig. 9, b; Fig. 11), que cobrem toda a superficie dorsal do femur; cstas escamas
tem a forma de uma fita estreita de cerca de o,'"'"o3 de largura e de 2 ate 3
millimetros de comprimento, sendo mais compridas pelo lado da margem anterior
ou superior do femur; a sua extremidade e um pouco mais ou mcnos larga e de
forma oval (com o,"'™o6 de largura sobre o,'""^25 de comprimento).
Sento muito unidas as escamas odoriferas, por causa do alargamento tc^rmi-
nal, a superficie da massa compacta em que se acham reunidas e necessariamente
maior do que a sua base, isto e, do que a superficie do femur, donde nascem
(Fig. 9). Extrabidas do femur, as escamas odoriferas tem a apparencia da paina,
e, como certas painas separadas das respectivas capsulas, formam uma massa fofa
de dimensöes incriveis ; parece impossivel que volume täo grande possa caber em
espacjo täo limitado. As escamas odoriferas säo protegidas de todos os lados e
cobertas por uma orladura de escamas largas e de pellos, inseridos ao redor e
nas margens do femur. As escamas interiores dessa orladura, as que immedia-
tamente se applicam as odoriferas (Fig. 12, a) säo ovaes, geralmente com i,"""5
ate 2°"" de comprimento sobre o,™"6 ate i,°""2 de largura; mais para fora a sua
base prolonga-se em uma especie de peciolo (Fig. 12, b) e, ficando este peciolo
cada vez mais comprido e dalgado ao passo que a lamina torna-se cada vez mais
estreita (Fig. 12, c), as escamas transformam-se insensivclmente em pellos (Fig. 12, d)
que näo poucas vezes mostram a sua origem pela forma da sua extremidade um
pouco alargada. Estes pellos, que compöem a camada externa do involucro das
{^scamas odoriferas (Fig. 9, d), säo mais compridos na margem anterior ou superior
do femur, e mormente na base desta margem, onde o seu comprimento excede ao
do proprio femur.
Ha pois na familia das Erebideas, certas especies cujos machos säo providos
de orgäos odoriferos nas tibias das pernas posteriores; ha outras em que os mes-
mos orgäos acham-se nas tibias das pernas anteriores, outros que os possuem no
-^^ Os orgäos odoriferos nas pernas de certos Lepitopteres.
femur das pernas medias, e outras ainda em cujas pernas näo se ve apparelho
algum que sirs'^a de orgäo odorifero. P6de-se concluir dahi quc os ditos orgäos
näo foram herdados do progenitor commun da familia, mas sim adquiridos poste-
riormente pelas varias especies quo hoje gozam destes attractivos sexuaes.
Explica^äo das Figuras da Estampa XLVIII.
Fig. I. — Perna anterior do macho de uma pequena Erebidea, augmentada 5 vezes
— a — pellos louros guamecendo a margem do femur — b — pincel de pellos pretos
implantados na base da tibia, recolhido na gotteira formada pelos pellos do femur.
Fig. 2. — A mesma perna com o pincel odorifero eri^ado.
As figuras 3 ate 12 referem-se a outra especie de Erebideas.
Fig. 3. — Perna posterior direita do macho.
Fig. 4. — Perna media esquerda da femea.
Fig. 5. — Perna media equerda do macho, vista do lado ventral.
Fig. 6. — A mesma, vista do lado dorsal.
Fig. 7. — A mesma, pista da margem anterior ou superior do femur — d — lado
dorsal — v — lado ventral.
Fig. 8. — Perna media direita do macho, vista do lado dorsal, depois de removidas
as escamas odoriferas — a — escamas — b — pellos que guarnecem as margens do
femur, protegendo e abrindo as escamas odoriferas. As figuras 3 ate 8 säo augmentadas
2 vezes.
Fig. 9. — Sec(;äo transversal do orgäo odorifero, augmentada 5 vezes. — a — femur
— b — escamas odoriferas — c — escamas protectoras — d — pellos.
Fig. IG. — Escamas pillosas do femur das pernas medias da femea.
Fig. 11.^ — • Escamas odoriferas, cobrindo o lado dorsal do femur das pernas medias
no sexo masculino.
Fig. 12. — a — escamas interiores ovaes — b — escamas pecioladas — c —
escamas pillosas — d — pellos da orladura que protege as escamas odoriferas. As fi-
guras IG ate 12 säo augmentadas 15 vezes.
Tischgenossenschaft zweier Raupen^).
Aus einem Briefe an Hermann Müller in Lippstadt.
Ich habe kürzlich an Raupen einen hübschen Fall von „Commensalismus"'
kennen gelernt. Mein Freund Scheidemantel hat versucht, die Thicre in
natürlicher Grösse zu photographiren und ich lege Dir einige dieser Bilder bei.
Die grössere Raupe mit rothem Kopf und durch lange, ästige Brennhaarc
oder sonst gegen Feinde geschützt, lebt auf Maulbeer- und anderen Bäumen.
Wie andere, durch Geruch, Brennhaare oder sonst gegen Feinde geschützte
Raupen, sitzt sie auf der Oberseite der Blätter und ist hell gefärbt; der Kopf
roth, die Haare weiss. Quer über ihrem Rücken zwischen ihren Dornen und
jedenfalls durch diese sich schützend, sitzt nun eine kleine schwärzliche Raupe.
— Ich nahm dieselbe ab, aber sie suchte sich bald wieder denselben Platz. Um
sie photographiren zu können, wurde die grössere Raupe mit Aether betäubt,
sie erholte sich wieder etwas, ist aber doch heute (nach zwei Tagen) in Folge
davon gestorben. Die kleinere Raupe hat nun ihren Platz verlassen und bei
einer zweiten in derselben Schachtel befindlichen Raupe Zuflucht gesucht, wo sie
etwas weiter nach vorn, am Anfang des Hinterleibes sitzt. Bei ihrem früheren
Wirth sieht die Stelle, wo sie gesessen, blass und wie abgescheuert aus. Die
kleine Raupe frisst von oben her kleine Löcher in das Blatt, auf dem die grössere
sitzt. — Hoffentlich werden sich beiderlei Raupen zu Schmetterlingen entwickeln.
Meines Wissens ist ein ähnlicher FaU bis jetzt noch nicht beobachtet worden.
Blumenau, 22. October 1876.
i) Zoolog. Garten 1877. 18. Jahrg. S. 67,
Der Minhocäo^).
Auf dem Hochlande der südlichen Provinzen Brasiliens, dem Quellgebiet
des Uruguay und Paranä, hört man von einem wunderbaren, unter der Erde
lebenden Riesenthiere erzählen, welches dort Minhocäo genannt wird.
Minhocäo ist das Vergrösserungswort von Minhoca, Regenwurm, lässt
sich also mit Riesenregenwurm übersetzen.
Was man von diesem Minhocäo erzählt, klingt grossentheils so unglaublich,
dass man sich versucht fühlt, es ohne Weiteres als leere Fabelei zu betrachten.
Wer sollte nicht ungläubig lächeln, wenn er von einem 30 Klafter langen,
3 Klafter dicken Wurme hört, der von festem Knochenpanzer umgürtet, gewaltige
Fichtenstämme (Araucaria brasiliensis) wie Grashalme zur Seite biegt oder um-
stürzt, der Bäche in neue Bahnen lenkt, hier trockenes Land zu unergründlichem
Sumpf zerwühlt, dort, Abzugsgräben bildend, Sümpfe trocken legt, durch die er
seinen Weg nimmt?
Und doch wird man bei unbefangener Prüfung der verschiedenen Angaben
über den Minhocäo kaum der Ueberzeugung sich verschliessen können, dass wirk-
lich in den ausgedehnten Sümpfen, welche den Lauf vieler kleinerer Zuflüsse der
genannten Ströme begleiten, ein solches Thier von ungewöhnlicher Grösse hause,
mag auch diese Grösse auf ein weit bescheideneres Maass zurückzuführen sein, als
zu dem sie der dem Wunderbaren holde Volksmund aufzubauschen liebt.
Vor etwa acht Jahren zeigte sich ein Minhocäo in der Nähe der Stadt L a g e s.
Francisco de Amaral Varella, in Baguaes wohnhaft, sah auf einer Reise
nach oder von Lagos, etwa 10 Kilometer von dieser Stadt, am Ufer des Rio
das Caveiras ein ihm unbekanntes Thier von riesiger Grösse liegen, fast einem
Meter dick, doch nicht sehr lang, mit einem Schweinsrüssel; ob es Beine habe,
sah er nicht. Er wagte nicht, allein dasselbe anzugreifen; als herbeigerufene
Nachbarn zur Stelle kamen, war es bereits verschwunden, doch nicht ohne eine
bleibende Spur zu hinterlassen. Unter dem Boden hinwühlend, hatte es die Erde
über sich gelockert und diese war hinter ihm eingestürzt und so ein ziemlich tiefer,
etwa einen Meter breiter Graben entstanden. Ein ähnlicher Graben, — ob von dem-
selben Thiere herrührend? — zeigte sich einige Wochen später auf der entgegen-
gesetzten Seite der Stadt, etwa 6 Kilometer von ihr («ntfernt. Der Weg des
1) Zoolog. Garten 1877. S. 298 — 302.
Der Minhocäo. c6q
Thieres führte hier unter den Wurzeln einer grossen Fichte hindurch und soll sich
in einem Sumpfe verloren haben. — Herr Friedrich Kelling, dem ich diese
Mittheilung- danke, lebte damals als Kaufmann in Lages und sah selbst den vom
Minhocäo aufgewühlten Graben.
Auf einer seiner mühevollen Reisen zur Ermittelurig einer Wegelinie von
Itajahy nach dem Hochlande der Provinz Santa Catharina kam vor mehreren
Jahren Herr Emil Odebrccht in eine breite sumpfige Ebene, welche von einem
Arme des Marombas durchflössen wird. Sein Vordringen in diesem Sumpf-
lande wurde sehr erschwert durch schlangenartig gewundene Gräben, die sich in
der Nähe des Flusses hinzogen und hif^ und da mit dc^mselben yi Verbindung
standen; dieselben waren zu breit, um einfach überschritten, doch schmal genug,
um übersprungen zu werden, also etwa von gleicher Breite, wie der Graben, den
Herr Kelling bei Lages sah. Herr Odebrecht wußte sich damals die Ent-
stehung dieser Gräben in keiner Weise zu erklären, ist aber jetzt geneigt, die-
selben von einem den Sumpf durchwühlenden Minhocäo herzuleiten.
Vor etwa 14 Jahren, im Monat Januar, war Antonio Jose Branco mit
seiner ganzen Familie acht Tage von seiner Wohnung abwesend, die etwa 10 Kilo-
meter von Curitibanos in der Nähe eines dem Rio dos Cachorros zu-
fliessenden Baches liegt. Bei der Heimkehr fanden sie ihren Weg unterwühlt,
Erdschollen seitwärts aufgeworfen, das unterwühlte Erdreich eingestürzt. Der so ge-
bildete Graben begann an der Quelle eines Baches, dem er bald folgte, bald ihn verliess,
Biegungen desselben abschneidend, und endete nach 700 bis 1000 Meter in einem
Sumpfe. Die Breite des Grabens soll etwa 3 Meter betragen. Der Bach folgt
seit jener Zeit dem vom Minhocäo gebahnten Wege. Der Weg des Thieres ist
meist unter der Erde und unter dem Bette des Baches hingegangen ; verschiedene
Fichten wurden umgestürzt und brachen beim Niederfallen auf den unebenen
Boden. Eine dicke Fichte, an welcher der Minhocäo im Vorbeigleiten die Rinde
bis aufs Holz durchgescheuert, soll noch im vorigen Jahre gestanden haben und
noch jetzt, umgestürzt, zu sehen sein. — Zahlreich sind damals die Nachbarn, be-
sonders die Bewohner von Curitibanos herbeigeeilt, um sich die durch den
Minhocäo angerichteten Verwüstungen anzusehen. Man vermuthet, derselbe lebe
noch jetzt in dem Sumpfe, dessen Wasser sich zu Zeiten ohne erkennbare Ursache
plötzlich trüben soll; ja, man will in stillen Nächten bisweilen im Sumpfe ein
dumpfes Grollen, wie von fernem Donner, hören und ein leichtes Erzittern des
Bodens in dem nahen Hause spüren ! ? — Ich hörte über diesen Fall zwei Augen-
zeugen, einen Sohn, Jose, des alten Branco, der noch jetzt bei seinem Vater
wohnt, und einen Schwiegersohn, Crescentio Fernando da Maia, der vor
[4 Jahren ebenfalls in dessen Hause lebte. — Bemerken will ich noch, dass dem
Erscheinen des Minhocäo längeres Regenwetter vorausging.
In der Nähe des Rio dos Papagaios, eines Zuflusses des Iguassü in
der Provinz Parana hörte man eines Abends (ums Jahr 184g), nach längerem
Regenwetter im Hause eines gewissen Joäo de Deos ein Geräusch, wie wenn
es im nahen Walde wieder regnete, sah abcT beim Iliniiusblicken sternenhellen
Himmel. Am folgenden Morgen fand man jenscMts eines kleinen Hügels ein
grosses Stück Landes völlig durchwühlt und von einigen tiefen Gräben durch-
zogen; die Gräben führten zu einer von grossen flachen, nackten Steinplatten be-
rjQ Der Miiihocäo.
deckten Stelle, einem sogenannten Lageado, auf welchem grosse Schollen des
weisslichrothen Thones, aus dem das zuvor durchwühlte Erdreich bestand, den
weiteren Weg bezeichneten. Derselbe ging von dem Lageado in das durch
Felswände eingeengte Bett eines Baches, rechts und links an diesen Wänden
Thonspuren zurücklassend und endete an einer steilen Felswand, über die der
Bach in einen weiten tiefen Kessel hinabstürzt, um sich bald mit dem Papa-
gaios zu vereinigen, welcher 14 Tage lang bis zu seiner nahen Mündung in den
Iguassü sich trübe zeigte.
Drei Jahre später besuchte Herr Lebino Jose dos San tos, jetzt als
wohlliabender Gutsbesitzer in Guarda-mor bei Curitibanos lebend, diese
Gegend. Er sah noch das durchwühlte Feld, die Erdschollen auf den Felsplatten
und die Thonspuren in dem felsigen Bette des Baches sehr deutlich; er glaubte
aus diesen verschiedenen Spuren schliessen zu müssen, dass dieselben von zwei
Thieren herrührten, deren Dicke er auf 2 bis 3 Meter schätzte.
In derselben Gegend war übrigens, wie mir Senhor Lebino erzählt, schon
früher wiederholt der Minhocäo gesehen worden. In der Nähe eines Hauses be-
fand sich ein Tümpel, aus dem man den Wasserbedarf fürs Haus holte. Man
hatte bemerkt, dass das Wasser durch vom Grunde aufgewühlten Sand bisweilen
getrübt und unbrauchbar gemacht wurde. Eines Morgens nun wollte eine
Schwarze Wasser holen, fand aber den ganzen Tümpel zerstört und sah in
einiger Entfernung ein Thier „so gross wie ein Haus" sich am Boden fort-
bewegen. Sie lief mit der wunderbaren Kunde heim; die herbeieilenden Be-
wohner fanden aber nur noch den durchwühlten Boden als Spur des Thieres, das
sich bereits über eine nahe Felswand in ein tiefes Wasser hinabgestürzt hatte. —
Ein junger Mann sah in derselben Gegend plötzlich auf dem Felde eine grosse
Fichte umstürzen. Es war windstill, auch hatte er Niemand hacken hören ; er lief
also hin, die Ursache des Sturzes zu erkunden. Da sah er die ganze Erde in
Bewegung und aus ihr hervorbrechend ein riesiges, wurmähnliches schwarzes
Thier, „dicker als die dickste Fichte, nicht länger als ein Lasso" (etwa 25 Meter),
mit zwei beweglichen, dem Leibe sich anschmiegenden Hörnern am Kopfe.
In der Provinz Säo Paulo, — auch hierfür ist Senhor Lebino mein Ge-
währsmann, — ist nicht weit von Ypanema auf dem Campo do Tinga ein
Ort, der noch heute Charquinho, d. h. kleiner Sumpf, heisst, weil ein solcher
früher da bestanden. Aber vor Jahren wühlte bei nassem Wetter ein Minhocäo
einen Graben durch den Sumpf nach dem nahen Flusse und verwandelte ihn so
in einen dem Ypanema zufliessenden Bach.
Im Jahre 1849 kam Senhor Lebino auf einer Reise in die Nähe des Ar a-
pehy im Staate Uruguay. Dort erzählte man ihm, dass wenige Meilen von
seinem Lagerplatze ein todter Minhocäo zu sehen sei. Derselbe sei in eine sich
allmählich verengende Felsenschlucht gerathen, habe sich da festgeklemmt und so
seinen Tod gefunden. Seine Haut sei so dick wie die Rinde einer Fichte und aus
harten Schildern gebildet wie die eines Gürtelthieres.
Als ziemlich sichere Thatsache lässt sich aus den vorstehend mitgetheilten
und ähnlichen Berichten wohl nur das entnehmen, dass bisweilen im Quellgebiet des
Uruguay und des P a r a n a weithin sich erstreckende Gräben aufgeworfen werden,
die kaum einer anderen Ursache als dem Wühlen eines grossen Thieres sich zu-
Der Minhocäo.
571
schreiben lassen. Dies scheint besonders, wenn nicht immer, nach längerem Regen
zu geschehen. Die Gräben scheinen stets von Sümpfen oder Flüssen auszugehen
und wieder in solche auszulaufen. Die ebenso dürftigen als unzuverlässigen An-
gaben über das Thier lassen vollständig über seine Gestalt und selbst über seine
Grösse im Unklaren. Doch wird man wohl in ihm einen riesigem Lurchfisch,
einen Vetter von Lepidosiren und Ceratodus vermuthen dürfen. Der
„Schweinsrüssel" dürfte auf eine dem Ceratodus ähnliche Kopfbildung, die
dem Leibe sich anlegenden „Hörner" auf ähnliche Vordergliedmaassen, wie sie
Lepidosiren besitzt, hindeuten, wenn nur eben diese Angaben selbst auf irgend
welches Vertrauen Anspruch machen könnten.
Jedenfalls wird es der Mühe werth sein, dem Minhocäo weiter nachzuspüren
und ihn wo möglich für einen zoologischen Garten einzufangen.
Nectar absondernde Drüsen^).
(Brief an Fr, Darwin und Erwiderung.)
I have briefly described in vol. XV. of the Linnsean Society's Journal, tho
nectar-glands found at the base of the fronds of the brake fern {Pteris aqiiüina)
which are visited by ants for the sake of their sweet secretion. This case seemed
to me to show in a striking manner that extra-floral nectar-glands are not
necessarily protective in function, because the fern has, in England at least, cx-
tremely few enemies. The following extract of a letter lately received from Fritz
Müller (of St. Catharina, Brazil) is of considerable interest in relation to this sub-
ject. He States that
"the honey-glands on our Pteris aquilina serve, without doubt, to protect
the fcrns from the depredations of the leaf-cutting ants (OLcodoma), as is the case
with Passiflora, Luffa, and many other plants, The glands of the Pteris are
eagerly visited by a small black ant, Crematogaster, of which the (Ecodoma
seems to stand in great dread. On the other band, when no protecting ants are
present, I have seen (Ecodoma gnawing the young fronds; here, as in other cases,
it is only the young leaves that stand in need of protection, the older ones not
being attacked by the leaf-cutting ants."
This fact might, no doubt, be used as an argument by those who believe
that all nectar-glands were originally developed as protective organs, and this
argument would have great force if it could be shown that Pteris aquilina is a
form which has arisen in countries where protection is needed; but even in that
case there would remain the difficulty of accounting for the continued functional
activity of the glands in districts where no such protection is required. Or
it may be said that in past agcs the glands on our European Pteris served
as a protection against enemies which have now become extinct. But here we
are again met by the difficulty of accounting for the continued activity of
the glands. It is characteristic of evolution that great changes occur in the
functions of organs, and 1 think that it will generally be allowed that even
the the most beautifully adapted apparatus must hav(3 originated in an organ
i) Nature 1877. Bd. XVI. p. 100 u. 122.
Nectar absondernde Drüsen.
573
performing some comparatively simple function. The question at issue may
perhaps be stated as foUows: — In the cases where the nectar-glands are
now well developed has there been a special course of structural dcvelopmcnt in
close relation with the need of the plant for protection ? Has there been a course
of evolution such as we may bclicve has taken place in the formation of the
food-bodies in Acacia sphcerocephala and Cecropia peltata, or should we not
rather believe that the sweet secretion has been developed in connection with
some unknown process of nutrition ; according to this view, a well developed
System of glands may continue merely performing some obscure excretory function,
and consequently, although the presence of nectar-glands has undoubtedly been
of the utmost importance in determining the survival of ccrtain species, yet it is
hardly fair to assume that all nectar glands were originally protective in function.
For many plants secrete large quantities of sweet fluid, which serves no such
purpose. This argument is given by my father in his "Effects of Gross and Self-
Fertilisation" (p. 402). In addition to the facts there given in support of this view
a curious case described by Prof. H. Hoffmann may be mentioned ("Ueber Honig-
thau," 1876). He states that numerous large drops of sweetish fluid appeared on
the under-surface of the young leaves of a camellia. He also alludes to a similar
abnormal production of honey-dew on an ivy plant.
In the case of introduced plants, we see how an already existing quahty
may, without any special course of development, become of vital importance to
its possessor. Thus, Mr. Belt shows ("Naturahst in Nicaragua," p. 74) that the
lime, Citrus limoiium, is able to exist in a wild State, because its leaves are, from
some unknown reason, distasteful to the leaf-cutting ants; whereas the orange,
C. aurantium, and the citron, C. medica, can only survive with the help of man.
Fritz Müller concludes his letter with some curious facts on kindred subjccts : —
"The extreme variabihty of the nectar-glands on the leaves of many plants,
is a somewhat remarkable fact. Thus our Citharexylon has normally two large
glands at the base of the leaves, but sometimes there is only one, and sometimes
none at all ; besides these there are smaU glands scattered over the surface of the
leaf, the number of which varies from twent}^ to none. Similar variations occur
in the nectar-glands of Alchornea erythrospermum, and of a Xanthoxylon. It
seems to me probable that in all the cases at present known, these glands serve
to attract protecting ants ; and I here agree with Delpino, although I do not hold
with him that caterpillars are the chief enemies which are guarded against by
Pheidole and Crematogaster; but I think with Belt tliat these latter ants protcct
the plant against the leaf-cutting species. Indeed it is precisely those plants
which are free from the attacks of ants that seem to be especially well fitted for
caterpillars. Thus the larvse of Gynaeria live on Cecropia peltata, those of Epi-
calia mifiiilia on Alchornea erythrospermum. On the Cayieii (?) whose leaves
are furnished with nectar-glands, and are visited by protecting ants, the cater-
pillars of manv species of Callidryas are found. FinaUy, as far as I know, all the
larvse of the genus Heliconius feed on Passiflora. Moreover, the same relation
holds in the case of plants protected in other ways, for instance, by stinging hairs
or by poisonous sap. How numerous are the larvae found on the European
stinging-nettle. In thi^ country we find the caterpillars of 'Ageronien' on the
--. , Ncctar absondernde Drüsen.
0/4
stinging Dalechampia ; and again those of some species of Danais on Asclepias,
which is protected by its milky juice."
Down, Beckenham, May 21 1877. Francis Darwin.
Mr. Francis Darwin has made an interesting addition to his important disco-
\cvy of nectar-bearing glands on the young fronds of Ptet'is aqidlina, supplied
from the ever-welcome expericnce of Mr. Fritz Müller. The latter gentlcman
finds that in Brazil the Pteris aquüina is protected from the leaf-cutting ants by
those attracted to the nectar, and Mr. Darwin adds some speculations on the origin
of the glands and their continued functional activity in Europe where they now
appear to be useless. On this part of the question I should like to make the
foUowing remarks: —
Prof. Heer has shown that in the Miocene plant-beds at Qiningen and
Radoboj, ants are the most numerous amongst the fossil insects, and in 1849 as
many as sixty-six species had been described from thcse two localities. In 1865
the number found at CEningen alone is recorded as forty-four. I do not know
what the total number of species is that have been recorded from the two places
up to the present time, but it probably does not fall short of cighty. Amongst
the fossil ants from Radoboj there are spezies of the Tropical American genera
Atta and Ponera. One of the fossil species of Atta resembles in general form
and in the venation of the wings the curious Atta cephalotes of Tropical America.
As there are only about forty species of ants existing now in the whole
of Europe it is evident that in the Miocene epoch they must have played a
much more important part in Europe than they do now. Plants may then
have been exposed to the attacks of ennemies that have become extinct along
with the general impoverishment of the fauna and flora of Europe that took
place in Post-pliocene times; and the protection afforded by ants attracted to
the nectar-bearing glands at the critical stage of the unfolding of the young
and tender leaves may have been as important to some plants in Europe, then,
as it is to many in Tropical America now.
With regard to the persistency of the nectar-producing glands up to the
present time in Europe, it is to be remarked that many plants are identical with
those living in the Miocene period and the world-wide distribution of Pteris aqui-
lina seems to indicate that it is of very ancient origin. If a plant has not other-
wise varied there is no reason apparent why it should do so in this respect so
long as the secretion of nectar is not positively injurious to it. I have recently
noticed in my garden that the ants that attend the glands at the bases of the
leaves of the cherry, the plum, the peach, and the apricot, stroke with their
antennse some of the glands that are not excreting when they arrive at them, just
as they do the bodies of the aphides. I have not actually noticed that this pro-
motes a flow of nectar, but ever since I became a disciple of Darwin I have
been convinced that the most trivial circumstance is worthy of notice ; and it may
be that the slight irritation of the glands kept up by the ants is sufficient to
ensure the perpetuation of a function of the plant now useless to itself. It is,
however, perhaps too soon to assume that the glands are entiroly useless to the
Ncctar absondernde Drüsen.
575
plants in Europe. Darwin states that there is good cvidencc that thc absence of
glands in the leavcs of peachcs, ncctarines, and apricots leads to mildew ("Animals
and Plants under Domestication," vol. IL p. 231).
Darwin refers at the same place to the variations of the glands of the leaves
in the abovc-mentioncd fruit trees and 1 may add that they are extremety variable
on the cherry, being sometimes absent, sonK^times on the stalk and sometimes on
the blade of the leaf. The young leaf in its earliest stage, before it expands, has
a complete fringe of them, thus bearing out Mr. Francis Darwin's theory that the
are homologous with thi^ serration-glands of Reinke.
May I suggest to souk^ of your corespondents that information as to how
far north in Great Britain or in Europe the glands on the above fruit trees are
attended by ants and especially if thc wild cherry (which I have not had an
opportunity of observing) is so attended, would be of great interest.
Cornwall House, Ealing, June 8 1877. Thomas Bclt.
Ueber Blumen und Insecten^).
Brief F. Müllers an Ch. Darwin mit einleitender Bemerkung des letzteren.
The enclosed letter from that excellent observer, Fritz Müller, contains some
miscellaneous observations on certain plants and insects of South Brazil, which
are so new and curious that they will probably interest your naturalist readers.
With respect to his case of bees getting their abdomens dusted with poUen while
gnawing the glands on the calyx of one of the Malpighiacese, and thus effecting
the cross-fertilisation of the flowers, I will remark that this case is closely analogous
to that of Coronilla recorded by Mr. Farrer in your Journal some years ago, in
which parts of the flowers have been greatly modified, so that bees may act as
fertilisers while sucking the secretion on the outside of the calyx. The case is
interesting in another way. My son Francis has shown that the food-bodies of
the Bull's-horn Acacia, which are consumed by the ants that protect the tree from
its enemies (as described by Mr. Belt), consist of modified glands; and he suggests
that aboriginally the ants licked a secretion from the glands, but that at a sub-
sequent period the glands were rendered more nutritious and attractive by the
retention of the secretion and other changes, and that they were then devoured
by the ants. But my son could advance no case of glands being thus gnawed
or devoured by insects, and here we have an example.
With respect to Solanum palinacanthum, which bears two kinds of flowers
on the same plant, one whith a long style and large stigma, the other with a
Short style and small stigma, I think more evidence is requisite before this species
can be considered as truly heterostyled, for I find that the poUen-grains from the
two forms do not differ in diameter. Theoretically it would be a great anomaly
if flowers on the same plant were functionally heterostyled, for this structure is
evidently adapted to insure the cross-fertilisation of distinct plants. Is it not more
probable that the case is merely one of the same plant bearing male flowers
through partial abortion, together with the original hermaphrodite flowers? Fritz
Müller justl}' expresses surprise at Mr. Leggett's suspicion that the difference in
length of the pistil in the flowers of Poniederia cor data of the United States is
due to difference of age; but since the publication of my book Mr. Leggett has
I) Nature 1877. Bd. XVIT. S. 78, 79.
Ueber Blumen und Insecten. sy,
fuUy admitted, in the Bulletin of the Torrey Botanical Club, that this species is
truly heterostyled and trimorphic. The last point on which I wish to remark is
the difference between the males and females of certain butterflies in the neuration
of the wings, and in the presence of tufts of peculiarly-formed scales. An American
naturalist has recently advanced this case as one that cannot possibly be accounted
for by sexual selection. Consequently, Fritz Müller's observations which have
been published in füll in a recent number of Kosmos, are to me highly interesting,
and in themselves highly remarkable.
Down, Beckenham, Kent, November 21. Ch. Darwin.
You mention ("Different Forms of Flowers," page 331), the deficiency of
glands on the calyx of the cleistogamic flowers of several Malpighiaceae, sug-
gesting, in accordance with Kerner's views, that this deficiency may be accounted
for by the cleistogamic flowers not requiring any protection from crawling insects.
Now I have some doubt whether the glands of the calyx of the Malpighiaceae
serve at all as a protection. At least, in the one species, the fertilisation of which
I have very often witnessed, they do not. This species, Bunchosia Gaudichaudiana,
is regularly visited by several bees belonging to the genera Tetrapedia and Epi-
charis. These bees sit down on the flowers gnawing the glands on the outside
of the cal3rx, and in doing so the under side of their body is dusted with pollen,
by which, afterwards, others flowers are fertilised.
There are here some species of Solanum (for instance .S". palinacanthiun)
bearing on the same plant long-styled and short styled flowers. The short-styled
have papillae on the Stigma and apparently normal ovules in the ovary, but not-
withstanding they are male in function, for they are exclusively visited by pollen-
gathering bees (Melipona, Euglossa, Augochlora, Megacilissa, Eophila, n. g., and
others), and these would probably never insert their proboscis between the
stamens.
In a few months I hope to be able to send you seeds of our white-flowered
violet with subterranean cleistogamic flowers. I was surprised at finding that on
the Serra (about iioometres above the sea) this violet produced abundant normal
fruits as well as subterranean ones, while at the foot of de Serra, though it had
flowered profusely, I could not find a singe normal fruit, and subterranean ones
were extremely scarce.
According to Delpino the changing colours of certain flowers would serve
to show to the visiting insects the proper moment for effecting the fertilisation
of these flowers. We have here a Lantana the flowers of which last three days,
being yellow on the first, orange on the second, purple on the third day. This
plant is visited by various butterflies. As far as I have sean the purple flowers
are never touched. Some species inserted their proposcis both into yellow and
into orange flowers {Danais erippiis, Pieris aripa), others, as far as I have
hitherto observed, exclusively into the yellow flowers of the first day {Heliconius
apseudes, Colcenis julia, Eurema leuce). This is, I think, a rather interesting
case. If the flowers feil off at the end of the first day the inflorescence would
be much les conspicuous; if they did not change tlieir colour much time would
be lost by the butterflies inserting their proboscis in already fertiUsed flowers.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 37
578
Ueber Blumen und Insecten.
In another Lantana the flowers have the colour of lilac, the entrance of the
tube is yellow surrounded by a white circle; these yellow and white markings
disappear on the second day.
Mr. Leggett's Statements about Pontederia cor data appear to me rather
Strange, and I fear that there is some mistakc. In all the five species of the
family which I know the flowers are so shortlived, lasting only one day, that a
change in the length of the style is not very probable. In the long-styled form
of our highland Pontederia the style has its füll length long before the flowers
open. In my garden this Pontederia is visited by some species of Augochlora
collecting the poUen of the longest and mid-length stamens; they are too large to
enter the tube of the coroUa, and have too short a proboscis to rcach the honey ;
they can only fertilise the long-styled and mid-styled forms, but not the short-
styled.
Among the secondary sexual characters of insects the meaning of which is
not understood, you mention ("Descent of Man," vol. i., p. 345) the differcnt neu-
ration in the wings of the two sexes of some butterflies. In all the cases which
I know this difference in neuration is connected with, and probably caused by,
the development in the males of spots of peculiarly-formed scales, pencils, or other
contrivances which exhale odours, agreeable no doupt to their females. This is
the case in the genera Mechanitis, Dircenna, in some species of Thecla, &c.
Blumenau, St. Catharina, Brazil, October 19 1876. (?)
Maracujäfalter^).
Die Gattungen Heliconius, Eueides, Colaenis und D i o n e (= Agrau-
lis) werden bis jetzt allgemein in die beiden Familien der Heliconinen und
der Nymphalinen vertheilt. Zu letzteren zählt man Colaenis und Dione;
Eueides stellt man bald neben Colaenis zu den Nymphalinen (so Double-
day und Felder), bald neben Heliconius zu den Heliconinen (so Herrich-
Schäffer und K i r b y). — Keine dieser Anordnungen ist naturgemäss. C o 1 a e -
n i s und Dione müssen von den Nymphalinen getrennt und mit Heliconius
und Eueides zu einer eigenen Familie verbunden werden.
Hier in möglichster Kürze der Beweis für diese Behauptung. Die vier ge-
nannten Gattungen stimmen überein in folgenden Stücken:
i) Alle ihre Arten leben im wärmeren America und alle, soweit bekannt,
legen ihre Eier an Arten von Maracuja (Passiflora). So Heliconius
Eucrate, Eueides Isabella und Aliphera, Colaenis Dido und Julia,
Dione Vanillae und Juno. — Keine Nymphalinenraupe lebt, soviel bekannt,
an Maracuja.
2) Die Eier sind gelb, haben die Gestalt eines Fingerhutes und eine durch
Längs- und Querriefen gefelderte Oberfläche. — Aehnliche Eier kommen auch
sonst bei Tagfaltern vor; ob bei Nymphalinen, weiss ich nicht. Dagegen
finden sich in letzterer Familie ganz abweichende Formen, wie bei Siderone
die eines weiten umgedrehten glatten Fingerhutes mit ebener Endfläche.
3) Die Raupen sind Dornraupen. Der Kopf trägt zwei Dornen (die bei
Dione Juno nur als zwei kurze Spitzen erscheinen). Die Vorderbrust ist meist
unbedornt ; nur bei Dione Juno trägt sie ein kleines Dornenpaar. Mittelbrust
und Hinterbrust tragen je zwei Dornenpaare, die nicht in einer Querreihe
stehen, ein oberes etwa in der Mitte zwischen Vorder- und Hinterrand, und
ein unteres dicht am Vorderrand des Ringes. Die Hinterleibsringe, mit Aus-
nahme des letzten, haben je drei Dornenpaare in einer Querreihe, in der auch
die Luftlöcher liegen. Der letzte Ring endlich hat zwei Dornenpaare, von denen
das untere weiter nach hinten steht.
Auch unter den Nymphalinen giebt es viele Dornenraupen; aber ich
kenne keine mit genau derselben Anordnung der Dornen, die sich auch bei den
Raupen von Acraea findet. Allerdings ist die Zahl der Nym phalinen raupen,
1) Entomologische Zeitung des entomolog. Vereins zu Stettin 1877. 38. Jahrg. S. 492 — 496.
3/
-Oq Die Maracujäfalter
die ich selbst untersuchen oder über die ich (durch meinen Bruder Hermann
Müller) befriedigende Auskunft erhalten konnte, keine sehr grosse. Neben
den Dornraupen aber finden sich unter den Nymphali nen viele andere dorn-
lose, mit hörnertragendem Kopfe, wie S i d e r o n e und Protogonius.
4) Alle Maracujäfalter saugen ausschliesslich Blumenhonig, keine Art den
ausfliessenden Saft der Bäume, wie unter den Nymphalinen z. B. Epicalia,
Temenis, Callicore, Gynaecia, Ectima, Ageronia, Biblis, Aga-
nisthos, Prepona, Agrias, Sm3'^rna, Paphia und Siderone; keine Art
setzt sich Feuchtigkeit suchend an den Boden, wie unter den Nymphalinen
z. B. Hypanartia, Eunica, Haematera, Apatura u. s. w., oder gar an
Pferdedung, wie Pyrameis. — Alle Maracujäfalter scheinen mit Vorliebe die
gleichen Blumen zu besuchen ; fleissig und andauernd besuchten z. B. alle hiesigen
Arten (Heliconius B esckei , Apseudes und Eucrate Euei des, Isabella
und Aliphera, Colaenis Julia und Dido, Dione Vanillae und Juno),
mit Ausnahme der überaus seltenen Eueides Pavana und Dione Moneta,
eine Poinsettia in meinem Garten, an welcher von Nymphalinen nur gelegent-
lich Anartia Amalthea sich einfand, ohne sich bei dem blüthenreichen Busche
zu verweilen.
5) Die Männchen aller Maracujäfalter spreizen, wenn man sie ergreift, die
Afterklappen auseinander, an deren Innenseite dann zwei stark und widrig
riechende Wülste hervortreten; die Weibchen dagegen verbreiten den gleichen
Geruch, indem sie auf der Rückenseite zwischen letztem und vorletzem Hinter-
leibsringe eine gelbe Wulst hervortreiben. — Unter den Nymphalinen kenne
ich nichts Aehnliches.
6) Fühler und Mundtheile stimmen im Wesentlichen bei allen Arten überein,
ohne freilich etwas besonders Auszeichnendes zu bieten. Dies gilt namentlich
auch von den längs der Kiefer stehenden Anhängen in Gestalt einer flach-
gedrückten Keule, die am Ende einen schiefstehenden Stift tragen. Es ist das
die gewöhnlichste Gestalt dieser wohl als Schmeckstifte zu deutenden Gebilde,
die in einigen anderen Faltergruppen abweichende, bezeichnende Fonnen an-
nehmen.
7) Die Hinterflügel der Männchen haben auf der Oberseite, nahe dem
Vorderrande, soweit dieselben \'on den Vorderflügeln bedeckt werden, eigen-
thümhch gestaltete, am Rande gefranste Schuppen, „Duftschuppen", wie solche
von ziemlich ähnlicher Bildung auf der Oberseite der Flügel bei den Männchen
des deutschen Baumweisslings (Pieris Crataegi) vorkommen. — Weder bei
den Nymphalinen noch bei Acraea kenne ich solche Duftschuppen. —
8) Die Längsadern der Flügel tragen auf der Unterseite in eine oder zwei
Reihen gestellte schwarze Haare; ähnliche Haare trägt auch der Saum der
Flügel. Bei Acraea findet man dieselben Haare und zwar nicht nur auf den
ausgebildeten Adern, sondern auch im Verlauf der geschwundenen dritten Innen-
randsader der Hinterflügel. Bei den darauf untersuchten Nymphalinen ver-
misse ich sie. —
g) Das Adergerüst der Flügel ist bei allen Maracujaf altern ungemein ähn-
lich. Es fällt diese Uebereinstimmung sofort in die Augen, wenn man, am besten
in etwas vergrößerter Zeichnung, das Adergerüst der \erschiedenen Arten neben-
Die Maracujäfalter. cgj
einander vor sich hat. Den Unterschied, der zwischen Heliconius und Eu-
eides einerseits, Colaenis und Dione andrerseits darin besteht, dass jene eine
geschlossene, diese eine offene Mittelzelle der Hintcrflügel haben, bemerkt man
dabei kaum, so sehr verschwindet er unter dem überwiegenden Eindruck des
Gemeinsamen. Dieses in Worte zu fassen, würde seitenlange Auseinandersetzungen
erfordern. Ich beschränke mich darauf, cnnige leichter zu übersehende, gerade
wegen ihrer anscheinenden Unbedeutendheit als Beweis für die nahe Bluts-
verwandtschaft sämmtlicher Maracujäfalter besonders schwerwiegende Eigen-
thümlichkeiten hervorzuheben.
a) Die Mediana der Vorderflügel hat nahe der Wurzel einen nach der
Innenrandsader zu vorspringenden kurzen, seine Spitze saumwärts wendenden
Sporn; bei den meisten Arten, so auch bei Colaenis Dido und Dione
Vanillae sehr deutlich, ist er nur schwach entwickelt bei Colaenis Julia
und Dione Juno. Ein ähnlicher Sporn findet sich auch bei einigen anderen
Faltern verschiedener Famihen; so bei Morpho und unter den Nymphalinen
bei A d e 1 p h a (= H e t e r o c h r o a). Er fehlt, soweit ich sie kenne, bei allen
Nymphalinen -Gattungen, die irgendwie Anspruch auf nähere Verwandtschaft
mit den Maracujäf altern erheben könnten, auch bei Acraea.
b) In die Mittelzelle der Vorderflügel springt aus dem Winkel zwischen
Mediana und Subcostalis, mehr oder weniger weit und deutlich, der Stamm der
weiterhin geschwundenen Discoidalis vor. Besonders weit vorspringend sieht
man dieses Wurzelstück der Discoidalis bei Eueides Aliphera, besonders
dick bei Colaenis Dido, am wenigsten deutlich bei Colaenis Julia. Ich
habe bei Acraea und vielen Nymphalinen vergeblich nach diesem Ueberbleibsel
der Discoidalader gesucht.
c) Nicht weit von der Elügelwurzel wird die vSubcostalis plötzlich dünner, indem
ihr vorderer Rand gerade fortgeht, der hintere aber dem vorderen sich plötzlich
nähert. Es ist die Stelle, wo früher die Subcostalis in ihre beiden Hauptäste sich
spaltete, von denen später der hintere bis zu seiner Wiedervereinigung mit dem
vorderen geschwunden ist. Man kann bisweilen, z. B. bei Colaenis Dido,
Heliconius Eucrate, den Verlauf dieses eingegangenen Astes der Subcostalis
noch ziemlich deutlich durch die ganze Mittelzellc hindurch verfolgen. Selbst bei
Thieren derselben Art ist diese einstige Theilungsstelle der Subcostalis nicht
immer gleich deutlich zu erkennen; besonders deutlich pflegt sie zu sein bei
Heliconius Eucrate, Eueides Aliphera, DioneVanillae und Dione
Juno. Ich konnte nichts davon sehen bei Acraea und bei Nymphalinen.
d) P'ür die Hinterflügel will ich nur an die wurzelwärts gebogene Prae-
costalis erinnern, welche die Maracujäfalter von Acraea und auch wohl von
allen etwa in ihre Nähe zu stellenden Nymphalinen unterscheidet.
Es scheint nicht geboten, die Tragweite der einzelnen hier angeführten
Merkmale zu erörtern; für Systematiker der altt^n Schule schreibe ich nicht; für
jeden Anderen liegt, wie mir scheint, deren Bedeutung auf der Hand,
Man möchte fragen, wie es möglich war, dass die Meister der Schmetterlings-
kunde eine Verwandtschaft verkennen konnten, die doch jedem Kinde, wie ich
von meinen eigenen weiss, beim ersten Anblick der fliegenden Falter sofort ins
.02 Die Maracujäf alter.
Auge springt und die immer neue Bestätigimg erhält, je mehr man die Entwicklung,
die Lebensweise, den Bau dieser Thiere kennen lernt.
Dass man Eueides zwischen Heliconius und Colaenis hin und her
warf, so lange man diese beiden Gattungen in verschiedene Familien stellte, ist
begreiflich. Ist doch Eueides von Heliconius kaum durch kürzere Fühler,
von Colaenis kaum durch die geschlossene Mittelzelle der Hinterflügel ver-
schieden (wenigstens als Falter, und die sehr abweichende Puppe kannte man
nicht), — ist doch einerseits Eueides Isabella dem Heliconius Eucrate,
andrerseits Eueides Aliphera der Colaenis Julia in Schnitt, Zeichnung
und Färbung der Flügel so täuschend ähnlich, dass man sie leicht für kleine
Stücke dieser Arten halten könnte. Wie man aber Colaenis von Heliconius
losreissen konnte, verstehe wer kann. In der ausführlichen Darlegung der Gattungs-
merkmale, die Doubleday giebt, findet man als allereinziges erhebliches Merk-
mal, welches Colaenis von Heliconius unterscheidet, die bei Colaenis offene
Mittelzelle der Hinterflügel; aber dieses selbe Merkmal scheidet Colaenis ganz
ebenso von etwa 50 der 113 von Herrich-Schäff er angenommenen Nym-
phali nen- Gattungen. Zudem sagt Herrich-Schäffer selbst, dass dieses
Merkmal nicht einmal zur Trennung sonst übereinstimmender Arten in ver-
schiedene Gattungen genüge, und vereinigt demgemäss unter Adolias Arten
mit offener und solche mit geschlossener Mittelzelle. Und dabei stellt er Heli-
conius in die erste, Colaenis in die zehnte seiner Tagf alter- Familien !
Häckel's Mahnung an die Naturforscher, sich gründlicher mit Philosophie
und namentlich mit Logik zu befassen, scheint in der That nicht überflüssig
zu sein.
Itajahy, Sa. Catharina, Brazil, April 1877.
Die Grannen von Aristida^).
Das Hochland der Provinz Santa Catharina ist reich an Gräsern mit dreh-
baren Grannen. Auf zwei Ausflügen dahin im Vorsommer (November, December)
des vorigen und im Nachsommer (Februar, März) dieses Jahres habe ich gegen
zwanzig Arten solcher Gräser gesehen. Indem die Grannen je nach der wachsen-
den oder abnehmenden Feuchtigkeit der Luft sich rechts oder links drehen,
bohren sich die unten mit harter, scharfer Spitze und einem schief aufwärts ge-
richteten Barte steifer Haare versehenen Aehrchen in den Boden ein, wie es
Francis Darwin vor kurzem bei Stipa ausführlich beschrieben hat (Trans.
Linn. soc. vol, I. part. 3. p. 149. 1876). — Unter diesen Gräsern unseres Hoch-
landes finden sich auch mehrere Arten der Gattung A r i s t i d a , bei welchen die
das Einbohren in die Erde vermittelnden Einrichtungen den höchsten Grad der
Vollkommenheit erreichen. Es ist nämlich bei ihnen die Granne mehr oder weniger
tief, bisweilen fast in ganzer Länge, in drei Aeste gespalten, die sich beim Trock-
nen ziemlich wagerecht ausbreiten (den Samen senkrecht stehend gedacht). So
kann das trocken zu Boden fallende Aehrchen niemals flach auf denselben zu
liegen kommen, was natürlich das Einbohren erleichtert. Je länger im Verhältniss
zur Frucht und zum ungespaltenen Theile der Granne deren Aeste sind, um so
steiler wird sich dasselbe stellen müssen ; fast senkrecht steht es bei einer Art,
deren Grannenäste etwa Spannenlänge (0,2 m) erreichen. Man hat oft Gelegenheit,
die in den Boden eingebohrten Früchte dieser Art zu sehen. Am 7. März kam
ich auf der nordwärts nach der Provinz Parana führenden Strasse in der Nähe
des Rio das Pedras an einen kahlen, dürren Abhang, der fast auschließlich mit
dieser A r i s t i d a bewachsen war. In Folge anhaltender Dürre war der Boden
ungewöhnlich hart und seit Monaten nicht von Regen benetzt worden, und doch
war — ein ganz eigenthümlicher Anblick — die Erde zwischen den Grasbüschen
wie besät mit eingebohrten Früchten, die allesammt senkrecht standen und die
langen Grannenäste wagerecht ausbreiteten. Hier und da sprossten schon die
jungen, grünen Grasblättchen an der Seite der Grannen hervor. Auf der Erde
liegend würden an ähnlichen Stellen bei "trockenem Wetter die Samen nie keimen
können, während der Thau der Nacht genügt, sie in die zum Keimen hinreichende
Feuchtigkeit bietende Erde einzusenken. Unserem feuchten Küstengebiete
l) Kosmos (Leipzig, Günthers Verlag) 1877 I. p. 353 — 354.
,Q, Die Grannen von Aristida.
0<54
scheinen Samen mit Drehgrannen ganz zu fehlen. Dagegen ist wohl die ganze
Gattung Stipa vorzugsweise in übertrockenen Gegenden und an übertrockenen
Standorten heimisch.
Merkwürdig ist es, dass eine der Aristida-Arten die hoch entwickelten
Formen zum Einbohren der Früchte wieder verloren und sich in ganz eigen-
artiger Weise der Verbreitung durch den Wind angepasst hat. Der dünne
Halm dieses Grases wird etwa spannenhoch und trägt vom ersten Drittel seiner
Höhe ab paarweise gestellte, in verschiedenen Richtungen sich ausspreizende,
gegen o,i m lange, haardünne Aeste, welche ihrerseits in gewöhnlich zwei bis
drei Zweige sich theilen. Jeder Zweig trägt ein dünnes Aehrchen, das Aehrchen
gegen 12 mm lang, eine ungefähr gleich lange, ungedrehte, gerade Granne mit
seitHchen, nur etwa ein Viertel dieser Länge erreichenden Aesten, die mit dem
mittleren Aste einen ganz spitzen Winkel von nur wenigen Graden bilden. Im
Ganzen sind etwa sechs Hauptäste des Halmes und 24 bis 30 Aehrchen vor-
handen. Zur Zeit der Reife fällt nun der ganze Halm ab und wird vom Winde
über die Grasfluren (Campos) hingetrieben. In Fußpfaden fand ich hier und da
völlige Heuschichten dieser sparrig verästelten Aristida-Halme zusammengeweht.
Die Aehrchen scheinen sich nie von den Halmen zu lösen. Bricht man sie ab,
so sieht man noch die für bohrende Samen so bezeichnende Spitze mit dem
Barte schief aufwärts gerichteter Haare, als Beweis, dass die Vorfahren auch dieser
Aristida einst das Vermögen sich einzubohren besassen.
Itajahy, April 1877.
Beobachtungen an brasilianischen Schmetterhngen ^).
I.
I. Die Flügeladern der Schmetterlingspuppen.
Mit 6 Textfiguren.
An Schmetterlingspuppen, die eben ihre Raupenhaut abgestreift haben, sieht
man häufig durch die noch weichen Flügeldecken die zarten, weissen Luftröhren
durchschimmern, welche die erste Anlage des Adergerüstes der Vorderflügel
bilden. Bisweilen lassen sich auch die tiefer liegenden Luftröhren der Hinter-
flügel erkennen, doch vielleicht nie deutlich genug, um ein vollständiges, zu-
sammenhängendes Bild ihres Verlaufes zu gewinnen. Mit dem Erhärten der
Puppenhaut pflegt dieses Adergerüst der Puppenflügel undeutlich oder völlig un-
sichtbar zu werden; selten nur, besonders bei grünen Puppen mit glatten Flügel-
decken, z. B. Siderone Ide, bleibt es für eine Reihe von Tagen sichtbar.
Der Verlauf der Luftröhren in den Flügeln der jungen Puppen pflegt nun
nicht unerhebhch abzuweichen von dem späteren Adergerüst der Schmetterlings-
flügel, und wie so häufig Jugendzustände Aufklärung geben über die Stammes-
geschichte, so ist unverkennbar auch in diesem Falle der Aderverlauf des Puppen-
flügels weit ursprünglicher, dem des Urschmetterlings weit näher stehend, als das
Adergerüst des Schmetterlingsflügels.
Gerade für die Ordnung der Schmetterlinge muss aber jeder neue Anhalt
zur Feststellung ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen unter einander und zu
anderen Insekten und somit ihres Stammbaumes hoch willkommen sein. Sagte
doch schon Latreille: „Lepidopterorum ordo entomologorum scopulus" und dass
dieser Ausspruch noch heute gilt, beweist unter Anderem die geringe Ueber-
einstimmung zwischen den der neuesten Zeit angehörenden Anordnungen der
Tagfalter von Herrich-Schäffer, von Kirby und von Butler.
Doch besser als durch allgemeine Betrachtungen veranschauliche ich wohl
durch Vorführen einiger Beispiele die Bedeutung des Flügelgeäders der Puppen.
Ich zeichne zunächst in Fig. i den Vorderflügel der Castnia Ardalu s
und stelle in Fig. 2 den der Siderone Ide daneben. Die grosse Verschieden-
I) Kosmos 1877. Bd. I. S. 388—395.
586
Beobachtungen an brasilianischen Schmetterlingen.
heit des Adergerüstes springt sofort in die Augen. Bei Siderone eine ein-
fache Mittelzelle und die von ihr nach dem Rande des Flügels gehenden Längs-
adern, alle anscheinend aus zwei Stämmen entspringend, und zwar 2 bis 4 aus
der Mediana, ö bis 11 aus der Subcostalalis. Bei Castnia dagegen entspringen
nur 2 und 3 aus der Mediana, 7 bis U aus der Subcostalis, während die da-
zwischen liegenden 4 bis 6 als Aeste der bei der Siderone fehlenden Disco-
idalis erscheinen, durch welche die Mittelzelle der Länge nach getheilt wird.
Ausserdem wird durch einen Querast zwischen 8 und 9 eine kleine Nebenzelle
gebildet Zwischen Mittelzelle und Innenrand der Flügel verläuft bei Siderone
■S
Vorderflügel von Siderone Ide (2
eine einzige einfache Innenrandsader {Ih), während Castnia deren drei besitzt
{la, Ih, Ic), von denen die beiden hinteren {la und Ib) durch einen Querast
verbunden sind.
Welches der beiden Adergerüste ist nun das ursprüngliche, dem des Ur-
schmetterlings näherstehende? — Gerstäcker, welcher dem Flügelgeäder der
Kleinschmetterlinge wegen der drei Innenrandsadern der Hinterflügel grössere „Voll-
kommenheit" zuschreibt, würde wohl das weit einfachere Adergerüst der Siderone
für unvollkommener und daher wohl auch für älter erklären, als das viel ver-
wickeitere der Castnia. — Dr. A. Speyer, der den Saturnien, mit nur einer
Innenrandsader der Hinterflügel, hoch entwickelten Flügelbau zuschreibt, und den
Weidenbohrer (Cossus), dessen Vorderflügel im Adergerüst sich kaum von denen
der Castnia unterscheiden, als eine Form bezeichnet, deren Flügelgeäder dem
der Haarflügler (Phry ga nid en) und somit wahrscheinlich der Urform der
Schmetterlinge besonders nahe steht, wäre ohne Frage entgegengesetzter Meinung-
Das Flügelgeäder der Puppe von Siderone Ide (Fig. 3), das ich am ersten
Tage nach der Verpuppung (10. Juni 1876) zeichnete, entscheidet sofort die Frage.
Dasselbe gleicht weit weniger dem des Schmetterlings, der aus der Puppe hervor-
geht, als dem der Castnia. Wie bei dieser finden sich drei Innenrandsadern
{la, Ih, Ic), eine Mediana mit zwei (2 und .?), eine Discoidalis mit drei (/ bis 0)
Beobachtungen an brasilianischen Schmetterlingen.
587
und eine Subcostalis mit fünf (7 bis 11) Aasten. Queradern fehlen noch. — Nach
einigen Tagen verschmelzen, jenseits des Ursprungs der Ader 11, die beiden Haupt-
äste der Subcostalis auf eine kurze Strecke, so dass dann auch die von den
Aesten der Subcostalis umschlossene Nebenzelle der Castnia Ardalu s nicht fehlt.
Später vereinigt sich diese Nebenzelle mit der Mittelzelle, indem die sie trennende
Fig. 4.
Fig. 3. Flügelgeäder der Puppe von
Siderone Ide. (3 ; i).
Fig. 4. Flügelgeäder der Puppe von
Callidryas Argante. (3:1.)
Ader verkümmert und schwindet. An den Flügeln verschiedener Schmetterlinge
ist dieses verkümmerte Stück des hinteren Hauptastes der Subcostalis noch deut-
lich wahrzunehmen, häufiger noch der verkümmerte Stamm der DiscoidaHs und
die vordere Innenrandsader {le).
Als zweites Beispiel gebe ich (Fig. 4) das Flügelgeäder einer jungen Puppe
von Callidryas Argante; von dem der Siderone Ide unterscheidet es sich
dadurch, dass, wie bei dem Schmetterling, die beiden hinteren Innenrandsadern
{la und Ib) nahe der Wurzel sich vereinigen, dass die beiden Hauptäste der Sub-
costalis schon zur Zeit der Verpuppung verschmolzen sind und ebenso fast bis
ans Ende die Aeste Sund .9; endlich dadurch, dass die Discoidalis nur zwei Aeste
hat. Es ist also schon in der Puppe, wie beim Schmetterling und wie bei vielen
anderen Pieriden, eine Ader weniger vorhanden, als bei Siderone. So viel ich
weiss, nimmt man bis jetzt allgemein an, dass die fehlende Ader ein Ast der
Subcostalis sei; Doubleday wenigstens beschreibt die Subcostalis als nur vier-
ästig und bezeichnet die Ader 7 als erste Discoidalader. Ein Blick auf die Puppe
widerlegt diese Annahme und zeigt, dass die Subcostalis ihre gewöhnlichen fünf
Aeste vollzählig besitzt, dass dagegen statt der beiden vorderen Aeste der Disco-
idalis {5 und 6) nur ein einziger vorhanden ist.
Ich hoffe, diese wenigen Beispiele werden genügen, dem Verlaufe der Luft-
röhren in den Flügeln junger Schmetterlingspuppen die verdiente Beachtung zu-
zuwenden.
2. Die Duftschuppen der männlichen Maracujäf alter ^).
Der Geruchssinn spielt im geschlechtlichen Verkehr vieler Thiere eine wich-
tige Rolle, Zu diesen gehören auch die Schmetterlinge. Männchen mancher
Schwärmer und Nachtschmetterlinge riechen auf unglaubliche Entfernung ihre
i) Veigl. As maculas sexuaes u. s. w. Ges. Schriften S. 551.
Ges. Schriften S. 559 und Tafel XLV— XLVm.
Os orgäos odoriferos u, s. w.
egg Beobachtungen an brasilianischen Schmetterlingen.
der Begattung harrenden Weibchen. Aber auch ihrerseits verbreiten viele
Schmetterlingsmännchen Gerüche, die jedenfalls den Weibchen angenehm sind
und ihre Geschlechtslust reizen. Von den Männchen des Liguster- und des
Windenschwärmers weiss man seit lange, dass sie einen im Fluge besonders
stark hervortretenden Moschusgeruch entwickeln, ohne dass man bisher die Stelle,
von der dieser Geruch ausgeht, ermittelt hätte. Die Entomologen in Europa
haben eben Wichtigeres zu thun. Die Männchen einer Motte der Gattung
Cryptolechia und die der Glaucopidcn. den deutschen Blutflecken
(Zygaeniden) verwandter Schmetterlinge, stülpen am Ende des Hinterleibes ein
Paar hohle, behaarte Fäden aus, bisweilen von Körperlänge, von denen ein oft
sehr starker, für uns bald widerlicher, bald angenehmer (z. B. wie aus Chloroform
und Bittermandelöl gemischter) Geruch ausgeht. Ebenso können bei den präch-
tigsten der südamerikanischen Schmetterlinge, den riesigen Morpho, die Männ-
chen am Ende des Hinterleibes jederseits eine behaarte, riechende Wulst hervor-
treten lassen; bei dem im prachtvollsten Blau schillernden M. Adonis und dem
ähnlichen M. Cytheris ist der Geruch vanilleähnlich. — Weit häufiger als der
Hinterleib sind die Flügel der Sitz der das Männchen auszeichnenden
Düfte. Um nur einige wenige der durch besonders starken Geruch ausgezeich-
neten Arten zu nennen, so ist bei dem Männchen des Papilio Protesilaus,
eines dem Segelf alter ähnlichen Falters mit schuppenarmen, durchsichtigen Flügeln,
der Innen- oder Hinterrand der Hinterflügel breit nach oben umgeschlagen ;
werden diese Flügel stark nach vorn gezogen, so öffnet sich der Umschlag und
es kommt ein sich sträubender, dichter Bart aus langen schwarzen Haaren zum
Vorschein, und zugleich wird ein lebhafter Geruch bemerkbar. In der Familie
der Weisslinge (Pier inen) zeichnen sich in dieser Beziehung aus Leptalis
Thermesia und der durch leicht geschwänzte Hinterflügel merkwürdige Gelb-
ling Callidryas Cipris; bei beiden geht der Geruch aus von einem mit eigen-
thümlichen Schuppen bedeckten Fleck, der auf der Oberseite der Hinterflügel
nahe dem Vorderrande liegt und bei Callidryas Cipris noch von einer Mähne
langer Haare bedeckt wird. Bei den Männchen fast aller Brassoliden, grosser,
den Morpho ähnlicher, aber minder glänzend gefärbter Falter, die besonders
am frühen Morgen und gegen Abend fliegen, sind die Hinterflügel mit sehr ver-
schiedenartig gelegenen und gebildeten Duftwerkzeugen ausgestattet. Einen un-
gewöhnlich starken Bisamgeruch bemerkte ich bei einer auf der Höhe der Serra
gefangenen Dasyophthalma; hier trägt das Männchen auf der bläulich
schwarzen Oberseite der Hinterflügel einen eirunden ockergelben Fleck, welchen
die Discoidalader durchschneidet, und dahinter in der Mittelzelle einen langen
Pinsel lehmgelber Haare, den der Falter willkürlich aufrichten und ausspreizen
kann. Bei den Männchen vieler Thecla- Arten findet sich auf der Oberseite
der Vorderflügel am Ende der Mittelzelle ein meist dunkler Fleck, aus sehr fest
haftenden, abweichend gestalteten Schuppen gebildet; bei grösseren Arten pflegt
ein von diesem Fleck ausgehender Geruch wahrnehmbar zu sein; sehr stark (so
dass er auffällt, sobald man das Thier in den Käscher bekommt) und dabei wider-
lich, fledermausähnlich, ist derselbe bei der prachtvollen Thecla A t y s.
Gemeinsam ist allen diesen und anderen Duftwerkzeugen, dass sie, so lange
der Schmetterling ruht, wohl geborgen und vor Verdunstung geschützt sind, sei
Beobachtungen an brasilianischen Schmetterlingen. egg
es zwischen den Flügeln, oder zwischen Flügel und Hinterleib, sei es in be-
sonderen Rinnen oder durch Umschlag des Randes gebildeten Taschen der Flügel
(dahin z. B. der sogenannte „Costalumschlag" am Vorderrande der Vorderflügel
bei vielen Dickköpfen), sei es im Innern des Leibes, wie die ausstülpbaren Wülste
und Fäden der Morpho und der Glaucopiden. Besonders wirksame Räucher-
vorrichtungen bilden die Pinsel und Mähnen, die während der Ruhe mit Riech-
stoff sich sättigen und dann plötzlich, sich ausspreizend, eine ungemein grosse Ver-
dunstungsfläche entfalten.
Man ist wohl berechtigt, allen ähnlichen unter den Tagfaltern sehr ver-
breiteten Vorrichtungen dieselbe Deutung zu geben, auch wenn bis jetzt ein Ge-
ruch noch nicht beobachtet wurde und selbst wenn ein solcher für menschliche
Nasen überhaupt nicht wahrnehmbar wäre.
Natürlich sind diese überaus mannigfaltigen Duft Vorrichtungen der männ-
lichen Schmetterlinge nicht plötzlich in ihrer jetzigen Vollkommenheit zu Tage
getreten ; sie haben sich aus einfacheren Zuständen entwickeln müssen. Und da
nun viele derselben verhältnissmässig junge Bildungen sind, wie ihre sehr ab-
weichende Gestaltung in nahe stehenden Gattungen, oder selbst innerhalb der-
selben Gattung (z. B. Papilio) beweist, so dürfte die Hoffnung nicht unberechtigt
erscheinen, noch solche einfachere Zustände aufzufinden. Da bisweilen selbst
wohlentwickelte Duftflecke (z. B. bei Callidryas Philea cS) oder Haarbüschel
(z. B. Mechanitis Lysimnia S) keinen für uns sicher wahrnehmbaren Geruch
verbreiten, so musste man selbstverständlich von vornherein bei derlei einfachen
Formen auf Erkennen durch die Nase verzichten und ihre Deutung anderweitig
sicher stellen. Es lassen sich nun in der That auf den Flügeln verschiedener
Schmetterlinge Schuppenbildungen nachweisen, die man mit Wahrscheinlichkeit
als einfachere, ursprünglichere Duftwerkzeuge betrachten kann. Unter diesen sind
besonders merkwürdig, weil ihre Deutung als solche wohl kaum einem Zweifel
unterliegen kann, die Duftschuppen der männlichen Maracujafalter.
Die Maracujafalter, wie ich sie nach den Pflanzen nenne, an welchen,
soweit bekannt, die Raupen aller Arten leben ^), bilden eine auf das wärmere
Südamerika beschränkte Gruppe engverwandter Arten. Ihre langen schmalen
Flügel geben ihnen ein ganz eigenartiges Aussehen, ihre meist schönen, reinen,
satten Farben machen sie, wie die Morpho, zu einer wahren Zierde südamerika-
nischer Landschaften. Man hat aus ihnen vier Gattungen gebildet, Heliconius,
Eueides, Colaenis und Dio ne(-Agraulis) und diese Gattungen bisher allgemein,
unbegreiflicherweise möchte man sagen, wenn bei der landläufigen Systematik
überhaupt etwas unbegreiflich wäre, — in zwei verschiedene Unterfamilien oder
Familien, die Heliconinen und die N}'mphalinen vertheilt ; man hat
Colaenis und Dione oder selbst Eueides von dem nächstverwandten Heli-
conius losgerissen, um sie mit Ageronien, mit Apaturen, mitSideronen
zusammenzuwerfen ! Unter sich durch ihre geographische Verbreitung, durch den
Bau der Raupen wie der Falter, ja selbst durch ihre Liebhaberei für bestimmte
i) Von den hiesigen Arten wurden auf Maracujä (Passiflora) gefunden die Raupen von Heli-
conius Eucrate, Eueides Isabella nnd Aliphera, Colaenis Julia und Dido, Dione
Vanillae und Juno.
5go
Beobachtungen an brasilianischen Schmetterlingen.
Blumen ^) auf's Engste verbunden, scheinen sie keiner anderen Tagfaltergattung
besonders nahe verwandt zu sein. Am nächsten steht wohl noch Acraea,
deren Raupen in allem Wesentlichen mit denen der Maracujaf alter übereinstimmen.
Bei allen darauf untersuchten Männchen der Maracujaf alter nun finden sich
auf der Oberseite der Hinterflügel nahe dem Vorderrande, besonders zahlreich
längs der Costal- und Subcostalader, zwischen den gewöhnlichen Schuppen ein-
zelne andere von sehr auffallender Gestalt, wie ich sie ähnlich nur bei den Männ-
chen eines Weisslings der Gattung Hesperocharis gesehen habe. Ihr meist
ziemlich stark gewölbter Endrand ist dicht mit Fransen besetzt, welche wie durch
einen fremden Stoff mehr oder minder mit einander verklebt aussehen. East
noch rein erschienen die Eransen bei einem Männchen von EueidesAliphera
das ich dieser Tage aus der Puppe erhielt und im Laufe des ersten Tages tötete.
— Die Schuppen erscheinen bis auf einen hellen Saum längs des befransten
Randes trüb und undurchsichtig; ihr Stiel ist, im Gegensatze zu dem gewöhnlicher
Schuppen, dünn, dünnhäutig, und schlaff; das Grübchen, dem er eingefügt ist
ist mehrfach grösser als bei den anderen Schuppen, kuglig und dabei breit und
dunkel gerandet, als enthielte es einen stark lichtbrechenden Stoff. Im Uebrigen
ist, wie nachstehende Eig. 5 zeigt, die Gestalt der Schuppen eine ziemlich
wechselnde.
aha
Fig. 5-
Fig. 6.
Fig. 5. Duftschuppen männlicher Maracujäfalter (Vergr. i8o : i). a Heliconius Apseudes. b Heli-
conius Besckei. c Eueides Aliphera. d Colaenis Dido. e Dione Juno.
Fig. 6. Anordnung der Duftschuppen bei Heliconius Besckei. a Unterschuppen, b Deckschuppen.
c Duftschuppen.
Bei den Männchen von Colaenis Dido kommen diesse Schuppen auch
anderwärts auf der Oberseite der Elügel vor. Genauer habe ich ihre Anordnung
erst bei Heliconius Besckei mir angesehen. Wie bekannt, bilden die
Schuppen der Tagfalter Querreihen, von denen jede der Elügelwurzel nähere die
Einfügungsstellen der folgenden dachziegelartig deckt. In jeder Querreihe
wechseln zweierlei Schuppen miteinander ab, die einen, der Elügelhaut aufliegen-
den (Unterschuppen), sind meist breiter und kürzer, die anderen darüberhegenden
(Deckschuppen) schmäler und länger. Wo nun an der bezeichneten Stelle diese
regelmässige Schuppenstellung vollständig ausgeprägt ist, pflegen die Duftschuppen
I) Poinsettia pulcherrima wurde im vorigen Jahre in meinem Garten ausser von zahlreichen
Thecla- Arten und einigen Eryciniden nur selten und zufällig von anderen Tagfaltern besucht, mit
Ausnahme der Maracuj äf alter; diese fanden sich regelmässig ein und verweilten andauernd beider
Pflanze, und zwar fast alle hiesigen Arten. Es fehlten nur Eueides Pavana, den ich überhaupt erst
drei- oder viermal, sowie Dione Moneta, den ich erst einmal gesehen habe.
Beobachtungen an brasilianischen Schmetterlingen. cqi
den Ort von Deckschuppen einzunehmen. Doch Hegen ihre Einfügungsstellen
nur selten in derselben Linie mit denjenigen der anderen Schuppen, vielmehr
meist der Flügelvvurzel näher. Namentlich längs der Costalader, wo die Duft-
schuppen am dichtesten stehen, ist die Anordnung der Schuppen eine minder
regelmässige und hier sind auch die Duftschuppen anscheinend ganz regellos
zwischen die anderen eingestreut.
Was nun die Deutung als Duftschuppen betrifft, so spricht dafür:
i) ihre Beschränkung auf das männliche Geschlecht;
2) ihr Vorkommen an der Stelle, die vor allen anderen häufig von Duft-
vorrichtungen eingenommen wird. Hier, d. h. auf dem vom Hinterrande der Vorder-
flügel bedeckten Theile der Oberseite der Hinterflügel, finden sich unter den
Danaiden die Duftvorrichtungen bei Arten von Euploea, hier die langen
Haarpinsel von Ithomia, Mechanitis und den meisten heliconier-ähnlichen
Danaiden; unter den Satyrinen: der grosse weisse Duftfleck von Gnoph ödes
Morpena, der Haarbüschel verschiedener My cale sis- Arten; ein Fleck mit
langen schwarzen seidenartigen Haaren bei Bia Actorion; unter den Elym-
niinen: der Haarbüschel von Elym n i as; unter den Morphinen: der eirunde
lederbraune Fleck von Z e u x i d i a , sowie ein Haarbüschel von Tenaris, Cle-
rome und Thaumantis; unter den Brassolinen: der eirunde Fleck von
Dasyophthalma; unter den Nymphalinen: der Fleck von Lachnoptera;
unter den Pierinen: der Duftfleck verschiedener Arten von Leptalis, Calli-
dryas, Nathalis u. s. w.; unter den Hesperiden der Haarbüschel von
C a e c i n a ; endlich unter den Motten (Hyponomeutiden) der lange grau-
blonde Haarbusch von Trichostibas.
3) die Fransen am Endrande, welche, wie andere Duftvorrichtungen, sowohl
die Ansammlung von Riechstoffen begünstigen, so lange die Flügel auf einander
liegen, als auch eine rasche Verdunstung derselben, sobald die Flügel sich von
einander entfernen;
4) das Grübchen, in welchem der Stiel sitzt, und welches man von ganz
ähnhchem Aussehen in unzw^eifelhaften, starken Geruch verbreitenden Duftflecken
antrifft.
Von Gattungen, die man in die Nähe der Maracujaf alter zu stellen pflegt,
habe ich nur Acraea, Argynnis und Melitaea (von letzteren beiden alpine
Arten, die mein Bruder Hermann gesammelt hat) untersucht, aber an den
Flügeln der Männchen nichts den Duftschuppen von Heliconius, Eueides,
Colaenis und Dione Aehnliches finden können. Selbst dieses so unscheinbare
Merkmal bestätigt auf's Neue die enge Verwandtschaft unter sich und die Ab-
geschlossenheit der Maracujaf altergruppe.
Ausser den Düften, durch welche männliche Schmetterlinge dem umworbenen
Weibchen sich angenehm machen, erzeugen manche Schmetterlinge Gerüche, die
Insekten fressenden Vögeln oder anderen Feinden zuwider sind und dadurch
gegen deren Verfolgung schützen. Man kann sie von ersteren leicht dadurch
unterscheiden, dass sie bei beiden Geschlechtern in gleicherweise auftreten und dass
der Schmetterling sie loslässt, sobald er in Gefahr kommt, sobald er also z. B,
angefasst wird. Auch die Maracujaf alter besitzen einen solchen, und zwar einen
recht starken schützenden Geruch. Fängt man irgend eine Art, sei es Männchen
,^T Beobachtungen an brasilianischen Schmetterlingen.
oder Weibchen, so erscheinen am Ende des Hinterleibes gelbe Wülste, je nach
dem Geschlechte verschieden gestaltet und gelegen, aber bei Männchen und Weib-
chen genau denselben widerlichen Geruch verbreitend. Es könnte dieser Umstand
gegen die eben gegebene Deutung der Duftschuppen Bedenken erregen; es
könnte befremden, dass das Männchen neben dem sehr starken, die Feinde ab-
stossenden, noch einen anderen sehr schwachen, für uns völlig unmerklichen, die
Weibchen anlockenden Geruch erzeugen sollte. Darauf lässt sich sagen, dass
man bereits wenigstens einen Fall kennt, in welchem gleichzeitig und noch dazu
dicht bei einander die beiderlei Gerüche vorkommen. Didonis Biblis, ein
hübscher, mittel grosser, schwarzer Falter mit breitem rothen Bande längs dem
Saume der Hinterflügel, besitzt in beiden Geschlechtern auf dem Rücken des
Hinterleibes, zwischen viertem und fünftem Ringe, eine schwärzlich behaarte
Doppelwulst, die hervorgestülpt wird, wenn man das Thier ergreift; ausserdem
besitzt das Männchen eine dem Weibchen vollständig fehlende weissbehaarte, von
dem schwarzen Hinterleib grell abstechende Doppelwulst zwischen dem fünften
und sechsten Hinterleibsring, die das gefangene Thier niemals freiwillig hervor-
treten lässt. Man kann mit einiger Vorsicht bald die vordere, bald die hintere
Wulst allein hervordrücken und sich so von der Verschiedenheit der Gerliche
überzeugen, von welchen auch" für uns der der vordem Wulst unangenehm, der
der hintern angenehm ist. Durch diesen Fall verliert die überdies kaum zu um-
gehende Deutung der Duftschuppen auf den Flügeln der männlichen Maracuja-
falter das Befremdliche, was sie für einen vereinzelt stehenden Fall haben könnte.
Beobachtungen an brasilianischen SchmetterUngen ^).
11.^)
3. Die Duftschuppen der Männchen von Dione Vanillae.
Mit 7 Textfiguren.
Dione Vanillae veranlasst, ja ich darf wohl sagen, zwingt mich, noch
einmal auf die Duftschuppen der Maracujafalter zurückzukommen ; so abweichend
in Gestalt und Anordnung sind dieselben bei dem genannten Falter von denen
der meisten Familiengenossen.
In manchen Jahren der häufigste aller Maracujafalter, war in diesem Jahre
Dione Vanillae hier so selten, dass ich erst vor Kurzem, beim Nahen des
Winters, das erste Männchen erhielt. Als ich mich bei diesem an der gewohnten
Stelle, an dem von den Vorderflügeln bedeckten Theile der Hinterflügel, nach
Duftschuppen umsah, konnte ich keine Spur derselben entdecken; doch belehrte
mich sofort das eigenthümliche Aussehen der Adern der Vorderflügel, wo ich
sie zu suchen hatte. Die sechs ersten Adern dieser Flügel (nach H er rieh -
Schäffer's Zählungsweise also die Innenrandsader, sowie die Aeste der Mediana
und Discoidalis) erscheinen als breite, wulstige, schwarze Striche auf dem fuchs-
rothen Grunde der Flügel, und bei genauerem Zusehen erkennt man, dass diese
Striche zusammengesetzt sind aus einer Reihe quer über die Adern laufender
Wülste, zwischen denen nackte, schuppenlose Stellen der Adern durchscheinen.
Auf diesen Wülsten nun stehen dichtgedrängte Duftschuppen, deren Gestalt eher
an die mancher Satyriden, als an die der übrigen Maracujafalter erinnert.
So sehr man gewohnt ist, sogenannte „secundäre" Geschlechtsei genthümhch-
keiten in abweichendster Weise bei nahe verwandten Arten ausgeprägt zu finden,
befremdete mich doch eine so durchgreifende Verschiedenheit innerhalb eines so
eng verbundenen Verwandtenkreises, wie ihn die Maracujafalter bilden. Das Be-
fremden schwand, als ich mich überzeugte, dass die Anordnung der Duft-
schuppen bei Dione Vanillae derjenigen der übrigen Maracujafalter keineswegs
unvermittelt gegenübersteht.
1) Kosmos 1877/78. Bd. II. S. 38—42.
2) Vergl. Kosmos Bd. I. S. 388. == Ges. Schriften S. 585.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 3°
594
Beobachtungen an brasilianischen Schmetterlingen.
Auch bei H e 1 i c o n i u s , wo die Duftschuppen sich auf den von den Vorder-
flügeln bedeckten Theil der Hinterflügel beschränken, stehen dieselben besonders
zahlreich längs der Flügeladern. Bei Colaenis Dido S sind, wie ich bereits
in meiner ersten Mitteilung erwähnt zu haben glaube, die Duftschuppen nicht
auf jene eine Stelle beschränkt, sondern über den ganzen Flügel verbreitet, und
zwar stehen sie, wie mich jetzt eine genauere Untersuchung lehrt, ausschliesslich
auf den Flügeladern. Sie finden sich auf den Adern 2 bis 8 der Hinterflügel,
sowie I bis 7 der Vorderflügel; am zahlreichsten stehen sie auf den von den
Vorderflügeln bedeckten Adern der Hinterflügel. Die sämmtlichen Schuppen-
reihen der Flügel gehen, wie gewöhnlich, ununterbrochen und fast gerade, nur
leicht nach der Flügelwurzel zu sich wölbend, über die Adern hinweg, auf welchen
die Schuppen gedrängter als sonst stehen. Zwischen je zwei Reihen gewöhnlicher
Schuppen steht eine Gruppe von Duftschuppen in einer dichtgedrängten queren
Doppelreihe (Fig. 2).
Fig. I. Stück der
Innenrandsader der Vor-
derflügel von Diene
Van i IIa e (J (90: i).
Fig. 2. Stück der
4. Ader der Vorderflügel
von Colaenis Dido ^
(45 : I)-
Fig. 3. Stück der
2. Ader der Vorderflügel
von Colaenisjulia ^
(90:1).
Fig. I.
Fig. 2.
Fig. 3-
Bei Colaenis Julia S sind die Duftschuppen der Hinterflügel auf die von
den Vorderflügeln bedeckten Adern 7 und 8 beschränkt; besonders zahlreich
finden sie sich auf 7, dem ersten Aste der Subcostalis und sind hier wie bei
Colaenis Dido angeordnet. Ausserdem kommen aber auch Duftschuppen auf
den Vorderflügeln vor und zwar auf den x\dern i bis 3, wo sie eine schon an
Dione Vanillae erinnernde Anordnung zeigen. Von den Schuppenreihen
geht nur jede zweite, wurzelwärts sich wölbend, ununterbrochen über die Adern
hinweg; die Schuppen auf den Adern sind länger, schmäler, stehen gedrängter
als sonst und überdecken einen halbkreisförmigen, etwas vertieften, etwa -/s der
Breite der Ader einnehmenden Fleck, der dicht mit Duftschuppen besetzt ist (Fig. 3).
Bei Dione Juno S scheinen die Duftschuppen dem von den Vorderflügeln
überdeckten Theile der Hinterflügel zu fehlen ; zwar findet man bisweilen einzelne
zwischen den dieser Stelle entnommenen Schuppen; doch konnte ich nicht fest-
stellen, dass sie wirklich dort festgesessen hatten. Sie kommen dagegen vor auf
den Adern 2 bis 6 der Hinter-, sowie i bis 6 der Vorderflügel. Sie sind an-
geordnet wie bei Colaenis Dido; wo sie besonders reichlich vorkommen, wie
auf der Innenrandsader der Vorderflügel, sind die Schuppenreihen auf der Ader
stärker gekrümmt und die Gruppen der Duftschuppen sind mehrreihig, so dass
die Anordnung sich derjenigen auf den Vorderflügeln von Colaenis Julia
nähert.
Beobachtungen an brasilianischen SchmeUerlingcn.
593
B
Bei Dione VaniUae S endlich {¥\g. i) sind die Duftschuppen beschränkt
auf die Adern i bis 6 der Vorderflügel. Auf i, der Innenrandsader, nehmen
sie die beiden letzten Drittel der Länge ein, auf 2, 3 und 5 die ganze Länge,
auf 4 gehen sie wurzelwärts noch über das Ende der Mittelzelle hinaus, während
sie auf 6 erst ein Stück jenseits der Mittelzelle beginnen. Es geht bei dieser Art
nur jede dritte Schuppenreihe ununterbrochen und stark wurzelwärts gewölbt über
die Duftschuppen tragenden Adern hinweg. Der Zwischenraum zwischen je zwei
über die Ader laufenden Schuppenreihen wird fast zur Hälfte eingenommen von
einem dicht mit Duftschuppen besetzten
Felde, welches nach beiden Seiten die Ader
überragt.
Wie in Betreff der Anordnung, so
bildet auch in Betreff der Gestalt der Duft-
schuppen Colaenisjulia ein Verbindungs-
glied zwischen Colaenis Dido und Dione
Vanillae. Die Duftschuppen der Hinter-
flügel (Fig. 4, Ä) schliessen sich wie in ihrer
Anordnung, so in ihrer Gestalt aufs Engste
denen der Colaenis Dido an, während die
der Vorderfügel (Fig. 4, B) fast doppelt so lang,
weit schlanker und vor dem Ende halsartig
verschmälert sind, und so auch in ihrer
Gestalt einigermassen an Dione Vanillae
erinnern.
Bei letzterer Art (Fig. 5) erreichen die dün-
nen, stabförmigen Duftschuppen etwa 0,7 mm
Länge; einem undurchsichtigen, kolbig an-
geschwollenen Wurzelende, das an die Duft-
schuppen mancher Weisslinge erinnert, folgt
ein dünner, durchsichtiger Stiel von etwa Vs
der Gesammtlänge : dann eine schmale, ge-
streckt lanzettförmige Spreite; diese verjüngt sich nach oben wieder in einen dünnen
Stiel, der sich am Ende zu einer schmalen, länglichen, abgerundeten, mit Fransen
besetzten Platte erweitert. Die Schuppen, welche dichtgedrängt im Halbkreis das
Duftschuppen feld umgeben, sind etwa dreimal so lang als die übrigen Flügel-
schuppen und auch abweichend gestaltet, sie scheinen einen schützenden Zaun für
die Duftschuppen zu bilden.
Unter den mir bekannten Duftschuppen anderer Schmetterlinge sind die
verschiedener Satyriden (Fig. 6, 7) denen der Dione Vanillae ziemlich ähnlich.
In Farbe und Zeichnung, besonders auch in den Silberflecken der Unterseite
der Flügel, kommt DioneVanillae manchen Perlmutterfaltern, z. B. der deutschen
Argynnis Aglaja, so nahe, dass ich auch diese noch einmal auf Duftschuppen
untersuchte. An dem von den Vorderflügeln bedeckten Theile der Hinterflügel,
wo ich früher danach suchte, hatte ich keine gefunden ; dagegen traf ich sie jetzt,
wie bei Dione Vanillae, auf den Adern der Vorderflügel. Sie scheinen sich,
bei Argynnis Aglaja und Niobe <$, auf die Adqrn i bis 4 zu beschränken,
38*
Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7.
Duftschuppen 180 mal vergrössert :
Fig. 4. Von Colaenis Julia (5- A vom
Hinterflügel, B vom Vorderflügel,
^'g- 5- ^on Dione Vanillae (5
Fig. 6. Von Euptychia cosmopila(5
Fig- 7- Von Erebia goante (^. (Von
Hermann Müller auf den Alpen gefangen).
596
Beobachtungen an brasilianischen SchmetterHngen.
auf denen sie nicht in Gruppen vereinigt, sondern unregelmässig zerstreut stehen.
Ihre Gestalt erinnert an die Duftschuppen von Erebia goante (Fig 7). Ihre
genauere Beschreibung bleibt billig denen überlassen, die sie in frischem Zustande
untersuchen können.
Zum Schlüsse eine Uebersicht des Vorkommens der Duftschuppen bei den
vorstehend erwähnten Arten:
Heliconius
Eueides
Colaenis JuHa
Colaenis Dido
Dione Juno
Dione Vanillae
Argynnis Aglaja und Niobe
Vorderflügel, Ader:
7-8
7-8
7-8
2—8
2—6
1—6
1—4
Hinterflügel, Ader:
o
o
1—3
1—7
1—6
o
o
4. Kommt auch geschlechüiche Auswahl von Seiten der Männchen vor?
Bei den Schmetterlingen, wie überhaupt in der Thierwelt. ist es Regel, dass,
wenn die Geschlechter verschieden gefärbt sind, die Männchen das glänzendere
Gewand tragen. Ebenso ist es Regel, dass die Oberseite der Flügel lebhafter
gefärbt ist, als die Unterseite.
Von beiden Regeln macht Pereute Swainsonii, ein schwarzer „Weiss-
ling", wie Claus die Pieriden nennt, und machen ebenso, so viel ich aus den
mir zugänglichen Beschreibungen und Abbildungen ersehen kann, einige andere
Arten derselben Gattung (P. Charops und Antodyca) eine Ausnahme.
Die Grundfarbe der Flügel ist schwarz. Die Oberseite zeigt beim Weibchen
als einzigen Schmuck eine mattrothe, fleischfarbene, durch die schwarzen Adern
unterbrochene Binde, die von der Mitte des Vorderrandes zur Eünterocke geht.
Auf der Unterseite ist diese Binde etwas breiter und von viel dunklerem, satterem,
lebhafterem Roth; ausserdem finden sich auf der Unterseite der Hinterflügel zwei
rothe Flecke an der Flügelwurzel und ein breiter, gelber Streif am Vorderrande
(zwischen Costaiis und erstem Aste der Subcostalis).
Beim Männchen ist das Roth der Unterseite kaum so lebhaft als das der
Oberseite beim Weibchen ; auf der Oberseite aber ist die Binde schmäler, weiss-
lich mit kaum noch einem Schimmer von Roth; die sie durchsetzenden Adern
sind breiter schwarz gerandet und einzelne schwarze Deckschuppen sind fast über
den ganzen helleren Grund der Binde zerstreut. Dabei ist der Hinterrand der
Vorderflügel und ein grosser Theil der Hinterflügel grau bereift.
Noch bedeutender ist der Unterschied der Geschlechter bei Pereute Charops;
Das Roth der Oberseite der Vorderflügel ist beim Weibchen ^) dunkler, lebhafter
und über eine grössere Fläche verbreitet, als bei Pereute Swainsonii, beim
Männchen ^) dagegen völlig verschwunden.
Nach Wallace soll nun „bei all den wenigen Arten von Pieriden, bei
denen die Weibchen auffallender gefärbt sind als die Männchen, das Weibchen
i) Bois Duval, Spec. göneral des Lepidopt. I. 1836. PI. 18. Fig. i.
2) Doubleday, Hewitson, Genera of diurnal Lepidopt. PI. 5. Fig. 2 (Euterpe marina).
Beobachtungen an brasilianischen Schnietterhngen. cnn
irgend eine andere geschützte Art derselben (regend nachahmen" ^). Hier indessen
haben wir keinen anderen, der Pereute Swainsonii auch nur entfernt ähn-
lichen Schmetterling. Sollte nun in diesem Falle die lebhaftere Färbung der
Weibchen nicht ebenso auf Rechnung geschlechtlicher Auswahl gesetzt werden
dürfen, wie sonst der reichere Farbenschmuck der Männchen?
Mehr als einmal habe ich mich überzeugen können, dass selbst bei Schmetter-
lingen, deren Männchen an Zahl überwiegen, diese doch nicht blind und ohne
Wahl auf jedes beliebige Weibchen losstürzen, das sich ihnen bietet. Ich sah oft,
wie ein von einem Männchen umflattertes Weibchen erwartungsvoll seine Flügel
ausbreitete und den Hinterleib hob, und wie dann das Männchen noch einige
Mal um das Weibchen herum und darauf plötzlich davon flog, während das
Weibchen noch längere Zeit in seiner wartenden Stellung verharrte. Um so
wählerischer werden aber die Männchen sein dürfen, je geringer ihre Zahl ist.
Und bei Pereute scheinen sie bei weitem seltener zu sein als die Weibchen.
Bois Duval kannte von P. Charops nur Weibchen, und wenigstens hier
und in diesem Jahre dürfte kaum ein Männchen auf 5 bis 6 Weibchen von
Pereute Swainsonii kommen.
Fasst man die lebhaftere Färbung der Weibchen der letzteren Art auf als
Ergebniss einer von den Männchen geübten Wahl, so erklärt sich auch, weshalb
hier gegen die Regel die Unterseite die schönere ist. Wird ein Schmetterlings-
weibchen von werbenden Männchen umflattert, so bietet die von der Sonne be-
strahlte Oberseite der Flügel letzteren die bequemste Stelle zur Schaustellung
glänzender Farben ; das mit zusammengeschlagenen Flügeln sitzende Weibchen
zeigt dagegen den Augen der Männchen nur deren Unterseite.
Uebrigens fehlt auch dem Männchen der Pereute Swainsonii nicht ein
seinem Geschlechte eigenthümlicher Reiz; es trägt auf der Oberseite der Flügel
sehr zahlreiche, hoch entwickelte, d. h. von gewöhnlichen Schuppen weit ab-
weichende Duftschuppen, durch deren Gestalt dieser schwarze Falter sich sofort
als „Weissling" ausweist.
1) Darwin, Descent of Man, 1871, I. p. 413.
Beobachtungen an brasilianischen SchmetterHngen ^).
111.2)
5. Acraea und die Maracujäf alter als Raupen, Puppen und Schmetterlinge.
Mit 4 Textfiguren.
In einer gedankenreichen Abhandlung, „über den phyletischen Parallelismus
bei metamorphischen Arten" hat Weismann 3) für die Schmetterlinge nach-
gewiesen, dass deren Entwicklungsstufen, Raupe, Puppe und Schmetterling, sich
selbständig verändern, dass die auf einer Stufe eingetretene Aendorung ohne Ein-
fluss bleibt auf die vorhergehende und folgende Stufe, dass demnach die Wege,
auf welchen die einzelnen Stufen im Laufe der Stammesgeschichte sich heran-
bildeten, keineswegs immer gleichlaufend waren. Dieser Mangel an Ueberein-
stimmung kann sich kund geben sowohl in ungleichen Abständen der Form-
verwandtschaft, als in ungleicher Gruppenbildung. In Betreff der ungleichen Ab-
stände sind bald die Raupen einander ähnlicher, formverwandter, als die aus ihnen
hervorgehenden Schmetterlinge, bald umgekehrt. In Betreff der ungleichen
Gruppenbildung kann wieder ein doppelter Fall eintreten : Raupen und Schmetter-
linge bilden ungleichwerthige Gruppen, der eine Theil bildet Gruppen höherer oder
niederer Art, — oder sie bilden ungleichgrosse und daher einander nicht deckende,
übereinandergreifende Gruppen. Formverwandtschaft und Blutsverwandtschaft
fallen also nicht immer zusammen ; nach der Aehnlichkeit der Raupen würde man
eine ganz andere Anordnung erhalten, als nach der Aehnlichkeit der Schmetter-
linge und wahrscheinlich würde keine der beiden der wirklichen Verwandtschaft
entsprechen.
Aus diesem in zahlreichen Beispielen dargelegten Thatbestande folgert
Weismann, und begründet eingehend und überzeugend diese seine Ansicht,
dass eine innere treibende Entwicklungs- oder Umwandlungskraft, wie sie unter
mancherlei Namen von verschiedenen Anhängern der Entwicklungslehre an-
genommen wird, nicht bestehe, dass vielmehr alle Wandlungen und Fortschritte
der Arten durch äussere Anstösse hervorgerufen werden, — Ein recht hübsches
1) Kosmos 1877/78. Bd. IL S. 218—224.
2) Vergl. Kosmos. Bd. I S. 388 u. Bd. II S. 38. = Ges. Schriften S. 585 u. 593-
3) Weismann, Studien zur Descendenztheorie II. 1876. S. 139.
Beobachtungen an brasilianischen Schmetterlingen. enn
Beispiel für den Mangel an „phyletischem Parallelismus," wie es Weismann
nennt, zu deutsch für die verschiedene Formverwandtschaft der Raupen, Puppen
und Schmetterlinge bieten die fünf Gattungen Acraea, Heliconius, Eueides,
Colaenis und Dione (=Agraulis). Der Mittheilung werth scheint mir
dieses Beispiel besonders deshalb, weil hier der seltnere Fall eintritt, dass die
Puppen es sind , welche grössere Verschiedenheit zeigen , als Raupen und
Schmetterlinge.
Die Arten, deren Raupen und Puppen ich beobachtete, sind Acraea
Thalia undAlalia, Heliconius Eucrate, Eueides Isabella, Colaenis
Dido und Julia, Dione VaniUae und Juno; ausserdem sah ich die Puppe
von Eueides Aliphera. Zunächst nur auf diese Arten bezieht sich das Fol-
gende, wenn auch mit grosser Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt werden darf, dass
sich, — die weit über die Welt vo^rstreuten Arten von Acraea vielleicht aus-
genommen, — sämmtliche Gattungsgenossen ihren hiesigen Vertretern ähnlich
verhalten werden.
Als Falter bilden die genannten fünf Gattungen zwei scharf geschie-
dene Familien, die der Acraeinen und die der Maracujafalter. In letzterer
sind die drei Gattungen Heliconius, Eueides und Colaenis nur durch
sehr unerhebliche Merkmale geschieden; von Heliconius unterscheidet sich
Eueides durch kürzere Fühler, von dieser Gattung Colaenis durch offene Mittel-
zelle der Hinterflügel. Weiter entfernt sich durch abweichende Bildung der Füsse
und die Silberflecke auf der Unterseite der Flügel die Gattung Dione. Höchst
auffallender Weise sind in Farbe, Zeichnung und selbst Schnitt der Flügel, einzelne
Arten denen anderer Gattungen weit ähnlicher, als ihren eigenen Gattungsgenossen.
So sind Acraea Thalia und Eueides Pavana, so wieder Heliconius
Eucrate und Eueides I s a b e 1 1 a , so ferner EueidesAliphera und Colae-
nis Julia einander täuschend ähnlich und letzteren beiden schliesst sich, wenig-
stens für die Oberseite der Flügel, Dione Juno an. Ein sicheres Urtheil über
die Verwandtschaft der einzelnen Arten wird dadurch erschwert; denn es ist nicht
zu sagen, wie viel man bei dieser Aehnlichkeit auf Rechnung der Blutsverwandt-
schaft, wie viel etwa auf Rechnung täuschender Nachahmung zu setzen habe.
Als Raupen würde man alle hiesigen Arten in eine einzige Gattung
stellen müssen; so genau stimmen sie überein in Zahl und Anordnung ihrer Dornen.
(Je 4 Dornen, nicht in Querreihe, auf 2. und 3., je 6 Dornen in Querreihe, auf
4. bis II., und 4 Dornen, nicht in Querreihe, auf dem letzten, 12. Leibesringe.)
Sie sind hierin viel weniger von einander verschieden, als die deutschen Arten
der Gattung Vanessa, als z. B. Tagpfauenauge (V. Jo) oder Trauermantel
(V. Antiopa) vom grossen und kleinen Fuchse und Admiral (V. Polychloros,
U r t i c a e , A t a 1 a n t a) ^). Allerdings fehlen den Raupen von Acraea Thalia
die beiden Dornen des Kopfes, welche die anderen besitzen, und umgekehrt haben
sie ein wohlentwickeltes Dornenpaar auf dem ersten Leibesringe, welches den
meisten anderen vollständig fehlt ; allein dies berechtigt nicht zu einer Trennung ;
denn die bei Heliconius, Eueides und Colaenis Dido durch Länge aus-
gezeichneten Dornen des Kopfes sind schon kürzer, als die der nächsten Leibes-
i) Weis mann, a. a. O. S. i'/i
(yQQ Beobachtungen an l)iasilianischen Schmetterlingen.
ringe bei Colaenis Julia und Dione Vanillae und verkümmern zu zwei
winzigen Spitzen bei Dione Juno, bei welcher ausserdem der erste Leibesring
ein kurzes Dornenpaar trägt. Es steht also die Raupe der Dione Juno der-
jenigen von Acraea Thalia ebenso nahe als derjenigen ihrer Gattungsgenossen
Dione Vanillae.
Wollte man je zwei verschiedene Raupengruppen bilden, so würde dies ge-
schehen können nicht auf Grund ihrer Formverschiedenheit, wohl aber auf Grund
ihrer Nahrungspflanzen. Die Raupen von Heliconius, Eueidt^s, Colaenis
und Dione leben auf Arten von Maracuja (Passiflora), die von Acraea
Thalia und x\ 1 a 1 i a auf Compositen (M i k a n i a und V e r n o n i a). Diese Raupen-
gruppen würden zusammenfallen mit den aus der Formverwandtschaft der Falter
sich ergebenden ; sie würden aber immerhin kaum den Werth von Gattungen,
nicht wie die der Falter den von Familien beanspruchen können.
Ordnet man die einzelnen Raupenarten nach ihrer Aehnlichkeit, so fällt,
auch abgesehen von dem verschiedenen Werthe der Gruppen, diese Anordnung
nicht zusammen mit der auf die Aehnlichkeit der Falter begründeten. Es er-
giebt sich etwa Folgendes:
Falter.
(Nymphaliden mit unten behaarten Flügeladern.)
(Familien:)
Maracuj äf alter
-
Acraeiner
(Gattungen :)
Heliconius.
Eucra te.
Eueides.
Isabella.
Colaenis.
Dione.
Acraea.
Arten :)
Dido. Julia.
Vanillae.
Juno.
Thalia
Raupen.
Die Raupen von Eucrate, Isabella und Dido sind in ihrer ganzen Er-
scheinung so ähnhch, dass man sie für verschiedenfarbige Formen derselben Art
halten könnte; sie sind lebhaft gefärbt und sitzen einzeln auf der Oberseite der
Blätter. Die Raupen von Juno und Thalia leben gesellig ; sie sind braun oder
bräunlich ; die Dornen des Kopfes sind verkümmert oder fehlen ganz, bei J!u n o
sind überhaupt alle Dornen so kurz, dass sie sich dadurch im Ansehen noch mehr
als selbst Thalia von den übrigen Arten entfernt. Den Raupen von Julia und
Vanillae fehlen ebenfalls grelle Farben; sie leben einzeln und halten sich, so-
viel ich mich entsinne, stets an der Unterseite der Blätter. Der Formabstand
der Raupen dürfte kaum ihrer Blutsverwandtschaft (Mitsprechen ; xielmehr scheint
er, wenigstens was die Färbung betrifft, in Zusammenhang zu stehen mit der
verschiedenen Lebensweise. Wie die Falter, so haben auch dic> Raupen beim
Zerdrücken einen widerlichen Geruch, der sie gewiss für manche RaupenfresscT
ungeniessbar macht. Geschützt vor solchen Feinden werden sie aber nur stüii
(worauf Wall ace aufmerksam machte), wenn diese sie rechtzeitig und nicht erst
nach dem Anbeissen als ungeniessbar erkennen. Leben die Raupen in solcher
Menge beisammen, wie es bei Acraea Thalia und Dione Juno der Fall zu
sein pflegt, so wird schon der Geruch nahende Feinde abschrecken; die einzeln
lebende Raupe wird geschützt sein, wenn sie durch grelle Farben weithin sich
kenntlich macht, wie die weisse, schwarzpunktirte und schwarzbedornte Raupe
von Heliconius Eucrate, die schwarzbedornte auf blassem Grunde brennend
Reobaclitungen an brasilianischen Schmetterlingen.
60 I
roth und schwarz gezeichnete Raupe von Colaenis Dido und die ebenfalls
bunte Raupe von Eueides Isabella. Wie augenfällig diese Raupen sind,
bewies mir noch dieser Tage meine Tochter Selma, die mir eine kaum halb-
wüchsige Raupe von Heliconius Eucrate heimbrachte, welche sie bei
ziemlich raschem Vorbeireiten auf einem Maracujablatte hatte sitzen sehen. Fehlt
der einzeln lebenden Raupe lebhafte Färbung als „Widrigkeitszeichen" (Weis-
m a n n), so muss sie sich verstecken, wie die von Colaenis Julia und D i o n e
V a n i 1 1 a e. Die Bedornung ist wohl weniger ein Schutz gegen Vögel, als gegen
kleinere Feinde; auch sie mag bei den massenhaft zusammenlebenden, einen
selbst den Menschen anwidernden Dunst um sich verbreitenden Raupen von
Dione Juno überflüssig geworden und daher allmäliger Verkümmerung an-
heimgefallen sein. Aehnliche Beispiele nahe verwandter Raupen, von denen die
einen geseUig, die andern einzeln leben, finden sich auch sonst unter den Tag-
faltern; so leben die Raupen von Morpho und Brassolis geselHg, die von
Opsiphanes und Caligo einzeln; so die Raupen von Papilio Pomp eins
gesellig, die von Papilio Nephalion, Polydamas, Thoas u. s. w. einzeln.
Und auch in diesen Fällen scheint sich die Formverwandtschaft der Raupen mehr
nach ihrer Lebensweise, als nach ihrer Blutsverwandtschaft zu richten, falls näm-
lich, — und dabei darf man ein grosses F"ragezeichen nicht unterdrücken — ,
letztere in der jetzt üblichen Anordnung der Falter richtig wiedergegeben ist.
So sind die geseUigen Raupen von Brassolis denen von Morpho bei weitem
ähnlicher, als den einzeln lebenden ihrer Familiengenossen Opsiphanes und Caligo
Fig. I.
Fig. 2.
Fig. 3-
Fig. 4.
Fig. I — 4. Puppen von Acraea Thalia; Heliconius Eucrate; Eueides Isabella und Colaenis Dido
in natürlicher Grösse.
Wie erheblich im Vergleich zu der engen Form Verwandtschaft aller Maracuja-
falter und der nicht minder grossen Aehnlichkeit ihrer Raupen die Verschieden-
heit ihrer Puppen sei, zeigt ein Blick auf die vorstehenden Umrisse der Puppen
von Heliconius Eucrate (Fig. 2.), Eueides Isabella (Fig. 3) und Co-
laenis Dido (Fig. 4). Eine Familie, welche diese drei so ungleichen Puppen
umfasste, würde auch Raum haben für die der Acraea Thalia (Fig. i).
Die Puppe der letztgenannten Art hat in ihrer Gesammtform nichts Auffälliges,
vielmehr eine ganz gewöhnliche Puppengestalt ; si(^ ist ziemlich drehrund, ohne tief
ein- oder vorspringende Buchten, Höcker oder Leisten ; ein winziges Spitzchen steht
am Kopfe auf jeder Augendecke, ein ähnliches an der Flügelwurzel. Was sie aus-
zeichnet, sind fünf Paar Dornen auf dem Rücken des Hinterleibes. Dieselben finden
sich auch bei Acraea Alalia, scheinen aber anderen Arten, z. B. der indischen
^Q2 Beobaclitungen an brasilianischen Schmetterlingen.
A. Viola e, zu fehlen. ^ Im vorigen Sommer traf ich unter einigen Gesellschaften
von Thalia- Raupen, jede aus Kindern derselben Mutter bestehend, einzelne, die
durch viel kürzere Domen vor ihren Geschwistern sich auszeichneten und sich
in Puppen verwandelten, deren fünf Dornenpaare in gleichem Verhältniss kürzer
waren, als gewöhnlich, — eine Ausnahme \'on dem Satze, dass iVenderungen der
einen Entwickelungsstufe ohne Einfluss bleiben auf die übrigen. Auf Schmetter-
ling und Puppe kann überhaupt, beiläufig bemerkt, dieser von Weismann auf-
gestellte Satz nur in beschränkter Weise Anwendung finden. Die Haut der
Puppen bildet Scheiden oder Decken für ^Vugen, Fühler, Rüssel, Beine, P^lügel
des Schmetterlings, und sobald diese Theile beim Schmetterlinge erhebliche Aen-
derungen erfahren, werden entsprechende Aenderungen bei der Puppe eintreten
müssen, wie denn z. B. der ungewöhnlich lange Rüssel mancher Dickköpfe
(Hesperiden) eine das Hinterleibsende der Puppe weit überragende Rüssel-
scheide bedingt. — Die Farbe der Puppe von A c r a e a Thalia ist weisslich, die
Flügeladern, einige andere Zeichnungen und die Dornen sind schwarz; metall-
glänzende Spiegelflecke fehlen ihr.
Bei der Puppe von Heliconius Eucrate springt die seitlich zusammen-
gedrückte Flügelgegend stark nach unten vor; die am Flügelrande hin liegenden
Fühlerscheiden sind den Fühlergliedern entsprechend sägeartig mit kurzen spitzen
Dornen besetzt ; statt der winzigen Spitzen von Acraea Thalia trägt der
Kopf zwei ansehnliche höckrige Vorsprünge; der Hinterleib erhebt sich jederseits
zu einer blattförmigen, nach oben vorspringenden Leiste, die mit fünf Dornen von
verschiedener Länge besetzt ist; das vorderste kopfwärts gerichtete Dornenpaar
ist das längste. — Die Puppe ist braun und geziert durch vier Paar lebhaft
metallglänzender Spiegolflecken, ein Paar dicht hinter den Fühlern, drei Paar,
fast zusammenfliessend, auf dem Rücken vor dem längsten Dornenpaare. In der
Mitte jedes dieser letzteren etwas gewölbten Spiegelflecken steht ein kleiner Dorn.
Bei der Puppe von Colaenis Dido (welcher die von Colaenis Julia
ähnlich ist und an welche auch die von Dione Vanillae und Juno sich an-
schliessen), fehlen die Dornen, die Flügelgegend ist nur massig bauchwärts ge-
wölbt, die Fühlerglieder sind nur durch kleine Höcker bezeichnet ; statt der blatt-
artigen Leisten trägt der Hinterleib an der Seite des Rückens rechts und links
je fünf knorrige oder höckrige Vorsprünge. Spiegelfleckcn sind in gleicher Zahl
und Lage vorhanden, wie bei Heliconius Eucrate; die des Rückens haben
statt eines Dornes einen warzenförmigen Vorsprung in der Mitte.
Die Puppen von Heliconius und Colaenis erzeugen, wenn sie sich leb-
haft bewegen, und das tun sie bei jeder Störung, durch Reibung der Hinterleibs-
ringe ein namentlich bei Heliconius Eucrate sehr vornehmliches zischendes
Geräusch, das vielleicht kleinere Feinde verscheuchen mag. (Sehr laut, so
dass meine Kinder sie Schreipuppen nannten, ist das auf diese Weise erzeugte
Geräusch bei den Puppen der E p i c a 1 i a N u m i 1 i a.)
Sind nun schon bei Heliconius und Colaenis die Puppen viel verschiedener,
als die Falter oder Raupen, so gilt dies in noch weit höherem Grade für Eueides
im Vergleich mit seinen oben genannten Vorwandten. Die Raupen von Eueides
haben nichts ihnen Eigentühmliches, auch für die Falter Hesse sich ihre Be-
rechtigung, eine eigene Gattung zu bilden, in Zweifel ziehen ; als Puppen dagegen
Beobachtungen an brasilianischen Schmetterlingen. 5o3
entfernen sie sich weit — schon durch die Art, wie sie sich aufhängen, — nicht
nur von den übrigen Maracujafaltern, nicht nur von der ganzen grossen Gruppe
der Nymphahden (Danainen, Satyrinen, Elymniinen, BrassoHnen, Morphinen,
Acraeinen, Maracujaf alter und Nymphalinen umfassend), sondern fast von allen
andern Schmetterlingen. Die Raupe setzt sich zur Verpuppung an die Unterseite
eines Blattes; die Puppe ist mit dem Hinterende befestigt, hängt aber nicht nach
unten, wie die anderen Nymphaliden, sondern ihre letzten Ringe sind so gekrümmt,
dass sich die Bauchseite der Puppe der vmteren Blattfläche anlegt. Ich kenne
unter den nicht gleichzeitig durch einen Gürtel befestigten Puppen keine, die eine
solche Stellung annähme; doch scheint etwas ähnliches vorzukommen bei Sta-
lachtis, deren gürtellose Puppe nach Bat es „durch die Befestigung am Hinter-
ende in geneigter Stellung erhalten" wird. B a t e s unterschied durch diese Eigen-
thümlichkeit die Stalachtinen von den Libytheinen mit „frei am Hinterende auf-
gehängter" Puppe.
Ausser durch diese so ganz eigenartige Haltung ihres Leibcjs ist die Puppe
von Eueides Isabella ausgezeichnet durch kürzere hakenartige und längere schmal
säbelförmige paarige Fortsätze an Rücken und Kopf. Ihre Farbe ist weisslich,
gelblich, auch wohl schmutzig gelbHch grau; in letzterem Falle bleiben die vier
langen Fortsätze des Rückens, sowie ihre Umgebung und die Spitzen der übrigen
Fortsätze weiss oder gelbUch. Die Puppe von Eueides Aliphera ist ganz ähnlich,
nur sind alle Fortsätze etwas kürzer, die vier langen Fortsätze des Rückens und
einige andere Zeichnungen sind schwarz.
Wenn nun, wie Weismann für Raupen und Schmetterlinge nachzuweisen
sucht, „der Formabstand stets genau dem Abstände der Febensweise" entspricht,
so legt sich die Frage nahe, welche Verschiedenheit der Lebensverhältnisse den
so erheblichen Formabstand zwischen den Puppen so eng verwandter Schmetter-
linge, wie die Maracujäfalter es sind, bedingt haben möge. Bei Puppen, die
weder essen noch trinken, weder der Liebe nachgehen, noch für Brut zu sorgen
haben, kann es sich dabei nur um Schutz vor Feinden handeln. Sollten aber für
Puppen nächstverwandter Arten, deren Raupen von nächstverwandten Pflanzen
sich nähren, im gleichen Lande, zur gleichen Jahreszeit, die sie bedrohenden Feinde
je so verschieden gewesen sein, um so erhebliche Formabstände hervorzurufen?
Man darf wohl die Frage mit ziemhcher Zuversicht verneinen und in diesem Falle
die Verschiedenheit der Puppen nicht aus dem „Abstände in der Lebensweise",
nicht aus der Verschiedenheit der äusseren Verhältnisse, sondern daraus ableiten,
dass zufällig d. h. in Folge irgend welcher glücklichen, durch irgend welchen
äusseren Anstoss veranlassten Abänderung, die einen in einer, die anderen in
anderer Weise vor den gemeinsamen Feinden Schutz fanden und, in der einmal
eingeschlagenen Richtung durch natürliche i.\uslese weitergeführt, zuletzt an jetzt
so weit auseinanderliegenden Puncten anlangten. Wie nun für die eine oder an-
dere Art die Besonderheiten ihrer Gestalt oder Farbe als Schutz wirksam sein
mögen, darauf muss ich die Antwort schuldig bleiben. Nur in Betreff der Puppe
von Eueides Isabella will ich mir eine Vermuthung erlauben. Dass sie nicht grün
ist, wie andere im Laube hängende Puppen (Siderone, Epicalia, Callidryas u. s. w.)
zu sein pflegen, dass ihre Farbe mehr oder minder grell absticht von dem dunklen
Grün der Blätter, verbietet an Verstecken zu denken ; dabei ist aber doch ihre
f)Qi Beobachtungen an brasilianischen Schmetterlingen.
Farbe zu matt, zu wenig glänzend, um als weithin auffallendes „Widrigkeits-
zeichen" zu dienen. In beiden Fällen würden zudem die wunderlichen Fort-
sätze der Puppe unerklärt bleiben.
So kommt man durch Ausschluss anderer Möglichkeiten auf den Gedanken
an „Mimicry'S an durch Täuschung des Feindes schützende Aehnlichkeit. Aber
Aehnlichkeit womit? — Nicht selten trifft man an Blättern todte, von Pilzen durch-
wucherte Insecten, aus deren Leibe die weisslichen oder gelblichen Pilze in aller-
lei wunderlichen Gestalten hervorsprossen. Diese Insecten bilden natürlich keine
lockende Beute mehr. An solche Pilzbildungen könnten die Fortsätze der Eueides-
Puppe erinnern. Allerdings möchte ich nicht behaupten, dass für uns in \ollem
Lichte die Aehnlichkeit eine täuschende sei. Allein die Puppe hängt im Schatten
des Blattes, auch geringere Aehnlichkeit wird minder scharfsichtige und auf-
merksame Feinde irre leiten können, und auch die täuschendste Nachahmung hat
ja mit minder vollkommenen Graden der Aehnlichkeit beginnen müssen.
Der Rückschlag bei Kreuzung weit abweichender
Formen ^).
Mit I Textfigur.
„Eine mechanische Theorie der Vererbung müsste zeigen können, dass die
Plastidulbewegungen der männHchen und der weibHchen Keimzelle bei ihrem
Zusammentreffen in dem Falle der Kreuzung weit abweichender Formen sich
gegenseitig so modificiren, dass als Resultante die Bewegungsart der gemein-
samen Stammform daraus hervorgehen muss."
So W e i s m a n n '^) bei Besprechung von H ä c k e l's „Perigenesis der Plastidule",
in welcher Schrift Letzterer bekanntlich eine „mechanische Erklärung der elemen-
taren Entwickelungs- Vorgänge" zu geben versucht.
Die Richtigkeit der Anschauungen vorausgesetzt, in welchen in Betreff der
Vererbung Weismann und Häckel sich begegnen, dürfte es nicht schwer
sein, die verlangte Erklärung des bei Kreuzungen auftretenden Rückschlages auf
mathematischem Wege zu geben und nachzuweisen, dass gerade ein um so auf-
fallenderer Rückschlag zu erwarten ist, in je abweichenderer Richtung sich die
Eltern von ihrer gemeinsamen Stammform entfernt haben.
Hören wir zunächst, was uns die beiden genannten Forscher über Ver-
erbung sagen.
Weismann denkt sich die Vererbungsfähigkeit so, „dass dem Keim des
Organismus durch die Mischung seiner Bestandtheile eine ganz bestimmte Ent-
wickelungsri(^htung mitgetheilt wird, dieselbe Entwickelungsrichtung, wie
sie der elterliche Organismus zu Anfang besessen hat". Die „durch Vererbung
übertragene Entwickelungsrichtung" wird aber stets durch äussere Einflüsse „bald
hierhin, bald dorthin ein wenig abgelenkt", und das Kind den Eltern deshalb nie
völlig gleich. „Die Variabilität ist nichts Anderes, als die Resultante aus
der ererbten Entwickelungsrichtung und den äusseren Einflüssen" ■^).
Nach Häckel setzt sich die Lebensbewegung jeder späteren Plastide, —
also überhaupt jedes späteren Organismus, — „zusammen einerseits aus der über-
1) Kosmos Bd. II. 1877/1878. p. 57—59.
2) Weismann, Studien zur Descendenz-Theorie. II. Leipzig 1876. S. 299.
3) "Weis mann, Ueber die Berechtigung der Darwin'schen Theorie. Leipzig 1863. S. 24 — 25.
6o6
Der Rückschlag bei Kreuzung weit abweichender Formen.
wiegenden Reihe der alten Plastidul-Bewegungen, welche durch Vererbung
getreu von Generation zu Generation sich erhalten haben, andrerseits aus einem
geringen Antheil von neuen Plastidul-Bewegungen, welche durch Anpassung er-
worben wurden" (Perigenesis, S. 47). Die individuelle Plastidul-Bewegung, welche
der ersten Plastide eines auf geschlechtlichem Wege erzeugten Organismus inne
wohnt und dessen „ganze weitere Entwickelung bedingt", ist „die Resultante aus
den beiden verschiedenen Plastidul-Bewegungen der weiblichen Ei-Plastide und
der männlichen Sperma-Plastide. Wenn wir letztere als die beiden Seiten eines
Parallelogramms der Kräfte betrachten, so ist die Plastidul-Bewegung der Mone-
rula und der daraus hervorgehenden Cytula deren Diagonale" (Perigenesis,
S. 53). Oder kürzer: „Die kindliche Lebensbewegung ist die Diagonale zwischen
der mütterlichen und der väterlichen Lebensbewegung" (Perigenesis, S. 54).
Ich lasse dahin gestellt, ob man be-
rechtigt ist, auf diese unendlich verwickelten
Verhältnisse den Satz vom Parallelogramm
der Kräfte anzuwenden. Ich bezweifle es
und fürchte, dass man dadurch nicht mehr
als den täuschenden Schein einer „mecha-
nischen Theorie" erhalten werde. Doch die
Berechtigung zu gegeben, so würde man in
folgender Weise das Ergebniss einer ge-
schlechtlichen Zeugung veranschaulichen
können.
Durch den Anfangspunkt o eines
rechtwinkligen Coordinatensystems, dessen
Achse der x die Entwickelungsrichtung
der den Eltern gemeinsamen Stammform
bezeichnen möge, lege man zwei Gerade,
om und ov, deren Richtung die Ent-
wickelungsrichtung der mütterlichen und der väterlichen Keimzelle darstellen
möge. Ausser dieser Entwickelungsrichtung kommt beim Ergebnis der ge-
schlechtlichen Zeugung noch in Betracht, mit welcher Kraft das eine oder andere
Geschlecht seine Eigenthümlichkeiten überträgt („prepotency of transmission"
Darwin). Diese Stärke der Ucbertragung werde durch die verschiedene Länge
der Geraden om und ov ausgedrückt.
Jede der beiden elterlichen, durch die Keimzelle übertragenen Entwickelungs-
richtungen ist nun die Resultante aus der weit überwiegenden Entwickelungs-
richtung der gemeinsamen Stammform und aus den, seit der Trennung von den
Stammformen erfahrenen Ablenkungen. Wir zerlegen also sowohl om als ov in
diese beiden Componenten. Die stammelterliche Entwickelungsrichtung wird dar-
gestellt werden durch die Projektionen om' und ov' der Geraden om und ov auf
die Achse der x, die Ablenkung durch die darauf senkrechten Projektionen om"
und ov" derselben Gerade auf die Ebene der yz. Da bei Formen, zwischen denen
überhaupt fruchtbare Vereinigung möglich sein soll, die erworbene Verschiedenheit
gegen die ererbte Ueberein.stimmung äusserst unbedeutend ist, so sind mox und
vox stets sehr spitze Winkel.
Der Rückschlag bei Kreuzung weit alnveichenrler Formen. (^Qy
Zeichnet man nun die kindliche Resultante ok und zerlegt auch sie in die
beiden Componenten ok', welche die von der g(nneinsam(MT Stammform der Eltern
ererbte Entwickelungsrichtung. und ok ', wc^lche die Ablenkung von dieser Rich-
tung darstellt, so ist in allen Fällen, da mox und vox spitze Winkel sind, ok' = om'
-[- ov', d. h. es summirt sich im Kind(\ w^as die Eltern von gemeinsamen Vor-
fahren ererbten. Dagegen ist
ok" = Vom" 2 + ov"2 -}- 2om" . ov" . cos m"ov".
Also nur wenn der Winkel m"ov" = o ist, d. h. wenn om und ov in der-
selben Ebene mit der Achse ox auf derselben Seite dieser Achse liegen, oder
mit anderen Worten, wenn Vater und Mutter sich in genau gleicher Richtung,
wenn auch verschieden weit von der Stammform entfernt haben, wird ok" = om"
+ ov" sein. Nur in diesem Falle wird keinerlei Rückschlag eintreten; es wird
das Verhältniss der stammväterlichen Richtung zur Ablenkung genau dasselbe
sein bei dem Kinde, wie es durchschnittlich bei den Eltern war.
om' + ov' om" -f- ov"
ok : ok = :
2 2
In allen anderen Fällen ist
ok" = Vom"2 + ov"^ -f~ 2 om" , ov" . cos m"ov" < om" -f ov"
oder
om' -|- ov' om" -|- ov"
ok : ok > : ■ .
2 2
In allen anderen Fällen also ist das Verhältniss der stammväterlichen Ent-
wickelurigsrichtung zur Ablenkung grösser beim Kinde, als es durchschnittlich
bei den Eltern war, und zwar um so grösser, je grösser der Winkel m"ov"
ist, welcher die Verschiedenheit der Richtungen ausdrückt, in denen sich die
Eltern von ihrer gemeinsamen Stammform entfernten. So oft demnach Vater
und Mutter sich nicht in genau derselben Richtung von der Stammform ent-
fernten, wird das Kind dieser Stammform ähnlicher sein, als es durchschnittlich
die Eltern waren, und zw^ar wird der Rückschlag um so beträchtlicher sein, nicht
je ferner die Eltern einander oder der Stammform stehen, sondern in je ab-
weichenderen Richtungen sie sich von letzterer entfernt haben.
Itajahy, Mai 1877.
Der sprachlose Urmensch und die Sprachlosigkeit
der Kinder^).
Auf Grund des Satzes, den er auf die geistige Entwicklungsgeschichte der
Menschheit ausdehnt, dass „die Ontogenie die abgekürzte Wiederholung der
Phylogenie" ist, betrachtet Hellwald (s, Kosmos I. S. 325 u. fgde.) die Sprach-
losigkeit der Kinder als einen der schlagendsten Beweise für das einstige Be-
stehen sprachloser Urmenschen.
Ich bezweifle die Stichhaltigkeit dieses Beweises.
Nicht dass ich Bedenken hätte gegen die für jeden Anhänger der Ent-
wicklungslehre unabweisliche Annahme des sprachlosen Urmenschen, den ich so-
gar für einen wirklichen, in seinem Gliederbau kaum von uns verschiedenen
Menschen, nicht aber, wie Hellwald, für ein auf allen Vieren kriechendes
Menschenthier halte. Ebensowenig bestreite ich die Richtigkeit des Satzes, dass in
gewissen Fällen „die geschichtliche Entwicklung der Art sich abspiegelt in deren
Entwicklungsgeschichte", eines Satzes, den ich ja selbst zuerst bestimmter und
unter Hervorhebung der nothwendigen Einschränkungen formulirt habe. Was
ich bezweifle, ist nur die Anwendbarkeit dieses Satzes auf den vorliegenden Fall.
Wer aus der in der Keimesgeschichte erhaltenen Urkunde die Stammes-
geschichte einer Art zu entziffern unternimmt, stösst nur zu häufig auf Punkte,
bei denen er mit Feuerbach's bibhschem Theologen ausrufen möchte:
„Dieses Punktum entscheidet, doch ach, s' ist nicht zu erkennen.
Ob es ein Fiiegensch . . ., oder ein Gottesdictat."
Ich fürchte, was H e 1 1 w a 1 d für ursprünglichen Text, für Gottesdictat ge-
nommen, die Hilflosigkeit, Geistlosigkeit und die dadurch bedingte Sprachlosigkeit
unserer Kinder, dürfte sich bei näherer Betrachtung einfach als — ganz etwas
Anderes ausweisen.
Nur in äusserst seltenen Fällen wird überhaupt eine leidlich treue und voll-
ständige Erhaltung der Stammesgeschichte in der Jugendgeschichte erwartet
werden dürfen und nur mit äusserster Vorsicht und Umsicht sollte man daher
letztere bei Feststellung der ersteren benutzen. — Nehmen wir an, die Jugend-
geschichte einer Art wiederhole treu und vollständig deren geschichtliche Ent-
wicklung. Welche Aussicht wäre vorhanden, dass sie sich dauernd so erhalte?
i) Kosmos 1877/78. Bd. II. S. 458 — 460. Dort (S. 453) findet sich eine Arbeit mit dem Titel
„Zum Sprachenursprung", deren erster Teil von Professor Dr. G.Jäger stammt; diesem ist von der Redaktion
des Kosmos die obentsehende Mitteilung Fritz Müllers als zweiter Teil beigefügt.
Der sprachlose Urmensch und die Sprachlosigkeit der Kinder. 5oq
Abgesehen von dem „allmäligcn Verklingen der Urgeschichte" und von jenem
Zurückweichen später erworbener Zustände in frühere Lebenszeit, für welches
kürzlich Weismann in seiner vortrefflichen Abhandlung über die Schwärmer-
raupen so schlagende Beispiele gegeben hat, würde bald, welches auch die Lebens-
verhältnisse der Jungen sein mögen, eine mehr oder minder tiefgreifende Ab-
änderung der Jugendformen eintreten und so durch spätere Zuthat die geschicht-
liche Urkunde unzuverlässig werden.
Entweder nämlich, und darauf ist bereits von mir und Anderen vielfach hin-
gewiesen worden, würden die Jungen für sich selbst zu sorgen haben, und dann
würde auf sie „der Kampf ums Dasein und die damit verbundene natürliche Aus-
lese in gleicher Weise verändernd und fortbildend wirken, wie auf erwachsene
Thiere."
Oder aber die Jungen würden vor dem Kampfe ums Dasein und dessen um-
gestaltender Macht durch die Brutpflege der Alten mehr oder weniger vollständig
geschützt, und dann würden sie einer Rückbildung und Verkümmerung verfallen,
wie wir sie in ähnlicher Weise und durch ähnliche Ursachen bedingt bei Schma-
rotzern zu finden pflegen. Da diese letztere Ursache der Fälschung oder, falls
man an dem Worte Anstoss nehmen sollte, der Abänderung des ursprünglichen
Entwicklungsverlaufes bisher wenig Beachtung gefunden zu haben scheint, darf
ich wohl noch einmal an einige bereits anderwärts erwähnte Beispiele erinnern.
Als ich vor einigen Jahren unseren Termiten nachging, überraschte es mich,
in den jüngsten Larven der Gattung Calotermes muntere lebhafte Thierchen kennen
zu lernen, rascher in ihren Bewegungen, zierlicher in ihrem Aussehen als ihre
älteren Geschwister; da doch bei anderen Termiten die Larven anfangs schreck-
lich unbeholfene Dinger sind, die sich kaum von der Stelle rühren, von ganz un-
reifem Aussehen, mit dickem Kopfe, langen, aber plumpen Beinen u. s. w. Bei
letzteren werden die Larven von einer zahllosen Arbeiterschar gewartet, gefüttert,
von Ort zu Ort getragen; bei Calotermes fehlt ein besonderer Abeiterstand ; die
Jungen müssen sich selbst ernähren und finden nur ihre Wohnung, Gänge in
dürrem Holze, bereits vor.
Aehnlich ist unter den Vögeln der Unterschied zwischen den Jungen der
Nestflüchter und der Nesthocker. Welch reizendes Geschöpfchen ist nicht von
der ersten Stunde ein Küchlein oder Entchen, das der Mutter laufend oder
schwimmend folgt, selbst sein Futter aufpickt, den warnenden Ruf der Mutter
versteht oder, verirrt, sie herbeiruft. Wie widerlich dagegen eine junge Taube,
ein junger Sperling, — dieser dickbäuchige, glotzäugige, nackte Fleischklumpen,
der nichts versteht, als zum Verschlingen des von der Mutter zugeführten Futters
den Schnabel aufzureissen.
Weit tiefer greifenden Verschiedenheiten begegnen wir bei den Plaut-
flüglern; auf der einen Seite die Larven der Blattwespen, den Schmetterlings-
raupen ähnlich, mit Füssen, deutlichem Kopfe, wohlentwickelten Mundtheilen ; auf
der anderen Seite die fusslosen, unbehülflichen Maden der Ameisen, Wespen,
Bienen. Jene suchen selbst auf Pflanzen ihre Nahrung, fremden Schutzes gegen
Feinde entbehrend. Diese leben theils als Schmarotzer in Pflanzengallen, in
Raupen u. s. w., theils an sicherem Ort zwischen reichlich von der Mutter auf-
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 39
AjQ Der sprachlose Urmensch und die Sprachlosigkeit der Kinder.
gespeicherter Nahrung, theils werden sie von wehrhaften Arbeitern geschützt und
gefüttert.
Nun hat man, ganz abgesehen von den Jugendzuständen, ausreichende Gründe
zu der Annahme, dass unter den Termiten die Calotermes, unter den Hautflüglern
die Blattwespen, unter den Vögeln die Nestflüchter die ältere ursprünglichere
Form der betreffenden Gruppen sind; man darf auch ihre Entwicklungsweise als
die ursprünglichere betrachten und annehmen, dass die Jungen der nestbauenden
Termiten, der Wespen und Bienen, der Nesthocker wie Schmarotzer, durch Nichts-
thun, das ihnen die Brutpflege der Eltern gestattete, auf ihren jetzigen, jämmer-
lich hilflosen Zustand heruntergekommen sind.
In der Klasse der Säugethiere wiederholen sich dieselben Verhältnisse; hier
das muthwillig springende Böckchen, dort der blindgeborene Hund, das nackte
Mäuschen und unsere eigenen Kinder. Auch hier bewährt sich die in anderen
Klassen gewonnene Erfahrung, dass die Jungen um so unentwickelter, um so geist-
loser, um so Hilfsbedürftiger ins Leben treten, je liebevollere sorgsamere Pflege
ihrer hier von Seiten der Eltern wartet.
Es hätte wohl kaum dieses Umblicks in der Thierwelt bedurft, um sich zu
überzeugen, dass der hilflose Zustand unserer Säuglinge, dass namentlich der
Mangel geistigen Lebens und die damit nothwendig verknüpfte Sprachlosigkeit
auf nachträglicher Abänderung des Entwicklungsganges beruhen und nicht auf
den Urzustand der erwachsenen Vorfahren zurückzuschliessen erlauben. Ein
solches seiner eigenen Sinne und Gliedmassen nicht mächtiges, allen Geisteslebens
baares Wesen hat nie auf eigene Hand, nie als erwachsener Urmensch leben
können; es hat entstehen und bestehen können nur unter der treuen Obhut der
hingebendsten Mutterliebe. Wenn der Zustand unserer Säuglinge nicht als Beweis
dienen kann für die Zahnlosigkeit eines nur von Milch lebenden, so kann er es
ebensowenig für die Sprachlosigkeit eines auf allen Vieren kriechenden Ur-
menschen.
Kämen übrigens selbst unsere Kinder auf der Höhe geistiger Befähigung
zur Welt, wie sie etwa ein Kälbchen oder Füllen seinen Eltern gegenüber ein-
nimmt; würden sie nicht dennoch sprachlos sein, sprachlos sein müssen? und
würde selbst dann ihre Sprachlosigkeit etwas für oder wider die Annahme des
sprachlosen Urmenschen beweisen?
Wer es sich klar gemacht, dass der geistige Erwerb der Väter, dass der
Besitz bestimmter Kenntnisse, z. B. des zum Sprechen unentbehrlichen Wörter-
schatzes, den Kindern nicht durch Vererbung, sondern nur durch Ueberlieferung
mitgetheilt werden kann, wird über die Antwort nicht in Zweifel sein und dem
wird auch die von Hellwald versuchte Anwendung des „biogenetischen Grund-
gesetzes" auf die geistige Entwicklungsgeschichte der Menschheit mindestens
etwas gewagt erscheinen.
Pflanzengattungen, an denen mir bekannte Tagfalter-
Raupen leben ^).
(Erstere geordnet nach Endlicher, Genera plantarum, letztere nach Kirby.)
{I. Bambuseae: Taygetis (6).
2. Musaceae (Musa, Heliconia): Opsiphanes (lo), Caligo (ii).
3. Palmae: ßrassolis Astyra (9).
4. Piper: Protogonius (31), Papilio Thoas (71).
5. Ceeropia: Gynaecia (23).
6. Böhmeria: Hypanartia (21).
7. Aristolochia: Papilio Polydamas (38), P. Nephalion (39).
[Vemonial
^•|Mikania r Acraea Thalia (12), Acr. Eulalia (13).
9. Schoenleinia (Rubiaceae): Adelpha Iphicla (27), Adelpha sp. (28).
10. Asclepias: Danais Erippus (i), D. Gilippus (2).
11. Solanum: Dircenna Xantho (3), Mechanitis Lysimnia (4),
12. Cestrum: Ithomia sp. (5).
13. Menispermum : Morpho Hercules (7).
14. Cascaria: Siderone Ide (29), S. strigosus (30), Diorhina Licarsis (32).
15. Passiflora: Heliconius Eucrate (14), Eueides Aliphera (15), Eu. Isabella (16),
Colaenis Dido (17), C. Julia (13), Dione Juno (19), D. Vanillae (20).
16. Citrus: Papilio Evander (47).
J17. Dalechampia: Ageronia Fornax (24), Ag. Amphinome (25),
|i8. Tragia: Didonis Biblis (26).
19. Alchomea: Epicalia Numilia {22).
20. Cassia: Eurema Sinoe (34), Callidryas Eubule (35), C. Philea (36).
21. Inga (semialata) : Callidryas Argante (37), Morpho Epistrophis (8), Thecla
Acmon (33).
Verwandte Schmetterlinge haben vorherrschend verwandte Futterpflanzen ;
besonders merkwürdig Ageronia und Didonis, die als besondere Familien lange
im System herumgewandert sind, und erst jetzt als Nachbargattungen sich zu-
sammengefunden haben und deren sehr ähnliche Raupen auf nesselnden Euphor-
biaceen leben. — Selten finden sich nichtverwandte Tagfalter-Raupen auf der-
selben Pflanze zusammen, wie Protogonius und Pap. Thoas, — Siderone und
Diorhina, endlich Call. Argante, Morpho Epistrophis und Thecla Acmon.
Blumenau (Prov. Sa, Catharina Brazil), 8. Dec. 1877.
i) Stett. Entom. Zeit. 1878. 39. Jahrg. p. 296.
39"
Proboscis capable of sucking the Nectar of
Angrecum sesquipedale^).
Aus einem Briefe an Herrn. Müller vom ii. April 1873.
Mit I Textfigur.
Mr. W. A. Forbes , in the number for June 1 2 started the question,
whether moths are known to inhabit Madagascar with proboscides capable
of such an expansion, as to obtain the last drops of the nectar secreted in the
lower part of the whiplike nectaries of Angrecmn sesquipedale.
As long a direct answer
to this question has not been
given, it may be of some interest
to State in general the existence
of moths provided with probos-
cides sufficiently long for the
honey-spurs in question.
Some days ago I received
a letter from m}' brother, Fritz
Müller (Itajahy, Prov. Sa. Ca-
tharina, Brazil), in which he says :
"I recently caught a Sphinx (not
determinable by Burmeister's
"Brazilian Sphingidse"), the pro-
boscis of which has a length of
about 0,25 metres — a lenght not
approached by any honey-tube
of this country known to me.
I enclose the proboscis." Being
unable to get the name of this species of Sphinx, I append the Illustration of its
proboscis, magnified in the proportion 7:1. This proboscis, in its contorted con-
dition forming a roll of 10 — 11 millimetres in diameter, and showing at least 20
elegant windings, in its expanded condition attains a length of between 10 and 11
inches, and would consequently bc adapted to the nectaries of Angrecum sesqui-
pedale, which have been found by Darwin ii72 inches long, with only the lower
inch and a half filled with nectar. Darwin indeed says, with regard to the fer-
tilisation of Angrecum sesquipedale (p. 198 of his work on Orchids): "there must
be moths with proboscides capable of extension to a length of between 10 and
1 1 inches." 2)
Lippstadt, July i Hermann Müller.
1) Nature 1873. Vol. VIII. p. 223.
2) 2nd edition p. 163. Der Herausgeber.
Scent-fans of a Sphinx-moth^).
Mit I Textfigur.
Mr. Meldola read the following extracts from a letter from Dr. Fritz Müller
to Mr. Charles Darwin, dated from Santa Catharina, Brazil, 27 th November 1877.
"My children lately caught on the flowcrs of Calonyction (sp.?) a Sphinx-
moth, the proboscis of which is 22 centimetres long. As I think that you would
be glad to see this curious proboscis I send it to you. * * * * During the month
of October I have watched for some wecks the butterflies visiting a Lantana
near my house, the flowers of which are yellow the first day, orange the second,
purple the third day, and falling off on the morning of the fourth. Eight out
of eleven species of butterflies {Heliconiiis apseiides, Cokmiis Dido, C. Julia,
Dione Juno, Hesperocharis Anguitia, Eurema Leuce, Daptonoura Lycimnia,
and Callidryas Cipris) never touched an orange or purple flower,
limiting their Visits exclusively to the yellow ones. Two specimens
of Pieris Aripa (or Elodia?) proceeded in the same way, whilst a
third specimen of this Pieris inserted its proboscis indifferently into
yellow or orange flowers. Three specimens of Danais Erippus
evidently preferred yellow flowers, but sometimes also tried orange
flowers, and one of them even once put its proboscis into a
purple flower; a fourth specimen of Danais visited yellow flowers
only. Lastl3^ I saw three specimens of Hesperida; but as I did
not catch them, and as the species most closely resemble each
other, I do not know whether they belonged to the same
species; two visited exclusively yellow flowers, the third in-
differently flowers of any colour — yellow, orange, or purple-
These observations, of which a füll account will be published in the
'Archivos do Musco Nacional do Rio de Janeiro,' 2) confirm those by
Delpino on Ribes aureum and Caragana arborescens. If the flowers lasted but
one day the flowerheads would be by far less conspicuous; if they lasted three
days without changing colour, butterflies would lose much time in visiting honey-
less, already-fertilized flowers. * * * Yesterday I caught, for the first ;.time, the
male of a Sphinx-moth which exhaled a streng musk-like odour; as you know,
this is also the case with the males of the European ^. convolvuli and kS. ligustri;
but nobody has as yet, so far as I know, indicated the odoriferous organ. It is
formed by two pencils of hairs situated on the ventral side of the base of the
abdomen, and when at rcst are perfectly hidden by the scales (hairs?).
I do not remembcr whether I have already called your attention to an
intcresting secondary sexual character observ^able in several species of Callidryas
and some other Pierince. The costal margin of the anterior wing is sharply
Scent-fans of
a Sphinx-moth.
i) Proceedings of the Enlomological Society of London. 1878. p. II — III.
2) Siehe Ges. Schriften S. 547 ff. auch S. 577.
^j • Scent-fans of a Sphinx-moth.
serrated in the males, while it is smooth in the females. In Callidryas Philea
some females have the wings smooth, others serrated, but in a far less degree
than in the male. This ma}^ be a sort of weapon in the battles of the males
Whether in Papilio Grayi, P. Cleotas, P. Corcebiis, and thcir allies, the serrated
margin of the fore wings is limited to the male sex I do not know, not ha\ing
yet caught females of these rare species.''
Mr. Meldola exhibited the proboscis of the Sphinx referred to in the above
letter, and also the wings of a male specimen of Callidryas Argante, showing
the serrated margin. He remarked that he was indebted to Mr. Dar^\'in for having
kindly placed the letter and specimens at his disposal. With reference to the
length of proboscis of Sphinx-moths, it was stated that in the British Museum
there is a South- American specimen of Macrosilia cliientins, the proboscis of
which is 23-5 centimetres (^ g^|4 inches) long. Both Mr. Darwin ('Fertilization
of Orchids', 1862, p. ig8) and Mr. Wallace ('Quarterly Journal of Science', Oct
1867) had predicted the existence in Madagascar of a moth with a proboscis
sufficiently long to reach into the nectar of Angrecum sesquipedale, the nectar}^
of which orchid is from ten to fourteen inches in length. This prediction, although
not at present specially fulfilled with regard to Madagascar, has been since shown
to have a great amount of probability by the discovery of a Sphinx in South
America with a proboscis 25 centimetres (= 9 • 8 inches) in length. This specimen
was also captured by Fritz Müller (see 'Nature', vol. viii., p. 223 = Ges. Schriften
S. 612), and has been since identified as Macrosilia cluentius (see Nature', vol. xvii.,
p. 221= Ges. Schriften S. 639). The selective discrimination of flowers of certain
colours refered to in the foregoing letter appears to afford additional proof of the
fact that insects can distinguish colours — a fact of the utmost importance to the
theory of sexual selection. With reference to the serrated costal margin of the
fore wings of butterflies, Mr. Meldola stated that this character had been shown
to exist in the genus Prioneris by Mr. Wallace (Trans. Ent. Soc., ser. iii., vol. iv.),
and in the genera Amynthia and Pyrrhosticta by Mr. A. G. Butler, but that, so
far as he knew, it was now made known in Callidryas for the first time.
Mr. A. G. Butler stated that in many of the exotic Notodontidce he had
observed a fan-like tuft in the males. With reference to the Sphingidce of Mada-
gascar, he stated that he had measured the proboscis of all the specimens in the
British Museum, and none of them exceeded five inches in length. Mr. Butler
further remarked that the whole of the Old World species of butterflics separated
under the Hübnerian genus Catopsilia, the whole of the New World species se-
parated under the genus Phccbis of Hübner, all the species of the true Callidryas,
Boisd., and one species only of the genus Aphrissa, Butler, have the serrated
Costa in the male sex. Aphrissa Godartiana, Swainson, although closely allied
to A. Hartonia, Butler, being similar in colour and peittern, but differing chiefly
in size and the shortness of the wings, has a strongly serrated costa, whilst A. Har-
tonia has the costa smooth. With regard to the object of the serrated margin,
Mr. Butler stated that he was disposed to accept Fritz MüUer's explanation that
it may be of use in the battles of the males.
Mr. Bates remarked that in Prioneris the serrated costal margin exists in
both sexes.
Notes on Brazillan Entomoiogy ^).
Odours emitted by Butterflies and Moths.
Two years ago I ventured to suggest '^) that all those various pencils, tufts or
manes of hairs, all those chalky, silky or velvety spots of peculiar scales, as well
as the recurved margins or other poiiches enclosing pale buff or white down,
which distinguish the wings of the male sex in many butterflies, might be odo-
riferous organs. This Suggestion might then have been justly censured as too
rash, being founded on the actual Observation of odours in four species only, and
I feit, of course, the necessity of testing this view by examining as to their
odours all living butterflies I might be able to procure. I will here give the
results hitherto obtained, enumerating those species^) in which distinct odours
could be perceived, and I hope the facts to be given will fully justify my Sug-
gestion.
Odours, as well as colours, may have been acquired by butterflies either for
protection or as an attraction beetween the sexes. Protective odours appear to
be in most cases equally strong in both sexes, or sometimes stronger in the
females; they may exist in the caterpillar as well as in the perfect insect. When
capable of voluntary emission, they are emitted' as soon as the animal fears some
danger, e. g., when it is seized, and this may in some cases serve to distinguish
them from sexual odours.
Sexual odours may be divided into two classes.
Firstly, those which give notice to the opposite sex of the existence of, and
lead it the way to, the odoriferous animal. Such odours must exist in many
female moths wich attract the males from great distances, Among butterflies the
males appear to be guided more by the colour than by the odour of their
females.
Secondly, those odours which do not serve as a guide, but as an excitement
to the opposite sex. They appear to be by far more frequent in the males,
though occurring also in some females. Odours of both classes will of course
i) Trans. Ent. Soc. Part. III. 1878. p. 211—223.
2) Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft, XI. p. 99. = Ges. Schriften S. 534.
3) I am much indebted for the names of the butterflies mentioned in this paper to Prof. A.
Gerstaecker and Dr. O. Staudinger.
()l() Notes OD Brazilian Entomology.
be agreeable to the attracted or allured sex: but in the first class the odour of
the female is agreable to the male, because it is the odour of his female; while in
the second class the odour emitted by the male is agreeable to the female, males
with that peculiar odour having been preferred. The two classes may, of course,
graduate into each other.
Colours, whether acquired as an attraction by the malcs or for the sake of
protection by the females, are often transmitted to the opposite sex ; with sexual
odours of butterflies this seems but very seldom to be the case.
I shall not enter into minute descriptions of the odoriferous organs^), nor
mention those very numerous species, which, though evidently possessing such
Organs, emit odours too faint for human noses ; the only object of this paper being
to State that there are a large number of male butterflies provided with special
Organs for the production and emission of peculiar odours.
Butterflies.
Family i . Nymphalidae.
Subfamily i. Danainae.
A. Danais group.
Danais Eripptis, Danais Güippiis'^), Lycorea [sp. ?] and Unna Ilione have
a pair of finger-like hollow processes at the end of the abdomen, into which they
can be retracted, they bear a tuft of black hairs, radiating in every direction and
emitting a rather disagreeable odour, when the processes are fully protruded.
This odour is extremely strong in Lycorea and Ituna, less so in D. Güippus,
and rather faint in D. Erippus, differences exactly corresponding to the different
sizes of the tufts in the several species. The male of Ituna sometimes protrudes
his tufts, when he is seized, so that in this butterfly the odour may serve both
to repel enemies and to allure females. The well-known "sexual spots", or rather
pouches, on the first median nervure of the hind wings of D. Erippus and
Güippus, which are much larger in this latter species, appear to be, by their
microscopical structure, scent-producing organs; but as they open only by a nar-
row slit, odours could hardly be freely emitted. There is onc curious circum-
stance, which may perhaps throw some light on their as yet very doubtful func-
tion; the scales, though pcrfectly preserved every where eise, are often wanting
at the entrance of the pouch, as if they had been scoured away by somcthing
introduced into the slit. It would be worth while to see whether this be the case
with other species of Danais also. Might not the tufts be introduced into the
pouches to be impregnated there with odoriferous matter?
1) A series of papers describing odoriferous organs of various butterflies and moths have been sent
for publication to the "Archivos do Museu Nacional do Rio de Janeiro". = Ges. Schriften S. 555, 559,
564, 625, 631.
2) Kirby (Synon. Catal. of Diurn. Lepid. 187 1, p. 7) doubts whether D. Güippus may not be a
variety of D. Erippus. But the caterpillars are quite different; those of Erippus have two, those of
Gilippus three, pairs of "tentacles". The microscopical structure of the "sexual spot" of the male also
shows considerable differences.
Notes on Brazilian Entomology. 51*7
B. Ithontia group.
The males have a tiift or pencil of long hairs near the anterior margin of
the bind wings^), which in all our species emits a more or less distinct odour.
The odour is rather strong and most agrceable, resembling vanilla, in Dircenna
Xantho, rather faint in Ceratinia Eupompe and Ithomia Sylvo; it is still more
so in MecJianitis Lyslmm'a, where I perceived it distinctly in but few males. In
Thyridia Megisto the odoriferous tuft is not limited to the male sex; it exists in
the females also, but the hairs are shorter and less numerous and the odour
emitted is much fainter than in the males. The males have a welldefined brown
spot, covered b\' the tuft; this is hardly distinguishable in the females. As the
tuft exists in all the males of the group — which contains about a dozen of genera
with more than two hundred species — as it is wanting in almost all the females,
and as in Thyridia Megisto it is much less developed in the female sex, there
can, I think, hardly be any doubt that it has been acquired as a sexual attraction
by the males of the common progenitor of the group, and that it has been but
recently transmitted to the females of Thyridia.
Subfamily 2. Satyrinse.
The males of Antirrhcea Archcea have highly-developed odoriferous organs,
and emit a strong odour; there is a most elegant mane of pale buff hairs on the
under side of the front wings, and opposite to it the bind wings bear an odori-
ferous spot, which has caused a considerable modification of the neuration of the
wing2). A second much smaller odoriferous spot exists in the angle between
the submedian and internal nervures.
In the allied genus Pierella no trace of odoriferous organs could be found
nor any odour perceived.
Suhfamily 4. Morphinse.
The wings of the males are known to be generally provided with tufts of hairs
or with spots of peculiar appearance, which probably will prove to be odoriferous
organs. The only genus, the wings of which are deprived of such organs is
Morpho. In compensation the males of all the species of Morpho which I have
caught (M Hercules, Epistrophis, Adonis, Cytheris, Menelans, Achilles) are able
to protrude from the cnd of the abdomen a pair of hcmisphcrical bodies covered
with short hairs, which produce a very distinct odour. In the splendid M. Adonis
anp the allied M. Cytheris this odour is most agreeable, resembling vanilla.
Subfamily 5. Brassolinaj.
Pencils of hairs, capablo of being erccted voluntarily, or spots of peculiar
scales are present on the hind wings of most genera. Their position varies much,
even within the limits of the same genus. In the males of various species of
Caligo, Dasyophthalma and Opsiphanes, I found that very distinct odours were
1) There are two widely-separated tufts in the male of a small species of this group, resembling
in size and colour Cyllopoda dichroa, one of our Glaucopidce.
2) See Butler, Catal. Satyrid. Br. Mus. 1869, PI. V. fig. 3. In Butkr's figure of the mane
("plaga pectinatim cirrata") the hairs appear to be directed baclcward, whil the contrary is the case ; they
are inserted along the submedian nervure and directed forward.
A j Q Notes on Brazilian Entomology.
emitted by these pencils or spots, thc odour bcing particularly streng in a species
of Dasyophthalma.
Subfamily 6. Acraeinae.
On crushing eithcr sex of Acrcea Thalia, a disgusting odour is perceived,
which probably renders it unpalatable to most insectivorous animals; there appear
to be no special organs for the Omission of odours.
Subfamily 7. Heliconinae ^).
The butterflies of this subfamily also possess a disgusting odour, and both
sexes are provided with special organs for its emission. In the male thcy are
situated between the anal valves, in the female on the dorsal side of the end
of the abdomen. The odours emitted appear to be generally stronger in the
female sex -).
Subfamily 8. Nymphalinae.
A. Epicalia groiip.
Unusuall)^ strong odours are emitted by the males of Myscelia Orsis and
Epicalia Acontitis. Both of them have a large odoriferous spot on the Upper
side of the hind wings, and opposite to this a similar spot, covered by a mane
of black hairs, is situated on the front wings of Epicalia Acontius. It is very
remarkable that the odoriferous organs, which are so highly developed in Epicalia
Acontius are completely wanting in Epicalia Ntimilia, and it is yet more remark-
able that they closely resemble in various particulars those of Antirrhcea Archcea,
though they were no doubt independenth^ acquired in both species. In both these
butterflies the posterior margin of the front wings and the anterior margin of the
hind wings are much dilated; in both of them a mane of long hairs is inserted
on the under side of the front wings, along the submedian nervure, covering
an odoriferous spot (which is well developed in Epicalia, but most rudimentary in
Antirrhcfiä), and opposite to the mane there is a large odoriferous spot on the
hind wings, the central part of which fills the angle between the two subcostal
nervures, extending into the three adjoining cells of the wing. If we knew only
these two species of NymphaliiUB and Satyrince we should unhesitatingly assume
that thcir odoriferous organs, situated on thc same place, composed of the same
parts, and in the same position, were inherited from common progenitors; and
yet this would be a great mistake.
B. Ageronia group.
In the male of Ageronia Arethusa a rather strong odour is emitted by
two large brown spots, situated between th(^ wings, one on the under side of the
front wing, occupying the basal half of the cell bt;tween the submedian nervure,
and first median nervure, the other on the uppcr side of the hind wings. The
microscopical structure of the scales and the wing-membrane of these spots differs
1) I have lately shown (Stettin. Entomol. Zeitung, 1877, p. 492) that the genera Colccnis and Diane
cannot be separated from Heliconius and Eueidcs. Siehe Ges. Schriften S. 579.
2) For a füll description of the odoriferous organs of the female Helicoiüncc, see a paper in Zeit-
schrift für Wissenschaftliche Zoologie, vol. XXX. p. 167. = Ges. Schriften S. 643.
Notes on Brazilian Entomology. 6lQ
l)ut littlc from that of thc rcst of the wings. In Ageronia Amphinome and Feronia
neither odours nor odoriferous organs could bc dctccted.
Didonis Biblis is, so far as odours are conccrned, the most intcresting of
all butterfli(\s that I know. The male is able to emit as many as three different
odours. On scizing a Didonis of either sex, it protrudes on the dorsal side of
the abdomen, betvveen the fourth and fifth Segments, a pair of hemispherical
protuberances, coxered with greyish hair-like scales and producing a streng, rather
disagreeable odour. The male has a second pair of similar protuberances between
the fifth and sixth segments of the abdomen, covered with white hair-like scales.
These white protuberances he ne\'er exposes when caught ; they emit an agreeable
odour, comparable to that of heliotrope, and are of so elegant an appearance that
they probably serve at the same time as an ornament. A ver}^ different musk-
like odour is produced by a black spot, which is situated on the under side of
the front winsrs of the male near the base between the median and submedian
nervures. This odour is very faint; it is convenient to remove the abdomen be-
fore trying to perceive it. I may add that the bind wings of the male also havc
a very small greyish spot near the base. which is wanting in the female.
C. Apatura group.
A distinct odour issues from the tuft of black hairs which distinguishes the
bind wings of the male sex of Prepona Laertes and several other allied species.
Family 3. Lycsenidse.
It is well known that the males of very many species of Thecla have a
"sexual spot'' on the disc of the front wings, and that sometimes (e. g., in the
males of 7". Acrnon) the neuration of the wings is greatly altered b}'^ the presence
of this spot. In the male of T. Atys an unusually strong odour is produced by
this "sexual spot", and more or less distinct odours by various other species the
names of which I do not know.
Family 4. Papilionidse.
Subfamily i. Pierinae
The front wings of the male Leptalis Thermesia have a chalky oval spot
on their under side, and opposite to this there is a dark-brownish spot on the
Upper side of the hind wings. Both these spots emit a very strong odour, dis-
agreeable to human noses, but probably not so to his females. A similar, though
much fainter odour has been observed in the male Leptalis Astynome and L. Melite.
A very delicious perfume is produced on the upper side of the wings of
the male Daptoiioiira Lycininia. It is rather faint and often hardly distinguish-
able when the butterfly is caught. In this case it may easily be rendered distinct
by keeping the living animal for some time with the wings closed. On the whole
Upper surface of the wings there are, among the ordinary scales, in the males
of this species (as in many species of Pieris, Hesperocharis, Archonias, Pereute
&c.), numberless peculiarly-formed odoriferous scales or "plumules", as they were
called by Bernard Deschamps. In Daptonoura Lycirnuia these "plumules" are
club-shaped and fringed with fine hairs at the end.
()2o Notes on Brazilian Entomology.
When a female of Daptonoura Lycimnia (and various other butterflies,
Callidryas, Anartia, &c., behave in the same manner) is willing to admit a male,
she expands her wings horizontally, lifts a little the end of the abdomen and ex-
poses her copulating organs. Then the male is seen to hover above and to fly
around her; but often, far from accepting the offer of the female, which, after a
long courtship, finally surrenders herseif to his wishes, he suddenly flies away
without returning. What ma}^ be the cause of his thus abandoning her at the
decisive moment? The only thing which he could not perceive, whilst chasing
after the female, is that part of her sexual organs which is now for the first time
exhibited to him. Now, these copulating parts of the female, when protruded,
emit a peculiar odour, and it is probably the individual odour of the several fe-
males which determined the decision of the male. In Daptonoura Lycimnia this
odour is rather faint, though quite distinct. It is very different from that emitted
by the wings of the male.
The male of Daptonoura Ilaire is also provided with "plumules" on the Upper
side of the wings, but no odour was here perceived. At the same time he has
a tuft or pencil of brown hairs at the end of the abdomen, on the ventral side.
This tuft is not retractile, but applied to the ventral margin of, and partially
hidden between, the anal valves; it may be made to radiate in every direction
and then emits a rather strong odour. This tuft of hairs exists in the female
also, but it is much shorter, and I could not perceive any odour produced by it.
The males of most species of Callidryas have a chalky spot on the upper
side of the hind wings, near the base and the anterior margin; sometimes it is
covered by a mane of long hairs, and sometimes the front wings also have a
similiar spot opposite to that of the hind wings. I perceived a musk-like odour
issuing from this spot and mane in Callidryas Cipvis, C. Argante, and C Trite.
It is unusualty strong in Cipris, very distinct in Argante, rather faint in Trite.
In several males of this last species which I caught two years ago I could not
perceive any odour, while I find it to be quite distinct in all those wich I have
lately examined. Are those butterflies producing a more powerful perfume in
1878 than they did in 1876, or have my olfactory organs, by continual exercise,
become more acute in the meantime? According to Boisduval, the chalky spot
is wanting in the male Callidryas Eubule, and, indeed, it may easily be over-
looked through hardly differing in colour from the rest of the wing ; but it exists,
and is easily discovered by its opacity after denuding the wing. It emits a faint
musklike odour.
The females of Callidryas Argante, Eubule, and probably also of other species,
show on either side of the protruded copulating organs a small, shining, circular
spot, from which a very strong peculiar odour issues, in which some volatile acid
seems to predominate.
Subfamily 2. Papilioninse.
When special organs for emitting odours are developed in the males of this
subfamily, they are placed along the anal margin of the hind wings, which is
then usually recurved. It can be expanded, and the odoriferous organs exposed
by moving the wings strongly in a forwad direction. In some species a very
strong odour is emitted by the upper side of the wings of the male without any
Notes on Brazilian Entomology. 021
special organs having been found (but I must add, that I have not yet compared
microscopically the wings of the two sexes). This is the case with Papilio Poly-
damas and Hyperion. In P. Polydamas there appear to be two sets of males
emitting equally streng but quite different, odours. This would be analogous to
the case of the two sets of differently-coloured females in some species of this
genus. P. Polydamas is generally the most common of our Papilios, but in the
last Summer it has been rather rare, and I have examined but a small number
of living males; thus, on examining a larger number, intermediate odours may
be found.
In Papilio Scamander or Grayi^) the black hairs existing in both sexes on
the Upper side of the hind wings, are much more developed near the anal margin
in the males, which emit a strong, most agreeable odour, issuing from these hairs ;
the females are scentless.
In the male Papilio Protesilaus the hairs near the anal margin of the hind
wings are developed to a long black beard, which is hidden by the recurved
margin of the wing, and exhales, when uncovered, a very strong, or rather dis-
agreeable, odour. Beard and odour are wanting completely in the female sex ^).
In the male Papilio Nephalion the pouch formed by the recurved anal
margin of the hind wings is filled with an astonishing quantity of white silky
down. In a male which I latel}^ caught I perceived a faint agreeable odour on
opening the pouch.
Family 5. Hesperidse.
The Hesperidm agree with moths in many particulars, which are not to be
found in any other butterflies. Thus, as in many moths, the tibise of the hind
legs are provided in the males of various species with a large pencil of long
hairs. It can be hidden in a furrow on the ventral side of the body, between
thorax and abdomen. In Plesioneiira Eligiiis, and in a species of Achlyodes,
I perceived a very faint odour issuing from the pencils when they were expanding.
Moths.
In butterflies, as we have seen, the odoriferous organs of the males in most
cases are developed on the wings; in but few genera {Danai's, Lycorea, Ituna,
Morpho, Biblis) they were found on the abdomen, and, in some Hesperidce, on
the hind legs. With moths the case appears to be very different. Though not
wanting on the wings, these organs seem to occupy much more frequently the
abdomen or legs.
A musk-like odour is known to be produced by several male sphinx moths ;
I have observed it in Macrosilia Antams and two other species. It is emitted
i) This butterfly visited in large numbers the flowers of a red Salvt'a, in the highlands of the
province of Santa Catarina, near S. Bento. Some specimens agreed with BoisdtivaVs description of P. Sca-
?nander, others with that of Papilio Grayi, and most of them were intemiediate between the two.
2) Felder (Species Lepidopt. 1864, p. 57) states that among a large number of specimens of Papilio
Protesilaus, Agesilaus and Telcsilaus he could not find any female. In 1876 Pap. Protesilaus (var. Tele-
silaus) was extremely common, both on the river Itajahy and on the highlands of Curitibanos, and I think
1 have caught more than a hundred specimens, among which there were but two females.
A,, Notes on Brazilian Entomology.
by two other species. It is emitted by two pencils of pale hairs on the ventral
side of the abdomen, which can be hidden in longitudinal grooves on the first
two abdominal segments. To see them in the living male he must be held with
the ventral side turned upward, so that he can freely move his wings. As soon
as he begins to flutter, the pencils will expand, and when the wings cease to
move, they will be laid down again into their grooves.
The males of the Glaucopidce are provided with two long hollow retractile
filaments, generali}^ beset with hairs, which they can protrude from the end of the
abdomen, on the ventral side; sometimes they exceed the body in length, and
are then rolled into an elegant helix. They emit, in most cases, a distinct odour,
which is ver}^ streng in some species {e. g., Beleninia inaiirata). Two similar
filaments, producing a strong odour, exist in the male of a Cryptolechia. I have
Seen retractile pencils, tufts of hairs, or hairy protuberances, some of them emitting
distinct odours, at the end of the abdomen of various other male moths, of which
I do not know the names.
Pencils or tufts of hairs appear to be of rather frequent occurrence on the
legs of male moths, e. g., among the Erebidce and Geometrida', and in two or
three cases odours were observed to issue from them.
In one of our largest Erebidce the tibiae of the hind legs are much dilated
in the male, and densely covered with peculiar hairs, capable of being voluntarily
erected; they emit a faint but distinct odour.
As I know as yet but a very insignificant part of our moths, a vast number
of other odoriferous contrivances may be expected to be found among the extremely
numerous species of these insects.
Sounds made by Butterflies'^).
I know here four species of Ageroiiia [Feronia, Fornax, Amphinome and
Arethitsa), all of which are rather common in certain localities where their food-
plants {Dalechampia) abound. I have frequently heard the noise made by them
and can fully confirm Mr. Darwin's Statement, that this noise is produced, almost
exclusively, when two are chasing each other. Sometimes a short, clicking noise
is made, when an Ageronia is caught in the net. On October 3oth, 1876, at the
mouth of the Rio Trombudo, a tributary of the Itajahy, I saw two butterflies
chasing each other, which produced a loud clicking noise, and settled from time
to time in the manner of Ageronia, with the wings expanded horizontally, on dry
Sterns of Tagtiara (bamboo). I, of course, imagined them to be some species of
Ageronia, but after having succeeded in catching one of them, found that it was
Eiinica Mai'garita. I may observe that the neuration of the wings of that butter-
fly bears a rather close resemblance to that of Ageronia, so that indeed, it ma}'
be more nearl}^ allied to that genus than is generally assumed.
On February 2 ist, 1877, at the foot of the Serra de Itajahy, I heard a noise
resembling that of Ageronia, but rather louder, produced by two small brown butter-
flies, which seemed to be Eitptychiai, but which I did not succeed in catching.
i) The following notes are supplementary to a paper by Mr. Meldola, entilled "Entomological Notes
bearing on Evolution", in Ann. and Mag. of Nat. Hist., Feb. 1878.
Notes on Brazilian Entomology. 52"^
It has been suggested that the production of sound by Ageronia is connected
with the existence of a small membranous sac at the base of the front wings,
which in the living insect is filled with air when te costal nervure is compressed.
But this sac also exists in several other butterflies, which seem to be incapable
of producing sounds, e. g., Pyrrhogyra Edocia and Callicore Eluina. If I re-
member rightly, in Eunica Margarita the sac is wanting.
Insects distingiiishing Colours.
In flowers with changing colours, most of the visiting insects perfectly
distinguish the first honey-filled flowers, as I have ascertained by a long series of
observations on some species of Lantana. In some species the difference in colour
between the fresh flowers and the older ones is but very trifling, a small yellow
circle surrounding the entrance to the tube of the corolla during the first day and
disappearing afterwards,
A specimen of Victorina Frayja was lately observed settling on the flower
of a rose-tree painted on a wall; the painter was much pleased by seeing his
skill thus acknowledged by that butterfly.
Mimicry.
In some years, as I stated in 1871, Mechanitis Lysimnia is here hardly more
common than the imitating Leptalis Astynome-, but in most years M. Lysimnia
is extremely abundant and L. Astynome rather rare.
When I descended in a canoe the western branch of the Itajahy (December
i6th, 1876), small white butterflies were very common on the banks of the river:
all appeared to be of the same species. I caught about a dozen, and on examining
them at home found them to be Leptalis Neheniia, which so wonderfully mimics
a Pieris, that even Boisduval was deceived and described as Pieris Nehemia.
Now, in his case, the model must have been either by far more rare than the
copy, or entirely wanting.
On the Itajahy we have three species of Eueides, viz., E. Pavana, Isabella
and Aliphera; all of them are rare, and E. Pavana extremely so. This last
species closely resembles Acrma Thalia ; E. Isabella resembles Mechanitis Lysimnia
and Heliconius Eiter ate, while E. Aliphera mimics Colcenis Julia. I, therefore,
formerly thought that the three rare species of Eueides mimicked the three common
species of Acrcsa, Mechanitis and Colcenis. Afterwards, after finding that the
several species of Eueides possess a very strong and repugnant odour, I had become
somewhat doubtful, and at Säo Bento I found that E. Aliphera was extremely
common, so common, indeed, that repeatedly I caught as many as eight specimens
in the net at once, whereas C. Julia was so rare that I have only seen two or
three specimens altogether. Thus, judging by their relative abundance, an observer
on the Itajahy might consider E. Aliphera to be a mimic of C. Julia, while an
observer at Säo Bento might take C. Julia to be a mimic of E. Aliphera.
Correlation oj Habit with Protective Resemblance.
Any number of cases might be given. The case which has most Struck
me is that of the Caterpillar of a small moth belonging to the curious Cochliopod
^24. Notes on Brazilian Entomolog)'.
oToup. This Caterpillar has long lateral processes, overlapping each other, and
imitates in a truly wonderful manner a dr}- leaflet of the food plant Cassia uiiclti-
juga with the apical half gnawed off. Now, when gliding along slowly and
smoothly, as Cochliopod larvse are accustomed to do, it has the stränge habit of
making curious waving movements from side to side, just as a dry leaf moved
by the wind. A dry leaf marching in a straightforward manner would be a stränge
thing, and might rouse the attention of some intelligent bird, whilst it would not
look at a leaf moved by the wind.
Another curious instance is that of the Caterpillar of our Brazilian "leaf-
butterfly"{ Siderone strigosus) ; when very young it feeds on tlie tips of the lanceo-
late leaves of a Casearia, sparing the mid rib, on which it rests. This habit of
resting on the denuded ribs of leaves is common to various young caterpillars
{Protogonms, Adelpha, Gynmsia), and they are thus very well protected. When
somewhat larger, the caterpillars of Siderone strigosus (and of Siderone Ide,
which live on the same plant) bite small pieces from the leaf, fastening them to
the mid rib, with their margins rolled in, and the brown colour which these bits
of leaf soon assume excellently conceal the small brown Caterpillar which sits
between them ; at last the fuUgrown larva itself perfectly imitates a rolled dry leaf.
Os orgäos odoriferos da Antirrhaea Archaea Hühner^) ^).
Mit Tafel XLIX.
As differen(;;as sexuaes da Äittirrhcea Archcpa produzidas pelos orgäos
odoriferos dos machos ja se acham mencionadas por varios autores. Assim West-
wood ^), considerando a Antirrhcea como terceira secgäo do genero Hcetera,
distinguio esta secgäo pelas azas anteriores do macho dilatadas na margem
interna e munidas em baixo de uma crina. Butler^), tomando a Antirrhcea
Archma como typo de um novo genero, Anchiphlebia, indicou entre os caracteres
distinctivos deste genero näo so a margem interna convexa e a «plaga pectinatim
cirrosa» das azas anteriores, como tambem uma differenga muito notavel entre
os dous sexos nas nervuras das azas posteriores «alse venis posticarum prima et
secunda subcostalibus ad origines mari valde approximatis et sub parallel is» ; ao
mesmo tempo tambem elucidou e illustrou por uma figura os referidos caracteres ^).
Os pinceis de cabellos, barbas ou crinas constituem em muitos casos a parte
mais notavel dos orgäos odoriferos dos lepidopteros machos; em muitos casos
tambem estes orgäos säo accompanhados de modificagöes mais ou menos pro-
fundas das nervuras das azas; parecia-me porem muito estranho terem os machos
da Antirrhcpa Archcra uma crina nas azas anteriores e as nervuras alteradas
nas posteriores, sem quc ncstas azas posteriores apparecesse, nas descripgöes
e figuras existentes, outro indicio de orgäos odoriferos. Fui pois, por causa dessa
anomalia real ou apparente, examinar com o mais vivo interesse diversos indivi-
duos de ambos os sexos desta borboleta assaz rara, ao que mc parece, na provincia
de Santa Catharina, onde pela primeira vez a vi no mez de Janeiro do cor-
rente anno.
Logo ao apanhal-os convenci-me de que os machos, e so estes, säo dotados
de um cheiro bastante intenso, emittido pela elegantissima crina das azas anteriores.
Tambem näo tardei a reconhecer que aquella anomalia era so apparente, visto
como ao longo das nervuras modificadas das azas posteriores se estende um orgäo
i) Arch. do Mus. Nacional. Rio de Janeiro 1878. Vol. III. pag. i — 7.
2) Ha uma figura de AntirrhcEa Archcca representando a femea na Encyclopedie d'Hist. Nat. par
le Dr. Chenu. Papillons I, pag. 299, Fig, 514.
3) Westwood, Getiera Diurn. Lepidopt. pag. 365. (185 1).
4) Butler, Catalogue Satyrid. Brit. Mus. pag. 106. (1868).
5) Butler, Catal. Satyr. PI. V. Fig. 3.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 4^
626
Os orgäos odoriferos da AntirrhEca Archa;a.
odorifero dos mais singularcs, e coniparando os meus exemplares com a figura de
Butler cheguei a convencer-me de que este representa erroneamente a crina
das azas anteriores, dando aos cabellos uma direcgäo opposta a que elles real-
mente tem.
Conviria pois, a vista dos erros e omissöes das figuras e descrip^öes existentes
figurar e descrever de novo os orgäos odoriferos da Antirrhcea Archcea, embora
mesmo elles näo fossem, como realmente säo, em si mesmos muito dignos de nota
por diversos motivos.
A margem interna das azas anteriores forma nas femeas (Fig. i), uma linha
quasi recta desde a base da aza ate a extremidade da nervura interna; nos machos
pelo contrario (Fig. 2), essa margem forma, entre os referidos pontos, um arco
quasi regulär de 120*^ de um circulo, cujo centro se acha no vertice do angulo
formado pela nervura mediana e o seu primeiro ramo. Da mesma sorte a nervura
interna, depois de ter feito um angulo obtuso perto da base, e recta nas femeas,
e curvada em forma de S nos machos. Deste modo a area comprehendida entre
as nervuras interna, mediana e o primeiro ramo desta, fica maior na razäo de
4:3 nos machos, e a maior parte desta area e occupada, na superficie inferior da
aza, pela crina de cabellos louros que caracterisa o sexo masculino. Essa crina
comega a pouca distancia da base da aza; a sua linha de inser^äo accompanha
a nervura interna (da quäl fica comtudo separada por um intervallo cuja largura
e quasi egual a da mesma nervura), em pouco mais de dous tergos de seu com-
primento, e depois, diminuindo pouco a pouca o raio da curvatura, dirige-se para diante
(isto e, para o lado dorsal da aza), terminando a pequena distancia da do ramo
da nervura mediana. Perto da base da aza, os cabellos da crina (Fig. 5) säo rectos
e medem cerca de 3 millimetros de comprimento; no meio 12 ate 16 millimetros:
nas extremidades cerca de 8 millimetros de grossura, sendo obtusa a extremidade
livre; no ponto onde a crina se affasta da nervura interna os cabellos säo maiores,
chegando a medir 6 millimetros de comprimento, e um pouco curvos, apresentando
a convexidade voltada para a base e margem interna da aza.
Os cabeUos näo säo dispostos em uma so fileira, e sim, como melhor se ve
nos seus pontos de insergäo, em 3, 4 ou 5 camadas, elevando-se este numero a
10 ou mais nos dous primeiros millimetros a contar da base da aza. Removida
a crina, a parte da aza, que por ella se achava coberta, näo apresenta aspecto
sensivelmente differente do da superficie cirumvizinha ; entretanto o exame micro-
scopico revela differeuQas profundas na disposigäo e forma das escamas.
As escamas ordinarias nesta parte (Fig. 10) säo dispostas em fileiras regu-
läres, nas quaes as escamas inferiores ou sücubas alternam-se com as escamas
superiores ou incubas. A distancia das fileiras e de cerca de o'"'",o8 ; a das es-
camas da mesma fileira de cerca de o""",o3 ; as escamas superiores ou incubas
(Fig. 10, Ä), säo mais compridas (o™'",2) muito mais estreitas (o'"'",o3) e ao mesmo
tempo muito mais escuras ; as inferiores ou sücubas (Fig. i o, B) säo menos com-
pridas (o'"™,i2), mais largas (©""'.os) e mais pallidas, sendo a extremidade destas
ultimas ou arredondada, como a das incubas, ou denteada.
Debaixo da crina as escamas näo säo dispostas em fileiras reguläres, näo se
differenceiam em sücubas e incubas; säo muito menos bastas do que as ordinarias
e näo cobrem inteiramente a aza. Pelo lado da base da aza ellas säo sensivel-
Os orgäos odorifcros da Antirrha-a Archa;a. 527
mcnte menores do que as ordinarias, tcndo (Fig. ii) pouco mais ou menos o com-
primento das sücubas ordinarias e a largura das incubas; pelo lado da margem
externa da aza väo avigmentando pouco a pouco de largura de modo que afinal
(Fig. 1 2) pouco se destinguem das sücubas ordinarias aprcscntando a extremidade
arredondada.
Na cor e textura ellas se assemelham as escamas ordinarias sücubas, mostrando,
como estas, bem distinctas as estrias longitudinaes, quo costumam ser imper-
ceptiveis nas escamas odoriferas; faltam-lhe tambem todos os outros caracteres
que distinguem as escamas odoriferas.
Entretanto a differenga singular e notavel entre a area coberta pela crina
e a superficie circumvizinha consiste na dircccjäo das escamas. As de fora in-
vertem, como e rcgra geral, a sua ponta para o lado da margem externa da aza
isto e, para a direita (Fig. 5); as de baixo da crina seguem mais ou menos rigoro-
samente a direcQäo dos cabellos que as cobrem (assim, na fig. 5 as escamas da
base säo dirigidas para cima, as da parte termintü para a csqucrda), de modo que
em certo ponto as escamas muito vizinhas e separadas apenas pela inser9äo da
crina voltam-se em sentido intciramente opposto.
Removidas tambem as escamas das azas anteriores, apparece, na area coberta
pela crina, uma macula um tanto opaca, de forma elliptica (Fig. 2, m), sendo os
seus eixos de 7 e 3 millimetros. Si se tirasse uma recta do vertice do angulo,
entre o tronco e o primeiro ramo da nervura media para o ponto em que a crina
se affasta da nervura interna, essa recta coincidiria com o eixo maior da ellipse.
A opacidade da macula, alias pouco consideravel, devida a um sem-numero de
pequenos pontos ou antes circulos de o""°oo2 de diametro apenas, e de contornos
escuros, que se acham espalhados neste logar pela membrana da aza.
Assim como a margem interna ou posterior das azas anteriores, da mesma
Sorte a anterior das azas posteriores e quasi recta nas femeas (Fig. 3), e sensivel-
mente arqueada nos machos (Fig. 4). A superficie superior destas azas e de cor
parda, e nclla avistam-se, nos machos, duas maculas que mais se distinguem pela
differenga do brilho, do que pela cor. A maior (Fig. 4, m ; Fig. 7, 8 e g) rodeia
OS angulos formados pela nervura discocellular superior (des) e pelos dous ramos
(6 e 7) da nervura subcostal prolongande-se entre estes dous ramos ate onde elles
acabam de correr approximados e parallelos; a base da macula, de forma quadri-
latera irregulär, e cinzenta escura, o prolongamento alvacento, e por isso mais
visivel. A macula menor (Fig. 4, m") occupa o angulo situado entre as duas
nervuras internas. Ambas as maculas säo abundantemente cobertas de escamas
especiaes que, pela sua opacidade perfeita e falta de estrias longitudinaes, asse-
melham-se as escamas odoriferas de muitos outros lepidopteros ; quanto a forma,
as da macula menor (Fig. 15) näo differem muito das escamas ordinarias incubas
(P'ig. 13, Ä) da parte vizinha da aza; as da macula maior (Fig. 16) säo pelo con-
trario täo eäzreitas que quasi confundem-sc com cabellos; ellas tem cerca de
o'"°',i6 de coiliprimento, as da macula menor o'°'"i3 sobre o°"",025 ate 3 millimetros
de largura. \
Depois de escamadas as azas, as maculas tornam-se muito mais visiveis do
que antes, differen^ando-se näo so por certo grau de opacidade, como tambem
pela sua cor Cornea, bastante pallida na macula menor, mais accentuada na base
40*
52 8 ^^ orgäos odoriferos da Antirrhaea Archaea.
e assaz escura no prolongamento da macula maior. Na macula menor ramificam-se
diversas tracheas delgadas, que nascem das duas nervuras e limitam a mesma
macula. Na macula maior as tracheas attingem um descnvolvimento muito mais
consideralvel, e as vezes verdadeiramente monstruoso, variando muito a este
respeito, conforme os diversos individuos que se observam. A maior parte das
tracheas que percorrem esta macula, costumam apresentar a sua parte bazilar mais
ou menos dilatada, e tortuosa, assemelhando-se a veias varicosas (Fig. 8). Em cer-
tos individuos (Fig. 9) essa dilata<;äo das tracheas chega ao ponto de ocuparem
ellas todas a area da macula odorifera, perdendo ao mesmo tempo as suas rami-
ficagöes capillares. Descobri este mesmo grau de varicosidade na Fig. 7, entre
OS dous ramos da nervura subcostal, e a esquerda da nervura discocellular
superior, emquanto ä direita da mesma nervura ha varias formas intermediarias
entre as tracheas normaes e as excessivamente varicosas e destituidas de ramos
capillares.
A variabilidade das tracheas estende-se tambem, ainda que em grau muito
menos consideravel, as nervuras que percorrem as maculas e das quaes nascem
aquellas tracheas; os dous ramos (6 e 7) da nervura subcostal ou säo quasi paralleles
(Fig. 4, Fig. 8), ou convergem (Fig. 7, Fig. 9), as vezes quasi tocando-se; nas femeas
(Fig. 3, Fig. 6) OS dous ramos divergem desde o principio. A nervura discocellular
superior (des) atravessa a macula ou em linha recta (fig. 8), ou um pouco curvada
(Fig. 9)-
Essa variabilidade extraordinaria das tracheas da macula odorifera pode servir
de exemplo excellente para elucidar a regra admiravelmente discutida por Darwin ^)
de que < a parte desenvolvida em alguma especie, n'um grau ou maneira extraordi-
naria, em comparagäo com a mesma parte em especies alliadas, tende a tornar-se
consideravelmente variavel». Assim pois a macula odorifera com as veias e tracheas
profundamente modificadas si näo se achar exclusivamente na Antirrhcra At^chcea,
ao menos parece limitar-se as tres especies semelhantes reunidas por Butler no
genero Anchiphlebia.
Outro ponto notavel e a separagäo em duas partes do orgäo odorifero, pare-
cendo ser reservada as azas posteriores a produc(;äo, e as anteriores a emissäo ou
exhalagäo do cheiro que deve seduzir as femeas amorosas. Quanto a macula opaca
das azas anteriores, parece ser um orgäo odorifero rudimentario, ficando por ora
indeciso, si se acha em via de progresso ou de regresso, si mais tarde deve aper-
fei^oar-se ou desapparecer.
Comparando-se os orgäos odoriferos da Antirrhma Archcea com os de Epi-
calia Acontius, que ha pouco descrevi, encontra-se uma conformidade quasi com-
pleta entre as suas partes componentcs. Em ambas as especies, eiqucllas margtMis
das azas que mutuamente se cobrem, säo consideravelmente dilatadas e arqueadas
no sexo masculino; em ambas, a superficie inferior das azas anteriores e munida
de uma crina de cabcUos compridos inscridos ao longo da nervura interna, e co-
brindo uma macula odorifera bem desenvolvida na Epicalia Acontius, rudimen-
taria na Antirrhrca Archcea, Opposta ii crina, conta em ambas as especies na
superficie superior das azas inferiores uma macula odorifera, cuja parte central
1) Darwin, Origin. of Species. 4=' edicüo, pag. 177.
Os orgäos odoriferos da Antirrhaea Archa?a. 020
occupa o angulo situado entre os dous ramos da nervura subcostal, estendendo-se
d'ahi as tres cellulas limitantes da aza. Ora tudo isso seria muito simples e
explicar-se-hia facilmente si as duas cspezies pertencessem ao mcsmo genero ou
a generös alliados, si todos aquelles caracteres com que concordam os seus orgäos
odoriferos, podessem scr derivados de progenitores communs. Longe disso, porem,
ellas säo de duas sub-familias muito differentes, a Antirrha'U pertencendo as
Satyrideas e a Epicalia as Nymphalideas, e tite muitos dos parentes os mais
proximos de uma e outra especie säo destituidos de scmelantes orgäos; faltam,
V. g. completamente na Epicalia Numilia. Assim, pois, näo pode haver duvida
de que os orgäos odoriferos se tenham desenvolvido independentes um do outro
nas duas especies, e que tudo quanto elles tem de commum e unicamente devido
a circumstancia de se terem elles accommodado a m(\sma func^äo. Os dous
orgäos näo säo pois «homologos» e sim simplesmcnte «analoges», e constituem
um exemplo dos mais notaveis de «convergencia» como modernamente se tem
chamado a semelhanga que näo resulta de heranga, e sim provem da adaptagäo a
circumstancias identicas. Näo conhe^o outro caso que prove täo clara e irrefragavel-
mente e com tanta forga atteste a verdade de uma these que nunca se devia perder
de vista em estudos morphologicos. E' a seguinte : Si em duas especies certos
orgäos que servem a mesma func^äo, se acharem no mesmo lugar, e se compo-
zerem das mesmas partes occupando a mesma posigäo relativa, e exhibindo for-
mas semelhantes, tudo isso por si so ainda näo constitue prova sufficiente de serem
aquelles orgäos homologos, — nem siquer no caso de pertencerem as duas especies
a mesma familia.
Explica9äo das figuras da estampa XLIX.
As figuras todas se referem a Antirrhcea Archcea Hübner; as figuras i'"^ ate a 4^
säo de tamanho natural, as 5^, 6^ e 7^ augmentadas 3 vezes, as 8-'' e 9^ 15 vezes, e
o resto 180 vezes.
Fig, I.- — Aza anterior escamada da femea. Note-se nesta figura e na seguinte
que, alem das nervuras bem desenvolvidas, ainda se avistam distinctamente na cellula
discoidal os vestigios da nervura discoidal dividida em dois ramos, como do ramo posterior
da nervura subcostal.
Fig. 2. — Aza anterior escamada do mache; /, inser^äo da crina dilatada na base;
;«, macula opaca.
Fig. 3. — Aza posterior escamada da femea.
Fig. 4. — Dita do macho; m\ macula odorifera maior, coberta pela crina da aza
anterior; m'\ dita menor escondida entre a aza e o abdomen da borboleta.
Fig. 5. — Crina da superficie inferior das azas anteriores do macho. Na figura
publicada por Butler (Catal Satyrid. Br. M. PI. V Fig. 3) os cabellos parecem ser fixados
pela sua extremidade anterior e volvidos para traz. Seria differen^a especifica? E' muito
mais provavel que seja antes erro.
Fig. 6 e 7. — Parte das azas posteriores mostrando a differen<,;a que ha nas nervuras
entre o sexo feminine (Fig. 6) e o masculino (Fig. 7) ; 5, nervura discoidal ; 6, ramo se-
gundo; 7, primeiro ramo da nervura subcostal ; 5, nervura costal; des, nervura discocellular
superior; pc, nervura precostal.
Fig. 8 e 9. — Macula odorifera maior do macho, escamada, de dous differentes
individuos, para mostrar a grande variabilidade das tracheas que se ramificam na mesma
macula. Para nao complicar a figura, deixou-se de indicar as inser(;öes das e.scamas.
A,Q Os orgäos odoriferos da Antirrhaea Archaea.
Fig. lo. — Escamas ordinarias da superficie inferior das azas anteriores. A, incubas.
B, siicubas.
Fig. II e 12. — Escamas da ärea coberta pela crina.
Fig. 13 e 14. — Escamas ordinarias da superficie superior das azas posteriores, senclo
Fig. 13 do angulo situado entre as duas nervuras internas; e Fig. 14 do intervallo entre
a nervura discoidal e o segundo ramo da subcostal. A, escamas incubas, B escamas
sucubas.
Fig. 15. — Escamas da macula odorifera nienor.
Fig. 16. — Escamas da maior.
A prega costal das Hesperideas ^).
Mit Tafel L und LI.
Fallando nas differengas sexuaes das Hesperideas Westwood disse que <('m
certos grupos dessa familia o bordo anterior das azas anteriores e recurvado nos
machos, sendo o espago incluso iibundantemente vestido de pennugem pallida» ^).
Herrich Schseffer den a este bordo recurvado das azas anteriores o nome de prega
costal {Costalumschlag), servindo-se como caracter distinctivo dos generös que o
possuem ^).
Näo me consta que ja se tenha procedido a um exame microscopico e com-
parativo da prega costal nas diversas especies em que e clla observada, nem täo
pouco que ja se tenha emittido alguma opiniäo sobre a sua func^äo; e comtudo a
sua estructura e as vezes täo variada e diversa, em especies mui semeLhantes,
que ate, sob o aspecto puramente systematico, o estudo deste orgäo näo deve ser
desprezado.
De muitas centenas de Hesperideas cujos machos säo dotados da prega costal,
so pude conseguir, por aqui, pouco mais de uma duzia, numero täo limitado, que
näo me permittira deduzir resultados geraes das minhas observagöcs; sera pois o
unico fim desta noticia chamar a atten^äo dos entomologistas sobre um assumpto
que tanto a merece.
Nas Hesperideas, como em muitos lepidopteros nocturnos, o bordo anterior
das azas anteriores e occupado por uma nervura ä que os lepidipterologistas
deixaram de dar um nome; e como tcnho de mencional-a frequentemente, designal-
a-hei pelo nome de nervura marginal (Fig. 2, 7, 13, 20, 24, 26, m.).
As especies cuja prega costal examinei, säo as seguintes^):
Telegomis Midas, Cram. (Fig. i — 5). Dividindo o bordo anterior das azas
anteriores em cinco partes iguaes, a prega costal occupa a segunda e terceira
dessas partes, a contar da base ; o seu comprimento e de 1 5'""., c a largura de
i^^.S. Desdobrando-se a prega, apparecc no bordo da aza, como se ve na
Fig. 1 e 2, uma figura limitada por dous arcos de circulo e dividida em duas
i) Arch. do Mus. Nacion. Rio de Janeiro 1878. Vol. III. p. 41 — 50.
2) Doubleday, Westwood, «Genera of Diurnal Lepidoptera>, pag. 506, — 1852.
3) Herrich Schoeffer, «Prodrom. System, lepidopt.», fascic. III — 1868, pag. 52.
4) Usei dos nomes adoptados por Kirby, «Catalogiie Diurn.» Lepidopt. — 187 1.
f. -,2 -^ prcga costal das Hesperideas.
partes, pela corda commum destes arcos. Estas duas partes säo o bordo recur-
vado da aza limitado pela nervura marginal e a parte da aza coberta por aquelle
bordo recurvado. Ambos os arcos que limitam a mencionada figura säo orlados
de uma cercadura de escamas lustrosas, cor de palha. Uma terceira orla de es-
camas da mesma cor, porem mais delgadas e compridas, acha-se implantada na
extensäo da corda commum, cobrindo completamente a parte recurvada da aza.
O comprimento das escamas desta terceira orla iguala ou excede pouco a largura
da prega: säo pois mais compridas no meio da corda (1,5 ate 2'""".) onde esta
mais se affasta do arco; todas ellas tem uma haste delgada e comprida, que em
umas (Fig. 3, a) se dilata a pouco e pouco em forma de leque, estreito triangulär
com a margem mais ou menos distinctamcnte dcnteada, em quanto que em outras
(Fig. 3, b) a haste filiforme termina em uma lamina oval, ou em uma fita estreita
com a extremidade arredondada. As escamas que limitam a area coberta pelo
bordo recurvado da aza (Fig. 4), säo de forma muito variavel, sendo pela maior
parte ovaes ou claviformes; quasi todas ellas säo marcadas por macula escura, ter-
minal, cheia de granula9öes opacas, e separada do resto da escama por uma
aureola transparente. Essas maculas escuras säo as vezes muito pequenas quasi
reduzidas a um ponto, em quanto que em outros casos ellas occupam toda a
largura da escama; e nem sempre säo exactamente terminaes, apresentando-se as
vezes deslocadas para um ou outro lado, havendo raras vezes duas destas maculas
na mesma escama. A aureola que rodeia as maculas escuras, tem em geral a
forma de um arco de circulo, sendo comtudo as vezes de forma menos regulär,
As estrias longitudinaes que percorrem as escamas, atravessam tambem as
aureolas transparentes, tornando-se mais ou menos confusas e indistinctas nas
maculas escuras. A opacidade e o aspecto granulado destas maculas säo caracteres
frequentemente encontrados em escamas odoriferas ; ora, como as extremidades das
respectivas escamas com as maculas escuras acham-se cobertas pelo bordo livre
da prega costal, näo parece improvavel que aquellas maculas tambem sejam
odoriferas; si assim fosse as escamas maculosas desempenhariam ao mesmo tempo
duas func^öes muito diversas, servindo a parte basal de cercadura para fechar a
prega costal, e a terminal do orgäo odorifero.
Removendo as escamas inseridas ao longo da linha recta que separa a parte
curva do resto da aza, ou cortando transversalmente a prega costal, ve-se, que o
espaQO, comprehendido entre aquellas escamas e a parte curva da aza, e coberto
de um p6, pardacento, composto pela maior parte de particulas soltas (Fig. 5, ä)
tendo em geral de o'°"',oi6 ate o'"'",025 de comprimento sobrc cerca de o™'",oo4
de largura, as dos lados, quasi sempre parallelas, convergindo rarissimas vezes
para uma das extremidades, säo transparentes, de cor um pouco amarellada, e
em geral atravessadas por uma linha mais escura e opaca, no sentido longi-
tudinal.
Entre as particulas soltas ha outras (Fig. 5, 6) dispostas em fileiras, por fios
curtos e finissimos, como tambem alguns cabellos (Fig. 5 c, d) mais ou menos
distinctamcnte articulados.
Estes cabellos revelam a origem do p6, que enche a cavidade da prega
costal, e que se compöe de fragmentos de cabellos articulados. Emfim, para
complctar a lista das formas que as ascamas podem tomar na prega costal do
A prega costal das Hesperideas. 5-
00
Telegonus Midas, cumpre mencionar ainda certas escamas estreitas de o""",6 de
comprimento sobre o^^.oiö de largura, quc encontrci na cavidadc da prega, sem
podcr indicar o lugar exacto em que ellas se achavam inseridas.
Jelegomis (?) especie indeterminada de S. Bento (Fig. 6 — g).
Esta especie, de que so pude conseguir um unico exemplar muito estragado,
porem com a prega costal bem conservada, e notavel tanto pela extensäo da
prega costal, que occupa perto de trc^s quintos do bordo anterior da aza (Fig. 6),
como pelo calibre insolito da nervura marginal (Fig. 7, M), que e muito maior do
que o das nervuras costal e sub-costal (Fig. 7, c e sc). A cavidadc formada pela
prega costal e limitada e fechada em baixo, por escamas numerosissimas as quaes
nascem ao longo da linha recta que separa o bordo rccurvado do resto da aza,
em cima pelo bordo recurvado. A nervura costal e uma cercadura de escamas
menores inseridas ao longo desta mesma nervura.
A «pennugem pallida», encerrada no intererior da prega costal, nasce da pa-
rede superior da mesma, tanto da nervura marginal, como do bordo recurvado da
aza (Fig. 7). Esta «pennugem» compöe-se quasi exclusivamente de cabellos articu-
lados; os articulos, na maior parte soltos (Fig. 8), variam muito em cumprimento
e largura; geralmente a largura e de o'""\oo8 ate ©'"".oi sobre o™™,o4 ate o""",o6
de comprimento ; os que se acham reunidos em numero mais ou menos consideravel
costumam ser muito mais estreitos (Fig. 9). Os articulos säo transparentes, mas
semeados de pontos opacos.
Telegonus Mercatus, Fab. (Fig. 10, 11). A prega costal (Fig. 10, p) e menor do
que nas duas especies antecedentes, sendo o comprimento pouco superior a terQa
parte do bordo anterior da aza, e a largura igualmente pouco mais ou menos a
metade da cellula 12 (segundo a nomenclatura de Herrich Schseffer, isto e, do
intersticio comprehendido entre a nervura costal e o bordo anterior da aza. No
interior da prega encontra-se uma serie de escamas mui curiosas (Fig. 1 1). Ha,
em primeiro lugar, representando a forma primitiva de que as mais podem ser
derivadas, escamas maiores, robustas (Fig. 11, i), de cerca de o™'",3 de comprimento,
de que um sexto, pouco mais ou menos, e occupado pela lamina terminal triangulär
ou oval, e o resto pela haste.
Esta, estreitando-se abaixo da lamina terminal, forma uma especie de collo.
Em outras escamas semeUiantes, porem menores (Fig. 1 1 g, h), o collo costuma ser
mais estreito e a lamina terminal menor, näo excedendo e nem sequer alcan^ando
a largura da parte inferior da haste. A metamorphose das escamas continua no
mesmo sentido (Fig. 11 e, f) ate attingir aquellas formas especiaes (fig. 1 1 c, d),
em que o collo, que liga a lamina terminal ä haste, acha-se reduzido a um fio
mais tenue.
Finalmente, escamas ha semelhantes a (^stas ultimas, que terminando como
ellas em um fio delgadissimo, as vezes quasi imperceptivel, näo tem lamina ter-
minal (Fig. 1 1 a, 6).
Com certeza, algumas destas escamas eram d'antes providas de laminas ; pois,
encontrei varias laminas soltas, semelhantes as da Fig. 11, c, d; parecendo-me,
porem provavel que algumas d'entre ellas nunca foram providas deste appendice,
porque, o numero das laminas soltas näo e equivalente ao das escamas.
A, , A prega costal das Hesperideas.
Hesperia Syrichthus Fab. (Fig. 12, 18). Esta especie, que habita näo so a
America do Sul, como tambem a America Central e a parte meridional dos
Estados-Unidos, e muito frequente na provincia de Santa Catharina.
A prega costal dos machos, bastante larga, occupa metade do bordo anterior
das azas e estende-se ate a nervura costal (Fig. 12).
A nervura marginal (Fig. 13 m) e guarnecida de escamas mais ou menos cur-
vas, de forma oval ou orbicular (Fig. 14). Toda a superficie interna da prega costal,
desde a nervura costal ate a marginal, e revestida de escamas ou cabellos bastos
de differentes formas.
Na extensäo do bordo curvo encontram-se escamas pallidas (Fig. 15) de
forma oval com a extremidade arredondada, de o"",©! ate o""°,o3 de largura.
No fundo do angulo formado por este bordo e o resto da aza, acham-se
escamas menos pallidas, opacas, muito estreitas, adelga^ando-se em ponta aguda
(Fig. 18), de o"°',o8 de comprimento sobre cerca de o""",oo5 de largura. Emfim,
na parte da aza coberta pelo bordo recurvado acham-se escamas de duas fonnas
muito diversas; as da primeira forma (Fig. 17) säo lanceoladas, com o°"°,i4 ate
o™'",i7 de comprimento, e o'"",03 ate 0,04""" de largura; as da segunda forma
(Fig. 16) säo muito tenras, transparentas capillares, variando de o'°™,2 ate o"™,2 7
de comprimento e de o"",oo2 ate o"'",oo6 de largura; diminuindo pouco a pouco
a largura, ellas terminam em um fio subtilissimo, sendo munidas, na extremidade,
uma lamina extremamente exigua, que tem a forma de um triangulo isoscelos
obtusangulo. Os lados deste triangulo säo linhas mui delgadas quasi impercep-
tiveis, de modo que, a primeira vista, so apparece a base como linha recta per-
pendicular no extremo do fio subtilissimo que a sustenta. Estas singularissimas
escamas (Fig. 16) da Hesperia Syrichtus, si bem que apparentemente täo diversas
das do Telegonus Mercatus, podem, näo obstante, ser muito facilmente derivadas
da mesma forma (Fig. 11, i).
Leucochitonea Arsalte, Linn. {Niveus, Cram.) (Fig. ig- — 22). A prega costal
dos machos e muito menor do que na especie antecedente, occupando apenas um
tergo do bordo anterior da aza e menos de metade da largu do raintersticio entre
a dita prega e a nervura costal.
A pennugem encerrada na prega nasce so da superficie do bordo recurvado
da aza e acha-se protegida por duas fileiras ou cercaduras de escamas, das quaes
uma e inserida ao longo da nervura marginal (Fig. 20, M), e a outra ao longo
da linha recta que separa a parte recurvada do resto da aza ; o comprimento destas
ultimas escamas iguala a largura, sendo muito mais curtas as inseridas na ner-
vura marginal. A pennugem compöe-se de duas formas differentes, correspon-
dentes as que se encontram na Hesperia Syrichthus.
As da primeira forma (Fig. 21) assemelham-se ao ferro de uma lan^a; ellas
tem cerca do o""",i5 de comprimento, variando a largura de um nono ate um
quarto do comprimento, e achando-se a maior largura immediatamente acima do
ponto de insersäo, ou a pequena distancia dellc, correndo d'ahi aos lados em linha
quasi recta a ponta aguda da escama. Estas escamas (que (nddentemente corri^-
spondem äs rc^presentadas na fig. 17 da Hesperia Syrichthus), säo pallidas, tran-
sparentes, com a ponta mais ou menos opaca, e a base quasi sempre percorrida
por uma cstria longitudinal composta de granulös opacos. As escamas da segunda
A prega costal das Hesperideas. 635
forma (Fig. 22) tem o mesmo comprimento de o'""\i5, e säo täo delgadas quo
antes merecem o nome de cabellos, pois que a sua largura raras vezes attinge a
o""°,oo2; sendo geralmente muito menores, terminam em um fio subtilissimo, em
cujo extremo se ve um botäosinho punctiformc, muitas vezes quasi imperceptivel,
e que parece faltar completamente em algumas destas escamas ou cabellos (que
correspondem as da Fig. 16 da Hesperia Syrichtus).
Thymele Simplicius, Stoll. [Eurycles Latr) Fig. 23 — 28) Herrich Schseffer^)
distinguiu tres variedades de Eudamus (Goniurus) Eurycles, como eile chamou
a especie designada pelo nome de Thymele Simplicius no catalogo de Kirby. Na
primeira variedadc, as azas seriam destituidas de pontos c maculas transparentes,
e so no lado inferior haveria tres pontos costaes. Ainda näo vi por aqui esta
primeira variedade. Na segunda variedade os tres pontos costaes seriam visiveis
em ambos os lados da aza, e alem disso haveria alguns pontos transparentes pelo
meio do bordo anterior; esta segunda variedade, äs vezes tambem por aqui se
encontra, sendo os machos sempre providos de prega costal. Emfim, na terceira
variedade os pontos e maculas transparentes formariam uma fita estreita, as vezes
interrompida na cellula terceira (como na fig. 25), outras vezes mostrando-se inter-
rompida ate alem da segunda nervura ou primeiro ramo da nervura media (como
na fig. 23). Segundo Herrich Schaeffer os dous individuos machos, cujas azas
interiores acham-se representadas nas figuras 23 e 25, pertenceriam a esta terceira
variedade, e, näo obstante, um delles (Fig. 23 e 24) näo possue nenhum vestigio de
prega costal, emquanto o outro (Fig. 25 e 26) e dotado de uma prega costal bem
desenvolvida.
Como esta terceira variedade abunda no Rio Itajahy, pude examinar um
numero avultado de exemplares, e verifiquei que a prega costal falta em todos
OS machos, em que a fita transparente entra na primeira ceUula (Fig. 23), e que
existe em todos aqueUes em que a mesma fita näo passa alem da segunda ner-
vura (Fig. 25). Nestes individuos providos de prega costal o numero e a extensäo
das maculas transparentes säo mui variaveis ; ha um numero quasi infinito de formas
intermediarias entre a segunda variedade de Herrich Schaeffer e outras semelhantes
aos machos destituidos de prega costal, possuindo, como estes, maculas transparentes
nas cellulas 3^ e ö^, e distinguindo-se dellas apenas pela falta da macula transparente
da primeira cellula. Da mesma sorte tambem se observa uma variabilidade con-
sideravel nas escamas de que se compöe a pennugem da prega costal.
As escamas representadas na figura 27 säo de individuos que tinham so
tres pontos costaes (nas cellulas 7^ ate 9^), e careciam de macula transparente na
cellula 3'' (Fig. 25); as da fig. 18 foram tiradas da prega costal de um macho
que tinha quatro pontos costaes (nas cellulas ö"" ate g^) e uma macula transparente
na cellula 3^. As escamas encerradas na prega costal mostram duas formas prin-
cipaes: na primeira forma (Fig. 27, a, b, c, d; Fig. 28, a, b) distingue-se uma parte
inferior lanceolada, attenuando-se em uma parte terminal mais ou menos filiforme,
cujo extremo se dilata de novo em uma especie de lamina ou leque triangulär.
O comprimento destas escamas que em certos machos (Fig. 28) e apenas de o'""\o8
ate o"'",i6, eleva-se em outros (Fig. 27) de o""",2 ate o""",3. As escamas da se-
i) Prodrom, systeni. lepidopt. fascic. III — ^1868, pag. 61.
5i5 A prega costal das Hesperideas.
gunda forma (Fig. 26, e, Fig. 28. d) costumam ser mais delgadas, sendo as vezes
perfeitamente capilliformes (Fig. 28); ellas transformam-se insensivelmento em fio
subtilissimo, em cujo extremo so em poucos casos (Fig. 27, e) pode se distinguir
um botäosinho punctiforme. O seu comprimento e o mesmo da primeira forma.
Alem disso costuma haver algumas escamas mais curtas, espessas e opacas (Fig. 27,^;
Fig. 28, c), semelhantes as da primeira forma. — A prega costal occupa quasi a
metade do bordo anterior da aza, porem, e bastante estreita.
Si em todos os districtos habitados pela Thyniele Simplicius os indi\'iduos
niachos privados de prega costal distinguirem se dos mais, o que acontece aqui,
pela fita transparente prolongada alem da segunda nervura, convira consideral-os
constitutuidores de uma especie distincta e näo como simples variedade. Como
quer que seja, porem, e digno de observagäo que de duas formas täo semelhantes,
incluidas na mesma variedade por Herrich Schaeffer e outros, uma tenha a prega
costal bem desenvolvida, emquanto a outra acha-se inteiramente destituida da
mesma prega.
Ninguem ate agora parece ter reparado nesta falta da prega costal em certos
machos do Thymele Sinipliciiis ; provalvelmente estes machos, por causa desta mesma
falta, tem passado por femeas, erro bem perdoavel quando näo se podem examinar
OS animaes vivos, cujo sexo facilmente se conhece pelas partes genitaes.
Thymele ProtiUus Herr. Seh. (Fig. 30). A prega costal occupa quasi a
metade do bordo anterior da aza, estendendo-se um pouco alem da macula tran-
sparente da cellula 12. Ha no interior da prega:
I." Escamas de cerca de o""",3 de comprimento (Fig. 30, a) com a base
lanceolada e a lamina terminal arredondada, oval, triangulär ou cordiforme de
largura variavel.
2," Cabellos tenuissimos (Fig. 30 b) que tem o mesmo comprimento.
3.*^ Escamas estreitas (Fig. 30, c) com os lados quasi parallelos, de cerca de
o""",i2 de comprimento, sobre o°"",oo4 de largura apenas, terminando de repente
em um fio subtilissimo, quasi imperceptivel.
4.*' Fragmentos de cabellos articulados (Fig. 30, d) qvie em geral näo säo
muito abundantes.
Thymele Proteus Linn. (Fig. 29). Nesta especie, muito semelhante a prece-
dente, a prega costal costuma näo passar alem da macula transparente da cellula
12, sendo tambem mais estreita do que na Thymele ProtiUus. Predominam no
interior da prega os cabellos articulados transparentes (Fig. 29, c), cuja largura
raras vezes se eleva a o"'",oo4 ; o comprimento dos articulos e de o°"",o 1 6 ate mais
de o'°'°,o3. Geralmente acham-se estes articulos reunidos em numero de 7 ate 12.
Alem disso ha escamas, cuja maior parte (Fig. 29, a) tem cerca de o°"",2 de com-
primento sobre o°"°,02 de largura ; säo pallidas e percorridas por uma estria longi-
tudinal de gräosinhos opacos; a base attenua-se insensivelmento, e termina em
pequena lamina elliptica; sua largura näo excede, ou nem mesmo attinge a maior
largura da base. Ha tambem escamas menor(\s da mesma forma (Fig. 29, b),
cuja lamina terminal costuma s(T mais estreita ainda, e que näo apresentam a
estria longitudinal opaca das maiores.
Entheus Vitreus Cram. A prega costal d<is machos desta elegante especie e
muito estreita, e encerra cabellos articulados c transparentes; os articulos ou säo
A prega costal das Hesperideas. 537
soltos Oll reunidos em numero de lo, ou mais, e tem geralmente o°''°,oi5 de com-
primento sobre o'"™,oo4 de largura ; mas tanto o comprimento como a largura säo
miiito variaveis.
Afora estas especies, examinei a prega costal de varias outras, cujos nomes
näo conhego ; como porem observa9öes, que näo podem ser verificadas por outros
por näo se conhecerem as especies, em que foram feitos, säo em geral de
pouco valor, limito-me a dizer algumas palavras sobre algumas das formas mais
notaveis de escamas, ou cabellos, que encontrei na prega costal dessas especies.
Em uma especie de Telegonus (com as maculas transparentes amarelladas,
e uma grande macula prateada na superficie inferior das azas posteriores) predomi-
navam, na prega costal, escamas capiUiformes (Fig. 31,«) transparentes, muito com-
pridas (tendo ate o°"",36), que de repente attenuam se em fio subtilissimo ; eram
acompanhadas de algumas escamas (Fig. 31, b), semelhantes as escamas menores
de Thymele Proteus (Fig. 29, b), e de alguns fragmentos de cabellos articulados.
Em outra especie os articulos dos cabellos (Fig. 32) que muito variavam em
comprimento e largura, eram notaveis por serem ligados por fios assaz compridos,
que tambem se conservavam nos articulos soltos.
Emfim, em uma especie muito semelhante ao Achlyodes Thraso, Hübn. (i) a
prega costal, que era muito estreita, encerrava escamas lanceoladas mais ou menos
opacas (Fig. 33, b, c) e cabellos transparentes (Fig. 33, a) notaveisEpor serem provi-
dos de uma especie de raiz fusiforme ou appendice vesicular, transparente, de cerca
de o°"°,o25 de comprimento, e o""°,oo8 de grossura. Nas outras Hesperideas que
examinei encontrei so uma vez uma raiz semelhante em uma escama da prega
costal de Telegonus Mercatus (Fig. ii,a). Na sub-familia das Pierinas as escamas
odoriferas espalliadas na superficie das azas dos machos säo quasi sempre providas
de appendices vesiculares.
Quanto a funcgäo da prega das Hesperideas, crelo que näo pode haver duvida
de que tambem pertenga a classe dos orgäos odoriferos, os quaes infinitamente
diversificados, distinguem o sexo mascuHno de tantos outros lepidopteros tendo
em certas especies do genero Papilio tomado uma forma muito semelhante; näo
e, porem, a margem anterior das azas anteriores, e sim a posterior das posteriores
que se acha recurv^ada, cobrindo, ora uma escova de pellos compridos, ora uma
pennugem pallida muito densa. No Papilio Protesilaus a escova preta incluida
n'aqueUa prega marginal exhala um cheiro muito intenso e desagradavcl, emquanto
um aroma suave emana da pennugem pallida do Papilio Ncphalion. Esta pois
evidenciada nestas especies de Papilio a funcgäo odorifera da prega marginal das
azas posteriores, e pela analogia manifesta que com ella tem a prega costal das
Hesperideas, parece muito provavel que a esta tambem se deve attribuir a mesma
func(;äo.
Explica^äo das Figuras da estampa L e LI.
Fig. I, 5. — Telegonns Midas, Cram.
Fig. I. — Aza anterior com a prega costal {P) desdobrada, de tamanho natural.
Fig. 2. — Prega costal desdobrada, augmentada 3 vezes, ^1/ nervura marginal, c ner-
vura costal.
^^g A prcga costal das Hesperideas.
Fig. 3. — Escamas inseridas ao longo clo liniite entre a inargem recurvada e o resto
da aza, augmentadas 25 vezes.
Fig. 4. — Escamas inseridas ao longo da area coberta pela margem recurvada augmen-
tadas 25 vezes.
Fig. 5. — Cabellos articulados, formando um pö pardacento no interior da prega
costal, augmentado 1 80 vezes ; a, articulos soltos ; b, ditos unidos ; cd, cabellos imperfeita-
mente articulados.
Fig. 6, 9. - — Telegonus, spec. (?), de S. Bento.
Fig. 6. — Aza anterior, com a prega costal {P) fechada, de tamanho natural.
Fig. 7. — Sec^äo transversal pelo meio da prega costal, augmentada 25 vezes. M,
nervura marginal; c, dita costal; se, dita sub-costal.
Fig. 8. — Articulos soltos dos cabellos do interior da prega, augmentados 1 80 vezes.
Fig. 9. — Cabello articulado augmentado 1 80 vezes.
Fig. 10, II.- — Telego7ius Mercahis, Fab.
Fig. 10. — Aza anterior com a prega costal (/*) fechada, augmentada 2 vezes. /,
nervura sub-mediana ou interna; 2, j, 4, primeiro, segundo e terceiro ramos da nervura
mediana ; 5, segundo ; 6, primeiro ramo da nervura discoidal ; 7. quinto ; 8, quarto ; 9,
terceiro; 10, segundo; //, primeiro ramo da nervura sub-costal; 12, nervura costal.
Fig. II. — Escamas encerradas na prega costal, augmentadas 180 vezes.
Fig. 12, 18. — Hesperia Syrichthus, Fab.
Fig. 12. — Aza anterior, augmentada 3 vezes. P, prega costal.
Fig. 13. — Sec^äo transversal pela prega costal, augmentada 25 vezes. M, s, sc,
nervuras marginal, costal e subcostal.
Fig. 14. — Escamas inseridas ao longo da nervura marginal, augmentadas 30 vezes.
Fig. 15. — Ditas da superficie interna da margem recurvada.
Fig. 16, 17. — Ditas da area coberta pela margem recurvada.
Fig. 18. — Ditas do fundo do angulo formado pela margem recurvada e o resto da
aza. As figuras 15, 18 säo augmentadas 180 vezes.
Fig. 19, 22. — Leucochitonea Arsalte, Linn.
Fig. 19. — Aza anterior, augmentada 3 vezes. /'prega costal.
Fig. 20. — Sec^äo transversal pelo meio da prega, augmentadas 25 vezes.
Fig. 21, 22. — Escamas do interior da prega, augmentadas 180 vezes.
Fig. 23 — 2'^.Thymele Simpliciiis, Stoll (masc).
Fig. 23. — Aza anterior de um macho sem prega costal, augmentada 2 vezes. As
cellulas da aza säo mumeradas segundo Herrich Schseffer.
Fig. 24. — Sec9äo transversal pela mesma aza no lugar occupado em outros machos
pela prega costal, augmentada 28 vezes. M. c. es. nervuras marginal, costal e subcostal.
Fig. 25. — Aza anterior de um macho provido de prega costal [P), augmentada
2 vezes.
Fig. 26. — Sec(;äo transversal pelo meio da prega costal, augmentada 25 vezes, w. c
nervuras marginal e costal.
Fig. 27. — Escamas do interior da prega costal.
Fig. 28. — Ditas de outro individuo.
Fig. 29. — Tliyinele Proteus, Linn. (masc). Escamas da prega costal.
Fig. 30. — Thymele Protilhis, Herr. Seh. (masc). Escamas da prega costal.
Fig. 31. — Telegonus, especie indeterminada. Escamas da prega costal.
Fig. 32. — Articulos de cabellos da prega costal de uma Hesperidea indeterminada.
F'g-33- — Cabellos e escamas da prega costal de uma especie muito semelhante
ao Ach ly ödes Thraso, Hübn.
As figuras 27 — 33 säo augmentados, 180 vezes.
Macrosilia cluentius^).
Aus einem Briefe an H. Müller.
In Nature (vol. viii. p. 223) I have spoken of a Sphinx which, with its pro-
boscis of 0,25 m length, would be capable of obtaining nearly all the nectar
of Angreciim sesquipedale. Lately my brother, Fritz Müller (Itajahy, Prov.
St. Cathariaa, Brazil), sent me the wings of another specimen of the same species,
and Dr. Staudinger, of Dresden, stated by comparison of these wings with the
Sphingidae of his collection that the name of the species is Macrosilia cluentius.
Gramer.
Lippstadt, January 9, Hermann Müller.
I) Nature Vol. XVII. 1878. p. 221.
Ueber die Naupliusbrut der Garneelen').
Nach dem Erscheinen des Aufsatzes über die Verwandhing der Garneelen -)
sprach mir Spence Bäte brieflich sein Bedenken aus über die Zusammengehörig-
keit der von mir beschriebenen Jugendformen. Man solle eigentlich niemals
Larven auf bestimmte erwachsene Thiere beziehen, ohne sie unmittelbar aus dem
Ei und dieses von der Mutter erhalten zu haben. Meine Nauplius seien frei-
schwimmend im Meere gefangen worden und möglicherweise gar keine Peneus-
larven. Aehnlich äusserte sich später in einem Briefe Alexander Agassiz, und
so eben finde ich dieselben Bedenken wiederholt von Herrn Dr. Paul Mayer 3) in
einer Besprechung des neuesten Werkes von Claus: „Untersuchungen zur Er-
forschung der genealogischen Grundlage des Crustaceensystems".
Die Entwicklung naupliusähnlicher Larven zu langschwänzigen Krebsen ist
von solcher Bedeutung für den Stammbaum der Kruster, dass es nicht überflüssig
scheint, solchen Bedenken gegenüber noch einmal auf die Gründe hinzuweisen,
welche mich den von mir geschilderten Entwicklungsgang schon jetzt als völlig
gesicherte Thatsache betrachten lassen. Ich wiederhole zu diesem Behufe wört-
lich, was ich (im October 1864) als Entgegnung auf Spence Bate's Zweifel nieder-
schrieb.
„Die Forderung, dass man Jugendformen nur dann bestimmten Eltern zu-
schreiben solle, wenn man sie aus den der Mutter entnommenen Eiern erhalten,
scheint mir unbillig. WoUte man sie zugestehen, so würde sie natürlich nicht nur
für die jüngsten, sie würde mit ganz gleichem Rechte für alle Jugendformen zu
stellen sein ; für jede würde man verlangen müssen, dass sie entweder aus dem
Ei gezogen oder bis zur Geschlechtsreife am Leben erhalten worden sei und unter
dieser Bedingung würden wir für immer auf die Entwicklungsgeschichte der
meisten Seethiere verzichten müssen. Ich meine, es sei vollkommen genügend,
dass man die Endglieder der Reihe durch eine Kette von Zwischenformen zu
verbinden vermöge, die so eng schliessen, dass über die Zusammengehörigkcnt
je zweier einander folgender Glieder vernünftigerweise kein Zweifel obwalten
könne. Diesen Beweis aber für die Zugehörigkeit meines Nauplius zu Pcneus
oder einer nächstverwandten Gattung glaube ich in völlig ausreichender Weise
geliefert zu haben. In einer Zeitschrift, die für einen Jahrgang die Zahl von 12
Tafeln bestimmt hat, durfte ich freilich nicht, wie Spence Bäte in seiner schönem
Arbeit über die Entwicklung des Carcinus Maenas, für einen einzigen Auf-
i) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie 1878. Bd. XXX. S. 163 — 166.
2) Archiv für Naturgeschichte. Bd. XXIX, i. 1863. S. 8. = Ges. Schriften S. 167.
3) Jenaer Literaturzeitung 1877. Nr. 16. S. 247.
Ueber die Naupliushrut der Garneelcn. (5 i j
satz sieben Tafeln beanspruchen ; ich musstc mich darauf beschränken, aus gegen
50 Blättern mit Zeichnungen über die Entwicklung der aus Naupliusbrut hervor-
gehenden Garneelen einige wenige der bezeichnendsten Formen herauszuheben.
Dabei schien es mir, als selbstverständlich, nicht nöthig, ausdrücklich zu bemerken,
dass die geschilderten Umwandlungen der einen Form in die andere, nicht etwa
zu den wenigen gegebenen Zeichnungen hinzugedichtet, sondern dass sie nach
sorgsamer Untersuchung zahlreicher Larven dargestellt wurden.
Nur an einer Stelle standen mir Zwischenformen nicht in reicher Auswahl
zu Gebote; zwischen dem a. a. O. Taf. II (= Ges. Schriften Taf. XXII) Fig. 2 ab-
gebildeten Nauplius und der Fig. 4 gezeichneten Zoea habe ich, wie ich auch an-
geführt habe, nur zwei Zwischenformen (wenigstens von derselben Art) zu beobachten
Gelegenheit gehabt ; einen älteren Nauplius, dessen drittes Fusspaar ich in Fig. 3
zeichnete, in vier Exemplaren und eine jüngere Zoea.
Da eben gegen diesen Punkt und so viel ich weiss, ausschliesslich gegen diesen,
gegen die Zugehörigkeit der Nauplius zu den Zoea sich die Bedenken derer
richten, welche an die Umwandlung eines Nauplius in einen langschwänzigen Krebs
nicht glauben mögen, so seien noch einmal die Eigenthümlichkeiten zusammen-
gestellt, in denen die ältesten Nauplius mit den jüngsten Zoea übereinkommen.
Fürs Erste haben sie dieselbe höchst eigenthümliche Bewegungs weise,
durch welche sie auf den ersten Blick von allen anderen Krustern unseres Meeres
sich unterscheiden.
Zweitens haben sie dieselbe Färbung; namentlich zeigen die beiden vor-
deren Gliedmassenpaare und das gabiige Schwanzende ein eigenthümliches nach
der Spitze zu dunkleres Braun, das ich ebenfalls bei keinem anderen Kruster
unseres Meeres kenne.
Drittens: Die verhältnissmässige Länge der beiden ersten Gliedmassenpaare,
ihr ganzes Aussehen ist dasselbe; nur sind sie bei der Zoea deutlicher gegliedert
und das zweite ist etwas reichlicher beborstet; statt drei stehen z. B. am Ende
des inneren Astes vier Borsten. Ebenso ist das Hinterende der Zoea nur dadurch
verschieden, dass seine Aeste weiter auseinanderstehen und dass jeder derselben
statt sechs, wie beim älteren Nauplius, anfangs sieben, später acht Borsten trägt.
Viertens: Aus der (Fig. 3 gezeichneten) Bildung des dritten Gliedmassen-
paares des ältesten Nauplius geht hervor, dass er nach der nächsten Häutung
Mandibeln haben muss mit spitzem vorspringendem Zahne und breiter quer-
geriefter Kaufläche, und dass die Mandibel einen borstenlosen dunkelbraunen
Anhang tragen muss. Eine solche Mandibel h a t , einen solchen Anhang t r ä g t
die jüngste Zoea, und, wohlgemerkt, der Nauplius wurde beobachtet am 24. Januar,
die Zoea am 3. Januar, wo ich gar nicht wusste, was dieser Anhang der Mandibel
bedeute. Ich kenne bei keinem anderen jugendlichen oder erwachsenen Krebs
einen ähnlichen Anhang.
Fünftens : An dem ältesten Nauplius sieht man, dass die nächste Entwicklungs-
stufe vier weitere Gliedmassenpaare besitzen muss; vier weitere Gliedmassen-
paare, in ihrer Gestalt den im Nauplius vorhandenen Anlagen entsprechend, be-
sitzt die jüngste Zoea.
Sechstens: Die Bildung des Herzens, des Darmes, der Leber ist genau
dieselbe bei dem ältesten Nauplius und der jüngsten Zoea.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. AI
A .- Ueber die Naupliusbrut der Gameelen.
Siebentens: Bei dem ältesten Nauplius wurde nahe dem Stirnrande jederseits
ein trübes feinkörniges Gewebe und darüber vorspringend ein rundliches Knöpf-
chen gesehen; ganz dasselbe sieht man bei der jüngsten Zoea. Aus jenem
Gewebe entwickeln sich später die paarigen Augen und an ihnen erhält sich bis
zur Mysisform das Knöpfchen (a. a. O. Fig. 9, o). An den Augen keines ein-
zigen anderen Krebses kenne ich ähnliche Knöpfchen.
Und was sind nun neben all diesem Gemeinsamen die Unterschiede? Dass
die Zoea ein wenig grösser, dass der beim Nauplius bereits angedeutete Rücken-
schild wohl entwickelt ist, dass die in der Anlage vorhandenen Füsse in Thätigkeit
getreten, dass einige neue Borsten hinzugekommen sind, — Fortschritte, die alle-
sammt vorauszusagen waren.
Ich sollte meinen, diese Grlinde müssten so ziemlich genügen, auch den
ärgsten Zweifler zu überzeugen. Doch, wenn denn nun einmal mein Nauplius
nicht von einem Peneus stammen, nicht zu einem Peneus werden soll, so sage
man mir, was er denn möglicherweise sein könne. Einen Vater muss ja doch das
Kind haben.
Noch weniger als den Garneelen wird man ihn natürlich einem anderen Krebse
aus der Abtheilung der Malacostraca, etwa einer Krabbe oder Assel zutheilen
wollen. Es bleiben also in unserem der Phyllopoden entbehrenden Meere nur
die Copepoden mit den Lernaeen und die Rankenfüsser mit den Wurzelkrebsen
als mögliche Endpuncte seiner Entwicklung.
Nun zu einem Rankenfüsser oder Wurzelkrebs kann er unmöglich werden;
schon die Bildung des Herzens, der Leber, der Mandibeln beweist es. Zudem
fehlen ihm die „Stirnhörner" der Rankenfüsserlarven ; es fehlen die Zacken und
Zähne mit denen beim Nauplius der Rankenfüsser das dritte Gliedmassenpaar be-
waffnet ist. Nahe dem Uebergang in eine zweite Entwicklungsstufe, wie der
(a. a. O. Fig. 2 gezeichnete) Nauplius ist, würde man bei einem Rankenfüsser oder
Wurzelkrebs sechs neue Fusspaare unter der Haut desselben, nicht aber deren
vier frei am Bauche hervorsprossen sehen, u. s. w. — Weit ähnlicher als denen
der Rankenfüsser ist derselbe gewissen Naupliusformen der Copepoden. Auch
bei diesen finden sich Entwicklungsstufen, auf welchen ausser den drei ursprüng-
lichen Gliedmassenpaaren Anlagen von vier neuen Paaren zu sehen sind. Allein
ich kenne weder aus eigener Erfahrung, noch finde ich unter den zahlreichen
Abbildungen, die das vortreffliche Copepodenwerk von Claus zieren, irgend eine
Mandibelform, die der unseres Nauplius zu vergleichen wäre. Zudem bleibt bei
allen Copepoden des Meeres, mit Ausnahme der Corycaeiden, das dritte Glied-
massenpaar wohlbeborstet als Mandibularanhang erhalten ; die Corycaeiden aber,
von Anderem abgesehen, haben kein Herz, das unser Nauplius besitzt. Dazu
kommt, dass derselbe die Länge eines halben Millimeter erreicht, also danach
eher für einen geschlechtsreifen Copepoden, als für die früheste Jugendform eines
solchen gelten könnte. Einem Copepoden zugehörig, müsste er von einer un-
bekannten riesigen Art aus einer noch unbekannten Familie abstammen und es
wäre ziemlich wunderbar, dass mir diese Riesenart im Laufe langer Jahre nicht
ein einziges Mal ins Netz gegangen."
Itajahy, St. Catharina, Brazil, Juni 1877.
Die Stinkkölbchen der weiblichen Maracujäfalter. ^).
Mit Tafel LH.
Die Weibchen der durch die engsten Bande der Blutsverwandtschaft ver-
bundenen Gattungen Heliconius, Eueides, Colaenis und D i o n e
(^Agraulis), die ich unter dem Namen der Maracujaf alter (nach der Futter-
pflanze ihrer Raupen) zusammenfasse, treiben, wenn man sie ergreift, am Ende
des Hinterleibes, und zwar auf dem Rücken zwischen vorletztem und letztem
Leibesrringe eine grosse gelbliche widerlich riechende Wulst hervor, die durch
eine seichte Längsfurche in eine rechte und eine linke kuglig gewölbte Hälfte
getheilt wird (Fig. i W, Fig. 3 A, W). Die Männchen dieser Falter besitzen zwei
kleinere, denselben Geruch verbreitende Wülste an der Innenseite der Afterklappen.
Nun hatte ich kürzlich ein Weibchen unseres schönen grünen Schmetterlings,
der Colaenis Dido, gefangen. Beim ersten Ergreifen wurde, wie gewöhnlich,
die grosse Stinkwulst rasch vorgestülpt. Als sich aber das Thier beruhigt hatte
und nun aufs Neue gereizt wurde, wölbte sich diese Wulst ziemlich langsam hervor,
und dabei fiel mir auf, dass der Geruch nicht allmälig zunahm, sondern ganz
plötzlich eine sehr merkliche Steigerung erfuhr. Es ergab sich, dass diese Steige-
rung bedingt war durch das Hervortreten zweier winziger Gebilde, die ich bis
dahin übersehen hatte, gestielter Kölbchen, Stecknadeln oder den Schwingkölbchen
der Fliegen vergleichbar, deren eines zu jeder Seite unterhalb der Stinkwulst am
Hinterrande des vorletzten Ringes sitzt. Man braucht nur die Köpfchen dieser
Stinkkölbchen abzuschneiden, um sich zu überzeugen, dass von ihnen wirklich
die Verstärkung des von der Stinkwulst entwickelten Geruches ausgeht.
Bei der Uebereinstimmung aller Maracujaf alter in Bau und Lebensweise bis
in die kleinlichsten Einzelheiten hinein durfte ich erwarten, dass auch die Stink-
kölbchen nicht auf diese eine Art beschränkt sein würden und ich fand sie wirklich
bei allen Arten, die ich darauf untersuchen konnte, nämlich ausser bei Colaenis
Dido, wo ich sie zuerst sah, auch bei Colaenis Julia, bei Heliconius Ap-
seudes, Besckei und Eucrate, bei Eueides Isabella, bei Dione Juno
und Vanillae. So liefern die Stinkkölbchen einen neuen Beweis für die Zu-
sammengehörigkeit der vier Gattungen, die man bis jetzt allgemein unter die
beiden Familien der Hcliconinen und der Nymphalinen vertheilt, wobei Eueides
i) Zeitschrift für wissensch. Zoolog. 1878. Bd. XXX. S. 167—170. Taf. IX.
41*
A . , Die Stinkkölbchen der weiblichen Maracujäfaller.
bald ersteren (Herrich-Schaeffer, Kirby), bald letzteren (Doubleday, Felder) zu-
gezählt wird. Theils aus diesem Grunde, theils um ihrer selbst willen sind diese
eigenthümlichen Gebüde wohl näherer Betrachtung werth.
Wie erwähnt sitzen die Stinkkölbchen, eines auf jeder Seite, am Hinterrande
des vorletzten Leibesringes unterhalb der Stinkwulst und zwar am Ende der Bauch-
platte dieses Ringes. Von da springen sie, wenn die Stinkwulst vorgestülpt wird,
nach hinten und etwas nach aussen vor. Sie bestehen aus einem etwa ein Milli-
meter langen Chitinstift, der am Ende keulenförmig verdickt ist. Die Verdickung
ist eine ganz allmälige und erreicht kaum den doppelten Durchmesser des
Stieles bei Heliconius Apseudes und Eucrate (Fig. 5A,B); etwas stärker
ist die birnförmigc Verdickung bei Eueides Isabella (Fig. 6 A, B) und mehr
noch bei Dione Juno (Fig. 7 B) ; sie nähert sich der Kugelform bei D i o n e
Vanillae (Fig. 8^), Heliconius Besckei (Fig. ^ A) und Colaenis Dido
(Fig. 2 B)\ bei der letztgenannten Art erreicht der kuglige Knopf am Ende des
Stieles fast 0,5 mm Durchmesser.
Der Stiel ist meist braun, bald heller, bald dunkler; ganz blass, fast farblos
ist er bei Eueides Isabella (von der ich jedoch nur ein eben ausgeschlüptes
Weibchen untersuchte), dagegen schwarz bei Dione Juno. Der Kopf ist meist
heller als der Stiel, gelblich oder bräunlich; dunkler fand ich ihn bei Dione
Vanillae.
Der Kopf der Stinkkölbchen ist besetzt mit Schuppen, die je nach den Arten
sehr verschieden gestaltet sind. Der Form gewöhnlicher Schmetterlingsschuppen
nähern sie sich am meisten bei Heliconius, besonders bei Heliconius Ap-
seudes (Fig. 3 B). Hier findet man einzelne ganz regelmässige Schuppen, deren
Seitenränder vom Anheftungspuncte aus geradlinig unter mehr oder minder spitzem
Winkel auseinanderlaufen und deren Endrand in etwa fünf lange spitze Zacken
ausläuft, Schuppen also, wie sie nicht selten auf den Flügeln vieler Nachtschmetter-
linge vorkommen. Die bisweilen fast dornartigen Zacken des Endrandes sind
von festerem Gefüge als die Spreite der Schuppe, die häufig gefaltet oder zer-
knittert erscheint. Dazwischen kommen zahlreiche minder regelmässige, doch aus
derselben Grundform ableitbare Schuppen vor. — Aehnlich, doch im Allgemeinen
weniger regelmässig und noch mehr zusammengefaltet oder verbogen sind die
Schuppen bei Heliconius Besckei (Fig. 4 ß) und Eucrate (Fig. 5 C).
Bei Eueides Isabella (Fig. 6 C) sind die Schuppen der Stinkkölbchen
von festerem Gefüge; die Seitenränder laufen, ehe sie auseinanderweichen, erst
eine Strecke in gleicher Richtung und bilden so einen Stiel, der etwa Vs bis V2
der ganzen Länge einnimmt ; die Spreite ist kleiner als bei Heliconius und
spaltet sich in gewöhnlich drei lange spitze Zipfel.
Weit derber noch sind die Schuppen der Stinkkölbchen bei Dione Vanillae
(Fig. 8 B) ; die Spreite ist hier ganz geschwunden ; es bleiben nur der Stiel und
die langen spitzen dornartigen Zacken, so dass die Schuppen die Gestalt zwei bis
vierzinkiger oft wunderlich gebogener und verkrümmter Gabeln annehmen.
In wieder anderer Weise, ebenfalls kaum noch als solche erkennbar, finden
sich die Schuppen bei Dione Juno (Fig. 7 B) umgewandelt. Ein langer, selten
gerader Stiel erweitert sich am Ende in eine winzige Spreite, die auch ganz fehlen
kann; von der Spreite oder dem Ende des spreitelosen Stieles entspringen ent-
Die Stinkkölbchen der weiblichen Maracujäf alter. g^e
weder unmittelbar ein oder zwei (selten drei) Borsten, oder es ist zwischen Spreite
und Borsten noch eine Art Stiel eingeschaltet, der meist gerade und dabei viel
kürzer und dünner ist als der Stiel der Spreite. Diese verschiedenen Theile bilden
nun aUe möglichen Winkel miteinander, so dass eine unglaubliche Mannigfaltig-
keit seltsamer Formen entsteht. Es kommt auch vor, dass der Stiel, statt in eine
Spreite sich zu erweitern, sich gabelt, und dass jeder Ast am Ende ein oder zwei
Borsten trägt.
Im Gegensatz zu den festen gabiigen Dornen von Dione Vanillac sind
die Schuppen der Stinkkölbchen bei C o 1 a e n i s (Fig. 2 C) in schlaffe, dünnhäutige,
meist stark gefaltete und zerknitterte Lappen umgewandelt, mit aller Zacken ent-
behrenden Rändern. —
Welches nun auch die Form der Schuppen sei, man bekommt von ihnen
am frischen Stinkkölbchen meist so gut wie nichts zu sehen, ausser etwa bei
eben der Puppe entschlüpften Thieren. Es häuft sich zwischen ihnen eine meist
gelbe, riechende Masse an, die jedenfalls an der Oberfläche der Stinkwulst aus-
geschieden wird. Durch diese werden sie mit einander verklebt und oft voll-
ständig überdeckt, so dass der Stiel nun am Ende eine fast glatte oder leicht
höckrige Kugel trägt, deren Durchmesser bisweilen das doppelte, ja dreifache
von dem der keulenförmigen Verdickung am Ende des Stieles erreicht (Fig. 2 A,
^A, j A). Durch Weingeist, Aether oder Benzin lässt sich die verklebende Masse
erweichen, theilweise lösen, vmd dann mehr oder weniger vollständig entfernen.
Was ungelöst bleibt, erscheint bald in Form stark lichtbrechender Kügelchen
(Fig. 5 B), bald auch als unregelmässige SchoUen.
Ausser bei den Weibchen der Maracujäf alter sind mir ähnliche Stinkkölbchen
noch bei keinem Schmetterlinge vorgekommen. Ueberhaupt scheinen die bei
beiden Geschlechtern auftretenden Stinkvorrichtungen unter den Schmetterlingen
weit weniger verbreitet und weit woniger mannigfaltig zu sein, als die dem männ-
lichen Geschlechte eigenthümlichen Duftvorrichtungen, von denen man, einmal
darauf aufmerksam geworden, täglich neue und überraschende Formen findet.
Itajahy, St. Catharina, Brazil, Juni 1877.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel LH.
Fig. I. Colaenis Julia $. Ende des Hinterleibes mit vorgestülpter Stinkvor-
richtung, von oben, etwa 5:1. W, Stinkwulst, Ä^, Stinkkölbchen.
Fig. 2. Colaenis Dido$. A, Stinkkölbchen in frischem Zustande, 15:1; B,
dasselbe mit Weingeist und Benzin gereinigt, 15:1; C, Schuppen desselben, 90:1.
Fig. 3. Heliconius Apseudes 9- -^> Ende des Hinterleibes, mit künstlich vor-
gedrückter Stink Vorrichtung, von der Seite, 15:1; W, Stinkwulst, K, Stinkkölbchen, B,
Schuppen des Stinkkölbchens, 90 : i .
Fig. 4. Heliconius BesckeiJ. A, Kopf des Stinkkölbchens, gereinigt, 45 : i ;
B, Schuppen desselben, 90 : i .
Fig. 5. Heliconius Eucrate $. A, Stinkkölbchen in frischem Zustande, 15:1;
B, Kopf desselben, gereinigt, 45 : i ; C, Schuppen desselben, 90:1.
Fig, 6. Eueides Isabella?. A, Stinkkölbchen eines eben ausgeschlüpften Thieres,
15:1; B, Kopf desselben, 45 : i ; C, Schuppen desselben, 90 : i.
Fig. 7. Dione Juno$. A, Stinkkölbchen im frischen Zustande, 15: i; B, Kopf,
desselben, gereinigt, 90 : i (nur ein kleiner Theil der Anhänge gezeichnet).
Fig. 8. Dione Vanillae $. A, Stinkkölbchen, 15: i; B, dornartige Schuppen
desselben, 90 : i .
Ueber Numenia Acontius,
mitgetheilt von Herrn. Müller^).
Ich erlaube mir Ihnen von dem Inhalte eines Aufsatzes meines Bruders
Fritz Müller Mittheilung zu machen, den ich so eben empfing. Er bespricht
Numenia Acontius, und erörtert die auffallenden Verschiedenheiten der beiden
Geschlechter dieser brasilianischen Falterart, deren Männchen als Papilio Medea.
dessen Weibchen als Papilio Antiochus von Fabricius beschrieben und bis vor
wenigen Jahren allgemein von den Entomologen benannt worden ist. Als be-
dingend für den verschiedenen Schnitt der Flügel beider Geschlechter wird eine
hochentwickelte starkriechende Duftvorrichtung nachgewiesen, welche das Männchen
zwischen beiden Flügeln trägt. In Bezug auf die verschiedene Färbung beider
Geschlechter wird als wahrscheinlich zu erweisen gesucht, dass zuerst die Weib-
chen, unter den Männchen wählend, die Medeazeichnung ausgebildet haben; dass
später dieselbe auch auf die Weibchen übertragen worden ist und sich bei ihnen
in mehreren Arten bis zum heutigen Tage erhalten hat, dass aber der Geschmack
der Weibchen im Laufe der Zeit sich geändert hat, wodurch Zeichnung und
schmückende Farbe der Flügel der Männchen vöUig umgeprägt worden sind.
Lippstadt, IO./6. 78.
i) Zoolog. Anzeiger 1878. i. Jahrg. S. 13, 14.
Ueber Gerüche von Schmetterlingen^).
Aus einem Briefe an Herrn. Müller.
Ich werde nächstens die Schmetterlingsarten zusammenstellen, an denen ich
bis jetzt thatsächlich Gerüche wahrgenommen habe. Es scheint, dass meine Nase
durch fortdauernde Uebung immer schärfer wird. Bei Daptonoura Lycimnia
rieche ich jetzt bei jedem frisch gefangenen Männchen den eigentümlichen Duft ;
Callidryas Trite J fand ich vor zwei Jahren stets geruchlos; gestern fing ich ein
S, das deutlich roch. Bei Didonis Biblis S riecht auch der schwarze Fleck an
der Unterseite der Vorderflügel, und zwar schwach moschusartig, so dass dieses
Thier drei verschiedene Gerüche entwickelt. Bei Callidryas haben auch die $ stark
riechende Drüsen an den Genitalien, welche die brünstigen $ vordrängen; der
Geruch ist säuerlich, der der J moschusartig.
Itajahy, Sa, Catharina, i6. April.
i) Zoolog. Anzeiger 1878. i. Jahrg. S. 32.
Ueber die Vorteile der Mimicry bei Schmetterlingen^).
Es ist merkwürdig, wie man sich bisweilen Jahre lang über Fragen den
Kopf zerbricht, deren Lösung so einfach ist, dass man kaum begreift, wie man
nur einen Augenblick darin eine Schwierigkeit hat finden können. So ist es
mir mit der Mimicry der Schmetterlinge gegangen, Danainen, Ithomiinen, Acrae-
inen, Heliconiinen scheinen alle gleich gut durch widrigen Geruch und Geschmack
geschützt zu sein, und doch gibt es unter ihnen eine Menge nachahmender Arten.
Besonders stark ist der Geruch der Eueides-Arten, und doch ist Eueides pavana ein
Nachbild von Acraea Thalia, E, Isabella von Helic. Eucrate oder Mechanitis
Lysimnia und E. Aliphera gleicht bis auf die Grösse der Colaenis Julia. — Welchen
Vortheil kann nun eine solche durch anwidernden Geruch geschützte Art davon
haben, dass sie einer anderen ebenfalls geschützten gleicht ? — Wenn ihre Feinde
aus „Instinct" diese geschützte Art meiden, keinen; wenn dagegen, und das ist
ja so wie so das Wahrscheinlichere, ihre Feinde sie erst durch Erfahrung als
ungeniessbar kennen lernen müssen, einen um so größeren, je weniger zahlreich
sie ist. Der Nutzen, den zwei ungeniessbare Arten von ihrer Aehnlichkeit haben,
verhält sich umgekehrt wie das Quadrat ihrer Individuenzahl. Statt einer all-
gemeinen übrigens höchst einfachen Deduction ein Beispiel. — Es mögen in
einem bestimmten Bezirke zwei ungeniessbare Arten leben, von der einen 10,000,
von der anderen 2000 Stück. Die in demselben Bezirke lebenden Feinde mögen
jährlich 1200 Stück einer ungeniessbaren Art vertilgen, bis sie sie als solche
meiden. So viel würde jede Art verlieren, wenn sie verschieden wären; sind sie
so ähnlich, dass die an einer gemachten Erfahrungen auch der andern zu gute
kommen, so wird die erste Art 1000 die andere 200 Stück verlieren, erstere also
durch die Aehnlichkeit 200 also 2^0 der Gesammtzahl, letztere dagegen 1000 d. h.
50^/0 der Gesammtzahl gewinnen. — Aus dieser Betrachtung ergibt sich ferner,
dass wahrscheinlich in manchen Fällen (z. B. Thyridia und Itunaj die Frage,
welche von beiden Arten Urbild, welche Nachbild sei, eine müssige ist; jede hat
Vortheil davon gehabt, der anderen ähnlich zu werden ; sie können einander ent-
gegengekommen sein.
i) Zoolog. Anzeiger 1878. i. Jahrg. S. 54, 55.
Wo hat der Moschusduft der Schwärmer
seinen Sitz?^)
I. Unter den Tausenden europäischer Schmetterlingsjäger scheint sich noch
keiner diese Frage vorgelegt zu haben. Mit der Frage wäre ja sofort auch die
Antwort zur Hand gewesen, da man eben einfach der Nase nachzugehen braucht,
um den Ausgangspunkt eines starken Geruches zu finden.
Während in Europa der Windenschwärmer nicht selten ist, von dessen Männ-
chen man seit lange den Moschusgeruch kennt, habe ich hier heute zum ersten
Male ein bisamduftendes Schwärmermännchen gefangen, von einer kleinen, nur
0,04 Meter langen Art, deren Namen ich nicht weiss. Es umflog gegen Abend
die reichblüthigen grossen, blauen Dolden eines Agapanthus in meinem Garten.
Beim Beriechen ergab sich sofort, dass der sehr kräftige Geruch von der
Bauchseite des Hinterleibes ausging. Als ich nun, die Brust zwischen Daumen
und Zeigefinger fassend, den Schwärmer mit aufwärts gekehrter Bauchseite fest-
hielt, bemerkte ich, dass, so oft das Thier mit den Flügeln schwirrte, jederseits
am Anfange des Hinterleibes ein blonder Haarpinsel bisamduftend sich ausspreizte.
Beruhigte sich das Thier, so legte sich der Pinsel wieder in eine Längsrinne, die
sich jederseits über den grösseren Theil der beiden ersten Hinterleibsringe er-
streckte, und verschwand, indem sich die die Rinne begrenzenden Schuppen über
ihm zusammenschlössen. Während der Ruhe war von dem Pinsel nichts, von
der Rinne kaum etwas zu sehen. Letztere lässt sich am todten Thiere sichtbar
machen durch Zusammendrücken des Hinterleibes von hinten nach vorn; zwischen
den auseinander weichenden Schuppen zeigte sich dann der Boden der Rinne als
schmaler, nackter Längsstreif.
Also wieder — nur an einem neuen Orte — dieselbe wirksame Form der
Duftvorrichtungen, die als Träger deutlich wahrnehmbarer Gerüche auf den Flügeln
und am Ende des Hinterleibes bei verschiedenen Tagfaltermännchen gefunden
wurde. Ich bezweifle kaum, daß auch die unter Dickköpfen und Nachtschmetter-
lingen vorkommenden „Schienenpinsel" (Herrich-Schäffer), die z. B. bei den
Männchen von Pantherodes pardalaria, einem zeitweise hier häufigen, prachtvoll
pantherartig, schwarz auf gelb gefleckten Schmxetterhng, mächtig entwickelt sind.
I) Kosmos 1878. Bd. III. S. 84—85.
^-Q Wo hat der Moschusduft der Schwärmer seinen Sitz?
der Verbreitung eines die Weibchen anlockenden Duftes dienen, obwohl ich einen
solchen noch nicht habe wahrnehmen können.
Ob bei den Männchen des Winden- und des Ligusterschwärmers der Mo-
schusduft von der gleichen Stelle ausgeht? Und ob auch die für menschliche
Nasen geruchlosen Schwärmermännchen ähnliche Duftpinsel besitzen? Beides ist
wahrscheinlich. Möge es bald durch Beobachtungen entschieden werden.
IL Obige Vermuthung gründete sich hauptsächlich auf das Verhalten des
Schienenpinsels bei Pantherodes pardalaria (vergl. auch Ges. Schriften S. 55g und
Taf. XL VII), der am Anfang der Hinterschiene entspringend, deren volle Länge
erreicht, und sich für gewöhnlich in einer tiefen Längsrinne birgt, die an der
Innenseite der Schiene sich hinzieht und überdacht wird von eigenthümlichen,
sehr grossen Schuppen ihres Randes. Die Entfaltung des Pinsels scheint durch
sehr kräftiges Strecken der Schiene bewirkt zu werden.
Jene Annahme hat sich inzwischen bestätigt. An einem unserer Schmetter-
lingsriesen aus der Familie der Erebiden, mit etwa 0,19 Meter Flügelspannung,
konnte ich einen wenn auch nicht besonders starken, so doch ganz unverkenn-
baren, eigenthümlichen Geruch an den Hinterschienen des Männchens wahr-
nehmen. Schlank bei dem Weibchen, ist bei dem Männchen dieser Art die
Hinterschiene stark verbreitert (4 Millimeter breit bei 12 Millimeter Länge), und
ihre ganze Innenseite ist mit einem dichten Walde von Haaren bedeckt, die sich
zu einer gewaltigen Bürste aufsträuben können, während sie in der Ruhe der
Schiene dicht anliegen. Dabei liegen zu unterst, in einer seichten Längsrinne,
die Haare der Mittellinie, überlag^ert von einer dicken Schicht der seitlichen Haare,
welche dabei schief nach der Mittellinie und dem Ende der Schiene zu ge-
richtet sind ^).
Wie wahrscheinlich aus über die ganze Fläche der Flügel verstreuten Duft-
schuppen die mannigfachen, auf bestimmte Stellen beschränkten Duftwerkzeuge
der Flügel hervorgegangen sind, so lässt sich auch der Schienenpinsel von Pan-
therodes unschwer ableiten aus einer die ganze Innenseite der Schiene bedeckenden
Behaarung, wie sie das eben erwähnte Erebidenmännchen zeigt, und zwar um
so unbedenklicher, als auch in der Familie der Erebiden lange, am Anfange der
sonst unbehaarten Hinterschienen sitzende Haarpinsel vorkommen.
Bei den mir bekannten Dickköpfen findet sich an den Hinterschienen keine
Vorrichtung zur Bergung des Pinsels ; dagegen sah ich bei einer der ansehn-
licheren Arten dieser Familie, wahrscheinlich einem Antigonus, dass der Schienen-
pinsel in einer durch die Schuppen des Hinterleibes gebildeten Furche versteckt lag.
Itajahy, 26. November 1877.
i) Diesem Erebiden ähnlich scheint sich ein javanischer Dickkopf, Ismene Oedipodea, zu verhalten,
bei dessen Männchen die Hinterschienen sehr stark verdickt („extremely thick") und dicht behaart („very
densely hairy") sind. (Doubleday, Westwood, Hewitson, Genera of diurnal Lepidoptera, p. 514.)
— Es darf bei dieser Gelegenheit daran erinnert werden, dass schon L i n n e einer Erebidenart den Namen
„odora" gab; Näheres über dieselbe weiss ich nicht.
In Blumen gefangene Schwärmer^).
Die Arten der im wärmeren Asien heimischen Gattung Hedychium werden
ausschliessHch durch Schmetterlinge befruchtet, wie ihre lange enge Blumenröhre
beweist.
Eine der hier eingeführten Arten, mit leuchtend rothen geruchlosen Blumen,
hat sich in wunderbar vollkommener Weise der Uebertragung des Blüthenstaubes
durch die Flügel langrüsselicher Tagfalter angepasst; sie ist bis jetzt die einzige
Pflanze, bei der man diese eigenthümliche Art der Bestäubung beobachtet hat ^).
Eine zweite Art, mit grösseren, rein weissen, besonders Abends stark duf-
tenden Blumen und etwa o,i Meter langer, also das Mass der Tagfalterrüssel weit
übersteigender Blumenröhre, wird fleissig besucht von Schwärmern mit ent-
sprechend langem Rüssel. Doch wird diesen Schwärmern der Zugang zum Honig
nicht selten versperrt durch unberufene Gäste. Ein schmales kurzflügliges,
schwarzes Käferchen, das sich in Menge auf allen möglichen Blumen einzufinden
pflegt, dringt häufig auch in die Blumenröhre des weissen Hedychium und neben
ihm bleibt dann kein Raum für den Rüssel der Schwärmer.
Falls in der Heimat der Hedychien ein ähnlicher Käfer gleich häufig die
Arbeit der die Bestäubung vermittelnden Schwärmer stört, würde die natürliche
Auslese die Entstehung engerer Blumenröhren begünstigen, in denen keine Käfer
sich festsetzen könnten. In der That giebt es ein solches engröhriges Hedychium
mit hellgelber, schwach duftender Blume. Allein auch diese für Käfer unzugäng-
lichen Blumenröhren haben ihre Gefahren, — für die Schwärmer, wie für die
Blumen. Incidit in Scyllam, qui vult vitare Charybdim. Grössere Schwärmer
mit langem und verhältnissmässig dickem Rüssel vermögen diesen in die enge
Röhre wohl einzuführen, aber nicht — oder doch nicht immer — wieder heraus-
zuziehen und sind dann einem langsamen Hungertode preisgegeben. Macrosilia
rustica und Antaeus scheinen nicht selten diesem Schicksale zu erliegen; andere
Schwärmer habe ich noch nicht als Gefangene des Hedychium getroffen. Einer
meiner Freunde fand einmal in seinem Garten die eiförmigen Blütenähren dieses
Hedychiums ringsum behangen mit gefangenen, zum Theil schon todten Schwär-
mern, Ich selbst sah noch vor Kurzem (am Morgen des 30. Januar) ein Männ-
1) Kosmos 1878. Bd. III, S. 178—179.
2) Vergl. Hermann Müller in: Nature, Vol. XIV, p. 173. — 1876.
^ c 7 In Blumen gefangene Schwärmer.
chen von Macrosilia Antaeus zwischen den Blumen des gelben Hedychium hangen ;
es schien todt; doch als ich die Blütenähre abschnitt, begann es wieder zu schwirren
und, ansehnliche Duftpinsel am Grunde des Hinterleibes entfaltend, einen starken
Geruch zu verbreiten, der mehr an den der Beutelratten als an Moschus erinnerte.
Welche vergeblichen Anstrengungen das Thier schon gemacht hatte, um sich zu
befreien, dafür zeugte der Zustand der Blume, in deren Röhre sein Rüssel fest-
sass. Blumenblätter, Staubbeutel, Narbe waren vollständig zerstört und nichts
übrig geblieben, als die dickwandige und durch feste Deckblätter geschützte
Blumenröhre. Alle Anstrengungen aber schienen nur dazu gedient zu haben,
den Rüssel immer tiefer in die enge Röhre hineinzuzwängen; denn es war der
90 Milhmeter lange Rüssel nicht nur bis zum Grunde der 65 Millimeter langen
Blumenröhre vorgedrungen, sondern seine Spitze hatte sich sogar von da in einer
Länge von 8 bis 10 Millimeter wieder aufwärts gebogen. —
Während sonst süsser Nectar die Kerfe lohnt, die als Liebesboten den be-
fruchtenden Staub von Blume zu Blume tragen, führt hier die Begegnung von
Schmetterling und Blume zu gegenseitigem Verderben. Wie mag es in der
Heimat des Hedychium sein? Ob auch dort in gleicher Weise gefährdete
Schwärmer leben und ob diese etwa die Gefahr kennen und meiden gelernt haben ?
Ich empfehle dieses Beispiel der an den Honig spendenden Blumenröhren
zum Verderben der Blume und zu eigenem langsamen Hinsterben aufgehängten
Schwärmer zur Beachtung erstens frommen Gemüthern, die auch in den Wechsel-
beziehungen zwischen Blumen und Kerfen das Walten einer allweisen, allgütigen
Vorsehung zu bewundern lieben, und zweitens Freunden des nie irrenden Un-
bewussten, denen zufolge „das Hellsehen des Instinktes ja gerade immer solche
Punkte betrifft, welche die bewusste Wahrnehmung überhaupt nicht zu erreichen
vermag" ^). Hier wäre ein solcher Punkt, „für welchen der Mechanismus der
sinnlichen Erkenntniss nicht ausreicht"; die todtbringende Enge der Blumenröhre,
zu der ein einladend weiter Eingang führt, ist von aussen nicht zu erkennen;
aber kein unbewusstes Hellsehen warnt den Schwärmer und kein Gott erlöst
mitleidig die nutzlos verschmachtenden Opfer.
Itajahy, 28. Februar 1877.
i) Hartmann, Philos. des Unbewussten. VI. Aufl. S. 368.
Blumen der Luft^).
(Ein Falter mit Blumenduft).
Mit Bezug auf diesen von Jean Paul ihrer glänzenden Farben wegen den
Tag-Schmetterlingen beigelegten Namen (Vergl. Kosmos I. S. 260) schreibt Herr
Dr. Fritz Müller aus Itajahy in einem Privatbriefe vom i. März c. :
„Im vergangenen Monat machte ich einen mehrwöchentlichen Ausflug nach
dem Hochlande im Norden unserer Provinz, Säo Bento im Quellgebiete des Rio
negro, der mir recht hübsche Ausbeute, aber fast nur von speciell lepidoptero-
logischem Interesse lieferte. Häufig war dort der von Boisduval als tres rare
bezeichnete Papilio Grayi, dessen Männchen wirklich auch in Betreff des Geruches
als „Blume der Luft" bezeichnet werden kann. Der von den Hinterflügeln aus-
gehende Duft ist so stark und so würzig, dass ich den Schmetterling wie eine
Blume, zum gelegentlichen Daranriechen in der Hand getragen habe."
I) Kosmos 1878. Bd. III. S. 187.
Die Königinnen der Meliponen^).
Die schönste unter den stachellosen Honigbienen des südlichen Brasiliens
ist die Co3Tepü oder grosse Mandagaia. Sie hat etwa die Grösse einer euro-
päischen Honigbiene; ihre etwas geringere Länge wird durch grössere Breite
aufgewogen. Kopf und Brust sind glänzend schwarz, der oben unbehaarte Hinter-
leib rothbraun, mit vier dottergelben Querbinden geziert. Im April 1873 ent-
nahm ich einem hohlen Baumstamme ein Volk dieser schönen Biene, um
es in meinem Garten lebend zu beobachten. Nachdem ich Brutwaben und
Honigtöpfe und mit ihnen die grösste Zahl der Bewohner herausgenommen
hatte, bemerkte ich zwischen den in der Höhle des Baumes zurückgebliebenen
bunten Erbauern des Nestes etwas kleinere Bienen, deren einfarbiger, glän-
zend brauner Hinterleib mit eigenthümlich seidenartig glänzenden, bräun-
lichen, hinterwärts gerichteten Haaren bekleidet war. Sie waren im ganzen Aus-
sehen so verschieden, dass ich gar nicht an die Möglichkeit dachte, sie könnten
derselben Art angehören. Ich fing neun dieser Bienen ; alle waren Weibchen,
wie die zwölfgliedrigen Fühler und die einfachen Fussklauen bewiesen (bei den
Männchen der Meliponiden sind die Fussklauen gespalten); allein ihre Hinter-
schienen besassen nicht die nackte, glänzende, vertiefte Aussenfläche, das „Sammel-
körbchen", in welchem die Arbeiter der Meliponen den Blüthenstaub heimtragen.
Die Aussenfläche der Hinterschienen war gewölbt und behaart, zum Blüthen-
staubsammeln kaum tauglich. Dies legte den Gedanken nahe, es seien „Kukuks-
bienen", die ihre Eier in die mit Futterbrei gefüllten Brutzellen ihrer Verwandten
einschmuggeln. Unter den Hummeln kennt man ja eine ganze Anzahl solcher
schmarotzenden Arten.
Bald darauf erhielt ich ein Volk einer zweiten Melipona-Art, der Gurupü.
Sie ist so gross wie die vorige Art, matt schwarz und auf der ganzen Oberseite,
auch des Hinterleibes, mit dichter, senkrecht abstehender, bräunlicher oder schwärz-
licher Behaarung bekleidet. Nach wenigen Wochen ging dieses Volk zu Grunde,
wahrscheinlich weil wegen Weisellosigkeit die älteren Arbeiter sich zerstreut
hatten; die zurückgebliebenen Drohnen und jüngeren Arbeiter mussten dann
Hungers sterben, nachdem sie die vorhandenen Vorräthe aufgezehrt hatten. Eines
Tages vermisste ich die Wache am Flugloche, es flogen keine Bienen mehr, da-
I) Kosmos 1878. Bd. III. S. 228—231.
Die Königinnen der Meliponen. gec
gegen liefen zahlreiche Ameisen aus und ein. Ich fand bei Untersuchung des
Stockes todt oder sterbend 294 meist noch nicht ausgefärbte Arbeiter, 5g Drohnen,
die dagegen fast alle schon ausgefärbt waren, und 21 zum Theil noch in den
Brutzellen eingeschlossene Weibchen, täuschend ähnlich den bei den Coyrepü ge-
fundenen, wie sie durch die aussen gewölbten und behaarten Hinterschienen von
den Arbeitern, und höchst augenfällig durch die braungelbe, seidenglänzende,
hinterwärts gerichtete Behaarung des Hinterleibes von allen übrigen Bewohnern
des Stockes sich unterscheiden.
Eine eingehendere Untersuchung, die mein Bruder Hermann Müller
vornahm, ergab, dass diese abweichenden Weibchen der beiden Stöcke ver-
schiedenen Arten angehörten, von denen jede trotz des ganz verschiedenen Aus-
sehens in vielen Punkten sich eng anschloss an die Arbeiter, in deren Gesell-
schaft sie gefunden worden war.
Im Freien habe ich nur einmal ein solches Weibchen gefangen, so ähnlich
den früher gesehenen, dass mir bei oberflächlicher Betrachtung kein Unterschied
auffiel ; indess wollte ein glücklicher Zufall, dass dasselbe, wie mein Bruder fest-
stellte, einer dritten Art angehörte, und sich ebenso an unsere dritte grössere
Melipona-Art, die Mondury (Melipona Mondury Smith = Fulva Lep.) anschloss,
wie die beiden ersteren an die grosse Mandagaia und die Gurupü.
Häufiger als die genannten drei grösseren ist hier eine vierte, kleinere
(6 bis 7,5 Millimeter lange) Melipona-Art, die ebenfalls den Namen Manda^aia
führt und besonders durch ihre aussergewöhnliche Veränderlichkeit merkwürdig
ist. Kopf und Brust sind matt schwarz, der oberseits unbehaarte, glänzende
Hinterleib ist bald ganz schwarz, bald schwarz mit röthlichem Grunde, bald
braunroth, bald röthlich, und auf dem Rücken mit vier, seltener fünf, gelben oder
auch weisslichen, ununterbrochenen oder mehr oder weniger breit unterbrochenen
QuerUnien gezeichnet. Das Schildchen ist bald glänzend schwarz, bald gelb.
Die Kinnbacken (Mandibeln) sind bald ganzrandig, bald mehr oder minder deut-
lich gezähnt, so dass nach diesem Merkmal, durch welches Latreille die Gat-
tung Melipona und Trigona unterschied, von den Arbeitern dieser Art einige zu
Melipona, andere zu Trigona gehören würden. Von dieser Art besass ich gegen
Ende des Jahres 1874 drei Völker, alle mit schwarzem, quergestreiftem Hinter-
leib, zwei auch mit schwarzem Schildchen, während bei dem dritten gelbe und
schwarze Schildchen in ungefähr gleicher Häufigkeit vorkamen.
Am 31. Oktober 1874 sah ich zum ersten Male auch bei dieser Art ein
Weibchen, welches durch einfarbig braunen Hinterleib mit hinterwärts gerichteter,
seidenglänzender, gelbbrauner Behaarung in dem Gewimmel der Arbeiter sich
bemerklich machte; es war etwas kleiner als diese. Bald fand ich diese Weib-
chen auch in den beiden anderen Stöcken, und zwar in der Farbe des Schild-
chens übereinstimmend mit den Arbeitern des betreffenden Volkes. Unter dem
Volke, dessen Arbeiter bald schwarze, bald gelbe Schildchen trugen, fing ich fünf
solcher Weibchen mit schwarzem und ebenfalls fünf mit gelbem Schildchen.
Nach diesem Funde war natürlich nicht mehr daran zu denken, dass diese
Weibchen fremde Eindringlinge, dass sie Kukuksbienen sein könnten; es waren
ohne Frage Weibchen der Art, bei welcher sie lebten. Ob jungfräuliche Koni-
5c5 I^'C Königinnen der Meliponcn.
ginnen oder ob etwa ein besonderer Stand heiliger Jungfrauen -), die, ohne von
einem Manne zu wissen, Drohneneier legen, wie die von Vogel beobachteten
„Drohnenmütterchen" der ägyptischen Bienen, kann ich noch nicht endgültig ent-
scheiden ; da jedoch bis auf den riesig angeschwollenen Hinterleib mein Bruder
die Königin der Coyrepü völlig übereinstimmend fand mit den kleinen Weibchen
desselben Volkes, so ist das Erstere mir wahrscheinlicher. '
So haben wir denn hier vier Melipona- Arten, deren fruchtbare Weibchen,
seien es Königinnen oder heilige Jungfrauen, überraschend ähnlich sind, während
die unfruchtbaren Weibchen (Arbeiter) und die Männchen (Drohnen) jeder Art
sich weit von denen der übrigen Arten und von den fruchtbaren Weibchen
der eigenen Art entfernen.
Wie mag dieses Verhalten zu erklären sein?
Dass die Weibchen mehrerer verwandten Arten einander sehr ähnlich, die
Männchen dagegen von einander und von den eigenen Weibchen sehr verschieden
sind, kommt auch bei den Schmetterlingen vor, und man darf in diesem Falle
annehmen, wie Darwin überzeugend nachgewiesen hat, dass die unansehnlicheren
Weibchen die ursprüngliche Zeichnung und Färbung bewahrten, während die
Männchen ihr glänzendes Kleid der von den Weibchen geübten geschlechtlichen
Auslese verdanken. Auch bei unseren Meliponen wird man die übereinstimmende
Tracht der fruchtbaren Weibchen als Erbtheil einer gemeinsamen Stammform
ansprechen dürfen, und man würde ebenso die Verschiedenheit der Männchen ohne
grosse Bedenken der geschlechtlichen Auslese zuschreiben, wenn es sich eben
nur um die Männchen handelte. Das Auffallendste aber in diesem Falle ist nicht
die Verschiedenheit der Männchen, sondern dass die unfruchtbaren Weibchen das
Gewand der Männchen und nicht das der fruchtbaren Weibchen tragen. Drohnen
und Arbeiter stimmen in Grösse, Gestalt und Färbung fast vollständig überein;
nur die Farbe des Gesichtes ist bisweilen abweichend; ausserdem fehlen den
Drohnen die Sammelkörbchen der Hinterschienen, ihre Fussklauen sind gespalten,
ihre Fühler dreizehngliedrig.
Leider ist — und damit fehlt jedem Erklärungsversuche der sichere Boden
— bei stachellosen Honigbienen noch nicht festgestellt, wodurch die Entstehung
der drei verschiedenen Stände bedingt ist, und sie stehen in ihrem Bau und
namentlich auch in ihrer Brutpflege den stachelbewehrten Honigbienen der alten
Welt nicht nahe genug, um ohne Weiteres das bei letzteren Erforschte auf sie
übertragen zu dürfen. Die in einschichtigen wagerechten Waben angeordneten
Brutzellen sind bei den Meliponen sämmtlich von gleicher Grösse, mögen sie für
Männchen, fruchtbare oder unfruchtbare Weibchen dienen (bei den nahe ver-
wandten Trigonen kommen besondere, sehr grosse „Wciselwiegen" vor). Die
Brutzellen werden mit Futterbrei gefüllt, bevor das Ei gelegt wird, und sobald
dies geschehen, sofort geschlossen. Wenn also aus den Eiern Weibchen oder
Männchen hervorgehen, je nachdem sie befruchtet werden oder nicht, so kann
wenigstens die Königin nicht durch verschiedene Grösse der Zellen veranlasst
werden, die Befruchtung zu vollziehen oder zu unterlassen, und wenn die Ent-
i) Ich schl^e diese in der christlichen Mythologie seit lange in gleichem Sinne übliche deutsche
Bezeichnung vor an Stelle des langathmigen P'remdwortes : ,,parthenogenetische Weibchen".
Die Königinnen der Meliponen. gcy
Wickelung der Weibchen zu Königinnen (ider Arbeitern bedingt ist durch ver-
schiedene Ernährung der Larve, so könnte dabei nur die Beschaffenheit, nicht
aber die Menge des Larvenfutters in Betracht kommen. In einem wichtigen
Punkte stimmen übrigens die Meliponen mit den europäischen Bienen überein :
Die fruchtbaren Weibchen entwickeln sich rascher, die Drohnen langsamer als
die Arbeiter, und diese Uebereinstimmung spricht allerdings zu Gunsten der
Annahme, dass auch die Ursachen, welche die Entstehung des einen oder des
anderen der drei Stände bedingen, dieselben sein mögen, Ist dies aber der Fall,
so muss es um so befremdender erscheinen, dass die von den Drohnen gezeugten
fruchtbaren Töchter das Gewand des Vaters nicht erben, während die von der
Königin vaterlos erzeugten Söhne es erhalten.
Es ist kaum denkbar, dass Arbeiter und Drohnen unabhängig von einander
dasselbe von dem der Königin so weit verschiedene Aussehen erlangt haben;
vielmehr wird dasselbe von einem der beiden Stände erworben und dann auf den
andern übertragen worden sein.
Die Annahme, dass die Arbeiter zuerst die alterthümliche, von der Königin
ziemlich treu bewahrte Tracht ablegten, und dass von ihnen aus die neue Tracht
auf die Drohnen überging, würde die weitere, durch nichts zu stützende An-
nahme fordern, dass nicht nur in seltenen Ausnahmefällen, wie bei der euro-
päischen Biene, sondern regelmässig die Arbeiter der Meliponen Drohneneier
legen.
Bei weitem wahrscheinlicher scheint es, dass, wie bei vielen Schmetterlingen,
zunächst die Männchen der verschiedenen Arten durch geschlechtliche Auslese
sich immer weiter von einander und von ihren Müttern entfernten. Die ganz
eigenthümliche und bis jetzt wohl beispiellose Weise der Vererbung, durch welche
diese allmälig anwachsende Verschiedenheit der Männchen in gleichem Grade
auch auf die unfruchtbaren, aber gar nicht auf die fruchtbaren Weibchen über-
tragen wurde, dürfte vielleicht damit in Zusammenhang stehen, dass Drohnen
und Arbeiter dasselbe, die Königinnen aber ein anderes Larvenfutter erhalten.
Doch statt weitere unbeweisbare Möglichkeiten aufzusuchen, will ich lieber
einfach gestehen, dass ich eine befriedigende Erklärung bis jetzt nicht zu geben weiss.
Fritz Müllers «resaramelte Schriften. 4^
Hesperiden-Blumen Brasiliens ^).
(Aus einem Briefe an Herrn. Müller.)
Eine werthvolle Vervollständigung erfährt der zweite Theil meines Aufsatzes
über die Insekten als unbewusste Blumenzüchter (Kosmos, Bd. III. S. 403 fgde.)
durch folgende briefliche Mittheilung meines Bruders Fritz Müller aus Blumenau,
Südbrasilien vom 18. Sept. 1878:
„Hier wird sich vielleicht eine besondere kleine Gruppe von Blumen unter-
scheiden lassen , die von langrüsseligen , gegen Abend fliegenden Dickköpfen
(Hesperidea) gezüchtet sind. Lange Blumenröhren, sehr eng, oder doch mit
sehr engem Eingang, geruchlos, violett. Dahin namentlich Franciscea und Bou-
chea (Verbena) laetevirens, vielleicht auch andere Verbenen. Von Tagfaltern
habe ich Franciscea in meinem Garten niemals besucht gesehen; dass sie keine
Schwärmerblume sei, zeigen die Farbe und Geruchlosigkeit. Dickköpfe, und
zwar nur einige wenige, gegen Abend fliegende Arten „habe ich öfter daran
gefangen. — (Uebrigens giebt es auch, jedoch bei uns nicht wild, eine Franciscea
mit kleineren, wohlriechenden Blumen, — vielleicht eine Anpassung an Schwärmer.)"
— E. Krause hat einmal im Kosmos (Band III. S. 48) behauptet, dass blaue
und violette Blumen bei Dämmerungs-Beleuchtung besonders augenfällig seien
und dass man daher vermuthen könne, dass sie vorzugsweise von Dämmerungs-
Insekten befruchtet werden möchten. Mit dieser Behauptung stimmt es sehr gut
überein, dass die gegen Abend fliegenden Hesperiden, vorstehender Mittheilung
zufolge, sich violettfarbige Blumen gezüchtet haben.
I) Kosmos 1878/79. Bd. IV. S. 481, 482.
Oll a remarkable case of mimicry of Eueides pavana
with Acraea Thalia^).
(Letter to Mr. Meldola.)
Mr. Meldola communicated the following note on a remarkable case of
mimicry observed by Dr. Fritz Müller : — "I have just reared from the Caterpillar
State ten specimens (being five males and five females) of Eueides pavana. This is one
of our rarest butterflies, and I think I have not yet caught more than half-a-dozen,
all of which were females. These resemble Acrcea Thalia so closely that before they
are caught they can be distinguished only by the club of the antennse being
yellow, while it is black in Acrcea. Now in the male of Eueides pavana the club
of the antennse is black also, and this has no doubt been the cause of my never
catching any male. I know of no other case in which the males of a mimicking
butterfly resemble more closely the mimicked one than the females do, while the
inverse is well known to be of rather frequent occurrence."
r) Trans. Ent. Soc. London 187g. Proc. p. II.
42'
Epicalia Acontius^).
Ein ungleiches Ehepaar.
Mit 6 Textfiguren.
Ich lege dem Leser hier die Flügel zweier Schmetterlinge vor, in welchen
derselbe wohl kaum Mann und Weib einer Art vermuthen dürfte. Wenigstens
hat nicht nur Fabricius dieselben als zwei verschiedene Arten beschrieben, den
Fig. I. Fig. 2
Oberseite der Flügel von Epicalia Acontius Linn.
Fig I. Flügel des Weibchens (Papilio Medea Fabr.). Fig. 2. Flügel des Männchens (Papilio
Antiochus Fabr.)
Die Adening ist stärker ausgedrückt, als sie in Wirklichkeit erscheint. Auf den sammetschwarzen
Grunde, der an denjenigen Theilen der Unterflügel, die von den Oberflügeln oder dem Hinterleibe bedeckt
werden, einem stumpfen Schwarzgrau Platz macht, treten die Adern nur als schwarze Rippen hervor.
Mann als Papilio Antiochus, das Weib als Papilio Medea, und als solche erscheinen
sie noch 1869 in Butlers Verzeichniss der Fabrici us'schen Schmetterlinge,
sondern West w 00 d hat dieselben in dem Prachtwerke über die Tagfaltergattungen
sogar zu zwei verschiedenen Gattungen gestellt, zwischen die er nicht weniger
als fünfzehn andere einschob, den Mann zu Epicalia, das Weib zu Myscelia. Die
Leser von Darwin's „Descent of Man" werden sich vielleicht erinnern, dass er
bei Erörterung der geschlechtlichen Auslese dieses durch die ungewöhnliche Ver-
schiedenheit der Geschlechter veranlassten Missgriffs gedenkt, und es mag Manchem,
I) Kosmos 1878/79. Bd. IV. S. 285—292.
Epicalia Acontius.
66 1
der mit ausländischen Faltern wenig vertraut ist, erwünscht sein, ein Beispiel dieser
Verschiedenheit näher kennen zu lernen.
Von wem und auf Grund welcher Thatsachen die Zusammengehörigkeit der
beiden angeblichen Arten zuerst ausgesprochen worden ist, weiss ich nicht; doch
will ich zur Beruhigung etwaiger Zweifler bemerken, dass dieselbe auch nach
meinen Erfahrungen kaum einem Bedenken unterliegen kann. Von einer ähn-
lichen Art (Epicalia Numilia, — das Weibchen hiess früher Myscelia Micalia)
habe ich die beiden nicht minder verschiedenen Geschlechter aus Raupen gezogen,
und Antiochus würde hier ohne Weib, Medea ohne Mann sein, falls die beiden
nicht als Gatten zusammengehörten.
Fig. 3. Fig. 4.
Flügel der beiden Geschlechter von Epicalia
Acontius über einander gelegt.
l'ig- 3- Vorderflügel, Fig. 4. Plintcrflügel.
(5 Männchen (Antiochus), Q Weibchen (Medea).
Fig. 5. Fig. 6.
Lage der Flügel beim fliegenden oder mit aus-
gebreiteten Flügeln sitzenden Schmetterlinge.
Fig. 5. Antochius, Fig. 6. Medea.
Die Abbildung zeigt nur Umriss und Zeichnung, nicht die Farbe der Flügel;
die Grundfarbe ist bei beiden Geschlechtern schwarz, beim Männchen von sammet-
artigem Aussehen ; die helleren Farben sind blass schwefelgelb bei Medea, leuchtend
orange bei Antiochus. Die Vorderflügel des letzteren legen sich so weit über die
Hinterflügel, dass die Flecken beider Flügel einen einzigen bilden, und, nur durch
den schmalen Hinterleib getrennt, der an dieser Stelle einen Anflug derselben
Farbe zeigt, erscheinen die Flecken beider Seiten als zusammenhängendes breites
Querband. Bei Medea werden die ausgebreiteten Flügel so gehalten, dass die
Flecken aller vier Flügel drei gerade, gleichlaufende Querbinden bilden, welche
durch gleichgefärbte Flecken auf dem Leibe des Falters vervollständigt werden.
Ausser der blassgelben Zeichnung trägt jeder Flügel von Medea einen kleinen
zimmetbraunen Fleck.
In ähnlicher Weise unterscheiden sich in Zeichnung und Farbe die beiden
Geschlechter von Epicalia Numilia. Bei Epicalia Acontius tritt dazu noch eine
sehr erhebliche Verschiedenheit des Flügelschnittes.
Zunächst verläuft bei Medea, wie bei beiden Geschlechtern von Epicalia
Numilia, der Hinterrand der Vorderflügel in gerader Linie, während er bei An-
tiochus stark gekrümmt ist; ebenso ist auch der Vorderrand der Hinterflügel bei
diesem weit stärker gekrümmt, als bei jener. In Folge davon greifen die Flügel
von Antiochus bei weitem mehr über einander; fast die halbe Breite der Hinter-
flügel ist unter den Vorderfügeln versteckt; die zwischen beiden Flügeln ver-
borgene Fläche ist reichlich doppelt so breit bei Antiochus, als bei Medea.
^^ -, Epicalia , Acontius.
Nun, solche gekrümmte Ränder, welche die zwischen den Flügeln ein-
geschlossene Fläche vergrössern, pflegen ein unfehlbares Zeichen einer an dieser
Stelle versteckten Duftvorrichtung zu sein. Wie sehr man sich auf dieses An-
zeichen verlassen kann, dafür ein Beispiel, welches mich selbst überrascht hat.
Einer anderen Frage wegen sah ich vor einigen Monaten Doublcday's
Schilderung der Gattung Ageronia durch und stiess bei der Beschreibung der
Vorderflügel auf die früher nicht beachteten Worte: „the inner margin in the
male occasionally dilated" (Innenrand beim Männchen bisweilen erweitert). Sofort
griff ich zum Netz, ging in meine Bananenpflanzung, wo damals einige übereife
Früchte nicht selten von Ageronien besucht wurden, fing auch glücklich ein
Männchen der prächtig blauen Ageronia Arethusa und wusste wenige Minuten
nach dem Lesen jener Worte, dass dieses Männchen einen ziemlich starken
Geruch besitzt, der von grossen, doch wenig \on ihrer Umgebung abstechenden,
zwischen den Flügeln verborgenen Duftflecken ausgeht. — Auch bei Antiochus
trügt dieses Zeichen nicht; er trägt zwischen den Flügeln eine hochentwickelte,
starkriechende Duftvorrichtung, auf die ich später zurückkommen werde, und
durch welche die starke Krümmung der übereinandergreifenden Flügelränder be-
dingt wurde und erklärt wird. Wem darüber ein Zweifel bleiben sollte, der be-
trachte das ganz ähnliche Männchen der Epicalia Numilia, dessen sammetschwarze
Flügel ebenfalls mit leuchtend orangefarbenen Flecken prangen ; ihm fehlt die
Duftvorrichtung vollständig und die betreffenden Flügelränder verlaufen genau
wie beim Weibchen. Eine zweite Verschiedenheit des Flügelschnittes, die auch
bei anderen Epicalien wiederkehrt (z. B. bei Numilia), und über deren Bedeutung
ich nichts zu sagen weiss, besteht darin, dass bei Medea der Vorderflügel länger
ist und seine Spitze fast sichelartig über den ausgebuchteten Aussenrand vorspringt.
Wenden wir uns nach Erledigung des Flügelschnittes wieder zu Zeichnung
und Farbe. Wenn sonst bei Faltern oder Nachtschmetterlingen Mann und Weib
so verschiedenes Gewand tragen, dass dadurch ihre Zusammengehörigkeit ver-
hüllt wird, so pflegt das Weibchen entweder in der Unscheinbarkeit seines eigenen
Kleides oder, wenn es grelle Farben zeigt, in der Nachahmung einer anderen
Art Schutz zu finden. Ersteres gilt z. B. für Thecla Hemon; das Weibchen ist
düsterbraun, das Männchen (Thecla Acmon) glänzend blau. Letzteres sehen wir
bei Dyschema Amphissa; das Männchen ist weiss, das bunte Weibchen ist einer
der zahlreichen Nachahmer von Acraea Thalia. — Weder das Eine, noch das
Andere ist bei Epicalia Acontius der Fall. Medea trägt kein fremdes Kleid; denn
nicht nur fehlen hier ähnliche, nicht verwandte Falter, die als Vorbild hätten
dienen können, sondern — was schwerer wiegt — eine ähnliche Zeichnung kehrt
wieder bei einer ganzen Zahl von Arten derselben und verwandter Gattungen.
Das Weibchen von Myscelia Orsis z. B. zeigt genau dieselben drei gleichlaufenden
Fleckenreihen. — Noch weniger wird man Medea unscheinbar nennen können;
das helle, grelle Gelb auf schwarzem Grunde macht sie weithin sichtbar. Gerade
in letzter Zeit habe ich mehrfach Gelegenheit gehabt, sie neben ihrem Manne auf
Bananen sitzen zu sehen, und stets ist mir, wenn ich von ferne herankam, das
Weibchen zuerst in die Augen gefallen. Uebrigens scheint Medea auch mehr
noch als Antiochus das Sitzen mit ausgebreiteten Flügeln zu lieben.
Epicalia Acontius. 56^
Woher also die so auffallende, in Zeichnung und Farbe gleich stark ausgeprägte
Verschiedenheit zwichen Mann und Weib? — Nach der von Darwin (Descent
of Man. I., p. 388) gegebenen Auseinandersetzung darf es als erwiesen gelten, so
gut eben in derlei Fragen etwas zu erweisen ist, dass die Stammform der Gattung
in ähnlicher Weise gezeichnet war, wie jetzt Medea und die Weibchen mancher
anderen Arten aus denselben und aus verwandten Gattungen, und dass, wenn statt
dessen heute auf den Flügeln von Antiochus im Sammetschwarz das „Goldorange
glüht", dies der von den Weibchen geübten geschlechtlichen Auslese zu danken ist.
Wie aber steht es mit Medea? Ist bei ihr die früher beiden Geschlechtern
gemeinsame Trac^ht einfach durch Vererbung erhalten worden, ohne jetzt eine
weitere Bedeutung zu haben, oder hat sie eine solche und welche? Ist sie Putz-
oder Trutzfärbung, oder beides? — denn das Eine schliesst das Andere nicht aus.
Theile ich auch nicht Professor Gustav Jaeger's Ansicht, dass Gelb in
der Regel Trutzfarbe sei ^), so möchte ich doch die Möglichkeit nicht in Abrede
stellen, dass es bei Medea als solche diene. Wenn Epicalia Acontius, Mann oder
Weib, von einer Banane aufgescheucht, an der sie saugten, sich ganz in der Nähe
mit flach ausgebreiteten Flügeln auf ein Bananenblatt setzen, so sieht das ganz
aus, als wollten sie sagen: „Seht mich doch an! was wollt ihr von mir?" —
Immerhin aber würde dies nur die Erhaltung der ursprünglichen Farbe
und Zeichnung oder ihre Fortbildung zu noch grellerer Augenfälligkeit er-
klären , nicht aber die Weise , in der sie sich bei den Weibchen einiger
verwandten Arten umgestaltet hat. Leider kenne ich von diesen Arten nur
sehr wenige, Epicalia Numilia und Myscelia Orsis lebend, Epicalia Chromis
und Myscelia Cyaniris aus Abbildungen. Bei Epicalia Chromis und Myscelia
Orsis ist die Zeichnung kaum von der unserer Medea verschieden, bei M3^scelia
Cyaniris bilden die Flecken sechs statt drei Querbinden (weiss auf blauem Grunde ;
ich weiss nicht, welchen Geschlechts das abgebildete Thier ist), beim Weibchen
von Numilia sind die Flecken grossentheils geschwunden und eine breite gelbe
Binde geht auf den Vorderflügeln schief vom Vorderrande nach der Hinterecke
zu. Diese Umprägung der ursprünglichen Zeichnung in neue ansprechende
Muster hat wohl kaum anders vor sich gehen können, als unter der Leitung eines
Auges, das an ihnen Gefallen fand, also durch geschlechtliche Auswahl von Seiten
der Männchen. Danach wären die Männchen der Geschmacksrichtung, wie sie
schon die gemeinsamen Vorfahren der Gattungen Myscelia und Epicalia besassen,
theils vollständig treu geblieben, theils hätten sie sich nur wenig von derselben
entfernt, während die Weibchen der meisten Arten seit lange einer völlig neuen
Geschmacksrichtung huldigen. „Denn das Weib ist falscher Art und die Arge
liebt das Neue".
i) Kosmos. Bd. I. S. 486 ff. — Ich komme vielleicht später ausführlich auf diese Frage zurück.
Für jetzt mir eine thatsächliche Berichtigung. Orangen sind keineswegs durch die gelbe Farbe und das
flüchtge Oel ihrer Schale vor Vögeln geschützt. Im Gegentheil lockt kein anderes Obst eine solche Menge
und Mannigfaltigkeit gefiederter Gäste aus dem Walde herbei, wie eben die Orangen. Dazu kommt ein
Heer aller möglichen Kerfe: Wespen, Wanzen, Käfer, FHegen, Schmetterlinge. Schon Darwin sah bei
Rio de Janeiro Ageronia besonders zwischen Orangenbäumen. — Wenn J a e g e r bei Begründung seiner
Ansicht das stechende Wespen- und Hornissenvoik voranstellt, das in den Farben Oesterreichs trutzt, so
lässt sich diesem die Korallenschlange gegenüberstellen, die die Farben des deutschen Reiches trägt.
(f(fA Epicalia Acontius.
Dabei wäre noch zweierlei zu bemerken. Erstens pflegt man, nach D a r -
w i n ' s Vorgange, bei der geschlechtlichen Auslese meist nur den „Wettkampf
der Männchen um den Besitz der Weibchen" zu berücksichtigen. Indess ; hat
schon Haeckel (Generelle Morphologie 1866. IL S. 244) mit Recht hervorgehoben,
dass, wie unser eigenes Beispiel lehrt, es ebenso einen „Wettkampf der Weibchen
um den Besitz der Männchen" giebt und dass die „männliche Zuchtwahl" eben-
so umgestaltend auf die Weibchen wirken muss, wie die „weibliche Zuchtwahl"
auf die Männchen. Dass auch bei den Schmetterlingen eine solche von den
Männchen geübte Wahl sich beobachten lässt, darauf habe ich bereits in diesen
Blättern (Kosmos, Band IL S. 42) ^) hingewiesen. Dass aber — dies wäre das
Zweite — die beiden Geschlechter ganz v^erschiedenen Geschmack zeigen, auch
dafür geben ja wir selbst das Beispiel. Vieles, was wir als geistigen oder leib-
lichen Vorzug an Frauen schätzen, würde diesen und würde uns selbst an
Männern missfallen und umgekehrt. Doch fehlt es auch nicht an unzweideutigen
Beispielen unter den Schmetterlingen selbst, wenn auch auf dem Gebiete eines
anderen Sinnes. Hat ein Männchen, etwa von Callidryas Argante, lange ein
Weibchen umflattert und mit dem Bisamhauch seiner Flügel umduftet, und zeigt
sie endlich sich bereit, ihm zu willfahren, indem sie die Flügel ausbreitet und
das Hinterleib-Ende emporhebt, — so sieht man nicht selten, dass der Bewerber
noch einige Mal um sie herum und dann auf Nimmerwiedersehen davon fliegt.
Nun aber ist das Einzige, was das Männchen erst jetzt an dem umworbenen
Weibchen kennen lernt, der eigenthümliche Duft, welcher von den jetzt zum
ersten Male vor ihm cntblössten Theilen am Ende des Hinterleibes ausgeht. Nur
dieser also kann noch im letzten Augenblicke entscheidend auf ihn wirken. Bei
den Weibchen von Callidryas ist dieser Geruch sehr stark und, w^orauf es hier
ankommt, er ist nicht moschusartig, sondern säuerlich, himmelweit verschieden
von dem Flügelduft der Männchen.
Wie nun aber auch die Erhaltung und bei einigen Arten die mehr oder
minder erhebliche Umgestaltung der Mcdea-Zeichnung geschehen sein mag', von
jener Zeit ab, wo sie noch beiden Geschlechtern der Vorfahren in gleicher Weise
zukam. Eines lässt sich mit voller Zuversicht aussprechen: Entstanden sein kann
diese so auffallende und eigenatige Zeichnung der Medea weder durch den allei-
nigen Einfluss äusserer Verhältnisse (Wärme, Feuchtigkeit, Nahrung u. s. w.),
noch durch innere „Wachsthumsgesetze", noch endlich allein durch natürliche Züch-
tung als Trutzfärbung, sondern hauptsächlich und wesentlich nur durch geschlecht-
liche Auswahl. Dass äussere Verhältnisse Farbe und Zeichnvmg der Schmett(T-
linksflügel beeinflussen können, hat Weismann überzeugend nachgewiesen;
ebenso zeigte derselbe, dass Zeichnungen, die durch solche oder andere Verhält-
nisse auf irgend einem Ringe einer Raupe entstanden, nicht selten auf andere
Ringe sich ausbreiten. Dasselbe wird an den Flügeln der Fiilter geschehen
können. Zeichnungen, die aus irgend welcher Ursache in irgend einer Plügcl-
zelle auftraten, werden an entsprechenden Stellen der übrigen Zellen sich wieder-
holen können. Soweit solche Zeichnungen als Widrigkeitszeichen dienen, können
sie durch natürliche Züchtung grellere Farben erhalten und sich vergrössern. So
i) Siehe Ges. Schriften, S. 597.
Epicalia Acontius. 665
könnte aus einem einfarbig"cn grauen oder braunen ein bunter Schmetterling
werden, und die an entsprechenden Orten der verschiedenen Flügelzellen sich
wiederholenden Zeichnungen würden dann meist nicht verfehlen, einen angenehmen
Eindruck auf uns zu machen. Es könnte so ein für uns schöner Schmetterling
entstehen, ohne dass irgend welche Auslese in Bezug auf Schönheit stattgefunden
hätte. Allein dies hat seine leicht zu bezeichnenden Grenzen. Allen diesen blind
wirkenden Ursachen ist es gleichgiltig, was aus ihnen hervorgeht, ob z. B. die
Zeichnung der Vorder- und Hinterflügel zusammenpasst oder nicht, und ob dies
in der einen oder anderen Stelkmg der Flügel geschieht. Wo wir also etwa eine
gerade Linie sehen, die ununterbrochen über die Oberseite der Vorder- und
Hinterflügel hinweggeht, und zwar nur bei einer einzigen, ganz bestimmten Hal-
tung der Flügel wie sie der Schmetterling beim Fliegen oder beim Sitzen mit
ausgebreiteten Flügeln annimmt, während bei jeder anderen gegenseitigen Lage
der Flügel die Linie entweder unterbrochen oder geknickt erscheint^), — da
dürfen wir mit an Gevvissheit grenzender Wahrscheinlichkeit behaupten, dass ein
überwachendes Auge bei der Entstehung dieser Linie mitgewirkt hat. Dasselbe
gilt für alle zusammenhängenden oder zusammenstimmenden Linien, die durch
nicht entsprechende Punkte der verschiedenen Flügelzellen hindurchdringen.
Sehen wir uns Medea hierauf an. Wie gesagt, bilden die schwefelgelben
Flecken drei gleichlaufend über alle vier Flügel hinwegziehende Querbinden,
jedoch nur bei einer ganz bestimmten gegenseitigen Lage der Flügel. Die
Regelmässigkcit hört sofort auf, sobald man die Vorderflügel weiter nach vorn
zieht oder nach hinten schiebt; im ersteren Falle stossen nicht nur die betreffen-
den Fleckenreihen der Vorder- und Hinterflügel nicht mehr aneinander, sondern
es treten auch die Flecken am Vorderrande der Hinterflügel zu Tage, die mit
den übrigen nicht in gerader Linie liegen und vorher durch die Vorderflügel
bedeckt wurden. In Betreff des zweiten oben bezeichneten Merkmals ist be-
sonders die hintere Fleckenreihe der Hinterflügel beachtenswerth ; in jeder Flügel-
zelle liegt ein gelber Fleck, jedoch nicht an entsprechenden Punkten der einzelnen
Zellen; denn in letzterem Falle würden sie einen Bogen bilden und nicht eine
gerade Linie. Dass nun der Schönheitssinn eines prüfenden Auges es war, der
den ursprünglichen Bogen zur geraden Linie streckte, das kann kaum schlagen-
der bewiesen werden, als dadurch, dass die beiden vordersten, diesem Auge un-
zugänglichen, weil durch die Vorderflügel bedeckten Flecken dieser Reihe ihre ur-
sprüngliche Lage bewahrt haben und aus der geraden Linie der übrigen heraustreten.
Wahrscheinlich waren es die Weibchen, welche, unter den Männchen wählend,
zuerst bei diesen die eigenthümliche Medea-Zeichnung ausbildeten. Später wurde
dieselbe auch auf die Weibchen übertragen und hat sich bei ihnen in mehreren
Arten bis zum heutigen Tage erhalten. Der Geschmack der Weibchen änderte
i) Schmetterlingsspiesser, die die Flügel aller Falter nach derselben Schablone auseinanderspreizen,
verhunzen dadurch oft vollständig die eigenthümliche Schönheit ihrer Zeichnung. So erscheinen in den
nach solchen verzerrten Leichen gemachten Abbildungen von Miscelia Cyaniris und Chromis in Double-
day's Gen. of Diurn. Lep. PI. XXVII. Fig. i u. 2 die Vorderflügel viel zu weit nach vorn gezogen.
Noch mehr verunstaltet erscheint Epicalia Pierretii in der Abbildung PI. XXIX. Fig. 4, welcher gewiss
Niemand ansieht, dass die grossen orange Flecken der rechten und linken Seite eine einzige zusammen-
hängende Querbinde bilden. —
fj^(f Epicalia Acontius.
sich im l^aufe der Zeit, und dadurch wurden die Männchen vollständig umge-
prägt, Zeichnung und schmückende Farbe der Flügel völlig verändert.
Die kleinen zimmetfarbenen Flecken, von denen eines auf jedem Flügel von
Medea steht (doch nicht an entsprechenden Stellen, auf den Vorderflügeln in
Zelle 5, auf den Hinternflügeln in Zelle i), sind sehr veränderlich in Grösse und
Schärfe des Umrisses und dadurch in ihrer Augenfälligkeit. Ist es ein werdender
oder ein vergehender Schmuck? Da sie sich nicht nur bei der sehr ähnlichen
Epicalia Chromis, sondern auch bei dem in der Zeichnung schon recht abweichen-
den Weibchen der Epicalia Numilia, ja sogar, wenigstens an den Hinterflügeln,
bei dem Männchen von Epicalia Pierretii wiederfinden, so stammen sie jeden-
falls nicht aus neuester Zeit. Vielleicht ist in ihnen ein letzter Rest einer dritten,
noch älteren Ausschmückung der Epicalien erhalten.
Hiermit schliesse ich die Betrachtung unseres ungleichen Ehepaares und
will nur noch hinzufügen, dass dasselbe nur einen besonders ausgezeichneten
Fall in einer langen Reihe ähnlicher bildet! Wohl bei den meisten Faltern mit
deutlich ausgeprägter Geschlechtsverschiedenheit, bei welchen die Färbung des
Weibchens diesem nicht zum Schutze oder Trutze dient, zeigen uns Farbe und
Zeichnung der Weibchen eine ältere, die der Männchen eine neuere Geschmacks-
richtung der Art. Es darf, wem reiche Sammlungen offen stehen, hieran die
Hoffnung knüpfen, mit Aussicht auf Erfolg die Frage in Angriff nehmen zu
können, was denn überhaupt Schmetterlinge schön finden und wie sich bei ihnen,
je nach den verschiedenen Familien, Gattungen, Arten, der Schönheitssinn ent-
wickelt und im Laufe der Zeit fortgebildet habe.
Vergleicht man nun noch die Duftvorrichtungen der Antirrhaea Archaea
mit denen der Epicalia iVcontius, welche ich oben beschrieb, so findet man eine
fast vollständige Uebereinstimmung. Bei beiden Arten sind die übereinander-
greifenden Ränder beider Flügel im männlichen Geschlechte bedeutend erweitert
und gebogen; bei beiden ist die Unterfläche der Vorderflügel ausgerüstet mit
einer Mähne langer Haare, welche längs der Innenrandsader entspringen und
einen bei Epicalia Acontius wohlentwickelten, bei Antirrhaea Archaea kaum an-
gedeuteten Duftfleck bedecken. Gegenüber der Mähne liegt bei beiden Arten
auf der Oberseite der Hinterflügel ein Duftfleck, dessen mittlerer Theil den Winkel
zwischen den beiden Aesten der Subcostal-Ader einnimmt und von da in die
drei anstossenden Flügelzellen übergreift.
Das Alles wäre nun sehr einfach und würde sich sehr leicht erklären, wenn
die beiden Arten zu derselben oder zu nahe verwandten Gattungen gehörten,
wenn also alle jene Merkmale, in denen ihre Duftwerkzeuge übereinstimmen, von
gemeinsamen Vorfahren abgeleitet werden könnten. Doch dem ist nicht so. Sie
gehören zu sehr verschiedenen Unterfamilien, Antirrhaea zu den Sat3'^rinen, Epi-
calia zu den Nymphalinen, und zudem entbehren viele der nächsten Verwandten
der einen wie der anderen Art ähnlicher Vorrichtungen ; Duftwerkzeuge fehlen
z. B. vollständig bei Epicalia Numilia. Es kann daher kein Zweifel darüber be-
stehen, dass die Duftvorrichtungen sich unabhängig von einander bei den zwei
Arten entwickelt haben und dass Alles, was sie Gemeinsames haben, einzig dem
Umstände zuzuschreiben ist, dass sie sich derselben Verrichtung angepasst haben.
Die beiden Duftwerkzeuge sind also nicht stammverwandt (homolog), sondern ein-
Epicalia Acontius. 55y
fach formverwandt (analog) und liefern ein Beispiel, und zwar eins der bemerkens-
werthesten, der „Convergenz", wie man neuerdings die Aehnlichkeit genannt hat,
die nicht auf Ererbung beruht, sondern von Anpassung an gleiche Verhältnisse
herrührt.
Ich kenne keinen anderen Fall, der so klar und eindringlich die Wahrheit
eines Satzes bewiese, den man bei morphologischen Untersuchungen nie aus den
Augen verlieren sollte, nämlich: Wenn bei zwei Arten gewisse Werkzeuge, die
derselben Verrichtung dienen, an gleichem Orte sich finden und aus denselben
Theilen in derselben gegenseitigen Lage und von ähnlicher Form bestehen, so
liefert alles dies für sich allein noch keinen vollgültigen Beweis dafür, dass diese
Werkzeuge „homolog" sind, — selbst dann nicht, wenn beide Arten derselben
Familie angehören.
Kritik über^)
Dr. Paul Kramer: Theorie und Erfahrung, Beiträge zur Beurteilung des
Darwinismus, Halle, L. Nebert 1877^).
„Die Principien des Darwinismus können zur Erklärung der
Thatsachen nichts beitragen, durch sie wird k eine u ns vor Augen
liegende Wirklichkeit verständlich. Dies das kurze Resultat
und das einfache Ergebniss vorstehender theoretischer Betrach-
tungen." So verkündet Verf. am Schlüsse des ersten, „mathematische Ent-
wickelungen" überschriebenen Capitels seiner Schrift.
Diese „mathematischen Entwickelungen" erklärt Prof. S. Günther (Kosmos,
III. S. 292) für „planmässiger, umfassender und deshalb auch wichtiger", als ver-
schiedene früher gegen den Darwinismus gerichtete mathematische Betrachtungen
und glaubt, „der gebotenen Leistung einen entschiedenen Werth zusprechen zu
müssen." Nur dieses einer so berufenen Feder entflossene günstige Urtheil ver-
imlasst mich, auch meinerseits über die genannte Schrift mich auszusprechen ;
sonst würde ich dieselbe der Beachtung nicht werth halten und den Verf. nicht
in dem stolzen Bewusstsein stören, Darwin gründlich abgeführt zu haben.
Prof. Günther hat sich, als Mathematiker, „vornehmlich mit dem Gange
der Untersuchung beschäftigt, die empirische Grundlage der Prüfung Anderen
überlassend"; als Nicht-Mathematiker werde ich umgekehrt hauptsächlich die
Voraussetzungen ins Auge fassen, auf welchen Verf. seine „mathematisch ein-
gekleideten Schlüsse" aufbaut,
Verf. stellt sich die Aufgabe, darzulegen, wie weit auf dem Gebiete der
secundärcn Geschlechtscharaktere „die Darwinistische Methode eine natürliche
und der Wahrscheinlichkeit nach zum Ziele führende" ist. Behufs der „Ent-
wickelung einer Fundamentalformel" werden nun im ersten Abschnitt der matl)e-
matischen Entwickelungen folgende „Vorbedingungen" aufgestellt:
Erste Vorbedingung. Es seien pa Weibchen und ma Männchen einer
Thierart in einem gewissen Gebiete vorhanden. Letztere allein mögen nach einer
bestimmten Richtung veränderlich sein und zwar mögen immer - derselben
während der Entwickeln nif zum reifen Alter abändern, also n unverändert
bleiben. Der Bruch ~ wird Variabilitätscocfficient g-enannt. — Zunächst
i) Kosmos 1878/79. Bd. IV. S. 495 — 502.
2) Dem Referenten erst im September 1878 zugegangen.
Kritik über Dr. P. Kramer.
669
ein Wort über die vom Verf. eingeführte Bezeichnung. Es handelt sich in der
ganzen Untersuchung nie um die absolute Zahl der Weibchen und Männchen,
sondern stets nur um deren Verhältnisszahl ; warum also nicht einfach sagen : die
Zahl der Männchen sei das m fache von der der Weibchen, wo m ein beliebisfer
echter oder unechter Bruch sein kann; weshalb drei Buchstaben, a, p, m, wo
einer genügt? Und warum für den Variabilitätscocfficienten zwei Buchstaben,
wo einer ausreicht? Dieselbe eigenthümliche Art der Bezeichnung wiederholt
sich auch später; für fünf in Betracht gezogene Grössen kommen zehn Buch-
staben zur Verwendung. Schon dadurch erhalten die „mathematischen Entwicke-
lungen" eine gewisse schwerfällige Unbeholfenheit, durch die sie auch sonst sich
auszeichnen, und die Fundamentalformel gewinnt sicher nicht an Uebersichtlich-
keit und Verständlichkeit dadurch, dass die Grössen, auf welche es ankommt, als
solche gar nicht darin auftreten.
Der Variabilitätscoefficient wird, ohne dass dies irgendwo ausdrücklich ge-
sagt wird, (der Verf. scheint es als selbstverständlich anzusehen) als gleichbleibend
angenommen. Er soll der gleiche sein für Thiere, deren Vorfahren seit langer
Zeit unverändert geblieben, und für Thiere derselben Art, deren Vorfahren in
dieser Zeit von Geschlecht zu Geschlecht sich fortwährend geändert haben. Wer
die Darwin' sehe Theorie an der Erfahrung zu prüfen unternimmt, der sollte
doch wissen, dass eine solche Annahme unvereinbar ist mit den allbekannten,
Jahr für Jahr tausendfältig aufs Neue bestätigten Erfahrungen der Gärtner und Thier-
züchter.
Zweite Vorbedingung'. „Die Anzahl der Jungen betrage stets das
r fache der vorhandenen Paare. Die Zahl r heisse der V ervielfältig u ngs-
coefficient. Er ist unter allen Umständen eine ganze Zahl," — Unter allen
Umständen? Doch wohl nur dann, wenn alle Paare gleich fruchtbar sind. Und
das ist ein Umstand, der in der Wirklichkeit vielleicht niemals eintritt. Immer
oder fast immer schwankt die Zahl der Jungen in engeren oder weiteren Grenzen.
Mögen bi, bg, bg . . , bp die Anzahl der Jungen, je eines der p in einem Ge-
biete vorhandenen Paare bezeichnen, so ist allerdings jede dieser Zahlen eine
ganze Zahl und ebenso Sb = pr ; die Wahrscheinlichkeit aber, dass auch r = —
I P
eine ganze Zahl sei, ist =-. Wie gross ist also z. B. die Wahrscheinlichkeit
des nach dem Verf. „unter allen Umständen" eintretenden Falles, dass r eine
ganze Zahl ist, für die Ehen im deutschen Reiche? Unter allen Umständen be-
weist der Verf. durch diese wunderliche Behauptung, die übrigens ohne Einfluss
ist auf den Gang der mathematischen Entwickelungen, wie vollberechtigt gerade
er ist, den Darwinisten Mangel an Vorsicht, Klarheit und Schärfe vorzuwerfen.
In derselben „zweiten Vorbedingung" wird die Annahme gemacht, die wir
uns merken wollen, „dass eine besondere Auswahl von Seiten der Weibchen oder
Männchen nicht eintrete."
Dritte Vorbedingung. „Nach der Erzeugung der Jungen mögen die
alten Thiere sämmtlich zu Grunde gehen." Passt für zahlreiche Thiere.
In der vierten Vorbedingung wird der Bruchtheil von unveränderten
t^
Eltern abstammender Jungen, der während des Heranwachsens stirbt, mit - be-
670
Kritik ülier Dr. P. Kramer.
zeichnet und Abnahm ecoe ff icient genannt; es wird angenommen, dass dieser
Abnahmecoefficient „bei zunehmender Variirung" sich ändere, und zwar bei ein-
^1 . t^ P^ . t^ 20^
mal variirten Thieren um — • -^—, bei zweimal variirten um — • -^ u. s. w., so dass
t p t p
also „der Abnahmecoefficient im Verhältniss der abgelaufenen Variationsperiode
sich ändert." Worauf gründet sich diese Annahme? Wenn durch den Kampf
ums Dasein eine natürliche Auslese stattfindet, dann allerdings wird in Folge der
Auslese, aber nicht als unmittelbare Folge der Abänderung, der Abnahmecoeffi-
cient, oder sagen wir kürzer die Sterblichkeit der bevorzugten Varietäten kleiner,
diejenige der in ungünstiger Richtung abweichenden grösser sein, als die der
unveränderten Thiere. Wo aber keine Auslese eintritt, da besteht kein noth-
wendiger Zusammenhang zwischen Abänderung und Sterblichkeit. Und selbst
zugestanden, dass jede Abänderung auch die Sterblichkeit der heranwachsenden
Jungen irgendwie beeinflusse (warum nicht ebenso den „Variabilitäts-" und den
„Vervielfältigungscoefficienten?"), zugestanden, dass der Abnahmecoefficient eine
Funktion sei der „abgelaufenen Variationsperiode", woher in aller Welt die Be-
rechtigung zu der Annahme, dass die Veränderung des ersteren den letzteren
proportional sei? — Wir wissen nicht, ob überhaupt y == f (x). Was schadet es?
Nehmen wir an, es sei y = C x! Gewiss ein gutes Beispiel der „äussersten Vor-
sicht", mit welcher Verf. (S. 68) sich bewusst ist, zu Werke gehen zu müssen. —
Und wenn nun das Variiren eine Aenderung der Sterblichkeit zu Wege bringen
soll, weshalb soll diese Aenderung erst bei den Jungen der variirenden Thiere
eintreten, wie in des Verf. mathematischen Entwickelungen, und nicht schon bei
den variirenden Thieren selbst? — Die ganze Annahme ist aller thatsächlichen
Begründung bar, aufs Gerathewohl aus der Luft gegriffen.
Schlimmer noch steht es mit der fünften Vorbedingung; denn sie
schlägt allen Thatsachen geradezu ins Gesicht. „Die Anzahl der Männchen,
sowie der Weibchen mögen sich im Laufe der Zeiten nicht än-
dern."!!! Vermag der Verf. ein einziges Dorf, eine Stadt, ein Land aufzuzeigen,
dessen Bewohnerzahl nicht „im Laufe der Zeiten", nein, nur im Laufe eines ein-
zigen kurzen Menschenalters sich nicht geändert? Vermag er eine einzige Thier-
oder Pflanzenart nachzuweisen, für welche, nur während zehn oder zwanzig
Generationen, ein unveränderter Bestand nicht bewiesen, nein, nur wahrscheinlich
gemacht werden kann? Von selteneren Thieren und Pflanzen weiss ja jeder
Sammler, wie sehr ihre Zahl in verschiedenen Jahren wechselt; ebenso ist es von
schädlichen Thieren bekannt, wie ihre Zahl bald rasch zu einer allgemeinen Land-
plage anschwillt, bald ohne menschliches Zuthun ebenso rasch zurücksinkt. Bei
anderen Arten pflegt man ihre wechselnde Häufigkeit weniger zu beachten ; doch
könnte ich eine lange Reihe einschlägiger Beispiele anführen. Es ist ja übrigens
dieses Auf- und Abwogen im Kampfe ums Dasein, bei deiji ewigen Wechsel
der äusseren Verhältnisse (Wetter u. s. w.), selbstverständlich. Es mag hier zu
Lande, wo der Einfluss des Menschen noch verschwindend klein ist, vielleicht
mächtiger hervortreten, als wo Feld und Wald seit lange dem Anbau und der
Pflege des Menschen unterworfen wurden. Für die Wirksamkeit natürlicher Aus-
lese sind, beiläufig bemerkt, die Zeiten äusserster Bedrängniss, durch die wohl
jede Art wiederholt hindurchgehen muss, von der grössten Bedeutung.
Kritik über Dr. P. Kramer.
671
Aber wie kommt der Verf. zu dieser Annahme von der Unveränderlichkeit
der Individuenzahl, welche die Lehre von der Unveränderlichkeit der Arten
weit hinter sich lässt ? Er giebt uns selbst die Antwort : „Unter dieser Bedingung
ist es möglich, die Resultate zu einer Gleichung zusammenzufassen". Die An-
nahme ist also einfach gemacht, weil Verf. sie für nöthig hielt, um eine „Funda-
mentalformel" zu gewinnen , um dem Darwinismus mit „mathematischen Ent-
wickelungen" zu Leibe gehen zu können. Ob sie wahr sei, oder auch nur wahr-
scheinlich, ist Nebensache. Kümmerte sich Virchow um die Wahrheit der
gehässigen Denunciation, die er in München gegen den Darwinismus schleuderte?
Sechste Vorbedingung, i) „Jedes Männchen möge sich immer nur
mit einem einzigen Weibchen paaren und 2) diejenigen Männchen oder Weibchen,
welche nicht beim ersten Male (?) einen Gefährten finden, mögen unfruchtbar zu
Grunde gehen." Ersteres gilt für einzelne Thiere; was der zweite Theil der An-
nahme sagen soll, ist mir unerfindlich.
Siebente Vorbedingung. „Eine einmal gewonnene Charaktereigen-
thümlichkeit werde ungeschwächt auf die männlichen Jungen vererbt. Diese
Vorbedingung ist der Ausdruck eines Hauptgedankens der Darwinistischen Theorie
und wird hier zu Grunde gelegt, da die Betrachtungen sich zunächst ganz eng
an die Grundsätze des Darwinismus anschliessen sollen." — Aber wo hat Dar-
win, wo hat einer seiner Anhänger, je eine ähnliche, aller Erfahrung zuwider-
laufende Behauptung ausgesprochen? Welchem Thier- oder Pflanzenzüchter fällt
es ein, eine „einmal gewonnene Charaktereigenthümlichkeit" sofort als sicher be-
festigt zu betrachten und auf ihre „ungeschwächte" Vererbung zu rechnen? So-
weit mir bekannt, haben alle Darwinisten, die über Vererbung gesprochen, dabei
stets den Rückschlag im Auge behalten. — Wie verträgt sich übrigens mit dem
hier vorgegebenen ganz engen Anschlüsse an die Grundsätze des Darwinismus
der kurz vorher aufgestellte ultra-immutabilistische Satz von der Unveränderlich-
keit der Individuenzahl?
Dies sind die Annahmen, an welche sich des Verf. „mathematisch einge-
kleidete Schlüsse" knüpfen. Zum Theil, und es sind dies gerade die wichtigsten,
sind sie willkürlich aus der Luft gegriffen oder stehen in offenem Widerspruche
mit aller Erfahrung, zum Theil haben sie nur eine beschränkte Gültigkeit, während
der Rest nur eine Bezeichnung gewisser Verhältnisse durch Buchstaben enthält
Ich verliere kein Wort über den Werth, der demnach den Ergebnissen des Verf.
beizulegen ist.
Im zweiten Abschnitte der „mathematischen Entwickelungen" wendet Verf.
die gewonnene Fundamentalgleichung an auf den Fall , dass die Anzahl der
Männchen das m fache von der Anzahl der Weibchen ist" und stellt sich als
Hauptaufgabe, „die nach x Generationen vorhandene Anzahl von veränderten
und unveränderten Männchen zu bestimmen". Es wird dabei die Ansicht aus-
gesprochen und der Rechnung zu Gnmde gelegt, dass „eine ererbte und eine
selbst erfahrene Veränderung wesentlich gleichbedeutend sind". — Verf. wird von
jedem Gärtner oder Thierzüchter hören können, ob wirklich eine zum ersten Male
auftretende und eine seit einer langen Folge von Generationen fortgeerbte Ver-
änderung „wesentlich gleichbedeutend" sind in Bezug auf den Punkt, der allein
hier in Frage kommt, die wahrscheinliche Veränderlichkeit der Nachkommen. —
672
Kritik über Dr. P. Kramer.
Das vom Verf. gewonnene Ergebniss hätte unter den von ihm gemachten
Voraussetzungen wohl auf einfacherem Wege gefunden werden können. Da
Verf. in diesem Abschnitte den Abnahmecoefficienten als constant annimmt, da
nach seinen Voraussetzungen weder die absolute Zahl, noch die Verhältnisszahl
der Männchen und Weibchen, ebensowenig die Fruchtbarkeit der Paare und die
Sterblichkeit der Jungen in irgend welcher Beziehung stehen zu dem Zahlen-
verhältniss der mehr oder minder oft abgeänderten Männchen, so hängt dieses
einzig und allein ab von dem als constant angenommenen VariabilitätscoOfficienten.,
Mögen die männlichen Nachkommen jedes Paares sich in zwei Gruppen
spalten, von denen die eine unverändert, dem Vater gleich, die andere weiter
verändert ist, und mögen diese in dem Verhältnisse i : v stehen. Für drei auf-
einanderfolgende Generationen ergiebt sich dann:
1 + 1
I + y I -i-
I -\- V i-|-v i-|-v i-f-v
In der dritten Generation hat man also eine Gruppe unveränderter, drei
Gruppen einmal, drei Gruppen zweimal und eine Gruppe dreimal abgeänderter
Männchen; die Zahlen der Männchen je einer dieser viererlei Gruppen stehen
im Verhältniss von i : v : v^ : v^. Also verhalten sich die unveränderten zu den
einmal, zweimal, dreimal veränderten Männchen, wie 1:3V: ßv^ : v-l Man sieht
sofort, wie das in den folgenden Generationen weitergeht. Für die x^e Generation
werden die Verhältnisszahlen der keinmal, einmal, zweimal, . . . bis xmal abge-
änderten Männchen dargestellt durch die (x + i) Glieder der Potenz (i + v)x. Für
die Männchen, welche 3' mal abgeändert haben, hat man also Xy-v^, wo Xy der y^e
Binominalcoefficient von x.
Setzt man x = 10, v = Y, ^^^^ multiplicirt mit 2^^, so erhält man die vom
Verf. auf Seite 22 gegebenen Zahlen,
Zur Erlangung dieses der einfachsten Ueberlegung sich mühelos bietenden
Ergebnisses hat der Verf. 15 Seiten und eine weitschichtige Rechnung mit zehn
Buchstaben gebraucht. Ein einziger thut's auch, wie man sieht.
Verf. knüpft hieran u. a. folgende Bemerkung: „Einzig und allein in dem
einzigen, aber undenkbaren Falle, dass n der Einheit gleich ist" (d. h. dass alle
Männchen variiren), „finden sich künftighin nur veränderte Formen, in allen
übrigen Fällen bleibt in einer guten Anzahl Nachkommen die alte
Form erhalten," Verf. scheint vergessen zu haben, dass es zwischen 2 und i
auch noch Zahlen giebt wenn auch keine ganzen ; für alle diese zwischen i und
2 liegenden Werthe von n aber tritt, unter den Voraussetzungen des Verf., die
Zahl der unveränderten Männchen zurück gegen die der am meisten veränderten.
Für n = 1,5, (v = 2 nach der oben gebrauchten Bezeichnung), würden die vom
Verf. gegebenen Zahlen in gerade umgekehrtem Sinne gelten: unter 3^^ == 5904g
Männchen würden sich ein unverändertes, 20 einmal veränderte u. s. w., dagegen
5120 neunmal und 1024 zehnmal veränderte finden. Wäre 59049 die Zahl der
Männchen in einem bestimmten Gebiete, und wären die Männchen hundertmal
zahlreicher als die Weibchen, so würde die Wahrscheinlichkeit, dass jenes eine
unveränderte Männchen eine Genossin fände, nur ^loo. die Wahrscheinlichkeit,
Kritik über Dr. P. Krämer.
673
class eins der 20 einmal veränderten Männchen zur Paarung gelangte, nur Y5
sein. Wahrscheinlich also würden schon in der elften Generation alle unver-
änderten und einmal veränderten Männchen verschwunden sein, und so, selbst
ohne Auslese, nach und nach alle minder veränderten Männchen aussterben.
Das Ergebniss dieses zweiten Abschnittes ist, dass, wenn keine besondere
Auswahl von Seiten der Weibchen stattfindet, — wir erinnern uns, dass dies eine
der Vorbedingungen des Verf. war, — „ein Chaos von ineinanderfliessenden
Männchenformen" entsteht. Das aber steht „mit der Erfahrung im schneidenden
Widerspruch" ; also „folgt nothwendig, dass der Darwinismus für die Ei'klärung
der sekundären Geschlechtscharaktere nicht ausreicht." — Wir könnten uns des
Verf. Vordersätze wohl gefallen lassen und nur bedauern, dass sie auf so völlig
haltlosen Grundlagen ruhen; denn wahrscheinlich würde die Mehrzahl der Natur-
forscher aus denselben Vordersätzen den Schluss ziehen; also folgt nothwendig,
dass bei Entstehung des secundären Geschlechtscharakters eine besondere Aus-
wahl im Spiele gewesen ist.
Der dritte Abschnitt der „mathematischen Entwickelungen" erwägt den Fall,
dass die Eltern nur allmälig absterben, sieht also ab von der dritten Vorbedin-
gung des ersten Abschnitts. Ob die Untersuchung den verwandten „umfäng-
lichen mathematischen Apparat" wirklich verlangt, wie Professor Günther
glaubt, möchte ich bezweifeln; jedenfalls hat dieser umfängliche Apparat zur
Folge gehabt, dass Verf. die weitschichtige Rechnung nicht über die dritte Gene-
ration hinausgeführt hat. Und so kann, ganz abgesehen von der Unhaltbarkeit
der Voraussetzungen, das Ergebniss dieses Abschnittes nicht einmal als mathe-
matisch bewiesen betrachtet werden; denn aus den ersten Gliedern einer Reihe
lässt sich kein Schluss ziehen, der über sie hinausreicht, so lange nicht das Ge-
setz, nach welchem sie fortschreitet, erkannt ist. Wie nöthig diese von jedem
besonnenen Mathematiker geübte Vorsicht sei, dafür liefert Verf. in demselben
Abschnitte ein schlagendes Beispiel. Unter der Voraussetzung, dass „ein Theil
der jedesmal vorhandenen Eltern dreimal zu einer Brut gelangt und das Absterben
der alten Thiere dabei derart geregelt ist, dass im Laufe jeder Entwickelungs-
periode der dritte Theil dieser ursprünglich vorhandenen Thiere zu Grunde geht,
so dass also ein Drittel noch zur dritten Brut gelangt", kommt nämlich Verf-
nach (obendrein falscher) Berechnung von nur zwei Gliedern der betreffenden
Reihe zu dem Schlüsse, dass unter den genannten Bedingungen und bei unver-
änderter Sterbhchkeit (Vt) der Jungen, die Fruchtbarkeit der Paare (r)
mit der Zeit wachsen mussü! — „Doch lasse man dies noch einen Augen-
blick ausser Acht", fügt der Verf. hinzu, kommt aber nie wieder auf diese Frage
zurück und lässt so den Leser in Zweifel, ob ihm überhaupt klar geworden, was
er eigentlich aus seinen Formeln herausgelesen hat. Mit dem weitschichtigen
Apparate des Verf. würde man Bogen brauchen, um die auf flacher Hand lie-
gende Verkehrtheit seines Schlusses, mathematisch nachzuweisen. Und doch ist
die Sache höchst einfach. Die vom Verf. mit z= — -, — ; — r bezeichnete Grösse,
t (m+i)
die also der Fruchtbarkeit der Paare (r) proportional ist, so lange m und t sich
nicht ändern, drückt nichts anderes aus, als die Zahl der bei jeder Brutzeit neu
hinzutretenden Männchen, verglichen mit der als Einheit betrachteten Gesammt-
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 43
674
Kritik über Dr. P. Kramer.
zahl derselben. Wir wollen ebenso mit Y und X die Zahl der Männchen be-
zeichnen, welche beziehungsweise zum zweiten oder dritten Male die Brutzeit er-
leben. Dann ergiebt sich, da von den erwachsenen Männchen jeder Brut ^3 die
zweite, Vs die dritte Brut erleben sollen, für sieben aufeinanderfolgende Brutzeiten:
X.
Y.
z.
I
2/ 1458/
73 '2187
1/ 729/
'3 — /2187
II
V3 = ^^72187
2/ 486/
'9 /2187
4/ 972/
h /2187
III
1/ 243/
h '2187
8/ 948/
/27 '2187
10/ 1296/
/27 /21S7
IV
V27 = ^^ '2187
32/ 864/ ^^
'81 — 12187
37/ 999/
/81 /2187
V
16/ 482/
/Sl /2187
74/ 606/
/Sl /2187
121/ 1089/
/243 /2187
VI
37/ 333/
/243 /2187
2421 726/
\-i2'i '2187
376/ 1128/
/729 /2187
VII
121/ 363/
'129 /2187
752/
/2187
1072/
/21S7
Die Rechnung ist leicht fortzusetzen und es ergiebt sich, was schon die vor-
geführten Glieder veranschaulichen, dass Z (und das ihm proportionale r) keines-
wegs mit der Zeit wächst, dass sich vielmehr Gruppen von je drei Werthen bilden,
in der Weise, dass Zi < Zn < zni > Ziv < ZV < ZVI > ZVii < .... und dass
(Zin— ZI) > (ZVI- ZIV) > (zix—zvii) > . . . dass sich also Z mit der Zeit einem
Grenzwerthe nähert, der, wie schon die vorstehenden Glieder errathen lassen,
= ^/.y ist; ebenso nähert sich Y dem Werthe ^/g und X dem Werthe Ve. so dass
schliesshch X : Y : Z = i : 2 : 3.
Es liegt ja auf der Hand, sobald bei jeder Brutzeit gleichviel frische Männ-
chen eintreten, von denen -/s ^^^^ nächsten, '/s zur übernächsten Brutzeit übrig
bleiben, dass dann, bei gleichbleibender Gesammtzahl das Verhältniss der drei
Altersklassen das eben angegebene sein muss. Verf. hat bei seiner Rechnung
angenommen (und dieselbe Annahme ist deshalb obiger Tabelle zu Grunde^ ge-
legt), dass das Weiterleben gewisser Paare über die erste Brutzeit hinaus erst
gleichzeitig mit dem ersten Auftreten der VariabiHtät der Männchen eingetreten
sei, — eine äusserst unwahrscheinliche Annahme. Die weit natürlichere An-
nahme, dass beim Eintritt der Variabilität schon Männchen von drei Altersklassen
im Verhältniss von 3:2:1 vorhanden gewesen, würde die Rechnung sehr ver-
einfacht, z. B. für Z, wie schon erwähnt, den constanten Werth V2 gegeben
haben. Noch einfacher und thatsächlich vorkommenden Verhältnissen mehr sich
nähernd, wäre es wohl gewesen, jedes erwachsene Männchen drei Brüten erleben,
jedes Mal also ein Drittel der Gesammtzahl neu hinzutreten zu lassen ^).
i) Verf. findet richtig für die erste Brutzeit Z := '/^, für die zweite aber nicht Z = */^, sondern
— 2 -|- V^io
Z = . Obwohl er nämlich selbst ausrechnet, dass für aufeinander folgende Brüten der Werth
3 '
von Z = — ; ; ^^ sich ändert, obwohl er also diese verschiedenen Werthe in demselben Ausdrucke
t (I + m)
nicht mit demselben Buchstaben hätte bezeichnen dürfen, hat er dies doch gethan in den S. 27 aufge-
stellten Ausdrücken. — Ein starkes Stück für einen preussischen Oberlehrer! — Daher jener Irrthum.
Führt man statt — ; den Buchstaben Z ein, und bezeichnet die dem verschiedenen Alter der Thiere
t (I + m)
entsprechenden beiden Werthe durch Z' und Z", so erhält man zur Bestimmung von Z" die Gleichung :
am 2am
am = 1 (Z' + Z") + am Z' Z", oder: -/., (Z' + Z") + Z' Z" = 7^, also, da Z' = Vj, ist, Z" = «/y.
Kritik über Dr. P. Kramer.
675
Ich halte cün, um die l.cscr nii^ht zu ermüden. Die noch folgenden Ab-
schnitte der „mathematischen Entwickelungen" sind den vorangehenden eben-
bürtig. Als Beweis genüge ein einziges Beispiel aus dem VI. Abschnitte, der
überhaupt durch unglaubliche Naivität — bezeichnendere deutsche Ausdrücke
sind unparlamentarisch — sich auszeichnet. Bilden die Weibchen in der ersten
Generation 2, in der zweiten 4 = 2^ in der dritten 8 = 2^ in der vierten 16 = 2*
Gruppen — so weit geht die Berechnung des Verf. — , von denen immer die
Hälfte schwächlich, die Hälfte kräftig sind, und „sind 1000 Entwickelungsperioden
verflossen, so hat man schon looi verschiedene Gruppen unter den schwächlichen
Weibchen, und ebenso 1001 verschiedene Gruppen unter den kräftigen Weibchen
der letztgenannten Generation." Seit wann ist 2^^'^'^= 2 X looi ? — Man meint
in 100 1 Nacht zu lesen, statt in „mathematischen Entwickelungen" eines preuss-
ischen Oberlehrers. —
Dem mathematischen Theile der Schrift schliessen sich drei weitere Capitel
an, in denen ich Nichts finde, was der Beachtung und Besprechung werth wäre.
Sie enthalten weder neue Thatsachen, noch Gedanken. Wenn im zweiten Capitel
Verf. an „Beispielen zum Schlussverfahren Darwinistischer Schriftsteller" nachzu-
weisen sucht, wie schlecht es mit deren Logik bestellt sei (dabei inanchen Miss-
verständnissen verfallend, wie bei zweien der drei Beispiele, die er der Schrift
des Ref. „Für Darwin" entlehnt), so räume ich für meinen Theil willig ein, dass
mich der Darwinismus anfangs zu manchem übereilten Schluss, zu manchem un-
haltbaren Erklärungsversuche verlockt hat; zum Glücke habe ich sie meist für
mich behalten. Anderen mag es ähnlich gegangen sein. Man darf uns wohl
verzeihen, dass uns bisweilen das neue Licht geblendet, die neue Erkenntniss
berauscht hat. Aber was haben einzelne Irrthümer, Fehlschlüsse, Uebertreibungen
seiner Anhänger zu thun mit der Wahrheit des Darwinismus? Und was bedeutet
die Bemängelung einzelner misslungener Erklärungsversuche durch Herrn Ober-
lehrer Dr. Paul Kram er in Schleusingen, gegenüber den Tausenden von That-
sachen, welche, den gesammten Inhalt weiter Wissensgebiete umfassend, nur von
der Abstammungslehre und vom Darwinismus aus zu verstehen sind ?
Itajah}', Septemb(>r 1878.
43'
Phryganiden-Studien ^).
(Mit einer Einleitung von Herrn. Müller.)
Mit 3 Textfiguren.
I . Einleitung.
Zur Feier des Tages, an welchem unser verehrter Meister Charles Darwin
sein siebenzigstes Lebensjahr vollendet, überreiche ich der dem Ausbau seiner
Entwickelungslehre gewidmeten Zeitschrift einige Aufsätze meines Bruders Fritz
Müller über eine Insektenfamilie, welche gerade jetzt im Lichte dieser Lehre
einem eingehenden Verständnisse sich zu eröffnen verspricht. Es ist die P'amilie
der Haarflügler (Trichoptera) oder Frühlingsfliegen (Phryganiden). Ich hoffe im
Interesse der Leser dieser Aufsätze zu handeln, wenn ich den wesentlichsten In-
halt der im ersten derselben erwähnten Speyer' sehen Abhandlung hier wiedergebe.
Mein Freund Dr. A. Speyer, der schon im Jahre 1839 in Oken's „Isis"
(S. 94) eine wahre Verwandtschaft zwischen Lepidopteren und Pryganiden be-
hauptet hatte, war auch der Erste, der sich fast 30 Jahre später durch die Dar-
win'sehe Theorie und durch die Stammbaum-Entwürfe Haeckel's, in denen
über die Abstammung der Schmetterlinge eine bestimmte Ansicht nicht gewagt
worden war, veranlasst fand, eine genauere anatomische und physiologische Ver-
gleichung der Eigenthümlichkeiten beider Gruppen zur weiteren Begründung seiner
Ansicht ins Auge zu fassen. Wenn er auch leider mitten in seinen Unter-
suchungen, durch ein dauerndes Augenleiden genöthigt, abbrechen musste, so
genügen doch die von ihm angestellten und in dem hier citierten Aufsatze mit-
getheilten Vergleichungen wenigstens, um es im höchsten Grade wahrscheinlich
zu machen, dass die Ordnung der SchmetterHnge entweder von den Frühlings-
fliegen oder von ihnen nahe stehenden, wenig verschiedenen Stammeltern der-
selben abstammt. Denn fast sämmtliche Eigenthümlichkeiten des Körperbaues
und der Lebensweise der Frühlingsfliegen kommen auch theils den Schmetter-
lingen überhaupt, theils gewissen, den Phryganiden am nächsten stehenden
Schmetterlingen zu.
Den Schmetterlingen im Allgemeinen sind mit den Frühlingsfliegen gemein :
Gestalt und Grössenverhältnisse des Kopfes und der drei Brustringe, die schmale
Vorderbrust, die am meisten ausgebildete Mittelbrust, die Form und Zahl der
I) Kosmos 1878/79. Bd. IV. S. 386—396.
Phryganiden-Studien. 577
Ringe des Hinterleibes, der beim Männchen ähnlich gebildete Organe zum Fest-
halten bei der Begattung trägt, Beine mit dicht zusammenstossenden Hüften und
fünf Fussgliedern, Umriss und Bau der Flügel, vielgliedrige, in der Regel lange,
borstenförmige Fühler, dreigliedrige Lippentaster, ungetheilte Unterlippe, zu, kaum
sichtbaren Rudimenten verkümmerte Oberkiefer, im Wesentlichen gleiche, voll-
kommene Umwandlung, vegetabilische Nahrung, vvurmförmige, dreizehnringlige
Larven mit abgesondertem, hornigem Kopfe, und drei Paar vier- bis sechsglie-
drigen, hornigen Brustfüssen, als Mundtheile der Larven eine quere, eingekerbte
oder zweilappige Oberlippe, starke, feste, meist gezähnelte Oberkiefer, kegel-
förmige, gegliederte, tastertragende Unterkiefer, welche die Unterlippe zwischen
sich fassen und mit ihr die Mundhöhle von unten schliessen, an der Unterlippe
zwei Lippentaster und zwischen ihnen die Spindel, in denen die Spinngefässe
münden.
Als besonders auffallende Eigenthümlichkeiten der Frühlingsfliegen, die auch
bei gewissen, ihnen am nächsten stehenden Faltern sich finden, seien hier noch
ferner hervorgehoben : Das Leben der durch Kiemen athmenden Larven im
Wasser, das Sich-Bergen derselben in selbstverfertigten röhrigen ~, Hülsen , aus
denen die Brustfüsse zum Kriechen vorgestreckt werden, während sich das Ende
des Körpers durch Nachschieber oder Häkchen an die Röhre anklammert, das
Verpuppen in diesen Wohnungen, die bisweilen schneckenhausförmige Gestalt
derselben (bei Psj^che helix unter den Faltern, bei Flelicopsyche unter den Früh-
lingsfliegen), die Flüg'elfaltung in der Ruhe, die Art des Fliegens und am Boden
Hinrutschens, die oft rudimentäre Beschaffenheit der Mundtheile, die Bekleidung
der Flügel mit Härchen, die sehr locker in die Flügelmembranen eing"epflanzt
sind, fünf- oder sechsgliedrige Kiefertaster, Puppen mit frei abstehenden Scheiden
der äusseren Organe.
Durchgreifend verschieden sind die Phryganiden von den Lepidopteren nur
durch die Gebrauchsfähigkeit der Beine gegen Ende des Puppenzustandes
und durch die Umbildung ihrer während des Jugendzustandes (wie bei den
Schmetterlingen) beissenden Mundtheile zu Schöpf- und Leckorganen. Während
sich nämlich bei den Schmetterlingen die Unterkiefer zu hornigen Halbrinnen
gestalten, die sich zu einem aufrollbaren Saugrohr zusammenlegen, bilden sich
bei den Frühlingsfliegen die Mundtheile durch Verschmelzung von Unterkiefer
und Unterlippe zvi einer rinnen form igen Schnauze, die Flüssigkeiten nur schöpfen
oder lecken kann. Dagegen finden sich die beiden, den Lepidopteren eigen-
thümlichen, die Wurzel der Vorderflügel bedeckenden Anhänge (Schulterdecken,
tegulae) in unvollkommener Entwickelung auch schon bei den Phryganiden, und
das Flügelgeäder der letzteren, welches man bei oberflächlicher Betrachtung auch
als einen durchgreifenden Unterschied derselben von den Lepidopteren hätte
geltend machen können, beweist ja, wie aus den vorliegenden Beobachtungen
meines Bruders hervorgeht, die Abstammung der Schmetterlinge von den Früh-
lingsfliegen oder nahen Verwandten derselben gerade in der unzweideutigsten
Weise.
Als den Frühlingsfliegen noch am nächsten stehende Schmetterlinge sind
nach Speyer Psychiden, Tineinen, Hepialiden und besonders Mikropteryginen,
als am weitesten von ihnen entfernte die Tagfalter zu betrachten.
Lippstadt, Januar 1879. H er m. Müller.
5^8 Phryganiden-Studien.
2. Die Flügeladern der Phr3-ganiden und der Schmetterlinge.
Auf die nahe Verwandtschaft der Haarflügler (Trichoptera) oder Frühlings-
fliegen (Phryganiden) und der Schmetterlinge ist schon — selbst in vordarwinischer
Zeit, ehe noch dabei an wirkliche Verwandtschaft gedacht wurde — vielfach hin-
gewiesen worden.
In neuerer Zeit hat mein Bruder FTej-mann Müller die Abstammung der
SchmetterUnge von den Haarflüglern zu tegründen versucht, besonders aber ist
die nahe Verwandtschaft dieser beiden Gruppen aufs Entschiedenste betont wor-
den einerseits von einem bewährten Meister der Schmetterlingskunde, Dr. A.Speyer,
dessen Abhandlung „Zur Genealogie der Schmetterlinge"' (in der Stettiner ento-
mologischen Zeitung von 1869) das Beste ist, was bis jetzt über diesen Gegen-
stand gesehrieben wurde, andererseits von dem eifrigsten Forscher auf dem Ge-
biete der Haarflügler, Mr. R. Mac Lachlan^).
Mac Lachlan bemerkt, dass die Anordnung des Flügelgeäders durchaus
nicht unverträglich sei mit einer solchen nahen Verwandtschaft, und Dr. Speyer
hebt hervor, dass zwischen dem Flügelgeäder gewisser Hepiahden und Cossiden
unter den Schmetterlingen und dem von Ptilocolepus und Rhyacophila unter den
Haarflügeln „nicht nur Uebereinstimmung in den wesentlichsten Punkten, sondern
eine bis in Detail gehende Aehnlichkeit stattfindet." Beide aber unterlassen es,
diese Uebereinstimmung des Flügelgeäders im Einzelnen nachzuweisen. Ich will
versuchen, dies nachzuholen und dadurch für die Zusammengehörigkeit der beiden
Gruppen einen neuen Beweis liefern.
Im ersten Bande des „Kosmos" (S. 390) -) findet sich das Flügelgeäder von
zwei jungen Schmetterlingspuppen abgebildet. Von dem der fertigen Schmetter-
linge unterscheidet es sich dadurch, dass i) alle Queradern noch vollständig fehlen,
dagegen 2) verschiedene Längsadern, die später mehr oder weniger vollständig
schwinden, noch in ganzer Länge vorhanden sind. Nach Haeckel's „biogene-
tischem Grundgesetze" darf man in diesem Puppengeäder einen ursprünglichen
Zustand erblicken. Dies giebt einen einfachen Weg an die Hand zur Vergleichung
des flügelgeäders der Schmetterlinge und Haarflügler. Man wähle einen Schmetter-
ling mit möglichst unverstümmelten Längsadern und zeichne das Geäder mit
Hinweglassung aller Queradern.
Von Haarflüglern habe ich zu diesem Behufe gleich den ersten in Kole-
n a t i ' s Monographie zur Erläuterung des Geäders abgebildeten Oberflügel ge-
nommen (von Glyphidotaulius umbraculum Kol.), von den Schmetterlingen den
i) In England pflegt man die Haarflügler als besondere Ordnung zu betrachten, in Deutschland
reiht man sie als Familie der Phryganiden den Netzflüglern ein und stellt diese Ordnung und die Schmetter-
linge meist so ziemlich an die entgegengesetzten Enden der Insektenklasse. In Bezug auf diese Anord-
nung unterschreibe ich, was Mac Lachlan sagt: „Ich erhebe nachdrücklichen Protest gegen eine so
weite Trennung der beiden Geschlechter, in Anbetracht, dass, welches auch das Verhältniss der Haar-
flügler zu den anderen L i n n c ' sehen Gruppen der Netzflügler sein mag, ihre Verwandtschaft zu den
Schmetterlingen eine nahe ist, und dass ein Versuch, sie so weit von einander zu entfernen, eine Belei-
digung für Beide ist (Linnean Soc. Journ. Zool. Vol. XI. p. loo).
2) Ges. Schriften S. 587,
Phryganiden-Studien .
679
im „Kosmos" (Bd. 1, S. 389) ^) dargestellten Oberflügel der Castnia Ardalus. Ausser
den Queradern sind auch die Innenrandsadern weggelassen.
Man erkennt sofort die vollständige Uebereinstimmung in Zahl und Ver-
ästelung der Adern. Dem Vorderrande zunächst^ eine^ieinfache -Ader {sc) (Sub-
costa der Haarflügler, Costaiis der Schmetterlinge). Dann ein Stamm (Subcostalis
der Schmetterlinge), der sich in zwei Aeste spaltet, einen vorderen einfachen
{r sc) (ramus radii subcostalis der Haarflügler, erster Ast der Subcostalis bei den
Schmetterlingen genannt), und einen hinteren, zweimal gabelig gespaltenen (r d)
(ramus radii discoidalis der Haarflügler, 2. bis 5. Ast der Subcostalis bei den
Schmetterlingen). Dann folgt eine dritte Hauptader {y th), die sich in einen vor-
1. Vorderflügel von Glyphidotaulius umbraculum Kol. (Nach Kolenati, Gener. et spec. Trichopt.
pars I. 1848. Tab. I. Fig. i A).
2. Vorderflügel von Castnia Ardalus Dalm. (Nach „Kosmos", Bd. I. 1877. S. 389 == Ges. Schriften
S. 586.)
In beiden Flügeln sind die Innenrandsadern und Queradern weggelassen.
deren gegabelten und hinteren einfachen Ast spaltet (ramus thyrifer der Haar-
flügler, bei den Schmetterlingen heissen die beiden Aeste der Gabel Discoidal-
rippen, der einfache hintere Ast wird als dritter Ast der Mediana bezeichnet;
doch hatte mich schon das Puppengeäder von Siderone Ide gelehrt, dass er zur
Discoidalis gehört). Endlich ein vierter Hauptast {r cf) mit zwei Endzweigen
(ramus clavalis der Haarflügler, JMediana oder Subdorsalis der Schmetterlinge).
Dass nicht jeder beliebige Schmetterling, mit jedem beliebigen Haarflügler
verglichen, eine so vollständige, so auf den ersten Blick erkennbare Ueberein-
stimmung zeigt, bedarf wohl kaum besonderer Erwähnung. Doch sind in der
I) Ges. Schriften S. 58b.
58o Phryganiden-Studien.
Regel etwaige Abweichungen unschwer auf die hier dargestellte Grundform
zurückzuführen. Umgekehrt aber steht auch Castnia keineswegs unter allen
Schmetterlingen in ihrem Flügelbaue den Haarflüglern am nächsten. Weit enger
schliesst sich diesen Hepialus an in der Gestalt der Flügel, in dem Vorhanden-
sein einer Querader, welche nahe der Flügelwurzel bei den Haarflüglern Costa
und Subcosta verbindet, sowie eines häutigen Anhanges am Innenrande der
Flügelwurzel, besonders aber dadurch, dass die Hinterflügel denselben Aderlauf
wie die Vorderflügel zeigen, während bei Castnia und den meisten anderen
Schmetterlingen, statt der elf in den vorstehenden Figuren gezeichneten .Vdern
der Vorderflügel, die Hinterflügel ^) nur sieben besitzen.
Itajahy, September 1878.
3. Wasserthiere in den Wipfeln des Waldes.
An einem heissen Sommertage stand ich — vor mehr als 25 Jahren — mit
einem Freunde unter einem Urwaldsbaume, gegen dessen eisenharten Stamm wir
unsere Aexte wohl schon eine Stunde lang schwangen. Dieser Arbeit noch
wenig gewohnt, begannen meine Arme zu erlahmen, und einen Augenblick aus-
ruhend, Hessen wir die Aexte sinken. Da, horch, fallen rings um uns schwere
Tropfen nieder aus der hohen Krone des Baumes. „Der Baum fängt an zu
weinen", rief mein Freund, „er kommt!" Und kaum hatte er noch einige wichtige
Hiebe geführt, da begann auch, unter lautem Aechzen, der stolze Stamm sich
langsam doch sichtlich zu neigen und in beschleunigtem Falle schmetterte er
krachend zur Erde. — Wie manches Mal habe ich seit jenem Tage die Thränen
aufathmend begrüsst, mit denen ein Urwaldriese seinen nahen Fall beweinte!
Die Aeste fast aller grösseren Bäume sind hier reichlich bewachsen mit
ananasähnlichen Pflanzen (Bromeliaceen), zwischen deren stachlichen, am (jrunde
oft bauchigen Blättern das Regenwasser sich sammelt. Sind diese nie völlig
trockenen Wasserbehälter bis zum Rande gefüllt, so giebt ihr Ueberfliessen die
erste Kunde von dem sonst noch unmerklichen Weichen des Baumes aus seiner
Gleichgewichtslage.
Ausser dem Wasser sammeln sich zwischen den Blättern der Bromelien
dürres Laub, Holzstückchen, Blüthen, Früchte, Samen, die hineinfallen oder von
Wind oder Vögeln hineingetragen werden. Vermodernd mögen sie zur Er-
nährung der Bromelien beitragen. Es sammelt sich ferner, theils zwischen den
stachligen Blättern Schutz, theils zwischen jenen pflanzlichen Abfällen Nahrung
suchend, eine ziemlich mannigfaltige Gesellschaft von Thieren. — Ausserhalb des
Wassers Asseln, Tausendfüsse, Spinnen, Ameisen (namentlich verschiedene Pone-
riden), Landplanarien u. s. w. — Im Wasser Käfer, Blutegel (eine der deutschen
I) Die Herren Insektenbeschreiber, die bereits hunderte von Bänden mit unnützem Baliast i^efüllt
haben, haben nicht nur in jeder Insektengruppe eine eigene Namengebung für die Adern unh Zellen der
Flügel eingeführt, sie haben bisweilen sogar bei Vorder- und Hinterflügel derselben Thiere entsprechende
Adern mit verschiedenen, verschiedene mit gleichen Namen belegt. So bei 'den Haarflüglern. Der ramus
thyrifer der Vorderflügel heisst bei Kolenati ramus subdiscoidaHs im Hinterflügel, der ramus clavalis
der Vorderflügel heisst im Hinterflügel cubitus ; diesen selben Namen cubitus führen im Vorderflügel die
Innenrandsadern, welche im Hinterflügel costulae genannt werden!
Phryganiden-Studien. 5g I
Clepsine bioculata ähnliche Art), kleine Frösche und deren Kaulquappen, sowie
verschiedene Larven von Fliegen, von Wasserjungfern und anderen Kerfen ').
Zu diesen seit Jahren mir bekannten Bewohnern der Bromelien habe ich
heute einen recht merkwürdigen neuen gefunden, der mich besonders deshalb
erfreute, weil ich ausdrücklich ausgezogen war, ihn zu suchen -). Es begegnet
einem nicht oft, dass man sich vorsetzt, ein bestimmtes unbekanntes Thier zu
entdecken und es wirklich auch entdeckt. Seit Monaten hatte ich unsere fliessen-
den und stehenden Gewässer eifrigst nach Larven von Frühlingsfliegen (Phry-
ganiden) durchsucht und etwa ein halbes Schock verschiedener Arten zusammen-
gebracht. Da fiel mir ein: sollten nicht ebenso gut, wie Wasserjungfern, auch
Phryganiden als Larven in dem Wasser der Bromelien leben können? Mit dem
Waldmesser bewaffnet ging ich sofort in meinen Wald und hatte wohl kaum
ein Dutzend Bromelien abgehauen und untersucht, als ich auf das erste ganz
eigenartige Phryganidengehäuse stiess. Ich habe deren jetzt elf vor mir. —
Man hätte sich eigentlich, was ich freilich nicht gethan, im Voraus sagen können,
wie sie etwa aussehen würden. Sand und Steine, woraus unsere meisten Arten
bauen, giebt es in den Wipfeln des Urwaldes nicht; nur dürres Laub steht da
reichlich zur Verfügung. Ferner wäre die gewöhnliche drehrunde Form der
Phryganidengehäuse höchst unbequem gewesen in den engen Räumen, zwischen
breiten, ziemlich dicht aneinander liegenden Blättern, ganz ebenso wie unter Baum-
rinde, wo daher vorwiegend flach gedrückte Thiere hausen. So sind denn die
bis 15 mm langen, 4 mm breiten Gehäuse nicht drehrund, sondern kaum halb
so hoch als breit, mit scharfen Seitenkanten, so dass der Querschnitt, wie der
einer Linse, von zwei ziemlich gleich gewölbten Bogen gebildet wird. Die Bauch-
seite des Gehäuses besteht meist aus fünf, die über die vordere Oeffnung vor-
springende Rückenseite aus sechs Blattstückchen, von denen jedes mit einem
Hinterrande den Vorderrand des vorhergehenden deckt. Am hinteren Ende
liegen Rücken- und Bauchwand dicht aneinander.
Was ich für mehrere andere Bewohner der Bromelien nur vermuthe, glaube
ich für diese Phr3^ganidenlarve mit ziemlicher Sicherheit aussprechen zu können,
dass sie nämlich in diesem Wasser über der Erde, in den Wipfeln der Bäume,
ihren ausschliesslichen Wohnsitz habe, und ich glaubte aus diesem Grunde auf
sie als ein der Beachtung werthes Thier aufmerksam machen zu dürfen. Denn
nicht nur ist sie mir bis jetzt in unseren fliessenden und stehenden Gewässern
nirgends begegnet, sondern es ist auch die Gestalt ihres Gehäuses dem eigen-
thümlichen Aufenthaltsorte trefflich angepasst. Sie hat in unseren Bächen und
stehenden Gewässern einen nahen, ziemlich seltenen Verwandten, dessen in ähn-
licher Weise aus Blättern gebautes Haus bedeutend grösser und minder regel-
mässig aus weniger zahlreichen Blattstücken zusammengefügt ist. Ich besitze
ein solches Gehäuse von 4 cm Länge bei 6 cm ^) Breite im Lichten, aus zwei
oberen und zwei unteren Blattstücken bestehend, von denen eines 2 cm breit ist,
also seitlich weit über den inneren Raum des (xehäuses hinausragt.
i) Anm. d. Red. Dass diese Nalur- Aquarien sich zuweilen auch mit Blumen schmücken, die
ihnen eigenthümlich sind, wurde in „Kosmos" (Bd. I. S. 80) erwähnt.
2) Siehe Ges. Schriften S. 720.
3) Heisst wohl mm, s. auch Taiel LIV, fig. 16. Der Herausgeber.
582 Phrj'ganiden-Studien.
Wenn einmal eine Phryganide mit solchen aus Blättern bauenden Larven
zufällig ihre Eier in das Wasser der Bromelien absetzte, so konnte wohl hier
ihre Brut weit leichter als die anderer Arten mit anderen Gewohnheiten sich er-
halten und mit der Zeit den neuen Verhältnissen noch enger sich anpassen ; für
die meisten von unseren Arten, deren Larven nur in reinem, rasch flicssendem
Wasser gedeihen, wäre eine solche Uebersiedelung unmöglich.
Wenn für die Puppen der Haarflügler die Stunde der Erlösung gekommen
ist, durchnagen sie mit scharfen Kinnbacken den Verschluss ihres engen Ge-
fängnisses und schwimmen an die Oberfläche des AVassers, um hier oder auch ausser-
halb des Wassers ihre Puppenhaut abzustreifen. Als Schwimmbeine dienen ihnen da-
bei hauptsächlich die Mittelbeine, deren Füsse mit einer Doppelreihe langer Wimpern
besetzt sind; ähnlich sind bisweilen auch die Vorderbeine ausgerüstet, während
die wimperlosen Hinterbeine beim Schwimmen unthätig dem Hinterleibe anliegen.
Die Bewimperung der Beine ist bei verschiedenen Arten verschieden lang und
dicht, über eine verschiedene Zahl von Fussgliedern ausgedehnt, fehlt aber, soviel
mir bekannt keiner der in Bächen und Teichen lebenden Arten. Dagegen ist
diese Ausrüstung zum Schwimmen den Bewohnern der Bromelien vollständig
verloren gegangen; ihre Beine sind ganz wimperlos. Sie bedürfen des Schwim-
mens nicht, um an die Luft zu gelangen und hätten zwischen den einander
umschliessenden Blättern der Bromelien nicht einmal Raum dazu.
Das Fortbestehen der Bewimperung ihrer Mittelbeine dürfte den Puppen
der Bromelien-Bewohner kaum einen merklichen Nachtheil gebracht haben ; eben-
sowenig scheint es wahrscheinlich, dass das Auftreten unbewimperter Beine durch
die veränderten Lebensbedingungen hervorgerufen oder begünstigt worden sei.
Auch bei anderen Haarflüglern dürften bisweilen, als Rückschlag in eine längst
vergangene Zeit, unbewimperte Beine auftreten ; allein bei ihnen müssen solche
des Schwimmens unfähige Puppen zu Grunde gehen, ohne Nachkommen zu
hinterlassen. In den Bromelien dagegen wirkt solchem Rückschlage keine Aus-
lese entgegen und die unbewimperte Urform der Beine konnte auf diese Weise
allmälig wieder zur Alleinherrschaft gelangen. Dass sie es gethan, ist ein Beweis
dafür, dass die Puppen schon seit lange an Orten heimisch sind, w^o der Mangel
der Schwimmfähigkeit ihnen keinen Nachtheil brachte.
Noch ein zweiter Bewohner unserer Bromelien scheint besonderer Beach-
tung würdig, ein kleiner Laubfrosch, mit Füssen ohne Schwimmhaut. Er trägt
nämlich, wie die berühmte Wabenkröte, seine verhältnissmässig sehr grossen
Eier auf dem Rücken; bei einem solchen Fröschchen, welches ich lebend vor
mir habe, füllen neun Eier die ganze Länge der Breite des Rückens von den
Schultern bis zum Hinterende ^j.
Itajahy, September 1Ö78.
4. D i c G r u m i c h a -').
Unter dem Namen Grumicha hat Aug. S a i n t - H i 1 a i r e Larvengehäuse
einer Frühlingsfliege aus Flüssen Brasiliens beschrieben : Röhren aus hartem,
i) Siehe Ges. Schriften S. 776.
2) Siehe Ges. Schriften S. 705, Tafel LIII, Fig. 8.
Phryganiden-Studien 58 ^
hornähnlichoni Stoffe, glatt, glänzend, schwarz wie Ebenholz, leicht gekrümmt
und allmälig verjüngt, wie ein Hörn. Solche Gehäuse kommen auch in den
Zuflüssen des Itajahy vor, wo diese in steinigem Bette rasch dahinf Hessen, und
zwar zwei Arten, eine kleinere, nur 8 bis lo mm lang, wurde erst in einem ein-
zigen kleinen Bergbache getroffen (Affenwinkel in Blumenau); eine grössere,
zwei- bis dreimal so lang, lebt stellenweise häufig in grösseren Bächen (Garcia,
Warnow, Neisse).
Die Röhren dies(H" grösseren und häufigeren Art erreichen beim Männchen
(Fig. I A) meist 17 — 20, beim Weibchen (Fig. i B) 25 — 30 mm Fänge. Zur
Verpuppung heftet die Farve ihre Röhre an einen Stein oder an andere schon
festsitzende Röhren und zwar mittelst einer kurzgestielten Scheibe. Die Farven
lieben sich gesellig festzusetzen und man findet nicht selten mehr als hundert
Röhren an einander gekittet. Dicht hinter dem Eingange wird die Röhre durch
einen Deckel geschlossen. Deckel, Haftscheibe und deren Stiel bestehen aus
1
I. Zur Verpuppung angeheftele Grumicharöhren,
nat. Grösse. .1 eines Männchens, /J eines Weibchens.
— 2. Deckel der Röhre eines Männchens. — ■ 3. Deckel
der Röhre eines Weibchens. — 4. Querwand am
Hinterende der Röhre eines AVeibchens.
Fig. 2 — 4 achtmal vergrössert.
demselben Stoffe, wie das Gehäuse; ganz ähnliche Haftscheiben, Stiele und Deckel
werden auch von anderen verwandten Farven gefertigt, die ihre Röhren aus
Steinen aufbauen ; bei Fetzteren hat wohl noch Niemand in Zweifel gezogen, dass
der Stoff dazu von den Spinndrüsen der Farve geliefert wird; dasselbe wird also
auch für diese Gebilde bei der Grumicha gelten, und ebenso für deren ganze
Röhre, die ja aus demselben Stoffe besteht.
Etwas unter seiner Mitte, also der Bauchseite der Röhre näher, hat der
Deckel (Fig. 2, 3) eine schmale, quere, gerade oder häufiger [etwas gebogene
Oeffnung. Eine zweite kreisförmige Oeffnung findet sich in der Mitte der Quer-
wand (Fig. 4), die schon vor dem Festsetzen das hintere Ende der Röhre schliesst.
Diese beiden Oeffnungen ermöglichen den für die Athmung der Puppe nöthigen
Wasserwechsel. Nach Ablauf der Puppenzeit schneidet die Puppe mit ihren
scharfen Kinnbacken den Deckel ringsum los, verlässt gegen Abend ihre Röhre
und streift ausserhalb des Wassers ihre Puppenhaut ab, um als graue unschein-
bare Motte der Fiebe nachzugehen.
An den von der Puppe selbst iibgelösten Deckeln lässt sich nun sehr be-
quem deren spaltförmige Oeffnung messen und es ergiebt sich dabei, dass die
Grösse dieser Oeffnung so genau, als man es eben messen kann, übereinstimmt
mit derjenigen der hinteren kreisförmigen Oeffnung der Röhre. Fetztere hat
bei den grösseren ^veiblichen Puppen durchschnittlich Vs ^nm Durchmesser, ihre
TT
Grösse ist also — = 0,087 cimm. — Für die vordere Oeffnung wird man ohne
erheblichen Fehler die (xrösse dem Produkt aus Fänge und Breite gleichsetzen
dürfen; als Mittelwerth von 17 ohne Wahl gesammelten Deckeln weiblicher
Puppen ergab sich auf diesem Wege 0,085 qmm.
(f^A Phryganiden-Studien.
Das Wäre nun wieder, wie beim Wabenbau der Bienen, eine Gelegenheit,
das unbewusste Hellsehen des Instinktes oder das mathematische Genie des
kleinen Baumeisters zu bewundern, der trotz so abweichender Gestalt beiden
Oeffnungen gleiche Grösse zu geben weiss. Im Grunde mag aber die Sache
ziemlich einfach sein; es wird ja der Larve nur zugemuthet, dass sie zu unter-
scheiden wisse, wann sie von einem gleichmässigen Wasserstrome gebadet wird.
Ist eine der Oeffnungen kleiner, so fliesst durch sie das Wasser schneller und
nach ihr zu ist der Wasserstrom im Innern der Röhre beschleunigt oder von ihr
weg verlangsamt, je nachdem sie Aus- oder Eingangsöffnung ist.
Unter Tausenden festsitzender Grumicha-Gehäuse, die ich gesehen — man
hebt bisweilen Hunderte an einem einzigen Steine aus dem Wasser — habe ich
einige wenige getroffen, die nicht durch einen hornigen Deckel, sondern durch
ein quervorliegendes Steinchen geschlossen waren. Dieser Tage hatte ich zwei
dieser Röhren mit heimgenommen. Nach Entfernung des Steinchens zog ich
aus ihnen Puppen hervor, die nicht nur der Art. sondern sogar der Gattung nach
von denen der Grumicha verschieden waren. Bei Grumichapuppen überragen
z. B. die Eühler, selbst der Männchen, nur wenig den Hinterleib; jede Schiene
trägt am Ende zwei, in Länge wenig verschiedene Spornen. Die Puppen der
beiden Röhren mit Steinverschluss hatten Fühler von mehrfacher Körperlänge;
Vorder- und Mittelschienen hatten je zwei Spornen, aber von sehr ungleicher
Länge; die Hinterschienen hatten ausser den beiden Endspornen auch noch
Mittelspornen, — anderer LTnterschiede nicht zu gedenken.
Der im ersten Augenblicke befremdliche Fund erinnerte mich an die Bienen
(Trigona limäo) und Termiten (Eutermes inquilinus), die, statt selbst zu bauen,
die Bauten ihrer Verwandten sich zu Nutze machen. Warum sollten nicht auch
die prächtigen Grumicharöhren, die ja nach dem Ausschlüpfen der ursprünglichen
Bewohner hier und da in Menge zu haben sind, ihre Liebhaber finden? Es
scheint übrigens der fremde Gast keine besondere, ausschliesslich die Grumicha-
röhren bewohnende Art, sondern nicht verschieden zu sein von einer hier ziem-
lich häufigen Larve, die für gewöhnlich ein passendes Stück eines hohlen oder
weichmarkigen, leicht auszuhöhlenden Aestchens als Wohnung benutzt. — Auch
bei den Gehäusen der Haarflügler also darf man nicht immer ohne Weiteres den
Inhaber als Erbauer ansehen.
Itajahy, Oktober 1878.
5. Helicopsy che ^).
Bei Erörterungen über die Verwandtschaft der Haarflügler (Trichoptera, Phr}^-
ganiden, Frühlingsfliegen, Schmetterlingsfliegen) mit den Schmetterlingen pflegt
in erster Reihe der ähnlichen Entwickelungsweise und des Umstandes gedacht
zu werden, dass fast alle Larven der einen und einige wenige der anderen Gruppe
sich tragbare Gehäuse bauen. „Die Larven der Phryganiden", sagt z. B. Dr.
A. Speyer (Zur Generalogie der Schmetterlinge), „wohnen grösstentheils, die
der Schmetterlinge wenigstens theilweise in tragbaren, mit anorganischen, vege-
tabilischen oder animalischen Stoffen und allerlei Abfällen bekleideten, selbst ver-
I) Siehe Ges. Schriften S. 721.
Phryganiden-Studien.
6S5
fertigten, röhrigen Hülsen, aus denen nur die Brustfüsse zum Kriechen vorge-
streckt werden, während sich das Ende des Körpers durch Nachschieber oder
Häkchen an die Röhre anklammert. Sie verpuppen sich in diesen Wohnungen,
welche bei manchen Arten beider Gruppen eine ungemeine Aehnlichkeit zeigen,
bei beiden nach den Arten charakteristisch verschieden gebaut sind. Die bei den
Insekten so auffällige Form des gewundenen Schneckenhauses wiederholt sich
bei Schmetterlingen, wie bei Phryganiden (Psyche helix, Helicopsyche)."
Ob wirklich das Bauen tragbarer Gehäuse eine von den gemeinsamen Vor-
fahren der ohne Frage nahe verwandten Haarflügler und Schmetterlinge ererbte
Gewohnheit sei, scheint mir noch nicht über allen Zweifel erhaben zu sein, - —
ausser Zweifel aber, dass die überraschende Aehnlichkeit einzelner Gehäuse aus
beiden Gruppen nicht eine ererbte, sondern eine später erworbene ist, dass z. B.
die auffallende Form des gewundenen Schneckenhauses nicht auf engere ver-
wandtschaftliche Beziehungen zwischen Psyche helix und Helicopsyche hinweist.
I — 3. Gehäuse verschiedener Haarflügler, nat. Grösse, von der Bauchseite. — 4. Helicopsychegehäuse
mit vier Schneckenwindungen und schornsteinartig emporstehendem, ungewundenem Afterende ; 3 mal ver-
grössert. — 5, 6 Holzröhren von Puppen (von Macronema?) bewohnt, der Länge nach durchgeschnitten, nat.
Grösse. — st, sf Steinchen, zum Verschluss der Röhren. — /Puppenhülle, aus Seide gesponnen. — j- Sieb-
förmige hintere Querwand der Puppenhüile. — l Loch durch die Wand der Röhre, unentbehrlich, wenn
dieselbe (Fig. 5 m) hinten durch das Mark des Zweiges geschlossen, überflüssig, wenn dieselbe (Fig. 6)
hinten offen ist ').
Die Aehnlichkeit dieser Larvengehäuse mit wirklichen Schneckenhäusern
ist in manchen Fällen so täuschend, dass man sie mehrfach als solche beschrieben
(z. B. Valvata arenifera Lea und V. lustrica Say), und dass Swainson für sie
eine eigene Schneckengattung, Thelidomus, gebildet hat, — so täuschend, dass
man sie als Nachahmung von Schneckenhäusern, als einen Fall von Mimicr}' zu
betrachten versucht ist. Ob dies etwa für Psyche helix zutrifft, deren Vorkom-
men und Lebensweise ich nicht kenne, ob diese in ihrer Schneckenähnlichkeit
Schutz gegen Feinde findet, weiss ich nicht. Für Helicopsyche ist eine solche
Erklärung ihrer Schneckenform bestimmt abzuweisen; hier, wo diese Thiere in
mehreren Arten ungemein häufig sind, leben sie nie in Gesellschaft von Schecken ;
überhaupt sind mir hier keine Schnecken bekannt, die den Helicopsychen in
Grösse und Gestalt ähnlich wären. Welches mag also wohl der Ursprung der
Schneckenform der Helicops3xhengehäuse, ja der S ch necken form über-
haupt sein?
I) Vergl. auch Ges. Schriften, Tafel LIII und LIV.
^g^ Phryganiden-Studien.
Die Gehäuse verschiedener Haarflüglerlarven zeigen Vorrichtungen, durch
welche, wenn das Thier Nahrung' suchend umherkriecht, das vorgestreckte Kopf-
ende von oben gedeckt, möglichst den Blicken und Angriffen etwaiger Feinde
entzogen wird. Hagen's Abhandlung^) „über Phryganiden-Gehäuse" bietet
mehrfache Beispiele; mehrere andere habe ich hier kennen gelernt. Die Larven
einer durch Fühler von drei- bis vierfacher Körperlänge ausgezeichneten Art
(Macronema?) richten sich hohle oder von ihnen ausgehöhlte Stücke dünner Zweige
(Fig. i) dadurch zur Wohnung her, dass sie von der als Bauchseite benutzten
Wand des Einganges ein halbkreisförmiges Stück herausnagen und unter der
nun dachartig vorspringenden Rückenwand ein Steinchen beweglich anspinnen,
welches als Deckel den Eingang schliesst, wenn sie sich zurückziehen, und auch,
wenn sie herv^orkommen, den Kopf von vorn und oben schützen hilft. — Einige
Arten aus der Familie der Leptoceriden {= Mystaciden), darunter auch die Be-
wohner der Bromelien, bauen ihr Haus aus Blattstücken (Fig. 2), von denen eine
nach den Arten wechselnde Zahl die Bauchseite, eben so viel oder eins mehr
die Rückenseite bilden. Das vorderste Blattstück des Rückens springt dachartig
weit über den Eingang des Hauses vor. — Eine andere Leptoceridenlarve be-
kleidet ihr kegelförmiges Gehäuse (Fig. 3) mit schmalen Holzstückchen, die auf
dem Rücken der Länge nach, an den Seiten schief von vorn und oben nach
hinten und unten gelagert sind; auch bei ihr springt die Rückenwand des Ein-
ganges weit über die Bauchwand vor, und ausserdem wird noch der Vorderrand
des Rückens von etwa einem halben Dutzend schützend sich über den Eingang
vorstreckender Hölzchen überragt. — Besser noch als eine gerade vorspringende,
würde eine gleichzeitig leicht abwärts gebogene Rückenwand den Eingang
schützen; eine solche aber, falls sie nicht bei jedem Weiterbau abgebrochen und
neugebaut werden sollte, müsste zu mehr oder weniger gebogenen Röhren führen,
wie sie unter den Leptoceriden häufig- vorkommen und endlich zu schnecken-
artig gewundenen Gehäusen.
Wie die schneckenförmigen Gehäuse der Helicopsychen unter den Haar-
flüglern, so stehen die regellos gebogenen Röhren der Wurmschnecken (Ver-
metiden) vereinzelt da unter den regelmässigen Schneckenhäusern ihrer Ver-
wandten, und es ist eine hübsche Bestätigung von Haeckel's biogenetischem
Grundgesetz, dass, wie manche von diesen (z. B. Magilus antiquus) bekanntlich
ihr Haus regelmässig beginnen und dadurch ihre Abstammung von regelrechten
Schnecken bekunden, so jene bisweilen noch einen ältesten ungewundenen Theil
des Gehäuses erhalten zeigen (Fig. 4), der wie ein kleiner Schornstein emporragt
und die Abstammung von Vorfahren beweist, die noch ungewundene Röhren
bauten,
Itajahy, December 1878.
6. Gedankenlose Gewohnheit.
Wem wäre es nicht schon begegnet, dass er eine Handlung, die er bei be-
stimmtem Anlasse anzuführen sich gewöhnt hat, gedankenlos auch in Fällen aus-
geführt, wo dieselbe völlig zwecklos, oder selbst zweckwidrig war? Dass es mit
I) Stettin. Ent. Zeit. 1864. XXV. S. 113 und 221.
Phryganiden-Studien. 5gy
den ererbten Gewohnheiten der Thiere, dem nach Hartmann unfehlbaren In-
stinkte, nicht anders ist, dafür giebt die eben erwähnte, in Holzröhren (Fig-, 5)
lebende Larve (von Macronema?) ein recht schlackendes Beispiel.
In Zweiten, die sie sich selbst aushöhlt (Fig". 5) — es ist das der häufigere
Fall — richtet sie sich für die Verpuppung in folg'ender Weise ein : Durch die
Wand der hinten durch das Mark (m) des Zweiges geschlossenen Höhle nagt sie
von innen her ein kleines Loch (/); den Eingang verschliesst sie durch einen
Stein (st); dann spinnt sie eine dünne, die Innenwand der Röhre überkleidende
seidene Puppenhülle (p) ; die vordere Querwand dieser Puppenhülle überzieht und
hält den Stein des Eingangs; zwischen Stein und Röhrenwand ist die Puppen-
hülle siebartig durchlöchert, und ebenso bildet die hintere Querwand ein Sieb (s).
Die so eingeschlossene Larve oder spätere Puppe unterhält nun behufs der Ath-
mung einen beständigen Wasserstrom durch ihr Haus; derselbe tritt durch das
vordere Sieb ein, durch das hintere Sieb aus der Puppenhülle in den hinteren Raum
der Höhle und aus diesem durch das seitliche Loch nach aussen. Dieses Loch ist also
von höchster Wichtigkeit für den Inhaber der Röhre. — Ergreift die Larve von einem
hohlen Zweige Besitz (Fig. 6), so sichert sie sich auch hinten gegen feindliche Angriffe
durch einen Stein (sf) ; diesen bringt sie entweder am Ende des Zweiges an, oder
wie es scheint, häufiger) im Innern des Zweiges, dicht am hintern Siebe der
Puppenhülle. Nun, auch in diesem Falle unterlässt sie nicht, durch die Wand
der hinten offenen Röhre gewohnheitsgemäss das völlig nutzlose, übliche Loch
(Fig. 6, /) zu nag'en.
Itajahy, December 1878.
Ueber Phryganiden').
Aus Briefen an Hermann Müller in Lippstadt.
Blumenau, i8. Nov. 1878.
Von Phryganidenlarven habe ich neuerdings wieder mehrere neue gefunden.
Besonders reich an eigenthümlich gestalteten Larvengehäusen scheint hier die
Gruppe der Hydroptiliden zu sein; Hagen kannte (Stettin. Ent., Zeit., 1864) nur
4 hierher gehörige Gehäuse, Ich habe s(^hon 9 gefunden, die man in 6 ganz
verschiedene Gattungen bringen müsste:
I. Muschelähnliche Gehäuse, vorn und hinten mit engem, spaltförmigen
Eingang (wie Hydroptila). Sie werden auf der scharfen Kante getragen. (Be-
sonders muschelähnlich sehen sie aus, wenn sie aus stabförmigen Diatomeen ge-
baut sind, die dann gleichsam Anwachsstreifen bilden.)
i) Ober- und Unterrand gleichlaufend, fast gerade; aussen mit feinem Sande
bekleidet. Larven mit 3 Schwanzkiemen.
2) Von ähnlicher Gestalt, aber aus Algen oder Diatomeen gebaut. Larve
kiemenlos.
3) Rückenkante stark gewölbt, Gehäuse ohne fremde Stoffe gebaut.
IL Gehäuse aus Diatomeen , seitlich zusammengedrückt , vorn und hinten
mit schmalem Spalt, auf der Rückenkante mit 2 Schornsteinen (ich nenne sie
einstweilen Dicaminus). Zur Verpuppung werden sie aufrecht festgeheftet und
es stehen bisweilen ganze Dörfer dieser Häuser auf den Steinen. Der Nutzen
der Schornsteine ist offenbar, dem zum Athmen nöthigen Wasser freieren Zutritt
zu gewähren. Die Larven in den Muschelhäuschen, die solcher Röhren ent-
behren, sieht man fast beständig in ihrem Hause lebhafte schlängelnde Bewe-
gungen mit dem Hinterleibe machen, — jedenfalls zur Herbeiführung frischen
Wassers. Die Dicaminuslarven thun dies niemals.
III. Fast walzenförmig, aussen mit feinem Sande bekleidet. Winzige Röhren,
nur 2 mm lang, bei etwa 0,5 mm Durchmesser.
IV. An beweglichem Stiele festsitzende Gehäuse.
V. Schildförmige, ringsum befestigte Gehäuse, einer Eierhülse von Nephelis
ähnlich, an jedem Ende mit einem kleinen Loch. Endlich:
I) Zoolog. Anzeiger 1879. 2. Jahrg. S. 38 — 40.
Ueber Phryganiden. s 68 Q
VT. Flaschen form ige Gehäuse {Lagenopsyche nov. gen.). Diese sind be-
sonders merkwürdig. Von fast allen bekannten Ilydroptilidengehäusen, deren
Vorder- und Hinterende gleich und gleichmässig zum Aus- und Einkriechen der
Larve benutzt zu sein pflegt, unterscheidet sich das Gehäuse der Lagenopsyche
durch die grosse Verschiedenheit der beiden Enden: vorn eine runde Oeffnung,
hinten ein langer schmaler Spalt. — Alle übrigen Phryganiden sehen aus dem
zuletzt gebauten weiteren Theilc ihrer Röhren heraus, Lagenopsyche zum zuerst
gebauten Halse der Flasche. — Auch für die veränderte Lage der Puppe im
Gehäuse (für welche vorn, oben und unten ist, was für die Larve hinten, rechts
und links war) kenne ich kein anderes Beispiel. — Die Imagines pflegen in den
ersten Nachmittagsstunden auszukriechen.
Blumenau, 13. Oct. 1878.
Die Zahl der Arten von Phryganidengehäusen, die ich bis jetzt hier gefun-
den, beträgt etwa dreissig und ich bin eben dabei, einen durch Abbildungen er-
läuterten Bericht über dieselben für die Archivos unseres Musen nacional zu
schreiben ^).
Blumenau, i. Nov. 1878.
Zu meiner Arbeit über Phryganidengehäuse habe ich die Abbildungen
(3 Tafeln, dicht gefüllt) fertig. — Mit dem Texte hoffe ich rasch zu Ende zu
kommen und will dann an eine genauere Untersuchung der Larven gehen. Die
Gehäuse habe ich von folgenden Arten abgebildet:
I — 4. Rhyacophiliden, bewegliche Steinhäuschen. i. ohne grössere
Oeffnung im Dach, 2. mit einer Oeffnung in der Mitte des Daches, ohne Schorn-
stein, 3 u. 4. mit Schornstein.
5 u. 6. H^-^dropsychiden. 5. Grosse Hydropsychide, die ein sehr
rohes Haus baut. 6. Rh3'acophylax n. g., von deren wundervollem Bau ich Dir
im letzten Briefe eine Photographie schickte.
7 — 15. Leptoceriden. 7. Holzröhren, 8. und 9. Grumicha, 10. Grumi-
chinha (d. h. kleine Grumicha), 11. Röhre aus Callitrichesamen, 12 u. 13. Necto-
psAxhe n. g. (?), wovon ich Dir einige Röhren schicke. Die Larve schwimmt,
was, soviel mir bekannt, keine der bisher bekannten Phryganidenlarven kann.
Die Hinterbeine sind langbewimperte Schwimmbeine. Das fertige Insect {S) ist
ein prächtiges Thierchen; die Vorderflügel beschuppt (!), gelb, mit silbernen
Querbinden und einigen grossen tiefschwarzen Flecken.
14 u. 15. Grössere und kleinere Röhren aus Steinchen.
16^ — 21. Sericostomiden. 16. Gehäuse aus Blättern, 17. desgl., in Bro-
melien lebend, 18 — 21. Helicopsychearten.
22 — 30. Hy droptiliden. 22. Winzige 2 mm lange Röhre, 23 — 25. denen
von Hydroptila ähnliche Gehäuse mit Sand (23), Diatomeen (24), oder ohne fremde
Zuthat (25) gebaut.
26. Diaulus n. g. aus Diatomeen, mit 2 Schornsteinen.
27 u. 28. Lagenopsyche n. g., flaschenförmige Gehäuse.
29. Rhyacopsyche n. g. an beweglichem Stiele festsitzende Gehäuse.
i) Siehe Ges. Schriften S. 694.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 44
/: Ueber Pryganiden.
30. Peltopsyche n. g. Schildförmige, festsitzende, einer Nepheliseierhülse
ähnliche Gehäuse, von denen es mir noch nicht ausser allem Zweifel ist, ob sie
wirklich HydroptiHden zugehören.
Phryganiden und Limnophiliden werden hier wohl fehlen.
Blumenau, 13. Jan. 1879^).
Bei den Helicopsyche-Puppen unserer Bäche sind die vier ersten Fussglieder
zweizeilig lang und dicht bewimpert an dem Mittel-, schwächer an dem Vorder-
fuss, wie eben bei anderen Phryganiden auch. Bei der Helicopsyche der Wasser-
fälle, die an feuchten Felswänden lebt, fehlt diese Bewimperung ; ebenso bei einer
kleinen an gleicher Stelle lebenden Hydropsychide. Dass auch die Bromelien-
Phryganide dieser Schwimmhaare entbehrt, schrieb ich schon früher. — Diese
Beispiele scheinen mir wichtig, weil sie recht schlagend zeigen, dass man die
Verkümmerung nutzlos gewordener Theile nicht immer einfach und unmittelbar
als Folge des Nichtgebrauchs betrachten kann. Durch Unthätigkeit erworbene
Rückbildung mag allerdings schhesslich zu erblicher Verkümmerung führen
und Aehnliches auch bei andern Theilen stattfinden. Allein die Schwimmhaare
der Phryganidenpuppen stehen zur Zeit, wo sie in Thätigkeit treten, gar nicht
mehr in lebendiger Verbindung mit dem Thiere; sie sitzen der Puppenhaut auf,
die das zum Auskriechen reife Insect lose umhüllt ; ob sie gebraucht werden oder
nicht, kann ihre Entwickelung bei den Abkömmlingen des Insects in keiner
Weise beeinflussen. Weshalb also schwinden sie so rasch, sobald eine Art von
ihren nächsten Verwandten sich nach einem Orte entfernt, wo sie nicht schwim-
men kann, während in anderen Fällen nutzlos gewordene Theile (z. B. die nicht
durchbrechenden Zähne im Oberkiefer der Wiederkäuer) sich durch unermess-
liche Zeiträume forterben?
Die Nutzlosigkeit entzieht zunächst den betreffenden Theil der Wirkung
der natürlichen Auslese ; Thiere, bei denen der Theil weniger oder gar nicht ent-
wickelt ist, werden nicht ausgemerzt. Allein vereinzelt auftretende Abänderungen
haben ja, — den Schluss hätte Kram er leicht in kaum anfechtbarer Weise
ziehen können, — nicht die mindeste Aussicht herrschend zu werden, im Gegen-
theil alle Aussicht, bald wieder spurlos zu verschwinden. Daher eben, wo kein
andrer Grund für deren Verschwinden hinzutritt, das überraschend zähe Ver-
erben nutzloser Bildungen. Welches ist nun bei den Phryganiden dieser Grund,
der das rasche Schwinden der nutzlos gewordenen Schwimmhaare bedingt? —
Möglicherweise könnte vStoffersparnis, wie es in manchen anderen Fällen fast
zweifellos geschieht, auch hier mit in Betracht kommen. Weit wahrscheinlicher
aber ist mir, dass das Verschwinden der Schwimmhaare wesentlich als Rückschlag
aufzufassen ist (wie ich in den meinem vorigen Briefe beiliegenden Mittheilungen
aussprach). Die Neigimg zum Rückschlag, wie man sie sich auch körperlich
begründet denken möge, ist ja wahrscheinlich allgemein verbreitet; sie wird im
Zaume gehalten durch die natürliche Auslese; fällt diese weg, so wird die Zahl
der dem Rückschlage verfallenden Thiere mit jeder Generation wachsen und
rasch der jüngere, wieder nutzlos gewordene Erwerb, hier z. B. die Schwimm-
haare, aufs Neue verloren gehen. Theile, die aus sehr alter Zeit stammen (Zähne
der Säugcthicre), werden kaum je durch Rückschlag bei einzelnen Individuen
I) Zoolog. Anzeiger 1879. 2. Jahrg. S. 180 — 182.
Ueber Phryganiden. 69!
fehlen, werden also auch, falls sie nutzlos werden, wenigstens aus diesem Grunde,
nicht leicht wieder verloren gehen.
Blumenau, 12. Febr. 1879^).
Gerade zur rechten Zeit (ich war eben dabei, abgeworfene Puppenhäute
verschiedener Phryganiden zu untersuchen und zu zeichnen) traf hier ein treff-
liches Buch von Dr. Palmen aus Helsingfors ein: „Zur Morphologie des Tra-
cheensystems". Derselbe weist nach, dass das Erhaltenbleibcn der Tracheen-
kiemen bei der Imago von Pteronarcys regalis, das eine sonderbare Ausnahme
zu bilden schien, allgemeine Regel ist für alle Perliden. Bei einer Art (No. 7
in Holzröhren lebend, Tetracentron ?) konnte ich mich in der That sofort über-
zeugen, dass die Kiemen an der Purpenhaut ganz \eor sind, also gehäutet, nicht
abgeworfen werden, und fand dieselben auch bald darauf an einer frisch aus-
gekrochenen Imago. Bei einer anderen Art aber (No. 15. Steinröhren) werden
die Kiemen der Puppen bei der Verwandlung abgeworfen, so dass also P a 1 -
m e n ' s Vermuthung sich nicht für alle Phryganiden bestätigt. — Diese Ueber-
bleibsel der Kiemen bei geflügelten Insecten (— dass sie auch bei Pteronarcys
ganz functionslos sind, hat Hagen nach Beobachtung lebender Thiere ausge-
sprochen, — ) ist höchst merkwürdig. Man hat also zweierlei „rudimentäre Or-
gane" zu unterscheiden: i. solche, welche erwachsenen Vorfahren nützlich waren
und von diesen ererbt wurden; 2. solche, welche nie von erwachsenen Vorfahren
in tauglichem Zustande besessen wurden, die vielmehr von Jugendzuständen er-
worben und von diesen auf das erwachsene Thier übertragen wurden. — Ein
zweites Beispiel der letzten Art bietet dieselbe Phryganide (No. 7, Tetracentron?).
Auf dem Rücken des Hinterleibs der Imago zeigt der Vorderrand des III. bis
VI. Ringes eigenthümliche Vorsprünge, die den übrigen Ringen fehlen; ausser-
dem finden sich zwei dunkle Chitinplättchen am Ende des V, Ringes. Es sind
diese, der Imago jedenfalls ganz nutzlosen Vorsprünge und Plättchen Ueber-
bleibsel der auf dem Hinterleibsrücken der Puppe an den genannten Ringen ent-
wickelten Zahnplatten, die gerade bei dieser Art sehr stark entwickelt sind.
Diese den Puppen zum Vor- und Rückwärtskriechen in ihren Gehäusen dienen-
den Zähne sind in Zahl und Gestalt sehr mannichfaltig und dürften gute Gattungs-
merkmale geben.
Die Puppe einer unsrer Arten, einer Rhyacophilide, deren Larve frei zwi-
schen dicht verflochtenen Podostomeen in Stromschnellen sich aufzuhalten liebt,
hat an Vorder- und Mittelfüssen wohlentwickelte Fussklauen. Um zwischen dem
Gewirr der Podostomeenzweige herauszukriechen, werden sie ihr sehr nützlich sein.
Nach dem Verhalten der Puppen dürften die Trichoptera naturgemäss in
zwei Hauptabtheilungen zu bringen sein: die einen (Rh\'acophiliden und Hydro-
ptiliden) ruhen vollständig in rings geschlossenen Gespinnsten; die Gespinnste
oder Gehäuse aller anderen (Leptoceriden, Sericostomiden, H3^dropsychiden und
wohl auch die hier fehlenden Limnophiliden und Phryganiden) haben an beiden
Enden Oeffnungen, durch welche ein steter Wasserstrom hindurchgeht, unter-
halten durch fortwährende Bewegungen der Puppe. Dieser Wasserstrom
gibt, beiläufig bemerkt, ein treffliches Mittel, sich vom Leben der Puppe zu über-
zeugen und rechtzeitig, ehe sie die ganze Gesellschaft verpesten, etwa gestorbene
I) Zoolog. Anzeiger 1879. 2. Jahrg. S. 283 — 284. 44'
6g2
Ueber Phryganiden.
ZU entfernen. Ehe ich diese regelmässige Aussonderung etwaiger Leichen vor-
zunehmen verstand, habe ich mich vergebHch bemüht, von verschiedenen ge-
meinen Arten Imagines zu erziehen.
ßlumenau, 6. April 1879^).
An die London. Entomol. Society habe ich einen Bericht über unsre Phry-
ganiden geschickt und darin auch auf eine Eintheilung dieser Ordnung hinge-
wiesen, zu der mich die Beobachtung der lebenden Puppen geführt hat-). Ent-
weder nämlich sind die Puppengehäuse an beiden Enden mit kleinen Oeffnungen
versehen, durch welche die Puppe einen beständigen Wasserstrom unterhält, die
Puppe ist also in steter Bewegung; oder die Puppe ist von einem rings ge-
schlossenen Gespinnst umgeben, in welchem sie völlig bewegungslos ruht. Zu
letzterer Abtheilung gehören die Rhyacophiliden (Gespinnst frei im Gehäuse) und
Hydroptiliden (Gespinnst mit der Wand des Gehäuses verschmelzend), zur ersten
Abtheilung die übrigen fünf Familien. Schon Eaton hat auf Grund des Baues
der Imago die Hydroptiliden den Rhyacophiliden angereiht. — Schon früh haben
wahrscheinlich die Trichoptera sich in diese beiden Hauptgruppen geschieden,
von denen jede noch jetzt durch ziemlich ursprüngliche Formen vertreten ist,
deren Larven frei leben, deren Kiefertaster in beiden Geschlechtern gleich ge-
bildet sind und deren Flügelgeäder sich ebenfalls als der Urform nahe stehend
ausweist (einerseits die Hydropsychiden, andererseits die Rhyacophiliden). Die
typische Form der Gehäuse ist ebenfalls verschieden; die der ersten Abtheilung
werden an dem sich erweiternden Mundende weitergebaut; bei der zweiten Ab-
theilung ist in der Regel kein Unterschied zwischen Vorder- und Hinterende;
die Larve benutzt beide Oeffnungen gleichmässig als Thüren u. s. w.
Meine allerdings noch ganz provisorische Auffassung des Stammbaums der
Trichoptera ist die beistehend dargestellte.
0Tr.
©Hps I ©R.
. .0Hps.
/ \
OLe. . . I
II.
0R.
III.
0R. 0Hpt.
0P. . .0Li. . IV.
• . .0S V.
(Tr. == Trichoptera, R. = Rhyacophilidae, Hpt. = Hydroptilidae, Hps. = Hy-
dropsychidae, Le. = Leptoceridae, Li. =: Limnophilidae, P. = Phryganidae, S. =
Sericostomidae.)
i) Zoolog. Anzeiger 1879. 2. Jahrg. S. 405 — 407.
2) Siehe Ges. Schriften S. 766.
Ueber Phryganiden. 603
Phyletische Stufen: 1. Ohne Larvengehäuse (jetzt noch ein Theil der Rhya-
cophiliden und Hydropsychiden). IL Mit festsitzendem Larvengehäuse. 111. Mit
freiem Larvengehäuse, fünfghedrigen Kiefertasten bei c^ und $. IV. Kiefertaster-
gheder weniger zahh-cich beim J als beim ?, doch von gleicher Gestalt. V. Glie-
der Kiefertaster der d in Zahl und Gestalt verschieden von denen der ?.
Ich meine, ich habe Dir noch nicht von einer allerliebsten Einrichtung bei
unsrer kleinen Grumicha geschrieben (es ist das beiläufig eine neue, Leptocerus
sehr nahe stehende Gattung Grumichella m.). Sie befestigt nämlich nicht, wie
die grosse Grumicha und andere Trichopteren, vor der Verpuppung ihre Ge-
häuse, sondern deren Deckel. Gewöhnlich sitzen die Gehäuse mit dem Mund-
ende nach oben an senkrechten Felsen, an denen eine dünne Wasserschicht
niederfällt. Gegen dieses Wasser würden die Puppen nach Lösung des Deckels
kaum aus dem festsitzenden Gehäuse auskriechen können, oder doch von dem-
selben übel zugerichtet werden. So aber bleibt der Deckel am Felsen sitzen,
wenn er vom Gehäuse ringsum gelöst ist, und in letzterem wird die Puppe von
dem stürzenden Wasser fortgerissen, um an einem ruhigeren Orte herauszu-
kriechen und sich zu verwandeln.
Sobre as casas construidas Ueber die von den
pelas larvas de Insectos Trlchopterenlarven der
Trichopteros da provincia Provinz Santa Catharina
de Sa. Catharina^). verfertigten Gehäuse^).
Mit Tafel LIII, LIV und LV.
Introduc9äo.
A ordern dos insectos trichopteros
e de subido interesse debaixo de dous
pontos de vista distinctos : o genealogico
e o biologico.
No systema genealogico dos insec-
tos, OS trichopteros occupam, em rela^äo
aos lepidopteros, a mesma posigäo que,
entre os mammiferos, como hoje quasi
todos admittem, competo aos macacos
antropomorphos em relagäo ao hörnern ;
e summamente provavel que os lepidop-
etros sejam descendentes de algum tri-
choptero extincto, ou ao menos que am-
bas as ordens se tenham originado e
dcsenvolvido de um typo primitivo com-
mum, do quäl menos se tivcssem afas-
tado OS modestos trichopteros, c muito
mais os brilhantes lepidopteros. Ora,
si este motivo, para se dar maxima im-
portancia a pequena ordern dos trichop-
teros, e de data muito recente, ao con-
trario ja em tempos remotissimos as
casas ou estojos que as larvas desses in-
i) Archiv, do Museu Nacional do Rio de Janeiro
1878. vol. III. p. 99—124. Est. VIII— X.
Einleitung.
Die Ordnung der Trichopteren ist
unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten
von hohem Interesse: dem genealogi-
schen und dem biologischen.
In dem genealogischen System der
Insekten nehmen die Trichopteren in
Bezug auf die Schmetterhnge dieselbe
Stellung ein, die unter den Säugethieren,
nach der heute fast allgemeinen An-
nahme, den anthropomorphen Affen in
Bezug auf den Menschen zukommt; es
ist im höchsten Grade wahrscheinlich,
dass die Schmetterlinge von irgend einem
ausgestorbenen Trichopteren abstammen,
oder wenigstens, dass beide Ordnungen
aus einer gemeinsamen Stammform her-
vorgegangen sind, von der sich die un-
ansehnlichen Trichopteren weniger, die
farbenprächtigen Schmetterlinge viel
weiter entfernt haben. Wenn nun dieser
Grund, der kleinen Ordnung der Tricho-
pteren eine grosse Wichtigkeit beizu-
legen, von sehr neuem Datum ist, so
i) Zeitsclir. Aviss. Zoologie 1880. Bd. 35. S.47 — 74
mit Taf. IV — V. Aus dem Portugiesischen übersetzt
von dem Bruder des Verfassers, Dr. Hermann Müller
in Lippstadt.
Ueber die von den Trichopterenlaiven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. ÖQ'^
sectos constriuMii haviam dcspcrtado vivo
Interesse aos que entäo se entregavam ao
estudo da biologia dos insectos. Na opi-
niäo de varios auctores o xylophthoro ou
ligniperda [6oXo^\>dpo<;] de .\ristoteles
tcria sido uma larva de Phryganea;
todavia, como eile se näo referc a vida
aquatica desto animal, e miiis provavel
que tivesse sido a larva de algum
If^pidoptero, do grupo das Psychideas
talvoz. Mas seja isso como for, o que
e vcrdade e que os grandes observa-
dores do seculo passado, a quem tanto
deve a biologia dos insectos, Reaumur,
De Geer e Roesel, fizeram tambem
estudos muito importantes sobre a histo-
ria natural e a estructura dessas larvas
de trichopteros, assim como de suas
casas.
No seculo actual deram-se a um
estudo especial dos mesmos animaes,
Pictet, Kolenati, Hagen, Mac Lachlan
e outros. Entretanto, todos esses tra-
balhos ficaram quasi exclusivamente
adstrictos ä Europa, sendo ainda hojc
a historia natural das especies extra-
europeas como que um terreno virgem
e desconhecido ä sciencia.
Em 1864, Hagen, publicou uma lista
descriptiva de todas as casas de Tricho-
pteros, de que tinha visto exemplares
ou achado alguma noticia em outros
auctores ^) ; devendo notar-se que do
vasto territorio do Brasil, so se acham
mencionadas nesta lista de 150 especies
a Grtimicha de Saint Hilaire, e uma
especie de Helicopsyche. Assim, pois,
näo sera fora de proposito dar uma
breve noticia das especies que observei
na provincia de Santa Catharina. Por
mais deficiente e incompleta que seja
i) Hagen, Ueber Phryganiden-Gehäuse. Stettiner
entomol. Zeitung. Bd. XXV. 1864. P- 114 ep. 221.
haben dagegen schon in sehr entfernten
Zeiten die Gehäuse oder Futterale, die
die Larven dieser Insekten bauen, das
lebhafteste Interesse Derer erregt, die
sich damals dem Studium der Biologie
der Insekten hingaben. Nach der Mei-
nung verschiedener Schriftsteller v^^äre
der Holzverderber (^0X09 i)-öpo<;) des Ari-
stoteles eine Phryganidenlarve gewesen ;
doch ist es, da er nichts von der Wasser-
Lebensweise dieses Thieres erwähnt, wohl
wahrscheinlicher, dasses die Larve irgend
eines Schmetterlinges, vielleicht aus der
Gruppe der Psychiden, gewesen sein mag.
Dem sei aber wie ihm wolle, jedenfalls
haben die grossen Beobachter des ver-
gangenen Jahrhunderts, denen die Bio-
logie der Insekten so viel verdankt,
Reaumur, De Geer und Roesel, auch
sehr wichtige Studien über die Natur-
geschichte und den Bau der Trichopteren-
larven, so wie ihrer Gehäuse gemacht.
Im gegenwärtigen Jahrhundert wid-
meten sich dem speciellen Studium dieser
Tiere Pictet, Kolenati, Hagen, Mac Lach-
lan und Andere. Alle diese Arbeiten
blieben indessen fast ausschliesslich auf
Europa beschränkt, so dass die Natur-
geschichte der aussereuropäischen Arten
fast noch heute ein jungfräuliches und
der Wissenschaft unbekanntes Gebiet ist.
Im Jahre 1864 veröffentlichte Hagen
ein Verzeichniss nebst Beschreibungen
aller Trichoptcren-Gehäuse, von denen
er Exemplare gesehen oder über die er
bei anderen Schriftstellern irgend eine
Angabe gefunden hatte ^) ; in dieser Liste
von 150 Arten finden sich aus dem un-
geheuren Gebiet Brasiliens nur eine
Grumicha von Saint Hilaire und eine
Helicopsyche-Art erwähnt. Hiernach
wird es also nicht unzweckmässig sein,
eine kurze Mittheilung über diejenigen
Arten zu machen, die ich in der Pro-
i) Hagen, Ueber Phryganiden-Gehäuse. Stettiner
entomol. Zeitung. Bd. XXV. 1864. S. 114 und 221.
696
Sobrc as casas construidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
ainda a minha lista das cspecies catha-
rinenses, ao menos mostrara quantas
formas inesperadas e curiosas podem
ainda deparar-se aos que quizerem ex-
plorar as aguas do Brasil a busca das
larvas de Trichopteros. Limito-me por
esta vez as casas construidas pelas lar-
vas, referindo-me apenas de passagom
a um ou outro ponto notavel da estruc-
tura ou dos costumes de seus habitan-
tes, cuja descripgäo reservo para outro
trabalho.
Quando, ha 25 annos, Brcmi propoz
o genero Helicopsyche, de quo n'aquella
epocha apenas se conheciam as casas
das larvas, baseou-se no facto capital de
que «todas as observagöes feitas ate entäo
a esse respeito provaram sempre que as
differengas existentes no typo de archi-
tectura das casas de Phryganideas indi-
cam generös distinctos». Sigo o exemplo
de Bremi, propondo generös novos para
varios typos inteiramente novos de casas
de Trichopteros; semelliante procedi-
mento me parece assaz justificado, com-
quanto sejam ainda desconhecidos os
insectos perfeitos, no facto da trans-
formagäo que soffrem as larvas construc-
toras daquellas casas. Tomemos o exem-
plo das Helicopsyches, täo notaveis pelas
suas casas encaracoladas. Tres casos
podiam apresentar-se. Primeiro, que os
insectos perfeitos, nascendo das especies
ja täo numcrosas e espalhadas por todo
o mundo, daquellas casas encaracoladas,
fossem todos täo semelhantes entre si e
täo differentes de todos os mais Tricho-
pteros, que constituissem um genero
distincto ; neste caso näo haveria duvida
alguma sobre o genero Helicopsyche.
vinz Santa Catharina beobachtet habe.
Denn mag auch meine Liste der Arten
dieser Provinz noch so mangelhaft und
unvollständig sein, so wird sie wenig-
stens zeigen, wie viel unerwartete und
merkwürdige Formen noch aufgefunden
werden können, wenn man die Gewässer
Brasiliens auf Trichopterenlarven durch-
sucht. Ich beschränke mich für dies
Mal auf die \'on den Larven gebauten
Gehäuse und nehme höchstens nebenbei
Bezug auf die eine oder andere bemer-
kenswerthe Eigenthümlichkeit des Baues
oder der Gewohnheiten ihrer Bewohner,
deren Beschreibung ich einer anderen
Arbeit vorbehalte.
Als Bremi vor 25 Jahren die Gattung
Helicopsyche aufstellte, von der man in
jener Epoche kaum die Gehäuse der
Larven kannte, stützte er sich auf die
Hauptthatsache, dass „alle bis dahin in
dieser Hinsicht gemachten Beobachtun-
gen immer bewiesen hatten, dass die in
der Grundform des Baustiels der Phry-
ganiden-Gehäuse bestehenden Verschie-
denheiten verschiedene Gattungen an-
zeigen". Ich folge dem Beispiele Bremi's,
indem ich für verschiedene ganz neue
Grundformen (Typen) \'on Trichopteren-
Gehäusen 'neue Gattungen aufstelle; ein
solches Vorgehen scheint mir hinlänglich
gerechtfertigt, wie sehr auch die voll-
kommenen Insekten noch unbekannt sein
mögen ; denn die Larven , welche die
Gehäuse bauen, werden durch sie auch
umgeformt. Nehmen wir z. B. die
Helicopsyche-Arten, die sich durch ihre
schneckenförmig eingerollten Gehäuse
so sehr auszeichnen. Drei Fälle können
sich darbieten. Erstens könnten die
vollkommenen Insekten , die aus den
schon so zahlreichen und durch die ganze
Welt verbreiteten Arten dieser schnecken-
förmigen Gehäuse hervorgehen, alle unter
sich eben so ähnlich und von allen üb-
rigen Trichopteren, die eine besondere
Ueber die von den Tnchoptercnlaivcn der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 5gy
Em seo-undo logar, podia-sc^ suppor
que fossem todos os trichopteros nascidos
de casas encaracoladas, täo semclhantes
as especies de algiim tnitro genero, que,
no estado de insectos perfeitos, näo se
podessem distinguir genericamente ; tam-
bem neste caso, (que näo se verifica na
HelicopsycJie borealis, Hag), teria sido
conveniente conservar o genero Helico-
psycJie^ visto como o caracter das casas
encaracoladas e, sem duvida nenhuma,
muito mais importante e signal muito
mais seguro de affinidade do que aquellas
ligeiras differengas nas nervuras das
azas e outras do mesmo jaez, hoje usadas
para distinguir os generös dos Tricho-
pteros. Podera , emfim , acontecer que
as varias especies cujas larvas construem
casas encaracoladas, estejam no estado
de insectos perfeitos, täo diversos entre
si , que con\nria separal-os em diversos
generös; tambem neste caso deveria
subsistir o nome de Helicopsyche, para
designar por uma unica palavra os con-
structores das casas encaracoladas, c
devia subsistir com o mesmo direito com
que continuam a ser usados os nomes
de Bipinnaria, Plnteus, de Nauplius,
de Zoea, etc. Ora, tudo o que acabo
de dizer a respeito das HelicopsycJies ,
vale tambem para todos os generös
que von propör neste trabalho.
§ I-
As casas das Rhyacophylideas
(flg. 1—4).
Segundo Pictet ^) , as larvas das
Rhyacophilideas vivem sem casa cm
i) Citado por Hagen, 1. c. p. 142.
Gattung bilden, eben so verschieden sein;
in diesem Falle würde über die Gattung
Helicopsyche gar kenn Zweifel sein.
An zweiter Stelle könnte man an-
nehmen, dass alle Trichoptcren, die aus
schneckenförmigen Gehäusen hervor-
gehen, den Arten irgend einer anderen
Gattung so ähnlich wären, dass sie im
Zustande der fertigen Insekten nicht
generisch unterschieden werden könnten ;
auch in diesem Falle (der sich in Helico-
psyche borealis Hag. nicht bewahrheitet)
würde es passend sein, die Gattung
Helicopsyche festzuhalten, da ja ohne
irgend welchen Zweifel das Merkmal
der schneckenförmigen Gehäuse viel
wichtiger ist und viel sicherer auf Ver-
wandtschaft hinweist als jene leichten
Unterschiede in den Flügelnerven und
andere desselben Schlages, die man
heute anwendet, um die Gattungen der
Trichoptcren zu unterscheiden. Endlich
wird es sich treffen können, dass die
verschiedenen Arten , deren Larven
schneckenförmige Gehäuse bauen , im
Zustande fertiger Insekten so verschieden
unter sich sind, dass es passend sein
würde, sie in verschiedene Gattungen zu
trennen; auch in diesem Falle müsste
der Name Helicopsyche bestehen bleiben,
um mit einem einzigen Worte die Er-
bauer schneckenförmiger Gehäuse zu
bezeichnen, und müsste mit demselben
Rechte beibehalten werden, mit dem man
fortfährt, die Namen Bipinnaria, Pluteus,
Nauplius, Zoea u. s. w. zu gebrauchen.
Alles was ich soeben hinsichtlich der
Helicopsyche- Arten gesagt habe, gilt
aber ganz eben so für alle Gattungen,
die ich in dieser Arbeit aufstellen werde.
i) Die Gehäuse der Rhyacophi-
liden (Fig. i — 4).
Nach Pictet ^) leben die Larven der
Rhyacophiliden ohne Gehäuse in fliessen-
i) Citirt von Hagen, 1. c. S. 142.
698
Sobre as casas constmidas pelas larvas de Insectos Tricliopteros.
aguas correntes, e so quando estäo para
se transformar em n3^mphas, construem
nas pedras uma casa tosca c immovcl;
näo obstante, o proprio Pictet ja fig-urou
uma casa movel, feita de pedras pela
larva de uma especie desta familia \).
Depois de construida ou fixada a casa,
as larvas das Rhyacophilideas, atites de
se transformarem, ainda fazem ao redor
de si um segundo 'involucro, ou casulo
de uma niembrana assaz resistente, de
forma oval, fechado do todos os lados,
o quäl se acha solto no interior da casa
de pedras. Por este segundo involucro
as nymphas das RJiyacophilideas facil-
mente se distinguem das de todos os
mais Ti'ichopteros. Nos corregos e
ribeiros affluentes do rio Itajahy ha
algumas especics desta familia que,
no estado de larvas, parecem prescindir
de casas; os casulos de suas nymphas
acham-se cobertos de algumas pedrinhas
toscamente accumuladas, formando um
monticulo täo irregulär que näo merece
o nome de casa. Muito mais frequentes
säo algumas outras especies que ja no
estado de larvas vivem em casas mo-
veis. Estas casas (fig. i — 4) säo feitas
de pedras de forma oval, com dous
orificios ou portas nos dous extremos
do lado ventral. Näo ha differenga entre
OS extremos anterior e posterior da casa,
podendo a larva sahir indifferentemente
por uma ou outra porta. Antes de se
transformar em nympha, a larva remove
a parede ventral, fixando] toda a margem
da abobada da casa a alguma pedra
maior, e ao mesmo tempo renne mais
firmemente umas as outras as pedrin-
has da mesma abobada.
den Gewässern und bauen nur, weim
sie sich verpuppen wollen , auf den
Steinen ein rohes und unbewegliches
Gehäuse; gleichwohl hat schon Pictet
selbst ein bewegliches Gehäuse abge-
bildet, das von der Larve einer Art
dieser Familie aus Steinen verfertigt
war ^). Nach dem Bau und der Be-
festigung ihres Gehäuses machen die
Larven der Rhyacophiliden, bevor sie
sich umwandeln, um sich herum noch
eine zweite Hülle, einen Kokon aus einer
ziemlich widerstandsfähigen Haut, von
ovaler Form, der sich, von allen Seiten
geschlossen, lose im Inneren des Stein-
gehäuses befindet. Durch diese zweite
Hülle unterscheiden sich die Puppen
der Rhyacophiliden leicht von denen
aller übrigen Trichopteren. In Quellen
und Bächen, die dem Itajahy zufliessen,
giebt es einige Arten dieser Familie,
die im Larvenzustande von Gehäusen
abzusehen scheinen ; die Hüllen ihrer
Puppen finden sich mit einigen roh zu-
sammengehäuften Steinchen bedeckt, die
ein so unregelmässiges Häufchen bilden,
dass es den Namen eines Gehäuses nicht
verdient. Viel häufiger sind einige an-
dere Arten, die schon im Larvenzustande
in beweglichen Gehäusen leben. Diese
Gehäuse (Fig. i — 4) sind aus Steinen ver-
fertigt, von ovaler Form, mit zwei Oeff-
nungen oder Thüren an den beiden
Enden der Bauchseite. Es ist kein Unter-
schied zwischen dem vorderen und hin-
teren Ende des Gehäuses; die Larve
kann eben so gut aus der einen wie aus
der anderen Thür hervorkommen. Bevor
sie sich zur Puppe umwandelt, entfernt
die Larve die Bauchwand, heftet den
ganzen Rand des Gewölbes ihres Ge-
häuses an irgend einen grösseren Stein
und verbindet gleichzeitig die Steinchen
dieses Gewölbes fester mit einander.
i) Hagen, 1. c. p. 144 \V\ 6.
i) Hagen, 1. c. S. 144. 11°. 6.
Ueber die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 6qq
As casas de todas as larvas de Tricho-
pteros devem ser atravessadas conti nua-
mcnte por uma corrente de agua frcsca,
quc mantem a r(\spira(;äo das mesmas
larx'as. Ora, as duas portas das casinhas
mov^eis das Rliyitcopliilideas acham-se,
como ja disse , na parede ventral , e
applicadas a pedra em que vivem ;
circumstancia esta utilissima, de ccrto,
para impedir a entrada de qualquer
inimigo, poreni muito desfavoravel a
circulagäo da agua. Este inconveniente
acha-se remediado de differentes ma-
neiras pelas diversas especies cathari-
nenses. Em uma especie pequena (fig. i),
cujas casas raras vezes excedem a 5'""'
de comprimento sobre 3™™ de largura,
as pedrinhas da abobada säo ligadas
de maneira a deixarem cntre si pequenos
orificios ou intersticios irreguläres, de
numero, tamanho e forma muito varia-
veis. As vezes, perto de um ou outro
extremo, encontra-se um orificio um
pouco maior. Esta especie vive em varios
corregos menores de curso rapido; ge-
ralmente no lado superior das pedras,
as casas das nymphas (fig. i, B-B'),
costumam ser fixadas ao lado inferior
das mesmas pedras. Outra especie (fig. 2),
que encontrei no ribeiräo da Gruta dos
Macacos ( <Affen\vinkel. dos allemäes da
colonia de Blumenau ») e que costuma
empregar pedras relati\amente grandes
na construcQäo de suas casas, deixa um
unico buraco maior no centro da abo-
bada. Este buraco e frequentementc
quadrangular e limitado por quatro pe-
dras, fechando-se quando a larva \ai
transformar-se em nympha.
Em quasi todos os logares em que
um ribeiräo maior ou menor corre rapi-
damente em um leito de pedras, estas
acham-se cobertas de milhares de casin-
Die Gehäuse aller Trichopterenlarven
müssen beständig von einem Strom
frischen Wassers durchflössen werden,
der die Athmung dieser Leirven unter-
hält. Nun befinden sich die beiden
Thüren der beweglichen Häuschen der
Rhyacophiliden, wie schon gesagt, in
der Bauchwand und dem Steine an-
gedrückt, auf dem sie leben ; dieser Um-
stand, der gewiss sehr nützlich ist, um
den Eintritt irgend welches Feindes zu
verhindern, ist dagegen für die Cirku-
lation des Wassers sehr ungünstig. Dieses
Hindernis findet sich bei verschiedenen
Arten von St. Catharina auf verschie-
dene Weise beseitigt. Bei einer kleinen
Art (Fig. i), deren Gehäuse in seltenen
Fällen 5 mm Länge bei 3 mm Breite
überschreiten , sind die Steinchen des
Gewölbes derart mit einander verbunden,
dass sie zwischen sich kleine Oeffnungen
oder unregelmässige Zwischenräume
lassen, die an Zahl, Grösse und Form
mannigfach wechseln. Bisweilen findet
sich nahe dem einen oder anderen Ende
eine etwas grössere Oeffnung. Diese
Art lebt in verschiedenen kleineren
Quellen von raschem Lauf; gewöhnlich
auf der oberen Seite der Steine; die
Gehäuse der Puppen (Fig. i B, B')
pflegen an der unteren Seite derselben
Steine befestigt zu werden. Eine an-
dere Art (Fig. 2), die ich im Bache
„Affenwinkel" (Gruta dos Macacos)
antraf, und die verhältnissmässig grosse
Steine beim Bau ihrer Gehäuse anzu-
wenden pflegt, lässt eine einzige grössere
Oeffnung in der Mitte des Gewölbes.
Diese Oeffnung ist häufig viereckig und
von \'ier Steinen umgrenzt; sie wird ge-
schlossen, wenn die Larve sich zur Puppe
umwandeln will.
An fast allen Stellen, wo ein grösserer
oder kleinerer Bach in einem Bette von
Steinen schnell fliesst, finden sich diese
mit Tausenden von Rhyacophiliden-
700
Sobre as casas coiistruidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
has de Rhyacophüideas (fig. 3), quo, em
vez de um simples buraco, possuem no
meio da abobada uma chamine ou cano
mais ou menos alto, construido geral-
mente de pedrinhas muito mais miudas
do que as do resto da casa.
As formas e cores dessas casinhas
variam ao infinito, segundo o caracter
mineralogico do material que para a
sua construccäo as larvas encontram nas
aguas, näo so nos differentes riboiros
que habitam, como tambem na mesma
localidade. As tres casinhas da fig. 3
foram tiradas com algumas duzias de
outras näo menos diversas de uma unica
pedra do Ribeiräo do Garcia. As casas
das nymphas, fixadas geralmente no lado
inferior das pedras, näo tem mais cha-
mine. Por causa da extrema variabilidade
e irregularidade destas casinhas, e quasi
impossivel decidir, sem um exame minu-
cioso das larvas e nymphas que as
habitam e dos insectos perfeitos em que
estas se transformam, si todas ellas per-
tencem a uma so especie. As que no
mez de Agosto achei no Ribeiräo da
Triste Miseria {Trauriger Jammer, dos
allemäes de Blumenau) , distinguiam-se
por uma chamine menos alta, menos
estreita, e frequentemente um pouco
inclinada (fig. 4). Talvez seja especie
differente.
§ 2-
As casas das Hy dropsy chideas
(fig. 5-6).
Näo se conhece larva da familia das
Hy dropsy chideas, que faga casa movel;
quasi todas ellas vivem em escondrijos
de construccäo muito rüde, sendo, ou
corredores assaz compridos e tortuosos,
cobertos de pedras, fragmentos de plan-
tas, etc., ou tambem canaes cylindricos
cujas paredes, tecidas pela larva, se
compöem de seda e barro ou areia fina,
bauschen (Fig. 3) bedeckt, die, statt einer
einfachen Oeffnung, in der Mitte des
Gewölbes einen Schornstein oder eine
Röhre besitzen — mehr oder weniger
hoch, im Allgemeinen aus viel kleineren
Stein chen gebaut, als das übrige Gehäuse.
Die Formen und Farben dieser Ge-
häuse variiren ins Unendliche nach dem
mineralogischen Charakter des Baumate
rials, welches die Larven in den Gewäs-
sern antreffen, nicht nur in den verschiede-
nen Bächen, die sie bewohnen, sondern
auch an derselben Lokalität. Die drei Ge-
häuse von Fig. 3 wurden mit einigen
Dutzend anderen, nicht weniger ver-
schiedenen einem einzigen Steine des
Baches Garcia entnommen. Die Gehäuse
der Puppen, die gewöhnlich an der
Unterseite der Steine befestigt sind,
haben keinen Schornstein mehr. Wegen
der ausserordentlichen Variabilität und
Unregelmässigkeit dieser Häuschen ist
es, ohne eine minutiöse Untersuchung
der Larven und Puppen, die sie be-
wohnen, und der fertigen Insekten, in
die diese sich umwandeln, kaum mög-
lich zu entscheiden, ob sie alle zu einer
einzigen Art gehören. Die, welche ich
im Monat August im Bache „Trauriger
Jammer" (Triste Miseria) fand, unter-
scheiden sich durch einen weniger hohen,
weniger engen, und oft etwas geneigten
Schornstein (Fig. 4). Sie bilden vielleicht
eine verschiedene Art.
2) Die Gehäuse der Hydrops}^ -
chiden (Fig. 5, 6).
Aus der Familie der Hy dropsy chiden
ist keine Larve bekannt, die ein beweg-
liches Gehäuse anfertigt; sie leben fast
alle in Verstecken von sehr roher Bau-
art: entweder in ziemlich langen, ge-
krümmten Gängen, die mit Steinen,
Pflanzenbruchstücken u. s. w. bedeckt
sind, oder auch in cylindrischen Kanälen,
deren von der Larve gewebte Wände
Ueber die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. yoi
como OS construidos pela larva de
Hydropsyche ntaailicornis'^). Na pro-
vincia de Santa Catharina abunda, por
baixo das pedras, em quasi todas as
aguas correntes, uma larva desta familia,
a maior de todas as larvas de Tri-
chopteros que por aqui ha. Ella vive
em uma especie de canal on corredor
coberto de pedras irregularmente accu-
muladas e em geral muito mal seguras
por alguns fios dc^ seda. Para se trans-
formar em nympha ella construc^ uma
casa de pedras firmemente ligadas, as
vezes enormes para animal täo pequeno.
A forma externa dessas casas (fig. ^, A),
fixadas no lado inferior de pedras
maiores, e muito irregulär, variando ao
infinito, segundo a forma das pedras
empregadas na sua construcgäo. Ellas
encerram uma cavidade cylindrica ou
oval de cerca de 20""" de comprimento
sobre 6"™ de largvira. A camada inte-
rior da parede da casa e feita de barro,
areia ou pedrinhas muito intimamente
unidas pela seda que fornecem os «seric-
terios» ou glandulas fiandeiras da larva.
A superficie interna da casa e lisa; em
cada extremidade a parede e perfurada
de cerca de meia duzia de buraquinhos
para receber a agua necessaria a re-
spiragäo da nympha. Contiguo a super-
ficie interna da casa de pedras acha-
se um casulo de seda branca, ligeira-
ramente amarellada (fig. 5, ß). A mem-
brana do casulo, comquanto tenuissima,
e muito resistente; os extremos (ou
bases do C3dindro), säo crivados de
buracos numerosissimos de cerca de
o,""°o8 de diametro (fig. 5, R).
i) Westwood, Introductlon to modern Classi-
fication of Insects. II. p. 62. fig. 68, 8.
aus Seide und Thon oder feinem Sand
bestehen, wie die von der Larve von
Hydropsyche maculicornis gebauten ^).
In der Provinz Santa Catharina ist in
fast allen fliessenden Gewässern auf der
Unterseite der Steine eine Larve dieser
Familie ungemein häufig, die grösste
aller bis jetzt bekannten Trichopteren-
larven. Sie lebt in einer Art Kanal
oder Gang, der von unregelmässig zu-
Scimmengehäuften und mit einigen Sei-
denfäden im Allgemeinen sehr schlecht
befestigten Steinen bedeckt ist. Um sich
in eine Puppe umzuwandeln, baut sie
ein Gehäuse von fest zusammengehef-
teten, bisweilen für ein so kleines Thier
auffallend grossen Steinen. Die äussere
Form dieser mit ihrer Unterseite an
grössere Steine befestigten Gehäuse
(Fig. 5 A) ist sehr unregelmässig, nach
der Form der bei ihrem Bau verwen-
deten Steine ins Unendliche wechselnd.
Sie umschliessen einen cylindrischen oder
ovalen Hohlravim von ungefähr 20 mm
Länge bei 6 mm Breite. Die innere
Wandschicht des Gehäuses ist aus Thon,
Sand oder Steinchen verfertigt, die mittels
der von den Seiden- oder Spinndrüsen
der Larve gelieferten Seide sehr innig
vereinigt sind. Die innere Oberfläche
des Gehäuses ist glatt; an jedem Ende
ist die Wand von ungefähr einem halben
Dutzend kleiner Löcher durchbohrt, um
das zur Athmung der Puppe nöthige
Wasser aufzunehmen. Unmittelbar an
der inneren Oberfläche des Steingehäuses
befindet sich ein Kokon von weisser,
schwach gelblicher Seide (P'ig. 5 B).
Die Haut des Kokons ist zwar sehr
dünn, aber in hohem Grade widerstands-
fähig; die Enden oder Grundflächen des
Cylinders sind von sehr zahlreichen
Löchern von ungefähr 0,08 mm Durch-
messer siebartig durchlöchert (Fig. 5, B').
i) Westwood, Introduction to modern Classi-
fication of Insects, II, p. 62, Fig. 68, 8.
702
Sobre as casas constniidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
Mais rara e outra especie da mesma
familia (fig. 6), quc so se encontra em
corregos de curso muito rapide, v. g. na
«Gruta dos Macacos» e na «Triste Misc-
ria» de Blumen au. As suas casas säo das
mais interessantes, näo so na ordern dos
Trichopteros, como dos insectos em geral,
podendo rivalisar com as do cupim, das
formigas, marimbondos, abelhas, etc.
Estas casas nunca säo feitas por baixo,
mas sim por cima das pedras; säo con-
struidas sem grande arte, (^ nada
mais säo do que tubos ou canaes
de cerca de 7™" de comprimento so-
bre 2™'" de diametro, feito de fibras
vegetaes irregularmente sobrepostas ou
entrelacadas, ou tambem de pedrinhas.
Gada casa tem um vestibulo ou varanda,
dilatando-se em forma de funil, cuja en-
trada mede ate 7""" de altura sobre outro
tanto ou mais de largura. As paredes
lateraes säo geralmente feitas de fibras
entrelacadas, servindo de tecto uma rede
elegantissima de seda, cujas malhas qua-
drangulares costumam ter o,™"'2 ate o,"^'"3
de largura. As casas säo invariavelmente
orientadas de tal maneira que a corrente
d'agua venha bater na entrada do funil.
Raras vezes estas larvas vivem solitarias ;
geralmente fazem as suas casas contiguas
umas ao lado das outras, formando as
vezes uma longa fileira interrupta, per-
pendicular ao curso da agua, interceptando
e retendo desta sorte em seus funis tudo
quanto a agua possa trazer de comestivel.
Para a transforma^äo em nymphas parece
que as larvas sempre substituem pequenas
pedras as fibras vegetaes das suas casas;
sendo essas pedrinhas fortemente unidas
e cobrindo uma cavidade de cerca de
7""" de comprimento sobre 3°"" de lar-
gura (fig. 6, B, B'), cuja parede e interior-
mente revestida, como na especie prece-
dente, de uma membrana resistente.
Nessas casas de nymphas näo ha mais
varanda, a quäl näo sei si foi removida
Seltener ist eine andere Art derselben
Familie (Fig. 6), die man nur in Quellen
von sehr raschem Lauf, z. B. im „Affen -
Winkel*' und im „Traurigen Jammer" der
Kolonie Blumenau antrifft. Ihre Gehäuse
gehören zu den interessantesten, nicht
nur in der Ordnung der Trichopteren,
sondern der Insekten überhaupt; sie
können mit denen der Termiten, Amei-
sen, Wespen, Bienen u. s. w. u^etteifern.
Diese Gehäuse sind niemals auf der
Unterseite, sondern auf der Oberseite
der Steine angeheftet; sie sind ohne
grosse Kunst gebaut und sind nichts
weiter als Röhren oder Kanäle von etwa
7 mm Länge bei 2 mm Durchmesser,
hergestellt aus unregelmässig über ein-
ander gelegten oder durch einander ge-
flochtenen Pflanzenfasern, oder auch aus
Steinchen. Jedes Gehäuse hat einen
Vorhof oder eine Veranda, die sich
trichterförmig erweitert, deren Eingang
bis zu 7 mm Höhe bei doppelt so viel
oder mehr Breite misst. Die Seiten-
wände sind gewöhnlich aus durch ein-
ander geflochtenen Fasern hergestellt
und dienen als Deckung für ein höchst
zierliches Netz von Seide, dessen vier-
eckige Maschen gewöhnlich 0,2 bis 0,3 mm
Weite haben. Die Gehäuse sind unab-
änderlich derart orientirt, dass der
Wasserstrom in den Eingang des Trich-
ters schlagen muss. In seltenen Fällen
leben diese Larven einzeln. Gewöhnlich
machen sie ihre Gehäuse dicht neben
einander, so dass sie bisweilen eine lange
ununterbrochene Reihe bilden, die senk-
recht zum Laufe des Wassers steht und
auf diese Weise in üiren Trichtern Alles
auffängt und zurückhält, w^as das Wasser
Geniessbares mit sich bringen mag. Bei
der Umwandlung in Puppen scheinen
die Larven die vegetabilischen Fasern
ihrer Gehäuse immer durch kleine Steine
zu ersetzen ; diese Steinchen sind fest
vereinigt und bedecken einen Hohlraum
Ueber die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. jq^
pela larva ao proparar a casa para siia
transformagäo, ou destruida a pouco e
pouco pela corrento d'agua. Os insectos
em que finalmente sc transformam os
moradores dessas intercssantissimas casas
assomelham-so, pela estructura das an-
tcMinas o ncrvuras das azas, ao genero
Sniicridea, Mac Lach lau. Assim como
ambos os sexos de Smicridea, as femeas
tem tanibcm um unico espc^räo nas tibias
anteriores, quatro nas intermediarias e
quatro nas posteriores ; porem, os maehos
tem so dous nas tibias posteriores. E'
um caso analoge ao do genero Hete-
roplectron, Mac LacJiL, da familia das
T.eptocerideas, em que as tibias posteri-
ores dos dous sexos differem da mes-
ma maneira. Proponho para o habil
architecto e teceläo o nome d(» Rhyaco-
pJiylax.
§ 3.
As casas das Leptocerideas
(fig. 7 — 15).
As casas de todas as especies desta
familia säo moveis, tendo quasi a forma
de canudos estreitos, conicos, um pouco
arqueados. As larvas das diversas
especies differem muito entre si, näo
so quanto ao material que empregam
na construc^äo de suas casas ou estojos,
como tambem em rela<;äo ao modo de
fixal-as ou fechal-as quando estäo para
se transformar em nymphas.
A casa, a mais simples e rüde (fig. 7),
e de uma larva que se serve para este
von etwa 7 mm Länge bei 3 mm Breite
(Fig. 6 ß, B"), dessen Wand inwendig,
eben so wie bei der vorhergehenden Art,
von einer widerstandsfähigen Haut aus-
gekleidet ist. An diesen Puppengehäusen
ist niemals eine Veranda; ich weiss in-
dess nicht, ob dieselbe von der Larve
entfernt wird, wenn sie das Gehäuse für
ihre Umwandlung zurichtet oder ob sie
allmählich durch die Strömung des
Wassers zerstört wird. Die Insekten,
in die sich die Bewohner dieser inter-
essantesten Gehäuse endlich umwandeln,
sind im Baue der Fühler und Flügel-
nerven der Gattung Smicridea MacLach-
lan ähnlich. Eben so wie beide Ge-
schlechter von Smicridea haben die
Weibchen einen einzigen Sporn an den
vorderen, vier Sporne an den mittleren
und vier an den hinteren Schienen; die
Männchen dagegen haben nur zwei
Sporne an den hinteren Schienen. Der
Fall ist analog dem der Gattung Hetero-
plectron Mac Lachlan, aus der Familie der
Leptoceriden, bei der die Hinterschienen
beider Geschlechter in derselben Weise
differiren. Ich schlage für den geschickten
Baumeister und Weber den Namen
Rh3^acophylax vor.
3) Die Gehäuse der Leptoceri-
den (Fig. 7—15).
Die Gehäuse aller Arten dieser Fa-
milie sind beweglich und haben fast alle
die Form enger, kegelförmiger, ein wenig
gebogener Röhren. Die Larven ver-
schiedener Arten sind sehr unter sich
verschieden, sowohl in Bezug auf das
Material, das sie beim Bau ihrer Ge-
häuse oder Futterale verwenden, als auch
hinsichtlich der Art, dieselben zu be-
festigen und zu verschliessen, wenn sie
im Begriff sind, sich in Puppen umzu-
wandeln.
Das einfachste und roheste Gehäuse
(Fig. 7) ist das einer Larve, die sich zu
704
Sobre as casas construidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
fim de fragmentos de ramos que nunca
escasseiam nos corregos do mato. Si os
ramos säo öcos, servem sem mais pre-
paraQäo; a larva corta um pedago de
comprimento conveniente e tira roendo
um pedacinho semi-circular da margem
ventral da entrada (fig. 7, A, C), ficando
desta Sorte a cabe^a da larva coberta e
protegida pela margem dorsal da mesma
entrada. Frequentemente a larva fica a
esta margem superior da entrada uma
ou algumas pequenas pedras, protegendo
assim ainda mais a entrada. Si os ramos
forem massigos, a larva tem de previa-
mente excaval-os, devendo, alem disso,
fazer um buraquinho lateral na extremi-
dade posterior do tubo que tiver ex-
cavado, para a sahida da agua que tem
servido a respiragäo. Os paosinhos habi-
tados por larvas adultas tem geralmente
de 30 ate 35""" de comprimento, che-
srando so raras vezes a medir 50°"" ou
mais. Um so vi eu que tinha So*""" de
comprimento sobre 3""" de diametro;
talvez a larva deixasse de cortar parte
delle por ser muito leve. Em approxi-
mando-se a epoca da transformacäo, a
larva fixa a sua casa pela margem
ventral da extremidade anterior, por
baixo de alguma pedra maior ou de
algum tronco de arvore cahido n'agua
Feito isso, tapa a entrada com uma
pedra (fig. 7, A\ p) ligada, ou para me-
Ihor dizer, coUada a extremidade anterior
de casulo membranoso da nympha (fig. 7,
A\ n). No insersticio, entre a pedra e
a parede do tubo, o casulo e crivado
de buracos de cerca de o,"""i2 de dia-
metro. Da mesma sorte acha-se um
crivo transversal (fig. 7, A\A") no ex-
tremo posterior do casulo da nympha;
crivo este que e quasi coriaceo, e mais
grosso e duro do que a membrana qu(^
reveste a parede do tubo. A's vezes
acontece que o mesmo crivo applica-se
ao orificio lateral do tubo (fig. 7, B, B').
Si o tubo e öco, geralmente a larva
diesem Zwecke der Bruchstücke kleiner
Zweige bedient, die in den Waldbächen
stets in reichlicher Menge vorhanden sind.
Wenn die Zweige hohl sind, werden sie
ohne weitere Vorbereitimg in Gebrauch
genommen ; die Larve schneidet ein
Stück von passender Länge ab und nagt
ein halbkreisförmiges Stück aus dem
Bauchrande des Einganges (Fig. 7 A, C),
so dass der Kopf der Larve von dem
Rückenrande desselben Einganges be-
deckt und geschützt bleibt. Oft befestigt
die Larve an diesen oberen Rand des
Einganges einen oder einige kleine
Steine, wodurch sie den Eingang noch
mehr schützt. Wenn die Aeste nicht
hohl sind, so hat die Larve sie erst aus-
zuhöhlen, dann muss sie ausserdem ein
seitliches Loch in das hintere Ende der
von ihr ausgehöhlten Röhre machen,
für den Austritt des Wassers, das ihr
zur Athmung gedient hat. Die von er-
wachsenen Larven bewohnten Stäbchen
haben gewöhnlich 30 bis 35 mm Länge;
nur in seltenen Fällen erreichen sie 50 mm
oder mehr; ein einziges sah ich, das
80 mm Länge bei 3 mm Durchmesser
hatte. Vielleicht hatte die Larve dess-
halb unterlassen, einen Theil desselben
abzuschneiden, weil es sehr leicht war.
Wenn die Zeit ihrer Umwandlung heran-
naht, befestigt die Larve ihr Gehäuse
mit dem Bauchrand des vorderen Endes
an die Unterseite irgend eines grösseren
Steines oder in das Wasser gefallenen
Baumstammes. Dies gethan, stopft sie
den Eingang mit einem Stein zu (Fig. 7,
A'p), den sie an das vordere Ende des
häutigen Puppenkokons (Fig. 7 A'ii)
heftet oder, besser gesagt, leimt. In dem
Zwischenraum zwischen dem Steine und
der Wand der Röhre ist der Kokon
von Löchern von ungefähr 0,12 mm
siebartig durchlöchert. Eben so befindet
sich ein Quersieb (Fig. 7 A\ A") am
hinteren Ende des Puppenkokons. Dieses
Sieb ist fast lederartig- und dicker und
Ueber die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse, J05
tapa-o com uma pedra tambem na ex-
tremidade posterior ; algumas vezes, com-
tudo, a larva introdiiz uma pcdrinha no
interior do tubo, applicando-a ao (Tivo
(fig. 7, C, O). Tambem nestc caso as
larvas fazem o buraco de costume (fig. 7,
C\ 0) na parede do tubo, buraco que,
por mais indispensavel que seja, quando
o tubo för fechado posteriormente , e
absolutamente superfluo c inutil quando
for aberto. E' um dos exemplos mais
frisantes para refutar a pretendida «in-
fallibilidade do instincto>.
Sob o nome de Grumicha, descreveu
Aug. St. Hilaire ^) «tubos de uma sub-
stancia dura, Cornea, de meia pollegada de
comprimento, lisos e polidos, pretos, ar-
queados, a pouco e pouco adelgacados
como um chifre, habitados por uma larva
e vivendo em rios do Brasil». Essa
descripQäo, applica-se perfeitamente aos
estojos de uma larva da familia das
Leptocerideas, assaz frequente em alguns
affluentes maiores do rio Itajahy (Ri-
beiräo do Garcia, Warnow, Neisse). So
OS estojos d'aqui (fig. 8, A) säo um pouco
maiores; talvez St. Hilaire tenha visto
so as larvas ainda näo adultas. Em
todo o caso, si näo for a mesma, e ao
menos muito semelhante a nossa a
especie descripta pelo celebre naturalista
francez. Medi 20 estojos, fixados e por
isso, adultos de femeas que tinham 26"""
de comprimento '^) , termo medio, vari-
ando entre 24 e 28"""'; da mesma sorte
20 estojos fixados de machos tinham
härter als die Haut, welche die Wand
der Röhre auskleidet. Manchmal trifft
es sich, dass dasselbe Sieb sich an die
Seitenöffnung der Röhre anlegt (Fig. 7
B, B'). Wenn das benutzte Zweigstück
hohl ist, so verstopft es die Larve ge-
wöhnlich auch am hinteren Ende mit
einem Stein; manchmal indess holt die
Larve ein Steinchen in das Innere der
Röhre und legt es an das Sieb (Fig. 7
C, C). Auch in diesem Falle machen
die Larven aus Gewohnheit ein Loch in
die Seitenwand der Röhre (Fig. 7 C, 0),
ein Loch, das, wie unentbehrlich es sein
mochte, wenn die Röhre hinten ge-
schlossen war, durchaus überflüssig und
unnütz ist, wenn sie offen war. Es ist
dies eines der passendsten Beispiele, um
die angebliche „Unfehlbarkeit des Li-
stinktes" zu widerlegen.
Unter dem Namen Grumicha be-
schrieb Aug. St. Hilaire^) „Röhren aus
einer harten, hornigen Substanz, von
halber Daumenlänge, glatt und glänzend,
schwarz, gebogen und an Dicke allmäh-
lich abnehmend wie ein Hörn, von einer
Larve bewohnt und in den Flüssen Bra-
siUens vorkommend". Diese Beschreibung
passt vollständig auf die Futterale einer
Larve aus der Familie der Leptoceriden,
die in einigen grösseren Zuflüssen des
Rio Itajahy (den Bächen Garcia, Warnow,
Neisse) ziemlich häufig ist. Nur sind die
Gehäuse von hier (Fig. 8 A) ein wenig
grösser; vielleicht hat St. Hilaire nur
die noch nicht erwachsenen Larven ge-
sehen. In jedem Falle ist die von dem
berühmten französischen Naturforscher
beschriebene Art der unserigen, wenn
nicht gleich, wenigstens sehr ähnlich.
Ich mass 20 angeheftete, also erwachsene
Futterale von Weibchen , die durch-
schnittUch 26 mm Länge 2) hatten und
i) Voyage au Bresil. Tom III, 1830, p. 62.
2) Pelo comprimento de estojos curvados entendo
a corda entre os extremos e nfio o comprimento
do arco.
Fritz Müllers gesammelte Schriften.
1) Voyage au Bresil. Tom. III, 1830, p. 62.
2) Unter Länge der gekrümmten Futterale ver-
stehe ich die Sehne zwischen den Endpunkten, und
nicht die Länge des Bogens.
45
7o6
Sobre as casas constniidas pelas larvas de Insectos Tricliopteros.
jgmm (jg comprimento , termo medio,
variando entre i6 e 21""™. Os estojos
säo curvados quasi uniformemente em
toda a sua extcnsäo; o raio da curva-
tura e de cerca de 3 centimts., augmen-
tando um pouco na extremidade anterior.
Os estojos dos machos corrcspondem a
arcos de 36 ^ os das femeas a arcos de
52 **, pouco mais ou menos. A extremi-
dade posterior ou anal do estojo tem
cerca de i""° de diametro, a anterior
ou oval cerca de 2'"'° nos estojos dos
machos, e 3™" nos das femeas. A ex-
tremidade posterior e fechada por uma
parede transversal, da mesma substancia
do estojo, tendo no centro um buraco
circular cujo diametro e de Y4 ^-^e Vs
de millimetro (fig. 8, B). As larvas
gostam de fixar-se em commum, umas
ao lado ou ate nos estojos das outras.
Näo e raro encontrar grupos de mais
de cincoenta, e ate de cem estojos col-
lados uns aos outros. Os estojos säo
fixados so pelo extrcmo anterior por
meio de um pequeno disco adhesivo,
substentado por um curto pe ou esteio;
esses discos peciolados, que säo da
mesma sustancia dos estojos, nascem
geralmentc da margem lateral, raras
vezes da margem dorsal, quasi nunca
da margem ventral do orificio oval do
estojo; as vezes o estojo e fixado por
dous ou trcs discos em differentes direc-
Qöes. Depois de fixado o estojo, quer
em uma pedra, quer em outro estojo, e
tapado por uma tampa ou parede trans-
versal situada a pequena distancia (sem-
pre inferior a i millimetro) do orificio
anterior. Essa tampa ou operculo tam-
bem e feita da mesma substancia do
estojo. Apresenta uma fenda transversal,
situada um pouco abaixo do centro da
tampa, e geralmente arqueada, voltando
o lado convexo para abaixo (fig. 8, C,
D). Medi os operculos de 17 femeas e
de outros tantos machos, o que se pode
muito facilmonto fazer depois que elles
zwischen 24 und 28 mm variirten; 20
ebenfalls festgeheftete Futterale von
Männchen hatten durchschnittlich 1 8 mm
Länge und variirten zwischen 16 und
21 mm. Die Futterale sind in ihrer
ganzen Ausdehnung fast gleichmässig
gekrümmt; der Radius der Krümmung
beträgt ungefähr 3 cm und nimmt am
vorderen Ende ein wenig zu. Die
Futterale der Männchen entsprechen
Bogen von ungefähr 36 ^, die der Weib-
chen Bogen von ungefähr 52 ^ Das
hintere oder Afterende des Köchers hat
ungefähr i mm Durchmesser, das vordere
oder Mundende ungefähr 2 mm bei den
Futteralen der Männchen und 3 mm bei
denen der Weibchen. Das hintere Ende
ist durch eine Querwand verschlossen,
aus derselbc^n Substanz wie das Futteral;
diese hat in der Mitte ein kreisförmiges
Loch, dessen Durchmesser V4 bis Yg mm
beträgt (Fig. 8 B). Die Larven befestigen
sich gern gemeinsam, die einen neben
oder selbst an den Futteralen der anderen.
Nicht selten trifft man Gruppen von
mehr als fünfzig und selbst Hundert an
einander geleimter Futterale. Die Fut-
terale sind nur mit dem vorderen Ende
mittels einer kleinen Haftscheibe be-
festigt, die von einem kurzen Fuss oder
Stiel getragen wird. Diese gestielten
Scheiben, welche aus derselben Substanz
wie die Gehäuse bestehen, entspringen
gewöhnlich vom Seitenrande, in seltenen
Fällen vom Rückenrande, fast niemals
vom Bauchrande der Mundöffnung des
Futterals; manchmal ist das Futteral
durch zwei oder drei Scheiben in ver-
schiedenen Richtungen befestigt. Nach-
dem das Gehäuse, sei es an einem Stein,
sei es an einem anderen Gehäuse, be-
festigt ist, wird es mit einem Deckel
oder einer Querwand verschlossen, die
in geringer Entfernung (immer unter
I mm) von der äusseren Oeffnung liegt.
Dieser Stöpsel oder Deckel wird eben-
falls aus derselben Substanz verfertigt
Ueber die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. tq?
säo removidos pelas nymphas, ao sahirom
do cstojo para soffrer a sua ultima
metamorphose. O diametro dos operculos
das femeas varia de 2 a 2, ""4 (termo
medio: 2,'"'°24); o dos operculos dos
machos de 1,6 ate i,'"'"8 (tcrmo medio:
i™™64); o comprimento da fenda era
n'aquellas de 0,5 ate o,"""8 (termo medio :
o,"""69) ; nestas de 0,45 ate o,""'6 (termo
medio: o™™52); emfim, a largura da
fenda e nas primeiras de 0,1 ate o,'"'°i5
(termo medio: o,°""i23); nas segundas
de 0,07 ate o,"" 1 2 (termo medio : o^^og).
Multiplicando o comprimento pela lar-
gura ter-se-ha, sem erro notavel, a area
da fenda, a quäl para os estojos das
femeas seria, pois, de o^^oSs quadrados.
Ora, a area do orificio circular na ex-
tremidade posterior, cujo diametro c de
Vs""" nas femeas e igual a ^^o,"""o87
quadrados. Assim os dous orificios an-
terior e posterior, pelos quaes da-se a
entrada e sahida da agua, que mantem
a respira^äo da nympha, tem areas
iguaes, apezar de suas formas täo di-
versas.
Quanto a substancia de que säo con-
stituidos OS estojos da Grumicha, acre-
ditava Bremi que era fornecida pelas
proprias larvas; a Hagen pelo contrario
parecia mais provavel que fosse com-
posta de fibras vegetaes^). Acho que
wie das Futteral. Er bietet eine Quer-
spalte dar, die ein wenig unter der Mitte
des Deckels liegt und gewöhnlich ge-
krümmt ist, so dass sie ihre konvexe
Seite nach unten kehrt (Fig. 8, C D).
Ich mass die Deckel von 17 Weibchen
und von eben so viel Männchen, was
sich sehr leicht ausführen lässt, nachdem
sie durch die Puppen entfernt worden
sind, die das Futteral verlassen haben,
um ihre letzte Umwandlung zu erleiden.
Der Durchmesser der Deckel der Weib-
chen variirt von 2 bis 2,4 mm (Durch-
schnitt: 2,24 mm); der der Deckel der
Männchen von 1,6 bis 1,8 mm (Durch-
schnitt: 1,64 mm); die Länge des Spaltes
ist bei jenen 0,5 bis 0,8 mm (Durchschnitt :
0,69 mm); bei diesen 0,45 bis 0,6 mm
(Durchschnitt: 0,52 mm); die Breite des
Spaltes endlich beträgt bei den ersteren
0,1 bis 0,15 mm (Durchschnitt: 0,123 mm);
bei den letzteren 0,07 bis o, 1 2 mm (Durch-
schnitt : 0,09 mm). Indem man die» Länge
mit der Breite multiplicirt, erhält man
ohne merklichen Fehler den Flächenraum
der Spalte, der für die Futterale der
Weibchen hiernach 0,085 Quadratmilli-
meter betragen würde. Nun ist der
Flächenraum der kreisförmigen Oeffnung
am hinteren Ende, dessen Durchmesser
bei den Weibchen Ya m^n beträgt, gleich
öp = 0,087 Quadratmillimeter. Die beiden
Oeffnungen , die vordere und hintere,
durch die der Eintritt und Austritt des
Wassers stattfindet, welches die Ath-
mung der Puppe unterhält, haben also
gleiche Flächenräume, trotz ihrer so ver-
schiedenen Gestalt.
Was den Stoff betrifft, aus dem die
Futterale der Grumicha verfertigt werden,
so glaubte Bremi, dass er von den Larven
selbst geliefert würde ; Hagen dagegen
hielt es für wahrscheinlicher, dass er aus
Pflanzenfasern zusammengesetzt wäre ^).
i) Hagen, 1. c. p. 227,
i) Hagen, 1. c. S. 227,
45
7o8
Sobre as casas constraidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
esta opiniäo de Hagen näo pode ser
admittida, porquanto, entre os operculos
escuros, quasi homogeneos, duros e ela-
sticos da Gritmicha, e as redes ou crivos
que se encontram nos extremos do casulo
das nymphas de certas Hydropsychideas
(fig. 5, ß'), nas quaes podem-se distinguir
todos OS fios de que säo tecidas, ha
tantas formas intermediarias, que näo e
possivel por em duvida que umas e
outras sejam produzidas do mesmo
modo. Assim, pois, as HydropsycJiideas
näo podem nas suas casas de pedras,
fechadas de todos os lados, confeccionar
os seus casulos de nenhum material
estranho. Tambem no caso das Helico-
psyches e outras especies, ninguem de
certo pora em duvida que os operculos
de suas casas, ja muito mais scmelhantes
aos da GruinicJia, sejam feitas de uma
substancia secretada pelos sericterios
ou glandulas fiandeiras das respectivas
larvas. Ora, entre a substancia do opor-
culo e a do estojo da Grumicha näo
ha differenga; este tambem e de certo
um producto exclusivo da larva. Hagen
näo teria com certeza commettido seme-
Ihante erro se tivesse estudado os oper-
culos da Grumicha ; mas nos tres estojos
que eile examinou, achou os orificios
buccal e anal, tapados com pequenas
pedras, sem descobrir outro operculo.
Esta observagäo de Hagen foi para
mim por muito tempo um problema, do
quäl em väo me esforcei por achar al-
guma soluQäo plausivel. Duvidar de um
facto täo obvio e averiguado por obser-
vador täo consciencioso e digno de toda
a confian^a, era-me impossivel. Mas,
por outro lado, como acreditar que lar-
vas, que fazem casas identicas, as fi-
xassem e fechassem de modo täo com-
pletamente diverso?
Ich finde diese Meinung Hagen's unzu-
lässig, weil es zwischen den dunkeln,
fast homogenen, harten und elastischen
Deckeln der Grumicha, und den Netzen
oder Sieben, die man an den Enden der
Puppenkokons gewisser H3'dropsychiden
(Fig. 5 B') antrifft (bei denen alle Fäden,
aus denen sie gewebt sind, unterschieden
werden können), so viele Zwischenformen
giebt, dass es unmöglich in Zweifel ge-
zogen werden kann, dass die einen und
anderen auf dieselbe Weise hervorge-
bracht werden. Nun können die Hydro-
psychiden in ihren von allen Seiten ge-
schlossenen Steingehäusen ihre Kokons
nicht aus irgend einem äusseren Material
anfertigen. Eben so wird bei dem Ge-
häuse der Helicopsyche und anderer
Arten sicher Niemand in Zweifel ziehen,
dass die Deckel ihrer Gehäuse, die denen
der Grumicha schon viel ähnlicher sind,
aus einem Stoffe verfertigt werden, der
von den Seiden- oder Spinndrüsen der
betreffenden Larven abgesondert wird.
Zwischen der Substanz des Deckels und
des Futterals der Grumicha ist aber gar
kein Unterschied; dieses ist also sicher
ebenfalls ein ausschliessliches Produkt
der Larve. Hagen würde sicherlich einen
solchen Irrthum nicht begangen haben,
wenn er die Deckel der Grumicha studirt
hätte; aber bei drei Futteralen, die er
untersuchte, fand er die Mund- und After-
öffnung mit kleinen Steinen verstopft,
ohne einen anderen Deckel zu entdecken.
Diese Beobachtung Hagen's war für
mich lange Zeit hindurch ein Räthsel,
für welches ich mich vergeblich bemühte,
irgend eine plausible Lösung zu finden.
An einer so leicht festzustellenden und
von einem so gewissenhaften und durch-
aus zuverlässigen Bc^obachter ermittelten
Thatsache zu zweifeln war mir unmög-
lich. Aber wie andererseits glauben,
dass Larven , die identische Gehäuse
machen, sie in so grundverschiedener
Ueber die von den Trichopterenlaiven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse, ^qq
Entretanto o facto e muito simples.
Os estojos de Hagen eram cstojos de
Grumicha, habitados, fixados e fechados
por outra especie intrusa.
No Ribeiräo do Garcia, perto de um
lugar onde abundam as Gnunichas, eu
tambem achei, ha pouco, alguns estojos
de Grumicha fechados por uma pedra,
c fixados pela margem ventral do ori-
ficio anterior por meio de vnn disco
(fig. g, d) coriaceo transversal, sem pe-
ciolo, e de cor pardacenta. Abrindo um
destes estojos, vi que näo encerrava
n^'mpha de Grumicha, e sim uma nym-
pha identica, ou ao mcnos muito seme-
Ihante a dos piiozinhos (fig. 7). O estojo
era revestido, como a cavidade dos pao-
zinhos, por uma membrana que formava
ao redor da n^^mpha um casulo termi-
nado posteriormente por um crivo trans-
versal; sendo tambem crivada a mem-
brana que fechava o intersticio situado
entre a pedra que serve de operculo e
o estojo (fig. g, B).
Os insectos, cujas larvas \'ivem, como
intrusas, nos estojos da Grumicha, e os
dos paozinhos, säo muito semelhantes;
de uns e de outros vi so muito poucos,
e ainda näo os examinei minuciosa-
mente; por ora, a unica differencja, que
Ihes achei, consistia na cor, muito mais
pallida em todos os intrusos, e mais
escura nos insectos dos paozinhos. Ve-se,
por este exemplo, que näo säo somcnte
as casas de cupim c de abelhas, mas
tambem as dos Trichopferos, que podem
ser habitadas por especies intrusas, e
que por isso nem sempre os insectos
desta ordem podem ser considerados
sem mais prova e exame, como os archi-
Weise befestigen und verschliessen
sollten ?
Indessen ist die Thatsache sehr ein-
fach. Die Futterale Hagen's waren
Grumichafutterale, bewohnt, befestigt
und verschlossen von einer anderen, ein-
gedrungenen Art.
Im Bache Garcia, nahe einer Stelle,
wo Grumicha sehr häufig ist, habe ich
ebenfalls kürzlich einige Grumichage-
häuse gefunden, die durch einen Stein
verschlossen und mit dem Bauchrande
der vorderen Oeffnung mittels einer
stiellosen, bräunlichgelb gefärbten, leder-
artigen Querscheibe (Fig. g, d) befestigt
waren. Indem ich eines dieser Futterale
öffnete, sah ich, dass es keine Grumicha-
puppe, sondern vielmehr eine Puppe ent-
hielt, die mit derjenigen der Holzstäbchen
(Fig. 7) identisch oder ihr wenigstens
sehr ähnlich war. Das Futteral war, wie
die Höhlung der Stäbchen, mit einer
Haut ausgekleidet, die um die Puppe
herum einen hinten von einem Quersieb
begrenzten Kokon bildete ; eben so war
auch die Haut, die den zwischen dem
Futteral und dem als Deckel dienenden
Stein befindlichen Zwischenraum ver-
schloss (Fig. g B), siebartig durchlöchert.
Die Insekten, deren Larven als Ein-
dringlinge in den Grumichafutteralen
leben, und die der Stäbchen, sind sehr
ähnlich; von den einen und anderen sah
ich nur sehr wenige und habe sie noch
nicht im Einzelnen untersucht; bis jetzt
besteht der einzige Unterschied, den ich
zwischen ihnen gefunden habe, in der
Farbe, die bei allen Eindringlingen viel
blasser, bei den Insekten der Stäbchen
dunkler ist. Man sieht aus .diesem Bei-
spiele, dass nicht nur die Wohnungen
der Termiten und Bienen, sondern auch
die Gehäuse der Trichopteren von ein-
gedrungenen Arten bewohnt sein können,
und desshalb auch die Insekten dieser
7 lo
Sobre as casas construidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
tectos das casas, em que tiverem soffrido
a sua transformagäo.
No Ribeiräo da Gnifa dos Macacos
«Affen Winkel» vive uma segunda especic
de Grumicha (fig. lo), que ainda näo en-
contrei em outra parte. E' muito menor,
e por isso vou designal-a pelo diminutive
Grumidiinha. O seu comprimento näo
excedc a lo™'". Os estojos das duas
especics säo curvados exactamente da
mesma maneira, sendo o raio da curva-
tura de 3 cm., pouco mais ou menos. Tam-
bem em tudo o mais, as duas especies säo
muito semelhantes , e, abstrahinclo-sc do
tamanho, a descripgäo de St. Hilaire app-
lica-se tambem perfeitamente a Grumi-
chinha; säo «tubos de uma substancia
dura, Cornea, lisos, polidos, pretos, ar-
queados, levemente adelgagados como
um chifre>. D'ahi seria difficillimo di-
stinguir as duas especies antes de haver
a Grumicha ultrapassado as dimensöes
da Grumichinha , se näo fosse assas
differente a estructura das larvas que
produzem estojos täo semelhantes. Facil-
mente se distinguem as duas especies
pela cor das pernas, mesmo sem pro-
ceder a um exame minucioso de sua
estructura ; sendo as pernas da Grumicha
pretas e lustrosas, e as da Grumichinha
pallidas e pardacentas. De vinte estojos
adultos (ja fixados) que medi, o menor
tinha 6""", o maior lo""™ de comprimento,
sendo o comprimento medio de 7™";
näo havendo, como na Grumicha dous
grupos bem separados de estojos maiores
e menores, correspondentes aos dous
sexos masculino e feminino. A maneira
de fixar e fechar os estojos e quasi
identica a da Grumicha; somente e de
notar que o peciolo do disco adhesivo
nasce da margem ventral da entrada,
o que quasi nunca se da com a Gru-
micha; alem disto a fenda do operculo
Ordnung nicht immer ohne weitere Probe
und Untersuchung als die Verfertiger der
Gehäuse, in denen sie ihre Umwandlung
durchmachen, betrachtet werden können.
Im Bache „Affenwinkel" lebt eine
zweite Grumicha- Art (Fig. 10), die ich
sonst noch nirgend angetroffen habe.
Sie ist viel kleiner und ich will sie dess-
halb mit dem Verkleinerungswortc Gru-
michinha bezeichnen. Ihre Länge über-
steigt nicht 10 mm. Die Futterale beider
Arten sind genau auf dieselbe Weise
gekrümmt, indem der Radius der Krüm-
mung ungefähr 3 cm beträgt. Eben so
sind in allen oder den meisten Stücken
beide Arten sehr ähnlich und, abgesehen
von der Grösse, passt die Beschreibung
St. Hilaire's eben so gut auf Grumichinha ;
es sind „Röhren von einer harten, hor-
nigen Substanz, glatt, glänzend, schwarz,
gebogen und an Dicke etwas abnehmend,
wie ein Hörn". Es würde daher sehr
schwierig sein, beide Arten zu unter-
scheiden, bevor die Grumicha die Dimen-
sionen der Grumichinha überschritten
hat, wenn nicht der Bau der Larven,
die so ähnliche P'utterale hervorbringen,
ziemlich verschieden wäre. Die beiden
Arten lassen sich leicht an der Farbe
der Beine unterscheiden, selbst ohne
dass man auf eine Untersuchung der
Einzelheiten ihres Baues eingeht; denn
bei Grumicha sind die Beine schwarz
und glänzend, bei Grumichinha blass und
bräunlichgelb. Von 20 erwachsenen
(schon befestigten) Gehäusen, die ich
mass, hatte das kleinste 6 mm, das grösste
10 mm Länge, im mittleren Durchschnitt
betrug die Länge 7 mm ; zweierlei scharf
getrennte Gruppen grösserer und klei-
nerer Futterale, wie sie bei Grumicha
den beiden Geschlechtern entsprechen,
sind bei Grumichinha nicht vorhanden.
Ihre Art und Weise, die Futterale zu
befestigen, ist fast dieselbe wie bei Grumi-
cha; nur ist zu bemerken, dass der Stiel
Uebcr die von den Trichoptcrenlarvcn der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. y j j
(fig. lo, B) acha-se sempre collocada por
cima do centro e näo por baixo, como
na Griunicha (fig. 8, C, D) ^).
Em um ribeirinho, tributario do
Ribeiräo do Garcia, em cujas aguas
quasi estagnadas abunda uma especie
de Callitriche, achei uma larva de um
Trichoptero, que, pelas suas pernas po-
steriores, muito delgadas e compridas,
parece pertencer a familia das Lepto-
cerideas, larva. esta que faz a sua casa
com as sementes da mesma Callitriche
(fig. ii). A's vezes, em parte da casa, as
sementes säo substituidas por pequenos
fragmentos do casulo da Callitriche. As
sementes säo collocadas transversalmente
isto e, em planes perpendiculares ao eixo
da casa, a quäl e quasi cylindrica, um
pouco mais estreita na parte posterior
As casas tem de 5 a 6°"" de comprimento
sobre cerca de 2"™ de diametro. O
aspecto da entrada e bastante variavel,
segundo o numero das sementes que a
limitam; äs vezes e um triangulo equi-
latero ou isosceles (fig. n, B). outras
vezes um quadrilatero regulär ou irregu-
lär, etc. Quando estäo para se trans-
formar, as larvas fecham a entrada com
uma membrana transversal, deixando no
centro um pequeno buraco.
Nos remansos dos ribeiros maiores,
V. g. do Ribeiräo do Garcia, vive nos
troncos de arvores que alli apodrecem,
ou tambem nas pedras, uma larva da
familia das Leptocerideas (fig. 12), que
faz OS seus estojos ou casas de fibras
vegetaes ou pedacinhos de madeira
estreitos e compridos que ella provavel-
i) No salto da «Triste Miseria» de Blumenau,
vive uma terceira especie ainda menor de Grumichas,
cuja descripc-fio darei ein um siippleniento ;i cstc
trabalho.
der Klebscheibe vom ßauclirande des
Einganges ausgeht, was bei Grumicha
fast niemals vorkommt: ausserdem be-
findet sich die Spalte des Deckels
(Fig. 10 i5) immer über dessen Mitte
und nicht unter derselben wie bei Gru-
micha (Fig. 8 C, D) 1).
In einem Bächelchen, das in den
Bach Garcia fliesst, und in dessen etwas
sumpfigem Wasser eine Callitriche-Art
ungemein häufig ist, fand ich eine Tri-
chopterenlarve, die nach ihren sehr dün-
nen und langen Hinterbeinen zur Fa-
milie der Leptoceriden zu gehören scheint.
Sie verfertigt ihr Gehäuse aus den Samen
dieser Callitriche (Fig. 1 1). Manchmal
sind in einem Theil des Gehäuses die
Samen durch kleine Bruchstücke der
Kapseln der Callitriche ersetzt. Die
Samen sind quer gestellt, d. h. senkrecht
zur Achse des Gehäuses, das fast cylin-
drisch, nur am hinteren Ende etwas ver-
engt ist. Die Gehäuse haben 5 bic 6 mm
Länge bei etwa 2 mm Durchmesser.
Ihr Eingang sieht sehr verschieden aus,
je nach der Zahl der Samen, die ihn
umgrenzen, manchmal stellt er ein gleich-
seitiges oder gleichschenk eliges Dreieck
dar (Fig. 1 1 B), andere Male ein regel-
mässiges oder unregehnässiges Viereck
u. s. w.. Wenn die Larven im Begriff
sind, sich zu verwandeln, schliessen sie
den Eingang mit einer Querhaut, in deren
Mitte sie ein kleines Loch lassen.
In stehendem Wasser der grösseren
Bäche, z. B. des Baches Garcia, lebt an
Baumstämmen, die dort verwesen, oder
auch an Steinen, eine Larve aus der
Familie der Leptoceriden (Fig. 12), die
ihre Futterale oder Gehäuse aus Pflanzen-
fasern oder dünnen und langen Holz-
stückchen macht, die sie wahrscheinlich
i) In der Gebirgsschlucht : „Trauriger Jammer"
in Blumenau lebt eine dritte, noch kleinere Art von
Grumicha, deren Beschreibung ich in einem Nach-
trage zu dieser Arbeit geben werde.
12
Sobre as casas constniidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
mente tira das arvores em que vive.
A largura destes pequenos fragmentos
e ordinariamente de cerca de o,°""25,
variando o comprimento, de i ate mais
de lo"'". O maior dos estojos ainda
livres, que vi tem 20'"'" de comprimento,
da extremidade posterior ate ä margem
superior, e 17"™ ate a margem inferior
da entrada; o diametro e de 2'"'" na
entrada, e de i'"'" na extremidade po-
sterior; e pois muito adelga^ado, e ao
mesmo tempo muito pouco arqueado,
sendo o raio da curvatura da face ventral
de cerca de 8 cm. As fibras säo dispostas
em sentido longitudinal, parallelamente ao
eixo, na face dorsal da casa; cerca de
meia duzia dessas fibras longitudinaes
prolongam-se alem da margem superior
da entrada, escondendo e protegendo
a cabega da larva. As fibras da face
dorsal tem 5 a 6""" de comprimento,
havendo comtudo algumas de mais de
10""". As fibras das faces lateraes tem
o mesmo comprimento e uma direcgäo
obliqua, convergindo para o lado ventral
e o extremo posterior da casa, e formando
um angulo muito agudo com as do lado
opposto. Emfim na face ventral, as fibras
säo muito mais curtas, de i ate 2™"' de
comprimento, formando na parte anterior
da casa angulos quasi rectos näo so as
de um, como as de outro lado. Esta
disposigäo das fibras e quasi a mesma
em todas as casas que vi, si bem que
nem sempre seja täo regulär como a
que acabo de descrever. As larvas fre-
quentemente fixam no extremo posterior
da casa uma ou duas fibras muito longas,
que excedem as vezes o comprimento
de toda a casa. Em uma das casas vi
coberta a maior parte da superficie so
de pedacinhos pretos de madeira, quo
apenas tem metade da' largura habitual,
provenientes provavelmente do tronco
de alguma samambaia. As casas das
n3nTiphas säo mais curtas do que as das
von den Bäumen entnimmt, an denen
sie lebt. Die Dicke dieser kleinen Bruch-
stücke ist gewöhnlich ungefähr 0,25 mm,
bei einer zwischen 1 bis 10 mm wechseln-
den l^änge. Das grösste der noch freien
Futterale, das ich sah, hatte 20 mm Länge
vom hinteren Ende bis zum oberen
Rande und 17 mm lois zum unteren
Rande des Einganges ; der Durchmesser
beträgt 2 mm am Eingang und i mm
am hinteren Ende; es ist also stark ver-
dünnt, und gleichzeitig sehr wenig ge-
bogen, da der Radius der Krümmung
der Bauchfläche ungefähr 8 cm beträgt.
Auf der Rückenfläche des Gehäuses
sind die Fasern, der Länge nach, parallel
der Achse geordnet; etwa ein halbes
Dutzend dieser Längsfasern verlängern
sich über den oberen Rand des Ein-
ganges hinaus und verbergen und
schützen so den Kopf der Larve. Die
Fasern der Rückenfläche haben 5 bis
6 mm Länge, einige kommen indess vor
von mehr als 10 mm Länge. Die Fasern
der Seitenflächen haben dieselbe Länge
und eine schiefe Richtung, indem sie
nach der Bauchseite und dem hinteren
Ende des Gehäuses zu konvergiren und
mit denen der entgegengesetzten Seite
einen sehr spitzen Winkel bilden. Auf
der Bauchseite endlich sind die Fasern viel
kürzer, von i bis 2 mm Länge, und die der
einen bilden mit denen der anderen Seite
im vorderen Theile des Gehäuses ziem-
lich rechte Winkel. Diese Anordnung
der Fasern ist bei allen Gehäusen, die
ich gesehen habe, ziemlich dieselbe, wenn
sie auch nicht immer so regelmässig ist,
wie ich soeben beschrieben habe. Die
Larven befestigen häufig am hinteren
Ende des Gehäuses eine oder zwei sehr
lange Fasern, die manchmal länger sind
als das ganze Gehäuse. An einem der
Gehäuse sah ich den grössten Theil .der
Oberfläche nur mit schwarzen Holz-
fäsorchen bedeckt, die kaum die Hälfte
Ueber die von den Tiichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse.
larvas adultas ; oito, que medi, variavam
entre g e io™"'5 de comprimcnto; costu-
mando as larvas cortar a parte posterior
de suas casas antes de fixal-as.
Ambas as extremidades de cada
casa säo fixadas por meio de um disco
adhesivo peciolado, que geralmente parte
da margem ventral , e raras vezes da
margem lateral (como acontece na extre-
midade anterior da fig. i2,A,Ä). Os
dous orificios anterior e posterior säo
fechados por um operculo membranoso,
apresentando no centro uma fenda ellip-
tica de cerca de o,""™! de largura sobre
o,'"'"4 de comprimento. A fenda posterior
e vertical, dirigindo-se do lado dorsal
ao ventral; ignoro ainda quäl a direcgäo
da fenda anterior por so ter visto oper-
culos soltos.
Pelo modo de fixar os seus estojos,
assim como pela direcgäo vertical da
fenda posterior, assemelha-se a especie
precedente uma outra (fig. 13), cujos
estojos säo alias de aspecto muito diverse.
Säo tubos estreitos, roli^os, quasi rectos,
e pouco adelgagados na parte posterior.
Estes tubos säo feitos de uma membrana
resistente e elastica, coberta de areia täo
fina que mais facilmente se descobre
pelo tacto do que pela vista, dando aos
tubos um aspecto perfeitamente liso e
polido. A cor pardo-escura c devida a
supracitada membrana; e näo a areia
que os cobre, a quäl e geralmente com-
posta de gräozinhos de quarzo hyalino
de o,"""o5 ate o°""i de diametro. O com-
primento dos estojos fixados e de 7 a
g mm^ ; o diametro anterior dos maiores
e de cerca de i,'"'"2, e dos menores o,"""g,
de modo que mais differem elles pela
der gewöhnlichen Dicke batten und wahr-
scheinlich von dem Stamme einer Samam-
baia entnommen warcm. Die Puppen-
gehäuse sind kürzer als die der er-
wachsenen Larven ; acht, die ich mass,
variierten zwischen g und 10,5 mm Länge;
das kommt daher, dass die Larven ge-
wohnt sind, den hinteren Theil ihrer Ge-
häuse abzuschneiden, bevor sie dieselben
befestigen.
Beide Enden jedes Gehäuses werden
mittels einer gestielten LIaftscheibe be-
festigt, die gewöhnlich vom Bauchrande,
in seltenen Fällen (wie z. B. am vorderen
Ende der Fig. 12 A, A') vom Seitenrande
ausgeht. Die vordere und hintere Oeff-
nung sind beide mit einem häutigen
Deckel verschlossen, der in der Mitte
einen elliptischen Spalt von ungefähr
0,1 mm Breite bei 0,4 mm Länge dar-
bietet. Der hintere Spalt ist senkrecht,
von der Rücken- nach der Bauchseite
gerichtet: welche Richtung der vordere
Spalt hat, weiss ich noch nicht, da ich
nur lose Deckel gesehen habe.
In der Art, ihre Futterale zu be-
befestigen und in der senkrechten Rich-
tung des hinteren Spaltes stimmt mit der
eben besprochenen Art eine andere (Fig.
1 3) überein, deren Futterale übrigens von
sehr verschiedenem Aussehen sind. Es
sind enge, runde, fast gerade, im hinteren
Theile etwas verdünnte Röhren. Diese
Röhren sind aus einer widerstandsfähigen
und elastischen Haut geniticht, die mit
so feinem Sande bedeckt ist, dass man
ihn leichter durch das Gefühl als durch
das Gesicht entdeckt, da er den Röhren
ein vollkommen glattes und glänzendes
Aussehen gibt. Seine dunkelbraune Farbe
verdankt das Gehäuse der oben erwähn-
ten Haut, nicht dem Sande, der sie be-
deckt und der gewöhnlich aus durch-
sichtigen Quarzkörnchen von 0,05 bis
0,1 mm Durchmesser zusammengesetzt
ist. Die Länge der befestigten Futterale
714
Sobre as casas construidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
grossura do que pelo comprimento, sendo
o diametro da extremidade posterior igual
a Ys pouco mais ou menos do da ex-
tremidade anterior.
Entre os estojos livres encontrei al-
guns, cujo comprimento era quasi o
dobro do dos fixos; nestes estojos a ex-
tremidade posterior era muito delgada
e sensivelmente curva. Säo os estojos
fixados pela margem ventral de ambas
as extremidades; sendo os discos adhesi-
vos ordinariamente bilobados ou chan-
frados (fig. 13, A).
Os orificios anterior e posterior säo
fechados por um operculo membranoso.
O operculo anterior (fig. 13, ^4") tem um
orificio central e circular de o,'""o75 de
diametro, ao redor do quäl vem-se tres
zonas ou anneis concentricos , muito
distinctos; o segundo e mais escuro do
quo o primeiro e o terceiro eleva-se
como um vallo circular por sobre o
nivel delles; sendo muito variavel a
largura relativa dos tres anneis.
O operculo posterior (fig. 13, A") tem
um orificio central elliptico, sendo os
eixos da ellipse de cerca de o ,"""25 e o,""'i ;
o eixo maior e vertical como na especie
precedente. Ate ha pouco considerei
como muito rara esta especie, tendo
achado so alguns estojos, tanto em
diverses ribeiros menores, como no
Ribeiräo do Garcia: novamente porem
descobri um ponto neste mesmo ribeiräo,
onde quasi näo havia pedra em que näo
se achassem fixados de dez a vinte ou
mais destes estojos.
A semelhan^.a das duas ultimas espe-
cies näo se limita aos estojos fixados
e fechados do mesmo modo; e a sua
beträgt 7 bis 8,5 mm ; der vordere Durch-
messer der grössten beträgt ungefähr
1,2 mm, der der kleinsten o,g mm, so
dass sie mehr in der Weite als in der
Länge differieren, da der Durchmesser
des hinteren Endes immer ungefähr -/^
von dem des vorderen Endes beträgt.
Unter den freien Futteralen traf ich
einige, deren Länge fast das Doppelte
der befestigten betrug; bei diesen Futte-
ralen war das hintere Ende stark \er-
dünnt und merklich gekrümmt. Die
Futterale werden mit dem Bauchrande
beider Enden festgeheftet; die Haft-
scheiben sind gewöhnlich zweilappig oder
ausgeschnitten (Fig. 13 -4').
Die hintere und vordere Oeffnung
werden beide mit einem häutigen Deckel
verschlossen. Der vordere Deckel (Fig.
13,^4") hat in der Mitte eine kreisrunde
Oeffnung von 0,075 mm Durchmesser,
um welche herum man drei sehr ver-
schiedene concentrische Zonen oder
Ringe sieht; die zweite ist dunkler als
die erste, und die dritte erhebt sich wie
ein ringförmiger Wall über das Niveau
der beiden anderen ; die verhältnismässige
Breite der drei Ringe ist sehr variabel.
Der hintere Deckel (Fig. 13^4'") hat
in der Mitte eine elliptische Oeffnung;
die Achsen der Ellipse betragen unge-
fähr 0,25 und 0,1 mm ; die grössere Achse
steht, wie bei der vorhergehenden Art,
senkrecht. Bis vor Kurzem betrachtete
ich diese Art als sehr selten, da ich so-
wohl in verschiedenen kleineren Bächen
als im Bache Garcia nur wenige Futte-
rale gefunden hatte; neuerdings aber
habe ich in demselben Bache eine Stelle
entdeckt, wo sich fast an jedem Steine
10 bis 20 oder mehr dieser Futterale
angeheftet finden.
Die Aehnlichkeit der beiden letzten
Arten beschränkt sich nicht auf die in
gleicher Weise befestigten und ver-
Ueber die von den Tricho]itercnlai ven der Provinz Santa Catliarina verfertigten Gehäuse. n j c
affinidade manifesta-se tambem pela
estructura das larvas, n3^mphas e iiisectos
perfeitos. As larvas säo as iinicas entre
todas as dos TricJiopteros catharinenscs
que sabem nadar, servindo-se para isso
das pernas posterion^s, distingiiindo-se
tambem das outras larvas da familia das
Leptocerideas per antennas mais desen-
volvidas. As nymphas tem na ex-
tremidade do abdomen duas pontas
fortes e longas quc ellas fazem sahir
da fenda posterior com um movimcnto
de vai-e-vem, movimento que provavel-
mente serve para produzir a corrente
d'agua necessaria a respira^äo. Emfim
OS insectos perfeitos da ultima especie
säo dos mais lindos que ha na ordem
dos Trichopteros ; as suas azas anteriores,
amarellas, cobcrtas de escamas, como
nos Lepidopteros, säo ornadas de listras
transversaes prateadas, a de malhas
pretas redondas, Os insectos da especie
precedente tem cores semelliantes, porem
muito mais desmaiadas.
Ha ainda, nas aguas de Stinta Catlia-
rina, um outro typo de estojos de Lepto-
cerideas representado por duas especies
muito semelhantes, mas de tamanho muito
differente (fig. 14 e 15). Esses estojos säo
feitos de pequenas pedras. e säo conicos,
curvados, fixados, para a transformaQäo,
pela margem ventral de ambas as ex-
tremidades, e tapados com pedras, ficando
uma fenda semi-lunar guarnecida de
dentes ao longo da margem ventral.
Os estojos da especie maior {fig, 14)
säo construidos de pedrinhas de cerca
de o,™'"8 de diametro (variando comtudo
de menos de o,"""3 ate 2"""); os das larvas
adultas säo menos curvados e alargados
na c^xtremidade anterior do que os das
mais novas. Em uma casa de 9""" de
schlossenen Futterale; ihre Verwandt-
schaft zeigt sich auch im Bau der Larven,
Puppen und fertigen Insekten. Ihre
Larven sind die einzigen unter allen der
Trichopteren von Sa. Catharina, die
schwimmen hönncn, wozu sie sich der
Hinterbeine bedienen; von den anderen
Larven der Familie der Leptoceriden
unterscheiden sie sich auch durch ent-
wickeltere Fühler. Die Puppen haben
am Hinterleibsende zwei starke und lange
vSpitzen, die sie mit einer hin- und her-
gehenden Bewegung aus dem hinteren
Spalt hervortreten lassen; diese Bewe-
gung dient wahrscheinlich dazu, die für
die Athmung nöthige Wasserströmung
hervorzubringen. Die fertigen Insekten
der letzten Art endlich gehören zu den
schönsten, die es in der Ordnung der
Trichopteren giebt; ihre gelben, wie bei
den Schmetterlingen mit Schuppen be-
deckten Vorderflügel sind mit silbernen
Querstreifen und schwarzen runden
Flecken geschmückt. Die Insekten der
vorhergehenden Art haben ähnliche,
jedoch viel verwaschenere Farben.
Es gibt noch einen anderen Typus
von Leptoceriden-Futteralen in den Ge-
wässern von Santa Catharina, der durch
zwei sehr ähnliche, aber an Größe sehr
verschiedene Arten (Fig. 14 und 15) ver-
treten ist. Ihre Futterale sind von kleinen
Steinchen gemacht; sie sind kegelförmig,
gekrümmt; für die Umwandlung werden
sie mit dem Bauchrande beider Enden
befestigt und mit Steinen verschlossen,
so dass eine halbmondförmige Spalte
frei bleibt, die längs des Bauchrandes
mit Zähnen besetst ist.
Die Futterale der grösseren Art
(Fig. 14) sind aus Steinchen von unge-
fähr 0,8 mm Durchmesser (im Ganzen
wechseln sie von weniger als 0,3 bis 2 mm)
angefertigt ; die der erwachsenen Larven
sind wenigi'r gekrümmt und am vorderen
Ende erweitert, als die der Jüngern.
7i6
Sobre as casas construidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
comprimento o extremo anterior tinha
3'"'", o posterior i°"" de diametro, sendo
o raio da curvatura do lado ventral de
cerca de i*^"". Pelo contrario, cm um
estojo ya. fixado de 15™"" de comprimento,
o extremo anterior tinha 4, o posterior
3'"'" de diametro, e o raio da curvatura
do lado ventral tinha cerca de 3'"". O
orificio posterior do estojo das larvas
(fig, 1 4, A') e fechado por uma parede
transversal de uma substancia parda ou
preta, dura, semelhante ä dos estojos da
Qt'umicha, ä quäl geralmente se acham
colladas algiimas pedrinhas ; essa parede
occupa OS dous tergos inferiores da al-
tura do dito orificio, ficando aberto o
tergo superior ou dorsal, sendo este ori-
ficio limitado em baixo por vmia linha
recta. Os estojos säo fixados em angulos
reintrantes ou fendas, do lado inferior
das pedras, pela margem ventral de
ambos os extremos, por meio de um
ligamento duro, curto e largo, occupando
74 ate ^4 da circum ferenda do estojo
(fig. 14, B\ C, E).
Para poder fixar a margem .ventral
do extremo posterior, a larva deve evi-
dentemente remover a parede trans-
versal que alli ha; quando depois vai
fechar de novo a sua casa, seguc um
piano inteiramente diverso, deixando
uma fenda estreita entre as margens
ventraes ! da parede transversal e do
estojo (fig. 14, E'). Alem disso ella faz
nesta fenda, ao longo da margem ventral
do estojo, uma fileira de 12 para 15
dentes (fig. 14, B"), que constam da
mesma substancia dura e escura do oper-
culo. O extremo anterior e fechado da
mesma maneira, notando-se que os dentes
a fenda costumam ser menores e mais
numerosos (fig. 14, C"). A superficie
externa dos operculos e quasi sempre
An einem Gehäuse von g mm Länge
hatte das vordere Ende
mm. das
hintere 1 mm Durchmesser; der Radius
der Krümmung der Bauchseite betrug
ungefähr i cm. Dagegen hatte an einem
schon befestigten Futteral von 15 mm
Länge das vordere Ende 4 mm. das
hintere 3 mm Durchinesser, und der
Radius der Krümmung der Bauchseite
betrug ungefähr 3 cm. Die hintere
Oeffnung des Larvenfutterals (Fig. 14 ^4')
ist mit einer Querwand verschlossen, die
aus einer braunen oder schwarzen, harten
Substanz, ähnlich der der Grumicha-
futterale besteht, an welche angeleimt
sich gewöhnlich einige Steinchen finden ;
diese Wand nimmt die zwei unteren
Drittel der Höhe der besagten Oeffnung
ein; das obere, dorsale Drittel lässt sie
offen ; diese Oeffnung ist unten \'on einer
geraden Linie begrenzt. Die Futterale
sind in einspringenden Winkeln oder
Spalten der unteren Seite der Steine
befestigt und zwar mit dem Bauchrande
beider Enden, mittels eines harten, kurzen
und breiten Bandes, das ^j^ bis ^/g des
UmfangesdesFutteraleseinnimmt (Fig. 1 4
B\ C, E').
Um den Bauchrand des hinteren
Endes befestigen zu können, muss die
Larve offenbar die dort vorhandene Quer-
wand entfernen ; wenn sie dann ihr Ge-
häuse wieder verschliessen will, befolgt
sie einen ganz verschiedenen Plan, in-
dem sie einen engen Spalt zwischen
den Bauchrändern der Querwand und
des Futterals frei lässt (Fig. 14E'). Ueber-
dies macht sie in diesen Spalt, längs dem
Bauchrande des Futterals, eine Reihe
von 12 bis 15 Zähnen (Fig. 14 B''), die
aus derselben harten und dunkeln Sub-
stanz bestehen, wie der Deckel. Das
vordere Ende wird auf dieselbe Weise
befestigt; nur pflegen die Zähne des
Spaltes kleiner und zahlreicher zu sein
(Fig. 14 C"). Die äussere Oberfläche
Ueber die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catliarina verfertigten Gehäuse.
717
coberta de pequenas pedras chatas (fig.
14, B\ C). A fenda posterior näo se
acha geralmente na extremidade. e sim
um pouc(^ recolhida para dentro, senden
a parte \'entral do operculo um tanto
curvada para o intorior do estojo (fig. 14,
Assim como na Gruniicha, os estojos
das n3miphas podem ser separados pelo
seu tamanho em dous grupos distinctos,
tendo OS maiores (fig. 14, D, E) cerca
de IS'""', e os menores (fig. 14, ß, C)
cerca de 12""" de comprimento; e muito
provavel que, como naquella especie, os
maiores sejam habitados por femeas e
os menores por machos.
Os estojos da especie menor (fig. 15)
säo em tudo semelhantes aos da maior;
o comprimento dos adultos e de 8 ate
g™"', sendo o diametro anterior de cerca
de 2 e o posterior de cerca de i^^s, e o
raio da curvatura do lado ventral de certa
de IS"'™. Säo construidos de pedrinhas
menores, näo excedendo geralmente a
o,"""5. O orificio da parte superior da
parede transversal que tapa o orificio
posterior (fig. 15, A) e de forma oval,
sendo limitado em baixo por um arco,
9 näo por uma linha recta, como na
especie maior. Esta parede costuma ser
de cor parda centa, mais escura em redor
do buraco, algumas vezes pallida e outras
preta.
A maneira de fechar e fixar o estojo
para a transformagäo em nympha e
identica k da especie maior; a unica
differenga digna de notar-se esta nas
pedras usadas no operculo anterior; em
vez de algumas pedras menores chatas
e que näo se elevam a cima do piano
da entrada, a especie menor tapa os
orificios tanto anterior como posterior
do estojo com uma unica pedrinha, que
der Deckel ist fast immer mit icleinen
flachen Steinen bedeckt (Fig. 1 4 ß', C).
Der hintere Spalt findet sich in der
Regel nicht am Ende, sondern ist ein
wenig nach innen zurückgezogen, indem
der Bauchtheil des Deckels sich etwas
in das Innere des Futterals krümmt
(Fig. i^E\E").
Wie bei Grumicha können die Pup-
pengehäuse nach ihrer Grösse in zwei
verschiedene Gruppen getheilt werden;
die grösseren (Fig. 14, D, E) haben un-
gefähr 1 5 mm, die kleineren (Fig. 1 4 ß, C)
ungefähr 1 2 mm Länge ; es ist sehr wahr-
scheinlich, dass, wie bei jener Art die
gr«)sseren von Weibchen, die kleineren
von Männchen bewohnt sind.
Die Futterale der kleineren Art
(Fig. 15) sind im Ganzen denen der
grösseren ähnlich; die Länge der er-
wachsenen beträgt 8 — g mm, der vordere
Durchmesser ungefähr 2, der hintere
ungefähr i \ mm, der Radius der Krüm-
mung der Bauchseite ungefähr 15 mm.
Sie sind aus kleineren Steinchen ange-
fertigt, die im Allgemeinen 0,5 mm
nicht überschreiten. Die Oeffnung des
oberen Theils der Querwand, welche die
hintere Oeffnung verschliesst (Fig. 1 5 A)
ist von ovaler Form, unten von einem
Bogen begrenzt, und nicht von einer
geraden Linie wie bei der grösse-
ren Art. Diese Wand pflegt von bräun-
licher Farbe zu sein, dunkler um die
Oeffnung herum, manchmal blass, an-
dere Male schwarz.
Die Art, das Futteral zur Verwand-
lung in die Puppe zu verschliessen und
zu befestigen ist dieselbe wie bei der
grösseren Art; der einzige bemerkens-
werthe Unterschied besteht in den zum
\'orderen Deckel gebrauchten Steinen;
statt einiger kleinerer platter Steine, die
sich nicht über die Ebene des Einganges
erheben, verstopft die kleinere Art so-
wohl die vordere als die hintere Oeff-
718
Sobre as casas construidas pelas larvas de Tnsectos Trichopteros.
costuma sahir muito para fora dos mes-
mos orificios (fig. 15, B\ B").
Por mais irreguläres que pare9am
estas pedrinhas, vistas de fora, ellas näo
deixam comtudo de ser escolhidas com
muito cuidado; examinando-as depois
de removidas pela n)'mpha ao sahir do
estojo, ve-se que todas ellas tem uma
face quasi plana e circular, igual ao
orificio do estojo, para o interior do
quäl esta voltada.
^ 4-
Casas de especies de posicäo
incerta (fig, 16 — 17).
Ainda näo pude examinar insectos
perfeitos, nem mesmo nymphas das duas
especies seguintes, ncm täo pouco achei
nas larvas caracteres que me permittissem
determinar com certeza a familia a que
pertencem; so posso dizer que, ou säo
Leptocerideas ou SeiHcostomideas. Em
favor desta ultima familia podem ser
citados os angulos anteriores do pro-
thorax, prolongados nas larvas da pri-
meira especie em pontas agudas e com-
pridas, o que faz lembrar os angulos
anteriores dos segmentos thoracicos pon-
tudos que, segundo Pictet, caracterisam
as larvas do genero Trichostoma da
familia das Sericostomideas ^). As casas
das duas especies säo achatadas e feitas
de folhas: as da primeira especie (fig. 16)
constam quasi sempre de quatro peda^os
de folhas, formando dous o lado ventral
e os outros dous o lado dorsal; o seu
tamanho, assim como a sua figura säo
extrcmamcnte variaveis, como mostram
as figuras 16, Ä, B, C, D, todas de ta-
manho natural. O que e constante e:
nung des Futterals mit einem einzigen
Steinchen, welches weit über diese Oeff-
nungen nach aussen vorzuspringen pflegt
(Fig. 15,5'^").
So unregelmässig diese Steinchen,
von aussen gesehen, erscheinen, so sind
sie doch stets mit vieler Sorgfalt aus-
gesucht; wenn man sie untersucht, nach-
dem sie die Puppe bei ihrem Aus-
schlüpfen aus dem Futteral entfernt hat,
sieht man, dass sie alle eine fast ebene
und kreisförmige Fläche haben, gleich
der Oeffnung des Futterals, dessen In-
nerem diese Fläche zugewendet ist.
4) Gehäuse von Arten unsicherer
systematischer Stellung
(Fig. 16, 17).
Von den beiden folgenden Arten
habe ich bis jetzt weder die fertigen
Insekten, noch auch die Puppen unter-
suchen können, eben so wenig habe ich
an den Larven Merkmale gefunden, die
mir gestattet hätten, die Familie, zu der
sie gehören, mit Sicherheit zu bestimmen ;
ich kann nur sagen, dass es entweder
Leptoceriden oder Scricostomiden sind.
Zu Gunsten dieser letzteren Familie
können die Vorderecken des Prothorax
angeführt werden, die bei den Larven
der ersteren Art in scharfe und lange
Spitzen ausgezogen sind, was an die
zugespitzten Vorderecken der Brustringe
erinnert, die, nach Pictet, die Larven
der Gattung Trichostoma aus der Fa-
milie der Scricostomiden charakteri-
sieren ^). Die Gehäuse beider Arten
sind plattgedrückt und aus Blättern ge-
macht; die der ersteren Art (Fig. 16)
bestehen fast immer aus vier Blattstücken,
von denen zwei die Bauchseite und die
beiden anderen die Rückenseite bilden ;
ihre Grösse und Gestalt sind im h<)chsten
l) Westwood, Introduct. to niod. classif. of In-
sect. II. p. 68.
i) Westwood, Introduct. to mod. classif ic. of
Insects. TT. p. 68
Ueber die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. y j g
i^, quc as duas folhas anteriores cobrem
a parte anterior das posteriores; 2", que
a folha dorsal anterior cstende-se muito
alem da ventral, protegendo deste modo
a cabega da larva; 3^, que a face superior
das folhas e voltada para o interior da
casa e a face inferior para fora. Esta
ultima regra parece näo ter excepQäo,
em talvez que dous motivos concorra
para que a larva colloque as folhas
sempre desta maneira, porque, näo so a
face inferior e menos livre por causa
das nervuras, como tambem e mais facil
curvar qualquer folha, de modo que a
face inferior se torne convexa e a su-
perior concava, do que em sentido opposto.
As folhas estendem-se geralmente para
OS lados, muito alem da cavidade interna
da casa (fig. 16, E), que e revestida de
uma membrana tenuissima, cuja seccäo
transversal e de forma elliptica, sendo a
altura igual e metade pouco mais ou
menos da largura. As dimcnsöes da
cavidade interna säo muito menos vari-
aveis do que as das folhas; ella podera
ter uns 15'"'" de comprimento sobre 4"""
de larofura e 2'""' de altura. A casa das
nymphas e fixada somente pclo extremo
anterior, por meio de alguns fios de
seda, partindo de cada lado da entrada,
e a cavidade interna fechada em um
e outro extremo por um crivo (fig. 16,
D'). Esta especie, si bem que näo seja
muito frequente, vive nas localidades as
mais differentes, tanto em aguas quasi
estagnadas, como em corregos de rapido
curso. Para fixar-se, ella prefere as
pedras os troncos de arvores que ca-
hiram n'agua.
A segunda especie (fig. 17) e
muito notavel pelo lugcir insolito, ein
Grade wechselnd, wie die Figuren 16 A,
B, C, D, alle in natürlicher Grösse, zeigen.
Was konstant ist, ist i) dass die beiden
vorderen Blätter den vorderen Theil der
hinteren bedecken; 2) dass das vordere
Rückenblatt sich nach vorn weit über
das Bauchblatt hinaus ausdehnt, so dass
es auf diese Weise den Kopf der Larve
schützt; 3) dass die obere Fläche der
Blätter dem Inneren des Gehäuses zu-
gekehrt und die untere nach aussen ge-
wendet ist. Diese letzte Regel scheint
keine Ausnahme zu haben, und es wirken
vielleicht zwei Beweggründe dahin zu-
sammen, dass die Larve die Blätter
immer in dieser Weise legt, da nicht
nur die untere Fläche wegen der Nerven
weniger glatt ist, sondern es auch leichter
ist, irgend ein Blatt so zu krümmen, dass
die untere Fläche sich konvex biegt
und die obere konkav, als in entgegen-
gesetztem Sinne. Die Blätter dehnen
sich im Allgemeinen nach den Seiten
weit über die innere Höhlung des Ge-
häuses (Fig. 1 6 E) aus, die mit einer sehr
dünnen Haut ausgekleidet ist ; der Quer-
schnitt derselben ist von elliptischer Ge-
stalt, ungefähr halb so hoch als breit.
Die Dimensionen des inneren Hohlraumes
sind viel weniger variabel als die der
Blätter; er hat etwa 15 mm Länge
bei 4 mm Breite und 2 mm Höhe. Das
Puppengehäuse ist nur mit dem vorderen
Ende befestigt, und zwar vermittelst
einiger Seidenfäden, die von beiden
Seiten des Einganges ausgehen; der
innere Hohlraum ist an jedem der beiden
Enden mit einem Siebe (Fig, 1 6 Z)') ver-
schlossen. Diese Art ist zwar nicht sehr
häufig, sie lebt aber an den verschieden-
sten Oertlichkeiten, sowohl in fast stag-
nirenden Gewässern, als in Quellen von
raschem Lauf. Um sich festzusetzen,
zieht sie den Steinen die ins Wasser
gefallenen Baumstämme vor.
Eine zweite Art (Fig. 17) ist sehr
bemerkenswerth durch den ungewöhn-
720
Sobre as casas constraidas pelas larvas de Tnsectos Trichopteros.
que as larvas tem a sua residencia.
Entre as folhiis das Bromeliaceas quo
abundam como parasitas nas arvoros
do matto virgem, ajunta-se e conserva-so
por muito tempo agua de chuva, assim
como uma \ariedade extraordinaria de
substancias vegetaes: fragin(^ntos de
ramos, folhas, flores, fructos e semcntes,
que as vezes alli germinam ; näo e raro
ver-se um pesinho de gissara elevando-se
entre as folhas de alguma Rr'onielia;
encontra-se emfim, nutrindo-se daquelles
restos vegetaes mais ou menos apodrc-
cidos ou transformados em humus, uma
multidäo de animaes terrestres e aquati-
cos: Planarias (Geoplana), Hirudineas
(Clepsine), Oniscos, Centopeias, Formigas,
larvas de dipteros, de Lavadeiras, Pere-
recas, etc. Um dia limbrei-me que, como
tantas outras larvas aquaticas, tambem
podia viver naquelles tanques aereos a
larva de algum Trichoptero. Tomei o
facäo e fui ao matto. Mal tinha cortado
e examinado uma duzia de Bromelias,
encontrei logo uma casa de Trichoptero,
differente de todas quatitas tinha visto
em outros logares, com quanto muito
semelhante äs da especie preccdente.
Como a daquella, esta e feita de peda-
90S de folhas, e com effeito e a so cousa
que a larva tem alli a sua disposicäo. A
construcgäo da casa e apparentemente
muito semelhante a da ultima especie,
mas bastara apresentar as seguintos
differen<;as para bem distinguil-as:
i.*^ As casas säo muito menores; a
maior que vi tem 14'""' de comprimento
sobre 4'""" de largura; a cavidado interna
tem cerca de 2"'" de largura sobre i'""'
de altura.
liehen Ort, an dem die Larve ihren
Wohnsitz hat. Zwischen den Blättern
der Bromeliaceen, die an den Bäumen
des Urwaldes in reichlicher Menge schma-
rotzen, sammelt und erhält sich auf lang-e
Zeit Regenwasser, so wie auch eine
ausserordentliche Mannigfaltigkeit vege-
tabilischer Substanzen : Bruchstücke von
Zweigen, Blätter, Bliithen. Früchte und
Samen, die bisweilen dort keimen ; nicht
selten sieht man ein Gissara-Stämmchen
sich zwischen den Blättern einer Bro-
melie erheben; endhch trifft man hier
eine Menge Land- und Wasserthiere,
die sich von den mehr oder weniger
verwesten oder in Humus umgewan-
delten vegetabilischen Ueberresten näh-
ren : Landplanarien (Geoplana), Blut-
egel (Clepsine), Asseln, Tausendfüsse,
Ameisen, Dipterenlarven, Wasserjung-
fern etc. Eines Tages fiel mir ein, dass.
eben so gut wie so viele andere wasser-
bewohnende Larven, in diesen luftigen
Wasserbehältern auch irgend eine Tricho-
pterenlarve leben könnte. Mit dem Wald-
messer bewaffnet ging ich sofort in den
Wald und hatte wohl kaum ein Dutzend
Bromelien abgehauen und untersucht,
als ich auf ein Trichopterengehäuse stiess,
das von allen, die ich an anderen Orten
gesehen hatte, verschieden war, wenn
es auch denen der vorigen Art sehr
ähnlich ist. Wie diese ist es aus Blatt-
stücken gemacht und in der That ist
das das einzige Baumaterial, das die
Larve hier zu ihrer Verfügung hat. Der
Bau des Gehäuses ist anscheinend sehr
ähnlich dem der letzten Art, es wird
aber hinreichen folgende Unterschiede
hervorzuheben, um sie sicher zu unter-
scheiden :
i) Die Gehäuse sind viel kleiner;
das grösste, das ich gesehen habe, hatte
14 mm Länge bei 4 mm Breite; der
innere Hohlraum hatte etwa 2 mm Breite
bei I mm Höhe.
Ueber die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. n 21
2.^ O numoro dos peda^os de folha
e muito maior ; Qreralment(^ e de 11
(sendo 5 ventrcies e 6 dorsacs ; fig. 1 7
A, A') ou de 13 {sendo 6 ventraes e 7
dorsaes; fig. 17, B, B'); a ceisa menor
que tenho visto tem 7, """5 de compri-
mento, e e composta de 9 peda^os (4 ven-
traes e 5 dorsaes).
3.° Esses pedagos de folhas säo mais
distinctos e regularmente curvados no
meio das faces dorsal e ventral.
4.*^ Os mesmos peda^os näo excedem
muito os lados da cavidade interna ; dahi
resulta um aspecto muito mais regulär
e uniforme dessas casinhas.
As arestas lateraes säo agudas e
quasi rectilineas ou parallelas (fig. 17, A),
ou con\^crgindo sensivelmente para o
extremo posterior (fig. 17, B). A lar-
gura desmedida e as margens irreguläres
de muitas casas da especie precedente
näo conviriam ao domicilio apertado do
hospede das Bromelias ^).
2) Die Zahl der Blattstücke ist viel
grösser ; in der Regel beträgt sie 1 1
(wovon 5 auf die Bauchseite, 6 auf die
Rückenseite kommen, Fig. 17 yl, A')
oder 13 (6 auf der Bauch-, 7 auf der
Rückenseite, Fig. 1 7 B, B') ; das kleinste
Gehäuse, das ich gesehen habe, hat
7,5 mm Länge und ist aus 9 Stücken
(4 Bauch- und 5 Rückenstücken) zu-
sammengesetzt.
3) Diese Blattstücke sind schärfer
von einander abgesetzt und in der Mitte
der Rücken- und Bauchfläche regel-
mässig gekrümmt.
4) Sie gehen über die Seiten des
inneren Hohlraumes nicht viel hinaus;
die Gehäuse haben daher ein viel regel-
mässigeres und gleichartigeres Aussehen.
Die Seitenkanten sind scharf und
fast geradlienig, entweder parallel (Fig.
17 A) oder nach hinten merklich kon-
vergirend (Fig. 17 B). Die übermässige
Breite und die unregelmässigen Ränder
vieler Gehäuse der vorhergehenden Art
würden für den engen Wohnsitz des
Bromeliengastes nicht passen ^).
?^ 5.
As casas das Sericostomideas
(fig. 18-21).
A familia das Sericostomideas e ate
agora representada na provincia de
Santa Catharina so pelo genero Helico-
psyche.
Ora, as casas encaracoladas deste
genero ja foram descriptas tantas vezes
que so valeria a pena fallar nas especies
catharinenses, quando fosse possivel com- ,
paral-as com as numerosas especies
publicadas por varios auctores, e apontar
os seus caracteres distinctivos.
l) Ha ainda uma terceira especie, intermediaria,
nas dimensoes da casa e no numero das folhas de
que e feita, entre as duas descriptas; hei-de de-
screvel-a, no supplemento que opportunamente darei
ao presente trabalho.
Fritz Müllers gesammelte Schriften.
5) Die Gehäuse der Sericosto-
miden (Fig. 18 — 21).
Die Familie der Sericostomiden ist
bis jetzt in der Provinz Santa Catharina
nur durch die Gattung Helicopsyche
vertreten.
Nun sind die schneckenförmigen Ge-
häuse dieser Gattung schon so viele Male
beschrieben worden, dass es sich nur
dann der Mühe lohnen würde, von den
Arten von Santa Catharina zu sprechen,
wenn es möglich wäre, sie mit den zahl-
reichen, von verschiedenen Autoren ver-
i) Es gibt noch eine dritte Art, die in den
Dimensionen des Gehäuses und der Zahl der Blätter,
aus denen es gemacht ist, zwischen den beiden be-
schriebenen die Mitte hält. Ich werde sie in einem
Nachtrage zu dieser Arbeit beschreiben.
46
722
Sobre as casas construidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
Limito-me, pois, ^
formas que encontrei
a dar as figuras das
A primeira dellas (fig, i8) e frequente
em diversos corregos de curso rapide e
muito abundante acima do Salto da
«Triste Miseria» («Trauriger Jammer»)
de Blumenau. Si me näo engano, foi
esta mesma especie que vi na Serra do
Itajahy. A segunda (fig. ig) foi achada
so no Ribeiräo Branco («Weissbach»),
affluente do Itajahy; a terceira (fig. 20)
em remansos do Ribeiräo do Garcia; a
quarta (fig. 21) rarissima, ao que parece,
tanto no Ribeiräo do Garcia, como em
alguns ribeirinhos menores.
Ja que fallo das Helicopsyches näo
devo deixar de tocar em um trecho de
Hagen ^) relativo a esses animaes; depois
de citar o facto observado por Shuttle-
worth de se acharem as larvas ou
nymphas em todas as casas providas
de operculos, Hagen continüa: «dahi
resultaria que estes animaes, contra o
costume das Phryganideas , ja como
larvas, munem as suas casas de um
operculo, o que em outras especies so
se encontra no estado de nymphas.»
Ora, todas as larvas de Trichopteros
fixam e fecham as suas casas antes de
se transformarem em nymphas; todas
ollas, depois de prompta a casa para a
transformagäo, ainda se conservam no
estado de larvas por mais algum tempo.
As Helicopsyches, a este respeito, em
nada se distinguem dos demais Tri-
chopteros; ellas tambem fazem o oper-
culo da entrada so quando estäo para
se transformar, c depois de terem fixado
a sua casa.
öffentlichten Arten zu vergleichen und
ihre unterscheidenden Merkmale festzu-
stellen.
Ich beschränke mich daher darauf,
die Abbildungen derjenigen Formen zu
geben, denen ich begegnet bin.
Die erste derselben (Plg. 18) ist häufig
in verschiedenen Quellen von raschem
Lauf, ungemein häufig über der Wald-
schlucht „Trauriger Jammer" in Blu-
menau. Wenn ich mich nicht irre, war
es diese nämliche Art, die ich auf der
Serra do Itajahy gesehen habe. Eine
zweite (Fig. ig) wurde nur in dem
„Weissbach" (Ribeiräo Branco), einem
Zufluss des Itajahy, gefunden ; eine dritte
(Fig. 20) in stehendem Wasser des Baches
Garcia; eine vierte (Fig. 21), wie es
scheint, sehr seltene, sowohl im Bache
Garcia als in einigen kleineren Bächen.
Da ich von den Helicops3^che-Arten
spreche, so darf ich nicht unterlassen,
eine Stelle Hagen's ^) die sich auf diese
Thiere bezieht, zu berühren. Nachdem
er die von Shuttleworth beobachtete
Thatsache citirt hat, dass sich in allen
mit Deckeln versehenen Gehäusen Larven
oder Puppen fanden, fährt Hagen fort:
„daraus würde sich ergeben, dass diese
Thiere, gegen die Gewohnheit der Phry-
g"aniden, schon als Larven ihre Gehäuse
mit einem Deckel versehen, der bei an-
deren Arten nur im Puppenzustande an-
getroffen wird". Nun befestigen und
verschliessen aber alle Trichopterenlarven
ihre Gehäuse, bevor sie sich in Puppen
umwandeln; alle bleiben, nachdem das
Gehäuse für die Verwandlung bereit ist,
noch einige Zeit im Larvenzustande.
Die Helicopsyche-Arten unterscheiden
sich in dieser Beziehung in Nichts von
den übrigen Trichopteren ; sie machen
ebenfalls den Deckel des Einganges erst,
wenn sie im Beo-riffe stehen sich zu ver-
I) Hagen, 1. c. p. 125.
i) Hagen, 1. c. S. 125.
Ueber die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. llX
§ 6.
As larvas das Hydroptilideas
(fig. 22—30).
Resta a familia das Hydroptilideas,
que, em relagäo as casas ou cstojos das
larvas, e aqui de todas a mais rica em
formas inteiramentc novas e interessantes.
Hagen conhecia em 1864 as casas de
quatro especies desta familia; por aqui
ja encontrei nove novos especies consti-
tuindo scis t3'pos differentes.
As casas da primeira especie (fig. 22)
säo as que mais se parecem com as
das outras familias; a näo terem di-
mensöes muito inferiores as que se
observam nas Leptocerideas e Seri-
costomideas , podiam passar por casas
de alguma especie dessas familias. Säo
canudos ou tubos, cujo comprimento
näo excede a 2, """5, tendo o,"""5 de lar-
gura; säo feitos de uma membrana
elastica, resistente, coberta de areia
finissima e de cor pardoclara. Näo säo
roli^os e sim achatados, sendo a sua
altura igual ä metade pouco mais ou
menos da largura; a face ventral ou
e plana (fig. 22, C), ou mais frequente-
mente um pouco concava (fig. 22, A);
vistos por cima mostram os lados ou
rectos, con\'ergindo algum tanto para o
extremo posterior (fig. 22, Ä) ou um
pouco convexos (fig. 22, B, C).
O orificio oval acha-se na face ven-
tral, sendo as vezes protegido por uma
especie de escudilho mais largo do que
o resto do tubo (fig. 22, B, D). O orificio
anal e, ou terminal ou ventral. Os tubos
säo fixados pela margem ventral de
ambas as extremidades, havendo dous
discos adhesivos, ou um so bilobado na
wandeln und nachdem sie ihr Gehäuse
befestigt haben.
6) Die Larven der Hydroptiliden
(Fig. 22—30).
Noch übrig ist die Familie der Hy-
droptiliden, die in Bezug auf die Ge-
häuse oder Futterale der Larven bis
jetzt von allen die reichste an ganz
neuen und interessanten Formen ist.
Hagen kannte im Jahre 1864 die Ge-
häuse von vier Arten dieser Familie;
bis jetzt habe ich schon neun neue Arten
angetroffen, die sechs verschiedene Typen
darstellen.
Die Gehäuse der ersten Art (Fig. 22)
sind diejenigen, die denen der anderen
Familien noch am meisten ähnlich sehen.
Da sie in ihren Dimensionen nicht viel
hinter denen zurückstehen, die bei den
Leptoceriden und Sericostomiden ange-
troffen werden, so könnten sie für Ge-
häuse einer Art dieser Familien durch-
gehen. Es sind dünne Röhren, deren
Länge nicht über 2,5 mm hinausgeht,
bei 0,5 mm Breite; sie sind aus einer
elastischen, widerstandsfähigen Haut ge-
macht, die mit feinstem Sande von hell-
brauner Farbe bedeckt ist. Sie sind
nicht walzenförmig, sondern abgeplattet,
so dass ihre Höhe ungefähr die Hälfte
der Breite beträgt; die Bauchfläche ist
entweder eben (Fig. 2 2 C), oder häufiger
ein wenig konkav (Fig. 22 A'); von oben
gesehen zeigen sie die Seiten entweder
gerade, nach dem hinteren Ende etwas
konvergirend (Fig. 22 A) oder etwas
konvex (Fig, 22, B, C).
Die Mundöffnung befindet sich an
der Bauchseite, sie ist manchmal von
einer Art Schild bedeckt, welches breiter
ist, als der übrige Theil der Röhre
(Fig. 22 B, D). Die Afteröffnung liegt
entweder am Ende oder auf der Bauch-
seite der Röhre. Die Röhren sind mit
dem Bauchrande beider Enden befestigt ;
46*
724
Sobre as casas construidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
extremidade oval, e um disco simples
na anal (fig. 22, C). Esta especie pigmea
e assas frequente debaixo das pedras,
em quasi todos os ribeiros maiores ou
menores. As larvas desta especie e da
seguinte säo as unicas da familia das
Hydroptilideas, em que vi branchias;
säo tres fios compridos na extremidade
do abdomen.
As tres especies seguintes (fig. 23, 25)
construem os seus estojos segundo o
typo do genero Hydroptila. do quäl
entretanto se distinguem os insectos per-
feitos por terem um esporäo nas tibias
anteriores. Os estojos säo comprimidos
lateralmente , abrindo-se em cada ex-
tremo por uma fenda vertical muito
estreita. As casas da primeira destas
tres especies (fig. 23) tem cerca de 3'™'
de comprimento sobre 1'"'" de altura e
o,'"'"5 de largura, apresentam uma cor
acinzenta, e säo feitas de uma membrana
resistente, coberta de areia fina. A sec-
gäo transversal (fig. 23, C), e lenticular;
as margens dorsal e ventral säo rectas
e quasi sempre parallelas (fig. 23, A, B);
as vezes porem convergem um pouco
para um dos extremos (fig. 23, C). Os
extremos säo arredondados, semicircu-
lares (fig. 23, A, C); as vezes formam
arcos maiores de l8o^ sendo neste caso
mais largos do que a parte intermediaria
(fig. 23, B). Näo ha dif ferenda entre ex-
tremo anterior ou posterior, nem täo
pouco entre aresta dorsal ou ventral.
A larva sähe indifferentemente de um
ou outro extremo. Para a transforma^äo,
as casas säo fixadas nos dous extremos
por ligamentos fibrosos.
Na forma e nas dimensöes säo
muito semelhantes as casas desta especie
äs da seguinte (fig. 24); porem e facil-
am Mundende haben sie zwei Haft-
scheiben oder eine einzige zweilappige
am Afterende eine einfache Scheibe
(Fig. 22 C). Diese winzige Art ist in
allen grösseren und kleineren Bächen
ziemlich häufig auf der unteren Seite
der Steine. Die Larven dieser und der
folgenden Art sind die einzigen aus der
Familie der Hydroptiliden, bei denen ich
Kiemen gesehen habe ; es sind drei Jange
Fäden am Ende des Hinterleibes.
Die drei folgenden Arten (Fig. 23 — 25)
bauen ihre Futterale nach dem T3^pus
der Gattung Hydroptila, von der sich
indess die fertigen Insekten dadurch
unterscheiden, dass sie einen Sporn an
den Hinterschienen haben. Die Futterale
sind seitlich zusammengedrückt und
öffnen sich an jedem Ende mit einem
sehr schmalen senkrechten Schlitz. Die
Gehäuse der ersten dieser drei Arten
(Fig. 23) haben ungefähr 3 mm Länge
bei 1 mm Höhe und 0,5 mm Breite;
sie sind aus einer widerstandsfähigen
Haut gemacht, mit feinem Sand bedeckt
und von aschgrauer Farbe. Ihr Quer-
durchschnitt (Fig. 25 C) ist linsenförmig;
Rückenrand und Bauchrand sind gerade
und fast immer parallel (Fig. 23 A, B);
manchmal indessen konvergiren sie ein
wenig nach einem Ende (Fig. 23 C).
Die Enden sind abgerundet, halbkreis-
förmig (Fig. 23 A, C); bisweilen bilden
sie Bogen von mehr als 180° und sind
in diesem Falle breiter als der mittlere
Theil (Fig. 23 B). Es besteht kein Unter-
schied zwischen Vorder- und Hinterende,
eben so wenig zwischen Rücken- und
Bauchkante. Die Larve tritt ohne Unter-
schied aus dem einen oder anderen Ende
hervor. Zur Verwandlung werden die
Gehäuse an beiden Enden mit faserigen
Bändern befestigt.
In der Gestalt und den Dimensionen
sind die Gehäuse dieser Art denen der
folgenden (Fig. 24) sehr ähnlich; doch
Ueber die von den Ttichoiiterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 12'^
limo distinguir as casas pela differen^a
do material de que säo compostas, e as
larv^as pcla falta de branchias. Tambem se
manifesta, no arranjo dos materiaes, uma
differenga muito notavel entre as margens
dorsal c ventral, sendo pelamargem dorsal
que come^a a construcgäo da casa. Os
extremes anterior e posterior säo iguaes.
Alg'umas casas säo feitas com peda-
cinhos verdes, provenientes talvez de
alguma alga {fig. 24, A) , de especie
differente. O maior numero das casas
(fig. 24, B, C) säo feitas de Diatomeas
(fig. 24, D), varinhas microscopicas, rcc-
tangulares, de cerca de 0/^^25 de com-
primento sobre o,'"™oi ate o,'"'"oi5 de
largura; as estrias concentricas, pro-
duzidas pelo arranjo dessas varinhas,
däo as casinhas a apparencia de iimas
conchinhas bivalvas microscopicas, ou
de miudas Lminadias.
De par com essas varinhas, ou tam-
bem por si SOS, as larvas empregam
outra especie de uma bella cor de laranja
(fig. 24, Z)'), composta de articulos de
o,'"'"o2 ate o,"""o2 5 de largura, que das
pallidas e transparentes varinhas se desta-
cam como umas grinaldas de ouro. As
casas säo fixadas (fig, 24, B, C), como
as da especie precedente.
As casas da terceira especie catha-
rinense (fig. 25), que as construe pelo
typo dti Hydj'optila, säo compostas so
de uma substancia transparente, sem cor,
produzida pela propria larv'a, sem con-
curso de corpos estranhos.
Ellas tem de 3 ate 3, "'"'5 de com-
primento sobre i ate i,'""*25 de altura
e o,"""3 de largura; säo pois fortemente
comprimidas, mormente na parte supe-
rior (fig. 2S, B\ B").
sind deren Gehäuse an der Verschieden-
heit des Materials, aus dem sie zusammen-
gesetzt sind, und ihre Larven an dem
Fehlen der Kiemen sehr leicht zu unter-
scheiden. Auch zeigt sich bei ihnen in
der Anordnung der Baustoffe eine sehr
bemerkenswerthe Verschiedenheit zwi-
schen dem Rücken- und dem Bauch-
rande, indem der Bau des Gehäuses vom
Rückenrande her angefangen wird. Das
vordere und hintere Ende sind gleich.
Manche Gehäuse sind aus grünen Stengel-
chen gemacht, die bisweilen von einer
Alge herstammen (Fig. 24, A); bisweilen
scheinen sie verschiedener Art. Die zahl-
reichsten Gehäuse (Fig, 24, B, C) sind
aus Diatomeen (Fig. 24, D) gemacht,
rechteckigen mikroskopischen Stäbchen
von etwa 0,25 mm Länge bei 0,01 bis
0,015 mm Breite; die koncentrischen
Streifen, die durch die Anordnung dieser
Stäbchen hervorgebracht werden, geben
den kleinen Gehäusen das Aussehen win-
ziger Muscheln,
Zusammen mit diesen, oder auch für
sich allein, verwenden die Larven eine
andere Art Stäbchen von einer schönen
Orangefarbe (Fig. 24, U), die aus Glie-
dern von 0,02 bis 0,025 nim Breite zu-
sammengesetzt sind, und sich von den
blassen, durchscheinenden Stäbchen wie
goldige Guirlanden abheben. Die Ge-
häuse werden wie die der vorhergehen-
den Art befestigt (Fig. 24, B, C).
Die Gehäuse der dritten catharinen-
sischen Art (Fig. 25), die nach dem Typus
von Hydroptila gebaut werden, sind nur
aus einer farblosen, durchscheinenden
Substanz zusammengesetzt, die von der
Larve selbst hervorgebracht wird, ohne
Hinzunahme fremder Körper.
Sie haben 3 bis 3,5 mm Länge bei
I bis 1,25 mm Höhe und 0,3 mm Breite;
sie sind also stark zusammengedrückt,
besonders im oberen Theile (Fig. 25,
B\ 7i").
726
Sobre as casas constmidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
A marg'em x-entral e quasi recta, a
parte media da margem dorsal muito
convexa, e os extremes arredondados.
Näo ha differenga entre os dous extrcmos
providos de fenda estreita.
A casa e fixada nas pcdras em
posigäo vertical por meio de fibras que
parecem cstender-se ao longo de toda
a margem ventral.
As tres especies precedentes näo säo
muito raras nas pedras do Ribeiräo dos
Bugres, que desagua na margem direita
do Itajahy, perto de 2 kilometros abaixo
do Ribeiräo do Garcia. Uns poucos de
exemplares foram tambem achados em
outros logares.
O mesmo Ribeiräo dos Bugres e tam-
bem o domicilio predilecto da seguinte
especie (fig. 26), cujas casinhas represen-
tam um t3'po inteiramente novo. Por
causa das duas chamines, de que as
casinhas säo providas, dei a esse typo
o nome de Diauliis (SiaoXo? = a dous
canos) , dedicando a especie Diaulus
Ladislavii ao illustrado Director Geral
do Museu Nacional do Rio de Janeiro.
As casas, de cerca de 2, "'"'5 de com-
primento sobre o,"""75 de altura, säo
fortemente comprimidas dos lados, de
modo que a largura seja igual de um
tergo ate um meio de altura. A sec^äo
transversal e elliptica ou lenticular; as
margcns dorsal e ventral säo quasi rectas,
parallelas; os dous extremos, entre os
quaes näo ha differenga, säo arredonda-
dos e providos de uma estreita fenda.
Da margem dorsal elevam-se dous canos
quasi cylindricos, de cerca de o,"™2 de
diametro, e outro tanto de altura, ou
verticaes, ou um pouco inclinados para
OS extremos da casa. A distancia dos
dous canos geralmente iguala ou ex-
cede de pouco a metade do comprimento
da casa; as vezes, comtudo, essa distancia
Der Bauchrand ist fast gerade, der
mittlere Theil des Rückenrandes sehr
konvex, die Enden abgerundet. Zwischen
den beiden mit enger Spalte versehenen
Enden ist kein Unterschied.
Das Gehäuse wird mittels Fasern,
die sich dem ganzen Bauchrande ent-
lang zu erstrecken scheinen, in senk-
rechter Stellung an den Steinen fest-
geheftet.
Die drei vorhergehenden Arten sind
nicht sehr selten an den Steinen des
Bugres-Baches, der fast zwei Kilometer
unterhalb des Baches Garcia auf der
rechten Seite in den Itajahy mündet.
Einige wenige Exemplare wurden auch
an anderen Stellen gefunden.
Derselbe Bugresbach ist auch der
Lieblingswohnsitz der folgenden Art
(Fig. 26), deren Häuschen einen ganz
neuen Typus darstellen. Wegen der
beiden Schlote oder Röhren, mit denen
diese Häuschen versehen sind, habe ich
diesem Typus den Namen Diaulus
(StaoXoc = zweiröhrig) gegeben ; die Art
Diaulus Ladislavii, habe ich zu Ehren
des Direktors des National-Museums von
Rio de Janeiro benannt.
Die Gehäuse, von ungefähr 2,5 mm
Länge bei 0,75 mm Breite, sind von
den Seiten stark zusammengedrückt, so
dass ihre Breite ein Drittel bis ein Halb
der Höhe beträgt. Der Querdurchschnitt
ist elliptisch oder linsenförmig ; Rücken-
und Bauchrand sind fast gerade und
parallel ; die beiden Enden, zwischen
denen kein Unterschied ist, sind ge-
rundet und mit einem schmalen Schlitz
versehen. Vom Rückenrande erheben
sich zwei fast cylindrischc Röhren, von
ungefähr 0,2 mm Durchmesser und
doppelt so viel Höhe, entweder senk-
recht oder ein wenig nach den Enden
des Gehäuses geneigt. Der Abstand
der beiden Röhren ist im Allgemeinen
gleich oder wenig grösser als die Llälfte
Uebcr die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse.
727
c S(') d(^ um ttT(;o do dito comprimento,
ou ainda menor. Em uma so casa (fig. 26,
B), cntrc milhares que vi, cncontrei tres
canos, em voz de dous. As casas do
Diaiilus Ladislavii säo contruideis com
as mesmas varinhas rcctangulart^s e
transparentes (fig. 24, D), empregadas
por uma das especics precedentes c que
abundam nas pedras, onde vivem essas
larvas. A disposigäo das varinhas (fig. 26,
C) faz ver que a construcgäo da casa
come^a pelo meio da margem dorsal;
ci parte superior dos canos e feita so dci
uma membrana transparente sem varin-
has. Observei muitas vezes com o micro-
scopio, dentro das suas casas, as larvas
vivas desta especie, assim como da
especie da fig. 23. A forma das casas,
abstracgäo feita dos canos do Diaulus,
e quasi identica, mas o procedimento
das larvas e muito diverso. As das
casinhas providas de chamines conser-
vam-se quietas, quasi sem movimento, as
das casas so providas de duas fendas
estreitas agitam quasi ininterruptamente
o seu abdomen, executando movimentos
serpentinos ou ondulatorios. A razäo
dessa differenga e evidente. As portas
estreitas, que tem a vantagem de diffi-
cultar a entrada de qualquer inimigo,
tem ao mesmo tempo o inconveniente
de difficultar a passagem da agua in-
dispensavel a respiragäo da larva, que
por isso precisa de fazer reforgos con-
tinuos ptira renoval-a. Nas casas do
Diaulus Ladislavii as chamines däo
facil accesso a agua, e as larvas podem
descangar quando as outras trabalham.
der Länge des Gehäuses; bisweilen je-
doch ist der Abstand nur ein Drittel
dieser Länge oder noch kleiner. Bei
einem einzigen Gehäuse (Fig. 26, B)
unter Tausenden, die ich sah, habe ich
drei Röhren statt zwei angetroffen. Die
Gehäuse des Diaulus Ladislavii sind aus
denselben! rechteckigen und durchsich-
tigen Stäbchen (Fig. 24, ü) gebaut, die
von einer der vorhergehenden Arten ver-
wendet werden und die sich an den
Steinen, wo ihre; Larven leben, in reich-
licher Menge vorfinden. Die Anordnung
der Stäbchen (Fig, 26, C) lässt erkennen,
dass der Bau des Gehäuses mit der
Mitte des Rückenrandes angefangen
wird ; der obere Theil der Röhren wird
nur aus einer durchscheinenden Haut,
ohne Stäbchen, gemacht. Oftmals habe
ich die Larven dieser, wie auch der Art
von Fig. 23, mit dem Mikroskop lebend
in ihren Gehäusen beobachtet. Die Form
der Gehäuse ist, abgesehen von den
beiden Röhren des Diaulus, fast die-
selbe, aber das Verhalten der Larven
ist sehr verschieden. Die der mit Schloten
versehenen Häuschen verhalten sich
ruhig, fast bewegungslos, die der nur
mit zwei schmalen Schlitzen versehenen
Häuschen dagegen machen mit ihrem
Hinterleib fast ununterbrochen lebhaft
schlängelnde Bewegungen. Der Grund
dieser Verschiedenheit ist leicht einzu-
sehen. Die engen Thüren, die den Vor-
theil haben, den Eintritt irgend eines
Feindes zu hindern, haben gleichzeitig
die Unbequemlichkeit, den Durchgang
des für die Athmung der Larve unent-
behrlichen Wassers zu erschweren ; diese
ist dadurch genöthigt, zur Erneuerung
desselben ununterbrochene Anstreng-
ungen zu machen. In den Gehäusen
des Diaulus Ladislavii geben die Schlote
dem Wasser leichten Zutritt und die
Larven können ausruhen, während die
anderen arbeiten.
728
Sobre as casas construidas jielas larvas de Insectos Trichopteros.
E' bem curioso que as larvas täo
differentes como as do Diaulus Ladis-
lavii e as Rliyacophilideas que fazem
casinhas movcis de pedras (fig. 3), sc
sirvam do mesmo expediente para facilitar
a circulagäo da ag"ua nas suas casas,
inteiramente divcrsas em tudoo mais.
Para a transformagäo em nymphas, as
casas do Diaulus Ladislavüsäo fixadas
no lado superior de pedras em posigäo
vertical, e por toda a margem ventral.
As larvas gostam de estabelecer-se umas
ao lado das outras, de modo a formarem
as vezes verdadeiras aldeias dessas lindas
casinhas de duas chamines.
Depois de fixada a casa, a larva tece
um casulo oval, um pouco mais largo
no extremo anterior, fechado de todos
OS lados, como o das Rliyacophilideas,
do quäl se distingue por näo ser solto,
e sim continuo com as paredes da casa.
Como o Diaulus, procedem a este re-
speito tambem as tres especies prece-
dentes.
Em alguns ribeirinhos de curso lento,
cheios de Heteranthera reniformis, de
Callitriche e de Spirogyra, abunda-
vam no mez de Agosto larvas e nym-
phas de uma especie interessantissima
de Hydroptilideas (fig. 27), ä quäl, pela
forma de seus estojos, e pela planta em
que vivem , e de que se nutrem as
larvas, dou o nome de Lagenopsyche
SpirogyrcB. Uma segunda especie do
mesmo genero, para a quäl, por causa
da transparencia perfeita de seus estojos,
proponho o nome de Lagenopsyche hya-
lina (fig. 28) vive debaixo de pedras,
em corregos de curso mais rapido, como
no Ribeiräo dos Bugres.
Para se formar uma idea dos estojos
de Lagenopsyche, imagine-se cortada a
base de uma garrafa, e comprimida
Es ist sehr merkwürdig', dass so ver-
schiedene Lar\en wie die des Diaulus
Ladislavii und der Rhyacophiliden, die
bewegliche Häuschen aus Steinen (Fig. 3)
machen, sich zur Erleichterung der Cir-
kulation des Wassers in ihren Gehäusen
desselben Auskunftsmittels bedienen, ob-
gleich diese Gehäuse doch übrigens ganz
verschieden sind. Zur Verwandlung in
Puppen werden die Gehäuse des Diaulus
Ladislavii mit dem ganzen Bauchrande
in senkrechter Stellung an der oberen
Seite von Steinen befestigt. Die Larven
setzen sich gern Seite an Seite neben
einander fest, so dass sie bisweilen ganze
Dörfer dieser niedlichen Doppelschlot-
häuschen bilden.
Nachdem das Gehäuse befestigt ist,
webt die Larve einen ovalen, am vor-
deren Ende etwas erweiterten Kokon,
der auf allen Seiten geschlossen ist wie
der der Rhyacophiliden, von dem er
sich dadurch unterscheidet, dass er nicht
frei liegt, sondern mit den Wänden des
Gehäuses zusammenhängt. Wie Diaulus
verhalten sich in dieser Beziehung auch
die drei folgenden Arten.
In einigen kleinen, langsam fliessen-
den Bächen, die mit Heteranthera reni-
formis, Callitriche und Spirogyren erfüllt
sind, waren Mitte August Larven und
Puppen einer sehr interessanten Hydro-
ptiliden-Art (Fig. 27) sehr häufig, der
ich, nach der Form ihrer Futterale und
der Pflanze, auf der sie leben und von
der sich die Larven nähren, den Namen
Lagenopsyche Spirogyrae gegeben habe.
Eine zweite Art derselben Gattung, für
die ich, wegen der vollkommenen Durch-
sichtigkeit ihrer Futterale, den Namen
Lagenopsyche hyalina vorschlage (Fig.
28), lebt unter Steinen, in Quellen von
rascherem Laufe, wie im Bugresbache.
Um sich eine Vorstellung von den
Larven von Lagenopsyche zu machen,
denke man sich den Boden einer Flasche
Ueber die von den Tricliopterenlai von der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. "7 20
depois ii parte inferior dessa garrafa
sem base ate se tocarem as m argen s
oppostas. A boeca da garrafa e circular;
mais para traz a sec^äo transversal e
elliptica, tornando-se os dois eixos da
ellipse cada vez mais differentes; o eixo
maior vai augmentando, o menor con-
versa-se quasi igual ao diametro da
bocca ate perto do extreme opposto,
ende rapidamente decresce, reduzindo-se
a zero no extreme mesmo em que as
paredes oppostas se applicam uma a
outra. A larva sähe do seu estojo pela
bocca, podendo comtudo sahir tambem
pelo extreme opposto, afastando uma da
outra as paredes contiguas da fenda, e
carrega o estojo em posigäo tal que o
eixo maior de qualquer secgäo e ver-
tical e o menor horizontal (fig. 27, C).
Em quanto nas casinhas do Diaulus
Ladislavii näo ha dif ferenda entre os
dous extremes, e sim differenga muito
grande entre os lados dorsal e ventral,
nos estojos de Lagenopsyche pelo con-
trario, as margens dorsal e ventral säo
identicas, volvendo o animal para cima,
ora uma, ora outra indifferentemente,
e os duos extremes säo muito diverses,
sende o anterior uma bocca circular
e o posterior uma fenda vertical.
Os estojos säo feitos sem corpos
estranhos, so com a substancia fornecida
pelos enormes sericterios, ou glandulas
fiandeiras da larva, substancia esta que
produz, pelo endurecimento, uma mem-
brana coriacea e elastica.
A construc^äo dos estojos comeya
pela bocca da garrafa (fig. 27 A, B,
C, D) e parece que a larva, continuando
abgeschnitten und dann den unteren
Theil dieser bodenlosen Flasche zu-
sammengedrückt, bis sich die entgegen-
gesetzten Ränder berühren. Die Mün-
dung der Flasche ist kreisförmig; weiter
hinten ist der Querdurchschnitt elliptisch,
so dass die beiden Achsen der Ellipse
immer verschiedener werden ; die längere
Achse nimmt nämlich mehr und mehr
zu, während die kürzere bis nahe dem
entgegengesetzten Ende etwa gleich dem
Durchmesser der Mündung bleibt; hier
nimmt sie plötzlich ab und reducirt sich
an dem Ende selbst, in welchem die
entgegengesetzten Wände sich an ein-
ander legen, auf Null. Die Larve tritt aus
ihrem Gehäuse durch die Mündung her-
vor, kann jedoch auch aus dem entgegen-
gesetzten Ende hervortreten, indem sie
die sich berührenden Wände des Spaltes
von einander entfernt; sie trägt das
Futteral in solcher Stellung, dass die
grössere Achse jedes Querschnittes senk-
recht, die kleinere wagerecht steht (Fig.
27 C). Während bei den Häuschen von
Diaulus Ladislavii kein Unterschied
zwischen den beiden Enden , dagegen
ein sehr grosser Unterschied zwischen
Rücken- und Bauchseite besteht, sind
bei den Futteralen von Lagenopsyche
im Gegentheile Rücken- und Bauchrand
identisch, so dass das Thier ohne Unter-
schied den einen oder den anderen nach
oben kehrt, dagegen die beiden Enden
sehr verschieden, indem das vordere eine
kreisförmige Mündung, das hintere einen
vertikalen Spalt darstellt.
Die Futterale werden, ohne fremde
Körper, nur aus einem Stoffe gemacht,
den die ausserordentlich grossen Seiden-
oder Spinndrüsen der Larve liefern ; aus
diesem Stoffe wird, indem er erhärtet,
eine lederartige elastische Haut.
Der Ban der Futterale beginnt mit
der Mündung der Flasche (P'ig. 27 A,
B, C, D) und es scheint, dass die Larve,
730
Sobre as casas constniidas pclas larvas de Insectos Trichopteros.
para traz a sua obra, esta ao mesmo
tempo reforgando de novas camadas a
parte anterior; ao mcnos alli as paredcs
da garrafa säo muito mais grossas, sendo
tenuissimas no extremo opposto. A todas
as mais larvas de Trichopteros, cujas
casas tem os duos extremos differentes,
serve de porta o extremo mais novo;
sendo as de Lagenopsydie as unicas
cuja porta sc acha no extremo mais
antigo. A esta porta ou bocca da gar-
rafa sc da desde o principio o seu dia-
mctro definitivo, scm sc alargar mais
tarde. Parece-me provavel que as lar-
vas de tenra idade vivem sem estojos;
ao menos os menores estojos que vi
eram habitados por larvas ja assds
crescidas, as quaes quasi que näo podiam
dar protecgäo alguma ; eram funi's muito
curtos de membrana tenuissima , nos
quaes nem a metade da larva cabia.
Provaveknente a utilidade principal do
estojo consistira em proteger näo a
larva, mas sim a nympha, que e incapaz
de fugir e defender-se. A bocca de
garrafa tem, na Lagenopsyche Spiro-
gyrce, ccrca de o,'"™5 de diametro, sendo
o comprimento de 3, "^'"5 ate 4,"""5, e
a altura do extremo posterior de i,"""25
ate i,"""5. Nem na fcSrma, nem nas
dimensöes, as garrafas da Lagenopsyche
hyalina (fig. 28, A) se distinguem nota-
velmente das da L. Spirogyrca. A diffc-
ren^a mais patente entre as duas espe-
cies, consiste na apparencia dos estojos,
OS quaes säo incolores e perfeitamente
transparentes na L. hyalina, de uma cor
roxo-escura, tirando mais ou menos ao
pardo na L. Spirogyrce, cor esse que
c mais escura e as vezes quasi preta,
do lado da bocca, ficando para traz
cada vez mais clara e desmeiada. Seja
dito no passagem que as larvas das
duas especies facilmente se distinguem
pelas pernas intermediarias e posteriores,
providas de unhas muito mais com-
indem sie ihr Werk hinten fortsetzt,
gleichzeitig den vorderen Theil mit neuen
Schichten verstärkt; wenigstens sind
dort die Wände der Flasche viel dicker,
während sie am entgegengesetzten Ende
am dünnsten sind. Allen übrigen Tricho-
pterenlarven, deren Gehäuse zwei ver-
schiedene Enden haben, dient das neueste
Ende als Thür; die von Lagenopsyche
sind die einzigen, deren Thür sich am
ältesten Ende befindet. Dieser Thür oder
Flaschenmündung wird von Anfang an
ihr definitiver Durchmesser gegeben ; sie
erfährt später keine Erweiterung. Es
erscheint mir wahrscheinlich, dass die
Larven im zarten Alter ohne Futterale
leben; wenigstens waren die kleinsten
Futterale, die ich gesehen habe, von
schon ziemlich herangewachsenen Larven
bewohnt, denen sie kaum irgend einen
Schutz gewähren konnten ; es waren
sehr kurze Trichter von äusserst dünner
Haut, in denen noch nicht einmal die
Hälfte der Larve Platz hatte. Wahr-
scheinlich wird der Hauptnutzen des
Futterals darin bestehen, nicht die Larve,
sondern vielmehr die Puppe zu schützen,
die unfähig ist zu fliehen und sich zu
verteidigen. Die Mündung der Flasche
hat bei Lagenops)'che Spirogyrae un-
gefähr 0,5 mm Durchmesser, während
die Länge 3,5 bis 4,5 mm und die Höhe
des hinteren Endes 1,25 bis 1,5 mm be-
trägt. Weder in der Form noch in den
Dimensionen unterscheiden sich die
Flaschen von Lagenopsyche hyalina
(Fig. 28 Ä) bemerkenswerth von denen
von L. Spirogyrae. Ein auffallenderer
Unterschied zwischen beiden Arten be-
steht in dem Aussehen der Futterale,
die bei L. hyalina farblos und vollständig
durchsichtig, bei L. Spirogyrae von einer
dunkelrothen, mehr oder weniger ins
Braune spielenden Farbe sind; diese
Farbe der Spirogyraefutterale ist am
Munde dunkler, bisweilen fast schwarz,
Uebcr die von den Trichoptcrenlarven der Provinz .Santa Calliarina verfertigten Gehäuse. n x\
pridiis na L. Spirogyrce du quo na
L. hyalina. As larvas de Lagenopsychc
Spirogyrce fixam os seus cstojos na
face inferior das follias de Heteranthera
ou Callitriche (contei 17 estojos em
uma unica folha de Heteranthera)^as
da L. hyalina no lado inferior de pedras.
Para este fim o estojo e deitado cm
um dos lados, c depois fixado de cada
lado de um e outro extreme por meio
de discos adhesivos peciolados; todos
esscs peciolos säo simples na L. Spi-
rogyrce (fig. 2-], E, F), na L. hyalina, os
do extreme opposto a bocca da garrafa
dividem-se em dous ramos, cada um dos
quaes termina por um disco (fig. 28, B, C).
Fixado o estojo, a larva fia o seu
casulo fechado de todos os lados, quo
se confunde com as paredes do estojo,
do quäl deixa desoccupado cerca de
meio millimetro no extreme mais largo.
Esse extremo, que era o posterior para
a larva, e o anterior para a nympha,
porque antes de se transformar, a larva
muda duas vezes a sua posigäo ; pri-
meiro (fig. 27, E) volta a cabega para
o extremo mais largo, e depois (fig. 27,
F) volve as costas para a superficie
livre do estojo. Muito differentes em
tudo o mais, os estojos de Lagenopsyche
assemelham-se, no modo por que säo
fixados, aos da Hydroptila flabellifera
de Bremi, achados na Suissa, e que,
segundo Hagen, podiam pertencer ao
genero Agraylea ^).
bleibt dagegen hinten jedes Mal heller
und verwaschen. Nebenbei sei bemerkt,
dass sich die Larven beider Arten leicht
an den Mittel- und Hinterbeinen unter-
scheiden lassen, die bei L. Spirogyrac
mit viel längeren Krallen versehen sind,
als bei L. h3'^alina. Die Larven der
Lagenopsyche Spirogyrae befestigen ihre
Futterale an der unteren Seite der Blätter
von Heteranthera oder Callitriche (ich
habe 17 Futterale an einem einzigen
Blatte von Heteranthera gezählt) — die
der L. hyalina an der Unterseite von
Steinen. Zu diesem Zwecke wird das
Futteral auf eine Seite gelegt, und dann
jederseits an beiden Enden mittels ge-
stielter Haftscheiben befestigt. Alle diese
Stiele sind bei L. Spirogyrae (Fig, 27
E, F) einfach; bei L. hyalina dagegen
theilen sich die des dem Munde ent-
gegengesetzten Flaschenendes in zwei
Aeste, deren jeder mit einer Scheibe
endigt (Fig. 28 B, C).
Nachdem das Futteral befestigt ist,
spinnt die Larve ihren an allen Seiten
geschlossenen Kokon , der mit den
Wänden des Futterals verschmilzt; von
diesem bleibt nur etwa ein halbes Milli-
meter am breiteren Ende unbesetzt. Das
Ende, welches für die Larve das hintere
war, ist für die Puppe das vordere, denn
bevor sie sich umwandelt, wechselt die
Larve zwei Mal ihre Stellung; zuerst
(Fig. 27 K) wendet sie ihren Kopf nach
dem breiteren Ende und dann (Fig. 27 F)
dreht sie den Rücken an die freie Ober-
fläche des Futterals. Obgleich übrigens
sehr verschieden, gleichen die Futterale
von Lagenopsyche in der Art, wie sie
befestigt werden, denen der Hydroptila
flabellifera Bremi, die in der Schweiz
gefunden worden sind und nach
Hagen zur Gattung Agraylea ^) gehören
können.
i) Hagen loc. cit. p. 115 e ]). 234, n" 44
i) Hagen, 1. c. S. 115 und S. 234, No. 44.
732
Sobre as casas conslruidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
O primeiro cnsaio de classifica^äo
das casas dos Tricliopteros, parcce tcr
sido feito por Willughb}^; foi publicado
cm 17 lo na Historia Insectorum de Ray.
As casas säo divididas cm duas classes
principaes ^) :
Insecta aquatica thecis se contegentia
sunt vel theca.
I. immobili seu lapidibus affixa . . .
. . . vel.
II. mobili aut portatili, migratoria».
Esta classificacäo de Willughby, e
ainda seguida por Hagen 2), que tambem
distingue : i " casas f ixadas immoveis ;
2 " casas livres moveis.
E, com effeito, todas as especies con-
hecidas podiam ser rcfcridas a uma dessas
duas classes. Hoje o caso e diverso;
nos corregos de Santa Catharina ha uma
larva para a quäl Willughby deveria
estabelecer uma terceira classe: < theca
lapidibus affixa, mobili» sendo os seus
estojos fixados por meio de uma corda
flexi vel (fig. 29). Proponho para esta
curiosa especie o nome de Rhyacopsyche
Hagenii, dedicando-a ao distincto ento-
mologista do Museu de Cambridge, Dr.
H. A. Hagen. A forma dos estojos desta
especie varia um pouco com a idade da
larva, conformando-se com o volume
crescente do abdomen, que, na familia
das Hydroptilideas costuma attingir nas
larvas adultas, a uma grossura äs vezes
extraordinaria. Os estojos das larvas
menos velhas, que vi, eram cylindricos,
quasi rectos. abertos nos dous extrcmos,
de cerca de 4,"""5 de comprimento sobre
o,"""4 de diametro. Da margem de um
dos orificios parte uma corda de fios,
geralmente pouco distinctos, mais ou
Der erste Versuch einer Einteilung
der Trichopterengehäuse scheint von
Willughb}^ gemacht worden zu sein ; er
wurde 17 10 in der Historia Insectorum
von Ray veröffentlicht.
Die Gehäuse werden in zwei Haupt-
klassen getheilt ^) :
„Insecta aquatica thecis se contegentia
sunt vel theca
I. immobili seu lapidibus affixa , . .
. . . vel
II. mobili aut portatili, migratoria".
Dieser Eintheilung Willughby's ist
noch Hagen ') gefolgt , der ebenfalls
unterscheidet: i) befestigte, unbeweg-
liche Gehäuse; 2) freie, bewegliche Ge-
häuse.
Und in der That können alle be-
kannten Arten auf eine dieser beiden
Klassen bezogen werden. Heute liegt
der Fall anders; in den Quellen Santa
Catharina's giebt es eine Larve, für die
Willughb}'- eine dritte Klasse aufstellen
müsste: „theca lapidibus affixa, mobili",
da ihre Futterale mittels eines biegsamen
Seiles befestigt sind (Fig. 29). Ich stelle
für diese merkwürdige Art den Namen
Rhyacopsyche Hagenii auf, indem ich
sie dem ausgezeichneten Entomologen
am Museum zu Cambridge, Dr. H. A.
Hagen, widme. Die Gestalt der Futterale
dieser Art ändert sich etwas mit dem
Alter der Larve, entsprechend dem
wachsenden Umfange des Hinterleibes,
der in der Familie der Hydroptiliden bei
erwachsenen Larven eine bisweilen
ausserordentliche Dicke zu erreichen
pflegt. Die Futterale der weniger alten
Larven, die ich gesehen habe, waren
cylindrisch, fast gerade, an beiden Enden
geöffnet, von ungefähr 4,5 mm Länge
bei 0,4 mm Durchmesser. Vom Rande
1) Hagen loc. cit. p. 139. Westwood Introduct. i) Hagen, 1. c. p. 139. Westwood, Introdiict.
Vol. II. p. 63. Vol. II. p. 63.
2) Hagen loc. cit. p. 142 e 223. 2) Hagen, 1. c. S. 142 und 223.
lieber die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. n-i-i
menos torcidos, cujo comprimento costuma
ser quasi igual ao do estojo, pelo outro
extremo, a corda e fixada no lado superior
de alguma pedra. A cor. do estojo e
parda, desmaiada; näo ouso decidir si
e feito sem corpos extranhos, ou si on-
tram na sua composic^-äo fragmentos
microscopicos de algas. Mais tarde
apparece n'aquelle lado do cylindro, de
que nasce a corda, uma especie de hernia
{fig. 2g, A, B, C, H), formada por uma
membrana mais lisa e pallida, que vai
augmentando com o correr do tempo,
tanto em comprimento como em largura,
ate occupar finalmente cerca de tres
quartos do comprimento do cylindro
(fig. 29, C), sendo no meio täo larga
como este. O limite entre o cylindro
primitivo e esse accrescimo de data mais
recente e geralmente muito bem tragado
quando a larva esta para se transformar,
fechando primeiro (fig. 2g Z), E) a ex-
trcmidade do estojo opposta a da corda
por uma membrana homogenea, igual
a do estojo; ao mesmo tempo toda a
parede do estojo comega a engrossar
muito por meio de novas camadas, pelo
que a sua cor se torna cada vez mais
escura. Depois, o comprimento da corda
fica muito reduzido, e esta transforma-se
em uma haste curta e rija, capaz de
sustentar o estojo em posi^äo vertical.
Finalmente o segundo orificio do estojo
e tambem fechado (fig. 2 g i^), A nympha
acha-se collocada no estojo com a cabega
para cima, fazcndo para cima, fazendo
para sahir um buraco no extrema su-
perior.
Esta Hydropülideu e muito rara;
pelo menos ainda näo achei logar onde
ella abundasse.
einer der Oeffnungen geht ein Seil ab,
aus in der Regel wenig unterscheidbaren,
mehr oder weniger gedrehten Fäden,
dessen Länge der des Futterals ungefähr
gleich zu sein pflegt; mit dem anderen
Ende ist das Seil an der oberen Seite
irgend eines Steines befestigt. Die Farbe
des Futterals ist verwaschen braun ; ich
wage nicht zu entscheiden, ob es ohne
fremde Körper gemacht wird, oder ob
mikroskopische Algenfragmente in seine
Zusammensetzung eintreten. Später er-
scheint an der Seite des Cylinders, von
der das Seil ausgeht, eine Art Bruch
(hernia) (Fig. 2g A, B, C); er wird von
einer glatteren, blassen Haut gebildet,
die mit der Zeit, sowohl an Länge als
an Breite, immer mehr zunimmt, bis sie
schliesslich fast drei Viertel der Länge
des Cylinders einnimmt (Fig. 29 C) und
in der Mitte eben so dick wie dieser ist.
Die Grenze zwischen dem ursprünglichen
Cylinder und diesem Zuwachs neuern
Datums hebt sich im Allgemeinen sehr
scharf ab; wenn die Larve im Begriff
steht, sich zu verwandeln, verschliesst
sie zuerst (Fig. 29 D, E) das dem Seil-
ende entgegengesetzte Ende des Futterals
mit einer homogenen, der des Futterals
gleichen Haut. Gleichzeitig beginnt die
ganze Wand des Futterals mittels neuer
Schichten sich bedeutend zu verdicken,
wodurch ihre Haut jedes Mal dunkler
wird. Dann verkürzt sich die Länge
des Seiles bedeutend und es verwandelt
sich in einen kurzen und festen Schaft,
der im Stande ist, das Futteral in auf-
rechter Stellung zu tragen. Endlich
wird die zweite Oeffnung des Futterals
ebenfalls verschlossen (Fig. 29 E). Die
Puppe befindet sich in dem Futterale mit
dem Kopfe nach oben ; zum Ausschlüpfen
macht sie am oberen Ende ein Loch.
Diese Hydroptilide ist sehr selten ;
ich habe wenigstens noch keine Stelle
gefunden, wo sie häufig wäre.
734
Sobre as casas construidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
Vive em varios ribeiros (Jordäo,
Gruta dos Macacos, Triste Aliseria, etc.),
preferindo logares onde o courso da
agua e muito rapide. Parecc nutrir-se
das algas que costumam cobrir as pedras
de semelhantes localidades.
Fixando-se per uma corda, näo
pode ser levada pela corrente da agua,
participando deste modo das \'antagens
das casas immoveis, sende ao mesmo
tempo capaz de pastar em area maior
do que si a casa fosse immovel ; a larva
pode Sahir indifferemente de uma e outra
porta de sua casinha, e provavclmente
podera mudar o comprimento da corda.
Este Singular costume de fixar a casa
por uma corda flexivel devera parecer
muito estranho a quem so estudar as
casas e as larvas mortas. Quem observar
as larvas vivas podera facilmente con-
vencer-se de que varias outras especies
tambem costumam fixar, si bem quo
temporariamente, as suas casas. Pondo
V, g. larvas de Helicopsyche em um
copo de vidro, em cujas paredes verti-
caes ellas so com muito custo podem
subir e segurar-se, carregadas, como
andam, de pesadas casas de pedras,
näo obstante, param muitas vezes durante
horas inteiras em algum ponto destas
paredes. Examinando essas larvas para-
das, ve-se que estäo perfeitamente re-
colliidas na casa, sem se segurarem
pelas pernas, e, sacudindo levemente o
copo, conhece-se que se tem fixado
com alguns fios de seda. E' bem sabido
que varias lagartas de Lepidopteros,
que vivem em estojos {Psyche), procedem
da mesma maneira, fixando por alguns
fios OS estojos, e recolhcndo-se no interior
quando querem descangar.
Sie lebt in verschiedenen Bächen
(Jordan, Affenwinkel, Trauriger Jammer
u. s. w.), zieht aber Stellen vor, wo der
Lauf des Wassers sehr rasch ist. Sie
scheint sich von Algen zu nähren, die
gewöhnlich die Steine solcher Stellen
bedecken.
Da sie sich mit einem Seile festheftet,
so kann sie nicht von der Strömung des
Wassers weggeführt werden und theilt
auf diese Weise den Vorthell der un-
beweglichen Gehäuse; gleichzeitig ist
sie aber im Stande, eine weit grössere
Fläche abzuweiden als wenn das Gehäuse
unbeweglich wäre ; die Larve kann ohne
Unterschied aus der einen oder anderen
Thür ihres Häuschens hervortreten und
wird wahrscheinlich die Länge des
Seiles verändern können. Diese sonder-
bare Gewohnheit, ein Haus an einem
biegsamen Seile zu befestigen, wird dem
sehr seltsam erscheinen müssen der nur
die Gehäuse und die todten Larven
studirt. Wer die lebenden Larven be-
obachtet, wird sich leicht überzeugen
können, dass mannigfache andere Arten
ebenfalls ihre Gehäuse zu befestigen
pflegen, wenn auch nur vorübergehend.
Wenn man z. B. Larven von Helico-
psyche in ein Wasserglas setzt, an dessen
senkrechten Wänden sie, da sie mit
schweren Steinhäusern belastet wandern,
nur mit vieler Mühe emporklimmen und
sich festhalten können, so verweilen sie
trotzdem oftmals während ganzer Stun-
den an irgend einem Punkte dieser
Wände. Untersucht man diese Larven-
Halteplätze, so sieht man, dass die Larven
sich vollkommen in das Gehäuse zurück-
gezogen haben, ohne sich mit den Beinen
festzuhalten, und wenn man das Glas
leicht schüttelt, überzeugt man sich, dass
sie sich mit einigen Seidenfäden ange-
heftet haben. Es ist wohl bekannt, dass
verschiedene Schmetterlingsraupen, die
in Futteralen leben (Psyche), auf die-
Uebei- die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. jt^^
Concluo a scrie de formas novas que
acabo de descrevor com uma cspccie
(fig-. 30) de que ainda näo vi o insecto
perfeito, mas somcMitt^ fragmentos de
nympha, e por isso näo sei com corteza
a que familia pertence. O abdomen da
larva adulta e excessivamente dilatado,
mais do que em qualquer outra especic
catharincnse , e foi principalmcntc por
este motivo que a colloquei aqui.
As casas säo immovcis, sendo fixa-
das por toda a face ventral sobre as
pedras de ribeiros maiores de curso
rapide.
Ha alguns annos vi-as cm grande
abundancia no Ribeiräo do Warnow
(afflucnte do Itajahy), sendo porem muito
raras no Ribeiräo do Garcia. Ellas säo
ellipticas, tendo 4 a 5""" de comprimento,
e 2,'''''^2 ate 2,'"™5 de largura, e raras
vezes elevam-se no centro a mais de
„ mm .
Säo pois achatadas, semelhantes a
um escudo, ou, melhor ainda, aos casulos
que encerram os ovos da Nephelis
vulgaris, hirudinea frequentissima nas
aguas da Europa. Assim como esses
casulos de Neplielis , ellas säo de cor
parda, e feitas de uma substancia
coriacea, producto secretado provavel-
mente pelas glandulas fiandeiras da larva.
A parede dorsal e muito mais espessa
do que a ventral, a ponto de quasi näo
se poder separar incolume da pedra,
em que estiver collocada. Na face dorsal
quasi sempre clevam-se linhas parallelas
que, perpendiculares ao eixo maior da
ellipse, väo ininterruptas de uma a outra
margem lateral. A distancia de uma
a outra linha costuma variar de o,"'"^o8
selbe Weise vorschreiten, indem sie mit
einigen Fäden die Futterale festheften
und sich in das Innere derselben zurück-
ziehen, wenn sie sich ausruhen wollen.
Ich schliesse die Reihe neuer Formen,
die ich soeben beschrieben habe, mit
einer Art (Fig. 30), von der ich noch
nicht das vollkommene Insekt, sondern
nur Bruchstücke der Puppe gesehen
habe und desshalb nicht mit Sicherheit
weiss, zu welcher Familie sie gehört.
Der Hinterleib der erwachsenen Larve
ist äusserst stark verbreitert, mehr als
bei irgend einer anderen catharinensi-
schen Art; das ist der Hauptgrund,
wesshalb ich sie hier besprochen habe.
Die Gehäuse sind unbeweglich, in-
dem sie mit der ganzen Bauchfläche an
den Steinen grösserer Bäche von raschem
Laufe befestigt sind.
Vor einigen Jahren sah ich sie in
grosser Menge im Bache Warnow (einem
Zufluss des Itajah}^), wogegen sie im
Bache Garcia sehr selten sind. Sie sind
elliptisch, von 4 bis 5 mm Länge und 2,2
bis 2,5 mm Breite; in seltenen Fällen
erheben sie sich in der Mitte auf mehr
als 0,5 mm.
Sie sind also abgeplattet, ähnlich
einem Schild, oder, noch besser, den
Kapseln, welche die Eier der Nephelis
vulgaris, eines in den Gewässern Europas
sehr häufigen Blutegels, umschliessen.
Eben so wie diese Kapseln von Nephelis
sind sie von brauner Farbe und aus
einer lederartigen Substanz gemacht, die
wahrscheinlich von den Spinndrüsen
der Larve abgesondert worden ist. Die
Rückenwand ist viel dichter als die
Bauchwand, so dass sie kaum unversehrt
von dem Stein, an dem sie sitzen, ge-
trennt werden können. Auf der Rücken-
fläche erheben sich fast immer parallele
Linien, die, senkrecht zur grösseren
Achse der Ellipse, fast ununterbrochen
von einem zum anderen Seitenrande ver-
736
Sobre as casas constniidas pelas Larvas de Insectos Trichopteros.
ate o,'"'"i2. Uma vez vi essas linhas sub-
stituidas por fileiras transversaes de
pequenos tuberculos: em outros casos
as linhas säo mais ou menos indistinctas.
Perto de cada extremo do eixo maior
ha um pequeno orificio circular ou
elliptico, que a larva parece fechar com-
pletamentc antes de passar ao estado
de nympha.
Proponho para o habitante dessa
curiosa casa o nome de Peltopsyche
Sieboldii, dedicando a especie ao vene-
ravel veterano dos zoologos allemäes o
Professor Carl Theodor von Siebold.
Taes säo as casas de Trichopteros
que ate agora achei na provincia de
Santa Catharina. Sem duvida o numero
das especies que habitam as aguas desta
provincia deve ser muito maior, e a
minha lista precisara de supplementos,
provavelmente mais extensos do que a
primeira. Comtudo, imperfeito e incom-
pleto como e, o presente trabalho talvez
possa servir para animar outros natu-
ralistas a, näo so coUeccionarem em
outras partes do Imperio as täo curiosas
casas do Trichopteros, como tambem
a se entregarem ao estudo muito mais
interessante da biologia de seus habi-
tantes.
Itajahy, Outubro de 1878.
laufen. Der Abstand von einer zur an-
deren Linie pflegt von 0,08 bis 0,12 mm
zu variiron. Einmal sah ich diese Linien
durch Querreihen kleiner Höcker ersetzt ;
in anderen Fällen sind die Linien mehr
oder weniger unbestimmt. Nahe jedem
Ende der grösseren Achse befindet sich
eine kreisförmige oder elliptische Oeff-
nung, die die Larve vollständig zu ver-
schliessen scheint, ehe sie in den Puppen-
zustand übergeht.
Ich stelle für den Bewohner dieses
merkwürdigen Gehäuses den Namen
Peltopsyche Sieboldii auf, indem ich diese
Art dem ehrwürdigen Veteranen der
deutschen Zoologen, dem Professor Carl
Theodor v. Sicbold widme.
Das sind die Trichopterengehäuse,
die ich bis jetzt in der Provinz Santa
Catharina gefunden habe. Ohne Zweifel
muss die Zahl der Arten, die die Ge-
wässer dieser Provinz bewohnen, sehr
viel grösser sein und meine Liste wird
Nachträge, von wahrscheinlich grösserer
Ausdehnung als diese Liste selbst, er-
fordern. Unvollkommen jedoch und un-
vollständig wie sie ist, kann die vor-
hegende Arbeit vielleicht dazu dienen,
andere Naturforscher anzuregen, in an-
deren Theilen des Reichs nicht nur die
so merkwürdigen Gehäuse der Tricho-
pteren zu sammeln, sondern sich auch
dem viel interessanteren Studium der
Biologie ihrer Einwohner zu widmen.
Itajahy, Oktober 1878.
ExpHca9äo das figunis da Erklärung der Abbildungen auf Tafel
estampa LIII — LV^). LIII LV.
Fig. I 64. Casas de Rhyacophilideas, Fig. 1—4. Gehäuse von Rhyaco-
augmentadas duas vezes (o que d'ahi por philiden. Vergr. 2:1.
diante, mais brevemente, fica indicado por
2 : I).
Flg. I. Do Ribeirao dos Bugres A, Ä Fig. i. Aus dem Bugresbache. A,Ä,
casa livre de larva. A — vista de cima. freies Larvengehäuse; A, von oben A\ von
1) Aldi, du Musen Nacional 1878. III. 210—213.
Ueber die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. n xn
A' — vista da face ventral , mostrando as
duas portas da casa. />, B' — casa fixada
de nympha. B — vista de cima. B' — vista
de face ventral ; nao havendo mais parede
ventral, ve-se a cavidade interior da casa.
Fig. 2. Da Gruta dos Macacos («Affen-
winkel»). Casas livres de larvas. A, B — vis-
tas de cima. mostrando o orificio dorsal.
A' — a casa — A — vista da face ventral.
Fig. 3. Do Ribeirao do Garcia. Casas
livres de larvas, com chamine, vistas do lado.
Fig. 4. Da Triste Miseria de Blmnenau
(«Trauriger Jammer >). A, B — casas de
larvas, livres, vistas de lado. C, C— casa
de nympha, fixada, sem chamine. C — vista
de cima. C — vista da face ventral ; ve-se
no interior o casulo solto da nympha.
Fig. 5 e 6. Casas de Hydropsychideas,
de tamanho natural.
Fig. 5. Do Ribeirao dos Bugres. A,
A' — casa de nympha. A — vista de cima.
A' — vista da face ventral, com a cavidade
interna aberta. B — casulo membranaceo de
nympha, incluido na casa de pedras. B' — •
crivo do extremo do mesmo casulo (15: i).
Fig. 6. Rhyacophylax. Da Gruta dos Ma-
cacos. A — casa de larva, immovel, com
varanda em forma de funil, coberta de uma
rede. B, B'' — casa de nymphas. B — vistas
de cima. B' — vistas da face ventral.
Fig. 7 e 15. Casas de Leptocerideas.
Fig. 7. Ramos habitados por larvas de
Leptocerideas, de tamanho natural. A — casa
de nympha. A'— a mesma cortada longi-
tudinalmente. p — pedra tapando a entrada.
n — casulo membranaceo da nympha. er —
crivo no extremo do casulo. ca — tubo ex-
cavado pela larva. 0 — buraco na parede do
tubo. m — medulla do ramo.
A" O crivo (er), 8:1.
B Outro ramo encerrando a nj'mpha,
notavel por achar-se o crivo do casulo
applicado ao orificio lateral do tubo. B' —
esse orificio com o crivo, 8:1.
C Ramo öco , encerrando a nympha.
C — sec^ao longitudinal do mesmo ; as lettras
como em A\
Fritz Müllers gesammelte Schriften.
der Bauchseite gesehen und die beiden
Thüren des Gehäuses zeigend. 5, B\ fest-
geheftetes Puppengehäuse; B. von oben B\
von der Bauchseite gesehen; da es keine
Bauchwand mehr hat, sieht man in £' den
inneren Hohlraum des Gehäuses.
Fig. 2. Aus dem Affenwinkel. Freie
Larvengehäuse; A, B. von oben gesehen,
die Rückenöffnung zeigend ; A\ das Gehäuse
A von der Bauchseite gesehen.
Fig. 3. Aus dem Bache Garcia. Freie
Larvengehäuse mit Schornstein, von der
Seite gesehen.
Fig. 4. Aus dem „Traurigen Jammer"
von Blumenau. A, B, freie Larvengehäuse,
von der Seite gesehen; G, C\ befestigtes
Puppengehäuse ohne Schornstein ; C, von
oben, C", von der Bauchseite gesehen ; man
sieht im Innern den losen Puppenkokon.
Fig. 5 und 6. Gehäuse von Hydro-
psychiden, in n atürl. Grösse.
Fig. 5. Aus dem Bugresbache. A, Ä,
Puppengehäuse; A, von oben A!, von der
Bauchseite gesehen, mit geöffnetem, inneren
Hohlraum; B, häutiger Puppenkokon, aus
dem Steingehäuse, in dem er eingeschlossen
lag, herausgenommen; B\ Sieb am Ende
dieses Kokons. 15 : i- (Gattung Macro-
nema des Nachtrags).
Fig. 6. Rhyacophylax. Aus dem Affen-
winkel. A, unbewegliches Larvengehäuse
mit trichterförmigem, von einem Netz be-
deckten Vorhof; B, B\ Puppengehäuse; B,
von oben, B\ von der Bauchseite gesehen.
Fig. 7 — 15. Gehäuse von Lepto-
c e r i d e n.
Fig. 7. Von Leptoceridenlarven be-
wohnte Zweige, in natürl. Grösse. A, Puppen-
gehäuse ; Ä, dasselbe im Längsdurchschnitt ;
p. Stein, der den Eingang verschliesst ; n,
häutiger Kokon der Puppe ; c?', Sieb am
Ende des Kokons; ca, von der Larve aus-
gehöhlte Röhre ; 0, Loch in der Wand der
Röhre ; m, Mark des Zweiges.
Ä\ das Sieb {&•). 8:1.
B, anderer, die Puppe einschliessender
Zweig, dadurch bemerkenswerth, dass das
Sieb des Kokons sich der Seitenöffnung der
Röhre angelegt findet; B\ diese Oeffnung
mit dem Siebe. 8:1.
C, hohler, die Puppe einschliessender,
Zweig; C", Längsdurchschnitt desselben; die
Buchstaben wie bei Ä. (Gattung Tetra-
centron des Nachtrages.)
738
Sobre as casas construidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
Fig. 8. Gnimicha, do Ribeirao do Garcia.
A Grupos de estojos fixados, de tamanho
natural ; os maiores säo de femeas, os me-
nores de machos. B Tampa do orificio pos-
terior, com buraco central e circular, 8 : i.
C Tampas anteriores de femeas, com fenda
transversal abaixo do centro, 8 : i . D — dita
de um macho, 8 : i .
Fig. 9. Estojo de Grumicha, occupado
por nympha intrusa, tapado com umä pedra
(p) e fixado por um disco transversal, sem
peciolo (d). er- — logar onde no interior ha
um crivo transversal. Do Ribeirao do Garcia.
De tamanho natural.
B. Pedra que servio de tampa ao estojo
A, removida pela nympha ao sahir do estojo,
com o annel crivado que a ligava ao estojo
(5:1)-
Fig. lO. GruifiicJimha, da Gruta dos Ma-
cacos. A Estojos de nymphas fixados, de
tamanho natural. B Tampa anterior com
fenda transversal acima do centro, 15:1.
Fig. II. A Casa feita de sementes de
Callitriche, de um ribeirinho tributario do
Ribeirao do Garcia, 3:1. Ä Entrada da
mesma casa, fechada por uma membrana
transversal, com buraco central, 15:1. B En-
trada de outra casa, ainda aberta, 3:1.
Fig. 12. Casas de pedacinhos de ma-
deira, do Ribeirao do Garcia 2:1. A, A
Casa de nympha fixada. A — vista do lado
ventral. Ä — vista do lado esquerdo. ^" —
tampa anterior. A^" — dita posterior da mesma
casa, 8:1. B Casa de larva livre, vista do
lade ventral.
Fig. 13. A, Estojo de nympha coberto
de areia finissima, do Ribeirao do Garcia,
visto do lado direito, 3:1. A\ Extremo pos-
terior do mesmo estojo, com o disco ad-
hesivo, 15:1. ^" — tampa anterior, yl'" —
dita posterior do mesmo, 15:1.
Fig. 14. Canudos de pedras, especie
maior, do Ribeirao dos Bugres, vistos do
lado direito, de tamanho natural, sendo
A — casas de larvas livres. B, C — casas
de nymphas fixadas, menores (de machos?).
D, E — ditas maiores (de femeas?) Ä—
Fig. 8. Grumicha vom Bache Garcia.
A, Gruppen festgehefteter Futterale in natür-
licher Grösse ; die grösseren sind von Weib-
chen, die kleineren von Männchen ; B, Deckel
der hinteren Oeffnung mit kreisförmigem
Loch in der Mitte. 8:1. C, vordere Deckel
von Weibchen, mit Querspalt unter der
Mitte. 8:1. Z), desgleichen von einem Männ-
chen. 8:1.
Fig. 9. A, Grumichafutteral, von einer
eingedrungenen Puppe besetzt, mit einem
Sterne (p) verschlossen, und mit einer un-
gestielten Querscheibe id) befestigt ; er, die
Stelle, wo inwendig sich ein Quersieb be-
findet. Aus dem Garciabache. Natürliche
Grösse. (Der Eindringling == Tetracentron
spec. des Nachtrages.)
5, Stein, der dem Futteral A als Deckel
gedient hat, durch die Puppe bei ihrem
Ausschlüpfen aus dem Futteral entfernt,
mit dem siebförmig durchlöcherten Ringe, der
den Stein mit dem Futterale verband. 5:1.
Fig. 10. Grumichinha (Grumichella des
Nachtrages), aus dem Affenwinkel. A, fest-
geheftete Puppenfutterale ; in natürl. Grösse.
B, vorderer Deckel mit Querspalt über der
Mitte. 15:1.
Fig. II. A, aus Samen von Callitriche
gemachtes Gehäuse, aus einem kleinen
Bache, der in den Garciabach fliesst. 3:1.
A!, Eingang desselben Gehäuses, mit einer
Querhaut verschlossen, die in der Mitte ein
Loch hat. 15:1. B, Eingang eines anderen,
noch geöffneten Gehäuses. 3:1.
Fig. 12. Gehäuse aus Holzstückchen,
aus dem Garciabache. 2:1. A, A\ fest-
geheftetes Puppengehäuse; A, von der
Bauchseite, A\ von der linken Seite gesehen ;
A'\ vorderer, Ä"\ hinterer Deckel desselben
Gehäuses. 8:1. B, freies Larvengehäuse, von
der Bauchseite gesehen. (Setodes spec. des
Nachtrages.)
Fig. 13. A, mit feinstem Sande be-
decktes Puppenfutteral, aus dem Garcia-
bache, von der Seite gesehen. 3:1. Ä', hin-
teres Ende desselben Futterals mit der
Haftscheibe. 15 : i. A", vorderer, A'", hin-
terer Deckel desselben. 15:1. (Setodes
gemma.)
Fig. 14. Steinröhren, grössere Art (Ma-
rilia major des Nachtrages) aus dem Bugres-
bache, von der rechten Seite gesehen, in
natürlicher Grösse. A, freie Larvengehäuse ;
B, C, kleinere befestigte Puppengehäuse (von
Männchen?); D, E, desgl. grössere (von
Ueber die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse.
739
paredes transversaes do extremo posterior
das casas de larvas A , 3:1. B\ C Ex-
tremo anterior das casas de nymphas (B, C),
3:1. iff" Fenda do extremo posterior da
casa de nympha B, 15:1. C" — Dita do
extremo anterior de C, 15:1. — E' — Ex-
tremo posterior da casa de nympha E,
3:1. -£"' Secc^ao longitudinal do mesmo ex-
tremo, 6:1.
Fig. 15 — Canudos de pedras, especie
menor, da Gruta dos Macacos, vistos do
lado direito, de tamanho natural, sendo A
casas de larvas, livres, B casas de nymphas,
fixadas. Ä parede transversal do extremo
posterior da casa de larva, 25 : i. B' extremo
posterior, B'' dito anterior de B, 4:1. ^"'
fenda do extremo posterior e -ß" margem
ventral da fenda anterior de ^, 15:1.
Fig 16 — 17. Casas de posi^ao syste-
matica incerta.
Fig. 16. Casas de folhas, de diversos
ribeiros, de tamanho natural, A, A\ B, B\
C — Casas de larvas livres, sendo A, B, C
vistas de cima, A\ B'' da face ventral.
D — Casa de nympha, fixada, er indica
o logar, em que se acha o crivo posterior.
U — Crivo anterior da mesma casa, 5:1.
E — Sec^ao transversal de uma casa, de
tamanho natural.
Fig. 17. Casas de folhas de larvas vi-
vendo entre as folhas de Bromeliaceas para-
sitas do mato virgem, 2:1. A, B, vistas de
cima, A\ B' as mesmas, vistas da face ven-
tral. C, C SeccOes transversaes de uma
casa, 5:1.
Fig. 18 — 21. Casas de Sericostomideas
do genero Helicopsyche, 2:1.
Fig. 18. Do Ribeiräo da Triste Miseria
de Blumenau. B, B\ B" — Tampas de ca-
sas de nymphas, 8:1.
Fig. 19. Do Ribeiräo Branco («Weiss-
bach»). B, B\ B'" — Tampas de casas de
nymphas, 8:1.
Fig. 20. De remansos do Ribeiräo do
Garcia.
Fig. 21. Do Ribeiräo do Garcia.
Fig. 22 — 30. Casas de Hydroptilideas,
8:1.
Weibchen ?) ; Ä, Querwände des hinteren
Endes der Larvengehäuse ^,3:1; B\ C\
vorderes Ende der Puppengehäuse B, G,
3:1; B", Spalt am hinteren Ende des
Puppengehäuses B, 15:1; C", Spalt am
vorderen Ende von C, 15:1; E\ hinteres
Ende des Puppengehäuses E, 3:1; £"',
Längsdurchschnitt desselben Endes, 6:1.
Fig. 15. Steinröhren, kleinere Art (Ma-
rilia minor des Nachtrages) aus dem Affen-
winkel, von der rechten Seite gesehen, in
natürlicher Grösse. A, freie Larvengehäuse;
B, festgeheftete Puppengehäuse; A' Quer-
wand des hinteren Endes des Larvenge-
häuses, 15 : I ; B\ hinteres, 5", vorderes
Ende von B, 4:1; B"\ Spalt des hinteren
Endes und B'^ , Bauchrand des vorderen
Spaltes von B, 15:1.
Fig. 16 — 17. Gehäuse von un-
sicherer systematischer Stellung.
(Gattung Phylloicus, zu Mac Lachlan's vierter
Sektion der Leptoceriden gehörig; laut
Nachtrag !)
Fig. 16. Blattgehäuse von verschiedenen
Bächen (Phylloicus major des Nachtrages),
in natürlicher Grösse. A, A\ B, B\ C, freie
Larvengehäuse; A, B, C, von oben, A' B\
von der Bauchseite gesehen; D, festgehef-
tetes Puppengehäuse; er, bezeichnet die
Stelle, an der sich das hintere Sieb befindet,
5:1; D\ vorderes Sieb desselben Gehäuses,
5:1; E, Querdurchschnitt eines Gehäuses,
in natürl. Grösse.
Fig. 17. Blattgehäuse von Larven, die
zwischen den Blättern im Urwalde schma-
rotzender Bromeliaceen leben (Phylloicus
Bromeliarum des Nachtrages). 2:1. A, B,
von oben gesehen ; A', B', dieselben von
der Bauchseite gesehen; C, C" Querdurch-
schnitte durch ein Gehäuse. 5:1.
Fig. 18 — 21. Gehäuse von Seri-
costomiden der Gattung Helico-
psyche. 2:1.
Fig. 18. Vom Bache „Trauriger Jammer"
in Blumenau. B, B\ B\ Deckel von Puppen-
gehäusen. 8:1.
Fig. IQ. Vom Weissbach (Ribeiräo
branco). B, B' B'\ Deckel von Puppenge-
häusen. 8:1.
Fig. 20. Aus stehendem Wasser des
Baches Garcia.
Fig. 21. Aus dem Bache Garcia.
Fig. 22 — 30. Gehäuse von Hydro-
ptiliden. 8:1.
4/
740
Sobre as casas constniidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
Fig. 22. Canudinhos, cobertos de areia
finissima, do Ribeiräo dos Bugres. A, A',
B Casas de larvas livres, sendo vistas —
A — da face ventral, A' — do lado esquerdo,
B (outra casa) de cima. C- — casa de nym-
pha, fixada, vista de cima. C — a mesma,
do lado esquerdo. C" — a mesma, vista da
face ventral. D — Casa de larva, vista de
cima, 15:1.
Fig. 23. A, B, C — Casas de larvas, co-
bertas de areia do Ribeiräo dos Bugres,
vistas do lado. C — Sec^äo transversal de C.
Fig. 24. — Casas de outra especie, do
mesmo Ribeiräo dos Bugres. A — Casa de
larvas, livre, de algas (ou outros fragmentos
de plantas) verdes. B, C Casas de nymphas,
fixadas, de Diatomaceas. D, U — O material
para a construc^äo destas casas, 90:1.
Fig. 25. Casas transparentes, construidas
sem corpos estranhos, do Ribeiräo dos
Bugres. A~ Casa de larva, livre. B — casa
de nympha, fixada pela raargem ventral.
B^ ^" — Sec^öes transversaes de B.
Fig. 26. Casas de Diaidus Ladislavii, do
Ribeiräo dos Bugres. A — Casa normal, de
dous canos. A' — Secyäo transversal da mes-
ma, 15:1. B Casa de tres canos (unica
que se achou). C — Casa de larva ainda
em via de construc9äo, como se ve dos ex-
tremos ainda pouco prolongados alem dos
canos, 25:1.
Fig. 27. Casas de Lagenopsyche Spiro-
gyne, de um ribeirinho affluente do Ribeiräo
do Garcia (nas terras de Plemique Ka-hle)).
A, B, C, D Casas de larvas de differente
idade, livres, vistas do lado. E — Casa
fixada, cuja larva ainda näo se transformou
em nympha, vista de cima. F — Casa de
nympha fixada, vista de cima. F\ F",
/'"' — Seccjöes transversaes da mesma casa
pelos pontos /', /", /'".
Fig. 28. Casas de Lageiiopsyclie hyaäna,
do Ribeiräo dos Bugres. A — casa de larva.
B, C — de nymphas.
Fig. 29. Casas de Rhyacopsydie Hageiiii,
do Ribeiräo da Gruta dos Macacos («Affen-
winkel»), em cima do salto do mesmo
ribeiräo. A, B, C— Casas de larvas de
Fig. 22. Mit feinstem Sande bedeckte
Röhrchen aus dem Bugresbache. A, A\ B,
freie Larvengehäuse; A, von der Bauch-
seite; A\ von der linken Seite gesehen; B,
anderes Gehäuse, von oben gesehen ; C,
festgeheftetes Puppengehäuse, von oben ge-
sehen; C", dasselbe, von der linken Seite;
C", dasselbe von der Bauchseite gesehen;
D, Larvengehäuse von oben gesehen. 15:1.
Fig. 23. A, B, G, mit Sand bedeckte
Larvengehäuse aus dem Bugresbache, von
der Seite gesehen; C", Querdurchschnitt
von C.
Fig. 24. Gehäuse anderer Art, aus dem-
selben Bugresbache. A, freies Larvengehäuse,
aus grünen Algen (oder anderen Pflanzen-
fragmenten); B, C, festgeheftete Puppenge-
häuse, aus Diatomeen ; D, D\ das Bau-
material dieser Gehäuse. 90 : i.
Fig. 25. Durchscheinende Gehäuse, ohne
fremde Körper gebaut, aus dem Bugres-
bache. A, freies Larvengehäuse; B, mit dem
Bauchrande festgeheftetes Puppengehäuse ;
B\ B", Querdurchschnitte von B.
Fig. 26. Gehäuse von Diaulus La-
d i s 1 a V i i aus dem Bugresbache. A, nor-
males Gehäuse, mit zwei Schornsteinen;
A\ Querdurchschnitt desselben, 15:1; B,
Gehäuse mit drei Schornsteinen (das ein-
zige, das gefunden wurde) ; C, Larvenge-
häuse, welches noch im Bau begriffen ist,
wie man an den noch wenig über die
Schornsteine hinaus verlängerten Enden sehen
kann. 25 : i.
Fig. 27. Gehäuse von Lagenopsyche
Spirogyrae, aus einem kleinen Neben-
bächlein des Garciabaches (im Gebiete von
Henrique Koehler). A, B, C, D, freie Lar-
vengehäuse, in verschiedenen Zuständen, von
der Seite gesehen; E, befestigtes Gehäuse,
dessen Larve sich noch nicht zur Puppe
umgewandelt hat, von oben gesehen; F, be-
festigtes Puppengehäuse von oben gesehen ;
F', F", F'", Querdurchschnitte desselben
Gehäuses durch die Punkte f, f'\ /"'".
Fig. 28. Gehäuse von Lagenop.syche
hyalina, aus dem Bugresbache. A, Larven-
gehäuse; B, C, Puppengehäuse.
Fig. 29. Gehäuse von Rhyacopsyche
Hagenii, aus dem Bache „Affenwinkcl".
A, B, 0, Larvengehäuse in verschiedenen
Zuständen, an einem bieg-samen Seile be-
Ueber die von den Tricho]Hercnlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. jai
differente idade, fixadas por uma corda
flexivel, abertas em ambos os extremos.
// — parte mais nova da casa. DE — Casas
de larvas, ja fechadas em um dos extremos.
F. Casa de nympha fechada de todos os
lados, fixada por um esteio curto, rijo.
F' — Sec^ao transversal da mesma casa.
Fig. 30. Casas de Peltopsyche Sieboldii,
do Ribeirao do Garcia. A — casa de larva,
B — de nympha, sendo uma e outra fixadas
por toda a face ventral. Ä — Sec(,^äo trans-
versal do A.
festigt, an beiden Enden offen ; h, neuerer
Theil des Gehäuses; D, E, Puppengehäuse,
an einem Ende bereits geschlossen ; F,
Puppengehäuse, von allen Seiten geschlossen,
auf einem kurzen, kräftigen Stiele befestigt;
F' Querdurchschnitt desselben Gehäuses.
Fig. 30. Gehäuse von Peltopsyche Sie-
boldii aus dem Bache Garcia. A, Larven -
gehäuse; B, Puppengehäuse, beide mit der
ganzen Bauchfläche befestigt; A\ Quer-
durchschnitt von A.
Sobre as casas construldas Ueber die von den
pelas larvas de Insectos Trichopterenlarven der
Trichopteros da provincia Provinz Santa Catharina
de Sa. Catharina^). verfertigten Gehäuse^).
Supplemento.
Nachtrag.
Mit Tafel LVI.
Com este supplemento tenho em vista
näo s<S completar a lista das especies
catharinenses, como tambem precisar a
sua posi^äo systematica melhor do que
me foi possivel, quando so conhecia as
suas larvas e nymphas. Hoje ja tenho
seguido a transforma(;äo de maior numero
ate o estado de insectos perfeitos.
§ I.
Hydropsychideas.
Esta familia foi dividida por Mac-
Lachlan -) em cinco sec^öes, de que ao
menos tres se acham representadas na
provincia de Santa Catharina.
A casa da fig, 5 (Est. LIII) pertence
ao genero Macronema, que constitue a
segunda sec^äode Mac-Lachlan. Apezar
de rico em especies espalhadas por todos os
paizes tropicaes, e estender-se na America
do Norte ate 46'^ e na Asia ate 55° de
i) Archiv, do Museu Nacional do Rio de Janeiro
1878. vol. III. p. 125—134. Est. XI.
2) Mac-Lachlan, a monographic revision and
Synopsis of the Trichoptera of the European fiiuna :
Part. VII, 1878.
Mit diesem Nachtrage beabsichtige
ich nicht bloss die Liste der cathari-
nensischen Arten zu vervollständigen,
sondern auch ihre systematische Stellung,
besser als es mir möglich war, so lange ich
nur ihre Larven und Puppen kannte, zu
präcisiren. Heute bereits habe ich die
Verwandlung der meisten bis zum Zu-
stande der fertigen Insekten verfolgt.
i) Hydropsychiden.
Diese Familie ist von Mac Lachlan -)
in fünf Sektionen getheilt worden, von
denen in der Provinz Santa Catharina
sich wenigstens drei vertreten finden.
Das Gehäuse (Taf. LIII. Fig. 5) gehört
zur Gattung Macronema, die Mac Lach-
lan's zweite Sektion ausmacht. Obgleich
sie reich ist an über alle tropischen Län-
der verbreiteten Arten und sich in Nord-
amerika bis zum 46., in Asien bis zum
1) Zeitschr. wiss. Zoologie 1880. Bd. 35. S. 74—87.
2) Mac Lachlan, A monographic revision and
Synopsis of the Trichoptera of the European fauna:
Part. VII. 1878.
Uebcr die von den Tiichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. TAX
latitude, nada se sabia ate agora das
larvas deste genero c das suas casas.
O gcncro Rhyacuphylax (Est. LIll,
fig. 6) devera entrar na quarta seccjäo,
distinguido-se de todos os mais generös,
näo so desta secgäo, como de toda a
familia das Hydropsychideas pelo numero
dos esporöes nas tibias dos machos
(i, 4, 2),
Provavelmcnte ha de ser da quinta
sec^äo uma pequena Hydropsychidea,
de que ainda näo vi os insectos per-
feitos, e cujas larvas costumam abundar
nas paredes verticaes de rochedos, que
o chuvisco de alguma cachoeira con-
serva sempre humidas. Ao menos as
casas construidas pelas larvas (fig. i,
A, B) säo muito semelhantes as de
Tinodes {Hydropsyche) maciilicornis
Pict.
Essas casas, agarradas aos rochedos,
tem geralmente de um ate dous centi-
metros de comprimento sobre outros
tantos millimetros de largura, sendo
algum tanto adelgagadas em um e outro
extremo ; as vezes o seu comprimento
se elcva, sem notavel augmento da
largura, a mais de quatro ou cinco
centimetros.
As mais compridas costumam ser
mais ou menos tortuosas, assemelhando-
se a certos vermes {Geoplanas ou Ne-
mertineas) näo so pela forma como
tambem por serem m olles.
A sua cor e cinzenta, mais ou menos
esverdinhada.
Säo feitas de seda misturada e co-
bertas de algas microscopicas, diatomeas,
etc. Säo semi-cylindros, pois näo tem
parede ventral, servindo como tal a pro-
55. Breitengrade ausdehnt, wusste man
noch Nichts von den Larven dieser Gat-
tung und von ihren Gehäusen.
Die Gattung Rhyacophylax (Taf. LIII
Fig, 6) wird in die vierte Sektion eintreten
müssen ; sie unterscheidet sich von allen
übrigen Gattungen, nicht nur dieser
Sektion, sondern der ganzen Familie
der Hydropsychiden, durch die Zahl der
Sporne an den Schienen der Männchen
(i, 4, 2).
In die fünfte Sektion ist wahrschein-
lich eine kleine Hydropsychide einzu-
reihen, von der ich die fertigen Insekten
noch nicht gesehen habe, und deren
Larven an senkrechten Felswänden, die
vom Staubregen irgend eines Wasser-
falles immer feucht gehalten werden, ge-
wöhnlich sehr häufig sind. Wenigstens
sind die von den Larven verfertigten
Gehäuse (Fig. i, Ä, B) sehr ähnüch
denen von Tinodes (Hydropsyche) ma-
culicornis Pict.
Diese an den Felsen festsitzenden
Gehäuse haben im Allgemeinen i bis
2 cm Länge bei doppelt so viel mm
Breite; an beiden Enden sind sie etwas
verdünnt; bisweilen steigert sich ihre
Länge, ohne merkliche Zunahme der
Breite, auf 4 bis 5 cm.
Die längsten sind gewöhnlich mehr
oder weniger gekrümmt, so dass sie ge-
wissen Würmern (Geoplana oder Nemer-
tinen) ähneln, und zwar nicht nur in
der Gestalt, sondern auch darin, dass sie
weich sind.
Ihre Farbe ist aschgrau, mehr oder
weniger grünlich.
Sie sind aus vermischter Seide ge-
macht, und mit mikroskopischen Algen,
Diatomeen u. s. w. bedeckt. Sie sind
halb cylindrisch und haben keine Bauch-
744
Sobre as casas construidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
pria rocha, ä quäl se applicam os bordos
lateraes do semi-c)4indro.
As larvas que teccm e habitam
essas casinhas, näo attingem as vezes
nem ä decima parte do comprimento
das casas ; assim, quando ellas estäo para
se transformar em nymphas, se conser-
vam iima pequena porcjäo de ccrca de
cinco millimetros de comprimento, da
sua morada (fig. i, C), cujas paredes
ellas engrossam muito, ficando ao mesmo
tempo com o augmento da grossura as pa-
redes mais resistentes, duras e quasi carti-
laginosas. As casas das nymphas adherem
firmemente aos rochedos, emquanto as
das larvas säo quasi livres, näo oppondo
resistencia sensivel ao serem removidas.
No rio Itajahy encontrei na super-
ficie de pedras, parcialmente cobertas
de Podostemeas, umas poucas de ca-
sas de uma Hydropsychidea, pertencente
provavelmente tambcm a quinta sec-
Qäo de Mac - Lachlan , notaveis por
serem extremamente semelhantes as
casas do genero Peltopsyche da familia
das Hydroptilideas. Assim como estas,
säo escudos chatos ellipticos, de cor
parda mais ou menos escura, de cerca
de 7""™ de comprimento sobre 3""" de
largura. Säo pois maiores do que as
das nossas especies de Peltopsyche.
Falta-lhes uma parede ventral, sendo
os bordos fixados as pedras. Säo feitas
de seda, que forma uma membrana
muito resistente, quasi coriacea, e cuja
superficie interna e muito mais pallida
ou ate perfeitamente branca. Ainda näo
vi OS insectos perf eitos, porem as nymphas
mostram pelo numero dos esporöes das
tibias (2, 4, 4), pelos palpos maxillares,
e por outros caracteres, que näo per-
tencem ao genero Peltopsyche, nem a
outro genero de Hydroptilideas e sim
as Hydropsychideas.
wand, da der Felsen, dem sie die Seiten-
ränder des Halbcylinders anlegen, selbst
als solche dient.
Die Larven, die diese Gehäuse weben
und bewohnen, erreichen bisweilen noch
nicht einmal ein Zehntel der Länge der
Gehäuse; auch behalten sie, wenn sie
im Begriff sind, sich in Puppen umzu-
wandeln, nur ein kleines Stück, von etwa
5 mm Länge, von ihrer Wohnung (Fig.
I, C), deren Wände' sie sehr verdicken;
gleichzeitig mit der Zunahme an Dicke
werden die Wände widerstandsfähiger,
hart und fast knorpelig. Die Puppen-
gehäuse haften fest an den Felsen, wäh-
rend die der Larven fast frei sind und
dem Versuche, sie zu entfernen, keinen
merklichen Widerstand entgegensetzen.
Ln Flusse Itajah)^ traf ich an der
Oberfläche von Felsen, besonders solcher,
die mit Podostemeen besetzt waren, einige
wenige Gehäuse einer Hydropsychide,
die wahrscheinlich ebenfalls in die fünfte
Sektion MacLachlan's gehört; sie sind
bemerkenswerth wegen ihrer ausser-
ordentlichen Aehnlichkeit mit den Ge-
häusen der Gattung Peltopsyche aus der
Familie der Hydroptiliden. Eben so wie
diese sind es platte elliptische Schilde
von mehr oder weniger dunkelbrauner
Farbe von ungefähr 7 mm Länge bei
3 mm Breite. Sie sind also grösser als
die unserer Peltopsyche- Arten. Es fehlt
ihnen eine Bauchwand, da die Ränder
an die Felsen festgeheftet sind. Sie sind
aus Seide gemacht, die eine sehr wider-
standsfähige, fast lederartige Haut bildet
und deren innere Oberfläche blässer
oder bis vollkommen weiss ist. Ich habe
die fertigen Insekten noch nicht ge-
sehen, aber die Puppen zeigen durch
die Zahl der Schiensporne (2, 4, 4), durch
die Kiefertaster und durch andere Merk-
male, dass sie nicht zur Gattung Pelto-
psyche, auch nicht zu einer anderen
Gattung der Hydroptiliden, sondern zu
den Hydropsychiden gehören.
Ueber die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. y^c
§ 2, Leptocerideas.
Mac-Lachlan divide esta familia cm
quatro secgöes de que so a primcira
falta a fcuma catharinensc.
A' segiinda secfuo, limitada na fauna
europea ao genero Odontocerum, per-
tencem äs duas especies cujos tubos con-
struidos de pedrinhas se vem nas üg- H
e i5daEst.LIV. Elles deveräo constituir
um genero novo, para o quäl proponho o
nome de Marilia, chamando as duas
especies Marilia major (fig. 14) e Marilia
minor (fig. 15). Distingue-se esse novo
genero de Odontocerum pelas antennas
näo denteadas, pelos olhos enormes
dos machos (tocando-se no vertice dos
machos da Marilia minor, e separados
somente por um intervallo estreito nos
da Marilia major), por confhiirem nas
azas tanto anteriores como posteriores
o raio («radius») e o primeiro sector
apical, e por outros caracteres.
As duas especies de Marilia, cujas
casas descrevi, frequentam varios ri-
beiröes. Ha uma terceira especie, ao
que parece, rarissima, cujas larvas achei
do rio Ttajahy. As casas differem das
na Marilia major quasi que por serem
apenas muito curtas ; e pois escusado de
dar uma figura dellas; ter-se-ha uma
idea exacta da sua forma imaginando-se
cortada a metade posterior das casas da
Marilia major. (Est. LIV., fig. 14, A)
A so casa dessa terceira especie que
agora tenho, tem 6™"' de comprimento.
sendo o diametro da entrada de 2'""' e
o do extrcmo posterior de i,"""5. O ex-
tremo posterior e tapado, como nas outras
Marilias, por uma parede transversal
com buraco elliptico na parte superior.
Cumpre notar que a substancia de que
e feita essa parede e com que se acham
2) Leptoceriden.
Mac Lachlan theilt diese Familie in
vier Sektionen, von denen der Fauna
von Santa Catharina nur die erste fehlt.
Zur zweiten Sektion, die in der
europäischen Fauna auf die Gattung
Odontocerum beschränkt ist, gehören die
beiden Arten, deren aus Steinchen gebaute
Röhren in Fig. 14 und 15 (Taf. LIV)
dargestellt sind. Sie werden eine neue
Gattung bilden müssen; ich schlage für
dieselbe den Namen Marilia vor und
nenne die beiden Arten Marilia major
(Fig. 14) und Marilia minor (Fig. 15).
Diese neue Gattung unterscheidet sich
von Odontocerum durch die nicht ge-
zähnten Fühler, durch die sehr grossen
Augen der Männchen (auf dem Scheitel
der Männchen von Marilia minor be-
rühren sich die Augen ; bei Marilia major
sind sie nur durch einen schmalen Zwi-
schenraum getrennt), durch das Ver-
schmelzen des Radius und der ersten
Endader (sector apical) sowohl auf den
Vorder- als auf den Hinterflügeln, und
durch andere Merkmale.
Die beiden Arten Marilia, deren Ge-
häuse ich beschrieben habe, sind in
verschiedenen Bächen häufig. Es giebt
eine dritte, anscheinend sehr seltene Art,
deren Larven ich im Flusse Itajahy ge-
funden habe. Die Gehäuse unterscheiden
sich von denen von Marilia major fast
nur dadurch, dass sie viel kürzer sind,
so dass es überflüssig ist, eine Abbildung
von ihnen zu geben ; um eine genaue
Vorstellung von ihrer Gestalt zu ge-
winnen, braucht man sich nur von den
Gehäusen von Marilia major (Fig. 14 A
Taf. LIV) die hintere Hälfte abgeschnitten
zu denken. Das einzige Gehäuse dieser
dritten Art, welches ich jetzt habe, hat
6 mm Länge, 2 mm Durchmesser des
Einganges und 1,5 mm Durchmesser
des hinteren Endes. Das hintere Ende
ist, wie bei den anderen Marilia- Arten,
746
Sobre as casas construidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
grudadas umas as outras, as pedrin-
has da casa, e muito pallida, quasi sem
cor, em quanto e prcta ou parda escura
nas duas outras especies.
Talvcz deva ser incluida tambem
nesta mesma segunda sec^äo de Mac-
Lachlan, a Grumicha (Est. LIII, fig. 8) ;
ao menos fica excluida da quarta secgäo
pela falta de cellula mediana, e da
terceira per possuir, em todas as azas,
a segunda forquilha apical («apical fork»),
Entrem na terceira secgäo de Mac-
Lachlan as especies das figuras 7, 9, i o, 12
e 1 3 (Est. LIII e LIV) e provavelmente,
a julgar pelo comprimento das pernas
posteriores das larvas, a da fig. 1 1 . As
ditas especies pertencem a tres diffc-
rentes generös.
Tetracentron. — Os insectos, cujas
larvas vivem ou em paosinhos öcos
(Est. LIII, fig. 7) ou intrusas em estojos
de Grumicha (Est. LIII, fig. 9), exhibem
todos os caracteres assignalados por
Brauer no genero Tetracentron de que
ate agora so eram conhecidas duas
especies [T. sarothropits Br. e T. aniabüe
Mac-Lachl.), ambas naturaes da Nova
Zelandia.
Os tubos de Grumicha näo säo os
unicos sujeitos a ser approveitados por
larvas intrusas; tambem os de varias
especies menores, como de Setodes
gentma (Est. LIV, fig. 13), Marilia minor
(Est. LIV, fig. 15) e Grumichella (Est.
LIII, fig. 10) acham-se as vezes occu-
padas por larvas, que provavelmente
tambem pertencem ao genero Tetra-
centron. Acompanham as larvas intrusas
dos tubos de Grumicha näo so no costume
de se apoderarem de casas alheias, como
durch eine Querscheidewand mit einem
elliptischen Loch im oberen Theile ver-
schlossen. Die Substanz, aus der diese
Wand gemacht ist und mit der die
Steinchen des Gehäuses an einander ge-
leimt sind, ist sehr blass, fast farblos,
während sie bei den beiden anderen
Arten schwarz oder braun ist.
Vielleicht muss in dieselbe zweite
Sektion Mac Lachlan's auch die Grumicha
(Taf. LIII, Fig. 8) eingeschlossen werden ;
wenigstens wird sie von der vierten Sek-
tion durch das Fehlen der Medianzelle,
von der dritten durch das Vorhandensein
einer zweiten Endgabel („apical fork")
in allen Flügeln ausgeschlossen.
In die dritte Sektion Mac Lachlan's
gehören die Arten der Figuren 7, 9, 10, 12,
13 (Taf. LIII u. LIV) und wahrscheinlich,
nach der Länge der Hinterbeine der
Larven zu urtheilen, die von Figur 11.
Die genannten Arten gehören zu drei
verschiedenen Gattungen,
Tetracentron. — Die Insekten,
deren Larven in hohlen Stäbchen (Taf. LIII,
Fig. 7) oder als Eindringlinge in den Ge-
häusen von Grumicha (Taf. LIII, Fig. 9)
leben, bieten alle von Brauer für die Gat-
tung Tetracentron angegebenen Merk-
male dar, von der bis jetzt nur zwei Arten
(T. sarothropus Br. und T. amabile Mac
Lachl.), beide in Neu-Seeland einheimisch,
bekannt waren.
Die Gru micharöhren sind nicht die
einzigen, die von eingedrungenen Larven
benutzt werden; auch die verschiedener
kleinerer Arten, wie Setodes gemma (Taf.
LIV, Fig. 13), Marilia minor (Taf. LIV,
Fig. 1 5) und Grumichella (Taf. LIII, Fig. i o)
finden sich bisweilen von Larven besetzt,
die wahrscheinlich ebenfalls in die Gat-
tung Tetracentron gehören. Sie stimmen
mit den eingedrungenen Larven der Gru-
micharöhren nicht nur in der Gewohn-
heit überein, sich fremder Gehäuse zu be-
Ueber die von den Trichopterenlarvcn der Provinz Santa Catbarina verfertigten Gehäuse.
747
tambcm cm sua cstructura , v. g. : as
tibias posteriores säo divididas em duas
articulagöes.
Essas larvas quo vivcm intrusas
nos tubos de Setodes, Marilia e Gru-
micliella , costumam fixar pedacinhos
de madeira no extremo anterior dos
mesmos tubos. Esses peiosinhos, iis
vezes muito mais grossos e compridos
do que os proprios tubos, ou se appli-
cam a elles ou divergem para varias
direc^öes formando com o tubo angulos
raras vezas maiores de 30 graos. (Veja-
se fig. 3, sendo A ate G tubos de
Setodes getnma, Hei tubos de Marilia
minor e K um tubo de Grmnichella.)
E' provavol que os paosinhos sirvam
para encobrir os tubos e subtrahil-os
desta Sorte aos inimigos de seus pro-
prietarios legitimes. Com effeito, em
certos casos (fig. 3, G e K) e difficil
descobrir-se o tubo entre os paosinhos
que o rodeam.
Si bem que seja do mesmo genero,
näo sei se pertencera k mesma especie
uma larva que achei no Ribeiräo de
Bugres {fig. 4); ella morava em um
paosinho oco e apezar de ser este aberto
na parte posterior, ella fez um pequcno
buraco e cobrio a abertura com um
pedago de madeira, debaixo da quäl
ficava perfeitamente escondida: alem
disso furou peda^os menores aos lados
e na face ventral do extremo anterior
de sua casinha.
Grumichella (fig. 2). Os inscctos cujas
larvas fazem os estojos que descrevi sob
o nome de Grumichinha (Est. LIII, fig.
10) säo parcntes proximos do genero
Leptocertis, do quäl comtudo se di-
stingucm por possuir nas azas postc-
mächtigen, sondern auch in Eigenthüm-
lichkeiten des Baues, z. B. darin, dass
die Hinterschienen in zwei Glieder ge-
theilt sind.
Die Larven, die als Eindringlinge in
den Röhren von Setodes, Marilia und
Grtimichella leben, pflegen an das vor-
dere Ende dieser Röhren Holzstückchen
zu befestigen. Diese Holzstückchen, die
bisweilen viel dicker und länger sind,
als die Rühren selbst, legen sich ent-
weder an diese an oder stehen in ver-
schiedenen Richtungen unter Winkeln
von selten mehr als 30 ^ von der Röhre
ab. (Siehe Fig. 3, in welcher A bis G
Röhren von Setodes gemma, H und /
Röhren von Marilia minor und K eine
Röhre von Grumichella darstellt.)
Wahrscheinlich dienen diese Holz-
stückchen oder Stäbchen dazu, die
Röhren zu verdecken und auf diese
Weise den Feinden ihrer legitimen
Eigenthümer zu entziehen. In der That
ist es in gewissen Fällen (Fig. 3 G und
K) schwer, die Röhre zwischen den sie
umgebenden Stücken zu entdecken.
Wenn auch zu derselben Gattung,
so dürfte doch nicht zu derselben Art
eine Larve gehören, die ich im Bugres-
bache gefunden habe (Fig. 4); sie
wohnte in einem hohlen Stäbchen und
machte, trotzdem dass dies am oberen
Ende offen war, ein kleines Loch, und
bedeckte die Oeffnung mit einem Holz-
stück, unter dem sie vollkommen ver-
borgen blieb; ausserhalb dieses Holz-
stückes befestigte sie an den Seiten
und an der Bauchfläche des vorderen
Endes ihres Häuschens kleinere Stücke.
Grumichella (Fig. 2). Die Insek-
ten, deren Larven die Futterale machen,
die ich unter dem Namen Grumichinha
(Taf . LIII, Fig. I o) beschrieben habe, sind
nächste Verwandte der Gattung Lepto-
cerus, von der sie sich jedoch dadurch
748
Sobre as casas construidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
riores as forquilhas apicaes 3^ c ^^, quer
em um quer em outro sexo, emquanto
que no genero Leptocerus falta a 3 "^ e
existe a i^ que näo se encontra nas
Grumichinhas.
Proponho para estes insectos o nome
generico de Grumichella. Ate o anno
passado so tinha achado as Grumi-
chinhas no Ribeiräo da Gruta dos
Macacos (Affenwinkel) onde säo bastante
raras; pois vivem em muito maior
abundancia nas cachoeiras de varios
ribeiröes (da T^ste Miseria, do Caete,
etc.), preferindo os rochedos verticaes
ao longo dos quaes corre uma tenuissima
camada d'agua.
O extremo posterior dos canudos de
Grumichinha e fechado, como na Gru-
micha, por uma parede transversal com
um buraco central, por baixo deste
buraco eleva-se da parede terminal do
canudo das Grumichinhas uma saliencia
triangulär, especie de esporäo (fig. 2, A,
B, C, D) ou recto ou um pouco curvado
para cima. Inserido em alguma fenda
microscopica da rocha, este esporäo
podera servir para segurar as Grumi-
chinhas.
Por outro meio ainda muito mais
Singular, as Grumichinhas sabem escapar
aos perigos de que parecem inevitavel-
mentc ameagadas nas cachoeiras que
habitam.
Outros Trichopteros e entre elles
tambem a Grumicha, quando as nym-
phas estäo para se transformar em
insectos perfeitos, cortam com as mandi-
bulas o rcbordo da tampa que fecha a
entrada do tubo ; feito isto a tampa cahe,
fixando-se o tubo ; entäo a nympha sähe
e nadando a superficie d'agua ahi soffre
sua ultima transformagäo. Os canudos
das Grumichinhas achando-se geralmente
fixados com a entrada volvida para
unterscheiden, dass sie in den Hinter-
flügeln sowohl in dem einen als im anderen
Geschlechte die Endgabeln 3^ und 5^ be-
sitzen, während in der Gattung Lepto-
cerus 3' fehlt, dagegen r^ vorhanden
ist, die bei den Grumichinhas nicht an-
getroffen wird.
Ich schlage für diese Insekten den
Gattungsnamen Grumichella vor. Bis
vergangenes Jahr hatte ich die Gru-
michinhas nur im Bache „Affenwinkel"
gefunden, wo sie ziemlich selten sind;
in weit grösserer Menge leben sie an
den Wasserfällen verschiedener Bäche
(Trauriger Jammer, Caete u. s. w.), da
sie senkrechte Felsen vorziehen, an denen
eine sehr dünne Wasserschicht herabläuft.
Das hintere Ende der Grumichinha-
röhren wird, wie bei Grumicha, durch
eine mit einem centralen Loch versehene
Querwand verschlossen; unter diesem
Loch erhebt sich von der Endwand der
Grumichinharöhre ein dreieckiger Vor-
sprung, eine Art Sporn (Fig. 2 A, B, C,
D), entweder gerade oder ein wenig nach
oben gebogen. In irgend einen mikro-
skopischen Spalt des Felsens eingefügt
wird dieser Sporn zum Festhalten der
Grumichinhas dienen können.
Noch viel seltsamer ist die Art, wie
die Grumichinhas den Gefahren zu ent-
gehen wissen, von denen sie an den
Wasserfällen, die sie bewohnen, unver-
meidlich bedroht erscheinen.
Andere Trichopteren, unter ihnen
auch Grumicha, durchschneiden, wenn
die Puppen bereit sind, sich in fertige
Insekten zu verwandeln, mit den Man-
dibeln den Rand des Deckels, der den
Eingang der Röhre verschliesst ; wenn
dies geschehen ist, fällt der Deckel,
während er an der Röhre befestigt bleibt ;
alsdann kriecht die Puppe hervor und
erleidet, an der Oberfläche des Wassers
schwimmend, hier ihre Umwandlung.
Ueber die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse.
749
cima, em rochedos onde a agua das
cachoeiras Ihes cahe do alto, as nym-
phas depois de removida a tampa, tenros
e frageis animalsinhos que säo, näo
poderiam sahir de seus estojos sem
ficarem quasi infallivelmente esmagados
pela forga d'agua.
Esse perigo e felizmente evitado de
um modo simplicissimo ; o peciolo do
disco por meio do quäl os tubos das
n3^mphas se acham grudados as pcdras
näo procede como nas Grumichas, do
bordo do tubo e sim da tampa (fig. 2, E).
Assim, desdo que a tampa for separada
do tubo, aquella fixa-se as pedras, in-
colume dentro de seu estojo, e a nympha
e levada pelas aguas ate parar em algum
remanso, onde descansada pode meta-
morphosear-se.
Os tubos das Grumichinhas pro-
venientes das differentes cachoeiras co-
stumam apresentar certas differengas:
os da Gruta dos Macacos säo perfeita-
mente lisos e pretos; os da Triste Miscria
säo geralmcnte menos escuros, menores
e providos de estrias circulares mais
ou menos distinctas ; os de uma cachoeira
perto do Belxior (fig. 2, B, B') costu-
mam ter um esporäo muito curto. Mais
differentes säo os do Ribeiräo do Caete,
que säo geralmente mais compridos,
menos grossos, com o esporäo curvado
visivelmente para cima (fig. 2, C, D),
e a tampa em vez de mostrar uma
fenda semilunar em cima do centro,
como as de outras cachoeiras (Est. LIII.
fig. 10, B) tem alem de uma fenda de
forma differente e variavel, um ou dois
buracos menores situados em baixo da
fenda principal (fig. 2, E, t , G).
Da die Röhren der Grumichinha sich
in der Regel, mit dem Eingange nach
oben gekehrt, an Felsen befestigt finden,
wo das Wasser der Wasserfälle aus der
Höhe auf sie herabfällt, so würden die
Puppen, zarte und zerbrechliche Thier-
chen wie sie sind, nach der Entfernung
des Deckels nicht aus ihren Futteralen
hervorgehen können, ohne fast unfehl-
bar durch die Gewalt des Wassers zer-
quetscht zu werden.
Diese Gefahr wird auf eine höchst
einfache Weise glücklich vermieden : der
Stiel der Scheibe mittels \\'olcher die
Röhren der Puppen an die Felsen ge-
leimt sind, geht nicht, wie bei Grumicha,
vom Rande der Röhre, sondern vom
Deckel aus (Fig. 2 E). Sobald daher der
an die Felsen befestigte Deckel von der
Röhre getrennt ist, wird die Puppe, in
ihrem Gehäuse unversehrt, durch das
Wasser bis zu irgend einer ruhigen Stelle
fortgeführt, wo sie ausschlüpfen und sich
verwandeln kann.
Die von verschiedenen Wasserfällen
stammenden Röhren der Grumichinhas
scheinen gewisse Verschiedenheiten dar-
zubieten : die des Affenwinkels sind voll-
ständig glatt und schwarz ; die des Trau-
rigen Jammers sind im Allgemeinen we-
niger dunkel, kleiner und mit mehr oder
weniger deutlichen ringförmigen Streifen
versehen ; die eines Wasserfalls nahe bei
Belxior (Fig. 2, B, B') pflegen einen sehr
kurzen Sporn zu haben. Abweichender
sind die vom Bache Caete; sie sind im
Allgemeinen länger, weniger dick und mit
einem deutlich nach oben gekrümmten
Sporn (Fig. 2, C, D) versehen; ihr Deckel
zeigt nicht, wie bei den Exemplaren
anderer Wasserfälle, einen halbmond-
förmigen Spalt über der Mitte (Taf. LIII,
Fig. 10, B), sondern ausser einem Spalte
von verschiedener und wechselnder Ge-
stalt, ein oder zwei kleinere Löcher, die
unter dem Hauptspalt liegen (Fig. 2,
E, F, Q).
750
Sobre as casas construidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
Näo sei si esta ultima diffcren^a sc-
rä constante, porque so tcnho oxa-
minado cerca de meia duzia de tampas
do dito ribeiräo; de outras localidadcs
examinei mais de 40, encontrando semprc
a fenda semi-lunar.
Cumpre notar que ha so uns 16 a
20 kilometros da Gruta dos Macacos
ao Ribeiräo do Caete ; e seria pois muito
interessante a existencia de variedades
locaes täo distinctas em logarcs täo
pouco distantes.
Setodes (fig. 5 e Est. LTII, fig. 12;
Est. LIV, fig. 13). Os insectos cujas
larvas construem os canudos das figuras
1 2 (Est. LIII) e 1 3 (Est. LIV) säo muito
semelhantes näo so na forma e ner-
vuras das azas anteriores como tambem
por outros caracteres a Setodes punctata
e viridis que Mac-Lachlan considera
como as especies typicas do genero
Sedotes. Comtudo as azas posteriores
säo mais largas nas especies catha-
rinenses do que naquellas duas europeas,
assemelhando-se mais as do genero
Homilia.
Si por este motivo as nossas especies
tiverem de ser removidas do genero
Sedotes, restringido, como foi, por Mac-
Lachlan, ao menos foram parte do dito
genero no sentido mais amplo, em que
ate ha pouco costumava ser tomado.
A respeito daquellas duas especies,
diz Mac-Lachlan que säo verdadeiras
joias entre os Trichopteros europeos.
Outro tanto e com mais direito ainda
se pode dizer a respeito de uma das
nossas especies (a da fig. 1 3) , cujas
azas anteriores amarc^lladas ou de um
amarello alaranjado acham-se atravessa-
das de listras brancas prateadas e orna-
das de malhas pretas avelludadas. Pro-
ponho para esta bellissima especie o
nome de Setodes ^emma.
Ich weiss nicht, ob dieser Unter-
schied sich als konstant herausstellen
wird, da ich nur ungefähr ein halbes
Dutzend Deckel von dem genannten
Bache untersucht habe: von anderen
Lokalitäten habe ich mehr als 40 Deckc^l
untersucht und immer einen halbmond-
förmigen Spalt gefunden.
Es muss bemerkt werden, dass es
vom Affen winkel zum Bache Caete nur
16 bis 20 Kilometer sind; die Existenz
so verschiedener Lokalvarietäten an so
wenig von einander entfernten Orten
würde daher sehr interessant sein.
Setodes (Fig. 5 und Taf. LIII,
Fig. 12; Taf. LIV, Fig. 13). Die In-
sekten, deren Larven die Röhren von
Fig. 12 und 13 bauen, sind in Gestalt,
Nerven der Vorderflügel und anderen
Merkmalen sehr ähnlich der Setodes
punctata und viridis, die MacLachlan
als typische Arten der Gattung Setodes
betrachtet. Doch sind die Hinterflügel
bei den catharinensischen Arten weniger
breit als bei den beiden europäischen;
sie gleichen mehr denen der Gattung
Homilia.
Wenn unsere Arten aus diesem
Grunde aus der Gattung Setodes in dem
von MacLachlan beschränkten Sinne
entfernt werden müssten, so würden sie
wenigstens zu dieser Gattung in dem
bisher gebräuchlichen weiteren Sinne zu
stellen sein.
In Bezug auf jene beiden Arten sagt
MacLachlan, dass es wahre Juwelen seien
unter den europäischen Trichopteren.
Dasselbe lässt sich mit noch mehr Recht
von einer unserer Arten (der von Fig. 1 3)
sagen, deren gelbliche oder orangegelbe
Vorderflügel von weissen, silbernen
Bändern durchschnitten und mit sammet-
schwarzen Flecken verziert sind. Ich
schlage für diese schönste Art den Namen
Setodes gemma vor.
Ueber die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. j cj
Encontrei novamcnte uma terceira
especie do mesmo gcncro (fig. 5), cujas
larvas e nymphas (muito raras) habitam
embaixo de pedras em varios ribeiröes
(v. g. no Ribeiräo dos Bugros), preferindo
OS logares em quc a agua csta quasi
parada. Os estojos das larvas (fig. 5, A, A')
säo canudos rectos conicos, feitos de
seda misturada e coberta com miudissi-
mos gTäos d'areia. O maior que vi tem
14™" de comprimento, sendo o diametro
da entrada de 2""" e o do extremo
posterior apenas de o,"""25.
A estes canudos acham-se fixados
de um e outro lado da face dorsal, peda-
cinhos de madeira ou outros fragmentos
vegetaes , cobrindo grande parte dos
canudos os quaes ultrapassam, mais ou
menos ; os da parte anterior, geralmente
maiores e mais proeminentes, costumam
ser dirigidos obliquamente para traz
formando com o eixo do tubo angulos
de uns 15 a 20 graos.
Segundo a natureza dcsses appen-
dices que variam consideravelmente nas
suas dimensöes, formas e cores, tambem
varia ao infinite o aspecto do estojo
(fig. 5, A, B, C, D). Como as das ou
tras duas especies catharinenses , as
larvas desta especie tambem cortam a
parte posterior de seus estojos antes de
o fixarem, de modo que os estojos das
nymphas (fig. 5, B, C, D), säo mais curtos
do que os das larvas adultas (fig. 5, A).
A maneira de fixar e fechar os estojos
tambem e a mesma das outras duas
especies. Os insectos perfeitos säo bichin-
hos muito modestos tendo azas pallidas
unicolores.
A' quarta secrüo de Mac-Lachlan
pertencem as duas especies cujas larvas
Neuerdings habe ich eine dritte Art
derselben Gattung gefunden (Fig. 5),
deren (sehr seltene) Larven und Puppen
in verschiedenen Bächen (z, B. dem
Bugresbache) unter Steinen wohnen, in-
dem sie diejenigen Oertlichkeiten vor-
ziehen, an denen das Wasser fast stille
steht. Die Larvenfutterale (Fig. 5, A, Ä)
sind gerade, kegelförmige Röhren, aus
Seide gefertigt, die mit äusserst winzigen
Sandkörnchen vermischt und bedeckt
sind. Das grösste, das ich gesehen habe,
hatte 1 4 mm Länge, während der Durch-
messer des Einganges 2 mm, der des
entgegengetzten Endes kaum 0,25 mm
betrug.
An diesen Röhren finden sich, der
einen oder der anderen Seite der Rücken-
fläche angeheftet, Holzstückchen oder
andere Pflanzenfragmente, die einen
grossen Theil der Röhre bedecken und
mehr oder weniger über sie hinausgehen ;
die des vorderen Theiles sind im All-
gemeinen grösser und hervorragender;
sie pflegen, unter Winkeln von 15 bis
20 Grad mit der Achse, schräg nach
hinten gerichtet zu sein.
Nach der Natur dieser Anhänge, die
in ihren Dimensionen, Gestalten und
Farben beträchtlich variiren, variirt das
Aussehen des Futterals (Fig. 5, ^, B,
C, D) ebenso ins Unendliche. Wie
die beiden anderen catharinensischen
Arten, so schneiden auch die Larven
dieser Art, bevor sie sich festsetzen, den
hinteren Theil ihrer Futterale ab, so dass
die Futterale der Puppen (Fig. 5, B, C, D)
kürzer sind als die der erwachsenen
Larven (Fig. 5, Ä). Auch die Weise,
die Futterale zu befestigen und zu ver-
schliessen, ist dieselbe wie bei den beiden
anderen Arten. Die fertigen Insekten
sind viel unansehnlicher; sie haben blasse
einfarbige Flügel.
Zur vierten Sektion MacLachlan's ge-
hören die beiden Arten, deren Larven in
752
Sobre as casas construidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
vivem ein casas de folhas (Est. LFV,
fig. i6 e 17), e sobre cuja posigäo syste-
matica fiquei em duvida no meu primeiro
trabalho. Näo eram ainda conhecidas
as larv'as e suas casas de especie alguma
desta seccäo. Os insectos perfeitos di-
stinguem-se de todos os generös ate
agora estabelecidos nesta secgäo; pelo
raio (radius) que se une ao primeiro
sector apical nas azas tanto anteriores
como posteriores, pela cellula discoidal
aberta nas azas posteriores e pela falta
nas mesmas azas da primeira furquilha
apical, cxistindo so as furquillias 2''',
3^ e 5''. Segundo Mac-Lachlan em todas
as mais especies da quarta secgäo as
azas posteriores tem a cellula discoidal
fechada, e possuem as furquilhas apicaes
i"", 2*. 3'' e 5"^.
Proponho para as nossas especies o
nome de Phylloicus (cpoXXov, folha e olxo?
casa) chamando a maior Phylloicus
major e a menor, täo notavel por vi-
\erem suas larvas nas Bromelias, Phylloi-
cus Bromeliarum.
As duas especies säo muito interes-
santes pelo numero dos esporöes das
suas tibias. Ha um genero californico
Heieroplectron em que os machos tem
2, 4, 2 esporöes (isto e, 2 nas tibias
anteriores, 4 nas intermedias e 2 nas
posteriores) e as femeas 2, 4, 4. Ora
ambos os sexos de Phylloicus major
tem 2, 4, 4 e ambos os scxos do Phylloi-
cus Bromeliarum tem 2, 4, 2 esporöes.
Em tudo mais, as duas especies säo
täo semelhantcs que scria um grande
absurdo o querer scparal-as em dois
generös, fornecendo assim um magni-
fico cxemplo para fazcr prevaleccr a
regra hojc geralmente reconhccida de
ser sufficiente para a separaQäo generica
Blattgehäusen leben (Taf. LIV, Fig. 16, 17)
und über deren systematische Stellung ich
in meiner ersten Arbeit im Zweifel blieb.
Von keiner Art dieser Sektion waren bis-
her die Larven und ihre Gehäuse be-
kannt. Die fertigen Insekten unter-
scheiden sich von allen bis jetzt in dieser
Sektion aufgestellten Gattungen durch
den Radius, der sich in den Vorder- wie
in den Hinterflügeln mit dem ersten End-
nerven (sector apical) vereinigt, durch die
in den Hinterflügeln offene Discoidalzelle
und durch das Fehlen der ersten End-
gabel in denselben Flügeln, in denen
nur die Gabeln 2^, 3^, und 5^ vorhanden
sind. Nach MacLachlan haben bei allen
oder den meisten Arten der vierten
Sektion die Hinterflügel eine geschlossene
Discoidalzelle und besitzen die End-
gabeln i^, 2% 3=^, und 5"^.
Ich schlage für unsere Arten den
Namen Phylloicus {(pbXkov, Blatt, olxo?,
Haus) vor und nenne die grössere Art
Phylloicus major, die kleine, die durch
den Aufenthaltsort ihrer Larven an Bro-
melien so bemerk enswerth ist, Phylloicus
Bromeliarum.
Die beiden Arten sind sehr interessant
durch die Zahl ihrer Schienensporne.
Es gicbt eine kalifornische Gattung
Heteroplectron, in der die Männchen 2,
4, 2 Sporne (d. h. zwei an den Vorder-
vier an den Mittel-, zwei an den HintcT-
schienen) und die Weibchen 2. 4, 4 haben.
Bei Phylloicus major haben nun beide
Geschlechter 2, 4, 4 und bei Phylloicus
Bromelarium beide Geschlechter 2, 4, 2
Schiensporne.
Im Ucbrigen abcT sind beide Arten
so ähnlich, dass es eine grosse Thorheit
sein würde, sie in zwei Gattungen trennen
zu wollen. Sie liefern daher c>in vor-
treffliches Beispiel dafür, dass die heute
allgemein als richtig anerkannte« Regel,
dass irgend welcher Unterschied in den
Ueber die von den Trichopterenlai-ven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse.
753
qualquer differen^a no numero dos
esporöes ^).
E para tornar ainda mais frisante
este exemplo ahi esta uma terceira
especie catharinense intermedia, em todos
OS respeitos, entre as outras duas e a
que por isso dou o nome de Phylloi-
cns meditis, a quäl tem 2, 4, 4 esporöes
como o Phylloicus major, em quanto
que por todos os mais caracteres mais
se parece com o Phylloicus Bromeliarum
que so tem 2, 4, 2. As larvas desta
terceira especie vivem de preferencia
nos menores fios d'agua em cujo leito
ingreme a agua gotteja lentamente de
pedra em pedra. Suas casas säo muito
semelhantes as do Phylloicus Bromeli-
arum, sendo comtudo maiores e com-
postas de menor numero de folhas;
costumam ter tres ou quatro peda^os
de folhas na parede ventral e quatro
ou cinco na dorsal, em quanto que as
casas das Phylloicus Bromeliarum so
contam geralmente 5 ou 6 na parede
ventral e 6 ou 7 na dorsal, tendo as do
Phylloicus major 2 , tanto na ventral
como na dorsal. — Quando estäo para
sc fixar as larvas do Phylloicus medius
focham a cntrtida da casa com mais um
pedacinho de folha que ajuntam a parede
ventral. O mesmo fazem as larvas do
Phylloicus Bromeliarum, deixando de
fazel-o as do Phylloicus major.
Sericostomideas.
Helicopsyche (fig. 6, 7). As differentes
especies desto genero distinguem-se näo
i) «It has become a recognised rule that a dif-
ference in the number of spurs in two insects other-
wise allied is sufficient for generic Separation.»
Mac-Lachlan, op. cit. part I, 1874, p. 12.
Fritz Müllers gesammelte Schriften,
Schienspornen zur generischen Tren-
nung ausreichend sei, keineswegs immer
zu gelten braucht ^).
Um dieses Beispiel noch schlagender
zu machon, giebt es noch eine dritte
catharincnsische Art, die in jeder Hin-
sicht zwischen den beiden anderen in
der Mitte steht, und der ich desshalb
den Namen Phylloicus medius gegeben
habe; sie hat 2, 4, 4 Sporne wie Phyl-
loicus major, während sie sich in Bezug
auf alle übrigen Merkmale mehr wie
Phylloicus Bromeliarum verhält, der 2,
4, 2 hat. Die Larven dieser dritten Art
leben vorzugsweise in den kleineren
Wasseradern, in deren Bett das Wasser
langsam von Stein zu Stein tropft. Ihre
Gehäuse sind sehr ähnlich denen von
Phylloicus Bromeliarum ; jedoch sind sie
grösser und aus einer kleineren Zahl von
Blättern zusammengesetzt; sie pflegen
auf der Bauchseite drei oder vier, auf
der Rückenseite vier oder fünf Blatt-
stücke zu haben; während die Gehäuse
von Phylloicus Bromeliarum in der Regel
auf der Bauchseite fünf oder sechs, auf
der Rückenseite sechs oder sieben, und
die von Phylloicus major jederseits zwei
haben. Wenn die Larven von Phylloicus
medius sich festheften wollen, schliessen
sie den Eingang des Gehäuses mit einem
weiteren Blattstück, das sie der Bauch-
seite hinzufügen. Dasselbe thun die
Larven von Phylloicus Bromeliarum,
während die von Phylloicus major es
unterlassen.
3) Sericostomiden,
Helicops3^che (Fig. 6, 7). Die
verschiedenen Arten dieser Gattung
i) "It has become a recognised nile that a dif-
ference in the number of spurs in two insects other-
wise allied is sufficient for generic Separation." Mac-
Lachlan, op. cit. part I. 1874. p. 1 2. — Uebrigens weicht
im letzten Satze der Uebersetzer insofern wesentlich
von dem Autor ab, als er wörtlich den Schluss zieht,
welchen jener nur denken lässt. Der Herausgeber.
754
Sobre as casas construidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
SO pela forma das casas encaracoladas,
que suas larvas construem, como tambem
pelas tampas com que as mesmas casas
säo fechadas antes das larvas passarem
ao estado de nympha. Ja dei as figuras
das tampas de duas especies (Est. LIV,
fig. i8, 19, B) em que ellas possuem
uma simples fenda transversal.
Nas tampas das casas da fig. 20
(Est. LIV) OS bordos desta fenda säo
guarnecidos de uma fileira de dentes
havendo cerca de uma duzia de dentes
de cada lado.
A forma da fenda, como a dos dentes,
e sujeita a bastantes variagöes, como
mostram as figuras 6, Ä, B, C.
Nas tampas das casas da fig. 21
(Est. LIV), näo ha fenda, a agua neces-
saria a respiragäo da nympha e intro-
duzida por numerosos buraquinhos, for-
mando uma especie de crivo embaixo
do centro da tampa (fig. 7).
Entre as Helicopsyches ha tambem
uma especie que vive fora d'agua nos
rochedos expostos ao chovisco das cacho-
eiras (v. g. na Gruta dos Macacos e na
Triste Miseria de Blumenau) ; suas casas
säo muito semelhantes as da fig. 21
Est. LIV) mas as tampas säo providas
de uma fenda simples.
§ 4.
Hydroptilideas.
Em companhia das larvas de Llydro-
ptilideas (fig. i) de Leptoccrideas Gru-
michinha (fig. 2), e de Sericostomideas
(Helicopsyche) que povöam os rochedos
das nossas cachoeiras, vivem tambem as
larvas de uma especie de Hydroptilideas
(fig. 8).
Suas casinhas tem cerca de 3""" de
comprimento sobre o,™'"6 de altura, sendo
comprimidas dos lados; em um dos ex-
tremes ellas säo arredondadas no outro,
unterscheiden sich nicht allein durch die
Gestalt der schneckenförmigen Gehäuse,
die ihre Larven bauen, sondern auch
durch die Deckel, mit denen diese Ge-
häuse verschlossen werden, bevor die
Larven in den Puppenzustand übergehen.
Ich habe bereits die Abbildungen der
Deckel zweier Arten gegeben (Taf. JÄY,
Fig. 18, ig B), bei denen sie einen ein-
fachen Querspalt besitzen.
Bei den Deckeln der Gehäuse von
Taf. LIV, Fig. 20 sind die Ränder dieses
Spaltes mit einer Zahnreihe besetzt, die
etwa ein Dutzend Zähne an jeder Seite hat.
Die Form des Spaltes wie die der
Zähne ist ziemlichen Abänderungen
unterworfen, wie Fig. 6 .1, B, C zeigen.
An den Deckeln der Gehäuse von
Taf. LIV, Fig. 2 1 ist kein Spalt vorhanden ;
das zur Athmung der Puppe nöthige
Wasser wird durch zahlreiche kleine
Löcher eingeführt, die unter der Mitte
des Deckels eine Art Sieb bilden (Fig. 7).
Auch unter den Helicopsychen giebt
es eine Art, die ausserhalb des Wassers
lebt, an Felsen, die dem Staubregen der
Wasserfälle ausgesetzt sind (z, B. im
Affenwinkel und Traurigen Jammer in
Blumenau) ; ihre Lläuser sind sehr ähn-
lich denen von Fig. 21, aber die Deckel
sind mit einem einfachen Spalte ver-
sehen.
4) Hydroptiliden.
In Gesellschaft der Larven von Hydro-
psychiden (Fig. i), Leptoceriden (Grumi-
chinha, Fig. 2) und Sericostomiden
(Helicopsyche), die die Felsen unserer
Wasserfälle bevölkern, leben auch die
Larven einer Art von Hydroptiliden
(Fig. 8).
Ihre Häuschen haben ungefähr 3 mm
Länge bei 0,6 mm Höhe; sie sind von
den Seiten zusammengedrückt; an dem
einen Ende sind sie abgerundet, am
Ueber die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. ycc
depois de se tercm mais oii monos
estreitado, säo cortadas transversalmente
(fig. 6,A), E' por este extremo quc a
larva costuma deitar fora a cabega para
comer ou andar c e por eile tambom
que a casinha e fixada e pendurada nos
rochedos (fig. 8, B, C). Depois de fixada
a casa, a larva tece um casulo fechado
por todos OS lados occupando quasi toda
a casa com cujas paredes se confunde
e deixando apenas vasio so um espago
estreito na extremidade inferior, Dentro
deste casulo a nympha acha-se collocada
com a cabega para baixo. Toma pois
como a da Lagenopsyche, no interior de
sua casa, uma posigäo opposta a que
costumava ter a larva.
Quando em Outubro do anno passado
descrevi as casas de Peltopsyche (Est. LV,
^ig"- 30) ainda estava em duvida sobre a
posi^äo systematica desse novo genero.
Desde entäo tive occasiäo de me con-
vencer pelo exame de grande numero de
larvas e nymphas, de que näo errei,
collocando-o na familia das H3^dro-
ptilideas.
E' um dos generös mais extraordi-
narios, distinguindo-se dos mais, näo so
da dita familia, como de toda a ordem
dos Trichopteros por uma structura
muito insolita e complicada das antennas
dos machos. Convenci-mc tambom de
que a falta das estrias, na parede dorsal
das casas, näo e so uma varia^äo in-
dividual, como tambem indica differen^a
especifica dos habitantes, sende muito
differentes as nymphas e a structura
das antennas dos machos das duas
especies. A especie de casas estriadas
Peltopsyche Sieboldii (Est. LV, fig. 30),
e muito mais frequente, c abunda cm
quasi todos os ribeiröes maiores, que
desaguam no rio Itajahy (Garcia, En-
anderen, nachdem sie sich mehr oder
weniger verengert haben, gerade abge-
schnitten (Fig. 6 A). Durch dieses Ende
pflegt die Larve den Kopf herauszu-
stecken, um zu essen oder zu wandern ;
mit diesem Ende wird auch das kleine
Gehäuse befestigt und an den Felsen
aufgehängt (Fig. 8 B, C). Nachdem das
Gehäuse befestigt ist, webt die Larve
einen an allen Seiten geschlossenen
Kokon, der fast das ganze Gehäuse ein-
nimmt, mit dessen Wänden er verschmilzt,
indem er nur einen engen Baum am
unteren Ende frei lässt. In diesem Kokon
liegt die Puppe mit nach unten gerich-
tetem Kopfe. Sie nimmt also, wie die
von Lagenops3^che, im Innern ihres Ge-
häuses eine entgegengesetzte Lage ein als
sie im Larvenzustande zu haben pflegte.
Als ich im Oktober des vergangenen
Jahres die Gehäuse von Peltopsyche (Taf,
LV, Fig. 30) beschrieb, war ich über die
systematische Stellung dieser neuen Gat-
tung noch im Zweifel. Seitdem habe
ich Gelegenheit gehabt, mich durch die
Untersuchung einer grossen Zahl von
Larven und Puppen zu überzeugen, dass
ich nicht geirrt habe, indem ich sie in
die Familie der Hytdroptiliden stellte.
Es ist eine der ausserordentlichsten
Gattungen, die sich von den meisten,
nicht nur der genannten Familie, sondern
der ganzen Ordnung der Trichopteren
durch einen sehr ungewöhnlichen und
komplicirten Bau der männlichen Fühler
auszeichnet. Auch habe ich mich über-
zeugt, dass das Fehlen der Streifen auf
der Rückenwand der Gehäuse nicht
bloss eine individuelle Abänderung ist,
sondern eine Art Verschiedenheit der Be-
wohner anzeigt, indem die Puppen und
der Bau der männlichen Fühler beider
Arten sehr verschieden sind. Die Art mit
gestreiften Gehäusen, Peltopsyche Sie-
boldii (Taf. LV, Fig. 30) ist \'iel häufiger
und kommt in fast allen grösseren Bächen,
48*
756
Sobre as casas construidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
cano, Warnow etc.); a de casas lisas,
para a quäl proponho o nome de Pelto-
psyche Mac Lachlani, foi ate agora en-
contrada so no Ribeiräo do Warnow,
onde vive em companhia do Peltopsyche
Sieboldii.
§ 5-
Casas de origem incerta
(fig- 9)-
Em varios ribeiröes encontrei em
logares onde a agua estava quasi parada,
adherentes a troncos de arvores que ali
estavam apodrecendo, certos estojos mais
ou menos cylindricos de 3 para 4 centi-
metros de comprimento sobre 6 a 10 mili-
metros de diametro, compostos de peda-
90s de foihas e outros fragmentos vege-
taes agglomerados com pouca regulari-
dade. Essas substancias formavam varias
camadas sobrcpostas, de modo que o
diametro da cavidade interior era muito
menor do que a da superficic externa;
näo chegando as vezes a attingir mesmo
metade d'elle. Segundo as substancias
de que se compöem, o aspecto desses
estojos e muito differente.
Assim o estojo da fig. g, A (do Ri-
beiräo dos Bugres), e construido quasi
que exclusivamente com foihas dico-
tyledoneas, encontrando-se entre estas
tambem, algumas sementes de alguma
planta da familia das compostas; pelo
contrario, entram na construcgäo do
estojo da fig. 9, B (do Ribeiräo do Garcia)
so fragmentos de foihas monocotyledoneas
provenientes talvez de alguma palmeira.
Todos OS estojos que ate agora vi ja
eram vazios, näo contendo mais sinäo
fragmentos soltos de esqueleto de larvas
que, ainda que obviamente provenham
da larva de algum Trichoptero, näo me
permittem decidir a que familia devem
pertencer.
die in den Itajahy münden (Garcia, En-
cano, Warnow u. s. w.) in grosser Menge
vor. Die Art mit glatten Gehäusen, für
die ich den Namen Peltopsyche MacLa-
chlani vorschlage, wurde bis jetzt nur im
Bache Warnow angetroffen, wo sie in
Gesellschaft der Peltopsyche Sieboldii lebt.
5) Gehäuse u n g e w i s s e n
Ursprungs (Fig. 9).
In verschiedenen Bächen habe ich
an Orten, wo das Wasser fast still stand,
an dort in Verwesung begriffenen Baum-
stämmen haftend, mehr oder weniger
cylindrische Köcher von 3 bis 4 cm
Länge bei 6 bis 10 mm Durchmesser
angetroffen, die aus ziemlich unregel-
mässig an einander gefügten Blattstücken
und anderen Pflanzenfragmenten zu-
sammengesetzt waren. Diese Substanzen
bildeten verschiedene über einander ge-
legte Schichten, so dass der Durch-
messer der inneren Höhlung viel kleiner
als der der äusseren Oberfläche war,
und bisweilen nicht einmal auch nur
annähernd die Hälfte desselben erreichte.
Nach den Substanzen, aus denen sie
sich zusammensetzen, ist das Aussehen
dieser Futterale sehr verschieden.
So ist das F'utteral Fig. 9, A (aus
dem Bugrebache) fast ausschliesslich
aus Dicotyledonenblättern verfertigt,
zwischen denen man einigen Compo-
siten-Samen begegnet. Dagegen treten
in den Bau des Futterals Fig. 9, B (aus
dem Bache Garcia) nur Bruchstücke
von Monokotyledonenblättern ein, die
vielleicht von einer Palme stammen.
Alle Gehäuse, die ich bis jetzt ge-
sehen habe, waren schon leer und ent-
hielten nur noch abgelöste Bruchstücke
des Larvenskeletts, die zwar offenbar
von einer Trichopterenlarvc herrühren,
aber nicht zu entscheiden gestatten, zu
welcher Familie sie gehören müssen.
Ueber die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse.
757
Explica^äo das figuras da
estampa LVI ^).
Fig. I (dimens. nat). A, B Casas de larvas
de uma Hydropsychidea, vivendo nos ro-
chedos de cachoeiras. C casas de nymphas
da mesmas especie. O secCj-Ao transversal de
uma destas casas, augmentada tres vezes.
Fig. 2 (augm. 15 vezes). A, B, C Ex-
tremo posterior de casas de nymphas de
Grumichella, visto de cima. A\ B\ C Dito
visto do lado esquerdo, sendo A, Ä da
cachoeira da Triste Miseria de Blumenau,
B, B' de uma cachoeira perto de Belxior,
C, C" do Ribeirilo do Caete. D Casa de
uma larva no\'inha da mesma especie, do
Ribeirao do Caete, vista do lado direito. -E,
F, G Tampas de casas de nymphas do
mesmo ribeirao.
Fig. 3 (augm. 3 vezes). Tubos habitados
por larvas intrusas. (Tetracentron ?) sendo A
ate G, tubos de Setodes geinma, Hei
tubos de Marilia minor e K um tubo da
Grumichella.
Fig. 4. Casa de uma larva [Tetracentron?)
do Ribeirao dos Bugres vista pela face ventral
(augm. 2 vezes).
Fig. 5 (augm. 2 vezes). Tubos de uma
especie de Setodes. A, A Tubo de larva visto
debaixo em A, de cima em A\ B. C, D
Tubos das nymphas. U Tampa do extremo
posterior de D (augm. 6 vezes).
Fig. 6. A tampa da casa de Helico-
psyche da fig. 20 (Est. LIV) augm. 1 5 vezes.
B, C Fendas de outras tampas da mesma
especie augm. 45 vezes.
Fig. 7. Tampa da casa de Helicopsyche
da fig. 21 (Est. LIV) augm. 15 vezes.
Fig. 8 (augm. 8 vezes). Casas de Hydro-
ptilideas das cachoeiras, sendo o A casa de
larva, B e. C casas de nymphas fixadas e
suspensas pelo extremo posterior.
Fig. g (dimens. nat.). Estojos de algum
Trichoptero de posigao incerta, sendo A
do Ribeirao dos Bugres, B do Ribeirao do
Garcia.
Erklärung der Abbildungen
auf Tafel LVI.
Fig. I. (Nat. Grösse.) A, B, Larven-
gehäuse einer Hydropsychide, die an den
Felsen von Wasserfällen lebt; C, Puppen-
gehäuse derselben Art ; C", Querdurchschnitt
durch eines dieser Puppengehäuse. 3:1.
Fig. 2 . (15 malige Vergrösserung.) A,
B, C, hinteres Ende der Puppengehäuse von
Grumichella, von oben gesehen ; A', B\ C\
desgleichen,; von der linken Seite gesehen ;
A, A\ vom Wasserfall des „Traurigen Jam-
mers', in Blumenau; B, B\ von einem Wasser-
fall in der Nähe von Belxior; C, C", aus
dem Bache Caete ; D, Gehäuse einer jungen
Larve derselben Art, aus dem Bache Caete,
von der rechten Seite gesehen; E, F, G,
Deckel von Puppengehäusen aus demselben
Bache.
Fig- 3- (3 malige Vergrösserung.) Von
eingedrungenen Larven bewohnte Röhren
(Tetracentron?). A—G, Röhren von Seto-
des gemma ; H, I, Röhren von Marilia minor ;
K, eine Röhre von Grumichella.
Fig. 4. Gehäuse einer Larve (Tetra-
centron?) aus dem Bugresbache, von der
Bauchseite gesehen. 2:1.
Fig. 5. (2 malige Vergrösserung.) Röhren
einer Setodesart. A, Larvenröhre von unten ;
A\ dieselbe von oben gesehen; B, G, D,
Puppenröhren; D\ Deckel des hinteren
Endes von D. 6:1.
Fig. 6. Der Deckel des Helicopsyche-
gehäuses von Fig. 20. (Taf. LIV). 15:1.
B, C, Spalte anderer Deckel derselben Art.
45: I-
Fig. 7. Deckel des Helicopsychege-
häuses von Fig. 21. (Taf. LIV). 15 : i.
Fig. 8. (8 malige Vergrösserung.) Hy-
droptilidengehäuse von den Wasserfällen.
A, Larvengehäuse ; B, C, festgeheftete und
am hinteren Ende aufgehängte Puppenge-
häuse.
Fig. 9. (Nat. Grösse.) Futterale irgend
einer Trichoptere unbestimmter systema-
tischer Stellung. A, aus dem Bugresbache;
R, aus dem Bache Garcia.
Errata. Berichtigung eines Irrthums.
Per um descuido deixei de examinar Durch eine Nachlässigkeit habe ich
no anno passado os palpos dos machos im vergangenen Jahre versäumt, die
i) Arch. do Mus. Nac. 1878. III. 213. 214.
758
Sobre as casas construidas pelas larvas de Insectos Trichopteros.
e por isso colloquei erradamente a Grii-
micha na familia dos Leptocerideas (ou
Mystacideas), seguindo o exemplo de
Hagen que a chama de Leptoceriis
Grttmicha. O insecto perfeito concorda
nos esporoes das tibias e outrous carac-
teres com o gcnero Barypenthus, de
que Burmeister descreveu duas cspecies
provenientes de Nova-Friburgo. Ora,
esse genero, a que a Grttmicha parece
ser alliada foi tambem collocada nova-
mente na familia das Leptocerideas por
Mac Lachlan. O meu^erro provem da
nimia confian^a que puz .nesses dous
distinctos entomologistas, que hoje säo
as primeiras autoridades no tocante aos
Trichopteros. —
Fritz Müller.
Taster der Männchen zu untersuchen
und desshalb irrthümlicherweise die Gru-
micha in die Familie der Leptoceriden
(oder Mystaciden) versetzt, indem ich dem
Beispiele Hagen's folgte, der sie Lepto-
cerus Grumicha nennt. Das vollkommene
Insekt stimmt in den Schienspornen und
anderen Merkmalen mit der Gattung
Barypenthus überein, von der Burmeister
zwei Arten von Neu-Freiburg beschrieben
hat. Nun ist diese Gattung, der die
Grumicha verwandt zu sein scheint, von
MacLachlan ebenfalls kürzlich in die
Familie der Leptoceriden gestellt worden
Mein Irrthum kam von dem zu grossen
Vertrauen her, das ich in diese beiden
hervorragenden Entomologen setzte, die
heute in Bezug auf Trichopteren die
ersten Autoritäten sind.
Fritz Müller.
Extracts from letters regarding Brazilian caddis-flies^).
(Letter to Mr. M'Lachlan.)
Mr. M'Lachlan exhibited the cases and sixteen species of Brazilian caddis-
flies, with the insects bred from the larvae that manufactured some of them, sent
to him by Dr. Fritz Müller, from Santa Catharina. Included were the cases ex-
hibited at the meeting of the 4th December last. Some extracts (with notes) from
Dr. Fritz Müller's letters are here given : — -
"Helicopsyche. In some cases of one of the species you will see, well pre-
served, the oldest part of the case, which peeps out like a chimney from the conical
top. There are here two or three other species of Helicopsyche, one of which
lives on rocks continually wetted by the spray of waterfalls: the pupa of this
species is deprived of the long hairs which exist, in other species, on the first
four joints of the fore and middle legs, and which the pupse, after leaving the
case, use in swimming to the surface. On the rocks it is, of course, neither
necessary nor possible to swim. Should not Brauer's Scetotricha be a Helicopsyche?
the neuration of the wings is very similar to that of our species-). In the pupa
of Helicopsyche ceylanica, Brauer ('Voyage der Novara', Neuroptera) describes
the first Joint of the maxillary palpi in either sex as being much shorter than the
second; but this is not the case with our species, which in their maxillary palpi
agree with Scutotricha. Perhaps there may not be any real difference in this
respect between H. ceylanica and the Brazilian species. Brauer's figure of the
palpi of Helicopsyche looks as if there were something wanting at the base.
There are several other differences between the larvae and pupse of Helicopsyche
1 have examined and Brauer s description of H. ceylanica ; whether they be real
or not I am unable to decide. The anterior margin of the pronotum of the larva
is armed, in our several species, with a row of strong spines, straight or curved
at the end. The branchiae described by Brauer I have been unable to find in
any of our species. The hooks at the apex of the abdomen are quite different
i) Proceedings Ent. Soc. London 1879. p. VI — VIII.
2) I have already calied attention to the probability that Satotricha may be allied to Helicopsyche,
in niy 'Revision and Synopsis of European Trichoptera' (pt. V., p. 269, Nov. 1876). — R. M'L.
-^Q Extracts from lettres regarding Brazilian caddis-flies.
from Brauer's description. The lateral tubercles of the first segment of the ab-
domen are beset with pairs of microscopical spines. In describing the legs of
the pupa, Brauer says that the skin of the pupa bears but few hairs; if indeed
the fore and middle legs of the pupa were hairless, or nearly so, H. ceylanica
would probabl}' not live in the water, but on wet places, where the pupa is not
obliged to swim. According to Brauer there should be a pair of horny plates,
armed with hooks, on the back of abdominal segments 2 — 6; in our species these
exist only on segments 3 — 6, but there is a second pair on segment 5, with the
hooks curved in an opposite direction. Brauer's figure of the apex of the ab-
domen shows it as deprived of appendages. I cannot help thinking this must
be an error; all our species have well-developed appendages bearing the usual
four long hairs.
"The pupse of a species of Hydvopsichido' living on the same rocks here
likewise have hairless legs, and this is also the case with the species of Lepto-
ceridm which inhabits Bromelka, while, in a closely allied species ^) living in
rivulets, the hairs on the fore and middle feet are well-developed, as you will see
by the pupa-skins I send you.
"Of the other species I send you, one agrees in almost every particular with
Brauer's description of the New Zealand genus Tetracentron, so that I presume
it will belong to that genus-). The larva lives in hoUow sticks of wood; but,
where the black Dentalium-V^ke tubes abound, it sometimes usurps the tubes of
this latter species. The tubes described by Hagen (Stett. entom. Zeit., 1864, p. 226»
No. 23) as Leptocerus? gj'umicha, Vallot, must have been inhabitedby strangers, for
they were closed by stones, whereas the legitimate owners make a circular cor-
neous operculum, with a subcentral opening. Though these black tubes are ex-
tremely abundant in some places, I have only a few ill-preserved insects, which
I hope to replace by better ones^).
"There is another smaller species which also lives in the tubes made by
different Trichoptera, and which has the curious custom of fixing to the mouths
of the usurped cases sticks of wood. Even to a practised eye it is often difficult
to discover them among the irregulär straggling sticks. I have not yet bred the
insect of this species, but judging from the structure of the larvse it must be
nearly allied to Tetracentron.
"Hydroptüidce. The cases of my former letter, which you were inclined
to doubt as belonging to Trichoptera, are those of Hydroptüidce. I have often
reared the imago. The family appears to be very rieh here. I already know
the larvse of eleven or twelve species. The most curious of them are two species
1) This insect belongs to Section iv. of Leptocerida, according to the System adopted in my 'Revision
and Synopsis of European Trichoptera'. It probably forms a new genus allied to Amsocentroptis and
Ganonetna. The cases of it, and of that inhabiting the Bromelice, are formed of large pieces of leaves
(or entire small leaves) attached flatly in a longitudinal manner. — R. M'L.
2) It does agree with Tetracentron in almost every particular. — R. M'L.
3) These black tubes have probably been described as actual shells of Dental/um. Vallot (Mem,
Acad. Dijon, 1855) cites doubtfully Dentalium corjietim, Gmelin, which has since been referred as the
case of a Trichopterous insect, as identical therewith, and renames it P]iryga7iea grumicha. The insects
sent by Dr. Fritz Müller belong to the Lcptocerida;, but to an undescribed genus of uncertain affinities
— R. M'L.
Extracts from letters regarding Brazilian caddis-flies. y5l
which, no doubt, form a ncw gcniis {Peltopsyche). The larvec live in fixecl flat
shield-lii<c cascs, rescmbling thc» cgg-cases of NepJielis, transversely striatod in
one species (P. Sieboldi), smooth in the other (P. Maclachlani). The antcnnae of
the male are vcry curious, and very difforont in the two species. Spurs 2.4.4.
The antennte of P. Sieboldi are 13-jointed in the male, and the number is pro-
bably the same in P. Maclachlani; in the female the joints are more numerous^).
''Chimarrha? The larvae of somc Rhyacophilidce (Chimarrha?) live in
movable cases. These larvae remove the ventral wall of their houses before fixing
them to some stone.
"The number of species of Trichoptera that I have seen here, either in the
larval or perfect State, is about forty."
i) The structure, and especially the habits, of Peltopsyche differ so inuch from other Hydroptüidce
that one is tempted to doubt if it really belong to the family. — R. M'L.
On a trichopterous insect belonging to the famlly
Leptoceridae with branchiae^).
The Secretary exhibited a specimen, in alcohol, of a trichopterous insect,
showing tracheo-branchise, sent from Brazil by Dr. Fritz Müller, who communicatcd
the following note concerning it: —
"I send you enclosed a trichopterous insect belonging to the family Lepto-
ceridce, which shows very distinctly the branchiae lately discovered in the imago
stage of this order by Dr. Palmen ^}, of Helsingfors. As these branchiae cannot
be readily seen excepting immediately after transformation, I think man}^ members
of the Entomological Society may not yet have seen them. I may add that
Dr. Palmen's view, that the branchiae persist in all those Trichoptera the larvse
and pupae of which possess them, does not hold good. At least in one species
of Leptoceridm I have observed that they are cast when the pupa undergoes its
final transformation."
Mr. M'Lachlan said that the discovery by Dr. Palmen of branchiae in the
perfect insects of many Trichoptera was an extension of the observations originally
made by Newport ^), and after him by Gerstäcker and others, as to the existence
of branchiaß in the imagos of various Perlida'. Dr. Palmen appeared to be of
opinion that these persistent branchiae serve no functional purpose in Trichoptera,
and alludes to them more particularly as proving that the branchial System of
the larva and the stigmatic System of the imago have no genetic connection, since
in the imago branchiae and Stigmata may cxist side b}' side. Mr. M'Lachlan
further alluded to the existence of marked branchial filaments in the imago of
various other genera of European Trichoptera not especialh^ alluded to by
Dr. Palmen, such as Diplectrona, Plectrocnemia and allies, Ptilocolopus, &c.,
and thought they might yet be found to serve a functional (respiratory) purpose.
The insect sent by Dr. Fritz Müller showed two or three branchial filaments on
each side of most of the abdominal segments.
1) Trans. Ent. Soc. London 1879. Proc. p. XIII. XIV.
2) 'Zur Morphologie des Tracheensystems', 1877.
3) Ann. & Mag. Nat. Hist. 1844. Trans. Linn. Soc. xx. p. 425 (1851).
Notes on the Cases of some South Brazilian
Trichoptera^f).
Little is known about the cases of extra-European Trichoptera. A short ac-
count of those observed by me in Southern Brazil may therefore be of some
interest.
Of the seven famihes into which Trichoptera are at present divided, only
five have as yet been found here, viz., Sericostomidce , Leptoceridcc , Hydro-
psychidcc, RJiyacophilidcc and Hydroptilidm. These may be grouped into two
main divisions according as their pupse are active or inactive. In the first group
comprising the Sericostomidce, Leptoceridce and Hydropsychidce, the case of the
pupa is provided with small opcnings at either end, through which a continnal
current of water passes moving from the anterior to the posterior extremity. The
pupa is in incessant activity to maintain this current; this is done, at least in
most species, principally by the appendages at the end of the abdomen, which
may be seen playing in the opening at the hind-end of the case. In the second
group, containing the Rhyacophilidce and Hydroptilidce^ the larva spins a cocoon
closed all aroünd, in which the pupa lies quite motionless. This cocoon is either
free within the case {Rhyacophilidce), or confluent with the walls of it {Hydro-
ptilidce). The fixity or mobility of the cases does not afford a distinctive character
of the two last-named families; for there are not only Rhyacophilideous larvae
living in portable cases and Hydroptilideous larvae living in fixed ones, but there
are even cases fixed and movable at the same time, being fastened by a long
flexible string {Rhyacopsyche).
Sericostomidae.
This family, as far as I know, is here represented only by the curious genus
Helicopsyche, of which I have seen about half-a-dozen species. The case of one
species is remarkable for the first built portion of it being straight. When pre-
1) Trans Ent. Soc. London 1879. [). 131 — 144.
2) Figures and füll descriptions of the cases mentioned in the follovving notes have been sent for
publication to the "Archivos do Museu Nacional do Rio de Janeiro". (= Ges. Schriften S. 644 ff.) [Some
additional notes appear in the Report of the Proceedings of the Meeting of the Entomological Society,
held on the 2nd April, 187g; cf. Proceedings, pp. vi — viii. (= Ges. Schriften S. 762) — Ed.].
•j()A Notes on the Cases of some South Brazilian Trichoptera.
served in adult spccimens, this oldcst portion pecps out from the top of thc hclici-
form case likc a littlc chimney. Most of the larvae of Helicopsyche are rather
sluggish animals, often resting motionless on the same spot for the whole day;
they then retire into their cases after having fixed thcm tcmporarily with some
threads of silk, a custom which is to be observed also in various L(^ptocerideous
larvae. In none of our species have I seen branchias, which, according to Brauer,
exist in Helicopsyche ceylanica. Before passing into the pupa State,« the larva
shuts its case with a flexible corneous covering, provided in most of our species
with a long, simple transverse slit; in one species the margins of the slit are ser-
rated, and in another species there is no slit at all, but a sieve-Hke spot near the
centre of the covering. As to thc pupse, Brauer says, that those of H. ceylanica
have a pair of hook-bearing corneous patches at the basis of the abdominal Seg-
ments from the second to the sixth, and there are also five pairs in his figure.
This would be very stränge, for the number and shape of these patches is gencrally
very constant within the limits of the same genus, and in all our species of
Helicopsyche there are four pairs only, situated at the basis of the third, fourth,
fifth and sixth abdominal segments; each patch bears near its posterior cnd two
or three short, rather blunt teeth, which are directed backwards. There is also,
as usually, a pair of corneous patches at the end of the fifth abdominal segment,
armed with strong, sharp, curved teeth, which are directed forwards.
One of our species of Helicopsyche lives on rocks wetted by the spray of
waterfalls; it is by far more lively than the other species. The waterfalls, which
are of very frequent occurence in all our mountain rivulets, are generally frequented
by three more species of Trichopterous larvae, belonging to three different families
{LeptoceridcE, Hydro psychidce and Hydroptilidm). Now the pupae of those four
widely-different species agrce in their feet of the second pair of legs bcing deprived
of the fringes of long hairs, by the aid of which the pupae of other Trichoptera
swim to the surface of the water when they are about to undergo their final
transformation.
In those species of Helicopsyche, which I have bred, the perfect insects used
to emerge from the pupae soon after sunset.
Leptoceridse.
Of M'Lachlan's first section of this family I have not yet seen here any species.
Sectio n IL
Two of our genera appear to belong to this section.
Genus I.
(Near Odontoceriim, though distinguished by numerous differences. Antennae
not dentate ; eyes of the d" very large, meeting on the vertex in one species
and nearly so in another; radius of the anterior wings confluent at its
apex with the first apical sector, &c.)
The case of the larva is a slightly-curved, cylindrical, firm tube, built with
sand grains; the tail-end is closed with a transverse wall, having at its upper or
dorsal margin a rather large oval or semicircular opening. Before its change the
Notes on the Cases of some South Brazilian Trichoptera. ib'^
larva cuts a portion of the tail-end of its tube and then fixes the ventral side of
either end and closes them by a Single stone (in one species), or by a wall built
of several fragments of stone (in a second species), in such a way that thcrc
remains at the ventral side of each cxtremity a narrow crescentic slit, the ventral
margin of which is beset with a row of teeth. It is curious that th(i manner of
closing the tail-end should be quite different in the larva and in the pupa cases.
The pupa has five pairs of corneous patches at the basis of the abdominal Seg-
ments (from third to seventh), each of the patches bearing a Single blunt tooth,
and there is the usual pair of patches at the end of the fifth segment, having
two short sharp teeth.
The perfect insects emerge from the pupae in the evening, generally latcr
than Helicopsyche. On this occasion the fasciculate branchise of the pupa are
shed, like those of Ephemeridai, and this is the most remarkable feature of the
genus; for it appears, that in most Trichoptera the branchise of the pupa subsist
in the imago in a rudimentary condition.
There are here two species of this genus, differing much in size, the larvcC
of which live in clear rivulets; a third species of larvse, building unusually short
and wide tubes, of which I have seen but hery few specimens in the River
Itajahy, probably belongs to the same genus.
Genus II. Grumicha, of Saint Hilaire.
The wings having no median cell, the insect cannot be placcd in M'Lachlan's
fourth section, while, by the moderate length of the antennae and the presence
of the apical fork, No. 2, in all the wings it is excluded from Section III. Thus
I place it here, though it shows no particular relation to Odontocerum. (Spurs 2, 2, 2.
Discoidal ceU closed, and radius connected to the first apical sector by a trans-
verse nervule in all the wings. Apical forks, Nos. i, 2, 3, 5 in the anterior i, 2, 5
in the posterior, wings.) The weUknown black Dentalium-like tubes of the larvse
are frequent in some of the larger tributaries of the Itajahy. The larvse are re-
markable for the tibise of the hind legs consisting of two joints. The tail-end of
the tube is closed with a transverse wall, having a central circular opening\
Before its change the larva fixes the mouth-end of its tube by a petiolated disc
to some stone or to other tubes of the same species. Clusters of more than a
hundred specimens are sometimes found. The mouth-end of the tube is closed
with a circular covering, provided with a transverse opening beneath its centre.
Section II I.
Genus I. Tetracentron, Brauer.
One species of this New Zealand genus is extremely common here. The
larva, which, like those of Grumicha, have two-jointed tibise on the hind legs,
lives in sticks of wood, fragments of branches, of pctioles of Cecropia leaves, &c.
These are hoUowed out in convenient lengths, and a semicircular piece is cut
away from the ventral side of the mouth-end, so that the dorsal side projects,
protecting the larva when crawling about; besides this, for more protection, a
small stone is fastened to the projecting dorsal side, which closes the entrance
when the larva retires into its case, and Covers its head when feeding. Near the
n(j(j Notes on the Cases of some South Brazilian Tiichoptera.
end of the boring a small hole is gnawed through the wall of the stick for the
issue of the respirator}' current. For its transformation the larva fixes the ventral
side of the mouth-end of its case to some stone or tree (preferring the latter,
when obtainable), and closes the entrance with a stone; the interior of the stick is
clothed with a silken tissuc, forming a cylindrical cocoon, closed with a sieve at either
end; the centre of the anterior sieve is attached to the stone, which serves as a
covering. It often happens that the larvae find hollow sticks; but even then they
gnaw, before their change, a quite purposeless hole through the wall of the stick.
(See Kosmos, "Gratulationsheft zum 70jährigen Geburtstage Ch. Darwins", p. 395,
fig. 6.) ^) The pupse agree in the number and arrangement of the corneous patches
of the abdomen with those of Helicopsyche, but each patch is armed with from
four to six sharp hooks. The branchise of the pupa are not shed in the final
transformation ; they can easity be seen in the imago when it is put into spirits
of wine immediately after issuing from the pupa.
Sometimes tubes of Gruniiclia are met with, which, instead of a corneous
covering, are shut with a stone (such were, e. g., the tubes described by Hagen
in Stettin, entom. Zeit. 1864, p. 226), and these, on examination, are found to con-
tain pupae, not of the maker of the tube, but of an intruding Tetracentron. I
do not know whether it is a distinct species.
In some small mountain rivulets I have found tubes of various smaller Lepto-
ceridtT [Setodes (?), Grumichella, &c.) tenanted by intruders, which have the curious
habit of fastening to the mouth-end of the tube bits of wood or sticks, sometimes
much longer than the tube, and concealing it almost completely. I have not 3^et
seen the imago, but the larv?e agree (e. g"., in the two-jointed tibise of the hind
legs) with those inhabiting hollow sticks.
Genus IL Grumichella, nov. gen.
(Very nearly related to Leptocerus. The neuration of the anterior wings is
quite the same; in the posterior wings apical fork No. i is wanting, while
Nos. 3 and 5 are present in both sexes. Proportion of the joints of the
maxillar}^ palpi 10, 15, 20, 9, 17.)
The larvse inhabit waterfalls and rapids of mountain rivulets. But for size
their tubes closeh^ resemble those of Gruniicha, which are thrice as long. It is
rather curious that those almost identical tubes should belong to species quite
different in their larval, pupal and imago states.
The tubes of Grumichella show two interesting contrivances, by which the}'
are adapted to their peculiar habitat — i, from the wall which closes the tail-end
of the tube, and which has, as in Grumicha, a central circular opening, tliere
projects, on the ventral side of the opening, a short, stout, triangulär tooth or
spur, which, being inserted into minute crevices of the rocks, probabl}?^ serves to
give hold to the tubes; 2, the little petiole or foot-stalk of the diso, by which the
pupa case is fastened, does not proceed, as in Grumicha, from the margin of the
tube, but from the corneous covering. The pupa cases being usually fastened
with the mouth-end turned upwards to perpendicular rocks, along which a thin
sheet of water is pouring down, if th(! tubes were fastened, the pupa', after having
I) = Ges. Schriften S- 685.
Notes on the Cases of some South Brazilian Trichoptera. ^5y
loosened the covering, would hardly be iihle to creep out of their tubes, and, if
the}'^ succeeded in doing so. the tender, fragile creatures would almost infaUibly
be crushed. But now, after loosening the covering which remains fastencd to the
rock, they are within their tubes safely carried avvay by the water to some quiet
place, where the}- ma}" with leisure creep out and undergo their final trans-
formation. The pupa is remarkable for its last abdominal segment being unusually
long (as long as the three preceding ones), and tapering towards the end. Number
of dorsal patches as in Helicopsyche, each patch armed with two short, sharp teeth.
Genus III. Setodes (?).
There are here three species agreeing in general appearance and in the
neuration of the anterior wings (one of them even in colouring) with Setodes
punctata and viridis; but the posterior wings are broader.
The larva3, the antennse of which are longer than in any other Leptocerideous
larva known to me, live in narrow, cylindrical, straight or slightly-arcuated leathery
tubes. Before its change the larva considerably shortens its tube, the ventral
side of either end of which is then fixed by means of a disc, usually bilobed,
and the extremities closed with coverings having a central circular or elliptic
opening. The appendages at the end of the abdomen of the pupa are ver}' long ;
the number of the dorsal patches is as in Gruniichella, &c., those at the basis
of the 4th, 5th and 6th segments have two or three teeth, but those at the basis
of the third and at the end of the fifth segments have two pairs of teeth, those
of one pair being much smaller.
In one of the three species the slightly-arcuated brown tubes are covered
with very fine sand; the larva? of this species swim ver}^ well, their hind legs
being furnished with long fringes. The imago is the most beautiful Trichopterous
insect I have ever seen.
In the second species the straight tubes are covered with narrow bits of
wood or other vegetable fibres; those on the back are arranged longitudinally,
projecting considerably beyond the mouth-end of the tube; those on the sides
and beneath are disposed in an oblique direction.
In the third species to either side of the back of the straigth tube there are
fixed a row of bits of wood, projecting laterally, and generally decreasing towards
the tail-end.
Genus IV.
From the great length of its hind legs I suppose that a little larva, which
makes curious nearly c)'lindrical cases with the seeds of Callitriche, must be
placed in this section.
Section IV.
The cases of the three species of this section, with the larva? of which I
am acquainted, differ from those of all other Leptoceridcc, by their inner silken
tube being much flattened, the height being equal, or nearly so, to half the
breadth. The external aspect of the cases is yet much more flattened and broad;
for they are covered with bits of leaves, which laterally project more or less
beyond the inner tube.
^58 Notes on the Cases of some South Brazilian Trichoptera.
In the largest species the cases of adiüt larvse are usuall}^ made of four
leaves (sometimes there are but three), t\vo forming the ventral and two the dorsal
side ; the anterior dorsal leaf is produced far ov^er the ventral one, so as to protect
the larva when moving about. This species lives in rivulets. The case of the
pupa is fixed at the mouth-end, either extremity of the interior tube being closed
with a sieve.
In the smallest species, which lives on trees between the leaves of BromelicB,
there are generally five or six bits of leaves on the ventral, and one more (six
or seven) on the dorsal side of the tube. Before its change the larva closes the
mouth end by fastening one more bit of leaf to the ventral side.
This is also done by the third species, intermediate between the other two
in size as well as in the number of leaves used in the construction of its case;
there are generally three or four on the ventral and four or five on the dorsal
side. This species lives principall}' in very small rivulets, with hardlv anv water,
trickling along a declivitous rock}- ground.
To the different habitat of these three species corresponds a remarkable
difference in the feet of the pupae. In the first species there are not onl}^ dense
fringes of long hairs on the second pair, but similar hairs, though much less
developed, exist also on the fcet of the fore-legs, These fringes are rather rudi-
mentary in the third species, and completely wanting in the Bromelia species,
which in this respect agrees with the waterfall Trichoptera.
The pupae have more dorsal patches than any other of our Leptoceridai ; for
there is a pair on the eighth abdominal segment also, and besides this, there is
on the back of the ninth segment a pair of long spcar-shapcd horny processes.
The first species emerges from the pupa in the evening, as most Lepto-
ceridce do, but the Bromelia species usually durin g the first hours of the after-
noon (at least in captivity). The branchise of the pupa subsist, in a rudimentär}'
condition, in the perfect insect.
The three species agree, not only in the construction of their cases, in the
structure of their larvae and pupse, but also in the neuration of the wings and
other characters of the perfect insects (in all the wings the radius is confluent at
its apex with the first apical sector; in the posterior wings tho discoidal cell is
open, the apical forks Nos. 2, 3 and 5 being present). It would be most un-
natural to separate them into two genera, and yet they differ in the number of
spurs. In the Bromelia species there are 2, 4, 2 in both scxes, while the other
two have 2, 4, 4. In any other respect the intermediate species resembles more
closely to the Bromelia species than to the larger one, with which it agrees in
the number of spurs.
Hydropsychidse.
Genus I. Macronema.
The larva of one species is extremely common, being mct with almost every-
where under large stones. The larva makes a very rüde dwcUing with irregularty-
accumulated and loosely-connected stones. The case of the pupa is b}'^ far more
solid and regulär, at least when viewed from within. The inner room is oval.
Notes on the Cases of some South Brazilian Trichoptera. y5Q
the surface smooth, and the stones of the wall firmly connected. At either end
a few small openings ma}^ be detected, leading through the wall. Within the
case there is a cylindrical silken cocoon, which is loosely connected with, but
may be easily separated from, the walls of the stone-case, and which has a trans-
verse sieve at either end.
Genus II. Tinodes (?).
Cases similar in general appearance to those of Tinodes macidicornis are
very common on rocks exposed to the spray of waterfalls. They consist of a
soft Silken ribbon interwoven and covered with microscopical algse, diatoms and
mud, and curved into a semicylinder. These canals without a basal wall can
hardly be called "tubes". The larva is remarkable for its very long spinneret,
which projects beyond the head. I have not yet seen the imago,
Genus III.
I do not know the imago; in the pupa I found 2, 4, 4 spurs. The cases, of
which I have seen but veryr few specimens in the River Itajahy, are interesting
on account of their close resemblance to those of the Hydroptilideus genus Pelto-
psyche; indeed, before I had an opportunity of examining the larva? and pupse I
supposed them to be some new species of Peltopsyche, or even unusually large
specimens of Peltopsyche Maclachlani. They are flat, elliptical, smooth, buff-
coloured shields, with a small opening at either end, fixed to the upper side of
stones.
Genus IV. Rhyacophylax, nov. gen.
(Apears to be nearly related to Smicridea, but the number of spurs is dif-
ferent, being i, 4, 4 in the $, and i, 4, 2 in the S)
This is, no doubt, as to the cases, the most curious of all our Hydropsychidce.
The cases themselves are rather rüde canals, covered with irregularly-interwoven
vegetable fibres, but at its mouth-end each case has a large funnel-shaped verandah,
covered with a very beautiful silken net. The larvae live in the rapids of various
rivulets, and the entrance of the verandah is invariably directed towards the upper
part of the rivulet, so as to intercept any eatable things brought down by the
water. Generally, a more or less considerable number of larvse build their cases
close together, so as to form transverse rows, on the Upper side, of stones. Lately,
I saw, on a large stone, about half-a-dozen parallel rows, at some distance from
one another; one of them, being about 0.2 m. long, must have been composed of
about thirty cases. Before the end of the larval period the vegetable fibres are
replaced by small stones, and the verandah is destroyed, either by the larva or
by the current of the water. One day, when I was taking to my house a stone
with beautiful RJiyacophylax cases, some of the larvse left their houses, crept to
the edge of the stone and then descended, suspending themselves in the air, like
Spiders, by a thread of silk. The larva> of Grumichella, also, may be seen
suspending themselves in the water in a similar way. Such a faculty must prove
highly serviceable to larvee living in rapids, where they might otherwise be easily
swept away b}' the current.
Fritz Müllers gesammelte Schriften. 49
n-iQ Notes ou the Cases of sonie South Brazilian Tricboptera.
Rhyacophilidse.
Genus I.
(Spurs of a J piipa 2, 4, 4.)
The larva lives, principally, without any case, between the etangled stems
of various Podostemece, which densely cover the stones in the rapids of the
Itajahy and its tributaries. It is carnivorous, fragments of insect larvae (Hydro-
psychidcB, Perlidce, &c.) being found in its intestines, and its anterior legs are
armed with very powerful and curious forceps; the femur is very thick, and has
on its distal inferior angle a stout process, resembling the thumb on the hand of
a crab; the tibia and tarsus are extremely short, so that the curved claw im-
pinges against the process of the femur. The cocoon of the pupa, also, is not
protected by a regulär case; sometimes there are some loosely-connected stones
around it, but at other times it appears to lie, without an)^ special protection,
between the Podostemecp,. The feet of the first and second pair of legs are pro-
vided in the pupa with strong well-developed claws, which I have notyet seen
in any other Trichopterous pupa. They are, probabl}', very useful to the pupa
of this species, which has to make its way between the densoly-intricate stems of
Podostemece.
Genus IL
The larvse of some smaller species of Rhyacopliilidcp build portable cases,
agreeing with those of most Hydroptilidcf in not showing any difference between
the two extremities. They are built of stones, oval, with a flat bottom, on either
end of which there is an opening; the stones generally being of comparatively
large size, the external aspect is often very irregulär. As the two doors of these
httle stone-houses are in the flat bottom, they would not freely admit the water
necessary for respiration, when the larva is at rest, and there are special contri-
vances for the access of water varying in the several species. In one species,
frequenting small mountain rivulets, small passages are left between the stones
of the dorsal side of the house. In another species, which often Covers by count-
less thousands the stones in clear streams, an upright cylindrical chimney, made
of grains of sand, rises from the middle of the house ; its height sometimes equals,
or even exceeds, the length of the house. When the larva is about to change,
the bottom and chimney are removed, the borders of the vault are fixed to the
stone, on which it lives, and then a cocoon of the usual form is spun.
Hydroptilidee.
In Hagen's list of South American Neuroptera (Synopsis of the Neuroptera
of North America, 1861, p. 299), no species of this family is mentioned, and yet
it will probably prove to be one of the most numcrous Trichopterous families in
this country, including the most varied and remarkable larval cases.
Genus I.
There are here various species, the cases of which resemble more or less
closely the well-known cases of Phrixocoma piilcJiricoi-nis, being much c^om-
pressed from the sides and opened by a narrow slit at each end. They are either
Notes on the Cases of some South Brazilian Tiichoptera. 111
naked, or covered with very fine sand, or with algae or diatoms, which in one
species are arranged in an extremely elegant manner, The cases of the pupae
are fixed either along the whole ventral margin or at the two ends, or in one
species, abounding on the rocks of waterfalls, at one end only.
Genus II.
Ver}' minute, nearly cylindrical, cpriaceous, brown tubes; covered with very
fine sand, which in the pupa State are fixed at either end to the underside of
stones, showing generally two adhesive discs on the anterior, and a single one
on the posterior end. They are common almost everywhere.
Genus III. Diaulus Ladislavii.
Strongly-compressed oval cases, elegantly covered with diatoms, with a
narrow slit at each end and having on the dorsal margin two (or, as I have seen in
one specimen, three) cylindrical chimneys. The Observation of living larvae of
this and of the first genus leaves no doubt as to the use of the chimne3's. Those
inhabiting cases opened only by a slit at each end are seen moving incessantly,
and working very hard, in order to maintain a current of water through these
narrow passages; those of Diaulus, on the contrary, may remain motionless for
a very long time, the water necessary for respiration having a free access through
the chimneys. The cases of the pupse are fixed in an upright position along the
whole ventral margin on the upper side of stones, and often these little houses
form large villages of a rather picturesque aspect.
Genus IV. Lagenopsyche.
An approximative idea of the cases may be formed by imagining the bottom
of a bottle to be cut away and then its under part to be compressed until the
opposite sides touch each other, thus transforming the wide circular opening into
a narrow slit. The mouth of the bottle represents the mouth-end of the larval
case, and the long narrow slit at the tail-end is held in an upright position. In
one species (L. liyalhia) the case is quite colourless and perfectly hyaline; in a
second species (L. Spirogyrce) it has a dark violet, or brownish, or blackish, colour,
darker towards the mouth-end. For transformation the case is placed on one of
its broad sides, and then fixed on either side of each end by means of petiolated
discs ; at the mouth-end of the larval case there are two discs in both the species,
and as many exist at the opposite end in L. Spirogyrce,, but in L. hyaliiia there
are four, the petioles dividing before the}^ expand into discs. After having fixed
its case the larva turns its head towards the broader end of it, so that the mouth-
end of the larval case becomes the tail-end of the pupa case, and vice versa.
L. hyalina lives in small rivulets under stones, L. Spirogyrm in slowly-moving or
even standing waters filled with Spirogyra, Callitriche and Heteranthera reni-
fortnis ; the larvse are to be met with among the SpirogyrcR, on which they seem
to feed; the pupae are fixed to the under side of the leaves of CallitricJie or
Heteranthera. The perfect insects emerge early in the afternoon.
Genus V. Rhyacopsyche Hagenii.
The larvse live in rapids of mountain rivulets. The brown coriaceous cases
of younger kirvse are nearly cylindrical and widely open at each end, afterwards
49*
ny2 Notes on the Cases of some South Brazilian Trichoptera.
they are widened in the middle, corresponding to the increasing thickness of the
abdomen of the larvse; from one end there proceeds a string of silken threads,
generally about as long, but sometimes even more than twice as long as the
cases, by which the latter are fastened to the upper side of stones. Thus the
larva is secured against being carried away by the current, and at the same time
by the mobility of its case its pasture ground is greatly enlarged, and the more
so as it can issue indifferentl}^ at either end of its tube. It feeds on microscopical
algae. Before its change the string is much shortened and thickened, being thus
transformed into a rigid footstalk, able to sustain the case in an upright position.
The case of the pupa is somewhat compressed, oval or club-shaped, rounded at
the upper, attenuated at the lower, end, The pupa emerges, for its final trans-
formation, at the upper end of the case.
Genus VI. Teltopsyche.
The larvse live in larger tributaries of the Itajahy, preferring rapids. One
species (P. Maclachlani) has as yet been found only in one single rapid near the
mouth of the Warnow. The cases resemble in shape, colour and size the well-
known egg-cases of Nephelis, and are fixed, often in very large numbers, to the
upper side of stones; they are made of a brown, rather tough, coriaceous sub-
stance. Their upper wall forms a rather flat elliptical shield, smooth in P. Macla-
chlani, transversely striated in P. Sieboldü; the basal wall is very thin, and firmly
glued to the underlying stone, so that it can hardly be separated without being
torn. At either end of the case there is a small circular opening. In most
Hydroptilidoi the abdomen of the older larvse is much swollen ; in Peltopsyclie it
is so in a quite extraordinary degree, filling nearly the whole case. The very
slender anterior part of the body is bent and hidden beneath the huge abdomen,
of which it appears to be only an insignificant appendage. The pupa> are
remarkable for the unusually great difference which the complicated corneous
patches on the back of the abdomen show in the two species. The perfect in-
sects differ from all known Trichoptera by the antennse of the d, some of the
basal joints of which are produced into long processes exhibiting a complicated
structure, very different in the two species, and which I have not yet been able
to unravel in a satisfactory manner. From what I have seen, I am led to sup-
pose that these strangely modified basal joints of the antennse may be odoriferous
Organs.
On a frog having eggs on its back.
On the abortlon of the hairs on the legs of certain
coddis-flies (Phryganiden)^).
(Letter to Ch. Darwin.)
Mit 3 Textfiguren.
Several of the facts given in the following letter from Fritz Müller, especially
those in the third paragraph, appear to me very interesting. Many persons have
feit much perplexed about the steps or means by which structures rendered useless
under changed conditions of life, at first become reduced, and finally quite dis-
appear. A more striking case of such disappearance has never been published
than that here given by Fritz Müller. Several years ago some valuable letters
on this subject by Mr. Romanes (together with one by me) were inserted in the
columns of Nature, Since then various facts have often led me to speculate on
the existence of some inherent tendency in every part of every organism to be
gradually reduced and to disappear, unless in some manner prevented. But beyond
this vague speculation I could never clearly see my way. As far, therefore, as I
can judge, the explanation suggested by Fritz Müller well deserves the careful
consideration of all those who are interested on such points, and may prove of
widely extended application, Hardly anyone who has considered such cases as
those of the stripes which occasionally appear on the legs and even bodies of
horses and apes — or of the development of certain muscles in man which are not
proper to him, but are common in the Quadrumana — or again, of some peloric
flowers — will doubt that characters lost for an almost endless number of gene-
rations, may suddenly reappear. In the case of natural species we are so much
accustomed to apply the term reversion or atavism to the reappearance of a lost
part that we are liable to forget that its disappearance may be equally due to this
same cause.
As every modification, whether or not due to reversion, may be considered
as a case of Variation, the important law or conclusion arrived at by the mathe-
matician Delboeuf , may be here applied ; and I will quote Mr. Murphy's Condensed
Statement {"Habit and Intelligence", 1879, p, 241) with respect to it: "If in any
species a number of individuals, bearing a ratio not infinitely small to the entire
i) Nature 1879. Vol. XIX. p. 462—464.
'j'jA On the abortion of the hairs on the legs of certain coddis-flies.
number of births, are in every generation born with any particular Variation which
is neither beneficial nor injurious to its possessors, and if the effect of the Variation
is not counteracted by reversion, the proportion of the new variety to the original
form will constantly increase until it approaches indefinite^ near to equality."
Now in the case advanced by Fritz Müller the cause of the Variation is sup-
posed to be atavism to a very remote progenitor, and this may have wholly pre-
vailed over any tendency to atavism to more recent progenitors; and of such
prevalence analogous instances could be given. Charles Darwin.
My Dear Sir,
If I remember well, I have already told you of the curious fauna which is
to be met with between the leaves of our Bromeliee. Lately I found, in a large
Bromelia, a little frog (Hylodes?), bearing its eggs on the back, The eggs were
very large, so that nine of them covered the whole back
from the Shoulders to the hind end, as you will see on the
photograph accompanying this letter, Fig. i (the little animal
was so restless that only after many fruitless trials a toler-
able photograph could be obtained). The tadpoles, on emer-
ging from the eggs, were already provided with hind-legs;
and one of them lived with me about a fortnight, when the
fore legs also had made their appearance. During this time
I saw no external branchiae, nor did I find any opening which
might lead to internal branchiae.
p- j There is here another locality in which a peculiar fauna
lives, viz., the rocks of waterfalls, which are of very frequent
occurrence in almost all our mountain rivulets. On these rocks, along which
the water is slowly trickling down , or which are continually wetted by the
spray of the waterfall, there live various beetles not to be met with anywhere
eise, larvse of diptera and caddis-flies, and a tadpole remarkable for its unusuall}^
long tail.
The pupse of caddis-flies living on the rocks of waterfalls (I examined three
species belonging to the Hydropsychidm, Hydroptilidce and Sericostomidce [Helico-
psyche]), as well as those living in the Bromeliae (a species belonging to the
Leptoceridoi), are distinguished by a ver}^ interesting feature. In other caddis-
flies the feet of the second pair of legs (and in some species those of the first
pair also) are fringed in the pupse with long hairs, which serve the pupa, aftcr
leaving its case, to swim to the surface of the water for its final transformation.
Now neither on the surface of bare or moss-covered rocks, nor in the narrow
Space between the leaves of Bromeliae, the pupae have any necessit}^ nor would
even be able, to swim, and in the four species living on such localities which I
examined, and which belong to as many different families, the feet of the pupse
are quite hairless, or nearly so, while in allied species of the samc families or
even genera {Helicopsyche) the fringes of the legs, used for swimming, are well
developed.
This abortion of the useless fringes in the caddis-flies inhabiting the Bromelia«
and waterfalls appears to me to be of considerable interest, because it cannot be
On ihe abortion of the hairs on the legs of certain coddis-flies.
775
considered, as in many other cases, as a direct consequence of disuse; for at the
time when the pupse leave their cases and when the fringes of their feet are
proving either useful or useless, these fringes as well as
the whole skin of the pupa, ready to be shed, have no con-
nection whatever with the body of the insect; it is there-
fore impossible that the circumstance of the fringes being
used or not for swimming, should have an}'^ influenae on
their being developed or not developed in the descendants
of these insects. As far as I can see, the fringes, though
useless, would do no härm to the species, in which they
have disappeared, and the material saved by their not
being developed appears to be quite insignificant, so that
natural selection can hardly have come into play in this
case. The fringes might disappear casually in some indi-
viduals; but, without selection, this casual Variation would
have no chance to prevail. There must be some constant
cause leading to this rapid abortion of the fringes on the
feet of the pupae in all those species in which they have
become useless, and I think this may be atavism. For
caddis-flies, no doubt, are descended from ancestors which
did not live in the water, and the pupse of which had no
fringes on their feet. Thus there may even now exist in
all caddis-flies an ancestral tendency to the production
of hairless feet in the pupae, which tendency in the com-
mon species is victoriously counteracted by natural selec-
tion, for any pupa, unable to swim, would be mercilessly
drowned. But as soon as swimming is not required and
the fringes consequently become useless, this ancestral ten-
dency, not counterbalanced by natural selection, will pre-
vail, and lead to the abortion of the fringes.
I do not remember having seen, in any list of clei-
stogamic plants, the Podostemaceee. These curious little
aquatic plants, which Lindley placed near the Piperaceee,
Kunth between the Juncaginese and Alismacese, and which Sachs considers
as being of quite dubious affinity, cover densely the stones in the rapids of our
rivers ; on the branches which come above the surface of the water, there are
pedunculated, open, fertile flowers; but there are numerous sessile flower-buds
also on the branches, which probably remain submerged for ever; I have not
yet ascertained whether these submerged flowers are fertile; if they are so, they
can hardly fall to be cleistogamic.
Blumenau, St. Catharina, Brazil, January 21, 1879.
Fritz Müller.
Fig. 2. Fig. 3.
Fig. 2. Tibia and tarsus
of the two pairs of legs of
the pupa of a species of
Leptoceridce, inhabiting Bro-
melise.
Fig 3. The same of a
nearly allied species inhabi-
ting rivulcts.
Bud- Variation in Bananas^).
In my garden there is a large plant (planted about eleven years ago) of a
variety of banana, distinguished by purplish stems and petioles, red fruits, and
by a very peculiar flavoiir of the latter. From the centre of this plant, covered
by the rotten stems of former years, there are now growing green stems, with
green petioles; one of them has already produced fruits, which were green when
immature, and yellow when ripe, and the flavour of which I found to be but
slightly altered. All the young stems growing from the circumference of the
plant are purplish.
May not many of the varieties of bananas have been produced by bud-
variation ?
Itajahy, April 7. 1879.
I) Nature 1879. Vol. XX. p. 146.
Schützende Färbung und die Farbenempfindung
der Tiere ^).
Den im Kosmos (Bd. II, S. 5g) besprochenen Mittheilungen hat Sir John
L u b b o c k eine neue Reihe werthvoller, scharfsinnig ausgedachter und sorgsam
durchgeführter Versuche an Ameisen folgen lassen ^), Unter anderen stellte er
eine lange Reihe lehrreicher Versuche an über das Verhalten der Ameisen gegen
verschieden gefärbtes Licht und schliesst aus denselben: i) Ameisen haben das
Vermögen, Farben zu unterscheiden; 2) sie sind sehr empfindlich gegen Violet
und 3) scheint es, dass ihre Farbenempfindungen sehr verschieden sein müssen
von den unsrigen. Auch der dritte dieser Sätze erhält durch Sir John Lub-
bock's Versuche eine, wie mir scheint, ausreichende, thatsächliche Begründung.
Das häufige Vorkommen des Daltonismus, einer so tief greifenden Ver-
schiedenheit der Farbenempfindung unter den Menschen, lässt es nicht unwahr-
scheinlich erscheinen , dass ähnliche und noch erheblichere Verschiedenheiten
zwischen den verschiedenen Arten der Thiere bestehen. Auf dieselbe Vermuthung
führt das Verhalten gewisser Schmetterlinge und Bienen gewissen Blumen gegen-
über. Wenn z. B. Callidryas scheinbar achtlos an blauen Blumen vorüberfliegt
und benachbarte gelbe oder rothe aufsucht, die uns weit weniger augenfällig
vorkommen, möchte man diesen Falter für blaublind halten, wie den Homer des
Dr. Magnus. Umgekehrt sammelte sich an einem himmelblauen Salbei meines
Gartens, ohne den daneben blühenden, von Callidryas besuchten, leuchtend rothen
Salbei zu beachten, Melissoda Latreillii, eine prächtige, blau glänzende Biene,
deren Männchen sich durch ungewöhnlich lange Fühler auszeichnen.
Und doch darf man wohl behaupten, dass die Mehrzahl der höheren Wirbel-
und Gliederthiere die Farben in ganz ähnlicher Weise empfindet und unter-
scheidet, wie wir. Das soll natürlich nur sagen, dass sie dieselben Farben em-
pfinden, wie wir, und dass ihnen und uns dieselben Farben gleich, oder ähnlich,
oder verschieden und zwar in ähnlichem Grade verschieden erscheinen. Mehr
können wir ja auch von unseren Mitmenschen kaum behaupten, mit denen wir
uns über ihre Farbenempfindungen durch die Sprache verständigen können. Den
Beweis für meine Behauptung liefert das weite Gebiet der schützenden Färbungen
1) Kosmos 1879. Bd. V. S. 62 — 63.
2) Journ. Linn. Soc. Zool. Vol. XIV. pag. 266.
•j-j^ Schützende Färbung und die Farbenempfindung der Thiere.
und täuschenden Nachahmungen. Die Feinde, vor denen die beireffenden Thiere
auf diesem Wege geschützt werden, müssen natürhch eben so getäuscht werden,
wie wir. Sie können also i) nicht auffallende Farbenunterschiede bemerken, wo
uns solche entgehen; sonst würde eben für sie keine täuschende Aehnlichkeit
vorhanden sein in allen Fällen, wo sie für uns besteht. Sie miissen aber auch
2) alle dieselben, oft recht feinen Farbenabstufungen unterscheiden, in welchen
Vorbild und Nachbild übereinstimmen; sonst hätten sie nicht durch Vertilgung
aller minder genau übereinstimmenden Nachahmer die Uebereinstimmung auf
einen oft so wunderbaren Grad der Vollkommenheit treiben können.
Vor einem Daltonisten würde ein kirschrother Käfer im grünem Laube ge-
schützt sein. Es wäre wohl möglich, dass ähnliches auch in der Thierwelt vor-
käme, und vielleicht sind solche FäUe bisher nur deshalb nicht beobachtet wor-
den, weil man nicht an die Möglichkeit ihres Vorkommens gedacht hat. Jeden-
falls aber dürften sie nur seltene Ausnahmen von der allgemeinen Regel bilden.
Itajahy, November 1S78.
Ituna und Thyridia^).
Ein merkwürdiges Beispiel von Mimicry bei Schmetterlingen^).
Mit 4 Textfiguren.
Die Gattungen Ituna und Methona wurden 1847 vonDoubleday errichtet
und zwischen Eutresis und Thyridia in die Familie der Heliconien eingereiht,
aus welcher sie später mit den Ithomien und deren ganzer Vetterschaft zu den
Danainen versetzt wurden. Methona hat man neuerdings mit Thyridia Hübn.
vereinigt und neben dieser steht noch in Kirby's Verzeichniss der Tagfalter
(1871) die Gattung Ituna.
Man scheint diese beiden Gattungen also von jeher als nächste Verwandte
betrachtet zu haben und noch zu betrachten. Und doch ist ihre Aehnlichkeit
keine ererbte, auf Blutsverwandtschaft beruhende, sondern eine erworbene, durch
Nachahmung entstandene. Merkwürdig schon dadurch, dass die Thiere nicht
etwa nur lebend flüchtige Sammler, sondern, sorgfältig verglichen, gelehrte Forscher
zu täuschen vermochten, wird die Aehnlichkeit der genannten Gattungen in noch
höherem Grade beachtenswerth dadurch, dass sie sich herausbildete zwischen
Thieren, welche beide durch Ungeniessbarkeit geschützten Faltergruppen ange-
hören. Auf diese Nachahmung unter geschützten Arten findet die für die ge-
wöhnlichen Fälle der Mimicry zutreffende Erklärung (und eine andere ist bis
jetzt meines Wissens nicht gegeben worden) keine Anwendung.
Ituna Ilione und Thyridia Megisto, deren Flügel ich hier vorlege, sind zwei
bei uns ziemlich seltene Falter. Zu der Aehnlichkeit der Flügel, die sich in der
Anordnung der gelbhchen Glasflecken, der schwarzen Adern und Binden, welche
diese Flecken durchziehen und trennen, und der weissen Flecken ausspricht,
welche den schwarzen Saum der Flügel zieren, kommt noch die lange gelbe
Fühlerkeule und die schwarzweisse Zeichnung des Leibes beider Arten. Beide
Falter theilen mit den Ithomien die Vorliebe für die weissen Blüthenköpfchen
1) Kosmos 1879. Bd. V. S. 100—108.
2) Anm. d. Red. d. Kosmos. Dieser Aufsatz, wie auch der über Epicalia Acontius (Kosmos IV.
S. 285 = Ges. Schriften S. 660), waren bereits vor dem Abdrucke der Wallace' sehen Arbeit über die
Farben der Pflanzen und Thiere in unseren Händen, woraus sich, bei der Entfernung des Herrn Verf.,
erklärt, dass er die neueren Wallace' sehen Aufstellungen nicht berücksichtigt hat.
78o
Ituna und Thyridia.
~'b
eines Adenostemma, das am Saume des Waldes, wie am Rande durch den Wald
führender Wege zu wachsen pflegt, besuchen aber auch andere, besonders weisse
Blumen derselben Familie (Compositae), z. B. Vernonia, Mikania, Baccharis; auf
Blumen aus anderen Familien entsinne ich mich nicht, sie gesehen zu haben.
Die Merkmale, durch welche Doubleday die Gattung Ituna von der im
Aussehen so ähnlichen Methona und Thyridia schied, würden nicht hindern, die-
selben als nächste Ver-
wandte zu betrachten,
und auch die Unter-
schiede, auf welche ich
jetzt hinweisen will, mö-
gen recht unerheblich
erscheinen; sie erhalten
ihre Bedeutung dadurch,
dass sie sich wieder-
holen in einer langen
Reihe verwandter Arten,
von denen die einen
mit Ituna, die anderen
mit Thyridia überein-
stimmen, dass sie also
hinweisen auf eine vor
langer Zeit erfolgte
Scheidung der Danainen
Flügel von Ituna Ilione (^ \ Unterseite
Flügel von Thyridia Megisto Qj
Die Zahlen am Flügelrande bezeichnen die Flügelrippen nach Herrich-
Schäffers Zählungsweise.
Fig. I.
Fig. 2.
in zwei Gruppen, deren eine Ituna, deren andere Thyridia angehört, und dass
sie somit eine gleich frühe Trennung dieser beiden Gattungen beweisen.
Zunächst sieht man am Hinterflügel beider Arten zwischen je zwei Flügel-
rippen zwei weisse Randflecken ; auch zwischen Rippe i b und 2 hat Ituna die-
selbe, Thyridia dagegen die doppelte Zahl, also vier solcher Flecken. Es sieht
aus, als wäre das Feld zwischen diesen beiden Rippen ein Doppelfeld, und das
ist es auch. Ursprünglich hatte jeder Schmetterlingsflügel, wie viele Nacht-
schmetterhnge und die Puppen der Tagfalter beweisen, drei Innenrandsadern
zwischen Mittelzelle und Innenrand; bei den Tagfaltern ist die vorderste dieser
drei Adern oder Rippen (i c) geschwunden, wenn auch nicht immer spurlos; bei
Acraea Thalia z. B. ist ihr Verlauf an den Hinterflügeln durch eine Reihe
schwarzer Haare bezeichnet, wie sie auch längs der übrigen, wohl entwickelten
Flügelrippen stehen. In vielen anderen Fällen ist von der geschwundenen Flügel-
rippe (i c) selbst kaum noch etwas zu sehen, aber ihr früheres Vorhandensein
verräth sich noch in der Zeichnung der Flügel, welche das Feld zwischen Rippe
1 6 und 2 als ein doppeltes erscheinen lässt. In anderen Fällen hat sich auch
diese Andeutung des ursprünglichen Zustandes verloren, und das frühere Doppel-
feld zeigt dieselbe Zahl von Punkten oder Flecken, wie alle übrigen. Wie bei
Thyridia erscheint nun das betreffende Flügelfeld noch als Doppelfeld bei Dir-
cenna, Ceratinia, Mechanitis, Melinaea, überhaupt bei dem ganzen Verwandt-
schaftskreise der Ithomien; dagegen wie bei Ituna einfach bei Lycorea und Da-
nais (sowie, nach Abbildungen zu schliessen, bei Hestia und Euploea).
Ituna und Thyridia. «7 gl
Ein zweites, die Gattungen Thyridia und Ituna unterscheidendes Merkmal
besteht in dem Vorhandensein einer kleinen ,.Wurzelzelle", wie sie Herrich-
Schäffer nennt, am Grunde der Hinterflügel von Ituna; dieselbe kommt auch
bei Lycorea und Danais vor, fehlt dagegen bei Thyridia, wie bei allen übrigen
Verwandten der Ithomien . Diese „Wurzelzelle" pflegte Herrich-Schäffer,
wo er sie fand, als Familien-Merkmal zu benutzen. Er unterschied z. B. durch
deren Fehlen oder Vorhandensein die Familien der Heliconinen und Danainen,
welch' letztere er auf die Gattung Danais beschränkte. Hätte er also bei Ituna
und Lycorea die allerdings recht winzige Wurzelzelle nicht übersehen, so würde
er schon diese beiden Gattungen von den Ithomien getrennt und Danais an-
geschlossen haben.
Fig. 3- Vordere Hälfte der Flügelwurzel der
Hinterflügel von Ituna Ilione (^.
Fig. 4. Vordere Hälfte der Flügelwurzel der
Hinterflügel von Thyridia Megisto (5".
PC Präcostalis. C Costaiis. SC Subcostalis.
IVZ Wurzelzelle.
Fig. 3- Fig. 4.
Drittens schliesst sich auch in der Bildung der Duftwerkzeuge der Männchen
Thyridia an die Ithomien, Ituna an Lycorea und Danais an. Die Männchen von
Ithomia und ihren Verwandten besitzen bekanntlich einen duftenden „Haarpinsel
auf der Oberseite der Hintcrflügel, vorn an der Subcostalrippe" (Herrich-
Schäffer), dessen sich schon Herrich-Schäffer zur Unterscheidung der-
selben bediente. Gerade bei Thyridia Megisto ist der Geruch dieser Haarpinsel
recht kräftig, und es ist die einzige mir bekannte Art, bei welcher diese von den
Männchen erworbene Auszeichnung auch auf die Weibchen übertragen worden
ist, freilich bei letzteren weit dürftiger entwickelt und schwächer duftend. Bei
Ituna fehlt den Hinterflügeln dieser Haarpinsel; dagegen besitzen die Männchen,
wie schon Doubleday wusste, zwei fingerförmige Fortsätze am Ende des
Hinterleibes, die willkürlich ausgestülpt und eingezogen werden können; sie
tragen einen mächtigen schwarzen Haarbusch, der sich beim Vorstülpen nach
allen Richtungen, wie eine Kugelbürste, ausspreizt und einen sehr starken, für
mich widerlichen, Schnupftabaksgeruch verbreitet. Dieselben Duftbüschel am
Ende fingerförmiger Fortsätze finden sich in ganz gleicher Weise bei Lycorea
und ebenfalls, wenn auch minder mächtig entwickelt und schwächer duftend, bei
Danais Gilippus und Erippus, bei welchen man sie bis jetzt übersehen zu haben
scheint.
Auf Grund dieser Merkmale, von denen namentlich die ersteren, weil offen-
bar bedeutungslos für die Wohlfahrt der Thiere, als sichere Zeichen gemeinsamen
Ursprungs gelten dürfen, sind die Ithomiinen und die eigentlichen Da-
nainen (Danais, Lycorea, Ituna; — Ilestia und Euploea kenne ich nur aus Ab-
bildungen) als zwei seit langer Zeit getrennte Gruppen zu betrachten, die sich
mindestens so fern stehen, wie etwa Acraeinen und Maracujaf alter. Auch diese
beiden Gruppen unterscheiden sich durch das Feld zwischen Rippe i b und 2 der
Hinterflügel, welches bei den Acraeinen wie bei den Ithomiinen ein Doppelfeld,
bei den Maracujaf altern wie bei den Danainen einfach ist. Die Raupen der
y82 llunu und Thyiidia.
Acraeinen und Maracujäf alter stimmen vollständig überein, nicht so die der Da-
nainen und Ithomiinen; erstere, so weit bekannt, auf Asclepiadcen lebend, tragen
auf dem Rücken zwei (Danais Erippus), drei (Danais Gilippus) oder vier (Euploea
Midamus) Paar langer, fadenförmiger, weicher, nicht zurückziehbarer „Tentakel";
letztere, so weit bekannt, auf Solaneen oder den nahe verwandten Scrofularineen
lebend, sind entweder ganz ohne Anhänge oder haben unterhalb der Luftlöcher
fleischige, kegelförmige Fortsätze (Mechanitis Lysimnia) ^).
Wenn nun nach allen Merkmalen Thyridia zu den Ithomiinen, Ituna zu den
echten Danainen gehört (wenn also letztere nicht, wie K i r b y thut, durch die
Ithomiinen-Gattung Athesis von Lycorea getrennt werden darf), so könnte die
Aehnlichkeit dieser beiden Gattungen nur dann eine von gemeinsamen Ahnen
ererbte sein, wenn in ihnen die Tracht der Urahnen aller Ithomiinen und Da-
nainen sich erhalten hätte. Daran aber ist nicht zu denken. Hätten die Urahnen
Flügel mit ausgedehnten Glasflecken besessen, so würden nicht so zahlreiche
Arten beider Gruppen zu der ursprünglichen Bildung vollständig beschuppter
Flügel zurückgekehrt sein. Auch würden mit gleichem Rechte Lycorea und
verschiedene in Zeichnung und Färbung ihr auffallend ähnliche Ithomiinen be-
anspruchen dürfen, die uralte Familientracht bewahrt zu haben.
So liegt also ein Fall erworbener Aehnlichkeit vor, ein Fall von Nach-
ahmung oder Mimicry. Aber welche der beiden Arten, Ituna Ilione oder Th}^-
ridia Megisto, ist das Urbild, welche das täuschende Nachbild? Doch kann da-
rüber je ein Zweifel sein ? Ist nicht das Vorbild immer eine häufige, in zahllosen
Schwärmen auftretende, das Nachbild eine hundertfach seltenere Art ? Trägt nicht
das Vorbild die ererbten Farben seiner Gattung und Familie, während das Nach-
bild, mit fremden Federn geschmückt, seine ursprüngliche Familientracht abge-
legt hat? Und ist nicht das Vorbild durch widerlichen Geschmack und Geruch
ungeniessbar und dadurch sicher vor Feinden, und sucht nicht eben deshalb das
Nachbild unter seiner Maske Schutz, weil es ohne diese als leckerer Bissen ver-
speist werden würde? — Schade nur, dass all' diese Kennzeichen gar manchmal
im Stiche lassen.
Die nachahmende Art kann, wenigstens in einzelnen Bezirken, häufiger sein,
als ihr Vorbild. Es können ja, wenn beide Arten in ein neues Gebiet sich ver-
breiten, hier die Verhältnisse der ursprünglich häufigeren ungünstig, der selteneren
g-ünstig sein, und es kann so das ursprüngliche Zahlenverhältniss sich umkehren;
ja dasselbe kann im Laufe der Zeit am alten Wohnsitz der Arten geschehen.
In der Provinz Santa Catharina ist Archonias (Euterpe) Tereas fast das ganze
Jahr hindurch an Waldwegen häufig; dagegen gehört sein Vorbild, Papilio Ne-
phalion, zu den seltenen Schmetterlingen. Das Zahlenverhältniss verschiedener
Arten wechselt bisweilen recht erheblich in auf einander folgenden Jahren; es
kann ein völlig umgekehrtes sein auf ziemlich nahe liegenden Gebieten. Hier
am Itajahy ist Colaenis Julia bei weitem häufiger als der täuschend ähnliche, nur
kleinere Eueides Aliphera; dagegen fand ich vor einigen Monaten im Norden
I) Die von Boisduval (Spec. g^n. Lepidopt. PI. 4 Fig. 9) abgebildete, der Stalachtis (Nerias)
Euterpe zugeschriebene Raupe scheint die einer Mechanitis zu sein ; sie gleicht aufs Haar der von Mecha-
nitis Lysimnia. Ein Blick auf diese Figur und Fig. 10 und 11 derselben Tafel, welche Raupen echter
Danainen darstellen, zeigt sofort die grosse Verschiedenheit zwischen Danainen- und Ithomiinen-Raupen,
Ttuna und Thyridia. , «73-1
unserer kleinen Provinz, auf dem Hochlande bei S. Bento, den Eueides Aliphera
in solcher Menge, dass ich einige Male ihrer acht mit einem Schlage des Netzes
fing, während ich Colaenis Julia im Laufe einer Woche kaum zwei- oder dreimal
sah. Es scheint sogar der Fall nicht undenkbar, dass das Urbild einer nach-
ahmenden Art ausstirbt und letztere erhalten bleibt. So könnten, nach der Mei-
nung von Mr. Trimen und Mr. A. G. Butler^), Papilio Antimachus und Pa-
pilio Zalmoxis Nachahmungen riesiger, ausgestorbener oder noch unbekannter
Acraea-Arten sein. Im vorliegenden Falle sind, wenigstens in Santa Catharina,
beide Arten selten, und ihre Zahl giebt somit keinen Anhalt zur Ermittelung des
Urbildes.
Das zweite Kennzeichen, dass das Urbild sein eigenes, die Maske ein frem-
des Gewand trägt, findet eine um so leichtere und sichere Anwendung, je ver-
schiedeneren Gruppen die beiden ähnlichen Arten angehören, je weiter also die
nachahmende Art von dem gewohnten Aussehen ihrer Verwandten sich entfernen
musste. Wenn gewisse Heuschrecken (Scaphura) sich in Grabwespen (Pepsis),
wenn andere (Phylloscyrtus) sich in Raubkäfer (Odontocheila), wenn wieder andere
sich sogar in Spinnen -) verkleiden, so kann in diesen Fällen um so weniger ein
Zweifel darüber sein, welches die nachahmende Art sei, als sofort auch der Nutzen
der Verkleidung in die Augen springt ^).
Auch bei manchen anderen, sich minder fern stehenden Arten, leistet dieses
Kennzeichen noch gute Dienste ; so ist die schwarze Archonias Tereas mit dem
weissen Flecken der Vorder-, dem rosenrothen der Hinterflügel eine ganz fremde
Erscheinung unter ihren Gattungs- und Familiengenossen, während Papilio Ne-
phalion einer langen Reihe ähnlich gefärbter Arten angehört, so dass man, auch
wo dieser Papilio selten, Archonias Tereas aber häufig ist, doch nicht in Ver-
suchung kommen kann, letzteren Falter als Vorbild des ersteren anzusehen.
Je näher verwandt die beiden ähnlichen Arten sind, je ähnlicher sie schon
von vorn herein waren, um so misslicher wird im Allgemeinen die Anwendung
dieses zweiten Kennzeichens werden; es wird völlig unanwendbar sein, wo der
nächste Verwandtenkreis der einen wie der anderen Art überhaupt einer gemein-
samen, eigenthümlichen, scharf ausgeprägten Form, Zeichnung und Färbung ent-
behrt. Colaenis Julia und Eueides Aliphera können hier wieder als Beispiel
i) Raphael Meldola, Entomological Notes, bearing on Evolution. Ann. and Magaz. of Nat.
bist. February 1878. p. 157.
2) Ich habe diese Verkleidung nirgends erwähnt gefunden ; ich sah sie ein einziges Mal. Auf einem
Blatt sass ein Thier, das ich zunächst für eine Spinne hielt, welches aber doch ein etwas befremdliches
Aussehen hatte ; ich besah es von allen Seiten, ohne ins Klare zu kommen, was es sei, bis es aufsprang
und wegflog. Das Wunderlichste daran waren die langen, spinnenartig in die Quere gestellten Beine.
3) Und doch ist dieses unmöglich scheinende Missverständniss einem deutschen Professor gelungen.
In seinem sehr frisch und anregend geschriebenen, an neuen Thatsachen und Gedanken reichen Buche:
.,Die Insekten", das freilich über ausländische Arten auch sonst manches Verkehrte bringt, spricht Pro-
fessor Vitus Graber (Bd. II, i. S. 72) von „gewissen Sandwespen, welche, um ihre Beute, das Grillen-
genus Sphacura, leichter zu überlisten, sich in den Habit ihrer Opfer werfen." Das „Grillengenus Spha-
cura" soll jedenfalls die Locustinengattung Scaphura sein. Der Herr Professor hat es für gut befunden,
den Namen ebenso zu verdrehen, wie die Thatsache. Die Wespe sieht nicht Heuschrecken ähnlich, son-
dern die Heuschrecke Wespen ähnlich aus. Die Wespe trägt allerdings Heuschrecken, und zwar nichts
als Heuschrecken, für ihre Brut ein, darunter aber niemals, so viel ich gesehen, Scaphuren. Diesen dient
eben ihre täuschende Wespenähnlichkeit als Schutz.
n^A Ituna und Thyridia.
dienen. In der Gattung Colaenis findet sich neben der feurig" rothen Julia die
grüne Dido und andere Arten mit wieder anderer Färbung und ganz abweichen-
dem Flügelschnitt. In der Gattung Eueides aber steht neben der feurigrothen
Aliphera die bunte Isabella und die Acraea-ähnliche Pavana.
Von den beiden Gattungen, von welchen wir ausgegangen sind, besitzt nun
wohl Thyridia eine grössere Zahl ziemlich ähnlicher Verwandten (z. B. Dircenna),
als Ituna, und man dürfte vielleicht letztere um so eher für die nachahmende Art
halten, als sie auch in Betreff der Blumen die Geschmacksrichtung der Ithomiinen
und nicht die der blutsverwandten Danais zu theilen scheint.
Dass endlich drittens das Vorbild durch unangenehmen Geruch und Ge-
schmack vor Feinden geschützt ist, während die nachahmende Art eines solchen
Schutzes entbehrt und eben deshalb die Verwechselung mit dem unschmack-
haften Vorbilde ihr nützlich wird, würde Vorbild und Nachbild sicher unter-
scheiden lassen, wenn alle für insektenfressende Vögel unschmackhafte Kerfe
auch für uns einen anwidernden Geruch besässen und wenn nicht auch für uns
widerlich riechende Schmetterlinge als Nachahmer aufträten.
Die Ithomien des Amazonas und ihre Verwandten (z. B. Mechanitis) werden,
wie Bat es beabachtete, von so vielen Schmetterlingen aus den verschiedensten
Familien nachgeahmt, dass man sie gewiss mit Recht als durch Unschmack-
haftigkeit gegen die Verfolgung der Vögel gesichert betrachtet, und doch hat
man bei ihnen, so viel ich weiss, einen widerlichen Geruch noch nicht wahr-
genommen ^) ; der Geruch, den die Duftpinsel der Männchen verbreiten, ist meist
i) Woher rührt wohl die von Professor Delboeuf (Kosmos, Bd. II, S. io6) angeführte Angabe,
dass „die Heliconiden" (es handelt sich a. a. O. nicht um Heliconius, sondern um Ithomia!), „wenn
sie in Gefahr kommen, eine ekelerregende Flüssigkeit aussondern, welche sie zum unangenehmsten aller
Nahrungsmittel macht." ? — Wahrscheinlich entfloss sie der Feder eines jener zahlreichen Nachbeter von
B a t e s und W a 1 1 a c e , welche die bahnbrechenden Arbeiten dieser unübertrefflichen Beobachter über
Mimicry und schützende Aehnlichkeit bis zur völligen Plattheit breit treten und dabei glauben, durch
Uebertreibung und eigene Zuthat dem oft aufgewärmten Gerichte neue Würze geben zu müssen. Wenn
Bennett (a. a. O.) meint, dass man zwischen der Urform von Leptalis und deren durch ihre Aehnlich-
keit mit Ithomia geschützten Nachkommen mindestens tausend Zwischenformen annehmen müsse, so ist
auch das eine solche von völliger Unkenntniss des Gegenstandes zeugende Uebertreibung, und der auf
diese Annahme gestützte Beweis, dass die Mimicry der Leptalis nicht durch natürhche Auslese habe ent-
stehen können, ein Luftgebilde, auf welches der treffliche Ausspruch Harvey's passt, an den Huxley
kürzlich erinnert hat (Nature XVII, p. 418), und den ich in des Letzteren Uebersetzung anführen will:
„For those who read the words of authors and to whom impressions of their own senses do not repre-
sent the things signified by those words, conceive, not true ideas, but false eidola and inane phantoms;
whence they fill tlieir minds with shadows and chimaeras, and their whole theory (which they think to
be science), represents but a waking dream or a sick man's delirium." — Bennett hat schwerlich jemals
selbst Leptalis und Ithomia fliegen sehen. Auch er nimmt offenbar an, wie Andere, die ähnliche Ein-
würfe gemacht haben, dass die Stammform von Leptalis weiss gewesen sei. Dass sie dies aller Wahr-
scheinlichkeit nach nicht war, dass sie vielmehr wahrscheinlich ähnlichen Flügelschnitt, ähnliche Zeichnung
und Färbung besass, wie viele Ithomiinen, habe ich anderwärts nachzuweisen versucht (Jenaische Zeitschr., X,
S. I. 1876 = Ges. Schriften S. 511). Wenn es heute weisse Leptalis-Arten giebt, zum Theil gewöhnlichen
Weisslingen (Pieris) so ähnlich, dass sie von Boisduval als Pieris beschrieben wurden (Leptalis Nehemia),
so sind dies Nachahmer von Weisslingen. Auch wenn man den Betrag der ursprünglichen Verschiedenheit
zwischen Leptalis und Ithomia mögliclist hoch anschlägt und ihn vergleicht mit dem Betrag individueller Ver-
schiedenheit bei veränderlichen Schmetterlingsarten, werden einige Dutzend Zwischenformen mehr als genügen,
die Lücke zu füllen, wobei schon die erste dieser Zwischenformen eine merkbare Annäherung an die ge»
Ituna und Thyridia. ^3";
sehr schwach und nichts weniger als unangenehm, vichnehr vanille- oder rosen-
ähnlich; in ihm kann also die Ursache der Unschmackhaftigkeit wohl um so
weniger gesucht werden, als er seinen Sitz in den Flügeln hat, die gar nicht
mit gefressen werden. So haben wir also zahlreichen Nachahmern als Vorbild
dienende Arten ohne für uns erkennbare Widrigkeit.
Auf der anderen Seite befindet sich unter den mannigfachen Nachahmern
der hier zweimal im Jahre in zahlloser Menge erscheinenden Acraea Thalia auch
der wohl mehr als tausendmal seltnere Eueides pavana, der dieselbe Stinkvor-
richtung am Ende des Hinterleibes und denselben widrigen Geruch besitzt, wie
alle übrigen Maracujafalter. Ebenso ist die Aehnlichkeit der drei in gleicher
Weise stinkenden Vettern Eueides Aliphera, Colaenis Julia und Dione Juno sicher
höchstens zum kleineren Theile ererbt, wenigstens zum grösseren Theile aber
nachträglich erworben. Ferner haben die kräftig stinkenden Eueides Isabella
und Heliconius Eucrate entweder einander oder gemeinsam die (von dem äusserst
schwachen, für uns meist kaum wahrnehmbaren Dufte der Männchen abgesehen)
für uns geruchlose Mechanitis Lysimnia nachgeahmt, und unter den zahlreichen
Schmetterlingen, die den drei letztgenannten ähnlich genug sind, um gelegentlich
mit ihnen verwechselt zu werden, befinden sich auch Arten aus den Gruppen
der Ithomiinen (Melinaea) und der echten Danainen (Lycorea).
In die Reihe dieser Fälle nun, in welchen die beiden ähnlichen Arten gleich
gut durch Unschmackhaftigkeit geschützt scheinen, gehören auch Thyridia und
Ituna. Erstere gehört zu den Ithomiinen, von deren Ungeniessbarkeit eben ge-
sprochen wurde, letztere zu den Danainen, welche als Vorbilder nachahmender
Arten eine ähnliche Rolle spielen in der alten Welt, wie die Ithomiinen in der
neuen. Ja sie trotzen noch nach ihrem Tode vermöge ihrer Ungeniessbarkeit
dem in Gestalt von Milben und ähnlichem Geschmeiss verkörperten Zahne der
Zeit, Mr. Raphael Meldola legte im vorigen Jahr der Londoner entomolo-
gischen Gesellschaft die letzten Reste einer grösstentheUs durch Ungeziefer zer-
störten alten indischen Schmetterlingssammlung vor. „Die überlebenden Stücke
gehörten alle zu geschützten Gattungen (Euploea, Danais und Papilio), was be-
weist, dass die Eigenschaft, die diese Kerfe umschmackhaft macht, in gewissem
Grade auch nach dem Tode erhalten blieb" ^).
Was bedeutet nun diese Mimicry geschützter Arten ? Welchen Vortheil kann
es dem seltenen Eueides pavana bringen, der gemeinen Acraea Thalia so wun-
derbar ähnlich zu sein? Welchen Nutzen kann es überhaupt für zwei Arten
haben, einander ähnlich zu sein, wenn jede für sich durch Ungeniessbarkeit vor
Verfolgung geschützt ist? — Offenbar gar keinen, wenn insektenfressende Vögel,
Eidechsen u. s. w. die Kenntniss der für sie geniessbaren und ungeniessbaren
Kerfe mit auf die Welt bringen, wenn ein unbewusstes Hellsehen ihnen sagt,
unter welchem Gewände sie einen leckeren Bissen zu verfolgen, unter welchem
einen ekelhaften zu meiden haben. Wenn aber jeder einzelne Vogel erst durch
schützte Art zeigen, also einen merkbaren Vortheil ihren Verfolgern gegenüber haben wird. Man darf
nicht ausser Acht lassen, dass es sich eben nur um eine Maske, nicht aber um tiefgreifende Umwand-
lungen des Baues handelt.
i) Nature, Vol. XVI, p. 155. — Kosmos I, S. 442.
Fritz Müllers gesaifamelte Schriften. 5*^
-i<^() Ituna und Thyridia.
eigene Erfahrung diese Unterscheidung lernen muss, so wird auch von den un-
geniessbaren Schmetterhngsarten eine gewisse Zahl dem noch unerfahrenen
jugendlichen Nachwüchse der Schmetterlingsfresser zum Opfer fallen. Wenn nun
zwei ungeniessbare Arten einander zum Verwechseln ähnlich sind, so wird die
an einer derselben gemachte Erfahrung auch der anderen zu Gute kommen;
beide zusammen werden nur dieselbe Zahl von Opfern zu stellen haben, die jede
einzelne stellen müsste, wenn sie verschieden wären. Sind die beiden Arten
gleich häufig, so werden beide aus ihrer Aehnlichkeit den gleichen Nutzen ziehen ;
jede wird die Hälfte des Tributes sparen, den sie der jugendlichen Unerfahren-
heit ihrer Feinde zu bringen hat. Ist aber die eine Art häufiger, so wird sich
der Nutzen ungleich vertheilen, und zwar der verhältnissmässige Vortheil, der
für jede der beiden Arten aus ihrer Aehnlichkeit erwächst, sich umgekehrt ver-
halten, wie das Quadrat ihrer Häufigkeit ^). Mögen z. B. in einem gewissen Be-
zirke während eines Sommers 1200 Schmetterlinge einer ungeniessbaren Art ver-
tilgt werden, bis diese als solche erkannt ist, und mögen daselbst 2000 von einer,
10 000 von einer zweiten ungeniessbaren Schmetterlingsart leben. Sind sie ganz
verschieden, so wird jede 1200 Stück verlieren; sind sie täuschend ähnlich, so
wird sich dieser Verlust im Verhältniss ihrer Häufigkeit unter sie vertheilen, die
erstere wird 200, die zweite 1000 verlieren. Erstere gewinnt also durch die Aehn-
lichkeit 1000 oder 50 Proz. der Gesammtzahl, letztere nur 200 oder 2 Proz. ihrer
Gesammtzahl. Während also die Häufigkeit der beiden Arten sich verhält wie
I : 5, verhält sich der Vortheil, den sie von der Aehnlichkeit haben, wie 25 : i.
Handelt es sich um zwei Arten, von denen die eine sehr häufig, die andere
sehr selten ist, so fällt der Vortheil so gut wie ganz auf Seite der selteneren
Art. Wäre z. B. Acraea Thalia tausendfach häufiger als Eueides pavana, so
würde letztere einen millionenfach grösseren Nutzen von der Aehnlichkeit dieser
beiden Arten haben, für Acraea ist dieser Nutzen so gut wie Null. So konnte
Eueides pavana durch natürliche Auslese zu einer der gelungensten Nachahmungen
von Acraea Thalia herangebildet werden, obwohl er eben so umschmackhaft ist,
wie die nachgeahmte Art.
Sind dagegen zwei oder auch mehrere ungeniessbare Arten nahezu gleich
häufig, so wird Aehnlichkeit ihnen nahezu gleichen Vortheil bringen, und jeder
Schritt, den die eine oder andere in dieser Richtung thut, wird durch natürliche
i) Seien a.^ und a.^ die Zahlen zweier ungeniessbaren Schmetterlingsarten in einem bestimmten Be-
zirk während eines Sommers, und sei n die Zahl der Schmetterlinge einer wohl unterschiedenen Art, die
im Laufe des Sommers verzehrt werden, bis deren Ungeniessbarkeit allgemein bekannt ist.
Wären die beiden Arten ganz verschieden, so verlöre also jede n Stück. Sind sie dagegen un-
unterscheidbar ähnlich, so verliert die erste , die zweite
a, -ha, a, + a.
Der absolute Gewinn durch die Aehnlichkeit ist also für die erste Art n
ai + aj aj -h a,
a, n
und ebenso für die zweite — * .
a, + a.
Dieser absolute Gewinn, verglichen mit der Häufigkeit der Art, giebt als relativen Gewinn für die
erste Art i, = ^ und für die zweite Art i, = —^ -, woraus sich sofort ergiebt
' aj (a, + a,) - a, (a, + a,)
Ituna und Thyridia. 787
Auslese erhalten werden Sie werden einander entgegen kommen und man wird
schliesslich nicht sagen können, welche von ihnen den anderen als Vorbild gedient
hat. So erklären sich jene Fälle, wo mehrere verwandte ungeniessbare Arten,
z. B, Colaenis JuHa, Eueides Aliphcra und Dione Juno einander ähnhch sind,
wo diese Aehnlichkeit sich nicht als ererbte auffassen lässt, und wo doch auch
keine der Arten vorwiegende Ansprüche zu haben scheint, den anderen als Vor-
bild gedient zu haben.
Es dürften hierher auch Ituna und Thyridia gehören, wenn schon wahr-
scheinlich Ituna die grössere Strecke des Weges zurückgelegt hat, der von frü-
herer Verschiedenheit zu ihrer jetzigen Aehnlichkeit geführt hat.
Itajahy, Septem.ber 1878.
50*
Ein Käfer mit Schmetterlingsrüssel ^).
Von H. Müller mit einer Beobachtung von F. Müller.
Mit I Textfigur.
Bienen und Schmetterlinge haben, als die umfassendsten Insektenabtheilungen
die sich ausschliesslich mit Blumennahrung beköstigen, nicht nur als unbewusste
Blumenzüchter, die bedeutendste Rolle gespielt 2); sie sind auch selbst durch ihre
Anpassung an die Gewinnung dieser Kost in der durchgreifendsten Weise um-
gestaltet worden, besonders in ihren der Nahrungsgewinnung am unmittelbarsten
dienenden Organen, den Mundtheilen. Während aber die Bienenfamilie v^on dem
ursprünglichen Grabwespenmunde der Prosopis bis zu dem ausgeprägten Saug-
rüssel der Hummel und Honigbiene die mannigfachsten Abstufungen darbietet,
und so die stattgehabte Umwandlung uns noch heute fast Schritt für Schritt
erkennen lässt, besteht dagegen zwischen dem Rüssel der Schmetterlinge und
dem Munde ihrer muthmaasslichen Stammeltern, der Phryganiden, eine Kluft,
die durch keine Zwischenstufe überbrückt wird. Denn die sehr unausgebildeten
Rüssel gewisser Falter sind gewiss nur als nachträgliche Verkümmerungen, nicht
aber als Ererbungen von uralten Stammeltern her zu betrachten.
Die Erklärung dieses auffallenden Unterschieds liegt in der alltäglichen Er-
fahrung, dass für raschere und erfolgreichere Leistungen auf irgend einem be-
sonderen Gebiete einseitige Beschränkung auf dasselbe eine der ersten Vor-
bedingungen ist. In einseitiger Beschränkung auf Gewinnung tief geborgenen
Blumenhonigs wurden aber die Bienen von den Schmetterlingen von Anfang an
in mehrfacher Hinsicht übertroffen.
Während nämlich die Bienen, gleich ihren muthmaasslichen Stammeltern,
den Grabwespen, auf die Anfertigung und Sicherstellung ihrer Bruthöhlen einen
sehr bedeutenden Theil ihrer Zeit und Kraft zu verwenden haben, liegt den
Schmetterlingen, gleich ihren muthmaasslichen Stammeltern, den Phryganiden,
keine andere Brutversorgung ob, als das Ablegen der Eier an einen passenden
Ort und allenfalls noch die schützende Ueberkleidung derselben (z. B. mit After-
wolle, beim Schwammspinner, Liparis dispar u. a.). Während daher bei den
i) Kosmos 1879/80, Bd. VI, S. 302 — 304.
2) Siehe Kosmos Bd. III, Heft 5 u. 6.
Ein Käfer mit Schmetterlingsrüssel.
789
blumenstet gewordenen Grabwespen, den Bienen etc. eine Anpassung der Mund-
theile an die Gewinnung tiefer geborgenen Blumenhonigs nur in sofern möglich
war, als die zur Herstellung der Bruthöhlen hauptsächlich gebrauchten Oberkiefer
dadurch unbehindert blieben, konnten sich die Mundtheile der nur nach Liebe
I Nemognatha vom Itajahy von oben gesehen. 2 Desgleichen von der Seite (2 : i), i- Saugrüssel.
3 Mundtheile derselben. 4 Mundtheile der Nemognatha chrysomelina aus Südfrankreich (4 : i). a Ober-
lippe, b Oberkiefer, c Unterkiefer, d Unterlippe, e die beiden Kieferladen im Querschnitt, stärker
vergrösser t.
und Blumensüssigkeiten umherflatternden Falter in einseitigster und ungebundenster
Weise der Gewinnung tiefer geborgenen Honigs anpassen. Von durchgreifender
Entscheidung für den raschen Erfolg dieser Anpassung war dann weiter die ein-
seitige Beschränkung derselben auf ein Paar einzelne Stücke der Mundtheile, die
Kieferladen. Denn diese konnten, indem sie sich verlängerten, rinnig aushöhlten
und zu einer Röhre zusammenlegten, durch Naturauslese gewiss sehr bald zum
typischen Schmetterlingsrüssel ausgeprägt werden. Bei den Bienen dagegen wurde
derselbe Anpassungsvorgang nicht nur durch den gleichzeitigen Gebrauch der
Oberkiefer für die Brutversorgung, sondern auch, und wahrscheinlich noch weit
wirksamer, dadurch bedeutend verlangsamt, dass eine grössere Mannigfaltigkeit
von Theilen, nämlich Unterkiefer, Unterlippe und Lippentaster, zu einem com-
plicirten Saugapparate sich zusammenlegten und nun sämmtlich in gleichem Sinne
zugleich gesteigert werden mussten.
Während daher die Ausprägung des typischen Bienenrüssels erst im Verlaufe
vielfacher Verzweigung der Bienenfamilie durch zahlreiche Schritte langsam und
allmählich zur Vollendung gediehen ist, scheint dagegen die Vollendung des
Schmetterlingsrüssels schon bei dem ursprünglichen gemeinsamen Stamme der
Schmetterlingsfamilie, noch vor seiner Differenz irung in verschiedene Zweige, er-
-QQ Ein Käfer mit Schmetterlingsrüssel.
folgt ZU sein. So allein, so aber auch in einfachster Weise, scheint mir die un-
überbrückte Kluft zwischen Phryganidenmund und Falterrüssel erklärbar.
Für die Richtigkeit der einzigen vielleicht etwas zu gewagt erscheinenden
Voraussetzung dieser Erklärung, dass nämlich die Umbildung zw^eier Kieferladen
in einen Schmetterlingsrüssel in verhältnissmässig sehr kurzer Zeit möglich ge-
wesen sein müsse, tritt die Käfergattung Nemognatha als unantastbarer Zeuge
ein, indem sie in ihren jetzt noch lebenden Arten dieselbe Umbildung uns that-
sächlich vor Augen stellt.
Bei der in Südfrankreich einheimischen Nemognatha chrysomelina nämlich
sind die Kieferladen, wenn auch bereits stark verlängert, doch noch von ganz
derselben Bildung wie bei anderen Käfern auch. Bei einer schwärzlich blau-
glänzenden Nemognatha Südbrasiliens dagegen, die mein Bruder Fritz Müller
am Itajahy oft wiederholt an Winden saugend beobachtete, haben sich die Kiefer-
laden ausserordentlich verlängert, rinnig ausgehöhlt und zu einem Saugrüssel zu-
sammengelegt, der, abgesehen von der ihm fehlenden Zusammenrollbarkeit, ganz
wie ein Falterrüssel gebraucht wird. Hier hat sich also in der verhältnissmässig
kurzen Zeit der Differenzirung einer Gattung in einzelne Arten dasselbe ereignet,
was wir, um die unüberbrückte Kluft zwischen Schmetterlingsrüssel und Phryga-
nidenmund verstehen zu können, für die Stammeltern der Schmetterlinge voraus-
setzen mussten.
Hermann Müller.
Wasserthiere in Baumwipfeln Y).
(Elpidium Bromeliarum.)
Mit I Textfigur.
Es ist nicht zu verwundern, dass die feuchten, schatttigen, mit mancherlei
Nahrung gefüllten Verstecke zwischen den Blättern der Bromelien von allerlei
Gethier benutzt werden, und dass manche dieser Thiere sie zu ihrem Lieblings-
aufenthalt erkoren haben oder ausschliesslich ihnen ihre Eier anvertrauen. So
werden, nach den fast dreissigjährigen Erfahrungen meines Freundes Frieden-
reich, fast alle Käfer der Bromelien nur in ihnen gefunden und dasselbe scheint
für die zahlreichen Larven von Kerfen der verschiedensten Ordnungen und für
die Kaulquappen baumbewohnender Frösche zu gelten, welche hier ihre Ver-
wandlung durchmachen.
Höchst überraschend dagegen ist es, dass unter diesen Wasserthieren in
den Wipfeln des Waldes auch ein Krebschen lebt, dessen Verwandte man im
Meere zwischen Tangen zu treffen gewohnt ist. Es ist ein wenig über i mm
langes Muschelkrebschen aus der Familie der Cytheriden.
Von den beiden artenreichen und über die ganze Erde verbreiteten Gattungen
Cypris und Cythere, in welche der unermüdete Erforscher der süssen und salzigen
Gewässer von Dänemark, Otto Friedrich Müller, die ihm bekannten Muschel-
krebschen vertheilte, lebt die Cypris fast ausschliesslich in süssem, die Cythere in
salzigem Wasser; nur ganz vereinzelte Ausnahmen von dieser Regel sind bis
jetzt bekannt geworden. Auch hier kannte ich bisher Cythere nur aus dem Meere,
aus süssem Wasser nur Cypris. Und nimmer hätte ich erwartet, meine alten Be-
kannten aus der Ostsee, die ich einst mit Max Schnitze barfuss im Greifswalder
Bodden watend gesammelt, hier auf den Bäumen meines Waldes wiederzusehen.
Auf den ersten Blick freilich erkannte ich die Cythere der Bromelien nicht
als Verwandte ihrer im Meere lebenden Vettern, da sie sich in der Gestalt ihrer
zweiklappigen Schale weit entfernt von allen anderen Cytheren, ja von allen mir
bekannten Muschelkrebschen. Ganz allgemein besitzen diese letzteren seitlich zu-
sammengedrückte Schalen, die weit höher als breit sind und in der Regel die
Gestalt einer Bohne oder einer Miesmuschel haben. Bei der Bewohnerin der
Bromelien dagegen ist die Breite der Schale viel grösser als die Höhe; dazu ist
die Bauchseite flach und von einer Längsfurche durchzogen, so dass sie an eine
1) Kosmos 1879/80. Bd. VI. S. 386—388.
2) Siehe Kosmos, Bd. IV. S. 390 = Ges. Schriften S. 680.
792
Wasserthiere in Baxiniwipfeln.
Kaffeebohne erinnert. Jene fallen daher ausser Wasser auf die Seite, diese kommt
auf den Bauch oder auch wohl auf den Rücken zu liegen. Das ist wohl eine
Anpassung an ihren Aufenthaltsort. Im Meere klettern die Cytheren an dünnen
Tangzweigelchen; in den Bromelien müssen sie sich auf den breiten, glatten
Flächen aneinanderliegender Blätter bewegen.
Ich sagte, dass mir unter den lebenden Muschelkrebschen keine ähnliche
Schalenform bekannt sei, wohl aber kommt merkwürdigerweise unter den ältesten
versteinerten Cytheriden, die Bar-
rande aus den silurischen Schichten
Böhmens beschrieben hat, eine Art
vor, Elpe pinguis, von welcher unser
Bromelienkrebschen ein getreues Ab-
bild in fünfmal verjüngtem Massstabe
ist. Letzteres habe ich daher Elpi-
dium Bromeliarum genannt; denn ob-
wohl ohne hervorstehende Eigen-
thümlichkeiten im Bau seiner Glied-
massen, passt es doch in keine der
Gattungen, in welche man neuerdings
die alte Gattung Cythere aufgelöst hat.
Soweit ich mich bis jetzt nach
ihm habe umsehen können, vom Meere
bis etwa loo Kilometer landeinwärts,
ist hier Elpidium überall in den baum-
bewohnenden Bromelien des Urwaldes
häufig. Da es nicht, wie andere Thiere,
die mit ihm in den Bromelien hausen,
von Baum zu Baum, ja nicht einmal
von Bromelie zu Bromelie wandern
kann, muss seine Verbreitung durch
Käfer (Agabus, Laccophilus, Hister
u. s. w.) oder andere Bewohner der
Bromelien bewirkt werden, denen
die winzigen Thierchen anhaften.
(Wenn sie die Schale der Mutter ver-
lassen, sind die jungen Elpidien nur 0,2 Millimeter lang). Da also die Besiede-
lung der Bromelien mit Elpidium ganz dem Zufall anheimgegeben scheint, muss
es um so mehr überraschen, dass man diese Krebschen fast in jeder Bromelie
antrifft.
Es kann kaum ausbleiben, dass sie dann und wann auch in andere Gewässer
verschleppt werden, wie man ja umgekehrt bisweilen in den Bromelien einzelne
eingeschleppte Cyclops trifft. Doch habe ich mich bis jetzt in unseren von man-
nichfachen andern kleinen Krebschen (Cyclops, Canthocamptus, Cypris, Chydorus,
Alona, Camptocercus, Pasithea, Moina, Ceriodaphnia, Simocephalus u. s. w.) be-
wohnten Gewässern vergeblich nach Elpidium umgesehen. Es scheint ausserhalb
der Bromelien nicht zu gedeihen.
Itajahy, November 1879.
Elpidium Bromeliarum Fr. Müller, ein Bäume bewoh-
nender Muschel-Krebs.
I von oben, 2 von unten, 3 nach Entfernung der rech-
ten Schale von der Seite gesehen. 4 Vorderer Fühler.
5, 6 Hinterer Fühler des Männchens und Weibchens.
7 Mandibel. 8 Maxiila. 9, 10, 11 Füsse vom i., 2. und
3. Paar. 12 Leibesende des Weibchens von unten.
13 und 14 Ei und Junges aus der Schale der Mutter.
15 Elpe pinguis Barr.
Die Vergrösserung ist bei i — 3 = 10 : i, bei 4 — 12
= 72 : I und bei 13 und 14 ^ 36 : i.
Descripgäo do Elpidium Bromellarvim^).
Crustaceo da familia dos Cytherideos.
Mit Tafel LVII.
Ja nos tempos geologicos mais remotos, de que nos ficaram restos fosseis,
OS Cytherideos achavam-se representados por numerosas especies, e desde entäo
alles se tem mostrado frequentes ate hoje. As especies fosseis viviam todas no
Mar, sendo que ainda hoje estes pequenos Crustaceos encontram-se em todos os
mares. Na agua doce, povoada pela familia alliada dos Cyprideos, elles säo ex-
cessivamente raros; ainda näo sobe a meia duzia o numero das especies obser-
vadas nos Estados Unidos, na Inglaterra e na Scandinavia. A essas pouquissimas
especies da agua doce vou ajuntar mais uma, que ha pouco achei n'aquelles tan-
quezinhos, que nas arvores do matto virgem formam-se entre as folhas das Bro-
meliaceas parasitas. Ella ali vive em abundancia e quasi que näo ha Bromelia
sem a sua colonia de Cytherideos; e provavel que, com as Bromelias, ella se
estenda por todo o Brazil.
Alem de ser notavel por esse domicilio singular, que ella habita e por ser
a primeira especie de agua doce achada na America do Sul, a especie das Bro-
melias e interessante tambem pela sua forma insolita. As conchinhas bivalvas
das numerosas especies näo so da familia dos Cytherideos, como de toda a ordern
dos Crustaceos Ostracodes, costumam ser comprimidas lateralmente, tendo o feitio
de um mexilhäo ou de um feijäo preto; na especie das Bromelias, pelo contrario,
a conchinha assemelha-se a um gräo de cafe, sendo a largura muito maior do
que a altura, a face dorsal convexa, a ventral plana e percorrida por um sulco
longitudinal. Por este feitio da conchinha a especie se afasta de todos os Ostra-
codes da actualidade ate agora descriptos e so entre as especies fosseis mais anti-
gas ha uma especie muito semelhante. E' a Elpe pingitis (fig. 26) descoberta
por Barrande nas camadas silurianas da Bohemia; desta, com effeito, a especie
das Bromelias parece ser uma copia fiel em escala cinco vezes menor.
Foi por este motivio. que Ihc dei o nome de Elpidium Bromeliarum.
As conchinhas do Elpidium Bromeliarum (fig. 1-4) tem ate i,"""3 de com-
primento; ja com metade desse comprimento todos os membros tem adquirido
a sua forma definitiva e os animaes come^am a propagar-se. A largura e egual
a cerca de seis setimos e a altura a metade pouco mais ou menos do comprimento.
I) Arch. do Mus. Nac. do Rio de Janeiro 1879. Vol. IV. p. 27—34. •45- Est. II.
■jQ I Descrip9äo do Elpidium Bromelianim.
A parte posterior du conchinha e mais larga e mais alta do que a anterior,
a face dorsal e conxexa, a ventriU plana. O ligamento elastico, que une os bor-
dos dorsaes das duas valvulas da conchinha e pelo quäl, como nas conchas dos
molluscos Lamellibranchios, £is valvaüas säo abertas, desde que os musculos ad-
ductores deixam de se contrahir, estende-se ate ao extremo posterior da face
dorsal, acabando a pouca distancia do extremo anterior, A \alvula esquerda e
quasi insensivelmente mais comprida do que a direita, de modo que o seu bordo
cobre o desta, quando se fecha a conchinha.
Ao longo do bordo ventral as partes sobrepostas das duas valvulas, na
occasiäo de estar fechada a conchinha, säo assas largas (fig. 2); ellas säo trans-
parentes, menos grossas do que o resto das valvulas e formam um sulco longi-
tudinal nas conchas fechadas. A superficie da conchinha e lisa e lustrosa; ha
nella alguns pellosinhos muito raros, curtos, delgados, pela maior parte rectos; so
uns 5 ou 6, inseridos ao longo do bordo anterior de cada valvula, säo curvos,
sendo a sua ponta volvida para baixo. A cor das conchinhas e parda, ora mais
pallida, ora mais escura; o pigmento e granuloso e encerrado em cellulas grandes
polygonaes, situadas por baixo da camada chitinosa externa das xalvulas; o pig-
mento come^a a depositar-sc ao rcdor dos nucleos das ditas cellulas (fig. 6) e
acaba por enchel-as inteiramente, ficando transparentes so os nucleos e os limites
entre as cellulas. Perto do extremo anterior do ligamento dorsal elastico ha em
cada valvula uma macula redonda, transparente, destituida de pigmento ; para ver
bem essas duas maculas cumpre encarar de frente as conchinhas ; ellas säo geral-
mente tanto mais visiveis, quanto mais escuras forem as conchinhas; servem de
janellas para admittir a luz aos olhos. Tambem falta o pigmento no logar em
que se inserem os musculos adductores das valvulas As impressöes musculares
(fig. 4m, fig. 6), que mostram differengas caracteristicas nas diversas especies 'de
Cytherideos e Cyprideos, distam do extremo anterior cerca de dous quintos do
comprimento das valvulas, achando-se so pouco acima do nivel da face ventral;
ha uma macula maior composta de quatro impressöes ellipticas, contiguas, de
que as duas extremas säo menores e cujos eixos maiores väo obliquamente de
cima e de diante para baixo e para traz ; alem disso, ha uma imprcssäo muito
menor, quasi circular, as vezes pouco visixel, situada um pouco adiante das qua-
tro maiores.
Os dous ollios simples, existentes nas familias dos C3'prideos e Cytherideos
costumam confluir em um unico olho impar, naquella familia e ser separados
nesta. Alem disso, segundo Zenker, os olhos dos Cytherideos adheririam äs val-
vulas. Ha comtudo excepgöes a esta regra em uma e outra familia e entre ellas
figura tambem o Elpidium Bromeliarum.
Esta especie tem um unico olho impar com duas lentes lateraes (fig. 7-9)
situado em baixo do extremo anterior do ligamento elastico, junto do logar em
que anteriormente o corpo do animal separa-se das valvulas; näo adhere a con-
chinha e sim pode ser movido com o corpo um pouco para traz e para diante.
A forma do bulbo coberto de pigmento preto e bastante variavel, parecendo
serem as differen^as independentes tanto da edade como do sexo dos animaes.
As antennas anteriores (fig. 3, a, fig. 10) tem cinco articulos; a articulagäo entre
o primeiro e segundo permitte um movimento extenso de cima para baixo; a
Descrip<;:äo do Elpidium Bromeliarum. yqe
mobilidade dos mais articulos e muito limitada ; o primeiro e o segundo säo muito
mais grosses e compridos do que os outros articulos; o tcrceiro e o quinto tem
so metade pouco mais oii menos do comprimento do quarto, o quäl se formou
pela confluencia de dous, como mostra a disposi^äo das suas sedas; em certos,
bem que rarissinios, individuos, esses dous articulos primitivos se tem conservado
perfeitamente separados, constando neste caso as antennas de seis articulos. E'
uma pro\a do pouco valor, que na classificagäo dos Cytherideos possa ter o nu-
mero dos articulos das antennas, que . certos autores tem usado como caracter
distinctivo dos generös noxamente estabelecidos na dita familia. No extremo do
primeiro articulo, ha no lado superior externo um pequeno processo triangulär ou
digitiforme, guarneciclo de pellosinhos bastos, tenros, curtos, rectos. Do segundo
articulo nasce, a alguma distancia da base do bordo inferior, um pello grosso,
flexivel, plumoso na parte terminal, cujo comprimento excede o do primeiro arti-
culo da antenna; no extremo do terceiro articulo ha no bordo superior uma seda
curta e rija ; ha duas sedas semelhantes no meio, e tres mais compridas no ex-
tremo do bordo superior, uma no meio e outra no extremo do bordo inferior do
quarto articulo ; emfim, ha tres ou quatro sedas no extremo do articulo quinto ou
terminal da antenna.
As antennas posteriores (fig. 3, « 2; fig. 11-12), inseridas um pouco em
baixo e para fora das anteriores, tem quatro articulos, de que o terceiro e o
mais comprido; o primeiro e um pouco menos comprido, porem muito grosso; o
segundo e o quarto säo muito mais curtos; näo parece haver mobilidade alguma
entre os articulos segundo e terceiro; o segundo articulo pode descrever um arco
consideravel para baixo, e o quarto e capaz de se mover tanto para cima como
para baixo.
No extremo do segundo articulo ha no lado inferior uma seda delgada e
comprida, chegando ate ao fim do articulo seguinte, o articulo terceiro e munido
de duas sedas curtas pelo meio do lado inferior, de um pello delgado perto do
extremo do lado superior e de um forte espinho recto e movel no extremo do
lado inferior ; emfim o articulo terminal e armado de tres espinhos fortes, moveis,
cujas pontas säo curvadas algum tanto para baixo. Nas femeas (fig. 1 1) esses
tres espinhos säo lisos; nos machos (fig. 12) o primeiro, geralmente um pouco
mais curto do que os dous terminaes, e serreado, isto e, provido de uma fileira,
de dentes agudos.
No extremo do articulo basal das antennas posteriores, articüla-se ainda
como nos mais C3^therideos, um appendice biarticulado (fig. 11, a), muito esbelto,
em cuja ponta se abre um canal, que vem de uma bexiga (fig. 11, 6) cheia de
um liquido um pouco amarellado e mais refringente do que a agua. Compri-
mindo a antenne isolada com a bexiga, entre laminas de vidro, vi algumas vezes
Sahir esse liquido da ponta do appendice em um fio delgado, que näo se misturava
com a agua. Pela posicäo, que occupa o appendice, poderia eile ser comparado
ao ramo externo existente nas antennas posteriores de muitos Crustaceos; e com-
tudo mais provavel, que corresponda ao processo conico das antennas posteriores
dos Amphipodes, em cuja ponta tambem se abre o canal excretorio de uma
glandula. A bexiga e muito maior no Elpidium Bromeliarnm, do que (segundo
Zenker) na Cythere viridis do mar Baltico.
_QÄ Descrip^äo do Elpidium Bromeliarum.
As partes bocaes constam de dous pares de appendices, designados goral-
mente pelos nomes de mandibulas e maxillas, (on, por Zenker, de primeiro e
segundo par de maxillas).
As mandibulas (fig. 3, m, d; fig. 13) tcm, como nos generös Cypris e Cy-
there, uma grande parte basal triangulär, percorrida e como quo esteiada por
diversas varas chitinosas. A parte inferior da base do triangulo prolonga-se em
um processo mandibular, terminado por uma serie de dentes agudos. Do bordo
anterior da mandibula nasce um grosso palpo, composto de tres ou quatro arti-
culos, que, com excep9äo do ultimo, säo pouco distinctos. O palpo tem duas sedas
maiores no primeiro articulo, uma curvada e plumosa no extremo do penultimo
e umas quatro no ultimo articulo. Do lado externo do primeiro articulo do palpö
eleva-se uma lamina membranosa, volvida para cima, cujo bordo superior se pro-
longa em tres pellos grossos, compridos, rectos, flexiveis e plumosos, com excep-
Qäo de uma curta parte basal, que e nua.
Ha na mesma lamina um quarto pello, semelhantc aos outros tres, porem
muito curto e dirigido em sentido opposto. Em individuos sufficientemente trans-
parentes se pode ver, que a lamina esta em movimento continuo na parte da
conchinha situada para diante dos musculos adductores.
As maxillas (fig. 3, mx; fig. 14) mostram uma grossa parte basal, de cujo
bordo terminal nascem quatro! processos quasi cylindricos, contiguos, parallelos,
armados na ponta de pellos ou sedas; destes processos o que prolonga o bordo
inferior ou interne da maxilla termina em duas sedas; de que a inferior tem a
metade terminal plumosa e curvada para baixo; cada um dos dous processos
intermedios acaba em tres sedas rijas, agudas, um pouco curvadas; emfim o quarto
processo, formando o prolongamento do bordo superior da maxilla, e mais com-
prido que os outros e acaba em duas sedas mais compridas tambem; este quarto
processo e biarticulado nos generös Cypris e Cythere, porem na especie das Bro-
melias näo me foi possivel distinguir dous articulos. Ha na maxilla, como na
mandibula, uma lamina membranosa, guarnecida de compridos pellos plumosos;
ella e muito maior do que a das mandibulas; o numero dos pellos marginaes
parece ser de 16 em todos os animaes adultos. Alem dos pellos marginaes ha
um que nasce a pouca distancia do bordo e se estende em sentido opposto; e
semelhante em tudo ao pello que se acha no segundo articulo das antennas an-
teriores. A lamina membranosa da maxilla e dirigida para fora e esta em mo-
vimento vibratorio constante no espago situado atraz dos musculos adductores.
A's partes bocaes seguem tres pares de pernas (fig. 3, p i, p 2, p 3; fig. 15-17);
muito semelhantes entre si, tendo comtudo cada par certos caracteres distinctivos.
As pernas säo compostas de cinco articulos ; o articulo basal e muito mais grosso
do que os mais, tendo o bordo posterior mais comprido e mais convexo do que
o anterior; quando o animal esta andando este articulo esta virado para baixo,
recolhidas as pernas na conchinha, dirige-se obliquamente para diante. A pouca
distancia da base nasce do bordo posterior um pello plumoso semelhante ao do
segundo articulo das antennas anteriores; nos dous primeiros pares de pernas o
comprimento desse pello excede ao do articulo basal, no terceiro par e muito
mais curto.
Descrippäo do Elpidium Biomeliarum. »rgy
Um segundo pello semelhante, porem, muito menor, nasce no meio do bordo
anterior, e um terceiro, muito mais curto ainda, no extremo do bordo anterior do
articulo basal. Ao lado deste terceiro pello ha no primeiro par de pernas (fig. 15)
um gancho ou espinho forte, curvado e agudo, que falta aos dous pares posteriores.
Os articulos segundo ate quarto säo esbeltos, quasi cylindricos, dirigidos
para traz, sendo o comprimento do segundo articulo igual ou pouco superior ao
do terceiro e quarto unidos. No extremo do lado ventral do segundo articulo
ha nos dous primeiros pares de pernas um espinho forte, curvado um pouco para
baixo, o quäl se acha substituido no terceiro par por uma seda recta, muito mais
tenra. O articulo quinto ou terminal forma nos dous primeiros pares uma unha
vigorosa esbelta, pouco curvada, cujo comprimento iguala ou pouco excede ao
do articulo antecedente. No terceiro par de pernas (fig. 17) o articulo terminal
e muito mais comprido e delgado do que nos pares anteriores, igualando o com-
primento do segundo articulo, a sua metade basal e recta, a terminal um pouco
curvada, havendo um pequenino espinho entre essas duas metades.
Na configuragäo das partes bocaes e das pernas näo ha differenga entre os
dous sexos.
As partes genitaes, situadas posteriormente as pernas, säo muito volumosas
e complicadas nos machos (fig. ig-22). O membro viril (fig, ig, mv.) e um gancho
duro, escuro, curvado em semicirculo, movido por um forte musculo. Para dentro
e para diante do membro ha, como nas Cytheres examinadas por Zenker, um
processo digitiforme (fig. 19-22, pd) ha tambem, como nas Cytheres, uma grande
lamina terminal de forma muito variavel (fig, 19-22, It; fig. 20 — 21), de cuja face
ventral nasce junto da base um pello quasi igual em comprimento a mesma la-
mina. Os orificios gehitaes das femeas (fig. 1 8, og) säo situados de um e outro
lado do abdomen entre o terceiro par de pernas e os appendices caudaes.
Os appendices caiidaes (fig. 18, 19, 22, ac.) säo duas pequenas laminas trian-
guläres ou ovaes, munidas de duas sedas plumosas terminaes e de uma terceira
seda mais comprida, que nasce de sua face ventral e que parece faltar as vezes
nos machos.
O corpo ainda se prolonga um pouco alem dos appendices caudaes, termi-
nando em uma protuberancia guarnecida de curtos pellinhos.
Os ovos (fig. 23) quasi esphericos, de cerca de o,""" i. de diametro, desen-
volvem-se como na Cypridina Agassizei ^), dentro da conchinha da mäe. Nas
femeas maiores conta-se as vezes mais de trinta entre ovos e filhos. Os filhos
ali ficam ate terem chegado a 0,-2 ate o,'"'" 25 de comprimento. A sua conchin-
ha entäo ja tem approximadamente a sua forma caracteristica e definitiva (fig. 24,
25); ella mostra so quatro pellos, havendo um junto de cada extremo de uma e
outra valvula ; o olho e os musculos abductores se acham situados muito mais
para traz do que nos animaes adultos, devido isso a circumstancia de estar ainda
pouco desenvolvida a parte posterior do corpo; em lugar dos tres pares de per-
nas, ha apenas um unico par de ganchos simples; as antennas, pelo contrario, ja
possuem a sua organisagäo definitiva.
i) Fritz Müller, Bemerkungen über Cypridina, Jenaische Zeitschrift für Naturw. 1870. Vol. V.
pag. 255. == Ges. Schriften S. 367.
•jQ^ Descripcäo do Elpidium Bromelianim.
O Elpidium e quasi o unico entre os numcrosos visitantes e habitantes das
Bromelias, que nellas nasce c morre. Muilos animaes väo visitar as Bromelias,
seja para se agasalharem, seja para se nutrirem das substancias organicas, que
entre as suas folhas se accumulam, seja emfim para alli depositarcm os seus ovos.
Esses visitantes passageiros säo variadissimos ; ha entre elles Vermes Turbellarios
{Geoplana), Crustaceos Itsopodes {Phüoscia) Arachnides, Myriapodes, muitos In-
sectos, Batrachios (pererecas) e ate cobras. Outras cspecies vivem la como larvas,
sahindo depois de concluida a sua metamorphose, como sejam as pererecas e
varios insectos Orthopteros (Agrionideos), Neuropteros, Trichopteros, Coleopteros
(Parnideos) e Dipteros (Culicideos, Tipulidoos, Syrphideos e outros). Nem para
aquelles visitantes nem para estas larvas ha difficuldade alguma em explicar a
sua estada nas Bromelias. Com o Elpidium o caso e differente. Näo podendo
esses pequenos Ostracodes migrar de uma Bromelia e muito menos ainda de
uma arvore a outra, como e que näo obstante isso podem elles estabelecer novas
colonias? Elles näo poderäo fazer as viagens necessarias sinäo adherindo ao
corpo de qualquer visitante das Bromelias. Apezar de assim parecer abandonada
ao acaso a sua transmigra(;äo, ella se faz com a mesma regularidade com que o
pollen das flores e transportado de uma planta a outra pelos insectos pronubos,
como prova o facto de quasi näo haver Bromelia sem a sua colonia de Elpidium.
Resta resumir os caracteres, pelos quaes o genero Elpidium pode ser distin-
guido dos mais, que se tem estabelecido na familia dos Cytherideos: Conchinha
com a face ventral plana e a largura muito superior a altura. Olhos reunidos
em um unico impar. Antennas anteriores com cinco (ou excepcionalmente seis),
posteriores com quatro articulos. Ultimo articulo das antennas posteriores com
tres espinhos, sendo um delles serreado nos machos. Pernas iguaes nos dous
sexos, semelhantes entre si. Articulo basal do primeiro par de pernas armado de
um gancho terminal. Articulo ultimo (unha) do terceiro par muito comprido e
delgado. Appendices caudaes ndo articulados, munidos de tres sedas.
Explica9ao das figuras da estampa LVIP).
Säo augmentadas 25 vezes as figuras i — 4; 90 vezes as figuras 5 e 23 — 25; 180
vezes as figuras 6 — 22.
Fig. I. — Elpidium Bromeliarum, visto da face dorsal.
Fig. 2. — O mesmo, face ventral.
Fig. 3. — Femea; vista do lade direito depois de removida a valvula do mesmo lade;
0 olho. (?' antenna anterior. «" antenna posterior. 7nd mandibula. mx maxilla. p\ />", />'"
pernas. og orificio genital, ac appendice caudal.
Fig. 4. — Individuo menor, visto do lado direito. m impressöes musculares.
Fig. 5. — Impressöes musculares da valvula esquerda.
Fig. 6. — Fragment© de uma valvula.
Fig. 7. — Olho visto do lado direito.
Fig. 8, 9. — O mesmo visto de cima, de dous differentes individuos.
Fig. 10. — Antenna anterior.
i) Zur Beurteilung dieser Tafel im Vergleich der Textabbildungen aus Kosmos (Ges. Schriften S. 792
siehe die Erklärung aus dem Zool. Anzeiger Bd. IV. 1881. S. 505 == Ges. Schriften S. 831.
Descrip^fio do Elpidium Bromelianim. ygg
Fig. II. — Antenna posterior de uma femea. « appcndlce biarticulado, em cuja ponta
se abre o canal excretorio da bexiga b.
Fig. 12. — Extremo da antenna posterior de um macho.
Fig. 13. — Mandibula.
Fig. 14. — Maxilla.
Fig. 15. — Perna do primeiro par, distinguindo-se pelo gancho no extremo do ar-
tirulo basal.
Fig. 16. — Perna do segundo par.
Fig. 17. — Perna do terceiro par, distinguindo-se pelo comprimento do articulo ter-
minal (unha).
Fig. 18. — Extremo posterior do corpo de uma femea, face ventral, ac appendices
caudaes. og orificios genitaes.
Fig. 19. — Orgaos genitaes do lado direito de uma macho, vistos da face ventral.
ac appendices caudaes. // lamina terminal, mv membro viril, pd processo digitiforme.
Fig. 20, 21. — Lamina terminal dos orgaos genitaes de outros dous machos.
Fig. 22. — Extremo posterior do corpo de um macho, visto da face dorsal, ac appen-
dices caudaes. // laminas terminaes dos orgaos genitaes. pd processos digitiformes.
Fig. 23. — Ovo, tirado da conchinha de uma femea.
Fig. 24. — Larva, tirada da conchinha. da sua mae, vista do lado dorsal. 0 t)lho.
m musculos adductores.
Fig. 25. — Sec^äo transversal da mesma.
Fig. 26. — Elpe pinguis Barr, copiada de Gerstaecker, Klassen und Ordnungen der
Arthropoden.
On a curious insect from Brazil^).
The Secretary also exhibited a photograph on behalf of Dr. Fritz Müller,
and read the foUowing note: —
"I take the liberty of sending you a Photographie copy of some drawings
of a very curious dipterous insect. The larva is remarkable for having six Seg-
ments onty, each being provided on the ventral side with a complicated disk, by
vvhich it firmly adheres to the rocks of rapids. The first segment of the larva
is a cephalothorax, comprising the head, thorax, and first abdominal segment of
the pupa. The pupa, which is firmly cemented to the rocks, has its antennae,
wings and legs free, not adherent to the body, The perfect insect is remarkable
for the dimorphism of the females. One set of females agrees in the want of
mandibulse and the structure of the oval parts with the males. They are probably
honey-sucking. The other set of females are provided with mandibul£e, like the
blood-sucking females of Culex, Tahaniis, &c. In the size of the eyes and the
structure of the feet the blood-sucking females differ much less from the males
than the honey-sucking females do. I have lately sent to the 'Archivos do Museu
Nacional do Rio de Janeiro' a description of this insect, accompanied b}^ seven
plates, three of which refer to the highly interesting structure of the larva."
i) Trans. Ent. Soc. London 1879. Proc. p. L.
Verlag von ftvistaY Fischer in Jena.
i
Gesammelte Abhandlungen von N. Pringsheim. ^^^Z^T^Z^
VLerl3ände. 181)5 -9ü. Preis: GO Mark.
t Erster Band: Befruchtung, Vermehrung und Systematik der Algen.
' Mit einem Bildnis des Verfassers und 28 litliogr. Tafeln. 1895. Preis: 20 Mark.
Zweiter Band: Phycomyceten, Charen, Moose, Farne. Mit 32 litho-
graphischen Tafeln, 1895. Preis: 15 Mark.
Dritter Band: Zellenbau, Morphologisches, Historisches. Mit 13 litho-
graphischen Tafeln. 1890. Preis: 12 Mark.
Vierter Band. Chlorophyll, Assimilation, Lichtwirkung, Sauerstoff-
abgabe, osmotische Versuche. Mit 22 lithographischen Tafeln und 7 Al)hild.
im Text. 189(). Preis: 13 Mark.
Kein schöneres Denkmal hätte dem verstorhenen Gelehrten gesetzt werden
können, als es von seinen Kindern durch dia llerausgahe der gesammelten Werke
(lesseihen geschah. Es sind wortgetreue Ahdrücke von Ahhandlungen, welche in
den Schriften der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, in den
Jahrhüchern für wissenschaftliche Botanik, in den Bferichten der Deutschen bota-
nischen üesellschaft usw., zum Teil auch als vollständige Broschüren erschienen sind.
rvl^iircinncflnra i/nn laun umfassend die Blütenpflanzen, mit besonderer
CAKUidiUiidiiuici vuii Java, Berücksichtigung der im Hochgebirge wildwach-
senden Arten. Ini Auftrage des Holländischen Kolonialniinisteriums bearbeitet
von Dr. S. H. Koorders.
Erster Band: 3Ioiu)kotyiedoiien. Mit einer chromolithographischen Tafel.
G Lichtdrucktafcln und 30 Abbildungen im Text. (XXV und 413 8. gr. 8".) 1911.
Preis: 24 Mark.
Zweiter Band: Dikotyledoneii (Vrcliiehlauiydeae). Mit 7 Lichtdrucktafeln
und 90 Abbildungen im Text." (VI und 742 8. gr. 8".) 1912. Preis: 3G Mark.
Dritter Band: Dikotvletoiien (Metaclilainydcae). Mit 6 Liehtdruc.ktafeln,
4 Karten und 19 Abbild, im Text. (IX und 498 8. gr- B".) 1912. Preis: 28 Mark.
Vierter Band: Atlas. I. Abt. : Familie 1-19. 1913. Preis: 2 Mark 50 Pf.
Flora der Umgebung der Stadt Säo Paulo in Brasilien.
Von Dr. A. Usteri, ehemals Professor am Polytechnikum Säo Paulo. Mit
1 Karte, 1 Tafel und 72 Abbildungen im Text. 1911. Preis: 7 Mark.
Vorliegende Arbeit ist die erste systematische Bearbeitung der Flora von Sao
Paulo. Sie wird wegen ihrer Eigenart und Reichhaltigkeit für weite Kreise der
Botaniker und Geographen von Interesse sein. Die reiche Illustrierung erhöht den
Wert des Buches. Der erste Teil gibt einen Einblick in die pflanzengeographischen
Verhältnisse des Gebiets, während der zwoite ein Bestimmen der in dieser Gegend
wild wachsenden Pflanzen ermöglicht.
Biologische und morphologische Untersuchungen überWasser-
Und SUmpfgewächSe. von Piof. Dr. Hugo Gluck in Heidelberg.
Erster Teil: l)ie Lebensgeschichte der europäischen AHsniaoeen. Mit
25 Abbildungen im Text und 7 lithograph. Do])peltafeln. 1905. Preis: 20 Mark.
Zweiter Teil: Untersuchungen über die nnttcleuropUisclieu Ultricularla-
Artcn; über die Turionenbildun^ <ier Ultricularia-.Arten; über die Turionen-
bildung bei Wasserpflanzen, sowie über (leratophyllun». Mit 28 Abbildungen im
Text und (> lithographisrhcn DoppcUafeln, I90o. ' Preis: 18 ^lark.
Dritter Teil: Die üferllora. Mit 105 Abbibi. im Text und 8 lithogr. Doppel-
tafeln. 1911. Preis: 33 Mark.
V i er ter (Schi u ß-)Teil : Submerse und Schwinunblattllora. (In Vorbereitung.)
Illustrierter Prospekt kostenfrei.
Die Entstehung der Pflanzengallen, \fZ'T wer^TZgT^s. w
Von
lit
32 Ahbilduniien im Text und 4 DoppcUafeln. (VIll, IGO 8. gr. 8".) 1914.
l'reis: 9 Mark.
Zentralblatt für Zoologie, Bd. 5, 1915:
Diese scluine und äußerst wertvolle, für den Zoologen wie für den
Botaniker gleich interr essan te Arbeit, in welcher Verf. zahlreiche eigene
Beobachtungen niedergelegt hat, gliedert sich im I. ,, speziellen Teil" folgender-
maßen: A. Cynipiniden. 1. Rhndites rosae h. avd Nosn eanina. 2. lihodites
ftpinosissimoe Gir. auf Rosa piinpinclUfolid. 3. Die übrigen 7?//orfrtes- Gallen der
Kose. 4. Die Entstehung der ////«(///(".v-Gallen. 5. Biorrinxa termiuahs Hart, auf
Quercus. G. Andrictis trilineatus Hart, auf f,)uereus. 7. Die übrigen Cijuipidei)-
gallen der Eiche. 8. CynipiJen^&WQn auf anderen Pflanzen. B. Galeiden.
1. Isoso7)ia auf Luftwurzeln vom Ficus. 2. Isosoma orehidearmn I. 0. ^y. auf
CatÜeija. 3. Blaslophaga (jrossortim auf Fi'cns rarirc C. Ten thred inen.
1. Pontrmia proxii)/a Lepel, auf Salix ani/jf/daliua. 2, Pontania Salicis Christ
auf Salix jmrpnrea. 3. Poulania rcsicator Breini auf Salix purpurea. 4. Die
anderen PonlaniagaWen der Weide. 5. Die Entstehung der Po?«/a«?Vf-Blattgallen. —
Im „allgemeinen Teil" weist der Verf. die Richtigkeit seiner vielfach im Gegen-
satz zu den Untersuchungen früherer Beobachter stehenden allgemeinen Schlüsse
für die Aetioloüie dieser Gallen nach. ... v. Dal la Torr e.
fi.E.tTECHdTtCi.
Verlag yon G^nstav Fischer iu Jena.
Die Pflanzengallen (Cecidlen) Mittel- und Nordeuropas, ^l^l^^^
und Biologie der Bestimmungstabelien. Von Dr. H. Ross, Konservator am
Kgl. Botaiiischea Museum in München. Mit 233 Fig. auf 10 Tafeln, nach
der Natur gezeichnet von Dr. G. Dunzinger , München, und 24 Abbildungen
im Text. (IX, 350 S. gr. 8».) 1911. Preis: 9 Mark.
Inhalt: I.Teil. Erklärung des Begriffs „Galle" : Nomenklatur. — Die Gallen
erzeugenden Tiere (Cecidozoen). — Die Gallenerreger aus dem Pflanzenreich (Cecido-
phyten). — Verteilung der Gallen am Pflanzenkörper. — Einteilung der Gallen. —
Bedingung für die Entstehung der Gallen. Die Gallen erzeugenden Stoffe. — Be-
ständigkeit 'der Gallformen. — Anzahl der Galltiere. Larvenkammer. — Schutz-
einrichtungen, Innciigalle, Ueberwinterung der Gallen. — Verpilzte Tiergallen. —
Milbenhäuscheü (Acarodomatien). — Verbänderungen (Fasciationen). — ünter-
suchTlngsmethoden, Zucht, Präparieren und Aufbewanren der Gallen. -- Hilfsmittel
für das Studium der G allen bildun gen. — Nutzen und Ziele der Gallenkunde und
Gallenforschung.
H. Teil. Bestimmungstabelien. — Erklärung der Abkürzungen und Zeichen
in den Bestimmunggtabellen. — Sachregister zum I. Teil. — Alphabethisches Ver-
zeichnis der Gallenerreger nach den Artnamen. — Alphabetisches Verzeichnis der
Gallenerreger nach den natürlichen Ordnungen und Klassen. — Erklärung der
Figuren auf Tafel I — X.
Untersuchungen über die Vermehrung der Laubmoose ^"„f
Organe und Stecklinge. Von Dr. Carl Correns, a. ö. Prof. der Botanik in
Tübingen. Mit 187 Abbildungen im Text. (XXIV, 472 S. gr. 8".) 1899.
Preis: 1.5 Mark,
j^nhalt: Einleitende Bemerkungen. — Spezieller Teil: 1. Die Ver-
mehrung durch Brutorgane. 2. Die Vermehrung durch Stecklinge. — Allgemeiner
Teil: Morphologie und Phylogenie der Brutorgane. 2. Bau und Entwicklung der
Brutorgane. Ablösung. Verbreitung. 3. Keimung der Brutorgane und der Steck-
linge. 4. Bedingungen für die Keimung. Weitere Entwicklung. Vorkommen der
Brutorgane. Bedingungen für ihre Bildung. 5. Verwertung der Brutorgane für die
Systematik Uebersicht über die untersuchten Brutorgane. — Literaturverzeichnis.
— Register der Pflanzennamen.
gebiet
Das Kapland, insonderheit das Reic|i der Kapflora, das Wald-
unt\ rlio l^arrnn Pflanzengeographisch dargestellt von
UIIU Uie IVdllUU. Rudolf Marloth. (Mit Einfügung hinter-
lasbeuer Schriften A. F. \V. Schimpers.) Mit 192 Abbildungen im Text,
28 Tafeln in Heliogravüre und 8 Karten. ( Wissenschaft! . F>gebnisse der
deutschen'Tiefsee- Expedition auf dem Dampfer Valdivia 1898 — 1899. Bd. II, 3.)
1,908. -4F/)L)_.:, Preis: 100 Mark.
Inhalt: I. Teil: Die allgemeinen Verhältnisse der Vegetation Süd-
afrikas. 1. Urographie und Hydrographie. 2. Abriß der geologischen Entwick-
lung des Landes. 3. Klimatologie. — 11. Teil: Allgemeine Pflanzengeographie
Südafrikas. 1. Geschichte der I.tlanzengeographie Südafrikas. 2. Die pflanzcn-
geographische Gliederung Südafrikas. — IIL Teil: Das Reich der Kapflora.
A. Allgemeine Verhältnisse, ß. Die Religionep und Formationen. 1. Küsten und
Niederungen. 2. Hügel und Vorberge. 3. Die Bergregion. 4. Die Hochgebirgs-
kämme und Gipfel. 5. Isolierte Are-tle der Kapflora, (i. Das Gebiet der Hartlaub-
gehölze, — IV. Teil: Die Wälder der Südküste. — V. Teil: Das zentrale Ge-
biet. 1. Die Karroo. (1. Die große Karro. 2. Die kleine Karroo. 3. Die West-
karroo.) 2. Das karroide Hochland. 3. Das kleine Namaland. — VI. Teil: All-
gemeine Oekologie der Pflanzen Südafrikas. — VII. Teil: Der Ursprung
der Kapflora. 1. Ueber die Vermischung der Begriffe Kapflora und Flora Süd-
afrikas. 2. Die Beziehungen der Flora des südwestlichen Kaplandes zu anderen
Ländern. 3. Uebersicht der Anschauungen über den Ursprung der Flora Süd-
afrikas und der eigentlichen Kapflora. 4. Ueber Veränderungen in der Verteilung
von Land und Meer im Bereiche Südafrikas seit der Kreidezeit. 5. Die Aende-
rungen des Klimas' Südafrikas seit der Kreidezeit. 6. Verbreitungsgelegenheiten
und Verbreitungswege der ^äanzen. 7. Versuch einer DarstellÄng des Entwick-
lungsganges der Kapflora. 8. Andeutungen über den Entwicklungsgang der Karroo-
vegetation. — Anhang: Die Kulturpflanzen.
Botanische Z'situng:
Marloth hat es mittels seiner lebendigen Sprache meisterhaft verstanden, hier
alle jene feinen und feinsten Farbennuancierungen der prächtigen Kapflora dem
Leser wiederzugeben. . . Was das Buch Marloths nun so überaus anregend
und anziehen l macht, das sind außer der schon hervorgehobenen, prachtvoll
plastischen, farbenreichen Sprache die Ueberfülle ökologisch-
{)hy8iologischer und biologischer Momente. Es gehört eben die ganze
iebevolle Hingabe, der ganze weitschauende und niemals an Einzelheiten haften
bleibende Geist Marloths dazu, eine Flora so in jeder denkbaren Hinsicht mit
gleicher Genauigkeit erforschen zu können. Dabei ist noch in Betracht zu ziehen,
daß der Verf. nur mit größter Schwierigkeit die nötigste Literatur erlangen konnte.
R. M uschier.
Fromtnannsche Buchdruckerei (Hermann Pöble) in Jena.