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Full text of "Führer durch Lüneburg und Umgegend"

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Führerdurch  Lüneburg 
#s>  und  Umgegend  €€ 


Herausgegeben  vom 
Verein  zur  Hebung 
des  Fremdenverkehrs 
in  Lüneburg 


Mit  32  Ansichten,  sowie  den  Plänen 
cles  Stadt-  und  Landkreises  Lüneburg 


Lüneburg  1905 

Verlag  von  Herold  & Wahlstab  Inh.:  Erich  Fechner  . 


Verkehrswesen. 


Eisenbahnen.  Lüneburg  (26,000  E.)  hat  zwei  Bahnhöfe,  beide 
im  Osten  der  Stadt  belegen.  1.  für  die  Strecken  Lüneburg- 
Hamburg,  Lüneburg -Hannover,  Lüneburg-Büchen-Lübeck. 
2.  für  die  Strecken  Lüneburg-Wittenberge-Berlin,  Lüneburg- 
Buchbolz-Bremen,  bezw.  Geestemünde. 

Post.  Das  Hauptpost-  und  Telegraphenamt  1 befindet  sich  in- 
mitten der  Stadt  am  Marienplatze,  Ecke  der  Straßen  Neue 
Sülze  und  Auf  dem  Meere.  (Alle  Schalter,  außer  Telegraph, 
von  1 bis  2 Uhr  geschlossen.)  Das  Postamt  2,  unmittelbar 
am  Bahnhofe,  ist  nur  werktags  von  9 — 1 Uhr  vormittags 
und  von  3 — 8 L^hr  nachmittags  geöffnet,  an  Sonn-  und 
Feiertagen  bleibt  es  geschlossen. 

Fernsprechstelle.  Die  öffentliche  Fernsprechstelle  befindet 
sich  im  Hauptpostamt  am  Marienplatze. 

Droschken.  Zu  allen  Hauptpersonenzügen  halten  Droschken 
am  Bahnhofe  (Besitzer  E.  Santelmann.  Außerdem  Hotel- 
wagen zu  jedem  Zuge  am  Bahnhofe.  Mietswagen  stellen 
ferner  auf  Bestellung  die  hiesigen  Fuhrhalter. 

Droschken-Tarif. 

A.  Zeitfahrten. 

1)  Für  die  erste  Viertelstunde : 1 — 2 Personen  75  A),  3—4 
Personen  1 Mi. 

2)  Für  jede  weitere  angefangene  Viertelstunde  25  a]  mehr. 
Es  ist  zu  bezahlen  für  die  Zeit  von  der  Inanspruch- 
nahme des  Wagens  bis  zur  Entlassung  des  Kutschers. 

B.  Fahrten  nach  der  Provinzial  - Heil-  und 
Pflegeanstalt  und  dem  Krankenhaus. 

1)  Nach  der  Provinzial -Heil-  und  Pflegeanstalt  : 1 — 2 

Personen  1 M.  25  /$,  3 — 4 Personen  1 M.  50  /$. 

1* 


4 


2)  Nach  dem  Krankenhause : 1 — 2 Personen  1 M.,  3—  4 
Personen  1 M>.  25  /$. 

Werden  die  Fahrten  nach  der  Heil- und  Pflegeanstalt 
oder  nach  dem  Krankenhanse  auf  Wunsch  des  Fahr- 
gastes durch  Aufenthalt  unterbrochen,  so  ist  nach  der 
Taxe  unter  A,  mindestens  aber  der  unter  B festgesetzte 
Betrag  zu  bezahlen. 

C.  Besondere  Bestimmungen. 

1)  Ein  Kind  unter  10  Jahren  ist  frei,  zwei  Kinder 
unter  10  Jahren  gelten  für  einen  Fahrgast,  3 oder  4 
Kinder  für  2 Fahrgäste. 

2)  Mehr  als  vier  vollzahlende  Personen  brauchen  nicht 
auf  genommen  zu  werden. 

3)  Gewöhnliches  Handgepäck,  wozu  auch  Handkoffer 
nicht  über  60  cm  lang  und  30  cm  hoch  gerechnet 
werden,  ist  frei.  Für  einen  größeren  Koffer  oder  ein 
ähnliches  Gepäckstück  sind  je  20  /$  zu  entrichten. 

Personenposten  fahren  von  Lüneburg  nach  Amelinghausen, 
Artlenburg,  Neetze,  Salzhausen.  Fahrscheine  im  Haupt- 
postamt. 

Zeitungen:  Lüneburgsche  Anzeigen,  Am  Sande  31.  Lüne- 
burger Tageblatt,  Auf  dem  Meere  23.  Lüneburger  Volks- 
blatt, Ritterstraße  46. 


Aufenthalt. 

Hotels.  Hotel  Deutsches  Haus,  Am  Sande.  Hotel  Wellen- 
kamp, Am  Sande.  Hotel  zur  Hoffnung,  Am  Sande. 
Barks  Hotel,  Am  Sande.  Hotel  zum  Schießgraben,  Im 
Schießgraben. 

Gasthöfe.  Zum  weißen  Roß,  Am  Sande.  Zum  Sandkrug, 
Am  Sande.  Zum  Schütting,  Am  Sande.  Lüneburger  Hof, 
Am  Sande.  Zur  Eisenbahn,  Altenbrückertorstraße.  Stadt 
Lübeck,  Lünertorstraße.  — Herberge  zur  Heimat, Wallstraße4. 
Restaurationen.  In  der  Nähe  der  Bahn:  Clausens  Garten 
Bellevue,  bei  den  Kasernen.  Am  Sande:  Lüneburger  Hof. 
Zum  Schütting.  Lindemanns  Restaurant  und  die  Hotels  und 
Gasthöfe.  Ratsschänke,  Am  Markt.  Kaulitz’  Gesell- 


5 


schaftshaus,  Schröderstraße.  Kohlmanns  Restaurant,  Grapen 
gießerstraße.  C.  Maack,  Apothekenstraße.  Hansa-Saal,  Am 
Bardowickertor.  Meyers  Garten.  Mönchsgarten.  Schützen 
haus. 

Weinstuben.  Ratsweinkeller,  Am  Markt,  im  Rathause, 
von  Lösecke’s  Weinstube,  Am  Stintmarkt  F.  Kröger, 
Schröderstraße. 

Konditoreien  (auch  Caf6s>  Rauno,  Schröderstraße.  Moeller, 
Gr.  Bäckerstraße.  Bergmann,  Apothekenstraße.  Dieckmann, 
Heiligengeiststraße.  Wienecke,  Am  Sande. 

Alkoholfreie  Restaurants.  Lindemann,  An  den  Brodbänken 
5 und  die  öffentliche  Lesehalle,  Auf  der  Altstadt  50. 

Kaffee-  und  Biergärten  nahe  vor  der  Stadt.  Clausens  Garten, 
mit  großem  Saal,  heim  Bahnhofe.  Altenbrücker  Ziegelhof, 
jenseit  der  Bahnhöfe.  Meyers  Garten,  mit  großem  Saal, 
und  Mönchsgarten,  westlich  vor  der  Stadt.  Hai  vensleben, 
bei  den  Badeanstalten. 

Badeanstalten.  Flußbäder:  Halvensleben  und  Koop  (für 
Herren),  Volksbadeanstalt  (für  Damen),  Wannenbäder: 
Volksbadeanstalt,  Solbadeanstalt. 

Stadttheater.  Schau-  und  Lustspiel:  Saison  vom  1.  Oktober 
bis  Mitte  März.  Oper:  Monatsoper  vom  3.  Osterfeier- 
tage an.  Auch  zu  Konzerten  und  Vorträgen.  Schröder 
straße  (Kaulitz’  Gesellschaftsbaus). 

Kaiser-Panorama,  Neue  Sülze  9.  Täglich  geöffnet  mit  Aus- 
nahme der  Monate  Juni  und  Juli). 

Hauptsehenswürdigkeiten  Rathaus  wegen  Besichtigung 
wende  man  sich  an  Stadthausvogt  Lichte,  Wohnung  an 
der  südwestlichen  Seite  des  Rathauses,  beim  Marienplatze  . 
Museum  (Altertümer  und  naturwissenschaftliche  Sammlung  . 
St.  Johanniskirche.  St.  Nikolaikirche.  St.  Michaeliskirche, 
mit  sehenswerter  Krypta  (Unterkirche  . Viskulenhof  und 
Kran.  Kalkberg.  Saline.  Provinzial -Heil-  und  Pflege- 
anstalt (ausführliches  über  die  einzelnen  Punkte  ist  im 
»Rundgang«  nachzulesen). 

Ausflüge  in  die  nächste  Umgebung,  Stadtpark  am  Bockeis- 
berge. Restaurationsgarten  Zum  Ilmenaugarten.  Wilschen 
brook.  Roteschleuse (Omnibusverbindung  Tiergarten  (eventl. 
auch  Bahn  bis  Station  Deutsch-Evern  Hasenburg.  Zum 
grünen  Jäger.  Kaltenmoor.  Böhmsholz.  Klosterkrug  in  Lüne. 


■e JCtXFS»- 


Geschichte  der  Stadt  Lüneburg 

von 

W.  Görges. 


Die  Stadt  Lüneburg  ist  ans  zwei  Ansiedelungen 
zusammengewachsen,  von  denen  die  eine  an  der  Sülze  und 
am  Kalkberge,  die  andere,  in  alter  Zeit  Modestorp  genannt,, 
an  der  Ilmenau  lag. 

Die  erstere  ist  älter;  die  Straße,  welche  die  Sülze 
mit  dem  Kalkberge  verbindet,  die  Salzbrückerstraße,  nach 
einer  Brücke  genannt,  die  einen  zwischen  Sülze  und  Kalkberg 
fließenden  Bach  überschritt,  ist  vermutlich  die  älteste  der 
Stadt.  Vor  der  Sülze,  »bei  den  Steinen« , lag  der  älteste 
Marktplatz  Lüneburgs,  wo  das  Salz  verkauft,  Salzgüter  auf- 
gelassen und  bei  der  Sülze  entstandene  Streitigkeiten  geschlichtet 
wurden;  auch  in  dem  Namen  »Altstadt«  für  die  am  Fuß  des 
Kalkbergs  liegende  Straße  hat  sich  die  Erinnerung  an  des 
höhere  Alter  dieses  Stadtteils  erhalten. 

Die  Entstehung  der  Sülze  läßt  sich  nicht  nach  weisen. 
Aber  die  natürlichen  sehr  ergiebigen  Solquellen  mit  ihrem 
reichen  Salzgehalt  konnten  selbst  in  den  ältesten  Zeiten  kaum 
verborgen  bleiben,  da  das  Salz  damals  ebenso  Lebensbedürfnis 
war  wie  jetzt;  und  die  uralten  Namen  der  früheren  54  Siede- 
häuser weisen  auf  Geschlechter  hin,  an  die  nur  noch  Orts- 
namen der  Umgegend  erinnern,  ja  die  zwei  Häuser,  welche 
der  bedeutendsten  Solquelle  zunächst  lagen  und  besondere 
Vorrechte  besaßen  — Bernding  und  Eying  — , trugen  Namen, 


welche  eine  auffallende  Verwandtschaft  init  denen  alter  lange 
bardischer  Fürsten  zeigen. 

In  unmittelbarer  Nähe  der  Sülze  war  der  Kalkberg 
eine  natürliche  Grenzfestung  gegen  die  in  alter  Zeit  bis  nab* 
an  die  Ilmenau  wohnenden  Wenden. 

Auch  Modestorp  hatte  schon  früh  Bedeutung.  An  einer 
Stelle,  wo  sandige  Höhen  von  beiden  Seiten  an  die  Ilmenau 
heran  treten  und  einen  bequemen  Übergang  gestatten,  lag  di* 
»alte  Brücke«,  über  die  der  Verkehr  von  der  Sülze  nach  Osten 
ging.  An  dieser  Brücke  war  ein  altes  Goh-Gericht  Goh  be 
deutet  den  Teil  eines  Gaues; , und  in  Modestorp  war 
ein  Archidiakonat  des  Bistums  Verden  mit  einer  Kirche 
Johannes  des  Täufers.  Da  die  Archidiakonen  an  der  Spitze 
der  Kreise  standen,  in  die  das  Bistum  zerfiel,  so  beweist 
das  Vorhandensein  eines  solchen  in  Modestorp  ebenso  wie 
das  Bestehen  der  Gerichtsstätte,  daß  es  ein  wichtiger  < >rt 
im  Gau  war. 

Bei  einem  Zuge,  den  Karl  der  Große  ins  Sachsen 
land  machte,  wird  Hliuni  erwähnt,  und  damit  ist  wahr 
scheinlich  das  spätere  Lüneburg  gemeint.  Im  Jahre  951 
erscheint  Hermann  Billung  als  Besitzer  des  Kalkbergs. 
Er  erbaut  auf  demselben  ein  Benediktinerkloster  und  weihte 
es  dem  Erzengel  Michael,  dem  besonderen  Beschützer  der 
katholischen  Kirche.  Wenige  Jahre  später  956  erhielt  das 
Kloster  von  König  Otto  I.  den  Salzzoll  zu  Lüneburg,  und 
hei  dieser  Gelegenheit  wird  der  Name  Lüneburg  zuerst  ge 
nannt.  In  der  nächsten  Zeit  wird  es  immer  häufiger  erwalmt. 
und  dabei  gewöhnlich  eine  Burg,  bisweilen  auch  schon  eine 
Stadt  genannt.  Heinrich  IV.  benutzte  es  als  Stützpunkt 
in  seinen  Kämpfen  gegen  die  Sachsen;  bei  dieser  Gelegen 
heit  wird  die  Burg  von  den  Sachsen  eingenommen,  und  die 
gefangenen  Ritter  Heinrichs  werden  in  der  Stadt  in  Go 
wahrsam  gehalten.  Kaiser  Lothar  hielt  sich  zweimal  in 
Lüneburg  auf,  und  als  nach  seinem  Tode  der  Kampf  zwischen 
Staufern  und  Welfen  ausbrach,  eroberte  Albrecht 
die  Burg.  Nach  hergestelltem  Frieden  war  Lüneburg 
Besitze  Heinrichs  des  Löwen,  und  dieser,  im  ( 
zu  Friedrich  Rotbart  ein  Beschützer  der  Sti 
derte  seine  Entwicklung.  So  ließ  er  zu  Gunsten 
burger  Sülze  die  in  Oldesloe  entdeckte  Solquelle  verschütten. 


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Nach  der  Ächtung  Heinrichs  des  Löwen  wurde  Lüne- 
burg 1180  vom  Kaiser  belagert  und  fiel  in  seine  Hand;  es 
blieb  aber  als  Allod  der  welfischen  Familie  auch  nach  der 
Zerstückelung  Sachsens  im  Besitze  Heinrichs. 

Besonders  wichtig  für  Lüneburg  wmrde  die  Zerstörung 
Bardowiks  durch  Heinrich  den  Löwen  am  28.  Oktober 
1189.  Der  Handel,  den  Bardowik  bisher  gehabt  hatte,  ging 
nun  auf  Lüneburg  über. 

Die  Elbe  war  damals  noch  nicht  eingedeicht,  und  die 
Elbmarschen  waren  deshalb  unpassierbar.  Stellen,  an  denen 
man  die  Elbe  jederzeit  überschreiten  konnte,  gab  es  unterhalb 
des  jetzigen  Hamburg  keine  einzige,  und  weiter  oberhalb  nur 
wenige,  besonders  Artlenburg  und  Darchau.  An  diesen  Stellen 
kreuzte  der  Verkehr  die  Elbe,  und  diese  Straßen  laufen  bei 
Bardowik  und  ebenso  bei  Lüneburg  zusammen.  Für  die 
Schiffahrt  war  die  mittlere  und  obere  Elbe  an  ihren  Ufern 
wenig  geeignet.  Der  Handel  benutzte  daher  die  leichter 
zugängliche  Ilmenau.  Bei  Bardowik,  später  bei  Lüneburg 
schloß  sich  an  die  Schiffahrt  der  Landtransport.  Auf  diesen 
in  der  damaligen  Natur  des  Landes  begründeten  Verhält- 
nissen beruhte  die  Bedeutung,  welche  zuerst  Bardowik,  und 
nach  dessen  Zerstörung  das  nahe  gelegene  Lüneburg  für  den 
Handel  bekamen. 

Durch  die  aus  der  zerstörten  Nachbarstadt  zu- 
wandernden neuen  Bürger  vergrößerte  sich  die  Stadt.  Das  bis 
ins  12.  Jahrhundert  unbewohnte  Gebiet  zwischen  der  Altstadt 
und  dem  Bardowikertore  wurde  bebaut.  Dort  entstand  der 
»neue  Markt«,  der  jetzige  Markt  und  Ochsenmarkt,  dort 
begann  man  im  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  das  Rathaus 
zu  bauen.  Ebenso  siedelten  sich  auf  einem  bis  dahin 
wüsten  Platze,  dem  »Gosebrink«,  Franziskaner  bald  nach  der 
Stiftung  ihres  Ordens  an  und  erbauten  das  Marienkloster  (1233). 
Zugleich  wurden  Stadtmauern  statt  der  alten  Plankenein- 
fassung errichtet. 

Dieser  Aufschwung  der  Stadt  beförderte  die  Ent- 
wicklung der  Sülze.  Ursprünglich  war  der  Herzog  im  Besitz 
der  Sülze  gewesen  und  hatte  dort  die  Hoheitsrechte  aus- 
geübt. Allmählich  aber  gingen  die  Einkünfte  der  Sülze  durch 
Schenkung,  Verkauf  oder  Belehnung  in  andere  Hände,  be- 
sonders die  der  benachbarten  Kirchen  und  Klöster  über.  In 


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einer  Zeit,  wo  die  Kirche  das  Zinsnehmen  verbot  gab  es 
wenig  Gelegenheit,  Geld  sicher  und  nutzbringend  anzulegen. 
Der  Erwerb  von  Sülzgütern  war  nun  eine  der  besten  Gelegen- 
heiten. Die  Kirche  gab  auch  nicht  leicht  wueder  heraus, 
was  sie  einmal  an  sich  gebracht,  und  so  kam  es,  daß  all- 
mählich kirchliche  Anstalten  — später  kurz  Prälaten  ge- 
nannt — Eigentümer  der  Sülze  wurden.  Bald  erwarben 
sie  auch  die  Hoheitsrechte,  die  bisher  der  Herzog  gehabt 
hatte.  So  bekamen  sie  1228  die  Erlaubnis,  einen  Sood 
meister  zur  Aufsicht  über  den  Betrieb  zu  wählen,  und  1209 
wurde  ihnen  die  Bare  verkauft,  d.  h.  das  Gebäude,  in  denen 
die  bleiernen  Pfannen  gegossen  wurden,  und  das  damit  ver 
bundene  Recht  der  Polizeiaufsicht  über  die  Sülze. 

Jedoch  konnten  diese  Besitzer  der  Sülze,  die  weit 
verstreut  lebten,  den  Betrieb  nicht  selbst  leiten.  Sie  ver- 
pachteten daher  die  Besiedung  an  Einwohner  Lüneburgs. 
Ursprünglich  erhielten  die  Eigentümer  diese  Pacht  in  Salz 
ausgeliefert,  bald  aber  trat  mit  der  fortschreitenden  Ein 
führung  der  Geldwirtschaft  Geld  an  diese  Stelle,  und  zwar 
bildete  sich  der  Brauch  aus,  daß  den  Eigentümern  die 
Hälfte  des  Ertrages  geliefert  wurde.  Von  jeder  der  vier 
Pfannen  in  den  54  Siedehäusern  berechnete  man  diese  Hälfte 
des  jährlichen  Ertrages  auf  429  Centner.  Den  Marktpreis 
dafür  erhielten  die  Eigentümer.  Die  Pächter  besorgten  für 
die  andere  Hälfte  die  Arbeit,  beschafften  die  Feuerung  und 
sorgten  für  die  Gerätschaften.  Außerdem  gehörte  den 
Pächtern,  was  sie  mehr  produzieren  konnten,  und  da  man 
später  den  Ertrag  der  Pfanne  auf  1250  Centner  berechnete, 
so  war  der  Gewinn  bedeutend.  Diese  Pacht  war  also 

ein  einträgliches  Geschäft,  und  bald  bildeten  die  Pächter 
einen  hervorragenden  Stand  in  Lüneburg  — den  der 
Sülfmeister. 

Den  Betrieb  auf  der  Sülze  darf  man  nicht  mit  dem 
Maßstabe  der  heutigen  Zeit  messen;  für  die  damalige  Zeit 
war  er  so  großartig,  daß  wenige  Städte  etwas  Ähnliches 
aufzuweisen  hatten. 

Die  Sülze  brachte  dazu  den  Einwohnern  Lüneburgs 
viel  Nebenverdienst.  Viele  Fuhrleute  und  Schiffer  wurden 
beschäftigt,  das  Salz  fortzuschaffen,  und  die  gewaltigen 
Massen  von  Holz  herbeizuführen,  womit  geheizt  wurde.  Es 


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entwickelte  sich  auch  ein  besonderes  Gewerbe  zur  Anfertigung' 
dei  Tonnen,  in  denen  das  Salz  verschickt  wurde. 

Durch  diesen  Betrieb  und  den  sich  mehr  und  mehr 
entwickelnden  Handel  — besonders  wichtig  war  der  Handel 
mit  Heringen  — gelangte  die  Stadt  rasch  zu  Wohlstand. 
Wie  anderen  Städten  Deutschlands,  gelang  es  auch  der  Stadt 
Lüneburg  durch  ihre  Geldmittel,  sich  Freiheiten  und  Hoheits- 
rechte von  den  Herzogen  zu  erwerben.  Schon  um  1200 
werden  Ratsherren  erwähnt;  1247  erhält  die  Stadt  von 
Otto  dem  Kinde  ein  Privilegium,  in  dem  ihr  die  persön- 
liche Freiheit  der  Einwohner  uud  Freiheit  von  gewissen 
Abgaben  gewährt  wird.  Auch  in  benachbarten  Landschaften 
erlangte  Lüneburg  besondere  Rechte:  Freiheit  von  Zöllen 
und  Vorrechte  für  den  Salzhandel. 

Das  Interesse  am  Schutze  des  Handels  und  am 
Gewinne  neuer  Vorrechte  hatte  es  mit  den  benachbarten 
Städten  gemeinsam;  es  schloß  mit  ihnen  Verträge  und  bald 
war  Lüneburg  eine  der  wichtigsten  unter  den  Hansastädten 
und  beteiligte  sich  an  den  gemeinsamen  Unternehmungen 
der  Hansa,  z.  B.  an  den  Kriegen  gegen  den  Dänenkönig 
Waldemar  IV.  (1361-1370). 

Wie  in  allen  deutschen  Städten  war  auch  in  Lüne- 
burg die  Leitung  der  Angelegenheiten  in  die  Hand  weniger 
Geschlechter  gekommen,  derselben,  aus  denen  auch  die 
Sülfmeister  hervorgingen.  Diese  bildeten  ausschließlich  den 
Rat  der  Stadt.  Zuerst  standen  sie  mit  den  Landesherren 
in  gutem  Einvernehmen.  Als  aber  überall  in  Deutschland 
bei  der  fortwährend  zunehmenden  Macht  der  Städte  der 
Gegensatz  der  städtischen  und  fürstlichen  Interessen  immer 
mehr  hervortrat,  und  zu  dem  Versuche  der  Fürsten  führte, 
diese  aufstrebende,  ihnen  gefährliche  Macht  niederzuwerfen, 
und  als  so  gegen  Ende  des  14.  Jahrhunderts  überall  Kriege 
zwischen  den  Fürsten  und  Städten  ausbrachen,  blieben  solche 
Kämpfe  auch  Lüneburg  nicht  erspart.  Hier  wurde  dieser 
Zusammenstoß  durch  Erbstreitigkeiten  im  herzoglichen 
Hause  veranlaßt. 

Von  den  beiden  Linien,  in  die  sich  das  weltische  Haus 
nach  dem  Tode  Otto’s  des  Kindes  (1252)  gespalten  hatte, 
erlosch  die  jüngere,  die  Lüneburger,  mit  dem  Herzoge  Wil- 
helm im  Mannsstamme  (1369).  Herzog  Wilhelm  hinterließ 


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bloß  Töchter,  von  denen  die  älteste  mit  dem  Herzoge  Otto  von 
Sachsen- Wittenberg  verheiratet  war.  Es  handelte  sich  nun 
darum,  ob  der  Sohn  derselben,  Al  brecht,  oder  das  Haupt 
der  älteren  Linie,  Magnus  Torquatus  von  Braunschweig 
im  Herzogtum  Lüneburg  erben  sollte.  Von  dem  Herzog 
Wilhelm  war  zuerst  Al  brecht  begünstigt,  dann  aber 
Magnus  als  Mitregent  und  Erbe  angenommen. 

Herzog  Wilhelm  hatte  bis  zu  seinem  Tode  der  Stadt 
Lüneburg  gegenüber  eine  wohlwollende  Haltung  beobachtet, 
und  ihr  — gegen  Bezahlung  seiner  Schulden  und  andere 
Leistungen  — wichtige  Rechte  verliehen.  Dadurch  hatte  die 
wichtigste  Stadt  seines  Landes  fast  vollständige  Selbständig- 
keit gewonnen.  An  wichtigeren  Rechten  besaß  der  Herzog 
nur  noch  den  Sülzzoll  — der  acht  Pfennige  vom  Wispel  ein- 
trug — , eine  (schon  verpfändete)  jährliche  Bede  (für  Lehns- 
dienste eingetretene  Steuer),  einen  in  der  Bäckerstraße  er- 
hobenen Zoll,  die  (an  die  Stadt  schon  verpfändete)  Vogtei 
und  den  Vorsitz  des  Gerichts  bei  den  Steinen  (S.  6). 

Als  nun  Magnus  bald  nach  seinem  Regierungsantritt 
von  der  Stadt  verlangte,  sie  solle,  damit  er  60  in  einer 
Fehde  gegen  den  Herzog  von  Mecklenburg  gefangene  Ritter 
auslösen  könne,  ihm  das  Sülzgut  der  mecklenburgischen 
Prälaten  ausliefern , und  die  Stadt  sich  dessen  weigerte, 
ging  er  mit  Gewaltmaßregeln  gegen  die  Stadt  vor,  zwang 
sie  zu  bedeutenden  Zahlungen,  ließ  sich  die  Schlüssel  zu 
den  Toren  ausliefern,  besetzte  die  Türme  auf  den  Stadt- 
mauern und  legte  eine  starke  Besatzung  in  die  Burg. 

Mittlerweile  hatte  der  Kaiser  Karl  IV.  die  Herzoge 
von  Wittenberg,  Alb  recht,  und  dessen  Oheime  Rudolf 
und  Wenzel  mit  Lüneburg  belehnt.  Als  diese  der  Stadt 
die  größten  Zugeständnisse  machten,  ihr  z.  B.  den  Kalkberg 
schenkten  und  die  Zerstörung  der  Burg  gestatteten,  fiel 
Lüneburg  zu  ihnen  ab  und  sagte  dem  Herzog  Magnus, 
der  sich  damals  in  Celle  befand,  Fehde  an.  Die  Bürger 
bemächtigten  sich  durch  Überfall  der  Burg,  und  Herzog 
Albrecbt,  der  schon  in  der  Nähe  war,  hielt  am  folgenden 
Tage  (2.  Februar  1371)  seinen  Einzug  in  die  Stadt.  Die 
Burg  auf  dem  Kalkberge  wurde  zerstört,  das  Michaeliskloster 
auf  dem  Kalkberge  abgebrochen,  und  den  Benediktinern  ein 
anderer,  nahe  gelegener  Platz,  »de  hole  Eke«,  innerhalb  der 


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Stadtmauer  angewiesen,  wo  1376  der  Bau  des  neuen  Klosters 
oegonnen  wurde. 

Den  jetzt  ausbrechenden  Kampf  mit  Herzog  Magnus 
beendete  bald  ein  Waffenstillstand;  während  desselben 
suchte  Magnus  durch  nächtlichen  Überfall  von  etwa 
600  Bewaffneten  sich  der  Stadt  zu  bemächtigen.  Es  gelang 
auch  den  Angreifern,  in  die  Stadt  bis  auf  den  Markt  vor- 
zudringen. Dann  aber  wurden  sie  von  den  Bürgern,  die 
sich  gesammelt  hatten,  in  heißem  Kampfe  überwältigt.  Was 
nicht  fiel,  wurde  gefangen.  Auch  viele  Bürger  fanden  ihren 
Tod,  darunter  zwei  Bürgermeister. 

Diese  Kämpfe,  besonders  der  nächtliche  Überfall  in 
der  Nacht  auf  den  22.  Oktober  1371,  der  Ursula- Nacht, 
galten  den  späteren  Geschlechtern  als  der  Glanzpunkt  der 
lüneburgischen  Geschichte,  und  noch  lange  nach  der  Refor- 
mation wurde  dieser  Sieg  über  den  Herzog  kirchlich  gefeiert. 
Und  so  ist  diese  Zeit  auch  mit  vielen  kleinen  Zügen  und 
Sagen  ausgeschmückt. 

Es  ist  eine  Erzählung  von  dramatischer  Kraft,  wenn 
berichtet  wird,  wTie  der  Herzog  den  Absagebrief  beim  Mittags- 
mahle erhielt,  und  eiligst  einen  Knecht  absandte,  um  die 
Besatzung  der  Burg  zu  warnen.  Dieser  langt  beim  Morgen- 
grauen vor  der  Burg  an  und  ruft  mit  lauter  Stimme  den 
Wächtern  zu:  »Ich  soll  euch  Botschaft  bringen,  euch  zu 
hüten  vor  den  Lüneburgern ; sie  führen  nichts  Gutes  im 
Sinne.«  Aber  spöttische  Rufe  der  Lüneburger  waren  die 
Antwort.  Da  wandte  der  Bote  sein  Roß  mit  dem  Klageruf: 
>0  weh!  Verloren  ist  die  Krone  des  Landes  Lüneburg !«  Und 
aus  der  Ursula-Nacht  weiß  die  Sage  von  einem  streitbaren 
Bäcker  zu  erzählen,  der  22  der  eingedrungenen  Feinde  er- 
schlagen. 

Magnus  setzte  trotz  der  Niederlage  den  Kampf  fort. 
Als  er  aber  in  dem  Treffen  von  Leveste  (1373)  gefallen  war, 
kam  es  zu  einem  Vergleiche,  nach  welchem  die  Herrschaft 
über  Lüneburg  zwischen  den  beiden  Häusern  wechseln,  zu- 
nächst aber  die  Wittenberger  die  Regierung  übernehmen  sollten. 
Doch  schon  nach  wenigen  Jahren  nahm  Magnus’  jüngster 
Sohn  Heinrich  den  Kampf  wieder  auf,  besiegte  die  Streit- 
kräfte der  Wittenberger  und  der  Stadt  Lüneburg  bei  Winsen 
a.  d.  Aller  (1388)  und  entschied  dadurch  den  Kampf  zu  Gunsten 


13  — 


der  Braunschweiger  Linie.  Jedoch  behauptete  die  Stadt  ihre 
fast  unabhängige  Stellung  den  Herzogen  gegenüber. 

Die  Söhne  des  Herzogs  Magnus,  Bernhard  und 
Heinrich,  die  Lüneburg  gemeinsam  regierten,  sahen  sich 
sogar  genötigt,  in  dem  Vertrage  vom  20.  September  1392 
ihre  Zustimmung  zu  der  »Säte«  zu  geben,  in  welcher  die 
Herzoge  und  die  Stände  sich  gegenseitig  die  Beobachtung 
des  Landfriedens  verbürgten,  und  die  Aufsicht  darüber  einem 
Ausschuß  aus  der  Ritterschaft  und  den  Städten  übertragen 
wurde.  In  dieser  Säte  lag  eine  so  starke  Beschränkung  der 
fürstlichen  Gewalt,  daß  schon  nach  kurzer  Zeit  die  Herzoge 
sich  dieses  Vertrages  wieder  zu  entledigen  suchten.  Darüber 
kam  es  zu  neuen,  erbitterten  Kämpfen,  bei  denen  Lüneburg 
von  Hamburg  und  Lübeck  unterstützt  wurde.  Der  Kampf 
endete  1397,  ohne  daß  es  den  Herzogen  geglückt  wäre,  die 
der  Stadt  verliehenen  Rechte  wieder  an  sich  zu  reißen.  Von 
diesen  war  besonders  wichtig  das  1392  verliehene  »Straßen- 
zwangsrecht, dem  zufolge  in  weitem  Umkreise  die  Waren 
ihren  Weg  über  Lüneburg  nehmen  mußten,  und  jede  andere 
Straße  verboten  war.  Dazu  gewann  Lüneburg  das  Stapel- 
recht, nach  welchem  die  ankommenden  Waren  vor  dem 
Weitertransport  zum  Verkauf  ausgeboten  werden  mußten  und 
dadurch  zu  einem  Aufenthalte  gezwungen  wurden. 

Auch  der  Kirche  gegenüber  bewies  der  Rat  seine 
Selbständigkeit.  Es  war  damals  allgemein  das  Streben  der 
Städte,  neben  den  bisher  allein  vorhandenen  Klosterschulen 
solche  Schulen  zu  gründen,  die  unter  städtischer  Aufsicht 
den  Zwecken  der  städtischen  Bevölkerung  besser  entsprächen. 
Freilich  mußte  man  zu  Lehrern  Geistliche  oder  Ordensleute 
berufen,  weil  es  in  anderen  Kreisen  noch  keine  geeigneten 
Lehrer  gab.  Bisher  hatte  das  Michaeliskloster  das  alleinige 
Recht,  in  Lüneburg  eine  Schule  zu  halten.  Der  Rat  ver- 
anlaßte  nun  die  Prämonstratenser  in  Heiligenthal,  ihr 
Kloster  in  die  Stadt  zu  verlegen  (1383)  und  eine  neue  Schule 
unter  Aufsicht  des  Rates  ins  Leben  zu  rufen.  Trotz  des 
heftigen  Widerstandes  des  Michaelisklosters,  und  obwohl 
die  Herzoge  und  sogar  der  Papst  dessen  Partei  ergriffen, 
setzte  der  Rat  seinen  Willen  durch.  Am  18.  April  1402 
räumte  das  Michaeliskloster  dem  Rate  das  Recht  ein,  diese 
Schule  zu  halten,  in  der  wir  den  Anfang  des  noch  jetzt 


— 14  — 


bestehenden  Johanneums  zu  sehen  haben:  Einige  Jahre 

später  (1406)  gewann  der  Kat  das  Patronat  über  die  St. 
Johanniskirche. 

Lüneburg  bietet  in  dieser  Zeit  das  Bild  eines  Gemein- 
wesens, das  unter  dem  kräftigen  und  sein  Ziel  fest  im  Auge 
behaltenden  Eate  nach  allen  Seiten  seine  Unabhängigkeit 
sichert  und  seine  Eechte  erweitert,  sei  es  mit  Gewalt,  sei  es 
durch  Verhandlungen  und  kluge  und  rechtzeitige  Verwendung 
seiner  reichen  Mittel.  Der  Turm,  den  die  Lüneburger  auf 
dem  jetzt  ihnen  gehörenden  Kalkberge  erbauten,  zeigte  weit- 
hin den  stolzen  und  trotzigen  Sinn  seiner  Bewohner. 

Aber  die  Kämpfe,  die  die  Stadt  auszufechten  gehabt 
hatte,  sowie  der  Erwerb  von  Privilegien  und  sonstige  Maß- 
regeln zum  Schutze  des  Handels  hatten  die  Stadt  mit 
Schulden  belastet.  Nach  dem  Erbfolgestreit  und  nach  dem 
Kampfe  über  die  Säte  hatte  daher  der  Eat  unter  Berufung 
darauf,  daß  die  Ausgaben  im  Interesse  der  Freiheit  der 
Sülze  und  zur  Sicherung  des  Salzhandels  gemacht  seien,  die 
Hülfe  der  Sülzbegüterten  in  Anspruch  genommen.  Diese 
hatten  auch  Beihülfen  bewilligt.  Aber  die  Forderungen 
des  Eates  wiederholten  sich.  Während  des  Krieges, 
den  die  Hansa  seit  1423  mit  Erich  von  Dänemark 
führte,  bewilligten  die  Sülzbegüterten  dauernd  den  vierten 
Pfennig,  d.  h.  25  % ihres  Einkommens.  Dies  brachte 
eine  jährliche  Einnahme  von  22  000  Mark  (nach  heutigem 
Geldwerte  etwa  250  000  Mark).  Da  aber  bald  die 
städtische  Schuld  auf  500  000  Mark  anwuchs  (nach  heutigem 
Geldwerte  fast  6 Millionen  Mark),  so  reichte  die  Beisteuer 
nicht  einmal,  die  Zinsen  der  Schuld  zu  bezahlen;  denn  der 
Zinsfuß  überstieg  in  der  Eegel  damals  7 °/o.  So  verlangte 
der  Eat  von  den  Sülzbegüterten,  den  »Prälaten«,  die  Hälfte 
ihrer  jährlichen  Einkünfte,  zunächst  auf  vier  Jahre.  Obgleich 
ein  Teil  der  Prälaten  selbst  diese  hohe  Forderung  bewilligen 
wollte,  ging  sie  doch  den  meisten  zu  weit,  und  so  brachte 
es  der  Propst  von  Lüne,  S c h a p e r , dahin,  daß  die  Forderung 
abgelehnt  wurde,  und  da  andererseits  Vermittelungsvorschläge 
als  nicht  ausreichend  vom  Eate  verworfen  wurden,  wandten 
sich  die  Prälaten,  die  »Pieter-Prälaten«,  wie  sie  spottweise  in 
Lüneburg  genannt  wurden,  an  den  Papst  und  an  den  Kaiser. 
Der  Kat  blieb  bei  seiner  Forderung,  und  so  wurde  er  1450 


vom  Papste  gebannt,  und  1454  von  dem  Kaiser  in  die  Acht  getan. 
Unbekümmert  darum  zog  der  Rat  jetzt  die  Sülz  güter  ein. 

Doch  blieb  der  Bann  und  das  Aufhören  der  kirchlichen 
Handlungen  in  der  Stadt  nicht  ohne  Wirkung  auf  die 
Bürgerschaft.  Eine  dem  Rate  feindliche  Partei  bekam  die 
Oberhand  und  setzte  einen  Ausschuß  von  60  Bürgern  ein, 
an  deren  Spitze  Sengstake  und  der  herzogliche  Zöllner 
Dalenborg  standen.  Diese  zwangen  den  Rat,  ihr  Amt 

niederzulegen  (1454),  und  warfen  trotz  des  gegebenen  Ver 
Sprechens  die  vier  Bürgermeister  und  mehrere  Ratsherren 
ins  Gefängnis.  Der  Bürgermeister  Springint  gut,  der  in 
einem  am  Gralwalle  neu  erbauten  und  nach  seinem  Namen 
später  benannten  Turme  gefangen  saß,  starb  darin  infolge 
schlechter  Behandlung. 

Der  neue  Rat  war  eingesetzt,  um  ein  besseres  Ver- 
hältnis mit  den  Prälaten  anzubahnen  und  die  Stadt  von 
dem  Kirchenbanne  zu  befreien.  Dies  war  nur  möglich, 
wenn  den  Prälaten  zu  Ungunsten  der  Stadt  Zugeständnisse 
gemacht  wurden.  Die  Stimmung  mußte  Umschlagen,  sobald 
der  Bürgerschaft  diese  Sachlage  klar  wurde,  und  die  Ein- 
sicht, daß  nicht  der  neue  Rat,  wohl  aber  der  alte  Rath 
den  Vorteil  der  Stadt  wahrgenommen  hatte,  kam  bald. 
Schon  gegen  Ende  des  Jahres  1456  wurde  der  Sechziger 
Ausschuß  aufgelöst  und  der  alte  Rat  wieder  eingesetzt. 
Die  Häupter  der  aufständischen  Bewegung  wurden  zur  Ver 
antwortung  gezogen,  und  zwei  derselben,  Ulrich  Sch  aper, 
der  Bruder  des  Lüner  Propstes,  und  Hans  Dalenborg 
wurden  1458  auf  dem  Markte  hingerichtet. 

Trotzdem  nun  von  neuem  Bann  und  Acht  über  die 
Stadt  verhängt  wurden,  setzte  der  Rat  seinen  Willen  gegen 
die  Prälaten  durch.  Ein  Schiedsgericht  bestimmte  1462,  daß 
die  Prälaten  auf  10  Jahre  die  Hälfte  ihrer  Einkünfte  abgeben 
sollten,  und  1472  sahen  sich  die  Prälaten  genötigt,  diese 
Last  dauernd  auf  sich  zu  nehmen,  und  zwar  in  der  Form, 
daß  sie  entweder  von  jeder  der  216  Pfannen  900  Mark 
und  von  jedem  »Chore«*)  gewonnenen  Salzes  450  Mark  ein  für 

:!i)  Zur  Erklärung  und  zugleich  als  kleine  Probe  der 
verwickelten  Rechnung  bei  der  Sülze  diene  Folgendes:  Jedes 
der  54  Siedehäuser  hatte  auf  ein  gewisses  Quantum  Sole  An 
sprucli.  Diese  Sole  ergab  für  jede  Pfanne  jährlich  6 Chore  (zu 


— IG  - 


allemal  bezahlten,  oder  dieses  Geld  verzinsten.  Darauf 
beruht  noch  heutigen  Tages  der  Unterschied  zwischen  freien 
und  unfreien  Choren.  Von  letzteren  müssen  noch  jetzt  die 
Zinsen  für  die  damals  den  Prälaten  auferlegten  städtischen 
Schulden  an  die  Stadtkasse  gezahlt  werden. 

So  mußten  die  Prälaten  eine  Schuldenlast  von  nicht 
weniger  als  560000  Mark  nach  heutigem  Geldwerte  über 
6 Millionen  Mark  — übernehmen  und  verzinsen  oder  das 
Kapital  bar  an  die  Stadt  auszahlen.  Es  ist  begreiflich,  daß 
dieser  Ausgang  des  »Prälatenkrieges«  großes  Aufsehen 
machte.  Der  Kat  hatte  gegen  die  oberste  geistliche  und 
weltliche  Macht  und  zugleich  gegen  die  aufrührerische  Be- 
wegung im  Innern  seine  Stellung  behauptet.  Die  gehobene 
Stimmung,  in  der  sich  damals  die  Geschlechter  befanden 
und  der  aus  ihnen  hervorgegangene  Rat,  fand  ihren  Aus- 
druck in  der  Stiftung  der  Theodori-Gilde  (1460),  in  der  die 
angesehensten  Glieder  der  Patrizierfamilien  sich  zu  Gottes- 
dienst und  zu  Vergnügungen,  aber  auch  zu  gegenseitiger  Unter- 
stützung zusammenfanden. 

Während  des  Prälatenkrieges  hatte  der  damalige  Landes- 
herr, der  schwache  Friedrich  der  Fromme,  wenig  Ein- 
fluß geübt.  Aber  unter  dessen  Nachfolger,  Heinrich  dem 
Mittleren,  erstarkte  das  Landesfürstentum,  und  machte 
nachdrücklich  die  allgemeinen  Landesinteressen  dem  ein- 
seitigen städtischen  Interesse  gegenüber  geltend.  Wiederholt 
brachen  Streitigkeiten  zwischen  dem  Landesherrn  und  der 
Stadt  aus,  und  diese  nahmen  stets  denselben  Verlauf.  Es 
kommt  jedesmal  zu  einem  Vergleiche  und  in  diesem  bestätigt 

13  Wispeln)  Salz,  für  jedes  Haus  also,  da  das  Haus  4 Pfannen 
enthielt,  24  Chore.  Von  diesen  24  Choren  erhielten  die 
Pfannenbesitzer,  nachdem  die  Besiedung  an  die  Sülfmeister 
übergegangen  war,  die  Hälfte,  also  12  Chore.  Außerdem 
mußte  jedes  Haus  dafür,  daß  der  Herzog  Johann  1273  auf 
die  Ausnutzung  der  Solquellen  auf  der  »Neuen  Sülze« 
verzichtete,  3 Chore  an  den  Pierzog  abgeben.  Diese  3 Chore 
waren  später  auch  in  den  Besitz  der  Prälaten  gelangt.  Jedes 
Siedehaus  gab  also  von  seinen  24  Choren  — gewonnen  aus 
der  Sole,  auf  die  es  Anspruch  hatte  — 15  Chore  an  die 
Prälaten.  9 Chore  und  außerdem  den  Ertrag  von  der  Sole, 
die  gegen  bestimmte  Abgaben  zu  bekommen  war,  behielten 
die  Sülfmeister.  Von  54  Häusern  erhielten  also  die  Prälaten 
810  Chore. 


— 17  — 


der  Herzog  die  Rechte  der  Stadt,  aber  nur  gegen  bedeutende 
Geldzahlungen.  Man  könnte  sagen:  die  Stadt  behauptete  ihre 
Selbständigkeit  und  ihre  Steuerfreiheit;  dafür  wurde  von 
Zeit  zu  Zeit  eine  ansehnliche  außerordentliche  Steuer  von 
ihr  erhoben. 

Heinrich  der  Mittlere  regierte  noch,  als  die 
Bewegungen  der  Reformation  begannen.  Er  war  ein  Gegner 
derselben.  Aber  infolge  seiner  offenen  Parteinahme  für 

Franz  I.  während  der  Hildesheimer  Stiftsfehde  und  bei  der 
Kaiserwahl  1519  sah  er  sich  genötigt,  1521  zu  Gunsten 
seiner  Söhne  die  Regierung  niederzulegen,  von  denen  Ernst 
bald  der  alleinige  Regent  wurde.  Dieser  war  ein  Freund  der 
Reformation;  jedoch  die  traurige  Finanzlage,  in  die  das  Land 
durch  die  Hildesheimer  Stiftsfehde  gekommen  war,  hinderte 
ihn  bei  seinem  Vorgehen,  weckte  aber  in  ihm  den  Wunsch, 
die  reichen  geistlichen  Güter  in  seinem  Lande  unter  seine 
Verwaltung  zu  bringen. 

Der  Lüneburger  Rat  hatte  allen  Grund,  den  kirch- 
lichen Neuerungen  in  der  Stadt  zu  wehren.  Nicht  bloß, 
daß  die  Gechlechter  durch  den  Zusammenbruch  der  vielen 
kirchlichen  Gilden  und  Brüderschaften  in  dem  Genuß  eines 
reichen  Einkommens  bedroht  wurden,  sie  fürchteten  auch  die 
mit  der  Reformation  anfangs  verbundene  demokratische 
Bewegung,  und  hegten  die  Besorgnis,  der  Herzog  könnte  die 
kirchlichen  Neuerungen  benutzen,  um  die  Macht  der  Ge- 
schlechter in  der  Stadt  zu  brechen. 

Diesen  Verlauf  schien  auch  anfangs  die  Reformation 
in  Lüneburg  nehmen  zu  sollen.  Herzog  Ernst  der 
Bekenner  trat  1526  zum  evangelischen  Glauben  über,  und 
förderte  nun  die  Reformation  nachdrücklich.  Gleichzeitig 
erstarkte  die  evangelische  Partei  unter  den  Bürgern  Lüne- 
burgs, die  immer  lauter  und  dringender  Abstellung  der  Miß- 
stände in  der  Kirche  verlangten.  Der  Rat  suchte  diesen 
Angriffen,  und  besonders  dem  Besuch  der  evangelischen 
Gottesdienste,  die  der  Herzog  in  Lüne  und  Bardowik  ein- 
gerichtet hatte,  dadurch  entgegen  zu  wirken,  daß  er  einen 
gewandten  Kanzelredner,  der  der  alten  Kirche  an  hing,  in 
der  Person  des  Augustin  von  Getelen  berief.  Trotzdem 
wuchs  die  Erregung  in  der  Stadt  immer  mehr.  Der 
katholische  Gottesdienst  wurde  wiederholt  durch  das  Anstimmen 

2 


— 18 


Lutherseber  Kirchenlieder  unterbrochen,  in  der  Fastenzeit 
1530  wurde  der  Rat  öffentlich  durch  einen  Mummenschanz 
der  Schneidergesellen  verhöhnt,  die  in  feierlichem  Zuge  in 
geistlichen  Gewändern  alte  Knochen  aus  der  Abdeckerei 
durch  die  Bäckerstraße  trugen,  und  es  trat,  um  die  Sache 
der  Reformation  zu  führen,  ein  Ausschuß  von  100  Bürgern 
zusammen,  der  dem  Rate  sehr  unangenehme  Erinnerungen 
an  den  Sechziger- Ausschuß  im  Prälatenkriege  weckte. 

So  säumte  der  Rat  nicht  länger,  lieber  selbst  die 
Reformation  in  der  Hand  zu  nehmen,  als  dem  Herzoge 
Gelegenheit  zu  geben,  durch  Benutzung  der  Uneinigkeit  in 
der  Stadt  die  Selbständigkeit  der  Stadt  zu  vernichten,  und 
berief  Stephan  Kempe  zur  Aufrichtung  einer  neuen 
Ordnung.  Dieser  fand  aber  doch  noch  so  viel  versteckten 
Widerstand,  daß  er  erzürnt  die  Stadt  verließ,  und  nun 
wandte  sich  der  Rat  an  den  schwäbischen  Hofprediger  des 
Herzogs  Urbanus  Rhegius,  der  auch  dem  Rufe  folgte 
und  während  eines  zweimaligen  Aufenthalts  (1531 — 1533) 
— das  zweite  Mal  als  Superintendent  — eine  neue  kirchliche 
Ordnung  durchführte.  Das  Vermögen  der  vielen  geistlichen 
Stiftungen  wurde  eingezogen  und  meistens  zu  milden  Zwecken 
verwandt.  Zugleich  wurde  auch  die  städtische  Schule 

reformiert,  und  ein  Freund  Luthers,  Hermann  Tulich, 
ein  hervorragender  Schulmann,  als  erster  Rektor  der  Johannis- 
schule berufen,  unter  dessen  Leitung  die  Schule  bald  auf  blühte 
und  eine  der  bedeutendsten  im  nordwestlichen  Deutschland 
wurde. 

Am  längsten  widerstand  in  Lüneburg  das  fast 
selbständige  Michaeliskloster  der  Reformation.  Der  Abt 
Boldewin  v.  Mahrenholz  lehnte  jede  Neuerung  ab.  Er 
konnte  aber  doch  das  Eindringen  des  neuen  Geistes  nicht 
hindern.  Noch  am  Michaelisfeste  1532  hatte  er  den  Evan- 
gelischen zum  Trotz  in  voller  Pracht  die  Messe  vor  der  »goldenen 
Tafel«  celebriert,  und  im  Dezember  mußte  er,  als  er  durch 
eine  Seitenpforte  die  Kirche  betrat,  sehen,  daß  der  Prior 
Herbord  v.  Holle  mit  mehreren  Mönchen  das  Abendmahl 
nach  Lutherschem  Ritus  feierte.  In  heftigem  Zorne  schleuderte 
er  die  Schlüssel  weit  fort  und  stürzte  aus  der  Kirche;  in 
wenigen  Tagen  hatten  ihn  Aufregung  und  Aerger  getötet, 
Sein  Nachfolger  wurde  Herbord  v.  Holle,  und  diesem 


— 19  - 


gelang  es,  unter  geschickter  Benutzung  des  Zwistes  zwischen 
dem  Herzoge  und  der  Stadt,  die  beide  sich  des  reichen 
Klosters  bemächtigen  wollten,  dessen  Selbständigkeit  zu 
behaupten,  und  nach  dem  für  die  Protestanten  unglücklichen 
Ausgange  des  Schmalkaldenschen  Krieges  erreichte  er  1548, 
daß  das  Kloster  in  den  Besitz  seiner  Güter  und  Rechte 
wieder  eintrat  und  als  evangelisches  Stift  bestehen  blieb. 
Erst  1655  wurde  es  in  eine  für  die  Söhne  des  Lüneburgischen 
Adels  bestimmte  Ritterschule  (später  »Ritterakademie«  ver- 
wandelt, behielt  aber  selbständige  Vermögensverwaltung  unter 
dem  bisherigen  Abt,  der  die  Stelle  des  ersten  Landstandes  im 
Fürstentum  Lüneburg  einnahm.  Es  blieb  bei  dem  Kloster 
auch  die  schola  externa  als  Michaelisschule  bestehen,  eine 
Schule,  die  bis  zu  ihrer  Aufhebung  1819  mit  der  städtischen 
Johanisschule,  oft  unter  bitterer  Feindschaft  der  Lehrer  und 
Schüler,  einen  regen  Wettkampf  bestand.  Beide  Schulen 
wurden  von  weit  her  besucht,  besonders  auch  von  ärmeren 
Schülern,  die  alspaedagogi  in  den  Häusern  der  Patrizier  in  einer 
Zwitterstellung  zwischen  Hauslehrern  und  Kindermädchen,  oder 
als  Mitglieder  des  Singechors  durch  Singen  auf  den  Straßen 
oder  bei  Festlichkeiten,  sich  ihren  Unterhalt  verdienten. 

Her  Rat  hatte  in  der  Reformationszeit  im  wesentlichen 
seine  alte  Stellung  behauptet,  ja  er  hatte  durch  die  Gewalt, 
die  er  über  Kirche  und  Schule  erhielt,  seine  Macht  noch 
ausgedehnt.  Er  gelang  ihm  auch,  die  von  dem  Herzoge  schon 
lange  verpfändete  ^ ogtei,  und  damit  die  Gerichtshoheit,  end- 
gültig zu  erwerben.  Es  ließ  nun  durch  den  Stadtsyndikus 
Husanus  das  Stadtrecht  ausarbeiten  (1583;  und  schuf 
damit  für  die  Rechtsprechung  in  Lüneburg  in  den  beiden 
städtischen  Gerichten,  dem  Obergericht  und  Niedergericht, 
eine  feste  Grundlage. 

Lüneburg  war  damals  eine  der  reichsten  Städte  im 
nördlichen  Deutschland.  Statt  der  alten  Häuser  aus  Fachwerk 
wurden  steinerne  Gebäude  aufgeführt;  das  Rathaus  wurde 
im  Innern  ausgeschmückt,  und,  wenn  auch  die  Heide  auf 
allen  Seiten  bis  an  die  Wälle  der  Stadt  heran  reichte,  so 
lagen  doch  außerhalb  der  Stadt  innerhalb  der  Landwehr 
eine  Menge  von  Gärten  und  Gehöften,  die  den  Patriziern  als 
Sommersitze  dienten  Es  ist  ein  farbenreiches  Bild,  das  der 
langjährige  Konrektor  der  Johannisschule,  Lucas  Lossius, 

9* 


— 20  — 


in  seiner  »Lunaeburga  Saxoniae«  entwirft,  wo  er  in  lateinischen 
Gedichten  die  Stadt  und  ihre  Umgebung  besingt,  von  den 
Kirchen  bis  zu  den  drei  Mühlen,  von  dem  Kloster  vestalischer 
Jungfrauen  in  Lüne  bis  zu  dem  Wirte  in  der  Hasenburg,  der 
durch  verwerfliche  Mittel  sein  Bier  zum  Schäumen  bringt. 
Welches  Leben  mag  in  der  Stadt  gewesen  sein,  wenn  in  der 
Fastnacht  die  Kope  gefahren  wurde ! Wer  unter  die  Sülfmeister 
eintreten  wollte,  mußte  die  Kope,  ein  mit  Steinen  gefülltes 
Faß,  durch  das  eine  Achse  gelegt  war,  mit  vorgespannten 
Hengsten  durch  die  Stadt  führen,  begleitet  von  dem  ganzen 
Schwarm  seiner  Genossen  zu  Pferde.  Am  Schlüsse  wurde 
das  Faß  vor  der  Sülze  von  den  Sülzern  verbrannt,  und 
der  neue  Sülfmeister  bewirtete  die  ganze  Gesellschaft  im 
»Schütting«,  dem  vornehmsten  Wirtshause,  am  Markte. 

Wenn  nun  auch  der  Wohlstand  Lüneburgs  im  Laufe 
des  16.  Jahrhunderts  infolge  der  in  Deutschland  überall 
zunehmenden  Bevölkerung  und  der  größeren  Sicherheit  des 
Verkehrs  noch  zunahm,  so  waren  doch  schon  manche 
Veränderungen  eingetreten,  die  langsam  den  Niedergang  der 
Stadt  herbeiführten. 

Es  rissen  damals  die  Holländer  mehr  und  mehr  den 
nordischen  Welthandel  an  sich,  den  vorher  die  Hansa  gehabt 
hatte.  Besonders  seitdem  die  Heringe  nicht  mehr  an  der 
Küste  von  Schonen  erschienen,  bekamen  die  Holländer  diesen 
für  die  damalige  Zeit  wichtigsten  Handelszweig  ganz  in 
ihre  Hände.  Die  nordischen  Staaten  entledigten  sich  der 
Privilegien  der  Hansa  und  öffneten  den  Holländern  ihre  Häfen, 
und  für  den  beginnenden  ozeanischen  Handel  lag  Antwerpen 
unvergleichlich  viel  günstiger  als  Lübeck  oder  Hamburg, 
deren  Hinterland  außerdem  noch  nicht  entwickelt  war.  Schon 
durch  diese  Umstände  wurde  Lüneburg  stark  in  Mitleidenschaft 
gezogen,  und  sein  Heringshandel  verfiel.  Dazu  kam,  daß 
der  Handel  von  der  Unterelbe  nach  Südosten,  der  bis  dahin 
über  Lüneburg  gegangen  war,  immer  mehr  in  die  Hände  von 
Hamburg  und  Magdeburg  fiel,  besonders  seit  1569  die  Elbe 
durch  kaiserliches  Mandat  freigegeben  war,  und  die  Waren 
mehr  auf  dieser  natürlichen  Straße  befördert  wurden. 

Auch  die  Sülze,  die  bis  dahin  keinen  Nebenbuhler 
gehabt,  mußte  mit  starker  Konkurrenz  kämpfen.  Es  wurden 
neue  Salinen  angelegt,  man  legte  Raffinerien  von  Seesalz  an, 


und  zu  großem  Verdruß  der  Lüneburger  wurde  das  minder- 
wertige Salz  in  Tonnen  verschickt,  die  genau  den  Lüneburger 
Salztonnen  glichen.  Dazu  wurde  es  immer  schwieriger,  das 
für  den  Betrieb  der  Sülze  nötige  Holz  heranzuschaffen. 
Um  die  Holzzufuhr  zu  erleichtern,  hatte  Lüneburg  schon 
1412  die  »Schalfahrt«  angelegt,  durch  die  vermittelst  der 
Schale,  eines  kleinen  Nebenflusses  der  Elbe,  aus  Mecklenburg 
Holz  herbeigeführt  werden  sollte,  und  hatte  diese  Zufuhr 
seitdem  durch  viele  Verträge  gesichert.  Aber  das  reichte 
für  den  gewaltigen  Verbrauch  nicht  hin,  waren  doch  in  den 
Jahren  regelmäßigen  Betriebes  27  000  Faden  Holz  (etwa 
100  000  Raummeter)  erforderlich.  Die  bisher  so  sicheren 
Einnahmen  von  der  Sülze,  die  bisher  die  Sülfmeister  und  alle 
Bewohner  der  Stadt  gehabt  hatten,  begannen  zu  sinken. 

Dabei  behielten  die  Herzoge  ihr  altes  Verfahren  bei, 
von  Zeit  zu  Zeit  Angriffe  auf  die  Privilegien  der  Stadt  zu 
machen,  und  sie  zu  bedeutenden  Geldzahlungen  für  An- 
erkennung derselben  zu  zwingen.  So  mußte  Lüneburg  1562 
das  Fortbestehen  seiner  Steuerfreiheit  und  anderer  Vorrechte 
durch  Übernahme  einer  Schuld  von  30  000  Goldgulden,  und 
Verzicht  auf  eine  Schuld  der  Herzoge  von  50  000  Mark  er- 
kaufen — Leistungen,  welche  die  Stadt  nach  heutigem  Geld- 
werte mit  mehr  als  einer  Milion  belasteten.  Schon  damals 
mußte  der  Rat  sich  mit  Bitten  um  Beihülfe  an  die  Bürgerschaft 
wenden,  in  deren  Kreisen  schon  lebhafte  Unzufriedenheit  mit 
der  bisherigen  Verwaltung  herrschte,  und  zugleich  der  Wunsch 
erwachte,  Einfluß  auf  die  städtische  Verwaltung  zu  erlangen. 

Als  nun  im  Jahre  1617  der  Rat  sich  zu  einer  Zahlung 
von  75  000  Talern  verpflichten  mußte,  um  Lüneburg  von 
einem  Zoll  loszukaufen,  den  der  Herzog  einzuführen  gedachte» 
kam  die  Unzufriedenheit  zum  Ausbruch.  Ein  mit  seinen 
Geschlechtsgenossen  zerfallener  Patrizier,  Franz  Töbing, 
stellte  sich  an  die  Spitze  der  Unzufriedenen  und  rief  den 
Herzog  Christian  um  Beistand  an.  So  mußte  sich  der 
Rat  1619  bequemen,  fünf  Bürger  in  seine  Mitte  aufzunehmen 
und  jährlich  vor  einem  Ausschuß  von  sechs  Personen  Rechen- 
schaft abzulegen.  Weitere  Anschläge  Töbings  gegen  die 
Macht  der  Geschlechter  scheiterten  allerdings. 

Unter  solchen  Verhältnissen  brach  der  dreißigjährige 
Krieg  aus.  Als  der  niedersächsiske  Kreis  seit  1625  rüstete. 


— 22  — 


mußte  Lüneburg  zu  den  Kosten  beisteuern,  und  bald  zog 
sich  auch  der  Krieg  selbst  in  die  Nähe  der  Stadt.  Zuerst 
Mansfeld’sche,  dann  Tilly’sche  Truppen  verheerten  die  Um- 
gegend; massenweis  suchten  die  Landleute  Schutz  hinter  den 
festen  Mauern  der  Stadt,  und  pestartige  Krankheiten  kamen 
dadurch  zum  Ausbruch.  Dazu  verfiel  der  Handel,  und  der 
Absatz  der  Sülze  stockte.  1627  stand  mehr  als  die  Hälfte  der 
Sülzhäuser  kalt.  Jedoch  gelang  es  anfangs  dem  Kate,  eine 
Besetzung  der  Stadt  zu  hindern;  auch  als  Gustav  Adolf 
bei  Breitenfeld  gesiegt  hatte,  sich  selbst  nach  Süd-Deutschland 
wandte  und  seinen  General  Ake  Tott  nach  dem  nord- 
westlichen Deutschland  gegen  Pappen  heim  schickte,  und 
Lüneburg  sich  dem  Schwedenkönig  anschließen  mußte,  nahm 
es  keine  Besatzung  auf. 

Die  Regierung  im  Herzogtum  Lüneburg  wechselte 
damals  rasch.  Nach  dem  Tode  des  geisteskranken  Herzogs 
Wilhelm  1592  folgten  dessen  Söhne  nach  einander,  zuerst 
Ernst,  dann  Christian  bis  1633,  darauf  August  uud 
seit  1636  Friedrich.  Die  7 Söhne  des  Herzogs  Wilhelm 
hatten,  um  der  Zersplitterung  der  Herzogtums  ein  Ende 
zu  machen,  1610  das  Übereinkommen  getroffen,  daß  nur 
einer  sich  standesgemäß  verheiraten  solle,  und  das  Los  hatte 
den  jüngsten,  Georg,  getroffen.  Dieser  hatte  dadurch  neben 
dem  eigentlichen  Landesfürsten  großen  Einfluß,  um  so 
mehr,  als  er  »Generalfeldoberst  des  niedersächsischen  Kreis- 
heeres« und  seit  1636  Herzog  von  Calenberg  war.  Im  Jahre 
1635  trat  Herzog  August  dem  Prager  Frieden  bei,  den  der 
Kaiser  zunächst  mit  Kursachsen  geschlossen  hatte,  um  gegen 
einige  Zugeständnisse  die  Schweden  aus  dem  Reiche  zu  ent- 
fernen. Infolge  dessen  wandte  sich  Ban  er  gegen  das 
Herzogtum,  zog  vor  Lüneburg,  und  als  er  sich  zu  einer 
förmlichen  Belagerung  anschickte,  überlieferte  der  Rat  ihm 
die  Stadt,  nahm  eine  schwedische  Besatzung  auf  und  kaufte 
die  Plünderung  durch  die  Zahlung  von  34  000  Talern  ab. 
Als  nun  die  Besatzung  auf  die  Stadt  schwere  Lasten  legte^ 
die  man  bisjzum  Jahre  1637  auf  37  000  Taler  schätzte,  sah 
ein  großer  Teil  der  Bürgerschaft,  aufgebracht  durch  die 
ihrer  Meinung  nach  voreilige  Kapitulation,  und  in  dem 
Glauben,  daß  der  Verfall  des  Handels  und  der  Gewerbe  in 
der  falschen  Politik  des  Rats  seinen  Grund  habe,  die  einzige 


— 23  — 


Hülfe  in  engem  Anschluß  an  den  Herzog  Georg,  um  so 
mehr,  da  dieser  die  Übergabe  der  Stadt  geradezu  als  einen 
Verrat  bezeichnete.  Dieser  unzufriedene  Theil  der  Bürger 
schaft  fand  einen  Führer  in  dem  Buchdrucker  Hans  Stern. 
1637  näherten  sich  brandenburgische  und  kursächsishe 
Truppen  der  Stadt,  ebenso  rückte  Herzog  Georg  hart  an 
Lüneburg  heran.  Da  verschaffte  Stern,  der  sich  der  Hülfe 
der  Handwerker  versichert  hatte,  dem  Herzog  Georg  Eintritt 
in  die  Stadt.  Die  schwache  schwedische  Besatzung  der 
Burg  unter  Stammer  kapitulierte,  und  der  alte  Hat  wurde 
abgesetzt,  weil  »der  Rat  bei  Einnehmung  der  Schweden 
ohne  Teilnahme  der  Bürgerschaft  und  zum  Mißfallen  des 
fürstlichen  Hauses  gehandelt  habe«.  Unter  den  Mitgliedern 
des  neuen  vom  Herzoge  eingesetzten  Rates  befand  sich  auch 
Hans  Stern. 

Da  auch  der  neue  Rat  an  der  ungünstigen  Lage  der 
Dinge  nichts  ändern  konnte,  und  der  Herzog  bald  auf  die 
Seite  der  Schweden  zurücktrat,  wurde  schon  1639  der  alte 
Rat,  jedoch  durch  Mitglieder  des  neuen  Rats  verstärkt, 
wieder  eingesetzt.  Aber  mit  der  alten  Selbständigkeit  und 
der  ausschließlichen  Herrschaft  der  Geschlechter  war  es 
jetzt  dauernd  vorbei.  Die  Rechte  des  Herzog  wurden 
erweitert;  es  wurde  z.  B.  in  vielen  Fällen  die  Appellation  an 
die  fürstliche  Regierung  zugelassen;  es  sollte  fortan  der  Rat 
zu  gleichen  Teilen  aus  Mitgliedern  der  alten  Geschlechter 
und  aus  Bürgern  bestehen,  und  er  mußte  in  wichtigen  Angelegen 
beiten  Vertreter  der  vier  Stände  (Sülfmeister,  Brauer,  kagel 
brüder  [Kaufmannsgilde]  und  der  Handwerkergilden  einholen. 
Zugleich  blieb  die  Kalkberg  in  der  Hand  des  Herzogs,  und 
die  gegen  die  Stadt  gerichteten  Festungswerke  auf  demselben, 
sowie  der  Abbruch  des  Turmes  Springintgut,  von  dem  man 
die  Festungswerke  hätte  einsehen  können,  zeigten,  daß  Lüne 
bürg  jetzt  in  der  Hand  des  Landesherrn  war.  Aus  einer  fast 
selbständigen  Stadt,  der  zur  freien  Reichsstadt  fast  mil- 
der Name  fehlte,  war  eine  herzogliche  Landstadt  geworden. 
Daß  der  Herzog  nicht  die  ganze  Verwaltung  der  Stadt  in  die 
Hand  nahm,  lag  wohl  weniger  an  besonderem  Wohlwollen, 
als  an  dem  Mangel  an  geschulten  Beamten,  mit  denen  er 
die  Organisation  einer  neuen  Verwaltung  hätte  durchführen 
können. 


— 24  — 


Dabei  aber  griff  der  Herzog  doch  fortwährend  in  die 
Verwaltung  der  Stadt  ein.  Im  Jahre  1682  mußte  sich  der 
Eat  eine  genaue  Eevision  des  städtischen  Eechnungswesens 
gefallen  lassen,  das  fortan  unter  herzogliche  Aufsicht  gestellt 
wurde.  Die  bisherige  Grund-  und  Gebäudesteuer  zur  Er- 
haltung des  Militärs  wurde  1686  in  eine  indirekte,  auf  Lebens- 
mittel gelegte,  Abgabe  verwandelt,  und  als  der  Rat  diese 
parteiisch  handhabte,  wurde  sie  1709  vom  Lande  — zu  dessen 
großem  Vorteile  — übernommen.  Schon  früher  hatte  der 
Herzog  in  der  Stadt  ein  Haus  gehabt,  am  Ochsenmarkte  an  Stelle 
des  jetzigen  Eegierungsgebäudes , aber  er  hatte  keine  Küche 
darin  haben  dürfen,  um  der  Versuchung  zu  entgehen,  dort 
seinen  ständigen  Aufenthalt  zu  nehmen ; nun  baute  der 
Herzog  Georg  Wilhelm  1693  bis  1698  ein  neues  Schloß 
am  Markte  als  Witwensitz  für  seine  Gemahlin  Eleonore 
d’Olbreuze. 

Nach  dem  dreißigjährigen  Kriege  war  infolge  der 
Verödung  Deutschlands  der  Handelsverkehr  gering,  und  die 
Einnahmen  von  der  Sülze  nahmen  immer  mehr  ab.  Auch 
die  Errichtung  eines  Salzkontors  1659,  um  den  Salzhandel, 
der  bisher  von  den  einzelnen  Sülfmeistern  betrieben  war, 
einheitlicher  zu  gestalten,  hatte  wenig  Erfolg. 

Eine  gewisse  Bedeutung  behielt  aber  die  Stadt  durch 
den  Frachtverkehr,  der  über  Lüneburg  ging.  Von  der  Elbe 
bis  Lüneburg  wurden  die  Waren  auf  Kähnen,  die  von 
Pferden  gezogen  wurden,  auf  der  Ilmenau  befördert,  von 
Lüneburg  ins  Land  hinein  auf  Frachtwagen  mit  dicken 
hölzernen  Achsen.  Am  Kauf  hause  wurden  die  Waren  um- 
geladen und  man  bezahlte  dort  eine  Abgabe,  die  zum  größten 
Teil  für  das  Kaufhaus  selbst  und  für  die  Unterhaltung  der 
Ilmenau  verwandt  wurde.  Diese  Abgabe  schwankt  von  1729 
bis  1781  zwischen  7500  und  15  000  Mark  (=  l/a.  Taler),  und 
läßt  daher,  da  die  Abgabe  1 ggr.  für  ein  Schiffspfund 
(=  320  Pfund)  betrug,  auf  einen  Durchgangsverkehr  von 
300  000 — 600  000  Zentner  schließen,  zu  dessen  Bewältigung 
täglich  20 — 40  Frachtwagen  nötig  waren.  Für  die  Besserung 
der  Wege,  die  auf  Lüneburg  führten,  geschah  nichts.  Durch 
die  fürchterlichsten  Sandwege  mußten  sich  die  schweren 
Frachtwagen  durcharbeiten.  Aber  um  so  größeren  Verdienst 
hatten  die  Herbergen  und  die  Besitzer  von  Vorspann,  weil 


25  — 


die  Fuhrleute  auf  diese  Weise  nicht  bloß  durch  das  Stapel- 
recht, sondern  auch  durch  die  schlechten  Wege  zu  längerem 
Aufenthalt  genötigt  wurden.  Einen  eigenen  Handel  hatte  die 
Stadt  nicht,  wohl  aber  ein  bedeutendes  Speditionsgeschäft, 
das  immerhin  einen  beträchtlichen  Gewinn  abwarf. 

Natürlich  wachte  man  sorgfältig  darüber,  daß  dieser 
Verkehr  der  Stadt  erhalten  blieb.  So  sind  denn  die  Akten 
der  damaligen  Zeit  angefüllt  mit  Beschwerden  über  die 
»Umfuhr«.  Die  Frachtfuhrleute  suchten  nämlich  die  Stadt  zu 
umgehen,  und  sich  so  dem  Stapelrecht  der  Stadt  zu  entziehen. 

Dieser  Verkehr  und  das  darauf  fußende  Speditions 
geschäft  war  aber  auch  die  einzige  Erwerbsquelle  der  Stadt. 
Die  Gewerbe  lagen  im  ganzen  18.  Jahrhundert  darnieder,  trotz 
der  verschiedenen  Versuche,  die  die  Regierung  anstellte,  sie  zu 
heben.  Auch  die  Sülze  verfiel  immer  mehr,  weil  die  Staaten 
ringsum  eine  einheitliche  Verwaltung  durchführten  und  die 
Grundsätze  des  Merkantilsystems  rücksichtslos  zur  Geltung 
brachten.  Überall  wurde  die  Einfuhr  fremder  Erzeugnisse 
verboten,  fremde  Vorrechte  beseitigt,  und  Monopole  — z.  B. 
das  Salzmonopol  in  Preußen  — eingerichtet.  Dazu  wuchs 
für  die  Sülze  die  Schwierigkeit,  das  Holz  heranzuschaffen. 
Denn  man  blieb  bei  dem  alten  überaus  kostspieligen  Betriebe 
in  Häusern,  höchstens,  daß  in  Nebendingen  einige  Ver 
besserungen  durchgeführt  wurden,  z.  B.  daß  die  Sole  durch 
Wasserkraft  statt  durch  Menschenkraft  gepumpt  wurde.  Die 
Zahl  der  Sülfmeister  schmolz  zusammen.  1759  waren  nur 
noch  9 vorhanden,  die  kaum  noch  auf  die  Selbstkosten 
kamen.  Die  Verwaltung  der  Stadt  war  viel  zu  schwerfällig, 
um  die  Sülze  von  Grund  aus  zu  reformieren,  war  sie  doch 
selbst  im  höchsten  Grade  reformbedürftig;  denn  den  Rat 
bildeten  seit  1746  vier  Bürgermeister,  zwei  Syndici,  zehn 
Senatoren,  vier  Sekretäre  und  eine  Schar  von  Unterbeamten 
ein  ungeheurer  Apparat  für  eine  Bevölkerung  von  8—9000 
Menschen,  selbst  wenn  man  berücksichtigt,  daß  der  Rat 
auch  die  Gerichtsbarkeit  hatte. 

Die  Schwerfälligkeit  und  das  Hangen  am  Alten  zeigt 
sich  recht  deutlich  in  der  ängstlichen  Sorge  um  überlieferte 
Rechte.  Alle  30  Jahre  fand  eine  große  »Weidebeziehung« 
statt,  bei  der  man  die  Grenzen  der  Weide-  und  Jagdberechtigung 
rings  um  Lüneburg  beging,  und  durch  Aufwerfen  von  Erd- 


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häufen,  Schenken  von  Kesselhaken  mit  der  Stadtmarke  an 
die  auf  der  Grenze  liegenden  Häuser  und  allerlei  symbolische 
Handlungen  die  Gerechtsame  der  Stadt  erneuerte.  Drei  Tage 
dauerte  eine  solche  Weidebeziehung,  an  der  100—200  Personen, 
zu  Wagen,  zu  Roß  oder  zu  Fuß  in  Begleitung  eines  kaiser- 
lichen Notars  teilnahmen,  der  über  das  Ganze  ein  genaues 
Protokoll  auf  nahm.  In  solchen  wertlosen  Formen  suchte 
man  Ersatz  für  das  Verlorene. 

Von  dem  siebenjährigen  Kriege  wurde  Lüneburg  nur 
im  Jahre  1757  unmittelbar  betroffen.  Nach  der  Schlacht 
von  Hastenbeck  besetzten  die  Franzosen  unter  dem  Herzog 
von  Richelieu  am  23.  August  die  Stadt  und  blieben  bis 
zum  4.  Dezember.  Infolge  dieser  Besetzung  hauste  im 
folgenden  Jahre  das  Lazarett! eher  in  der  Stadt. 

Die  unausgesetzten  Klagen  der  Besitzer  von  Pfannen 
auf  der  Sülze  bewog  endlich  die  Regierung,  den  alten  durch 
die  Gewohnheit  vieler  Jahrhunderte  geheiligten  Betrieb  voll- 
ständig umzugestalten.  Diese  geschah  1799.  Statt  der  alten 
54  tief  in  der  Erde  steckenden  Siedehäuser  wurden  wenige 
größere  errichtet;  die  bisherigen  bleiernen  Pfannen  wurden 
durch  eiserne  ersetzt,  und  statt  des  Holzes  wurde  Torf 
verwandt.  Dabei  wurde  der  bisherige  die  Sülze  eng  um- 
schließende Sülz  wall  mit  seinen  Mauern  und  Türmen 
niedergelegt  und  der  jetzige  viel  größere  Sahnhof  geschaffen. 
Die  Sülfmeister  verschwanden;  die  Verwaltung  ging  an  eine 
Salindirektion  über.  So  wurde  die  »Saline«,  wie  sie  jetzt 
genannt  wird,  wieder  konkurrenzfähig;  aber  die  große 
Bedeutung,  die  die  Sülze  in  der  früheren  Zeit  für  die  Stadt 
hatte,  konnte  sie  nicht  wieder  erlangen. 

Wie  hier  an  der  Südseite  durch  Niederlegen  der  alten 
Befestigungen  das  äußere  Aussehen  der  Stadt  verändert 
wurde,  hatte  man  einige  Jahre  vorher  auch  an  der  Ostseite 
die  alten  mit  hohen  Festungstürmen  versehenen  Tore,  das 
Altenbrücker  und  Lüner  Tor,  abgetragen.  Die  übrigen  ver- 
schwanden erst  in  den  ersten  Jahrzehnten  dieses  Jahr- 
hunderts. Ebenso  wurden  die  Festungswerke  auf  dem  Kalk- 
berg seit  1766  geschleift. 

Das  Ende  des  18.  Jahrhunderts  brachte  der  Stadt 
noch  einen  kurzen  Aufschwung  des  Güterverkehrs,  der  in 
den  politischen  Verhältnissen  seinen  Grund  hatte.  Der  1795 


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geschlossene  Friede  von  Basel,  der  für  das  nördliche  Deutsch 
land  friedlichere  Verhältnisse  herbeiführte,  die  gleichzeitige 
Eroberung  der  Niederlande  durch  die  Franzosen  und  in 
folge  davon  die  Vernichtung  des  Handels  von  Amsterdam, 
endlich  die  beständigen  Kriegsunruhen  am  Rhein  und  im 
Süden,  die  nur  die  von  Norden  her  in  Deutschland  hinein- 
führenden Handelsstraßen  frei  ließen,  führten  einen  ge- 
waltigen Aufschwung  des  Hamburger  Handels  herbei,  und 
so  belebte  sich  auch  die  über  Lüneburg  führende  Handels 
straße.  Der  Güterverkehr  am  Kaufhause  stieg  im  Jahre  1800 
auf  1,6  Millionen  Zentner;  damals  sollen  wohl  an  einem  Tage 
100  Frachtwagen  am  Kaufhause  beladen  sein.  Die  Her 
Stellung  geordneter  Verhältnisse  nach  dem  Frieden  von 
Luneville  machten  dieser  für  Lüneburg  glücklichen  Zeit  bald 
wieder  ein  Ende.  Schon  1805  war  der  Güterverkehr  auf 
700  000  Zentner  gesunken. 

Seit  dem  Jahre  1803  wurde  auch  Hannover  in  die 
Kriegsunruhen  hineingezogen.  Die  Besetzung  des  Landes 
durch  die  Franzosen  von  1803  bis  1805  legte  aucli  Lüneburg 
schwere  Lasten  auf,  da  während  dieser  ganzen  Zeit  fran- 
zösische Truppen  in  der  Stadt  lagen.  Nach  der  kurzen 
Anwesenheit  der  Preußen  kehrten  1806  die  Franzosen  zurück. 
1810  wurde  Lüneburg  dem  Königreich  Westfalen  einverleibt, 
der  alten  Stadtverfassung  wurde  ein  Ende  gemacht,  und  es 
wurde  als  Hauptort  des  Departements  der  Nieder- Elbe  Sitz 
eines  Präfekten.  Doch  schon  am  1.  Januar  1811  legte  Napoleon 
die  Stadt  wieder  zum  Kaiserreich  Frankreich,  und  Hamburg 
wurde  der  Hauptort  des  Departements. 

Dns  Jahr  1813  brachte  eine  Zeit  der  Aufregung  und 
Gefahr,  aber  auch  denkwürdige  Ereignisse;  denn  bei  Lüne 
bürg  fand  das  erste  größere  Treffen  in  den  Befreiung? 
kriegen  statt. 

Als  nach  dem  Rückzug  der  Franzosen  aus  Rußland 
die  Vortruppen  der  Verbündeten  im  März  an  der  Elbe  er 
schienen,  verließen  das  französische  Militär  und  die  bei  den 
Behörden  angestellten  Nationalfranzosen  die  Stadt.  Am 
21.  März  rückten,  freudig  begrüßt,  Kosaken  ein,  und  am 
24.  März  wurde  der  alte  Magistrat  wieder  eingesetzt,  und 
zum  Schutze  der  Stadt  eine  kleine  militärische  Macht  aus 
Freiwilligen  gebildet. 


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Nachdem  am  28.  März  vor  diesen  Freiwilligen  und 
bewaffneten  Bürgern  eine  kleine  feindliche  Abteilung,  die 
sich  von  Süden  her  der  Stadt  näherte,  zurückgewichen  war, 
zog  am  1.  April  Morand  an  der  Spitze  von  etwa  3000  Mann 
von  Westen  her  gegen  die  Stadt  heran,  zerstreute  mit  einigen 
Schüssen  das  Lüneburger  Aufgebot  und  besetzte  die  Stadt. 
Dabei  wurden  gegen  30  Einwohner  getötet  und  verwundet, 
und  zwei,  die  mit  den  Waffen  in  der  Hand  gefangen 
genommen  waren,  vor  dem  Altenbrücker  Tore  erschossen. 
Die  Mitglieder  des  Magistrat  flüchteten;  an  ihre  Stelle  trat 
ein  Verwaltungsausschuß.  Mittlerweile  war  eine  Abteilung 


Johanne  Stegen. 


der  Verbündeten  unter  Dörnberg,  Tsc  hem  itscheff 
und  Benkendorf  — etwa  300  Mann  russische  Infanterie, 
440  preußische  Füsiliere  unter  Major  von  Borcke, 
2 Schwadronen  Isumsche  Husaren  und  etwa  1500  Kosaken  — 
über  die  Elbe  gegangen,  um  der  bedrängten  Stadt  zu  helfen 
und  war  schon  am  1.  April  in  der  Nähe  der  Stadt  angekoin men. 
Unter  Führung  von  flüchtigen  Lüneburgern  griffen  diese 
Streitkräfte  am  2.  April  gegen  Mittag  die  Franzosen  an. 
Die  Preußen  erstürmten  das  Lüner  Tor,  die  Russen  das 
Altenbrücker  Tor;  die  Franzosen  zogen  sich  kämpfend  zurück 
und  verließen  die  Stadt  durch  das  Neue  Tor.  Aber  außer 
halb  der  Stadt  ordnete  Morand  seine  Streitkräfte  und  ging 
wieder  zum  Angriff  auf  das  Neue  Tor  über,  das  von  den 
Preußen  verteidigt  wurde.  Bei  dieser  Gelegenheit  hat  ein 
Dienstmädchen,  die  vielgefeierte  Johanne  Stegen,  den 
preußischen  Füsilieren,  die  sich  verschossen  hatten,  aus 
einem  verlassenen  französischen  Munitionswagen  Patronen 
zugetragen.  Der  Angriff  der  Franzosen  wurde  abgeschlagen 
und  Morand  selbst  schwer  verwundet.  Die  Franzosen 
wichen  auf  Reppenstedt  zurück,  wurden  aber  auf  freiem 
Felde,  von  allen  Seiten  eingeschlossen,  gezwungen,  sich  zu 
ergeben.  Etwa  2800  Franzosen  und  Sachsen  wurden  zu 
Gefangenen  gemacht  und  8 Geschütze  erbeutet. 

Die  Verbündeten  konnten  jedoch  Lüneburg  nicht 
behaupton.  Schon  am  4.  April  besetzte  Montbrun  die  Stadt; 
dieser  ließ  sofort  84  der  angesehensten  Bürger,  darunter  die 
Mitglieder  des  Verwaltungsausschusses,  verhaften,  und  mit 
der  Drohung,  er  würde  sie  dezimieren  lassen,  verlangte  er  von 
ihnen  die  Namen  aller  derer,  die  sich  irgenwie  gegen  den 
Kaiser  aufgelehnt  hätten.  Dörnberg  erfuhr  dies  und  er 
zwang  ihre  Freilassung  durch  die  Erklärung,  daß  er  an  den  ge 
fangenen französischen  Offizieren  Wiedervergeltung  üben  würde. 

In  den  folgenden  Wochen  war  Lüneburg  abwechselnd 
von  den  Franzosen  und  von  den  Verbündeten  besetzt.  Aber 
dem  Marschall  Davoust,  der  von  Napoleon  geschickt  war, 
um  die  Niederelbe  in  seine  Gewalt  zu  bringen,  gelang  es, 
sich  hier  dauernd  zu  behaupten.  Am  27.  April  ließ  er  durch 
Sebastian i mit  10  000  Franzosen  die  Stadt  besetzen  und 
traf  Anstalten,  Lüneburg  zum  Hauptwaffenplatze  der  ganzen 
Gegend  zu  machen.  Alle  erwachsenen  Einwohner  wurden  zu 


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den  Schanzarbeiten  herangezogen,  oder  mußten  einen  Stell- 
vertreter stellen.  Dadurch,  daß  Hamburg  kurz  von  dem 
Abschluß  des  Waffenstillstandes  von  Poischwitz  den  Franzosen 
in  die  Hände  fiel  und  nun  zur  Festung  umgewandelt  wurde, 
entging  Lüneburg  den  Drangsalen,  die  jetzt  über  Hamburg 
hereinbrachen.  Aber  eine  beständige  Besatzung  von  4000  Mann 
und  unausgesetzte  Lieferungen  erschöpften  doch  die  Mittel 
der  Stadt  aufs  äußerste. 

Die  starken  Einquartierungen  hörten  auch  dann  nicht 
auf,  als  nach  der  Schlacht  von  Leipzig  die  Stadt  für  immer 
von  den  Franzosen  geräumt  wurde.  Bei  dem  Durchmarsch 
Bernadotte’s  und  der  Truppen,  die  zur  Belagerung  Ham- 
burgs bestimmt  waren,  lagen  wiederholt  10  000  Mann  in  der 
Stadt.  Erst  gegen  Ende  des  Jahres  trat  allmählich  größere 
Ruhe  ein,  und  am  4.  November  1813  wurde  die  Regierung 
in  aller  Form  wieder  von  dem  hannoverschen  Ministerium 
übernommen. 

Die  Zeit  der  Reaktion,  die  auf  die  Befreiungskriege 
folgte,  war  zunächst  den  alten  Privilegien  der  Stadt  günstig: 
Das  Stapelrecht  und  das  Recht  des  Straßenzwangs  traten 
wieder  in  Kraft.  Auch  die  sonstigen  Verhältnisse  begünstigen 
den  Warenverkehr  über  Lüneburg.  Nach  der  Beseitigung 
der  Kontinentalsperre  schleuderte  England  seine  billigen 
Fabrikwaren  nach  Deutschland,  und  diese  fanden  besonders 
über  Hamburg  Eingang.  Als  Preußen  demgegenüber  alle 
Binnenzölle  1818  aufhob  und  den  Durchgangsverkehr  miß 
hohen  Abgaben  belastete,  bewegte  sich  der  Warenzug  in 
verstärktem  Maße  auf  der  alten  Handelsstraße  über  Lüne- 
burg. Zwischen  1818  und  1825  betrug  der  durchschnittliche 
Güterverkehr  am  Kauf  hause  700  000  Zentner.  Damals  standen 
die  großen  freien  Plätze  der  Stadt,  der  Sand  und  der  Schieß- 
graben, oft  gedrängt  voll  von  Frachtwagen,  die  auf  Abfertigung 
warteten. 

Es  lag  aber  in  den  gegebenen  Verhältnissen,  daß  dies 
keine  Dauer  hatte.  Das  allmähliche  siegreiche  Vorschreiten 
der  preußischen  Handelspolitik,  die  schließlich  zu  dem 
deutschen  Zollverein  führte,  mußte  den  Verkehr  auf  den 
natürlichen  Handelsweg,  die  Elbe,  leiten;  der  innere  Ausbau 
des  Königreichs  Hannover  vertrug  sich  nicht  mit  den 
Privilegien  einer  einzelnen  Stadt,  die  Anlage  von  guten  Land- 


— 31  — 


straßen  und  schließlich  der  Bau  von  Eisenbahnen  gaben  der 
privilegierten  Stellung  Lüneburgs  den  Todesstoß. 

Im  Jahre  1821  wurde  durch  eine  Ermäßigung  der 
Zölle  der  Verkehr  auf  der  Elbe  erleichtert.  1825  trat  ein 
Grenzzoll  in  Hannover  in  Kraft,  der  der  Zollfreiheit  Lüne- 
burgs ein  Ende  machte,  der  Ausbau  einer  Heerstraße  von 
Hamburg  durch  die  Heide  leitete  einen  Teil  des  Verkehrs 
von  Lüneburg  ab,  und  seit  1825  tauchten  immer  neue 
Eisenbahnprojekte  auf,  die  zuerst  von  Lüneburg  mit  Ent- 
rüstung abgewiesen  wurden,  dann  aber  mit  Eifer  ergriffen 
wurden,  um  neue  Erwerbszweige  für  die  Stadt  zu  gewinnen. 
1825  wollte  eine  englische  Gesellschaft  eine  Pferdeeisenbahn 
von  Braunschweig  über  Lüneburg  nach  Hamburg  bauen. 
In  Lüneburg  erklärte  sich  alles  einmütig  dagegen,  und  der 
Plan  scheiterte.  Neue  Projekte  einer  Pferdeeisenbahn  tauchten 
1832  auf,  ohne  Erfolg  zu  haben.  Dagegen  zu  ernsten  und 
langwierigen  Verhandlungen  führte  das  Anerbieten,  das  eine 
englische  Gesellschaft  der  hannoverschen  Regierung  im 
Jahre  1834  machte.  Sie  wollte  durch  die  Ingenieure  Ta vlor 
und  Vignoles  eine  Eisenbahn  von  Hamburg  nach  Hannover 
bauen,  und  zwar  anfangs  über  Lüneburg,  dann  aber  durch 
das  Luhetal.  Hatte  schon  der  Plan  im  allgemeinen  die 
größte  Aufregung  in  Lüneburg  hervorgerufen,  weil  dadurch 
das  Speditionsgeschäft  vernichtet  wurde,  so  brachte  die  Ab- 
änderung des  Plans  vollends  alles  in  Harnisch.  In  wieder- 
holten Vorstellungen  wandte  sich  der  Magistrat,  die  Bürgerschaft 
und  viele  einzelne  Kreise  an  die  Regierung  und  baten  um 
Ablehnung,  und  auf  allen  Weise  suchte  der  damalige  Ab- 
geordnete für  Lüneburg,  Dr.  Th.  Meyer,  die  Ablehnung 
durchzusetzen.  Als  dies  1833  gelungen  war,  eilte  ihm  bei 
seiner  Rückkehr  alles,  was  Wagen  und  Pferde  hatte,  bis 
Melbeck  entgegen  und  holte  ihn  so  in  feierlichem  Zuge  in 
die  Stadt  ein.  Während  dieser  Verhandlungen  machte  die 
Regierung  der  Stadt  den  Vorschlag,  das  Stapelrecht  abzulösen; 
aber  so  wenig  verstand  man  die  neue  Zeit,  daß  man  dies 
günstige  Anerbieten  ablelmte,  und  später  ist  es  ohne  Ent 
Schädigung  aufgehoben. 

Dagegen  war  die  Stimmung  schon  vollständig  um 
geschlagen,  als  1840  neue  Eisenbahnprojekte  auftauchten. 
Mittlerweile  hatte  nämlich  der  Güterverkehr  am  Kaufhause 


— 32  — 


gewaltig  abgenommen.  Es  war  ein  letztes  Auf  flackern,  als 
im  Dezember  1841,  unmittelbar  vor  dem  Anschluß  des 
Herzogtums  Braunschweig  an  den  Zollverein,  800  Fracht- 
wagen am  Kaufhause  beladen  wurden.  Man  konnte  sich 
schon  vorher  der  Einsicht  nicht  mehr  verschließen,  daß 
Lüneburg  die  Bedeutung  eines  Stapelplatzes  endgültig  ver- 
loren habe. 

Es  war  damals  die  Eisenbahn  von  Hamburg  nach 
Bergedorf  im  Bau,  und  einer  Gesellschaft,  die  sich  in  Lüne- 
burg gebildet  hatte,  und  sich  mit  Hamburg  und  Berlin  in 
Verbindung  setzte,  suchte  um  die  Konzession  nach,  im  An- 
schluß daran  eine  Bahn  über  Stove  nach  Lüneburg  zu  bgtuen, 
damit  sie  von  da  nach  Berlin  weiter  geführt  würde.  Leider 
sehe  terte  dieser  Plan  eine  linkselbischen  Verbindung  zwischen 
Hamburg  und  Berlin  an  dem  Gutachten  des  Wasserbau- 
technikers, der  in  dem  Eisenbahndamm  bei  Hochwasser  eine 
Gef ahr  für  die  Marschen  sah.  Von  nun  an  ruhten  die  Eisenbahn- 
projekte nicht  mehr,  bis  endlich  der  hannoversche  Staat  sich  ent- 
schloß, den  Bahnbau  selbst  in  die  Hand  zu  nehmen.  1847  wurde 
die  Eisenbahn  von  Hamburg  über  Lüneburg  nach  Hannover 
eröffnet,  der  dann  später  die  Eisenbahn  nach  Lübeck  und  die 
Bahn  Wittenberge — Buchholz  folgten;  letztere,  nach  Geeste- 
münde— Bremerhaven  weitergeführt,  wird  als  direkte  Verbin- 
dung der  Wesermündung  mit  Berlin  große  Bedeutung  erhalten. 

So  ist  Lüneburg  aus  dem  alten  Stapelplatze  eine  Stadt 
geworden,  die  darauf  angewiesen  ist,  durch  günstige  Eisenbahn- 
verbindungen Gewerbe  und  Handel  zu  pflegen,  und  dazu  die 
reichen  Bodenschätze  auszubeuten,  die  sie  in  den  Salzquellen 
und  in  den  Kalklagern  in  reichlicher  Fülle  besitzt. 

Durch  den  Ausbau  der  Landstraßen  nach  allen  Seiten 
hin,  der  bald  nach  1820  begann,  ist  Lüneburg  jetzt  der 
Mittelpunkt  eines  weiteren  Kreises  geworden,  und  um  so 
mehr,  als  es  zugleich  Sitz  vieler  Behörden  und  Garnisons- 
platz geworden  ist. 

1823  wurde  die  Landdrostei  errichtet,  die  nach  der 
Annexion  infolge  des  Gesetzes  über  die  allgemeine  Landes- 
verwaltung vom  1.  April  1885  an  in  eine  Legierung  verwandelt 
wurde.  Bald  nach  dem  Jahre  1848  wurden  die  städtischen 
Gerichte  aufgehoben.  An  ihre  Stelle  traten,  mit  viel  weiterem 
Gerichtssprengel,  das  Amtsgericht  und  das  Obergericht,  aus 


— 33  — 


dem  jetzt  das  Landgericht  geworden  ist.  Das  Schulwesen  ist 
gewaltig  entwickelt.  1818  ging  allerdings  die  Michaelisschule 
ein,  dafür  erhob  sich  das  Johanneum  seit  der  Berufung 
mehrerer  angesehener  Philologen  aus  Thüringen  von  neuem 
zu  hohem  Ansehen  und  zog  viele  fremde  Schüler  heran. 
Ebenso  wurde  das  Volksschulwesen  immer  mehr  gefördert, 
und  die  stattlichen  Schulgebäude,  die  seit  60  Jahren  auf 
städtische  Kosten  errichtet  oder  ausgebaut  sind,  zeigen  die 
Fürsorge  der  Stadt  für  das  Unterrichtswesen.  Mit  der  Auf- 
hebung der  besonderen  Verwaltung  des  Michaelisklosters  1850 
wurde  auch  die  Ritterakademie,  die  nur  engen  Kreisen  gedient 
hatte,  aufgehoben,  und  an  deren  Stelle  ein  Schullehrerseminar 
eingerichtet. 

Die  alte  Stadtverfassung  wurde  durch  die  Verfassungs- 
urkunde vom  10.  Oktober  1846  aufgehoben;  die  neue 
Organisation  ist  seitdem  mehrfach  abgeändert  und  vereinfacht. 
Schon  unter  dem  alten  Regiment  war  seit  den  Befreiungs- 
kriegen manches  für  Umgestaltung  und  Ausbau  der  Stadt 
geschehen,  aber  erst,  seitdem  die  Verwaltung  der  Stadt 
vereinfacht,  und  die  Finanzen  besser  geordnet  waren,  und 
seitdem  durch  die  steigende  Bevölkerung  und  den  steigenden 
Wohlstand  die  Mittel  reichlicher  flössen,  konnte  man  zur 
Durchführung  solcher  kostspieligen  Anlagen  schreiten,  welche 
die  moderne  Zeit  verlangt.  So  ist  seit  1859  eine  Neupflasterung 
der  Straßen  durchgeführt,  und  die  Kanalisation  der  Stadt, 
die  Herstellung  einer  neuen  Wasserleitung,  welche  die  Stadt 
mit  gesundem  Trinkwasser  versieht,  und  die  Regelung  des 
Abfuhrwesens  haben  vor  allem  dazu  beigetragen,  Lüneburg 
zu  einer  gesunden  Stadt  zu  machen.  Dazu  kommen  das 
städtische  Krankenhaus  im  Südosten  der  Stadt,  und  die  große 
Provinzial-Heil-  und  Pflegeanstalt,  die  von  der  Provinz  zwischen 
dem  Mönchsgarten  und  Wienebüttel  errichtet  ist. 

Manches  Bauwerk,  das  an  die  alte  Zeit  erinnert,  manche 
Eigentümlichkeit  im  Bau  und  dem  Äußern  der  Häuser,  die 
alten  Wälle  und  Festungswerke,  die  der  Stolz  der  alten 
Bürgerschaft  waren,  haben  den  Bedürfnissen  der  Neuzeit 
weichen  müssen,  aber  manches  öffentliche  und  Privatgebäude 
ist  auch  würdig  hergestellt.  Manche  wertvolle  Schätze  sind 
der  Stadt  verloren  gegangen:  die  alte  Rüstkammer  ist  1839 
leichtfertig  verschleudert  und  als  altes  Eisen  verkauft,  das 

3 


- 34  — 


Ratssilber,  das  zum  Teil  schon  den  Drangsalen  des  dreißig- 
jährigen Krieges  zum  Opfer  gefallen  war,  ist  bei  den  gesteigerten 
finanziellen  Anforderungen  der  Neuzeit  für  die  Stadt  verloren 
gegangen,  wenn  es  auch  jetzt  im  Besitze  des  Staates  weiteren 
Kreisen  nutzbar  gemacht  ist.  Aber  der  Sinn  für  eine  pietät- 
volle Erhaltung  des  Alten  ist  erwacht.  Das  stattliche  Museum 
mit  seinen  in  kurzer  Zeit  entstandenen  reichen  Sammlungen 
ist  dafür  ein  Beweis. 

Lüneburg  verdankt  sein  Aufblühen  in  alter  Zeit  der 
Sülze  und  seiner  unter  den  alten  Handelsverhältnissen  außer- 
ordentlich günstigen  Lage.  Wie  alle  mittelalterlichen  Städte 
hat  es  seine  Macht  zum  Erwrerb  von  Privilegien  jeglicher 
Art  benutzt,  hat  dann  aber  auch  das  Schicksal  dieser  Städte 
geteilt:  in  langjährigem  Kampfe  gegen  das  Landesfürstentum, 
das  gleiches  Recht  für  alle  fordert,  und  unter  dem  Einflüsse 
modernen  Wirtschaftslebens  hat  es  alle  diese  Vorrechte 
verloren.  Es  bleiben  ihm  aber  der  Reichtum  des  Bodens 
und  die  günstige  Lage  an  dem  Knotenpunkte  mehrerer  der 
wichtigsten  Eisenbahnen  Norddeutschlands,  und  dies  verbürgt 
ein  stetiges  Wachsen  der  Bevölkerung  und  des  Wohlstandes. 


Lüneburg  vom  Kalkberge  aus  gesehen. 


Beschreibung  und  Bundgang 

von 

Dr.  Sprengell. 

Durchgesehen  von  ReinecUe. 


Lüneburg,  die'Hauptstadt  des  Regierungsbezirks  (früher 
Landdrostei  bezw.  Fürstentum).  Nach  der  Volkszählung 
vom  1.  Dezember  1900:  24693  JE  in  wohn  er , und  zwar 

12  524  männliche  und  12  169  weibliche.  Einwohnerzahl  nach 
der  jüngsten  Personenstandsaufnahme  (1.  November  1904  : 
25  848.  Sitz  der  Königlichen  Regierung  und  eines  Landgerichts. 
Standort  des  2.  Hannoverschen  Dragoner-Regiments  Nr.  16. 
Provinzial-Heil-  und  Pflege-Anstalt, 

Schulen : Johanneum  (Gymnasium  und  Realgymnasium  . 
Schullehrerseminar.  Präparandenanstalt.  HöhereMädchen  schule 
mit  Lehrerinnenseminar.  Mittelschule.  Heiligengeistschule  I., 

3* 


-Sß- 


II.  und  III.  Schule  der  römisch  - katholischen  Gemeinde^ 
Schule  der  israelitischen  Gemeinde.  Handelsschule.  Gewerb- 
liche Fortbildungsschule.  Landwirtschaftliche  Kreis -Winter- 
schule. Provinzial-Hufbeschlag-Lehrschmiede. 

Zwei  Bahnhöfe.  Sie  liegen  nahe  beieinander  im  öst- 
lichen Teile  der  Stadt,  der  äußere  an  den  Bahnen  Hamburg- 
Hannover  und  Lübeck-Lüneburg,  der  innere  an  der  Bahn 
Wittenberge-Buchholz. 

Man  betritt  die  Stadt,  vom  Hauptbahnhofe  links  sich 
wendend,  durch  das  Altenbrücker,  in  entgegengesetzter  Rich- 
tung durch  das  Lünertor;  hier  wie  dort  führt  zunächst  eine 
Brücke  über  den  Lösegraben,  den  breiten  ehemaligen  Stadt- 
graben, welcher  mittelst  eines  großen  neuen  Schleusenwehrs 
zum  Umflutgraben  für  die  Ilmenau  umgeschaffen  ist;  eine  zweite 
Brücke  führt  über  die  Ilmenau.  Durch  Unterführungen  der 
Landstraßen  von  Dahlenburg,  Bleckede,  Artlenburg  und  durch 
ausgedehnte  Bodenbewegungen  ist  das  Gelände  gegen  früher 
gänzlich  verändert.  Zwischen  Lösegraben  und  Ilmenau  kreuzt 
man  eine  lange  Straßenzeile,  welche  mit  stattlichen  Neubauten 
und  Lindenreihen  besetzt,  die  Schauseite  nach  Osten  gerichtet,, 
die  Stelle  des  ehemaligen  Wandrahmwalls,  Schießgraben walls 
und  Schifferwalls  einnimmt  und  entsprechend  benannt  ist. 
Am  Südende  derselben  erhebt  sich  seit  1891  das  Museum 
für  das  Fürstentum  Lüneburg,  am  Nordende  seit  1893  die 
Synagoge,  beides  Backsteinrohbauten. 

Die  übrigen  Haupteingänge  der  Stadt,  das  Bardowiekerr 
das  Neue,  das  Sülz-  und  das  Bote  Tor  nehmen  die  Land- 
straßen von  Winsen,  Salzhausen,  Soltau  und  Uelzen  auf.  Die 
alten  sehr  ansehnlichen  Torbauten  sind  sämtlich  abgebrochen; 
dem  Boten  Tor,  einem  Backsteinbau  von  1860,  wird  das  gleiche 
Schicksal  in  nahe  Aussicht  gestellt. 

Die  beiden  Hauptplätze  der  Stadt  sind  »Markt«  und 
»Sand«. 

Gasthöfe.  Am  Sande : Deutsches  Haus  (Nr.  5).  Hotel 
Wellenkamp  (Nr.  9).  Hötel  zur  Hoffnung  (Nr.  13).  Lüneburger 
Hof  (Nr.  19).  Hamburger  Hof  (Nr.  25).  An  der  Ilmenau  r 
Hötel  zum  Schießgraben. 

Herberge  zur  Heimat:  Wallstraße  4. 

Restaurationen  in  allen  vorgenannten  Gasthöfen. 
Ferner : Clausens  Garten  (nahe  den  Bahnhöfen).  Bellevue  mit 


— 37  — 


Garten  (nahe  den  Kasernen).  Meyers  Garten  vor  dem  Neuen- 
tore).  Mönchsgarten.  Am  Markte:  Rateachänke.  Vm  Sande 
Lmdemanns  Restaurant  (Grapengießerstr.  3).  Zum  - 
Kaulitz  Gesellschaftshaus  (Schröders!  r.16  . Kohlmann  Grapen- 
gießerstr.  48).  Kronenbrauerei  (Heiligengeistst r.  11.  Alten- 
brücker Ziegelhof  (südöstlich  vom  Bahnhof). 


Wandrahm-  und  Schießgrabenstraße. 


Weinstuben.  Ratskeller  (Rathaus  . von  Lösecke 
(mit  Veranda  über  der  Ilmenau,  am  Stintmarkt  3 . Kroger 
(Schröderstr.  3). 

Konditoreien.  Cafe  Moeller  (Gr.  Bäckerstr.  21  . Rauno 
(Schröderstraße  16).  Wienecke  (Am  Sande  10 . Bergmann 
(Apothekenstr.  5).  Dieckmann  (Heiligengeiststr.  34  . Kaffee- 
Ralle  (An  den  Brodbänken  4). 

Bäder.  Volksbadeanstalt  AVandrahmstr.  H&lvensletx  n, 
Fluß-Schwimmbad.  Koop,  Fluß-Schwimmbad.  Salinl  adeanstalt 
mit  Garten  (vor  dem  Sülz  tore  2). 

Apotheken.  Gr.  Bäckerstr.  9.  Am  Sande  54.  Neue 
Sülze  12/13. 


— 38  — 


Postamt  1,  Telegraph  u.  Fernsprechamt  am 
Marienplatz.  Postamt  2 am  Bahnhof. 

Lesehalle  Auf  der  Altstadt  50. 

Hauptsehenswürdigkeiten.  Rathaus.  Museum.  St. 
Johanniskirche.  St.  Nikolaikirche.  St.  Michaeliskirche.  Viskulen- 
hof  (sprich  Fiß-Kulenhof).  Roter  Hahn.  Kalkberg.  Saline. 

Lüneburg  hat  sich  seit  Mitte  des  19.  Jahrhunderts 
erheblich  vergrößert  und  verändert.  Vordem  bildete  die  Stadt 
ein  längliches  Viereck,  die  Schmalseiten  nach  Osten  und 
Westen,  die  Langseiten  nach  Süden  und  Norden  gerichtet. 
Die  hohen  Wälle  mit  herrlichen  Lindenreihen,  welche  es  um- 
schlossen, sind  bis  auf  einen  einzigen  im  Nordwesten  der 
Stadt  eingeebnet  für  neue  Straßenzüge  und  Parkanlagen,  und 
vor  dengf  ehemaligen  Toren  sind  ganz  neue  Stadtteile  ent- 
standen. 


Einer  der  ältesten  Giebel  der  Stadt, 

Am  Sande  Nr.  53  (Stammhaus  der  Firma  F.  Frucht). 


- 39  — 


Vor  dem  Rundgange  durch  die  eigentliche  alte  Stadt 
möge  einiges  über  ihren  baulichen  Charakter  bemerkt  werden 
Bis  vor  40  oder  50  Jahren  hatte  Lüneburg  sein  mittel- 
alterliches Aussehen  fast  völlig  bewahrt.  Seitdem  an  Ein- 
wohnern erheblich  gewachsen,  von  12000  auf  ca.  26000,  hat 
es  sich  zu  verjüngen  und  der  Neuzeit  anzupassen  versucht. 
Oelfarbenanstrich,  Zementverputz,  viele  möglichst  riesige 
Ladenfenster  haben  die  Schauseiten  fast  aller  Häuser  gänzlich 
verändert.  Die  Baupolizei  hat  die  Einziehung  der  Ausluchten, 
der  Beischläge  (d.  i.  Steinbänke  an  den  Seiten  der  Haustür, 
der  vorgebauten  Kellereingänge,  der  Lindenbäume  vor  den 
Häusern  mit  Erfolg  befördert.  Die  Gossen  in  der  Mitte  der 
Straßen  und  die  Rinnsteine  sind  durch  unterirdische  Kanäle 
ersetzt,  und  das  holprige  Straßenpflaster  aus  nordischen  Find- 
lingen ist  mit  behauenen  Steinen  erneuert,  das  früher  völlig 
fehlende  Trottoir  zum  Teil  sogar  elegant  ans  Steinplatten 
klinkern,  Tonplatten  und  Asphalt  hergerichtet.  Manche  alte 
Giebel  sind  in  den  letzten  Jahren  abgebrochen,  nur  wenige 
mit  Verständnis  wieder  errichtet,  recht  ansprechend  der  des 
Kaulitz’schen  Gesellschaftshauses  und  musterhaft  genau  der 
von  Lindemann’s  Restaurant.  Uebrigens  mußten  schon  im 
vorvorigen  Jahrhundert  manche  Giebel  erneuert  werden,  wobei 
vielfach  die  Volute  (Schneckenhausform)  des  Barockstils  und 
später  antikisierende  Formen  zur  Anwendung  kamen.  Auch 
das  Innere  der  alten  Häuser  ist  mit  wenigen  Ausnahmen  längst 
umgestaltet.  Vermehrtes  Wohnungsbedüifnis,  veränderte  Ge 
schäftsverhältnisse  haben  zu  Einbauten  in  die  alten  großen 
Dielen  und  zum  Ausbau  von  ehemaligen  Bodengeschossen  ge 
führt.  Vollends  haben  Feuersbrünste,  in  dem  eteinmassiven 
Lüneburg  früher  fast  unbekannt,  in  den  letzten  Jahren  manches 
Alte  zerstört.  Die  ältesten  Gebäude  sind  von  Ziegeln  großen 
Formats  errichtet,  aber  vom  Mauerfraß  besonders  in  den 
Untergeschossen  arg  mitgenommen.  Schwarz-,  braun-,  grün 
glasierte  Ziegel-  und  Formsteine  sind  vielfach  verwendet,  farbig 
glasierte  Medaillons  von  Terrakotta  mehrfach,  Friese  von 
Stuckmasse  vereinzelt.  Wenige  Privatgebäude  reichen  in  das 

15.  Jahrhundert  zurück.  Sie  zeigen  aufstrebende  gothische 
Bauformen  und  feine  Gliederungen  der  Tür  , Fenster  und 
Lukeneinfassungen.  Die  meisten  alten  Häuser  si  n 

16.  Jahrhundert  und  haben  die  mehr  horizontal  ge 


— 40  — 


Am  Sande  Nr.  1 und  2. 


Bauformen  der  Renaissance,  zu  welchen  aber  manches  aus 
der  Gothik  herübergenommen  ist,  z.  B.  die  Treppengiebel  und 
das  sog.  Kabeltauornament.  Die  Häuser  sind  durchweg  mit 
der  Schmalseite  (Giebelseite)  der  Straße  zugewendet.  Längs- 
bauten finden  sich  wenig,  ebenso  Fachwerkbauten.  Dagegen 
sind  die  Hintergebäude  auf  den  Höfen  vielfach  von  Facbwerk, 
dort  findet  sich  noch  mancher  geschnitzte  Balken  mit  einem 
Hausspruche,  dem  Namen  des  Erbauers  und  ähnlichem.  Dem 
Altertumsfreunde  wird  der  Zugang  wohl  nirgends  verwehrt.  Die 
alten  großen  Patrizierhäuser  nehmen  besonders  dieEckplätze  ein. 

Alles  in  allem  hat  die  innere  Stadt  ihren  altertümlichen 
Charakter  gut  bewahrt.  Sie  muß  unter  den  malerischen  Städten 
der  Provinz  Hannover  mit  an  erster  Stelle  genannt  werden. 

Rund  gang.  Die  Altenbrückertor  - Straße  führt  uns 
mittelst  einer  neuen  Bogenbrücke  über  die  Ilmenau,  welche 
die  Stadt  von  Süden  nach  Norden  durchfließt.  Die  Brücke 
wurde  vor  einigen  Jahren  massiv  aus  Backstein  erbaut  und 


- 41  — 


zwar  an  Stelle  der  »Oldenbrugge«,  der  uralten  Gerichtsstätte 
des  gleichnamigen  Gohs.  Links  zeigt  sich  neben  der  so 
Ratsmühle,  von  welcher  das  Patriziergeschlecht  van  der  Molen 
seinen  Namen  trug,  ein  alter  neuerdings  erhöhter  Wasserturin 
und  hinter  ihm  ein  geschonter  Rest  des  alten  hohen  Walles 
(schöne  Aussicht). 

Es  folgt  die  Kirche  St.  Johannis  des  Täufers, 
auffallend  durch  ihren  massigen  Turm  und  die  herrliche 
Patina  des  südlichen  Seitenschiffs.  Als  diese  Lande  Christ 
lieh  wurden  als  Tauf-  und  Archidiakonatskirche  des  < iau 
hauptortes,  des  Dorfes  Modestorpe  (modu  wendisch  Dreck, 
Morast),  errichtet,  ward  sie  um  1240,  als  Modestort'  der  Stadt 
einverleibt  wurde,  zur  Hauptpfarrkirche  der  Stadt  erhoben 
und  neu  aufgebaut  im  14.  Jahrh.  Ursprünglich  gothische 
Hallenkirche  mit  drei  gleichhohen  Schiffen,  wurde  sie  um 
1400  um  zwei  niedrigere  Seitenschiffe  erweitert  und  nachmals 
noch  durch  eine  nördliche  und  eine  südliche  Reihe  von 
Kapellen  verbreitert.  So  ist  sie  nun  nahezu  ebenso  breit  wie 
lang  (52  Meter),  was  eigenartig  und  großartig  wirkt.  Der 
imposante  Turm  ist  über  der  Straße  111  Meter  hoch,  von 
einfachen,  schönen  Formen, 
ein  Wahrzeichen  der  Stadt. 

Das  Innere  bietet  viel 
Sehenswertes.  (Küster  im 
Eckhaus  gegenüber  dem 
nördlichen  Seiteneingang.) 

Die  grossen  Glasgemälde  in 
den  Fenstern  sind  neu.  Alte 
schöne  Orgel.  Zahlreiche 
Epitaphien  und  Grabsteine 
im  Renaissance-  und  Barock- 
stil, darunter  eins  aus  dem 
Jahre  1575  mit  der  Marke 
des  hervorragenden  Lüne- 
burger Bildensniders  Albert 
von  Soest.  Verschiedene 
gut  erhaltene  Bildwerke  von 
ehemaligen  Nebenaltären, 

Hauptaltar  mittelalterlich, 
gut  erhalten.  Im  Chor 


der  Stolz  der  Lüneburger  und 


Hinter  der  Altenbrücker  Mauer. 


— 42  — 


Das  Kalandshaus. 


— 43 


Am  Sande  mit  der  St.  Johanniskircin». 


Schnitzwerk  des  15.  und  16.  Jahrhunderts.  In  der  Sakristei 


großer  Reliquienschrein  aus 
der  Form  einer  gothischen 
Kapelle. 

Der  Kirche  südlich 
gegenüber  das  alteK  alands- 
haus, aus  dem  15.  Jahr- 
hundert; es  wird  zu  Schul- 
zwecken benutzt,  sein  Giebel 
ist  kürzlich  erneuert.  Das 
lange  Gebäude  davor  ent 
hält  die  Wohnungen  der  drei 
Prediger  und  wurde  um  1730 
von  Sonnin  erbaut,  dem 
Meister  der  großen  St. 
Michaeliskirche  in  Hamburg, 
der  eine  zeitlang  Stadtbau- 
meister in  Lüneburg  war. 
Das  freistehende  Gebäude 
nördlich  der  Kirche  diente 


stark  vergoldetem  Silber  in 


Hinter  der  Altenbrücker  Mauer. 


— 44  — 


früher  dem  Gymnasium  Johanneum;  vor  30  Jahren  ist  es  mit 
einem  Anbau  versehen  und  der  städtischen  höheren 
Mädchenschule  überwiesen.  Der  große  Neubau  für  das 
Johanneum  steht  auf  dem  Grunde  des  abgetragenen  Roten- 
walles  und  ragt  im  Süden  der  Kirche  herüber. 

Auf  dem  nun  folgenden  großen  freien  Platze,  dem 
Sande,  tritt  uns  Lüneburgs  mittelalterliche  Art  und  Größe 
wohl  am  deutlichsten  entgegen.  Auch  Harburg  und  Stade 
haben  einen  »Sand«.  Unter  den  alten  Giebelhäusern  zeigt 
das  älteste  Nr.  53  noch  rein  gothische  Formen  (s.  Abb.  S.  38). 
Das  höchste  ist  Nr.  8,  mit  schönem  Türklopfer  von  Messing. 
Das  große  dunkle  Haus  am  Westende  des  Sandes  mit  zahl- 
reichen Medaillons  von  Terrakotta  hat  Julius  Wolff  auf 
dem  Umschläge  seines  »Sülfmeister«  abgebildet,  es  ist  aber 
erst  1548  erbaut,  während  der  Roman  100  Jahre  früher  spielt 
(s.  Abb.  S.  40).  A 

Von  der  Südseite  des  Sandes  führt  die  Rotestraße 
(Haus  Nr.  6,  Längsbau  von  1553  mit  Medaillons)  zum  ehe- 
maligen Rotentore.  Auf  dem  abgetragenen  Walle  links 
inmitten  von  Parkanlagen  das  Kriegerdenkmal,  von  Peiffer  in 


Am  Sande  Nr.  8. 


— 45  — 


Hamburg;  weiterhin  das  neue  Johannen, gelbei 
stockiger  Backsteinbau.  Rechts  auf  dem  abgetragenen  Sülz 
wall  die  katholische  Kirche  von  1858  und  die  It 
Wallstraße  mit  der  Herberge  zur  Heimat.  Das 
wurde  1860  erbaut.  Hinter  demselben  liegt  die  städtische 
Turnhalle  mit  zwei  Türmen,  weiter  südlich  das  Kinder 
Hospital. 

Vom  Sande  westwärts  führt  die  Heiligengeist 
straße,  beachtenswert  durch  einige  alte  Giebelhäuser,  vor 
über  an  dem  großen  Heiligengeist-Hospital,  welches 


Lagerraum  der  Saline. 


Schulzwecke  teilweise  geschmackvoll  neugebaut  uml  mit  einem 
zierlichen  alten  Dachreiter  geschmückt  ist,  zum  ehemaligen 
Lambertikirchhof  und  zur  Saline.  Die  St.  Lamberti 
kirche,  eine  große  gothische  Hallenkirche,  wurde  im  Jahre 
1862,  da  man  ihren  Einsturz  befürchtete,  abgebrochen. 

Die  Saline  war  früher  eine  viel  besuchte  Haupt 
Sehenswürdigkeit.  Die  Gebäude  sind  zum  Teil  neuen  Datums, 
zum  Teil  um  1800  erbaut.  Die  alte  Saline  nahm  nur  den 
Raum  bis  zu  den  hohen  grünen  Wallresten  ein,  auf  welchen 


— 46  — 


Sammelbecken  für 
die  Sole  liegen. 
Jahresausbeute  ca. 
600000  Zentner.  Ar- 
beiter 250.  Mit  der 
Saline  verbunden  ist 
eine  gute  Solbade- 
anstalt,  geöffnet 
vom  1.  Mai  bis  1. 
Oktober. 

Vom  Sande 
ebenfalls  nach  Wes- 
ten, ziemlich  parallel  mit  der  Heiligengeiststraße,  führt  die 
G rapen gieße r straße  (Haus  Nr.  45,  altes  Patrizierhaus, 
Binnenhof  mit  prachtvoll  geschnitztem  Balkenwerk)  zum  Vier- 
orten (Ort  = Ecke),  dem  Schnittpunkt  der  vier  alten  Stadtviertel. 
Hier  zweigt  sich  nach  Süden  die  Salzstraße  ab  (Nr.  19  mit  be- 
sonders hohem  Treppengiebel),  nach  Norden  die  Neue  Sülze 
(Haus  Nr.  8 zeigt  leider  immer  mehr  zerbröckelnde  schöne 
Terrakotta-Friese  nebst  Türbogeneinfassung,  etwa  von  1550, 
ähnlich  denen  am  Fürstenhofe  in  Wismar),  in  nordwestlicher 
Richtung  die  Straße  Auf  der  Altstadt  mit  dem  schönen 
Blick  auf  die  hochgelegene  Michaeliskirche. 

Die  St.  Michaeliskirche,  große  gothische  Hallen- 
kirche, um  1400  erbaut,  mehrmals  umgestaltet,  bietet  im 
Innern  nicht  viel  Sehenswertes  mehr.  Schön  ist  die  Kanzel 
von  1602,  bau- 
lich interessant 
die  kürzlich  re- 
staurierte Unter- 
kirche (Krypta). 

Die  im  Anfang 
des  18.  Jahrhun 
derts  an  Stelle 
der  alten  Kloster- 
gebäude für  die 
Ritter -Akademie 
(eingegang.  1851) 
errichteten  Ge- 

toude  beherber-  Krypta  der  Michaeliskirche. 


Salinenhof. 


47 


Auf  der  Altstadt  mit  der  St.  Michaeliskirclic 


— 48  — 


gen  jetzt  das  Landratsamt,  Seminar,  Landgericht  und 
Amtsgericht. 

Die  Straße  Auf  der  Altstadt  und  ihre  Neben- 
straßen Rübekuhle,  Obere  Ohlingerstraße,  Untere 
Ohlingers  traße  (der  Name  verhunzt  aus  »Oleniestrate«),  Auf 
dem  Meer,  der  Techt  (wo  der  »Tegede«,  der  Zehnte,  entrichtet 
wurde)  bilden  das  älteste  Lünebürg,  den  Kern  der  Stadt.  Er 
liegt  in  einer  Mulde,  entstanden  durch  einen  Erdfall  von  1013, 
welcher  nach  chronikalischer  Ueberlieferung  die  »civitas«  des 
Herzogs  Bernhard  Billung  zerstörte  und  sogar  die  dem 
heiligen  Gyriak  geweihte  Pfarrkirche  am  Fuße  des  Kalkberges 
bedrohte. 

Von  der  Michaeliskirche  westwärts  kommt  man 
zum  »Kalkberg«,  einem  Gipsfelsen,  140  Fuß  über  der 
Stadt,  200  Fuß  über  dem  Meere.  Der  Verschönerungsverein 
hat  einen  neuen  bequemen  Aufstieg  eingerichtet.  Umfassende 
Rundschau.  Am  Fuße  östlich  die  große  Strafanstalt.  West- 
lich der  fiskalische  Gipsbruch  und  der  uralte  Vorort  Grimm, 
der  früher  die  Häuser  und  Gärten  für  die  Burgbesätzung 
umfaßte  und  im  Jahre  1471  von  Herzog  Friedrich  dem 


Gipsbruch  mit  Kalkberg. 


49 


Frommen  an  die  Stadt  verpfändet  wurde.  Im  Norden 
sind  die  bewaldeten  Höhenzüge  jenseits  der  Elbe  mit  Lauen 
bürg,  nordwestlich  bei  klarem  Wetter  die  Türme  von  Ham 
bürg  sichtbar. 

Vom  Kalkberg  wenden  wir  uns  nordöstlich,  an  dem 
neuen  Strafgerichtsgebäude  und  der  neuen  Bürgersch  ile 
vorüber  zur  Graalstraße.  Nr.  1 daselbst  ist  das  alte  B u 
mannshaus  der  von  dem  Berge.  An  seiner  westlichen 
Mauer  befindet  sich  ein  aus  Sandstein  ^ ! i < » ? i gemeißi 
Doppelwappen  des  letzten  aus  diesem  Lüneburgischen  Burg 
mannengeschlechte,  Fritz  von  dem  Berge  fl623  und  seiner 
Gattin  L eveke  Hane,  aus  dem  mecklenburgischen  Ge- 
schlechte  v.  Hahn.  In  dieser  Gegend  lagen  auch  die  Höfe 
anderer  Burgmannengeschlechter.  Die  große  stehengehlicbenr 
Wallbastion  ist  der  alte  Lindenberg,  die  Stätte  des  uralten 
Maifestes,  mit  dem  auch  die  Ortsbezeichnung  Gral  d.i.  Jubel) 
zusammenhängt.  Weiterhin  der  Windberg,  vielleicht  alt 
Winberg.  Auf  dem  jetzigen  Marienplatze  stand  die  1818 
abgebrochene  Marienkirche,  welche  zu  dem  1235  von  Herzog 
Otto  dem  Strengen  auf  dem  Gösebrink  errichteten 
Franziskanerkloster  gehörte.  Von  diesem  in  der  Refor 
mationszeit  aufgehobenen  Kloster  ist  der  südliche  Flügel  er 
halten,  unten  mehrere  Gewölbe  des  ehemaligen  Kreuzganges, 
oben  das  Refektorium,  ein  großer  Saal,  in  dem  sich  die 
Stadtbibliothek  befindet  (geöffnet  Donnerstags  von  11  1 

Uhr,  sonst  auf  Meldung  beim  Bibliothekar  Professor  Görges, 
Graalstraße  3).  Ihr  Grundstock  ist  die  Bücherei  des  gedachten 
Klosters.  Sie  ist  nicht  groß  (za.  40000  Bände),  aber  überreich 
an  Wiegendrucken  deutscher,  französischer  und  italienischer 
Herkunft.  Mehrere  von  den  wertvollen  Pergament  Hand 
Schriften  des  14.  und  15.  Jahrhunderts  mit  schönen  Miniatoren 
sind  unlängst  in  das  Stadtarchiv  überführt  Evangelienbücher, 
Messbücher,  die  Kornerhandschrift  und  zwei  Sachsenspiegel 
Viele  schöne  Bucheinbände  der  Gothik  und  der  Renaissance. 

Südwestlich  am  Marienplatz  das  neue  Postgebäude, 
von  gewohnter  Stattlichkeit.  Südöstlich  die  Reitende  - 
Dienerstraße,  in  welcher  die  lange  Reihe  dei  Dienst 
Wohnungen  der  städtischen  Unterbeamten,  vormals  der  Reiten- 
den Diener,  noch  manches  vom  mittelalterlichen  Zustand  aufzeigt 
und  insbesondere  die  einheitliche  Fassade  von  1680  bewahrt  hat. 

4 


— 50 


Wir  stehen  nun  vor  dem  Rathause.  Das  große, 
mehr  lange  als  breite  Rechteck,  ein  vielgestaltiger  Gebäude- 
komplex, gibt  ein  deutliches  Bild  von  Lüneburgs  Werden  und 
Wachsen.  Der  für  eine  Stadt,  die  zu  ihrer  Blütezeit  wohl 
kaum  mehr  als  15000—16  000  Einwohner  zählte,  schier  zu 
groß  erscheinende  Umfang  dieses  vornehmsten  Profanbaues 
erzählt  beredter  als  geschriebene  Urkunden  von  dem  Reichtum 
und  der  Bedeutung  der  alten  Salz-  und  Hansastadt. 

Umschreiten  wir  den  ganzen  eigenartigen  Bau.  Die  West- 
seite am  Marienplatz,  reich  ausgestattet  mit  Wappen  und 
Figuren,  gehört  dem  Kämmereigebäude  an.  Eine  spitzbogige, 


nur  von  innen  zu  öffnende  Tür  mit  geschnitztem  Stadtwappen 
im  Bogenfelde  war  bis  in  die  neueste  Zeit  zugemauert.  Die 
Nordseite,  am  Ochsenmarkt,  bietet  zunächst  den  vor  einigen 
Jahren  gut  wiederhergestellten  Treppengiebel  dieses  Gebäudes. 
An  der  übrigen  Schauseite  gewahrt  man  mancherlei  spätere 
Aenderungen.  Auch  der  Haupteingang  mit  mächtiger  gothi- 
scher  Tür  liegt  an  dieser  Nordseite,  gegenüber  dem  neuen 
1849  erbauten  Regierungsgebäude.  Die  Südseite  des 
Rathausvierecks  ist  1861  in  einer  im  Stil  wie  im  Material 
nicht  eben  glücklichen  Weise  erneuert,  bei  dieser  Gelegenheit 


— 51  — 


ist  das  an  der  verbreiterten  Wagestraße  belfegene  malerische 
-Gebäude  der  alten  Rats  wage  abgebrochen  worden.  !' 
nnd  größten  Aenderungen  hat  die  östliche,  die  Hanptschau 
«seite,  im  Laufe  derZeit  erfahren.  Nur  die  mächtigen  (iranit 
Säulen,  welche  die  Gewölbe  des  Untergeschosses 
vom  ältesten  Bau.  Vor  einigen  Jahren  wurden  du 
Standbilder  und  Wappen  farbig  bemalt,  was,  namentlich 
•dem  die  Zeit  die  Farben  gemildert  hat,  sich  von 
erweist.  Vor  etwa  25  Jahren  wurde  der  dünne  Mörtelverj  tz 
durch  eine  dicke  Zementschicht  ersetzt,  g&mtlich< 
wurden  umgestellt  und  zumteil  in  angeklebten  Nisch« 
gebracht.  Der  nächst  rückliegende  Umbau  war  gegei  1720 
vorgenommen.  Balkon,  Frontispiz,  Mansardendach,  Turin 
laterne  stammen  aus  dieser  Bauperiode.  Um  1009  waren  dir 
fünf  hohen  Türme  herabgenommen  — ihre  Reste  sind  in 
fünf  dicken  Pfeilern  eingehüllt  enthalten  — und  die  übrige 
Rront  wurde  in  den  Formen  der  Spätrenaissance  umgebildet. 
Dieser  Zeit  gehören  auch  wohl  die  15  steinernen  Standbilder  an. 
welche  die  Schule  des  Albert  von  Soest  verraten.  Dei 
alte  gothische  Bau,  an  welchem  reichlich  glasierte  Ziegel  ver 
wendet  waren,  wurde  wohl  um  1400  errichtet  und  war  mit 
«einen  fünf  mastenartigen  Türmen  den  Rathausbauten  ver 
schiedener  Ostseestädte  ähnlich. 

Zur  Besichtigung  des  Innern  wendet  man  sich  an  den 
Rathausvogt  (Wohnung  an  der  südwestlichen  Ecke  des  hat 
hauses,  am  Marienplatz).  Die  Innenräume  bergen  eine  Fülle 
wertvollster  Kunstaltertümer  und  illustrieren  die  Kunststile  \«>n 
der  Gothik  bis 
zum  Barockstil. 

Der  älteste  Kern, 
seit  dem  15.  Jahr- 
hundert als  Rats- 
küche benutzt, im 
Jahre  1899  zum 
städtischen  Ar- 
chiv um  gebaut, 
entstand  wohl 
schon  uin  1200, 

Ms  der  heu- 
tige Marktplatz 


— 52  — 


Große  Ratsstube. 


(novumT  forum)  eingerichtet  ward  und  die  herangewachsene 
Stadt  sich  mit  Mauern  umgab.  Die  Nordseite  dieses  Baue» 
ist  aus  rohenGipsstücken  aufgeschichtet.  Um  diesenKern  wurden 
im  Laufe  von  zwei  Jahrhunderten  je  nach  Bedarf  die  übrigen 
Bauten  errichtet.  Die  innere  Ausstattung  gehört  zum  Teil  noch 
der  alten  gothischen  Stilperiode  an,  vieles  der  Renaissance, 
einiges  dem  Barockstil,  manches  der  neuesten  Zeit. 

Der  Haupttreppe  zunächst  liegt  links  der  sogenannte 
Huldigungssaal,  dahinter  der  Traubensaal.  Beide  wurden 
1706  ausgestattet  zur  Huldigungsfeier  für  den  Kurfürsten 
Georg  Ludwig,  der  später  als  Georg  I.  den  Thron  von 
England  bestieg.  Wand-  und  Deckengemälde,  Türen  und  Tür- 
beschläge, Kristall-Kronleuchter,  Spiegel-  und  Lichtträger,  die 
Oelbilder  fürstlicher  Personen'  in  schweren  Goldrahmen,  alles 
zusammen  gibt  ein  harmonisches  Bild  des  Barockstils. 

Gegenüber  rechts  betritt  man  durch  ein  Vorzimmer 
die  große  Ratsstube,  deren  innere  Einrichtung  1564 — 1583  her- 
gestellt ist,  eine  herrliche  Schöpfung  der  Renaissance,  die 
Holzschnitzereien  von  Gerd  Suttmeier  und  Albert  von 
Soest,  die  Wandgemälde  von  Daniel  Frese  (1572—78). 

Gerd  Suttmeier  (d.  h.  wohl  Südmeier)  wurde  im 
Jahre  1539  Bürger  in  Lüneburg  und  stand  als  Kunsttischler 


— 53  — 


und  Eichmeister  im  Dienste  des  Rates.  \ on  1564 — 67  arbeitete 
er  am  »Neuen  Gemach«,  spätestens  seit  1566  gemeinsam  mit 
seinem  jüngeren  Genossen  Albert  von  Soest.  Auf  Gerds 
Meisterhand  sind  u.  a.  die  geschnitzten  Rosen  unter  der  Decke, 
■ein  Teil  der  Schranke  und  namentlich  die  Täfelung  mit  den 
unvergleichlichen  Friesen  zurückzuführen  ; die  kunstvolle  l 'm 
rahmung  der  Türen  ist  das  Werk  Alberts,  der  noch  nach  Gerda 
Tode  die  gemeinsam  begonnene  Arbeit  allein  fortsetzte 
zu  Ende  brachte.  Auch  Albert  von  Soest  ist  von  auswärts 
nach  Lüneburg  gekommen;  erst  im  Jahre  1583  gewann  er 
das  Bürgerrecht,  1590  oder  ein  wenig  später  ist  er  gesl 
Seine  Schöpfungen  sind  außerordentlich  vielseitig,  und  Lüne 
Iburg  hat  das  Glück,  noch  eine  ganze  Reihe  anderer  Werke 
des  Meisters  zu  besitzen.  Hier  seien  nur  genannt  das  in 
Stein  gemeißelte  Epitaph  des  Stadthauptmanns  Fabian  Ludieh 
in  der  Johanniskirche,  die  seltenen  Papierreliefs  im  Museum 
und  auch  das  Grabdenkmal  für  den  Chronisten  Jakob  Scho 
maker  im  Dom  zu  Bardowiek,  ebenfalls  aus  Stein  gemeißelt 
Die  Bilder  Daniel  Freses,  eines  s.  Z.  berühmten  Kunst 
malers  und  Kartographen,  stellen  Allegorien  dar  und  erhöhen 
mit  ihrem  warmen  goldigen  Farbenton  den  Gesam teindruck 
des  reizvollen  Raumes. 


Große  Ratsstube. 


— 54  — 


In  einem  Wandschranke  werden  verschiedene  Kunst- 
altertümer auf  bewahrt  nnd  auf  Verlangen  vorgezeigt,  ins- 
besondere schöne  Gobelins  des  16.  Jahrhunderts  und  kirch- 
liche Gegenstände  aus  der  alten  Ratskapelle. 

Im  nämlichen  Geschoß  nach  Süden  liegt  die  »Laube«, 
der  alte  Ratssaal  des  15.  Jahrhunderts.  Ein  sehr  tiefer 
Vorraum  linkerhand  vor  ihr,  das  alte  Wandhaus  der  Stadt, 
woselbst  die  Wandschneider  ihre  Verkaufsstände  hatten,  wird 


Große  Ratsstube. 

durch  das  vielfach  abgebildete  schmiedeeiserne  Gitter  des 
Hans  Rüge  von  1576  abgeschlossen.  Die  Laube  ist  gothisch, 
in  der  2.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  erbaut.  Dieser  Zeit 
gehören  die  leuchtenden  Glasmalereien  des  Südfensters  an, 
welche  die  9 großen  Helden  des  Mittelalters  darstellen,  drei 
Juden,  Judas  Maccabäus,  David,  Josua,  drei  Christen,  Gott- 
fried von  Bouillon,  Karl  den  Großen,  König  Artus,  drei  Heiden, 
Julius  Cäsar,  Alexander  den  Großen,  Hektor.  Man  beachte 
ferner  die  Wandschränke,  mit  besonders  kunstvoller  Eisen- 


55  - 


arbeit,  und  das  neuerdings  übermalte  Temperabild  über  dem 
Eingangsbogen,  auch  das  aus  Holz  gefugte  reich  bemalte 
Tonnengewölbe  mit  flach  aufliegenden  vergoldeten  Rippen  und 
geschnitzten  Blättern.  Die  westliche  Seitenwand  wurde  152!» 
bemalt  mit  Figurenbildern  und  Ornamenten  im  Stil  der 
Renaissance.  Die  Darstellungen  erinnern  an  die  Allegorien 
im  Theuerdank  und  Weißkunig  des  Kaisers  Max  I.,  in  der 
Manier  an  deren  Zeichner  Hans  Burgkmaier  von  Augsburg, 
aber  auch  an  die  des  Aldegrever.  Die  lange  verfallenen, 
höchst  wertvollen  Bilder  wurden  vor  25  Jahren  restauriert, 
die  Bilder  der  Decke  dabei  reichlich  stark  übermalt,  die  der 
Seitenwand  von  anderer  geübter  Hand  sachgemäß  hergestellt. 
Die  teils  in  Stein  gemeißelten,  teils  in  Holz  geschnitzten 
Schranken  der  Ratssitze  sind  von  1598.  Die  im  Fußboden 
dieses  Sitzungsraumes  befindlichen  runden  Löcher  mit  Bronze 
deckeln  dienten  der  mittelalterlichen  Luftheizung,  darunter 
liegen  die  backofenförmigen  Heizkammern.  An  der  Nordwand 
ist  die  alte  gothische  Holztür  befestigt,  welche  die  Bürger 
1371  von  der  eroberten  Burg  auf  dem  Kalkberge  als  Sieges 
Zeichen  heimgeführt  haben  sollen.  Eine  andere  Trophäe»,  die 
Lunasäule  aus  weißem  Marmor  stand  bis  zu  ihrer  Feber 
führung  in  das  Lüneburger  Museum  in  einer  Kapelle  der 
Johanniskirche. 

Neben  der  Laube  liegt  das  Alte  Archiv,  ein  stimmungs- 
voller spitzbogig  gewölbter  Raum,  in  dem  eine  Anzahl  sehens 
werter  Altertümer  aufgestellt  ist,  u.  a.  ein  Kasten  von  ge 
punztem  Leder  aus  dem  15.  Jahrhundert.  Durch  einen  dunklen 
Treppengang  mit  der  Laube  verbunden  ist  die  sogenannte 
Körkammer,  wo  die  Bürgermeister  gekürt  wurden  und 
sonstige  geheime  Beratungen  stattfanden.  Das  Gemach  ist 
ein  wohl  einzig  dastehendes,  seit  seiner  Entstehung  kn  um 
berührtes,  vorzüglich  erhaltenes  Stück  Mittelalter.  Ls  gehört 
gleichwie  die  Glasbilder  des  Fensters,  welche  vier  Bürger 
meister  darstellen,  dem  Ausgange  des  15.  Jahrhunderts  an. 

Ein  Stockwerk  höher  liegt  der  sog.  Fürstensaal  Er 
ist  über  33  Meter  lang,  11  Meter  breit,  fast  5 Meter  hoch. 
Den  Namen  hat  er  von  den  lebensgroßen  Bildnissen  der 
Landesfürsten  und  ihrer  Gemahlinnen,  die  rings  von  den 
Wänden  herabschauen.  In  Temperafarben  auf  Leinwand  aus 
geführt,  in  ganzer  Figur,  in  der  Tracht  der  Mitte  des  15.  Jaln 


— 56  — ' 


hunderts,  sind  sie  später  ohne  Verständnis  oftmals  über- 
malt. Eine  Herstellung  der  alten  Kunstwerke  ist  erwünscht. 
Die  Bildnisse  beginnen  mit  Heinrich  dem  Finkler  und 
sind  fortgesetzt  bis  zu  Ernst  dem  Bekenner.  Ein  großes, 
anscheinend  erheblich  jüngeres  Figurenbild  zur  Seite  des 
nördlichsten  Fensters  stellt  die  Belehnung  Otto  ^es  Kindes 
mit  dem  Herzogtum  Lüneburg  durch  Kaiser  Friedrich  II. 
vor.  Die  Decke  des  Saales  ist  von  Daniel  Frese  bemalt 
mit  den  Medaillon-Brustbildern  der  römischen  Kaiser  von 
Augustus  bis  Rudolf  II. ; die  erheblich  ältere  gothische 
Bemalung,  Rankenwerk  mit  Halbfiguren,  ist  an  einem 
Teil  des  mächtigen  Tragbalkens  freigelegt.  Die  ringsum 
laufende  Wandtäfelung  enthält  eine  Fülle  zierlichsten  gothi- 
schen  Maßwerks.  Fünf  eigenartige  gothische  Kronleuchter  sind 
aus  Schmiedeeisen  gearbeitet  unter  Verwendung  von  riesigen 
Hirschgeweihen  und  von  Statuetten.  Ein  anderer  gothischer 
Kronleuchter  ist  von  Messing,  zwei  andere  von  Messing  im 
Spätrenaissancestil.  Eine  Querwand  mit  drei  Bogenöffnungen, 
vor  etwa  150  Jahren  hergestellt,  trennt  einen  Teil  des  Saales 
ab  und  dort  stehen  zwei  große  Glasschränke  mit  den  galvano- 
plastischen  Nachbildungen  des  bekannten  im  Lüneburger  Saal 
des  Berliner  Kunstgewerbemuseums  auf  gestellten  Ratssilber- 
schatzes, soweit  er  sich  mechanisch  nachbilden  ließ.  Das 
jüngste  Stück,  ein  großer  silberner  Krug  im  Barockstil,  ist 
Original,  das  unveräußerliche  Geschenk  eines  Bürgermeisters. 

In  einem  Nebengemache  des  Fürstensaales  steht  ein 
Schrank  mit  Richtschwertern  und  Foltergeräten. 

Im  Kämmereibau  befindet  sich  ein  Zimmer  mit  reich - 
geschnitzter  Wandtäfelung  und  Holzdecke  von  1583,  ein  Werk 
des  Ratstischlers  Warneke  Burmester,  wenn  auch  nicht 
mit  seinem  Meisterzeichen  beglaubigt.  Auch  das  Zimmer 
gegenüber  hat  eine  schöne  einfacher  gehaltene  Holztäfelung. 
In  der  unteren  Halle  sind  drei  Türen  mit  gothischem  Maß- 
werk, in  der  oberen  Halle,  welche  durch  spätere  Einbauten 
sehr  verkleinert  ist,  einige  auf  Glas  gemalte  Wappen  aus  dem 
15.  Jahrhundert  und  ein  interessanter  Hochsitz  am  Fenster 
zu  bemerken. 

Der  Springbrunnen  auf  dem  Markte  gehört  der 
Frührenaissance  an,  das  Becken  ist  neueren  Datums. 


— 57  — 


Das  Haus  Nr.  1 am  Ochsen  markte,  außen  und 
innen  im  Laufe  der  Zeiten  wenig  verändert,  verdient 
Typus  eines  alten  Patrizierhauses  mit  seinem  Hof,  < Jurten 
und  Nebengebäuden  besondere  Beachtung. 

Das  Schloß,  erbaut  gegen  1700  als  Witwensitz 
Eleonore  d’Olbreuse,  die  Urgroßmutter  Friedrich  des  Groß*  i 
dient  jetzt  als  Kaserne.  Der  gegenüberliegend^  Im 
hohe  Treppengiebel  des  Hauses  Nr.  5 hat  nur  dekorativ«* 
Bedeutung.  Das  Eckhaus  Nr.  1,  Bardowiek  er  Straße, 
■ehemals  der  Schütting,  das  vornehmste  Gasthaus  der  Stadt, 
die  es  in  eigener  Verwaltung  hatte  bzw.  es  verpachtete. 
Schüttinge  gab  es  auch  in  Bremen,  Stade  und  Lübeck. 

Vom  Markte  nach  Norden  führt  die  Bardowick  er 
straße.  Nr.  32,  das  sog.  Wit zendorf f ’sche  Haus,  ein 
schöner  Renaissancebau  von  1559  aus  dunkelglftsierten  Bacl 
steinen,  mit  Gesimsen,  schönen  Wappen  und  Medaillons  von 
Sandstein,  erinnert  an  italienische  Bauten  ähnlicher  Art.  beider 
fehlt  das  alte 
Hauptgesims  und 
der  neue  aufge- 
setzte Treppen - 
giebel  paßt  vol- 
lends nicht  zum 
Bau.  Links  vom 
ehemaligen  Tore 
steht  noch  ein 
Stück  vom  hohen 
alten  Wall, 
dessen  Innenbö- 
schung die  noch 
ältereStadtmauer 
mit  viereckigen 
Türmen  bildet, 
während  an  der 
Außenseite  noch 
Reste  der  Mauer 
eines  Wächter- 
gangs  mit  Schieß- 
scharten sich  be- 
finden. Rechts 


Bardowiekerstraße  Nr.  32. 


— 58  — 


Ratsapotheke. 

an  der  Stelle  des  ehemaligen  »Kastanien« -Walles  ist 
jüngst  die  Schlachthausstraße  entstanden  mit  einer  Eisen- 
brücke über  die  Ilmenau.  Nordwärts  steht  der  neue  Schlacht- 
hof (1891),  weiter  nördlich  das  »Lüneburger  Eisenwerk«  mit 
gegen  300  Arbeitern,  noch  weiter  hinaus  die  Zement-  und 
Kalkfabrik  mit  etwa  250  Arbeitern  und  unten  an  der 
Ilmenau  die  Faßfabrik  von  Johann  Keichenbach  mit  207 
Arbeitern. 

Vom  Markte  nach  Süden  führt  die  Straße  Auf  der 
Münze,  benannt  nach  dem  ehemaligen  Münzhause;  der 
jetzige  Bau  aus  dem  16.  Jahrhundert  mit  farbig  glasierten 
Medaillons  (Nr.  8).  Eine  gute  Anschauung  von  der  Größe 
und  Ausdehnung  der  alten  Patrizierhäuser  geben  Kaulitz  ” 


— 59  — 


Zimmerdecke  im  alten  Propst-Haus  Am  Berjre  Nr. 


Gesellschaftshaus  (Schröderstraße  16  und  das  zur  Volks 
schule  eingerichtete  ehemals  von  Dassel’sche  Ha 
der  Münze  Nr.  7). 

Vom  Markte  zum  Sande  führt  die  Große  Bäcker 
straße  und  ihre  Verlängerung  die  Kleine  Bäckerstraße 
An  Nr.  2 im  Giebel  befindet  sieh  das  Brustbild  des  Bfc  ( i 
welcher  in  der  Straßenschlacht  am  21.  Oktober  1371  zweiund 
zwanzig  von  den  eingedrungenen  Feinden  erschlagen  haßen 
soll.  Die  Ratsapotheke  (Nr.  9)  hat  ein  schönes 
portal  mit  interessanten  Inschriften.  Das  alte  große  Patrizier 
haus  Nr.  26  hat  vor  40  Jahren  eine  nüchterne  Vorderseih 
erhalten,  Spuren  alten  Schmuckes  zeigen  noch  Nord  und 
Hofseite. 


— 60  — 


Zimmerdecke  im  alten  Propst-Haus  Am  Berge  Nr.  35. 

Von  der  Kleinen  Bäckerstraße  führt  nach  Osten 
die  Glockenstraße.  Sie  hat  ihren  Namen  vom  sog.  Glocken- 
hause, einem  massigen  gothischen  Längsbau  von  1482  mit 
interessanten  grünglasierten  Friesen  und  Türeinfassungen. 

Vom  Markt  nach  Osten  führt  die  Straße  An  den 
Brodbänken  und  die  Kosenstraße  zum  Berge,  auf  dem 
man  südwärts  wieder  zum  Sande  gelangt.  Auf  dem  Berge 
sind  zu  bemerken,  das  Haus  Nr.  37,  um  1450  von  den  v.  d. 
Molen  erbaut,  1566  von  dem  neuen  Besitzer  Mutzeltin 
mit  moderner  Benaissance-Fassade  versehen  (durch  Albert 
von  Soest.  Das  Modernisieren  ist  also  nichts  Neues.)  Hof- 
seite besehen ! Nr.  35  ist  das  alte  Propst-Haus  des  Prämon- 
stratenser-Klosters  zum  Heiligenthal,  erbaut  etwa  um  1385, 
das  älteste  Privathaus  der  Stadt.  Es  bewahrt  noch  die  große 


— 61  - 


helle  Diele  und  hat  in  einem  Zimmer  im  Krdgeschoß  eine 
figurenreiche,  höchst  sehenswerte  Stuckdecke  von  1637. 

Weiterhin  am  Sande  31,  das  Haus  der  v.  Stern’schen 
Buchdruckerei,  der  ältesten  von  den  heut*  bestehen 
deutschen  Druckereien,  gegründet  1614,  früher  weit 
durch  ihre  Bibelausgaben.  Nach  der  Hofseite  ein  interessante] 
Fachwerkbau  des  16.  Jahrhunderts  mit  einer  sehr  schönen 
getäfelten  Zimmerdecke  der  Renaissance. 

Von  der  Bardowiekers traße  nach  Osten  führt  die 
Lünerstraße.  An  ihr  liegt  die  St.  Nicolai  Kirche,  die 
jüngste,  kurz  nach  1400  erbaute  und  baulich  intcrcs 
der  Stadt.  Ursprünglich  war  sie  wohl  länger  gedacht,  jetst 
stehen  Länge  und  Höhe  nicht  ganz  im  Verhältnis.  Abel 
das  Innere,  ein  ausnehmend  hohes  Mittelschiff  20  Meter 
mit  zwei  minder  hohen  Seitenschiffen  (sog.  Basilika  wirkt 
imponierend.  Der  Altar  zeigt  sehenswerte  Temperabilder- 
Der  Küster  Fuhlbom,  Lünerstr.  2,  zeigt  schöne  Stoffe  und 
Stickereien  des  15.  und  16.  Jahrhunderts.  Die  < Otter  von 
Schmiedeeisen  vor  den  Kirchentüren  waren  früher  die  Chor 
schranken  der  jetzt  abgebrochenen  St.  Lamberti  Kirche.  Der 
schlanke  Turm  ist  neuestens  errichtet,  98  Meter  hoch.  Die 
Besteigung  bis  zur  Galerie  (fast  66  Meter  hoch  ist  bequem 
und  der  Aussicht  wegen  sehr  zu  empfehlen.  Die  größte  der 
9 Glocken,  die  Marienglocke,  ist  1491  von  dem  berühi 
Glockengießer  Gerhard  von  Wou  (sprich  Wau  aus  Kämpen 
gegossen. 

Zu  wenig  beachtet  wird  das  sehenswürdige  Haus  der 
Kirche  südlich  gegenüber,  Nr.  3.  Nördlich  hinter  der  Kirche 
steht  ein  Rest  von  den  alten  Pfarrhäusern,  Holzfachwerkbau 
des  16.  Jahrhunderts.  Weiter  nördlich,  Baumstr.  2,  gehörte 
zur  Zehntscheuer  des  Klosters  Scharnebeck  und  [zeigt 
darauf  bezügliche  geschnitzte  Figuren.  Von  der  Lüner 
straße  südlich  führt  die  Rotehahnstraße  zum  Berge. 
Sie  ist  benannt  nach  dem  an  ihr  befindlichen  Hofe  Zum 
roten  Hahn,  mit  städtischen  Freiwohnungen,  ein  höchst 
charakteristisches  und  malerisches  Stück  Mittelalter. 

Nördlich  führt  von  der  Lünerstraße  die  Straße  Im 
wendischen  Dorf  zur  Stadt  hinaus.  An  dieser|Stra 
der  Westeingang  zu  dem  großen  Gebäudekomplex  Viskulen- 
hof.  Die  Bezeichnung  »Hof«  kommt  in  Lüneburg  und  auch 


- 62  — 


in  manchen  anderen  deutschen  Städten  vor  für  ein  Haupt- 
gebäude oder  Herrenhaus  mit  Neben  Wohnungen  für'  kleine 
Leute,  und  ist  aus  den  uralten  dörflichen  Siedelungen  teils 
wohl  in  die  Stadt  mit  hinübergenommen,  teils  für  schon  vor 
der  städtischen  Bebauung  am  Platze  befindliche  Höfe  bei- 
behalten worden.  Das  Geschlecht  der  Viskule  tritt  am  Aus- 
gang des  13.  Jahrhunderts  zuerst  auf  (Johannes,  der  Stamm- 
vater der  Familie,  wurde  Batmann  i.  J.  1320).  Es  erwarb 
großen  Reichtum  durch  Handel  und  erlosch  1552  mit  Caspar 


Viskulenhof. 


Viskule,  dessen  Witwe  Beate  von  Dassel  1560  Stephan 
Loitz  aus  Stettin  heiratete.  Die  Loitze  in  Stettin,  mit 
Nebenhäusern  in  Danzig  und  Lüneburg,  waren  ein  reiches 
großes  Handels-  und  ßankierhaus,  machten  aber  nach  kurzer 
Blüte  den  großartigsten  Bankerott  des  Jahrhunderts,  1572. 
Die  Schicksale  und  das  heutige  Aussehen  der  mächtigen 
Gebäude  erklären  sich  aus  dieser  kurzen  Geschichte.  Das 
hohe  Herrenhaus  an  der  Ilmenau  schaut  nach  Osten  und 
dient  jetzt  als  Speicher.  Der  kundige,  ja  schon  der  auf- 
merksame Beschauer  wird  von  den  ältesten  strengen  aber 


— 63  — 


Kaufhaus  mit  Krau. 


— 64  — 

zierlichen  gothischen  Formen  an  die  weiteren  Zutaten  und 
Aenderungen  erkennen,  sowohl  an  dieser  Seite  wie  an  der 
südlichen  Giebelseite  und  an  der  Westseite,  welche  leider  die 
mächtige  zyklopische  Granittreppe  in  der  Neuzeit  verloren  hat. 

Wo  die  Lünerstraße  die  Ilmenau  erreicht,  zeigen  sich 
höchst  malerische  Städtebilder.  Von  der  Brücke,  die  kürzlich 
mit  neuem  Oberbau  von  Eisen  versehen  ist,  sieht  man  südlich 
die  bereits  1147  von  Heinrich  dem  Löwen  dem  Kloster 
von  St.  Michaelis  geschenkte  Abtsmühle,  daneben  den 
kürzlich  mit  einem  Durchgang  versehenen  hohen  Wasserturm 


Blick  von  der  Galerie  des  Abtswasserturms. 


der  Abtswasserkunst,  von  1530,  weiter  links  den  interessanten 
Holzfach  werkbau  der  Lü'nermühle,  von  1579.  Von  dem 
Mühlenstege  zwischen  den  beiden  Mühlen  bieten  sich  nach 
Süden  wie  nach  Norden  überraschend  schöne  und  von  Malern 
oft  benutzte  Ausblicke. 

Die  Lünerstraße  führt  dann  weiter  zwischen  dem 
städtischen  Kauf  hause  (d.  i.  Lagerhaus),  einem  stattlichen 
Backstein  bau  von  1742  mit  Schauseite  von  Sandstein  im 
Barockstil  und  dem  schon  1347  erwähnten  Kran  mit  grünem 
Kupferdach,  an  dem  Hause  Nr.  14  vorbei,  welches  von 
Amsterdam  zu  Schiff  herbeigeschafft  und  1579  auf  gerichtet 


— 65  — 


worden  ist.  Sein  Stil,  niederländische  Renaissance,  entspricht 
dieser  Abkunft.  Nachdem  wir  noch  das  letzte  Haus  der 
Straße,  einen  echten  Lüneburger  Bau  ans  dunkelglasierten 
Ziegeln  mit  Medaillons  aus  dem  Anfang  des  16.  Jahrhunderts 
betrachtet  haben,  wenden  wir  uns  rechts  am  Hötel  zum 
Schießgraben  vorbei  zum  alten  Schützen  hause  mit 
Restauration).  Der  große  Schützensaal  im  Oberstock  ist 
an  Decke  und  Wänden  gänzlich  bedeckt  mit  alten  Königs 
scheiben  von  den  jährlichen  Schützenfesten,  zurückreichend 
bis  1709.  Auf  den  älteren  ist  neben  dem  Schützenkönig  auch 
der  jedesmalige  Maigrefe  verzeichnet.  Der  eigenartige  Saal 
wird  von  größeren  Gesellschaften  und  Vereinen,  die  von 
auswärts  nach  Lüneburg  kommen,  gern  benutzt.  Vor  dem 
Hause  steht  eine  alte  riesige  Eiche  Die  Schützenfeste  ent 
standen  wohl  aus  den  uralten  Frühlings  Maifesten. 


“Das  Museum 

in  dem  1891  erbauten  stattlichen  Gebäude  Wandrahm 
straße  10,  enthält  die  Sammlungen  des  »Museumsvereins 
für  das  Fürstentum  Lüneburg«  (gegründet  1878)  und  des 
»Naturwissenschaftlichen  Vereins«  (gegründet  1851  . 

Es  ist  für  jedermann  frei  geöffnet  Sonntags  von  11*/ 1 
bis  1 Uhr,  von  Mai  bis  Oktober  einschließlich  an  jedem  ersten 
und  dritten  Sonntage  des  Monats  auch  von  21/*  bis  4 I hr. 
Sonst  führt  der  Hauswart,  eine  Person  50  /&,  zwei  Personen 
80  /$,  jede  weitere  Person  20  /$. 

In  der  Eingangshalle  haben  zwei  große  Flügelaltäre 
aus  Wittfeitzen  und  Verßen  Aufstellung  gefunden,  hier  steht 
auch  die  schon  erwähnte  merkwürdige  Lunasäule. 

Das  Untergeschoß  enthält  die  prähistorische  Ab- 
teilung; sie  ist  umfangreich  und  von  um  so  größerer  Be 
deutung,  als  sie  mit  wenigen  Ausnahmen  nur  dem  eigensten 
Museumsbezirk,  d.  h.  dem  ehemaligen  Fürstentum  Lüneburg, 
entstammt.  Hervorzuheben  sind  die  reichhaltigen  1 rnen 
funde  aus  dem  Urnenfriedhofe  bei  Rebenstorf  im  \\  endlande, 
um  deren  Ueberweisung  das  Ehrenmitglied  des  Museums 
Vereins,  Herr  Lehrer  Mente  in  Rebenstorf,  sich  große  Ver 


— 66  — 


dienste  erworben  hat.  Ferner  die  keramische  Abteilung, 

ausgezeichnet  durch  eine  hervorragende  Sammlung 

Lüneburgischer,  zumeist  grün  glasierter  Kacheln  sowie  durch 
eine  Keihe  vollständiger  Oefen  vom  16.  bis  zum  19.  Jahr- 
hundert. Auch  die  Formsteine  und  die  Terrakotten  verdienen 
Beachtung,  hinzu  gesellen  sich  Bildwerke  und  Ornamente  in 
Stein  gemeißelt,  darunter  schöne  Bruchstücke  alter  Beischlag- 
wangen, zahlreiche  Ofenplatten  des  16.  und  17.  Jahrhunderts 
aus  Gußeisen  mit  figürlichen  Darstellungen.  Die  Sammlung 


für  Formschnitt  enthält  Backformen,  Druckformen  für  Lein- 
wand, für  Leder-  und  Papiertapeten,  Holzstöcke  für  Spiel- 
kartendruck. Die  ansehnliche  ethnographische  Sammlung 
setzt  sich  fast  ganz  aus  Geschenken  zusammen.  Die  Fayencen 
und  Porzellane  stehen  im  Erdgeschoß  verteilt.  Eine  köstliche 
Sammlung  von  Holzstöcken  für  Buchillustration  und  Buch- 
ornamentik von  etwa  1570  bis  1830,  ist  aus  Mangel  an  Platz 
zur  Zeit  nicht  ausgestellt. 

Das  Erdgeschoß  setzt  sich  aus  zwei  Sälen  zusammen. 
Im  großen  Südsaale  (links)  befindet  sich  die  gothische  Ab- 


— G7  — 


teilung  mit  der  Bekrönung  der  Fürstengruft  aus  St.  Michaelis, 
mit  Besten  der  goldenen  Tafel,  ebendaher,  mit  charakterist i 
sehen  Truhen,  Schränken,  Türen  und  Täfelungen,  mit  einer 
geschnitzten  und  bemalten  Kanzel  aus  Emern,  einem  Haus 
altar  aus  Pfeifenton  nach  Art  des  Iudocus  Vredis,  einer  in 
fünf  Bildwerken  kunstvoll  geschnitzten  Legende*  der  heiligen 
Elisabeth,  ferner  aus  Bucheinbänden,  Stickereien,  G< 
und  vielen  anderen  großen  und  kleinen  Kunstaltertümern 
kirchlichen  und  profanen  Ursprungs.  Sämtliche  Stücke  auch 


Wendenstube. 


dieser  Paradeabteilung  stammen  aus  Stadt  oder  EU 
bezirk  Lüneburg.  Zwei  Kabinette  mit  Kunstwerken  aus  dei 
Renaissanceperiode  schließen  sich  den  Erzeugnissen  d<  r < Jot 
an  ein  drittes  Kabinett  enthält  die  Barockgegensttade,  soweit 
nicht  ihre  Größe  einen  anderen  Plate  erforderte.  Dr< 
gruppen  sind  aus  den  Kunstalte,- tümera  bäuerlicher  Herkunft 
gebildet,  hier  ist  an  erster  Stelle  die  wohl  einzig 
der  Elbmarsch-Stickereien  zu  nennen  man  beachte  auch  die 
mustergültigen  Stuhlkissen  , sodann  'lei  Bauems 

5* 


— (38  — 


der  Geest,  der  Marsch,  aus  den  Vierlanden  und  aus  dem 
Altenlande;  reich  vertreten  sind  auch  die  Volkstrachten  dieser 
Gegend.  — Der  kleinere  Saal  des  Erdgeschosses  (rechts)  um- 
faßt die  Wendenstube,  ein  Geschenk  der  Dorfgemeinde 
Rebenstorf,  vermittelt  durch  den  schon  genannten  Herrn 
Mente,  die  Sammlung  alter  Hausgeräte,  die  Ansichten  der 
Stadt  Lüneburg  und  ihrer  Umgebung,  die  photographische 
Abteilung,  die  Gilde-  und  Innungssachen,  die  Münz-  und 
Medaillensammlung,  Erinnerungen  aus  den  Freiheitskriegen 
und  aus  dem  Jahre  1848.  Hier  hängt  auch  ein  Teil  der 
Originalradierungen  des  Berliner  Kunstmalers  Wilhelm 
Feldmann,  eines  geborenen  Lüneburgers.  Zwei  große 
Schauschränke  bergen  die  schöne  prähistorische  Sammlung 
des  Hofbesitzers  H.  Meyer  in  Haarstorf,  ein  dritter  be- 
merkenswerte alte  Globen  sowie  wissenschaftliche  Instrumente 
aus  der  früheren  Ritterakademie.  Nur  z.  T.  hat  bisher  die 
wertvolle  Sammlung  von  Kunstaltertümern  und  Lüneburgensien 
des  Kanzlisten  a.  D.  Friedrich  Schecke  Aufstellung  finden 
können,  ein  hochherziges  Geschenk  des  früheren  Eigentümers 
und  seiner  Witwe. 

Die  naturwissenschaftliche  Sammlung,  im 
zweiten  Stock,  umfaßt  möglichst  vollständig  die  Pflanzen-  und 
Tierwelt,  sowie  die  Gesteine  unserer  Gegend.  Bekanntlich 
ist  Lüneburg  durch  das  Hervortreten  älterer  Gesteinformationen 
in  seiner  Nähe  besonders  interessant.  Die  Eiersammlung, 
sowie  die  Nachbildungen  der  Obstsorten  sind  zu  bemerken. 
Selbstverständlich  findet  sich  auch  manches  Sehenswerte,  was 
nicht  hier  heimisch  ist,  z.  B.  fremde  Vögel,  Schmetterlinge, 
Minerale  u.  dergl.  Besonders  interessieren  wird  manchen  ein 
1883  hier  in  Lüneburg  gefundener,  in  Spiritus  auf  bewahrter 
Rattenkönig.  

Kloster  büne. 

Sehr  sehenswert  ist  Kloster  Lüne.  Zwei  Wege  führen 
dahin  (20  Min.),  der  sog.  Lünerdamm  mit  Lindenallee  an  den 
Kasernen  vorbei  und  die  Heerstraße  nach  Artlenburg. 

An  einem  Orte  Hliuni  bei  Bardowiek  lagerte  schon 
795  Karl  der  Große  mit  seinem  Heere.  Das  reiche  Bene- 
diktinerkloster von  St.  Michael  zu  Lüneburg  besaß  dort  einen 
Hof  und  beförderte  die  Gründung  eines  Klosters  für  Bene- 


— 69  — 


aun'I  uj  *i m pun  dqojjM 


70  — 


diktmerinnen,  welche  1172  erfolgte.  Die  Volkssage  weiß  von 
einem  unterirdischen  Gange  zwischen  beiden  Klöstern.  Zur 
Zeit  der  Reformation  wurde  Kloster  Lüne  ein  weltliches 
Fräuleinstift,  insbesondere  für  den  Adel  des  Fürstentums 
Lüneburg,  und  ist  solches  noch  jetzt.  Es  brannte  1372  ab 
und  der  heutige  Bau  ward  von  1374  bis  1412  errichtet,  später 
sind  mancherlei  An-  und  Nebenbauten  hinzugefügt.  Der 
Kern  ist  ein  Viereck  mit  offenem  Binnenhof  (Friedhof),  um- 
zogen vom  sog.  Kreuzgang,  einem  geschlossenen  Bogengang 
mit  auffallend  gedrückten  Kreuzgewölben.  Dem  Kreuzgang 
vorgelagert  sind  nördlich  die  Kirche,  westlich  die  Diele  mit 
zierlichem  gothischem  Springbrunnen  und  der  ehemalige 
Speisesaal  (refectorium,  Remter)  mit  Glasmalereien  (Apostel), 
südlich  der  Kapitelsaal,  um  1720  umgestaltet,  östlich  die 
Wohnung  der  Aebtissin.  Sämtliche  Fenster  des  Kreuzgangs 
sind  mit  schönen  Glasmalereien,  gothischen  und  Renaissance- 
stils, von  1380 — 1600  geschmückt. 

Die  einschiffige  gothische  Kirche  ist  vor  längeren  Jahren 
restauriert  und  hat  dabei  viel  von  ihrer  alten  malerischen 
Schönheit  verloren.  Beachtenswert  ist  der  Flügelaltar,  spät- 
gothisch,  mit  an  gesetzten  Barockstücken ; die  Vorderseite  des 
Unterbaues  trägt  als  Antependium  wohl  das  älteste  Tafelbild 
dieser  Gegenden,  wahrscheinlich  um  1372  gemalt,  Tempera- 
farben mit  Goldgrund  auf  einer  mit  Kreide  überzogenen 
Holztafel,  in  mehreren  Gruppen  die  Hauptstücke  der  Geschichte 
des  Heilands  darstellend.  Die  Kanzel  zeigt  guten  Renaissance- 
stil, die  Orgel  ist  ein  vorzüglich  charakteristisches  Stück  des 
Barockstils.  Der  alte  eherne  Taufkessel  hat  neuerdings  einen 
seltsamen  Metalldeckel  erhalten.  Die  südlich  an  die  Kirche 
gebaute  St.  Barbara-Kapelle  dient  als  Sakristei.  Der  von 
Pfeilern  gestützte  Nonnenchor  im  Westen  enthält  nichts 
besonderes  mehr,  außer  einem  Bilde  von  Lukas  Kranach 
von  1538  und  einem  Gobelinteppich  von  1592.  Zu  bemerken 
sind  noch  das  ehemalige  Propstenhaus,  jetzt  Schule;  die 
Klostermühle,  Fachwerkbau  von  1572  und  der  Klosterkrag 
von  1570,  Fach  werkbau  mit  schönen  Holzschnitz-Ornamenten, 
Figuren  und  Inschriften  (Gasthaus).  Die  mittelalterlichen, 
gestickten  Teppiche  und  sonstigen  Kostbarkeiten  des  Klosters 
werden  bei  besonderem  Anlaß  und  auf  Empfehlung  mit  großer 
Freundlichkeit  vorgezeigt. 


71  — 


Die  geognostischen  Verhältnisse 
Lüneburgs. 

Von  M.  Stümcke. 


Das  alte  Wahrzeichen  der  Stadt  >der  landschaftlich  und 
natuwissenschaftlich  gleich  ausgezeichnete  Kalkberg«  int  auf 
gebaut  aus  den  ältesten  Schichten  des  bei  Lüneburg  anstehen 
den  Gebirges.  — 

Das  Gestein  ist  seiner  Hauptmasse  nach  ein  sehr  locker 
kristallisierter,  mannigfach  durch  Eisenoxyd  oder  Bitumen 
gefärbter  Gips,  dessen  durch  »Seitenschub«  steil  aufgerichtete 
Bänke  mit  nicht  immer  sichtbaren  dolomitischen  Kalkstein 
schichten  von  verschiedener  petrographischer  Beschaffenheit 
wechsellagern. 

An  accessorischen  Mineralien  finden  oder  fanden  sic  h 
im  Kalkberggipse  Glinzerspat,  Magnesiumchlorid,  Magnesium 
sulfat,  Pyrit,  kleine  Rauchtopase  und  der  in  so  mannigfachen 
Kristallformen  auftretende  aus  Magnesiumborat  und  Mag 
nesiumchlorid  bestehende  Boracit. 

Das  so  seltene  Mineral  Boracit,  das  bis  jetzt  nur  an 
wenigen  Stellen  der  Erde  auf  gefunden  worden  ist,  ist  seit 
mehreren  Jahrzehnten  im  Kalkberg  nicht  mehr  beobachtet 
worden. 

In  der  Sammlung  des  naturwissenschaftlichen  \ ereins 
im  Museum  ist  eine  große  und  wertvolle  Suite  davon  ausgelegt. 
Die  mannigfachen  Kristallformen,  in  denen  das  Mineral  er 
scheinen  kann,  sind  in  guten  Modellen  veranschaulicht. 

In  der  Literatur  werden  die  Kristalle  des  Boracits  zu- 
erst erwähnt  von  Lasius  im  Jahre  1787,  der  dieselben  für 
kubischen  Quarz  hielt.  Der  Apotheker  Westrumb  in  Hameln 


72  — 


wies  darin  1789  die  Borsäure  nach  und  nannte  das  Mineral 
sedativsauren  Bitterspat,  eine  Bezeichnung,  die  noch 
in  demselben  Jahre  von  dem  großen  Freiburger  Geologen 
Abraham  Werner  in  die  heute  allgemein  übliche  Bezeichnung 
umgewandelt  wurde.  — 

Volger,  Roth  und  mit  ihnen  eine  große  Zahl  namhafter 
Geologen  rechneten  die  Sedimente  des  Kalkbergs  zu  der 
Anhydrit-Gruppe  des  mittleren  Muschelkalks.  — 

Im  Jahre  1898  fand  der  Bezirksgeologe  Dr.  G.  Müller 
in  der  Südecke  des  seit  vielen  Jahrhunderten  betriebenen 
Gipsbruches  am  Kalkberge  graubraune  Rauch  wackenschichten 
im  Zusammenhänge  mit  dünnen  Bänkchen  von  Letten  und 
Zechsteinasche,  die  petrographisch  völlig  die  gleichen  waren, 
wie  sie  bisher  namentlich  aus  dem  mittleren  Zechsteine  Thü- 
ringens bekannt  geworden  waren,  ein  Umstand,  der  diesen 
Geologen  in  erster  Linie  bewog,  die  Entstehung  der  gesamten 
Kalkbergsedimente  in  die  Epoche  des  »Mittleren  Zechsteins« 
zu  verlegen.  — 

Als  geologisch  jünger,  dem  oberen  Zechstein  angehörend, 
betrachtet  Dr.  Müller  den  in  der  Nähe  des  Kalkbergs  liegen- 
den, oberflächlich  fast  abgetragenen  Gipsstock  des  Schildsteins, 
dessen  Lage  heute  durch  zwei  tiefe  mit  süssem  Wasser  er- 
füllte Löcher  bezeichnet  wird,  die  von  einem  Walle  umgeben 
sind,  der  zum  größten  Teile  aus  weggeräumten  Erdreiche 
entstanden  ist.  — 

Der  mit  Anhydrit  wechsellagernde  Gips  des  Schildsteines, 
dessen  Hangendes  ein  heute  noch  sichtbarer  teilweise  oolithi- 
scher  und  bituminöser  Plattendolomit  bildet,  ist  wesentlich 
härter  als  der  des  Kalkberges  und  fand  so  neben  der  Be- 
nutzung im  gebrannten  Zustande  als  Gipskalk  vielfach  Ver- 
wendung als  Baustein. 

Im  ältesten  Teile  des  Domes  von  Bardowyk  ist  auch 
Schildsteingips  in  Blöcken  verwendet  worden.  Man  erkennt 
das  an  den  im  Gestein  sichtbaren  Boracitkristallen,  die  in 
ihren  Formen  von  denen  des  Kalkberges  abweichen. 

Mit  den  Zechsteinsedimenten  der  Oberfläche  stehen 
zweifellos  die  durch  ein  ausgedehntes  Senkungsgebiet  sich 
verratenden  Steinsalzlager  der  Tiefe  in  Verbindung,  denen 
die  seit  einem  Jahrtausend  technisch  verwendete  starke  Sol- 
quelle entstammt.  — 


— 73  — 


Nach  den  Untersuchungen  Dr.  G.  Müllers  geheu  die 
zum  Zechstein  gerechneten  Sedimente  unvermittelt  in  meso 
zoische,  zunächst  der  Trias  angehörende  Schichten  über,  die 
als  oberer  Muschelkalk,  Kohlenkeuper  und  ( fipskeuper  g<  deutet 
worden  sind.  — 

Der  obere  Muschelkalk  ist  anstehend  heute  nicht  mehr 
zu  beobachten.  Der  Kohlenkeuper  tritt  im  westlichen  Teile 
der  Schafweide  teilweise  zu  Tage,  während  der  Gipskeuper 
im  östlichen  Teile  der  Schafweide  und  den  daranstoßenden 
Rotenburger  Ländereien  wie  auch  im  Pieperschen  Bruche 
westlich  von  Mönchsgarten  gut  aufgeschlossen  ist.  - 

Dem  Kohlenkeuper  gehören  die  viel  citierten  fetten 
Tonmergel  des  westlichen  Teiles  der  Schafweide  mit  den  ein- 
gelagerten mehr  oder  weniger  dolomitischen  Kalksteinbänken 
an,  die  Dr.  G.  Müller  mit  den  Trigonodus  Schichten  von  Süd 
deutschland  parallelisiert  hat. 

Nach  den  Untersuchungen  von  Dr.  G.  Müller  und  Dr. 
0.  v.  Linstow  kann  man  in  den  Lettekohlenschichten  der 
Schafweide  drei  Horizonte  unterscheiden,  die  nach  den  lei 
tenden  Fossilien  als  Schichten  mit  Mvophoria  intermedia, 
Myophoria  simplex  und  Anaplophora  bezeichnet  werden 
können.  — 

Mit  den  Intermedia-Schichten  steht  wahrscheinlich  ein 
mit  zahlreichen  Fischresten  bedeckter  Sandstein  in  Verbindung, 
von  dem  Dr.  G.  Müller  dünne  Platten  auf  der  Halde  einer 
jetzt  verlassenen  Pinge  ausgrub  und  als  Bonebed  deutete.  - 

Als  wichtigste  Petrefacten  der  Lettenkohle  nenne  ich 
nach  v.  Linstow 

Placunopsis  ostracina  v.  Schl., 

Velopecten  Albertii  Gof., 

Myophoria  intermedia  v.  Schauer, 

» simplex  v.  Schl., 

» pes  anseris  Br. 

Mit  diesen  Sachen  treten  als  seltene  Erscheinungen  der 
Ceratites  nodosus,  das  knotige  Ammonshorn , und  ein  davon 
abweichender  Ceratit  auf,  der  wahrscheinlich  eine  neue  Art 
vorstellt. 

In  den  Anaplophora-Sehichten,.  mit  denen  die  tierischen 
Beste  im  Keuper  überhaupt  aufhören,  finden  sich  in  großer 


— 74  — 


Menge  nur  die  Steinkerne  von  Anaplophora  lettica  und 
A.  donacina.  — 

Über  der  Anaplophora-Bank  lagern  graue  Steinmergel- 
bänke und  glimmerreiche  Sandsteinschichten,  mit  denen  auf 
der  Schafweide  der  Kohlenkeuper  gegen  die  an  500  Meter 
mächtige  Schichtenfolge  des  Gipskeupers  durch  eine  Ver- 
werfung abschneidet.  — 

Der  Gipskeuper,  wie  derselbe  bei  Pieper  und  im  west- 
lichen Gebiete  der  Schafweide  aufgeschlossen  ist,  besteht 
seiner  Hauptmasse  nach  aus  bunten  Tonmergeln,  an  deren 
Basis  Steinmergel  und  Schilfsandsteinbänke  liegen,  während 
ihre  obere  Grenze  durch  dünne  etwa  7 cm  dicke  sehr  harte 
Steinmergelbänke  in  Gesellschaft  mit  einer  ebenso  dicken 
Coelestinbank  markiert  wird.  — 

In  den  Tonmergelschichten  finden  sich  neben  eigen- 
tümlichen conglomeratisch  ausgebildeten  Gipskonkretionen  und 
Ablagerungen  von  fast  reinem  Magnesjumcarborat  (Nöllnerit) 
dünne  Sandsteinbänkchen,  die  teilweise  mit  Afterkristallen 
nach  Steinsalz  bedeckt  sind. 

Die  oberste  Steinmergelbank,  deren  Oberseite  von  boh- 
renden Spongien  corrodiert  erscheint,  bildet  das  Liegende  der 
oberen  Kreide,  die  bei  Lüneburg  übergreifend  die  triadischen 
Sedimente  überlagert.  — 

Die  Kreideablagerungen  sind  es  besonders,  die  das 
große  Interesse  der  Geologen  für  unser  Gebiet  seit  einem 
halben  Jahrhundert  erweckt  haben. 

Nach  den  Untersuchungen  des  Herrn  v.  Strombeck  und 
Professors  Stolley  können  bei  Lüneburg  folgende  Stufen  der 
oberen  Kreide  von  unten  nach  oben  gerechnet  unterschieden 
werden : 

a)  Cenoman: 

I.  Tourtia. 

II.  Varians-Pläner. 

III.  Rotomagensis-Pläner. 
ß)  Turon: 

IV.  Mytiloides-Pläner. 

V.  Brongniarti-Pläner. 

VI.  Scaphiten-Pläner. 

VII.  Cuvieri-Pläner. 


— 75  --  - 


y)  Senon: 

VIII.  Emscher  Mergel. 

IX.  Granulaten-Kreide. 

X.  Quadraten-Kreide. 

XI.  Mucronaten-Kreide. 

a.  Untere  Zone. 

b.  Heterocuas-Zone. 

c.  Trigonosema-Zone. 

Diese  Kreide  - Sedimente,  auf  die  sich  eine  umfang 
reiche  Industrie  gegründet  hat,  sind  in  sieben  zum  Teil 
großen  Brüchen  aufgeschlossen.  — In  der  folgen« len  Liste 
der  Aufschlüsse  sind  die  anstehenden  Schichten  den  Nummern 
nach  beigefügt,  wobei  zu  bemerken  ist,  daß  der  alte  Ratsbruch 
gegenwärtig  verlassen  und  teilweise  verschüttet  ist. 

a.  Alter  Ratsbruch  oder  Kämmerei-Bruch,  jetzt  im 
Besitze  der  Portland-Cementfabrik  vor  dem  Bor 
dowyker  Tore  (IV,  V,  VI  und  VII). 

b.  Nördlich  davon  ebenfalls  jetzt  der  Portland-Cement 
fabrik  gehörend,  der  Behr’sche  Bruch  (VII,  VIII,  IX 

c.  Daran  schließt  sich  der  alte  Bruch  der  Cementfabrik, 
durch  den  aufgeschlossen  sind  III,  IV,  VI,  VII, 
VIII,  X (a,  b,  c). 

d.  Fiscalischer  Bruch,  sog.  Soda-Bruch,  am  Zeltberge 
mit  II  und  III. 

e.  Neuer  Cementbruch  am  Zeltberge  auf  den  Roten 
burger  Ländereien  mit  I und  II. 

f.  Alter  Pieperscher  Bruch,  auch  als  Volger’s  Hall  be 
zeichnet,  mit  I,  II,  IV,  V,  VI,  VH,  \ III. 

g.  Neuer  Pieperscher  Bruch  bei  der  Saline  IN  , \ , N L 

Am  besten  kann  man  die  Schichten  der  Kreide  beob- 
achten auf  einer  Wanderung  von  der  Schaf  weide  über  die 
Rotenburger  Ländereien  durch  den  Behrschen  Bruch  nach 
dem  alten  Bruche  der  Cementfabrik  an  der  Bardowyker 
Chaussee.  Mit  Ausnahme  des  Cuvieri-Pläners  (VII),  der  hier 
durch  Verwerfung  vollständig  verschwunden  ist.  überschreitet 
man  auf  diesem  Wege  die  Schichtenköpfe  sämtlicher  Ab- 
lagerungen, von  denen  die  rötlich  gefärbten  Katesteinbänke 
des  Mytiloides-Pläners  zur  stratigraphischen  Orientierung  wert 
voll  sind.  — 


70 


Ananchytes  ovata  Lam. 


Acanthoceras  rotomagense  Brong. 


Discoidea  cylindrica  Lam. 


— 77  — 


Myophoria  pes  anseris  Br. 


Kuemer. 


78  — 


Von  den  zahlreichen  Petrefacten  dieser  Kreidesedimente 
ist  eine  reichhaltige  Sammlung  im  Museum  vorhanden. 

Als  die  wichtigsten  mögen  hier  genannt  sein  aus 
dem  Cenoman: 

Belemnites  ultimus  d’Orb,  Ancellina  gryphaeoides  Sow, 
Serpula  Sowerbyi  Mantell,  Plicatula  inflata  Sow,  Ino- 
ceramus  orbicularis  Münster,  Kingena  lima  Defr.,  Schloen- 
bachia  varians  Sow,  Acanthoceras  rotomagense  und 
Acanthoceras  Mantelli  Sow,  Terebratula  biplicata  Sow, 
Discoidea  cylindrica  Lam,  Holaster  subglobosus  Leske; 
dem  T u r o n : 

Inoceramus  mytiloides,  Inoceramus  Brongniarti  Sow, 
Terebratula  subrotunda  Sow,  Ananchytes  ovatus  Lam, 
Holaster  planus  Mant,  Infulaster  excentricus,  Inoce- 
ramus Cuvieri,  Micraster  cor  testudinarium  Goldf. ; 

S e n o n : 

Actinocamax  westfalicus  Schlüter  und  A,  verus  Miller, 
Inoceramus  involutus’',  Echinoconus  conicus  Breyn, 
Micraster  cor  anguinum  Klein,  Actinocamax  granulatus, 
Marsupites  ornatus,  Actinocamax  quadratus  Blain, 
Ananchytes  ovataLam  Belemnitellamucronata  v.  Schloth, 
Nautilus  patens,  Gaudryceras  mite  v.  Hauer,  Hamites 
Wernickei  Wollem,  Heteroceras  polyplocum  A.  Roemer, 
Baculites  Knorrianus,  Pachidiscus  pseudo  - Stobaei, 
Pleurotomaria  regalis  v.  Schloth,  Gryphae  a vesicularis, 
Inoceramus  Cripsi  Mant,  Pholadomya  decussata,  Tri- 
gonosema  pulchellum. 

Am  interessantesten  für  die  Sedimente  des  Senons  sind 
die  zahlreichen  Ammoniten  und  ammoni tischen  Nebenformen 
(Hamites,  Heteroceras)  die  zur  Zeit  der  jüngsten  Ablagerungen 
der  oberen  Kreide  auf  der  Erde  überhaupt  aussterben. 

Die  Schichten  des  Flötzgebirges  werden  bei  Lüneburg 
wallartig  umlagert  von  tertiären  Sedimenten,  die  dem  Miocän 
zugerechnet  werden. 

Es  ist  das  ein  sehr  dunkler  glimmerhaltiger  Ton,  dessen 
zahlreiche  Versteinerungen  schon  1612  von  Agricola  erwähnt 
und  später  von  Reiskius  (1683)  und  Leibniz  (1749)  teilweise 
beschrieben  und  abgebildet  worden. 

Technische  Verwertung  findet  der  Glimmerton,  der  in 
seinen  tieferen  Schichten  sehr  phosphorsäurereiche  Phosphorite 


79  — 


führt,  heute  in  den  Ziegeleien  zu  Ochtmissen  und  Wüschen- 
brook,  — 

Als  die  häufigsten  Petrefaeten  desselben  mögen  genannt 
sein:  Wirbel  von  einer  kleinen  Walfischart,  die  Zähne  von 
den  Haifischarten  Lamna  crassidens  und  Lamna  cuspidata. 

An  Mollusken:  Conus  antediluvianus,  Murex  spinicosta. 
Pleurotoma  Steinvorthi,  Fiisus  Luneburgensis,  Astarte  radiata, 
Limopsis  aurita  und  Dentalium  badense. 

Abgesehen  von  der  Zechsteinkuppe  des  Kalkherges  und 
dem  teilweise  aus  Kreide  aufgebauten  südlichen  Teilt*  Rt*s 
Zeltherges  wird  das  Relief  unserer  weiteren  Umgehung  in 
den  mit  weiten  ebenen  Flächen  abwechselnden  Höhenzügen 
fast  durchweg  bestimmt  von  Quartären-Bildungen,  di<*  uht  r.nl 
den  Tertiärton  überlagern.  — 

Der  Entstehung  nach  ist  das  heimatliche  auch  als 
Diluvium  bezeichnete  Quartär,  wo  er  uns  als  Kiese,  Sande 
und  Tone  mit  großen  erratischen  Granithlöcken  entgegentritt, 
als  das  Umwand elungsprodukt  der  Grundmoräne  gewaltiger 
nordischer  Gletscher  zu  betrachten,  die  in  der  Zeit  der  frühe 
;sten  Glacialepoche  die  ganze  norddeutsche  Ebene  als  Inlandeis 
liberlagerten. 


— 80  — 


Weg  im  Lüner  Gehölz. 

Hähere  Umgebung. 


Spaziergänge  und  Vergnügungsörfer. 

Die  Umgegend  von  Lüneburg  ist  längst  nicht  so 
einförmig  und  reizlos,  wie  mancher  Fremde,  der  von  der 
Lüneburger  Heide  gehört  hat,  sich  vorstellt.  Es  fehlt 
namentlich  nicht  an  näheren  und  weiteren  schönen  Wäldern 
mit  gemütlichen  Wirtshäusern  zur  Käst. 

Nördlich  von  der  Stadt  beginnt  gleich  hinter  Kloster 
Lüne  ein  nicht  sehr  großer  aber  schöner  Wald  mit  Spazier- 
wegen und  an  seiner  Nordostecke  liegt  das  Kaffeehaus  Zum 
grünen  Jäger.  Wer  nicht  weit  gehen  will,  um  ein  Stück 
Heidelandschaft  zu  sehen,  findet  ein  solches,  nicht  groß  aber 
charakteristisch,  unmittelbar  nördlich  von  diesem  » Lüner- 


— 81  — 


holze«,  3 Kilometer  von  der  Stadt.  Ausgedehnte  Heideflächen 
muß  man  schon  erheblich  weiter  suchen;  in  alter  Zeit  reichten 
sie  bis  vor  die  Tore  der  Stadt. 

Im  Nordosten  erstrecken  sich  von  der  Eisenbahnstation 
Adendorf  ab  abwechslungsreiche  Wälder,  teilweise  auf  einer 
bis  zu  250  Fuß  ansteigenden  Hügelkette  belegen,  nach  Süd 
osten  meilenweit  bis  nahe  an  die  Eisenbahnstation  Vastorf. 

Nur  2 Kilometer  südöstlich  von  der  Stadt  liegt 
Kaltenmoor,  früher  alter  Patriziersommersitz,  ländliches 
Wirtshaus,  schöne  alte  Bäume. 

Die  meist  besuchten  Spaziergänge  liegen  südlich  von 
der  Stadt,  an  der  Ilmenau  aufwärts  auf  beiden  Ufern.  Am 
nächsten  am  linken  Ufer  die  Wirtschaft  Z u m Ilmenau 
garten  mit  schöner  Fernsicht  über  das  Wiesental  der 
Ilmenau.  Von  dort  führt  ein  Spazierweg  durch  schöne  Park 
anlagen  mit  zahlreichen  Fischteichen,  welche  der  Ver 
schönerungsverein  angelegt  hat,  zur  städtischen  Forst 
Koteschleuse,  mit  der  beliebten  Wirtschaft  Zur  Roten 
schleuse,  reizend  an  der  Ilmenau  belegen,  4 Kilometer 


Treppenaufgang  zum  Bockeisberg. 


- 82  — 


von  der  Stadt.  Eine  Laufbrücke  unterhalb  der  Rotenschleuse 
gewährt  eine  bequeme  Verbindung  mit  der  Tiergartenforst. 

Bei  dem  Ilmenaugarten  führt  eine  Laufbrücke  über 
den  Fluß,  zunächst  zum  Wirtshaus  Wilschenbrook  mit 
hübschem  Wäldchen.  Dort  beginnt  die  städtische  Forst 
Tiergarten,  welche  am  östlichen  Ufer  der  Ilmenau  bis  zu 
dem  472  Kilometer  von  der  Stadt  entfernten  Forst-  und 
Kaffeehause  reicht.  An  der  nahe  gelegenen  Station 
Deutschevern  hält  im  Sommer  der  Nachmittagszug. 

Wer  eine  malerische  hügelige  Heidelandschaft  sehen 
will,  wandere  von  Deutschevern  über  das  einsame  Gehöft 
Diecksbeck  nach  der  nächsten  Eisenbahnstation  Bienenbüttel, 
oder  aber  vom  Forsthause  Tiergarten  über  den  Melbecker 
Ilmenausteg  zur  Rotenschleuse. 

Von  der  Rotenschleuse  führt  ein  Promenaden  weg  im 
Walde  durch  die  sog.  Lüneburger  Schweiz  nach  Hasenburg. 
Aktien-Brauerei  daselbst.  Das  Wirtshaus  ist  an  einen  mittel- 
alterlichen städtischen  Wartturm  angebaut  und  liegt  malerisch 
an  einem  Teiche  (27»  Kilometer  von  der  Stadt). 


Fischerhaus  am  Fuße  des  Bockeisberges. 


— 83  — 


Im  Westen  der  Stadt,  4 Kilometer  weit,  liegt  die 
städtische  Forst  Böhmsholz  und  an  deren  Westende  das 
gemütliche  Forst-  und  Kaffeehaus  B Ö h m sh  ol  z. 
gelangt  dahin  entweder  über  S ch  n e 1 1 e n b e r g , das  uralte 
Adelsgut  der  von  Meding,  wo  die  Lage  der  alten  Wa 
bürg  noch  deutlich  zu  erkennen  ist,  durch  die  nicht  große 
aber  schöne  Gutsforst;  oder  aus  dem  Neuentore  erst  der 
Landstraße  folgend  an  der  weltberühmten  W rede’ sehen 
Gärtnerei  vorüber,  dann  links  auf  einen  Fußsteig  durchs 
Feld  einbiegend,  welcher  nahe  vor  der  Forst  die  alte  städtische 
Landwehr  durchschneidet,  Doppelwälle  mit  drei  tiefen  (bähen 
mit  dichtem  Gestrüpp  bewachsen. 

Zurück  über  das  schön  gelegene  Dorf  Heiligenthal  alte 
niedersächsische  Bauernhäuser  und  das  Dorf  Oedeme  nach 
Lüneburg. 

Ein  schönes  Stück  Fleide  kann  man  auch  durchwandern, 
wenn  man  in  Beppenstedt  von  der  Salzhäuser  Landstraße 
nach  N.*W.  abbiegend  und  dem  uralten  längst  verödeten 
Heerwreg  folgend  über  die  »Dachtmisser  Wüste  eine  höchst 
interessante  Landdünenbildung)  nach  dem  reizend  belegend i 
Forstorte  Einemhof  und  von  dort  entweder  durch  die  sog. 
Lange  Heide  nach  Station  Wulfsen  oder  zurück  nach  Station 
Mechtersen  wandert. 


Bardowiek. 

Bardowiek,  ein  sog.  Flecken  mit  303  Häusern  und 
2000  Einwohnern  liegt,  durchweg  dörflich  gebaut,  lang  hin 
gestreckt  am  linken  Ufer  der  Ilmenau,  5 Kilometer  nördlich 
von  Lüneburg.  Es  ist  zu  Fuß  bequem  in  einer  Stunde  tu 
erreichen;  mit  der  Bahn  allerdings  in  10  Minuten;  indessen 
liegt  der  Bahnhof  H/s  Kilometer  westlich  vom  Orte. 

Bedeutend  durch  uralten  Gemüsebau  und  Handel  mit 
Sämereien.  War  bis  1189,  wo  Herzog  Heinrich  derL ö w e 
es  zerstörte,  eine  Stadt,  deren  Alter,  Größe  und  Bedeutung 
Sage  und  Phantasie  bedeutend  übertrieben  haben. 

Karl  der  Große  lagerte  auf  seinen  Heereszügen 
daselbst  795  und  798  und  bestimmte  es  805  als  einen  der 

ß* 


— 84  — 


Grenzhandelsorte  zwischen  Deutschen  und  Wenden.  Vorher 
schon  hatte  er  eins  der  für  die  bekehrten  Sachsen  bestimmten 
Bistümer  dort  errichtet,  es  nach  wenigen  Jahren  indes  nach 
Verden  an  der  Aller  verlegt.  In  Bardowiek  aber  verblieb  der 
Dom  des  Bischofs  und  das  Domkapitel;  letzteres  wurde  als 
weltliches  Stift  erst  1851  aufgehoben.  Mit  Gütern  und  Ein- 
künften ausgestattet  wurde  die  Stiftung  seinerzeit  von  dem 
bekehrten  W i 1 1 e k i n d. 


Dom  zu  Bardowiek. 

Bardowieks  Bedeutung  als  Handelsort  beruhte  auf  der 
Lage  an  der  uralten  Heerstraße  nach  dem  Norden,  welche 
dort  auf  einer  bereits  1059  urkundlich  erwähnten  Brücke  die 
Ilmenau  überschritt  und  bei  Artlenburg  die  Elbe  erreichte. 
Uebrigens  ist  Bardo wiek  wohl  nie  mehr  als  eine  Dorf stadt 
gewesen,  vor  Karl  dem  Großen  aus  mehreren  Herren- 
höfen von  Hochadelsgeschlechtern  bestehend,  auf  deren  Grund 
und  Boden  sich  eine  verhältnismäßig  zahlreiche  Bevölkerung 
anbaute.  Mit  der  Zerstörung  verlor  es  sein  Marktrecht,  seine 
Münze  und  manches  von  seiner  städtischen  Verfassung.  Sein 


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Straßennetz  ist  wesentlich  noch  das  uralte,  seihst  die  Straßen- 
namen haben  sich  zum  Teil  noch  erhalten. 

Der  von  Süden  kommende  Besucher  erreicht  zuerst 
das  der  Stadt  Lüneburg  gehörende  Hospital  auf  St.  Nikolai 
hof.  Lüneburg  errichtete  dort  1226  ein  Leprosen  haus,  d.  h# 
ein  Hospital  für  Aussätzige.  Als  der  Aussatz  in  unseren 
Gegenden  erlosch,  um  1400,  wurde  es  ein  Versorgungsliaus 
für  alte  und  invalide  Leute  beiderlei  Geschlechts  und  besteht 
als  solches  noch  jetzt.  Ursprünglich  ist  es  wohl  ein  Herren 
hof  der  Widonen,  denen  Widukind  (Witte kind)  an 
gehörte,  gewesen  und  die  Kirche  an  Stelle  eines  Wodans 
heiligtums  errichtet.  Es  hat  1220  Morgen  Grundbesitz.  Dir 
1435  neuerrichtete  Kirche,  wesentlich  bis  .heute  unverändert 
erhalten,  hat  schöne  Glasgemälde  aus  jener  und  aus  späterer 
Zeit  und  eine  Glocke  von  1468.  Unweit  liegt  das  Gasthaus 
Zur  Schleuse,  ehedem  auch  zum  Herrenhause  gehörend, 
mit  schönem  Stein wappen  von  1593.  Gegenüber  lag  auf 
einer  von  der  Ilmenau  umflossenen  Insel  der  uralte  Herren 
hof  Vrestorf,  der  Ursitz  der  Edelherren  Schack. 

Von  den  neun  Kirchen  und  Kapellen  des  alten 
Bardowieks  ist  nur  der  Dom  erhalten;  die  übrigen  ließ  man 
nach  der  Reformation  zerfallen.  Drei  von  ihren  Kirchhöfen 
werden  noch  heute  von  bestimmten  Interessenten  zu  Be 
erdigungen  benutzt.  Es  waren  kleine  romanische  Bauten  aus 
Feldsteinen,  wie  man  deren  einige  noch  heute  in  unseren 
Gegenden  findet. 

Nördlich  von  St.  Nikolai  hof  liegt  der  Kirchhof 
St.  Wilhaldi.  Die  Kirche  St.  Wilhaldi  gehörte  zu  einem 
Herrenhofe  der  Billunger  »Auf  dem  Berge*,  welchen  sie  952 
dem  Kloster  Kemnade*  an  der  Weser  schenkten.  Weiter 
nördlich  folgt  der  auch  heute  noch  benutzte  Kirchhof  von 
St.  Johannes  dem  Täufer,  dessen  Kirche  die  Edelherren 
Schack  zu  Karls  des  Großen  Zeit  als  Taufkirche  errichteten, 
1282  aber,  als  sie  Vrestorf  verkauften  und  sich  nach  Mecklen 
bürg  und  Holstein  wandten,  dem  Domstitt  schenkten. 

Im  Westen  von  Bardowiek,  an  der  Piperstraße, 
deren  Fortsetzung,  die  Rackerstraße,  eingegangen  ist,  liegt 
der  noch  benutzte  Kirchhof  von  St.  Vitus.  Die  Kirche 
errichtete  seinem  Hauptheiligen,  dem  heiligen  Veit,  das 
Kloster  Corvey  an  der  Weser,  welches  den 


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Herrenhof  »Auf  dem  Sande«  901  von  einem  Ludolfinger 
geschenkt  erhalten  hatte.  Hernach  errichtete  es  auch  seinem 
andern  Hauptheiligen,  St.  Stephanus  dem  Apostel,  ein 
Gotteshaus  am  Nordende  von  Bardowiek,  welches  zur  Zeit 
der  Reformation  einging.  Im  Osten,  nahe  der  Ilmenaubrücke, 
lag  die  Sühnekapelle  des  auf  der  Brücke  erschlagenen  Märtyrers 
Marianus.  Herzog  Ernst  der  Bekenner  ließ  sie  1540 
niederreißen.  Auf  dem  Marktplatze  stand  die  Bürgerkirche, 
St.  Fabian  und  St.  Sebastian  geweiht.  Oestlich  nahe 
hinter  ihrem  heute  bebauten  Platze  liegt  das  noch  heute  als 
Gemeindehaus  benutzte  uralte  Gilde  haus  (engl.  Guildhall), 
der  jetzige  Bau  von  1651.  Etwas  weiter  östlich,  unweit  der 
Ilmenau  und  der  Brücke,  lag  die  alte  Burg  der  Bardonen, 
deren  Stätte  noch  heute  die  Bürg  heißt. 

Auf  dem  Domhof  erbaute”  das  Domstift  um  1250  eine 
St.  Marien kap eile,  welche  1790  abgebrochen  wurde. 

Der  Dom  war  .zuerst  wohl  ein  Holz-  oder  Feldstein 
bau.  Um  1150  wurde  er  durchaus  neu  errichtet  aus  behauenen 
Gipsquadern,  eine  romanische  Basilika.  Die  Höhe  des  Mittel 
schiffs  sowie  die  der  niedrigeren  zwei  Seitenschiffe  läßt  sich 
noch  an  den  Rundbogenfriesen  der  Doppeltürme  innen  und 
außen  erkennen.  Die  meisten  Reste  von  diesem  alten  Bau 
enthält  der  Unterbau  der  Türme;  besonders  sehenswert  ist 
das  alte,  jetzt  von  innen  vermauerte  Portal  mit  eigenartigem 
Schlußstein.  Die  1364  zu  Ehren  das  Märtyrers  Stephanus 
vorgebaute  Kapelle  hat  es  geschützt.  (Der  Unterküster 
schließt  auf.)  ' .. 

Um  1380  wurde  der  Dom  auf  den  alten  Grundmauern 
neu  von  Backstein  erbaut,  die  drei  Schiffe  zu  einer  gothischen 
Hallenkirche  umgestaltet  und  der  Chor  weit  nach  Osten 
verlängert.  Derselben  Zeit  gehört  auch  wohl  die  Löwenfigur 
über  der  Südtür  an.  Das  herrlich  geschnitzte  Chorgestühl 
im  Innern  ist  von  1486.  Der  Taufkessel  von  Erz  von  1367. 
Vor  dem  Altäre  liegt,  jetzt  durch  einen  modernen  Teppich 
verdeckt,  ein  Grabstein  des  Dekans  Schomaker  von  1406 
mit  gravierter  Bronzeplatte.  Der  Altar  mit  geschnitzten 
Figuren  ist  auch  yon  1486.  Die  bemalten  Glasfenster  im 
Chor  sind  das  mittlere  vor  40  Jahren,  die  seitlichen  vor  200 
Jahren  gemacht.  An  der  Nordwand  steht  ein  Grabstein  des 
Kanonikus  Schomaker  (f  1563)  von  Albert  von  Soest. 


87  — 


Der  Fremde  versäume  nicht,  eins  der  alten  Häuser  mit 
moosigem  Strohdach  und  nach  innen  gekehrten  Pferdeköpfen 
mit  Blumenzügeln  als  Giebelzier  auch  innen  zu  besehen.  Die 
älteren  nicht  dörflich  gebauten  Häuser  in  der  Nähe  des  Doms 
sind  die  ehemaligen  Wohnungen  der  Domherren,  die  sog.Curien. 
Von  der  alten  Volkstracht  ist  wenig  erhalten;  eigenartig  ist 
das  runde  Polster  (sog.  Waaschen)  mit  farbigen  Tnchabschnitten 
benäht,  welches  die  Frauen  unterlegen,  wenn  sie  Körbe  mit 
Gemüse  u.  dergl.  auf  dem  Kopfe  tragen.  Reste  des  alten 
Stadtwalls,  welchen  Daniel  Frese  1590  noch  ziemlich  wohl 
erhalten  abbildet,  finden  sich  im  Westen  des  Ortes. 


—d 


— 88  — 


Weitere  Umgebung. 


Scharnebeck. 

Die  bei  Kloster  Lüne  nach  Nordosten  sich  abzweigende 
Landstraße  führt  an  Erbstorf  (gutes  Wirtshaus)  vorüber  durch 
schönen  Buchenwald  nach  dem  großen  Dorfe  Scharnebeck. 
Dort  bestand  von  1244 — 1529  ein  Cistercienser-Mönchskloster, 
das  nach  der  Reformation  zu  einem  fürstlichen  Schloßgut  und 
Amthaus  umgestaltet  wurde ; jetzt  Domäne.  Die  1319  erbaute 
große  Klosterkirche  wurde  im  vorigen  Jahrhundert  ver- 
kleinert und  umgebaut,  aus  den  erhaltenen  Resten  ersieht 
man,  wie  stattlich  sie  gewesen.  Im  Innern  sind  an  der 
Orgel  und  an  den  Wänden  mehrere  wertvolle  große  gothische 
Schnitzereien  aufgestellt,  mit  Kalk  stark  übertüncht.  Auf 
dem  Forsthof  steht  die  stärkste  Eiche  dieser  Gegend,  von 
6 Meter  Umfang.  Eine  lohnende  Wanderung  ist  auch  von 
Bahnhof  Adendorf  nordöstlich  durch  den  Scharnebecker  Wald 
über  Rullstorf,  durch  Buchenhochwald,  nach  Lüdersburg, 
uraltem  Adelsgut.  Von  dort  zu  Fuß  oder  mit  Kleinbahn  nach 
Station  Echem  durch  weite  Wiesenflächen.  Letztere  Gegend 
hat  Aehnlichkeit  mit  holländischer  Landschaft. 


Artlenburg. 

Artlenburg,  Flecken,  18  Kilometer  nördlich  von 
Lüneburg,  an  der  Elbe.  Uralte  Fährstelle  für  den  Volk-  und 
Heerweg  nach  dem  Norden  und  Nordosten.  Die  Burg,  in 
welcher  u.  a.  der  letzte  Billung,  Magnus,  starb,  lag  an 
der  Stelle  des  jetzigen  Beamtenhauses,  an  der  Anlände  der 


— 89  — 


Fähre.  Sie  war  benannt  nach  dem  kleinen  Flusse  Ertena 
(Artenau),  der  wohl  dicht  unterhalb  in  die  Elbe  mündete  und 
im  12.  oder  13.  Jahrhundert,  als  holländische  Ansiedler  die 
Gegend  eindeichten  und  bebauten,  weiter  nach  unten  abgeleitet 
und  verlegt  ist.  Dicht  oberhalb  der  jenseitigen  Anlände  auf 
dem  Steilufer  der  Elbe  liegen  die  Reste,  Wall  und  Graben, 
einer  vorgeschichtlichen  Erdringburg,  unterhalb  der  Anlände 
das  uralte  strohgedeckte  Siechenhaus  von  St.  Jürgen.  Kürzlich 
abgebrochen.)  Sehr  lohnend  ist  ein  Gang  auf  diesem  Steil 
ufer  elbabwärts  3 bis  4 Stunden  bis  »Tesperhude«  oder  bis 
»Geesthacht«,  auf  breitem  Fußpfade  immerfort  durch  schönen 
wechselvollen  Wald,  mit  manchen  Durchblicken  und  Aus 
sichten  auf  die  grüne  Ebene  der  Marsch,  auf  die  blinkende 
Elbe  und  das  ferne  Lüneburg.  Auch  die  Fahrt  auf  den  täglich 
mehrmals  fahrenden  Dampfern  zwischen  Geesthacht  und  Lauen 
bürg,  vorbei  an  der  großen  Dynamitfabrik  zum  Krümmel,  ist 
sehr  lohnend,  auch  die  Dampferfahrt  elbaufwärts  an  Boizen 
bürg,  Bleckede  und  Hitzacker  vorüber  bis  Dömitz  großartige 
Eisenbahnbrücke  über  die  Elbe). 


Winsen. 

An  Bardowiek  vorüber  führen  Landstraße  und  Eisen 
bahn  nach  Winsen  a.  d.  Luhe  (20  Kilometer).  Das  freund 
liehe  Städtchen  hat  ein  altes,  ehedem  sehr  festes  Schloß  der 
lüneburgischen  Herzoge,  auf  einem  alten  Herrenhofe  Winhusen, 
wahrscheinlich  erbaut  um  1320  von  Otto  dem  Strengen. 
Von  1592— 1617  war  es  Witwensitz  der  Herzogin  Dorothea, 
Witwe  Wilhelms  des  Jüngeren,  Tochter  des  Königs 
Christian  III.  von  Dänemark.  Damals  wurde  die  östliche 
Schauseite  des  nach  Westen  offenen  Vierecks  sehr  verändert; 
der  Eingang,  welcher  unter  dem  hohen  starken  Turme 
hindurchführte,  ist  etwas  nach  Norden  verlegt,  wo  er  sich 
noch  jetzt  befindet  und  die  große  hohe  Halle  im  Turme 
zur  Kapelle  umgebaut  und  mit  Deckenmalerei  im  Stile  der 
Spätrenaissance  versehen,  welche  kürzlich  wieder  aufgedeckt 
ist.  Das  lange  Fachwerkgebäude  am  Schloßplatz,  der  sog. 
Marstall,  ward  um  dieselbe  Zeit  errichtet.  Die  Stadtkirche 
bietet  nichts  Interessantes.  ^ on  A\  insen  führt  die  Landstraße, 


— 90 


ein  uralter  Heerweg,  nach  Hoopte,  der  Fährstelle  hinüber 
nach  Zollenspieker  (im  Mittelalter  Eislingen)  durch  die  hoch- 
interessanten Vierlande  nach  Bergedorf  und  Hamburg. , 


Ramelsloh,  Dorf,  3 km  nördlich  von  der  Station 
Marxen  der  Lüneburg-Buchholzer  Sekundärbahn.  DerErzbischof 
Ansgar  von  Hamburg  errichtete  dort  um  840  ein  Stift  für 
Benediktiner,  welches,  1540  verweltlicht,  gleichwie  das  Dom- 
stift Bardowiek  bis  1851  bestand.  Die  vom  Kloster  allein 
übrig  gebliebene  Kirche,  kürzlich  restauriert,  enthält  in  den 
Chorfenstern  prachtvolle  Glasmalereien  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  15.  Jahrhunderts. 

Das  Tal  der  See ve  und  der  Aue  enthält  aufwärts 
von  der  Haltestelle  Jesteburg  m anche  landschaftlichen 
Reize,  wie  denn  überhaupt  die  in  die  Lüneburgische  Hoch- 
fläche tief  eingefurchten  Täler,  in  denen  Neetze,  Ilmenau,  Luhe, 
Seeve  und  Eiste  der  Elbe  zustreben,  eine  Fülle  anziehender 
Landschaftsbilder  gewähren. 


Bahn  Lüneburg -Wittenberge. 

Vastorf,  erste  Station,  Wanderung  zumeist  durch 
schöne  Wälder  über  Alt-Medingen  nach  Medingen  und 
Bevensen  (s.  d.)  4 Stunden.  , 

Dahlenburg,  vom  Bahnhof  fast  5 km  entfernt,  uralter 
Ort.  Die  Kirche  St,  Johannes  des  Täufers  hat  einen 
ganz  interessanten  Altar  und  schön  geschnitzte  Kanzel.  Eine 
Kleinbahn  führt  vom  Bahnhof  über  Dahlenburg  nach  Bleckede 
und  Echem.  Zwischen  den  Haltepunkten  Tosterglope  und 
Barscamp,  Forsthaus  Schieringen,  mit  schönem  Buchenwald, 
worin  mehrere  große  Hünenbetten.  Bleckede  mit  ehemals 
festem  Schloß  (Renaissance-Bau)  und  uraltem  rundem  Schloß- 
turm. Eiuige  alte  Holzfachwerkhäuser. 

Kurz  vor  der  Station  G-öhrde  südwärts  auf  hohem 
Heidehügel  steht  das  Monument  für  die  Schlacht  vom 
16.  September  1813,  wo  Pecheux  von  Wallmoden  ge- 
schlagen wurde,  große  Steinpyramide,  errichtet  1839. 


— 91  — 


Das  Jagdschloß  Göhrde  ist  4 km  vom  Bahnhof 
entfernt.  Der  größte  Teil  des  alten  Jagdschlosses  ist  182G 
als  baufällig  abgebrochen.  Der  5000  Hektar  große  Wald  ist 
eingehegt  und  enthält  viel  Rot-  und  Schwarzwild.  Iir  n 
ist  die  Fütterung,  sog.  Körnung  des  letzteren.  Der  Wald 
hat  in  den  letzten  Jahren  durch  Windbruch  und  die  Nonne 
sehr  gelitten. 

Station  Leitstade.  In  der  Nähe  im  Walde  zwei  große 
gut  erhaltene  Steinsetzungen,  sog.  Hünenbetten. 

Hitzacker.  Altes  freundlich  belegenes  Städtchen  an 
der  Elbe.  Neuerdings  gut  besuchtes  Stahlbad.  Schöner 
Wald  Klötzie. 

Dannenberg.  Stadt  in  der  weiten  grüben  Jeet&el 
niederung.  Vom  Schlosse  der  alten  Grafen  von  Dannen 
berg  (erloschen  1307)  stammt  noch  der  Waldemarturm, 
rund,  mit  über  10  Fuß  dicken  Mauern,  in  welchem  König 
Waldemar  von  Dänemark  von  1223—1225  als  Gefangener 
des  Grafen  Heinrich  von  Schwerin  gesessen  hat.  St.  Jo 
hänniskirche. 

Westlich  von  Lüneburg  führt  die  Landstraße,  nach 
dem  sie  bei  Luhmühlen  die  schnellfließende  Luhe  auf  der 
uralten  Gohbrücke  überschritten,  nach  Salzhausen,  einem 
freundlichen  Kirchdorfe.  Uralter  Gauhauptort  und  Archi 
diakonatssitz  (Soltenshusen).  Die  Kirche  hat  noch  romanische 
Reste  und  einen  Turm  aus  Granitfindlingen. 

Weiter  nach  Westen  kreuzt  die  Straße  den  großen 
schönen  Garlstorfer  Wald,  weiterhin  das  Auetal,  und 
führt  dicht  am  »Brocken  der  Lüneburger  Heide«,  dein 
Wilseder  Berg  (580  Fuß  hoch)  vorüber  nach  Sehne ver 
dingen. 

Südwestlich  führt  eine  Landstraße  nach  Ameling- 
hausen, 20  km,  freundliches  Kirchdorf  in  hübscher  Heide 
gegend.  Als  Sommerfrische  besucht.  Uralter  Herrenhof  der 
Bildung  er.  In  der  Nähe  die  großen  Hünenbetten  bei 
Oldendorf.  Weiterhin  der  Einzelhof  Stübeckshorn,  von 
wo  der  Sage  nach  Hermann  Billung  stammte.  Soltau, 
50  km,  freundliches  Städtchen,  ist  der  rechte  Mittelpunkt  der 
Lüneburger  Heide.  Eisenbahn  über  Fallingbostel  besonders 
schön  gelegen)  nach  Walsrode  ist  kürzlich  eröffnet  Da» 


92  — 


obere  Luhetal  bis  Bispin  gen  wird  seiner  malerischen 
Schönheit  wegen  von  Malern  viel  besucht.  Gasthäuser  gut. 

Von  Lüneburg  nach  Süden  führt  eine  Landstraße 
durch  eine  Gegend  voller  Abwechslung  über  das  schön  gelegene 
Dorf  Melbeck,  an  dem  interessanten  Melbecker  Moor  vor- 
über, über  Bardenhagen  und  Velgen  nach  Ebstorf  (auch 
Station  der  Uelzen-Bremer  Bahn,  Bahnhof  IV2  km  südlich  vom 
Orte).  Es  ist  von  schönen  Waldungen  umgeben  und  wird 
•als  Sommerfrische  besucht.  Besonders  sehenswert  ist  Kloster 
Ebstorf.  Früher  für  Benediktiner-Nonnen  ist  es  seit  der 
Deformation  ein  weltliches  Stift  für  adelige  Fräulein.  Keine 
Urkunde  meldet  von  seiner  Stiftung,  aber  die  Tradition  wird 
richtig  sein,  daß  es  errichtet  ist  um  880  in  der  Nähe  der 
Stätte  der  für  den  sächsischen  Heerbann  verhängnisvollen 
Normannenschlacht,  zum  Zweck  von  Seelenmessen  für  die 
dort  gefallenen  und  begrabenen  Krieger.  Sein  Schutzpatron 
ist  der  heilige  Mauritius,  ein  Maure  und  christlicher  Kriegs- 
oberst, welcher  bei  der  Verteidigung  des  Engpasses  von 
St.  Maurice  im  Rhonetal  von  den  heidnischen  Alemannen 
mit  seiner  Legion  erschlagen  und  hernach  als  Märtyrer  heilig 
gesprochen  wurde.  Die  Beziehung  ist  nicht  zu  verkennen. 
Besonders  sehenswert  sind  die  Glasmalereien  im  Kreuzgang, 
auch  der  von  letzterem  umgebene  Friedhof.  Auf  dem  Hofe 
des  ehemaligen  Klostergutes  (jetzt  Staatsdomäne)  zwei  große 
Scheunen  von  Eichenfachwerk  von  1582  und  1622  sehenswert. 

Wer  ein  rechtes  Stück  der  sog.  hohen  Heide  sehen 
will,  fahre  mit  der  Bahn  bis  Munster,  freundlichem  Kirch- 
dorf im  oberen  Oerzetal,  neuerdings  weithin  bekannt  durch 
seinen  Truppenübungsplatz,  und  wandere  nördlich  der  Bahn 
nach  Brei  oh  (3  km)  und  über  Alvern  (Alverdingen)  5 km 
nach  dem  Einzelhofe  Emmingen  (Besitzer  seit  ältester  Zeit 
die  Emmann),  höchst  charakteristischer  Heide-Bauernhof, 
mit  za.  1000  Heidschnucken.  1 km  entfernt  Station  Emmingen. 
Oder  aber  dem  Oerzetal  folgend  südwTärts  nach  Müden, 
von  dort  über  die  Ohöfe,  mit  den  berühmten  Kieselguhr- 
lagern,  nach  Station  Unterlüß,  mitten  im  meilenweiten 
Lüßwalde  an  der  Bahn  Hamburg — Hannover.  Oder  auch 
von  Station  Suderburg  über  Dreylingen  nach  Trauen  und 
Munster. 


- 93  - 


An  dei  Eisenbahn  nach  Hannover  liegen: 

Bienenbüttel,  in  alter  Zeit  Billungerburg  an  der  Goh- 
brücke  über  die  Ilmenau.  Der  Burgturm  aus  Granitfindlingen 
dient  als  Kirchturm.  Guter  Gasthof  bei  der  Kirche.  Sehens 
werte  Fischzuchtanstalt.  Nahebei  im  Westen  der  schöne 
Forst  Grünhagen.  2 km  südlich  Wichmannsburg,  Kirch 
doif  an  der  Ilmenau,  ebenfalls  alte  Billungerburg  (Wasserburg 
An  der  Kirche  romanische  Beste.  Altar  zu  bemerken. 

Nächste  Station  Bevensen,  freundlicher  Flecken 
an  der  Ilmenau  mit  schöner  waldreicher  Umgebung. 
Uralter  Gauhauptort  und  Archidiakonatssitz  (Bebenhusen 
St.  Johanniskirche. 

lkm  nördlich  von  Bevensen  liegt  Kloster  Medingen 
mit  schöner  Umgebung  und  Gasthäusern  zur  Sommerfrische. 
Gegründet  als  Cistercienser-Nonnenkloster  1237  in  Bohndorf; 
1241  nach  (Alt-)Medingen  versetzt  und  dotiert  von  dem  noch 
heute  blühenden  Uradelsgeschlechte  der  von  Meding: 
siedelte  1334  nach  dem  bequemer  an  der  Ilmenau  gelegenen 
Zellensen  über,  welches  von  nun  ab  Medingen  hieß.  Nach 
der  Keformation  wurde  es  weltliches  Fräuleinstift.  Die  alten 
Klostergebäude  brannten  1781  ab  und  wurden  nebst  der  als 
baufällig  abgebrochenen  Kirche  geschmackvoll  neu  erbaut 
1788.  Die  alte  gothische  Klosterbrauerei  ist  stehen  geblieben. 
An  deren  Südwand  stehen  zwei  alte  sehenswerte  Grabsteine. 
Das  heute  dem  Amtsgericht  dienende  Gebäude  erbaute  Ernst 
der  Bekenner  1541  als  Witwensitz  für  seine  Gemahlin. 
Es  trägt  an  der  Schauseite  schön  gemeißelte  Wappen  des 
Paares,  sowie  in  trefflichen  Medaillons  ihre  Bildnisse  in 
verschiedenen  Lebensaltern.  Sehenswert  ist  die  Giebelseite 
des  Klosterguts-Gebäudes,  Fach  werkbau  von  1660. 

Uelzen,  freundliche  Stadt  in  der  grünen  Ilmenau 
niederung.  Wichtiger  Straßenknotenpunkt  und  Flußübergang. 
In  alter  Zeit  Löwenwalde,  Löbenwohld  (Leuba  altd.  Wald) 
geheißen,  wurde  es  um  1250  zur  Stadt  erhoben  und  Uellessen 
benannt,  nachdem  viele  Bewohner  des  nahen  Klosters  Uelles 
husen  dahin  übersiedelt  waren.  Letzteres  hieß  fortan  Olden 
stadt.  Größtenteils  abgebrannt  1646  und  1826.  Erhalten 
sind  manche  Beste  der  Stadtmauer;  die  St.  Marienkirche, 
gothische  Hallenkirche  aus  dem  14.  Jahrhundert ; die  neuerdings 
restaurierte  Kapelle  des  St.  Spiritus-Stifts  mit  sehr  schöner 


94  - 


alter  Glasmalerei:  ein  Bürgerhaus  mit  Giebel  von  dunkel- 
glasierten  Ziegeln  aus  dem  15.  Jahrhundert,  das  Propsteigebäude 
aus  dem  16.  Jahrhundert  und  mehrere  Fachwerkbauten  mit 
geschnitzten  Balken  und  Haussprüchen.  . 

Große  Zuckerfabrik. 

Lohnend  ist  eine  Wanderung  durch  die  westlich  nahe 
der  Stadt  beginnende,  gut  gepflegte,  za.  1000  ha  grosse  Stadt- 
forst. Gasthof  zum  Fischerhofe.  2 km  von  da  zu  den 
Wiesenkalklagern,  die  in  der  Geologie  bekannt  sind  als 
Beweise  der  zweimaligen  Ueberlagerung  Norddeutschlands 
durch  ungeheure  Gletschermassen  (sog.  Eiszeit).  Der  erste 
große  Abbau  liegt  in  der  Stadtforst,  ein  anderer  in  der  Feld- 
mark Westerweyhe  dicht  an  der  Eisenbahn  und  die  älteste 
sehr  tiefe  Grube  weiter  westlich,  auch  nahe  der  Eisenbahn. 
Von  dort  gelangt  man  immerfort  durch  den  schönen  Boben- 
w^ald  in  ll/2  Stunden  nach  Ebstorf  (s.  d.) 

Oldenstadt,  3 km  nordöstlich  von  Uelzen.  Der 
Billunger  Bruno,  Bischof  von  Verden,  gründete  um  970  dort 
auf  seinem  Hofe  Uelleshusen  ein  Nonnenkloster,  welches  1135 
in  ein  Benediktiner-Mönchskloster  umgewandelt  wurde  und 
später  Oldenstadt,  antiqua  civitas,  hieß  (siehe  Uelzen).  1531 
wTard  es  aufgehoben.  Allerhand  romanische  Baureste,  sowTie 
zwrei  sehr  alte  Kirchenglocken  sind  noch  vorhanden. 

Wanderung  durch  die  Heide  in  3 — 5 Tagen.  Die 
Orte  mit  guten  Gasthäusern  zum  Uebernachten  sind  fett  ge- 
druckt. Eisenbahnstation  Unterlüss,  Lüßwald.  Einzelhöfe 
Oberohe  und  Nedderohe*  Große  Kieselguhrlager.  Müden. 
Hermannsburg*.  Bergen.  Südbostel  mit  den  7 Stein- 
häusern. (Hünenbetten.)  Fallingbostel,  landschaftlich  be- 
sonders schön.  Ueber  Soltau  nach  Bispingen  oder  über 
Wietzendorf,  Munster  nach  Bispingen.  Wilsede  und 
Wilseder  Berg.  Undeloh.  Hanstedt.  Eisenbahnstation 
Jesteburg.  Oder  umgekehrt. 

Lohnend  ist  eine  Fahrt  nach  Lauenburg.  Man  nehme 
das  Billet  womöglich  nur  bis  Hohnstorf,  da  die  Elbbrücke 
für  eine  Meile  angerechnet  wird,  ihr  riesiger  hochinteressanter 
Bau  auch  am  besten  zu  Fuß  zu  besehen  ist.  Die  Lage  von 
Hohnstorf  hinter  dem  Elbdeiche  ist  typisch  für  die  Dörfer 
der  Elbmarsch.  Rühmlich  bekanntes  Gasthaus  von  Lüchau. 
Fähre  über  die  Elbe  mit  kleinem  Petroleumdampfer.  Malerischer 


— 95  — 


Blick  auf  Lauenburg.  Unterstadt  mit  der  Elbstraße,  mit 
Marktplatz  und  sehenswerter  Kirche.  Oberstadt  mit  Schloß 
terrasse  und  rundem  Schloßturm  aus  dem  15.  Jahrhundert 
(prachtvolle  Aussicht).  Fürsten  garten.  Restaurationsgarten 

Bellevue  mit  reizender  Aussicht.  Stappenbecks  Gasthof. 
Von  Lauenburg  nach  Boizenburg,  2 Stunden  Fußwanderung, 
erst  durch  weite  Wiesenflächen,  dann  durch  schönen  Wald 
(Wirtshaus  zum  Vierkrug). 

Andere  von  Lüneburg  aus  in  einem  Tage  zu  machend«* 
Ausflüge  sind:  In  die  Vierlande,  in  das  Alteland  und  Buxtehude, 
in  das  Wendland;  wendisch  gebaute  Dörfer  Rundlinge  an 
der  Landstraße  von  Dannenberg  nach  Lüchow  sind  Tramm, 
Breese,  Jameln;  südlich  von  Lüchow  Saaze  und  Lübbow. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

Verkehrswesen 3 

Aufenthalt  4 

Geschichte  der  Stadt  Lüneburg. 

Von  W.  Görges 6 — 34 

Beschreibung  und  Rundgang. 


Von  Dr.  Sprengell.  Durchgesehen  von  W.  Reinecke  35  70 

Allgemeines,  Schulen,  Ankunft,  Gasthöfe,  Restau- 
rationen, Postamt,  Lesehalle  35—38,  Bau- 
geschichte 38—40 
Rundgang  40 — 65 

Johanniskirche  41,  Kalandshaus  43,  Sand 
44,  Saline  45,  Michaeliskirche  46—48,  Stadt- 
bibliothek 49,  Rathaus  50 — 56,  Markt  56, 
Witzendorff’schesHaus57,  Ratsapotheke58, 
Glockenhaus  60,  Propsthaus  des  Prämon- 
stratenserklosters  zum  Heiligental  60, 
v.  Sternsche  Buchdruckerei  61,  Nikolai- 
kirche 61,  Roter  Hahn  61,  Viskulenhof  61, 
Abtsmühle  und  Lünermühle  64,  Kauf- 
haus 64,  Schützenhaus  65 
Museum  65 — 68 

Kulturgeschichtliche  Sammlung  65 
Naturwissenschaftliche  Sammlung  68 
Kloster  Lüne  68 — 70 

Lüneburg  geognostisch.  Von  M.  Stümcke  »1  * ' 

Nähere  Umgebung 

Spaziergänge  und  Vergnügungsörter  80  83 

Bardowiek  83—87 


- 98  — 


Seite 

Weitere  Umgebung 88 — 95 

Scharnebeck  88,  Artlenburg  88,  Winsen  a.  d.  L.  89, 
Ramelsloh  90,  Vastorf  90,  Dahlenburg  90,  Bleckede 
90,  Göhrde  90,  Leitstade  91,  Hitzacker  91, 
Dannenberg  91,  Salzhausen  91,  Amelinghausen  91, 

Soltau  91,  Ebstorf  92,  Hohe  Heide  92,  Bienen- 
büttel 93,  Bevensen  93,  Kloster  Medingen  93, 

Uelzen  93,  Oldenstadt  94,  Wanderung  durch  die 
Heide  94,  Fahrt  nach  Lauenburg  94,  Andere  in 
einem  Tage  von  Lüneburg  aus  zu  machende 
Ausflüge  95. 


In  unmittelbarer  Nähe  des  Kalkberges 


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Gegründet  1797  ^ AlteStO  p Gegründet  1797 

Bßch-,  Kunst-  u.  Musikalienhandlung 

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Deutsch,  engl,  und  franz. 

Leihbibliothek  und  Journalzirkel  ' 
Musikalien 

Bedeutende  Auswahl  in 

bilden.,  Geaaaalde» 

Zwei  ständige  aparte  Kunsträume 

Gr.  Bäckerstr.  1 1 Lüneburg  Gr.  Bäckerstr.  1 1 

beendet  fid)  am  Stmttnarbt  16 


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Die  pbotograpbifdben  Aufnahmen  für  den  üetein  zur 
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