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CAUFORNIA
SAN DIEGO
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GALLÜS
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RÖMISCHE SCENEN.
ZWEITER THEIL.
GALLI 8
RÖMISCHE SCENEN
DER ZEIT AÜCtUSTS.
ZUR GEXArEREN KENNTNISS
DES RÖMISCHExN PRIVATLEBENS
WILH. ADOLPH BECKER,
Prul'. a. d. [' . Lc-ipzig.
Dritte berichtiste und abermals sehr vermehrte Ausgabe
Prof. Ur. Wilh. Rein.
Zweiter Theil.
Mit 9 eing.:druckteu Holzschnitten.
LEIPZIG,
FRIEDÜICH FLEISCHER.
186:^..
Galliis et Hesperiis et Gallus noius Eois
Et aua cum Gallo nota Lycoris erit.
OVID.
INHALT DES ZWEITEN THEILS.
EXCÜRSE ZUR I. SCENE.
Seite
Die römische Familie 1 — 170
1. Excurs. Die Frauen oder von der römischen Ehe 4 — 56
2. - Die Kinder und Erziehung 57 — 98
3. - Die Sklaven 99 — 154
4. - Die Verwandten , Freunde und dienten . 155 — 170
EXCÜESE ZUR II. SCENE.
Das römische Haus 171 — 362
1. Excurs. Die bauliche Einrichtung 171 — 271
2. - Das Yerschliessen der Thüren 272 — 281
3. - Das Hausgeräthe 282 — .336
4. - Die Beleuchtung ;:37— 350
5. - Die Uhren 351—362
EXCURSE ZUR HI. SCENE.
Studien und Briefe 363—396
1. Excurs. Die Bibliotliek 363—368
2. - Die Bücher 369—384
3. - Die Bücherverkäufer 385—391
4. - Der Brief 392—396
EXCURSE ZUR ERSTEN SCENE. )
DIE EOMISCHE FAMILIE.
Der Xame Familie, dessen Zusammeuliang mit dem
oscischen Famd, Famul unzweifelhaft ist (s. Paul. Diac. h.
V. p. 87 M.), bedeutet im weitesten Sinn alles dasjenige, Avas
eine selbständige Persun jirivatrecbtlicli ni potrsfate hat oder
was derselben xniterwDrfcn ist, sowohl Menschen (freie oder
unfreie) als Vermögensstücke , z. B. in der alten Gesetzes-
foniicl: familia ad aedem Cereris — venuvi Iret. bei Liv. III,
55. nnd XLV, 40., etymologisch vielleicht Alles zu einem
„Hause'- Gehörige s. Eossbach, die römische Ehe, S. 14 f.
Im engern Sinne aber bezeichnet Familia 1) die Gesammt-
heit der häuslichen Gesellschaft, der Freien und Sklaven,
an deren Spitze ein pater familias steht; z. B. in der mehr-
mals vorktnnmeuden alten Gesetzesformel: familia et peciaiia
(die Person im Gegensatz zu demVermögen), Fest. v. sacratae
leges p. 318 I\[. Cif. de inv. II, ÖO. ; 2) die durch gemein-
schaftliche Al)stammung verbundeneu Freien, d. h. entwedei-
alle luiter einem pater familias stehenden freien Personen
(Paul. Diac. p. 8G M.) oder in Aveiterem Umfange alle Glieder
eines grösseren Familienkreises, welche zwar einen gemein -
*) [Fii den E.\cur.seii zur ersten Scene w.ir os iinmöglitli, ilie Zusätze
des Herausgebers abzusondern, da diese den grösseren 'l'lieil ausmiiclien.
In den fol^^onden Soenen tritt wieder eine .sorgfältige Trennung der Zu-
sätze durcli eckige Khunnicrii ein, wie in dem ersten Tlieile.]
Bk<;kk.ii. (ialliiN. :t. Aiill. \\. |
2 E X e 11 r s e
Hamen Alialierni haben und desshalb einen Namen tragen,
aber nicht einem pater familias unterworfen sind (also s. v. a.
Agnaten, welche die Unterabtheilung einer gens bilden), ja
sogar in noch weiterer Ausdehnung alle Glieder einer gens,
z. B. Liv. I, 7. II, 49. IX, 33. wo die Potitii und Fabii mit
dem Famen familia bezeichnet werden; 3) bedeutet familia
die zu einem Hause gehörenden Sklaven, s. im dritten Excurs;
4) die dazu gehörenden Vermögensstücke , namentlich das
Vermögen Verstorbener, z. B. in der Formel: familiae herci-
scundae. (Erbtheilung) oder agnatus familiam liaheto. Liv. II,
41. Ter. Heaut. V, 1, 36. u. s. w. Ulp. Dig. L, IG, 195, § 1.
{familiae appellatio) varie accepta est; nam et in res et in prr-
sonas diducitur. — Ad jjersonas aiäem refertur familiae signi-
ficatio ita, cum de j^cdrojio et Uherto loquitivr lex: ex ea familia
etc. — § 2. Fam. appell. refertur et ad coiyoris ciüiisdam signi-
ficationem ^ quod aiit iure proprio iijsorum^ aid communi uni-
versae cognationis co7itinetur etc. S. Pauly, Healencyklop. III,
S. 419 f.
Jeder Fi-eie, der nicht in eines Anderen jjotestas ist und
seinen eigenen Hausstand hat, wird als pater familias betrachtet,
er mag wirklich Vater sein oder nicht. Ulp. Dig. L, IG, 195,
§. 2. Pater fam. appellatur, qid in domo dominium habet (\'gl.
Sen. ep. 47.) recteque hoc nomine appellatur , quamvis filiuin
non hahecd; 7ion enim solam personam eius^ sed et ius demon-
stramus. Denique et pupillum jjatrem appellamus. Et cum
pater fam. moritur, quotquot capita ei subiecta fuerimt^ singidas
familias incipiunt habere, singuli enim patrum familiarum nomen
subeiint etc. So wurden also die Söhne, wenn sie auch ver-
heirathet waren und selbst Kinder hatten, erst dann patres
fam., wenn sie der patria potestas ledig wurden , was mit dem
Tode des Vaters geschah, oder in dem besonderen Falle, dass
der Sohn die Würde eines flamen dialis erhielt (wie die
Tochter die einer virgo Vestalis); oder endlich durch die
Emancipation unter der Form des dreimaligen Verkaufs und
der Freilassung.
Nimmt man nun zu diesen nächsten Familiengliedern,
zur ersten Seen e. 3
als Kindern und Enkeln, die Zahl der Sklaven und endlich
der Clienten hinzu, so stellt sich eine solche römische Familie
als ein kleiner für sich abgeschlossener Staat dar, in welchem '
der pater fam. wie ein Mcjuarch mit patriarchalischem Ansehen
herrschte. So schildert das Haus des Appius Caecus Cic. de
sen. 11. duatuor robustos filios^ quinqiie ßlias, tantam doiman^
tantas cUentelas Appius regebat et senex et caecus. — tenebat
non modo aiictoritatem , sed etiam hniiei^ium in siios ; metuebant
servi, verebantur liberi, carum omnes Itubebant; vigebat illa in
domo patrius mos et discipliuct. — Die weitere Stellung des
Mannes im Hause ergieht sich aus der Erörterung der gegen-
seitigen Verhältnisse , in welchen die verschiedenen Glieder
der Familie zu einander standen. Die Frau hat der pater fam.
in seiner manus, die Kinder und Sklaven in seiner pote.stas,
Freie unter gewissen Umständen (durch noxae datio) im
mancipium.
Auch Avar der Hausvater in religiöser Beziehung Ver-
treter des ihm angehöi-endcu Kreises und verrichtete die häus-
liclicu Opfer bei Familienfesten, ländlichen Feierlichkeiten
iiiid dcrgl. Cato r. r. 143. seito dominum pro tota fumilia
rem diinnam facere. Ok. p. domo 41. S. Kossbach, a. a. O.
S. 11 ff., Herzoö, Beitrag zur Frage ülier die Familienrecht-
liche Grundlage des röm. Staatsrechts im Mus. für Phil. Bonn
1859, XIV, S. 3 ff. und überliaupl LAXdi;, röm. Altertii. 1,
S. 83 ff. — Zunächst handeln wir von den Frauen, sodann
\(tu dt'U Kindern, daraui' von den Sklaven und zuletzt von
(h'ii ( 'licutcn.
ERSTER EXCURS.
DIE FRAUEN ODER VON DER RÖMISCHEN EHE.
Während wir in den meisten griechischen Staaten und
namentlich in Athen die Frauen, d. h. das ganze weibliche Ge-
schlecht in geringer Achtung und in lebenslänglicher Unmün-
digkeit sehen, in die Gynäkonitis verwiesen , vom öffentlichen
Leben und allem Umgange mit Männern wie von deren Ver-
gnügungen ausgeschlossen , finden wir in Kom gerade das
Gegentheil. Ist auch das Weib, wie natürlich, dem Manne
untergeordnet, so begegnet man ihr doch, nicht wie in Grie-
chenland mit jener rücksichtsvollen Scheu, die nur dem Rechte
des Mannes gilt, sondern mit offener Achtung und Ehrerbie-
tung. Stets erscheint die römische Hausfrau als Vorsteherin
des gesammtcn Hauswesens , als Erzieherin der Kinder und
Bewahrerin der Ehre des Hauses, in gleicher Achtung mit
dem pater fiimilias in und ausser dem Hause. Plut. Rom. 20.
'AlXa fif'rroi ttoDm raiL; yvrat^ir ei\; rtiujv ant^my-ar, cöv yMi ravia
t'OTir' f^t'araaOai iilv o^ov ^aSiI^ovaai^ etc. Vom öffentlichen
Leben bleiben sie zwar in der Regel fern, denn die Sitte hielt
sie zurück, doch ist ihnen das Auftreten und Zeugen vor Ge-
richt nicht versagt. Der Fall, dass sie selbst als Klägerinnen
oder Beklagte vor Gericht aufgetreten wären, kam vor den
Zeiten der sinkenden Republik höchst selten vor (obgleich es
nicht gesetzlich verboten war, wie sich auch aus Plut. comp.
Num. c. Lyc. 3 ergiebt); denn die Beispiele, welche Val. Max.
Vni, 3. Cic. Brut. 58. QuiNCT. inst. I, 1,6. geben, gehören
Erster Excurs. Die Frauen. 5
der spätem Zeit an, uucl was Val. Max. III, 8, 6. von Sem-
pronia erzählt, ist ganz anderer Art. Ursprünglich hatten die
Frauen sogar das Eceht, für Andere klagend aufzutreten {ijro
aliis postulare), wenn sie auch höchst selten davon Gebrauch
machten , bis es später durch das prätorische Edikt verboten
Avurde, weil Afrania einen unverschämten Gebrauch von dieser
Erlaubniss gemacht hatte [inverecimde postulans et magistra-
tum inqidetajis), Val. Max. VH!, 3, 2. Ulp. Dig. HI, 1, 1, § 5.
Dagegen erscheinen sie häufig und zu allen Zeiten vor Ge-
richt als Zeugen oder bittend für ihre Verwandten. Wenn
Cic. Ven-. I, 37. sagt: cur {coyis) sodalis uxorem^ sodalis so-
ci'um, domum dcnique totam sodalis inortui contra te testimonium
dtcere? cur pudentisshnas hctissimasque feminas in tantum viro-
rum conventum insolitas invitasque prodire cogis ? so liegt darin
keineswegs, dass hier nur eine Ausnahme Statt finde; auch
bei uns werden Frauen immer ungern vor Gericht erscheinen.
S. noch Asc. zu Cic. p. Mil. p. 41 Or. Suet. Caes. 74. Claud.
40. Tac. Ann. EEI, 49. Paull. D. XXII, 5, 18. Ulp. Dig.
XXVIII, 1, 20, § 6. Wir finden sogar Vestalinnen anwesend,
um sich für die Ihrigen zu verwenden oder Zeugnis« abzu-
legen, z. B. Cic. p. Font. 17. Tendit ad vos virgo Vest<dis ina-
iius supp/ices etc. und von Tac. wird als Beweis des Hoch-
muths dor Urgulania angeführt, dass sie nicht als Zeugin er-
scheinen wollte: Ann. 11, 34. Caeterum Urgidaniae potentia
adi',0 niviia civitati erat^ ut testis in causa quadain , quae apud
senatum tractnbatur^ venire dcdignurctur. missus est praetor, qui
(loiiii interrogaret, cum virgines Vestales inforo et iudicio aiidiri,
quoties testimonium dicerent, vetus mos fuerit. Wenn es nach
dem der Vestalin Tarratia durch die lex Iloratia verliehenen
Privilegium der Testabilität scheinen könnte (Plix. li. n.
XXXIV, 6. Gell. VI, 7. Plut. Popl. 8., s. Pauly, Kealenc.
IV, 8. 071.), als ob die Frauen dieses Kechts ermangelt hät-
ten, so ist zu bedenken , dass Zeugnissfähigkeit hier in einem
weiteren Sinn zu verstehen ist, in welchem auch das IManci-
jcitionszeugniss mit darin liegt. S. Dirksen, Beiträgi' z. Kunde
d. röin. Rechts, S. 235—247. Kein, lt. Privatr. S. 152—150.
ß Erster Ex cixrs.
Das Ausgehen aus dem Hause war nur durch Anstand
und Sitte, nicht durch Gesetze oder den eifersfichtigen Willen
des Mannes beschränkt; an öffentlichen Schauspielen nahmen
die Frauen nicht weniger Theil als die Männer und mit diesen
stellten sie sich zum festlichen Mahle ein. Von der Licenz der
späteren Zeit ganz abgesehen, linden wir darin völlige Frei-
heit auch in den Zeiten der Republik. Cic. p. Cacl. 8. est
enim dictum ab Ulis fore qul dicerent, uxores suas a coena
redeuntes attrectalas esse a Caelio. Val. Max. III, 1, 2. Einen
interessanten Zug aus dem Leben des Q. Cicero erzählt Cic.
ad Att. V, 1. jyfctndimus in Arcano. nosti hunc fundum. quo iit
venimiis, hiimanissime Qui7itus, Pomponia, inquit, tu invita niu-
lieres, ego accivero pueros. — Ät illa audieidihus nobis, ego suvi,
inquit, hie hosjjita. id autem ex eo , lä opinor , quod antccesserat
Statins, ut prandium nobis videret. tum Quintus, ett, inquit mihi^
haec ego patior quotidie. Dices, quid quaeso istuc erat? magnum:
itaque me ipsum coiiimoverat , sie absurde et aspere verbis vultu-
que responderat. dissimulavi dolens. Discubuiinus omnes praeter
illam, Chi tarnen duintus de mensa misit, illa reiccit. Sogar die
Vestalinnen nahmen an Gastmählern der Männer Antheil,
Macrüb. Sat. II, 8. Auch auf alten Abbildungen findet man
die Frauen neben den Männern bei Tisch, Zoeöa, bassiril.
Tom. I. n. 36. p. 166 ff.
Im eigenen Hause war die Frau nicht auf bestimmte ab-
gesonderte Gemächer beschränkt, sondern ihr eigentlicher
Aufenthalt ist wenigstens in älterer Zeit in dem wichtigsten
Theile des Hauses, dem Atrium. Bekannt ist Corn. j>raef.
Qjuem enim Itomanorum pudet iixorem ducere in convivium aut
cuius mater-familias non p)rinnnn locum tenet aedium atque in
celebritate versatur? Hier lag sie in der Mitte ihrer Sklavinnen
den weiblichen Arbeiten ob; hier stand vor Alters das Avirk-
liche, später das symbolische Brautbrett, lectus genialis oder
adversus, der ihr eigentlich gebührende Ehrenplatz. So finden
wir es noch in Cicero's Zeit im Hause des M. Aemilius Lepi-
dus, der als Interrex von den Clodianern insultirt wurde. Asc.
z. Cic. p. Mil. 5. deinde omni vi ianua expugnata et imagines
Die Flaue u. 7
maiorum deieceriuit et lectidiim advcvsian vxoris eins Conieliae
— fregerunt^ itemqiie telas^ quae ex vetere more in atrio texe-
bantur, diruerunt. So schildert auch Liv. I, 57. die Lucretia:
nocte sera deditam lanae inter lucuhrantes ancillas m medio
aediuv'i (s. v. a. atrio) sedentem inveriiunt. und so erscheint in
einem Fragment aus den Compitalibus des Laberius bei Gell.
XVI, 9 die materfam. sitzend auf diesem lectus: materfamilias
tua ih lecto adversn sedet. S. noch Arnob. adv. g. II, 67. lieber
die Stellung der Frauen überhaujjt schrieben: E. Spangen-
BERG, bist. fem. iur. Eom. Gotting. 1806. G. Dorn-Seipfen,
ins femin. apud Kom. Trai. ad Eh. 1818. E. Laboulaye, re-
cherches sur la condition civile et politique des femmes depuis
les Romains jusqu'ä nos jours. Paris 1843.
Dass die Römerinnen sehr früh sich verheiratheten, wird
durch die in dem südlichen Klima früher eintretende Pubertät
erklärt. Frauen, die in dem 11. 12. u. 13. Jahre gestorben
waren, finden wir bei Orelli-Henzen, nr. 2653. 2655 f. 6190.
Das zurückgelegte 12. Jahr galt stets als Termin der weib-
lichen Reife, Fest. v. pubes p. 250 M. Tertull. de Virg. vel.
IJ. Dio Cass. liv, 16.
AVas das eheliche Verhältniss und die Treue anlangt, so
darf man für die ältere Zeit sicher annehmen, dass Ausschwei-
fungen auf beiden Seiten wenig vorkamen. Erst mit dem Be-
ginne des Sittenverfalls sehtm wir aucli in diesem Verhältniss
grosse Veränderungen vorgehen und Männer und Frauen in
üppigem Lcbensgenuss sicli überbieten. Sen. ep. 95. Die
frühere Schaamhaftigkeit und Keuschheit der Frauen wurde
immer seltener, während der Luxus und die A'ersclnvendung
immer liölicr stieg und von vielen Frauen Hess sich sagen,
was Clitijdio über seine Bacchis klagt, Ter. Ilcaut. II, 1, 15.
Measl petax procax magnijica sumj^tuo.sa nobilis.
Viele römische Damen hatten, um sich für die Vernachlässi-
gung ihrer Gatten schadlos zu halten, ihre C'icisbeen, die auch
wohl unter dem Vorwande, der procurator der Dame zu sein,
sie allenthalben begleiteten. S. Mart. V, 61. XII, 38. und
wie viele Beispiele Hessen sich sonst noch aus römischen
8 Erster Exciirs.
Dichtern jviifüliicu! Man denke nur an Hör. epocl. 8. 12. Die
natürliche Folge davon war die immer mehr zunehmende
Ehelosigkeit der Männer und der grösste Leichtsinn in den
Scheidungen der Ehe , s. unten bei den Scheidungen und der
Ehelosigkeit.
Trotz dieser freieren Stellung des weiblichen Geschlechts
hatte die römische Ehe in Bezug auf die Frau anscheinend
sehr strenge Formen, die indessen leicht in milderem Lichte
sich zeigen, wenn man die potestas des jiaterfamilias im rich-
tigen Sinne fasst. Man unterschied überhaupt ein matrhnoniuin
iustum (aixch legitbnum) und iniustum. Das erstere (histac
nuptiae bei Cic. de rep. V, 4. Gai. Inst. I, 55.) fand nur
Statt, wenn beiden Theilen das connubium zustand, d. h. die
auf beiden Seiten gleiche Berechtigung eine nach römischem
Rechte gültige Ehe zu schliessen. Li alter Zeit gehörte dazu
Standesglcichheit, wesshalb Patricier nur unter sich und eben-
so Plebejer nur aus ihrer Mitte heiratheten. Als aber durch
die lex Canuleia 309 d. St. %^4:5 v. Chr. den Plebejern das
Connubium mit den Patriciern gegeben war, blieb nur noch
das Erforderniss der Civität (mit einigen später gemachten
gesetzlichen Ausnahmen, z. B. in Bezug auf die Senatoren
ixnd deren Kinder, welche sich nicht mit Freigelassenen ver-
heirathen durften u. s. w.) s. Pauly, Eealencykl. II, S. 590 fg.
— Das matrimonium iniustum hingegen {uxor iniusta bei Ulf.
Dig. XL VIII, 5, lo, § 1.), wobei dem einen Theile das con-
nubium fehlte, z. B. die Ehe zwischen I^atriciern und Plebejern
vor der lex Canuleia und zAvischeu Kömern und Peregrinen,
war zwar von der moralischen Seite eine eben so gültige und
anständige Ehe, aber sie galt nur iure gentium und ermangelte
daher der wichtigen civilrechtlichen Folgen der patria po-
testas, manus u. s. w. — Uebrigens stand wirkliche Ehe mit
dem Eechte Kinder zu haben- überhaupt nur Freien zu , wäh-
rend der Sklave in einem contubernium leben konnte, s. im
3. Excurs.
Von der römischen Ehe, zumal aus dem civilrechtlichen
Gesichtspunkte betrachtet, ist viel und gründlich gehandelt
D i e Fijiuei). 9
worden. In Creuzer.s Abriss d. röni. Autiq. S. 82. und in
Pauly's ßealencyklop. IV, S. 1653 fg. ist die Literatur vcdl-
btändig angeführt. Hervorzuheben sind: Grupex, de uxore
Eom. Ilannov. 1727. Zimmerx, Rechtsgesch. I, S. 531 — 654.
833 — 842. Birnbaums Zuscätze zu Creuzers Abriss der röm.
Alterth. S. 482 ff. Tafel, Conimentatio de divortiis ap. Rom.I.
De variis nuptiarum generibus ap. Rom. 1832. Eggers, über
(las "Wesen u. die Eigenthüml. der alt-römischen Ehe mit
manus. Alt. 1833. Göttlixg, röm. Staatsverf. Halle 1840.
S. 82 ff. Rein, das römische Privatrecht. Leipz. 1858. S. 174.
368—468. Lange, röm. Alterthümer. I, S. 88— 100. Eine
neue Aera für diese Lehre begann mit Rossbach, Unter-
suchungen über die röm. Ehe. Stuttgart 1853. — Hier kommt
es hauptsächlich darauf au, die durch die Form der Ehe be-
dingten Verhältnisse im häuslichen Leben, die Stellung der
verschiedeneu Personen unter einander hervorzuheben, wäh-
rend die Untersuchung über die civilrechtlichen Bedingungen
und Folgen ausgeschlossen bleibt.
Das matrimoniuin histimi konnte doppelter Art sein
(QuiNCT. V, 10, 62. diiae funnae sunt 7natrhnoinoiuvi)^ mit
cunventio in maman und ohne dieselbe. Durch die strengere
Form der Ehe kam die Frau in rnanum viri {in manu esse, in
inanum convenisse , alieno iuri siibiectum esse, s. Liv. XXXIA^,
2. u. Brisson. de verb. sign. v. manus), d. h. sie trat aus ihrer
Familie ganz heraus {familia mutatuv durch capitis deminutio
minima, Ulp. XI, 13.) und ging in des Gatten Familie über,
wo sie in ein der filia ähnliches Verhältniss trat, und der
Mann erlangte über sie eine Art patria potestas, die Liv.
XXXIV, 7. selbst servitus muliebris nennt. Ter. Andr.I, 5,60. ,
Te itsti virum du, auiicum , tutorem, patrcm. — Wie der allge-
meinere Ausdruck potestas im engeren Sinne auch von der
patria potestas und von der servitus gilt, so der symbolische
Ausdruck manus im engeren Sinne von der Gewalt, die dem
Gatten in strenger Ehe über seine Frau zustand. Doch wird
potestas auch von der manus gebraucht, bei Tag. Ann. IV, 16.
in j^otestute viri. und Serv. z. Virg. Aen. IV, 103. cucmptione
10 Erster Exciirs.
facta rimlier in potestateni viri cedit. Umgekehrt wird mamts
im weiteren Sinne statt potestas gesagt von Gell. XVIII, 6.
Serv. zu Virg. Aen. XI, 476. ebenso überhaupt von Besitz,
Plaut. Merc. II, 3, 117. und von Tutel, Liv. XXXI V, 2.
Gleichwohl sind potestas und manus genau zu unterscheiden,
Gai. I, 109. und wie der mancipio datus nur servi loco ist,
nicht servus, so auch die Frau nur filiae loco, Gai. I, 111.
Das aus der potestas entspi-ingende Eichter- und Strafamt
hatte der Mann nicht bloss in den Ehen mit manus, sondern
in jeder Ehe, also ist dieses Recht nicht ein Ausfluss der
manus. Hase , de manu iur. Rom. antiq. Hai. 1847. p. 54 ff.
Pauly, Realencykl. V. S. 1239 f. Doch war der Mann hier-
bei durch das uralte Eamiliengericht beschrcänkt, indem er
nicht ohne seine und seiner Frau Cognaten entscheiden
konnte. Wahrscheinlich Avaren bei Ehe mit manus die Co-
gnaten des Gatten, bei Ehe ohne manus die der Gattin vor-
züglich nothwendig (da sie in der Gewalt ihres Vaters geblie-
ben war). DiONYS. II, 25, ol avyyereiii ftsra rov di'dQug b'Öi'-AU^Of.
Tac. Ann. XIII, 32. is (Plautius) prisco imtituto propiuqiiis
coram de capite famaque coniugis cognovit. Gell. X, 23. Suet.
Tib. 35. Val. Max. II, 9, 2. Einseitig durfte der Mann nie
entscheiden, ausser wenn er seine Frau im Ehebruch ertappte,
wo er die Schuldige tödten durfte. Gell. X, 23. Pirmez, de
mariti tori violati vindice. Lovan. 1822. Ueber das Familien-
gericht handeln MtJNTER, de domestico famil. iudicio ap. Rom.
Lugd. B. 1768. Klbnze, in Zeitschr. f. gesch. RechtsAviss. VI,
S. 21 — 32. Geib, röm. Criminalprozess, S. 82- — 96. Rein,
Rom. Privatr. S. 414 ff. u. die oben cit. Hase u. Pauly. —
Dass die Frau mancipio gegeben werden durfte, z. B. um
einen von ihr verursachten Schaden durch Arbeit zu ersetzen
{noxae dare) ist für die älteste Zeit anzunehmen, s. Pauly,
Realencykl. IV, S. 1508 fg.
Der Unterschied der Ehe mit und ohne manus ist von
Waechter, Ehescheidungen bei den Röm. Stuttgart 1822.
S. 44 ff. auf die beiden Stände der Patricier itnd Plebejer zu-
rückgeführt worden, so dass die Patricier allein Ehe mit
Die Frauen. IX
niaiiiis, die Plebejer aber ohne maims geliabt liätteu , bis erst
nach und nach die manus auch auf die plebejisclien Ehen
übergegangen wäre. Manche Gelehrte folgten dieser Hypo-
these und zuletzt noch Hase, de manu iur. Kom. antiq. S. llfF. ;
allein es ist undenkbar , dass Abweichungen bei einem so tief
im Volksleben wurzelnden Institut, auf einer Rang- und
Standes-, und nicht vielmehr auf völliger Stammverschieden-
heit beruhen, da unmöglich ein und dasselbe Volk ursprüng-
lich zwei so ganz heterogene Anschauungen über die Ehe ge-
habt haben kann. Plebejer und Patrizier Avaren aber nicht
verschiedenen Stammes — Avenigstens nicht die latinischen
und sabinischen Mitglieder beider Stände, — sondern ver-
schiedenen liangs und verschiedener politischer Berechtigung.
Im Familienrecht standen sie sich gleich und die Ehe mit
manus war ebenso ein ür- und Fundamentalreclit aller Kömi-
schen Bürger Avie die patria potestas. S. die Kec. über Hase
de manu in Zeitschrift für AlterthumsAvissenschaft, 1847.,
Bluxtschli, s. unten und Keix, röm. Privatr. S. 378.
Die Ehe mit manus Avar ursjirünglich die einzige, bis
sich die manus alliiiälig a'ou der Ehe trennte und zu einein
selbständigen l\echt gestaltete. Aus dieser Zeit rühren die
uns erhaltenen Notizen her, Avelche berichten, dass zur Einge-
hung der Ehe mit manus besondere Formalitäten erforderlich
waren, die bei der Ehe ohne uiaiius nicht vorkamen. Es
konnte nemlich eine gültige Ehe durch den conseut^us beider
Theile, d. h. durch das mit beiderseitiger EinAvilligung er-
folgte Zusammenleben derselben ad individuovi vitae consuetu-
dinem und liberürum quaerendorum causa geschlossen Averden,
ohne dass eine eigentliche Hochzeitfeier nach Solennitäten
überhaupt vorgeschrieben waren. Quinct. deck 247. F'mga-
mus enim, nuptias quidem fcciase nullas, coisse autem liberoi'um
quaerendorum gratia, non tarnen uxor non erit, quamvis nuptiis
non sit collocala. Cod. V, 4, 22. Sollte aber manus bcAvirkt
werden, so mussten zu dem couseusus der Gatten besondere
Formalitäten hinzutreten, Avelche entweder damit verbunden
wurden odci' spätt'r hinzukamen. Diese Formen, m elclie je-
] 2 E r s t u !■ E X c u r s
doch sehr verschieden waren, heissen co/ifarrcadu, coeviptio
und usus, Gai. I, 109. 110. Olun itaque tribus modis hi ma-
uuin convcniehant: usu, farreo, coemptione. Serv. zu Virg.
Georg. I, 31. BoETH. comm. Top. II. p. 299. Or. Arxou. adv.
g. rV, 20. Die erste Form ruhte auf" religiösem Grunde, die
beiden andern auf civilrechtlichem, jedocli in verschiedener
Weise, indem bei der coömptio ein Vertrag, bei dem usus eine
Art Verjährung die Frau in manum mariti brachte. Bei der
ersten Form fielen Ehe und mauus zusammen, d. h. in einem
und demselben Akte war zugleich Eingehung der Ehe und
der manns enthalten; in der ältesten Zeit Avar dieses auch bei
coemptio der Fall , so lange es keine Ehe ohne manus gab,
aber nach Aufkommen der Ehe ohne manus entstand durch
coemptio nicht Ehe, sondern nur manus (ja sie wurde bis-
weilen zur Bewirkung der manus ohne Ehe angewandt), so
dass hier die Vereinigung zur Ehe entweder unmittelbar vor-
ausgehen oder sogleich nachfolgen musste. Ebenso sind bei
usus beide Akte getrennt , wie sich von selbst versteht. Dass
aber durch die confarreatio Ehe und manus zusammen ent-
standen, ergiebt sich axis den unten mitgetheilten Zeugnissen
der Schriftsteller, Avelche in der confarreatio eine Form theils
zur Erlangung der manus (so Gaius) , theils zur Schliessung
der Ehe erkennen (Dionys. Plin. Servius), je nachdem sie
diese Ceremonie von dem juristischen oder antiquarischen
Standpunkt aus betrachten. Vermöge ihres sacranientalen
Charakters {kQoi yd[A.oi) beAvirkte die confarreatio eine unver-
letzliche, heilige und strenge Verbindung. Diese innige Ge-
meinschaft beider Gatten in irdischer und sacraler Beziehung
war aber nur durch den Uebergang der Gattin in die Familie
des Mannes möglich und darin eben bestand die manus. Auch
die Scheidungsformen zeigen die Kichtigkeit dieser Annahme ;
denn diftarrcatio war Avirkliche Ehescheidung und zugleich
Auflösung der manus , remancipatio aber hob in späterer Zeit
nur die manus auf, nicht die Ehe, s. unten bei Ehescheidung.
Was nun den Ursprung dieser drei A^erschiedenen Formen
betrifft , so Avar die confarreatio Aveder sabinischen, noch, wie
Die Frau en. 13
man gewöhnlich glaubte, etruskischen Ursprungs (über die
früheren Ansichten s. Pauly, Kealencykl. IV, S. 1649. Rein,
röm. Privatrecht S. 376). Rossbach, S. 162 — 197 hat dieses
auf das überzeugendste dargethan und bewiesen, dass die ver-
schiedenen Formen nicht auf der Stammverschiedenheit be-
ruhten, sondern dass alle indogermanischen Völker die Ehe
durch Kauf und religiöse Gebräuche eingingen, denn die Ehe-
schliessung gehört mit zu den Hauptakteu im Leben, die die
Aufforderung enthalten, sich an die mächtigen Götter zu
Avenden. Diese beiden Elemente, welche in der Urzeit ver-
bunden waren, haben sich in Rom frühzeitig getrennt und so
schied sich confarrcatio als die religiöse Eingehung ohne Kauf
(wenn auch mit Aussprechung gewisser bindender Formeln
und nicht ganz ohne ein civilrechtliches Moment, wie Ross-
p.Acii S. 144 will) von der coemptio, bei der von dem alten
Kauf nichts übrig geblieben war, als die symbolische Form,
RossBACii, S. 2)59 — 252. Die erste Form wird gcwfihulicli
als die älteste Form der römischen Ehe betrachtet. Dioxvs.
II, 25. sagt: i-AuKovr ^t 7(w^ lenov^' oi naXatoi ydfiijv^' 'P(oiia'r/.>j
TTQogtjyOQi'a nfiuXafv^iävovii-g rpa()öä>iia , mi lij^ y.oncoii'us' tov
ffanöh^ '() y.ahwuf^r >mfu' ^tar, eine Erklärung, die sich auf das
angeblich sclion von Romulus gegebene Gesetz bezieht: yvrur/jc
yajiarijv y.nra ro/iüvg lunovg avve)J)ovaar dtÖni •/.iuimvw ('(.närrMv
Hvai ■/oi^iiÜTCot' re xai leodw. Damit ist jedoch nicht gesagt,
dass die confarreirten Ehen ursprünglich die einzigen gewesen
seien, sondern das Gesetz spricht vorzugsweise nur dieser con-
farreirten Ehe die communio bonorum et sacrorum zu. Als
eine zweite Form bestellt neben der confarrcatio die C()('ni])tio,
welche ursprünglich einen wirklichen Kauf der Gattin diueh
den Mann entliiclt. Audi liat schon früh eine freiere Elie
existirt, welche vermutlilich durch die Etrusker (da dieses
überhaupt isolirt stcdiende Volk in Sprache und Sitte von den
andern italienischen Stämmen wesentlich abwich) nach Rom
kam oder aus den Peregrinen- und ( 'lientenelien hervorging.
Für solche Elien wurde später der civilreciitliche usus einge-
führt, um dieselben von den streuiren Foli-cu der riiniischen
14 Erster Excurs.
Ehe nicht ganz auszuschliossen. Dass aber schon in der älte-
sten Zeit andere Formen ausser der confarreatio vorhanden
waren, dafür scheint auch die Sage von dem Kaub der Sabi-
nerinnen zu sprechen; denn diese Ehen können kaum sämmt-
lich als confarreirte gedacht werden. Von dieser Verschieden-
heit hatte DiONYS. eine Atmung, indem er 11, 30. sagt, die
Heirathen mit den Geraubten seien x«t« tovs natQi'ovg iy.dortjg
t{yiGjU)vg geschlossen worden. — Man hat gegen das Alter der
conftirreatio (unter Eomulus) angeführt, dass sie durch den
Pontifex maximus vollzogen wurde und das Institut der Ponti-
fices erst durch Numa eingesetzt sei ; Bluxtschli im Schweiz.
Mus. f. hist. Wiss. I, S. 268 fg. Nun stinnnt allerdings das
ganze religiös-mytische Ceremoniel mehr mit den Satzungen
Numa's überein (wenn wir diesen eigentlich der Mythe ange-
hörenden Unterschied zwischen den Satzungen des Romnlus
und des Numa für historisch halten wollen) ; allein jedenfarlls
bestand schon vorher eine Form der Ehe auf religiöser Basis
und erhielt vielleicht durch Xuma nur eine liclhere Weihe.
Die confarreatio war stets ein Eigenthum des patricischen
Stammes und konnte auch nachdem die lex Canuhüa den Ple-
bejern connubium mit den Patriciern gegeben hatte, weder
bei den gemischten Ehen noch bei den plebejischen ange-
wendet werden. So erklärt sich am natürlichsten eine Stelle
aus Cic. p. Flacco 34. 0 peritum iuris Jiominem! didd? ab
ingenuis muUeribus liereditates lege non veniunt? In manum,
iiiquit, convenerat. Nunc audio^ sed quaero, usu an coenitinnef
Weil Cicero die dritte Weise, wie die Frau in manum kommen
konnte, die confarreatio nicht nennt, haben Manche daraus
schliessen wollen, dass diese gar keine besondere Form der
Ehe, sondern nur eine religiöse Ceremonie gewesen, die zu
dem civilrechtlichen Akt der coemptio hinzugekommen sei.
Eine solche Annahme ist schon darum unnöthig, weil über
eine geschehene confarreatio, die nach Serv. z. Virg. Georg.
I, 31. durch den Pontifex max. und Flamen Dialis vollzogen
wurde, überhaupt ein Zweifel nicht vorkam. Cicero konnte
aber die confarreatio desshalb nicht anführen, weil der Gatte
Die Fr a HP n. 15
der Valeria, die Flaccus beerbt liatte, plebejischer Herkunft
war. Will man dieses nicht annehmen, so muss man den
Grund der Uebergehung der conftirreatio darin suchen, dass
dieselbe schon zu Cicero's Zeit im gewöhnlichen Leben ganz
ausser Gebrauch gekommen und nur auf gewisse Priestei'ehen
beschränkt war. — Die ganze Ceremonie der confarreati(j,
die genau mit dem ins auspiciorum und den sacris gentiliciis
zusammenhing, passte nicht auf eine plebejische oder ge-
mischte Ehe, und in den XII Tafeln war ausdrücklich als
Grund des verweigerten connubii (doch war das connubium
iiiclit zuerst durch die XII Tafeln aufgehoben worden, son-
dern es hatte nie Statt gefunden, vgl. Dioxvs. X, 60.) ange-
geben: quocl 7iemo plebeius auspicia haberet^ idcoque decemviros
connubium diremisse, ne. incerta prole auspicia turbarentui\ Liv.
VI, 6. vgl. VI, 41. X, 8. Mit dem Avachsenden Leichtsinn der
Frauen wurden die Ehen mit der unbequemen conventio in
inanurn seltener und am frühesten A'erschwand die Form der
confarreatio aus dem gemeinen Leben (auch wegen caerimo-
uiae dißicultates Tac), so dass es oft an Personen für die patri-
zischen Priesterschaften fehlte. Tacit. Ann. IV, 16. Nam pa-
tricios confarreatis parentibus gr.nitos tres simul 7iominari, ej
quibus unus legeretur {flamen Dialis), vetusto more; neque ad-
esse, ut olim, eam copiam, omissa confarreandi adsitetii-
dine aut inter paucos retenta. Nur für die Priesterehen
bestand diese Form fort, wie Gai. I, 112. noch von seiner
Zeit bemerkt; und Boetii. comm. Top. p. 299. Orell. sagt
desshalb: sed confarreatio solis pnntißcibus convcniebat ., weil
sich die coiifarrcatio in dieser Beziehung lange erhalten hatte.
Indem wir nun zu den Fcn-malitäten der confarreatio,
coemptio und des usus übergelicn, so ist es am passendsten,
sugleicli mit <l('r Darstelliiiig (U-r confarreatio die gewöhn-
lichen (icbräuclu! der Iloclizeiten (/nipflae) zu verbinden, weil
die cctufarrcirtcn lOlieu nie oliuc eiiu' fcierliclie llddizeit ein-
gegangen wurden, wählend es bei den andern Ehen nicht dar-
auf ankam. — Ueber die confarreatio sagt im Allgemeinen
(jAI. I, l\'2. /((vrf'o ni nntiiuni convciiittnt per quoddam gnnis
IQ Erster Excurs.
sacrißcüj in quo farreus pcüiis adlnbetur^ unde etiam corifar-
reatio dicitur. Sed complura praeterea huius iuris ordinandi
gratia cum certis et solennihus verbis praesentibus decem testibus
aguntur etfiunt. Ebenso aber kürzer Ulp. IX, 1. Plin. h. u.
XVIII, 6. Quin et in sacris nihil religiosius confarreatio7iis vin-
culo eratj Jiovaeque niiptae farreum pyaeferebaiit. Serv. zu
Virg. Georg. I, 31. Favre (nuptiae fiebant) cum per Pontificem
maxiinum et Dialem ßa)iiinem per fruges et molam salsam coii-
iu7igr'bantur, unde confarreatio appellabatur^ ex quibus nuj)tiis
patrimi et matrimi naseebantur , vgl. zu Aen. IV, 103. 371.
(Aus den letzten Worten des Serv. ergiebt sich, dass ursprüng-
licli nur Kinder aus conftirreirten Ehen, deren Eltern noch am
Leben waren, patrimi matrimi (diici i OaXfi^) genannt wurden.
.Später bekam das Wort eine weitere Bedeutung und bezeich-
nete alle freigebornen Kinder, deren Poltern noch lebten, Paul
DiAC. V. Flaminia p. 93. v. matrimes j). 126. Fest. h. v. p.
234. M. Gramer, in s. kleinen Schriften von Patjen, Leipz.
1S37. S. 92—109. PcssRACH, S. 138 ff. ist anderer Meinung.
Mercklin, in Zeitschr. für Alterthumswissenschaft. 1854.
Nr. 13 — 16. 71.) Von dem übrigen Ceremoniel ist noch
Manches bekannt, nur muss man wohl unterscheiden, was
allgemeine hochzeitliche, von der Willkür eines jeden
Brautjiaares abhängende Gebräuche waren und was der con-
farreatio eigenthümlich und nothwendig ist.
Zunächst behandeln wir das der confarreatio Eigenthüm-
liche 1) das Opfer, Avelches dem ganzen Akt den Namen gab
und mit besonderen Solennitäten verknüpft war; 2) die da-
bei gesprochenen certa verba und die Anwesenheit der 10
Zeugen ; 3) das Sitzen des Brautpaars auf zwei eigenthümlich
bedeckten Stühlen. Erstens also war ein Opfer nothwendig,
welches von dem Pontifex maximus und dem Flamen dialis
vorgenommen werden musste (s. Servius oben) , während bei
den andern Hochzeiten zwar auch gewöhnlich geojjfert wurde,
aber nicht von den genannten Priestern und ohne die beson-
deren Formalitäten. Ein sacerdos confarreafiomim et diffar-
reationinn wird auf einer Inschrift Orell. 2648 genannt und
Die Frauen. 17
Plut. qu. Rom. 50. gedenkt der Priester, welche bei diffar-
reatio zugegen sein müssen. Der eben genannte sacerdos ver-
trat vermuthlich in der Kaiserzeit die Stelle des Kaisers als
jtontifex maximus, wesshalb auch Gaius die Gegenwart des-
selben nicht erwähnt. Ueber die Zuziehung der Priester über-
haupt s. Eossbach, S. 119 —128. Doch kann man nicht bei-
stimmen , wenn er die Anwesenheit des Flamen dialis auf die
Confarreation seines designirten Nachfolgers beschränkt, die
Quellen wissen nichts davon.
Das Opfer betrachtet Rossbacii als ein reines Hochzeits-
opfer, keineswegs als die Bekräftigung und Besiegelung eines
Vertrags durch die Götter, aber die Entscheidung dieser Frage
hängt grösstentheils davon ab, Avie wir die certa verho aufzu-
fassen haben, s. unten. Ob das Opferthier ein Schaf gewesen
(so Serv. zu Virg. Aen. IV, 374 und die Denkmäler) oder
ein Schwein (so Varro r. r. II, 4.) oder ursprünglich ein
Schwein, später ein Schaf (so Rossbacii S. lOo), ist weniger
bedeutsam, als die Anwendung des/ar?v'»?». Dieses war nach
(jAI., Ulf., Paul Diao. p. 88 M. [genus lihi ex farre factum)
ein Brötchen oder Kuchen von far Dinkel Spelt, nach Serv.
zu Virg. Georg. I, 31. Opferschrot aus far {inola saha), auf
welche Erklärung kein Werth zu legen ist. Servius wusste,
dass bei allen Opfern dieses Schrot unentbehrlich war, wäh-
rend die Kuchen selten Anwendung fanden und darum nahm
er das Erste, nicht wissend, dass es hier gerade auf Brötchen
ankam. Ein solches Brot wurde den Verlobten bei dem Zug
um den Altar vorangetragen (Plin. h. n. XVIII, 3. novarquc
ini.ptaa farreum prcipferebant s. oben) und dann vermuthlich
gcnneinsam gegessen als Symbol der innigsten Lebens- und
Gütergemeinschaft. Dion.II, 25. m) rijg xuivcoviag tov cf ((()(>('><,•. —
T() ^tj y.oivcoi'wg ryg iSQcordrijg rt xra noMti^g r(t()q^iig yfvi-'alha yv-
iiUA(f.g uil^Quai , um mi 7i(j).)Sj Gvii-)J)i-iv ti'Xlj, t:)jV fitr fnr/}j^aiv
7i,g noivMviag tov cpnofVog sl^ev. Auch die Analogie der Athener
und Maccdonier, bei denen di(' Verlobten gemeinsam einen
Kuclien assen, spricht für diesen Brauch. Zwar erklärt sich
Kos.suAcii S. 107 f. in sciiarfsiunigcr yXuscinaniii'rsctzuiig
Beckkh. «lalliis :i. AuH. II. ')
18 Erster Excurs.
dagegen und betrachtet das Brötchen als gewöhnliche den
Gröttern dargebrachte und in das Feuer geworfene Opfergabe,
allein die y.oivaii'u tov cfuooog kann ungezwungen nicht als
Gemeinschaftlichkeit der Güter und der Opfer bezeichnet
werden, ganz abgesehen davon, dass es doch sonderbar wäre,
der Eheschliessung den Namen confarreatio beizulegen, wenn
far hier nicht einen ander» Gebrauch gehabt hatte als bei
andern Ojjfern. Warum heisst es farre conveniimt, nuptiae
farre ßebant, wenn nicht eine besondere symbolische Hand-
lung mit dem farreum vorgenommen wurde, und warum
wären die Plebejer von der Confarreatio ganz ausgeschlossen
gewesen, weim alle Hochzeitsopfer identisch waren? Die bei
Tac. Aen. IV, 16. genannten caerimoniae difficultates (nämlich
bei confarreatio) quae consulto vitarentur. sind uns ganz unbe-
kannt, aber kaum darf man glauben, dass darin nichts weiter
liege, als eine Andeutung der römischen Skrupulositat bei
religiösen Handlungen und dass difficultates die Schwierig-
keiten der richtigen Ausführung der Ceremonien enthielten.
Jedenfalls sind noch andere xmiständliche uns iinbekannte
Ceremonien angewendet worden.
Zweitens, die certa und sollenia verba, welche Gai. und
Ulpian erwähnen, sind uns leider nicht überliefert, enthielten
aber Formeln, die sich auf die Gründung der Ehe (in welcher
vor Alters die manus mit enthalten war) bezogen und ebenso
eine sakrale als civilrechtliche Bedeutung enthielten. Die
Analogie der mit religiösen Handlungen verbundenen staats-
rechtlichen sponsio spricht für diese Auffassung, ebenso auch
die Anwesenheit der 10 Zeugen, welche vermuthlich 10 Cu-
rien einer Tribus oder die 10 gentes einer Curie repräsentirten.
Wollten wir mit Eossbach S. 1 10 f. die verba nur als For-
meln erkennen, mit denen zu den Göttern um Segen und
Einwilligung zu der neuen Ehe gefleht wird, so würden die
10 Zeugen ganz müssig sein. Sie werden zugezogen, um be-
zeugen zu können, dass die zur feierlichen Schliessung der
Ehe ei-forderlichen Worte (der unter religiöser Weihe ausge-
sprochene Consens, bei der die Formel liberorum quaeren-
Die Frauen. 19
dorum causa avoIiI nicht gefehlt haben wird, oder Bestimmung
der dos u. a.) und Handlungen rite vollzogen sind. Dazu
kommt ferner, dass, wenn die certa verba nur Gebete enthiel-
ten, die Hochzeitsfeierlichkeit auch bei der coemptio manus
bewirken mussten.
Ein Drittes nur bei confarreatio vorkommendes Ceremo-
niell berichten Serv. zu Virg. Aen. IV, 374. und Paul Diac.
in pelle lanata p. 114 M. Mos apud veteres fuit (sagt Serv.)
Flamini ac Flaminicae, ut per farreationem in nuptiis conveni-
rent, sellas duas jugatas ovili pelle superiniecta poni eins ovis,
quae hostia fuisset ^ et ibi nubentes velatis capitibus in confar-
reatione Flamen et Flaininica residevent. Xach dieser Angabe
Sassen die Neuvermählten eine Zeit lang (natürlich nach dem
Opfer, denn die hostia musste ja vorher geschlachtet sein)
auf zwei neben einander stehenden von einem Felle bedeck-
ten Stühlen, um anzudeuten, dass wenn auch Mann und Frau
zwei verschiedene Stellen im Hause einnehmen, sie doch durch
ein gemeinsames Band eng verbunden sind. Ob sie auf diesem
Sitze Gebete aussprachen oder die oben besprochenen certa
verba ist ungewiss. Das Schaffell diente nur als alterthüm-
liches Polster (wie auch die xwöf« bei den Griechen die Stelle
der Polster auf den Stühlen vertraten, Tischbein, Engr. H,
.'34. 35.) s. Paul. a. a. 0. Wenn man aber von diesen sellis
iugatis die Ausdrücke coniugium und coniugare ableiten will,
so ist das jedenfalls ein Irrthum. Eben so irrig ist, dass dem
Brautpaar ein .loch aufgelegt worden sei, (welchen Akt
Waechter, Ehescheid. S. 71. und zuletzt noch Walter,
Gesch. d. Rom. Kechts, H, 8. 116. annehmen, letzterer sogar
als feierlichen ,,Oopulationsakt") obgleich Serv. zu Virg. Aen.
IV, Kl. sagt: propter iugwn, quod imponebatur matrimonio con-
iiuiye/idis. Die Angabe beruht auf einem Missverständniss der
Metapher, die von einem jugum bouin hergenommen ist, was
Böttiger, Aldobrand. Hochzeit, S. 1G7 ff. und Kinistniytli.
II, 2GH. 271. hinreichend nachgewiesen hat. Endlich ist noch
zu erwähnen, chiss nach Skrv. zu Virg. Aen. I\', ."»HO. (foniiisse
qiiae res diriniil confarreationes.) die ( 'onfarreatioii <liu(.h
2*
20 Erster Ex c u r s.
Donner getrennt wurde. Indessen dies lässt sich wohl von alh-n
Hochzeiten behaupten , d.a nacli dem Zengniss desselben Sek-
vius zn Virg. Aen. IV, 166. den Hochzeiten nichts tarn incon-
gruum war, als terrae motits vel codi u. s. w. In der späteren Zeit
nahm man es damit allerdings wohl nur bei confarreatio genau.
Alle übrigen Gebräuche sind allen Hochzeiten mit und
ohne Confarreation gemeinsam und hängen lediglich von der
Willkür und den Verhältnissen eines jeden Brautpaares ab.
Wir theilen dieselben nach Rossbach, S. 263 flP., in drei
Partien: 1) im Hause der Braut; 2) während der deductio;
3) im Hause des Bräutigams.
1) Am Hochzeitsmorgen versammelten sich die Ver-
wandten und Eingeladenen im Hause der Braut, denn man
sah gern eine grosse Zahl von Theilnehmern, Plut. qn. Rom.
105. Appul. Met. IV, p. 157 f. Elm. cuncta — civitas. Vor
dem festlich geschmückten Hause (doch auch des Bräutigams
Haus war mit Blumen, Kränzen und wollenen Binden geziert.
Stat. Silv. I, 2, 230 f. Juv. VI, 51. 79. 227. Lucan. II,
354.) stand das Volk und die entfernteren Freunde oder Ver-
Avandten, deren Kommen als ein officium angesehen wurde
Juv. II, 132 ff.
— Officium cras
Priino sole mihi pc.ragendum in valle Qiiiriiri.
Quae causa officii? quid quaeris? nuhit amicus,
Ncc multos adhibet.
SuET. Claud. 26. Calig. 25. Nero 28. Zuerst wurden die
Auspicien angestellt, was man sogar noch in späterer Zeit,
wenn auch nur als Form beobachtete. Cic. de Div. I, 16.
Nihil fere quondam maioris rei nisi auspicato, ne privatim qin-
dem gerebatur^ quod etiam nunc nuptiarum auspices declarant^
qui re omissa nomen iantum tenent. Ebenso Val. Max. II, 1,1.
quo ex more nuptiis etiamnum auspices interponuntur. Qui
quamvis auspicia desierint, ipso tamen nomine veteris co)isucfu-
dinis vestigia usurpant. Daher mehrfache Erwähnung der
auspices bei Hochzeiten z. B. Plaut. Cas. jn-ol. 86. Cio. p.
Clu. s. Juv. X, 335. Lucan. II, 371. Tac. Ann. XV, 37.
Die Frauen. 21
Dass aber die Auspices besondere Formeln auszusprechen
hatten, geht aus der skandalösen Erzählung- von der Vermäh-
lungscercmonie der Messalina mit Öiliiis hervor, Tac. Ann.
XI, 27. Ilaud sum ignarus, fahulosum visiim tri — coiisulem
designaiwn [8iliurn) cum uxore principis praedicta die, adhibitis
qid ohsignarerü, velut suscipiendorum Uherorum causa conve-
nisse , atque illam aiidisse auspicuin verba, anbisse, sacrificasse
apud deos etc. Auf dieselbe Thatsache bezieht sich Suet.
Claud. 26. dote inter aiisjyices consignata d. h. im Beisein der
auspices. Juv. X, 336. s. übcrhaujit Rossbach, S. 293 — 307.
Nach den Auspicien bereitete man das Opfer und vor dessen
Anftxng legte die Pronuba die Hände der Verlobten in ein-
ander. Die Nachrichten der Schriftsteller (gesnnnnelt von
Grupex S. 140, u. Rossbach, S. 308 f. wie Claud. epist. 124.
Tum dextram complexa iiisi dextramque 2Juellae
Tradit.
Stat. Silv. I, 2, 11. IsiDOR IX, 8.) sind zwar nicht schlagend,
aber zwei alte Sarkophagbasreliefs (s. unten), kleinere Denk-
mäler (z. E. Okelli 2650), einige Münzen (Eckhel XI, p.
292. Commodus und Crispina) und Gemmen (Beyer, contem-
platio gemm. dactyl. Gorlaei p. 26 ff.), welche Hochzeiten dar-
stellen, beweisen es auf das UnzAveideutigste. Eggers ver-
warf den ganzen Gebrauch und schrieb ihn dem Eiufluss des
Christenthums zu; allein dieser Akt ist an sich natürlich, da
das Darreichen der rechten Hand bei Versprechungen und
Vereinigungen so gut römische Sitte war als bei uns. ( )b die
dextrarum iunctio, wie Rossbach S. 308. meint, vielmehr die
Uebergabe des Mädchens in die manus des Mannes bezeichne,
wollen wir dahin gestellt sein lassen. Dann nahm man das
Opfer (eines Schweins, eines Schafs oder einer Kuh, die auf
Reliefs vorkommt) vor, welches vor Alters bei allen Hoch-
zeiten Statt fand, (Serv. zu Virg. Aen. UI, 136. apud vctcres
neque iixor duci neque agcr arari sine sacrißciis peraclis po-
teraf) später aber meistens wegfiel, obwohl es uns auch noch
unter den Kaisern häutig begegnet, Tac. Ann. XI, 27. Lucan.
I'hars. H, 352. Val. Flacc. Argon. VHI, 242 ff. 278. Stat.
22 Erster Excurs.
Silv. I, 2, 15. Es verstellt sich von selbst, dass die Ceremonie
des farreum bei den andern Hochzeitsopfern nicht angewandt
wurde. Das Opfer brachten die Nenverniählten (Varro r. r.
II, 4. Tac. Ann. XI, 27. Val. Flacc. a. a. 0.) oder Priester
(wie Basrelifs bezeugen), und ein Kjiabe (camillus) assistirte.
Camillus hiess ursprünglich jeder puer ingenuus, Paul. Diac.
p. 43. u. v. Flaminins camillus p. 93 M. Macrob. Sat. V, 20.
Im eigentlichen Sinne wird der Knabe so genannt, welcher ent-
weder bei öffentlichen Opfern Dienste leistet, wie der Diener
des Flamen (Paul. a. a. O. Macrob. Sat. III, 8. Romani —
pueros et puellas nohiles et investes Camillos et Camillas appel-
lant, flaminicarum et flaminum praemini^tros Dion. II, 22.) oder
der Knabe, der bei dem Hausopfer hilft (Ovid. Fast. II, 648)
und der dem Hochzeitsopfer beiwohnt und das Cumerum (d. i.
ein Körbchen) trägt. Varro 1. 1. VII, 34. itaque dicitur niiptiis
Camillus, qui cumerum (so auch Paul. Diac. p. 50.) fei^t, in quo
quid sit in ministerio plerique extrinsecus nectunt (verdorben,
auch nesciunt nicht ganz überzeugend). Paul. Diac. p. 63. M.
Cumerain vocabant untiqui vos quoddäm, quod opertum in tiuptiis
ferebant, in quo erant nubentis tdensilia, quod et camillum dice-
bant eo quod sacrorum ministrum yMOfuXor (qjpellabant. Vgl.
Serv. zu Virg. Aen. XI, 143. 558. Unter den utensilia nubentis^
Avelche Becker als Spinngeräthe der Braut erklärte und den
camillus in den Hochzeitszug versetzte, versteht Rossbach
S. 320 f. die fruges u. mola salsa, die in das Feuer geworfen
wurden, und zwar mit Kecht, so weit es die Assistenz des Ca-
millus bei dem Opfer betrifft. Ob er bei dem Hochzeitszug,
nach dem Verbrauch der fruges, Utensilien der Braut in seinem
Körbchen trug, wissen wir nicht, s. unten. Zwei vortreffliche
Bronzestatuen auf dem Capitol und in Neapel stellen solche
pueros Camillos, investes, mit der blossen Tunica bekleidet
vor; Maffei, raccolta di statue 24. Mus. Borbon. VI, 8. An-
dere bildliche Darstellungen weist Mer( klin, in Zeitschr. für
Alterthumswiss. 1854, No. 16. nach, namentlich auf einem
Gemälde in Herculanum und auf der columna Traiana. Siehe
überhaupt Mercklix a.a.O. No. 14 ff. vgl. Paul. v. vestieeps
Die Frauen. 23
p. 368. M. Mit dem Opfer hängt die Mahlzeit eng zusammen,
die ursprünglich nichts als ein Opfermahl war und bei wel-
chem liba mustacea nicht fehlen durften, Juv. VI, 200. Das
Mahl (coena nuptialis, epulae geniales Plaut. Cure. V, 2, 60 f.
Claud. rapt. Prol. II, 327. Catull. LXII, 1 ff.
Vesper adest^ iuvenes consurgite. vesper Olympo
Exspectata diu vix tandem lumina tollit.
Surgere iam tempus, iam pingues linquei-e mensas :
Javi veniet virgo, iam dicetur Hymenaeus.)
wurde also noch im Hause der Braut gehalten, wie man aus
Catull deutlich sieht (auch bei Auson. cento nuptialis geht die
coena nuptialis der deductio voraus), bis man gegen das Ende
der Republik von der alten Sitte abwich und das Mahl oft in
des Bräutigams Haus verlegte, Cic. ad Qu. fr. II, 3, 7. eo die
apud Pompojiium in eins ?iupfiis eram coenatunis Plaut. Cure.
V, 3, 50. In jener Zeit waren diese coenae so verschwen-
derisch geworden, dass die lex Julia dem Aufwand Schranken
setzte. Gell. H, 24. lex Julia ^ qua — fiyiiuntur — nuptiis et
repotiis HS mille.
2. Die deductio^ die feierliche Abholung der Braut aus
dem elterlichen Hause nach der Wohnung des Bräutigams
fand bei allen Arten von Hochzeiten Statt, ohne jedoch noth-
wendig zu sein. Der Ausdruck uxorem ducere ist nur eine
Abkürzung aus domum uxorem ducere oder dcducere^ Plaut.
Aul. II, 1, 28. Trin. V, 2, 64. Ungeduldig wartete das Volk
vor dem Hause der Braut und verlangte nach den Neuver-
mählten. Stat. Silv. I, 2, 48. 233. Claud. nupt. Honor. 286.
A7ite fores iam pnmpa sonat.
Catull LXI, 76. 80. u. öfter.
Claustra pandite ianuae. —
Prodeas novo tiupta.
Nun wurde; die Braut scheinbar geraubt (Fkst. p. 289 M.
rapi simulalnr rirgo ex gremio matris. Catull. LXI, 58. LXII,
21 f), angeblich zur Erinnerung an den Raub der Sabiiu'-
rinnen-, doch hatte diese Sitte eine allgemeinere Bedeutung,
da sie auch in mehreren griechischen Staaten üblich war,
24 Erster Excurs.
Charikles 111, S. ;;04 flf. Kossbach, 8. .'528 ff. Dass dieser
und andere Hochzeitsgebräuclie ohne Grund mit den sagen-
haften Sabinerinnen in Verbindung gebracht werden, zeigt
liouLEZ, sur la k'gende de Tcnlevement des Sabines, in Ke-
cueil encyeh)pedifj[ue Beige, Juillct 1834. Dann setzte sich
der Zug in Bewegung. Regehnässig geschah diese Heim-
holung Abends (Catull. LXII, 1. 84. 119. LXn, 20 ff. Serv.
zu Virg. ecl. VIII, 30.), unter dem Schutz der Juno Domiduca
oder Iterduca (Aug. civ. d. VI, 9.) bei Fackelbeleuchtung (s.
unten) und im Geleite der Verwandten und Freunde, unter
denen auch die pronubae nicht fehlen durften. Diese Frauen,
welche die Braut bis zum thalamus nuptialis brachten, durften
nur einmal verhcirathet gewesen sein, Varro b. Serv. zu Virg.
Aen. IV, 166. Fest, und Paul. Diac. h. v. p. 242. 244 M.
Tertull. exhort. east. 13. Isidor. IX, 8. s. unten. Bei der
confarreatio trug die deductio einen besonderen religiösen
Charakter an sich, nämlich durch die Begleitung der pueri
patrimi et matrimi, welche wir jedoch in der Kaiserzeit auch
bei andern Hochzeiten finden, nachdem manche Gebräuche
der confarreatio auf die andern Eheschliessungen überge-
gangen waren. Fest. i). 245. Patrimi et m. p»en' praeteoitati
(vgl. Fest. v. praetextatum p. 245. Catull. LXI, 181 fg.)
tres nubenteni deducunt; unus qui facem pracfert ex spina alba,
quia noctu nubebant, duo qui tenent niibeiiteiii. Spina alba,
äxaiiJa Xsvntj 1 Cniciis Acarna Linn. oder Fraiiendistel, hatte
auch eine besondere mysteriöse Bedeutung, z. E. als Mittel
gegen die Strigen, OviD. Fast. VI, 129 ff. 165. Die genannte
Anwendung erwähnt auch Plin. h. n. XVI, 18, 30. spina
nuptiarimi facibus auspicatissiina. Diese der Braut vorge-
tragene Weissdornfackel ist nicht zu verwechseln mit den
andern Fackeln, die aus Fichtenholz gemacht waren, Verg.
Ciris 439. Ovro. Fast. II, 557. Varro bei Non. II, 340.
Dass man bei denselben besonders die Fünfzahl liebte, be-
richtet Plut. quaest. Rom. 2. Rossbach , S. 338 f. Ausser
diesen drei Begleitern wird noch ein ^j^er Camillus genannt,
Avelcher wie an dem Opfer, so auch an dem Zug Theil nahm.
Die Frauen. 25
aber dass er das Spinngeräthe der Braut getragen habe, ist
nicht wahrscheinhch. Nach Plut. qu. Kom. 31. trug sie es
selbst: avTt^ (die Braut) !;ii;rft'()i( ^uv )]Xu'MiTi,r xui r)^i> ät(jaxrof,
t\>m 8t rijv dvnav TTtnKrrt'qti tov drÖnog. Plin. h. n. VIII, 48,
74. sagt richtiger: Indc factum, ut uubentes vlrgines comitu-
relur colus covita et /usus cum stamine.
Wie bei den Griechen die Heimführung der Braut unter
Absiugung des Hymenäus geschah, so wurde auch die römi-
sche Braut von dem Gesänge muthwilliger Fesceninen (iden-
tisch mit verba prcwtexlata Fest. \). 244 f. M, Varro Agath.
bei Nun. II, 749. und PV", 330. imeri obscucnis verbis iiovae
nuptae aurcs rcdurant) begleitet. Catull. LXI, 122.
Tüllite 0 pueri faces:
Flammeum video venire,
Ite co/icinite iu mudum
Jo Ilymoi Hymenaee io —
Ne diu taceat procax
Fescenniiia iocatio.
Paul. Diac. h. v. p. 85 M. Plin. li. n. XV, 22. nuptialed
Fescennini. Serv. ad Virg. Aen. VII, G95. Auson Idyll. XIII,
cento nujit. Dabei ertönte der Ruf Tcdassc und Flötenklang.
S. die tibiac b. Auct. ad Her. IV, 33. Ovm. Heroid. XII,
137 ff. und Plaut. Gas. IV, :!, 1 fg.
Age tibicen. dum i/lam educunt huc novam )Htptam foras,
Suavi cantu coiicclebra omncm haue plateam Iiymneaeo. —
S. noch Mart. I, 36. XII, 42. Ter. Adelphi V, 7, (3. 9. Plut.
Rom. 15. Pomp. 4. Gatull. LXI, 120. Euseb. chron. p. 27.
Mehrere beziehen den Talassio auf den Raub der Öabinc-
rinnen und fügen die wunderbarsten Erklärungen hinzu, Liv.
I, 9. DiONY.s. II, 30. Plut. qu. Rom. 31. 8hrv. zu Virg. A.
I, 651. Fest. u. Paul. h. v. p. 350 fg. M. Ohne Zweifel ist
Talassus, Talassius oder Talassio ein llochzcitsgott, dem Eros
entsprechend. Wenigstens erscheint auf einer Vase lulicn
Saj)pho ein Fliigelknabe (Eros) mit der Beischrift TA.IA^.
Welckkr, alte Denkmäler II, S. 230. Rossbach, S. 345 ff.
Wähn Uli des Gesangs verlangten die Knaben \())i dem Briiu-
26 Erster Excurs.
tigam, rlass er Nüsse (niices iuglandes) auswerfen solle. Fest.
u, Paul. Diac. h. v. p. 173 f. M; nuces flagitantur nuptis et
iaciuntur piierLs, ut — secundiim fiat auspicium. Catull. LXI,
131. und mehrmals concubine nuces da. Plin. h. n. XV, 22, 24.
Serv. zu Virg. Ecl. VIII, 29 und die Erklärer. Auch bei der
griechischen Hochzeit fand etwas Aehnliches Statt, die -Mita-
■/{'(3\xaTa, Charikles III, S. 308. Ob der römische Gebrauch
dieselbe oder eine der von Servius angeführten Bedeutungen
hatte, steht dahin. Eossbach S. 348 f. Dieser Gebrauch war
allen Hochzeiten geraeinsam. Dasselbe gilt von der alten
Sitte, dass die Braut an dem festlich geschmückten Hause des
Bräutigams angelangt (Juv. VI, 79. 227 fg. Lucan. II, 354fg.
Stat. Silv. I, 2, 231.) die Thürpfosten laneis vittis schmückte
imd oli'o (mit Schweine- früher auch mit Wolfsfett) salbte,
wodurch sie das Haus unter den Schutz der Götter stellte,
Serv. z. Virg. Aen. IV, 458. Plix. XXVIII, 9, 37. Arnob.
adv. g. III, 25. Lucan. II, 355. Plut. qu. Eom. 31. Doxat.
ad Ter.Hec. I, 260. Jsidor. IX, 8. iixores vocatae quasi imxo-
res (!). Rossbach, S. 356 ff'. Ebenso allgemein war die Ge-
wohnheit, welche von den Römern auch auf den Raub der
Sabinerinnen bezogen wurde, dass die Braut über die Schwelle
gehoben Avurde. Plut. qu. R. 29. /lia xi rr^v yafiovfiHi^v ovx
idjair avtj]v VTitfißi^rat top uvÖbv ti/g or/Jag, alX vnnQcaQovGir ol
nQOTTti-moi'rfs' ; nötenor 6ti tag noMtag ywainag aonnoartfg ov-
Tcog iiigfjveyy.av; Die letztere Auffassung, dass die Jungfrau
als eine geraubte und gezwungene mit Gewalt hineingetragen
werden müsse, vertheidigt Rossbach, S. 360. Anders erklärt
Varro bei Serv. zu Virg. Ecl. VHI, 29. Der wahre Grund
liegt wahrscheinlich darin, dass man eine üble Vorbedeutung
vermeiden wollte; denn als solche würde es gegolten haben,
Avenn die Braut beim Eintreten zufällig mit dem Fusse an die
SchAvelle oder sonst angestossen hätte. Daher heisst es bei
Plaut. Gas. IV, 4, 1. Sensim super attolle Urnen pedes, nova
nupta, sospes iter incipe hnc, ut viro tuo semper sis superstes.
Catull. LXI, 166 ff", transfer omine cum bono Urnen aureolos
pedes rasilemque subi forern. vgl. LucAx. II, 359. Die ersten
Die Fr a neu 27
Stellen können zugleich als Proben der Wünsche und Sprüche
gelten, von denen der Eintritt in das Haus des Bräutigams
von Seiten der Verwandten der Braut begleitet werden
mochte. — Ob die Braut nach dem Herüberheben zuerst auf
ein Schaffell habe treten müssen, wie aus Plut. qu. Kom. 31.
geschlossen worden ist: rtjv vvncf:i,r fl^äyovTf'^ räy.o^ vnoarQwi-
viovaif, ist unsicher, da man diese Worte auch auf das über
die Sessel des Brautpaars gebreitete Fell (s. oben S. 19) be-
ziehen kann. Räthselhaft ist auch die freilich nur excerpirte
und verstümmelte Nachricht Vakro's bei Non. XH, 50. Av-
bcntes veteri lege Romana asses tres ad inar'üum venientes solere
perveherej atque uiium quem vi manu tenerent tamquam emendi
causa marito dare, alium ([uem hi pede haberent in foco Laruin
familiarum potiere, terthim quem In sacciperione condidissent
conipito vicinali solere resonare. Mit Wahrscheinlichkeit er-
klärt EossBACH S. 373 ff. den ersten als ein Symbol der dos,
die beiden andern als Opferschillinge, dergestalt dass der
dritte im nächsten Sacellum der Lares compitales abgegeben
zugleich dazu diente, die Anzahl der geschlossenen Ehen zu
berechnen, analog der Abgabe bei der Geburt, bei dem An-
legen der toga virilis imd bei dem Tode, s. Bd. I, S. 216. und
Caxkegieter, de vet. lege Rom. cuius meminit Xonius. Franeq.
1753 und bei Fellenberg, iurisprud. H, S. 69 — 110.
Bevor die Braut das Haus des Bräutigams betrat, be-
grüsste sie der entgegentretende Bräutigam mit der Frage
wer sie sei, Avorauf sie antwortete: ubi tu Calus eyo Caia,
welche Formel auch bei der coemptio gebraucht wurde. Zwar
sagt QuiNCT. Inst. I, 7, 28: quia tarn Caias esse vocitatas,
quam Caios, et'iam ex nuptialibus sacris apparet, so dass man
aus den letzten Worten schliesscn könnte, diese Form gehöre
nur der religiösen Ehe an, allein nuptialia sacra sind nur
feierliche hochzeitliche Gebräuche überhaupt, ohne Beschrän-
kung auf confarreatio. Ganz allgemein drücken sich aus
Plut. qu. Rom. 30: Jia 7/ T/}r rviicpiv tiX'uyoitf^' h'jnr xt-
/evovaiv' "Ottov cv Faiog, iym raia; und Val. Max. epit. CT.
Probi tili, vt iinvae uuptae ante iauuam luariti interroc/atae,
28 Erster Ex cur s.
qiiaeiiam cucaroitur^ Caiani esse se diccre/it, so dass daraus
niclits zu folgern ist. S. auch Paul. Diac. v. Gaia Caecilia
p. 95 M. u. Plin. h. u. VIII, 18, 74. Allem Cic. p. Mur. 12.
liefert den diiekten Beweis für die Anwendung jener Formel
bei der coemj)tio, indem er sagt: quin in alicuius llhris exempli
causa id nomen invejierant , putarunt , omnes midieres, quae
coeniptionem facerent, Gaias vocari. Bei der freien Ehe war
diese Formel nicht denkbar, denn der Sinn ist, wie Plut. an-
giebt: onov av 'ÄVQiüg y,ai oiy.u8i:Gn6ri,g, x«/ iyoi nvQia y.ai oi-AO-
8tanoiva. was vor der versammelten Menge ausgesprochen
und anerkannt wurde. Eine solche Erklärung kann aber nur
in der strengen Ehe gegeben werden. Das Nähere s. lio.ss-
BACH, S. 352 ff.
Irrig ist, dass der Bräutigam der Braut, wie geAvöhnlich
angenommen wird, einen Schlüssel oder die Schlüssel des
Hauses überreicht habe. Paul. Diac. indessen, aiif den man
sich beruft, sagt etAvas ganz anderes, p. 56 M. Clavim cu/tsue-
tudo erat midiehribiis donare oh signißcandam partus facilitcUem.
Das war also eine symbolische Gabe, die sich auf etAvas an-
deres als das Hausregiment bezog, und ob sie überhaupt vom
Bräutigam kam und am Hochzeitstage (Avas allerdings möglich
ist), sagt Paul, gar nicht. Ueber die Schlüssel des Hauses s.
bei der Aiiflösung der Ehe. — Sicherer ist, dass der Bräu-
tigam die Braut mit Wasser und Feuer empfing {aqua et igni
accijji, ScAEV. Dig. XXIV, 1, 66. Paul. Diac. p. 2 M.) Avas
eine sehr bedeutungsvolle Cereinonie Avar, obgleich es darüber
an einer recht bestimmten Angabe mangelt. In einem Frag-
ment Varro's bei Serv. zu Virg. Aen. IV, 104. heisst es: Aqua
et igni uuirid uxores accipiebant. Unde et hodie faces praelucent
et aqua petita de puro fönte per puerum felicissimion vel puel-
lam, quae interest nuptiis, de qua solehant nubentihus pedes la-
vari. Er scheint also zu meinen, die symbolische Fackel sei
nur ein Kest der alten Sitte und der Gebrauch des Feuers sei
noch ein anderer gewesen. Und das wird bestätigt durch zwei
andere Stellen, Varro bei Non. II, 340. cum a nova nvpla
ignis in face ctfferretur ^ foco eius sumptus fax ex pinu ablata
Die Frauen. 29
(richtiger alba) esset, iit eam imer ingcmms afferret. und bei
NoN. IV, 184. (vgl. n, 874.) contra novo marito cum item
(Brisson. emendirt ignis) e foco in titione ex felici arhore et
in aquali aqua allata esset. Zieht man dazu noch Paul. Diac.
p. 87 M. facem in nuptiis in lionorem Cereris praefei-ebant ;
aqua aspergebatur nova ?wpta, sive iit casta puraque ad virum
veniret, sive ut ignem atque aquam cum viro coHWiunicaret., so
lässt sich daraus wohl combiniren, dass der alte zur Zeit des
Varro schon antiquirte Brauch darin bestand, dass man die im
Hause der Braut und vielleicht von ihr selbst angezündete
Hochzeitsfackel, die der patrimus matrimus vorausgetragen
hatte, in reines Qucllwasser tauchte und dass man mit diesem
so geweihten Wasser die Braut besprengte. S. Bergk, philo-
logische Thesen in Philologus XI, S. 385. Oft findet man so-
wohl Andeutungen dieser Sitte als Erklärungsversuche, s.
Varr. de L. L. V, 61. Igitur duplex causa nascendi ignis et
aqua ; ideo ea nuptiis in limine adhibentur. OviD. Fast. IV, 792.
Iiis [aqua et igni) nova fit coniux. Propert. IV, o, 115 ff. Stat.
Silv. I, 2, 4 ff. Plut. qu. liom. 1. Jia rf ri^r yafiovfii-'ri^i' utits-
aOai nvot).; y.(a vöiaog xsXtvovni; Paul. DiAC. p. 2 M. Aqua et
igni tarn iiiterdici solet damnatis^ quam accipiuntur niiptae, vide-
licet cpiia hae duae res humanani vitam maxivie continent. Also
sollte dadurch die Bi-aut in die innigste Gemeinschaft des
Lebens mit dem Bräutigam aufgenommen Averden. Dieses ist
offenbar der richtigste Sinn dicsi's auch an religiösen IMotiven
fruchtbaren Symbols (nicht wie Varro an der ersten Stelle
deut(!t), wie auch von andern alten Schriftstellern richtig (m-
klärt wurde, z. E. von Serv. zu Virg. Aen. XII, 119. und
IV, K».;. Lactant. de orig. error. 11. Isidor. V, 27. B(")T-
TiGER, Aldobrand. Hochzeit, S. 157 fg. Micyll. zu Ovid.
Heroid. XIV, 9. Kossbacii, S. 3G1 ff. Dieser Gebrauch des
Wassers und Feuers blieb stets bei der confiirreatio; bei (K'u
andern FoiTnen der Ehe erhielt sich wenigstcms der G (^brauch
d(!r Fackel, bei deren Schein die Braut nach des Bräutigams
Hause gebracht wurde (faces oder taedae nuptiales ^ ge7i/ales,
marllae), s. S. 24. und Luca.v. LT, .■i5ri. C^attli.. LXI, mclirm.
30 Erster Excurs.
Cic. p. ein. G. Tag. Ann. I, 37. Serv. zu Virg. Ed. VIII, 29.
u. s. w. Rossbach, S. ;}37. Doi-t aber wm-de sie von der Be-
gleitung geraubt, damit sie weder in die Hcände der Braut
noch des Bräutigams komme. Fest. p. 289. Rapi solet fax,
qua praelucente nova nupta deducta est, ah utriusque amicis, ne
aut uxor eam sub lecto viri ea nocte ponat, aut vir in sepulcro
comhurendam .ciiretj quo utroque mors propinqua alterius utrius
captari pufatur. Rossbach, S. 340.
ScMiesslich ist zu erwähnen, dass bei der Hochzeitsfeier
oft ein Ehecontrakt oder Ehepakten (tabidae nuptialcs,
matrimoniales, dotales) über die dos u. a. Vermögensverhält-
nisse aufgesetzt und von den Anwesenden als Zeugen besie-
gelt wurden, Ja sogar unter Mitwirkung der Auspices. Diese
Verträge kannte man in der früheren Zeit nicht, sie wären
auch bei Ehe mit manus überflüssig gewesen. Je allgemeiner
aber die Ehe ohne manus wurde, um so mehr machte sich das
Bedürfniss solcher Contrakte geltend. Auf mehreren Kunst-
denkmälern, welche Hochzeitfeierlichkeiten darstellen, findet
man dergleichen tabulae in der Hand des Gatten, s. Böt-
tiger, Aldobrand. Hochzeit, S. 102 fg. Auf diese Sitte be-
zieht sich die oben erwähnte Stelle aus Suet. Claud. 26. dote
inter auspices consignata und noch klarer sprechen Juv. II,
119 fg.
Signatae tabulae, dictum! Feliciter^ ingens
Coena sedet, gremio iacuif notm ?iupta mariti.
II, 200 fg. IX, 75 fg. TAO.Ann.XI,30. Dass aber die tabulae
kein nothwendiges Erforderniss M'aren und dass sie ebenso-
wenig zur Schliessung der Ehe hinreichten, sagen Papin.
Dig. XXXIX, 5, 31. pr. und QumcT. Inst. V, 11, 32. Niltil
obstat, quo minus iustum matrimoniwn sit mente coeuntium^
etiamsi tabulae signatae non fuerint. Nihil enim proderit si-
gnasse tabulas, si mentem matrimonii non fuisse constabit. S.
darüber Brissox. de formulis VI, 122. 124. und Tromp, de
probationibus familiae. Lugd. Bat. 1837, jd. 89 — 105.
Auf alle Arten von Hochzeiten bezieht sich, was von
dem Anzug: der Braut berichtet wird. Dieselbe true- den
Die Frau eil. 31
Frauenanzug, wie er vor Alters gewölinlicli war und später
nur noch bei Hochzeiten sich erliielt, nämlich die toga pura
d. i. die alte weisse Toga, welche ursprünglich beiden Ge-
schlechtern gemeinsam angehörte. NoN. XIV, 25. Serv. zu
Virg. Aen. I, 282. Plin. Vm, 48, 74., ferner eine tunica
recta oder regilla von weisser, einen Schleier und Haarnetz
von hochgelber Farbe. Fest. p. 28G fg. EegilUs, tunicts albis,
et reticidis hiteis (d. i. der y.i-xQvq'i'J.o^' oder Netzhaube, hier für
den Gebrauch der ISTacht, s. Böttiger, Aldobrand. Hochzeit,
S. 150fg.) utrisque rcctis, textis susiim versum a stantibus (eben-
so IsiDOR. XIX, 22.) pridie nuptiarum diem virgines indutae
cuhitum ibant ominis causa, ut et'iam in togis virilibus dandis
nbservari solet. Doch darf man den Gebrauch der regilla nicht
auf den Tag vor der Hochzeit beschränken; Plin. h. n. VIH,
48, 74. Ea prima texuit rectam ttmicam, quales cum toga, pura
tirones iiiduuntur novaeque nuptae. — Die Ableitung des
Xamens regilla ist zweifelhaft, wie die Quantität der ersten
Silbe. Gewöhnlich nimmt man es als von einem Stamm mit
recta, gleichsam als Deminutivum. Dagegen Plaut. Epid. II,
2, 39. Q,nid erat induta? an regiUam induculam an mendicu-
lam Impluriatam? ut istae faciunt vestimentis nomina. folgt
offenbar der Ableitung von regina^ denn darum setzt er die
mendicula entgegen. Ein stringenter Beweis lässt sich aller-
dings aus Plautus nicht entnehmen-, denn es kann auch nur
ein auf Alliteration gegründeter Scherz sein. So sagt er bald
darauf: Supparum aut subininiam, wo unfehlbar aus NoN. zu
\erbessern ist subniiiiiurn , so dass parwn und nimium. sich ent-
gegenstehen. Indessen da Lsidor. XIX, 25 und NoN.XlV, 1.').
regilla von regina ableiten und als basilica erklären, halten
wir diese Erklärung fest. — Die regilla und (tunica) recta
unterscheiden sich von andern wohl hauptsächlich nur durch
die Weise, wie sie gewebt wai'cn, an einer tela, deren stameii
nicht horizontal, sondern vertikal aufgezogen war und an der
von unten nach oben gew(^bt wurde («rw iHfid'rtiry S. nocli
Fest. J). 277. liectae appeJlantur ve.stimenta virilia, quae pa-
tres liberis suis conficiciida riiyant ominis causa, ita iisiirpata
32 Erster Excurs.
qiind a stantibus et in altititdinem toxuntvr. Es scheint dem
nach, als sei nur die weibliche Tunica dieser Art regilla, nicht
recta genannt Avorden. Vgl. Salmas. zu Vop. Aurel. 4G. Eoss-
bach, S. 276 f. leitet den Namen recta davon ab, dass sie ge-
rade herabfällt und keinen Faltenbausch über dem Gürtel
bildet, wie es bei der späteren Tunica der Fall war. Diese
regilla gürtete man mit einem wollenen Gürtel (davon Juno
Cinxia gen.), der mit dem sogenannten Herkulischen Knoten
geknüpft war. Paul. Diac. p. 03. C'mgulo nora nupta prae-
cingebatin-, qiiod vir in lecto snlvehat , factum ex Jana Ovis — .
Hunc Herculaneo nodo vinctiim vir solvit ominis gratia, vt sie
ipse felix sit in siiscipiendis liberis, utfuit Hercules, qui septua-
ginta liberns reliqiat. Vgl. Paul. v. cinxiae Jiinonis ebendas.
— Des Herkulesknotens, der von dem altitalischen Sancus
stammte und vor Bezauberung schützte, gedenken ohne Bezug
auf die Hochzeit Plin. h. n. XXVIH, G, 17. Macrob. Sat. I,
19. Seneca epist. 87. Vgl. noch Schrader, animadvers. in
Musaeum p. 344 (268 ed. Schäfer). Rossbach, S. 277 ff.
Der Schleier oder richtiger das Kopftuch, flammeum
(NoN. XIV, 31.), das die Braut am Hochzeittage trug, war
von rothgelber Farbe. Paul. p. 89. Flammeo amicitur nuhens
ominis honi causa , quod eo assidue idebatur flaminica i.e.flami-
nis lixor, cui non licebat facere divortium; und v. nuptias p.
1 70. Non. XV, 10. Eichtiger ist zu sagen, die Flaminica und
die Braut trugen das Kopftuch von dieser Farbe, weil die Ma-
tronen der alten Zeit diesen Kopfschmuck hatten, Non. XIV,
31. Plin. h. n. XXI, 8, 22. lAitei (coloris) video honorem anti-
quissimum in tinptialibus ßanimeis totum feminis concessum.
Vgl. Petron. 26. .luv. VI, 224. und Schob Suet. Ner. 28.
Tag. Ann. XV, 37. Lucan. II, 261. Catull. und Martial.
mehrm., Böttiger, Aldobrand. Hochzeit, S. 128 fg. Eossbach,
S. 283 ff. erkennt in dem flammeum den Opferschleier der römi-
schen Frauen überhaupt, welche alle mit dem paterfamilias
opferten. — Dass auch die Schuhe, sncci, von derselben Farbe
gewesen seien, hat man mit Berufung auf Seneca Hippol. 322.
behauptet. Dort ist aber von bräutliclier Kleidung nicht die
Di e Frau en. 33
Rede, sondern von der weibischen Tracht des Herkules bei
Omphale. Wohl aber lässt Catull. LXI, 10. den Hymenäus
gelbe Schuhe tragen (gerens luteum pede soccum) und auf der
Aldobrandinischeu Hochzeit hat die Braut in der That soccos
von dieser Farbe. Nun sind diese überhaupt sehr geAvöhulich
und finden sich häufig auf Gemälden aus Herkulamxm und
Pompeji. Böttiger, Aldobrand. Hochzeit, S. 34. — UnzAveifel-
haft ist aber die eigenthümliche auch der ältesten Zeit ange-
hörende Frisur des Kopfes. Fest. p. 339. Senis crinibus (auf
jeder Seite drei Abtheilungen der Haare durch vittae laneae
zusammengehalten und durchflochten, wie die ältesten Statuen
zeigen) nubentes omantur, quod is ornatus vetustissinms fuit;
giädam, quod eo Vedcdes vhgines omentiir; vgl. 0. MiJller zu
Paul. Diac. v. comptus, p. 63. Hierzu wurden nicht die ge-
wöhnlichen Instrumente genommen, sondern die symbolische
hasta coelibaris {recurva), wovon Paul. Diac. h. v. p. 6"2 fg.
die wunderbarsten und abweichendsten Ursachen angiebt,
ebenso Plut. qu. Rom. 86. S. noch Ovid. Fast. H, 559 fg.
Arnob. adv. gent. H, 67.
Gewöhnlich erblickt man in iliesem Brauch eine Andeu-
tung, dass sich die Kömer die Frauen mit CJewalt erkämpft
hätten (licminiscenz an den Raub der Sabinerinnen) und dass
sie volle Macht über die Frau besässon, so auch tex Brink,
de hasta. Groningae 1839, S. 85 ff. Iiierin«, Geist des rrmi.
Rechts I, S. 111. Härtung, Religion der Römer II, S. 72 f
bezieht die hasta coelibaris auf die Juno Quiritis, und Ross-
bach, S. "290 ff. glaubt ftheilweise nach Härtung) , dass das
Streiclieu oder Scheiteln mit der hasta als eine symbolische
Handlung übrig geblieben sei, während man \or Alters das
Haar der Braut mit der hasta als altem Schneideinstrumcut
abgeschnitten habe. Später bediente man sich zum Abschnei-
den bequemerer Instrumente, brauchte aber die hasta zum
Ordnen des Haares, um die alte Sitte nicht ganz untergehen
zu lassen. — Auf der Frisur unter dem Flamme um trug die
Braut einen Blumenkranz, Paul. Diac. v. coro IIa p. 63 M.
Ebenso war der Bräutigam und die Gäste bekränzt. Die
Becker, GnlluH. 3. Aiitl. IL 3
34 Ers t er Exe urs.
ganze Investitur der Brant behandelt li<3chst erschöpfend
KossBACH, S. 273—293.
Endlich geleiteten die Pronubae die Braut — nachdem
sie auf dem Phallus eines Priapus gesessen hatte, um frucht-
bar zu werden Augustin. de civ. dei VI, 9. VII, 24. Arnob.
IV, 7. Lactaxt. 1, 20. — ■ zu dem lectus genialis, was collocare
in Udo heisst, Donat. zu Ter. Eun. III, 5, 45. Paul. D. v.
genialis p. 94. Claud. rapt. Pros. 11, 361. Dann erst betrat
der junge Gatte den Thalamus und nun begann die Wirksam-
keit der göttlichen Subigus, Prema, Pertunda, August, de ci^'.
dei VI, 9. Dass man vor der Thüre ein Epithalaraion und
schlüpfrige Lieder gesungen habe , wie in Griechenland, lässt
sich für Kom nicht nachweisen. Eine einzige Stelle aus der
spätesten Zeit spricht dafür, nämlich Claudian Fese. XIV,
30 ff. welcher griechische Muster vor Augen gehabt haben
mag :
Ducant pervigiles carmina tibiae,
Permissisque iocis turba liceiitior
Exsultrt tetvicis libera legibus.
Das Epithalamium in Ausox. cento nupt. ist ein richtiger Hy-
menäus, der bei der deductio gesungen wurde. — Der lecttis
genialis selbst war allen Zeugnissen zufolge am Tage der
Hochzeit im Atrium aufgeschlagen worden (später geschah
dieses nur symbolisch, s. S. 6.), vielleicht von der Mutter der
Braut oder doch von deren Anverwandten. Cic. p. Clu. 5.
lectum illum genialem, quem biennio ante filiae suae nubenti
straverat, in eadem domo sibi ornari et sterni expulsa atque ex-
turbata filia iubet. nubet genero socrus. Paul. v. genialis p.
94 M. ge)i. lectus., qui nuptiis sternitur in honorem genii. Ju-
VENAL. X, 334. Serv. zu Verg. Aen. VI, 603. und ausführ-
licher Arnob. adv. g. II, 67. Cum in matrimonia coiwenitis,
toga sterjiitis lectulos et maritorum g'enios advocatis. Daher
heisst bei Hör. ep. I, 1, 87. lectus genialis in aula est s. v. a.
verheirathet sein. Mehr erfährt man über diesen Gebrauch
nicht; doch scheint in einigen Stellen die Andeutung zu lie-
gen, dass er nur bei der Ehe mit manus Statt fand. Xament-
Die Frauen. 35
lieh sagt Arxob. IV, 20. usu, farre, coeinptione genialis lectuli
sacramenta condicunt. Indessen sind diese Worte in keinem
Fall so streng zu nehmen, so wenig- als das obige in matrimo-
nia co7ivenire. Wenigstens ist natürlich, dass, als die strengen
Eheformen ausser Gebrauch gekommen waren, doch viele
ihnen eigenthümlich gewesene Gebräuclie beibehalten wurden,
z. B. das Ojjfer unter dem Beistand der Priester nebst dem
Camillus und der Caniilla. Der lectus genialis oder adversus
blieb an seiner Stelle, so lange die Frau in der Ehe blieb oder
selbst bis der Mann sich wieder verheirathete. Dann fand das
sternere von Neuem Statt, wie es p. Clu. heisst und Prop. IV,
11, 85.
Seu tarnen adversum mutarit ianua lectum^
Sederit et nostro cauta noverca toro.
Prächtig schildert Appul. met. X, p. 256. einen torus genialis
als indica testudine perlucidus , plimiea congerie tianidus, veste
serica floridus. Adversus heisst der lectus, weil er im Atrium
der ianua gegenüberstand, woraus sich obige Worte erklären.
Vgl. BüTTiciER, Aldobr. Hochz. S. 124. Kunstmyth. 11, S. 449.
EosSBACH, S. 367 ff.
Am folgenden Morgen begann die junge Frau ihr Ilaus-
regiment mit einem Opfer an dem Altar des Gatten, Macrob.
Sat. I, 15. Plut. qu. Rom. 2. Daran schloss sich in des
Mannes Hause eine Nachfeier der Hochzeit, repotia genannt.
Fest. p. 281. Repotia postridie nu])tias aptid novuin maritum
coenatur, quia quasi reficitur potatio. Ebenso erklärt Porphyr.
zu Hör. Sat. II, 2, 60. dies post nuptias. In diesem Sinne
nimmt Gell. II, 24. dieses Wort, wo er berichtet, dass die
lex Julia den Aufwand bei der Feier der Hochzeiten und re-
potia auf ein gewisses Maass beschränkt habe. Anders er-
klären DoxAT. zu Ter. Phorm. I, 1, 6. und AcROX zu Hör.
a. a. (). : Repotia dicuntur septimus dies, quo nova solet nupta
redire ad pare/ites suos. , also der erste Besuch im elterlichen
Hause. Unbestimmt sagt Ausox. epist. IX, 50. Coniiigioque
dapes aut saera rej}otia patrinn., wo repotia entweder in dem
viin Diiiiat. und Acron genonnnenen Sinn aufzufassen ist, oder
3*
36 Erster Exe Urs.
als Nachfeier der Geburt eines Kindes; vgl. Mekcer. zu AI.
ab Alexandro, dies genial. II, 5. Repötia muss daher eine
weitere Bedeutung gehabt haben als jede Nachfeier eines be-
liebigen Festes.
Zuletzt ist noch zu erwägen, dass die Wahl des Tags für
die Hochzeit nicht gleichgültig war. So vermied man als
unglückbringend die Kaienden, Nonen und Idus ebenso als
den darauf folgenden Tag, Macrob. Sat. I, 15. 16. Paul.
DiAC. V. nonarum p. 179. Gell. V, 17. Varro L. L. VI, 29.
OviD. Fast. I, 57. Plut. qu. Rom. 25.-, desgleichen die Feriae,
das Salierfest, die Eröffnung des raundus Macrob. a. a. O.
Plut. qu. R. 102. vgl. Ovid. Fast. 11,555. 111,393. Vielleicht
machte der Tag nach den Iden des Juni eine Ausnahme,
OviD. Fast. VI, 221 ff. Sogar auf die Monate wurde Rück-
sicht genommen und der Mai nicht leicht gewählt, weil der-
selbe eine Reihe von ernsten Sühn- und Reinigungsfesten
enthielt (z. B. die sacra Argeorum), Plut. qu. Rom. 85. Ovid.
Fast. V, 487 — 490., ebensowenig die erste Hälfte des Jimi,
wohl aber die zweite, Ovid. Fast. VI, 221 ff. Rossbach, S.
264—273.
Die zweite Form, welche con\ entio in manum (ursprüng-
lich zugleich Ehe) bewirkte, war die co'e'mptio. Es wurde
nämlich diese Form später auch angewandt, um manus ohne
Ehe hervorzubringen-, desshalb musste bei Verheirathungen
der coemptio die formlose Eingehung der Ehe durch Consen-
sus oder domum ductio vorausgehen. Sie erhielt durch oder
nach Servius Tullius (nicht erst nach der lex Canuleia, denn
sonst hätten die plebejischen Neubürger keine gesetzliche
. Form für die strenge Ehe gehabt) die bestimmte civilrechtlich
anerkannte Form, deren sich aber ausser den Plebejern auch
die Patrizier bedienen konnten. Die Hochzeitsgebräuche waren
die oben berichteten (nämlich die Anspielen, das Zusammen-
fügen der Hände, das Opfer, die deductio mit Talassio, das
Heben über die Schwelle, die Begrüssung mit Caius und Caia,
der Empfang mit Wasser und Feuer, der Brautanzug — lauter
Nebensachen und Aeusserlichkeiten, rechtlich nicht nothwen-
Die Frauen. 37
dig, sondern von dem Willen und dem Vermögen der zu Ver-
mählenden abhängend — ); nur dass an die Stelle der bedeu-
tung-svollen, mit Umständen und Kosten verbundenen relieriö-
sen Feierlichkeit eine einfache Civilhandlung trat, welche
bloss das Abhängigkeitsverhältniss der jungen Frau bestimmte.
Es war ein symbolischer Kauf durch Mancijoation (per aes et
libram, patre vel tutoribus auctoribt(s), welcher seine nähere
Bestimmung durch die Wechselreden der Verlobten empfing.
Die Hauptstelle darüber ist bei Gai. I, 113. Coen}2?tio7ie in
manum convenmnt ptr mancipcitionem i. e. pe>' qucaidam imagi-
?}arican venditionem^ adltibitis tion minus quam V tentibus, civibus
Romanis 2^uberibus^ item libripende praeter mulierem eumque,
cuius in manum co7ivenit. Dasselbe ist es, wenn Serv. zu Verg.
Aen. IV, 103. sagt: Coemptio enini est, tibi libra atque aes ad-
hibetur et mulier atque vir in se quasi emtionem faciunt. vgl.
Orell. insc. 4859. Den weiteren Hergang und dabei übliche
Formeln nennt Serv. zu Aen. IV, 214. und Boethius zu Cic.
Top. 3. p. 299. duae in manum per coemptionem convenerant,
eae matres fam. vocabantur ; quae vero usu vel farreo, minime.
Coemptio vero certis solennitatibus peragebatur et sese in coe-
mendo invicem interrogabant (d. h. bei der Coemtio frugen sie
sich gegenseitig); vir ita: an mulier sibi materfamilias esse vel-
let; illa respondebat, Velle. Itaque midier viri conveniebat in
manum, et vocabantur hae nuptiae per coemptionem, et erat mu-
lier materfamilias viro loco filiae. Quam solcjinitatem in suis
institutis Ulpianus exponit. Ulpiax ist die gemeinschaftliche
Quelle, aus der auch Servius und Isjdor V, 24. entlehnt
haben; nur dass diese die Worte: et sese in coemendo invicem
interrogabant falsch verstanden (wie Serv. zu Verg. C4eorg. I,
31. thut) und sese invicem zu coemendo zogen (so dass dadurch
ein gegenseitiger Kauf der beiden Gatten entsteht, M^oran nicht
zu denken istj, während diese Worte zu interrogabant gehören,
wie es oben genommen worden ist. Richtig wiederholt Boe-
thius diese Worte;, man kann ihm also nicht eine falsche V^or-
stelliing von der coemptio und N'erwirrung der Hegrirt'e Schuld
geben, s. die citirte Kec. in der Zcitschr. f. jMtcrthiinisw issen-
38 Erster Exeu IS.
Schaft über Hase, de inauii, und überhauj)! Rossbacii, S. 65
— 95. 244 ff. — Dag-egen kann Boethius von andern Irrthii-
mern niclit freigesprochen Averden, nämlich dass er die con-
farreatio auf die Priesterehe beschränkt (s. oben S. 15.)-, dass
er ghnubt, die Frau habe nur coemptione in nianum kommen
können; endlich dass er nur die als materfamilias gelten lassen
will, die coemptione convenit. Der Irrthum erklärt sich leicht,
wenn man bedenkt, dass in Boethius Zeit keine dieser Ehe-
formen mehr bestand und dass er sie nur durch Tradition
kannte, dass ferner die im gemeinen Leben frühzeitig abge-
kommene confarreatio längere Zeit nur zum Schliesseu der
Priesterehe gedient hatte und dass usus schon lange nicht
mehr zur manus führte; Gm. I, 111. Da nun bei der coemjjtio
vorzugsweise die Formel: visne viild esse materfamilias vor-
kam, so glaubte er, nur solche Frauen würden mit diesem
Xamen genannt. Das Kichtige erkennen Avir aus Cic. Top. 3.
Genus enim est uxor; eins duae formae: ima viatrum familias
eariim, quae in manum convenerunt: altera earum, quae tantitm-
modo uxores hahentur. Es sind also zwei Species: 1) matres-
familias, das sind alle quae in manum convenerunt (usu, far-
reo, coemptione); 2) uxores tantummodo d. i. quae in manum
non convenerunt. Eichtig erklären auch Gell. XVUI, 6.
matremfam. appellatam esse eam solam, quae in mariti manu
mancipioqiie — esset, und Serv. zu Verg. Aen. XI, 476. vgl.
581. Beide widerlegen andere ungeschickte Erklärungen, wie
die des Non. V, 82.; s. Pauly, Realencykl. IV, S. 1636 fg.
Die Benennung matrona, welche irrig von Grupen, S. 4 ff'. 27.
Eggers, S. 10 ff. und Tafel, de divortiis p. 29. von der Fi-au
in freier Ehe im Gegensatze zu mater familias erklärt wird,
ist nur ein Aveiterer Begriff für jede anständige Frau. Das er-
giebt sich vollständig aus Cic. p. Cael. 13. petidaiites facimnsj
si inatretn familias secus, quam matronarum sauctitas postulat,
jiominamus. Daher ist jede mater fom. auch matrona, aber
nicht umgekehrt. S. Pauly, Eealencykl. IV, S. 1655.
Die dritte Form endlich , durch Avelche eine Frau in
nianum kam, Avar der usus oder Verjährung. Wenn nämlich
Die Fraueu. 39
die Frau zwar nur eine freie Elie eingegangen hatte, aber ein
ganzes Jahr bei dem Manne geblieben war, ohne sich auf drei
Tage aus seinem Hause entfernt zu haben, so entstand da-
durch manus. Gai. I, 111. Usu in manum conveniebat, quae
anno continuo nitpta perseverabat, nam vtlut annua possesaione
usucapiebatiir, in familiavi viri transibat ßliaeque locum obtine-
bat. Itaque lege XII tabidarum cautum erat ^ si qua nollet eo
modo in manum mariti convenire ^ ut quotannis trinoctio abesset
atque ita usum cuiuscunque anni intcrrumperet. Es gehörten
dazu nicht drei Tage oder dreimal 24 Stunden, sondern drei
auf einander folgende volle Nächte mit den dazwischen lie-
genden zwei Tagen, wie sich aus der von Gell. III, 2. und
!Macrob. Sat. I, 3. angeführten Entscheidung ergiebt, nämlich
dass die Frau die usurpatio trinoctii nicht geltend machen
könne, quae Kalendis Januariis apud virum causa matrimonii
esse coepisset, et ante diem IV. Kai. Jan. sequentes Usurpation
isset (d. h. welche des Gatten Haus verliess, um die Usucapion
zu unterbrechen). Non enim passe impleri trinoctium, quod ab-
esse a viro usuipandi causa ex XII tabulis deberet, quoniam
tertiae noctis posteriores sex horae alterius anni essent, qui in-
ciperet ex Kaie idis.
Xeben diesen strengeren Formen der Ehe , durch welche
die Frau in manum mancipiumque mariti kam, bestand noch
eine freiere, matrimonium iustiim, ohne couventio in manum.
Die Frau blieb dann in potestate patris oder tutoris und hatte
freie Disposition über ihr Vermögen, galt aber ebenso als ge-
setzliche Gattin, wie bei Ehe mit manus. Solche Frauen sind
es, welche, wie bereits oben erwähnt ist, Cic. Top. 3. uxores
fantummodo im Gegensatz zur niater familias nennt Ebenso
braucht Gell. XVIII, 6. den Ausdruck: in matnmonium tan-
tum convenire als Gegensatz zu in manum convenire. Diese
freiere Ehe, welche mit dem Verfall der alten strengen Fami-
lienverfassung immer mehr überha)id nahm, ist durch die
Peregrinen und dienten oder durch die Etruskcr sehr früli-
zeitig nadi Kom gekommen, wo sie zuerst nur als faktisches
A'crhältuiss gegolten hat , bis sie alluiälig auch als römisclie
40 Erster Excurs.
rechtlich gültige Elie anerkannt wurde, vorausgesetzt, dass
die Bedingungen derselben, Standesgleicheit oder Civität, auf
beiden Seiten gefunden wurden. Diese freie Ehe ging — wenn
Vater oder Vormund der Frau seine Einwilligung dazu ge-
geben hatte — durch einjähriges ununterbrochenes Zusammen-
leben in die strenge über; wenn usurpatio trinoctii Statt ge-
funden hatte, bestand die freie Ehe auch fernerhin fort. Die
spätere Zeit, welche die conventio in manum unbequem fand,
kehrte endlich ganz zu dieser Art von Ehe zurück, so dass es
schon unter den mittleren Kaisern keine andere Ehe mehr
gab, mit Ausnahme der nur noch für Priester angewandten
confarreatio. Eossbach, S. 42 — 58. 156 ff. Eein, röm. Privatr.
S. 388 ff. Die Hochzeitsgebräuche, welche der Ehe mit und
ohne manus gemeinsam waren, sind oben bei der confarreatio
dargestellt worden. S. darüber Brissox. de ritu nuptiarum,
Antverp. 1585, in Graev. tlies. VULL. und in op. min. ed. Tre-
kell, I, ]). 287 — 339. Al. ab Alexandro, dies genial. II, 5.
nebst den Anmerkungen, Grupex, im a. B., Kreyssi&, silvae
Afranae p. 65 ff. D. Ecjeriaco, i ritu nuziali degli antichi
Rom. Fermo 1780. Bagxi, i riti nuziali degli ant. Rom. lio-
vigo 1843. Pauly, Realencykl. V, S. 781 ff. und vor Allen
Kossbach, S. 253—389.
Es giebt auch mehrere Sarkophage, welche römische
Hochzeitfeierlichkeiten darstellen, z. E. de Rubels, admiranda
Rom. anticp vestig. X. 56. 65., wiederholt von Moxtfaucox,
Tom.ni, pl. 133. 130. Grupex, de uxore Rom. p. 193. Guat-
TANi, notizie sulle antichitä e belle arte di Rom. 1784. 1785.
Böttiger, Aldobraud. Hochzeit, S. 148 ff. Ideen zur Kunst-
mythologie H, S. 2 72 ff. Gerhard, antike Bildwerke , Cent.
I, T. 7 4 f. S. 31 3f. Einen neuerlich in Monticelli gefundenen
beschreibt Bruxn, sarcof. rappres. cerimonie nuz. in Annali
deir instit. di corr. arch. XVI. Roma. p. 186 — 200. Alle diese
Monumente gehören aber der späteren Zeit an, in der es fast
nur noch Ehen ohne manus gab. Man findet jedoch auf allen,
dass Braut und Bräutigam sich die Hände reichen, indem sie
von der Juno Pronuba zusammengeführt werden, ebenso Vor-
Die Frauen. 41
bereitungeu zum Opfern nebst priesterliclieu Personen und
den Camillis . auch der Hymeuaeus fehlt nicht. Auf der von
Brunn treft'lich beschriebenen Scene führt Juno die Gatten zu-
sammen, der Bräutigam wird von der Victoria und einem Lik-
tor oder Opferdiener, die Braut von Venus, Amor und den
Gi-azien geleitet. Ein Stier soll geopfert Averden u. s. w. Alles
verkündet die spätere Zeit, in der man gleiclnvohl noch Foi*-
men der früheren Periode beibehalten hatte, wie bereits S. 16.
bemerkt worden ist. Eossbach, S. 376 — 389.
Etwas anderes war der Concnbinatus oder das ausser-
eheliche, einer höheren Bedeutung ermangelnde nur ge-
schlechtliche Zusammenleben, namentlich zwischen solchen
Personen, die kein cunnubium hatten. Man muss jedenfalls
zweierlei Ai-t des Concubinats unterscheiden: 1) Concub. im
engeren und eigentlich juristischen 8inn, Avenn ein civis unver-
heirathet mit einer nicht standesgleichen, als einer peregrina,
liberta, serva oder humilis, abjecta femina zusammenleben
wollte, ohne sie als Gattin zu betrachten (gCAvissermassen eine
morganatische Ehe, iiuiefpiale coit'nigintii, aueli licita consueiudo
genannt). 2) Concub. im weiteren und nicht juristischen Sinn,
wenn ein Ehemann neben seiner Frau mit einer Concubine
lebte oder unverheirathet mit zwei Concubinen. Die erstere
Verbindung hatte nichts Strafbares, nicht einmal Anstössiges
(darum finden Avir auch Grabinschriften, Avelche der ,, geliebten
Concubine" geAveiht waren, Grutkr, 610, 8. 631, 5. Okkli..
n. 2673.) Plaut. Poen. prol. 102. Epid. III, 4, 2«:»f.
Ego ilhim fiodie volo facere liltertahi meam
Mihi cnncubina quae sit.;
die ZAveite Avird durchaus A'erworfen und liel in die Kategurie
des Stuprum, wenn die Concubine eigentlich unter die honeste
viventes gehörte. Die mit einem Ehemann lebende Concubine
heisst vorzugsweise pellex, Kebsweib. Paul. Diac. p. 222 M.
Pellices nunc quidc.m oppellantur alienis succumbentes, non )<o-
lum feminae^ sed etiam mares. A7itiqin proprie eam jjeUicem
nominabant^ quae uxorem habcyiti nubebant. Cui gmeri midie-
rum eliain jioena coiistituta fst a Nuina Pui/ipi/io ]iac lege:
42 Erster E X cur s.
Pellex aram lununis ne tang'tto; si tauget, lunoni crinibus de-
viissis agnuvi fembiam caedito. Dasselbe bei Gell. IV, 3. Pd-
licem autem appellatam prohrosamque habitom^ qiiae iuncta
consuetaque esset cum eo, in cuiiis manu mancipioque alia ma-
trinwnü causa füret, hac atitiquissima lege ostenditur etc. Wie
Masur. bei Pauli. Dig. L, 16, 144. sagt, wurde die pellex zu
seiner Zeit amica oder paulo honestiore nonfine Concubine ge-
nannt. Die lex lulia et Papia Popjmea gab Bestimmungen
über den Concubinat, in wie weit er gestattet sei oder nicht.
Das Nähere s. Birnbaum zu Creuzers Abriss, S. 484 ff. Zim-
mern, Gesch. d. Köm. Privatreclits I, S. 485 — 495. Kein, röm.
Criminalrecht, S. 859 fg. Privatrecht, S. o97 f. und Schmidt,
de concubinatu liomau. Berol. 1835.
VERLOBUNG UND EHESCHEIDUNG.
Die griechische Ehe, wenigstens in Athen, verlangte um
gültig zu sein, durchaus ein vorhergegangenes feierliches Ver-
löbniss, s. Charikles III, S. 293. Bei der römischen war diess
wenigstens unwesentlich, Avenn auch natürlich ein Anhalten / ( /.
um die Braut bei dem Vater derselben oder in dessen Erman- '^ j
gelung bei dem Bruder, Vormund u. s. w. und ein Zusagen
derselben vorausgehen musste. Dio Cass. XL VIII, 44. LIX,
12. LXIII, 13. Von der dabei üblichen Stipulationsform : spon-
dcsnef sjjondeo^ heisst die ganze Handlung sponsalia (die Ver-
lobten aber sponsa, sponsits, welcher letztere in älterer Zeit
auch procus hiess. Fest. v. procum, p. 249 M.), auch wenn sie
jedes Ceremoniels entbehrte. Ein anderer Ausdruck ist con-
rrntac conditio, welcher Akt der Verlobung vorausging und in
Unterhandlung über Grösse der dos, Zeit deren Auszahlung
und andere Bedingungen bestand, Paul. Diac. p. 62. Con-
i-entae (d. i. der zukünftigen Braut, quae convenitur) conditio
diccbatur^ quuni primus sermo de nuptiis et earum conditione ha-
bcbatur^ vgl. luv. VI, 25. Die Form dieser Sponsalien lässt
sich aus mehreren Beispielen bei den Komikern abnehmen;
Verlobung und Ehescheidung. 43
so Plaut. Aul. II, 2. III, 5, 2. Cure. V, 2, 74. Poen. V, 4,
tin. Trin. V, 2, 33 ff. Vurziiglich ist aber klassisch Trin.
II, 4, 98.
Ph. *SV«e dote pusco tuam sororem filio.
Quae res hene vortat! liabeon pactam? Quid taces?
St. Pro di hnmortales^ co)iditlonem quuiusinodi!
Ph. Quin fabulare ,,di bene vortant: ifpondtoP''
und Poen. V, 3, 36 ff.
Ac. Audiii tu pcdrupJ dico, ne dictum neges:
Tuam mihi maiorem filiam det<pondeas.
Ha. Pactam rem liabeto. AQ.Spoudes igitur? ÜA.iSpondeo.
Vgl. Va]{ro L. L. vi, G9 ff", und dazu Huschke in Zeitschrift
für geschichtl. Kechtswiss. X, S. 327 — 339. sowie Dirksen,
in Abhandl. der Berliner Akademie 1848, S. 89 — 103. —
Auf das Alter der zu Verlobenden kam nichts an, bis lex
Julia et Papia Poppaea vorschrieb, dass die Braut mindestens
10 Jahr alt sein müsse, Dio. Cass. LIV, 16. Doch band man
sich nicht daran, denn Orelli n. 2647 erwähnt eine Braut
von 8 Jahren und Modest. Dig. XXIII, 1, 2. 14. begnügt
sich mit 7 Jahren. Vgl. Orell. n. 2733. — Die Sponsalia
wurden als freudiges Familienfest gefeiert, also mit einem
Mahl, wie Cic. ad Qu. fr. II, 6. schreibt. Etwaige Familien-
trauer wurde für diesen Tag unterbrochen, Fest. v. minuitur
luctas, p. 154 M. vgl. Dio Cass. LXIII, 13. Suet. Oct. 53.
Nicht selten erhielt die Braut einen Verlobungsring , annidiis
proHubus , gleichsam als symbolisches Unterpfand der Treue.
luv. VI, 25 ff. Plix. h. n. XXXIII, 1, 4. Tertull. apol. 6.
IsiDOR. XIX, 32. LiNOEXuROG ZU Ter. Eun. III, 4, 3. Der
Bräutigam empfing dagegen ein Geschenk von der Braut,
DiONYS. III, 21. In späterer Zeit wurden auch wertlnolle
Ciegenstände als Unterjifand (arra) gegeben, welche iler zu-
rücktretende Tlicil einbüsste. Ein Beispiel erzählt Capitoi..
Max. Iiiii. I. IsrnoR. IX, S. vgl. Cuiac. observ. XI, 17. Schon
hieraus ergieljt sich, dass das Verlöbniss, wenn es auch mit
den bestinnntesten Worten oder sogar schriftlicli (Isidor. IX,
8.) eingegangen war, keinen der beiden Tlieih' fe>t band, und
44 Erster Excurs.
es konnte in Rom (so wenig als in Athen) weder ex sponsu
nocii ex stipulato geklagt werden. luv. VI, 200.
Si tibi legitimis pactum iunctamque tabelUs
Non es amaturus, ducendi nidla videtur
Causa.
Beide Theile konnten das eingegangene Verhältniss aufkün-
digen, remmtiare oder remittere repiidium, Plaut. Aul. IV, 10,
53 fF. Ter. Phorm. IV, 3, 72. nuntium remittere et sponsaUa
dissolvere. Ulp. Dig. XXIII, 1,10. Repudium wurde auch von
der Ehescheidung (divortium) gesagt, nicht aber umgekehrt.
Modestin. Dig. L, 16, 101. Divortium inter viruin et uxorem.
fieri dicitur ; repudium vero sponsae remitti videtur, quod et in
iixoris personam non inej}te cadit; ebenso Paull. ebendaselbst
191. Die dabei übliche Formel: conditione tua non utor, wie
sie von Gai. Dig. XXIV, 2, 2. angeführt wird, hat wohl keine
juristische Nothwendigkeit , sondern ist nur herkömmlich.
Beispiele von aufgekündigter Verlobung s. Plut. Cat. min. 7.
Caes. 14. Suet. Caes. 21. Oet. 62. Tag. Ann. XII, 3. 9. Dio
Cass. XL vi, 56. u. s. w. — Ohne Kechtsgültigkeit war aller-
dings auch das Verlöbniss nicht, doch nur während der Dauer
des nicht aufgekündigten Verhältnisses zwischen Bräutigam
und Braut. So war es infamirend, während dieser Dauer ein
zweites Verlöbniss einzugehen und es konnte Untreue der
Braut selbst als adulterium angesehen werden.
Nach altlatinischem Localrecht hatte der durch den Zu-
rücktritt des einen Theils verletzte andere Theil ein Klage-
recht (eine Stijjulationsklagc) und der Richter verurtheilte
den, welcher aus nichtiger Ursache zurückgetreten war, zur
Bezahlung einer Summe Geldes {litem pecunia aestimabat).
Nach der völligen Verschmelzung Latiums mit Rom fand
dieses ins sponsaliorum ein Ende. So berichtet Gell. IV, 4.
nach Serv. Sulpicius; s. dazu Huschke, in Zeitschr. f. gesch.
Rechtswiss. X, S. 315 — 326. Dass ein ähnliches Recht vor
Alters auch in Rom bestand, scheint sich aus der interessanten
Notiz bei Plut. Cat. min. 7. zu ergeben. Rein, röm. Privat-
recht S. 409 f.
Verlobung und E h e s c li e i d u n g. 45
Die auf das Verlöbniss sich bezielieudeu Ausdi-iicke, spe-
rata, pacta, sponsa, destinata, s. Arxob. adv. geut. IV, 20.,
unterscheiden und auf die verschiedenen Formen der Ehe be-
ziehen zu wollen, wie Eggers gethan hat, oder auch nur auf
die einzelnen Stadien des ganzen Verhältnisses , wie Gund-
LixG, in Gundlingiana X, S. 377 ff. U.A., ist eine durch nichts
gerechtfertigte Willkür. So nimmt Eggers S. 15. an, sperata
bezeichne die Frau in freier Ehe , ehe sie durch Ablauf des
ununterbrochenen Jahres in mannm gekommen sei, indem er
sich vorzüglich auf Plaut. Am^jliitr. II, 2, 44. stützt:
Ainphitruo iixorem salutat laetus speratam suam.
Allein dort ist sperata soviel als aonaala, die in der Abwesen-
heit Ersehnte, und komisch genug wäre es ohnehin, sich den
Amphitruo mit der Alkmene in freier Ehe zu denken. Freilich
schiebt Eggers nach iixorem noch ein suam ein, wodurch der
Vers monströs und der Sinn ein anderer wird. Xoxius sagt
V, 69: virgo priusquam petatur sperata dicitur. — Pacta, bei
XoNius auch dicta, heisst das Mädchen nach erfolgter Zusage,
also die Versprochene s. o. Plaut. Trin. — Davon ist der
Ausdruck sponsa nur insofern verschieden, als er die durch
Stipulation feierlich Verlobte bezeichnet. Sulpic. sagt a. a.
Orte: Tum quae prornissa erat, sjjonsa appellabatur^ qiii spo-
ponderat ductnriun, sponsus. Aber mit E(;gi:rs pacta von der
confarreatio, und sponsa von der coemtio zu verstehen, dazu
ist kein Grund vorhanden. — Von den Verlobungen handeln
Brissoxius, de ritu nuptiarum, zu Anfang. Hottomaxx, de
sponsal. in < >pp. I, p. 476. und de vet. ritu nujjt., im Anfang.
Reix, röm. Privatrecht, S. 407 ff.
Wie das bei dem Verlöbnisse gegebene Versprechen ohne
Weiteres zurückgenommen wei'den konnte, so war auch jeder-
zeit die Auflösung der Ehe selbst möglich, ohne dass
irgend eine Staatsgewalt zum Ein.spruche berechtigt gewesen
wäre. Diese Freiheit war jedoch sehr bcschräid^t durch das
moralisrlu! Gefühl des Volks und die hohe Achtung, welche
man vor der Heiligkeit des Ehebundes hegte. Dazu kam das
Uau.sgeridit der Verwandten, welches vor der Scheidung be-
4() Erster Excurs.
fragt werden musste , und die Scheu vor der Censoriscben
Rüge, welche bei leichtsinniger Scheidung eintrat. Diese Frei-
heit der Ehescheidung scheint aber, wenn des Dionys. Bericht
wahr ist, nicht auf die confarreirten Ehen bezogen werden zu
dürfen. Er behauptet nämlich II, 25. völlige Unauflösbarkeit
der confarreatio : et'g ovideofioi' drayxaluv oi-MioTi^iog tqsQSv ddia-
XvTüv y.ai rb diatofjaov rovg yafiovg ruvTOvg ovdtv ijv. Doch wird
uns diese Stelle nicht überzeugen, wenn wir bedenken, dass
zu des Dionys. Zeit die confarreatio nur noch für die Priester-
ehen fortdauerte und diese waren allerdings unauflöslich.
Paul. v. flammeo, p 89. Er konnte sich also leicht irren, und
die Untrennbarkeit der confarreatio annehmen, wenn er die
Ehe des Flamen und der Flamini ca als Vorbild der alten con-
farreatio ansah. Demnach ist eine Vereinigung der Stelle des
DioxYS. mit der des Plut. Kom. 22. nicht so entschieden zu
verneinen, als es gewöhnlich geschieht. Plut. sagt: 'ißrj-AS 8t
■/Ml rofiovg mag, äv (JCfodnug fitr ^ativ 6 yvvar/.i fitj 8i8ovg urrohi-
Titiv dfSoa, yviaixa 8l 8i8uvg iy.^dU.tir Im quoiia-AHin Tt'y.i'Cov tj
y.hiSäv irnoßolfi y.ui fwiyevß^uaui., welche Angabe sich mit der
des DiONYS. gut verträgt, da Plut. nicht M'ie Diouys. aus-
schliesslich von der durch confarreatio geschlossenen Ehe,
sondern von der Ehe überhaupt spricht. Auch wäre es ganz
widersinnig, dass eine eheliche Verbindung sollte fortbestan-
den haben, wenn solche Verbrechen, wie die genannten, vor-
lagen. Ferner bestimmte dieses angeblich romulische Gesetz,
dass, wenn sich ein Mann aus einer anderen Ursache scheide,
der eine Theil seines Vermögens an die verstossene Frau fal-
len und der andere der Ceres geweiht werden solle. Und dar-
aus, dass auf diese Weise leichtsinnigen Ehescheidungen ge-
setzlich vorgebeugt werden sollte, ergiebt sich Avenigstens,
dass die Ehe überhauj)t auflösbar war.
Auch andere Beweise sprechen dafür, dass schon in den
früheren Zeiten der Republik Trennung der Ehe vorkam und
dass bereits in den XII Tafeln Bestimmungen darüber ent-
halten waren. Freilich steht dieser Annahme die Aielfach be-
richtete und viel besprochene Xachricht entgegen, dass S]».
Verlobung und E li e s c h e i d u n g. 47
Carvilius Kuga der Erste gewesen sei, der im J. d. St. 520
oder 523 sich von seiner Frau geschieden habe. Am entschie-
densten sagen diess Dioxy.s. ü, 25. öfio/.oyeitat irrug fVcdr e'i-
v.nai VAU nevraKoalav fitjds^ig ti Poofir, d(a).v&tji>(ii yccfiog. — ;7/>a3-
rog dno).i>a<ii h'ysrai t/^»' iavTOv yvva?y.a J-TTOVoiog Kaf>. dir/Q ov/.
dqxaijg, dvayxa^ofierog vnh tär ziinjäv 6i*öaui Tt'y.vtov nty.a yv-
vam utj oworAslv. Die letzten Worte sind oflfenbar corrupt oder
enthalten ein Missverständniss, wie sich aus der Erzähhuig
bei Gell. XVII, 21. ergiebt: Anno deinde p. R. c. quinge.nte-
simo undevicenimo Sp. Carv. liuga primus Momae de amicorum
scntentia divortium cum uxore fecit, quod sterilis esset iurasset-
que apud cemsores, tixorem se liberum quaerendoriim causa ha-
bere.- Val. Max. II, 1, 4. nennt auch das Jahr 520, dagegen
findet sich eine andere höchst auffallende Angabe bei Plut.
comp. Thes. c. Kom. 6. und übereinstimmend comp. Lyc. c.
Xuma 3., dass die erste Ehescheidung des Sp. Carvilius im
J. 230 Aorgekommen sei. Dieses Jahr hat nun allerdings alle
Wahrscheinlichkeit gegen sich, da die Scheidung des Carvi-
lius noch in die Periode des Königthums fallen würde, Avährend
die ganze Erzählung uns auf die Zeit der Kepublik und zwar
die Epoche hinweiset, wo das Censoramt vom Consulat ge-
trennt war. Uebrigens ist auch die Auctorität des von Gellius
angeführten Serv. Sulpicius bei Weitem die gewichtigste.
Dagegen wird auch wiederum Niemand es Avahrscheinlich fin-
den, dass 520 Jalire lang bis etwa 150 Jahre vor Cicero in
Kom keine Ehescheidung sollte vorgekommen sein. Die ganze
Sache scheint vielmehr auf einem IMissverständniss zii beru-
hen, worauf die zweite Stelle des Gell. IV, 3. selbst führt.
Daraus geht mit Wahrscheinlichkeit hervor, dass des Carviliu>
Scheidung unter besonderen, von den früheren Scheidungen
abweichenden Linständen Statt fand, welche bcAvirkten, dass
man die in gewisser Bezieliung erste Scheidung ihrer Art
später überhaupt für die erste hielt. Auch hat Seuv. Sulpi
ciu« in keinem Falle bcliauptet, dass es die erste Scheidung
gewesen sei, sonst würde (Jelhu.s nicht blos sagen: quia j>ro-
fccto niliil desiderabantur fnämlidi rci uxoriae actioncs und
48 Erster Ex cur s.
cautiones), nuUis etiatntunc inatrimonüs divertentibus , cl. h.
Gell, schliesst mxr aus dem Nichtvorhandensein der cautiones
rei uxoriae auf das spätere Aufkommen der Ehescheidungen.
Wahrscheinlich war Sj). Carvilius der Erste gewesen, welcher
sich nicht ans einer der schon vor Alters gestatteten Tren-
nungsursachen von seiner Frau schied, sondern der Sterilität
halber und aus eigennütziger Absicht (um die dos zu behalten),
indem er sich dabei mit scheinbarer ßeligiosität rechtfertigte.
fs. OsENBRÜGGEx, in Zeitsclir. f. d. Alterthumswissensch. 1838,
X. .37.) Seine Sophisterei führte ihn zu dem gewünschten Re-
sultat, allein das Kechtsgefühl des Volks äusserte sich in lauter
Missbilligung über dieses Verfahren und die cautiones rei uxo-
riae wurden bald darauf eingeführt, um ähnlichen Vorftillen
vorzubeugen. Durch die besonderen Umstände und dadurch,
dass sich von da die genannten cautiones datirten, gewann die
Scheidung des Carvilius eine besondere Celebrität, und so
konnte es leicht geschehen, dass nach 200 und mehr Jahren
im Volke der Glaube entstanden war, sie sei überhaupt die
erste gewesen. — Dass diese Scheidung in einer Beziehung
die erste gewesen, behaupteten mehrere Gelehrte, so z. E. er-
kannte sie ZiMMERx als die erste sterilitatis causa, Klexze
als die erste ohne Befragen des Cognatengerichts, Göttlixg
als die erste Scheidung einer strengen Ehe u.s.w. Die Schrif-
ten von Savigny, Zimmern, Klenze u. A. s. bei Rein,
röm. Privatrecht, S. 450 ff.; dazu noch Fritzsche, de di-
vortio Carvil. vor dem index lectt. der Universität Rostock,
im Sommer 1835.
Wir kehren nun zu dem Beweise der frühzeitig gestat-
teten Ehescheidung zurück vmd verweisen zuerst auf das von
Val. Max. II, 9, 2. erzählte Beisjjiel : Horum severitatem M.
Valerius Maximus et C. lunius Buhulcus Brutus censores in
consimili genere animadversionis hnitati L. Antonium senatu
moverunt, quod quam virginem in matrimonium duxerat, repic-
diasset^ nullo amicorum in consilium adhibito. Man irrt gänz-
lich, wenn man hierin den Beweis finden will, dass die Ehe-
scheidungen ungewöhnlich oder verboten gewesen seien. Zu-
Verlobung u u d Ehescheidung. 49
erst muss man das wohl festhalten, dass die nota censoria
durchaus nicht als iudicium angesehen wird, wie die lehrreiche
Beweisführung bei Cic. p. Clu. 42 — 48. zeigt. Das Urtheil
des Censors ist ganz subjectiv und hat daher eine einge-
schränkte Gültigkeit. So folgt also aus der animadversio
censoria in Antonium nicht, dass er etAvas Verbotenes und
Strafbares that, indem er sich von seiner Frau schied, aber
es lag in der Art und AVeise, wie er es that, etwas schwer
Tadelnswertlies und das geht aus Val. Max. selbst hervor,
denn er setzt hinzu: nullo amicorum in consilium adhibito. Es
wurde nämlich in solchem Falle jederzeit ein Familiengericht
oder Berathung gehalten, und daher hiess es auch von Carvi-
lius: de amicorum sententia. (S. über dieses Hausgericht oben
S. 20 fg.) War daher die Handlungsweise des Antonius eine
willkürliche und harte, so konnte sie allerdings Gegenstand
der animadversio censoria sein. Diese Scheidung fand aber
Statt 447 d. St., also etwa 50 Jahre vor den punischen
Kriegen.
Es liegt aber noch ausserdem der Beweis vor, dass in
viel früherer Zeit die Ehescheidungen rechtlich gestattet und
in gewisser Hinsicht durch die Gesetze geordnet waren. Cic.
Phil, n, 2b. sagt spöttisch von Antonius, der die Cytheris
unter denselben Förmlichkeiten wie bei einer Ehescheidung
von sich entlassen hatte : illam suam suas res sibi habere iussit,
ex duodeciin tabulis \causain addidit] claves ademit, foras exegit.
Aus diesen hinsichtlich der Erwähnung der XH Tafeln diplo-
matisch feststehenden Worten ergiebt sich, dass in den ZavöH-
tafelgesetzen Bestimmungen über die Kechtsverhältnisse der
sich Trennenden, vielleicht auch über geAvisse zu beobachtende
Förmlichkeiten gegeben Avaren, (Avenn wir die Worte ex All
Tab. zu claves ademit nehmen). Dass aber, um die Scheidung-
vornehmen zu können oder zu dürfen, es der Angabe be-
stimmter Gründe bedurft hätte, davon giebt es keine Andeu-
tung. Nach solchen Gründen Avurde theils bei dem Cognaten-
gericht gefragt, theils von dem Richter in dem iudicium de
moribus (nämlich nach Einführung der cautiones und actiones
Beckek, Gallus. 3. Aufl. II. 4
50 ' E r s t e r E X c u r s.
rei uxoriae). An diese aber kamen die Ehescheidungssaclien
nur dann, wenn die vermügensreclitlichen Verhältnisse der
beiden sich trennenden CTatten (namentlich in Bezug auf die
Kückgabe der dos) nicht durch friedliche Uebereinkunft ge-
ordnet worden Ovaren. Hier kam es darauf an, ob des Mannes
oder der Frau strafbare Handlungen die Veranlassung zur
Scheidung gegeben hatten (iitrius culpa divortium factum,
Ql'inct. VII, 4^ 11. 38). Bei der Frau Avaren, ausser Capital-
verbrechen, namentlich adulterinm, vinolentia condemnirend
und hinsichtlich der Letzteren wurde es in alter Zeit sehr
streng genommen. Plix. h. n. XIV, \'6. Cn. Domitius iudex
pronuntiavit: midierem viderl jilus hibisse , quam valetudiyiis
causa viro insciente, et dote midtavit. Vgl. vorzüglich Gell.
X, 23. und Cato's Rede daselbst. Ueber die nach Befinden
des Richters von dem Manne zurückzubehaltende oder wieder-
herauszugebende dos (je nachdem er schuldig oder unschuldig
war) s. Pauly, RealencH, S. 1255 fg. Reix, röm. Privatrecht
S. 43a ff.
Dass nach den punischen Kriegen die Ehescheidungen
viel häufiger wurden, erklart sich aus dem von da an begin-
nenden Sittenverfälle und dem nach und nach laxer werdenden
ehelichen Bande. Auch hatte sich die Scheu vor der censo-
rischen Rüge verloren. In dieser Zeit finden wir die Freiheit
der Ehescheidung zur grös.sten Willkür und zum grössten
Leichtsinn ausgeartet, so dass dieselben oft um der gering-
fügigsten Dinge Avillen Statt fanden. Val. Max. VI, 3. führt
unter mehreren drei Beispiele der Art an, das eine des Sulpi-
cius Gallus, der uxorem demisit, quod eam capite aperto foris
versatam cognoverat ; 2) Q. Antistius Vetus, quod illam hi
puhlico cum quadom libertma vulgari secreto loquentem viderat;
3) P. Sempronius Sophus, qui conivgem rejmdii nota affecit,
rnhil aliud quamse ignorante ludos ausam spectare. Uebrigens
bleibt es immer ungewiss, ob nicht die angegebenen Gründe
nur als Vorwand dienten. In der letzten Zeit der Republik
nahmen die Scheidungen furchtbar überhand und wie die Ehe
leichtsinnig eingegangen wurde, so trennte man sich wieder
\' e r 1 0 b u n g u 11 d E h e s c h e i d u u g. 51
nach Belieben. Ganz -willküilicli verstiessen Sulla, Cäsar,
Pompejus, Cicero, Antonius ihre Frauen, ebenso Augustus,
und seine Xachfolger folgten diesem Beispiel. Cxleichzeitig
nahmen die willkürlichen, von den Frauen ausgehenden Schei-
dungen überhand, ohne dass der Mann Schuhl trug. Früher
wurde es den Frauen weit schwerer, die Ehe zu trennen, und
Untreue des INIannes gab der Frau keine Berechtigung, wie es
Plaut. Merc. IV, 6, 1 ff. lieisst, obwohl hier vorzugsweise
griechische Sitte berück.sichtigt ist:
Ecastov lege dura vivont midieres
inultoqiie iniquiore miserae quam viri.
Nnm si vir scortum duxit dam lurorem suom,
id si rescivit iixor^ impunest viro:
uxor viritm si dam domo egressast foras^
viro fit causa^ exigitur matriimonio.
Utinam lex esset eadem quae uxorist viro! cett.
Seit Cicero's Zeit werden die Scheidungen der Frauen
oft erwähnt, z. E. Cic. ad Fam. VITI. 7. ad Att. XI, 23. (hier
jedoch mit Grundj, p. Chi. 5. Maut. ep. VI, 7. X, 41. Sex.
de ben. III, 16. iiiimquid iam idla repudio eriibescit? — non
consulum numero^ sed maritorum aniios siios computant et ex-
eunt matrimonii causa, nuhiint repudii.
Der gewöhnliche Ausdruck für Ehescheidung war divor-
tiiim, eigentlich die nach gegenseitiger Uebereinkunft beider
Gatten erfolgte Trennung, Palll. Dig. L, 16, 161. div. ex eo
dictum est, quod in diversas partes eiad qui discedunt. Modest.
ebendas. 101. divortium inter virum et uxorem fieri dicitur. Vgl.
LsiDOK. IX, 8. Aehnlich discidium, welches eben so allgemein
von beiden Theilen gelnaucht wird. Desshalb werden diese
Worte gewöhnlich mit facere verbunden. Dagegen repudiinn
ist eigentlich die einseitige Scheidung und wird daher nur von
dem Theil gebraucht, welcher die Trennung will und aus-
spricht. Desshalb construirt man nicht repudium facere , son-
dern repudium mitlere, remitiere, dicere, scribere, nuntiare, re-
matfiare, und dasselbe ist nuntium remitiere (als häufige Form
des einseitigen repudium); s. Plait. Aul. IV. 10, 53. O'J. Ti:k.
4*
52 Erst er Exe ars.
Phorm. IV, 3, 72. Cic. ad Att. I, 13. XI, 23. de or. I, 40.
Top. 4. SuET. mehrm. S. überhaupt die Lexica. Ausserdem
sind stehende Ausdrücke: exigere und eiicere von dem Manu
gesagt, Cic. Phil. II, 28. 38., discedere von der Frau, Ter.
Andr. III, 3, 36., so wie im Griechischen hnt'nTiaiv oder iitßül-
Xatv und anoXelneir versclneden sind. Ohne Grund wird be-
hauptet, dass divortium ^vorzugsweise von der Frau, repudhnn
aber von dem Manne (so Waechter) oder dass divortium von
der Scheidung der strengen, repudium von der Sclieidung der
freien Ehe (so Göttlino) gesagt werde.
Die Scheidung erfolgt durch gemeinsame Uebereinkunft
oder einseitig, wobei eine solenne und wie es scheint, sogar
von den XII Tafeln anerkannte Formel war: tuas re^ tibi lia-
' beto ; welche sowohl von dem Manne galt, welcher sich trennen
wollte, als auch von der Frau, s. oben Cic. Phil. 11,28. Plaut.
Amph. III, 2, 47. Valens^ tibi habeas res tuas, reddas meas.
Trin. II, 1, 31 ff. Tuas res tibi habe. Demnach war dieses zu
Plautus Zeit die jedenfalls schon längst übliche Formel, und
auch das beweiset für das frühere Vorkommen der Scheidung.
S. noch Mart. X, 41. Quinct. decl. 262. Gai. Dig. XXIV,
2, 2. § 1. U.S.W. Dass die Frau die Schlüssel abgeben mus.ste,
versteht sich von selbst; ob aber dieses als Formalität von den
XII Tafeln geboten war, ist zweifelhaft. Es kommt, Avie oben
erwähnt ist, auf die Interpunktion bei Cic. Phil. 11, 28. an.
Zuweilen war mit jener Formel auch der Befehl verbunden,
das Haus zu verlassen {foras exi), welchen die Frau nur dann
aussprechen konnte, wenn sie Herrin des Hauses war, z. B.
Plaut. Mil. glor. IV, 6, 62 fg. S. noch Plaut. Cas. II, 2, 31 ff.
Mart. XI, 104. Non. II, 53. Auch schriftliches Aufkündigen
{libellus divortii oder repudii) oder mündliches durch einen
Boten kam in Gebrauch ; daher die Ausdrücke renuntiatio oder
nuntium remitiere (s. oben). — Waren Ehepacten (s. S. cO)
bei Schliessung der Ehe aufgesetzt worden, so wurden die-
selben gewöhnlich vernichtet (rumpere tabulas nujjtiales) luv.
IX, 75. Tag. Ann. XI, 30. War die Ehe auf feierliche Art
mit manus eingegangen, so reichte die erwähnte einfache
Verlobung und Ehescheidung. 53
Formel nicht hin, die Ehe zu trennen, und desshalb bediu-fte
es besonderer Formalitäten, um die Ehe und zugleich manus
wieder aufzuheben, was in vermögensrechtlicher Beziehung
sehr wichtig AA-ar. Desshalb erforderte die confarreatio auch
eine förmliche diffarreatio. Paul. Diac. p. 74. Diß\ genus erat
sacrißcii, quo inter virum et mulierein fie.bat dissolutio. Dicta
diß\, quia fiebat farreo libo adhibito. Dieselben Solennitäten
und Personen, welche bei der confarreatio waren, durften auch
bei der diffarreatio nicht fehlen. Orell. inscr. 2648. ist ein
sacerdos confarreationum et diß'arreationum erwähnt. Ausser-
dem ist nichts darüber bekannt, als was Pli.t. qu. Rom. 50.
von der durch Domitian ausnahmsweise erlaubten Scheidung
des Flamen dialis berichtet : 6 81 ItQsig nao^y^orto zi] ruv j«-
fK.'V öia/.vasi TToXla (fQiy.a)8i^ y.ai dlkäxora xai (sy.vOQMnci 8{>MVTeg.
Vgl. Pauly, Realencykl. II, S. 1021.
Wo die manus der Frau durch mancipatio entstanden
war, erfolgte die Ehescheidung durch die genannte einfache
Formel , aber die manus dauerte fort , bis diese durch eine
förmliche remancipatio aufgehoben wurde. Fest. v. remanci-
patam, p. 277 M., quae mcmcipata sit ab eo, cid in manum con-
venerit. S. auch die lückenhafte Stelle des Gai. I, 137. Durch
welche Form die durch Usus entstandene manus aufgelöst
wurde, wird nicht berichtet. Wahrscheinlich genügte eine ein-
fache Erklärung, oder Remancipatio ftxnd Statt. Die Schriften
über Ehescheidung s. Pauly, Realencykl. II, S. 1189. Unter
ihnen ist vorzüglich zu nennen Waechter, Ehescheidungen
bei den Römern, Stuttgart 1822. und Klexze, Freiheit der
Ehescheid, in Zeitschr. f. gesch. Rechtswiss. VII, S. 21—42.
\'gl. Reix, röm. Privatrecht, S. 446 — 457. Dazu kommen in
neuerer Zeit G. Diephuis, de iure et ratione divort. apud
Rom. Groning. 1842. A. F. Berxeu, de divortiis apud Rom.
Ik'rl. 1H42, u. del Matrimonio e della sua indissolubilita presso
tili aiitichi Romani; memoria del Cav. A<iATOXE Avv. De
LucA Troxchet. Rovigo 1844. Rossbach, römische Ehe, S.
128— i:j8.
Die geschiedene Gattin konnte sich zum zAveitenmale
54 Erster Excurs.
vermälilen — ebenso die Wittwe nach vollendeter Tranerzeit,
s. Pauly, Eealencykl. IV. S. 1200 und Appui.. metam. YIII,
p. 205. Elm. {qitoad — spathim — compleatur anni.) allein in
der älteren Zeit, ■\v(j der Ehebund noch eine höhere Weihe
hatte , Avar dieses nicht ohne Naclitheil liir den Kuf der Fran.
Eine Fran multarum niq^tianiuij wie sie Cic. ad Att. XIII, 29.
nennt, genoss keine Achtung;, Plut. qu. Rom. 102. Tertull.
de exhort. cast. 13. de monogam. 13., im Gegensatz zu itnivira,
welches Attribut wir sogar auf Inschriften finden, Ouell. in-
scr. 2742. 4530. Auch durfte eine zum zweiten Male veidiei-
rathete Frau nicht pronuba sein, noch die Bildsäule der Pudi-
citia, Fortuna muliebris oder mater Matuta berühren, Liv. X,
23. Fest. v. pudicitiae, p. 242. 245. Sekv. zu Verg. Aen. IV,
19. Endlich waren bei der ZAveiten Verheirathung einige
äussere Formen weniger ehrenvoll als bei der ersten, s. Serv.
zu Verg. Aen. XI, 47ü. Prof. IV, 11, 85 fi'. IV, 8, 27 fg.
Pauly, Kealencykl. IV, S. 1652 fg. Rein, röm. Privatrecht
S. 458 ff. In den Zeiten der allgemeinen Sittenverderbniss fiel
dieser Unterschied weg, Appul. Met. I, p. 104 Elm.
EHELOSIGKEIT.
Absichtliche Ehelosigkeit wurde schon in früher Zeit als
tadelnswerth und selbst strafbar betrachtet. Sozom. h. e. I, 9.
erwähnt sogar ein altes Gesetz darüber, und Dionys. IX, 22.
spricht Avenigstens von einem darauf Bezug habenden Fami-
liengesetz der gens Fabia. Dass die caelibes Geldstrafe be-
zahlen mussten, ergiebt sich aus Fest. p. 379. Uxorium pt-
pendisse dicitur^ qiti, quod uxorem non habuerit, res populo dedit.
und die Censoreu, deren Sorge auf Erhaltung imd Vermeh-
rung der Volkszahl gerichtet Avar, wachten über die Handha-
bung dieser alten Bestimmungen. Cic. de leg. III, 3. Val.
Max. II, 9. 1. Ccnnillus et Postumius censores aera poenae
nomine eos qid ad senectiäem caelibes pcrvenerant, in aerarium
deferre iusserunt , 403 v. Chr. 351 d. St. vgl. Plut. Cam. 2.
Cat. mai. IG. Auch kommen Ermahnungsreden der Censoren
Ehelosigkeit. 55
an das Volk vor, de ducendis lixoribiis und de prole augenda,
so von Q. Cäcilius Metellus (Xumidicus nach Gell. I, 6. 101
V. Chr. 5 ^lacedonicus nach Liv. cp. LIX. 131 v. Cln-.), vgl.
ÖUET. Oct. 89. Metellus sagt darin: Sl s'me uxore possemus,
Cluirites, esse, omnes ea molestia carcremus ; sed quoniam ita
natura tradidit, ut nee cum Ulis satis commode nee sine Ulis ullo
modo vivi possit, saluti perpetuae potius quam brevi voluptati
consulendum. Das ist ganz griecliische Ansieht, welche die
Frau als ein nothwendiges Uebcl beti-achtet. Menand. p. 190:
dväyy.ii yan yinal-/ tivai y.uy.<)r, d).)J evtvii]g foi)' 6 iittnimrarov
).aß(6v, s. Charikles III, S. 259. Bei wachsendem Sittenver-
fälle und namentlich seit den Bürgerkriegen nahm die Zahl
der Ehelosen ausserordentlich zu, (s. S. 8) und nicht erst zu
luvenals Zeit war das Heirathen eine so bedenkliche Sache,
tlass man wohl Jemandem zurufen konnte :
Cei'te sanus eras! Uxorem, Postume, ducisf
Die, qua TisipJione, quibus exagitare colubris?
Die Ansprüchen, welche besonders vornehme Frauen machten,
waren schon zu Plautus Zeit von der Art, dass man wohl die
Lust zum Heirathen verlieren konnte. S. Aulul. III, 5. Mil.
III, 1, 91 ff'. Hatte die Frau nun gar eine bedeutende Mitgift
dem Manne zugebracht, so mochte dieser oft nicht die ange-
nehmste Stellung im Hause; haben. Daher klagt Demaenetus
bei Plaut. Asin. I, 1, 74.
Argentum accepi, dote imperium vendidi.
und Epid. II, 1, 11., wo Apoecides meint: pulchra edepol dos
pecunia est., antwortet Periphanes: quae quidem pol no)i mari-
tata est. Bekainit ist Iuvenals Ausspruch:
IiüolerabiUus iti/iil est quam femina dives.
VI, 460. und so sagt Mart. VIII, 12.
Uxore m quare locupletem ducere nolim,
Quaeritis? uxori nubere nolo meae.
Endlich waren auch damals schon die allzugedebrtcu Dnincn
zu fürchten. Sit non doctissima coniux, maclit ^lart. II, 9('.
zur Bediii^ruiig. S. bes. luv. VI, 448.
56 E r s t e r P^ X c u r s .
Non habeat matrona, tibi quae iuncta recumbit,
Dicendi genuSj aut curtum sermone rotato
Torqtceat enthymema, nee historias seiat omnes:
Sed quaedam ex libns et non intelligat etc.
Da das Anselien der Censur gänzlich untergegangen war,
suclite erst Cäsar durch Belohnungen zur Ehe aufzumuntern;
Augustus aber erliess durch die lex lulia et Papia Poppaea
sehr strenge, ja lächerlich klingende Bestimmungen gegen Cä-
libat und Orbität. Dagegen wurden denen, welche mehrere
Kinder hatten, gewisse Yortheile zugestanden, ins trium libe-
rorum, welche in verschiedenen Immunitäten und Vorzügen,
z. E. bei Aemterbesetzungen bestanden. Viel scheinen indes-
sen auch diese Gesetze nicht gefruchtet zu haben, wie man
aus Tag. Ann. III, 25. sieht. Auch Avurden sie von den Kai-
sern selbst eludirt , indem sie häufig das ius trium liberorum
Personen ertheilten, die Aveniger oder gar keine Kinder hat-
ten, ja gar nicht verheirathet waren. S. Kein, röm. Privat-
recht, S. 461 ff. und Pauly Realencykl. H, S. 476. IV, S.
659 fff. 981.
Z^VEITER EXCURS.
DIE KINDER.
Wenn der römischen Sitte in Bezug auf die eheliclien
Verhältnisse und die Stellung der Frauen überhaupt unbe-
stritten der Vorzug vor der griechischen zugestanden werden
muss, so gilt von dem Verhältnisse der Kinder zu den Aeltern
eben so entschieden das Gegentheil und es lässt sich nicht
läugnen, dass namentlich über die dem Vater zustehende Ge-
walt über seine Kinder in Rom ein schwerer Irrthum obwal-
tete, und dass dadurcli die Freiheit des Einzelnen auf unrecht-
mässige Weise beschränkt und das Kind in einer unnatürli-
chen Abhängigkeit V(jn dem Vater erhalten wurde. Das
grobe Mi-isverständniss lag darin, dass der römische Vater die
Gewalt, welche die Natur den Aeltern als Pfiiclit auferlegt,
um das Kind während der Zeit seiner Unmündigkeit zu leiten
und zu scliützen, als ein Recht über Freiheit, Leben und Tod
in Anspruch nahm und auf die ganze Lebensdauer ausdehnte.
Daher unterscheidet sich das griecliische Gesetz in doppelter
Hinsicht, extensiv und intensiv, von dem römischen, einmal,
indem es die Gewalt des Vaters über das Kind mit dessen
Selbständigkeit aufhören liess ; diese Selbständigkeit aber
wurde erlangt entweder durch ein bestimmtes Lebensjahr,
oder Verheirathung, oder durch Eintragen in die Bürgerlisten.
Zweitens stand dem griechischen Vater nur das Recht zu, das
Verliältuiss zwischen Kind und Aeltern aufzuheben durch Ver-
stossung und Enterbung, ohne irgend dessen Freiheit und
Leben antasten zu rliirfen.
58 Z weiter Exe v\rs.
Die patria potestas der Römer hingegen umfasste das
Recht über Leben und Freiheit des Kindes. Dionys. II, 26.
sagt, nachdem er auf die Verschiedenheit der griechischen
Gesetze aufmerksam gemacht hat: 6 räv 'Pcofiamv vofioiysttjg
dnaoav wg eiTiniv edconsv e^ovaiav tzutqi xaÖ'' viov xai nuQa navta
rov rov ßi'ov j^qovuv, idv rs e'iQjsiv, idv rs fiaanyovv, iäv rs dtafnov
fTTi tojv x«T dyour j'pj'cjj' y,aztxsiv, iav ts dnoxrivvvvca TiQoaiQijrui,
y.dv rd nohtiy.d ngdtTcov o ncdg fjdij tvyj^dvij, -Aar iv aQxaig tcdg
fis'/ioraig e^tTa^ufievog, y.dv 8id rrjV eig rd y.otvd cfAorifilav mai-
rovfievog. Dieses angeblich romulische und jedenfalls uralte
Gesetz war auch in seiner ganzen Härte in die XII Tafeln
übergegangen. Dionys. c. 27. oi Xaß6i>rtg na^d rov S/'jfxov r/jv
e^üvoiur rfjg ovvuYcoytjg rs rar iniyQuqji^g uvräv (nämlich rofiMr)
di'xa dvÖQsg d^a rotg dXXoig dvtyoaxpav vöfioig. Dann beseitigt er
die etwaige Meinung, als hätten die Decemvirn dieses einge-
führt , durch Angabe einer Bestimmung Numa's : idv narijo
vi'cö av/x^(>t'ia\i yvvur/.a dyuyt'a&at yatiMvov iüo^bvijv is(toip re xai
/Q)if4.dra)v y.ard rovg voinuvg, ^aiytti t'ijv c^ovai'av tivui ro) natQi
Tztohrv tvvg viovg. S. Dionys. VIII, 79. Coli. leg. IV, 8. Mit
der Strenge der alten Zeit stimmte dieses Recht vollkommen
überein (s. noch Liv. I, 26., wo Horatius sagt, se fiUavi iure
caesam iudicare; ni da esset, patrio iure iyi filiuui animadversu-
rum fuisse. Gros. IV, 13.), doch wurde die Berechtigung des
Vaters vom Gesetze auch späterhin noch anerkannt , wie die
bei der Adoption gebräuchliche Formel beweist. Grat. p.
domo 29. Credo enirn, quamquam in illa adoptione legitiiue
factum est nihil, tarnen te esse interrogatum: auctorne esses, ut
in te P. Fonteius vitae necisque potestatem haberet, ut in filio.
und die vollständige Formel bei Gell. V, 19. Velitis iubeatis,
uti L. Valerius L. Titio tarn iure legeque filius siet, quam si ex
CO patre matreque familias tius natus esset, utique ei vitae necis-
que in cum potestas siet, uti patri endo filio est. Haec ita ut dixi
vos Quirites rogo. Das Unnatürliche dieses Gesetzes wird
einigermassen dadurch gemildert, dass das Recht über Leben
und Tod im Grunde nur zu dem vom Staate dem paterfami-
lias zugestandenen Zucht- und Strafrechte gehörte und dass
Die Kinder. 59
der Vater in der Kegel nicht nach eigenem Ermessen verfuhr,
sondern der Sitte gemäss ein Familiengericht berufen musste;
z. E. Val. Max. V, 8, 2. Cassius fiüian — adJnbito propinquo-
riau et ainlcoruin consilio aß'ectati reyni crimine domi damnavit
vcrberibusque affectum necari iussit. Von dieser Tödtung des
Sp. Cassius Viscellinus durch seinen Vater s. ferner Liv. II,
41. Dio.NYS. VIII, 79. Plin. h. n. XXXIV, 4. ErAVcähnt wird
dieses Gericht noch Val. Max. V, 8, 3., wo es von T. Manlius
Torquatus heisst: ne consilio quidevi necessariorum indigere st
credidit, als sein Sohn von den Macedoniern wegen Erpres-
sung angeklagt worden war. Der Vater sass zu Gericht (in-
dem Senat und Ankläger einverstanden Avaren) und zwar drei
Tage lang, hörte die Zeugen u. s. w., bis er endlich den Sohn
aus seinem Angesicht verbannte, worauf sich der Sohn tödtete ;
ebenso Cic. de fin. I, 7. Einen andern Fall erzählt Val. Max.
V, 9, 1. L. Gellius hielt über seinen Sohn Gericht, paene imi-
verso senatu adhihito in consiliinn, und nach sorgfaltiger Unter-
suchung ahsolvit eiun tum concilii tum eticnn sententia sua. S.
auch Qlixct. decl. VIII, 4. und 356. Mehrmals werden Bei-
spiele der Verurtheiluugen der Söhne durcli ilire Väter er-
zählt, ohne dass des Familiengerichts Erwähnung geschieht,
und zwar desshalb, weil die amtliche Stellung des Vaters eine
solche Zuziehung unnöthig machte, z. B. bei dem bekannten
Gericht des Brutus und des T. Manlius Imperiosus, s. noch
Liv. IV, 29. Auch konnte der Vater bei offenbaren Capital-
verbrechen ohne AVeiteres selbst richten, indem es schicklicher
schien, dass der Vater den Sohn verurtheilte, als dass er als
Ankläger des Sohnes vor Gericht auftrat. So erzählt Sall.
Cat. 39. Fuerc tarnen extra coniurationem complures, qui ad
Catilinam initio profecti su7it; in his A. Fulcius senatoris ßlius,
quem retractum ex itinere parens necari iussit, vgl. Dio Cass.
XXXVII, 3t;. und Val. Max. V, 8, 5. Hierher gehört aucli
Val. Max. VI, 1, 3. 6. — Aus Augusts Zeit l)erichtet Si:n.
de dem. I, 14. 15. zwei Beispieh; des väterlichen Gerichts.
Im letzteren Falle bestrafte der Vater den Sohn wegen jtarri-
ciiliuiM ln'giiadigcn'l mit dem Exib'. Auch liier ging ein so-
Q() Z WC i t er Excurs.
leimes Familiengericht voran, zu welchem der Kaiser einge-
laden wurde. Hier waltete offenbar die Milde des Vaters vor,
der, indem er von seinem Eechte Gebrauch mach1:e, den Sohn
vor der Strafe schützte, die er vor öffentlichem Gericht würde
gefunden haben. Das zweite Beispiel hingegen dient wieder-
um zum Belege der Härte und des Missbrauchs, der von dem
Eechte gemacht werden konnte. Erixonem equitem Rom. me-
moria nostra^ cjuia ßUuin suum ßagelUs occidoxit, populus in
foro graphiis confodit. Vix illum Augusti Caesaris auctoritas
infestis tarn patrum quam filiorum manihus eripuit. Im Grunde
geht indessen daraus nicht einmal absichtliche Tödtung, son-
dern nur grausame Bestrafung hervor. Als letztes nachweis-
bares Beispiel führt man Tac. Ann. XVI, 33. an: Moiitaniis
patri concessus est, praedicto, ne in repiihlica haheretur. Das ist
aber irrig, vielmehr wurde der Sohn mit Rücksicht auf den
Vater begnadigt. Rhetorische Erwähnungen aus dieser Zeit s.
QrixCT. decl. VIH. XIX. u. a. — Kam ein Missbrauch der
patria potestas vor, so konnte in früherer Zeit der Censor
rügen, DioxYS. XX, 3.-, sogar von einer öffentlichen Anklage
spricht Oros. V, 16.; später wachten die Kaiser darüber, wie
es z. B. von Traianus und Hadrianus erzählt Avird. Im zweiten
Jahrhundert der Kaiserzeit wurde dieses Recht des Vaters ge-
setzlich aufgehoben. S. Eeix, röm. Criminalrecht, S. 439 fg.
Wenn die Beispiele, wo der Vater von dem Rechte über
das Leben seiner Kinder Gebrauch machte, zahlreich sind, so
verhält es sich anders mit dem Verkaufsrechte. Obgleich
es unleugbar bestand und von den XH Tafeln anerkannt
wurde, so findet sich doch kein Beispiel und man darf anneh-
men, dass es schon sehr früh abgekommen ist und nur noch
als Form für die emancipatio in Gebrauch war. Schon Xuma
sollte nach Dioxvs. II, 27. eine Beschränkung dieses Rechts
gemacht haben, s. oben, ebenso Plut. Xum. 17. Wie aus der
Mancipationsform sich ergiebt, hatte der Vater das Recht, den
Sohn dreimal zu verkaufen; nach dem dritten Male kam er
nicht wieder in die patria potestas. So bestimmten die XH
Tafeln: si 2}ater fiUum ter vemnn duit, filius a 2^fdre Über esto,
Die Kinder. 61
Ulp. X, I. Gai. I, 132. — Ganz allgemein von dem Gehor-
sam, welchen die Kinder dem Vater schuldig waren, spricht
Plaut. Stich. I, 1, 54 ff. 2, 11 ff. Trin. II, 2, 20 ff.
Von der patria potestas zu trennen ist das im Alterthume
überhaupt mehrfach vorkommende Eecht, die neugebornen
Kinder zu tödten oder auszusetzen. In Rom bestand es nicht
in der vollen Ausdehnung wie anderwärts. Schon Romulus
sollte verboten haben, Söhne und erstgeborne Töchter zu
tödten, DioxYS. 11, 15. Dagegen scheint die Tödtung von
Missgeburten selbst geboten gewesen zu sein, Cic. de leg. III,
8. Liv. XXVII, 37. Sex. de ira I, 15. — Dass die Aussetzung
und Tödtung Xeugeborner nicht selten war, sogar in den be-
deutendsten Familien, zeigen mehrfache Erwähnungen, wie
Dio Cass. XLV, 1., und die lex gentilicia der Fabier, Dioxys.
IX, 22. tu yevi'cö^ievu indiayM^ rotcftiv, s. Plaut. Gas. prol.
41. 79. Gist. 1, 3, 17 ff. 31 ff. Ter. Heaut. IV, 1, 37. Ob die
bei Paul. Diac. j). 118. genannte columna lactaria mit dieser
Sitte zusammenliängt, ist nicht ganz gewiss. Vgl. überhaupt
Kein, röm. Griiuiiialrecht, S. 441 ff.
In der Gewalt des Vaters blieb der Sohn bis zu dessen
Tode, wenn nicht einer von beiden eine capitis deminutio er-
litt. Ausserdem hörte die pati-ia potestas in dem besonderen
Falle auf, dass der Sohn Flamen Dialis Avurde. Tac. Ann.
IV, IG. Gai. III, 114. Andere AYürden machten keinen
Unterschied, s. V^\l. M.\x. V, 4, 5. Für die Tochter trat der
Fall ein, wenn sie eine Ehe mit manus einging oder wenn sie
virgo Vestalis wurde. Gell. I, 12. eo utatiin (empöre sine
emancipatione ac sine capitis minidione e patris potestate exit.
Ulp. X, 5. fasst Beides zusammen: in potestate parentum esse
desinunt et hi, qui Flamines divales inaugurantur et quae vinji-
nes Veslae capiuntur. Gai. I, 130.
Wollte sonst der Vater auf seine potestas über den Sohn
verzichten, so konnte diess nur geschehen entweder durdi
Adoption des Sohnes (durcli welclie dieser wieder in eine
andere potestas kam), oder durch die Formalität der Eiiiaii-
cipation. Sie bestand darin, «lass der \'ater den Sohn drei-
(32 Zweiter Excurs.
mal an einen pater tiiluciarius verkaufte. Dieser manumittirte
den Sohn in Folge vorherg-eg'angenen Vertrags nach der ersten
lind zweiten Mancipation; nach der dritten aber mancijiirte er
ihn dem Vater zurück, damit der Vater Patron des .Sohnes
wurde und dieser manumittirte ihn in libeitatem. Diese Um-
ständlichkeit war Folge der Bestimmung in den XII Tafeln,
dass der Vater den Sohn dreimal verkaufen dürfe. Ulp. X, 1.
liheri parentum potestate liberantur emancipatione, I.e. sipostea
quam mancipati fuerinf, manumissi smt. iSed ßliits quidem ter
wancipotus, ter maiutnussiis sui iuris fit. Id enim lex XII tah.
iubet his verhis: si jiotcr filium ter venum duit, filius a patre Über
esto. Ceteri autem Uberi praeter filium tarn mascuU quam femi-
nae vna ma72cipotione manumissioncque sui iuris fiiint.
ERZIEHUNG.
Ungeachtet des strengen Kechts, das dem römisihen pater
familias über seine Familie zustand, lässt sich doch nicht ver-
kennen, dass im römischen Hause M'eit mehr eigentliches Fa-
milienleben Statt fjind, und dass ein festeres und heiligeres
Band die Glieder des Hauses umschlang, als bei den Griechen.
Der Hausvater war zwar streng, aber immer gerecht und die-
ser Ernst lässt sich wohl vereinen mit der Liebe des Gatten
und Vaters. Das sittliche Moment des römischen Familien-
lebens hervorgehoben zu haben ist ein Verdienst Iherixgs,
Geist des röm. Eechts, 11, 1, S. 201 ff. 214 ff. Eeix, röm.
Privatr. S. 468 ff. Der hauptsächlichste Grund dieser Er-
scheinung lag in der höheren Würde der römischen Hausfrau,
und ihr Einfluss äusserte sich namentlich segensreich in der
Erziehung der Kinder, die von der Mutter nicht nur in den
ersten Jahren, sondern auch bei zunehmender Reife wesentlich
geleitet wurde. Das schöne Lob, welches Tac. Agr. 4. der
Mutter des Agricola in einer trostlos versunkenen Zeit giebt
{Mater lulia Proc.illa fuit rarae castitatis. In huius sinu indul-
gentia educatus per omnem honestarum artiiim cultum pueritiam
odulescentiamque tra)isegit.), lässt sich unbedenklich auf die
ältesten und die besseren Zeiten der Republik übertragen. So
Erziehung. ()3
sagt auch der Auct. de caus. corr. eloq. 28. lam pvimum siius
cuique filiiis ex casta parente natus noii in cella emptae nutricis
sed gremio ac sinu matris ediicahatur, cuius praecipua laus erat
tueri domum et inservire liberis. Wenn die Geschichte ims
wenig Beis2)iele von ausgezeichneten Frauen iind ihrer GeM'alt
über die Kinder, wie etwa das der Curnelia und Veturia, vur-
führt, so muss man bedenken, dass solche Verhältnisse über-
haupt selten und nur in Bezug auf hervorstechende Persön-
lichkeiten und Ereignisse berührt werden-, aber \o\\ diesen
wenigen eben darf man auf den allgemeinen Charakter der
häuslichen Verhältnisse schliessen.
Dass bei den llömern nach der Geburt des Kindes hin-
sichtlich der Erklärung des Vaters, ob er das Kind als das
seinige erziehen wolle, ein ähnlicher Gebrauch herrschte, wie
bei den Griechen, das bcAveisen schon die Ausdrücke tollere
und suscipere liberoif (analog Tt'y.vii araintJfiifai), Plaut. Aniph.
I, 3, 3. iGisfr~iI,^37 8. Truc. II, 4, 45. Most. I, 2, 4J. Ter.
Heaut. IV, 1, 15. Andr. I, 3, 14. Hec. IV, 1, 56. Hör. Sat.
II, 5, 45 fg. Auch kann, Avas August, de civ. dei IV, 11. von
einer Gottheit Lcrana (levat infantes de terra), gleichsam
der Vorsteherin dieses Aktes, anführt, der alten Zeit wohl
angehören; doch wird dieser Xame weiter nicht genannt. Dar-
auf bezieht sich was Varro bei Xon. XII, 36. sagt: natus si
erat vitalis ac sublatus ah obstetiyce, statuebatur in terra, id
auspicaretur rectus esse. Ausserordentlich gross war die Zahl
der römisclien, für sj)ecielle A'erliältnisse und für dif einzelnen
Momente des Leljens angenommenen iSrhutzgottheiten; denn
es ist nach der Lehre der Pontificcs (üaulK-nsansicht: slngulis
actibus proprios deos praeesse. 8krv. zu Verg. Aen. II, 141.
und zu Georg. I, 21. Macrob. Sat. I, 17. laüus dei effectus
varios pro variis censendos esse nuininibus. Augustix. de civ.
dei VI. 9. 8i> Maren für die erste Kindheit ausser der genann-
ten Levana noch folgende Gottheiten: Vaciitanus oder Va-
tiianus [pnies tpicm esse fit vocis humanae iuitia), Varr. bei
Gell. XVI, 7. uimI mclirmals bei AuGU.STtx. de civ. dei, Cn-
ni7ia [cunas administrat), AuGisr. 1\'. 11. und «iftci-. ( )hi:ll.
(54 Zweiter Excurs.
Inscr. 1851. Cuninae felici sacr. Claudia Helpis d. d., Potina
Edusa oder Edicca {escam praebet, August. IV, 11.) und
Cuba, Varro bei Non. II, 310. Edusam et Potinam deas
praesides vidt haben puerorum Varro. Quum prhno cibo i',t
potione ifiit/arent piieros, sacrißcabantur ab eduUbus Edusae,
a potione Potinae. Donat. zu Ter. Pliorm. I, 1, 15. Legitur
apud Varronem initiari pueros Edidiae et Poticae et Ciibae, di-
vis edendi et jwiandi et cubandi^ iibi primum a lade et a cimis
transierutit u. s. w. Trefflich handelt hiervon Ambrosch, über
die Keligiousbücher der liönier, Bonn 1843. S. 3 ff.
Am neunten Tage nach der Geburt {nundinae) fand für
die Knaben, am achten für die Mädchen die lustratio, d. h. die
Reinigung im Bade Statt, und zugleich die 6vofia&e<jta. Der
Tag hiess daher dies lustricus, dies nominum, nominalia. Auch
für diese Feierlichkeit gab es eine besondere Gottheit, Nun-
dina: Macrob. Sat. I, 16. Est etiani Nundina Romanorum
dea, a nono die nascentium nuncupata, qid lustricus dicitur ; est
autein dies lustricus, quo infantes lustruntur et nomen accipiunt.
Plut. qu. Rom. 102. Paul. Diac. v. lustrici dies, p. 120.
Arxob. adv. g. III, 4. vgl. Suet. Cal. 25. Uebrigens hat
MoMMSEX, Museum für Philol., Bonn 1860, XV, S. 189 f.
darauf aufmerksam gemacht, dass die eigentliche rechtliche
Namensfeststellung erst bei Anlegung der toga virilis erfolgt
sei, dass also bis dahin der Name geändert werden konnte.
AuCT. de nom. 3. pueris non prius quam togam virilem sume-
rent — praenomina inponi moris fuisse Q. Scaevola auctor est.
Bis zur Namengebung hiess jedes Kind pupus, Orelli Henzen
2718 f. 6222 a. — Der dies lustricus (Suev. Ner. 6. Tertull.
idol. 16.) wurde als Familienfest gefeiert und dem Kinde wur-
den dabei von den Aeltern, Verwandten und selbst Sklaven
allerlei Kleinigkeiten geschenkt, was sich in den folgenden
Jahren an den Geburtstagen wiederholte. Die Stellen, in
welchen dieser Gebrauch erAvähnt wird, sind allerdings zu-
nächst auf griechische Sitte zu beziehen, wie Ter. Phorm. I,
1, 5 ff., allein eine Vergleichung der varronischen Stelle über
das initiare lehrt, dass auch auf Rom dabei Rücksicht genom-
Erzieh u ii g. • 65
men ist. Dazu kommt, d-ass sich Statuen von römischen Kna-
ben erhalten haben, welche genau dieselben Gegenstände am
Halse tragen, die von den Komikern als übliche Geschenke
genannt werden, s. Mus. Pio-Clem. III, t. 22. Visc. p. 30.
und ebendas. t. A. 12. Visc. p. 72. So sagt Plaut. Epid. V,
1,33 fg.
Noii meminiiti, me ad te afferre natali die
Lunulam atque anellum aureolum in digitianf
Mehr noch nennt Plaut. Rud. IV, 4. 112 flF. wo Palästra fol-
gende crepundia als in dem Koffer oder der Kiste befindlich
angiebt :
Pa. Ensicuhist aureolus primum literatus. Dae. Dicedum,
In eo ensicido Uterarum quid sit? Pa. Mei nomen patris.
Post altrinsecus aticipes seciiriculast, item aiirea
Literata: ibi nomen matris in seciiriculast.
Pa. Post silicula argentcola et duae conexae manicuJae
Et suculast. Gr. duin dierecta i tu cum sucula et cum porculit--.
Pa. Et bulla aureast, pater quam dedit mihi natali die.
Diese Spielsachen, sämmtlich von Metall, wurden wie bei den
Griechen (als üvayvoiQi'ofiaTu, Cic. Brut. 91.) am Halse ge-
tragen (Plaut. Mil. V, G.) imd hiessen vom Klappern, a cre-
pando, crepundia. Vgl. auch Böttiger, Amalth. I. S. 27. Die
Knabenweilie auf einem alten Eelief s. im Musee Napol.
III, 12.
Dass l'lautus die bulla aurea erwähnt, deutet am bestimm-
testen auf die römische Sitte hin ; denn diese, von den Etrus-
kern nach Rom übergetragen, war eine Auszeichnung der
Ki)ider von vornehmer Herkunft, den Griechen aber fremd.
Diese bulla war eine runde (auch herzförmige oder viereckig
ausgebogte) aber platt gedrückte goldene Kapsel, aus 2 durch
Charnire verbundenen Schalen bestehend (I«idor. XIX, 31.),
die jedenfalls geöffnet werden konnte, und von den Kindern
an einem Bande um den Hals getragen wurde, so dass sie
gerade auf der Brust hing. Prop. IV, 1, 131. P.s.-A.sc. zu
Cic. Verr. I, 58. Paul. DiAf . h. v. p. 3() M. — Plut. (|u. K.
101. und Macr. Sat. I, G. machen verschiedene Versuche, den
Beckek, Gallus. 3. Aufl. II. 5
(3(3 Z w e i t e r E X c u 1- s.
Gebrauch zu erklären, die sämmtlieh nur als Versuche anzu-
sehen sind, eine ihrer Bedeutung nach längst untergegangene
und nicht mehr verständliche Sitte zu erklären. Zuvörderst
ist es unzweifelhaft, dass die bulla aurea mit der toga prae-
texta, welche zugleich von den Kindern getragen wurde, von
den Etruskern herüber gekommen war. Daher nennt luv.
V, 164. die bulla aurum Etruscum. Vgl. Passeri, de puero
Etrusco, Rom. 1771. Mueller, Etrusker I. S. 374. Sodann
darf man mit Gewissheit annehmen, dass die bulla ein jMittel
gegen Fascination einschloss und desshalb eigentlich den Kin-
dern umgehängt wurde. (Auch andere Dinge dienten diesem
Zweck, z. B. ein Phallus, Varro 1. 1. VII, 97. piteralis tiirpi-
cula res in collo quaedam suspenditur, ne quid obsit cett., eine
lunula, s. Jahn über den bösen Blick, in d. Berichten üb. d.
Verhandl. der K. Sachs. Gesellsch. d. Wiss. zu Leipzig 1855.)
Darum trug der Triumphator während der Feierlichkeit auch
die bulla, s. Plut. liom. 25. und Macrob. a. a. 0., der zu-
gleich den Tarquinius Priscus als den nennt, durch welchen
der Gebrauch für die Kinder aufgekommen sei; vgl. Plin.
h. n. XXVIII, 4, 7. Ursprünglich war die bulla mit der prae-
texta wohl nur den Kindern patrizischer Abkunft gestattet,
(Liv. XXVI, 06. wird sie vun den Söhnen der Senatoren er-
wähnt), ging aber allmälig auf alle ingenui über. — Im zwei-
ten punischen Kriege wurde auch den aus einer gültigen Ehe
stammenden Kiiulern der libertiui die praetexta und statt der
bulla ein lorum um den Hals zugestanden, s. Macrob. a. a. 0.
Daher bei luv. a. a. 0.
— quis e.yiiin tarn nudus, ut ilhnn
Bis ferat, Etruscum j^uero si contigit aurum^
Vd nodus tantum et signum de paupzre loro?
Noch in Cicero's Zeit finden wir beides, bulla und prae-
texta als Zeichen der (Jivität und Ingenuität, ohne Rücksicht
auf die patricische Geburt (z. B. Cic. Verr. II, 3.3. trägt der
Sohn eines reichen Siciliers, welcher aber die Civität hatte,
die praetexta). Cic. Verr. I, 44. Eripies igitur pujnllae togam
praetextam? detrahes nniamenta non solum fortunae sed etiam
Erziehung. (37
ingenuitatisf 58. neque tarn cominovebat, quod ille cum toga
praetexta, quam quod sine bulla venerat. Vestitus enim neminem
commovebat is^ quem Uli mos et ins i)igenuitatis dabaf. Quod
ornavientum pueritiae pater dederat, indicium atque insigne for-
tunae, hoc ab isto praedone ereptum esse, graviter et acerbe lio-
mines ferebant. Der Mündel, welcher durch die Ungerechtig-
keit des Verres um sein Yermög-eii gekommen war, erschien
ohne die bulla, um sich als arm zu zeigen und Mitleid zu er-
regen. Ein , Unterschied zwischen der Berechtigung zur bulla
und zur praetexta ist nicht zuzugeben, s. Hofmanx, Receusion
des Galius S. 783. und die Controverse bei Suet. de dar.
rhet. 1. Häufig sind die Statuen junger Römer mit der bulla,
z. E. Algusteum, t. 119. Mus. Borb. VII, 43. 49. Visconti,
icon. Rom. t. 19. Gerhard, Berlins antike Bildwerke T, N.
212. 215. Auch hat man in den in neuerer Zeit ausgegrabe-
nen etruskischen Gräbern, sowie in Herkulanum und in den
Rheinlauden solche goldne und bronzene bullae von verschie-
dener Grösse nebst anderem Schmucke gefunden und sie befin-
den sich im Mcs. Gregorianum, der Sammlung Feoli u. a.
EicoROXi, la bolla d'oro, Rom. 1732. Wixckelmaxns Werke
n, S. 89. Böttiger, de origin. tirocinii apud Rom., in opusc.
p. 208. Spox, Miscell. erud. aut. p. 299. Mus. Borb. II, 14.
Annalen d. Vereins für Nassau. Alterthumskunde III, 3, S.
185 ff.
Xach der Feier des dies lustiicus erfitlgte die; Anmeldung
der Kinder (professio), um in die öffentlichen Verzeichnisse,
Avclchc mit der römischen Tageschronik oder acta publica ver-
bunden waren (s. I, S. 215 ^(^.) eingetragen zu werden. Dieses
gescliah gesetzlich und regelmässig seit M. Anton. Philoso-
phus, wie Caimi'ol. c. 9. berichtet: Into- liaec liberales causas
ita munivit, ut primus iuberet apud praefectos aerarii Saturni
ununiqueinque civium natos liberos profiteri intra tricesimum
dii'm, nomine im/josito. Per provincias tobidariorum publicorinn
usum instituit, apud quos idem de originibus ßeret, quod Roniae
apud praefectos aerarii. Der Zweck dieser ordentlichen Ge-
burtsregister bestand darin, dass bei Streitigkeiten über Alter
5*
63 Zweiter Ex curs.
und Status einer Person sichere Beweismittel vorhanden
wären, wesshalb diese Einrichtung auf das ganze Reich aus-
gedehnt wurde. Beispiele dieses Gebrauchs finden sich Cap.
Gord. 4. Lampr. A. Diadum. 6. Sex. de ben. II, 10. (m acta
mittere). Appul. apol. p. 92 ed. Bip. Dig. XXVII, 1,2. § 1.
in(u8o)'Qaqta), XXII, 3, 29. § 1. {in actis proßteri), XXII, 3,
16. {matris professio). Mehrmals im Cod. VII, 16. Dass die
Einrichtung des Antoninus nur die Erneuerung einer alten
von Serv. Tullius angeordneten Sitte gewesen se«, ist unrich-
tig. DioxYS. IV, 15. sagt nach L. Piso, Servius habe verord-
net, dass bei der Geburt eines jeden Kindes ein gewisses Geld-
stück an das aerarium des Tempels der Inno Lucina, ebenso
wie bei jedem Todesfall an das aerarium der Venus Libitina
und bei Anlegung der männlichen Toga an das aerarium der
Juventus abgegeben werden solle und fügt als Zweck hinzu:
ii MV i';fie).).t diayraasa&ai x«i'>' txaarüv iviavrbv oooi ze ol GVfi-
navretg Tjaur y.ai rivag (i uvtmv rijV GTQazsmifiov tjXmav slyov.
Allein dass mit diesen Spenden an die Tempel die Führung-
von Verzeichnissen verbunden gewesen sei, erwähnt Dionys.
nicht. Ueberhaupt sind beide Institute A'^öllig verschieden-
Servius Tüll, ordnete Tempel. spenden für die Geborenen, Ge-
storbenen u. s. w. nur mit einem politischen XebenzAveck
an, um die Zahl der Geborenen, Gestoi-benen und Kriegs-
dienstpflichtigen zu wissen und danach die Zahl der ganzen
Bürgerschaft berechnen zu können; M. Anton. Phil, führte
sjjeciell Geburtsregister ein, um die Prozesse über den statu.s
{causae liberales) sicher zu entscheiden und zugleich um den-
selben möglichst vorzubeugen. Serv. Tullius hatte bei seiner
Einrichtung nur einen politischen Nebenzweck, welcher nach
Einführung des Census aufhörte, er wollte also nur eine Vor-
bereitung zum Census oder einen einstAveiligen Ersatz des-
selben erreichen, (denn die Censuslisten enthielten Alles was
er wünstlite viel sichererj; M. Anton. Phil, beabsichtigte etAvas
Dauerndes, was durch keine andere Einrichtung verdrängt
werden konnte. Darum finden wir von des Letzteren Anord-
nung so viele Beispiele, dagegen von der des Serv. Tullius
Erzieliung. g9
nur eine einzige Erwähnung, nämlich Suet. Xer. 39., was
nicht auffallen darf, denn der politische Charakter seines In-
stituts hatte ein schnelles Ende erreicht. Mit Kecht kann mau
aber sagen, dass die Anordnung des Antoninus eine Erweite-
rung und Ausdehnung des seit Cäsar üblichen Gebrauchs war,
hauptsächliche Familienereignisse, wie Geburten, Verheira-
thungen (luv. Sat. II, 136.), Ehescheidungen (Sex. de ben.
III, 16.) u. s. w., in der römischen Tageschronik (oder acta
diurna, publica, urbana, populi) bekannt zu machen. Dieses
hing von der Willkür eines Jeden ab, wurde aber immer all-
gemeiner, theils weil durch diese öffentlich gemachten und
autorisirten Annoncen Streitigkeiten über den Status {caitsae
liberales) beseitigt wurden, theils weil nur nach solchen öffent-
lichen Mittheilungen die von der lex lulia und Papia Poppaea
bestimmten Belohnungen verliehen wurden. Von solchen An-
noncen spricht luv. IX, 84 ff.
Toll/s enhn et lihrii actonim spargere gaudes
Aryumenta viri. —
Iura parentis Jiabes, propter nie scriberis heres cett.
In spargere liegt offenbar das Verbreiten durch Abschreiben
der acta publica oder Zeitung. Unzweideutig bezeugt diese
Sitte Pktrox. Sat. 53., wo die komische Xachahmung der acta
urbis mit den Gcburtsaugaben beginut. Ferner sind darauf
zu beziehen (nicht mit Diuksex auf die acta senatus, noch
weniger auf die problematischen servianischen Geburtsregister)
SuET. Tib. b. Cal. 8. 25. 36.; denn Geburtsfälle aus dem
kaiserlichen Hause gehörten vor allen in die Chronik. Die
Identität der früheren und späteren professiones zeigt die
Stelle bei Cap. Gord. 4. (aus der Zeit nach Antonin.): cum
apud praefecluvi aerarii more Romano ijrofessus fillum puhlicis
actis eins nomen insereret. Professus bezeichnet die Meldung,
welcher Jeder unterworfen war, publ. acta die Aufnahme in
die Chronik. Man darf jedoch nicht glauben, dass alle Ge-
burtsanzeigen, die bei dem praefectus aerarii anzubringen
waren, in die Zeitung kamen. Nur die Geburten aus den vor-
nchuH'u Kreisen und aus den allgemein bekannten lannlii'n
70 Zweiter Exe urs.
wurden namentlich aufgefülirt, die aus den g-eringen Familieu
wurden summarisch angegeben, wie Petron. 53. bezeugt, aber
im Archiv (aerarium) blieben sämmtliche Namensverzeichnisse
aufbewahrt, sogar die Originalanzeigen des Vaters, Serv. zu
Verg. Georg. II, 502. S( hol. zu Juv. IX, 84 ff. — Endlich
ist ziT bemerken, dass der Hausvater selbst über die Geburt
seines Kindes ein Zeugniss, instrumentum^ ausstellen konnte,
Avelches wie jedes andere testimonium von Zeugen obsignirt
wurde, Appul. apol. p. 92 ed. Bip. vgl. Tertull. adv. Marc.
V, 1. Cod. V, 4, 9. — S. vorzüglich Brisson. sei. autiqu. I,
5. mit Trekells Anm. Dirksex d. scriptores hist. August.
S. 183 — 193. V. Rappard, de instrum. natal. Lugd. B. 1816.
c. 1. 3. Tromp, de jii'obat. famil. apud Rom. Lugd. B. 1837.
p. 6 fg. 14 fgg. und Pauey, Realencykl. I, unter Acta.
Die römische Mutter stillte in alter Zeit das Kind selbst,
nicht wie bei den Griechen, s. Charikles II, S.XG f. Später
wurden die Ammen sehr gewöhnlich, wenigstens in den höhe-
ren Ständen, und die nutrix wurde selbst auch mater (Milch-
mutter) genannt. Plaut. Men. prol. 19.
Ita forma sim'di j)ueri^ uti mater sua
Non internosse passet quae mammam dabat^
Neque adeo mater ipsa quae illns pepererat.
S. QuixcT. inst. I, 1. Gell. XII, 1. Auct. dial. de orat. 28.
29. Plut. Cat. mai. 20. hebt es besonders hervor, dass Cato
von seiner Mutter selbst gestillt und gewartet worden sei. S.
zu dieser Stelle Böttiger, opusc. p. 114. Ueber die Fürsorge
der ganz den Kindern lebenden Mutter überhaupt s. Cic. Brut.
27. 58. de or. III, 12. Auct. dial. de orat. 28 f.
Von der frühesten Erziehung wird uns sonst wenig weiter
berichtet. Sie war ganz eine häusliche, d. h. den Aeltern über-
lassen, welche die Kinder selbst erzogen und nicht den Skla-
ven anvertrauten. Auch war man sehr vorsichtig in der Wahl
der Sklaven und Pflegerinnen, die zur Wartung und Bedie-
nung nöthig waren, damit nicht üble Reden und schlechte
Sprache einen nachtheiligen Einfluss hätten. Von dieser gros-
sen Fürsorge der Aeltern S2)richt Plaut. Mil. glor. III, 1 , 109 fg.
Erzieliung. 71
At lila laus est, magno in genere et in divitiis maxumis
Liberos hominem educare, generi monumoitian et sibi.
Most. I, 2, 39 fgg. Bacch. III, 3, 90. Daher die Redensart in
gremio matris educari, Cic. Brut. 58. Auct. dial. de orat. 28.
Die Pflegerinnen, die sich mit den Kindern bescliäftigten,
hiessen wie die Ammen nutrices und kommen oft auf Basre-
liefs, Malereien und Inschriften vor, Orelli Hexzen, 2738.
2817. 4347. 6199. 6241. 62G0. 6291. 6484. Sie reichten den
Kleineu die Nahrung, sprachen und spielten mit ihnen, beglei-
teten sie bei dem Ausgehen u. s. w., wesshalb Plaut, mil.
glor. III, 1, 102. dieselben geraria nennt, Quixct. I, 1, 3.
11, 16. Cic. de or. II, 39. de div. I, 36. Sen. ep. 99. puerum
mdrici — quam patri notiorem. AuCT. dial. de oi-. 28. eligeba-
tur autem maior aliqua natu propinqua, cuius probatis — mo-
ribus omnis — familiae suboles committeretur cett. Die heran-
gewachsenen Töchter wurden noch von der nutrix begleitet
und behielten sie oft nach der Verheirathting bei sich, s. unten
Liv. m, 44. SuET. Dom. 17. Tibull. I, 3, 83 f. Catull.
LXIV, 377. Juv. VI, 354. Appul. Met. VIII, p. 206 Elm.
Die Knaben dagegen bekamen meistens frühzeitig aus den
Sklaven aineii jjedisequus (ad Her. IV, 52.) als Begleiter, wel-
cher auch custos (HoK. Sat. I, 61. 81, Sex. ep. 11.), monitor
(Sex. ep, 94 ), sogar dominus (Petrox. 86.), am gewöhnlichsten
aber comes (Suet. Claud. 35.) und rector genannt wurde. Nach-
dem die griechische Sprachen in das römische Leben einge-
drungen war, gab man den Kindern oft einen griechischen
Pacdagogen, welche Benennung auch auf die römischen
Sklaven überging, die man mit diesem Geschäft betraute.
Namentlich geschah dieses in den vornehmen Familien, wo
die griechische Sprache ebenso Modesache wurde, wie bei uns
die französische, urul wo man — in der Kaiserzeit — auch
griechische Bonnen annahm. Auct. dial. de or, 29, at nunc
natus infans delcgatur Graecidae alicui anclllae, cui adiungitur
servus plerumque vilissimus nee cuiquam serio ministerio acco-
modatus. Ael. Arist. art. rhet. II, ji. 95. Jebb. Lut iax. vit.
auct. 15. Die Pädagogen werden oft unwissend, aiimasseiid
72 Zweiter Exe Urs.
und mürrisch geschildert, Quinct. I, 1,8. De paedagogis hoc
amplius, ut aut sint erud'di plane — aid se non esse eruditos
sciant. Nihil enim peius est iis, qui , paulum aliquid ultra pri-
mas literas progressiv falsam sibi scieiitiae persuasionem indue-
runt. — et velut iure qicodam potestatis, qua fere hoc hominiim
genus intumescit, imperiosi atque interim saevientes, stidtitiam
suam perdoeent. I, 1, 11. I, 2, 10. Suet. Ner. 37. Appul.
Met. X, p. 240 Elm. Ihre Thätigkeit {custodia gen. Quixct.
I, 2, 25.) war mannichfach je nach ihrer Qualifikation und be-
schränkte sich nicht auf den Unterricht (Quinct. I, 2, 10.),
sondern sie gingen mit dem Knaben aus, auch in die Schule
(App. b. c. IV, 30) und wohnten den Lectionen bei, wie man
aus Suet. ill. gramm. 23. sieht: Remmius Palaemon — mulieris
verna primo ut ferunt textrinum deinde herilem filium dum comi-
tatur in scholas literas didicit. Die komische Scene, avo der
paedagogus dem Knaben vor Gericht folgt s. Quinct. VI,
1. 41. Andere Erwähnungen der paedagogi aus der Kaiser-
zeit s. Suet. Oct. 67. 44 (dass sie einen besonderen Platz im
Theater nebst ihren Zöglingen erhielten). Claud. 2. Ner. 6.
nutritus est sub duobus paedagogis, saltatore atque tonsore.
Dio Cass. XL vi, 5. XL VIII, 33. Sen. ep. II, 25. 27. 50. 60.
89. 94. Orelli HexzexX 2879 f. 2937. 4850. 6293. — Die
bei Plaut, und Ter vorkommenden Pädagogen, z. E. Lydus,
Pädagog des Pistoclerus in Plaut. Bacch. I, 2. III, 1. sind
griechischen Mustern entnommen.
Der Staat nahm keine Xotiz von der Erziehung, wie das
mit dem BegriflP der ^^^tria potestas sich auch nicht vertragen
haben würde, Plut. Lyc. et Xum. comp. 4.; jedoch konnte
später der Censor auch hier tadelnd eingreifen, indem der
Staat durch allzugrosse Nachsicht und Verweichlichung in
der Erziehung Schaden leiden konnte, s. Becker, röm. Alter-
thiimer II, 2, p. 215., Plut. Cat. mai. 16. 17. Dionys. XX, 3.
vgl. Plut. coniug. praec. 13. Am wenigsten aber dachte der
Staat daran, selbst für die Unterrichtsanstalten zu sorgen. Cic.
de rep. IV, 3. Principio dlscipUnam puerilem ingenuis, de qua
Graeci multum frustra lahorarunt et in qua una Polyhius noster
Erziehung. 73
hospes HGstrorum institutormn negligentiom accusat, nullam cer-
tam aut destinatam legibus mit publice expositam, auf unam
omniwn esse voluerujit. ludessen bestanden schon in früher
Zeit Schulen, natürlich als Privatunternelimen. Die älteste
Erwähnung der Geschichte nach findet sich bei Gelegenheit
der von App. Claudius an Virginia verübten Gewaltthat. Liv.
III, 44. Virgini vemientl In forum {ibi namque in tabernis lite-
rarum ludi erant) minister decemviri libidinis manum iniecit.
(Der Ausdruck in tabermis kann auch bloss topographische
Bestimmung sein, nämlich tab. veteres et novae ; aber bei Suet.
de ill. Gr. 18. heisst es wirklich von L. Crassitius: dcinde in
pergula docuit und Vop. Saturn. 10. Romae frequentaverat
pergulas magistrales.) Dionys. XI, 28. raizr^r rijv y.6QrjV Iniya-
fior avaav ijöri dfuoufieiv^,' "Anmog K).avdiog urnyircoo'AOvoar er
yQafii^ariarov — ij dt tu 8idaay.a).tta Toiv naiÖcov rare TtBQt Tt/v
dyoQuv. — Wenn die Nachricht etwas befremdend lautet, so
liefert doch ein nicht viel späteres Beispiel gemeinschaftlichen
Unterrichts ausser Rom der Verrath des Lehrers zu Falerii.
Liv. V, 27. Mos erat Faliscis, eodem magistro liberorwn et
comite uti, simulque plures pueri , quod hodie quoque in Graecia
manet, unius curae demcmdabantur. jjrincipum liberos, siciit fere
fit, qui scientia videbatur praecellere, erudiebat. Plut. Cam. 10.
S. dasselbe von Tusculum bei Liv. VI, 25. Plut. Cam. 38.,
denn die Erwähnung Aon Gabii bei Plut. Rom. 6. gehört der
Mythe an. Der älteste Schriftsteller, der davon s^iricht, ist
Plaut. Merc. II, 2, 32. Hodie ire in ludum occoepi Uterarium.
Dagegen scheint in einer zweiten Stelle Unterricht im Hause
verstanden werden zu müssen. Bacch. III, 3, 27 ff.
Inde de hipjwdromo et palaestra ubi revenisses domiim,
Cincticido praeci)tctus in sella aput maglstrum assideres :
Ibi librum quom legeres^ si unam j)cccavisses syllabam,
Fieret corium tarn masculosum, quamst nutricis jjallium.
Ucbrigens ist hier griechische und römische Sitte vermischt,
denn wie passt die Palästra nach Rom und wie der zweite
Vers nacli Griechenland?
Dass späterliiii diucli alle Zeiten Elementarschulen
74 Z w eiter Excurs.
für das Bedürfniss der weniger Bemittelten bestanden, versteht
sich von selbst und es fehlt auch nicht an Erwähnungen. Ein
ansprechendes Bild der Knaben, wie sie mit Tasche und Tafel
in die Schule Avandern , giebt Horaz , der von seinem Vater
nach Kom gebracht Avorden war, weil die Schule zu Venusia
zu mangelhaft schien, Sat. 1, 6, 72 ff.
Noluit in Flavi ludum me mitterefinagni
Quo pueri, magnis e centurionlbus orti,
Laevo suspensi loculos tabulamque lacerto
Tbant ocionis referentes Idibus aera.
S. dazu Heindorfs und Wüstemanns Anm. — Auf solche
Winkelschulen bezieht sich auch die Befürchtung Epist.
I, 20, 17.
Hoc qiioque te manet, ut pueros elementa docentem
Occupet extremis in vicis balba senectus.
Wie Horaz war auch Ovid mit seinem Bruder von Sulmo nach
Rom gebracht worden. Oeftere Erwähnungen hat Martial,
wovon weiter unten gesprochen Avird. Dagegen ist es auch
wieder unbezAveifelt, dass in späterer Zeit die vornehmeren
und bemittelteren Klassen ihren Kindern den ersten Unter-
richt durch eigne Lehrer im Hause ertheileu liessen. Wenn
QuiNCT. inst. or. I, 2. die Frage erörtert: läiliusne sit domi
atque intra pricatos parietes studodcm contaiere an frequentme
scJiolarum et veliit puhlicis praeceptoribus tradere.^ und sich für
das Letztere entscheidet, so hat er doch dabei keinesAvegs den
Elementarunterricht im Sinne. ZAvar nennt er nicht iuveues
sondern pueros, aber seine A^on den höheren grammatischen
und rhetorischen Studien entlehnten Argumente bcAveisen,
dass er zwar praetextatos, aber nicht kleine Kinder meint.
Aber lange vor dieser Zeit liessen sorgsame Väter ihren Söh-
nen nicht nur den ersten Unterricht, sondern auch die höhere
Bildung durch besondere Lehrer im Hause geben. Plix. h. n.
XXXV, 11, 40. Itaque cum L. Paulus devicto Perseo petisset
ab Atheniensibiis, ut sibi quam probatissinaan pJälosophorum mit-
terent ad erudiendos liberos etc. Paulus hatte aber auch schon
vor dem macedonisehen Feldzug mehre griechische Lehrer für
Erziehung. 75
seine Söhne, wie Plut. Aem. Paul. 6. ausführlich erzählt:
yQafifiariy,o( xai aoqiarui xat nrjroQS^', dV.d y,at tt/möiui y.ni C(^yQd.-
cfoi y.ai TTwhov y.ai oav}.dy.cov imardtai xcu 8i8doy.(i).ot üt'joa^ "El-
Ir^ng tjoav. Plix. epist. III, 3. sagt vom Sohne der Corellia
Hispiilla: Adhuc lllum pueritiae ratio intra contuhernium tuum
teniiif. praeceptores domi habuit. — iam studia eins extra Urnen
proferenda sunt; iam circumspiciendus rhetor Latinus etc. —
So wird auch Cic. p. Lig. 7. Haec ego novi propter onuies ne-
cessitudities , qiiae mihi sunt cum L. Tuberone, domi una eruditi,
militiae contubernales etc. und ad Att. VIII, 4. nur von dem
späteren Unterrichte zu verstehen sein, und ebenso Ovid.
Trist. IV, 10, 15.
Protinus excolimur teneri, curaque parentis
Imiis ad insic/nes Urbis ab arte vires.
Der ältere Cato unterrichtete seinen Sohn selbst, obgleich er
den geschickten griechischen Grammatiker Chilon hatte, der
selbst anderen Knaben Lehrer war. Plut. Cat. mai. 20. 'Enti
ö' '/^Qiato (jvvitrai, Tratiuhcßtof avtOi; fdiÖuGy.f: yndufxara. Kaltoi
■/(ioieira öovXor i:i)[s yoaftfic.riGTi^r., oj'o//« Xihont. , noDMis d(8d-
(jy.aiTU 7T(dÖus'- Dasselbe that der Vater des T. Pomponius At-
ticus, CoRN. Nep. Att. 1. und aus der Krjnigszeit berichtet
ähnliches Cic. de rep. II, 19. 21.
Der Unterricht in der griechischen Sprache und Literatur
wurde gegen das Ende der Kepulilik sehr gewöhnlich, als die
Kömer nach der Eroberung Griechenlands und Asiens mit
Griechenland in engere Verbindung getreten waren und die
Wissenschaft und Kunst nälier kennen gelernt hatten. Durch
die Annahme griechischer paedagogi und griechischer Lehrer
(s. oben), soAvie durch die neuen Khetorenschulen (Suet. de
111. grannn. 3. erwähnt gleichzeitig mehr als 20 celebres scholae
in Kom) wurzelte die neue Disciplin immer fester und so ist
es nicht zu verwundern, wenn in manchen Häusern — ganz
nach moderner AVeise die griecliische Sprache von den Kin-
dern eher erlernt wurde, als die Muttersprache. Quixct. I, 1,
12. A graeco sermone puerum incipere mala, quia latinus, qui
p/uriiiiis in ii.sn est, vel nobis nolenlibus se praebet. simid quia
7ß Zweit er Ex eins.
discipllnis quoqiie graecis j>rius instituendus est, unde et nostrae
fliixerimt. Die Verbreitung der griechischen Sprache und Bil-
dung bezeugen zahh-eiche Stellen, wie oratio p. Arch. 3. Erat
Italia tum plena Graecaruin artium ac discipJhiarum stud'iaque
Itaec et in Latio vehementius tum colebantur etc. Tiisc. II, 11.
nos, docti sc'dicet a Graecia, liaec (die Griechen) et a puer'itia
legimus. et discimus. Plut. Brut. 2. 40. Griechische Eeden
waren im Senat häufig (Val. Max. II, 2, 3.) und sogar Ovid.
ars amat. II, 121 f. empfiehlt das Lernen des Griechischen.
Kec levis, ingenuas pectus coluisse per artes,
Cura sit, et Unguas edidicisse duas.
In der früheren Ausgabe des Gallus war zwar angenommen,
dass man sich die Kenntniss der griechischen Siirache nicht
zu ausgebreitet denken dürfe, allein die dafür vorgebrachten
Gründe beweisen es nicht. Dass Cic. Verr. V, 57. es für
nöthig hielt adixaiwOt^aar lateinisch zu übersetzen, AA'ar natür-
lich, da 8r/.aiOvG{)ai dem gewöhnlichen Sprachgebrauch nach
etwas anderes bedeutete. Der Gebrauch der Dolmetscher in
den Provinzen beweist nicht die Unkenntniss der Römer mit
dem Griechischen, indem dieselben vielmehr dazu dienten,
den Eingebornen das Lateinische in das Griechische zu über-
setzen. Endlich ist unbegründet, dass Cicero in seinen Brie-
fen griechische Worte gebraucht habe , damit dieselben, Avenn
sie in fremde Hände geriethen und erln-ochen wurden, nicht
von Jedermann verstanden werden sollten , denn was Cicero
in den Briefen griechisch schreibt, sind Citate, Kunstaus-
drücke u. s. w. die er meistens nur der Kürze halber braucht,
s. Hermann, Kec. des Gallus S. 713 f und Wü.stemann, Kec.
des Gallus S. 132 ff".
Was nun die Schulen anlangt, so waren sie (von den
Schulen der Grammatiker und Ehetoren in der Kaiserzeit ab-
gesehen j , wie bereits bemerkt ist, nur Privatunternehmen,
jedenfalls ohne dass es selbst nur einer Autorisation oder Con-
cession vom Staate bedurft hätte. Es ist eine öfter ausgespro-
chene höchst seltsame Behauptung, dass Sp. Carvilius, der
Freigelassene des durch die Ehescheidung bekannten, der
Erziehung. 77
erste gewesen sei, der in Eom für Geld unterrichtet habe. Sie
stützt sich auf die Nachricht bei Plut. quaest. Eom. 59. öi^g
ö' iiQ^avTO fVG&ov 8idday.£iv y.(a ^r^jwros" ärt'c^^f. '/Qu^ijtaTcdiSaoxa-
Xhov ^TTOQiog Kaoßihog etc. Wenn Plutarch aber nicht über-
haupt irrt, so ist das jedenfalls von einer höheren grammati-
schen Schule zu verstehen , wie sie eben in dieser Zeit erst
aufkamen. Elementarschulen gab es schon längst und wer
wollte glauben , dass darin die Lehrer umsonst unterrichtet
hätten.
Zunächst kommen die ursprünglich alleinigen Elemen-
tarschulen der litdi magistri oder der später s. g. literatores
oder grammadstae (Suet. de ill. gramm. 4.) in Betracht, wo
die Kinder zuerst die Buchstaben und so lesen und schreiben
lernten. Sex. ep. 88. prima illa, ut cmtiqui vocabmit literatura,
per quam pueris elementa traduntur, non docet liberales artes,
sed mox praecipiendis lociim parat. Das geschah, wie es scheint,
wenigstens vom siebenten Lebensjahre an, bei welcher Be-
stimmung natürlich auf die älteste Zeit keine Rücksicht ge-
nommen ist. QuixcT. I, 1, 15. Quidam literis i7ii<tituendos qui
minores Septem annis essent non putaverimt. Ihm ist dieses je-
doch zu spät. Die Stufenfolge der alten Erziehung ist in den
AVorten Varro's bei Xon. V, a. E. v. educere enthalten : ediicit
enim obstetrix, educat ?mtrix , instiluit paedagogus, docet ma-
xister. Dieser erste Unterricht wurde, wie gleichfalls Plato
empfiehlt, wenn auch schwerlich im Allgemeinen, gewisser-
massen spielend betrieben. Darauf deutet Hör. Sat. I, 1 , 25.
liiii:
— ut pueris olim dant critstula blandi
Doctores^ elementa re/int ut discere prima.
und mehr noch Quinct. I, 1, 26. Xon excludo autem, id quod
est noturn, irritandae ad discendum infantiae gratia cburiieas
etiam Uterarum fornias in lusum offerre, vel si quid aliud, quo
magis illa aetas gaudeat, inveniri potest , quod tractare, intueri,
nominare iucundum sit. Ucbrigens scheint man sicli, na( h
Qui.NCT. a. a. O., bei dem Leseunterricht der Syllabirniethode
bedient zu haben, während bei den (^riechen die Buchstaben-
78 Z w e i t e r E X c u r s.
methode vorherrscliend gewesen zu sein scheint. Charikles,
II, S. 33 fg.
Beim Schreiben gebrauchte man Wachstafehi, aufwei-
chen die vorgezeichneten Züge nacligeahmt wurden (Quinct.
X, 2, 2. Sic Uterarwn ductus, ut scribendi fiat usus^ jmej-i se-
quimtur. daher puerile praescriptuin bei Sen. ep. 94., pi'oefor-
matae literae b. Quinct. V, 14, 31.), wobei der Lelirer oft die
Hand selbst führte. Vor. Tac. 6.: qinbus ad suhscrihendum
magistri literani manus teneant. Ein eigenthümliches Erleich-
terungsmittel für den Anfang empfiehlt Quinct. I, 1, 27. Cum
vero iam ductus sequi coeperit, non inutile erit, eos tabellae quam
optime insculpi, ut per illos velut sulcos ducatur Stylus. Nain
neque errabit, quemadmodum in ceris^ continebitur enim utrinque
marginibus , neque extra praescriptum poterit egredi et celerius
ac saepius sequendo certa vestigia finnabit articidos^ neque ege-
bit adiutorio manum suam manu superimposita regentis.
Das Ilechnen wurde, wie bei den Griechen, überhaupt
im Leben auf doppelte Weise betrieben, entweder mit den
Fingern, indem man mit denselben verschiedene Zeichen, die
Zifferbedeutung hatten, bildete; daher sagt Cic. ad Att. V, 21.
hoc quid intersit, si tuos digitos novi ^ certe habes subductum.
OviD. ex P. II, 3, 18.
At reditus ia)n quisque suos amat et sibi quid sit
Utile, sollicitis supputat articulis.
Plut. apophth. reg. Oront. p. 691 Wytt. naOansQ oi tojr doiO^-
^ii^rixMV day.rvXoi vvv p.ir pvQidSag rvr Ö't f/ovadag ri&^vca bvvavtui.
PoLYB. V, 26. S. WowER. de polymath. 7. p. 58 flP. Beda Ve-
NERABiLis, opera. Colon. Agripp. 1612, I, p. 130 — 143 (das
Capitel indigitatio überschrieben behandelt das Kechnen mit
der Fingersprache, nach alten verlorenen Quellen, s. Wüste -
MANN, Recens. des Gallus S. 135. Rüdiger, Jahresbericht der
deutschen morgenländ. Gesellschaft. 1845, S. 118 ff. Bern-
HARDY, röm. Literatur S. 47.); oder man bediente sich der
Rechentafel und Steine, abacus und calculi. Auf diesen Tafeln
waren unstreitig Linien gezogen und der Stein erhielt durch
die Stelle, wo man ihn hinsetzte, seine Bedeutung, s. Charikles
Erzieliung. 79
II, S. 35. So sagt auch Alciphr. epist. 26. oi Tzto] 7«^- 'l'ijqov:^
y.ai rch' day.Tv).a)r tu..- y.diiU'tu-. Einen Athenischen abacus, der
abei" auch zum Goldzählen für "Wechsler u. s. w. anwendbar
war, schildert Gerhard, arcliäolog. Zeit. X. F. 1847, N. 3.
Auf das Rechnen wurde besonderer Werth gelegt; daher klagt
HoR. ad Pis. 323 ff'.
Romani pueri loiiyis ratiombus assem
Disciüit i)i partes ce/ituin d/ducere. dicat
Filius Albini: si de quincuiice remota est
Unica, quid siqjeraif Poteras dixisse triens : Eid
Rem poteris servare tuam. Redit unica, quid fit?
Semis.
Ob auch in der anuiuthigen »Schilderung der venusinischen
Elementarschüler bei Hör. Sat. I, 6, 72 ff". Noluit etc. eine
Andeutung des Rechnenunterrichts liegt, ist nicht ausgemacht.
Früher glaubte man dieses ans dem Verse Laevo etc. schliessen
zu dürfen, indem Schol. Cruq. tabula als Reclmentafel {aba-
cus) erklärte, welcher Erklärung die Meisten folgten, und in-
dem man locidi als Kapsel mit den Rechensteinen annahm.
Auch schien für diese Ansicht zu sprechen, dass Hör. ep. I, 1,
56. diesen Vers wiederholt, wo er von Geldgeschäften und
Wucher spricht. In neuerer Zeit hat aber K. F. Hermann
(disputatio de loco Hör. Serm. I, 6, 74 - 76. Marburg 1838.)
richtig erkannt, dass tabula »Schreibtafel überhaupt und loculi
ein Kästchen oder Tasche für Schulutensilien bezeichne (etwa
wie unser „Pennal und Schiefertafel," wie Jahn angiebt).
Eben so wenig ist aus dem N'crse der Episteln etwas zu
schliessen, wie namentlich Jahn gezeigt hat. Dass sich aus
dem letzten und schwierigsten Vers Ibant octonis etc. mit
nicht grösserer Sicherheit auf Rechnenunterricht schliessen
lässt, wird unten erwähnt werden. Uebrigens war es, wie der
Vers des Höh. zeigt, in Rom nicht gewöhnlich, dass die Kin-
der wohlhabender Aeltern ihren Apparat selbst zur Schule
trugen, .sondern man hatte dazu besondere Skla\en, capsaj-ii
(s. g. von der capsa , Wdfür Horaz loculi braucht), worin Bü-
cher und Srhrcil)niat('rial sicli befanden, hv. X, 117.
gQ Zweiter Ex curs.
Quem sequitur custos angustae vernula capsae.
SuET. Xer. 36. Constat qiiosdam cum paedagogis et capsariis
uno prandio necatos. Claucl. 35.
Dass die Schüler auch passende Stücke memorirten, kann
nicht bezweifelt werden, s. Quinct. I, 1, 35 ff. nnd die Notizen
unten bei dem Unterricht der Grammatiker. Vorzüglich wurde
auf gute Aussprache gesehen, Cic. de orat. III, 13. praecepta
latine loquendi, quae puerilis doctrina alit.
Solche Schulen wurden gewöhnlich wohl von einem
Lehrer geleitet-, zuAveilen aber nahm dieser noch einen Ge-
hülfen, hypodidascalus hinzu {vTTOÖiÖuaz/ig in colloq. vet. graec.
et latin. in Labbaei glossar. Londini 1816 — 26, p. 426.). Cic.
ad Fam. IX, 18. Seilet tibi erit in ludo tunquam hypodidascalo
proxima. eam pidvinus sequetur. Es kann indessen auch ein
Schüler selbst damit gemeint sein, der als reiferer den Lehrer
unterstützte. So erklärt sich die se.lla proxima am besten.
Später gab es besondere Lehrer für Schreiben und Kechnen,
Marx. X, 62.
Nee ccdculator nee notarius velox
Maiore qidsquam circulo coronetur.
Auch in dem Edict. Dioclet. VII, 66 f. wird der magister
lit. von dem ccdculcdor unterschieden. Orelli Henzen 7220.
doctor artis ccdculaturae.
Die Humanität dieser Elementarlehrer oder ludi magistri
wird nicht besonders gerühmt. Indem Pjlut. Cat. mai. 20. von
dem häuslichen Lnterricht durch Sklaven spricht, erwähnt er
das Schelten und das Zupfen am Ohr für den säumigen Schü-
ler: y.uyMg uy.ovtif rj rov corog avarHvea&ai (lav&ävovra ßgädior.
Schläge Avaren ein sehr gewöhnliches Zuchtmittel und die
Lehrer werden oft als clamosi und plagosi geschildert. Mar-
TiAL, der in der Xähe einer solchen Schule wohnte, (bei der
pila Tihurtina in der siebenten Kegion, an der heutigen Piazza
Barberina) sagt IX, 68.
duid tibi nohiscum est, ludi scelercde magiste?',
Ltvisvm pue.ris virginihusque Caput?
Erzieh u n g. 31
Nonduni cristati rupere silentia gcdli,
Murmure iam saevo verberibusque tonas.
XII, 57. negant vitam ludi magistri mane, nocte pistores. \\ ?^4.
Iran tristis nucibus puer relictis
Clamoso revocatiir a magistro.
Besonders berüclitigt ist in dieser Beziehung- der Xame des
Orbilius Pupillus, den Horaz, dessen Lehrer er war, plago-
sum nennt, epist. II, 1, 70. Suet. de ill. gr. 9. Fuit autem ?ia-
turae acerbae non modo in antisophistas , quos omni sermone
laceravity sed etiam in discipulos , ut Horatius signißcat, pkigo-
sum einn appellans, et Domitiiis Marsus scribens:
Si quos Orbilius ferula scuticaque cecidit.
QüiNCT. I, 3. Caedi vero discentes qnamquam et receptinn sit et
Chrysippus non improbet, miiiime velim. Die ferula Av^ar das
gewöhiiliclie Züchtigungsinstrument , der Stengel der ferula
communis, rcigOr^i- Isidor. XVII, 9. a ferietido ferulani dicunt,
hac enim pueri vapulare solent. Mart. X, 62. ferulaeque tristes,
sceptra paedagogoriim. luv. I, 15. manum ferulae subduximus.
Ausox. Idyll. IV, 24. Le pitt. d'Ercol. Tom. m, tav. 41, 1.
giebt das schmerzensreiche Abbild einer Strafscene. Der
Knabe entkleidet bis auf einen Gürtel erleidet die Schläge in
der Schwebe, indem sein Oberkörper auf dem Kücken eines
Anderen ruht, wälirend die Füsse von einem Dritten festge-
halten werden. Die anwesenden Schüler halten ziemlicli
gi'osse Schreibtafeln in den Händen.
Nachdem der Knabe die ersten Elemente erlernt hatte,
ging er in die später gegründeten Schulen der Gramma-
tiker oder Literati und der noch hölier stehenden Rhetoren
über. Ai'PUL. Flor. 20. Prima cratera literatoris ruditatem exi-
mit, secundd grammatici doctrina instruit, tertia rhetoris elo-
qiientia armat. Also ist nachdem sich der Sprachgebrauch be-
festigt hatte literator s. v. a. grammatista oder Elementar-
lehrer, darüber steht in zweitem Grade der gramrnaticiis oder
literatus und zuletzt kommt der rhetor. Dieses sagt auch
SuETOX. de dar. gramm. 4. Der Unterricht war hier im
Ganzen wohl weniger ein theoretischer als juaktischer. Zur
Bbckkk, (iailu.i. i. Aiitl. II. (>
32 Z weiter Ex cur s.
Bildung des Verstandes, Geniüths und Geschmackes wurden
namentlich Dichter zur Erklärung gewählt (Cic. Tusc. 111, 2.
HoR. epist. II, 1, 126.
Os tenerum pueri balbumcjue poefa Jigured
Tnrquet ab obscoenis iam nunc sermonihus aurem.),
wie des Livius Andronicus Odyssee und Homer, mit dem man
den Anfang machte. Hör. epist. II, 1, 69 f. (s. unten) und II,
2, 42.
Romae nutriri mihi contigit atque doceri,
Iratus Graiis quantum nocuisset Achilles.
Plin. ep. n, 14. sie {?i foro pueros a centumviralibus causis
auspicari, ut ab Homero i)i scholis. Als aher die römische Lite-
ratur Musterschriftsteller aufzuweisen hatte, wurden diese vor-
zugsweise zu Grunde gelegt, z. B. Virgil, Suet. de ill. gramm.
1. 16. QuixcT. I, 8, 5. Martial. I, 35.
Versus scribere me paruni severus,
Nee quos praelegat in schola magister.
vgl. HoR. ep. I, 20, 17. Auch Prosaiker wurden dazu genom-
men, wie Cicero, was aus den Commentaren des Asconius
selbst herAorgeht. Für den ersten Anfang waren auch die
äsopischen Fabeln sehr gebräuchlich, welche QuixfT. I, 8. zu
Verstandesübungen emjjfiehlt. — Zur Einübung der Ortho-
graphie und grammatischen Regeln wurde dem Knaben viel
dictirt. HoR. ep. H, 1, 69 fg.
No7i equidem insector delendave carmina Livi
Esse reor^ memini quae plagosum mihi parvo
Orbilium dictare.
Pers. I, 29. Manche Dictate wurden auswendig gelernt (Cic.
ad Qu. fr. ni, 1,4. meam {orationem) in illum pueri omnes tam-
qiiam dictata perdlscant. Hör. ep. I, 18, 13 fg.), und von dem
Schüler stehend deklamirt, Juv. VII, 152.
Nam quaecunqite sedens rnodo legerat^ Jiaec eadem stans
Perferet atque eadem cantahit versibus idem.
S. Jahn, in Abhandl. der Königl. Baier. Akad. München 1856,
Vm, S. 270. Wie etwa bei uns die zehn Gebote auswendig
gelernt werden , so musste in alter Zeit der römische Knabe
Erziehung. 83
die leges XII tah. lernen (Cic. de leg. II, 23. Discehamus enim
pueri XII, ut Carmen necessarium ^ quas iam nemo discit), auch
carmina antiqua in quibus erant laudes maiorum , die die Kna-
ben in conviviis sangen , Varro bei Xon. II, 70. Das Memo-
riren wurde übrigens später übertrieben, was QuixCT. 11, 7,
1 ff. bescbränken möchte. In jener Zeit schreibt Sex. ep. 33.
ideo jmeris et sentenfias edisceudas damus, et Iias quas Graeci
XQ^idb vocant. Uebrigens ist der Unterschied zwischen den
verschiedenen Arten der Schulen nicht regelmässig beobachtet
worden, denn sowie der Grammatikus in das Gebiet des Ehe-
tor übergriff (durch Uebungen im Schreiben und Sprechen,
declamare, disputare), ebenso zog der Elementarlehi-er allerlei
an sich, was in den Bereich des Grammatikers gehörte. Dess-
halb ist aus der Erwähnung der Unterrichtsgegenstände nicht
allenthalben zu bestimmen, welche Art von Schule gemeint
sei. SuET. de dar. gramm. 4. veteres grammatici et rhetoricam
docebant — secwidum quam consuetudinem posteriores quoque
existinw — vel retinuisse vel instituisse et ipsos quaedam genera
inslitutionum ad eloquentiam praeparandam^ ut problemata, j)a-
raphrases , allocutiones etc. Auch Quinct. II, 1, 1 ff. spricht
klar von diesen Uebergriffen, und dass schon der Knabe bei
dem Grammatiker die Rhetorik lerne. Ob dieses bereits zu
Oiceros Zeit der Fall war, wissen wir nicht und wir können
nicht angeben, ob Cic. de orat. 11, 30 f. wo er von den causa-
runi de/ensio)ies , quas solent magistri pueris tradere. spricht,
Rhetorenschulen im Sinne hat. Dieser controversiae scholasti-
cae gedenkt Qui.nct. IV, 2, 92. 97. VII, 1, 41. u. s. w\ und
AucT. dial. de orat. 35. empfiehlt die controversiae den reife-
ren (robustioribus), aber die suasoriae den jüngeren {pueris).
S. Berxhardy, röm. Literatur S. 76 ff. Boxnett , de mutata
sub j)rimis Caes. eloq. Rom. conditione inprimis de rhet. scholis.
iJcri)]. 1H.'>(). AViTTiCH, de grammatistarum et gramniaticorum
a|iud J{om. scholis. Eisenach 1844. Festprogramm. — Merk-
würdig ist, dass die Unterrichtsweise der lateinischen Rhc-
toren, als sie zu lehren anfingen, die öffentliche Missbilligung
oder wenigstens Tadel von Seiten der Staatsgewalten erfuhr.
6'-
84 Zweiter Ex cur s.
Jiii J;ilir Gr>2 sjn-achen die Censoren Cn. Dnmitius Aenobarbiis
und L. Licinius Crassus nach Süet. de cl. rhet. 1. ihre Miss-
liilligung fulgendermassen aus: Remmtiatum est nnbis, esse ho-
iiiines, qui novum genus disciplinae instituarunt, ad quos hiventus
hl ludos conveniat. eos sibi nomen mposuisse latinos rhetoras.
ihi homines adolescentulos totos dies desidere. Maiores nostri
quae liberos suos discere et quos in ludos itare vellent^ institue-
mnt. Haec nova, quae praeter consuetudinem ac morem innio-
rumfiunt, neque placent neque recte videntur. Quapropter et iis
qiii eos ludos habent et iis qui eo venire consueverunt , videtur
faciendum id ostendamus nostram sententiam : nobis non pla-
cere. Uebrigens darf man durchaus nicht aus diesen Worten
schliessen, dass von Seiten des Staats eine Unterrichtsweise
vorgeschi-ieben gewesen sei. Die Worte maiores nostri institu-
eru7Ü beziehen sich nur auf das Herkömmliche. — Dasselbe
Edikt findet sich bei Gell. XV, 11., und dass die Missbilligung
vorzüglich durch die sophistische Art des Unterrichts hervor-
gei'ufen wurde, ergiebt sich aus Auct. dial. de caus. cor. eloq.
35. At nunc adolescentuli nostri deducuntur in scenas scholasti-
corum, qui rhetores vocantur, quos paulo ante Ciceronis tempora
exstitisse (Cicero war 648 geboren und das Edikt erfolgte ri62;
also stimmt die Zeit sowohl mit dieser als mit Suetoxs An-
gabe, de cl. rhet. 2., vortrefflich überein) nee placuisse maiori-
bus nostris, ex eo manifestum est, quod L. Crasso et Domitio
ce?iss. cludere ut ait Cicero ludum impudentiae ivssi sunt. S.
ganz besonders Cic. de or. IH, 24. — Dass die heranwach-
senden Knaben die Schulen der Ehetoren besuchten , geschali
übrigens nicht erst nachdem sie die toga virilis angelegt hatten.
OviD sagt Trist. IV, 10, 15.
Protenus excolimur teneri, curaque parentis
Imus ad insignes Urbis ab arte viros.
Frater ad eloquitim viridi tendebat ab aero.
und dann erst, 27.
Interea tacito passu lahentibus annis
Liberior fratri sumta mihique toga est.
Auch Cicero besuchte eine Rhetorenschule als Knabe, Suet.
Erziehung. g5
dar. rhet. 2. De hoc (über L. Plotius Gallus) Cicero ad M. Ti-
tinnium sie refert: equidem memoria teneo^ pueris nobis primum
latine docere coepisse L. Plotiinn quendamj ad quem quam
fieret concursus ^ quod studiosissimus quif-qiie apud eian exerce-
retur, dolebom, mihi idera non Heere. Continehar autem doctissi-
morum hominum auctoritate ^ qiii existimahant graecis exerci-
tationibus ali melius ingenia passe.
Eiitllicli mögen uocli einige Einrichtungen erwähnt wer-
den, welche sowohl die Elementar- als die höheren Schulen
betrafen. Der Unterricht begann am frühesten Morgen, s. oben
Mart. Mehr noch sagt Juv. VII, 222.
Dummodo no7i pereat, mediae quod noctis ab hora
Sedisti, qua nemo f aber ^ qua nemo sederet
Qui docet obliquo lanam deducere ferro.
Dummodo non pereat totidem olfecisse lacernas
Quot stabant pueri, cum totus decolor esset
Flaccus et haereret nigro fuligo Maroni.
Darauf bezieht sich auch der matutinus magister hei Mart. IX,
30. und XIV, 223.
Surgite! iam vendit pueris ientacida pistor
Cristataeque sonant undique lucis aves.
Auch bei den Griechen fing der Unterricht in der ersten
Frühe an und Solon sah sich selbst veranlasst, durch ein Ge-
setz zu verbieten, dass die Schulen vor Sonnenaufgang ge-
öffnet würden. In den Colloq. vet. graec. et lat. in Labbaei
gloss. p. 423. 426. geht der Knabe zum prandium nach Hause
und kehrt nach demselben in die Schule zurück. Auch Plut.
Brut. 9. spricht für solche Pausen, denn in der Schulzeit konnte
nicht vorkonnnen, was Plut. erzählt, nämlich dass Cassius den
Sohn des Sulla geschlagen \\w\ Pumpeius darüber ein Schul-
gericht gehalten habe.
In manchen Schulen waren die Schüler nach ihren Fä-
higkeiten in Klassen abgetheilt, besonders wühl bei dem
schon etwas höheren Unterricht. Quinx't. I, 2, 23. Non inuti-
letn 6cio scrvalum esse a praeceptoi ibns meis morem, qui qmim
pueros in classes distribuerent ^ ordinein dicendi secundum vires
gg Z wei t e r Excurs.
iiigoiii dabant; et ita supe.riore loco quisque dechonabat, ut prne-
cedere profectu indebatur. Die Klassen waren also zwar nicht
getrennt, sondern nur geAvisse Abtheiliingen gemacht, die
gleichzeitig unterrichtet wurden. Dasselbe sehen wir aus den
Colloq. vet. graec. et lat. in Labbaei glossar. p. 425 f. Auch
Prämien wurden schon in Augusts Zeiten gegeben. So erzählt
von Verrius Flaccus Suet. de ill. gr. 17. Namqne ad exerci-
tanda (cxcitandaf) discentlum inyenia aequales inter se coxunit-
tere solebat, proposita noii soliim mateiio, quam ncriberent, sed
et praemin , qiiod victor auferret. Id erat Über aliquis ant/qiius
pulcher aut rarior.
Zu geAvissen Zeiten hatten die Schüler Ferien, nament-
lich an den Saturnalien und Quinquatrien. Die Saturnalien
wurden ursprünglich nur an einem Tage gefeiert, später aber
auf drei und wie es scheint selbst auf sieben Tage ausgedehnt.
Macrob. Sat. I, 10. Die Quinquatrien im März zu Ehren der
Minerva dauerten fünf Tage. Beide Ferien werden oft er-
wähnt, z. B. Mart. V, 84.
laiJi /ristea micibus pucr relictis
CJamoso revocatur a maijixtro.
Plix. ep. Vin, 7. tu in scholas te revocas, ego adhuc Saturna-
lia extendo. HoR. ep. II, 2, 197.
Ac potius, puer ut festis Qui/iquatribus oliin,
Ex/guo (jratoque fniaris tempore raptim.
Symmach. ep. V, 85. Nempe Minervae tibi solevine de scholis
notum est, ut fere memores sinnus etiain procedente aevi> pueri-
liurn feriarum . Ausserdem ist es wohl natürlich, dass auch an
anderen Festen, namentlich bei Spielen, der Unterricht ces-
sirte. Auch ist sehr wahrscheinlich, was K. Fr. Hermaxx (a.
a. 0.) annimmt, dass die römische Jugend in den Elementar-
schulen viermonatliche Sommerferien gehabt habe. Die Ver-
anlassung zu dieser Meinung gab der mehrgenannte Vers
aus Horaz : Ibant octonis referentes Idibus aera. , aus welchen
Worten H. sehr scharfsinnig schloss, die Knaben hätten nur
für acht Monate Unterricht Honorar gezahlt und vier ^Monate
Erziehung. 37
vou den Iden des Juni bis zu denen des October seien Ferien
gewesen. Dieses finde seine Bestätigung in Marx. X, 62.
Alhae Itone flammeo calent luces
Tostamque fervens Julius coquit messem.
Cirrata loris horridls Scythae pellis
Qua vapidavit Marsyas Celenaeus^
Ferulaeque, tristes, sccptra paedagogorum
Cessent et Idus dormiant in Octobres:
Aestate pueri si valent satis discunt.
Dazu hatte schon Rader nach Scholiastenweise gesagt: Nenn
a lulio ad Octobrem usque scholae cessahant. Gegen diese Er-
klärung der horazischen Stelle sprachen Jahx in s. neuen
Jahrbüchern XXVH, (1840) S. 441 — 445., und Obbarius in
d. Zeitschrift f. Alterthumswiss. 1841, N. 58. S. 474 ff., Avorauf
Hermann seine Ansicht näher begründete in derselben Zeit-
schrift 1842, Mäi-z, S. 234 — 252., während Jahn abermals
dagegen sprach, in s. n. Jahrb. XXXY, (1842) S. 84—101.
Beistimmuug fand Hermann bei Orelli in der Praef. zu s.
Ausg. des Hör., bei Wüstemann in der neuen Bearbeitung der
Satiren von Heindorf und bei Bernhardy, röm. Literatur S.
47. Obbarius und Jahn erkannten zwar die Annahme der
viermonatlichen Ferien als richtig, Aerwarfen aber jede An-
deutung der Schulgeldentrichtung bei Horaz und behaupteten,
(wie früher wenigstens ähnlich schoii Lambin , CRUQUiir.s,
Heindorf, Kirchner u. A.), dass Horaz von Kechnungsauf-
gaben oder von der Berechnung monatlicher Zinsen spreche;
so dass jener Vers die niedere realistische nur auf sordes und
avaritia berechnete Bildung im Gegensatz zu der höheren und
edleren in Rom habe bezeichnen wollen. Demnach übersetzte
Jahn zuerst die Worte: octnnis referentes Idihus aera durch
„Geldposten von oder über achttägige Iden eintragend" und
später, da bei dieser Uebersetzung die distributive Bedeutung
von octonis verloren ging, verltcsserte er so: in allen acht
]\Ionaten ihres Sdiuljalirs, d. h. Jahr aus Jahr ein Geldrech-
nungen machend. Es hat jedoch die Hermann'sche Erklärung
mehr Wahrscheinlichkeit und der r!c(hinko bei Horaz ist dem-
88 Zweiter Excurs.
imcli: die Knaben der ländlichen Elementai-Kcliulen bringen
an allen aclit Iden ihr geringes Honorar (in welcher Bedeu-
tung aeva auch luv. VII, 217. gebraucht ist). Es liegt in die-
sen Versen eine Andeutung theils der niederen Bildung in der
Jjandschule (-worauf auch locull luid tahula liindeuten) im Ge-
gensatz zu der höheren Bildung in Koni [arten, quem doceat
quivis eques atque Senator Semet prognatos), theils der äusseren
ärmlichen Verhältnisse (die Knaben tragen ihre Bündelchen
selbst ohne Begleiter, sie bezahlen das geringe Schulgeld
monatlich, sie haben nur 8 Monate Schule) im Glegensatz zu
den glänzenderen und höhereu in Rom, wo die Knaben Be-
gleiter haben, das Honorar jährlich zahlen luid nicht vier Mo-
nate aussetzen. Baiter und Kauchenstein in der 3. Ausg.
des Horatius von Orelli erklären acr« referentes mit Hermann
als Bezahlen des Schulgeldes , verwerfen aber die 4 Monate
Sommerferien. Baiter nimmt octonis Idibus als die Iden des
October, Kauchenstein als die jedesmaligen Iden , octonis
gen., weil sie die 8 Tage nach den Nonen umfassen , so dass
nach Jenem das Schulgeld nur einmal im Jahre, nach diesem
aber monatlich bezahlt worden wäre. Nur von Elementar-
schulen spricht HoRAz und ebenfalls Martiae. In den höhe-
ren war keine so grosse Untei'brechung, wie sich sogleich
zeigen wird.
Die ganze Frage hängt genau mit der über das Ho-
norar der Lehrer zusammen. Worin es bestanden, Avissen
wir nicht; jedenfalls war es verschieden und in den gewöhn-
lichen Elementarschulen sehr gering. S. z. B. Suet. de ill.
gramm. 9. (von der Armuth des Orbilius) luv. VII, 228 ff.
Haec, hiquit, eures et, quam se verterit annus^
Accipe victori populo quod postuJat aurum.
Daraus ersieht man., dass das Honorar am Schluss des Lehr-
jahrs auf das ganze Jahr geztihlt wurde. Das war aber nicht
der Schluss des späteren bürgerlichen Jahres , sondern der
Cursus begann wahrscheinlich im März nach den Quinquatri-
bus, wie aus luv. X, 114. folgt:
Erzieliung. g9
Eloquium ac famaiii Demosthenis cuit Ciceronis
Incipit optare et totis Quiiujuotrihus optat,
Qidsqtds adhuc inio partam colit asse Mmervam,
Quem spqidtur custos angiistae vernula capsae.
Audi ruft Ovii). Fast. III, 829 fg'. au deu (^uiuqnatrieu deu
Lehrern zu:
Nee vos turba Deain eensu fraiidata magistri
Spernitc, discip u loa attra/i/t illa novos.
worin ebenfalls ein Beweis für den Anfang des Schuljahrs im
März liegt. An diesem Termin und nicht im Juni wurde das
Honorar entrichtet, wie auch aus der bekannten Stelle des
Macrob. folgt, wo er I, 12. dieses als Beweis anführt, dass
sonst der März der erste Monat des Jahres gewesen sei : hoc
metise mercedes exsolvehant magistris, qiias completus annus de-
beri fecit. Jedenfalls hatte Macrob. die Sitte seiner Zeit vor
Augen und wollte dieselbe durch das Zurückführen auf das
romulische Jahr erklären. — Es kann demnach das monat-
liche Bezahlen des Schulgeldes nur für die Landschulen und
die viermonatliche Pause nur für die niederen Schulen ange-
nommen werden. Endlich ergiebt sich aus dem hohen Werthe,
den die Knaben auf die wenigen Tage der Quinquatrus und
Saturnalien den oben erwähnten Aeusseruugen zufolge legten,
wohl, dass der Ferien in den römischen höheren Schulen nicht
so viele waren. — Der bei der Bezahlung des Honorars nicht
seltenen Saumseligkeit gedenkt Juv. VII, 228 f.
Rara tarnen merces, quae cognitione tribuni
Non egeat. Sed vos saevas imponüe leges,
Ut praeceptores verborum regida constet cett.
— Noch ist zu erinnern, um einem Irrthum vorzubeugen, dass
luv. X, 116. in dem oben erwähnten Verse; nicht das Schul-
geld, sondern das Minerval versteht, d. h. das Eintrittsgeld,
welches der aufgenommene Schüler zu erlegen hat. Varr. K.
K. III, 2. Aj'ms: Menda ini, inquit, rccipe ine quaeso dincipu-
linn venaticae pastionis. Itle^ quhi niinidac promineris minerval,
inciplain, inquit etc. Tertull. de idol. 10. primani novi dii<ci-
puli stipem Minercar — consecrat. S. Obh.vkius a.a.O. S. 478.
90 Z weit er Exen rs.
und El HSTÄDT, de houorariis doctorum. Jenae 1838, kurz
und nur die späteren Schulen umfassend, in denen das Ho-
norar sehr bedeutend war. Sen. de dar. gramm. 3. erzählt,
iitque temporibus quibusdam siqjer XX celebres scholae fuisse in
urbe tradnntiü\ pretia grammaticorum tanta mercedesque tarn
magnae^ ut cett.
Der Austritt aus den Knabenjahren wurde durch eine
Feierlichkeit (das Vertauschen der praetexta gegen die toga
virilis. Gell. XVIII, 4. Sen. ep. 4.) bezeichnet, wie bei den
Griechen, das tiroc'mium fori. Vgl. Hör. Sat. I, 2, 16 fg. Ueber
das Jahr, wo es Statt fand, sind die Meinungen sehr verschie-
den. Manche nahmen das vollendete vierzehnte und den An-
fang des fünfzehnten Jahres als den gewöhnlichen Termin an
(Vales. zu Damasc. de inst. Caes. Aug. exe. Peir. p. 477.
Ferrar. de re vest. II, 1. Dodwell, Praelect. Camden. V,
1 — 6. V. Savigxy, System des römischen Kechts I, S. 60 f.),
indem sie sich auf das Beispiel des Augustus stützten. Allein
dass dieser Beweis unrichtig sei, zeigt unzweifelhaft NoRisius,
cenot. Pisan. II, 4. p. 114. Andere, wie Gruchius de comit.
II, 3. Salmas. zu Lampr. Commod. 2. Maxut. ep. de toga
Rom., schoben diesen Zeitpunkt bis zum vollendeten sechs-
zehnten Jahre hinaus. Die Meisten erklärten sich für den An-
fang des sechszehnten Jahres, wie NoRi». a. a. 0. Sigon. de
iudic. III, 19. u. A., s. Schott, de lege Vilia ann. L. 1765.
Böttiger, de originibus tirocinii apud Rom. Vimar. 1794. und
in s. ojjusc. p. 2Ü6 — 220. unterschied die ältere und spätere
Zeit; in jener sei das zurückgelegte sechszehnte, in dieser das
beendigte fünfzehnte Jahr der Termin gewesen. Klotz end-
lich in d. Rec. von Reins röm. Privatr. (Jahx, Jahrb. 1837,
XIX, S. 85.) glaubt, es sei ein solches Jahr überhaupt nicht
festgesetzt gewesen, sondern die Bestimmung habe jederzeit
vom Vater abgehangen, der nach seinem Ermessen bald früher
bald später den Sohn in das öffentliche Leben eingeführt habe.
Jede dieser drei letzten Ansichten ist in gewisser Hinsicht
wahr. Zuvörderst scheint es, dass man die älteste und die
spätere Zeit unterscheiden müsse. In jener fand das tirocinium
Erziehung. 91
wahrscheinlich nach vollendetem sechszehnten Jahre Statt.
Liv. XXII, 57. Dictator ex auctoritate patrum dictus M. Iiaihts
et Tl. Seuipronius magister eq. delectu edicto iuniores ab annis
septemdecim et quosdam praetextatos scribunt. Die ah annis
XVII sindi offenbar die, welche im siebzehnten Jahre stehen,
vom siebzehnten Jahre an; die jüngeren waren also noch alle
praetextati; sonst Avürden die sechszohnjährigen nicht über-
gangen lind noch jüngere {praetextati) ausgehoben worden
sein. (Manche lassen die Präposition weg, dann würde nicht
iuniores sondern minores stehen). Mit diesem Jahr begann
auch der Kriegsdienst und das öffentliche Auftreten überhaupt.
Val. Max. V, 4, 4. III, 1, 3. s. unten. Dagegen am Ende der
Republik finden sich viele Beispiele, dass die toga virilis in
dem fünfzehnten Jahre genommen Avurde, so Q. Cicero, so Vir-
gilius, so Antonius Antyllius, so noch in späterer Zeit Persius
und M. Aurelius, Capitol. 4. Virilem togam sutnsit qidnto de-
cimo aetatis anno. S. auch Schol. zu Juv. X, 99. p. 605. ed-
Cramer. Oudkxdorp. zu Suet. Oct. 8. Wenn also in alter Zeit
das sechszehnte volle Jahr Kegel war, so scheint nachher das
begonnene fünfzehnte das gewöhnlichste gewesen zu sein.
Sf'HOL. zu Pers. V, 30. Damit steht nicht in Widerspruch
(,'ic. p. Sest. 69. cui superior annus idem et virilem patris et
praetextam populi iudicio togam dederit; denn allerdings hing
die Zeit des Tirocinium in so fern von dem iudicio patris ab,
als dieser den Termin hinausschieben konnte, wie Tiberius
seinen Enkel Caligula zwanzig Jahr alt werden Hess, ehe er
ihm die toga virilis gab. Suet. Cal. 10. Vor dem fünfzehnten
Jahre geschah es vor der Kaiserzeit gewiss nicht und noch
unter Claudius war es nur eine Ausahme. Tac. Ann. XII, 41.
virilis toga Neroni maturata., er war nämlich erst vierzehn
Jahr alt. Suet. Claud. 43. — Umgekehrt ist die Auffassung
Rossbach's, die röm. Ehe, S. 410 ff. Er hält nämlich den
Eintritt der Pubertät mit dem zurückgelegten 14. Jahrr für
den frühesten Termin des Tirocinium, es früher vorzunehmen
sei nicht erlaubt gewesen, aber der End])unkt habe von andern
Be.-itiinmuugen abgehängt. Ti-otz der scharfsinnigen und sorg-
92 Zweiter Excuis.
faltigen Beweisführung- kann ich rücksichtlich der alten Zeit
niclit beistimmen. Schon der Name tirocinium deutet darauf
hin, dass der Anfang des Kriegsdienstes damit zusammenfiel,
es muss also das 16. Jahr vollendet gewesen sein. In der
späteren Zeit, als die Bedeutung des Kriegsdienstes geschwun-
den war nnd das tirocinium für das öffentliche Leben keinen
Werth mehr hatte, kann das von Kossbach aufgestellte Prin-
cip allmälig Eingang gefunden haben, so dass es von dem
Vater abhing, den Termin zu Ijestimmen, vorausgesetzt dass
die Pubertät eingetreten Avar. War doch der Jugend damals
eine grössere Frühreife eigen.
Der eigentlich dazu bestimmte Tag waren die LiberaVia^
der 16. März. Ovid. Fast. III, 771. Cic. ad Att.ATI, 1. Qjiinto
Liberalihun togcan pur am cogitabavi dare; mandavit enim pater.
vgl. die Fasten von Antium Orelli Henzen 6445, avo des
Tags gedacht ist, an w^elchem Augustiis togam virilem siirnpsit.
Die Feierlichkeit begann wahrscheinlich mit einem häuslichen
Opfer am Altare der Laren , wo der Knabe die insignia pue-
ritiae ablegte und namentlich die bulla den Laren weihte.
Prof. IV, 1, 131.
Mox tibi bulla ritdi dimissa est aurea collo,
Matris et aiite deos libera sumta toga.
Pers. V, 30.
Cum primum pavido custos mihi purpura cessit,
Bullaque succinctis Laribus donata pependit.
Der Knabe trug dabei eine tunica recta oder regilla, orninis
causa, s. S. 31. Paul. v. regillis p. 286 M. id etiam i?i togis
virilibus dandis observari solet. Plix. h. n. VUE, 48. Augustus
trug an diesem Tage eine tunica mit latus clavus, Suet. Aug.
04. Nach Properz wurde das Wechseln der Toga im Hause
vorgenommen, doch fand auch auf dem Forum eine Solennität
Statt, w^enn die Feierlichkeit im Hause vollendet war. Sex.
ep. 4. quantum senseris gaudium, cum praetcxta posita sumpsisti
virilem togam et itiforuvi deductus es. Die Toga virilis, welche
der bisherige Knabe erhielt, unterschied sich von der der
Erziehung. 93
Knaben dadurch, dass sie weiss ohne Purpurstreif war. (Plut.
Anton. 71. rb ös dnoQCfVQOv y.ai rt'Xsiop luäriov — nsom&sig.)
Sie hiess daher j9wra, Cic. ad Att. V, 20. IX, 17. 19. Phil. II,
18. vestis pura Catull. LXVIII, 15., auch libera, weil nun ein
freieres Leben begann. Böttjger a. a. O. S. 217 ff. leitet den
Ausdruck von dem Zusammenhange mit den sacris Bacchicis
her. "Wenn aber Ovid, darüber nachsinnend, warum der Ge-
brauch an den Liberalibus Statt finde , vier Erklärungen ver-
sucht, die obige aber nicht kennt, so scheint es sehr gewagt,
dieser beizupflichten. Was er Vs. 777 fg. sagt:
Sive quüd es Liber, vestis quoque libera per te
Sumitur, et vitae liberioris iter.
ist das Richtige. Dann heisst die toga nicht von den Libera-
libus libera, sondern weil sie libera ist, wird sie an den Libera-
libus gegeben. Nur in diesem Sinne konnte auch Ovid in dei-
oben angef. St. der Tristien im Comparativ sagen: liberior
toga. Der Ausdruck findet seine Erklärung durch Plut. nun)
7()v dxovEii'. c. 1. oTs rar nnograTrorrcar dnfjkhc'^Hi , rh dv-
dni-iov dnsfh^qjwg iftdztov. vgl. Pers. V, 30 ff.
Ctan primum pavido custos mihi purpura cessit
ßullaque succinctis Laribus donata pependit ;
Cum blandi comites^ totaque impune Subura
Permisit sparsisse oculos iam candidus umbo.
Tf.rent. Andr. I, 1, 25. Mart. IX, 28. vgl. Eossbach, a. a.
( ). S. 408 f. der einen inneren Zusammenhang mit dem
Liberalicufest sucht. Der mit dieser Toga bekleidete adoles-
cens (Paul. v. vesticeps puer , qui iam vestitus est pubcrtate,
ecnnlra inveslis , qui iiecdum pubertate vestitus est, p. 368 M.)
wurde auf das Forum geführt (deduci in forum). Sen. ep. 4.
Te7ies utique memoria quantuin senseris gaudium, cum prae-
texta posita sumpsisti virilem tot/am et in forum deductus es.
SuET. Aug. 26. ut Caium et Lucium filios — suo quemque tiro-
cinio deduceret in forum, vgl. Tib. 15. Nero 7. — Wie der
Römer überhaupt einen hohen Werth auf eine zahlreiche Be-
gleitung als ÄranifestatiiMi der Volksgunst legte und bei allen
94 Zweiter Excurs.
öffentlichen Angelegenheiten mit Pomp aufzutreten liebte, so
scheint man auch dafür gesorgt zu haben, dass der Knabe mit
einer Menge Begleitender auf das Forum kam, die zum Theil
gar nicht zu der Familie gehörten, sondern darum gebeten
wurden, um den Glanz der Feierlichkeit zu erhöhen (App. b.
civ. IV, 30. (jvr n(mnii cfi)Mv), und selbst Leute aus der niede-
ren Klasse nahmen die bedeiitendsten Männer desshalb in An-
spruch. CiC. p. Mur. 23. qua in civitnte rogat'i hifimorum homi-
iium filios j)Tope de nocte. ex ultima saepe urhe deductum ve7iire
soleamus. Dass man hin und wieder das ganze Volk an der
Freude des Hauses Theil nehmen Hess, bezeugt Orelli Hen-
ZEN 6211. togae y2V(ilis die) cnistidum et midsum po2Jiäo fde-
dit). Eine Inschrift ob honorem togae virilis s. das. 2701. Ob
der Knabe am Tribunal des Prätor vorgestellt wurde, ist höchst
ungewiss; wenigstens hat das mit der Eintragung in die Bür-
gerlisten nichts gemein. Letztere Annahme beruht lediglich
auf Dio Cass. LV, 22. ig icpt]ßovs — ireyndept/ und ebenso LVI,
29. App. b. c. IV, 30. durfte nicht angeführt werden, da die
Worte tyyQwpivrog roig nt'vahr. sich auf die Einzeichnung des
jungen Atilius in die Proscriptionslisten beziehen, wie aiis dem
Zusammenhang erhellt. Auch war es gar nicht nöthig, dass
das Tirocinium in Eom Statt fand. Cic. ad Att. V, 20. Ego^
cum Laodiceam venero , Quinto sorons tuae ßUo togam puram
iubeor dore. IX, 17. Volo Cicerornmeo togam 2yii}'(tm dare. iatic
puto (Romae), aber 19. Ego meo Ciceroni quoniam Roma care-
mus Arpini potissimum togam purum dedl^ idque municipihus
nostris fuit gratum.
Erst nach dieser Vorstellung auf dem Forum ging, wie
es scheint, der Zug nach dem Capitolium, um dort ein Opfer
zu bringen. App. b. c. IV, 30. 'Arihog 8s, ä()Ti rr^v täv zehi'brr
TTEQi&ilisvog atoXtjv, ij£i fiiv, tag 'iOog tGti, ovp Tzofinri (piXcov im
{}vGiag ig t« Isqu.. äcprco de iyygacpii'rog avrov zoTg nira^ir, ol qji-
Xoi HUI Ol ■&EQd7Tovr£g diiöidQuoxov. 0 8s fwvog y.ra SQij^og iy. Saxpi-
/.ovg TzaQUTro/ATT/jg ig Ttp> fititsiya ij^coQsi. Dass unter den IsQoTg das
Capitol zu verstehen ist, lehrt Suet. Claud. 2. et togae virilis
die — sine solenni sacrificio lectica in Capitolium latus est. und
Erziehung. 95
Val. Max. V, 4, 4. Cotta eo ipso die, quo togam sumpsit viri-
lem, protenus ut e Capitolio descendit, C. Carhonem, a quo pater
eins (lamnatus fuerat, postulavii. Aus cliesei* Stelle ergiebt .sich,
flass mit dem tirocinium der Eintritt in das öffentliche Lehen
.Statt fand, und das heisst allerdings forum attingere oder in
■forum venire, Cic. ad Farn. V, 8. XIII, 10. XV, 16. Brut. 88.
Darunter ist indessen keineswegs zu verstehen, dass die Ti-
ronen gleich am öffentlichen Leben einen andern als passiven
Antheil genommen hätten und gleich als Eedner u. s. w. auf-
getreten wären. Sie hatten zwar das Recht dazu, machten
aber davon nur in seltenen Fällen Gebrauch. So war Horten-
sius neunzehn Jahr alt, als er zuerst auftrat, Cic. Brut. 64.
und doch sagt derselbe 88. cum admodum adolescens orsus esset
in foro dicere. Es war vielmehr ähnlich wie in Athen eine
einjährige Uebergangszeit üblich, gewissermassen ein Probe-
jahr, wo das sittliche Benehmen des adolescens genau beob-
achtet wurde, wo wenigstens in älterer Zeit als Zeichen be-
scheidenen Betragens ihm das coliibere braclüum und Uebungen
im Marsfelde vorgeschrieben Avaren. Cic. p. Cael. 5. Quem
ergo ad finem putas custodiendam il/am aetatem fuisse? Nobis
quidem oUm annus erat unus ad cohibenduni bradwmi toga co)i-
stitutus et ut exercitatione ludoque campestri tunicati uteremur.
— qua in aetate, nisi qui se ipse siia gravitate et castimonia et
cum disciplina domestica tum etiam naturali quodam bona de-
f enderat, quoquo modo a suis custoditus esset, tarnen infamiam
verum effugere non poterat. Sed qui prima illa imperia (?)
ai'tatis integra atque inviolata praestitisset, de eins fama ac pu-
dicitia, cum is iam se corroboravisset ac vir inter viros esset,
nemo loquebatur. Damit streitet auch, von der späteren Zeit
abgesehen, die oben aus Per.sius angeführte Stelle keines-
wegs. Dagegen geschieht es öfter, dass die Ecdner, welche
den Charakter des Gegners schildern wollen, a toga pur a an-
fangen. Cic. ad Att. VII, 8. in qua (concione) erat aceusatio
Fompeii usque a toga pura; so auch Cic. Phil. II, 18.
Dabei aber besuchte der junge Mann das Forum und
wohnte den Gerichtsverliandhnigen bei, um /.uliörciid sidi für
96 Z weit PI- Ex cur s.
das öffentliche Leben zai bilden. Das geschah oft unter Anlei-
tung- eines vom A'ater gewählten des Vertrauens besonders
würdigen Mannes, dem der Sohn gleichsam als Zögling über-
geben wurde, deducere. Dial. de caus. corr. eloq. 34. apud
maiores nostros iuvenis ille, qui foro et eloqueyitiae parahatur,
imbutus iam domestica disciplina, refertus honcstis studiis, dedv-
cebatur a patre vel a jjropinqiiis ad eian oratorem^ qui princi-
pern locuin in civitate tenehat. hiinc secturi, haue prosequi, hinus
Omnibus dictionibus interesse, sive in iudiciis sive in concionibus
assuescebat etc. So sagt Cicero von sich, de amic. 1. Ego
autem a patre ita eram deductus ad Scaevolam sumta virili
toga^ ut qnoad possem et liceret a senis latere numquam disce-
derem. und von des Caelius Vater, p. Cael. 4. Ueberhaupt trieb
der vorwiegende praktische Sinn des römischen Volkes mehr
zur Benutzung des lebendigen Beispiels und der praktischen
Uebung als zur theoretischen Instruktion. Mercklix, im
Philologus 1849, IV, S. 41 7 ff.
Eben so wenig war mit dem tiroc-inium der Unterricht
geschlossen, nur dass natürlich das Verhältniss zu den Leh-
rern von jetzt an mehr das eines Zuhörers als eines Schülers
wurde und die Wahl der Rhetoren und. Philosophen ganz von
dem jungen Manne abhängen konnte. So sagt von sich Oic.
Brut. 89. und Ovid. Trist. IV, 10, 27 ff.
Interea tacito passu labentibus annis
Liberior fratri sumta mihique toga est,
Induiturque Jmmeris cum lato purpura clavo,
Et Studium nobis quod fnit ante manet.
Vgl. Plaut. Bacch. III, 3, 34 fg. Nach der Unterjochung
(Griechenlands wurde es sehr üblich, dass die Väter, welche
ihren Söhnen eine tiefere wissenschaftliche und feinere Bil-
dung geben wollten, dieselben nach Griechenland, namentlich
Athen, schickten , wo sie oft mehrere Jahre blieben. Cic. ad
Att. Xn, 32. nennt mehrere, als Bibulus, Acidinus, Messala,
welche gleichzeitig mit seinem Sohne dort waren. So Cicero
selbst, Brut. 91. Plut. Cic. 4., so Atticus, Corx. 2., so
Erziehxiug. 97
OviD., Trist. I, 2, 77. So sagt auch Horaz von sich Epist.
n, 2, 40 ff.
Romae nutriri mihi contigit atque doceri.
Iratus Graiis quantwa nocidsset Achilles.
Adiecere, honae paullo plus artis Athenae ;
Scilicet ut possem curvo dignoscere rectum^
Atque inter silvas Academi quaerere verum.
und ebendas. 81 ff.
Ingtniion sihi quod vacuas deswnsit Athe?u(s,
Et studiis annos septem dedit insenuitque
Lihris et curis stcdua taciturnius exit
Plerumque et risu populum quatit.
Wenn Liv. IX, 36. von dem Jahre 310 v. Chr. spricht: habea
auctores vidgo tum Romanos pueros, sicut nunc Graeci ita
Etruscis literis erudiii soHtos. so ist dieses jedenfalls in solcher
Ausdehnung unrichtig.
Literatur. Auf die Erziehung bei den Alten überhaupt
l)eziehen sich folgende Schriften: Goess, die Erziehungs-
wissenschaft nach den Grundsätzen der Griechen und Römer.
I. Bd. Ansb. 18()8. Hege wisch, ob bei den Alten öffentliche
Erziehung war? Altona 1811. Tnicht bedeutend). Schwarz
Erziehungslehre, Bd. I. Ckamer, Gesch. d. Erziehung und des
Unterrichts im Alterthume, 2 Bde. Elberf. 1832. 36. Von der
römischen Erziehung handeln: Erxesti, de disciplina privata
Rom. in s. opusc. Bork, de vet. Rom. in educandis lib. soler-
tia. Giess. 1784. Graes, praecepta artis paedagog. e Terentio
petita. Viteb. 1801. Schulze, Horatii paedagogica 1807.
Ders., Senecae paedag. 1809. v. d. Veldex, quaenam fuit
apud Rom. — educandorum et instituend. puerorum disciplina.
Tviu. und Rh. 1820. Roeder, de scholastica Rom. institutione.
Honn 1828. Lozy.nski, Plautinorum paedag. lineamenta. Culm
1840. Helfreich, Erziehung und Unterricht bei den Römern.
Zweibrücken n. 1844. 1850. Paulv, Realencykl. HI, S.41 —
.')6., S( üMiDT, f Jeschichte der Denk- und Glaubensfreiheit im
1. Jahrhundert der Kaiserherrsehaft. Berlin 1847, S. 404— 44.
Krause, Geschichte der Erziehung, des Unterrichts u. d. Bil-
Hkckk«, üalhis. :J. Aufl. U. 7
93 Z weiter Ex cur s. Erzieh ung.
düng- bei den Griechen, Etruskern und Römern. Halle 1851,
S. 215 — 393. Vortrefflich ist die Uebersicht in Bernhardy,
Grundriss d. röm. Lit. Halle 1857. 3. Bearbeitung. S. 33—92.
— Leider haben wir von Varro's Schrift Catus sive de liberis
educandis mir noch wenig Fragmente, s. Ritschl's Programm.
Bonn 1845.
DRITTER EXCURS.
DIE SKLAVEN.
Der dritte wesentliche Bestandtheil der römischen Familie
.sind die Sklaven, welche in ihrer Gesammtheit selbst mit die-
sem Namen bezeichnet werden, d. h. Alle, welche einem und
demselben Herrn angehören, Paul. v. femilia p. 86 M. postea
hoc nomine etiam famiili appellari coepenint, permutata I cum
U Utera. ülp. Dig. L, 16, 195. § 3. sc.rvitutum quoque solemus
appellctre familias etc. Plaut. Mil. II, 3, 80. Sen. ep. 47.
Cic. Parad. V, 2. Ein Sklave kann nicht familia genannt
werden, ebensowenig zwei, Ulp. Dig. L, 16, 40. § 3. 7ie duo
quidem familiam faciunt; dagegen Paull. rec. sent. V, 6, 3.
familiae autem iiomine etiam duo servi conti ne7itur. welcher
scheinbare Widerspruch sich durch Cic. p. Caec. 19. erklärt:
Quid enim facilius est, quam jjrobari iis, qui latine sciant, in
uno servido familiae nomen non valere. und nachher: neque
dubium est quiti si ad rem iudicandam verbo ducimur, non re,
familiam intellir/amuSj quae constet ex servis pluribus, quin unus
homo familia non sit. — at vero ratio iuris inferdictique lus —
respuat haue d>'fensio7iem etc. Ebenso ülp. Dig. XLIII, 16,
1. § 16 — 18. Kkllek, Semestr. I, p. 308.
Der Sklave ist wider seine natürliche Bestimmung aber
nichts destoweniger iure in der potestas eines Anderen (pote-
stas dominica, dominium). Florent. Dig. I, 5, 4. § 1. Servi-
tus est constitutio iuris gentium^ qua quis dominio alieno contra
naturam subiicitur. In.st. I, 3. Tiieoph. I, 3, 2. Diony.s. IV,
23. Im Gegensatz zu den freien Gliedern der Familie hiessen
IQQ Dritter Excurs
die Sklaven servi, in Bezug auf ihr dienendes Verliältni-<s
faniuli^ in Bezug auf das Eigenthumsrecbt mancipia und ge-
wöhnlich pueri, wie bei den Griechen dovXoi, oixi-thi, ■dsoaTZov-
ri:\,; (ivdounodu, TTuTöeg. Wie schon Aristot. de rep. I, 3. sagt:
ot/Ja ÖS rt'Xeiog r/. SovXcor y.ai {hv&iQojr, so ist auch bei den Kö-
mern ein eigentlicher Hausstand ohne Sklaven nicht denkbar
und es geht so weit, dass der angesehene Sklave sich selbst
wieder ihm eigen zugehörende Sklaven hält. Wenn so bei
beiden Völkern die Kechtmässigkeit und Nothwendigkeit der
Sklaverei vorausgesetzt Avird, so findet doch in der Verwen-
dung der Sklaven ein grosser Unterschied Statt. Der Grieche
betrachtet, von der spätesten Zeit abgesehen, wo römische
Sitte die griechische verdrängte, die Sklaven, die er besitzt,
als ein Zinsen tragendes Kapital. Sie werden vom Herrn zum
Erwerbe benutzt, sie müssen als Handwei'ker u. s. w. arbeiten
und der Herr handelt mit ihrer Arbeit oder lässt sich von
ihnen eine tägliche Abgabe zahlen oder vermiethet sie an
Andere, für welche sie arbeiten müssen. Wenige nur, die
eigentlichen o/xiTui, werden zur Bedienung gehalten. Charikles
III, S. 22 f. Der Kömer, namentlich der Vornehmere, hält der-
gleichen erwerbende Sklaven, die man oft Fabriksklaven nen-
nen kann, nicht. Er verwendet alle unmittelbar für sich, theils
seine Ländereien zu bebauen, theils für alle Bedürfnisse, die
der Luxus ins Lnglaubliche vervielfältigte, zu sorgen, theils
für seine und der Seinigen unmittelbare Bedienung und gerade
in der letzten Beziehung erfordert die Einrichtung des römi-
schen Hauswesens eine Dienerschaft, deren unendliche Menge,
wie man meinen möchte, eher Lnbequemlichkeit und Verwir-
rung, als Ordnung und Kegelmässigkeit in das Hauswesen zu
bringen geeignet war. Um dieses bunte Gewühl möglichst
übersehen zu können, wird es vortheilhaft sein, nicht besonders
von den einzelnen Klassen gelegentlich zu handeln, sondern
die ganze familia nach ihren verschiedenen Abtheilungen
und Geschäften durchzugehen. Es -werden indessen die Skla-
ven hier nur in ihrem Verhältnisse zum Hauswesen, in ihrer
Stellung zu der Familie des Herrn und in ihren Geschäften
Die Sklaven. IQl
betrachtet; während die allgemeinen privatrechtlichen Ver-
hältnisse, die Erörterung der Begriffe, wie servitus iusta und
non iusta, iure gentium und iure civili, manumissio u. s. w.
ausser dem Kreise der Betrachtung liegen.
lieber die Sklavenfamilie aus diesem Gesichtspunkte be-
trachtet haben Pigxoriu.s, de servis et eorum apud veteres
ministeriis. Aug. Vind. 1613. Titus Popma, de operis servo-
rum. Antverp. 1606. und GoRi (in der Erklärung des Colum-
barium libertorum et servorum Liviae Augustae.) viel unge-
sichtet und ungeordnet zusammengestellt. Alle drei Abhand-
lungen finden sich in Poleni Suppl. z. Graev. thes. antt. Rom.
tom. m. In neuerer Zeit erschienen die Abhandl. v. Burigny,
in den mem. de TAcad. des inscr. Tom, XXXV. Blair, an
inquiiy into the State of slavery amongst the liomans. Ediub.
1833. Creuzer, in d. röm. Antiq. S. 34 — 81. und Blicke auf
die Sklaverei im alten Rom, in s. deutschen Schriften, IV, 1 ,
S. 1 — 74. BiOT, de Tabolition de l'esclavage ancien en occi-
dent. Paris 1840. "Wallon, histoire de FesclaA^age dans l'an-
tiquite. III. Paris 1847 f. — Die servi, die den Corporationen,
Communen und dem Staat angehören und unserer Untersu-
chung fern sind, werden behandelt von Schumacher, de serv.
publ. pop. Rom. Alton. 1806. und Gessner, de serv. Rom.
publ. Berol. 1844. Pauly, Realenc. VI, S. 1102 ff.
Servi aut vascuntur aut fiunt; diese IxST. I, 3. ausg-espro-
chene Distinktion ist zwar dort nur auf die Person des Skla-
ven, auf die doppelte Entstehung der Sklaverei, inwiefern einer
im Sklavenvcrhältniss geboren oder aus einem Freien ein
Sklave werden kann, zu beziehen, kamt aber auch von der
Art der Erwerbung von Seiten des Herrn gelten, dem er ent-
weder auch durch die Geburt oder vermöge Kaufs angehört.
Darüber handelt AYallox II, S. 17 — 70. (des sources de
lesclavage).
Käiifiich wurden sie auf verschiedene Weise erworben,
entweder sub cnrnno^ was nur von den Kriegsgefangenen (iure
belli cajitij gilt. Liv. V, 22. Postero die libera corpora dictator
suh Corona vendidit., II, 17. XXIV, 42. XLI, 11. quinque millia
1(J2 Dritter Excurs.
capitum sexcenta triginta duo (Istrier) sub Corona venierunt.
Varro R. R. II, 10. Caes. b. g. III, 16. Cic. ad Att. IV, 16.
V, 20. Jos. b. Jud. VI, 9. Plut. Cat. mai. 21. Osexbrüggen,
de iure belli et pacis. Lips. 1836. p. 48 ff. Der Ausdruck sub
Corona wird von zwei alten Schriftstellern übereinstimmend
und unzweideiitig von einem Kranze, den die Verkäuflichen
auf dem Kopfe trugen, erklärt. Cael. Sabin, bei Gell. VII, 4.
Sicuti antiquitus _ mancipia iure belli capfa coronis induta veni-
bant et idcirco dicebantur sub Corona venire. Bei demselben
Cato de re mil., aber auch bei Fest. p. 306 M. Sub corona
venire dicebantur, qui captivi coronati solent venire, id ait Cato
— : id populus sua opera potiiis ob rem bene gestam coronatus
supplicatum eat, quam re male gesta coronatus veneat. id autein
Signum est nihil praestari a populo, quod etiam Plautus significat
in Hortulo: Praeco ibi adsit cum Corona, quique liceat, veneat.
Vgl. Plaut. Menaechm. V, 9, 95 ff.
Auctio fiet Menaechmi mane sane septimi.
Vaenibwü servi, supellex, aedes, fundi, omnia
Venibunt, quiqui licebunt, praesenti pecunia.
Alle anderen Erklärungen (corona militmn u. s. w.) werden
dadurch beseitigt; die Bedeutung wird sich aus einem Aveiter-
hin anzuführenden Gebrauche erklären. Dass Boeger, de
mancipiorum commercio apud Rom. Berol. 1841. S. 17 f. den
Verkauf sub corona auch auf die Händler überträgt und darin
ein Symbol für das Haften der mangones erblickt, beruht nicht
auf den Quellen. Nur öffentliche Verkäufe Avurden sub corona,
vorgenommen und dabei niemals gehaftet, s. unten und JuG-
ler, de nundinatione servorum. Lips. 1741.
Auf diesem Wege aber kamen in späterer Zeit wenig-
stens bei weitem in den seltensten Fällen die Sklaven an ihre
bleibenden Herren. Vielmehr waren es Händler venalitii, man-
gones, (African. Dig. L, 16, 207. mangones non mercatores
sed venaliciarios appellari.) welche die Gefangenen gewöhnlich
in grösserer Zahl kauften, nach Rom brachten und dort damit
einen wahrscheinlich einträglichen aber verachteten Handel
Die Sklaven. 103
trieben, der von der wirklichen mercatura (mit mercibus) ganz
getrennt wird. So z. B. Plaut. Trin. II, 2, 51.
Mercaturam an venales haiuit, uhi rem perdidit?
Dass die Händler von den aus der Fremde — namentlich von
dem Markt in Delos s. Charikles HI, S. 16. — eingeführten
Sklaven Eingangszoll erlegen mussten und diesen vielfach zu
umgehen suchten, sehen wir aus Marcian. Dig. XXXIX, 4,
16. § 3. SuETON. de dar. rhet. 1. Quinct. decl. 340. Die
Betrüglichkeit der mangones überhaupt s. Quinct. III, 15, 25.
Plin. h. n. XXX, 5, ly. XXIV, 6, 22. XXI, 97 (] 70). XXXH,
47. XXXI, 97. Von dem mango wurden sie zum Theil öffent-
lich, auch wohl durch den praeco (Lucian. de merc. cond. 23. j,
auf dem Markte verkauft. Zu diesem Zwecke stellte man sie
auf einem hölzerneu Gerüste, catasta, mit weiss übertünchten
Füssen aus. Tib. II, 3, 59.
queui saepe coegit
Barbara gypsatos ferre catasta pedes.
mit Hey.ne's und Wuxderlichs Anm. Das gilt, wie es scheint,
ausschliesslich von den aus fremdem Lande neu eingeführten
Sklaven. Plin. h. n. XXXV, 17, 58. Est et vilissima (creta),
qua circum praeducere ad victoriae notam pedesqice venalium
Irans mare advectorum denotare instituerunt maiores. 18. talem
in catasta videre Chrysogonum Sullae — . tantumque non lau-
reatis fascibus rernitti illo, unde cretatis pedibus advenissent. So
luv. I, 111.
Nuper in hanc urberii pedibus qui venerat albis.
OviD. amor. I, 8, 64.
Despice gypsati crimen inane pedis.
Daher ist es ganz falsch, bei Tibüll. saepe von mehrmaligem
Verkaufe zu verstehen. Vielmehr regnnm ipse tenebit saepe,
quem. Die liohheit und schonungslose Gemeinheit {nudare,
contrectare), mit der bei diesem Verkaufe verfahren wurde,
lässt sich aus Stellen abnehmen, wie Suet. Oct. 69. conditiones
quaesitas per amicos, qui matres farnilias et adultas aetate vir-
gines denudarent atque perspicerent, tanquam Thoranio mangone
vendente, oder Pers. VI, 77 ff.
]Q4 Dritter Excurs.
Vende animam lucro, mercare atque excute sollers
Omne latus mundi; ne sit praestantior alter
Cappadocas rigida pingues plausisse catasta,
s. Casaub. zu d. St. BöTTiG. Sab. II, S. 204. Sen. ep. 80. con-
trov. I, 2. LuciAN. vit. auct. 6. und Thl. I, S. 1G2. — Artig
beschreibt eine Scene der Art Mart. VI, 66., wo der praeco,
um den Käufern Lust zu maclien, das verkäufliche Mädchen
bis terque quaterque basiavit, damit aber die entgegengesetzte
Wirkung hervorbrachte. Die Lobeserhebungen des Praeco
bei HoR. epist. II, 2, 3 ff.
/itc et
Candidas et talos a vertice pulcher ad imos,
Fiel eritque tuus nwnmorum milibus octo,
Verna ministerüs ad nutus aptus heriles,
LiteruUs Graecis imbutus^ idoneus nrti etc.
und die anmuthige Schilderung bei Lucian. vit. auct. 1 ff.
geben ein anschauliches Bild solcher Verkäufe. Wie etwa bei
uns auf den Rossmärkten, so mussten auch die Sklaven, um
ihre Tüchtigkeit und Gesundheit zu beiirkunden, laufen und
Sprünge maclien, unstreitig oft durch die Peitsche des Ver-
käufers oder praeco angetrieben. Wie nach griechischem Ge-
brauche Menand. fragm. p. 69. (auch bei Harpocr. unter
xvxXoi) sagt:
iyco fiiv i^öti fioi Öv/m, vi] tovg ■Osovg,
ev rolg y.vxhjig ifxavrhv ixdedvAoru
uqÜv Hmkq) TQk'xorra xai 7Z(oXov[j,evov.
so auch Prof. IV, 5, 51.
Aut quorum titulus per barbara colla pependit,
Cretati medio quum saliey^e foro.
Weniger klar ist, was Stat. Silv. II, 1, 77. meint: Non te bar-
baricae versabat turbo catastae. Doch hat man nicht an eine
Maschine zum Drehen zu denken, sondern an ein Herumdrehen
des Sklaven (ebenso bei Pers. Sat. V, 78. momento turbinis),
so dass alle Umstehenden den V^erkäuflichen von allen Seiten
zu sehen bekamen. Natürlich kamen sie aber auch auf andere
Art durch den praeco zum Verkaufe. So z. B. wurde der
Die Sklaven. 105
Verkäufliche, wie es scheint, auf eine Erhöhung von Stein
ausgestellt {nQart/o h'üo^' bei Poll. III, 78.), lapis, davon de
lapide emtus. Plaut. Bacch. IV, 7. 17.
0 stulte, stillte! nescis nunc venire te,
Atque in eo ipso adstat lapide, uhi praeco praedicat.
CoL. m, 3. de lapide noxium comparare. ; und darum nennt
Cic. in Pis. 15. die von Clodius erkauften Tribunen duos de
lapide cmtos tribunos p)lebis. TuRX. Adv. X, 3. Dem Verkäuf-
lichen wurde nach einem alten Edikte der Aedilen eine Tafel
{titulus, Sex. ep. 47.) um den Hals gehängt, worauf besonders
angegeben war, ob er gesund sei und von Vergehen frei. Gell.
IV, 2. In edicto aediliwn curulium, qua parte de mancipiis ven-
dundis cautum est, scriptum sie fuit: Titulus servormn singulo-
rum utei scriptus sit coerato, ita iitei intelligi rede possit,- quid
viorhi vitiive quoique sit, quis fugitivus errove sit noxave solutus
non sit. HoR. Ep. II, 2, 14 ff. Prof. IV, 5, 57. Varr. K. E.
II, 10. Sex. contr. IV. Für die Richtigkeit dieser Angaben
war der Verkäufer verantwortlich, praestahat. Cic. de off. III,
17. sed etiam in mancipiorum venditione fraus venditoris oinnis
excluditur ; qui enim scire debuit de sanitate, de fug a, defurtis,
praestat edicto aedilium; heredum alia causa est. Daher oben
bei Prop. quorum titulus per barbara colla pependit. Varro
li. K. II, 10. In horum emtione solet accidere peculium aut ex-
cipi et stipulatio intercedere, sanum eum esse furtis, noxisque
solutum. Wollte der Verkäufer diese Garantie nicht geben, so
wurde der Sklave pileatus verkauft. Dieser pileus hat dem-
nach eine ähnliche Bedeutung wie die Corona. Caelius Sa-
BiNU.s bei Gell. VII, 4. Namque ut ea corona signum est capti-
vorum venalium, ita pileus imposüus demonstrabat, eiusmodi ser-
vos venuindari, quorum nomine eiatori venditor nihil praestaret.
Das galt aber eben auch von Ersteren, populus nihil praestabat,
Avie Eestus a. a. 0. sagt. Ebenso enthielt jenes Edikt auch
die Dia. XXI, 1, 37. 65. angeführte Bestimmung: ne veterator
pro novitio venirct. und darauf bezieht sich Hör. Epist. II, 2,
14. Prudens emisti vitiosum, dicta tibi est lex.
Es waren indessen jedenfalls nur die gemeineren Sklaven,
106 Dritter Ex eins.
mancipia vilioria, welche so zum öffentlichen Verkaufe kamen.
Die besseren, die entweder durch Schönheit oder Geschicklich-
keit ausgezeichnet waren, wurden aus freier Hand in den Ta-
bernen der Händler verkauft. 80 sagt Marx. IX, GO. vom
Mamurra, der in den septis umherging, Alles besah und nichts
kai;fte :
Inspexit molles pueros oculisque comedit
Non hos quos primae prostituere casae:
Sed quos arcanae servant tahidata catastae
Fit quos non popidus nee mea turha videt.
Primae casae sind der vordere Allen zugängliche Theil der
taberna; dagegen tabulata arcauae cat. das Getäfel der im
innern abgeschlossenen Eaume der Taberne stehenden Catasta.
Aus 'dieser Stelle ersieht man auch, dass die Catasta von den
Sklavenhändlern überhaupt gebraucht wurde, um die Sklaven
dem Käufer genau zu zeigen. Keineswegs war diese Maschine
auf den Vei-kauf der neu eingebrachten Sklaven beschränkt,
wie Becker glaubte. Noch weniger ist die Erklärung luG-
ler's, welche Wallon S. 54 annimmt, zu billigen, dass catasta
an dieser Stelle, so wie VI, 29. X, 76. Pers. VI, 77. Stat
Silv. II, 1, 72. einen unter der Plattform befindlichen Raum
zur festen AufbcAvahrung der Sklaven bedeute. Das Wort hat
allenthalben denselben oben erwähnten Sinn als hölzernes
Schaugerüste. Uebrigens ersieht man aus Martial, dass über-
haupt bei den Händlern Sklaven aller Art zu verkaufen waren,
auch geringere {quos primae prostituere casae. Sen. de const.
13. quorum tabernae pessimorum servorum turba refertae sunt),
und dass nicht Jeder den Schönsten zu sehen bekam.
Als Ort solchen Verkaufs nennt Marx. X, 80. die Septa.
Plorat Eros, quoties maculosae pocula murrae
Inspicit aut pueros nohiliusve citrum.
Et gemitus imo ducit de pectore, quod non
Tota miser coemat Septa f er atque domum.
und Sen. 1. 1. ad Castoris. — Solche Sklaven wurden oft zu
enormen Preisen verkauft. Bei HoR. Epist. II, 2, 5. wird ein
sehr angepriesener Sklave zu 8000 HS. (400 Thaler) angeboten.
Die Sklaven. 107
Denselben Preis erwähnt Col. III, 3. für einen vinitor, und
der ältere Cato gab nie mehr als 1500 Denare für einen Skla-
ven, welches nicht einmal so viel beträgt, Plut. Cat. mai. 4.
Theurer war ein Morio bei Mart. VIII, 13, nämlich 20,000
HS. (1000 Thaler), aber Mart. I, 58. sagt:
Millia pro puero centiim me mango prposcit.
Risi ego, sed Phoebus protenus illa dcdit.
Eben so viel XI, 70. (d. i. 5000 Thaler) und Plin. h. n. VII,
10, 55, wo der Händler Toranius dem Antonius 2 Sklaven
(angeblich Zwillingsbrüder) für 200,000 HS. (10,000 Thaler)
verkauft. Varro bei Gell. XV, 19. Si quuntum operae sura-
sisti, ut iuus pistor bonian faceret panem^ eins duodecimam pld-
losophiae dedisses, ipse honus iampridem esses /actus. Nunc
illum qui norunt volunt emere mdlibus centumj teqiie novit nemo
centussis. Endlich sagt gar Mart. III, 62. Centenis quod eniis
piieros et saepe ducenis. Vgl. Sen. ep. 27. de ill. gramm. 3.
(200,000 Sest.) Noch unsinnigere Preise erwähnen Plin. h. n.
VII, 40, 128. und Suet. Caes. 47. Damit steht in schroffem
Contrast die frühere Billigkeit Liv. XXII, 58. Dureau de la
Malle, econ. politique des liom. I, S. 143 — 159. Wallon
n, S. 160 — 176.
Die meisten Sklaven scheint wie für Griechenland, so
auch für Korn Asien geliefert zu liaben (Juv. V, 56. XI, 147.);
Syrier, Lydier, Karier, Mys-ier, I'hrygier, ganz besonders aber
Kappadozier werden häufig genannt (Cic. p. red. in sen. 6.
Cappadocein modo abreptum de grcge venalium diceres. Juv.
VII, 15.) und namentlich für wissenschaftliche Zwecke waren
gricchisclie Sklaven sehr gewöhnlich. Sehr launig schildert
CicEUu nicht von der besten Seite die Eigenthümlichkeit der
vier, die eigentliche; Asia bildenden Landschaften, p. Flacco
27. Utnnn igitnr nostrum est an vestrum /toc proverbiuni: Phry-
gem plagis fieri mcliorem? Quid de tota Caria? Nonne hoc
vestra voce vulgatum est: si quid cum periculo experiri vclis, in
Care id potissimum esse faciendum? Quid porro in Graeco ser-
mone tarn tritnni est, quam, si quis despicalui ducitur, ut Afyso-
ruin ultiinus esse dicatur? Nani quid ego dicaiu de Lydia? qiiis
]^(j3 Dritter Excurs.
unquam Graecus comoediam scrii^sit, in qua servus priniariu»
partium no7i Lydus esset. Es ist das unverkennbar von den an
den Sklaven gemachten Erfahrungen entlehnt. Zur Charak-
teristik der griechisolien Sklaven dient auch, was derselbe de
or. II, Öd), sagt: nostros liomines similes esse Syrornm venaliinn:
ut quisque optime graece sciret, ita esse nequissimum. Ausserdem
lieferten natürlich alle eroberten Länder Sklaven, namentlich
Gallien; s. oben Caesar (sub corona). Auch Cic. pro Quint. 6.
von einem L. Publicius: qui e Gallia pueros renales isti (Nae-
vio) adducebat. Allein diese Sklaven keltischer und germa-
nischer Abkunft scheinen in der Regel nur zur Landarbeit
g-ebraucht worden zu sein. So sagt Varro R. R. I, 1. Galli
appositissimi^ maxime ad iumenta. Als Luxussklaven hielt man
Neger, Aethiopes, Mart. VII, 87. fruitur tristi Canius Aethiope,
und VI, 39. Hie qui retorto crine Maurus incedii Sobolem fate-
tur esse se coci Santrae. Juv. V, 52. cursor Getulus — Maurus
Petron. 34. Schon bei dem Alot. ad Herenn. IV, 50. befiehlt
der Windbeutel: ut ab avunculo rogetur Aethiops qui ad balneas
veniat. Damit stimmt vortrefflich die Statue eines jungen
Negersklaven überein, der den Badeapparat trägt. Mus. Pio-
Clem. III, tav. 35. Unter den Kaisern kamen noch Numidier
hinzu, die als Vorreiter gebraucht wurden. Ausserdem waren
zahlreich Dacier, Scythen, Sarmaten, Mösier (Polyb. IV, 38,
4. Juv. III, 240. 143.), Indier (Hör. Sat. II, 8, 14. Juv. XI,
125.), Spanier und die Sai-den, die rohesten und unbrauchbar-
sten von Allen; Strabo geogr. V, 2. Cic. ad div. VII, 24.
Flut. qu. Rom. 53. Boeger, de mancip. commercio apud Rom.
p. 24— 32. Heyne in opusc. IV, S. 120. e quibus terris man-
cipia in Graec. et Rom. fora advecta fuerint. Stets wurde die
Heimath angegeben beim Verkauf. Ulp. Dig. XXI, 1, 31.
§2L
Der Grundsatz, dass ein Römer nicht eines andern Rö-
mers Sklave sein könne, wurde noch strenger festgehalten, als
dieselbe Ansicht unter den Griechen, lieber letztere s. Cha-
rikl. II, S. 32. In Rom konnte zwar auch der insolvente
Schuldner dem Gläub'ger zugesprochen werden (addicere),
Die Sklaven. 109
aber sein Sklave konnte er nicbt werden, sondern mnsste ins
Ausland, in der damaligen Sprache Irans Tiberim verkauft
werden. Gell. XX, 1, 45. Tertiis autem nundinis capite poe-
nas clabant, aut trans Tiberim venum ibant. Dasselbe g-esebab,
wenn ein römiscber Bürger vom Staate (wegen nicbt erfüllter
Militärpflicbtigkeit) verkauft wurde: quem yopulus vendidit
Beispiele Val. Max. YI, 3, 4. Cic. de or. I, 40. p. Caec. 34.
Dagegen scheinen die Römer den bei den Griechen nach und
nach herrschenden Grundsatz nicbt in gleichem Masse anex--
kannt zu haben, dass bei gleicher nationaler Abstammung
gegenseitige Sklaverei unzulässig sei, s. Charikl. II, S. 27.
So konnten. die kriegsgefangenen italischen Bundesgenossen
römische Sklaven werden. Cic. p. Cluent. 7. M. Aurius ado-
lescentulus hello Italico captus (aus Lavinum) apud Ascidum in
Q. Sergii senaloris manus incidit et apud eum fuit in ergastulo.
Der Gx'ieche also urtheilte, dass kein Hellene eines Hellenen
Sklave sein dürfe; der Römer, dass kein römischer Bürger
einem anderen dienen dürfe. So bei Plaut. Tiin. II, 4, 144.
die Campaner; und überhaupt geht es aus allen Verkäufen
der Gefangenen hervor.
Im Gegensatze zu diesen käuflich erworbenen Sklaven
hiessen vernae, auch wohl vernaculi (Marx. X, 3.), die aus dem
contubernium der Sklaven hervorgegangenen oder überhaupt
von einer Sklavin dem Herrn geborenen Kinder. Die Ablei-
tung des Namens, Avelche die Grammatiker geben, ist wie ge-
\\öhnlich nur dem Buchstaben nach gemacht. Fest. p. 372.
Vernae^ qui in villis vere nati, quod tempus duce natura feturae
est et tunc rem divinam instituerit Marti Numa Pompitius pacis
concordiaeve obtinendae gratia inter Sabinos Romanosque^ ut
vernae viverent ne (neu) vincerent. Romanos enim vernas ap-
pellabant, id est, ibidem natos, quod vincere perniciosum arbi-
trinm (arbitralum) J^^abinis^ qui coniuncti erant cum P. R. Noch
unrichtiger Non. I, 206. Vernas veter es appellabant, qui vere
sacro fuerant nati et liabebatur nomen hoc pro vitabHi maledictu.
So dunkel die Worte bei Festus sind, so sieht man doch, dass
\l{) Dritter P^xcurs.
die alte Bedeutung des Wortes die des Heimischen ist im
Gegensatze zum Ankömmling, s. Göttling, Staatsverf. S. 132.
Das wird bestätigt durch die von Servius Ms. Fuld. zu Verg.
Aen. I, 17. angeführte Formel aus den Sacris Tiburtibus: luno
cwis tuo curru clypeoque tuere meos ciiriae vernulas. In ähn-
licher Weise nennt Mart. X, 76. einen aus wirklichem Römer-
blute Stammenden Numae verna. Der Name bezeichnet daher
nicht jeden im Sklavenstande als Sklaven geborenen, sondern
nur den, der in der Familie des Herrn selbst geboren ist. Geht
er daraus in eines Andern Besitz über, so hrjrt er natürlich
in Bezug auf die neue fjxmilia, in die er eintritt, auf, verna zu
sein. Es ist dasselbe, was bei den Griechen oty-üronv, das die
Grammatiker durch öoi'Xog uixoyevijg erklären. Aufgewachsen
im Hause, mit den Verhältnissen desselben wie mit den Eigen-
heiten und Gewohnheiten der Herren bekannt, waren sie zur
Bedienung vorzugsweise geschickt und desshalb in gewisser
Hinsicht geschätzt. Daher sagt der Verkäufer bei HoR. Ep.
H, 2, 6. zur Empfehlung seines Sklaven: Verna ministeriis : ad
nutus aptus heriles. Aber eben diese Vertraulichkeit und Be-
kanntschaft mit den Schwächen des Herrn führte oft zu gros-
ser Dreistigkeit und die licentia vernarum ist sprüchwörtlich
geworden. So nennt sie Hör. Sat. H, 6, 66. procaces, so ver-
bindet Mart. X, 3. vernaculorum dicta und foeda tinguae pro-
bra circulatricis, I, 42. Daher bei Tib. I, 5, 26. garrulus venia.
und Sex. de j^rovid. 1. cogita, filiorum 7ios modestia delectari,
vernacidorum licentia. Am sprechendsten ist die Erzählung
bei Tacit. Hist. H, 88. Incuriosos milites vertiacida ut rehaii-
tur urbanitate quidam spoUavere abscisls furtim balteis, an ac-
cincti forent, rogitantes. Daher werden denn auch vernilia
dicta für scurrilia und verniles blanditiae gesagt. Auf Inschrif-
ten treffen wir zuweilen vernae^ Orelli Henzen 2808 if. und
•2812 setzen die empticii einem verna ein Denkmal und die
Fasten des Collegiums von Antium 6445 gedenken eines dies
festus vernarum.
Wenn sonst auf andei-e Weise, wie z. B. hereditate. Skia-
Die Sklaven. 111
ven erworben Avurdeu, so wird dadurch nichts in dem Verhält-
nisse geändert, sondern sie werden immer entweder mit den
emtis oder den vernis auf einer Linie stehen.
Die Gesammtheit der einem Herrn gehörigen Sklaven
theilt sich zunächst ein in die fwnilia urbana und fcuinlia
rustica, nicht nur wegen des verschiedenen Aufenthalts in der
Stadt und auf den Villen, sondern hinsichtlich der verschiede-
nen Beschäftigung. PoMPON. Dig. L, 16, IGG. Urbana familia
et rustica non loco sed genere distinguitur. Orelli Hexzen
2857 ff. 2862 ff. 6275. 6283. Daher konnte die familia urbana
den Herrn auf die Villa begleiten, ohne des Aufenthalts wegen
rustica genannt werden zu können. Die familia rustica wird
von dem Herrn zur Bewirthschaftung seiner Ländereien ge-
braucht, die urbana für seine Bedienung und mannigfaltigsten
Bedürfnisse.
Die Einfachheit der alten Zeit wusste freilich von einem
solchen Sklavenheere (Sex. de tranq. 8.) nichts, und selbst
Consuln zogen mit wenigen Sklaven ins Feld. Appul Apol.
p. 430 Oudend. Ila)ie tandein ne liaec quidern legere patroni
tui? M. Antonium consularem solos octo servos domi habuissef
Carbonein vero illum, qui rebus potitus est, non minus? Ät enim
HT.Curio tot adoreis longe inclyto, quippe qui ter triumphwn una
porta egerit, ei igitur M\ Curia duos solos in castris calones
fuisse? — M. aiitem Cato — ipse in oratione sua scriptum reli-
quit, cum in Hispaniam consul proficisceretur, tris servos solos
ex urbe duxisse. Und von diesen wenigen Sklaven wurde viel-
leicht nur einer zur eigentlichen nächsten Bedienung ge-
braucht, woraus sich die Namen : Caipor, Lucipor, Marcijjor,
Publipor, Quintipor erklären; denn sonst hätten dieselben kei-
nen Sinn. QuiNCT. Inst. I, 4, 7. In servis tarn intercidit illud
genus, quod ducebatur a domino, unde Marcipores Publipor esque.
Fest, p. 257. Quintipor servile nomen frequens apud antiquos
erat, a praenomine domini ductuin. Plinius sagt XXXIII, 1, 6.
wo er vom Versiegeln der Zellen spricht: Hoc profecere inan-
cipiorum legiones et in domo turba externa ac servorum quoque
causa nomenclator adhibendus. Aliter apnt antiquos singuli
112 Dritter Ex cur s.
Marcipores Luciporesve dominoruin gentiles omnem victiim m
promisciio habebant. Mit lebendigen Farben schildert die Be-
dienung beim Mahle nach alter Sitte Juven. XI, 145 ff.
Plebeios calices et pancis assibus emtos
Porrigit incultus puer, atque a frigore tutus;
Xon Phryx, aut Lycius, non a mangone jJetitiis
Quisquam erit in magno, cum posces, posce latine.
Idem habltus cunctis, tonsl rectiqiie capilli,
Atque hodie tantum propter convivia pexi.
Die von Appul. angeführten Beispiele des M. Antonius und
Cn. Papirius Carbo fallen schon in die Zeit der sinkenden Ke-
publik (Marius und Cinna) und waren vermuthlich damals
schon Ausnahmen: denn fast gleichzeitig finden wir (in Ci-
cero's Zeit) grosse Schwärme von Sklaven, die nur zur Bedie-
nung und zum Gefdge des Herrn und seiner Familie gehören.
So erzählt Asc. argum. p. Mil. p. 32 Cr. von Clodius und
Milo: vehebatur Clodius eqvo. servi XXX fere expiditi, ut illo
tempore mos erat iter facientibus, sequebantur. — Milo reda vehe-
batur cum iixore — . Sequebatur eos raagnum servorum agmen,
inter quos gladiatores quoque erant etc. und so spricht Cic.
selbst c. 10. von magno — ancillarum pueroiumque comitatu.
und 21. Milo tum casu pueros sympJioniacos uxoris ducebat et
ancillarum greges. So reiset auch Vedius, Cic. ad Att. VI, 1.
s. Plut. Grass. 2. Diesen ausserordentlichen Aufwand in der
Bedienung tadelt indirekt Gic. de leg. agr. II, 28. ?ieque isto-
rum pecuniis quidquam aliud deesse video, nisi eiusmodi fundus,
quorum subsidio familiarum ?nag)iitudines et Cumanorum ac Pu-
teolanorum praediorum sumtus sustentare possint. Abgesehen
von einem solchen Luxus und einer übertriebenen Zahl von
Sklaven, scheint indessen doch Gicero selbst für einen anstän-
digen Haushalt eine ziemliche Anzahl zu fordern, und es
konnte selbst zum Vorwurfe gereichen, für die einzelnen Ge-
schäfte nicht besondere Sklaven zu haben. So sagt Gicero (in
Pis. 27.), wo er das liederliche Hauswesen des Piso beschreibt:
idem, coquus, idem atriensis. und HoR. Sat. I, 3, 12, scheint als
geringste Zahl für einen in leidlichen Umständen Lebenden
Die Sklaven. 113
zehn Sklaven anzunehmen, ja er rügt sogar, Sat. I, 6, 107 ff.
die Unschicklichkeit des Prätor TuUius, dem nicht mehr als
fünf Sklaven von der Tiburtinischen Villa nach Rom gefolgt
waren. — Aus der folgenden Zeit werden uns fast unglaub-
liche Zahlen genannt. So erzählt Plinius XXXm, 10.
C. Caecilius Claudius Isidorus testamento suo edixit (a. U. 744),
quamvis multa civili hello perdidisset, tarnen relinquere servorum
quatuor milUa centum sedecim. Tac. Ann. III, 53. XIV, 43.
44. Sen. de tranq. 8. epist. 17. Ath. VI, 7. «U« 'Pio^iaiMv
exaatog — nJMatovg oaovg y.ey.rtjfiivovg olutrag, x«J yaQ fwoiovg
xai SiüfiVQiovg 'äui tri nXet'ovg 8l näf^inoXloi xfy.r7jvtai etc. Das
sind indessen noch nicht die grössten Zahlen. Wenn auch die
ganze Tendenz der Schrift Petroxs erwarten lässt, dass er
auch in der Angabe der familia Trimalchionis absichtlich über-
trieb, so haben doch diese Uebertreibungen selbst keinen Sinn
ohne Voraussetzung ausserordentlicher Zahlen und wie vieles
dort Erzähltes, das auch nur Erfindung scheinen könnte, wird
nicht anderweit bestätigt. Dort heisst es c. 37. Familia vero
bahae! non me Hercules puto decimam partem esse, quae herum
suum novit. 47. fragt Trimalchio einen der Haussklaven: ex-
quota decuria es? und er antwortet: e quadragesima. und 53.
liest ein actuarius vor, was auf den Gütern des Trimalchio
vorgefallen war, und darunter: VII. Kai. Sext. nati sunt pueri
XXX, puellae XL. Das ist allerdings lächerliche Uebertrei-
bung; wenn man aber bedenkt, dass noch zur Zeit der Re-
publik Crassus den nicht für reich erkannte , der nicht reditu
annuo legionem tueri posset, so lässt sich in Petrons Zeit aller-
dings ein wahrhaft monströser Reichthum und in Folge des-
selben eine ungeheuere Sklavenzahl als möglich denken. S.
endlich Vop. Proc. 12. und Dcreau de la Malle, econ. polit.
I. p. 230—289. Wallon U, p. 72—89. 142—159. Auch das
findet sich, dass den einzelnen Dekurien der Sklaven Decu-
riones vorstanden. So wird Suet. Dom. 17. ein decurio ciibi-
culariorum geuannt , und ebenso mehrmals auf Inschriften,
Orelli Henzen n. 2785. und p. 512. Gewöhidich bezieht es
sich auf die domus Augusta, ducli wird es audi in andern
Becker, Uallus. 3. Aufl. II. ^
]^14 Dritter Exeu rs.
Häusern solche Decurionen gegeben haben. Siehe die Pom-
pejanische Mauerschrift in Avellino, bullet. Nap. II, 2, N. 19.
quaeres Fahium et Fallacein (zwei Sklaven) in decuria Cotini.
Audi der Name cubicularius III vir deutet diese Einthei-
luugen an. Orelli n. 2863.
Die ausserordentliche Menge, von der natürlich die Mehr-
zahl auf den Landgütern verwendet wurde (Plin. h. n. XVIII,
6. Sen. de ben. VII, 10.), aber auch Hunderte der familia
urbana angehörten, inachten nun eben solche Eintheilungen
nothwendig, wie überhaupt eine förmliche Organisation, um
eine Uebersicht zu gcAvinnen und einige Ordnung in dieses
Sklavenheer zu bringen. In dieser Hinsicht lassen sich ge-
wisse Klassen festsetzen, die nach Massgabe ihrer Beschäfti-
gung einen höheren oder niederen Rang einnahmen. Diese
Klassen sind : ordinarii (mit ihren vicariis), vulgares, media
stini, qualesquales. So unterscheidet wenigstens Ulp. Dig.
XL VII, 10, 15. Midtwn interest^ qualis servus sit; honae frugi,
Ordinarius, dispensator, an vero vidgaris , vel mediastinus, an
qualisqualis.
Ordinarii
scheinen die angeseheneren [lioneslior, Oic. Parad. V, 2.) Skla-
ven genannt worden zu sein, welche über gewisse Theile des
Hauswesens die Oberaufsicht führten und daher anderen vor-
gesetzt waren, auch ihre eignen Sklaven oder vicarios haben
durften. Es waren demnach Leute , die das besondere Ver-
trauen des Herrn genossen, denen die Verwaltung des Ver-
mögens mit Einnahme und Ausgabe übertragen war, und die
im Hause wie auf der Villa die übrige Familie beaufsichtigten,
anstellten imd in Ordnung erhielten. Nun werden eigentlich
von Ulpian nicht ausdrücklich die verschiedenen Klassen an-
gegeben und es kann selbst zweifelhaft scheinen, ob nicht die
Worte Ordinarius dispensator zu verbinden sind, da es auch
bei SuET. Galb. 12. heisst: ordinario dispensatori breviarium
rationum offerenti etc. , indessen versteht es sich von selbst,
dass es in der Familie solche geben musste, welche caeteris
praefecti erant und solche, die frei von niederen gewöhnlichen
Die Sklaven. 115
Sklavendiensten waren. Diese scheinen allerdings ordinarü
genannt worden zu sein. Sex. ep. 110. Unicuique nostrum
paedagogum dari deinn, non qiddem ordinarium , sed Jnnic infe-
rioris notae ex eorum numero^ quos Ovidius ait de plebe deos.
Daher sagt ders. de ben. III, 28. quo te isti efferunt? ad ost'nnn
alicuiiis ostiarii; ad hortos cdicuius ne ordinarium qiddem ha-
bentis officium. Xamentlich wird der Ausdruck Ordinarius im
Gegensatze zu dem vicarius gebraucht. So hiess nämlich eines
Sklaven Sklave. Wie überhaupt der Grundsatz : quodcunqne
per servum acquiriiur, id domino acquiritur., nicht streng fest-
gehalten wurde, und der Sklave durch Ersparnisse oder auf
andere Weise zu einem Eigenthume, peculium , gelangen
konnte, so durfte auch der Angesehenere sich zu seiner
Unterstützung eigne Sklaven halten, die zu seinem jyeculium
gehörten. Hör. Sat. II, 7, 79. Vicarius est, qui servo paret.
und in gleichem Sinne Mart. II, 18, 7. wo der Dichter dem
Patron die opera togata aufkündigt, weil dieser selbst wieder
einen rex habe.
Esse sat est servum; iam nolo vicarius esse.
Qui rex est, regem, Maxime^ non haheat.
Oft kommen vicarii aiif Inschriften vor, Orelli Henzen 362.
2820 ff. 2860. 5362. 6277. 6279. u. a. Das waren nun eben,
wenigstens in früherer Zeit, nur ordinarü, welche einen vica-
rius hielten. Ulp. Dig. XV, 1,17. Si servus meus Ordinarius
vicarios liubeat, id, quod vicarii mihi dehent, an deducam ex pe-
culio servi ordinarü? und XIV, 4, 6. Diese Stellvertretimg ge-
hört nicht nur der spcäteren Zeit an, wo wir allerdings Sklaven
finden, die es nur dem Namen nach sind, ihre eigne Wohnung,
eignen Haushalt und grosses Vermögen haben; vielmehr ge-
denkt ihrer schon Plaut. Asin. II, 4, 28., wo sich der Pseudo-
Atriensis Saurea mit seinem angeblichen Vicarius brüstet:
— Vah, deleidre a dparas : scio mihi vicarium esse
Neque eo esse servorn in aedibus eri, qui sit pluris quam illest.
la Cic. VeiT. III, 28., wo er die vilitas des Diognotus (eines
servus publicus) hervorheben will, sagt : vicarium nullum habet,
nihil oinnino peculii. und von dem Demctrius, Freigelasseneu
8*
IXQ Dritter Exe Urs.
des Pompeius, führt 8en. de tranq. 8. an, dass er zwei vicarios
gehabt habe und cella laxior. — Ein ähnliches Verhältniss
fand Statt, Avenn der Herr einem der Sklaven, welche dem
Hauswesen vorstanden, einen untergeordneten Sklaven zur
Hülfe beigab. Der Unterschied ist dann nur der, dass der Or-
dinarius dem Herrn für seinen vicarius verantwortlich ist, da-
gegen der vom Herrn gegebene ihm unmittelbar. Daher
Plaut. Mil. HI, 2, 12.
Deprompsit nardini amphoram cellarius.
Eho tu, sceleste, qui Uli svppromiis: eho.
und 25.
Bono suhproino et promo cellam creditam.
und so wird derselbe 55. subcitstos genannt. In gleichem Sinne
nennt sich Pseud. (II, 2, 13.) Subballio als angeblicher atrien-
sis des Ballio.
Die erste Stelle in der ganzen familia, wenigstens der
urbana, nimmt der procurator ein, wahrscheinlich der, dem der
Herr die Verwaltung des Vermögens oder einen Theil dessel-
ben übertrug. Mit diesem procurator ist der in den Kechts-
quellen unter diesem Xamen oft vorkommende Generalbevoll-
mächtigte, welcher nur ein Freier sein konnte, nicht zu
verwechseln. Reix, römisches Privatrecht S. 880. Keller,
Semestr. I, p. 117 ff. Von diesem handelt Dig. III, 3. und Cic.
p. Caec. 20. (in Bezug auf die Worte des Interdikts: unde tu,
aut familia tua, aut procurator tuusj : De liberis autern quisquis
est, procuratoris nomine appellatur: non quo omnes sint aut
appellentur procuratores ^ qui negotii nostri aliquid gerant etc.
Dann weiterhin: utrum me tuus procurator deiecerit is, qui legi-
time procurator dicitur omnium verum eius, qui ifi Italia 7ion sit
absitve reipublicae causa, quasi quidam paene dominus, h. e.
alieni iuris vicarius. Endlich: Tarn restitues, si tuus me Ubertus
deiecerit ?iulli ttco praepositus negotio, quam si procurator deie-
cerit: non quo omties sint procuratores^ qui aliquid nostri negotii
gerunt, sed quod in hac re quaeri nihil attinet. Dagegen sind
die zum Hause gehörenden procuratores Sklaven oder Frei-
gelassene, welchen der Herr die Aufsicht über irgend einen
DieSklaven. 217
Theil des Hauswesens anvertraut hat. Auch in dieser Bedeu-
tung kommt der Name bei Cicero, besonders in Bezug auf
die Verwaltung der Landgüter Aor: de or. I, 58. si mandan-
dum aliquid procuratori de agriciiltura aut imperandum villico
sit. ad Att. XIV, 16. cum Piliae nostrae villam ad Lucrinum
vilUcosque et procuratores tradidissem. Plin. ep. III, 19. von
der vortheilhafteu Lage zweier Landgüter: posse utraque
eadem opera eodcm viatico invisere, sub eodem procuratore ac
paene iisdem actoribus. CoL. I, 6. S. ferner Plaut. Pseud. II,
2, 13. pi'ocurator pe7ii, Varro K. ß. III, 6. von dem über die
Pfauenzucht gesetzten (wenn nicht procurator villae gemeint
ist), so procuratores hortoruui u. s. w. In der Bedeutung aber
dessen, dem die gesammte Verwaltung übertragen ist und dem
die gesammte familia untergeben ist, kommt das Wort erst
spät vor. Petr. 30. lam ad tridinium veneramus^ in cuius parte
prima procurator rationes accipiebat. Sen. epist. 14. Rationes
accipit , forum conterit^ calendarium versat, fit ex domino pro-
curator. QuiNCT. decl. 345. Satis sit vobis, o divites, hos vestras
praestare fortwias^ quo d per dit-pensatores foeiieratis , quod fa-
miliani per procuratores cofitiTieiis. Vgl. Jordan zu Cic. p.
Caec. 253 fg. Die procuratores der Inschriften sind von diesen
ganz verschieden oder sind kaiserliche Freigelassene, wie
proc. villae Alsiensis, Orelli Henzen 5144.
Neben dem procurator werden zunächst der actor und
der difpensator gensmiit. Der actor (Orelli 1233. 1590. 1773.
act. praediorum Tublinatium. 2695. 2731. 2788. 4141. 4688.
4809. 4913. 5307. 6143. meistens Freigelassene) scheint vor-
züglich in die familia rustica zu gehören und bedeutet fast so
viel als villicus. Colum. I, 7. ita fit, ut et actor et familia
peccet. ib. 8. Idernque actori praecipiendum est, ne convicium
cum domestico, raulto minus cum extero habeat. Wenn Scaev.
Dig. XXXIII, 7, 20. unter dem instrumentum fundi beide, den
actor und den villicus, neben einander aufführt und so die
Namen in verschiedenem Sinne nimmt, so lässt sich das dar-
aus erklären, dass es auf den Landgütern oft neben dem villi-
cus, doni rein die Landwirthschaft oblag, einen besonderen
\^\Q Dritter Ex cur s.
Rechnungsführer geben mochte; es konnte aber der villicus
zugleich actor sein. Dann hatte dieser noch einen procurator
über sich; in keinem Fall aber bestanden villicus, actor und
procurator neben einander. Das lehrt die Yergleichung der
Stellen, wie Plin. ep. III, 19. s. oben, Colum. I, 6. Villico
hixta ianiiam ßat hahitatio, ut intrantium exeuntiumque con-
spectioa habeat: prociiratori supra ianuam ob easdem causas.
Der dispensator ist der Kassirer und Rechnungsführer
vorzüglich in der familia urbana. Cic. Att. XI, 1. nihil scire
potui de 7iostris domesticis rebus, de quibus acerbissime afflictoi\
quod qui eas dispensavit , neqiie adest isfic, iieque tibi terrarum
sit scio. Paul. Diac. p. 72 M. dispensatores dicti, qui aes pen-
santes expendebant. Doch giebt es auch dispensatores der fa-
milia rustica. Pompox. Dig. L, 16, 166. Botest eiiiin aliquis
dispensator non esse servoniix urbanorum niunero; veluti is, qui
rusticarurn verum rationes dispenset ibique habitet, no7i rnultum
übest a villico. Orelli 103. dispens. villae Mamurranae (Frei-
gelassene). Beide stellt auch zusammen Cic. de rep. Y, 3. lU
villicus naturam agri novit, dispensator literas seit etc. Seine
angesehene Stellung s. Petrox. 30., wo sich derselbe einen
eignen capsarius hält und Suet. Ner. 44. — Wenn eine Unter-
ordnung des dispensator unter den j^^'ocurator angenommen
wird , so kann das in einzelnen Fällen Statt gefanden haben,
aber gewöhnlich legt der dispensator dem Herrn selbst Rech-
nung ab. Suet. Galb. 12. ordinario dispejisatori breviarium
rationum offerenii. Vesp. 22. admonente dispensatore , quemad-
modum summam rafionibus vellet referri , Vespasiano, inquit,
adamato. So auch Cic. Fgrat. bei Non. III, 18. Quid tu, in-
quam, soles cum rationem a dispensatore accipis, si aera singida
probasti , summam , quae ex his confecta sit, non probare? vgl.
Marx. V, 42. luv. 1,91. VH, 219. Orell. inscr. 2782. Etwas
Aehnliches und in älterer Zeit wohl ganz dasselbe, was jn'ocu-
rator und dispensator, war der afriensis. Orelli Hexzex 2784.
2891. 2966. 6285. 6305. 6445. So in den klassischen Stellen
bei Plaut. Asin. 11 , 4. wo der Pseudo - Saurea als atriensis
Gelder einnimmt und ausleihet , Wein und Oel verkauft , Ge-
Die Sklavni. 119
schirre verborgt, uud die Aufsicht über das ganze Hauswesen
führt, cid omnium rei-um herus siimmam credldit. Darum kann
er auch Pseud. 11, 2, lo ff. mit dem cellarius oder promiis ver-
Aveohselt werden :
H. Times Ballio? Ps. Immo vero ego eins sum Subballio.
H. Quid istuc verhist? Ps. Condiis promus sum, prociirator
peni.
H. Quasi te dicus atriensem. Ps. Immo atriensi ego impero.
Man sieht daraus, dass der atriensis die Aufsicht über das
ganze Haus und Hauswesen führte ; in späterer Zeit aber mag
es besondere atrienses gegeben haben, die für die Ordnung im
Atrium und die imagines uud überhaupt für Reinlichkeit und
Ordnung im ganzen Hause als Oberaufseher der dazu be-
stimmten Sklaven zu sorgen hatten. — Zu den ordinariis
gehörte auch der cellarius oder condiis promus, welcher die
Aufsicht über die cella penaria und vinaria, überhaupt den
sämmtlichen Bedarf an Lebensmitteln hatte, täglich das No-
tlüge herausgab, und das Uebriggebliebene wieder in Verwah-
rung nahm, daher procurator peni. Plaut. Pseud. II, 2, lo-
condus promus etc. s. oben. Capt. IV, 2, 115.
Ariane, posce^ prome quidvis; te facto cellarium.
worauf der Parasit IV, 3, 1. sagt: mihi rem summam credidit
cibariam. Vgl. Mil. HI, 2, 11. 24. w^o auch ein supjrromus er-
wähnt wird, ungefähr wie die Dispensatoren amanuenses hatten.
CoLUM. XI, 1. Ut cibus et potio sine fraude a cellariis prae
beantur. Vielleicht war er auch, wie diese Stelle zeigt, zu-
gleich der, welcher der familia das demensum, cilum demensum
austheilte, s. unten. — Unter die ordinarios mögen auch die
negotiatores gerechnet werden, unter denen man Sklaven ver-
steht, welche im Auftrage und für Rechnung ihres Herrn in
den Provinzen Geldgeschäfte (nicht Handel, mercaturam s.
Ernesti Clav. s. v. negotiator.) trieben. S. Obbar. ad Hör.
Ep. I, 1, 45. p. 63 sq. Dass dies in einzelnen Fällen und in
späterer Zeit geschehen sein kann, mag nicht geleugnet wer-
den. Früher war für den ordo senatorius jeder quaestus indr-
corus, s. Vind. comoed. Rom. p. 74. und die equites bedienten
120 Dritter Excurs.
sich nicht der Sklaven, sondern waren die negotiatores selbst.
In dieselbe Kategorie fallen die institores (Dig. XIV, 3, 18.
institor est, qui tabernae locove ad emendum vendendumve prae -
ponitur) und exercitores (Iust. IV, 7, 2. cum quis servum suum
magistrum navis praeposuerit.) , welche für den Herrn alle
Arten von Handelsgeschäften und zwar selbständig besorgten,
unsern Faktoren analog; oder auch Gastwirthschaft betrieben.
Dig. IV, 9, 1, §. 5. XXXIII, 7, 13 pr. 15 pr. Die ersteren han-
delten theils in Buden, theils als Hausirer und Colporteurs.
Dig. XIV, 3, 5, §. 1 ff. zeigt, dass das Wort im weitesten
Sinne gebraucht wurde. Beispiele s. Thl. I, S. 148 f. Ovid,
a. amat. I, 421. Juv. VH, 221. Orelli 4202 f.
Die grosse Anzahl vermuthlich nicht immer ruhiger
Sklaven machte sogar eigene silentianos nöthig, welche über
die Ruhe im Hause wachten. So sagt Salvian. de gub. dei
IV, 3. Servi quippe pavent actores, pavent silentiarios , pavent
procuratores ; ah omnibus caeduntur. Zwar ist das im fünften
Jahrhundert geschrieben, allein schon Seneca gedenkt ihrer
ep, 47. (d. h. der Sache, nicht des Namens) und mehrere In-
schriften nennen sie bei Fabretti p. 206. n. 54 — 56. und
Orell. n. 2956. (freilich ein kaiserlicher Freigelassener).
Wie die Sklaven, welche als Künstler und für wissen-
schaftliche Zwecke gebraucht wurden, angesehen worden
seien, und ob man sie zu den ordinariis zu rechnen habe, er-
giebt sich nicht bestimmt. Jedenfalls gelten sie als hoiiestiores
und lautiores. Cic. Parad. V, 2. ut in magna familia sunt alii
lautiores, ut sibi videjitur, serin, sed tarnen servi., atrienses ac
topiarii. Ihnen setzt er dann entgegen qui non honestissimum
locum servitutis tenent. Wenn man aber ferner festhält, dass
Ordinarius und vicarius Correlata sind, so können auch solche
Sklaven ordinarii heissen; denn der Fall, dass sie vicarios
hatten, war gewiss häufig. Ein Beispiel bei Cic. Verr. I, 36.
wo Verres sich die Sklaven seines Mündels Malleolus ange-
eignet hat: servos artifices pupilli cum haberet domi, circum
pedes autein homines formosos et literatos, suos esse dicebat etc.
Dann: homines, posteaquam reus /actus est, alii redditi, alii
Die Sklaven. 121
eAiamnunc retinentin', pecuUa omnium vicariique retinoitur. Von
solchen Sklaven spricht Cic. p. ßosc. Am. 41. omnium delicia-
rum et omnium artinm puerulos ex tot elegantissimis familiis
lectos — horum literas adamavit aut humanitatem. Diese
Klasse nun ist in der römischen familia sehr gross, allein nur
wenige sollen hier naher besprochen werden, denn Manche er-
klären sich von selbst, von Anderen ist passender da zu spre-
chen, wo von den Bedürfnissen, für die sie sorgten, ausdrück-
lich gehandelt wird. Der Uebersicht wegen sollen die Namen
aller hier Platz linden. Zuerst die eigentlichen Künstler: orchi-
tecti, fabrij pavimentarii , marmorarii^ figuU, tectores, tegidarii,
statuarii, pictores, caelatores, phimarii, topiarii (ab hortorum
cultura), viridarii, aquarii (s. über die di-ei letzten den Excurs
über die Gärten), gemmarii , sculptores^ nirn-garitarii, sardarii
cavatarii; daran schliessen sich die zur Belustigung dienenden
symphoniaci, ludiones, mimi, funambidi oder schoenobatae, pe-
tauristae, saltatrices, gladiatores; tiefer herab: moriones ^ fatin
und fatuae, nani und nanae oder pumiliones. Ferner die Auf-
seher über Bibliothek und Kunstsachen : a bibliotheca, a statuis
(GoRi, columb. Liv. Aug. p. 178.), a pinacofheca (Orell. inscr.
n. 2417.) und die zahlreiche Klasse der literati, als anagnostae,
librarii (vieldeutig), notarii, a studiis, a manu oder ab epistolis,
an die sich die tabellarii reihen mögen. Endlich sind zu nennen
die medici mit ihren Abstufungen, von denen zuerst zu sprechen
ist. S. Gever.s, de servilis conditionis hominibus, artes, literas
et scient. colentibus. Lugd. Bat. 1816.
Medici, chirurgi, iatraliptae.
Die Arzneikunde erlangte spät erst zu Kom Ansehen und
wurde fast nur von Ausländern betriehen. Plin. XXIX, 1, 6.
erzählt, dass nach Angabe des Cassius Hemina im Jahre der
St. 535. der erste griechische Arzt, Archagathus, aus dem Pe-
loponnes nach Korn gekommen sei. Allein die Bewunderung,
welche anfänglich ihrer Kunst zu Theil wurde, verwandelte
sich bald in Misstrauen und theilweise selbst Abscheu. Cato
warnte seinen Sohn ernstlich vor den griechischen Aerzten
und dem Studium der Arzncikuudc, und es mochte allerdings
122 Dritt er Exe urs.
in der damaligen Praxis manche Gewissenlosigkeit vor-
kommen, nnd den Aerzten wenigstens ein bedeutendes Maass
Cliarlatanerie vorgeworfen werden können. So darf man sich
denn nicht wundern, wenn Plautus mit derbem Spotte sie
geisselt, Menaechm. V, 3. 6 ff.
Lumhi sedendo mi ocidi spectando dolent,
Manendo medicum, dum se ex opere recipiat.
Odiosus tandem rix ab aegrotis venit.
Ait se obligasse crus fractian Aesculapio,
Apollini autem hrachium. nunc cogito,
Utrum me dicam medicum ducere^ an fabrum.
Man lese die folgenden Scenen , und man wird finden , dass
dieser Arzt das Original zu allen den pedantischen medecins
und Charlatans Molieres geworden ist. Daher sagt denn auch
Athexaeus XV, p. 666. A, f/ jM/^ latgot tjaciv, ovöh' av tjv räv
you/tfiariy.är ixagÖTfQOv. S. auch Galex. de methodo med. I, 1.
— Die Römer selbst befassten sich noch zu Plinius Zeit wenig
damit, so einträglich die Kunst auch war, wovon Plinius Bei-
spiele anführt. Das war es aber auch eben, was sie in den
Augen der alten Römer herabsetzte. Non rem antiqui damna-
hant, sed artem. Maxime vero quaestum esse immani pretio
i'itae, recusabant. Es ist sehr interessant, von Plinius über das
Verhältniss des Kranken zum Arzte ein Urtheil zu lesen, das
in der Natur der Sache begründet, eben so gut auch auf unsere
Zeit Anwendung leidet. Er sagt , nachdem er bemerkt hat,
dass die Römer nicht mit demselben Vortheile , non in tanto
fructu, die Kunst übten: immo vero aiictoritas aliter quam
graece eam tractantibus ^ eliam apud imperitos expertesque li?i-
guae non est. Ac minus credunt, quae ad salutem suam perti-
nent, si intelligunt. Itaque in hac artium sola evenif, ut cui-
cunque medicum se professo statim credatur. — Nulla
praeterea lex est^ quae piiniat inscitiam, capitale nullum exem-
plum vindictae. Discunt periculis nostris et experi-
inenta per mortes agunt, medicoque tantum hominem occi-
disse impunitas summa est. Während also die Aerzte von Pro-
fession nicht immer mit den günstigsten Augen angesehen
Die Sklaven. 123
waren, bediente man sich zuvcrlässig-er Sklaven nnd Freige-
lassener als Hausärzte, und -verständige sorgsame Hausväter
sammelten sich wohl auch Notizen über die in bestimmten
Fällen anzuwendenden Mittel. So hatte Cato eine Art Recept-
buch , commentarium . quo mederetur filio, servis, familkiribus.
Diese Sklaven wurden ebenfalls medici genannt , und es kom-
men selbst medicae auf Inschriften vor. Orell. inscr. 2792.
servus medicus 4230. 4231. DiG. XLI, 5, 41. §. 6. Suet. Cal.
8. Nero 2.
Die Clib'urgie wurde von den medicis zugleich mit geübt,
wie man schon aus der angeführten Stelle des Plautus sieht;
doch mögen manche vorzugsweise sich damit beschäftigt haben,
die daher vulnerum medici^ vuhierarii genannt wurden. Plix.
h. n. XXIX, 6, 12. Aus Tibers Zeit kommen jedoch auf In-
schriften eigene chirurgl vor, Orell. inscr. 4228. und Celsus
lib. VII, Praef. giebt die dazu erforderlichen Eigenschaften,
als mittleres Alter, feste Hand, gutes Auge etc. an. Ueber-
liaiii)t aber fing damals die Arzneikunde an, sieh in Zweige
zu theilen; es werden besondere Augenärzte, ocularü oder me-
dia ah oculis genannt, und Zahnärzte so wie andere in Be-
liandlung einer bestimmten Krankheit berühmte (z. B. auricu-
larli) Mart. X, 56. Orell. inscr. 2983. 4288. Interessant
sind die steinernen Stempel der römischen Augenärzte, deren
es an 80 giebt und welche grösstentheils den Namen der
Aerzte sowohl als den der Heilmittel enthalten. Sie rühren
aus dem ersten und zweiten Jahrhundert n. Christ, her und
dienten zur Versiegelung der Arzneiflaschen. Zumpt, in Ger-
hards archäol. Zeitung 1851, N. 38 f Grotefexd, Epigra-
])hisc]ies. Hannover 1857. und in Philologus XIII. 1858.
OuELLi Hexzex, 4233 f. Bei diesel- Gelegenheit gedenken
wir des römischen Arzneikästchens (mit Gewichten, Büchsen
oder Instrumenten), welches Urlichs in den Jahrbüchern des
N'ereins von Alterthinnsfreunden im Rheinland. Bunn 1849,
XIV, S. 33 ff. beschrieben hat.
Die iatraliplae. aber waren vermuthlich ursjirünglich Ge-
liiilfen der Aerzte, welche Einreibungen und dergl. besorgten.
224 Dritter Ex curs.
Späterhin erscheinen sie als eine eigene Klasse von Aerzten.
5. Plin. XXIX, 1, 2. So sagt auch der jüngere Plinius ep.
X, 4. Proxlmo anno, donmie, gravisshna valetudine ad pericu-
lum vitae vexatus iatralipten assumsi. — Ueber die tabernas
medicorum oder medicinas (wie tonstrinae) s. Heind. zn Hör.
Sat. I, 7, 3. Für uns sind zunächst nur die als medici ge-
brauchten Sklaven bemerkenswerth. Maternus v. Cilaro,
de servo medico, in s. röm. Alterthüm. IV, S. 1226 — 1252.
Auch die freigelassenen Aerzte hatten servos eiusdem artis zu
ihrer Unterstützung Julian. Dig. XXXVIII, 1, 25. §. 2. S.
auch Wallon, bist, de Tseclav. III, S. 223 — 233. Eine zweite
bedeutende Klasse wissenschaftl. gebildeter Sklaven waren die
Literati,
natürlich hier in ganz anderem Sinne als bei Plaut. Gas. II,
6, 49. Hier werden darunter überhaupt die verstanden, deren
wissenschaftliche Bildung und Kenntnisse der Herr für seine
Zwecke benutzte. Was das Wort im Allgemeinen bedeutete,
sagt SuET. de ill. gramm. 4. Äppellatio cirammaticorwn graeca
consuetud'me invaluit; sed iniüo literati vocabmitur. Dann
führt er die Distinktion zwischen literatus und literator an, in-
dem er sich auf Orbilius beruft: nam apud maiorcs, cum fa-
tnilia alicuius venalis pjroduceretui^, twn ttmere quem Uteratum
in titulo , sed literatorem inscrlbi solitum esse; quasi non per-
fectum literis , sed imbutum. Vorher aber giebt er die von
Obigem abweichende Erklärung des CoRx. Xep. an: Corne-
lius quoque Nepos in libello, quo distinguit Uteratum ah eriidito,
iiteratos quidem vulgo appellari ait eos, qui aliquid diligenter et
acute scienterque possint aut dicere aut scribere. caeterum pro-
prie sie appellandos poetarum interpretes , qui a Graecis yQafji-
[jiaTixot nominentur; eosdem literatores vocitatos. Man sieht,
dass für die servos Iiteratos die Erklärung des Orbilius die
passendere ist. Sie wurden erstlich gebraucht als
Anagnostae,
auch lectores genannt, Vorleser. Der wissenschaftlich gebildete
Mann liess sich über Tische , oder wenn er sonst geistig unbe-
schäftigt war, selbst im Bade vorlesen. So erzählt der jüngere
Die Sklaven. 125
Pi.iNius von seinem Oheime , ep. III, 5. Super coenam über
legebatur^ adnotabatur, ej quidem cursbn. Memini quendam ex
amicis, qiium lector quaedam perperam pronunciasset , revo-
casse et repeti coegisse etc. Dann aber: Li secessu solitm balinei
tempus studiis eximebatur. Quum dico baJinei, de interiorihus
loquor; nam dum distringituv tergiturque ^ audiebat aliquid, aut
dictabat. Derselbe sagt von sieh IX, 3G. Coenanti mihi, $i cum
uxore vel paucis, Über legitur., und vom Atticus erzählt Corn.
Nep. c. 16. Nemo in convivio eius aliud axQÖufia audivif, quam
anagnosfen — , neque unquam sine aliqua lectione apud cum
coenatum est. Sehr oft gedenkt dieser Sitte Martial, der in-
dessen auch zuweilen darüber klagt, dass Manche ihn nur
desshalb einlüden , um ihre schlechten Gedichte vorzulesen,
z. B. in, 50. — August Hess auch, wenn er nicht schlafen
konnte, lectores oder confabidatores kommen. Suet. Aug. 78.
Cic. ad Att. I, 12. schreibt, wie betrübt er über den Tod
seines Vorlesers Sositheus sei. Ein anderer entfloh ihm, Cic.
ad div. V, 9. — Sodann gehören hierher die sämmtlichen
Librarii,
die Klasse derer, welche zum Schreiben gebraucht wurden,
daher auch scribae genannt, aber durchaus zu unterscheiden
von den scribis publicis, die bekanntlich libcri ^^•aren, und einen
eigenen Ordo ausmachten; ferner von den bihliopolis , welche
ebenfalls librarii hiessen. Vgl. Eschenbach, de scribis vett.
in Fol. thes. t. 111. (wenig brauchbar) Ernesti, Clav. Cic. —
Die librarii hiessen nun wieder, je nachdem sie für verschie-
dene Geschäfte gebraucht wurden: ab epistolis; a studiis;
a bibliotlieca; notarii. Es wird aber zweckmässiger sein, die
Erklärung dieser Ausdrücke nicht von den Excursen über
die Bibliothek und den Brief zu trennen.
Leber die paedacjogi s. oben S. 71 fg. Daneben gab es
in der Kaiserzeit noch eine andere Art paedagogi, nämlich
die Aufscher und Lehrer der schönen jungen Sklaven, welche
Ganymedes- und andere Dienste versahen und einen wesent-
lichen Bestandtheil des kaiserlichen Hofstaats sowie anderer
reicher Haushaltungen ausmachten (delicatus und dcliciae gen.
12G Dritter Ex cur s.
Orelli Henzen 2801 ff. 1724. 4394. 4958.) Audeutungeu
dieser Sitte giebt schon Cic. p. Rose. Ain. 41. ut inter suos
omnium deliciarum atque ouni'um artiiim puerulos ex tot ele-
gantist<hnis famUUs lectos (von Clirysogoniis). p. Mil. 10. magyio
— ac deJicato ancillarum puerorunique comitatii. Unter den
Kaisern bildete sich dieses weiter aus, Sen. de tranq. an. 1.
apparotus — paedagogii cett. ep. 123. paedagogia oblita facie
vehuntur, ne sol neve frigus teneram cutem laedat. Plin. ep.
VII, 17. h. n. XXXIII, 12, 54. Lipsius exe. ad Tac. Ann.
XV, 69. Noch in später Zeit kommen die kaiserlichen pueri
paedagogiani vor, Amm. Marc. XXVI, 6. tiaiica auro distincta
— in paedagogiani pueri speciem. XXIX, 3 (ihr Dienst auf
der Jagd). Paedagogi auf Inschriften s. bei Orelli Henzex
2938 ff. 5467. Böckixg, zur Notitia dignit. occid. p. 402 f.
Krause, Gesch. d. Erziehung 8. 408 ff.
Endlich sind noch zu erwähnen die , welche — oft auf
eine keineswegs edle Weise — zur eigentlichen Belustigung
dienten , namentlich bei der Tafel , >vo die Geschäfte für den
Tag als gänzlich geschlossen betrachtet wurden, und alles .sich
zusammendrängte, was zur Erholung dienen konnte. Freilich
wusste die früheste Zeit auch von solchen Vergnügungen
nichts, und erst nach dem Kriege mit Antiochus, als über-
haupt die frühere Einfachheit asiatischem Luxus wich, fing
man an, den einfachen Genuss des Mahls nicht nur durch
das Raffinement der Köche , sondern auch durch allerhand
Schauspiele und anQoä^ara zu erhöhen. Das führte denn auch
dazu, dass man nicht blos dergleichen Künstler miethete, son-
dern sie in der familia eigenthümlich besass. Liv. XXXIX, 6.
Luxuriae peregrinae origo ab exercitii asiatico invecta in Urbem
est. li primum lectos aeratos, vestem stragulam pretiosam, pla-
gidas et alia textilia et quae magnificae svpellectilis habehantur,
monopodia et abacos Romain advexerunt. tunc psaltriae sambu-
cistriaeque et convivalia ludioniim oblectamenta addita epulis.
Der Art waren die symphoniad ., die musikalische Haus-
kapelle, deren häufige Erwähnung auf einen sehr allgemeinen
Gebrauch schliessen lässt. Cic. Mil. 21. Milo, qui nunquam,
Die Sklaven. 127
tum casu pueros symphoniacos itxoris diicebat et ancillarum
greges. Mau sehe Petr. c. 33. 47. und öfter Sex. ep. 54. in
comissationihus nostris plus ccmtonan est, quam in theatris olim
spectatorum fuit. Cic. Verr. III, 44. div. 17. Ulp. Dig-. VII,
1, 15. § 1. Darauf bezieht sich auch das aliud dxgoa^a in d.
angef. Stelle Corx. S. 123. Vgl. Baehr zu Plut. Alcib. p.
230 fg.
Zu diesen musikalischen Sklaven kommen nun in sjjäterer
Zeit ferner noch liidiones , mimi, funambuU oäev schoenobatae,
petauristae, saltatrices , gladiatores und dgl. Sie alle finden
sich , um nur eines Beispiels zu gedenken , im Hause des Tri-
malchio. Einer Erklärung bedürfen sie nicht; nur wegen der
Petauristen möge die Stelle Petr. c. 53. hier stehen. Petaii-
ristarii tandem venerunt: baro insulsissimus cum scalis constitit,
puerumque iussit per gradus et i?i summa parte odaria saltare :
circulos deinde ardeutes transire et dentibus amphoram sustinere.
Man siehet, es waren die Künste unserer Equilibristen, die
viele auch für Geld sehen liessen, wie denn auch damals schou
nicht weniger als unsere modernen Herkules, Mancher die
Wunder seiner Kiesenstärke dem staunenden Volke zeigte;
z. B. nach Mart. V, 12. Linus, der sieben oder acht Knaben
auf seinen Armen stehen Hess. Vgl. Terent. Hecyr. Prol. I.
V. 4. IL V. 26. Beckmann, Beitr. z. Gesch. der Erfind. IV,
S. 64 ff. Koux und Barre, Ilercul. IV, 12 — 15., Roulez,
melanges de philol. Bruxelles 1846, V, n. 5. Pauly, Keal-
Encykl. V, S. 1390.
Noch sonderbarer und unwürdiger war der Geschmack,
den man an missgestalteten und blödsinnigen Menschen , mo-
riones,/atiii und fatuae^ fand. Die moriones sind ursprünglich
vielleicht eigentliche Cretins, wenigstens kommt nicht nur der
Blödsinn, sondern auch die Gestalt in Betracht, und Mart. VI,
39. beschreibt einen: acuto capite et auribus longis, quae sie
moventur, ut solent asellorum. Aber der Blödsinn war aller-
dings die Hauptsache, und je einfältiger einer war, desto mein-
Werth hatte er, weil er die meiste Gelegenheit zum Lachen
gab. Daher sagt Mart. VIII,, ].",.
X28 Dritter Excurs.
Morio dictus erat: viginti millibus emi.
Redde mihi nummos, Gargiliane: sapit.
Vgl. XIV, 210. Fehlten sie doch selbst in Seneca's Hause
nicht, ep. 50. Harpasten , uxoris meae fcdnam, scis heredita-
rium onus in domo mea remansisse. ipse enim aversissimus ah
istia prodigiis sum. si quando fatuo delectari volo, non est mihi
longe quaerendum : me rideo. Mit ihnen rangiren auch so ziem-
lich nani und nanae, auch pumiliones (Zwerge, welche nament-
lich Favoriten der Damen waren). Gell. XIX, 13. erklärt
vdt'ovg brevi atqice humili corpore homiiies paidiim siipra terram
exstantes. Stat. Silv. I, 6, 57 flf.
Hie audax suhit ordo pumilonum,
Qiios natura brevi statu peractos
Nodosum semel in globum ligaint.
Von August sagt zwar Suet. Aug. 83. pumilos otque distortos
— id ludibria naturae malique ominis abhorrebat. allein gleich-
wohl hatte er einen Hofzwerg Canopas , den Liebling seiner
Enkelin Julia, Plin. h. n. VH, 16., wo besondere Futterale
für diese kleinen Menschen erwähnt werden. Suet. Tib. 61.
Verschieden von den nani sind die distorti, Suet. 1. 1. Quinct.
decl. 298. habent hoc quoque deliciae divituni, malunt quaerere
omnia contra naturam. Gratus est ille debilitate, ille ipsa infe-
licitate distorti corporis placet. und Inst. II, 5. Clem. Alex.
Paed. III, 4. p. 231. Diese Monstra lernten gewöhnlich tanzen
und mit den Kastagnetten klappern, Broukh. zu Prop. IV, 8,
48. Später hielten sie sogar lächerliche Kampfspiele, Stat.
1. 1. Dio Cass. LXVII, 8. Einige Bronzestatuen solcher
kleinen Scheusale haben sich erhalten, Ant. Ercol. VI, 91.
92. GoRi, Mus. Etr. I, 76. Auch kommen sie auf mehrern
Pompejanischen Wandgemälden vor. Vgl. Casaubon. zu Suet.
Oct 83. Böttiger, Sabina II, p. 42 ff. — Endlich würden
auch hierher zu rechnen sein die Graeculi oder griechischen
Hausphilosophen, wenn überhaupt der Gebrauch, von dem
Böttiger Sab. II, S. 36 ff. spricht, sich als begründet nach-
weisen lässt. Sie würden dann etwa die Stelle der Parasiten
vertreten.
Die Sklaven. 129
Von dieser Klasse unterscheiden sich wesentlich die,
welche mit dem Namen
Vulgares
bezeichnet zu werden scheinen, d. h. welche im Hause eine
bestimmte gemeine Verrichtung hatten, oder ausserhalb des-
selben gebraucht wurden. Dahin gehört zuerst der ostianus
oder ianitor, welcher beständig den Eingang des Hauses be-
wachen musste. In alter Zeit, und auch später noch oft, ver-
sicherte man sich ihrer Aufsicht, indem man sie an einer Kette
am Eingange anschloss. Auct. de dar. rhet. 3. L. Otacilius
Pilitus serviisse dicitur, atque etiam ostiarius veteri more in ca-
tena fuisse. Colum. r. r. I, praef. catenato — ianitore. Ovm.
Amor. I, 6, 1.
Ianitor, indignum, dura religate catena,
Difficilem moto cardine pande forem.
Vgl. Sagittar. de ianuis vett. c. XVI, 19. Später indessen
war sein gewöhnlicher Aufenthalt die cella ostiaria. S. Suet.
Vitell. 16. Petr. c. 29. Der von Suet. erwähnte Hund ge-
hörte ganz eigentlich zum ianitor, aber ausserdem führte dieser
wie der moderne Portier seinen Staatsstock, eine virga oder
arundo , wohl nicht als blosses Insigne, sondern um nöthigen
Falls Zudringliche zurückzutreiben. Sen. de const. sap. 14.
nie pusilli animi est, qui sibi placet^ quod ostiario libere respon-
dit^ quod virgam eius /regit. Petr. c. 134. arundinem ab ostio
rapuit. cf c. 98. Broukh. ad Prop. IV, 7, 21. Dass sich ein
solcher nicht wenig in die Brust warf, schildert sehr artig
Sen. de ira HI, 37.
Wenn Wue.stemann, Palast des Scaurus S. 35. auf Plau-
tus und Tibull sich berufend anführt, man habe auch Skla-
vinnen, ianitrices, dazu gebraucht, so ist das zu herichtigeu.
Bei Plautus Cure. I, 1, 76. Anus hie solet cubitare custos,
ianitrix. ist von dem Hause eines leno die Kede , der seine
meretrices durch eine lena bewachen lässt. Ebenso wenig
würde man Aim'ul. Met. I, p. 112 Elm. anführen können, wo
Fotis als einzige Magd des Hauses natürlich auch die Haus-
thüre öffnen muss. Die Stelle Tibulls aber I, 7 (8), 76. ist
ÜECKKK, (jallUN. 3. Aufl. II. 9
130 Dritter Excurs.
sehr flüchtig angesehen. Es ist nnr von der verriegelten Thüre
die Rede:
— nunc displicet Uli,
Quaecimque apposita est ianua dura sera.
oder sollte vielleicht I, 6, 61. gemeint sein, so ist dort von der
Mutter der Delia, von keiner ianitrix gesagt :
Haec foribusque manet noctu me affixa. —
In einer römischen Domus, wo zahlreiche Clienten zur Salu-
tatio und Viri amplissimi zur Besprechung sich versammelten,
müsste eine ianitrix sich sonderbar ausgenommen haben. —
Eben so unstatthaft ist es, wenn Böttiger Sab. I, S. 17. 45,
im Vorzimmer der Hausfrau eine ianitrix annimmt. So M^enig
der cubicularius ianitor genannt werden kann, denn nur die
Hausthüre hiess ianua, eben so wenig würde eine solche
Sklavin ianitrix heissen k(3nnen.
Ferner gehören hierher die cubicularii und a cubicido, d. i.
Kammerdiener (Liv. III, 57. tropisch ministro cubicidi), welche
die Aufsicht über die Wohn- und Schlafzimmer führten, und
vermuthlich, wenn der Herr anwesend war, in dem Vorzimmer
(procoeton) sich aufhielten. Suet. Tib. 21. Dom. 16. wo sie
auch ciibiculo praepositi genannt werden. Orelli Henzen
2863. 2885. 2905 f. 2945. 4411. 6344. 6651. Sie hatten zu-
gleich die Obliegenheit, die Besuchenden anzumelden. Diese
cubicularii gehören nicht erst unter die officia domus Augustae,
sondern sie weiden schon von Cic. erwähnt. Verr. III, 4.
Hu7ic vestri ianitores , hunc cubicularii diliguiit; hunc liberi
vestri, hunc servi ancillaequp. amanl. hie cum venit, extra ordi-
nem vocatur. hie solus introduciticr, caeteri saepe frugalissimi
homines excludiintur. M^oraus sich zugleich zu ergeben scheint,
dass in der Regel die Besuchenden in der Reihenfolge vorge-
lassen wurden, in welcher sie gekommen waren, ad Att. VI,2.
Bei den Kaisern gab es in der Folge neben den cubiculariis
eigene servos ab ojßcio admissio)nua (oder Freigelassene ab
admissione, Orelli Henzen 2888. 5416.), vermuthlich auch
in anderen vornehmen Häusern, von denen wenig verschieden
die auf Inschriften vorkommenden velarii gewesen sein mögen.
Die Sklaven. 23X
Orelli, 2967. Lamp. Sev. Alex. 4. salutaretur vero — patente
velo, admissionalibus remotis aut solis üs, qui ministri ad fores
fiierant.
Gross war die Zalil der Sklaveu, welche ausser dem
Hause, beim Ausgange gebraucht wurden. Auch in den älte-
ren Zeiten ging der Römer, wie meistens auch der Grieche,
nicht leicht ohne Begleitung wenigstens eines Sklaven aus,
der daher pediseqims oder a pedibus genannt wurde. Dass diese
eine eigene Klasse von Sklaven ausmachten, und nicht jeder
den Herrn begleitende mit diesem Namen genannt wurde,
ergiebt sich aus den zahlreichen Inschriften. S. GoRi, de
columb. Liv. Aug. und Corx. Nep. Att. 13. Namque in ea
(familia) erant pueri literatissimi^ anagnostae optimi et pluiimi
librarü, ut ne pedisequus quidem quisquam esset, qui non utrum-
que horum pulchre facere posset. Cic. ad Att. VIH, 5. a pedi-
bus meis. Verr. I, 36. circum pedes. Scaevola Dig. XL, 4,
59. pr. Orelli Henzen 789. 6327. 6369. 6445. 6651. — Wie
sehr es zum guten Tone gehörte, Sklaven bei sich zu haben,
und sich auch der leichtesten Mühen zu überheben, ersieht
man aus Martial IX, 60, 22.
Asse duos calices emit et ipse tulit.
Ausserdem brauchte der vornehmere liömer einen nomen-
clator. Der Mann, der i)i der Republik etwas gelten und zu
hohen Aemtern gelangen Avollte, hatte eine Menge Rücksichten
gegen Vornehme nicht nur, sondern auch die gemeinen Bürger
zu beobachten. Sein Haus stand dem Besuche Aller often,
und ging er aus, so musste er sie beim Namen zu nennen,
auch wolil etwas verbindliches zu sagen wissen. Unmöglich
konnten iliiii jeden Augenblick die Namen und Vei'hältnisse
aller gegenwärtig sein, und so hielt man sich Sklaven, deren
eigenes Geschäft und Verdienst es war, die Namen Aller zu
wissen und dem lleirn beim Ausgehen anzugeben. Cic. Att.
rV, 1. ad urbein ita ve?ii, ut nemo tdlius ordinis honio nomen-
clatori notus fuerit, qui mihi obviam non venevit. p. Mur. 36.
Ihr Gedächtniss wurde daher zum Sprüchworte; aber sehr oft
mochten sie sich auch damit helfen, dass sie falsche Namen
9*
132 Dritter Excurs.
nannten. Sen. ep. 27. vetulus nomenclator, qui nomina 7ion
redditj sed imponit. de ben. I, 3. In Häusern, wo die salutatio
sehr zahlreich zu sein pflegte, wurde der nomenclator ebenfalls
gebraucht, um die Besuchenden zu nennen, während der pa-
tronus sie zu kennen fingirte. Sen. epist. 19. habehas convivas,
quos e turba salutantium nomenclator digesserit. — Eine andere
Funktion hat der nomenclator bei Petron c. 47. und Plin.
XXXII, 6, 21. durch die Prahlerei und die Schwelgerei der
späten Zeit erhalten, nämlich die, den Gästen die einzelnen
Speisen und ihre Vorzüge zu nennen. Wenn nicht Plin. in
allem Ernst der Sache gedächte, so würde man es für eine
vom Schriftsteller dem Trimalchio aufgebürdete Absurdität
halten. Ihr Vorbild findet sich übrigens schon bei Hör. Sat. II,
8, 25 ff. Der Unterschied ist nur der, dass hier ein Freund des
Wirths den übrigen Gästen die Explikation der Speisen giebt.
Wichtig sind auch die lecticarii (Orelli Henzen 2871.
6285. 6323. DiCx. XXXII, I, 49 pr.)-, denn die besonders in
der letzten Zeit der Republik immer herrschender werdende
Sitte, sich ausser der Stadt (Frauen auch innerhalb derselben)
und in den gestationibus auf einer lectica tragen zu lassen,
erheischte besonders dazu taugliche ixnd geübte Sklaven, die
auch durch die Tracht sich auszeichneten. S. I, S. G5 f. Man
nahm natürlich dazu die stärksten und durch ihre Grösse im-
ponirendsten: Syrer, Germanen, Kelten, später aber vorzugs-
weise Kappadozier (Petron 63.), bald sechs (Juv. I, 64. sexta
cervice ferri. Martial. VI, 77.), baidacht (Juv. VII, 142.):
lectica hexaphoros oder octaphoros. Die Sitte wird hinlänglich
geschildert durch Lucian. Cynic. p. 722. vfislg, oi rote dv&Qw-
TTOig «Tf vTToüvyioig yQtjaOs, y.tXevBTe ö'f avrovg w^mn afid^ug rag
•/Xivag totg r(>ayi]loig dyeiv. avroi 8' dvo) y.ardy.eiGÜe tQvcfävztg^
xai iy.ei&sv oigneg ovovg Tjvio'iehe rovg did^ncoTrovg ravrt^r a).Xd jw^
TUVTijv TQmsa&ai üsXeiovtEg. Sen. ep. 31. turba sewonim lecti-
cam per itinera urbana ac peregrina portantium. Juv. III, 239.
VI, 350. Andere Stellen s. bei Tit. Popma, de op. serv. in
Pol. thes. III, p. 1336. vgl. Lips. Elect. I, 19. Böttig. Sab,
n, S. 202.
Die Sklaven. 133
Wie dem Herrn Sklaven folgten, so gingen vor ihm oder
vor der lectica anteambulones, um im Gedränge Platz zu
machen. Zwar sind diese eigentlich nicht Sklaven, sondern
aus der Klasse der Dienst thuenden Clienten ; so sagt Martial
III, 46., der, um nicht beständig die opera togata zu leisten,
seinem rex seinen Freigelassenen anbietet, der selbst den
lecticarius oder anteambulo machen könne:
Non est, inquis, idem. Multo plus esse jjrobabo:
Vix ego lecticam subsequor; illeferet.
In turbam mcideris ; cunctos umbone r ep eilet ;
Invalidum est nobis iiigenuumque latus.
Allein die Sache wird auch hinsichtlich solcher Sklaven er-
wähnt. AcROx zu Hör. Ep. I, 18, 74. servos quoque officiosos
in turba hunc et illian in latus fodiendo dicere solitos: date locum
domino meo. Darauf bezieht sich die Anekdote bei Plin. ep.
III, 14. Eques Romanus a servo eius (Largii Macedonis), ut
transitum daret, manu leviter admo?iitus convertit se, nee servum,
a quo erat tactus, sed ipsum Macedonem tarn graviter palma
percussit, ut paene concideret. vgl. Luc. Nigr. 34.
So ging man in der Stadt; aber auf Reisen war überhaupt
das Gefolge grösser und schon unter den ersten Kaisern wurde
ein luxuriöses Gepränge mit Vorreitern und Läufern üblich,
cursores und Numidae, welche vor der Ileda oder Carruca
herliefen und ritten. So sagt Seneca ep. 87. 0 quam cuperem
Uli (Catoni) nunc uccurrere aliquem ex his Trossulis in via divi-
iibus, cursores et Numidas et multum ante se pulveris agentem.
Ders. ep. 123. Omnes iam sie peregrinantur, ut illos Numidarum
praecurrat equitatus, ut agmen cursorum antecedat. Suet. Ner.
.30. Tit. 9. S. Elm. ad Appul. Met. X, p. 688. Bat. — Daher
sagt Mart. III, 47. von einem, der die Erzeugnisse des Lan-
des aus der Stadt mit auf das Land nimmt: Nee feriatus ibat
ante carrucam, Sed tuta foeno Cursor ova portabat. und von
sich selbst XII, 24. Non rcctor Libyci niger caballi, Succi7ictus
neque cursor antecedit. — Wie indessen schon erwähnt worden
ist, war solcher Luxus in den Zeiten der Republik etwas Un-
erhörtes; denn aus der figürlichen Rede CicKRo's, Verr. V. 41.
134 Dritter Excurs.
quem iste in decumis, in rebus capitalibus, in omni calum?iia,
praecursorem habere solebat et emissarium. lässt sich nichts fol-
gern. Etwas Aehnliches indessen erwähnt Cic. de rep. I, 12.
Dixerat hoc ille, cum piier niintiavit, venire ad eum Laelium
domoque tarn exisse. Das ist auch ein vorausgelaufener Sklave,
der die Ankunft seines Herrn meldet.
Noch kann man vielleicht den Sklaven, Avelche beim Aus-
gange gebraucht wurden, die capsarios hinzufügen. Das Wort
hat indessen verschiedene Bedeutungen, in wiefern die capsa
selbst verschieden gebraucht wurde: 1) hiess cajjsarius der,
welcher in den Bädern die Kleider der Badenden in Verwah-
rung nahm und in die capsa that, weil nirgends die Diebstähle
häufiger waren. S. die Erklärer zu Petr. 30 Burm. — 2) der
Sklave, welcher den Kindern, wenn sie in die Schule gingen,
die Dinge, welche sie beim Unterrichte brauchten, in der capsa
nachtrug. Juven. X, 117. Quem sequitur custos angustae ver-
mda capsae. Daher werden sie mehrfach mit den Pädagogen
erwähnt. Suet. Ner. 36. Constat quosdam cum paedagogis et
capsariis uno prandio necatos. Vgl. oben S. 66. — 3) waren es
auch wohl die, welche dem Herrn das scrinium (capsa. Cic.
div. in Caec. 16.) nachtrugen. Dann sind sie vielleicht so viel
als die scriniarii, welche auf Inschriften bei Gruter u. a. mehr-
fach vorkommen, wicAvohl darunter auch die verstanden wer-
den können, welche custodes scriniorum waren.
Dagegen sind adversitores mit Unrecht als eine besondere
Klasse von Sklaven angeführt. Der Name kommt überhaupt
nur in dem Personenverzeichnisse der Mostellaria vor und
scheint für diesen besonderen Fall geschaffen. Der Herr ent-
liess, im fremden Hause angelangt (wenn das wirklich auch
von römischer Sitte gilt), die pedisequos und Hess sich von
ihnen wieder abholen. Klar ist Plaut. Mosteil. I, 4, 1. wo
Callidamatas den Philolaches besucht, und zu dem Sklaven,
der ihn begleitet hatte, sagt: Advorsum veniri mihi ad Philo-
lachetem volo tempori. Daher sagt dann Phaniskus (der eben
desshalb im Verzeichnisse der Personen mit dem sonst nicht
vorkommenden Namen adversitor bezeichnet wird) IV, 4, 24.
Die Sklaven. 135
Nunc eo advorsum hero ex plurimis servis. vgl. Menaechm. 11,
3, 82. Ter. Ad. I, 1, 2. Ueber Terenz hinaus scheint der
Sitte keine Erwähnung mehr zu geschehen. Unzweifelhaft ist,
dass man später die Sklaven auch im fremden Hause bei sich
behielt, zumal bei der coena, um die Kleider und soleas auf-
zubewahren und hinter dem Herrn zu stehen. Für die Sitte
ist anzuführen Martial, XII, 88.
Bis Cotta soleas perdidisse se questus.
Dum negligente)n ducit ad pedes vernain.
obwohl der verna möglicherweise auch dem Gastgeber ange-
hören konnte, und Seneca, Benef. III, 26. und 27., wo zwei
Beispiele sich finden, erstlich das des Paullus, der den Kopf
Tibers, welchen er als Cameo im Kinge trug, matellae adrao-
verat. Das war für den Vestigator Maro hinreichendes Ver-
brechen, um eine Anklage darauf zu gründen; der Sklave des
Paullus aber hatte seine Absicht bemerkt und dem Herrn den
Ring vom Finger gezogen (servus eins, cid nectebantur insidiae,
ei ebrio amduin extraxit). Und dann von liufus einem vir ordi-
nis senaiorii, der gegen August gesprochen hatte: Ut primum
diluxit, serinis qui coenanti ad pedes steterat^ narrat, quae inter
coenam ebrius dixisset. Auch hier kann die coena im Hause
des Rufus gewesen sein, Wt^STEMANN, Rec. des Gallus p. 148.
Andere Beispiele s. im 1. Excurs zur 9. Scene.
Dass man auch eigene laternarios gehabt habe, wird sich
aus Cic. in Pis. 9., wo Piso Catilinae laternarius genannt wird,
nicht folgern lassen; dass man indessen sich beim Heimwege
von den erwähnten abholenden pedisequis Fackeln oder Later-
nen vortragen Hess (bekannt ist die Auszeichnung des Duillius),
erhellt aus mehreren Stelleu. Val. Max. VI, 8, 1. M. Anto-
nius incesti reus agebatur; cuius in iudicio accusatores servum in
quaestionem perseverantissime postulabant, quod ab eo, cum ad
stuprum iret, lateruam praelatam contenderent. S. besonders
luvEN. III, 285 ff. Petr. 79. Auch Suet. Aug. 29. nennt
einen servum praelucentein.
Noch siTid als Sklaven, die ausser dem Hause gebraucht
wurden, zu erwälinen die von Plauj'. Aul. HI, 5, 20. genanu-
J^36 Dritter Excurs.
teil salutigeruli pueri oder Trin. II, 1, 22. nuncii, re?iuncii,
Sklaven, die gebraucht wurden, um gewissermassen mit An-
deren eine mündliche Correspondenz zu führen, und die tabel-
larii, von denen bei Gelegenheit des Briefs gesprochen wird.
Vocatores bildeten entweder eine besondere Classe, oder waren
nuncii oder andere Sklaven, die den Auftrag erhielten, die
Gäste einzuladen, Martial. VII, 86, 11. Suet. Cal. 39. com-
pererat^ — locupletem ducente sestertia nuinerasse vocatoribus ut
per fallaciam convivio interponeretur. Sen. de ira III, 37. Plin.
XXX, 10, 36. Dahin gehören auch die viatores, Petron. 47.
te iuhebo in decuriam viatorum coniici.
Die Namen der übrigen zahlreichen vulgares, welche be-
stimmte Hausgeschäfte hatten, erklären sich theils durch sich
selbst, theils finden sie ihre Erklärung bei Erörterung der
Theile des Hauswesens, für die sie beschäftigt sind. Dahin
gehören alle, welche für die Bedürfnisse der Tafel sorgen und
sie bedienen^ als: pistores, dulciarii, lactarii, coqui, fartores,
placentarii, tricliniarii mit dem tridiniarcha^ structores, auch
carptores und scissores, obsonatores^ pocillatores und a cyatho
oder a potione, S})'ä.ter praegustatores u. s. w., oder für Haus-
und T afeig er äthe: a supellectile^ ab auro escario, ab argento.,
lampadarii, oder für Kleidung und Schmuck: vestiarii^ vestifici,
lanipendiae, lanißcae, lanistae, paenularii, a veste und ad vestem,
auch vestispici, vestiplici, ab ornamentis^ ad margaritas, custodes
auri, orjiatrices, cosmetae, tonsores, ciniflones oder ci?ierarii, ad
unguenta, unctores^ unguentarii, perfusores^ balneatores u. a.
Von ihnen wird gelegentlich die Rede sein.
Sehr unklar ist es, ob und wie man von der Klasse der
vulgares die der
Mediastini
zu unterscheiden habe. In dem angeführten Fragmente Ulpians
werden sie mit den vulgaribus durch ein vel verbunden, nicht
diesen durch an entgegengesetzt-, es fragt sich daher, in wie
fern sie gleichwohl von ihnen verschieden waren. Am häufig-
sten kommen sie in der familia rustica vor. Cic. Cat. II, 3.
exercitus collectus ex r'usticis mediastinis. Colum. II, 13. posse
Die Sklaven. 137
agrum duce7itorum iugerum suhigi duobus iugis boum, totidemque
bubulcis et sex mediastinis. id. I, 9. separandi sunt vi7iitores ab
araforibus, iique a mediastinis. und dann lo7igissiinum quemque
aratorem faciemus. mediastinus qualiscunque status potest esse,
dummodo perpetiendo labori sit idoneus. Allein auch in dei*
urbana gab es solche Sklaven. So sagt Horaz zu seinem Vil-
licus, der früher in der Stadt mediastinus war, epist. 1, 14, 14 fg.
Tu mediastinus tacita prece rura petebas:
Nunc urbem et ludos et balnea villiens optas.
DiG. IV, 9, 1. Caeterum si quis opera mediastini fungitur, non
continetur (edicto), ut puta atriarii, focarii et Ms similes. Orelli
Henzen 6325. Ferner Ulp. Dig. VII, 7, 6. Cum de servi ope-
ris artificis agitur, pro modo restituendae sunt; sed mediastini
secundum ministerium. Daraus folgt, dass es eben auch vulga-
res sind, aber von der niederen Klasse, die zu jedweder ge-
meiner Verrichtung gebraucht wurden, in der rustica fast wie
geringe Knechte oder Handlanger, in der urbana gemeine
Haussklaven , z. B. fornicarii und fornicatores, s. 1. Excurs
zur 2. Scene. Sie scheinen auch bei Cic. Par. V, 2. gemeint
zu sein: Sed ut infamilia qui tractant ista, qui tergunt, qui
ungunt, qui verrunt, qui spargunt, non honestissimum lo-
cum servitutis tenent etc. Daher ist die von Acro und dem
ScHOLiASTEN dcs Cruquius ZU Hor. epist. I, 14, 14. gegebene
Etymologie: qui in medio stat ad quaevis imperata paraius,
Avenn auch nicht richtig, doch nicht unpassend, dagegen die
zweite: in media urbe (uarti) viventes ahsurd. — Non. II, 573.
sagt: mediastri?ios (sie) 7io7i balnearum, sed viinistros et cura-
tores aedium leginius. Lucilius l. XV IL Villicum Aristocratem,
mediastrinum atque bubulcu7n. Cato i7i pi^aeceptis adfilium: Uli
Imperator tu, ille ceteris 7nediastri7ius. Dagegen erklärt sie
pRisciAN. p. 1244. für bahieatoresy was sie als eine der nie-
drigsten Klassen auch oft sein konnten. Auf Inschriften bei
Gruter 577, 3. 4. steht einmal mediastinus babiearis, auf der
anderen hält ein Sklave einen Besen, scopae, und einen Korb:
Cornelius servus 7iiediastinus. Also auch dieses zeigt die allge-
i38 Dritter Excurs.
meinere Verwendung der mediastini. Vgl. übrigens Duentzer
zu Hör. a. a. O.
Noch viel unklarer ist es, Avas man sich bei den von
I^LPiAN genannten
Quales - Quales
zu denken habe: iitrum Ordinarius — an vulgaris vel meclia-
stinus — an qualisqualis. Entweder heisst es : der Erste Beste,
jeder beliebige Sklave, da nach den mediastinis kaum noch
eine tiefere Klasse übrig bleibt; oder es war eine Art 8traf-
klasse: qualiquali conditione viventes. Darunter würden jedoch
die nicht begriflTen sein, welche vi?icii, compediti in den pistrinis,
lapicidinis, ergastidis oder run arbeiten mus.sten, denn sie wer-
den gleich darauf genannt und es stehen die ergastula der
übrigen Familie entgegen. Appul. Apol. p. 504 Bip. Qidn-
decim liberi homines 2>opidus est] totidem servi familia; totidem
vincti ergastidum. Vgl. LiPS. El. II, 15.
Von den ancillis oder servabus kommen hauptsächlich die
ornatrices oder die, welche für Kleidung und Schmuck, und
bei der Toilette ihrer Gebieterin beschäftigt waren, in Betracht.
Allein ihr Dienst erklärt sich besser bei der Tracht selbst mid
überdiess hat von ihnen Böttiger sehr erschöpfend gehandelt.
Nur sei gleich hier gegen ihn erinnert, dass weder die cosme-
tae^ wie es I, S. 22., noch die cinißojies, wie es I, S. 144. heisst,
weibliche Sklaven waren. Vgl. Heindorf zu Hör. Sat. I, 2,
98. — Die verschiedenen Beschäftigungen der Sklaven auf
dem Lande und in der Stadt behandelt Wallon II, p. 94 —
139. Ein ungeordnetes Material bieten Pignorius und Popma.
Lage und Behandlung der Sklaven.
Die Lage der römischen Sklaven war überaus hart und
hierin bleibt die römische Sitte bedeutend hinter der griechi-
schen Humanität zurück. Es ist zwar eine durch das ganze
Alterthum hindurchgehende Grundansicht, dass der Sklave
wie jede andere Sache als völliges Eigenthum des Herrn gilt,
der ihn zu jedem beliebigen Zwecke gebrauchen, über ihn
nach Gefallen verfügen, ihn nach Befinden auch tödten darf;
allein der Grieche, wenn ihm auch bürgerlich der Sklave ohne
Die Sklaven. 139
allen Reclitsstand war, erkannte doch nach allgemeinem Men-
schenrechte ihm Personalität zu und die Gewalt des Herrn
hatte eine bestimmte Grenze. Wenn daher Gai. Inst. I, 52.
sagt: apud omnes peraeque gentes cmwiadvertere possumus, do-
minis in servos vitae necisque potestatem esse, et quodcunque per
serviim acquiritiir, id domino acqidritur.^ so ist diess z. B. in
Bezug auf Athen nicht wahr. Dort hatte allerdings der Herr
auch ein sehr ausgedehntes Züchtigungsrecht, allein keines-
wegs das Recht, den Sklaven eigenmächtig zu tödten. Axtiph.
de caede Herod. p. 727. Ja auch der Avillkürlicheu grausamen
Behandlung war eine Schranke gesetzt, dass in solchem Falle
der Herr gezwungen werden konnte, den Sklaven zu verkau-
fen, s. Charikl. n, S. 34 f.
In Rom war das anders. Durch die ganze Zeit der Re-
publik und (mit geringen Beschränkungen) im Grunde bis iu
die Zeit der Antonine stand dem Herrn die unbeschränkteste,
rechenschaftslose Gewalt über seine Sklaven zu. Er durfte
ungestraft die grausamsten Martern an ihnen verüben und
eigenmächtig sie tödten. So galt der Sklave nur als Sache,
und es konnte wirklich bei tyrannischen harten Gebietern in
Zweifel kommen, ob er als ]\Iensch zu betrachten sei. Treff-
lich schildert den "Widerstreit der vernünftigeren Ansicht mit
der tyrannischen "Willkür das Zwiegespräch bei Iuven. VI,
218 ff.
Pone crucem servo. — Meridt quo crimine serviis
Supplicium? quis testis adest? quis detulit? audi,
Ntdla unquam de morte hominis cunctatio longa est. —
0 detnens! ita servus homo estf nil fecerit, esto:
Hoc volo; sie iubeo; sit pro ratione voluntas.
Nicht weniger bezeichnend ist es auch, wenn bei Petr. 71.
Trimalchio (selbst einst Sklave) seinen Gästen versichert:
Amici, et servi Jiomines sunt et aeqiie unum lactem biberunt.
Wenn demungeachtet der den Herrn zunächst bedienende
Sklave schlechthin sein homo genannt wird, wie bei Cic. p.
Quinct. l'J. }ioini)ieni P. Quinclii deprehendis in publico. und
öfter bei Plautus, so hat das mit seinem Rechte als Mensch
140 Dritter Exeu rs.
nichts gemein. Zwar hat man neuerlich ein doppeltes Element
des römischen Sklavenverhältnisses angenommen, ein sach-
liches und persönliches, s. Reix, röm. Privatrecht S. 552 f.-,
allein man legt wohl zu viel Gewicht auf die philosophische
Ansicht, die allerdings die Personalität und das ius commune
dem Sklaven nicht absprechen konnte. Wenn also Sek. de
dem. I, 18. sagt: cum in servuni omnia liceant, est aliquid, quod
in hominem licere commune ius vetet. so ist das eine Appellation
an Vernunft und Gefühl, beweist aber nicht das faktische Be-
stehen eines solchen Verhältnisses, das vielmehr erst durch
spätere, die Sklaven schützende Gesetze hervorgerufen wurde.
S. auch Macrob. Sat. I, 11. Freilich wurde jenes strenge
Kecht zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Familien
verschieden geübt, und durch billige Denkungsart des Herrn
wie durch Brauchbarkeit des Sklaven gemildert, aber es gab
doch immer dem härteren Herrn Gelegenheit, ungestraft gi-au-
sam zu sein. Darum schildert Petrus ÜHRYSOLoaus, Serm.
141. gewiss wahr: Qaidquid domi7ius indebite, iracunde, Ubens,
7iolens, oblitus, cogitans, sciens, nescius circa servum fecerit, iudi-
ciuin, iustifiaj lex est.
Auch übrigens war die Lage der römischen Sklaven
drückender als die der griechischen, und zwischen dem Herrn
und ihnen lag dem Ernste und der Gemessenheit des römi-
schen Charakters gemäss eine Kluft, die jede Annäherung ver-
hinderte. Charakteristisch ist es, was Plut. de garrul. 18.
lU, p. 59 W. von dem Sklaven des Piso erzählt. Er setzt
hinzu: Ovimg fih 'Pa)[i(dy.og oixfztjg. o 8l l4triy.og £()ei rqi Öe-
anortj (s-Minraiv, icp otg ysyoruaiv ai dtaXvasig.
Jene Strenge des Rechts milderte sich allerdings im Le-
ben und namentlich fand in ältester Zeit, wo die ganze Fa-
milie, die nur wenige Haussklaven zählte, in engerem Ver-
bände lebte, trotz dem strengen Rechte ein vertrauliches Ver-
hältniss Statt. Macrob. Sat. I, 11. maiores 7iostri omnem do-
minis invidiam, omnem servis contumeliam detrahe7ites, do)7iinum
patremfamilias , servos fa7niliares appellaverunt. Die ganze
Familie ass gemeinschaftlich. Plut. Coriol. 24. x«J yaq iiqävio
Die Sklaven. 141
7ioU.y TTQog rovg oiy.ira^' imsixfi'n roze, 8i' avrovQyiuv y.ui ro y.oi-
vcorsTv diaiTVjg ijfisnateQOv ty^avteg JiQog avrovg xai avvrjxfta'ZSQOv.
Cat. mai. 21. Sex. ep. 47. Indessen lagen die Sklaven nie mit
bei Tische, sondern zu den Füssen der lecti waren subsellia,
Bänkchen, und auf diesen sassen die Kinder, Leute geringeren
Standes, auch die Sklaven. Daher begnügen sich die Parasiten
mit diesem Platze: Plaut. Capt. III, 1, 11. Nil morantur iam
Lacones imi subselli viros Plagipatidas. Stich. HI, 2, 32. Saud
postulo equidem in lecto med accumbere. Scis tu med esse unum
imi subselli vinim. vgl. V, 4, 21. Daher auch Terenz an der
Tafel des Cäcilius, Vit. Terent. Ad coenantem cum venisset,
dictus est initium quidem fabulae, quod erat contemtiore vestitu,
subsellio iuxta lectulum residens legisse. post paucos vero versus
invitatus ut accumberet, coenasse una. So sassen selbst an der
kaiserlichen Tafel des Claudius Kinder. Suet. Claud. 32.
Adhibebat omni coenae et liberos suos cum pueris puellisque nobi-
libus, qui more veferi ad fulcra Icctorum sedentes vescereiitur.
Endlich werden die subsellia als Platz für die Sklaven aus-
drücklich bezeichnet von Sen. de tranquill. II, 15. Non acci-
piet sapiens contuyneliam , si in convivio regis recumbere infra
mensam, vesciqiie cum servis ignominiosa officia sortitis iubebitur.
Das gehört aber nur in die Zeit jener horridi barbati, wie Ci-
cero sie nennt und diese Art Familienleben hörte frühzeitig
auf. Der Sklave ass nicht mehr mit dem HeiTn, sondern er
erhielt bald monatlich, bald täglich ein gewisses Maass der
unentbehrlichsten Lebensmittel, menstrua oder diaria cibaria.
Dieses Deputat wurde demensum genannt. Wie viel es betra-
gen habe, wissen wir nur unvollkommen. ZAvar sagt Doxat.
zu Ter. Phorm. I, 1,9. Servi quaternos vtodios accipiebant
frumenti in mensem^ et id demensum dicebatur. und Seneca ep.
80. servus est, quinque modios accipit. Er spricht aber von
Schauspielern, und was Donat sagt, ist jedenfalls aus Cato's
Vorschriften entlehnt, der nur von der familia rustica spricht,
und natürlich wird es in der urbana anders gehalten worden
sein, wie denn auch sicher hier ein Sklave mehr und bessere
Kost erhielt, als der andere. Cato nun R. K. 56 ff. bestimmt
142 D ritte r Exeu rs.
nach Verliältniss der schwereren oder leichteren Arbeit nicht
nur in Ansehung der verschiedenen Beschäftigung, sondern
auch der arbeits volleren Jahreszeit, für den Monat 4 — 5 modii
Getraide. Wein: zunächst nach der Weinlese lora (ohne
Maass), im vierten Monat täglich 1 hemina ^= 2^/2 congii (etwa
H^l ^ Dr. K.), im fünften bis achten Monate täglich 1 sext. =
5 cong., im neunten bis zwölften täglich 3 hem. == 1 amphora
(nicht ganz). Ausserdem an den Saturnalien und Compitalien
jedem 1 cong., im ganzen Jahre 8 amphorae oder quadr., für
die compeditos 10 quadrantalia. An Oel monatlich 1 sext.
und an Salz 1 mod. Dazu kommen noch Feigen, Oliven, halec
und Essig. — Dass das Deputat monatlich gegeben wurde,
sieht man aus Plaut. Stich. I, 2, 2.
Vos meministis quot kalendis petere demensum cibum:
Qui minus meministis, quod opust facto, fucere in aedibus?
Darauf bezieht sich auch der Scherz des Sykophanten, der im
Olymp gewesen sein wollte. Plaut. Trin. IV, 2, 102.
Charm. Ati tu etiam vidisti lovemf
Syc. Eum alii di isse advillam aibant servis depromptum cibum.
Ein Beispiel, dass auch für die familia rustica das demensum
und sogar das Futter für das Vieh in der Stadt gefordert wurde,
findet sich Mosteil. I, 1, 59. Ervom daturin' estis, bubus quod
feram? Date aes, si non estis. Tranio antwortet darauf: Ervom
tibi aliquis cras faxo ad villam adferat. Dass indessen auch eine
tägliche Vertheilung nicht ungewöhnlich war, beweist der Aus-
druck diaria. Mart. XI, 108. jmcri diaria poscwit. Hör. ep.
I, 14, 40. Sat. I, 5, 67 flF.
— Rogabat
Denique cur unquam fugisset, cid satis una
Farris libra foret.^ gracili sie tamque pusillof
woraus wir zugleich sehen, dass die allzusparsame Kost die
Sklaven oft zur Flucht veranlasste. — Ebenso erhielt der
Sklave Kleidung, tunica und sagiim, musste aber die alte wie-
der abliefern; als Schuhe sculponeae.
Konnte der Sklave an diesem Deputate Ersparnisse
machen, so bildete sich daraus ein kleines Vermögen, auf das,
Die Sklaven. 143
wie es scheint, der Herr keinen Anspruch machte, wie denn
überhaupt der Grundsatz: quodcunque per servum acquiritw\
id domino acquiritur. nicht streng festgehalten wurde, sondern
dem Sklaven erlaubt wurde, sich ein peculium zu erwerben,
wovon er sich auch häufig loskaufen mochte. Das erhellt am
deutlichsten aus Terent. Phorm. I, 1, 9 flF.
Quod nie unciatim vix de demenso siio
Siaim defmdans gcniuDi comparsit miser,
Id illa Universum abripiet, haut existumans,
Quanto lahore partum.
und dazu die ganz ähnliche Stelle Sex. ep. 80. Peculium siaan,
quod comparaverunt ventre fraudato, pro capite numeraiit. Vgl.
Rein, röm. Privatrecht, S. 566 f. Natürlich konnte dann der
Sklave auch auf andere Weise zu Vermögen kommen. So bei
Plautus macht der Herr auf da-;, was der Sklave etwa gefun-
den hat oder gefunden zu haben vorgiebt, wie im Rudens und
der Aulularia, keinen Anspruch, sondern der Sklave will sich
davon loskaufen. — In den Zeiten gänzlich verfallender Zucht
gab es oft sehr reiche Sklaven. S. Plin. XXXIII, 10. Sex. de
benef. IH, 28. und bei Petron im Hause des Ti-imalchio.
Die Xamen der Sklaven waren theils dem Vaterland
derselben entnommen, wie Phryx, Geta, Paphlago, Cappadox,
Syrus, oder mit grausamer Ironie alten Helden und Königen
entlehnt, wie lason, Achilles, Priamus, Midas, Croesus, Castor,
Pollux, Lucifer, Hesperus, Ptolemaeus, Pharnaces, Semiramis,
Arsinoe, u. a. (so wie auch noch heute in den Sklavenländern
Namen wie Cäsar, Ponipeius, lupitcr u. a. gewöhnlich sind).
Seltener gab man ihnen die Namen von Ptiauzen, Blumen,
Kräutern und Steinen, wie Amiantus, Beryllus, Narcissus, Hya-
cinthus, Sardonyx u. a. Am seltensten waren römische Na-
men, wie Fabius und Fallax auf einer Inschrift in Pompoii,
AvELLiNO, bullet. Napol. II, 2, N. l'J. Doch sagt Gell. IV,
20. Statins — servile nomenfult. Plerique. apud vetcres servi eo
nomine fuerant. S. Creuzer, Antiq. S. 51. 60. deutsche Sehr.
S. 15 ff. Orelli-Hexzen 2782 ff. 6253 ff. Jahn, spec. 99.
Die Klciduiitr der Sklaven untcrscliied sich von der der
J44 Dritter Excurs.
gemeinen Freien nicht. Sen. de dem. I, 24. dicta est aliquando
in senatu sentetitia, ut servos a liberis cultits distingueret. deinde
apparuitj quantum periculum imnxinerety si servi nostri numerare
nos coepissent. Lampr. Sev. Alex. 27. In animo habuit, Omni-
bus officHs genus vestium proprium dare — , et omnibus servis,
ut in populo possent agnosci — ne servi ingenuis miscerentur.
Sed hoc Ulpiano Paulloque displicuit etc. Zwar sagt Tac. Ann.
Xin, 25. veste servili, allein das lieisst weiter nichts, als in
grober Kleidung, wie sie die Sklaven und die armen Freien
zu tragen pflegten. Das Hauptstück war die Tunica, denn
von der Toga konnte die ganze arbeitende Klasse keinen Ge-
brauch machen und darum steht im Dial. de caus. corr. eloq. 7.
tunicatus populus für gleichbedeutend mit vidgus, ebenso Hör.
epist. I, 7, 65. tunicato — popello. Plaut. Amph. I, 1. 213.
tunicis considis. Sex. de brev. vit. 12. In Stoff und Farbe
stand die Tunica der Gemeinen der der Vornehmen nach, viel-
leicht war sie auch kürzer, um bei der Arbeit weniger zu hin-
dern icolobium). Gegen diese von P. Faber, Eeiz, Böttiger
und zuletzt von Creuzer, deutsche Schrift. S. 30 fg. 45 — 58.
vertheidigte Behauptung beweist Schol. zu luv. I, 3. nichts,
zumal da die Lesart unsicher ist. Weiss, Kostümkunde, Stuttg.
1860, n, S. 1000 f. behauptet zwar in der Anmerkung gegen
Becker „ein besonders bestimmtes Sklavenkleid", sagt aber
im Text doch nichts anderes, als wir, nämlich dass die Klei-
dung „vorherrschend nur in der Tunica bestand und in mehr
oder minder rohen Sandalen" und dass die Sklaven längeres
Haupthaar und Bart trugen. — Die Livree der Sänftenträger
s. im ersten Excurs zur vierten Scene.
Was die Ehe der Sklaven betrifft, so gab es allei'dings
solche Verbindungen, die jedoch nur nach dem Naturrecht
galten, und im strengen Gegensatz zu den Ehen der Freien
standen. Darum Messen sie nicht matrimonium, sondern eon-
tubernium und die Gatten contubertiales. Orelli-Henzen
2807. 2826. 2834 fg. 4158. 4161. 5725. 6134. 6262 f 6291.
6296. Auch conserva hiess eine Sklavengattin, Orell. 2788.
2794. 2820. 6294. 6668. selten coniux, 2841 ff. Nur der Herr
Die Sklaven. 145
hatte zu bestimmen, welche Skhiven zusammenleben sollteii,
s. CoL. I, 8. qiialicunque villico contiihernalis mulier ossignanda
est. Er war dabei sehr interessii-t und sah daher wohl auch
auf gegenseitige Zuneigung oder Avenigstens Wohlgefallen.
Varr. R. E. I, 17. Praefectos alacriores faciundwn praemiis,
dandaque opera, ut habeant peculium et coniunctas conservas,
e quibus habeant filios. eo enim fiunt firmiores ac coniunctiores
fundo. ganz abgesehen von dem ihm aus der Geburt der ver-
nae entspringenden Vortheil. Der ältere Cato nahm sogar
Geld von seinen Sklaven, die mit einer Sklavin zusammen-
leben wollten, Plut. Cat. mai. 21. — Zuweilen mochte das
Loos die Contubernalen zusammenführen, Orell. inscr. 2834.
S. noch Petrox. 57. Plaut. Gas. prol. 66 — 74. mit Rosts
Abh. darüber in opusc. p. 64 — 71.
Die Strafen für die Vergehen der Sklaven waren man-
nigfaltig, natürlich durchaus körperlich, da hierin der Römer
mit den Griechen übereinstimmt, dass der Sklave im Gegen-
satze zum Freien allemal mit dem Leibe büsset, daher er auch
bei gerichtlicher quaestio stets gefoltert wird. Diese Strafen
waren an sich sehr streng, wären indessen bei gesetzmässiger
Anwendung noch erträglich gewesen; allein das Harte des
Verhältnisses lag besonders dai'in, dass der Herr mit völliger
Willkür nach Laune verfahren konnte. Man schaudert, wenn
man liest, welche Behandlung die Sklaven oft wegen geringer
Vergehen erfuhren; aber man darf auch nicht übersehen, dass,
nachdem Jahrhunderte liindurdi, niMii möchte sagen systema-
tisch, die Demoralisation und tiefe Erniedrigung dieser Men-
schen bewirkt worden war, man eine, den F'reieu an Zahl weit
überlegene, durchtriebene und verwegene Klasse vor sich
hatte, die nur durch äusserste Strenge in Ordnung erhalten
werden konnte. Tac. Ann. XIV, 41. — Zu den gelinderen
Strafen gehört zuerst die Verweisung aus der familia urbana
in die rustica, in d;is evgastnluni^ wo sie gewöhnlich catenati
und conipediti arbeiten mussten. Pl.\ut. Most. [, 1, 17.
Cis hercle paucas tempesfates, Tranio,
Auyi'bis ruri nuwerum, geinis fcrratil''.
BecKRR, Uallii^. 3. Aufl. 11. lU
J^46 Dritter Excurs.
Daher sagt Geta, Terent. Pliorni. II, 1, 17. mit komischer
Resignation :
0 Phaedria, vicredib'tlc quaittutn he.nirn codeeo sapie/dia.
Meddata mUd sunt omida mea incommoda, herus st redierd:
Molendum est in pistrino, vapulandum, /labendum compedes,
Opus ruri fackmdum. horuvi tdhil qiddqiiam accidet aniino
novinn.
Das sind die oft erwähnten vincti compede f ossäres, z. B. Ovid.
Trist. IV, 1, 5. TiB. II, 6, 25. Sie bilden eine eigene Abthei-
luug in der Familie, das ergastulum. Col. I, 8, 16. Ergastuli
mancipia vincta compedihus. luv. VIII, 180. Sen. de ira III,
32. Plin. h. n. XVIII, 3. Doch wird man es nicht bloss als
Strafklasse zu betrachten haben, sondern man versicherte sich
anf solche Weise derer, die etwa hätten entlaufen können.
Daher bewohnen sie auch einen Raum unter der Erde. Colum.
I, G, 3. Vinctis quam salubeirimuin subteiTaneum ergastidum
plurimis idque angustis illustratum fenestris atque a terra sie
editis, ne manu contingi possint. Zwar wvirden diese Bagnos
in der Kaiserzeit oft verboten, Spart. Hadr. 18., jedoch nie
ganz unterdrückt. Brisson. sei. ex iure civ. ant. II, 9. Dirk-
SEN, d. scriptores bist. Aug. S. 139 — 143. Dass übrigens diese
compediti nach Cato's Vorschrift c. 56. besser verpflegt wer-
den, d. h. mehr Rationen bekommen, geschieht, weil sie erst-
lich die scliAverste Arbeit verrichten müssen, dann aber auch,
weil sie nicht nebenbei sich etwas verschaften können. Darum
erhalten sie Brot, die Uebrigen Getraide. — Die compes ist
entweder ein mit Kette am Bein befestigter Holzklotz oder,
und zwar gewöhnlicher, ein eigentliches Beineisen. Daher das
Sprüchwort: compedes, quas ipse fecit, ipsics lä gestet /aber.
(Wer Anderen eine Grube u. s. w.). Ausserdem wurde oft ein
Halseisen angelegt, collare (ähnlich dem griechischen -Aoiög),
und Handschellen, manicae. Lucil. bei Non. I, 162. cum ma-
nicis, catuln^ collarique id fugitivum deporttm. IV, 313. Plaut.
Capt. II, 2, 107.
Hoc quidem haud molestum est iani^ quod colhis collari caret.
Daher ist Trin. IV, 3, 14.
Die Ski aveii. 147
Oculicrepidae, crurlcrepidae^ fennteri, mastigiae.
unzweifelhaft zu coi-rigiren : collia^epidae. Der von Lucil. ge-
nannte catuhis war auch eine Fessel, Avahrscheinlich von ca-
tena abzuleiten, indem man mit höhnischer Ironie statt catella
catellus^ dann catidus sagte. Plaut. Cure. V, 3, 13.
Delicatian te hodie faciam, cum catello iit adctibes:
Ferreum ego dico.
Dann ging man noch weiter und Ijrauchte in demselben Sinne
canis. Gas. II, G, 37.
Tu qiddem hodie canem et furcam fevaa.
Paul. p. 45. Catidus genus quoddain vincidij qid interdnm canis
appellatur.
Schläge waren sehr häufig, bald mit fustihus oder virgis,
namentlich ulmeis; daher facere aliquem ubneinn. Plaut.
Asin. n, 2, 96. ulmitriba^ Pers. II, 4, 7. ulmonim Ac/ieruns,
(i. e. in cuius tergo moriuntur ulmeae) Amph. IV, 2, 9. oder
mit loris, daher bei Plautus eigene lorarii; auch habenis, Hör.
epist. II, 2, 15. Darum nennt Libanus Plaut. Asin. I, 1, 21.
das pistrinum , die Stampfmühle , die dem ergastulum gleich-
steht, wo gewöhnlich die zu Bestrafenden schwere Arbeit ver-
richten mussten: ustitudines, ferricrepinas insulas, ubivivos ho-
mines mortui incursant boves. Daher kamen auch die eigenen
Schimpfwörter: verbero oder verbereu7n Caput. Pers. II, 2, 2.
verbera statua. Capt. V, I, 31. Pseud. IV, 1, 7. und das sehr
gewöhnliche mastigia. Diese Strafe war so alltäglich, dass sie
von Vielen nicht besonders gefürchtet, und selbst darüber ge-
scherzt wurde. So sagt Chry.salus, Bacchid. II, 3, 131. Si Uli
sunt virgae ruri, ät mihi tergum domist. So ijibanus, Asin. II, 2,53.
Ilabeo opinor familiärem tergum, ne quaeram foris.
Diese virtus und firmitudo animi wird sehr launig geschildert:
eb. III, 2, 3 ff. wo zugleich eine Menge anderer Strafen auf-
gezählt werden :
Scapularum conßdentia, virtute idmorum freti, ....
Q«/ advorsum stimulos laminas crucesque conpedisque
Nervös catenas carceres numellas pedicas bniasj
fnductorrsque acerruinos gnarosqiir nostri tergi.
10 ■
148 Dritter Ex cur s.
und so oft bei Plautus, aus dem man überhaupt das Sklaven-
leben von allen Seiten kennen lernt. — Auch wurde der
Sklave an den Händen aufgehängt, während an die Füsse
zugleich Gewichte gebunden wurden, wozu gleichzeitig
Schläge kamen. Plaut. Asin. II, 2, 31.
Ad pedes quando adligatunist aequom centupondium.
Ubi maniis manicae conplexae sunt atque adductcic ad tvabem.
Daher häufig pendere und ferire pendentem. Triu. II, 1, 19.
Most. V, 2, 45. Asin. III, 3, 26. Ter. Phurm. I. 4, 42. Eun.
V, 6, 20.
Härtere Strafen waren: die Brandmarkuug, nament-
lich für die fug'ä'tvos und fures. Es wurden dann Buchstaben
zur Bezeichnung des Vergehens auf die Stirne gebrannt, und
eben darum werden solche Gebrandmarkte literati genannt.
Plaut. Gas. II, 6, 49. und vielleicht bezieht sich darauf auch
Aul. II, 4, 46. trium Uierarum homo. (entweder für oder es
heisst ein mehrmals Gebrandmarkter) oder sfigmosi, Petr. 109.
denn Stigmata ist der eigentliche Ausdruck für diese notas.
Auch notati^ inscripti. Mart. VIII, 75, 9. Sexec. de ira III, 3.
Plin. XVHI, 3, 4. Hesych. ygatifiara dnamTa (für die fugi-
tivos). — Ob das Zeichen ein einzelner Buchstabe F gewesen
oder mehrere, ist zweifelhaft; denn Petr. 103. kann nichts
entscheiden. Das Letztere könnte desshalb wahrscheinlicher
sein, weil ausserdem für und fugitivus nicht zu unterscheiden
waren. Allein derselbe Buchstabe K bezeichnete auch Kalen-
dae, Kahüunia, Koput, ohne unterscheidendes Merkmal. Vgl.
Long, de orthogr. p. 1218 Putsch, und von dem Zeichen für
die Calumniatores sagt Cic. p. Rose. Am. 20. ausdrücklich:
literam illam, cui vos usque eo inimici estis, ut etiam omnes
calendas oderitis, ita vehementer ad Caput affigent etc. Die Stig-
mata blieben für das ganze Leben sichtbar (Val.Max. VI, 8,7.
inexpiahilis literarum nota), und mancher späterhin frei und
reich gewordene niusste sie unter Schönpflästerchen, i>pleniis,
zu verstecken suchen. Mart. II, 29.
Et numerosa linunt stellantem splenia fronteui.
lyiioras.) quis sit? Sph'iiia tolle: leges.
Die Sklaven. 149
Indessen fuhrt derselbe Dichter einen Arzt, Eros, an, der die
Spuren der früheren Brandmarkungen zu vertilgen wusste.
X, 56, 6.
Eine sehr häufige Strafe war das Tragen der fiirca. Sie
sollte in früherer Zeit nur zur Beschämung dienen. Donat. zu
Ter. Andr. III, 5, 12. qui ob leve dcUctum cogehantur a domlms
ignominiae magis quam si/pplicii causa circa, vicinos furcnm in
collo fcrre, subligatis ad eum manibus. Plut. Cor. 24. i:v Sf /<f-
l'ähj y.f)Xaaig <>r/.hrov nhjtfdzh'iaarrog , ei ^v).or äu '^t^g, 6p tov nv-
fiov vTTSQt/dovciiv aod[4eroi: Öif^i-^xhx nana rt^v ysirviaaiv. 0 yan
TovTf) TTC.Var y.ai öq^x}sig nanu rcöv avvoiy.cor y.ni ytiTmcoi ovyJri
niotiv ei/si'. Exaleirn öi- cfovoyicf^n. ö ywy'EXh^veg vnoaTdTijv y.at
OTrjQiyiia., rovro Pcoiudot cfovoy.ar oroud^ovaiv. Die furca hatte
ungefähr die Form eines V, und wurde über den Nacken und
die Schi;ltern gelegt, während die Arme an ihren beiden nach
vorn stehenden Schenkeln festgebunden wurden. Plaut. Gas.
II, 6, 37.
tu quidpin hndie canem et furcam feras.
Ein weit härterer Grad der Strafe war es, wenn an dem so
Gefesselten körperliche Züchtigung vollzogen wurde, Plaut.
j\Iost. I. 1, 58. Liv. II, 36. sub furca caesum. Ferner wurde
die furca angewandt bei Sklaven, welche gekreuzigt werden
sollten, DiONYS. VII, 69. Val. Max. I, 7, 4. Cum — quidam
paterfamilias — sei-vum suum verberibus mulcatiim sub furca
ad supplicium egisset. An vielen Stellen ist patibulum (eigent-
lich das Querholz des Kreuzes, Sen. ep. 101. patibulo pendere
destrictum.) gleichbedeutend mit furca. Plaut. Mil. II, 4, 7.
Credo ego istoc exemplo tibi esse pereundum extra portam,
Dispessis manibus patibulum quom habebis.
Most. I, ] , 53. Ita te forabunt patibidatum per vias stimuleis.
Es gingen nämlich (■ar«/^*"''*" hinterher u. schlugen oder stachen.
P^benso NoN. III, 184. u. Lucil. deligat ad patibidos, de/igantnr
et circumferuntw\ cruci deßgimtur. Plaut. Carbon. Patibulum fe-
rat per urbem, dciude affigat cruci. lieber die anderen Bedeu-
tungen und Anwendungen von furca und patibulum s. Paulv,
Kealencykl. III,S. 549 fg. u. V, S. 1 255. AVeun Plaitus a.a.O.
J50 Dritter Ex eins.
sagt: extra portam^ so erklärt sich dieses dadurch, dass alle
supplicia ausserhalb der Stadt vollzogen wurden. Es ist aber
darunter nicht die fabelhafte j)oi-ta Metia zu verstehen, welche
in zwei Stellen des Plaut. Gas. II, 6, 2. und Pseud. I, 3, 97.
hineingetragen worden war (die Codd. haben vii etiam, Avie
gelesen werden muss, s. Ritschl, index schob in univ. Frid.
Guil. Ehen. Bonn 1842.), sondern die Esguilina, vor welcher
auf dem campus Esquilinus der Hinrichtungsplatz und der
allgemeine Begräbnissort Avar. Tac. Ann. II, 32. in P. Mar-
cium Coss. extra portam Esquilinam — viore prisco advertere.
SuET. Claud. 25. Derselbe Platz ist gemeint Tag. Ann. XV,
60. raptus in locum servilibus poenis repositum. Schol. Cruq.
zu Hör. Sat. I, 8, 14. -— ubi certiis erat locus (nämlich vor der
Esquilina) sepulcrorimi ad corjjora pauperum aut scehratorum
viliumque comburenda aut canibus proiicienda. vgl. Plut. Galb.
28. Becker, Handb. der röm. Alterthüm. I, S. 554 ff.
Die Strafe des Kreuzes (crux, in crucem agere, tollere,
figere etc.) war sehi- gewöhnlich und ursprünglich nur für
Sklaven angewandt, so dass crux und servile supplicium das-
selbe bedeuteten , s. die Stellen in Pauly, Realencykl. II, S.
769. Komisch sagt Sceledrus bei Plaut. Mil. II, 4, 19.
Noli minitari: scio crucem fidur am mihi sepulcrum:
Ibi mei sunt maiores siti, pater, avos^ proavos, abavos.
HoR. epist. I, 16, 47 ff.
Nee furtum feci nee fugi, si mihi dicit
Servus: habes pretium, loris non ureris^ aio.
Non hominem uccidi: non pasces in cruce corvos.
s. luv. VI, 216 ff. auf S. 140. In einzelnen Fällen wurden be-
sonders grausame Strafen verhängt, wie Abhacken der Hände
(besonders wegen Diebstahl), Plaut. Epid. I, 1, 11. Suet.
Cal. 32. Claud. 15. Becker, antiq. Plaut, p. 11. Bekannt ist
die Schandthat des Vedius Pollio. Sen. de ira HI, 40. Fregerat
unus ex servis eius crystallinum. rapi cum Vedius iussit nee vul-
gari quidem peritunim morte. Muraenis obiici iubebatur, quas
ingens piscina continebat. Augustus begnadigte ihn und liess
alle ciystallina zerschlagen. Auch wird erwähnt, dass Skia-
Die Sklaven. 151
ven in den Vivarieu den wildtni Thieren zum Frasse vorge-
worfen wurden und bekannt sind die Thiergefeehte, zu denen
Privatleute ihre Sklaven hergaben. Dass der Herr keine
Rechenschaft von seinem Verfahren schuldig war, führte ge-
wiss häufig dazu, dass man sich solcher Sklaven, die Zeugen
von Verbrechen gewesen waren, entledigte. Ein entsetzliches
Beispiel bei Cic. p. Clu. 66. nam Stratonem quidem^ iudices, in
cruceni actum esse exsecta scitote lingua. Ein zweiter war heim-
lich bei Seite geschafft worden. Ein furchtbares Gesetz war
es auch, dass, wenn der Herr des Hauses durch einen seiner
Sklaven ermordet worden war, die ganze Sklavenfamilie ster-
ben musste. Tac. Ann. XIV, 41. Daraus erklärt sich, was
Sulpicius schreibt, Cic. ad Farn. IV, 12. (nach Marcellus' Er-
mordung) : Ego tuinen ad tabcrnaculuvi eins perrexi. inveni duos
libertos et pauculos servos. reliquos aiebant profugisse, metu
perterritos, quod dominus eorum ante tabernaculum interfectus
esset. Eeix, röm. Criminalrecht S. 421 fg. Wallon, H, S.
239—253.
Jene Beispiele besonderer Grausamkeit können nun frei-
lich nicht als Kegel gelten , wenn sie auch gewiss nicht eben
Seltenheiten waren; allein von solchen Extravaganzen abge-
sehen , lag das Unerträgliche des Verhältnisses besonders in
der rücksichtslosen Unfreundlichkeit und lieblosen Härte, mit
welcher die Sklaven im Allgemeinen behandelt wurden. Lehr-
reich ist in dieser Beziehung Sex. ep. 47. infeticibus servis
movere labra ne in hoc quidem , ut loquantur, licet, virga 7nur.
mur omne conipescitur et ne fortuita quidem i^erberibus excepta
sunt, tussis , sternutamentum , singultus. magno mala ulla voce
interpellatum silentium luitur. nocte tota ieiuni mutique perstant.
Das ist keineswegs übertrieben, vielmehr lässt es sich durch
zalilrciche Beispiele belegen, dass sehr häufig wegen der ge-
ringfügigsten Versehen die raffinirtcsten Misshandlungen Statt
fanden. Besonders zeichneten sich darin die Damen aus, von
deren Toilette die schmückenden Dienerinnen, wie noch heute
in Brasilien und anderwärts, selten anders als geschlagen, zer-
kratzt, zci rauft und mit Xadchizcrstoclicii Isnuieii. Iuv.A'J,4'J()ft".
152 Dritter Flxcnrs.
Disponit crinem laceratis ipsa capiUis
Nuda humero Psecas infelix, imdisque mamillis.
Altior hie qjtare cincinnics? Taurea punit
Continuo flexi crimen facinusque capilli.
S. OviD. Am. I, 14, i;?. Art. III, 235. Mart. II, 66. Böttig.
Sab. I, S. 310 ff. 323 ff.
Bei dieser Behandlungsweise lässt es sich erwarten, dass
im Allgemeinen die Gesinnung- der Skla^•en gegen den Herrn
in der Regel eine feindliche , Anhänglichkeit und Treue
wenigstens in der sj)äteren Zeit selten war. Niemand spricht
das bestimmter aus als Seneca 1. 1. (ebenso Macrob. Sat. I,
11.), der, die alte lobend, ein Sprüchwort anführt, das gerade
desshalb, weil es Sprüchwort ist, als lautredendes Zeugniss
gelten muss. At Uli quibus non tantum coram domi7iis, sed cum
ipsis erat sermo, quorum os non consuebatur, pnrati erant pro
doinino porrigere cerviccm , periculum imminens in caput suum
avertere. In conviviis loqiiebantur, sed in tormentis tacebant.
Deinde eiusdem arrogantiae proverbium iactatur: totidem esse
hostes^ qiiot servos. Non habemus illos hostes, sedfacimus. Die
von Sex. allgemein genannten Aussagen auf der Folter sind
nur auf bestimmte Fälle zu beschränken ; denn es war Grund-
satz, von dem Sklaven gegen den Herrn keine Aussagen zu
erpressen. Cio. p. Mil. 22. de servis nulla q^iaestio in dominos,
nisi de incestu. — Sed tamen maiores nostri in dominum de servo
quaeri noluerunt, non quia non posset verum inveniri, sed quin
videbatur indignum. p. rege Dejot. 1. jmrt. orat. 34. So führi
auch Val. Max. VI, 8, 1. nur das Beispiel des M. Antonius
(or.) an, dessen Sklave wegen Incest des Herrn gefoltert
wurde; denn dass dasselbe mit dem Sklaven des Munacius
Plauens geschah, kann der Zeit der Bürgerkriege wegen nicht
in Betracht kommen. Nicht selten erwies es sich, wie wahr
OviD sagt Met. XVI, 489. sors uhi pessima rerum, sub pedibus
timor est. und mehrmals wurde Italien ein Schauplatz furcht-
barer Gräuelscenen durch Empörungen und Verschwörungen
der Sklaven, s. Creuzer, deutsche Schriften S. 40 ff. Ein
Beispiel furchtbarer Sklavenrache erzählt Plin. ep. III, 14.
Die Sklaven. 153
Re)n (itrocriii Lnrr/iiis Macedo , vir j)iaetoiiiis, a servis siiis pas-
sus est, siiperbiis alioqui do7nini(s et saevus, et qui gewisse pa-
trem suum parurn , immo viinimuni mnnmissct. Lavabatur in
Villa Formiana. repente ewn serri circuin.si.^tinit; olius fauces
invadit, aliiis os verberat, alius pectus et vantrem , atque etiaiii
(foedum dictu) verenda contimdit , et qimm exanimem pntarenf,
abiiciunt in fervens pavimentiaii , iit experireritar, an viveret.
Leiclei* lebte das Ungeheuer noch lange genug, um noch da ;
solatium idtionis (wie Plinius selbst es nennt!) zu haben. Auf
der anderen Seite fehlte es indessen auch nicht an Beispielen
der tieuesten Anhänglichkeit und edler Aufopferung für den
Herrn, namentlich in den Schrecknissen der bürgerlichen
Kriege, und Val. Max. hat in einem besonderen Kapitel, VI,
8. verschiedene Fälle der Art der Vergessenheit entrissen. Er
sagt aber selbst: fides quo minus exspectata , lioc laudahilinr.
S. auch Beispiele bei Macrob. Sat. I, 11.
Noch ist hinzuweisen auf das besondere Verhältniss, das
seit den letzten Zeiten der Republik durch die unzüchtige
Liebe zu schönen Sklaven und Sklavinnen entstand, wo auf
der einen Seite der Sklave zum AVerkzeuge viehischer Lust
herabgewürdigt wurde , auf der anderen derselbe eine bedeu-
tende Gewalt üb(!r den Gebieter und Einfluss auf das Haus-
wesen erliielt. Doch es sei auch nur darauf hingedeutet, und
wer diese Schattenseite des Sklavenlel)ens näher kennen zu
lernen wünscht, der wird in den Gedichten Martials und Li-
venals und aucli anderwärts Zeugnisse genug von der Verwor-
fenheit der Zeit Hilden, z. B. Sex. ep. 47. 95.
Im Allgemeinen wird man sich also die römischen Skla-
ven als eine tief herabgewürdigte und sittlich erniedrigte
Menschenklasse zu denken haben. Den Herrn hatten sie oft
eben so viel Grund zu verachten als zu hassen. Die täglichen
MisshniiiMiin;;-!'!! iiiaclitcii sie gegen gewöhnliche Strafen
gleichgültig. Es ist gewiss Denkweise römischer Sklaven, die
sich bei Inlaut. Bacch. II, 3, LSI. oder Asin. II, 2, 53. aus-
spricht, vgl. III. 2, 3 ff. S. oben S. 147.
\'oii ;ilt<'ster Zeit jicr hatte der Tleir das Keclit, seinen
154 Dritter Excurs. Die Sklaven.
Sklaven frei zu lassen, wodurch dieser, wenn die Freilassung
in gesetzlicher AVeise geschehen war, Civität erlangte. Die
Bedingungen und Formen der Freilassung gehören niclit hier-
her, s. Pauly, Realencykl. IV, S. 1504 ff. Es blieb nach der-
selben ein der Clientel ähnliches Pietätsverhältniss gegen die
Familie des Herrn, dessen Namen der Freigelassene auch ge-
wöhnlich annahm, wie überhaupt der, welcher durch einen
Kömcr das Bürgerrecht erlangte, s. Tbl. I, S. 18. Sehr häufig
blieben die Freigelassenen in dem Hause des Herrn , der
überhaupt eine Art Schutzherr war und auch in dieser Bezie-
hung patronus genannt wurde. Die Behandlung änderte sich
natürlich, indessen führten in alter Zeit die Herren doch ein
strenges Kegiment über die Freigelassenen. Das sagt aus-
drücklich Cic. ad Qu. fr. I, 1,4. Accensus dit eo numero, quo
eum maiores nostri esse voluerunt, qui hoc non in beneßcii locu,
sed in laboris et muneris non temere nisi lihertis suis deferebant,
quibus Uli quidem non multuni secus ac servis imperabaid.
VIERTER EXCURS.
DIE VERWANDTEX, FREUNDE UND CLIENTEN.
Die ganze Organisation der römischen Familie lässt es
erwarten , dass anch die entfernter stehenden Glieder eines
Hauses mit demselben und untereinander durch ein engeres
Band verknüpft waren und dass sich um einen paterfamilias,
wenn er namentlich au der iSpitze des Geschlechts stehend er-
schien, die ganze Familie wie um ihren Mittelpunkt sammelte.
Die Verwandtschaft war aber meistens sehr ausgebreitet und
ihre Verzweigung wurde namentlich in der Nobilitas durch
die imagines im Ajidenken erhalten, welche einen vielästigen
Stammbaum bildeten. Die rechtliche Bedeutung der Agnaten,
Cognaten und Affinen ist hier nicht zu erörtern, s. Pauly,
Realencykl. I, S. 257 fg. II, S. 488 fg. Abgesehen von dieser
rechtlichen Seite zeigt die alte Heiligkeit der verwandtschaft-
lichen Bande auch unter Cognaten und Affinen sowohl das
jährliche Fest der Charistia, Val. Max. H, 1, 8. Convivium
etiam solenne maiores instituerunt idque Charistia oppellaveriint,
cui prater cognatos et affiiies nemo interponehotur. Ovid. Fast.
II, 616 ff., als die PHicht um gestorbene Cognaten und Affinen
zu trauern; ebenso das Eheverbot zwischen Cognaten und
Affinen, s. Pauly, Realencykl. IV, S. 1651. und zuletzt das
iits osculi, welches darin bestand , dass die verheirathete Frau
von ihren und ilires Mannes Cognaten geküsst werden durfte.
Der Kuss wurde nämlich als ein symbolisches Zeichen des
engen Familienkreises angesehen. Plut. qu. Rom. 6. y.at tov-
to (wvüv antXst(f\hj avfA^ioXov -/.ut xonwryKt t;/s' avyysrfiU'^. Vgl.
156 Vierter Excurs.
Val. Max. III, 8, 6. Die Alten erklärten diese Sitte sehr
mannigfaltig und zum Tlieil komisch, indem sie dieselbe auf
das alte Verbot des Weintrinkens für Frauen bezogen. Es
hätten sich nämlich durch den Kuss die nächsten Anver-
wandten überzeugen sollen , ob die Frau W'^ein getrunken
habe oder nicht. Pj^ut. a. a. O. Cato bei Plin. h. n. XIV, 13.
Gell. X, 23. Polyb. VI, 2. aus Athen. Tertull. apol. 6.
S. noch Plut. Rom. 1. Fest. v. Osculana p. 197 M. und über-
haupt die sehr verdienstliche Abhandlung von Klenze in Sa-
vigny's Zeitsehr. für gesch. Rechtswiss. VI, S. 1 ff.
Den Verwandten schlössen sich dann andere Freunde
an, die gemeinschaftliche Erziehung (Unterricht) oder die
tausendfältigen Berührungen im öffentlichen Leben zugeführt
hatten und endlich die auswärtigen Bekannten oder hospites,
die der bedeutendere Römer in der ganzen Welt zerstreut
hatte. Es findet sich nämlich aixch in Italien (so wie in Grie-
chenland, Charikles I, S. 61. 95.) seit den ältesten Zeiten -
das schöne Institut des Gastrechts, welches die beiden dmch
dasselbe verbundenen Freunde nicht allein zu gegenseitiger
gastlicher Aufnahme, sondern auch zu Schutz und Hfilfe in
allen ^politischen und Privatangelegenheiten verpflichtet. Nach
der gewöhnlichen von Gell. V, 13. mitgetheilten Ansicht
waren die I^flichten gegen die Aeltern und die anvertrauten
Mündel die ersten und heiligsten. Darauf heisst es: secimduni
eos pro.Timum locum clienies habere — . tum in tertio loco esse
cognatos affinesque. — Masurius aittem Sahinus — antiquiorem
locum hospiti tribuit quam clienti. Verba ex eo libro haec sunt:
in officiis apud maiores ita observatum est, primum tutelae, de-
inde hospiti, dcinde clienti, tum cognato, postea afßni. Es stand
demnach fest, dass die Verwandten den Gastfreunden nach-
stehen sollten. In diesem Geiste sagt Cic. div. 20. Clarissimi
viri nostrae civitatis teniporibus optimis hoc sibi amplissimum
pii/cherrimumque ducebant , ab hospitihxs cHentihvsqne suis (die-
selbe Verbindung s. bei Liv. III, 16. IV, 13.) iniurias propul-
sare eonanquc fortunas defendere. Plin. eji. III, 4. Erwäh-
nungen dieses Verhältnisses sind sehr häufig, z. B. Liv. I, 45.
Die Verwandten, Clienten. 157
Cic. p. Flacc. 20. p. Deiot. 14. Caes. b. g. 11, 25. Suet. Caes.
73. mit den Anm. Tib. 62. und die Nachkommen hielten das
von ihren Vorfahren geschlossene hospitium auf das heiligste.
Daher Avird so oft paternus amicus et hospes genannt, z. B.
Cic. div. 20. ad Farn. XIII, 29. 36. Liv. XLII, 38. Plut.
Cat. min. 12. Bei dem Schlüsse eines solchen Bündnisses wur-
den gewöhnlich tesserae gewechselt (aviißoXa) , Avelche als Er-
kennungszeichen für die späteren Nachkommen aufbewahrt
wurden. Bei Plautus Poen. V, 1, 22 ff. sagt der Punier
Hanno :
Seil liic )idhi antehac hospes Antidconas fuit.
Eum fecisse ahmt, t:ibi quod faciioidum fuit.
Eins fiUuni h'tc j}raedlcant esse Ayorastoclem.
Deum Itospitalem ac tesseram mecurn fero.
2, 87 ff.
Ag. Antidamae cjnatum me esse. Ha. Si ita est, tesseraui
Co)iferre si lüs hospitalem, eccam attii/i.
Aci. Agedum huc ostende, est par probe, neun haljeo domi.
Ha. 0 nd hospes, salve multum, nam mihi tuus pater,
Pater tuus ergo, hospes Antidamas fuit,
Haec niiJd hospitalis tesscra cum iUo fuit.
Ag. Ergo hie apiid me hns]>itiinu tibi pracbelitiir etc.
vgl. Pseud. I, 1, 53. 55. II, 2, 53. 57. Der P.iind erlosch nur
durch Aufkündigung von der einen Seite. Cir. Von-. II, 36.
Iratus iste rehenwider Stlienio et incensus hospitium renunciat,
domo eins eviigrat ntqiie adeo e.rit^ nam iam ante migrarat.
Vgl. Sei.l, die Ke(U])eratio der Kömer. Braunschweig 1837.
S. 1 U> ff. 'J'oMASius, de tessera hospit. u. A. in FAimicii bib-
li()gra])liia antiq. p. 890.
Aber eine Hau])tklasse der zu einer römischen domus ge-
hörigen Personen bildeten die dienten. Die CUentel ist ein
Staatsinstitut; ihre Entstehung, ihre politische und sittliche
Bedeutung sowie die privatreclitliclien Folgen konnnen hier
niclit in Betracht (s. darüber Be( kkh, vi'nn. Alterth. II, 1, S.
IJI l;;;;. 157—161. Paulv, Kealem-vkl. II, S. 455 ff. V, S.
158 Vi er ter Ex curs.
1245 fF.), sondern nur ihre, äussere Erscheinung- im Hause des
Patroniis. Olnieliin hatte sich dieses Institut mit dem TTnter-
ganoj der Ke})ublik ganz umgestaltet. Die alte Patriarehalität
und die Idee der eng-en Zusannnengehörigkeit war dahin ge-
schwunden und das Verhältniss bestand bloss äusserlich fort,
durch unedle Motive gestützt, auf der einen »Seite nämlich
durch die Eitelkeit, indem der Reiche mit seinen zalilreichen
Clienten glänzen wollte, auf der anderen durch Egoismus, in-
dem der Arme auf diese Weise Mittel gewann, ein träges
Leben zu führen. Nicht der verdiente, beliebte und vornehme
Mann allein, sondern auch der vcrdienstlose aber reiche
wollte sich von einer dienstfertigen Schaar {cUentum turha
Sen. ep. 68.) umgeben sehen, die ihm den Hof machten. Da-
her kam es denn, dass in Kom eine Menge Menschen lebten,
die gegen eine Vergütung sich gleichsam zum Hofstaate nicht
eines, sondern mehrerer Vornehmen oder Reichen hergaben
und sich oft bloss davon nährten wie Juv. I, 119. sagt: quihus
hinc toga, calceus hinc est, et panis fumusque domi. Mancher
kam wohl nur in der Hoffnung solchen Erwerbs weither nach
Rom, wie der von Mart. IH, 14. verspottete esuritor Tuccius,
der aus Spanien gekommen, als er hörte, dass die sportula
kein Geld mehr eintrage, am pons Mulvius, km-z vor Rom
umkehrte. So fragt derselbe Dichter nach Abschaffung der
sportula den Garg'ilianus : Cluid Roviae facis? Unde tibi togula
est et ftiscae pensio collae? — Auch insofern war die neue
Clientel der alten ganz imähnlich, als der Arme das Verhält-
niss nach Belieben lösen oder auch gleichzeitig mit Mehrerern
knüpfen konnte , was mit dem exclusiven Wesen der früheren'
unverträglich war. Dieser Umgestaltung entsprechen auch die
neuen Bezeichnungen. Der bedeutsame Name des patronus
genügte nicht mehr, sondern der Reiche liess sich lieber rex
und dominus nennen, Avenn er auch selbst Client eines Andern
war. So schliesst Martial an Maximus II, 18. mit den
Versen :
Sum comes ipse tuus twnidlque cviteambido regis,
Tu comes alterius, jiim sutaus ergo pures.
D i e V e r w a n d t e n , Cl i e n t e n. J^ 59
Esse snt est serimm^ jam nolo incar'nis esse.
Qui rex est regem Maxime non habeat.
II, 68. sagt er zu Olus:
Quod te nomine Jam tuo saluto,
Quem, regem est dominum prius vocahain,
Ne me dixeris esse contumacem,
Tot/s pileo sarcinis redcmi.
il. i. (las liecht dich nicht rex zu nennen (pilea die Freiheit)
habe icli dadurcli erkauft, dass ich auf dein Geschenk (sarcina)
verzichtete. Ein anderer Caecilianus entzog dem Dichter so-
gar das übliche Geschenk, weil er von ihm vero nomine be-
grüsst worden war, niclit als dominus. VI, 88. Umgekehrt
hiess die bettelhafte antichambrirende Schaar der Clienten
jetzt comites^f anteamhulones^i togati, turha togata oder salutatiix,,
auch amici s. unten. Der Name togati rührt natürlich davon
her, dass die Clienten in der toga d. h. im Staatskleid, gleich-
sam in d(!r Uniform (als Zeichen des Eespekts gegen die
Höheren) erscheinen mussten. Darum sagt Martial. XII, 18,
17. von dem Privatleben in Bilbilis ignota est toga und vei--
bindet X, 51. tunicata quies als Gegensatz zu dem lästigen
llofdienst des togatus. Diese Ausartung schildert vortrefflich
Hkuhkma.nx, über die Clienten unter den ersten römischen
Kaisern. Programm von Burgsteinfurt, Münster 1856. —
Unter die officia des ('lienten (überhaupt opera togata ge-
nannt) gehörte vorzüglich die salntalio matutina {officia ante-
lacana bei Plin. ep. 111, 12. zu welclier Sterile Heusingkr
eine Schrift herausgab: de salutat. Kom. matut. Isen. 1740.)
und die anteambulatio. Der Client maclite sich in der Frühe
des Morgens auf , um bei Zeiten in <lciii Hause des dominus
auzukonnnen, und um iNlehrere zu besuclu'ii, da sie von Einem
nicht wohl h-ben konnten. Dieses Herumrennen durch Dick
und l)iinu schihlert Sknkca de brev. vit. 14. Isti qui per offi-
cia discursa/it, qui se aliosquc inquietanty cum be7ic nisanicrint,
cum omnium liinina qiiolidic perambulaverint, nee ullas apertus
furcs j)rarti'rierliit, cinii per diiwr.^as donios meiili,ninii sahitii-
160 Vierter Excurs.
tionem circiantiderhit etc. Luc Nigrin. 2'2. Martial. I, 81.
XII, 26, 3. 7 ff.
Quod 7ion a prima discarram luce per urbem. —
At mihi, qwna coyis medios obrumpere nomnos,
Et. inalutinum ferre patique Intuiii cett.
VII, 39.
Diticursus i^arios vagumque mane
Et fastus dt ave pofentiorum
Cura pcrferre patique iam negureA cett.
IX, 93, 5.
Caius a prima tremehundus luce salutat
Tot dominos, at tu Condyle nee dominum.
X, 10.
Cum tu, laurigeris anuwn quo fascibus intras,
Mane saliUator limina mille teras,
Hie ego quid faciam? quid nohis Paulle reUuquis,
Qui de plehe Numae densaque turba sumusf
Qui me respiciet, dominum regemque vocabo?
Juv. V, 19 ff.
— habet Trebius^ ^^rop^e?' quod rumpere somnum
Debeat et ligulas dimittere, solUcitus ne
Tota salutatiix iam turba peregerit orbem.
All dem vestibuluni des Patronus Avartete der Client (Manche
leiten sogar den Xamen vestibnlum von diesem Stehplatz der
salutantes her , s. den ersten Excurs zur zweiten Scene), bis
die Thiire geöffnet wurde. Dann trat er in das Atrium und
wartete abermals bis der Herr erschien, dem der Nonieiulator
die Namen der Besuchenden nannte. Nun erst brachte er sein
Ave an, Seneca de ben. VI, 34. cuius imlgare et publicum ver-
bum et promiscuum ignotis Ave, non nisi suo or/liue emittitur?
Ad quemcunque itaque istorum veneris , quorum salutatio urbem
conculit, scito, etiamsi animadverteris obsessos ingenti frequen-
tia vicos et commeantium in utramque partem catervis itinera
compressa, tarnen venire te in locum hominibus plenuui^ amicis
vacuum. In pectore amicus, non in atrio quaeritur. Martial.
VII, 39, 1.
Die Verwandten, Clienten. 1(51
IV, 8. Prima salutantes atque altera continet liora.
IX, 100. et mane togatum Observare iuhes atria.
m, 38, 11 flp.
Atria magna colam. Vix tres aut quatuor ista
Res aluitj pallet cetera turha fame.
HoR. epist. I, 5, 31.
Atria servantem postico falle clientem.
luv. VII, 91. tu nohilium magna atria curas?
Sex. ep. 68. pulsare superhas potentiorum fores.
Dieses thaten jedoch auch Andere, um einem Manne ihre
Hochachtung zu bezeigen, wenn sie auch keineswegs im Ver-
hältniss der Clienten zu ihm standen, ja selbst zu den Ange-
sehensten gehörten. Cic;. ad Fam. IX, 20. Maiie salutamus
domi et bonos viros multos, sed tristes et hos laetos victores, qui
me quidem perofficiose et peraiaanter observant. Ubi salutatio
deßuxit, literis me involvo. ad Att. I, 18. Nam illae ambitiosae
nostrae fucosaeque amicitiae sunt in quodam splendore forensi^
fructum domesticum non habent. Itaque quum bene completa
domus est tempore matutino, quum ad forum stipati gregibus ami-
corum descendimus, reperire ex magna turba neminem possumus
etc. Sen. ep. 29. turba salutantium — errat autem qui amicum
in atrio quaerit, in convivio probat, vgl. ep. 22. atrium vacuum.
Unter den Besuchenden gab es verschiedene Klassen, die nach
Gruppen eingetheilt und in verschiedenen Zeiten vor den
Herrn gelassen wurden. Sen. de ben. VI, 33. Non sunt isti
amici, qui agmiue magno ianuam pidsant, qui inprimas et secun-
das admissiones digemntur. 34. Apud nos primi omniwn C.
Gracchus et mox Liv. Drusus instituerunt segregare turbam
suam et alios in secretum recipere, alios cum pluribus, alios uni-
versos. Das sind eben die verschiedeneu admissiones, unter
denen die sog. amici oben an stehen, welche als Günstlinge
reichere Wohlthaten empfang(!n, als die andern Clienten, sonst
aber sich von denselben nicht unterscheiden. Sie sind nichts-
nutzige Schmarotzer, die nur auf die Freigebigkeit des hohen
Freundes spckulireu. Martialis, „ein würdiger Repräsentant
dieser Menschenclasse" (Heüermann a. a. O. S. 30 u. fi'.), lässt
Beckkk, Uallus. 3. Aufl. II. jj
162 Vierter Ex cur s.
in vielen seiner Gedichte deutlicli hervortreten, dass sich das
ganze Verhältniss nur um Geschenke dreht. II, 3. VI, 1 1, 42.
XIII, 14. Mitunter waren diese sehr beträchtlich, wie der ton-
sor Cinnamus so viel empfing, um den ßittercensus zu besitzen
Et post hoc dominae munere /actus eques.
Mart. \n[I, 64. oder er selbst III, 95. Wie unverholen und
sogar unbescheiden er selbst fordert, zeigt II, 41. V, 25. VII,
36. Vin, 28. Daher war es kein Wunder, wenn die Herrn
solche Ansprüche nicht erfüllten und sich auf mannichfache
Weise entzogen, Martial. II, 44. VII, 92. IX, 46. Meistens
wurden die Freunde mit Kleidern beschenkt, Martial. II, 46.
V, 82. VII, 53 (von den Gaben an den Saturnalien). X, 11.
73. XII, 36. Heuermann, a. a. 0. S. 30 ff. Siehe die fernere
anschauliche Schildenmg bei Seneca und vgl. Stuck, antiq.
conviv. n, 31. 32. Kretzschmar, de pietate clientis Rom. in
patron. Dresd. 1754 fg. sect. 5 — 7. (salutatio und deductio).
Die opera togata des Clienten bestand ferner darin, dass er
ihn beim Ausgange als anteambulo (S. 133) begleitete. Sen.
ep. 22. nuduin latus, incomitata lectica., atrium vacuum. de brev.
V. 7. qaot (dies abstulit) 'die potentior ainicus. qui vos non in
amicitia, sed in apparata habet? Dieses gilt aber nur von denen,
die bei der salutatio dazu aufgefordert worden waren und des-
halb das Geschenk empfingen oder die Einladung zum Mahl.
Dies geschah während der zwei Stunden dauernden Audienz,
denn Mart. IV, 8. sagt
Prima salutantes atque altera continet liora.
Bei dem Ausgange zogen die Clienten vor der Sänfte einher,
wo sie von dem Gedränge der Strasse viel zu leiden hatten
(Martial. IH, 36.) und begleiteten ihren Herrn nach allen
beliebigen Orten. X, 56. z. E. in das Bad. Martial. III, 36.
Wenn derselbe Sachwalter war, so gingen sie mit auf das Fo-
rum und Hessen ihren Beifallsruf fleissig ertönen. Martial.
in, 46.
Exigis a nobis operani sinefine togatam.
Non eo libertum sed tibi mitto meum.
Non est, inquis, idein. Multo plus esse probabo.
Die A^erwandteu, Clienten. 1(33
Vix ego lecticain subaequar^ ille feret.
In turbam inciderls, cuneotos umbone repellet;
Invalidum est nobis ingeiiuumque latus.
Quidlibet in causa narraveris, ipse tacebo:
At tibi tergeminum mugiet ille sophos. —
Ergo nihil nobis, inquis, praestabis amicusf
Quidquid libertus, Candide, non poterit.
Martial. vi, 48.
Quod tarn grande sophos clamat tibi turba togata,
Non tu, Pomponi; coena directa (oder diserta) tua est.
Der Herr schickte die Clienten sogar zu den Reden seiner
Freunde, Mart. II, 74.
Hos Uli amicos et greges togatorum
Fuficulenus praestat et Faventinus.
oder zu Vorlesungen derselben, luv. VII, 43.
Seit dare Ubertos extrema in parte sedentes
Ordinis et magnas comitum disponere voces.
Endlich sehen wir aus Martial. IX, 100., dass der Client
auch zu allen Besuchen mitgeschleppt wurde:
Denariis tribus invitas, et mane togatum
Observare iubcs atria, Basse, tua;
Deinde haerere tuo lateri, praecedere sellam^
Ad i'etulas tecum plus minus ire dece.m.
Vgl. X, 74. Gewiss ein saurer Erwerb, täglich einer kargen
sportula wegen die oben geschilderten Mühseligkeiten zu er-
tragen und den anteainbulo turnidi regis zu machen. Darum
sehnt sich Martial nach dreissigjährigem Dienst {tempora
longi senitii, luv. III, 124.) nach Kühe, X, 74.
lain parce Roma gratulatori
Lasso clienti. Qiuwidiu salutator
Anteanibulones et togatulos inter
Centum merebor plumbeos die toto.
Und wie glücklich fühlt er sich, nachdem er endlich in den
ersehnten Hafen eingelaufen ist, XII, 18. Trotzdem drängten
sich so Viele zu diesem niedrigen und müliev(dlen Leben, dass
es Anstrengungen kostete, zugelassen zu werden. So erwäh-
11*
164 Viert er Excurs.
neu luv. III, ] 88. und Petron. 30. Bestechungen der Sklaven
und Freigelassenen oder wenigstens Geschenke, die man ihnen
machen musste. Auch die niedrigsten Schmeicheleien durften
nicht gespart werden, Martial. XII, 40. und meisterlich ver-
standen sich die Griechen darauf, luv. III, 100 ff. Heuer-
mann S. 10 ff. — Uebrigens machten viele, Avelche die Salu-
tatio ihrer Clienten annahmen, wiederum bei anderen den salu-
tator, und nahmen wohl auch die sportula mit. S. luv. I, 99 ff.
117 ff. Mart. n, 18. s. oben X, 10.
Cum tu laurigeris annuni qui fascibus intras,
Mane salutator limina mille teras.
Xn, 26. In welcher Weise nun aber die sportula, d. h. die
Vergütung verabreicht wixrde, das ist nicht völlig klar. S. dar-
über Kretzschmar, de sportulis. Dresd. 1758. Buttmann in
der Kritischen Bibliothek 1821. I, S. 390 ff. Schmieder, de
sportula. Brieger Programm von 1836 und Heuermann a. a.
0. S. 14 ff. In alter Zeit wurde der Client vom Patron zur
Tafel gezogen. Bei der späteren ausgearteten Sitte war das
nicht nur lästig, sondern ganz unstatthaft; daher fand statt der
coena recta eine Vertheilung von Speisen (jedoch nicht zum
Mitnehmen, wie Buttmann will; denn an der einzigen Stelle,
welche dafür angeführt werden könnte, Hesych. I, p. 485 Alb.,
ist die Lesart unsichei"), wahrscheinlich in Körbchen Statt,
daher der Ausdruck sportula (s. g. von spartium, Genista oder
Pfriemenkraut, aus dem die Körbe meistens geflochten wur-
den) NoN. Marc. II, 833. Gloss. zu Petron. 113. Isidor.
XX, 9. Ps. Asc. ad Verr. II, 8, S. 135. Orell.). Allein auch
das war noch zu unbequem und man verwandelte daher die
coena in Geld (to avi) öhttpov aQyvQiov, Hesych. 1. 1.), wobei es
auch — abgesehen von der durch Domitian gemachten Aende-
rung — im Ganzen für immer blieb. Mit Hülfe der Nach-
richten bei SuETON und Martial lassen sich die Zeiten dieser
Veränderungen ziemlich genau angeben. Unter den ersten
Kaisern wurden die Clienten gespeist, sei es in vollständiger
coena recta oder in einer kleineren gewöhnlich kalten und
improvisirten Mahlzeit. Dass Letzteres sportula bedeute, sehen
Die Verwandten, dienten. 1(35
wir aus Suet. Claud. 21. wo die sp. als subita coenula bezeich-
net wird. Es heisst: ibidem extraordinarium et breve (munus)
dienimque paucorum, quod appellare coepit sportulam, quia
primum daturus edixerat, velut ad subitam condictamque coenu-
lam invitare se populum. Dasselbe ergiebt sich aus der sogleich
anzuführenden Stelle bei Mart. VIII, 50. Zu Nero's Zeit kam
die Sitte auf, Geld statt des Mahls zu verleihen, wozu der Kaiser
Veranlassung gab, indem er dieses in Beziehung auf die pu-
blicae coenae verordnete. Suet. Ner. 16. adhibitus sumtibus
modus, publicae coenae ad sportulas redactae. Diese Anordnung
hatte natürlich auch auf die Priyatverhältnisse Einfluss, und
sowohl die Clienten als die Patronen fanden die Geldverthei-
lung vox'theilhafter als die bisherige Speisung. Domitian
führte die alte Sitte wieder ein, Suet. Dom. 7. midta etiam in
communi rerwn usu notavit, sportulas publicas sustulit, revocata
coenarum rectarum consuetudine. Aber für öffentliche Fest-
mahle dauerte die frugale Sportelspeisung (sportulae) fort, wie
Suet. Claud. 21. und Domit. 4. sagt: septimontiali sacro qui-
dem senatui equitique panariis plebeiisque sportellis cum obsoiiio
distributis, initium. vescendi primus fecit. Auf solche Feste be-
zieht sich Mart. VIII, 50., wo er zum Kaiser sagt:
Vescitur omnis eques tecum populusque patresque
Et capit ambrosias cum duce Roma dapes.
Grandia pollicitus quanto maiora dedisti!
Promissa est nobis sportula, recta data est.
Es ist ein Verdienst Heuermanns S. 16 ff. , die Nachrichten
über die Speisungen der Cli'enten und die grossen öffentlichen
Festmahle scharf geschieden zu haben, so wie wir überhaupt
seinen sorgfaltigen Forschungen Manches verdanken. Dem
Kaiser folgten die Patrone und begannen wieder die Clienten
zu speisen. Auf diese Zeit bezieht sich Mart. III, 7.
Centum iniselli iam valete quadrantes,
Anteambulonis congiarium lassi,
Quos dividehat balneator elixus.
Quid cogitabis, o/ames amicorum?
\ßQ Vierter Excurs.
Regis superbi sportulae recessenmt.
Nihil stropharum est: iarii salarium da7idt(m est.
d. h. da die Geldsportula wegfallt, so sollte ein bestimmter
Lolin (salarium) von dem Patron ausgeworfen werden, von
welchem die Dienste thuenden dienten leben können (bisher
hatten sie diesen nicht bedurft). Dieses war aber nur eine
Hoffnung des Dichters, die nicht in Erfüllung ging. Martial.
m, 30.
Sportula nulla datur; gratis conviva recimihis.
luv. V, 14. Fructus amicitiae magnae cibus, imputat hunc rex.
Die Stellen, welche Schmieder angeführt hat, um zu zeigen,
dass neben der coena auch Cleldvertheilung Statt fand, wie
Martial. IV, 68. X, 27. VII, 86., beweisen es nicht. Heuer-
mann, S. 26 f. — An der coena recta theilnehmend erhielten
die Clienten zwar alle Gerichte und fühlten sich als Tischge-
nossen gehoben, doch hatten sie pekuniären Nachtheil, wie
oben erwähnt ist und litten nicht selten durch die Insolenz der
Herren und der Diener. Heuermann, S. 28 f. S. die oben cit.
Stellen desselben Dichters HI, 14. 60.
Cum vocer ad coenam, non iarii venalis iit ante,
Cur mihi non eadem, quae tibi, coena datur?
Ostrea tu sumis staguo saturata Lucrino,
Sumitur inciso mitulus ore mihi.
Su7it tibi boleti, fitndos ego sumo suillos. —
Cur sine te coeno, cum tecum Pontice coenem ?
Sportula quod non est, prosit: edamus idem.
Es gab nämlich der geizige Patron den Clienten ordinäre
Speisen, während er selbst feinere Gerichte ass. Dieselbe
Klage s. IV, 68. VI, 11. vgl. Plin. ei^ist. H, 6. Aus allen
Stellen ergiebt sich aber, dass der Client im Hause des Patron
gespeist wurde, von einem Abholen der Speisen ist nirgends
die Rede. Nach Domitian wurde aber die den Patronen be-
quemere und den Clienten angenehmere Geldsportula wieder
allgemein, Avie wir aus allen späteren Erwähnungen sehen und
darum erklärt Ps. Asc. zu Cic. Verr. I, 8. p. 135. sportulae
sogar als numorum receptacida. wenn auch die coena recta bei
Die Verlan il ten. Cli onten. Iß7
einzelnen Patronen nicht ganz abkam. So sagt luv. I, 119 ff.
unter Traianus:
Vestihidis aheimt veteres lassique cUentes
Votaque deponiüit, qiiamquam longissivia coenae
Spes homini. Caules miseris atque ignis emendus.
Der gewöhnliche Betrag der sportula war bekanntlich 100
Quadranten oder 25 Asses, 10 HS. (15 Sgr.), wie Martial an
vielen Stellen sagt IV, 68. I, 60. m, 7. VI, 88. VIEI, 42.
X, 70. 74. 75. luv. I, 120 fg., wenn auch manche eine bedeu-
tendere sportida {maior sp. VIII, 42.) zahlten. So heisst es bei
Mart. IX, 101.
Denariis trihus invitas, et mane togatum
Observare iubes atria, Basse, tua.
und X, 27. an Diodorus an dessen Geburtstag:
Et tua tricenos largitur sportida niimmos.
Das wären nach altem Werthe 300 Quadranten oder 71/2
Denar. Vgl. XII, 26. IV, 24. Dass der Client von der spor-
tula nicht blos die einfache Mahlzeit bestritt, sondern auch für
Miethe, Kleidung u. s. w. etwas übrig behielt, sehen wir aus
luv. I, 119. Martial. HI, 30. Wie sich die Clienten bei der
popina drängen, um für die sportula ihr Mahl zu kaufen und
wie die Sklaven die Gerichte auf einem Feuerbecken nach
Hause tragen, schildert luv. III, 249 ff. Heuermann, S. 22. f.
25. — Die Sportula wurde im Vestibulum oder Atrium (luv.
I, 100. 95 fg.
Nimc sportula primo
Limine parva sedet, turbae rapienda togatae;
nie tarnen fadem prius inspicit et trepidat, ne
Si/ppositus venias ac falso tioniine poscas).
Abends von denen abgeholt, die früh dem rex die opera togata
geleistet und die Einladung zum Kin])ffuig der sportula erhal-
ten hatten. Maut. X, 70, i;5.
Balnea post decimam lassn rentuDii/iic petvntur
Qjindrnjitrs.
Es war gerade die Zeit der coena, Mart. X, 27. luv. III,
249 ff. Wenn daher luv. I, 128. sagt:
2ßg Vierter Excurs.
Ipse dies pulcro distinguitur ordine verum :
Sportida, deinde forum etc.
so ist das abweichend und vielleicht effectum pro efficiente.
Ueberhaupt ist bei luv. I, 117 ff. viel Eigenthümliches. Un-
erhört ist es wenigstens sonst, dass auch Frauen in der lectica
die Sportula holen. Dass aber, wie Buttmann und Ruperti
zu Juvenal. I, 95. meinen, dieses Geld wirklich in Körbchen,
sportellis ausgetheilt worden sei, das ist unrichtig, und nur der
Name war von der alten Sitte auf die Geldvertheilung über-
tragen worden. Dagegen ist gewiss, dass, sobald keine salu-
tatio und opera togata Statt gefunden hatten, auch keine spor-
tula erfolgte. (Darum kamen die Clienten oft mehi-mals, wenn
sie nicht sogleich zugelassen wurden. Mart. IX, 8.
Non vacat aut dormit, dictum bis terque reverso.
Cic. Verr. DI, 4.) Martial. IX, 85.
Languidior nostri si quando est Paulus, Atili,
Non se convivas abstinet ille siios.
Tu languore quidem subito ßctoque laboras;
Sed mea porrexit sportula, Paule, pedes.
Der erste Vers des Epigramms scheint verderbt zu sein; aber
mit Buttmann zu glauben, es seien zwei verschiedene Epi-
gramme aus L-rthum verbunden, dazu ist kein Grund vorhan-
den. Die Stelle ist aber noch in so fern wichtig, als man dar-
aus sieht, dass ohne die täglichen Dienste — nicht bloss das
matidinum ave — auch keine Sportula gegeben wurde, was
Buttmann nur in Frage stellt, weil er bloss an die salutatio
dachte und nicht die officia ayiteambulonis etc. erwog, mit
denen eigentlich die centum plumbei verdient wurden. X, 74.
Demnach war es dem Clienten unmöglich, an einem Tage
mehre sportulae von mehren Herrn zu erlangen, denn er konnte
zwar die salutatio bei vielen anbringen, die opera togata aber
nur bei Einem verrichten. Vgl. noch Martial. III, 36. X, 56.
Nur Mart. I, 80. scheint für die Möglichkeit mehrer sportulae
zu sprechen:
Sportida, Cane, tibi suprema nocte petita est.
Occidii, puto te Cane, quod una fuit.
Die Verwandten, Clienten. 169
Jedenfalls spielt der Dichter auf Personalien an, über welche
wir uns nicht vergewissern können. So mag Canus vielleicht
einigemal unter verschiedenen Prätexten im Hause seines do-
minus mehre sportulae (für einen Sohn, als angeblicher Beauf-
tragter eines Freundes oder sonst) erhalten und zu diesem Be-
hufe die Dunkelheit gewählt haben, wo ein Betrug leichter
auszuführen Avar. Die Sache kam aber heraus und Canus wird
nun verspottet. Oder war Canus ein Mensch, der zu viel
brauchte und mit der sportula seine Bedürfnisse nicht decken
konnte und damit geneckt wird? Fielen diese officia weg
(auch ohne Schuld des Clienten, z. B. wenn der Herr, wie eben
Paulus, krank war), so gab es natürlich auch keine Sportula.
Darauf bezieht sich auch IV, 26.
Qiiod te viane domi toto non vidivms anno.
Vis dicam quantttm, Posthume, j)Prdiderimf
Tricenos, puto, bis, vicenos ter, pttto, iiummos.
Ignosces ; togulam, Posthume^ 2?luris emo.
Aus diesen Versen ergiebt sich aber auch, dass die Patroni die
sportula nicht täglich an alle Clienten gaben. Manche theilten
nur an gewissen Tagen aus, Andere machten einen Unterschied
unter den Clienten, und wählten aus der grossen Zahl dersel-
ben je nach dem Bedürfniss einige für die Dienstleistungen
aus und verabreichten die sportula häufiger oder seltener, stets
aber nach Aorausgegangener Einladung, wie das oft vorkom-
mende invitare zeigt. Bei Iuvenal. V, 14. wird der Client
duo post si libuit menses. zu Tisch gezogen, also sehr selten.
An besonderen Familienfesten mag das Vertheilen der sportula
ganz regelmässig und allgemein gewesen sein, z. B. bei Hoch-
zeiten, Api'IJL. apol. p. 416. 329 Elm. Qjuippe ita placuerat,
in suhurhana villa potiits ut coniungereinur, ne cives dejiuo ad
Sportlilas convolarent, cum haud pridem Pimdentilla de suo qimi-
quaginta viillia nummum in populum expunxisset ea die, qua
Pontianus (ihr Sohn) uxorem duxit et hie puerulus toga est in-
volutus. Die hochzeitliche sportula erhielt sich bis in die
170 Viertor Excurs. Die Verwandten. Clienten.
späteste Zeit und betrug- ein Goldstück für Jeden, Symmach.
ep. IV, 55. IX, 97. Die sportula an dem Tage der Anlegung
der toga virilis erwähnt ausser Appul. 1. 1. Plin. ep. X, 117.,
wo noch andere Festtage genannt werden. Die sportula an
dem Geburtstage s. Marti al. X, 27.
EXCURSE ZUR ZWEITEN SCENE.
DAS KOMISCHE HAUS.
ERSTER EXCURS,
DIE BAULICHE EINRICHTUNG.
Zu den schAvierigsten Untersuchungen in dem ganzen
Kreise der auf das häusliche Leben Bezug habenden römi-
schen Alterthümer gehört, unstreitig die Erörterung der ver-
schiedenen Theile des Hauses selbst, ihrer Bestimmung, ihrer
Lage und Einrichtung, ihres Verhältnisses zu einander. Man
könnte glauben, dass durch die Ausgrabungen in Herculanum
und besonders T*ompeji, nachdem die Gebäude offen vor uns
liegen, gerade über diesen Punkt das hellste Licht verbreitet
sei-, allein man würde sehr irren, wenn man von den Wohn-
gebäuden letzterer Stadt einen Schluss auf das eigentliche
römische Haus machen wollte. Zwar haben sie mit demselben
vieles gemein, wie denn überhaupt die Wohnhäuser im Alter-
tliiunc durchaus nicht so verschiedene Anlagen hatten, wie
die unsrigen, sondern in T^age und Einrichtung gewisser
Theile sich durchgängig glichen; allein die Bewohner kleiner
Provinzialstädte bedurften mancher Theile gar nicht, die
wesentlich zum grossen römischen Hause gehören, und so ist
denn, weil man glaubte, jene l'eberreste gäben ein treues
Bild desselben, wenn ;iucli in kleinerem Maasstalie, nur nocli
172 Erster Excurs zur zweiten Scene.
A. Plan %7on Becker.
[insofern unrichtig, als das Tablinura T mit den beiden fauces // zwischen dem
Atrium A und dem Cavaedium fliegen müsste.J
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Die bauliche Einrichtung des Hauses. 173
B. Haus des tragischen DicJiters in Pompeji, nach Zahn.
mehr Irrthuni in die Sache gebracht Avorden. Vgl. Hikt,
Geschichte der Baukunst III, S. 3215 ft". [Jedenfalls geht der
trett'liche Beckkr zu weit, wenn er hier und in seinen nach-
gelassenen Papieren sagt, „dass kein Haus in Pompeji uns
den Plan einer eigentliduMi römischen dumus liefere und dass
gerade die wesentlichsten Theile, welche das Charakteristische
der römischen domus ausmachten, in Pompeji fehlten; indem
eben jene Theih- nur Hedürfniss des vijrnehmcii Jxömers in
J 74 Erster E x c u r s z u r z w e i t e n S c e n e.
Rom selbst, der Mittelklasse aber und den Municipalbürgern
ganz entbehrlich gewesen wären." Dagegen ist zu bemerken,
dass es auch in den Municipien einzelne flebäude gab, welche
einer grossen römischen domus nicht viel nachstanden, z. B.
das Haus des Faun, der Dioskurcai, der bunten Cajjitäler, des
Pansa in Pompeji und noch mehrere in Herculanum, wo Alles
grossartiger war als in Pompeji. Ferner können wir doch
nur die allen bürgerlichen Gebäuden gemeinsamen Theile
als wesentliche bezeichnen : atrium , tablinum , fauces , cavum
aedium, peristylium, und in dieser Beziehung sind die Häuser
Pompejis allerdings den römischen Prachtpalästen ganz gleich
— wenn auch in kleinerem Maasstabe. Es finden sich nämlich
in allen pompejanischen Häusern das tablinum und die fauces,
ächtrömische Räume und dem griechischen Hause ganz fern,
so dass wir schon aus diesem Grunde das pompejanische Haus
nicht für griechisch, sondern nur für römisch halten können.
Die Veranlassung, welche Becker zu jener Behauptvnig führte,
war seine auf die Spitze gestellte Ansicht über den Unter-
schied der Atrien und Cavädien. Da er in Pompeji keine
Atrien nach seinem Sinne fand, so stellte er die Aehnlichkeit
mit Rom überhaupt in Abrede und ging dadurch der bedeu-
tendsten Resultate verlustig, welche sich aus den pompejani-
schen Ausgrabungen ergeben , indem wir z. B. ohne dieselbe
die Lage des tablinum und der fauces nicht bestimmen
könnten. — Die auf unsere Zeiten gekommenen Ueberreste
römischer Gebäude in und ausser Italien gehören sämmtlich
der Glanzperiode an, welche etwa gegen das Ende der Re-
publik initer griechischem Einfluss begann, wo manche Räume
mit griechischen Namen (oeci, exedrae, bibliothecae , pinaco-
thecae u. a.) hinzugekommen waren und wo die dem socialen
Verkehr gewidmeten Räume überhaupt viel grössere Dimen-
sionen erhalten hatten. Die für den Privatgebrauch der Familie
und für das Hauswesen bestimmten Lokalitäten behielten die
kleinen Proportionen der alten Zeit und änderten sich nur
rücksichtlich einer glänzenderen dekorativen Ausstattung.]
Dazu kommt, dass kein alter Schriftsteller uns eine ge-
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 175
naue Beschreibung und gleichsam einen Plan eines eigent-
lichen römischen Wohnhauses geliefert hat. Die Hauptquellen
sind ViTRUV im sechsten Buche und die Briefe des jüngeren
Plinius. Daneben gelegentlich in einzelnen Stellen: Yarro,
Gellius, Festus, Plautus, Cicero, Sexeca, Petrox u. A.
— Allein ViTRuv lehrt nur, wie man bauen solle, und in
welchen Verhältnissen. Was die einzelnen Theile für eine
Bestimmung und Lage hatten, darüber konnte in seiner Zeit
Niemand in Zweifel sein. Wie hätte es ihm einfallen können,
sich darüber in Erklärungen einzulassen. — Plinius aber be-
schreibt ep. 11, 17. und Y, 6. keine domus urhana, sondern
zwei Villen, wenn auch die Anlage der einen wenig von der
eines gewöhnlichen Hauses abzuweichen scheint. Es ist also
die Aufgabe, durch Combination der zerstreuten Xachrichten
Licht über den Gegenstand zu verbreiten , und danach einen
Plan des römischen Hauses zu entwerfen.
Von neueren Schriftstellern kommen hier vorzüglich in
Betracht: Scamozzi, Archit. trad. p. Du liy. Leid. 171o. fol.
Winckelmanx, Schriften über die herculanischen Entdeckun-
gen, Werke B. H. [Marquez, delle case di cittä degli antichi
Romani. Roma 1795. Piranesi, antiq. de Pomp. II. Paris 1806.
Schiassi, degli edifici di Rom. anticlii. Bologna 1817.] Stieg-
litz, Archäol. der Bank. HI, S. 150 fi'. und Archäol. Unter-
haltungen. S. 103 ff. Hirt, Gesch. der Bank. Berlin 1827.
ni, S. 267 — 327. Mazois, Essai sur Ics Imbitatious etc. in
dem Prachtwerke: Les ruiues de Pompei. P. H, p. 3 ff. Der-
selbe, Lc jjalais de Seaurus. Deutsch von Wüstkmaxx. Gell,
Poinpciana. Lond. 1817. und neue Folge. Lond. 1836. 2 Bde.
Auch GoBO VON Agyaufalva, Wanderungen durch Pompeji.
Wien 1825. — Unter diesen Schriften ist, Wiuckelmanns
Redlichkeit abgerechnet, keine, die nicht anffalleiule Irr-
thümcr enthielte; einige zciclnieu sich ausserdem durch eine
überk'bhaftc l'hantasic aus, welche Träume nie gewesener
Dingo für baare Wahrheit nimmt und giebt. — Wichtiger
sind die Anmerkungen der Herausgeber Vitruvs; namentlich
die .\n><gab(U von S( iinkidkk , Stratico, Utin. 18:.'?^. 1\' tnii.
J7G Erster Excurs zur zweiten Scene.
4. und die neueste von Marini, Rom. 1836. IV tomi fol., auch
die englische Uebersetzuug von Newton. Endlich Genei.li's
Briefe über Vitruv. 1. Heft am Schlüsse. Am unbefangensten
und darum am richtigsten scheinen die Ansichten Stratico's
und des englischen Uebersetzers zu sein. Marini hat zwar
manches besser getroffen, aber in den wichtigsten Punkten ist
es ihm nicht gelungen, die AVahrheit zu finden. Sein Urtheil
über Schneider ist zu hart, aber im Ganzen nicht ungegründet.
Nur hätte gerade er nicht sollen den Styl tadeln. [In neuerer
Zeit sind erschienen: A. de Jorio, notizie sugli scavi di Ercol.
Nap. 1827. u. derselbe, guida di Pompei. Nap. 1836. Eaoul-
EoCHETTE et RoucHET, clioix d'edifices inedits de Pompei.
Paris 1828. worüber Raoul-Rochette in einen Streit mit seinem
Recensenten Laglandiere gerieth, s. Annali dell' inst, di corr.
arch. 1829. p. 370—375. 415—426. 427 ff. Pompeiana, the
result of excavations since 1819. Lond. 1835. II. Avellino,
descrizione di una casaPomp. con capitelli figurati dissotterata
1831. 1832. 1833. Nap. 1837. Ders., Desc. di una casa disott.
1832. 33. 34. la seconda alle spalle del tempio tella Fortuna
(s. g. Haus der Bronzen). Nap. 1840. Später (1843) erschien
noch eine dritte Beschreibung von dems. (sehr gründlich und
genau gearbeitet). Schulz, rapporto gli scavi Pomp, in Annali
deir inst, di corr. arch. 1838. p. 148 — 201. und im bulletino
1841. p. 97—108. 113—124. Bechi, rapporto degli scavi
Pomp, am Ende eines jeden Bandes des Mus. Borb. (mit
Plänen). Fiorelli, giornale degli scavi di Pomp. Napol.
1850. I. (die Akten und Ausgrabungsberichte) F. e F. Nicco-
LiNi, le case ed i monumenti di Pompei. Napoli 1854 — 60 in
25 fascic. Von deutschen Arbeiten sind zu nennen: Engel-
hard, Beschreibung der in Pomp, ausgegrabenen Gebäude,
Berlin 1843. (Aus Crelle's Journal). Zumpt über die bauliche
Einrichtung des römischen Wohnhauses. Berlin 1844. Pom-
peji von Wackernagel, Basel 1851. und von Stier. Witten-
berg 1853., viel umfassender Overbeck, Pompeji. Leipzig
1856. S. 179—270. Endlich sind von Wichtigkeit die dem
Prachtwerke von Zarn, die schönsten Ornam. 2. Folge, bei-
Die banliclio Einrichtung des Hauses. 177
gegebenen CTnmdrisse der Pompejauiscben Häuser, nämlich
Tafel 63. 80. 90. 98.]
Insnlae.
Ytn- Allem ist wobl zu bemerken, dass, wenn es eine
Untersuchung über das römische Wohnhans gilt, mir von der
eigentlichen doimis, aedibus prhaiis, die Eede sein kann. Die
insuhic oder Miethhänser, mehrere Stockwerke hoch und be-
stimmt, mehrere, ja wohl viele Familien und einzelne Per-
sonen aufzunehmen, mussten, indem sie aus vielen Parzellen
bestanden , auf ganz andere Art gebaut sein , und waren ge-
wiss in der Anlage so verschieden, als die nnsrigen. [Die
grossen hatten mehrere Höfe und viele Zugänge, wie Fest.
p. 371. sagt: ut in eo aedißcio perv'nnn sit, quo itinere habita-
torcs ad sunm quisque habitationem habeot accessum. Auch
waren sie sehr hoch und leicht gebaut , wie viele Stellen be-
zeugen. Auf sie bezieht sich Vitruv. II, 8. In ea maiesfate
tirbis et civiidii infinita frequentia innumerabUes Iiab/'talionrs
opus finl explicare. Ergo cum recipere non possct arca plana
tantani vtuUitudhiem ad Jiabitandum in urbe, ad avxHiuni altifu-
dinis aedificiorum res ipsa coegit devenire.] Die eigentliche Be-
deutiuig des Wortes in.vula lässt sieh überhaupt schwer be-
stimmen. Wahrscheinlich hiess in.sula eigentlich sowohl ein
isolirt stehender Complcx mehrerer Häuser, als ein in sich ab-
gesclihissenes Haus, wenn rings herum ein Weg führte. Paul.
DiAC. p. 111. M. Insnlae dictae proprie quac non iunguntnr
communibns parietibus cum vicinis circuituque publico aut pri-
vate cinguntur, a simiUtudine rideUcet earian temninn, qnan
ßuminibus ac mari eminent snntqne in saht. Die zAveite Bedeu-
tung wurde die gewöhnlichste und zwar in dem Sinn als ein
abgeschlossener Clomplex von Miethwohnungen, d. i. ein aus
vielen einzelnen Miethwohnungen bestehendes einzelnes Ge-
liäudc. S. Tbl. 1, 8. 15. Cic. p. C!ael. 7. triginla millibus di-
.ristis euiii habitarc Nunc demuni i7itelligo, P. Clodii insulani
esse venaleni, cuius Ine i)i aedieidis /labitat, dcce/n ut opinor mil-
libus. Caelius bewohnte also nur einen Tbeil der Insula. Das
selbe sagen auf das Dcutlicliste nu-lirrrc Inschrii'ten , zuerst
Bi-.CKKK, (ialliis. ;;. Aiiil. II. 12
178 Erster Excurs zur zweiten Scene.
aus Pompeji, Orkll. 4H24. hisula Arriana Pol/inna Cii. Alifi
Nigidi Mai. locantur ex I. hdiis prinns tabernae. cum pergulis
suis et cocnacula equestria et clomus. Conductor convenito pri-
muin Cn. Alifi Nigidi Mai ser{vum). Dann die rothe Mauer-
schrift 1819 zu Rom im Velabrum entdeckt. Or. 4331. In Ms
pracdiis insula Sertnriana rolo esse Aur. Cyriacetis filie meae,
cinacida n. VI. tabernas n. AI. et repossone subiscalire ('?j.
Feliciter. [Dig. XIX. 2, 30. 58 pr. und öfters. Der in der
ersten Inschrift erwälinte servus ist der i7i.^ularius., welcher von
dem Herrn des Hauses mit der Aufsicht über die insula, mit
der Vermiethung u. s. w. beauftragt war.] Später verstand
man aber unter insula auch jede einzelne Miethwohnung, jede
Parzelle, welche Bedeutung dem Worte auch insofern ent-
spricht, als jede solche Parzelle für sich abgeschlossen ist.
Daraus erklärt sich, wie es in Rom so viele insulae und so
wenig domus geben konnte; nämlich über 44000 insulae und
etAva 1780 domus (z. B. in regio X waren 2742 insulae, 89
domus). In demselben Sinne sagt Suet. Xer. 38. praeter hn-
mensuni numenim iiisularum domus priscorum ducum arserunt.
Es wurde also in späterer Zeit anders gezählt, etwa wie jetzt
noch in Rom und mehr noch in Xeapel. Xeapel zählt auch
über 40,000 Hausnummern, indem jede Thüre (auch der Bou-
tiquen) eine besondere Nummer hat. Daher zählt oft ein Haus
für fünf, sechs und mehr. Vgl. Xiebuhr, röm. Gesch. II, S.
340. welcher auf Diokys. X,32. verweist. [Am besten handelt
von den insulis Preller, die Regionen der Stadt Rom. Jena
1846. S. 86 ff.
Die Mauern und das Haus von aussen.
Hier ist der passendste Ort, über den Bau der Mauern
der Häuser die Haujitsac-he mitzutlieilen (structurarum genera
bei ViTRUv. II, 8.j. Am regelmässigsten war der dem moder-
nen gleiche Backsteinbau {opus latericiuiu , CoL. IX, 6.) aus
gebrannten Ziegeln {later tesfaceus , Vitruv. II, 3.), welche
sich von den unsrigen durch feineres Korn, dunklere Farbe
und grössere Festigkeit unterscheiden, Vitruv. II, 8, 15 ff.
Vielfach findet man eine ähreuförmiu-e Lag-e der Ziegelu, die
Die bauliclie E iini cli tuiig des Hauses. 179
au den Ecken durch (Quadersteine eingefasst oder eingerahmt
waren, was man jetzt nach der Analogie der ähnlich ange-
legten Fussböden (s. untenj opus spicatum nennt. AVelche
Bezeichnung die Römer dafür hatten, wissen wir nicht. Es
gab aber auch steinerne Häuser, und zwar 1) mit apus incer-
tuiii oder untiquum , wenn die Mauer aus unregelmässigen
kleinen Bruchstücken bestand, die dick mit Mörtel verbunden
waren. Vitr.II, 8. incerta — caementa^ alia sujier alia sedentia
hiter seque iinpUcata, 7ion speciosam sed finmorem quam reticu-
lata praestant structuram. Ob man den Bau aus kleinen regel-
mässig zugehauenen und in langen regelrechten Reihen zu-
sammengefügten Steinen, wie in dem Amphitheater zu Trier
auch zu dem opus incertum rechnete, wage ich nicht zu ent-
sclieiden. 2) Unter opus reticulatum verstand man die eigen-
thümliche Verbindung von kleinen schachbretförmig geord-
neten Quadraten, die auf der Spitze standen, so dass die
Fugen ein diagonales Xetz bildeten, die dem Ganzen den
Namen gaben. Die Ecken wurden der grösseren Festigkeit
halber mit horizontalen Steinlagen eingerahmt. Diese beiden
Arten nebst dem Bau aus kleinen regelmässigen Steinen be-
nutzte man nur zu Futtermauern d. h. zu einer äusseren und
inneren Lage (crusta), deren Zwischenraum man ausfüllte
{fartura, timh/.rov , Vitr. II, 8, o. 4. 7. in media farciunt *
fractis separatim cum materia caementis) mit Mörtelguss,Sand,
Kalkstückchen, Backstein-, Ziegel- und Thongefässscherben
(testa tusa; u. s. w., dass das Ganze Felsenhärte erhielt, wie
man noch jetzt an den römischen T7eberresten bewundert.
Auch das sog. opus .spicatum benutzte man zur AusfüHung.
3) Der Ausdruck o/ms isodonnon bezieht sich auf Mauern ohne
Füllung und bezeichnet den Bau aus Steiuschichten (choria
oder ordines der sa.\.a quadrataj von gleicher Höhe, welche
durch die ganzen Mauern hindurchgehen, z. B. bei der porta
nigra in Trier, wo die kolos.saleu Werkstücke auf einander
geschlifien sind, da.ss man die Fugen kaum wahrnimmt. Sind
die Steine von ungleicher Höhe {impavt's et inaequales ordines).,
80 heisst es opus psrudoisodumurn Vituuv, II, 8, 5 f. An den
1^0 Erster Ex eins zur zweiten Scene.
Bädern von Badenweiler luvt man in den zwischen den nnre
gehnässigen Steinen befindlichen Mörtel Längen- und Qner-
linieu sorgfältig eingeritzt und so ein künstliches isodomum
geschaffen. Auch nahm man gemischte Strukturen, Backstein-
und Steinlagen abwechselnd (wie bei dem Kaiserpalast oder
den sog. Bädern in Trier), oder Backstein und Mörtel in regel-
mässigen Schichten (ebendaselbst), oder Backsteine auf mas-
sivem Fundamente, Varro bei Non. I, 236. Das opus iso-
domum fand nur bei öffentlichen Prachtbaixten , Tempeln,
Brücken, Triumjjhbogen u. s. w. Anwendung, (gewöhnlich
ohne Mörtel, aber durch eiserne Klammern verltundenj, da-
gegen das opus incertum und reticulatum auch bei Privat-
bauten, desgleichen das opus latericium. So besteht die Basi-
lika in Trier nur aus Backsteinen. Vgl. Schmidt, röm. Bau-
denkmale von Trier. Heft 2. Trier 1845. Wenn die Wand ein
unregelmässiges Ansehen darbot, Avas bei opus incertum und bei
ungleichen Backsteinbauteu der Fall war, so pflegte man nach
aussen ebenso wie es im Innern der Häuser immer geschah
einen Ueberzug von Mörtel (gewöhnlich in mehren Lagen) auf-
zutragen. Dieses Verfahren war in J^jmpeji das regelmässige
und hiess tecloriwn iiiqjonere oder mducere, Stuck oder Putz auf-
tragen, ViTRUV. V, 10. Vn, 2. Varro r. r. HI, 8. parietes mu-
' nitae tectorio. Pallad. I, 11. Dia. XV, .'}, 3. VII, 1, 44. Die
Wand strich man dann mit einer hellen Farbe an oder fügte auch
hin und wieder Pfeiler- und Säulenstellungen hinzu, wie Pom-
pejanische Wandgemälde und Wandüberreste erkennen lassen.
Mörtel und Stuck wurden mit der höchsten Sorgfalt zubereitet,
indem man auch Puzzolanerde {pulvis Puteolanus), Marmor-
staub u. s. w. dazu verwendete, Vitruv. II, 5. 6. de la Faye,
recherches sur la j^reparation que les Rom. donnaient ä la
chaux. Paris 1777. Krieg von Hochfelden, Geschichte der
Militärarchitektur, S. 121 ff.]
Theile des Hauses.
In der römischen domus aber — wir haben das Haus eines
vornehmen Bürgers im Sinne — unterscheiden wir zunächst:
I) solche Theile , welche nothwendig da sind und deren Lage
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 131
in der Hauptsache durchaus und überall dieselbe war, und die
daher gleichsam das Geripjie des Hauses bildeten, an das sich
die übrigen anschlössen. Solche Theile sind : VesÜbulum.
Ostium (xJvoMoeTui)- Atrium. Cavum aed'nnn. Tablinum. Fauces.
Peristylium .
Vestibulum.
Man kann mit IJecht fragen, ob es überhaupt angemessen
sei, das Vestibulum unter den Theilen des Hauses anzuführen,
da es eigentlich keinerlei Art Gebäude war. Indessen gehörte
es doch zu dem Areal des Hauses, und ist überdies oft genug
in dem Hause selbst gesucht worden. Ja noch Marixi hat auf
dem seiner Ausgabe beigefügten Kisse Tab. CVI. die eigent-
liche Flur innerhalb des Hauses als Vestibulum bezeichnet
[auch OvERBECK , s. imten bei ostium] ! Auf dem Plane,
welchen Stratico nach NeAvton [und Marquez auch an Ma-
zois, Palast des Scaurus angefügt] geliefert hat, scheint es
anders gemeint zu sein ; doch ist es auch dort ein von allen
Seiten eingeschlossener Raum. Dagegen haben Rode, Stieg-
litz und Hirt es allerdings vor dem Hause angenommen,
aber seltsam genug — die Fronte des Hauses bildete eine
gei'ade Linie, und das Vestibulum liegt davor, bedeckt durcli
ein von Säulen getragenes Dach. Dadurch entsteht nun zu
beiden Seiten vor dem Hause ein leerer Raum, mit dem man
nichts anzufangen weiss. Diese Vorstellung ist durchaus im-
richtig. [Zu.Mi'T endlich vermittelt S. 14 die verschiedenen
Ansichten insofern, als er vestibulum theils für den Raum vor
dem Hause, theils für den schlichten Gang zwischen den bei-
den Wänden von der Hausthüre bis zum Atrium hält. —
Dass das Vestibulum vor dem Atrium lag und den ersten zum
Hause gehörenden Tlicil bildete, scheu wir aus Stellen, wie
QuiN'CT. Inst. XI, 2, 20. I'riimun seusuin i'catihulo quasi assi-
f/nant, secjuithiin afrio etc. oder IX, 4, 10., wo das Ohr mit
dem Vcstibuluui \('rgli<-ln'U wird, (»der Cic. \'err. \', 06., wo
Italien vestibulum Siciliae luüsst.] Was wir aber eigentlich
darunter zu verstehen haben, lehrt uns Gellius und M.vcr«»-
Bius. I>stcrcr sagt XVI, 5. Animadvrrti (juondaiii haudqiia-
\ 32 Erster E x c ii r s zur z w p i t e n S c e n p
quam indoctos i-iros opinari, vestihiilvin esse portejn domi/s
pritnorem j quam vulgi(s atrium vocat. C. Caecilius Gallvs in
libro de significatione verhoi'um^ quae ad ius civile pertinent, se-
cundo vestibiiltim esse dicü non in ipsis aedibus neque
pnrtem aedium^ sed locuin ante ianuain domtis va-
cunm, per quem a via aditus accessusque ad aedes est, cum
dextra et sinistra inter ianuam tectaque, quae sunt
viae iiincta, spatium reli?iquitur, afque ipsa iamto
procul a via est, area vacanti iiitersita. 80 trat also
das Vestibuhim nicht vor die Fi-onte hinaus, sondern vielmehr
zurück, und war ein auf drei Seiten , von dem Mittelgebäude,
wo die ioniia, und den beiden bis an die Strasse vorstehenden
F'lügeln, tecta, quae sunt viae iuncta, eingeschlossener, nach
der Strasse hin offener und übrigens freier Platz vor dem
Hause; dextra et sinistra ist mit Rücksicht auf die innua zu
verstehen. [Doch bezieht sich diese Beschreibung auch auf
die ge\\öhnlichen bürgerlichen Häuser, welche keine vorsprin-
gende Flügel hatten, deren Hausthüre aber einige Schritte
einwärts gerückt war, so dass dadurch ein kleiner Vorplatz
entstand, wie z. B. in dem sog. Hause des Pansa, des Faunus,
des Centauren und vielen andern zu Pompeji der Fall war.]
— Dasselbe sagt Macrob. Sat. VI, 8. mit denselben Worten,
nur zuletzt kürzer: Ipsa euim tanua procul a via fiebat , area
intersita, quae vacaret. [und Varro L. L. VH, 81. ideo qui exit
in vestibulum, quod est ante domum, prodire et procedere (dicitur).
Dass aber die Grammatiker das Vestibulum ganz richtig er-
klären, ergiebt sich aus vielen anderen Stellen, s.] Plaut.
Most, m, 2, 132.
Viden hoc ante aedis vestihuhan et ambulacnnii quoiusmodÄ?
Crc. p. Caec. 12. si te hodie domum tuam redeuntem coacti ho-
mines et armati non modo limine, sed primo aditu vestibuloque
prohibuerint, quid acturus sis. 13. tarn te in aedes restitui opor-
fere , si e vestibulo , quam, si ex interiore aedium parte dejectus
sis. p. Mil. 27. qui parietem sie per vestibulum sororis instituit
ducere, sie agere fundawenta, ut sororem non modo vestibulo
privaret, sed omni aditv et limine, de or. I. 45. Testls est huiusce
Die bauliche Einrichtung des Hauses. J^83
Q. Mucii ianita et ve{>tibuluin , qnod in eins infirmisaima raletu-
dine — maxima giiotidie frequentia civium ac snmmornm /wiiii-
num splendore celebratur. (Die Besucher werden nämlich nicht
eingelassen, weW er krank war.) ad Att. IV, 3. Clodii vestihu-
lum vacuum sane mihi uuntiabatur. Colum. VIII, 3. 8. IX, 12.
Auch diejenigen Stellen, welche von der Ausschmückung des
Vestibulum sprechen, lassen eine andere Annahme nicht zu;
so Cic. Phil. II, 28. An tri illo in vestibvlo rostra quiim adspe-
xisti, domum tuam te introire pufas? Plix. XXXV, 2. s. Thl.I,
S. 18. [dazu ViRG. Aen. II, 504.
Barbarico postes aiiro spoliisqiie superhi.]
Ausser den Spolien standen auch Eeiterstatuen und Quadrigen
auf dem Vestibulum, luv. VII, 125.
huius enim stat currus aeneus, alti
Qitadrijuges in vestibulis, atque ipse feroci
Bellatore sedens etc.
Verg. Aen. VII, 177ff.
Quin etiain veterum effigies ex ordine avorum
Saturnusque senex lanique bifrontis iniago
Vestibulo adstabant, aliique ab origitie reges.
(wo Lersch in Zeitschr. f. d. Alterthumswiss. 1838. X. 72.
falsch erklärt „vestibulo adatahant heisst: sie standen im
Atiium nach dem Vestibulum zu." Theils die erwähnten Stel-
len, theils die Grammatik spricht gegen diese Erklärung.
Auch sagt Vergil sogleich darauf
Multaque praelerea sacris in postibus arina^
Captivi pejident currus curvaeque secures etc.
In dem Vestibulum des Xeronischen Hauses stand sogar ein
Coloss von 1 20 Fuss Höhe , daneben lange Säulenhallen, ein
grosses Bassin, maris instar, und zwar — ganz nach Gellius
Beschreibung - von den Plügeln des Palastes eingeschlossen,
wie SüET. Xer. 31. berichtet: cireuiiiseptiiui nedijieiis. Xichts
anders als einen so grossen Vorhof hat Sueton im Sinn, wenn
er z. B. von Calignla sagt: stctitque in reslibiilo aediiDu etc.
Gal. 12. oder \(iii N'cspas. 2.'). in media parte rrstibuh Pala-
l g4 Erster E x c u r s zur zweiten S c e u e.
tiiutc duijuis.] — Oc'gcii diese g-ewiclitigen Zeui^'uisse vermögen
einzelne Stellen nichts, in d(!nen wir vestibulum entweder
metaplioriscli oder nng'enan gebraucht finden, welche aber zu
dem Wahne geführt haben, dass es den Eingang selbst, oder
den ersten liaiim iin Hause bedeute. [So braucht Veroil mit
einer dem Dichter zu gestattenden Freiheit vestibulum von
dem l'latz für die Tliüre und für die Hauswächter, welcher
sich unmittelbar hinter der Thüre befand, Aen. H, 469.
Vestihuluin ante ipsuiu prinioque in Ihnine Pyrrlais.
oder VI, 273.
Vestibulum ante ipsuiii jjriinisque in fancibus Orci.
ähnlich 555 fg. und 573 HP.
Tum demuiu horrisono stridentes cardine sacrae
Panduntur portae. Cernis^ custodia qualis
Vestihulo sedeat, facies quae li)nina servet?
(wo das Vestibulum erst nach dem Oeflfnen der Thüre im In-
nern sichtbar wird). Liv. V, 41. sagt von den Greisen, welche
bei dem Ueberfalle der Gallier nicht auf das Capitol geflüchtet
waren, zuerst medio aedium cburneis sellis sedere. und dann in
aediwn vestibuHs sedentes. indem er unter med. aed. den Platz
zwischen den beiden Flügeln, also das Vestib. verstand; denn
dass Liv. wohl wusste, wo das Vestib. ist, zeigt er II, 48. lus s
amiati ad Uinen consulis adesse und 49. Consid egredie?is in
vestibulo geiitem videt. Endlich scheint es ungenau gesagt,
wenn Suet. Oct. lOÜ. von Augusts Leiche erzählt: A Bovillis
equester ordo suscepit urbique intidit atque in vestibulo domus
collocavit; denn der Platz für die Leichen war das Atrium.
Allein Suet. sagt ja nur, dass die Kitter die Leiche im Vesti-
bulum abgesetzt hätten, nicht dass die Leiche daselbst stehen
geblieben wäre.] — Es bleibt also die einzig richtige Annahme
übrig, dass das Vestibulum ein freier in der Regel unbedeckter
Raum vor der Hausthüre war, s. auf Plan A. und B. unter V.
Bedeckt waren höchstens nur einzelne Theile desselben und
zAvar soweit an dem Hause Säulenhallen über dem Vestibu-
lum hinliefen (z. B. Suet. Nero 31., ebenso im Kleinen im
Hause der vier Mosaiksäulen zu Pornjicji und in Herculanum),
Die bauliche E i ii r i c h t u n g des Hauses. 185
welcher Luxus aber erst der späteren Zeit angehört. Auch an
vergitterte Schranken, durch A\'elche das Vestibulum von der
Strasse abgesondert Aväre , darf man — wenigstens ursprüng-
lich — nicht denken. Cic. ad Att. IV, 3. spricht nicht dafür:
cian sacra via descenderem, insecutiis est nie cum suis. — disces-
simus in vestibulum Tettii Damionis. qui ero7it i/iecum , facile
operas aditu prohihuernut.
ViTRUv giebt keine Vorschriften über das Vestibulum,
aber er nennt es zweimal c. 5 (8.) als wesentlichen Theil des
Hauses eines Vornehmen, und dagegen für das der Leute, qui
commimi sunt fortuna , als n())i necessaria magnifica vestibula.
Ein derartiges Vestibulum ist in Pompeji bis jetzt noch nicht
gefunden.
Ueber die unsichere Etymologie des Wortes , nach Sul-
picius Ai'OLLiNARi.s von ve und stabidum = lata sfabulatio, s.
Gelliu.s {ab illa graudis loci coustitione et quasi quadam stabu-
latiune — . spatia — grandia ante fores aedium reiicta, in qui-
bus starent qui veiiissent priusquam in domum introniitterentur.
und Macrobius a. ». 0. [Xon. I, 263. — vestibula — dicta,
quod in kis locis ad salutandos dominos domorum quicumque
venissent stare solebant, dum introeundi daretur copia.^ Von
Vesta OviD. Fast. VI, 303. [quod ianuam vestiat ., nach Serv.
zu Verg. II, 469. VI, 273. Nun. a. a. O. s. v. a. non stabulum,
quod nullus illic stet (wie vesanus s. v. a. non sanus)\ vgl. Isi-
DOR. Orig. XV, 7. [MoM.MSEN, liöm. Gesch. I, S. 229. und
nach ihm We[.ss, Kostümkunde 11, S. 1168. erklären vestibu-
lum (von vestis) als Anklcideplatz , indem man erst bei dem
Hinaustreten die Toga umgeworfen habe, denn im Hause sei
man nur mit der Tunika bekleidet gewesen. Woher weiss
man aber, dass man erst vor der Thüre die Toga umlegte?]
— Wenn es unleugbar ist, dass wie prostibulum von prostare
so vestibulum von vestare abg('leitet werden muss , so gilt es
nur die l'x'dt'utuug der l'artikel ve. Diese scheint aber ur-
sprünglich ausserhalb zu sein, wie in gewissen Fällen das
griechische nanä. So ist vecnrs so viel als excors, nanaqntav,
und ebenso vesanus. Nicht weniger ist vrgrandis, was ausser-
\H{y Erster Excurs zur zweiten Soeiie
gewöhnliches Maass lint. niid es heg-reift sich leicht, wie die
Partikel dann bald verstärkenden, bald verneinenden 8inn
haben kann. Vgl. Heind. zu Hur. Sat. I, 2, 129. vepallida ist
ebenfalls aussergeAvöhnlich, das ist, ungewöhnlich blass.
Wie vortrefflicli diese Bedeutung auf vestihuhim passt , ist
offenbar.
Osti 11 m.
Der Name ostium bezeichnet den Eingang des Hauses
\^proprie per quod ab aliquo arcemur ingressu, Vitruv. bei
Serv. zu Verg. Aen. VI, 43. und Isidor. XV, 7.] und kann
daher mit ianua, fores gleichbedeutend sein. [Nur der Haupt-
eingang hiess eigentlich ianua. Darum sagt (Jic. p. red. 'in
sen. 6. non ianua receptis, sed pseudothyro intromissis volupta-
tibus.] Cic. Xat. Deor. H, 27. Fores in Uniinibus profanarum
aedium ianuae nominantur. Dieser Eingang befand sich gerade
in der Mitte des Hauses [und hatte zuweilen mehrere Stufen,
Sex. ep. 84. gradus divitum et magno aggestv suspensa vesti-
hula. non in praerupto tantinn istic stabis, sed in lubrico. So
im Palatium, Suet. Ner. 8. Vit. 15. Tac. Hist. I, 29. Dio
Cass. LXVIII, 5. und in mehreren pompejanischen Häusern,
AvELLiNO, descr. di una casa p. 4. Engelhard, Beschr. S.58."]
Die einzelnen Theile desselben sind: Urnen inferum et superum
(die Schwelle und der Sturz). Plaut. Merc. V, 1. 1.
Limen supernmque inferumque salve, simid autem vale.
[Xov. bei Xon. IV, 278. Limen superum, quod mihi misero
saepe confregit caput , inferum autem ubi ego omnes digitos de-
frc.gi vieos. Isidor. XV, 7. Plin. XXXVI, 14, 21. in Umine
ipso, quod foribns imponcbat. — Die Schwelle war von Stein,
bei Aermeren auch von Holz; Avellino descr. — la seconda
p. 12.; die Thürbekleidung aber (antepaginenta) stets von
Holz, lex par. fac. bei Haibold p. 72. antcpagmenta abiegniea.
Paul. Diac. p. 8. M. valrarum ornamenfa, quae antis appin-
guntnr i. e. afßguntur. Vitruv. IV, 6. In Pompeji gewahrt
man noch jetzt an sehr vielen Thüren um die postes herum
kleine Vertiefungen in der Schwelle, in welche die antepag-
menta eingelassen wurden, Avellino, descr. di una casa p. 4 fg.
Die baiilirhr F, i n vi o li t nii g dps linuses. ]87
Die beiden pteilerähnliclicu Vorspriiuoe im ( »^tiuin, an welche
sich die postes und liniina anlehnten, hiessen antae, welcher
Name im weitern »Sinne jeden Eckwandpfeiler bezeichnet
(also auch die vor dem (Jstium zu beiden Seiten des Hauses
stehenden Pfeiler oder Säulen, z. B. im Hause der mit Figuren
geschmückten Capitäler, der Vestalin u. A. S. auch die Lampe
bei Passer, lucernae lict. IH, 44 fg. Lsidor. XV, 7. quia ante
stant rcl quia ante ad cas accediinua pr'iusqiiain donuiin infjv<-
diainur)^ Paul. Diac. p. 16 M. erklärt sie latera ostiorum (über
Avelche Stelle Gexeli.i, Briefe über Vitruv. I, S. 45. ganz im
Irrthum ist), Serv. zu Verg. Georg. II, 417. eminentes lap'ale..
vel columnae idtimne. Nox. I, 124. qnadrae coliannae. Vitruv.
m, 1. IV, 4. 6. S. noch lex parieti fac. bei HAURCti.i). in eo
pariete media osfii luuien aperito — ex eo pariete nutas duas ad
mare vorsvm pvoiicito — insiqier id Urnen rnhuattim — inponito.
AvELLixo, descr. di una casa p. .'^M ff'. S. jetzt noch Serg.
IvAXOFF, varie specie di soglie in Pii)n]i('i cd indagine sul
vero sito della fancc, in Annali dell' instit. di corrisp. arch.
Koma 1859, XXXI, p. 82 108.] — Schön war die Sitte,
durch ein auf der eigentlichen Schwelle, UnterschAvelle , in
Mosaik ausgeführtes Salve den Eintretenden zu begrüssen.
Solche Thürschwellen sind in Pom^jeji gefunden worden. S.
GrORO v. Agyagf. Wand, durch Pomp. S. V. [Hin und wie-
der fand man Inschriften über der Thüre oder am Hause, z.B.
bei Tabernen, s. unten und im 2. Excui\s zur 4. Scene. Eine
andere s. Orelli Henzen 7287. hie hahitat. iiihil interet mali.
Die Sprüche gegen Feuersgefahr sind Thl. 1, S. 14. erwähnt.]
Selbst über die Thüre, super linien , hing man wohl gar
einen Vogel, der das Wort des Grusses sprechen gelernt hatte,
auf. Petron. 28. Srrper Urnen autem cavea pendebat aiirea, in
qua pica varia inirantes salidabat. In dem Hause des Trinial
chio ist allerdings vieles zu finden, was anderwärts nicht leicht
vorkommen möchte, indessen gedenkt der pica salutatrur auch
Martiai.. VII, 87. und XIV, 76. und die Papageyen lehrte
man besonders das Wort yaint. F*ers. Prol. 8.
Die postes (s. Forckllixi lex. h. v.j hier im eigentlichen
138 Erster Excurs zur z weilen Sceue.
»Sinne als die zu lieiden Si'iten stt'lienden l'liiiipf'()st<'ii (wiili-
rend die Diehter das AVort liRulip,' für die Tliüre überliau])t,
und selbst für valvae gebrauchen. »S. Ge8x. zu Claud. de raptn
Pros. III, 174.), waren von kostbarem Marmor oder auch
künstlich geschnitztem Holze. [Stat. Silv. I, ;3, 35. Mauros
postes.] Plaut. Most. III, 2, 13o ff. Simo sagt dort: Tres mi-
nas pro istis duohus praeter vecfuram dedi. Die hölzernen wur-
den auch ebenso wie die forcs und valvae mit Schildplatt be-
legt. Diese letzteren, die auch mit Elfenbein und Gold ver-
ziert Avurden, bidlae, Plaut. Asin. II, 4, 20. cf. Cic. Verr. IV,
56., öffneten sich nach innen, während an öffentlichen Ge-
bäuden sie auswärts schlugen, Mas nur dem Poplicola und an-
geblich seinem Bruder M. Valerius (Ascox. zu Cic. Pis. 22.
p. 1 3 Orell.) als eine besondere und einzige Auszeichnung zu-
gestanden wurde. S. Plut. Poj)lic. 20. Dionyh. V, 39. Plix.
XXXVI, 1 5, 24. Dass dieser Unterschied später nicht mehr
Statt gefunden habe, ist eine irrige Meinung von Fea zu
Winck. W. I, S. 48. 471. Dig. VIII, 2, 41. (Scaevola, also
in Cicero's Zeit) steht zwar: L. Titius aperto pidriete domiis
suae, quatenus stilUckUi rigor et tignorum protectus coiiipetehat,
iaimain in pi(blico apieruit. Allein hier ist gar nicht von dcMU
Auswärtsschlagen die Rede, sondern nur die Frage, ob Titius
dort eine Thüre habe durchbrechen dürfen. Dagegen sagt
DiüXYS. ausdrücklich vom Hause des Valerius: ravzfji,' riji; oi-
•MCii; — cd xXiOKcdi-i; Ovoai (ianua) fionu täv ii' t// Pojjw// Ö//jMO-
ai(x)v TS nai i8ixariy.äv oi'xcov (?) si'g to «|w /ifQog avoiyovrat. Vgl.
Cuiac. observ. XIII, 27. [Ivanoff, S. 97 f. macht Avahrschein-
lich, dass im Hause des Faun zu Pomj)eji die Thüre nach
aussen aufschlug.] Anders Avar es bei den Tabernen, die viel-
leicht, wie heutzutage in Italien aus- und einwärts zugleich
schlugen. Der von Lsid. Orig. XV, 7, angegebene Unterschied:
fores dicimtur, quae foras ; valvae^ quae intus revolvuntur. wird
durch den Gebrauch in keiner Weise bestätigt. Die Thüren
der Tempel öffneten sich nach aussen, und doch nennt sie Ci-
cero valvas [Cic. Verr. I, 23. IV, 43. 56. de div. I, 34.]; die
der Wohnhäuser nach innen, und doch heissen sie überall
Die bauliche Einrichtung des Hauses. ]gO
fores. — - Auch scheint der Unterschied zwisclien fores, Flügel-
thüren, und valvae, Khippthiiren, wenig beachtet zu werden.
Vgl. Sagitt. de ian. vett. [Serv. zu Verg. Aen. I, 453. Val-
vae sunt quae revolvuntur et se velant. Isid. 1. 1. ralvae —
dupUces complicahilesque sunt. Es waren also eigentlich Klapp-
thüren zum Zusammenschlagen und bestanden aus mehreren
Abtheilungen, welche durch Metallbänder zusammenhingen,
die den modernen ganz gleich sind, cardiues securiclati, schwal-
benschwanzförmige genannt, Vitruv.X, 15. Ivanoff, S. 101.
1(>5. Dergleichen brauchte man in solchen Räumen, Avelche
nur durch die Thüre Licht empfingen ixnd viel Licht bedurften,
wie im Tablinum und grossen Tabernen. S. bei Tablinum und
iu dem folgenden Excurs.]
Zu bemerken ist, dass die Thüren nicht wie bei uns in
den Angeln hingen. Es befanden sich an der beweglichen
Thüre selbst keilförmige Angclzapfen, welche in eine Höh-
lung in der oberen uiul in der unteren Schwelle {Ihnen supe-
ruin et mferum) eingelassen waren oder auch in bronzenen
und eisernen Ringen sich drehten. Das war namentlich wohl
der Fall bei grösseren Tliüren und Thoren. Daher sagt Plin.
XVI, 40, 77. Rigorem fortissime servat ulmus, ob kl cardunhus
crassamentisque (oder axamentis) portaruni utilissima. Aber
auch bei den Thüren der inneren Gemächer waren die car-
d'ines , die Zajifen [die; Enden der sog. scapi cardinalcs oder
Thürschenkel, Vitruv. IV, G, 4 fg.] an den Thürfiügeln, und
die Höhlungen oder Ringe befanden sich in der Schwelle oder
an den festen Seitenj)fosten, Das sieht man aus Api'UL. Met.
1, p. 4'J. fores ad pristinuin statiun integrae resurgwit^ cardines
et foraniina resident, postes ad repagula redeuuf [und aus den
])ompejanischen l^cberresten. S. Wixckei.max.n, Sendschreiben
über die hcrcul. Entdeck. Dresden 1702. S. 53. Aveklino,
descr. di una casa jt. 5. Px'idc geben Al)bildungen erhaltener
Erzkapscln (rund oder xicrcckig geformt) ,,die inwendig einen
spitzigen Vors])rung hatten, um zu verliindern, dass sich das
Holz in denselben nicht (IicIhii koiiulc'' Ivanoff, S. 104 f.
Weini Hi:i{T/.i!KU(i, Rec. <b-s (Jallus, N. 2HI). S. -J;'.!»'.) f>:. be-
190 Erster Ex eins zur zweiten Scene.
hauptet, dass auch die Bäume, welche den Thürflügehi als
Axe dienten und aus denen die verlängerten cardines hervor-
ragten, postes genannt worden seien, und sich dafür auf Verg.
Aen. II, 480. postesque n cardine vellit aerato.s. 492. ianua et
ei/ioti procumbunt cardhie postes beruft, so liegt darin kein
schlagender Grrund; denn warum soll postes hier nicht s. v. a.
Thüre überhaujjt heissen? Audi kann man nicht sagen, dass
ViTRi;v.X,20. die cardhies als eine Verlängerung der Pfosten
betrachte: postes compactiles, praeter cardines pedum novem ;
denn hier ist von den Stockwerken einer testudo , nicht von
Thüren die Rede und cardo ist einfacli als Zapfen zu nehmen,
welcher sich an dem Ende eines Balken befindet.]
Die Thüre war den Tag über zwar geschlossen, aber in
der Kegel nicht verschlossen, und die Fremden klopfen bei
Plautus nur der Schicklichkeit wegen an. Niemand aber,
weder Herr noch Sklave klopft am eigenen Hause , auch Do-
rippa und Syra nicht, die doch unerwartet vom Lande kom
men. Merc. IV, 1. Eben so wenig Stichus. III, 1. oder Mnesi-
loehus, Bacch. III, 4. Ja Theuropides wundert sich, die Thüre
verschlossen zu finden. Most. II, 2, 14.
Set quit lioc? occlusa ianuast interdius?
und ebenso Dinacium, Stich. II, 1, 36. Q?<?V hoc^ Orclusam
ianuam video. Darum befiehlt auch Alcesimarchus besonders,
dass sie verschlossen werden soll. Cist. IH, 18.
Ubi estis, servi? occludite aedes pessulis^ repagulis,
Ubi hanc ego tetulero intra Urnen.
Beispiel verschlossener Thüren Appul. Met. p. 112 Elm.
ostium accedo et iayiuam firmiter oppessulatam pulsare —
incipio.
Was die Thürklingeln betrifft, so ist zwar unleugbar,
dass man sich der tintinnabula bediente, um einer zerstreuten
Menge ein Zeichen zu geben, sich zu einem bestimmten Zwecke
zu versammeln, und von dem Gebrauche in den Bädern ist im
Excurs zur siebenten Scene die Rede; für Klingeln an der.
Hausthüren aber, durch welche die ausserhalb Stehenden den
lanitor zum Ueffnen veranlasst hätten, ist kein Beweis be-
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 191
kannt. Auch die Stelle Suet. Aug-. 91. Cinii dedicotam in
Capitolio aedem Tonanti lovi assidue frequentaret, somniavit
queri Capitolimnn lovem, cultores sibi abduci, seque respondisse,
Tonantem pro ianitore ei appositum; ideoque mox tintinnahuUs
fastigium aeditt redimivit, quod ea fere ianiiis dependebant. be-
weiset es nicht gerade hin, und die Beispiele, welche Casau-
bonus aus Dio Cassiüs und Lucian beigebracht hat, sprechen
nur davon, dass man durch das Läuten mit der Klingel oder
Glocke die Familie geweckt oder versammelt habe. Da in der
Regel an der Hausthüre ein lanittn- .sich aufhielt, so war auch
ein solches wcütschallendes Zeichen nicht nöthig und vermuth-
lich bediente man sich auch nur der metallenen Klopfer oder
Ringe, die von den Griechen y.()Qwr}„ -/.OQUi, nömoor genannt
wurden. Charikles I, 8. 105 fg. [Man sieht sie deutlich auf
einer Lampe, welche die Flügelthüre eines Grabmahls dar-
stellt, bei Passer, lucern. lictil. III. t. 45. — Ueber das Ver-
schliessen der Thüren s. den besonderen Excurs. Ueber den
Schmuck der postes bei Hochzeiten s. S. 20. — Sehr selten
waren Thüren zum Einfahren, da man in der Stadt nicht zu
fahren pricgte, s. den ersten Excurs zur vierten Scene; desto
häufiger aber postica, kleine Hinterthüren, welche in eine
Nebengasse [angiportus) führten und dem Wirthschaftsverkehr
dienten. Paul. Diac. p. 220 M. posticum ostium dicituv in po-
steriore parte aedium. Xox. III, 158. (vgl. postici muri bei
Varro L. L. V, 42.) Plaut. Stich. III, 1, 40 ft'.
est etiam hie ostium
Aliut posticum nostrarum harunce aedium etc.
HoR. ep. I, 5, 31. S. FoRCELLLNi lex. h. V. und Avelllso,
descr. — la seconda p. 30 ff.]
Uie Frage, ob hinter der ianua eine Hausflvn- gewesen,
oder ob man unmittelbar durch dieselbe in das Atrium getre-
ten sei, ist schwer zu beantworten. Wenigstens findet sich
keine besondere Benennung ilafür und \ itruv. der VI, 7 (lOj.
von der HausHur des griecliischen Hauses spricht, scheint sie
fast als etwas diesem Eigenthümliches zu bezeichnen: hie
autem locus iutcr duas ianuas gi aecc lU<n(ontiof appdlalur. Im
\Q2 Erster Excurs zur zweiten Scene.
römischen erwähnt er keine. Indessen sagt Plut. qu. lloin.
111. wo er davon sj)richt, dass an gewissen Tagen das Haus
des Flamen Dialis eine Art Asyl gewesen sei : 810 yjjri'öior fih'
t^v avzov y.ti^ifii()v fr Tol {IvQCJvi rtji; ornKg. Schon darum lässt
sich das Haus nicht ohne Hausflur denken, indem hinter der
Thüre die cella o.stiarii oder ianitoris war, der doch nicht im
Atrium angeschlossen sein konnte. Suet. Vit. IG. l'irruox.
29. Hier lag aucli der Hund mit der humanen Warnung: eure
canem. auch zuweilen ein gemalter Hund, wie Petrok. a. a. C).
erzählt, und wie man es in Pompeji im Hause des tragischen
Dichters gefunden hat. S. Mus. Borb. H. tav. 50. Gell, Pom-
pei. 1835. 1. p. 142. Man m(5chte daher vermuthen,' der wahr-
scheinlich nicht grosse Raum von der äusseren Thüre bis zur
ianiia inferior [die jedoch keineswegs regelmässig war] sei
unter dem Namen Ostium begriffen gCAvesen. [Isid. XV, 7.
caetera intra ianuam ostia vocantur. Overbeck, Pompeji S.
189. n. Wackerxagel S. 39. nannten diesen locus inter duas
ianuas vielmehr vestibulmn, Serg. Ivanoff a. a. O. nimmt den
Namen faitces in Anspruch. In diesem Raum waren nicht
selten Abzugslöcher, damit bei einem Regenguss das Wasser
nicht im Innern des Hauses stehen bleiben möchte und dess-
halb war auch das Innere des Hauses geMöhnlich abschüssig
angelegt, s, Avellixo, descr. di una casa p. 10. 77. luid la
seconda p. 12. Forcell. lex. s. v. colluviarium.]
Atrium.
Die wichtigste Frage bei der ganzen Untersuchung über
das römische Haus ist die, was wir unter dem Namcni atriiim
uns zu denken haben. Sie ist die eigentliche Lebensfrage,
von deren Beantwortung die Richtigkeit jeder Vorstellung von
dem ganzen Hause abhängt, und wer über das Atrium irrt,
der muss nothwendig einen falschen Plan liefern, da von der
Lage und Beschaffenheit desselben die Anordnung der meisten
übrigen Theile abhängig ist. Und gerade hier stehen sich
zwei entgegengesetzte Meinungen in verschiedenen Modifica-
tionen gegenüber, deren sorgfältiger, unbefangener Prüfung
Die bauliche Einrichtung des Hauses. ]93
sich der nicht entziehen kann, der über die Anlage des Hauses
urtheilen will.
Die bei Weitem gewöhiftichste Meinung ist, der Name
atrium sei nur verschiedene Benennung des sonst cavum aedium
genannten inneren Hofes. Dahin erklären sich, um Anderer
nicht zu gedenken, Galiani, Ortiz, Kode, Stieglitz, Hirt
[III, S. 271 ff. erst in der spätem Zeit sei Atrium von dem
Cavaed. verschieden gewesen und habe einen Vorbau bezeich-
net — was ganz unrichtig ist], 0. Mueller (Etrusker. I, S.
255. und Archäol. v. Welcker S. 400.), Marini, [Marquez,
Fuss, Zumpt, Engelhard. Overbeck, Pompeji S. 190.]. Nicht
bedeutend Aveicht davon in der Hauptsache die Erklärung
Schneiders [zu Vitruv. tom. II. p. 432 — 450: gebilligt von
Lersch, in Zeitschr. für die Alterthumswiss. 1838. K. 72.] ab,
dass cavum aedium den ganzen inneren Kaum, atrium die be-
deckten Theile bezeichne, während umgekehrt Mazois [auch
MoMMSEX, röm. Gesch. I, S. 229.] s. unten, unter atrium das
Ganze, unter cavum aedium den in der Mitte des atrium lie-
genden unbedeckten Raum versteht. [Bötticher, der Hypä-
thraltempel. Potsdam 1817. S. 6. 19. hält wie Schneider cavum
aedium mit seinen Hallen für das Ganze, atrium aber im eigent-
lichen Sinne für den unbedeckten Theil desselben (s. v. a. im-
pluviumj. Von diesem atrium nun Labe das ganze cavum
aedium den Namen erhalten, ])ars pro toto. Nach de Cai-
MOXT, Abecedaire ou rudiment d archeul. Paris 1853, S. 4. ist
atrium der Huf mit der Gallerie und den daran stossenden
Zinunern, cavaedium aber nur die Gallerie im Atrium. Ueber-
haupt hat dieser sonst sehr verdiente Archäologe ganz ver-
kehrte Ansichten über die Anlage des Hauses.] — Diese An-
nahme der Identität beider gründet sich hauptsächlich auf
unrichtig erklärte Stellen aus Varuo und Vitruv und den
AVahn, da-is die Häuser in Pompeji eigentliche Ati'ien haben
müssten. [Auch WCstemanx Kec. d. Gall. S. 13G f. stimmt
rücksichtlich der griechischen Bauart Pompeji s Becker bei,
s. unten, weicht aber sonst ab, indem er atrium und cavaedium
für identisch hält. Hermann, Kec. d. Gall. S. 71(5 f jtHichtct
Ukckek, Gallua. :i. AuH. II. I ;j
J94 Erster Excurs zur zweiten Scene.
im Ganzen Becker bei, mit der Modifikation, dass schon in
Cicero's Zeit auch römische Häuser die griechische Bauart
angenommen hätten, wo das Cavaedium an die Stelle des
Atrium getreten sei. Ganz unbegreiflich ist, wie Stjer, Pomjieji
S. 34., welcher auch die Identität von cavum aed. und atrium
anzunehmen geneigt scheint, sagen kann: ,, Becker und Kein
verstehen unter cavaedium den Hof, unter atrium den Gang,
den wir oben anclron nannten, unter alae Parallelhallen des
letztern." Davon stand im Gallus auch nicht eine Silbe, und
es gilt davon dasselbe, wie von der Aeusserung auf S. 43., dass
das Pompeianum in Aschaff'enburg eine treue Nachahmung
der Villa des M. Arrius Diomedes sei!] Die Hauptstelle,
gleichsam das Palladium aller Verfechter dieser Meinung, ist
bei Varro Ling. Lat. V, 161. Cavum aed in in dictum^ qui
locus tectus intra parietes relinquehatur paüdiis, qid esset ad
communem omnium usum. In hoc locus si nidlus relictus erat,
suh divo qui esset j dicehatur testudo a testudinis simiUtudine^ ut
est in Praetorio in castris. Si relictum erat in medio ut lucevi
caperet, deorsum, quo impluebat, impluviuvi dictum, et sursum,
qua compluebat^ compluvium: utrumque a jjluvia. Tuscani-
cum dictum a Tuscis, posteaquam illorum cavum aedium sirnu-
lare coeperunt. Atrium appellatum ah Atriatibus Tuscis; illiyic
enim exemplum sumtum. 162. Circum cavum aedium erant
uniuscuiusque rei idiütatis causa parietibus dissepta: ubi quid
conditum esse volebant, a celando cell am oppellariaä; pena-
riam ubi penus; ubi cubabant cubiculum ; ubi cenabant ce-
naculum vocitabant etc. Die vorzüglich hierher gehörigen
Worte: Atrium appellatum etc. übersetzt man nun so: Atrium
wurde es (nämlich das cavum aedium) genannt. Es fragt
sich, mit welchem Kechte? Varro erklärt die Benennungen
aller einzelnen Theile des Hauses und weiset ihre Etymologie
nach. Er erklärt, wie vorher domus und aedes und nachher
tablinum etc., die Xamen: cavum aedium und dessen Species:
testudinatum, Tuscanicum,impluvium. compluvium. atrium. cella.
penaria. cubicidum. coenaculum. Was berechtigt uns aber
irgend, den Namen atrium auf das cavum aedium zu beziehen?
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 195
Was hindert uns, nicht vielmehr zn übersetzen: Das Atrium
hat seinen Xamen von den Atriaten? Im Gegentheile
ist Varro mit Erklärungen des cavum aedium, seiner Species
und Theile fertig und geht nun zum atrium über. Dass darauf
das cavum aedium noch einmal erwähnt wird, beweiset keines-
weges, dass er bis dahin davon gesprochen habe; denn wie
wollte er die Lage der cellae anders angeben? [Auch wird man
nicht behaupten wollen, dass die Vorrathskammern das Atrium
umgeben hätten, da sie bekanntlich den innern Räumen ange-
hörten.] In dieser Stelle liegt also durchaus kein Beweis für
die Identität des atrium und cavum aedium, sondern sie spricht
vielmehr dagegen.
Sodann beruft mau sich auf Vitruv, der mehrmals cavum
aedium und atrium für einen und denselben Kaum gebraucht
haben soll. Ich übergehe das auch von Marini wieder aufge-
tischte Argument, welches man aus den Worten VI, 3, 1. in
atrii latitudine entnimmt. Schneider hat schon hinlänglich ge-
zeigt, dass es absurd sein würde, zu sagen in atrii latitudine
statt in latitudine^ wenn atrium das cavum aedium selbst be-
deutete. Allein eine andere Stelle hat mehr Scheinbarkeit.
Vitruv. sagt c. 8 Stratic. (Schneid, und Marin 5.): er wolle
angeben, quibus rationibus privatis aedißciis propria loca patri-
bus familiarum et quemadmodum communia cum extraneis aedi-
ficari debeant. Namque ex his quae propria sunt, in ea non est
potestas Omnibus introetmdi, nisi invitatis; quemadmodum sunt
cubicula, triclinia, balneae ceteraque, quae easdem habent usus
rationes. Communia autern sunt, quibus etiam invocati suo iure
de populo possunt venire, i. e. vestibula, cava aedium, peri-
stylia, quaeque eundem habere possunt usum. Igitur his, qui
communi sunt fortuna, non necessaria magnißca vestibula, nee
tablina^ neque atria, quod etc. Da folgert man nun, weil
das erste Mal cava aedium genannt sind, das zweite Mal atria,
dieses stehe für Ersteres. Der Schluss ist ganz falsch. Erst-
lich steht der Satz: Igitur his etc. gar nicht im Verhältnisse
der Folgerung mit dem, was unmittelbar vorhergebt. Dort
hat ViTKUV nur erklärt, was er propria und communia loca
196 Erster Excurs zur zweiten Seene.
nenne. Nun, indem er den Uebergang mit igitur macht, be-
ginnt er die oben angekündigten Vorsclirifteu, wie jeder sei-
nem Stande und Geschäfte angemessen das Haus anlegen solle.
— Wenn aber auch eine xiumittelbare Verbindung der Sätze
Statt fände, würde doch nicht daraus folgen, dass atria für
Cava aedium stehe. Denn Vitruv hat ja nicht alle loca com-
inunia nennen wollen, und sagt selbst: quaeque eundem jjossunt
habere usuin. Und hier nennt er tablina, die keineswegs unter
die loca cummunia gehörten, wohl aber unter die, welche der
gemeine Mann nicht braucht, weil er keine tabulas, Codices,
mönumenta rerum gestarum in magistratu aufzubewahren hatte.
Dahin gehören nun ebenfalls die atria., die oben auch nicht
genannt Avaren. Wie aber auch die cava aedium hätten weg-
fallen können, ist nicht zu begreifen; denn was wäre dann vom
ganzen Hause geblieben? — Dagegen sagt Viteuv c. 4. oder
3, 3. nachdem er den Bau der verschiedenen Cavädien be-
schrieben hat: Atriorum vero longitudines et latitudines tribus
generibus formantur. und setzt damit die atria den cavis aedium
entgegen. Denn sonst hätte er sagen müssen : Latitudines vero
atriorum. [Vitruv unterscheidet hier drei symmetrische Ab-
stufungen der Länge und Breite, nämlich wo die Breite 2/5
und 2/3 der Länge beträgt und endlich, wo sich die Breite zur
Länge wie eine Seite des gleichseitigen Quadrats zu der Dia-
gonale desselben verhält. Die Höhe aber solle regelmässig ^j/^
der Länge betragen. Hier sieht man klar, dass Vitruv nur
bedeckte Atrien, nicht offene Cavädien mit vier bedeckten
Seiteuhallen im Sinne hatte; denn wollte man letzteres anneh-
men (nach der gewöhnlichen Ansicht von der Identität der
Atrien und Cavädien), so würden die absurdesten Proportionen
entstehen. Z. B, bei einem Atrium von 80' Länge und 531/3'
Breite (die Breite zu 2/3 der Länge gerechnet) müsste das Im-
pluvium doch 1/3 der Breite und eben so viel jede Halle er-
halten (d. i. jeder 17 '^/g' Breite). Wie würden dazu 60' Höhe
passen? Oder, wenn das Atrium 40' lang und 24' breit wäre
(zu 3/5 der Länge), so müsste das Impluviimi doch wenigstens
6' (*/4 der Bi-eite) und jede der beiden Seitenhallen 9' Breite
Die bauliche Einrichtung- des Hauses. 197
erhalten. Wie vertrüge sich damit die normale Höhe von 30',
zumal da Vitruv selbst über die Säulenhöhe sagt VI, 3, 7.
columnae tarn altae quam porticus latae fuerint. Üebrigens
treffen die von Vitruv angegebenen Verhältnisse mit den in
Pompeji gefundenen ganz überein, z. B. im Hause des Pansa
ist das Atrium 47' 4 Zoll lang imd 31' 6 Zoll breit, also zu ^/ß.
— Auch zeigt Vitruv VI, 7. die richtige Ansicht: Atriis
Graeci qiiia non utuntur neque aedißcant, wie Becker in der
ßecension der römischen Alterthümer von Rupert! bemerkt
hat. Die römischen Atrien Avaren demnach von der griechi-
schen avXij ganz verschieden, denn avlt^ war s. v. a. cavum
aedium. Wären atrium und cavum aedium gleich gewesen, so
hätte Vitruv diese Aeusseruug nicht thun können.]
Nehmen wir nun andere Beweise für die Verschiedenheit
hinzu. Quixctilian sagt von den Mnemonikern, welche sich
die Localität eines Hauses einprägen wollen, Inst. or. XI, 2,
20. Prhnum se?isum [vel locum] vestibulo quasi assignant, se-
cundwa atrio, tum impluvia circumeunt, nee cubiculis modo aut
exedris^ sed statuis etiam simiUbusque per ordinem committunt.
Was ist hier circiimire impluvia anders, als in den bedeckten
Gängen um das impluvium umhergehen, von wo aus die Thü-
ren nach den verschiedenen Gemächern tuluen, und avo in den
Intercolumnien Statuen stehen. (Cic. Verr. I, 19. 23.) — Se-
KECA sagt epist. 55. von zwei künstlichen Grotten in der Villa
des Vatia: Speluncae sunt duae magni operis, laxo atrio pu-
res, manu factae ; qiiarum altera solem non recipit, altera usquK
in occidente.m tenet. Was haben aber Grcjtten für Aehnlichkeit
mit einem cavum aedium, dessen innerer Kaum unbedeckt war.
Oder dachte Seneca vielleicht an ein testndinatumf Aber diese
waren nie laxa, sondern im Gcgentheile ubi non erant riuigni
impetus. Vitr. c. 3. [Diese Stelle Seneca's ist von keinem
Gewicht; denn wir können uns das atrium doch nicht so bedeckt
vorstellen, als Bkcker will. Zweifelhaft ist, ob Vekgil. Aen.
II, 483 ff. einen Gegen.satz zwischen Atrium und dem cavum
aedium in der domus interior aussprechen wollte:
J^98 Erster Excurs zur zweiten Scene.
Apparet domus intus et atria longa patescunt,
Apparent Priami et veterum penetralia regum,
Armatosque vident stantes in limine primo.
At domus interior gemitu miseroque tmnultu
Miscetui' penitusque cavae p>l(i-^^gorihus oedes
Femineis idulant.]
Endlicli giebt uns Plinius epist. II, 17. eine Beschreibung
seiner villa Lauventina, die städtiscli gebaut war, und wo
atriwn und cavaedium gänzlich von einander verschieden, ja
getrennt erscheinen. Er sagt: Villa — in cuius prima parte
atrium frugi, nee tarnen sordidum: deinde porticus in D (oderO)
literae similitudinem circumactae, quibus parvula, sedfestiva area
includitur. — Est contra medias cavaedium hilare, mox tricli-
nium satis pulcrum, quod in litus excurtnt. — Undique valvas
aut fenestras non minores valvis habet^ atque ita a lateribus et a
fronte quasi tria maria prospectat; a tergo cavaedium, porticum,
aream, porticum rursus, mox atrium, Silvas et longinquos respi-
cit montes. Gelegentlich sei bemerkt, dass Schneider die
Stelle ganz missversteht, indem er glaubt, dass hinter dem
oecus Cycizenus dieselben Piecen in umgekehrter Ordnung
gelegen hätten, also alle dojDj^elt, und so ein Atrium an beiden
entgegengesetzten Endpunkten gewesen sei. Aber das Tricli-
nium reichte ja bis ans Meer, und nur rückwärts sah man
durch alle diese Räume hindurch. — Weil nun hier atrium
und cavum aedium von einander getrennt sind, hat man sich
nicht anders zu helfen gewusst, als anzunehmen, zu Plinius
Zeit sei das atrium etwas ganz anderes gewesen als zu Vitruvs
Zeit! Schneider führt dafür die Worte aus der Beschreibung
der zweiten Villa, des Tusculanum an, epist. V, 6. Multa in
hac membra; atriwn etidm ex more maiorum. und meint, hier
sei ein Atrium nach alter Bauart, im Laurentinum dagegen
eines novo more. [Ganz richtig!] Aber aus den Worten ex
more maiorum lässt sich höchstens scliliessen, dass es zu Plinius
Zeit nicht mehr gebräuchlich war, Atrien, wenigstens in den
Villen, zu bauen. — Solche Hypothesen, die nur geschaflFen
Die bauliche Einrichtung d e s H a u s e s. X99
sind, um eine eigensinnig festgehaltene Meinung, die man
nicht rechtfertigen kann, zu unterstützen, verdienen eigentlich
gar keine Beachtung. — Uebrigens weicht Plinius' Villa von
der Angabe Vitruvs ab. Dieser nämlich sagt VI, 5, 3. Earum
autem verum non solum erunt in urhe aedificiorum rationes, sed
etiam ruri, praeterquam quod in urhe atria proxima ianuis so-
lent esse, ruri vero pseudourbanis statini peristyVia, deinde tunc
atria hahentia circian porticus pavimentatas (so ist zu lesen,
wie auch or. p. dom. 44. hat) spectantes ad palaestras et am-
bulationfs.
Es bleibt nur eine sehr schwierige Stelle übrig — denn
was Festus [Paul. Diac. p. 13.] sagt: Atrium proprie est
genus aedificii ante aedem, continens mediam aream; in quam
collecta ex omni tecto pluvia descendit. ist, wie Sehneider selbst
bemerkt, durchaus falsch, und zeugt von einer ganz unklaren
Voi-stellung, auch vermuthlich einer Verwechselung mit vesti-
bulura, s. oben b. Gellius. Zu Festus Zeit mochten freilich
wohl die alten Atrien ganz ausser Gewohnheit gekommen
sein; denn schon nach dem grossen Brande unter Nero nah-
men die Häuser eine ganz andere Gestalt an. Suet. Ner. 16.
[An dieser Unklarheit ist jedoch Festus ganz unschuldig,
sondern sie rührt vermuthlich allein von dem Epitomator
Paulus her. Festus hat sicherlich gesagt, das atrium be-
finde sich in dem vorderen Theil des Hauses und enthalte
mediam aream, d. h. das offene impluvium, wie es später ganz
allgemein war. Paulus verderbte die Stelle und machte aus
anterior pars aedium, anterior domiis oder dergl. das sinnlose
ante aedes. Abgesehen von diesen Worten enthält das Ex-
cerpt nichts Unrichtiges.] — Jene zum Thcil verderbte Stelle
aber ist bei Plin. H. N. XIV, 1, 3. Kadern (vites) modici ho-
minis altitudine adminiculatae sudibus horrent vineamque fa-
ciunt^ et aliae improho reptatu pampinorumque superfluitate,
peritia domini amplo discursu atria media coinplentes.
Plinils will offenbar eine ausserordentliche Wucherkraft be-
sclucibon und die beiden Gränzpunkte des Wachsthums an-
geben. Es fragt sich nun, ob es das Aeusserste ist, wenn ein
200 Erster Excurs zur zweiten Scene.
Weinstock ein ganzes impluvium, denn dafür nimmt man wohl
atria media, überzieht. Er hat vorher schon gesagt: populis
niibunt — atque per ramos — scandentes cacurnina aeqncmt, in
tantum sublimes, ut vindemiator auctoratus rogum ac tumulum
excipiat. Nidlo fine crescunt, dividique cnit polius avelU ne-
queunt. Villas et domos amhiri singularum palmitihus ac se-
quacihus Joris memoria dignwn inter prima Valerianus quoque
Cornelius existimavit. Una vitis Romae in Liviae porticibiis
subdiales inambulationes umbrosis pergidis opacat, eadem diio-
denis musti aiuphoris foecunda etc. Nach so ausserordenth'chen
Beispielen ist es etwas sehr Unbedeutendes, wenn ein Wein-
stock ein impluvium überzieht. Nehmen wir einmal an, atrium
sei so viel wie caviim aedium , und denken wir uns ein grös-
seres Atrium von 60' Länge, so war dessen Breite nach Vitr.
40'. Der unbedeckte Kaum erhielt dann höchstens 1/3 der
Breite: ne minus quarta, ?ie plus tertia parte, also etwa 13'
Breite, bei 20' Länge, was den höchst unbedeutenden Flächen-
inhalt von 65 D Ellen giebt. Was ist darin Ausserordentliches?
— Sodann möchte man fragen, was nun eben für eine beson-
dere peritia domini dazu gehört habe, da pergulae allenthalben
gewöhnlich waren? Ueberdiess ist das Wort gerade in dieser
Verbindung, peritia domini, besonders auffällig; denn die Re-
ben so zu ziehen war doch wohl das Geschäft des Viridarius,
nicht aber des Herrn. — Diese Bedenken müssen gegen die
Stelle sehr misstrauisch machen ; überdiess variiren die Hand-
schriften sehr, und mehrere haben ohne Sinn: pampinorumque
peritiam damna reptatu a. m.. c, so dass man glauben darf, es
sei in diesen corrupten Worten etwas ganz anderes zu suchen.
(Viell. jyer itinera domusf) [Hertzberg, Kecens. S. 2300.
conjicirt jjernicie domuum , indem die Reben im impluvium,
welche sich durch die Zwischenwände durchdrängen und im
atrium wieder zum Vorschein kommen, die Wände auflockerten
und verdürben. — Dass die Stelle corrupt ist, unterliegt
keinem Zweifel , allein die beiden Conjecturen Beckers und
Hertzbergs sind verfehlt, wie hier nicht näher gezeigt wer-
den kann. Auch geht Becker von dem falschen Gesichtspunkt
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 201
aus, dass Plinius die ausserordentliche Wncherkraft beschrei-
ben wolle und dass nur von einem Weinstock die Rede sei.
Die Absicht des Plinius liegt in den folgenden Worten: Tot
differentias vel sola tantum Italia recipit. Er will also nur zei-
gen, wie verschieden der Weinstock in Italien wachse und
beginnt mit den am höchsten steigenden, schildert sodann die
an Pfählen wachsenden {hominis altitud.) und zuletzt die in
dem Impluvium wahrscheinlich am Fuss der Säulen hin
wuchernden Stöcke. Ueber die W. imjjrobo raptatu vgl. Cic.
Cato m. 15. midtiplici lapsu et erratico. — Am meisten Wahr-
scheinlichkeit hat die scharfsinnige Emendation des Hrn. Hofr.
Bergk, durch freundschaftliche Mittheilnug desselben an mich
gelangt. Er erkennt in den corrupten Worten peritia domini
das trefflich Passende: peristylia domus. Zugleich verwandelt
er aivplo in amplae, schiebt et vor atria ein und schreibt coia-
plent, wie unstreitig gelesen Averden muss. Xur discursu er-
regt dann uocli Bedenklichkeit. Eine andere weniger entspre-
chende Conjectur ist: super (statt qua superßuitate) peristylia
domus amplae discursu atria media comjjlentes.] In keinem
Falle aber wird man durch diese dunkle Stelle die klaren Ar-
gumente für die gänzliche Verschiedenheit des atrinm und
cavum aedium entkräften köinien.
Xoch ist zweierlei nicht zu übersehen. Erstlich stand in
dem Atrium der lectus genialis oder adversus, so genannt, weil
dieses symbolische Brautbott der ianua ex adverso stand. S.
die Erklärer zu Prop. IV, 11, 85. Obbarius zu Hör. epist. I,
1, 87. p. 9-2. und oben S. (j. 26. [Lipsiu.s elect. I, 17.] Wo
sollen wir uns diesen lectus denken, wenn das Atrium der
innere Hof war? — Zweitens standen vetcre more im Atrium
die Webstühle, telae^ der dort arbeitenden Sklavinnen. Ascon.
zu Cic. Mil. 5. Omni vi ianua expugnata et imagiiies maiorum
deiecerunt et lectulum adversum uxoris eins Corneliae , cidus
castitas pro exemplo habita est^ fregerunt^ itemque telas, (juae
ex vetere more in atrio texebantur, diruerwü. [S. S. 7.
und Lami'K. Sev. Alex. 13.] Diese hätten aber in den Gängen
um das Impluvium schwerlich Platz tiiidcn kimnen, zumal (hi
202 Erster Excurs zur zweiten Scene.
von dort aus die Tliüreu in die verschiedenen Cellen und Cu-
bicula führten.
Noch zwei Bemerkungen mögen der Schneiderschen Er-
klärung besonders entgegengesetzt werden. Erstlich wäre für
die vier Gänge oder Hallen, die das Implnvium umgaben,
atjHum eine sonderbare Gesammtbenennung gewesen; dann
aber passen bei dieser Annahme alle von Vitruv angege-
benen Verhältnisse nicht mehr. Denn das Implnvium war
länger als breit, folglich auch zwei der Gänge. Nach der Länge
bestimmte sich die Breite; also wären auch je zwei Gänge
breiter oder schmäler gewesen. — Oder soll der ganze Raum,
das Impluvium in der Mitte, gemeint sein, so entsteht eine
andere Inconvenienz. Vitruv spricht von Atrien von 30'
Länge, also 20' höchstens Breite. Davon geht 1/3 für das Im-
plnvium ab. So bleiben auf jeder Seite nnr 6-/3' für den
Gang! [Vgl. oben.] — Doch man muss cap. 3 — 10 in Vitruv
ganz nachlesen, nm alle die Widersprüche zu finden, die bei
der gewöhnlichen Erklärung entstehen.
Es scheinen daher Newton und nach ihm Stratico [am
ersten Grapaldus, de partibus aedium p. 8. 11., in neuester
Zeit Raoul-Rochette, choix d'edifices etc., sowie Krause in
Pauly, Eealencykl. I, S. 925. u. Ruperti, röm. Alterthüm. I,
S. 277 ff.] mit vollem Rechte anzunehmen, atrium sei ein von
dem caviim aedium ganz verschiedener Theil des Hauses. Es
ist der erste oder vorderste (^proxima ianuis. Vitr. c. 8. [vgl.
QuiNCT. XI, 2, 20. Val. Max. V, 8, 3. in prima aedium parte,
ebenso Sen. de ben. III, 28. Verg. Aen. II, 485. primo limine.]
und zugleich der grösste bedeckte Saal im Hause, wovon so-
gleich bei Erklärung der alae mehr gesagt werden soll.
Die Etymologie des Namens atrium wird sehr verschieden
angegeben. Varro leitet ihn, wie wir oben sahen, von den
Atriaten ab, was schwerlich einen anderen Grund als die zu-
fällige Aehnlichkeit des Namens haben mag, etwa wie Festus
histrio von Histria herkommen lässt. Festus giebt daneben
noch an: vel quia a terra oriatiir, quasi aterreum. Als wenn
nicht das ganze altrömische Haus ein Erdgeschoss gewesen
Die bauliche EiDi-ichtung des Hauses. 203
wäre! Servils zu Aen. I, 730. leitet es gar vom Eauclie ab:
atrum enim erat ex fumo. [Auch Isidor. XV, 3. erwähnt diese
Ableitung, sagt aber vorher; dictum est^eo, quod addantur ei
tres porticus extrinsecus. Dass atrium von ater abzuleiten sei
u. s. V. a. schwarzer Saal bedeute, billigen Schwegler, röm.
Geschichte I, S. 275. Mommsen, röm. Gesch. I, Ö. 229. Weiss,
Costümkunde II, S. 1168. Jedenfalls ist diese Ableitung einer
griechischen vorzuziehen, \orausgesetzt, dass man nicht so-
wohl an die durch den Rauch verursachte Schwärze denkt,
als an die Dunkelheit des Kaums überhaupt , wie es bei einer
verhältnissmässig kleinen Lichtöft'nung nicht anders möglich
ist.] Die seltsamste Erklärung, mit der es dem gelehrten Herrn
Verfasser kaum Ernst sein kann, giebt Ottfr. Mueller,
Etrusk. I, S. 256. Er sagt mit Bezug auf Varro's Etymologie:
„Wie der Atrias am adriatischen Meer ursprünglich das Land
der zusammenfliessenden Ströme (Athesis, Tai'tarus, Padus
u. s. w.) und der Sammelplatz aller Gewässer Ober -Italiens
ist: so ist das Atrium der Theil des Hauses, wo das Wasser,
welches auf das Dach herabregnet, im compluvium und implu-
vium zusammenfliesst." Sie fallt ohnehin, wenn atrium nicht
dasselbe ist, was cavum aedium. — Die gewöhnlichste An-
nahme ist, dass es von ai'&Qiov stamme, und das ist nicht un-
passend; denn das Atrium hatte in der Decke eine weite
OefFnung, lumen^ durcli welche das Licht, wie auch in anderen
Theilen des Hauses, von oben hereinfiel. S. Vitruv. VI, 4.
(3, 6 Sehn.) WiNt'KELM. W. I, S. 551. — Wenn indessen ein
griechischer Stamm angenommen werden soll, so Avürde ich
eher glauben, dass es so viel sei als aitnöuv , denn es ist der
Theil des Hauses, wo die ganze Familie sich versammelte, ge-
meinschaftlich sich aufhielt, arbeitete, auch in früherer Zeit
sj)eisete. Indessen ist es sehr gewagt, bei solchen der ältesten
Zeit angehörenden Worten über die Etymologie entscheiden
zu wollen, da oft ein Stamm zu Grunde liegen mag, den wir
gar nicht ahnen können. [Aus der scharfsinnigen und gründ-
lichen Beweisführung Beckers geht auf das Entschiedenste
hervor, dass atriuvi und cavum aedium zwei verschiedene
204 Erster Excurs zur zweiten Scene.
Theile des Hauses waren und dass das erste unserem Saal,
das zweite unserem Hof entspricht. Aber Becker geht zu Aveit,
indem er die Zeiten nicht unterscheidet und das Atrium für
immer als oben geschlossen annimmt, oder wenigstens nur
eine Dachöffnung, lumen, zulässt. Da sich nun aber mit dieser
Theorie keines der in Pompeji ausgegrabenen Gebäude zu
vertragen schien, so wird Becker zu einem anderen Irrthum
geführt, nämlich dass er den in Pompeji sogleich hinter dem
Ostium regelmässig befindlichen offenen Raum nicht für ein
Atrium, sondern für das cavum aedium erklärt, obgleich dann
die pompejanischen Häuser gewöhnlich mehrere Cavädien
und niemals ein Atrium gehabt haben müssten. — Wenn Avir
aiTch zugeben wollen, dass der arme Städter und der Land-
mann kein Atrium brauchten, so müssen wir doch in dem
Hause des nur einigermaassen Bemittelten regelmässig ein
Atrium annehmen, da dieser Kaum als der ursprüngliche Sitz
und Mittelpunkt des gesammten häuslichen Lebens anzusehen
ist (etwa wie die Schlosshalle des mittelalterlichen Ritters)
nnd da sich die wichtigsten Lebensmomente von der Wiege
bis zur Bahre an diesen Saal knüpfen. Auch die Pompejaner
können denselben nicht entbehrt haben, und wenn sie ihm
später eine andere mehr hofähnliche Fm-m gaben, so folgt dar-
aus nicht, dass das Atrium dem Hofe habe weichen müssen,
sondern dass sich mit der Veränderung ihrer Bestimmung
auch die Form der Atrien überhaujjt verändert habe. Die
Richtigkeit des Gesagten wird sich aus Folgendem ergeben.
In dem alten Atrium stand der Heerd {foctts)^ welcher sowohl
dem profanen Zwecke der Zubereitung der Speisen diente,
als die schützenden Laren und Penaten trug. Schol. zu Hör.
epod. n, 43. Iuxta focum Da Pencäes positi fuerunt. Plaut.
Aul. II, 8, 15 fg.
Tusculum emi et hasce Coronas floreas.
Haec imponentur in foco nostro Lari.
Gewöhnlich befanden sie sich in kleinen Schränken {aedicula)
TiB. I, 10, 20.
Stabat 171 exigua lign/ms ae.de deus.
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 205
luv. VIII, 110 fg. Petrox. 29. Darum erwähnt Ovid. Fast.I,
136. Larem ganz iu der Xähe der Hausthüre, also im Atrium.
Der Platz lüess penetrnlia (Verg. Aen. 11, 485, 513 ff. VII,
59 fg. Paul. Diac. j). 208. penetrnlia sunt penatium deorum
sacraria. Stat. Silv. I, 3, 59.) und der Heerd selbst foci j)e-
netrales, z. B. Verg. Aen. V, 660. or. de har. resp. 27. Hertz-
berg, de diis liom. patriis. Halae 1840, p. 64 ff. In der Nähe
der traulichen Flamme wurde auch das gemeinsame Mahl ge-
nommen, Cato bei Serv. zu Verg. Aen. I, 730. et in atrio et
duobiis ferculis epidabantur antiqui. und Serv. fügt hinzu —
ihi et culina erat. Serv. zu IX, 648, ILlic et epidabantur et deos
colebant. Ebenso Hör. Sat. II, 6, 65. obgleich er von dem
Landleben spricht :
0 noctes coenaeque deiim ! quibus ipse meique
Ante Larem proprium vescor vernasgue procaces
Paf^co.
Auch Livius erwähnt das Mahl in dem Atrium , braucht aber
den Ausdruck i?i j^'^opatulis und propatido, XXV, 12. apertia
ianuis in propatidis epudati sunt. XXIV, 16. iu propatido ae-
dium im Gegensatz zu in publico d. h. vor der Thüre. V, 13.
Zweifelhafter ist, ob er auch XXVI, 13. rogo in propatido ae-
dium uvcenso. das Atrium oder den inneren Hof meint. Hier
thronte die waltende Hausfrau in der Mitte ihrer arbeitenden
Dienerinnen, s. S. 7.; hier stand der thalamus nuptialis, s. S.
G. und 34 fg. und die Kasse des Hausvaters in einer beson-
deren Kiste, Serv. zu Verg. Aen. I, 730. Ibi etiam pecunia.i
Iinbebant. und zu IX, 648. In Pompeji sind mehrere der-
gleichen ausgegraben worden, s. den folgenden Excurs. Hier
wurden alle Besuche empfangen und die dienten angehört,
welche bei dem Patronus liath und Hülfe suchten (darauf be-
zieht sich C'ic. de leg. I, 3. more p>(^drio sedens in solio consu-
Icntibus responderem und de or. III, 33.); hici- lag die Leiche
der Familienglieder auf dem l^aradebctt, l)is der letzte AVeg
angetreten wurde, s. den Excurs zur zwölften Scene; hier
endlich hingen die theueren Erinnerungen an die Ahnen, die
Wachsmasken oder imagines, s. 'V\\\. I, S. 33 ff. Des Lichts
206 Erster E x c u r s z u r z w e i t e n H c e u e.
und des liauchs halber war oben eine nach Verhältniss des
Eaums grössere oder kleinere Dachöffnung-, jedoch nicht so
gross, dass der Raum den Charakter eines geschlossenen Saals
hätte verlieren können. Die Construktion haben wir uns ganz
analog der des cavaediura Tuscanicum zu denken, nur dass
bei dem letzteren die Oeffnung Aveiter war, als bei dem eigent-
lichen Atrium.
Als aber die alte einfache Sitte erlosch, als die frugalen
Familienmahle grossen Gastgeboten gewichen waren, als statt
weniger vertrauter Freunde und näher stehenden Clienten
ganze Schaaren auf- und abwogten, konnte die alte Einrich-
tung des Atriums nicht mehr jjassen. Der alte Familienhecrd
wurde in einen entfernten Theil des Hauses verwiesen und
die bisherige Verbindung seiner doppelten irdischen und reli-
giösen Bedeutung aufgelöst, indem die Laren in ein beson-
deres Sacrarium, der Kochheerd aber in eine geräumige Küche
kam (s. unten). Auch die arbeitenden Sklavinnen mussten
nach hinteren Theilen des Hauses auswandern und für die
cenae wurden besondere Speisesäle von verschiedener Grösse
angelegt, s. unten. Das Atrium blieb nur noch der Warteplatz
und Empfangssaal für die Clienten und Freunde bei allen
Gelegenheiten, s. Hör. ep. I, 5, 31. und die anderen Stellen
S. 134. So hat Vergil die Sitte seiner Zeit vor Augen, wenn
er Aen. HI, 353. von Helenus sagt:
Illos porticibus rex accipiebat in amplis.
Aulai in medio libabant pocula Bacchi etc.
denn aula steht für atrium. Ebenso blieb das Atrium der Platz
für die Leiche. Die Ahnenbilder behielten natürlich ihre
Stelle , — nur dass statt unscheinbarer Wachsmasken aerei
clypei, argeyiteae fades surdo figurarum discrimi?ie aufkamen
— ebenso der lectus genialis, der jetzt aber nur symbolische
Bedeutung hatte, s. oben S. 6.
Eine geschlossene Decke war aber jetzt nicht mehr noth-
wendig, man bedurfte im Gegentheil, je grösser die Atrien ge-
worden waren , um so weitere Dachöffnungen, damit es weder
an frischer Luft, noch an hinlänglichem Lichte fehlte (^4 o<^ler
Die bauliche Eiiiri clitung des Hauses. 207
•/s der Breite des Atriums breit, Vitr. VI, 3, 6.) Eine solche
grosse Oeffnung war jedoch, namentlich wenn das Dach sich
nach der Mitte senkte, nach der Construktion des cavaedium
Tuscanicum nicht möglich. Daher wurden aus technischen
Gründen stützende Säulen untergezogen, die dann auch bald
zur Erhöhung der Schönheit dienen mussten, indem man sie
aus dem kostbarsten Marmor nahm. Vier solcher herrlichen
Säulen hatte Scaurus und andere der reiche Crassus in seinem
Atrium (indem für jede der vier Ecken eine Säule nöthig
war) Asc. zu Cic. p. Scaur. p. 27 Or. quatuor columnae mar-
moreae insigni inognitudine. und zwar von hymettischem Mar-
mor und 38' hoch, Plin. h. n. XVII, 1. XXXVI, 2. XXXV, 2.
Zwischen den Säulen wurden Statuen errichtet, Plin. XXXIV,
9. XXXV, 2. wo die älteren und neueren Atrien entgegen-
gesetzt Averden: Aliter apud maiores in atriis haec erant quae
spectarentur, non signa extei^ionon artißcum nee aera mit mar-
mora. , sondern die wächsernen imagines. Nach diesen be-
stimmten Nachrichten können die Schriftstellen nicht auf-
fallen, wo von den Säulen und Hallen des Atrium oder von
dessen grosser Ausdehnung und Pracht die Rede ist, z. B.
CljVud. in Ruf. II, 135. purpurcls effulta columnis atria. Lu-
CAx. n, 238. M.\RT. XII, 50. Sp:n. cons. ad Marc. 10. Verg.
Aen. I, 725. XII, 475. IV, 665. II, 483. 528. Vitr. VI, 5, 2.
atria ampla, alta, longa, mit longis porficibua verbunden. Au-
sox. Id. X, 49. laqueata. Ovid. Met. XIV, 260. viarmore tecta
Api'Ul. Met. II, p. 115 f. Elm. Atria — pulcerrima^ columnis
quadrifariam p)er singulos angulos stantibus. Die Atrien waren
aber nicht allein in dieser Beziehung den Cavädien, welche
im Verlaufe der Zeit ebenfalls glänzende Säulenreihen erhal-
ten hatten, ähnlich geworden, sondern sie erhielten auch Avie
jene ein Basin und Brunnen (P.\ul. Diac. s. oben S. 199.),
desgleichen kleine Rasenplätze und Zierpflanzen. So sagt
Ovid. Met. VIII, 563. vom Atrium: moUi tellus erat lairnida
niusco. Au.soN. Mos. 335 fg.
Atria quid memorem viridantibus adsitc jiratis
Iiinuincrisque super nntaidia tecta columnis.
208 Erster Ex cur s zur zwei ton Sceue.
Plix. li. 11. XIV, 1, 3. (s. oben von den Weinreben). Prop.
lY, 8, 35.
Unus erat tribus in secreta lectulus Iierha.
Denn dass vom Atrium die Kede ist, zeigt Hertzberg aus
V. 49 ff., wo der bezeichnete Platz .sogleich hinter der Hau.s-
thüre liegt. Ob aber Verg. Abu. XII, 476 fg.
Kt nunc iwrticibus vacuis, nunc humida circuin
Stagna sonat (nämlich die Schwalbe),
von dem Wasserbecken des Atrium spricht, i>t sehr ungewiss,
obgleich alta air'ia vorausgeht, denn die Schwalbe kann ja
auch in die Hallen des Cavädium zu dem dort befindlichen
Wasserbecken fliegen. UebHgeus gilt von diesen Bassins und
Brunnen ganz dasselbe , was darüber bei dem Cavädium ge-
sagt ist, nur hatte das Bassin in der Regel eine oblonge recht-
eckige Foi*m ohne weiteren Schmuck. Weniger unsicher ist
es, ob Yergil. Aen. 11,512 ff"., wo er von einem Lorbeerbaum
an dem Altar der Penaten spricht, die Atrien seiner Zeit vor
Augen hatte. Wegen dieser Aehnlichkeit des späteren Atrium
mit dem Cavädium wird atrium auch hvki. genannt, was in
früherer Zeit unmöglich gewesen wäre. Sj sagt Horat. epist.
I, 1, 87. caila statt atrium, ebenso Verg. Aen. III, 354. und
and. S. Serv. zu Verg. 1. 1. Lersch a. a. O. N. 72. Kaoül-
KocHET'iE und Laglaxdiere in den S. 176. angeführten
Schriften, Hertzberg, de diis Koni. patr. p. 67. Der Gegen-
satz der älteren Atrien , welche mehr einem Saal , und der
neueren, welche mehr einem Cavum aediuui ähnlich waren,
wozu auch noch der reichere Schmuck kommt , mit welchem
man die letzteren ausstattete, Avird wiederholt von den Alten
ausgesprochen. So sagt Plix. ep. V, 6. atrium ex more vete-
rum. II, 17. atrium f rüg i, nt^c tarnen sordidum. also ein beschei-
denes Atrium nach alter Weise. Wichtig ist die oben mitge-
theilte Stelle von Peix. XXXV, 2. aliter apud ntaioren etc.
Damit man mir aber nicht vorwerfe, dass diese Ansicht blos
auf Muthmassung beruhe, ohne je der Wirklichkeit entspro-
chen zu haben, so berufe ich mich auf das Beispiel eines alten
bescheidenen säulenlosen Atrium zu Pompeji, welches das
Die bauliche Einric iitiui g des Hauses. 209
Haus Xr. 57 der strada Stabiaua darbietet. Hinter demselben
befindet sich ein ansehnliches Cavaedium mit Säulen (Peri-
styl.). XicoLixi, Pomp, fascic. 3. Von dem neuen Ati-ium
spricht HoR. od. IH, 1, 46. et novo sublime rhu moliar atrium?
Diese Abweichung- der alten und neuen Zeit zeigt auch Varro
L. L. Vni, 28fg. , wo er gegen die Analogie spricht, d. h.
gegen die Uebereinstimniung in der '\V(jrtbildung und Wort-
biegung. Er verlangt, das usu receptuvi solle gelten, und
wenn auch seine Beispiele noch so unpassend sind, so ergiebt
sicli doch aus den Worten: in aeäificiis quum non videamus ha-
bere atrium ad rTfiQiarv).or similitudinem et cuhicuhun ad equile.
auf das Unzweideutigste, dass ein Atrium mit einem Peristyle
nicht mehr Aehnlichkeit hatte, als ein cubiculum mit einem
Pferdestalle. Dieses passt vollkommen auf das alte saalähu-
liche Atrium, welches Varro also im Sinne hatte. Welche
aber glauben, ^'arro halte cavum aedium und atrium für
identisch, werden durch diese Stelle ganz widerlegt; denn ein
cavum aedium hat die grösste Aehnlichkeit mit einem Peri-
style, ja wenn es rings um Säulen hat, so ist es ganz ein Pe-
ristyl. Denn das wird doch Niemand bezweifeln, dass mau zu
Varro's Zeit die cava aedium mit Säulenstellungen gebaut
habe. — Um nun zu den S2)äteren Atrien zurückzukehren, su
hatten die Häuser damals freilich gleichsam zwei Cavädien
(wie das griechi'^che Haus zwei anlas, Vitr. VI, 7, 5.) allein
das erste unterschied sicli durch mindere Ausdehnung und
kleinere DachöfFnung von dem zweiten und durch seine eigen-
thümliche Bestinnnung. Wenigstens zeigen alle pompejani-
schen Grundrisse, dass der erste offene Kaum im Hause
(atrium) allemal viel kleiner ist als der zweite, säulenlos,
nach alter tuscanischer Construktion und ebenso die Dachöff-
nuug des ersten wenn auch grösser als in alter Zeit, doch be-
schränkter als die des zweiten. Raum für einen Garten war
darin nicht vorhanden, wenn auch kleine Kasenplätzchen an-
zubringen waren. Der Unterschied war also gross genug und
desshalb hiess der erste Kaum auch später noch fortwährend
atrium und der zweite grössere cavum aedium. Dieses freilich
Becker, Oallud. 3. Aufl. II. 14
210 Erster Excurs zur zweiten Seeno.
schmolz fast ganz mit dem poristylium zusammen, s. bei eavum
aedium. Die pompejamschen Häuser haben fast nur Atrien
der späteren Zeit (eine Ausnahme s. oben bei dem Hause No.
57.) mit einem Becken und Brunnen, seltener mit Säulenstel-
lung-, und diese Atrien wurden wie in Rom später nur zum
Empfang- der dienten, früher als Hauptzimmer des ganzen
häuslichen Lebens gebraucht. Alle Colonien und Municipien
waren nämlich kleine Bilder der Aveltbeherrschenden Metro-
polis und können das dem Römer in Rom unentbehrliche
Atrium unmöglich entbehrt haben. Zmn Clientenem])fang
waren auch in Pompeji Ati-ien nothwendig, denn die lebhafte
ambitio in Pompeji kann zum Ueberfluss durch zahllose
Mauerschriften bewiesen werden. Endlich zeigt die Ueberein-
stimmung der Häuser zu Pompeji mit den auf dem Fragment
eines alten Plans von Rom im capitolinischen Museum befind-
lichen Grundrissen auf das klarste, dass die Bauart in Pompeji
nicht griechische Avar und dass es in Pompeji so Avenig als in
Rom an Atrien fehlte. — Nach dem Gesagten wird man nicht
zugeben, dass man in Pompeji keine Atrien gehabt habe und
dass es dort kein treues Abbild eines römischen Hauses gäbe.
8. die trefflichen Bemerkungen bei Hertzberg a. a. O. und
Recension des Gallus N. '288. — Riva, dei cavedi e degli atri,
con nn nuovo comment. sopra Vitruvio. Vicenza 1828. ist mir
nur dem Titel nach bekannt. Mit Recht sagt Ivanoff a. a. 0.
S. 88 — 93. dass atrium seinem eigentlichen Sinn (oder lieber
seiner Construktion) nach identisch gewesen sei mit der älte-
sten bei allen italischen Völkern gebräuchlichen Art des ca-
vaedium, nämlich des tuscanicum; wenn er aber hinzusetzt,
dass man missbräuchlich den Namen atrium auch auf die an-
deren neueren Arten des cavaedium, wie tetrastylum und
corinthium übergetragen habe und dass beide Ausdrücke iden-
tisch geworden seien, so geht er jedenfalls zu weit. Wenn man
es in der späteren Zeit mit dem Sprachgebrauch auch nicht
immer ganz genau nahm, so blieb doch im Ganzen atrium der
Name für den ersten Raum im Haus (Saal) und cavaedium
für den inneren Hof. Bei der Annahme der Identität, dass
Die bavxlichc Einrichtung des Hauses. 211
cavaediuni auch das atrium bezeichnet, hätte man ja gar
keinen Ausdruck für den inneren Hof gehabt, was man doch
unmöglich ghiuben darf.
Am .Schhis,se wird es der leichteren Uebersicht halber
zweckmässig- sein, unsere auch bei der l'hilologenversamm-
lung in Frankfurt ausgesprochene Ansicht noch einmal kurz
in einigen Thesen zusammenzufassen:
1) atrium und cavaedium sind stets zwei verschiedene Räume
im römischen Hause gewesen (s. oben namentlich Plin.
ep. n, 17.),
2) die Häuser Pompejis sind nicht griechisch wie die sonstige
römische Anlage , tablinum , fauces u. s. w. beweist und
haben daher schon aus diesem Grunde Atrien , wie kein
r<lmisches Haus derselben entbehrte,
'S) das alte saalartige atrium hat sich im Verlauf der Zeit
dergestalt umgeformt, dass es dem cavaedium ähnlich ge-
worden ist, wesshalb die meisten pompejanischen Atrien
— abgesehen von der Grösse — den C^avädien gleichen.
iJie letztere von mir ausgesjn'ochene Behauptung, dass man
das atrium der früheren und späteren Zeit unterscheiden
müsse, billigen Momm.sen und Wioi.ss — obwohl nicht ohne
Modifikationen — . 3Io>imsex, röm. Gesch. I, S. 229 nahm für
die alte Zeit Identität des atrium und cavaedium an, d. h. dass
das cavaedium der freie Raum in der jNIitte des atrium sei,
aber S. 940 sagt er, dass mit der Periode des beginnenden
Luxus sich allmälich Wohnsaal (atrium), Hof (cavaedium),
Garten luid Garteidiallen (peristylium) u. s. w. geschieden
hätten. Wei.ss, Costümkunde II, S. 117^5 ff. „So aber (in der
neueren Zeit ) bildete es (das Atrium) bei echt römischen Häu-
sern nun nicht mehr, wie früher, nur einen einzigen Saal, son-
dern zwei getreiuite Gemächer, die eigne Pforten (?) mit
einander verbanden", nämlich das eigentliche uralte atrium
und den Mittelliof cavaedium. Hinter dem letzten habe das
tablinum gelegen, die Alae des Atrium hätten zu den ge-
nannten Mittclhofpforten geführt u. s. w. Alles dieses beruht
nur auf Beckers IMan A. und f-rmangelt jeder Begründung
14*
212 Erster Exe ins zur zweiten Scene.
durch Belegstellen oder antike Pläne. — Die weite Oeffnung
des Atrium und auch des Cavum aedium wurde zum Schutz
vor Sonne, Wind und liegen mit gi-ossen Teppichen zuge-
hängt. Diese hiessen vela^ Isidor. XIX, 26. quod ohiectu suo
interiora domorum velent. Sie werden genannt von Ulp. Dig.
XIX, 1, 17. § 4. und XXXIII, 7, 12. § 16. umhrae causa
§. 17. Vela autem cilicia instrumenti esse Casshis ait , quae ideo
parantur^ ne aedificia vento vel pluvia lahorent. § 20. De velis,
quae in hypaethris extendimtur, item de his, qiute sunt circa co-
Iwnnas. wo die horizontal gespannten Ilypäthral- oder Implu-
vialteppiche von den vertikal herabhängenden Vorhängeji
zwischen den Säulen geschieden werden. Dieselben erwähnt
Pl,in., s. Thl. I, S. 108. Varro bei Serv. zu Verg. Aen.I, 697.
{vela suspendi gegen den Staub), und Ovid. Met. X, 595. hat
jedenfalls die Mode seiner Zeit vor Augen, wenn er sagt:
Hand aliter, quam cum super atria velum
Candida purpureum simulatas inßcit umhras.
Das purpurne velum färbt nämlich das marmorne Atrium.
Vgl. Lucret. IY, 73 ff., wo sich ein ähnlicher Gedanke findet,
nur in Bezug auf die vela des Theaters , s. Thl. I, S. 74 fg.
S. noch Iavol. Dig. L, 16, 242. § 2. quod hypaethri tegetidi
causa poneretur. Auf horizontale vela bezieht man gewöhnlich
HoR. Sat. II, 8, 54 fg.
Interea sicsjjensa gravis aulaea ruinas
In patinam fecere^ trahentia pulveris atri etc.
s. Heixdorf. Wuestemann versteht darunter den vor die
Thüre gezogenen Vorhang oder die statt der Tapeten an den
Wänden aufgehängten Teppiche.
Im Winter konnten auch bewegliche breterne Dächer
über das Impluvium geschoben werden. Wenigstens scheint
Iavol. a. a. O. § 8. so verstanden werden zu müssen : Strue-
turam loci alicuius ex tabulis faclam, quae aestate tollerentur et
hieme ponereiitur, aedium esse ait Labeo etc. Doch konnten
auch breterne Schieber zwischen den Säulen darunter mit be-
griffen sein. S. BötticheRj Hypäthraltempel S. 12 fg. und
Hermann, Hypäthraltempel S 32.
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 213
A t r i 0 1 u m
wird nur von Cic. ad Att. I, 10. und ad Qu. fr. III, 1, 1. er-
wähnt. Cic. schreibt: Quo loco in porticu te scribere ahmt itt
atriolum ßat, mihi, ut eit, magis placebat. Neque etiim satis loci
videbatur esse atriolo , neque fcre solet nisi in iis aedificiis fieri^
in quihus est atriuin maius, nee habere potcras adiuncta cubicula
et eiusmodi membra. Es ergiebt sich daraus, 1) dass atriola nur
in grösseren Häusern waren, in denen sich noch ein Haupt-
atrium befand , 2) dass sie als Vorsäle zu einer grösseren
Halle (jjeristylium mit porticus) dienten.]
Alae.
Mit der Annahme , dass das Atrium ein von dem Cavä-
dium verschiedener Theil des Hauses gewesen, stimmt nichts
besser überein, als die Vorstellung, die wir uns einzig von den
alis machen können. Wer das Atrium für den inneren Hof
nahm , der konnte natürlich auch von ihnen keinen richtigen
Begriff haben, und daher ist denn die seltsame Meinung ent-
standen, die alae seien die mit dem Cavädium seiner Länge
nach parallel laufenden Seitengebäude, avo die verschiedenen
cellae , cubicula ^ triclinia, oeci u. s. w. sich befanden. So Ga-
LEANi, Perrault, Stieglitz (Archäol. d. Bank. HI, S. 175.),
Hirt, Böttiger (Sab. II, S. 86. 102.), Wuestemann (Pal. de
Scaur. S. 55. 56.) Das ist aber mit dem was Vitruv. VI, 3,4.
darüber sagt, völlig unvereinbar. Zuerst begreift man nicht,
warum Vitkuv die Breite der alae im Verhältniss zur Länge
des alrium bestimmt, [Bei einem Atrium von 80 — 100' Länge
sollte die Breite der alae 1/5 davon, also 20', bei 50 — 60'
Länge nur '/-d ^^^^ 1^', bei 30 — 40' Länge 1/3, also 10' be-
tragen.] Die alae (in diesem Sinne) gehörten aber nicht zu
dem cavuin aedium; sie waren durch Wände von den Gängen
gesondert, und konnten eine beliebige Breite, d. i. für jede
eirzelne cella oder Abtheilung die Tiefe erhalten. Ferner be-
>tinimt ViTRUV, dass die Höhe der alae ihrer Breite gleich
sein solle, während er von den anderen Gemächern sagt, dass
sich ihre Höhe nach ihren Längen- und Breitenverhältnissen
richte. § ^'. Altitudinca uniniuin conclavionun , quae oblonga
214 Erster Excurs zur zweiten Sceue.
faerint, sie habere dabent rationem , uti longitudinis et latitudinis
7)iensura comptmatur et ex ea suuinui dimidium suniatur^ et quan-
titm fuerlt^ tantuin altitudmi detiir. Ebenso spricht sich die
enge Beziehung der ahie zu dem atrium auch § 0. aus: Ima-
gines item alte cum suis oniamentis ad latitudinem (soll viel-
leicht ad altitudiiiem heissen?) alarum sint constitutae. —
Endlich widerspricht die bisherige Annahme ganz dem Ge-
brauche des Worts. Die alae werden zwar im Wohnhause
nicht weiter erwähnt, allein wir haben die Analogie des toska-
nischen Tempels — das Atrium ist ja auch tuskischen Ur-
sprungs — wo über die Beschaffenheit derselben kein Zweifel
ist. Der toskauische Tempel konnte drei^ oder auch nur eine
Cella haben. Von ihm sagt Vitruv IY, 7. Latitudo dividatur
in partes decem: ex his ternae partes dextra ac sinistra cellis
jninoribiis , sive ibi alae futurae sint^ dentur, reliquae qua-
tuor mediae aedi attribuantur. Die alae waren also in dem ein-
zelligen Tempel an der Stelle der kleineren Gellen rechts und
links von der grossen Gella befindliche schmälere Seitenhallen,
die vermuthlich nur durch eine Säulenstellung von der Gella
geschieden wurden. Gerade so haben wir uns die alas im
atrium zu denken , nur dass das Verhältniss ihrer Breite (man
sieht nun , warum es nach der Länge des Atrium , die ja auch
die Länge der alae war, bestimmt wird) geringer war. Es war
also ein ähnlicher Bau wie in den Basiliken und vielen unserer
Kirchen, die in ein grosses Mittelschiff und zwei Seitenhallen
abgetheilt werden.
Dass die alae etwas der Art sein müssten, haben auch
Mazois und Marini gefühlt; nur hat sie die falsche Ansicht
vom Atrium verhindert, ihnen ihren wahren Platz anzuweisen.
Sie nehmen sie zu beiden Seiten des Tablinum an der hinteren
Seite des Atriums an. Richtiger hatten schon Peurault,
Newton [und Marquez] darüber geurtheilt. S. Plan A. a. a.
Nun sieht man auch, was die Säulen im Atrium für eine
Anwendung gehabt haben. Plin. XXXVI, ?i. Denn die Decke
war viel zu hoch um von ihnen getragen zu werden; die tra-
bes liiiünares aber der alae waren nicht höher als die alae
Die bauliche Einriclitung des Hauses. 215
breit. Früher mochten blosse Pfeiler die Stelle der Säulen
vertreten. [In den pompejanischen Häusern bilden die alac
nicht Seitenhallen des Atrium (wie Becker u. "Weiss, Costüm-
kunde II, S. 1174. wollen), sondern regelmässige Quadrate am
hinteren Ende desselben, und auch so ist leicht zu erkennen,
warum sich ihre Breite nach der Länge des Atrium richtete.
Uebrigeus waren sie kein durchaus nothwendiger Theil des
Hauses, sondern man findet auch einige Häuser ohne alae und
im Haus des tragischen Dichters, im Haus der zweiten Fon-
taine u. s. w. war Avegen Mangel an Kaum nur eine ala am
rechten Ende des Atrium. Die Construction der alae, wie sie
Mazois annahm und durch Pomj)eji bestätigt wird, ist jetzt
allgemein als richtig anerkannt, s. Avellino, descr. di luia
casa p. 18 ff. Zumpt, S. 16 fg. Uverbeck, S. 192.]
Tablinum.
Sehr unsicher ist die Bestimmung der Lage, welche das
tabüninn gehabt haben mag. [Es wird iiberhau})t, ausser von
^'^TKUV AI, 3, 5. nur zAveimal genannt und Vitruv sagt von
der Lage gar nichts, sondern giebt nur seine Gi'össe im Ver-
hältnisse zur Breite das Atrium bald auf ^'/s (weim das Atrium
20' breit ist), bald auf i/^ (wenn das Atrium 30 — 40' breit ist),
bald auf -j-^ (bei einer Breite von 40 — 60' an.] Festus sagt
p. 356 M. Tah/i/mm proxime atrium locus dicitur, quod anti'jui
/jiagistratus in suo iuqjcrio tahulas . . . und Paul.Diac. p. 357 M.
Tahl'nium locus proxhnus atrio (i tabulin appellatus.; allein, wie
man auch das Atrium sich denken mag, so ist dieser Ort nitdit
zu ermitteln. Für die, welche unter Atrium das Cavädium ver-
stehen, passt es nicht, weil dauu eine Menge Gemächer, die
um das Cavum aedium umherlagen, proxime atrium genannt
werden müssten; nimmt man aber das Atrium in dem oben an-
gegebenen Sinne, so lässt sich gar kein geeigneter Ort aufrin-
den, wo es könnte gelegen haben. Wenn wir indessen be-
denken, dass Ff.stis entschieden von dem Atrium selbst eine
ganz unrichtige Vorstellung hatte, so wird auf diese Erklärung
überhaupt nicht viel ankommen. Gewöhnlich wird es als dem
Ostium, oder nach un>erer Annahme dem Atrium gegenüber,
216 Erster Excurs zur zweiten Sceue.
jenseits des Cavädium angenommen, und so ist es auch auf
dem Plane Taf. I. n. 1. T. angegeben. [Xach Marquez ist
das Tablinum links von dem Atrium und zwar von gleicher
Länge mit demselben, was einer Widerlegung nicht bedarf. —
Aber auch Beckers Ansicht ist sehr unwahrscheinlich und
AAÜlkürlich (wie derselbe später selbst erkannt hat), da sie,
abgesehen von anderen Gründen, weder zu Vitruvs noch zu
Festus Angabe passt. Aus Vitruv geht wenigstens so viel
mit Bestimmtheit hervor, dass das Tablinum an der schmalen
Seite des Atrium lag, denn sonst wäre es verkehrt gewesen,
die Ausdehnung des Tablinum von der Breite des Atrium ab-
hängig zu machen. Damit harmonirt auch Festus vollkom-
men, welcher keineswegs eine falsche Ansicht hatte (wohl
aber sein Epitomator), wie bereits S. 165. bemerkt worden ist.
Er sagt freilich sehr kurz jji-oxime atriurn, allein Jeder, der
die Lage des Atrium kannte, wusste, dass dieses proxime
Aveder auf die vordere schmale Seite, mich auf die beiden
Längenseiten des Atrium zu beziehen sei; denn im ersten
Falle hätte das Tablinum zAvischen dem Ostium und dem
Atrium liegen müssen, Avas unmöglich ist, und im zweiten
Falle wäre kein Platz für die Alae dagewesen. Es blieb also
nur die vierte oder hintere Seite des Atriimi übrig, an welche
sich das Tablinum anschloss, wie auch alle Ausgrabungen in
Pompeji zeigen, avo ein viereckiger Raum und zwar mit einer
sehr breiten Thüröftnung (des Lichts halber) regelmässig an
der hinteren Seite des Atrium liegt und dieser Raum kann
nur das Tablinum sein, s. auf dem Plane B. unter T. Durch
diesen Platz erhalten auch die sogleich zu besprechenden
fall c es ihre richtige Stelle und einzig mögliche Erklärung.
AvELLixo, descr. di una casa p. 23 ff.]
Dass das Wort tablinum von tabula abzuleiten ist, scheint
keinem Zweifel unterworfen zu sein , indem die tabulae ratio-
num und dergl. zu vertehen sind. Ausser Festus zeugt dafür
namentlich Plin. XXXV, 2, 2. Indem er die alte Zeit rühmt^
sagt er: Tahlina codicibus implebantur et monumcntls renmi in
magistratu gestarum. Es war also gewissermaassen das Archiv
Die bau liehe Einrichtung des Hauses. 217
des Hauses, das , was in Bezug auf die res publica tahellarium
hiess. Damit ist Dionys. I, 74. zu vergleichen: rcör ■/.aKov^tKnv
n/xiitixcör vTro/nviiixäran', « Öiadi-'xf^Tai naig nuQa tuxtqos' '/mi ntni
TToV.üv noiHTUi Toi^i,' juf t) ' iavthv iaofjit'vuig , co^neQ isqu naxQd^a,
nuQadidoiui. — Gar nicht hierher gehört das Fragment des
Varro de vita p. R. bei Xon. II, 112. Ad Jocuvi hieme ac fri-
goribus cenitabant, aestivo tempore in propatuh, rure in corte^
in urbe in tabulino , quod maenicnaim possumus intellegere ta-
bidis fabricatinn. Denn das i^t ein Söller über dem Hause
{maenianuni).
F a u c e s.
AVas, oder mehr noch, m'o die fauces gewesen, darüber
sind die Meinungen sehr verschieden, und im Grunde müssen
wir gestehen , dass wir über sie so gut als nichts wissen. Da-
her haben denn Perrault, Rode, Schneider, [Genelli und
Stieglitz, sowie Wuestemaxx, im Pal. des Scaurus S. 65.
und Ivanoff, a. a. U. S. 83 ff'.] sie für die Flur zwischen Ve-
stibulum und Atrium genommen, die wir oben mit unter dem
Ostium begriff'en. Indessen wird auch durch Stellen wie bei
Verg. Aen. VI, 273.
Vestibulum ante ipsian primisque in faucibus Orci.
nicht erwiesen, dass nicht andere Durchgänge im Hause den
Xainen gehabt haben könnten, und Vitruv nennt gerade im
griechischen Hause den Gang, der die Stelle der Flur vertrat,
iter, nicht fauces. — Galiani, Ortiz und Stratico verstehen
darunter „aperturam, per quam transitus habetur ab atrio ad
tablinum," was ziemlich dunkel ist; [Marquez, delle casa di
citta etc. p. 91. Durchgänge zwischen den Säulen oder Pfei-
lern aus den Alis in das Atrium, wugegen schon der Umstand
sj»richt, dass diese Zwisclicnräunie viel zu breit sind, als dass
man sie fauces nennen könnte]; Mazols, Hirt, Marini [und
OvERHECK S. 193.] zu beiden Seiten des Tablinum gelegene
Durchgänge nach dem grösseren Peristyl. Und bei dieser An-
nahme bin ich darum stehengeblieben, weil Vitruv die Breite
iS.(tx fauces im Verhältnis-e zum tablinum bestimmt, was un-
nöthig wäre, wenn sie nicht auf irgend eine Weise mit ihm in
218 Erster Excurs zur zweiten Sceue.
Verbindung- gx'standen hätten. Dass übrigens dort solche
Durchgänge sein mussten, ist ofienbar. So lange wir also d-as
tablinum an die angegebene Stelle setzen, werden auch die
fauces am wahrscheinlichsten dort angenommen. [Die Ansicht,
dass fauces einen schmalen Yerbindungsgang oder Corridur
neben dem Tablinum bezeichne, ist allein richtig (obgleich
Becker in seinen nachgelassenen Papieren davon abgewichen
und zu der Meinung zurückgekehrt ist, dass/auces die Haus-
flur, den {)vi)K)v Plutarchs, bedeute), wie namentlich Vitruv.
VI, 3, 6. zeigt: fauces mhiorihus atriis e tahluii latitudine dempta
tertia, maiorihus dimidia constituantur. Da aber das Tablinum
nicht hinter dem Cavädium, sondern vor demselben lag (siehe
oben), so führten die fauces nicht aus dem Cavädium zu dem
grösseren Peristyl (wie Plan A, f f angiebt), sondern aus dem
Atrium in das Cavädium (s. Plan B,f). Diese Erklärung
findet die vollste Bestätigung in den pompejanischen Ueber-
resten, wo sich regelmässig (denn unter einer grossen Menge
von Häusern findet man kaum eins ohne fauces, z. B. das nach
dem Grossfürsten ^Michael genannte, Aveil liier das Tablinum
ausnahmsweise auf der rechten Seite des Atrium lag, avo
eigentlich eine ala sein sollte) neben dem Tablinum entweder
zu beiden Seiten (also zwei fauces, nämlich in grösseren Ge-
bäuden), oder nur auf der einen Seite des Tablinum (also nur
ein Corridor, d. h. in kleineren Häusern) Durchgänge finden,
auf welche ihrer geringen Breite Avegen unter allen Theilen
des Hauses der Name fauces allein passt. Allemal liegen Ta-
blinum und faiices an dem oberen Ende des Atrium, füllen
aber höchst selten (wie es z. B. auf unserem Plan B. der Fall
ist) die ganze Breite des Atrium aus, sondern lassen in der
Regel noch Raum übrig, welcher stets zu einem neben dem
Tablinum liegenden Zimmer geschlagen ist. Diese aus fast
allen ponniejanischen Grundrissen zu erkennende Praxis hält
sich ganz an die von Vitruv angegebene Theorie. Nach dem-
selben muss bei einem Atrium von 60' Breite das Tablinum
(zu 2/5) 24' und die beiden fauces (zu '/2) jeder 12' breit sein,
im Ganzen 48', so dass noch 12' für andere Benutzung übrig
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 219
bleiben. Ist das Atrium nur 40' breit, so kommt auf das Ta-
bliuum (zu -/s) 16'. '<^^^^ tlif" beiden fauces (zu i/^) je 8', in
Summa 32', und es bleiben noch immer S' übrig. Ist aber das
Atrium mir 24' breit, so hat das Tablinum (zu -j.^) 16' und
die fauces sollten eigentlich aucli 16' bekommen (zu i o). Da
Avürde sich aber die Summe -son 32' ergeben, Avährend doch
nur 24' disponibel sind und diese dem Usus nach nicht einmal
ganz aufgehen dürfen. Diese Schwierigkeit ist aber bloss
scheinbar; wir müssen nur bedenken, dass bei einem schmä-
leren Atrium doppelte fauces nicht nothwendig sind, sondern
dass hier ein einziger Durchgang genügte, welcher höchstens
8' oder wegen der kleineren Proportionen überhau]>t nur 6'
beanspruchte, und dann bleiben immer noch 2' Aon der Breite
des Atrium übrig, wie es bei den meisten Atrien der Fall
war. — Nach Iaaxoff S. 84 f. würde dieser Durchgang au-
dron heissen.]
Ca vum ae diuni.
^Vas das cavum aedium — so schreiben jederzeit Varro
uml \ iTRUV, während Plimus in den Briefen cavaediuin
sagt — der Hauptsache nach war, ergiebt sich schon aus
dem, was über das Atrium gesagt worden ist. Es ist der in-
nere Hof, das eigentliche Herz des Hauses, um den die übri-
gen Theile [„die Privatgemächer der Familie"] undierliegen
[„eine Wiederholung des Atrium", aber weiter offen]. Varro
1. 1. s. S. 160. s. Plan A. unter C C C. In der Mitte Avar ein
unbedeckter Raum, area , mit dem eigentlichen Namen implu-
vhan, der auf allen vier Seiten von bedeckten Gängen einge-
schlossen wurde. [Das Traufendach über den Hallen hiess
cotiipluviiun, s. Varro 1. 1. Ebenso unterscheiden impluvium
und compluvium Hiin und Laglandiere, dagegen Mazois
und Kaoul-Kociiette p. 14. verstehen unter coinplnvhun die
< )cffnung im Dach, unter impluvium das Wasserbecken. Siehe
noch Palk. Dia( . p. 1<,)S M. Implttvium, (/iio aqua impluit col-
Ircta de tecto. Complnviuin, quo de diversis terda aqua pluvialis
confluit iii cimdem locum. Ps. A.se. zu Cic. Verr. I, 23. p. 177.
Imjiluriuut Iocua- sine tecto ix atfdibus, quo iinpluere itnber i/i da-
220 Erster Exciirs zur zweiten] Sceue.
mwn possit. Serv. zu Verg. Aen. I, 505. 11,512. Dass implu-
vium der offene Raum hiess, ergiebt sich auch aus Pl.\ut.
Mil. II, 2, 3 ff. per inpluvhim intro spectant (vicini). 3, 16 ff.
per inpluvhim huc despexi in proxitnnan. 70 ff. Sein tu nullum
commeatum huc hinc esse a nobisf — nisi per iiiphiviuin.] Siehe
I. auf dem Phin A. Je nachdem die Bedachung dieser Gänge
verschieden angeh^gt war, unterschied man nach Vitruv:
1) Tusccmicum. Hier waren in der Breite des Atriums,
in latitiidine atrii^ Balken gelegt, die auf den sich entgegen-
stehenden Mauern auflagen. In diese Avaren zwei andere in
gleichem Abstände von der Wand eingezapft oder eingehan-
gen, die interpensiva Vitruv«. Auf diesen ein Viereck bilden-
den Balken lagen die asseres, die Sjiarren, auf, welche die
Bedachung trugen. S. Hirt, Gesch. der Bank. III, S. 271 fg.
Gexelli, Briefe über Vitruv I, S. 62. — Vermuthlich war
diess der älteste Bau, der für sehr grosse Cavädien nicht
passte. [Vgl. Marini zu Vitruv. Diodor. V, 40.]
2) Des Tetrastylimi war von diesem ersten in nichts
verschieden, als dass in den vier Ecken, wo die interpensiva
auf den Hauptbalken auflagen, Säulen untergestellt waren,
vermuthlich bei grösseren Cavädien, um den Balken nicht zu
viel Last zuzumuthen. [Hirt a. a. 0.]
3) In dem Corinthium hingegen lagen die Balken nicht
auf den Mauern, a parietihus recedujit, sondern sie wurden
von einer rings um das Impluvium gehenden Säulenstellung
getragen.
4) Bei dem Displuviatum senkte sich die Bedachung
nicht einwärts nach dem Impluvium, sondern[nach den Wän-
den, wo Kinnen das Regenwasser aufnahmen und herab-
führten. Sie hatten den Vortheil, dass im Winter und bei
trüben Tagen kein tief herabgehendes Dach den umliegenden
Gemächern das Licht benahm; [aber auch den Nachtheil, dass
die Wände litten, wenn die Röhren das Wasser nicht schnell
genug hinableiten konnten, Vitruv.]
5) Das Testudinatiim endlich war bedeckt und hatte kein
Impluvium. [V.arro: locus si nullus relictus erat, sub divo qui
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 221
esset, dicebatur testudo ab testudinis similitiidine.] Die testudo
aber war kein Gewölbe, camera, sondern eine gewölinliche
Balkendecke, lacunar, s. Vitr. V, 1. Hirt. a. a. O. S. 273.
Auf welche Weise einem solchen cavum aedium die nöthige
Helle gegeben wurde, wird nicht angegeben.
[Dass das Cavädium später mehr in die Form des Peri-
styls überging (als Tetrastjlum und Corinthium) ist bereits
bemerkt, und zwar geschah dieses in denjenigen Häusern fast
regelmässig, Avelche nur zwei oflfene Haupträume (Atrium und
Cavädium) hatten, also eines Raums für das eigentlich sog.
Peristyl entbehrten. Solche Cavädien, die zugleich die Stelle
des Peristyls vertreten und die man ebenso gut mit dem ersten
als mit dem ZAveiten Xamen bezeichnen kann, waren im Hause
des tragischen Dichters (s. B. unter P.), des Pansa, des Me-
leager (links vom Atrium), der Dioskui-en (rechts vom Atrium),
der Bronzen u. s. av. Die Säulenstellung war entAveder voll-
ständig, das heisst .vierseitig , wie im Hause des Meleager, wo
die vorzüglich prächtige Halle aus vierundzAvanzig Säulen be-
steht, s. Engelhard, Besclireib. S. 4(»., oder nur auf drei Sei-
ten, wie auf unserem Plan und im Hause des Sallust, Aveil
sich die vierte Seite an eine j\Iauer anleimt, ja sogar auf zAvei
oder einer Seite, Avie mehrere kleinere Häuser in der Merkur-
strasse zu Pompeji zeigen. Die Säulen selbst Avaren meist aus
Backsteinen oder geAvöhnlichcn Steinen aufgeführt, mit Stuck
bekleidet und mit mannigfaltigen oft phantasiereichen Capi-
tälen geschmückt.]
In der ]\Iitte des impluvhna befand sich fast regelmässig
eine Cisterne [c. auf dem l'lane A, Avelche geAvöhnlicli mit
einer am Fuss der Säulen hinlaufenden und zur Aufnahme
des liegen Wassers bestinunten Wasserrinne in Verbindung-
Stand; am Hause des tragischen Dichters ist die liiime A'or-
lianden, aber keine Cisterne, sondern in der Mitte ist luir ein
Gärtchen; denn Avegen der Kleinheit des Hauses genügte die
Cisterne des Atrium, s. l'lan B], auch avoIiI ein von den öfFent-
liclien Wasserleitungen abgeleiteter Springbrunnen [scdientes^
Vakki) P. P. r, 13. intevhts comjyluvhtm liabeat lacinn, ubi sa-
222 Erster Excurs zur zweiten Scone.
Hat acßul^^ (leren bald runde, bald uiul meist viereckige Becken
mit Reliefs geschmückt wurden, putealia siglllata. Cif. Att.
I, 10. [Ulp. Dig. XIX, 1, 17. §. 9. sigilla, columnas quoque
et personas, ex quarum rostris aqua salire solet. Selir oft hat
man dergleichen jjrachtige Brunnen von Marmor und von
Bronze in Pompeji gefunden. Ihre Form ist äusserst mannig-
faltig. So z. B. sind auf dem oberen Ende einer Marmorsäule
kleine Thiere angebracht (wie Enten) , welche das Wasser
herabträufeln lassen, Mus. Borb. IX, t. A. , oder ein Tiger-
kopf speit das Wasser aus, Mus. Borb. XII, 13. ein bronzener
Hirsch (im Hause des Sallust, jetzt im Museum zu Palermo),
eine bronzene Maske (im Haus des Meleager). Vorzüglich
schön ist der Brunnen mit Silen , welcher in einer reich ver-
zierten Mosaiknische steht und sich auf das Brunnenrohr stützt,
aus dem das Wasser über vier Stufen in das Bassin herablief,
Mus. Borb. XI, t. A. B. (ähnlich in den Häusern der Sjjring-
brunnen, wo die Nischen der Brunnen ihre Pilaster und Giebel
haben). S. noch Mus. Borb. V, 41. Roux und Barre, Herk.
und Pomp. VI, t. 64. Ueberhaupt liebte man es, wenn das
Wasser einen kleinen Sturz bildete, zu Avelchem Behuf man
Stufen anlegte. Sen. ej). 86. quantum aquarum pier gradus
cum fragore cadentium? Im Haus des Meleager träufelte das
Wasser von einer mai'mornen Bank in das grosse Becken des
Atrium und in dem Peristyl des Cavädiums über mehrere
Stufen hinab. Das grosse Wasserbecken Avar meistens von
Marmor eingefasst und von verschiedener Gestalt; so in dem
genannten Hause aus Kreisabschnitten und Rechtecken zu-
sammengesetzt. Daneben gab es auch kleine Becken von
Stein und Erz, so Iavol. Dig. XXXIH, 10, 11. vasa aenea
salieHtis aquae posita. Nicht selten stand neben dem Brunnen
ein marmorner Tisch, wie im Hause des Meleager und des
Centauren. Eine Art dieser Tische erwähnt Varro L. L. V,
125. Altera vasaria mensa erat lapidea quadrata oblonga, una
columcUa: vocabatur cartihidum. Haec in aedihus ad complu-
vium apud multos me puero ponehatur el in ea et cum ea aenea
vasa. A gerendo cartibum, unde cartibuluia post dictum. Audi
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 223
brachte man an der Cisterne einen kleinen Fischkasten an,
wie man in dem erstgenannten Hause sieht, oder Wasserbe-
hälter, um mit grösserer Bequemlichkeit daraus schöpfen zu
können, z. B. Plan B. bei d im Atrium und an der vorderen
Säulenreihe des Cavädiums. Zahlreich sind die Ueberreste
der alten fistulae et canales et crateres et si qua sunt cdia ad
aquas salientes 7iecessaria, wie sich Ulp. Dig'. XXXIII, 7, 12.
§ 24. ausdrückt.
Die Intercolumnia des Cavädium wurden seit den letzten
Zeiten des Freistaats mit Statuen geschmückt. Cio.Verr. 1, 19.
Quae Signa ihdic, Verres , ubi sunt? iUa quaero, quae apud te
nuper ad omnes cohunnas, oninibus etiam intercohonniis, in s'dva
denique sub divo videmus. 23. ne haec. quidem duo signa pul-
cherrima quae nunc ad implurhun tuuin stant Tvon demselben
Platz hatte er c. 19. gesagt in inediis aedibus). 56. Ostendam,
in aedibus piivatis longa difficilique vectura columnas singulas
ad inipluvium HS quadragenis inillibus non minus magnas lu-
eatas. In derselben Zeit üng man auch an, in den sich immer
mehr ausdehnenden und den Peristylien ganz gleich gewor-
denen Cavädien Gartenanlagen zu machen mit schönen Bäu-
men und Zierpflanzen. Hör. epist. I, 1(>, 22.
Xempe intcr varias nutvitur silva columnas.
und Obbarius zu der Stelle. Od. HI, 10, 5 fg.
Audis quo strepitu ianua, quo nemus
Inter pidchra satuta tecta reniugiat
Ventis etc.
TiB. HI, :}, 15. luv. IV, 7. Rutil. I, 111. vgl. Liv. XLIH, 13.
Plin. h. n. XV'II, 1. SuET. Aug. 92. Ueber das Moos im Im-
pluvium s. Till. I, S. 100. Nicht selten findet man noch metal-
lene Blunienäsche zwischen den Säulen, I.wol. Dig. XXXHI,
7, 26. pr. Dolia Jictilia item pluinbea, quibus terra aggesta est,
et in his viridaria posita acdiumi]
Peristy lium.
Hinter <lem cavum aedium quer vor [s. den Plan A. unter
P., oder auch in gerader Linie fortlaufend, wie im Hause der
bunten Capitälc und des Fauii,] lag das grössere I^eristyl, das
224 Erster Excurs zur zweiten Scene.
wie ersteres ein längliches Viereck bildete, und dessen Länge
um 1/3 mehr betragen sollte als die Breite. Vitr. c. 4. (3,
7 Sehn.) Peristylia autem in transversa tertia parte longiora
sint, quam introrsiis. d. h. es soll sich seine Länge in der Breite
des Hauses ausdehnen, während die Breite hier die Tiefe ist:
introrsus. Warum es von dem cavum aedium unterschieden
wird und nicht als zweites gilt, das erklärt sich daraus, dass
das cavum aedium der wesentlichste Theil des Hauses ist, der
die anderen um sich vereinigt, während bei dem Peristyle es
gar nicht nöthig ist, dass Gemächer umherliegen. Zweitens,
dass das Peristyl jederzeit Säulen haben muss, während das
cavum aedium ohne alle Säulen sein kann und ursprünglich
gewiss so war. — Die rings um laufenden porticus, deren
Säulen nicht über vier Durchmesser von einander abstehen
durften und deren Höhe nach Vitruv ihre Breite war, schlös-
sen eine grössere area ein, die gewöhnlich in der Mitte einen
Wasserbehälter oder Springbrunnen hatte, und mit Blumen,
Sträuchern und Bäumen bepflanzt Avar (viridariiim), [ganz wie
in dem Cavädium, nur Alles in einem grösseren Maasstabe.
Auch hier waren Bildsäulen aufgestellt und zwischen den
Säulen nicht selten ein niedriges Geländer mit Gitterwerk,
um den Garten zu schützen. Vitr. IV, 4, 1. Intercolumnia —
2}Iuteis inariHoreis sive ex intestlno opere /actis intercludantur.
AvELLiNO, descriz. — la seconda p. 25 fg. E)ngelhard, Be-
schreib. S. 52. An dem Gesims über den Säulen Maren aucli
Verzierungen [antefixa, Paul. Diac. p. 8 M.) angebracht, wie
bei Tempeln, nämlich Löwenköpfe, Vitr. IV, 4., z. B. in dem
Hause der Bronzen, s. Avellixo ebend. p. 25 fg. — Das
grösste Peristyl zu Pompeji im Hause des Faun wird von 44
dorischen Säulen getragen. Das Peristyl im Hause der bunten
Capitäle (aus 24 Säulen bestehend) umschloss einen grossen
Gartenraum, dessen zierliche Eintheilung noch lange nach der
Ausgrabung, zu erkennen war. — Die aus Ziegeln zusammen-
gesetzten Säulen in Pom])eji stehen zum grossen Theil noch
jetzt, während die marmornen verschwunden sind. Dieses er-
klärt sich dadurch, dass die Bewohner bald nach der Ver-
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 225
schüttung zurückkeluten und Nachgrabungen anstellten, um
von iln-em Eigenthum so viel zu retten als möglich war.]
II) Theile des Hauses, die eine verschiedene Anordnung
erhalten konnten.
Während die bisher genannten Theile in allen acht römi-
schen Häusern im Ganzen dieselbe Lage hatten, und also ein
allgemeiner Plan angenommen war, A'on dem man in der
Hauptsache nicht abging , konnten natürlich die übrigen Ab-
theilungen, welche für den täglichen Gebrauch bestimmt waren
oder dem Luxus dienten, sehr verschieden und nach dem Ge-
fallen der Besitzer geordnet werden.
Die Theile, welche hier vorzüglich noch in Betracht kom-
men würden, sind: Cubicula. Triclinia. Oeci. Exedro.
Pinacothecn. Bibliotheca. Balineuvi u. a. Von den Bä-
dern indessen und der Bibliothek wird in besonderen Excursen
gehandelt werden, um die Erörterung der übrigen Sitte nicht
von der Be.schreibinig ihrer Anlage zu trennen oder zweimal
von derselben Sache sprechen zu müssen.
Cubicula
heissen alle die kleineren Gemächer, die zu eigentlichen Wohu-
und Schlafzinnneru dienen : cubicula dlur na et nocturna. Plix.
ep. I, 3. Die Letzteren Averden auch wohl dormituria genannt.
id. V, 6. Plix. h. n. XXX, 6, 17. S. auf Plan B. c, g, h, i, k, 1.
Ueber ihre Anlage ist nichts besonders zu bemerken, als dass
sie zuweilen für den (Jubicularius ein kleines Vorzimmer hat-
ten, welches man mit griechischem Namen TrQOxotrcoy nannte.
Plin. ep. II, 17. Man hatte cubicula aestiva und hiberna und
die Schlafzimmer lagen so viel als möglich fern von allem
Geräusch. S. Mazols, Pal. d. Sc. S. 68. — [In einigen pom-
pojanischen Häusern, z. B. im Hause des Meleager, hat man
grös.sere Gemächer gefunden, in welche kleinere alkovenartig
hineingebaut sind und welche oft dormitoria waren. Der Name
für diese Alkoven oder Cabinette war zotheca. Plix. ep. II,
1 7. zotheca perquani eleganter rßcedit, quae specularibus et vel/'s
obductis reduclisque modo adiicitur cubiculo modo aufertur.
Plin. V, 6. Sidox. ep. VIII, 16. zothecula.]
Ukckf.k, Gallus. 3. Aufl. II. 15
226 Erster P2 x c u r s zur zweiten S c e n e.
Triclinia.
UeLer die Triklinicn haben Ciacconi und Orsini viel in
alter Weise e i'e und a re zusammengetrap;en. Es waren klei-
nere Speisesäle oder Zimmer, nach Vitruv noch einmal so
lang als breit. Ihre Höhe betrug die Hälfte der zusammen-
gerechneten Breite und Länge; also bei 16' Breite und 32'
Länge 24' Höhe. Vitruv. VI, 3, 8. 4, 1. 2. Doch heissen .sie
auch dann triclinia, wenn sie mehr als ein Triclinium fassten.
In Pompeji sieht man mehrere nur für ein Triclinium be-
stimmte, und dieses ist selbst aufgemauert. [Overbeck, S. 197.]
— Wie man für die verschiedenen Jahreszeiten verschiedene
cubicula hatte, so auch Triklinien. [Varro li. K. I, 13. L. L.
Vin, 29. hibeima triclinia et aestiva non item valvata ac fene-
strata faciemus. Sidon. Apoll, ep. II, 2. hiemale triclinium^
Vitruv. VI, 4. schreibt vor, dass die verna und auctumnalia
nach Morgen, die hiberna nach Abend, die aestiva nach Mit-
ternacht liegen sollten. Natürlich musste sich hier vieles nach
der Beschaffenheit des vorhandenen Raumes, nach den Wün-
schen des Bauherrn und nach anderen Verhältnissen richten.
[Ueber die verschiedenen Speisesäle des Lucullus s. Plut.
Luc. 41. Auf unserem Plane B. ist wahrscheinlich p ein Tri-
clinium.] — Dagegen waren die
Oeci
grössere und in der Bauart verschiedene Prachtsäle, die eben-
falls, wenn auch nicht ausschliessend wie Triklinien gebraucht
wurden. Vitruv. VI, 3, 8 ff. (c. 6.) führt verschiedene Arten
solcher Säle an:
1) Den Tetrastylos, der keiner besimderen Erklärung
bedarf. Vier Säulen stützten in ihm die Decke.
2) Den Corinthius. Dieser hatte auf allen vier Seiten
von der Wand abstehende Säulenreihen, so dass zwischen
ihnen und der Wand ein Gang blieb. Die Säulen waren durch
ein Epistylium mit darüber hinlaufender corona verbunden,
und darauf ruhete die massig geAvölbte Decke.
3) Prächtiger noch war der oecus Aegyptins. Er hatte
ebenfalls auf allen vier Seiten in gleicher Art, wie der Korin-
Die bauliche Eiiiriehtung des Hauses. 227
thische, Säulen; allein von ilirem Gebälke zur "Wand wurde
eine flache Decke gemacht, so dass die Höhe der Gänge nicht
mehr als die der Säulen mit dem Gebälke betrug. Ueber die
unteren Säulen Avurde dann eine zweite Reihe (ad perpendi-
culum) gestellt, deren Höhe lam 1/4 geringer Avar, als die der
unteren. Auf ihrem Epistyl ruhete endlicli die Felderdecke.
So ragte der mittlere Eaum über den äusseren Theil hinaus
(etwa wie in den Basiliken, die in dieser Art gebaut waren)
und indem über den äusseren Gängen ein Estrich gemacht
wurde, so konnte mau ausserhalb um den mittleren höheren
Saal umhergehen, und durch die zwischen den Säulen ange-
brachten Fenster in denselben hineinsehen.
4) Die vierte Art, der oecus KiOy.r,v6^, scheint zu Vitruvs
Zeit noch neu und selten gewesen zu sein; denn er nennt
solche Säle non Italicae consnetudinis. Ihr Eigenthümliches
war, dass sie auf drei Seiten (Yitruv sagt nur : dextra et si-
nistra) Fensterthüren, oder den Thüren gleiche, bis auf den
Boden herabreichende Fenster hatten, so dass die auf den Tri-
Triklinien Gelagerten allenthalben ins Grüne hinaussehen
konnten. Solche Säle hatte Plinius auf beiden Villen. Sie
mussten, um auf drei Seiten die Aussicht ins Freie zu haben,
über den L'mffing des übrigen Hauses hinausgebaut sein.
Exedra.
Mit den oecis — und zwar den quadratis, denn die oben
genannten hatten die Verhältnisse der Triklinien — stellt
ViTRUv die exedra zusammen, und es nicht zu bezweifeln,
dass darunter eigentliche Gesellschafts- oder Conversations-
zimmor verstanden werden müssen. Man kann sie nur in ge-
wisser Hinsicht mit den exedris in den öfientlichen Gymnasien
vergleichen. Diese waren halbrunde Erweiterungen der Säu-
lengänge mit Sitzen. Vitr. V, 11. Constituuntur in porticihus
exedrac spatiosae, habentes sedes , in quibus philosophi^ rhetores,
relirpiiqite, qui studiis delectantu)', sedentes dii<piitare possint.
[Vgl. GoTHOFREi). zu Cod. Thcod. XV, 1, 53. Tom. V, p.
367 fg. über die öffentlichen exedrae der späteren Zeit. Orel.
3283. 3303.] Diese waren natürlich unter freiem Himmel.
15*
228 Erster Excurs zur zweiten Scene.
ViTR. VII, 9. apertis locis, id est peristyUis aut exedris, quo sol
et luna possit splendores et radios immittere. Allein mit Un-
reclit schliesst daraus Wuestemann, Pal. d. Sc. S. 126., dass
sie auch im Privatbause unbedeckt gewesen seien. Wie un-
statthaft diess sei, ergiebt sich schon daraus, dass Vitruv
ihnen gemeinschaftlich mit den oecis quadratis ihre Höhe an-
weiset, c. 5. (3, 8 Sehn.) Sin autem exedrae aut oe.ci quadrati
fuerint^ latitudinis dimidia addita altitudines educantur. Vgl.
VII, 3. Fxedrae Hessen sie nach Mazois S. 119. darum, weil
sich auf zwei Seiten eben solche halbkreisförmige Erweite-
rungen befanden, vielleicht indessen auch nur von dem glei-
chen Gebrauche und von den Sitzen. Denn Sitze [steinerne
an den Wänden hinlaufende, s. Charikles II, S. 75 f. Groxov.
zu Suet. ill. gramm. 17.], nicht lectos zum Liegen, hatten sie
gewiss. Cic. Nat. D. I, 6. Narn cum feriis Latinis ad eum
(Cottam) ipsius rogatu arcessituque venissem , offendi eum se-
dentem in exedra et cum C. Velleio senatore disputantem.
Daher heisst es auch de or. III, 5. cum in eam exedram venis-
set, in qua Crassus lectulo posito recuhuisset etc. — Nicht
zu verwechseln sind damit die hemicyclia , Cic. de amic. 1 .
domi in hemicyclio sedentem. Plin. ep. V, 6. Es sind unbe-
deckte halbkreisförmige Sitze, wie in Pompeji mehrere vor-
kommen. Sie werden auch in Athen erwähnt.
[Diaeta.
Mit diesem griechischen Namen wird nicht etwa eine be-
sondere Art von Zimmer bezeichnet, sondern es ist ein allge-
meiner Ausdruck für Wohnzimmer und Wohnung überhaupt.
In dem ersten Sinne ist diaeta gebraucht von Stat. Silv.
II, 2, 83,
Arte tarnen cunctas procid eminet una diaetas.
von Plin. ep. VII, 5. II, 17. Ulf. Dig. XXIX, 5, 1. § 27.
Suet. Claud. 10. Plut. Poplic. 15. Als ein Complex von
mehreren Zimmern (etwa wie unser Logis) oder auch als ein
Nebenflügel des Hauses findet sich diaeta bei Plin. ep. V, 6.
hac (nämlich durch einen porticus) adeuntur diaetae duae, qua-
rum in altera cubicula quatuor^ altera tria, ut civcuit sol, aut
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 229
sole utuntur aut umbra. In diesem Sinne ist auf einer Inschrift
bei Orell. 4430. verbunden : cum suis meritorns fMiethzim-
mern) et diaeta quae est iuticta hitic monumento cu)n suis parie-
tibus. Die Heizung der diaeta erwähnt Ulp. Dig. XXXII, 1,
55. § 3. Vermöge dieser allgemeinen Bedeutung des Wortes
kann diaeta für alle Arten von Zimmern gebraucht werden,
z. B. für Speisezimmer. Sidox. epist. II, 2. Ex hoc triclinio ßt
in diaetom sive in coenatiiincidaiii trcmsitus ; für cubiculum mit
einem procoeton, Plix. ejJ. II, 17. In lianc ego diaetam cum
me recipio; ebenso für Gartensalon und Gartenhaus, z. B.
ScAEV. Dig. VII, 1, 66. § 1. und Orelli inscr. 4373. hortus
qui est cinctus maceria et diaeta adiuncta ianuae etc. s. auch
4430. 4509. Nicht an allen der genannten Stellen wird von
Villen, sondern auch von städtischen Häusern gesprochen, so
dass die Theil I, Seite 109. gemachte Bemerkung zu be-
schränken ist.
Hauskaj)elle.
Als der Heerd aus dem Atrium entfernt wurde, erhielten
die Laren und Penaten eine besondere Kapelle und der Heerd
ging in einen Altar über (in den Häusern der Armen und der
Landleute blieben diese Götter stets mit dem wirklichen Heerd
verbunden, s. Cato R. R. 143. und nach dieser alten An-
schauung werden arae, foci, dii penates etc. noch immer zu-
sammengenannt, s. or. p. dom. 40.) Diese Kapelle hiess lara-
riuni oder sacrariuni, welches eigentlich eine Aveitere Bedeu-
tung hatte und Heiligthnm überliaupt — olnu; Beschränkung
auf die Laren — bedeutete. In noch anderem Sinne sagt Ulp.
Dig. I, 8, 9. § 2. sacrarium est locus, in quo sacra reponuntur.
quud etiam in aedißcio privato esse potest. Als Hauskapelle
lesen wir sacrarium Cic. ad Fam. XIII, 2, Verr. IV, 2. Erat
apud Heium sacrarium magna cu)it dignitate in aedibus — , in
quo signa pulcherrima qualuor. p. Mil. 31. Lararium findet
sich Lampr. Sev. Alex. 29. 31. wo ein doppeltes Lararium
dieses Kaisers erwähnt wird, ein grösseres und kleineres.
Cap. Ant. Phil. 3. Aus beiden Stollen ergiebt sich, dass die
Lararien ausser den Laren auch anderer Götter und verehrter
230 Erster Excurs zur zweiten Sceiie.
Männer Bilder aufnahmen. Auf letztere bezieht sich Suet.
"N'it. 2. Der Platz dieser Kapelle war nicht fest bestimmt, sun-
dern entweder im Cavum aedium, wie Suet. Oet. 92. an-
deutet: Enatam inter iuncturas lapidum ante domiim siiam pal-
mam in compluvium deorum Penatium transtuUt. (s. Plan B.
an der linken Seite des Viridarium hart an der Mauer), oder
in dem Garten des Peristyls, wie im Hause der Dioskuren,
AvELLiNO, descr. di una casa \). 29.; selten im Atrium, wie in
dem grossen Hause der bunten Kapitaler (in der linken Ala).]
Pinacotheca.
In dem alten römischen Hause gab es eine Pinakothek
freilich nicht, so wenig als die Intercolumnien des Cavädimns
oder Peristyls, das Gymnasium und der Garten mit Bildsäulen
geschmückt waren. Durch Marcellus, Plaminius, Aemilius
Paullus und besonders Mummius war zwar eine grosse An-
zahl Kunstwerke nach Rom gekommen, aber sie wurden nur
zur Verzierung öffentlicher Gebäude und Plätze angewendet,
und Cicero rühmt von diesen Männern Verr. I, 21. quorum
domus. cum liojiore et virtute florerent, signis et tahidis pictis
erant vacuae. "War doch bei den Gi'iechen selbst das Verlan-
gen nach Privatbesitz von Kunstwerken erst spät eingetreten,
als der Gemeinsinn allmählig verschwand, und man sich mehr
und mehr entwöhnte , das , was dem Gemeinwesen angehörte,
als sein Eigenthum zu betrachten und in dem Glänze des
Vaterlandes seinen eigenen Kuhm zu suchen. Wie viel mehr
nicht in Rom , wo selbst der Sinn für Kunst fehlte , und auch
später noch mehr Eitelkeit und Mode als Liebe und Kenner-
schaft Sammlungen anzulegen geboten. S. meine Abb. Anti-
quitatis Plautinae gen. ill. P. I, p. 28 sq.
Zu Vitruvs Zeit aber und späterhin gehörte es zum guten
Tone, eine Pinakothek zu haben, s. Plix. XXXV, 2. und Er-
sterer giebt die Vorschrift, wie sie angelegt werden soll, wie
für jeden anderen Theil des Hauses. Man Avählte für sie die
Mitternachtseite, damit das Sonnenlicht den Farben nicht
nachtheilig werde. Die tabulae, denn auf Holz wurde am Ge-
wöhnlichsten gemalt, obschon Cic. Verr. IV, 1. auch Gemälde
Die bauliche Ei nri ch tun g des Hauses. 231
auf Leimvand, in textiU erAvähiit, die tabidae also wurden ent-
weder in die Wand eingelassen oder an derselben aufgehängt.
Cic. Verr. IV, 55. Plin. XXXV, 10, 37. quae ex incendüs
rapi possent. [Plin. XXXV, § 9. marmorihiis incluset'af par-
vas tabellas, und 10. duas tabidas impresslt parieti. ülp. Dig.
XIX, 1, 17, 3. tabulae jjicfae pro tectorio includunturl\ Vgl.
Antiq. Plaut, p. 47. Von Rahmen, in welche die Bilder ge-
fasst gewesen, erinnere ich mich gegenwärtig, so natürlich die
Sache ist, nicht etwas gelesen zu haben; denn in der von Ma-
zois angeführten Stelle, Pr.ix. XXXV, 2. steht davon nichts.
Indessen haben manche Wandgemälde rahmenartige Einfas-
sungen, wie z. B. die sogenannte Aldobrandinische Hochzeit
und A. Vgl. Wixc'KELMAxx, W. V, S. 171. Vitruv. II, 8, 9.
spricht aber von Holzrahmen zum Transport ausgesägter
Wandgemälde.
Von der Bibliothek und den Bädern wird, wie bereits
gesagt worden ist, in besonderen Excursen gehandelt werden.
[ S k 1 a V e n z i m m e r.
Die cellae familiäres oder faniiliaricae, servoruiu cellae,
Coi.uM. I, 6. Cir. Phil. II, 27. Vitruv. VI, 7. Cat. R. K. 14.
waren sehr kleine schmucklose Gremächer in den hinteren und
abgelegenen Tluilen des Hauses, Avellixo, descr. di una
casa jj. 30 fg. , auch in dem oberen Stockwerk, ausgenommen
die cella des ostiarius oder ianitor, welche sich am Ostium be-
fand, s. S. 107. und vielleicht auch die des atriensis. Die
meisten Gebäude in Pompeji zeigen deutlich diese Räume an,
z. B. auf unserem Plan B. wird e. die cella des ostiarius und
atriensis gewesen sein und die Treppe führte ebenfalls zu
Sklavenzimmern, so wie die bei o. vor der Küche befindliche
Treppe. In grossen Ilausjialtungen waren der zahlreichen
Sklaven wegen sehr viele Räume dieser Art nothwendig und
man könnte sich sonst die Bestimmung der massenhaften klei-
nen Zellen gar niclit erklären. S. übrigens I, S. 108 f.
K ü c h e.
Die culina, nach Xox. I, 273. ursprünglich coquina ge-
nannt, Avar in den Zeiten der alten Einfachheit von dem
232 Erster Excurs zur zweiten Sceue.
Atrium nicht getrennt, sondern der grosse Familienheerd
diente auch zur Bereitung der Speisen. »Seuv. zu Verg. Aen.
I, 726 s. S. 169 fg. Auf dem Lande blieb man der alten Sitte
treu und hier Avar das gemeinsame Versammlungs- und Wohn-
zimmer zugleich Küche imd Speisesaal. Varr. K. E. I, 13.
culina videiida, ut sit admota^ qiiod ihi Meine antelucanis tempo-
rihus aliquot res conficiuntur, cibus paratur ac cajntur. CoL.1, 6.
magna et alta culina ponetur , ut — in ea comutode familiäres
omni tempore anni morari queant. In der Stadt dagegen Avurde
in allen ansehnlichen Häusern die Küche in den hinteren Theil
des Hauses verwiesen. Varro bei Xon. 1. 1. in postica parte
erat culina etc. Lucil. bei Non. HI, 1 58. p/istrinwii appositum,
posticum, sella, culina. Sie Avar in den grossen Palästen ganz
dem Luxus der Gastmähler angemessen, also ^ehr geräumig
und nicht selten gewölbt. Auf einer Inschrift von Ackerblad
Avird eine Küche von 148' Länge erwähnt. Sen. ep. 114. Ad-
spice culinas nostras et concursantes inter tot ignes coqiios no-
stros. ep. 64. Ja, es gab sogar hier mitunter Wandgemälde,
z. B. in dem Hause der Dioskuren und des Meleager in Pom-
peji ; sehr häufig war das Bild der Schlange über dem Heerde.
Die gemauerten Heerde und Gusssteine der Küchen {coquinae
fusorium^ Pall. R. R. I, 37. oder conßuvitan, Varro bei Xon.
XV, 10. Sed quae necessitas te iubet aquam effundere domi
tuae? si vasa liabes pertusa, pilurnhurii non habes? ad qtiam rem
nobis est confluvium?) haben sich vielfach erhalten, Schorn-
steine jedoch nicht, was sich dadurch erklärt, dass die Küchen
nur einen kurzen Rauchfang hatten, denn eine hohe Esse be-
durften sie nicht, Aveil sie in der Regel nicht überbaut Avaren
Latrina.
Sehr unpassend befand sich geAvöhnlich neben der Küche
die latrina (aus lavatrina nach Xon. III, 131. A'gl. den 1. Ex-
curs zur 7. Scene). Wahrscheinlich brachte man diese beiden
Räume desshalb zusammen , damit der aus der latrina zur
öifentlichen Kloake führende Abzugskanal auch das schmu-
zige Wasser der Küche mit fortführen könnte. Col. X, 85.
Immundis quaecumque vornit latrina cloacis.
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 233
Varro L. L. V, 118. Tina, qua e cuUna in hwatrinam aquam
fundunt. Suet. Tib. 58. Sen. ep. 70. p. 223 Bip. Plaut.
Cure. II, 3, 83. IV, 2, 24. Der Platz Avar aber nicht immer
dazu eingerichtet, sondern die Skhiven brachten nur die vasa
obscoena her, nämlich die sellas familiaricas oder pertusas,
(auch bloss sellae genannt, Mart. XII, 77. — Doch steht
dieses Wort auch im weitem Sinne für latrina^ Yarro R. li.
I, 13.), matidas und matelliones (Paul. Diac. p. 125 fg.), la-
saua, scaphia u. s. w., welche in der späteren Zeit oft aus kost-
barem Metall waren, Marx. I, 38. Petrox. 27. Ulp. Dig.
XXXIV, 2, 27. § 5. Lampr. Heliog. 32. Welche entwürdi-
genden Dienste die Sklaven in dieser Beziehung zu leisten
hatten, schildern Petrox. 1. 1., Martl\l. III , 82. VI, 89.
XIV, 119. Sex. ep. 67. p. 269 Bip. Vgl. Büttiger, Sabina
I, 16. 41 ff. Seebode , Scholien zu Horatius. Gotha 1839.
S. 19 ff. Avellixo, descr. — la seconda p. 8. Pollux X, 44.
99. — Ueber die öffentlichen foricae s. luv. III, 38. Paull.
Dig. XXII, 1, 17. § 5.
V o r r a t h s k a m m e r n.
Unentbehrlich war die cella penaria,penuaria (Dig. XXXIII,
9, 3. § 11.) proiaa oder promptuaria. auch Itorrewa und sj^äter
cellariiua genannt. Suet. Oct.6. Varro L. L. V, 162. ubi quid
conditum esse volebaiit, a celando cellam appellaruut, penariom
ubi penn s etc. Plaut. Aniph. I, 1, 4. Tertull. de resurr. 27.
Serv. zu Verg. Aen. I, 704. Penus ist nach Cic. de nat. d.
11,27. omne quo vescuntur homines oder richtiger nach (^>. Muc.
Scaevola quud esculeiitum aut poculentum est und zwar ea —
quae huiusce generis loiigae usionis gratia contrahuntur et recon-
duntur, ex eo quod non in promptu sint, sed intus et penitus
liabeantur. Gell. IV, 1. Manche rechnen dazu sogar ligna,
carbones, tus, ceras, unguentum, Chartas epistolares etc. Gell.
a. a. 0. und Dig. XXXIII, 9, 3. § 9 ff. Hausgeräthe gehören
nie in diese Kategorie. Dig.XXXIII, 9, 6. Die cella lag nach
Xordeu (ebenso wie die cella vinaria und das granariuni, VrrR.
I, 4, 2.) und zwar, wie Varro sagt, in der Nähe des cavum
aediuni, also in dem hinteren Thcile des Hauses und niclit gar
2o4 Erster E x c u r s z u r z w e i t e n S c e n e.
Aveit von der Küche. Ueber ihren Vorgesetzten {ceUarius, pro-
mus^ prociirafor peni) ist bereits auf S. 119. gesprochen worden.
Die Oelkammer, cella olearis oder olearia lag nach Süden, um
das Oel vor dem Erfrieren zu bewahren, Vitr.VI,6. Pai.lad.
I, 20. Cato R. E. 13. Varro R. K. I, 13. Col. I, 6. XII, 50.
Ueber die cella v'maria s. den vierten Excurs zur neunten
Scene. Zuweilen lag eine kleine Kammer zur Aufbewahrung
der nöthigen Speisegeschirre u. s. w. neben dem Tricliuium,
apotheca tricllnii, Grell, inscr. 2889. Avellixo, descr. — la
seconda p. 41 ff.
Pistrinum.
In den Häusern der Reichsten befand sich in der Nähe
der Küche die Bäckerei und Mühle, zusammen pistrmwn ge-
nannt. Die mittleren Klassen hatten aber nicht eine eigene
pistrina, sondern kauften ihren Bedarf an Mehl und Brot von
den Bäckern, deren es allenthalben gab. S. Preller, die Re-
gionen der Stadt Rom. Jena 1846. S. 111 fg. Pauly, Real-
encykl. V, S. 1651 f. Die in Pompeji gefundenen Pistrinen
dienten nicht einem einzigen Haushalte, sondern waren öffent-
lich lind wurden von dem Hausbesitzer an pistores vermiethet;
s. bei den Tabernen. Gewöhnlich stehen darin mehrere Hand-
mühlen (auch pistrina im engeren Sinne genannt oder mole-
trinae, Non. I, 320. und molae), welche aus einem oberen und
aus einem unteren Theil zusammengesetzt sind, catilhis und
meta. Der obere gewöhnlich sanduhrförmige Stein zermalmte
bei dem Herumdrehen die durch einen im oberen Stein ange-
brachte trichterartige Oeffnung in den unteren geschütteten
Körner. In den Museen findet man Mühlsteine von verschie-
dener Grösse, z. B. in Darmstadt und Wiesbaden. Die zum
Drehen des oberen Steins bestimmte Stange hiess vwlile, Cato
R. R. 11. 12. oder mohicrum^ Fest. h. v. p. 141 M. und wurde
von Eseln oder von Sklaven in Bewegung gesetzt (auch zur
Strafe), Appul. Met. IX. p. 221 Elm. Ibi comphmum iumeii-
torum multivii circuitus intorquebant moles ambage varia — in-
stahili macMnarwn vertigine lucuhrabant pervigilem fariiiam. —
velata facie etc. (in anschaulicher allerliebster Darstellung)
Die bauliche Einrichtung d e s H a u s e s. 235
Gell. III, 3. Ovid. Fast VI, 311 ff. Darum werden molae
manuariae n. /»?/;e?«/«?'/«e unterschieden. lAA'OL.Dig. XXXIII,
7, 2G. § 1. vgl. Paull. ib. 18. § 5. 12. § 10. Jahn, in Annali
deir Inst, di eorr. arch. 1838. X, p. 231—248 erklärt das in-
teressante Grabmunument des römischen Bäckers Eurysaces.
Auf dem einen Basrelief sieht man, wie das Korn gemahlen
und auf dem zweiten, wie das Brot gebacken wird, de Eossi,
antichi mulini in Koma, in Annali dell' inst, di corr. arch.
1857. XXIX (14) S. 274—281. mit der scherzhaften In-
schrift: Lahora aselle, quomodo ego laboravi et proderit tibi.
Die sehr praktisch angelegten Backöfen sind allemal ganz
rund und 7 — 8' tief und ebenso breit. Die Essen bestehen
aus drei thönernen Köhren von 10 Zoll Durchmesser. Der
letzte Backofen in Pompeji wurde 1845 im vico Storto ausge-
graben. OvERBECK, Pompeji S. 263 ff.
Tabernen.
.Sehr häutig waren in den städtischen Häusern, sowohl
rechts und links vom Ostium als an den Seiten in der Neben-
strasse, tabernae, welche nicht selten ganze Reihen bildeten.
Der Name bezeichnete ursprünglich kleine hölzerne Häuser
(wie unsere Buden), Fest. v. tabernacula p. 356 M. quae ipsae
(tabernae) quod ex tabulis olimfiebant, dlctae sunt, non ut qid-
dam putant, quod tabulis cludantur. Aehnlich Paul. v. ad-
tiberaalis und contuhernales p. 12. 38 M. Isidor. XV, 2. Da-
gegen zieht Ulpian die andere Etymologie vor, Dig. L, 16,
183. tab. appdlatio declarat oinne utile ad habitand^ua aedifi-
cium, 7iempe ex eo, quod tabulis clauditur. Später verstand man
nur Arbeits- und Verkaufslokale darunter, Ulp. 1. 1. 185.
Non. XII, 55. ()ft hatten die mit von den Mauern des Hauses
eingeschlossenen Tabernen besondere Oberstübchen (Orell.
4331. sind darum cenacula und tabernae verbunden, 4323.
tabernae pergidae cenac), welche zur Wohnung dienten, wäh-
rend der untere Kaum nur für die Arbeit oder den Verkauf
bestimmt war, wie auch die grossen Thüröffnungen beweisen.
Entweder wurden diese Tabernen von dem Hausherrn ver-
miethet und hatten in diesem Fall frar keinen Zusanuucnhang
23G Erster Excurs zur zweiten Scene.
mit dem Hans nach innen, oder der Hausbesitzer benutzte sie
selbst als Laden. Von beiden Arten bietet Pompeji eine über-
aus grosse Anzahl von Beispielen dar, z.B. die beiden Käume
a a. auf unserem Plan B, welche von dem Hause ganz ge-
schieden sind und nur nach der Strasse Ausgänge haben. Von
solchen schreibt Cic. ad Att. XIV, 9. tabernae mihi dvae cor-
^ ruerunt reliquaeque rimas agunt. Itaque non solum inquilini
(die Einmiether) sed mures etiam migraverimt. — ■ Sed tarnen
ea ratio aedißcandi initur — ut hoc damiium quaestuosum sit.
Im Hause des Öallust ist eine grosse Bäckerei, welche aus
vier liäumen par terre besteht, nebst Obergeschoss. Diese
hängen mit dem Hause ebensowenig zusammen als die beiden
Taberneu auf der rechten Ecke des Hauses, von denen eine
für den Oelhandel bestimmt war, Avie der steinerne Ladentisch
zeigt , in welchem die Vertiefungen für mehrere Fässer noch
vorhanden sind. Zwei Tabernen aber, die unmittelbar an bei-
den Seiten des Ostium liegen , stehen mit dem Hause in Ver-
bindung und sind von dem Hausbesitzer benutzt worden.
Links ist ebenfalls eine Art Ladentisch mit sechs Vertiefungen
noch vorhanden. Ebenso ist darin ein kleiner Feuerplatz und
ein Tisch mit Abstufungen (gemauert), worauf GcAvichte und
dergl. standen. Zumpt, S. 12 ff. Im Hause des Pansa finden
sich um das Hauptgebäude elf einzelne Parzellen, welche
sämmtlich ihre besonderen Eingänge von den drei das Haus
begränzenden Strassen haben und mit dem Inneren durchaus
nicht communiciren. Mehrere davon sind blosse Tabernen,
andere dienten auch zugleich als Wohnung. Die grösste Ab-
theilung ist wieder ein Bäckerhaus, interessant auch dadurch,
dass über dem Backofen ein Phallus war mit der Inschrift:
hie hahitat Felicitas. Im Hause des Chirurgen ist eine Bot-
tegha, welche mit dem Atrium zusammenhängt, worin also
der Eigenthümer selbst ein Geschäft trieb. Hier fand man 38
Ge\^chte von Blei mit den Inschriften: Eme. Habebis. Auch
im Hause Goethe's oder des Faun hängen mehrere Tabernen
mit dem Inneren des Hauses zusammen. — Die Tabernen
hatten die verschiedenste Bestimmung und barsen theils das
Die bauliche Einrichtung dos Hauses. 237
kostbarste Geschmeide und das theuerste Hausgeräthe (s. Thl.
I, S. 162 fg.), theils die einfachsten bescheidenen Viktualien,
welche der arme Freigelassene kaufte {taberna casearia, Ulp.
Dig. VIII, 5, 8. § 5.). Auch die Buchhändler (s. den dritten
Excurs zur dritten Scene), die tonsores (s. den zweiten Excurs
zur vierten Scene a. E.), die Sklavenverkäufer (s. S. 106 fg.)
u. s. w. hatten ihre Boutiquen. Eine Hauptrolle spielten aber
die Weintabernen , s. Thl. I, S. 84. und den zweiten Excurs
zur vierten Scene. — Von den Tabernen , welche nicht zu
dem Areal des Hauses gehörten, sondern daran gebaut Avaren,
s. Thl. I, S. 84. S. überhaupt Overbeck, Pompeji S. 255 ff.
An den Ladenthüren waren oft Bilder angebracht, welche die
Vorübergehenden anlocken sollten.
Keller.
Die gewölbten Souterrains hiessen hypogaea {concamera-
tiones), ViTKUV. VI, 8 (11.). Isidor. XV, 3. Apogewn est con-
structurn suh terris aedificium. Hir Gebrauch war sehr mannig-
faltig. Unter dem Hauptgebäude der Villa des Diomedes in
Pompeji ist eine Reihe Kellergewölbe (auch im Hause des
Ankers), zu denen man an beiden Flanken des Hauptge-
bäudes hinabsteigt. An dem Eingange rechts fand man acht-
zehn Skelette und verschiedenen Schmuck. Wahrscheinlich
hatten sich die Bewohner hierher geflüchtet , wurden aber
durch den eindringenden Schlamm begraben. Die Körper
waren in der verhärteten Masse gleichsam abgeformt und im
Museo Borbonico werden mehrere Stücke davon aufbewahrt,
auch der Schädel mit Kesten von l)londen Haaren. Eine An-
zahl amphorae, mit Aschenmasse angefüllt, liegen noch an
ihrer Stelle.]
Oberes Stockwerk.
l>aH untere Stockwerk oder Erdgcschoss machte das
Hauptgebäude aus, und diente zur eigentlichen Wohnung.
Da aber die einzelnen Abtheilungen desselben von sehr ver-
schiedener Höhe waren und zum Theil von oben ihr Licht er-
hielten, so war es unmöglich, über das ganze Haus hinweg
ein zweites Stockwerk anzulegen. Theilweise geschah es in-
238 Erster Ex cur s zur zweit eia Seen e.
dessen um Platz zu gewinnen (auch für Öklavenzinnnerj und
alle solche über dem Erdgeschosse liegenden Gemächer Messen
mit einem gemeinschaftlichen Namen cenacula. Varro, L. L.
V, 162. Posteaquam in superiore parte coenitare coeperant, su-
perior dornus universa cenacula dicta. Paul. Diac. p. 54 M.
Cenacula dicuntur , ad quae scalis ascenditur. Cic. de leg.
agr. n, 35. Romam — ceiiaculis sublatam atque suspensam.
Darum sagt auch Jupiter scherzhaft Plaut. Amph. III, 1, 3.
In superiore qui habito cenaculo. [Aehnlich Exx. bei Tertull.
adv. Valent. 7. cenacula maxhna coeli , was Tertullian selbst
nicht verstand. Sex. ep. 90. machinationes tectorum supra tecta
surgentium et trrbes jjrernentium. Die verschiedenen Stockwerke
selbst hiessen tabulata. In der späteren Zeit nannte man das
obere Stockwerk auch chalcidicum, Ausox. in Odyss. p. 316.
Bip. Penelupe degressa chalcidico.] Zu den coenaculis führten
verschiedene Trepjjen {scalae, von Stein und Holz , meistens
steil lind unbequem), wie es sich auch in den Häusern zu
Pompeji findet. Namentlich haben die Tabernen besondere
Treppen, welche zu kleinei-en liäumen im oberen Stockwerk
führen, s. S. 235. Solche Treppen führten zuweilen auch von
der Strasse herauf. Liv. XXXIX, 14. Consul rogat socrum ut
aliquam partem aediura vacuam faceret, quo Hispala immi-
graret. Cenaculum super aedes datuni est, scalis ferentibus in
publicum obseratis, aditu in aedes verso. [Ulp. Dig. XLIH, 17,
3. § 7. si cenaculum ex publico aditum habeat. Unter den
Treppen war ein gutes Versteck, Cic. p. Mil. 15. fugiens in
scalarum se latebras abdidit. vgl. Phil. II, 9. Hör. epist. 11, 2,
15. Gramer zu Schob luv. VII, 118. p. 197.] (Von den ce-
naculis als Miethlogis ist bereits gesprochen worden Thl. I,
S. 15 f. S. noch HoR. epist. I, 1, 91.) — üeber diesen ceiia-
culis endlich, oder auch über dem ersten Stockwerke legte
man Terrassen an, die man mit Bäumen, Sträuchern, Wein-
reben und Blumen besetzte. Diese mögen früher in Kübeln
gestanden haben und in den Boden eingelassen worden sein,
allein später schaffte man wohl den Boden selbst hinauf, und
legte auf dem festen und gegen das Eindringen der Feuchtig-
Die bauliche Einriclitung des Hauses. 239
keit gescliützteii Paviment wirkliebe GUrteii an. Solche Dach-
gärten, deren Spuren sich in Pompeji finden, hiessen
S 0 1 a r i a ,
ein Xame, der indessen eine Aveitere Bedeutung hat, und über-
haupt einen Platz bezeichnet, wo man sich sonnet. [I.sidor.
XV, 3. solaria quia pateyit soll. Pollux Onom. VIII, 5. Ulp.
Dig. VIII, 2, 17. pr. Plaut. Mil. glor. II, 3, 69.
Neque solarium neque hortum, nisi per inpluvium.
4, 25. Macrob. Sat. II, -4.] "Wie dieser anniuthige Gebrauch
späterhin übertrieben wurde, davon zeugt Sexeca, Contr. Exe.
V, 5. ahmt in su)V)uis culminibus mentita nemora et navigabi-
Uum piscinarum freta. Sex. ep. 122. Non vivunt contra Jiatu-
ram^ qui pomar'ia in summis turribus seritnt? quorum silrae in
tectis domorum ac fastigiis nutant, inde ortis radic hus quo ini-
probe cacumina egissent? [Iavol. Dig. VIII, 2, 12.] Etwas
Aehnliches waren auch die \(n\ Xero den Häusern und Inseln
vorgebauten auf Säulengängen ruhenden Solarien. Suet. Xer.
16. Formam aedißciorian Urbis ?iovani excogitavit , et id ante
insidas ac dohios porticus essent, de quarum solariis incendia
arcerentur. Tacitus Ann. XV, 43. Ein solches solarium Avar
demnach einem Balkon nicht unähnlich. Vgl. Winckelmann
AV. I, S. 391. [Klotz, op. p. 174—191. Wuestem. Kunstgärt.
5. 28fg.] ■
[I'ergulae, maeuiana, podia.
Unter diesen Xamen sind söllerartige Vorbaue zu ver-
stehen, ähnlich unscru Erkern und Balkons. Pergida (von
pergo abgeleitet, Avie regula von rege) ist eigentlich ein Vor-
bau, Avelcher in Parterretabernen den modernen um 1 — 2' her-
A'orragenden Ladenkasten, im zweiten Stockwerk aber unseren
Erkern gleich gCAvesen sein miiss. Das Erste ergiebt sich aus
der Xachricht , dass die Maler hier ihre Gemälde ausstellten,
damit sie sogar vtni den Vorübergehenden gesehen Averden
konnten. Plin. h. n. XXXV, 10, 36. (xVpelles) perfecta opera
proponebat pergula transeuntibus atque post ipsain tabulaui la-
tens, ritia qwie notarentur auscuUabat. LuciL. bei Lactant.
240 Erster E x c ii r s zur zweiten S c e n e.
I, 22. pergula pictorum. und vorzüglich Ulp. Dig. IX, 3, 5.
§ 12. cum pictor in pergula clipeum vel tabulam expositam ha-
buisset. Von solchen Vorbauen sju'icht Herodian. VII, 12.
xfAXs((7/j.t'r(or öi rar omäv y.ai rtör fQyaarijQi'ojr (Tabernen) rau'
■OvQuig, HUI ei riveg iiaciv ^vhor t'S.oyai {noXkai 8f avrai xaru Ttjv
nöXiv) nvn TToogntt&eaav. Natürlich hiess das ganze Zimmer
oder der ganze Laden von dem charakteristischen Merkmale
desselben pergula^ Ulp. Dig. V, I, 19. tabemulam, pergulam etc.
Auf die Bedeutung der pergula als oberen Erker bezieht sich
Plin. XXI, 3,6. Fulvius — e 2^ergula sua in forum prospexisse
dictus. Endlich liiess pergula im Allgemeinen jedes luftige
freie Gemach, Pjstron. Fragm. trag. 74. Wenn von pergulis
als Unterrichtslokalen die liede ist, so sind das luftige Räume
im zweiten Stock, vielleicht solaria nur mit einer Bedeckung
versehen oder Erkerzimmer im zweiten Stock. Suet. Aug.
94. In pergulis matliematici aiieju suam prqfitebantur. de ill.
gramm. 18. mathematici pergulam — ascenderat (Theognis).
S. S. 73.
Wie die pergulae sind auch viaeniana Vorsprünge, welche
über die Wand des Hauses hinausreichen, Iavol. Dig. L, 16,
242. § 1. quod proiectum esset id^ quod ita proveheretur^ ut nus-
quam requiesceret, qualia maeniana et suggnmdae (d. i. Wetter-
dächer). Sie unterscheiden sich dadurch, dass sie nicht im
unteren Stockwerk angebracht M^erden können, sondern das
ihre Querbalken auf Säulensubstruktionen ruhen. Vitruv V, 1.
/// porticibus — maenianaque superioribus coaxationibus collo-
centur. Fest. p. 134. Mae7iiana appellata sunt a Maenio cen-
sore, qui primus in f ovo ultra columnas tigna proiecit (oder wie
Paul, sagt extendit), quo ampliarentur superiora spectacula.
IsiDOR. XV, 3. Vgl. die Stelle des Non. bei tablinum S. 180.
Die Grammatiker brachten diesen Maenius fälschlich mit der
columna Maeniana in Verbindung, wie Non. I, 333. Ps.Ascon.
zu Cic. div. 16. p. 120 Or. exceperat ius sibi uiiius columnae^
super quam tectum proiiceret provolantibus tabulatis etc. Aus
später Zeit s. Amm. Marc. XXVII. 9. Cod. VIII, 10, 11.
Salmas. zu Spart. Pesc. 12. will unter maeniana nur flache
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 241
aber etwas hervorragende Dächer verstanden wissen, ganz
den solariis gleich.
Weniger sicher sind die podici^ welche zwar oft im
Theater, in einem Privathause aber nur einmal erwähnt wer-
den, nämlich Plin. ep. V, G, 22. Est et aliud cubicidum a pro-
xima platano viride et umhi^osum , maiinore excidtum podio
tenus. Es ist aber keineswegs zu beweisen, dass hier unter
podium ein Erker gemeint sei. — Im Allgemeinen s. Avell.,
bulletino Napolit. N. 1. (1842.)
Bedachung.
Die Häuser hatten meist ein flaches Dach (mit den S. 239.
genannten Solarien) ; doch gab es auch gesenkte Dächer und
zwar pectinata in oblonger Form, mit zwei langen und zwei
schmalen Seiten. Pest. p. 213 M. pectincäum tectnm dici/iir
a similitudine pectinis in duas partes divisum (lies devexurn) ut
testudinatum in quatuor. Die mit einem tectum pectinatum
verselienen Hausen- hatten an der schmalen Seite entweder
ein abseitiges spitzzulaufendes Dacli oder eine giebelähnliche
Wand, d. h. eine von der Schwelle bis zum Dach aufgemauerte
Wand, ohne dass sie durch ein dreieckiges Giebelfeld (Fron-
ton, tympwnnn) unterbrochen Aväre, also ganz den Giebelseiten
unserer Bau(!rliäuser gleich. Die Behaiiptung, dass nur die
T(!mpel fixstigia gehabt hätten, ist sonach etwas zu beschrän-
ken , ind(!m Jedermann eine giebelähnliclie Wand haben
konntt! (wie auch die Abl)ildungen von Häusern auf den pom-
p(!Janischen Wandgemälden zeigen) , aber nicht ein von der
Wand abgeschnittenes Giebelfeld. In dem ersten Sinne konnte
fastigium auch von I'rivatgebäuden gebraucht werden, z. B.
Cic. ad Qu. fr. III, 1,4. absolutum offendi in aedibus tids tectum,
quod supra conclavia non placuerat tibi esse multoruin fastigio-
imm, id nunc honeste vergit in tectum inferioris porticus. — Die
eigentliclicn fastigia dagegen, mit ihrem prächtigen Schmuck
und von der Wand des Hauses ganz abgesondert, waren den
Tempeln ganz eigentliümlicli, sowie; anderem Gebäuden des
Staats und den Palästesn der Kaiser. Zuerst erhielt Cäsar
dieses Kcdit durcli ein Senatu.scimsult, in dem er auch ein
Be-.cki-.k, (i.illiis, :!. Aiill. II. lg
242 Erster Excurs zur zweiten Scene.
piihnnar, simiilacrum inid einen flamen bekam, Flor. IV, 2.
Plut. Caes. 91. Suet. Caes. 81. Cic. Phil. II, 43. vgl. noch
de or. III, 46. Arnob. VI, 6. Die tecta testudinata waren da-
gegen nach vier Seiten abfallend (ohne Giebel) und passten
vornehmlich für viereckige und gleichseitige Gebäude. Col.
XII, 5. testudinecdo tecto more tuguriorum. Ein solches Dach,
aber in kleinen Dimensionen, befand sich über dem cavum
aedium testud. s. S, 220 f. Dass unter tecta testudinata nicht
etwa ein gebrochenes Dach zu verstehen sei, bedarf keines
BeAveises, denn die Alten kannten dergleichen nicht. Konische
Dachform wird nur von Sidon. Apoll, ep. 11 , 2. erwähnt:
Primum tecti apice in conum cacuniinato , cum ab angulis qua-
drifariam co7icurrentia dorsa cristai'um tegulis interiacentibus
imbricarentur. carm. XVIII, 3 fg.
Aemula Baiano tolluntur culmina cono
Parqiie cothurnato vertice fidget apex.
Noch ist der Irrthimi des grossen Salma.siüs zu Spart, und
exerc. Plin. p. 853. zu erwähnen, welcher auf die Giebeldächer
den Namen trichorum bezieht , welcher zweimal vorkommt,
nämlich Stat. Silv. I, 3, 57 fg.
Ciuid nunc ingentia mirer,
Aut quid partitis dlstantia tecta trichoris?
und Spart. Pesc. Nig. 12. simulacrum eins in trichoro consti-
tuit. Trichonun kann aber (nach der Analogie tvov'/Moug, no-
Ivf-, üTZvoi- u. a.) nur einen Raum bedeuten mit drei Abthei-
lungen, nicht mit drei Winkeln. Darum erklärte Casaub. zu
derselben Stelle nach dem Glossarium des Papias trichorum
als Haus mit drei Flügeln und Andere als ein Zimmer von
drei Abtheilungen. Noch Andere endlich nahmen trichorum
als Haus von drei Stockwerken, wie Rhodigix. antiq. lect.
XV 111, 11. Dazu scheint aber die Stelle des Spart, nicht zu
passen, noch die Inschrift bei Orell. 1595. Es bleibt also die
Bedeutung unentschieden, wenigstens hat trichorum mit der
Bedachung nichts zu thun. S. die gelehrte Anmerkung von
Hand zu Stat. Silv. I, 3, 39. Schwer zu bestimmen ist das
Dach, welches Paul. Diac. p. 73. tectum deliciatum nennt:
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 243
delicia est tignuni, quod a culmbie ad tegulas angulares bißmas
versus fastig atum collocatur; unde tectum deliciatum.
Die überhängenden Wetterdächer hiessen suggrundae
oder mit einem allgemeinen Namen pt^otecta und proiecta,
auch procUnata. Ulp. Dig. IX, 2, 29. § 1. und IX, 3, 5. § 6.
wo ein Fragment des prätorischen Edikts angegeben wird: 7ie
qids in suggi'wida protectove supra eum locum , quo vidgo iter
fiel — id positum habeat, cuiits casus nocere cid possit, vgl.
§ 12. Iavol. Dig. L, 16, 242. § 1. proiectum esset id, quod ita
proveheretur, ut nusquani reqidesceret , qualia maeniana et siig-
grundia essent. und sonst noch oft in den Digesten. Solche
Dächer umgaben die alten Cavädien {imiidne7itibus tectis, Plix.
ep. II, 17, 4).
Die flachen Dächer hatten ein festes Paviment von Stuck,
Stein oder Metall, die schrägen Dächer waren ursprünglich
mit Stroh und Schindeln, später mit Ziegeln, Schiefer und
Metall gedeckt. Au die älteste Zeit erinnerte die Hütte dos
Romulus. ViTRUV U, 1, 5. Item In Capitolio commonefacere
potest et significare mores vetustatis Romidi casa in arce sacro-
rum stramentis tecta, vgl. Verg. Aen, VIII, 054. Ovid. Fast.
I, 199. m, 189 ff. Von den Schindeln spricht Plin. h. n.
XVI, 10, 15. 18. und sagt an der ersten Stelle: scandula con-
tectam fuisse liomam adPyrrld usque bellum, annis CCCCLXX,
Cornelius Nepos auctor est. Isidor. XIX, 19.
Die Ziegeln waren entweder Platt- oder Hohlziegel,
tegulae oder imbrices, Lsidor. XIV, 8. XIX, 10. Nox.II, 433.
Plin. h. n. XXXV, 12, 46. Plaut. Mil. glor. H, 6, 24. Most.
I, 2, 28. Die tegulae bildeten kleinere oder grössere, quadrate
oder oblonge Platten , an beiden Seiten mit erhöhtem Rand
versehen, so dass die schmalen nach unten spitz zulaufenden
imbrices, die die Form eines halben Cylinders hatten, auf den
zusammenstossenden Fugen der tegulae fest auflagen. Indem
man das dünne Ende des Hohlziegels in das weite Ende des
nächsten einschob und die Plattziegel ein Stückchen unter
den vorhergehenden unterlegte (wesshalb auch am oberen
Ende derselben der Hand fehlte), erreichte man grosse Sicher-
16*
244 Erster E x c u r s z u r z w e i t e n S c e n e.
heit und die Feuchtigkeit des Himmels konnte durchaus nicht
durch die Zwischenräume dringen. Die deutschen Römer-
städte zeigen eine grosse Menge trefflich erhaltener Dach-
ziegeln verschiedener Art z. E. Mainz, Wiesbaden, Trier,
Bonn u. s. w. auch das Museum in Darmstadt. S. Bulletino
arch(*ol. Najiolit. Nuova seria per Garrucci e Minervini,
Najjoli 1853, Nr. 23. Nicolini, Pompeji. Vol. I, tav. 5.
(Wandgemälde), de Caumont, Abecddaire ou rudiment
d'archeol. Paris, 1853, S. 28. Jahresbericht d. Gesellsch. für
nützl. Forschungen zu Trier. Trier 1861, S. 35. Doch steht
tegula auch für jede Ai-t von Ziegeln, Vitruv. II, 1, 7. 8, 18.
19. Juv. m, 201. Iavol. Dig. XIX, 1, 18. § 1., und tegulae
für Dach überhaupt, z. B. Suet. gramm. 9. sub teguUs hahitant.
Cic. Phil, n, 1 8. per tegulas. Die in den zusammenstossenden
Ecken befindlichen ziemlich breiten Hohlziegel, wodurch
Dachrinnen gebildet wurden, hiessen tegulae colliciae, per
quas aqua in vas defluere potest. Paul. Diac. v. illicium.
p. 114 M. Cato K. E. 14. S. Bullet. Napol. a. a. 0. Darum
werden auch die tiefen Ackerfurchen colliciae genannt, in
welchen das Wasser zu den Kanälen floss, Col. II, 8. Plin.
h. n. XVIH, 19, 49. Die imbrices konnten mit besonders ver-
zierten Frontziegeln schliessen, imbrices exiremi oäev fro?itafi
(ursprünglich nur an den Tempeln), Plin. h. n. XXXV, 12,
43. 46. Sehr zahlreich findet man alte tegulae und zum
Theil mit Inschriften (sog. Uteratae), welche den Namen des
Meisters {tegularius Orelli Henzen 6445. 7279 f.) oder
des Orts und anderes enthalten, wie ex q/"(ficina) — , op(us)
/(iglinum) ex praediis Cosinae u. a,. So in Puteoli, Pomjjeji
und a. AvELLiNO, bullet. Napol. N. 4. 6. 18. 32. Mommsen,
inscr. Neapol. 6306 ff. Bonner Museum Nr. 171. vgl. 169. 177.
— Metallbedachung wird erwähnt Orell. inscr. 3272.
tegulas aeneas auratas und Iavol. Dig. I, 16. 242. § 2. — Die
Balken, Sparren und Latten des Dachs, z. B. die cantherii
Sparren, templa Latten (Vitruv. IV, 2, 1. Fest. h. v. p. 367 M.
tignum — transverswii)^ tigilli oder trabeculae, ambrices , ca-
preoli, deliciae (Paul. Diac. h. v. ^. 73 M.) und asseres zum
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 245
Tragen der Ziegeln, Paul. Diac. p. 16M. können nicht naher
behandelt werden. — Dass der Raum unter dem Dach zu-
weilen als Versteck diente, bemerkt Mueller, Archäol. von
Welcker, S. 383. und citirt App. b. c. IV, 44. Tag. Ann. IV,
69. Val. Max. VI, 7, 2.]
Die übrige Einrichtung.
Nachdem wir die verschiedenen Theilo des Hauses durch-
gegangen haben , muss noch kürzlich des übrigen Ausbaues
und der inneren Einrichtung Erwähnung geschehen. Mehrere
der hier anzuführenden Gegenstände indessen gehören in das
Gebiet der Kunst, und in wie fern von ihnen anderwärts hin-
reichend gehandelt worden ist, können hier nur kurze Andeu-
tungen und Xachweisungen genügen. Wir sprechen billiger-
weise zuerst von dem
Fussboden.
Der Fussboden, sohim, war nie gedielt. Nur Statius im
Sphaerist. des Etruscus scheint nach dem jetzigen Texte
Dielen, tahulata^ zu erwähnen, Silv. I, 5, 57.
Ctuid nunc strata solo refcram tabulata^ crepantes
Auditura pilas.
Allein wenn man die folgenden Worte vergleicht:
ubi languidus ignis inerrat
Aedibus et teiiuem volvunt hypocausta vaporem.
so ei-giebt sich, dass tuhidata gelesen Averden muss. Vgl. Plin.
ep. n, 17, 9. Adhaeret domntorium membrwn, transitu inter-
iacente, gut suspensus et tabulatus conceptum vaporem salubri
teniperamento hiic illucque digerit et ministrat. Sen. ep. 90.
Vielmehr bestand der Fussboden in der Kegel aus Estrich,
eigentlich pavimentum {ruderatio, ojms ruderatiim, [ßstucis pa-
vitwn), Plin. h. n. XXXVI, 25, 61. Vitruv. VII, 1. Varro
K. K. I, 51. Cato R. R. 18. Pallau. I, 9. Isidor. XIX, 10.
Orelli Henzen 6124. 6606. 7211. (davon die pavimentarü,
Orell. inscr. 4113). Die Unterlage bildeten kleine Steine
(Vitruv. VU, 1, 3. Tunc insuper statuminetur ne minore saxo
quam quod possit maniim implere.)^ nach Befinden in mehreren
Lagen, daiiii kam eine Masse \<mi /-crljröckeltcn Steinen und
246 Erster Ex cur s zur zweiten Scene.
Kalk (rudiis, ruderatio Yitruv. a. a. O.), darüber eine noch
härtere Masse von Backsteinscherben und Kalk {nucleii.<<^ Vitr.
a. a. 0.), welche abgerieben und geglättet wurde. Dieses hiess
pavimentum oder opus testaceum, auch ostiricus genannt und
signianum (sog. Avcil es in Signia zuerst angewendet worden
wäre), Plin. 1. 1. Vitr. 1. 1. Pali.ad. 1. 1. und 40. Lsidor. 1. 1.
Plin. XXXV, 46. fractis etiam testis utendo sie, iit firmhis du-
rent tusis ccdce addita , quae vocant signina. Auch legte man
auf die Grundlage Backsteine, von welcher Gattung eine be-
sondere Form testaceum spicatum (ährenförmig) , hiess Vitr.
Vn, 1, 4. Orell. inscr. 4240. pavimentum spicatum.] Dieses
führte wahrscheinlich zeitig zum Belegen des Bodens mit
Steingetäfel [pavimentum li{y6<jrQ(orov im weiteren Simie,
nämlich mit grossen viereckigen Platten, weissen oder far-
bigen Marmors. Tibull. EQ, 3, 16. mormoreum solum. Suet.
Ner. 50. solium porphyretici mannoris. Oct. 72. sine marmore
pavim. Orell. 1621. pavim. marmor. 4239. opus quadrata-
rium. Appul. Flor. IV, 18. pavimenti marmoratio. Fest. p.
242 M. Pavimenta Poenica marmore Numidico constrata signi-
ficat Cato etc. Sen, ep. 90. pauper sibi videtur — nisi Alexan-
drina marmora Numidicis crustis distincta sunt, nisi Ulis undique
operosa et in picturae modum rariata circumlitio praetexitur
(doch bezieht sich das Letztere auf die feineren Getäfel). Pal-
lad. 1, 9. Bei Sen. ep. 90. wird auch der Künstler marmorarius
gen., der sowohl die Fussböden als Wände mit Marmorplatten
bekleidet, ebenso ep. 88. Cassiodor. var. I, 6. Jahn, Abhandl.
d. Königl. Bair. Akad. München 1856, VIII, S. 234 f. Orelli
Henzen 2507. 3534. 4219 f. 7245. So war das Atrium im
Hause des tragischen Dichters mit weissem Marmor belegt
und dasselbe geschah gewöhnlich in den Labren und I'iscinen
der Bäder. Daneben kamen zwei Arten feineren Getäfels auf,
nämlich pat'«'»?. sectile und tesscllatum, Vitruv. VII, 1, 3. sive
sectilia seu tesseiis. Suet. Caes. 46. in expeditionihus tessellata
et sectilia pavimenta secum tulisse. Pallad. I, 9. nennt alle
vier genannte Arten der Pavimente: vel testaceum accipiant
pavim. (aus Backstein) vel marmora (aus Marmorj)latten) vel
Die bauliche Eiiirichtimg des Hauses. 247
tesxeras aut sciitulas (s. v. a. sectile), quihus aequale reddattir
angnlis lateribusque coniimctis. Die erste Art: pavim. sectile
bestand aus geometrisch zugesclmitteuen Stücken verschieden-
farbigen Marmors. Vitr. VII, 1, 4. ita fricentur (pavimenta),
uti si sectilia sint, nuUi gradus in scididis cnd trigoids aut qua-
dratis (das sind verschobene Vierecke) seu favis (Sechsecke)
exstent. Auch runde Stücke kamen vor, luv. XI, 173.
Q,in Lacedaemoniiim pytismate lubricat orbein.
Stat. Silv. n, 2, 88 fg.
ubi marmore pictn
Candida purpureo distinguitur area gyrol]
Solche Fussböden sollten nicht Mosaik genannt werden; denn
letztere setzt ihre Figuren aus einzelnen Stiften zusammen,
die an sich keine Bedeutung haben, sondern sie erst dm-ch die
Verbindung erhalten. Hier aber sind die einzelnen Stücken
schon bestimmte ans Marmor geschnittene Figuren, also nur
ein besonders künstliches opus sectile. Ein Beispiel geben die
grünen und weissen "Würfel (s. Tbl. I, S. 97.) auf dem Pavi-
ment im Tempel der Venus zu Pompeji, bei Zahx, die schön-
sten Ornam. erste Reihe, Tafel 15. [Auch in dem Kaiserpallast
in Trier (in den sogen. Bädern) bestanden die meisten Fuss-
böden aus Steintäfelchen von Marmor, Granit u.s.w. Schmidt,
röni. Baudenkmale in Trier. II. Heft. Trier 1845, S. 28.
Die zweite Art pavim. tesselhdnm war die eigentliche
Mosaik, aus kleinen bunten viereckigen Steinen ziisammenge-
setzt. ViTRUV. 1. 1. si tesseris structum erit, id eae omnes angu-
los Jiabrant aequales etc. Sex. qu. nat. VI, ol. Vidisse se affir-
mabat in balneo tessellas, quibiis soluin erat Stratum. Plix. h. n.
XXXVII, 10, 54. Androdamas argcnti yiitorem habet, ut ada-
mas, qnadrata semperque tessellis sirailis. Diese Kunst kam im
sechsten Jahrliundert d. St. nach Kom, wie Plix. XXXVI.
25, 61. bemerkt und eine Stelle des Lucilius anführt, welche
Cic. orat. 44. vcjUständiger hat :
ut tesserulae omnes
Arte, pavimenta atquc emhlemate vermiculato.
Davon auch der Xame pavim. Vermietdatum oder lithostrotum
248 Erster Ex eins zur zweiten Scene.
im engeren Sinn. Plin. XXXVI, 25, 60. Isidor. XIX, 14.
Orell. 4240. vermiculum straverunt. Je mehr man aber diese
Arbeit vervollkommnete, nm so leichter bildete sich ein Unter-
schied zwischen der gröberen mid der feineren Mosaik, zwi-
schen den tessellarü und musivarii, wie sie Cod. Theod. XIII,
4, 2. von einander trennt oder zwischen marmnrarii und mu-
saearii, die das Edict Diocletians c. 7. p. 17 M. unterscheidet.
Das pavim. tessellatum bezeichnete nun im engeren 8inne die
gröbere Mosaik, wahrscheinlich die Zusammensetzung geome-
trischer Formen (z. B. schachbrettähnlich), so wie das Ein-
drücken von kleinen Steinen in die nasse Gyps- und Mörtel-
masse , so dass Sterne , Kugeln , Blumen und andere Figuren
entstanden, s. Zahn, schönste Ornam. II, Tafel 96. Avei.lino,
descr. — la seconda, tav. II. (aus dem Hause der Bronzen,
Avo der römische Künstler die einfachsten Formen der Heral-
dik, nämlich die verschiedenen Arten der Kreuze, Querbalken,
Sparren u. s. w. unwissentlich nachgeahmt hat), während das
inusivum die feinere Mosaikarbeit, welche die Mahlerei nach-
ahmt, umfasste. Die erste mehr liandwcrksmässige Kunst for-
derte nur Sorgfalt, die zweite verlangte Kenntniss des Zeich-
nens, des Schattirens, der Perspective u. s. w. Der Name
musivum kommt zuerst vor Spart. Pesc. Nig. 6. hunc in Com-
modianis hortis in i)orticu ciirva pictum de musivo — videmus.
und Treb. Poll. Tetr. (XXX. tyr. 25.) accipiens — coronam
civicain picturatam de museo. Orell. 3323. opus musivum.
4239. opus museum. 4238. inusivarius.
Die kleinen bunten Stifte (cnistae i^ermiculatae , ad ej/i-
giein verum et animalium, Plin. XXXV, 1, 1.) bestanden aus
Thon, Glas und Marmor oder anderen zum Theil kostbaren
Steinarten. Von den ersten spricht Plin. XXXVI, 25, 60.
qui (Sosus) Pergami stravit quem vocant asaroton oecon, quo-
niam purgamenta cenae in pavimento j quaeque everri solent,
velut relicta fecerat parvidis e testidis tinctisque in varios colores.
Stat. Silv. I, 3, 54 ff.
Die bauliche Einrichtung d e s H a u s e s. 249
et nitidvm referentes aera testae
Monstravere soliim; varias ubi p/cta per avtes
Gauflet Imnius snperare novis afarota figuris.
Cilas und Stein nennt Pi.ix. 64. Dageg-en aiif kostbare Steine
(namentlich seltene Marmorarten, Achat, Beryll, Onyx u. a.)
bezieht sich Appll. Met. V. p. 159. Elm. Pavimenta ipsa
lapicle pretioso caesbn deminuto in varia picturae getiera discri-
minantur. Vehementer iterum et soepius heatos tllos, qui super
gemmas et monilia calcant. Sen. ep. ^%. Eo deliciarinn perve-
nimus, ut nisi gemmas cnlcare noJimus. Auson. Mos. 48. Lu-
{ AN. X, 114 flP. Claudiax. epithal. Honor. 9(>. Stat. Silv. I,
2, 149. Die asarotici kipilU des Sidon. Apoll. XXIEE, 57.
gehen wieder auf die bereits erwähnten Mosaiken, welche den
Kehricht nachahmten, wie man eins 1833 in Rom gefunden
hat, Bullet, di corr. arch. 1833. S. 81 ff. Dass die Stein-
mosaiken älter seien als die aus Glaspasten zusammenge-
setzten, hat Herr Professor W. Zahn gewiss mit Recht ange-
nommen. Wie überaus mühsam die Arbeit war, geht daraus
hervor, dass derselbe bei einem pompejanischen Fussboden
auf dem Raum eines Quadratfusses 2000 fiirbige viereckige
Marmorstückchen, bei der grossen Schlachtenmosaik aber so-
gar 150 auf den Raum eines Quadratzolls gezählt hat (Orna-
mente, Heft 12. Taf. 57 — 59). Trotzdem findet man kein
Haus in Pompeji ohne Musaikfussboden.] Gurlitt, über die
Mosaik. Archäol. Sehr. S. 159 ff. Minutoli und Klaproth,
über antike Glasmosaik, Berlin 1815. O. Mueller, Archäol.
[Ausg. V. Welcker, S. 458 ff. Pahlv, Realcncykl. V, S. 275 ff.]
Stkinruechel, Alterthumswissciischaft. S. 24 ff. [Secchi, il
musaico antoniniano. Roma 1843.] Proben antiker CJetäfel
und Mosaiken geben: [Lahorde, description dun pave en
mosaique, Paris 1802. und Madrid 180G. Cia.mi'ixi, monum.
vet. I.] d' Agincourt, Histoire de Tart. 'J'oni. V. tab. 13 ss.
Zahn, in seinen Prachtwerkcn : die schönsten Ornamente und
Gemälde aus Herculanuni uml Pompeji 1828. 1829. (in Far-
ben), fin der zweiton Folge 18 12-44. Tafel 56. 96. in der
(liittcii Folge 1H52 -59. Tafel 6. 16. 22. 39. und in dem gc-
25() Erster Kxcurs zur zweiten Scene,
nannten: Ornamente aller klassischen Kunstepoclien. Berlin
1842—16. Taf. 49. 57—59. Eoux und Rarrö, Herculanum
und Pompeji. Hamb. 1841. Bd. IV.] Marini, tab. 15. 87. und
zerstreut in Museen. Das bedeutendste aller bekannten an-
tiken Mosaikgemälde ist die am 24. Okt. 1831 im Hause des
Faun zu Pompeji aufgefundene Schlacht. Mus. Borb. VIII.
t. 36 — 45. [Zahn, die schönsten Ornamente, zweite Folge,
Taf. 91 — 93. Nach Quaranta, AvELLiNO, Roulez,Welcker
in Müllers Archäol. S. 172 fg. u. Kleine Schriften IH, S.460—
475. und OvERBECK S. 426 f. u. A. ist sie eine Alexander-
schlacht, bei Issus, am Granikus oder bei Arbela. Schreiber,
die Marcellusschlacht in Clastidium. Freiburg 1843. behaup-
tet, es sei ein Kampf zwischen Römern xind Kelten, während
Bergk in Zeitschr. für Alterthumswiss. 1844. N. 34 fg. in den
Besiegten zwar Kelten erkennt, in den Siegern aber Griechen
und daher glaubt, es sei der Sieg Attalus I bei Pergamus.
Gervinus, kleine histor. Schriften VII, S. 435 — 487. — An
dieses schliessen sich mehrere andere an, welche durch gross-
artige Composition, lebendigen Ausdruck, schöne Färbung
und zierliche Ausführung den geläuterten Geschmack der
Künstler bezeugen, z. B. die Athletenschule (im neuen latera-
nensischen Museiun, s. oben Secchi's Schrift u. Henzen, in
bullet, deir inst. 1843, S. 123—128.), die Darstellung Aßgyp-
tens, genannt die praenestinische, der I'anther- und Centauren-
kampf aus Hadrians Villa (jetzt in Berlin), Amor auf dem
Löwen oder Tiger reitend, Mus. Borb. VII, 61. fg. und bei
Zahn Ornam. Die lange schmale Mosaik in Göthes Haus mit
Masken und Früchten (von Glas), Zahn, schönste Ornam. III,
Taf. 26. Die grösste Mosaik in Deutschland wurde zu Nennig
bei Saarburg gefunden, ein Gladiatoren- und Thiergefecht
aus 8 Gruppen bestehend, 50 Fuss lang, 33 Fuss breit, Jahrb.
d. Vereins v. Alterthumsforsch. im Rheinland. 1860. XXIX u.
XXX, S. 287 f. Schöne Mosaiken sieht man auch in Darm-
stadt (aus Vilbel) , in Cöln n. s. w. S. Ottfr. Mueller und
Pauly a. a. O. Die Mosaikbilder dienten vorzugsweise zum
Schmuck des Fussbodens, von anderen Anwendungen sind
Die bauliche Einricli tuiig des Hauses. 951
wenig Beispiele vorhanden, nämlich einige mit farbigen Glas-
stückchen belegte Säulen in Pompeji (Zahx, Ornam. T. 60.
80.), mehrere Brunnen mit sehr reichen IVfosaiknischen eben-
falls in Pompeji, aber immer niii- ornamentistisch und ohne
Figuren. Erst gegen das Ende der röm. Kaiserzeit wurden
die Wände und Deckengewölbe mit Mosaik belegt. Kugler,
Handb. der Gesch. der Malerei, zweite Aut^g. v. Burckhardt,
I, S. 24. MuELLERS Archäol. von Welcker S. 251 fg. Over-
BECK, Pompeji S. 423 ff. — Wie reich und schön man den
Fussboden zusammensetzte zeigt unsere Tafel I. (nach Zahn,
schönste Ornam. III, T. 6. 16.) obgleich es nur opus tessel-
latum ist.]
Die Wände.
Die inneren Wände der Zimmer, Säle und Säulengänge,
in alten Zeiten vermuthlich nur [berappt, trussillati , und] ge-
weisst [dealbati, Cic. Vei-r. I, 55.-, davon albarius und opus
albarium Orell. 4142. 4239.; der aufgetragene Stuck, Avelcher
in Pompeji eine vorwiegende Rolle in der Ornamentik spielte,
hiess fectorium, Vitr. VII, 2. 3. s. S. 180. Overbeck, Pompeji
S. 362 f.], wurden mit Marmortafeln, crustae marmoreac, oder
auch künstlichem Marmor bekleidet (incvustare). Mamurra
war nach Plixius der erste, der (zu Catulls Zeit) in seinem
Hause das Beispiel solchen Luxus gab. II. X. XXXVI, 6, 7.
Prhnum Roinae parietes crusta inarmoris operuiase tothts domiis
suae in Caelio monte Cor)ieUvs Nepos tradidit Mamurram. [Sen.
ep. 86. pauper sibi vidctiir ac sordidus^ nisi parietes inagnis et
pretiosis orbibus refuheiinU (Marniorquarrees oder Medaillons).
ep. 115. Mirayniir parietes tenui marmore inductos. ep. 114. ul
parietes advectis trans iiiaria marmoribiis ßdgeant. controv. IX.
p. 140. Bip. varius ille secalur Inpis , iit tcuui fronte parietem
tegat. Isidor. XIX, 13. Auch die Ausgrabungen in den Rhein-
gegeudeu zeigten sehr häufig S])ur('u dieses aus geschliffeneu
und jinlirtcn Steinjdatten bestelieudru \Vandsclmiuckes, Over-
BECK, die röm. Villa b(!i Weingarten, Bonn 1851, S. 11 f.]
In der Bekleidung mit künstlichem iNlarmor, was Sache der
tectores [Oreli.i IIbnzen 4288. 4803. 6445.] und niannorarii
252 Erster E x c u r s zur zweiten S c e n e.
[Okelli Henzen 25U7. 'dbU. 4219 f. 7245. verwaudt mit den
lapiclar'd 4220. 4302. 6445.] war, waren die Alten so erfahren,
dass man selbst Tafeln aus den Wänden wieder aussägte, und
sie als Tischplatten gebrauchte. Vitr. VII, 3. 6. [Dass man
Wände auch mit Glasstücken belegte, zeigen die Ruinen eines
1826 in Ficulura bei Rom entdeckten Zimmers. Plin. XXXVI,
25. 64. non duhie vitreas facturus cameras, si prius id inventum
fuissef.] Weit häufiger Avurde jedoch Malerei zur Ausschmü-
ckung der Wände angewendet, und selbst in den unbedeuten-
deren Häusern von Pompeji u. Ilerculanum finden wir diesen
sinnigen, freundlichen Schmuck allenthalben [stets aber mit
Bewahrung des dekorativen Charakters]. Die Untersuchung
der Frage, wenn man überhaujit angefangen habe, auf die
blosse AVaud zu malen, eine Frage, die in neuester Zeit leb-
haften Streit erregt hat, gehört nicht hierher. In allen Schrif-
ten und Kritiken von Hittorf bis auf Wigmann und Le-
TRONNES neuester Erklärung gegen Raoul-Rochette, im
Journ. des Sav. 1837. Avr. dürfte auf beiden Seiten noch
manches zu berichtigen sein. Für die Privatwohnungen wird
immer Pltnius' Zeugniss, XXXV, 10, 37. gelten müssen.
Genug, diese Malerei war längst in Griechenland gebräuch-
lich, ehe man in Rom an dergleichen Schmuck dachte. —
[Das letzte Resultat ist jedenfalls richtig , unriclitig aber, was
vorher über Plin. gesagt wird. Plin. nämlich setzt nicht den
Anfang der röm. Wandmalerei in Privathäusern in Augustus
Zeit, sondern den Anfang der Landschaftsmalerei, so dass die
Wandmalerei überhaupt schon vor August angenommen wer-
den muss. — Ueber die Malerei der Alten schrieben in neuester
Zeit: G. Hermann, de veterum graec. pictura parietum. Lips.
1834. und opusc. V, p. 207—229. John, die Malerei d. Alten.
Berlin 1836. Wigmann, die Malerei d. Alten, Hannover 1836.
Letronne, lettres d'un antiquaire sur l'emploi de la peinture
hist. murale. Paris 1836. und appendice aux lettres, 1837.
Raoul-Rochette, peintures antiques inedites precddees de
rech, sur l'emploi de la peintiire dans la decoration des edi-
fices. Paris 1836. und lettres archeol. sur la peint. I, 1840.
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 253
KxiERiM, die Harzmalerei der Alten. Leipzig 1839. nud die
endlich entdeckte wahre Malertechnik des Alterthnms, 1845.
OvERBECK, Pompeji S. 385 — 423. u. A. s. Muellers Archäol.
von Welcker, S. 449 ff. 245 ff. — Die Malerei war theils ein-
farbig, monochromatisch, Plix. h. n. XXXV, 5, 11. singulis
coloribus et monochr omaton clictam — duratque etiamnunc.
Fronto ad Verum I. quid si quis Parvhasium versicolora pin-
gere iuberet aut Apellem unicolora? z. B. Mus. Borb. IX, 49.
Zahn, die schönsten Ornam. IT, 1.; theils buntfarbig und zwar
ebenso] auf nassem Kalk al fresco {udo illinere colores. Plin.
XXXV, 31. colores udo tectorio mducere, Vitr. VII, 3, 7.) als
auf trocknem Grund mit Leimfarbe a tempera [was wohl das
häufigste war]. S. Wixckelmann W. V, S. 197 fg. Doch
findet sich auch die Grundfarbe häufig fresco, [die anderen
tempera, Muellers Archäol. S. 452. Ursprünglich hatte die
Malerkunst vier Grundfarben (Cic. Brut. 18. Plix. XXXV,
32. quatuor coloribus solis immortalia illa opera fecere —
Apelles etc.) nämlich weiss (die Melische Erde und praeto-
nium), roth (rubrica aus Ka^ipadocien oder Sinopis und mi-
nium), gelb (sil, am besten ausAttika) und schwarz (atramen-
tum); allein als die Wandmalerei in Italien überhand nahm,
waren bereits ausser den genannten Grundfarben viele andere
ebenso glänzende als theuere Farben in Gebrauch. Plin.
XXXV, 12. sunt autem colores austeri (die vier älteren) aid
^07'fc// (die neuen). Floridi srmt , quos dominus pingenti jjvcie-
statj z. B. chrT/socolla grün aus Kupfer, purpurissum (e creta
argentaria, cum purpuris pariter tingitur), indicum Indigo, ein-
nabari Ziimober, caeruleum (künstlich in Puteoli dem alexan-
drinischen nachgcmachtj u.a. Plix. 12 — 32. Vitr. VII, 7 — 14.
IsiDOR. XIX, 17. Muellers Archäol. S. 450 fg. und dii^
Schriften von JofLN und Kxierlm.
Die Maler pHcgtcu di(; Wände der Zimmer, nachdem sie
Sockel und Fries abgeschieden, höchst geschmackvoll in grös-
sere und kleinere Felder zu theilen, welche sie mit präclitigen
u. phantasiereichcn vVrabeskeu umgaben, so dass sie Wixckhl-
MANX mit den srliöiistcn in den Loggien l\a[»haels v(rrglich.
254 Erster Excurs zur zweiten Scene.
Die am häufigsten vorkommenden CTrundfarben der Felder
und Sockel sind rotli neben schwarz, Zahn, Ornam. 31. 41.
43. 51 fg. 62 ff., III, Taf. 18 f. 29. 59. roth und gelb (III, Taf.
79.), auch blau daneben, ebendaselbst 62 ff., grün und gelb,
braun und gelb, braun, schwarz und grün, grün und roth, gelb
und weiss (III, Taf. 36. mit Medaillons), wie Zahns erwähntes
Werk und dessen schönste Ornamente in trefflicher Ausfüh-
rung zeigen. Stets ist es „ein heiteres Colorit mit entschie-
denen Farbentönen," wie es bei dem südlichen Himmel und
der antiken Lebensanschauung nicht anders sein konnte {ful-
gentes oculorum reddunt visiis, Vitruv. VII, 5, 8.), und ein
starker Effekt liegt in dem Kontrast der dunklen und hellen
Farben, welche die Alten neben einander stellten; doch bildete
die dunkele gewöhnlich den Sockel und die hellste den Fries.
Engelhard, Beschreib, öfters. Zahn, schönste Ornam. III,
Taf. 18. 19. 29. 59 (Sockel schwarz, Fries gelb. Wand roth)].
Auf unserer Tafel II ist nach Zahns schönsten Ornam. [III,
Taf, 44. die herrliche Wand treu mitgetheilt, welche sich 1811
im Atrium des Hauses des Modestus in Pompeji fand. Die
Hauptfelder, in welchen die drei Jahreszeiten Frühling Som-
mer und Winter schweben, sind roth, der Sockel schwarz,
die überaus phantastische Architektur meistens in gelb und
grau ausgeführt. Der oberste Theil der Wand enthält auf
weissem Grund drei Gruppen: Ulisses und Circe, Achilles auf
Skyrus und drei weibliche Figuren (undeutlich)]. — Ueber
den der Dauerhaftigkeit wegen angeAvandten AVachsfirniss s.
Thl. I, S. 33.
[Was nun die in den Feldern eingeschlossenen Bilder
betrifft, so waren die Gegenstände derselben höchst mannig-
faltig. Vitruv. VII, 5. sagt darüber: antiqui — imitati sunt
primum crustarum marmorearum varietates et collocationes ; de-
inde coronariün (d. i. Ki*anzleisten) et silaceorum cuneorum
(das sind Käume zwischen dem Marmorgetäfel) infer se vnrias
distributiones. Die Nachbildung der Marmoi-wände war also
der erste Anfang der Wandmalerei. Dann unterscheidet Vitr.
folgende vier Gattungen: 1) architektonische Ansichten: Po-
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 255
stea i/igressi sunt, utetiari\ aßälßciqruv^ figuras coliannarumque
et fastigiorum eminentes proiecturos imitarentur. 2) Bühneu-
darstellungen, patentibus autem locis; uti exedris, propter ampli-
tuduiem parietinn seenarum frontes tragico more aut comico seit
satyrico designarent. 3) Landschaften , amhulationes vero pro-
pter spatia longitudinis varletatibus topiorum ornarent ah certis
locorum proprietatibus imagines exprimentes , pinguntur e?}vn
portus, promontoria, littora, flumina, fontes^ eiiripi, fana^ lud,
montes, pecora, pastores. Plin. XXXV, 37. nennt Ludius zu
Augustus Zeit als Erfinder dieser landschaftliclien Darstel-
lungen und fügt noch Allerlei hinzu, als varias ihi ohambulan-
tium species, aut navigantium terraque villas adeuntium asellis
aut vehicuUs. lam piscantes aucupantesque aut venantes aut
eliam vindemiantes sunt in eius exemplaribus etc. Endlich
4) sagt ViTRUV. nonnullis locis item signarent megalographiani
hahentem deorum siinulacra seu fahularum dispositas disposi-
tiones, non minus Troianas pugnas seu Ulyssis errationes etc.,
also historische Compositionen, Bilder von Qröttern und mytho-
logischen Scenen, Opfer und dergl. Die interessantesten Com-
mentare zu diesen authentischen Berichten liefern die erhal-
tenen Gemälde von Herculanum und Pompeji, welche von
allen Gattungen zahlreiche Beispiele enthalten und deren
Menge täglich wächst. Die arclutektonisclien Gebilde leicht
und durchsichtig componirt, mit dünnen rohrähnlichen Säulen,
luftigen Balken und Giebeln, herabhängenden BlumeiigcAvin-
deii, Vögeln u. s. w. reich dekorirt, beweisen den kiilinen oft
phantastischen Geschmack des Künstlers. Vitruv a. a. ().
tadelt das damals sehr in Mode gekommene Abschweifen von
der Natur in dieser Architektur- und l*ers])cktivmal('r('i allzu-
bitter: pinguntur tectoriis iiionslra potius qi/aiii ex rebus finitis
imagines certae; pro cohuimis enim statuuntur calami, pro fasti-
giis hatpaginetuli striati cum crispis foliis et volutis tetieris, item
candelabra aediculoi'um sustinentia figuras, supra fastigia eanon
surgentes ex radicibus cum volutis coliculi teneri — . Haec autem
nee sunt nee fieri possunt nee fuerunt. — At haec falsa vidcntcs
homines non reprehendunt , sed delectantur — . ludiciis autem
256 Erster Excurs zur zweiten Scene.
iiifirinis obscuratae inentes non valent probare quod potest esse
cum auctoritate et ratio?ie decoris. Neque enhn picturae probari
deboit, quae non sunt similes veritati u. s. f. — Auch freuiul-
liclie heiter belebte Landschaften sind in Menge A'orliandeu,
obgleich gerade diese den anderen Bildern sehr nachstehen,
(meist mit vorherrschender Architektur), Jagden (Mus. Borb.
Xni, 18. Zahn, schönste Ornam. III, Taf. 5. wo Jäger Thiere
erlegen und zugleich wilde Thiere unter einander kämpfen),
Wasserfälle (Mus. Borb. XI, 26.), Gärten (Mus. Borb. XII,
A. B.). Von hohem Werth und oft von grandiosem Charakter
sind die historischen und mythologischen Gemälde, z. B. die
Säugung des Telephus im Beisein des Herkules und der Om-
phale, Mus. Borb. IX, 5. vgl. XIII, 38 fg., die Erkennung des
Telephus durch seinen Vater Herkules in Zahn , schönste
Ornam. III, Taf. 1. (lebensgross und meisterhaft, schon 1739
in Herkulanum entdeckt), die Wegführung der Briseis auf
Achilles Befehl, in dem Hause des tragischen Dichters, Ariadne
auf Naxos, Zahn,, das. IH, Taf. 9 f., Perseus und Andromeda
(beide sehr oft, aber von verschiedenem Kunstwerth), die
Bacchuserziehung, Bacchussiege, Herkules und Omphale (vor
Kurzem ausgegraben, s. archäol. Zeit. 1847. N. 7.), Scenen
aus der kaledonischen Jagd, dem trojanischen Krieg und dem
Argonautenzug, die Toilette des Hermaphroditen in einem
Colorit, welches dem Titians ähnlich sein soll, Zahns schönste
Ornam. IL Taf. 13., Iphigenias Opfer, Zahn das. III, Taf. 42.
das als Hypnos und Pasithea erklärte Bild in Gkll, Pom-
peiana T. 83. Von einzelnen Figuren kommen unter den
höchsten Göttern am häufigsten Mars und Venus vor (Mus.
Borb. X, 40. XI, 4 fg. 24. XI, 53 ff. 57.), Aktäon Taf 49.
n. A. Von besonderer Schönheit und Aumuth aber sind viele
in der Mitte der Wandfeldcr befindliche schwebende Figuren,
welche Faune, Bacchantinnen, Nymphen, Citherspielerinnen,
Genien, Tänzerinnen vorstellen, frohen Genuss und reizende
Sinnlichkeit athmend. Unübertrefflich, nach Winckelmanns
Urtheil flüchtig wie ein Gedanke und schön wie von der Hand
der Grazien ausgeführt sind besonders] zwölf etwa eine Sjjanne
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 257
hohe und auf schwarzem Grunde schwebende Tänzerinnen
und vun je mit einer anderen anmuthigeu Figur trefflich
grupjiirte Centauren , ebenfolls auf schwarzem Grund , in der
sog. Villa Cicero's zu Pompeji 1749 gefunden, s. Pitture
d'Ercolano, I, t. 13 — 28. Mus. Borb. VII. [Mever, Gesch.
der bildenden Künste bei den Griechen und Eömern. Dresd.
1S36. III, Ö. 107 fg.] , der Centaur mit der Bacchantin, s. auch
GoRO V. Agyagfalva, Wanderungen durch Pompeji T. 17.
18. [Andere finden sich Mrs. Borb. IX, 7 fg. 17. 19. 22.
X, 5. 34. 54. XII, 4 fg. 18. 34. XIH, 16 fg. 40. 48. u. s. w.,
von denen mehrere ebenso zart, anmuthig und geistvoll ent-
worfen als durch zierlichen Faltenwurf und wohlberechnete
Harmonie der Farben ausgezeichnet sind. Bei vielen ist auch
die Beleuchtung und Anordnung zu loben. — An diese letzte
Klasse der Wandgemälde schliessen sich die von Vitruv nicht
genannten Abbildungen von Scenen, Avelche dem gewöhnlichen
Leben entnommen sind, Bambocciaden, Genrebilder und Still-
leben {noiTTovoacf i'a entgegen der fisyaXoyQaq:ia) z. B. Darstel-
lung der häuslichen Beschäftigung wie in der fullonica, s. den
zweiten Excurs zur achten Scene, Gladiatorenkämpfe, Plin.
XXXV, 33. Gell, Pomp. t. 175., Malerateliers, Mus. Borb.
Vn, 3. und anderwärts, Amoretten oder Genien in zahllosen
Beschäftigungen und Vergnügungen der Menschen auf der
Jagd, bei der Weinlese , in der Werkstatt des Handarbeiters
u. s. w. Zahn, schönste Ornam. lU, Taf. 35 u. mehrm., Mo-
vionen (von Jahn Pygmaien genannt, Archäol. Beiträge S.
418 ff. und in den unten cit. Wandgemälden S. 250 f.), Bilder
von Viktualien, wie Fischen, Obst (Xenien genannt, Philostk.
I, 31. Vitruv. VI, 7, 4.), Wild, Geflügel z. B. Mus. Borb.
VI, 20. 38. vn, 56. VIII, 57. IX, 10., naive Thierfabeln,
lascive Scenen, Suet. Tib. 43. OviD.Trist. II, 521 ff. Broukh.
zu Prop. n, 5, 25 ff. (obsceuas tahdlas). Die Stelle des Sidox.
Apoll, über Wandmalerei s. im ersten Excurs zur siebenten
Scene bei frigidarium. Ausser den genannten Werken von
Zahn, Gell, Goro, Mus. Borbonico finden sich Abbildungen
der pompejanischen Wandgemälde in Anticliita di Ihcolano.
ÜECKF.Tt. (lalliK. :i. Aufl. H. 17
258 Erster Exciirs zur zweiten Scene.
Xap. 1757 fl". Toin. I — IV. VII. Gli qrnati delle pareti et i
pavinienti etc. Nap. 1808. Raoul-Rochette, peiuture.de
Pomp. Paris 1844. Ternite, Wandgemälde ans Pompeji und
Herculanum. I— XL Berlin 1841—1858 (vortrefflich). Eoux
und Barr£, Hercul. I — IV. Nicolini, le case ed i monumenti
di Pompei. Napoli 1854 — 60. in 25 fascic. S. auch Jahn, die
Wandgemälde des Columbariums in der Villa Pamfili, in Ab-
handl. d. philos. philol. Classe der Königl. Bai. Akad. München
1856, Vm, S. 230 — 284. — Sogar ein Staffeleigcmälde
wurde 1761 in Herculanum gefunden, die Schmückung einer
Braut darstellend, s. Zahn, schönste Ornam. III, T. 15.
Die enkaustische Malerei, Pein. XXXV, 39 ff. diente
selten zur Dekoration der Wände, s. Muellers Archäol. von
Welcker S. 453 ff. Welcher, kleine Schriften III, S. 412 ff\
OvERBEOK, Pomp. S.391.]; auch scheinen Werke in erhobener
Arbeit zum Schmucke derselben gebraucht worden zu sein.
So verstehet man wenigstens Cic. Att. I, 10. Praeteren typns
tibi iiiando, quos in tectorio atrioli possim ine ludere. Siehe
Visconti, M. Pio-Clem. IV. Praef.
Dass die Alten nicht gepflegt haben Spiegel an den
Wänden anzubringen, oder dass doch dieser Gebrauch erst
spät aufgekommen sei, ist die gewöhnliche Annahme, die in-
dessen doch der Berichtigung bedarf. Allerdings bediente
man sich gewöhnlich der Handspiegel und die Kostbarkeit
des Materials war wenigstens in früherer Zeit wohl Ursache,
dass die Spiegel von keinem grossen Umfang gefertigt wur-
den. Wo aber auch grössere Spiegel erwähnt Averden, darf
man darum nicht sogleich auf Wandspiegel schliessen. So
führt Seneca, Quaest. nat. I, 17. specula totis corporibus paria
an; allein so viel er auch vom 13. Kapitel an darüber sagt,
scheint er doch jederzeit bewegliche Spiegel zu meinen, die
vielleicht Füsse hatten, um hin und her gerückt zu werden.
Indessen geht man doch zu weit, wenn man jeden Ge-
brauch der Wandspiegel leugnet, und es lassen sich diesem
Vorurtheile deutliche Stellen entgegensetzen. Wenn Vitrüv
VII, 3, 1 0. sagt : ipsaque tectoria abacorum et specidorum cirea
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 259
se prominentes liahent expressiones^ so wird man das für keinen
Beweis gelten lassen, weil man ahacus von dem viereckigen,
specnium von dem run-den Felde verstellt, das rahmenartige
Einfassung hatte, übrigens aber gewöhnliches iectnriiim sein
konnte. Dass man indessen eben zu diesen specidis polirte
Tafeln irgend einer Masse nahm, die als Spiegel dienen
konnte, sieht man aus Plinius XXXVI, 26, 67. Tn genere
vitri et obsidiana numerantur, ad similitiidinein lapidis. quem in
Aethiopia invenit Obsidius, nigerrimi coloris, aliquando et trans-
lucidij crafisiore visu, atque in specidis parietum pro imagine
uiabrns reddeiite.
Wirklich aufgehangener Spiegel gedenkt ferner Vitruv
IX, 9. (8). Ctesihius enim fuerat Alexandriae natus patre ton-
sore: is ingenio et industria magna praeter reliquos excellens
dictus est artificiosis rebus se delecfare. Namque cum voluisset
in taberna sui patris speeidum ita pendelte, ut, cum duceretur
sursumque reduceretur, linea latens pondus deduceret, ita collo-
cavit machiiiationem. Endlich wird auch von Ulpian. Dig.
XXXIV, 2, 19. § 8. speculum parieti affixum erwähnt. Vgl.
IsiD. Orig. XVI, 15. Salm, zu Vospisc. Firm. 8. vitreae qua-
dratiirae. S. G94 fg. [Dig. XXXIII, 7, 12. § 6. Die Spiegel-
macher, specularii; bildeten eine besondere Zunft, Dig. L, 6,6.
Grell. 4284. 6296. Raoul-Kochettk, peintures ant. ined.
p. 379 ff. Schulz, in Annali dell' inst. XI, 1839. p. 93.; docli
ist luv. XI, 173. und Stat. Silv. 1, 5, 42. nicht liierlier zu
beziehen], und über das zu den Spiegeln gebräuchliche JMate-
rial, wie über die Frage, ob die Alten Glasspiegel gehabt,
Beckmann, Beiträge zur Gesell, der Erfind. IIF, S. 167 ff. und
folgenden Excurs.
Die Decken
wurden anfänglich nur durch über die Balken gelegte Bretter
g(djildet. Um ihnen indessen ein zierlicheres Ansehen zu
geben, machte man gleichsam einen liost von Balken, so dass
vertiefte Felder entstanden , lacus, larunar, laqnrar, [und be-
malte oder belegte das Holzwerk mit kostbaren Stoffen. Sen.
ej». 95. et cum auro tecta perfundimus — . Nee tantum paric-
17*
260 Erster Excurs zur zweiten Sceue.
iihus aut hicunciribus oviiamentuin tenue praetenditin-.^ Ancli
die Lacunarien oder Cassettinen, welclie wegen ihres zier-
lichen Ansehens sogar bei gewölbten Decken in Stein oder
kStuck nachgeahmt wurden, erhielten mannigfachen Schmuck
und wurden auch wie in Tempeln vergoldet und mit Elfen-
bein ausgelegt. [Plin. h. n. XXXIII, 3, 18. Laquearia^ quae
nunc et in privatis domibus auro teguntur, post Cartliaginein
eversam primo inaurata sunt in Capitolio censura L. Afunnnii.
lade transiei'e in cameras quoque et parietes etc. IIoR. od. II,
18, 1.
Non ehur neque aureum
Mea renidet in domo lacunar.
Sen. ep. 90. laquearia caelata, lacunaria auro gravida. LucAN.
X, 112 fg. laqueata tecta — crasswnque trabes absconderat
aurum. Enn. Andron. fr. 10. Tectis caelatis laqueatis Aiueo
ebore instniet cett. Lucret. II, 28. laqueata aurataque templa.
IsiDOR. XIX, 12. die Erklärer zu Stat. Silv. I, 2, 15o. Die
Künstler hiessen laquearii, Cod. Theod. XIII, 4, 2.] Nachher
verkleidete man auch die Felder und malte die Decke. S. so
gemalte Decken bei Zahn, t. 27. 67. [und zweite Folge, t. 61.]
— Indessen Avurden auch ßohrdecken gefertigt, namentlich
cainerae, für welche Vitruv VII, 3. Vorschriften giebt.
[Der Luxus der späteren Zeit schuf in den Sj)eisesälen
Decken, welche sich vermöge einer geheimen Maschinerie
hoben und senkten. Sen. ej). 90. vematilia ce?iat!onum laque-
aria ita coagmentat, ut subinde alia facies atque alia sticccdat
et toties tecta, qiioties fercula rnutenturl ep. 88. peg)nata per se
surgentia. — et iabulata tacite in sublime crescentia. Suet.
Ner. 31. Coenatioues laqueatae tabulis eburneis versatilibus etc.]
Thüren.
Ueber diese ist schon S. 188 f. gehandelt worden. Uebri-
gens hatten nicht alle Abtheilungen Thüren, wie dies natürlich
bei den cellis, hibernaculis und dormitoriis der Fall Avar. [In
Pompeji vermisst man daher oft im römischen Hause die
Spm-eu der Angeln, s. Avellino mehrmals.] Die Stelle der
Thüren vertrat dann oft ein Vorhang, velum, aulaea, cento,
Die baaliciie E i iiiiclitung des Hauses. 9(;j
naountrua(iu, [dessen eiserne Stange und Einge sieh in einigen
Häusern Herculanum's u. Pompeji's erhalten haben, s. Engel-
HARDT, Beschr. S. 41.] Böttiger, Sabina I, S. 44. Daher
hcisst es bei Lamprid. Alex. c. 4. salutaretur vero quasi u7U(s
de Senatoribus patente velo, admissioiialibus remotis. [Heliog.
14. in anyiduin se condidit übiectuque veli cubicidaris, quod in
introitu ciibiculi erat, sc texit. Sen. ep. 80. non crepidt suhiude
ostium^ non allevabatur velum. Plin. ep. II, 17. s. S. 225. Pe-
tron. 7. ut in locum secretiorern venivms^ cejitonem ainis urbaiia
reiecit et kic , inqidt, debes habitare.] Daher unter den Bedie-
nungen der domus Augusta die velarii oder o velis. S. Grut.
inser. p. 599, 7. 8. [Orelli 2967.] Zu weit aber geht Büt-
TiGER, Artist. Notizenbl. 1824. n. 2. Kleine Sehrit'ten I, S.
404., wenn er sagt: die Alten hätten im Innern der Häuser
fast alle Gemächer nur mit Teppichen geschlossen. Stellen
wie Terent. Eun. III, 5, 55. Heaut. V, 1, 33. Phorm. V, 6, 26.
und viele andere widerlegen diess hinlänglich. AVohl aber
wurden, aucli wo Thüreu waren, diese zuweilen noch mit
Toppichen verhängt. So heisst es bei Suet. Claud. 10. inter
praetenta foribus vela ae abdidit. Sidon. Apoll. W. ep. 24.
sagt von einem in grosser Einfacliheit Lebenden: tripodes sel-
lae, Cilicum vela foribus appensa, lectus tdldl habens phouae etc.
Tag. Ann. XIII, 5. lä astaret obditis a tergo foribus^ velo dis-
creta, quod Visum arceret, auditus non adiineret. Poll.X, 7,32.
7T00 fXH' rov 7.on(X)rc)g im t«(V -Ovoaii^ TTuixiTTtTnaftärtor ooi 8ei,
fite ÜTrXovr eil, rh nuQunitaafia lev/hr i^ oüuvi,^, eits xui 7io).v-
ynovr. vgl. WuE.STEM.ANN, Pal. des Scaurus. S. 258., der in-
dessen eine falsche Anwendung auf Hou. Sat. II, 8, 54. macht,
s. das. Heind. — Dass auch bei ÄIartial. I, 35, 5.
At nicretrix abigit testem veloque seraque,
Riiraque Summoeni foruice rima patet.
ein solcher Thürvorhang zu verstehen sei, kann nicht zweifel-
haft sein, wenn mau damit eine andere Stelle, XI, 45. ver-
gh'iclit :
Inlrasti quoties inscriptae liniina cellae^
Seu puer arrisit sive puella tibi,
252 Erster Excurs zur zweiten Scene.
Contentus non es foribus veloque seraque,
Secretumque iubes grandius esse tibi.
Oblhiitiir minimae si qua est suspectio rimae,
Pimctaque lasciva quae terebrantur acu.
So erhielten auch die Fenster ausser den Laden noch Vor-
hänge. S. Fea zu Winckelm. W. I, S. 47',» flf'. — Fin Beispiel,
wie die Lüsternheit von solchen Spalten Gebrauch machte , s.
bei Petron. 25.
Die sonst sehr bestrittene Frage, ob die Häuser der Alten
(überhauijt) nach der Strasse zu
Fenster
gehabt, beantwortet sich auch, abgesehen von den Stellen, wo
deren erwähnt werden, leicht, wenn man erwägt, wie die
Häuser, z. B. in Pompeji sich äusserlich darstellen. Das Haupt-
gebäude und eigentliche Wohnhaus ist jederzeit (und so durch-
aus die römische domus) ein Erdgeschoss. Alle Abtheilungen
desselben sind den inneren freien Eäumen, dem Atrium, Ca-
vum aedium und I^eristyl, zugewandt. Nach der Strasse hin
ist es überall mit Tabernen ximgeben; natürlich konnten dort
keine Fenster sein, und da in Pompeji überall nur das untere
Stockwerk erhalten ist, so erklärt es sich, warum man dort
überhaupt Avenig Fenster gefunden hat. Es lässt sich nicht
bezweifeln, dass auch die meisten römischen Häuser solche
Tabernen gehabt haben, oder dass, wo diese fehlten, [oft] por-
ticus und ambulationes vor denselben lagen. Daher wird über-
haupt das untere Stockwerk selten Fenster gehabt haben.
Anders musste es natürlich in den oberen Stockwerken sein
und wenn man sich auch keineswegs wie bei uns ganze Rei-
hen hoher Fenster denken darf, so ist es doch ganz gewiss,
dass sich dort überall deren nach der Strasse befanden (so gut
wie in Athen, s. Charikles H, S. 111.) — So werden sie denn
auch nicht selten von den Schriftstellern erwähnt. Stellen
freilich, wie Tib. H, 6, 39. ab cxceha praecejjs delapsa fenestra.
beweisen nichts; denn man ersieht daraus nicht, wo es gewesen.
Dagegen ganz bestimmt ist Liv. I, 41. (Tanaquil) ex siiperiore
jjarte aedium per feneslras in novam viam versas — populuin
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 263
alloquitur. Ebenso Dionys. IV, 5. Und so .sagt auch Vitr.
V, 6. comicae aiitem (scenae) aedificiorum privatormn et mae-
nianorum hahent speciem, prospectiisque feneatris dispositos iml-
tatione corninuniuia aedificiorum ratioiiibus. Iuvenal. Sat. III,
270 fg. sagt von den Gefahren, welche in den Strassen Koms
droheten :
Respice nunc alia ac diversa pericnla noctis:
Quod spatium tectis siihlimibus, unde cerebrum
Testet ferit, quoties rimosa et curla fenestris
Vasa cadant! quanto percussum pondere signent
Et laedant silicem.
Danach erklären sich auch die Stellen, wie Horat. od. I, 25.
Parcius iunctas quatiunt fenestras, und das schöne Bild bei
Prof. IV, 7, 15 sqq.
lamne tibi exciderunt vigilacis furta Suburae
Et inea nocturnis trita fenestra dolis?
Per quam demisso quoties tibi fune pependi,
Alterna veniens in tua colla manu.
Mart. I, 87. Vicinus meus est, manuque tangi De tiostris No-
vius potest fenestris. Bestimmte Zeugnisse sind sodann Liv.
XXIV, 21. 7J«r,s procurrit in vias, pars in vestibulis stat, pars
ex tectis fenestrisque prospectant, et quid rei sit rogitant. und
J^LAUTL's Most. IV, 2, 27. wo die Sklaven ihren Herrn ab-
holen Avullen, fragt Theuropides: Quid voliint? quid introspec-
iant? wo doch niemand an Spalten in der verschlossenen
Thüre, oder gar ein Schlüsselloch denken wird. Und wie
Hessen sich auch sonst die polizeilichen Vorschriften DiG. IX,
tit. .'3. iJe his qui effuderint vel deiecerint. erklären? Indessen
w ird man sich die Fenster immer nur klein (daher auch rimae
genannt-, Cic. ad Att. 11, 3. fenestrarum angustias quod repre-
hendis etc.) und ziemlich hoch angebracht denken müssen; sie
hatten auch zuweilen Giitter, clat/iri, [welche in der Mauer be-
festigt waren oder beweglich an Zapfen hingen], Plaut. Mil.
II, 4, 25. [fenestnce clathratae. vgl. Culum. VIII, 17.] s.
WiNCKELM. W. II, S. 250. [Mazois, ]*al. des Scaur. S. 76.
In Hercuhunun hat mau Ueberreste davon gefunden.]
264 Erster Excurs zur zweiten Sceue.
Ein grosser Tlieil der kleineren Genaächer, namentlich
die um das Cavaedium umherliegenden, erhielt nur ein spär-
liches Lieht durch dieTliiire; andere grössere, Avie bereits ge-
sagt ist, durch Ueffnungen in der Decke.
Die Fenster mögen in alter Zeit unverschlossene Ueff-
nungen gewesen sein, die höchstens durch Läden [oder vela^
Plin. ep. VLE, 21. cubicula ohductis velis opaca. bei manchen
ökonomischen Räumen auch durch Netze, Varrü K. R. IU, 7.
fenestris — reticulatls .^ geschlossen wurden. [So erklären sich
wenigstens am besten Ovid. Am. I, 5.
Pars adaperta fuit, pars altera clausa fenestrae.
luv. IX, 105.
Claude fenestras,
Vela tegant rimas, hinge oslia, tollite lurnen.
Plin. ep. IX, 36. clausae fenestrae maneiit, iiiire enim silentio
et tenebris anirnus alitiir. Sen. consol. ad Marc. 22. lurnen oinne
ivaecludi iussit et se in tenebris condidit. Appul. Met. II. p. 57.
conclave obseratis luniinibus umbrosuin. und AusON. eplieni.
p. 53. Bip. Mane iam darum reserat fenestras. Fea zu
Winckelmann, Baiikunst der Alten, 1. § 63.] In späterer Zeit
bediente man sich besonders des lajjis sjjecidaris (Frauenglas,
Marienglas) , der häufig erwähnt wird. Selbst Säulengänge
verschloss man durch dergleichen Fenster. Plin. ep. 11, 17.
Egregium hae (porticus) adversum tempesfates receptacidum ;
nam specidaribus ac niulto magis tectis iniminentibus muniuntur.
— Wenn man streng an den Worten Seneca's halten wollte,
so würden die specularia, welche diese Säulengänge ver-
schlossen und welche Thl. I, S. 97. angenommen sind, nicht
in Gallus' Zeitalter passen. Denn er sagt ep. 90. Quaedam
nostra dernuni prodisse memoria scimus, ut specularioi^m -usum,
perlucente testa clanim transmittentiwn lurnen , ut suspensuras
balneorum etc. Allein Hirt hat scIkju, Gesch. der Bank, m,
S. 68. darauf aufmerksam gemacht, dass man die Worte nostra
7nemoria nicht streng nehmen dürfe. Denn die suspensurae bal-
neorum, von denen dasselbe gelten soll, werden schon von
ViTRUV beschrieben und Plin. IX, 54, 79. schreibt die Erfin-
Die bauliche Eiuric li tun g des Hauses. 265
düng dein Sergius Orata zu in der Zeit des L. Ciassus Orator:
qui primus pensiles invenerit balineas. Inwiefern Hirt diese
Stelle mehr als zweifelhaft nennen mag, ist nicht abzusehen,
da auch Macuobius Sat. II, 11. sagt: Hie est Sergius Orata,
qui primus balneas pensiles Jwbuit. Höchstens könnte man in
Kücksiclit auf XXVI, 3, 8. sagen, er habe sich widersprijchen.
Man darf übrigens, um sieh vom früheren Gebrauche der
Fensterscheiben zu überzeugen, nur an den Kyzikenischen
Saal denken, der auf drei Seiten Fensterthüren (valvas) oder
bis auf den Boden herabgeheude Fenster hatte. Wie man sich
diese ohne specularia denken soll, ist in der That nicht abzu-
sehen. Dann wäre es ein sehr luftiges Haus gewesen. Ihn be-
schreibt aber auch Vitruv. Die Frage, ob die Alten sich auch
des Fensterglases bedient haben, ist früher gewöhnlich ver-
neinend beantwortet w(jrden. In neuerer Zeit ist man indessen
darüber nicht in Zweifel und mehr als alle Belege aus späten
Schriftstellern beweisen die in Pomj)eji [am Kliein und ander-
wärts] gefundenen CTlasscheiben [die viel starker sind als die
unsrigen und ganz perlmutterähnlich, dazu in Tafeln gegossen,
nicht geblasen, wie jetzt üblich ist] und selbst Fenster. Siehe
WiNCKELM. W. H, S. 251. und die Anmerkungen der Heraus-
geber. Gell, Pompeiana. 1835. I, p. 99. dazu Jahns Jahrb.
1831. I. Bd. S. 456. Hirt, Gesch. der Bank. III, S. 66 ff., der
indessen vielleicht zu weit geht. [Jahrb. d. Vereins v. Alter-
thumsf im Kheiidand, Bonn 1851. XVI, 2, S. 87 f Das Glas
kam aus Aegypten früh nach Italien {vuaXhg vielleicht Kop-
tisch?), s. BouuET, notice bist, de Tart de la verrerie nde en
Egypte, in Descr. de TEgyptc. Mem. II, S. 17 ff. Abeken,
Mittelitalien vor den Zeiten röm. Herrschaft. Stuttg. 1843, S.
271 ff. Dass die Alten in der Glasfabrikation weit geschickter
waren, als man sich früher vorstellte, ergiebt sich abgesehen
von der Beschreibung des Brennglases in Ari.stoph. Nub. 764.
aus der Sammlung Dodwells in Rom, welcher (wie Gell er-
zählt) die Scheiben von Neuem polirt und gezeigt hat, dass die
Alten Marmor und Edelsteine glücklich in (Jlas nachahmten.
s. den dritten Excurs.
9(3(3 K r s t e r E x c u r s zur zweiten S c e n e.
[Der Ausdruck tvaitnenna wird von Nox. II, 859. als
ft'nestra erklärt und Cic. de or. I, 35. quasi per trayisennani
jjraetereiuites strictün adapexbaus. spricht dafür. Ob es aber
ein vergittertes Fenster bezeichnete (da transenna auch den
Strick bedeutet) oder eine Deckenöffnung- zur Erleuchtung
eines Üaunies, Avie Bötticher, Hypäthraltempel S. 36 fg. will,
ist ganz unsicher.]
Heizung.
Die Erwärmung der Zimmer im Winter geschah auf mehr
als eine Weise, eigentliche feststehende Oefen hatte man je-
doch im Alterthume nicht. Man legte die zum Winteraufent-
halte dienenden Cubicula und Triclinia schon so an, dass sie
viel Sonne hatten und das mochte bei dem milderen Klima
zum Theil ausreichen [wie man überhaupt bei den Anlagen
der Zimmer Himmelsgegend und Sonne mehr berücksichtigte,
als jetzt. ViTR. VI, 4 (7).] Ausserdem hatte man wirkliche
Kamine, wenn auch wohl nicht nach unserer Art. Suet. Vit. 8.
7iec ante in praetorium rediit , quaui flagrante triclinio ex con-
ceptu camini. HoR. Sat. I, 5, 81. Udos cum foliis ramos ureyite
Camino. Id. epist. I, 11, 19. Sextili mense caminus. [Plin. h. n.
XVII, 11, 16. Caminata fussura ore compressiore sint. Sidon.
Ap. ep. II, 2. hiemale tricUnium — quod arenatili camitio saepe
ignis aniinatus pidla fuligine infecit. Isid. XIX, 6. candnus est
fornax.^ In diesem Sinne ist auch focus (a fovendo Paul.
h. V.) zu nehmen Hör. od. I, 9, 5. ligna super foco large repo-
nens. Cic. ad Pam. VII, 10. und anderwärts. Oder die Hei-
zung geschah durch Köhren [tubi, tubuli DiG. VIII, 2, 13 pr.
Sen. ep. 9ü.] , die aus einem Hypokaustum in die Zimmer ge-
leitet wurden, s. Winckelm. AV. II, S. 253 ff.; oder man hatte
neben den bewohnten Gemächern kleiiie Räume, die durch ein
Hypokaustum erhitzt wurden und durch eine verschliessbare
Oeffnung nach Gefallen die Wärme in das Zimmer einströmen
Hessen oder nicht : also wirkliche Heizung mit er^värmter Luft.
Plin. ep. II, 17. Applicitum est cubiculo hyjjocauston perexi-
guum, quod angusta fenestra suppositum calorem, id ratio exigd,
aut effundit aut retinet, ebeud. Adhaeret dormitorium memhnim,
Die bauliche Ei nricli t u n g des Hauses. 9(37
transitu interiacente , qui mispensus et tiibulatus conceptum va-
porem salubri temperamento huc illucqiic digerit et ministiat.
[Sen. ep. 90. Qiiaedain iiostra chinuin ineinoria scimiis - — ut
suspensuras balneomia et inpresfis jjarietibiis tnbos, per quos cir-
cumfunderetnr caloi\ qui inia ^ii/nd ac siainna fuvcrct aequalätv.
Dieser iiainentlielibei Bädern «ewölinliche Heizapparat (s. den
Excurs über die Bäder) liiess suspensura d. h. holilg-elegter
Fussboden , unter dem sich die Hitze und selbst die Fhimme
aus dem Feuerungspbitz verbreiten konnte. Spuren davon
sind am Khein und in Schwaben oft getroffen worden, Braun,
in Jahrb. d. Vereins v. Alterthumsf. im Rheinland. Bonn, IV,
S. 117 ff. 141. V und VI, S. 345 f. XIV, S. 170 f. 187 ff
196 f. ScHOEPFLiN, Alsatia illustrata I, Taf. 15, S. 539. Han-
selmann, Fortsetzg. des Beweises, wie weit der Römer Macht
in die ostfränk. Länder vorgedrungen. Schwäbisch-Hall 1773.
Tafel 6. 7. 9. Kleine Pfeiler [pdae) nach Pallad. I, 40. 2V2
Fuss (am Rhein nur 2 Fuss) hoch und nach Pallad. 1 ^'2 Fuss
(am Rhein 10 Zoll) von einander abstehend tragen den oberen
Fussboden (testacea pav'niient(\ oder marmorea nach Pallad.).
Aus diesem Räume gehen kleine tnhi in den Wänden hinauf,
sogar in das obere Stockwerk und zwar soAvohl eng neben
einander stehend , durch Querlöcher mit einander verbunden
(z. B. in den Bädern zu Vilbel), als in massigen Zwischen-
räumen von einander entfernt. Puoc. Dig. VIII, 2, 13 pr.
Illberus — balnearia fecit secundum 2}(iyietein communem. Non
licet aute.in tidmlofi habere admotos ad parietem cominunein^ sicuti
nee parietem quidevi super parietein communem. De tubuüs eo
auipliiis hoc iuris est, quod per eos flamma torretur paries. So-
wie dieser Raum hypucaustvui heisst, so nannte man den davor
gelegenen Feuerungsplatz hypocausis ^ fonia.r, praefuriieum,
niedriger angebracht, ut ßamma altum petendo cellas faciat
plus valere. Schnefüer, zu Vitruv. V, 11. Bd. II, S. 383. dk
Caumont, Aböc^daire ou ludiuicnt darcheol. Paris 1853, S.
28 f. Schmidt, Baudenkmah' der röm. Periode — " in Trier.
Trier IHl'). V, 2, S. 33 ff. Endlich bediente man sich auch
eherner K n h 1 e u beck en und tragbarer Oefen (s. die beiden
268
E r s t (! r Ex c u r s zur v. w e i t p ii 8 c e n e.
Abbild.ing-eu), di'icu in Pompeji g-efinuleii worden .sind, öic.'lic
Mus. BoiiB. II. t. 4G. III. t. 27. V. t. 44. Roux und Barre,
Hercul. und Pomp. VI. t. 07. Ovekheck , Pompeji 8. 310 t'
Man brauchte dieselben auch zum Wasserkochen und zum
Warmhalten der Speisen, wie die daran befindlichen Vorrich-
tungen zeigen. So z. B. hing in dem hier abgebildeten kleinen
Ofen ein Kesseh — [Namentlich auf diesen Heizungsapparat
bezieht es sich, wenn Brennmaterial gefördert wurde, welches
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 269
so wenig ßaucli als möglich hervorbraclite, z. B. Kohlen und
ausgetrocknetes Holz. Ulp. Dig. L, 16, 167. et titiones (Schei-
terkohlen) et alia ligna cocta (kleinere Kohlen) ne fumuvifa-
ciant. Die Sklaven, welche die Heizung besorgten, hiessen
fornacarü und fornicatores Dig. IX, 2, 27 § 9. XXXHI, 7,
14.] Ob aber die Alten Rauchfänge gehabt haben, ist eine
viel bestrittene Frage. Die gewöhnliche Meinung, die Beck-
mann, Beitr. zur Gesch. der Erfind. H, S. 391 ff. Yoss zu
Verg. Georg. H, 242. Heixd. zu Hör. Sat. I, 5, 81. mit An-
deren [wie Bexedetti zu Plaut. Aulul. animadv. 9.] theilen,
ist, dass der Rauch nicht durch eine Esse, sondern durch Oeff-
nungen in der Decke, Fenster und Thüren gezogen sei, und
allerdings scheinen Stellen, wie z. B. Vitr. VII, 3, 4. Con-
clavibus, aut ubi ignis, aut pluru Iwnina sunt ponenda, piirae
fitri dehent (coronae), ut eo facilius extergeantur: in aestivis et
exedr'is, ubi minime fumus est nee fiiligo potest nocere, ibi caela-
tae sunt faciendae. und VH, 4, 4. für diese Ansicht zu sprechen.
Demungeachtet hat Fea zu Winck. "W. H, S. 347. nach Sca-
Mozzi, deir Ai'chit. I. lib. 3. c. 21. nachgewiesen, dass der
Gebrauch der Essen den Alten nicht unbekannt gewesen ist,
und dass sich auch wirkliche Kamine in Trümmern alter Ge-
bäude gefunden haben. Vgl. Mus. Borb. V. t. 40. In Bezug
auf l'nteritalien, wo man der Heizung so gut als gar nicht
bedurfte, ist allerdings die gewöhnliche Ansicht richtig-, denn
in Pompeji findet man nur in Bädern und in Backhäusern
Schornsteine, in den AVolmzinmieru nicht, allein daraus darf
man nicht auf Rom und das nördliche Italien schliessen. Hier
hat es sicherlich Rauchfänge gegel)en, wenigstens seit der Zeit
des verfeinerten Luxus; denn da man die Wärme so geschickt
in Röhren zu leiten wusste, wird man Muhl auch für den Rauch
einen Weg gefunden haben. [In den ältesten Zeiten mag der
Gebrauch der Essen allcrtlings auch hier sehr beschränkt ge-
wesen sein, wesshalb die alten Atrien vinii Kaiich verunziert
wurden; allein die Wohn- und Arbeitszimmer für den Winter
haben gewiss bald Kamin und Essen erhalten. Aus IIou. Sat.
I, ö, HOfg.
27(J Erster Excurs zur zweiten Scene.
Iac)'i)iwso no7i sine finno^
Udos cij))i J'oliis ramus urente. caniino.
ist wenigstens auf ein Nichtvorliandensein des Rauchfanges
nicht zu scliliessen , denn bei einem solchen Brennmaterial
wird es allenthalben Hauch geben, auch wenn der beste Kauch-
fang vorlianden ist. Wollte man sich darauf berufen, dass man
wegen mangelnden Rauchfanges trocknes und sogar mit
amurca bestrichenes Holz (Hör. od. III, 17, 13. Mart. XIII,
15. acapna. Plin. h. n. XV, 8, 8.) habe anwenden müssen
oder auf Mart. XIII, 30. fumoso Decembri. verweisen, so ist
dieses theils auf die tragbaren Oefen zu beschränken , welche
natürlich keine Esse hatten, theils daraus zu erklären, dass
die Essen in den niedrigen Häusern nicht hoch sein konnten,
wo Avegen geringer Zugluft Rauch sehr schwer zu vermeiden
war, zumal da die Kamine offen waren. Solche Stellen, wie
V^ERG. Aen. XII, 6Gd . fu7Jiantia cubniiia. und Ecl. I, 82. villa-
ruin cuhnina fumant. beweisen weder das Eine noch das An-
dere, denn es können auch Rauchfjinge gemeint sein, welche
oben im Dachfirst münden. Die Entscheidung des Aristo über
den Servitutstreit DiG. VHI, 5, 8. § 5 ff. spricht mehr für als
gegen Essen. Vgl. Ayellino , descr. di una casa, la seconda
etc. p. 39. Was endlich die Küchen betrifft, s. oben S. 231 f.]
[ Schlussbemerkuugen.
Um diesen Excurs nicht allzusehr auszudehnen, mögen
hier nur noch einige Andeutungen über das Charakteristische
des römischen Wohnhauses Platz finden.
1) In Betreff der allgemeinen das Areal umgrenzenden
und die einzelnen Theile scheidenden Grundlinien ist zu be-
merken, dass die Häuser nicht immer gerade Linien und
rechte Winkel hatten, wie auch Plan B beweist. S. Tbl. I,
S. 108. Selten dachte man daran, die durch den schrägen
Lauf der Strassen bedingte unregelmässige Gestalt durch Ab-
schneiden der schiefwinkligen Ecken zu verbessern und durch
Benutzung dieses Raumes zu Bädern, Tabernen u. s. w. für
das eigentliche Wohnhaus rechtwinklige Formen zu gewinnen,
wie man es in der Villa des Diomedes zu Pompeji findet.
Die bauliche Einrichtung des Hauses. 271
2) Der Anblick der röniischen domus von Aussen machte
trotz des gewöhnlich angebrachten Schmuckes von Stuckatur
und Malerei einen geringeren Eindruck als ein modernes Haus,
woran theils die Niedrigkeit des Hauses, theils die Kleinheit
der Fenster oder deren gänzlither Mangel , theils endlich die
Unregelmässigkeit des Baues Schuld war, indem nur einzelne
Theile ein zweites Stockwerk hatten und dadurch unsymme-
trisch über die anderen hinausragten.
3) In einem um so glänzenderen Lichte zeigt sich das
Innere des Hausses, dessen Haupteigenthümlichkeit in der
Vertheilung der einzelnen Käume bestand. Man findet näm-
lich stets die Zimmer um einen offenen Raum (Atrium, Cavum
aediiim , Peristyl) als gemeinsamen Mittelpunkt herum grup-
pirt. Ein solcher Hof mit seinen umliegenden Zimmern bildet
eine für sich abgeschlossene Abtheilung inid je grösser das
Haus ist, um so öfter wiederholt sich diese Construktion. Die
gewöhnlichen Zimmer zum AVohnen und Schlafen sind \()n
auffallender Kleinheit, um so grösser aber in der Kegel die
Käume für die Besuche, namentlich die Höfe, von denen die
angrenzenden Zimmer Licht und Luft empfingen, durch
welche Einrichtung auch alle Stürme und jede Zugluft abge-
schlossen wurde. Freilich weilten die Blicke der Bewohner
nicht auf tlem wechselvollen Gewühle der Strassen, sondern
auf den inneren Höfen, den bekannten Baumgruppen ixnd
Hallen, aber dieser Blick war auch ein prächtiger. Nament-
licli musste es ein wahrhaft bezaubernder Eflickt sein, wenn
man bei geöffneten Thüren und Vorhängen von dem (Jstiiim
aus die drei Höfe mit ihren marmornen Säulen, plätschernden
Wassern, schattigen Bäumen und strahlenden Wänden in thu-
schönsten l'ers]jektive auf einmal überblickte, Alles über-
spannt von dem tiefen Blau des italischen Himmels! —
Lcädcr ist im Mittelalter diese Bauart ganz versclnvuuden
und nur dcu- klösterliche Kreuzgang erhielt ein schwaches
Andenken an die alte Einrichtung. Vgl. noch die Schlussbe-
nurkungen in den Schriften von Engklhaku und Zumi't.J
ZWEITER EXCURS ZUR ZWEITEN SCENE.
DAS VERSCHLIESSEN DER THÜREN.
Zu den unverständlichsten Stellen der alten Schriftsteller
pflegen immer die zu gehören, welche auf irgend einen der
neueren Zeit fremd gewordenen Mechanismus sich beziehen.
Wenn es schon überaus schwierig ist, auch da, avo geflissent-
liche Beschreibungen vorliegen, wie durch Heron u. Vitruv
von den liydraulischen Maschinen des Ktesibios, sich in die
Eigenthümlichkeit der mechanischen Vorrichtungen hineinzu-
denken, so ist oft kaum eine hinreichende Erklärung möglich,
wenn nur gelegentlich einer für die Zeit hinlänglich bekannten
Sache Erwähnung geschieht, der Mechanismus möge übrigens
so einfach gewesen sein, als er Avolle. Dies gilt namentlich
auch in allen den Fällen, avo der Schlösser oder richtiger des
Verschlusses der Thüren gedacht wird. Der Stellen, worin
dieses geschieht, sind viele, aber fast alle geben über die Art
und Weise des Verschliessens nicht mehr Aufschluss , als die
zahlreichen antiken Schlüssel , die nur eben bestätigen , Avas
man ohnehin Aveiss, dass es Schlösser gab.
Wenn Böttiger, Kunstmyth. I, S. 271. in oft von ihm
beliebter Weise sagt: ,,Ueberhaupt möchte der Abschnitt von
dem Schlosserhandwerk in einer besonders nach Poli.ux Ono-
mastikon noch zu schreibenden Technologie des Alterthums
noch vieler Aufklärung bedürfen", so ist diess daher allerdings
Avahr; nur wird gerade die Nomenklatur bei Pollux am wenig-
sten zur Erklärung beitragen. Die Untersuchung müsste nicht
nur mit der ältesten griechischen Zeit beginnen, für welche
Zweiter Excurs z. zweiten Scene. DasVerschliessen etc. 273
Homer selir wichtige Andeutungen enthält, sondern auch den
Orient umfassen, inwiefei-n es wahrscheinlich ist, dass man
den Ursprung der Schlüssel in Phönicien zu suchen hat.
Eiuigermaassen ist diess auch in den bedeutenderen Schriften,
welche von dem Gegenstande handeln, geschehen. Ich nenne
davon vorzüglich Salmas. Exercitt. ad Sol. p. 649 ff. Sagit-
TARius de ian. vett. Altenb. 1672. cap. 9 — 15. [und dazu dess.
epistol. et anal. len. 1694.], den ich jedoch nur anfühi-e, weil
seine Schrift auch eine Art von Autorität erlangt hat, obgleich
sie nur ein Aggregat unbenutzter Citate ist. Weit gelehrter
ist die Abhandlung von Molin, de clavibus veterum in Sal-
lengre, thes. ant. Rom. III, p. 795 ff. Mit den von ihm gelie-
ferten Abbildungen alter Schlüssel vergl. man Montfaucox
Antiq. expl. Tom. III. P. I. t. 54. 55. [S. auch Winckelmanns
W. II, S. 79. Endlich gab Avellixo, descr. di una casa p. 70.
75 fg. tav. X, 16. 17. zwei interessante Abbildungen von er-
haltenen Schlössern (das eine rund, das andere viereckig)
nebst einem Schlüssel. In den deutschen Museen, namentlich
in Mainz, findet man eine Menge Varietäten von Schlüsseln
und Schlössern, wie grosse dicke Hausschlüssel mit hufeisen-
förmigem Bart, kleine Scldüssel zu Vorlegesehlössern u. s. w.
Die Ringschlüssel s. Thl. I, S. 169.] Eine solche, das ganze
Alterthum umfassende Untersuchung liegt mir indessen hier
um so ferner, als die älteste, noch bei Homer sehr einfache
Weise des Ver.schlusses auf den römischen Gebrauch keine
Anwendung leidet; man müsste denn die Uebereinstimmung
in dem gemeiusehaftlichen Gebrauclic hölzerner Querriegel
suchen, die ohnehin der Erklärung weniger bedürfen. Es
kommt hier hauptsächlich darauf an. Ausdrücke, wie obex,
sera, repaijuld, pessuli , clcmstra zu (srklären und, wenn ich
auch nicht hoffen kann, genügendes Licht über den dunkeln
Gegenstand zu verbreiten, so will ich doch nicht unterlassen,
wenigstens auf die Momente aufmerksam zu machen, die
liauptsächlich ins Auge gefasst werden müssen. [Der Unter-
scliicfl lässt sich kurz etwa so zusammenfassen, sera ist der
einfachem Querbalken, rcjMujnld D()])]ichi('gcl, pessiilus ith'gel
liKCKKK, C.lllll». 3. Autl. II. 18
274 Zweit. or Excnrs zur zweiten Scene.
in allen Anwendungen, pfssidi lliegel die in einein Schlüsse
vereinigt sind, claustra Scldossliaken und das ganze .Scldoss,
obpx ist ein ganz allgemeiner Ausdruck, s. unten.]
Zuerst ist es natürlich, dass die Weise des V^erschlusses
eine andere sein niusste, je nachdem die Tliüren selbst ver-
schieden waren. Es war nicht gleichgültig, ob sie nach Innen
oder nach Aussen sich öffneten, oder ob es Flügelthüren , bi-
forcs waren, oder den sogen, spanischen Wänden gleichende
Klappthüren, volvae im ursprünglichen Sinne nach Varro bei
Serv. zu Verg. Aen. I, 453. Vulvae suiif, (juae revohnuttitr et
se. velant.
Die Flügelthicren mögen, wenigstens in Privathäuseni,
bei weitem die gewöhnlichsten gewesen sein. Schlugen sie
nach Innen, so war das natürlichste mid einfachste Mittel, sie
zn verschliessen , ein quer vorgeschobener Balken oder höl-
zerner Riegel. Der eigentliche Ausdruck für diesen Quer-
riegel war sera. Er wurde vermuthlich in Löcher, welche sich
in den Pfosten befanden, geschoben nnd war in keiner Weise
an der Thüre befestigt, sondern konnte und miisste ganz hin-
weggenommen werden, wenn man sie öffnen Avollte. Leider
ist das Fragment aus Festus unter reserari p. 282 M. so ver-
stümmelt, dass es keinen Beweis abgeben kann, obgleich sich
der Zusammenhang leicht errathen lässt; allein es giebt andere
unzweideutige Belege. Dahin rechne ich weniger die Erklä-
rung, welche Nonius I, 195. [im Ganzen nach Varro L. L.
VII, 108.] giebt: Reserare, aperire. a sera dictum, qua remota
valvae patefiunt; denn der Ausdruck removere möchte noch
zweideutig scheinen können. [Aehnlich IV, 355. nur dass der
Querbalken hier auch jKitibuhim genannt wird.] Hingegen
heisst es bei [Paul. Diac. v. asserere p. 25 M. unde etiam
serae appellantur, quia forihus admotae opponuntur defixae po-
stibus, qiiemadmodum ea, qiiae terrae inseruntur.] OviD. Fast.
I, 265.
Et iam cmitigerat jjortaiu, Saturnia c.uhis
D eins erat appnsitas insidmsa seras.
und V, 280.
Das Verschliessen der Thüreu. 275
Tota patet demta ianiia nostra sera.
Dasselbe folgt aus Petr. 16. Dum loquimur^ sera sua sponte
delapsa ceeidit reclusaeque subito fores admiserunt intrantem.
Dalicr mag allerdings bei Festus [v. reserari p. 282 M.] ge-
lesen Averden: serae namque dicuntur fustes^ qui opponuntur
clausis forihus.^ und daher ist auch der gewöhnliche Ausdruck
für solches Verriegeln opponere oder ajypotiere seram, d. i. ob-
serare, [z. B. luv. IV, 347. Ovid. Am. H, 243 fg.] Dass die
sera aber in den Pfosten auflag, ergiebt sich aus dem Refrain
in der Ovidischen Elegie Amor. I, 6.
Tempora, noctis euiit: excute poste seram.
wo in der Verbindung mit excutere unter 2)ostis nicht die Thüre
verstanden werden kann. [Auch zeigen viele pompejanischen
Ostia die eingestemmten Vertiefungen in beiden Pfosten, um
den Querbalken aufzunehmen, Avellino, descr. di una casa
Pomp. p. 8 fg. IvAXOFF, in Annali 1859. S. 100.] — Wenn
man von der sera den obex unterscheidet, so ist diess nur in-
sofern richtig, als das Wort genereller Ausdruck ist, der alles
was vorgelegt oder vorgeschoben wird bedeutet [Verg. Georg.
IV, 422. obicr saxi. Oros. III, 19. Sil. Ital. IV, 23 fg.
ac robora portis
Et Jidos certant obices arcessere silva. u. A.];
keinesweges aber ist an eine besondere Vorrichtung zu denken.
Daher heisst es bei Paul. Diac. p. 187 M. Obices j^^ssuli,
serae. [vgl. Gell. IV, 17.]
AVohl aber mögen anderer Art die. rcpagida gewesen sein.
Von ihnen sagt Fkstu.s p. 281. [mit Muellers Anm. S. 403.]
Repagula sunt, ut Verrius ait, qtcae palefaciundi gratia itaßgun-
tur, id ex contrario quae oppanguntur. (Exe. id e contrario
oppangantur.) — quae poetae interdum repages appellant. Aus
den Worten patefacivndi gratia lässt sich schliessen , dass es
eine Vorrichtung war, welche gestattet(^, mit weniger Mühe
als bei der sera die Tliüre zu öffnen, und da der Name, die
sjiäteste Latinität ausgenommen, nur im Plural vorkommt, so
kann man vcniiutlien , dass dadurch nicht, wie durch sera, »in
(^hicilialkcu, soiidcrM zwei von liciilcu Seilen her sieh Ix'geg-
276 Zweiter Exeurs zur zweiten Scene.
iiende Riegel bezeichnet werden [gcwühulicli von Holz, Plin.
li. n. XVI, 42, 82.], wesshalb wolil Festus sagt: c contrario
oppanguntur. Dann Ijedurfte es natiirlicli einer Verbindung
beider und vielleicht wurde diese auf dieselbe Weise bewirkt,
wie bei den Griechen durch ^uXarog, einen Bolzen, der in eine
Höhlung, ßalaroÖnyj^ , gesenkt den Riegel mit der Thüre ver-
band, und, da er selbst hohl war, mittels eines hineinpassenden
schlüsselartigen Instrumentes, ßakaväyQct, wieder herausge-
zogen wurde, wenn die Thüre geöffnet werden sollte. [Ver-
muthlich sind rejjagula als die einfachste Art des Verschlusses
von Klapp- (valvae) und Flügelthüren zu denken, Avie sie uns
noch bei uralten Dorfkirchen begegnet. An der einen Thüre
befindet sich ein festes Querholz, an der andern ein beweg-
licher Riegel, welcher sich in das erste Holz vermittelst eines
Hakens oder Bolzens (oder auch eines in dem ersten ange-
brachten Einschnitts) einsenkt und vermöge eines höchst ein-
fachen Schlüssels oder Hebels in die Höhe gehoben wird,
worauf die OeÖnung erfolgt. Darum stehen die repagula in
der Regel mit valvae in Verbindung, Cic. de div. I, 34. Verr.
IV, 43. Plin. h. n. a. a. 0.] Einer gleichen Vorrichtung be-
durfte es auch noch in anderen Fällen: erstlich wenn die
Thüren nach Aussen schlugen, wo der innerlich vorgescho-
bene Riegel nichts genützt haben würde, wenn er nicht durch
irgend etwas mit der Thüre verbunden gewesen wäre. Diess
konnte indessen auch durch einen einfachen Haken gesche-
hen; wollte man aber die Thüre so verschliessen, dass auch
von Innen nicht jeder sie öffnen konnte, so erreichte man,
von künstlicherem Verschlusse abgesehen, diesen Zweck auch
durch die ßakavog.
Dieser Bolzen wird nun gemeiniglich für dasselbe mit dem
gehalten, was die Römer j^ßssulus nannten und so nimmt den
Namen auch Böttiger Kunstmyth. I , S. 260. Mir ist aber,
ausser dem von Sagittarius angeführten Marcellus Empiricus,
keine Stelle bekannt, die nicht vielmehr dagegen stritte, als
dafür bewiese. — Die Sache wird sciiou von Plautus er-
wähnt. Aul. I, 2, 25. occlude sis fores amhohus pe.ssuUs. Dann
D;is Verschliesseii <ier Thüren. 977
von Terent. Heaiit. 11, 3, 37. Anus ohdit foribus pessidwn.
Eim. III, 5, 55. pessulum ostio obdo. Allein die Stellen, Velche
etwas dcutlielier davon spreclien, sind bei Appul. Met. I, p.
•41. Oud. [107 Elni.] Ego vero adductqfore pessulisque fir-
uKitis grabatulo etiam pone cardines supposito et probe aggesto
super eum me recipio. p. 49. [p. 108 Elm.] Commodum Urnen
evascrant et fores ad prist'murn statum integrae resurgunt, car-
dines ad foram'ina resident^ postes ad repagtila redeinit [die
Tluiren wenden sich wieder so, dass die repagula in einander
fallen], ad claustra pessuli recurrunt. p. 52. [p. 108 Elm.]
t<umo sarcimilmn rnearii et subdita clavi pessulos reduco.
At illae probae et fideles ianuaej quae sua sponte reseratae nocte
fuerant, vix tandeni et aegerrime tunc clavis suae crebra hnmis-
sione patefiunt. III, p. 199. [135 Elm.] Et cum dicto pessulis
iniectis et uncino firmiter bnmisso sie ad me reversa. IX, p. 631.
[l226 Elm.] Tunc Myrmex tandern clave pessulis subiecta re-
pandit fores. [IV, 1 50 Elm. clavique substracta u. s. w. siehe
nnten.] — Es fällt in die Augen, dass in allen diesen Stellen
von etwas ganz anderem die ßede ist als von einem hohlen
Uelzen, der in die Oeffnung der sera eingesenkt wurde. Weder
lässt sich damit der Ausdruck pessulum obdere foribus und das
bei Appulejus mehrmals vorkommende oppcssulata ianua wohl
vereinigen, noch sieht man ein, warum in den meisten Fällen
der Plural, pessuli, steht, [Polyb. XV, 30. ■O-vqu^' — aTioxXfio-
fitrc.g Öi- Önrotg /ioy)jHg.] Aus Appulejus aber wird zwar die
Hescluifi'enheit der alten Schlösser auch nicht völlig klar, aber
das unter pessulis Uiegcl zu verstehen sind, welche dux-ch einen
Schlüssel vor- und rückwärts bewegt worden, darüber kann
kein Zweifel sein und hätte man auch nur genauer angesehen,
was Salmasius a. a. (). p. 650. darüber sagt, so würde man
nicht in eine Verwcchselnng der pessuli mit der sera und ^-in-
/.aro.;, der clavis mit der ^iaXaväyQa gefallen sein.
r>ei Tei-cnz kann wnti'Y pessuhis ein einfacher Iviegel ver-
standen werden, der vor- und zurückgeschoben wurde, ohne
dass man da/,11 eines Schlüssels bedurfte; bei Ajipnlejiis liin-
gegen köinirn die pessuli {a'ux I )ii|p|)(lii('gcl , der diircli einen
278 Zweiter Excurs zur zweiten Sceiie.
Schlüssel bewegt wird) nicht zurückgezogen werden, ohne
den Schlüssel zu gebrauchen. Daher kann darüber kein Zwei-
fel sein, dass im letzteren Falle wirkliche bedeckte Schlösser
zu verstehen sind, und wenn es in der zweiten aus Ajjpulejus
angeführten Stelle heisst: ad clcmstra pessidi recnrrioäy so sind
clcntstra der Schlosshaken, in den die Riegel einschliessen. —
Diese Erklärung ist um so Avahrscheinlicher, da dieselbe Art
des Verschlusses noch jetzt in Kom sehr gewöhnlich ist.
[Weiss, Kostümkunde II, S. 1179. erklärt AA'enig wahrschein-
lich pessidi als zwei sich begegnende Schieberiegel, von denen
der obere in den unteren einfalle , der Schlüssel hebe den
ersten heraus und beseitige den andern. Zu dieser Vorrich-
tung passen aber die oben erwähnten Stellen nicht, auch
möchten sich in technischer Beziehung allerlei Bedenken da-
gegen erheben.]
Solche Schlösser mussten natürlich alle Thüren haben,
welche von Aussen verschlossen und geöffnet werden sollten,
wie namentlich an Vorrathskanimern, Schränken u. s. av. [Von
der Schatzkammer des geizigen Milo sagt Appul. Met. III,
p. 141 Elm. horreum — satis validis claustris obseptum ohsera-
tumque — securihus vcdidis aggressi difßndimt (nämlich la-
trones). duo passbn recluso cett. Also heisst hier claustrci
förmliche Schlösser.] Bei den Hausthüren fand das Bedürfniss
solchen Verschlusses weniger Statt, Aveil immer jemand im
Hause blieb, um öffnen zit können. Wollte mau diess von
Aussen thun, so war dennoch, wie es scheint, in den meisten
Fällen der Schlüssel nur innerlich zu gebrauchen. [App. Met.
IV, p. 150. clavigve siihtracta fores ianuae repa/idit, wo der
als Bär verkleidete Iiäuber Thrasyleon so von Innen öffnet,
also nicht ohne Schlüssel.] Es war dann ein Loch in der
Thüre, durch welches man die Hand stecken konnte , um mit-
tels des Schlüssels die Riegel zurück zu ziehen. So findet es
sich bei Appuleius Met. IV, p. o59. [146 Elm.] , aa'o der eine
der Rätiber so zu öffnen A'ersucht: qua clavi immlttendae fora-
men patebat. senshn immissa manu claustrum evellere gestiebat.
denn mit Oudendürp und Anderen anzunehmen, die Schlüssel
Das Versch lies seil der Tliüroii. 979
seieil so gross gewesen (clares eas oportet fuisse inaximas), dass
man diireli das eigentliche Schlüsselloch die Hand linhe stecken
können, ist fast lächerlich. Eben so hat man sich vielleicht die
Sache zn denken bei Pethon. c. 94. contbiuo lijiieji egressus ad-
dtixlt rcpente osthnn ccllae raeque niliil tcde exsiyectanteiii inclusd
i'jeinitque raptiii) davcin et ad Gitona investigcniduin cucurrd.;
denn hätte Eumolpus anch äusserlich den Schlüssel stecken
lassen, so Aväre es doch dem Encolpius nicht möglich gewesen
VAX öffnen. A'ernnithlich Hess man ihn aber gewöhnlich am
Schlosse innerlich stecken und das war anch hier der Fall
gewesen.
Bei Schränken und überhaupt kleineren Behältnissen,
welche irgend etwas verwahrten, wäre natürlich ein solches
Loch in der Thüre sehr übel angebracht gewesen. Sie wurden
also, wie bei uns, von Aussen verschlossen. Dasselbe geschah
indessen auch mit anderen und selbst Hausthüren. Mit Ge-
wissheit ergiebt sich diess aus Plaut. Most. II, 1, 57.
— Clavem mi harunc aedium Laconicara
laia iube efferri intus: liasce ego aedis occludam Iihicforis.
Tranio will dem zurückgekommeneu l'heuropides glauben
machen, es wohne niemand iiielir in dem Hause; daruiii ver-
schliesst er von Aussen, während er schon dem Philolaches
geheissen hat, es innerlich zu thun. Beides geschieht v. 78.
Clavbn cedo atque abi It'tnr i/ttiv: occludc ostiiuii,
Et ego hiiic occhidam.
lOs musste also ein doppeltes Schloss an (h'i- Tinire sein, oder
der Verschluss geschah von Innen (lur( ii die seva oder repa-
gnfa, von Aussen durcli ein eigentliches Ihürschloss. Ferner
musste, wer vor der Thüre stand, wahrnehmen können, ob sie
von Anssen verschlossen sei, sonst würde Tranio zweckhjs zu-
scldiessen. Der dreifach gezabnte Schlüssel wird durchaus
als ein(^ Erfindung der Lacedämonier angegt'ben, wesshalb er
eb"n iliiris Ijicoiiira hiess und ich will die \nn S.VKMA.SIUS,
SAfilT TAUIUS , M(»M\ und WUKSTKMANX l'al. d. Sc. S. 183.
aus Aristnphanes inid seinen Sclioliasten, INFenander und Eu-
stathius angeführten Stellen nielit wiederholen. Vgl. auch
280 Zweiter Excurs zur zweiten Scene.
0. MuELLER, Dorer. 11, S. 28. lu welche Zeit die Erfindung
falle, ist für den römischen Gebrauch eine völlig gleichgültige
Frage; denn lange vor der Zeit, aus welcher wir Nachrichten
über das häusliche Leben der Eömer erhalten, war er erfunden.
[Eine bisher übersehene und von Avellino zuerst ver-
öffentlichte Art des Verschliessens ist, dass man einen an dem
unteren Ende der Thüre befestigten Riegel in die untere
Schwelle und einen anderen an dem oberen Ende in den
Sturz der Thüre schob, zu welchem Beliufe besondere Vertie-
fungen da waren. Dieses geschah ziemlich regelmässig bei
den Flügelthüren, welche an jeder ihrer beiden Abtheilungen
und zwar an der schmalen Seite einen Riegel hatten , so dass
man nach Belieben nur den einen Flügel öffnen konnte, und
an den mehrtheiligen Klapp- oder Schiebethüren (wie sie die
Tabernen und Tablina hatten), deren einzelne Blätter (s. S.
155.) eine besondere Befestigung durch diese in den Boden
eingreifenden Riegel erhielten. Ohne diesen Mechanismus
würde eine solche Thüre, wenn sie verschlossen war, nicht
leicht eine gerade Linie gebildet haben. Dieses sehen wir in
den beiden Tabernen des Hauses der Bronzen (Avellino
descr. — la seconda p. 5 ff.) und in dem Tablinum des Hauses
der mit Figuren geschmückten Kapitaler (Avellino descr. de
una casa p. 4 ff.) S. auch Ivaxoff, in Annali 1859, XXXI,
S. 102 ff. Der Name dieser ohne Schlüssel zu bewegenden
Riegel Avar pessulus als die allgemeine Bezeichnung solcher
Vorrichtungen , und folgende Stellen mögen derselben Er-
wähnung thun. Plaut. Aulul. s. oben, Cist. HI, 18.
Ubi estis servif obcludite aedes pessulis, repagidis.
Cure. I, 2, 60 ff.
Pessuli, heus pessidi^ vos saluto lid)ens
Vos amo, vos volo, vos peto atque obsecro,
Gerite amanti mihi morem amoenissimi:
SussuUte obsecro et mittite istanc foras.
Auch Ter. Heaut. s. oben. Marcell. Empir. \1. foramine, in
quo ianuae pessuli descendunt^ quidquid repereris, collige. Prud.
in Symmach. I, 65 fg.
Das Verschliessen der Thüren 281
Nunc foribus surdis, sera quos vel pessulus artis
Firmarunt cuneis.
Wenn Ulp. Dig. XIX, 1, 17 pr. seras, claves, claiistra. nennt,
^o versteht er unter dem ersten die Kiegel im weiteren Sinne,
und unter claustra Schloss im engeren Sinne, d. h. die pes.suli
u. die einfachen repagula umfassend. Iyanüff, S. K>5 — 1U8
vindieirt die an den Bronzethüren der Kirche des heil. Cosmus
und Damianus in Kom noch erhaltene Verschlussweise dem
alten Koni. Dieselbe ist höclist com^ilicirt und scheint bis jetzt
in den pompejanischen l'eberresten noch keine Bestätigung
gefunden zu haben.]
Endlich ist zu bemerken, dass die Thüren zuweilen so-
gar versiegelt Avurden (obsirjuare cdlas), welche Sitte alt war,
wenn auch nicht allgemein. Plaut. Cas. ü, 1, 1. u. a. s. Thl.
I, S. 1G9 (und gerade wo kein cellarius war). [Plix. h. n.
XXXIII, n. At nunc cibi giioque ac potus anulo vindlcantur a
rapina. Ausser dem Versiegeln der Vorrathskammern Avird
auch das der Frauengemächer erwähnt, jedoch nur bei den
(kriechen, Aristoph. Thesm. 414 ff. Plat. de Leg. Xll, j).
ftö4. P.\ULY, Eealencykl. IV, S. -0.] Cicei-o's Mutter versie-
gelte selbst die leeren Flaschen, ad Farn. XVI, 2(). sicui ol'un
matrein nostram faccre incinini, qaae Icujmas ttiam inanes ob-
signabat, 7ie dicerentur hunics alir/uae fuist!e^ quae furtiiii assent
exsiccatae. [Per.s. Sat. N'l, 17.] Andi-rs ist es Plaut. Mil.
m, 2.
DRITTER EXCURS ZUR ZWEITEN S(^ENE.
DA8 HAUSÜERATHE.
AVir iiclniieu liiiT irausg-eriltlu' im weiteren 8iuii, oliue
uns auf die Bedeutung der röniiseluai supellcx zu besclivänkeu.
Die liünicr verstanden uäuilicli unter supellcx nach Pomp.
Dig. XXXIII, 10, 1. domesticum ijati-isfain. mstriivie/itum, quod
neqiie argento aurove facto i^el vesti adimmerutur. Aelnilieh
Alfen. ebend. 6. und Tubero bei Gels. 7. § 1. instruineiituni
cjuoddam patrisfavi. reruin ad quotidiamun usum paratarum,
quod in aliain speciem non caderet, iit verbi gratla penum, ar-
gentimif vetitciii, ornamenta, instrumetda agri aut domus. Es war
also urspriinglicb Gold und Silber davon ausgeschlossen , bis
später in den Zeiten des gestiegenen Luxus auf den Stoff
nichts mehr ankam, sondern nur auf den Gegenstand. Gels.
a. a. O. Nee mirwii est^ moribus civitatis et iisu rei-uin appel-
lationem eins mutatam esse; nam fictili aiit lignea aut vitrea aut
aerea denique supellectile utebantur; nunc ex ebore atque testu-
dine et argento^ iani ex auro etiam atque getnniis supellectile
utuntur, qt(are speciem potius rentin quam materiam iidueri
oportet. Desshalb zählt Paull. ebend. o. als Gegenstände des
siipell. auf: Tische , Stühle , Bänke , lecti , Lampen , allerlei
vasa, pelves, aquiminaria u. a., auch wenn sie von edlem Me-
tall oder anderem kostbaren Stoffe waren, (cristallina, argentea,
vitrea, micrrina. Siehe Sex. ep. 110. gemmeani supellectilem.
Paull. rec. scnt. III, 6, 67.) Schränke u. s. w. , s. noch Dig.
1. 1. 8. 9. § 1. Iavol. 11. und Dig. XXXIV, 2, 19. § 8.
9. 17.
Dritter Excurs zur zweiten Sceue. Das Hausgeriithe. 283
Von diesem Geräthe iinterscbiedeii die Kömer das soge-
nannte instrumentum, d. i. nach Ulp. Dig. XXXIII, 7, 12. pr.
opparatus rerum diutius maiisurarum , sine qulbiis exerceri ne-
quirct possessio, so z. B. bei einem Landgut alle ökonomischen
Gerätbscliaften, Vieb und Sklaven, bei einer Bäckerei alle
zur Betreibung dieses Gescbäfts notbwendigen Gegenstände,
bei einer Taberne alle erforderlicben Gefässe, Paull. rec.
sent. in, 6, 61 ff"., bei einem Hanse nacb Pegasus, Cassius
und A. quod tempestads arcendae aut incendii causa jjaratiir
(ad tutelam domus) z. B. Feuerspritzen, alle ReinigungsAverk-
zeuge u. s. w. Ulp. Dig. XXXIII, 7, 12. § 16 flf. Andere
Juristen verstanden freilich dem Sprachgebrauch des ge-
meinen Lebens zufolge unter instrumentum eines Hauses
auch die ganze supellex mit, wie Neratius und Ülpian. s.
ebend. § 35. 43. Cic. de erat. I, 36. e'n oratoris instrumento
tarn lautam siipellectilem nimqiiam videram, öfters Suet. Oct.
71. 73. Tib. 36. Cal. 39. u. s. w. , in einem solchen weiten
Sinne, wie wir hier Hausgeräthe nehmen. Dazu gehörten
die Zinniicniiobilien, die Schränke und Kasten, die Gefasse
für Fliissio-keiten, der Beleuchtungsap])arat, die Lehren, das
Kiichengeräthe und die Iiistriuuentc für ilie Erhaltung der
Keinlichkeit.]
Die Mobilien der Ziiinner waren niclit zahlreich, so dass
die röiuiseben Ziiiiiiicr nach modernen Begriffen fast leer er-
scliienen wären. Kein Sclireibtisch , keine Glasschränke und
Kommo(h'n staiuk-n ibtrt, keine Spiegel bedeckten die Male-
reien der AVändc. Dir ganze ICinricbtung bestand in lectis.
Tischen, Stühlen, Candelabern. Höchstens kam dazu eine
Wasseruhr und für den AVinter ein Kohlenbecken. Dagegen
wurde an diesen Stücken liinsicbtlicli der Eleganz uiul Pracht
nichts gespart. [Ovkki'.im k, J'onipeji S. 295 — 331. giebt unter
dem Titel : die m(»nunu'ntalen Keste und Zeugnisse des Ver-
kclirs und des I^ebens, eine schöne Uebersiclit iilier die Ih'-
deutendsten in Pomjieji gefundenen Mobilien, (ieräthe, Ge-
fässe u. s. w. mit sauberen Aliliildmigen.]
284 Dritter Excurs zur zweiten Scene.
Lectus.
[Paut.. Diac. h. V. p. 115 M. Varro L. L. V, UiC] Der
lectus, den man weder durch Bett noch durch So})]ia reclit
übersetzt, war ein einfaclies Gestell, das gewöhnlich zu Kojd'e
eine niedrige Lehne hatte und hald aus Holz [Ter. Adelph.
IV, 2, 46. Sen. ep. 95. Ein solches einfaches verstellt auch
wohl HoR. ej). I, 5, 1. unter Ärdiiacis lectis und Gell. XII, 2.
unter Soterici lectl\ (bei den Reichen aus sogenanntem Cedern-
oder Therebinthenholz , Prof. III, 7, 49. Pers. I, 52. Plin.
h. n. XVI, 43.), bald und gewiss sehr häufig aus Erz bestand.
Cic. Verr. IV, 26. lam vero lectos aeratos et candelabra aenea
num cid, praeter istian, Si/racitsis jjer triennium facta esse exi-
stimatisf Pll\. h.n. XXXIV, 3, 8. tricltnia aerata (da.ss aerata
hier nicht heisst: hölzerne Gestelle mit Erzfüssen, welche
Plix. XXXIV, 2, 4. erwähnt, geht daraus hervor, dass Plin.
lauter Gegenstände aufzählt, welche aus massivem Erz be-
standen; doch kann an anderen Stellen aerata allerdings die
Erzfüsse bezeichnen, z. B. vielleicht Liv. XXXIX, 6.). Die
hölzernen lecti wurden mit Elfenbein, Schildplatt und edlem
Metall ausgelegt, und namentlich mit elfenbeinernen, silbernen
und goldnen Füssen aixsgestattet. Man denke schon an das
Bett des Odysseus, Odyss. XXIII, 199 fg.
i/. Öt toi dQ'/öii^vog Xr/og f^suv, öcpQ irt'/.KJoa,
daiddXXmv XQK'^? "^^ 5^"' OLQyvQC^ rj8' sXtqtafTi.
Avie vielmehr nicht in Rom, gegen dessen verschwenderische
Pracht der ausschweifendste Luxus aller Zeiten als ärmliches
Unvermögen erscheinen muss. [An manchen Stellen ist aus-
drücklich von Belegen mit edlen Stoffen die Rede , wie Plin.
h. n. 1. 1. und IX, 11. XXXIII, 11. SuET. Cal. 32. Iavol.
Dig. XXXII, 100. lectos testudineos pedihus itiargentatos,
Paull. XXXIII, 10, 3, § 3. lectos inargentatos vel hiauratos
atque gemmatos. an anderen heisst es ganz allgemein lecti
aurei, aicrati, ehirnei, ebnrati, argentei u. s. w. Cic. Tusc. V, 21.
SuET. Caes. 49. Hör. Sat. 11, 6, 103. luv. VI, 80. Plaut.
Stich. II, 2, 53. Plin. h. n. XXX VH, 2. Sen. ep. 110. Vop.
Firm. 3. Pap. Dig. XXXIII, 10, 9. § 1. Varro L.L. IX, 47.,
Das Hausgeräthe. 285
lectos alios ex ebore alios ex testudine, womit übrigens auch
meistens plattirte, selten massive Gestelle gemeint sind. Wenig-
stens fic4 es auf, als Heliogabal Gestelle solido argeiito hatte.
Lampr.HcI. 20. Andere Ausschweifungen des Luxus s. Spakt.
Ael. Ver. 5.]
Dieses Gestell war mit Gurten bespannt, die bald fasciae^
bald institae, auch wohl restes genannt werden, und das Pol-
ster, die Matraze trugen. (Im Mus. Gregor, ist ein bronzener
lectus mit einem Geflecht von Bronzeschienen statt der Gurte.)
Das sind die tenta cubilia bei Horat. Epod. XII, 12. Daher
bei Cicero de div. II, 65. Defert ad cnniectorem qiiidam,
soniniasse se, ovum pendere ex fascia lecti sid cubicidaris. Mart.
V, 62.
Nulla tegit fractos nee inanis culcita lectos^
Putris et abrupta fascia reste iacet.
Petr. c. 97. Iniperavi Gitoni , id raptbn grabatum subiret, an-
necteretque pedes et manus institis, qidbus sponda culcitam fere-
bat. [Cat. R. R. 10. lectos loris stibtetitos.] Vgl. Eader zu d.
a. St. Mart. und Wouwer und IIeixs. zu Petron. Darauf be-
zieht sich aucli der etwas schaale Witz bei Aristoph. Av.
812 ff".
//. BovXeaOs ro fit'yu rovro, rovx ^JuatÖui^tovoi;,
JSnuQr7jv ovofia nulä^nv avrt'jv; E. 'IJQdxXstg.
GTTaQtTjv yccQ av Oequ^v iyw rfi 'fitj nöXsi;
ovo' UV x(if*^i>vtj nävv ya xeiQiav r/^av.
Auf deii Gurten lag das Polster, torus, welches wenigstens
später culcita genannt wurde, [lieber torus s. wunderbare
Etymologien bei Varro L. L. V, 167. Isidor. XX, 1. Serv.
zu Verg. Aen. ü, 2.] Das gewöhnliche und eigentliche Mate-
rial, womit man Polster und Kissen stopfte, tomentum [Tag.
Ann. VI, 23. Suet. Tib. 54.], waren Wollenflocken. S. Plix.
VIII, 48, 7;}. welclier diesen Gcbraucli der Wolle aus Gallien
herleitet, ohne die Zeit bestimmen zu können, wo er üblich
geworden. In alter Zeit aber liatte man blosse .Strohmatrazcn :
Antlipiis lonis e sframentn erat, qualiter etiani nunc in castris.
und aiK li später stopften A(4-mcn' ilnc Polster mit geschnit-
286 Drittor Excurs zur zwei ton Scono.
tenom Schilfe (ulva) etwa wie wir mit Seegras, oder gar mit
Heu. Mart. XIV, 160.
Tomentum concisa palus Circense vocatur.
Haec pro Leuconico strainina pauper emit.
lieber die Lesart Leuconio oder Lingonico s. Salm. z. ep. 159.
[OvrD.Met.Vni,655. Fast. V, 519.] Mart.XIV, 162. FoniunK
Fraudata turne at fr agilis tibi culcita muJa:
Non venit ad duros pallida cura toros.
So sagt auch Seneca de vita beata, c. 25. Nildlo miserior ero,
si lassa cervix mea in rnanipuluin foeni acquiescet, si super Cir-
cense tomentum per suturas veteris lintei efßuens incuhtdio, und
[Plin. XXVn, 10. vou dem Gnaphalion, der sogenannten
Wiesenwolle : cuius foliis albis mollihusque pro tomejito iitimtar^
— Culcita bedeutet wohl gewöhnlich, aber nicht immer das
Polster Avorauf man lag, sondern überhaupt einen Pfühl, ein
Kissen. [Varro L. L. V, 1G7. leitet das Wort cd) inculcando
her, nämlich quod in eas (culcitas) acus aut tomentum cdiudve
quid calcabant. IsinoR. XIX, 20.] Man sehe nur Plaut. Mil.
IV, 4, 42. habeas culcitam ob oculos laneani. vgl. Petr. c. 38.
Später scheinen Weichlinge auch mit der Wolle nicht zufrie-
den gewesen zu sein, imd es wurden nicht nur die cervicalia,
sondern selbst der torus mit Federn gestopft. Besonders die
Federn der weissen Gänse und namentlich den Flaum nahm
man dazu; vorzüglich aber waren, wie etwa bei uns die Eider-
daunen, die Federn der kleinen, weissen germanischen Gänse,
gantae, in hohem Werthe, zu deren Jagd die Praefekten ganze
Cohorten aussandten, und deren Federn mit fünf Denaren das
Pfund bezahlt wurden. Eoque deliciae processere, ut sine hoc
instrumento durare iam ne virorum quidem ccrvices possint, sagt
Plinius X, 22, 27, Indessen spricht schon Cicero Tusc. III,
19. von einer cidcita plumea. [Appul. Met. X, p. 248 Elm.
pulviUis compluribus ventose tumentibus pluma delicata. luv.
VI, 88 fg.
Sed quamquam in magnis opibus plumaque pcderna
Et seipnrntatis dormisscf pay^ula cunis.]
Auch Sehwanenflaum wurde genommen nach Mart.XIV, 161.
Das Hausgerii the. 287
Lassiis Amyclaea pntcris recjidescere phima.
Inferior cycni quam tibi lana dedit.
[Holiogabal nahm sogar die plumns perdicum siihcdares dazu,
La.mi'R. Ilel. 19.] Dass aucli der torus mit Federn gestopft
wurde, sielit man aus Mart. XIV, 159.
Oppressae nimium vicina estfascia plumae?
Vellcra Leiiconicis accipe rasa sagis.
[und XIT, 17. s. unten.] und so sind wohl auch die pcusiles
plumar der lectica bei Iuvkn. I, 159. zu verstehen. — AVie
verseliieden war demnach ein solches römisches Bett von dem
weichsten Lager der Clriechen hei Homer, von dem nie ein
Polster oder Pfühl, aucli nicht im Hause der Eeichsten, er-
wähnt wird. S. XiTzsCH, p]rkl. Anm. zu Hom. Odyssee. I. Bd.
8.210. — Zu Kopfe lag ein kleiner Pfühl, auch wohl mehrere,
gewöhnlich, Avie es scheint, rund, pidvinus, auf welchem man
den Ellbogen stützte (Sen. de ira HI, 37.) inid speciell reri'«'-
calia d. i. Kopfkissen genannt, Isidor. XIX, 26.
Ueber das Polster wurden Decken, vestes stragidae, stra-
gula [a stemendo, Varko L. L. V, 167. auch wohl pallia,
operimenta und opercula, Varro 1. 1. peristromata, tapeta, Uli».
Dig. XXXIV, 2, 25. § 3.] gebreitet; bei dem reichen Kömer
purpurfarbige, conchyliata^ concliylio tincta, auch wohl mit ein-
gestickten oder eingewebten Figuren, Babylonica und Alexan-
dritia, natürlich nach eines jeden Vermögen, s. Heind. zu Hör.
Bat. II, 3, 118. [AiM'UL. I\Iet. II, p. 123. eborc nitentes lecti,
(inrcis vestibus intexti. Pauly, Kealencykl. IV, S. 842.] In
w(dclier Zald solche Decken sicli in mancher supellex finden
moditen, liisst sich aus Cic. Verr. IV, 26. schliessen; vgl.
IMiilipp. II, 27. conchyliatis Cn. Pompeii peristromatis servorum
in vr.liis If'.ctns Stratos videres. [Die Redensart sternere lectos
lind triclinia s. noch Vitruv VI, 10. Macroti. II, 9. Lami'r.
Heliog. 19. 8uET. Oct. 73. und ÖviD. Met. Vlll, 656(1'.
In medio torus est de rnollibus ulius,
Impositis lecto spoiida pedilusqno salitjnis:
Ve.stibus hunc velant, quas non nisi tempore festo
Sternere consuerant.\
288 Dritter Ex cur s zur zweiten Scene.
Trefflich spottet Marti al II, IG. über die Eitelkeit des Zoi-
lus, der sich krank stellte, um den ihn besuchenden Freunden
die coccina stragula seines Bettes zeigen zu können, die er
wahrscheinlich eben von Alexandria erhalten hatte. [Noch ge-
währen zwei Stellen des Appul. Met. X. ein sehr anschau-
liches Bild, nämlich p. 248 Elm. pidviUis compluribus — cu-
hitum praestruunt. sed et stragula veste auro murice Tyrio depicta
probe consteniunt. und p. 25G. lectus Indica testudine perlucidus,
■plwnea congerie tumidus , veste serica floridus. Diese Ueber-
wiirfe waren zuweilen so gross und faltenreich, dass man
nichts von dem Gestelle und den Kissen sah , wie die Wand-
gemälde zeigen.] Die pulvini Avurden selbst mit seidenen Stof-
fen überzogen, Marx. III, 82, 7. s. Tbl. I, S. 187. und schon
bei HoR. ei^od. 8, 15. Qind quod libelU Stoki inter sericos
iacere pidvillos aviant., dagegen bei Cic. p. Mur. 36. lectuli
Punicard haedinis pellibus strati. s. auch Sex. ep. 95. p. 429 Bip.
Die Veweichlichung ging so weit , dass man die cervicalia mit
einem Federteppich überzog. Das Avaren die Arbeiten der
plu7narii.
Diese Benennung, die bei Varro, Vitruv und auf In-
schriften vorkommt, gehört zu den dunkelsten Ausdrücken.
Die Erklärung des Salmas. zu Vop. Carin. 20. p. 850 ff. ist
die allgemeine geworden, bei der auch die neuen Herausgeber
des Vitruv, Schneider, Stratico und Marini stehen geblie-
ben sind. Er sagt p. 851. plumas vocarimt veteres notas ex
auro vel puipura rotundas et in modum plumariim factas (?),
qidbus vestes intertexebantur ac variabantur. Ferner p. 852.
nennt er sie clavos intextos aureos, quae nloviua Graeci recen-
tiores vocabarä. — a plumis igitur Ulis, h. e. clavis^ qidbus vestes
intertexebantur, pluinarii textores dicti, non solum qui clavos
vestibus insuerent et iiüexerent , sed qid quocunque genere pictu-
rae, quibuscunque coloribus et figuris variatas vestes pingerent.
Für die letztere Behauptung ist er indessen den Beweis schul-
dig geblieben. Sie war aber für seine Erklärung unentbehrlich.
Aber auch die Identität der plumarii mit jenen Goldstickern
hat nur mit Hülfe einiger Conjecturen und unrichtig ange-
Das Hausgeräthe. 289
f'ührter Stellen nachgewiesen werden können. Es wird daher
eine nochmalige Prüfung der herrschend gewordenen Meinung
nicht überflüssig sein.
Pätmatae vestcs sind Gewänder, deren Grund, er mochte
weiss oder purpurfarbig sein, mit eingesticktem Golde auf ge-
wisse Weise gemustert war. Warum die eingestickten notae
eben plumae genannt wurden, wird schwerlich aufgeklärt wer-
den können; allein die Beweise dafür sind unzweideutig. So
sagt Procop. Kna^t. 'fovor. III, l.p. 53. iniov fx fn-räh^g fyxa).-
).(07Ti(TftaG( "/Qvaoii,' TTurTUj^oOev wort/cr/iHOs", « 8/j vtvofiiy.uöi nlov-
fu'a xaXm-. Publ. Syrus. bei Petr. 55. Plumato amictus cmreo
Baliylonico. was zwar vom Pfau gesagt ist, aber doch nur in
Bezug auf die vestes plumatas. Lucan. X, 125.
Strato micant, Tyrio qiiorum pars maxinui succo
Cocta diu iv'nis non uno cliixit aJicno;
Pars auro jjlumata nitet.
Ueberall wird der Schmuck als golden bezeichnet, nirgend
aber die Stickerei als in bunten Farben ausgeführt angegeben;
denn wenn die Glossarien plumarius durch noixiXrijg wieder-
geben, so liegt darin nicht das Buntfarbige. Die toga pieta
ist eb(!n auch mit Gold gestickt, bei Appian. Pun. 66. ji. 389
Schweigh. kara)aai Ös {2.yj7ito3v) ig rov ndtQiuv rnonov noQCfVQav
XQvacSv uattQcov ivvcfaGnivcov. und variare auro ist gewöhnlicher
Ausdruck. Eben so würde man aus dem Scholion zu Lyco-
PIIUON V. 864. xahjdj (po(iv/.tovg. noQqvQn ßeßufifit'yovg KVQicog, rvv
8s Tovg anlag ßtßufifiH-uvg Öiu noXlür ßacpcöf xui TriTToixiXfurovg
xc.i 7i}.ovf(aiiiy.ovg Xt'yei. mit Unrecht folgern, 7T).ovftanixoi aemn
buntgesticktc. Im Gegentheil würden sie dann nicht besonders
neben den nsnuixiXfifvoig genannt werden. — Völligen Miss-
brauch aber macht Salmasius von einer Stelle des Firmicus
Matkrnus, die er so anführt: facient linteones aut tunkarum
textores plumanos, und aus der er auf die Arbeit der jylumarii
.schliesst. Die Stelle findet sich B. III, 13, 10. p. 78 Bas. Es
sind aber dort kcüne timicarwn textores plumarii genannt, son-
dern es lieiüst: facie7it tmtcnnc.i, aut tunicarunt textores, plunia-
rios, tinctores etc., und dass Fiümk is niitcr phunariis nicht
Bp.okf.k, (iallus. 3. Aull. II. ig
290 Dritter Excurs zur zweiten Scene.
Verfertiger goldgestickter Kleider gemeint hat, evgiebt sich
daraus, dass er diese stets durch Umschreibung bezeichnet;
z. B. III, 3, 6. qui nexo auro vestc.s jmigunt. ib 12. ex auro
i^estes phigentes. Welche Form also auch die plumae gehabt
haben mögen, mögen sie, wie Saumaise annimmt, clavi, orhi-
culi (mouchcs) gewesen sein; die plumatae vcstes waren jeder-
zeit goldgestickte, und er hat für seine notas purpureas keinen
Beweis beibringen können.
Wenn Avir dagegen die Stellen des Varro und Vitrhv
betrachten, so scheint da von etwas ganz Anderem die Rede
zu sein. Varro sagt bei Nonius II, p. 616. Etenim mala., qiiae
non didicit p)ingere ., potest bene iudicare, quid s/t bene pictuvi a
plumario aut textore in pidvinaribus plagis. Hier wird der
plumarii(s ausdrücklich von dem textnr, der doch auch Figuren
einweben soll, unterschieden. War übrigens sein Geschäft,
bloss Jiotas rotimdn.s, ckwos einzunähen — und ntir als etwas
der Art lassen sich die nXovfu'a erklären — so war die Kunst
eben nicht gross, und warum gehörte dann zu deren Beurthei-
luug das didicisse pingcref Wie unpassend wäre auch gerade
Goldstickerei zu pulvinaribus plagis gewesen, wozu man die
Aveichsten Stoffe nahm. S. Mart. III, 82, 7. Salmasius corri-
girt übrigens plumario textori mit Weglassung des aut. inid
nimmt an, texere könne auch das Sticken bezeichnen! Noch
weniger lässt sich mit obiger Erklärung die Stelle Vitruvs
vereinigen. Sie steht B. VI, 7 Strat. (Marini und Sehn. c. 4.)
No7i minus pinacothecae et plumariorum textrinae pictorumque
officinae, uti colores enrum in opere propter constantiam luminis
immutata permaneant qualitate (ad septentx*ionem sj^ectare de-
bent). Hier werden die Werkstätten der plumarii ausdrücklich
textrinae genannt. Es werden also nicht fertige Gewänder
durch Stickereien geschmückt, sondern es wird auf irgend
eine Weise gewebt. Sodann ist nicht von Gold die Kede, son-
dern es handelt sich um Farben, die das Sonnenlicht nicht
treffen soll, damit sie nicht verbleichen.
Dies Alles scheint eine andere Erklärung des Ausdrucks
zu fordern, und wie nahe auch die Verwandtschaft zwischen
Das Hausgeräthe. 291
plumata vestis und plumarivs scheint, so ist docli wahrschein-
lich bei Varro und Vitruv von ganz anderen Arbeiten die
Rede. — In Glossarien wird plumarius durch TttiXoßdqiog,
Federfärber, übersetzt. Freilich ändert auch hier Saum.'MSE
das Wort in \piXoßdq)og, wo dann ßdnrmv so viel als variare
überhaupt sein und auch das Sticken bezeichnen soll! Wenn
von einem Buntdrucke die Rede wäre , so wäre das möglich 5
allein so wenig der Römer statt acu pingci-e gesagt haben
würde tingere vestes, so wenig Avird ßänrtiv diese Bedeutung
haben können. Vielmehr scheint das mi'küßünriig sehr richtig
zu sein und mit Hülfe einiger Stellen aus Martial und Pro-
PKRZ wird sich eine Erklärung des plumarius geben lassen.
Wenn es bei Ersterem XIl, 17. vom Fieber heisst, das
den Lentinus nicht verlassen will, weil er es zu gut pflegt:
Dormit et in pluma purpureoque toro. so kann dies allerdings
von den Federn verstanden werden, mit denen man in späterer
Zeit die Kissen stopfte. — Nicht wohl wird dieselbe Erklä-
rung passen auf das Epigramm XIV, 149. mit dem Lemma
Cervical:
Tinge caput nardi folio ; cervical olehit:
Perdidit unguentum cum coma, pluma tenet.
denn die Salbe konnte doch nur dem Kissenüberzuge, der
plaga pulvitiaris sich niittheilen. Noch weit unstatthafter aber
ist es, mit Böttiokr, Sabina ü, S. 52. nach Passeratius und
Burmanns Vorgange, was Propert. III, 7, 50. vom Paetus
sagt: Effultum pluma versicolore caput. von Kissen zu verste-
hen, die mit bunten (docli wohl buntgefärbten?) Federn ge-
stopft seien. — Zwar bei Petron. c. 88. gehört es zu den
Abgeschmacktheiten des Trimalchio, I^irpurMoHe in den Kis-
sen zu haben: Vides tot culcifas? Nidla non aut conrJiylidtum
aut coccineum tomentiim habet. Allein das sollte den Kissen
einen liöheren Wertli geben, und \(in I'etkons Schilderung
der einfältigen V'erscliwendung in diesem Hause ist übcrdiess
nicht immer auf die Wirkliclikeit zu scliliessen. — Welchen
Zweck aber könnte es geluilit li.ilicn, die Kissen mit l'^cdcrn
i'j*
292 Dritter Excurs zur zweiten Sccne.
von verscliiedeiier Farbe, pluma versicolorc zu stopfen, was ja
niemand bemerken konnte!
Aus diesen Gründen glaube ich, dass die pluviarü wirk-
liche Federteppiche fertigten, mit denen man die pulvinos
oder cervicalia überzog, und dasselbe bedeuten vermuthlich
bei FoLL. X, 1, 10. TireQcaTu y.ai mß-mtu Tzno^'y.tquXaia. Hat
man in neuerer Zeit grosse, sehr dauerhafte Tapeten mit aller-
hand Emblemen aus lauter bunten Federn zu fertigen ver-
standen, wanmi wollen wir nicht dem Alterthume dieselbe
Geschicklichkeit zutrauen, das an Künstlichkeit der Arbeit
unsere Zeit in manchen Stücken übertraf? Uebrigens spricht
ja Seneca, ep. 90. selbst von Kleidung aus Federn : non avium
pliimae in usinn veatis conseruntur? — Dann sind in den ange-
führten Stellen keine Widersprüche mehr und plumarius ^ zu-
gleich ;77flop«f/oc, (von plumo ; von plumore würde es 2^himator
heissen) ist der, welcher in Federn arbeitet, wie lanarius der
in Wolle, argeiitarius der Silberarbeiter u. s. w.
[So unzweifelhaft Becker bewiesen hat, dass phimatae
vestes Stofi'e mit Goldstickerei und ■plumarii die Verfertiger
von Federteppichen bedeuten, so vmsicher ist die Anwendung
dieser Stoffe auf Kissenüberzüge; wenigstens lässt es sich -
ganz abgesehen davon, dass eine derartige Arbeit sich gerade
am wenigsten für Kissen eignen würde , um darauf zu sitzen
oder zu liegen — nicht aus den angegebenen Stellen darthun,
wie bereits Hertzberg in der mehr erwähnten Kecension S.
2296. bemerkt hat. Bei Mart. XIV, 149. ht pluma tenet. ganz
einfach von den inneren Federn des Kissens zu verstehen,
welche bei dem dünnen Ueberzug das Salböl sehr leicht an-
ziehen und den Geruch nicht so leicht wieder von sich lassen.
Die Worte des Prof, aber versicolore pluma. können entweder
als Metonymie angesehen werden und würden s. v. a. der bunte
Ueberzug eines Federkissen bedeuten (so wie hei tori picti
Verg. Aen. I, 708. und toro purpureo Ovid. Heroid. V, 88.
auch nur die Farbe des Ueberzugs oder Umwurfs berücksich-
tigt ist, nicht des torus selbst), oder mau kann Avirkliche bunte
Federn annehmen, mit denen das Kissen gestopft ist und
Das Hausgeräthe. 2t'o
welche durch die dünnen üeberzüg'e hindurchschimmern, wel-
cher Erklärung Hertzberg den Vorzug giebt, indem er auf
Cic. Verr. V, 11. verAveist: pulvinus perlucidiis Melittmsis, rosa
farctus. — Hofmann, Eecens. d. Gallus S. 784. vertheidigt
die frühere Ansicht, dass pluiinivii die Verfertiger der j)luma-
tae vestes gCAvesen, indem er die oben angeführten Stellen
des Varro und Vitruv anders erklärt.]
Von den Decken, welche über die lecti gebreitet wurden,
sirayula, sind durchaus zu unterscheiden die toralia. Es ist
kaum zu begreifen, wie Heind. zu Ilor. Sat. II, 4, 84.
Et Tyrias dare circuin illota toralia vestes.
mit Verweisung auf epist. I, 5, 21. sagen konnte: ,,In beiden
Stellen ist offenbar toral, toralia etwas sogleich in die Augen
Fallendes , also ein Ueberzug oder eine Decke der von pur-
purnen Stoffen umgebenen Kissen (fori) der Sophas." [Diese
Ansicht war früher die allgemeine, s. z. B. Turneb. Adv. 1, 24.
Chimentell. c. 31. CiACCON. de triclin. p. 16. mit Ursin. app.
p. 230. u. a.] Die Stelle Petron.s c. 40. ist allein hinreichend,
diess zu widerlegen. Dort soll eben das Hauptgericht, der
Eber, aufgetragen werden , und daher lässt Trimalchio dem
Triclinium plötzlich ein auf die Jagd sich beziehendes Aeus-
sei'cs geben, wie denn auch die Jagdhunde hereingelassen
werden. — donec advenerunt ministri ac toralia proposuerimt
toris, in quihus retia erant picta subsessoresque cum venahidis et
totus venationis apparatus. Man bedenke , dass sämmtliche
Gäste auf den lectis liegen, und die Sklaven des Wirths ohne
Weiteres toralia projjonunt , so wird niemand darunter über
die Lager zu breitende Decken verstehen können. Vielmehr
sind es Behänge, mit denen der lectus von dem torus an bis
zum Fussboden bekleidet wird, propo?iu?itur, und daher sagt
auch HüRAZ circum Tyrias vestes (purpureum toruin) dare
illota toralia. So hat es auch Casaubonu.s zu Lamprid. Hcliog.
19., den Heindorf selbst anführt, al)er nicht wohlverstanden
zu halten scheint, gemeint: „In apparatu lectorum vno[-\).tifi(na
sunt et fni^^thiiiaTu ac nnii^iXiiiiata. - Torale est rorr 7Ti:ni(ih^na-
zoii' recleque in (Jlossario vertilur nfiiinXivov." Dann unter-
294 Dritter P", xcurs zur zweiten Scene.
scheidet er „stragula , quibus tori steniebcmtur et toralia^ quoe
ctrcumiicieba7itur." — Daher heisst es bei Paull. Dig. XXXIII,
10, 5. pr. De tapetis qiiaeri potest, quibus subsellia catltedraria
insterni solent^ utriim in veste sint, sicut stragula, an in supel-
lectile, sicut toralia, qnae proprie stragulorum non sunt. [Diese
Erklärung wird vollkommen bestätigt durch Varro L. L. V,
167. cuntra Latinum toral, quod ante torum. Weniger klar
ist das Fragment bei j^on. I, 35. wo unter toral vielleicht der
Vorhang der lectica verstanden wird. Oder man muss anneh-
men, dass toral auch im weiteren Sinne in der Bedeutung von
stragulum gebravicht worden sei. Namentlich wurden die to-
ralia bei den lectis triclin. angewandt. Orell. 2270. aus den
act. fratr. Arval. c. 32. discuutbentes toralibus segmenlatis. d. i.
gemustert.]
Man unterschied nämlich lertus cubicularis und tricliniaris
[s. noch den zweiten Exe. zur neunten Scene], Lampr. Hei. 20.
Varro L. L. VIII, 32. quod si esset analogia petenda supel-
lectili, omnes lectos haberemus doini ad unam formam et aut cum
fulcro aut sine eo, nee cum ad tricliniarem gi-aduw, item ad cu-
bicularem. Demnach wäre der tricliniaris höher gewesen als
der cubicularis, da doch von diesem immer scandere, asce?idere,
descendere gesagt wird. S. Broukh. zu Tib. I, 2, 19. OviD.
Fast. II, 349 — 354. Auch Serv. zu Verg. Aen. IV, 685. sagt:
quia lecti antiquorum'alti erant et gradibus ascendebantur. Lucan.
11, 356. gradibusque acclivis eburnis Stat tor'us. [Varro L. L.
V, 168. Qua simplici scansione scandehant in lectum non altum,
scabellum, in altiorem, scamnum. Duplicata scansio gradus di-
citur.^ Diese gradus scheinen die oft erwähnten /«<Zcra zu sein,
nämlich pedum. [Oder /jJcra sind wohl richtiger die alsFüsse
dienenden mit Shinxen, Greifen und anderen Thierfiguren ver-
zierten starken Unterlagen , im Gegensatz zu den zierlicheren
runden pedibus. Wenigstens sagt Hygin. Fab. 274. Antiqui
nostris in lectis tricUniaribus in fulcris capita asinorum vite alli-
gata habuerunt. und Isidor. XIX, 26. fulcra sunt ornamenta
lectorum, dicta quod in iis fidcimur i. e. sustinemur vel quod to-
ros fulciant. Plin. h. n. XXXIV, 2. unterscheidet pedes und
Das Hausgeräthe. 295
fulcra: Antiquissima aeris gloria Deliaco fuit — et ideo cura
ojßcinis tricUniorum pedibus fulcrisque^ Die Hauptstellen sind :
Prof. H, 10, 21 fg.
Nee mihi tunc fidcro sternatur lectus ebiivno;
Nee Sit in Attatico mors viea nixa toro.
IV, 7, 3.
Cynthia namque meo visa est incmnhere fulcro.
luv. VI, 22. sacri genium contemnere fulcri.
XI, 95 fg.
Qualis m Oceani fluctu testndo nataret
Ciarum Troiugenis factura ac nobile fidcnim.
vgl. Verg. Aen. VI, 603. Suet. Claud. 32.
Der lectus cubicularis hatte übrigens oft, zumal wenn er
für zwei Personen bestimmt war, auf der einen Seite eine
Lehne (wie unsei'e Sophas), phäeiis, welcher Name auch zur
Bezeichnung der ganzen Seite dient, während die offene Seite,
wo man aufstieg, sponda hiess. Isidor. XX, 11. sjyonda exte-
rior pars lecti, pliäeus interior. Dasselbe ist bei OviD. Am. III,
14, '^2. prior irüeriorque torus. S. Salmas. zu Mart. III, 91,9.
Suet. Caes. 49. Scip. Afr. bei Gell. VD, 12. [Auf den Ab-
bildungen herrscht grosse Mannigfaltigkeit der Formen, ruck-
sichtlich der Höhe der Füsse, und rücksichtlich der Lehnen;
zuweilen sind sie unseren Sophas und Causeusen (mit hohen
Seitenlehnen am Kopfende) ganz ähnlich.]
AVas die S(j])has zum Studiren betrifft, so bemerkte
schon Böttiger Sab. I, S. 35., dass den Alten Schreibtische,
vor denen sie auf Stühlen sitzend studirt hätten, etwas Frem-
des waren. Man meditirte, man las, man schrieb liegend auf
dem let-tus oder lectns liieubratorins, aiicli lectica lucubratoria,
[welche in der Hauptsache den anderen lectis gleich waren],
Suet. Aug. 78. Darum sagt Ovid. Trist. I, 11, 37.
Non haec in nostris^ ut quondam, scribinius hurtis^
Nee co?isuete meuin lectule corpus hahes.
und Seneca, epist. 72. duaedam su7it, quae possis et m cisio
scribere; quaedam lectum et otium et secretum desiderant. vgl.
Peks. I, 52. quidquid lectis scribitur in citreis. — Der liabitus
296 Dritter Excurs zur zweiten Scene.
studentis wie sich I'lin. ep. V, 5. ausdrückt, war ohne Zweifel
der Art, dass man fast wie im Triclinium sich etwas auf deu
linken Arm stützte und das rechte Bein etwas hinaufzog, um
darauf das Buch zu legen, oder zu schreiben. Indessen kann
wohl auch an der Lehne des lectulus (pluteus) eine Vorrich-
tung zum Schreiben gewesen sein, und vielleicht meint das
(/ Persius, wenn er I, 1^6. von einem Dichter, der sich seine
Gedichte nicht eben sauer werden lasse, sagt:
Nee pluteum caedit, nee demorsos napü unguea.
vgl. luv. II, 7. [und SlDON. Ap. II, 9. grammatieales plutei. —
Sehr unsicher ist, ob das in einer Handschrift des Vergil be-
findliche Gemälde, welches Vergil an einem Stehpult arbeitend
darstellt, wirklich dem vierten Jahrhundert angehört, wie be-
hauptet worden ist, s. Visconti, iconograph. Kom. Tom. I.
Noch sind zwei aus Griechenland herübergekommene
Namen zu erwähnen, seimpodium und gvabatus , welche in
Griechenland ganz dasselbe bedeutet haben mögen, nämlich
ein niedriges schmales Lager, s. die im Charikles III, S. 69.
citirten Stellen. Seimpodium kommt nämlich von axifmu her
und heisst also ein zusammengekauerter niedriger lectus. In
Rom aber machte man anfangs iusufern einen Unterschied,
als man den Namen grabatus auf die lecti der Armen über-
trug, welche au sich niedriger waren als die der üeichen,
während man die neumodischen niedrigen Lager der Vorneh-
men seimpodium nannte. Die Aermlichkeit der grabati geht
klar hervor aus dem Zusammenhang bei Cic. de div. II, 63.
non modo lectos , i^erum etiain grabatos. Sen. ep. 18. werden
sie in Vei-binduug mit modieas eenas, pauperum cellas. er-
wähnt, ep. 20. [Appul. Met. I, p. 112. 114. Elm.] Auch dien-
ten sie in den Wirthshäusern der Bequemlichkeit der ankom-
menden Reisenden, Petkon. 52. [Ebenso Appul. Met. I.
p. 107. grubatulus alioqid breviculus et uno pede mittilus ac pu-
trid., unter welchem sich Aristomeues versteckt.] Die scimpodia
dagegen werden nur bei Reichen genannt, wo sie vorzüglich
in Ki-ankheitsfallen angewandt wurden, z. B. Gell. XIX, 1 0.
Dio Cass. LXXVI, 13. erzählt auch, dass sich Sept. Severus
Das Hausgeräthe. 297
als Kranker in dem scimpociium habe tragen lassen. Dieses
hatten jedoch früher schon Augustus und Tiberiiis gethan.
Der bezeichnete Unterschied hörte aber später auf und man
nannte die kostbaren Seimpodien nun ebenfalls Grabatus,
55. B. ÖCAEV. Dig. XXXIII, 7, 20. § 8. grabalns argnito in-
aurato tectits. Sehr niedrig waren auch die sugenannten Puni-
cani lecti, welche Lsid. XX, 11. nennt.]
Stühle.
Stühle wurden bei den Kömern weniger gebraucht als
bei uns und sind nur etAva für Besuchende erfordeilich [z. B.
Gell. II, 2. Sen. de dem. I, 9.], Aviewohl man dann auch die
exedras hatte. Man unterscheidet sella und catliedra und eignet
letztere besonders den Frauen zu 5 doch kann man keineswegs
sagen , dass die sella die einfache Form unserer Stühle , nur
etwa mit etwas mehr zurückgebogener Lehne gehabt und dass
catliedra einen Armstuhl bedeutet habe ; denn es lässt sich da-
gegen erinnern, dass gerade die sellae gestatoriae Armstühle
waren und dagegen Frauen öfter auf jenen einfachen Stühlen
sitzend vorkommen. Ueberhaupt bezeichnet sella wohl jeden
Stuhl, von der sella quotidiani quaestus des Handwerkers an
(Cic. in Cat. IV, 8. s. Mu.s. Borb. IV, t. 50.) bis zur sella cu-
rulis. Die cathedra gehört auch mit darunter und dass dieser
besonders bei Dichtern übliche Ausdruck am häutigsten in
Bezug auf Frauen vorkommt, erklärt sich daraus, dass diese
in der Kegel nicht lagen, sondern sassen. [Allerdings waren
sella und sedile (mit den Deminutiven sediculum und sedecida,
Paul. Diac. p. 336 M. Cic. ad Att. IV, 10.) die allgemeinsten
Ausdrücke für jeden Stuhl, obgleich sedile ursprünglich nur
den eigentlichen Sitz oder das Sitzpolster bezeichnet. Ein
alterthüinlicher Name war seliquaslncm. Fest. p. 340 M.
Varro L. L. V. 128. Ab sedendo appellatae sedes, sedile, so-
liwn, sellae^ seliquastrurn — subsellium — biseUium. — Die
allgemeine Bedeutung von sella zeigt die oben erwähnte An-
wendung in den Tabernen der Handwerker und der Tonsoren,
Dio.IX, 2, 11. pr., ferner an den Hausthüren der Buhleriuucn
(Plaut. Poen. I, 2, 56. Sio.n. de ben. I, 'J.), in den Bädern
298 Drittel- Exe Urs zur zweiten Scene.
(s. den ersten Excur.s z. siebenten Scene), sodann in den Lcln--
zimmern (Cic. ad Fam. IX, 18. S. 66 fg.), und auf dem Tri-
bunal des riclitenden Magistrats (ähnlich der sella curulis und
der sella imperatoria, Spart. Sev. 1. wie sie schon Cäsar hatte
und zwar aureu nach einem Scons. bei Cic. Phil. II, 34. Suet.
Caes. 76. Cic. Verr. II, 38. de sella ac tribunali pronuntiat.
ebenso V, 59. Suet. Claud. 23. und Plin. ep. II, 11. sellis
consulum.), ebenso wie im Lager für die Feldherrn, Suet.
Galb. 18. castrenseiii sellam; abgesehen davon, dass sella auch
Tragsessel und noch ein anderes unästhetisches Hausgeräthe
bezeichnet (eigentlich sella familiarica genannt). S. noch Cod.
Th. XV, 13. de usu sellarum in dem allgemeinsten Sinn. Auch
sedile, obgleich selten vorkommend, hat eine ganz allgemeine
Bedeutung. So finden wir ausser den sedilihus ligtuüs bei Suet.
Oct. 43. ein sedile regiiua. bei Spart. Hadr. 23. vgl. Cels.
VIII, 10. Als Marmorbank wird sedile bei Plin. ep. V, 6, 4(.).
gebraucht und mehrmals bei Dichtern, s. die Lexica.
Eine besondere Gattung von Stühlen hiess aber solium,
welche wir uns stets als einen höheren thronähnlichen Ehren-
sitz denken müssen. Ihn nahm vor Alters der Hausvater ein,
wenn er als Patronus seinen Clienteu den gewünschten Kath
ertheilte. Cic. de leg. I, 3. viore patrio sedens in solio consu-
lentibus responderem. de or. II, 55. in rutis et caesis solium pa-
ternum recepisse. Solche solia wurden den Göttern in den
Tempeln geweihet, so sol. Iuris, Suet. Cal. 57. Oct. 70. or. de
har. resp. 27. Auch wird der königliche Thronsessel sehr oft
solium genannt, Serv. zu Verg. Aen. 1,510. iti quo reges sede-
hant. und zu VII, 169. In diesem Sinne mehrmals bei Vergil.
und OviD. Cic. de fin. II, 21. ornatu regali, in solio sedens.
S. noch Isidor. XX, 11. und Fest. h. v. p. 298 M. Wahr-
scheinlich waren die prachtvollen oft goldfarbigen Throne der
Götter, wie des Mars und der Venus , des Bacchus , der Ceres
u. s. w., welche sich auf pompejanischen Wandgemälden fin-
den, römische solia oder denselben wenigstens ähnlich, z. B.
Mus. BoRB. VIII, 20. VI, 53. 34. Pitt. d'Herc. I. t. 29. Sie
haben geradestehende Kück - und Armlehnen, ebensolche Füsse
Das Hausger äthe. 299
von der zierlichsten Form und kleine Fussbcänkchen. Bunte
Kissen fehlen ebensoAvenig als im Kücken ein weiter Ueber-
Avurf, Avelcher in Falten an beiden Seiten der Eiicklehne her-
abfällt. Chimentell. de honore biseil. c. 18.
Die cathedra dagegen dient nicht Avie das solium dem
Prunke und der Repräsentation, sondern der Bequemlichkeit-,
darum hat sie nicht die steifen Verhältnisse und die grade-
stehende Lehne des solium, sondern gefällige dem Körper sich
anschmiegende Formen , also schräg ablaufende Kücklehnen,
in denen es sich behaglich ruhcte, etAva Avie der Stuhl in Ant.
d'Herc. IV, 97., dessen Rücklehne hoch ist und nach oben
immer breiter A\'ird , um den Kopf nach beiden Seiten hin gut
anlehnen zu können. Aehnlicli im Mus. Borb. IV. t. 18. stets
jedoch ohne Armlehnen. Dass diese Bestimmungen richtig
sind, ergiebt sich aus folgenden Stellen: luv. VI, 90 fg.
fainam conternserat olim,
Cuius apud molles minima est iactura cathedra.
Martial. III, 63. sagt zu dem Aveichlichen Cotilus:
Intcr femineas tota qui luce cathedras
Desidet.
und zu Candidus XII, i58.
Hunc qiii femineis noctesque diesque cathedris etc.
luv. IX, 52. strata positus longaque cathedra, (also sie ist
Aveich gepolstert und lang). Dass sie mit einem stragulum be-
deckt Avar, sehen Avir auch aus Mart. XII, 18.
Ignota est toga. sed datur petenti
Rupta proxima vcstis e cathedra.
Dieser Bequemlichkeit Avegen Avird die cathedra vorzüglich in
Verbindung mit Frauen erAvähnt, z. B. Mart. IX, 99. Phaedr.
III, 8, 4. HüR. Sat. I, 10, 90 fg.
Demetri teque Tigelli
Discipidarura inter iubeo jüorare cathedras.
Die Frauen pflegten sogar darauf ruhend zu schreiben, Prop.
IV, 5, 37 fg.
Siipplex die sedet. posita tu scribe cathedra
Quidlibet.
300 Dritter Exciirs zur zweiten Scene.
Doch war der Gcbrunch dieser Armsessel nicht auf dii; Fraiieii
beschränkt, sondern dieselben wurden auch Männern bei ße-
sucheu angeboten, z. B. bei Sen. de cleru. I, 9. lässt August
dem Cinna eine cathedra setzen und Plinius hatte sowohl in
seinem Laurentinum dergleichen, ep. II, 17. lectum et diias
cathedras capit (cubiculum), als in der Stadt, VIII, 21. positus
ernte lectos cathedris amicos coUocavi, (nämlich um ihnen vor-
zulesen). — Dass man aber die Sessel der Lehrer cathedras
nannte, hatte seinen Grund nicht in deren Bequemliclikeit,
sondern darin, dass, da cathedra ohne liückkdnae undenkbar
war, man nur an Lehnstühle denken konnte. luv. VII, 203.
Poenitidt maltos vatiae sterilisqua cathedrae.
Mart. I, 77. PiiiLüSTR. soph. II, 2. SiDON. ep. VII, 9. Eine
besondere Art von cathedra, welche aus Weiden geflochten
waren, erwähnt Plin. XVI, 37, 68. Ueber die cathedra xergl.
LiPSii Elect. I, 19. Chimentell. de hon. bisell. c. 23. Böt-
TiGER, Sabina I, S. 35 fg. Dittrioii, de cath. feminarum liom.
Lips. 1836. (nur citirt in Pauly IV, S. 844.)
Die anderen Stühle ausser dem solium (d. i. steifer Staats-
sessel mit Kück- und Armlehne) und der cathedra (d. i. wirk-
licher Kuhesessel mit einer gepolsterten Rücklehne, die sich
sogleich an den Sitz anschliesst, sanft hintergebogen, aber
ohne Armlehne) hatten keine besonderen Namen oder haben
sie uns wenigstens nicht hinterlassen, sondern sie trugen den
allgemeinen Namen sella , welcher wie unser Stuhl von allen
Sorten gesagt werden konnte. Ihre überaus grosse Mannigfal-
tigkeit und Anmuth erkennen wir nur aus den pompejanischen
Wandgemälden, welche uns viele Formen vor die Augen füh-
ren, deren Aehnlichkeit mit den modernsten oft wahrhaft über-
raschend ist. Was zunächst die Füsse betrifft, so sind dieselben
entweder geradeauslaufend, meist zierlich gedrechselt (Zahn,
schönste Ornam. III, Taf. 58. 93.), oder anmuthig geschweift;
auch hatten manche Sessel kreuzweis gestellte Füsse (säge-
bockähnlich), wie im Mus. Borb. VII. t. 3. Noch grösser Avar
die Verschiedenheit in Beziehung auf die Lehnen. Viele Stühle
hatten gar keine Lehne, wie unsere Tabourets u. Klappstühle,
Das Hausgeräthe. 301
z. B. im Mus. BoRB. VII. t. 53. IX, 18. Ant. d'Hekc. II, 124.
in, 133. Zahn, schönste Ornam. 111, Taf. 92. 100. (sogar die
der Kaiser sind oft ohne dieselbe, Mus. Borb. IV. t. 37.), an-
dere eine sehr niedrige, wie Mus. Borb. VIII. 5., noch andere
eine; hochragende und zwar theils vorwärts gebogen, theils
nach hinten geneigt. Meist aber ist sie halbrund (darum auch
arcus genannt, Tac. Ann. XV, 57.), um den Kücken gleichsam
zu umfassen und weitgespannt, z. B. Mus. Borb. XIII, 21, 3G.,
selten gitterartig gearbeitet, wie Mus. Borb. XII, 3. Auf den
»Ritzen liegen Polster oder Kissen, welche beweglich zu sein
scheinen und desshalb mit breitem und schmalem Band be-
festigt wurden, wie man auf den beiden zuletzt genannten
Bildern, aber auch auf anderen ganz deutlich sieht. Vergl.
Zahn, a. a. O. IH, Taf. 58. 93. Die Gestelle aller Stühle
waren von Holz (oft kostbar plattirt und eingelegt mit Elfen-
bein u. s. w.) oder von Metall gerade Avie die lecti. Vgl. über-
haupt CiiiMENTELL. marmor I*isanum de hon. bisellii. Bo-
non. 16G6.
Bänke {scaiima und subsdlia, Varro L. L. V, 168. Isid.
XX, 11.) wurden von dem vornehmen Römer im Hause wohl
gar nicht gebraucht, ausser in den Bäd(!rn oder wo sie vor
dem lectus standen, um das Besteigen des Lagers zu erleich-
tern. IsiDOR. und Varro. Eine besondere Art sind die suh-
sellia cai/iedraria , bequemere Bänke mit Lehnen, welche
Paull. Dig. XXXUl, 10, 5. nennt, nebst tapetis zum Be-
decken der Polster. Das sind die tegumenta subselliorinn bei
Ulp. Dig. XXXIV, 2, 25. § 1. Auch in den öffentlichen Bä-
dern fehlten .sie nicht, Paull. rec. sent. 111, G, 65. und in
I'ompeji haben sie sich gut erhalten, s. den ersten Excurs zur
siebenten Scene. Im Mus. Borb. IV. t. 47. t. A. sind hölzerne
Bänke abgebildet, von denen die eine sehr zi<'rliche Füsse hat.
Auf den häuligen Gebrauch der lüüike im öffentlichen Leben,
namentlich bei Gericht und im Theater hinzuweisen, würde
übertiüssig sein. Chimkntkll. c. 21. 22. iScabrlla (voh scain-
miiii (^uiNCT. [, 4, 12.) liiessen die kleinen Fussbänke, welche
sich oft vor den Sesseln hef;uiden, (d)enso niedrige lange Fuss-
302 Dritter E x c u r s zur zweiten S c e n e.
polster, IsiDOR. 1. 1. , aucli hypodia^ Paull. III, 6, 65. Chimen-
TELL. c. 29. Zahn, schönste Ornam. HI, Taf. 58. 92.]
Tische.
In keinem Stücke des sämmtlichen Hausgeräthes scheint
ein grösserer Aufwand Statt gefunden zu haben, als in den
Tischen, und man würde, wenn nicht die ernstesten, glaub-
würdigsten Schriftsteller uns die bestimmtesten Nachrichten
darüber gäben, die ungeheuere Verschwendung kaum für
möglich halten können. Vorzüglich kostbar waren die mono-
podia oder orbes und ahaci. Die mo7iopodia, welche nach Liy.
XXXIX, 6. und Plin. h. n. XXXIV, 3, 8. mit dem übrigen
Luxus aus Asien nach Eom kamen, waren Säulentische und
hiessen orhes, nicht weil sie überhaupt rund, sondern weil sie
als massive Scheiben vom Stamm seinem ganzen Durchmesser
nach geschnitten waren. Vor allen anderen Holzarten war
dazu das Holz des citrus beliebt, \inensa citrea, Cic. Verr. IV,
17. Petron. 119. Mart.X, 80. 98.], worunter jedoch keines-
wegs der Citronenbaum zu vei-stehen ist, Avie Mazois, Pal. d.
Sc. S. 231. u. A. sagen. Vielmehr war es die Thuia cypressio-
des^ &via, {^vor [Lebensbaum], wie sich aus Plin. XIII, 16.
ergiebt, der weiterhin den eigentlichen citrus ausdrücklich da-
von unterscheidet. Vergl. Billerbeck, Flora class. S. 234.
[Lenz, Botanik der alten Griechen u. Römer. Gotha 1859, S.
362 ff.] Dieser Baum fand sich besonders in Mauretanien (da-
her: secti Atlantide silva orbes. Luc. X, 144. [IX, 426 ff.]
Mart. XIV, 89. [IX, 22, 5.] vgl. überhaupt auch die Erklärer
zu Petr. 119. S. 723.) von bedeutender Stärke, wie sie der
Citronenbaum nie erreicht. Plinius führt c. 15. Scheiben von
fast vier Fuss Durchmesser an, die in einer Dicke von fast
'/o Fuss vom Stamme geschnitten waren. Sie erhielten nicht
wie andere Tische mehrere Füsse, sondern Avurden von einer
elfenbeinernen Säule getragen (rnc'cTTS^ai sXsqxivruTzoSeg , Luc.
Gall. l4.) und hiessen daher monopodia. Liv. XXXIX, 6.
[luv. XI, 122.
latos nisi sustinet orbes
Grande ebur et magno sublimis pardus hiatu.
Das Haus geräthe. 303
Mart. II, 43, 9.
Tu Libycos Indis suspendis dentibus orbes;
Fidcitur testa fagina mensa mihi.
Da die Thiiia selbst in den Wäldern des Atlas selten so stark
gefunden wurde, dass eine Scheibe von ibrem Stamm einen
leidlichen Tisch abgeben konnte, so waren sie ungeheuer
theuer. [Sen. de ben. VII, 9. mensas et aestimatum Ugmnn
senatoris censu. luv. I, 137 fg. Tertull. de pall. 5.] Plinius
erzählt , dass selbst Cicero einen damals noch vorhandenen
mit 1,000,000 Sesterzen [50,000 Thaler oder ganz genau
57,500 Thlr.] bezahlt habe: Exstat hodie M. Ciceronis in iUa
paupertate , et qiiod magis mirum est, illo aevo emta sestertium
decies centejiis millibus. und führt noch bedeutendere Beispiele
an: Interüt nuper incendio a Cethegis descendens, sestertium
quatuordecies centenis millibus permiitnta, latifundii taxatione.,
si quis praedia tanti hiercari malit. [70,000 Thaler richtiger
fast 80,000 Thlr.] (Ich bemerke hierbei, dass ich bei der
Reduction der römischen Münze durchaus Letronne in seinen
Considerations generales sur Tevaluation de monnoies grec-
ques et romaines. Par. 3 817. folge, und darum die Summen in
Francs angebe. Auf kleinere Differenzen kommt es für solchen
Zweck nicht an , und so macht es denn auch keinen grossen
Unterschied, wenn man 5 Sest. auf den Franc, 18 auf den
Thaler, 10 auf den Gulden rlu'iu. rechnet. Nach dieser unge-
fähren Berechnung geben also z. B. 4(»0O Sest. 800 Francs
(eigentlich 818 Fr. 33 cent.) oder 2222/9 Thaler oder 400
Guhh^n rhciu. [ In der neueren Ausgabe ist die Reduction
nach Thalern und 8gr. vorgezogen und zwar der Sesterz zu
IV2 ^K^-\ — Anderwärts hndcii sich die auffallendsten lie-
ductionen. So giebt WiiEsikmanx, S. "J(i]. den l*reis von
Cicero's Tisch auf 1)3,000 Tlilr. an und Br>rri(iEK, Sab. 11,
S. 32. auf 80 IMund Stcl.! Dafür wäre nun wohl kein laii-
fundiiini zu kaufen gi^wcscn. Für die genauere Berechnung
ist am Sddusse des ersten Tlieiles die Reductionstafel [nach
M0MM8E.N der Denar oder 4 Sesterzen zu 6^ 4 Sgr.] beigefügt
worden). — Am k<istl)arsten waren die nahe von dei- Wurzel
304 Drittel' Excurs zur zweiten Scene.
weggeschnittenen Scheiben, nicht nur Aveil der Baum dort den
grössten Umfang hatte, sondern auch weil er als Maser ver-
schiedenartig gezeichnet war. Plinius führt an: tigrinas, pan-
therinas^ undatim crispas, pavonum caudae ocidos iinitantesj
apiatas mensas. Vgl. Petron. 1. 1. Sen. 1. 1. — Die Tische
waren aber theils zu kostbar, theils aucli nicht gross genug
für den Gebrauch bei der Mahlzeit, obgleich sie auch dazu
dienten, wie man schon aus Mart. IX, 60, 9. sieht-, darum
wurden grössere von gewöhnlichem Holze gefertigt und mit
dem Holze jenes citrus fournirt, und selbst Tiber hatte nach
Plinius nur einen solchen, operimento laviinae vestitam. Vgl.
XVI, 42, 84. Quae in laminas secantur, quorumque operimento
vesfintur alia materies^ praecipua sunt citrwn, terebinthus etc.
Der Kostbai-keit wegen wurden die citreae, um sie vor
jeder Beschädigung zu bewahren, mit Tüchern aus dickem,
zottigem Leinenzeuge, gausape bedeckt, Mart. XIV, 138. mit
dem Lemma Gausapa villosa:
Nohilius villosa tegant tibi lintea citnim;
Orbibus in nostris circulus esse potest.
So standen sie auch in den Läden der Verkäufer. Mart. IX,
59, 7. mensas et ojjertos exuit orbes. Diese Gausape war nicht
selten purpurfarbig. [Varro ed. Müller fragm. 19. p. 269.]
S. Heind. und WuESTEM. zu Hör. Sat. H, 8, 11. Sie diente
auch zum Abwischen. [Hör. a. a. O. Lucil. bei Priscian IX,
p. 870.]
Die kleinen Tische dagegen, deren man sich bediente,
um entweder beim Mahle oder auch nur zur Schau das kost-
bare Geschirr auszustellen {exponere argentum)^ hiessen abaci.
Dieses Wort griechisch bedeutet überhaupt eine Platte oder
■Tafel, gewöhnlich aber mit dem Nebenbegriffe, dass ein er-
höhter Kand sie umgiebt. [Diese sind die kostbaren coronae
mensarum bei ULP.Dig.XXXIV,2,19. § 14. Faber, Semestr.
III, 25.] Daher hiess die Rechentafel, das Würfelbret abacus,
und so auch die glatten viereckigen Felder in dem künstlichen
Marmorputze (teetorium) der Wände. Vitr. VII, 3, 10. Die
Bestimmung der abaci als Tische ergiebt sicli klar aus Cic.
Das Hausgeräthe. 305
Verr. IV, 16. ab hoc abaci vasa omnia, ut exposita fuerant, ah-
stulit. 25. cum aliquot abacorum faceret vasa aurea. Plin.
XXXVII, 2, 6. vasa ex auro et gemmis abacorum novem. vgl.
Petr. 73. Tbl. I, S. 187. [Sidox. Apoll. XVn, 7.] — Sie
waren gewöhnlicli von Marmor, auch künstlichem, s. S. 251.,
zuweilen von Silber (Petr. a. a. 0.), Gold oder anderem kost-
baren Material, namentlich die Platten, und gewöhnlich von
viereckiger Form. — Unter die abacos gehören auch die men-
sae Delphicae ex maniwre. Crc. Verr. IV, 59. und Marx. XII,
67. (wo ein abaciis gemeint wird)
Aurum atque argci'tum non simplex Delphica portat.
Ebenso [Schol. zu luv. III, 204. Schol. Acr. zu Hör. Sat.
I, 6, 116. PoLL.X, 81. p. 421 Bekk] und die delcfing tmcns^a
bei LuciAN. Lexiph. 7. Indessen ist es zweifelhaft, ob sich der
Xame auf das Material oder die Form bezieht. In Pompeji
sind mehrfach marmorne Tiscbgestelle in der Regel ohne
Platte gefunden worden. An den im Mus. Borb. III. t. 59.
VII. t. 28. mitgetheilten aus Lunesischem Marmor verfertigten
sieht man je zwei von einander abgewendete tragende Greife,
während der Raum zwischen ihnen mit Blumen, Ranken, Del-
phinen und äbnlichen Gegenständen in Relief geschmückt ist.
S. noch Mus. Borb. I, 48. III. t. 30. IV. t. 56. [IX. t. 43.
Eoux und Barr6 Hercul. VI. t. 88.] Man glaubt mit Wahr-
scheinlichkeit, auf sie den schon von Cic. ad Att. VII, 23.
und anderwärts vorkommenden Namen trapezophora (vergl.
Paull. Dig. XXXIII, 10, 3. Iunü. ad Poll. X, 69.) beziehen
zu können und betrachtet sie eben als Delphicas. Vielleicht
trugen diese Gestelle Platten von höherem Werth, wie etwa
von kostbarem Holze, [vergoldete und andere werthvolle Plat-
ten, Paull. Dig. XXXIII, 10, 3. § 3. Ulf. Dig. XXXIII,
7, 12. § 43. Alf. Dig. XXXIV, 2, 28. Marx. III, 31.
Sustentatque tuas aurea mensa dapes.
Doch hatte man auch kleine kostbare Tische, um daran zu
speisen, so besass Seneca 500 TQi'TToSug x^Snimv ivXov f'hqraWi-
7io8ag imw^i x«) öftuiov.;.
In der einfachen Haushaltung des weniger Bemittelten
Broker, Gallus. :<. Aufl. II. 20
306 Dritter Excurs zur zweiten Scene.
gab es natürlich bescheidenere Tische. Diese ruhten meistens
auf drei oder vier Füssen, Hör. sat. I, 3, 13. {mensa tripes)
und hatten eine viereckige Platte, welche Form ursprünglich
die regelmässige und alleinige war. Yakro L. L. V, 118.
Mensam escariam cillibam appellabant. ea erat quadrata ut
etiam nunc in castris est. — Postea rotunda facta. Paul. p.
77 M. Escariae mensae quadratae vocantur, in quibus homines
epidantur. — Der Stoff" war Buchenholz, Mart. II, 43, 9. oder
wo schon eine bessere Einrichtung war, Ahorn, acer, ein auch
bei den Griechen besonders geschätztes Holz {a(f)trdap,vog)^
vgl. Charikles I, S. 247. Hör. Sat. II, 8, 10 fg.
His ubi sublatis puer alte cinctus acernam
Gausape purpureo mensam pertersit.
Mart. XIV, 90. Mensa acerna. Dieses Holz heisst bei Plin.
h. n. XVI, 26. operum elegantia ac subtilitate citro secimdus.
Auch gab es viele fournirte Tische (Plin. XVI, 42, 84. s. oben)
und Tische mit Marmorplatten, Hör. Sat. I, 6, 116. lapis
albus. In den Tabernen waren die Tische (so die mensae lania-
riae, Suet. Claud. 15.) u. a. oft gemauert, s. S. 236. Die pom-
pejanischen Wandgemälde zeigen mannigfaltige Tische, unter
anderen auch mit geschwungenen Rehfüsseu u. s. w. Vgl. im
Allgemeinen Ciaccon. de triclin. mit Ursin. append. an vielen
Orten. Pauly, Eealencykl. IV, S. 1812 fg.
Spiegel.
Ausser den Wandspiegeln, s. S. 258 fg., gab es auch be-
wegliche Spiegel von verschiedener Grösse und mannigfaltiger
Form, welche namentlich der Damentoilette dienten. Ulp. Dig.
XXXIV, 2, 19. § 8. quod (speculum) mulier mundi causa ha-
buit. Am häufigsten waren sie von ovaler oder runder Gestalt
und wurden von den Sklavinnen der Herrin vorgehalten {teuere,
porrigere). Prof. IV, 7, 76. Ovid. Am. II, 215. luv. II, 99.]
Das Material derselben war in der Regel Metall , früher
eine Composition aus Zinn und Kupfer; bei steigendem Luxus
wurden die silbernen sehr gewöhnlich. Plin. XXXIII, 9.
optima apud maiores fuerant Brundisina^ stanno et aere mixtis.
Praelata sunt argentea. Indessen erhielt auch das Silber, das
Das Hausgeräthe. 307
man sonst nur rein dazu verarbeitet hatte, oft einen starken
Zusatz von anderem Metalle. Plix. a. a. 0. Laminas duci et
specula fieri non nisi ex optimo passe creditura fuernt. Icl quo-
qiie tarn fremde corrumpitiir. Allein nicht nur von der Reinheit
des Metalls , sondern auch von der Stärke der Platte hing die
^'orzüglichkeit des Sjjiegels ab, weil solche das Bild kräftiger
zurückwerfen sollten. Vitr. VII, o, 9. Queniadmodum enhu
speculum argenteunt teiiu'i lamella ductum incertas et sine viri-
bus habet remissiones spleiidoris ^ quod autem e solida tempera-
tiira fiierit factum recipiens in se firmis viribus politionem ful-
gentes in aspectu certasque considerantihus imagines reddit, sie
etc. Danach wird daher das zti berichtigen sein , was Beck-
mann, Beitr. zur Gesch. d. Erfind. III, S. 478. von dem dünnen
Silberbleche sagt. Wie stimmte auch damit die Angabe Senec.
Quaest. nat. I, 17. überein: lam libertinorurn virguncidis in
unum speculum non sujfficit illa dos, quam dedit senatus pro
Scipione. [Die hintere Seite der Handspiegel bestand eben-
falls aus Metall, welches gewöhnlich cälirt war. Viele der-
selben haben sich erhalten und zwar meist von griechischer
oder etrurischer Arbeit. Auch hat man bronzene Kästchen
gefunden, in denen die Spiegel lagen. S. Muellek, Archäol.
von Welcker, S. 188 fg. 418. Gerhard, etr. Spiegel. Berlin
1845. und zweite Abtheilung das. 1859. aus den Abhandl. der
Königl. Akad. der Wisscnsch. Rathgeber, über 125 mystische
Spiegel. Gotha 1855. Dennis, die Städte und Begräbnissplätze
Etruriens. Leipz. 1852, I, S. XL III f. Mus.Borb.IX, 14. u. im
Allgemeinen BöTTrtiEU, Sabina, am Ende der zweiten Scene.
Wie der Spiegel vorgehalten wurde , sieht man auf mehreren
Vasen und Wandgemälden, Tischbein, Vas. 1. 1. 10. Zahn, die
schönsten Ornani. II, l.i. die Toilette eines Hermaphroditen.
Drcifüssc.
Audi diese könnte man zum Hausgeräthe rechnen, inso-
fern sie zur Aussclimiickung der Paläste der Grossen dienten,
denn die anderen Anwendungen derselben in den Tem})eln
und so weiter gehören nicht hierher. Ueber die Dreifüsse in
der Küche s. bei dem Kiichengeräthe.] Unter den pompejani-
20*
308 Dritter Excurs zur zweiten Scene.
sehen Gemälden im Mus. Borb. befinden sich zwei, welche
kostbare Dreifüsse vorstellen. Sie sind je mit sieben Statuen
verziert, den Kindern der Niobe , so dass der eine die Söhne,
der andere die Töchter zeigt. Je drei Figuren stehen oder
knien an den Füssen des Dreifusses ; die übrigen vier befinden
sich in kniender Stellung auf den stockwerkartig die Füsse
verbindenden Keifen, tom. YI. t. 13. 14. [Vgl. Mus. Borb. IX,
13. Koux und Barre, Hercul. VI, 90. Einen wunderschönen
bronzenen Dreifuss giebt Zahx, schönste Ornam. III, Taf 38.
Vorhänge.
lieber den Gebrauch derselben im Theater, in Atrien
und Säulenhallen, sowie zum Behängen der Thüren ist bereits
gesprochen worden, Thl. I, S. 83. II, S. 260 f. Man scheint
sich solcher Vorhänge oder Teppiche auch bedient zu haben,
um die Wände u. Decken tapetenartig zu bekleiden. Wueste-
MANKS Erklärung der horazischen suspensa aulaea s. S. 212.
Die Grammatiker sprechen nur im Allgemeinen von solchen
Behängen. Porph. zu Hör. Sat. 11, 8, 54. duia consuetudo
apud anüquos fuit^ ut aulaea sub cavieras ienderent, ut si quid
pulveris caderetj ab ipsis exciperetur. Das Letztere hat er aber
irrthümlich hierher gezogen , denn von Staub kann doch nur
bei den S. 287. erwähnten horizontalen Decken die Kede sein.
Serv. zu Verg. Aen. I, 701. ideo etiam in domibus tendebaniur
aulaea, ut imitatio tentoriorum fieret — unde et in thalamis hoc
fieri hodieque conspicimus. Auf Wandgemälden sieht man der-
gleichen nicht selten und allemal geschmackvoll drapirt, wie
auch auf der Lampe bei Passer, lue. fict. HI, 37. — Ein ganz
besonders feiner schleierartiger Vorhang war das conopium,
eigentlich Mückennetz , dessen sich nur weichliche Menschen
bedienten. Hör. epod. 9, 16. Juv. VI, 80. und Schob Prof.
III, 9, 45. culicare conop.
Schränke und Kisten.
Schränke (armaria, Isidor. XV, 5.) und Kisten (capsae,
arcae Varro L. L. V, 128.), dienten zum Verschluss des Gel-
des und anderer Kostbarkeiten, der Kleider, der Bücher, der
Speisen u. s. w. Paull. Dig. XXXHI, 10, 3. § 1. 2. sunt qui
DasrHausgerUthe. 309
rede piitant, capsas et armaria, si librorum mit vesthim auf
armamentorum gratia parata sint, 7ion esse in supeUectUe etc.
Das CTegentheil aber Paull. rec. sent. III, 6, 67. Ueber die
Bücherschränke s. den ersten Excurs zur folgenden Scene.
Schränke für Kostbarkeiten erwähnt Cic. \). Cael. 21. Tune
aurum ex armario tuo promere ausa es? p. Clu. 64. cum esset
in aedibus armarium, in quo sciret esse nummorum aUquantum
et auri, noctu armarii fundum exsecuit. Petrox. 29. grande
armaiium in angido vidi etc. Plaut. Ej)id. II, 3, 3 fg. Auch
Kleider- (s. obenj und andere Schränke kommen vor, Cato
R. E. 11. armarium promptuarium. Plaut. Capt. IV, 4, 10.
Ueber die Wandschränkchen, in denen sich die imagines be-
fanden, ist Thl. I, S. 35. gesprochen worden. Buchenholz war
dazu sehr gewöhnlich. Plix. h. n. XVI, 84.
Die Laden oder Kisten dienten gerade wie die Schränke
zu allerlei Gebrauch {circa vestiaria Cato K. R. 11. vgl.
SuET. Cal. 59.), am häufigsten kommen sie aber als Geld-
kasten vor, deren Platz gewöhnlich im Atrium war, s. oben
8. 205. Diese waren entweder ganz von Metall {ano oi8t]nov,
App. h. c. IV, 44.), oder nur von Holz, aber mit Metall be-
schlagen, verziert und verschlossen, daher ferrata arca bei
luv. XI, 26. Ulp. Dig. XXXII, 1, 52. § 9. et armariis et lo-
culis claustra et claves cedunt. In Wiesbaden und Mainz sieht
man zahlreiche Beschläge und Handhaben für solche Kisten.
Die Grösse derselben ist daraus zu schliessen, dass der pro-
scribirte Junius oder Vinius in den Geldkasten seines Freige-
lassenen mehrere Tage versteckt wurde und dadurch dem
Tode entging, App. 1. 1. vgl. Dio Cass. XL VII, 7. Suet. Oct.
27. In Pompeji hat man mehrere dergl. gefunden, wenigstens
hatten sich die Beschläge und Verzierungen, criistae, letztere
von getriebener Arbeit, erhalten. Die Beschreibung eines
solchen interessanten Fundes im Hause der mit Figuren ver-
zierten Kapitaler giebt Avellino, descr. di una casa p. 10.
45 ff. S. noch dessen bullet. Xapolet. N. 21. (II, 4.) und N. 36.
(HI, 1.) Ueber die im Hause der Dioskuren gefundenen beiden
Kisten, welche Veranlassung gaben, dem Hause den Xamen
310 JJ r i 1 1 e r E x c u r s zur zweiten S c e n e.
das des Quästor zu geben, berichtet die Relaz degli scavi im
Mus. BoRB. V, p. 7. ZuMPT, über die bauliche Einrichtung
S. 17 fg. — Diese Geldkasten Avaren so gewöhnlich, dass man
jede Baarzahlung ex arca solvere nannte. Doxat. zu Ter. Ad.
II, 4, 13. und zu Phorm. V, 8, 29. Pauly, liealencykl. I,
S. 71G. Die Aufsicht darüber führte der atricnsis (S. 118.) und
in grossen Häusern vielleicht besondere arcarii, Scaev. Dig.
XL, 5, 41. § 17. Stic/ms arcar'ius probante doinino nomiiia
fecit etc., welche Plaut. Aul. III, 5, 45. arcularii nennt.
Orelli Henzen 2890. servus arcarius im kaiserlichen Hause,
2348. 5474. 6301. Dass man die arcas und armaria zuweilen
versiegelte, ist Thl. I, S. 160. bemerkt worden.
Oft werden kleinere Kästchen [cistellae, loculi), Körbchen
{canistra Varro L. L. V, 120.) inid andere derartige Behälter
erwähnt, Isidor. XX, 9. Die Körbchen waren rund oder vier-
eckig und von verschiedenem Stoff, oft sehr kostbar. Cio. ad
Att. VI, 1. splendidissimis canistris. Mus. Borb. VIII, 18.
Kleine häusliche Geräthschaf ten und allerlei
Ge.fässe.
Wir schicken die allgemeine Bemerkung voraus, dass es
eine sehr verbreitct(» Sitte war, diese Gegenstände, namentlich
wenn sie aus Metall oder Thon bestanden, mit einer Inschrift
zu versehen {rasa literata). Wie dieses bei den Backsteinen
und Ziegeln ganz gewöhnlich geschah (S. 180), ebenso häufig
war es bei Lampen (s. den vierten Excurs) , Trinkgefässen
(s. den dritten Excurs zur neunten Scene), Wagen, Gewichten
und Mörsern (s. unten I.), Sonnenuhren (s. den fünften Excurs)
u. s. w. Die Inschriften enthielten theils den Namen des Fabri-
kanten (vorzüglich bei Thon- und Mctallgefassen und durch
einen Stempel bewirkt), theils den des Besitzers, theils allerlei
Sinnsprüche (bei Trinkgefässen) , abgesehen von den einge-
kratzten sogen. Graffiten. S. Fröhner, inscriptiones ten-ae
coctae vasorum. Gotting. 1858. Mommsen, inscrij^t. Neapol.
6303 ff. und in Archäol. Anzeiger 1858, N. 16 f S. 221 ff.
RiTSCHL, de fictil. lit. Lat. Bonn. 1853.
Das Hausgeräthe. 311
I. Verschiedene Geräthe zu allgemeinem Gebrauch.
Deren Zahl ist sehr beschränkt, weil die bedeutendsten
in den folgenden Abtheilungen enthalten sind. Hier bleiben
nur übrig die Mörser aus Stein und Metall, oft mit Ausguss
versehen, viereckig und rund {pila zum gröberen Stossen mit
der Keule püum, mortarium zum feineren Zerreiben Isidop.
IV, 11., Nox. XV, 3-, oft bei Script, rei rust. und Plin. s. For-
CELLiNi u. MoMMSEN, iuscr. Neap. 6303.) und bronzene Schnell-
wagen ißtatera)^ siehe Mus. Borb. I, 56. VIII, 16. Roux und
Barre VT, 96. Overreck, Pomp. S. 316 f Die runde Wag-
schale hängt vermittelst 4 Ketten an dem "Wagbalken, der zu-
weilen in einer schönen Bogenstellung schwebt z. B. bei Nico-
LiNi, Pomp. Vol. II, fasc. 12. Das zum Fortrücken eingerich-
tete Gewicht ist einfach oder sinnreich verziert (so mit dem
Brustbild einer Gottheit) oder in seltsame Form gekleidet (als
Schwein, als Kopf und dergl.) Archäol. Anzeig. 1859, X. 122.
Auch haben Wagen und Gewichte Inschriften, Mommsen, inscr.
Xeap. 6303 (mit Aichungsangaben), Orelli Henzen 4342 ö".
7316 ff. In Darmstadt steht an einem Gewicht Albinus fecit
und vorher SALVIS DD XX. Daselbst sowie in Mainz und
Wiesbaden giebt es mehrere Mörser, an beiden letzten Orten
aber zahlreiche Aexte, Schaufeln, Sägen, Ketten, Fleisch-
hakcn, Bohrer, Zangen, Meissel, Messer, Scheeren, auch öko-
nomische Instrumente, wie Pflüge, Schafscheeren, meistens
den unserigen ganz gleich , dazu eine Masse von bronzenen
Fragmenten u. s. w. S. the arch. journ. 1850, p. 411.
II. Küchengeräthe (coquinatorium instrumentum^
Uli«. Dig. XXXIV, 2, 19. § 12.)
Ij Eigentliche Kochgeschirre hiessen cocida, Paul.
DiAC. h. v. p. 39 M. rasa coquiuaria^ I.sidor. XX, 8., oder
vasa ad coquendum , Ulp. 1. 1. Plix. h. n. XXXIII, 49, 14<).
vnsa coquin. er anji'nto (natürlich selten, dagegen von Erz
häufigj. a) Von eigenth ünil icher Form. Dahin gehört
indiarium (so genannt wegen seiner Aehnlichkeit mit den
Meilensteinen, Pai.lau. V,8. altwu et angiistwn, Colum.IX, 4.)
ein hohes, schlankes, säulenförmiges Gefäss von Metall, um
312 Dritter Exciirs zur zweiten Scene.
schnell darin Wassei* zum Kochen zu bringen, Ath. III, p. 98.
C ed. Casaub. fiih tö eig &eQf^ov vdatog y.areQyaoiav •/M.zuGy.tva-
^ö^ievov, mvoXh^r^Ta ovofjiä^ovrsg. Hexzex , in Rheinisch. Mus.
für Philol. 1853. IX, S. 29 f. Eine besonders künstliche
Einrichtung dieses Gefasses beschreibt Sen. nat. quaest. III,,
24. Dass es auch silberne gegeben hat, sagt Ulp. Dig.
XXXIV, 2, 19. § 12. — Eine griechische Kochniaschine
war authepsa, vermuthlich mit einem Untersatz für die Koh-
len versehen. Sie waren oft sehi- kostbar, wie Cic. p. Rose.
Am. 46. erwähnt {ut, qui praetereunies — audiela7it, fun-
duvi venire arbiträr entur) Lampr. Hei. 18. Böttiger, Sab,
II, S. 29. vergleicht die modernen Theemaschinen damit.
b) Die Form unserer Kessel hatte das ahenum (ver-
kleinert ahenulum, Paul. Diac. h. v. p. 28 M. , so genannt
von dem Stoffe), welches weit und bauchig war, Paul. Dig,
XXXIII, 7, 18. § 3. quod supra fociim pendet. hie aqua ad
potandum calcfit. Serv. zu Yerg. Aen. VI, 218. Dass dieser
Kessel auch zum Kochen der Speisen diente , sehen wir aus
TiTiNN. bei Xon. I, 68. Cocus magtius aenuin, quando fervit^
paula confidat trua. Petrox. 74. gallus allatus est, quem Tri-
malchio iussit, ut aeno coctus fieret. luv. XI, 81. Desgl. für
Färber, Ovid. Fast. III, 822. s. Forcell. Dass das ahenum
ein kleines Casserol mit langem Griff gewesen sei, wie Avel-
LiNO, descr. di una casa p. 63. annimmt, ist unwahrscheinlich.
Auch lebes, eigentlich Becken, ist, Avenn es als Kochgeschirr
diente, Isid. XX, 8. Poll. X, 95., kesseiförmig zu denken^
doch nicht sehr tief. Von allgemeinem Gebrauch war die cor-
tina, ein halbkreisförmiger Kessel (davon cortina theatri siehe
Forcell. h. v.), dessen sich namentlich die Färber bedienten,
Plix. h. n. XXXV, 6, 25. XXXVI, 26, 65 (zum Kochen),
Cat. R. R. 66. S. auch Plix. XV, 6, 6. und Plaut. Poen. V,
5, 11 fg. c) Eigentliche Kochtöpfe. Cacabus (von Me-
tall und von Thon, Col. XII, 41. 46., sogar von Silber, Ulf,
1. 1. Lampr. Heliog. 19.) war ein Topf zum Kochen der Spei-
sen, Varro L. L. V, 127. vas ubi coquebant cibum. Paull.
Dig. XXXIII, 7, 18. § 3. puhne7itarium coquiiur. Dasselbe
Da s Hausgeräth e. 313
liiess olla, früher aida genannt, Paul. Diac. h. v. p. 23. Isid.
XX, 8. NoN. XY, 1. nennt sie capacissimum vas. und Varro
ebend. observare ollam pultis ne adurcäur. Die sonstigen An-
Avendungen der olla s. Forcell. Auch sciitra ist ein Kochge-
schirr, Cato r. r. 157. Plaut. Pers. I, 3, 8 ff. (vielleicht die
griechische yitna.) Cucuma ein grosser Kochtopf, Petrox. 135.
cucuinam ingentemfoco apposuit. Macr. Dig. XL VIII, 8, 1. § 3.
Lasanum bei Hör. Sat. I, 6, 109. ist von Seebode, Scholicn
zu Horatius I, S. 19 ff. und Ussing de nom. vas. p. 98. mit
Recht als Kochgeschirr angenommen worden-, denn nur diess
passt für den sordidus praetor (nämlich damit er nicht einzu-
kehren braucht). Ein bronzener Topf mit Deckel und schönem
Henkel ist abgebildet Mu.s. Borb. IX, 56. ähnlich XII, 58.
und ein anderer nebst dem Dreifuss darunter, Roux u. Barre,
Herc. VI, 53. d) In Form unserer Pfannen. Sartago
wäre nach Isid. 1. 1. a strepitu soni vocata^ qucuido in ea ardet
oleum, eine offene Pfanne, denn man wird das zum Schmelzen
der Speisen nöthige Oel nicht in einem Topf sieden. Plix.
h. n. XVI, 11, 22. ÜLP. 1. 1. von Silber. Flach war auch die
pcüina (eigentlich Schüssel) , in Avelcher einige Speisen ge-
kocht wurden. Plaut. Pseud. III, 2, 51.
Ubi omnes patinae fervont, omnis aperio.
Apic. III, 2. IV, 2. — Der Gebrauch der Deckel {testurn und
testu) war sehr gewöhnlich. Ovid. Fast. VI, 509.
Steint calices, minor inde fahas olus alter habelantj
Et fumant testn preimus uterqiie suo.
Cato K. P. 74. 75. 76. 84. Plix. XXXIII, 7, 26. sub aereo
teste. Abbildungen von Kochgeschirren zeigt das Mus. Borb.
III, 63. V, 44. XII, 59; auf letzter Tafel ist ein unten abge-
rundetes C'asserol mit einem langen zangenähnlichen das Ge-
fäss umschliessenden aber nach Belieben davon abzulösenden
Griffe dargestellt. Einige bronzene Töpfe beschreibt Eixfeld,
über einige im Königreich Hannover gefundene röm. Bronze-
arbeiten in der Sammlung des bist. Vereins. Hannover 1856.
(über olla, trulla S. 1 — 59). Andere enthalten die rheinischen
Museen, ja sogar in Böhmen und Mecklenburg fand man einen
314 Dritter Excurs zur zweiten Scene.
Krug und eine Casserole mit flachem Boden und langem Griff,
s. MoMMSEN, Arcliäol. Anzeiger 1858, N. 116 f. S. 222 f.
2) Andere Geräthscliaften der Küche waren: Drei-
füsse, tripedes, zum Tragen der Töpfe (nach Ussing, p. 98.
wären lasana auch zum Untersetzen angewandt worden, was
aus den betreffenden Stellen keineswegs hervorgeht), kleine
Handmühlen wie unsere Kaffeemühlen (Petr. 74. inola biixea
Ijiper trivit.), Bratspiesse {veru, Varuo, L. L. V, 127.), Roste
{craticula zum Braten, Marx. XIV, 221.
Parva tibi ciirva craticula siidet ofella:
Spumnis in longa cuspide fumat aper.)^
Durchschläge (colum, deren man im Mus. Borb. u. im Mainzer
Museimi findet, auch gab es solche ans Weiden geflochten, Col.
XII, 19.), Trichter {infundibula und infidlhula, Cat. R. R. 10.
11. 13. Col. III, 18. angusto ore. auch von Glas s. Mus. Borb.
V, 15. Roux und Barre, Herc. VI, 78. desgleichen im Wies-
badener Museum) , Siebe {cribrum , vorzüglich für das Mehl,
Pers. III, 112. cribro deciissafarina, Isidor. XX, 8. Verschie-
dene Arten erwähnt Plix. h. n. XVIII, 11, 28. s. Forcell.),
Löffel und Schöpfkellen (die grösseren Messen Iniae , Paul.
DiAC. v. antroare p. 9 M. Truam quoque vocant, quo permovent
coquentcs exta. Titinx. bei Non.XIX, 18. s. oben bei ahenum.
Die kleineren hiessen tridlae. Paul. Diac. p. 31 M. Dacrionem
dicebant genus vasis loiigioris manubrU. Hoc alii truUam appel-
lant. Apic. IV, 2. Cato R. R. 13. nennt tridlas aheneas und
ligneas. Varro L. L. V, 118. trulla a similitudine truae^ quae
quod rriagna et haec pusilla, ut troula^ trulla; hinc Graeci tqv/j-
Xr^v. Trua qua e culina in lavatrinain aqtiam/undunf, trua quod
travolat ea aqua. Hier scheint trua in einem weiteren Sinn
gebraucht zu sein. Ueber trulla als Weinschale s. den dritten
Excurs zur neunten Scene. Vgl. noch Avellixo, descr. di una
casa p. 65 fg. Berxd, Jahrb. d. Vereins der Alterthumsf. im
Rheinland. I, S. 76 ff. über einen in Hagenow im Mecklen-
burgischen gefundenen Schöpf kelleugriff) , Kohlenschaufeln
(von HoR. Sat. I, 5, 36. gQnaiWwi prunaeque batiUum, s. Hein-
dorf, WuESTEMAxx Und DuEXTZER ZU d. St., sowie Casaub.
Das Hausgerät he. 315
zu Script, bist. Aug. p. 224. Eine schöne auf fünf kleinen
Füssen ruhende Schaufel ist im Mus. Borb. X, 64. abgebildet.
Ebendaselbst findet man auch zwei kleine Feuerböcke von
Bronze, mit sauberer Verzierung. Ueber prima und carho s.
IsiD. XIX, 6.) Der Backtrog hiess mactra; doch ist die Lesart
bei Petrox. Fragm. Traj. 74. unsicher.
3) Wassergefässe der Küche. Das Unentbehrlichste
war die uma (ht/dria), unserem Eimer zu vergleichen, welche
ebensowohl zum Holen (Varro L. L. V, 126. in aqua hau-
rienda) als zum Aufbewahren des Wassers diente. Für den
ersten Gebrauch war sie mit zwei beweglichen Handhaben
versehen, welche herabsanken, Avenn das Gefäss hingesetzt
wurde. Die Form war sehr mannigfaltig, denn es gab auch
umae ohne Henkel, wenn sie nämlich nur zum Aufbewahren
des "Wassers bestimmt waren, andere dagegen hatten des Tra-
gens wegen ausser zwei grossen Henkeln noch zwei kleine
Griffe, welche unten nicht weit vom Fusse angebracht waren,
z. B. Mus. BoRB. VH, 31. vergL VI, 31. VIH, 15. III, 14.
Roux und Barre, VI, 71. 74. Letroxne obs. p. 10. 54. Ger-
hard, Berlins antike Denkmäler S. 350 fg. Der Stoff war
Thon, Holz und Metall. Eine bronzene mit sehr elegantem
Band findet sich Mus. B(^rb. XI, 44. Thiersch, Abhandl. d.
Bair. Akad. München IV, Taf. I, N. 1 2. und silberne erwähnt
Cic. Verr. II, 19. liydrias argeitteas. Zuweilen hatten sie In-
schriften, z. B. den Xamen des Herrn. Plaut. Bud. II, 5, 21.
Kam haec (urna) literata^st. eapse cantat quoia sit.
Man trug dieselben auf dem Kopf, Prop. IV, 4, 16.
Uvgabat medium ßclilis urna caput.
oder auf der Schulter IV, 11, 27.
I/i/'eli.r Immeros urgeat nrna )nens.
"Wer Gefässe und überhaupt Laston auf dem Kopfe trug, legte
des Drucks wegen etwas unter. I'aul. Diac. p. 16. Arcuhun
appcllabayit circulum, quem capiti imponehant ad svstitienda
commodius vasa, quae ad sacra publica capite portabantur. und
jj. 45. Caesticillus appellatur circuhis, quem superponit capiti,
qui aliquid est hiturus in capite. und Mlei.leu zu d. St. Minek-
316 Dritter Excurs ziir zweiten Scene.
vixr, sul cercine etc. in bullet. delF inst. 1843. p. 119 — 123.
Auch schüttete man die Eimei- geradezu in den Kessel aus.
Plaut. Pseud. I, 2, 24.
Tu qui urnam Imbes, aquam ingere, face plenum ahenum
sit cito.
Darum wird von den Schöpfgefässen der Danaideu oft urna
gebraucht, obwohl diese eigentlich urnulae heissen sollten.
Varro bei Xon. XV, 8. Item ex aere, ut urnulae äquales. Die
Wassereimer hatten einen besonderen Platz in der Küche, auf
dem sogenannten urnarium, Varro L. L. V, 126. genus mensae
et quadratae vasoii/m vocatuin urnarium ^ quod urnas cum aqua
positas ibi potisainium habebant in culina. Ab eo efiamnunc ante
balineum locus ubi poni solebat, urnarium vocatur. Varro bei
Non. XV, 10. — Andere Schöpfgefässe waren urceus (etwas
kleiner als urna) wn^urceolus. Paull. Dig. XXXIII, 7, 18.
§ 3. urcei quoque quibus aqua iii ahenum infunditur. Cat. R. R.
10. urcei aquarii, lo. ßctiles, Mart. XIV, 106. Urceus ßctilis.
Hie tibi donatur panda ruber urceus ansa.
Stoicus hoc gelidam Fronto petebat aquam.
(Demnach nur mit einem Henkel versehen.) Cat. 13. urceus
aheneus. Diese dienten auch zur Mischung der Getränke.
Mart. XIV, 105. Ein anderes Avar nanns. Paul. Diac. p. 176.
Nanum Graeci vas aquarium dicunt /uonile et concavum, qutd
vulgo voccmt situlum barbatum. Aehnlich Varro L. L. V, 119.
Sitvlus oder situla ist wie urna unserm Eimer zu vergleichen.
In Verbindung mit dem Brunnen wird sit. genannt. Plaut.
Amph. II, 2, 39 f. Epigr. in Anth. lat. I, p. 493. Burm. und
Paull. Dig. XVIII, 1, 40. § G. Cat. R. R. 11. situlum aqua-
rium. Ebenso Vitruv. X, 9. Ferrea catena liabens situlos pen-
clentes aereos. Non. XV, 36. stellt situlus der craterra gleich.
Endlich matella und matellio zum Wasserschöpfen, sowohl in
der Küche gebraucht, als bei Tische behufs der Mischung des
Weins. Plaut, b. Non. XV, 2. Ne tu postules matellam unam,
tibi aquae infundi in caput. Varro L. L. V, 119. matellio a
matula dictiis, qui posteaquam longius a ßgura matulae discessd,
ab aqua aqualis dictus. Paul. v. matellio p. 126 M. Cato R. R.
Das Hausgerät he. 317
10 f. nennt beide Gefässe neben einander. — Einen speziel-
leren Zweck hatte futis, Varuo 1. 1. vas aquarhon futim^ qiiod
in tridinio allatam aquam infundebant. Camella scheint nur
Milchgeföss gewesen zu sein, Ovid. Fast. IV, 779., ebenso
imdctra zum Melken dienend, Yerg. ecl. III, 30. Hör. epod.
16, 40. CoT.LM. Vn, 8.
III. Gefässe für Flüssigkeiten.
Diese werden mit dem allgemeinen Namen vasa umfasst
(Paull. rec. sent. III, G, 8G. ea omnia continentnv quae capa-
citati alicui parati sunt etc.), welches \yort sogar in noch wei-
terem Sinne als Geräthe überhaupt gebraucht wird. Ulp. Dig.
XXXIV, 2, 19. § 10. si vasa sint legata^ non solum ea conti-
nentur, quae aliquid iti se recipiant edendi hibendique causa pa-
ratum^ sed et quae aliquid sustineant et ideo scutellas vel pru-
mulsidaria conti^ieri. — nam vasoniiu appellatio generalis est,
dicimus enim vasa vinaria et navalia. Ulp. Dig. XXXIII, 7,
8 pr. begreift unter vasa sogar aratra, ligo7ies, sarculi u. dergl.
Plaut. Auh I, 2, 17 f. Die Untersuchung darüber ist sehr
schwierig und es würde ein vergebliches Bemühen sein, jedem
uns überlieferten Namen eine bestimmte Form, oder den uns
erhaltenen zahllosen Vasen bestinmite Namen zuAveisen zu
wollen. Die Mannigfaltigkeit der Geffisse ist nämlich unend-
lich gross, nach Form, Grösse, Gebrauch, Stoff, Arbeit, Alter
u. s. w. , so dass es bei vielen sogar misslich ist, die Bestim-
mung derselben nachzuweisen. Es sollen daher hier nur die
allgemeinsten Umrisse, namentlich in Beziehung auf Stoff und
Arbeit, sowie auf die verschiedene Bestimmung derselben ge-
geben werden. Die Hauptquellen über diesen Gegenstand
sind: Varro, Festus, Macrob. (Sat. V, 21), Nonius Mar-
CELLUS XIV., ISIDORUS XX, 4 ff., POLL. X. Gxevi^ TU y.(iT ' (V-
y.i'av '/nr'imfiu etc.), Athen. XI., welche aber selten mit den an-
gegebenen Namensverzeichnissen genaue Beschreibungen ver-
binden. Von neueren Schriften sind zu nennen: Panofka,
recherches sur Ics vdritables noms des vases grecs. Paris 1829.
und Bemerkungen im Bullet, dell' inst. 1832. p. 02 fl'. Ger-
hard, sulle forme dei va^i greci in Annali dell' inst, di c. arcli.
318 Dritter Excurs zur zweiten Scene.
Rom 1836. VIII, j). 147 — 159. und in dem rapporto Volcent.
p. 1 2 flF. Letroxxe , observat. philol. et archeol. sur les noms
des vases grecs. Paris 1833. und Supplement 1838. (Journal
des Sav. 1833 u. 1837. Nov. Dec. 1838. Jan.). De Luynes,
description de quelques vases peints. Paris 1840 (über crater,
cylix, ampliora, lecytbus u. a.), mit der ßec. v. Welcker in
Annali delV inst. 1840, p. 247 — 262. Ussinc4 , de nominibus
vasorum Graec. Havniae. 1844. 0. Müller, Archäol. von
Weleker, S. 409 fip. Thiersch, in Abhandl. der Königl. Bair.
Akad. in München. 1847, IV, S. 26 — 94. Krause, Angeio-
logie, Halle 1854. Abbildungen der gefundenen vasa bieten
DE Rossi, raccolta di vasi diversi. Rom 1713. Piranesi, vasi,
candelabri etc. Rom 1778. Moses, collection of antiq. vases etc.
Lond. 1814, Gerhard, Thiersch, Krause u. andere der Ge-
nannten. Alle diese Schriften haben zwar zunächst nur die
griechischen Vasen im Auge, allein da der Ursprung sehr
vieler römischen Gefässe griechisch ist, abgesehen von den
gröberen nur für das Bedürfniss geschaffenen, so muss man
bei dieser Frage immer auf Griechenland zurückgehen. Mit
der griechischen Kunst kamen theilweise auch griechische
Namen mit nach Italien herüber und die auf den Werken an-
gebrachten griechischen Sujets zeigen noch in der späteren
Zeit die ursprüngliche Heimath z. B. die scyphi Homerici wie
sie Nero hatte. Suet. Ner. 47. s. Bd. I, S. 22.
Was Stoff und Arbeit der vasa betrifft, so hatte man sie
1) von Thon, fictilia^ IsiD. XX, 4., vasa terrena, Plin. h. n.
XXXV, 46. und zwar sowohl von der einfachsten Töpferarbeit
Mart. XIV, 114. s. unten u. rubra parapsis. XI, 27, 5. Cu-
mana suppellex. Horat. Sat. I, 6, 118.; als auch von hohem
Werth, nämlich der Grösse und künstlichen Arbeit wegen
(propter tenuitatem , Plin. 1. 1., d. h. wegen der Dünnheit der
Wände, die uns die grösste Bewunderung abnöthigt; darum
kann man die römischen Gefasse an ihrer grossen Leichtigkeit
erkennen), s. Ruperti z. luv. IV, 131. Plin. 1. 1. quo7iiam eo
pervenit luxuria, ut etiam fictilia pluris constent quam murrina.
Manche kleine Gefässe für Oel, Salben u. s. w. sind an der
Das Hausgerät he. 319
unteren Hälfte künstlich rauh, damit man sie nicht fallen las-
sen kann, Avas bei glatten leicht möglich wäre (im Mainzer u.
Darmstädter Museum zahlreich). Die Kunst des Töjjfers und
Thonbildners blühte schon frühzeitig in Italien und zwar vor-
züglich in Etrurien (Mart. XIV, 98. Vasa Arretbia. Lantus
erat Tuscis Porsena fictiUhus. Roulez, melanges de philol.
Brux. 1842. III, Xr. G.) und Unteritalien, namentlich in Cam-
panien (Hör. a. a. 0.), wo Cumae und Surrentiun sich auszeich-
neten. Mart. XIV, 114. Patella Cmnana.
Ilanc tibi Cumanae rubicimdam pulvere testae.
XIV, 102. Calices Surrentini.
Sed Surrentinae leve toreuma rotae.
XIV, 108. Calices Saguntini.,
doch gab es auch schon zu Numa s Zeiten eine Töpferzunft in
Kom, Plix. 1. 1. Im Norden nennt Plin. Pollentia und Mutina.
Auch mögen attische Töpfer nach Italien übergesiedelt sein,
um in der neuen Heimath nach den alten Typen zu arbeiten.
So ist die einfache Annahme von Gerhard, Lenormant,
O.SA.NX und Krause, Angeiol. S. 190 ff., während Kramer,
Thiersch u. A. behaupten, dass die in Italien gefundenen be-
malten attischen Vasen nur aus Attika stammen könnten und
durch den Handel herübergebracht worden seien. Man arbei-
tete in den genannten Orten die verschiedensten Greräthschaften
und Geschirre, die sich eben so durch ihre Festigkeit, Färbung,
Leichtigkeit und Glasur als durch ihre geschmackvollen und
gefälligen Formen von den heutigen Töpferarbeiten vortheil-
haft auszeichnen. Vorzüglich anmuthig sind die rothen Ge-
fässe aus der von uns sogen, terra sigillata, von unverwüst-
lichem Glanz, welche Mart. XIV, 106. urceus fictilis nennt:
Ilic tibi donatus panda ruher urceus ansa.
u. XIV, 114. s. oben. Wahre Schätze dieser Art enthalten die
Älusccn in Berlin, Mainz, Wiesbaden, Darmstadt u. s.w.
Xamentlich sind die Verzierungen der kunstvoll angefügten
Henkel und der Känder zu rühmen. Bewundcrnswerth model-
lirt ist das Fragment eines aus terra sigillata gemachten Gc-
fäs.srandes, welches Hr. Dr. Linde in Trier besitzt und die
320 Dritter Excurs zur zweiten Scene.
anmuthigste Gruppirung von Blumen und Früchten zeigt, die
sicli in kleinen Bouquets wiederholen, ebenso lieblich als ein-
fach von sich durchschneidenden Halbkreisen eingerahmt.
Auch muss man bedenken, dass die meisten uns ei'haltenen
Ueberreste aus kleinen Städten und den Häusern von beschei-
denen Bürgern oder Soldaten herrühren. Brennöfen (fornax)
hat man mehrmals gefunden z. E. in Pompeji, sowie in Rotten-
burg; aber in Rheinzabern und in Oria (in Campanien) sogar
Töpferwerkstätten, mit vielen Gefässen 1828. s. Bulletino dell'
inst, di c. a. 1834, p. 56. In Eheinzabern (auch in Mainz?)
blüht das antike Töj)fergeschäft bis auf den heutigen Tag in
unerfreulicher Weise fort, Becker, d. Meroving. Kirchhof zu
la Chapelle St. Eloi, Frankf. 1855. v. Hefner, Münchner ge-
lehrte Anzeigen 1855, N. 17 f. 1860, N. 21—24. S. überhaupt
UssiNG a. a. 0. 0. Müller, Arch. v. Welcker, S. 41. 420 ff.
Pauly, Realencyk. HI, S. 472 f. Hausmann, de confectione
vasorum anticp fictilium. Gotting. 1823. Minervini, descr. di
alcuni vasi fittili antichi. Napoli 1846. Overbeck, Pompeji,
S. 259. 320 f. Krause, Angeiol. S. 129—207 (die antike
Kerameutik überhaupt). — Ueber die Terracottalampen siehe
den folgenden Excurs.]
2) Sehr zahlreich waren auch die vasa von Metall.
[Die silbernen und goldenen Geschirre, die gegen das Ende
der Republik überhand nahmen, denn A'orher herrschte grosse
Einfachheit, und P. Cornel. Rufinus wurde 497 aus dem Senat
gestossen, Aveil er 10 Pfund Silbergeräth besass. Gell. XVH,
21. Krause, Angeiol. S. 72 ff.] waren entweder jmra (sine
ullo opere artificis), Plin. ep. IH, 1. luv. IX, 141. Mart. IV,
38. auch levia, luv. XIV, 62. oder caelata^ aspera, toreumata.
Letztere mochten nicht immer von der Hand des Künstlers
sein, dessen Namen sie trugen, s. Tbl. I, S. 24. 40.; genug sie
erhielten durch den Namen mehr noch als durch die Arbeit
ihren Werth. [Die griechische zoQSvrtxij entspricht ganz der
römischen caelatura, und wird nur von der erhabenen Arbeit
in Metall gesagt, wie auch Quinct. II, 21. ausdrücklich aus-
spricht. Plin. h. n. XXXIH, oft. Isidor. XX, 4. Caelata vasa
Das Ha US gerät he. 321
slgnis eminentibus hjtiis extrave expresais a caelo quocl est genus
ferramenti, quod vidgo cilionem vocant. Vor Alters hiesseu die
cälirten Gefösse ancaesa , Paul, Diac. p. 20 M. quod circiim-
caedendo tcdiafiunt. S. Garatoxi zu Cic. Verr. IV, 23. Beckeü,
in Pauly Realencykl. II, S. 41 ff. Müller, Arch. v. Welcker,
S. 432 ff. Dieser Schmuck war entweder mit dem Gefass, an
welcliem er sich befand, aus dem Ganzen gearbeitet (d. h. ge-
trieben oder gegossen und dann cälirt) , von welcher Art die
mit Laubgewiuden verzierten Schüsseln und Becher waren
{Innces pampinatae^ patinae hederatae, discus corynibiatusj Treb.
PoLL. Claud. 17.) oder, die Cälatur befand sich auf einem be-
sonderen Metallstück und wurde erst nach ihrer Vollendung
mit dem Gefäss verbunden. Dazu nahm man Blei als Binde-
mittel, L'LP. Dig. XXXIV, 2, 19. § 3. 4. Paull. Dig. VI, 1, 23.
§ 5. Solche Reliefplatten hiessen sigilla, Cic. Verr. IV, 22.
und wurden entweder emhlemata oder crustae genannt. Verr.
IV, 23. Die er.steren waren massive Stücke mit erhabener Ar-
beit, welche in das Gefäss fest eingesetzt wurden. (Darum
wurde von den jMosaikbildern der Ausdruck gebraucht emhlema
vermiculatwn, s. oben S. 247.) So sagt Ulp. Dig. XXXIV, 2,
19. § 5. emhlemata aurea (in argento). § 6. aurea emhlemata
quae in apsidibus argenteis sint. ebenso Paull. ib. 32. § 1. imd
rec. sent. III, 6, 89. Vasis argenteis legatis emhlemata qiioque
ex auro infixa legato cedunt. Orelli Hexzen 5905. emhlem.
aurea auf einer silbernen phiala. Solche emhlemata meint
Sek. ep. 5. argentum in quod solidi auri caelatura descenderit.
Plix. h. n. XXXIII, 55. erwähnt als jyhialae emhlema Ulysses
uiul Diomcdes, das Palhidium raubend. Vergl. Tj!er. Poll.
Tit. in XXX tyr. 32. u. s. w. Die crustae dagegen bezeichnen
dem Sinne dieses Wortes gemäss fals dünne Decke überhaupt,
z. B. die Marmorplatte zur Wandbekleidung, die Schuppen
der Fische etc.) dünne PLittcn und Streifen mit und ohne cä-
lirte Arbeit, Avclche nicht sowohl eingelegt, als darauf- und
herumgelegt wurden. So z. B. wird man einen iim das Gefäss
herumgelegten Kranz von getriebener Arbeit nur crusta aber
nicht emhlema genannt haben. Die crutita war dünn M"ie eine
Becker, Galluä. 3. Aiirt. II. ■_. 1
322 Dritter E x c u r s zur zweiten S c e n e.
Fournüre, das emblcma war compakt und massiv. Solche
Streifen meint Paull. Dig. XXXIV, 2, 32. § 1. cymbia argen-
tea criistis aureis illigafa, während es bei emblem. infixa heisst.
Paul. p. 53 M. Crustariae taberjiae a vasis potorüs crustatis
dictae. Mit Recht glaubt Becker a. a. 0. S. 347. dass Cic.
Verr. IE, 24. diesen Unterschied im Sinne gehabt habe: ita
Seite i?i aureis poculis illigabat (nämlich crustas), ita apte in
scyphis aureis includebat (nämlich emblemata). S. Salmas. ad
Solin. j). 736. Ernesti clavis Cic. v. crusta. — Tiberius ver-
bot den Ausdruck emblema als unlateinisch, Suet. Tib. 71.
Dio Cass. LVII, 51. allein er blieb natürlich im Gebrauch.
Martial. III, 41.
Inserta phialae Alentoris manu ducta
Lacerta vivit, et timctur argentum.
— Vasa aurea werden zwar auch erwähnt (Tac. Ann. II, 33.
Ulp. Dig. XXXIV, 2, 27. § 4.), aber die argentea waren natür-
lich weit häufiger. Zu Pompeji fand man mehr als 100, grossen
Theils herrlich ciselirt, s. Quaranta, di quattordici vasi d'ar-
gento dissott. in Pomp. Napol. 1837. Mus.Borb. X, 14. XI,45.
XIII, 49. u. a. AvELLiNO, bull. Nap. X. 7. Zahn, schönste
Ornam. III, Taf. 28. (mit wundervoll getriebenen 1835 in
Herkulanum gefundenen Vasen und Bechern, von denen eine
Homers Apotheose darstellt). Wieseler, in Annali dell' inst,
di corr. arch. 1852. XXIV, S. 216 — 230. über eine silberne
Vase von Vienna. Einen reichen Fund machte man in der
Norman die (aus dem Tempel des Mercur in Canetum), le Pre-
VOST, mem. sur la collect, de vases antiques trouves en Mars
1830 a Berthouville , in den mem. de la soc. des antiquaires
de Normandie. 1831 bis 1833. Caen. I, p. 75—168. Andere
s. Müller, Arch. S. 435. Krause, Angeiol. S. 88 — 100 (goldne
und silberne vasa). Thiersch, in Abh. der K. Bair. Akad. in
München V, S. 105—140.]
Die von Martial mehrfach erwähnten chrysendeta wer-
den von Ursinus, Append. ad Ciacc. de tricl. p. 366. Turneb.
Adv. XIV, 3. Salm, ad Vopisc. Saturn, p. 729. unrichtig für
Trinkgeschirre erklärt. Es waren vielmehr flache Geschirre
Das Hausgerät he. 323
zum Auftragen der Speisen; wenigstens werden sie in keiner
andern Beziehung von Martial genannt. II, 43, 11.
Immodici tibi flava tegant chrysendeta mulli.
Ders. XIV, 97. Lances chrysendetae.
Grandia ne viola parvo chrysendeta mullo.
vgl. VI, 94. — DA- Xame selbst, und die Bezeichnung flava
lassen vermuthen, dass es Silbergeschirre mit goldenem Rande
waren, vielleicht auch mit eingelegter goldener Arbeit, von
denen oben gesprochen worden ist.
Sehr gesucht waren die vasa von korinthischem Erze,
s. Bd. I, S. 39. [Am zahlreichsten waren natürlich die bron-
zenen Geschirre, von denen das Museum Borb. im Saale der
Bronzen eine grosse -Masse enthält. Trotz des geringeren
Stoffes zeigen auch diese fast durchgängig graziöse Verhält-
nisse und herrliche Ciselur. Selten tindet man jjlumpe oder
bizarre und manirirte Formen und die Verzierungen sind
meist ungemein lieblich, namentlich die der Henkel. Die
deutschen Museen haben prächtige Exemplare aufzuweisen
und ausserdem eine Masse von Henkeln, z. B. in Mainz und
Wiesbaden , siehe auch Jahrb. des Vereins v. Alterthumsf. im
Eheinland VI, S. 193 ff.]
3) Gemmengefässe.
Man darf zwar durchaus nicht glauben , dass überall, wo
Gefässe von Amethyst etc. vorzüglich von Dichtern genannt
werden, wirkliche Edelsteine zu verstehen seien; indessen gab
es dergleichen auch, natürlich, aber nur kleine, z. B. Becher.
Man denke nur an das sogenannte [in Braunschweig ver-
schwundene] Mantuanische Gefäss [von Onyx]. Montfauc,
Ant. expl. tom. II, p. 181. Böttiger, kl. Schriften H, S. 306 fg.
[Müller, Arch. v. Welcker, S. 359. 443. Cic. Verr. IV, 27.
Erat etiarn vas vinariurn-^ ex uua gemma pergra)idi, truUa exca-
vata, mnnubrio aureo. Proi*. III, 3, 26.
Nee bihit c gemma divite nostra sitis.
Verg. Georg. II, 506.
Ut gemma bihat et Harrano indormiat ostro.
Appul. Met. II, )). 123 Elm. gemmas formatas in pocida. Na-
21*
324 Dritter Excurs zur zweiten Sceue.
mentlich müssen kleine Onyxgefässe für Salben und Oele häufig
gewesen sein, so dass onyx so viel als Salbengefäss überhaupt
hiess. HoR. od. IV, 12, 17. Nardi parviis onyx eliciet cadum.
Prof. III, 8, 22. murreus onyx. II, 10, 30. plenus onyx. Marx.
VII, 94. XI, 50.
Profertur Cosmi nunc mihi siccus onyx.
Der Putoria von Lycbnis (d. i. eine Art von Rubin oder Kar-
funkel) gedenkt Plin. b. n. XXXVII, 30, 104.]
Weit häufiger waren die mit Edelsteinen besetzten, gem-
mis distincta, Cio. 1. 1., oder aus vielen in Gold gefassten Ca-
meen zusammengesetzten, XiOoy.6lXrjTa, %QVGoy.6lhita. Appian.
Mitbr. 115., deren namentlich bei späteren Dichtern sehr häufig
Erwähnung geschieht. [Plin. XXXIII, 2. turha gemmarum po-
tamus et smaragdis teximus ccdices. XXXVH, 6. vasa ex auro
et gemmis und genimata jjotoria. Marx. XTV, 109. ccdices gern-
mati. luv. X, 26 fg. V, 43. AusQx. e^jigr. 8.
Fercula gemmatis cum poneret horrida vasis.
Ulf. Dig. XXXIV, 2, 19. § 13. Cedent igitur gemmae phicdis
vel lancihus, inclusae auro argentove, ähnlich § 20. Paull. rec.
s. in, 6, 88. Von den Gemmen und deren Bearbeitung han-
deln Pauly, Eealencykl. III, S. 673 — 691. Müller, Arcli.
v. Welcher S. 168. 244 fg. 438—145. Eine Hauptrolle spielten
Onyx und Sardonyx imd manche schöne Exemplare haben sich
davon erhalten. Onyxschalen s. Mus. Borbon. XII, 47. Gar-
GiULO, intorno la tazza di pietra Sardun, Orient. Xeap. 1835.
Thiersch, in Abb. der K. Bair. Akad. in München 1837, 11,
S. 65 — 106 (Berliner Schale). In der Pariser Bibliothek be-
findet sich ein grosser Becher von Sardonyx und in Wien eine
wundervolle Achatschale s. Krause, Angeiol. S. 14 ff. Der
Sardonyx hat seinen Namen von sarda und onyx. Der erste
Stein, Sarder oder Karniol von dunkler rother Farbe, ziemlich
gewöhnlich, von Sardes so genannt war bei den Römern als
Ringstein sehr beliebt, Plin. h. n. XXXVII, 31, 105 f. Onyx
war dunkel mit weissen Streifen oder Adern durchzogen
(Plix. h. n. XXXVII, 24, 90 f. variasque cum lacteis zonis ha-
bere venas.) und hatte manche Varietäten. Sardonyx hiess
Das Hausgeräthe. 325
ein aus mehreren Lagen oder Schichten bestehender edler
Stein und die Aufeinanderfolge der Farben war sehr verschie-
den, Plin. h. n. XXXVII, 23, 8ß ff. Martial. IV, 61. Isidok.
XVI, 8. sardonyx ex duum nominum socieiate vocata est. Est
enim ex onychis candove et sardo. Coiistat autem tribiis colorihiis
cett. Xoch mehr als zu Gefässen wandte man diese Steine zu
Siegelringen und grossen Kameen an (^Iart. II, 29. sardony-
chata raanus. XI, 37. Plin. a. a. O.), von denen sich in Wien,
Paris, Petersburg kostbare Exemplare finden, BöTTrcfEK, kl.
Schriften II, S. 131—151. Krause, Pyrgoteles, Halle 1856.
S. 244 — 276. 465 ff. üeber die Steine siehe ferner Köhler,
Untersuchungen über Sard, Onyx und Sardonyx der Alten,
Götting. 1801. u. kl. Abli. z. Gemmenkunde, in gesammelten
Schriften v. Stephani, Petersburg 1851, IV. Dagegen Brück-
mann, Abh. V. d. Edelsteinen S. 28 ff. 246 ff. und Beiträge
dazu S. 279. und vorher v. Veltheim, über die Onyxgebirge
des Ktesias, Helmstadt 17'.»7. u. Sanujil. v. Aufsätzen, Heimst.
1800, n, S. 203—263.
4) Bernsteingefässe gab es ebenfalls nur in kleinen
Verhältnissen. Mart. IV, 32. De ape electro iitclusa.
Et leitet et lucet Phaetliontide condita gutta,
üt videatur apis nectare clausa suo.
Auch Avurden Metallgefässe mit Bernstein verziert, Paull.
Dig. XXXIV, 2, 32. § 5. vasis electrinis legatls nihil Interesse,
quantuhi ea vasa,^de quibus quaeritur, argenti aut electri ha-
heant, sed utruin argentum electro an electruia argento cedat?
Mart. VIII, 51.
Vera minus jlavo radiant electra metallo,
Et niveum felix pustula vincit ebur.
Darauf bezieht sich luv. V, 37 fg. XIV, 307. S. I, S. 23.
Müller, Arch. v. Welcker S. 438. Tölken, Leitfaden für die
Sammlung antiker Metallarbeiten im Mus. zu Berlin, S. 43,
N. 398. Krause , Pyrgoteles S. 9ü ff. — Seltener scheint
Elfenbein zu Gefässen oder deren Verzierung angewandt
worden zu sein, .siehe Mart. 1. 1. XIV, 78. Orell. 3838.
pyxidem eborearn^
326 Dritter Excurs zur zweiten 8cene.
5) Gefässe von Glas.
Die künstlichen Glasarbeiten, welclie besonders Alexan-
drien lieferte, scheinen alle Geschicklichkeit unserer englischen
und böhmischen Glasschleifer [vüriarü genannt, Grell. 4299.]
in Schatten zu stellen. [Mart. XII, 74.
Cu7n tibi Niliacus portet crystalla cataplus.
i)ic. p. Rah. 14. wird der Transport der Glaswaaren von Alexan-
drien nach Italien erwähnt. Treb. Poll. Claud. 17. calices
Aegyptios operisque diversi. — Vop. Tac. 11. vitreorum diver-
sitate et operositate vehementer delectatus est. S. oben S. 265.]
Man wusste zuvörderst so gut als wir , dem Glase jede belie-
bige Farbe zu geben und die Edelsteine geschickt nachzu-
ahmen [sogen. Glaspasten]. Thl. I, S. 25. [Krause, Pyrgo-
teles S. 100. 219 flf. Angeiol. S. 37 ff. Nöggerath über die
Kunst, Gemmen zu fäi'ben in den Jahrb. d. Vereins v. Alter-
thumsf. im Rheinland, Bonn 1847, X, S. 82. 1846. IX, S. 25 ff.]
Plin. XXXVI, 26, 67. sagt: Fit et albuia (milchweiss?) et
onurrimnil aut hyacinthos sapphirosque imitatum, et omnihus aliis
coloribus. vgl. XXXVII, 7, 26. 6, 22. [Isid. XVI, 15. Strab.
XVI, p. 758. ed. Paris. 1620.], und dergleichen farbige Gläser
sind auch wohl oft zu verstehen, wenn von gemmis die Rede
ist; z. B. die amethystini trientes. Mart. X, 49. Hierher ge-
hören auch die in verschiedenen Farben spielenden, alassontes
[aus Aegypten]. Vopisc. Saturn. 8. Calices tibi alassontes ver-
sicolores transmisi., vielleicht Opalglas oder etwas ähnliches.
Vgl. Beckmann, Beitr. z. Gesch. d. Erfind. I, S. 373 ff. [Schulz,
anforina di vetro con bassirilievi, in Annali dell inst. XI. 1839.
p. 98. sucht darin eine Nachahmung der Murra. Die Selten-
heit dieser Becher ergiebt sich daraus, dass Hadrian befahl,
sie nur bei ausserordentlichen Gelegenheiten zu brauchen.] Am
geschätztesten waren jedoch die crystallina, von ganz reinem,
weissem und durchsichtigem Glase. [Plin. h. n. XXXVII, 10,
29. calices crystallinos. Appul. II, p. 123Elm. hie vitrum fabre
sigillatum (cälii't, s. untcnj, ibi crystallum impimctum, argeiitum
alibi darum et aitrum fulgurans et succinwn mire cavatum in
lapiides, ut bibas. Cai'it. Ver. 10.] Plin. Maximus tarnen honos
Das Hausgerät he. 327
in candido translucentibus , rjuam proxi>na crystalli similitudine.
[LsiD. XVI, 15.] An Krystallglas also [nicht an Bergkrystall,
sogen, wegen seiner Aehuliclikeit mit dem Eis] hat man [mei-
stens] zu denken, wenn crystallina oder crystalla (Mart. IX,
23. [XIV, 111.] XII, 74.) genannt werden, und Avenn es IX,
6<), 13. heisst: turhata brevi crystalliiia vitro, so ist eben ein
unreines, etwa grünliches Stück oder Stelle zu verstehen, wie
I, 54, 6. Aretinae violant crystallina testae. Krause, Pyrgotel.
S. 89. Angeiol. S. 31 ff. Ausserdem verstand man auch das
Glas in verschiedenfarbigen Lagen übereinander zu breiten,
und dieses wurde dann wie der Onyx als Cameo geschnitten.
Plix. XXXVI, 26, 66. \Kx massis rursus funditur in officinis
tingiturque.] aliud flatu ßguratiir, aliud torno teritur^i aliud ar-
genti modo caelatur. Der Art ist die berühmte Barberinische
oder Port land- Vase [aus dem Clrabe des Sev. Alexander],
die lange Zeit für ächten Sardonyx galt. S. Wixckelm. "W.
III, S. 45. mit den Anm. d. Herausg. S. 296 fg., wo ähnliche
"Werke angeführt werden. [Venuti, spiegazione dei bassir.
neir urna sepolcr. d'Aless. Sev. Koma 1756. Müllers Arch.
V. Welcker S. 446.] Abgebildet mit den Reliefs Mus. Capit.
IV. tab. 1 — 4. Darum werden auch so häufig sardonyches veri
genannt. Mart. IV, 61,6. IX, 60, 19. Vgl. auch Beckmann,
Beitr. z. Gesch. der Erfind. III, S. 536 ff. [Xoch schöner als
die I'ortlandvase ist die 1837 in einem Grabe zu Pumpeji ge-
fundene cälirte Glasvase mit blauen und weissen Basreliefs,
trefflich abgebildet von Zahn, Ornamente aller klass. K. E.
t. 53. scliönste Ornam. II, t. 77. und gcscliildcrt von Schulz
a. a. 0. S. 84 — 100. wo auch von der antiken Glasarbeit über-
haupt und von dem technischen Verfahren gesprochen wird.
S. auch I\[us. BoRB. XI, 28. 29. Overbeck, Pompeji S. 433 f.
Buonauotti, obll. sopra alcuni frammenti di vasi ant. di vetro.
Fior. 1716. Müllers Arch. von Welcker S. 445 ff. Boch-
Buschmann, in den publicatiuns de la societe — monum. bist.
Luxemburg. 1850 f. (über die antike Glasfabrikation über-
haupt;]. Sehr schön ist auch das Thl. I, S. 25. beschriebene
Gcfäss, welches gegen da-^ Jalir 1725 im Xavaresischen ge-
328 Dritter Excurs zur zweiten Seene.
funden wurde, und sich zur Zeit der Fea'seheu Lebersetzuiig
der Wiuckelmann'schen Gesch. d. K. in der Sammlung' des
D. Carlo de' Marchesi Trivulsi in Mailand befand. S.
Meyer z. Winck. W. III, S. 293 fg. und d. Abbildung in der
wirklichen Grösse Taf. I.A. — Solche Gefässe wurden dia-
treta genannt [d. h. durchbrochen, mit Glasnetz überzogen,
nämlich nicht angelöthet, sondern mit dem Drehrad gearbeitet,
Jahrb. d. Vereins v. Alterthumsf. im Eheinland, V, S. 377 —
382. XVI, 2. Supplem. S. 123 f.]. Mart. XII, 70, 9. Ulp.
Dig. IX, 2, 27. § 29. Si caUcern diatretum faciendum dedisti,
siqiddem imperit/a fregit^ damni hduria tenehitur etc. Dagegen
hat toreuma (Mart. XI, 11. lepidi torcumata Nili. [XIV, 94.
audacis plebeia torewnata intri.^ und öfter.) eine Aveitere Bedeu-
tung, und kann besonders auf die caelata bezogen werden. Von
diesen künstlichen Arbeiten sagt mit Eecht Mart. XIV, 115.
Adspicis 'mgenium Nili, quibus addere plura
Dum ciipit, ah! quoiies perdidit auctor opus.
[Paul. Diac. j). 115 M. Lesbium genus vasis caelati a Lesbiis
inventum. und diese waren von purpurfarbigem Glase, Ath.
XI. p. 486. Dass man aber eigentlich bei dem Glase nicht
von Cäliren reden dürfe, ist nach Quixct. I, 21. bemerkt wor-
den. Man müsste bei Holz, Elfenbein, Glas, Marmor scidptura
sagen. S. noch d. ersten Excurs zur siebenten Seene.]
6. Vasa murrina.
Dass die Alten über die Substanz ([qy vasa murrina [Avelche
zuerst Pompeius aus dem Schatz des Mithridates mit nachßom
brachte, Plin. h. n. XIII, 7, 23.] selbst nicht im Klaren ge-
wesen sind, das erkennt man deutlich an der Unbestimmtheit,
mit welcher sie sich darüber ausdrücken ; denn die einzige, viel
benutzte Stelle aus Prop. IV, 5, 26.
Seu quae palmiferae mittunt venalia Thebae,
]\Iurreaque in Parthis pocula cocta focis.
abgerechnet, lindet sich keine zweite, die nicht mehr einen
negativen als positiven Gebrauch gestattete. Daher hat es
denn auch unter den Antiquaren jederzeit sehr verschiedene
Meinungen über den Stoff, aus Avelchem diese Geschirre ge-
Das Hausgerät he. 329
fertigt gewesen, gegeben. Viele haben die murra für uatür-
licheu Stein erklärt [z. B. für einen Dendrachat, Onyx, Sar-
donyx u. a.]. So Christ, De murrkinis veterian. LijJS. 1743.
Laxjuixais, Lettre a M. Miliin. Paris 1808. (gegen Bossi,
Observ. snr le vase que Ton cünservoit a Genes sous le nom
de Sacro-Catino etc. Tur. 1807. welcher meint, es sei Glas
gewesen: une espece de verre.) namentlich für chinesischen
Speckstein: von Veltheim, lieber die Yasa Murrina. Heimst.
1791. [und in seinen vermischten antiq. Aufs. I, S. 191 ff.]
Dagegen hat neben manchen anderen Einfällen, die haupt-
sächlich auf Properz sich stützende Meinung bedeutende Ver-
theidiger gefunden, dass es chinesisches Porcellan gewesen sei.
Dahin gehören ausser den älteren [wie die beiden Scaliger
und Salmasiüs]: Mariette, Traite des jjierres grav^es I, p.
218. Böttiger, Morgenblatt. 1810. 13. Apr. [und kl. Schriften
II, S. 152 — 158.] (zum Theil), vorzüglich aber E.OLOFF, Ueber
die ]\Iurrinischen Gefässe der Alten, im Museum der Alter-
thumswissensch. II, S. 519 — 572. mit Buttmanns Aimierk.
Und diese Ansicht scheint in der That die einzig annehmbare
zu sein, und stimmt mit der Gesammtheit der Stellen am besten
überein, wenn mau nur nicht vergisst, dass die Alten selbst
nicht recht wissen mochten, Avas für eine Masse es sei. Eine
nicht unbedeutende Unterstützung erhält sie überdiess, wenn
es wahr ist, was Gell, Pompciana. N. F. I, S. 99. angiebt:
dass das Porcellan bis in die Mitte des sechszehnten Jahrhun-
derts Mirrha di Smyrna geheissen habe. [Wichtiger als die
Stellen des Prop. und Mart. IV, 86. XIV, 113. ist Plin. h. n.
XXXVII, 2, 8. Oriens inurrina miitit. Iiivenhoitiir enim ihi in
jüuribus locis ncc insignihus Parthici regni, praecipue tarnen in
Carmauia. Ilumorem j)i<^fci}it suh terra calore densari. Amjjlitu-
cline nusquam jyarvos excech.mt ahacos, crassitudine raro quanta
dictum est vasi potorio etc. und XXXIII, 2, 5. murrina et cristal-
lina ex eadem terra ej/hdiinus, qidbus jyrctiinn faceret ipsa fra-
gilitas. Daraus geht hervor, dass Plinius nicht an ein künst-
liches Fabrikat dachte. Unter den Mineralien aber jtasst
keines besser zu Plinius' Beschreilnuig, als der Flussspatli,
330 Dritter Escurs zur zweiten Scene.
aus welchem in England ganz ähnliche Gefässe gemacht wer-
den. Er ist weich, zerbrechlich, matt glänzend u. s. w., ganz
wie Plin. angiebt. Diese Ansicht ist jetzt die herrschende und
von Abel-Eemusat, Koziere, Corsi, Creuzer, v. Leonhard,
HüLLMANx u. A. ausgesprochen worden. S. v. Minutoli und
Klaprotpi, über antike Glasmos. Berlin 1817. v. Minutoli,
über d. Anfertigung und Xutzanwend. d. färb. Gläser bei den
Alten. Berlin 1836. Thiersch, in d. Abh. der K. Bair. Akad.
der Wissensch. 1835. I, S. 439—509. Schulz, in Annali dell'
inst. XL 1839. p. 97 ff. Walz, in Pauly Kealencykl. V, S.
253 ff. Krause, Angeiol. S. 22 — 31. Lenz, Mineralogie der
alten Griech. u. Römer. Gotha 1861, S. 160. S. auch Sciimie-
der, über die Murrina. Brieg 1830. — Die römisch. Juristen
erklärten, dass die murrina (obgleich von sehr hohem Werthe,
Plin. XXXVII, 2, 7.) nicht unter die Gemmen zu zählen
seien, wohl aber gehören sie zu der supellex, s. oben S. 282.]
Es gab ächte und unächte Murrina, letztere vermuthlich aus
einer ähnlichen Glasmasse-, wie denn Plin. XXXVI, 26, 67.
wo er die verschiedenen Glasflüsse aufzählt, auch sagt: Fit et
album et murrinum etc. [Wahrscheinlich bezieht sich auf diese
Nachahmung die oben citirte Stelle des Properz. S. v. Minu-
toli, Thiersch, Walz S. 258 ff.
In Beziehung auf die verschiedene Bestimmung der Ge-
fässe unterscheiden wir folgende Hauptarten:
1) Vasa zum Aufbewahren von Flüssigkeiten in
Kellern, Kammern, Tabernen, theilweise auch zum Transpor-
tiren sind a) grössere: doli, cadi, amphorae, lagenae, welche,
da sie vorzugsweise Wein enthielten, in dem vierten Excurs
z. neunten Scene näher besprochen werden sollen, b) kleinere
Gefasse zur Aufbewahrung, jedoch gewöhnlich nur auf kurze
Zeit, indem der Inhalt bald benutzt wurde. Hierher gehört
die ampulla (ßofißvlo^- , X/j-AvOog, hjXvüiov) von kurzer gedrun-
gener Gestalt, ganz ähnlich unsern kurzen Flaschen, welche
einen engen Hals haben (etwa wie Bulle). Plin. ep. IV, 30.
Quod m amiJulUs ceterisque generis eiusdem videmus accidere,
quibus 710)1 /lians, nee statim patens exitus. War sie zum An-
Das Haus gerät lie. 331
hängen bestimmt, so Latte sie einen Henkel. Voss zu Mal.
II, 6. Darin bewahrte man Oel (zum Baden), Appul. Flor. II,
9. p. 346 Elm. fahricatum sibimet ampidlam quoque oleariain
quam gestabat leiiticidari forma (linsenförmig) , tereti ambitu,
pressula rotunditate. Mart. ITT, 82, 26. Cic. de Fin. IV, 12.,
Essig (Plix. h. n. XX, 14, 54. amjndla vitrea aceti) und Wein.
Ja man trank sogar aus der Flasche, Mart. VI, 35.
At tu multa diu dicis, vitreisque tepentem
AmpuUis prjtas semisuphnis aquam.
SuET. Dom. 21. Namentlich geschah dieses auf der Keise,
Plaut. Merc. V, 2, 86. vgl. Pers. I, 3, 43. Zu diesem Behufe
hatte man auch Lederflascheu, scorteae artipidlae, Fest. v. ru-
bidus p. 262 M. Col. VIII, 2. ampidlaceo corio. In den Museen
sieht man gläserne Feldflaschen, die den unsrigen ganz gleich
sind und von den Soldaten gebraucht wurden z. B. in Wies-
baden. Abbildungen verschiedenartiger gläserner u. thönerner
ampullae (denn der Hals war bald kürzer, bald etwas länger
und die Grösse sehr mannigfaltig) giebt Avellino, descr. di
una casa, Tab. X. und dazu p. 70 fg. 8. Ussing S. 73 f.
Schöne Originale besitzen die Museen von Mainz, Dax-mstadt,
Wiesbaden u. s. w.
Einen beschränkteren Gebrauch hatte cdabastrum, welches
nur Salben und Oel in sich aufnahm (vas unguentarium DiG.
XXXIV, 2, 2611. § 10). Dieses Gefäss war cylinderförmig,
nach oben aber abnehmend und stets ohne Henkel, Plix. h. n.
IX, 35, 56. elenchos appellant fastigata longitudine, alabastro-
rum figura in pleniorem orbem desineiites. und XXI, 4, 10.
wendet er diese Aehnlichkeit bei Beschreibung der geschlos-
senen Kosenkelche an, quo (cortice) mox inlumescente et in vi-
rides alabastros fastigato, daher graciles alabastri gen. Orelli
4832. Es bestand aus Onj-x (darum auch schlechtweg onyx
genannt, s. oben S. 324.), Alabaster und anderen Steinarten,
auch aus Glas. Nach der Ansicht Mehrerer ist der Name von
« und ?.«,5;/ abzuleiten, wegen des mangelnden Henkels (so
Creuzer, deutsche Schriften 2. Abtli. III, S. 28 ff', u. Ahekex,
Mittelitalien S. 269. nach Val( ki;x. SlIioI. zu Luc. ev. p.
332 Dritter Excurs zur zweiten Scene.
162 fg.); Andere glauLen, dass das Getass von dem Material,
aus dem es gewöhulicli v^erfertigt worden sei , den Namen er-
halten habe, so Ussing S. 70 fg. Umgekehrt 0. Mijller,
Arch. V. Welcker S. 410., dass der Stein erst von dem Gefässe
den Namen empfangen habe. Die Bestimmung dieser Gefässe
erhellt aus Cic. b. Non. XV, 17. quibus etiam alabastcr plenus
ungucnti putere videatur. Mart. XI, 8. Quod Cosmi redolent
alabastra. Plin. h. n. XIII, 2, 3. Unguenta opthne servantur
in alabastris, und XXXVI, 5, 12. hunc aliqui lapidem cdabas-
tritem vocant, quem cavant ad vasa uugiieiitaria, quoniam optime
servare incorruj)ta dicitur. Mau pflegte die alabastra in Riemen
zu tragen und hatte besondere Gestelle für sie {dXa^aoroih'^xij),
s. Creuzer a. a. 0. und Gerhard, Berlins antike Bildwerke
S. 367. mit N. 42. 43. Krause, Angeiol. S. 11 f — Zu Salben
brauchte man die muschelähnliche conc/ta, Hör. od. II, 7, 23.
funde capacibus unguenta de conchis. und um Oel zu schöpfen,
Cato r. r. 66. 13., auch für Mehl Cato r. r. 156. — Ueber die
fälschlich sogenannten Lacrimatorien, s. den Excurs zur
zwölften Scene.
2) Vasa zum Schöpfen, Ausgiessen und Austheileu.
Ueber dieWassergefässe urna^ urceus, nanus, situlus, nia-
tella und matellio s. oben S. 315 fgg.; zum Wein gehörten:
gtittus, shnpidum, epicliysis, cgathus. Varro L. L. V, 124. Qui
vinum dabant iit minutatun funderent , a guttis guttum appella-
runt. qid sumebant minutatim, o sumendo simpulwn nominarunt.
In huiusce locum in conviviis e Graecia successit epichysis et cya-
thus ; in sacrißciis remansit guttus et simpidum. Wahrscheinlich
Avaren giUtus und die griechische epichysis (Plaut. Kud. V, 2,
32.) kleine Kannen mit engem Halse (Hör. Sat. 1,6,118. cum
patera guttus d. h. Kanne mit darunter befindlicher Schaale.
S. Heindorf zu d. St. guttus faginus bei Plin. h. n. XVI, 73.
guttus corneus bei Mart. XIV, 52.), simpidum und cyathus
aber eine besondere Art von Weinschöpfern, s. d. dritten Exe.
z. neunten Scene. Dass gutti nicht ebenfalls Schöpfkellen ähn-
lich waren, ergiebt sich daraus, dass sie auch zum Ausschütten
der Salben und Gele dienten. S. in der Anekdote bei Gell.
Das Hausgeräthe. 333
XVII, 8. guttum Samium ore tenus imprudeiis inanem, tanquam
si inesset oleum affert. So wird guttus in den Bädern genannt
luv. m, 263. XI, 158. ScHOL. zu 111,263. p. llOCram. Gut-
turnium ist gleichfalls eine Kanne mit engem Halse Paul. p.
98 M. gutt. vas^ ex quo aqua in manus daiur ab eo, quod propter
oris angustias guttatiiii fluat. Dasselbe heisst Paul. p. 51. cutur-
nium, welches aber auf die Ojjfer bezogen wird. Bei Opfern
wurde auch das slmpuvium gebraucht, welches Varro bei Xon.
XV, 12 modus matidae nennt. Es war von Holz oder Thon,
s. Moser zu Cic. de rep. VI, 2. p. 459 fg. Eine ähnliche Kanne
zum Ausgiessen des Wassers über das Waschbecken hiess ma-
nalis. Varro bei Xon. XV, 32. urceolwn aquae manalem voca-
mus, quod eo aqua in trulleum effundatur. — Die uns in grosser
Zahl erhaltenen Kannen ^As, . guttus ^ matelUo, situlus etc. zu
unterscheiden, ist unmöglich. Das allen Gemeinsame ist Hen-
kel und Mündung, aber beides zeigt eine uiabeschreibliche Ab-
wechslung. Bald erheljt sich der Henkel hoch über das Gefäss
in weitem Schwung, bald schliesst er sich knapp und dürftig
an, bald ist der enge Hals huch, bald kurz (der Ampulla ähn-
lich), bald ist der Schnabel weit vorwärts gebogen und über-
hängend, bald kaum hervortretend u. s. w. Wahrhaft wunder-
voll sind die niedrigen Kannen im Mus. Borb.II, 47. XII, 59.
Xni, 43., einfachere dagegen IV, 43. V, 15. VI, 29. X, 32.,
jedoch mit sehr schönen Henkeln. Hoch sind die Kannen M.
B. XII, 55. XIU, 46. Einfache urcei finden sich M. B. VH,
13. VIII, 15. XIII, 27. 43. der Henkel aber herrlich. Ein
Glas über die Kanne gestülpt sielit man M. B. VIII, 26. ähn-
lich im Darmstädter Museum.
3) Trinkgeschirre, nämlich Becher und Mischkrüge,
s. den dritten Excurs zur neunten Scene.
4) Kochgefässe, s. oben S. 311 ff.
5) Tafelgeschirre, nämlich Schüssel, Schalen u. s. w.
s. den dritten Excurs zur neunten Scene.
6) Waschgefässe. Eins der grössten hiess nassitema.
Fest. p. 169. est genus vasis aquarii ansati et patentis , quäle
est quo equi perfundi solent. wo mehrere Fragmente des Plaut.
334 Dritter E x c u r s zur zweiten S c e n e.
und Cato citirt werden. Varro K. E. I, 22. ex aere. Plaut.
Stich, n, 2, 27. Gross war auch lahrum^ welches jedoch jede
grosse Wanne im weitern Sinne bedeutete fvon Marmor, Thon,
Metall, CoL. XII, 15, 50.), Avie für Wein, Oel u. s. w. Cat.
R. R. 13. Als Badewanne aber steht labrum Plix. ep. V, 6.
OviD. Fast. IV, 76. Cic. ad Fam. XIV, 20. ebenso wie so-
lium, s. den Excurs zur siebenten Scene. Pelvis war nach Xon.
XV, 4. Sinus aquarius, in quo varla perluuntur ^ also wahr-
scheinlich ein grosser Spülkunip oder Waschbecken. luv. HI,
277. jyatulas erwidere pelves. Auch diente jjelvis zu Fuss-
bädern, Varro L. L. V, 119. Ussing p. 118 ff. Praefericuluia
nennt Fest, und Paul. p. 248 fg. eine pelvis zu religiösem
Gebrauch. Aehnlich war aquiminariwn , welches sogar mit
zum Speisegeschirre gerechnet wurde, nämlich als Spülkump,
s. Pomp. Dig. XXXW, 2, 21. § 2. wo ein silbernes genannt
wird. Ulp. ebendaselbst 19. § 12. propter escam paratur^ oder
sollte es des Händewaschens wegen zum Tafelgeschirre ge-
zählt worden sein? Paull. Dig. XXXIII, 10, 3 pr. und § 3
nennt die silbernen aquiminalia neben den pelves. Ferner
waren poluhrum und tndleura Waschbecken. Beide Worte
werden als identisch bezeichnet von Xon. XV, 11. Paul. Di ac.
aber p. 247. hält polubrum für so viel als pelvis. Der Unter-
schied war jedenfalls gering, nur dass pelvis etwas grösser
war. S. Müller zu Fest. p. 396 fg. Xon. XV, 32. trulleum,
quo manus perluuntur. Varro L. L. V, 118. s. oben S. 314.
Auch malluvium wird ebenfalls als Waschbecken für die Hände
erklärt, Paul, und Fest. p. 160. 161 M. Endlich rechnet
Serv. zu Verg. Aen. LH, 466. und V, 266. lebes zu derselben
Gattung. Abbildungen von solchen Becken s. Avellino, descr.
di una casa, t. IX, n. 9. und p. 68 fg. Antich. di Ercol. IIL
t. 36. (ein praefericulum) und Mus. Borb. X, 35. an welchen
beiden letzten sich ein kleiner gekrümmter Griff befindet. S.
im Allgem. Ussing p. 114 ff".
7) Pruukge fasse, wie sie in den Zeiten der Kaiser die
Säulenhallen, Säle und Bäder schmückten, ohne einem prak-
tischen Zweck zu dienen. Dahin gehören namentlich die
Das Haiis gerät li e. 335
grossen Marmor - und Alabastervasen, welche jetzt die Zierden
mehrerer Museen sind, Krause, Angeiol. S. 439 f. Auch die
kostbaren Gefässe von edlen Metallen und Edelsteinen hatten
sehr häufig keine andere Bestimmung, als die luxuriösen Bau-
M-erke auch entsprechend auszustatten, s. Thl. I, S. 23 f.
Die Opfer- und Libationsgefässe bleiben von unseren Unter-
suchungenausgeschlossen, wie capedo und ca25eduncula. Schale,
cuturnium, simpuvium und praefericulum, s. oben.
Werkzeuge zum Reinigen.
Die Werkzeuge, deren man sich bediente um den Fuss-
boden, die Wände, Decken und Mobilien zu reinigen, waren
scopae, Besen von Keisern der wilden Myrte, oocymyrsine^
ruscus aculeata Lixx. , oder der Tamariske, tamarix Gal-
Ika. Plin. XXin, 9, 83. XYI, 26, 45. [Mart. XW, 82. s.
Thl. I, .S. 190. Cato K. K. 152. scopae virgeae Plut. bei Ath.
XV, p. ü65 b. Philyll. das. IX. p. 408 e.] und Schwämme,
spongiae. [Mart. XIV, 144.
Haec tibi sorte datur tergejidis spongia metisis
Utilis, expresso cum levis imbre turnet.^
Unter ihnen wurden zwar auch die punischen oder afrikani-
schen und die rhodischen geschätzt, aber die weichsten kamen
von der lykischen Stadt Antiphellos. Plin. h. n. IX, 45, 69.
XXXI, 11 extr. Sie wurden an einem bald längeren, bald
kürzeren Stabe befestigt und hiessen dann penicidi. Dass
unter letzteren Schwämme, nicht aber Bürsten oder Borst-
M'ische zu verstehen sind, erhellt unzweideutig aus Stellen,
wie Ter. Eun. IV, 7, 7.
Thr. Quid, ignave? peniculon pugnare , qid istum huc portes,
cogitas ?
Sa. Kgori? Imperatoris virtutem noveram et vim militum:
Sine sanguine hoc non posse fieri ; qui abstergereni vubiera?
[Pal'L. Diac. p. 208. pejiiculi spongiae longae propter similitu-
dinetn caudarum oppellatae.] Das ist die infelix damnatae
spongia virgae, Mart. X.\1, 48., dasselbe wohl auch die arundo
Plaut. Stich. II, 2, 23. Auch zur Reinigung des Schuhwerks
wurden sie gebraucht. Plaut. MenaechuL II, 3, 40. Quis istest
33ß Dritter Excurs zur zweiten Scene. Das Hausgeräthe.
penicidusf Qui extergentur haxeae? vgl. II, 2, 12. [Fest. v.
penem p. 230 M. penicuU, quibus calciamenta tergentur, quod
e codis extremis faciehant ajitiqui, qui tergerent ca.] Ob man
indessen nicht auch ähnliche Werkzeuge von Borsten hatte,
kann zweifelhaft scheinen. Wenigstens Hesse sich diess aus der
Bedeutung des zweiten Deminutivs , penicillus schliessen, und
wenn man Maurerpinsel fertigte, Plin. XXVIII, 17, 71. warum
sollte man nicht auch Borstwische gemacht haben? Freilich
wurden auch penicilli aus Schwämmen gefertigt. Plin. IX, 45,
66. [Ferner hatte man zum Abfegen der Spinneweben lange
Eulen und besondere Leitern zum Reinigen der Decken. Ulp.
Dig. XXXIII, 7, 12. § 22. Item perticae, quibus araneae deter-
gantur^ item spongiae^ quibus columnae, pavimenta^ podia exter-
gantur, scalae, quae ad lacunaria admoveantur^ instrurnenti sunt,
quid mundiorem domum reddunt. Die Besen sind bereits Thl.
I, S. 190. erwähnt.]
Die Stellen, aus welchen die Schilderung der Geschäftig-
keit der Sklaven im Säubern des Hauses (Thl. I, S. 20 f.) ent-
lehnt ist, finden sich: Plaut. Asin. II, 4, 18.
lussin, sceleste, ab ianua hoc stercus hinc auferrif
lussin columnis deicier operas araneorum ?
lussine in splendorem dari has bullas foribus nostris?
Ders. Stich. II, 2, 23.
Munditias volo fieri: ecferte huc scopas simulque harundinem,
Ut operaiii omnem araneorum perdam et texturam i?iprobam.
Deiciamque eorum omnis telas.
[Ders. Pseud. I, 2, 28 ff.
Tibi lioc p)raecipio, id niteant aedes. Habes quod facias:
propera, abi intro.
Tu esto lectisterniator, tu argentum eluito, itidem exstruito.
Haec, quam ego a foro revortar, facite ut offendam parata,
Vorsa sparsa tersa struta lauta structaque omnia ut sint.]
und vorzüglich Iuvex. XIV, 60 ff.
Verre pavimentum: nitidas ostende columnas:
Arida cum tota descendat aranea tela :
Hie leve argentum, rasa aspera tergeat alter.
VIERTER EXCURS ZUR ZWEITEN SCENE.
DIE BELELX'HTUNG.
Zu den ünvollkommenheiten der häuslichen Einrichtung,
bei denen unsere Zeit sich sehr übel befinden würde, gehörte
der durchgängige Gebrauch der Oellampen , die eben sowohl
dem prächtigsten Palaste als dem bescheidenen Zimmer des
weniger Bemittelten zur Erleuchtung dienten. Hätte man im
Alterthume sich bereits durch Glascylinder , in denen der
Qualm, fuligo, verzehrt wird, gegen die unvermeidliche Un-
sauberkeit zu schützen gewusst, so dürfte man sich weniger
darüber wundern, dass das Oel neben Talg und Wachs und
selbst vorzugsweise sich als allgemeines Erleuchtungsmittel
behauptete; allein A'on solcher Erfindung war man sehr fern,
und alle Eleganz der kunstreichsten Lampen aus Bronze oder
edlem Metalle konnte nicht hindern, dass der Schmuck der
Decken vom Rauche geschwärzt und der Athem durch den
Dampf belästigt wurde. Allerdings war es das Material, worauf
die Natur des Landes die Bewohner selbst angewiesen zu
haben schien; allein die Wohlfeilheit würde für den ver-
schwenderischen Sinn der Reichen kein hinreichender Grund
gewesen sein, die Unbequemlichkeit zu tragen, und man niuss
daher eher annelimen, dass man in der Fertigung der Talg-
und Wachslichter noch nicht erfahren genug gewesen sei, um
durch sie eine genügende Beleuchtung zu erlangen, und so
finden wir, anders als bei uns, dass die candela dem Aermeren
diente und hingegen die liicerna, die dampfende Oellampe, in
Palaste des Reichen brannte.
Bp.ckf.r. Gallus. 3. Aufl. 11. 22
338 Vierter Excurs zur zweiteu Scene.
Den ganzen BeleuchtungsapjDarat nennt Appul. Met. IV,
p. 281 Oud. [151 Elm.]. Taedis, lucernis^ cereis,sehaceis et cae-
teris noctumi luminis instrinncntis darcscunt tenebrae. Darunter
gehören die taedae, eigentlich Kienspäne, nicht zur gewöhn-
lichen Hausbeleuchtung und es bleiben nur lucer nae und
canddae^ Avelche letztere theils cereae, theils sehaceae sind.
[Schulz, in bullet. delT instit. di corr. archeol. 1841, p. 115.]
Sie waren nach mehr als einem Zeugnisse in der alten Zeit
allein üblich fbei den Griechen werden sie nie erAvähnt, siehe
Charikles I, S. 279 fg.j ixnd die Lampe war eine spätere Er-
findung. So giebt Varro an L. L. V, 119. Candelabrum a
candela; ex his enhn funicidi ardentes figehaidur. Lucerna post
inventa, quae dicta a luce, aut quod id vocant Graeci ).vyvov.
Eben so sagt er auch von der alten Zeit in einem Fragmente
de vita pop. Kom. bei Serv. zu Verg. Aen. I, 727. facihus
mit candela simplici, aut ex funiculo facta cera vestita; quibus
ea ßgebant^ appellabant funalia. [So wird bei C. Duilius fii-
nalis cereus genannt, Val. Max. III, 6, 4. vgl. Cic. de sen. 13.]
Damit stimmt überein Mart. XIV, 43. Candelabruvi Co-
rlnthium.
Noviina candelae nobis antiqua dederunt:
Non norat parcos uncta lucema patrea.
und auch Athenaeus sagt XV, 700. iw naXaiov 6' tvni^^iu
Ivp-og. qjXoyi ö' oi nalatoi rtji; m 8a8o^' y.ai täv äXXcov tvkcov
ffQMVTO. Man nahm zur candela statt des Dochtes das Mark
einer Binsenart, der einheimischen papyrus, scirpus. Plin.
XVI, 37, 70. scirpi fragiles palustresque — e quibus detracto
cortice candelae luminibus et funeribus serviuid. Anthol. Pal.
VI, 249.
Aafinada 'Aijooyi'raira, Kqotov zv<f,tjQea Ivpoi,
oxoiro) y.ui Xenri] acftyyvfit'njv naniujc).
Vielleicht ist auch unter den von Vakro genannten fwdcuUs
nichts anderes zu verstehen. Vgl. Salm. Exercitt. ad Sol. p.
705. — Diese Binsen wurden mit Talg oder Wachs über-
zogen, indessen waren Talglichter, sebaceae, bei Amm. Marc.
XVIII, 6. fax sebalis^ wohl nur für den gemeinsten Gebrauch.
Die Beleuchtung. 331*
Dass es aber aucli in früherer Zeit neben den cereis noch
andere candelae gab, folgt schon aus den oben angeführten
Worten Varro's und Martial hat unter den Apophoreten
zwei verschiedene Epigramme mit den Ueberschriften Ccm-
dela imd Cereus: 40.
Ancillam tibi sors dedit lucernae,
Tutas quae v'ujil exigit tenebras.
und 42.
Hie tibi noctumos praestabit cereus ignes.
Subducta est puero namque lucerna tuo.
In beiden scheint übrigens der Sinn zu liegen, dass die can-
dela wie der cereus für geringer galten, als die lucerna. Deut-
licher erhellt dies aus Iuvex. III, 287., wo Umbricius im
Gegensatze zu der aeiiea lampas des Reichen von sich sagt:
— quellt hma sole.t deducere vel breve lumen
Candelae, cuius dispenso et temper o filum.
und aus Plinius XXXIV, 3, 6., wo er von den unmässigeu
Preisen der Candelaber spricht, die doch ihren Namen von
einer so gemeinen Sache hätten: Nee pudet tribunorum milita-
rium salariis emere, cum ipsum nomen a candelarurn linniiie iin-
positian appareat. Indessen finden sich die Wachskerzen auch
neben den Lampen, wo Pracht und Aufwand geschildert wer-
den und Verw. Aen. I, 727. sagt vom Palaste der Dido:
-- depende7it lyclmi hiquearibus aureis
Incensi et i^octeia ßanimis funalia vincunt.
Es ergiebt sich hieraus nicht hinreichend, dass es keines-
weges gegründet ist, wenn Böttiger, Amalthea III, S. 168.
sagt: „Das klassische Alterthum kennt nur Fackeln und
Lampen. Der Beleuchtungsluxus der Neuern von dem Ge-
brauch der Wachslichter an bis herab zur neuesten Oelgasbe-
leuchtung war schon bei der ganzen Bau- und Lebensweise
der Alten unmöglich." Die cerei., deren Gebrauch bei den
nächtlichen Comissationen auch bei Skxeca, epist. J22. er-
wähnt wird, und ülterhaupt die candelae waren denn doch in
keinem Falle Fackeln und die Candelaber waren ursprünglich
zum Aufstecken dcrsclljon eingericlitct. Schon der Name selbst
22*
340 Vierter Ex cur s zur zweiten Scene.
zeigt, dass der Candelaber eigentlich nicht Träger einer Lampe,
sondern einer Kerze war. Serv. zu Verg. a. a. O. Nonnulli
apud iietcres candelahra dicta trodunt, quae in capitibus uncinos
haberent, quibus affigi solebat vel candelo, vel funes pice delibuti,
quae interdum e.rant minora , id gestari manu et praefcrri magi-
stratibus a cena possent. [Aehnlich Paul. Diac. p. 46 M. h. v.
und V. cicindela p. 42. und Isidor. XX, 10.] Doxat. zu Ter.
Andr. I, 1, 88. (funusj quod a funalibus dictum est, i. e. uncis
vel cujieis caiiddabrot^m , quibus delibuti funes pice vel cera in-
figuntur. So lieset Salm. Exercitt. ad Sol. p. 266. [Die Can-
delaber für Lichter hiessen auch funalia im weiteren Sinne
(im engeren Sinne nur Leuchter). Isidor. XX, 10. funalia
candelahra apud veteres exstantes stimulos habuerunt aduncos,
quibus funicuU cera vel ladusmodi alimento lumiids obliti fige-
bantur. Idem itaque et stimuli praeacuti funalia dicebantur.
Bei OviD. Met. XII, 246 fg.
— et primus ab aede
Lampadibus densum rapuit funale coruscis.
scheint funale sogar als Lampenträger gebraucht zu sein.]
Die von Servius erwähnten Handcandelaber zum Vorleuchten
waren vermuthlich von derselben Art, wie die Lychnuchen
bei den Lampadedromien , wo durch einen Teller, über dem
die Kerze stand, der doppelte Zweck erreicht wurde, die Hand
vor dem Herabträufeln des heissen Wachses und die Flamme
vor dem Luftzuge zu schützen. Siehe z. B. die Glaspaste bei
Bröndstedt, Keisen und Unters, in Griechenl. II. Vign. 36.
und die Erkl. S. 290. Vgl. MtJLLER, Panathenaica. p. 59.
Auch auf einer Münze von Araphipolis, Mionnet descr. suppl.
Tom. III. pl. 8, n. 1. wo für die Hand ein lauger Henkel da ist.
Lampen, lucernae, sind noch in grosser Menge vorhanden
und von den verschiedensten Formen, doch stets ganz niedrig
und gewöhnlich ohne Fuss. Sie gehören nebst den Cande-
laberu durch die Zierlichkeit der Form und die Embleme, die
sie schmücken, zu den interessantesten Anticaglieii uud haben
daher wohl die Berücksichtigung verdient, die ihnen in Museen
und besonderen Werken zu Theil worden ist. Die bedeutendste
DieBeleuchtung. 34 1
sie betreffende Literatur ist: [Liceti de lue. autiq. recouditis.
Udin. 1632.] Bertoli, Lucernae sepulcrales. [cum observat.
Bellorii Rom. 1691. 1729. und in Gronov. the.s. XII. Begeri
vet. lue. sepulcr. Berol. 1702. Lugd. Bat. 1728. (Bearbeitung-
des Werkes von Bertolus und Belloriusj]. Passeri, Lucernae
fictiles. 3 Bände. Pisaur. 1739. Axtichita d'Ercolano. tom.
VIII. [PiRANESi, antif[. dHerc. Tom. VI. Paris 1806.] Museo
Borbon. n, 13. IV, 14. 58. VI, 30. 47. VII, 15. 32. Vm, 31.
[XIIT, 56.] MiLLiN, Monum. ined. 11. p. 160 ff. Böttiger, die
Silenuslampen. Amaltli. III, S. 168 ff. [Kleine Schriften III,
S. 307 — 321. die Neujalirslampe ; Avie man sie auch zu Ge-
schenken brauchte, s. Avell. bull. Xap. X. 35. eine Lampe
mit der Inschrift: anniiv} noimiii faustmn feliceni mihi, oder:
amiü novo faustum felix tibi, in Jahrbuch, d. Vereins v. Alter-
thumsf. im Kheinland. Bonn 1855, XXH, S. 36 ff. — Andere
Lampen mit Inschriften s. Mommsex, corp. inscr. Xeap. 6305,
X. 11. 13. 6308. X. 1—38. — O. Mueller, Arch. v. Welcker,
S. 417 fg. Avellixo, Bullet. Xap. X. 35. Kexxer, die ant.
Thonlampen des K. K. Cabinets und der Ambrasersammlung.
Wien 1858. Overbeck, Pompeji. S. 299 ff. Pauly, Eealenc.
IV, S. 1161 ff.]
Wenn, wie oft geschieht, lucernae cubiculares , balneares,
tricliniares , sepulcrales unterschieden werden, so kann diese
Distinktion bloss dem verschiedenen Gebrauche gelten und
höchstens kann man annehmen, dass die tricUniares eleganter
waren als die bahieares und mehr Dochte hatten als die cubi-
culares. Letztere .verden zwar überhaupt zur Erleuchtung der
Wohnzimmer gedient haben •, sie waren aber auch die eigent-
lichen Xachtlaiiipeu, deren Gebrauch zwar nicht allgemein,
aber doch wenigstens nicht ungewöhnlich war. Mart.X, 38, 7.
0 quae proelia, qiias utrinque pugnas
Felix lectulus et lucerna vidit.
und XIV, 39. Lucerna cubicularis.
Dulcis conscia lectuli lucerna,
Claidquid vis facias licet, tacebo.
Vgl. XI, 101, 5. — Die sepulcrales haben ihren Xamen nur,
342 Vierter Exeurs zur zweiten Sceiie.
weil sie häufig in Gräbern gefunden worden sind; sie waren
aber, wie Böttiger bemerkt, keineswegs für diesen Zweck
gearbeitet, sondern wurden den Verstorbenen nur als gewöhn-
liche Lampen mitgegeben. [Diese Bemerkung ist jedoch etwas
zu beschränken ; denn wenn auch in den Gräbern Lampen auf-
gestellt wurden, welche ebensogut dem gewöhnlichen Gebrauch
dienen konnten, so gab es doch besondere Lampen, deren Ver-
ziei'ungen und Inschriften auf eine ausschliessliche Anwendung
in den Gräbern hindeuten. In welchem Haushalte hätte man
wohl Lampen gebraucht mit den Inschriften : sit tibi terra levis
anima dulcis. und Diis Manibus. Passer. III, 49. 46. oder mit
Emblemen, die nur dem Tod gehören, Avie z. B. die Lampe
bei Passer. III, 51. und Bellor. II, 16. ein Eepositorium mit
lauter Gefössen enthält, welche bei Leichenbegängnissen ge-
braucht wurden. — Solche Lucernen 2)flegten die Angehörigen
den Todten auf das Grab oder in das Grabgewölbe zu setzen
und zwar sowohl freiwillig, als testamentarischer Bestimmung
zufolge und an gewissen Tagen. So legirte Maevia, Modest.
Dig. XL, 4, 44. ut mofiumento meo alteriiis mensibus lucernam
accendant et sollennia mortis peragant. Suet. Oct. 98. huius
Masgabae — tumulum quum e triclinio animadvertisset magna
turba midtisque luminibus frequentari. S. Petrox. 3. und die
Inschriften in Pauly, S. 1164.]
Die meisten der noch vorhandenen Lampen sind von terra
cotta, [darum auch testa genannt, Verg. Georg. I, 391. ver-
schieden von Farbe, Grösse und Erdcomposition] viele jedoch
auch von Bronze; erwähnt werden indessen auch lucemae
aureae, argenteae, vitreae [z. B. Passer. II. t. 83.] und selbst
mormorne kommen vor. Die erstgenannten sind in der Regel
von länglich runder Form, flach und ohne Fuss. Auf der
oberen Fläche des Oelbehälters , wo sich die Oeflfnung zum
Eingiessen des Oels befindet, haben sie häufig Bildwerke in
Relief, meistens mythologische Gegenstände [oft Thiere, wie
Elephanteu, Löwen, Adler, Pfauen, Affen, Rosse, Wölfinnen
mit Romulus und Remus, Hasen, Delphine, oder Gladiatoren-
kämpfe, Trophäen, Blumen, Kränze, Masken, auch neckische
Die Beleuchtung. 343
Embleme 0. Pa.sskr. III, 20 %. ein Bildhauer bei der Arbeit
s. Jahrb. d. Vereins v. Alterthumsf. im Eheinland. Bonn 1844,
IV, S. 189 ff.], deren Styl oft weit besser ist, als man an
solchem aus einfachen Töjjferwerkstätten für den alltäglichen
Gebrauch hervorgegangenen Geräthe erwarten sollte. [Die
Formen machten besondere ßgtdi sigillatores , Orell. 4191.
von denen sie die Töpfer kauften. Auf dem Boden steht oft
der eingestempelte Name des Töpfers oder ein Zeichen der
Werkstatt, z. B. ein Kranz, ein halber Mond u. a. Auch findet
man den Xamen des Patrons oder Kaisers darauf. Passer. I,
p. X fg. Pauly, S. 1163. — Eine besondere Lampe in Form
eines menschlichen Fusses s. Mus. Bore. VI, .30. Die deut-
schen Museen sind reich aii den verschiedensten Lampeufor-
men, von der grossen Prachtlampe herab bis zu den kleinsten
von winzigen Proportionen, die wohl nur in den Gräbern ge-
bi'aucht wurden, denn für den häuslichen Gebrauch Avären sie
höchst unpraktisch.] Sie sind bald für einen Docht einge-
richtet, monontyxos, monolychnis (dilychnis, Petr. 30.), bald
für mehrere, daher dimyxi, trimyx'i^ polymyxi. [lue. hilyclmes,
Orell. 3678. Poll, II, 72. X, 115. Anthol. Pal. XII, 199.]
Mart. XIV, 41. Lucerna polymyxos.
Illustrem cum tota rneis convivia flammis
Totque geram myxas, una luceriia vocor.
Sie scheinen haujjtsächlich, worauf auch die AVorte Martials
hinweisen, in den Triklinien oder sonst zur Erleuchtung grös-
serer Räume gebraucht worden zu sein. Die Zahl der Flammen
war zuweilen sehr bedeutend. So finden sich in den Antich.
diErcol.VUI. t. 14 — 16. [Piraxesi, antiq. VI. t. 8. Passer.
III, 51. 79.] kranzförmige Lampen zu neun und zwölf Dochten
und t. 13. eine vierte in Form eines Kahns zu vierzehn Doch-
te)i und andere mögen noch mehr Flammen gehabt haben.
Dann war deini ein Candelaber, der eine solche Lucerna trug,
zur Erleuchtung des Tricliniums vollkommen hinreichend und
darum sagt Iuven. von dem Zustande der Trunkenheit VI, 305.
(J,num bihitiir ronclia, quuni tarn vertighie tectinn
AmbvUd et getnmis exsuvgit mensa hiceruis.
344
Vierter Excurs zur zweiten Scene.
und in gleichem Sinne Petr. 63. Et sane iaht luceniae mihi
phtres videbantur ardere.
Die bronzenen Lampen haben, wie sich erwarten lässt,
noch mehr Zierlichkeit und sind grösstentheils von den ge-
schmackvollsten Formen [zuweilen mit launigen Figuren
schalkhaft verziert.] Dahin gehört die hier abgebildete di-
myxos, auf deren Deckel ein geflügelter Knabe mit einer
Gans gruppirt ist. Antich. d'Erc. t. 91. Mus. Borb. IV. t.
14. und die dreiflammige, auf welcher ein Tänzer mit phrygi-
scher Mütze steht. Ant. d'Erc. t. 29. Mus. Borb. IV, t. 58.
und eine der schönsten mit stehendem Silen. Mus. Borb. L
t. 10. [Sehr nett ist die in den Jahrb. des Vereins von Alter-
thumsf im Rheinland, Bonn 4860, XXIX u. XXX, S. 142 ö'.
mitgetheilte Lampe , mit Fischen und einem Oehr , das aus
einem kleinen Fisch gebildet wird. Sie war zum Tragen, zum
Hinstellen und zum Aufhängen eingerichtet.]
Zu Dochten wurde theils Hanf cannabis, theils Flachs
oder Werg davon genommen. Plin. XIX, 1, 3. Quod proxi-
muni cortici fuit^ stuppa appellatur deterioris Uni, lucernarum
fere luntinibus aptior. oder auch die Blätter einer Art y^^r^ascw»/,
Die Beleuchtung. 345
welche desshalb cfloiÄOt; Xv/vlxig hiess. Diosc. IV, 106. taitii
(fsXofiig rj y.a}.ovfitvii Xv/^virig — sig iXlv^via /("/ö'//iJ;. Plin. XXV,
10, 74. Tertia lychnitis vocatur, ab aliis thryaUis foliis ternis
aut, cum plumuum, quaternis, crassis pinguibusque, ad luceriia-
rum lumina aptis. — In Stabiae will man eine Lampe mit
noch erhaltenem Dochte gefunden haben. Sie ist mit dem-
selben auf Taf. 52. der Antich. d'Erc. abgebildet und der
Erklärer giebt sich viel Mühe, den Verdacht einer Ttäuwchung
abzuwenden.
Da die Oeffnung zum Eingiessen des Oels klein war, so
hatte man besondere schiffartige dünnhalsige Gefässe, die vorn,
wo sie sehr spitz zuliefen, ebenfalls nur eine kleine Oeffnung
hatten, durch die man das Oel in die Lampe goss. S. Antich.
i/Erc. t. 13. 14. [Roux und Barke, Herc. VI, 70. Ein paar
höchst zierliche Kännchen der Art von terra sigillata sieht
man in den Museen zu Wiesbaden und Mainz.] — Auch zum
V
l'utzen des Dochts hatte man besondere Instrumente, die nicht
selten an Kettchen an der Lamjje selbst hängen. Ein solches
ist liier abgebildet. Die Spitze brauchte man wahrscheinlich,
um die Svlnmiyijo, putres fu/ir/i , vom Dochte zu entfernen und
den Haken, um den Docht weiter hervorzuziehen. Auch kleine
Zangen dienten dazu, die in Pompeji in grosser Zahl und in
allen Häusern gefunden worden sind. S. Antich. d Erc t. 52.
Wcini auf der Jjam])c eine Figur steht, oder diese als Cande-
laber dient, sc» hält sie zuweilen die Kette mit dem Instru-
mente in der Hand. Antkh. t. 28. f.ü. Mus. Borb. IV. t. 58.
VII. t. 15.
Die Lamjjcii wurd(!ii tlu-ils auf einen Träger, Candelaher
[oft in der Eorm (;ines kleinen Dreifusses, unsern Untersetzern
vergleichbar, zuweilen von höchst vollendeter Arbeit] , gesetzt
(Antich. t. 51». 02. Mus. Bonn. VI, t. 80. IX,13. s.oben S.3U8.),
346 V'iorter Ex eins zur zweiten Scene.
oder sio hingen an Ketten, \ on der Decke herab. Veuu. Aen.
I, 727. dependent lychni laqucarihus aurein. Petr. 30. etiam
lucei-na bilychnis de camera pcjtdthat. Endlich wurden auch
Candelaber gefertigt, an deren mehrfache Aeste Lampen g'e-
hängt werden konnten und welche man für diesen Zweck nun
auch höher machte. Die in den verschütteten Städten gefunde-
nen sind von sehr verschiedener Höhe; von einem neapol. Palm
bis über sechs Palm und, wie angeführt wird, selbst über sieben
Palm. Es versteht sich, dass diese nicht bestimmt sein konnten,
auf einen Tisch gesetzt zu werden. Sie standen jedenfalls auf
dem Boden und hatten auch so, zumal im Verhältnisse zu den
Tischen und Soplias immer eine ansehnliche Höhe. Daher bei
Ai'PUL. Met. II. p. 117 Oud. lucerna de sjjecula candelabri.
In dem Hause des Aermeren waren sie von Holz, und
deren geschieht einige Male Erwähnung. Cic;. ad Quint. fr.
ni, 7. Haec sciibebam ante lucein ad lyclumchum Ugneolum.
Mart. XIV, 44. Candelabrum ligncuni.
Esse vides lignwn: servas nisi luinhia,Jiat
De candelabro magna lucerna tibi.
So auch in einer taberna divcrsoria bei Petr. 95. Ewnolpus
contumeliae impatiens ropit ligueum candelabrum. [Caecil. bei
Non. HI, 74.] Vgl. Athen. XV, p. 700. ^vXoh'Xvüvyüv Öt fit'fi-
vi^rai "A).et,ig y.ai %ic/a tovtm 6f.ioiur ^aii to) naQu OeoTTUfxnqi oßs-
hay.DKviHi). Dagegen fanden sich in den Tempeln und wohl
auch in Palästen an solchen Orten, wo sie unverrückt stehen
blieben, marmorne mit lieliefs geschmückte Candelaber, M.
Pio-Clem. IV, 1, 5. V, 1, 3. [VII, 37 ff. Mus. Borb. I, 54.
Müuchener Glyptothek Nr. 172 fg. 175 fg.] und als Weihge-
schenke für die Götter wurden sie wohl auch aus edlem Metall
oder gar Edelsteinen gefertigt, wie der, welchen Antiochus
für den Tempel des Jupiter (Japitolinus bestinuut hatte. Cic.
Verr. IV, '2S. Allein gewöhnlich waren sie von Bronze [Cic.
Verr. IV, 26.] und ihr häutiger Gebrauch, so wie der Fleiss,
den man auf ihre Verzierung verwandte , erhoben ihre Fabri-
kation zu einem bedeutenden Zweige der antiken Erzarbeit.
Der eigentliche Candelaber, auch lychnuchus — denn die
Die Beleuchtung
347
Lampadarien in Form von
Statuen oder Bäumen, an
welchen die Lampen hän-
gen, sind spätere Ausartun-
gen — der eigentliche Can-
delaber besteht aus drei oder
auch vier .Stücken : 1 ) dem
Fusse, 2) dem Schafte, 3) d.
Discus oder Teller. — ■ Der
dünne rohrähnliche und
gewöhnlich fein canelirte
Schaft ruht in der Eegel
auf drei zierlichen Thier-
füssen, über Avelchen sich
häufig einiger Blätter-
schmuck findet. Der Schaft
endigt sich fast durchgän-
gig in ein Cajiitäl , auf
dem eine Art Vase sitzt,
die von dem zum Tragen
der Lampe bestimmten
Teller bedeckt wird. Zu-
weilen findet sich auch
über dem Capital ein Kopf
oder eine Figur, auf wel-
cher der Teller ruht, wie
diess bei dem schönen hier
abgebildeten und Thl. I,
Seite 137. beschriebenen
Candelaber der Fall ist.
Aus Mus. BouB. IV. t. 57.
Dieser Teller, so wie der vasenartige Aufsatz, ist stets mit
dem zierlichsten Schmucke in meistens sehr flachem Relief
verziert. Vorzüglich schön ist in dieser Art der, wo Greife
einen Stier und einen Hirsch zerreissen. Mus. Borb. III.
t. 61. [Vgl. auch Stkpmani, d'une base de candel. in Annali
348 Vierter Excurs zur zweiten Scene.
deir inst. IV (XIX) 1847, S. '285 ff.] Vor anderen berühmt
durch die Vorzüglichkeit der Arbeit waren die Candelaber,
welche Aegina und Tarent lieferten, doch zeichneten sich die
beiden Werkstätten in kunstvoller Fertigung verschiedener
Theile aus. Plin. XXXIV, 3, 6. Pncatim Aegina candelabm-
ruin superßcicm dumtaxat elaboravit, sicut Tarentum scapos. In
his ergo iuncta cummendatio officlnarum est. Vgl. Ottfr. Muel-
LER, Aeginet. p. 80. Die Herausgeber der Antich. d'Erc.
getrauen sich darnach zu bestimmen, welche Candelaber grie-
chischer, welche grossgriechischer Arbeit seien. Viele haben
nämlich ausser dem oberen Teller, auf welchem die Lampe
stand, noch einen zweiten unmittelbar über dem Fusse, und
allerdings sind diese besonders schön verziert. Ausserdem
hatte mau auch sogenannte korinthische, die zu hohen Preisen
gekauft wurden. Mart. XIV, 43. Candelabrum Corintlduni.
Plinius leugnet indessen ihre Aechtheit: Sed cum esse nulla
Corintliia candelahra cotistet, nomen Id praecipue in his celebra-
tur, quoniam Mummii victoria Corinthum quidem diruit, sed coin-
pluribus Achaiae oppidis simul aera dispersit.
Man hatte auch Candelaber, deren Einrichtung gestattete^
den Teller mit der Lampe höher oder niedriger zu stellen. An
ihnen war nämlich der Schaft hohl; in diesen passte ein Stab,
der den Teller trug und mehrere Löcher hatte, durch welche
ein am Schafte hängender Bolzen gesteckt werden konnte. So
liess er sich nach Gefallen heraufschieben oder senken, indem
der durch eine der Oeffnungen gesteckte Bolzen ihn , so weit
er jedesmal hinaufgeschoben war, über dem Rande des eigent-
lichen Schaftes hielt. Der Art ist der auf Taf. 70. derAxTitH.
abgebildete. Noch künstlicher sieht man einen derselben Art
auf Taf. 71. Mus. Borb. VI. t. 61. Er ist besonders desshalb
merkwürdig, weil die drei Thierfüsse mittels an ihnen befind-
licher Scharniere zusammengelegt Averdeu können. Es scheint,
er war zum Behufe der lieise so gefertigt. Er hat übrigens
das seltene Maass von di-ei Palm und fünf Zoll, Avährend die
meisten über fünf Palm hoch sind, aber er konnte ja eben ver-
längert werden.
Die Beleuch tuug. 349
Ausser diesen eigentlichen Candelabern von der gebräuch-
lichsten Form hatte man aber vielerlei andere, so dass z. B.
der einfache Schaft zur Statue geworden ist, welche eine
Fackel trägt, aus welcher die Lampe brennt, Mus. Borb. VII.
t. 15. oder über der sich zwei Arme mit Tellern erheben. IV.
t. 59. VII. t. 30. [ähnlich XIII, 14. wo die Statue den unteren
Theil des Schafts bildet.] oder zur Säule, auf der ein Mohren-
kopf als Lampe dient. VII. t. 15. — Noch öfter aber kommen
die vor, welche man auch ihrer grösseren Verschiedenheit von
den eigentlichen Candelabern wegen Lampadarien zu nennen
pflegt. Es sind theils Baumstämme, an deren Zweigen Lampen
an Ketten hängen, theils auf einer Basis stehende Säulen, von
deren Capital ebenfalls mehrere Lampen heraljhängen. Mus.
Borb. II. t. \o. VIII. t. 31. Antich. d'Erc. t. 65— 08. Antiq.
d'Herc. vi, 29. 30. Indessen sind diese baumähnlichen oder
korallenartigen Candelaber, es mögen ihre Zweige Teller tra-
gen oder an ihnen die Lampen hängen, nicht mit den Lych-
nuchen zu verwechseln, welche Plix. XXXIV, 3, 8. nennt.
riacuere et lychnuchi pensiles in delubris aut arhorum- modo
mala fercnthim lucentes^ qualis est m temjdo ApoUinis Palatini.
Plinius will offenbar etwas Ungewöhnliches, nur hie und da in
Tempeln ^'orkommcndes angeben und die lychnuchi pensiles
mögen unseren Kronleuchtern verglichen werden. Der iin
Tempel Apolls aber Avar ein besonderes Kunstwerk aus Ale-
xanders Zeit. Etwas Aehulichos kann der von Athenaeus
XV, p. 700. erwähnte gewesen sein. Evcpooüor 8' fV i(7roniy.oig
vTTouvijfiaai /liovmiüv cpi^m rar ncoTeQor Siy.fh'ds- zvQarrov Taoav-
iiKH^ i/'s' th novtavsiuv avai}Hvai ).vyittuv dvidfitroi' xai'eir roaov-
rnvi; }.vyvovg, oaog ö täv /jimmr hanv aQi\}(ihg ei\' rbr niavrm'.
[Sehr schön und gross ist auch der von Abeken beschriebene
lampadario di Coiiona, im Annal. dell' inst. XIV', (1842)
p. 53 — 62. Vgl. Osserv. sopra un etrusco lampad. di bronzo.
Mcmtepulc. 1842.] —
Die Lampen konnten übrigens schwerlich so viel Oel
fassen, dass sie fortdauernd liätten brennen können, wenn das
Gelag tii'f in die Nacht dauerte; daher geschah es denn auch.
350 Vierter Excurs zur zweiten Scene. Die Beleuchtung.
dass frisches Oel zugegossen wurde. Petr. 22. lam et tricli-
niarchus experrectus lucernis occidentibus oleum infuderat. An
einer anderen Stelle wird gar wohlriocliendes Salböl zuge-
gossen: c. 70. Hinc ex eodem iinguento in vinarium atque lucer-
nam liquatiim est infusian, eine Verschwendung, die auch ander-
wärts erwähnt wird. So Avird bei Martial X, 38, 9. die lucerna,
welche der Brautnacht des Calenus leuchtete: nhnhris ebria
Nicerotianis genannt.
[Die Laternen.
IsiD. XX, 10. Laterna dicta , quod lucem interius habeat
clausam. Etenim ex vitro ^ intus recluso liimine, ut venti flatus
adire /ton possit et ad praebendum luinen facile iibique circum-
feratxir. Mart. XIV, 61.
Dxix laterna viae clausis feror aurea flammis^
Et tuta est gremio jjarva lucerna meo.
Noch älter sind die Erwähnungen bei Plaut. Aul. III, 6, 30.
laterna Pimica. Das viereckige oder cylinderförmige Gestell
der Laterne Avar geAvöhnlich Bronze und als Schirm diente
Glas, siehe Isid. 1. 1. oder dünn geschnittenes Hörn, Plaut.
Amph. I, 1, 185.
Volcanum in cornu conclusum geris.
d. i. Vulkan im Gef'ängniss. Ath. XV, p. 699. -Asoarirov (fwg-
cpoQOv Iv^vov aslag. Mart. XIV, 61. laterna cornea. oder geölte
Leinwand, Plaut. Bacch. Ill, 3, 42.
Fit magister quasi lucerna uncto expretus linteo.
Cic. ad Att. IV,3. linea laterna, wo jedoch dieLesart unsicher
ist. Empedocl. V. 309 ed. St. leic/i:7T7Jot\ a^oQyul d. i. A^on Lin-
nen oder Byssus. Abbildungen der in Herculanum und Pom-
peji gefundenen bronzenen Laternen s. Ant. d'Herc. VI, 27.
Vin, 56 fg. Koux u. Barre, VI. t. 62. Mus. Borb. D. Over-
BECK, Pompeji S. 317 f. S. Pauly, Eealencykl. IV, S. 797 fg.
Ueber die Sklaven als Laternenträger s. S. 113.]
FÜNFTER EXCURS ZUR ZWEITEN SCENE.
DIE UHREN.
Bei aller Pracht der Einrichtung und der raf'finirtesten
Sorge für alle Annehmlichkeiten des Lebens, entbehrte man
doch im Alterthume manche Bequemlichkeit, die die neuere
Zeit kaum mehr als besondere AVohlthat zu beachten gewöhnt
ist. Was uns unentbehrliches Geräth scheint, was der Unbe-
mittelte mit Leichtigkeit sich verschafft und der Aermste selbst
ungern in seiner Wohnung vermisst, eine Uhr, um die Ue-
schät'te des Tages nach einem bestimmten Zeitmaasse zu i'egeln,
das kannte man fast fünfhundert Jahre lang in Rom gar nicht,
und auch in späterer Zeit nur in grosser Unvollkomnicnheit.
Ursprünglich gab es gar keine Stundeneintheilung in
Rom, sondern man bestimmte nach der unsicheren Schätzung
des Standes der Sonne den Mittag und einige andere Ab-
schnitte. Varro L. L. vi, 99. Cosconius in actionibus scribit:
praetorem acceiisum solitum esse iubere, übt ei videbatur horam
esse tertiam, inclamare horam esse teriiam, itemque meridien} et
horam nonam. VI, 4. 5. Plin. h. n. VII, 60. XII tabuUs ortus
tantum et occasus nominantur, post aliquot annos adiectus est
meridies, accenso Consulum id pronuntianle — , sed hoc serenis
tantum diebus usque ad primum Punicum bellum. Darauf folgte
eine sehr unbequeme Einthciluiig des Tages. Zwar nahm man
auch von Mitternacht zu Mitternacht 24 Stunden an und dieses
war der bürgerliche Tag, Varro bei Macrob. I, ^j. ('ex.sorin.
d. n. 23; bei der Stundeneintheilung selbst aberlag der natür-
liche Tag zu Grunde, indem man die eigentliche 'J'agcszeit
352 Fünfter Excurs zur zweiten Scene.
zwischen dem scliwankenden Auf - und Untergange der 8oniie
in 12 Stunden tlieilte und die übrige Zeit der Nacht zuwies.
Da man für diese kein Mittel zur Unterscheidung einzelner
Abschnitte hatte, als etwa den Stand der Gestirne und die zu-
nehmende oder abnehmende Dunkelheit, so fand für sie eine
Stundeneintheilung erst Statt, nachdem die Wasseruhren üb-
licher worden waren und auch dann blieb noch die frühere
Rechnung, welche vom Ki-iegsdienste ausgehend die Nacht in
vier Vigilien theilte, sehr in Gebrauch. Im bürgerlichen
Leben aber unterschied man der Abschnitte mehr-, man nahm
deren acht an, welche Macrobius Sat. I, 3. nennt, und die
sich im Wesentlichen ebenso bei Oensorinus de die nat. 24.
finden. Sie heissen nach Ersterem von Sonnenuntergang (sol
occasus suprema tempestas esto. XII tab.) vespera (crepuscuhü)}),
prima fax (lum'mibus accensis [oder ad {suh) lumina. prima
HoR. ep. II, 2, 98. sat. II, 7, 33.]), concubia (nox [fum itum
est ciihitum] ) , intempest.a (nox \^qua niliil agi tempestiviim est.] ).
[Appul. Met. H, p. 115 Elm. cum ecce crepuaculum et nox pro-
vecta, et nox altior et deinde concubia altior et iam nox intem-
pesta.] Dann von Mitternacht bis zu Sonnenaufgang: mediae
noctis incUnatio (de media nocte), gallicinium, conticinium, dilu-
cidum. [S. auch Varro L. L. VI, 6. 7. Isidor. V, 31. Dissen,
de partibus noctis et diei ex divisionibus veterum in Kleine
Schriften S. 130 ff.] Indessen theilte man auch die Nacht
schon zu (Ucero's Zeit in zwölf Stunden; p. Kose. A. 7. cum
horam primam noctis occisus esset, j^rinio diluculo nuntius hie
Ameriam venit; decem horis noctumis sex et L milia passuum
cisiis pervolavit. Daraus entstand natürlich der Uebelstand,
dass die Stunden des Tages und der Nacht nur in den Aequi-
noctien sich gleich waren, und überhaupt das ganze Jahr über
schwankten, so dass z. B. die elfte Tagesstunde nach unserer
Eintheilung im Wintersolstitium 2 Uhr 58', dagegen im Som-
mersolstitium 5 Uhr 2' begann. Es hat daher auch die Ver-
gleichung der römischen Stunden mit den unsrigen einige
Schwierigkeit, indem man die jedesmalige Dauer des natür-
lichen Tages für die Polhöhe Roms kennen muss, um sie genau
Die Uhren. 353
zu berechnen. Zur ungefähren Reduktion reicht indessen die
in Idelers Lehrbuch der Chronologie und im Handbuche
Thl. 11. gegebene Tafel aus, „welche die Länge des römischen
Tages in unseren gleichförmigen Stunden für die acht Haupt-
punkte der Sonnenbahn im Jahre 45 v. Chr. , dem ersten des
von Julius Cäsar geordneten Kalenders angiebt."
Tag des Jahres. Dauer des Tages.
23 December 8 St. 45 Min.
6 Februar <) — 50 —
23 März 12 —
9 Mai 14 — 10 —
25 Juni 15 — 6 —
10 August 14 — 10 —
25 September 12 —
9 November 9 — 50 —
Der leichteren Uebersicht wegen füge ich noch die Ver-
gleichung der römischen Tagesstunden mit den unsrigen in
den beiden Solstitien hinzu, wo die Differenz am grössten ist,
während in den einzigen Aequinoctien unsere Stunden mit
den römischen zusammenfallen. Es beginnt also nach unserer
Kechnungsweise :
im
Sommer
im Winter
Iste St
. 4 Uhr 27 Min.
7 Uhr
33 Min.
2
—
5
—
42'
30"
8
—
1 7' 30"
3
—
6
—
58'
9
—
2'
4
—
8
—
13'
30"
9
—
46' 30"
5
-—
9
—
29'
10
—
31'
P.
—
10
—
44'
30"
11
—
15' 30"
7
12
—
12
—
8
—
1
—
15'
30"
12
—
44' 30"
9
—
2
31'
1
—
29'
10
—
3
—
46'
30"
2
—
13' 30"
11
—
5
—
2'
2
—
58'
12
.._
6
—
17'
30"
3
—
42' 30"
Ende d.
T.
7
—
33'
4
—
27'
Hkckkk. Oallus. 3. AiiÜ. II. 23
354 Fünfter Excurs zur zweiten Scene.
Diese Stundeneintheilung erhielt sich sehr hinge, und nur
auf Kaiendarien der spätesten Zeit findet sich die Länge der
Nacht und des Tages in den verschiedeneu Monaten nach
Aequinoctialstuuden angegeben. Der Art ist das Calendarium
rusticum Farnesianum, das sich in Graev. thes. antiq. Eom.
Vni. mit Orsini's Erläuterungen, und im Mus.Borb.II. t. 44.
findet. Es enthält indessen noch keine Andeutung eines christ-
lichen Zeitalters, wie es bei dem Wiener der Fall ist, das man
in die Zeit des Constantius setzt. Bei Graev. S. 97ff. Ideler,
Handb. der Chron. II, S. 139 fg. — Eine schwer zu beant-
wortende Frage ist: ob bei Angabe der Stunden, wie hoi^a
sexfo, nona^ decima, die laufende, oder die bereits verflossene
Stunde gemeint wird, (s. Salmas. zu Vopisc. Florian. 6. p.
634. Exerc. ad Solin. p. 636 ff.) so dass z. B. /lorä nonä nicht
die Aequinoctialstunde von zwei bis drei bezeichnete, sondern
so viel wäre, als: um drei Uhr. — Allerdings werden auf an-
tiken Sonnenuhren die Stunden durch elf Linien abgetheilt,
denen keine Zahlen beigesetzt sind, [s. unten. — Dass aber
doch zuweilen Zeichen eingegi'aben waren, sehen wir aus
Varro L. L. vi, 4. meridies ab eo, quod medhis dieSj D antiqui,
non R in hoc dicebant, ut Praeneste mcisum in solario vidi^
Fiel nun der Schatten des Zeigers auf die erste Linie, so war
die erste Stunde bereits vorüber, und horä primä wäre zu
Ende der ersten und zu Anfange der zweiten. [So bezeichnet
Pers. III, 4. qifinta dum lirtea tangitur unibra. das Ende der
fünften Stunde oder elf Uhr nach unserer Zeit.] Wenn hin-
gegen es bei Marx. IV, 8. heisst:
Prima salutantes atque altera continet liora,
Exercet raucos tertia causidicoa.
In quintam varios extendit Roma labores;
Sexta quies lassis, septimaßtiis erit.
Sufficit in nonam nitidis octava palaestris ;
Imperat exstructos frangere noiia toros.
so sind offenbar jedesmal die laufenden Stunden gemeint, und
da nona die gewöhnliche Stunde der cena ist, so kann horä
nonä cenare, wenn es mit Martial übereinstimmen soll, nur
Die Uhren. 355
lieissen: mit Beginn der neunten Stunde. Dasselbe scheint
aus dem auch von Anderen schon angeführten Epigramme zu
folgen. Anthol. Pal. X, 43.
"Ei MQca jioid^oig iy.ar(OTurui , ui 8t fi^z' avrag
rgdfiinaai Seixvvfisvai ZHQJ Xtyovai ßQoroig.
denn die Zahlzeichen d — c' würden auf die ersten sechs Stun-
den fallen, und ;' die ganze siebente bezeichnen.
Nach Plinius VII, 60. hatte man zu Rom bis in das elfte
Jahr vor dem Kriege mit Pyrrhus , etwa 460 n. Gr. d. St.,
keine Sonnenuhr, obgleich deren Gebrauch in Griechenland
bereits durch Anaximander oder dessen Schüler Anaximenes
(um 500 vor Chr.) bekannt war. S. Ideler, Lehrb. S. 97 fg.
L. Papirius Cursor stellte die erste am Tempel des Quirinus
auf, wie Plin. nach Fab. Vestalis berichtet. Varro hingegen
[ebenso Censorix. de d. nat. 23.] setzt die Einführung dieses
Zeitmessers um 30 Jahre später an, und lässt den M. Valerius
Messala die erste bei der Einnahme von Catina erbeutete
Sonnenuhr im J. d. St. 491. nach Rom bringen. Ganz irrig
ist es daher, wenn Meierotto, Sitten und Lebensart d. Römer
I, 207, aus dem Fragmente der Plautinischen Böotia oder Bis
compressa, wo der Parasit sagt:
Ut illum dii perdant, primus qui horas repperit,
Quique adeo primua statuit hie Solarium. —
Nam me puero i^efus liic erat solarium etc.
(er meint den Magen) schliesst, das erste aolariian sei in
Plautus' Kindheit nach Rom gekommen. Das wäre etwa die
Zeit des zweiten punisclien Krieges. Aber musste denn Plau-
tus gerade seine Jugend im Sinne haben, um diesen Witz zu
machen !
[Die genannte aus Siiilien nacli Rom gebrachte Sonnen-
ulu- hatte aber einen gro.ssen Uebelstand-, denn wie Plin. sagt
und wie sich von selbst versteht: nee congruehant ad horas eins
lineae; paruerunt tarnen eis annis undccentum. donce Q. Mur-
cius Philippus, qui cum L. Paullo fuit censor, diligeyitius ordi-
natuni iuxta posuit. Censorin. 23.] Diese ersten Sonnenuhren
waren offenbar von dt^r Art, welche die Griechen nöXog nennen.
23'
356 Fünfter Excurs zur zweiten Scene.
Die älteste Art, den yvMfAMi; führte man desshalb nicht ein,
weil man die von den Griechen schon längst vervollkommnete
Einrichtung gleich kennen lernte, s. Charikles I, S. 360 ff. In-
dessen gab es einen solchen Gnomou auch in Kom, der von
August im Marsfeld errichtete 116 Fuss hohe Obelisk mit der
Inschrift: Soli donian <Zec?/7, jetzt auf monte Citorio. Plin. h. n.
XXXVI, 10. beschreibt denselben genau: ad deprehendendas
solis umbras dierninque ac nocthim ita inagnitiulincs, strato lopide
ad raagnltudinein obelisci, cui par ßeret umbra bruinae conftctae
die- sexta Itora, paulatimque per r'egulas , quae sunt ex aere in-
vlusae (das sind Metalllinien in dem Steinboden zum Messen
der Schattenlängej, singuHs diebiis decresceret ac ruraiis auges-
ceret. [Einen Commentar zu d. St. schrieb Ostertag, über
den ehemals zu Rom auf dem Marsfeld gestandenen gnomo-
nischen Prachtkegel. Regeusbing 1785. S. auch Becker, röm.
Alterth. I, S. 638 fg.] — Die Sonnenuhren, horologia solaria
oder sciotherica [und solaria schlechtweg, Varro L. L. VI, 4.]
wurden späterhin sehr allgemein nnd von sehr verschiedener
Form gefertigt. Vgl. Vitr.IX,9 (8j. [Isid. XX, 13.] Ernesti,
de solariis. und in der clav. Pitture d'Ercol. III. Prefaz. und
p. 337 ff. Martini, Abhandl. von den Sonnenuhren der Alten.
Leij)z. 1777. van Beeck Calkoen, Diss. math. — ant. de horo-
logiis vet. sciothericis. Amst. 1797. Wuestmann, Pal. d. Sc. S.
150 fg. Mus. BoRB. VII. Frontisp. [Pauly, Realencykl. III,
S. 1483 — 1495. Salmasius, excerc. Plin. ad Solinum. Trai. ad
Rh. 1689. I, p. 445 ff. 519 ff. Peter, di un antico orologio
recentemente trovato. Roma 1815. Roulez, in melanges de
philol. Bruxell. 1846. Fase. V, Nr. 9. S. 9 f. Delambre bist,
de l'astronomie ancienne. Tom. II, p. 511 ff. und die Schriften
von Sallier und Piale, welche Avellino, descr. di una casa
p. 60. nennt. Wöpcke, disp. arch. math. circa solaria vete-
rum. Berol. 1846. (mathematisch). Dubois, histoire et trait^
de l'horlogerie ancienne et moderne. Paris 1850. Quaranta,
l'orologio a sole di Beroso scoperto in Pomp. Napoli 1854.
Garrucci e Minervini, bullet, archeol. Napol. Nuova seria,
Ann. III. Nr. 55. 64. (mit schönen Zierrathen umgeben und
Die Uhren. 357
sechs Stundenlinien). Fiorelli, monumenta epigr. Pomp. I,
S. XXVI. — Auch auf Inschriften kommen horologia mehr-
fach vor, Orelli Henzek 2032. 3298 f. 3892. 4517.] Da der
Öcliatten des senkrecht auf der horizontalen Fläche stehenden
•Zeigers (gnomon) die jedesmaligen bald kürzeren bald län-
geren zwölf Stunden des natürlichen Tages angeben sollte, so
fand eine dreifache Eintheilung Statt. Yitr.IX, 8,(7). Omnivm
aiitem figuraruiit descriptionumque eantm effectxis Ufius, uti dies
aeqn'moctialiii hnmialisque itemque solstitialis in duodecim partes
aequaliter sit divisus.
[Von den zahlreichen Arten der Sonnenuhren, welche
ViTRuv.IX, 9. aufzählt, haben sich Avenigstens zwei Gattungen
erhalten, nämlich die sphärisch ausgehöhlten halbkugelför-
migen und die auf einer ebenen Fläche eingehauenen. Sie
sind von Marmor, gewöhnlichem Stein oder Erz, und die
Linien zeigen nicht selten Spuren der ehemaligen rothen Fär-
bung. Die erste fand man 1741 bei Tusculum, beschi-ieben
von Zazzeri, sopra una villa scoperta sul dorso del Tusculo.
Venez. 1746. u. Martini, S. 49 ff. Bald darauf wurden einige
bei Castel nuovo, noch mehrex-e bei Tibur und die meisten in
PomjK'ji ausgegraben. Antich. d'Ercol. III, prefaz. p. V.
beschreibt c;ine in Herculanum 1755 gefundene. Mommsen,
inscr. Neap. n. G305. 12. Diese gehört zu der Classe der viato-
ria pensilia (auf der Reise mitzunehmen), ist von Metall und
stellt einen Schinken vor, auf welchem 7 horizontale und 7
verticale Linien sich durchkreuzen, so dass 30 ungleiche Qua-
drate gebildet werden. An der unteren Seite befinden sich die
Anfangsbuchstaben der zwölf Monate, je zwei unter einander.
Das Schwänzchen des Schinkens dient als Giiumon. Wöpcke,
S. 24 f. Kossi inid Settei.e im Bullet, dell' inst. 1838, p.
97 — 109. über eine Uhr in Tibur mit der Inschrift T. Heren-
mus III vir i. d. re^Ytituit). Avellino, descr. di una casa p.
29. 32. 6«». giebt die Abbildung von zwei Sonnenuhren, welche
im Hause der mit Figuren verzierten Capitäle entdeckt wor-
den war und von denen die eine auf folgendcir Seite wieder-
holt wild.
358 Fünfter Excurs zur zweiten Sceue.
Die Stinulenlinien sind auf allen in ähnlicher Weise ein-
gegraben und fast immer von den Segmenten zweier Kreise
begränzt. Die Mittagslinie /», welche zuAveilen länger, zuweilen
kürzer ist, wird von einer anderen Linie durchschnitten, die
von Osten nacli Westen geht und welche dazu dient, in Ver-
bindung mit den Stundenlinien Kreuzungen hervorzubringen,
in deren KreuzjjiTnkte der Schatten des Gnomon g zu be-
stimmten Stnndenzeiten fallen muss. Auf der Fijrur sind die
MrOtig.
JiBOemtuht.
Kreuzpunkte mit den Stunden in moderner Weis^ bezeichnet
und die entsprechenden römischen Stunden sind am Ende der
Linien angegeben. Li der ersten und in der zwölften Stunde
(zwischen 6 — 7 und 5 — 6) fällt der Schatten zwischen den
Kreis und Punkt 7 oder 5. — Eine einzige in Deutschland
gefundene (bei Kanstadt 1843) ist beschrieben in den Jahr-
büchern des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande.
Borm 1844. IV, S. 90 ff. Ueber die in Berlin aufbewahrten
Die Uhren. 359
Uhren und die auf Monumenten daselbst abgebildeten s. bei
WöPCKE, S. 27. 38 ff. Vgl. Pauly, Eealencykl. S. 1488 fg.
Wer in mathematisch -astronomischer Hinsicht Aufklärung
sucht, findet in den gen. Schriften von Martini, v. Beeck,
Delambke, Wöpcke u. a. vielfache Belehrung.]
Bei trüben Tagen blieb man indessen in derselben Unge-
wissheit über die Tageszeit, bis man den Gebrauch der Wasser-
uhren kennen lernte, durch welche dem Uebelstande einiger-
massen abgeholfen wurde. Diese Uhren, auch von den Griechen
angenommen , welche sie schon in Aristophanes' Zeit bei ge-
richtlichen Verhandlungen brauchten, hiessen clepsydrae und
hatten Aehnlichkeit mit unseren Sanduhren, indem das in
einem Gefässe enthaltene Wasser allmählig verlief. Ihre
Form x(oÖ£»a iuv/.og, tj&fwg) s. Charikles I, S. 364 ff. Doch
werden sie auch geradezu soloria genannt, Cic. de nat. d. II, 34.
Solarium vel description vel ex aqua. [Cexsorix. 23. P. Com.
Naaica censor ex aqua fecit horarium , quod et ipsum ex con-
suetudiiie noscendi a sole lioras Solarium coeptwn vocari^ sowie
bei den Griechen die clepsydra auch yvcü^ojv genannt wird.
Ath. U, p. 42 B. Die clepsydrae , von denen Aristoteles
spricht, waren nicht durchsichtig, wie überhaupt damals der
Gebrauch des Glases noch beschränkt war. Späterhin ist es
unzweifelhaft, dass man dazu dieses geeignetste Material nahm.
[Appul. Met. III, p. 130 Elm. ad dicendi spatium vasculo quo-
dam in lucejn coli (d. i. Durchschlag) graciliter ßstulato ac per
hoc guttaüm defluo infusa aqua.^ Die erste Wasseruhr stellte
nach Plinius a. a. 0. Scipio Nasica im Jahre 595 d. St. öffent-
lich auf. Es ist indessen neuerlich (Ideler, Lehrb. S. 258.) in
Zweifel gestellt worden, dass diese Wasseruhr eine blosse clep-
sydra gewesen sei, da sie von Plinius horologium, von Cen-
SORIN. 1. 1. horarium genannt werde. Vielmehr sei zu ver.
muthen, dass es eine wirkliche Uhr von der Erfindung des'
Ktesibios gewesen. Daraus würde nun ferner folgen, dass der
erfinderische Mechaniker nicht, wie Athenaeus IV, p. 174.
angiebt, unter Ptolemäus Euergetes II. sondern vielleicht
sclujn unter dem ersten, also fast hundert Jalire früher, gelebt
360 Fünfter Excurs zur zweiten Sceue.
habe, da der zweite erst 608 d. tit. zur ßegierung gekommen
sei. Letztere Vermuthung, welche vielleicht durch dieselbe,
vermuthlich aber nur auf Irrthum heruhende Angabe in Beck-
manns Beitr. zur Gresch. der Erfind. I, S. 284. veranlasst ist,
scheint ganz unnöthig; denn Ptolemäus VII. herrschte schon
in Cyrenaica seit 583 d. St. und kam niu- in Aegypten erst
später auf den Thron, und auch dann konnte Ktesibios sehr
gut in sein Zeitalter gehören und doch 595 schon seine Wasser-
uhr bekannt sein. Ueberhaupt aber scheint aus den Namen
horologiwn und liorarium, die doch überhaupt nur Stunden-
messer bedeuten, gar nicht so viel gefolgert werden zu können.
Plinius will offenbar sagen, dass man bis dahin gänzlich auf
die Sonnenuhi-en beschränkt gewesen sei und keinerlei Wasser-
uhr gehabt habe. Seine Worte sind: Etiamtum tarnen nuhilo
incertae fiiere horae usque ad proximwn lustrum. Tunc Scipio
Nasica collega Laenatis primus aqua divisit /loras aeque noctiwn
ac dierum^ idqiie horologiwa sub tecto dicavit anno Urbis DXCV.
— Nun war es aber gewiss nicht eine einzelne clepsydra, die
etAva den Verlauf einer Stunde anzeigte-, aber warum konnte
es nicht eine Zusammenstellung mehrerer von verschiedenem
Maasse, oder ein grösseres Gefäss sein, an dem gewisse Merk-
male den Ablauf der einzelnen Stunden erkennen Hessen?
Und letzteres scheint wirklich Sidon. Apoll, in der von Ide-
ler angeführten Stelle ep. II, 9. nuntius iMr spatia clepsydrae
horarum incrementa servans. zu meinen. Dass übrigens die
clepsydrae den Römern erst unter Pompejus bekannt worden
wären, wie von Beckmann behaviptet wird, davon findet sich
in dem Dialog de causis corruptae eloquentiae k-eiue Spur ; sie
sind nicht einmal genannt, und es wird nur gesagt, dass die
Redner durch ihn in der Zeit beschränkt worden seien, c. 38.
Primus tertio consulatu Cn. Pompeius adstrinxit, impotmitque
veluti frenos eloquentiae. Desshalb wurden ihnen allerdings
clepsydrae gegeben, die namentlich in später Zeit oft erwähnt
werden. Plin. ep. 11, 11. sagt: dixi horis paene quinque. nam
XII clepsydris , quas spatiosissimas acceperam (sie waren also
verschieden), sunt additae IV. Andere lesen : nam XX cleps.
Die Uhren. 361
und das stimmt freilich mit den horis quinque besser zusammen;
denn dann würde auf die clepsydra der fünfte Theil einer
Stunde kommen, so da>s XXIV clepa. allerdings j^ae?/« kor. V
ausmachten. Vgl. Mart.VI, 35. VIII, 7. [Laur. Lyd. de mag.
II, 16. Draudius, de clepsydris. Giess. 1732. Burchardi, de
ratione temporis ad perorandum in iud. publ. apud Rom Kil.
1829.] Natürlich wurden diese solaria und clepsydrae auch in
Privathäusem gewöhnlich. [Cic. ad Farn. XYI, 8. schreibt an
Tiro nach Tusculum : horologium et librus mittam. Ulp. Dig.
XXXm, 7, 12. § 23. horologio aereo, quod non est affixum
(zum Hausgeräth gerechnet), welche Art aber seltener war.
Oeffentlich aber wurden nur Sonnenuhren aufgestellt, z. B. bei
Tempeln, in Basiliken, auf gi'ossen Plätzen, sogar bei Grab-
monumenten u. s. w. Orell. 2032. 3298. 4536. 3299. Horo-
logium cum suo aedißcio et signis omnibu^ et clatris C Blaesius
et eo amplius ad id horologium administrandum servm
(servum oder servandum?) HS. etc. Censorin.23. apudaedem
Quirini, in Capitoliu, ad aedem Dianae. Varro L. L. VI, 4.
quod (solar.) Cornelius in basilica Aemilia et lulia adumhravit.
Laur. Lyd. de mag. III, 35.] Neben ihnen hatte man wohl
aucli hie und da hydraulische Uhren des Ktesibios, wiewohl
diese für die römische Eintheilung des Tages schwerlich passen
konnten. Indessen hat Weinbrenxer, Entwürfe, Heft 11. T. 7,
S. 15 ff. einen Mechanismus ersonnen, durch den es möglich
gewesen sein suU, die schwankenden Stunden anzuzeigen.
Aber alle diese Vorrichtungen hatten weniger Zuveidässigkeit,
als jetzt eine gemeine hölzerne Wanduhr. [Die durch Räder-
werk getriebenen Wasseruhren, welche Vitruv. IX, 9, 2 ff .
beschreibt (siehe Pauly Realencykl. III, S. 1491 f.) waren
jedenfalls Cicero bekannt, da er de nat. deor. II, 38. schreibt:
an quuui ynachinatione quadam moveri aliquid videmus, ut sp/iae-
ram (d. i. ein Planetariuni), ut horas (Andeutung der Wasser-
uhr), ut alia pernnilta, non duhitanms, quin illa opero. sint ra-
tiimis. S. Wuestemann, Rec. des Gallus S. 150.]
Um ohne eigen«' Mühe stets die Stunde zu wissen, hatte
man besondere Sklaven, welche auf Solarium und clepsydra
362 Fünfter Excuis zur zweiten Scene. Die Uhren.
achteten und jedesmal die verflossene Stunde meldeten. Mart.
Vni, 67.
Horas quinque puer nondurn tibi nunciai, et tu
lam conviva mihi, Caeciliane, veuis,
luvEX. X. 216.
— clamore opus est, ut sentiat aiiris,
Quem dicat venisse puer, quot nunciet horas.
Der abgeschmackte Trimalchio hatte im Triclinium selbst ein
horologium und dabei einen buccinator^ um jedesmal den Ab-
lauf der Stunden anzugeben. Petron. 26.
EXCURSE ZUR DRITTEN SCENE.
STUDIEN UND BRIEFE.
ERSTER EXCURS.
DIE BIBLIOTHEK.
°^^
Wenn wii- im Hause eines wissenschaftlich gebildeten
RöTucrs und geistreichen Dichters eine zahlreiche Bibliothek
antreft'en, s(j werden wir das natürlich hnden, inid würden im
Gegentheile sie vermissen; aber mit Unrecht "würden wir von
dem Vorhandensein einer kostbaren Büchersammlung auf den
wissenschaftlichen Sinn des Besitzers schliessen. Was in frü-
herer Zeit nur Bedürfniss einzelner durch die "Wissenschaft
gebild<'t<'r und ihr befreundeter Männer war, das wurde nach
und nach Mode- und Luxusartikel. Man mochte noch so un- ;
wissend sein, so wollte man doch gelehrt scheinen, und es ge- J.
3G4 Erster Excurs zur dritten Scene.
hörte zum guten Tone, im eigenen Hause eine reiche Biblio-
thek zu besitzen, wenn man auch nie einen griechischen Dich-
ter, nie einen Philosophen in die Hand nahm, vielleicht nicht
einmal dazu kam, die Titel der Rollen durchzulesen, und
höchstens an der Nettigkeit der äusseren Form sein Wohlge-
fallen hatte. Sexeca de tranq. an. 9. tadelt ernst die Sucht,
eine Unzahl von Büchern aufzuhäufen in Bibliotheken, quu-
nun dominus vix tota vita sua indices perlegif. Er spottet über
die, quibus voluminum suonim fro7ites muxhne placent titultque^
und sagt endlich: iam enim inter halnearia et thermas bibl'io-
theca quoque ut necessariwn domiis or)iame7ituin expolitur. Igno-
scerem plane ^ d e studiovum uimia cupidine oriretur: nunc isla
exquisita et cum imaginibus suis descripta sacroriim opera inge-
niorum in speciem et cultuia parietum comparantur. Sah sich
doch LuciAN veranlasst in einer eigenen Schrift: IIqo^ dnal-
dtvtor HCii noXXä ^ißXi'a corovfiepov diese Thorheit scharf zu
geissein, und gewiss treffend ruft er dem Gegenstande seines
Spottes die Sprüchwörter zu: nldtiy.o^ ö ni&i^y.oq y.uv ynmea e'/ji
orfi^o/M, und : oiug ).vq((^ u/mvh^' y.ircor ra mru. Vgl. ]Mart. V,
51. — Anderen Gebrauch machten fi-eilich Cicero, Atticus,
Horaz (Ejnst. I, 18, 109.), der ältere wie der jüngere Plinius
[und von den Späteren Serenus Sammonicus, welcher an
62,000 Bücher besass, Cap. Gord. 18.] von ihren Bibliotheken
und dasselbe dürfen wir von Gallus voraussetzen. Dass aber
schon in der damaligen Zeit eine Bibliothek ein nothwen-
diges Ameublement war , zeigt auch Vitruv, der von ihr wie
von anderen Theilen des Hauses handelt, und Trimalchio
i-ühmt sich sogar bei Petkox. 48. drei Bibliotheken zu haben.
Nach ViTRUVS Vorschrift sollte sie nach Morgen liegen,
aus doppeltem Grunde : VI, 7. (Sehn. 4.) Cubicida et bibliothe-
cae ad orientem spectare debent; usus enim matutinum postulat
lumen: item in bibliotliecis libri non putrescent. lieber ihre wei-
tere Einrichtung vermögen wir um so besser zu urtheilen, als
die Ausgrabungen in Herculanum bekanntlich zu einer alten
Bibliothek mit ihren Rollen geführt haben. Dieses Zimmer
hatte ring.s an den Wänden Schränke, nicht viel über Mannes
Die Bibliothek. 365
Länge hoch, in denen die Kollen lagen. Ebenso theilte eine
andere Reihe Schränke in der Mitte des Zimmers dasselbe in
zwei Theile , so dass niu- auf den Seiten Gänge blieben. Es
diente demnach lediglich zur Aufbewahrung der Bücher, nicht
wohl zum Gebrauch an Ort und Stelle. Da ein kleiner Raum
eine bedeutende Anzahl Rollen fassen konnte, so scheinen die
alten Bibliotheken überhaupt nicht sehr geräumig gewesen zu
sein. Die in Herculanum 1752 entdeckte war so klein, dass
man mit ausgestreckten Armen fast von einer Wand zur an-
dern reichen konnte. S. Wixckei.m. Anm. zur Gesch. der
Bank. W. I, S. 401. Briefe an Bianconi I. und Brühl W. H,
S. 227 fg. [Philos. transact. 1752. p. 71 ff. 1754. p. 634 ff.
und ff. Jahrg. Diss. isagogicae ad Herculan. volum. explana-
tionem. Neap. 1797.] Martorelli, de regia theca calamai-ia
I, p. XL. [de Iorio, ofticina de' Papiri. Xapol. 1825. Boot,
notice sur les manuscripts trouves ä Hercul. Amst. 1841.
Blanca, varietä ne' volum. Ercolani. Nap. 1847.]
Mit den Ergebnissen dieses Funds stimmen sehr gut die
gelegentlichen Nachrichten alter Schriftsteller überein. Auch
ViTR. Vn. Praef. 7. sagt vom Aristophanes, der die Plagiate
nachweisen wollte: e certis annariis bißnita volumina eduxit.
VoPisc.Tacit. 8. habet hihUothcca Ulpia in arinario sexto lihrum
elephantinuni etc. und so heisst es auch bei Plin. PC, 17. Parieti
(cubiculi) in hibUoÜiecue speciein annarium insertum est, quod
non legendos libroa, sed lectitandos capit. Hier war es also ein
"Wandschrank. [Auch Sidon. Apoll, ep. 11, 9. nennt armar.
biblioth. und vorzüglich Ulp. Dig. XXXII, 1, 52. § 3 7.] Ob
diese Schränke Tlüiren gehabt, und verschlossen worden sind,
wie andere , in denen man Gold und dergl. aufbewahrte, mag
ich niclit behaupten. Sexeca tranq. 9. nennt überhaupt nicht
ariiiaria, sondern tecto tenus exstruda loculamenta , was auch
von blossen offenen Repositorien verstanden werden kann.
Irrig aber ist es , wenn angegel)en wird, diese armaria wären
auch ncrinia genannt worden. S. über die letztere)! den folgen-
den Excurs. Hingegen wird dafür von Iuven. 111, 219. der
Ausdruck Jhriiii gebrauclit, der sonst wohl auch nur beweg-
3(36 Erster Excurs zur dritten Sceiie.
liehe Behälter bedeutet. Bei Martial heissen sie sehr be-
zeichnend nidi. I, 118, 15. De primo dabit alterove nido rasuni
pumice — - Martialem. VII, 17, 5.
Hos nido licet inseras vel imo,
Septem quos tibi niittimus libellos.
und allerdings lag der Vergleich mit einem Columbarium
nahe.
Seit Asinius Pollio [?] in der öflFentlichen von ihm dedi-
cirten Bibliothek die Portraits bei-iihmter Männer in Gemälden
oder Büsten aufgestellt hatte, fing man an, diess auch in Privat-
bibliotheken nachzuahmen. Plin. XXXV, 2. Suet. Tib. 70.
Ein interessanter Beleg dazu findet sich bei Mart. IX, wo im
ersten Epigramme der Dichter dem Avitus die Inschrift unter
sein Bild sendet, dem dieser einen Platz in seiner Bibliothek
schenken wollte. Dann heisst es in einer epistola ad Tura-
nium: Epiyrumma. quod extra ordinem paginavum est, ad Ster-
tinium, clarissirauin virum, scripsimus, qui iynagineiii nieam po-
nere. in bibliotheca sua voluit. So auch in der Bibliothek,
welche Hadriau in Athen anlegte. Paus. I, 18, 9. (oiy.^ftuT«.)
ayakfiaai x£xo(T^rjfA.ti>a y.c.i •jnuqaig' y.araxenca Ö sg uvra SißXia.
— Und nicht nur die Portraits der Zeitgenossen wollte man
aufstellen, sondern, wie Plinil'S sagt: quin imrao etiani, quae
no7i sunt, finguntiir pariuntque desideria 7ion traditos vidtus^
sicnt in Homero evenit. [S. übrigens Thl. I, S. 50.] Ausserdem
fanden auch Statuen, z. B. der Musen, Cic. ad Fam. VII, 23.
dort ihren Platz, oder es führte auch wohl gleichsam den Vor-
sitz in solcher gelehrten Versammlung die hohe Göttin der
Weisheit und schaffenden geistigen Kraft, deren Statue oder
Büste, media Minerva, Iuvex. III, 219. dem Orte eine höhere
Weihe gab.
Für die Zwecke der Bibliothek, nicht nur zu ihrer Beauf-
sichtigung, sondern um sie zu vermehren und für die Nettig-
keit des Aeusseren zu sorgen, hatte man eigene Sklaven, die
zu der grösseren Klasse der Ubrarii gehörten. Der Name be-
zeichnet überhaupt alle die, welche zum Schreiben gebraucht
werden, daher sie auch schlechthin scribne genannt werden.
Die Bibliothek. 367
Als solche sind sie jedoch zu unterscheiden von den sanbis
publicis und von den bibliopolis, die zwar mit den librariis der
Bibliothek eine Beschäftigung hatten, bei denen indessen der
Begriflf des Verkaufs der abgeschriebenen Bücher für ihre
Rechnung hinzukommt. Vgl. S. 126. und die dort citirten
Schi'iften von Eschenbach und Ernesti. Unter den Schrei-
bern, die der Privatmann sich hielt, unterscheidet man: Ubrarii
a studiis, s. I, S. 52., ab epistolis und a bibüotheca [vgl. Orelli
Henzex 6445]. Ob indessen die Verbindung der beiden Na-
men: librarius a bibliotheca sich sollte nachweisen lassen, ist
mir zweifelhaft. Auf Inschriften heisst es sonst : librarius et a
bibliotheca , und Letzterer wird dann wohl der gewesen sein,
welcher die Aufsicht über das Ganze hatte, wozu man natür-
lich einen librarius nahm. Die librarii aber, welche für die
Bibliotheken abschrieben, wurden, wiewohl erst spät, auch
antiquarii genannt. Cod. Theod. IV, 8,2. Antiquiores ad bib'io-
thecae Codices comjjonendos , vel pro vetustate reparandos qua-
tuor Graecos et tres Latinos scribendi peritos legi iubemus. [Im
I]dict. DiocLET. de pret. erscheint librarius sive antiquarius
als Schreibelehrer nach dem notarius, der wahrscheinlich in
der Stenographie unterrichtete. Der Abschi-eiber von Büchern
heisst daselbst nur scriptor und der von Urkunden tabelUo.
MoMMSEN, Berichte über d. Verhandl. d. Königl. Gesellschaft
d. Wissensch. zu Leipzig 1851, S. 19. 21. 72. 74.] Die Er-
klärung indessen, welche I.siü. Orig. VI, 14. giebt: Librarii
iideiii et antiquarii vocantur: sed librarii sunt, qui et ?iova et ve-
tera scribunt, antiquarii , qui tanlummodo vetera, unde et nomen
sumserunt. möchte schwerlich als die Avahre gelten können.
Richtiger scheint es anzunelnneu, dass, als die alte römische
Schrift anfing in die Cursi\schrift überzugehen, man die,
welche alte ansehnliclie Uneialschrift beibehielten, antiquarios
mit eben dem iiechte nannte, mit welchem man den Schrift-
stellern, welche absichtlich aniiqiia et rccoialita verba wählten
(SuET. Aug. 86.) diesen Namen gab. S. Gurlitt, Archäolog.
Sclir. S. 7. Daher erklären auch die Glossen das Wort durch
doj^uioyoi'.qog und xn).hy(>äq'o.,'. [Die libraria bei Gruter. 594, o.
368 Erster Excurs zur dritten Scene. Die Bibliothek.
ist nicht ganz sicher und sonst ist lihraria s. v. a, lanipendia,
ScHOL. zu luv. VI, 475 ff. Orelli 4212. Das verächtliche
Deminutiv Uhrarlolus s. Cic. ad Att. IV, 4. s. v. a. unbedeu-
tender Sklave, der bei den Büchern angewendet wird (siehe
Exe. 2.) p. Balb. 6. vgl. de leg. I, 2.]
Die librarii waren aber nicht bloss Abschreiber, sondern
zugleich auch Buchbinder, wenn man auf die Bollen diesen
Ausdruck übertragen darf. Ueber diese Geschäfte s. den fol-
genden Excurs.
Literatur: LiPSii, de bibliothecis syntagma. Opp. tom.III.
LoMEiER, de bibliothecis. (in antiquarischer Hinsicht sehr un-
bedeutend). [G^RAUD, sur les livres dans l'antiquite, particu-
li^rement chez les Komains. Paris 1840. chap. 10. des biblio-
theques.]
ZWEITER EXCURS ZUR DRITTEN SCENE.
DIE BÜCHER.
Von der äusseren Gestalt der Bücher bei den Alten hat
Schwarz in seinen gelehrten Dissertationen de ornamentis
librorum apud veteres usitatis. freilich mit Beimischung man-
ches Entbehrlichen ausführlieh gehandelt. Es bleibt indessen
auch nach dieser sehr Heissig geführten Untersuchung noch
manches zu berichtigen und zu erklären, worüber zum Theil
die in Herculanum aufgefundenen Rollen Aufschluss geben.
Ueber einiges habe ich zu Tib. III, 1. gesprochen. S. meine
Elegeia Romana p. 242 ff. [S. noch Cirillo, monogr, du pa-
pyrus. Parma 1796. Dlreau de la Malle, m^m. sur le
papyrus et la fabrication du papier chez les anciens in mem.
de l'acad. des inscript. XIX, 1, S. 140 ff. Peignot, essai bist,
sur la relure des livres et sur l'etat de la librairie chez les an-
ciens. Dijon et Paris 1834. Geraud, essai sur les livres etc.
und Boot, notice etc. p. 30 — 41. s. im voi-igen Exe. Pauly,
Realencykl. IV, S. 1040 ff. Krause, Geschichte d. Erziehung,
Unterrichts und Bildung bei Griechen, Etruriern und Römern.
Halle 1851, S. 418 — 428 über das Schreibmaterial. Winckel-
MANN, Unterhalt, aus der alten AVclt für Garten- und Blumen-
freunde. Gotha 1854, S. 17 — 33. Chabas, etude sur le papy-
rus in revue archeol. 1858. XV, S. 1 ff.]
Der Stoff, auf welchen die Bücher geschrieben wurden,
war in der Regel das feinste Bast (liber, die einzelnen Häute
pliilyrae) des ägyptischen Papyrus, den man zu Augusts Zeit
durch Zurichtung mit Bleiche (ablutio) so zu vervollkomuiuen
Bkckek, CJallus. 3. Aufl. H. 24
370 Zweiter Exciirs zur dritten Sccne.
wusstc, dass der vorzüglich-^te der frülieren Zeit (hieratka) nur
als dritte Qualitcät galt, während den ersten Hang der nach
August benannte einnahm, und die nächste Sorte der Livia
Xamen führte. Es gab in Kom davon verschiedene l'abriken.
Plix. XIII, 12, 23. sagt, nachdem er von obigen Sorten ge-
sprochen: Proximinn (nomen) amphitheatrican dafiim fuerat a
confecturae loco. Exccplt lianc Romae Fannii sagax ofßcina,
tenuatamque curiosa iiiterpolatione priucipalcm fecit e pleheia
et noiaen ei dedit. Quae 7ion esset ita reeurcda, in siio mansit
amplnthecdrica. Er führt überhaupt acht Sorten an, deren ge-
ringste, die emporetica , zum Schreiben untauglich Avar und
nur zur Verpackung gebraucht wurde, woher es eben den
Xamen hatte (a mey^ccdoribus cognominatci). [Ueber die Stelle
de-i Plin. s. Guillaxdini, comment. in Plin. de pajD. capita.
zum erstenmal Ven. 1572. Salmas. zu Vop. Firm. 5. Moxt-
FAUCOx, sur la plante apjiellee Papyrus, in d. mem. de Tacad.
des iuscriijt. et b. 1. IX, p. 302 fg. Caylus, ebendas. XXVI,
p. 267 — 320. Vgl. ferner im Allgemeinen Wehes, v. Papier.
Halle 1789. Böttiger, kleine Schriften III, S. 365 — 385.
Tychsex, de chartae jiapyr. in Eur. per med. aev. usu, in
comm. soc. scient. Gotting. IV, comm. 1. Krause, in Ersch
und Gruber Encykl.III, 11, S. 231— 247. Pauly, Kealencykl.
V, S. 1154 ff. Boot, notice, p. 9 — 24. (wo er p. 15 ff. behaup-
tet, dass man nur in Aegypten Papier fabricirt habe, Avelches
dann in Kom bloss umgearbeitet Avorden sei; als ob man den
Pajjyrus nicht vielmehr roh nach Italien ausgeführt hätte pa-
pyrum ad Chartas paratum Ulp. Dig. XXXII, 1, 52. § 6.).
Plix. h. n. XUI, 12, 23. erwähnt die römische Fabrik des
Fannius s. oben. vgl. 26. Vergl. den interessanten Brief des
Cassiod. var. XI, 38. und Isid. VI, 10. wo sieben Papier-
sorten aufgezählt werden. Der Xame derselben ist theils ent-
lehnt dem Vaterland oder dem Ort der Fabrikation {Aegyp-
tiaca, Niliaca, ampJutheatrica), theils Personen {Cornelia, Livia,
Augusta), oder bezeichnet den Gebrauch (hieratica, emporetica).
— Das Ausfuhrverbot des Papyrus durch König Ptolemaeus
war ohne Zweifel nur vorübergehend, Plix. h. n. XIII, 11,21.
Die Büclier. 371
Als Haupttugendeu des Papiers galten: temiita.s. densifas, can-
dor, laevor; als Hauptfehler, welche durch Umarbeiten ent-
fernt wurden: scabritia, humor, lentigo, taeiüa.]
Die schmalen Streifen dieses Papiers — au den Hercu-
lanischen Rollen etwa sechs Finger breit — wurden [auf
darunterliegenden Bretern mit Nilwasser oder Kleister] zu-
sammengeleimt, so dass einer über dem anderen ein bis zwei
Finger breit lag, [und darüber breitete man eine Querlage,
wie bei einem Gewebe. Plin. a. a. 0. Wuestemann, S. 25.
Der Name dieser Streifen war] paginae, schedae, was wenig-
stens bei Marx. IV, 89.
Ohe iain satis est, ohe libelle,
Iqvi pervenimiis usqiie ad umbilicos.
Tu prucedere adlmc et ire quaeris,
JXec summa potes in scheda teneri.
nicht ein einzelnes Blatt, wie bei Cic. Att. I, 20. sondern (Xqw
letzten Streifen der Rolle bedeutet. — Die Breite oder Höhe
(latitudo bei Plix.) der Rollen (volumina) und natürlich auch
ihre Länge waren verschieden. Die Herculauischen sind in
der Regel einen neapolitan. Palm breit, aber auch schmäler,
[nämlich zwischen (j und i) Zoll. Plix. giebt die Breite von
G — 13 Zoll an. Die besten Sorten hatten 13", die hieratische
1 1", das Fannische Papier 10", das amphitheatrische 9", das
emporetisclie G". Diess hing ganz von der Breite der Streifen
ab, die man aus den bastähulichen unter der Rinde des schilf-
artigen oft hohen Papyrusstammes befindlichen Häuten {phi-
lyrae) schnitt und nach Willkür schmäler oder breiter liess.
Die innersten Iläutchen brauchte man zu dem feinsten, die
äussersten zu dem gröbsten Pa[»ier, nachdem man sie mit einer
Xadel (acus) gelöst und abgewickelt hatte. Siehe Ritschl, die
alexandrin. Bibliotliek. Breslau 1838. S. 124 fg. Wuestem.,
S. 24 ff. Lexz, Botanik d. alten Griechen und Römer. Gotha
1859, S. 271 — 279. — Die 1821 gefundene ägyptische Pa-
pyrusrolle mit dem Fragment der Ilias, 677 Hexameter enthal-
tend, ist 8 Fuss lang und 10 Zoll breit. Ueber dieAngabe der
Zeilenzahl am Ende der Werke oder auf dem Titel (Sticho-
24*
372 Zweiter Ex cur s zur dritten Scene.
metrie) s. Eitschls erwähnte treffliche Schrift S. 91 — 136.
Ebendaselbst ist der Unterschied der ßißXia knXä und äfiixra
(volum. simplicia und digesta) im Gegensatz zu ßißXi'a av/nixima
(commixta) gründlich behandelt, S. 22 — 28. und corollarium
disput. de biblioth. Alex. Bonn. 1840. p. 34 — 41. obgleich
noch nicht alle Zweifel beseitigt sind. Am einfachsten würde
man unter uTiXä einzelne Papyrusstreifen oder Bücherrollen
verstehen, die nur aus einem Blatte bestehen, allein avfifuxra
würde dazu nicht gut j^assen. Siehe auch Bernhardi, Berlin.
Jahrbücher 1838. S. 829 ff. Preller in Pauly, Eealencykl.
IV, S. 1042.] S. WiNCKELM. Br. an Bianconi W. II. S. 227 ff.
[Guilandini, comm. in Plin. de pap. p. 180 ff. Boot, notice
p. 30 — 41. les volumes des anciens. Ueber die Papyrusrolle
mit einer Rede des Hyperides, Avelche Harris in Aegypten
fand, s. Sauppe, Philologus 1848. III, 2, S. 610 ff. und in der
Ausgabe von Schneidewin. Göttingen 1853, Vorrede S. 8.11.]
Neben dem Papyrus war das üblichste Material, seit der
Erfindung des Eumenes von Pergamus, Pergament, memhrana
(Pergamena). Plin. XIII, 11, 21. [Hör. Sat. II, 3, 2. Mart.
XIV, 7. Diese Pergamentbogen wurden gefalzt und nach Art
unserer Bücher in kleinerem oder grösserem Format geheftet,
darum sagt Ulp. Dig. XXXII, 1, 52. § 5. membranae nondum
consutae. Mabillon, de re diplom. I, S. 8.] Es hatte indessen
einen viel beschränkteren Gebrauch, da es vermuthlich viel
höher zu stehen kam. Wenn ausserdem auch Schriften auf
Leder (Ulp. 1. 1. 52. pr.) oder Leinwand (s. Salm, zu Vopisc.
Aurel. 8. S. 439. vgl. Marc. Capell. II, 35.) oder gar Seide
(Symmach. IV. ep. 34.) erwähnt werden, so gehört das ent-
weder zu den Un Vollkommenheiten früherer, oder den Sonder-
barkeiten der sjjäteren Zeit, oder es sind nicht Bücher gemeint.
[Vgl. IsiD. VI, 12.]
Die Dinte, mit welcher man schrieb, atraviejitum libra-
rium, war eine Art Tusche, aus Russ [und Gummi] bereitet.
Plin. XXXV, 6, 25. Fit enim et fuligine plurihus modis, resina
vel pice exustis. Propter quod officinas etiam aedificavere, fu-
mum eum non emittentes; laudatissimum eodem modo fit e taedis.
Die Bücher. 373
Adultercttur fornacum balincarnmque fidigine^ quo ad Volumina
scrihenda iduntur. Sunt qui et vini faecem siccatam excoquant
etc. Ders. XXVII, 7, 28. Atramentum lihrarhnn ex diluto eins
(absinthii) temperatum Uteras a musculis tuetur. [Vitr. VII, 10.
DioscoR. de niat. met. V, 181 f. Isidor. XIX, 17.] — Damit
stimmt sehr wohl überein, was "Wixckelmann a. a. 0. S. 236.
von den Herculanischen Handschriften sagt. „Die Herculani-
schen Handschriften sind mit einer Art von schwarzer Farbe,
beinahe wie die chinesische Tusche, geschrieben, die mehr
Körper hat, als die gewöhnliche Dinte. AVenn man die Schrift
gegen das Licht ansieht, so sieht solche wirklich etwas erhaben
aus, und die Dinte , die man noch in einem der Schreibzeuge
gefunden hat, ist davon ein sicherer Beweis." Dass man aber
auch mit dem Safte der Sepia schrieb, scheint aus Pers. III,
12 ff. geschlossen werden zu müssen, wenn auch der Schol.
es leugnet. Es heisst dort:
Tunc querimw, crassus calamo quod pendeat Juanor,
Nigra quod infusa vanescat sepia lympha;
Dilutas querimur geminet quod fistula guttas.
Da auch Ausox. IV, 76. die Buchstaben notas furvae sepiae
nennt, so scheint das Wort doch wohl in der eigentlichen Be-
deutung gebraucht zu sein. [Aehnlich AusoN. ep. VII, 54. —
Davy, philos. transact. 1821. p. 191. 198. 205.] Eine künst-
liche sympathetische Dinte , welche die Schrift nur bei einer
gewissen Behandlung dem in das CTcheimniss Eingeweihten
zeigen sollte, scheinen die Alten nicht gekannt zu haben. Da-
gegen war ihnen für solchen Zweck der Gebrauch einiger
natürlicher Substanzen, wie der Milch oder eines saftenden
Leinstengels nicht fremd. Daher räth Ovid. art. III, 627 ff.
Tuta quoque est, fallitque oculos e lade recenti
Litera: carbo)iis pidvere lange : leges.
Fallet et hiimididi quae fiel acumine lini^
Eiferet occullas pura tabella notas.
Mehr darüber s. in Be( kmanx, Beitr. zur Gesch. der Erf. II,
S. 295. [Pauly, Kealencykl. I, S. 919ff. Namur, bibliographie
paleogr. dijil. Mibliol. gener. Liege 1838, I, 4. 3. S. 25 f —
,^74 Zweiter Excurs zur dritten Sceiie.
Zwei sein- scliön gearbeitete antike Dintenfasser aus Bronze
mit reicher Silberverzierung, etAva zwei Zoll liocli, beschreibt
AvELLixo, Bullet. Napol. N. 16. tav. 7. Sie sind rund und
hängen aneinander, indem das eine für rothe und das andere
für schwarze Dinte bestimmt war. Andere waren höher und
schlanker, mit Henkeln zum Tragen versehen , Avell. eben-
daselbst, Mus. BoRB. I, 12.]
Statt der bei uns gebräuchlichen Federn bediente man
sich eines auf dieselbe Weise mit dem scalprum librarium (Tac.
Ann. V, 8. Suet. Vit. 2.) zugeschnittenen Rohrs, das am besten
Aegypten, Gnidus und der Anaitische See lieferten. Plin. XVI,
36, 64. Chartisque serviunt calami^ Aegyptii maxime, cognatioiie
quadam papyri. Prohatiores tarnen Gnidii et qui in Asia circa
Anaiticuin lacum nascuntur. Nostratibus fungosior suhest natura
etc. [Appul. Met. I. praef. papyrun^ Aegyptia argutia Nilotici
calaini insc7'iptam.] Mart. XIV, 38. Fasces calamorum,
Dat chartis hahiles calamos Memjjhitica tellus:
Texantur reliqua tecta palude tibi.
[Ausox. epist. VII, 48 ff.
Fac campum., repUccs Miisa j^ajjyrium,
Nee iam ßssipedis per calami vias
Grassetur Gnidiae sulcus arundinis,
Pingens aridulae siibdita paginae,
Cadmi filioas atricoloribus.
HoR. epist. II, 1, 113.
Sole vigil calamum et cliartas et scrinia posco.
Cic. ad Qu. fr. II, 15. b. Calurno et atramento temperato, chorta
etiam dentata res agetur. — sed hoc facio semper, ut quicunqne
calamus in manus meas venerit, eo sie utar tanquam bono^ Auf
einem in Herculauum gefundenen Wandgemälde sieht man
einen solchen calamus über einem Dintenfasse liegen. S.Mus.
BoRB. I. tav. 12. WiN-CKELM. W. II. Taf III. Gell, Pom-
jjeiana. 1835. II, p. 187. und die vorstehende Copie. Auch
versteinert hat man dergleichen aufgefunden. Siehe ebeudas.
S. 236 fg. [Philos. transact. 1758. p. 620.] und Martorelli,
De reffia theca calamaria.
Die Bücher. 375
Die Schrift war, wenigstens häufig, in Culumneu abge-
theilt [4 — 6 Zoll breit] , und zwischen denselben vermuthlich
mit rother Farbe, minlwn, Linien gezogen. In den Herciilaui-
schen Rollen erscheinen diese Linien weiss, was sich leicht aus
der übrigen Beschaffenheit erklärt. S. Wixckelm. S. 118. 233.
— Der Titel des Buchs befand sich sowohl zu Anfange, als
am Ende.
Li der Kegel Avurde nur die eine Seite der charta be-
schrieben, wie auch die Herculanischen Rollen zeigen, und
darum sagt Iuvex. I, 5. von einer über die Gebühr langen
Tragödie:
suvimi plena iam marghie libri
Scriptus et in tergo, necdum finitus Orestes.
Vielleicht geschah es indessen auch aus übertriebener Spar-
samkeit, und als ein Beispiel der Art kann gelten, was ]\Iar-
TiAL sagt, Vni, 62.
Scribit m aversa Ficens epigrammata charta.,
Et dolef, averso quod facit illa cleo.
Man pflegte nämlich zu werthlosen Schreibereien, wie z. B. zu
den Uebungen der Kinder beim Unterrichte kein neues, son-
dern bei'eits auf einer Seite beschriebenes Papier zu nehmen.
Die von Poui'Hyrio darauf bezogene Stelle des Horaz Epist.
I, 20, 17 fg. ist offenbar ganz anders zu verstehen; wohl aber
sagt es mit deutlichen Worten Marx. IV, 86., wo er sein Buch
an Apollinaris weiset:
Si dainnaverit, ad Salariorwn
Curras scrinia protinus Ucebit.,
Inversa piieris arande charta.
Sonst enthielten solche opistographa (Plix. ep. III, 5.) [Ulp.
Dig. XXXVII, 11,4. Chartae appellatio et ad novavi charta)n
refertur et ad deletitiam. Proinde et si in opistographa quis
testatus sit, hinc pcti potest botwrum jjossessio.] gewöhnlich bloss
Bemerkungen, Entwürfe, Sammlungen oder auch Aufsätze,
die erst ins lieiue geschrieben werden sollten. War aber vicl-
leiclit der Inhalt eines Buchs ohne Werth, so wischte man auch
die ganz(; Schrift wieder weg, und beschrieb das Papier uodi
376 Zweiter E x e u r s zur dritten S c e n e.
einmal, das dann palinipsestus genannt wurde. Cic. Fam. VII,
18. Nam quod in palimpsesto , laudo equidem parsimoniam. sed
miror, quid in illa chartula fuerit^ quod delere malueris, quam
haec non scribere; rnsi forte tuas formulas. Non enim puto, te
meas epistolas delere, ut reponas tuas. Vgl. Catull. XXII, 5.
Darum will Mart. IV, 10. seinem Buche einen Schwamm mit-
geben; denn
Non possunt nostros multae^ Fausti?ie, liturae
Emendare iocos; una litura potest.
Hingegen wurde gewöhnlich das Buch auf der Rückseite ge-
färbt, indem man es entweder mit cedrus oder Safranfarbe be-
strich. Luc. TtQog ciTzaid. 16, t. III, p. 113. xat äXsi'q^Eig zm nQoxm
xai TTJ 'AiS(i(o. Das ist bei Pers. III, 10. positis bicolor mem-
brana capillis. [wenn nicht, wie Hertzberg, Reo. des Gallus
annimmt , ein bunter Umschlag um das aus Papier bestehende
Buch zu verstehen ist, wodurch das Bild des verzogenen und
in allen Dingen reich ausgestatteten Junkers vervollständigt
würde], und luv. VII, 23. croceae membrana tabellae. Was
auch unter cedrus zu verstehen sein möge, (bei Plin. XIII, 13,
86. werden libri citrati genannt. Vgl. auch Billerb. Flora
class. p. 199.) so viel ist gewiss, dass das Buch gegen Motten
und Würmer geschützt, und auf der Rückseite dadurch gelb
gefärbt wurde. [Vitr. II, 9, 13. erklärt die Anwendung dieses
Präservativs ganz deutlich: ex cedro oleum — nascitur, quo
reliquae res unctae, uti etiam libri, a tineis et a carie non lae-
du7itur. Mart. III, 2. cedro perimctus. V, 6. cedro decorata.
Hertzberg, Rec. X. 288. verweist noch auf Hör. art. poet.
331 fg. carmina linenda cedro. und Pers. I, 42. et cedro digna
locutus.] OviD. Trist. III, 1, 13.
Quod neque sum cedro flavus nee purnice levis:
Erubui domino cultior esse meo.
War nun das Buch völlig zu Ende geschrieben, so wurde dann
erst vermuthlich am letzten Blatte oder Streifen der Stab oder
die Röhre befestigt, um welche es gewickelt werden sollte.
[PoRPH. zu Hör. epod. 18, 8. in fine libri umbilici ex ligno aut
osse fieri solebant.]. Diese Röhren, welche an den Hercula-
Die Bücher. 377
nischen Kollen sichtbar sind, standen auf keiner Seite über
die Rolle hinaus, sondern ihre Enden lagen in der Fläche der
Cylinderbasis. Sie werden für das gehalten, was die Alten
timbilicus nannten, s. Winckelm. II, S. 231. Mitsch. zu Her.
Epod. XIV, 8. lind allerdings können Kedensarten, Mie ad
umbilicion adducere , Hör. a. a. 0. und iam pervenbnus iisqiie
ad umbilicos. daraiif führen; auch wäre der Ausdruck für die
beiden Höhlungen in der Mitte der Scheibe nicht eben unpas-
send. Wenn man aber darauf achtet, dass Martial in der
Aufzählung der einzelnen Stücke, welche zum ganzen Ornate
des Buchs gehören, jederzeit nur die umbilicos nennt, nie aber
die cornua erwähnt, die wiederum jedesmal von Tibull und
OviD genannt werden, denen freilich das Wort umbilicus nicht
passte (s. die Stellen weiter unten), so muss man sich über-
zeugt halten, dass die beiden Namen völlig gleichbedeutend
sind. Ueberdiess nennt Mart. III, 2. die umbilicos pictos ; das
können also nicht die Höhlungen der Kühre sein. Ebenso
sagt aber Tibull: pingantur cornua. Höchstens könnte man
annehmen, der erstere Ausdruck habe eine weitere Bedeutung,
und bezeichne die Oeflfnungen mit den darauf befindlichen
Knöpfen, und dafür Hesse sich als Bestätigung anführen Mart.
V, 6, 15.
Quoe cedro decorata purpuraque
Niyris pagina crevit unibilicis.
denn schwarze Knöjjfe auf ebenfalls schwarzem Schnitte las-
sen sich nicht wohl denken. Die cornua nennt ^Fartial nur
einmal XI, 107. wo cccpUcitus usque ad sua cornva über, gerade
so viel ist, als IV, 90. Iam pervenimus usque ad umbilicos.
Es wurde nämlich durch das Rohr ein Stäbchen gesteckt,
das gleichsam dem (Zylinder zur Axe diente, und an beiden
etwas über die Fläche herausstehenden Enden desselben wur-
den elfenbeinerne, goldene oder gemalte Knöpfe befestigt.
Diese Knöpfe sind eben die cornva oder umbilici. Vergl. Fea
zur ang. St. Winck. S. 3iJG fg. — Das Stäbchen selbst hiess
in der späteren Gräcität xoiTrtxJor.
Vorher aber wurden die Bases der Rolle oben und unten
378 Zweiter Excurs zur dritten Scene.
sorgfaltig beschnitten, mit Bimsstein geglättet, und scliWtarz
gefärbt. [Isid. VI, 12. Circumcidi Ubros Siciliae primipn incre-
bruit, neun initio pmmcabunfur.] Das sind dann die geminae
frontes [Mart. I, 67. fro7is pumicata. 118. rasiim immice. YIII,
72. Catüll. XXII, 8.], in deren Mitte sich die umhiUci oder
cornua belinden. Bemerkenswerth ist es indessen, dass auf
Gemälden aus Hcrculanum und Pompeji von solchen Knöpfen
in der Regel nichts zu sehen ist, und dass auch an den Hercu-
lanischen Manuscripten sich keine Spur davon gefunden hat.
S. Gell, Pompeiana 1835. II, p. 187. und unsere Abbildung.
[Fuss, de umbilicis, coi-nibus et frontibus in vett. libris, im
Museum des rheinwestphälischen Schulmännervereins IS-IG.
Bd. IV, S. 70 — 78. glaubt ein neues Licht über diese Dinge
zu verbreiten, allein seine Ansicht ist von der des Voss,
Schwarz und Becker durchaus nicht verschieden.]
Um die Eolle sicherer vor Beschädigung zu bewahren,
Avurde sie dann in ein Pergament gewickelt , das äusserlich
mit Purpur oder auch mit dem schönen Gelb des hdum , lutea
(genista tinctoria Liini. s. Billerb. Flor. cl. S. 181. nach Voss
zu Virg. Ecl. IV, 44. und Büttig. Aldobr. Hochz. S. 34. re-
seda luteola Linn.) gefärbt war. Diese Hülle (keine capsa)
wurde von den Griechen Äg/^/()« schlechthin, und ebenso bei
den Römern membrana genannt. Martial braucht dafür X,
93. purpurea toga. [III, 2. Et te purpmra delicata velet. VIII,
72. miirice cultus. I, 67.
Nee iimbUlcis cultus ntque membrana.^
Etwas anderes ist auch nicht gemeint, wenn Mart. XI, 1.
sagt: cultus sindone non quotidiana. An eine purpurfarbige
Leinwand ist nicht zu denken, sondern sindon steht für p««'-
pureus amictus überhaupt. — Solche Hülsen, aus denen die
Rollen genommen sind, sieht man auf unserer Vignette.
Endlich kam noch der Titel, titulus, index, hinzu, der auf
einem schmalen Streifen Papyrus oder Pergament mit hoch-
rotlier Farbe, cocciim oder minium, geschrieben wurde. [3Iart.
XII, 3. ciuid titulum jyoscisf Plix. ep. V, 11. titulum. Sex. de
tranq. an. 9. indices. Cic. ad Att. IV, 4. 5. oiU-v^iov.; s. unten.]
Die Bücher. 379
"Wo aber dieser Titel sich Ijefundeii habe, ist -wenig-er leicht zu
sagen. An einen Zettel, der wie auf den Herculanischen Ge-
mälden (s. Gell a. a. 0. und oben) an der EoUe gehangen habe,
darf man nicht mit AVixckelmanx denken; denn auf die gleich
anzuführende Stelle Tibulls passt diess gar nicht. Wie sollten
dann simwia fastlgla luid iiraetexere ihre Erklärung finden?
Es scheint vielmehr doch das Uichtigste zu sein, mit Schwarz
anzunehmen, er habe sich oben auf der liolle befunden. [Ovid.
ex Ponto IV, 13, 7. ut chartae t'dulum de fronte reveUa.s].
Dass die Rollen gebunden gewesen, leugnet Wix( kelm.
geradehin, S. 242 fg. Wenigstens war an den Herculanischen
keine Spur zu entdecken. Nun sagt zwar allerdings Maut.
XIV, 37. Scrinium.
Constrictos nisi das inilü libellos^
Adiiiittam tineas tniccsquc hlattas.
allein abgesehen davon, dass Andere lesen constructos [Schnei-
DEWix aber selectos^ durch welche Aenderung alle Differenzen
aufhören], ist auch nicht wohl zu begreifen, wie das constrln-
g''re gegen die tineas und blattas schützen konnte. Es wird
also diese eine Stelle keinen .sicheren Beweis abgeben. [Hertz-
berg, Rec. des Gall. N. 288. erklärt constrictos als 2ilaiiiit. Es
sei nämlich durch gleichzeitige Anwendung von Leimtränkung
undCompression des Papiers, welches man in seine Baststreifen
aufgelöst und von Neuem zusammengeleimt habe, eine grös-
sere Glätte und Dauer beAvirkt Avorden. Dieses geschah aller-
dings mit dem aus Aegypten gekommenen Papier, welches
umgearbeitet werden musste, wie aus Plin. klar hervorgeht.
Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass constringerc die technische
Benennung für dieses ganze Verfahren gewesen sei. Das Zu-
sammenziehen oder Verbinden der einzelnen Streifen , in wel-
chem Sinne Hertzberg coustringere genommen hat, ist gerade
der unbedeutendste und keineswegs regelmässige Akt; die
- Hauptsache ist vielmehr das Leimen überhaupt und dieses liegt
nicht in dem Wort co7xstringere. Auch in der von Hertzberg
angeführten Stelle Cicero's, de or 1, 42. qnne (ars) rem disso-
lutain dirnlsaniijue congluli/iaref et ratione quadani eo)istri)igerrl.
380 Z w e i t e !• E X c u r s zur dritten S c e n e.
heisst constringere nicht planiren, sondern nur zusammenleimen.
Ueberhaupt kann auf dieses Gleichniss kein grosser AVertli ge-
legt werden, da constringere nur eine rhetorische der Gleich-
mässigkeit halber hinzugefügte Floskel ist. Sodann beruft sich
Hertzberg auf Plin. XIII, 12, 26. Postea malleo tenuatur, et
iteruni ghitino percurritur iterumque constricta erugatur atque
extendiiur malleo. Krause übersetzte coiistringere : „nachdem
das Papier sich zusammengezogen hat, wird es entfaltet, ge-
glättet und mit dem Hammer bearbeitet," was unmöglich ist,
denn das Particip constricta müsste wenigstens heissen: „nach-
dem es zusammengezogen worden ist", und diess gäbe keinen
annehmbaren Sinn. Hertzberg muss übersetzen: nachdem
man es mit Leim zusammengeklebt hat; allein dann wäre es
nur ein Nebenmoment, von dem das Ganze nicht genannt
worden sein kann. Ich glaube nicht, dass constringere eine
technische Bedeutung hat, sondern übersetze bei Plin. ge-
presst, entsprechend dem von ihm bei der ersten Zuberei-
tung erwähnten: premitur deinde prelis. Demnach würde Plin.
sagen: das Papier wird bei der Umarbeitung geleimt, mit dem
Hammer geschlagen, dann abermals geleimt, gepresst und end-
lich nochmals mit dem Hammer geschlagen. So ist constrictos
bei Martial auch nicht technisch; ja es kann hier schon dess-
wegen nicht planirt heissen, weil man gar keine anderen als
planirte Rollen hatte, denn alles Schreibjjapier wurde ja schon
bei der ersten Zubereitung geleimt. Es müsste heissen: zum
zweitenmal planiren, was doch unmöglich in constrictos liegt.
Wahrscheinlich heisst constrictos bei Martial nichts als fest
zusammengewickelte Pollen, welche durch ihr enges Anein-
anderschliessen den gefährlichen Thierchen den Eingang un-
möglich machten oder doch sehr erschwerten. Je lockerer die
Rollen in dem scrinium standen, um so leichter konnten die
tineae eindringen. Wüstemann, Rec. d. Gall. S. 151. erklärt
lih. constrictos als „gebundene Bücher" im Gegensatz zu ein-^
zelnen ungehefteten Blättern, rnemhranae nonduvi consutae
Ulp. Dig. XXXII, 1, 52. § 6. was allerdings sehr nahe läge,
wenn nicht die scrinia ganz besonders für Rollen bestimmt ge-
Die Bücher 381
wesen wären. Im Wesentlichen ist es ziemlich gleichgültig, ob
wir Bücher oder Eollen annehmen, denn der Sinn bleibt der-
selbe.] — Der Einband selbst, oder das fertige einzelne Buch
wurde mit dem griechischen Worte tomus genannt. "Marx. I,
67. Scriptura quanti constet et tomus vilis.
Ich habe alle Stellen, in welchen alte Schriftsteller von
den Ornamenten der Bücher ausführlicher sprechen, aufge-
spart, um nach vorausgegangener Erklärung des Einzelnen in
ihnen am Schlüsse die beste Uebersicht zu geben. Zuerst stehe
hier die bekannte Stelle Tibulls III, 1, 9 ff.
Lutea secl niveum involvat membrana libellum,
Pumex et canas to7ideat ante comas:
Summaque praetexat tenuis fastigia chartae,
Indicet ut nomen litera facta meum:
Atque inter geminas p'mgayitur cornua frontes ;
Sic etenim comtum mittere oportet opus.
Noch kann ich nicht von der in der Eleg. Rom. geäusserten
Vermuthimg abgehen, dass es heissen müsse: tenuis charta.
Denn da von dem index die Rede ist, das Buch aber in eine
membrana gewickelt war, so kann auf der charta selbst dieser
Titel nicht gewesen sein , oder die membrana würde ihn be-
deckt haben. Tenuis charta aber wäre der Streifen selbst,
worauf mit minium der Titel geschiüeben war. — Vollstän-
diger noch heisst es bei Ovid. Trist. I, 1, 5.
Nee te purpureo velent vacciniafuco:
Non est conveniens luctibus ille color.
Nee titulus minio, nee cedro charta notetur,
Candida nee nigra cornua fronte geras. —
Nee fragili geminae poliantur pumice frontes,
Hirsutus passis ut videare comis.
und am übersichtlichsten Mart. III, 2.
Cedro nunc licet ambules perunctus,
Et frontis gemino decens honore
Pictis luxurieris wnhilicis;
Et te purpura delieata velet
Et cocco rubeat superbus index.
382 Zweiter Excurs zur il ritten Scene.
Vcrgl. I, G7. \'III, 72. [V, 6. Catull. XXU.
— chartae regiae, novi libri,
Xovi umbüici, lora rubra, membrana
Dlrecta plumbo et pumice omnia aequata.]
Endlich liefert auch einen interessanten Beitrag Lucian. ngbg
UTzai'diVTOp 7. zira jao i}.7ii8a y.at uvrog iymv ei'g za ßißh'u aui
nvsh'zzsii,' dei, -/.ui Öiay.uX).(<i;, y.ai TTeorz-onzeig xai uXei'qsig zo) y.(>6/.(p
y.ai zfj xk^Vkj), y.ai diqiüiQug 7TfQißd).).tig , y.ui uficficlovg ivziOtig, cog
1^/j ZI (iTZülaiGcov ; und tisqi zmp im j^iia&o) avrövzbiv 41.
aTzatzeg yat) ay.oißoig opiotoi ei'ai zoig yaXXiazoig zovzoig ßißh'oig, oov
yiwaui i^((p at ofiCfuhji, noQqvoü ö' iy.zuoOtr t^ ÖiqOiQa.
Diese Ausstattung der Bücher besorgten nun eben auch
die librarii. Cic. Att. IV, 4. Perbelle feceris, si ad 7ios vener is.
ojfendes desigiiationem Tyrannionis mirificaui in libroriim rneo-
rum bibliot/iecam, quoriun reliqidae multo meliores sunt, quam
putaras. Etiam vellem mihi mittas de tuis librariolis duos ali-
quos, quibus Tyrannio utatur glutinatoribus , ad caetera admi-
nistris; iisque imperes, ut surnant membranulain , ex qua indices
fiant; quos vos Graeci, ut opinor, Gt).Xvßovg appellatis. [In dem
folgenden Briefe, wo Cic. schreibt: bibliothecam meam tut pin-
xerunt constructione et sillybis. conjicirt Hertzberg a. a. O.
constrictione , was von Orelli gebilligt wird. Da jedoch die
technische Bedeutung des constringere zu verwerfen ist, fällt
auch diese Aenderung. Constructione bedeutet das Ordnen,
Zusammenstellen und Zusammenkleben sowohl der neuge-
schriebenen Bücher, welche noch aus einzelnen Papierstreifen
bestanden, als auch der älteren volumina, welche durch den
langen Gebrauch schadhaft geworden und theilweise zerrissen
waren. Dieses besorgten die in dem vorigen Brief erbetenen
glutinatores (auch genannt Orelli Hexzen 2925.4198.6445.),
deren Thätigkeit nicht sowohl in dem Planiren als in dem Zu-
sammenkleben zu suchen ist, und so erwähnt Cic. in beiden
Briefen zwei Dinge: constructio (Zusammenleimen der Eollen)
und Anhängen der indices, 'womit das pingere verbunden ist,
als Färben des Rückens, der Schale u. s. w. Dass man aber
wirklich Bücher auf einzelne Blätter schrieb und ei st nachher
Die B ü c li e r. 383
zusanimeuk'imte, sieht man aus der überliaiipt nicht uninteres-
santen .Stelle Ulpiaxs, Dig. XXXII, 1, 5*2. § 6. 8ed jjerscripti
libri nondum malleati vel ornati continebunlur (d. h. fallen unter
den Begriff des "Worts libri), joroinde et nondum conglutmati
vel emendati contlnehuntur, sed et memhranae nondum consutae
contJ[
Zum Schlüsse darf nicht unerwähnt bleiben, dass es auch
üblich wurde, das Bildniss des Schriftstellers auf das erste
Blatt malen zu lassen. Senec. de tranq. an. 9. nunc ista exqui-
sita et cum imaginihus suis descrlpta sacrorum opera ingeniorum
hl speciem et cultum parietum comparantur. Xoch deutlicher
Marx. XIV, 186. Virgilius in membrana.
Quam brevis immensum cepit membrana Maronem!
Ipsius vultus prima tahclla gerit.
So dürfte man also vielleicht annehmen, dass die Malereien
im Vaticanischen Yirgil und Tcrenz Xachahmungen älterer,
oder wenigstens alter Sitte seien! — Führt doch Plixius
griechische botanische Werke an, in denen die Pflanzen abge-
bildet waren. XXV, 2, 4. Praeter hos Graeci auctores medi-
cinae jyrodidere, quos suis locis diximus. Ex his Cratevas, Dio-
ni/sius, Metrodorus ratiune biandissima, sed qua nihil ^j«e/?e
aliud, quani rei difficultas iideUigatur. Pinxere namque efßgies
herbarum^ atque ita subscripsere eß'ectus. — Die Malereien
jener Handschriften s. bei d'Acixcoukt, Histoire de l'art par
les monumens depuis sa decadcnce. tom. VI.
Auf unserer Abbildung sind nach Gell, Pomp. II, p. 187.
verschiedene von antiken Gemälden entlehnte, das Bücher-
wesen betreffende Gegenstände zusammengestellt. Die Ge-
mälde selbst s. zum Theil im Mus. Borb. I. t. 12. Darauf be-
findet sich auch ein geöffnetes scrinium oder Bücherbehälter.
Es gab nämlich grössere oder kleinere Cylinder , gewisscr-
massen runde Schachteln, jenachdem sie bestimmt waren, eine
oder mehrere Rollen aufzunehmen, in der Regel wohl von Holz,
schon der Leichtigkeit wegen; wie denn Plin. XVI, 43, 84.
von der Buche sagt: Eadem sectilibus laminis in tenui ßexilis,
capsisque ac scriniis sola utilis. AVenn Plimus caj>sae und
384 Zweiter Excuis zur dritten Scene. Die Bücher.
scrinia unterscheidet, so versteht er vielleicht unter letzteren
die grösseren für mehrere Rollen bestimmten, s. Böttiger,
Sab. I, S. 102. Mart. I, 3. Scrinia da magnis; me manus una
capit. oder es geschieht, weil man in den Scrinien nur Bücher,
Briefe und andere Schriften verwahrte , in den Kapseln aber
auch andere Dinge. Plin. XV, 17. 18. Mart. XI, 8. [IV, 33.
Plena lahoratis habeas cum scrinia lihris. Alexanders kostbares
scrinium erwähnt Plix. VII, 30.] — Ueber ihre Form kann
um so weniger ein Zweifel sein, als sie sich nicht selten neben
römischen mit der Toga bekleideten Statuen finden. S. Augu-
steum III. Taf 97. 99. [Suet. gramm. 9. Statua eius Beneventi
ostenditur -— hahitu sedentis ac palliativ appositis diiobus scriniis.
Auf einem pompejanischen Wandgemälde wird Clio in einer
Kolle lesend dargestellt. Sie wickelt, was sie gelesen hat, auf
die andere Seite, so dass sie scheinbar zwei ßolleu in der Hand
hat, denn man hatte bei dem Lesen stets nur eine Columne
aufgerollt. Neben ihr steht ein rundes scrinium. Koux und
Barre, Herc. 3. Serie Taf 3.] Man Hess sich das Scrinium,
wenn man bei öflentlichen Verhandlungen Schriften nöthig
hatte, durch einen Sklaven nachtragen, und auch vornehme
Knaben wurden von einem capsarius in die Schule begleitet.
Siehe oben Seite 134. [Auf Reisen nahm man die Bücher in
solchen Behältern mit. Catull. LXVIII, 33. 36.
Nam quod scriptoruvi non magyia est copia apud me —
Huc una ex multis Capsula me sequitur.]
Sonst stand es wohl am natürlichsten neben dem lectus im cu-
biculum. Plin. ep. V, 5. Visus est sibi per Jiocturnam quietem
iacere in lectulo suo, compositus in habitum studentis, habere ante
se scrinium^ ita ut solebat. — Uebrigens lässt es sich leicht den-
ken, dass, zumal wenn man wichtige Schriften darin bewahrte
obgleich man eigene custodes scriniorum hatte, sie dennoch ver-
siegelt wurden, und mit klaren Worten sagt es Marti al I, 66.
Secreta quaere carmina et rüdes curas^
Quas novit unus scrinioque signatas
Custodit ipse virginis pater chartae.
DRITTER EXCURS ZUR DRITTEN SCENE.
DIE BÜCHERVERKAUFER.
Es war natürlich, dass sobald ein stärkeres Verlangen
nacli in- und ausländischer Literatur sich zeigte, und der Ge-
bildete oder Bildung Affektirende den Besitz einer Bibliothek
im eigenen Hause als unerlässlich betrachtete, sich auch Leute
fanden, welche die Befriedigung des Bedüx-fnisses zu ihrem
Gewerbe machten. "Wenn Cicero adQuint. Fr. III, 4. schreibt:
De bibliotheca tua Graeca svpple7ida, liby'is comimitandis, Latinis
comparandis vcdde velim isfa co?ißci. — Sed ego mihi ipsi isla
per quem agam non habebo. neque enim venalia sunt, quae qid-
dem placcant etc. so kann dabei nicht wohl an etwas anderes,
als an eigentlichen Handel mit Büchern gedacht werden. So
spricht derselbe auch von den bei den librariis verkäuflichen
Abschriften der Gesetze. Leg. III, 20. a librariis petimus ; pu-
blicis literis consigncttam memoriam publicam rndlam habeuius.
und erwähnt Philipp. II, 9. eine taberiia libraria, in welche
sich Clodius flüchtete. — Von grösserer Bedeutung war der
Buchhandel bereits unter August, und Horaz nennt uns selbst
die Brüder Sosii, bei denen seine Gedichte verkäuflich waren.
Epist. I, 20, 1 f
Vertumniim Janionque, Über, spectare videris,
Scilicet iit i^rostes Sosiorum pumice ■»lundus.
Art. poet. 345. Ilic meret aera über Sosiis (nämlich, qiii mist uit
utile dulci). [Unter den ersten Kaisern aber entwickelte sich
dieser Handel zur höclisten Blütlie und manche librarii rinden
sich bei den alten Schriftstellern und auf Inschriften , z. B.
Becker, Gallus. 3. .\ufl. II. 2.0
380 Dritter Excurs zur dritten Scene.
Tryphon der Verleger Martials und Qniuctilians, !Makt.IV, 72.
XIII, 3. QuixCT. inst, jjraef., Doms bei Sen. de ben. VII, 6.
Secimdus Valerianus Atrectus bei ]\Iartial. I, 2. 113. 117.
Gell. V, 4. XVIII, 4. Plin. ep. V, 11. u. s. w. s. Schmidt,
Geschichte der Denk- und Glaubensfreiheit im ersten Jahr-
hundert der Kaiser. Berlin 1847. S. 123. Schmitz, de biblio-
polis Rom. Saarbrücken 1857.] Diese librarii [waren Freige-
lassene (Mart. I, 2.), welche , so lang ihr Geschäft klein war,
die Bücher selbst abschrieben, wovon sie ihren Namen er-
hielten, dann aber] hielten sie sich auch Schreiber, zu grös-
serer und schnellerer Vervielfältigung der Exemplare. [Diese
Schreiber waren theils Sklaven der Buchhändler, theils Frei-
gelassene, Avelche für Lohn arbeiteten. Dass gewöhnlich meh-
rere gleichzeitig dasselbe diktirt bekamen, ist sehr Avahrschein-
lich, Schmidt, S. 130 ff. — Auch die vornehmen Römer hatten
unter ihren Sklaven lihrarli (S. 125. 366 fg.), Avelche die Werke
ihrer Herren und anderer Schriftsteller abschrieben, so z. B.
Pomponius Atticus, Nep. Att. 13. puerl literatissimi, anagnostae
opfimi etplurbiü librarii. Cic. ad Att. IV, 4. 5. 8. XII, 6. XVI, 6.
Er machte sogar ein Geschäft daraus und verkaufte viele
Werke Cicero's , gleichsam als dessen Verleger. Cic. ad Att.
XII, 12. Ligarianam praeclare vendidisti. posthac quidquid
scripsero, tibi p)>'(i^conium dcferam. Bald darauf schreibt Cic,
nachdem er auf einen Fehler in der genannten Rede aufmerk-
sam gemacht worden war, XII, 44. da igitur., quaeso^ negotium
Pharnaci, Antaeo, Salvio^ ut id nomen (das fehlerhaft geschrie-
bene AVort) ex Omnibus libris tollatur. was sich natürlich nur
auf die Exemplare bezog, Avelche Atticus noch auf dem Lager
hatte. S. noch ad Att. II, 2. Schmidt, S. 120 fif. — Dass aber
den Schreibern oft diktirt wurde, zeigt auch die Notiz bei
Plix. ep. IV, 7., wo Regulas die Lebensbeschreibung seines
Sohnes in exemplaria transcriptum mille per totam Italiam pro-
vinciam dimisit. Avelche ungeheuere Zahl sonst kaum zu er-
klären wäre.] Nun hiessen die librarii auch bibliojjolae, Mart.
IV, 71. XIII, 3. [Plin. ep. IX, 11. Orell. 4154.] Poll. VII,
33. ßißXmr kÜtdiIoi, ßißhoxÜTriiloi. Luc. 7i()og aTzatö. 1. 4. 24.
Die Bü eil er Verkäufer. 387
Ihr Geschäft scheint meistens rein kaufmännisch betrachtet
worden zu sein; daher denn auch mehr auf das Fördern der
Arbeit, als auf Correktheit gesehen wurde, [wenn sie auch das
Gegentheil versicherten, z. B. Gell. V, 4.] Damit rechtfertigt
sich Marti AL II, 8.
Si qua videhuntur r.liartis tibi, lector, in istis
Sive ohscura nimis sive Lafina parum^
Non vieus est error; nocuit lihrarius Ulis,
Dum properat versus annianerare tibi.
Daher sah denn auch der Schriftsteller, aus Gefällig-keit für
Freunde, die Abschrift wieder durch, und verbesserte die
Fehler. Marx. VII, 11. Cogis me calamo manuque nostra
emendare meos Ubellos. und ep. 17.
Hos nido licet inseras vel imo,
Septem qiios tibi mittimiis Ubellos,
Auctoris calamo sui notatos.
Haec Ulis pretium facit litura.
[Cic. ad Att. XVI, 6. eas ego — perspiciam , corrigam. tum
denique edentur.] Die librarii oder bibliopolae hatten ihre
Läden, tabernas, zu Martials Zeit vorzüglich um das Argiletum.
I, 4. 117. [nahe bei dem Tempel des Janus, Horat. ep. I,
20, 1. s. oben. vgl. Becker, röm. Alterth. I, S. 256. und die
Bemerkungen dagegen von Mommsex in Annali dell' inst.
XVI, p. 311 ff.] doch auch anderwärts. I, 2., namentlich [am
Forum bei der Curie, A.sc. zu Cic. p. Mil. arg. p. 34.] im Vicus
Sandalarius. Gell. XVIII, 4. In Sandalario forte apiid libra-
rios fuimus. Galen, de libr. suis. t. IV, p. 361. f'v yuQ reo Sav-
Öahaoai) y.ai^^ 6 6'^ nhsiara tav iv 'Pmf^rj ßißhoTKoXeioov iat)v x. z.X.
[in den Sigillariis, Gell. V, 4. II, 3. vergl. Süet. Xer. 28.
Schmitz, S. 5.] Dort hingen an den Tliüren, oder wenn die
taberna an einer porticus war, an den davorstehenden Säulen
die Titel der verkäuflichen Bücher aus. So beschreibt Mart.
I, 117. den Ort, wo seine Epigramme zu kaufen seien:
Argi nenipe soles subire letum :
Contra Caesaris est forum taberna,
25*
388 Dritter Excurs zur dritten Scene.
Scriptis postibus hinc et itide totis,
Omnes ut cito perlegas poetas.
und darauf bezieht sich Hör. Art. poet. 372. mediocribus esse
poetis 7ion homines, non du, non concessere columnae. und deut-
licher Sat. I, 4, 71.
Nidla tahema ineos habeat, neque pila libellos.
wo man Heindorfs Anmerkungen nachsehe. Vgl. auch Sen.
ep. 33. [Die Fächer der Taberne hiessen nidi, s. S. 366. und
die Werke lagen gebunden darin, Mart. I, 118. rasum pumice
purpuraque cultum. YYH, 61.
Nee wnbilicis quod decorus et cedro
Spargor per omnes Roma quas tenet gentes.]
Der Preis, zu dem die Bücher verkauft wurden, muss
im Grunde immer massig erscheinen, zumal da der äussere
Schmuck denn doch auch in Anschlag zu bringen ist. Mart.
sagt I, 117. der Buchhändler (dabit)
Denariis tibi quinque Martialem.
also [etwa 1 Thaler oder etwas höher] und doch enthält dieses
erste Buch 119 zum Theil ziemlich lange Epigramme. Noch
niedriger stellt er den Preis ep. 66. [von 9^ — 15 Sgr.], wo er
einem plagiarius zuruft:
Erras, meorum für avare librorum^
Fieri poetain posse qui putas tanti.
Scriptura quanti constet et tomus vilis,
No7i sex paratur aut decem sopkos ninnmis.
und die Xenien [welche einen heutigen Druckbogen füllen]
soll Tryphon gar für 2 Sest. [oder 3 Sgr.] verkaufen können.
S. Xin, 3. Freilich sagt er auch von seinen Gedichten II, 1.
haec una peragit Ubrarius liora [ohne welche Schnelligkeit
dieser enorm niedrige Preis nicht möglich wäre, vgl. II, 8.
SiDON. Apoll. V, 15.] , und so mochte wohl manchmal der
Einband mehr kosten als das Buch selbst. [Schmidt, S. 135if.
Mit Recht bemerkt Schmitz S. 7 ff'., welcher übrigens die römi-
schen Preisse für nicht so gar gering erklärt, dass Format,
äussere Ausstattung, Correktheit u. s. w. auf die Preissbestim-
Die Bücherverkäufer 389
mung Einfluss geübt haben, wie Marx. I, 117. klar zeigt, vgl.
auch I, 2. VII, 17.]
Xicht uninteressant ist die Frage, in welchem Verhält-
nisse man sich den Buchhändler zum Schriftsteller zu denken
habe? Gewöhnlich ist man geneigt anzunehmen, es sei den
alten Schriftstellern nur um die Ehre zu thiin gewesen, und
ein Honorar sei von ihnen für die Schriften nicht verlangt
Avorden. Allein wenn das auch im Allgemeinen und nament-
lich für die frühere Zeit [sowie rücksichtlich begüterter Schrift-
steller und Dichter] als Avahr gelten mag, so ist es doch keinem
Zweifel unterworfen, dass in anderen Fällen die Schriftsteller
von ihren Werken einen realen Gewinn zogen. Ich denke da-
bei nicht an das pavpertas impulit audax ut versus facerem.
denn damals veröffentlichte Hohaz noch keine Sammlung*
seiner, nur für Freunde bestimmten Gedichte, die ihm jedoch,
wie er hoffte, bei Mächtigeren eine Empfehlung werden sollten.
S. Sat. I, 4, 71 ff. — Wenn indessen Plautus, Terenz u. A.
ihre Comödien an die Aedileu verkauften [Gell. III, o. luv.
VII, 87. Suet. Ter. 2.], so wird es auch nichts Auffallendes
sein, wenn andere Schriftsteller für ihre Arbeiten ein Honorar
nahmen. So wurde dem älteren Plinius, allerdings von einem
Privatmanne, für seine Commentarii electorum die Summe von
400,00<> Sest. (20,000 Thaler) geboten. Plix. e]?. III, 5. Das
war freilich kein Buchhändler [der mit den genannten Samm-
lungen spekuliren, sondernder sie selbst benutzen wollte], aber
dass auch zwischen diesen und den Schriftstellern dergleichen
Geschäfte Statt fanden, darauf deutet Martial mehrmals hin,
z. B. wenn er die , Avelclie seine Gedichte geschenkt oder ge-
liehen haben wollten, anweiset sie bei dem Buchhändler zu
kaufen. IV, 72.
Ejcigis, ut donem nostros tibi, Quincte, Ubellos:
Non habeo, sed habet bibliopola Tryphon.
„Aes dabo pro nugis et emam tua carmina samisf
Non, inquis, faciain tarn fatue." Nee ego.
Vergl. I, 118. wo der Dichter sehr launig es ablehnt, sie
zu verleihen; am deutlichsten aber geht es hervor aus XI,
390 Dritter Excurs zur dritten Scene.
108. wo er erklärt das Buch zu schliessen, weil er Geld
brauche.
Quanivis tarn longo poteras satui' esse llbello,
Lector^ adhuc a nie disticha pauca peiis.
Sed Lupus usuram piierique diaria poscunt.
Lector^ salve. Taces dissimulasque? Vale.
AVeun er daher anderwärts die Beschäftigung des Dichters als
brodlos bezeichnet, XIY, 219. nidlos referentla nummos car-
mina. vgl. I, 77. so gilt das nur von dem kärglichen Erwerbe,
anderen einträglichen Gewerben gegenüber [ — denn das
Honorar für die vierzehn Bücher seiner Epigramme war, wenn
es auch noch so glänzend gewesen sein mag, doch viel zu ge-
ring, um eine Reihe von Jahren, während welcher er die Epi-
gramme schrieb, davon zu leben — ] und V, 16. wo es aller-
dings heisst:
Ät nunc conviva est commissatorque Uhellus,
Et tantum gratis pag'ina nostra placet.
will er nur sagen, dass die, welche an seinen Gedichten sich
erfreuten, nicht, Avie zu Vergils Zeiten es gewesen sei, ihn da-
für belohnten, gerade wie er XI, 3. klagt, dass es ihm nichts
nütze, wenn seine Epigramme in Gallien und Britannien ge-
lesen würden; denn: nescit saccidus ista meus. Das schliesst
aber nicht aus, dass er durch irgend einen Vertrag mit dem
Buchhändler einen Gewinn gehabt haben könne, und es wäre
in der That unbegreiflich, wie Martial, dem es seiner eigenen
Aussage nach stets an Geld fehlte, ohne allen Vortheil hätte
zusehen sollen, wie Tryphon, oder Secundus, oder Pollius mit
seinen Gedichten gute Geschäfte machten, denn manche Bücher
mochten sehr einträgliche Artikel sein-, s. Hör. Art. poet. 345.
Mart. XIV, 194. [XIII, 3. VI, 61.
Meque sinus omtiis, me manus omnis habet.]
und für die späte Zeit den von Schöttgen in der wenig gründ-
lichen Abhandlung De librariis et bibliopolis antiquorum. Lips.
4 710. und in Poleni suppl. thes. Gr. t III. [deutsch: Historie
derer Buchhändler. Nürnberg 1722.] angeführten Sulpic.
Sever. Dial. I, 23. [Endlich verweist Schmidt S. 138 ff. auf
D ie Bücherverkäufer. 391
Sen. de ben. VII, 6., welcher das Vorkommen des Honorars
bestätige. Es wird nämlich bei dem Gegensatz des Verfassers
und Verlegers Letzterer emptor genannt, er ist also erst durch
Kauf in den Besitz des Buchs gekommen. Vgl. noch Böttiger,
kleine Schriften, III, S. 305. Manso, vermischte Abhandlungen
und Aufsätze. Breslau 1821. S. 274—283.] Ein gutes Theil
wanderte freilich auch wohl als Makulatur in die Cauponen
und zu Verkäufern gesalzener Fische, von denen wiederum
die Schulkinder ihren Bedarf holten. S. Mart. IV, 86. III, 2.
XIII, 1 . und besonders VI, 60, 7.
Quam midti tineas pascimt hlattasque diserfi,
Et redhnunt soll cannina docta coqui.
Uebrigens gab es Buchhändler nicht bloss in Rom oder
Griechenland und wo sonst griechische Bildung zu Hause war,
sondern die römische Literatur verbreitete sich auch über die
weniger civilisirten Provinzen. Darum sagt Horaz Art. poet.
345. von einem guten Buche: Irans mar e ciu^et. und daher
wird Martial in Gallien [Spanion] und Britannien gelesen. [VII,
88. VHI, 61. X, 104. IX, 100. XI, 3. XII, 3.] So auch Plin,
Epist. IX, 11. BihViopolas Lugduni esse non ptäabam^ ac tanto
lubentius ex literis tiiis coc/novi venditari libellos meos. [Sidon.
Apoll, ep. IX, 7. vgl. Hör. ep. I, 20, 13. — Die Tabernen
der Buchhändler dienten der gebildeten Welt als Versamm-
Inngsplatz, wo man sowohl las als mannigfaltige Unterhaltung
pflegte, Gef.l. XVIII, 4. in multorum hominum coetu. XIII, 30.
V, 4. S. überhaupt den interessanten Abschnitt in Schmidt,
Gesch. u. s. w. Cap. 5. der literarische Verkehr und der Buch-
handel, S. 109 — 155. und die erwähnte Schrift von Schmitz,
de bibliopolis.]
VIERTER EXCURS ZUR DRITTEN SCENE.
DER BRIEF.
Wenn der vornehme Römer sich selbst bei seinen Studien
fremder Hände bediente, um gelegentlich etwas aufzuzeichnen
[Cic. ad div. XVI, 21. s. Bd. I, S. 60.], so geschah diess noch
weit mehr beim Briefwechsel, der trotz aller Hindernisse,
welche der Mangel öffentlicher Versendungsanstalteu in den
Weg legte, ziemlich lebhaft gewesen zu sein scheint. Man
hatte eigene Sklaven oder Freigelassene , ah epistolis , die zu
der Klasse der librarii gehören [Orell. inscr. 1641.], und auch
ad manwn , a manu , amanuenses hiessen. [Orelli Henzen,
6651.] 2874. lucundus Domitiae Bibuli librarius ad inanum.
Orelli unterscheidet zwar: librarius^ idemque ad manum,al\Qh\
der amanuensis heisst eben auch librarius. Cic. de orat. III, 60.
ex Licinio — literato homine, quem servum sibi ille habuit ad ma-
nwn. SuET. Xer. 44. Cic. Att. IV, 16. Epistolae nostrae tan-
tum habent mysterionim, ut eas ne librariis fere committamus,
Phil. II, 4. simt enim (literae) librarii manu. Plin. VII, 25.
(Caesarem) epistolas tantarum rerum quaternas pariter librariis
dictare aut, si nihil aliud ageret, septenas (accepimus). — Da
man häufig auch griechische Briefe wechselte, so hatte man
ebensowohl librarii ab epistolis Graecis, Orell. 2437. als ab
epistolis Latinis. ebendas. 2997. [Vergl. Borghesi, im Annali
deir inst. XVIII, 1846. p. 323 ff. Jahn, specimen epigraph.
Kil. 1841. p. 93.]
Um einen Brief bis zur Absendung fertig zu machen,
brauchte man fünf Dinge , die wir sämmtlich bei Plautus ge-
nannt finden, Bacch. IV, 4, 64.
Vierter Excurs zur dritten Scene. Der Brief. 393
Chr. Nunc tu abi intro, Pistoclere, ad Bacchidem, atqiie
ecfer cito —
Pi. Quidf Chr. Stilum, cerarn^ tabellas, Ibium.
Der Ring kommt später dazu. [Kürzer Plaut. Pseud. I, 1,42.
Pur ceram et linum literasqiie interpretes.]
— Hievon waren zunächst die tabellae wie die pugillares oder
codicilU [codicillus und codex ist eigentlich plurium tabularum
contextus, Sex. de brev. vit. 13. Isid. VI, 13.] dünne Täfelchen
von Holz, (die pugillares auch von Elfenbein oder citrus. Mart.
XIV, 3. 5. auch von Pergament. 7.) die mit Wachs überzogen
waren, (Ovid. Art. am. I, 437. cera rasis infusa '■tabellis.) in
das man mit dem stilus die Buchstaben eim-iss. [Isidor. VI, 8.
Aixte chartae et membranarum usum, in dolatis ex ligno codicellis
epistolarum colloquia scribebantur. Ovid. Amor. I, 12, 1 ff.
Fest. v. tabellis p. 359 M. pro chartis utebcmtur antiqui, quibus
ultra citro, sive privatim sive publice opus erat^ certiores absentes
faciebant. Herodian. I, 16.] Ihre Grösse war natürlich ver-
schieden; zu zierlichen Liebesbriefen nahm man sehr kleine
Täfclclieu, welche mit einem Namen von zweifelhafter Bedeu-
tung Vitelliani genannt wurden. Marx. XIV, 8. u. 9: Vitelliani.
Quod minimos cernis^ initti nos credis amicae.
[ScHOL. zu luv. IX, 3C).] Der Art sind die tabellae, welche
auf einem antiken Gemälde Amor dem Polyphem überbringt.
S. Mus. BoRB. I. t. 2. — Jedoch schrieb mau auch Briefe auf
Papyrus. Cic. ad Farn. VII, 18. [ad Qu. fr. II, 15. b. Plix. h. u.
XIII, 24, 79 f. Primatum mutavit Claudius Caesar^ Jiitnia qidppe
Augustae tetiuitas toleravdis non sufficiebat calamis. — Ob haec
praelata oimdbus Claudia, Augustae in epistoUs auctoritas relicta.
Ulp. Dig. XXXm, 9, 3. § 10.] und Mart. XIV, 11. mit dem
Lemma : Ch artae epi sto lares.
Seil leviter noto, seu caro missa sodali,
Onines isla solet citarta vocare suos.
Da bei dem Zusammenlegen die mit AVachs überzogenen
Flächen nicht aufeinander zu liegen kommen durften, und auch
durch ein dazwischen gelegtes Täfelchen die Schrift breit ge-
drückt und undeutlich geworden wäre, so muss man wolil au-
394 Vierter Excurs zur dritten Sceue.
nehmen , dass die Tafeln einen etwas erhabenen Jßand gehabt
haben. Diese Vermuthung [wird bestätigt] durch ein antikes
Gemälde im Mus. Borb. VI. t. 35. wo ein Mädchen den Stilus
und die Pugillares hält, deren beide Tafeln deutlich einen sol-
chen erhabenen Eand zeigen. So auch bei Gell , Pom. II,
p. 187. s. unsere Abbildung.
War nun der Brief beendigt , so wurden die tabellae mit
einem Faden Zwirn oder richtiger wobl feinem Bindfaden, ver-
muthlicli kreuzweise zusammengebunden, und, wo der Faden
geknüpft war, mit Wachs (s. darüber und über die Siegelerde,
cretida, Cif . Verr. IV, 9. Beckmaxx, Beitr. zur Geschichte der
Erfind. I, S. 474 ff.) durch den [voi-her augehauchten] Bing
versiegelt. [Thl. I, S. G3 f.] Plaut, a. a. 0. 96.
Cedo tu cerwn ac Unura actutum. age ohliga, ohsigna cito.
Cic. Catil. III, 5. Ac ne longum sit, Qiimtes, tabellas proferri
iussimus, quae a quoque dicebantur datae. Primum ostendimus
Cethego Signum: cognovit. nos linum mcidimus: legimus. erat
scriptum ipsius manu. Dieses Siegel mushte, im Falle der Brief
durch den librarius geschrieben war, die einzige Bürgschaft
für die Aechtheit abgeben; daher es auch gewöhnlich vor dem
Oeffnen recognoscirt, und durch das Aufechneiden des Fadens
nicht verletzt wurde. Auch sonst, sollte man glauben, müsstie
die Handschrift in Wachs und in Uncialschrift schwer zu er-
kennen gewesen sein; doch wird öfters der Beweis daher ent-
nommen. Plautus selbst sagt v. 78. 7iam propterea te volo
ScriberCj ut pater cognoscat literas quando legat.
so Cic. in der angef. Stelle und mehrmals , vgl. Ovid. Hei'oid.
XV, 1. Sabin, ep. I, 3. [Dass eine Adresse auf der Aussen-
seite des Briefs gemacht wurde, versteht sich zwar von selbst,
wird aber auch von Cic. ad Att. VIII, 5. des M\ Mario, und
durch ein pompejanisches Wandgemälde bezeugt, wo ein Brief
deutlich adressirt ist: M. Lucretio Flam. Martis Decurioni
Pompei. Archäol. Zeitung 1847. X. 2. Overbeck, Pompeji.
S. 215.]
Da man die Wohlthat öffentlicher Posten nicht kannte, so
musste man, selbst an sehr entfernte Orte, wenn sich nicht
Der Brief. 395
vielleicht eine Gelegenheit darbot, eigene Boten schicken, und
hielt sich daher besondere tabellarios , die eigentlichen Brief-
träger des Privatmanns, die häufig erwähnt Averden. S. Cic.
Phil. II, 31. ad Farn. XII, 12. XIV, 22. Yerr. III, 79. Auct.
bell Hisp. 12. 16. 18. [Fest. v. tabellis p. 359 M. Dig. XLI,
1, 65 pr. Die Staatspost s. I, S. 166. Preller, die Regionen
der Stadt Eom, S. 235. von den tabellariis jjublicis. A de
Yries, de comniercio epistolarum ex iuris principiis aestimato.
Amstel. 1841.
Noch ist zu erwähnen, dass die oben genannten tahellae
nicht blos zur Correspondenz gebraucht wurden, sondern dass
sie als Sclucibniaterial überhaupt dienten. Man denke nur an
die Schultafeln inid an die tabidae testamenti (auch schlechtAveg
cerae genannt) Reix, röm. Privatrecht, S. 376. Heixdorf und
Wuestemanx zu Hör. Sat. II, 5, 54. Kleine Täfelchen {pug'd-
lares, codicilli) wurden namentlich als Notizenbuch oder Por-
tefeuille angenommen, welches man stets bei sich trug, um
darin jedes Beliebige zu notiren, Geldjiosten einzutragen, ein
Concept zu entwerfen u. s. w. Ausox. epigr. 146. hipatens pu-
gillar, von dem schnellen Notarius gebraucht, und Sex. eji. 108.
von dem Philosophenschüler. Fs waren gewöhnlich mehrere
"Wachstafeln, die je nach der Zahl diplychi, tripfychi oder tri-
pliccs (Martial XIY, 6.) u. s. f. genannt Avurden. Xur die
inneren Seiten wurden beschrieben und die äussere Schale
war oft mit Elfenbein, Gold oder Silber u. s. w. verziert.
Orell. inscr. 3838. ])ugillares membranaceos cum ojicrculis
eboreis. Vor. Tae. 8. libi'os elephantinos. Ein Griffel (stilus,
(jraphium) war daran angebracht, Isidor. VI, 9. Marx. XIV, 21.
dessen man sich zum Schreiben, aber auch zum Ausstreichen
bediente, denn das eine Ende war spitz zum ersten, das andere
breit zum zweiten Behuf; darum die Redensart stilum vertere,
HoR. Sat. I, 10, 72, Cic. Verr. IV, 41. — Kostbar verziert
waren namentlich die Sehreibtafeln, welche die Consuln, Prä-
toren und andere Magistrate der Kaiserzeit bei ihrem Amts-
antritt ihren Freunden zu schenken pflegten. Das Bild des
Gebers und allcrhi Synib')h' ])raugten auf der ^'or(U'rseite.
396 V i e 1- 1 e r E x c u r s zur dritten S c e n e. Der Brief.
Symmach. ep. n, 81. diptycha — ehurneis pugillaribus. V, 56.
Vir, 76. IX, 119. Claud. in Stilich. III, 346 flF.
dni (sc. dentes) secti ferro in tabidas anroque micantes,
Inscr'ipti rutilum caeloto Consule nomen
Per proccres et vulgus eant etc.
Sirmond, ad Sidon. Ap.ep. VIII, 6. Gothofr. zu C.Theod. XV,
9, 1. Mehrere dieser Elfenbeindiptychen haben sich erhalten,
s. Schwarz, de vetusto quodam dipt. Altorf 1 742. nnd in exer-
citt. acad. Norib. 1783. p. 298 — 338. Gori, thesaur. vett. dipt.
Flor. 1759. III Bde. Hagenbuch, de dipt. Brixiano 1799.
Augustin, das Dipt. im Dom zu Halberstadt, in neuen Mit-
theilungen des thüring.- sächsisch. Vereins VII, 2. S. 60 — 85.
Vögelin, das Züricher Diplom des Consul Areobindus. Zürich
1857. (Gratulationsprogramm) und andere Schriften in Fa-
BRicii bibliograph. antiquaria p. 951 ff. und 0. Muellers
Arch. V. Welcher S. 437 fg. — Von roheren Wachstafeln exi-
stii't nur ein einziges Exemplar aus dem Jahr 167 n. Chr.,
welches 1790 in einem altrömischen Bergwerk Siebenbürgens
gefunden wurde. Diese Triptychen, welche die Kopie einer
öffentlichen Bekanntmachung Seitens der Vorsteher einer
Leichenkassengesellschaft enthalten, sind drei Tafeln von
Tannenholz, deren vier innere Seiten beschrieben sind. Siehe
Massmann, libell. aurarius s. tabulae ceratae etc. Lips. (1840),
HusCHKE, in Savigny's Zeitschr. für geschichtl. Rechtswissen-
schaft. XII. 1845. S. 173—219. Orelli Henzen 6087.]
Leipzig, Druck von Giesecke & Dev
56 50<?
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