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Full text of "Gallus, oder Romische scenen aus der zeit Augusts"

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CAUFORNIA 
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GALLÜS 


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RÖMISCHE    SCENEN. 


ZWEITER  THEIL. 


GALLI 8 


RÖMISCHE  SCENEN 


DER  ZEIT  AÜCtUSTS. 


ZUR  GEXArEREN  KENNTNISS 

DES  RÖMISCHExN  PRIVATLEBENS 


WILH.  ADOLPH  BECKER, 

Prul'.  a.  d.  [' .  Lc-ipzig. 


Dritte  berichtiste  und  abermals  sehr  vermehrte  Ausgabe 


Prof.  Ur.  Wilh.  Rein. 


Zweiter  Theil. 
Mit  9  eing.:druckteu  Holzschnitten. 


LEIPZIG, 

FRIEDÜICH  FLEISCHER. 

186:^.. 


Galliis  et  Hesperiis  et  Gallus  noius  Eois 
Et  aua  cum  Gallo  nota  Lycoris  erit. 

OVID. 


INHALT  DES  ZWEITEN  THEILS. 


EXCÜRSE  ZUR  I.  SCENE. 

Seite 
Die  römische  Familie       1 — 170 

1.  Excurs.     Die  Frauen  oder  von   der   römischen  Ehe         4 —  56 

2.  -  Die  Kinder  und  Erziehung 57 —  98 

3.  -  Die  Sklaven 99  —  154 

4.  -  Die  Verwandten ,  Freunde  und  dienten    .  155  — 170 

EXCÜESE  ZUR  II.  SCENE. 

Das  römische  Haus 171 — 362 

1.  Excurs.     Die  bauliche  Einrichtung 171 — 271 

2.  -  Das  Yerschliessen  der  Thüren 272 — 281 

3.  -  Das  Hausgeräthe 282 — .336 

4.  -  Die  Beleuchtung ;:37— 350 

5.  -  Die  Uhren 351—362 

EXCURSE  ZUR  HI.  SCENE. 

Studien  und  Briefe 363—396 

1.  Excurs.     Die  Bibliotliek 363—368 

2.  -  Die  Bücher 369—384 

3.  -  Die  Bücherverkäufer 385—391 

4.  -  Der  Brief 392—396 


EXCURSE  ZUR  ERSTEN  SCENE.  ) 


DIE  EOMISCHE  FAMILIE. 

Der  Xame  Familie,  dessen  Zusammeuliang  mit  dem 
oscischen  Famd,  Famul  unzweifelhaft  ist  (s.  Paul.  Diac.  h. 
V.  p.  87  M.),  bedeutet  im  weitesten  Sinn  alles  dasjenige,  Avas 
eine  selbständige  Persun  jirivatrecbtlicli  ni  potrsfate  hat  oder 
was  derselben  xniterwDrfcn  ist,  sowohl  Menschen  (freie  oder 
unfreie)  als  Vermögensstücke ,  z.  B.  in  der  alten  Gesetzes- 
foniicl:  familia  ad  aedem  Cereris  —  venuvi  Iret.  bei  Liv.  III, 
55.  nnd  XLV,  40.,  etymologisch  vielleicht  Alles  zu  einem 
„Hause'-  Gehörige  s.  Eossbach,  die  römische  Ehe,  S.  14  f. 
Im  engern  Sinne  aber  bezeichnet  Familia  1)  die  Gesammt- 
heit  der  häuslichen  Gesellschaft,  der  Freien  und  Sklaven, 
an  deren  Spitze  ein  pater  familias  steht;  z.  B.  in  der  mehr- 
mals vorktnnmeuden  alten  Gesetzesformel:  familia  et  peciaiia 
(die  Person  im  Gegensatz  zu  demVermögen),  Fest.  v.  sacratae 
leges  p.  318  I\[.  Cif.  de  inv.  II,  ÖO. ;  2)  die  durch  gemein- 
schaftliche Al)stammung  verbundeneu  Freien,  d.  h.  entwedei- 
alle  luiter  einem  pater  familias  stehenden  freien  Personen 
(Paul.  Diac.  p.  8G  M.)  oder  in  Aveiterem  Umfange  alle  Glieder 
eines  grösseren  Familienkreises,   welche  zwar  einen  gemein - 


*)  [Fii  den  E.\cur.seii  zur  ersten  Scene  w.ir  os  iinmöglitli,  ilie  Zusätze 
des  Herausgebers  abzusondern,   da  diese  den  grösseren  'l'lieil  ausmiiclien. 
In  den   fol^^onden  Soenen  tritt  wieder  eine  .sorgfältige  Trennung  der  Zu- 
sätze durcli  eckige  Khunnicrii  ein,  wie  in  dem  ersten  Tlieile.] 
Bk<;kk.ii.   (ialliiN.    :t.  Aiill.    \\.  | 


2  E  X  e  11  r  s  e 

Hamen  Alialierni  haben  und  desshalb  einen  Namen  tragen, 
aber  nicht  einem  pater  familias  unterworfen  sind  (also  s.  v.  a. 
Agnaten,  welche  die  Unterabtheilung  einer  gens  bilden),  ja 
sogar  in  noch  weiterer  Ausdehnung  alle  Glieder  einer  gens, 
z.  B.  Liv.  I,  7.  II,  49.  IX,  33.  wo  die  Potitii  und  Fabii  mit 
dem  Famen  familia  bezeichnet  werden;  3)  bedeutet  familia 
die  zu  einem  Hause  gehörenden  Sklaven,  s.  im  dritten  Excurs; 
4)  die  dazu  gehörenden  Vermögensstücke ,  namentlich  das 
Vermögen  Verstorbener,  z.  B.  in  der  Formel:  familiae  herci- 
scundae.  (Erbtheilung)  oder  agnatus  familiam  liaheto.  Liv.  II, 
41.  Ter.  Heaut.  V,  1,  36.  u.  s.  w.  Ulp.  Dig.  L,  IG,  195,  §  1. 
{familiae  appellatio)  varie  accepta  est;  nam  et  in  res  et  in  prr- 
sonas  diducitur.  —  Ad  jjersonas  aiäem  refertur  familiae  signi- 
ficatio  ita,  cum  de  j^cdrojio  et  Uherto  loquitivr  lex:  ex  ea  familia 
etc.  —  §  2.  Fam.  appell.  refertur  et  ad  coiyoris  ciüiisdam  signi- 
ficationem  ^  quod  aiit  iure  proprio  iijsorum^  aid  communi  uni- 
versae  cognationis  co7itinetur  etc.  S.  Pauly,  Healencyklop.  III, 
S.  419  f. 

Jeder  Fi-eie,  der  nicht  in  eines  Anderen  jjotestas  ist  und 
seinen  eigenen  Hausstand  hat,  wird  als  pater  familias  betrachtet, 
er  mag  wirklich  Vater  sein  oder  nicht.  Ulp.  Dig.  L,  IG,  195, 
§.  2.  Pater  fam.  appellatur,  qid  in  domo  dominium  habet  (\'gl. 
Sen.  ep.  47.)  recteque  hoc  nomine  appellatur ,  quamvis  filiuin 
non  hahecd;  7ion  enim  solam  personam  eius^  sed  et  ius  demon- 
stramus.  Denique  et  pupillum  jjatrem  appellamus.  Et  cum 
pater  fam.  moritur,  quotquot  capita  ei  subiecta  fuerimt^  singidas 
familias  incipiunt  habere,  singuli  enim  patrum  familiarum  nomen 
subeiint  etc.  So  wurden  also  die  Söhne,  wenn  sie  auch  ver- 
heirathet  waren  und  selbst  Kinder  hatten,  erst  dann  patres 
fam.,  wenn  sie  der  patria  potestas  ledig  wurden ,  was  mit  dem 
Tode  des  Vaters  geschah,  oder  in  dem  besonderen  Falle,  dass 
der  Sohn  die  Würde  eines  flamen  dialis  erhielt  (wie  die 
Tochter  die  einer  virgo  Vestalis);  oder  endlich  durch  die 
Emancipation  unter  der  Form  des  dreimaligen  Verkaufs  und 
der  Freilassung. 

Nimmt  man  nun  zu  diesen   nächsten  Familiengliedern, 


zur  ersten  Seen e.  3 

als  Kindern  und  Enkeln,  die  Zahl  der  Sklaven  und  endlich 
der  Clienten  hinzu,  so  stellt  sich  eine  solche  römische  Familie 
als  ein  kleiner  für  sich  abgeschlossener  Staat  dar,  in  welchem  ' 
der  pater  fam.  wie  ein  Mcjuarch  mit  patriarchalischem  Ansehen 
herrschte.  So  schildert  das  Haus  des  Appius  Caecus  Cic.  de 
sen.  11.  duatuor  robustos  filios^  quinqiie ßlias,  tantam  doiman^ 
tantas  cUentelas  Appius  regebat  et  senex  et  caecus.  —  tenebat 
non  modo  aiictoritatem ,  sed  etiam  hniiei^ium  in  siios ;  metuebant 
servi,  verebantur  liberi,  carum  omnes  Itubebant;  vigebat  illa  in 
domo  patrius  mos  et  discipliuct.  —  Die  weitere  Stellung  des 
Mannes  im  Hause  ergieht  sich  aus  der  Erörterung  der  gegen- 
seitigen Verhältnisse ,  in  welchen  die  verschiedenen  Glieder 
der  Familie  zu  einander  standen.  Die  Frau  hat  der  pater  fam. 
in  seiner  manus,  die  Kinder  und  Sklaven  in  seiner  pote.stas, 
Freie  unter  gewissen  Umständen  (durch  noxae  datio)  im 
mancipium. 

Auch  Avar  der  Hausvater  in  religiöser  Beziehung  Ver- 
treter des  ihm  angehöi-endcu  Kreises  und  verrichtete  die  häus- 
liclicu  Opfer  bei  Familienfesten,  ländlichen  Feierlichkeiten 
iiiid  dcrgl.  Cato  r.  r.  143.  seito  dominum  pro  tota  fumilia 
rem  diinnam  facere.  Ok.  p.  domo  41.  S.  Kossbach,  a.  a.  O. 
S.  11  ff.,  Herzoö,  Beitrag  zur  Frage  ülier  die  Familienrecht- 
liche Grundlage  des  röm.  Staatsrechts  im  Mus.  für  Phil.  Bonn 
1859,  XIV,  S.  3  ff.  und  überliaupl  LAXdi;,  röm.  Altertii.  1, 
S.  83  ff.  —  Zunächst  handeln  wir  von  den  Frauen,  sodann 
\(tu  dt'U  Kindern,  daraui'  von  den  Sklaven  und  zuletzt  von 
(h'ii  ( 'licutcn. 


ERSTER  EXCURS. 


DIE  FRAUEN  ODER  VON  DER  RÖMISCHEN  EHE. 

Während  wir  in  den  meisten  griechischen  Staaten  und 
namentlich  in  Athen  die  Frauen,  d.  h.  das  ganze  weibliche  Ge- 
schlecht in  geringer  Achtung  und  in  lebenslänglicher  Unmün- 
digkeit sehen,  in  die  Gynäkonitis  verwiesen ,  vom  öffentlichen 
Leben  und  allem  Umgange  mit  Männern  wie  von  deren  Ver- 
gnügungen ausgeschlossen ,  finden  wir  in  Kom  gerade  das 
Gegentheil.  Ist  auch  das  Weib,  wie  natürlich,  dem  Manne 
untergeordnet,  so  begegnet  man  ihr  doch,  nicht  wie  in  Grie- 
chenland mit  jener  rücksichtsvollen  Scheu,  die  nur  dem  Rechte 
des  Mannes  gilt,  sondern  mit  offener  Achtung  und  Ehrerbie- 
tung. Stets  erscheint  die  römische  Hausfrau  als  Vorsteherin 
des  gesammtcn  Hauswesens ,  als  Erzieherin  der  Kinder  und 
Bewahrerin  der  Ehre  des  Hauses,  in  gleicher  Achtung  mit 
dem  pater  fiimilias  in  und  ausser  dem  Hause.  Plut.  Rom.  20. 
'AlXa  fif'rroi  ttoDm  raiL;  yvrat^ir  ei\;  rtiujv  ant^my-ar,  cöv  yMi  ravia 
t'OTir'  f^t'araaOai  iilv  o^ov  ^aSiI^ovaai^  etc.  Vom  öffentlichen 
Leben  bleiben  sie  zwar  in  der  Regel  fern,  denn  die  Sitte  hielt 
sie  zurück,  doch  ist  ihnen  das  Auftreten  und  Zeugen  vor  Ge- 
richt nicht  versagt.  Der  Fall,  dass  sie  selbst  als  Klägerinnen 
oder  Beklagte  vor  Gericht  aufgetreten  wären,  kam  vor  den 
Zeiten  der  sinkenden  Republik  höchst  selten  vor  (obgleich  es 
nicht  gesetzlich  verboten  war,  wie  sich  auch  aus  Plut.  comp. 
Num.  c.  Lyc.  3  ergiebt);  denn  die  Beispiele,  welche  Val.  Max. 
Vni,  3.  Cic.  Brut.  58.  QuiNCT.  inst.  I,  1,6.  geben,  gehören 


Erster  Excurs.     Die  Frauen.  5 

der  spätem  Zeit  an,  uucl  was  Val.  Max.  III,  8,  6.  von  Sem- 
pronia  erzählt,  ist  ganz  anderer  Art.  Ursprünglich  hatten  die 
Frauen  sogar  das  Eceht,  für  Andere  klagend  aufzutreten  {ijro 
aliis  postulare),  wenn  sie  auch  höchst  selten  davon  Gebrauch 
machten ,  bis  es  später  durch  das  prätorische  Edikt  verboten 
Avurde,  weil  Afrania  einen  unverschämten  Gebrauch  von  dieser 
Erlaubniss  gemacht  hatte  [inverecimde  postulans  et  magistra- 
tum  inqidetajis),  Val.  Max.  VH!,  3,  2.  Ulp.  Dig.  HI,  1,  1,  §  5. 
Dagegen  erscheinen  sie  häufig  und  zu  allen  Zeiten  vor  Ge- 
richt als  Zeugen  oder  bittend  für  ihre  Verwandten.  Wenn 
Cic.  Ven-.  I,  37.  sagt:  cur  {coyis)  sodalis  uxorem^  sodalis  so- 
ci'um,  domum  dcnique  totam  sodalis  inortui  contra  te  testimonium 
dtcere?  cur  pudentisshnas  hctissimasque  feminas  in  tantum  viro- 
rum  conventum  insolitas  invitasque  prodire  cogis  ?  so  liegt  darin 
keineswegs,  dass  hier  nur  eine  Ausnahme  Statt  finde;  auch 
bei  uns  werden  Frauen  immer  ungern  vor  Gericht  erscheinen. 
S.  noch  Asc.  zu  Cic.  p.  Mil.  p.  41  Or.  Suet.  Caes.  74.  Claud. 
40.  Tac.  Ann.  EEI,  49.  Paull.  D.  XXII,  5,  18.  Ulp.  Dig. 
XXVIII,  1,  20,  §  6.  Wir  finden  sogar  Vestalinnen  anwesend, 
um  sich  für  die  Ihrigen  zu  verwenden  oder  Zeugnis«  abzu- 
legen, z.  B.  Cic.  p.  Font.  17.  Tendit  ad  vos  virgo  Vest<dis  ina- 
iius  supp/ices  etc.  und  von  Tac.  wird  als  Beweis  des  Hoch- 
muths  dor  Urgulania  angeführt,  dass  sie  nicht  als  Zeugin  er- 
scheinen wollte:  Ann.  11,  34.  Caeterum  Urgidaniae  potentia 
adi',0  niviia  civitati  erat^  ut  testis  in  causa  quadain ,  quae  apud 
senatum  tractnbatur^  venire  dcdignurctur.  missus  est  praetor,  qui 
(loiiii  interrogaret,  cum  virgines  Vestales  inforo  et  iudicio  aiidiri, 
quoties  testimonium  dicerent,  vetus  mos  fuerit.  Wenn  es  nach 
dem  der  Vestalin  Tarratia  durch  die  lex  Iloratia  verliehenen 
Privilegium  der  Testabilität  scheinen  könnte  (Plix.  li.  n. 
XXXIV,  6.  Gell.  VI,  7.  Plut.  Popl.  8.,  s.  Pauly,  Kealenc. 
IV,  8.  071.),  als  ob  die  Frauen  dieses  Kechts  ermangelt  hät- 
ten, so  ist  zu  bedenken ,  dass  Zeugnissfähigkeit  hier  in  einem 
weiteren  Sinn  zu  verstehen  ist,  in  welchem  auch  das  IManci- 
jcitionszeugniss  mit  darin  liegt.  S.  Dirksen,  Beiträgi'  z.  Kunde 
d.  röin.  Rechts,  S.  235—247.  Kein,  lt.  Privatr.  S.  152—150. 


ß  Erster  Ex  cixrs. 

Das  Ausgehen  aus  dem  Hause  war  nur  durch  Anstand 
und  Sitte,  nicht  durch  Gesetze  oder  den  eifersfichtigen  Willen 
des  Mannes  beschränkt;  an  öffentlichen  Schauspielen  nahmen 
die  Frauen  nicht  weniger  Theil  als  die  Männer  und  mit  diesen 
stellten  sie  sich  zum  festlichen  Mahle  ein.  Von  der  Licenz  der 
späteren  Zeit  ganz  abgesehen,  linden  wir  darin  völlige  Frei- 
heit auch  in  den  Zeiten  der  Republik.  Cic.  p.  Cacl.  8.  est 
enim  dictum  ab  Ulis  fore  qul  dicerent,  uxores  suas  a  coena 
redeuntes  attrectalas  esse  a  Caelio.  Val.  Max.  III,  1,  2.  Einen 
interessanten  Zug  aus  dem  Leben  des  Q.  Cicero  erzählt  Cic. 
ad  Att.  V,  1.  jyfctndimus  in  Arcano.  nosti  hunc  fundum.  quo  iit 
venimiis,  hiimanissime  Qui7itus,  Pomponia,  inquit,  tu  invita  niu- 
lieres,  ego  accivero  pueros.  —  Ät  illa  audieidihus  nobis,  ego  suvi, 
inquit,  hie  hosjjita.  id  autem  ex  eo ,  lä  opinor ,  quod  antccesserat 
Statins,  ut  prandium  nobis  videret.  tum  Quintus,  ett,  inquit  mihi^ 
haec  ego  patior  quotidie.  Dices,  quid  quaeso  istuc  erat?  magnum: 
itaque  me  ipsum  coiiimoverat ,  sie  absurde  et  aspere  verbis  vultu- 
que  responderat.  dissimulavi  dolens.  Discubuiinus  omnes  praeter 
illam,  Chi  tarnen  duintus  de  mensa  misit,  illa  reiccit.  Sogar  die 
Vestalinnen  nahmen  an  Gastmählern  der  Männer  Antheil, 
Macrüb.  Sat.  II,  8.  Auch  auf  alten  Abbildungen  findet  man 
die  Frauen  neben  den  Männern  bei  Tisch,  Zoeöa,  bassiril. 
Tom.  I.  n.  36.  p.  166  ff. 

Im  eigenen  Hause  war  die  Frau  nicht  auf  bestimmte  ab- 
gesonderte Gemächer  beschränkt,  sondern  ihr  eigentlicher 
Aufenthalt  ist  wenigstens  in  älterer  Zeit  in  dem  wichtigsten 
Theile  des  Hauses,  dem  Atrium.  Bekannt  ist  Corn.  j>raef. 
Qjuem  enim  Itomanorum  pudet  iixorem  ducere  in  convivium  aut 
cuius  mater-familias  non  p)rinnnn  locum  tenet  aedium  atque  in 
celebritate  versatur?  Hier  lag  sie  in  der  Mitte  ihrer  Sklavinnen 
den  weiblichen  Arbeiten  ob;  hier  stand  vor  Alters  das  Avirk- 
liche,  später  das  symbolische  Brautbrett,  lectus  genialis  oder 
adversus,  der  ihr  eigentlich  gebührende  Ehrenplatz.  So  finden 
wir  es  noch  in  Cicero's  Zeit  im  Hause  des  M.  Aemilius  Lepi- 
dus,  der  als  Interrex  von  den  Clodianern  insultirt  wurde.  Asc. 
z.  Cic.  p.  Mil.  5.    deinde  omni  vi  ianua  expugnata   et  imagines 


Die  Flaue u.  7 

maiorum  deieceriuit  et  lectidiim  advcvsian  vxoris  eins  Conieliae 
—  fregerunt^  itemqiie  telas^  quae  ex  vetere  more  in  atrio  texe- 
bantur,  diruerunt.  So  schildert  auch  Liv.  I,  57.  die  Lucretia: 
nocte  sera  deditam  lanae  inter  lucuhrantes  ancillas  m  medio 
aediuv'i  (s.  v.  a.  atrio)  sedentem  inveriiunt.  und  so  erscheint  in 
einem  Fragment  aus  den  Compitalibus  des  Laberius  bei  Gell. 
XVI,  9  die  materfam.  sitzend  auf  diesem  lectus:  materfamilias 
tua  ih  lecto  adversn  sedet.  S.  noch  Arnob.  adv.  g.  II,  67.  lieber 
die  Stellung  der  Frauen  überhaujjt  schrieben:  E.  Spangen- 
BERG,  bist.  fem.  iur.  Eom.  Gotting.  1806.  G.  Dorn-Seipfen, 
ins  femin.  apud  Kom.  Trai.  ad  Eh.  1818.  E.  Laboulaye,  re- 
cherches  sur  la  condition  civile  et  politique  des  femmes  depuis 
les  Romains  jusqu'ä  nos  jours.    Paris  1843. 

Dass  die  Römerinnen  sehr  früh  sich  verheiratheten,  wird 
durch  die  in  dem  südlichen  Klima  früher  eintretende  Pubertät 
erklärt.  Frauen,  die  in  dem  11.  12.  u.  13.  Jahre  gestorben 
waren,  finden  wir  bei  Orelli-Henzen,  nr.  2653.  2655  f.  6190. 
Das  zurückgelegte  12.  Jahr  galt  stets  als  Termin  der  weib- 
lichen Reife,  Fest.  v.  pubes  p.  250  M.  Tertull.  de  Virg.  vel. 
IJ.    Dio  Cass.  liv,  16. 

AVas  das  eheliche  Verhältniss  und  die  Treue  anlangt,  so 
darf  man  für  die  ältere  Zeit  sicher  annehmen,  dass  Ausschwei- 
fungen auf  beiden  Seiten  wenig  vorkamen.  Erst  mit  dem  Be- 
ginne des  Sittenverfalls  sehtm  wir  aucli  in  diesem  Verhältniss 
grosse  Veränderungen  vorgehen  und  Männer  und  Frauen  in 
üppigem  Lcbensgenuss  sicli  überbieten.  Sen.  ep.  95.  Die 
frühere  Schaamhaftigkeit  und  Keuschheit  der  Frauen  wurde 
immer  seltener,  während  der  Luxus  und  die  A'ersclnvendung 
immer  liölicr  stieg  und  von  vielen  Frauen  Hess  sich  sagen, 
was  Clitijdio  über  seine  Bacchis  klagt,  Ter.  Ilcaut.  II,  1,  15. 

Measl  petax  procax  magnijica  sumj^tuo.sa  nobilis. 
Viele  römische  Damen  hatten,  um  sich  für  die  Vernachlässi- 
gung ihrer  Gatten  schadlos  zu  halten,  ihre  C'icisbeen,  die  auch 
wohl  unter  dem  Vorwande,  der  procurator  der  Dame  zu  sein, 
sie  allenthalben  begleiteten.  S.  Mart.  V,  61.  XII,  38.  und 
wie   viele   Beispiele   Hessen    sich    sonst    noch    aus    römischen 


8  Erster  Exciirs. 

Dichtern  jviifüliicu!  Man  denke  nur  an  Hör.  epocl.  8.  12.  Die 
natürliche  Folge  davon  war  die  immer  mehr  zunehmende 
Ehelosigkeit  der  Männer  und  der  grösste  Leichtsinn  in  den 
Scheidungen  der  Ehe ,  s.  unten  bei  den  Scheidungen  und  der 
Ehelosigkeit. 

Trotz  dieser  freieren  Stellung  des  weiblichen  Geschlechts 
hatte  die  römische  Ehe  in  Bezug  auf  die  Frau  anscheinend 
sehr  strenge  Formen,  die  indessen  leicht  in  milderem  Lichte 
sich  zeigen,  wenn  man  die  potestas  des  jiaterfamilias  im  rich- 
tigen Sinne  fasst.  Man  unterschied  überhaupt  ein  matrhnoniuin 
iustum  (aixch  legitbnum)  und  iniustum.  Das  erstere  (histac 
nuptiae  bei  Cic.  de  rep.  V,  4.  Gai.  Inst.  I,  55.)  fand  nur 
Statt,  wenn  beiden  Theilen  das  connubium  zustand,  d.  h.  die 
auf  beiden  Seiten  gleiche  Berechtigung  eine  nach  römischem 
Rechte  gültige  Ehe  zu  schliessen.  Li  alter  Zeit  gehörte  dazu 
Standesglcichheit,  wesshalb  Patricier  nur  unter  sich  und  eben- 
so Plebejer  nur  aus  ihrer  Mitte  heiratheten.  Als  aber  durch 
die  lex  Canuleia  309  d.  St.  %^4:5  v.  Chr.  den  Plebejern  das 
Connubium  mit  den  Patriciern  gegeben  war,  blieb  nur  noch 
das  Erforderniss  der  Civität  (mit  einigen  später  gemachten 
gesetzlichen  Ausnahmen,  z.  B.  in  Bezug  auf  die  Senatoren 
ixnd  deren  Kinder,  welche  sich  nicht  mit  Freigelassenen  ver- 
heirathen  durften  u.  s.  w.)  s.  Pauly,  Eealencykl.  II,  S.  590  fg. 
—  Das  matrimonium  iniustum  hingegen  {uxor  iniusta  bei  Ulf. 
Dig.  XL VIII,  5,  lo,  §  1.),  wobei  dem  einen  Theile  das  con- 
nubium fehlte,  z.  B.  die  Ehe  zwischen  I^atriciern  und  Plebejern 
vor  der  lex  Canuleia  und  zAvischeu  Kömern  und  Peregrinen, 
war  zwar  von  der  moralischen  Seite  eine  eben  so  gültige  und 
anständige  Ehe,  aber  sie  galt  nur  iure  gentium  und  ermangelte 
daher  der  wichtigen  civilrechtlichen  Folgen  der  patria  po- 
testas, manus  u.  s.  w.  —  Uebrigens  stand  wirkliche  Ehe  mit 
dem  Eechte  Kinder  zu  haben-  überhaupt  nur  Freien  zu ,  wäh- 
rend der  Sklave  in  einem  contubernium  leben  konnte,  s.  im 
3.  Excurs. 

Von  der  römischen  Ehe,  zumal  aus  dem  civilrechtlichen 
Gesichtspunkte  betrachtet,  ist  viel  und  gründlich  gehandelt 


D  i  e  Fijiuei).  9 

worden.  In  Creuzer.s  Abriss  d.  röni.  Autiq.  S.  82.  und  in 
Pauly's  ßealencyklop.  IV,  S.  1653  fg.  ist  die  Literatur  vcdl- 
btändig  angeführt.  Hervorzuheben  sind:  Grupex,  de  uxore 
Eom.  Ilannov.  1727.  Zimmerx,  Rechtsgesch.  I,  S.  531 — 654. 
833 — 842.  Birnbaums  Zuscätze  zu  Creuzers  Abriss  der  röm. 
Alterth.  S.  482  ff.  Tafel,  Conimentatio  de  divortiis  ap.  Rom.I. 
De  variis  nuptiarum  generibus  ap.  Rom.  1832.  Eggers,  über 
(las  "Wesen  u.  die  Eigenthüml.  der  alt-römischen  Ehe  mit 
manus.  Alt.  1833.  Göttlixg,  röm.  Staatsverf.  Halle  1840. 
S.  82  ff.  Rein,  das  römische  Privatrecht.  Leipz.  1858.  S.  174. 
368—468.  Lange,  röm.  Alterthümer.  I,  S.  88— 100.  Eine 
neue  Aera  für  diese  Lehre  begann  mit  Rossbach,  Unter- 
suchungen über  die  röm.  Ehe.  Stuttgart  1853.  —  Hier  kommt 
es  hauptsächlich  darauf  au,  die  durch  die  Form  der  Ehe  be- 
dingten Verhältnisse  im  häuslichen  Leben,  die  Stellung  der 
verschiedeneu  Personen  unter  einander  hervorzuheben,  wäh- 
rend die  Untersuchung  über  die  civilrechtlichen  Bedingungen 
und  Folgen  ausgeschlossen  bleibt. 

Das  matrimoniuin  histimi  konnte  doppelter  Art  sein 
(QuiNCT.  V,  10,  62.  diiae  funnae  sunt  7natrhnoinoiuvi)^  mit 
cunventio  in  maman  und  ohne  dieselbe.  Durch  die  strengere 
Form  der  Ehe  kam  die  Frau  in  rnanum  viri  {in  manu  esse,  in 
inanum  convenisse ,  alieno  iuri  siibiectum  esse,  s.  Liv.  XXXIA^, 
2.  u.  Brisson.  de  verb.  sign.  v.  manus),  d.  h.  sie  trat  aus  ihrer 
Familie  ganz  heraus  {familia  mutatuv  durch  capitis  deminutio 
minima,  Ulp.  XI,  13.)  und  ging  in  des  Gatten  Familie  über, 
wo  sie  in  ein  der  filia  ähnliches  Verhältniss  trat,  und  der 
Mann  erlangte  über  sie  eine  Art  patria  potestas,  die  Liv. 
XXXIV,  7.  selbst  servitus  muliebris  nennt.  Ter.  Andr.I,  5,60. , 
Te  itsti  virum  du,  auiicum ,  tutorem,  patrcm.  —  Wie  der  allge- 
meinere Ausdruck  potestas  im  engeren  Sinne  auch  von  der 
patria  potestas  und  von  der  servitus  gilt,  so  der  symbolische 
Ausdruck  manus  im  engeren  Sinne  von  der  Gewalt,  die  dem 
Gatten  in  strenger  Ehe  über  seine  Frau  zustand.  Doch  wird 
potestas  auch  von  der  manus  gebraucht,  bei  Tag.  Ann.  IV,  16. 
in  j^otestute  viri.   und  Serv.  z.  Virg.  Aen.  IV,  103.  cucmptione 


10  Erster  Exciirs. 

facta  rimlier  in  potestateni  viri  cedit.  Umgekehrt  wird  mamts 
im  weiteren  Sinne  statt  potestas  gesagt  von  Gell.  XVIII,  6. 
Serv.  zu  Virg.  Aen.  XI,  476.  ebenso  überhaupt  von  Besitz, 
Plaut.  Merc.  II,  3,  117.  und  von  Tutel,  Liv.  XXXI V,  2. 
Gleichwohl  sind  potestas  und  manus  genau  zu  unterscheiden, 
Gai.  I,  109.  und  wie  der  mancipio  datus  nur  servi  loco  ist, 
nicht  servus,  so  auch  die  Frau  nur  filiae  loco,  Gai.  I,  111. 
Das  aus  der  potestas  entspi-ingende  Eichter-  und  Strafamt 
hatte  der  Mann  nicht  bloss  in  den  Ehen  mit  manus,  sondern 
in  jeder  Ehe,  also  ist  dieses  Recht  nicht  ein  Ausfluss  der 
manus.  Hase  ,  de  manu  iur.  Rom.  antiq.  Hai.  1847.  p.  54  ff. 
Pauly,  Realencykl.  V.  S.  1239  f.  Doch  war  der  Mann  hier- 
bei durch  das  uralte  Eamiliengericht  beschrcänkt,  indem  er 
nicht  ohne  seine  und  seiner  Frau  Cognaten  entscheiden 
konnte.  Wahrscheinlich  Avaren  bei  Ehe  mit  manus  die  Co- 
gnaten des  Gatten,  bei  Ehe  ohne  manus  die  der  Gattin  vor- 
züglich nothwendig  (da  sie  in  der  Gewalt  ihres  Vaters  geblie- 
ben war).  DiONYS.  II,  25,  ol  avyyereiii  ftsra  rov  di'dQug  b'Öi'-AU^Of. 
Tac.  Ann.  XIII,  32.  is  (Plautius)  prisco  imtituto  propiuqiiis 
coram  de  capite  famaque  coniugis  cognovit.  Gell.  X,  23.  Suet. 
Tib.  35.  Val.  Max.  II,  9,  2.  Einseitig  durfte  der  Mann  nie 
entscheiden,  ausser  wenn  er  seine  Frau  im  Ehebruch  ertappte, 
wo  er  die  Schuldige  tödten  durfte.  Gell.  X,  23.  Pirmez,  de 
mariti  tori  violati  vindice.  Lovan.  1822.  Ueber  das  Familien- 
gericht handeln  MtJNTER,  de  domestico  famil.  iudicio  ap.  Rom. 
Lugd.  B.  1768.  Klbnze,  in  Zeitschr.  f.  gesch.  RechtsAviss.  VI, 
S.  21 — 32.  Geib,  röm.  Criminalprozess,  S.  82- — 96.  Rein, 
Rom.  Privatr.  S.  414  ff.  u.  die  oben  cit.  Hase  u.  Pauly.  — 
Dass  die  Frau  mancipio  gegeben  werden  durfte,  z.  B.  um 
einen  von  ihr  verursachten  Schaden  durch  Arbeit  zu  ersetzen 
{noxae  dare)  ist  für  die  älteste  Zeit  anzunehmen,  s.  Pauly, 
Realencykl.  IV,  S.  1508  fg. 

Der  Unterschied  der  Ehe  mit  und  ohne  manus  ist  von 
Waechter,  Ehescheidungen  bei  den  Röm.  Stuttgart  1822. 
S.  44  ff.  auf  die  beiden  Stände  der  Patricier  itnd  Plebejer  zu- 
rückgeführt  worden,   so    dass    die   Patricier   allein  Ehe  mit 


Die  Frauen.  IX 

niaiiiis,  die  Plebejer  aber  ohne  maims  geliabt  liätteu ,  bis  erst 
nach  und  nach  die  manus  auch  auf  die  plebejisclien  Ehen 
übergegangen  wäre.  Manche  Gelehrte  folgten  dieser  Hypo- 
these und  zuletzt  noch  Hase,  de  manu  iur.  Kom.  antiq.  S.  llfF. ; 
allein  es  ist  undenkbar ,  dass  Abweichungen  bei  einem  so  tief 
im  Volksleben  wurzelnden  Institut,  auf  einer  Rang-  und 
Standes-,  und  nicht  vielmehr  auf  völliger  Stammverschieden- 
heit beruhen,  da  unmöglich  ein  und  dasselbe  Volk  ursprüng- 
lich zwei  so  ganz  heterogene  Anschauungen  über  die  Ehe  ge- 
habt haben  kann.  Plebejer  und  Patrizier  Avaren  aber  nicht 
verschiedenen  Stammes  —  Avenigstens  nicht  die  latinischen 
und  sabinischen  Mitglieder  beider  Stände,  —  sondern  ver- 
schiedenen liangs  und  verschiedener  politischer  Berechtigung. 
Im  Familienrecht  standen  sie  sich  gleich  und  die  Ehe  mit 
manus  war  ebenso  ein  ür-  und  Fundamentalreclit  aller  Kömi- 
schen Bürger  Avie  die  patria  potestas.  S.  die  Kec.  über  Hase 
de  manu  in  Zeitschrift  für  AlterthumsAvissenschaft,  1847., 
Bluxtschli,  s.  unten  und  Keix,  röm.  Privatr.  S.  378. 

Die  Ehe  mit  manus  Avar  ursjirünglich  die  einzige,  bis 
sich  die  manus  alliiiälig  a'ou  der  Ehe  trennte  und  zu  einein 
selbständigen  l\echt  gestaltete.  Aus  dieser  Zeit  rühren  die 
uns  erhaltenen  Notizen  her,  Avelche  berichten,  dass  zur  Einge- 
hung der  Ehe  mit  manus  besondere  Formalitäten  erforderlich 
waren,  die  bei  der  Ehe  ohne  uiaiius  nicht  vorkamen.  Es 
konnte  nemlich  eine  gültige  Ehe  durch  den  conseut^us  beider 
Theile,  d.  h.  durch  das  mit  beiderseitiger  EinAvilligung  er- 
folgte Zusammenleben  derselben  ad  individuovi  vitae  consuetu- 
dinem  und  liberürum  quaerendorum  causa  geschlossen  Averden, 
ohne  dass  eine  eigentliche  Hochzeitfeier  nach  Solennitäten 
überhaupt  vorgeschrieben  waren.  Quinct.  deck  247.  F'mga- 
mus  enim,  nuptias  quidem  fcciase  nullas,  coisse  autem  liberoi'um 
quaerendorum  gratia,  non  tarnen  uxor  non  erit,  quamvis  nuptiis 
non  sit  collocala.  Cod.  V,  4,  22.  Sollte  aber  manus  bcAvirkt 
werden,  so  mussten  zu  dem  couseusus  der  Gatten  besondere 
Formalitäten  hinzutreten,  Avelche  entweder  damit  verbunden 
wurden  odci'  spätt'r  hinzukamen.    Diese   Formen,    m  elclie  je- 


]  2  E  r  s  t  u  !■  E  X  c  u  r  s 

doch  sehr  verschieden  waren,  heissen  co/ifarrcadu,  coeviptio 
und  usus,  Gai.  I,  109.  110.  Olun  itaque  tribus  modis  hi  ma- 
uuin  convcniehant:  usu,  farreo,  coemptione.  Serv.  zu  Virg. 
Georg.  I,  31.  BoETH.  comm.  Top.  II.  p.  299.  Or.  Arxou.  adv. 
g.  rV,  20.  Die  erste  Form  ruhte  auf"  religiösem  Grunde,  die 
beiden  andern  auf  civilrechtlichem,  jedocli  in  verschiedener 
Weise,  indem  bei  der  coömptio  ein  Vertrag,  bei  dem  usus  eine 
Art  Verjährung  die  Frau  in  manum  mariti  brachte.  Bei  der 
ersten  Form  fielen  Ehe  und  mauus  zusammen,  d.  h.  in  einem 
und  demselben  Akte  war  zugleich  Eingehung  der  Ehe  und 
der  manns  enthalten;  in  der  ältesten  Zeit  Avar  dieses  auch  bei 
coemptio  der  Fall ,  so  lange  es  keine  Ehe  ohne  manus  gab, 
aber  nach  Aufkommen  der  Ehe  ohne  manus  entstand  durch 
coemptio  nicht  Ehe,  sondern  nur  manus  (ja  sie  wurde  bis- 
weilen zur  Bewirkung  der  manus  ohne  Ehe  angewandt),  so 
dass  hier  die  Vereinigung  zur  Ehe  entweder  unmittelbar  vor- 
ausgehen oder  sogleich  nachfolgen  musste.  Ebenso  sind  bei 
usus  beide  Akte  getrennt ,  wie  sich  von  selbst  versteht.  Dass 
aber  durch  die  confarreatio  Ehe  und  manus  zusammen  ent- 
standen, ergiebt  sich  axis  den  unten  mitgetheilten  Zeugnissen 
der  Schriftsteller,  Avelche  in  der  confarreatio  eine  Form  theils 
zur  Erlangung  der  manus  (so  Gaius)  ,  theils  zur  Schliessung 
der  Ehe  erkennen  (Dionys.  Plin.  Servius),  je  nachdem  sie 
diese  Ceremonie  von  dem  juristischen  oder  antiquarischen 
Standpunkt  aus  betrachten.  Vermöge  ihres  sacranientalen 
Charakters  {kQoi  yd[A.oi)  beAvirkte  die  confarreatio  eine  unver- 
letzliche, heilige  und  strenge  Verbindung.  Diese  innige  Ge- 
meinschaft beider  Gatten  in  irdischer  und  sacraler  Beziehung 
war  aber  nur  durch  den  Uebergang  der  Gattin  in  die  Familie 
des  Mannes  möglich  und  darin  eben  bestand  die  manus.  Auch 
die  Scheidungsformen  zeigen  die  Kichtigkeit  dieser  Annahme ; 
denn  diftarrcatio  war  Avirkliche  Ehescheidung  und  zugleich 
Auflösung  der  manus ,  remancipatio  aber  hob  in  späterer  Zeit 
nur  die  manus  auf,  nicht  die  Ehe,  s.  unten  bei  Ehescheidung. 
Was  nun  den  Ursprung  dieser  drei  A^erschiedenen  Formen 
betrifft ,  so  Avar  die  confarreatio  Aveder  sabinischen,  noch,  wie 


Die  Frau  en.  13 

man  gewöhnlich  glaubte,  etruskischen  Ursprungs  (über  die 
früheren  Ansichten  s.  Pauly,  Kealencykl.  IV,  S.  1649.  Rein, 
röm.  Privatrecht  S.  376).  Rossbach,  S.  162 — 197  hat  dieses 
auf  das  überzeugendste  dargethan  und  bewiesen,  dass  die  ver- 
schiedenen Formen  nicht  auf  der  Stammverschiedenheit  be- 
ruhten, sondern  dass  alle  indogermanischen  Völker  die  Ehe 
durch  Kauf  und  religiöse  Gebräuche  eingingen,  denn  die  Ehe- 
schliessung gehört  mit  zu  den  Hauptakteu  im  Leben,  die  die 
Aufforderung  enthalten,  sich  an  die  mächtigen  Götter  zu 
Avenden.  Diese  beiden  Elemente,  welche  in  der  Urzeit  ver- 
bunden waren,  haben  sich  in  Rom  frühzeitig  getrennt  und  so 
schied  sich  confarrcatio  als  die  religiöse  Eingehung  ohne  Kauf 
(wenn  auch  mit  Aussprechung  gewisser  bindender  Formeln 
und  nicht  ganz  ohne  ein  civilrechtliches  Moment,  wie  Ross- 
p.Acii  S.  144  will)  von  der  coemptio,  bei  der  von  dem  alten 
Kauf  nichts  übrig  geblieben  war,  als  die  symbolische  Form, 
RossBACii,  S.  2)59 — 252.  Die  erste  Form  wird  gcwfihulicli 
als  die  älteste  Form  der  römischen  Ehe  betrachtet.  Dioxvs. 
II,  25.  sagt:  i-AuKovr  ^t  7(w^  lenov^'  oi  naXatoi  ydfiijv^'  'P(oiia'r/.>j 
TTQogtjyOQi'a  nfiuXafv^iävovii-g  rpa()öä>iia ,  mi  lij^  y.oncoii'us'  tov 
ffanöh^  '()  y.ahwuf^r  >mfu'  ^tar,  eine  Erklärung,  die  sich  auf  das 
angeblich  sclion  von  Romulus  gegebene  Gesetz  bezieht:  yvrur/jc 
yajiarijv  y.nra  ro/iüvg  lunovg  avve)J)ovaar  dtÖni  •/.iuimvw  ('(.närrMv 
Hvai  ■/oi^iiÜTCot'  re  xai  leodw.  Damit  ist  jedoch  nicht  gesagt, 
dass  die  confarreirten  Ehen  ursprünglich  die  einzigen  gewesen 
seien,  sondern  das  Gesetz  spricht  vorzugsweise  nur  dieser  con- 
farreirten Ehe  die  communio  bonorum  et  sacrorum  zu.  Als 
eine  zweite  Form  bestellt  neben  der  confarrcatio  die  C()('ni])tio, 
welche  ursprünglich  einen  wirklichen  Kauf  der  Gattin  diueh 
den  Mann  entliiclt.  Audi  liat  schon  früh  eine  freiere  Elie 
existirt,  welche  vermutlilich  durch  die  Etrusker  (da  dieses 
überhaupt  isolirt  stcdiende  Volk  in  Sprache  und  Sitte  von  den 
andern  italienischen  Stämmen  wesentlich  abwich)  nach  Rom 
kam  oder  aus  den  Peregrinen-  und  ( 'lientenelien  hervorging. 
Für  solche  Elien  wurde  später  der  civilreciitliche  usus  einge- 
führt,   um  dieselben  von  den  streuiren  Foli-cu  der  riiniischen 


14  Erster  Excurs. 

Ehe  nicht  ganz  auszuschliossen.  Dass  aber  schon  in  der  älte- 
sten Zeit  andere  Formen  ausser  der  confarreatio  vorhanden 
waren,  dafür  scheint  auch  die  Sage  von  dem  Kaub  der  Sabi- 
nerinnen zu  sprechen;  denn  diese  Ehen  können  kaum  sämmt- 
lich  als  confarreirte  gedacht  werden.  Von  dieser  Verschieden- 
heit hatte  DiONYS.  eine  Atmung,  indem  er  11,  30.  sagt,  die 
Heirathen  mit  den  Geraubten  seien  x«t«  tovs  natQi'ovg  iy.dortjg 
t{yiGjU)vg  geschlossen  worden.  —  Man  hat  gegen  das  Alter  der 
conftirreatio  (unter  Eomulus)  angeführt,  dass  sie  durch  den 
Pontifex  maximus  vollzogen  wurde  und  das  Institut  der  Ponti- 
fices  erst  durch  Numa  eingesetzt  sei ;  Bluxtschli  im  Schweiz. 
Mus.  f.  hist.  Wiss.  I,  S.  268  fg.  Nun  stinnnt  allerdings  das 
ganze  religiös-mytische  Ceremoniel  mehr  mit  den  Satzungen 
Numa's  überein  (wenn  wir  diesen  eigentlich  der  Mythe  ange- 
hörenden Unterschied  zwischen  den  Satzungen  des  Romnlus 
und  des  Numa  für  historisch  halten  wollen) ;  allein  jedenfarlls 
bestand  schon  vorher  eine  Form  der  Ehe  auf  religiöser  Basis 
und  erhielt  vielleicht  durch  Xuma  nur  eine  liclhere  Weihe. 

Die  confarreatio  war  stets  ein  Eigenthum  des  patricischen 
Stammes  und  konnte  auch  nachdem  die  lex  Canuhüa  den  Ple- 
bejern connubium  mit  den  Patriciern  gegeben  hatte,  weder 
bei  den  gemischten  Ehen  noch  bei  den  plebejischen  ange- 
wendet werden.  So  erklärt  sich  am  natürlichsten  eine  Stelle 
aus  Cic.  p.  Flacco  34.  0  peritum  iuris  Jiominem!  didd?  ab 
ingenuis  muUeribus  liereditates  lege  non  veniunt?  In  manum, 
iiiquit,  convenerat.  Nunc  audio^  sed  quaero,  usu  an  coenitinnef 
Weil  Cicero  die  dritte  Weise,  wie  die  Frau  in  manum  kommen 
konnte,  die  confarreatio  nicht  nennt,  haben  Manche  daraus 
schliessen  wollen,  dass  diese  gar  keine  besondere  Form  der 
Ehe,  sondern  nur  eine  religiöse  Ceremonie  gewesen,  die  zu 
dem  civilrechtlichen  Akt  der  coemptio  hinzugekommen  sei. 
Eine  solche  Annahme  ist  schon  darum  unnöthig,  weil  über 
eine  geschehene  confarreatio,  die  nach  Serv.  z.  Virg.  Georg. 
I,  31.  durch  den  Pontifex  max.  und  Flamen  Dialis  vollzogen 
wurde,  überhaupt  ein  Zweifel  nicht  vorkam.  Cicero  konnte 
aber  die  confarreatio  desshalb  nicht  anführen,  weil  der  Gatte 


Die  Fr a HP n.  15 

der  Valeria,  die  Flaccus  beerbt  liatte,  plebejischer  Herkunft 
war.  Will  man  dieses  nicht  annehmen,  so  muss  man  den 
Grund  der  Uebergehung  der  conftirreatio  darin  suchen,  dass 
dieselbe  schon  zu  Cicero's  Zeit  im  gewöhnlichen  Leben  ganz 
ausser  Gebrauch  gekommen  und  nur  auf  gewisse  Priestei'ehen 
beschränkt  war.  —  Die  ganze  Ceremonie  der  confarreati(j, 
die  genau  mit  dem  ins  auspiciorum  und  den  sacris  gentiliciis 
zusammenhing,  passte  nicht  auf  eine  plebejische  oder  ge- 
mischte Ehe,  und  in  den  XII  Tafeln  war  ausdrücklich  als 
Grund  des  verweigerten  connubii  (doch  war  das  connubium 
iiiclit  zuerst  durch  die  XII  Tafeln  aufgehoben  worden,  son- 
dern es  hatte  nie  Statt  gefunden,  vgl.  Dioxvs.  X,  60.)  ange- 
geben: quocl  7iemo  plebeius  auspicia  haberet^  idcoque  decemviros 
connubium  diremisse,  ne.  incerta  prole  auspicia  turbarentui\  Liv. 
VI,  6.  vgl.  VI,  41.  X,  8.  Mit  dem  Avachsenden  Leichtsinn  der 
Frauen  wurden  die  Ehen  mit  der  unbequemen  conventio  in 
inanurn  seltener  und  am  frühesten  A'erschwand  die  Form  der 
confarreatio  aus  dem  gemeinen  Leben  (auch  wegen  caerimo- 
uiae  dißicultates  Tac),  so  dass  es  oft  an  Personen  für  die  patri- 
zischen  Priesterschaften  fehlte.  Tacit.  Ann.  IV,  16.  Nam  pa- 
tricios  confarreatis  parentibus  gr.nitos  tres  simul  7iominari,  ej 
quibus  unus  legeretur  {flamen  Dialis),  vetusto  more;  neque  ad- 
esse,  ut  olim,  eam  copiam,  omissa  confarreandi  adsitetii- 
dine  aut  inter  paucos  retenta.  Nur  für  die  Priesterehen 
bestand  diese  Form  fort,  wie  Gai.  I,  112.  noch  von  seiner 
Zeit  bemerkt;  und  Boetii.  comm.  Top.  p.  299.  Orell.  sagt 
desshalb:  sed  confarreatio  solis  pnntißcibus  convcniebat .,  weil 
sich  die  coiifarrcatio  in  dieser  Beziehung  lange  erhalten  hatte. 
Indem  wir  nun  zu  den  Fcn-malitäten  der  confarreatio, 
coemptio  und  des  usus  übergelicn,  so  ist  es  am  passendsten, 
sugleicli  mit  <l('r  Darstelliiiig  (U-r  confarreatio  die  gewöhn- 
lichen (icbräuclu!  der  Iloclizeiten  (/nipflae)  zu  verbinden,  weil 
die  cctufarrcirtcn  lOlieu  nie  oliuc  eiiu'  fcierliclie  llddizeit  ein- 
gegangen wurden,  wählend  es  bei  den  andern  Ehen  nicht  dar- 
auf ankam.  —  Ueber  die  confarreatio  sagt  im  Allgemeinen 
(jAI.  I,  l\'2.  /((vrf'o  ni   nntiiuni   convciiittnt  per  quoddam  gnnis 


IQ  Erster  Excurs. 

sacrißcüj  in  quo  farreus  pcüiis  adlnbetur^  unde  etiam  corifar- 
reatio  dicitur.  Sed  complura  praeterea  huius  iuris  ordinandi 
gratia  cum  certis  et  solennihus  verbis  praesentibus  decem  testibus 
aguntur  etfiunt.  Ebenso  aber  kürzer  Ulp.  IX,  1.  Plin.  h.  u. 
XVIII,  6.  Quin  et  in  sacris  nihil  religiosius  confarreatio7iis  vin- 
culo  eratj  Jiovaeque  niiptae  farreum  pyaeferebaiit.  Serv.  zu 
Virg.  Georg.  I,  31.  Favre  (nuptiae  fiebant)  cum  per  Pontificem 
maxiinum  et  Dialem  ßa)iiinem  per  fruges  et  molam  salsam  coii- 
iu7igr'bantur,  unde  confarreatio  appellabatur^  ex  quibus  nuj)tiis 
patrimi  et  matrimi  naseebantur ,  vgl.  zu  Aen.  IV,  103.  371. 
(Aus  den  letzten  Worten  des  Serv.  ergiebt  sich,  dass  ursprüng- 
licli  nur  Kinder  aus  conftirreirten  Ehen,  deren  Eltern  noch  am 
Leben  waren,  patrimi  matrimi  (diici i OaXfi^)  genannt  wurden. 
.Später  bekam  das  Wort  eine  weitere  Bedeutung  und  bezeich- 
nete alle  freigebornen  Kinder,  deren  Poltern  noch  lebten,  Paul 
DiAC.  V.  Flaminia  p.  93.  v.  matrimes  j).  126.  Fest.  h.  v.  p. 
234.  M.  Gramer,  in  s.  kleinen  Schriften  von  Patjen,  Leipz. 
1S37.  S.  92—109.  PcssRACH,  S.  138  ff.  ist  anderer  Meinung. 
Mercklin,  in  Zeitschr.  für  Alterthumswissenschaft.  1854. 
Nr.  13  — 16.  71.)  Von  dem  übrigen  Ceremoniel  ist  noch 
Manches  bekannt,  nur  muss  man  wohl  unterscheiden,  was 
allgemeine  hochzeitliche,  von  der  Willkür  eines  jeden 
Brautjiaares  abhängende  Gebräuche  waren  und  was  der  con- 
farreatio eigenthümlich  und  nothwendig  ist. 

Zunächst  behandeln  wir  das  der  confarreatio  Eigenthüm- 
liche  1)  das  Opfer,  Avelches  dem  ganzen  Akt  den  Namen  gab 
und  mit  besonderen  Solennitäten  verknüpft  war;  2)  die  da- 
bei gesprochenen  certa  verba  und  die  Anwesenheit  der  10 
Zeugen ;  3)  das  Sitzen  des  Brautpaars  auf  zwei  eigenthümlich 
bedeckten  Stühlen.  Erstens  also  war  ein  Opfer  nothwendig, 
welches  von  dem  Pontifex  maximus  und  dem  Flamen  dialis 
vorgenommen  werden  musste  (s.  Servius  oben) ,  während  bei 
den  andern  Hochzeiten  zwar  auch  gewöhnlich  geojjfert  wurde, 
aber  nicht  von  den  genannten  Priestern  und  ohne  die  beson- 
deren Formalitäten.  Ein  sacerdos  confarreafiomim  et  diffar- 
reationinn  wird  auf  einer  Inschrift  Orell.  2648  genannt  und 


Die   Frauen.  17 

Plut.  qu.  Rom.  50.  gedenkt  der  Priester,  welche  bei  diffar- 
reatio  zugegen  sein  müssen.  Der  eben  genannte  sacerdos  ver- 
trat vermuthlich  in  der  Kaiserzeit  die  Stelle  des  Kaisers  als 
jtontifex  maximus,  wesshalb  auch  Gaius  die  Gegenwart  des- 
selben nicht  erwähnt.  Ueber  die  Zuziehung  der  Priester  über- 
haupt s.  Eossbach,  S.  119  —128.  Doch  kann  man  nicht  bei- 
stimmen ,  wenn  er  die  Anwesenheit  des  Flamen  dialis  auf  die 
Confarreation  seines  designirten  Nachfolgers  beschränkt,  die 
Quellen  wissen  nichts  davon. 

Das  Opfer  betrachtet  Rossbacii  als  ein  reines  Hochzeits- 
opfer, keineswegs  als  die  Bekräftigung  und  Besiegelung  eines 
Vertrags  durch  die  Götter,  aber  die  Entscheidung  dieser  Frage 
hängt  grösstentheils  davon  ab,  Avie  wir  die  certa  verho  aufzu- 
fassen haben,  s.  unten.  Ob  das  Opferthier  ein  Schaf  gewesen 
(so  Serv.  zu  Virg.  Aen.  IV,  374  und  die  Denkmäler)  oder 
ein  Schwein  (so  Varro  r.  r.  II,  4.)  oder  ursprünglich  ein 
Schwein,  später  ein  Schaf  (so  Rossbacii  S.  lOo),  ist  weniger 
bedeutsam,  als  die  Anwendung  des/ar?v'»?».  Dieses  war  nach 
(jAI.,  Ulf.,  Paul  Diao.  p.  88  M.  [genus  lihi  ex  farre  factum) 
ein  Brötchen  oder  Kuchen  von  far  Dinkel  Spelt,  nach  Serv. 
zu  Virg.  Georg.  I,  31.  Opferschrot  aus  far  {inola  saha),  auf 
welche  Erklärung  kein  Werth  zu  legen  ist.  Servius  wusste, 
dass  bei  allen  Opfern  dieses  Schrot  unentbehrlich  war,  wäh- 
rend die  Kuchen  selten  Anwendung  fanden  und  darum  nahm 
er  das  Erste,  nicht  wissend,  dass  es  hier  gerade  auf  Brötchen 
ankam.  Ein  solches  Brot  wurde  den  Verlobten  bei  dem  Zug 
um  den  Altar  vorangetragen  (Plin.  h.  n.  XVIII,  3.  novarquc 
ini.ptaa  farreum  prcipferebant  s.  oben)  und  dann  vermuthlich 
gcnneinsam  gegessen  als  Symbol  der  innigsten  Lebens-  und 
Gütergemeinschaft.  Dion.II, 25.  m)  rijg  xuivcoviag  tov  cf  ((()(>('><,•. — 
T()  ^tj  y.oivcoi'wg  ryg  iSQcordrijg  rt  xra  noMti^g  r(t()q^iig  yfvi-'alha  yv- 
iiUA(f.g  uil^Quai ,  um  mi  7i(j).)Sj  Gvii-)J)i-iv  ti'Xlj,  t:)jV  fitr  fnr/}j^aiv 
7i,g  noivMviag  tov  cpnofVog  sl^ev.  Auch  die  Analogie  der  Athener 
und  Maccdonier,  bei  denen  di('  Verlobten  gemeinsam  einen 
Kuclien  assen,  spricht  für  diesen  Brauch.  Zwar  erklärt  sich 
Kos.suAcii    S.    107  f.    in    sciiarfsiunigcr    yXuscinaniii'rsctzuiig 

Beckkh.  «lalliis     :i.  AuH.   II.  ') 


18  Erster  Excurs. 

dagegen  und  betrachtet  das  Brötchen  als  gewöhnliche  den 
Gröttern  dargebrachte  und  in  das  Feuer  geworfene  Opfergabe, 
allein  die  y.oivaii'u  tov  cfuooog  kann  ungezwungen  nicht  als 
Gemeinschaftlichkeit  der  Güter  und  der  Opfer  bezeichnet 
werden,  ganz  abgesehen  davon,  dass  es  doch  sonderbar  wäre, 
der  Eheschliessung  den  Namen  confarreatio  beizulegen,  wenn 
far  hier  nicht  einen  ander»  Gebrauch  gehabt  hatte  als  bei 
andern  Ojjfern.  Warum  heisst  es  farre  conveniimt,  nuptiae 
farre  ßebant,  wenn  nicht  eine  besondere  symbolische  Hand- 
lung mit  dem  farreum  vorgenommen  wurde,  und  warum 
wären  die  Plebejer  von  der  Confarreatio  ganz  ausgeschlossen 
gewesen,  weim  alle  Hochzeitsopfer  identisch  waren?  Die  bei 
Tac.  Aen.  IV,  16.  genannten  caerimoniae  difficultates  (nämlich 
bei  confarreatio)  quae  consulto  vitarentur.  sind  uns  ganz  unbe- 
kannt, aber  kaum  darf  man  glauben,  dass  darin  nichts  weiter 
liege,  als  eine  Andeutung  der  römischen  Skrupulositat  bei 
religiösen  Handlungen  und  dass  difficultates  die  Schwierig- 
keiten der  richtigen  Ausführung  der  Ceremonien  enthielten. 
Jedenfalls  sind  noch  andere  xmiständliche  uns  iinbekannte 
Ceremonien  angewendet  worden. 

Zweitens,  die  certa  und  sollenia  verba,  welche  Gai.  und 
Ulpian  erwähnen,  sind  uns  leider  nicht  überliefert,  enthielten 
aber  Formeln,  die  sich  auf  die  Gründung  der  Ehe  (in  welcher 
vor  Alters  die  manus  mit  enthalten  war)  bezogen  und  ebenso 
eine  sakrale  als  civilrechtliche  Bedeutung  enthielten.  Die 
Analogie  der  mit  religiösen  Handlungen  verbundenen  staats- 
rechtlichen sponsio  spricht  für  diese  Auffassung,  ebenso  auch 
die  Anwesenheit  der  10  Zeugen,  welche  vermuthlich  10  Cu- 
rien  einer  Tribus  oder  die  10  gentes  einer  Curie  repräsentirten. 
Wollten  wir  mit  Eossbach  S.  1 10  f.  die  verba  nur  als  For- 
meln erkennen,  mit  denen  zu  den  Göttern  um  Segen  und 
Einwilligung  zu  der  neuen  Ehe  gefleht  wird,  so  würden  die 
10  Zeugen  ganz  müssig  sein.  Sie  werden  zugezogen,  um  be- 
zeugen zu  können,  dass  die  zur  feierlichen  Schliessung  der 
Ehe  ei-forderlichen  Worte  (der  unter  religiöser  Weihe  ausge- 
sprochene Consens,  bei   der   die   Formel  liberorum  quaeren- 


Die  Frauen.  19 

dorum  causa  avoIiI  nicht  gefehlt  haben  wird,  oder  Bestimmung 
der  dos  u.  a.)  und  Handlungen  rite  vollzogen  sind.  Dazu 
kommt  ferner,  dass,  wenn  die  certa  verba  nur  Gebete  enthiel- 
ten, die  Hochzeitsfeierlichkeit  auch  bei  der  coemptio  manus 
bewirken  mussten. 

Ein  Drittes  nur  bei  confarreatio  vorkommendes  Ceremo- 
niell  berichten  Serv.  zu  Virg.  Aen.  IV,  374.  und  Paul  Diac. 
in  pelle  lanata  p.  114  M.  Mos  apud  veteres  fuit  (sagt  Serv.) 
Flamini  ac  Flaminicae,  ut  per  farreationem  in  nuptiis  conveni- 
rent,  sellas  duas  jugatas  ovili  pelle  superiniecta  poni  eins  ovis, 
quae  hostia  fuisset  ^  et  ibi  nubentes  velatis  capitibus  in  confar- 
reatione  Flamen  et  Flaininica  residevent.  Xach  dieser  Angabe 
Sassen  die  Neuvermählten  eine  Zeit  lang  (natürlich  nach  dem 
Opfer,  denn  die  hostia  musste  ja  vorher  geschlachtet  sein) 
auf  zwei  neben  einander  stehenden  von  einem  Felle  bedeck- 
ten Stühlen,  um  anzudeuten,  dass  wenn  auch  Mann  und  Frau 
zwei  verschiedene  Stellen  im  Hause  einnehmen,  sie  doch  durch 
ein  gemeinsames  Band  eng  verbunden  sind.  Ob  sie  auf  diesem 
Sitze  Gebete  aussprachen  oder  die  oben  besprochenen  certa 
verba  ist  ungewiss.  Das  Schaffell  diente  nur  als  alterthüm- 
liches  Polster  (wie  auch  die  xwöf«  bei  den  Griechen  die  Stelle 
der  Polster  auf  den  Stühlen  vertraten,  Tischbein,  Engr.  H, 
.'34.  35.)  s.  Paul.  a.  a.  0.  Wenn  man  aber  von  diesen  sellis 
iugatis  die  Ausdrücke  coniugium  und  coniugare  ableiten  will, 
so  ist  das  jedenfalls  ein  Irrthum.  Eben  so  irrig  ist,  dass  dem 
Brautpaar  ein  .loch  aufgelegt  worden  sei,  (welchen  Akt 
Waechter,  Ehescheid.  S.  71.  und  zuletzt  noch  Walter, 
Gesch.  d.  Rom.  Kechts,  H,  8.  116.  annehmen,  letzterer  sogar 
als  feierlichen  ,,Oopulationsakt")  obgleich  Serv.  zu  Virg.  Aen. 
IV,  Kl.  sagt:  propter  iugwn,  quod  imponebatur  matrimonio  con- 
iiuiye/idis.  Die  Angabe  beruht  auf  einem  Missverständniss  der 
Metapher,  die  von  einem  jugum  bouin  hergenommen  ist,  was 
Böttiger,  Aldobrand.  Hochzeit,  S.  1G7  ff.  und  Kinistniytli. 
II,  2GH.  271.  hinreichend  nachgewiesen  hat.  Endlich  ist  noch 
zu  erwähnen,  chiss  nach  Skrv.  zu  Virg.  Aen.  I\',  ."»HO.  (foniiisse 
qiiae    res    diriniil    confarreationes.)     die    ( 'onfarreatioii    <liu(.h 

2* 


20  Erster  Ex c u r s. 

Donner  getrennt  wurde.  Indessen  dies  lässt  sich  wohl  von  alh-n 
Hochzeiten  behaupten ,  d.a  nacli  dem  Zengniss  desselben  Sek- 
vius  zn  Virg.  Aen.  IV,  166.  den  Hochzeiten  nichts  tarn  incon- 
gruum  war,  als  terrae  motits  vel  codi  u.  s.  w.  In  der  späteren  Zeit 
nahm  man  es  damit  allerdings  wohl  nur  bei  confarreatio  genau. 
Alle  übrigen  Gebräuche  sind  allen  Hochzeiten  mit  und 
ohne  Confarreation  gemeinsam  und  hängen  lediglich  von  der 
Willkür  und  den  Verhältnissen  eines  jeden  Brautpaares  ab. 
Wir  theilen  dieselben  nach  Rossbach,  S.  263  flP.,  in  drei 
Partien:  1)  im  Hause  der  Braut;  2)  während  der  deductio; 
3)  im  Hause  des  Bräutigams. 

1)  Am  Hochzeitsmorgen  versammelten  sich  die  Ver- 
wandten und  Eingeladenen  im  Hause  der  Braut,  denn  man 
sah  gern  eine  grosse  Zahl  von  Theilnehmern,  Plut.  qn.  Rom. 
105.  Appul.  Met.  IV,  p.  157  f.  Elm.  cuncta  —  civitas.  Vor 
dem  festlich  geschmückten  Hause  (doch  auch  des  Bräutigams 
Haus  war  mit  Blumen,  Kränzen  und  wollenen  Binden  geziert. 
Stat.  Silv.  I,  2,  230  f.  Juv.  VI,  51.  79.  227.  Lucan.  II, 
354.)  stand  das  Volk  und  die  entfernteren  Freunde  oder  Ver- 
Avandten,  deren  Kommen  als  ein  officium  angesehen  wurde 
Juv.  II,  132  ff. 

—  Officium  cras 

Priino  sole  mihi  pc.ragendum  in  valle  Qiiiriiri. 

Quae  causa  officii?  quid  quaeris?  nuhit  amicus, 

Ncc  multos  adhibet. 
SuET.  Claud.  26.  Calig.  25.  Nero  28.  Zuerst  wurden  die 
Auspicien  angestellt,  was  man  sogar  noch  in  späterer  Zeit, 
wenn  auch  nur  als  Form  beobachtete.  Cic.  de  Div.  I,  16. 
Nihil  fere  quondam  maioris  rei  nisi  auspicato,  ne  privatim  qin- 
dem  gerebatur^  quod  etiam  nunc  nuptiarum  auspices  declarant^ 
qui  re  omissa  nomen  iantum  tenent.  Ebenso  Val.  Max.  II,  1,1. 
quo  ex  more  nuptiis  etiamnum  auspices  interponuntur.  Qui 
quamvis  auspicia  desierint,  ipso  tamen  nomine  veteris  co)isucfu- 
dinis  vestigia  usurpant.  Daher  mehrfache  Erwähnung  der 
auspices  bei  Hochzeiten  z.  B.  Plaut.  Cas.  jn-ol.  86.  Cio.  p. 
Clu.  s.    Juv.  X,  335.    Lucan.  II,  371.    Tac.  Ann.  XV,  37. 


Die   Frauen.  21 

Dass  aber  die  Auspices  besondere  Formeln  auszusprechen 
hatten,  geht  aus  der  skandalösen  Erzählung-  von  der  Vermäh- 
lungscercmonie  der  Messalina  mit  Öiliiis  hervor,  Tac.  Ann. 
XI,  27.  Ilaud  sum  ignarus,  fahulosum  visiim  tri  —  coiisulem 
designaiwn  [8iliurn)  cum  uxore  principis  praedicta  die,  adhibitis 
qid  ohsignarerü,  velut  suscipiendorum  Uherorum  causa  conve- 
nisse ,  atque  illam  aiidisse  auspicuin  verba,  anbisse,  sacrificasse 
apud  deos  etc.  Auf  dieselbe  Thatsache  bezieht  sich  Suet. 
Claud.  26.  dote  inter  aiisjyices  consignata  d.  h.  im  Beisein  der 
auspices.  Juv.  X,  336.  s.  übcrhaujit  Rossbach,  S.  293 — 307. 
Nach  den  Auspicien  bereitete  man  das  Opfer  und  vor  dessen 
Anftxng  legte  die  Pronuba  die  Hände  der  Verlobten  in  ein- 
ander. Die  Nachrichten  der  Schriftsteller  (gesnnnnelt  von 
Grupex  S.  140,  u.  Rossbach,  S.  308  f.  wie  Claud.  epist.  124. 

Tum  dextram  complexa  iiisi  dextramque  2Juellae 

Tradit. 
Stat.  Silv.  I,  2, 11.  IsiDOR  IX,  8.)  sind  zwar  nicht  schlagend, 
aber  zwei  alte  Sarkophagbasreliefs  (s.  unten),  kleinere  Denk- 
mäler (z.  E.  Okelli  2650),  einige  Münzen  (Eckhel  XI,  p. 
292.  Commodus  und  Crispina)  und  Gemmen  (Beyer,  contem- 
platio  gemm.  dactyl.  Gorlaei  p.  26 ff.),  welche  Hochzeiten  dar- 
stellen, beweisen  es  auf  das  UnzAveideutigste.  Eggers  ver- 
warf den  ganzen  Gebrauch  und  schrieb  ihn  dem  Eiufluss  des 
Christenthums  zu;  allein  dieser  Akt  ist  an  sich  natürlich,  da 
das  Darreichen  der  rechten  Hand  bei  Versprechungen  und 
Vereinigungen  so  gut  römische  Sitte  war  als  bei  uns.  ( )b  die 
dextrarum  iunctio,  wie  Rossbach  S.  308.  meint,  vielmehr  die 
Uebergabe  des  Mädchens  in  die  manus  des  Mannes  bezeichne, 
wollen  wir  dahin  gestellt  sein  lassen.  Dann  nahm  man  das 
Opfer  (eines  Schweins,  eines  Schafs  oder  einer  Kuh,  die  auf 
Reliefs  vorkommt)  vor,  welches  vor  Alters  bei  allen  Hoch- 
zeiten Statt  fand,  (Serv.  zu  Virg.  Aen.  UI,  136.  apud  vctcres 
neque  iixor  duci  neque  agcr  arari  sine  sacrißciis  peraclis  po- 
teraf)  später  aber  meistens  wegfiel,  obwohl  es  uns  auch  noch 
unter  den  Kaisern  häutig  begegnet,  Tac.  Ann.  XI,  27.  Lucan. 
I'hars.  H,  352.  Val.  Flacc.  Argon.  VHI,  242  ff.  278.  Stat. 


22  Erster  Excurs. 

Silv.  I,  2,  15.  Es  verstellt  sich  von  selbst,  dass  die  Ceremonie 
des  farreum  bei  den  andern  Hochzeitsopfern  nicht  angewandt 
wurde.  Das  Opfer  brachten  die  Nenverniählten  (Varro  r.  r. 
II,  4.  Tac.  Ann.  XI,  27.  Val.  Flacc.  a.  a.  0.)  oder  Priester 
(wie  Basrelifs  bezeugen),  und  ein  Kjiabe  (camillus)  assistirte. 
Camillus  hiess  ursprünglich  jeder  puer  ingenuus,  Paul.  Diac. 
p.  43.  u.  v.  Flaminins  camillus  p.  93  M.  Macrob.  Sat.  V,  20. 
Im  eigentlichen  Sinne  wird  der  Knabe  so  genannt,  welcher  ent- 
weder bei  öffentlichen  Opfern  Dienste  leistet,  wie  der  Diener 
des  Flamen  (Paul.  a.  a.  O.  Macrob.  Sat.  III,  8.  Romani  — 
pueros  et  puellas  nohiles  et  investes  Camillos  et  Camillas  appel- 
lant,  flaminicarum  et  flaminum  praemini^tros  Dion.  II,  22.)  oder 
der  Knabe,  der  bei  dem  Hausopfer  hilft  (Ovid.  Fast.  II,  648) 
und  der  dem  Hochzeitsopfer  beiwohnt  und  das  Cumerum  (d.  i. 
ein  Körbchen)  trägt.  Varro  1.  1.  VII,  34.  itaque  dicitur  niiptiis 
Camillus,  qui  cumerum  (so  auch  Paul.  Diac.  p.  50.)  fei^t,  in  quo 
quid  sit  in  ministerio  plerique  extrinsecus  nectunt  (verdorben, 
auch  nesciunt  nicht  ganz  überzeugend).  Paul.  Diac.  p.  63.  M. 
Cumerain  vocabant  untiqui  vos  quoddäm,  quod  opertum  in  tiuptiis 
ferebant,  in  quo  erant  nubentis  tdensilia,  quod  et  camillum  dice- 
bant  eo  quod  sacrorum  ministrum  yMOfuXor  (qjpellabant.  Vgl. 
Serv.  zu  Virg.  Aen.  XI,  143.  558.  Unter  den  utensilia  nubentis^ 
Avelche  Becker  als  Spinngeräthe  der  Braut  erklärte  und  den 
camillus  in  den  Hochzeitszug  versetzte,  versteht  Rossbach 
S.  320  f.  die  fruges  u.  mola  salsa,  die  in  das  Feuer  geworfen 
wurden,  und  zwar  mit  Kecht,  so  weit  es  die  Assistenz  des  Ca- 
millus bei  dem  Opfer  betrifft.  Ob  er  bei  dem  Hochzeitszug, 
nach  dem  Verbrauch  der  fruges,  Utensilien  der  Braut  in  seinem 
Körbchen  trug,  wissen  wir  nicht,  s.  unten.  Zwei  vortreffliche 
Bronzestatuen  auf  dem  Capitol  und  in  Neapel  stellen  solche 
pueros  Camillos,  investes,  mit  der  blossen  Tunica  bekleidet 
vor;  Maffei,  raccolta  di  statue  24.  Mus.  Borbon.  VI,  8.  An- 
dere bildliche  Darstellungen  weist  Mer(  klin,  in  Zeitschr.  für 
Alterthumswiss.  1854,  No.  16.  nach,  namentlich  auf  einem 
Gemälde  in  Herculanum  und  auf  der  columna  Traiana.  Siehe 
überhaupt  Mercklix  a.a.O.  No.  14  ff.  vgl.  Paul.  v.  vestieeps 


Die  Frauen.  23 

p.  368.  M.  Mit  dem  Opfer  hängt  die  Mahlzeit  eng  zusammen, 
die  ursprünglich  nichts  als  ein  Opfermahl  war  und  bei  wel- 
chem liba  mustacea  nicht  fehlen  durften,  Juv.  VI,  200.  Das 
Mahl  (coena  nuptialis,  epulae  geniales  Plaut.  Cure.  V,  2,  60  f. 
Claud.  rapt.  Prol.  II,  327.  Catull.  LXII,  1  ff. 

Vesper  adest^  iuvenes  consurgite.  vesper  Olympo 
Exspectata  diu  vix  tandem  lumina  tollit. 
Surgere  iam  tempus,  iam  pingues  linquei-e  mensas : 
Javi  veniet  virgo,  iam  dicetur  Hymenaeus.) 
wurde  also  noch  im  Hause  der  Braut  gehalten,  wie  man  aus 
Catull  deutlich  sieht  (auch  bei  Auson.  cento  nuptialis  geht  die 
coena  nuptialis  der  deductio  voraus),  bis  man  gegen  das  Ende 
der  Republik  von  der  alten  Sitte  abwich  und  das  Mahl  oft  in 
des  Bräutigams  Haus  verlegte,  Cic.  ad  Qu.  fr.  II,  3,  7.  eo  die 
apud  Pompojiium  in  eins  ?iupfiis  eram  coenatunis  Plaut.  Cure. 
V,  3,  50.    In  jener  Zeit  waren  diese  coenae  so   verschwen- 
derisch geworden,  dass  die  lex  Julia  dem  Aufwand  Schranken 
setzte.    Gell.  H,  24.  lex  Julia ^  qua  —  fiyiiuntur  —  nuptiis  et 
repotiis  HS  mille. 

2.  Die  deductio^  die  feierliche  Abholung  der  Braut  aus 
dem  elterlichen  Hause  nach  der  Wohnung  des  Bräutigams 
fand  bei  allen  Arten  von  Hochzeiten  Statt,  ohne  jedoch  noth- 
wendig  zu  sein.  Der  Ausdruck  uxorem  ducere  ist  nur  eine 
Abkürzung  aus  domum  uxorem  ducere  oder  dcducere^  Plaut. 
Aul.  II,  1,  28.  Trin.  V,  2,  64.  Ungeduldig  wartete  das  Volk 
vor  dem  Hause  der  Braut  und  verlangte  nach  den  Neuver- 
mählten. Stat.  Silv.  I,  2,  48.  233.  Claud.  nupt.  Honor.  286. 

A7ite  fores  iam  pnmpa  sonat. 
Catull  LXI,  76.  80.  u.  öfter. 

Claustra  pandite  ianuae.  — 
Prodeas  novo  tiupta. 
Nun  wurde;  die  Braut  scheinbar  geraubt  (Fkst.  p.  289  M. 
rapi  simulalnr  rirgo  ex  gremio  matris.  Catull.  LXI,  58.  LXII, 
21  f),  angeblich  zur  Erinnerung  an  den  Raub  der  Sabiiu'- 
rinnen-,  doch  hatte  diese  Sitte  eine  allgemeinere  Bedeutung, 
da  sie    auch   in    mehreren    griechischen    Staaten   üblich   war, 


24  Erster  Excurs. 

Charikles  111,  S.  ;;04  flf.  Kossbach,  8.  .'528  ff.  Dass  dieser 
und  andere  Hochzeitsgebräuclie  ohne  Grund  mit  den  sagen- 
haften Sabinerinnen  in  Verbindung  gebracht  werden,  zeigt 
liouLEZ,  sur  la  k'gende  de  Tcnlevement  des  Sabines,  in  Ke- 
cueil  encyeh)pedifj[ue  Beige,  Juillct  1834.  Dann  setzte  sich 
der  Zug  in  Bewegung.  Regehnässig  geschah  diese  Heim- 
holung Abends  (Catull.  LXII,  1.  84.  119.  LXn,  20  ff.  Serv. 
zu  Virg.  ecl.  VIII,  30.),  unter  dem  Schutz  der  Juno  Domiduca 
oder  Iterduca  (Aug.  civ.  d.  VI,  9.)  bei  Fackelbeleuchtung  (s. 
unten)  und  im  Geleite  der  Verwandten  und  Freunde,  unter 
denen  auch  die  pronubae  nicht  fehlen  durften.  Diese  Frauen, 
welche  die  Braut  bis  zum  thalamus  nuptialis  brachten,  durften 
nur  einmal  verhcirathet  gewesen  sein,  Varro  b.  Serv.  zu  Virg. 
Aen.  IV,  166.  Fest,  und  Paul.  Diac.  h.  v.  p.  242.  244  M. 
Tertull.  exhort.  east.  13.  Isidor.  IX,  8.  s.  unten.  Bei  der 
confarreatio  trug  die  deductio  einen  besonderen  religiösen 
Charakter  an  sich,  nämlich  durch  die  Begleitung  der  pueri 
patrimi  et  matrimi,  welche  wir  jedoch  in  der  Kaiserzeit  auch 
bei  andern  Hochzeiten  finden,  nachdem  manche  Gebräuche 
der  confarreatio  auf  die  andern  Eheschliessungen  überge- 
gangen waren.  Fest.  i).  245.  Patrimi  et  m.  p»en'  praeteoitati 
(vgl.  Fest.  v.  praetextatum  p.  245.  Catull.  LXI,  181  fg.) 
tres  nubenteni  deducunt;  unus  qui  facem  pracfert  ex  spina  alba, 
quia  noctu  nubebant,  duo  qui  tenent  niibeiiteiii.  Spina  alba, 
äxaiiJa  Xsvntj  1  Cniciis  Acarna  Linn.  oder  Fraiiendistel,  hatte 
auch  eine  besondere  mysteriöse  Bedeutung,  z.  E.  als  Mittel 
gegen  die  Strigen,  OviD.  Fast.  VI,  129  ff.  165.  Die  genannte 
Anwendung  erwähnt  auch  Plin.  h.  n.  XVI,  18,  30.  spina 
nuptiarimi  facibus  auspicatissiina.  Diese  der  Braut  vorge- 
tragene Weissdornfackel  ist  nicht  zu  verwechseln  mit  den 
andern  Fackeln,  die  aus  Fichtenholz  gemacht  waren,  Verg. 
Ciris  439.  Ovro.  Fast.  II,  557.  Varro  bei  Non.  II,  340. 
Dass  man  bei  denselben  besonders  die  Fünfzahl  liebte,  be- 
richtet Plut.  quaest.  Rom.  2.  Rossbach  ,  S.  338  f.  Ausser 
diesen  drei  Begleitern  wird  noch  ein  ^j^er  Camillus  genannt, 
Avelcher  wie  an  dem  Opfer,  so  auch  an  dem  Zug  Theil  nahm. 


Die  Frauen.  25 

aber  dass  er  das  Spinngeräthe  der  Braut  getragen  habe,  ist 
nicht  wahrscheinhch.  Nach  Plut.  qu.  Kom.  31.  trug  sie  es 
selbst:  avTt^  (die  Braut)  !;ii;rft'()i(  ^uv  )]Xu'MiTi,r  xui  r)^i>  ät(jaxrof, 
t\>m  8t  rijv  dvnav  TTtnKrrt'qti  tov  drÖnog.  Plin.  h.  n.  VIII,  48, 
74.  sagt  richtiger:  Indc  factum,  ut  uubentes  vlrgines  comitu- 
relur  colus  covita  et /usus  cum  stamine. 

Wie  bei  den  Griechen  die  Heimführung  der  Braut  unter 
Absiugung  des  Hymenäus  geschah,  so  wurde  auch  die  römi- 
sche Braut  von  dem  Gesänge  muthwilliger  Fesceninen  (iden- 
tisch mit  verba  prcwtexlata  Fest.  \).  244  f.  M,  Varro  Agath. 
bei  Nun.  II,  749.  und  PV",  330.  imeri  obscucnis  verbis  iiovae 
nuptae  aurcs  rcdurant)  begleitet.    Catull.  LXI,  122. 

Tüllite  0  pueri  faces: 

Flammeum  video  venire, 

Ite  co/icinite  iu  mudum 

Jo  Ilymoi  Hymenaee  io  — 

Ne  diu  taceat  procax 

Fescenniiia  iocatio. 
Paul.  Diac.  h.  v.  p.  85  M.  Plin.  li.  n.  XV,  22.  nuptialed 
Fescennini.  Serv.  ad  Virg.  Aen.  VII,  G95.  Auson  Idyll.  XIII, 
cento  nujit.  Dabei  ertönte  der  Ruf  Tcdassc  und  Flötenklang. 
S.  die  tibiac  b.  Auct.  ad  Her.  IV,  33.  Ovm.  Heroid.  XII, 
137  ff.  und  Plaut.  Gas.  IV,  :!,  1  fg. 

Age  tibicen.  dum  i/lam  educunt  huc  novam  )Htptam  foras, 
Suavi  cantu  coiicclebra  omncm  haue  plateam  Iiymneaeo.  — 
S.  noch  Mart.  I,  36.  XII,  42.  Ter.  Adelphi  V,  7,  (3.  9.  Plut. 
Rom.  15.  Pomp.  4.  Gatull.  LXI,  120.  Euseb.  chron.  p.  27. 
Mehrere  beziehen  den  Talassio  auf  den  Raub  der  Öabinc- 
rinnen  und  fügen  die  wunderbarsten  Erklärungen  hinzu,  Liv. 
I,  9.  DiONY.s.  II,  30.  Plut.  qu.  Rom.  31.  8hrv.  zu  Virg.  A. 
I,  651.  Fest.  u.  Paul.  h.  v.  p.  350  fg.  M.  Ohne  Zweifel  ist 
Talassus,  Talassius  oder  Talassio  ein  llochzcitsgott,  dem  Eros 
entsprechend.  Wenigstens  erscheint  auf  einer  Vase  lulicn 
Saj)pho  ein  Fliigelknabe  (Eros)  mit  der  Beischrift  TA.IA^. 
Welckkr,  alte  Denkmäler  II,  S.  230.  Rossbach,  S.  345  ff. 
Wähn  Uli  des  Gesangs  verlangten  die  Knaben  \())i  dem  Briiu- 


26  Erster  Excurs. 

tigam,  rlass  er  Nüsse  (niices  iuglandes)  auswerfen  solle.  Fest. 
u,  Paul.  Diac.  h.  v.  p.  173  f.  M;  nuces  flagitantur  nuptis  et 
iaciuntur  piierLs,  ut  —  secundiim  fiat  auspicium.  Catull.  LXI, 
131.  und  mehrmals  concubine  nuces  da.  Plin.  h.  n.  XV,  22,  24. 
Serv.  zu  Virg.  Ecl.  VIII,  29  und  die  Erklärer.  Auch  bei  der 
griechischen  Hochzeit  fand  etwas  Aehnliches  Statt,  die  -Mita- 
■/{'(3\xaTa,  Charikles  III,  S.  308.  Ob  der  römische  Gebrauch 
dieselbe  oder  eine  der  von  Servius  angeführten  Bedeutungen 
hatte,  steht  dahin.  Eossbach  S.  348  f.  Dieser  Gebrauch  war 
allen  Hochzeiten  geraeinsam.  Dasselbe  gilt  von  der  alten 
Sitte,  dass  die  Braut  an  dem  festlich  geschmückten  Hause  des 
Bräutigams  angelangt  (Juv.  VI,  79.  227  fg.  Lucan.  II,  354fg. 
Stat.  Silv.  I,  2,  231.)  die  Thürpfosten  laneis  vittis  schmückte 
imd  oli'o  (mit  Schweine-  früher  auch  mit  Wolfsfett)  salbte, 
wodurch  sie  das  Haus  unter  den  Schutz  der  Götter  stellte, 
Serv.  z.  Virg.  Aen.  IV,  458.  Plix.  XXVIII,  9,  37.  Arnob. 
adv.  g.  III,  25.  Lucan.  II,  355.  Plut.  qu.  Eom.  31.  Doxat. 
ad  Ter.Hec.  I,  260.  Jsidor.  IX,  8.  iixores  vocatae  quasi  imxo- 
res  (!).  Rossbach,  S.  356  ff'.  Ebenso  allgemein  war  die  Ge- 
wohnheit, welche  von  den  Römern  auch  auf  den  Raub  der 
Sabinerinnen  bezogen  wurde,  dass  die  Braut  über  die  Schwelle 
gehoben  Avurde.  Plut.  qu.  R.  29.  /lia  xi  rr^v  yafiovfiHi^v  ovx 
idjair  avtj]v  VTitfißi^rat  top  uvÖbv  ti/g  or/Jag,  alX  vnnQcaQovGir  ol 
nQOTTti-moi'rfs' ;  nötenor  6ti  tag  noMtag  ywainag  aonnoartfg  ov- 
Tcog  iiigfjveyy.av;  Die  letztere  Auffassung,  dass  die  Jungfrau 
als  eine  geraubte  und  gezwungene  mit  Gewalt  hineingetragen 
werden  müsse,  vertheidigt  Rossbach,  S.  360.  Anders  erklärt 
Varro  bei  Serv.  zu  Virg.  Ecl.  VHI,  29.  Der  wahre  Grund 
liegt  wahrscheinlich  darin,  dass  man  eine  üble  Vorbedeutung 
vermeiden  wollte;  denn  als  solche  würde  es  gegolten  haben, 
Avenn  die  Braut  beim  Eintreten  zufällig  mit  dem  Fusse  an  die 
SchAvelle  oder  sonst  angestossen  hätte.  Daher  heisst  es  bei 
Plaut.  Gas.  IV,  4,  1.  Sensim  super  attolle  Urnen  pedes,  nova 
nupta,  sospes  iter  incipe  hnc,  ut  viro  tuo  semper  sis  superstes. 
Catull.  LXI,  166  ff",  transfer  omine  cum  bono  Urnen  aureolos 
pedes  rasilemque  subi  forern.  vgl.  LucAx.  II,  359.     Die  ersten 


Die  Fr a neu  27 

Stellen  können  zugleich  als  Proben  der  Wünsche  und  Sprüche 
gelten,  von  denen  der  Eintritt  in  das  Haus  des  Bräutigams 
von  Seiten  der  Verwandten  der  Braut  begleitet  werden 
mochte.  —  Ob  die  Braut  nach  dem  Herüberheben  zuerst  auf 
ein  Schaffell  habe  treten  müssen,  wie  aus  Plut.  qu.  Kom.  31. 
geschlossen  worden  ist:  rtjv  vvncf:i,r  fl^äyovTf'^  räy.o^  vnoarQwi- 
viovaif,  ist  unsicher,  da  man  diese  Worte  auch  auf  das  über 
die  Sessel  des  Brautpaars  gebreitete  Fell  (s.  oben  S.  19)  be- 
ziehen kann.  Räthselhaft  ist  auch  die  freilich  nur  excerpirte 
und  verstümmelte  Nachricht  Vakro's  bei  Non.  XH,  50.  Av- 
bcntes  veteri  lege  Romana  asses  tres  ad  inar'üum  venientes  solere 
perveherej  atque  uiium  quem  vi  manu  tenerent  tamquam  emendi 
causa  marito  dare,  alium  ([uem  hi  pede  haberent  in  foco  Laruin 
familiarum  potiere,  terthim  quem  In  sacciperione  condidissent 
conipito  vicinali  solere  resonare.  Mit  Wahrscheinlichkeit  er- 
klärt EossBACH  S.  373  ff.  den  ersten  als  ein  Symbol  der  dos, 
die  beiden  andern  als  Opferschillinge,  dergestalt  dass  der 
dritte  im  nächsten  Sacellum  der  Lares  compitales  abgegeben 
zugleich  dazu  diente,  die  Anzahl  der  geschlossenen  Ehen  zu 
berechnen,  analog  der  Abgabe  bei  der  Geburt,  bei  dem  An- 
legen der  toga  virilis  imd  bei  dem  Tode,  s.  Bd.  I,  S.  216.  und 
Caxkegieter,  de  vet.  lege  Rom.  cuius  meminit  Xonius.  Franeq. 
1753  und  bei  Fellenberg,  iurisprud.  H,  S.  69 — 110. 

Bevor  die  Braut  das  Haus  des  Bräutigams  betrat,  be- 
grüsste  sie  der  entgegentretende  Bräutigam  mit  der  Frage 
wer  sie  sei,  Avorauf  sie  antwortete:  ubi  tu  Calus  eyo  Caia, 
welche  Formel  auch  bei  der  coemptio  gebraucht  wurde.  Zwar 
sagt  QuiNCT.  Inst.  I,  7,  28:  quia  tarn  Caias  esse  vocitatas, 
quam  Caios,  et'iam  ex  nuptialibus  sacris  apparet,  so  dass  man 
aus  den  letzten  Worten  schliesscn  könnte,  diese  Form  gehöre 
nur  der  religiösen  Ehe  an,  allein  nuptialia  sacra  sind  nur 
feierliche  hochzeitliche  Gebräuche  überhaupt,  ohne  Beschrän- 
kung auf  confarreatio.  Ganz  allgemein  drücken  sich  aus 
Plut.  qu.  Rom.  30:  Jia  7/  T/}r  rviicpiv  tiX'uyoitf^'  h'jnr  xt- 
/evovaiv'  "Ottov  cv  Faiog,  iym  raia;  und  Val.  Max.  epit.  CT. 
Probi    tili,   vt  iinvae   uuptae    ante   iauuam   luariti    interroc/atae, 


28  Erster  Ex  cur  s. 

qiiaeiiam  cucaroitur^  Caiani  esse  se  diccre/it,  so  dass  daraus 
niclits  zu  folgern  ist.  S.  auch  Paul.  Diac.  v.  Gaia  Caecilia 
p.  95  M.  u.  Plin.  h.  u.  VIII,  18,  74.  Allem  Cic.  p.  Mur.  12. 
liefert  den  diiekten  Beweis  für  die  Anwendung  jener  Formel 
bei  der  coemj)tio,  indem  er  sagt:  quin  in  alicuius  llhris  exempli 
causa  id  nomen  invejierant ,  putarunt ,  omnes  midieres,  quae 
coeniptionem  facerent,  Gaias  vocari.  Bei  der  freien  Ehe  war 
diese  Formel  nicht  denkbar,  denn  der  Sinn  ist,  wie  Plut.  an- 
giebt:  onov  av  'ÄVQiüg  y,ai  oiy.u8i:Gn6ri,g,  x«/  iyoi  nvQia  y.ai  oi-AO- 
8tanoiva.  was  vor  der  versammelten  Menge  ausgesprochen 
und  anerkannt  wurde.  Eine  solche  Erklärung  kann  aber  nur 
in  der  strengen  Ehe  gegeben  werden.  Das  Nähere  s.  lio.ss- 
BACH,  S.  352  ff. 

Irrig  ist,  dass  der  Bräutigam  der  Braut,  wie  geAvöhnlich 
angenommen  wird,  einen  Schlüssel  oder  die  Schlüssel  des 
Hauses  überreicht  habe.  Paul.  Diac.  indessen,  aiif  den  man 
sich  beruft,  sagt  etAvas  ganz  anderes,  p.  56  M.  Clavim  cu/tsue- 
tudo  erat  midiehribiis  donare  oh  signißcandam  partus  facilitcUem. 
Das  war  also  eine  symbolische  Gabe,  die  sich  auf  etAvas  an- 
deres als  das  Hausregiment  bezog,  und  ob  sie  überhaupt  vom 
Bräutigam  kam  und  am  Hochzeitstage  (Avas  allerdings  möglich 
ist),  sagt  Paul,  gar  nicht.  Ueber  die  Schlüssel  des  Hauses  s. 
bei  der  Aiiflösung  der  Ehe.  —  Sicherer  ist,  dass  der  Bräu- 
tigam die  Braut  mit  Wasser  und  Feuer  empfing  {aqua  et  igni 
accijji,  ScAEV.  Dig.  XXIV,  1,  66.  Paul.  Diac.  p.  2  M.)  Avas 
eine  sehr  bedeutungsvolle  Cereinonie  Avar,  obgleich  es  darüber 
an  einer  recht  bestimmten  Angabe  mangelt.  In  einem  Frag- 
ment Varro's  bei  Serv.  zu  Virg.  Aen.  IV,  104.  heisst  es:  Aqua 
et  igni  uuirid  uxores  accipiebant.  Unde  et  hodie  faces  praelucent 
et  aqua  petita  de  puro  fönte  per  puerum  felicissimion  vel  puel- 
lam,  quae  interest  nuptiis,  de  qua  solehant  nubentihus  pedes  la- 
vari.  Er  scheint  also  zu  meinen,  die  symbolische  Fackel  sei 
nur  ein  Kest  der  alten  Sitte  und  der  Gebrauch  des  Feuers  sei 
noch  ein  anderer  gewesen.  Und  das  wird  bestätigt  durch  zwei 
andere  Stellen,  Varro  bei  Non.  II,  340.  cum  a  nova  nvpla 
ignis  in  face  ctfferretur ^  foco  eius  sumptus  fax  ex  pinu  ablata 


Die  Frauen.  29 

(richtiger  alba)  esset,  iit  eam  imer  ingcmms  afferret.  und  bei 
NoN.  IV,  184.  (vgl.  n,  874.)  contra  novo  marito  cum  item 
(Brisson.  emendirt  ignis)  e  foco  in  titione  ex  felici  arhore  et 
in  aquali  aqua  allata  esset.  Zieht  man  dazu  noch  Paul.  Diac. 
p.  87  M.  facem  in  nuptiis  in  lionorem  Cereris  praefei-ebant ; 
aqua  aspergebatur  nova  ?wpta,  sive  iit  casta  puraque  ad  virum 
veniret,  sive  ut  ignem  atque  aquam  cum  viro  coHWiunicaret.,  so 
lässt  sich  daraus  wohl  combiniren,  dass  der  alte  zur  Zeit  des 
Varro  schon  antiquirte  Brauch  darin  bestand,  dass  man  die  im 
Hause  der  Braut  und  vielleicht  von  ihr  selbst  angezündete 
Hochzeitsfackel,  die  der  patrimus  matrimus  vorausgetragen 
hatte,  in  reines  Qucllwasser  tauchte  und  dass  man  mit  diesem 
so  geweihten  Wasser  die  Braut  besprengte.  S.  Bergk,  philo- 
logische Thesen  in  Philologus  XI,  S.  385.  Oft  findet  man  so- 
wohl Andeutungen  dieser  Sitte  als  Erklärungsversuche,  s. 
Varr.  de  L.  L.  V,  61.  Igitur  duplex  causa  nascendi  ignis  et 
aqua ;  ideo  ea  nuptiis  in  limine  adhibentur.  OviD.  Fast.  IV, 792. 
Iiis  [aqua  et  igni)  nova  fit  coniux.  Propert.  IV,  o,  115  ff.  Stat. 
Silv.  I,  2,  4  ff.  Plut.  qu.  liom.  1.  Jia  rf  ri^r  yafiovfii-'ri^i'  utits- 
aOai  nvot).;  y.(a  vöiaog  xsXtvovni;  Paul.  DiAC.  p.  2  M.  Aqua  et 
igni  tarn  iiiterdici  solet  damnatis^  quam  accipiuntur  niiptae,  vide- 
licet  cpiia  hae  duae  res  humanani  vitam  maxivie  continent.  Also 
sollte  dadurch  die  Bi-aut  in  die  innigste  Gemeinschaft  des 
Lebens  mit  dem  Bräutigam  aufgenommen  Averden.  Dieses  ist 
offenbar  der  richtigste  Sinn  dicsi's  auch  an  religiösen  IMotiven 
fruchtbaren  Symbols  (nicht  wie  Varro  an  der  ersten  Stelle 
deut(!t),  wie  auch  von  andern  alten  Schriftstellern  richtig  (m- 
klärt  wurde,  z.  E.  von  Serv.  zu  Virg.  Aen.  XII,  119.  und 
IV,  K».;.  Lactant.  de  orig.  error.  11.  Isidor.  V,  27.  B(")T- 
TiGER,  Aldobrand.  Hochzeit,  S.  157  fg.  Micyll.  zu  Ovid. 
Heroid.  XIV,  9.  Kossbacii,  S.  3G1  ff.  Dieser  Gebrauch  des 
Wassers  und  Feuers  blieb  stets  bei  der  confiirreatio;  bei  (K'u 
andern  FoiTnen  der  Ehe  erhielt  sich  wenigstcms  der  G (^brauch 
d(!r  Fackel,  bei  deren  Schein  die  Braut  nach  des  Bräutigams 
Hause  gebracht  wurde  (faces  oder  taedae  nuptiales  ^  ge7i/ales, 
marllae),  s.  S.  24.  und  Luca.v.  LT,  .■i5ri.  C^attli..  LXI,  mclirm. 


30  Erster  Excurs. 

Cic.  p.  ein.  G.  Tag.  Ann.  I,  37.  Serv.  zu  Virg.  Ed.  VIII,  29. 
u.  s.  w.  Rossbach,  S.  ;}37.  Doi-t  aber  wm-de  sie  von  der  Be- 
gleitung geraubt,  damit  sie  weder  in  die  Hcände  der  Braut 
noch  des  Bräutigams  komme.  Fest.  p.  289.  Rapi  solet  fax, 
qua  praelucente  nova  nupta  deducta  est,  ah  utriusque  amicis,  ne 
aut  uxor  eam  sub  lecto  viri  ea  nocte  ponat,  aut  vir  in  sepulcro 
comhurendam  .ciiretj  quo  utroque  mors  propinqua  alterius  utrius 
captari  pufatur.   Rossbach,  S.  340. 

ScMiesslich  ist  zu  erwähnen,  dass  bei  der  Hochzeitsfeier 
oft  ein  Ehecontrakt  oder  Ehepakten  (tabidae  nuptialcs, 
matrimoniales,  dotales)  über  die  dos  u.  a.  Vermögensverhält- 
nisse aufgesetzt  und  von  den  Anwesenden  als  Zeugen  besie- 
gelt wurden,  Ja  sogar  unter  Mitwirkung  der  Auspices.  Diese 
Verträge  kannte  man  in  der  früheren  Zeit  nicht,  sie  wären 
auch  bei  Ehe  mit  manus  überflüssig  gewesen.  Je  allgemeiner 
aber  die  Ehe  ohne  manus  wurde,  um  so  mehr  machte  sich  das 
Bedürfniss  solcher  Contrakte  geltend.  Auf  mehreren  Kunst- 
denkmälern, welche  Hochzeitfeierlichkeiten  darstellen,  findet 
man  dergleichen  tabulae  in  der  Hand  des  Gatten,  s.  Böt- 
tiger, Aldobrand.  Hochzeit,  S.  102  fg.  Auf  diese  Sitte  be- 
zieht sich  die  oben  erwähnte  Stelle  aus  Suet.  Claud.  26.  dote 
inter  auspices  consignata  und  noch  klarer  sprechen  Juv.  II, 
119  fg. 

Signatae  tabulae,  dictum!  Feliciter^  ingens 
Coena  sedet,  gremio  iacuif  notm  ?iupta  mariti. 
II,  200  fg.  IX,  75  fg.  TAO.Ann.XI,30.  Dass  aber  die  tabulae 
kein  nothwendiges  Erforderniss  M'aren  und  dass  sie  ebenso- 
wenig zur  Schliessung  der  Ehe  hinreichten,  sagen  Papin. 
Dig.  XXXIX,  5,  31.  pr.  und  QumcT.  Inst.  V,  11,  32.  Niltil 
obstat,  quo  minus  iustum  matrimoniwn  sit  mente  coeuntium^ 
etiamsi  tabulae  signatae  non  fuerint.  Nihil  enim  proderit  si- 
gnasse  tabulas,  si  mentem  matrimonii  non  fuisse  constabit.  S. 
darüber  Brissox.  de  formulis  VI,  122.  124.  und  Tromp,  de 
probationibus  familiae.  Lugd.  Bat.  1837,  jd.  89 — 105. 

Auf  alle  Arten  von  Hochzeiten  bezieht  sich,  was  von 
dem   Anzug:  der   Braut    berichtet   wird.     Dieselbe   true-  den 


Die  Frau  eil.  31 

Frauenanzug,  wie  er  vor  Alters  gewölinlicli  war  und  später 
nur  noch  bei  Hochzeiten  sich  erliielt,  nämlich  die  toga  pura 
d.  i.  die  alte  weisse  Toga,  welche  ursprünglich  beiden  Ge- 
schlechtern gemeinsam  angehörte.  NoN.  XIV,  25.  Serv.  zu 
Virg.  Aen.  I,  282.  Plin.  Vm,  48,  74.,  ferner  eine  tunica 
recta  oder  regilla  von  weisser,  einen  Schleier  und  Haarnetz 
von  hochgelber  Farbe.  Fest.  p.  28G  fg.  EegilUs,  tunicts  albis, 
et  reticidis  hiteis  (d.  i.  der  y.i-xQvq'i'J.o^'  oder  Netzhaube,  hier  für 
den  Gebrauch  der  ISTacht,  s.  Böttiger,  Aldobrand.  Hochzeit, 
S.  150fg.)  utrisque  rcctis,  textis  susiim  versum  a  stantibus  (eben- 
so IsiDOR.  XIX,  22.)  pridie  nuptiarum  diem  virgines  indutae 
cuhitum  ibant  ominis  causa,  ut  et'iam  in  togis  virilibus  dandis 
nbservari  solet.  Doch  darf  man  den  Gebrauch  der  regilla  nicht 
auf  den  Tag  vor  der  Hochzeit  beschränken;  Plin.  h.  n.  VIH, 
48,  74.  Ea  prima  texuit  rectam  ttmicam,  quales  cum  toga,  pura 
tirones  iiiduuntur  novaeque  nuptae.  —  Die  Ableitung  des 
Xamens  regilla  ist  zweifelhaft,  wie  die  Quantität  der  ersten 
Silbe.  Gewöhnlich  nimmt  man  es  als  von  einem  Stamm  mit 
recta,  gleichsam  als  Deminutivum.  Dagegen  Plaut.  Epid.  II, 
2,  39.  Q,nid  erat  induta?  an  regiUam  induculam  an  mendicu- 
lam  Impluriatam?  ut  istae  faciunt  vestimentis  nomina.  folgt 
offenbar  der  Ableitung  von  regina^  denn  darum  setzt  er  die 
mendicula  entgegen.  Ein  stringenter  Beweis  lässt  sich  aller- 
dings aus  Plautus  nicht  entnehmen-,  denn  es  kann  auch  nur 
ein  auf  Alliteration  gegründeter  Scherz  sein.  So  sagt  er  bald 
darauf:  Supparum  aut  subininiam,  wo  unfehlbar  aus  NoN.  zu 
\erbessern  ist  subniiiiiurn ,  so  dass  parwn  und  nimium.  sich  ent- 
gegenstehen. Indessen  da  Lsidor.  XIX,  25  und  NoN.XlV,  1.'). 
regilla  von  regina  ableiten  und  als  basilica  erklären,  halten 
wir  diese  Erklärung  fest.  —  Die  regilla  und  (tunica)  recta 
unterscheiden  sich  von  andern  wohl  hauptsächlich  nur  durch 
die  Weise,  wie  sie  gewebt  wai'cn,  an  einer  tela,  deren  stameii 
nicht  horizontal,  sondern  vertikal  aufgezogen  war  und  an  der 
von  unten  nach  oben  gew(^bt  wurde  («rw  iHfid'rtiry  S.  nocli 
Fest.  J).  277.  liectae  appeJlantur  ve.stimenta  virilia,  quae  pa- 
tres liberis  suis  conficiciida   riiyant  ominis  causa,   ita  iisiirpata 


32  Erster  Excurs. 

qiind  a  stantibus  et  in  altititdinem  toxuntvr.  Es  scheint  dem 
nach,  als  sei  nur  die  weibliche  Tunica  dieser  Art  regilla,  nicht 
recta  genannt  Avorden.  Vgl.  Salmas.  zu  Vop.  Aurel.  4G.  Eoss- 
bach, S.  276  f.  leitet  den  Namen  recta  davon  ab,  dass  sie  ge- 
rade herabfällt  und  keinen  Faltenbausch  über  dem  Gürtel 
bildet,  wie  es  bei  der  späteren  Tunica  der  Fall  war.  Diese 
regilla  gürtete  man  mit  einem  wollenen  Gürtel  (davon  Juno 
Cinxia  gen.),  der  mit  dem  sogenannten  Herkulischen  Knoten 
geknüpft  war.  Paul.  Diac.  p.  03.  C'mgulo  nora  nupta  prae- 
cingebatin-,  qiiod  vir  in  lecto  snlvehat ,  factum  ex  Jana  Ovis  — . 
Hunc  Herculaneo  nodo  vinctiim  vir  solvit  ominis  gratia,  vt  sie 
ipse  felix  sit  in  siiscipiendis  liberis,  utfuit  Hercules,  qui  septua- 
ginta  liberns  reliqiat.  Vgl.  Paul.  v.  cinxiae  Jiinonis  ebendas. 
—  Des  Herkulesknotens,  der  von  dem  altitalischen  Sancus 
stammte  und  vor  Bezauberung  schützte,  gedenken  ohne  Bezug 
auf  die  Hochzeit  Plin.  h.  n.  XXVIH,  G,  17.  Macrob.  Sat.  I, 
19.  Seneca  epist.  87.  Vgl.  noch  Schrader,  animadvers.  in 
Musaeum  p.  344  (268  ed.  Schäfer).    Rossbach,  S.  277  ff. 

Der  Schleier  oder  richtiger  das  Kopftuch,  flammeum 
(NoN.  XIV,  31.),  das  die  Braut  am  Hochzeittage  trug,  war 
von  rothgelber  Farbe.  Paul.  p.  89.  Flammeo  amicitur  nuhens 
ominis  honi  causa ,  quod  eo  assidue  idebatur  flaminica  i.e.flami- 
nis  lixor,  cui  non  licebat  facere  divortium;  und  v.  nuptias  p. 
1  70.  Non.  XV,  10.  Eichtiger  ist  zu  sagen,  die  Flaminica  und 
die  Braut  trugen  das  Kopftuch  von  dieser  Farbe,  weil  die  Ma- 
tronen der  alten  Zeit  diesen  Kopfschmuck  hatten,  Non.  XIV, 
31.  Plin.  h.  n.  XXI,  8,  22.  lAitei  (coloris)  video  honorem  anti- 
quissimum  in  tinptialibus  ßanimeis  totum  feminis  concessum. 
Vgl.  Petron.  26.  .luv.  VI,  224.  und  Schob  Suet.  Ner.  28. 
Tag.  Ann.  XV,  37.  Lucan.  II,  261.  Catull.  und  Martial. 
mehrm.,  Böttiger,  Aldobrand.  Hochzeit,  S.  128  fg.  Eossbach, 
S.  283  ff.  erkennt  in  dem  flammeum  den  Opferschleier  der  römi- 
schen Frauen  überhaupt,  welche  alle  mit  dem  paterfamilias 
opferten.  —  Dass  auch  die  Schuhe,  sncci,  von  derselben  Farbe 
gewesen  seien,  hat  man  mit  Berufung  auf  Seneca Hippol.  322. 
behauptet.    Dort  ist  aber  von  bräutliclier  Kleidung  nicht  die 


Di  e  Frau  en.  33 

Rede,  sondern  von  der  weibischen  Tracht  des  Herkules  bei 
Omphale.  Wohl  aber  lässt  Catull.  LXI,  10.  den  Hymenäus 
gelbe  Schuhe  tragen  (gerens  luteum  pede  soccum)  und  auf  der 
Aldobrandinischeu  Hochzeit  hat  die  Braut  in  der  That  soccos 
von  dieser  Farbe.  Nun  sind  diese  überhaupt  sehr  geAvöhulich 
und  finden  sich  häufig  auf  Gemälden  aus  Herkulamxm  und 
Pompeji.  Böttiger,  Aldobrand.  Hochzeit,  S.  34.  —  UnzAveifel- 
haft  ist  aber  die  eigenthümliche  auch  der  ältesten  Zeit  ange- 
hörende Frisur  des  Kopfes.  Fest.  p.  339.  Senis  crinibus  (auf 
jeder  Seite  drei  Abtheilungen  der  Haare  durch  vittae  laneae 
zusammengehalten  und  durchflochten,  wie  die  ältesten  Statuen 
zeigen)  nubentes  omantur,  quod  is  ornatus  vetustissinms  fuit; 
giädam,  quod  eo  Vedcdes  vhgines  omentiir;  vgl.  0.  MiJller  zu 
Paul.  Diac.  v.  comptus,  p.  63.  Hierzu  wurden  nicht  die  ge- 
wöhnlichen Instrumente  genommen,  sondern  die  symbolische 
hasta  coelibaris  {recurva),  wovon  Paul.  Diac.  h.  v.  p.  6"2  fg. 
die  wunderbarsten  und  abweichendsten  Ursachen  angiebt, 
ebenso  Plut.  qu.  Rom.  86.  S.  noch  Ovid.  Fast.  H,  559  fg. 
Arnob.  adv.  gent.  H,  67. 

Gewöhnlich  erblickt  man  in  iliesem  Brauch  eine  Andeu- 
tung, dass  sich  die  Kömer  die  Frauen  mit  CJewalt  erkämpft 
hätten  (licminiscenz  an  den  Raub  der  Sabinerinnen)  und  dass 
sie  volle  Macht  über  die  Frau  besässon,  so  auch  tex  Brink, 
de  hasta.  Groningae  1839,  S.  85  ff.  Iiierin«,  Geist  des  rrmi. 
Rechts  I,  S.  111.  Härtung,  Religion  der  Römer  II,  S.  72  f 
bezieht  die  hasta  coelibaris  auf  die  Juno  Quiritis,  und  Ross- 
bach, S.  "290  ff.  glaubt  ftheilweise  nach  Härtung)  ,  dass  das 
Streiclieu  oder  Scheiteln  mit  der  hasta  als  eine  symbolische 
Handlung  übrig  geblieben  sei,  während  man  \or  Alters  das 
Haar  der  Braut  mit  der  hasta  als  altem  Schneideinstrumcut 
abgeschnitten  habe.  Später  bediente  man  sich  zum  Abschnei- 
den bequemerer  Instrumente,  brauchte  aber  die  hasta  zum 
Ordnen  des  Haares,  um  die  alte  Sitte  nicht  ganz  untergehen 
zu  lassen.  —  Auf  der  Frisur  unter  dem  Flamme  um  trug  die 
Braut  einen  Blumenkranz,  Paul.  Diac.  v.  coro  IIa  p.  63  M. 
Ebenso   war   der   Bräutigam    und   die    Gäste  bekränzt.     Die 

Becker,  GnlluH.   3.  Aiitl.  IL  3 


34  Ers t er  Exe urs. 

ganze   Investitur    der   Brant    behandelt    li<3chst    erschöpfend 
KossBACH,  S.  273—293. 

Endlich  geleiteten  die  Pronubae  die  Braut  —  nachdem 
sie  auf  dem  Phallus  eines  Priapus  gesessen  hatte,  um  frucht- 
bar zu  werden  Augustin.  de  civ.  dei  VI,  9.  VII,  24.  Arnob. 
IV,  7.  Lactaxt.  1, 20.  — ■  zu  dem  lectus  genialis,  was  collocare 
in  Udo  heisst,  Donat.  zu  Ter.  Eun.  III,  5,  45.  Paul.  D.  v. 
genialis  p.  94.  Claud.  rapt.  Pros.  11,  361.  Dann  erst  betrat 
der  junge  Gatte  den  Thalamus  und  nun  begann  die  Wirksam- 
keit der  göttlichen  Subigus,  Prema,  Pertunda,  August,  de  ci^'. 
dei  VI,  9.  Dass  man  vor  der  Thüre  ein  Epithalaraion  und 
schlüpfrige  Lieder  gesungen  habe ,  wie  in  Griechenland,  lässt 
sich  für  Kom  nicht  nachweisen.  Eine  einzige  Stelle  aus  der 
spätesten  Zeit  spricht  dafür,  nämlich  Claudian  Fese.  XIV, 
30  ff.  welcher  griechische  Muster  vor  Augen  gehabt  haben 
mag : 

Ducant  pervigiles  carmina  tibiae, 

Permissisque  iocis  turba  liceiitior 

Exsultrt  tetvicis  libera  legibus. 
Das  Epithalamium  in  Ausox.  cento  nupt.  ist  ein  richtiger  Hy- 
menäus,  der  bei  der  deductio  gesungen  wurde.  —  Der  lecttis 
genialis  selbst  war  allen  Zeugnissen  zufolge  am  Tage  der 
Hochzeit  im  Atrium  aufgeschlagen  worden  (später  geschah 
dieses  nur  symbolisch,  s.  S.  6.),  vielleicht  von  der  Mutter  der 
Braut  oder  doch  von  deren  Anverwandten.  Cic.  p.  Clu.  5. 
lectum  illum  genialem,  quem  biennio  ante  filiae  suae  nubenti 
straverat,  in  eadem  domo  sibi  ornari  et  sterni  expulsa  atque  ex- 
turbata  filia  iubet.  nubet  genero  socrus.  Paul.  v.  genialis  p. 
94  M.  ge)i.  lectus.,  qui  nuptiis  sternitur  in  honorem  genii.  Ju- 
VENAL.  X,  334.  Serv.  zu  Verg.  Aen.  VI,  603.  und  ausführ- 
licher Arnob.  adv.  g.  II,  67.  Cum  in  matrimonia  coiwenitis, 
toga  sterjiitis  lectulos  et  maritorum  g'enios  advocatis.  Daher 
heisst  bei  Hör.  ep.  I,  1,  87.  lectus  genialis  in  aula  est  s.  v.  a. 
verheirathet  sein.  Mehr  erfährt  man  über  diesen  Gebrauch 
nicht;  doch  scheint  in  einigen  Stellen  die  Andeutung  zu  lie- 
gen, dass  er  nur  bei  der  Ehe  mit  manus  Statt  fand.     Xament- 


Die  Frauen.  35 

lieh  sagt  Arxob.  IV,  20.  usu,  farre,  coeinptione  genialis  lectuli 
sacramenta  condicunt.  Indessen  sind  diese  Worte  in  keinem 
Fall  so  streng  zu  nehmen,  so  wenig-  als  das  obige  in  matrimo- 
nia  co7ivenire.  Wenigstens  ist  natürlich,  dass,  als  die  strengen 
Eheformen  ausser  Gebrauch  gekommen  waren,  doch  viele 
ihnen  eigenthümlich  gewesene  Gebräuclie  beibehalten  wurden, 
z.  B.  das  Ojjfer  unter  dem  Beistand  der  Priester  nebst  dem 
Camillus  und  der  Caniilla.  Der  lectus  genialis  oder  adversus 
blieb  an  seiner  Stelle,  so  lange  die  Frau  in  der  Ehe  blieb  oder 
selbst  bis  der  Mann  sich  wieder  verheirathete.  Dann  fand  das 
sternere  von  Neuem  Statt,  wie  es  p.  Clu.  heisst  und  Prop.  IV, 
11,  85. 

Seu  tarnen  adversum  mutarit  ianua  lectum^ 
Sederit  et  nostro  cauta  noverca  toro. 
Prächtig  schildert  Appul.  met.  X,  p.  256.  einen  torus  genialis 
als  indica  testudine  perlucidus ,  plimiea  congerie  tianidus,  veste 
serica  floridus.  Adversus  heisst  der  lectus,  weil  er  im  Atrium 
der  ianua  gegenüberstand,  woraus  sich  obige  Worte  erklären. 
Vgl.  BüTTiciER,  Aldobr.  Hochz.  S.  124.  Kunstmyth.  11,  S.  449. 
EosSBACH,  S.  367  ff. 

Am  folgenden  Morgen  begann  die  junge  Frau  ihr  Ilaus- 
regiment  mit  einem  Opfer  an  dem  Altar  des  Gatten,  Macrob. 
Sat.  I,  15.  Plut.  qu.  Rom.  2.  Daran  schloss  sich  in  des 
Mannes  Hause  eine  Nachfeier  der  Hochzeit,  repotia  genannt. 
Fest.  p.  281.  Repotia  postridie  nu])tias  aptid  novuin  maritum 
coenatur,  quia  quasi  reficitur  potatio.  Ebenso  erklärt  Porphyr. 
zu  Hör.  Sat.  II,  2,  60.  dies  post  nuptias.  In  diesem  Sinne 
nimmt  Gell.  II,  24.  dieses  Wort,  wo  er  berichtet,  dass  die 
lex  Julia  den  Aufwand  bei  der  Feier  der  Hochzeiten  und  re- 
potia auf  ein  gewisses  Maass  beschränkt  habe.  Anders  er- 
klären DoxAT.  zu  Ter.  Phorm.  I,  1,  6.  und  AcROX  zu  Hör. 
a.  a.  (). :  Repotia  dicuntur  septimus  dies,  quo  nova  solet  nupta 
redire  ad  pare/ites  suos. ,  also  der  erste  Besuch  im  elterlichen 
Hause.  Unbestimmt  sagt  Ausox.  epist.  IX,  50.  Coniiigioque 
dapes  aut  saera  rej}otia  patrinn.,  wo  repotia  entweder  in  dem 
viin  Diiiiat.  und  Acron  genonnnenen  Sinn  aufzufassen  ist,  oder 

3* 


36  Erster  Exe  Urs. 

als  Nachfeier  der  Geburt  eines  Kindes;  vgl.  Mekcer.  zu  AI. 
ab  Alexandro,  dies  genial.  II,  5.  Repötia  muss  daher  eine 
weitere  Bedeutung  gehabt  haben  als  jede  Nachfeier  eines  be- 
liebigen Festes. 

Zuletzt  ist  noch  zu  erwägen,  dass  die  Wahl  des  Tags  für 
die  Hochzeit  nicht  gleichgültig  war.  So  vermied  man  als 
unglückbringend  die  Kaienden,  Nonen  und  Idus  ebenso  als 
den  darauf  folgenden  Tag,  Macrob.  Sat.  I,  15.  16.  Paul. 
DiAC.  V.  nonarum  p.  179.  Gell.  V,  17.  Varro  L.  L.  VI,  29. 
OviD.  Fast.  I,  57.  Plut.  qu.  Rom.  25.-,  desgleichen  die  Feriae, 
das  Salierfest,  die  Eröffnung  des  raundus  Macrob.  a.  a.  O. 
Plut.  qu.  R.  102.  vgl.  Ovid.  Fast.  11,555.  111,393.  Vielleicht 
machte  der  Tag  nach  den  Iden  des  Juni  eine  Ausnahme, 
OviD.  Fast.  VI,  221  ff.  Sogar  auf  die  Monate  wurde  Rück- 
sicht genommen  und  der  Mai  nicht  leicht  gewählt,  weil  der- 
selbe eine  Reihe  von  ernsten  Sühn-  und  Reinigungsfesten 
enthielt  (z.  B.  die  sacra  Argeorum),  Plut.  qu.  Rom.  85.  Ovid. 
Fast.  V,  487 — 490.,  ebensowenig  die  erste  Hälfte  des  Jimi, 
wohl  aber  die  zweite,  Ovid.  Fast.  VI,  221  ff.  Rossbach,  S. 
264—273. 

Die  zweite  Form,  welche  con\  entio  in  manum  (ursprüng- 
lich zugleich  Ehe)  bewirkte,  war  die  co'e'mptio.  Es  wurde 
nämlich  diese  Form  später  auch  angewandt,  um  manus  ohne 
Ehe  hervorzubringen-,  desshalb  musste  bei  Verheirathungen 
der  coemptio  die  formlose  Eingehung  der  Ehe  durch  Consen- 
sus  oder  domum  ductio  vorausgehen.  Sie  erhielt  durch  oder 
nach  Servius  Tullius  (nicht  erst  nach  der  lex  Canuleia,  denn 
sonst  hätten  die  plebejischen  Neubürger  keine  gesetzliche 
.  Form  für  die  strenge  Ehe  gehabt)  die  bestimmte  civilrechtlich 
anerkannte  Form,  deren  sich  aber  ausser  den  Plebejern  auch 
die  Patrizier  bedienen  konnten.  Die  Hochzeitsgebräuche  waren 
die  oben  berichteten  (nämlich  die  Anspielen,  das  Zusammen- 
fügen der  Hände,  das  Opfer,  die  deductio  mit  Talassio,  das 
Heben  über  die  Schwelle,  die  Begrüssung  mit  Caius  und  Caia, 
der  Empfang  mit  Wasser  und  Feuer,  der  Brautanzug  —  lauter 
Nebensachen  und  Aeusserlichkeiten,  rechtlich  nicht  nothwen- 


Die  Frauen.  37 

dig,  sondern  von  dem  Willen  und  dem  Vermögen  der  zu  Ver- 
mählenden abhängend  — );  nur  dass  an  die  Stelle  der  bedeu- 
tung-svollen,  mit  Umständen  und  Kosten  verbundenen  relieriö- 
sen  Feierlichkeit  eine  einfache  Civilhandlung  trat,  welche 
bloss  das  Abhängigkeitsverhältniss  der  jungen  Frau  bestimmte. 
Es  war  ein  symbolischer  Kauf  durch  Mancijoation  (per  aes  et 
libram,  patre  vel  tutoribus  auctoribt(s),  welcher  seine  nähere 
Bestimmung  durch  die  Wechselreden  der  Verlobten  empfing. 
Die  Hauptstelle  darüber  ist  bei  Gai.  I,  113.  Coen}2?tio7ie  in 
manum  convenmnt  ptr  mancipcitionem  i.  e.  pe>'  qucaidam  imagi- 
?}arican  venditionem^  adltibitis  tion  minus  quam  V  tentibus,  civibus 
Romanis  2^uberibus^  item  libripende  praeter  mulierem  eumque, 
cuius  in  manum  co7ivenit.  Dasselbe  ist  es,  wenn  Serv.  zu  Verg. 
Aen.  IV,  103.  sagt:  Coemptio  enini  est,  tibi  libra  atque  aes  ad- 
hibetur  et  mulier  atque  vir  in  se  quasi  emtionem  faciunt.  vgl. 
Orell.  insc.  4859.  Den  weiteren  Hergang  und  dabei  übliche 
Formeln  nennt  Serv.  zu  Aen.  IV,  214.  und  Boethius  zu  Cic. 
Top.  3.  p.  299.  duae  in  manum  per  coemptionem  convenerant, 
eae  matres  fam.  vocabantur ;  quae  vero  usu  vel  farreo,  minime. 
Coemptio  vero  certis  solennitatibus  peragebatur  et  sese  in  coe- 
mendo  invicem  interrogabant  (d.  h.  bei  der  Coemtio  frugen  sie 
sich  gegenseitig);  vir  ita:  an  mulier  sibi  materfamilias  esse  vel- 
let;  illa  respondebat,  Velle.  Itaque  midier  viri  conveniebat  in 
manum,  et  vocabantur  hae  nuptiae  per  coemptionem,  et  erat  mu- 
lier materfamilias  viro  loco  filiae.  Quam  solcjinitatem  in  suis 
institutis  Ulpianus  exponit.  Ulpiax  ist  die  gemeinschaftliche 
Quelle,  aus  der  auch  Servius  und  Isjdor  V,  24.  entlehnt 
haben;  nur  dass  diese  die  Worte:  et  sese  in  coemendo  invicem 
interrogabant  falsch  verstanden  (wie  Serv.  zu  Verg.  C4eorg.  I, 
31.  thut)  und  sese  invicem  zu  coemendo  zogen  (so  dass  dadurch 
ein  gegenseitiger  Kauf  der  beiden  Gatten  entsteht,  M^oran  nicht 
zu  denken  istj,  während  diese  Worte  zu  interrogabant  gehören, 
wie  es  oben  genommen  worden  ist.  Richtig  wiederholt  Boe- 
thius diese  Worte;,  man  kann  ihm  also  nicht  eine  falsche  V^or- 
stelliing  von  der  coemptio  und  N'erwirrung  der  Hegrirt'e  Schuld 
geben,  s.  die  citirte  Kec.  in  der  Zcitschr.  f.  jMtcrthiinisw  issen- 


38  Erster  Exeu  IS. 

Schaft  über  Hase,  de  inauii,  und  überhauj)!  Rossbacii,  S.  65 
—  95.  244  ff.  —  Dag-egen  kann  Boethius  von  andern  Irrthii- 
mern  niclit  freigesprochen  Averden,  nämlich  dass  er  die  con- 
farreatio  auf  die  Priesterehe  beschränkt  (s.  oben  S.  15.)-,  dass 
er  ghnubt,  die  Frau  habe  nur  coemptione  in  nianum  kommen 
können;  endlich  dass  er  nur  die  als  materfamilias  gelten  lassen 
will,  die  coemptione  convenit.  Der  Irrthum  erklärt  sich  leicht, 
wenn  man  bedenkt,  dass  in  Boethius  Zeit  keine  dieser  Ehe- 
formen mehr  bestand  und  dass  er  sie  nur  durch  Tradition 
kannte,  dass  ferner  die  im  gemeinen  Leben  frühzeitig  abge- 
kommene confarreatio  längere  Zeit  nur  zum  Schliesseu  der 
Priesterehe  gedient  hatte  und  dass  usus  schon  lange  nicht 
mehr  zur  manus  führte;  Gm.  I,  111.  Da  nun  bei  der  coemjjtio 
vorzugsweise  die  Formel:  visne  viild  esse  materfamilias  vor- 
kam, so  glaubte  er,  nur  solche  Frauen  würden  mit  diesem 
Xamen  genannt.  Das  Kichtige  erkennen  Avir  aus  Cic.  Top.  3. 
Genus  enim  est  uxor;  eins  duae  formae:  ima  viatrum  familias 
eariim,  quae  in  manum  convenerunt:  altera  earum,  quae  tantitm- 
modo  uxores  hahentur.  Es  sind  also  zwei  Species:  1)  matres- 
familias,  das  sind  alle  quae  in  manum  convenerunt  (usu,  far- 
reo,  coemptione);  2)  uxores  tantummodo  d.  i.  quae  in  manum 
non  convenerunt.  Eichtig  erklären  auch  Gell.  XVUI,  6. 
matremfam.  appellatam  esse  eam  solam,  quae  in  mariti  manu 
mancipioqiie  —  esset,  und  Serv.  zu  Verg.  Aen.  XI,  476.  vgl. 
581.  Beide  widerlegen  andere  ungeschickte  Erklärungen,  wie 
die  des  Non.  V,  82.;  s.  Pauly,  Realencykl.  IV,  S.  1636  fg. 
Die  Benennung  matrona,  welche  irrig  von  Grupen,  S.  4  ff'.  27. 
Eggers,  S.  10  ff.  und  Tafel,  de  divortiis  p.  29.  von  der  Fi-au 
in  freier  Ehe  im  Gegensatze  zu  mater  familias  erklärt  wird, 
ist  nur  ein  Aveiterer  Begriff  für  jede  anständige  Frau.  Das  er- 
giebt  sich  vollständig  aus  Cic.  p.  Cael.  13.  petidaiites  facimnsj 
si  inatretn  familias  secus,  quam  matronarum  sauctitas  postulat, 
jiominamus.  Daher  ist  jede  mater  fom.  auch  matrona,  aber 
nicht  umgekehrt.   S.  Pauly,  Eealencykl.  IV,  S.  1655. 

Die  dritte  Form   endlich ,    durch   Avelche    eine   Frau  in 
nianum  kam,  Avar  der  usus  oder  Verjährung.     Wenn  nämlich 


Die  Fraueu.  39 

die  Frau  zwar  nur  eine  freie  Elie  eingegangen  hatte,  aber  ein 
ganzes  Jahr  bei  dem  Manne  geblieben  war,  ohne  sich  auf  drei 
Tage  aus  seinem  Hause  entfernt  zu  haben,  so  entstand  da- 
durch manus.  Gai.  I,  111.  Usu  in  manum  conveniebat,  quae 
anno  continuo  nitpta  perseverabat,  nam  vtlut  annua  possesaione 
usucapiebatiir,  in  familiavi  viri  transibat  ßliaeque  locum  obtine- 
bat.  Itaque  lege  XII  tabidarum  cautum  erat  ^  si  qua  nollet  eo 
modo  in  manum  mariti  convenire ^  ut  quotannis  trinoctio  abesset 
atque  ita  usum  cuiuscunque  anni  intcrrumperet.  Es  gehörten 
dazu  nicht  drei  Tage  oder  dreimal  24  Stunden,  sondern  drei 
auf  einander  folgende  volle  Nächte  mit  den  dazwischen  lie- 
genden zwei  Tagen,  wie  sich  aus  der  von  Gell.  III,  2.  und 
!Macrob.  Sat.  I,  3.  angeführten  Entscheidung  ergiebt,  nämlich 
dass  die  Frau  die  usurpatio  trinoctii  nicht  geltend  machen 
könne,  quae  Kalendis  Januariis  apud  virum  causa  matrimonii 
esse  coepisset,  et  ante  diem  IV.  Kai.  Jan.  sequentes  Usurpation 
isset  (d.  h.  welche  des  Gatten  Haus  verliess,  um  die  Usucapion 
zu  unterbrechen).  Non  enim  passe  impleri  trinoctium,  quod  ab- 
esse a  viro  usuipandi  causa  ex  XII  tabulis  deberet,  quoniam 
tertiae  noctis  posteriores  sex  horae  alterius  anni  essent,  qui  in- 
ciperet  ex  Kaie  idis. 

Xeben  diesen  strengeren  Formen  der  Ehe ,  durch  welche 
die  Frau  in  manum  mancipiumque  mariti  kam,  bestand  noch 
eine  freiere,  matrimonium  iustiim,  ohne  couventio  in  manum. 
Die  Frau  blieb  dann  in  potestate  patris  oder  tutoris  und  hatte 
freie  Disposition  über  ihr  Vermögen,  galt  aber  ebenso  als  ge- 
setzliche Gattin,  wie  bei  Ehe  mit  manus.  Solche  Frauen  sind 
es,  welche,  wie  bereits  oben  erwähnt  ist,  Cic.  Top.  3.  uxores 
fantummodo  im  Gegensatz  zur  niater  familias  nennt  Ebenso 
braucht  Gell.  XVIII,  6.  den  Ausdruck:  in  matnmonium  tan- 
tum  convenire  als  Gegensatz  zu  in  manum  convenire.  Diese 
freiere  Ehe,  welche  mit  dem  Verfall  der  alten  strengen  Fami- 
lienverfassung immer  mehr  überha)id  nahm,  ist  durch  die 
Peregrinen  und  dienten  oder  durch  die  Etruskcr  sehr  früli- 
zeitig  nadi  Kom  gekommen,  wo  sie  zuerst  nur  als  faktisches 
A'crhältuiss  gegolten   hat ,  bis   sie  alluiälig  auch  als  römisclie 


40  Erster  Excurs. 

rechtlich  gültige  Elie  anerkannt  wurde,  vorausgesetzt,  dass 
die  Bedingungen  derselben,  Standesgleicheit  oder  Civität,  auf 
beiden  Seiten  gefunden  wurden.  Diese  freie  Ehe  ging  —  wenn 
Vater  oder  Vormund  der  Frau  seine  Einwilligung  dazu  ge- 
geben hatte  —  durch  einjähriges  ununterbrochenes  Zusammen- 
leben in  die  strenge  über;  wenn  usurpatio  trinoctii  Statt  ge- 
funden hatte,  bestand  die  freie  Ehe  auch  fernerhin  fort.  Die 
spätere  Zeit,  welche  die  conventio  in  manum  unbequem  fand, 
kehrte  endlich  ganz  zu  dieser  Art  von  Ehe  zurück,  so  dass  es 
schon  unter  den  mittleren  Kaisern  keine  andere  Ehe  mehr 
gab,  mit  Ausnahme  der  nur  noch  für  Priester  angewandten 
confarreatio.  Eossbach,  S.  42 — 58.  156  ff.  Eein,  röm.  Privatr. 
S.  388 ff.  Die  Hochzeitsgebräuche,  welche  der  Ehe  mit  und 
ohne  manus  gemeinsam  waren,  sind  oben  bei  der  confarreatio 
dargestellt  worden.  S.  darüber  Brissox.  de  ritu  nuptiarum, 
Antverp.  1585,  in  Graev.  tlies.  VULL.  und  in  op.  min.  ed.  Tre- 
kell,  I,  ]).  287  —  339.  Al.  ab  Alexandro,  dies  genial.  II,  5. 
nebst  den  Anmerkungen,  Grupex,  im  a.  B.,  Kreyssi&,  silvae 
Afranae  p.  65  ff.  D.  Ecjeriaco,  i  ritu  nuziali  degli  antichi 
Rom.  Fermo  1780.  Bagxi,  i  riti  nuziali  degli  ant.  Rom.  lio- 
vigo  1843.  Pauly,  Realencykl.  V,  S.  781  ff.  und  vor  Allen 
Kossbach,  S.  253—389. 

Es  giebt  auch  mehrere  Sarkophage,  welche  römische 
Hochzeitfeierlichkeiten  darstellen,  z.  E.  de  Rubels,  admiranda 
Rom.  anticp  vestig.  X.  56.  65.,  wiederholt  von  Moxtfaucox, 
Tom.ni,  pl.  133.  130.  Grupex,  de  uxore  Rom.  p.  193.  Guat- 
TANi,  notizie  sulle  antichitä  e  belle  arte  di  Rom.  1784.  1785. 
Böttiger,  Aldobraud.  Hochzeit,  S.  148  ff.  Ideen  zur  Kunst- 
mythologie H,  S.  2  72  ff.  Gerhard,  antike  Bildwerke  ,  Cent. 
I,  T.  7 4  f.  S.  31 3f.  Einen  neuerlich  in  Monticelli  gefundenen 
beschreibt  Bruxn,  sarcof.  rappres.  cerimonie  nuz.  in  Annali 
deir  instit.  di  corr.  arch.  XVI.  Roma.  p.  186 — 200.  Alle  diese 
Monumente  gehören  aber  der  späteren  Zeit  an,  in  der  es  fast 
nur  noch  Ehen  ohne  manus  gab.  Man  findet  jedoch  auf  allen, 
dass  Braut  und  Bräutigam  sich  die  Hände  reichen,  indem  sie 
von  der  Juno  Pronuba  zusammengeführt  werden,  ebenso  Vor- 


Die  Frauen.  41 

bereitungeu  zum  Opfern  nebst  priesterliclieu  Personen  und 
den  Camillis .  auch  der  Hymeuaeus  fehlt  nicht.  Auf  der  von 
Brunn  treft'lich  beschriebenen  Scene  führt  Juno  die  Gatten  zu- 
sammen, der  Bräutigam  wird  von  der  Victoria  und  einem  Lik- 
tor  oder  Opferdiener,  die  Braut  von  Venus,  Amor  und  den 
Gi-azien  geleitet.  Ein  Stier  soll  geopfert  Averden  u.  s.  w.  Alles 
verkündet  die  spätere  Zeit,  in  der  man  gleiclnvohl  noch  Foi*- 
men  der  früheren  Periode  beibehalten  hatte,  wie  bereits  S.  16. 
bemerkt  worden  ist.   Eossbach,  S.  376 — 389. 

Etwas  anderes  war  der  Concnbinatus  oder  das  ausser- 
eheliche,  einer  höheren  Bedeutung  ermangelnde  nur  ge- 
schlechtliche Zusammenleben,  namentlich  zwischen  solchen 
Personen,  die  kein  cunnubium  hatten.  Man  muss  jedenfalls 
zweierlei  Ai-t  des  Concubinats  unterscheiden:  1)  Concub.  im 
engeren  und  eigentlich  juristischen  8inn,  Avenn  ein  civis  unver- 
heirathet  mit  einer  nicht  standesgleichen,  als  einer  peregrina, 
liberta,  serva  oder  humilis,  abjecta  femina  zusammenleben 
wollte,  ohne  sie  als  Gattin  zu  betrachten  (gCAvissermassen  eine 
morganatische  Ehe,  iiuiefpiale  coit'nigintii,  aueli  licita  consueiudo 
genannt).  2)  Concub.  im  weiteren  und  nicht  juristischen  Sinn, 
wenn  ein  Ehemann  neben  seiner  Frau  mit  einer  Concubine 
lebte  oder  unverheirathet  mit  zwei  Concubinen.  Die  erstere 
Verbindung  hatte  nichts  Strafbares,  nicht  einmal  Anstössiges 
(darum  finden  Avir  auch  Grabinschriften,  Avelche  der  ,, geliebten 
Concubine"  geAveiht  waren,  Grutkr,  610,  8.  631,  5.  Okkli.. 
n.  2673.)  Plaut.  Poen.  prol.  102.  Epid.  III,  4,  2«:»f. 

Ego  ilhim  fiodie  volo  facere  liltertahi  meam 

Mihi  cnncubina  quae  sit.; 
die  ZAveite  Avird  durchaus  A'erworfen  und  liel  in  die  Kategurie 
des  Stuprum,  wenn  die  Concubine  eigentlich  unter  die  honeste 
viventes  gehörte.  Die  mit  einem  Ehemann  lebende  Concubine 
heisst  vorzugsweise  pellex,  Kebsweib.  Paul.  Diac.  p.  222  M. 
Pellices  nunc  quidc.m  oppellantur  alienis  succumbentes,  non  )<o- 
lum  feminae^  sed  etiam  mares.  A7itiqin  proprie  eam  jjeUicem 
nominabant^  quae  uxorem  habcyiti  nubebant.  Cui  gmeri  midie- 
rum  eliain    jioena   coiistituta   fst    a    Nuina   Pui/ipi/io   ]iac  lege: 


42  Erster  E  X cur s. 

Pellex  aram  lununis  ne  tang'tto;  si  tauget,  lunoni  crinibus  de- 
viissis  agnuvi  fembiam  caedito.  Dasselbe  bei  Gell.  IV,  3.  Pd- 
licem  autem  appellatam  prohrosamque  habitom^  qiiae  iuncta 
consuetaque  esset  cum  eo,  in  cuiiis  manu  mancipioque  alia  ma- 
trinwnü  causa  füret,  hac  atitiquissima  lege  ostenditur  etc.  Wie 
Masur.  bei  Pauli.  Dig.  L,  16,  144.  sagt,  wurde  die  pellex  zu 
seiner  Zeit  amica  oder  paulo  honestiore  nonfine  Concubine  ge- 
nannt. Die  lex  lulia  et  Papia  Popjmea  gab  Bestimmungen 
über  den  Concubinat,  in  wie  weit  er  gestattet  sei  oder  nicht. 
Das  Nähere  s.  Birnbaum  zu  Creuzers  Abriss,  S.  484  ff.  Zim- 
mern, Gesch.  d.  Köm.  Privatreclits  I,  S.  485 — 495.  Kein,  röm. 
Criminalrecht,  S.  859  fg.  Privatrecht,  S.  o97  f.  und  Schmidt, 
de  concubinatu  liomau.  Berol.  1835. 


VERLOBUNG  UND  EHESCHEIDUNG. 

Die  griechische  Ehe,  wenigstens  in  Athen,  verlangte  um 
gültig  zu  sein,  durchaus  ein  vorhergegangenes  feierliches  Ver- 
löbniss,  s.  Charikles  III,  S.  293.  Bei  der  römischen  war  diess 
wenigstens  unwesentlich,  Avenn  auch  natürlich  ein  Anhalten  /  (  /. 
um  die  Braut  bei  dem  Vater  derselben  oder  in  dessen  Erman-  '^  j 
gelung  bei  dem  Bruder,  Vormund  u.  s.  w.  und  ein  Zusagen 
derselben  vorausgehen  musste.  Dio  Cass.  XL VIII,  44.  LIX, 
12.  LXIII,  13.  Von  der  dabei  üblichen  Stipulationsform :  spon- 
dcsnef  sjjondeo^  heisst  die  ganze  Handlung  sponsalia  (die  Ver- 
lobten aber  sponsa,  sponsits,  welcher  letztere  in  älterer  Zeit 
auch  procus  hiess.  Fest.  v.  procum,  p.  249  M.),  auch  wenn  sie 
jedes  Ceremoniels  entbehrte.  Ein  anderer  Ausdruck  ist  con- 
rrntac  conditio,  welcher  Akt  der  Verlobung  vorausging  und  in 
Unterhandlung  über  Grösse  der  dos,  Zeit  deren  Auszahlung 
und  andere  Bedingungen  bestand,  Paul.  Diac.  p.  62.  Con- 
i-entae  (d.  i.  der  zukünftigen  Braut,  quae  convenitur)  conditio 
diccbatur^  quuni  primus  sermo  de  nuptiis  et  earum  conditione  ha- 
bcbatur^  vgl.  luv.  VI,  25.  Die  Form  dieser  Sponsalien  lässt 
sich  aus  mehreren  Beispielen  bei  den  Komikern   abnehmen; 


Verlobung  und  Ehescheidung.  43 

so  Plaut.  Aul.  II,  2.  III,  5,  2.  Cure.  V,  2,  74.  Poen.  V,  4, 
tin.  Trin.  V,  2,  33  ff.  Vurziiglich  ist  aber  klassisch  Trin. 
II,  4,  98. 

Ph.  *SV«e  dote  pusco  tuam  sororem  filio. 

Quae  res  hene  vortat!  liabeon  pactam?  Quid  taces? 

St.  Pro  di  hnmortales^  co)iditlonem  quuiusinodi! 

Ph.  Quin  fabulare  ,,di  bene  vortant:  ifpondtoP'' 
und  Poen.  V,  3,  36  ff. 

Ac.  Audiii   tu  pcdrupJ  dico,  ne  dictum  neges: 
Tuam  mihi  maiorem  filiam  det<pondeas. 

Ha.  Pactam  rem  liabeto.  AQ.Spoudes  igitur?  ÜA.iSpondeo. 
Vgl.  Va]{ro  L.  L.  vi,  G9  ff",  und  dazu  Huschke  in  Zeitschrift 
für  geschichtl.  Kechtswiss.  X,  S.  327  —  339.  sowie  Dirksen, 
in  Abhandl.  der  Berliner  Akademie  1848,  S.  89  —  103.  — 
Auf  das  Alter  der  zu  Verlobenden  kam  nichts  an,  bis  lex 
Julia  et  Papia  Poppaea  vorschrieb,  dass  die  Braut  mindestens 
10  Jahr  alt  sein  müsse,  Dio.  Cass.  LIV,  16.  Doch  band  man 
sich  nicht  daran,  denn  Orelli  n.  2647  erwähnt  eine  Braut 
von  8  Jahren  und  Modest.  Dig.  XXIII,  1,  2.  14.  begnügt 
sich  mit  7  Jahren.  Vgl.  Orell.  n.  2733.  —  Die  Sponsalia 
wurden  als  freudiges  Familienfest  gefeiert,  also  mit  einem 
Mahl,  wie  Cic.  ad  Qu.  fr.  II,  6.  schreibt.  Etwaige  Familien- 
trauer wurde  für  diesen  Tag  unterbrochen,  Fest.  v.  minuitur 
luctas,  p.  154  M.  vgl.  Dio  Cass.  LXIII,  13.  Suet.  Oct.  53. 
Nicht  selten  erhielt  die  Braut  einen  Verlobungsring ,  annidiis 
proHubus ,  gleichsam  als  symbolisches  Unterpfand  der  Treue. 
luv.  VI,  25  ff.  Plix.  h.  n.  XXXIII,  1,  4.  Tertull.  apol.  6. 
IsiDOR.  XIX,  32.  LiNOEXuROG  ZU  Ter.  Eun.  III,  4,  3.  Der 
Bräutigam  empfing  dagegen  ein  Geschenk  von  der  Braut, 
DiONYS.  III,  21.  In  späterer  Zeit  wurden  auch  wertlnolle 
Ciegenstände  als  Unterjifand  (arra)  gegeben,  welche  iler  zu- 
rücktretende Tlicil  einbüsste.  Ein  Beispiel  erzählt  Capitoi.. 
Max.  Iiiii.  I.  IsrnoR.  IX,  S.  vgl.  Cuiac.  observ.  XI,  17.  Schon 
hieraus  ergieljt  sich,  dass  das  Verlöbniss,  wenn  es  auch  mit 
den  bestinnntesten  Worten  oder  sogar  schriftlicli  (Isidor.  IX, 
8.)  eingegangen  war,  keinen  der  beiden  Tlieih'  fe>t  band,  und 


44  Erster  Excurs. 

es  konnte  in  Rom   (so  wenig  als  in  Athen)   weder  ex  sponsu 
nocii  ex  stipulato  geklagt  werden.  luv.  VI,  200. 

Si  tibi  legitimis  pactum  iunctamque  tabelUs 
Non  es  amaturus,  ducendi  nidla  videtur 
Causa. 
Beide  Theile  konnten  das  eingegangene  Verhältniss  aufkün- 
digen, remmtiare  oder  remittere  repiidium,  Plaut.  Aul.  IV,  10, 
53  fF.  Ter.  Phorm.  IV,  3,  72.  nuntium  remittere  et  sponsaUa 
dissolvere.  Ulp.  Dig.  XXIII,  1,10.  Repudium  wurde  auch  von 
der  Ehescheidung  (divortium)  gesagt,  nicht  aber  umgekehrt. 
Modestin.  Dig.  L,  16,  101.  Divortium  inter  viruin  et  uxorem. 
fieri  dicitur ;  repudium  vero  sponsae  remitti  videtur,  quod  et  in 
iixoris  personam  non  inej}te  cadit;  ebenso  Paull.  ebendaselbst 
191.  Die  dabei  übliche  Formel:  conditione  tua  non  utor,  wie 
sie  von  Gai.  Dig.  XXIV,  2,  2.  angeführt  wird,  hat  wohl  keine 
juristische  Nothwendigkeit ,  sondern  ist  nur  herkömmlich. 
Beispiele  von  aufgekündigter  Verlobung  s.  Plut.  Cat.  min.  7. 
Caes.  14.  Suet.  Caes.  21.  Oet.  62.  Tag.  Ann.  XII,  3.  9.  Dio 
Cass.  XL  vi,  56.  u.  s.  w.  —  Ohne  Kechtsgültigkeit  war  aller- 
dings auch  das  Verlöbniss  nicht,  doch  nur  während  der  Dauer 
des  nicht  aufgekündigten  Verhältnisses  zwischen  Bräutigam 
und  Braut.  So  war  es  infamirend,  während  dieser  Dauer  ein 
zweites  Verlöbniss  einzugehen  und  es  konnte  Untreue  der 
Braut  selbst  als  adulterium  angesehen  werden. 

Nach  altlatinischem  Localrecht  hatte  der  durch  den  Zu- 
rücktritt des  einen  Theils  verletzte  andere  Theil  ein  Klage- 
recht (eine  Stijjulationsklagc)  und  der  Richter  verurtheilte 
den,  welcher  aus  nichtiger  Ursache  zurückgetreten  war,  zur 
Bezahlung  einer  Summe  Geldes  {litem  pecunia  aestimabat). 
Nach  der  völligen  Verschmelzung  Latiums  mit  Rom  fand 
dieses  ins  sponsaliorum  ein  Ende.  So  berichtet  Gell.  IV,  4. 
nach  Serv.  Sulpicius;  s.  dazu  Huschke,  in  Zeitschr.  f.  gesch. 
Rechtswiss.  X,  S.  315 — 326.  Dass  ein  ähnliches  Recht  vor 
Alters  auch  in  Rom  bestand,  scheint  sich  aus  der  interessanten 
Notiz  bei  Plut.  Cat.  min.  7.  zu  ergeben.  Rein,  röm.  Privat- 
recht S.  409  f. 


Verlobung  und  E  h  e  s  c  li  e  i  d  u  n  g.  45 

Die  auf  das  Verlöbniss  sich  bezielieudeu  Ausdi-iicke,  spe- 
rata,  pacta,  sponsa,  destinata,  s.  Arxob.  adv.  geut.  IV,  20., 
unterscheiden  und  auf  die  verschiedenen  Formen  der  Ehe  be- 
ziehen zu  wollen,  wie  Eggers  gethan  hat,  oder  auch  nur  auf 
die  einzelnen  Stadien  des  ganzen  Verhältnisses ,  wie  Gund- 
LixG,  in  Gundlingiana  X,  S.  377  ff.  U.A.,  ist  eine  durch  nichts 
gerechtfertigte  Willkür.  So  nimmt  Eggers  S.  15.  an,  sperata 
bezeichne  die  Frau  in  freier  Ehe ,  ehe  sie  durch  Ablauf  des 
ununterbrochenen  Jahres  in  mannm  gekommen  sei,  indem  er 
sich  vorzüglich  auf  Plaut.  Am^jliitr.  II,  2,  44.  stützt: 
Ainphitruo  iixorem  salutat  laetus  speratam  suam. 
Allein  dort  ist  sperata  soviel  als  aonaala,  die  in  der  Abwesen- 
heit Ersehnte,  und  komisch  genug  wäre  es  ohnehin,  sich  den 
Amphitruo  mit  der  Alkmene  in  freier  Ehe  zu  denken.  Freilich 
schiebt  Eggers  nach  iixorem  noch  ein  suam  ein,  wodurch  der 
Vers  monströs  und  der  Sinn  ein  anderer  wird.  Xoxius  sagt 
V,  69:  virgo  priusquam  petatur  sperata  dicitur.  —  Pacta,  bei 
XoNius  auch  dicta,  heisst  das  Mädchen  nach  erfolgter  Zusage, 
also  die  Versprochene  s.  o.  Plaut.  Trin.  —  Davon  ist  der 
Ausdruck  sponsa  nur  insofern  verschieden,  als  er  die  durch 
Stipulation  feierlich  Verlobte  bezeichnet.  Sulpic.  sagt  a.  a. 
Orte:  Tum  quae  prornissa  erat,  sjjonsa  appellabatur^  qiii  spo- 
ponderat  ductnriun,  sponsus.  Aber  mit  E(;gi:rs  pacta  von  der 
confarreatio,  und  sponsa  von  der  coemtio  zu  verstehen,  dazu 
ist  kein  Grund  vorhanden.  —  Von  den  Verlobungen  handeln 
Brissoxius,  de  ritu  nuptiarum,  zu  Anfang.  Hottomaxx,  de 
sponsal.  in  <  >pp.  I,  p.  476.  und  de  vet.  ritu  nujjt.,  im  Anfang. 
Reix,  röm.  Privatrecht,  S.  407  ff. 

Wie  das  bei  dem  Verlöbnisse  gegebene  Versprechen  ohne 
Weiteres  zurückgenommen  wei'den  konnte,  so  war  auch  jeder- 
zeit die  Auflösung  der  Ehe  selbst  möglich,  ohne  dass 
irgend  eine  Staatsgewalt  zum  Ein.spruche  berechtigt  gewesen 
wäre.  Diese  Freiheit  war  jedoch  sehr  bcschräid^t  durch  das 
moralisrlu!  Gefühl  des  Volks  und  die  hohe  Achtung,  welche 
man  vor  der  Heiligkeit  des  Ehebundes  hegte.  Dazu  kam  das 
Uau.sgeridit  der  Verwandten,   welches  vor  der  Scheidung  be- 


4()  Erster  Excurs. 

fragt  werden  musste ,  und  die  Scheu  vor  der  Censoriscben 
Rüge,  welche  bei  leichtsinniger  Scheidung  eintrat.  Diese  Frei- 
heit der  Ehescheidung  scheint  aber,  wenn  des  Dionys.  Bericht 
wahr  ist,  nicht  auf  die  confarreirten  Ehen  bezogen  werden  zu 
dürfen.  Er  behauptet  nämlich  II,  25.  völlige  Unauflösbarkeit 
der  confarreatio :  et'g  ovideofioi'  drayxaluv  oi-MioTi^iog  tqsQSv  ddia- 
XvTüv  y.ai  rb  diatofjaov  rovg  yafiovg  ruvTOvg  ovdtv  ijv.  Doch  wird 
uns  diese  Stelle  nicht  überzeugen,  wenn  wir  bedenken,  dass 
zu  des  Dionys.  Zeit  die  confarreatio  nur  noch  für  die  Priester- 
ehen fortdauerte  und  diese  waren  allerdings  unauflöslich. 
Paul.  v.  flammeo,  p  89.  Er  konnte  sich  also  leicht  irren,  und 
die  Untrennbarkeit  der  confarreatio  annehmen,  wenn  er  die 
Ehe  des  Flamen  und  der  Flamini ca  als  Vorbild  der  alten  con- 
farreatio ansah.  Demnach  ist  eine  Vereinigung  der  Stelle  des 
DioxYS.  mit  der  des  Plut.  Kom.  22.  nicht  so  entschieden  zu 
verneinen,  als  es  gewöhnlich  geschieht.  Plut.  sagt:  'ißrj-AS  8t 
■/Ml  rofiovg  mag,  äv  (JCfodnug  fitr  ^ativ  6  yvvar/.i  fitj  8i8ovg  urrohi- 
Titiv  dfSoa,  yviaixa  8l  8i8uvg  iy.^dU.tir  Im  quoiia-AHin  Tt'y.i'Cov  tj 
y.hiSäv  irnoßolfi  y.ui  fwiyevß^uaui.,  welche  Angabe  sich  mit  der 
des  DiONYS.  gut  verträgt,  da  Plut.  nicht  M'ie  Diouys.  aus- 
schliesslich von  der  durch  confarreatio  geschlossenen  Ehe, 
sondern  von  der  Ehe  überhaupt  spricht.  Auch  wäre  es  ganz 
widersinnig,  dass  eine  eheliche  Verbindung  sollte  fortbestan- 
den haben,  wenn  solche  Verbrechen,  wie  die  genannten,  vor- 
lagen. Ferner  bestimmte  dieses  angeblich  romulische  Gesetz, 
dass,  wenn  sich  ein  Mann  aus  einer  anderen  Ursache  scheide, 
der  eine  Theil  seines  Vermögens  an  die  verstossene  Frau  fal- 
len und  der  andere  der  Ceres  geweiht  werden  solle.  Und  dar- 
aus, dass  auf  diese  Weise  leichtsinnigen  Ehescheidungen  ge- 
setzlich vorgebeugt  werden  sollte,  ergiebt  sich  Avenigstens, 
dass  die  Ehe  überhauj)t  auflösbar  war. 

Auch  andere  Beweise  sprechen  dafür,  dass  schon  in  den 
früheren  Zeiten  der  Republik  Trennung  der  Ehe  vorkam  und 
dass  bereits  in  den  XII  Tafeln  Bestimmungen  darüber  ent- 
halten waren.  Freilich  steht  dieser  Annahme  die  Aielfach  be- 
richtete und  viel  besprochene  Xachricht  entgegen,  dass  S]». 


Verlobung  und  E  li  e  s  c  h  e  i  d  u  n  g.  47 

Carvilius  Kuga  der  Erste  gewesen  sei,  der  im  J.  d.  St.  520 
oder  523  sich  von  seiner  Frau  geschieden  habe.  Am  entschie- 
densten sagen  diess  Dioxy.s.  ü,  25.  öfio/.oyeitat  irrug  fVcdr  e'i- 
v.nai  VAU  nevraKoalav  fitjds^ig  ti  Poofir,  d(a).v&tji>(ii  yccfiog.  —  ;7/>a3- 
rog  dno).i>a<ii  h'ysrai  t/^»'  iavTOv  yvva?y.a  J-TTOVoiog  Kaf>.  dir/Q  ov/. 
dqxaijg,  dvayxa^ofierog  vnh  tär  ziinjäv  6i*öaui  Tt'y.vtov  nty.a  yv- 
vam  utj  oworAslv.  Die  letzten  Worte  sind  oflfenbar  corrupt  oder 
enthalten  ein  Missverständniss,  wie  sich  aus  der  Erzähhuig 
bei  Gell.  XVII,  21.  ergiebt:  Anno  deinde  p.  R.  c.  quinge.nte- 
simo  undevicenimo  Sp.  Carv.  liuga  primus  Momae  de  amicorum 
scntentia  divortium  cum  uxore  fecit,  quod  sterilis  esset  iurasset- 
que  apud  cemsores,  tixorem  se  liberum  quaerendoriim  causa  ha- 
bere.- Val.  Max.  II,  1,  4.  nennt  auch  das  Jahr  520,  dagegen 
findet  sich  eine  andere  höchst  auffallende  Angabe  bei  Plut. 
comp.  Thes.  c.  Kom.  6.  und  übereinstimmend  comp.  Lyc.  c. 
Xuma  3.,  dass  die  erste  Ehescheidung  des  Sp.  Carvilius  im 
J.  230  Aorgekommen  sei.  Dieses  Jahr  hat  nun  allerdings  alle 
Wahrscheinlichkeit  gegen  sich,  da  die  Scheidung  des  Carvi- 
lius noch  in  die  Periode  des  Königthums  fallen  würde,  Avährend 
die  ganze  Erzählung  uns  auf  die  Zeit  der  Kepublik  und  zwar 
die  Epoche  hinweiset,  wo  das  Censoramt  vom  Consulat  ge- 
trennt war.  Uebrigens  ist  auch  die  Auctorität  des  von  Gellius 
angeführten  Serv.  Sulpicius  bei  Weitem  die  gewichtigste. 
Dagegen  wird  auch  wiederum  Niemand  es  Avahrscheinlich  fin- 
den, dass  520  Jalire  lang  bis  etwa  150  Jahre  vor  Cicero  in 
Kom  keine  Ehescheidung  sollte  vorgekommen  sein.  Die  ganze 
Sache  scheint  vielmehr  auf  einem  IMissverständniss  zii  beru- 
hen, worauf  die  zweite  Stelle  des  Gell.  IV,  3.  selbst  führt. 
Daraus  geht  mit  Wahrscheinlichkeit  hervor,  dass  des  Carviliu> 
Scheidung  unter  besonderen,  von  den  früheren  Scheidungen 
abweichenden  Linständen  Statt  fand,  welche  bcAvirkten,  dass 
man  die  in  gewisser  Bezieliung  erste  Scheidung  ihrer  Art 
später  überhaupt  für  die  erste  hielt.  Auch  hat  Seuv.  Sulpi 
ciu«  in  keinem  Falle  bcliauptet,  dass  es  die  erste  Scheidung 
gewesen  sei,  sonst  würde  (Jelhu.s  nicht  blos  sagen:  quia  j>ro- 
fccto  niliil  desiderabantur  fnämlidi    rci   uxoriae   actioncs  und 


48  Erster  Ex  cur  s. 

cautiones),  nuUis  etiatntunc  inatrimonüs  divertentibus ,  cl.  h. 
Gell,  schliesst  mxr  aus  dem  Nichtvorhandensein  der  cautiones 
rei  uxoriae  auf  das  spätere  Aufkommen  der  Ehescheidungen. 
Wahrscheinlich  war  Sj).  Carvilius  der  Erste  gewesen,  welcher 
sich  nicht  ans  einer  der  schon  vor  Alters  gestatteten  Tren- 
nungsursachen von  seiner  Frau  schied,  sondern  der  Sterilität 
halber  und  aus  eigennütziger  Absicht  (um  die  dos  zu  behalten), 
indem  er  sich  dabei  mit  scheinbarer  ßeligiosität  rechtfertigte. 
fs.  OsENBRÜGGEx,  in  Zeitsclir.  f.  d.  Alterthumswissensch.  1838, 
X.  .37.)  Seine  Sophisterei  führte  ihn  zu  dem  gewünschten  Re- 
sultat, allein  das  Kechtsgefühl  des  Volks  äusserte  sich  in  lauter 
Missbilligung  über  dieses  Verfahren  und  die  cautiones  rei  uxo- 
riae wurden  bald  darauf  eingeführt,  um  ähnlichen  Vorftillen 
vorzubeugen.  Durch  die  besonderen  Umstände  und  dadurch, 
dass  sich  von  da  die  genannten  cautiones  datirten,  gewann  die 
Scheidung  des  Carvilius  eine  besondere  Celebrität,  und  so 
konnte  es  leicht  geschehen,  dass  nach  200  und  mehr  Jahren 
im  Volke  der  Glaube  entstanden  war,  sie  sei  überhaupt  die 
erste  gewesen.  —  Dass  diese  Scheidung  in  einer  Beziehung 
die  erste  gewesen,  behaupteten  mehrere  Gelehrte,  so  z.  E.  er- 
kannte sie  ZiMMERx  als  die  erste  sterilitatis  causa,  Klexze 
als  die  erste  ohne  Befragen  des  Cognatengerichts,  Göttlixg 
als  die  erste  Scheidung  einer  strengen  Ehe  u.s.w.  Die  Schrif- 
ten von  Savigny,  Zimmern,  Klenze  u.  A.  s.  bei  Rein, 
röm.  Privatrecht,  S.  450  ff.;  dazu  noch  Fritzsche,  de  di- 
vortio  Carvil.  vor  dem  index  lectt.  der  Universität  Rostock, 
im  Sommer  1835. 

Wir  kehren  nun  zu  dem  Beweise  der  frühzeitig  gestat- 
teten Ehescheidung  zurück  vmd  verweisen  zuerst  auf  das  von 
Val.  Max.  II,  9,  2.  erzählte  Beisjjiel :  Horum  severitatem  M. 
Valerius  Maximus  et  C.  lunius  Buhulcus  Brutus  censores  in 
consimili  genere  animadversionis  hnitati  L.  Antonium  senatu 
moverunt,  quod  quam  virginem  in  matrimonium  duxerat,  repic- 
diasset^  nullo  amicorum  in  consilium  adhibito.  Man  irrt  gänz- 
lich, wenn  man  hierin  den  Beweis  finden  will,  dass  die  Ehe- 
scheidungen ungewöhnlich  oder  verboten  gewesen  seien.     Zu- 


Verlobung  u  u  d  Ehescheidung.  49 

erst  muss  man  das  wohl  festhalten,  dass  die  nota  censoria 
durchaus  nicht  als  iudicium  angesehen  wird,  wie  die  lehrreiche 
Beweisführung  bei  Cic.  p.  Clu.  42 — 48.  zeigt.  Das  Urtheil 
des  Censors  ist  ganz  subjectiv  und  hat  daher  eine  einge- 
schränkte Gültigkeit.  So  folgt  also  aus  der  animadversio 
censoria  in  Antonium  nicht,  dass  er  etAvas  Verbotenes  und 
Strafbares  that,  indem  er  sich  von  seiner  Frau  schied,  aber 
es  lag  in  der  Art  und  AVeise,  wie  er  es  that,  etwas  schwer 
Tadelnswertlies  und  das  geht  aus  Val.  Max.  selbst  hervor, 
denn  er  setzt  hinzu:  nullo  amicorum  in  consilium  adhibito.  Es 
wurde  nämlich  in  solchem  Falle  jederzeit  ein  Familiengericht 
oder  Berathung  gehalten,  und  daher  hiess  es  auch  von  Carvi- 
lius:  de  amicorum  sententia.  (S.  über  dieses  Hausgericht  oben 
S.  20  fg.)  War  daher  die  Handlungsweise  des  Antonius  eine 
willkürliche  und  harte,  so  konnte  sie  allerdings  Gegenstand 
der  animadversio  censoria  sein.  Diese  Scheidung  fand  aber 
Statt  447  d.  St.,  also  etwa  50  Jahre  vor  den  punischen 
Kriegen. 

Es  liegt  aber  noch  ausserdem  der  Beweis  vor,  dass  in 
viel  früherer  Zeit  die  Ehescheidungen  rechtlich  gestattet  und 
in  gewisser  Hinsicht  durch  die  Gesetze  geordnet  waren.  Cic. 
Phil,  n,  2b.  sagt  spöttisch  von  Antonius,  der  die  Cytheris 
unter  denselben  Förmlichkeiten  wie  bei  einer  Ehescheidung 
von  sich  entlassen  hatte :  illam  suam  suas  res  sibi  habere  iussit, 
ex  duodeciin  tabulis  \causain  addidit]  claves  ademit,  foras  exegit. 
Aus  diesen  hinsichtlich  der  Erwähnung  der  XH  Tafeln  diplo- 
matisch feststehenden  Worten  ergiebt  sich,  dass  in  den  ZavöH- 
tafelgesetzen  Bestimmungen  über  die  Kechtsverhältnisse  der 
sich  Trennenden,  vielleicht  auch  über  geAvisse  zu  beobachtende 
Förmlichkeiten  gegeben  Avaren,  (Avenn  wir  die  Worte  ex  All 
Tab.  zu  claves  ademit  nehmen).  Dass  aber,  um  die  Scheidung- 
vornehmen  zu  können  oder  zu  dürfen,  es  der  Angabe  be- 
stimmter Gründe  bedurft  hätte,  davon  giebt  es  keine  Andeu- 
tung. Nach  solchen  Gründen  Avurde  theils  bei  dem  Cognaten- 
gericht  gefragt,  theils  von  dem  Richter  in  dem  iudicium  de 
moribus  (nämlich  nach  Einführung  der  cautiones  und  actiones 

Beckek,  Gallus.    3.  Aufl.   II.  4 


50  '  E  r  s  t  e  r  E  X  c  u  r  s. 

rei  uxoriae).  An  diese  aber  kamen  die  Ehescheidungssaclien 
nur  dann,  wenn  die  vermügensreclitlichen  Verhältnisse  der 
beiden  sich  trennenden  CTatten  (namentlich  in  Bezug  auf  die 
Kückgabe  der  dos)  nicht  durch  friedliche  Uebereinkunft  ge- 
ordnet worden  Ovaren.  Hier  kam  es  darauf  an,  ob  des  Mannes 
oder  der  Frau  strafbare  Handlungen  die  Veranlassung  zur 
Scheidung  gegeben  hatten  (iitrius  culpa  divortium  factum, 
Ql'inct.  VII,  4^  11.  38).  Bei  der  Frau  Avaren,  ausser  Capital- 
verbrechen,  namentlich  adulterinm,  vinolentia  condemnirend 
und  hinsichtlich  der  Letzteren  wurde  es  in  alter  Zeit  sehr 
streng  genommen.  Plix.  h.  n.  XIV,  \'6.  Cn.  Domitius  iudex 
pronuntiavit:  midierem  viderl  jilus  hibisse ,  quam  valetudiyiis 
causa  viro  insciente,  et  dote  midtavit.  Vgl.  vorzüglich  Gell. 
X,  23.  und  Cato's  Rede  daselbst.  Ueber  die  nach  Befinden 
des  Richters  von  dem  Manne  zurückzubehaltende  oder  wieder- 
herauszugebende dos  (je  nachdem  er  schuldig  oder  unschuldig 
war)  s.  Pauly,  RealencH,  S.  1255  fg.  Reix,  röm.  Privatrecht 
S.  43a  ff. 

Dass  nach  den  punischen  Kriegen  die  Ehescheidungen 
viel  häufiger  wurden,  erklart  sich  aus  dem  von  da  an  begin- 
nenden Sittenverfälle  und  dem  nach  und  nach  laxer  werdenden 
ehelichen  Bande.  Auch  hatte  sich  die  Scheu  vor  der  censo- 
rischen  Rüge  verloren.  In  dieser  Zeit  finden  wir  die  Freiheit 
der  Ehescheidung  zur  grös.sten  Willkür  und  zum  grössten 
Leichtsinn  ausgeartet,  so  dass  dieselben  oft  um  der  gering- 
fügigsten Dinge  Avillen  Statt  fanden.  Val.  Max.  VI,  3.  führt 
unter  mehreren  drei  Beispiele  der  Art  an,  das  eine  des  Sulpi- 
cius  Gallus,  der  uxorem  demisit,  quod  eam  capite  aperto  foris 
versatam  cognoverat ;  2)  Q.  Antistius  Vetus,  quod  illam  hi 
puhlico  cum  quadom  libertma  vulgari  secreto  loquentem  viderat; 
3)  P.  Sempronius  Sophus,  qui  conivgem  rejmdii  nota  affecit, 
rnhil  aliud  quamse  ignorante  ludos  ausam  spectare.  Uebrigens 
bleibt  es  immer  ungewiss,  ob  nicht  die  angegebenen  Gründe 
nur  als  Vorwand  dienten.  In  der  letzten  Zeit  der  Republik 
nahmen  die  Scheidungen  furchtbar  überhand  und  wie  die  Ehe 
leichtsinnig  eingegangen  wurde,  so  trennte  man  sich  wieder 


\'  e  r  1 0  b  u  n  g  u  11  d  E  h  e  s  c  h  e  i  d  u  u  g.  51 

nach  Belieben.  Ganz  -willküilicli  verstiessen  Sulla,  Cäsar, 
Pompejus,  Cicero,  Antonius  ihre  Frauen,  ebenso  Augustus, 
und  seine  Xachfolger  folgten  diesem  Beispiel.  Cxleichzeitig 
nahmen  die  willkürlichen,  von  den  Frauen  ausgehenden  Schei- 
dungen überhand,  ohne  dass  der  Mann  Schuhl  trug.  Früher 
wurde  es  den  Frauen  weit  schwerer,  die  Ehe  zu  trennen,  und 
Untreue  des  INIannes  gab  der  Frau  keine  Berechtigung,  wie  es 
Plaut.  Merc.  IV,  6,  1  ff.  lieisst,  obwohl  hier  vorzugsweise 
griechische  Sitte  berück.sichtigt  ist: 

Ecastov  lege  dura  vivont  midieres 

inultoqiie  iniquiore  miserae  quam  viri. 

Nnm  si  vir  scortum  duxit  dam  lurorem  suom, 

id  si  rescivit  iixor^  impunest  viro: 

uxor  viritm  si  dam  domo  egressast  foras^ 

viro  fit  causa^  exigitur  matriimonio. 

Utinam  lex  esset  eadem  quae  uxorist  viro!  cett. 
Seit  Cicero's  Zeit  werden  die  Scheidungen  der  Frauen 
oft  erwähnt,  z.  E.  Cic.  ad  Fam.  VITI.  7.  ad  Att.  XI,  23.  (hier 
jedoch  mit  Grundj,  p.  Chi.  5.  Maut.  ep.  VI,  7.  X,  41.  Sex. 
de  ben.  III,  16.  iiiimquid  iam  idla  repudio  eriibescit?  —  non 
consulum  numero^  sed  maritorum  aniios  siios  computant  et  ex- 
eunt  matrimonii  causa,  nuhiint  repudii. 

Der  gewöhnliche  Ausdruck  für  Ehescheidung  war  divor- 
tiiim,  eigentlich  die  nach  gegenseitiger  Uebereinkunft  beider 
Gatten  erfolgte  Trennung,  Palll.  Dig.  L,  16,  161.  div.  ex  eo 
dictum  est,  quod  in  diversas  partes  eiad  qui  discedunt.  Modest. 
ebendas.  101.  divortium  inter  virum  et  uxorem  fieri  dicitur.  Vgl. 
LsiDOK.  IX,  8.  Aehnlich  discidium,  welches  eben  so  allgemein 
von  beiden  Theilen  gelnaucht  wird.  Desshalb  werden  diese 
Worte  gewöhnlich  mit  facere  verbunden.  Dagegen  repudiinn 
ist  eigentlich  die  einseitige  Scheidung  und  wird  daher  nur  von 
dem  Theil  gebraucht,  welcher  die  Trennung  will  und  aus- 
spricht. Desshalb  construirt  man  nicht  repudium  facere ,  son- 
dern repudium  mitlere,  remitiere,  dicere,  scribere,  nuntiare,  re- 
matfiare,  und  dasselbe  ist  nuntium  remitiere  (als  häufige  Form 
des  einseitigen  repudium);  s.  Plait.  Aul.  IV.  10,  53.  O'J.  Ti:k. 

4* 


52  Erst  er  Exe  ars. 

Phorm.  IV,  3,  72.  Cic.  ad  Att.  I,  13.  XI,  23.  de  or.  I,  40. 
Top.  4.  SuET.  mehrm.  S.  überhaupt  die  Lexica.  Ausserdem 
sind  stehende  Ausdrücke:  exigere  und  eiicere  von  dem  Manu 
gesagt,  Cic.  Phil.  II,  28.  38.,  discedere  von  der  Frau,  Ter. 
Andr.  III,  3,  36.,  so  wie  im  Griechischen  hnt'nTiaiv  oder  iitßül- 
Xatv  und  anoXelneir  versclneden  sind.  Ohne  Grund  wird  be- 
hauptet, dass  divortium  ^vorzugsweise  von  der  Frau,  repudhnn 
aber  von  dem  Manne  (so  Waechter)  oder  dass  divortium  von 
der  Scheidung  der  strengen,  repudium  von  der  Sclieidung  der 
freien  Ehe  (so  Göttlino)  gesagt  werde. 

Die  Scheidung  erfolgt  durch  gemeinsame  Uebereinkunft 
oder  einseitig,  wobei  eine  solenne  und  wie  es  scheint,  sogar 
von  den  XII  Tafeln  anerkannte  Formel  war:  tuas  re^  tibi  lia- 
'  beto ;  welche  sowohl  von  dem  Manne  galt,  welcher  sich  trennen 
wollte,  als  auch  von  der  Frau,  s.  oben  Cic.  Phil.  11,28.  Plaut. 
Amph.  III,  2,  47.  Valens^  tibi  habeas  res  tuas,  reddas  meas. 
Trin.  II,  1,  31  ff.  Tuas  res  tibi  habe.  Demnach  war  dieses  zu 
Plautus  Zeit  die  jedenfalls  schon  längst  übliche  Formel,  und 
auch  das  beweiset  für  das  frühere  Vorkommen  der  Scheidung. 
S.  noch  Mart.  X,  41.  Quinct.  decl.  262.  Gai.  Dig.  XXIV, 
2,  2.  §  1.  U.S.W.  Dass  die  Frau  die  Schlüssel  abgeben  mus.ste, 
versteht  sich  von  selbst;  ob  aber  dieses  als  Formalität  von  den 
XII  Tafeln  geboten  war,  ist  zweifelhaft.  Es  kommt,  Avie  oben 
erwähnt  ist,  auf  die  Interpunktion  bei  Cic.  Phil.  11,  28.  an. 
Zuweilen  war  mit  jener  Formel  auch  der  Befehl  verbunden, 
das  Haus  zu  verlassen  {foras  exi),  welchen  die  Frau  nur  dann 
aussprechen  konnte,  wenn  sie  Herrin  des  Hauses  war,  z.  B. 
Plaut.  Mil.  glor.  IV,  6,  62  fg.  S.  noch  Plaut.  Cas.  II,  2, 31  ff. 
Mart.  XI,  104.  Non.  II,  53.  Auch  schriftliches  Aufkündigen 
{libellus  divortii  oder  repudii)  oder  mündliches  durch  einen 
Boten  kam  in  Gebrauch ;  daher  die  Ausdrücke  renuntiatio  oder 
nuntium  remitiere  (s.  oben).  —  Waren  Ehepacten  (s.  S.  cO) 
bei  Schliessung  der  Ehe  aufgesetzt  worden,  so  wurden  die- 
selben gewöhnlich  vernichtet  (rumpere  tabulas  nujjtiales)  luv. 
IX,  75.  Tag.  Ann.  XI,  30.  War  die  Ehe  auf  feierliche  Art 
mit   manus    eingegangen,    so    reichte    die   erwähnte   einfache 


Verlobung  und  Ehescheidung.  53 

Formel  nicht  hin,  die  Ehe  zu  trennen,  und  desshalb  bediu-fte 
es  besonderer  Formalitäten,  um  die  Ehe  und  zugleich  manus 
wieder  aufzuheben,  was  in  vermögensrechtlicher  Beziehung 
sehr  wichtig  AA-ar.  Desshalb  erforderte  die  confarreatio  auch 
eine  förmliche  diffarreatio.  Paul.  Diac.  p.  74.  Diß\  genus  erat 
sacrißcii,  quo  inter  virum  et  mulierein  fie.bat  dissolutio.  Dicta 
diß\,  quia  fiebat  farreo  libo  adhibito.  Dieselben  Solennitäten 
und  Personen,  welche  bei  der  confarreatio  waren,  durften  auch 
bei  der  diffarreatio  nicht  fehlen.  Orell.  inscr.  2648.  ist  ein 
sacerdos  confarreationum  et  diß'arreationum  erwähnt.  Ausser- 
dem ist  nichts  darüber  bekannt,  als  was  Pli.t.  qu.  Rom.  50. 
von  der  durch  Domitian  ausnahmsweise  erlaubten  Scheidung 
des  Flamen  dialis  berichtet :  6  81  ItQsig  nao^y^orto  zi]  ruv  j«- 
fK.'V  öia/.vasi  TToXla  (fQiy.a)8i^  y.ai  dlkäxora  xai  (sy.vOQMnci  8{>MVTeg. 
Vgl.  Pauly,  Realencykl.  II,  S.  1021. 

Wo  die  manus  der  Frau  durch  mancipatio  entstanden 
war,  erfolgte  die  Ehescheidung  durch  die  genannte  einfache 
Formel ,  aber  die  manus  dauerte  fort ,  bis  diese  durch  eine 
förmliche  remancipatio  aufgehoben  wurde.  Fest.  v.  remanci- 
patam,  p.  277  M.,  quae  mcmcipata  sit  ab  eo,  cid  in  manum  con- 
venerit.  S.  auch  die  lückenhafte  Stelle  des  Gai.  I,  137.  Durch 
welche  Form  die  durch  Usus  entstandene  manus  aufgelöst 
wurde,  wird  nicht  berichtet.  Wahrscheinlich  genügte  eine  ein- 
fache Erklärung,  oder  Remancipatio  ftxnd  Statt.  Die  Schriften 
über  Ehescheidung  s.  Pauly,  Realencykl.  II,  S.  1189.  Unter 
ihnen  ist  vorzüglich  zu  nennen  Waechter,  Ehescheidungen 
bei  den  Römern,  Stuttgart  1822.  und  Klexze,  Freiheit  der 
Ehescheid,  in  Zeitschr.  f.  gesch.  Rechtswiss.  VII,  S.  21—42. 
\'gl.  Reix,  röm.  Privatrecht,  S.  446 — 457.  Dazu  kommen  in 
neuerer  Zeit  G.  Diephuis,  de  iure  et  ratione  divort.  apud 
Rom.  Groning.  1842.  A.  F.  Berxeu,  de  divortiis  apud  Rom. 
Ik'rl.  1H42,  u.  del  Matrimonio  e  della  sua  indissolubilita  presso 
tili  aiitichi  Romani;  memoria  del  Cav.  A<iATOXE  Avv.  De 
LucA  Troxchet.  Rovigo  1844.  Rossbach,  römische  Ehe,  S. 
128— i:j8. 

Die  geschiedene   Gattin    konnte    sich    zum    zAveitenmale 


54  Erster  Excurs. 

vermälilen  —  ebenso  die  Wittwe  nach  vollendeter  Tranerzeit, 
s.  Pauly,  Eealencykl.  IV.  S.  1200  und  Appui..  metam.  YIII, 
p.  205.  Elm.  {qitoad  —  spathim  —  compleatur  anni.)  allein  in 
der  älteren  Zeit,  ■\v(j  der  Ehebund  noch  eine  höhere  Weihe 
hatte ,  Avar  dieses  nicht  ohne  Naclitheil  liir  den  Kuf  der  Fran. 
Eine  Fran  multarum  niq^tianiuij  wie  sie  Cic.  ad  Att.  XIII,  29. 
nennt,  genoss  keine  Achtung;,  Plut.  qu.  Rom.  102.  Tertull. 
de  exhort.  cast.  13.  de  monogam.  13.,  im  Gegensatz  zu  itnivira, 
welches  Attribut  wir  sogar  auf  Inschriften  finden,  Ouell.  in- 
scr.  2742.  4530.  Auch  durfte  eine  zum  zweiten  Male  veidiei- 
rathete  Frau  nicht  pronuba  sein,  noch  die  Bildsäule  der  Pudi- 
citia,  Fortuna  muliebris  oder  mater  Matuta  berühren,  Liv.  X, 
23.  Fest.  v.  pudicitiae,  p.  242.  245.  Sekv.  zu  Verg.  Aen.  IV, 
19.  Endlich  waren  bei  der  ZAveiten  Verheirathung  einige 
äussere  Formen  weniger  ehrenvoll  als  bei  der  ersten,  s.  Serv. 
zu  Verg.  Aen.  XI,  47ü.  Prof.  IV,  11,  85  fi'.  IV,  8,  27  fg. 
Pauly,  Kealencykl.  IV,  S.  1652  fg.  Rein,  röm.  Privatrecht 
S.  458  ff.  In  den  Zeiten  der  allgemeinen  Sittenverderbniss  fiel 
dieser  Unterschied  weg,  Appul.  Met.  I,  p.  104  Elm. 

EHELOSIGKEIT. 

Absichtliche  Ehelosigkeit  wurde  schon  in  früher  Zeit  als 
tadelnswerth  und  selbst  strafbar  betrachtet.  Sozom.  h.  e.  I,  9. 
erwähnt  sogar  ein  altes  Gesetz  darüber,  und  Dionys.  IX,  22. 
spricht  Avenigstens  von  einem  darauf  Bezug  habenden  Fami- 
liengesetz  der  gens  Fabia.  Dass  die  caelibes  Geldstrafe  be- 
zahlen mussten,  ergiebt  sich  aus  Fest.  p.  379.  Uxorium  pt- 
pendisse  dicitur^  qiti,  quod  uxorem  non  habuerit,  res  populo  dedit. 
und  die  Censoreu,  deren  Sorge  auf  Erhaltung  imd  Vermeh- 
rung der  Volkszahl  gerichtet  Avar,  wachten  über  die  Handha- 
bung dieser  alten  Bestimmungen.  Cic.  de  leg.  III,  3.  Val. 
Max.  II,  9.  1.  Ccnnillus  et  Postumius  censores  aera  poenae 
nomine  eos  qid  ad  senectiäem  caelibes  pcrvenerant,  in  aerarium 
deferre  iusserunt ,  403  v.  Chr.  351  d.  St.  vgl.  Plut.  Cam.  2. 
Cat.  mai.  IG.    Auch  kommen  Ermahnungsreden  der  Censoren 


Ehelosigkeit.  55 

an  das  Volk  vor,  de  ducendis  lixoribiis  und  de  prole  augenda, 
so  von  Q.  Cäcilius  Metellus  (Xumidicus  nach  Gell.  I,  6.  101 

V.  Chr.  5  ^lacedonicus  nach  Liv.  cp.  LIX.  131  v.  Cln-.),  vgl. 
ÖUET.  Oct.  89.  Metellus  sagt  darin:  Sl  s'me  uxore  possemus, 
Cluirites,  esse,  omnes  ea  molestia  carcremus ;  sed  quoniam  ita 
natura  tradidit,  ut  nee  cum  Ulis  satis  commode  nee  sine  Ulis  ullo 
modo  vivi  possit,  saluti  perpetuae  potius  quam  brevi  voluptati 
consulendum.  Das  ist  ganz  griecliische  Ansieht,  welche  die 
Frau  als  ein  nothwendiges  Uebcl  beti-achtet.  Menand.  p.  190: 
dväyy.ii  yan  yinal-/  tivai  y.uy.<)r,  d).)J  evtvii]g  foi)'  6  iittnimrarov 
).aß(6v,  s.  Charikles  III,  S.  259.  Bei  wachsendem  Sittenver- 
fälle und  namentlich  seit  den  Bürgerkriegen  nahm  die  Zahl 
der  Ehelosen  ausserordentlich  zu,  (s.  S.  8)  und  nicht  erst  zu 
luvenals  Zeit  war  das  Heirathen  eine  so  bedenkliche  Sache, 
tlass  man  wohl  Jemandem  zurufen  konnte : 

Cei'te  sanus  eras!   Uxorem,  Postume,  ducisf 

Die,  qua  TisipJione,  quibus  exagitare  colubris? 
Die  Ansprüchen,  welche  besonders  vornehme  Frauen  machten, 
waren  schon  zu  Plautus  Zeit  von  der  Art,  dass  man  wohl  die 
Lust  zum  Heirathen  verlieren  konnte.  S.  Aulul.  III,  5.  Mil. 
III,  1,  91  ff'.  Hatte  die  Frau  nun  gar  eine  bedeutende  Mitgift 
dem  Manne  zugebracht,  so  mochte  dieser  oft  nicht  die  ange- 
nehmste Stellung  im  Hause;  haben.  Daher  klagt  Demaenetus 
bei  Plaut.  Asin.  I,  1,  74. 

Argentum  accepi,  dote  imperium  vendidi. 
und  Epid.  II,  1,  11.,  wo  Apoecides  meint:  pulchra  edepol  dos 
pecunia  est.,  antwortet  Periphanes:    quae  quidem  pol  no)i  mari- 
tata  est.  Bekainit  ist  Iuvenals  Ausspruch: 

IiüolerabiUus  iti/iil  est  quam  femina  dives. 

VI,  460.  und  so  sagt  Mart.  VIII,  12. 

Uxore m  quare  locupletem  ducere  nolim, 
Quaeritis?  uxori  nubere  nolo  meae. 
Endlich  waren  auch   damals  schon  die  allzugedebrtcu  Dnincn 
zu  fürchten.     Sit  non  doctissima  coniux,   maclit  ^lart.  II,  9('. 
zur  Bediii^ruiig.    S.  bes.  luv.  VI,  448. 


56  E  r  s  t  e  r  P^  X  c  u  r  s . 

Non  habeat  matrona,  tibi  quae  iuncta  recumbit, 
Dicendi  genuSj  aut  curtum  sermone  rotato 
Torqtceat  enthymema,  nee  historias  seiat  omnes: 
Sed  quaedam  ex  libns  et  non  intelligat  etc. 
Da  das  Anselien  der  Censur  gänzlich  untergegangen  war, 
suclite  erst  Cäsar  durch  Belohnungen  zur  Ehe  aufzumuntern; 
Augustus  aber  erliess  durch  die  lex  lulia  et  Papia  Poppaea 
sehr  strenge,  ja  lächerlich  klingende  Bestimmungen  gegen  Cä- 
libat  und  Orbität.    Dagegen  wurden  denen,  welche  mehrere 
Kinder  hatten,  gewisse  Yortheile  zugestanden,  ins  trium  libe- 
rorum,  welche  in  verschiedenen  Immunitäten  und  Vorzügen, 
z.  E.  bei  Aemterbesetzungen  bestanden.    Viel  scheinen  indes- 
sen auch  diese  Gesetze  nicht  gefruchtet  zu  haben,  wie  man 
aus  Tag.  Ann.  III,  25.  sieht.    Auch  Avurden  sie  von  den  Kai- 
sern selbst  eludirt ,  indem  sie  häufig  das  ius  trium  liberorum 
Personen  ertheilten,  die  Aveniger  oder  gar  keine  Kinder  hat- 
ten, ja  gar  nicht  verheirathet  waren.    S.  Kein,  röm.  Privat- 
recht, S.  461  ff.  und  Pauly  Realencykl.  H,  S.  476.  IV,  S. 
659  fff.  981. 


Z^VEITER  EXCURS. 


DIE    KINDER. 

Wenn  der  römischen  Sitte  in  Bezug  auf  die  eheliclien 
Verhältnisse  und  die  Stellung  der  Frauen  überhaupt  unbe- 
stritten der  Vorzug  vor  der  griechischen  zugestanden  werden 
muss,  so  gilt  von  dem  Verhältnisse  der  Kinder  zu  den  Aeltern 
eben  so  entschieden  das  Gegentheil  und  es  lässt  sich  nicht 
läugnen,  dass  namentlich  über  die  dem  Vater  zustehende  Ge- 
walt über  seine  Kinder  in  Rom  ein  schwerer  Irrthum  obwal- 
tete, und  dass  dadurcli  die  Freiheit  des  Einzelnen  auf  unrecht- 
mässige Weise  beschränkt  und  das  Kind  in  einer  unnatürli- 
chen Abhängigkeit  V(jn  dem  Vater  erhalten  wurde.  Das 
grobe  Mi-isverständniss  lag  darin,  dass  der  römische  Vater  die 
Gewalt,  welche  die  Natur  den  Aeltern  als  Pfiiclit  auferlegt, 
um  das  Kind  während  der  Zeit  seiner  Unmündigkeit  zu  leiten 
und  zu  scliützen,  als  ein  Recht  über  Freiheit,  Leben  und  Tod 
in  Anspruch  nahm  und  auf  die  ganze  Lebensdauer  ausdehnte. 
Daher  unterscheidet  sich  das  griecliische  Gesetz  in  doppelter 
Hinsicht,  extensiv  und  intensiv,  von  dem  römischen,  einmal, 
indem  es  die  Gewalt  des  Vaters  über  das  Kind  mit  dessen 
Selbständigkeit  aufhören  liess ;  diese  Selbständigkeit  aber 
wurde  erlangt  entweder  durch  ein  bestimmtes  Lebensjahr, 
oder  Verheirathung,  oder  durch  Eintragen  in  die  Bürgerlisten. 
Zweitens  stand  dem  griechischen  Vater  nur  das  Recht  zu,  das 
Verliältuiss  zwischen  Kind  und  Aeltern  aufzuheben  durch  Ver- 
stossung  und  Enterbung,  ohne  irgend  dessen  Freiheit  und 
Leben  antasten  zu  rliirfen. 


58  Z  weiter  Exe  v\rs. 

Die  patria  potestas  der  Römer  hingegen  umfasste  das 
Recht  über  Leben  und  Freiheit  des  Kindes.  Dionys.  II,  26. 
sagt,  nachdem  er  auf  die  Verschiedenheit  der  griechischen 
Gesetze  aufmerksam  gemacht  hat:  6  räv  'Pcofiamv  vofioiysttjg 
dnaoav  wg  eiTiniv  edconsv  e^ovaiav  tzutqi  xaÖ''  viov  xai  nuQa  navta 
rov  rov  ßi'ov  j^qovuv,  idv  rs  e'iQjsiv,  idv  rs  fiaanyovv,  iäv  rs  dtafnov 
fTTi  tojv  x«T  dyour  j'pj'cjj'  y,aztxsiv,  iav  ts  dnoxrivvvvca  TiQoaiQijrui, 
y.dv  rd  nohtiy.d  ngdtTcov  o  ncdg  fjdij  tvyj^dvij,  -Aar  iv  aQxaig  tcdg 
fis'/ioraig  e^tTa^ufievog,  y.dv  8id  rrjV  eig  rd  y.otvd  cfAorifilav  mai- 
rovfievog.  Dieses  angeblich  romulische  und  jedenfalls  uralte 
Gesetz  war  auch  in  seiner  ganzen  Härte  in  die  XII  Tafeln 
übergegangen.  Dionys.  c.  27.  oi  Xaß6i>rtg  na^d  rov  S/'jfxov  r/jv 
e^üvoiur  rfjg  ovvuYcoytjg  rs  rar  iniyQuqji^g  uvräv  (nämlich  rofiMr) 
di'xa  dvÖQsg  d^a  rotg  dXXoig  dvtyoaxpav  vöfioig.  Dann  beseitigt  er 
die  etwaige  Meinung,  als  hätten  die  Decemvirn  dieses  einge- 
führt ,  durch  Angabe  einer  Bestimmung  Numa's :  idv  narijo 
vi'cö  av/x^(>t'ia\i  yvvur/.a  dyuyt'a&at  yatiMvov  iüo^bvijv  is(toip  re  xai 
/Q)if4.dra)v  y.ard  rovg  voinuvg,  ^aiytti  t'ijv  c^ovai'av  tivui  ro)  natQi 
Tztohrv  tvvg  viovg.  S.  Dionys.  VIII,  79.  Coli.  leg.  IV,  8.  Mit 
der  Strenge  der  alten  Zeit  stimmte  dieses  Recht  vollkommen 
überein  (s.  noch  Liv.  I,  26.,  wo  Horatius  sagt,  se  fiUavi  iure 
caesam  iudicare;  ni  da  esset,  patrio  iure  iyi  filiuui  animadversu- 
rum  fuisse.  Gros.  IV,  13.),  doch  wurde  die  Berechtigung  des 
Vaters  vom  Gesetze  auch  späterhin  noch  anerkannt ,  wie  die 
bei  der  Adoption  gebräuchliche  Formel  beweist.  Grat.  p. 
domo  29.  Credo  enirn,  quamquam  in  illa  adoptione  legitiiue 
factum  est  nihil,  tarnen  te  esse  interrogatum:  auctorne  esses,  ut 
in  te  P.  Fonteius  vitae  necisque  potestatem  haberet,  ut  in  filio. 
und  die  vollständige  Formel  bei  Gell.  V,  19.  Velitis  iubeatis, 
uti  L.  Valerius  L.  Titio  tarn  iure  legeque  filius  siet,  quam  si  ex 
CO  patre  matreque  familias  tius  natus  esset,  utique  ei  vitae  necis- 
que in  cum  potestas  siet,  uti  patri  endo  filio  est.  Haec  ita  ut  dixi 
vos  Quirites  rogo.  Das  Unnatürliche  dieses  Gesetzes  wird 
einigermassen  dadurch  gemildert,  dass  das  Recht  über  Leben 
und  Tod  im  Grunde  nur  zu  dem  vom  Staate  dem  paterfami- 
lias  zugestandenen  Zucht-  und  Strafrechte  gehörte  und  dass 


Die  Kinder.  59 

der  Vater  in  der  Kegel  nicht  nach  eigenem  Ermessen  verfuhr, 
sondern  der  Sitte  gemäss  ein  Familiengericht  berufen  musste; 
z.  E.  Val.  Max.  V,  8,  2.  Cassius  fiüian  —  adJnbito  propinquo- 
riau  et  ainlcoruin  consilio  aß'ectati  reyni  crimine  domi  damnavit 
vcrberibusque  affectum  necari  iussit.  Von  dieser  Tödtung  des 
Sp.  Cassius  Viscellinus  durch  seinen  Vater  s.  ferner  Liv.  II, 
41.  Dio.NYS.  VIII,  79.  Plin.  h.  n.  XXXIV,  4.  ErAVcähnt  wird 
dieses  Gericht  noch  Val.  Max.  V,  8,  3.,  wo  es  von  T.  Manlius 
Torquatus  heisst:  ne  consilio  quidevi  necessariorum  indigere  st 
credidit,  als  sein  Sohn  von  den  Macedoniern  wegen  Erpres- 
sung angeklagt  worden  war.  Der  Vater  sass  zu  Gericht  (in- 
dem Senat  und  Ankläger  einverstanden  Avaren)  und  zwar  drei 
Tage  lang,  hörte  die  Zeugen  u.  s.  w.,  bis  er  endlich  den  Sohn 
aus  seinem  Angesicht  verbannte,  worauf  sich  der  Sohn  tödtete ; 
ebenso  Cic.  de  fin.  I,  7.  Einen  andern  Fall  erzählt  Val.  Max. 
V,  9,  1.  L.  Gellius  hielt  über  seinen  Sohn  Gericht,  paene  imi- 
verso  senatu  adhihito  in  consiliinn,  und  nach  sorgfaltiger  Unter- 
suchung ahsolvit  eiun  tum  concilii  tum  eticnn  sententia  sua.  S. 
auch  Qlixct.  decl.  VIII,  4.  und  356.  Mehrmals  werden  Bei- 
spiele der  Verurtheiluugen  der  Söhne  durcli  ilire  Väter  er- 
zählt, ohne  dass  des  Familiengerichts  Erwähnung  geschieht, 
und  zwar  desshalb,  weil  die  amtliche  Stellung  des  Vaters  eine 
solche  Zuziehung  unnöthig  machte,  z.  B.  bei  dem  bekannten 
Gericht  des  Brutus  und  des  T.  Manlius  Imperiosus,  s.  noch 
Liv.  IV,  29.  Auch  konnte  der  Vater  bei  offenbaren  Capital- 
verbrechen  ohne  AVeiteres  selbst  richten,  indem  es  schicklicher 
schien,  dass  der  Vater  den  Sohn  verurtheilte,  als  dass  er  als 
Ankläger  des  Sohnes  vor  Gericht  auftrat.  So  erzählt  Sall. 
Cat.  39.  Fuerc  tarnen  extra  coniurationem  complures,  qui  ad 
Catilinam  initio  profecti  su7it;  in  his  A.  Fulcius  senatoris  ßlius, 
quem  retractum  ex  itinere  parens  necari  iussit,  vgl.  Dio  Cass. 
XXXVII,  3t;.  und  Val.  Max.  V,  8,  5.  Hierher  gehört  aucli 
Val.  Max.  VI,  1,  3.  6.  —  Aus  Augusts  Zeit  l)erichtet  Si:n. 
de  dem.  I,  14.  15.  zwei  Beispieh;  des  väterlichen  Gerichts. 
Im  letzteren  Falle  bestrafte  der  Vater  den  Sohn  wegen  jtarri- 
ciiliuiM    ln'giiadigcn'l  mit  dem  Exib'.     Auch  liier  ging  ein  so- 


Q()  Z  WC  i  t  er  Excurs. 

leimes  Familiengericht  voran,  zu  welchem  der  Kaiser  einge- 
laden wurde.  Hier  waltete  offenbar  die  Milde  des  Vaters  vor, 
der,  indem  er  von  seinem  Eechte  Gebrauch  mach1:e,  den  Sohn 
vor  der  Strafe  schützte,  die  er  vor  öffentlichem  Gericht  würde 
gefunden  haben.  Das  zweite  Beispiel  hingegen  dient  wieder- 
um zum  Belege  der  Härte  und  des  Missbrauchs,  der  von  dem 
Eechte  gemacht  werden  konnte.  Erixonem  equitem  Rom.  me- 
moria nostra^  cjuia  ßUuin  suum  ßagelUs  occidoxit,  populus  in 
foro  graphiis  confodit.  Vix  illum  Augusti  Caesaris  auctoritas 
infestis  tarn  patrum  quam  filiorum  manihus  eripuit.  Im  Grunde 
geht  indessen  daraus  nicht  einmal  absichtliche  Tödtung,  son- 
dern nur  grausame  Bestrafung  hervor.  Als  letztes  nachweis- 
bares Beispiel  führt  man  Tac.  Ann.  XVI,  33.  an:  Moiitaniis 
patri  concessus  est,  praedicto,  ne  in  repiihlica  haheretur.  Das  ist 
aber  irrig,  vielmehr  wurde  der  Sohn  mit  Rücksicht  auf  den 
Vater  begnadigt.  Rhetorische  Erwähnungen  aus  dieser  Zeit  s. 
QrixCT.  decl.  VIH.  XIX.  u.  a.  —  Kam  ein  Missbrauch  der 
patria  potestas  vor,  so  konnte  in  früherer  Zeit  der  Censor 
rügen,  DioxYS.  XX,  3.-,  sogar  von  einer  öffentlichen  Anklage 
spricht  Oros.  V,  16.;  später  wachten  die  Kaiser  darüber,  wie 
es  z.  B.  von  Traianus  und  Hadrianus  erzählt  Avird.  Im  zweiten 
Jahrhundert  der  Kaiserzeit  wurde  dieses  Recht  des  Vaters  ge- 
setzlich aufgehoben.  S.  Eeix,  röm.  Criminalrecht,  S.  439  fg. 
Wenn  die  Beispiele,  wo  der  Vater  von  dem  Rechte  über 
das  Leben  seiner  Kinder  Gebrauch  machte,  zahlreich  sind,  so 
verhält  es  sich  anders  mit  dem  Verkaufsrechte.  Obgleich 
es  unleugbar  bestand  und  von  den  XH  Tafeln  anerkannt 
wurde,  so  findet  sich  doch  kein  Beispiel  und  man  darf  anneh- 
men, dass  es  schon  sehr  früh  abgekommen  ist  und  nur  noch 
als  Form  für  die  emancipatio  in  Gebrauch  war.  Schon  Xuma 
sollte  nach  Dioxvs.  II,  27.  eine  Beschränkung  dieses  Rechts 
gemacht  haben,  s.  oben,  ebenso  Plut.  Xum.  17.  Wie  aus  der 
Mancipationsform  sich  ergiebt,  hatte  der  Vater  das  Recht,  den 
Sohn  dreimal  zu  verkaufen;  nach  dem  dritten  Male  kam  er 
nicht  wieder  in  die  patria  potestas.  So  bestimmten  die  XH 
Tafeln:  si  2}ater  fiUum  ter  vemnn  duit,  filius  a  2^fdre  Über  esto, 


Die  Kinder.  61 

Ulp.  X,  I.  Gai.  I,  132.  —  Ganz  allgemein  von  dem  Gehor- 
sam, welchen  die  Kinder  dem  Vater  schuldig  waren,  spricht 
Plaut.  Stich.  I,  1,  54  ff.  2,  11  ff.  Trin.  II,  2,  20  ff. 

Von  der  patria  potestas  zu  trennen  ist  das  im  Alterthume 
überhaupt  mehrfach  vorkommende  Eecht,  die  neugebornen 
Kinder  zu  tödten  oder  auszusetzen.  In  Rom  bestand  es  nicht 
in  der  vollen  Ausdehnung  wie  anderwärts.  Schon  Romulus 
sollte  verboten  haben,  Söhne  und  erstgeborne  Töchter  zu 
tödten,  DioxYS.  11,  15.  Dagegen  scheint  die  Tödtung  von 
Missgeburten  selbst  geboten  gewesen  zu  sein,  Cic.  de  leg.  III, 
8.  Liv.  XXVII,  37.  Sex.  de  ira  I,  15.  —  Dass  die  Aussetzung 
und  Tödtung  Xeugeborner  nicht  selten  war,  sogar  in  den  be- 
deutendsten Familien,  zeigen  mehrfache  Erwähnungen,  wie 
Dio  Cass.  XLV,  1.,  und  die  lex  gentilicia  der  Fabier,  Dioxys. 
IX,  22.  tu  yevi'cö^ievu  indiayM^  rotcftiv,  s.  Plaut.  Gas.  prol. 
41.  79.  Gist.  1,  3,  17  ff.  31  ff.  Ter.  Heaut.  IV,  1,  37.  Ob  die 
bei  Paul.  Diac.  j).  118.  genannte  columna  lactaria  mit  dieser 
Sitte  zusammenliängt,  ist  nicht  ganz  gewiss.  Vgl.  überhaupt 
Kein,  röm.  Griiuiiialrecht,  S.  441  ff. 

In  der  Gewalt  des  Vaters  blieb  der  Sohn  bis  zu  dessen 
Tode,  wenn  nicht  einer  von  beiden  eine  capitis  deminutio  er- 
litt. Ausserdem  hörte  die  pati-ia  potestas  in  dem  besonderen 
Falle  auf,  dass  der  Sohn  Flamen  Dialis  Avurde.  Tac.  Ann. 
IV,  IG.  Gai.  III,  114.  Andere  AYürden  machten  keinen 
Unterschied,  s.  V^\l.  M.\x.  V,  4,  5.  Für  die  Tochter  trat  der 
Fall  ein,  wenn  sie  eine  Ehe  mit  manus  einging  oder  wenn  sie 
virgo  Vestalis  wurde.  Gell.  I,  12.  eo  utatiin  (empöre  sine 
emancipatione  ac  sine  capitis  minidione  e  patris  potestate  exit. 
Ulp.  X,  5.  fasst  Beides  zusammen:  in  potestate  parentum  esse 
desinunt  et  hi,  qui  Flamines  divales  inaugurantur  et  quae  vinji- 
nes  Veslae  capiuntur.  Gai.  I,  130. 

Wollte  sonst  der  Vater  auf  seine  potestas  über  den  Sohn 
verzichten,  so  konnte  diess  nur  geschehen  entweder  durdi 
Adoption  des  Sohnes  (durcli  welclie  dieser  wieder  in  eine 
andere  potestas  kam),  oder  durch  die  Formalität  der  Eiiiaii- 
cipation.    Sie  bestand  darin,  «lass  der  \'ater  den  Sohn  drei- 


(32  Zweiter  Excurs. 

mal  an  einen  pater  tiiluciarius  verkaufte.  Dieser  manumittirte 
den  Sohn  in  Folge  vorherg-eg'angenen  Vertrags  nach  der  ersten 
lind  zweiten  Mancipation;  nach  der  dritten  aber  mancijiirte  er 
ihn  dem  Vater  zurück,  damit  der  Vater  Patron  des  .Sohnes 
wurde  und  dieser  manumittirte  ihn  in  libeitatem.  Diese  Um- 
ständlichkeit war  Folge  der  Bestimmung  in  den  XII  Tafeln, 
dass  der  Vater  den  Sohn  dreimal  verkaufen  dürfe.  Ulp.  X,  1. 
liheri  parentum  potestate  liberantur  emancipatione,  I.e.  sipostea 
quam  mancipati  fuerinf,  manumissi  smt.  iSed  ßliits  quidem  ter 
wancipotus,  ter  maiutnussiis  sui  iuris  fit.  Id  enim  lex  XII  tah. 
iubet  his  verhis:  si  jiotcr  filium  ter  venum  duit,  filius  a  patre  Über 
esto.  Ceteri  autem  Uberi  praeter  filium  tarn  mascuU  quam  femi- 
nae  vna  ma72cipotione  manumissioncque  sui  iuris  fiiint. 

ERZIEHUNG. 

Ungeachtet  des  strengen  Kechts,  das  dem  römisihen  pater 
familias  über  seine  Familie  zustand,  lässt  sich  doch  nicht  ver- 
kennen, dass  im  römischen  Hause  M'eit  mehr  eigentliches  Fa- 
milienleben Statt  fjind,  und  dass  ein  festeres  und  heiligeres 
Band  die  Glieder  des  Hauses  umschlang,  als  bei  den  Griechen. 
Der  Hausvater  war  zwar  streng,  aber  immer  gerecht  und  die- 
ser Ernst  lässt  sich  wohl  vereinen  mit  der  Liebe  des  Gatten 
und  Vaters.  Das  sittliche  Moment  des  römischen  Familien- 
lebens hervorgehoben  zu  haben  ist  ein  Verdienst  Iherixgs, 
Geist  des  röm.  Eechts,  11,  1,  S.  201  ff.  214  ff.  Eeix,  röm. 
Privatr.  S.  468  ff.  Der  hauptsächlichste  Grund  dieser  Er- 
scheinung lag  in  der  höheren  Würde  der  römischen  Hausfrau, 
und  ihr  Einfluss  äusserte  sich  namentlich  segensreich  in  der 
Erziehung  der  Kinder,  die  von  der  Mutter  nicht  nur  in  den 
ersten  Jahren,  sondern  auch  bei  zunehmender  Reife  wesentlich 
geleitet  wurde.  Das  schöne  Lob,  welches  Tac.  Agr.  4.  der 
Mutter  des  Agricola  in  einer  trostlos  versunkenen  Zeit  giebt 
{Mater  lulia  Proc.illa  fuit  rarae  castitatis.  In  huius  sinu  indul- 
gentia  educatus  per  omnem  honestarum  artiiim  cultum  pueritiam 
odulescentiamque  tra)isegit.),  lässt  sich  unbedenklich  auf  die 
ältesten  und  die  besseren  Zeiten  der  Republik  übertragen.  So 


Erziehung.  ()3 

sagt  auch  der  Auct.  de  caus.  corr.  eloq.  28.  lam  pvimum  siius 
cuique  filiiis  ex  casta  parente  natus  noii  in  cella  emptae  nutricis 
sed  gremio  ac  sinu  matris  ediicahatur,  cuius  praecipua  laus  erat 
tueri  domum  et  inservire  liberis.  Wenn  die  Geschichte  ims 
wenig  Beis2)iele  von  ausgezeichneten  Frauen  iind  ihrer  GeM'alt 
über  die  Kinder,  wie  etwa  das  der  Curnelia  und  Veturia,  vur- 
führt,  so  muss  man  bedenken,  dass  solche  Verhältnisse  über- 
haupt selten  und  nur  in  Bezug  auf  hervorstechende  Persön- 
lichkeiten und  Ereignisse  berührt  werden-,  aber  \o\\  diesen 
wenigen  eben  darf  man  auf  den  allgemeinen  Charakter  der 
häuslichen  Verhältnisse  schliessen. 

Dass  bei  den  llömern  nach  der  Geburt  des  Kindes  hin- 
sichtlich der  Erklärung  des  Vaters,  ob  er  das  Kind  als  das 
seinige  erziehen  wolle,  ein  ähnlicher  Gebrauch  herrschte,  wie 
bei  den  Griechen,  das  bcAveisen  schon  die  Ausdrücke  tollere 
und  suscipere  liberoif  (analog  Tt'y.vii  araintJfiifai),  Plaut.  Aniph. 

I,  3,  3.  iGisfr~iI,^37  8.  Truc.  II,  4,  45.  Most.  I,  2,  4J.  Ter. 
Heaut.  IV,  1,  15.   Andr.  I,  3,  14.  Hec.  IV,  1,  56.  Hör.  Sat. 

II,  5,  45  fg.  Auch  kann,  Avas  August,  de  civ.  dei  IV,  11.  von 
einer  Gottheit  Lcrana  (levat  infantes  de  terra),  gleichsam 
der  Vorsteherin  dieses  Aktes,  anführt,  der  alten  Zeit  wohl 
angehören;  doch  wird  dieser  Xame  weiter  nicht  genannt.  Dar- 
auf bezieht  sich  was  Varro  bei  Xon.  XII,  36.  sagt:  natus  si 
erat  vitalis  ac  sublatus  ah  obstetiyce,  statuebatur  in  terra,  id 
auspicaretur  rectus  esse.  Ausserordentlich  gross  war  die  Zahl 
der  römisclien,  für  sj)ecielle  A'erliältnisse  und  für  dif  einzelnen 
Momente  des  Leljens  angenommenen  iSrhutzgottheiten;  denn 
es  ist  nach  der  Lehre  der  Pontificcs  (üaulK-nsansicht:  slngulis 
actibus  proprios  deos  praeesse.  8krv.  zu  Verg.  Aen.  II,  141. 
und  zu  Georg.  I,  21.  Macrob.  Sat.  I,  17.  laüus  dei  effectus 
varios  pro  variis  censendos  esse  nuininibus.  Augustix.  de  civ. 
dei  VI.  9.  8i>  Maren  für  die  erste  Kindheit  ausser  der  genann- 
ten Levana  noch  folgende  Gottheiten:  Vaciitanus  oder  Va- 
tiianus  [pnies  tpicm  esse  fit  vocis  humanae  iuitia),  Varr.  bei 
Gell.  XVI,  7.  uimI  mclirmals  bei  AuGU.STtx.  de  civ.  dei,  Cn- 
ni7ia  [cunas  administrat),  AuGisr.  1\'.  11.  und  «iftci-.   (  )hi:ll. 


(54  Zweiter  Excurs. 

Inscr.  1851.  Cuninae  felici  sacr.  Claudia  Helpis  d.  d.,  Potina 
Edusa  oder  Edicca  {escam  praebet,  August.  IV,  11.)  und 
Cuba,  Varro  bei  Non.  II,  310.  Edusam  et  Potinam  deas 
praesides  vidt  haben  puerorum  Varro.  Quum  prhno  cibo  i',t 
potione  ifiit/arent  piieros,  sacrißcabantur  ab  eduUbus  Edusae, 
a  potione  Potinae.  Donat.  zu  Ter.  Pliorm.  I,  1,  15.  Legitur 
apud  Varronem  initiari  pueros  Edidiae  et  Poticae  et  Ciibae,  di- 
vis  edendi  et  jwiandi  et  cubandi^  iibi  primum  a  lade  et  a  cimis 
transierutit  u.  s.  w.  Trefflich  handelt  hiervon  Ambrosch,  über 
die  Keligiousbücher  der  liönier,  Bonn  1843.   S.  3  ff. 

Am  neunten  Tage  nach  der  Geburt  {nundinae)  fand  für 
die  Knaben,  am  achten  für  die  Mädchen  die  lustratio,  d.  h.  die 
Reinigung  im  Bade  Statt,  und  zugleich  die  6vofia&e<jta.  Der 
Tag  hiess  daher  dies  lustricus,  dies  nominum,  nominalia.  Auch 
für  diese  Feierlichkeit  gab  es  eine  besondere  Gottheit,  Nun- 
dina:  Macrob.  Sat.  I,  16.  Est  etiani  Nundina  Romanorum 
dea,  a  nono  die  nascentium  nuncupata,  qid  lustricus  dicitur ;  est 
autein  dies  lustricus,  quo  infantes  lustruntur  et  nomen  accipiunt. 
Plut.  qu.  Rom.  102.  Paul.  Diac.  v.  lustrici  dies,  p.  120. 
Arxob.  adv.  g.  III,  4.  vgl.  Suet.  Cal.  25.  Uebrigens  hat 
MoMMSEX,  Museum  für  Philol.,  Bonn  1860,  XV,  S.  189  f. 
darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die  eigentliche  rechtliche 
Namensfeststellung  erst  bei  Anlegung  der  toga  virilis  erfolgt 
sei,  dass  also  bis  dahin  der  Name  geändert  werden  konnte. 
AuCT.  de  nom.  3.  pueris  non  prius  quam  togam  virilem  sume- 
rent  —  praenomina  inponi  moris  fuisse  Q.  Scaevola  auctor  est. 
Bis  zur  Namengebung  hiess  jedes  Kind  pupus,  Orelli  Henzen 
2718  f.  6222  a.  —  Der  dies  lustricus  (Suev.  Ner.  6.  Tertull. 
idol.  16.)  wurde  als  Familienfest  gefeiert  und  dem  Kinde  wur- 
den dabei  von  den  Aeltern,  Verwandten  und  selbst  Sklaven 
allerlei  Kleinigkeiten  geschenkt,  was  sich  in  den  folgenden 
Jahren  an  den  Geburtstagen  wiederholte.  Die  Stellen,  in 
welchen  dieser  Gebrauch  erAvähnt  wird,  sind  allerdings  zu- 
nächst auf  griechische  Sitte  zu  beziehen,  wie  Ter.  Phorm.  I, 
1,  5  ff.,  allein  eine  Vergleichung  der  varronischen  Stelle  über 
das  initiare  lehrt,  dass  auch  auf  Rom  dabei  Rücksicht  genom- 


Erzieh  u  ii  g.  •  65 

men  ist.  Dazu  kommt,  d-ass  sich  Statuen  von  römischen  Kna- 
ben erhalten  haben,  welche  genau  dieselben  Gegenstände  am 
Halse  tragen,  die  von  den  Komikern  als  übliche  Geschenke 
genannt  werden,  s.  Mus.  Pio-Clem.  III,  t.  22.  Visc.  p.  30. 
und  ebendas.  t.  A.  12.  Visc.  p.  72.  So  sagt  Plaut.  Epid.  V, 
1,33  fg. 

Noii  meminiiti,  me  ad  te  afferre  natali  die 
Lunulam  atque  anellum  aureolum  in  digitianf 
Mehr  noch  nennt  Plaut.  Rud.  IV,  4.  112  flF.  wo  Palästra  fol- 
gende crepundia  als  in  dem  Koffer  oder  der  Kiste  befindlich 
angiebt : 

Pa.  Ensicuhist  aureolus  primum  literatus.  Dae.  Dicedum, 
In  eo  ensicido  Uterarum  quid  sit?  Pa.  Mei  nomen  patris. 
Post  altrinsecus  aticipes  seciiriculast,  item  aiirea 

Literata:  ibi  nomen  matris  in  seciiriculast. 

Pa.  Post  silicula  argentcola  et  duae  conexae  manicuJae 
Et  suculast.  Gr.  duin  dierecta  i  tu  cum  sucula  et  cum  porculit--. 
Pa.  Et  bulla  aureast,  pater  quam  dedit  mihi  natali  die. 
Diese  Spielsachen,  sämmtlich  von  Metall,  wurden  wie  bei  den 
Griechen  (als  üvayvoiQi'ofiaTu,  Cic.  Brut.  91.)  am  Halse  ge- 
tragen (Plaut.  Mil.  V,  G.)  imd  hiessen  vom  Klappern,  a  cre- 
pando,  crepundia.  Vgl.  auch  Böttiger,  Amalth.  I.  S.  27.  Die 
Knabenweilie  auf  einem  alten  Eelief  s.  im  Musee  Napol. 
III,  12. 

Dass  l'lautus  die  bulla  aurea  erwähnt,  deutet  am  bestimm- 
testen auf  die  römische  Sitte  hin ;  denn  diese,  von  den  Etrus- 
kern  nach  Rom  übergetragen,  war  eine  Auszeichnung  der 
Ki)ider  von  vornehmer  Herkunft,  den  Griechen  aber  fremd. 
Diese  bulla  war  eine  runde  (auch  herzförmige  oder  viereckig 
ausgebogte)  aber  platt  gedrückte  goldene  Kapsel,  aus  2  durch 
Charnire  verbundenen  Schalen  bestehend  (I«idor.  XIX,  31.), 
die  jedenfalls  geöffnet  werden  konnte,  und  von  den  Kindern 
an  einem  Bande  um  den  Hals  getragen  wurde,  so  dass  sie 
gerade  auf  der  Brust  hing.  Prop.  IV,  1,  131.  P.s.-A.sc.  zu 
Cic.  Verr.  I,  58.  Paul.  DiAf .  h.  v.  p.  3()  M.  —  Plut.  (|u.  K. 
101.  und  Macr.  Sat.  I,  G.  machen  verschiedene  Versuche,  den 
Beckek,  Gallus.  3.  Aufl.  II.  5 


(3(3  Z  w  e  i  t  e r  E  X  c  u  1- s. 

Gebrauch  zu  erklären,  die  sämmtlieh  nur  als  Versuche  anzu- 
sehen sind,  eine  ihrer  Bedeutung  nach  längst  untergegangene 
und  nicht  mehr  verständliche  Sitte  zu  erklären.  Zuvörderst 
ist  es  unzweifelhaft,  dass  die  bulla  aurea  mit  der  toga  prae- 
texta,  welche  zugleich  von  den  Kindern  getragen  wurde,  von 
den  Etruskern  herüber  gekommen  war.  Daher  nennt  luv. 
V,  164.  die  bulla  aurum  Etruscum.  Vgl.  Passeri,  de  puero 
Etrusco,  Rom.  1771.  Mueller,  Etrusker  I.  S.  374.  Sodann 
darf  man  mit  Gewissheit  annehmen,  dass  die  bulla  ein  jMittel 
gegen  Fascination  einschloss  und  desshalb  eigentlich  den  Kin- 
dern umgehängt  wurde.  (Auch  andere  Dinge  dienten  diesem 
Zweck,  z.  B.  ein  Phallus,  Varro  1.  1.  VII,  97.  piteralis  tiirpi- 
cula  res  in  collo  quaedam  suspenditur,  ne  quid  obsit  cett.,  eine 
lunula,  s.  Jahn  über  den  bösen  Blick,  in  d.  Berichten  üb.  d. 
Verhandl.  der  K.  Sachs.  Gesellsch.  d.  Wiss.  zu  Leipzig  1855.) 
Darum  trug  der  Triumphator  während  der  Feierlichkeit  auch 
die  bulla,  s.  Plut.  liom.  25.  und  Macrob.  a.  a.  0.,  der  zu- 
gleich den  Tarquinius  Priscus  als  den  nennt,  durch  welchen 
der  Gebrauch  für  die  Kinder  aufgekommen  sei;  vgl.  Plin. 
h.  n.  XXVIII,  4,  7.  Ursprünglich  war  die  bulla  mit  der  prae- 
texta  wohl  nur  den  Kindern  patrizischer  Abkunft  gestattet, 
(Liv.  XXVI,  06.  wird  sie  vun  den  Söhnen  der  Senatoren  er- 
wähnt), ging  aber  allmälig  auf  alle  ingenui  über.  —  Im  zwei- 
ten punischen  Kriege  wurde  auch  den  aus  einer  gültigen  Ehe 
stammenden  Kiiulern  der  libertiui  die  praetexta  und  statt  der 
bulla  ein  lorum  um  den  Hals  zugestanden,  s.  Macrob.  a.  a.  0. 
Daher  bei  luv.  a.  a.  0. 

—  quis  e.yiiin  tarn  nudus,  ut  ilhnn 
Bis  ferat,  Etruscum  j^uero  si  contigit  aurum^ 
Vd  nodus  tantum  et  signum  de  paupzre  loro? 
Noch  in  Cicero's  Zeit  finden  wir  beides,  bulla  und  prae- 
texta als  Zeichen  der  (Jivität  und  Ingenuität,  ohne  Rücksicht 
auf  die  patricische  Geburt  (z.  B.  Cic.  Verr.  II,  3.3.  trägt  der 
Sohn  eines  reichen  Siciliers,  welcher  aber  die  Civität  hatte, 
die  praetexta).    Cic.  Verr.  I,  44.   Eripies  igitur  pujnllae  togam 
praetextam?  detrahes  nniamenta   non  solum  fortunae  sed  etiam 


Erziehung.  (37 

ingenuitatisf  58.  neque  tarn  cominovebat,  quod  ille  cum  toga 
praetexta,  quam  quod  sine  bulla  venerat.  Vestitus  enim  neminem 
commovebat  is^  quem  Uli  mos  et  ins  i)igenuitatis  dabaf.  Quod 
ornavientum  pueritiae  pater  dederat,  indicium  atque  insigne  for- 
tunae,  hoc  ab  isto  praedone  ereptum  esse,  graviter  et  acerbe  lio- 
mines  ferebant.  Der  Mündel,  welcher  durch  die  Ungerechtig- 
keit des  Verres  um  sein  Yermög-eii  gekommen  war,  erschien 
ohne  die  bulla,  um  sich  als  arm  zu  zeigen  und  Mitleid  zu  er- 
regen. Ein , Unterschied  zwischen  der  Berechtigung  zur  bulla 
und  zur  praetexta  ist  nicht  zuzugeben,  s.  Hofmanx,  Receusion 
des  Galius  S.  783.  und  die  Controverse  bei  Suet.  de  dar. 
rhet.  1.  Häufig  sind  die  Statuen  junger  Römer  mit  der  bulla, 
z.  E.  Algusteum,  t.  119.  Mus.  Borb.  VII,  43.  49.  Visconti, 
icon.  Rom.  t.  19.  Gerhard,  Berlins  antike  Bildwerke  T,  N. 
212.  215.  Auch  hat  man  in  den  in  neuerer  Zeit  ausgegrabe- 
nen etruskischen  Gräbern,  sowie  in  Herkulanum  und  in  den 
Rheinlauden  solche  goldne  und  bronzene  bullae  von  verschie- 
dener Grösse  nebst  anderem  Schmucke  gefunden  und  sie  befin- 
den sich  im  Mcs.  Gregorianum,  der  Sammlung  Feoli  u.  a. 
EicoROXi,  la  bolla  d'oro,  Rom.  1732.  Wixckelmaxns  Werke 
n,  S.  89.  Böttiger,  de  origin.  tirocinii  apud  Rom.,  in  opusc. 
p.  208.  Spox,  Miscell.  erud.  aut.  p.  299.  Mus.  Borb.  II,  14. 
Annalen  d.  Vereins  für  Nassau.  Alterthumskunde  III,  3,  S. 
185  ff. 

Xach  der  Feier  des  dies  lustiicus  erfitlgte  die;  Anmeldung 
der  Kinder  (professio),  um  in  die  öffentlichen  Verzeichnisse, 
Avclchc  mit  der  römischen  Tageschronik  oder  acta  publica  ver- 
bunden waren  (s.  I,  S.  215  ^(^.)  eingetragen  zu  werden.  Dieses 
gescliah  gesetzlich  und  regelmässig  seit  M.  Anton.  Philoso- 
phus,  wie  Caimi'ol.  c.  9.  berichtet:  Into-  liaec  liberales  causas 
ita  munivit,  ut  primus  iuberet  apud  praefectos  aerarii  Saturni 
ununiqueinque  civium  natos  liberos  profiteri  intra  tricesimum 
dii'm,  nomine  im/josito.  Per  provincias  tobidariorum  publicorinn 
usum  instituit,  apud  quos  idem  de  originibus ßeret,  quod  Roniae 
apud  praefectos  aerarii.  Der  Zweck  dieser  ordentlichen  Ge- 
burtsregister bestand  darin,  dass  bei  Streitigkeiten  über  Alter 

5* 


63  Zweiter  Ex  curs. 

und  Status  einer  Person  sichere  Beweismittel  vorhanden 
wären,  wesshalb  diese  Einrichtung  auf  das  ganze  Reich  aus- 
gedehnt wurde.  Beispiele  dieses  Gebrauchs  finden  sich  Cap. 
Gord.  4.  Lampr.  A.  Diadum.  6.  Sex.  de  ben.  II,  10.  (m  acta 
mittere).  Appul.  apol.  p.  92  ed.  Bip.  Dig.  XXVII,  1,2.  §  1. 
in(u8o)'Qaqta),  XXII,  3,  29.  §  1.  {in  actis  proßteri),  XXII,  3, 
16.  {matris  professio).  Mehrmals  im  Cod.  VII,  16.  Dass  die 
Einrichtung  des  Antoninus  nur  die  Erneuerung  einer  alten 
von  Serv.  Tullius  angeordneten  Sitte  gewesen  se«,  ist  unrich- 
tig. DioxYS.  IV,  15.  sagt  nach  L.  Piso,  Servius  habe  verord- 
net, dass  bei  der  Geburt  eines  jeden  Kindes  ein  gewisses  Geld- 
stück an  das  aerarium  des  Tempels  der  Inno  Lucina,  ebenso 
wie  bei  jedem  Todesfall  an  das  aerarium  der  Venus  Libitina 
und  bei  Anlegung  der  männlichen  Toga  an  das  aerarium  der 
Juventus  abgegeben  werden  solle  und  fügt  als  Zweck  hinzu: 
ii  MV  i';fie).).t  diayraasa&ai  x«i'>'  txaarüv  iviavrbv  oooi  ze  ol  GVfi- 
navretg  Tjaur  y.ai  rivag  (i  uvtmv  rijV  GTQazsmifiov  tjXmav  slyov. 
Allein  dass  mit  diesen  Spenden  an  die  Tempel  die  Führung- 
von  Verzeichnissen  verbunden  gewesen  sei,  erwähnt  Dionys. 
nicht.  Ueberhaupt  sind  beide  Institute  A'^öllig  verschieden- 
Servius  Tüll,  ordnete  Tempel. spenden  für  die  Geborenen,  Ge- 
storbenen u.  s.  w.  nur  mit  einem  politischen  XebenzAveck 
an,  um  die  Zahl  der  Geborenen,  Gestoi-benen  und  Kriegs- 
dienstpflichtigen zu  wissen  und  danach  die  Zahl  der  ganzen 
Bürgerschaft  berechnen  zu  können;  M.  Anton.  Phil,  führte 
sjjeciell  Geburtsregister  ein,  um  die  Prozesse  über  den  statu.s 
{causae  liberales)  sicher  zu  entscheiden  und  zugleich  um  den- 
selben möglichst  vorzubeugen.  Serv.  Tullius  hatte  bei  seiner 
Einrichtung  nur  einen  politischen  Nebenzweck,  welcher  nach 
Einführung  des  Census  aufhörte,  er  wollte  also  nur  eine  Vor- 
bereitung zum  Census  oder  einen  einstAveiligen  Ersatz  des- 
selben erreichen,  (denn  die  Censuslisten  enthielten  Alles  was 
er  wünstlite  viel  sichererj;  M.  Anton.  Phil,  beabsichtigte  etAvas 
Dauerndes,  was  durch  keine  andere  Einrichtung  verdrängt 
werden  konnte.  Darum  finden  wir  von  des  Letzteren  Anord- 
nung so  viele  Beispiele,   dagegen  von  der  des  Serv.  Tullius 


Erzieliung.  g9 

nur  eine  einzige  Erwähnung,  nämlich  Suet.  Xer.  39.,  was 
nicht  auffallen  darf,  denn  der  politische  Charakter  seines  In- 
stituts hatte  ein  schnelles  Ende  erreicht.  Mit  Kecht  kann  mau 
aber  sagen,  dass  die  Anordnung  des  Antoninus  eine  Erweite- 
rung und  Ausdehnung  des  seit  Cäsar  üblichen  Gebrauchs  war, 
hauptsächliche  Familienereignisse,  wie  Geburten,  Verheira- 
thungen  (luv.  Sat.  II,  136.),  Ehescheidungen  (Sex.  de  ben. 
III,  16.)  u.  s.  w.,  in  der  römischen  Tageschronik  (oder  acta 
diurna,  publica,  urbana,  populi)  bekannt  zu  machen.  Dieses 
hing  von  der  Willkür  eines  Jeden  ab,  wurde  aber  immer  all- 
gemeiner, theils  weil  durch  diese  öffentlich  gemachten  und 
autorisirten  Annoncen  Streitigkeiten  über  den  Status  {caitsae 
liberales)  beseitigt  wurden,  theils  weil  nur  nach  solchen  öffent- 
lichen Mittheilungen  die  von  der  lex  lulia  und  Papia  Poppaea 
bestimmten  Belohnungen  verliehen  wurden.  Von  solchen  An- 
noncen spricht  luv.  IX,  84  ff. 

Toll/s  enhn  et  lihrii  actonim  spargere  gaudes 

Aryumenta  viri.  — 

Iura  parentis  Jiabes,  propter  nie  scriberis  heres  cett. 
In  spargere  liegt  offenbar  das  Verbreiten  durch  Abschreiben 
der  acta  publica  oder  Zeitung.  Unzweideutig  bezeugt  diese 
Sitte  Pktrox.  Sat.  53.,  wo  die  komische  Xachahmung  der  acta 
urbis  mit  den  Gcburtsaugaben  beginut.  Ferner  sind  darauf 
zu  beziehen  (nicht  mit  Diuksex  auf  die  acta  senatus,  noch 
weniger  auf  die  problematischen  servianischen  Geburtsregister) 
SuET.  Tib.  b.  Cal.  8.  25.  36.;  denn  Geburtsfälle  aus  dem 
kaiserlichen  Hause  gehörten  vor  allen  in  die  Chronik.  Die 
Identität  der  früheren  und  späteren  professiones  zeigt  die 
Stelle  bei  Cap.  Gord.  4.  (aus  der  Zeit  nach  Antonin.):  cum 
apud  praefecluvi  aerarii  more  Romano  ijrofessus  fillum  puhlicis 
actis  eins  nomen  insereret.  Professus  bezeichnet  die  Meldung, 
welcher  Jeder  unterworfen  war,  publ.  acta  die  Aufnahme  in 
die  Chronik.  Man  darf  jedoch  nicht  glauben,  dass  alle  Ge- 
burtsanzeigen, die  bei  dem  praefectus  aerarii  anzubringen 
waren,  in  die  Zeitung  kamen.  Nur  die  Geburten  aus  den  vor- 
nchuH'u  Kreisen  und  aus  den  allgemein  bekannten   lannlii'n 


70  Zweiter  Exe urs. 

wurden  namentlich  aufgefülirt,  die  aus  den  g-eringen  Familieu 
wurden  summarisch  angegeben,  wie  Petron.  53.  bezeugt,  aber 
im  Archiv  (aerarium)  blieben  sämmtliche  Namensverzeichnisse 
aufbewahrt,  sogar  die  Originalanzeigen  des  Vaters,  Serv.  zu 
Verg.  Georg.  II,  502.  S(  hol.  zu  Juv.  IX,  84  ff.  —  Endlich 
ist  ziT  bemerken,  dass  der  Hausvater  selbst  über  die  Geburt 
seines  Kindes  ein  Zeugniss,  instrumentum^  ausstellen  konnte, 
Avelches  wie  jedes  andere  testimonium  von  Zeugen  obsignirt 
wurde,  Appul.  apol.  p.  92  ed.  Bip.  vgl.  Tertull.  adv.  Marc. 
V,  1.  Cod.  V,  4,  9.  —  S.  vorzüglich  Brisson.  sei.  autiqu.  I, 
5.  mit  Trekells  Anm.  Dirksex  d.  scriptores  hist.  August. 
S.  183  —  193.  V.  Rappard,  de  instrum.  natal.  Lugd.  B.  1816. 
c.  1.  3.  Tromp,  de  jii'obat.  famil.  apud  Rom.  Lugd.  B.  1837. 
p.  6  fg.   14  fgg.  und  Pauey,  Realencykl.  I,  unter  Acta. 

Die  römische  Mutter  stillte  in  alter  Zeit  das  Kind  selbst, 
nicht  wie  bei  den  Griechen,  s.  Charikles  II,  S.XG  f.  Später 
wurden  die  Ammen  sehr  gewöhnlich,  wenigstens  in  den  höhe- 
ren Ständen,  und  die  nutrix  wurde  selbst  auch  mater  (Milch- 
mutter) genannt.  Plaut.  Men.  prol.  19. 

Ita  forma  sim'di  j)ueri^  uti  mater  sua 
Non  internosse  passet  quae  mammam  dabat^ 
Neque  adeo  mater  ipsa  quae  illns  pepererat. 
S.  QuixcT.  inst.  I,  1.  Gell.  XII,  1.  Auct.  dial.  de  orat.  28. 
29.  Plut.  Cat.  mai.  20.  hebt  es  besonders  hervor,  dass  Cato 
von  seiner  Mutter  selbst  gestillt  und  gewartet  worden  sei.  S. 
zu  dieser  Stelle  Böttiger,  opusc.  p.  114.  Ueber  die  Fürsorge 
der  ganz  den  Kindern  lebenden  Mutter  überhaupt  s.  Cic.  Brut. 
27.  58.  de  or.  III,  12.  Auct.  dial.  de  orat.  28  f. 

Von  der  frühesten  Erziehung  wird  uns  sonst  wenig  weiter 
berichtet.  Sie  war  ganz  eine  häusliche,  d.  h.  den  Aeltern  über- 
lassen, welche  die  Kinder  selbst  erzogen  und  nicht  den  Skla- 
ven anvertrauten.  Auch  war  man  sehr  vorsichtig  in  der  Wahl 
der  Sklaven  und  Pflegerinnen,  die  zur  Wartung  und  Bedie- 
nung nöthig  waren,  damit  nicht  üble  Reden  und  schlechte 
Sprache  einen  nachtheiligen  Einfluss  hätten.  Von  dieser  gros- 
sen Fürsorge  der  Aeltern  S2)richt  Plaut.  Mil.  glor.  III,  1 ,  109  fg. 


Erzieliung.  71 

At  lila  laus  est,  magno  in  genere  et  in  divitiis  maxumis 
Liberos  hominem  educare,  generi  monumoitian  et  sibi. 
Most.  I,  2,  39  fgg.  Bacch.  III,  3,  90.  Daher  die  Redensart  in 
gremio  matris  educari,  Cic.  Brut.  58.  Auct.  dial.  de  orat.  28. 
Die  Pflegerinnen,  die  sich  mit  den  Kindern  bescliäftigten, 
hiessen  wie  die  Ammen  nutrices  und  kommen  oft  auf  Basre- 
liefs, Malereien  und  Inschriften  vor,  Orelli  Hexzen,  2738. 
2817.  4347.  6199.  6241.  62G0.  6291.  6484.  Sie  reichten  den 
Kleineu  die  Nahrung,  sprachen  und  spielten  mit  ihnen,  beglei- 
teten sie  bei  dem  Ausgehen  u.  s.  w.,  wesshalb  Plaut,  mil. 
glor.  III,  1,  102.  dieselben  geraria  nennt,  Quixct.  I,  1,  3. 
11,  16.  Cic.  de  or.  II,  39.  de  div.  I,  36.  Sen.  ep.  99.  puerum 
mdrici  —  quam  patri  notiorem.  AuCT.  dial.  de  oi-.  28.  eligeba- 
tur  autem  maior  aliqua  natu  propinqua,  cuius  probatis  —  mo- 
ribus  omnis  —  familiae  suboles  committeretur  cett.  Die  heran- 
gewachsenen Töchter  wurden  noch  von  der  nutrix  begleitet 
und  behielten  sie  oft  nach  der  Verheirathting  bei  sich,  s.  unten 
Liv.  m,  44.  SuET.  Dom.  17.  Tibull.  I,  3,  83  f.  Catull. 
LXIV,  377.  Juv.  VI,  354.  Appul.  Met.  VIII,  p.  206  Elm. 
Die  Knaben  dagegen  bekamen  meistens  frühzeitig  aus  den 
Sklaven  aineii  jjedisequus  (ad  Her.  IV,  52.)  als  Begleiter,  wel- 
cher auch  custos  (HoK.  Sat.  I,  61.  81,  Sex.  ep.  11.),  monitor 
(Sex.  ep,  94  ),  sogar  dominus  (Petrox.  86.),  am  gewöhnlichsten 
aber  comes  (Suet.  Claud.  35.)  und  rector  genannt  wurde.  Nach- 
dem die  griechische  Sprachen  in  das  römische  Leben  einge- 
drungen war,  gab  man  den  Kindern  oft  einen  griechischen 
Pacdagogen,  welche  Benennung  auch  auf  die  römischen 
Sklaven  überging,  die  man  mit  diesem  Geschäft  betraute. 
Namentlich  geschah  dieses  in  den  vornehmen  Familien,  wo 
die  griechische  Sprache  ebenso  Modesache  wurde,  wie  bei  uns 
die  französische,  urul  wo  man  —  in  der  Kaiserzeit  —  auch 
griechische  Bonnen  annahm.  Auct.  dial.  de  or,  29,  at  nunc 
natus  infans  delcgatur  Graecidae  alicui  anclllae,  cui  adiungitur 
servus  plerumque  vilissimus  nee  cuiquam  serio  ministerio  acco- 
modatus.  Ael.  Arist.  art.  rhet.  II,  ji.  95.  Jebb.  Lut  iax.  vit. 
auct.   15.    Die  Pädagogen  werden  oft  unwissend,  aiimasseiid 


72  Zweiter  Exe  Urs. 

und  mürrisch  geschildert,  Quinct.  I,  1,8.  De  paedagogis  hoc 
amplius,  ut  aut  sint  erud'di  plane  —  aid  se  non  esse  eruditos 
sciant.  Nihil  enim  peius  est  iis,  qui ,  paulum  aliquid  ultra  pri- 
mas  literas  progressiv  falsam  sibi  scieiitiae  persuasionem  indue- 
runt.  —  et  velut  iure  qicodam  potestatis,  qua  fere  hoc  hominiim 
genus  intumescit,  imperiosi  atque  interim  saevientes,  stidtitiam 
suam  perdoeent.  I,  1,  11.  I,  2,  10.  Suet.  Ner.  37.  Appul. 
Met.  X,  p.  240  Elm.  Ihre  Thätigkeit  {custodia  gen.  Quixct. 
I,  2,  25.)  war  mannichfach  je  nach  ihrer  Qualifikation  und  be- 
schränkte sich  nicht  auf  den  Unterricht  (Quinct.  I,  2,  10.), 
sondern  sie  gingen  mit  dem  Knaben  aus,  auch  in  die  Schule 
(App.  b.  c.  IV,  30)  und  wohnten  den  Lectionen  bei,  wie  man 
aus  Suet.  ill.  gramm.  23.  sieht:  Remmius  Palaemon  —  mulieris 
verna  primo  ut  ferunt  textrinum  deinde  herilem  filium  dum  comi- 
tatur  in  scholas  literas  didicit.  Die  komische  Scene,  avo  der 
paedagogus  dem  Knaben  vor  Gericht  folgt  s.  Quinct.  VI, 
1.  41.  Andere  Erwähnungen  der  paedagogi  aus  der  Kaiser- 
zeit s.  Suet.  Oct.  67.  44  (dass  sie  einen  besonderen  Platz  im 
Theater  nebst  ihren  Zöglingen  erhielten).  Claud.  2.  Ner.  6. 
nutritus  est  sub  duobus  paedagogis,  saltatore  atque  tonsore. 
Dio  Cass.  XL  vi,  5.  XL  VIII,  33.  Sen.  ep.  II,  25.  27.  50.  60. 
89.  94.  Orelli  HexzexX  2879  f.  2937.  4850.  6293.  —  Die 
bei  Plaut,  und  Ter  vorkommenden  Pädagogen,  z.  E.  Lydus, 
Pädagog  des  Pistoclerus  in  Plaut.  Bacch.  I,  2.  III,  1.  sind 
griechischen  Mustern  entnommen. 

Der  Staat  nahm  keine  Xotiz  von  der  Erziehung,  wie  das 
mit  dem  BegriflP  der  ^^^tria  potestas  sich  auch  nicht  vertragen 
haben  würde,  Plut.  Lyc.  et  Xum.  comp.  4.;  jedoch  konnte 
später  der  Censor  auch  hier  tadelnd  eingreifen,  indem  der 
Staat  durch  allzugrosse  Nachsicht  und  Verweichlichung  in 
der  Erziehung  Schaden  leiden  konnte,  s.  Becker,  röm.  Alter- 
thiimer  II,  2,  p.  215.,  Plut.  Cat.  mai.  16.  17.  Dionys.  XX,  3. 
vgl.  Plut.  coniug.  praec.  13.  Am  wenigsten  aber  dachte  der 
Staat  daran,  selbst  für  die  Unterrichtsanstalten  zu  sorgen.  Cic. 
de  rep.  IV,  3.  Principio  dlscipUnam  puerilem  ingenuis,  de  qua 
Graeci  multum  frustra  lahorarunt  et  in  qua  una  Polyhius  noster 


Erziehung.  73 

hospes  HGstrorum  institutormn  negligentiom  accusat,  nullam  cer- 
tam  aut  destinatam  legibus  mit  publice  expositam,  auf  unam 
omniwn  esse  voluerujit.  ludessen  bestanden  schon  in  früher 
Zeit  Schulen,  natürlich  als  Privatunternelimen.  Die  älteste 
Erwähnung  der  Geschichte  nach  findet  sich  bei  Gelegenheit 
der  von  App.  Claudius  an  Virginia  verübten  Gewaltthat.  Liv. 
III,  44.  Virgini  vemientl  In  forum  {ibi  namque  in  tabernis  lite- 
rarum  ludi  erant)  minister  decemviri  libidinis  manum  iniecit. 
(Der  Ausdruck  in  tabermis  kann  auch  bloss  topographische 
Bestimmung  sein,  nämlich  tab.  veteres  et  novae ;  aber  bei  Suet. 
de  ill.  Gr.  18.  heisst  es  wirklich  von  L.  Crassitius:  dcinde  in 
pergula  docuit  und  Vop.  Saturn.  10.  Romae  frequentaverat 
pergulas  magistrales.)  Dionys.  XI,  28.  raizr^r  rijv  y.6QrjV  Iniya- 
fior  avaav  ijöri  dfuoufieiv^,'  "Anmog  K).avdiog  urnyircoo'AOvoar  er 
yQafii^ariarov  —  ij  dt  tu  8idaay.a).tta  Toiv  naiÖcov  rare  TtBQt  Tt/v 
dyoQuv.  —  Wenn  die  Nachricht  etwas  befremdend  lautet,  so 
liefert  doch  ein  nicht  viel  späteres  Beispiel  gemeinschaftlichen 
Unterrichts  ausser  Rom  der  Verrath  des  Lehrers  zu  Falerii. 
Liv.  V,  27.  Mos  erat  Faliscis,  eodem  magistro  liberorwn  et 
comite  uti,  simulque  plures  pueri ,  quod  hodie  quoque  in  Graecia 
manet,  unius  curae  demcmdabantur.  jjrincipum  liberos,  siciit  fere 
fit,  qui  scientia  videbatur  praecellere,  erudiebat.  Plut.  Cam.  10. 
S.  dasselbe  von  Tusculum  bei  Liv.  VI,  25.  Plut.  Cam.  38., 
denn  die  Erwähnung  Aon  Gabii  bei  Plut.  Rom.  6.  gehört  der 
Mythe  an.  Der  älteste  Schriftsteller,  der  davon  s^iricht,  ist 
Plaut.  Merc.  II,  2,  32.  Hodie  ire  in  ludum  occoepi  Uterarium. 
Dagegen  scheint  in  einer  zweiten  Stelle  Unterricht  im  Hause 
verstanden  werden  zu  müssen.  Bacch.  III,  3,  27  ff. 
Inde  de  hipjwdromo  et  palaestra  ubi  revenisses  domiim, 
Cincticido  praeci)tctus  in  sella  aput  maglstrum  assideres : 
Ibi  librum  quom  legeres^  si  unam  j)cccavisses  syllabam, 
Fieret  corium  tarn  masculosum,  quamst  nutricis  jjallium. 
Ucbrigens  ist  hier  griechische  und  römische  Sitte  vermischt, 
denn  wie  passt  die  Palästra  nach  Rom  und  wie  der  zweite 
Vers  nacli  Griechenland? 

Dass  späterliiii   diucli   alle  Zeiten  Elementarschulen 


74  Z  w  eiter  Excurs. 

für  das  Bedürfniss  der  weniger  Bemittelten  bestanden,  versteht 
sich  von  selbst  und  es  fehlt  auch  nicht  an  Erwähnungen.  Ein 
ansprechendes  Bild  der  Knaben,  wie  sie  mit  Tasche  und  Tafel 
in  die  Schule  Avandern ,  giebt  Horaz  ,  der  von  seinem  Vater 
nach  Kom  gebracht  Avorden  war,  weil  die  Schule  zu  Venusia 
zu  mangelhaft  schien,  Sat.  1,  6,  72  ff. 

Noluit  in  Flavi  ludum  me  mitterefinagni 
Quo  pueri,  magnis  e  centurionlbus  orti, 
Laevo  suspensi  loculos  tabulamque  lacerto 
Tbant  ocionis  referentes  Idibus  aera. 
S.  dazu  Heindorfs   und  Wüstemanns   Anm.    —    Auf  solche 
Winkelschulen    bezieht    sich    auch    die    Befürchtung    Epist. 
I,  20,  17. 

Hoc  qiioque  te  manet,  ut  pueros  elementa  docentem 
Occupet  extremis  in  vicis  balba  senectus. 
Wie  Horaz  war  auch  Ovid  mit  seinem  Bruder  von  Sulmo  nach 
Rom  gebracht  worden.  Oeftere  Erwähnungen  hat  Martial, 
wovon  weiter  unten  gesprochen  Avird.  Dagegen  ist  es  auch 
wieder  unbezAveifelt,  dass  in  späterer  Zeit  die  vornehmeren 
und  bemittelteren  Klassen  ihren  Kindern  den  ersten  Unter- 
richt durch  eigne  Lehrer  im  Hause  ertheileu  liessen.  Wenn 
QuiNCT.  inst.  or.  I,  2.  die  Frage  erörtert:  läiliusne  sit  domi 
atque  intra  pricatos  parietes  studodcm  contaiere  an  frequentme 
scJiolarum  et  veliit  puhlicis  praeceptoribus  tradere.^  und  sich  für 
das  Letztere  entscheidet,  so  hat  er  doch  dabei  keinesAvegs  den 
Elementarunterricht  im  Sinne.  ZAvar  nennt  er  nicht  iuveues 
sondern  pueros,  aber  seine  A^on  den  höheren  grammatischen 
und  rhetorischen  Studien  entlehnten  Argumente  bcAveisen, 
dass  er  zwar  praetextatos,  aber  nicht  kleine  Kinder  meint. 
Aber  lange  vor  dieser  Zeit  liessen  sorgsame  Väter  ihren  Söh- 
nen nicht  nur  den  ersten  Unterricht,  sondern  auch  die  höhere 
Bildung  durch  besondere  Lehrer  im  Hause  geben.  Plix.  h.  n. 
XXXV,  11,  40.  Itaque  cum  L.  Paulus  devicto  Perseo  petisset 
ab  Atheniensibiis,  ut  sibi  quam  probatissinaan  pJälosophorum  mit- 
terent  ad  erudiendos  liberos  etc.  Paulus  hatte  aber  auch  schon 
vor  dem  macedonisehen  Feldzug  mehre  griechische  Lehrer  für 


Erziehung.  75 

seine  Söhne,  wie  Plut.  Aem.  Paul.  6.  ausführlich  erzählt: 
yQafifiariy,o(  xai  aoqiarui  xat  nrjroQS^',  dV.d  y,at  tt/möiui  y.ni  C(^yQd.- 
cfoi  y.ai  TTwhov  y.ai  oav}.dy.cov  imardtai  xcu  8i8doy.(i).ot  üt'joa^  "El- 
Ir^ng  tjoav.  Plix.  epist.  III,  3.  sagt  vom  Sohne  der  Corellia 
Hispiilla:  Adhuc  lllum  pueritiae  ratio  intra  contuhernium  tuum 
teniiif.  praeceptores  domi  habuit.  —  iam  studia  eins  extra  Urnen 
proferenda  sunt;  iam  circumspiciendus  rhetor  Latinus  etc.  — 
So  wird  auch  Cic.  p.  Lig.  7.  Haec  ego  novi  propter  onuies  ne- 
cessitudities ,  qiiae  mihi  sunt  cum  L.  Tuberone,  domi  una  eruditi, 
militiae  contubernales  etc.  und  ad  Att.  VIII,  4.  nur  von  dem 
späteren  Unterrichte  zu  verstehen  sein,  und  ebenso  Ovid. 
Trist.  IV,  10,  15. 

Protinus  excolimur  teneri,  curaque  parentis 
Imiis  ad  insic/nes  Urbis  ab  arte  vires. 
Der  ältere  Cato  unterrichtete  seinen  Sohn  selbst,  obgleich  er 
den  geschickten  griechischen  Grammatiker  Chilon  hatte,  der 
selbst  anderen  Knaben  Lehrer  war.  Plut.  Cat.  mai.  20.  'Enti 
ö'  '/^Qiato  (jvvitrai,  Tratiuhcßtof  avtOi;  fdiÖuGy.f:  yndufxara.  Kaltoi 
■/(ioieira  öovXor  i:i)[s  yoaftfic.riGTi^r.,  oj'o//«  Xihont. ,  noDMis  d(8d- 
(jy.aiTU  7T(dÖus'-  Dasselbe  that  der  Vater  des  T.  Pomponius  At- 
ticus,  CoRN.  Nep.  Att.  1.  und  aus  der  Krjnigszeit  berichtet 
ähnliches  Cic.  de  rep.  II,  19.  21. 

Der  Unterricht  in  der  griechischen  Sprache  und  Literatur 
wurde  gegen  das  Ende  der  Kepulilik  sehr  gewöhnlich,  als  die 
Kömer  nach  der  Eroberung  Griechenlands  und  Asiens  mit 
Griechenland  in  engere  Verbindung  getreten  waren  und  die 
Wissenschaft  und  Kunst  nälier  kennen  gelernt  hatten.  Durch 
die  Annahme  griechischer  paedagogi  und  griechischer  Lehrer 
(s.  oben),  soAvie  durch  die  neuen  Khetorenschulen  (Suet.  de 
111.  grannn.  3.  erwähnt  gleichzeitig  mehr  als  20  celebres  scholae 
in  Kom)  wurzelte  die  neue  Disciplin  immer  fester  und  so  ist 
es  nicht  zu  verwundern,  wenn  in  manchen  Häusern  —  ganz 
nach  moderner  AVeise  die  griecliische  Sprache  von  den  Kin- 
dern eher  erlernt  wurde,  als  die  Muttersprache.  Quixct.  I,  1, 
12.  A  graeco  sermone  puerum  incipere  mala,  quia  latinus,  qui 
p/uriiiiis  in  ii.sn  est,  vel  nobis  nolenlibus  se  praebet.  simid  quia 


7ß  Zweit  er  Ex  eins. 

discipllnis  quoqiie  graecis  j>rius  instituendus  est,  unde  et  nostrae 
fliixerimt.  Die  Verbreitung  der  griechischen  Sprache  und  Bil- 
dung bezeugen  zahh-eiche  Stellen,  wie  oratio  p.  Arch.  3.  Erat 
Italia  tum  plena  Graecaruin  artium  ac  discipJhiarum  stud'iaque 
Itaec  et  in  Latio  vehementius  tum  colebantur  etc.  Tiisc.  II,  11. 
nos,  docti  sc'dicet  a  Graecia,  liaec  (die  Griechen)  et  a  puer'itia 
legimus.  et  discimus.  Plut.  Brut.  2.  40.  Griechische  Eeden 
waren  im  Senat  häufig  (Val.  Max.  II,  2,  3.)  und  sogar  Ovid. 
ars  amat.  II,  121  f.  empfiehlt  das  Lernen  des  Griechischen. 
Kec  levis,  ingenuas  pectus  coluisse  per  artes, 
Cura  sit,  et  Unguas  edidicisse  duas. 
In  der  früheren  Ausgabe  des  Gallus  war  zwar  angenommen, 
dass  man  sich  die  Kenntniss  der  griechischen  Siirache  nicht 
zu  ausgebreitet  denken  dürfe,  allein  die  dafür  vorgebrachten 
Gründe  beweisen  es  nicht.  Dass  Cic.  Verr.  V,  57.  es  für 
nöthig  hielt  adixaiwOt^aar  lateinisch  zu  übersetzen,  AA'ar  natür- 
lich, da  8r/.aiOvG{)ai  dem  gewöhnlichen  Sprachgebrauch  nach 
etwas  anderes  bedeutete.  Der  Gebrauch  der  Dolmetscher  in 
den  Provinzen  beweist  nicht  die  Unkenntniss  der  Römer  mit 
dem  Griechischen,  indem  dieselben  vielmehr  dazu  dienten, 
den  Eingebornen  das  Lateinische  in  das  Griechische  zu  über- 
setzen. Endlich  ist  unbegründet,  dass  Cicero  in  seinen  Brie- 
fen griechische  Worte  gebraucht  habe ,  damit  dieselben,  Avenn 
sie  in  fremde  Hände  geriethen  und  erln-ochen  wurden,  nicht 
von  Jedermann  verstanden  werden  sollten ,  denn  was  Cicero 
in  den  Briefen  griechisch  schreibt,  sind  Citate,  Kunstaus- 
drücke u.  s.  w.  die  er  meistens  nur  der  Kürze  halber  braucht, 
s.  Hermann,  Kec.  des  Gallus  S.  713  f  und  Wü.stemann,  Kec. 
des  Gallus  S.  132  ff". 

Was  nun  die  Schulen  anlangt,  so  waren  sie  (von  den 
Schulen  der  Grammatiker  und  Ehetoren  in  der  Kaiserzeit  ab- 
gesehen j ,  wie  bereits  bemerkt  ist,  nur  Privatunternehmen, 
jedenfalls  ohne  dass  es  selbst  nur  einer  Autorisation  oder  Con- 
cession  vom  Staate  bedurft  hätte.  Es  ist  eine  öfter  ausgespro- 
chene höchst  seltsame  Behauptung,  dass  Sp.  Carvilius,  der 
Freigelassene   des   durch   die   Ehescheidung   bekannten,   der 


Erziehung.  77 

erste  gewesen  sei,  der  in  Eom  für  Geld  unterrichtet  habe.  Sie 
stützt  sich  auf  die  Nachricht  bei  Plut.  quaest.  Eom.  59.  öi^g 
ö'  iiQ^avTO  fVG&ov  8idday.£iv  y.(a  ^r^jwros"  ärt'c^^f.  '/Qu^ijtaTcdiSaoxa- 
Xhov  ^TTOQiog  Kaoßihog  etc.  Wenn  Plutarch  aber  nicht  über- 
haupt irrt,  so  ist  das  jedenfalls  von  einer  höheren  grammati- 
schen Schule  zu  verstehen ,  wie  sie  eben  in  dieser  Zeit  erst 
aufkamen.  Elementarschulen  gab  es  schon  längst  und  wer 
wollte  glauben ,  dass  darin  die  Lehrer  umsonst  unterrichtet 
hätten. 

Zunächst  kommen  die  ursprünglich  alleinigen  Elemen- 
tarschulen der  litdi  magistri  oder  der  später  s.  g.  literatores 
oder  grammadstae  (Suet.  de  ill.  gramm.  4.)  in  Betracht,  wo 
die  Kinder  zuerst  die  Buchstaben  und  so  lesen  und  schreiben 
lernten.  Sex.  ep.  88.  prima  illa,  ut  cmtiqui  vocabmit  literatura, 
per  quam  pueris  elementa  traduntur,  non  docet  liberales  artes, 
sed  mox  praecipiendis  lociim  parat.  Das  geschah,  wie  es  scheint, 
wenigstens  vom  siebenten  Lebensjahre  an,  bei  welcher  Be- 
stimmung natürlich  auf  die  älteste  Zeit  keine  Rücksicht  ge- 
nommen ist.  QuixcT.  I,  1,  15.  Quidam  literis  i7ii<tituendos  qui 
minores  Septem  annis  essent  non  putaverimt.  Ihm  ist  dieses  je- 
doch zu  spät.  Die  Stufenfolge  der  alten  Erziehung  ist  in  den 
AVorten  Varro's  bei  Xon.  V,  a.  E.  v.  educere  enthalten :  ediicit 
enim  obstetrix,  educat  ?mtrix ,  instiluit  paedagogus,  docet  ma- 
xister. Dieser  erste  Unterricht  wurde,  wie  gleichfalls  Plato 
empfiehlt,  wenn  auch  schwerlich  im  Allgemeinen,  gewisser- 
massen  spielend  betrieben.  Darauf  deutet  Hör.  Sat.  I,  1 ,  25. 
liiii: 

—  ut  pueris  olim  dant  critstula  blandi 
Doctores^  elementa  re/int  ut  discere  prima. 
und  mehr  noch  Quinct.  I,  1,  26.  Xon  excludo  autem,  id  quod 
est  noturn,  irritandae  ad  discendum  infantiae  gratia  cburiieas 
etiam  Uterarum  fornias  in  lusum  offerre,  vel  si  quid  aliud,  quo 
magis  illa  aetas  gaudeat,  inveniri  potest ,  quod  tractare,  intueri, 
nominare  iucundum  sit.  Ucbrigens  scheint  man  sicli,  na(  h 
Qui.NCT.  a.  a.  O.,  bei  dem  Leseunterricht  der  Syllabirniethode 
bedient  zu  haben,  während  bei  den  (^riechen  die  Buchstaben- 


78  Z  w  e  i  t  e  r  E  X  c  u  r  s. 

methode  vorherrscliend  gewesen  zu  sein  scheint.     Charikles, 
II,  S.  33  fg. 

Beim  Schreiben  gebrauchte  man  Wachstafehi,  aufwei- 
chen die  vorgezeichneten  Züge  nacligeahmt  wurden  (Quinct. 
X,  2,  2.  Sic  Uterarwn  ductus,  ut  scribendi  fiat  usus^  jmej-i  se- 
quimtur.  daher  puerile  praescriptuin  bei  Sen.  ep.  94.,  pi'oefor- 
matae  literae  b.  Quinct.  V,  14,  31.),  wobei  der  Lelirer  oft  die 
Hand  selbst  führte.  Vor.  Tac.  6.:  qinbus  ad  suhscrihendum 
magistri  literani  manus  teneant.  Ein  eigenthümliches  Erleich- 
terungsmittel für  den  Anfang  empfiehlt  Quinct.  I,  1,  27.  Cum 
vero  iam  ductus  sequi  coeperit,  non  inutile  erit,  eos  tabellae  quam 
optime  insculpi,  ut  per  illos  velut  sulcos  ducatur  Stylus.  Nain 
neque  errabit,  quemadmodum  in  ceris^  continebitur  enim  utrinque 
marginibus ,  neque  extra  praescriptum  poterit  egredi  et  celerius 
ac  saepius  sequendo  certa  vestigia  finnabit  articidos^  neque  ege- 
bit  adiutorio  manum  suam  manu  superimposita  regentis. 

Das  Ilechnen  wurde,  wie  bei  den  Griechen,  überhaupt 
im  Leben  auf  doppelte  Weise  betrieben,  entweder  mit  den 
Fingern,  indem  man  mit  denselben  verschiedene  Zeichen,  die 
Zifferbedeutung  hatten,  bildete;  daher  sagt  Cic.  ad  Att.  V,  21. 
hoc  quid  intersit,  si  tuos  digitos  novi ^  certe  habes  subductum. 
OviD.  ex  P.  II,  3,  18. 

At  reditus  ia)n  quisque  suos  amat  et  sibi  quid  sit 
Utile,  sollicitis  supputat  articulis. 
Plut.  apophth.  reg.  Oront.  p.  691  Wytt.  naOansQ  oi  tojr  doiO^- 
^ii^rixMV  day.rvXoi  vvv  p.ir  pvQidSag  rvr  Ö't  f/ovadag  ri&^vca  bvvavtui. 
PoLYB.  V,  26.  S.  WowER.  de  polymath.  7.  p.  58  flP.  Beda  Ve- 
NERABiLis,  opera.  Colon.  Agripp.  1612,  I,  p.  130 — 143  (das 
Capitel  indigitatio  überschrieben  behandelt  das  Kechnen  mit 
der  Fingersprache,  nach  alten  verlorenen  Quellen,  s.  Wüste - 
MANN,  Recens.  des  Gallus  S.  135.  Rüdiger,  Jahresbericht  der 
deutschen  morgenländ.  Gesellschaft.  1845,  S.  118  ff.  Bern- 
HARDY,  röm.  Literatur  S.  47.);  oder  man  bediente  sich  der 
Rechentafel  und  Steine,  abacus  und  calculi.  Auf  diesen  Tafeln 
waren  unstreitig  Linien  gezogen  und  der  Stein  erhielt  durch 
die  Stelle,  wo  man  ihn  hinsetzte,  seine  Bedeutung,  s.  Charikles 


Erzieliung.  79 

II,  S.  35.  So  sagt  auch  Alciphr.  epist.  26.  oi  Tzto]  7«^-  'l'ijqov:^ 
y.ai  rch'  day.Tv).a)r  tu..-  y.diiU'tu-.  Einen  Athenischen  abacus,  der 
abei"  auch  zum  Goldzählen  für  "Wechsler  u.  s.  w.  anwendbar 
war,  schildert  Gerhard,  arcliäolog.  Zeit.  X.  F.  1847,  N.  3. 
Auf  das  Rechnen  wurde  besonderer  Werth  gelegt;  daher  klagt 
HoR.  ad  Pis.  323  ff'. 

Romani  pueri  loiiyis  ratiombus  assem 
Disciüit  i)i  partes  ce/ituin  d/ducere.  dicat 
Filius  Albini:  si  de  quincuiice  remota  est 
Unica,  quid  siqjeraif    Poteras  dixisse  triens :   Eid 
Rem  poteris  servare  tuam.   Redit  unica,  quid  fit? 
Semis. 
Ob  auch  in   der  anuiuthigen   »Schilderung    der   venusinischen 
Elementarschüler  bei  Hör.  Sat.  I,  6,  72  ff".  Noluit  etc.   eine 
Andeutung  des  Rechnenunterrichts  liegt,  ist  nicht  ausgemacht. 
Früher  glaubte  man  dieses  ans  dem  Verse  Laevo  etc.  schliessen 
zu  dürfen,  indem  Schol.  Cruq.  tabula  als  Reclmentafel  {aba- 
cus) erklärte,  welcher  Erklärung  die  Meisten  folgten,  und  in- 
dem man  locidi  als  Kapsel    mit  den  Rechensteinen  annahm. 
Auch  schien  für  diese  Ansicht  zu  sprechen,  dass  Hör.  ep.  I,  1, 
56.  diesen  Vers  wiederholt,  wo  er  von   Geldgeschäften   und 
Wucher  spricht.     In    neuerer  Zeit  hat  aber  K.  F.  Hermann 
(disputatio  de  loco  Hör.  Serm.  I,  6,  74  -  76.  Marburg  1838.) 
richtig  erkannt,  dass  tabula  »Schreibtafel  überhaupt  und  loculi 
ein  Kästchen  oder  Tasche  für  Schulutensilien  bezeichne  (etwa 
wie  unser  „Pennal   und   Schiefertafel,"   wie  Jahn   angiebt). 
Eben   so   wenig   ist   aus   dem    N'crse   der   Episteln   etwas  zu 
schliessen,  wie   namentlich  Jahn  gezeigt  hat.    Dass  sich  aus 
dem   letzten   und   schwierigsten  Vers    Ibant   octonis   etc.   mit 
nicht  grösserer  Sicherheit  auf  Rechnenunterricht   schliessen 
lässt,  wird  unten  erwähnt  werden.    Uebrigens  war  es,  wie  der 
Vers  des  Höh.  zeigt,   in  Rom  nicht  gewöhnlich,  dass  die  Kin- 
der wohlhabender  Aeltern   ihren   Apparat  selbst  zur  Schule 
trugen,    .sondern  man   hatte  dazu  besondere  Skla\en,  capsaj-ii 
(s.  g.  von  der  capsa ,  Wdfür  Horaz  loculi  braucht),  worin  Bü- 
cher und  Srhrcil)niat('rial  sicli  befanden,  hv.  X,   117. 


gQ  Zweiter  Ex curs. 

Quem  sequitur  custos  angustae  vernula  capsae. 
SuET.  Xer.  36.   Constat  qiiosdam  cum  paedagogis  et  capsariis 
uno  prandio  necatos.  Claucl.  35. 

Dass  die  Schüler  auch  passende  Stücke  memorirten,  kann 
nicht  bezweifelt  werden,  s.  Quinct.  I,  1,  35  ff.  nnd  die  Notizen 
unten  bei  dem  Unterricht  der  Grammatiker.  Vorzüglich  wurde 
auf  gute  Aussprache  gesehen,  Cic.  de  orat.  III,  13.  praecepta 
latine  loquendi,  quae  puerilis  doctrina  alit. 

Solche  Schulen  wurden  gewöhnlich  wohl  von  einem 
Lehrer  geleitet-,  zuAveilen  aber  nahm  dieser  noch  einen  Ge- 
hülfen, hypodidascalus  hinzu  {vTTOÖiÖuaz/ig  in  colloq.  vet.  graec. 
et  latin.  in  Labbaei  glossar.  Londini  1816 — 26,  p.  426.).  Cic. 
ad  Fam.  IX,  18.  Seilet  tibi  erit  in  ludo  tunquam  hypodidascalo 
proxima.  eam  pidvinus  sequetur.  Es  kann  indessen  auch  ein 
Schüler  selbst  damit  gemeint  sein,  der  als  reiferer  den  Lehrer 
unterstützte.  So  erklärt  sich  die  se.lla  proxima  am  besten. 
Später  gab  es  besondere  Lehrer  für  Schreiben  und  Kechnen, 
Marx.  X,  62. 

Nee  ccdculator  nee  notarius  velox 
Maiore  qidsquam  circulo  coronetur. 
Auch  in  dem  Edict.  Dioclet.  VII,  66  f.  wird  der  magister 
lit.  von  dem  ccdculcdor  unterschieden.    Orelli  Henzen  7220. 
doctor  artis  ccdculaturae. 

Die  Humanität  dieser  Elementarlehrer  oder  ludi  magistri 
wird  nicht  besonders  gerühmt.  Indem  Pjlut.  Cat.  mai.  20.  von 
dem  häuslichen  Lnterricht  durch  Sklaven  spricht,  erwähnt  er 
das  Schelten  und  das  Zupfen  am  Ohr  für  den  säumigen  Schü- 
ler: y.uyMg  uy.ovtif  rj  rov  corog  avarHvea&ai  (lav&ävovra  ßgädior. 
Schläge  Avaren  ein  sehr  gewöhnliches  Zuchtmittel  und  die 
Lehrer  werden  oft  als  clamosi  und  plagosi  geschildert.  Mar- 
TiAL,  der  in  der  Xähe  einer  solchen  Schule  wohnte,  (bei  der 
pila  Tihurtina  in  der  siebenten  Kegion,  an  der  heutigen  Piazza 
Barberina)  sagt  IX,  68. 

duid  tibi  nohiscum  est,  ludi  scelercde  magiste?', 
Ltvisvm  pue.ris  virginihusque  Caput? 


Erzieh  u  n  g.  31 

Nonduni  cristati  rupere  silentia  gcdli, 

Murmure  iam  saevo  verberibusque  tonas. 
XII,  57.  negant  vitam  ludi  magistri  mane,  nocte  pistores.  \\  ?^4. 
Iran  tristis  nucibus  puer  relictis 
Clamoso  revocatiir  a  magistro. 
Besonders  berüclitigt  ist  in  dieser  Beziehung-  der  Xame  des 
Orbilius  Pupillus,  den  Horaz,  dessen  Lehrer  er  war,  plago- 
sum  nennt,  epist.  II,  1,  70.   Suet.  de  ill.  gr.  9.  Fuit  autem  ?ia- 
turae  acerbae  non  modo  in   antisophistas ,  quos  omni  sermone 
laceravity  sed  etiam  in  discipulos ,  ut  Horatius  signißcat,  pkigo- 
sum  einn  appellans,  et  Domitiiis  Marsus  scribens: 

Si  quos  Orbilius  ferula  scuticaque  cecidit. 
QüiNCT.  I,  3.  Caedi  vero  discentes  qnamquam  et  receptinn  sit  et 
Chrysippus  non  improbet,  miiiime  velim.  Die  ferula  Av^ar  das 
gewöhiiliclie  Züchtigungsinstrument ,  der  Stengel  der  ferula 
communis,  rcigOr^i-  Isidor.  XVII,  9.  a  ferietido  ferulani  dicunt, 
hac  enim  pueri  vapulare  solent.  Mart.  X,  62.  ferulaeque  tristes, 
sceptra  paedagogoriim.  luv.  I,  15.  manum  ferulae  subduximus. 
Ausox.  Idyll.  IV,  24.  Le  pitt.  d'Ercol.  Tom.  m,  tav.  41,  1. 
giebt  das  schmerzensreiche  Abbild  einer  Strafscene.  Der 
Knabe  entkleidet  bis  auf  einen  Gürtel  erleidet  die  Schläge  in 
der  Schwebe,  indem  sein  Oberkörper  auf  dem  Kücken  eines 
Anderen  ruht,  wälirend  die  Füsse  von  einem  Dritten  festge- 
halten werden.  Die  anwesenden  Schüler  halten  ziemlicli 
gi'osse  Schreibtafeln  in  den  Händen. 

Nachdem  der  Knabe  die  ersten  Elemente  erlernt  hatte, 
ging  er  in  die  später  gegründeten  Schulen  der  Gramma- 
tiker oder  Literati  und  der  noch  hölier  stehenden  Rhetoren 
über.  Ai'PUL.  Flor.  20.  Prima  cratera  literatoris  ruditatem  exi- 
mit,  secundd  grammatici  doctrina  instruit,  tertia  rhetoris  elo- 
qiientia  armat.  Also  ist  nachdem  sich  der  Sprachgebrauch  be- 
festigt hatte  literator  s.  v.  a.  grammatista  oder  Elementar- 
lehrer, darüber  steht  in  zweitem  Grade  der  gramrnaticiis  oder 
literatus  und  zuletzt  kommt  der  rhetor.  Dieses  sagt  auch 
SuETOX.   de  dar.  gramm.   4.     Der   Unterricht   war   hier   im 

Ganzen  wohl  weniger  ein  theoretischer  als   juaktischer.      Zur 
Bbckkk,  (iailu.i.   i.  Aiitl.  II.  (> 


32  Z  weiter  Ex  cur  s. 

Bildung  des  Verstandes,  Geniüths  und  Geschmackes  wurden 
namentlich  Dichter  zur  Erklärung  gewählt  (Cic.  Tusc.  111,  2. 
HoR.  epist.  II,  1,  126. 

Os  tenerum  pueri  balbumcjue  poefa  Jigured 
Tnrquet  ab  obscoenis  iam  nunc  sermonihus  aurem.), 
wie  des  Livius  Andronicus  Odyssee  und  Homer,  mit  dem  man 
den  Anfang  machte.  Hör.  epist.  II,  1,  69  f.  (s.  unten)  und  II, 
2,  42. 

Romae  nutriri  mihi  contigit  atque  doceri, 
Iratus  Graiis  quantum  nocuisset  Achilles. 
Plin.  ep.  n,  14.  sie  {?i  foro  pueros  a  centumviralibus  causis 
auspicari,  ut  ab  Homero  i)i  scholis.  Als  aher  die  römische  Lite- 
ratur Musterschriftsteller  aufzuweisen  hatte,  wurden  diese  vor- 
zugsweise zu  Grunde  gelegt,  z.  B.  Virgil,  Suet.  de  ill.  gramm. 
1.  16.  QuixcT.  I,  8,  5.  Martial.  I,  35. 

Versus  scribere  me  paruni  severus, 
Nee  quos  praelegat  in  schola  magister. 
vgl.  HoR.  ep.  I,  20,  17.  Auch  Prosaiker  wurden  dazu  genom- 
men, wie  Cicero,  was  aus  den  Commentaren  des  Asconius 
selbst  herAorgeht.  Für  den  ersten  Anfang  waren  auch  die 
äsopischen  Fabeln  sehr  gebräuchlich,  welche  QuixfT.  I,  8.  zu 
Verstandesübungen  emjjfiehlt.  —  Zur  Einübung  der  Ortho- 
graphie und  grammatischen  Regeln  wurde  dem  Knaben  viel 
dictirt.   HoR.  ep.  H,  1,  69  fg. 

No7i  equidem  insector  delendave  carmina  Livi 
Esse  reor^  memini  quae  plagosum  mihi  parvo 
Orbilium  dictare. 
Pers.  I,  29.  Manche  Dictate  wurden  auswendig  gelernt  (Cic. 
ad  Qu.  fr.  ni,  1,4.  meam  {orationem)  in  illum  pueri  omnes  tam- 
qiiam  dictata  perdlscant.  Hör.  ep.  I,  18,  13  fg.),  und  von  dem 
Schüler  stehend  deklamirt,  Juv.  VII,  152. 

Nam  quaecunqite  sedens  rnodo  legerat^  Jiaec  eadem  stans 

Perferet  atque  eadem  cantahit  versibus  idem. 

S.  Jahn,  in  Abhandl.  der  Königl.  Baier.  Akad.  München  1856, 

Vm,  S.  270.     Wie  etwa  bei  uns  die  zehn  Gebote  auswendig 

gelernt  werden ,  so  musste  in  alter  Zeit  der  römische  Knabe 


Erziehung.  83 

die  leges  XII  tah.  lernen  (Cic.  de  leg.  II,  23.  Discehamus  enim 
pueri  XII,  ut  Carmen  necessarium  ^  quas  iam  nemo  discit),  auch 
carmina  antiqua  in  quibus  erant  laudes  maiorum ,  die  die  Kna- 
ben in  conviviis  sangen ,  Varro  bei  Xon.  II,  70.  Das  Memo- 
riren  wurde  übrigens  später  übertrieben,  was  QuixCT.  11,  7, 
1  ff.  bescbränken  möchte.  In  jener  Zeit  schreibt  Sex.  ep.  33. 
ideo  jmeris  et  sentenfias  edisceudas  damus,  et  Iias  quas  Graeci 
XQ^idb  vocant.  Uebrigens  ist  der  Unterschied  zwischen  den 
verschiedenen  Arten  der  Schulen  nicht  regelmässig  beobachtet 
worden,  denn  sowie  der  Grammatikus  in  das  Gebiet  des  Ehe- 
tor  übergriff  (durch  Uebungen  im  Schreiben  und  Sprechen, 
declamare,  disputare),  ebenso  zog  der  Elementarlehi-er  allerlei 
an  sich,  was  in  den  Bereich  des  Grammatikers  gehörte.  Dess- 
halb  ist  aus  der  Erwähnung  der  Unterrichtsgegenstände  nicht 
allenthalben  zu  bestimmen,  welche  Art  von  Schule  gemeint 
sei.  SuET.  de  dar.  gramm.  4.  veteres  grammatici  et  rhetoricam 
docebant  —  secwidum  quam  consuetudinem  posteriores  quoque 
existinw  —  vel  retinuisse  vel  instituisse  et  ipsos  quaedam  genera 
inslitutionum  ad  eloquentiam  praeparandam^  ut  problemata,  j)a- 
raphrases ,  allocutiones  etc.  Auch  Quinct.  II,  1,  1  ff.  spricht 
klar  von  diesen  Uebergriffen,  und  dass  schon  der  Knabe  bei 
dem  Grammatiker  die  Rhetorik  lerne.  Ob  dieses  bereits  zu 
Oiceros  Zeit  der  Fall  war,  wissen  wir  nicht  und  wir  können 
nicht  angeben,  ob  Cic.  de  orat.  11,  30  f.  wo  er  von  den  causa- 
runi  de/ensio)ies ,  quas  solent  magistri  pueris  tradere.  spricht, 
Rhetorenschulen  im  Sinne  hat.  Dieser  controversiae  scholasti- 
cae  gedenkt  Qui.nct.  IV,  2,  92.  97.  VII,  1,  41.  u.  s.  w\  und 
AucT.  dial.  de  orat.  35.  empfiehlt  die  controversiae  den  reife- 
ren (robustioribus),  aber  die  suasoriae  den  jüngeren  {pueris). 
S.  Berxhardy,  röm.  Literatur  S.  76  ff.  Boxnett  ,  de  mutata 
sub  j)rimis  Caes.  eloq.  Rom.  conditione  inprimis  de  rhet.  scholis. 
iJcri)].  1H.'>().  AViTTiCH,  de  grammatistarum  et  gramniaticorum 
a|iud  J{om.  scholis.  Eisenach  1844.  Festprogramm.  —  Merk- 
würdig ist,  dass  die  Unterrichtsweise  der  lateinischen  Rhc- 
toren,  als  sie  zu  lehren  anfingen,  die  öffentliche  Missbilligung 
oder  wenigstens  Tadel  von  Seiten  der  Staatsgewalten  erfuhr. 

6'- 


84  Zweiter  Ex  cur  s. 

Jiii  J;ilir  Gr>2  sjn-achen  die  Censoren  Cn.  Dnmitius  Aenobarbiis 
und  L.  Licinius  Crassus  nach  Süet.  de  cl.  rhet.  1.  ihre  Miss- 
liilligung  fulgendermassen  aus:   Remmtiatum  est  nnbis,  esse  ho- 
iiiines,  qui  novum  genus  disciplinae  instituarunt,  ad  quos  hiventus 
hl  ludos  conveniat.   eos  sibi  nomen  mposuisse  latinos  rhetoras. 
ihi  homines  adolescentulos  totos  dies   desidere.     Maiores   nostri 
quae  liberos  suos  discere  et  quos  in  ludos  itare  vellent^  institue- 
mnt.   Haec  nova,  quae  praeter  consuetudinem  ac  morem  innio- 
rumfiunt,  neque  placent  neque  recte  videntur.   Quapropter  et  iis 
qiii  eos  ludos  habent  et  iis  qui  eo  venire  consueverunt ,  videtur 
faciendum  id  ostendamus  nostram  sententiam :   nobis  non  pla- 
cere.  Uebrigens  darf  man  durchaus  nicht  aus  diesen  Worten 
schliessen,  dass  von  Seiten   des  Staats  eine  Unterrichtsweise 
vorgeschi-ieben  gewesen  sei.  Die  Worte  maiores  nostri  institu- 
eru7Ü  beziehen  sich  nur  auf  das  Herkömmliche.   —   Dasselbe 
Edikt  findet  sich  bei  Gell.  XV,  11.,  und  dass  die  Missbilligung 
vorzüglich  durch  die  sophistische  Art  des  Unterrichts  hervor- 
gei'ufen  wurde,  ergiebt  sich  aus  Auct.  dial.  de  caus.  cor.  eloq. 
35.  At  nunc  adolescentuli  nostri  deducuntur  in  scenas  scholasti- 
corum,  qui  rhetores  vocantur,  quos  paulo  ante  Ciceronis  tempora 
exstitisse  (Cicero  war  648  geboren  und  das  Edikt  erfolgte  ri62; 
also  stimmt  die  Zeit  sowohl  mit  dieser  als  mit  Suetoxs  An- 
gabe, de  cl.  rhet.  2.,  vortrefflich  überein)  nee  placuisse  maiori- 
bus  nostris,  ex  eo  manifestum  est,   quod  L.  Crasso  et  Domitio 
ce?iss.  cludere  ut  ait    Cicero  ludum  impudentiae  ivssi  sunt.    S. 
ganz  besonders  Cic.  de  or.  IH,  24.  —   Dass  die  heranwach- 
senden Knaben  die  Schulen  der  Ehetoren  besuchten ,  geschali 
übrigens  nicht  erst  nachdem  sie  die  toga  virilis  angelegt  hatten. 
OviD  sagt  Trist.  IV,  10,  15. 

Protenus  excolimur  teneri,  curaque  parentis 
Imus  ad  insignes  Urbis  ab  arte  viros. 

Frater  ad  eloquitim  viridi  tendebat  ab  aero. 
und  dann  erst,  27. 

Interea  tacito  passu  lahentibus  annis 

Liberior  fratri  sumta  mihique  toga  est. 
Auch  Cicero  besuchte  eine  Rhetorenschule  als  Knabe,  Suet. 


Erziehung.  g5 

dar.  rhet.  2.  De  hoc  (über  L.  Plotius  Gallus)  Cicero  ad  M.  Ti- 
tinnium  sie  refert:  equidem  memoria  teneo^  pueris  nobis  primum 
latine  docere  coepisse  L.  Plotiinn  quendamj  ad  quem  quam 
fieret  concursus ^  quod  studiosissimus  quif-qiie  apud  eian  exerce- 
retur,  dolebom,  mihi  idera  non  Heere.  Continehar  autem  doctissi- 
morum  hominum  auctoritate  ^  qiii  existimahant  graecis  exerci- 
tationibus  ali  melius  ingenia  passe. 

Eiitllicli  mögen  uocli  einige  Einrichtungen  erwähnt  wer- 
den, welche  sowohl  die  Elementar-  als  die  höheren  Schulen 
betrafen.  Der  Unterricht  begann  am  frühesten  Morgen,  s.  oben 
Mart.   Mehr  noch  sagt  Juv.  VII,  222. 

Dummodo  no7i  pereat,  mediae  quod  noctis  ab  hora 

Sedisti,  qua  nemo  f aber ^  qua  nemo  sederet 

Qui  docet  obliquo  lanam  deducere  ferro. 

Dummodo  non  pereat  totidem  olfecisse  lacernas 

Quot  stabant  pueri,  cum  totus  decolor  esset 

Flaccus  et  haereret  nigro  fuligo  Maroni. 
Darauf  bezieht  sich  auch  der  matutinus  magister  hei  Mart.  IX, 
30.  und  XIV,  223. 

Surgite!  iam  vendit  pueris  ientacida  pistor 

Cristataeque  sonant  undique  lucis  aves. 
Auch  bei  den  Griechen  fing  der  Unterricht  in  der  ersten 
Frühe  an  und  Solon  sah  sich  selbst  veranlasst,  durch  ein  Ge- 
setz zu  verbieten,  dass  die  Schulen  vor  Sonnenaufgang  ge- 
öffnet würden.  In  den  Colloq.  vet.  graec.  et  lat.  in  Labbaei 
gloss.  p.  423.  426.  geht  der  Knabe  zum  prandium  nach  Hause 
und  kehrt  nach  demselben  in  die  Schule  zurück.  Auch  Plut. 
Brut.  9.  spricht  für  solche  Pausen,  denn  in  der  Schulzeit  konnte 
nicht  vorkonnnen,  was  Plut.  erzählt,  nämlich  dass  Cassius  den 
Sohn  des  Sulla  geschlagen  \\w\  Pumpeius  darüber  ein  Schul- 
gericht gehalten  habe. 

In  manchen  Schulen  waren  die  Schüler  nach  ihren  Fä- 
higkeiten in  Klassen  abgetheilt,  besonders  wühl  bei  dem 
schon  etwas  höheren  Unterricht.  Quinx't.  I,  2,  23.  Non  inuti- 
letn  6cio  scrvalum  esse  a  praeceptoi  ibns  meis  morem,  qui  qmim 
pueros   in  classes  distribuerent  ^  ordinein  dicendi  secundum  vires 


gg  Z  wei  t  e  r  Excurs. 

iiigoiii  dabant;  et  ita  supe.riore  loco  quisque  dechonabat,  ut  prne- 
cedere  profectu  indebatur.  Die  Klassen  waren  also  zwar  nicht 
getrennt,  sondern  nur  geAvisse  Abtheiliingen  gemacht,  die 
gleichzeitig  unterrichtet  wurden.  Dasselbe  sehen  wir  aus  den 
Colloq.  vet.  graec.  et  lat.  in  Labbaei  glossar.  p.  425  f.  Auch 
Prämien  wurden  schon  in  Augusts  Zeiten  gegeben.  So  erzählt 
von  Verrius  Flaccus  Suet.  de  ill.  gr.  17.  Namqne  ad  exerci- 
tanda  (cxcitandaf)  discentlum  inyenia  aequales  inter  se  coxunit- 
tere  solebat,  proposita  noii  soliim  mateiio,  quam  ncriberent,  sed 
et  praemin ,  qiiod  victor  auferret.  Id  erat  Über  aliquis  ant/qiius 
pulcher  aut  rarior. 

Zu  geAvissen  Zeiten  hatten  die  Schüler  Ferien,  nament- 
lich an  den  Saturnalien  und  Quinquatrien.  Die  Saturnalien 
wurden  ursprünglich  nur  an  einem  Tage  gefeiert,  später  aber 
auf  drei  und  wie  es  scheint  selbst  auf  sieben  Tage  ausgedehnt. 
Macrob.  Sat.  I,  10.  Die  Quinquatrien  im  März  zu  Ehren  der 
Minerva  dauerten  fünf  Tage.  Beide  Ferien  werden  oft  er- 
wähnt, z.  B.  Mart.  V,  84. 

laiJi  /ristea  micibus  pucr  relictis 

CJamoso  revocatur  a  maijixtro. 

Plix.  ep.  Vin,  7.  tu  in  scholas  te  revocas,  ego  adhuc  Saturna- 

lia  extendo.  HoR.  ep.  II,  2,  197. 

Ac  potius,  puer  ut  festis  Qui/iquatribus  oliin, 
Ex/guo  (jratoque  fniaris  tempore  raptim. 

Symmach.  ep.  V,  85.  Nempe  Minervae  tibi  solevine  de  scholis 
notum  est,  ut  fere  memores  sinnus  etiain  procedente  aevi>  pueri- 
liurn  feriarum .  Ausserdem  ist  es  wohl  natürlich,  dass  auch  an 
anderen  Festen,  namentlich  bei  Spielen,  der  Unterricht  ces- 
sirte.  Auch  ist  sehr  wahrscheinlich,  was  K.  Fr.  Hermaxx  (a. 
a.  0.)  annimmt,  dass  die  römische  Jugend  in  den  Elementar- 
schulen viermonatliche  Sommerferien  gehabt  habe.  Die  Ver- 
anlassung zu  dieser  Meinung  gab  der  mehrgenannte  Vers 
aus  Horaz  :  Ibant  octonis  referentes  Idibus  aera. ,  aus  welchen 
Worten  H.  sehr  scharfsinnig  schloss,  die  Knaben  hätten  nur 
für  acht  Monate  Unterricht  Honorar  gezahlt  und  vier  ^Monate 


Erziehung.  37 

vou  den  Iden  des  Juni  bis  zu  denen  des  October  seien  Ferien 
gewesen.    Dieses  finde  seine  Bestätigung  in  Marx.  X,  62. 
Alhae  Itone  flammeo  calent  luces 
Tostamque  fervens  Julius  coquit  messem. 
Cirrata  loris  horridls  Scythae  pellis 
Qua  vapidavit  Marsyas  Celenaeus^ 
Ferulaeque,  tristes,  sccptra  paedagogorum 
Cessent  et  Idus  dormiant  in  Octobres: 
Aestate  pueri  si  valent  satis  discunt. 
Dazu  hatte  schon  Rader  nach  Scholiastenweise  gesagt:   Nenn 
a  lulio  ad  Octobrem  usque  scholae  cessahant.    Gegen  diese  Er- 
klärung der  horazischen   Stelle   sprachen  Jahx   in  s.   neuen 
Jahrbüchern  XXVH,  (1840)  S.  441  —  445.,  und  Obbarius  in 
d.  Zeitschrift  f.  Alterthumswiss.  1841,  N.  58.  S.  474  ff.,  Avorauf 
Hermann  seine  Ansicht  näher  begründete  in  derselben  Zeit- 
schrift 1842,  Mäi-z,  S.  234 — 252.,   während  Jahn  abermals 
dagegen  sprach,   in  s.  n.  Jahrb.  XXXY,  (1842)   S.  84—101. 
Beistimmuug  fand  Hermann  bei  Orelli  in  der  Praef.  zu  s. 
Ausg.  des  Hör.,  bei  Wüstemann  in  der  neuen  Bearbeitung  der 
Satiren  von  Heindorf  und  bei  Bernhardy,  röm.  Literatur  S. 
47.   Obbarius   und  Jahn  erkannten  zwar  die  Annahme  der 
viermonatlichen  Ferien  als  richtig,  Aerwarfen  aber  jede  An- 
deutung der  Schulgeldentrichtung  bei  Horaz  und  behaupteten, 
(wie   früher    wenigstens    ähnlich   schoii    Lambin  ,    CRUQUiir.s, 
Heindorf,  Kirchner  u.  A.),  dass  Horaz  von  Kechnungsauf- 
gaben  oder  von  der  Berechnung  monatlicher  Zinsen  spreche; 
so  dass  jener  Vers  die  niedere  realistische  nur  auf  sordes  und 
avaritia  berechnete  Bildung  im  Gegensatz  zu  der  höheren  und 
edleren  in  Rom  habe  bezeichnen  wollen.    Demnach  übersetzte 
Jahn  zuerst  die  Worte:   octnnis  referentes   Idihus  aera  durch 
„Geldposten  von  oder  über  achttägige  Iden  eintragend"  und 
später,  da  bei  dieser  Uebersetzung  die  distributive  Bedeutung 
von  octonis  verloren  ging,  verltcsserte  er  so:    in   allen   acht 
]\Ionaten  ihres  Sdiuljalirs,  d.  h.  Jahr  aus  Jahr  ein  Geldrech- 
nungen machend.  Es  hat  jedoch  die  Hermann'sche  Erklärung 
mehr  Wahrscheinlichkeit  und  der  r!c(hinko  bei  Horaz  ist  dem- 


88  Zweiter  Excurs. 

imcli:  die  Knaben  der  ländlichen  Elementai-Kcliulen  bringen 
an  allen  aclit  Iden  ihr  geringes  Honorar  (in  welcher  Bedeu- 
tung aeva  auch  luv.  VII,  217.  gebraucht  ist).  Es  liegt  in  die- 
sen Versen  eine  Andeutung  theils  der  niederen  Bildung  in  der 
Jjandschule  (-worauf  auch  locull  luid  tahula  liindeuten)  im  Ge- 
gensatz zu  der  höheren  Bildung  in  Koni  [arten,  quem  doceat 
quivis  eques  atque  Senator  Semet  prognatos),  theils  der  äusseren 
ärmlichen  Verhältnisse  (die  Knaben  tragen  ihre  Bündelchen 
selbst  ohne  Begleiter,  sie  bezahlen  das  geringe  Schulgeld 
monatlich,  sie  haben  nur  8  Monate  Schule)  im  Glegensatz  zu 
den  glänzenderen  und  höhereu  in  Rom,  wo  die  Knaben  Be- 
gleiter haben,  das  Honorar  jährlich  zahlen  luid  nicht  vier  Mo- 
nate aussetzen.  Baiter  und  Kauchenstein  in  der  3.  Ausg. 
des  Horatius  von  Orelli  erklären  acr«  referentes  mit  Hermann 
als  Bezahlen  des  Schulgeldes ,  verwerfen  aber  die  4  Monate 
Sommerferien.  Baiter  nimmt  octonis  Idibus  als  die  Iden  des 
October,  Kauchenstein  als  die  jedesmaligen  Iden ,  octonis 
gen.,  weil  sie  die  8  Tage  nach  den  Nonen  umfassen ,  so  dass 
nach  Jenem  das  Schulgeld  nur  einmal  im  Jahre,  nach  diesem 
aber  monatlich  bezahlt  worden  wäre.  Nur  von  Elementar- 
schulen spricht  HoRAz  und  ebenfalls  Martiae.  In  den  höhe- 
ren war  keine  so  grosse  Untei'brechung,  wie  sich  sogleich 
zeigen  wird. 

Die  ganze  Frage  hängt  genau  mit  der  über  das  Ho- 
norar der  Lehrer  zusammen.  Worin  es  bestanden,  Avissen 
wir  nicht;  jedenfalls  war  es  verschieden  und  in  den  gewöhn- 
lichen Elementarschulen  sehr  gering.  S.  z.  B.  Suet.  de  ill. 
gramm.  9.  (von  der  Armuth  des  Orbilius)  luv.  VII,  228  ff. 

Haec,  hiquit,  eures  et,  quam  se  verterit  annus^ 
Accipe  victori  populo  quod  postuJat  aurum. 

Daraus  ersieht  man.,  dass  das  Honorar  am  Schluss  des  Lehr- 
jahrs auf  das  ganze  Jahr  geztihlt  wurde.  Das  war  aber  nicht 
der  Schluss  des  späteren  bürgerlichen  Jahres ,  sondern  der 
Cursus  begann  wahrscheinlich  im  März  nach  den  Quinquatri- 
bus,  wie  aus  luv.  X,  114.  folgt: 


Erzieliung.  g9 

Eloquium  ac  famaiii  Demosthenis  cuit  Ciceronis 
Incipit  optare  et  totis  Quiiujuotrihus  optat, 
Qidsqtds  adhuc  inio  partam  colit  asse  Mmervam, 
Quem  spqidtur  custos  angiistae  vernula  capsae. 
Audi  ruft  Ovii).  Fast.  III,  829  fg'.  au  deu  (^uiuqnatrieu  deu 
Lehrern  zu: 

Nee  vos  turba  Deain  eensu  fraiidata  magistri 
Spernitc,  discip u loa  attra/i/t  illa  novos. 
worin  ebenfalls  ein  Beweis  für  den  Anfang  des  Schuljahrs  im 
März  liegt.  An  diesem  Termin  und  nicht  im  Juni  wurde  das 
Honorar  entrichtet,  wie  auch  aus  der  bekannten  Stelle  des 
Macrob.  folgt,  wo  er  I,  12.  dieses  als  Beweis  anführt,  dass 
sonst  der  März  der  erste  Monat  des  Jahres  gewesen  sei :  hoc 
metise  mercedes  exsolvehant  magistris,  qiias  completus  annus  de- 
beri  fecit.  Jedenfalls  hatte  Macrob.  die  Sitte  seiner  Zeit  vor 
Augen  und  wollte  dieselbe  durch  das  Zurückführen  auf  das 
romulische  Jahr  erklären.  —  Es  kann  demnach  das  monat- 
liche Bezahlen  des  Schulgeldes  nur  für  die  Landschulen  und 
die  viermonatliche  Pause  nur  für  die  niederen  Schulen  ange- 
nommen werden.  Endlich  ergiebt  sich  aus  dem  hohen  Werthe, 
den  die  Knaben  auf  die  wenigen  Tage  der  Quinquatrus  und 
Saturnalien  den  oben  erwähnten  Aeusseruugen  zufolge  legten, 
wohl,  dass  der  Ferien  in  den  römischen  höheren  Schulen  nicht 
so  viele  waren.  —  Der  bei  der  Bezahlung  des  Honorars  nicht 
seltenen  Saumseligkeit  gedenkt  Juv.  VII,  228  f. 

Rara  tarnen  merces,  quae  cognitione  tribuni 
Non  egeat.    Sed  vos  saevas  imponüe  leges, 
Ut  praeceptores  verborum  regida  constet  cett. 
—  Noch  ist  zu  erinnern,  um  einem  Irrthum  vorzubeugen,  dass 
luv.  X,  116.  in  dem  oben  erwähnten  Verse;  nicht  das  Schul- 
geld, sondern  das  Minerval  versteht,  d.  h.  das  Eintrittsgeld, 
welches  der  aufgenommene  Schüler  zu  erlegen  hat.   Varr.  K. 
K.  III,  2.   Aj'ms:  Menda   ini,  inquit,   rccipe  ine  quaeso  dincipu- 
linn  venaticae  pastionis.    Itle^  quhi  niinidac  promineris  minerval, 
inciplain,  inquit  etc.  Tertull.  de  idol.  10.  primani  novi  dii<ci- 
puli  stipem  Minercar  —  consecrat.   S.  Obh.vkius  a.a.O.  S.  478. 


90  Z  weit  er  Exen rs. 

und  El  HSTÄDT,  de  houorariis  doctorum.  Jenae  1838,  kurz 
und  nur  die  späteren  Schulen  umfassend,  in  denen  das  Ho- 
norar sehr  bedeutend  war.  Sen.  de  dar.  gramm.  3.  erzählt, 
iitque  temporibus  quibusdam  siqjer  XX  celebres  scholae  fuisse  in 
urbe  tradnntiü\  pretia  grammaticorum  tanta  mercedesque  tarn 
magnae^  ut  cett. 

Der  Austritt  aus  den  Knabenjahren  wurde  durch  eine 
Feierlichkeit  (das  Vertauschen  der  praetexta  gegen  die  toga 
virilis.  Gell.  XVIII,  4.  Sen.  ep.  4.)  bezeichnet,  wie  bei  den 
Griechen,  das  tiroc'mium  fori.  Vgl.  Hör.  Sat.  I,  2,  16  fg.  Ueber 
das  Jahr,  wo  es  Statt  fand,  sind  die  Meinungen  sehr  verschie- 
den. Manche  nahmen  das  vollendete  vierzehnte  und  den  An- 
fang des  fünfzehnten  Jahres  als  den  gewöhnlichen  Termin  an 
(Vales.  zu  Damasc.  de  inst.  Caes.  Aug.  exe.  Peir.  p.  477. 
Ferrar.  de  re  vest.  II,  1.  Dodwell,  Praelect.  Camden.  V, 
1 — 6.  V.  Savigxy,  System  des  römischen  Kechts  I,  S.  60  f.), 
indem  sie  sich  auf  das  Beispiel  des  Augustus  stützten.  Allein 
dass  dieser  Beweis  unrichtig  sei,  zeigt  unzweifelhaft  NoRisius, 
cenot.  Pisan.  II,  4.  p.  114.  Andere,  wie  Gruchius  de  comit. 
II,  3.  Salmas.  zu  Lampr.  Commod.  2.  Maxut.  ep.  de  toga 
Rom.,  schoben  diesen  Zeitpunkt  bis  zum  vollendeten  sechs- 
zehnten Jahre  hinaus.  Die  Meisten  erklärten  sich  für  den  An- 
fang des  sechszehnten  Jahres,  wie  NoRi».  a.  a.  0.  Sigon.  de 
iudic.  III,  19.  u.  A.,  s.  Schott,  de  lege  Vilia  ann.  L.  1765. 
Böttiger,  de  originibus  tirocinii  apud  Rom.  Vimar.  1794.  und 
in  s.  ojjusc.  p.  2Ü6 — 220.  unterschied  die  ältere  und  spätere 
Zeit;  in  jener  sei  das  zurückgelegte  sechszehnte,  in  dieser  das 
beendigte  fünfzehnte  Jahr  der  Termin  gewesen.  Klotz  end- 
lich in  d.  Rec.  von  Reins  röm.  Privatr.  (Jahx,  Jahrb.  1837, 
XIX,  S.  85.)  glaubt,  es  sei  ein  solches  Jahr  überhaupt  nicht 
festgesetzt  gewesen,  sondern  die  Bestimmung  habe  jederzeit 
vom  Vater  abgehangen,  der  nach  seinem  Ermessen  bald  früher 
bald  später  den  Sohn  in  das  öffentliche  Leben  eingeführt  habe. 
Jede  dieser  drei  letzten  Ansichten  ist  in  gewisser  Hinsicht 
wahr.  Zuvörderst  scheint  es,  dass  man  die  älteste  und  die 
spätere  Zeit  unterscheiden  müsse.   In  jener  fand  das  tirocinium 


Erziehung.  91 

wahrscheinlich  nach  vollendetem  sechszehnten  Jahre  Statt. 
Liv.  XXII,  57.  Dictator  ex  auctoritate  patrum  dictus  M.  Iiaihts 
et  Tl.  Seuipronius  magister  eq.  delectu  edicto  iuniores  ab  annis 
septemdecim  et  quosdam  praetextatos  scribunt.  Die  ah  annis 
XVII sindi  offenbar  die,  welche  im  siebzehnten  Jahre  stehen, 
vom  siebzehnten  Jahre  an;  die  jüngeren  waren  also  noch  alle 
praetextati;  sonst  Avürden  die  sechszohnjährigen  nicht  über- 
gangen lind  noch  jüngere  {praetextati)  ausgehoben  worden 
sein.  (Manche  lassen  die  Präposition  weg,  dann  würde  nicht 
iuniores  sondern  minores  stehen).  Mit  diesem  Jahr  begann 
auch  der  Kriegsdienst  und  das  öffentliche  Auftreten  überhaupt. 
Val.  Max.  V,  4,  4.  III,  1,  3.  s.  unten.  Dagegen  am  Ende  der 
Republik  finden  sich  viele  Beispiele,  dass  die  toga  virilis  in 
dem  fünfzehnten  Jahre  genommen  Avurde,  so  Q.  Cicero,  so  Vir- 
gilius,  so  Antonius  Antyllius,  so  noch  in  späterer  Zeit  Persius 
und  M.  Aurelius,  Capitol.  4.  Virilem  togam  sutnsit  qidnto  de- 
cimo  aetatis  anno.  S.  auch  Schol.  zu  Juv.  X,  99.  p.  605.  ed- 
Cramer.  Oudkxdorp.  zu  Suet.  Oct.  8.  Wenn  also  in  alter  Zeit 
das  sechszehnte  volle  Jahr  Kegel  war,  so  scheint  nachher  das 
begonnene  fünfzehnte  das  gewöhnlichste  gewesen  zu  sein. 
Sf'HOL.  zu  Pers.  V,  30.  Damit  steht  nicht  in  Widerspruch 
(,'ic.  p.  Sest.  69.  cui  superior  annus  idem  et  virilem  patris  et 
praetextam  populi  iudicio  togam  dederit;  denn  allerdings  hing 
die  Zeit  des  Tirocinium  in  so  fern  von  dem  iudicio  patris  ab, 
als  dieser  den  Termin  hinausschieben  konnte,  wie  Tiberius 
seinen  Enkel  Caligula  zwanzig  Jahr  alt  werden  Hess,  ehe  er 
ihm  die  toga  virilis  gab.  Suet.  Cal.  10.  Vor  dem  fünfzehnten 
Jahre  geschah  es  vor  der  Kaiserzeit  gewiss  nicht  und  noch 
unter  Claudius  war  es  nur  eine  Ausahme.  Tac.  Ann.  XII,  41. 
virilis  toga  Neroni  maturata.,  er  war  nämlich  erst  vierzehn 
Jahr  alt.  Suet.  Claud.  43.  —  Umgekehrt  ist  die  Auffassung 
Rossbach's,  die  röm.  Ehe,  S.  410  ff.  Er  hält  nämlich  den 
Eintritt  der  Pubertät  mit  dem  zurückgelegten  14.  Jahrr  für 
den  frühesten  Termin  des  Tirocinium,  es  früher  vorzunehmen 
sei  nicht  erlaubt  gewesen,  aber  der  End])unkt  habe  von  andern 
Be.-itiinmuugen  abgehängt.   Ti-otz  der  scharfsinnigen  und  sorg- 


92  Zweiter  Excuis. 

faltigen  Beweisführung-  kann  ich  rücksichtlich  der  alten  Zeit 
niclit  beistimmen.  Schon  der  Name  tirocinium  deutet  darauf 
hin,  dass  der  Anfang  des  Kriegsdienstes  damit  zusammenfiel, 
es  muss  also  das  16.  Jahr  vollendet  gewesen  sein.  In  der 
späteren  Zeit,  als  die  Bedeutung  des  Kriegsdienstes  geschwun- 
den war  nnd  das  tirocinium  für  das  öffentliche  Leben  keinen 
Werth  mehr  hatte,  kann  das  von  Kossbach  aufgestellte  Prin- 
cip  allmälig  Eingang  gefunden  haben,  so  dass  es  von  dem 
Vater  abhing,  den  Termin  zu  Ijestimmen,  vorausgesetzt  dass 
die  Pubertät  eingetreten  Avar.  War  doch  der  Jugend  damals 
eine  grössere  Frühreife  eigen. 

Der  eigentlich  dazu  bestimmte  Tag  waren  die  LiberaVia^ 
der  16.  März.  Ovid.  Fast.  III,  771.  Cic.  ad  Att.ATI,  1.  Qjiinto 
Liberalihun  togcan  pur  am  cogitabavi  dare;  mandavit  enim  pater. 
vgl.  die  Fasten  von  Antium  Orelli  Henzen  6445,  avo  des 
Tags  gedacht  ist,  an  w^elchem  Augustiis  togam  virilem  siirnpsit. 
Die  Feierlichkeit  begann  wahrscheinlich  mit  einem  häuslichen 
Opfer  am  Altare  der  Laren ,  wo  der  Knabe  die  insignia  pue- 
ritiae  ablegte  und  namentlich  die  bulla  den  Laren  weihte. 
Prof.  IV,  1,  131. 

Mox  tibi  bulla  ritdi  dimissa  est  aurea  collo, 
Matris  et  aiite  deos  libera  sumta  toga. 
Pers.  V,  30. 

Cum  primum  pavido  custos  mihi  purpura  cessit, 
Bullaque  succinctis  Laribus  donata  pependit. 

Der  Knabe  trug  dabei  eine  tunica  recta  oder  regilla,  orninis 
causa,  s.  S.  31.  Paul.  v.  regillis  p.  286  M.  id  etiam  i?i  togis 
virilibus  dandis  observari  solet.  Plix.  h.  n.  VUE,  48.  Augustus 
trug  an  diesem  Tage  eine  tunica  mit  latus  clavus,  Suet.  Aug. 
04.  Nach  Properz  wurde  das  Wechseln  der  Toga  im  Hause 
vorgenommen,  doch  fand  auch  auf  dem  Forum  eine  Solennität 
Statt,  w^enn  die  Feierlichkeit  im  Hause  vollendet  war.  Sex. 
ep.  4.  quantum  senseris  gaudium,  cum  praetcxta  posita  sumpsisti 
virilem  togam  et  itiforuvi  deductus  es.  Die  Toga  virilis,  welche 
der   bisherige   Knabe   erhielt,   unterschied  sich   von  der   der 


Erziehung.  93 

Knaben  dadurch,  dass  sie  weiss  ohne  Purpurstreif  war.  (Plut. 
Anton.  71.  rb  ös  dnoQCfVQOv  y.ai  rt'Xsiop  luäriov  —  nsom&sig.) 
Sie  hiess  daher  j9wra,  Cic.  ad  Att.  V,  20.  IX,  17.  19.  Phil.  II, 
18.  vestis  pura  Catull.  LXVIII,  15.,  auch  libera,  weil  nun  ein 
freieres  Leben  begann.  Böttjger  a.  a.  O.  S.  217  ff.  leitet  den 
Ausdruck  von  dem  Zusammenhange  mit  den  sacris  Bacchicis 
her.  "Wenn  aber  Ovid,  darüber  nachsinnend,  warum  der  Ge- 
brauch an  den  Liberalibus  Statt  finde ,  vier  Erklärungen  ver- 
sucht, die  obige  aber  nicht  kennt,  so  scheint  es  sehr  gewagt, 
dieser  beizupflichten.  Was  er  Vs.  777  fg.  sagt: 

Sive  quüd  es  Liber,  vestis  quoque  libera  per  te 
Sumitur,  et  vitae  liberioris  iter. 

ist  das  Richtige.  Dann  heisst  die  toga  nicht  von  den  Libera- 
libus libera,  sondern  weil  sie  libera  ist,  wird  sie  an  den  Libera- 
libus gegeben.  Nur  in  diesem  Sinne  konnte  auch  Ovid  in  dei- 
oben  angef.  St.  der  Tristien  im  Comparativ  sagen:  liberior 
toga.  Der  Ausdruck  findet  seine  Erklärung  durch  Plut.  nun) 
7()v  dxovEii'.  c.  1.  oTs  rar  nnograTrorrcar  dnfjkhc'^Hi ,  rh  dv- 
dni-iov  dnsfh^qjwg  iftdztov.  vgl.  Pers.  V,  30  ff. 

Ctan  primum  pavido  custos  mihi  purpura  cessit 
ßullaque  succinctis  Laribus  donata  pependit ; 
Cum  blandi  comites^  totaque  impune  Subura 
Permisit  sparsisse  oculos  iam  candidus  umbo. 

Tf.rent.  Andr.  I,  1,  25.  Mart.  IX,  28.  vgl.  Eossbach,  a.  a. 
( ).  S.  408  f.  der  einen  inneren  Zusammenhang  mit  dem 
Liberalicufest  sucht.  Der  mit  dieser  Toga  bekleidete  adoles- 
cens  (Paul.  v.  vesticeps  puer ,  qui  iam  vestitus  est  pubcrtate, 
ecnnlra  inveslis ,  qui  iiecdum  pubertate  vestitus  est,  p.  368  M.) 
wurde  auf  das  Forum  geführt  (deduci  in  forum).  Sen.  ep.  4. 
Te7ies  utique  memoria  quantuin  senseris  gaudium,  cum  prae- 
texta  posita  sumpsisti  virilem  tot/am  et  in  forum  deductus  es. 
SuET.  Aug.  26.  ut  Caium  et  Lucium  filios  —  suo  quemque  tiro- 
cinio  deduceret  in  forum,  vgl.  Tib.  15.  Nero  7.  —  Wie  der 
Römer  überhaupt  einen  hohen  Werth  auf  eine  zahlreiche  Be- 
gleitung als  ÄranifestatiiMi  der  Volksgunst  legte  und  bei  allen 


94  Zweiter  Excurs. 

öffentlichen  Angelegenheiten  mit  Pomp  aufzutreten  liebte,  so 
scheint  man  auch  dafür  gesorgt  zu  haben,  dass  der  Knabe  mit 
einer  Menge  Begleitender  auf  das  Forum  kam,  die  zum  Theil 
gar  nicht  zu  der  Familie  gehörten,  sondern  darum  gebeten 
wurden,  um  den  Glanz  der  Feierlichkeit  zu  erhöhen  (App.  b. 
civ.  IV,  30.  (jvr  n(mnii  cfi)Mv),  und  selbst  Leute  aus  der  niede- 
ren Klasse  nahmen  die  bedeiitendsten  Männer  desshalb  in  An- 
spruch. CiC.  p.  Mur.  23.  qua  in  civitnte  rogat'i  hifimorum  homi- 
iium  filios  j)Tope  de  nocte.  ex  ultima  saepe  urhe  deductum  ve7iire 
soleamus.  Dass  man  hin  und  wieder  das  ganze  Volk  an  der 
Freude  des  Hauses  Theil  nehmen  Hess,  bezeugt  Orelli  Hen- 
ZEN  6211.  togae  y2V(ilis  die)  cnistidum  et  midsum  po2Jiäo  fde- 
dit).  Eine  Inschrift  ob  honorem  togae  virilis  s.  das.  2701.  Ob 
der  Knabe  am  Tribunal  des  Prätor  vorgestellt  wurde,  ist  höchst 
ungewiss;  wenigstens  hat  das  mit  der  Eintragung  in  die  Bür- 
gerlisten  nichts  gemein.  Letztere  Annahme  beruht  lediglich 
auf  Dio  Cass.  LV,  22.  ig  icpt]ßovs  —  ireyndept/  und  ebenso  LVI, 
29.  App.  b.  c.  IV,  30.  durfte  nicht  angeführt  werden,  da  die 
Worte  tyyQwpivrog  roig  nt'vahr.  sich  auf  die  Einzeichnung  des 
jungen  Atilius  in  die  Proscriptionslisten  beziehen,  wie  aiis  dem 
Zusammenhang  erhellt.  Auch  war  es  gar  nicht  nöthig,  dass 
das  Tirocinium  in  Eom  Statt  fand.  Cic.  ad  Att.  V,  20.  Ego^ 
cum  Laodiceam  venero ,  Quinto  sorons  tuae  ßUo  togam  puram 
iubeor  dore.  IX,  17.  Volo  Cicerornmeo  togam  2yii}'(tm  dare.  iatic 
puto  (Romae),  aber  19.  Ego  meo  Ciceroni  quoniam  Roma  care- 
mus  Arpini  potissimum  togam  purum  dedl^  idque  municipihus 
nostris  fuit  gratum. 

Erst  nach  dieser  Vorstellung  auf  dem  Forum  ging,  wie 
es  scheint,  der  Zug  nach  dem  Capitolium,  um  dort  ein  Opfer 
zu  bringen.  App.  b.  c.  IV,  30.  'Arihog  8s,  ä()Ti  rr^v  täv  zehi'brr 
TTEQi&ilisvog  atoXtjv,  ij£i  fiiv,  tag  'iOog  tGti,  ovp  Tzofinri  (piXcov  im 
{}vGiag  ig  t«  Isqu..  äcprco  de  iyygacpii'rog  avrov  zoTg  nira^ir,  ol  qji- 
Xoi  HUI  Ol  ■&EQd7Tovr£g  diiöidQuoxov.  0  8s  fwvog  y.ra  SQij^og  iy.  Saxpi- 
/.ovg  TzaQUTro/ATT/jg  ig  Ttp>  fititsiya  ij^coQsi.  Dass  unter  den  IsQoTg  das 
Capitol  zu  verstehen  ist,  lehrt  Suet.  Claud.  2.  et  togae  virilis 
die  —  sine  solenni  sacrificio  lectica  in  Capitolium  latus  est.  und 


Erziehung.  95 

Val.  Max.  V,  4,  4.  Cotta  eo  ipso  die,  quo  togam  sumpsit  viri- 
lem, protenus  ut  e  Capitolio  descendit,  C.  Carhonem,  a  quo  pater 
eins  (lamnatus  fuerat,  postulavii.  Aus  cliesei*  Stelle  ergiebt  .sich, 
flass  mit  dem  tirocinium  der  Eintritt  in  das  öffentliche  Lehen 
.Statt  fand,  und  das  heisst  allerdings  forum  attingere  oder  in 
■forum  venire,  Cic.  ad  Farn.  V,  8.  XIII,  10.  XV,  16.  Brut.  88. 
Darunter  ist  indessen  keineswegs  zu  verstehen,  dass  die  Ti- 
ronen  gleich  am  öffentlichen  Leben  einen  andern  als  passiven 
Antheil  genommen  hätten  und  gleich  als  Eedner  u.  s.  w.  auf- 
getreten wären.  Sie  hatten  zwar  das  Recht  dazu,  machten 
aber  davon  nur  in  seltenen  Fällen  Gebrauch.  So  war  Horten- 
sius  neunzehn  Jahr  alt,  als  er  zuerst  auftrat,  Cic.  Brut.  64. 
und  doch  sagt  derselbe  88.  cum  admodum  adolescens  orsus  esset 
in  foro  dicere.  Es  war  vielmehr  ähnlich  wie  in  Athen  eine 
einjährige  Uebergangszeit  üblich,  gewissermassen  ein  Probe- 
jahr, wo  das  sittliche  Benehmen  des  adolescens  genau  beob- 
achtet wurde,  wo  wenigstens  in  älterer  Zeit  als  Zeichen  be- 
scheidenen Betragens  ihm  das  coliibere  braclüum  und  Uebungen 
im  Marsfelde  vorgeschrieben  Avaren.  Cic.  p.  Cael.  5.  Quem 
ergo  ad  finem  putas  custodiendam  il/am  aetatem  fuisse?  Nobis 
quidem  oUm  annus  erat  unus  ad  cohibenduni  bradwmi  toga  co)i- 
stitutus  et  ut  exercitatione  ludoque  campestri  tunicati  uteremur. 
—  qua  in  aetate,  nisi  qui  se  ipse  siia  gravitate  et  castimonia  et 
cum  disciplina  domestica  tum  etiam  naturali  quodam  bona  de- 
f enderat,  quoquo  modo  a  suis  custoditus  esset,  tarnen  infamiam 
verum  effugere  non  poterat.  Sed  qui  prima  illa  imperia  (?) 
ai'tatis  integra  atque  inviolata  praestitisset,  de  eins  fama  ac  pu- 
dicitia,  cum  is  iam  se  corroboravisset  ac  vir  inter  viros  esset, 
nemo  loquebatur.  Damit  streitet  auch,  von  der  späteren  Zeit 
abgesehen,  die  oben  aus  Per.sius  angeführte  Stelle  keines- 
wegs. Dagegen  geschieht  es  öfter,  dass  die  Ecdner,  welche 
den  Charakter  des  Gegners  schildern  wollen,  a  toga  pur a  an- 
fangen. Cic.  ad  Att.  VII,  8.  in  qua  (concione)  erat  aceusatio 
Fompeii  usque  a  toga  pura;  so  auch  Cic.  Phil.  II,  18. 

Dabei  aber  besuchte   der  junge  Mann   das   Forum   und 
wohnte  den  Gerichtsverliandhnigen  bei,  um  /.uliörciid  sidi  für 


96  Z  weit  PI-  Ex  cur  s. 

das  öffentliche  Leben  zai  bilden.  Das  geschah  oft  unter  Anlei- 
tung- eines  vom  A'ater  gewählten  des  Vertrauens  besonders 
würdigen  Mannes,  dem  der  Sohn  gleichsam  als  Zögling  über- 
geben wurde,  deducere.  Dial.  de  caus.  corr.  eloq.  34.  apud 
maiores  nostros  iuvenis  ille,  qui  foro  et  eloqueyitiae  parahatur, 
imbutus  iam  domestica  disciplina,  refertus  honcstis  studiis,  dedv- 
cebatur  a  patre  vel  a  jjropinqiiis  ad  eian  oratorem^  qui  princi- 
pern  locuin  in  civitate  tenehat.  hiinc  secturi,  haue  prosequi,  hinus 
Omnibus  dictionibus  interesse,  sive  in  iudiciis  sive  in  concionibus 
assuescebat  etc.  So  sagt  Cicero  von  sich,  de  amic.  1.  Ego 
autem  a  patre  ita  eram  deductus  ad  Scaevolam  sumta  virili 
toga^  ut  qnoad  possem  et  liceret  a  senis  latere  numquam  disce- 
derem.  und  von  des  Caelius  Vater,  p.  Cael.  4.  Ueberhaupt  trieb 
der  vorwiegende  praktische  Sinn  des  römischen  Volkes  mehr 
zur  Benutzung  des  lebendigen  Beispiels  und  der  praktischen 
Uebung  als  zur  theoretischen  Instruktion.  Mercklix,  im 
Philologus  1849,  IV,  S.  41 7  ff. 

Eben  so  wenig  war  mit  dem  tiroc-inium  der  Unterricht 
geschlossen,  nur  dass  natürlich  das  Verhältniss  zu  den  Leh- 
rern von  jetzt  an  mehr  das  eines  Zuhörers  als  eines  Schülers 
wurde  und  die  Wahl  der  Rhetoren  und.  Philosophen  ganz  von 
dem  jungen  Manne  abhängen  konnte.  So  sagt  von  sich  Oic. 
Brut.  89.  und  Ovid.  Trist.  IV,  10,  27  ff. 

Interea  tacito  passu  labentibus  annis 
Liberior  fratri  sumta  mihique  toga  est, 

Induiturque  Jmmeris  cum  lato  purpura  clavo, 
Et  Studium  nobis  quod  fnit  ante  manet. 

Vgl.  Plaut.  Bacch.  III,  3,  34  fg.  Nach  der  Unterjochung 
(Griechenlands  wurde  es  sehr  üblich,  dass  die  Väter,  welche 
ihren  Söhnen  eine  tiefere  wissenschaftliche  und  feinere  Bil- 
dung geben  wollten,  dieselben  nach  Griechenland,  namentlich 
Athen,  schickten ,  wo  sie  oft  mehrere  Jahre  blieben.  Cic.  ad 
Att.  Xn,  32.  nennt  mehrere,  als  Bibulus,  Acidinus,  Messala, 
welche  gleichzeitig  mit  seinem  Sohne  dort  waren.  So  Cicero 
selbst,  Brut.   91.     Plut.  Cic.   4.,     so  Atticus,  Corx.   2.,    so 


Erziehxiug.  97 

OviD.,  Trist.  I,  2,  77.     So  sagt  auch  Horaz  von  sich  Epist. 
n,  2,  40  ff. 

Romae  nutriri  mihi  contigit  atque  doceri. 

Iratus  Graiis  quantwa  nocidsset  Achilles. 

Adiecere,  honae  paullo  plus  artis  Athenae ; 

Scilicet  ut  possem  curvo  dignoscere  rectum^ 

Atque  inter  silvas  Academi  quaerere  verum. 
und  ebendas.  81  ff. 

Ingtniion  sihi  quod  vacuas  deswnsit  Athe?u(s, 

Et  studiis  annos  septem  dedit  insenuitque 

Lihris  et  curis  stcdua  taciturnius  exit 

Plerumque  et  risu  populum  quatit. 
Wenn  Liv.  IX,  36.  von  dem  Jahre  310  v.  Chr.  spricht:  habea 
auctores  vidgo   tum    Romanos  pueros,   sicut   nunc    Graeci  ita 
Etruscis  literis  erudiii  soHtos.  so  ist  dieses  jedenfalls  in  solcher 
Ausdehnung  unrichtig. 

Literatur.  Auf  die  Erziehung  bei  den  Alten  überhaupt 
l)eziehen  sich  folgende  Schriften:  Goess,  die  Erziehungs- 
wissenschaft nach  den  Grundsätzen  der  Griechen  und  Römer. 
I.  Bd.  Ansb.  18()8.  Hege  wisch,  ob  bei  den  Alten  öffentliche 
Erziehung  war?  Altona  1811.  Tnicht  bedeutend).  Schwarz 
Erziehungslehre,  Bd.  I.  Ckamer,  Gesch.  d.  Erziehung  und  des 
Unterrichts  im  Alterthume,  2  Bde.  Elberf.  1832.  36.  Von  der 
römischen  Erziehung  handeln:  Erxesti,  de  disciplina  privata 
Rom.  in  s.  opusc.  Bork,  de  vet.  Rom.  in  educandis  lib.  soler- 
tia.  Giess.  1784.  Graes,  praecepta  artis  paedagog.  e  Terentio 
petita.  Viteb.  1801.  Schulze,  Horatii  paedagogica  1807. 
Ders.,  Senecae  paedag.  1809.  v.  d.  Veldex,  quaenam  fuit 
apud  Rom.  —  educandorum  et  instituend.  puerorum  disciplina. 
Tviu.  und  Rh.  1820.  Roeder,  de  scholastica  Rom.  institutione. 
Honn  1828.  Lozy.nski,  Plautinorum  paedag.  lineamenta.  Culm 
1840.  Helfreich,  Erziehung  und  Unterricht  bei  den  Römern. 
Zweibrücken  n.  1844.  1850.  Paulv,  Realencykl.  HI,  S.41  — 
.')6.,  S( üMiDT,  f  Jeschichte  der  Denk-  und  Glaubensfreiheit  im 
1.  Jahrhundert  der  Kaiserherrsehaft.  Berlin  1847,  S.  404— 44. 
Krause,  Geschichte  der  Erziehung,  des  Unterrichts  u.  d.  Bil- 

Hkckk«,   üalhis.    :J.  Aufl.   U.  7 


93  Z  weiter  Ex  cur  s.  Erzieh  ung. 

düng-  bei  den  Griechen,  Etruskern  und  Römern.  Halle  1851, 
S.  215 — 393.  Vortrefflich  ist  die  Uebersicht  in  Bernhardy, 
Grundriss  d.  röm.  Lit.  Halle  1857.  3.  Bearbeitung.  S.  33—92. 
—  Leider  haben  wir  von  Varro's  Schrift  Catus  sive  de  liberis 
educandis  mir  noch  wenig  Fragmente,  s.  Ritschl's  Programm. 
Bonn  1845. 


DRITTER    EXCURS. 


DIE     SKLAVEN. 

Der  dritte  wesentliche  Bestandtheil  der  römischen  Familie 
.sind  die  Sklaven,  welche  in  ihrer  Gesammtheit  selbst  mit  die- 
sem Namen  bezeichnet  werden,  d.  h.  Alle,  welche  einem  und 
demselben  Herrn  angehören,  Paul.  v.  femilia  p.  86  M.  postea 
hoc  nomine  etiam  famiili  appellari  coepenint,  permutata  I  cum 
U  Utera.  ülp.  Dig.  L,  16,  195.  §  3.  sc.rvitutum  quoque  solemus 
appellctre  familias  etc.  Plaut.  Mil.  II,  3,  80.  Sen.  ep.  47. 
Cic.  Parad.  V,  2.  Ein  Sklave  kann  nicht  familia  genannt 
werden,  ebensowenig  zwei,  Ulp.  Dig.  L,  16,  40.  §  3.  7ie  duo 
quidem  familiam  faciunt;  dagegen  Paull.  rec.  sent.  V,  6,  3. 
familiae  autem  iiomine  etiam  duo  servi  conti ne7itur.  welcher 
scheinbare  Widerspruch  sich  durch  Cic.  p.  Caec.  19.  erklärt: 
Quid  enim  facilius  est,  quam  jjrobari  iis,  qui  latine  sciant,  in 
uno  servido  familiae  nomen  non  valere.  und  nachher:  neque 
dubium  est  quiti  si  ad  rem  iudicandam  verbo  ducimur,  non  re, 
familiam  intellir/amuSj  quae  constet  ex  servis  pluribus,  quin  unus 
homo  familia  non  sit.  —  at  vero  ratio  iuris  inferdictique  lus  — 
respuat  haue  d>'fensio7iem  etc.  Ebenso  ülp.  Dig.  XLIII,  16, 
1.  §  16  — 18.   Kkllek,  Semestr.  I,  p.  308. 

Der  Sklave  ist  wider  seine  natürliche  Bestimmung  aber 
nichts  destoweniger  iure  in  der  potestas  eines  Anderen  (pote- 
stas  dominica,  dominium).  Florent.  Dig.  I,  5,  4.  §  1.  Servi- 
tus  est  constitutio  iuris  gentium^  qua  quis  dominio  alieno  contra 
naturam  subiicitur.  In.st.  I,  3.  Tiieoph.  I,  3,  2.  Diony.s.  IV, 
23.   Im  Gegensatz  zu  den  freien  Gliedern  der  Familie  hiessen 


IQQ  Dritter  Excurs 

die  Sklaven  servi,  in  Bezug  auf  ihr  dienendes  Verliältni-<s 
faniuli^  in  Bezug  auf  das  Eigenthumsrecbt  mancipia  und  ge- 
wöhnlich pueri,  wie  bei  den  Griechen  dovXoi,  oixi-thi,  ■dsoaTZov- 
ri:\,;  (ivdounodu,  TTuTöeg.  Wie  schon  Aristot.  de  rep.  I,  3.  sagt: 
ot/Ja  ÖS  rt'Xeiog  r/.  SovXcor  y.ai  {hv&iQojr,  so  ist  auch  bei  den  Kö- 
mern ein  eigentlicher  Hausstand  ohne  Sklaven  nicht  denkbar 
und  es  geht  so  weit,  dass  der  angesehene  Sklave  sich  selbst 
wieder  ihm  eigen  zugehörende  Sklaven  hält.  Wenn  so  bei 
beiden  Völkern  die  Kechtmässigkeit  und  Nothwendigkeit  der 
Sklaverei  vorausgesetzt  Avird,  so  findet  doch  in  der  Verwen- 
dung der  Sklaven  ein  grosser  Unterschied  Statt.  Der  Grieche 
betrachtet,  von  der  spätesten  Zeit  abgesehen,  wo  römische 
Sitte  die  griechische  verdrängte,  die  Sklaven,  die  er  besitzt, 
als  ein  Zinsen  tragendes  Kapital.  Sie  werden  vom  Herrn  zum 
Erwerbe  benutzt,  sie  müssen  als  Handwei'ker  u.  s.  w.  arbeiten 
und  der  Herr  handelt  mit  ihrer  Arbeit  oder  lässt  sich  von 
ihnen  eine  tägliche  Abgabe  zahlen  oder  vermiethet  sie  an 
Andere,  für  welche  sie  arbeiten  müssen.  Wenige  nur,  die 
eigentlichen  o/xiTui,  werden  zur  Bedienung  gehalten.  Charikles 
III,  S.  22  f.  Der  Kömer,  namentlich  der  Vornehmere,  hält  der- 
gleichen erwerbende  Sklaven,  die  man  oft  Fabriksklaven  nen- 
nen kann,  nicht.  Er  verwendet  alle  unmittelbar  für  sich,  theils 
seine  Ländereien  zu  bebauen,  theils  für  alle  Bedürfnisse,  die 
der  Luxus  ins  Lnglaubliche  vervielfältigte,  zu  sorgen,  theils 
für  seine  und  der  Seinigen  unmittelbare  Bedienung  und  gerade 
in  der  letzten  Beziehung  erfordert  die  Einrichtung  des  römi- 
schen Hauswesens  eine  Dienerschaft,  deren  unendliche  Menge, 
wie  man  meinen  möchte,  eher  Lnbequemlichkeit  und  Verwir- 
rung, als  Ordnung  und  Kegelmässigkeit  in  das  Hauswesen  zu 
bringen  geeignet  war.  Um  dieses  bunte  Gewühl  möglichst 
übersehen  zu  können,  wird  es  vortheilhaft  sein,  nicht  besonders 
von  den  einzelnen  Klassen  gelegentlich  zu  handeln,  sondern 
die  ganze  familia  nach  ihren  verschiedenen  Abtheilungen 
und  Geschäften  durchzugehen.  Es  -werden  indessen  die  Skla- 
ven hier  nur  in  ihrem  Verhältnisse  zum  Hauswesen,  in  ihrer 
Stellung  zu  der  Familie  des  Herrn  und  in  ihren  Geschäften 


Die  Sklaven.  IQl 

betrachtet;  während  die  allgemeinen  privatrechtlichen  Ver- 
hältnisse, die  Erörterung  der  Begriffe,  wie  servitus  iusta  und 
non  iusta,  iure  gentium  und  iure  civili,  manumissio  u.  s.  w. 
ausser  dem  Kreise  der  Betrachtung  liegen. 

lieber  die  Sklavenfamilie  aus  diesem  Gesichtspunkte  be- 
trachtet haben  Pigxoriu.s,  de  servis  et  eorum  apud  veteres 
ministeriis.  Aug.  Vind.  1613.  Titus  Popma,  de  operis  servo- 
rum.  Antverp.  1606.  und  GoRi  (in  der  Erklärung  des  Colum- 
barium  libertorum  et  servorum  Liviae  Augustae.)  viel  unge- 
sichtet  und  ungeordnet  zusammengestellt.  Alle  drei  Abhand- 
lungen finden  sich  in  Poleni  Suppl.  z.  Graev.  thes.  antt.  Rom. 
tom.  m.  In  neuerer  Zeit  erschienen  die  Abhandl.  v.  Burigny, 
in  den  mem.  de  TAcad.  des  inscr.  Tom,  XXXV.  Blair,  an 
inquiiy  into  the  State  of  slavery  amongst  the  liomans.  Ediub. 
1833.  Creuzer,  in  d.  röm.  Antiq.  S.  34  —  81.  und  Blicke  auf 
die  Sklaverei  im  alten  Rom,  in  s.  deutschen  Schriften,  IV,  1 , 
S.  1  —  74.  BiOT,  de  Tabolition  de  l'esclavage  ancien  en  occi- 
dent.  Paris  1840.  "Wallon,  histoire  de  FesclaA^age  dans  l'an- 
tiquite.  III.  Paris  1847  f.  —  Die  servi,  die  den  Corporationen, 
Communen  und  dem  Staat  angehören  und  unserer  Untersu- 
chung fern  sind,  werden  behandelt  von  Schumacher,  de  serv. 
publ.  pop.  Rom.  Alton.  1806.  und  Gessner,  de  serv.  Rom. 
publ.  Berol.  1844.  Pauly,  Realenc.  VI,  S.  1102  ff. 

Servi  aut  vascuntur  aut  fiunt;  diese  IxST.  I,  3.  ausg-espro- 
chene  Distinktion  ist  zwar  dort  nur  auf  die  Person  des  Skla- 
ven, auf  die  doppelte  Entstehung  der  Sklaverei,  inwiefern  einer 
im  Sklavenvcrhältniss  geboren  oder  aus  einem  Freien  ein 
Sklave  werden  kann,  zu  beziehen,  kamt  aber  auch  von  der 
Art  der  Erwerbung  von  Seiten  des  Herrn  gelten,  dem  er  ent- 
weder auch  durch  die  Geburt  oder  vermöge  Kaufs  angehört. 
Darüber  handelt  AYallox  II,  S.  17  —  70.  (des  sources  de 
lesclavage). 

Käiifiich  wurden  sie  auf  verschiedene  Weise  erworben, 
entweder  sub  cnrnno^  was  nur  von  den  Kriegsgefangenen  (iure 
belli  cajitij  gilt.  Liv.  V,  22.  Postero  die  libera  corpora  dictator 
suh  Corona  vendidit.,  II,  17.  XXIV,  42.  XLI,  11.  quinque  millia 


1(J2  Dritter  Excurs. 

capitum  sexcenta  triginta  duo  (Istrier)  sub  Corona  venierunt. 
Varro  R.  R.  II,  10.  Caes.  b.  g.  III,  16.  Cic.  ad  Att.  IV,  16. 
V,  20.  Jos.  b.  Jud.  VI,  9.  Plut.  Cat.  mai.  21.  Osexbrüggen, 
de  iure  belli  et  pacis.  Lips.  1836.  p.  48  ff.  Der  Ausdruck  sub 
Corona  wird  von  zwei  alten  Schriftstellern  übereinstimmend 
und  unzweideiitig  von  einem  Kranze,  den  die  Verkäuflichen 
auf  dem  Kopfe  trugen,  erklärt.  Cael.  Sabin,  bei  Gell.  VII,  4. 
Sicuti  antiquitus _  mancipia  iure  belli  capfa  coronis  induta  veni- 
bant  et  idcirco  dicebantur  sub  Corona  venire.  Bei  demselben 
Cato  de  re  mil.,  aber  auch  bei  Fest.  p.  306  M.  Sub  corona 
venire  dicebantur,  qui  captivi  coronati  solent  venire,  id  ait  Cato 
— :  id  populus  sua  opera  potiiis  ob  rem  bene  gestam  coronatus 
supplicatum  eat,  quam  re  male  gesta  coronatus  veneat.  id  autein 
Signum  est  nihil  praestari  a  populo,  quod  etiam  Plautus  significat 
in  Hortulo:  Praeco  ibi  adsit  cum  Corona,  quique  liceat,  veneat. 
Vgl.  Plaut.  Menaechm.  V,  9,  95  ff. 

Auctio  fiet  Menaechmi  mane  sane  septimi. 
Vaenibwü  servi,  supellex,  aedes,  fundi,  omnia 
Venibunt,  quiqui  licebunt,  praesenti  pecunia. 

Alle  anderen  Erklärungen  (corona  militmn  u.  s.  w.)  werden 
dadurch  beseitigt;  die  Bedeutung  wird  sich  aus  einem  Aveiter- 
hin  anzuführenden  Gebrauche  erklären.  Dass  Boeger,  de 
mancipiorum  commercio  apud  Rom.  Berol.  1841.  S.  17  f.  den 
Verkauf  sub  corona  auch  auf  die  Händler  überträgt  und  darin 
ein  Symbol  für  das  Haften  der  mangones  erblickt,  beruht  nicht 
auf  den  Quellen.  Nur  öffentliche  Verkäufe  Avurden  sub  corona, 
vorgenommen  und  dabei  niemals  gehaftet,  s.  unten  und  JuG- 
ler,  de  nundinatione  servorum.  Lips.  1741. 

Auf  diesem  Wege  aber  kamen  in  späterer  Zeit  wenig- 
stens bei  weitem  in  den  seltensten  Fällen  die  Sklaven  an  ihre 
bleibenden  Herren.  Vielmehr  waren  es  Händler  venalitii,  man- 
gones, (African.  Dig.  L,  16,  207.  mangones  non  mercatores 
sed  venaliciarios  appellari.)  welche  die  Gefangenen  gewöhnlich 
in  grösserer  Zahl  kauften,  nach  Rom  brachten  und  dort  damit 
einen  wahrscheinlich  einträglichen  aber  verachteten  Handel 


Die  Sklaven.  103 

trieben,  der  von  der  wirklichen  mercatura  (mit  mercibus)  ganz 
getrennt  wird.    So  z.  B.  Plaut.  Trin.  II,  2,  51. 

Mercaturam  an  venales  haiuit,  uhi  rem  perdidit? 
Dass  die  Händler  von  den  aus  der  Fremde  —  namentlich  von 
dem  Markt  in  Delos  s.  Charikles  HI,  S.  16.  —  eingeführten 
Sklaven  Eingangszoll  erlegen  mussten  und  diesen  vielfach  zu 
umgehen  suchten,  sehen  wir  aus  Marcian.  Dig.  XXXIX,  4, 
16.  §  3.  SuETON.  de  dar.  rhet.  1.  Quinct.  decl.  340.  Die 
Betrüglichkeit  der  mangones  überhaupt  s.  Quinct.  III,  15,  25. 
Plin.  h.  n.  XXX,  5,  ly.  XXIV,  6,  22.  XXI,  97  (]  70).  XXXH, 
47.  XXXI,  97.  Von  dem  mango  wurden  sie  zum  Theil  öffent- 
lich, auch  wohl  durch  den  praeco  (Lucian.  de  merc.  cond.  23. j, 
auf  dem  Markte  verkauft.  Zu  diesem  Zwecke  stellte  man  sie 
auf  einem  hölzerneu  Gerüste,  catasta,  mit  weiss  übertünchten 
Füssen  aus.  Tib.  II,  3,  59. 

queui  saepe  coegit 
Barbara  gypsatos  ferre  catasta  pedes. 
mit  Hey.ne's  und  Wuxderlichs  Anm.  Das  gilt,  wie  es  scheint, 
ausschliesslich  von  den  aus  fremdem  Lande  neu  eingeführten 
Sklaven.  Plin.  h.  n.  XXXV,  17,  58.  Est  et  vilissima  (creta), 
qua  circum  praeducere  ad  victoriae  notam  pedesqice  venalium 
Irans  mare  advectorum  denotare  instituerunt  maiores.  18.  talem 
in  catasta  videre  Chrysogonum  Sullae  — .  tantumque  non  lau- 
reatis  fascibus  rernitti  illo,  unde  cretatis  pedibus  advenissent.  So 
luv.  I,  111. 

Nuper  in  hanc  urberii  pedibus  qui  venerat  albis. 
OviD.  amor.  I,  8,  64. 

Despice  gypsati  crimen  inane  pedis. 
Daher  ist  es  ganz  falsch,  bei  Tibüll.  saepe  von  mehrmaligem 
Verkaufe  zu  verstehen.  Vielmehr  regnnm  ipse  tenebit  saepe, 
quem.  Die  liohheit  und  schonungslose  Gemeinheit  {nudare, 
contrectare),  mit  der  bei  diesem  Verkaufe  verfahren  wurde, 
lässt  sich  aus  Stellen  abnehmen,  wie  Suet.  Oct.  69.  conditiones 
quaesitas  per  amicos,  qui  matres  farnilias  et  adultas  aetate  vir- 
gines  denudarent  atque  perspicerent,  tanquam  Thoranio  mangone 
vendente,  oder  Pers.  VI,  77  ff. 


]Q4  Dritter  Excurs. 

Vende  animam  lucro,  mercare  atque  excute  sollers 
Omne  latus  mundi;  ne  sit  praestantior  alter 
Cappadocas  rigida  pingues  plausisse  catasta, 
s.  Casaub.  zu  d.  St.  BöTTiG.  Sab.  II,  S.  204.  Sen.  ep.  80.  con- 
trov.  I,  2.  LuciAN.  vit.  auct.  6.  und  Thl.  I,  S.  1G2.  —  Artig 
beschreibt  eine  Scene  der  Art  Mart.  VI,  66.,  wo  der  praeco, 
um  den  Käufern  Lust  zu  maclien,  das  verkäufliche  Mädchen 
bis  terque  quaterque  basiavit,  damit  aber  die  entgegengesetzte 
Wirkung   hervorbrachte.    Die  Lobeserhebungen   des  Praeco 
bei  HoR.  epist.  II,  2,  3  ff. 

/itc  et 
Candidas  et  talos  a  vertice  pulcher  ad  imos, 
Fiel  eritque  tuus  nwnmorum  milibus  octo, 
Verna  ministerüs  ad  nutus  aptus  heriles, 
LiteruUs  Graecis  imbutus^  idoneus  nrti  etc. 
und  die   anmuthige   Schilderung  bei  Lucian.  vit.  auct.   1  ff. 
geben  ein  anschauliches  Bild  solcher  Verkäufe.   Wie  etwa  bei 
uns  auf  den  Rossmärkten,  so  mussten  auch  die  Sklaven,  um 
ihre  Tüchtigkeit  und  Gesundheit  zu  beiirkunden,  laufen  und 
Sprünge  maclien,  unstreitig  oft  durch  die  Peitsche  des  Ver- 
käufers oder  praeco  angetrieben.    Wie  nach  griechischem  Ge- 
brauche  Menand.   fragm.   p.  69.   (auch  bei   Harpocr.   unter 
xvxXoi)  sagt: 

iyco  fiiv  i^öti  fioi  Öv/m,  vi]  tovg  ■Osovg, 
ev  rolg  y.vxhjig  ifxavrhv  ixdedvAoru 
uqÜv  Hmkq)  TQk'xorra  xai  7Z(oXov[j,evov. 
so  auch  Prof.  IV,  5,  51. 

Aut  quorum  titulus  per  barbara  colla  pependit, 
Cretati  medio  quum  saliey^e  foro. 
Weniger  klar  ist,  was  Stat.  Silv.  II,  1,  77.  meint:  Non  te  bar- 
baricae  versabat  turbo  catastae.  Doch  hat  man  nicht  an  eine 
Maschine  zum  Drehen  zu  denken,  sondern  an  ein  Herumdrehen 
des  Sklaven  (ebenso  bei  Pers.  Sat.  V,  78.  momento  turbinis), 
so  dass  alle  Umstehenden  den  V^erkäuflichen  von  allen  Seiten 
zu  sehen  bekamen.  Natürlich  kamen  sie  aber  auch  auf  andere 
Art  durch  den   praeco    zum  Verkaufe.     So  z.  B.  wurde   der 


Die  Sklaven.  105 

Verkäufliche,  wie  es  scheint,  auf  eine  Erhöhung  von  Stein 
ausgestellt  {nQart/o  h'üo^'  bei  Poll.  III,  78.),  lapis,  davon  de 
lapide  emtus.    Plaut.  Bacch.  IV,  7.  17. 

0  stulte,  stillte!  nescis  nunc  venire  te, 
Atque  in  eo  ipso  adstat  lapide,  uhi  praeco  praedicat. 
CoL.  m,  3.  de  lapide  noxium  comparare. ;  und  darum  nennt 
Cic.  in  Pis.  15.  die  von  Clodius  erkauften  Tribunen  duos  de 
lapide  cmtos  tribunos  p)lebis.  TuRX.  Adv.  X,  3.  Dem  Verkäuf- 
lichen wurde  nach  einem  alten  Edikte  der  Aedilen  eine  Tafel 
{titulus,  Sex.  ep.  47.)  um  den  Hals  gehängt,  worauf  besonders 
angegeben  war,  ob  er  gesund  sei  und  von  Vergehen  frei.  Gell. 
IV,  2.  In  edicto  aediliwn  curulium,  qua  parte  de  mancipiis  ven- 
dundis  cautum  est,  scriptum  sie  fuit:  Titulus  servormn  singulo- 
rum  utei  scriptus  sit  coerato,  ita  iitei  intelligi  rede  possit,-  quid 
viorhi  vitiive  quoique  sit,  quis  fugitivus  errove  sit  noxave  solutus 
non  sit.  HoR.  Ep.  II,  2,  14  ff.  Prof.  IV,  5,  57.  Varr.  K.  E. 
II,  10.  Sex.  contr.  IV.  Für  die  Richtigkeit  dieser  Angaben 
war  der  Verkäufer  verantwortlich,  praestahat.  Cic.  de  off.  III, 
17.  sed  etiam  in  mancipiorum  venditione  fraus  venditoris  oinnis 
excluditur ;  qui  enim  scire  debuit  de  sanitate,  de  fug a,  defurtis, 
praestat  edicto  aedilium;  heredum  alia  causa  est.  Daher  oben 
bei  Prop.  quorum  titulus  per  barbara  colla  pependit.  Varro 
li.  K.  II,  10.  In  horum  emtione  solet  accidere  peculium  aut  ex- 
cipi  et  stipulatio  intercedere,  sanum  eum  esse  furtis,  noxisque 
solutum.  Wollte  der  Verkäufer  diese  Garantie  nicht  geben,  so 
wurde  der  Sklave  pileatus  verkauft.  Dieser  pileus  hat  dem- 
nach eine  ähnliche  Bedeutung  wie  die  Corona.  Caelius  Sa- 
BiNU.s  bei  Gell.  VII,  4.  Namque  ut  ea  corona  signum  est  capti- 
vorum  venalium,  ita  pileus  imposüus  demonstrabat,  eiusmodi  ser- 
vos  venuindari,  quorum  nomine  eiatori  venditor  nihil  praestaret. 
Das  galt  aber  eben  auch  von  Ersteren,  populus  nihil  praestabat, 
Avie  Eestus  a.  a.  0.  sagt.  Ebenso  enthielt  jenes  Edikt  auch 
die  Dia.  XXI,  1,  37.  65.  angeführte  Bestimmung:  ne  veterator 
pro  novitio  venirct.  und  darauf  bezieht  sich  Hör.  Epist.  II,  2, 
14.   Prudens  emisti  vitiosum,  dicta  tibi  est  lex. 

Es  waren  indessen  jedenfalls  nur  die  gemeineren  Sklaven, 


106  Dritter  Ex  eins. 

mancipia  vilioria,  welche  so  zum  öffentlichen  Verkaufe  kamen. 
Die  besseren,  die  entweder  durch  Schönheit  oder  Geschicklich- 
keit ausgezeichnet  waren,  wurden  aus  freier  Hand  in  den  Ta- 
bernen  der  Händler  verkauft.  80  sagt  Marx.  IX,  GO.  vom 
Mamurra,  der  in  den  septis  umherging,  Alles  besah  und  nichts 
kai;fte : 

Inspexit  molles  pueros  oculisque  comedit 
Non  hos  quos  primae  prostituere  casae: 

Sed  quos  arcanae  servant  tahidata  catastae 
Fit  quos  non  popidus  nee  mea  turha  videt. 
Primae  casae  sind  der  vordere  Allen  zugängliche  Theil  der 
taberna;  dagegen  tabulata  arcauae  cat.  das  Getäfel  der  im 
innern  abgeschlossenen  Eaume  der  Taberne  stehenden  Catasta. 
Aus  'dieser  Stelle  ersieht  man  auch,  dass  die  Catasta  von  den 
Sklavenhändlern  überhaupt  gebraucht  wurde,  um  die  Sklaven 
dem  Käufer  genau  zu  zeigen.  Keineswegs  war  diese  Maschine 
auf  den  Vei-kauf  der  neu  eingebrachten  Sklaven  beschränkt, 
wie  Becker  glaubte.  Noch  weniger  ist  die  Erklärung  luG- 
ler's,  welche  Wallon  S.  54  annimmt,  zu  billigen,  dass  catasta 
an  dieser  Stelle,  so  wie  VI,  29.  X,  76.  Pers.  VI,  77.  Stat 
Silv.  II,  1,  72.  einen  unter  der  Plattform  befindlichen  Raum 
zur  festen  AufbcAvahrung  der  Sklaven  bedeute.  Das  Wort  hat 
allenthalben  denselben  oben  erwähnten  Sinn  als  hölzernes 
Schaugerüste.  Uebrigens  ersieht  man  aus  Martial,  dass  über- 
haupt bei  den  Händlern  Sklaven  aller  Art  zu  verkaufen  waren, 
auch  geringere  {quos  primae  prostituere  casae.  Sen.  de  const. 
13.  quorum  tabernae  pessimorum  servorum  turba  refertae  sunt), 
und  dass  nicht  Jeder  den  Schönsten  zu  sehen  bekam. 

Als  Ort  solchen  Verkaufs  nennt  Marx.  X,  80.  die  Septa. 
Plorat  Eros,  quoties  maculosae  pocula  murrae 

Inspicit  aut  pueros  nohiliusve  citrum. 
Et  gemitus  imo  ducit  de  pectore,  quod  non 

Tota  miser  coemat  Septa  f er atque  domum. 
und  Sen.  1.  1.  ad  Castoris.  —    Solche  Sklaven  wurden  oft  zu 
enormen  Preisen  verkauft.    Bei  HoR.  Epist.  II,  2,  5.  wird  ein 
sehr  angepriesener  Sklave  zu  8000  HS.  (400  Thaler)  angeboten. 


Die  Sklaven.  107 

Denselben  Preis  erwähnt  Col.  III,  3.  für  einen  vinitor,  und 
der  ältere  Cato  gab  nie  mehr  als  1500  Denare  für  einen  Skla- 
ven, welches  nicht  einmal  so  viel  beträgt,  Plut.  Cat.  mai.  4. 
Theurer  war  ein  Morio  bei  Mart.  VIII,  13,  nämlich  20,000 
HS.  (1000  Thaler),  aber  Mart.  I,  58.  sagt: 

Millia  pro  puero  centiim  me  mango  prposcit. 
Risi  ego,  sed  Phoebus  protenus  illa  dcdit. 
Eben  so  viel  XI,  70.  (d.  i.  5000  Thaler)  und  Plin.  h.  n.  VII, 
10,  55,  wo  der  Händler  Toranius  dem  Antonius  2  Sklaven 
(angeblich  Zwillingsbrüder)  für  200,000  HS.  (10,000  Thaler) 
verkauft.  Varro  bei  Gell.  XV,  19.  Si  quuntum  operae  sura- 
sisti,  ut  iuus  pistor  bonian  faceret  panem^  eins  duodecimam  pld- 
losophiae  dedisses,  ipse  honus  iampridem  esses  /actus.  Nunc 
illum  qui  norunt  volunt  emere  mdlibus  centumj  teqiie  novit  nemo 
centussis.  Endlich  sagt  gar  Mart.  III,  62.  Centenis  quod  eniis 
piieros  et  saepe  ducenis.  Vgl.  Sen.  ep.  27.  de  ill.  gramm.  3. 
(200,000  Sest.)  Noch  unsinnigere  Preise  erwähnen  Plin.  h.  n. 
VII,  40,  128.  und  Suet.  Caes.  47.  Damit  steht  in  schroffem 
Contrast  die  frühere  Billigkeit  Liv.  XXII,  58.  Dureau  de  la 
Malle,  econ.  politique  des  liom.  I,  S.  143  — 159.  Wallon 
n,  S.  160  —  176. 

Die  meisten  Sklaven  scheint  wie  für  Griechenland,  so 
auch  für  Korn  Asien  geliefert  zu  liaben  (Juv.  V,  56.  XI,  147.); 
Syrier,  Lydier,  Karier,  Mys-ier,  I'hrygier,  ganz  besonders  aber 
Kappadozier  werden  häufig  genannt  (Cic.  p.  red.  in  sen.  6. 
Cappadocein  modo  abreptum  de  grcge  venalium  diceres.  Juv. 
VII,  15.)  und  namentlich  für  wissenschaftliche  Zwecke  waren 
gricchisclie  Sklaven  sehr  gewöhnlich.  Sehr  launig  schildert 
CicEUu  nicht  von  der  besten  Seite  die  Eigenthümlichkeit  der 
vier,  die  eigentliche;  Asia  bildenden  Landschaften,  p.  Flacco 
27.  Utnnn  igitnr  nostrum  est  an  vestrum  /toc  proverbiuni:  Phry- 
gem  plagis  fieri  mcliorem?  Quid  de  tota  Caria?  Nonne  hoc 
vestra  voce  vulgatum  est:  si  quid  cum  periculo  experiri  vclis,  in 
Care  id  potissimum  esse  faciendum?  Quid porro  in  Graeco  ser- 
mone  tarn  tritnni  est,  quam,  si  quis  despicalui  ducitur,  ut  Afyso- 
ruin  ultiinus  esse  dicatur?  Nani  quid  ego  dicaiu  de  Lydia?  qiiis 


]^(j3  Dritter   Excurs. 

unquam  Graecus  comoediam  scrii^sit,  in  qua  servus  priniariu» 
partium  no7i  Lydus  esset.  Es  ist  das  unverkennbar  von  den  an 
den  Sklaven  gemachten  Erfahrungen  entlehnt.  Zur  Charak- 
teristik der  griechisolien  Sklaven  dient  auch,  was  derselbe  de 
or.  II,  Öd),  sagt:  nostros  liomines  similes  esse  Syrornm  venaliinn: 
ut  quisque  optime  graece  sciret,  ita  esse  nequissimum.  Ausserdem 
lieferten  natürlich  alle  eroberten  Länder  Sklaven,  namentlich 
Gallien;  s.  oben  Caesar  (sub  corona).  Auch  Cic.  pro  Quint.  6. 
von  einem  L.  Publicius:  qui  e  Gallia  pueros  renales  isti  (Nae- 
vio)  adducebat.  Allein  diese  Sklaven  keltischer  und  germa- 
nischer Abkunft  scheinen  in  der  Regel  nur  zur  Landarbeit 
g-ebraucht  worden  zu  sein.  So  sagt  Varro  R.  R.  I,  1.  Galli 
appositissimi^  maxime  ad  iumenta.  Als  Luxussklaven  hielt  man 
Neger,  Aethiopes,  Mart.  VII,  87.  fruitur  tristi  Canius  Aethiope, 
und  VI,  39.  Hie  qui  retorto  crine  Maurus  incedii  Sobolem  fate- 
tur  esse  se  coci  Santrae.  Juv.  V,  52.  cursor  Getulus  —  Maurus 
Petron.  34.  Schon  bei  dem  Alot.  ad  Herenn.  IV,  50.  befiehlt 
der  Windbeutel:  ut  ab  avunculo  rogetur  Aethiops  qui  ad  balneas 
veniat.  Damit  stimmt  vortrefflich  die  Statue  eines  jungen 
Negersklaven  überein,  der  den  Badeapparat  trägt.  Mus.  Pio- 
Clem.  III,  tav.  35.  Unter  den  Kaisern  kamen  noch  Numidier 
hinzu,  die  als  Vorreiter  gebraucht  wurden.  Ausserdem  waren 
zahlreich  Dacier,  Scythen,  Sarmaten,  Mösier  (Polyb.  IV,  38, 
4.  Juv.  III,  240.  143.),  Indier  (Hör.  Sat.  II,  8,  14.  Juv.  XI, 
125.),  Spanier  und  die  Sai-den,  die  rohesten  und  unbrauchbar- 
sten von  Allen;  Strabo  geogr.  V,  2.  Cic.  ad  div.  VII,  24. 
Flut.  qu.  Rom.  53.  Boeger,  de  mancip.  commercio  apud  Rom. 
p.  24—  32.  Heyne  in  opusc.  IV,  S.  120.  e  quibus  terris  man- 
cipia  in  Graec.  et  Rom.  fora  advecta  fuerint.  Stets  wurde  die 
Heimath  angegeben  beim  Verkauf.  Ulp.  Dig.  XXI,  1,  31. 
§2L 

Der  Grundsatz,  dass  ein  Römer  nicht  eines  andern  Rö- 
mers Sklave  sein  könne,  wurde  noch  strenger  festgehalten,  als 
dieselbe  Ansicht  unter  den  Griechen,  lieber  letztere  s.  Cha- 
rikl.  II,  S.  32.  In  Rom  konnte  zwar  auch  der  insolvente 
Schuldner   dem   Gläub'ger    zugesprochen   werden   (addicere), 


Die  Sklaven.  109 

aber  sein  Sklave  konnte  er  nicbt  werden,  sondern  mnsste  ins 
Ausland,  in  der  damaligen  Sprache  Irans  Tiberim  verkauft 
werden.  Gell.  XX,  1,  45.  Tertiis  autem  nundinis  capite  poe- 
nas  clabant,  aut  trans  Tiberim  venum  ibant.  Dasselbe  g-esebab, 
wenn  ein  römiscber  Bürger  vom  Staate  (wegen  nicbt  erfüllter 
Militärpflicbtigkeit)  verkauft  wurde:  quem  yopulus  vendidit 
Beispiele  Val.  Max.  YI,  3,  4.  Cic.  de  or.  I,  40.  p.  Caec.  34. 
Dagegen  scheinen  die  Römer  den  bei  den  Griechen  nach  und 
nach  herrschenden  Grundsatz  nicbt  in  gleichem  Masse  anex-- 
kannt  zu  haben,  dass  bei  gleicher  nationaler  Abstammung 
gegenseitige  Sklaverei  unzulässig  sei,  s.  Charikl.  II,  S.  27. 
So  konnten. die  kriegsgefangenen  italischen  Bundesgenossen 
römische  Sklaven  werden.  Cic.  p.  Cluent.  7.  M.  Aurius  ado- 
lescentulus  hello  Italico  captus  (aus  Lavinum)  apud  Ascidum  in 
Q.  Sergii  senaloris  manus  incidit  et  apud  eum  fuit  in  ergastulo. 
Der  Gx'ieche  also  urtheilte,  dass  kein  Hellene  eines  Hellenen 
Sklave  sein  dürfe;  der  Römer,  dass  kein  römischer  Bürger 
einem  anderen  dienen  dürfe.  So  bei  Plaut.  Tiin.  II,  4,  144. 
die  Campaner;  und  überhaupt  geht  es  aus  allen  Verkäufen 
der  Gefangenen  hervor. 

Im  Gegensatze  zu  diesen  käuflich  erworbenen  Sklaven 
hiessen  vernae,  auch  wohl  vernaculi  (Marx.  X,  3.),  die  aus  dem 
contubernium  der  Sklaven  hervorgegangenen  oder  überhaupt 
von  einer  Sklavin  dem  Herrn  geborenen  Kinder.  Die  Ablei- 
tung des  Namens,  Avelche  die  Grammatiker  geben,  ist  wie  ge- 
\\öhnlich  nur  dem  Buchstaben  nach  gemacht.  Fest.  p.  372. 
Vernae^  qui  in  villis  vere  nati,  quod  tempus  duce  natura  feturae 
est  et  tunc  rem  divinam  instituerit  Marti  Numa  Pompitius  pacis 
concordiaeve  obtinendae  gratia  inter  Sabinos  Romanosque^  ut 
vernae  viverent  ne  (neu)  vincerent.  Romanos  enim  vernas  ap- 
pellabant,  id  est,  ibidem  natos,  quod  vincere  perniciosum  arbi- 
trinm  (arbitralum)  J^^abinis^  qui  coniuncti  erant  cum  P.  R.  Noch 
unrichtiger  Non.  I,  206.  Vernas  veter  es  appellabant,  qui  vere 
sacro  fuerant  nati  et  liabebatur  nomen  hoc  pro  vitabHi  maledictu. 
So  dunkel  die  Worte  bei  Festus  sind,  so  sieht  man  doch,  dass 


\l{)  Dritter  P^xcurs. 

die  alte  Bedeutung  des  Wortes  die  des  Heimischen  ist  im 
Gegensatze  zum  Ankömmling,  s.  Göttling,  Staatsverf.  S.  132. 
Das  wird  bestätigt  durch  die  von  Servius  Ms.  Fuld.  zu  Verg. 
Aen.  I,  17.  angeführte  Formel  aus  den  Sacris  Tiburtibus:  luno 
cwis  tuo  curru  clypeoque  tuere  meos  ciiriae  vernulas.  In  ähn- 
licher Weise  nennt  Mart.  X,  76.  einen  aus  wirklichem  Römer- 
blute  Stammenden  Numae  verna.  Der  Name  bezeichnet  daher 
nicht  jeden  im  Sklavenstande  als  Sklaven  geborenen,  sondern 
nur  den,  der  in  der  Familie  des  Herrn  selbst  geboren  ist.  Geht 
er  daraus  in  eines  Andern  Besitz  über,  so  hrjrt  er  natürlich 
in  Bezug  auf  die  neue  fjxmilia,  in  die  er  eintritt,  auf,  verna  zu 
sein.  Es  ist  dasselbe,  was  bei  den  Griechen  oty-üronv,  das  die 
Grammatiker  durch  öoi'Xog  uixoyevijg  erklären.  Aufgewachsen 
im  Hause,  mit  den  Verhältnissen  desselben  wie  mit  den  Eigen- 
heiten und  Gewohnheiten  der  Herren  bekannt,  waren  sie  zur 
Bedienung  vorzugsweise  geschickt  und  desshalb  in  gewisser 
Hinsicht  geschätzt.  Daher  sagt  der  Verkäufer  bei  HoR.  Ep. 
H,  2,  6.  zur  Empfehlung  seines  Sklaven:  Verna  ministeriis :  ad 
nutus  aptus  heriles.  Aber  eben  diese  Vertraulichkeit  und  Be- 
kanntschaft mit  den  Schwächen  des  Herrn  führte  oft  zu  gros- 
ser Dreistigkeit  und  die  licentia  vernarum  ist  sprüchwörtlich 
geworden.  So  nennt  sie  Hör.  Sat.  H,  6,  66.  procaces,  so  ver- 
bindet Mart.  X,  3.  vernaculorum  dicta  und  foeda  tinguae  pro- 
bra  circulatricis,  I,  42.  Daher  bei  Tib.  I,  5,  26.  garrulus  venia. 
und  Sex.  de  j^rovid.  1.  cogita,  filiorum  7ios  modestia  delectari, 
vernacidorum  licentia.  Am  sprechendsten  ist  die  Erzählung 
bei  Tacit.  Hist.  H,  88.  Incuriosos  milites  vertiacida  ut  rehaii- 
tur  urbanitate  quidam  spoUavere  abscisls  furtim  balteis,  an  ac- 
cincti  forent,  rogitantes.  Daher  werden  denn  auch  vernilia 
dicta  für  scurrilia  und  verniles  blanditiae  gesagt.  Auf  Inschrif- 
ten treffen  wir  zuweilen  vernae^  Orelli  Henzen  2808  if.  und 
•2812  setzen  die  empticii  einem  verna  ein  Denkmal  und  die 
Fasten  des  Collegiums  von  Antium  6445  gedenken  eines  dies 
festus  vernarum. 

Wenn  sonst  auf  andei-e  Weise,  wie  z.  B.  hereditate.  Skia- 


Die  Sklaven.  111 

ven  erworben  Avurdeu,  so  wird  dadurch  nichts  in  dem  Verhält- 
nisse geändert,  sondern  sie  werden  immer  entweder  mit  den 
emtis  oder  den  vernis  auf  einer  Linie  stehen. 

Die  Gesammtheit  der  einem  Herrn  gehörigen  Sklaven 
theilt  sich  zunächst  ein  in  die  fwnilia  urbana  und  fcuinlia 
rustica,  nicht  nur  wegen  des  verschiedenen  Aufenthalts  in  der 
Stadt  und  auf  den  Villen,  sondern  hinsichtlich  der  verschiede- 
nen Beschäftigung.  PoMPON.  Dig.  L,  16,  IGG.  Urbana  familia 
et  rustica  non  loco  sed  genere  distinguitur.  Orelli  Hexzen 
2857  ff.  2862  ff.  6275.  6283.  Daher  konnte  die  familia  urbana 
den  Herrn  auf  die  Villa  begleiten,  ohne  des  Aufenthalts  wegen 
rustica  genannt  werden  zu  können.  Die  familia  rustica  wird 
von  dem  Herrn  zur  Bewirthschaftung  seiner  Ländereien  ge- 
braucht, die  urbana  für  seine  Bedienung  und  mannigfaltigsten 
Bedürfnisse. 

Die  Einfachheit  der  alten  Zeit  wusste  freilich  von  einem 
solchen  Sklavenheere  (Sex.  de  tranq.  8.)  nichts,  und  selbst 
Consuln  zogen  mit  wenigen  Sklaven  ins  Feld.  Appul  Apol. 
p.  430  Oudend.  Ila)ie  tandein  ne  liaec  quidern  legere  patroni 
tui?  M.  Antonium  consularem  solos  octo  servos  domi  habuissef 
Carbonein  vero  illum,  qui  rebus  potitus  est,  non  minus?  Ät  enim 
HT.Curio  tot  adoreis  longe  inclyto,  quippe  qui  ter  triumphwn  una 
porta  egerit,  ei  igitur  M\  Curia  duos  solos  in  castris  calones 
fuisse?  —  M.  aiitem  Cato  —  ipse  in  oratione  sua  scriptum  reli- 
quit,  cum  in  Hispaniam  consul  proficisceretur,  tris  servos  solos 
ex  urbe  duxisse.  Und  von  diesen  wenigen  Sklaven  wurde  viel- 
leicht nur  einer  zur  eigentlichen  nächsten  Bedienung  ge- 
braucht, woraus  sich  die  Namen :  Caipor,  Lucipor,  Marcijjor, 
Publipor,  Quintipor  erklären;  denn  sonst  hätten  dieselben  kei- 
nen Sinn.  QuiNCT.  Inst.  I,  4,  7.  In  servis  tarn  intercidit  illud 
genus,  quod  ducebatur  a  domino,  unde  Marcipores  Publipor esque. 
Fest,  p.  257.  Quintipor  servile  nomen  frequens  apud  antiquos 
erat,  a  praenomine  domini  ductuin.  Plinius  sagt  XXXIII,  1,  6. 
wo  er  vom  Versiegeln  der  Zellen  spricht:  Hoc  profecere  inan- 
cipiorum  legiones  et  in  domo  turba  externa  ac  servorum  quoque 
causa   nomenclator   adhibendus.     Aliter   apnt   antiquos  singuli 


112  Dritter  Ex  cur  s. 

Marcipores  Luciporesve  dominoruin   gentiles  omnem  victiim   m 
promisciio  habebant.    Mit  lebendigen  Farben  schildert  die  Be- 
dienung beim  Mahle  nach  alter  Sitte  Juven.  XI,  145  ff. 
Plebeios  calices  et  pancis  assibus  emtos 
Porrigit  incultus  puer,  atque  a  frigore  tutus; 
Xon  Phryx,  aut  Lycius,  non  a  mangone  jJetitiis 
Quisquam  erit  in  magno,  cum  posces,  posce  latine. 
Idem  habltus  cunctis,  tonsl  rectiqiie  capilli, 
Atque  hodie  tantum  propter  convivia  pexi. 
Die  von  Appul.  angeführten  Beispiele  des  M.  Antonius  und 
Cn.  Papirius  Carbo  fallen  schon  in  die  Zeit  der  sinkenden  Ke- 
publik   (Marius   und  Cinna)  und  waren  vermuthlich  damals 
schon  Ausnahmen:   denn  fast  gleichzeitig  finden  wir  (in  Ci- 
cero's  Zeit)  grosse  Schwärme  von  Sklaven,  die  nur  zur  Bedie- 
nung und  zum  Gefdge  des  Herrn  und  seiner  Familie  gehören. 
So  erzählt  Asc.  argum.  p.  Mil.  p.  32  Cr.  von  Clodius  und 
Milo:   vehebatur  Clodius  eqvo.  servi  XXX  fere  expiditi,  ut  illo 
tempore  mos  erat  iter  facientibus,  sequebantur.  —  Milo  reda  vehe- 
batur cum  iixore  — .   Sequebatur  eos  raagnum  servorum  agmen, 
inter  quos  gladiatores  quoque  erant  etc.    und  so   spricht  Cic. 
selbst  c.  10.  von  magno  —  ancillarum  pueroiumque  comitatu. 
und  21.  Milo  tum  casu  pueros  sympJioniacos  uxoris  ducebat  et 
ancillarum  greges.    So  reiset  auch  Vedius,  Cic.  ad  Att.  VI,  1. 
s.  Plut.  Grass.  2.    Diesen  ausserordentlichen  Aufwand  in  der 
Bedienung  tadelt  indirekt  Gic.  de  leg.  agr.  II,  28.  ?ieque  isto- 
rum  pecuniis  quidquam  aliud  deesse  video,  nisi  eiusmodi  fundus, 
quorum  subsidio  familiarum  ?nag)iitudines  et  Cumanorum  ac  Pu- 
teolanorum  praediorum  sumtus  sustentare  possint.    Abgesehen 
von  einem  solchen  Luxus  und  einer  übertriebenen  Zahl  von 
Sklaven,  scheint  indessen  doch  Gicero  selbst  für  einen  anstän- 
digen Haushalt   eine   ziemliche   Anzahl   zu   fordern,   und   es 
konnte  selbst  zum  Vorwurfe  gereichen,  für  die  einzelnen  Ge- 
schäfte nicht  besondere  Sklaven  zu  haben.    So  sagt  Gicero  (in 
Pis.  27.),  wo  er  das  liederliche  Hauswesen  des  Piso  beschreibt: 
idem,  coquus,  idem  atriensis.   und  HoR.  Sat.  I,  3,  12,  scheint  als 
geringste  Zahl  für  einen  in  leidlichen  Umständen  Lebenden 


Die  Sklaven.  113 

zehn  Sklaven  anzunehmen,  ja  er  rügt  sogar,  Sat.  I,  6,  107  ff. 
die  Unschicklichkeit  des  Prätor  TuUius,  dem  nicht  mehr  als 
fünf  Sklaven  von  der  Tiburtinischen  Villa  nach  Rom  gefolgt 
waren.  —  Aus  der  folgenden  Zeit  werden  uns  fast  unglaub- 
liche Zahlen  genannt.  So  erzählt  Plinius  XXXm,  10. 
C.  Caecilius  Claudius  Isidorus  testamento  suo  edixit  (a.  U.  744), 
quamvis  multa  civili  hello  perdidisset,  tarnen  relinquere  servorum 
quatuor  milUa  centum  sedecim.  Tac.  Ann.  III,  53.  XIV,  43. 
44.  Sen.  de  tranq.  8.  epist.  17.  Ath.  VI,  7.  «U«  'Pio^iaiMv 
exaatog  —  nJMatovg  oaovg  y.ey.rtjfiivovg  olutrag,  x«J  yaQ  fwoiovg 
xai  SiüfiVQiovg  'äui  tri  nXet'ovg  8l  näf^inoXloi  xfy.r7jvtai  etc.  Das 
sind  indessen  noch  nicht  die  grössten  Zahlen.  Wenn  auch  die 
ganze  Tendenz  der  Schrift  Petroxs  erwarten  lässt,  dass  er 
auch  in  der  Angabe  der  familia  Trimalchionis  absichtlich  über- 
trieb, so  haben  doch  diese  Uebertreibungen  selbst  keinen  Sinn 
ohne  Voraussetzung  ausserordentlicher  Zahlen  und  wie  vieles 
dort  Erzähltes,  das  auch  nur  Erfindung  scheinen  könnte,  wird 
nicht  anderweit  bestätigt.  Dort  heisst  es  c.  37.  Familia  vero 
bahae!  non  me  Hercules  puto  decimam  partem  esse,  quae  herum 
suum  novit.  47.  fragt  Trimalchio  einen  der  Haussklaven:  ex- 
quota  decuria  es?  und  er  antwortet:  e  quadragesima.  und  53. 
liest  ein  actuarius  vor,  was  auf  den  Gütern  des  Trimalchio 
vorgefallen  war,  und  darunter:  VII.  Kai.  Sext.  nati  sunt  pueri 
XXX,  puellae  XL.  Das  ist  allerdings  lächerliche  Uebertrei- 
bung;  wenn  man  aber  bedenkt,  dass  noch  zur  Zeit  der  Re- 
publik Crassus  den  nicht  für  reich  erkannte ,  der  nicht  reditu 
annuo  legionem  tueri  posset,  so  lässt  sich  in  Petrons  Zeit  aller- 
dings ein  wahrhaft  monströser  Reichthum  und  in  Folge  des- 
selben eine  ungeheuere  Sklavenzahl  als  möglich  denken.  S. 
endlich  Vop.  Proc.  12.  und  Dcreau  de  la  Malle,  econ.  polit. 
I.  p.  230—289.  Wallon  U,  p.  72—89.  142—159.  Auch  das 
findet  sich,  dass  den  einzelnen  Dekurien  der  Sklaven  Decu- 
riones  vorstanden.  So  wird  Suet.  Dom.  17.  ein  decurio  ciibi- 
culariorum  geuannt ,  und  ebenso  mehrmals  auf  Inschriften, 
Orelli  Henzen  n.  2785.  und  p.  512.  Gewöhidich  bezieht  es 
sich   auf  die  domus  Augusta,    ducli   wird    es  audi    in   andern 

Becker,  Uallus.  3.  Aufl.  II.  ^ 


]^14  Dritter    Exeu rs. 

Häusern  solche  Decurionen  gegeben  haben.  Siehe  die  Pom- 
pejanische  Mauerschrift  in  Avellino,  bullet.  Nap.  II,  2,  N.  19. 
quaeres  Fahium  et  Fallacein  (zwei  Sklaven)  in  decuria  Cotini. 
Audi  der  Name  cubicularius  III  vir  deutet  diese  Einthei- 
luugen  an.  Orelli  n.  2863. 

Die  ausserordentliche  Menge,  von  der  natürlich  die  Mehr- 
zahl auf  den  Landgütern  verwendet  wurde  (Plin.  h.  n.  XVIII, 
6.  Sen.  de  ben.  VII,  10.),  aber  auch  Hunderte  der  familia 
urbana  angehörten,  inachten  nun  eben  solche  Eintheilungen 
nothwendig,  wie  überhaupt  eine  förmliche  Organisation,  um 
eine  Uebersicht  zu  gcAvinnen  und  einige  Ordnung  in  dieses 
Sklavenheer  zu  bringen.  In  dieser  Hinsicht  lassen  sich  ge- 
wisse Klassen  festsetzen,  die  nach  Massgabe  ihrer  Beschäfti- 
gung einen  höheren  oder  niederen  Rang  einnahmen.  Diese 
Klassen  sind :  ordinarii  (mit  ihren  vicariis),  vulgares,  media 
stini,  qualesquales.  So  unterscheidet  wenigstens  Ulp.  Dig. 
XL VII,  10,  15.  Midtwn  interest^  qualis  servus  sit;  honae  frugi, 
Ordinarius,  dispensator,  an  vero  vidgaris ,  vel  mediastinus,  an 
qualisqualis. 

Ordinarii 
scheinen  die  angeseheneren  [lioneslior,  Oic.  Parad.  V,  2.)  Skla- 
ven genannt  worden  zu  sein,  welche  über  gewisse  Theile  des 
Hauswesens  die  Oberaufsicht  führten  und  daher  anderen  vor- 
gesetzt waren,  auch  ihre  eignen  Sklaven  oder  vicarios  haben 
durften.  Es  waren  demnach  Leute ,  die  das  besondere  Ver- 
trauen des  Herrn  genossen,  denen  die  Verwaltung  des  Ver- 
mögens mit  Einnahme  und  Ausgabe  übertragen  war,  und  die 
im  Hause  wie  auf  der  Villa  die  übrige  Familie  beaufsichtigten, 
anstellten  imd  in  Ordnung  erhielten.  Nun  werden  eigentlich 
von  Ulpian  nicht  ausdrücklich  die  verschiedenen  Klassen  an- 
gegeben und  es  kann  selbst  zweifelhaft  scheinen,  ob  nicht  die 
Worte  Ordinarius  dispensator  zu  verbinden  sind,  da  es  auch 
bei  SuET.  Galb.  12.  heisst:  ordinario  dispensatori  breviarium 
rationum  offerenti  etc. ,  indessen  versteht  es  sich  von  selbst, 
dass  es  in  der  Familie  solche  geben  musste,  welche  caeteris 
praefecti  erant  und  solche,  die  frei  von  niederen  gewöhnlichen 


Die  Sklaven.  115 

Sklavendiensten  waren.  Diese  scheinen  allerdings  ordinarü 
genannt  worden  zu  sein.  Sex.  ep.  110.  Unicuique  nostrum 
paedagogum  dari  deinn,  non  qiddem  ordinarium ,  sed  Jnnic  infe- 
rioris  notae  ex  eorum  numero^  quos  Ovidius  ait  de  plebe  deos. 
Daher  sagt  ders.  de  ben.  III,  28.  quo  te  isti  efferunt?  ad ost'nnn 
alicuiiis  ostiarii;  ad  hortos  cdicuius  ne  ordinarium  qiddem  ha- 
bentis  officium.  Xamentlich  wird  der  Ausdruck  Ordinarius  im 
Gegensatze  zu  dem  vicarius  gebraucht.  So  hiess  nämlich  eines 
Sklaven  Sklave.  Wie  überhaupt  der  Grundsatz :  quodcunqne 
per  servum  acquiriiur,  id  domino  acquiritur.,  nicht  streng  fest- 
gehalten wurde,  und  der  Sklave  durch  Ersparnisse  oder  auf 
andere  Weise  zu  einem  Eigenthume,  peculium ,  gelangen 
konnte,  so  durfte  auch  der  Angesehenere  sich  zu  seiner 
Unterstützung  eigne  Sklaven  halten,  die  zu  seinem  jyeculium 
gehörten.  Hör.  Sat.  II,  7,  79.  Vicarius  est,  qui  servo  paret. 
und  in  gleichem  Sinne  Mart.  II,  18,  7.  wo  der  Dichter  dem 
Patron  die  opera  togata  aufkündigt,  weil  dieser  selbst  wieder 
einen  rex  habe. 

Esse  sat  est  servum;  iam  nolo  vicarius  esse. 
Qui  rex  est,  regem,  Maxime^  non  haheat. 
Oft  kommen  vicarii  aiif  Inschriften  vor,  Orelli  Henzen  362. 
2820  ff.  2860.  5362.  6277.  6279.  u.  a.    Das  waren  nun  eben, 
wenigstens  in  früherer  Zeit,  nur  ordinarü,  welche  einen  vica- 
rius hielten.   Ulp.  Dig.  XV,  1,17.   Si  servus  meus  Ordinarius 
vicarios  liubeat,  id,  quod  vicarii  mihi  dehent,  an  deducam  ex  pe- 
culio  servi  ordinarü?  und  XIV,  4,  6.  Diese  Stellvertretimg  ge- 
hört nicht  nur  der  spcäteren  Zeit  an,  wo  wir  allerdings  Sklaven 
finden,  die  es  nur  dem  Namen  nach  sind,  ihre  eigne  Wohnung, 
eignen  Haushalt  und  grosses  Vermögen  haben;  vielmehr  ge- 
denkt ihrer  schon  Plaut.  Asin.  II,  4,  28.,  wo  sich  der  Pseudo- 
Atriensis  Saurea  mit  seinem  angeblichen  Vicarius  brüstet: 
—   Vah,  deleidre  a dparas :  scio  mihi  vicarium  esse 
Neque  eo  esse  servorn  in  aedibus  eri,  qui  sit  pluris  quam  illest. 
la  Cic.  VeiT.  III,  28.,  wo  er  die  vilitas  des  Diognotus  (eines 
servus  publicus)  hervorheben  will,  sagt :  vicarium  nullum  habet, 
nihil  oinnino  peculii.  und  von  dem  Demctrius,  Freigelasseneu 

8* 


IXQ  Dritter  Exe  Urs. 

des  Pompeius,  führt  8en.  de  tranq.  8.  an,  dass  er  zwei  vicarios 
gehabt  habe  und  cella  laxior.  —  Ein  ähnliches  Verhältniss 
fand  Statt,  Avenn  der  Herr  einem  der  Sklaven,  welche  dem 
Hauswesen  vorstanden,  einen  untergeordneten  Sklaven  zur 
Hülfe  beigab.  Der  Unterschied  ist  dann  nur  der,  dass  der  Or- 
dinarius dem  Herrn  für  seinen  vicarius  verantwortlich  ist,  da- 
gegen der  vom  Herrn  gegebene  ihm  unmittelbar.  Daher 
Plaut.  Mil.  HI,  2,  12. 

Deprompsit  nardini  amphoram  cellarius. 

Eho  tu,  sceleste,  qui  Uli  svppromiis:  eho. 
und  25. 

Bono  suhproino  et  promo  cellam  creditam. 
und  so  wird  derselbe  55.  subcitstos  genannt.  In  gleichem  Sinne 
nennt  sich  Pseud.  (II,  2,  13.)   Subballio  als  angeblicher  atrien- 
sis  des  Ballio. 

Die  erste  Stelle  in  der  ganzen  familia,  wenigstens  der 
urbana,  nimmt  der  procurator  ein,  wahrscheinlich  der,  dem  der 
Herr  die  Verwaltung  des  Vermögens  oder  einen  Theil  dessel- 
ben übertrug.  Mit  diesem  procurator  ist  der  in  den  Kechts- 
quellen  unter  diesem  Xamen  oft  vorkommende  Generalbevoll- 
mächtigte, welcher  nur  ein  Freier  sein  konnte,  nicht  zu 
verwechseln.  Reix,  römisches  Privatrecht  S.  880.  Keller, 
Semestr.  I,  p.  117  ff.  Von  diesem  handelt  Dig.  III,  3.  und  Cic. 
p.  Caec.  20.  (in  Bezug  auf  die  Worte  des  Interdikts:  unde  tu, 
aut  familia  tua,  aut  procurator  tuusj :  De  liberis  autern  quisquis 
est,  procuratoris  nomine  appellatur:  non  quo  omnes  sint  aut 
appellentur  procuratores ^  qui  negotii  nostri  aliquid  gerant  etc. 
Dann  weiterhin:  utrum  me  tuus  procurator  deiecerit  is,  qui  legi- 
time procurator  dicitur  omnium  verum  eius,  qui  ifi  Italia  7ion  sit 
absitve  reipublicae  causa,  quasi  quidam  paene  dominus,  h.  e. 
alieni  iuris  vicarius.  Endlich:  Tarn  restitues,  si  tuus  me  Ubertus 
deiecerit  ?iulli  ttco  praepositus  negotio,  quam  si  procurator  deie- 
cerit: non  quo  omties  sint  procuratores^  qui  aliquid  nostri  negotii 
gerunt,  sed  quod  in  hac  re  quaeri  nihil  attinet.  Dagegen  sind 
die  zum  Hause  gehörenden  procuratores  Sklaven  oder  Frei- 
gelassene, welchen  der  Herr  die  Aufsicht  über  irgend  einen 


DieSklaven.  217 

Theil  des  Hauswesens  anvertraut  hat.  Auch  in  dieser  Bedeu- 
tung kommt  der  Name  bei  Cicero,  besonders  in  Bezug  auf 
die  Verwaltung  der  Landgüter  Aor:  de  or.  I,  58.  si  mandan- 
dum  aliquid  procuratori  de  agriciiltura  aut  imperandum  villico 
sit.  ad  Att.  XIV,  16.  cum  Piliae  nostrae  villam  ad  Lucrinum 
vilUcosque  et  procuratores  tradidissem.  Plin.  ep.  III,  19.  von 
der  vortheilhafteu  Lage  zweier  Landgüter:  posse  utraque 
eadem  opera  eodcm  viatico  invisere,  sub  eodem  procuratore  ac 
paene  iisdem  actoribus.  CoL.  I,  6.  S.  ferner  Plaut.  Pseud.  II, 
2,  13.  pi'ocurator  pe7ii,  Varro  K.  ß.  III,  6.  von  dem  über  die 
Pfauenzucht  gesetzten  (wenn  nicht  procurator  villae  gemeint 
ist),  so  procuratores  hortoruui  u.  s.  w.  In  der  Bedeutung  aber 
dessen,  dem  die  gesammte  Verwaltung  übertragen  ist  und  dem 
die  gesammte  familia  untergeben  ist,  kommt  das  Wort  erst 
spät  vor.  Petr.  30.  lam  ad  tridinium  veneramus^  in  cuius  parte 
prima  procurator  rationes  accipiebat.  Sen.  epist.  14.  Rationes 
accipit ,  forum  conterit^  calendarium  versat,  fit  ex  domino  pro- 
curator. QuiNCT.  decl.  345.  Satis  sit  vobis,  o  divites,  hos  vestras 
praestare  fortwias^  quo d  per  dit-pensatores  foeiieratis ,  quod  fa- 
miliani  per  procuratores  cofitiTieiis.  Vgl.  Jordan  zu  Cic.  p. 
Caec.  253  fg.  Die  procuratores  der  Inschriften  sind  von  diesen 
ganz  verschieden  oder  sind  kaiserliche  Freigelassene,  wie 
proc.  villae  Alsiensis,  Orelli  Henzen  5144. 

Neben  dem  procurator  werden  zunächst  der  actor  und 
der  difpensator  gensmiit.  Der  actor  (Orelli  1233.  1590.  1773. 
act.  praediorum  Tublinatium.  2695.  2731.  2788.  4141.  4688. 
4809.  4913.  5307.  6143.  meistens  Freigelassene)  scheint  vor- 
züglich in  die  familia  rustica  zu  gehören  und  bedeutet  fast  so 
viel  als  villicus.  Colum.  I,  7.  ita  fit,  ut  et  actor  et  familia 
peccet.  ib.  8.  Idernque  actori  praecipiendum  est,  ne  convicium 
cum  domestico,  raulto  minus  cum  extero  habeat.  Wenn  Scaev. 
Dig.  XXXIII,  7,  20.  unter  dem  instrumentum  fundi  beide,  den 
actor  und  den  villicus,  neben  einander  aufführt  und  so  die 
Namen  in  verschiedenem  Sinne  nimmt,  so  lässt  sich  das  dar- 
aus erklären,  dass  es  auf  den  Landgütern  oft  neben  dem  villi- 
cus,   doni   rein  die  Landwirthschaft  oblag,  einen  besonderen 


\^\Q  Dritter  Ex  cur  s. 

Rechnungsführer  geben  mochte;  es  konnte  aber  der  villicus 
zugleich  actor  sein.  Dann  hatte  dieser  noch  einen  procurator 
über  sich;  in  keinem  Fall  aber  bestanden  villicus,  actor  und 
procurator  neben  einander.  Das  lehrt  die  Yergleichung  der 
Stellen,  wie  Plin.  ep.  III,  19.  s.  oben,  Colum.  I,  6.  Villico 
hixta  ianiiam  ßat  hahitatio,  ut  intrantium  exeuntiumque  con- 
spectioa  habeat:  prociiratori  supra  ianuam  ob  easdem  causas. 

Der  dispensator  ist  der  Kassirer  und  Rechnungsführer 
vorzüglich  in  der  familia  urbana.  Cic.  Att.  XI,  1.  nihil  scire 
potui  de  7iostris  domesticis  rebus,  de  quibus  acerbissime  afflictoi\ 
quod  qui  eas  dispensavit ,  neqiie  adest  isfic,  iieque  tibi  terrarum 
sit  scio.  Paul.  Diac.  p.  72  M.  dispensatores  dicti,  qui  aes  pen- 
santes  expendebant.  Doch  giebt  es  auch  dispensatores  der  fa- 
milia rustica.  Pompox.  Dig.  L,  16,  166.  Botest  eiiiin  aliquis 
dispensator  non  esse  servoniix  urbanorum  niunero;  veluti  is,  qui 
rusticarurn  verum  rationes  dispenset  ibique  habitet,  no7i  rnultum 
übest  a  villico.  Orelli  103.  dispens.  villae  Mamurranae  (Frei- 
gelassene). Beide  stellt  auch  zusammen  Cic.  de  rep.  Y,  3.  lU 
villicus  naturam  agri  novit,  dispensator  literas  seit  etc.  Seine 
angesehene  Stellung  s.  Petrox.  30.,  wo  sich  derselbe  einen 
eignen  capsarius  hält  und  Suet.  Ner.  44. —  Wenn  eine  Unter- 
ordnung des  dispensator  unter  den  j^^'ocurator  angenommen 
wird ,  so  kann  das  in  einzelnen  Fällen  Statt  gefanden  haben, 
aber  gewöhnlich  legt  der  dispensator  dem  Herrn  selbst  Rech- 
nung ab.  Suet.  Galb.  12.  ordinario  dispejisatori  breviarium 
rationum  offerenii.  Vesp.  22.  admonente  dispensatore ,  quemad- 
modum  summam  rafionibus  vellet  referri ,  Vespasiano,  inquit, 
adamato.  So  auch  Cic.  Fgrat.  bei  Non.  III,  18.  Quid  tu,  in- 
quam,  soles  cum  rationem  a  dispensatore  accipis,  si  aera  singida 
probasti ,  summam ,  quae  ex  his  confecta  sit,  non  probare?  vgl. 
Marx.  V,  42.  luv.  1,91.  VH,  219.  Orell.  inscr.  2782.  Etwas 
Aehnliches  und  in  älterer  Zeit  wohl  ganz  dasselbe,  was  jn'ocu- 
rator  und  dispensator,  war  der  afriensis.  Orelli  Hexzex  2784. 
2891.  2966.  6285.  6305.  6445.  So  in  den  klassischen  Stellen 
bei  Plaut.  Asin.  11 ,  4.  wo  der  Pseudo  -  Saurea  als  atriensis 
Gelder  einnimmt  und  ausleihet ,  Wein  und  Oel  verkauft ,   Ge- 


Die  Sklavni.  119 

schirre  verborgt,  uud  die  Aufsicht  über  das  ganze  Hauswesen 
führt,  cid  omnium  rei-um  herus  siimmam  credldit.  Darum  kann 
er  auch  Pseud.  11,  2,  lo  ff.  mit  dem  cellarius  oder  promiis  ver- 
Aveohselt  werden : 

H.    Times  Ballio?  Ps.  Immo  vero  ego  eins  sum  Subballio. 

H.   Quid  istuc  verhist?  Ps.   Condiis  promus  sum,  prociirator 

peni. 

H.  Quasi  te  dicus  atriensem.  Ps.  Immo  atriensi  ego  impero. 
Man  sieht  daraus,  dass  der  atriensis  die  Aufsicht  über  das 
ganze  Haus  und  Hauswesen  führte ;  in  späterer  Zeit  aber  mag 
es  besondere  atrienses  gegeben  haben,  die  für  die  Ordnung  im 
Atrium  und  die  imagines  uud  überhaupt  für  Reinlichkeit  und 
Ordnung  im  ganzen  Hause  als  Oberaufseher  der  dazu  be- 
stimmten Sklaven  zu  sorgen  hatten.  —  Zu  den  ordinariis 
gehörte  auch  der  cellarius  oder  condiis  promus,  welcher  die 
Aufsicht  über  die  cella  penaria  und  vinaria,  überhaupt  den 
sämmtlichen  Bedarf  an  Lebensmitteln  hatte,  täglich  das  No- 
tlüge herausgab,  und  das  Uebriggebliebene  wieder  in  Verwah- 
rung nahm,  daher  procurator  peni.  Plaut.  Pseud.  II,  2,  lo- 
condus  promus  etc.  s.  oben.  Capt.  IV,  2,  115. 

Ariane,  posce^  prome  quidvis;  te  facto  cellarium. 
worauf  der  Parasit  IV,  3,  1.  sagt:  mihi  rem  summam  credidit 
cibariam.  Vgl.  Mil.  HI,  2,  11.  24.  w^o  auch  ein  supjrromus  er- 
wähnt wird,  ungefähr  wie  die  Dispensatoren  amanuenses  hatten. 
CoLUM.  XI,  1.  Ut  cibus  et  potio  sine  fraude  a  cellariis  prae 
beantur.  Vielleicht  war  er  auch,  wie  diese  Stelle  zeigt,  zu- 
gleich der,  welcher  der  familia  das  demensum,  cilum  demensum 
austheilte,  s.  unten.  —  Unter  die  ordinarios  mögen  auch  die 
negotiatores  gerechnet  werden,  unter  denen  man  Sklaven  ver- 
steht, welche  im  Auftrage  und  für  Rechnung  ihres  Herrn  in 
den  Provinzen  Geldgeschäfte  (nicht  Handel,  mercaturam  s. 
Ernesti  Clav.  s.  v.  negotiator.)  trieben.  S.  Obbar.  ad  Hör. 
Ep.  I,  1,  45.  p.  63  sq.  Dass  dies  in  einzelnen  Fällen  und  in 
späterer  Zeit  geschehen  sein  kann,  mag  nicht  geleugnet  wer- 
den. Früher  war  für  den  ordo  senatorius  jeder  quaestus  indr- 
corus,  s.  Vind.  comoed.  Rom.  p.  74.  und  die  equites  bedienten 


120  Dritter  Excurs. 

sich  nicht  der  Sklaven,  sondern  waren  die  negotiatores  selbst. 
In  dieselbe  Kategorie  fallen  die  institores  (Dig.  XIV,  3,  18. 
institor  est,  qui  tabernae  locove  ad  emendum  vendendumve  prae  - 
ponitur)  und  exercitores  (Iust.  IV,  7,  2.  cum  quis  servum  suum 
magistrum  navis  praeposuerit.) ,  welche  für  den  Herrn  alle 
Arten  von  Handelsgeschäften  und  zwar  selbständig  besorgten, 
unsern  Faktoren  analog;  oder  auch  Gastwirthschaft  betrieben. 
Dig.  IV,  9, 1,  §.  5.  XXXIII,  7,  13  pr.  15  pr.  Die  ersteren  han- 
delten theils  in  Buden,  theils  als  Hausirer  und  Colporteurs. 
Dig.  XIV,  3,  5,  §.  1  ff.  zeigt,  dass  das  Wort  im  weitesten 
Sinne  gebraucht  wurde.  Beispiele  s.  Thl.  I,  S.  148  f.  Ovid, 
a.  amat.  I,  421.  Juv.  VH,  221.   Orelli  4202  f. 

Die  grosse  Anzahl  vermuthlich  nicht  immer  ruhiger 
Sklaven  machte  sogar  eigene  silentianos  nöthig,  welche  über 
die  Ruhe  im  Hause  wachten.  So  sagt  Salvian.  de  gub.  dei 
IV,  3.  Servi  quippe  pavent  actores,  pavent  silentiarios ,  pavent 
procuratores ;  ah  omnibus  caeduntur.  Zwar  ist  das  im  fünften 
Jahrhundert  geschrieben,  allein  schon  Seneca  gedenkt  ihrer 
ep,  47.  (d.  h.  der  Sache,  nicht  des  Namens)  und  mehrere  In- 
schriften nennen  sie  bei  Fabretti  p.  206.  n.  54 — 56.  und 
Orell.  n.  2956.  (freilich  ein  kaiserlicher  Freigelassener). 

Wie  die  Sklaven,  welche  als  Künstler  und  für  wissen- 
schaftliche Zwecke  gebraucht  wurden,  angesehen  worden 
seien,  und  ob  man  sie  zu  den  ordinariis  zu  rechnen  habe,  er- 
giebt  sich  nicht  bestimmt.  Jedenfalls  gelten  sie  als  hoiiestiores 
und  lautiores.  Cic.  Parad.  V,  2.  ut  in  magna  familia  sunt  alii 
lautiores,  ut  sibi  videjitur,  serin,  sed  tarnen  servi.,  atrienses  ac 
topiarii.  Ihnen  setzt  er  dann  entgegen  qui  non  honestissimum 
locum  servitutis  tenent.  Wenn  man  aber  ferner  festhält,  dass 
Ordinarius  und  vicarius  Correlata  sind,  so  können  auch  solche 
Sklaven  ordinarii  heissen;  denn  der  Fall,  dass  sie  vicarios 
hatten,  war  gewiss  häufig.  Ein  Beispiel  bei  Cic.  Verr.  I,  36. 
wo  Verres  sich  die  Sklaven  seines  Mündels  Malleolus  ange- 
eignet hat:  servos  artifices  pupilli  cum  haberet  domi,  circum 
pedes  autein  homines  formosos  et  literatos,  suos  esse  dicebat  etc. 
Dann:    homines,  posteaquam  reus  /actus   est,  alii  redditi,  alii 


Die   Sklaven.  121 

eAiamnunc  retinentin',  pecuUa  omnium  vicariique  retinoitur.  Von 
solchen  Sklaven  spricht  Cic.  p.  ßosc.  Am.  41.  omnium  delicia- 
rum  et  omnium  artinm  puerulos  ex  tot  elegantissimis  familiis 
lectos  —  horum  literas  adamavit  aut  humanitatem.  Diese 
Klasse  nun  ist  in  der  römischen  familia  sehr  gross,  allein  nur 
wenige  sollen  hier  naher  besprochen  werden,  denn  Manche  er- 
klären sich  von  selbst,  von  Anderen  ist  passender  da  zu  spre- 
chen, wo  von  den  Bedürfnissen,  für  die  sie  sorgten,  ausdrück- 
lich gehandelt  wird.  Der  Uebersicht  wegen  sollen  die  Namen 
aller  hier  Platz  linden.  Zuerst  die  eigentlichen  Künstler:  orchi- 
tecti,  fabrij  pavimentarii ,  marmorarii^  figuU,  tectores,  tegidarii, 
statuarii,  pictores,  caelatores,  phimarii,  topiarii  (ab  hortorum 
cultura),  viridarii,  aquarii  (s.  über  die  di-ei  letzten  den  Excurs 
über  die  Gärten),  gemmarii ,  sculptores^  nirn-garitarii,  sardarii 
cavatarii;  daran  schliessen  sich  die  zur  Belustigung  dienenden 
symphoniaci,  ludiones,  mimi,  funambidi  oder  schoenobatae,  pe- 
tauristae,  saltatrices,  gladiatores;  tiefer  herab:  moriones ^  fatin 
und  fatuae,  nani  und  nanae  oder  pumiliones.  Ferner  die  Auf- 
seher über  Bibliothek  und  Kunstsachen :  a  bibliotheca,  a  statuis 
(GoRi,  columb.  Liv.  Aug.  p.  178.),  a  pinacofheca  (Orell.  inscr. 
n.  2417.)  und  die  zahlreiche  Klasse  der  literati,  als  anagnostae, 
librarii  (vieldeutig),  notarii,  a  studiis,  a  manu  oder  ab  epistolis, 
an  die  sich  die  tabellarii  reihen  mögen.  Endlich  sind  zu  nennen 
die  medici  mit  ihren  Abstufungen,  von  denen  zuerst  zu  sprechen 
ist.  S.  Gever.s,  de  servilis  conditionis  hominibus,  artes,  literas 
et  scient.  colentibus.  Lugd.  Bat.  1816. 

Medici,  chirurgi,  iatraliptae. 
Die  Arzneikunde  erlangte  spät  erst  zu  Kom  Ansehen  und 
wurde  fast  nur  von  Ausländern  betriehen.  Plin.  XXIX,  1,  6. 
erzählt,  dass  nach  Angabe  des  Cassius  Hemina  im  Jahre  der 
St.  535.  der  erste  griechische  Arzt,  Archagathus,  aus  dem  Pe- 
loponnes  nach  Korn  gekommen  sei.  Allein  die  Bewunderung, 
welche  anfänglich  ihrer  Kunst  zu  Theil  wurde,  verwandelte 
sich  bald  in  Misstrauen  und  theilweise  selbst  Abscheu.  Cato 
warnte  seinen  Sohn  ernstlich  vor  den  griechischen  Aerzten 
und  dem  Studium  der  Arzncikuudc,  und  es  mochte  allerdings 


122  Dritt  er  Exe urs. 

in  der  damaligen  Praxis  manche  Gewissenlosigkeit  vor- 
kommen, nnd  den  Aerzten  wenigstens  ein  bedeutendes  Maass 
Cliarlatanerie  vorgeworfen  werden  können.  So  darf  man  sich 
denn  nicht  wundern,  wenn  Plautus  mit  derbem  Spotte  sie 
geisselt,  Menaechm.  V,  3.  6  ff. 

Lumhi  sedendo  mi  ocidi  spectando  dolent, 
Manendo  medicum,  dum  se  ex  opere  recipiat. 
Odiosus  tandem  rix  ab  aegrotis  venit. 
Ait  se  obligasse  crus  fractian  Aesculapio, 
Apollini  autem  hrachium.  nunc  cogito, 
Utrum  me  dicam  medicum  ducere^  an  fabrum. 
Man  lese  die  folgenden  Scenen ,  und  man  wird  finden ,  dass 
dieser  Arzt  das  Original  zu  allen  den  pedantischen  medecins 
und  Charlatans  Molieres  geworden  ist.  Daher  sagt  denn  auch 
Athexaeus  XV,  p.  666.  A,  f/  jM/^  latgot  tjaciv,  ovöh'  av  tjv  räv 
you/tfiariy.är  ixagÖTfQOv.  S.  auch  Galex.  de  methodo  med.  I,  1. 
—  Die  Römer  selbst  befassten  sich  noch  zu  Plinius  Zeit  wenig 
damit,  so  einträglich  die  Kunst  auch  war,  wovon  Plinius  Bei- 
spiele anführt.  Das  war  es  aber  auch  eben,  was  sie  in  den 
Augen  der  alten  Römer  herabsetzte.  Non  rem  antiqui  damna- 
hant,  sed  artem.  Maxime  vero  quaestum  esse  immani  pretio 
i'itae,  recusabant.  Es  ist  sehr  interessant,  von  Plinius  über  das 
Verhältniss  des  Kranken  zum  Arzte  ein  Urtheil  zu  lesen,  das 
in  der  Natur  der  Sache  begründet,  eben  so  gut  auch  auf  unsere 
Zeit  Anwendung  leidet.  Er  sagt ,  nachdem  er  bemerkt  hat, 
dass  die  Römer  nicht  mit  demselben  Vortheile ,  non  in  tanto 
fructu,  die  Kunst  übten:  immo  vero  aiictoritas  aliter  quam 
graece  eam  tractantibus  ^  eliam  apud  imperitos  expertesque  li?i- 
guae  non  est.  Ac  minus  credunt,  quae  ad  salutem  suam  perti- 
nent,  si  intelligunt.  Itaque  in  hac  artium  sola  evenif,  ut  cui- 
cunque  medicum  se  professo  statim  credatur.  —  Nulla 
praeterea  lex  est^  quae  piiniat  inscitiam,  capitale  nullum  exem- 
plum  vindictae.  Discunt  periculis  nostris  et  experi- 
inenta  per  mortes  agunt,  medicoque  tantum  hominem  occi- 
disse  impunitas  summa  est.  Während  also  die  Aerzte  von  Pro- 
fession nicht  immer  mit   den   günstigsten  Augen   angesehen 


Die  Sklaven.  123 

waren,  bediente  man  sich  zuvcrlässig-er  Sklaven  nnd  Freige- 
lassener als  Hausärzte,  und  -verständige  sorgsame  Hausväter 
sammelten  sich  wohl  auch  Notizen  über  die  in  bestimmten 
Fällen  anzuwendenden  Mittel.  So  hatte  Cato  eine  Art  Recept- 
buch  ,  commentarium  .  quo  mederetur  filio,  servis,  familkiribus. 
Diese  Sklaven  wurden  ebenfalls  medici  genannt ,  und  es  kom- 
men selbst  medicae  auf  Inschriften  vor.  Orell.  inscr.  2792. 
servus  medicus  4230.  4231.  DiG.  XLI,  5,  41.  §.  6.  Suet.  Cal. 
8.  Nero  2. 

Die  Clib'urgie  wurde  von  den  medicis  zugleich  mit  geübt, 
wie  man  schon  aus  der  angeführten  Stelle  des  Plautus  sieht; 
doch  mögen  manche  vorzugsweise  sich  damit  beschäftigt  haben, 
die  daher  vulnerum  medici^  vuhierarii  genannt  wurden.  Plix. 
h.  n.  XXIX,  6,  12.  Aus  Tibers  Zeit  kommen  jedoch  auf  In- 
schriften eigene  chirurgl  vor,  Orell.  inscr.  4228.  und  Celsus 
lib.  VII,  Praef.  giebt  die  dazu  erforderlichen  Eigenschaften, 
als  mittleres  Alter,  feste  Hand,  gutes  Auge  etc.  an.  Ueber- 
liaiii)t  aber  fing  damals  die  Arzneikunde  an,  sieh  in  Zweige 
zu  theilen;  es  werden  besondere  Augenärzte,  ocularü  oder  me- 
dia ah  oculis  genannt,  und  Zahnärzte  so  wie  andere  in  Be- 
liandlung  einer  bestimmten  Krankheit  berühmte  (z.  B.  auricu- 
larli)  Mart.  X,  56.  Orell.  inscr.  2983.  4288.  Interessant 
sind  die  steinernen  Stempel  der  römischen  Augenärzte,  deren 
es  an  80  giebt  und  welche  grösstentheils  den  Namen  der 
Aerzte  sowohl  als  den  der  Heilmittel  enthalten.  Sie  rühren 
aus  dem  ersten  und  zweiten  Jahrhundert  n.  Christ,  her  und 
dienten  zur  Versiegelung  der  Arzneiflaschen.  Zumpt,  in  Ger- 
hards archäol.  Zeitung  1851,  N.  38  f  Grotefexd,  Epigra- 
])hisc]ies.  Hannover  1857.  und  in  Philologus  XIII.  1858. 
OuELLi  Hexzex,  4233  f.  Bei  diesel-  Gelegenheit  gedenken 
wir  des  römischen  Arzneikästchens  (mit  Gewichten,  Büchsen 
oder  Instrumenten),  welches  Urlichs  in  den  Jahrbüchern  des 
N'ereins  von  Alterthinnsfreunden  im  Rheinland.  Bunn  1849, 
XIV,  S.  33  ff.  beschrieben  hat. 

Die  iatraliplae.  aber  waren  vermuthlich  ursjirünglich  Ge- 
liiilfen  der  Aerzte,  welche  Einreibungen  und  dergl.  besorgten. 


224  Dritter  Ex curs. 

Späterhin  erscheinen  sie  als  eine  eigene  Klasse  von  Aerzten. 

5.  Plin.  XXIX,  1,  2.  So  sagt  auch  der  jüngere  Plinius  ep. 
X,  4.  Proxlmo  anno,  donmie,  gravisshna  valetudine  ad  pericu- 
lum  vitae  vexatus  iatralipten  assumsi.  —  Ueber  die  tabernas 
medicorum  oder  medicinas  (wie  tonstrinae)  s.  Heind.  zn  Hör. 
Sat.  I,  7,  3.  Für  uns  sind  zunächst  nur  die  als  medici  ge- 
brauchten Sklaven  bemerkenswerth.  Maternus  v.  Cilaro, 
de  servo  medico,  in  s.  röm.  Alterthüm.  IV,  S.  1226 — 1252. 
Auch  die  freigelassenen  Aerzte  hatten  servos  eiusdem  artis  zu 
ihrer  Unterstützung  Julian.  Dig.  XXXVIII,  1,  25.  §.  2.  S. 
auch  Wallon,  bist,  de  Tseclav.  III,  S.  223 — 233.  Eine  zweite 
bedeutende  Klasse  wissenschaftl.  gebildeter  Sklaven  waren  die 

Literati, 
natürlich  hier  in  ganz  anderem  Sinne  als  bei  Plaut.  Gas.  II, 

6,  49.  Hier  werden  darunter  überhaupt  die  verstanden,  deren 
wissenschaftliche  Bildung  und  Kenntnisse  der  Herr  für  seine 
Zwecke  benutzte.  Was  das  Wort  im  Allgemeinen  bedeutete, 
sagt  SuET.  de  ill.  gramm.  4.  Äppellatio  cirammaticorwn  graeca 
consuetud'me  invaluit;  sed  iniüo  literati  vocabmitur.  Dann 
führt  er  die  Distinktion  zwischen  literatus  und  literator  an,  in- 
dem er  sich  auf  Orbilius  beruft:  nam  apud  maiorcs,  cum  fa- 
tnilia  alicuius  venalis  pjroduceretui^,  twn  ttmere  quem  Uteratum 
in  titulo ,  sed  literatorem  inscrlbi  solitum  esse;  quasi  non  per- 
fectum  literis ,  sed  imbutum.  Vorher  aber  giebt  er  die  von 
Obigem  abweichende  Erklärung  des  CoRx.  Xep.  an:  Corne- 
lius quoque  Nepos  in  libello,  quo  distinguit  Uteratum  ah  eriidito, 
iiteratos  quidem  vulgo  appellari  ait  eos,  qui  aliquid  diligenter  et 
acute  scienterque  possint  aut  dicere  aut  scribere.  caeterum  pro- 
prie  sie  appellandos  poetarum  interpretes ,  qui  a  Graecis  yQafji- 
[jiaTixot  nominentur;  eosdem  literatores  vocitatos.  Man  sieht, 
dass  für  die  servos  Iiteratos  die  Erklärung  des  Orbilius  die 
passendere  ist.  Sie  wurden  erstlich  gebraucht  als 

Anagnostae, 
auch  lectores  genannt,  Vorleser.  Der  wissenschaftlich  gebildete 
Mann  liess  sich  über  Tische ,  oder  wenn  er  sonst  geistig  unbe- 
schäftigt war,  selbst  im  Bade  vorlesen.   So  erzählt  der  jüngere 


Die    Sklaven.  125 

Pi.iNius  von  seinem  Oheime ,  ep.  III,  5.  Super  coenam  über 
legebatur^  adnotabatur,  ej  quidem  cursbn.  Memini  quendam  ex 
amicis,  qiium  lector  quaedam  perperam  pronunciasset ,  revo- 
casse  et  repeti  coegisse  etc.  Dann  aber:  Li  secessu  solitm  balinei 
tempus  studiis  eximebatur.  Quum  dico  baJinei,  de  interiorihus 
loquor;  nam  dum  distringituv  tergiturque ^  audiebat  aliquid,  aut 
dictabat.  Derselbe  sagt  von  sieh  IX,  3G.  Coenanti  mihi,  $i  cum 
uxore  vel  paucis,  Über  legitur.,  und  vom  Atticus  erzählt  Corn. 
Nep.  c.  16.  Nemo  in  convivio  eius  aliud  axQÖufia  audivif,  quam 
anagnosfen  — ,  neque  unquam  sine  aliqua  lectione  apud  cum 
coenatum  est.  Sehr  oft  gedenkt  dieser  Sitte  Martial,  der  in- 
dessen auch  zuweilen  darüber  klagt,  dass  Manche  ihn  nur 
desshalb  einlüden ,  um  ihre  schlechten  Gedichte  vorzulesen, 
z.  B.  in,  50.  —  August  Hess  auch,  wenn  er  nicht  schlafen 
konnte,  lectores  oder  confabidatores  kommen.  Suet.  Aug.  78. 
Cic.  ad  Att.  I,  12.  schreibt,  wie  betrübt  er  über  den  Tod 
seines  Vorlesers  Sositheus  sei.  Ein  anderer  entfloh  ihm,  Cic. 
ad  div.  V,  9.  —  Sodann  gehören  hierher  die  sämmtlichen 

Librarii, 
die  Klasse  derer,  welche  zum  Schreiben  gebraucht  wurden, 
daher  auch  scribae  genannt,  aber  durchaus  zu  unterscheiden 
von  den  scribis  publicis,  die  bekanntlich  libcri  ^^•aren,  und  einen 
eigenen  Ordo  ausmachten;  ferner  von  den  bihliopolis ,  welche 
ebenfalls  librarii  hiessen.  Vgl.  Eschenbach,  de  scribis  vett. 
in  Fol.  thes.  t.  111.  (wenig  brauchbar)  Ernesti,  Clav.  Cic.  — 
Die  librarii  hiessen  nun  wieder,  je  nachdem  sie  für  verschie- 
dene Geschäfte  gebraucht  wurden:  ab  epistolis;  a  studiis; 
a  bibliotlieca;  notarii.  Es  wird  aber  zweckmässiger  sein,  die 
Erklärung  dieser  Ausdrücke  nicht  von  den  Excursen  über 
die  Bibliothek  und  den  Brief  zu  trennen. 

Leber  die  paedacjogi  s.  oben  S.  71  fg.  Daneben  gab  es 
in  der  Kaiserzeit  noch  eine  andere  Art  paedagogi,  nämlich 
die  Aufscher  und  Lehrer  der  schönen  jungen  Sklaven,  welche 
Ganymedes-  und  andere  Dienste  versahen  und  einen  wesent- 
lichen Bestandtheil  des  kaiserlichen  Hofstaats  sowie  anderer 
reicher  Haushaltungen  ausmachten  (delicatus  und  dcliciae  gen. 


12G  Dritter  Ex  cur  s. 

Orelli  Henzen  2801  ff.  1724.  4394.  4958.)  Audeutungeu 
dieser  Sitte  giebt  schon  Cic.  p.  Rose.  Ain.  41.  ut  inter  suos 
omnium  deliciarum  atque  ouni'um  artiiim  puerulos  ex  tot  ele- 
gantist<hnis  famUUs  lectos  (von  Clirysogoniis).  p.  Mil.  10.  magyio 

—  ac  deJicato  ancillarum  puerorunique  comitatii.  Unter  den 
Kaisern  bildete  sich  dieses  weiter  aus,  Sen.  de  tranq.  an.  1. 
apparotus  —  paedagogii  cett.  ep.  123.  paedagogia  oblita  facie 
vehuntur,  ne  sol  neve  frigus  teneram  cutem  laedat.  Plin.  ep. 
VII,  17.  h.  n.  XXXIII,  12,  54.  Lipsius  exe.  ad  Tac.  Ann. 
XV,  69.  Noch  in  später  Zeit  kommen  die  kaiserlichen  pueri 
paedagogiani  vor,  Amm.  Marc.  XXVI,  6.  tiaiica  auro  distincta 

—  in  paedagogiani  pueri  speciem.  XXIX,  3  (ihr  Dienst  auf 
der  Jagd).  Paedagogi  auf  Inschriften  s.  bei  Orelli  Henzex 
2938  ff.  5467.  Böckixg,  zur  Notitia  dignit.  occid.  p.  402  f. 
Krause,  Gesch.  d.  Erziehung  8.  408  ff. 

Endlich  sind  noch  zu  erwähnen  die ,  welche  —  oft  auf 
eine  keineswegs  edle  Weise  —  zur  eigentlichen  Belustigung 
dienten ,  namentlich  bei  der  Tafel ,  >vo  die  Geschäfte  für  den 
Tag  als  gänzlich  geschlossen  betrachtet  wurden,  und  alles  .sich 
zusammendrängte,  was  zur  Erholung  dienen  konnte.  Freilich 
wusste  die  früheste  Zeit  auch  von  solchen  Vergnügungen 
nichts,  und  erst  nach  dem  Kriege  mit  Antiochus,  als  über- 
haupt die  frühere  Einfachheit  asiatischem  Luxus  wich,  fing 
man  an,  den  einfachen  Genuss  des  Mahls  nicht  nur  durch 
das  Raffinement  der  Köche ,  sondern  auch  durch  allerhand 
Schauspiele  und  anQoä^ara  zu  erhöhen.  Das  führte  denn  auch 
dazu,  dass  man  nicht  blos  dergleichen  Künstler  miethete,  son- 
dern sie  in  der  familia  eigenthümlich  besass.  Liv.  XXXIX,  6. 
Luxuriae  peregrinae  origo  ab  exercitii  asiatico  invecta  in  Urbem 
est.  li  primum  lectos  aeratos,  vestem  stragulam  pretiosam,  pla- 
gidas  et  alia  textilia  et  quae  magnificae  svpellectilis  habehantur, 
monopodia  et  abacos  Romain  advexerunt.  tunc  psaltriae  sambu- 
cistriaeque  et  convivalia  ludioniim  oblectamenta  addita  epulis. 
Der  Art  waren  die  symphoniad .,  die  musikalische  Haus- 
kapelle, deren  häufige  Erwähnung  auf  einen  sehr  allgemeinen 
Gebrauch  schliessen  lässt.  Cic.  Mil.  21.  Milo,  qui  nunquam, 


Die   Sklaven.  127 

tum  casu  pueros  symphoniacos  itxoris  diicebat  et  ancillarum 
greges.  Mau  sehe  Petr.  c.  33.  47.  und  öfter  Sex.  ep.  54.  in 
comissationihus  nostris  plus  ccmtonan  est,  quam  in  theatris  olim 
spectatorum  fuit.  Cic.  Verr.  III,  44.  div.  17.  Ulp.  Dig-.  VII, 
1,  15.  §  1.  Darauf  bezieht  sich  auch  das  aliud  dxgoa^a  in  d. 
angef.  Stelle  Corx.  S.  123.  Vgl.  Baehr  zu  Plut.  Alcib.  p. 
230  fg. 

Zu  diesen  musikalischen  Sklaven  kommen  nun  in  sjjäterer 
Zeit  ferner  noch  liidiones ,  mimi,  funambuU  oäev  schoenobatae, 
petauristae,  saltatrices ,  gladiatores  und  dgl.  Sie  alle  finden 
sich ,  um  nur  eines  Beispiels  zu  gedenken ,  im  Hause  des  Tri- 
malchio.  Einer  Erklärung  bedürfen  sie  nicht;  nur  wegen  der 
Petauristen  möge  die  Stelle  Petr.  c.  53.  hier  stehen.  Petaii- 
ristarii  tandem  venerunt:  baro  insulsissimus  cum  scalis  constitit, 
puerumque  iussit  per  gradus  et  i?i  summa  parte  odaria  saltare : 
circulos  deinde  ardeutes  transire  et  dentibus  amphoram  sustinere. 
Man  siehet,  es  waren  die  Künste  unserer  Equilibristen,  die 
viele  auch  für  Geld  sehen  liessen,  wie  denn  auch  damals  schou 
nicht  weniger  als  unsere  modernen  Herkules,  Mancher  die 
Wunder  seiner  Kiesenstärke  dem  staunenden  Volke  zeigte; 
z.  B.  nach  Mart.  V,  12.  Linus,  der  sieben  oder  acht  Knaben 
auf  seinen  Armen  stehen  Hess.  Vgl.  Terent.  Hecyr.  Prol.  I. 
V.  4.  IL  V.  26.  Beckmann,  Beitr.  z.  Gesch.  der  Erfind.  IV, 
S.  64  ff.  Koux  und  Barre,  Ilercul.  IV,  12  — 15.,  Roulez, 
melanges  de  philol.  Bruxelles  1846,  V,  n.  5.  Pauly,  Keal- 
Encykl.  V,  S.  1390. 

Noch  sonderbarer  und  unwürdiger  war  der  Geschmack, 
den  man  an  missgestalteten  und  blödsinnigen  Menschen ,  mo- 
riones,/atiii  und  fatuae^  fand.  Die  moriones  sind  ursprünglich 
vielleicht  eigentliche  Cretins,  wenigstens  kommt  nicht  nur  der 
Blödsinn,  sondern  auch  die  Gestalt  in  Betracht,  und  Mart.  VI, 
39.  beschreibt  einen:  acuto  capite  et  auribus  longis,  quae  sie 
moventur,  ut  solent  asellorum.  Aber  der  Blödsinn  war  aller- 
dings die  Hauptsache,  und  je  einfältiger  einer  war,  desto  mein- 
Werth  hatte  er,  weil  er  die  meiste  Gelegenheit  zum  Lachen 
gab.   Daher  sagt  Mart.  VIII,,  ].",. 


X28  Dritter  Excurs. 

Morio  dictus  erat:  viginti  millibus  emi. 
Redde  mihi  nummos,  Gargiliane:  sapit. 
Vgl.  XIV,  210.  Fehlten  sie  doch  selbst  in  Seneca's  Hause 
nicht,  ep.  50.  Harpasten ,  uxoris  meae  fcdnam,  scis  heredita- 
rium  onus  in  domo  mea  remansisse.  ipse  enim  aversissimus  ah 
istia  prodigiis  sum.  si  quando  fatuo  delectari  volo,  non  est  mihi 
longe  quaerendum :  me  rideo.  Mit  ihnen  rangiren  auch  so  ziem- 
lich nani  und  nanae,  auch  pumiliones  (Zwerge,  welche  nament- 
lich Favoriten  der  Damen  waren).  Gell.  XIX,  13.  erklärt 
vdt'ovg  brevi  atqice  humili  corpore  homiiies  paidiim  siipra  terram 
exstantes.  Stat.  Silv.  I,  6,  57  flf. 

Hie  audax  suhit  ordo  pumilonum, 

Qiios  natura  brevi  statu  peractos 

Nodosum  semel  in  globum  ligaint. 
Von  August  sagt  zwar  Suet.  Aug.  83.  pumilos  otque  distortos 
—  id  ludibria  naturae  malique  ominis  abhorrebat.  allein  gleich- 
wohl hatte  er  einen  Hofzwerg  Canopas ,  den  Liebling  seiner 
Enkelin  Julia,  Plin.  h.  n.  VH,  16.,  wo  besondere  Futterale 
für  diese  kleinen  Menschen  erwähnt  werden.  Suet.  Tib.  61. 
Verschieden  von  den  nani  sind  die  distorti,  Suet.  1.  1.  Quinct. 
decl.  298.  habent  hoc  quoque  deliciae  divituni,  malunt  quaerere 
omnia  contra  naturam.  Gratus  est  ille  debilitate,  ille  ipsa  infe- 
licitate  distorti  corporis  placet.  und  Inst.  II,  5.  Clem.  Alex. 
Paed.  III,  4.  p.  231.  Diese  Monstra  lernten  gewöhnlich  tanzen 
und  mit  den  Kastagnetten  klappern,  Broukh.  zu  Prop.  IV,  8, 
48.  Später  hielten  sie  sogar  lächerliche  Kampfspiele,  Stat. 
1.  1.  Dio  Cass.  LXVII,  8.  Einige  Bronzestatuen  solcher 
kleinen  Scheusale  haben  sich  erhalten,  Ant.  Ercol.  VI,  91. 
92.  GoRi,  Mus.  Etr.  I,  76.  Auch  kommen  sie  auf  mehrern 
Pompejanischen  Wandgemälden  vor.  Vgl.  Casaubon.  zu  Suet. 
Oct  83.  Böttiger,  Sabina  II,  p.  42  ff.  —  Endlich  würden 
auch  hierher  zu  rechnen  sein  die  Graeculi  oder  griechischen 
Hausphilosophen,  wenn  überhaupt  der  Gebrauch,  von  dem 
Böttiger  Sab.  II,  S.  36  ff.  spricht,  sich  als  begründet  nach- 
weisen lässt.  Sie  würden  dann  etwa  die  Stelle  der  Parasiten 
vertreten. 


Die  Sklaven.  129 

Von  dieser  Klasse  unterscheiden  sich  wesentlich  die, 
welche  mit  dem  Namen 

Vulgares 
bezeichnet  zu  werden  scheinen,  d.  h.  welche  im  Hause  eine 
bestimmte  gemeine  Verrichtung  hatten,  oder  ausserhalb  des- 
selben gebraucht  wurden.  Dahin  gehört  zuerst  der  ostianus 
oder  ianitor,  welcher  beständig  den  Eingang  des  Hauses  be- 
wachen musste.  In  alter  Zeit,  und  auch  später  noch  oft,  ver- 
sicherte man  sich  ihrer  Aufsicht,  indem  man  sie  an  einer  Kette 
am  Eingange  anschloss.  Auct.  de  dar.  rhet.  3.  L.  Otacilius 
Pilitus  serviisse  dicitur,  atque  etiam  ostiarius  veteri  more  in  ca- 
tena  fuisse.  Colum.  r.  r.  I,  praef.  catenato  —  ianitore.  Ovm. 
Amor.  I,  6,  1. 

Ianitor,  indignum,  dura  religate  catena, 
Difficilem  moto  cardine  pande  forem. 
Vgl.  Sagittar.  de  ianuis  vett.  c.  XVI,  19.  Später  indessen 
war  sein  gewöhnlicher  Aufenthalt  die  cella  ostiaria.  S.  Suet. 
Vitell.  16.  Petr.  c.  29.  Der  von  Suet.  erwähnte  Hund  ge- 
hörte ganz  eigentlich  zum  ianitor,  aber  ausserdem  führte  dieser 
wie  der  moderne  Portier  seinen  Staatsstock,  eine  virga  oder 
arundo ,  wohl  nicht  als  blosses  Insigne,  sondern  um  nöthigen 
Falls  Zudringliche  zurückzutreiben.  Sen.  de  const.  sap.  14. 
nie  pusilli  animi  est,  qui  sibi  placet^  quod  ostiario  libere  respon- 
dit^  quod  virgam  eius  /regit.  Petr.  c.  134.  arundinem  ab  ostio 
rapuit.  cf  c.  98.  Broukh.  ad  Prop.  IV,  7,  21.  Dass  sich  ein 
solcher  nicht  wenig  in  die  Brust  warf,  schildert  sehr  artig 
Sen.  de  ira  HI,  37. 

Wenn  Wue.stemann,  Palast  des  Scaurus  S.  35.  auf  Plau- 
tus  und  Tibull  sich  berufend  anführt,  man  habe  auch  Skla- 
vinnen, ianitrices,  dazu  gebraucht,  so  ist  das  zu  herichtigeu. 
Bei  Plautus  Cure.  I,  1,  76.  Anus  hie  solet  cubitare  custos, 
ianitrix.  ist  von  dem  Hause  eines  leno  die  Kede ,  der  seine 
meretrices  durch  eine  lena  bewachen  lässt.  Ebenso  wenig 
würde  man  Aim'ul.  Met.  I,  p.  112  Elm.  anführen  können,  wo 
Fotis  als  einzige  Magd  des  Hauses  natürlich  auch  die  Haus- 
thüre  öffnen  muss.     Die  Stelle  Tibulls  aber  I,  7  (8),  76.  ist 

ÜECKKK,  (jallUN.    3.  Aufl.    II.  9 


130  Dritter  Excurs. 

sehr  flüchtig  angesehen.  Es  ist  nnr  von  der  verriegelten  Thüre 
die  Rede: 

—  nunc  displicet  Uli, 
Quaecimque  apposita  est  ianua  dura  sera. 
oder  sollte  vielleicht  I,  6,  61.  gemeint  sein,  so  ist  dort  von  der 
Mutter  der  Delia,  von  keiner  ianitrix  gesagt : 

Haec  foribusque  manet  noctu  me  affixa.  — 
In  einer  römischen  Domus,  wo  zahlreiche  Clienten  zur  Salu- 
tatio  und  Viri  amplissimi  zur  Besprechung  sich  versammelten, 
müsste  eine  ianitrix  sich  sonderbar  ausgenommen  haben.  — 
Eben  so  unstatthaft  ist  es,  wenn  Böttiger  Sab.  I,  S.  17.  45, 
im  Vorzimmer  der  Hausfrau  eine  ianitrix  annimmt.  So  M^enig 
der  cubicularius  ianitor  genannt  werden  kann,  denn  nur  die 
Hausthüre  hiess  ianua,  eben  so  wenig  würde  eine  solche 
Sklavin  ianitrix  heissen  k(3nnen. 

Ferner  gehören  hierher  die  cubicularii  und  a  cubicido,  d.  i. 
Kammerdiener  (Liv.  III,  57.  tropisch  ministro  cubicidi),  welche 
die  Aufsicht  über  die  Wohn-  und  Schlafzimmer  führten,  und 
vermuthlich,  wenn  der  Herr  anwesend  war,  in  dem  Vorzimmer 
(procoeton)  sich  aufhielten.  Suet.  Tib.  21.  Dom.  16.  wo  sie 
auch  ciibiculo  praepositi  genannt  werden.  Orelli  Henzen 
2863.  2885.  2905  f.  2945.  4411.  6344.  6651.  Sie  hatten  zu- 
gleich die  Obliegenheit,  die  Besuchenden  anzumelden.  Diese 
cubicularii  gehören  nicht  erst  unter  die  officia  domus  Augustae, 
sondern  sie  weiden  schon  von  Cic.  erwähnt.  Verr.  III,  4. 
Hu7ic  vestri  ianitores ,  hunc  cubicularii  diliguiit;  hunc  liberi 
vestri,  hunc  servi  ancillaequp.  amanl.  hie  cum  venit,  extra  ordi- 
nem  vocatur.  hie  solus  introduciticr,  caeteri  saepe  frugalissimi 
homines  excludiintur.  M^oraus  sich  zugleich  zu  ergeben  scheint, 
dass  in  der  Regel  die  Besuchenden  in  der  Reihenfolge  vorge- 
lassen wurden,  in  welcher  sie  gekommen  waren,  ad  Att.  VI,2. 
Bei  den  Kaisern  gab  es  in  der  Folge  neben  den  cubiculariis 
eigene  servos  ab  ojßcio  admissio)nua  (oder  Freigelassene  ab 
admissione,  Orelli  Henzen  2888.  5416.),  vermuthlich  auch 
in  anderen  vornehmen  Häusern,  von  denen  wenig  verschieden 
die  auf  Inschriften  vorkommenden  velarii  gewesen  sein  mögen. 


Die  Sklaven.  23X 

Orelli,  2967.  Lamp.  Sev.  Alex.  4.  salutaretur  vero  —  patente 
velo,  admissionalibus  remotis  aut  solis  üs,  qui  ministri  ad  fores 
fiierant. 

Gross  war  die  Zalil  der  Sklaveu,  welche  ausser  dem 
Hause,  beim  Ausgange  gebraucht  wurden.  Auch  in  den  älte- 
ren Zeiten  ging  der  Römer,  wie  meistens  auch  der  Grieche, 
nicht  leicht  ohne  Begleitung  wenigstens  eines  Sklaven  aus, 
der  daher  pediseqims  oder  a  pedibus  genannt  wurde.  Dass  diese 
eine  eigene  Klasse  von  Sklaven  ausmachten,  und  nicht  jeder 
den  Herrn  begleitende  mit  diesem  Namen  genannt  wurde, 
ergiebt  sich  aus  den  zahlreichen  Inschriften.  S.  GoRi,  de 
columb.  Liv.  Aug.  und  Corx.  Nep.  Att.  13.  Namque  in  ea 
(familia)  erant  pueri  literatissimi^  anagnostae  optimi  et  pluiimi 
librarü,  ut  ne  pedisequus  quidem  quisquam  esset,  qui  non  utrum- 
que  horum  pulchre  facere  posset.  Cic.  ad  Att.  VIH,  5.  a  pedi- 
bus meis.  Verr.  I,  36.  circum  pedes.  Scaevola  Dig.  XL,  4, 
59.  pr.  Orelli  Henzen  789.  6327.  6369.  6445.  6651.  —  Wie 
sehr  es  zum  guten  Tone  gehörte,  Sklaven  bei  sich  zu  haben, 
und  sich  auch  der  leichtesten  Mühen  zu  überheben,  ersieht 
man  aus  Martial  IX,  60,  22. 

Asse  duos  calices  emit  et  ipse  tulit. 

Ausserdem  brauchte  der  vornehmere  liömer  einen  nomen- 
clator.  Der  Mann,  der  i)i  der  Republik  etwas  gelten  und  zu 
hohen  Aemtern  gelangen  Avollte,  hatte  eine  Menge  Rücksichten 
gegen  Vornehme  nicht  nur,  sondern  auch  die  gemeinen  Bürger 
zu  beobachten.  Sein  Haus  stand  dem  Besuche  Aller  often, 
und  ging  er  aus,  so  musste  er  sie  beim  Namen  zu  nennen, 
auch  wolil  etwas  verbindliches  zu  sagen  wissen.  Unmöglich 
konnten  iliiii  jeden  Augenblick  die  Namen  und  Vei'hältnisse 
aller  gegenwärtig  sein,  und  so  hielt  man  sich  Sklaven,  deren 
eigenes  Geschäft  und  Verdienst  es  war,  die  Namen  Aller  zu 
wissen  und  dem  lleirn  beim  Ausgehen  anzugeben.  Cic.  Att. 
rV,  1.  ad  urbein  ita  ve?ii,  ut  nemo  tdlius  ordinis  honio  nomen- 
clatori  notus  fuerit,  qui  mihi  obviam  non  venevit.  p.  Mur.  36. 
Ihr  Gedächtniss  wurde  daher  zum  Sprüchworte;  aber  sehr  oft 
mochten  sie  sich  auch  damit  helfen,  dass  sie  falsche   Namen 

9* 


132  Dritter  Excurs. 

nannten.  Sen.  ep.  27.  vetulus  nomenclator,  qui  nomina  7ion 
redditj  sed  imponit.  de  ben.  I,  3.  In  Häusern,  wo  die  salutatio 
sehr  zahlreich  zu  sein  pflegte,  wurde  der  nomenclator  ebenfalls 
gebraucht,  um  die  Besuchenden  zu  nennen,  während  der  pa- 
tronus  sie  zu  kennen  fingirte.  Sen.  epist.  19.  habehas  convivas, 
quos  e  turba  salutantium  nomenclator  digesserit.  —  Eine  andere 
Funktion  hat  der  nomenclator  bei  Petron  c.  47.  und  Plin. 
XXXII,  6,  21.  durch  die  Prahlerei  und  die  Schwelgerei  der 
späten  Zeit  erhalten,  nämlich  die,  den  Gästen  die  einzelnen 
Speisen  und  ihre  Vorzüge  zu  nennen.  Wenn  nicht  Plin.  in 
allem  Ernst  der  Sache  gedächte,  so  würde  man  es  für  eine 
vom  Schriftsteller  dem  Trimalchio  aufgebürdete  Absurdität 
halten.  Ihr  Vorbild  findet  sich  übrigens  schon  bei  Hör.  Sat.  II, 
8,  25  ff.  Der  Unterschied  ist  nur  der,  dass  hier  ein  Freund  des 
Wirths  den  übrigen  Gästen  die  Explikation  der  Speisen  giebt. 
Wichtig  sind  auch  die  lecticarii  (Orelli  Henzen  2871. 
6285.  6323.  DiCx.  XXXII,  I,  49  pr.)-,  denn  die  besonders  in 
der  letzten  Zeit  der  Republik  immer  herrschender  werdende 
Sitte,  sich  ausser  der  Stadt  (Frauen  auch  innerhalb  derselben) 
und  in  den  gestationibus  auf  einer  lectica  tragen  zu  lassen, 
erheischte  besonders  dazu  taugliche  ixnd  geübte  Sklaven,  die 
auch  durch  die  Tracht  sich  auszeichneten.  S.  I,  S.  G5  f.  Man 
nahm  natürlich  dazu  die  stärksten  und  durch  ihre  Grösse  im- 
ponirendsten:  Syrer,  Germanen,  Kelten,  später  aber  vorzugs- 
weise Kappadozier  (Petron  63.),  bald  sechs  (Juv.  I,  64.  sexta 
cervice  ferri.  Martial.  VI,  77.),  baidacht  (Juv.  VII,  142.): 
lectica  hexaphoros  oder  octaphoros.  Die  Sitte  wird  hinlänglich 
geschildert  durch  Lucian.  Cynic.  p.  722.  vfislg,  oi  rote  dv&Qw- 
TTOig  «Tf  vTToüvyioig  yQtjaOs,  y.tXevBTe  ö'f  avrovg  w^mn  afid^ug  rag 
•/Xivag  totg  r(>ayi]loig  dyeiv.  avroi  8'  dvo)  y.ardy.eiGÜe  tQvcfävztg^ 
xai  iy.ei&sv  oigneg  ovovg  Tjvio'iehe  rovg  did^ncoTrovg  ravrt^r  a).Xd  jw^ 
TUVTijv  TQmsa&ai  üsXeiovtEg.  Sen.  ep.  31.  turba  sewonim  lecti- 
cam  per  itinera  urbana  ac  peregrina  portantium.  Juv.  III,  239. 
VI,  350.  Andere  Stellen  s.  bei  Tit.  Popma,  de  op.  serv.  in 
Pol.  thes.  III,  p.  1336.  vgl.  Lips.  Elect.  I,  19.  Böttig.  Sab, 
n,  S.  202. 


Die  Sklaven.  133 

Wie  dem  Herrn  Sklaven  folgten,  so  gingen  vor  ihm  oder 
vor  der  lectica  anteambulones,  um  im  Gedränge  Platz  zu 
machen.  Zwar  sind  diese  eigentlich  nicht  Sklaven,  sondern 
aus  der  Klasse  der  Dienst  thuenden  Clienten ;  so  sagt  Martial 
III,  46.,  der,  um  nicht  beständig  die  opera  togata  zu  leisten, 
seinem  rex  seinen  Freigelassenen  anbietet,  der  selbst  den 
lecticarius  oder  anteambulo  machen  könne: 

Non  est,  inquis,  idem.   Multo  plus  esse  jjrobabo: 

Vix  ego  lecticam  subsequor;  illeferet. 
In  turbam  mcideris ;  cunctos  umbone  r ep eilet ; 
Invalidum  est  nobis  iiigenuumque  latus. 
Allein  die  Sache  wird  auch  hinsichtlich  solcher  Sklaven  er- 
wähnt.   AcROx  zu  Hör.  Ep.  I,  18,  74.  servos  quoque  officiosos 
in  turba  hunc  et  illian  in  latus  fodiendo  dicere  solitos:  date  locum 
domino  meo.    Darauf  bezieht  sich  die  Anekdote  bei  Plin.  ep. 
III,   14.    Eques  Romanus  a  servo  eius  (Largii  Macedonis),  ut 
transitum  daret,  manu  leviter  admo?iitus  convertit  se,  nee  servum, 
a  quo  erat  tactus,  sed  ipsum  Macedonem  tarn  graviter  palma 
percussit,  ut  paene  concideret.  vgl.  Luc.  Nigr.  34. 

So  ging  man  in  der  Stadt;  aber  auf  Reisen  war  überhaupt 
das  Gefolge  grösser  und  schon  unter  den  ersten  Kaisern  wurde 
ein  luxuriöses  Gepränge  mit  Vorreitern  und  Läufern  üblich, 
cursores  und  Numidae,  welche  vor  der  Ileda  oder  Carruca 
herliefen  und  ritten.  So  sagt  Seneca  ep.  87.  0  quam  cuperem 
Uli  (Catoni)  nunc  uccurrere  aliquem  ex  his  Trossulis  in  via  divi- 
iibus,  cursores  et  Numidas  et  multum  ante  se  pulveris  agentem. 
Ders.  ep.  123.  Omnes  iam  sie  peregrinantur,  ut  illos  Numidarum 
praecurrat  equitatus,  ut  agmen  cursorum  antecedat.  Suet.  Ner. 
.30.  Tit.  9.  S.  Elm.  ad  Appul.  Met.  X,  p.  688.  Bat.  —  Daher 
sagt  Mart.  III,  47.  von  einem,  der  die  Erzeugnisse  des  Lan- 
des aus  der  Stadt  mit  auf  das  Land  nimmt:  Nee  feriatus  ibat 
ante  carrucam,  Sed  tuta  foeno  Cursor  ova  portabat.  und  von 
sich  selbst  XII,  24.  Non  rcctor  Libyci  niger  caballi,  Succi7ictus 
neque  cursor  antecedit.  —  Wie  indessen  schon  erwähnt  worden 
ist,  war  solcher  Luxus  in  den  Zeiten  der  Republik  etwas  Un- 
erhörtes; denn  aus  der  figürlichen  Rede  CicKRo's,  Verr.  V.  41. 


134  Dritter  Excurs. 

quem  iste  in  decumis,  in  rebus  capitalibus,  in  omni  calum?iia, 
praecursorem  habere  solebat  et  emissarium.  lässt  sich  nichts  fol- 
gern. Etwas  Aehnliches  indessen  erwähnt  Cic.  de  rep.  I,  12. 
Dixerat  hoc  ille,  cum  piier  niintiavit,  venire  ad  eum  Laelium 
domoque  tarn  exisse.  Das  ist  auch  ein  vorausgelaufener  Sklave, 
der  die  Ankunft  seines  Herrn  meldet. 

Noch  kann  man  vielleicht  den  Sklaven,  Avelche  beim  Aus- 
gange gebraucht  wurden,  die  capsarios  hinzufügen.  Das  Wort 
hat  indessen  verschiedene  Bedeutungen,  in  wiefern  die  capsa 
selbst  verschieden  gebraucht  wurde:  1)  hiess  cajjsarius  der, 
welcher  in  den  Bädern  die  Kleider  der  Badenden  in  Verwah- 
rung nahm  und  in  die  capsa  that,  weil  nirgends  die  Diebstähle 
häufiger  waren.  S.  die  Erklärer  zu  Petr.  30  Burm.  —  2)  der 
Sklave,  welcher  den  Kindern,  wenn  sie  in  die  Schule  gingen, 
die  Dinge,  welche  sie  beim  Unterrichte  brauchten,  in  der  capsa 
nachtrug.  Juven.  X,  117.  Quem  sequitur  custos  angustae  ver- 
mda  capsae.  Daher  werden  sie  mehrfach  mit  den  Pädagogen 
erwähnt.  Suet.  Ner.  36.  Constat  quosdam  cum  paedagogis  et 
capsariis  uno  prandio  necatos.  Vgl.  oben  S.  66.  —  3)  waren  es 
auch  wohl  die,  welche  dem  Herrn  das  scrinium  (capsa.  Cic. 
div.  in  Caec.  16.)  nachtrugen.  Dann  sind  sie  vielleicht  so  viel 
als  die  scriniarii,  welche  auf  Inschriften  bei  Gruter  u.  a.  mehr- 
fach vorkommen,  wicAvohl  darunter  auch  die  verstanden  wer- 
den können,  welche  custodes  scriniorum  waren. 

Dagegen  sind  adversitores  mit  Unrecht  als  eine  besondere 
Klasse  von  Sklaven  angeführt.  Der  Name  kommt  überhaupt 
nur  in  dem  Personenverzeichnisse  der  Mostellaria  vor  und 
scheint  für  diesen  besonderen  Fall  geschaffen.  Der  Herr  ent- 
liess,  im  fremden  Hause  angelangt  (wenn  das  wirklich  auch 
von  römischer  Sitte  gilt),  die  pedisequos  und  Hess  sich  von 
ihnen  wieder  abholen.  Klar  ist  Plaut.  Mosteil.  I,  4,  1.  wo 
Callidamatas  den  Philolaches  besucht,  und  zu  dem  Sklaven, 
der  ihn  begleitet  hatte,  sagt:  Advorsum  veniri  mihi  ad  Philo- 
lachetem  volo  tempori.  Daher  sagt  dann  Phaniskus  (der  eben 
desshalb  im  Verzeichnisse  der  Personen  mit  dem  sonst  nicht 
vorkommenden  Namen  adversitor  bezeichnet  wird)  IV,  4,  24. 


Die  Sklaven.  135 

Nunc  eo  advorsum  hero  ex  plurimis  servis.  vgl.  Menaechm.  11, 
3,  82.  Ter.  Ad.  I,  1,  2.  Ueber  Terenz  hinaus  scheint  der 
Sitte  keine  Erwähnung  mehr  zu  geschehen.  Unzweifelhaft  ist, 
dass  man  später  die  Sklaven  auch  im  fremden  Hause  bei  sich 
behielt,  zumal  bei  der  coena,  um  die  Kleider  und  soleas  auf- 
zubewahren und  hinter  dem  Herrn  zu  stehen.  Für  die  Sitte 
ist  anzuführen  Martial,  XII,  88. 

Bis  Cotta  soleas  perdidisse  se  questus. 
Dum  negligente)n  ducit  ad  pedes  vernain. 
obwohl  der  verna  möglicherweise  auch  dem  Gastgeber  ange- 
hören konnte,  und  Seneca,  Benef.  III,  26.  und  27.,  wo  zwei 
Beispiele  sich  finden,  erstlich  das  des  Paullus,  der  den  Kopf 
Tibers,  welchen  er  als  Cameo  im  Kinge  trug,  matellae  adrao- 
verat.  Das  war  für  den  Vestigator  Maro  hinreichendes  Ver- 
brechen, um  eine  Anklage  darauf  zu  gründen;  der  Sklave  des 
Paullus  aber  hatte  seine  Absicht  bemerkt  und  dem  Herrn  den 
Ring  vom  Finger  gezogen  (servus  eins,  cid  nectebantur  insidiae, 
ei  ebrio  amduin  extraxit).  Und  dann  von  liufus  einem  vir  ordi- 
nis  senaiorii,  der  gegen  August  gesprochen  hatte:  Ut  primum 
diluxit,  serinis  qui  coenanti  ad  pedes  steterat^  narrat,  quae  inter 
coenam  ebrius  dixisset.  Auch  hier  kann  die  coena  im  Hause 
des  Rufus  gewesen  sein,  Wt^STEMANN,  Rec.  des  Gallus  p.  148. 
Andere  Beispiele  s.  im  1.  Excurs  zur  9.  Scene. 

Dass  man  auch  eigene  laternarios  gehabt  habe,  wird  sich 
aus  Cic.  in  Pis.  9.,  wo  Piso  Catilinae  laternarius  genannt  wird, 
nicht  folgern  lassen;  dass  man  indessen  sich  beim  Heimwege 
von  den  erwähnten  abholenden  pedisequis  Fackeln  oder  Later- 
nen vortragen  Hess  (bekannt  ist  die  Auszeichnung  des  Duillius), 
erhellt  aus  mehreren  Stelleu.  Val.  Max.  VI,  8,  1.  M.  Anto- 
nius incesti  reus  agebatur;  cuius  in  iudicio  accusatores  servum  in 
quaestionem  perseverantissime  postulabant,  quod  ab  eo,  cum  ad 
stuprum  iret,  lateruam  praelatam  contenderent.  S.  besonders 
luvEN.  III,  285  ff.  Petr.  79.  Auch  Suet.  Aug.  29.  nennt 
einen  servum  praelucentein. 

Noch  siTid  als  Sklaven,  die  ausser  dem  Hause  gebraucht 
wurden,  zu  erwälinen  die  von  Plauj'.  Aul.  HI,  5,  20.  genanu- 


J^36  Dritter  Excurs. 

teil  salutigeruli  pueri  oder  Trin.  II,  1,  22.  nuncii,  re?iuncii, 
Sklaven,  die  gebraucht  wurden,  um  gewissermassen  mit  An- 
deren eine  mündliche  Correspondenz  zu  führen,  und  die  tabel- 
larii,  von  denen  bei  Gelegenheit  des  Briefs  gesprochen  wird. 
Vocatores  bildeten  entweder  eine  besondere  Classe,  oder  waren 
nuncii  oder  andere  Sklaven,  die  den  Auftrag  erhielten,  die 
Gäste  einzuladen,  Martial.  VII,  86,  11.  Suet.  Cal.  39.  com- 
pererat^  —  locupletem  ducente  sestertia  nuinerasse  vocatoribus  ut 
per  fallaciam  convivio  interponeretur.  Sen.  de  ira  III,  37.  Plin. 
XXX,  10,  36.  Dahin  gehören  auch  die  viatores,  Petron.  47. 
te  iuhebo  in  decuriam  viatorum  coniici. 

Die  Namen  der  übrigen  zahlreichen  vulgares,  welche  be- 
stimmte Hausgeschäfte  hatten,  erklären  sich  theils  durch  sich 
selbst,  theils  finden  sie  ihre  Erklärung  bei  Erörterung  der 
Theile  des  Hauswesens,  für  die  sie  beschäftigt  sind.  Dahin 
gehören  alle,  welche  für  die  Bedürfnisse  der  Tafel  sorgen  und 
sie  bedienen^  als:  pistores,  dulciarii,  lactarii,  coqui,  fartores, 
placentarii,  tricliniarii  mit  dem  tridiniarcha^  structores,  auch 
carptores  und  scissores,  obsonatores^  pocillatores  und  a  cyatho 
oder  a  potione,  S})'ä.ter  praegustatores  u.  s.  w.,  oder  für  Haus- 
und T afeig  er  äthe:  a  supellectile^  ab  auro  escario,  ab  argento., 
lampadarii,  oder  für  Kleidung  und  Schmuck:  vestiarii^  vestifici, 
lanipendiae,  lanißcae,  lanistae,  paenularii,  a  veste  und  ad  vestem, 
auch  vestispici,  vestiplici,  ab  ornamentis^  ad  margaritas,  custodes 
auri,  orjiatrices,  cosmetae,  tonsores,  ciniflones  oder  ci?ierarii,  ad 
unguenta,  unctores^  unguentarii,  perfusores^  balneatores  u.  a. 
Von  ihnen  wird  gelegentlich  die  Rede  sein. 

Sehr  unklar  ist  es,  ob  und  wie  man  von  der  Klasse  der 
vulgares  die  der 

Mediastini 
zu  unterscheiden  habe.  In  dem  angeführten  Fragmente  Ulpians 
werden  sie  mit  den  vulgaribus  durch  ein  vel  verbunden,  nicht 
diesen  durch  an  entgegengesetzt-,  es  fragt  sich  daher,  in  wie 
fern  sie  gleichwohl  von  ihnen  verschieden  waren.  Am  häufig- 
sten kommen  sie  in  der  familia  rustica  vor.  Cic.  Cat.  II,  3. 
exercitus  collectus  ex  r'usticis  mediastinis.  Colum.  II,  13.  posse 


Die  Sklaven.  137 

agrum  duce7itorum  iugerum  suhigi  duobus  iugis  boum,  totidemque 
bubulcis  et  sex  mediastinis.  id.  I,  9.  separandi  sunt  vi7iitores  ab 
araforibus,  iique  a  mediastinis.  und  dann  lo7igissiinum  quemque 
aratorem  faciemus.  mediastinus  qualiscunque  status  potest  esse, 
dummodo  perpetiendo  labori  sit  idoneus.  Allein  auch  in  dei* 
urbana  gab  es  solche  Sklaven.  So  sagt  Horaz  zu  seinem  Vil- 
licus,  der  früher  in  der  Stadt  mediastinus  war,  epist.  1, 14, 14  fg. 

Tu  mediastinus  tacita  prece  rura  petebas: 
Nunc  urbem  et  ludos  et  balnea  villiens  optas. 

DiG.  IV,  9,  1.  Caeterum  si  quis  opera  mediastini  fungitur,  non 
continetur  (edicto),  ut  puta  atriarii,  focarii  et  Ms  similes.  Orelli 
Henzen  6325.  Ferner  Ulp.  Dig.  VII,  7,  6.  Cum  de  servi  ope- 
ris  artificis  agitur,  pro  modo  restituendae  sunt;  sed  mediastini 
secundum  ministerium.  Daraus  folgt,  dass  es  eben  auch  vulga- 
res sind,  aber  von  der  niederen  Klasse,  die  zu  jedweder  ge- 
meiner Verrichtung  gebraucht  wurden,  in  der  rustica  fast  wie 
geringe  Knechte  oder  Handlanger,  in  der  urbana  gemeine 
Haussklaven ,  z.  B.  fornicarii  und  fornicatores,  s.  1.  Excurs 
zur  2.  Scene.  Sie  scheinen  auch  bei  Cic.  Par.  V,  2.  gemeint 
zu  sein:  Sed  ut  infamilia  qui  tractant  ista,  qui  tergunt,  qui 
ungunt,  qui  verrunt,  qui  spargunt,  non  honestissimum  lo- 
cum  servitutis  tenent  etc.  Daher  ist  die  von  Acro  und  dem 
ScHOLiASTEN  dcs  Cruquius  ZU  Hor.  epist.  I,  14,  14.  gegebene 
Etymologie:  qui  in  medio  stat  ad  quaevis  imperata  paraius, 
Avenn  auch  nicht  richtig,  doch  nicht  unpassend,  dagegen  die 
zweite:  in  media  urbe  (uarti)  viventes  ahsurd.  —  Non.  II,  573. 
sagt:  mediastri?ios  (sie)  7io7i  balnearum,  sed  viinistros  et  cura- 
tores  aedium  leginius.  Lucilius  l.  XV IL  Villicum  Aristocratem, 
mediastrinum  atque  bubulcu7n.  Cato  i7i  pi^aeceptis  adfilium:  Uli 
Imperator  tu,  ille  ceteris  7nediastri7ius.  Dagegen  erklärt  sie 
pRisciAN.  p.  1244.  für  bahieatoresy  was  sie  als  eine  der  nie- 
drigsten Klassen  auch  oft  sein  konnten.  Auf  Inschriften  bei 
Gruter  577,  3.  4.  steht  einmal  mediastinus  babiearis,  auf  der 
anderen  hält  ein  Sklave  einen  Besen,  scopae,  und  einen  Korb: 
Cornelius  servus  7iiediastinus.    Also  auch  dieses  zeigt  die  allge- 


i38  Dritter  Excurs. 

meinere  Verwendung  der  mediastini.  Vgl.  übrigens  Duentzer 
zu  Hör.  a.  a.  O. 

Noch  viel  unklarer  ist  es,  Avas  man  sich  bei  den  von 
I^LPiAN  genannten 

Quales  -  Quales 
zu  denken  habe:  iitrum  Ordinarius  —  an  vulgaris  vel  meclia- 
stinus  —  an  qualisqualis.  Entweder  heisst  es :  der  Erste  Beste, 
jeder  beliebige  Sklave,  da  nach  den  mediastinis  kaum  noch 
eine  tiefere  Klasse  übrig  bleibt;  oder  es  war  eine  Art  8traf- 
klasse:  qualiquali  conditione  viventes.  Darunter  würden  jedoch 
die  nicht  begriflTen  sein,  welche  vi?icii,  compediti  in  den  pistrinis, 
lapicidinis,  ergastidis  oder  run  arbeiten  mus.sten,  denn  sie  wer- 
den gleich  darauf  genannt  und  es  stehen  die  ergastula  der 
übrigen  Familie  entgegen.  Appul.  Apol.  p.  504  Bip.  Qidn- 
decim  liberi  homines  2>opidus  est]  totidem  servi  familia;  totidem 
vincti  ergastidum.    Vgl.  LiPS.  El.  II,  15. 

Von  den  ancillis  oder  servabus  kommen  hauptsächlich  die 
ornatrices  oder  die,  welche  für  Kleidung  und  Schmuck,  und 
bei  der  Toilette  ihrer  Gebieterin  beschäftigt  waren,  in  Betracht. 
Allein  ihr  Dienst  erklärt  sich  besser  bei  der  Tracht  selbst  mid 
überdiess  hat  von  ihnen  Böttiger  sehr  erschöpfend  gehandelt. 
Nur  sei  gleich  hier  gegen  ihn  erinnert,  dass  weder  die  cosme- 
tae^  wie  es  I,  S.  22.,  noch  die  cinißojies,  wie  es  I,  S.  144.  heisst, 
weibliche  Sklaven  waren.  Vgl.  Heindorf  zu  Hör.  Sat.  I,  2, 
98.  —  Die  verschiedenen  Beschäftigungen  der  Sklaven  auf 
dem  Lande  und  in  der  Stadt  behandelt  Wallon  II,  p.  94 — 
139.  Ein  ungeordnetes  Material  bieten  Pignorius  und  Popma. 
Lage  und  Behandlung  der  Sklaven. 

Die  Lage  der  römischen  Sklaven  war  überaus  hart  und 
hierin  bleibt  die  römische  Sitte  bedeutend  hinter  der  griechi- 
schen Humanität  zurück.  Es  ist  zwar  eine  durch  das  ganze 
Alterthum  hindurchgehende  Grundansicht,  dass  der  Sklave 
wie  jede  andere  Sache  als  völliges  Eigenthum  des  Herrn  gilt, 
der  ihn  zu  jedem  beliebigen  Zwecke  gebrauchen,  über  ihn 
nach  Gefallen  verfügen,  ihn  nach  Befinden  auch  tödten  darf; 
allein  der  Grieche,  wenn  ihm  auch  bürgerlich  der  Sklave  ohne 


Die  Sklaven.  139 

allen  Reclitsstand  war,  erkannte  doch  nach  allgemeinem  Men- 
schenrechte ihm  Personalität  zu  und  die  Gewalt  des  Herrn 
hatte  eine  bestimmte  Grenze.  Wenn  daher  Gai.  Inst.  I,  52. 
sagt:  apud  omnes  peraeque  gentes  cmwiadvertere  possumus,  do- 
minis  in  servos  vitae  necisque  potestatem  esse,  et  quodcunque  per 
serviim  acquiritiir,  id  domino  acqidritur.^  so  ist  diess  z.  B.  in 
Bezug  auf  Athen  nicht  wahr.  Dort  hatte  allerdings  der  Herr 
auch  ein  sehr  ausgedehntes  Züchtigungsrecht,  allein  keines- 
wegs das  Recht,  den  Sklaven  eigenmächtig  zu  tödten.  Axtiph. 
de  caede  Herod.  p.  727.  Ja  auch  der  Avillkürlicheu  grausamen 
Behandlung  war  eine  Schranke  gesetzt,  dass  in  solchem  Falle 
der  Herr  gezwungen  werden  konnte,  den  Sklaven  zu  verkau- 
fen, s.  Charikl.  n,  S.  34  f. 

In  Rom  war  das  anders.  Durch  die  ganze  Zeit  der  Re- 
publik und  (mit  geringen  Beschränkungen)  im  Grunde  bis  iu 
die  Zeit  der  Antonine  stand  dem  Herrn  die  unbeschränkteste, 
rechenschaftslose  Gewalt  über  seine  Sklaven  zu.  Er  durfte 
ungestraft  die  grausamsten  Martern  an  ihnen  verüben  und 
eigenmächtig  sie  tödten.  So  galt  der  Sklave  nur  als  Sache, 
und  es  konnte  wirklich  bei  tyrannischen  harten  Gebietern  in 
Zweifel  kommen,  ob  er  als  ]\Iensch  zu  betrachten  sei.  Treff- 
lich schildert  den  "Widerstreit  der  vernünftigeren  Ansicht  mit 
der  tyrannischen  "Willkür  das  Zwiegespräch  bei  Iuven.  VI, 
218  ff. 

Pone  crucem  servo.  —  Meridt  quo  crimine  serviis 
Supplicium?  quis  testis  adest?  quis  detulit?  audi, 
Ntdla  unquam  de  morte  hominis  cunctatio  longa  est.  — 
0  detnens!  ita  servus  homo  estf  nil  fecerit,  esto: 
Hoc  volo;  sie  iubeo;  sit  pro  ratione  voluntas. 
Nicht  weniger  bezeichnend  ist  es  auch,  wenn  bei  Petr.  71. 
Trimalchio    (selbst  einst  Sklave)    seinen   Gästen   versichert: 
Amici,  et  servi  Jiomines   sunt  et  aeqiie  unum   lactem    biberunt. 
Wenn   demungeachtet  der   den   Herrn   zunächst   bedienende 
Sklave  schlechthin  sein  homo  genannt  wird,  wie  bei  Cic.  p. 
Quinct.   l'J.   }ioini)ieni  P.   Quinclii  deprehendis  in  publico.   und 
öfter  bei  Plautus,  so  hat  das  mit  seinem  Rechte  als  Mensch 


140  Dritter  Exeu rs. 

nichts  gemein.  Zwar  hat  man  neuerlich  ein  doppeltes  Element 
des  römischen  Sklavenverhältnisses  angenommen,  ein  sach- 
liches und  persönliches,  s.  Reix,  röm.  Privatrecht  S.  552  f.-, 
allein  man  legt  wohl  zu  viel  Gewicht  auf  die  philosophische 
Ansicht,  die  allerdings  die  Personalität  und  das  ius  commune 
dem  Sklaven  nicht  absprechen  konnte.  Wenn  also  Sek.  de 
dem.  I,  18.  sagt:  cum  in  servuni  omnia  liceant,  est  aliquid,  quod 
in  hominem  licere  commune  ius  vetet.  so  ist  das  eine  Appellation 
an  Vernunft  und  Gefühl,  beweist  aber  nicht  das  faktische  Be- 
stehen eines  solchen  Verhältnisses,  das  vielmehr  erst  durch 
spätere,  die  Sklaven  schützende  Gesetze  hervorgerufen  wurde. 
S.  auch  Macrob.  Sat.  I,  11.  Freilich  wurde  jenes  strenge 
Kecht  zu  verschiedenen  Zeiten  und  in  verschiedenen  Familien 
verschieden  geübt,  und  durch  billige  Denkungsart  des  Herrn 
wie  durch  Brauchbarkeit  des  Sklaven  gemildert,  aber  es  gab 
doch  immer  dem  härteren  Herrn  Gelegenheit,  ungestraft  gi-au- 
sam  zu  sein.  Darum  schildert  Petrus  ÜHRYSOLoaus,  Serm. 
141.  gewiss  wahr:  Qaidquid  domi7ius  indebite,  iracunde,  Ubens, 
7iolens,  oblitus,  cogitans,  sciens,  nescius  circa  servum  fecerit,  iudi- 
ciuin,  iustifiaj  lex  est. 

Auch  übrigens  war  die  Lage  der  römischen  Sklaven 
drückender  als  die  der  griechischen,  und  zwischen  dem  Herrn 
und  ihnen  lag  dem  Ernste  und  der  Gemessenheit  des  römi- 
schen Charakters  gemäss  eine  Kluft,  die  jede  Annäherung  ver- 
hinderte. Charakteristisch  ist  es,  was  Plut.  de  garrul.  18. 
lU,  p.  59  W.  von  dem  Sklaven  des  Piso  erzählt.  Er  setzt 
hinzu:  Ovimg  fih  'Pa)[i(dy.og  oixfztjg.  o  8l  l4triy.og  £()ei  rqi  Öe- 
anortj  (s-Minraiv,  icp   otg  ysyoruaiv  ai  dtaXvasig. 

Jene  Strenge  des  Rechts  milderte  sich  allerdings  im  Le- 
ben und  namentlich  fand  in  ältester  Zeit,  wo  die  ganze  Fa- 
milie, die  nur  wenige  Haussklaven  zählte,  in  engerem  Ver- 
bände lebte,  trotz  dem  strengen  Rechte  ein  vertrauliches  Ver- 
hältniss  Statt.  Macrob.  Sat.  I,  11.  maiores  7iostri  omnem  do- 
minis  invidiam,  omnem  servis  contumeliam  detrahe7ites,  do)7iinum 
patremfamilias ,  servos  fa7niliares  appellaverunt.  Die  ganze 
Familie  ass  gemeinschaftlich.  Plut.  Coriol.  24.  x«J  yaq  iiqävio 


Die  Sklaven.  141 

7ioU.y  TTQog  rovg  oiy.ira^'  imsixfi'n  roze,  8i'  avrovQyiuv  y.ui  ro  y.oi- 
vcorsTv  diaiTVjg  ijfisnateQOv  ty^avteg  JiQog  avrovg  xai  avvrjxfta'ZSQOv. 
Cat.  mai.  21.  Sex.  ep.  47.  Indessen  lagen  die  Sklaven  nie  mit 
bei  Tische,  sondern  zu  den  Füssen  der  lecti  waren  subsellia, 
Bänkchen,  und  auf  diesen  sassen  die  Kinder,  Leute  geringeren 
Standes,  auch  die  Sklaven.  Daher  begnügen  sich  die  Parasiten 
mit  diesem  Platze:  Plaut.  Capt.  III,  1,  11.  Nil  morantur  iam 
Lacones  imi  subselli  viros  Plagipatidas.  Stich.  HI,  2,  32.  Saud 
postulo  equidem  in  lecto  med  accumbere.  Scis  tu  med  esse  unum 
imi  subselli  vinim.  vgl.  V,  4,  21.  Daher  auch  Terenz  an  der 
Tafel  des  Cäcilius,  Vit.  Terent.  Ad  coenantem  cum  venisset, 
dictus  est  initium  quidem  fabulae,  quod  erat  contemtiore  vestitu, 
subsellio  iuxta  lectulum  residens  legisse.  post  paucos  vero  versus 
invitatus  ut  accumberet,  coenasse  una.  So  sassen  selbst  an  der 
kaiserlichen  Tafel  des  Claudius  Kinder.  Suet.  Claud.  32. 
Adhibebat  omni  coenae  et  liberos  suos  cum  pueris  puellisque  nobi- 
libus,  qui  more  veferi  ad  fulcra  Icctorum  sedentes  vescereiitur. 
Endlich  werden  die  subsellia  als  Platz  für  die  Sklaven  aus- 
drücklich bezeichnet  von  Sen.  de  tranquill.  II,  15.  Non  acci- 
piet  sapiens  contuyneliam ,  si  in  convivio  regis  recumbere  infra 
mensam,  vesciqiie  cum  servis  ignominiosa  officia  sortitis  iubebitur. 
Das  gehört  aber  nur  in  die  Zeit  jener  horridi  barbati,  wie  Ci- 
cero sie  nennt  und  diese  Art  Familienleben  hörte  frühzeitig 
auf.  Der  Sklave  ass  nicht  mehr  mit  dem  HeiTn,  sondern  er 
erhielt  bald  monatlich,  bald  täglich  ein  gewisses  Maass  der 
unentbehrlichsten  Lebensmittel,  menstrua  oder  diaria  cibaria. 
Dieses  Deputat  wurde  demensum  genannt.  Wie  viel  es  betra- 
gen habe,  wissen  wir  nur  unvollkommen.  ZAvar  sagt  Doxat. 
zu  Ter.  Phorm.  I,  1,9.  Servi  quaternos  vtodios  accipiebant 
frumenti  in  mensem^  et  id  demensum  dicebatur.  und  Seneca  ep. 
80.  servus  est,  quinque  modios  accipit.  Er  spricht  aber  von 
Schauspielern,  und  was  Donat  sagt,  ist  jedenfalls  aus  Cato's 
Vorschriften  entlehnt,  der  nur  von  der  familia  rustica  spricht, 
und  natürlich  wird  es  in  der  urbana  anders  gehalten  worden 
sein,  wie  denn  auch  sicher  hier  ein  Sklave  mehr  und  bessere 
Kost  erhielt,  als  der  andere.    Cato  nun  R.  K.  56  ff.  bestimmt 


142  D  ritte  r  Exeu  rs. 

nach  Verliältniss  der  schwereren  oder  leichteren  Arbeit  nicht 
nur  in  Ansehung  der  verschiedenen  Beschäftigung,  sondern 
auch  der  arbeits volleren  Jahreszeit,  für  den  Monat  4 — 5  modii 
Getraide.  Wein:  zunächst  nach  der  Weinlese  lora  (ohne 
Maass),  im  vierten  Monat  täglich  1  hemina  ^=  2^/2  congii  (etwa 
H^l ^  Dr.  K.),  im  fünften  bis  achten  Monate  täglich  1  sext.  = 
5  cong.,  im  neunten  bis  zwölften  täglich  3  hem.  ==  1  amphora 
(nicht  ganz).  Ausserdem  an  den  Saturnalien  und  Compitalien 
jedem  1  cong.,  im  ganzen  Jahre  8  amphorae  oder  quadr.,  für 
die  compeditos  10  quadrantalia.  An  Oel  monatlich  1  sext. 
und  an  Salz  1  mod.  Dazu  kommen  noch  Feigen,  Oliven,  halec 
und  Essig.  —  Dass  das  Deputat  monatlich  gegeben  wurde, 
sieht  man  aus  Plaut.  Stich.  I,  2,  2. 

Vos  meministis  quot  kalendis  petere  demensum  cibum: 

Qui  minus  meministis,  quod  opust  facto,  fucere  in  aedibus? 
Darauf  bezieht  sich  auch  der  Scherz  des  Sykophanten,  der  im 
Olymp  gewesen  sein  wollte.  Plaut.  Trin.  IV,  2,  102. 

Charm.  Ati  tu  etiam  vidisti  lovemf 

Syc.  Eum  alii  di  isse  advillam  aibant  servis  depromptum  cibum. 
Ein  Beispiel,  dass  auch  für  die  familia  rustica  das  demensum 
und  sogar  das  Futter  für  das  Vieh  in  der  Stadt  gefordert  wurde, 
findet  sich  Mosteil.  I,  1,  59.  Ervom  daturin'  estis,  bubus  quod 
feram?  Date  aes,  si  non  estis.  Tranio  antwortet  darauf:  Ervom 
tibi  aliquis  cras  faxo  ad  villam  adferat.  Dass  indessen  auch  eine 
tägliche  Vertheilung  nicht  ungewöhnlich  war,  beweist  der  Aus- 
druck diaria.  Mart.  XI,  108.  jmcri  diaria  poscwit.  Hör.  ep. 
I,  14,  40.  Sat.  I,  5,  67  flF. 

—  Rogabat 
Denique  cur  unquam  fugisset,  cid  satis  una 
Farris  libra  foret.^  gracili  sie  tamque  pusillof 
woraus  wir  zugleich  sehen,  dass  die  allzusparsame  Kost  die 
Sklaven  oft   zur  Flucht  veranlasste.   —    Ebenso  erhielt  der 
Sklave  Kleidung,  tunica  und  sagiim,  musste  aber  die  alte  wie- 
der abliefern;  als  Schuhe  sculponeae. 

Konnte    der    Sklave    an    diesem    Deputate    Ersparnisse 
machen,  so  bildete  sich  daraus  ein  kleines  Vermögen,  auf  das, 


Die  Sklaven.  143 

wie  es  scheint,  der  Herr  keinen  Anspruch  machte,  wie  denn 
überhaupt  der  Grundsatz:  quodcunque  per  servum  acquiritw\ 
id  domino  acquiritur.  nicht  streng  festgehalten  wurde,  sondern 
dem  Sklaven  erlaubt  wurde,  sich  ein  peculium  zu  erwerben, 
wovon  er  sich  auch  häufig  loskaufen  mochte.  Das  erhellt  am 
deutlichsten  aus  Terent.  Phorm.  I,  1,  9  flF. 

Quod  nie  unciatim  vix  de  demenso  siio 
Siaim  defmdans  gcniuDi  comparsit  miser, 
Id  illa  Universum  abripiet,  haut  existumans, 
Quanto  lahore  partum. 
und  dazu  die  ganz  ähnliche  Stelle  Sex.  ep.  80.   Peculium  siaan, 
quod  comparaverunt  ventre  fraudato,  pro  capite  numeraiit.  Vgl. 
Rein,  röm.  Privatrecht,  S.  566  f.    Natürlich  konnte  dann  der 
Sklave  auch  auf  andere  Weise  zu  Vermögen  kommen.   So  bei 
Plautus  macht  der  Herr  auf  da-;,  was  der  Sklave  etwa  gefun- 
den hat  oder  gefunden  zu  haben  vorgiebt,  wie  im  Rudens  und 
der  Aulularia,  keinen  Anspruch,  sondern  der  Sklave  will  sich 
davon  loskaufen.  —  In  den  Zeiten  gänzlich  verfallender  Zucht 
gab  es  oft  sehr  reiche  Sklaven.  S.  Plin.  XXXIII,  10.  Sex.  de 
benef.  IH,  28.  und  bei  Petron  im  Hause  des  Ti-imalchio. 

Die  Xamen  der  Sklaven  waren  theils  dem  Vaterland 
derselben  entnommen,  wie  Phryx,  Geta,  Paphlago,  Cappadox, 
Syrus,  oder  mit  grausamer  Ironie  alten  Helden  und  Königen 
entlehnt,  wie  lason,  Achilles,  Priamus,  Midas,  Croesus,  Castor, 
Pollux,  Lucifer,  Hesperus,  Ptolemaeus,  Pharnaces,  Semiramis, 
Arsinoe,  u.  a.  (so  wie  auch  noch  heute  in  den  Sklavenländern 
Namen  wie  Cäsar,  Ponipeius,  lupitcr  u.  a.  gewöhnlich  sind). 
Seltener  gab  man  ihnen  die  Namen  von  Ptiauzen,  Blumen, 
Kräutern  und  Steinen,  wie  Amiantus,  Beryllus,  Narcissus,  Hya- 
cinthus,  Sardonyx  u.  a.  Am  seltensten  waren  römische  Na- 
men, wie  Fabius  und  Fallax  auf  einer  Inschrift  in  Pompoii, 
AvELLiNO,  bullet.  Napol.  II,  2,  N.  l'J.  Doch  sagt  Gell.  IV, 
20.  Statins  —  servile  nomenfult.  Plerique.  apud  vetcres  servi  eo 
nomine  fuerant.  S.  Creuzer,  Antiq.  S.  51.  60.  deutsche  Sehr. 
S.  15  ff.  Orelli-Hexzen  2782  ff.  6253  ff.  Jahn,  spec.  99. 

Die  Klciduiitr  der  Sklaven  untcrscliied  sich  von  der  der 


J44  Dritter  Excurs. 

gemeinen  Freien  nicht.  Sen.  de  dem.  I,  24.  dicta  est  aliquando 
in  senatu  sentetitia,  ut  servos  a  liberis  cultits  distingueret.  deinde 
apparuitj  quantum  periculum  imnxinerety  si  servi  nostri  numerare 
nos  coepissent.  Lampr.  Sev.  Alex.  27.  In  animo  habuit,  Omni- 
bus officHs  genus  vestium  proprium  dare  — ,  et  omnibus  servis, 
ut  in  populo  possent  agnosci  —  ne  servi  ingenuis  miscerentur. 
Sed  hoc  Ulpiano  Paulloque  displicuit  etc.  Zwar  sagt  Tac.  Ann. 
Xin,  25.  veste  servili,  allein  das  lieisst  weiter  nichts,  als  in 
grober  Kleidung,  wie  sie  die  Sklaven  und  die  armen  Freien 
zu  tragen  pflegten.  Das  Hauptstück  war  die  Tunica,  denn 
von  der  Toga  konnte  die  ganze  arbeitende  Klasse  keinen  Ge- 
brauch machen  und  darum  steht  im  Dial.  de  caus.  corr.  eloq.  7. 
tunicatus  populus  für  gleichbedeutend  mit  vidgus,  ebenso  Hör. 
epist.  I,  7,  65.  tunicato  —  popello.  Plaut.  Amph.  I,  1.  213. 
tunicis  considis.  Sex.  de  brev.  vit.  12.  In  Stoff  und  Farbe 
stand  die  Tunica  der  Gemeinen  der  der  Vornehmen  nach,  viel- 
leicht war  sie  auch  kürzer,  um  bei  der  Arbeit  weniger  zu  hin- 
dern icolobium).  Gegen  diese  von  P.  Faber,  Eeiz,  Böttiger 
und  zuletzt  von  Creuzer,  deutsche  Schrift.  S.  30  fg.  45 — 58. 
vertheidigte  Behauptung  beweist  Schol.  zu  luv.  I,  3.  nichts, 
zumal  da  die  Lesart  unsicher  ist.  Weiss,  Kostümkunde,  Stuttg. 
1860,  n,  S.  1000  f.  behauptet  zwar  in  der  Anmerkung  gegen 
Becker  „ein  besonders  bestimmtes  Sklavenkleid",  sagt  aber 
im  Text  doch  nichts  anderes,  als  wir,  nämlich  dass  die  Klei- 
dung „vorherrschend  nur  in  der  Tunica  bestand  und  in  mehr 
oder  minder  rohen  Sandalen"  und  dass  die  Sklaven  längeres 
Haupthaar  und  Bart  trugen.  —  Die  Livree  der  Sänftenträger 
s.  im  ersten  Excurs  zur  vierten  Scene. 

Was  die  Ehe  der  Sklaven  betrifft,  so  gab  es  allei'dings 
solche  Verbindungen,  die  jedoch  nur  nach  dem  Naturrecht 
galten,  und  im  strengen  Gegensatz  zu  den  Ehen  der  Freien 
standen.  Darum  Messen  sie  nicht  matrimonium,  sondern  eon- 
tubernium  und  die  Gatten  contubertiales.  Orelli-Henzen 
2807.  2826.  2834  fg.  4158.  4161.  5725.  6134.  6262  f  6291. 
6296.  Auch  conserva  hiess  eine  Sklavengattin,  Orell.  2788. 
2794.  2820.  6294.  6668.  selten  coniux,  2841  ff.  Nur  der  Herr 


Die  Sklaven.  145 

hatte  zu  bestimmen,  welche  Skhiven  zusammenleben  sollteii, 
s.  CoL.  I,  8.  qiialicunque  villico  contiihernalis  mulier  ossignanda 
est.  Er  war  dabei  sehr  interessii-t  und  sah  daher  wohl  auch 
auf  gegenseitige  Zuneigung  oder  Avenigstens  Wohlgefallen. 
Varr.  R.  E.  I,  17.  Praefectos  alacriores  faciundwn  praemiis, 
dandaque  opera,  ut  habeant  peculium  et  coniunctas  conservas, 
e  quibus  habeant  filios.  eo  enim  fiunt  firmiores  ac  coniunctiores 
fundo.  ganz  abgesehen  von  dem  ihm  aus  der  Geburt  der  ver- 
nae  entspringenden  Vortheil.  Der  ältere  Cato  nahm  sogar 
Geld  von  seinen  Sklaven,  die  mit  einer  Sklavin  zusammen- 
leben wollten,  Plut.  Cat.  mai.  21.  —  Zuweilen  mochte  das 
Loos  die  Contubernalen  zusammenführen,  Orell.  inscr.  2834. 
S.  noch  Petrox.  57.  Plaut.  Gas.  prol.  66  —  74.  mit  Rosts 
Abh.  darüber  in  opusc.  p.  64 —  71. 

Die  Strafen  für  die  Vergehen  der  Sklaven  waren  man- 
nigfaltig, natürlich  durchaus  körperlich,  da  hierin  der  Römer 
mit  den  Griechen  übereinstimmt,  dass  der  Sklave  im  Gegen- 
satze zum  Freien  allemal  mit  dem  Leibe  büsset,  daher  er  auch 
bei  gerichtlicher  quaestio  stets  gefoltert  wird.  Diese  Strafen 
waren  an  sich  sehr  streng,  wären  indessen  bei  gesetzmässiger 
Anwendung  noch  erträglich  gewesen;  allein  das  Harte  des 
Verhältnisses  lag  besonders  dai'in,  dass  der  Herr  mit  völliger 
Willkür  nach  Laune  verfahren  konnte.  Man  schaudert,  wenn 
man  liest,  welche  Behandlung  die  Sklaven  oft  wegen  geringer 
Vergehen  erfuhren;  aber  man  darf  auch  nicht  übersehen,  dass, 
nachdem  Jahrhunderte  liindurdi,  niMii  möchte  sagen  systema- 
tisch, die  Demoralisation  und  tiefe  Erniedrigung  dieser  Men- 
schen bewirkt  worden  war,  man  eine,  den  F'reieu  an  Zahl  weit 
überlegene,  durchtriebene  und  verwegene  Klasse  vor  sich 
hatte,  die  nur  durch  äusserste  Strenge  in  Ordnung  erhalten 
werden  konnte.  Tac.  Ann.  XIV,  41.  —  Zu  den  gelinderen 
Strafen  gehört  zuerst  die  Verweisung  aus  der  familia  urbana 
in  die  rustica,  in  d;is  evgastnluni^  wo  sie  gewöhnlich  catenati 
und  conipediti  arbeiten  mussten.  Pl.\ut.  Most.  [,  1,  17. 
Cis  hercle  paucas  tempesfates,  Tranio, 
Auyi'bis  ruri  nuwerum,  geinis  fcrratil''. 

BecKRR,  Uallii^.    3.  Aufl.   11.  lU 


J^46  Dritter  Excurs. 

Daher  sagt  Geta,  Terent.  Pliorni.  II,   1,  17.  mit  komischer 
Resignation : 

0  Phaedria,  vicredib'tlc  quaittutn  he.nirn  codeeo  sapie/dia. 
Meddata  mUd  sunt  omida  mea  incommoda,  herus  st  redierd: 
Molendum  est  in  pistrino,  vapulandum,  /labendum  compedes, 
Opus  ruri  fackmdum.   horuvi  tdhil  qiddqiiam  accidet  aniino 

novinn. 
Das  sind  die  oft  erwähnten  vincti  compede  f ossäres,  z.  B.  Ovid. 
Trist.  IV,  1,  5.  TiB.  II,  6,  25.  Sie  bilden  eine  eigene  Abthei- 
luug  in  der  Familie,  das  ergastulum.  Col.  I,  8,  16.  Ergastuli 
mancipia  vincta  compedihus.  luv.  VIII,  180.  Sen.  de  ira  III, 
32.  Plin.  h.  n.  XVIII,  3.  Doch  wird  man  es  nicht  bloss  als 
Strafklasse  zu  betrachten  haben,  sondern  man  versicherte  sich 
anf  solche  Weise  derer,  die  etwa  hätten  entlaufen  können. 
Daher  bewohnen  sie  auch  einen  Raum  unter  der  Erde.  Colum. 
I,  G,  3.  Vinctis  quam  salubeirimuin  subteiTaneum  ergastidum 
plurimis  idque  angustis  illustratum  fenestris  atque  a  terra  sie 
editis,  ne  manu  contingi  possint.  Zwar  wvirden  diese  Bagnos 
in  der  Kaiserzeit  oft  verboten,  Spart.  Hadr.  18.,  jedoch  nie 
ganz  unterdrückt.  Brisson.  sei.  ex  iure  civ.  ant.  II,  9.  Dirk- 
SEN,  d.  scriptores  bist.  Aug.  S.  139  — 143.  Dass  übrigens  diese 
compediti  nach  Cato's  Vorschrift  c.  56.  besser  verpflegt  wer- 
den, d.  h.  mehr  Rationen  bekommen,  geschieht,  weil  sie  erst- 
lich die  scliAverste  Arbeit  verrichten  müssen,  dann  aber  auch, 
weil  sie  nicht  nebenbei  sich  etwas  verschaften  können.  Darum 
erhalten  sie  Brot,  die  Uebrigen  Getraide.  —  Die  compes  ist 
entweder  ein  mit  Kette  am  Bein  befestigter  Holzklotz  oder, 
und  zwar  gewöhnlicher,  ein  eigentliches  Beineisen.  Daher  das 
Sprüchwort:  compedes,  quas  ipse  fecit,  ipsics  lä  gestet  /aber. 
(Wer  Anderen  eine  Grube  u.  s.  w.).  Ausserdem  wurde  oft  ein 
Halseisen  angelegt,  collare  (ähnlich  dem  griechischen  -Aoiög), 
und  Handschellen,  manicae.  Lucil.  bei  Non.  I,  162.  cum  ma- 
nicis,  catuln^  collarique  id  fugitivum  deporttm.  IV,  313.  Plaut. 
Capt.  II,  2,  107. 

Hoc  quidem  haud  molestum  est  iani^  quod  colhis  collari  caret. 
Daher  ist  Trin.  IV,  3,  14. 


Die  Ski  aveii.  147 

Oculicrepidae,  crurlcrepidae^  fennteri,  mastigiae. 
unzweifelhaft  zu  coi-rigiren :   collia^epidae.  Der  von  Lucil.  ge- 
nannte catuhis  war  auch  eine  Fessel,  Avahrscheinlich  von  ca- 
tena  abzuleiten,  indem  man  mit  höhnischer  Ironie  statt  catella 
catellus^  dann  catidus  sagte.  Plaut.  Cure.  V,  3,  13. 

Delicatian  te  hodie  faciam,  cum  catello  iit  adctibes: 
Ferreum  ego  dico. 
Dann  ging  man  noch  weiter  und  Ijrauchte  in  demselben  Sinne 
canis.  Gas.  II,  G,  37. 

Tu  qiddem  hodie  canem  et  furcam  fevaa. 
Paul.  p.  45.    Catidus  genus  quoddain  vincidij  qid  interdnm  canis 
appellatur. 

Schläge  waren  sehr  häufig,  bald  mit  fustihus  oder  virgis, 
namentlich  ulmeis;  daher  facere  aliquem  ubneinn.  Plaut. 
Asin.  n,  2,  96.  ulmitriba^  Pers.  II,  4,  7.  ulmonim  Ac/ieruns, 
(i.  e.  in  cuius  tergo  moriuntur  ulmeae)  Amph.  IV,  2,  9.  oder 
mit  loris,  daher  bei  Plautus  eigene  lorarii;  auch  habenis,  Hör. 
epist.  II,  2,  15.  Darum  nennt  Libanus  Plaut.  Asin.  I,  1,  21. 
das  pistrinum ,  die  Stampfmühle ,  die  dem  ergastulum  gleich- 
steht, wo  gewöhnlich  die  zu  Bestrafenden  schwere  Arbeit  ver- 
richten mussten:  ustitudines,  ferricrepinas  insulas,  ubivivos  ho- 
mines  mortui  incursant  boves.  Daher  kamen  auch  die  eigenen 
Schimpfwörter:  verbero  oder  verbereu7n  Caput.  Pers.  II,  2,  2. 
verbera  statua.  Capt.  V,  I,  31.  Pseud.  IV,  1,  7.  und  das  sehr 
gewöhnliche  mastigia.  Diese  Strafe  war  so  alltäglich,  dass  sie 
von  Vielen  nicht  besonders  gefürchtet,  und  selbst  darüber  ge- 
scherzt wurde.  So  sagt  Chry.salus,  Bacchid.  II,  3,  131.  Si  Uli 
sunt  virgae  ruri,  ät  mihi  tergum  domist.  So  ijibanus,  Asin.  II,  2,53. 

Ilabeo  opinor  familiärem  tergum,  ne  quaeram  foris. 
Diese  virtus  und  firmitudo  animi  wird  sehr  launig  geschildert: 
eb.  III,  2,  3  ff.   wo  zugleich  eine  Menge  anderer  Strafen  auf- 
gezählt werden : 

Scapularum  conßdentia,  virtute  idmorum  freti,  .... 
Q«/  advorsum  stimulos  laminas  crucesque  conpedisque 
Nervös  catenas  carceres  numellas  pedicas  bniasj 
fnductorrsque  acerruinos  gnarosqiir  nostri  tergi. 

10  ■ 


148  Dritter  Ex  cur  s. 

und  so  oft  bei  Plautus,  aus  dem  man  überhaupt  das  Sklaven- 
leben von  allen  Seiten  kennen  lernt.  —  Auch  wurde  der 
Sklave  an  den  Händen  aufgehängt,  während  an  die  Füsse 
zugleich  Gewichte  gebunden  wurden,  wozu  gleichzeitig 
Schläge  kamen.  Plaut.  Asin.  II,  2,  31. 

Ad  pedes  quando  adligatunist  aequom  centupondium. 

Ubi  maniis  manicae  conplexae  sunt  atque  adductcic  ad  tvabem. 
Daher  häufig  pendere  und  ferire  pendentem.  Triu.  II,  1,  19. 
Most.  V,  2,  45.  Asin.  III,  3,  26.  Ter.  Phurm.  I.  4,  42.  Eun. 
V,  6,  20. 

Härtere  Strafen  waren:  die  Brandmarkuug,  nament- 
lich für  die  fug'ä'tvos  und  fures.  Es  wurden  dann  Buchstaben 
zur  Bezeichnung  des  Vergehens  auf  die  Stirne  gebrannt,  und 
eben  darum  werden  solche  Gebrandmarkte  literati  genannt. 
Plaut.  Gas.  II,  6,  49.  und  vielleicht  bezieht  sich  darauf  auch 
Aul.  II,  4,  46.  trium  Uierarum  homo.  (entweder  für  oder  es 
heisst  ein  mehrmals  Gebrandmarkter)  oder  sfigmosi,  Petr.  109. 
denn  Stigmata  ist  der  eigentliche  Ausdruck  für  diese  notas. 
Auch  notati^  inscripti.  Mart.  VIII,  75,  9.  Sexec.  de  ira  III,  3. 
Plin.  XVHI,  3,  4.  Hesych.  ygatifiara  dnamTa  (für  die  fugi- 
tivos).  —  Ob  das  Zeichen  ein  einzelner  Buchstabe  F  gewesen 
oder  mehrere,  ist  zweifelhaft;  denn  Petr.  103.  kann  nichts 
entscheiden.  Das  Letztere  könnte  desshalb  wahrscheinlicher 
sein,  weil  ausserdem  für  und  fugitivus  nicht  zu  unterscheiden 
waren.  Allein  derselbe  Buchstabe  K  bezeichnete  auch  Kalen- 
dae,  Kahüunia,  Koput,  ohne  unterscheidendes  Merkmal.  Vgl. 
Long,  de  orthogr.  p.  1218  Putsch,  und  von  dem  Zeichen  für 
die  Calumniatores  sagt  Cic.  p.  Rose.  Am.  20.  ausdrücklich: 
literam  illam,  cui  vos  usque  eo  inimici  estis,  ut  etiam  omnes 
calendas  oderitis,  ita  vehementer  ad  Caput  affigent  etc.  Die  Stig- 
mata blieben  für  das  ganze  Leben  sichtbar  (Val.Max.  VI,  8,7. 
inexpiahilis  literarum  nota),  und  mancher  späterhin  frei  und 
reich  gewordene  niusste  sie  unter  Schönpflästerchen,  i>pleniis, 
zu  verstecken  suchen.  Mart.  II,  29. 

Et  numerosa  linunt  stellantem  splenia  fronteui. 
lyiioras.)  quis  sit?  Sph'iiia  tolle:  leges. 


Die  Sklaven.  149 

Indessen  fuhrt  derselbe  Dichter  einen  Arzt,  Eros,  an,  der  die 
Spuren  der  früheren  Brandmarkungen  zu  vertilgen  wusste. 
X,  56,  6. 

Eine  sehr  häufige  Strafe  war  das  Tragen  der  fiirca.  Sie 
sollte  in  früherer  Zeit  nur  zur  Beschämung  dienen.  Donat.  zu 
Ter.  Andr.  III,  5,  12.  qui  ob  leve  dcUctum  cogehantur  a  domlms 
ignominiae  magis  quam  si/pplicii  causa  circa,  vicinos  furcnm  in 
collo  fcrre,  subligatis  ad  eum  manibus.  Plut.  Cor.  24.  i:v  Sf  /<f- 
l'ähj  y.f)Xaaig  <>r/.hrov  nhjtfdzh'iaarrog ,  ei  ^v).or  äu  '^t^g,  6p  tov  nv- 
fiov  vTTSQt/dovciiv  aod[4eroi:  Öif^i-^xhx  nana  rt^v  ysirviaaiv.  0  yan 
TovTf)  TTC.Var  y.ai  öq^x}sig  nanu  rcöv  avvoiy.cor  y.ni  ytiTmcoi  ovyJri 
niotiv  ei/si'.  Exaleirn  öi-  cfovoyicf^n.  ö  ywy'EXh^veg  vnoaTdTijv  y.at 
OTrjQiyiia.,  rovro  Pcoiudot  cfovoy.ar  oroud^ovaiv.  Die  furca  hatte 
ungefähr  die  Form  eines  V,  und  wurde  über  den  Nacken  und 
die  Schi;ltern  gelegt,  während  die  Arme  an  ihren  beiden  nach 
vorn  stehenden  Schenkeln  festgebunden  wurden.  Plaut.  Gas. 
II,  6,  37. 

tu  quidpin  hndie  canem  et  furcam  feras. 
Ein  weit  härterer  Grad  der  Strafe  war  es,  wenn  an  dem  so 
Gefesselten  körperliche  Züchtigung  vollzogen  wurde,  Plaut. 
j\Iost.  I.  1,  58.  Liv.  II,  36.  sub  furca  caesum.  Ferner  wurde 
die  furca  angewandt  bei  Sklaven,  welche  gekreuzigt  werden 
sollten,  DiONYS.  VII,  69.  Val.  Max.  I,  7,  4.  Cum  —  quidam 
paterfamilias  —  sei-vum  suum  verberibus  mulcatiim  sub  furca 
ad  supplicium  egisset.  An  vielen  Stellen  ist  patibulum  (eigent- 
lich das  Querholz  des  Kreuzes,  Sen.  ep.  101.  patibulo  pendere 
destrictum.)  gleichbedeutend  mit  furca.  Plaut.  Mil.  II,   4,  7. 

Credo  ego  istoc  exemplo  tibi  esse  pereundum  extra  portam, 

Dispessis  manibus  patibulum  quom  habebis. 
Most.  I,  ] ,  53.  Ita  te  forabunt  patibidatum  per  vias  stimuleis. 
Es  gingen  nämlich  (■ar«/^*"''*"  hinterher  u.  schlugen  oder  stachen. 
P^benso  NoN.  III,  184.  u.  Lucil.  deligat  ad  patibidos,  de/igantnr 
et  circumferuntw\  cruci  deßgimtur.  Plaut.  Carbon.  Patibulum  fe- 
rat  per  urbem,  dciude  affigat  cruci.  lieber  die  anderen  Bedeu- 
tungen und  Anwendungen  von  furca  und  patibulum  s.  Paulv, 
Kealencykl.  III,S.  549  fg.  u.  V,  S.  1 255.   AVeun  Plaitus  a.a.O. 


J50  Dritter  Ex  eins. 

sagt:  extra  portam^  so  erklärt  sich  dieses  dadurch,  dass  alle 
supplicia  ausserhalb  der  Stadt  vollzogen  wurden.  Es  ist  aber 
darunter  nicht  die  fabelhafte  j)oi-ta  Metia  zu  verstehen,  welche 
in  zwei  Stellen  des  Plaut.  Gas.  II,  6,  2.  und  Pseud.  I,  3,  97. 
hineingetragen  worden  war  (die  Codd.  haben  vii  etiam,  Avie 
gelesen  werden  muss,  s.  Ritschl,  index  schob  in  univ.  Frid. 
Guil.  Ehen.  Bonn  1842.),  sondern  die  Esguilina,  vor  welcher 
auf  dem  campus  Esquilinus  der  Hinrichtungsplatz  und  der 
allgemeine  Begräbnissort  Avar.  Tac.  Ann.  II,  32.  in  P.  Mar- 
cium  Coss.  extra  portam  Esquilinam  —  viore  prisco  advertere. 
SuET.  Claud.  25.  Derselbe  Platz  ist  gemeint  Tag.  Ann.  XV, 
60.  raptus  in  locum  servilibus  poenis  repositum.  Schol.  Cruq. 
zu  Hör.  Sat.  I,  8,  14.  -—  ubi  certiis  erat  locus  (nämlich  vor  der 
Esquilina)  sepulcrorimi  ad  corjjora  pauperum  aut  scehratorum 
viliumque  comburenda  aut  canibus  proiicienda.  vgl.  Plut.  Galb. 
28.  Becker,  Handb.  der  röm.  Alterthüm.  I,  S.  554  ff. 

Die   Strafe  des  Kreuzes    (crux,  in  crucem  agere,  tollere, 
figere  etc.)    war   sehi-  gewöhnlich    und    ursprünglich  nur   für 
Sklaven  angewandt,  so  dass  crux  und  servile  supplicium  das- 
selbe bedeuteten ,  s.  die  Stellen  in  Pauly,  Realencykl.  II,  S. 
769.  Komisch  sagt  Sceledrus  bei  Plaut.  Mil.  II,  4,  19. 
Noli  minitari:  scio  crucem  fidur am  mihi  sepulcrum: 
Ibi  mei  sunt  maiores  siti,  pater,  avos^  proavos,  abavos. 
HoR.  epist.  I,  16,  47  ff. 

Nee  furtum  feci  nee  fugi,  si  mihi  dicit 
Servus:  habes  pretium,  loris  non  ureris^  aio. 
Non  hominem  uccidi:  non  pasces  in  cruce  corvos. 
s.  luv.  VI,  216  ff.  auf  S.  140.  In  einzelnen  Fällen  wurden  be- 
sonders grausame  Strafen  verhängt,  wie  Abhacken  der  Hände 
(besonders  wegen  Diebstahl),  Plaut.  Epid.  I,  1,  11.    Suet. 
Cal.  32.  Claud.  15.  Becker,  antiq.  Plaut,  p.  11.    Bekannt  ist 
die  Schandthat  des  Vedius  Pollio.  Sen.  de  ira  HI,  40.  Fregerat 
unus  ex  servis  eius  crystallinum.  rapi  cum  Vedius  iussit  nee  vul- 
gari  quidem  peritunim  morte.    Muraenis  obiici  iubebatur,  quas 
ingens  piscina  continebat.     Augustus  begnadigte  ihn  und  liess 
alle  ciystallina  zerschlagen.     Auch  wird  erwähnt,   dass  Skia- 


Die  Sklaven.  151 

ven  in  den  Vivarieu  den  wildtni  Thieren  zum  Frasse  vorge- 
worfen wurden  und  bekannt  sind  die  Thiergefeehte,  zu  denen 
Privatleute  ihre  Sklaven  hergaben.  Dass  der  Herr  keine 
Rechenschaft  von  seinem  Verfahren  schuldig  war,  führte  ge- 
wiss häufig  dazu,  dass  man  sich  solcher  Sklaven,  die  Zeugen 
von  Verbrechen  gewesen  waren,  entledigte.  Ein  entsetzliches 
Beispiel  bei  Cic.  p.  Clu.  66.  nam  Stratonem  quidem^  iudices,  in 
cruceni  actum  esse  exsecta  scitote  lingua.  Ein  zweiter  war  heim- 
lich bei  Seite  geschafft  worden.  Ein  furchtbares  Gesetz  war 
es  auch,  dass,  wenn  der  Herr  des  Hauses  durch  einen  seiner 
Sklaven  ermordet  worden  war,  die  ganze  Sklavenfamilie  ster- 
ben musste.  Tac.  Ann.  XIV,  41.  Daraus  erklärt  sich,  was 
Sulpicius  schreibt,  Cic.  ad  Farn.  IV,  12.  (nach  Marcellus'  Er- 
mordung) :  Ego  tuinen  ad  tabcrnaculuvi  eins  perrexi.  inveni  duos 
libertos  et  pauculos  servos.  reliquos  aiebant  profugisse,  metu 
perterritos,  quod  dominus  eorum  ante  tabernaculum  interfectus 
esset.  Eeix,  röm.  Criminalrecht  S.  421  fg.  Wallon,  H,  S. 
239—253. 

Jene  Beispiele  besonderer  Grausamkeit  können  nun  frei- 
lich nicht  als  Kegel  gelten ,  wenn  sie  auch  gewiss  nicht  eben 
Seltenheiten  waren;  allein  von  solchen  Extravaganzen  abge- 
sehen ,  lag  das  Unerträgliche  des  Verhältnisses  besonders  in 
der  rücksichtslosen  Unfreundlichkeit  und  lieblosen  Härte,  mit 
welcher  die  Sklaven  im  Allgemeinen  behandelt  wurden.  Lehr- 
reich ist  in  dieser  Beziehung  Sex.  ep.  47.  infeticibus  servis 
movere  labra  ne  in  hoc  quidem ,  ut  loquantur,  licet,  virga  7nur. 
mur  omne  conipescitur  et  ne  fortuita  quidem  i^erberibus  excepta 
sunt,  tussis ,  sternutamentum ,  singultus.  magno  mala  ulla  voce 
interpellatum  silentium  luitur.  nocte  tota  ieiuni  mutique  perstant. 
Das  ist  keineswegs  übertrieben,  vielmehr  lässt  es  sich  durch 
zalilrciche  Beispiele  belegen,  dass  sehr  häufig  wegen  der  ge- 
ringfügigsten Versehen  die  raffinirtcsten  Misshandlungen  Statt 
fanden.  Besonders  zeichneten  sich  darin  die  Damen  aus,  von 
deren  Toilette  die  schmückenden  Dienerinnen,  wie  noch  heute 
in  Brasilien  und  anderwärts,  selten  anders  als  geschlagen,  zer- 
kratzt, zci  rauft  und  mit  Xadchizcrstoclicii  Isnuieii.  Iuv.A'J,4'J()ft". 


152  Dritter  Flxcnrs. 

Disponit  crinem  laceratis  ipsa  capiUis 

Nuda  humero  Psecas  infelix,  imdisque  mamillis. 

Altior  hie  qjtare  cincinnics?    Taurea  punit 

Continuo  flexi  crimen  facinusque  capilli. 
S.  OviD.  Am.  I,  14,  i;?.  Art.  III,  235.  Mart.  II,  66.  Böttig. 
Sab.  I,  S.  310  ff.  323  ff. 

Bei  dieser  Behandlungsweise  lässt  es  sich  erwarten,  dass 
im  Allgemeinen  die  Gesinnung-  der  Skla^•en  gegen  den  Herrn 
in  der  Regel  eine  feindliche ,  Anhänglichkeit  und  Treue 
wenigstens  in  der  sj)äteren  Zeit  selten  war.  Niemand  spricht 
das  bestimmter  aus  als  Seneca  1.  1.  (ebenso  Macrob.  Sat.  I, 
11.),  der,  die  alte  lobend,  ein  Sprüchwort  anführt,  das  gerade 
desshalb,  weil  es  Sprüchwort  ist,  als  lautredendes  Zeugniss 
gelten  muss.  At  Uli  quibus  non  tantum  coram  domi7iis,  sed  cum 
ipsis  erat  sermo,  quorum  os  non  consuebatur,  pnrati  erant  pro 
doinino  porrigere  cerviccm ,  periculum  imminens  in  caput  suum 
avertere.  In  conviviis  loqiiebantur,  sed  in  tormentis  tacebant. 
Deinde  eiusdem  arrogantiae  proverbium  iactatur:  totidem  esse 
hostes^  qiiot  servos.  Non  habemus  illos  hostes,  sedfacimus.  Die 
von  Sex.  allgemein  genannten  Aussagen  auf  der  Folter  sind 
nur  auf  bestimmte  Fälle  zu  beschränken ;  denn  es  war  Grund- 
satz, von  dem  Sklaven  gegen  den  Herrn  keine  Aussagen  zu 
erpressen.  Cio.  p.  Mil.  22.  de  servis  nulla  q^iaestio  in  dominos, 
nisi  de  incestu.  —  Sed  tamen  maiores  nostri  in  dominum  de  servo 
quaeri  noluerunt,  non  quia  non  posset  verum  inveniri,  sed  quin 
videbatur  indignum.  p.  rege  Dejot.  1.  jmrt.  orat.  34.  So  führi 
auch  Val.  Max.  VI,  8,  1.  nur  das  Beispiel  des  M.  Antonius 
(or.)  an,  dessen  Sklave  wegen  Incest  des  Herrn  gefoltert 
wurde;  denn  dass  dasselbe  mit  dem  Sklaven  des  Munacius 
Plauens  geschah,  kann  der  Zeit  der  Bürgerkriege  wegen  nicht 
in  Betracht  kommen.  Nicht  selten  erwies  es  sich,  wie  wahr 
OviD  sagt  Met.  XVI,  489.  sors  uhi  pessima  rerum,  sub  pedibus 
timor  est.  und  mehrmals  wurde  Italien  ein  Schauplatz  furcht- 
barer Gräuelscenen  durch  Empörungen  und  Verschwörungen 
der  Sklaven,  s.  Creuzer,  deutsche  Schriften  S.  40  ff.  Ein 
Beispiel   furchtbarer  Sklavenrache  erzählt  Plin.  ep.  III,  14. 


Die  Sklaven.  153 

Re)n  (itrocriii  Lnrr/iiis  Macedo ,  vir  j)iaetoiiiis,  a  servis  siiis  pas- 
sus  est,  siiperbiis  alioqui  do7nini(s  et  saevus,  et  qui  gewisse  pa- 
trem  suum  parurn ,  immo  viinimuni  mnnmissct.  Lavabatur  in 
Villa  Formiana.  repente  ewn  serri  circuin.si.^tinit;  olius  fauces 
invadit,  aliiis  os  verberat,  alius  pectus  et  vantrem ,  atque  etiaiii 
(foedum  dictu)  verenda  contimdit ,  et  qimm  exanimem  pntarenf, 
abiiciunt  in  fervens  pavimentiaii ,  iit  experireritar,  an  viveret. 
Leiclei*  lebte  das  Ungeheuer  noch  lange  genug,  um  noch  da ; 
solatium  idtionis  (wie  Plinius  selbst  es  nennt!)  zu  haben.  Auf 
der  anderen  Seite  fehlte  es  indessen  auch  nicht  an  Beispielen 
der  tieuesten  Anhänglichkeit  und  edler  Aufopferung  für  den 
Herrn,  namentlich  in  den  Schrecknissen  der  bürgerlichen 
Kriege,  und  Val.  Max.  hat  in  einem  besonderen  Kapitel,  VI, 
8.  verschiedene  Fälle  der  Art  der  Vergessenheit  entrissen.  Er 
sagt  aber  selbst:  fides  quo  minus  exspectata ,  lioc  laudahilinr. 
S.  auch  Beispiele  bei  Macrob.  Sat.  I,  11. 

Noch  ist  hinzuweisen  auf  das  besondere  Verhältniss,  das 
seit  den  letzten  Zeiten  der  Republik  durch  die  unzüchtige 
Liebe  zu  schönen  Sklaven  und  Sklavinnen  entstand,  wo  auf 
der  einen  Seite  der  Sklave  zum  AVerkzeuge  viehischer  Lust 
herabgewürdigt  wurde  ,  auf  der  anderen  derselbe  eine  bedeu- 
tende Gewalt  üb(!r  den  Gebieter  und  Einfluss  auf  das  Haus- 
wesen erliielt.  Doch  es  sei  auch  nur  darauf  hingedeutet,  und 
wer  diese  Schattenseite  des  Sklavenlel)ens  näher  kennen  zu 
lernen  wünscht,  der  wird  in  den  Gedichten  Martials  und  Li- 
venals  und  aucli  anderwärts  Zeugnisse  genug  von  der  Verwor- 
fenheit der  Zeit  Hilden,  z.  B.  Sex.  ep.  47.  95. 

Im  Allgemeinen  wird  man  sich  also  die  römischen  Skla- 
ven als  eine  tief  herabgewürdigte  und  sittlich  erniedrigte 
Menschenklasse  zu  denken  haben.  Den  Herrn  hatten  sie  oft 
eben  so  viel  Grund  zu  verachten  als  zu  hassen.  Die  täglichen 
MisshniiiMiin;;-!'!!  iiiaclitcii  sie  gegen  gewöhnliche  Strafen 
gleichgültig.  Es  ist  gewiss  Denkweise  römischer  Sklaven,  die 
sich  bei  Inlaut.  Bacch.  II,  3,  LSI.  oder  Asin.  II,  2,  53.  aus- 
spricht, vgl.  III.  2,  3  ff.   S.  oben  S.  147. 

\'oii   ;ilt<'ster  Zeit   jicr  hatte   der  Tleir  das  Keclit,  seinen 


154  Dritter  Excurs.    Die  Sklaven. 

Sklaven  frei  zu  lassen,  wodurch  dieser,  wenn  die  Freilassung 
in  gesetzlicher  AVeise  geschehen  war,  Civität  erlangte.  Die 
Bedingungen  und  Formen  der  Freilassung  gehören  niclit  hier- 
her, s.  Pauly,  Realencykl.  IV,  S.  1504  ff.  Es  blieb  nach  der- 
selben ein  der  Clientel  ähnliches  Pietätsverhältniss  gegen  die 
Familie  des  Herrn,  dessen  Namen  der  Freigelassene  auch  ge- 
wöhnlich annahm,  wie  überhaupt  der,  welcher  durch  einen 
Kömcr  das  Bürgerrecht  erlangte,  s.  Tbl.  I,  S.  18.  Sehr  häufig 
blieben  die  Freigelassenen  in  dem  Hause  des  Herrn ,  der 
überhaupt  eine  Art  Schutzherr  war  und  auch  in  dieser  Bezie- 
hung patronus  genannt  wurde.  Die  Behandlung  änderte  sich 
natürlich,  indessen  führten  in  alter  Zeit  die  Herren  doch  ein 
strenges  Kegiment  über  die  Freigelassenen.  Das  sagt  aus- 
drücklich Cic.  ad  Qu.  fr.  I,  1,4.  Accensus  dit  eo  numero,  quo 
eum  maiores  nostri  esse  voluerunt,  qui  hoc  non  in  beneßcii  locu, 
sed  in  laboris  et  muneris  non  temere  nisi  lihertis  suis  deferebant, 
quibus  Uli  quidem  non  multuni  secus  ac  servis  imperabaid. 


VIERTER  EXCURS. 


DIE  VERWANDTEX,  FREUNDE  UND  CLIENTEN. 

Die  ganze  Organisation  der  römischen  Familie  lässt  es 
erwarten ,  dass  anch  die  entfernter  stehenden  Glieder  eines 
Hauses  mit  demselben  und  untereinander  durch  ein  engeres 
Band  verknüpft  waren  und  dass  sich  um  einen  paterfamilias, 
wenn  er  namentlich  au  der  iSpitze  des  Geschlechts  stehend  er- 
schien, die  ganze  Familie  wie  um  ihren  Mittelpunkt  sammelte. 
Die  Verwandtschaft  war  aber  meistens  sehr  ausgebreitet  und 
ihre  Verzweigung  wurde  namentlich  in  der  Nobilitas  durch 
die  imagines  im  Ajidenken  erhalten,  welche  einen  vielästigen 
Stammbaum  bildeten.  Die  rechtliche  Bedeutung  der  Agnaten, 
Cognaten  und  Affinen  ist  hier  nicht  zu  erörtern,  s.  Pauly, 
Realencykl.  I,  S.  257  fg.  II,  S.  488  fg.  Abgesehen  von  dieser 
rechtlichen  Seite  zeigt  die  alte  Heiligkeit  der  verwandtschaft- 
lichen Bande  auch  unter  Cognaten  und  Affinen  sowohl  das 
jährliche  Fest  der  Charistia,  Val.  Max.  H,  1,  8.  Convivium 
etiam  solenne  maiores  instituerunt  idque  Charistia  oppellaveriint, 
cui  prater  cognatos  et  affiiies  nemo  interponehotur.  Ovid.  Fast. 
II,  616  ff.,  als  die  PHicht  um  gestorbene  Cognaten  und  Affinen 
zu  trauern;  ebenso  das  Eheverbot  zwischen  Cognaten  und 
Affinen,  s.  Pauly,  Realencykl.  IV,  S.  1651.  und  zuletzt  das 
iits  osculi,  welches  darin  bestand ,  dass  die  verheirathete  Frau 
von  ihren  und  ilires  Mannes  Cognaten  geküsst  werden  durfte. 
Der  Kuss  wurde  nämlich  als  ein  symbolisches  Zeichen  des 
engen  Familienkreises  angesehen.  Plut.  qu.  Rom.  6.  y.at  tov- 
to  (wvüv  antXst(f\hj  avfA^ioXov  -/.ut  xonwryKt  t;/s'  avyysrfiU'^.  Vgl. 


156  Vierter  Excurs. 

Val.  Max.  III,  8,  6.  Die  Alten  erklärten  diese  Sitte  sehr 
mannigfaltig  und  zum  Tlieil  komisch,  indem  sie  dieselbe  auf 
das  alte  Verbot  des  Weintrinkens  für  Frauen  bezogen.  Es 
hätten  sich  nämlich  durch  den  Kuss  die  nächsten  Anver- 
wandten überzeugen  sollen ,  ob  die  Frau  W'^ein  getrunken 
habe  oder  nicht.  Pj^ut.  a.  a.  O.  Cato  bei  Plin.  h.  n.  XIV,  13. 
Gell.  X,  23.  Polyb.  VI,  2.  aus  Athen.  Tertull.  apol.  6. 
S.  noch  Plut.  Rom.  1.  Fest.  v.  Osculana  p.  197  M.  und  über- 
haupt die  sehr  verdienstliche  Abhandlung  von  Klenze  in  Sa- 
vigny's  Zeitsehr.  für  gesch.  Rechtswiss.  VI,  S.  1  ff. 

Den  Verwandten  schlössen  sich  dann  andere  Freunde 
an,  die  gemeinschaftliche  Erziehung  (Unterricht)  oder  die 
tausendfältigen  Berührungen  im  öffentlichen  Leben  zugeführt 
hatten  und  endlich  die  auswärtigen  Bekannten  oder  hospites, 
die  der  bedeutendere  Römer  in  der  ganzen  Welt  zerstreut 
hatte.  Es  findet  sich  nämlich  aixch  in  Italien  (so  wie  in  Grie- 
chenland, Charikles  I,  S.  61.  95.)  seit  den  ältesten  Zeiten  - 
das  schöne  Institut  des  Gastrechts,  welches  die  beiden  dmch 
dasselbe  verbundenen  Freunde  nicht  allein  zu  gegenseitiger 
gastlicher  Aufnahme,  sondern  auch  zu  Schutz  und  Hfilfe  in 
allen  ^politischen  und  Privatangelegenheiten  verpflichtet.  Nach 
der  gewöhnlichen  von  Gell.  V,  13.  mitgetheilten  Ansicht 
waren  die  I^flichten  gegen  die  Aeltern  und  die  anvertrauten 
Mündel  die  ersten  und  heiligsten.  Darauf  heisst  es:  secimduni 
eos  pro.Timum  locum  clienies  habere  — .  tum  in  tertio  loco  esse 
cognatos  affinesque.  —  Masurius  aittem  Sahinus  —  antiquiorem 
locum  hospiti  tribuit  quam  clienti.  Verba  ex  eo  libro  haec  sunt: 
in  officiis  apud  maiores  ita  observatum  est,  primum  tutelae,  de- 
inde  hospiti,  dcinde  clienti,  tum  cognato,  postea  afßni.  Es  stand 
demnach  fest,  dass  die  Verwandten  den  Gastfreunden  nach- 
stehen sollten.  In  diesem  Geiste  sagt  Cic.  div.  20.  Clarissimi 
viri  nostrae  civitatis  teniporibus  optimis  hoc  sibi  amplissimum 
pii/cherrimumque  ducebant ,  ab  hospitihxs  cHentihvsqne  suis  (die- 
selbe Verbindung  s.  bei  Liv.  III,  16.  IV,  13.)  iniurias  propul- 
sare  eonanquc  fortunas  defendere.  Plin.  eji.  III,  4.  Erwäh- 
nungen dieses  Verhältnisses  sind  sehr  häufig,  z.  B.  Liv.  I,  45. 


Die  Verwandten,  Clienten.  157 

Cic.  p.  Flacc.  20.  p.  Deiot.  14.  Caes.  b.  g.  11,  25.  Suet.  Caes. 
73.  mit  den  Anm.  Tib.  62.  und  die  Nachkommen  hielten  das 
von  ihren  Vorfahren  geschlossene  hospitium  auf  das  heiligste. 
Daher  Avird  so  oft  paternus  amicus  et  hospes  genannt,  z.  B. 
Cic.  div.  20.  ad  Farn.  XIII,  29.  36.  Liv.  XLII,  38.  Plut. 
Cat.  min.  12.  Bei  dem  Schlüsse  eines  solchen  Bündnisses  wur- 
den gewöhnlich  tesserae  gewechselt  (aviißoXa) ,  Avelche  als  Er- 
kennungszeichen für  die  späteren  Nachkommen  aufbewahrt 
wurden.  Bei  Plautus  Poen.  V,  1,  22  ff.  sagt  der  Punier 
Hanno : 

Seil  liic  )idhi  antehac  hospes  Antidconas  fuit. 
Eum  fecisse  ahmt,  t:ibi  quod  faciioidum  fuit. 
Eins  fiUuni  h'tc  j}raedlcant  esse  Ayorastoclem. 
Deum  Itospitalem  ac  tesseram  mecurn  fero. 
2,  87  ff. 

Ag.  Antidamae  cjnatum  me  esse.  Ha.  Si  ita  est,  tesseraui 

Co)iferre  si  lüs  hospitalem,  eccam  attii/i. 
Aci.  Agedum  huc  ostende,  est  par  probe,  neun  haljeo  domi. 
Ha.  0  nd  hospes,  salve  multum,  nam  mihi  tuus  pater, 
Pater  tuus  ergo,  hospes  Antidamas  fuit, 
Haec  niiJd  hospitalis  tesscra  cum  iUo  fuit. 
Ag.  Ergo  hie  apiid  me  hns]>itiinu  tibi  pracbelitiir  etc. 
vgl.  Pseud.  I,  1,  53.  55.   II,  2,  53.  57.    Der  P.iind  erlosch  nur 
durch  Aufkündigung  von  der   einen  Seite.  Cir.  Von-.  II,  36. 
Iratus  iste  rehenwider  Stlienio  et  incensus  hospitium  renunciat, 
domo  eins  eviigrat  ntqiie  adeo  e.rit^    nam    iam    ante  migrarat. 
Vgl.  Sei.l,  die  Ke(U])eratio  der  Kömer.   Braunschweig  1837. 
S.  1  U>  ff.  'J'oMASius,  de  tessera  hospit.  u.  A.  in  FAimicii  bib- 
li()gra])liia  antiq.  p.  890. 

Aber  eine  Hau])tklasse  der  zu  einer  römischen  domus  ge- 
hörigen Personen  bildeten  die  dienten.  Die  CUentel  ist  ein 
Staatsinstitut;  ihre  Entstehung,  ihre  politische  und  sittliche 
Bedeutung  sowie  die  privatreclitliclien  Folgen  konnnen  hier 
niclit  in  Betracht  (s.  darüber  Be(  kkh,  vi'nn.  Alterth.  II,  1,  S. 
IJI      l;;;;.  157—161.  Paulv,  Kealem-vkl.  II,  S.  455  ff.  V,  S. 


158  Vi  er  ter  Ex  curs. 

1245  fF.),  sondern  nur  ihre,  äussere  Erscheinung-  im  Hause  des 
Patroniis.  Olnieliin  hatte  sich  dieses  Institut  mit  dem  TTnter- 
ganoj  der  Ke})ublik  ganz  umgestaltet.  Die  alte  Patriarehalität 
und  die  Idee  der  eng-en  Zusannnengehörigkeit  war  dahin  ge- 
schwunden und  das  Verhältniss  bestand  bloss  äusserlich  fort, 
durch  unedle  Motive  gestützt,  auf  der  einen  »Seite  nämlich 
durch  die  Eitelkeit,  indem  der  Reiche  mit  seinen  zalilreichen 
Clienten  glänzen  wollte,  auf  der  anderen  durch  Egoismus,  in- 
dem der  Arme  auf  diese  Weise  Mittel  gewann,  ein  träges 
Leben  zu  führen.  Nicht  der  verdiente,  beliebte  und  vornehme 
Mann  allein,  sondern  auch  der  vcrdienstlose  aber  reiche 
wollte  sich  von  einer  dienstfertigen  Schaar  {cUentum  turha 
Sen.  ep.  68.)  umgeben  sehen,  die  ihm  den  Hof  machten.  Da- 
her kam  es  denn,  dass  in  Kom  eine  Menge  Menschen  lebten, 
die  gegen  eine  Vergütung  sich  gleichsam  zum  Hofstaate  nicht 
eines,  sondern  mehrerer  Vornehmen  oder  Reichen  hergaben 
und  sich  oft  bloss  davon  nährten  wie  Juv.  I,  119.  sagt:  quihus 
hinc  toga,  calceus  hinc  est,  et  panis  fumusque  domi.  Mancher 
kam  wohl  nur  in  der  Hoffnung  solchen  Erwerbs  weither  nach 
Rom,  wie  der  von  Mart.  IH,  14.  verspottete  esuritor  Tuccius, 
der  aus  Spanien  gekommen,  als  er  hörte,  dass  die  sportula 
kein  Geld  mehr  eintrage,  am  pons  Mulvius,  km-z  vor  Rom 
umkehrte.  So  fragt  derselbe  Dichter  nach  Abschaffung  der 
sportula  den  Garg'ilianus :  Cluid  Roviae  facis?  Unde  tibi  togula 
est  et  ftiscae  pensio  collae?  —  Auch  insofern  war  die  neue 
Clientel  der  alten  ganz  imähnlich,  als  der  Arme  das  Verhält- 
niss nach  Belieben  lösen  oder  auch  gleichzeitig  mit  Mehrerern 
knüpfen  konnte ,  was  mit  dem  exclusiven  Wesen  der  früheren' 
unverträglich  war.  Dieser  Umgestaltung  entsprechen  auch  die 
neuen  Bezeichnungen.  Der  bedeutsame  Name  des  patronus 
genügte  nicht  mehr,  sondern  der  Reiche  liess  sich  lieber  rex 
und  dominus  nennen,  Avenn  er  auch  selbst  Client  eines  Andern 
war.  So  schliesst  Martial  an  Maximus  II,  18.  mit  den 
Versen : 

Sum  comes  ipse  tuus  twnidlque  cviteambido  regis, 
Tu  comes  alterius,  jiim  sutaus  ergo  pures. 


D i e  V e r w a n d t e n ,  Cl i e n t e n.  J^ 59 

Esse  snt  est  serimm^  jam  nolo  incar'nis  esse. 
Qui  rex  est  regem  Maxime  non  habeat. 

II,  68.  sagt  er  zu  Olus: 

Quod  te  nomine  Jam  tuo  saluto, 

Quem,  regem  est  dominum  prius  vocahain, 

Ne  me  dixeris  esse  contumacem, 

Tot/s  pileo  sarcinis  redcmi. 

il.  i.  (las  liecht  dich  nicht  rex  zu  nennen  (pilea  die  Freiheit) 
habe  icli  dadurcli  erkauft,  dass  ich  auf  dein  Geschenk  (sarcina) 
verzichtete.  Ein  anderer  Caecilianus  entzog  dem  Dichter  so- 
gar das  übliche  Geschenk,  weil  er  von  ihm  vero  nomine  be- 
grüsst  worden  war,  niclit  als  dominus.  VI,  88.  Umgekehrt 
hiess  die  bettelhafte  antichambrirende  Schaar  der  Clienten 
jetzt  comites^f  anteamhulones^i  togati,  turha  togata  oder  salutatiix,, 
auch  amici  s.  unten.  Der  Name  togati  rührt  natürlich  davon 
her,  dass  die  Clienten  in  der  toga  d.  h.  im  Staatskleid,  gleich- 
sam in  d(!r  Uniform  (als  Zeichen  des  Eespekts  gegen  die 
Höheren)  erscheinen  mussten.  Darum  sagt  Martial.  XII,  18, 
17.  von  dem  Privatleben  in  Bilbilis  ignota  est  toga  und  vei-- 
bindet  X,  51.  tunicata  quies  als  Gegensatz  zu  dem  lästigen 
llofdienst  des  togatus.  Diese  Ausartung  schildert  vortrefflich 
Hkuhkma.nx,  über  die  Clienten  unter  den  ersten  römischen 
Kaisern.  Programm  von  Burgsteinfurt,  Münster  1856.  — 
Unter  die  officia  des  ('lienten  (überhaupt  opera  togata  ge- 
nannt) gehörte  vorzüglich  die  salntalio  matutina  {officia  ante- 
lacana  bei  Plin.  ep.  111,  12.  zu  welclier  Sterile  Heusingkr 
eine  Schrift  herausgab:  de  salutat.  Kom.  matut.  Isen.  1740.) 
und  die  anteambulatio.  Der  Client  maclite  sich  in  der  Frühe 
des  Morgens  auf ,  um  bei  Zeiten  in  <lciii  Hause  des  dominus 
auzukonnnen,  und  um  iNlehrere  zu  besuclu'ii,  da  sie  von  Einem 
nicht  wohl  h-ben  konnten.  Dieses  Herumrennen  durch  Dick 
und  l)iinu  schihlert  Sknkca  de  brev.  vit.  14.  Isti  qui  per  offi- 
cia discursa/it,  qui  se  aliosquc  inquietanty  cum  be7ic  nisanicrint, 
cum  omnium  liinina  qiiolidic  perambulaverint,  nee  ullas  apertus 
furcs  j)rarti'rierliit,  cinii  per   diiwr.^as  donios  meiili,ninii  sahitii- 


160  Vierter  Excurs. 

tionem  circiantiderhit  etc.    Luc  Nigrin.  2'2.   Martial.   I,  81. 
XII,  26,  3.  7  ff. 

Quod  7ion  a  prima  discarram  luce  per  urbem.  — 
At  mihi,  qwna  coyis  medios  obrumpere  nomnos, 
Et.  inalutinum  ferre  patique  Intuiii  cett. 
VII,  39. 

Diticursus  i^arios  vagumque  mane 

Et  fastus  dt  ave  pofentiorum 

Cura  pcrferre  patique  iam  negureA  cett. 

IX,  93,  5. 

Caius  a  prima  tremehundus  luce  salutat 
Tot  dominos,  at  tu  Condyle  nee  dominum. 

X,  10. 

Cum  tu,  laurigeris  anuwn  quo  fascibus  intras, 
Mane  saliUator  limina  mille  teras, 

Hie  ego  quid  faciam?  quid  nohis  Paulle  reUuquis, 
Qui  de  plehe  Numae  densaque  turba  sumusf 

Qui  me  respiciet,  dominum  regemque  vocabo? 
Juv.  V,  19  ff. 

—  habet  Trebius^  ^^rop^e?'  quod  rumpere  somnum 

Debeat  et  ligulas  dimittere,  solUcitus  ne 

Tota  salutatiix  iam  turba  peregerit  orbem. 
All  dem  vestibuluni  des  Patronus  Avartete  der  Client  (Manche 
leiten  sogar  den  Xamen  vestibnlum  von  diesem  Stehplatz  der 
salutantes  her ,  s.  den  ersten  Excurs  zur  zweiten  Scene),  bis 
die  Thiire  geöffnet  wurde.  Dann  trat  er  in  das  Atrium  und 
wartete  abermals  bis  der  Herr  erschien,  dem  der  Nonieiulator 
die  Namen  der  Besuchenden  nannte.  Nun  erst  brachte  er  sein 
Ave  an,  Seneca  de  ben.  VI,  34.  cuius  imlgare  et  publicum  ver- 
bum  et  promiscuum  ignotis  Ave,  non  nisi  suo  or/liue  emittitur? 
Ad  quemcunque  itaque  istorum  veneris ,  quorum  salutatio  urbem 
conculit,  scito,  etiamsi  animadverteris  obsessos  ingenti  frequen- 
tia  vicos  et  commeantium  in  utramque  partem  catervis  itinera 
compressa,  tarnen  venire  te  in  locum  hominibus  plenuui^  amicis 
vacuum.  In  pectore  amicus,  non  in  atrio  quaeritur.  Martial. 
VII,  39,  1. 


Die  Verwandten,  Clienten.  1(51 

IV,  8.      Prima  salutantes  atque  altera  continet  liora. 
IX,  100.       et  mane  togatum  Observare  iuhes  atria. 

m,  38, 11  flp. 

Atria  magna  colam.     Vix  tres  aut  quatuor  ista 
Res  aluitj  pallet  cetera  turha  fame. 
HoR.  epist.  I,  5,  31. 

Atria  servantem  postico  falle  clientem. 
luv.  VII,  91.     tu  nohilium  magna  atria  curas? 
Sex.  ep.  68.     pulsare  superhas  potentiorum  fores. 

Dieses  thaten  jedoch  auch  Andere,  um  einem  Manne  ihre 
Hochachtung  zu  bezeigen,  wenn  sie  auch  keineswegs  im  Ver- 
hältniss  der  Clienten  zu  ihm  standen,  ja  selbst  zu  den  Ange- 
sehensten gehörten.  Cic;.  ad  Fam.  IX,  20.  Maiie  salutamus 
domi  et  bonos  viros  multos,  sed  tristes  et  hos  laetos  victores,  qui 
me  quidem  perofficiose  et  peraiaanter  observant.  Ubi  salutatio 
deßuxit,  literis  me  involvo.  ad  Att.  I,  18.  Nam  illae  ambitiosae 
nostrae  fucosaeque  amicitiae  sunt  in  quodam  splendore  forensi^ 
fructum  domesticum  non  habent.  Itaque  quum  bene  completa 
domus  est  tempore  matutino,  quum  ad  forum  stipati  gregibus  ami- 
corum  descendimus,  reperire  ex  magna  turba  neminem  possumus 
etc.  Sen.  ep.  29.  turba  salutantium  —  errat  autem  qui  amicum 
in  atrio  quaerit,  in  convivio  probat,  vgl.  ep.  22.  atrium  vacuum. 
Unter  den  Besuchenden  gab  es  verschiedene  Klassen,  die  nach 
Gruppen  eingetheilt  und  in  verschiedenen  Zeiten  vor  den 
Herrn  gelassen  wurden.  Sen.  de  ben.  VI,  33.  Non  sunt  isti 
amici,  qui  agmiue  magno  ianuam  pidsant,  qui  inprimas  et  secun- 
das  admissiones  digemntur.  34.  Apud  nos  primi  omniwn  C. 
Gracchus  et  mox  Liv.  Drusus  instituerunt  segregare  turbam 
suam  et  alios  in  secretum  recipere,  alios  cum  pluribus,  alios  uni- 
versos.  Das  sind  eben  die  verschiedeneu  admissiones,  unter 
denen  die  sog.  amici  oben  an  stehen,  welche  als  Günstlinge 
reichere  Wohlthaten  empfang(!n,  als  die  andern  Clienten,  sonst 
aber  sich  von  denselben  nicht  unterscheiden.  Sie  sind  nichts- 
nutzige Schmarotzer,  die  nur  auf  die  Freigebigkeit  des  hohen 
Freundes  spckulireu.  Martialis,  „ein  würdiger  Repräsentant 
dieser  Menschenclasse"  (Heüermann  a.  a.  O.  S.  30  u.  fi'.),  lässt 

Beckkk,  Uallus.  3.  Aufl.  II.  jj 


162  Vierter  Ex  cur  s. 

in  vielen  seiner  Gedichte  deutlicli  hervortreten,  dass  sich  das 
ganze  Verhältniss  nur  um  Geschenke  dreht.  II,  3.  VI,  1 1,  42. 
XIII,  14.  Mitunter  waren  diese  sehr  beträchtlich,  wie  der  ton- 
sor  Cinnamus  so  viel  empfing,  um  den  ßittercensus  zu  besitzen 

Et  post  hoc  dominae  munere  /actus  eques. 
Mart.  \n[I,  64.  oder  er  selbst  III,  95.  Wie  unverholen  und 
sogar  unbescheiden  er  selbst  fordert,  zeigt  II,  41.  V,  25.  VII, 
36.  Vin,  28.  Daher  war  es  kein  Wunder,  wenn  die  Herrn 
solche  Ansprüche  nicht  erfüllten  und  sich  auf  mannichfache 
Weise  entzogen,  Martial.  II,  44.  VII,  92.  IX,  46.  Meistens 
wurden  die  Freunde  mit  Kleidern  beschenkt,  Martial.  II,  46. 
V,  82.  VII,  53  (von  den  Gaben  an  den  Saturnalien).  X,  11. 
73.  XII,  36.  Heuermann,  a.  a.  0.  S.  30  ff.  Siehe  die  fernere 
anschauliche  Schildenmg  bei  Seneca  und  vgl.  Stuck,  antiq. 
conviv.  n,  31.  32.  Kretzschmar,  de  pietate  clientis  Rom.  in 
patron.  Dresd.  1754  fg.  sect.  5 — 7.  (salutatio  und  deductio). 
Die  opera  togata  des  Clienten  bestand  ferner  darin,  dass  er 
ihn  beim  Ausgange  als  anteambulo  (S.  133)  begleitete.  Sen. 
ep.  22.  nuduin  latus,  incomitata  lectica.,  atrium  vacuum.  de  brev. 
V.  7.  qaot  (dies  abstulit)  'die  potentior  ainicus.  qui  vos  non  in 
amicitia,  sed  in  apparata  habet?  Dieses  gilt  aber  nur  von  denen, 
die  bei  der  salutatio  dazu  aufgefordert  worden  waren  und  des- 
halb das  Geschenk  empfingen  oder  die  Einladung  zum  Mahl. 
Dies  geschah  während  der  zwei  Stunden  dauernden  Audienz, 
denn  Mart.  IV,  8.  sagt 

Prima  salutantes  atque  altera  continet  liora. 
Bei  dem  Ausgange  zogen  die  Clienten  vor  der  Sänfte  einher, 
wo  sie  von  dem  Gedränge  der  Strasse  viel  zu  leiden  hatten 
(Martial.  IH,  36.)  und  begleiteten  ihren  Herrn  nach  allen 
beliebigen  Orten.  X,  56.  z.  E.  in  das  Bad.  Martial.  III,  36. 
Wenn  derselbe  Sachwalter  war,  so  gingen  sie  mit  auf  das  Fo- 
rum und  Hessen  ihren  Beifallsruf  fleissig  ertönen.  Martial. 
in,  46. 

Exigis  a  nobis  operani  sinefine  togatam. 
Non  eo  libertum  sed  tibi  mitto  meum. 

Non  est,  inquis,  idein.  Multo  plus  esse  probabo. 


Die  A^erwandteu,  Clienten.  1(33 

Vix  ego  lecticain  subaequar^  ille  feret. 
In  turbam  inciderls,  cuneotos  umbone  repellet; 

Invalidum  est  nobis  ingeiiuumque  latus. 
Quidlibet  in  causa  narraveris,  ipse  tacebo: 
At  tibi  tergeminum  mugiet  ille  sophos.  — 
Ergo  nihil  nobis,  inquis,  praestabis  amicusf 
Quidquid  libertus,  Candide,  non  poterit. 
Martial.  vi,  48. 

Quod  tarn  grande  sophos  clamat  tibi  turba  togata, 

Non  tu,  Pomponi;  coena  directa  (oder  diserta)  tua  est. 
Der  Herr  schickte  die  Clienten  sogar  zu  den  Reden  seiner 
Freunde,  Mart.  II,  74. 

Hos  Uli  amicos  et  greges  togatorum 
Fuficulenus  praestat  et  Faventinus. 
oder  zu  Vorlesungen  derselben,  luv.  VII,  43. 

Seit  dare  Ubertos  extrema  in  parte  sedentes 
Ordinis  et  magnas  comitum  disponere  voces. 
Endlich  sehen   wir  aus   Martial.  IX,  100.,   dass  der  Client 
auch  zu  allen  Besuchen  mitgeschleppt  wurde: 
Denariis  tribus  invitas,  et  mane  togatum 

Observare  iubcs  atria,  Basse,  tua; 
Deinde  haerere  tuo  lateri,  praecedere  sellam^ 
Ad  i'etulas  tecum  plus  minus  ire  dece.m. 
Vgl.  X,  74.    Gewiss  ein  saurer  Erwerb,  täglich  einer  kargen 
sportula  wegen  die  oben  geschilderten  Mühseligkeiten  zu  er- 
tragen und  den  anteainbulo  turnidi  regis  zu  machen.    Darum 
sehnt  sich  Martial  nach    dreissigjährigem   Dienst    {tempora 
longi  senitii,  luv.  III,  124.)  nach  Kühe,  X,  74. 
lain  parce  Roma  gratulatori 
Lasso  clienti.  Qiuwidiu  salutator 
Anteanibulones  et  togatulos  inter 
Centum  merebor  plumbeos  die  toto. 
Und  wie  glücklich  fühlt  er  sich,  nachdem  er  endlich  in  den 
ersehnten  Hafen  eingelaufen  ist,  XII,  18.    Trotzdem  drängten 
sich  so  Viele  zu  diesem  niedrigen  und  müliev(dlen  Leben,  dass 
es  Anstrengungen  kostete,  zugelassen  zu  werden.    So  erwäh- 

11* 


164  Viert  er  Excurs. 

neu  luv.  III,  ]  88.  und  Petron.  30.  Bestechungen  der  Sklaven 
und  Freigelassenen  oder  wenigstens  Geschenke,  die  man  ihnen 
machen  musste.  Auch  die  niedrigsten  Schmeicheleien  durften 
nicht  gespart  werden,  Martial.  XII,  40.  und  meisterlich  ver- 
standen sich  die  Griechen  darauf,  luv.  III,  100  ff.  Heuer- 
mann S.  10  ff.  —  Uebrigens  machten  viele,  Avelche  die  Salu- 
tatio  ihrer  Clienten  annahmen,  wiederum  bei  anderen  den  salu- 
tator,  und  nahmen  wohl  auch  die  sportula  mit.  S.  luv.  I,  99  ff. 
117  ff.  Mart.  n,  18.  s.  oben  X,  10. 

Cum  tu  laurigeris  annuni  qui  fascibus  intras, 
Mane  salutator  limina  mille  teras. 
Xn,  26.  In  welcher  Weise  nun  aber  die  sportula,  d.  h.  die 
Vergütung  verabreicht  wixrde,  das  ist  nicht  völlig  klar.  S.  dar- 
über Kretzschmar,  de  sportulis.  Dresd.  1758.  Buttmann  in 
der  Kritischen  Bibliothek  1821.  I,  S.  390  ff.  Schmieder,  de 
sportula.  Brieger  Programm  von  1836  und  Heuermann  a.  a. 
0.  S.  14  ff.  In  alter  Zeit  wurde  der  Client  vom  Patron  zur 
Tafel  gezogen.  Bei  der  späteren  ausgearteten  Sitte  war  das 
nicht  nur  lästig,  sondern  ganz  unstatthaft;  daher  fand  statt  der 
coena  recta  eine  Vertheilung  von  Speisen  (jedoch  nicht  zum 
Mitnehmen,  wie  Buttmann  will;  denn  an  der  einzigen  Stelle, 
welche  dafür  angeführt  werden  könnte,  Hesych.  I,  p.  485  Alb., 
ist  die  Lesart  unsichei"),  wahrscheinlich  in  Körbchen  Statt, 
daher  der  Ausdruck  sportula  (s.  g.  von  spartium,  Genista  oder 
Pfriemenkraut,  aus  dem  die  Körbe  meistens  geflochten  wur- 
den) NoN.  Marc.  II,  833.  Gloss.  zu  Petron.  113.  Isidor. 
XX,  9.  Ps.  Asc.  ad  Verr.  II,  8,  S.  135.  Orell.).  Allein  auch 
das  war  noch  zu  unbequem  und  man  verwandelte  daher  die 
coena  in  Geld  (to  avi)  öhttpov  aQyvQiov,  Hesych.  1. 1.),  wobei  es 
auch  —  abgesehen  von  der  durch  Domitian  gemachten  Aende- 
rung  —  im  Ganzen  für  immer  blieb.  Mit  Hülfe  der  Nach- 
richten bei  SuETON  und  Martial  lassen  sich  die  Zeiten  dieser 
Veränderungen  ziemlich  genau  angeben.  Unter  den  ersten 
Kaisern  wurden  die  Clienten  gespeist,  sei  es  in  vollständiger 
coena  recta  oder  in  einer  kleineren  gewöhnlich  kalten  und 
improvisirten  Mahlzeit.  Dass  Letzteres  sportula  bedeute,  sehen 


Die  Verwandten,  dienten.  1(35 

wir  aus  Suet.  Claud.  21.  wo  die  sp.  als  subita  coenula  bezeich- 
net wird.  Es  heisst:  ibidem  extraordinarium  et  breve  (munus) 
dienimque  paucorum,  quod  appellare  coepit  sportulam,  quia 
primum  daturus  edixerat,  velut  ad  subitam  condictamque  coenu- 
lam  invitare  se  populum.  Dasselbe  ergiebt  sich  aus  der  sogleich 
anzuführenden  Stelle  bei  Mart.  VIII,  50.  Zu  Nero's  Zeit  kam 
die  Sitte  auf,  Geld  statt  des  Mahls  zu  verleihen,  wozu  der  Kaiser 
Veranlassung  gab,  indem  er  dieses  in  Beziehung  auf  die  pu- 
blicae  coenae  verordnete.  Suet.  Ner.  16.  adhibitus  sumtibus 
modus,  publicae  coenae  ad  sportulas  redactae.  Diese  Anordnung 
hatte  natürlich  auch  auf  die  Priyatverhältnisse  Einfluss,  und 
sowohl  die  Clienten  als  die  Patronen  fanden  die  Geldverthei- 
lung  vox'theilhafter  als  die  bisherige  Speisung.  Domitian 
führte  die  alte  Sitte  wieder  ein,  Suet.  Dom.  7.  midta  etiam  in 
communi  rerwn  usu  notavit,  sportulas  publicas  sustulit,  revocata 
coenarum  rectarum  consuetudine.  Aber  für  öffentliche  Fest- 
mahle dauerte  die  frugale  Sportelspeisung  (sportulae)  fort,  wie 
Suet.  Claud.  21.  und  Domit.  4.  sagt:  septimontiali  sacro  qui- 
dem  senatui  equitique  panariis  plebeiisque  sportellis  cum  obsoiiio 
distributis,  initium.  vescendi  primus  fecit.  Auf  solche  Feste  be- 
zieht sich  Mart.  VIII,  50.,  wo  er  zum  Kaiser  sagt: 

Vescitur  omnis  eques  tecum  populusque  patresque 
Et  capit  ambrosias  cum  duce  Roma  dapes. 

Grandia  pollicitus  quanto  maiora  dedisti! 
Promissa  est  nobis  sportula,  recta  data  est. 

Es  ist  ein  Verdienst  Heuermanns  S.  16  ff. ,  die  Nachrichten 
über  die  Speisungen  der  Cli'enten  und  die  grossen  öffentlichen 
Festmahle  scharf  geschieden  zu  haben,  so  wie  wir  überhaupt 
seinen  sorgfaltigen  Forschungen  Manches  verdanken.  Dem 
Kaiser  folgten  die  Patrone  und  begannen  wieder  die  Clienten 
zu  speisen.    Auf  diese  Zeit  bezieht  sich  Mart.  III,  7. 

Centum  iniselli  iam  valete  quadrantes, 
Anteambulonis  congiarium  lassi, 
Quos  dividehat  balneator  elixus. 
Quid  cogitabis,  o/ames  amicorum? 


\ßQ  Vierter  Excurs. 

Regis  superbi  sportulae  recessenmt. 

Nihil  stropharum  est:  iarii  salarium  da7idt(m  est. 
d.  h.  da  die  Geldsportula  wegfallt,  so  sollte  ein  bestimmter 
Lolin  (salarium)  von  dem  Patron  ausgeworfen  werden,  von 
welchem  die  Dienste  thuenden  dienten  leben  können  (bisher 
hatten  sie  diesen  nicht  bedurft).  Dieses  war  aber  nur  eine 
Hoffnung  des  Dichters,  die  nicht  in  Erfüllung  ging.  Martial. 

m,  30. 

Sportula  nulla  datur;  gratis  conviva  recimihis. 
luv.  V,  14.  Fructus  amicitiae  magnae  cibus,  imputat  hunc  rex. 
Die  Stellen,  welche  Schmieder  angeführt  hat,  um  zu  zeigen, 
dass  neben  der  coena  auch  Cleldvertheilung  Statt  fand,  wie 
Martial.  IV,  68.  X,  27.  VII,  86.,  beweisen  es  nicht.  Heuer- 
mann, S.  26  f.  —  An  der  coena  recta  theilnehmend  erhielten 
die  Clienten  zwar  alle  Gerichte  und  fühlten  sich  als  Tischge- 
nossen gehoben,  doch  hatten  sie  pekuniären  Nachtheil,  wie 
oben  erwähnt  ist  und  litten  nicht  selten  durch  die  Insolenz  der 
Herren  und  der  Diener.  Heuermann,  S.  28  f.  S.  die  oben  cit. 
Stellen  desselben  Dichters  HI,  14.  60. 

Cum  vocer  ad  coenam,  non  iarii  venalis  iit  ante, 
Cur  mihi  non  eadem,  quae  tibi,  coena  datur? 

Ostrea  tu  sumis  staguo  saturata  Lucrino, 
Sumitur  inciso  mitulus  ore  mihi. 

Su7it  tibi  boleti,  fitndos  ego  sumo  suillos.  — 

Cur  sine  te  coeno,  cum  tecum  Pontice  coenem  ? 
Sportula  quod  non  est,  prosit:  edamus  idem. 
Es  gab  nämlich  der  geizige  Patron  den  Clienten  ordinäre 
Speisen,  während  er  selbst  feinere  Gerichte  ass.  Dieselbe 
Klage  s.  IV,  68.  VI,  11.  vgl.  Plin.  ei^ist.  H,  6.  Aus  allen 
Stellen  ergiebt  sich  aber,  dass  der  Client  im  Hause  des  Patron 
gespeist  wurde,  von  einem  Abholen  der  Speisen  ist  nirgends 
die  Rede.  Nach  Domitian  wurde  aber  die  den  Patronen  be- 
quemere und  den  Clienten  angenehmere  Geldsportula  wieder 
allgemein,  Avie  wir  aus  allen  späteren  Erwähnungen  sehen  und 
darum  erklärt  Ps.  Asc.  zu  Cic.  Verr.  I,  8.  p.  135.  sportulae 
sogar  als  numorum  receptacida.  wenn  auch  die  coena  recta  bei 


Die  Verlan il  ten.  Cli  onten.  Iß7 

einzelnen  Patronen  nicht  ganz  abkam.    So  sagt  luv.  I,  119  ff. 
unter  Traianus: 

Vestihidis  aheimt  veteres  lassique  cUentes 
Votaque  deponiüit,  qiiamquam  longissivia  coenae 
Spes  homini.   Caules  miseris  atque  ignis  emendus. 
Der  gewöhnliche  Betrag  der   sportula  war  bekanntlich   100 
Quadranten  oder  25  Asses,  10  HS.  (15  Sgr.),  wie  Martial  an 
vielen  Stellen  sagt  IV,  68.  I,  60.  m,  7.  VI,  88.   VIEI,  42. 
X,  70.  74.  75.  luv.  I,  120  fg.,  wenn  auch  manche  eine  bedeu- 
tendere sportida  {maior  sp.  VIII,  42.)  zahlten.   So  heisst  es  bei 
Mart.  IX,  101. 

Denariis  trihus  invitas,  et  mane  togatum 
Observare  iubes  atria,  Basse,  tua. 
und  X,  27.  an  Diodorus  an  dessen  Geburtstag: 

Et  tua  tricenos  largitur  sportida  niimmos. 
Das  wären  nach  altem  Werthe  300  Quadranten  oder  71/2 
Denar.  Vgl.  XII,  26.  IV,  24.  Dass  der  Client  von  der  spor- 
tula nicht  blos  die  einfache  Mahlzeit  bestritt,  sondern  auch  für 
Miethe,  Kleidung  u.  s.  w.  etwas  übrig  behielt,  sehen  wir  aus 
luv.  I,  119.  Martial.  HI,  30.  Wie  sich  die  Clienten  bei  der 
popina  drängen,  um  für  die  sportula  ihr  Mahl  zu  kaufen  und 
wie  die  Sklaven  die  Gerichte  auf  einem  Feuerbecken  nach 
Hause  tragen,  schildert  luv.  III,  249  ff.  Heuermann,  S.  22.  f. 
25.  —  Die  Sportula  wurde  im  Vestibulum  oder  Atrium  (luv. 
I,  100.  95  fg. 

Nimc  sportula  primo 

Limine  parva  sedet,  turbae  rapienda  togatae; 

nie  tarnen  fadem  prius  inspicit  et  trepidat,  ne 

Si/ppositus  venias  ac  falso  tioniine  poscas). 
Abends  von  denen  abgeholt,  die  früh  dem  rex  die  opera  togata 
geleistet  und  die  Einladung  zum  Kin])ffuig  der  sportula  erhal- 
ten hatten.  Maut.  X,  70,  i;5. 

Balnea  post  decimam  lassn  rentuDii/iic  petvntur 
Qjindrnjitrs. 
Es  war  gerade   die   Zeit   der   coena,  Mart.  X,  27.    luv.  III, 
249  ff.    Wenn  daher  luv.  I,  128.  sagt: 


2ßg  Vierter  Excurs. 

Ipse  dies  pulcro  distinguitur  ordine  verum : 
Sportida,  deinde  forum  etc. 
so  ist  das  abweichend  und  vielleicht  effectum  pro  efficiente. 
Ueberhaupt  ist  bei  luv.  I,  117  ff.  viel  Eigenthümliches.  Un- 
erhört ist  es  wenigstens  sonst,  dass  auch  Frauen  in  der  lectica 
die  Sportula  holen.  Dass  aber,  wie  Buttmann  und  Ruperti 
zu  Juvenal.  I,  95.  meinen,  dieses  Geld  wirklich  in  Körbchen, 
sportellis  ausgetheilt  worden  sei,  das  ist  unrichtig,  und  nur  der 
Name  war  von  der  alten  Sitte  auf  die  Geldvertheilung  über- 
tragen worden.  Dagegen  ist  gewiss,  dass,  sobald  keine  salu- 
tatio  und  opera  togata  Statt  gefunden  hatten,  auch  keine  spor- 
tula erfolgte.  (Darum  kamen  die  Clienten  oft  mehi-mals,  wenn 
sie  nicht  sogleich  zugelassen  wurden.  Mart.  IX,  8. 

Non  vacat  aut  dormit,  dictum  bis  terque  reverso. 
Cic.  Verr.  DI,  4.)  Martial.  IX,  85. 

Languidior  nostri  si  quando  est  Paulus,  Atili, 
Non  se  convivas  abstinet  ille  siios. 

Tu  languore  quidem  subito  ßctoque  laboras; 
Sed  mea  porrexit  sportula,  Paule,  pedes. 
Der  erste  Vers  des  Epigramms  scheint  verderbt  zu  sein;  aber 
mit  Buttmann  zu  glauben,  es  seien  zwei  verschiedene  Epi- 
gramme aus  L-rthum  verbunden,  dazu  ist  kein  Grund  vorhan- 
den. Die  Stelle  ist  aber  noch  in  so  fern  wichtig,  als  man  dar- 
aus sieht,  dass  ohne  die  täglichen  Dienste  —  nicht  bloss  das 
matidinum  ave  —  auch  keine  Sportula  gegeben  wurde,  was 
Buttmann  nur  in  Frage  stellt,  weil  er  bloss  an  die  salutatio 
dachte  und  nicht  die  officia  ayiteambulonis  etc.  erwog,  mit 
denen  eigentlich  die  centum  plumbei  verdient  wurden.  X,  74. 
Demnach  war  es  dem  Clienten  unmöglich,  an  einem  Tage 
mehre  sportulae  von  mehren  Herrn  zu  erlangen,  denn  er  konnte 
zwar  die  salutatio  bei  vielen  anbringen,  die  opera  togata  aber 
nur  bei  Einem  verrichten.  Vgl.  noch  Martial.  III,  36.  X,  56. 
Nur  Mart.  I,  80.  scheint  für  die  Möglichkeit  mehrer  sportulae 
zu  sprechen: 

Sportida,  Cane,  tibi  suprema  nocte  petita  est. 
Occidii,  puto  te  Cane,  quod  una  fuit. 


Die  Verwandten,  Clienten.  169 

Jedenfalls  spielt  der  Dichter  auf  Personalien  an,  über  welche 
wir  uns  nicht  vergewissern  können.  So  mag  Canus  vielleicht 
einigemal  unter  verschiedenen  Prätexten  im  Hause  seines  do- 
minus mehre  sportulae  (für  einen  Sohn,  als  angeblicher  Beauf- 
tragter eines  Freundes  oder  sonst)  erhalten  und  zu  diesem  Be- 
hufe  die  Dunkelheit  gewählt  haben,  wo  ein  Betrug  leichter 
auszuführen  Avar.  Die  Sache  kam  aber  heraus  und  Canus  wird 
nun  verspottet.  Oder  war  Canus  ein  Mensch,  der  zu  viel 
brauchte  und  mit  der  sportula  seine  Bedürfnisse  nicht  decken 
konnte  und  damit  geneckt  wird?  Fielen  diese  officia  weg 
(auch  ohne  Schuld  des  Clienten,  z.  B.  wenn  der  Herr,  wie  eben 
Paulus,  krank  war),  so  gab  es  natürlich  auch  keine  Sportula. 
Darauf  bezieht  sich  auch  IV,  26. 

Qiiod  te  viane  domi  toto  non  vidivms  anno. 
Vis  dicam  quantttm,  Posthume,  j)Prdiderimf 

Tricenos,  puto,  bis,  vicenos  ter,  pttto,  iiummos. 
Ignosces ;  togulam,  Posthume^  2?luris  emo. 

Aus  diesen  Versen  ergiebt  sich  aber  auch,  dass  die  Patroni  die 
sportula  nicht  täglich  an  alle  Clienten  gaben.  Manche  theilten 
nur  an  gewissen  Tagen  aus,  Andere  machten  einen  Unterschied 
unter  den  Clienten,  und  wählten  aus  der  grossen  Zahl  dersel- 
ben je  nach  dem  Bedürfniss  einige  für  die  Dienstleistungen 
aus  und  verabreichten  die  sportula  häufiger  oder  seltener,  stets 
aber  nach  Aorausgegangener  Einladung,  wie  das  oft  vorkom- 
mende invitare  zeigt.  Bei  Iuvenal.  V,  14.  wird  der  Client 
duo  post  si  libuit  menses.  zu  Tisch  gezogen,  also  sehr  selten. 
An  besonderen  Familienfesten  mag  das  Vertheilen  der  sportula 
ganz  regelmässig  und  allgemein  gewesen  sein,  z.  B.  bei  Hoch- 
zeiten, Api'IJL.  apol.  p.  416.  329  Elm.  Qjuippe  ita  placuerat, 
in  suhurhana  villa  potiits  ut  coniungereinur,  ne  cives  dejiuo  ad 
Sportlilas  convolarent,  cum  haud pridem  Pimdentilla  de  suo  qimi- 
quaginta  viillia  nummum  in  populum  expunxisset  ea  die,  qua 
Pontianus  (ihr  Sohn)  uxorem  duxit  et  hie  puerulus  toga  est  in- 
volutus.     Die   hochzeitliche   sportula   erhielt  sich  bis   in   die 


170  Viertor  Excurs.    Die  Verwandten.  Clienten. 

späteste  Zeit  und  betrug-  ein  Goldstück  für  Jeden,  Symmach. 
ep.  IV,  55.  IX,  97.  Die  sportula  an  dem  Tage  der  Anlegung 
der  toga  virilis  erwähnt  ausser  Appul.  1.  1.  Plin.  ep.  X,  117., 
wo  noch  andere  Festtage  genannt  werden.  Die  sportula  an 
dem  Geburtstage  s.  Marti al.  X,  27. 


EXCURSE  ZUR  ZWEITEN  SCENE. 


DAS   KOMISCHE  HAUS. 


ERSTER    EXCURS, 


DIE    BAULICHE    EINRICHTUNG. 

Zu  den  schAvierigsten  Untersuchungen  in  dem  ganzen 
Kreise  der  auf  das  häusliche  Leben  Bezug  habenden  römi- 
schen Alterthümer  gehört,  unstreitig  die  Erörterung  der  ver- 
schiedenen Theile  des  Hauses  selbst,  ihrer  Bestimmung,  ihrer 
Lage  und  Einrichtung,  ihres  Verhältnisses  zu  einander.  Man 
könnte  glauben,  dass  durch  die  Ausgrabungen  in  Herculanum 
und  besonders  T*ompeji,  nachdem  die  Gebäude  offen  vor  uns 
liegen,  gerade  über  diesen  Punkt  das  hellste  Licht  verbreitet 
sei-,  allein  man  würde  sehr  irren,  wenn  man  von  den  Wohn- 
gebäuden letzterer  Stadt  einen  Schluss  auf  das  eigentliche 
römische  Haus  machen  wollte.  Zwar  haben  sie  mit  demselben 
vieles  gemein,  wie  denn  überhaupt  die  Wohnhäuser  im  Alter- 
tliiunc  durchaus  nicht  so  verschiedene  Anlagen  hatten,  wie 
die  unsrigen,  sondern  in  T^age  und  Einrichtung  gewisser 
Theile  sich  durchgängig  glichen;  allein  die  Bewohner  kleiner 
Provinzialstädte  bedurften  mancher  Theile  gar  nicht,  die 
wesentlich  zum  grossen  römischen  Hause  gehören,  und  so  ist 
denn,  weil  man  glaubte,  jene  l'eberreste  gäben  ein  treues 
Bild  desselben,  wenn  ;iucli   in   kleinerem  Maasstalie,   nur  nocli 


172  Erster  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

A.      Plan  %7on   Becker. 

[insofern  unrichtig,  als  das  Tablinura   T  mit  den  beiden  fauces  //  zwischen  dem 
Atrium  A  und  dem  Cavaedium  fliegen  müsste.J 


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Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  173 

B.     Haus  des  tragischen  DicJiters  in  Pompeji,  nach  Zahn. 


mehr  Irrthuni  in  die  Sache  gebracht  Avorden.  Vgl.  Hikt, 
Geschichte  der  Baukunst  III,  S.  3215  ft".  [Jedenfalls  geht  der 
trett'liche  Beckkr  zu  weit,  wenn  er  hier  und  in  seinen  nach- 
gelassenen Papieren  sagt,  „dass  kein  Haus  in  Pompeji  uns 
den  Plan  einer  eigentliduMi  römischen  dumus  liefere  und  dass 
gerade  die  wesentlichsten  Theile,  welche  das  Charakteristische 
der  römischen  domus  ausmachten,  in  Pompeji  fehlten;  indem 
eben  jene  Theih-   nur  Hedürfniss  des  vijrnehmcii    Jxömers  in 


J  74  Erster  E  x  c  u  r  s  z  u  r  z  w  e  i  t  e  n  S  c  e  n  e. 

Rom  selbst,  der  Mittelklasse  aber  und  den  Municipalbürgern 
ganz  entbehrlich  gewesen  wären."  Dagegen  ist  zu  bemerken, 
dass  es  auch  in  den  Municipien  einzelne  flebäude  gab,  welche 
einer  grossen  römischen  domus  nicht  viel  nachstanden,  z.  B. 
das  Haus  des  Faun,  der  Dioskurcai,  der  bunten  Cajjitäler,  des 
Pansa  in  Pompeji  und  noch  mehrere  in  Herculanum,  wo  Alles 
grossartiger  war  als  in  Pompeji.  Ferner  können  wir  doch 
nur  die  allen  bürgerlichen  Gebäuden  gemeinsamen  Theile 
als  wesentliche  bezeichnen :  atrium ,  tablinum  ,  fauces  ,  cavum 
aedium,  peristylium,  und  in  dieser  Beziehung  sind  die  Häuser 
Pompejis  allerdings  den  römischen  Prachtpalästen  ganz  gleich 
—  wenn  auch  in  kleinerem  Maasstabe.  Es  finden  sich  nämlich 
in  allen  pompejanischen  Häusern  das  tablinum  und  die  fauces, 
ächtrömische  Räume  und  dem  griechischen  Hause  ganz  fern, 
so  dass  wir  schon  aus  diesem  Grunde  das  pompejanische  Haus 
nicht  für  griechisch,  sondern  nur  für  römisch  halten  können. 
Die  Veranlassung,  welche  Becker  zu  jener  Behauptvnig  führte, 
war  seine  auf  die  Spitze  gestellte  Ansicht  über  den  Unter- 
schied der  Atrien  und  Cavädien.  Da  er  in  Pompeji  keine 
Atrien  nach  seinem  Sinne  fand,  so  stellte  er  die  Aehnlichkeit 
mit  Rom  überhaupt  in  Abrede  und  ging  dadurch  der  bedeu- 
tendsten Resultate  verlustig,  welche  sich  aus  den  pompejani- 
schen Ausgrabungen  ergeben ,  indem  wir  z.  B.  ohne  dieselbe 
die  Lage  des  tablinum  und  der  fauces  nicht  bestimmen 
könnten.  —  Die  auf  unsere  Zeiten  gekommenen  Ueberreste 
römischer  Gebäude  in  und  ausser  Italien  gehören  sämmtlich 
der  Glanzperiode  an,  welche  etwa  gegen  das  Ende  der  Re- 
publik initer  griechischem  Einfluss  begann,  wo  manche  Räume 
mit  griechischen  Namen  (oeci,  exedrae,  bibliothecae ,  pinaco- 
thecae  u.  a.)  hinzugekommen  waren  und  wo  die  dem  socialen 
Verkehr  gewidmeten  Räume  überhaupt  viel  grössere  Dimen- 
sionen erhalten  hatten.  Die  für  den  Privatgebrauch  der  Familie 
und  für  das  Hauswesen  bestimmten  Lokalitäten  behielten  die 
kleinen  Proportionen  der  alten  Zeit  und  änderten  sich  nur 
rücksichtlich  einer  glänzenderen  dekorativen  Ausstattung.] 
Dazu  kommt,  dass  kein  alter  Schriftsteller  uns  eine  ge- 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  175 

naue  Beschreibung  und  gleichsam  einen  Plan  eines  eigent- 
lichen römischen  Wohnhauses  geliefert  hat.  Die  Hauptquellen 
sind  ViTRUV  im  sechsten  Buche  und  die  Briefe  des  jüngeren 
Plinius.  Daneben  gelegentlich  in  einzelnen  Stellen:  Yarro, 
Gellius,  Festus,  Plautus,  Cicero,  Sexeca,  Petrox  u.  A. 
—  Allein  ViTRuv  lehrt  nur,  wie  man  bauen  solle,  und  in 
welchen  Verhältnissen.  Was  die  einzelnen  Theile  für  eine 
Bestimmung  und  Lage  hatten,  darüber  konnte  in  seiner  Zeit 
Niemand  in  Zweifel  sein.  Wie  hätte  es  ihm  einfallen  können, 
sich  darüber  in  Erklärungen  einzulassen.  —  Plinius  aber  be- 
schreibt ep.  11,  17.  und  Y,  6.  keine  domus  urhana,  sondern 
zwei  Villen,  wenn  auch  die  Anlage  der  einen  wenig  von  der 
eines  gewöhnlichen  Hauses  abzuweichen  scheint.  Es  ist  also 
die  Aufgabe,  durch  Combination  der  zerstreuten  Xachrichten 
Licht  über  den  Gegenstand  zu  verbreiten ,  und  danach  einen 
Plan  des  römischen  Hauses  zu  entwerfen. 

Von  neueren  Schriftstellern  kommen  hier  vorzüglich  in 
Betracht:  Scamozzi,  Archit.  trad.  p.  Du  liy.  Leid.  171o.  fol. 
Winckelmanx,  Schriften  über  die  herculanischen  Entdeckun- 
gen, Werke  B.  H.  [Marquez,  delle  case  di  cittä  degli  antichi 
Romani.  Roma  1795.  Piranesi,  antiq.  de  Pomp.  II.  Paris  1806. 
Schiassi,  degli  edifici  di  Rom.  anticlii.  Bologna  1817.]  Stieg- 
litz, Archäol.  der  Bank.  HI,  S.  150  fi'.  und  Archäol.  Unter- 
haltungen. S.  103  ff.  Hirt,  Gesch.  der  Bank.  Berlin  1827. 
ni,  S.  267  —  327.  Mazois,  Essai  sur  Ics  Imbitatious  etc.  in 
dem  Prachtwerke:  Les  ruiues  de  Pompei.  P.  H,  p.  3  ff.  Der- 
selbe, Lc  jjalais  de  Seaurus.  Deutsch  von  Wüstkmaxx.  Gell, 
Poinpciana.  Lond.  1817.  und  neue  Folge.  Lond.  1836.  2  Bde. 
Auch  GoBO  VON  Agyaufalva,  Wanderungen  durch  Pompeji. 
Wien  1825.  —  Unter  diesen  Schriften  ist,  Wiuckelmanns 
Redlichkeit  abgerechnet,  keine,  die  nicht  anffalleiule  Irr- 
thümcr  enthielte;  einige  zciclnieu  sich  ausserdem  durch  eine 
überk'bhaftc  l'hantasic  aus,  welche  Träume  nie  gewesener 
Dingo  für  baare  Wahrheit  nimmt  und  giebt.  —  Wichtiger 
sind  die  Anmerkungen  der  Herausgeber  Vitruvs;  namentlich 
die  .\n><gab(U  von  S(  iinkidkk  ,  Stratico,  Utin.  18:.'?^.  1\'  tnii. 


J7G  Erster  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

4.  und  die  neueste  von  Marini,  Rom.  1836.  IV  tomi  fol.,  auch 
die  englische  Uebersetzuug  von  Newton.  Endlich  Genei.li's 
Briefe  über  Vitruv.  1.  Heft  am  Schlüsse.  Am  unbefangensten 
und  darum  am  richtigsten  scheinen  die  Ansichten  Stratico's 
und  des  englischen  Uebersetzers  zu  sein.  Marini  hat  zwar 
manches  besser  getroffen,  aber  in  den  wichtigsten  Punkten  ist 
es  ihm  nicht  gelungen,  die  AVahrheit  zu  finden.  Sein  Urtheil 
über  Schneider  ist  zu  hart,  aber  im  Ganzen  nicht  ungegründet. 
Nur  hätte  gerade  er  nicht  sollen  den  Styl  tadeln.  [In  neuerer 
Zeit  sind  erschienen:  A.  de  Jorio,  notizie  sugli  scavi  di  Ercol. 
Nap.  1827.  u.  derselbe,  guida  di  Pompei.  Nap.  1836.  Eaoul- 
EoCHETTE  et  RoucHET,  clioix  d'edifices  inedits  de  Pompei. 
Paris  1828.  worüber  Raoul-Rochette  in  einen  Streit  mit  seinem 
Recensenten  Laglandiere  gerieth,  s.  Annali  dell'  inst,  di  corr. 
arch.  1829.  p.  370—375.  415—426.  427  ff.  Pompeiana,  the 
result  of  excavations  since  1819.  Lond.  1835.  II.  Avellino, 
descrizione  di  una  casaPomp.  con  capitelli  figurati  dissotterata 

1831.  1832.  1833.  Nap.  1837.  Ders.,  Desc.  di  una  casa  disott. 

1832.  33.  34.  la  seconda  alle  spalle  del  tempio  tella  Fortuna 
(s.  g.  Haus  der  Bronzen).  Nap.  1840.  Später  (1843)  erschien 
noch  eine  dritte  Beschreibung  von  dems.  (sehr  gründlich  und 
genau  gearbeitet).  Schulz,  rapporto  gli  scavi  Pomp,  in  Annali 
deir  inst,  di  corr.  arch.  1838.  p.  148 — 201.  und  im  bulletino 
1841.  p.  97—108.  113—124.  Bechi,  rapporto  degli  scavi 
Pomp,  am  Ende  eines  jeden  Bandes  des  Mus.  Borb.  (mit 
Plänen).  Fiorelli,  giornale  degli  scavi  di  Pomp.  Napol. 
1850.  I.  (die  Akten  und  Ausgrabungsberichte)  F.  e  F.  Nicco- 
LiNi,  le  case  ed  i  monumenti  di  Pompei.  Napoli  1854 — 60  in 
25  fascic.  Von  deutschen  Arbeiten  sind  zu  nennen:  Engel- 
hard, Beschreibung  der  in  Pomp,  ausgegrabenen  Gebäude, 
Berlin  1843.  (Aus  Crelle's  Journal).  Zumpt  über  die  bauliche 
Einrichtung  des  römischen  Wohnhauses.  Berlin  1844.  Pom- 
peji von  Wackernagel,  Basel  1851.  und  von  Stier.  Witten- 
berg 1853.,  viel  umfassender  Overbeck,  Pompeji.  Leipzig 
1856.  S.  179—270.  Endlich  sind  von  Wichtigkeit  die  dem 
Prachtwerke  von  Zarn,  die  schönsten  Ornam.  2.  Folge,  bei- 


Die  banliclio  Einrichtung  des  Hauses.  177 

gegebenen  CTnmdrisse  der  Pompejauiscben  Häuser,  nämlich 
Tafel  63.  80.  90.  98.] 

Insnlae. 
Ytn-  Allem  ist  wobl  zu  bemerken,  dass,  wenn  es  eine 
Untersuchung  über  das  römische  Wohnhans  gilt,  mir  von  der 
eigentlichen  doimis,  aedibus  prhaiis,  die  Eede  sein  kann.  Die 
insuhic  oder  Miethhänser,  mehrere  Stockwerke  hoch  und  be- 
stimmt, mehrere,  ja  wohl  viele  Familien  und  einzelne  Per- 
sonen aufzunehmen,  mussten,  indem  sie  aus  vielen  Parzellen 
bestanden ,  auf  ganz  andere  Art  gebaut  sein ,  und  waren  ge- 
wiss in  der  Anlage  so  verschieden,  als  die  nnsrigen.  [Die 
grossen  hatten  mehrere  Höfe  und  viele  Zugänge,  wie  Fest. 
p.  371.  sagt:  ut  in  eo  aedißcio  perv'nnn  sit,  quo  itinere  habita- 
torcs  ad  sunm  quisque  habitationem  habeot  accessum.  Auch 
waren  sie  sehr  hoch  und  leicht  gebaut ,  wie  viele  Stellen  be- 
zeugen. Auf  sie  bezieht  sich  Vitruv.  II,  8.  In  ea  maiesfate 
tirbis  et  civiidii  infinita  frequentia  innumerabUes  Iiab/'talionrs 
opus  finl  explicare.  Ergo  cum  recipere  non  possct  arca  plana 
tantani  vtuUitudhiem  ad  Jiabitandum  in  urbe,  ad  avxHiuni  altifu- 
dinis  aedificiorum  res  ipsa  coegit  devenire.]  Die  eigentliche  Be- 
deutiuig  des  Wortes  in.vula  lässt  sieh  überhaupt  schwer  be- 
stimmen. Wahrscheinlich  hiess  in.sula  eigentlich  sowohl  ein 
isolirt  stehender  Complcx  mehrerer  Häuser,  als  ein  in  sich  ab- 
gesclihissenes  Haus,  wenn  rings  herum  ein  Weg  führte.  Paul. 
DiAC.  p.  111.  M.  Insnlae  dictae  proprie  quac  non  iunguntnr 
communibns  parietibus  cum  vicinis  circuituque  publico  aut  pri- 
vate cinguntur,  a  simiUtudine  rideUcet  earian  temninn,  qnan 
ßuminibus  ac  mari  eminent  snntqne  in  saht.  Die  zAveite  Bedeu- 
tung wurde  die  gewöhnlichste  und  zwar  in  dem  Sinn  als  ein 
abgeschlossener  Clomplex  von  Miethwohnungen,  d.  i.  ein  aus 
vielen  einzelnen  Miethwohnungen  bestehendes  einzelnes  Ge- 
liäudc.  S.  Tbl.  1,  8.  15.  Cic.  p.  C!ael.  7.  triginla  millibus  di- 
.ristis  euiii  habitarc  Nunc  demuni  i7itelligo,  P.  Clodii  insulani 
esse  venaleni,  cuius  Ine  i)i  aedieidis  /labitat,  dcce/n  ut  opinor  mil- 
libus. Caelius  bewohnte  also  nur  einen  Tbeil  der  Insula.   Das 

selbe  sagen    auf  das   Dcutlicliste  nu-lirrrc   Inschrii'ten ,   zuerst 
Bi-.CKKK,  (ialliis.   ;;.  Aiiil.  II.  12 


178  Erster  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

aus  Pompeji,  Orkll.  4H24.  hisula  Arriana  Pol/inna  Cii.  Alifi 
Nigidi  Mai.  locantur  ex  I.  hdiis  prinns  tabernae.  cum  pergulis 
suis  et  cocnacula  equestria  et  clomus.  Conductor  convenito  pri- 
muin  Cn.  Alifi  Nigidi  Mai  ser{vum).  Dann  die  rothe  Mauer- 
schrift  1819  zu  Rom  im  Velabrum  entdeckt.  Or.  4331.  In  Ms 
pracdiis  insula  Sertnriana  rolo  esse  Aur.  Cyriacetis  filie  meae, 
cinacida  n.  VI.  tabernas  n.  AI.  et  repossone  subiscalire  ('?j. 
Feliciter.  [Dig.  XIX.  2,  30.  58  pr.  und  öfters.  Der  in  der 
ersten  Inschrift  erwälinte  servus  ist  der  i7i.^ularius.,  welcher  von 
dem  Herrn  des  Hauses  mit  der  Aufsicht  über  die  insula,  mit 
der  Vermiethung  u.  s.  w.  beauftragt  war.]  Später  verstand 
man  aber  unter  insula  auch  jede  einzelne  Miethwohnung,  jede 
Parzelle,  welche  Bedeutung  dem  Worte  auch  insofern  ent- 
spricht, als  jede  solche  Parzelle  für  sich  abgeschlossen  ist. 
Daraus  erklärt  sich,  wie  es  in  Rom  so  viele  insulae  und  so 
wenig  domus  geben  konnte;  nämlich  über  44000  insulae  und 
etAva  1780  domus  (z.  B.  in  regio  X  waren  2742  insulae,  89 
domus).  In  demselben  Sinne  sagt  Suet.  Xer.  38.  praeter  hn- 
mensuni  numenim  iiisularum  domus  priscorum  ducum  arserunt. 
Es  wurde  also  in  späterer  Zeit  anders  gezählt,  etwa  wie  jetzt 
noch  in  Rom  und  mehr  noch  in  Xeapel.  Xeapel  zählt  auch 
über  40,000  Hausnummern,  indem  jede  Thüre  (auch  der  Bou- 
tiquen) eine  besondere  Nummer  hat.  Daher  zählt  oft  ein  Haus 
für  fünf,  sechs  und  mehr.  Vgl.  Xiebuhr,  röm.  Gesch.  II,  S. 
340.  welcher  auf  Diokys.  X,32.  verweist.  [Am  besten  handelt 
von  den  insulis  Preller,  die  Regionen  der  Stadt  Rom.  Jena 
1846.  S.  86  ff. 

Die  Mauern  und  das  Haus  von  aussen. 
Hier  ist  der  passendste  Ort,  über  den  Bau  der  Mauern 
der  Häuser  die  Haujitsac-he  mitzutlieilen  (structurarum  genera 
bei  ViTRUv.  II,  8.j.  Am  regelmässigsten  war  der  dem  moder- 
nen gleiche  Backsteinbau  {opus  latericiuiu ,  CoL.  IX,  6.)  aus 
gebrannten  Ziegeln  {later  tesfaceus ,  Vitruv.  II,  3.),  welche 
sich  von  den  unsrigen  durch  feineres  Korn,  dunklere  Farbe 
und  grössere  Festigkeit  unterscheiden,  Vitruv.  II,  8,  15  ff. 
Vielfach  findet  man  eine  ähreuförmiu-e  Lag-e  der  Ziegelu,   die 


Die  bauliclie  E  iini  cli  tuiig  des  Hauses.  179 

au  den  Ecken  durch  (Quadersteine  eingefasst  oder  eingerahmt 
waren,  was  man  jetzt  nach  der  Analogie  der  ähnlich  ange- 
legten  Fussböden    (s.  untenj    opus  spicatum    nennt.     AVelche 
Bezeichnung  die  Römer  dafür  hatten,  wissen  wir  nicht.     Es 
gab  aber  auch  steinerne  Häuser,  und  zwar    1)  mit  apus  incer- 
tuiii   oder    untiquum ,    wenn    die    Mauer   aus    unregelmässigen 
kleinen  Bruchstücken  bestand,  die  dick  mit  Mörtel  verbunden 
waren.  Vitr.II,  8.  incerta  —  caementa^  alia  sujier  alia  sedentia 
hiter  seque  iinpUcata,  7ion  speciosam  sed  finmorem  quam  reticu- 
lata  praestant  structuram.   Ob  man  den  Bau  aus  kleinen  regel- 
mässig zugehauenen  und  in  langen  regelrechten  Reihen  zu- 
sammengefügten Steinen,  wie  in  dem  Amphitheater  zu  Trier 
auch  zu  dem  opus  incertum  rechnete,  wage  ich  nicht  zu  ent- 
sclieiden.     2)  Unter  opus  reticulatum  verstand  man  die  eigen- 
thümliche  Verbindung  von   kleinen  schachbretförmig  geord- 
neten   Quadraten,   die  auf  der  Spitze   standen,   so   dass   die 
Fugen   ein   diagonales  Xetz  bildeten,   die   dem    Ganzen  den 
Namen  gaben.     Die  Ecken  wurden  der  grösseren  Festigkeit 
halber  mit  horizontalen  Steinlagen  eingerahmt.    Diese  beiden 
Arten  nebst  dem  Bau  aus  kleinen  regelmässigen  Steinen  be- 
nutzte man  nur  zu  Futtermauern  d.  h.  zu  einer  äusseren  und 
inneren    Lage    (crusta),    deren    Zwischenraum   man   ausfüllte 
{fartura,   timh/.rov ,    Vitr.  II,  8,  o.  4.  7.    in    media  farciunt  * 
fractis  separatim  cum  materia  caementis)  mit  Mörtelguss,Sand, 
Kalkstückchen,  Backstein-,  Ziegel-  und  Thongefässscherben 
(testa  tusa;  u.  s.  w.,   dass  das  Ganze  Felsenhärte  erhielt,  wie 
man    noch  jetzt    an    den   römischen    T7eberresten    bewundert. 
Auch  das  sog.   opus  .spicatum   benutzte  man    zur  AusfüHung. 
3)  Der  Ausdruck  o/ms  isodonnon  bezieht  sich  auf  Mauern  ohne 
Füllung   und   bezeichnet  den  Bau  aus   Steiuschichten   (choria 
oder  ordines  der  sa.\.a  quadrataj  von  gleicher  Höhe,   welche 
durch  die  ganzen  Mauern  hindurchgehen,  z.  B.  bei  der  porta 
nigra  in  Trier,   wo  die   kolos.saleu  Werkstücke  auf  einander 
geschlifien  sind,  da.ss  man  die  Fugen  kaum  wahrnimmt.    Sind 
die  Steine  von  ungleicher  Höhe  {impavt's  et  inaequales  ordines)., 
80  heisst  es  opus  psrudoisodumurn  Vituuv,  II,  8,  5  f.    An  den 


1^0  Erster  Ex  eins  zur  zweiten  Scene. 

Bädern  von  Badenweiler  luvt  man  in  den  zwischen  den  nnre 
gehnässigen  Steinen  befindlichen  Mörtel  Längen-  und  Qner- 
linieu  sorgfältig  eingeritzt  und  so  ein  künstliches  isodomum 
geschaffen.  Auch  nahm  man  gemischte  Strukturen,  Backstein- 
und  Steinlagen  abwechselnd  (wie  bei  dem  Kaiserpalast  oder 
den  sog.  Bädern  in  Trier),  oder  Backstein  und  Mörtel  in  regel- 
mässigen Schichten  (ebendaselbst),  oder  Backsteine  auf  mas- 
sivem Fundamente,  Varro  bei  Non.  I,  236.  Das  opus  iso- 
domum  fand  nur  bei  öffentlichen  Prachtbaixten ,  Tempeln, 
Brücken,  Triumjjhbogen  u.  s.  w.  Anwendung,  (gewöhnlich 
ohne  Mörtel,  aber  durch  eiserne  Klammern  verltundenj,  da- 
gegen das  opus  incertum  und  reticulatum  auch  bei  Privat- 
bauten, desgleichen  das  opus  latericium.  So  besteht  die  Basi- 
lika in  Trier  nur  aus  Backsteinen.  Vgl.  Schmidt,  röm.  Bau- 
denkmale von  Trier.  Heft  2.  Trier  1845.  Wenn  die  Wand  ein 
unregelmässiges  Ansehen  darbot,  Avas  bei  opus  incertum  und  bei 
ungleichen  Backsteinbauteu  der  Fall  war,  so  pflegte  man  nach 
aussen  ebenso  wie  es  im  Innern  der  Häuser  immer  geschah 
einen  Ueberzug  von  Mörtel  (gewöhnlich  in  mehren  Lagen)  auf- 
zutragen. Dieses  Verfahren  war  in  J^jmpeji  das  regelmässige 
und  hiess  tecloriwn  iiiqjonere  oder  mducere,  Stuck  oder  Putz  auf- 
tragen, ViTRUV.  V,  10.  Vn,  2.  Varro  r.  r.  HI,  8.  parietes  mu- 
'  nitae  tectorio.  Pallad.  I,  11.  Dia.  XV,  .'},  3.  VII,  1,  44.  Die 
Wand  strich  man  dann  mit  einer  hellen  Farbe  an  oder  fügte  auch 
hin  und  wieder  Pfeiler-  und  Säulenstellungen  hinzu,  wie  Pom- 
pejanische  Wandgemälde  und  Wandüberreste  erkennen  lassen. 
Mörtel  und  Stuck  wurden  mit  der  höchsten  Sorgfalt  zubereitet, 
indem  man  auch  Puzzolanerde  {pulvis  Puteolanus),  Marmor- 
staub u.  s.  w.  dazu  verwendete,  Vitruv.  II,  5.  6.  de  la  Faye, 
recherches  sur  la  j^reparation  que  les  Rom.  donnaient  ä  la 
chaux.  Paris  1777.  Krieg  von  Hochfelden,  Geschichte  der 
Militärarchitektur,  S.  121  ff.] 

Theile  des  Hauses. 
In  der  römischen  domus  aber  —  wir  haben  das  Haus  eines 
vornehmen  Bürgers  im  Sinne  —  unterscheiden  wir  zunächst: 
I)  solche  Theile ,  welche  nothwendig  da  sind  und  deren  Lage 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  131 

in  der  Hauptsache  durchaus  und  überall  dieselbe  war,  und  die 
daher  gleichsam  das  Geripjie  des  Hauses  bildeten,  an  das  sich 
die  übrigen  anschlössen.  Solche  Theile  sind :  VesÜbulum. 
Ostium  (xJvoMoeTui)-  Atrium.  Cavum  aed'nnn.  Tablinum.  Fauces. 
Peristylium . 

Vestibulum. 
Man  kann  mit  IJecht  fragen,  ob  es  überhaupt  angemessen 
sei,  das  Vestibulum  unter  den  Theilen  des  Hauses  anzuführen, 
da  es  eigentlich  keinerlei  Art  Gebäude  war.  Indessen  gehörte 
es  doch  zu  dem  Areal  des  Hauses,  und  ist  überdies  oft  genug 
in  dem  Hause  selbst  gesucht  worden.  Ja  noch  Marixi  hat  auf 
dem  seiner  Ausgabe  beigefügten  Kisse  Tab.  CVI.  die  eigent- 
liche Flur  innerhalb  des  Hauses  als  Vestibulum  bezeichnet 
[auch  OvERBECK ,  s.  imten  bei  ostium] !  Auf  dem  Plane, 
welchen  Stratico  nach  NeAvton  [und  Marquez  auch  an  Ma- 
zois,  Palast  des  Scaurus  angefügt]  geliefert  hat,  scheint  es 
anders  gemeint  zu  sein ;  doch  ist  es  auch  dort  ein  von  allen 
Seiten  eingeschlossener  Raum.  Dagegen  haben  Rode,  Stieg- 
litz und  Hirt  es  allerdings  vor  dem  Hause  angenommen, 
aber  seltsam  genug  —  die  Fronte  des  Hauses  bildete  eine 
gei'ade  Linie,  und  das  Vestibulum  liegt  davor,  bedeckt  durcli 
ein  von  Säulen  getragenes  Dach.  Dadurch  entsteht  nun  zu 
beiden  Seiten  vor  dem  Hause  ein  leerer  Raum,  mit  dem  man 
nichts  anzufangen  weiss.  Diese  Vorstellung  ist  durchaus  im- 
richtig.  [Zu.Mi'T  endlich  vermittelt  S.  14  die  verschiedenen 
Ansichten  insofern,  als  er  vestibulum  theils  für  den  Raum  vor 
dem  Hause,  theils  für  den  schlichten  Gang  zwischen  den  bei- 
den Wänden  von  der  Hausthüre  bis  zum  Atrium  hält.  — 
Dass  das  Vestibulum  vor  dem  Atrium  lag  und  den  ersten  zum 
Hause  gehörenden  Tlicil  bildete,  scheu  wir  aus  Stellen,  wie 
QuiN'CT.  Inst.  XI,  2,  20.  I'riimun  seusuin  i'catihulo  quasi  assi- 
f/nant,  secjuithiin  afrio  etc.  oder  IX,  4,  10.,  wo  das  Ohr  mit 
dem  Vcstibuluui  \('rgli<-ln'U  wird,  (»der  Cic.  \'err.  \',  06.,  wo 
Italien  vestibulum  Siciliae  luüsst.]  Was  wir  aber  eigentlich 
darunter  zu  verstehen  haben,  lehrt  uns  Gellius  und  M.vcr«»- 
Bius.     I>stcrcr  sagt  XVI,  5.     Animadvrrti  (juondaiii  haudqiia- 


\  32  Erster  E  x  c  ii  r  s  zur  z  w  p  i  t  e  n  S  c  e  n  p 

quam  indoctos  i-iros  opinari,  vestihiilvin  esse  portejn  domi/s 
pritnorem  j  quam  vulgi(s  atrium  vocat.  C.  Caecilius  Gallvs  in 
libro  de  significatione  verhoi'um^  quae  ad  ius  civile  pertinent,  se- 
cundo  vestibiiltim  esse  dicü  non  in  ipsis  aedibus  neque 
pnrtem  aedium^  sed  locuin  ante  ianuain  domtis  va- 
cunm,  per  quem  a  via  aditus  accessusque  ad  aedes  est,  cum 
dextra  et  sinistra  inter  ianuam  tectaque,  quae  sunt 
viae  iiincta,  spatium  reli?iquitur,  afque  ipsa  iamto 
procul  a  via  est,  area  vacanti  iiitersita.  80  trat  also 
das  Vestibuhim  nicht  vor  die  Fi-onte  hinaus,  sondern  vielmehr 
zurück,  und  war  ein  auf  drei  Seiten ,  von  dem  Mittelgebäude, 
wo  die  ioniia,  und  den  beiden  bis  an  die  Strasse  vorstehenden 
F'lügeln,  tecta,  quae  sunt  viae  iuncta,  eingeschlossener,  nach 
der  Strasse  hin  offener  und  übrigens  freier  Platz  vor  dem 
Hause;  dextra  et  sinistra  ist  mit  Rücksicht  auf  die  innua  zu 
verstehen.  [Doch  bezieht  sich  diese  Beschreibung  auch  auf 
die  ge\\öhnlichen  bürgerlichen  Häuser,  welche  keine  vorsprin- 
gende Flügel  hatten,  deren  Hausthüre  aber  einige  Schritte 
einwärts  gerückt  war,  so  dass  dadurch  ein  kleiner  Vorplatz 
entstand,  wie  z.  B.  in  dem  sog.  Hause  des  Pansa,  des  Faunus, 
des  Centauren  und  vielen  andern  zu  Pompeji  der  Fall  war.] 
—  Dasselbe  sagt  Macrob.  Sat.  VI,  8.  mit  denselben  Worten, 
nur  zuletzt  kürzer:  Ipsa  euim  tanua  procul  a  via  fiebat ,  area 
intersita,  quae  vacaret.  [und  Varro  L.  L.  VH,  81.  ideo  qui  exit 
in  vestibulum,  quod  est  ante  domum,  prodire  et  procedere  (dicitur). 
Dass  aber  die  Grammatiker  das  Vestibulum  ganz  richtig  er- 
klären, ergiebt  sich  aus  vielen  anderen  Stellen,  s.]  Plaut. 
Most,  m,  2,  132. 

Viden  hoc  ante  aedis  vestihuhan  et  ambulacnnii  quoiusmodÄ? 
Crc.  p.  Caec.  12.  si  te  hodie  domum  tuam  redeuntem  coacti  ho- 
mines  et  armati  non  modo  limine,  sed primo  aditu  vestibuloque 
prohibuerint,  quid  acturus  sis.  13.  tarn  te  in  aedes  restitui  opor- 
fere ,  si  e  vestibulo  ,  quam,  si  ex  interiore  aedium  parte  dejectus 
sis.  p.  Mil.  27.  qui  parietem  sie  per  vestibulum  sororis  instituit 
ducere,  sie  agere  fundawenta,  ut  sororem  non  modo  vestibulo 
privaret,  sed  omni  aditv  et  limine,  de  or.  I.  45.    Testls  est  huiusce 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  J^83 

Q.  Mucii  ianita  et  ve{>tibuluin  ,  qnod  in  eins  infirmisaima  raletu- 
dine  —  maxima  giiotidie  frequentia  civium  ac  snmmornm  /wiiii- 
num  splendore  celebratur.  (Die  Besucher  werden  nämlich  nicht 
eingelassen,  weW  er  krank  war.)  ad  Att.  IV,  3.  Clodii  vestihu- 
lum  vacuum  sane  mihi  uuntiabatur.  Colum.  VIII,  3.  8.  IX,  12. 
Auch  diejenigen  Stellen,  welche  von  der  Ausschmückung  des 
Vestibulum  sprechen,  lassen  eine  andere  Annahme  nicht  zu; 
so  Cic.  Phil.  II,  28.  An  tri  illo  in  vestibvlo  rostra  quiim  adspe- 
xisti,  domum  tuam  te  introire  pufas?  Plix.  XXXV,  2.  s.  Thl.I, 
S.  18.  [dazu  ViRG.  Aen.  II,  504. 

Barbarico  postes  aiiro  spoliisqiie  superhi.] 
Ausser  den  Spolien  standen  auch  Eeiterstatuen  und  Quadrigen 
auf  dem  Vestibulum,  luv.  VII,  125. 

huius  enim  stat  currus  aeneus,  alti 

Qitadrijuges  in  vestibulis,  atque  ipse  feroci 

Bellatore  sedens  etc. 
Verg.  Aen.  VII,  177ff. 

Quin  etiain  veterum  effigies  ex  ordine  avorum 

Saturnusque  senex  lanique  bifrontis  iniago 
Vestibulo  adstabant,  aliique  ab  origitie  reges. 
(wo  Lersch  in  Zeitschr.  f.  d.  Alterthumswiss.  1838.  X.  72. 
falsch  erklärt  „vestibulo  adatahant  heisst:  sie  standen  im 
Atiium  nach  dem  Vestibulum  zu."  Theils  die  erwähnten  Stel- 
len, theils  die  Grammatik  spricht  gegen  diese  Erklärung. 
Auch  sagt  Vergil  sogleich  darauf 

Multaque praelerea  sacris  in  postibus  arina^ 
Captivi  pejident  currus  curvaeque  secures  etc. 
In  dem  Vestibulum  des  Xeronischen  Hauses  stand  sogar  ein 
Coloss  von  1 20  Fuss  Höhe ,  daneben  lange  Säulenhallen,  ein 
grosses  Bassin,  maris  instar,  und  zwar  —  ganz  nach  Gellius 
Beschreibung  -  von  den  Plügeln  des  Palastes  eingeschlossen, 
wie  SüET.  Xer.  31.  berichtet:  cireuiiiseptiiui  nedijieiis.  Xichts 
anders  als  einen  so  grossen  Vorhof  hat  Sueton  im  Sinn,  wenn 
er  z.  B.  von  Calignla  sagt:  stctitque  in  reslibiilo  aediiDu  etc. 
Gal.    12.   oder   \(iii  N'cspas.  2.').   in    media  parte   rrstibuh  Pala- 


l  g4  Erster  E  x  c  u  r  s  zur  zweiten  S  c  e  u  e. 

tiiutc  duijuis.]  —  Oc'gcii  diese  g-ewiclitigen  Zeui^'uisse  vermögen 
einzelne  Stellen  nichts,  in  d(!nen  wir  vestibulum  entweder 
metaplioriscli  oder  nng'enan  gebraucht  finden,  welche  aber  zu 
dem  Wahne  geführt  haben,  dass  es  den  Eingang  selbst,  oder 
den  ersten  liaiim  iin  Hause  bedeute.  [So  braucht  Veroil  mit 
einer  dem  Dichter  zu  gestattenden  Freiheit  vestibulum  von 
dem  l'latz  für  die  Tliüre  und  für  die  Hauswächter,  welcher 
sich  unmittelbar  hinter  der  Thüre  befand,  Aen.  H,  469. 
Vestihuluin  ante  ipsuiu  prinioque  in  Ihnine  Pyrrlais. 
oder  VI,  273. 

Vestibulum  ante  ipsuiii  jjriinisque  in  fancibus  Orci. 
ähnlich  555  fg.  und  573  HP. 

Tum  demuiu  horrisono  stridentes  cardine  sacrae 
Panduntur  portae.  Cernis^  custodia  qualis 
Vestihulo  sedeat,  facies  quae  li)nina  servet? 
(wo  das  Vestibulum  erst  nach  dem  Oeflfnen  der  Thüre  im  In- 
nern sichtbar  wird).  Liv.  V,  41.  sagt  von  den  Greisen,  welche 
bei  dem  Ueberfalle  der  Gallier  nicht  auf  das  Capitol  geflüchtet 
waren,  zuerst  medio  aedium  cburneis  sellis  sedere.  und  dann  in 
aediwn  vestibuHs  sedentes.  indem  er  unter  med.  aed.  den  Platz 
zwischen  den  beiden  Flügeln,  also  das  Vestib.  verstand;  denn 
dass  Liv.  wohl  wusste,  wo  das  Vestib.  ist,  zeigt  er  II,  48.  lus  s 
amiati  ad  Uinen  consulis  adesse  und  49.  Consid  egredie?is  in 
vestibulo  geiitem  videt.  Endlich  scheint  es  ungenau  gesagt, 
wenn  Suet.  Oct.  lOÜ.  von  Augusts  Leiche  erzählt:  A  Bovillis 
equester  ordo  suscepit  urbique  intidit  atque  in  vestibulo  domus 
collocavit;  denn  der  Platz  für  die  Leichen  war  das  Atrium. 
Allein  Suet.  sagt  ja  nur,  dass  die  Kitter  die  Leiche  im  Vesti- 
bulum abgesetzt  hätten,  nicht  dass  die  Leiche  daselbst  stehen 
geblieben  wäre.] —  Es  bleibt  also  die  einzig  richtige  Annahme 
übrig,  dass  das  Vestibulum  ein  freier  in  der  Regel  unbedeckter 
Raum  vor  der  Hausthüre  war,  s.  auf  Plan  A.  und  B.  unter  V. 
Bedeckt  waren  höchstens  nur  einzelne  Theile  desselben  und 
zAvar  soweit  an  dem  Hause  Säulenhallen  über  dem  Vestibu- 
lum hinliefen  (z.  B.  Suet.  Nero  31.,  ebenso  im  Kleinen  im 
Hause  der  vier  Mosaiksäulen  zu  Pornjicji  und  in  Herculanum), 


Die  bauliche  E  i  ii  r  i  c  h  t  u  n  g  des  Hauses.  185 

welcher  Luxus  aber  erst  der  späteren  Zeit  angehört.  Auch  an 
vergitterte  Schranken,  durch  A\'elche  das  Vestibulum  von  der 
Strasse  abgesondert  Aväre ,  darf  man  —  wenigstens  ursprüng- 
lich —  nicht  denken.  Cic.  ad  Att.  IV,  3.  spricht  nicht  dafür: 
cian  sacra  via  descenderem,  insecutiis  est  nie  cum  suis.  —  disces- 
simus  in  vestibulum  Tettii  Damionis.  qui  ero7it  i/iecum ,  facile 
operas  aditu  prohihuernut. 

ViTRUv  giebt  keine  Vorschriften  über  das  Vestibulum, 
aber  er  nennt  es  zweimal  c.  5  (8.)  als  wesentlichen  Theil  des 
Hauses  eines  Vornehmen,  und  dagegen  für  das  der  Leute,  qui 
commimi  sunt  fortuna ,  als  n())i  necessaria  magnifica  vestibula. 
Ein  derartiges  Vestibulum  ist  in  Pompeji  bis  jetzt  noch  nicht 
gefunden. 

Ueber  die  unsichere  Etymologie  des  Wortes ,  nach  Sul- 
picius  Ai'OLLiNARi.s  von  ve  und  stabidum  =  lata  sfabulatio,  s. 
Gelliu.s  {ab  illa  graudis  loci  coustitione  et  quasi  quadam  stabu- 
latiune  — .  spatia  —  grandia  ante  fores  aedium  reiicta,  in  qui- 
bus  starent  qui  veiiissent  priusquam  in  domum  introniitterentur. 
und  Macrobius  a.  ».  0.  [Xon.  I,  263.  —  vestibula  —  dicta, 
quod  in  kis  locis  ad  salutandos  dominos  domorum  quicumque 
venissent  stare  solebant,  dum  introeundi  daretur  copia.^  Von 
Vesta  OviD.  Fast.  VI,  303.  [quod  ianuam  vestiat .,  nach  Serv. 
zu  Verg.  II,  469.  VI,  273.  Nun.  a.  a.  O.  s.  v.  a.  non  stabulum, 
quod  nullus  illic  stet  (wie  vesanus  s.  v.  a.  non  sanus)\  vgl.  Isi- 
DOR.  Orig.  XV,  7.  [MoM.MSEN,  liöm.  Gesch.  I,  S.  229.  und 
nach  ihm  We[.ss,  Kostümkunde  11,  S.  1168.  erklären  vestibu- 
lum (von  vestis)  als  Anklcideplatz ,  indem  man  erst  bei  dem 
Hinaustreten  die  Toga  umgeworfen  habe,  denn  im  Hause  sei 
man  nur  mit  der  Tunika  bekleidet  gewesen.  Woher  weiss 
man  aber,  dass  man  erst  vor  der  Thüre  die  Toga  umlegte?] 
—  Wenn  es  unleugbar  ist,  dass  wie  prostibulum  von  prostare 
so  vestibulum  von  vestare  abg('leitet  werden  muss ,  so  gilt  es 
nur  die  l'x'dt'utuug  der  l'artikel  ve.  Diese  scheint  aber  ur- 
sprünglich ausserhalb  zu  sein,  wie  in  gewissen  Fällen  das 
griechische  nanä.  So  ist  vecnrs  so  viel  als  excors,  nanaqntav, 
und  ebenso  vesanus.    Nicht  weniger  ist  vrgrandis,  was  ausser- 


\H{y  Erster  Excurs  zur  zweiten   Soeiie 

gewöhnliches  Maass  lint.  niid  es  heg-reift  sich  leicht,  wie  die 
Partikel  dann  bald  verstärkenden,  bald  verneinenden  8inn 
haben  kann.  Vgl.  Heind.  zu  Hur.  Sat.  I,  2,  129.  vepallida  ist 
ebenfalls  aussergeAvöhnlich,  das  ist,  ungewöhnlich  blass. 
Wie  vortrefflicli  diese  Bedeutung  auf  vestihuhim  passt ,  ist 
offenbar. 

Osti  11  m. 
Der  Name  ostium  bezeichnet  den  Eingang  des  Hauses 
\^proprie  per  quod  ab  aliquo  arcemur  ingressu,  Vitruv.  bei 
Serv.  zu  Verg.  Aen.  VI,  43.  und  Isidor.  XV,  7.]  und  kann 
daher  mit  ianua,  fores  gleichbedeutend  sein.  [Nur  der  Haupt- 
eingang hiess  eigentlich  ianua.  Darum  sagt  (Jic.  p.  red.  'in 
sen.  6.  non  ianua  receptis,  sed  pseudothyro  intromissis  volupta- 
tibus.]  Cic.  Xat.  Deor.  H,  27.  Fores  in  Uniinibus  profanarum 
aedium  ianuae  nominantur.  Dieser  Eingang  befand  sich  gerade 
in  der  Mitte  des  Hauses  [und  hatte  zuweilen  mehrere  Stufen, 
Sex.  ep.  84.  gradus  divitum  et  magno  aggestv  suspensa  vesti- 
hula.  non  in  praerupto  tantinn  istic  stabis,  sed  in  lubrico.  So 
im  Palatium,  Suet.  Ner.  8.  Vit.  15.  Tac.  Hist.  I,  29.  Dio 
Cass.  LXVIII,  5.  und  in  mehreren  pompejanischen  Häusern, 
AvELLiNO,  descr.  di  una  casa  p.  4.  Engelhard,  Beschr.  S.58."] 
Die  einzelnen  Theile  desselben  sind:  Urnen  inferum  et  superum 
(die  Schwelle  und  der  Sturz).    Plaut.  Merc.  V,  1.  1. 

Limen  supernmque  inferumque  salve,  simid  autem  vale. 
[Xov.  bei  Xon.  IV,  278.  Limen  superum,  quod  mihi  misero 
saepe  confregit  caput ,  inferum  autem  ubi  ego  omnes  digitos  de- 
frc.gi  vieos.  Isidor.  XV,  7.  Plin.  XXXVI,  14,  21.  in  Umine 
ipso,  quod  foribns  imponcbat.  —  Die  Schwelle  war  von  Stein, 
bei  Aermeren  auch  von  Holz;  Avellino  descr.  —  la  seconda 
p.  12.;  die  Thürbekleidung  aber  (antepaginenta)  stets  von 
Holz,  lex  par.  fac.  bei  Haibold  p.  72.  antcpagmenta  abiegniea. 
Paul.  Diac.  p.  8.  M.  valrarum  ornamenfa,  quae  antis  appin- 
guntnr  i.  e.  afßguntur.  Vitruv.  IV,  6.  In  Pompeji  gewahrt 
man  noch  jetzt  an  sehr  vielen  Thüren  um  die  postes  herum 
kleine  Vertiefungen  in  der  Schwelle,  in  welche  die  antepag- 
menta  eingelassen  wurden,  Avellino,  descr.  di  una  casa  p.  4  fg. 


Die  baiilirhr   F,  i  n  vi  o  li  t  nii  g  dps    linuses.  ]87 

Die  beiden  pteilerähnliclicu  Vorspriiuoe  im  (  »^tiuin,  an  welche 
sich  die  postes  und  liniina  anlehnten,  hiessen  antae,  welcher 
Name  im  weitern  »Sinne  jeden  Eckwandpfeiler  bezeichnet 
(also  auch  die  vor  dem  (Jstium  zu  beiden  Seiten  des  Hauses 
stehenden  Pfeiler  oder  Säulen,  z.  B.  im  Hause  der  mit  Figuren 
geschmückten  Capitäler,  der  Vestalin  u.  A.  S.  auch  die  Lampe 
bei  Passer,  lucernae  lict.  IH,  44  fg.  Lsidor.  XV,  7.  quia  ante 
stant  rcl  quia  ante  ad  cas  accediinua  pr'iusqiiain  donuiin  infjv<- 
diainur)^  Paul.  Diac.  p.  16  M.  erklärt  sie  latera  ostiorum  (über 
Avelche  Stelle  Gexeli.i,  Briefe  über  Vitruv.  I,  S.  45.  ganz  im 
Irrthum  ist),  Serv.  zu  Verg.  Georg.  II,  417.  eminentes  lap'ale.. 
vel  columnae  idtimne.  Nox.  I,  124.  qnadrae  coliannae.  Vitruv. 
m,  1.  IV,  4.  6.  S.  noch  lex  parieti  fac.  bei  HAURCti.i).  in  eo 
pariete  media  osfii  luuien  aperito  —  ex  eo  pariete  nutas  duas  ad 
mare  vorsvm  pvoiicito  —  insiqier  id  Urnen  rnhuattim  —  inponito. 
AvELLixo,  descr.  di  una  casa  p.  .'^M  ff'.  S.  jetzt  noch  Serg. 
IvAXOFF,  varie  specie  di  soglie  in  Pii)n]i('i  cd  indagine  sul 
vero  sito  della  fancc,  in  Annali  dell'  instit.  di  corrisp.  arch. 
Koma  1859,  XXXI,  p.  82  108.]  —  Schön  war  die  Sitte, 
durch  ein  auf  der  eigentlichen  Schwelle,  UnterschAvelle ,  in 
Mosaik  ausgeführtes  Salve  den  Eintretenden  zu  begrüssen. 
Solche  Thürschwellen  sind  in  Pom^jeji  gefunden  worden.  S. 
GrORO  v.  Agyagf.  Wand,  durch  Pomp.  S.  V.  [Hin  und  wie- 
der fand  man  Inschriften  über  der  Thüre  oder  am  Hause,  z.B. 
bei  Tabernen,  s.  unten  und  im  2.  Excui\s  zur  4.  Scene.  Eine 
andere  s.  Orelli  Henzen  7287.  hie  hahitat.  iiihil  interet  mali. 
Die  Sprüche  gegen  Feuersgefahr  sind  Thl.  1,  S.  14.  erwähnt.] 

Selbst  über  die  Thüre,  super  linien ,  hing  man  wohl  gar 
einen  Vogel,  der  das  Wort  des  Grusses  sprechen  gelernt  hatte, 
auf.  Petron.  28.  Srrper  Urnen  autem  cavea  pendebat  aiirea,  in 
qua  pica  varia  inirantes  salidabat.  In  dem  Hause  des  Trinial 
chio  ist  allerdings  vieles  zu  finden,  was  anderwärts  nicht  leicht 
vorkommen  möchte,  indessen  gedenkt  der  pica  salutatrur  auch 
Martiai..  VII,  87.  und  XIV,  76.  und  die  Papageyen  lehrte 
man  besonders  das  Wort  yaint.    F*ers.  Prol.  8. 

Die  postes  (s.  Forckllixi  lex.  h.  v.j  hier  im  eigentlichen 


138  Erster  Excurs  zur  z weilen  Sceue. 

»Sinne  als  die  zu  lieiden  Si'iten  stt'lienden  l'liiiipf'()st<'ii  (wiili- 
rend  die  Diehter  das  AVort  liRulip,'  für  die  Tliüre  überliau])t, 
und  selbst  für  valvae  gebrauchen.  »S.  Ge8x.  zu  Claud.  de  raptn 
Pros.  III,  174.),  waren  von  kostbarem  Marmor  oder  auch 
künstlich  geschnitztem  Holze.  [Stat.  Silv.  I,  ;3,  35.  Mauros 
postes.]  Plaut.  Most.  III,  2,  13o  ff.  Simo  sagt  dort:  Tres  mi- 
nas  pro  istis  duohus  praeter  vecfuram  dedi.  Die  hölzernen  wur- 
den auch  ebenso  wie  die  forcs  und  valvae  mit  Schildplatt  be- 
legt. Diese  letzteren,  die  auch  mit  Elfenbein  und  Gold  ver- 
ziert Avurden,  bidlae,  Plaut.  Asin.  II,  4,  20.  cf.  Cic.  Verr.  IV, 
56.,  öffneten  sich  nach  innen,  während  an  öffentlichen  Ge- 
bäuden sie  auswärts  schlugen,  Mas  nur  dem  Poplicola  und  an- 
geblich seinem  Bruder  M.  Valerius  (Ascox.  zu  Cic.  Pis.  22. 
p.  1 3  Orell.)  als  eine  besondere  und  einzige  Auszeichnung  zu- 
gestanden wurde.  S.  Plut.  Poj)lic.  20.  Dionyh.  V,  39.  Plix. 
XXXVI,  1 5,  24.  Dass  dieser  Unterschied  später  nicht  mehr 
Statt  gefunden  habe,  ist  eine  irrige  Meinung  von  Fea  zu 
Winck.  W.  I,  S.  48.  471.  Dig.  VIII,  2,  41.  (Scaevola,  also 
in  Cicero's  Zeit)  steht  zwar:  L.  Titius  aperto  pidriete  domiis 
suae,  quatenus  stilUckUi  rigor  et  tignorum  protectus  coiiipetehat, 
iaimain  in  pi(blico  apieruit.  Allein  hier  ist  gar  nicht  von  dcMU 
Auswärtsschlagen  die  Rede,  sondern  nur  die  Frage,  ob  Titius 
dort  eine  Thüre  habe  durchbrechen  dürfen.  Dagegen  sagt 
DiüXYS.  ausdrücklich  vom  Hause  des  Valerius:  ravzfji,'  riji;  oi- 
•MCii;  —  cd  xXiOKcdi-i;  Ovoai  (ianua)  fionu  täv  ii'  t//  Pojjw//  Ö//jMO- 
ai(x)v  TS  nai  i8ixariy.äv  oi'xcov  (?)  si'g  to  «|w  /ifQog  avoiyovrat.  Vgl. 
Cuiac.  observ.  XIII,  27.  [Ivanoff,  S.  97  f.  macht  Avahrschein- 
lich,  dass  im  Hause  des  Faun  zu  Pomj)eji  die  Thüre  nach 
aussen  aufschlug.]  Anders  Avar  es  bei  den  Tabernen,  die  viel- 
leicht, wie  heutzutage  in  Italien  aus-  und  einwärts  zugleich 
schlugen.  Der  von  Lsid.  Orig.  XV,  7,  angegebene  Unterschied: 
fores  dicimtur,  quae  foras ;  valvae^  quae  intus  revolvuntur.  wird 
durch  den  Gebrauch  in  keiner  Weise  bestätigt.  Die  Thüren 
der  Tempel  öffneten  sich  nach  aussen,  und  doch  nennt  sie  Ci- 
cero valvas  [Cic.  Verr.  I,  23.  IV,  43.  56.  de  div.  I,  34.];  die 
der  Wohnhäuser   nach   innen,   und    doch   heissen  sie  überall 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  ]gO 

fores.  — -  Auch  scheint  der  Unterschied  zwisclien  fores,  Flügel- 
thüren,  und  valvae,  Khippthiiren,  wenig  beachtet  zu  werden. 
Vgl.  Sagitt.  de  ian.  vett.  [Serv.  zu  Verg.  Aen.  I,  453.  Val- 
vae sunt  quae  revolvuntur  et  se  velant.  Isid.  1.  1.  ralvae  — 
dupUces  complicahilesque  sunt.  Es  waren  also  eigentlich  Klapp- 
thüren  zum  Zusammenschlagen  und  bestanden  aus  mehreren 
Abtheilungen,  welche  durch  Metallbänder  zusammenhingen, 
die  den  modernen  ganz  gleich  sind,  cardiues  securiclati,  schwal- 
benschwanzförmige  genannt,  Vitruv.X,  15.  Ivanoff,  S.  101. 
1(>5.  Dergleichen  brauchte  man  in  solchen  Räumen,  Avelche 
nur  durch  die  Thüre  Licht  empfingen  ixnd  viel  Licht  bedurften, 
wie  im  Tablinum  und  grossen  Tabernen.  S.  bei  Tablinum  und 
iu  dem  folgenden  Excurs.] 

Zu  bemerken  ist,  dass  die  Thüren  nicht  wie  bei  uns  in 
den  Angeln  hingen.  Es  befanden  sich  an  der  beweglichen 
Thüre  selbst  keilförmige  Angclzapfen,  welche  in  eine  Höh- 
lung in  der  oberen  uiul  in  der  unteren  Schwelle  {Ihnen  supe- 
ruin  et  mferum)  eingelassen  waren  oder  auch  in  bronzenen 
und  eisernen  Ringen  sich  drehten.  Das  war  namentlich  wohl 
der  Fall  bei  grösseren  Tliüren  und  Thoren.  Daher  sagt  Plin. 
XVI,  40,  77.  Rigorem  fortissime  servat  ulmus,  ob  kl  cardunhus 
crassamentisque  (oder  axamentis)  portaruni  utilissima.  Aber 
auch  bei  den  Thüren  der  inneren  Gemächer  waren  die  car- 
d'ines ,  die  Zajifen  [die;  Enden  der  sog.  scapi  cardinalcs  oder 
Thürschenkel,  Vitruv.  IV,  G,  4  fg.]  an  den  Thürfiügeln,  und 
die  Höhlungen  oder  Ringe  befanden  sich  in  der  Schwelle  oder 
an  den  festen  Seitenj)fosten,  Das  sieht  man  aus  Api'UL.  Met. 
1,  p.  4'J.  fores  ad  pristinuin  statiun  integrae  resurgwit^  cardines 
et  foraniina  resident,  postes  ad  repagula  redeuuf  [und  aus  den 
])ompejanischen  l^cberresten.  S.  Wixckei.max.n,  Sendschreiben 
über  die  hcrcul.  Entdeck.  Dresden  1702.  S.  53.  Aveklino, 
descr.  di  una  casa  jt.  5.  Px'idc  geben  Al)bildungen  erhaltener 
Erzkapscln  (rund  oder  xicrcckig  geformt)  ,,die  inwendig  einen 
spitzigen  Vors])rung  hatten,  um  zu  verliindern,  dass  sich  das 
Holz  in  denselben  nicht  (IicIhii  koiiulc''  Ivanoff,  S.  104  f. 
Weini    Hi:i{T/.i!KU(i,   Rec.  <b-s  (Jallus,   N.  2HI).  S.  -J;'.!»'.)  f>:.  be- 


190  Erster  Ex  eins  zur  zweiten  Scene. 

hauptet,  dass  auch  die  Bäume,  welche  den  Thürflügehi  als 
Axe  dienten  und  aus  denen  die  verlängerten  cardines  hervor- 
ragten, postes  genannt  worden  seien,  und  sich  dafür  auf  Verg. 
Aen.  II,  480.  postesque  n  cardine  vellit  aerato.s.  492.  ianua  et 
ei/ioti  procumbunt  cardhie  postes  beruft,  so  liegt  darin  kein 
schlagender  Grrund;  denn  warum  soll  postes  hier  nicht  s.  v.  a. 
Thüre  überhaujjt  heissen?  Audi  kann  man  nicht  sagen,  dass 
ViTRi;v.X,20.  die  cardhies  als  eine  Verlängerung  der  Pfosten 
betrachte:  postes  compactiles,  praeter  cardines  pedum  novem  ; 
denn  hier  ist  von  den  Stockwerken  einer  testudo ,  nicht  von 
Thüren  die  Rede  und  cardo  ist  einfacli  als  Zapfen  zu  nehmen, 
welcher  sich  an  dem  Ende  eines  Balken  befindet.] 

Die  Thüre  war  den  Tag  über  zwar  geschlossen,  aber  in 
der  Kegel  nicht  verschlossen,  und  die  Fremden  klopfen  bei 
Plautus  nur  der  Schicklichkeit  wegen  an.  Niemand  aber, 
weder  Herr  noch  Sklave  klopft  am  eigenen  Hause ,  auch  Do- 
rippa  und  Syra  nicht,  die  doch  unerwartet  vom  Lande  kom 
men.  Merc.  IV,  1.  Eben  so  wenig  Stichus.  III,  1.  oder  Mnesi- 
loehus,  Bacch.  III,  4.  Ja  Theuropides  wundert  sich,  die  Thüre 
verschlossen  zu  finden.  Most.  II,  2,  14. 

Set  quit  lioc?  occlusa  ianuast  interdius? 
und  ebenso  Dinacium,  Stich.  II,  1,  36.    Q?<?V  hoc^    Orclusam 
ianuam  video.    Darum  befiehlt  auch  Alcesimarchus  besonders, 
dass  sie  verschlossen  werden  soll.   Cist.  IH,  18. 

Ubi  estis,  servi?  occludite  aedes  pessulis^  repagulis, 

Ubi  hanc  ego  tetulero  intra  Urnen. 
Beispiel    verschlossener    Thüren   Appul.  Met.    p.  112  Elm. 
ostium    accedo    et    iayiuam  firmiter    oppessulatam   pulsare    — 
incipio. 

Was  die  Thürklingeln  betrifft,  so  ist  zwar  unleugbar, 
dass  man  sich  der  tintinnabula  bediente,  um  einer  zerstreuten 
Menge  ein  Zeichen  zu  geben,  sich  zu  einem  bestimmten  Zwecke 
zu  versammeln,  und  von  dem  Gebrauche  in  den  Bädern  ist  im 
Excurs  zur  siebenten  Scene  die  Rede;  für  Klingeln  an  der. 
Hausthüren  aber,  durch  welche  die  ausserhalb  Stehenden  den 
lanitor  zum   Ueffnen   veranlasst    hätten,    ist   kein   Beweis   be- 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  191 

kannt.  Auch  die  Stelle  Suet.  Aug-.  91.  Cinii  dedicotam  in 
Capitolio  aedem  Tonanti  lovi  assidue  frequentaret,  somniavit 
queri  Capitolimnn  lovem,  cultores  sibi  abduci,  seque  respondisse, 
Tonantem  pro  ianitore  ei  appositum;  ideoque  mox  tintinnahuUs 
fastigium  aeditt  redimivit,  quod  ea  fere  ianiiis  dependebant.  be- 
weiset es  nicht  gerade  hin,  und  die  Beispiele,  welche  Casau- 
bonus  aus  Dio  Cassiüs  und  Lucian  beigebracht  hat,  sprechen 
nur  davon,  dass  man  durch  das  Läuten  mit  der  Klingel  oder 
Glocke  die  Familie  geweckt  oder  versammelt  habe.  Da  in  der 
Regel  an  der  Hausthüre  ein  lanittn-  .sich  aufhielt,  so  war  auch 
ein  solches  wcütschallendes  Zeichen  nicht  nöthig  und  vermuth- 
lich  bediente  man  sich  auch  nur  der  metallenen  Klopfer  oder 
Ringe,  die  von  den  Griechen  y.()Qwr}„  -/.OQUi,  nömoor  genannt 
wurden.  Charikles  I,  8.  105  fg.  [Man  sieht  sie  deutlich  auf 
einer  Lampe,  welche  die  Flügelthüre  eines  Grabmahls  dar- 
stellt, bei  Passer,  lucern.  lictil.  III.  t.  45.  —  Ueber  das  Ver- 
schliessen  der  Thüren  s.  den  besonderen  Excurs.  Ueber  den 
Schmuck  der  postes  bei  Hochzeiten  s.  S.  20.  —  Sehr  selten 
waren  Thüren  zum  Einfahren,  da  man  in  der  Stadt  nicht  zu 
fahren  pricgte,  s.  den  ersten  Excurs  zur  vierten  Scene;  desto 
häufiger  aber  postica,  kleine  Hinterthüren,  welche  in  eine 
Nebengasse  [angiportus)  führten  und  dem  Wirthschaftsverkehr 
dienten.  Paul.  Diac.  p.  220  M.  posticum  ostium  dicituv  in  po- 
steriore parte  aedium.  Xox.  III,  158.  (vgl.  postici  muri  bei 
Varro  L.  L.  V,  42.)  Plaut.  Stich.  III,  1,  40  ft'. 
est  etiam  hie  ostium 
Aliut  posticum  nostrarum  harunce  aedium  etc. 
HoR.  ep.  I,  5,  31.  S.  FoRCELLLNi  lex.  h.  V.  und  Avelllso, 
descr.  —  la  seconda  p.  30  ff.] 

Uie  Frage,  ob  hinter  der  ianua  eine  Hausflvn-  gewesen, 
oder  ob  man  unmittelbar  durch  dieselbe  in  das  Atrium  getre- 
ten sei,  ist  schwer  zu  beantworten.  Wenigstens  findet  sich 
keine  besondere  Benennung  ilafür  und  \  itruv.  der  VI,  7  (lOj. 
von  der  HausHur  des  griecliischen  Hauses  spricht,  scheint  sie 
fast  als  etwas  diesem  Eigenthümliches  zu  bezeichnen:  hie 
autem  locus  iutcr  duas  ianuas  gi  aecc  lU<n(ontiof  appdlalur.    Im 


\Q2  Erster  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

römischen  erwähnt  er  keine.  Indessen  sagt  Plut.  qu.  lloin. 
111.  wo  er  davon  sj)richt,  dass  an  gewissen  Tagen  das  Haus 
des  Flamen  Dialis  eine  Art  Asyl  gewesen  sei :  810  yjjri'öior  fih' 
t^v  avzov  y.ti^ifii()v  fr  Tol  {IvQCJvi  rtji;  ornKg.  Schon  darum  lässt 
sich  das  Haus  nicht  ohne  Hausflur  denken,  indem  hinter  der 
Thüre  die  cella  o.stiarii  oder  ianitoris  war,  der  doch  nicht  im 
Atrium  angeschlossen  sein  konnte.  Suet.  Vit.  IG.  l'irruox. 
29.  Hier  lag  aucli  der  Hund  mit  der  humanen  Warnung:  eure 
canem.  auch  zuweilen  ein  gemalter  Hund,  wie  Petrok.  a.  a.  C). 
erzählt,  und  wie  man  es  in  Pompeji  im  Hause  des  tragischen 
Dichters  gefunden  hat.  S.  Mus.  Borb.  H.  tav.  50.  Gell,  Pom- 
pei.  1835.  1.  p.  142.  Man  m(5chte  daher  vermuthen,' der  wahr- 
scheinlich nicht  grosse  Raum  von  der  äusseren  Thüre  bis  zur 
ianiia  inferior  [die  jedoch  keineswegs  regelmässig  war]  sei 
unter  dem  Namen  Ostium  begriffen  gCAvesen.  [Isid.  XV,  7. 
caetera  intra  ianuam  ostia  vocantur.  Overbeck,  Pompeji  S. 
189.  n.  Wackerxagel  S.  39.  nannten  diesen  locus  inter  duas 
ianuas  vielmehr  vestibulmn,  Serg.  Ivanoff  a.  a.  O.  nimmt  den 
Namen  faitces  in  Anspruch.  In  diesem  Raum  waren  nicht 
selten  Abzugslöcher,  damit  bei  einem  Regenguss  das  Wasser 
nicht  im  Innern  des  Hauses  stehen  bleiben  möchte  und  dess- 
halb  war  auch  das  Innere  des  Hauses  geMöhnlich  abschüssig 
angelegt,  s,  Avellixo,  descr.  di  una  casa  p.  10.  77.  luid  la 
seconda  p.  12.   Forcell.  lex.  s.  v.  colluviarium.] 

Atrium. 
Die  wichtigste  Frage  bei  der  ganzen  Untersuchung  über 
das  römische  Haus  ist  die,  was  wir  unter  dem  Namcni  atriiim 
uns  zu  denken  haben.  Sie  ist  die  eigentliche  Lebensfrage, 
von  deren  Beantwortung  die  Richtigkeit  jeder  Vorstellung  von 
dem  ganzen  Hause  abhängt,  und  wer  über  das  Atrium  irrt, 
der  muss  nothwendig  einen  falschen  Plan  liefern,  da  von  der 
Lage  und  Beschaffenheit  desselben  die  Anordnung  der  meisten 
übrigen  Theile  abhängig  ist.  Und  gerade  hier  stehen  sich 
zwei  entgegengesetzte  Meinungen  in  verschiedenen  Modifica- 
tionen  gegenüber,   deren  sorgfältiger,   unbefangener  Prüfung 


Die  bauliche  Einrichtung   des  Hauses.  ]93 

sich  der  nicht  entziehen  kann,  der  über  die  Anlage  des  Hauses 
urtheilen  will. 

Die  bei  Weitem  gewöhiftichste  Meinung  ist,  der  Name 
atrium  sei  nur  verschiedene  Benennung  des  sonst  cavum  aedium 
genannten  inneren  Hofes.  Dahin  erklären  sich,  um  Anderer 
nicht  zu  gedenken,  Galiani,  Ortiz,  Kode,  Stieglitz,  Hirt 
[III,  S.  271  ff.  erst  in  der  spätem  Zeit  sei  Atrium  von  dem 
Cavaed.  verschieden  gewesen  und  habe  einen  Vorbau  bezeich- 
net —  was  ganz  unrichtig  ist],  0.  Mueller  (Etrusker.  I,  S. 
255.  und  Archäol.  v.  Welcker  S.  400.),  Marini,  [Marquez, 
Fuss,  Zumpt,  Engelhard.  Overbeck,  Pompeji  S.  190.].  Nicht 
bedeutend  Aveicht  davon  in  der  Hauptsache  die  Erklärung 
Schneiders  [zu  Vitruv.  tom.  II.  p.  432  —  450:  gebilligt  von 
Lersch,  in  Zeitschr.  für  die  Alterthumswiss.  1838.  K.  72.]  ab, 
dass  cavum  aedium  den  ganzen  inneren  Kaum,  atrium  die  be- 
deckten Theile  bezeichne,  während  umgekehrt  Mazois  [auch 
MoMMSEX,  röm.  Gesch.  I,  S.  229.]  s.  unten,  unter  atrium  das 
Ganze,  unter  cavum  aedium  den  in  der  Mitte  des  atrium  lie- 
genden unbedeckten  Raum  versteht.  [Bötticher,  der  Hypä- 
thraltempel.  Potsdam  1817.  S.  6.  19.  hält  wie  Schneider  cavum 
aedium  mit  seinen  Hallen  für  das  Ganze,  atrium  aber  im  eigent- 
lichen Sinne  für  den  unbedeckten  Theil  desselben  (s.  v.  a.  im- 
pluviumj.  Von  diesem  atrium  nun  Labe  das  ganze  cavum 
aedium  den  Namen  erhalten,  ])ars  pro  toto.  Nach  de  Cai- 
MOXT,  Abecedaire  ou  rudiment  d  archeul.  Paris  1853,  S.  4.  ist 
atrium  der  Huf  mit  der  Gallerie  und  den  daran  stossenden 
Zinunern,  cavaedium  aber  nur  die  Gallerie  im  Atrium.  Ueber- 
haupt  hat  dieser  sonst  sehr  verdiente  Archäologe  ganz  ver- 
kehrte Ansichten  über  die  Anlage  des  Hauses.]  —  Diese  An- 
nahme der  Identität  beider  gründet  sich  hauptsächlich  auf 
unrichtig  erklärte  Stellen  aus  Varuo  und  Vitruv  und  den 
AVahn,  da-is  die  Häuser  in  Pompeji  eigentliche  Ati'ien  haben 
müssten.  [Auch  WCstemanx  Kec.  d.  Gall.  S.  13G  f.  stimmt 
rücksichtlich  der  griechischen  Bauart  Pompeji  s  Becker  bei, 
s.  unten,  weicht  aber  sonst  ab,  indem  er  atrium  und  cavaedium 
für  identisch  hält.    Hermann,  Kec.  d.  Gall.  S.  71(5  f  jtHichtct 

Ukckek,  Gallua.    :i.  AuH.  II.  I  ;j 


J94  Erster  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

im  Ganzen  Becker  bei,  mit  der  Modifikation,  dass  schon  in 
Cicero's  Zeit  auch  römische  Häuser  die  griechische  Bauart 
angenommen  hätten,  wo  das  Cavaedium  an  die  Stelle  des 
Atrium  getreten  sei.  Ganz  unbegreiflich  ist,  wie  Stjer,  Pomjieji 
S.  34.,  welcher  auch  die  Identität  von  cavum  aed.  und  atrium 
anzunehmen  geneigt  scheint,  sagen  kann:  ,, Becker  und  Kein 
verstehen  unter  cavaedium  den  Hof,  unter  atrium  den  Gang, 
den  wir  oben  anclron  nannten,  unter  alae  Parallelhallen  des 
letztern."  Davon  stand  im  Gallus  auch  nicht  eine  Silbe,  und 
es  gilt  davon  dasselbe,  wie  von  der  Aeusserung  auf  S.  43.,  dass 
das  Pompeianum  in  Aschaff'enburg  eine  treue  Nachahmung 
der  Villa  des  M.  Arrius  Diomedes  sei!]  Die  Hauptstelle, 
gleichsam  das  Palladium  aller  Verfechter  dieser  Meinung,  ist 
bei  Varro  Ling.  Lat.  V,  161.  Cavum  aed  in  in  dictum^  qui 
locus  tectus  intra  parietes  relinquehatur  paüdiis,  qid  esset  ad 
communem  omnium  usum.  In  hoc  locus  si  nidlus  relictus  erat, 
suh  divo  qui  esset j  dicehatur  testudo  a  testudinis  simiUtudine^  ut 
est  in  Praetorio  in  castris.  Si  relictum  erat  in  medio  ut  lucevi 
caperet,  deorsum,  quo  impluebat,  impluviuvi  dictum,  et  sursum, 
qua  compluebat^  compluvium:  utrumque  a  jjluvia.  Tuscani- 
cum  dictum  a  Tuscis,  posteaquam  illorum  cavum  aedium  sirnu- 
lare  coeperunt.  Atrium  appellatum  ah  Atriatibus  Tuscis;  illiyic 
enim  exemplum  sumtum.  162.  Circum  cavum  aedium  erant 
uniuscuiusque  rei  idiütatis  causa  parietibus  dissepta:  ubi  quid 
conditum  esse  volebant,  a  celando  cell  am  oppellariaä;  pena- 
riam  ubi  penus;  ubi  cubabant  cubiculum ;  ubi  cenabant  ce- 
naculum  vocitabant  etc.  Die  vorzüglich  hierher  gehörigen 
Worte:  Atrium  appellatum  etc.  übersetzt  man  nun  so:  Atrium 
wurde  es  (nämlich  das  cavum  aedium)  genannt.  Es  fragt 
sich,  mit  welchem  Kechte?  Varro  erklärt  die  Benennungen 
aller  einzelnen  Theile  des  Hauses  und  weiset  ihre  Etymologie 
nach.  Er  erklärt,  wie  vorher  domus  und  aedes  und  nachher 
tablinum  etc.,  die  Xamen:  cavum  aedium  und  dessen  Species: 
testudinatum,  Tuscanicum,impluvium.  compluvium.  atrium.  cella. 
penaria.  cubicidum.  coenaculum.  Was  berechtigt  uns  aber 
irgend,  den  Namen  atrium  auf  das  cavum  aedium  zu  beziehen? 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  195 

Was  hindert  uns,  nicht  vielmehr  zn  übersetzen:  Das  Atrium 
hat  seinen  Xamen  von  den  Atriaten?  Im  Gegentheile 
ist  Varro  mit  Erklärungen  des  cavum  aedium,  seiner  Species 
und  Theile  fertig  und  geht  nun  zum  atrium  über.  Dass  darauf 
das  cavum  aedium  noch  einmal  erwähnt  wird,  beweiset  keines- 
weges,  dass  er  bis  dahin  davon  gesprochen  habe;  denn  wie 
wollte  er  die  Lage  der  cellae  anders  angeben?  [Auch  wird  man 
nicht  behaupten  wollen,  dass  die  Vorrathskammern  das  Atrium 
umgeben  hätten,  da  sie  bekanntlich  den  innern  Räumen  ange- 
hörten.] In  dieser  Stelle  liegt  also  durchaus  kein  Beweis  für 
die  Identität  des  atrium  und  cavum  aedium,  sondern  sie  spricht 
vielmehr  dagegen. 

Sodann  beruft  mau  sich  auf  Vitruv,  der  mehrmals  cavum 
aedium  und  atrium  für  einen  und  denselben  Kaum  gebraucht 
haben  soll.  Ich  übergehe  das  auch  von  Marini  wieder  aufge- 
tischte Argument,  welches  man  aus  den  Worten  VI,  3,  1.  in 
atrii  latitudine  entnimmt.  Schneider  hat  schon  hinlänglich  ge- 
zeigt, dass  es  absurd  sein  würde,  zu  sagen  in  atrii  latitudine 
statt  in  latitudine^  wenn  atrium  das  cavum  aedium  selbst  be- 
deutete. Allein  eine  andere  Stelle  hat  mehr  Scheinbarkeit. 
Vitruv.  sagt  c.  8  Stratic.  (Schneid,  und  Marin  5.):  er  wolle 
angeben,  quibus  rationibus  privatis  aedißciis  propria  loca  patri- 
bus  familiarum  et  quemadmodum  communia  cum  extraneis  aedi- 
ficari  debeant.  Namque  ex  his  quae  propria  sunt,  in  ea  non  est 
potestas  Omnibus  introetmdi,  nisi  invitatis;  quemadmodum  sunt 
cubicula,  triclinia,  balneae  ceteraque,  quae  easdem  habent  usus 
rationes.  Communia  autern  sunt,  quibus  etiam  invocati  suo  iure 
de populo possunt  venire,  i.  e.  vestibula,  cava  aedium,  peri- 
stylia,  quaeque  eundem  habere  possunt  usum.  Igitur  his,  qui 
communi  sunt  fortuna,  non  necessaria  magnißca  vestibula,  nee 
tablina^  neque  atria,  quod  etc.  Da  folgert  man  nun,  weil 
das  erste  Mal  cava  aedium  genannt  sind,  das  zweite  Mal  atria, 
dieses  stehe  für  Ersteres.  Der  Schluss  ist  ganz  falsch.  Erst- 
lich steht  der  Satz:  Igitur  his  etc.  gar  nicht  im  Verhältnisse 
der  Folgerung  mit  dem,  was  unmittelbar  vorhergebt.  Dort 
hat   ViTKUV    nur  erklärt,  was  er  propria  und  communia  loca 


196  Erster  Excurs  zur  zweiten  Seene. 

nenne.  Nun,  indem  er  den  Uebergang  mit  igitur  macht,  be- 
ginnt er  die  oben  angekündigten  Vorsclirifteu,  wie  jeder  sei- 
nem Stande  und  Geschäfte  angemessen  das  Haus  anlegen  solle. 
—  Wenn  aber  auch  eine  xiumittelbare  Verbindung  der  Sätze 
Statt  fände,  würde  doch  nicht  daraus  folgen,  dass  atria  für 
Cava  aedium  stehe.  Denn  Vitruv  hat  ja  nicht  alle  loca  com- 
inunia  nennen  wollen,  und  sagt  selbst:  quaeque  eundem  jjossunt 
habere  usuin.  Und  hier  nennt  er  tablina,  die  keineswegs  unter 
die  loca  cummunia  gehörten,  wohl  aber  unter  die,  welche  der 
gemeine  Mann  nicht  braucht,  weil  er  keine  tabulas,  Codices, 
mönumenta  rerum  gestarum  in  magistratu  aufzubewahren  hatte. 
Dahin  gehören  nun  ebenfalls  die  atria.,  die  oben  auch  nicht 
genannt  Avaren.  Wie  aber  auch  die  cava  aedium  hätten  weg- 
fallen können,  ist  nicht  zu  begreifen;  denn  was  wäre  dann  vom 
ganzen  Hause  geblieben?  —  Dagegen  sagt  Viteuv  c.  4.  oder 
3,  3.  nachdem  er  den  Bau  der  verschiedenen  Cavädien  be- 
schrieben hat:  Atriorum  vero  longitudines  et  latitudines  tribus 
generibus  formantur.  und  setzt  damit  die  atria  den  cavis  aedium 
entgegen.  Denn  sonst  hätte  er  sagen  müssen :  Latitudines  vero 
atriorum.  [Vitruv  unterscheidet  hier  drei  symmetrische  Ab- 
stufungen der  Länge  und  Breite,  nämlich  wo  die  Breite  2/5 
und  2/3  der  Länge  beträgt  und  endlich,  wo  sich  die  Breite  zur 
Länge  wie  eine  Seite  des  gleichseitigen  Quadrats  zu  der  Dia- 
gonale desselben  verhält.  Die  Höhe  aber  solle  regelmässig  ^j/^ 
der  Länge  betragen.  Hier  sieht  man  klar,  dass  Vitruv  nur 
bedeckte  Atrien,  nicht  offene  Cavädien  mit  vier  bedeckten 
Seiteuhallen  im  Sinne  hatte;  denn  wollte  man  letzteres  anneh- 
men (nach  der  gewöhnlichen  Ansicht  von  der  Identität  der 
Atrien  und  Cavädien),  so  würden  die  absurdesten  Proportionen 
entstehen.  Z.  B,  bei  einem  Atrium  von  80'  Länge  und  531/3' 
Breite  (die  Breite  zu  2/3  der  Länge  gerechnet)  müsste  das  Im- 
pluvium  doch  1/3  der  Breite  und  eben  so  viel  jede  Halle  er- 
halten (d.  i.  jeder  17 '^/g'  Breite).  Wie  würden  dazu  60'  Höhe 
passen?  Oder,  wenn  das  Atrium  40'  lang  und  24'  breit  wäre 
(zu  3/5  der  Länge),  so  müsste  das  Impluviimi  doch  wenigstens 
6'  (*/4  der  Bi-eite)  und  jede  der  beiden  Seitenhallen  9'  Breite 


Die  bauliche  Einrichtung-  des  Hauses.  197 

erhalten.  Wie  vertrüge  sich  damit  die  normale  Höhe  von  30', 
zumal  da  Vitruv  selbst  über  die  Säulenhöhe  sagt  VI,  3,  7. 
columnae  tarn  altae  quam  porticus  latae  fuerint.  Üebrigens 
treffen  die  von  Vitruv  angegebenen  Verhältnisse  mit  den  in 
Pompeji  gefundenen  ganz  überein,  z.  B.  im  Hause  des  Pansa 
ist  das  Atrium  47'  4  Zoll  lang  imd  31'  6  Zoll  breit,  also  zu  ^/ß. 
—  Auch  zeigt  Vitruv  VI,  7.  die  richtige  Ansicht:  Atriis 
Graeci  qiiia  non  utuntur  neque  aedißcant,  wie  Becker  in  der 
ßecension  der  römischen  Alterthümer  von  Rupert!  bemerkt 
hat.  Die  römischen  Atrien  Avaren  demnach  von  der  griechi- 
schen avXij  ganz  verschieden,  denn  avlt^  war  s.  v.  a.  cavum 
aedium.  Wären  atrium  und  cavum  aedium  gleich  gewesen,  so 
hätte  Vitruv  diese  Aeusseruug  nicht  thun  können.] 

Nehmen  wir  nun  andere  Beweise  für  die  Verschiedenheit 
hinzu.  Quixctilian  sagt  von  den  Mnemonikern,  welche  sich 
die  Localität  eines  Hauses  einprägen  wollen,  Inst.  or.  XI,  2, 
20.  Prhnum  se?isum  [vel  locum]  vestibulo  quasi  assignant,  se- 
cundwa  atrio,  tum  impluvia  circumeunt,  nee  cubiculis  modo  aut 
exedris^  sed  statuis  etiam  simiUbusque  per  ordinem  committunt. 
Was  ist  hier  circiimire  impluvia  anders,  als  in  den  bedeckten 
Gängen  um  das  impluvium  umhergehen,  von  wo  aus  die  Thü- 
ren  nach  den  verschiedenen  Gemächern  tuluen,  und  avo  in  den 
Intercolumnien  Statuen  stehen.  (Cic.  Verr.  I,  19.  23.)  —  Se- 
KECA  sagt  epist.  55.  von  zwei  künstlichen  Grotten  in  der  Villa 
des  Vatia:  Speluncae  sunt  duae  magni  operis,  laxo  atrio  pu- 
res, manu  factae ;  qiiarum  altera  solem  non  recipit,  altera  usquK 
in  occidente.m  tenet.  Was  haben  aber  Grcjtten  für  Aehnlichkeit 
mit  einem  cavum  aedium,  dessen  innerer  Kaum  unbedeckt  war. 
Oder  dachte  Seneca  vielleicht  an  ein  testndinatumf  Aber  diese 
waren  nie  laxa,  sondern  im  Gcgentheile  ubi  non  erant  riuigni 
impetus.  Vitr.  c.  3.  [Diese  Stelle  Seneca's  ist  von  keinem 
Gewicht;  denn  wir  können  uns  das  atrium  doch  nicht  so  bedeckt 
vorstellen,  als  Bkcker  will.  Zweifelhaft  ist,  ob  Vekgil.  Aen. 
II,  483  ff.  einen  Gegen.satz  zwischen  Atrium  und  dem  cavum 
aedium  in  der  domus  interior  aussprechen  wollte: 


J^98  Erster  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

Apparet  domus  intus  et  atria  longa  patescunt, 
Apparent  Priami  et  veterum  penetralia  regum, 
Armatosque  vident  stantes  in  limine  primo. 
At  domus  interior  gemitu  miseroque  tmnultu 
Miscetui'  penitusque  cavae  p>l(i-^^gorihus  oedes 
Femineis  idulant.] 
Endlicli  giebt  uns  Plinius  epist.  II,  17.  eine  Beschreibung 
seiner  villa  Lauventina,  die  städtiscli  gebaut  war,  und  wo 
atriwn  und  cavaedium  gänzlich  von  einander  verschieden,  ja 
getrennt  erscheinen.  Er  sagt:  Villa  —  in  cuius  prima  parte 
atrium  frugi,  nee  tarnen  sordidum:  deinde porticus  in  D  (oderO) 
literae  similitudinem  circumactae,  quibus  parvula,  sedfestiva  area 
includitur.  —  Est  contra  medias  cavaedium  hilare,  mox  tricli- 
nium  satis  pulcrum,  quod  in  litus  excurtnt.  —  Undique  valvas 
aut  fenestras  non  minores  valvis  habet^  atque  ita  a  lateribus  et  a 
fronte  quasi  tria  maria  prospectat;  a  tergo  cavaedium,  porticum, 
aream,  porticum  rursus,  mox  atrium,  Silvas  et  longinquos  respi- 
cit  montes.  Gelegentlich  sei  bemerkt,  dass  Schneider  die 
Stelle  ganz  missversteht,  indem  er  glaubt,  dass  hinter  dem 
oecus  Cycizenus  dieselben  Piecen  in  umgekehrter  Ordnung 
gelegen  hätten,  also  alle  dojDj^elt,  und  so  ein  Atrium  an  beiden 
entgegengesetzten  Endpunkten  gewesen  sei.  Aber  das  Tricli- 
nium  reichte  ja  bis  ans  Meer,  und  nur  rückwärts  sah  man 
durch  alle  diese  Räume  hindurch.  —  Weil  nun  hier  atrium 
und  cavum  aedium  von  einander  getrennt  sind,  hat  man  sich 
nicht  anders  zu  helfen  gewusst,  als  anzunehmen,  zu  Plinius 
Zeit  sei  das  atrium  etwas  ganz  anderes  gewesen  als  zu  Vitruvs 
Zeit!  Schneider  führt  dafür  die  Worte  aus  der  Beschreibung 
der  zweiten  Villa,  des  Tusculanum  an,  epist.  V,  6.  Multa  in 
hac  membra;  atriwn  etidm  ex  more  maiorum.  und  meint,  hier 
sei  ein  Atrium  nach  alter  Bauart,  im  Laurentinum  dagegen 
eines  novo  more.  [Ganz  richtig!]  Aber  aus  den  Worten  ex 
more  maiorum  lässt  sich  höchstens  scliliessen,  dass  es  zu  Plinius 
Zeit  nicht  mehr  gebräuchlich  war,  Atrien,  wenigstens  in  den 
Villen,  zu  bauen.  —  Solche  Hypothesen,  die  nur  geschaflFen 


Die  bauliche  Einrichtung  d  e  s  H a u  s e  s.  X99 

sind,  um  eine  eigensinnig  festgehaltene  Meinung,  die  man 
nicht  rechtfertigen  kann,  zu  unterstützen,  verdienen  eigentlich 
gar  keine  Beachtung.  —  Uebrigens  weicht  Plinius'  Villa  von 
der  Angabe  Vitruvs  ab.  Dieser  nämlich  sagt  VI,  5,  3.  Earum 
autem  verum  non  solum  erunt  in  urhe  aedificiorum  rationes,  sed 
etiam  ruri,  praeterquam  quod  in  urhe  atria  proxima  ianuis  so- 
lent  esse,  ruri  vero  pseudourbanis  statini  peristyVia,  deinde  tunc 
atria  hahentia  circian  porticus  pavimentatas  (so  ist  zu  lesen, 
wie  auch  or.  p.  dom.  44.  hat)  spectantes  ad  palaestras  et  am- 
bulationfs. 

Es  bleibt  nur  eine  sehr  schwierige  Stelle  übrig  —  denn 
was  Festus  [Paul.  Diac.  p.  13.]  sagt:  Atrium  proprie  est 
genus  aedificii  ante  aedem,  continens  mediam  aream;  in  quam 
collecta  ex  omni  tecto  pluvia  descendit.  ist,  wie  Sehneider  selbst 
bemerkt,  durchaus  falsch,  und  zeugt  von  einer  ganz  unklaren 
Voi-stellung,  auch  vermuthlich  einer  Verwechselung  mit  vesti- 
bulura,  s.  oben  b.  Gellius.  Zu  Festus  Zeit  mochten  freilich 
wohl  die  alten  Atrien  ganz  ausser  Gewohnheit  gekommen 
sein;  denn  schon  nach  dem  grossen  Brande  unter  Nero  nah- 
men die  Häuser  eine  ganz  andere  Gestalt  an.  Suet.  Ner.  16. 
[An  dieser  Unklarheit  ist  jedoch  Festus  ganz  unschuldig, 
sondern  sie  rührt  vermuthlich  allein  von  dem  Epitomator 
Paulus  her.  Festus  hat  sicherlich  gesagt,  das  atrium  be- 
finde sich  in  dem  vorderen  Theil  des  Hauses  und  enthalte 
mediam  aream,  d.  h.  das  offene  impluvium,  wie  es  später  ganz 
allgemein  war.  Paulus  verderbte  die  Stelle  und  machte  aus 
anterior  pars  aedium,  anterior  domiis  oder  dergl.  das  sinnlose 
ante  aedes.  Abgesehen  von  diesen  Worten  enthält  das  Ex- 
cerpt  nichts  Unrichtiges.]  —  Jene  zum  Thcil  verderbte  Stelle 
aber  ist  bei  Plin.  H.  N.  XIV,  1,  3.  Kadern  (vites)  modici  ho- 
minis altitudine  adminiculatae  sudibus  horrent  vineamque  fa- 
ciunt^  et  aliae  improho  reptatu  pampinorumque  superfluitate, 
peritia  domini  amplo  discursu  atria  media  coinplentes. 
Plinils  will  offenbar  eine  ausserordentliche  Wucherkraft  be- 
sclucibon  und  die  beiden  Gränzpunkte  des  Wachsthums  an- 
geben.    Es  fragt  sich  nun,  ob  es  das  Aeusserste  ist,  wenn  ein 


200  Erster  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

Weinstock  ein  ganzes  impluvium,  denn  dafür  nimmt  man  wohl 
atria  media,  überzieht.  Er  hat  vorher  schon  gesagt:  populis 
niibunt  —  atque  per  ramos  —  scandentes  cacurnina  aeqncmt,  in 
tantum  sublimes,  ut  vindemiator  auctoratus  rogum  ac  tumulum 
excipiat.  Nidlo  fine  crescunt,  dividique  cnit  polius  avelU  ne- 
queunt.  Villas  et  domos  amhiri  singularum  palmitihus  ac  se- 
quacihus  Joris  memoria  dignwn  inter  prima  Valerianus  quoque 
Cornelius  existimavit.  Una  vitis  Romae  in  Liviae  porticibiis 
subdiales  inambulationes  umbrosis  pergidis  opacat,  eadem  diio- 
denis  musti  aiuphoris  foecunda  etc.  Nach  so  ausserordenth'chen 
Beispielen  ist  es  etwas  sehr  Unbedeutendes,  wenn  ein  Wein- 
stock ein  impluvium  überzieht.  Nehmen  wir  einmal  an,  atrium 
sei  so  viel  wie  caviim  aedium ,  und  denken  wir  uns  ein  grös- 
seres Atrium  von  60'  Länge,  so  war  dessen  Breite  nach  Vitr. 
40'.  Der  unbedeckte  Kaum  erhielt  dann  höchstens  1/3  der 
Breite:  ne  minus  quarta,  ?ie  plus  tertia  parte,  also  etwa  13' 
Breite,  bei  20'  Länge,  was  den  höchst  unbedeutenden  Flächen- 
inhalt von  65  D  Ellen  giebt.  Was  ist  darin  Ausserordentliches? 
—  Sodann  möchte  man  fragen,  was  nun  eben  für  eine  beson- 
dere peritia  domini  dazu  gehört  habe,  da  pergulae  allenthalben 
gewöhnlich  waren?  Ueberdiess  ist  das  Wort  gerade  in  dieser 
Verbindung,  peritia  domini,  besonders  auffällig;  denn  die  Re- 
ben so  zu  ziehen  war  doch  wohl  das  Geschäft  des  Viridarius, 
nicht  aber  des  Herrn.  —  Diese  Bedenken  müssen  gegen  die 
Stelle  sehr  misstrauisch  machen ;  überdiess  variiren  die  Hand- 
schriften sehr,  und  mehrere  haben  ohne  Sinn:  pampinorumque 
peritiam  damna  reptatu  a.  m..  c,  so  dass  man  glauben  darf,  es 
sei  in  diesen  corrupten  Worten  etwas  ganz  anderes  zu  suchen. 
(Viell.  jyer  itinera  domusf)  [Hertzberg,  Kecens.  S.  2300. 
conjicirt  jjernicie  domuum ,  indem  die  Reben  im  impluvium, 
welche  sich  durch  die  Zwischenwände  durchdrängen  und  im 
atrium  wieder  zum  Vorschein  kommen,  die  Wände  auflockerten 
und  verdürben.  —  Dass  die  Stelle  corrupt  ist,  unterliegt 
keinem  Zweifel ,  allein  die  beiden  Conjecturen  Beckers  und 
Hertzbergs  sind  verfehlt,  wie  hier  nicht  näher  gezeigt  wer- 
den kann.  Auch  geht  Becker  von  dem  falschen  Gesichtspunkt 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  201 

aus,  dass  Plinius  die  ausserordentliche  Wncherkraft  beschrei- 
ben wolle  und  dass  nur  von  einem  Weinstock  die  Rede  sei. 
Die  Absicht  des  Plinius  liegt  in  den  folgenden  Worten:  Tot 
differentias  vel  sola  tantum  Italia  recipit.  Er  will  also  nur  zei- 
gen, wie  verschieden  der  Weinstock  in  Italien  wachse  und 
beginnt  mit  den  am  höchsten  steigenden,  schildert  sodann  die 
an  Pfählen  wachsenden  {hominis  altitud.)  und  zuletzt  die  in 
dem  Impluvium  wahrscheinlich  am  Fuss  der  Säulen  hin 
wuchernden  Stöcke.  Ueber  die  W.  imjjrobo  raptatu  vgl.  Cic. 
Cato  m.  15.  midtiplici  lapsu  et  erratico.  —  Am  meisten  Wahr- 
scheinlichkeit hat  die  scharfsinnige  Emendation  des  Hrn.  Hofr. 
Bergk,  durch  freundschaftliche  Mittheilnug  desselben  an  mich 
gelangt.  Er  erkennt  in  den  corrupten  Worten  peritia  domini 
das  trefflich  Passende:  peristylia  domus.  Zugleich  verwandelt 
er  aivplo  in  amplae,  schiebt  et  vor  atria  ein  und  schreibt  coia- 
plent,  wie  unstreitig  gelesen  Averden  muss.  Xur  discursu  er- 
regt dann  uocli  Bedenklichkeit.  Eine  andere  weniger  entspre- 
chende Conjectur  ist:  super  (statt  qua  superßuitate)  peristylia 
domus  amplae  discursu  atria  media  comjjlentes.]  In  keinem 
Falle  aber  wird  man  durch  diese  dunkle  Stelle  die  klaren  Ar- 
gumente für  die  gänzliche  Verschiedenheit  des  atrinm  und 
cavum  aedium  entkräften  köinien. 

Xoch  ist  zweierlei  nicht  zu  übersehen.  Erstlich  stand  in 
dem  Atrium  der  lectus  genialis  oder  adversus,  so  genannt,  weil 
dieses  symbolische  Brautbott  der  ianua  ex  adverso  stand.  S. 
die  Erklärer  zu  Prop.  IV,  11,  85.  Obbarius  zu  Hör.  epist.  I, 
1,  87.  p.  9-2.  und  oben  S.  (j.  26.  [Lipsiu.s  elect.  I,  17.]  Wo 
sollen  wir  uns  diesen  lectus  denken,  wenn  das  Atrium  der 
innere  Hof  war?  —  Zweitens  standen  vetcre  more  im  Atrium 
die  Webstühle,  telae^  der  dort  arbeitenden  Sklavinnen.  Ascon. 
zu  Cic.  Mil.  5.  Omni  vi  ianua  expugnata  et  imagiiies  maiorum 
deiecerunt  et  lectulum  adversum  uxoris  eins  Corneliae ,  cidus 
castitas  pro  exemplo  habita  est^  fregerunt^  itemque  telas,  (juae 
ex  vetere  more  in  atrio  texebantur,  diruerwü.  [S.  S.  7. 
und  Lami'K.  Sev.  Alex.  13.]  Diese  hätten  aber  in  den  Gängen 
um  das  Impluvium  schwerlich  Platz  tiiidcn  kimnen,  zumal  (hi 


202  Erster  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

von  dort  aus  die  Tliüreu  in  die  verschiedenen  Cellen  und  Cu- 
bicula  führten. 

Noch  zwei  Bemerkungen  mögen  der  Schneiderschen  Er- 
klärung besonders  entgegengesetzt  werden.  Erstlich  wäre  für 
die  vier  Gänge  oder  Hallen,  die  das  Implnvium  umgaben, 
atjHum  eine  sonderbare  Gesammtbenennung  gewesen;  dann 
aber  passen  bei  dieser  Annahme  alle  von  Vitruv  angege- 
benen Verhältnisse  nicht  mehr.  Denn  das  Implnvium  war 
länger  als  breit,  folglich  auch  zwei  der  Gänge.  Nach  der  Länge 
bestimmte  sich  die  Breite;  also  wären  auch  je  zwei  Gänge 
breiter  oder  schmäler  gewesen.  —  Oder  soll  der  ganze  Raum, 
das  Impluvium  in  der  Mitte,  gemeint  sein,  so  entsteht  eine 
andere  Inconvenienz.  Vitruv  spricht  von  Atrien  von  30' 
Länge,  also  20'  höchstens  Breite.  Davon  geht  1/3  für  das  Im- 
plnvium ab.  So  bleiben  auf  jeder  Seite  nnr  6-/3'  für  den 
Gang!  [Vgl.  oben.]  —  Doch  man  muss  cap.  3 — 10  in  Vitruv 
ganz  nachlesen,  nm  alle  die  Widersprüche  zu  finden,  die  bei 
der  gewöhnlichen  Erklärung  entstehen. 

Es  scheinen  daher  Newton  und  nach  ihm  Stratico  [am 
ersten  Grapaldus,  de  partibus  aedium  p.  8.  11.,  in  neuester 
Zeit  Raoul-Rochette,  choix  d'edifices  etc.,  sowie  Krause  in 
Pauly,  Eealencykl.  I,  S.  925.  u.  Ruperti,  röm.  Alterthüm.  I, 
S.  277  ff.]  mit  vollem  Rechte  anzunehmen,  atrium  sei  ein  von 
dem  caviim  aedium  ganz  verschiedener  Theil  des  Hauses.  Es 
ist  der  erste  oder  vorderste  (^proxima  ianuis.  Vitr.  c.  8.  [vgl. 
QuiNCT.  XI,  2,  20.  Val.  Max.  V,  8,  3.  in  prima  aedium  parte, 
ebenso  Sen.  de  ben.  III,  28.  Verg.  Aen.  II,  485.  primo  limine.] 
und  zugleich  der  grösste  bedeckte  Saal  im  Hause,  wovon  so- 
gleich bei  Erklärung  der  alae  mehr  gesagt  werden  soll. 

Die  Etymologie  des  Namens  atrium  wird  sehr  verschieden 
angegeben.  Varro  leitet  ihn,  wie  wir  oben  sahen,  von  den 
Atriaten  ab,  was  schwerlich  einen  anderen  Grund  als  die  zu- 
fällige Aehnlichkeit  des  Namens  haben  mag,  etwa  wie  Festus 
histrio  von  Histria  herkommen  lässt.  Festus  giebt  daneben 
noch  an:  vel  quia  a  terra  oriatiir,  quasi  aterreum.  Als  wenn 
nicht  das  ganze  altrömische  Haus  ein  Erdgeschoss  gewesen 


Die  bauliche  EiDi-ichtung  des  Hauses.  203 

wäre!  Servils  zu  Aen.  I,  730.  leitet  es  gar  vom  Eauclie  ab: 
atrum  enim  erat  ex  fumo.  [Auch  Isidor.  XV,  3.  erwähnt  diese 
Ableitung,  sagt  aber  vorher;  dictum  est^eo,  quod  addantur  ei 
tres  porticus  extrinsecus.  Dass  atrium  von  ater  abzuleiten  sei 
u.  s.  V.  a.  schwarzer  Saal  bedeute,  billigen  Schwegler,  röm. 
Geschichte  I,  S.  275.  Mommsen,  röm.  Gesch.  I,  Ö.  229.  Weiss, 
Costümkunde  II,  S.  1168.  Jedenfalls  ist  diese  Ableitung  einer 
griechischen  vorzuziehen,  \orausgesetzt,  dass  man  nicht  so- 
wohl an  die  durch  den  Rauch  verursachte  Schwärze  denkt, 
als  an  die  Dunkelheit  des  Kaums  überhaupt ,  wie  es  bei  einer 
verhältnissmässig  kleinen  Lichtöft'nung  nicht  anders  möglich 
ist.]  Die  seltsamste  Erklärung,  mit  der  es  dem  gelehrten  Herrn 
Verfasser  kaum  Ernst  sein  kann,  giebt  Ottfr.  Mueller, 
Etrusk.  I,  S.  256.  Er  sagt  mit  Bezug  auf  Varro's  Etymologie: 
„Wie  der  Atrias  am  adriatischen  Meer  ursprünglich  das  Land 
der  zusammenfliessenden  Ströme  (Athesis,  Tai'tarus,  Padus 
u.  s.  w.)  und  der  Sammelplatz  aller  Gewässer  Ober -Italiens 
ist:  so  ist  das  Atrium  der  Theil  des  Hauses,  wo  das  Wasser, 
welches  auf  das  Dach  herabregnet,  im  compluvium  und  implu- 
vium  zusammenfliesst."  Sie  fallt  ohnehin,  wenn  atrium  nicht 
dasselbe  ist,  was  cavum  aedium.  —  Die  gewöhnlichste  An- 
nahme ist,  dass  es  von  ai'&Qiov  stamme,  und  das  ist  nicht  un- 
passend; denn  das  Atrium  hatte  in  der  Decke  eine  weite 
OefFnung,  lumen^  durcli  welche  das  Licht,  wie  auch  in  anderen 
Theilen  des  Hauses,  von  oben  hereinfiel.  S.  Vitruv.  VI,  4. 
(3,  6  Sehn.)  WiNt'KELM.  W.  I,  S.  551.  —  Wenn  indessen  ein 
griechischer  Stamm  angenommen  werden  soll,  so  Avürde  ich 
eher  glauben,  dass  es  so  viel  sei  als  aitnöuv ,  denn  es  ist  der 
Theil  des  Hauses,  wo  die  ganze  Familie  sich  versammelte,  ge- 
meinschaftlich sich  aufhielt,  arbeitete,  auch  in  früherer  Zeit 
sj)eisete.  Indessen  ist  es  sehr  gewagt,  bei  solchen  der  ältesten 
Zeit  angehörenden  Worten  über  die  Etymologie  entscheiden 
zu  wollen,  da  oft  ein  Stamm  zu  Grunde  liegen  mag,  den  wir 
gar  nicht  ahnen  können.  [Aus  der  scharfsinnigen  und  gründ- 
lichen Beweisführung  Beckers  geht  auf  das  Entschiedenste 
hervor,    dass   atriuvi   und   cavum    aedium    zwei    verschiedene 


204  Erster  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

Theile  des  Hauses  waren  und  dass  das  erste  unserem  Saal, 
das  zweite  unserem  Hof  entspricht.  Aber  Becker  geht  zu  Aveit, 
indem  er  die  Zeiten  nicht  unterscheidet  und  das  Atrium  für 
immer  als  oben  geschlossen  annimmt,  oder  wenigstens  nur 
eine  Dachöffnung,  lumen,  zulässt.  Da  sich  nun  aber  mit  dieser 
Theorie  keines  der  in  Pompeji  ausgegrabenen  Gebäude  zu 
vertragen  schien,  so  wird  Becker  zu  einem  anderen  Irrthum 
geführt,  nämlich  dass  er  den  in  Pompeji  sogleich  hinter  dem 
Ostium  regelmässig  befindlichen  offenen  Raum  nicht  für  ein 
Atrium,  sondern  für  das  cavum  aedium  erklärt,  obgleich  dann 
die  pompejanischen  Häuser  gewöhnlich  mehrere  Cavädien 
und  niemals  ein  Atrium  gehabt  haben  müssten.  —  Wenn  Avir 
aiTch  zugeben  wollen,  dass  der  arme  Städter  und  der  Land- 
mann kein  Atrium  brauchten,  so  müssen  wir  doch  in  dem 
Hause  des  nur  einigermaassen  Bemittelten  regelmässig  ein 
Atrium  annehmen,  da  dieser  Kaum  als  der  ursprüngliche  Sitz 
und  Mittelpunkt  des  gesammten  häuslichen  Lebens  anzusehen 
ist  (etwa  wie  die  Schlosshalle  des  mittelalterlichen  Ritters) 
nnd  da  sich  die  wichtigsten  Lebensmomente  von  der  Wiege 
bis  zur  Bahre  an  diesen  Saal  knüpfen.  Auch  die  Pompejaner 
können  denselben  nicht  entbehrt  haben,  und  wenn  sie  ihm 
später  eine  andere  mehr  hofähnliche  Fm-m  gaben,  so  folgt  dar- 
aus nicht,  dass  das  Atrium  dem  Hofe  habe  weichen  müssen, 
sondern  dass  sich  mit  der  Veränderung  ihrer  Bestimmung 
auch  die  Form  der  Atrien  überhaujjt  verändert  habe.  Die 
Richtigkeit  des  Gesagten  wird  sich  aus  Folgendem  ergeben. 
In  dem  alten  Atrium  stand  der  Heerd  {foctts)^  welcher  sowohl 
dem  profanen  Zwecke  der  Zubereitung  der  Speisen  diente, 
als  die  schützenden  Laren  und  Penaten  trug.  Schol.  zu  Hör. 
epod.  n,  43.  Iuxta  focum  Da  Pencäes  positi  fuerunt.  Plaut. 
Aul.  II,  8,  15  fg. 

Tusculum  emi  et  hasce  Coronas  floreas. 

Haec  imponentur  in  foco  nostro  Lari. 
Gewöhnlich  befanden  sie  sich  in  kleinen  Schränken  {aedicula) 
TiB.  I,  10,  20. 

Stabat  171  exigua  lign/ms  ae.de  deus. 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  205 

luv.  VIII,  110  fg.  Petrox.  29.  Darum  erwähnt  Ovid.  Fast.I, 
136.  Larem  ganz  iu  der  Xähe  der  Hausthüre,  also  im  Atrium. 
Der  Platz  lüess  penetrnlia  (Verg.  Aen.  11,  485,  513  ff.  VII, 
59  fg.  Paul.  Diac.  j).  208.  penetrnlia  sunt  penatium  deorum 
sacraria.  Stat.  Silv.  I,  3,  59.)  und  der  Heerd  selbst  foci  j)e- 
netrales,  z.  B.  Verg.  Aen.  V,  660.  or.  de  har.  resp.  27.  Hertz- 
berg, de  diis  liom.  patriis.  Halae  1840,  p.  64  ff.  In  der  Nähe 
der  traulichen  Flamme  wurde  auch  das  gemeinsame  Mahl  ge- 
nommen, Cato  bei  Serv.  zu  Verg.  Aen.  I,  730.  et  in  atrio  et 
duobiis  ferculis  epidabantur  antiqui.  und  Serv.  fügt  hinzu  — 
ihi  et  culina  erat.  Serv.  zu  IX,  648,  ILlic  et  epidabantur  et  deos 
colebant.  Ebenso  Hör.  Sat.  II,  6,  65.  obgleich  er  von  dem 
Landleben  spricht : 

0  noctes  coenaeque  deiim !  quibus  ipse  meique 
Ante  Larem  proprium  vescor  vernasgue  procaces 
Paf^co. 
Auch  Livius  erwähnt  das  Mahl  in  dem  Atrium ,  braucht  aber 
den  Ausdruck  i?i  j^'^opatulis  und  propatido,  XXV,  12.  apertia 
ianuis  in  propatidis  epudati  sunt.  XXIV,  16.  iu  propatido  ae- 
dium  im  Gegensatz  zu  in  publico  d.  h.  vor  der  Thüre.  V,  13. 
Zweifelhafter  ist,  ob  er  auch  XXVI,  13.  rogo  in  propatido  ae- 
dium  uvcenso.  das  Atrium  oder  den  inneren  Hof  meint.  Hier 
thronte  die  waltende  Hausfrau  in  der  Mitte  ihrer  arbeitenden 
Dienerinnen,  s.  S.  7.;  hier  stand  der  thalamus  nuptialis,  s.  S. 
G.  und  34  fg.  und  die  Kasse  des  Hausvaters  in  einer  beson- 
deren Kiste,  Serv.  zu  Verg.  Aen.  I,  730.  Ibi  etiam  pecunia.i 
Iinbebant.  und  zu  IX,  648.  In  Pompeji  sind  mehrere  der- 
gleichen ausgegraben  worden,  s.  den  folgenden  Excurs.  Hier 
wurden  alle  Besuche  empfangen  und  die  dienten  angehört, 
welche  bei  dem  Patronus  liath  und  Hülfe  suchten  (darauf  be- 
zieht sich  C'ic.  de  leg.  I,  3.  more  p>(^drio  sedens  in  solio  consu- 
Icntibus  responderem  und  de  or.  III,  33.);  hici-  lag  die  Leiche 
der  Familienglieder  auf  dem  l^aradebctt,  l)is  der  letzte  AVeg 
angetreten  wurde,  s.  den  Excurs  zur  zwölften  Scene;  hier 
endlich  hingen  die  theueren  Erinnerungen  an  die  Ahnen,  die 
Wachsmasken  oder  imagines,  s.  'V\\\.  I,  S.  33  ff.    Des  Lichts 


206  Erster  E  x  c  u  r  s  z  u  r  z  w  e  i  t  e  n  H  c  e  u  e. 

und  des  liauchs  halber  war  oben  eine  nach  Verhältniss  des 
Eaums  grössere  oder  kleinere  Dachöffnung-,  jedoch  nicht  so 
gross,  dass  der  Raum  den  Charakter  eines  geschlossenen  Saals 
hätte  verlieren  können.  Die  Construktion  haben  wir  uns  ganz 
analog  der  des  cavaediura  Tuscanicum  zu  denken,  nur  dass 
bei  dem  letzteren  die  Oeffnung  Aveiter  war,  als  bei  dem  eigent- 
lichen Atrium. 

Als  aber  die  alte  einfache  Sitte  erlosch,  als  die  frugalen 
Familienmahle  grossen  Gastgeboten  gewichen  waren,  als  statt 
weniger  vertrauter  Freunde  und  näher  stehenden  Clienten 
ganze  Schaaren  auf-  und  abwogten,  konnte  die  alte  Einrich- 
tung des  Atriums  nicht  mehr  jjassen.  Der  alte  Familienhecrd 
wurde  in  einen  entfernten  Theil  des  Hauses  verwiesen  und 
die  bisherige  Verbindung  seiner  doppelten  irdischen  und  reli- 
giösen Bedeutung  aufgelöst,  indem  die  Laren  in  ein  beson- 
deres Sacrarium,  der  Kochheerd  aber  in  eine  geräumige  Küche 
kam  (s.  unten).  Auch  die  arbeitenden  Sklavinnen  mussten 
nach  hinteren  Theilen  des  Hauses  auswandern  und  für  die 
cenae  wurden  besondere  Speisesäle  von  verschiedener  Grösse 
angelegt,  s.  unten.  Das  Atrium  blieb  nur  noch  der  Warteplatz 
und  Empfangssaal  für  die  Clienten  und  Freunde  bei  allen 
Gelegenheiten,  s.  Hör.  ep.  I,  5,  31.  und  die  anderen  Stellen 
S.  134.  So  hat  Vergil  die  Sitte  seiner  Zeit  vor  Augen,  wenn 
er  Aen.  HI,  353.  von  Helenus  sagt: 

Illos  porticibus  rex  accipiebat  in  amplis. 

Aulai  in  medio  libabant  pocula  Bacchi  etc. 
denn  aula  steht  für  atrium.  Ebenso  blieb  das  Atrium  der  Platz 
für  die  Leiche.  Die  Ahnenbilder  behielten  natürlich  ihre 
Stelle ,  —  nur  dass  statt  unscheinbarer  Wachsmasken  aerei 
clypei,  argeyiteae  fades  surdo  figurarum  discrimi?ie  aufkamen 
—  ebenso  der  lectus  genialis,  der  jetzt  aber  nur  symbolische 
Bedeutung  hatte,  s.  oben  S.  6. 

Eine  geschlossene  Decke  war  aber  jetzt  nicht  mehr  noth- 
wendig,  man  bedurfte  im  Gegentheil,  je  grösser  die  Atrien  ge- 
worden waren ,  um  so  weitere  Dachöffnungen,  damit  es  weder 
an  frischer  Luft,  noch  an  hinlänglichem  Lichte  fehlte  (^4  o<^ler 


Die  bauliche  Eiiiri  clitung  des  Hauses.  207 

•/s  der  Breite  des  Atriums  breit,  Vitr.  VI,  3,  6.)  Eine  solche 
grosse  Oeffnung  war  jedoch,  namentlich  wenn  das  Dach  sich 
nach  der  Mitte  senkte,  nach  der  Construktion  des  cavaedium 
Tuscanicum  nicht  möglich.  Daher  wurden  aus  technischen 
Gründen  stützende  Säulen  untergezogen,  die  dann  auch  bald 
zur  Erhöhung  der  Schönheit  dienen  mussten,  indem  man  sie 
aus  dem  kostbarsten  Marmor  nahm.  Vier  solcher  herrlichen 
Säulen  hatte  Scaurus  und  andere  der  reiche  Crassus  in  seinem 
Atrium  (indem  für  jede  der  vier  Ecken  eine  Säule  nöthig 
war)  Asc.  zu  Cic.  p.  Scaur.  p.  27  Or.  quatuor  columnae  mar- 
moreae  insigni  inognitudine.  und  zwar  von  hymettischem  Mar- 
mor und  38'  hoch,  Plin.  h.  n.  XVII,  1.  XXXVI,  2.  XXXV,  2. 
Zwischen  den  Säulen  wurden  Statuen  errichtet,  Plin. XXXIV, 
9.  XXXV,  2.  wo  die  älteren  und  neueren  Atrien  entgegen- 
gesetzt Averden:  Aliter  apud  maiores  in  atriis  haec  erant  quae 
spectarentur,  non  signa  extei^ionon  artißcum  nee  aera  mit  mar- 
mora. ,  sondern  die  wächsernen  imagines.  Nach  diesen  be- 
stimmten Nachrichten  können  die  Schriftstellen  nicht  auf- 
fallen, wo  von  den  Säulen  und  Hallen  des  Atrium  oder  von 
dessen  grosser  Ausdehnung  und  Pracht  die  Rede  ist,  z.  B. 
CljVud.  in  Ruf.  II,  135.  purpurcls  effulta  columnis  atria.  Lu- 
CAx.  n,  238.  M.\RT.  XII,  50.  Sp:n.  cons.  ad  Marc.  10.  Verg. 
Aen.  I,  725.  XII,  475.  IV,  665.  II,  483.  528.  Vitr.  VI,  5,  2. 
atria  ampla,  alta,  longa,  mit  longis  porficibua  verbunden.  Au- 
sox.  Id.  X,  49.  laqueata.  Ovid.  Met.  XIV,  260.  viarmore  tecta 
Api'Ul.  Met.  II,  p.  115  f.  Elm.  Atria  — pulcerrima^  columnis 
quadrifariam  p)er  singulos  angulos  stantibus.  Die  Atrien  waren 
aber  nicht  allein  in  dieser  Beziehung  den  Cavädien,  welche 
im  Verlaufe  der  Zeit  ebenfalls  glänzende  Säulenreihen  erhal- 
ten hatten,  ähnlich  geworden,  sondern  sie  erhielten  auch  Avie 
jene  ein  Basin  und  Brunnen  (P.\ul.  Diac.  s.  oben  S.  199.), 
desgleichen  kleine  Rasenplätze  und  Zierpflanzen.  So  sagt 
Ovid.  Met.  VIII,  563.  vom  Atrium:  moUi  tellus  erat  lairnida 
niusco.  Au.soN.  Mos.  335  fg. 

Atria  quid  memorem  viridantibus  adsitc  jiratis 
Iiinuincrisque  super  nntaidia  tecta  columnis. 


208  Erster  Ex  cur  s  zur  zwei  ton  Sceue. 

Plix.  li.  11.  XIV,  1,  3.   (s.  oben  von  den  Weinreben).     Prop. 
lY,  8,  35. 

Unus  erat  tribus  in  secreta  lectulus  Iierha. 
Denn  dass  vom  Atrium  die  Kede  ist,  zeigt  Hertzberg  aus 
V.  49  ff.,  wo  der  bezeichnete  Platz  .sogleich  hinter  der  Hau.s- 
thüre  liegt.  Ob  aber  Verg.  Abu.  XII,  476  fg. 

Kt  nunc  iwrticibus  vacuis,  nunc  humida  circuin 

Stagna  sonat  (nämlich  die  Schwalbe), 
von  dem  Wasserbecken  des  Atrium  spricht,  i>t  sehr  ungewiss, 
obgleich  alta  air'ia  vorausgeht,  denn  die  Schwalbe  kann  ja 
auch  in  die  Hallen  des  Cavädium  zu  dem  dort  befindlichen 
Wasserbecken  fliegen.  UebHgeus  gilt  von  diesen  Bassins  und 
Brunnen  ganz  dasselbe ,  was  darüber  bei  dem  Cavädium  ge- 
sagt ist,  nur  hatte  das  Bassin  in  der  Regel  eine  oblonge  recht- 
eckige Foi*m  ohne  weiteren  Schmuck.  Weniger  unsicher  ist 
es,  ob  Yergil.  Aen.  11,512  ff".,  wo  er  von  einem  Lorbeerbaum 
an  dem  Altar  der  Penaten  spricht,  die  Atrien  seiner  Zeit  vor 
Augen  hatte.  Wegen  dieser  Aehnlichkeit  des  späteren  Atrium 
mit  dem  Cavädium  wird  atrium  auch  hvki.  genannt,  was  in 
früherer  Zeit  unmöglich  gewesen  wäre.  Sj  sagt  Horat.  epist. 
I,  1,  87.  caila  statt  atrium,  ebenso  Verg.  Aen.  III,  354.  und 
and.  S.  Serv.  zu  Verg.  1.  1.  Lersch  a.  a.  O.  N.  72.  Kaoül- 
KocHET'iE  und  Laglaxdiere  in  den  S.  176.  angeführten 
Schriften,  Hertzberg,  de  diis  Koni.  patr.  p.  67.  Der  Gegen- 
satz der  älteren  Atrien ,  welche  mehr  einem  Saal ,  und  der 
neueren,  welche  mehr  einem  Cavum  aediuui  ähnlich  waren, 
wozu  auch  noch  der  reichere  Schmuck  kommt ,  mit  welchem 
man  die  letzteren  ausstattete,  Avird  wiederholt  von  den  Alten 
ausgesprochen.  So  sagt  Plix.  ep.  V,  6.  atrium  ex  more  vete- 
rum.  II,  17.  atrium  f rüg i,  nt^c  tarnen  sordidum.  also  ein  beschei- 
denes Atrium  nach  alter  Weise.  Wichtig  ist  die  oben  mitge- 
theilte  Stelle  von  Peix.  XXXV,  2.  aliter  apud  ntaioren  etc. 
Damit  man  mir  aber  nicht  vorwerfe,  dass  diese  Ansicht  blos 
auf  Muthmassung  beruhe,  ohne  je  der  Wirklichkeit  entspro- 
chen zu  haben,  so  berufe  ich  mich  auf  das  Beispiel  eines  alten 
bescheidenen   säulenlosen   Atrium   zu   Pompeji,   welches    das 


Die  bauliche  Einric  iitiui  g  des  Hauses.  209 

Haus  Xr.  57  der  strada  Stabiaua  darbietet.  Hinter  demselben 
befindet  sich  ein  ansehnliches  Cavaedium  mit  Säulen  (Peri- 
styl.).  XicoLixi,  Pomp,  fascic.  3.  Von  dem  neuen  Ati-ium 
spricht  HoR.  od.  IH,  1,  46.  et  novo  sublime  rhu  moliar  atrium? 
Diese  Abweichung-  der  alten  und  neuen  Zeit  zeigt  auch  Varro 
L.  L.  Vni,  28fg. ,  wo  er  gegen  die  Analogie  spricht,  d.  h. 
gegen  die  Uebereinstimniung  in  der  '\V(jrtbildung  und  Wort- 
biegung. Er  verlangt,  das  usu  receptuvi  solle  gelten,  und 
wenn  auch  seine  Beispiele  noch  so  unpassend  sind,  so  ergiebt 
sicli  doch  aus  den  Worten:  in  aeäificiis  quum  non  videamus  ha- 
bere atrium  ad  rTfiQiarv).or  similitudinem  et  cuhicuhun  ad  equile. 
auf  das  Unzweideutigste,  dass  ein  Atrium  mit  einem  Peristyle 
nicht  mehr  Aehnlichkeit  hatte,  als  ein  cubiculum  mit  einem 
Pferdestalle.  Dieses  passt  vollkommen  auf  das  alte  saalähu- 
liche  Atrium,  welches  Varro  also  im  Sinne  hatte.  Welche 
aber  glauben,  ^'arro  halte  cavum  aedium  und  atrium  für 
identisch,  werden  durch  diese  Stelle  ganz  widerlegt;  denn  ein 
cavum  aedium  hat  die  grösste  Aehnlichkeit  mit  einem  Peri- 
style, ja  wenn  es  rings  um  Säulen  hat,  so  ist  es  ganz  ein  Pe- 
ristyl.  Denn  das  wird  doch  Niemand  bezweifeln,  dass  mau  zu 
Varro's  Zeit  die  cava  aedium  mit  Säulenstellungen  gebaut 
habe.  —  Um  nun  zu  den  S2)äteren  Atrien  zurückzukehren,  su 
hatten  die  Häuser  damals  freilich  gleichsam  zwei  Cavädien 
(wie  das  griechi'^che  Haus  zwei  anlas,  Vitr.  VI,  7,  5.)  allein 
das  erste  unterschied  sicli  durch  mindere  Ausdehnung  und 
kleinere  DachöfFnung  von  dem  zweiten  und  durch  seine  eigen- 
thümliche  Bestinnnung.  Wenigstens  zeigen  alle  pompejani- 
schen  Grundrisse,  dass  der  erste  offene  Kaum  im  Hause 
(atrium)  allemal  viel  kleiner  ist  als  der  zweite,  säulenlos, 
nach  alter  tuscanischer  Construktion  und  ebenso  die  Dachöff- 
nuug  des  ersten  wenn  auch  grösser  als  in  alter  Zeit,  doch  be- 
schränkter als  die  des  zweiten.  Raum  für  einen  Garten  war 
darin  nicht  vorhanden,  wenn  auch  kleine  Kasenplätzchen  an- 
zubringen waren.  Der  Unterschied  war  also  gross  genug  und 
desshalb  hiess  der  erste  Kaum  auch  später  noch  fortwährend 
atrium  und  der  zweite  grössere  cavum  aedium.    Dieses  freilich 

Becker,  Oallud.   3.  Aufl.  II.  14 


210  Erster  Excurs  zur  zweiten  Seeno. 

schmolz  fast  ganz  mit  dem  poristylium  zusammen,  s.  bei  eavum 
aedium.  Die  pompejamschen  Häuser  haben  fast  nur  Atrien 
der  späteren  Zeit  (eine  Ausnahme  s.  oben  bei  dem  Hause  No. 
57.)  mit  einem  Becken  und  Brunnen,  seltener  mit  Säulenstel- 
lung-,  und  diese  Atrien  wurden  wie  in  Rom  später  nur  zum 
Empfang-  der  dienten,  früher  als  Hauptzimmer  des  ganzen 
häuslichen  Lebens  gebraucht.  Alle  Colonien  und  Municipien 
waren  nämlich  kleine  Bilder  der  Aveltbeherrschenden  Metro- 
polis und  können  das  dem  Römer  in  Rom  unentbehrliche 
Atrium  unmöglich  entbehrt  haben.  Zmn  Clientenem])fang 
waren  auch  in  Pompeji  Ati-ien  nothwendig,  denn  die  lebhafte 
ambitio  in  Pompeji  kann  zum  Ueberfluss  durch  zahllose 
Mauerschriften  bewiesen  werden.  Endlich  zeigt  die  Ueberein- 
stimmung  der  Häuser  zu  Pompeji  mit  den  auf  dem  Fragment 
eines  alten  Plans  von  Rom  im  capitolinischen  Museum  befind- 
lichen Grundrissen  auf  das  klarste,  dass  die  Bauart  in  Pompeji 
nicht  griechische  Avar  und  dass  es  in  Pompeji  so  Avenig  als  in 
Rom  an  Atrien  fehlte.  —  Nach  dem  Gesagten  wird  man  nicht 
zugeben,  dass  man  in  Pompeji  keine  Atrien  gehabt  habe  und 
dass  es  dort  kein  treues  Abbild  eines  römischen  Hauses  gäbe. 
8.  die  trefflichen  Bemerkungen  bei  Hertzberg  a.  a.  O.  und 
Recension  des  Gallus  N.  '288. —  Riva,  dei  cavedi  e  degli  atri, 
con  nn  nuovo  comment.  sopra  Vitruvio.  Vicenza  1828.  ist  mir 
nur  dem  Titel  nach  bekannt.  Mit  Recht  sagt  Ivanoff  a.  a.  0. 
S.  88 — 93.  dass  atrium  seinem  eigentlichen  Sinn  (oder  lieber 
seiner  Construktion)  nach  identisch  gewesen  sei  mit  der  älte- 
sten bei  allen  italischen  Völkern  gebräuchlichen  Art  des  ca- 
vaedium,  nämlich  des  tuscanicum;  wenn  er  aber  hinzusetzt, 
dass  man  missbräuchlich  den  Namen  atrium  auch  auf  die  an- 
deren neueren  Arten  des  cavaedium,  wie  tetrastylum  und 
corinthium  übergetragen  habe  und  dass  beide  Ausdrücke  iden- 
tisch geworden  seien,  so  geht  er  jedenfalls  zu  weit.  Wenn  man 
es  in  der  späteren  Zeit  mit  dem  Sprachgebrauch  auch  nicht 
immer  ganz  genau  nahm,  so  blieb  doch  im  Ganzen  atrium  der 
Name  für  den  ersten  Raum  im  Haus  (Saal)  und  cavaedium 
für  den  inneren  Hof.     Bei  der  Annahme  der  Identität,  dass 


Die  bavxlichc  Einrichtung  des  Hauses.  211 

cavaediuni  auch  das  atrium  bezeichnet,  hätte  man  ja  gar 
keinen  Ausdruck  für  den  inneren  Hof  gehabt,  was  man  doch 
unmöglich  ghiuben  darf. 

Am  .Schhis,se  wird  es  der  leichteren  Uebersicht  halber 
zweckmässig-  sein,  unsere  auch  bei  der  l'hilologenversamm- 
lung  in  Frankfurt  ausgesprochene  Ansicht  noch  einmal  kurz 
in  einigen  Thesen  zusammenzufassen: 

1)  atrium  und  cavaedium  sind  stets  zwei  verschiedene  Räume 
im  römischen  Hause  gewesen  (s.  oben  namentlich  Plin. 
ep.  n,  17.), 

2)  die  Häuser  Pompejis  sind  nicht  griechisch  wie  die  sonstige 
römische  Anlage ,  tablinum ,  fauces  u.  s.  w.  beweist  und 
haben  daher  schon  aus  diesem  Grunde  Atrien ,  wie  kein 
r<lmisches  Haus  derselben  entbehrte, 

'S)  das  alte  saalartige  atrium  hat  sich  im  Verlauf  der  Zeit 
dergestalt  umgeformt,  dass  es  dem  cavaedium  ähnlich  ge- 
worden ist,  wesshalb  die  meisten  pompejanischen  Atrien 
—  abgesehen  von  der  Grösse  —  den  C^avädien  gleichen. 
iJie  letztere  von  mir  ausgesjn'ochene  Behauptung,  dass  man 
das  atrium  der  früheren  und  späteren  Zeit  unterscheiden 
müsse,  billigen  Momm.sen  und  Wioi.ss  —  obwohl  nicht  ohne 
Modifikationen  — .  3Io>imsex,  röm.  Gesch.  I,  S.  229  nahm  für 
die  alte  Zeit  Identität  des  atrium  und  cavaedium  an,  d.  h.  dass 
das  cavaedium  der  freie  Raum  in  der  jNIitte  des  atrium  sei, 
aber  S.  940  sagt  er,  dass  mit  der  Periode  des  beginnenden 
Luxus  sich  allmälich  Wohnsaal  (atrium),  Hof  (cavaedium), 
Garten  luid  Garteidiallen  (peristylium)  u.  s.  w.  geschieden 
hätten.  Wei.ss,  Costümkunde  II,  S.  117^5  ff.  „So  aber  (in  der 
neueren  Zeit )  bildete  es  (das  Atrium)  bei  echt  römischen  Häu- 
sern nun  nicht  mehr,  wie  früher,  nur  einen  einzigen  Saal,  son- 
dern zwei  getreiuite  Gemächer,  die  eigne  Pforten  (?)  mit 
einander  verbanden",  nämlich  das  eigentliche  uralte  atrium 
und  den  Mittelliof  cavaedium.  Hinter  dem  letzten  habe  das 
tablinum  gelegen,  die  Alae  des  Atrium  hätten  zu  den  ge- 
nannten Mittclhofpforten  geführt  u.  s.  w.  Alles  dieses  beruht 
nur  auf  Beckers  IMan  A.  und   f-rmangelt  jeder   Begründung 

14* 


212  Erster  Exe  ins  zur  zweiten  Scene. 

durch  Belegstellen  oder  antike  Pläne.  —  Die  weite  Oeffnung 
des  Atrium  und  auch  des  Cavum  aedium  wurde  zum  Schutz 
vor  Sonne,  Wind  und  liegen  mit  gi-ossen  Teppichen  zuge- 
hängt. Diese  hiessen  vela^  Isidor.  XIX,  26.  quod  ohiectu  suo 
interiora  domorum  velent.  Sie  werden  genannt  von  Ulp.  Dig. 
XIX,  1,  17.  §  4.  und  XXXIII,  7,  12.  §  16.  umhrae  causa 
§.  17.  Vela  autem  cilicia  instrumenti  esse  Casshis  ait ,  quae  ideo 
parantur^  ne  aedificia  vento  vel  pluvia  lahorent.  §  20.  De  velis, 
quae  in  hypaethris  extendimtur,  item  de  his,  qiute  sunt  circa  co- 
Iwnnas.  wo  die  horizontal  gespannten  Ilypäthral-  oder  Implu- 
vialteppiche  von  den  vertikal  herabhängenden  Vorhängeji 
zwischen  den  Säulen  geschieden  werden.  Dieselben  erwähnt 
Pl,in.,  s.  Thl.  I,  S.  108.  Varro  bei  Serv.  zu  Verg.  Aen.I,  697. 
{vela  suspendi  gegen  den  Staub),  und  Ovid.  Met.  X,  595.  hat 
jedenfalls  die  Mode  seiner  Zeit  vor  Augen,  wenn  er  sagt: 
Hand  aliter,  quam  cum  super  atria  velum 
Candida  purpureum  simulatas  inßcit  umhras. 
Das  purpurne  velum  färbt  nämlich  das  marmorne  Atrium. 
Vgl.  Lucret.  IY,  73  ff.,  wo  sich  ein  ähnlicher  Gedanke  findet, 
nur  in  Bezug  auf  die  vela  des  Theaters ,  s.  Thl.  I,  S.  74  fg. 
S.  noch  Iavol.  Dig.  L,  16,  242.  §  2.  quod  hypaethri  tegetidi 
causa  poneretur.  Auf  horizontale  vela  bezieht  man  gewöhnlich 
HoR.  Sat.  II,  8,  54  fg. 

Interea  sicsjjensa  gravis  aulaea  ruinas 
In  patinam  fecere^  trahentia  pulveris  atri  etc. 
s.  Heixdorf.     Wuestemann   versteht   darunter   den  vor  die 
Thüre  gezogenen  Vorhang  oder  die  statt  der  Tapeten  an  den 
Wänden  aufgehängten  Teppiche. 

Im  Winter  konnten  auch  bewegliche  breterne  Dächer 
über  das  Impluvium  geschoben  werden.  Wenigstens  scheint 
Iavol.  a.  a.  O.  §  8.  so  verstanden  werden  zu  müssen :  Strue- 
turam  loci  alicuius  ex  tabulis  faclam,  quae  aestate  tollerentur  et 
hieme  ponereiitur,  aedium  esse  ait  Labeo  etc.  Doch  konnten 
auch  breterne  Schieber  zwischen  den  Säulen  darunter  mit  be- 
griffen sein.  S.  BötticheRj  Hypäthraltempel  S.  12  fg.  und 
Hermann,  Hypäthraltempel  S   32. 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  213 

A  t  r  i  0 1  u  m 
wird  nur  von  Cic.  ad  Att.  I,  10.  und  ad  Qu.  fr.  III,  1,  1.  er- 
wähnt. Cic.  schreibt:  Quo  loco  in  porticu  te  scribere  ahmt  itt 
atriolum  ßat,  mihi,  ut  eit,  magis  placebat.  Neque  etiim  satis  loci 
videbatur  esse  atriolo ,  neque  fcre  solet  nisi  in  iis  aedificiis  fieri^ 
in  quihus  est  atriuin  maius,  nee  habere  potcras  adiuncta  cubicula 
et  eiusmodi  membra.  Es  ergiebt  sich  daraus,  1)  dass  atriola  nur 
in  grösseren  Häusern  waren,  in  denen  sich  noch  ein  Haupt- 
atrium befand ,  2)  dass  sie  als  Vorsäle  zu  einer  grösseren 
Halle  (jjeristylium  mit  porticus)  dienten.] 

Alae. 
Mit  der  Annahme ,  dass  das  Atrium  ein  von  dem  Cavä- 
dium  verschiedener  Theil  des  Hauses  gewesen,  stimmt  nichts 
besser  überein,  als  die  Vorstellung,  die  wir  uns  einzig  von  den 
alis  machen  können.  Wer  das  Atrium  für  den  inneren  Hof 
nahm ,  der  konnte  natürlich  auch  von  ihnen  keinen  richtigen 
Begriff  haben,  und  daher  ist  denn  die  seltsame  Meinung  ent- 
standen, die  alae  seien  die  mit  dem  Cavädium  seiner  Länge 
nach  parallel  laufenden  Seitengebäude,  avo  die  verschiedenen 
cellae ,  cubicula  ^  triclinia,  oeci  u.  s.  w.  sich  befanden.  So  Ga- 
LEANi,  Perrault,  Stieglitz  (Archäol.  d.  Bank.  HI,  S.  175.), 
Hirt,  Böttiger  (Sab.  II,  S.  86.  102.),  Wuestemann  (Pal.  de 
Scaur.  S.  55.  56.)  Das  ist  aber  mit  dem  was  Vitruv.  VI,  3,4. 
darüber  sagt,  völlig  unvereinbar.  Zuerst  begreift  man  nicht, 
warum  Vitkuv  die  Breite  der  alae  im  Verhältniss  zur  Länge 
des  alrium  bestimmt,  [Bei  einem  Atrium  von  80 — 100'  Länge 
sollte  die  Breite  der  alae  1/5  davon,  also  20',  bei  50 — 60' 
Länge  nur  '/-d  ^^^^  1^',  bei  30 — 40'  Länge  1/3,  also  10'  be- 
tragen.] Die  alae  (in  diesem  Sinne)  gehörten  aber  nicht  zu 
dem  cavuin  aedium;  sie  waren  durch  Wände  von  den  Gängen 
gesondert,  und  konnten  eine  beliebige  Breite,  d.  i.  für  jede 
eirzelne  cella  oder  Abtheilung  die  Tiefe  erhalten.  Ferner  be- 
>tinimt  ViTRUV,  dass  die  Höhe  der  alae  ihrer  Breite  gleich 
sein  solle,  während  er  von  den  anderen  Gemächern  sagt,  dass 
sich  ihre  Höhe  nach  ihren  Längen-  und  Breitenverhältnissen 
richte.     §  ^'.    Altitudinca  uniniuin   conclavionun ,   quae  oblonga 


214  Erster  Excurs  zur  zweiten  Sceue. 

faerint,  sie  habere  dabent  rationem ,  uti  longitudinis  et  latitudinis 
7)iensura  comptmatur  et  ex  ea  suuinui  dimidium  suniatur^  et  quan- 
titm  fuerlt^  tantuin  altitudmi  detiir.  Ebenso  spricht  sich  die 
enge  Beziehung  der  ahie  zu  dem  atrium  auch  §  0.  aus:  Ima- 
gines  item  alte  cum  suis  oniamentis  ad  latitudinem  (soll  viel- 
leicht ad  altitudiiiem  heissen?)  alarum  sint  constitutae.  — 
Endlich  widerspricht  die  bisherige  Annahme  ganz  dem  Ge- 
brauche des  Worts.  Die  alae  werden  zwar  im  Wohnhause 
nicht  weiter  erwähnt,  allein  wir  haben  die  Analogie  des  toska- 
nischen  Tempels  —  das  Atrium  ist  ja  auch  tuskischen  Ur- 
sprungs —  wo  über  die  Beschaffenheit  derselben  kein  Zweifel 
ist.  Der  toskauische  Tempel  konnte  drei^  oder  auch  nur  eine 
Cella  haben.  Von  ihm  sagt  Vitruv  IY,  7.  Latitudo  dividatur 
in  partes  decem:  ex  his  ternae  partes  dextra  ac  sinistra  cellis 
jninoribiis ,  sive  ibi  alae  futurae  sint^  dentur,  reliquae  qua- 
tuor  mediae  aedi  attribuantur.  Die  alae  waren  also  in  dem  ein- 
zelligen Tempel  an  der  Stelle  der  kleineren  Gellen  rechts  und 
links  von  der  grossen  Gella  befindliche  schmälere  Seitenhallen, 
die  vermuthlich  nur  durch  eine  Säulenstellung  von  der  Gella 
geschieden  wurden.  Gerade  so  haben  wir  uns  die  alas  im 
atrium  zu  denken ,  nur  dass  das  Verhältniss  ihrer  Breite  (man 
sieht  nun ,  warum  es  nach  der  Länge  des  Atrium ,  die  ja  auch 
die  Länge  der  alae  war,  bestimmt  wird)  geringer  war.  Es  war 
also  ein  ähnlicher  Bau  wie  in  den  Basiliken  und  vielen  unserer 
Kirchen,  die  in  ein  grosses  Mittelschiff  und  zwei  Seitenhallen 
abgetheilt  werden. 

Dass  die  alae  etwas  der  Art  sein  müssten,  haben  auch 
Mazois  und  Marini  gefühlt;  nur  hat  sie  die  falsche  Ansicht 
vom  Atrium  verhindert,  ihnen  ihren  wahren  Platz  anzuweisen. 
Sie  nehmen  sie  zu  beiden  Seiten  des  Tablinum  an  der  hinteren 
Seite  des  Atriums  an.  Richtiger  hatten  schon  Peurault, 
Newton  [und  Marquez]  darüber  geurtheilt.    S.  Plan  A.  a.  a. 

Nun  sieht  man  auch,  was  die  Säulen  im  Atrium  für  eine 
Anwendung  gehabt  haben.  Plin.  XXXVI,  ?i.  Denn  die  Decke 
war  viel  zu  hoch  um  von  ihnen  getragen  zu  werden;  die  tra- 
bes  liiiünares   aber  der  alae  waren  nicht  höher  als  die    alae 


Die  bauliche  Einriclitung  des  Hauses.  215 

breit.  Früher  mochten  blosse  Pfeiler  die  Stelle  der  Säulen 
vertreten.  [In  den  pompejanischen  Häusern  bilden  die  alac 
nicht  Seitenhallen  des  Atrium  (wie Becker  u.  "Weiss,  Costüm- 
kunde  II,  S.  1174.  wollen),  sondern  regelmässige  Quadrate  am 
hinteren  Ende  desselben,  und  auch  so  ist  leicht  zu  erkennen, 
warum  sich  ihre  Breite  nach  der  Länge  des  Atrium  richtete. 
Uebrigeus  waren  sie  kein  durchaus  nothwendiger  Theil  des 
Hauses,  sondern  man  findet  auch  einige  Häuser  ohne  alae  und 
im  Haus  des  tragischen  Dichters,  im  Haus  der  zweiten  Fon- 
taine u.  s.  w.  war  Avegen  Mangel  an  Kaum  nur  eine  ala  am 
rechten  Ende  des  Atrium.  Die  Construction  der  alae,  wie  sie 
Mazois  annahm  und  durch  Pomj)eji  bestätigt  wird,  ist  jetzt 
allgemein  als  richtig  anerkannt,  s.  Avellino,  descr.  di  luia 
casa  p.  18  ff.  Zumpt,  S.  16  fg.  Uverbeck,  S.  192.] 
Tablinum. 
Sehr  unsicher  ist  die  Bestimmung  der  Lage,  welche  das 
tabüninn  gehabt  haben  mag.  [Es  wird  iiberhau})t,  ausser  von 
^'^TKUV  AI,  3,  5.  nur  zAveimal  genannt  und  Vitruv  sagt  von 
der  Lage  gar  nichts,  sondern  giebt  nur  seine  Gi'össe  im  Ver- 
hältnisse zur  Breite  das  Atrium  bald  auf  ^'/s  (weim  das  Atrium 
20'  breit  ist),  bald  auf  i/^  (wenn  das  Atrium  30 — 40'  breit  ist), 
bald  auf  -j-^  (bei  einer  Breite  von  40 — 60'  an.]  Festus  sagt 
p.  356  M.  Tah/i/mm  proxime  atrium  locus  dicitur,  quod  anti'jui 
/jiagistratus  in  suo  iuqjcrio  tahulas . . .  und  Paul.Diac.  p.  357  M. 
Tahl'nium  locus  proxhnus  atrio  (i  tabulin  appellatus.;  allein,  wie 
man  auch  das  Atrium  sich  denken  mag,  so  ist  dieser  Ort  nitdit 
zu  ermitteln.  Für  die,  welche  unter  Atrium  das  Cavädium  ver- 
stehen, passt  es  nicht,  weil  dauu  eine  Menge  Gemächer,  die 
um  das  Cavum  aedium  umherlagen,  proxime  atrium  genannt 
werden  müssten;  nimmt  man  aber  das  Atrium  in  dem  oben  an- 
gegebenen Sinne,  so  lässt  sich  gar  kein  geeigneter  Ort  aufrin- 
den, wo  es  könnte  gelegen  haben.  Wenn  wir  indessen  be- 
denken, dass  Ff.stis  entschieden  von  dem  Atrium  selbst  eine 
ganz  unrichtige  Vorstellung  hatte,  so  wird  auf  diese  Erklärung 
überhaupt  nicht  viel  ankommen.  Gewöhnlich  wird  es  als  dem 
Ostium,  oder  nach   un>erer  Annahme  dem  Atrium  gegenüber, 


216  Erster  Excurs  zur  zweiten  Sceue. 

jenseits  des  Cavädium  angenommen,  und  so  ist  es  auch  auf 
dem  Plane  Taf.  I.  n.  1.  T.  angegeben.  [Xach  Marquez  ist 
das  Tablinum  links  von  dem  Atrium  und  zwar  von  gleicher 
Länge  mit  demselben,  was  einer  Widerlegung  nicht  bedarf. — 
Aber  auch  Beckers  Ansicht  ist  sehr  unwahrscheinlich  und 
AAÜlkürlich  (wie  derselbe  später  selbst  erkannt  hat),  da  sie, 
abgesehen  von  anderen  Gründen,  weder  zu  Vitruvs  noch  zu 
Festus  Angabe  passt.  Aus  Vitruv  geht  wenigstens  so  viel 
mit  Bestimmtheit  hervor,  dass  das  Tablinum  an  der  schmalen 
Seite  des  Atrium  lag,  denn  sonst  wäre  es  verkehrt  gewesen, 
die  Ausdehnung  des  Tablinum  von  der  Breite  des  Atrium  ab- 
hängig zu  machen.  Damit  harmonirt  auch  Festus  vollkom- 
men, welcher  keineswegs  eine  falsche  Ansicht  hatte  (wohl 
aber  sein  Epitomator),  wie  bereits  S.  165.  bemerkt  worden  ist. 
Er  sagt  freilich  sehr  kurz  jji-oxime  atriurn,  allein  Jeder,  der 
die  Lage  des  Atrium  kannte,  wusste,  dass  dieses  proxime 
Aveder  auf  die  vordere  schmale  Seite,  mich  auf  die  beiden 
Längenseiten  des  Atrium  zu  beziehen  sei;  denn  im  ersten 
Falle  hätte  das  Tablinum  zAvischen  dem  Ostium  und  dem 
Atrium  liegen  müssen,  Avas  unmöglich  ist,  und  im  zweiten 
Falle  wäre  kein  Platz  für  die  Alae  dagewesen.  Es  blieb  also 
nur  die  vierte  oder  hintere  Seite  des  Atriimi  übrig,  an  welche 
sich  das  Tablinum  anschloss,  wie  auch  alle  Ausgrabungen  in 
Pompeji  zeigen,  avo  ein  viereckiger  Raum  und  zwar  mit  einer 
sehr  breiten  Thüröftnung  (des  Lichts  halber)  regelmässig  an 
der  hinteren  Seite  des  Atrium  liegt  und  dieser  Raum  kann 
nur  das  Tablinum  sein,  s.  auf  dem  Plane  B.  unter  T.  Durch 
diesen  Platz  erhalten  auch  die  sogleich  zu  besprechenden 
fall c es  ihre  richtige  Stelle  und  einzig  mögliche  Erklärung. 
AvELLixo,  descr.  di  una  casa  p.  23  ff.] 

Dass  das  Wort  tablinum  von  tabula  abzuleiten  ist,  scheint 
keinem  Zweifel  unterworfen  zu  sein ,  indem  die  tabulae  ratio- 
num  und  dergl.  zu  vertehen  sind.  Ausser  Festus  zeugt  dafür 
namentlich  Plin.  XXXV,  2,  2.  Indem  er  die  alte  Zeit  rühmt^ 
sagt  er:  Tahlina  codicibus  implebantur  et  monumcntls  renmi  in 
magistratu  gestarum.  Es  war  also  gewissermaassen  das  Archiv 


Die   bau  liehe  Einrichtung  des  Hauses.  217 

des  Hauses,  das ,  was  in  Bezug  auf  die  res  publica  tahellarium 
hiess.  Damit  ist  Dionys.  I,  74.  zu  vergleichen:  rcör  ■/.aKov^tKnv 
n/xiitixcör  vTro/nviiixäran',  «  Öiadi-'xf^Tai  naig  nuQa  tuxtqos'  '/mi  ntni 
TToV.üv  noiHTUi  Toi^i,'  juf t) '  iavthv  iaofjit'vuig ,  co^neQ  isqu  naxQd^a, 
nuQadidoiui.  —  Gar  nicht  hierher  gehört  das  Fragment  des 
Varro  de  vita  p.  R.  bei  Xon.  II,  112.  Ad  Jocuvi  hieme  ac  fri- 
goribus  cenitabant,  aestivo  tempore  in  propatuh,  rure  in  corte^ 
in  urbe  in  tabulino ,  quod  maenicnaim  possumus  intellegere  ta- 
bidis  fabricatinn.  Denn  das  i^t  ein  Söller  über  dem  Hause 
{maenianuni). 

F  a  u  c  e  s. 
AVas,  oder  mehr  noch,  m'o  die  fauces  gewesen,  darüber 
sind  die  Meinungen  sehr  verschieden,  und  im  Grunde  müssen 
wir  gestehen ,  dass  wir  über  sie  so  gut  als  nichts  wissen.  Da- 
her haben  denn  Perrault,  Rode,  Schneider,  [Genelli  und 
Stieglitz,  sowie  Wuestemaxx,  im  Pal.  des  Scaurus  S.  65. 
und  Ivanoff,  a.  a.  U.  S.  83  ff'.]  sie  für  die  Flur  zwischen  Ve- 
stibulum  und  Atrium  genommen,  die  wir  oben  mit  unter  dem 
Ostium  begriff'en.  Indessen  wird  auch  durch  Stellen  wie  bei 
Verg.  Aen.  VI,  273. 

Vestibulum  ante  ipsian  primisque  in  faucibus  Orci. 
nicht  erwiesen,  dass  nicht  andere  Durchgänge  im  Hause  den 
Xainen  gehabt  haben  könnten,  und  Vitruv  nennt  gerade  im 
griechischen  Hause  den  Gang,  der  die  Stelle  der  Flur  vertrat, 
iter,  nicht  fauces.  —  Galiani,  Ortiz  und  Stratico  verstehen 
darunter  „aperturam,  per  quam  transitus  habetur  ab  atrio  ad 
tablinum,"  was  ziemlich  dunkel  ist;  [Marquez,  delle  casa  di 
citta  etc.  p.  91.  Durchgänge  zwischen  den  Säulen  oder  Pfei- 
lern aus  den  Alis  in  das  Atrium,  wugegen  schon  der  Umstand 
sj»richt,  dass  diese  Zwisclicnräunie  viel  zu  breit  sind,  als  dass 
man  sie  fauces  nennen  könnte];  Mazols,  Hirt,  Marini  [und 
OvERHECK  S.  193.]  zu  beiden  Seiten  des  Tablinum  gelegene 
Durchgänge  nach  dem  grösseren  Peristyl.  Und  bei  dieser  An- 
nahme bin  ich  darum  stehengeblieben,  weil  Vitruv  die  Breite 
iS.(tx  fauces  im  Verhältnis-e  zum  tablinum  bestimmt,  was  un- 
nöthig  wäre,  wenn  sie  nicht  auf  irgend  eine  Weise  mit  ihm  in 


218  Erster  Excurs  zur  zweiten  Sceue. 

Verbindung-  gx'standen  hätten.  Dass  übrigens  dort  solche 
Durchgänge  sein  mussten,  ist  ofienbar.  So  lange  wir  also  d-as 
tablinum  an  die  angegebene  Stelle  setzen,  werden  auch  die 
fauces  am  wahrscheinlichsten  dort  angenommen.  [Die  Ansicht, 
dass  fauces  einen  schmalen  Yerbindungsgang  oder  Corridur 
neben  dem  Tablinum  bezeichne,  ist  allein  richtig  (obgleich 
Becker  in  seinen  nachgelassenen  Papieren  davon  abgewichen 
und  zu  der  Meinung  zurückgekehrt  ist,  dass/auces  die  Haus- 
flur, den  {)vi)K)v  Plutarchs,  bedeute),  wie  namentlich  Vitruv. 
VI,  3,  6.  zeigt:  fauces  mhiorihus  atriis  e  tahluii  latitudine  dempta 
tertia,  maiorihus  dimidia  constituantur.  Da  aber  das  Tablinum 
nicht  hinter  dem  Cavädium,  sondern  vor  demselben  lag  (siehe 
oben),  so  führten  die  fauces  nicht  aus  dem  Cavädium  zu  dem 
grösseren  Peristyl  (wie  Plan  A,  f  f  angiebt),  sondern  aus  dem 
Atrium  in  das  Cavädium  (s.  Plan  B,f).  Diese  Erklärung 
findet  die  vollste  Bestätigung  in  den  pompejanischen  Ueber- 
resten,  wo  sich  regelmässig  (denn  unter  einer  grossen  Menge 
von  Häusern  findet  man  kaum  eins  ohne  fauces,  z.  B.  das  nach 
dem  Grossfürsten  ^Michael  genannte,  Aveil  liier  das  Tablinum 
ausnahmsweise  auf  der  rechten  Seite  des  Atrium  lag,  avo 
eigentlich  eine  ala  sein  sollte)  neben  dem  Tablinum  entweder 
zu  beiden  Seiten  (also  zwei  fauces,  nämlich  in  grösseren  Ge- 
bäuden), oder  nur  auf  der  einen  Seite  des  Tablinum  (also  nur 
ein  Corridor,  d.  h.  in  kleineren  Häusern)  Durchgänge  finden, 
auf  welche  ihrer  geringen  Breite  Avegen  unter  allen  Theilen 
des  Hauses  der  Name  fauces  allein  passt.  Allemal  liegen  Ta- 
blinum und  faiices  an  dem  oberen  Ende  des  Atrium,  füllen 
aber  höchst  selten  (wie  es  z.  B.  auf  unserem  Plan  B.  der  Fall 
ist)  die  ganze  Breite  des  Atrium  aus,  sondern  lassen  in  der 
Regel  noch  Raum  übrig,  welcher  stets  zu  einem  neben  dem 
Tablinum  liegenden  Zimmer  geschlagen  ist.  Diese  aus  fast 
allen  ponniejanischen  Grundrissen  zu  erkennende  Praxis  hält 
sich  ganz  an  die  von  Vitruv  angegebene  Theorie.  Nach  dem- 
selben muss  bei  einem  Atrium  von  60'  Breite  das  Tablinum 
(zu  2/5)  24'  und  die  beiden  fauces  (zu  '/2)  jeder  12'  breit  sein, 
im  Ganzen  48',  so  dass  noch  12'  für  andere  Benutzung  übrig 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  219 

bleiben.  Ist  das  Atrium  nur  40'  breit,  so  kommt  auf  das  Ta- 
bliuum  (zu  -/s)  16'.  '<^^^^  tlif"  beiden  fauces  (zu  i/^)  je  8',  in 
Summa  32',  und  es  bleiben  noch  immer  S'  übrig.  Ist  aber  das 
Atrium  mir  24'  breit,  so  hat  das  Tablinum  (zu  -j.^)  16'  und 
die  fauces  sollten  eigentlich  aucli  16'  bekommen  (zu  i  o).  Da 
Avürde  sich  aber  die  Summe  -son  32'  ergeben,  Avährend  doch 
nur  24'  disponibel  sind  und  diese  dem  Usus  nach  nicht  einmal 
ganz  aufgehen  dürfen.  Diese  Schwierigkeit  ist  aber  bloss 
scheinbar;  wir  müssen  nur  bedenken,  dass  bei  einem  schmä- 
leren Atrium  doppelte  fauces  nicht  nothwendig  sind,  sondern 
dass  hier  ein  einziger  Durchgang  genügte,  welcher  höchstens 
8'  oder  wegen  der  kleineren  Proportionen  überhau]>t  nur  6' 
beanspruchte,  und  dann  bleiben  immer  noch  2'  Aon  der  Breite 
des  Atrium  übrig,  wie  es  bei  den  meisten  Atrien  der  Fall 
war.  —  Nach  Iaaxoff  S.  84  f.  würde  dieser  Durchgang  au- 
dron  heissen.] 

Ca  vum  ae  diuni. 
^Vas  das  cavum  aedium  —  so  schreiben  jederzeit  Varro 
uml  \  iTRUV,  während  Plimus  in  den  Briefen  cavaediuin 
sagt  —  der  Hauptsache  nach  war,  ergiebt  sich  schon  aus 
dem,  was  über  das  Atrium  gesagt  worden  ist.  Es  ist  der  in- 
nere Hof,  das  eigentliche  Herz  des  Hauses,  um  den  die  übri- 
gen Theile  [„die  Privatgemächer  der  Familie"]  undierliegen 
[„eine  Wiederholung  des  Atrium",  aber  weiter  offen].  Varro 
1.  1.  s.  S.  160.  s.  Plan  A.  unter  C  C  C.  In  der  Mitte  Avar  ein 
unbedeckter  Raum,  area ,  mit  dem  eigentlichen  Namen  implu- 
vhan,  der  auf  allen  vier  Seiten  von  bedeckten  Gängen  einge- 
schlossen wurde.  [Das  Traufendach  über  den  Hallen  hiess 
cotiipluviiun,  s.  Varro  1.  1.  Ebenso  unterscheiden  impluvium 
und  compluvium  Hiin  und  Laglandiere,  dagegen  Mazois 
und  Kaoul-Kociiette  p.  14.  verstehen  unter  coinplnvhun  die 
<  )cffnung  im  Dach,  unter  impluvium  das  Wasserbecken.  Siehe 
noch  Palk.  Dia(  .  p.  1<,)S  M.  Implttvium,  (/iio  aqua  impluit  col- 
Ircta  de  tecto.  Complnviuin,  quo  de  diversis  terda  aqua  pluvialis 
confluit  iii  cimdem  locum.  Ps.  A.se.  zu  Cic.  Verr.  I,  23.  p.  177. 
Imjiluriuut  Iocua-  sine  tecto  ix  atfdibus,  quo  iinpluere  itnber  i/i  da- 


220  Erster  Exciirs  zur  zweiten]  Sceue. 

mwn  possit.  Serv.  zu  Verg.  Aen.  I,  505.  11,512.  Dass  implu- 
vium  der  offene  Raum  hiess,  ergiebt  sich  auch  aus  Pl.\ut. 
Mil.  II,  2,  3  ff.  per  inpluvhim  intro  spectant  (vicini).  3,  16  ff. 
per  inpluvhim  huc  despexi  in  proxitnnan.  70  ff.  Sein  tu  nullum 
commeatum  huc  hinc  esse  a  nobisf  —  nisi  per  iiiphiviuin.]  Siehe 
I.  auf  dem  Phin  A.  Je  nachdem  die  Bedachung  dieser  Gänge 
verschieden  angeh^gt  war,  unterschied  man  nach  Vitruv: 

1)  Tusccmicum.  Hier  waren  in  der  Breite  des  Atriums, 
in  latitiidine  atrii^  Balken  gelegt,  die  auf  den  sich  entgegen- 
stehenden Mauern  auflagen.  In  diese  Avaren  zwei  andere  in 
gleichem  Abstände  von  der  Wand  eingezapft  oder  eingehan- 
gen, die  interpensiva  Vitruv«.  Auf  diesen  ein  Viereck  bilden- 
den Balken  lagen  die  asseres,  die  Sjiarren,  auf,  welche  die 
Bedachung  trugen.  S.  Hirt,  Gesch.  der  Bank.  III,  S.  271  fg. 
Gexelli,  Briefe  über  Vitruv  I,  S.  62.  —  Vermuthlich  war 
diess  der  älteste  Bau,  der  für  sehr  grosse  Cavädien  nicht 
passte.    [Vgl.  Marini  zu  Vitruv.  Diodor.  V,  40.] 

2)  Des  Tetrastylimi  war  von  diesem  ersten  in  nichts 
verschieden,  als  dass  in  den  vier  Ecken,  wo  die  interpensiva 
auf  den  Hauptbalken  auflagen,  Säulen  untergestellt  waren, 
vermuthlich  bei  grösseren  Cavädien,  um  den  Balken  nicht  zu 
viel  Last  zuzumuthen.   [Hirt  a.  a.  0.] 

3)  In  dem  Corinthium  hingegen  lagen  die  Balken  nicht 
auf  den  Mauern,  a  parietihus  recedujit,  sondern  sie  wurden 
von  einer  rings  um  das  Impluvium  gehenden  Säulenstellung 
getragen. 

4)  Bei  dem  Displuviatum  senkte  sich  die  Bedachung 
nicht  einwärts  nach  dem  Impluvium,  sondern[nach  den  Wän- 
den, wo  Kinnen  das  Regenwasser  aufnahmen  und  herab- 
führten. Sie  hatten  den  Vortheil,  dass  im  Winter  und  bei 
trüben  Tagen  kein  tief  herabgehendes  Dach  den  umliegenden 
Gemächern  das  Licht  benahm;  [aber  auch  den  Nachtheil,  dass 
die  Wände  litten,  wenn  die  Röhren  das  Wasser  nicht  schnell 
genug  hinableiten  konnten,  Vitruv.] 

5)  Das  Testudinatiim  endlich  war  bedeckt  und  hatte  kein 
Impluvium.    [V.arro:  locus  si  nullus  relictus  erat,  sub  divo  qui 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  221 

esset,  dicebatur  testudo  ab  testudinis  similitiidine.]  Die  testudo 
aber  war  kein  Gewölbe,  camera,  sondern  eine  gewölinliche 
Balkendecke,  lacunar,  s.  Vitr.  V,  1.  Hirt.  a.  a.  O.  S.  273. 
Auf  welche  Weise  einem  solchen  cavum  aedium  die  nöthige 
Helle  gegeben  wurde,  wird  nicht  angegeben. 

[Dass  das  Cavädium  später  mehr  in  die  Form  des  Peri- 
styls  überging  (als  Tetrastjlum  und  Corinthium)  ist  bereits 
bemerkt,  und  zwar  geschah  dieses  in  denjenigen  Häusern  fast 
regelmässig,  Avelche  nur  zwei  oflfene  Haupträume  (Atrium  und 
Cavädium)  hatten,  also  eines  Raums  für  das  eigentlich  sog. 
Peristyl  entbehrten.  Solche  Cavädien,  die  zugleich  die  Stelle 
des  Peristyls  vertreten  und  die  man  ebenso  gut  mit  dem  ersten 
als  mit  dem  ZAveiten  Xamen  bezeichnen  kann,  waren  im  Hause 
des  tragischen  Dichters  (s.  B.  unter  P.),  des  Pansa,  des  Me- 
leager  (links  vom  Atrium),  der  Dioskui-en  (rechts  vom  Atrium), 
der  Bronzen  u.  s.  av.  Die  Säulenstellung  war  entAveder  voll- 
ständig, das  heisst  .vierseitig ,  wie  im  Hause  des  Meleager,  wo 
die  vorzüglich  prächtige  Halle  aus  vierundzAvanzig  Säulen  be- 
steht, s.  Engelhard,  Besclireib.  S.  4(».,  oder  nur  auf  drei  Sei- 
ten, wie  auf  unserem  Plan  und  im  Hause  des  Sallust,  Aveil 
sich  die  vierte  Seite  an  eine  j\Iauer  anleimt,  ja  sogar  auf  zAvei 
oder  einer  Seite,  Avie  mehrere  kleinere  Häuser  in  der  Merkur- 
strasse zu  Pompeji  zeigen.  Die  Säulen  selbst  Avaren  meist  aus 
Backsteinen  oder  geAvöhnlichcn  Steinen  aufgeführt,  mit  Stuck 
bekleidet  und  mit  mannigfaltigen  oft  phantasiereichen  Capi- 
tälen  geschmückt.] 

In  der  ]\Iitte  des  impluvhna  befand  sich  fast  regelmässig 
eine  Cisterne  [c.  auf  dem  l'lane  A,  Avelche  geAvöhnlicli  mit 
einer  am  Fuss  der  Säulen  hinlaufenden  und  zur  Aufnahme 
des  liegen  Wassers  bestinunten  Wasserrinne  in  Verbindung- 
Stand;  am  Hause  des  tragischen  Dichters  ist  die  liiime  A'or- 
lianden,  aber  keine  Cisterne,  sondern  in  der  Mitte  ist  luir  ein 
Gärtchen;  denn  Avegen  der  Kleinheit  des  Hauses  genügte  die 
Cisterne  des  Atrium,  s.  l'lan  B],  auch  avoIiI  ein  von  den  öfFent- 
liclien  Wasserleitungen  abgeleiteter  Springbrunnen  [scdientes^ 
Vakki)  P.  P.  r,  13.  intevhts  comjyluvhtm  liabeat  lacinn,  ubi  sa- 


222  Erster  Excurs  zur  zweiten  Scone. 

Hat  acßul^^  (leren  bald  runde,  bald  uiul  meist  viereckige  Becken 
mit  Reliefs  geschmückt  wurden,  putealia  siglllata.  Cif.  Att. 
I,  10.  [Ulp.  Dig.  XIX,  1,  17.  §.  9.  sigilla,  columnas  quoque 
et  personas,  ex  quarum  rostris  aqua  salire  solet.  Selir  oft  hat 
man  dergleichen  jjrachtige  Brunnen  von  Marmor  und  von 
Bronze  in  Pompeji  gefunden.  Ihre  Form  ist  äusserst  mannig- 
faltig. So  z.  B.  sind  auf  dem  oberen  Ende  einer  Marmorsäule 
kleine  Thiere  angebracht  (wie  Enten) ,  welche  das  Wasser 
herabträufeln  lassen,  Mus.  Borb.  IX,  t.  A. ,  oder  ein  Tiger- 
kopf speit  das  Wasser  aus,  Mus.  Borb.  XII,  13.  ein  bronzener 
Hirsch  (im  Hause  des  Sallust,  jetzt  im  Museum  zu  Palermo), 
eine  bronzene  Maske  (im  Haus  des  Meleager).  Vorzüglich 
schön  ist  der  Brunnen  mit  Silen ,  welcher  in  einer  reich  ver- 
zierten Mosaiknische  steht  und  sich  auf  das  Brunnenrohr  stützt, 
aus  dem  das  Wasser  über  vier  Stufen  in  das  Bassin  herablief, 
Mus.  Borb.  XI,  t.  A.  B.  (ähnlich  in  den  Häusern  der  Sjjring- 
brunnen,  wo  die  Nischen  der  Brunnen  ihre  Pilaster  und  Giebel 
haben).  S.  noch  Mus.  Borb.  V,  41.  Roux  und  Barre,  Herk. 
und  Pomp.  VI,  t.  64.  Ueberhaupt  liebte  man  es,  wenn  das 
Wasser  einen  kleinen  Sturz  bildete,  zu  Avelchem  Behuf  man 
Stufen  anlegte.  Sen.  ej).  86.  quantum  aquarum  pier  gradus 
cum  fragore  cadentium?  Im  Haus  des  Meleager  träufelte  das 
Wasser  von  einer  mai'mornen  Bank  in  das  grosse  Becken  des 
Atrium  und  in  dem  Peristyl  des  Cavädiums  über  mehrere 
Stufen  hinab.  Das  grosse  Wasserbecken  Avar  meistens  von 
Marmor  eingefasst  und  von  verschiedener  Gestalt;  so  in  dem 
genannten  Hause  aus  Kreisabschnitten  und  Rechtecken  zu- 
sammengesetzt. Daneben  gab  es  auch  kleine  Becken  von 
Stein  und  Erz,  so  Iavol.  Dig.  XXXIH,  10,  11.  vasa  aenea 
salieHtis  aquae  posita.  Nicht  selten  stand  neben  dem  Brunnen 
ein  marmorner  Tisch,  wie  im  Hause  des  Meleager  und  des 
Centauren.  Eine  Art  dieser  Tische  erwähnt  Varro  L.  L.  V, 
125.  Altera  vasaria  mensa  erat  lapidea  quadrata  oblonga,  una 
columcUa:  vocabatur  cartihidum.  Haec  in  aedihus  ad  complu- 
vium  apud  multos  me  puero  ponehatur  el  in  ea  et  cum  ea  aenea 
vasa.    A  gerendo  cartibum,  unde  cartibuluia  post  dictum.     Audi 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  223 

brachte  man  an  der  Cisterne  einen  kleinen  Fischkasten  an, 
wie  man  in  dem  erstgenannten  Hause  sieht,  oder  Wasserbe- 
hälter, um  mit  grösserer  Bequemlichkeit  daraus  schöpfen  zu 
können,  z.  B.  Plan  B.  bei  d  im  Atrium  und  an  der  vorderen 
Säulenreihe  des  Cavädiums.  Zahlreich  sind  die  Ueberreste 
der  alten  fistulae  et  canales  et  crateres  et  si  qua  sunt  cdia  ad 
aquas  salientes  7iecessaria,  wie  sich  Ulp.  Dig'.  XXXIII,  7,  12. 
§  24.  ausdrückt. 

Die  Intercolumnia  des  Cavädium  wurden  seit  den  letzten 
Zeiten  des  Freistaats  mit  Statuen  geschmückt.  Cio.Verr.  1, 19. 
Quae  Signa  ihdic,  Verres ,  ubi  sunt?  iUa  quaero,  quae  apud  te 
nuper  ad  omnes  cohunnas,  oninibus  etiam  intercohonniis,  in  s'dva 
denique  sub  divo  videmus.  23.  ne  haec.  quidem  duo  signa  pul- 
cherrima  quae  nunc  ad  implurhun  tuuin  stant  Tvon  demselben 
Platz  hatte  er  c.  19.  gesagt  in  inediis  aedibus).  56.  Ostendam, 
in  aedibus  piivatis  longa  difficilique  vectura  columnas  singulas 
ad  inipluvium  HS  quadragenis  inillibus  non  minus  magnas  lu- 
eatas.  In  derselben  Zeit  üng  man  auch  an,  in  den  sich  immer 
mehr  ausdehnenden  und  den  Peristylien  ganz  gleich  gewor- 
denen Cavädien  Gartenanlagen  zu  machen  mit  schönen  Bäu- 
men und  Zierpflanzen.   Hör.  epist.  I,  1(>,  22. 

Xempe  intcr  varias  nutvitur  silva  columnas. 
und  Obbarius  zu  der  Stelle.   Od.  HI,  10,  5  fg. 

Audis  quo  strepitu  ianua,  quo  nemus 

Inter  pidchra  satuta  tecta  reniugiat 

Ventis  etc. 
TiB.  HI,  :},  15.  luv.  IV,  7.  Rutil.  I,  111.  vgl.  Liv.  XLIH,  13. 
Plin.  h.  n.  XV'II,  1.  SuET.  Aug.  92.  Ueber  das  Moos  im  Im- 
pluvium  s.  Till.  I,  S.  100.  Nicht  selten  findet  man  noch  metal- 
lene Blunienäsche  zwischen  den  Säulen,  I.wol.  Dig.  XXXHI, 
7,  26.  pr.  Dolia  Jictilia  item  pluinbea,  quibus  terra  aggesta  est, 
et  in  his  viridaria  posita  acdiumi] 

Peristy  lium. 
Hinter  <lem  cavum  aedium  quer  vor  [s.  den  Plan  A.  unter 
P.,  oder  auch  in  gerader  Linie  fortlaufend,  wie  im  Hause  der 
bunten  Capitälc  und  des  Fauii,]  lag  das  grössere  I^eristyl,  das 


224  Erster  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

wie  ersteres  ein  längliches  Viereck  bildete,  und  dessen  Länge 
um  1/3  mehr  betragen  sollte  als  die  Breite.  Vitr.  c.  4.  (3, 
7  Sehn.)  Peristylia  autem  in  transversa  tertia  parte  longiora 
sint,  quam  introrsiis.  d.  h.  es  soll  sich  seine  Länge  in  der  Breite 
des  Hauses  ausdehnen,  während  die  Breite  hier  die  Tiefe  ist: 
introrsus.  Warum  es  von  dem  cavum  aedium  unterschieden 
wird  und  nicht  als  zweites  gilt,  das  erklärt  sich  daraus,  dass 
das  cavum  aedium  der  wesentlichste  Theil  des  Hauses  ist,  der 
die  anderen  um  sich  vereinigt,  während  bei  dem  Peristyle  es 
gar  nicht  nöthig  ist,  dass  Gemächer  umherliegen.  Zweitens, 
dass  das  Peristyl  jederzeit  Säulen  haben  muss,  während  das 
cavum  aedium  ohne  alle  Säulen  sein  kann  und  ursprünglich 
gewiss  so  war.  —  Die  rings  um  laufenden  porticus,  deren 
Säulen  nicht  über  vier  Durchmesser  von  einander  abstehen 
durften  und  deren  Höhe  nach  Vitruv  ihre  Breite  war,  schlös- 
sen eine  grössere  area  ein,  die  gewöhnlich  in  der  Mitte  einen 
Wasserbehälter  oder  Springbrunnen  hatte,  und  mit  Blumen, 
Sträuchern  und  Bäumen  bepflanzt  Avar  (viridariiim),  [ganz  wie 
in  dem  Cavädium,  nur  Alles  in  einem  grösseren  Maasstabe. 
Auch  hier  waren  Bildsäulen  aufgestellt  und  zwischen  den 
Säulen  nicht  selten  ein  niedriges  Geländer  mit  Gitterwerk, 
um  den  Garten  zu  schützen.  Vitr.  IV,  4,  1.  Intercolumnia  — 
2}Iuteis  inariHoreis  sive  ex  intestlno  opere  /actis  intercludantur. 
AvELLiNO,  descriz.  —  la  seconda  p.  25  fg.  E)ngelhard,  Be- 
schreib. S.  52.  An  dem  Gesims  über  den  Säulen  Maren  aucli 
Verzierungen  [antefixa,  Paul.  Diac.  p.  8  M.)  angebracht,  wie 
bei  Tempeln,  nämlich  Löwenköpfe,  Vitr.  IV,  4.,  z.  B.  in  dem 
Hause  der  Bronzen,  s.  Avellixo  ebend.  p.  25  fg.  —  Das 
grösste  Peristyl  zu  Pompeji  im  Hause  des  Faun  wird  von  44 
dorischen  Säulen  getragen.  Das  Peristyl  im  Hause  der  bunten 
Capitäle  (aus  24  Säulen  bestehend)  umschloss  einen  grossen 
Gartenraum,  dessen  zierliche  Eintheilung  noch  lange  nach  der 
Ausgrabung,  zu  erkennen  war.  —  Die  aus  Ziegeln  zusammen- 
gesetzten Säulen  in  Pom])eji  stehen  zum  grossen  Theil  noch 
jetzt,  während  die  marmornen  verschwunden  sind.  Dieses  er- 
klärt sich   dadurch,    dass  die  Bewohner  bald  nach   der  Ver- 


Die  bauliche  Einrichtung   des  Hauses.  225 

schüttung  zurückkeluten  und  Nachgrabungen  anstellten,  um 
von  iln-em  Eigenthum  so  viel  zu  retten  als  möglich  war.] 

II)  Theile  des  Hauses,  die  eine  verschiedene  Anordnung 
erhalten  konnten. 

Während  die  bisher  genannten  Theile  in  allen  acht  römi- 
schen Häusern  im  Ganzen  dieselbe  Lage  hatten,  und  also  ein 
allgemeiner  Plan  angenommen  war,  A'on  dem  man  in  der 
Hauptsache  nicht  abging ,  konnten  natürlich  die  übrigen  Ab- 
theilungen,  welche  für  den  täglichen  Gebrauch  bestimmt  waren 
oder  dem  Luxus  dienten,  sehr  verschieden  und  nach  dem  Ge- 
fallen der  Besitzer  geordnet  werden. 

Die  Theile,  welche  hier  vorzüglich  noch  in  Betracht  kom- 
men würden,  sind:  Cubicula.  Triclinia.  Oeci.  Exedro. 
Pinacothecn.  Bibliotheca.  Balineuvi  u.  a.  Von  den  Bä- 
dern indessen  und  der  Bibliothek  wird  in  besonderen  Excursen 
gehandelt  werden,  um  die  Erörterung  der  übrigen  Sitte  nicht 
von  der  Be.schreibinig  ihrer  Anlage  zu  trennen  oder  zweimal 
von  derselben  Sache  sprechen  zu  müssen. 

Cubicula 
heissen  alle  die  kleineren  Gemächer,  die  zu  eigentlichen  Wohu- 
und  Schlafzinnneru  dienen :  cubicula  dlur na  et  nocturna.  Plix. 
ep.  I,  3.  Die  Letzteren  Averden  auch  wohl  dormituria  genannt. 
id.  V,  6.  Plix.  h.  n.  XXX,  6,  17.  S.  auf  Plan  B.  c,  g,  h,  i,  k,  1. 
Ueber  ihre  Anlage  ist  nichts  besonders  zu  bemerken,  als  dass 
sie  zuweilen  für  den  (Jubicularius  ein  kleines  Vorzimmer  hat- 
ten, welches  man  mit  griechischem  Namen  TrQOxotrcoy  nannte. 
Plin.  ep.  II,  17.  Man  hatte  cubicula  aestiva  und  hiberna  und 
die  Schlafzimmer  lagen  so  viel  als  möglich  fern  von  allem 
Geräusch.  S.  Mazols,  Pal.  d.  Sc.  S.  68.  —  [In  einigen  pom- 
pojanischen  Häusern,  z.  B.  im  Hause  des  Meleager,  hat  man 
grös.sere  Gemächer  gefunden,  in  welche  kleinere  alkovenartig 
hineingebaut  sind  und  welche  oft  dormitoria  waren.  Der  Name 
für  diese  Alkoven  oder  Cabinette  war  zotheca.  Plix.  ep.  II, 
1  7.  zotheca  perquani  eleganter  rßcedit,  quae  specularibus  et  vel/'s 
obductis  reduclisque  modo  adiicitur  cubiculo  modo  aufertur. 
Plin.  V,  6.  Sidox.  ep.  VIII,  16.  zothecula.] 

Ukckf.k,  Gallus.  3.  Aufl.  II.  15 


226  Erster  P2  x  c  u  r  s  zur  zweiten  S  c  e  n  e. 

Triclinia. 
UeLer  die  Triklinicn  haben  Ciacconi  und  Orsini  viel  in 
alter  Weise  e  i'e  und  a  re  zusammengetrap;en.  Es  waren  klei- 
nere Speisesäle  oder  Zimmer,  nach  Vitruv  noch  einmal  so 
lang  als  breit.  Ihre  Höhe  betrug  die  Hälfte  der  zusammen- 
gerechneten Breite  und  Länge;  also  bei  16'  Breite  und  32' 
Länge  24'  Höhe.  Vitruv.  VI,  3,  8.  4,  1.  2.  Doch  heissen  .sie 
auch  dann  triclinia,  wenn  sie  mehr  als  ein  Triclinium  fassten. 
In  Pompeji  sieht  man  mehrere  nur  für  ein  Triclinium  be- 
stimmte, und  dieses  ist  selbst  aufgemauert.  [Overbeck,  S.  197.] 
—  Wie  man  für  die  verschiedenen  Jahreszeiten  verschiedene 
cubicula  hatte,  so  auch  Triklinien.  [Varro  li.  K.  I,  13.  L.  L. 
Vin,  29.  hibeima  triclinia  et  aestiva  non  item  valvata  ac  fene- 
strata  faciemus.  Sidon.  Apoll,  ep.  II,  2.  hiemale  triclinium^ 
Vitruv.  VI,  4.  schreibt  vor,  dass  die  verna  und  auctumnalia 
nach  Morgen,  die  hiberna  nach  Abend,  die  aestiva  nach  Mit- 
ternacht liegen  sollten.  Natürlich  musste  sich  hier  vieles  nach 
der  Beschaffenheit  des  vorhandenen  Raumes,  nach  den  Wün- 
schen des  Bauherrn  und  nach  anderen  Verhältnissen  richten. 
[Ueber  die  verschiedenen  Speisesäle  des  Lucullus  s.  Plut. 
Luc.  41.  Auf  unserem  Plane  B.  ist  wahrscheinlich  p  ein  Tri- 
clinium.] —  Dagegen  waren  die 

Oeci 
grössere  und  in  der  Bauart  verschiedene  Prachtsäle,  die  eben- 
falls, wenn  auch  nicht  ausschliessend  wie  Triklinien  gebraucht 
wurden.  Vitruv.  VI,  3,  8  ff.   (c.  6.)  führt  verschiedene  Arten 
solcher  Säle  an: 

1)  Den  Tetrastylos,  der  keiner  besimderen  Erklärung 
bedarf.  Vier  Säulen  stützten  in  ihm  die  Decke. 

2)  Den  Corinthius.  Dieser  hatte  auf  allen  vier  Seiten 
von  der  Wand  abstehende  Säulenreihen,  so  dass  zwischen 
ihnen  und  der  Wand  ein  Gang  blieb.  Die  Säulen  waren  durch 
ein  Epistylium  mit  darüber  hinlaufender  corona  verbunden, 
und  darauf  ruhete  die  massig  geAvölbte  Decke. 

3)  Prächtiger  noch  war  der  oecus  Aegyptins.  Er  hatte 
ebenfalls  auf  allen  vier  Seiten  in  gleicher  Art,  wie  der  Korin- 


Die  bauliche  Eiiiriehtung  des  Hauses.  227 

thische,  Säulen;  allein  von  ilirem  Gebälke  zur  "Wand  wurde 
eine  flache  Decke  gemacht,  so  dass  die  Höhe  der  Gänge  nicht 
mehr  als  die  der  Säulen  mit  dem  Gebälke  betrug.  Ueber  die 
unteren  Säulen  Avurde  dann  eine  zweite  Reihe  (ad  perpendi- 
culum)  gestellt,  deren  Höhe  lam  1/4  geringer  Avar,  als  die  der 
unteren.  Auf  ihrem  Epistyl  ruhete  endlicli  die  Felderdecke. 
So  ragte  der  mittlere  Eaum  über  den  äusseren  Theil  hinaus 
(etwa  wie  in  den  Basiliken,  die  in  dieser  Art  gebaut  waren) 
und  indem  über  den  äusseren  Gängen  ein  Estrich  gemacht 
wurde,  so  konnte  mau  ausserhalb  um  den  mittleren  höheren 
Saal  umhergehen,  und  durch  die  zwischen  den  Säulen  ange- 
brachten Fenster  in  denselben  hineinsehen. 

4)  Die  vierte  Art,  der  oecus  KiOy.r,v6^,  scheint  zu  Vitruvs 
Zeit  noch  neu  und  selten  gewesen  zu  sein;  denn  er  nennt 
solche  Säle  non  Italicae  consnetudinis.  Ihr  Eigenthümliches 
war,  dass  sie  auf  drei  Seiten  (Yitruv  sagt  nur :  dextra  et  si- 
nistra)  Fensterthüren,  oder  den  Thüren  gleiche,  bis  auf  den 
Boden  herabreichende  Fenster  hatten,  so  dass  die  auf  den  Tri- 
Triklinien  Gelagerten  allenthalben  ins  Grüne  hinaussehen 
konnten.  Solche  Säle  hatte  Plinius  auf  beiden  Villen.  Sie 
mussten,  um  auf  drei  Seiten  die  Aussicht  ins  Freie  zu  haben, 
über  den  L'mffing  des  übrigen  Hauses  hinausgebaut  sein. 
Exedra. 

Mit  den  oecis  —  und  zwar  den  quadratis,  denn  die  oben 
genannten  hatten  die  Verhältnisse  der  Triklinien  —  stellt 
ViTRUv  die  exedra  zusammen,  und  es  nicht  zu  bezweifeln, 
dass  darunter  eigentliche  Gesellschafts-  oder  Conversations- 
zimmor  verstanden  werden  müssen.  Man  kann  sie  nur  in  ge- 
wisser Hinsicht  mit  den  exedris  in  den  öfientlichen  Gymnasien 
vergleichen.  Diese  waren  halbrunde  Erweiterungen  der  Säu- 
lengänge mit  Sitzen.  Vitr.  V,  11.  Constituuntur  in  porticihus 
exedrac  spatiosae,  habentes  sedes ,  in  quibus  philosophi^  rhetores, 
relirpiiqite,  qui  studiis  delectantu)',  sedentes  dii<piitare  possint. 
[Vgl.  GoTHOFREi).  zu  Cod.  Thcod.  XV,  1,  53.  Tom.  V,  p. 
367  fg.  über  die  öffentlichen  exedrae  der  späteren  Zeit.  Orel. 
3283.  3303.]    Diese  waren  natürlich  unter  freiem  Himmel. 

15* 


228  Erster  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

ViTR.  VII,  9.  apertis  locis,  id  est  peristyUis  aut  exedris,  quo  sol 
et  luna  possit  splendores  et  radios  immittere.  Allein  mit  Un- 
reclit  schliesst  daraus  Wuestemann,  Pal.  d.  Sc.  S.  126.,  dass 
sie  auch  im  Privatbause  unbedeckt  gewesen  seien.  Wie  un- 
statthaft diess  sei,  ergiebt  sich  schon  daraus,  dass  Vitruv 
ihnen  gemeinschaftlich  mit  den  oecis  quadratis  ihre  Höhe  an- 
weiset, c.  5.  (3,  8  Sehn.)  Sin  autem  exedrae  aut  oe.ci  quadrati 
fuerint^  latitudinis  dimidia  addita  altitudines  educantur.  Vgl. 
VII,  3.  Fxedrae  Hessen  sie  nach  Mazois  S.  119.  darum,  weil 
sich  auf  zwei  Seiten  eben  solche  halbkreisförmige  Erweite- 
rungen befanden,  vielleicht  indessen  auch  nur  von  dem  glei- 
chen Gebrauche  und  von  den  Sitzen.  Denn  Sitze  [steinerne 
an  den  Wänden  hinlaufende,  s.  Charikles  II,  S.  75  f.  Groxov. 
zu  Suet.  ill.  gramm.  17.],  nicht  lectos  zum  Liegen,  hatten  sie 
gewiss.  Cic.  Nat.  D.  I,  6.  Narn  cum  feriis  Latinis  ad  eum 
(Cottam)  ipsius  rogatu  arcessituque  venissem ,  offendi  eum  se- 
dentem  in  exedra  et  cum  C.  Velleio  senatore  disputantem. 
Daher  heisst  es  auch  de  or.  III,  5.  cum  in  eam  exedram  venis- 
set,  in  qua  Crassus  lectulo  posito  recuhuisset  etc.  —  Nicht 
zu  verwechseln  sind  damit  die  hemicyclia ,  Cic.  de  amic.  1 . 
domi  in  hemicyclio  sedentem.  Plin.  ep.  V,  6.  Es  sind  unbe- 
deckte halbkreisförmige  Sitze,  wie  in  Pompeji  mehrere  vor- 
kommen. Sie  werden  auch  in  Athen  erwähnt. 
[Diaeta. 
Mit  diesem  griechischen  Namen  wird  nicht  etwa  eine  be- 
sondere Art  von  Zimmer  bezeichnet,  sondern  es  ist  ein  allge- 
meiner Ausdruck  für  Wohnzimmer  und  Wohnung  überhaupt. 
In  dem  ersten  Sinne  ist  diaeta  gebraucht  von  Stat.  Silv. 
II,  2,  83, 

Arte  tarnen  cunctas  procid  eminet  una  diaetas. 
von  Plin.  ep.  VII,  5.  II,  17.  Ulf.  Dig.  XXIX,  5,  1.  §  27. 
Suet.  Claud.  10.  Plut.  Poplic.  15.  Als  ein  Complex  von 
mehreren  Zimmern  (etwa  wie  unser  Logis)  oder  auch  als  ein 
Nebenflügel  des  Hauses  findet  sich  diaeta  bei  Plin.  ep.  V,  6. 
hac  (nämlich  durch  einen  porticus)  adeuntur  diaetae  duae,  qua- 
rum  in  altera  cubicula  quatuor^  altera  tria,  ut  civcuit  sol,  aut 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  229 

sole  utuntur  aut  umbra.  In  diesem  Sinne  ist  auf  einer  Inschrift 
bei  Orell.  4430.  verbunden :  cum  suis  meritorns  fMiethzim- 
mern)  et  diaeta  quae  est  iuticta  hitic  monumento  cu)n  suis  parie- 
tibus.  Die  Heizung  der  diaeta  erwähnt  Ulp.  Dig.  XXXII,  1, 
55.  §  3.  Vermöge  dieser  allgemeinen  Bedeutung  des  Wortes 
kann  diaeta  für  alle  Arten  von  Zimmern  gebraucht  werden, 
z.  B.  für  Speisezimmer.  Sidox.  epist.  II,  2.  Ex  hoc  triclinio  ßt 
in  diaetom  sive  in  coenatiiincidaiii  trcmsitus ;  für  cubiculum  mit 
einem  procoeton,  Plix.  ejJ.  II,  17.  In  lianc  ego  diaetam  cum 
me  recipio;  ebenso  für  Gartensalon  und  Gartenhaus,  z.  B. 
ScAEV.  Dig.  VII,  1,  66.  §  1.  und  Orelli  inscr.  4373.  hortus 
qui  est  cinctus  maceria  et  diaeta  adiuncta  ianuae  etc.  s.  auch 
4430.  4509.  Nicht  an  allen  der  genannten  Stellen  wird  von 
Villen,  sondern  auch  von  städtischen  Häusern  gesprochen,  so 
dass  die  Theil  I,  Seite  109.  gemachte  Bemerkung  zu  be- 
schränken ist. 

Hauskaj)elle. 
Als  der  Heerd  aus  dem  Atrium  entfernt  wurde,  erhielten 
die  Laren  und  Penaten  eine  besondere  Kapelle  und  der  Heerd 
ging  in  einen  Altar  über  (in  den  Häusern  der  Armen  und  der 
Landleute  blieben  diese  Götter  stets  mit  dem  wirklichen  Heerd 
verbunden,  s.  Cato  R.  R.  143.  und  nach  dieser  alten  An- 
schauung werden  arae,  foci,  dii  penates  etc.  noch  immer  zu- 
sammengenannt, s.  or.  p.  dom.  40.)  Diese  Kapelle  hiess  lara- 
riuni  oder  sacrariuni,  welches  eigentlich  eine  Aveitere  Bedeu- 
tung hatte  und  Heiligthnm  überliaupt  —  olnu;  Beschränkung 
auf  die  Laren  —  bedeutete.  In  noch  anderem  Sinne  sagt  Ulp. 
Dig.  I,  8,  9.  §  2.  sacrarium  est  locus,  in  quo  sacra  reponuntur. 
quud  etiam  in  aedißcio  privato  esse  potest.  Als  Hauskapelle 
lesen  wir  sacrarium  Cic.  ad  Fam.  XIII,  2,  Verr.  IV,  2.  Erat 
apud  Heium  sacrarium  magna  cu)it  dignitate  in  aedibus  — ,  in 
quo  signa  pulcherrima  qualuor.  p.  Mil.  31.  Lararium  findet 
sich  Lampr.  Sev.  Alex.  29.  31.  wo  ein  doppeltes  Lararium 
dieses  Kaisers  erwähnt  wird,  ein  grösseres  und  kleineres. 
Cap.  Ant.  Phil.  3.  Aus  beiden  Stollen  ergiebt  sich,  dass  die 
Lararien  ausser  den  Laren  auch  anderer  Götter  und  verehrter 


230  Erster  Excurs  zur  zweiten  Sceiie. 

Männer  Bilder  aufnahmen.  Auf  letztere  bezieht  sich  Suet. 
"N'it.  2.  Der  Platz  dieser  Kapelle  war  nicht  fest  bestimmt,  sun- 
dern entweder  im  Cavum  aedium,  wie  Suet.  Oet.  92.  an- 
deutet: Enatam  inter  iuncturas  lapidum  ante  domiim  siiam  pal- 
mam  in  compluvium  deorum  Penatium  transtuUt.  (s.  Plan  B. 
an  der  linken  Seite  des  Viridarium  hart  an  der  Mauer),  oder 
in  dem  Garten  des  Peristyls,  wie  im  Hause  der  Dioskuren, 
AvELLiNO,  descr.  di  una  casa  \).  29.;  selten  im  Atrium,  wie  in 
dem  grossen  Hause  der  bunten  Kapitaler  (in  der  linken  Ala).] 
Pinacotheca. 

In  dem  alten  römischen  Hause  gab  es  eine  Pinakothek 
freilich  nicht,  so  wenig  als  die  Intercolumnien  des  Cavädimns 
oder  Peristyls,  das  Gymnasium  und  der  Garten  mit  Bildsäulen 
geschmückt  waren.  Durch  Marcellus,  Plaminius,  Aemilius 
Paullus  und  besonders  Mummius  war  zwar  eine  grosse  An- 
zahl Kunstwerke  nach  Rom  gekommen,  aber  sie  wurden  nur 
zur  Verzierung  öffentlicher  Gebäude  und  Plätze  angewendet, 
und  Cicero  rühmt  von  diesen  Männern  Verr.  I,  21.  quorum 
domus.  cum  liojiore  et  virtute  florerent,  signis  et  tahidis  pictis 
erant  vacuae.  "War  doch  bei  den  Gi'iechen  selbst  das  Verlan- 
gen nach  Privatbesitz  von  Kunstwerken  erst  spät  eingetreten, 
als  der  Gemeinsinn  allmählig  verschwand,  und  man  sich  mehr 
und  mehr  entwöhnte ,  das ,  was  dem  Gemeinwesen  angehörte, 
als  sein  Eigenthum  zu  betrachten  und  in  dem  Glänze  des 
Vaterlandes  seinen  eigenen  Kuhm  zu  suchen.  Wie  viel  mehr 
nicht  in  Rom ,  wo  selbst  der  Sinn  für  Kunst  fehlte ,  und  auch 
später  noch  mehr  Eitelkeit  und  Mode  als  Liebe  und  Kenner- 
schaft Sammlungen  anzulegen  geboten.  S.  meine  Abb.  Anti- 
quitatis  Plautinae  gen.  ill.  P.  I,  p.  28  sq. 

Zu  Vitruvs  Zeit  aber  und  späterhin  gehörte  es  zum  guten 
Tone,  eine  Pinakothek  zu  haben,  s.  Plix.  XXXV,  2.  und  Er- 
sterer  giebt  die  Vorschrift,  wie  sie  angelegt  werden  soll,  wie 
für  jeden  anderen  Theil  des  Hauses.  Man  Avählte  für  sie  die 
Mitternachtseite,  damit  das  Sonnenlicht  den  Farben  nicht 
nachtheilig  werde.  Die  tabulae,  denn  auf  Holz  wurde  am  Ge- 
wöhnlichsten gemalt,  obschon  Cic.  Verr.  IV,  1.  auch  Gemälde 


Die  bauliche  Ei  nri  ch tun g  des  Hauses.  231 

auf  Leimvand,  in  textiU  erAvähiit,  die  tabidae  also  wurden  ent- 
weder in  die  Wand  eingelassen  oder  an  derselben  aufgehängt. 
Cic.  Verr.  IV,  55.  Plin.  XXXV,  10,  37.  quae  ex  incendüs 
rapi  possent.  [Plin.  XXXV,  §  9.  marmorihiis  incluset'af  par- 
vas  tabellas,  und  10.  duas  tabidas  impresslt  parieti.  ülp.  Dig. 
XIX,  1,  17,  3.  tabulae  jjicfae  pro  tectorio  includunturl\  Vgl. 
Antiq.  Plaut,  p.  47.  Von  Rahmen,  in  welche  die  Bilder  ge- 
fasst  gewesen,  erinnere  ich  mich  gegenwärtig,  so  natürlich  die 
Sache  ist,  nicht  etwas  gelesen  zu  haben;  denn  in  der  von  Ma- 
zois  angeführten  Stelle,  Pr.ix.  XXXV,  2.  steht  davon  nichts. 
Indessen  haben  manche  Wandgemälde  rahmenartige  Einfas- 
sungen, wie  z.  B.  die  sogenannte  Aldobrandinische  Hochzeit 
und  A.  Vgl.  Wixc'KELMAxx,  W.  V,  S.  171.  Vitruv.  II,  8,  9. 
spricht  aber  von  Holzrahmen  zum  Transport  ausgesägter 
Wandgemälde. 

Von  der  Bibliothek   und  den  Bädern  wird,  wie  bereits 
gesagt  worden  ist,  in  besonderen  Excursen  gehandelt  werden. 
[  S  k  1  a  V  e  n  z  i  m  m  e  r. 

Die  cellae  familiäres  oder  faniiliaricae,  servoruiu  cellae, 
Coi.uM.  I,  6.  Cir.  Phil.  II,  27.  Vitruv.  VI,  7.  Cat.  R.  K.  14. 
waren  sehr  kleine  schmucklose  Gremächer  in  den  hinteren  und 
abgelegenen  Tluilen  des  Hauses,  Avellixo,  descr.  di  una 
casa  jj.  30  fg. ,  auch  in  dem  oberen  Stockwerk,  ausgenommen 
die  cella  des  ostiarius  oder  ianitor,  welche  sich  am  Ostium  be- 
fand, s.  S.  107.  und  vielleicht  auch  die  des  atriensis.  Die 
meisten  Gebäude  in  Pompeji  zeigen  deutlich  diese  Räume  an, 
z.  B.  auf  unserem  Plan  B.  wird  e.  die  cella  des  ostiarius  und 
atriensis  gewesen  sein  und  die  Treppe  führte  ebenfalls  zu 
Sklavenzimmern,  so  wie  die  bei  o.  vor  der  Küche  befindliche 
Treppe.  In  grossen  Ilausjialtungen  waren  der  zahlreichen 
Sklaven  wegen  sehr  viele  Räume  dieser  Art  nothwendig  und 
man  könnte  sich  sonst  die  Bestimmung  der  massenhaften  klei- 
nen Zellen  gar  niclit  erklären.   S.  übrigens  I,  S.  108  f. 

K  ü  c  h  e. 

Die  culina,  nach  Xox.  I,  273.  ursprünglich  coquina  ge- 
nannt,   Avar  in   den    Zeiten    der   alten   Einfachheit    von    dem 


232  Erster  Excurs  zur  zweiten  Sceue. 

Atrium  nicht  getrennt,  sondern  der  grosse  Familienheerd 
diente  auch  zur  Bereitung  der  Speisen.  »Seuv.  zu  Verg.  Aen. 
I,  726  s.  S.  169  fg.  Auf  dem  Lande  blieb  man  der  alten  Sitte 
treu  und  hier  Avar  das  gemeinsame  Versammlungs-  und  Wohn- 
zimmer zugleich  Küche  imd  Speisesaal.  Varr.  K.  E.  I,  13. 
culina  videiida,  ut  sit  admota^  qiiod  ihi  Meine  antelucanis  tempo- 
rihus  aliquot  res  conficiuntur,  cibus  paratur  ac  cajntur.  CoL.1, 6. 
magna  et  alta  culina  ponetur ,  ut  —  in  ea  comutode  familiäres 
omni  tempore  anni  morari  queant.  In  der  Stadt  dagegen  Avurde 
in  allen  ansehnlichen  Häusern  die  Küche  in  den  hinteren  Theil 
des  Hauses  verwiesen.  Varro  bei  Xon.  1.  1.  in  postica  parte 
erat  culina  etc.  Lucil.  bei  Non.  HI,  1  58.  p/istrinwii  appositum, 
posticum,  sella,  culina.  Sie  Avar  in  den  grossen  Palästen  ganz 
dem  Luxus  der  Gastmähler  angemessen,  also  ^ehr  geräumig 
und  nicht  selten  gewölbt.  Auf  einer  Inschrift  von  Ackerblad 
Avird  eine  Küche  von  148'  Länge  erwähnt.  Sen.  ep.  114.  Ad- 
spice  culinas  nostras  et  concursantes  inter  tot  ignes  coqiios  no- 
stros.  ep.  64.  Ja,  es  gab  sogar  hier  mitunter  Wandgemälde, 
z.  B.  in  dem  Hause  der  Dioskuren  und  des  Meleager  in  Pom- 
peji ;  sehr  häufig  war  das  Bild  der  Schlange  über  dem  Heerde. 
Die  gemauerten  Heerde  und  Gusssteine  der  Küchen  {coquinae 
fusorium^  Pall.  R.  R.  I,  37.  oder  conßuvitan,  Varro  bei  Xon. 
XV,  10.  Sed  quae  necessitas  te  iubet  aquam  effundere  domi 
tuae?  si  vasa  liabes  pertusa,  pilurnhurii  non  habes?  ad  qtiam  rem 
nobis  est  confluvium?)  haben  sich  vielfach  erhalten,  Schorn- 
steine jedoch  nicht,  was  sich  dadurch  erklärt,  dass  die  Küchen 
nur  einen  kurzen  Rauchfang  hatten,  denn  eine  hohe  Esse  be- 
durften sie  nicht,  Aveil  sie  in  der  Regel  nicht  überbaut  Avaren 
Latrina. 
Sehr  unpassend  befand  sich  geAvöhnlich  neben  der  Küche 
die  latrina  (aus  lavatrina  nach  Xon.  III,  131.  A'gl.  den  1.  Ex- 
curs zur  7.  Scene).  Wahrscheinlich  brachte  man  diese  beiden 
Räume  desshalb  zusammen ,  damit  der  aus  der  latrina  zur 
öifentlichen  Kloake  führende  Abzugskanal  auch  das  schmu- 
zige  Wasser  der  Küche  mit  fortführen  könnte.  Col.  X,  85. 
Immundis  quaecumque  vornit  latrina  cloacis. 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  233 

Varro  L.  L.  V,  118.  Tina,  qua  e  cuUna  in  hwatrinam  aquam 
fundunt.  Suet.  Tib.  58.  Sen.  ep.  70.  p.  223  Bip.  Plaut. 
Cure.  II,  3,  83.  IV,  2,  24.  Der  Platz  Avar  aber  nicht  immer 
dazu  eingerichtet,  sondern  die  Skhiven  brachten  nur  die  vasa 
obscoena  her,  nämlich  die  sellas  familiaricas  oder  pertusas, 
(auch  bloss  sellae  genannt,  Mart.  XII,  77.  —  Doch  steht 
dieses  Wort  auch  im  weitem  Sinne  für  latrina^  Yarro  R.  li. 
I,  13.),  matidas  und  matelliones  (Paul.  Diac.  p.  125  fg.),  la- 
saua,  scaphia  u.  s.  w.,  welche  in  der  späteren  Zeit  oft  aus  kost- 
barem Metall  waren,  Marx.  I,  38.  Petrox.  27.  Ulp.  Dig. 
XXXIV,  2,  27.  §  5.  Lampr.  Heliog.  32.  Welche  entwürdi- 
genden Dienste  die  Sklaven  in  dieser  Beziehung  zu  leisten 
hatten,  schildern  Petrox.  1.  1.,  Martl\l.  III  ,  82.  VI,  89. 
XIV,  119.  Sex.  ep.  67.  p.  269  Bip.  Vgl.  Büttiger,  Sabina 
I,  16.  41  ff.  Seebode  ,  Scholien  zu  Horatius.  Gotha  1839. 
S.  19  ff.  Avellixo,  descr.  —  la  seconda  p.  8.  Pollux  X,  44. 
99.  —  Ueber  die  öffentlichen  foricae  s.  luv.  III,  38.  Paull. 
Dig.  XXII,  1,  17.  §  5. 

V  o  r  r  a  t  h  s  k  a  m  m  e  r  n. 
Unentbehrlich  war  die  cella  penaria,penuaria  (Dig.  XXXIII, 
9,  3.  §  11.)  proiaa  oder  promptuaria.  auch  Itorrewa  und  sj^äter 
cellariiua  genannt.  Suet.  Oct.6.  Varro  L.  L.  V,  162.  ubi  quid 
conditum  esse  volebaiit,  a  celando  cellam  appellaruut,  penariom 
ubi  penn s  etc.  Plaut.  Aniph.  I,  1,  4.  Tertull.  de  resurr.  27. 
Serv.  zu  Verg.  Aen.  I,  704.  Penus  ist  nach  Cic.  de  nat.  d. 
11,27.  omne  quo  vescuntur  homines  oder  richtiger  nach  (^>.  Muc. 
Scaevola  quud  esculeiitum  aut  poculentum  est  und  zwar  ea  — 
quae  huiusce  generis  loiigae  usionis  gratia  contrahuntur  et  recon- 
duntur,  ex  eo  quod  non  in  promptu  sint,  sed  intus  et  penitus 
liabeantur.  Gell.  IV,  1.  Manche  rechnen  dazu  sogar  ligna, 
carbones,  tus,  ceras,  unguentum,  Chartas  epistolares  etc.  Gell. 
a.  a.  0.  und  Dig.  XXXIII,  9,  3.  §  9  ff.  Hausgeräthe  gehören 
nie  in  diese  Kategorie.  Dig.XXXIII,  9,  6.  Die  cella  lag  nach 
Xordeu  (ebenso  wie  die  cella  vinaria  und  das  granariuni,  VrrR. 
I,  4,  2.)  und  zwar,  wie  Varro  sagt,  in  der  Nähe  des  cavum 
aediuni,  also  in  dem  hinteren  Thcile  des  Hauses  und  niclit  gar 


2o4  Erster  E  x  c  u  r  s  z  u  r  z  w  e  i  t  e  n  S  c  e  n  e. 

Aveit  von  der  Küche.  Ueber  ihren  Vorgesetzten  {ceUarius,  pro- 
mus^  prociirafor  peni)  ist  bereits  auf  S.  119.  gesprochen  worden. 
Die  Oelkammer,  cella  olearis  oder  olearia  lag  nach  Süden,  um 
das  Oel  vor  dem  Erfrieren  zu  bewahren,  Vitr.VI,6.  Pai.lad. 
I,  20.  Cato  R.  E.  13.  Varro  R.  K.  I,  13.  Col.  I,  6.  XII,  50. 
Ueber  die  cella  v'maria  s.  den  vierten  Excurs  zur  neunten 
Scene.  Zuweilen  lag  eine  kleine  Kammer  zur  Aufbewahrung 
der  nöthigen  Speisegeschirre  u.  s.  w.  neben  dem  Tricliuium, 
apotheca  tricllnii,  Grell,  inscr.  2889.  Avellixo,  descr.  —  la 
seconda  p.  41  ff. 

Pistrinum. 
In  den  Häusern  der  Reichsten  befand  sich  in  der  Nähe 
der  Küche  die  Bäckerei  und  Mühle,  zusammen  pistrmwn  ge- 
nannt. Die  mittleren  Klassen  hatten  aber  nicht  eine  eigene 
pistrina,  sondern  kauften  ihren  Bedarf  an  Mehl  und  Brot  von 
den  Bäckern,  deren  es  allenthalben  gab.  S.  Preller,  die  Re- 
gionen der  Stadt  Rom.  Jena  1846.  S.  111  fg.  Pauly,  Real- 
encykl.  V,  S.  1651  f.  Die  in  Pompeji  gefundenen  Pistrinen 
dienten  nicht  einem  einzigen  Haushalte,  sondern  waren  öffent- 
lich lind  wurden  von  dem  Hausbesitzer  an  pistores  vermiethet; 
s.  bei  den  Tabernen.  Gewöhnlich  stehen  darin  mehrere  Hand- 
mühlen (auch  pistrina  im  engeren  Sinne  genannt  oder  mole- 
trinae,  Non.  I,  320.  und  molae),  welche  aus  einem  oberen  und 
aus  einem  unteren  Theil  zusammengesetzt  sind,  catilhis  und 
meta.  Der  obere  gewöhnlich  sanduhrförmige  Stein  zermalmte 
bei  dem  Herumdrehen  die  durch  einen  im  oberen  Stein  ange- 
brachte trichterartige  Oeffnung  in  den  unteren  geschütteten 
Körner.  In  den  Museen  findet  man  Mühlsteine  von  verschie- 
dener Grösse,  z.  B.  in  Darmstadt  und  Wiesbaden.  Die  zum 
Drehen  des  oberen  Steins  bestimmte  Stange  hiess  vwlile,  Cato 
R.  R.  11.  12.  oder  mohicrum^  Fest.  h.  v.  p.  141  M.  und  wurde 
von  Eseln  oder  von  Sklaven  in  Bewegung  gesetzt  (auch  zur 
Strafe),  Appul.  Met.  IX.  p.  221  Elm.  Ibi  comphmum  iumeii- 
torum  multivii  circuitus  intorquebant  moles  ambage  varia  —  in- 
stahili  macMnarwn  vertigine  lucuhrabant  pervigilem  fariiiam.  — 
velata  facie  etc.    (in  anschaulicher  allerliebster  Darstellung) 


Die  bauliche  Einrichtung  d  e  s  H  a  u  s  e  s.  235 

Gell.  III,  3.  Ovid.  Fast  VI,  311  ff.  Darum  werden  molae 
manuariae  n.  /»?/;e?«/«?'/«e  unterschieden.  lAA'OL.Dig. XXXIII, 
7,  2G.  §  1.  vgl.  Paull.  ib.  18.  §  5.  12.  §  10.  Jahn,  in  Annali 
deir  Inst,  di  eorr.  arch.  1838.  X,  p.  231—248  erklärt  das  in- 
teressante Grabmunument  des  römischen  Bäckers  Eurysaces. 
Auf  dem  einen  Basrelief  sieht  man,  wie  das  Korn  gemahlen 
und  auf  dem  zweiten,  wie  das  Brot  gebacken  wird,  de  Eossi, 
antichi  mulini  in  Koma,  in  Annali  dell'  inst,  di  corr.  arch. 
1857.  XXIX  (14)  S.  274—281.  mit  der  scherzhaften  In- 
schrift: Lahora  aselle,  quomodo  ego  laboravi  et  proderit  tibi. 
Die  sehr  praktisch  angelegten  Backöfen  sind  allemal  ganz 
rund  und  7 — 8'  tief  und  ebenso  breit.  Die  Essen  bestehen 
aus  drei  thönernen  Köhren  von  10  Zoll  Durchmesser.  Der 
letzte  Backofen  in  Pompeji  wurde  1845  im  vico  Storto  ausge- 
graben. OvERBECK,  Pompeji  S.  263  ff. 
Tabernen. 
.Sehr  häutig  waren  in  den  städtischen  Häusern,  sowohl 
rechts  und  links  vom  Ostium  als  an  den  Seiten  in  der  Neben- 
strasse,  tabernae,  welche  nicht  selten  ganze  Reihen  bildeten. 
Der  Name  bezeichnete  ursprünglich  kleine  hölzerne  Häuser 
(wie  unsere  Buden),  Fest.  v.  tabernacula  p.  356  M.  quae  ipsae 
(tabernae)  quod  ex  tabulis  olimfiebant,  dlctae  sunt,  non  ut  qid- 
dam  putant,  quod  tabulis  cludantur.  Aehnlich  Paul.  v.  ad- 
tiberaalis  und  contuhernales  p.  12.  38  M.  Isidor.  XV,  2.  Da- 
gegen zieht  Ulpian  die  andere  Etymologie  vor,  Dig.  L,  16, 
183.  tab.  appdlatio  declarat  oinne  utile  ad  habitand^ua  aedifi- 
cium,  7iempe  ex  eo,  quod  tabulis  clauditur.  Später  verstand  man 
nur  Arbeits-  und  Verkaufslokale  darunter,  Ulp.  1.  1.  185. 
Non.  XII,  55.  ()ft  hatten  die  mit  von  den  Mauern  des  Hauses 
eingeschlossenen  Tabernen  besondere  Oberstübchen  (Orell. 
4331.  sind  darum  cenacula  und  tabernae  verbunden,  4323. 
tabernae  pergidae  cenac),  welche  zur  Wohnung  dienten,  wäh- 
rend der  untere  Kaum  nur  für  die  Arbeit  oder  den  Verkauf 
bestimmt  war,  wie  auch  die  grossen  Thüröffnungen  beweisen. 
Entweder  wurden  diese  Tabernen  von  dem  Hausherrn  ver- 
miethet  und  hatten  in  diesem  Fall  frar  keinen  Zusanuucnhang 


23G  Erster  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

mit  dem  Hans  nach  innen,  oder  der  Hausbesitzer  benutzte  sie 
selbst  als  Laden.  Von  beiden  Arten  bietet  Pompeji  eine  über- 
aus grosse  Anzahl  von  Beispielen  dar,  z.B.  die  beiden  Käume 
a  a.  auf  unserem  Plan  B,  welche  von  dem  Hause  ganz  ge- 
schieden sind  und  nur  nach  der  Strasse  Ausgänge  haben.  Von 
solchen  schreibt  Cic.  ad  Att.  XIV,  9.  tabernae  mihi  dvae  cor- 
^  ruerunt  reliquaeque  rimas  agunt.  Itaque  non  solum  inquilini 
(die  Einmiether)  sed  mures  etiam  migraverimt.  — ■  Sed  tarnen 
ea  ratio  aedißcandi  initur  —  ut  hoc  damiium  quaestuosum  sit. 
Im  Hause  des  Öallust  ist  eine  grosse  Bäckerei,  welche  aus 
vier  liäumen  par  terre  besteht,  nebst  Obergeschoss.  Diese 
hängen  mit  dem  Hause  ebensowenig  zusammen  als  die  beiden 
Taberneu  auf  der  rechten  Ecke  des  Hauses,  von  denen  eine 
für  den  Oelhandel  bestimmt  war,  Avie  der  steinerne  Ladentisch 
zeigt ,  in  welchem  die  Vertiefungen  für  mehrere  Fässer  noch 
vorhanden  sind.  Zwei  Tabernen  aber,  die  unmittelbar  an  bei- 
den Seiten  des  Ostium  liegen ,  stehen  mit  dem  Hause  in  Ver- 
bindung und  sind  von  dem  Hausbesitzer  benutzt  worden. 
Links  ist  ebenfalls  eine  Art  Ladentisch  mit  sechs  Vertiefungen 
noch  vorhanden.  Ebenso  ist  darin  ein  kleiner  Feuerplatz  und 
ein  Tisch  mit  Abstufungen  (gemauert),  worauf  GcAvichte  und 
dergl.  standen.  Zumpt,  S.  12  ff.  Im  Hause  des  Pansa  finden 
sich  um  das  Hauptgebäude  elf  einzelne  Parzellen,  welche 
sämmtlich  ihre  besonderen  Eingänge  von  den  drei  das  Haus 
begränzenden  Strassen  haben  und  mit  dem  Inneren  durchaus 
nicht  communiciren.  Mehrere  davon  sind  blosse  Tabernen, 
andere  dienten  auch  zugleich  als  Wohnung.  Die  grösste  Ab- 
theilung ist  wieder  ein  Bäckerhaus,  interessant  auch  dadurch, 
dass  über  dem  Backofen  ein  Phallus  war  mit  der  Inschrift: 
hie  hahitat  Felicitas.  Im  Hause  des  Chirurgen  ist  eine  Bot- 
tegha,  welche  mit  dem  Atrium  zusammenhängt,  worin  also 
der  Eigenthümer  selbst  ein  Geschäft  trieb.  Hier  fand  man  38 
Ge\^chte  von  Blei  mit  den  Inschriften:  Eme.  Habebis.  Auch 
im  Hause  Goethe's  oder  des  Faun  hängen  mehrere  Tabernen 
mit  dem  Inneren  des  Hauses  zusammen.  —  Die  Tabernen 
hatten  die  verschiedenste  Bestimmung  und  barsen  theils  das 


Die  bauliche  Einrichtung  dos  Hauses.  237 

kostbarste  Geschmeide  und  das  theuerste  Hausgeräthe  (s.  Thl. 
I,  S.  162  fg.),  theils  die  einfachsten  bescheidenen  Viktualien, 
welche  der  arme  Freigelassene  kaufte  {taberna  casearia,  Ulp. 
Dig.  VIII,  5,  8.  §  5.).  Auch  die  Buchhändler  (s.  den  dritten 
Excurs  zur  dritten  Scene),  die  tonsores  (s.  den  zweiten  Excurs 
zur  vierten  Scene  a.  E.),  die  Sklavenverkäufer  (s.  S.  106  fg.) 
u.  s.  w.  hatten  ihre  Boutiquen.  Eine  Hauptrolle  spielten  aber 
die  Weintabernen ,  s.  Thl.  I,  S.  84.  und  den  zweiten  Excurs 
zur  vierten  Scene.  —  Von  den  Tabernen ,  welche  nicht  zu 
dem  Areal  des  Hauses  gehörten,  sondern  daran  gebaut  Avaren, 
s.  Thl.  I,  S.  84.  S.  überhaupt  Overbeck,  Pompeji  S.  255  ff. 
An  den  Ladenthüren  waren  oft  Bilder  angebracht,  welche  die 
Vorübergehenden  anlocken  sollten. 
Keller. 
Die  gewölbten  Souterrains  hiessen  hypogaea  {concamera- 
tiones),  ViTKUV.  VI,  8  (11.).  Isidor.  XV,  3.  Apogewn  est  con- 
structurn  suh  terris  aedificium.  Hir  Gebrauch  war  sehr  mannig- 
faltig. Unter  dem  Hauptgebäude  der  Villa  des  Diomedes  in 
Pompeji  ist  eine  Reihe  Kellergewölbe  (auch  im  Hause  des 
Ankers),  zu  denen  man  an  beiden  Flanken  des  Hauptge- 
bäudes hinabsteigt.  An  dem  Eingange  rechts  fand  man  acht- 
zehn Skelette  und  verschiedenen  Schmuck.  Wahrscheinlich 
hatten  sich  die  Bewohner  hierher  geflüchtet ,  wurden  aber 
durch  den  eindringenden  Schlamm  begraben.  Die  Körper 
waren  in  der  verhärteten  Masse  gleichsam  abgeformt  und  im 
Museo  Borbonico  werden  mehrere  Stücke  davon  aufbewahrt, 
auch  der  Schädel  mit  Kesten  von  l)londen  Haaren.  Eine  An- 
zahl amphorae,  mit  Aschenmasse  angefüllt,  liegen  noch  an 
ihrer  Stelle.] 

Oberes  Stockwerk. 
l>aH  untere  Stockwerk  oder  Erdgcschoss  machte  das 
Hauptgebäude  aus,  und  diente  zur  eigentlichen  Wohnung. 
Da  aber  die  einzelnen  Abtheilungen  desselben  von  sehr  ver- 
schiedener Höhe  waren  und  zum  Theil  von  oben  ihr  Licht  er- 
hielten, so  war  es  unmöglich,  über  das  ganze  Haus  hinweg 
ein  zweites  Stockwerk  anzulegen.     Theilweise  geschah  es  in- 


238  Erster  Ex  cur  s  zur  zweit  eia  Seen  e. 

dessen  um  Platz  zu  gewinnen  (auch  für  Öklavenzinnnerj  und 
alle  solche  über  dem  Erdgeschosse  liegenden  Gemächer  Messen 
mit  einem  gemeinschaftlichen  Namen  cenacula.  Varro,  L.  L. 
V,  162.  Posteaquam  in  superiore  parte  coenitare  coeperant,  su- 
perior  dornus  universa  cenacula  dicta.  Paul.  Diac.  p.  54  M. 
Cenacula  dicuntur ,  ad  quae  scalis  ascenditur.  Cic.  de  leg. 
agr.  n,  35.  Romam  —  ceiiaculis  sublatam  atque  suspensam. 
Darum  sagt  auch  Jupiter  scherzhaft  Plaut.  Amph.  III,  1,  3. 
In  superiore  qui  habito  cenaculo.  [Aehnlich  Exx.  bei  Tertull. 
adv.  Valent.  7.  cenacula  maxhna  coeli ,  was  Tertullian  selbst 
nicht  verstand.  Sex.  ep.  90.  machinationes  tectorum  supra  tecta 
surgentium  et  trrbes  jjrernentium.  Die  verschiedenen  Stockwerke 
selbst  hiessen  tabulata.  In  der  späteren  Zeit  nannte  man  das 
obere  Stockwerk  auch  chalcidicum,  Ausox.  in  Odyss.  p.  316. 
Bip.  Penelupe  degressa  chalcidico.]  Zu  den  coenaculis  führten 
verschiedene  Trepjjen  {scalae,  von  Stein  und  Holz ,  meistens 
steil  lind  unbequem),  wie  es  sich  auch  in  den  Häusern  zu 
Pompeji  findet.  Namentlich  haben  die  Tabernen  besondere 
Treppen,  welche  zu  kleinei-en  liäumen  im  oberen  Stockwerk 
führen,  s.  S.  235.  Solche  Treppen  führten  zuweilen  auch  von 
der  Strasse  herauf.  Liv.  XXXIX,  14.  Consul  rogat  socrum  ut 
aliquam  partem  aediura  vacuam  faceret,  quo  Hispala  immi- 
graret.  Cenaculum  super  aedes  datuni  est,  scalis  ferentibus  in 
publicum  obseratis,  aditu  in  aedes  verso.  [Ulp.  Dig.  XLIH,  17, 
3.  §  7.  si  cenaculum  ex  publico  aditum  habeat.  Unter  den 
Treppen  war  ein  gutes  Versteck,  Cic.  p.  Mil.  15.  fugiens  in 
scalarum  se  latebras  abdidit.  vgl.  Phil.  II,  9.  Hör.  epist.  11,  2, 
15.  Gramer  zu  Schob  luv.  VII,  118.  p.  197.]  (Von  den  ce- 
naculis  als  Miethlogis  ist  bereits  gesprochen  worden  Thl.  I, 
S.  15  f.  S.  noch  HoR.  epist.  I,  1,  91.)  —  üeber  diesen  ceiia- 
culis endlich,  oder  auch  über  dem  ersten  Stockwerke  legte 
man  Terrassen  an,  die  man  mit  Bäumen,  Sträuchern,  Wein- 
reben und  Blumen  besetzte.  Diese  mögen  früher  in  Kübeln 
gestanden  haben  und  in  den  Boden  eingelassen  worden  sein, 
allein  später  schaffte  man  wohl  den  Boden  selbst  hinauf,  und 
legte  auf  dem  festen  und  gegen  das  Eindringen  der  Feuchtig- 


Die  bauliche  Einriclitung  des  Hauses.  239 

keit  gescliützteii  Paviment  wirkliebe  GUrteii  an.  Solche  Dach- 
gärten, deren  Spuren  sich  in  Pompeji  finden,  hiessen 

S  0 1  a  r  i  a , 

ein  Xame,  der  indessen  eine  Aveitere  Bedeutung  hat,  und  über- 
haupt einen  Platz  bezeichnet,  wo  man  sich  sonnet.  [I.sidor. 
XV,  3.  solaria  quia  pateyit  soll.  Pollux  Onom.  VIII,  5.  Ulp. 
Dig.  VIII,  2,  17.  pr.  Plaut.  Mil.  glor.  II,  3,  69. 

Neque  solarium  neque  hortum,  nisi  per  inpluvium. 

4,  25.  Macrob.  Sat.  II,  -4.]  "Wie  dieser  anniuthige  Gebrauch 
späterhin  übertrieben  wurde,  davon  zeugt  Sexeca,  Contr.  Exe. 
V,  5.  ahmt  in  su)V)uis  culminibus  mentita  nemora  et  navigabi- 
Uum  piscinarum  freta.  Sex.  ep.  122.  Non  vivunt  contra  Jiatu- 
ram^  qui  pomar'ia  in  summis  turribus  seritnt?  quorum  silrae  in 
tectis  domorum  ac  fastigiis  nutant,  inde  ortis  radic  hus  quo  ini- 
probe cacumina  egissent?  [Iavol.  Dig.  VIII,  2,  12.]  Etwas 
Aehnliches  waren  auch  die  \(n\  Xero  den  Häusern  und  Inseln 
vorgebauten  auf  Säulengängen  ruhenden  Solarien.  Suet.  Xer. 
16.  Formam  aedißciorian  Urbis  ?iovani  excogitavit ,  et  id  ante 
insidas  ac  dohios  porticus  essent,  de  quarum  solariis  incendia 
arcerentur.  Tacitus  Ann.  XV,  43.  Ein  solches  solarium  Avar 
demnach  einem  Balkon  nicht  unähnlich.  Vgl.  Winckelmann 
AV.  I,  S.  391.  [Klotz,  op.  p.  174—191.  Wuestem. Kunstgärt. 

5.  28fg.]     ■ 

[I'ergulae,  maeuiana,  podia. 

Unter  diesen  Xamen  sind  söllerartige  Vorbaue  zu  ver- 
stehen, ähnlich  unscru  Erkern  und  Balkons.  Pergida  (von 
pergo  abgeleitet,  Avie  regula  von  rege)  ist  eigentlich  ein  Vor- 
bau, Avelcher  in  Parterretabernen  den  modernen  um  1 — 2'  her- 
A'orragenden  Ladenkasten,  im  zweiten  Stockwerk  aber  unseren 
Erkern  gleich  gCAvesen  sein  miiss.  Das  Erste  ergiebt  sich  aus 
der  Xachricht ,  dass  die  Maler  hier  ihre  Gemälde  ausstellten, 
damit  sie  sogar  vtni  den  Vorübergehenden  gesehen  Averden 
konnten.  Plin.  h.  n.  XXXV,  10,  36.  (xVpelles)  perfecta  opera 
proponebat  pergula  transeuntibus  atque  post  ipsain  tabulaui  la- 
tens,   ritia  qwie  notarentur  auscuUabat.     LuciL.  bei   Lactant. 


240  Erster  E  x  c  ii  r  s  zur  zweiten  S  c  e  n  e. 

I,  22.  pergula  pictorum.  und  vorzüglich  Ulp.  Dig.  IX,  3,  5. 
§  12.  cum  pictor  in  pergula  clipeum  vel  tabulam  expositam  ha- 
buisset.  Von  solchen  Vorbauen  sju'icht  Herodian.  VII,  12. 
xfAXs((7/j.t'r(or  öi  rar  omäv  y.ai  rtör  fQyaarijQi'ojr  (Tabernen)  rau' 
■OvQuig,  HUI  ei  riveg  iiaciv  ^vhor  t'S.oyai  {noXkai  8f  avrai  xaru  Ttjv 
nöXiv)  nvn  TToogntt&eaav.  Natürlich  hiess  das  ganze  Zimmer 
oder  der  ganze  Laden  von  dem  charakteristischen  Merkmale 
desselben  pergula^  Ulp.  Dig.  V,  I,  19.  tabemulam,  pergulam  etc. 
Auf  die  Bedeutung  der  pergula  als  oberen  Erker  bezieht  sich 
Plin.  XXI,  3,6.  Fulvius  —  e  2^ergula  sua  in  forum  prospexisse 
dictus.  Endlich  liiess  pergula  im  Allgemeinen  jedes  luftige 
freie  Gemach,  Pjstron.  Fragm.  trag.  74.  Wenn  von  pergulis 
als  Unterrichtslokalen  die  liede  ist,  so  sind  das  luftige  Räume 
im  zweiten  Stock,  vielleicht  solaria  nur  mit  einer  Bedeckung 
versehen  oder  Erkerzimmer  im  zweiten  Stock.  Suet.  Aug. 
94.  In  pergulis  matliematici  aiieju  suam  prqfitebantur.  de  ill. 
gramm.  18.  mathematici pergulam  —  ascenderat  (Theognis). 
S.  S.  73. 

Wie  die  pergulae  sind  auch  viaeniana  Vorsprünge,  welche 
über  die  Wand  des  Hauses  hinausreichen,  Iavol.  Dig.  L,  16, 
242.  §  1.  quod  proiectum  esset  id^  quod  ita  proveheretur^  ut  nus- 
quam  requiesceret,  qualia  maeniana  et  suggnmdae  (d.  i.  Wetter- 
dächer). Sie  unterscheiden  sich  dadurch,  dass  sie  nicht  im 
unteren  Stockwerk  angebracht  M^erden  können,  sondern  das 
ihre  Querbalken  auf  Säulensubstruktionen  ruhen.  Vitruv  V,  1. 
///  porticibus  —  maenianaque  superioribus  coaxationibus  collo- 
centur.  Fest.  p.  134.  Mae7iiana  appellata  sunt  a  Maenio  cen- 
sore,  qui  primus  in  f ovo  ultra  columnas  tigna  proiecit  (oder  wie 
Paul,  sagt  extendit),  quo  ampliarentur  superiora  spectacula. 
IsiDOR.  XV,  3.  Vgl.  die  Stelle  des  Non.  bei  tablinum  S.  180. 
Die  Grammatiker  brachten  diesen  Maenius  fälschlich  mit  der 
columna  Maeniana  in  Verbindung,  wie  Non.  I,  333.  Ps.Ascon. 
zu  Cic.  div.  16.  p.  120  Or.  exceperat  ius  sibi  uiiius  columnae^ 
super  quam  tectum  proiiceret  provolantibus  tabulatis  etc.  Aus 
später  Zeit  s.  Amm.  Marc.  XXVII.  9.  Cod.  VIII,  10,  11. 
Salmas.  zu   Spart.  Pesc.  12.  will  unter  maeniana  nur  flache 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  241 

aber  etwas   hervorragende    Dächer   verstanden  wissen,  ganz 
den  solariis  gleich. 

Weniger  sicher  sind  die  podici^  welche  zwar  oft  im 
Theater,  in  einem  Privathause  aber  nur  einmal  erwähnt  wer- 
den, nämlich  Plin.  ep.  V,  G,  22.  Est  et  aliud  cubicidum  a  pro- 
xima  platano  viride  et  umhi^osum ,  maiinore  excidtum  podio 
tenus.  Es  ist  aber  keineswegs  zu  beweisen,  dass  hier  unter 
podium  ein  Erker  gemeint  sei.  —  Im  Allgemeinen  s.  Avell., 
bulletino  Napolit.  N.  1.  (1842.) 

Bedachung. 

Die  Häuser  hatten  meist  ein  flaches  Dach  (mit  den  S.  239. 
genannten  Solarien) ;  doch  gab  es  auch  gesenkte  Dächer  und 
zwar  pectinata  in  oblonger  Form,  mit  zwei  langen  und  zwei 
schmalen  Seiten.  Pest.  p.  213  M.  pectincäum  tectnm  dici/iir 
a  similitudine  pectinis  in  duas  partes  divisum  (lies  devexurn)  ut 
testudinatum  in  quatuor.  Die  mit  einem  tectum  pectinatum 
verselienen  Hausen-  hatten  an  der  schmalen  Seite  entweder 
ein  abseitiges  spitzzulaufendes  Dacli  oder  eine  giebelähnliche 
Wand,  d.  h.  eine  von  der  Schwelle  bis  zum  Dach  aufgemauerte 
Wand,  ohne  dass  sie  durch  ein  dreieckiges  Giebelfeld  (Fron- 
ton, tympwnnn)  unterbrochen  Aväre,  also  ganz  den  Giebelseiten 
unserer  Bau(!rliäuser  gleich.  Die  Behaiiptung,  dass  nur  die 
T(!mpel  fixstigia  gehabt  hätten,  ist  sonach  etwas  zu  beschrän- 
ken ,  ind(!m  Jedermann  eine  giebelähnliclie  Wand  haben 
konntt!  (wie  auch  die  Abl)ildungen  von  Häusern  auf  den  pom- 
p(!Janischen  Wandgemälden  zeigen) ,  aber  nicht  ein  von  der 
Wand  abgeschnittenes  Giebelfeld.  In  dem  ersten  Sinne  konnte 
fastigium  auch  von  I'rivatgebäuden  gebraucht  werden,  z.  B. 
Cic.  ad  Qu.  fr.  III,  1,4.  absolutum  offendi  in  aedibus  tids  tectum, 
quod  supra  conclavia  non  placuerat  tibi  esse  multoruin  fastigio- 
imm,  id  nunc  honeste  vergit  in  tectum  inferioris  porticus.  —  Die 
eigentliclicn  fastigia  dagegen,  mit  ihrem  prächtigen  Schmuck 
und  von  der  Wand  des  Hauses  ganz  abgesondert,  waren  den 
Tempeln  ganz  eigentliümlicli,  sowie;  anderem  Gebäuden  des 
Staats  und  den  Palästesn  der  Kaiser.  Zuerst  erhielt  Cäsar 
dieses  Kcdit  durcli  ein   Senatu.scimsult,  in   dem  er  auch  ein 

Be-.cki-.k,   (i.illiis,    :!.  Aiill.    II.  lg 


242  Erster  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

piihnnar,  simiilacrum  inid  einen  flamen  bekam,  Flor.  IV,  2. 
Plut.  Caes.  91.  Suet.  Caes.  81.  Cic.  Phil.  II,  43.  vgl.  noch 
de  or.  III,  46.  Arnob.  VI,  6.  Die  tecta  testudinata  waren  da- 
gegen nach  vier  Seiten  abfallend  (ohne  Giebel)  und  passten 
vornehmlich  für  viereckige  und  gleichseitige  Gebäude.  Col. 
XII,  5.  testudinecdo  tecto  more  tuguriorum.  Ein  solches  Dach, 
aber  in  kleinen  Dimensionen,  befand  sich  über  dem  cavum 
aedium  testud.  s.  S,  220  f.  Dass  unter  tecta  testudinata  nicht 
etwa  ein  gebrochenes  Dach  zu  verstehen  sei,  bedarf  keines 
BeAveises,  denn  die  Alten  kannten  dergleichen  nicht.  Konische 
Dachform  wird  nur  von  Sidon.  Apoll,  ep.  11 ,  2.  erwähnt: 
Primum  tecti  apice  in  conum  cacuniinato ,  cum  ab  angulis  qua- 
drifariam  co7icurrentia  dorsa  cristai'um  tegulis  interiacentibus 
imbricarentur.  carm.  XVIII,  3  fg. 

Aemula  Baiano  tolluntur  culmina  cono 
Parqiie  cothurnato  vertice  fidget  apex. 
Noch  ist  der  Irrthimi  des  grossen  Salma.siüs  zu  Spart,  und 
exerc.  Plin.  p.  853.  zu  erwähnen,  welcher  auf  die  Giebeldächer 
den   Namen  trichorum  bezieht ,  welcher   zweimal  vorkommt, 
nämlich  Stat.  Silv.  I,  3,  57  fg. 

Ciuid  nunc  ingentia  mirer, 

Aut  quid partitis  dlstantia  tecta  trichoris? 
und  Spart.  Pesc.  Nig.  12.  simulacrum  eins  in  trichoro  consti- 
tuit.  Trichonun  kann  aber  (nach  der  Analogie  tvov'/Moug,  no- 
Ivf-,  üTZvoi-  u.  a.)  nur  einen  Raum  bedeuten  mit  drei  Abthei- 
lungen, nicht  mit  drei  Winkeln.  Darum  erklärte  Casaub.  zu 
derselben  Stelle  nach  dem  Glossarium  des  Papias  trichorum 
als  Haus  mit  drei  Flügeln  und  Andere  als  ein  Zimmer  von 
drei  Abtheilungen.  Noch  Andere  endlich  nahmen  trichorum 
als  Haus  von  drei  Stockwerken,  wie  Rhodigix.  antiq.  lect. 
XV 111,  11.  Dazu  scheint  aber  die  Stelle  des  Spart,  nicht  zu 
passen,  noch  die  Inschrift  bei  Orell.  1595.  Es  bleibt  also  die 
Bedeutung  unentschieden,  wenigstens  hat  trichorum  mit  der 
Bedachung  nichts  zu  thun.  S.  die  gelehrte  Anmerkung  von 
Hand  zu  Stat.  Silv.  I,  3,  39.  Schwer  zu  bestimmen  ist  das 
Dach,   welches  Paul.  Diac.  p.  73.  tectum  deliciatum  nennt: 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  243 

delicia  est  tignuni,  quod  a  culmbie  ad  tegulas  angulares  bißmas 
versus  fastig atum  collocatur;  unde  tectum  deliciatum. 

Die  überhängenden  Wetterdächer  hiessen  suggrundae 
oder  mit  einem  allgemeinen  Namen  pt^otecta  und  proiecta, 
auch  procUnata.  Ulp.  Dig.  IX,  2,  29.  §  1.  und  IX,  3,  5.  §  6. 
wo  ein  Fragment  des  prätorischen  Edikts  angegeben  wird:  7ie 
qids  in  suggi'wida  protectove  supra  eum  locum ,  quo  vidgo  iter 
fiel  —  id  positum  habeat,  cuiits  casus  nocere  cid  possit,  vgl. 
§  12.  Iavol.  Dig.  L,  16,  242.  §  1.  proiectum  esset  id,  quod  ita 
proveheretur,  ut  nusquani  reqidesceret ,  qualia  maeniana  et  siig- 
grundia  essent.  und  sonst  noch  oft  in  den  Digesten.  Solche 
Dächer  umgaben  die  alten  Cavädien  {imiidne7itibus  tectis,  Plix. 
ep.  II,  17,  4). 

Die  flachen  Dächer  hatten  ein  festes  Paviment  von  Stuck, 
Stein  oder  Metall,  die  schrägen  Dächer  waren  ursprünglich 
mit  Stroh  und  Schindeln,  später  mit  Ziegeln,  Schiefer  und 
Metall  gedeckt.  Au  die  älteste  Zeit  erinnerte  die  Hütte  dos 
Romulus.  ViTRUV  U,  1,  5.  Item  In  Capitolio  commonefacere 
potest  et  significare  mores  vetustatis  Romidi  casa  in  arce  sacro- 
rum  stramentis  tecta,  vgl.  Verg.  Aen,  VIII,  054.  Ovid.  Fast. 
I,  199.  m,  189  ff.  Von  den  Schindeln  spricht  Plin.  h.  n. 
XVI,  10,  15.  18.  und  sagt  an  der  ersten  Stelle:  scandula  con- 
tectam  fuisse  liomam  adPyrrld  usque  bellum,  annis  CCCCLXX, 
Cornelius  Nepos  auctor  est.   Isidor.  XIX,  19. 

Die  Ziegeln  waren  entweder  Platt-  oder  Hohlziegel, 
tegulae  oder  imbrices,  Lsidor.  XIV,  8.  XIX,  10.  Nox.II,  433. 
Plin.  h.  n.  XXXV,  12,  46.  Plaut.  Mil.  glor.  H,  6,  24.  Most. 
I,  2,  28.  Die  tegulae  bildeten  kleinere  oder  grössere,  quadrate 
oder  oblonge  Platten ,  an  beiden  Seiten  mit  erhöhtem  Rand 
versehen,  so  dass  die  schmalen  nach  unten  spitz  zulaufenden 
imbrices,  die  die  Form  eines  halben  Cylinders  hatten,  auf  den 
zusammenstossenden  Fugen  der  tegulae  fest  auflagen.  Indem 
man  das  dünne  Ende  des  Hohlziegels  in  das  weite  Ende  des 
nächsten  einschob  und  die  Plattziegel  ein  Stückchen  unter 
den  vorhergehenden  unterlegte  (wesshalb  auch  am  oberen 
Ende  derselben  der  Hand  fehlte),  erreichte  man  grosse  Sicher- 

16* 


244  Erster  E  x  c  u  r  s  z  u  r  z  w  e  i  t  e  n  S  c  e  n  e. 

heit  und  die  Feuchtigkeit  des  Himmels  konnte  durchaus  nicht 
durch  die  Zwischenräume  dringen.  Die  deutschen  Römer- 
städte zeigen  eine  grosse  Menge  trefflich  erhaltener  Dach- 
ziegeln verschiedener  Art  z.  E.  Mainz,  Wiesbaden,  Trier, 
Bonn  u.  s.  w.  auch  das  Museum  in  Darmstadt.  S.  Bulletino 
arch(*ol.  Najiolit.  Nuova  seria  per  Garrucci  e  Minervini, 
Najjoli  1853,  Nr.  23.  Nicolini,  Pompeji.  Vol.  I,  tav.  5. 
(Wandgemälde),  de  Caumont,  Abecddaire  ou  rudiment 
d'archeol.  Paris,  1853,  S.  28.  Jahresbericht  d.  Gesellsch.  für 
nützl.  Forschungen  zu  Trier.  Trier  1861,  S.  35.  Doch  steht 
tegula  auch  für  jede  Ai-t  von  Ziegeln,  Vitruv.  II,  1,  7.  8, 18. 
19.  Juv.  m,  201.  Iavol.  Dig.  XIX,  1,  18.  §  1.,  und  tegulae 
für  Dach  überhaupt,  z.  B.  Suet.  gramm.  9.  sub  teguUs  hahitant. 
Cic.  Phil,  n,  1 8.  per  tegulas.  Die  in  den  zusammenstossenden 
Ecken  befindlichen  ziemlich  breiten  Hohlziegel,  wodurch 
Dachrinnen  gebildet  wurden,  hiessen  tegulae  colliciae,  per 
quas  aqua  in  vas  defluere  potest.  Paul.  Diac.  v.  illicium. 
p.  114  M.  Cato  K.  E.  14.  S.  Bullet.  Napol.  a.  a.  0.  Darum 
werden  auch  die  tiefen  Ackerfurchen  colliciae  genannt,  in 
welchen  das  Wasser  zu  den  Kanälen  floss,  Col.  II,  8.  Plin. 
h.  n.  XVIH,  19,  49.  Die  imbrices  konnten  mit  besonders  ver- 
zierten Frontziegeln  schliessen,  imbrices  exiremi  oäev  fro?itafi 
(ursprünglich  nur  an  den  Tempeln),  Plin.  h.  n.  XXXV,  12, 
43.  46.  Sehr  zahlreich  findet  man  alte  tegulae  und  zum 
Theil  mit  Inschriften  (sog.  Uteratae),  welche  den  Namen  des 
Meisters  {tegularius  Orelli  Henzen  6445.  7279  f.)  oder 
des  Orts  und  anderes  enthalten,  wie  ex  q/"(ficina)  — ,  op(us) 
/(iglinum)  ex  praediis  Cosinae  u.  a,.  So  in  Puteoli,  Pomjjeji 
und  a.  AvELLiNO,  bullet.  Napol.  N.  4.  6.  18.  32.  Mommsen, 
inscr.  Neapol.  6306 ff.  Bonner  Museum  Nr.  171.  vgl.  169.  177. 
—  Metallbedachung  wird  erwähnt  Orell.  inscr.  3272. 
tegulas  aeneas  auratas  und  Iavol.  Dig.  I,  16.  242.  §  2.  —  Die 
Balken,  Sparren  und  Latten  des  Dachs,  z.  B.  die  cantherii 
Sparren,  templa  Latten  (Vitruv.  IV,  2,  1.  Fest.  h.  v.  p.  367  M. 
tignum  —  transverswii)^  tigilli  oder  trabeculae,  ambrices ,  ca- 
preoli,  deliciae  (Paul.  Diac.  h.  v.  ^.  73  M.)  und  asseres  zum 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  245 

Tragen  der  Ziegeln,  Paul.  Diac.  p.  16M.  können  nicht  naher 
behandelt  werden.  —  Dass  der  Raum  unter  dem  Dach  zu- 
weilen als  Versteck  diente,  bemerkt  Mueller,  Archäol.  von 
Welcker,  S.  383.  und  citirt  App.  b.  c.  IV,  44.  Tag.  Ann.  IV, 
69.    Val.  Max.  VI,  7,  2.] 

Die   übrige  Einrichtung. 

Nachdem  wir  die  verschiedenen  Theilo  des  Hauses  durch- 
gegangen haben ,  muss  noch  kürzlich  des  übrigen  Ausbaues 
und  der  inneren  Einrichtung  Erwähnung  geschehen.  Mehrere 
der  hier  anzuführenden  Gegenstände  indessen  gehören  in  das 
Gebiet  der  Kunst,  und  in  wie  fern  von  ihnen  anderwärts  hin- 
reichend gehandelt  worden  ist,  können  hier  nur  kurze  Andeu- 
tungen und  Xachweisungen  genügen.  Wir  sprechen  billiger- 
weise zuerst  von  dem 

Fussboden. 

Der  Fussboden,  sohim,  war  nie  gedielt.  Nur  Statius  im 
Sphaerist.  des  Etruscus  scheint  nach  dem  jetzigen  Texte 
Dielen,  tahulata^  zu  erwähnen,  Silv.  I,  5,  57. 

Ctuid  nunc  strata  solo  refcram  tabulata^  crepantes 
Auditura  pilas. 
Allein  wenn  man  die  folgenden  Worte  vergleicht: 

ubi  languidus  ignis  inerrat 
Aedibus  et  teiiuem  volvunt  hypocausta  vaporem. 
so  ei-giebt  sich,  dass  tuhidata  gelesen  Averden  muss.  Vgl.  Plin. 
ep.  n,  17,  9.  Adhaeret  domntorium  membrwn,  transitu  inter- 
iacente,  gut  suspensus  et  tabulatus  conceptum  vaporem  salubri 
teniperamento  hiic  illucque  digerit  et  ministrat.  Sen.  ep.  90. 
Vielmehr  bestand  der  Fussboden  in  der  Kegel  aus  Estrich, 
eigentlich  pavimentum  {ruderatio,  ojms  ruderatiim,  [ßstucis  pa- 
vitwn),  Plin.  h.  n.  XXXVI,  25,  61.  Vitruv.  VII,  1.  Varro 
K.  K.  I,  51.  Cato  R.  R.  18.  Pallau.  I,  9.  Isidor.  XIX,  10. 
Orelli  Henzen  6124.  6606.  7211.  (davon  die  pavimentarü, 
Orell.  inscr.  4113).  Die  Unterlage  bildeten  kleine  Steine 
(Vitruv.  VU,  1,  3.  Tunc  insuper  statuminetur  ne  minore  saxo 
quam  quod  possit  maniim  implere.)^  nach  Befinden  in  mehreren 
Lagen,  daiiii  kam  eine  Masse  \<mi  /-crljröckeltcn  Steinen  und 


246  Erster  Ex  cur  s  zur  zweiten  Scene. 

Kalk  (rudiis,  ruderatio  Yitruv.  a.  a.  O.),  darüber  eine  noch 
härtere  Masse  von  Backsteinscherben  und  Kalk  {nucleii.<<^  Vitr. 
a.  a.  0.),  welche  abgerieben  und  geglättet  wurde.  Dieses  hiess 
pavimentum  oder  opus  testaceum,  auch  ostiricus  genannt  und 
signianum  (sog.  Avcil  es  in  Signia  zuerst  angewendet  worden 
wäre),  Plin.  1.  1.  Vitr.  1.  1.  Pali.ad.  1.  1.  und  40.  Lsidor.  1.  1. 
Plin.  XXXV,  46.  fractis  etiam  testis  utendo  sie,  iit  firmhis  du- 
rent  tusis  ccdce  addita ,  quae  vocant  signina.     Auch  legte  man 
auf  die  Grundlage  Backsteine,  von  welcher  Gattung  eine  be- 
sondere Form  testaceum  spicatum  (ährenförmig) ,  hiess  Vitr. 
Vn,  1,  4.    Orell.  inscr.  4240.  pavimentum  spicatum.]    Dieses 
führte    wahrscheinlich    zeitig   zum  Belegen   des  Bodens   mit 
Steingetäfel    [pavimentum    li{y6<jrQ(orov    im    weiteren   Simie, 
nämlich  mit  grossen  viereckigen  Platten,  weissen  oder  far- 
bigen Marmors.  Tibull.  EQ,  3,  16.  mormoreum  solum.    Suet. 
Ner.  50.  solium  porphyretici  mannoris.   Oct.  72.  sine  marmore 
pavim.    Orell.  1621.  pavim.  marmor.    4239.  opus  quadrata- 
rium.  Appul.  Flor.  IV,  18.  pavimenti  marmoratio.    Fest.  p. 
242  M.  Pavimenta  Poenica  marmore  Numidico  constrata  signi- 
ficat  Cato  etc.  Sen,  ep.  90.  pauper  sibi  videtur  —  nisi  Alexan- 
drina marmora  Numidicis  crustis  distincta  sunt,  nisi  Ulis  undique 
operosa  et   in  picturae  modum  rariata    circumlitio  praetexitur 
(doch  bezieht  sich  das  Letztere  auf  die  feineren  Getäfel).  Pal- 
lad. 1, 9.  Bei  Sen.  ep.  90.  wird  auch  der  Künstler  marmorarius 
gen.,  der  sowohl  die  Fussböden  als  Wände  mit  Marmorplatten 
bekleidet,  ebenso  ep.  88.  Cassiodor.  var.  I,  6.  Jahn,  Abhandl. 
d.  Königl.  Bair.  Akad.  München  1856,  VIII,  S.  234  f.  Orelli 
Henzen  2507.  3534.  4219  f.  7245.     So  war  das  Atrium  im 
Hause  des  tragischen  Dichters   mit  weissem  Marmor  belegt 
und  dasselbe  geschah  gewöhnlich  in  den  Labren  und  I'iscinen 
der  Bäder.    Daneben  kamen  zwei  Arten  feineren  Getäfels  auf, 
nämlich  pat'«'»?.  sectile  und  tesscllatum,  Vitruv.  VII,  1,  3.  sive 
sectilia  seu  tesseiis.   Suet.  Caes.  46.  in  expeditionihus  tessellata 
et  sectilia  pavimenta  secum  tulisse.    Pallad.  I,  9.  nennt  alle 
vier  genannte  Arten  der  Pavimente:   vel  testaceum  accipiant 
pavim.  (aus  Backstein)  vel  marmora  (aus  Marmorj)latten)  vel 


Die  bauliche  Eiiirichtimg  des  Hauses.  247 

tesxeras  aut  sciitulas  (s.  v.  a.  sectile),  quihus  aequale  reddattir 
angnlis  lateribusque  coniimctis.  Die  erste  Art:  pavim.  sectile 
bestand  aus  geometrisch  zugesclmitteuen  Stücken  verschieden- 
farbigen Marmors.  Vitr.  VII,  1,  4.  ita  fricentur  (pavimenta), 
uti  si  sectilia  sint,  nuUi  gradus  in  scididis  cnd  trigoids  aut  qua- 
dratis  (das  sind  verschobene  Vierecke)  seu  favis  (Sechsecke) 
exstent.  Auch  runde  Stücke  kamen  vor,  luv.  XI,  173. 

Q,in  Lacedaemoniiim  pytismate  lubricat  orbein. 
Stat.  Silv.  n,  2,  88  fg. 

ubi  marmore  pictn 
Candida  purpureo  distinguitur  area  gyrol] 
Solche  Fussböden  sollten  nicht  Mosaik  genannt  werden;  denn 
letztere  setzt  ihre  Figuren  aus  einzelnen  Stiften  zusammen, 
die  an  sich  keine  Bedeutung  haben,  sondern  sie  erst  dm-ch  die 
Verbindung  erhalten.  Hier  aber  sind  die  einzelnen  Stücken 
schon  bestimmte  ans  Marmor  geschnittene  Figuren,  also  nur 
ein  besonders  künstliches  opus  sectile.  Ein  Beispiel  geben  die 
grünen  und  weissen  "Würfel  (s.  Tbl.  I,  S.  97.)  auf  dem  Pavi- 
ment  im  Tempel  der  Venus  zu  Pompeji,  bei  Zahx,  die  schön- 
sten Ornam.  erste  Reihe,  Tafel  15.  [Auch  in  dem  Kaiserpallast 
in  Trier  (in  den  sogen.  Bädern)  bestanden  die  meisten  Fuss- 
böden aus  Steintäfelchen  von  Marmor,  Granit  u.s.w.  Schmidt, 
röni.  Baudenkmale  in  Trier.  II.  Heft.  Trier  1845,  S.  28. 

Die  zweite  Art  pavim.  tesselhdnm  war  die  eigentliche 
Mosaik,  aus  kleinen  bunten  viereckigen  Steinen  ziisammenge- 
setzt.  ViTRUV.  1.  1.  si  tesseris  structum  erit,  id  eae  omnes  angu- 
los  Jiabrant  aequales  etc.  Sex.  qu.  nat.  VI,  ol.  Vidisse  se  affir- 
mabat  in  balneo  tessellas,  quibiis  soluin  erat  Stratum.  Plix.  h.  n. 
XXXVII,  10,  54.  Androdamas  argcnti  yiitorem  habet,  ut  ada- 
mas,  qnadrata  semperque  tessellis  sirailis.  Diese  Kunst  kam  im 
sechsten  Jahrliundert  d.  St.  nach  Kom,  wie  Plix.  XXXVI. 
25,  61.  bemerkt  und  eine  Stelle  des  Lucilius  anführt,  welche 
Cic.  orat.  44.  vcjUständiger  hat : 

ut  tesserulae  omnes 
Arte,  pavimenta  atquc  emhlemate  vermiculato. 
Davon  auch  der  Xame  pavim.  Vermietdatum  oder  lithostrotum 


248  Erster  Ex  eins  zur  zweiten  Scene. 

im  engeren  Sinn.  Plin.  XXXVI,  25,  60.  Isidor.  XIX,  14. 
Orell.  4240.  vermiculum  straverunt.  Je  mehr  man  aber  diese 
Arbeit  vervollkommnete,  nm  so  leichter  bildete  sich  ein  Unter- 
schied zwischen  der  gröberen  mid  der  feineren  Mosaik,  zwi- 
schen den  tessellarü  und  musivarii,  wie  sie  Cod.  Theod.  XIII, 
4,  2.  von  einander  trennt  oder  zwischen  marmnrarii  und  mu- 
saearii,  die  das  Edict  Diocletians  c.  7.  p.  17  M.  unterscheidet. 
Das  pavim.  tessellatum  bezeichnete  nun  im  engeren  8inne  die 
gröbere  Mosaik,  wahrscheinlich  die  Zusammensetzung  geome- 
trischer Formen  (z.  B.  schachbrettähnlich),  so  wie  das  Ein- 
drücken von  kleinen  Steinen  in  die  nasse  Gyps-  und  Mörtel- 
masse ,  so  dass  Sterne ,  Kugeln ,  Blumen  und  andere  Figuren 
entstanden,  s.  Zahn,  schönste  Ornam.  II,  Tafel  96.  Avei.lino, 
descr.  —  la  seconda,  tav.  II.  (aus  dem  Hause  der  Bronzen, 
Avo  der  römische  Künstler  die  einfachsten  Formen  der  Heral- 
dik, nämlich  die  verschiedenen  Arten  der  Kreuze,  Querbalken, 
Sparren  u.  s.  w.  unwissentlich  nachgeahmt  hat),  während  das 
inusivum  die  feinere  Mosaikarbeit,  welche  die  Mahlerei  nach- 
ahmt, umfasste.  Die  erste  mehr  liandwcrksmässige  Kunst  for- 
derte nur  Sorgfalt,  die  zweite  verlangte  Kenntniss  des  Zeich- 
nens, des  Schattirens,  der  Perspective  u.  s.  w.  Der  Name 
musivum  kommt  zuerst  vor  Spart.  Pesc.  Nig.  6.  hunc  in  Com- 
modianis  hortis  in  i)orticu  ciirva  pictum  de  musivo  —  videmus. 
und  Treb.  Poll.  Tetr.  (XXX.  tyr.  25.)  accipiens  —  coronam 
civicain  picturatam  de  museo.  Orell.  3323.  opus  musivum. 
4239.  opus  museum.  4238.  inusivarius. 

Die  kleinen  bunten  Stifte  (cnistae  i^ermiculatae ,  ad  ej/i- 
giein  verum  et  animalium,  Plin.  XXXV,  1,  1.)  bestanden  aus 
Thon,  Glas  und  Marmor  oder  anderen  zum  Theil  kostbaren 
Steinarten.  Von  den  ersten  spricht  Plin.  XXXVI,  25,  60. 
qui  (Sosus)  Pergami  stravit  quem  vocant  asaroton  oecon,  quo- 
niam  purgamenta  cenae  in  pavimento  j  quaeque  everri  solent, 
velut  relicta  fecerat  parvidis  e  testidis  tinctisque  in  varios  colores. 
Stat.  Silv.  I,  3,  54  ff. 


Die  bauliche  Einrichtung  d  e  s  H  a  u  s  e  s.  249 

et  nitidvm  referentes  aera  testae 
Monstravere  soliim;  varias  ubi  p/cta  per  avtes 
Gauflet  Imnius  snperare  novis  afarota  figuris. 
Cilas  und  Stein  nennt  Pi.ix.  64.  Dageg-en  aiif  kostbare  Steine 
(namentlich  seltene  Marmorarten,  Achat,  Beryll,  Onyx  u.  a.) 
bezieht  sich  Appll.  Met.  V.  p.  159.  Elm.  Pavimenta  ipsa 
lapicle  pretioso  caesbn  deminuto  in  varia  picturae  getiera  discri- 
minantur.  Vehementer  iterum  et  soepius  heatos  tllos,  qui  super 
gemmas  et  monilia  calcant.  Sen.  ep.  ^%.  Eo  deliciarinn  perve- 
nimus,  ut  nisi  gemmas  cnlcare  noJimus.  Auson.  Mos.  48.  Lu- 
{ AN.  X,  114  flP.  Claudiax.  epithal.  Honor.  9(>.  Stat.  Silv.  I, 
2,  149.  Die  asarotici  kipilU  des  Sidon.  Apoll.  XXIEE,  57. 
gehen  wieder  auf  die  bereits  erwähnten  Mosaiken,  welche  den 
Kehricht  nachahmten,  wie  man  eins  1833  in  Rom  gefunden 
hat,  Bullet,  di  corr.  arch.  1833.  S.  81  ff.  Dass  die  Stein- 
mosaiken älter  seien  als  die  aus  Glaspasten  zusammenge- 
setzten, hat  Herr  Professor  W.  Zahn  gewiss  mit  Recht  ange- 
nommen. Wie  überaus  mühsam  die  Arbeit  war,  geht  daraus 
hervor,  dass  derselbe  bei  einem  pompejanischen  Fussboden 
auf  dem  Raum  eines  Quadratfusses  2000  fiirbige  viereckige 
Marmorstückchen,  bei  der  grossen  Schlachtenmosaik  aber  so- 
gar 150  auf  den  Raum  eines  Quadratzolls  gezählt  hat  (Orna- 
mente, Heft  12.  Taf.  57  —  59).  Trotzdem  findet  man  kein 
Haus  in  Pompeji  ohne  Musaikfussboden.]  Gurlitt,  über  die 
Mosaik.  Archäol.  Sehr.  S.  159  ff.  Minutoli  und  Klaproth, 
über  antike  Glasmosaik,  Berlin  1815.  O.  Mueller,  Archäol. 
[Ausg.  V.  Welcker,  S.  458 ff.  Pahlv,  Realcncykl.  V,  S.  275  ff.] 
Stkinruechel,  Alterthumswissciischaft.  S.  24  ff.  [Secchi,  il 
musaico  antoniniano.  Roma  1843.]  Proben  antiker  CJetäfel 
und  Mosaiken  geben:  [Lahorde,  description  dun  pave  en 
mosaique,  Paris  1802.  und  Madrid  180G.  Cia.mi'ixi,  monum. 
vet.  I.]  d'  Agincourt,  Histoire  de  Tart.  'J'oni.  V.  tab.  13  ss. 
Zahn,  in  seinen  Prachtwerkcn :  die  schönsten  Ornamente  und 
Gemälde  aus  Herculanuni  uml  Pompeji  1828.  1829.  (in  Far- 
ben), fin  der  zweiton  Folge  18  12-44.  Tafel  56.  96.  in  der 
(liittcii  Folge  1H52  -59.  Tafel  6.  16.  22.  39.  und  in  dem  gc- 


25()  Erster  Kxcurs  zur  zweiten  Scene, 

nannten:  Ornamente  aller  klassischen  Kunstepoclien.  Berlin 
1842—16.  Taf.  49.  57—59.  Eoux  und  Rarrö,  Herculanum 
und  Pompeji.  Hamb.  1841.  Bd.  IV.]  Marini,  tab.  15.  87.  und 
zerstreut  in  Museen.  Das  bedeutendste  aller  bekannten  an- 
tiken Mosaikgemälde  ist  die  am  24.  Okt.  1831  im  Hause  des 
Faun  zu  Pompeji  aufgefundene  Schlacht.  Mus.  Borb.  VIII. 
t.  36 — 45.  [Zahn,  die  schönsten  Ornamente,  zweite  Folge, 
Taf.  91 — 93.  Nach  Quaranta,  AvELLiNO,  Roulez,Welcker 
in  Müllers  Archäol.  S.  172  fg.  u.  Kleine  Schriften  IH,  S.460— 
475.  und  OvERBECK  S.  426  f.  u.  A.  ist  sie  eine  Alexander- 
schlacht, bei  Issus,  am  Granikus  oder  bei  Arbela.  Schreiber, 
die  Marcellusschlacht  in  Clastidium.  Freiburg  1843.  behaup- 
tet, es  sei  ein  Kampf  zwischen  Römern  xind  Kelten,  während 
Bergk  in  Zeitschr.  für  Alterthumswiss.  1844.  N.  34  fg.  in  den 
Besiegten  zwar  Kelten  erkennt,  in  den  Siegern  aber  Griechen 
und  daher  glaubt,  es  sei  der  Sieg  Attalus  I  bei  Pergamus. 
Gervinus,  kleine  histor.  Schriften  VII,  S.  435 — 487.  —  An 
dieses  schliessen  sich  mehrere  andere  an,  welche  durch  gross- 
artige Composition,  lebendigen  Ausdruck,  schöne  Färbung 
und  zierliche  Ausführung  den  geläuterten  Geschmack  der 
Künstler  bezeugen,  z.  B.  die  Athletenschule  (im  neuen  latera- 
nensischen  Museiun,  s.  oben  Secchi's  Schrift  u.  Henzen,  in 
bullet,  deir  inst.  1843,  S.  123—128.),  die  Darstellung  Aßgyp- 
tens,  genannt  die  praenestinische,  der  I'anther-  und  Centauren- 
kampf aus  Hadrians  Villa  (jetzt  in  Berlin),  Amor  auf  dem 
Löwen  oder  Tiger  reitend,  Mus.  Borb.  VII,  61.  fg.  und  bei 
Zahn  Ornam.  Die  lange  schmale  Mosaik  in  Göthes  Haus  mit 
Masken  und  Früchten  (von  Glas),  Zahn,  schönste  Ornam.  III, 
Taf.  26.  Die  grösste  Mosaik  in  Deutschland  wurde  zu  Nennig 
bei  Saarburg  gefunden,  ein  Gladiatoren-  und  Thiergefecht 
aus  8  Gruppen  bestehend,  50  Fuss  lang,  33  Fuss  breit,  Jahrb. 
d.  Vereins  v.  Alterthumsforsch.  im  Rheinland.  1860.  XXIX  u. 
XXX,  S.  287  f.  Schöne  Mosaiken  sieht  man  auch  in  Darm- 
stadt (aus  Vilbel) ,  in  Cöln  n.  s.  w.  S.  Ottfr.  Mueller  und 
Pauly  a.  a.  O.  Die  Mosaikbilder  dienten  vorzugsweise  zum 
Schmuck   des  Fussbodens,  von   anderen   Anwendungen  sind 


Die  bauliche  Einricli  tuiig   des  Hauses.  951 

wenig  Beispiele  vorhanden,  nämlich  einige  mit  farbigen  Glas- 
stückchen belegte  Säulen  in  Pompeji  (Zahx,  Ornam.  T.  60. 
80.),  mehrere  Brunnen  mit  sehr  reichen  IVfosaiknischen  eben- 
falls in  Pompeji,  aber  immer  niii-  ornamentistisch  und  ohne 
Figuren.  Erst  gegen  das  Ende  der  röm.  Kaiserzeit  wurden 
die  Wände  und  Deckengewölbe  mit  Mosaik  belegt.  Kugler, 
Handb.  der  Gesch.  der  Malerei,  zweite  Aut^g.  v.  Burckhardt, 
I,  S.  24.  MuELLERS  Archäol.  von  Welcker  S.  251  fg.  Over- 
BECK,  Pompeji  S.  423  ff.  —  Wie  reich  und  schön  man  den 
Fussboden  zusammensetzte  zeigt  unsere  Tafel  I.  (nach  Zahn, 
schönste  Ornam.  III,  T.  6.  16.)  obgleich  es  nur  opus  tessel- 
latum  ist.] 

Die  Wände. 
Die  inneren  Wände  der  Zimmer,  Säle  und  Säulengänge, 
in  alten  Zeiten  vermuthlich  nur  [berappt,  trussillati ,  und]  ge- 
weisst  [dealbati,  Cic.  Vei-r.  I,  55.-,  davon  albarius  und  opus 
albarium  Orell.  4142. 4239.;  der  aufgetragene  Stuck,  Avelcher 
in  Pompeji  eine  vorwiegende  Rolle  in  der  Ornamentik  spielte, 
hiess  fectorium,  Vitr.  VII,  2.  3.  s.  S.  180.  Overbeck,  Pompeji 
S.  362  f.],  wurden  mit  Marmortafeln,  crustae  marmoreac,  oder 
auch  künstlichem  Marmor  bekleidet  (incvustare).  Mamurra 
war  nach  Plixius  der  erste,  der  (zu  Catulls  Zeit)  in  seinem 
Hause  das  Beispiel  solchen  Luxus  gab.  II.  X.  XXXVI,  6,  7. 
Prhnum  Roinae  parietes  crusta  inarmoris  operuiase  tothts  domiis 
suae  in  Caelio  monte  Cor)ieUvs  Nepos  tradidit  Mamurram.  [Sen. 
ep.  86.  pauper  sibi  vidctiir  ac  sordidus^  nisi  parietes  inagnis  et 
pretiosis  orbibus  refuheiinU  (Marniorquarrees  oder  Medaillons). 
ep.  115.  Mirayniir  parietes  tenui  marmore  inductos.  ep.  114.  ul 
parietes  advectis  trans  iiiaria  marmoribiis  ßdgeant.  controv.  IX. 
p.  140.  Bip.  varius  ille  secalur  Inpis ,  iit  tcuui  fronte  parietem 
tegat.  Isidor.  XIX,  13.  Auch  die  Ausgrabungen  in  den  Rhein- 
gegeudeu  zeigten  sehr  häufig  S])ur('u  dieses  aus  geschliffeneu 
und  jinlirtcn  Steinjdatten  bestelieudru  \Vandsclmiuckes,  Over- 
BECK,  die  röm.  Villa  b(!i  Weingarten,  Bonn  1851,  S.  11  f.] 
In  der  Bekleidung  mit  künstlichem  iNlarmor,  was  Sache  der 
tectores  [Oreli.i  IIbnzen  4288.  4803.  6445.]  und  niannorarii 


252  Erster  E  x  c  u  r  s  zur  zweiten  S  c  e  n  e. 

[Okelli  Henzen  25U7.  'dbU.  4219  f.  7245.  verwaudt  mit  den 
lapiclar'd  4220.  4302.  6445.]  war,  waren  die  Alten  so  erfahren, 
dass  man  selbst  Tafeln  aus  den  Wänden  wieder  aussägte,  und 
sie  als  Tischplatten  gebrauchte.  Vitr.  VII,  3.  6.  [Dass  man 
Wände  auch  mit  Glasstücken  belegte,  zeigen  die  Ruinen  eines 
1826  in  Ficulura  bei  Rom  entdeckten  Zimmers.  Plin.  XXXVI, 
25.  64.  non  duhie  vitreas  facturus  cameras,  si  prius  id  inventum 
fuissef.]  Weit  häufiger  Avurde  jedoch  Malerei  zur  Ausschmü- 
ckung der  Wände  angewendet,  und  selbst  in  den  unbedeuten- 
deren Häusern  von  Pompeji  u.  Ilerculanum  finden  wir  diesen 
sinnigen,  freundlichen  Schmuck  allenthalben  [stets  aber  mit 
Bewahrung  des  dekorativen  Charakters].  Die  Untersuchung 
der  Frage,  wenn  man  überhaujit  angefangen  habe,  auf  die 
blosse  AVaud  zu  malen,  eine  Frage,  die  in  neuester  Zeit  leb- 
haften Streit  erregt  hat,  gehört  nicht  hierher.  In  allen  Schrif- 
ten und  Kritiken  von  Hittorf  bis  auf  Wigmann  und  Le- 
TRONNES  neuester  Erklärung  gegen  Raoul-Rochette,  im 
Journ.  des  Sav.  1837.  Avr.  dürfte  auf  beiden  Seiten  noch 
manches  zu  berichtigen  sein.  Für  die  Privatwohnungen  wird 
immer  Pltnius'  Zeugniss,  XXXV,  10,  37.  gelten  müssen. 
Genug,  diese  Malerei  war  längst  in  Griechenland  gebräuch- 
lich, ehe  man  in  Rom  an  dergleichen  Schmuck  dachte.  — 
[Das  letzte  Resultat  ist  jedenfalls  richtig ,  unriclitig  aber,  was 
vorher  über  Plin.  gesagt  wird.  Plin.  nämlich  setzt  nicht  den 
Anfang  der  röm.  Wandmalerei  in  Privathäusern  in  Augustus 
Zeit,  sondern  den  Anfang  der  Landschaftsmalerei,  so  dass  die 
Wandmalerei  überhaupt  schon  vor  August  angenommen  wer- 
den muss.  —  Ueber  die  Malerei  der  Alten  schrieben  in  neuester 
Zeit:  G.  Hermann,  de  veterum  graec.  pictura  parietum.  Lips. 
1834.  und  opusc.  V,  p.  207—229.  John,  die  Malerei  d.  Alten. 
Berlin  1836.  Wigmann,  die  Malerei  d.  Alten,  Hannover  1836. 
Letronne,  lettres  d'un  antiquaire  sur  l'emploi  de  la  peinture 
hist.  murale.  Paris  1836.  und  appendice  aux  lettres,  1837. 
Raoul-Rochette,  peintures  antiques  inedites  precddees  de 
rech,  sur  l'emploi  de  la  peintiire  dans  la  decoration  des  edi- 
fices.  Paris  1836.    und  lettres  archeol.  sur  la  peint.  I,  1840. 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  253 

KxiERiM,  die  Harzmalerei  der  Alten.  Leipzig  1839.  nud  die 
endlich  entdeckte  wahre  Malertechnik  des  Alterthnms,  1845. 
OvERBECK,  Pompeji  S.  385 — 423.  u.  A.  s.  Muellers  Archäol. 
von  Welcker,  S.  449  ff.  245  ff.  —  Die  Malerei  war  theils  ein- 
farbig, monochromatisch,  Plix.  h.  n.  XXXV,  5,  11.  singulis 
coloribus  et  monochr omaton  clictam  —  duratque  etiamnunc. 
Fronto  ad  Verum  I.  quid  si  quis  Parvhasium  versicolora  pin- 
gere  iuberet  aut  Apellem  unicolora?  z.  B.  Mus.  Borb.  IX,  49. 
Zahn,  die  schönsten  Ornam.  IT,  1.;  theils  buntfarbig  und  zwar 
ebenso]  auf  nassem  Kalk  al  fresco  {udo  illinere  colores.  Plin. 
XXXV,  31.  colores  udo  tectorio  mducere,  Vitr.  VII,  3,  7.)  als 
auf  trocknem  Grund  mit  Leimfarbe  a  tempera  [was  wohl  das 
häufigste  war].  S.  Wixckelmann  W.  V,  S.  197  fg.  Doch 
findet  sich  auch  die  Grundfarbe  häufig  fresco,  [die  anderen 
tempera,  Muellers  Archäol.  S.  452.  Ursprünglich  hatte  die 
Malerkunst  vier  Grundfarben  (Cic.  Brut.  18.  Plix.  XXXV, 
32.  quatuor  coloribus  solis  immortalia  illa  opera  fecere  — 
Apelles  etc.)  nämlich  weiss  (die  Melische  Erde  und  praeto- 
nium),  roth  (rubrica  aus  Ka^ipadocien  oder  Sinopis  und  mi- 
nium),  gelb  (sil,  am  besten  ausAttika)  und  schwarz  (atramen- 
tum);  allein  als  die  Wandmalerei  in  Italien  überhand  nahm, 
waren  bereits  ausser  den  genannten  Grundfarben  viele  andere 
ebenso  glänzende  als  theuere  Farben  in  Gebrauch.  Plin. 
XXXV,  12.  sunt  autem  colores  austeri  (die  vier  älteren)  aid 
^07'fc// (die  neuen).  Floridi  srmt ,  quos  dominus  pingenti  jjvcie- 
statj  z.  B.  chrT/socolla  grün  aus  Kupfer,  purpurissum  (e  creta 
argentaria,  cum  purpuris  pariter  tingitur),  indicum  Indigo,  ein- 
nabari  Ziimober,  caeruleum  (künstlich  in  Puteoli  dem  alexan- 
drinischen  nachgcmachtj  u.a.  Plix.  12 — 32.  Vitr.  VII, 7 — 14. 
IsiDOR.  XIX,  17.  Muellers  Archäol.  S.  450  fg.  und  dii^ 
Schriften  von  JofLN  und  Kxierlm. 

Die  Maler  pHcgtcu  di(;  Wände  der  Zimmer,  nachdem  sie 
Sockel  und  Fries  abgeschieden,  höchst  geschmackvoll  in  grös- 
sere und  kleinere  Felder  zu  theilen,  welche  sie  mit  präclitigen 
u.  phantasiereichcn  vVrabeskeu  umgaben,  so  dass  sie  Wixckhl- 
MANX   mit  den   srliöiistcn   in    den  Loggien  l\a[»haels   v(rrglich. 


254  Erster  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

Die  am  häufigsten  vorkommenden  CTrundfarben  der  Felder 
und  Sockel  sind  rotli  neben  schwarz,  Zahn,  Ornam.  31.  41. 
43.  51  fg.  62  ff.,  III,  Taf.  18  f.  29.  59.  roth  und  gelb  (III,  Taf. 
79.),  auch  blau  daneben,  ebendaselbst  62  ff.,  grün  und  gelb, 
braun  und  gelb,  braun,  schwarz  und  grün,  grün  und  roth,  gelb 
und  weiss  (III,  Taf.  36.  mit  Medaillons),  wie  Zahns  erwähntes 
Werk  und  dessen  schönste  Ornamente  in  trefflicher  Ausfüh- 
rung zeigen.  Stets  ist  es  „ein  heiteres  Colorit  mit  entschie- 
denen Farbentönen,"  wie  es  bei  dem  südlichen  Himmel  und 
der  antiken  Lebensanschauung  nicht  anders  sein  konnte  {ful- 
gentes  oculorum  reddunt  visiis,  Vitruv.  VII,  5,  8.),  und  ein 
starker  Effekt  liegt  in  dem  Kontrast  der  dunklen  und  hellen 
Farben,  welche  die  Alten  neben  einander  stellten;  doch  bildete 
die  dunkele  gewöhnlich  den  Sockel  und  die  hellste  den  Fries. 
Engelhard,  Beschreib,  öfters.  Zahn,  schönste  Ornam.  III, 
Taf.  18.  19.  29.  59  (Sockel  schwarz,  Fries  gelb.  Wand  roth)]. 
Auf  unserer  Tafel  II  ist  nach  Zahns  schönsten  Ornam.  [III, 
Taf,  44.  die  herrliche  Wand  treu  mitgetheilt,  welche  sich  1811 
im  Atrium  des  Hauses  des  Modestus  in  Pompeji  fand.  Die 
Hauptfelder,  in  welchen  die  drei  Jahreszeiten  Frühling  Som- 
mer und  Winter  schweben,  sind  roth,  der  Sockel  schwarz, 
die  überaus  phantastische  Architektur  meistens  in  gelb  und 
grau  ausgeführt.  Der  oberste  Theil  der  Wand  enthält  auf 
weissem  Grund  drei  Gruppen:  Ulisses  und  Circe,  Achilles  auf 
Skyrus  und  drei  weibliche  Figuren  (undeutlich)].  —  Ueber 
den  der  Dauerhaftigkeit  wegen  angeAvandten  AVachsfirniss  s. 
Thl.  I,  S.  33. 

[Was  nun  die  in  den  Feldern  eingeschlossenen  Bilder 
betrifft,  so  waren  die  Gegenstände  derselben  höchst  mannig- 
faltig. Vitruv.  VII,  5.  sagt  darüber:  antiqui  —  imitati  sunt 
primum  crustarum  marmorearum  varietates  et  collocationes ;  de- 
inde  coronariün  (d.  i.  Ki*anzleisten)  et  silaceorum  cuneorum 
(das  sind  Käume  zwischen  dem  Marmorgetäfel)  infer  se  vnrias 
distributiones.  Die  Nachbildung  der  Marmoi-wände  war  also 
der  erste  Anfang  der  Wandmalerei.  Dann  unterscheidet  Vitr. 
folgende  vier  Gattungen:   1)  architektonische  Ansichten:   Po- 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  255 

stea  i/igressi  sunt,  utetiari\  aßälßciqruv^ figuras  coliannarumque 
et  fastigiorum  eminentes  proiecturos  imitarentur.  2)  Bühneu- 
darstellungen,  patentibus  autem  locis;  uti  exedris,  propter  ampli- 
tuduiem  parietinn  seenarum  frontes  tragico  more  aut  comico  seit 
satyrico  designarent.  3)  Landschaften ,  amhulationes  vero  pro- 
pter spatia  longitudinis  varletatibus  topiorum  ornarent  ah  certis 
locorum  proprietatibus  imagines  exprimentes ,  pinguntur  e?}vn 
portus,  promontoria,  littora,  flumina,  fontes^  eiiripi,  fana^  lud, 
montes,  pecora,  pastores.  Plin.  XXXV,  37.  nennt  Ludius  zu 
Augustus  Zeit  als  Erfinder  dieser  landschaftliclien  Darstel- 
lungen und  fügt  noch  Allerlei  hinzu,  als  varias  ihi  ohambulan- 
tium  species,  aut  navigantium  terraque  villas  adeuntium  asellis 
aut  vehicuUs.  lam  piscantes  aucupantesque  aut  venantes  aut 
eliam  vindemiantes  sunt  in  eius  exemplaribus  etc.  Endlich 
4)  sagt  ViTRUV.  nonnullis  locis  item  signarent  megalographiani 
hahentem  deorum  siinulacra  seu  fahularum  dispositas  disposi- 
tiones,  non  minus  Troianas  pugnas  seu  Ulyssis  errationes  etc., 
also  historische  Compositionen,  Bilder  von  Qröttern  und  mytho- 
logischen Scenen,  Opfer  und  dergl.  Die  interessantesten  Com- 
mentare  zu  diesen  authentischen  Berichten  liefern  die  erhal- 
tenen Gemälde  von  Herculanum  und  Pompeji,  welche  von 
allen  Gattungen  zahlreiche  Beispiele  enthalten  und  deren 
Menge  täglich  wächst.  Die  arclutektonisclien  Gebilde  leicht 
und  durchsichtig  componirt,  mit  dünnen  rohrähnlichen  Säulen, 
luftigen  Balken  und  Giebeln,  herabhängenden  BlumeiigcAvin- 
deii,  Vögeln  u.  s.  w.  reich  dekorirt,  beweisen  den  kiilinen  oft 
phantastischen  Geschmack  des  Künstlers.  Vitruv  a.  a.  (). 
tadelt  das  damals  sehr  in  Mode  gekommene  Abschweifen  von 
der  Natur  in  dieser  Architektur-  und  l*ers])cktivmal('r('i  allzu- 
bitter: pinguntur  tectoriis  iiionslra  potius  qi/aiii  ex  rebus  finitis 
imagines  certae;  pro  cohuimis  enim  statuuntur  calami,  pro  fasti- 
giis  hatpaginetuli  striati  cum  crispis  foliis  et  volutis  tetieris,  item 
candelabra  aediculoi'um  sustinentia  figuras,  supra  fastigia  eanon 
surgentes  ex  radicibus  cum  volutis  coliculi  teneri  — .  Haec  autem 
nee  sunt  nee  fieri  possunt  nee  fuerunt.  —  At  haec  falsa  vidcntcs 
homines  non  reprehendunt ,  sed  delectantur  — .   ludiciis  autem 


256  Erster  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

iiifirinis  obscuratae  inentes  non  valent  probare  quod  potest  esse 
cum  auctoritate  et  ratio?ie  decoris.  Neque  enhn  picturae  probari 
deboit,  quae  non  sunt  similes  veritati  u.  s.  f.  —  Auch  freuiul- 
liclie  heiter  belebte  Landschaften  sind  in  Menge  A'orliandeu, 
obgleich  gerade  diese  den  anderen  Bildern  sehr  nachstehen, 
(meist  mit  vorherrschender  Architektur),  Jagden  (Mus.  Borb. 
Xni,  18.  Zahn,  schönste  Ornam.  III,  Taf.  5.  wo  Jäger  Thiere 
erlegen  und  zugleich  wilde  Thiere  unter  einander  kämpfen), 
Wasserfälle  (Mus.  Borb.  XI,  26.),  Gärten  (Mus.  Borb.  XII, 
A.  B.).  Von  hohem  Werth  und  oft  von  grandiosem  Charakter 
sind  die  historischen  und  mythologischen  Gemälde,  z.  B.  die 
Säugung  des  Telephus  im  Beisein  des  Herkules  und  der  Om- 
phale,  Mus.  Borb.  IX,  5.  vgl.  XIII,  38  fg.,  die  Erkennung  des 
Telephus  durch  seinen  Vater  Herkules  in  Zahn  ,  schönste 
Ornam.  III,  Taf.  1.  (lebensgross  und  meisterhaft,  schon  1739 
in  Herkulanum  entdeckt),  die  Wegführung  der  Briseis  auf 
Achilles  Befehl,  in  dem  Hause  des  tragischen  Dichters,  Ariadne 
auf  Naxos,  Zahn,, das.  IH,  Taf.  9  f.,  Perseus  und  Andromeda 
(beide  sehr  oft,  aber  von  verschiedenem  Kunstwerth),  die 
Bacchuserziehung,  Bacchussiege,  Herkules  und  Omphale  (vor 
Kurzem  ausgegraben,  s.  archäol.  Zeit.  1847.  N.  7.),  Scenen 
aus  der  kaledonischen  Jagd,  dem  trojanischen  Krieg  und  dem 
Argonautenzug,  die  Toilette  des  Hermaphroditen  in  einem 
Colorit,  welches  dem  Titians  ähnlich  sein  soll,  Zahns  schönste 
Ornam.  IL  Taf.  13.,  Iphigenias  Opfer,  Zahn  das.  III,  Taf.  42. 
das  als  Hypnos  und  Pasithea  erklärte  Bild  in  Gkll,  Pom- 
peiana  T.  83.  Von  einzelnen  Figuren  kommen  unter  den 
höchsten  Göttern  am  häufigsten  Mars  und  Venus  vor  (Mus. 
Borb.  X,  40.  XI,  4  fg.  24.  XI,  53  ff.  57.),  Aktäon  Taf  49. 
n.  A.  Von  besonderer  Schönheit  und  Aumuth  aber  sind  viele 
in  der  Mitte  der  Wandfeldcr  befindliche  schwebende  Figuren, 
welche  Faune,  Bacchantinnen,  Nymphen,  Citherspielerinnen, 
Genien,  Tänzerinnen  vorstellen,  frohen  Genuss  und  reizende 
Sinnlichkeit  athmend.  Unübertrefflich,  nach  Winckelmanns 
Urtheil  flüchtig  wie  ein  Gedanke  und  schön  wie  von  der  Hand 
der  Grazien  ausgeführt  sind  besonders]  zwölf  etwa  eine  Sjjanne 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  257 

hohe  und  auf  schwarzem  Grunde  schwebende  Tänzerinnen 
und  vun  je  mit  einer  anderen  anmuthigeu  Figur  trefflich 
grupjiirte  Centauren ,  ebenfolls  auf  schwarzem  Grund ,  in  der 
sog.  Villa  Cicero's  zu  Pompeji  1749  gefunden,  s.  Pitture 
d'Ercolano,  I,  t.  13 — 28.  Mus.  Borb.  VII.  [Mever,  Gesch. 
der  bildenden  Künste  bei  den  Griechen  und  Eömern.  Dresd. 
1S36.  III,  Ö.  107  fg.] ,  der  Centaur  mit  der  Bacchantin,  s.  auch 
GoRO  V.  Agyagfalva,  Wanderungen  durch  Pompeji  T.  17. 
18.  [Andere  finden  sich  Mrs.  Borb.  IX,  7  fg.  17.  19.  22. 
X,  5.  34.  54.  XII,  4  fg.  18.  34.  XIH,  16  fg.  40.  48.  u.  s.  w., 
von  denen  mehrere  ebenso  zart,  anmuthig  und  geistvoll  ent- 
worfen als  durch  zierlichen  Faltenwurf  und  wohlberechnete 
Harmonie  der  Farben  ausgezeichnet  sind.  Bei  vielen  ist  auch 
die  Beleuchtung  und  Anordnung  zu  loben.  —  An  diese  letzte 
Klasse  der  Wandgemälde  schliessen  sich  die  von  Vitruv  nicht 
genannten  Abbildungen  von  Scenen,  Avelche  dem  gewöhnlichen 
Leben  entnommen  sind,  Bambocciaden,  Genrebilder  und  Still- 
leben {noiTTovoacf  i'a  entgegen  der  fisyaXoyQaq:ia)  z.  B.  Darstel- 
lung der  häuslichen  Beschäftigung  wie  in  der  fullonica,  s.  den 
zweiten  Excurs  zur  achten  Scene,  Gladiatorenkämpfe,  Plin. 
XXXV,  33.  Gell,  Pomp.  t.  175.,  Malerateliers,  Mus.  Borb. 
Vn,  3.  und  anderwärts,  Amoretten  oder  Genien  in  zahllosen 
Beschäftigungen  und  Vergnügungen  der  Menschen  auf  der 
Jagd,  bei  der  Weinlese ,  in  der  Werkstatt  des  Handarbeiters 
u.  s.  w.  Zahn,  schönste  Ornam.  lU,  Taf.  35  u.  mehrm.,  Mo- 
vionen  (von  Jahn  Pygmaien  genannt,  Archäol.  Beiträge  S. 
418  ff.  und  in  den  unten  cit.  Wandgemälden  S.  250  f.),  Bilder 
von  Viktualien,  wie  Fischen,  Obst  (Xenien  genannt,  Philostk. 
I,  31.  Vitruv.  VI,  7,  4.),  Wild,  Geflügel  z.  B.  Mus.  Borb. 
VI,  20.  38.  vn,  56.  VIII,  57.  IX,  10.,  naive  Thierfabeln, 
lascive  Scenen,  Suet.  Tib.  43.  OviD.Trist.  II,  521  ff.  Broukh. 
zu  Prop.  n,  5,  25  ff.  (obsceuas  tahdlas).  Die  Stelle  des  Sidox. 
Apoll,  über  Wandmalerei  s.  im  ersten  Excurs  zur  siebenten 
Scene  bei  frigidarium.  Ausser  den  genannten  Werken  von 
Zahn,  Gell,  Goro,  Mus.  Borbonico  finden  sich  Abbildungen 
der  pompejanischen  Wandgemälde  in  Anticliita  di  Ihcolano. 

ÜECKF.Tt.  (lalliK.   :i.  Aufl.   H.  17 


258  Erster  Exciirs  zur  zweiten  Scene. 

Xap.  1757  fl".  Toin.  I — IV.  VII.  Gli  qrnati  delle  pareti  et  i 
pavinienti  etc.  Nap.  1808.  Raoul-Rochette,  peiuture.de 
Pomp.  Paris  1844.  Ternite,  Wandgemälde  ans  Pompeji  und 
Herculanum.  I— XL  Berlin  1841—1858  (vortrefflich).  Eoux 
und  Barr£,  Hercul.  I — IV.  Nicolini,  le  case  ed  i  monumenti 
di  Pompei.  Napoli  1854 — 60.  in  25  fascic.  S.  auch  Jahn,  die 
Wandgemälde  des  Columbariums  in  der  Villa  Pamfili,  in  Ab- 
handl.  d.  philos.  philol.  Classe  der  Königl.  Bai.  Akad.  München 
1856,  Vm,  S.  230  —  284.  —  Sogar  ein  Staffeleigcmälde 
wurde  1761  in  Herculanum  gefunden,  die  Schmückung  einer 
Braut  darstellend,  s.  Zahn,  schönste  Ornam.  III,  T.  15. 

Die  enkaustische  Malerei,  Pein.  XXXV,  39  ff.  diente 
selten  zur  Dekoration  der  Wände,  s.  Muellers  Archäol.  von 
Welcker  S.  453  ff.  Welcher,  kleine  Schriften  III,  S.  412  ff\ 
OvERBEOK,  Pomp.  S.391.];  auch  scheinen  Werke  in  erhobener 
Arbeit  zum  Schmucke  derselben  gebraucht  worden  zu  sein. 
So  verstehet  man  wenigstens  Cic.  Att.  I,  10.  Praeteren  typns 
tibi  iiiando,  quos  in  tectorio  atrioli  possim  ine  ludere.  Siehe 
Visconti,  M.  Pio-Clem.  IV.  Praef. 

Dass  die  Alten  nicht  gepflegt  haben  Spiegel  an  den 
Wänden  anzubringen,  oder  dass  doch  dieser  Gebrauch  erst 
spät  aufgekommen  sei,  ist  die  gewöhnliche  Annahme,  die  in- 
dessen doch  der  Berichtigung  bedarf.  Allerdings  bediente 
man  sich  gewöhnlich  der  Handspiegel  und  die  Kostbarkeit 
des  Materials  war  wenigstens  in  früherer  Zeit  wohl  Ursache, 
dass  die  Spiegel  von  keinem  grossen  Umfang  gefertigt  wur- 
den. Wo  aber  auch  grössere  Spiegel  erwähnt  Averden,  darf 
man  darum  nicht  sogleich  auf  Wandspiegel  schliessen.  So 
führt  Seneca,  Quaest.  nat.  I,  17.  specula  totis  corporibus  paria 
an;  allein  so  viel  er  auch  vom  13.  Kapitel  an  darüber  sagt, 
scheint  er  doch  jederzeit  bewegliche  Spiegel  zu  meinen,  die 
vielleicht  Füsse  hatten,  um  hin  und  her  gerückt  zu  werden. 

Indessen  geht  man  doch  zu  weit,  wenn  man  jeden  Ge- 
brauch der  Wandspiegel  leugnet,  und  es  lassen  sich  diesem 
Vorurtheile  deutliche  Stellen  entgegensetzen.  Wenn  Vitrüv 
VII,  3,  1 0.  sagt :  ipsaque  tectoria  abacorum  et  specidorum  cirea 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  259 

se  prominentes  liahent  expressiones^  so  wird  man  das  für  keinen 
Beweis  gelten  lassen,  weil  man  ahacus  von  dem  viereckigen, 
specnium  von  dem  run-den  Felde  verstellt,  das  rahmenartige 
Einfassung  hatte,  übrigens  aber  gewöhnliches  iectnriiim  sein 
konnte.  Dass  man  indessen  eben  zu  diesen  specidis  polirte 
Tafeln  irgend  einer  Masse  nahm,  die  als  Spiegel  dienen 
konnte,  sieht  man  aus  Plinius  XXXVI,  26,  67.  Tn  genere 
vitri  et  obsidiana  numerantur,  ad  similitiidinein  lapidis.  quem  in 
Aethiopia  invenit  Obsidius,  nigerrimi  coloris,  aliquando  et  trans- 
lucidij  crafisiore  visu,  atque  in  specidis  parietum  pro  imagine 
uiabrns  reddeiite. 

Wirklich  aufgehangener  Spiegel  gedenkt  ferner  Vitruv 
IX,  9.  (8).  Ctesihius  enim  fuerat  Alexandriae  natus  patre  ton- 
sore:  is  ingenio  et  industria  magna  praeter  reliquos  excellens 
dictus  est  artificiosis  rebus  se  delecfare.  Namque  cum  voluisset 
in  taberna  sui  patris  speeidum  ita  pendelte,  ut,  cum  duceretur 
sursumque  reduceretur,  linea  latens  pondus  deduceret,  ita  collo- 
cavit  machiiiationem.  Endlich  wird  auch  von  Ulpian.  Dig. 
XXXIV,  2,  19.  §  8.  speculum  parieti  affixum  erwähnt.  Vgl. 
IsiD.  Orig.  XVI,  15.  Salm,  zu  Vospisc.  Firm.  8.  vitreae  qua- 
dratiirae.  S.  G94  fg.  [Dig.  XXXIII,  7,  12.  §  6.  Die  Spiegel- 
macher, specularii;  bildeten  eine  besondere  Zunft,  Dig.  L,  6,6. 
Grell.  4284.  6296.  Raoul-Kochettk,  peintures  ant.  ined. 
p.  379  ff.  Schulz,  in  Annali  dell'  inst.  XI,  1839.  p.  93.;  docli 
ist  luv.  XI,  173.  und  Stat.  Silv.  1,  5,  42.  nicht  liierlier  zu 
beziehen],  und  über  das  zu  den  Spiegeln  gebräuchliche  JMate- 
rial,  wie  über  die  Frage,  ob  die  Alten  Glasspiegel  gehabt, 
Beckmann,  Beiträge  zur  Gesell,  der  Erfind.  IIF,  S.  167  ff.  und 
folgenden  Excurs. 

Die  Decken 
wurden  anfänglich  nur  durch  über  die  Balken  gelegte  Bretter 
g(djildet.  Um  ihnen  indessen  ein  zierlicheres  Ansehen  zu 
geben,  machte  man  gleichsam  einen  liost  von  Balken,  so  dass 
vertiefte  Felder  entstanden ,  lacus,  larunar,  laqnrar,  [und  be- 
malte oder  belegte  das  Holzwerk  mit  kostbaren  Stoffen.  Sen. 
ej».  95.   et  cum   auro  tecta  perfundimus  — .   Nee  tantum  paric- 

17* 


260  Erster  Excurs  zur  zweiten  Sceue. 

iihus  aut  hicunciribus  oviiamentuin  tenue  praetenditin-.^  Ancli 
die  Lacunarien  oder  Cassettinen,  welclie  wegen  ihres  zier- 
lichen Ansehens  sogar  bei  gewölbten  Decken  in  Stein  oder 
kStuck  nachgeahmt  wurden,  erhielten  mannigfachen  Schmuck 
und  wurden  auch  wie  in  Tempeln  vergoldet  und  mit  Elfen- 
bein ausgelegt.  [Plin.  h.  n.  XXXIII,  3,  18.  Laquearia^  quae 
nunc  et  in  privatis  domibus  auro  teguntur,  post  Cartliaginein 
eversam  primo  inaurata  sunt  in  Capitolio  censura  L.  Afunnnii. 
lade  transiei'e  in  cameras  quoque  et  parietes  etc.  IIoR.  od.  II, 
18,  1. 

Non  ehur  neque  aureum 
Mea  renidet  in  domo  lacunar. 
Sen.  ep.  90.  laquearia  caelata,  lacunaria  auro  gravida.  LucAN. 
X,  112  fg.  laqueata  tecta  —  crasswnque  trabes  absconderat 
aurum.  Enn.  Andron.  fr.  10.  Tectis  caelatis  laqueatis  Aiueo 
ebore  instniet  cett.  Lucret.  II,  28.  laqueata  aurataque  templa. 
IsiDOR.  XIX,  12.  die  Erklärer  zu  Stat.  Silv.  I,  2,  15o.  Die 
Künstler  hiessen  laquearii,  Cod.  Theod.  XIII,  4,  2.]  Nachher 
verkleidete  man  auch  die  Felder  und  malte  die  Decke.  S.  so 
gemalte  Decken  bei  Zahn,  t.  27.  67.  [und  zweite  Folge,  t.  61.] 
—  Indessen  Avurden  auch  ßohrdecken  gefertigt,  namentlich 
cainerae,  für  welche  Vitruv  VII,  3.  Vorschriften  giebt. 

[Der  Luxus  der  späteren  Zeit  schuf  in  den  Sj)eisesälen 
Decken,  welche  sich  vermöge  einer  geheimen  Maschinerie 
hoben  und  senkten.  Sen.  ej).  90.  vematilia  ce?iat!onum  laque- 
aria ita  coagmentat,  ut  subinde  alia  facies  atque  alia  sticccdat 
et  toties  tecta,  qiioties  fercula  rnutenturl  ep.  88.  peg)nata  per  se 
surgentia.  —  et  iabulata  tacite  in  sublime  crescentia.  Suet. 
Ner.  31.  Coenatioues  laqueatae  tabulis  eburneis  versatilibus  etc.] 
Thüren. 

Ueber  diese  ist  schon  S.  188  f.  gehandelt  worden.  Uebri- 
gens  hatten  nicht  alle  Abtheilungen  Thüren,  wie  dies  natürlich 
bei  den  cellis,  hibernaculis  und  dormitoriis  der  Fall  Avar.  [In 
Pompeji  vermisst  man  daher  oft  im  römischen  Hause  die 
Spm-eu  der  Angeln,  s.  Avellino  mehrmals.]  Die  Stelle  der 
Thüren  vertrat  dann   oft  ein  Vorhang,  velum,  aulaea,  cento, 


Die  baaliciie  E i iiiiclitung  des  Hauses.  9(;j 

naountrua(iu,  [dessen  eiserne  Stange  und  Einge  sieh  in  einigen 
Häusern  Herculanum's  u.  Pompeji's  erhalten  haben,  s.  Engel- 
HARDT,  Beschr.  S.  41.]  Böttiger,  Sabina  I,  S.  44.  Daher 
hcisst  es  bei  Lamprid.  Alex.  c.  4.  salutaretur  vero  quasi  u7U(s 
de  Senatoribus  patente  velo,  admissioiialibus  remotis.  [Heliog. 
14.  in  anyiduin  se  condidit  übiectuque  veli  cubicidaris,  quod  in 
introitu  ciibiculi  erat,  sc  texit.  Sen.  ep.  80.  non  crepidt  suhiude 
ostium^  non  allevabatur  velum.  Plin.  ep.  II,  17.  s.  S.  225.  Pe- 
tron.  7.  ut  in  locum  secretiorern  venivms^  cejitonem  ainis  urbaiia 
reiecit  et  kic ,  inqidt,  debes  habitare.]  Daher  unter  den  Bedie- 
nungen der  domus  Augusta  die  velarii  oder  o  velis.  S.  Grut. 
inser.  p.  599,  7.  8.  [Orelli  2967.]  Zu  weit  aber  geht  Büt- 
TiGER,  Artist.  Notizenbl.  1824.  n.  2.  Kleine  Sehrit'ten  I,  S. 
404.,  wenn  er  sagt:  die  Alten  hätten  im  Innern  der  Häuser 
fast  alle  Gemächer  nur  mit  Teppichen  geschlossen.  Stellen 
wie  Terent.  Eun.  III,  5,  55.  Heaut.  V,  1,  33.  Phorm.  V,  6,  26. 
und  viele  andere  widerlegen  diess  hinlänglich.  AVohl  aber 
wurden,  aucli  wo  Thüreu  waren,  diese  zuweilen  noch  mit 
Toppichen  verhängt.  So  heisst  es  bei  Suet.  Claud.  10.  inter 
praetenta  foribus  vela  ae  abdidit.  Sidon.  Apoll.  W.  ep.  24. 
sagt  von  einem  in  grosser  Einfacliheit  Lebenden:  tripodes  sel- 
lae,  Cilicum  vela  foribus  appensa,  lectus  tdldl  habens  phouae  etc. 
Tag.  Ann.  XIII,  5.  lä  astaret  obditis  a  tergo  foribus^  velo  dis- 
creta,  quod  Visum  arceret,  auditus  non  adiineret.  Poll.X,  7,32. 
7T00  fXH'  rov  7.on(X)rc)g  im  t«(V  -Ovoaii^  TTuixiTTtTnaftärtor  ooi  8ei, 
fite  ÜTrXovr  eil,  rh  nuQunitaafia  lev/hr  i^  oüuvi,^,  eits  xui  7io).v- 
ynovr.  vgl.  WuE.STEM.ANN,  Pal.  des  Scaurus.  S.  258.,  der  in- 
dessen eine  falsche  Anwendung  auf  Hou.  Sat.  II,  8,  54.  macht, 
s.  das.  Heind.  —  Dass  auch  bei  ÄIartial.  I,  35,  5. 

At  nicretrix  abigit  testem  veloque  seraque, 
Riiraque  Summoeni  foruice  rima  patet. 
ein  solcher  Thürvorhang  zu  verstehen  sei,  kann  nicht  zweifel- 
haft sein,  wenn  mau  damit  eine  andere  Stelle,  XI,  45.  ver- 
gh'iclit : 

Inlrasti  quoties  inscriptae  liniina  cellae^ 
Seu  puer  arrisit  sive  puella  tibi, 


252  Erster  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

Contentus  non  es  foribus  veloque  seraque, 
Secretumque  iubes  grandius  esse  tibi. 

Oblhiitiir  minimae  si  qua  est  suspectio  rimae, 
Pimctaque  lasciva  quae  terebrantur  acu. 
So  erhielten  auch  die  Fenster  ausser   den   Laden  noch  Vor- 
hänge.  S.  Fea  zu  Winckelm.  W.  I,  S.  47',»  flf'.  —  Fin  Beispiel, 
wie  die  Lüsternheit  von  solchen  Spalten  Gebrauch  machte ,  s. 
bei  Petron.  25. 

Die  sonst  sehr  bestrittene  Frage,  ob  die  Häuser  der  Alten 
(überhauijt)  nach  der  Strasse  zu 

Fenster 
gehabt,  beantwortet  sich  auch,  abgesehen  von  den  Stellen,  wo 
deren  erwähnt  werden,  leicht,  wenn  man  erwägt,  wie  die 
Häuser,  z.  B.  in  Pompeji  sich  äusserlich  darstellen.  Das  Haupt- 
gebäude und  eigentliche  Wohnhaus  ist  jederzeit  (und  so  durch- 
aus die  römische  domus)  ein  Erdgeschoss.  Alle  Abtheilungen 
desselben  sind  den  inneren  freien  Eäumen,  dem  Atrium,  Ca- 
vum  aedium  und  I^eristyl,  zugewandt.  Nach  der  Strasse  hin 
ist  es  überall  mit  Tabernen  ximgeben;  natürlich  konnten  dort 
keine  Fenster  sein,  und  da  in  Pompeji  überall  nur  das  untere 
Stockwerk  erhalten  ist,  so  erklärt  es  sich,  warum  man  dort 
überhaupt  Avenig  Fenster  gefunden  hat.  Es  lässt  sich  nicht 
bezweifeln,  dass  auch  die  meisten  römischen  Häuser  solche 
Tabernen  gehabt  haben,  oder  dass,  wo  diese  fehlten,  [oft]  por- 
ticus  und  ambulationes  vor  denselben  lagen.  Daher  wird  über- 
haupt das  untere  Stockwerk  selten  Fenster  gehabt  haben. 
Anders  musste  es  natürlich  in  den  oberen  Stockwerken  sein 
und  wenn  man  sich  auch  keineswegs  wie  bei  uns  ganze  Rei- 
hen hoher  Fenster  denken  darf,  so  ist  es  doch  ganz  gewiss, 
dass  sich  dort  überall  deren  nach  der  Strasse  befanden  (so  gut 
wie  in  Athen,  s.  Charikles  H,  S.  111.)  —  So  werden  sie  denn 
auch  nicht  selten  von  den  Schriftstellern  erwähnt.  Stellen 
freilich,  wie  Tib.  H,  6,  39.  ab  cxceha  praecejjs  delapsa  fenestra. 
beweisen  nichts;  denn  man  ersieht  daraus  nicht,  wo  es  gewesen. 
Dagegen  ganz  bestimmt  ist  Liv.  I,  41.  (Tanaquil)  ex  siiperiore 
jjarte  aedium  per  feneslras  in  novam  viam  versas  —  populuin 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  263 

alloquitur.  Ebenso  Dionys.  IV,  5.  Und  so  .sagt  auch  Vitr. 
V,  6.  comicae  aiitem  (scenae)  aedificiorum  privatormn  et  mae- 
nianorum  hahent  speciem,  prospectiisque  feneatris  dispositos  iml- 
tatione  corninuniuia  aedificiorum  ratioiiibus.  Iuvenal.  Sat.  III, 
270  fg.  sagt  von  den  Gefahren,  welche  in  den  Strassen  Koms 
droheten : 

Respice  nunc  alia  ac  diversa  pericnla  noctis: 
Quod  spatium  tectis  siihlimibus,  unde  cerebrum 
Testet  ferit,  quoties  rimosa  et  curla  fenestris 
Vasa  cadant!  quanto  percussum  pondere  signent 
Et  laedant  silicem. 
Danach  erklären  sich  auch  die  Stellen,  wie  Horat.  od.  I,  25. 
Parcius  iunctas  quatiunt  fenestras,   und  das  schöne  Bild  bei 
Prof.  IV,  7,  15  sqq. 

lamne  tibi  exciderunt  vigilacis  furta  Suburae 

Et  inea  nocturnis  trita  fenestra  dolis? 
Per  quam  demisso  quoties  tibi  fune  pependi, 
Alterna  veniens  in  tua  colla  manu. 
Mart.  I,  87.  Vicinus  meus  est,  manuque  tangi  De  tiostris  No- 
vius  potest  fenestris.  Bestimmte  Zeugnisse  sind  sodann  Liv. 
XXIV,  21.  7J«r,s  procurrit  in  vias,  pars  in  vestibulis  stat,  pars 
ex  tectis  fenestrisque  prospectant,  et  quid  rei  sit  rogitant.  und 
J^LAUTL's  Most.  IV,  2,  27.  wo  die  Sklaven  ihren  Herrn  ab- 
holen Avullen,  fragt  Theuropides:  Quid  voliint?  quid  introspec- 
iant?  wo  doch  niemand  an  Spalten  in  der  verschlossenen 
Thüre,  oder  gar  ein  Schlüsselloch  denken  wird.  Und  wie 
Hessen  sich  auch  sonst  die  polizeilichen  Vorschriften  DiG.  IX, 
tit.  .'3.  iJe  his  qui  effuderint  vel  deiecerint.  erklären?  Indessen 
w  ird  man  sich  die  Fenster  immer  nur  klein  (daher  auch  rimae 
genannt-,  Cic.  ad  Att.  11,  3.  fenestrarum  angustias  quod  repre- 
hendis  etc.)  und  ziemlich  hoch  angebracht  denken  müssen;  sie 
hatten  auch  zuweilen  Giitter,  clat/iri,  [welche  in  der  Mauer  be- 
festigt waren  oder  beweglich  an  Zapfen  hingen],  Plaut.  Mil. 
II,  4,  25.  [fenestnce  clathratae.  vgl.  Culum.  VIII,  17.]  s. 
WiNCKELM.  W.  II,  S.  250.  [Mazois,  ]*al.  des  Scaur.  S.  76. 
In  Hercuhunun  hat  mau  Ueberreste  davon  gefunden.] 


264  Erster  Excurs  zur  zweiten  Sceue. 

Ein  grosser  Tlieil  der  kleineren  Genaächer,  namentlich 
die  um  das  Cavaedium  umherliegenden,  erhielt  nur  ein  spär- 
liches Lieht  durch  dieTliiire;  andere  grössere,  Avie  bereits  ge- 
sagt ist,  durch  Ueffnungen  in  der  Decke. 

Die  Fenster  mögen  in  alter  Zeit  unverschlossene  Ueff- 
nungen gewesen  sein,  die  höchstens  durch  Läden  [oder  vela^ 
Plin.  ep.  VLE,  21.  cubicula  ohductis  velis  opaca.  bei  manchen 
ökonomischen  Räumen  auch  durch  Netze,  Varrü  K.  R.  IU,  7. 
fenestris  —  reticulatls .^  geschlossen  wurden.  [So  erklären  sich 
wenigstens  am  besten  Ovid.  Am.  I,  5. 

Pars  adaperta  fuit,  pars  altera  clausa  fenestrae. 
luv.  IX,  105. 

Claude  fenestras, 
Vela  tegant  rimas,  hinge  oslia,  tollite  lurnen. 
Plin.  ep.  IX,  36.  clausae  fenestrae  maneiit,  iiiire  enim  silentio 
et  tenebris  anirnus  alitiir.  Sen.  consol.  ad  Marc.  22.  lurnen  oinne 
ivaecludi  iussit  et  se  in  tenebris  condidit.  Appul.  Met.  II.  p.  57. 
conclave  obseratis  luniinibus  umbrosuin.  und  AusON.  eplieni. 
p.  53.  Bip.  Mane  iam  darum  reserat  fenestras.  Fea  zu 
Winckelmann,  Baiikunst  der  Alten,  1.  §  63.]  In  späterer  Zeit 
bediente  man  sich  besonders  des  lajjis  sjjecidaris  (Frauenglas, 
Marienglas) ,  der  häufig  erwähnt  wird.  Selbst  Säulengänge 
verschloss  man  durch  dergleichen  Fenster.  Plin.  ep.  11,  17. 
Egregium  hae  (porticus)  adversum  tempesfates  receptacidum ; 
nam  specidaribus  ac  niulto  magis  tectis  iniminentibus  muniuntur. 
—  Wenn  man  streng  an  den  Worten  Seneca's  halten  wollte, 
so  würden  die  specularia,  welche  diese  Säulengänge  ver- 
schlossen und  welche  Thl.  I,  S.  97.  angenommen  sind,  nicht 
in  Gallus'  Zeitalter  passen.  Denn  er  sagt  ep.  90.  Quaedam 
nostra  dernuni  prodisse  memoria  scimus,  ut  specularioi^m  -usum, 
perlucente  testa  clanim  transmittentiwn  lurnen ,  ut  suspensuras 
balneorum  etc.  Allein  Hirt  hat  scIkju,  Gesch.  der  Bank,  m, 
S.  68.  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  man  die  Worte  nostra 
7nemoria  nicht  streng  nehmen  dürfe.  Denn  die  suspensurae  bal- 
neorum, von  denen  dasselbe  gelten  soll,  werden  schon  von 
ViTRUV  beschrieben  und  Plin.  IX,  54,  79.  schreibt  die  Erfin- 


Die  bauliche  Eiuric  li  tun  g  des  Hauses.  265 

düng  dein  Sergius  Orata  zu  in  der  Zeit  des  L.  Ciassus  Orator: 
qui  primus  pensiles  invenerit  balineas.  Inwiefern  Hirt  diese 
Stelle  mehr  als  zweifelhaft  nennen  mag,  ist  nicht  abzusehen, 
da  auch  Macuobius  Sat.  II,  11.  sagt:  Hie  est  Sergius  Orata, 
qui  primus  balneas  pensiles  Jwbuit.  Höchstens  könnte  man  in 
Kücksiclit  auf  XXVI,  3,  8.  sagen,  er  habe  sich  widersprijchen. 
Man  darf  übrigens,  um  sieh  vom  früheren  Gebrauche  der 
Fensterscheiben  zu  überzeugen,  nur  an  den  Kyzikenischen 
Saal  denken,  der  auf  drei  Seiten  Fensterthüren  (valvas)  oder 
bis  auf  den  Boden  herabgeheude  Fenster  hatte.  Wie  man  sich 
diese  ohne  specularia  denken  soll,  ist  in  der  That  nicht  abzu- 
sehen. Dann  wäre  es  ein  sehr  luftiges  Haus  gewesen.  Ihn  be- 
schreibt aber  auch  Vitruv.  Die  Frage,  ob  die  Alten  sich  auch 
des  Fensterglases  bedient  haben,  ist  früher  gewöhnlich  ver- 
neinend beantwortet  w(jrden.  In  neuerer  Zeit  ist  man  indessen 
darüber  nicht  in  Zweifel  und  mehr  als  alle  Belege  aus  späten 
Schriftstellern  beweisen  die  in  Pomj)eji  [am  Kliein  und  ander- 
wärts] gefundenen  CTlasscheiben  [die  viel  starker  sind  als  die 
unsrigen  und  ganz  perlmutterähnlich,  dazu  in  Tafeln  gegossen, 
nicht  geblasen,  wie  jetzt  üblich  ist]  und  selbst  Fenster.  Siehe 
WiNCKELM.  W.  H,  S.  251.  und  die  Anmerkungen  der  Heraus- 
geber. Gell,  Pompeiana.  1835.  I,  p.  99.  dazu  Jahns  Jahrb. 
1831.  I.  Bd.  S.  456.  Hirt,  Gesch.  der  Bank.  III,  S.  66  ff.,  der 
indessen  vielleicht  zu  weit  geht.  [Jahrb.  d.  Vereins  v.  Alter- 
thumsf  im  Kheiidand,  Bonn  1851.  XVI,  2,  S.  87  f  Das  Glas 
kam  aus  Aegypten  früh  nach  Italien  {vuaXhg  vielleicht  Kop- 
tisch?), s.  BouuET,  notice  bist,  de  Tart  de  la  verrerie  nde  en 
Egypte,  in  Descr.  de  TEgyptc.  Mem.  II,  S.  17  ff.  Abeken, 
Mittelitalien  vor  den  Zeiten  röm.  Herrschaft.  Stuttg.  1843,  S. 
271  ff.  Dass  die  Alten  in  der  Glasfabrikation  weit  geschickter 
waren,  als  man  sich  früher  vorstellte,  ergiebt  sich  abgesehen 
von  der  Beschreibung  des  Brennglases  in  Ari.stoph.  Nub.  764. 
aus  der  Sammlung  Dodwells  in  Rom,  welcher  (wie  Gell  er- 
zählt) die  Scheiben  von  Neuem  polirt  und  gezeigt  hat,  dass  die 
Alten  Marmor  und  Edelsteine  glücklich  in  (Jlas  nachahmten. 
s.  den  dritten  Excurs. 


9(3(3  K  r  s  t  e  r  E  x  c  u  r  s  zur  zweiten  S  c  e  n  e. 

[Der  Ausdruck  tvaitnenna  wird  von  Nox.  II,  859.  als 
ft'nestra  erklärt  und  Cic.  de  or.  I,  35.  quasi  per  trayisennani 
jjraetereiuites  strictün  adapexbaus.  spricht  dafür.  Ob  es  aber 
ein  vergittertes  Fenster  bezeichnete  (da  transenna  auch  den 
Strick  bedeutet)  oder  eine  Deckenöffnung-  zur  Erleuchtung 
eines  Üaunies,  Avie  Bötticher,  Hypäthraltempel  S.  36  fg.  will, 
ist  ganz  unsicher.] 

Heizung. 

Die  Erwärmung  der  Zimmer  im  Winter  geschah  auf  mehr 
als  eine  Weise,  eigentliche  feststehende  Oefen  hatte  man  je- 
doch im  Alterthume  nicht.  Man  legte  die  zum  Winteraufent- 
halte dienenden  Cubicula  und  Triclinia  schon  so  an,  dass  sie 
viel  Sonne  hatten  und  das  mochte  bei  dem  milderen  Klima 
zum  Theil  ausreichen  [wie  man  überhaupt  bei  den  Anlagen 
der  Zimmer  Himmelsgegend  und  Sonne  mehr  berücksichtigte, 
als  jetzt.  ViTR.  VI,  4  (7).]  Ausserdem  hatte  man  wirkliche 
Kamine,  wenn  auch  wohl  nicht  nach  unserer  Art.  Suet.  Vit.  8. 
7iec  ante  in  praetorium  rediit ,  quaui  flagrante  triclinio  ex  con- 
ceptu  camini.  HoR.  Sat.  I,  5,  81.  Udos  cum  foliis  ramos  ureyite 
Camino.  Id.  epist.  I,  11,  19.  Sextili  mense  caminus.  [Plin.  h.  n. 
XVII,  11,  16.  Caminata  fussura  ore  compressiore  sint.  Sidon. 
Ap.  ep.  II,  2.  hiemale  tricUnium  —  quod  arenatili  camitio  saepe 
ignis  aniinatus  pidla  fuligine  infecit.  Isid.  XIX,  6.  candnus  est 
fornax.^  In  diesem  Sinne  ist  auch  focus  (a  fovendo  Paul. 
h.  V.)  zu  nehmen  Hör.  od.  I,  9,  5.  ligna  super  foco  large  repo- 
nens.  Cic.  ad  Pam.  VII,  10.  und  anderwärts.  Oder  die  Hei- 
zung geschah  durch  Köhren  [tubi,  tubuli  DiG.  VIII,  2,  13  pr. 
Sen.  ep.  9ü.] ,  die  aus  einem  Hypokaustum  in  die  Zimmer  ge- 
leitet wurden,  s.  Winckelm.  AV.  II,  S.  253  ff.;  oder  man  hatte 
neben  den  bewohnten  Gemächern  kleiiie  Räume,  die  durch  ein 
Hypokaustum  erhitzt  wurden  und  durch  eine  verschliessbare 
Oeffnung  nach  Gefallen  die  Wärme  in  das  Zimmer  einströmen 
Hessen  oder  nicht :  also  wirkliche  Heizung  mit  er^värmter  Luft. 
Plin.  ep.  II,  17.  Applicitum  est  cubiculo  hyjjocauston  perexi- 
guum,  quod  angusta  fenestra  suppositum  calorem,  id  ratio  exigd, 
aut  effundit  aut  retinet,  ebeud.  Adhaeret  dormitorium  memhnim, 


Die    bauliche  Ei  nricli  t  u  n  g  des  Hauses.  9(37 

transitu  interiacente ,  qui  mispensus  et  tiibulatus  conceptum  va- 
porem  salubri  temperamento  huc  illucqiic  digerit  et  ministiat. 
[Sen.  ep.  90.  Qiiaedain  iiostra  chinuin  ineinoria  scimiis  - —  ut 
suspensuras  balneomia  et  inpresfis  jjarietibiis  tnbos,  per  quos  cir- 
cumfunderetnr  caloi\  qui  inia  ^ii/nd  ac  siainna  fuvcrct  aequalätv. 
Dieser  iiainentlielibei  Bädern  «ewölinliche  Heizapparat  (s.  den 
Excurs  über  die  Bäder)  liiess  suspensura  d.  h.  holilg-elegter 
Fussboden ,  unter  dem  sich  die  Hitze  und  selbst  die  Fhimme 
aus  dem  Feuerungspbitz  verbreiten  konnte.  Spuren  davon 
sind  am  Khein  und  in  Schwaben  oft  getroffen  worden,  Braun, 
in  Jahrb.  d.  Vereins  v.  Alterthumsf.  im  Rheinland.  Bonn,  IV, 
S.  117  ff.  141.  V  und  VI,  S.  345  f.  XIV,  S.  170  f.  187  ff 
196  f.  ScHOEPFLiN,  Alsatia  illustrata  I,  Taf.  15,  S.  539.  Han- 
selmann, Fortsetzg.  des  Beweises,  wie  weit  der  Römer  Macht 
in  die  ostfränk.  Länder  vorgedrungen.  Schwäbisch-Hall  1773. 
Tafel  6.  7.  9.  Kleine  Pfeiler  [pdae)  nach  Pallad.  I,  40.  2V2 
Fuss  (am  Rhein  nur  2  Fuss)  hoch  und  nach  Pallad.  1  ^'2  Fuss 
(am  Rhein  10  Zoll)  von  einander  abstehend  tragen  den  oberen 
Fussboden  (testacea  pav'niient(\  oder  marmorea  nach  Pallad.). 
Aus  diesem  Räume  gehen  kleine  tnhi  in  den  Wänden  hinauf, 
sogar  in  das  obere  Stockwerk  und  zwar  soAvohl  eng  neben 
einander  stehend ,  durch  Querlöcher  mit  einander  verbunden 
(z.  B.  in  den  Bädern  zu  Vilbel),  als  in  massigen  Zwischen- 
räumen von  einander  entfernt.  Puoc.  Dig.  VIII,  2,  13  pr. 
Illberus  —  balnearia  fecit  secundum  2}(iyietein  communem.  Non 
licet  aute.in  tidmlofi  habere  admotos  ad  parietem  cominunein^  sicuti 
nee  parietem  quidevi  super  parietein  communem.  De  tubuüs  eo 
auipliiis  hoc  iuris  est,  quod  per  eos  flamma  torretur  paries.  So- 
wie dieser  Raum  hypucaustvui  heisst,  so  nannte  man  den  davor 
gelegenen  Feuerungsplatz  hypocausis ^  fonia.r,  praefuriieum, 
niedriger  angebracht,  ut  ßamma  altum  petendo  cellas  faciat 
plus  valere.  Schnefüer,  zu  Vitruv.  V,  11.  Bd.  II,  S.  383.  dk 
Caumont,  Aböc^daire  ou  ludiuicnt  darcheol.  Paris  1853,  S. 
28  f.  Schmidt,  Baudenkmah'  der  röm.  Periode — "  in  Trier. 
Trier  IHl').  V,  2,  S.  33  ff.  Endlich  bediente  man  sich  auch 
eherner    K  n  h  1  e  u  beck  en  und  tragbarer  Oefen  (s.  die  beiden 


268 


E  r  s  t  (!  r  Ex  c  u  r  s  zur  v.  w  e  i  t  p  ii  8  c  e  n  e. 


Abbild.ing-eu),  di'icu  in  Pompeji  g-efinuleii  worden  .sind,  öic.'lic 
Mus.  BoiiB.  II.  t.  4G.  III.  t.  27.  V.  t.  44.  Roux  und  Barre, 
Hercul.  und  Pomp.  VI.  t.  07.  Ovekheck  ,  Pompeji  8.  310  t' 
Man  brauchte  dieselben   auch  zum  Wasserkochen  und  zum 


Warmhalten  der  Speisen,  wie  die  daran  befindlichen  Vorrich- 
tungen zeigen.  So  z.  B.  hing  in  dem  hier  abgebildeten  kleinen 
Ofen  ein  Kesseh  —  [Namentlich  auf  diesen  Heizungsapparat 
bezieht  es  sich,  wenn  Brennmaterial  gefördert  wurde,  welches 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  269 

so  wenig  ßaucli  als  möglich  hervorbraclite,  z.  B.  Kohlen  und 
ausgetrocknetes  Holz.  Ulp.  Dig.  L,  16,  167.  et  titiones  (Schei- 
terkohlen) et  alia  ligna  cocta  (kleinere  Kohlen)  ne  fumuvifa- 
ciant.  Die  Sklaven,  welche  die  Heizung  besorgten,  hiessen 
fornacarü  und  fornicatores  Dig.  IX,  2,  27  §  9.  XXXHI,  7, 
14.]  Ob  aber  die  Alten  Rauchfänge  gehabt  haben,  ist  eine 
viel  bestrittene  Frage.  Die  gewöhnliche  Meinung,  die  Beck- 
mann, Beitr.  zur  Gesch.  der  Erfind.  H,  S.  391  ff.  Yoss  zu 
Verg.  Georg.  H,  242.  Heixd.  zu  Hör.  Sat.  I,  5,  81.  mit  An- 
deren [wie  Bexedetti  zu  Plaut.  Aulul.  animadv.  9.]  theilen, 
ist,  dass  der  Rauch  nicht  durch  eine  Esse,  sondern  durch  Oeff- 
nungen  in  der  Decke,  Fenster  und  Thüren  gezogen  sei,  und 
allerdings  scheinen  Stellen,  wie  z.  B.  Vitr.  VII,  3,  4.  Con- 
clavibus,  aut  ubi  ignis,  aut  pluru  Iwnina  sunt  ponenda,  piirae 
fitri  dehent  (coronae),  ut  eo  facilius  extergeantur:  in  aestivis  et 
exedr'is,  ubi  minime  fumus  est  nee  fiiligo  potest  nocere,  ibi  caela- 
tae  sunt  faciendae.  und  VH,  4, 4.  für  diese  Ansicht  zu  sprechen. 
Demungeachtet  hat  Fea  zu  Winck.  "W.  H,  S.  347.  nach  Sca- 
Mozzi,  deir  Ai'chit.  I.  lib.  3.  c.  21.  nachgewiesen,  dass  der 
Gebrauch  der  Essen  den  Alten  nicht  unbekannt  gewesen  ist, 
und  dass  sich  auch  wirkliche  Kamine  in  Trümmern  alter  Ge- 
bäude gefunden  haben.  Vgl.  Mus.  Borb.  V.  t.  40.  In  Bezug 
auf  l'nteritalien,  wo  man  der  Heizung  so  gut  als  gar  nicht 
bedurfte,  ist  allerdings  die  gewöhnliche  Ansicht  richtig-,  denn 
in  Pompeji  findet  man  nur  in  Bädern  und  in  Backhäusern 
Schornsteine,  in  den  AVolmzinmieru  nicht,  allein  daraus  darf 
man  nicht  auf  Rom  und  das  nördliche  Italien  schliessen.  Hier 
hat  es  sicherlich  Rauchfänge  gegel)en,  wenigstens  seit  der  Zeit 
des  verfeinerten  Luxus;  denn  da  man  die  Wärme  so  geschickt 
in  Röhren  zu  leiten  wusste,  wird  man  Muhl  auch  für  den  Rauch 
einen  Weg  gefunden  haben.  [In  den  ältesten  Zeiten  mag  der 
Gebrauch  der  Essen  allcrtlings  auch  hier  sehr  beschränkt  ge- 
wesen sein,  wesshalb  die  alten  Atrien  vinii  Kaiich  verunziert 
wurden;  allein  die  Wohn-  und  Arbeitszimmer  für  den  Winter 
haben  gewiss  bald  Kamin  und  Essen  erhalten.  Aus  IIou.  Sat. 
I,  ö,  HOfg. 


27(J  Erster  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

Iac)'i)iwso  no7i  sine  finno^ 
Udos  cij))i  J'oliis  ramus  urente.  caniino. 
ist  wenigstens  auf  ein  Nichtvorliandensein  des  Rauchfanges 
nicht  zu  scliliessen ,  denn  bei  einem  solchen  Brennmaterial 
wird  es  allenthalben  Hauch  geben,  auch  wenn  der  beste  Kauch- 
fang  vorlianden  ist.  Wollte  man  sich  darauf  berufen,  dass  man 
wegen  mangelnden  Rauchfanges  trocknes  und  sogar  mit 
amurca  bestrichenes  Holz  (Hör.  od.  III,  17,  13.  Mart.  XIII, 
15.  acapna.  Plin.  h.  n.  XV,  8,  8.)  habe  anwenden  müssen 
oder  auf  Mart.  XIII,  30.  fumoso  Decembri.  verweisen,  so  ist 
dieses  theils  auf  die  tragbaren  Oefen  zu  beschränken ,  welche 
natürlich  keine  Esse  hatten,  theils  daraus  zu  erklären,  dass 
die  Essen  in  den  niedrigen  Häusern  nicht  hoch  sein  konnten, 
wo  Avegen  geringer  Zugluft  Rauch  sehr  schwer  zu  vermeiden 
war,  zumal  da  die  Kamine  offen  waren.  Solche  Stellen,  wie 
V^ERG.  Aen.  XII,  6Gd .  fu7Jiantia  cubniiia.  und  Ecl.  I,  82.  villa- 
ruin  cuhnina  fumant.  beweisen  weder  das  Eine  noch  das  An- 
dere, denn  es  können  auch  Rauchfjinge  gemeint  sein,  welche 
oben  im  Dachfirst  münden.  Die  Entscheidung  des  Aristo  über 
den  Servitutstreit  DiG.  VHI,  5,  8.  §  5  ff.  spricht  mehr  für  als 
gegen  Essen.  Vgl.  Ayellino  ,  descr.  di  una  casa,  la  seconda 
etc.  p.  39.  Was  endlich  die  Küchen  betrifft,  s.  oben  S.  231  f.] 
[  Schlussbemerkuugen. 

Um  diesen  Excurs  nicht  allzusehr  auszudehnen,  mögen 
hier  nur  noch  einige  Andeutungen  über  das  Charakteristische 
des  römischen  Wohnhauses  Platz  finden. 

1)  In  Betreff  der  allgemeinen  das  Areal  umgrenzenden 
und  die  einzelnen  Theile  scheidenden  Grundlinien  ist  zu  be- 
merken, dass  die  Häuser  nicht  immer  gerade  Linien  und 
rechte  Winkel  hatten,  wie  auch  Plan  B  beweist.  S.  Tbl.  I, 
S.  108.  Selten  dachte  man  daran,  die  durch  den  schrägen 
Lauf  der  Strassen  bedingte  unregelmässige  Gestalt  durch  Ab- 
schneiden der  schiefwinkligen  Ecken  zu  verbessern  und  durch 
Benutzung  dieses  Raumes  zu  Bädern,  Tabernen  u.  s.  w.  für 
das  eigentliche  Wohnhaus  rechtwinklige  Formen  zu  gewinnen, 
wie  man  es  in  der  Villa  des  Diomedes  zu  Pompeji  findet. 


Die  bauliche  Einrichtung  des  Hauses.  271 

2)  Der  Anblick  der  röniischen  domus  von  Aussen  machte 
trotz  des  gewöhnlich  angebrachten  Schmuckes  von  Stuckatur 
und  Malerei  einen  geringeren  Eindruck  als  ein  modernes  Haus, 
woran  theils  die  Niedrigkeit  des  Hauses,  theils  die  Kleinheit 
der  Fenster  oder  deren  gänzlither  Mangel ,  theils  endlich  die 
Unregelmässigkeit  des  Baues  Schuld  war,  indem  nur  einzelne 
Theile  ein  zweites  Stockwerk  hatten  und  dadurch  unsymme- 
trisch über  die  anderen  hinausragten. 

3)  In  einem  um  so  glänzenderen  Lichte  zeigt  sich  das 
Innere  des  Hausses,  dessen  Haupteigenthümlichkeit  in  der 
Vertheilung  der  einzelnen  Käume  bestand.  Man  findet  näm- 
lich stets  die  Zimmer  um  einen  offenen  Raum  (Atrium,  Cavum 
aediiim ,  Peristyl)  als  gemeinsamen  Mittelpunkt  herum  grup- 
pirt.  Ein  solcher  Hof  mit  seinen  umliegenden  Zimmern  bildet 
eine  für  sich  abgeschlossene  Abtheilung  inid  je  grösser  das 
Haus  ist,  um  so  öfter  wiederholt  sich  diese  Construktion.  Die 
gewöhnlichen  Zimmer  zum  AVohnen  und  Schlafen  sind  \()n 
auffallender  Kleinheit,  um  so  grösser  aber  in  der  Kegel  die 
Käume  für  die  Besuche,  namentlich  die  Höfe,  von  denen  die 
angrenzenden  Zimmer  Licht  und  Luft  empfingen,  durch 
welche  Einrichtung  auch  alle  Stürme  und  jede  Zugluft  abge- 
schlossen wurde.  Freilich  weilten  die  Blicke  der  Bewohner 
nicht  auf  tlem  wechselvollen  Gewühle  der  Strassen,  sondern 
auf  den  inneren  Höfen,  den  bekannten  Baumgruppen  ixnd 
Hallen,  aber  dieser  Blick  war  auch  ein  prächtiger.  Nament- 
licli  musste  es  ein  wahrhaft  bezaubernder  Eflickt  sein,  wenn 
man  bei  geöffneten  Thüren  und  Vorhängen  von  dem  (Jstiiim 
aus  die  drei  Höfe  mit  ihren  marmornen  Säulen,  plätschernden 
Wassern,  schattigen  Bäumen  und  strahlenden  Wänden  in  thu- 
schönsten  l'ers]jektive  auf  einmal  überblickte,  Alles  über- 
spannt von  dem  tiefen  Blau  des  italischen  Himmels!  — 
Lcädcr  ist  im  Mittelalter  diese  Bauart  ganz  versclnvuuden 
und  nur  dcu-  klösterliche  Kreuzgang  erhielt  ein  schwaches 
Andenken  an  die  alte  Einrichtung.  Vgl.  noch  die  Schlussbe- 
nurkungen  in  den  Schriften  von  Engklhaku  und  Zumi't.J 


ZWEITER  EXCURS  ZUR  ZWEITEN  SCENE. 


DAS  VERSCHLIESSEN  DER  THÜREN. 

Zu  den  unverständlichsten  Stellen  der  alten  Schriftsteller 
pflegen  immer  die  zu  gehören,  welche  auf  irgend  einen  der 
neueren  Zeit  fremd  gewordenen  Mechanismus  sich  beziehen. 
Wenn  es  schon  überaus  schwierig  ist,  auch  da,  avo  geflissent- 
liche Beschreibungen  vorliegen,  wie  durch  Heron  u.  Vitruv 
von  den  liydraulischen  Maschinen  des  Ktesibios,  sich  in  die 
Eigenthümlichkeit  der  mechanischen  Vorrichtungen  hineinzu- 
denken, so  ist  oft  kaum  eine  hinreichende  Erklärung  möglich, 
wenn  nur  gelegentlich  einer  für  die  Zeit  hinlänglich  bekannten 
Sache  Erwähnung  geschieht,  der  Mechanismus  möge  übrigens 
so  einfach  gewesen  sein,  als  er  Avolle.  Dies  gilt  namentlich 
auch  in  allen  den  Fällen,  avo  der  Schlösser  oder  richtiger  des 
Verschlusses  der  Thüren  gedacht  wird.  Der  Stellen,  worin 
dieses  geschieht,  sind  viele,  aber  fast  alle  geben  über  die  Art 
und  Weise  des  Verschliessens  nicht  mehr  Aufschluss ,  als  die 
zahlreichen  antiken  Schlüssel ,  die  nur  eben  bestätigen ,  Avas 
man  ohnehin  Aveiss,  dass  es  Schlösser  gab. 

Wenn  Böttiger,  Kunstmyth.  I,  S.  271.  in  oft  von  ihm 
beliebter  Weise  sagt:  ,,Ueberhaupt  möchte  der  Abschnitt  von 
dem  Schlosserhandwerk  in  einer  besonders  nach  Poli.ux  Ono- 
mastikon  noch  zu  schreibenden  Technologie  des  Alterthums 
noch  vieler  Aufklärung  bedürfen",  so  ist  diess  daher  allerdings 
Avahr;  nur  wird  gerade  die  Nomenklatur  bei  Pollux  am  wenig- 
sten zur  Erklärung  beitragen.  Die  Untersuchung  müsste  nicht 
nur  mit  der  ältesten  griechischen  Zeit  beginnen,  für  welche 


Zweiter  Excurs  z.  zweiten  Scene.   DasVerschliessen  etc.   273 

Homer  selir  wichtige  Andeutungen  enthält,  sondern  auch  den 
Orient  umfassen,  inwiefei-n  es  wahrscheinlich  ist,  dass  man 
den  Ursprung  der  Schlüssel  in  Phönicien  zu  suchen  hat. 
Eiuigermaassen  ist  diess  auch  in  den  bedeutenderen  Schriften, 
welche  von  dem  Gegenstande  handeln,  geschehen.  Ich  nenne 
davon  vorzüglich  Salmas.  Exercitt.  ad  Sol.  p.  649  ff.  Sagit- 
TARius  de  ian.  vett.  Altenb.  1672.  cap.  9 — 15.  [und  dazu  dess. 
epistol.  et  anal.  len.  1694.],  den  ich  jedoch  nur  anfühi-e,  weil 
seine  Schrift  auch  eine  Art  von  Autorität  erlangt  hat,  obgleich 
sie  nur  ein  Aggregat  unbenutzter  Citate  ist.  Weit  gelehrter 
ist  die  Abhandlung  von  Molin,  de  clavibus  veterum  in  Sal- 
lengre,  thes.  ant.  Rom.  III,  p.  795  ff.  Mit  den  von  ihm  gelie- 
ferten Abbildungen  alter  Schlüssel  vergl.  man  Montfaucox 
Antiq.  expl.  Tom.  III.  P.  I.  t.  54.  55.  [S.  auch  Winckelmanns 
W.  II,  S.  79.  Endlich  gab  Avellixo,  descr.  di  una  casa  p.  70. 
75  fg.  tav.  X,  16.  17.  zwei  interessante  Abbildungen  von  er- 
haltenen Schlössern  (das  eine  rund,  das  andere  viereckig) 
nebst  einem  Schlüssel.  In  den  deutschen  Museen,  namentlich 
in  Mainz,  findet  man  eine  Menge  Varietäten  von  Schlüsseln 
und  Schlössern,  wie  grosse  dicke  Hausschlüssel  mit  hufeisen- 
förmigem Bart,  kleine  Scldüssel  zu  Vorlegesehlössern  u.  s.  w. 
Die  Ringschlüssel  s.  Thl.  I,  S.  169.]  Eine  solche,  das  ganze 
Alterthum  umfassende  Untersuchung  liegt  mir  indessen  hier 
um  so  ferner,  als  die  älteste,  noch  bei  Homer  sehr  einfache 
Weise  des  Ver.schlusses  auf  den  römischen  Gebrauch  keine 
Anwendung  leidet;  man  müsste  denn  die  Uebereinstimmung 
in  dem  gemeiusehaftlichen  Gebrauclic  hölzerner  Querriegel 
suchen,  die  ohnehin  der  Erklärung  weniger  bedürfen.  Es 
kommt  hier  hauptsächlich  darauf  an.  Ausdrücke,  wie  obex, 
sera,  repaijuld,  pessuli ,  clcmstra  zu  (srklären  und,  wenn  ich 
auch  nicht  hoffen  kann,  genügendes  Licht  über  den  dunkeln 
Gegenstand  zu  verbreiten,  so  will  ich  doch  nicht  unterlassen, 
wenigstens  auf  die  Momente  aufmerksam  zu  machen,  die 
liauptsächlich  ins  Auge  gefasst  werden  müssen.  [Der  Unter- 
scliicfl  lässt  sich  kurz  etwa  so  zusammenfassen,  sera  ist  der 
einfachem  Querbalken,  rcjMujnld  D()])]ichi('gcl,  pessiilus  ith'gel 

liKCKKK,  C.lllll».    3.  Autl.    II.  18 


274  Zweit. or  Excnrs  zur  zweiten  Scene. 

in  allen  Anwendungen,  pfssidi  lliegel  die  in  einein  Schlüsse 
vereinigt  sind,  claustra  Scldossliaken  und  das  ganze  .Scldoss, 
obpx  ist  ein  ganz  allgemeiner  Ausdruck,  s.  unten.] 

Zuerst  ist  es  natürlich,  dass  die  Weise  des  V^erschlusses 
eine  andere  sein  niusste,  je  nachdem  die  Tliüren  selbst  ver- 
schieden waren.  Es  war  nicht  gleichgültig,  ob  sie  nach  Innen 
oder  nach  Aussen  sich  öffneten,  oder  ob  es  Flügelthüren ,  bi- 
forcs  waren,  oder  den  sogen,  spanischen  Wänden  gleichende 
Klappthüren,  volvae  im  ursprünglichen  Sinne  nach  Varro  bei 
Serv.  zu  Verg.  Aen.  I,  453.  Vulvae  suiif,  (juae  revohnuttitr  et 
se.  velant. 

Die  Flügelthicren  mögen,  wenigstens  in  Privathäuseni, 
bei  weitem  die  gewöhnlichsten  gewesen  sein.  Schlugen  sie 
nach  Innen,  so  war  das  natürlichste  mid  einfachste  Mittel,  sie 
zn  verschliessen ,  ein  quer  vorgeschobener  Balken  oder  höl- 
zerner Riegel.  Der  eigentliche  Ausdruck  für  diesen  Quer- 
riegel war  sera.  Er  wurde  vermuthlich  in  Löcher,  welche  sich 
in  den  Pfosten  befanden,  geschoben  nnd  war  in  keiner  Weise 
an  der  Thüre  befestigt,  sondern  konnte  und  miisste  ganz  hin- 
weggenommen werden,  wenn  man  sie  öffnen  Avollte.  Leider 
ist  das  Fragment  aus  Festus  unter  reserari  p.  282  M.  so  ver- 
stümmelt, dass  es  keinen  Beweis  abgeben  kann,  obgleich  sich 
der  Zusammenhang  leicht  errathen  lässt;  allein  es  giebt  andere 
unzweideutige  Belege.  Dahin  rechne  ich  weniger  die  Erklä- 
rung, welche  Nonius  I,  195.  [im  Ganzen  nach  Varro  L.  L. 
VII,  108.]  giebt:  Reserare,  aperire.  a  sera  dictum,  qua  remota 
valvae  patefiunt;  denn  der  Ausdruck  removere  möchte  noch 
zweideutig  scheinen  können.  [Aehnlich  IV,  355.  nur  dass  der 
Querbalken  hier  auch  jKitibuhim  genannt  wird.]  Hingegen 
heisst  es  bei  [Paul.  Diac.  v.  asserere  p.  25  M.  unde  etiam 
serae  appellantur,  quia  forihus  admotae  opponuntur  defixae  po- 
stibus,  qiiemadmodum  ea,  qiiae  terrae  inseruntur.]  OviD.  Fast. 
I,  265. 

Et  iam  cmitigerat  jjortaiu,  Saturnia  c.uhis 
D  eins  erat  appnsitas  insidmsa  seras. 
und  V,  280. 


Das  Verschliessen   der  Thüreu.  275 

Tota  patet  demta  ianiia  nostra  sera. 
Dasselbe  folgt  aus  Petr.  16.  Dum  loquimur^  sera  sua  sponte 
delapsa  ceeidit  reclusaeque  subito  fores  admiserunt  intrantem. 
Dalicr  mag  allerdings  bei  Festus  [v.  reserari  p.  282  M.]  ge- 
lesen Averden:  serae  namque  dicuntur  fustes^  qui  opponuntur 
clausis  forihus.^  und  daher  ist  auch  der  gewöhnliche  Ausdruck 
für  solches  Verriegeln  opponere  oder  ajypotiere  seram,  d.  i.  ob- 
serare,  [z.  B.  luv.  IV,  347.  Ovid.  Am.  H,  243  fg.]  Dass  die 
sera  aber  in  den  Pfosten  auflag,  ergiebt  sich  aus  dem  Refrain 
in  der  Ovidischen  Elegie  Amor.  I,  6. 

Tempora,  noctis  euiit:  excute  poste  seram. 
wo  in  der  Verbindung  mit  excutere  unter  2)ostis  nicht  die  Thüre 
verstanden  werden  kann.  [Auch  zeigen  viele  pompejanischen 
Ostia  die  eingestemmten  Vertiefungen  in  beiden  Pfosten,  um 
den  Querbalken  aufzunehmen,  Avellino,  descr.  di  una  casa 
Pomp.  p.  8  fg.  IvAXOFF,  in  Annali  1859.  S.  100.]  —  Wenn 
man  von  der  sera  den  obex  unterscheidet,  so  ist  diess  nur  in- 
sofern richtig,  als  das  Wort  genereller  Ausdruck  ist,  der  alles 
was  vorgelegt  oder  vorgeschoben  wird  bedeutet  [Verg.  Georg. 
IV,  422.  obicr  saxi.  Oros.  III,  19.  Sil.  Ital.  IV,  23  fg. 

ac  robora  portis 
Et  Jidos  certant  obices  arcessere  silva.  u.  A.]; 
keinesweges  aber  ist  an  eine  besondere  Vorrichtung  zu  denken. 
Daher  heisst  es  bei  Paul.  Diac.  p.  187  M.     Obices  j^^ssuli, 
serae.  [vgl.  Gell.  IV,  17.] 

AVohl  aber  mögen  anderer  Art  die.  rcpagida  gewesen  sein. 
Von  ihnen  sagt  Fkstu.s  p.  281.  [mit  Muellers  Anm.  S.  403.] 
Repagula  sunt,  ut  Verrius  ait,  qtcae  palefaciundi  gratia  itaßgun- 
tur,  id  ex  contrario  quae  oppanguntur.  (Exe.  id  e  contrario 
oppangantur.)  —  quae  poetae  interdum  repages  appellant.  Aus 
den  Worten  patefacivndi  gratia  lässt  sich  schliessen ,  dass  es 
eine  Vorrichtung  war,  welche  gestattet(^,  mit  weniger  Mühe 
als  bei  der  sera  die  Tliüre  zu  öffnen,  und  da  der  Name,  die 
sjiäteste  Latinität  ausgenommen,  nur  im  Plural  vorkommt,  so 
kann  man  vcniiutlien ,  dass  dadurch  nicht,  wie  durch  sera,  »in 
(^hicilialkcu,  soiidcrM  zwei  von  liciilcu  Seilen    her  sieh  Ix'geg- 


276  Zweiter  Exeurs  zur  zweiten  Scene. 

iiende  Riegel  bezeichnet  werden  [gcwühulicli  von  Holz,  Plin. 
li.  n.  XVI,  42,  82.],  wesshalb  wolil  Festus  sagt:  c  contrario 
oppanguntur.  Dann  Ijedurfte  es  natiirlicli  einer  Verbindung 
beider  und  vielleicht  wurde  diese  auf  dieselbe  Weise  bewirkt, 
wie  bei  den  Griechen  durch  ^uXarog,  einen  Bolzen,  der  in  eine 
Höhlung,  ßalaroÖnyj^ ,  gesenkt  den  Riegel  mit  der  Thüre  ver- 
band, und,  da  er  selbst  hohl  war,  mittels  eines  hineinpassenden 
schlüsselartigen  Instrumentes,  ßakaväyQct,  wieder  herausge- 
zogen wurde,  wenn  die  Thüre  geöffnet  werden  sollte.  [Ver- 
muthlich  sind  rejjagula  als  die  einfachste  Art  des  Verschlusses 
von  Klapp-  (valvae)  und  Flügelthüren  zu  denken,  Avie  sie  uns 
noch  bei  uralten  Dorfkirchen  begegnet.  An  der  einen  Thüre 
befindet  sich  ein  festes  Querholz,  an  der  andern  ein  beweg- 
licher Riegel,  welcher  sich  in  das  erste  Holz  vermittelst  eines 
Hakens  oder  Bolzens  (oder  auch  eines  in  dem  ersten  ange- 
brachten Einschnitts)  einsenkt  und  vermöge  eines  höchst  ein- 
fachen Schlüssels  oder  Hebels  in  die  Höhe  gehoben  wird, 
worauf  die  OeÖnung  erfolgt.  Darum  stehen  die  repagula  in 
der  Regel  mit  valvae  in  Verbindung,  Cic.  de  div.  I,  34.  Verr. 
IV,  43.  Plin.  h.  n.  a.  a.  0.]  Einer  gleichen  Vorrichtung  be- 
durfte es  auch  noch  in  anderen  Fällen:  erstlich  wenn  die 
Thüren  nach  Aussen  schlugen,  wo  der  innerlich  vorgescho- 
bene Riegel  nichts  genützt  haben  würde,  wenn  er  nicht  durch 
irgend  etwas  mit  der  Thüre  verbunden  gewesen  wäre.  Diess 
konnte  indessen  auch  durch  einen  einfachen  Haken  gesche- 
hen; wollte  man  aber  die  Thüre  so  verschliessen,  dass  auch 
von  Innen  nicht  jeder  sie  öffnen  konnte,  so  erreichte  man, 
von  künstlicherem  Verschlusse  abgesehen,  diesen  Zweck  auch 
durch  die  ßakavog. 

Dieser  Bolzen  wird  nun  gemeiniglich  für  dasselbe  mit  dem 
gehalten,  was  die  Römer  j^ßssulus  nannten  und  so  nimmt  den 
Namen  auch  Böttiger  Kunstmyth.  I ,  S.  260.  Mir  ist  aber, 
ausser  dem  von  Sagittarius  angeführten  Marcellus  Empiricus, 
keine  Stelle  bekannt,  die  nicht  vielmehr  dagegen  stritte,  als 
dafür  bewiese.  —  Die  Sache  wird  sciiou  von  Plautus  er- 
wähnt. Aul.  I,  2,  25.  occlude  sis  fores  amhohus  pe.ssuUs.    Dann 


D;is  Verschliesseii  <ier  Thüren.  977 

von  Terent.  Heaiit.  11,  3,  37.  Anus  ohdit  foribus  pessidwn. 
Eim.  III,  5,  55.  pessulum  ostio  obdo.  Allein  die  Stellen,  Velche 
etwas  dcutlielier  davon  spreclien,  sind  bei  Appul.  Met.  I,  p. 
•41.  Oud.  [107  Elni.]  Ego  vero  adductqfore  pessulisque  fir- 
uKitis  grabatulo  etiam  pone  cardines  supposito  et  probe  aggesto 
super  eum  me  recipio.  p.  49.  [p.  108  Elm.]  Commodum  Urnen 
evascrant  et  fores  ad prist'murn  statum  integrae  resurgunt,  car- 
dines  ad  foram'ina  resident^  postes  ad  repagtila  redeinit  [die 
Tluiren  wenden  sich  wieder  so,  dass  die  repagula  in  einander 
fallen],  ad  claustra  pessuli  recurrunt.  p.  52.  [p.  108 Elm.] 
t<umo  sarcimilmn  rnearii  et  subdita  clavi  pessulos  reduco. 
At  illae  probae  et  fideles  ianuaej  quae  sua  sponte  reseratae  nocte 
fuerant,  vix  tandeni  et  aegerrime  tunc  clavis  suae  crebra  hnmis- 
sione  patefiunt.  III,  p.  199.  [135  Elm.]  Et  cum  dicto  pessulis 
iniectis  et  uncino  firmiter  bnmisso  sie  ad  me  reversa.  IX,  p.  631. 
[l226  Elm.]  Tunc  Myrmex  tandern  clave  pessulis  subiecta  re- 
pandit  fores.  [IV,  1 50  Elm.  clavique  substracta  u.  s.  w.  siehe 
nnten.]  —  Es  fällt  in  die  Augen,  dass  in  allen  diesen  Stellen 
von  etwas  ganz  anderem  die  ßede  ist  als  von  einem  hohlen 
Uelzen,  der  in  die  Oeffnung  der  sera  eingesenkt  wurde.  Weder 
lässt  sich  damit  der  Ausdruck  pessulum  obdere  foribus  und  das 
bei  Appulejus  mehrmals  vorkommende  oppcssulata  ianua  wohl 
vereinigen,  noch  sieht  man  ein,  warum  in  den  meisten  Fällen 
der  Plural,  pessuli,  steht,  [Polyb.  XV,  30.  ■O-vqu^'  —  aTioxXfio- 
fitrc.g  Öi-  Önrotg  /ioy)jHg.]  Aus  Appulejus  aber  wird  zwar  die 
Hescluifi'enheit  der  alten  Schlösser  auch  nicht  völlig  klar,  aber 
das  unter  pessulis  Uiegcl  zu  verstehen  sind,  welche  dux-ch  einen 
Schlüssel  vor-  und  rückwärts  bewegt  worden,  darüber  kann 
kein  Zweifel  sein  und  hätte  man  auch  nur  genauer  angesehen, 
was  Salmasius  a.  a.  ().  p.  650.  darüber  sagt,  so  würde  man 
nicht  in  eine  Verwcchselnng  der  pessuli  mit  der  sera  und  ^-in- 
/.aro.;,  der  clavis  mit  der  ^iaXaväyQa  gefallen  sein. 

r>ei  Tei-cnz  kann  wnti'Y  pessuhis  ein  einfacher  Iviegel  ver- 
standen werden,  der  vor-  und  zurückgeschoben  wurde,  ohne 
dass  man  da/,11  eines  Schlüssels  bedurfte;  bei  Ajipnlejiis  liin- 
gegen  köinirn  die  pessuli  {a'ux  I  )ii|p|)(lii('gcl ,    der  diircli   einen 


278  Zweiter  Excurs  zur  zweiten  Sceiie. 

Schlüssel  bewegt  wird)  nicht  zurückgezogen  werden,  ohne 
den  Schlüssel  zu  gebrauchen.  Daher  kann  darüber  kein  Zwei- 
fel sein,  dass  im  letzteren  Falle  wirkliche  bedeckte  Schlösser 
zu  verstehen  sind,  und  wenn  es  in  der  zweiten  aus  Ajjpulejus 
angeführten  Stelle  heisst:  ad  clcmstra  pessidi  recnrrioäy  so  sind 
clcntstra  der  Schlosshaken,  in  den  die  Riegel  einschliessen.  — 
Diese  Erklärung  ist  um  so  Avahrscheinlicher,  da  dieselbe  Art 
des  Verschlusses  noch  jetzt  in  Kom  sehr  gewöhnlich  ist. 
[Weiss,  Kostümkunde  II,  S.  1179.  erklärt  AA'enig  wahrschein- 
lich pessidi  als  zwei  sich  begegnende  Schieberiegel,  von  denen 
der  obere  in  den  unteren  einfalle ,  der  Schlüssel  hebe  den 
ersten  heraus  und  beseitige  den  andern.  Zu  dieser  Vorrich- 
tung passen  aber  die  oben  erwähnten  Stellen  nicht,  auch 
möchten  sich  in  technischer  Beziehung  allerlei  Bedenken  da- 
gegen erheben.] 

Solche  Schlösser  mussten  natürlich  alle  Thüren  haben, 
welche  von  Aussen  verschlossen  und  geöffnet  werden  sollten, 
wie  namentlich  an  Vorrathskanimern,  Schränken  u.  s.  av.  [Von 
der  Schatzkammer  des  geizigen  Milo  sagt  Appul.  Met.  III, 
p.  141  Elm.  horreum  —  satis  validis  claustris  obseptum  ohsera- 
tumque  —  securihus  vcdidis  aggressi  difßndimt  (nämlich  la- 
trones).  duo  passbn  recluso  cett.  Also  heisst  hier  claustrci 
förmliche  Schlösser.]  Bei  den  Hausthüren  fand  das  Bedürfniss 
solchen  Verschlusses  weniger  Statt,  Aveil  immer  jemand  im 
Hause  blieb,  um  öffnen  zit  können.  Wollte  mau  diess  von 
Aussen  thun,  so  war  dennoch,  wie  es  scheint,  in  den  meisten 
Fällen  der  Schlüssel  nur  innerlich  zu  gebrauchen.  [App.  Met. 
IV,  p.  150.  clavigve  siihtracta  fores  ianuae  repa/idit,  wo  der 
als  Bär  verkleidete  Iiäuber  Thrasyleon  so  von  Innen  öffnet, 
also  nicht  ohne  Schlüssel.]  Es  war  dann  ein  Loch  in  der 
Thüre,  durch  welches  man  die  Hand  stecken  konnte ,  um  mit- 
tels des  Schlüssels  die  Riegel  zurück  zu  ziehen.  So  findet  es 
sich  bei  Appuleius  Met.  IV,  p.  o59.  [146  Elm.] ,  aa'o  der  eine 
der  Rätiber  so  zu  öffnen  A'ersucht:  qua  clavi  immlttendae  fora- 
men  patebat.  senshn  immissa  manu  claustrum  evellere  gestiebat. 
denn  mit  Oudendürp  und  Anderen  anzunehmen,  die  Schlüssel 


Das  Versch  lies  seil  der  Tliüroii.  979 

seieil  so  gross  gewesen  (clares  eas  oportet  fuisse  inaximas),  dass 
man  diireli  das  eigentliche  Schlüsselloch  die  Hand  linhe  stecken 
können,  ist  fast  lächerlich.  Eben  so  hat  man  sich  vielleicht  die 
Sache  zn  denken  bei  Pethon.  c.  94.  contbiuo  lijiieji  egressus  ad- 
dtixlt  rcpente  osthnn  ccllae  raeque  niliil  tcde  exsiyectanteiii  inclusd 
i'jeinitque  raptiii)  davcin  et  ad  Gitona  investigcniduin  cucurrd.; 
denn  hätte  Eumolpus  anch  äusserlich  den  Schlüssel  stecken 
lassen,  so  Aväre  es  doch  dem  Encolpius  nicht  möglich  gewesen 
VAX  öffnen.  A'ernnithlich  Hess  man  ihn  aber  gewöhnlich  am 
Schlosse  innerlich  stecken  und  das  war  anch  hier  der  Fall 
gewesen. 

Bei  Schränken  und  überhaupt  kleineren  Behältnissen, 
welche  irgend  etwas  verwahrten,  wäre  natürlich  ein  solches 
Loch  in  der  Thüre  sehr  übel  angebracht  gewesen.  Sie  wurden 
also,  wie  bei  uns,  von  Aussen  verschlossen.  Dasselbe  geschah 
indessen  auch  mit  anderen  und  selbst  Hausthüren.  Mit  Ge- 
wissheit ergiebt  sich  diess  aus  Plaut.  Most.  II,  1,  57. 

—  Clavem  mi  harunc  aedium  Laconicara 

laia  iube  efferri  intus:  liasce  ego  aedis  occludam  Iihicforis. 
Tranio  will  dem  zurückgekommeneu  l'heuropides  glauben 
machen,  es  wohne  niemand  iiielir  in  dem  Hause;  daruiii  ver- 
schliesst  er  von  Aussen,  während  er  schon  dem  Philolaches 
geheissen  hat,  es  innerlich  zu  thun.  Beides  geschieht  v.  78. 
Clavbn  cedo  atque  abi  It'tnr  i/ttiv:  occludc  ostiiuii, 
Et  ego  hiiic  occhidam. 
lOs  musste  also  ein  doppeltes  Schloss  an  (h'i-  Tinire  sein,  oder 
der  Verschluss  geschah  von  Innen  (lur(  ii  die  seva  oder  repa- 
gnfa,  von  Aussen  durcli  ein  eigentliches  Ihürschloss.  Ferner 
musste,  wer  vor  der  Thüre  stand,  wahrnehmen  können,  ob  sie 
von  Anssen  verschlossen  sei,  sonst  würde  Tranio  zweckhjs  zu- 
scldiessen.  Der  dreifach  gezabnte  Schlüssel  wird  durchaus 
als  ein(^  Erfindung  der  Lacedämonier  angegt'ben,  wesshalb  er 
eb"n  iliiris  Ijicoiiira  hiess  und  ich  will  die  \nn  S.VKMA.SIUS, 
SAfilT  TAUIUS  ,  M(»M\  und  WUKSTKMANX  l'al.  d.  Sc.  S.  183. 
aus  Aristnphanes  inid  seinen  Sclioliasten,  INFenander  und  Eu- 
stathius  angeführten    Stellen    nielit    wiederholen.     Vgl.    auch 


280  Zweiter  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

0.  MuELLER,  Dorer.  11,  S.  28.  lu  welche  Zeit  die  Erfindung 
falle,  ist  für  den  römischen  Gebrauch  eine  völlig  gleichgültige 
Frage;  denn  lange  vor  der  Zeit,  aus  welcher  wir  Nachrichten 
über  das  häusliche  Leben  der  Eömer  erhalten,  war  er  erfunden. 
[Eine  bisher  übersehene  und  von  Avellino  zuerst  ver- 
öffentlichte Art  des  Verschliessens  ist,  dass  man  einen  an  dem 
unteren  Ende  der  Thüre  befestigten  Riegel  in  die  untere 
Schwelle  und  einen  anderen  an  dem  oberen  Ende  in  den 
Sturz  der  Thüre  schob,  zu  welchem  Beliufe  besondere  Vertie- 
fungen da  waren.  Dieses  geschah  ziemlich  regelmässig  bei 
den  Flügelthüren,  welche  an  jeder  ihrer  beiden  Abtheilungen 
und  zwar  an  der  schmalen  Seite  einen  Riegel  hatten ,  so  dass 
man  nach  Belieben  nur  den  einen  Flügel  öffnen  konnte,  und 
an  den  mehrtheiligen  Klapp-  oder  Schiebethüren  (wie  sie  die 
Tabernen  und  Tablina  hatten),  deren  einzelne  Blätter  (s.  S. 
155.)  eine  besondere  Befestigung  durch  diese  in  den  Boden 
eingreifenden  Riegel  erhielten.  Ohne  diesen  Mechanismus 
würde  eine  solche  Thüre,  wenn  sie  verschlossen  war,  nicht 
leicht  eine  gerade  Linie  gebildet  haben.  Dieses  sehen  wir  in 
den  beiden  Tabernen  des  Hauses  der  Bronzen  (Avellino 
descr.  —  la  seconda  p.  5  ff.)  und  in  dem  Tablinum  des  Hauses 
der  mit  Figuren  geschmückten  Kapitaler  (Avellino  descr.  de 
una  casa  p.  4  ff.)  S.  auch  Ivaxoff,  in  Annali  1859,  XXXI, 
S.  102  ff.  Der  Name  dieser  ohne  Schlüssel  zu  bewegenden 
Riegel  Avar  pessulus  als  die  allgemeine  Bezeichnung  solcher 
Vorrichtungen ,  und  folgende  Stellen  mögen  derselben  Er- 
wähnung thun.  Plaut.  Aulul.  s.  oben,  Cist.  HI,  18. 

Ubi  estis  servif  obcludite  aedes  pessulis,  repagidis. 
Cure.  I,  2,  60  ff. 

Pessuli,  heus  pessidi^  vos  saluto  lid)ens 
Vos  amo,  vos  volo,  vos  peto  atque  obsecro, 
Gerite  amanti  mihi  morem  amoenissimi: 
SussuUte  obsecro  et  mittite  istanc  foras. 
Auch  Ter.  Heaut.  s.  oben.  Marcell.  Empir.  \1.  foramine,  in 
quo  ianuae  pessuli  descendunt^  quidquid  repereris,  collige.  Prud. 
in  Symmach.  I,  65  fg. 


Das  Verschliessen  der  Thüren  281 

Nunc  foribus  surdis,  sera  quos  vel  pessulus  artis 

Firmarunt  cuneis. 
Wenn  Ulp.  Dig.  XIX,  1,  17  pr.  seras,  claves,  claiistra.  nennt, 
^o  versteht  er  unter  dem  ersten  die  Kiegel  im  weiteren  Sinne, 
und  unter  claustra  Schloss  im  engeren  Sinne,  d.  h.  die  pes.suli 
u.  die  einfachen  repagula  umfassend.  Iyanüff,  S.  K>5  —  1U8 
vindieirt  die  an  den  Bronzethüren  der  Kirche  des  heil.  Cosmus 
und  Damianus  in  Kom  noch  erhaltene  Verschlussweise  dem 
alten  Koni.  Dieselbe  ist  höclist  com^ilicirt  und  scheint  bis  jetzt 
in  den  pompejanischen  l'eberresten  noch  keine  Bestätigung 
gefunden  zu  haben.] 

Endlich  ist  zu  bemerken,  dass  die  Thüren  zuweilen  so- 
gar versiegelt  Avurden  (obsirjuare  cdlas),  welche  Sitte  alt  war, 
wenn  auch  nicht  allgemein.  Plaut.  Cas.  ü,  1,  1.  u.  a.  s.  Thl. 
I,  S.  1G9  (und  gerade  wo  kein  cellarius  war).  [Plix.  h.  n. 
XXXIII,  n.  At  nunc  cibi  giioque  ac  potus  anulo  vindlcantur  a 
rapina.  Ausser  dem  Versiegeln  der  Vorrathskammern  Avird 
auch  das  der  Frauengemächer  erwähnt,  jedoch  nur  bei  den 
(kriechen,  Aristoph.  Thesm.  414  ff.  Plat.  de  Leg.  Xll,  j). 
ftö4.  P.\ULY,  Eealencykl.  IV,  S.  -0.]  Cicei-o's  Mutter  versie- 
gelte selbst  die  leeren  Flaschen,  ad  Farn.  XVI,  2().  sicui  ol'un 
matrein  nostram  faccre  incinini,  qaae  Icujmas  ttiam  inanes  ob- 
signabat,  7ie  dicerentur  hunics  alir/uae  fuist!e^  quae  furtiiii  assent 
exsiccatae.     [Per.s.  Sat.  N'l,   17.]     Andi-rs  ist  es  Plaut.  Mil. 

m,  2. 


DRITTER  EXCURS  ZUR  ZWEITEN  S(^ENE. 


DA8  HAUSÜERATHE. 

AVir  iiclniieu  liiiT  irausg-eriltlu'  im  weiteren  8iuii,  oliue 
uns  auf  die  Bedeutung  der  röniiseluai  supellcx  zu  besclivänkeu. 
Die  liünicr  verstanden  uäuilicli  unter  supellcx  nach  Pomp. 
Dig.  XXXIII,  10,  1.  domesticum  ijati-isfain.  mstriivie/itum,  quod 
neqiie  argento  aurove  facto  i^el  vesti  adimmerutur.  Aelnilieh 
Alfen.  ebend.  6.  und  Tubero  bei  Gels.  7.  §  1.  instruineiituni 
cjuoddam  patrisfavi.  reruin  ad  quotidiamun  usum  paratarum, 
quod  in  aliain  speciem  non  caderet,  iit  verbi  gratla  penum,  ar- 
gentimif  vetitciii,  ornamenta,  instrumetda  agri  aut  domus.  Es  war 
also  urspriinglicb  Gold  und  Silber  davon  ausgeschlossen ,  bis 
später  in  den  Zeiten  des  gestiegenen  Luxus  auf  den  Stoff 
nichts  mehr  ankam,  sondern  nur  auf  den  Gegenstand.  Gels. 
a.  a.  O.  Nee  mirwii  est^  moribus  civitatis  et  iisu  rei-uin  appel- 
lationem  eins  mutatam  esse;  nam  fictili  aiit  lignea  aut  vitrea  aut 
aerea  denique  supellectile  utebantur;  nunc  ex  ebore  atque  testu- 
dine  et  argento^  iani  ex  auro  etiam  atque  getnniis  supellectile 
utuntur,  qt(are  speciem  potius  rentin  quam  materiam  iidueri 
oportet.  Desshalb  zählt  Paull.  ebend.  o.  als  Gegenstände  des 
siipell.  auf:  Tische ,  Stühle ,  Bänke ,  lecti ,  Lampen ,  allerlei 
vasa,  pelves,  aquiminaria  u.  a.,  auch  wenn  sie  von  edlem  Me- 
tall oder  anderem  kostbaren  Stoffe  waren,  (cristallina,  argentea, 
vitrea,  micrrina.  Siehe  Sex.  ep.  110.  gemmeani  supellectilem. 
Paull.  rec.  scnt.  III,  6,  67.)  Schränke  u.  s.  w. ,  s.  noch  Dig. 
1.  1.  8.  9.  §  1.  Iavol.  11.  und  Dig.  XXXIV,  2,  19.  §  8. 
9.  17. 


Dritter  Excurs  zur  zweiten  Sceue.    Das  Hausgeriithe.     283 

Von  diesem  Geräthe  iinterscbiedeii  die  Kömer  das  soge- 
nannte instrumentum,  d.  i.  nach  Ulp.  Dig.  XXXIII,  7,  12.  pr. 
opparatus  rerum  diutius  maiisurarum ,  sine  qulbiis  exerceri  ne- 
quirct  possessio,  so  z.  B.  bei  einem  Landgut  alle  ökonomischen 
Gerätbscliaften,  Vieb  und  Sklaven,  bei  einer  Bäckerei  alle 
zur  Betreibung  dieses  Gescbäfts  notbwendigen  Gegenstände, 
bei  einer  Taberne  alle  erforderlicben  Gefässe,  Paull.  rec. 
sent.  in,  6,  61  ff".,  bei  einem  Hanse  nacb  Pegasus,  Cassius 
und  A.  quod  tempestads  arcendae  aut  incendii  causa  jjaratiir 
(ad  tutelam  domus)  z.  B.  Feuerspritzen,  alle  ReinigungsAverk- 
zeuge  u.  s.  w.  Ulp.  Dig.  XXXIII,  7,  12.  §  16  flf.  Andere 
Juristen  verstanden  freilich  dem  Sprachgebrauch  des  ge- 
meinen Lebens  zufolge  unter  instrumentum  eines  Hauses 
auch  die  ganze  supellex  mit,  wie  Neratius  und  Ülpian.  s. 
ebend.  §  35.  43.  Cic.  de  erat.  I,  36.  e'n  oratoris  instrumento 
tarn  lautam  siipellectilem  nimqiiam  videram,  öfters  Suet.  Oct. 
71.  73.  Tib.  36.  Cal.  39.  u.  s.  w. ,  in  einem  solchen  weiten 
Sinne,  wie  wir  hier  Hausgeräthe  nehmen.  Dazu  gehörten 
die  Zinniicniiobilien,  die  Schränke  und  Kasten,  die  Gefasse 
für  Fliissio-keiten,  der  Beleuchtungsap])arat,  die  Lehren,  das 
Kiichengeräthe  und  die  Iiistriuuentc  für  ilie  Erhaltung  der 
Keinlichkeit.] 

Die  Mobilien  der  Ziiinner  waren  niclit  zahlreich,  so  dass 
die  röiuiseben  Ziiiiiiicr  nach  modernen  Begriffen  fast  leer  er- 
scliienen  wären.  Kein  Sclireibtisch  ,  keine  Glasschränke  und 
Kommo(h'n  staiuk-n  ibtrt,  keine  Spiegel  bedeckten  die  Male- 
reien der  AVändc.  Dir  ganze  ICinricbtung  bestand  in  lectis. 
Tischen,  Stühlen,  Candelabern.  Höchstens  kam  dazu  eine 
Wasseruhr  und  für  den  AVinter  ein  Kohlenbecken.  Dagegen 
wurde  an  diesen  Stücken  liinsicbtlicli  der  Eleganz  uiul  Pracht 
nichts  gespart.  [Ovkki'.im  k,  J'onipeji  S.  295 — 331.  giebt  unter 
dem  Titel :  die  m(»nunu'ntalen  Keste  und  Zeugnisse  des  Ver- 
kclirs  und  des  I^ebens,  eine  schöne  Uebersiclit  iilier  die  Ih'- 
deutendsten  in  Pomjieji  gefundenen  Mobilien,  (ieräthe,  Ge- 
fässe u.  s.  w.  mit  sauberen  Aliliildmigen.] 


284  Dritter  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

Lectus. 
[Paut..  Diac.  h.  V.  p.  115  M.  Varro  L.  L.  V,  UiC]  Der 
lectus,  den  man  weder  durch  Bett  noch  durch  So})]ia  reclit 
übersetzt,  war  ein  einfaclies  Gestell,  das  gewöhnlich  zu  Kojd'e 
eine  niedrige  Lehne  hatte  und  hald  aus  Holz  [Ter.  Adelph. 
IV,  2,  46.  Sen.  ep.  95.  Ein  solches  einfaches  verstellt  auch 
wohl  HoR.  ej).  I,  5,  1.  unter  Ärdiiacis  lectis  und  Gell.  XII,  2. 
unter  Soterici  lectl\  (bei  den  Reichen  aus  sogenanntem  Cedern- 
oder  Therebinthenholz ,  Prof.  III,  7,  49.  Pers.  I,  52.  Plin. 
h.  n.  XVI,  43.),  bald  und  gewiss  sehr  häufig  aus  Erz  bestand. 
Cic.  Verr.  IV,  26.  lam  vero  lectos  aeratos  et  candelabra  aenea 
num  cid,  praeter  istian,  Si/racitsis  jjer  triennium  facta  esse  exi- 
stimatisf  Pll\.  h.n.  XXXIV,  3,  8.  tricltnia  aerata  (da.ss  aerata 
hier  nicht  heisst:  hölzerne  Gestelle  mit  Erzfüssen,  welche 
Plix.  XXXIV,  2,  4.  erwähnt,  geht  daraus  hervor,  dass  Plin. 
lauter  Gegenstände  aufzählt,  welche  aus  massivem  Erz  be- 
standen; doch  kann  an  anderen  Stellen  aerata  allerdings  die 
Erzfüsse  bezeichnen,  z.  B.  vielleicht  Liv.  XXXIX,  6.).  Die 
hölzernen  lecti  wurden  mit  Elfenbein,  Schildplatt  und  edlem 
Metall  ausgelegt,  und  namentlich  mit  elfenbeinernen,  silbernen 
und  goldnen  Füssen  aixsgestattet.  Man  denke  schon  an  das 
Bett  des  Odysseus,  Odyss.  XXIII,  199  fg. 

i/.  Öt  toi  dQ'/öii^vog  Xr/og  f^suv,  öcpQ  irt'/.KJoa, 
daiddXXmv  XQK'^?  "^^  5^"'  OLQyvQC^  rj8'  sXtqtafTi. 
Avie  vielmehr  nicht  in  Rom,  gegen  dessen  verschwenderische 
Pracht  der  ausschweifendste  Luxus  aller  Zeiten  als  ärmliches 
Unvermögen  erscheinen  muss.  [An  manchen  Stellen  ist  aus- 
drücklich von  Belegen  mit  edlen  Stoffen  die  Rede ,  wie  Plin. 
h.  n.  1.  1.  und  IX,  11.  XXXIII,  11.  SuET.  Cal.  32.  Iavol. 
Dig.  XXXII,  100.  lectos  testudineos  pedihus  itiargentatos, 
Paull.  XXXIII,  10,  3,  §  3.  lectos  inargentatos  vel  hiauratos 
atque  gemmatos.  an  anderen  heisst  es  ganz  allgemein  lecti 
aurei,  aicrati,  ehirnei,  ebnrati,  argentei  u.  s.  w.  Cic.  Tusc.  V,  21. 
SuET.  Caes.  49.  Hör.  Sat.  11,  6,  103.  luv.  VI,  80.  Plaut. 
Stich.  II,  2,  53.  Plin.  h.  n.  XXX VH,  2.  Sen.  ep.  110.  Vop. 
Firm.  3.  Pap.  Dig.  XXXIII,  10,  9.  §  1.  Varro  L.L.  IX,  47., 


Das  Hausgeräthe.  285 

lectos  alios  ex  ebore  alios  ex  testudine,  womit  übrigens  auch 
meistens  plattirte,  selten  massive  Gestelle  gemeint  sind.  Wenig- 
stens fic4  es  auf,  als  Heliogabal  Gestelle  solido  argeiito  hatte. 
Lampr.HcI.  20.  Andere  Ausschweifungen  des  Luxus  s.  Spakt. 
Ael.  Ver.  5.] 

Dieses  Gestell  war  mit  Gurten  bespannt,  die  bald  fasciae^ 
bald  institae,  auch  wohl  restes  genannt  werden,  und  das  Pol- 
ster, die  Matraze  trugen.  (Im  Mus.  Gregor,  ist  ein  bronzener 
lectus  mit  einem  Geflecht  von  Bronzeschienen  statt  der  Gurte.) 
Das  sind  die  tenta  cubilia  bei  Horat.  Epod.  XII,  12.  Daher 
bei  Cicero  de  div.  II,  65.  Defert  ad  cnniectorem  qiiidam, 
soniniasse  se,  ovum  pendere  ex  fascia  lecti  sid  cubicidaris.  Mart. 
V,  62. 

Nulla  tegit  fractos  nee  inanis  culcita  lectos^ 
Putris  et  abrupta  fascia  reste  iacet. 
Petr.  c.  97.  Iniperavi  Gitoni ,  id  raptbn  grabatum  subiret,  an- 
necteretque  pedes  et  manus  institis,  qidbus  sponda  culcitam  fere- 
bat.  [Cat.  R.  R.  10.  lectos  loris  stibtetitos.]  Vgl.  Eader  zu  d. 
a.  St.  Mart.  und  Wouwer  und  IIeixs.  zu  Petron.  Darauf  be- 
zieht sich  aucli  der  etwas  schaale  Witz  bei  Aristoph.  Av. 
812  ff". 

//.  BovXeaOs  ro  fit'yu  rovro,  rovx  ^JuatÖui^tovoi;, 

JSnuQr7jv  ovofia  nulä^nv  avrt'jv;  E.  'IJQdxXstg. 

GTTaQtTjv  yccQ  av  Oequ^v  iyw  rfi  'fitj  nöXsi; 

ovo'  UV  x(if*^i>vtj  nävv  ya  xeiQiav  r/^av. 
Auf  deii  Gurten  lag  das  Polster,  torus,  welches  wenigstens 
später  culcita  genannt  wurde,  [lieber  torus  s.  wunderbare 
Etymologien  bei  Varro  L.  L.  V,  167.  Isidor.  XX,  1.  Serv. 
zu  Verg.  Aen.  ü,  2.]  Das  gewöhnliche  und  eigentliche  Mate- 
rial, womit  man  Polster  und  Kissen  stopfte,  tomentum  [Tag. 
Ann.  VI,  23.  Suet.  Tib.  54.],  waren  Wollenflocken.  S.  Plix. 
VIII,  48,  7;}.  welclier  diesen  Gcbraucli  der  Wolle  aus  Gallien 
herleitet,  ohne  die  Zeit  bestimmen  zu  können,  wo  er  üblich 
geworden.  In  alter  Zeit  aber  liatte  man  blosse  .Strohmatrazcn : 
Antlipiis  lonis  e  sframentn  erat,  qualiter  etiani  nunc  in  castris. 
und  aiK  li  später  stopften  A(4-mcn'  ilnc  Polster  mit  geschnit- 


286  Drittor  Excurs  zur  zwei  ton   Scono. 

tenom  Schilfe  (ulva)   etwa  wie  wir  mit  Seegras,  oder  gar  mit 
Heu.  Mart.  XIV,  160. 

Tomentum  concisa  palus  Circense  vocatur. 

Haec  pro  Leuconico  strainina  pauper  emit. 
lieber  die  Lesart  Leuconio  oder  Lingonico  s.  Salm.  z.  ep.  159. 
[OvrD.Met.Vni,655.  Fast. V,  519.]  Mart.XIV,  162.  FoniunK 
Fraudata  turne at  fr agilis  tibi  culcita  muJa: 

Non  venit  ad  duros  pallida  cura  toros. 
So  sagt  auch  Seneca  de  vita  beata,  c.  25.  Nildlo  miserior  ero, 
si  lassa  cervix  mea  in  rnanipuluin  foeni  acquiescet,  si  super  Cir- 
cense tomentum  per  suturas  veteris  lintei  efßuens  incuhtdio,  und 
[Plin.  XXVn,  10.  vou  dem  Gnaphalion,  der  sogenannten 
Wiesenwolle :  cuius  foliis  albis  mollihusque  pro  tomejito  iitimtar^ 
—  Culcita  bedeutet  wohl  gewöhnlich,  aber  nicht  immer  das 
Polster  Avorauf  man  lag,  sondern  überhaupt  einen  Pfühl,  ein 
Kissen.  [Varro  L.  L.  V,  1G7.  leitet  das  Wort  cd)  inculcando 
her,  nämlich  quod  in  eas  (culcitas)  acus  aut  tomentum  cdiudve 
quid  calcabant.  IsinoR.  XIX,  20.]  Man  sehe  nur  Plaut.  Mil. 
IV,  4,  42.  habeas  culcitam  ob  oculos  laneani.  vgl.  Petr.  c.  38. 
Später  scheinen  Weichlinge  auch  mit  der  Wolle  nicht  zufrie- 
den gewesen  zu  sein,  imd  es  wurden  nicht  nur  die  cervicalia, 
sondern  selbst  der  torus  mit  Federn  gestopft.  Besonders  die 
Federn  der  weissen  Gänse  und  namentlich  den  Flaum  nahm 
man  dazu;  vorzüglich  aber  waren,  wie  etwa  bei  uns  die  Eider- 
daunen, die  Federn  der  kleinen,  weissen  germanischen  Gänse, 
gantae,  in  hohem  Werthe,  zu  deren  Jagd  die  Praefekten  ganze 
Cohorten  aussandten,  und  deren  Federn  mit  fünf  Denaren  das 
Pfund  bezahlt  wurden.  Eoque  deliciae  processere,  ut  sine  hoc 
instrumento  durare  iam  ne  virorum  quidem  ccrvices  possint,  sagt 
Plinius  X,  22,  27,  Indessen  spricht  schon  Cicero  Tusc.  III, 
19.  von  einer  cidcita  plumea.  [Appul.  Met.  X,  p.  248  Elm. 
pulviUis  compluribus  ventose  tumentibus  pluma  delicata.  luv. 
VI,  88  fg. 

Sed  quamquam  in  magnis  opibus  plumaque  pcderna 
Et  seipnrntatis  dormisscf  pay^ula  cunis.] 
Auch  Sehwanenflaum  wurde  genommen  nach  Mart.XIV,  161. 


Das  Hausgerii  the.  287 

Lassiis  Amyclaea  pntcris  recjidescere  phima. 
Inferior  cycni  quam  tibi  lana  dedit. 
[Holiogabal  nahm  sogar  die  plumns  perdicum  siihcdares  dazu, 
La.mi'R.  Ilel.  19.]     Dass  aucli  der  torus  mit  Federn  gestopft 
wurde,  sielit  man  aus  Mart.  XIV,  159. 

Oppressae  nimium  vicina  estfascia  plumae? 
Vellcra  Leiiconicis  accipe  rasa  sagis. 
[und  XIT,  17.  s.  unten.]  und  so  sind  wohl  auch  die  pcusiles 
plumar  der  lectica  bei  Iuvkn.  I,  159.  zu  verstehen.  —  AVie 
verseliieden  war  demnach  ein  solches  römisches  Bett  von  dem 
weichsten  Lager  der  Clriechen  hei  Homer,  von  dem  nie  ein 
Polster  oder  Pfühl,  aucli  nicht  im  Hause  der  Eeichsten,  er- 
wähnt wird.  S.  XiTzsCH,  p]rkl.  Anm.  zu  Hom.  Odyssee.  I.  Bd. 
8.210. —  Zu  Kopfe  lag  ein  kleiner  Pfühl,  auch  wohl  mehrere, 
gewöhnlich,  Avie  es  scheint,  rund,  pidvinus,  auf  welchem  man 
den  Ellbogen  stützte  (Sen.  de  ira  HI,  37.)  inid  speciell  reri'«'- 
calia  d.  i.  Kopfkissen  genannt,  Isidor.  XIX,  26. 

Ueber  das  Polster  wurden  Decken,  vestes  stragidae,  stra- 
gula  [a  stemendo,  Varko  L.  L.  V,  167.    auch  wohl  pallia, 
operimenta  und  opercula,  Varro  1. 1.  peristromata,  tapeta,  Uli». 
Dig.  XXXIV,  2,  25.  §  3.]  gebreitet;   bei  dem  reichen  Kömer 
purpurfarbige,  conchyliata^  concliylio  tincta,  auch  wohl  mit  ein- 
gestickten oder  eingewebten  Figuren,  Babylonica  und  Alexan- 
dritia,  natürlich  nach  eines  jeden  Vermögen,  s.  Heind.  zu  Hör. 
Bat.  II,  3,  118.   [AiM'UL.  I\Iet.  II,  p.  123.   eborc  nitentes  lecti, 
(inrcis  vestibus  intexti.    Pauly,  Kealencykl.  IV,  S.  842.]     In 
w(dclier  Zald  solche  Decken  sicli  in  mancher  supellex  finden 
moditen,    liisst  sich  aus    Cic.  Verr.  IV,  26.  schliessen;    vgl. 
IMiilipp.  II,  27.  conchyliatis  Cn.  Pompeii  peristromatis  servorum 
in  vr.liis  If'.ctns  Stratos  videres.    [Die  Redensart  sternere  lectos 
lind  triclinia  s.  noch  Vitruv  VI,  10.   Macroti.  II,  9.  Lami'r. 
Heliog.  19.  8uET.  Oct.  73.  und  ÖviD.  Met.  Vlll,  656(1'. 
In  medio  torus  est  de  rnollibus  ulius, 
Impositis  lecto  spoiida  pedilusqno  salitjnis: 
Ve.stibus  hunc  velant,  quas  non  nisi  tempore  festo 
Sternere  consuerant.\ 


288  Dritter  Ex  cur  s  zur  zweiten  Scene. 

Trefflich  spottet  Marti al  II,  IG.  über  die  Eitelkeit  des  Zoi- 
lus,  der  sich  krank  stellte,  um  den  ihn  besuchenden  Freunden 
die  coccina  stragula  seines  Bettes  zeigen  zu  können,  die  er 
wahrscheinlich  eben  von  Alexandria  erhalten  hatte.  [Noch  ge- 
währen zwei  Stellen  des  Appul.  Met.  X.  ein  sehr  anschau- 
liches Bild,  nämlich  p.  248  Elm.  pidviUis  compluribus  —  cu- 
hitum  praestruunt.  sed  et  stragula  veste  auro  murice  Tyrio  depicta 
probe  consteniunt.  und  p.  25G.  lectus  Indica  testudine  perlucidus, 
■plwnea  congerie  tumidus ,  veste  serica  floridus.  Diese  Ueber- 
wiirfe  waren  zuweilen  so  gross  und  faltenreich,  dass  man 
nichts  von  dem  Gestelle  und  den  Kissen  sah ,  wie  die  Wand- 
gemälde zeigen.]  Die  pulvini  Avurden  selbst  mit  seidenen  Stof- 
fen überzogen,  Marx.  III,  82,  7.  s.  Tbl.  I,  S.  187.  und  schon 
bei  HoR.  ei^od.  8,  15.  Qind  quod  libelU  Stoki  inter  sericos 
iacere  pidvillos  aviant.,  dagegen  bei  Cic.  p.  Mur.  36.  lectuli 
Punicard  haedinis  pellibus  strati.  s.  auch  Sex.  ep.  95.  p.  429  Bip. 
Die  Veweichlichung  ging  so  weit ,  dass  man  die  cervicalia  mit 
einem  Federteppich  überzog.  Das  Avaren  die  Arbeiten  der 
plu7narii. 

Diese  Benennung,  die  bei  Varro,  Vitruv  und  auf  In- 
schriften vorkommt,  gehört  zu  den  dunkelsten  Ausdrücken. 
Die  Erklärung  des  Salmas.  zu  Vop.  Carin.  20.  p.  850  ff.  ist 
die  allgemeine  geworden,  bei  der  auch  die  neuen  Herausgeber 
des  Vitruv,  Schneider,  Stratico  und  Marini  stehen  geblie- 
ben sind.  Er  sagt  p.  851.  plumas  vocarimt  veteres  notas  ex 
auro  vel  puipura  rotundas  et  in  modum  plumariim  factas  (?), 
qidbus  vestes  intertexebantur  ac  variabantur.  Ferner  p.  852. 
nennt  er  sie  clavos  intextos  aureos,  quae  nloviua  Graeci  recen- 
tiores  vocabarä.  —  a  plumis  igitur  Ulis,  h.  e.  clavis^  qidbus  vestes 
intertexebantur,  pluinarii  textores  dicti,  non  solum  qui  clavos 
vestibus  insuerent  et  iiüexerent ,  sed  qid  quocunque  genere  pictu- 
rae,  quibuscunque  coloribus  et  figuris  variatas  vestes  pingerent. 
Für  die  letztere  Behauptung  ist  er  indessen  den  Beweis  schul- 
dig geblieben.  Sie  war  aber  für  seine  Erklärung  unentbehrlich. 
Aber  auch  die  Identität  der  plumarii  mit  jenen  Goldstickern 
hat  nur  mit  Hülfe  einiger  Conjecturen  und   unrichtig  ange- 


Das  Hausgeräthe.  289 

f'ührter  Stellen  nachgewiesen  werden  können.  Es  wird  daher 
eine  nochmalige  Prüfung  der  herrschend  gewordenen  Meinung 
nicht  überflüssig  sein. 

Pätmatae  vestcs  sind  Gewänder,  deren  Grund,  er  mochte 
weiss  oder  purpurfarbig  sein,  mit  eingesticktem  Golde  auf  ge- 
wisse Weise  gemustert  war.  Warum  die  eingestickten  notae 
eben  plumae  genannt  wurden,  wird  schwerlich  aufgeklärt  wer- 
den können;  allein  die  Beweise  dafür  sind  unzweideutig.  So 
sagt  Procop.  Kna^t.  'fovor.  III,  l.p.  53.  iniov  fx  fn-räh^g  fyxa).- 
).(07Ti(TftaG(  "/Qvaoii,'  TTurTUj^oOev  wort/cr/iHOs",  «  8/j  vtvofiiy.uöi  nlov- 
fu'a  xaXm-.  Publ.  Syrus.  bei  Petr.  55.  Plumato  amictus  cmreo 
Baliylonico.  was  zwar  vom  Pfau  gesagt  ist,  aber  doch  nur  in 
Bezug  auf  die  vestes  plumatas.  Lucan.  X,  125. 

Strato  micant,  Tyrio  qiiorum  pars  maxinui  succo 

Cocta  diu  iv'nis  non  uno  cliixit  aJicno; 

Pars  auro  jjlumata  nitet. 
Ueberall  wird  der  Schmuck  als  golden  bezeichnet,  nirgend 
aber  die  Stickerei  als  in  bunten  Farben  ausgeführt  angegeben; 
denn  wenn  die  Glossarien  plumarius  durch  noixiXrijg  wieder- 
geben, so  liegt  darin  nicht  das  Buntfarbige.  Die  toga  pieta 
ist  eb(!n  auch  mit  Gold  gestickt,  bei  Appian.  Pun.  66.  ji.  389 
Schweigh.  kara)aai  Ös  {2.yj7ito3v)  ig  rov  ndtQiuv  rnonov  noQCfVQav 
XQvacSv  uattQcov  ivvcfaGnivcov.  und  variare  auro  ist  gewöhnlicher 
Ausdruck.  Eben  so  würde  man  aus  dem  Scholion  zu  Lyco- 
PIIUON  V.  864.  xahjdj  (po(iv/.tovg.  noQqvQn  ßeßufifit'yovg  KVQicog,  rvv 
8s  Tovg  anlag  ßtßufifiH-uvg  Öiu  noXlür  ßacpcöf  xui  TriTToixiXfurovg 
xc.i  7i}.ovf(aiiiy.ovg  Xt'yei.  mit  Unrecht  folgern,  7T).ovftanixoi  aemn 
buntgesticktc.  Im  Gegentheil  würden  sie  dann  nicht  besonders 
neben  den  nsnuixiXfifvoig  genannt  werden.  —  Völligen  Miss- 
brauch  aber  macht  Salmasius  von  einer  Stelle  des  Firmicus 
Matkrnus,  die  er  so  anführt:  facient  linteones  aut  tunkarum 
textores  plumanos,  und  aus  der  er  auf  die  Arbeit  der  jylumarii 
.schliesst.  Die  Stelle  findet  sich  B.  III,  13,  10.  p.  78  Bas.  Es 
sind  aber  dort  kcüne  timicarwn  textores  plumarii  genannt,  son- 
dern es  lieiüst:  facie7it  tmtcnnc.i,  aut  tunicarunt  textores,  plunia- 
rios,  tinctores  etc.,   und  dass   Fiümk  is   niitcr  phunariis  nicht 

Bp.okf.k,  (iallus.  3.  Aull.   II.  ig 


290  Dritter  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

Verfertiger  goldgestickter  Kleider  gemeint  hat,  evgiebt  sich 
daraus,  dass  er  diese  stets  durch  Umschreibung  bezeichnet; 
z.  B.  III,  3,  6.  qui  nexo  auro  vestc.s  jmigunt.  ib  12.  ex  auro 
i^estes  phigentes.  Welche  Form  also  auch  die  plumae  gehabt 
haben  mögen,  mögen  sie,  wie  Saumaise  annimmt,  clavi,  orhi- 
culi  (mouchcs)  gewesen  sein;  die  plumatae  vcstes  waren  jeder- 
zeit goldgestickte,  und  er  hat  für  seine  notas  purpureas  keinen 
Beweis  beibringen  können. 

Wenn  Avir  dagegen  die  Stellen  des  Varro  und  Vitrhv 
betrachten,  so  scheint  da  von  etwas  ganz  Anderem  die  Rede 
zu  sein.  Varro  sagt  bei  Nonius  II,  p.  616.  Etenim  mala.,  qiiae 
non  didicit  p)ingere .,  potest  bene  iudicare,  quid  s/t  bene  pictuvi  a 
plumario  aut  textore  in  pidvinaribus  plagis.  Hier  wird  der 
plumarii(s  ausdrücklich  von  dem  textnr,  der  doch  auch  Figuren 
einweben  soll,  unterschieden.  War  übrigens  sein  Geschäft, 
bloss  Jiotas  rotimdn.s,  ckwos  einzunähen  —  und  ntir  als  etwas 
der  Art  lassen  sich  die  nXovfu'a  erklären  —  so  war  die  Kunst 
eben  nicht  gross,  und  warum  gehörte  dann  zu  deren  Beurthei- 
luug  das  didicisse  pingcref  Wie  unpassend  wäre  auch  gerade 
Goldstickerei  zu  pulvinaribus  plagis  gewesen,  wozu  man  die 
Aveichsten  Stoffe  nahm.  S.  Mart.  III,  82,  7.  Salmasius  corri- 
girt  übrigens  plumario  textori  mit  Weglassung  des  aut.  inid 
nimmt  an,  texere  könne  auch  das  Sticken  bezeichnen!  Noch 
weniger  lässt  sich  mit  obiger  Erklärung  die  Stelle  Vitruvs 
vereinigen.  Sie  steht  B.  VI,  7  Strat.  (Marini  und  Sehn.  c.  4.) 
No7i  minus  pinacothecae  et  plumariorum  textrinae  pictorumque 
officinae,  uti  colores  enrum  in  opere  propter  constantiam  luminis 
immutata  permaneant  qualitate  (ad  septentx*ionem  sj^ectare  de- 
bent).  Hier  werden  die  Werkstätten  der  plumarii  ausdrücklich 
textrinae  genannt.  Es  werden  also  nicht  fertige  Gewänder 
durch  Stickereien  geschmückt,  sondern  es  wird  auf  irgend 
eine  Weise  gewebt.  Sodann  ist  nicht  von  Gold  die  Kede,  son- 
dern es  handelt  sich  um  Farben,  die  das  Sonnenlicht  nicht 
treffen  soll,  damit  sie  nicht  verbleichen. 

Dies  Alles  scheint  eine  andere  Erklärung  des  Ausdrucks 
zu  fordern,  und  wie  nahe  auch  die  Verwandtschaft  zwischen 


Das  Hausgeräthe.  291 

plumata  vestis  und  plumarivs  scheint,  so  ist  docli  wahrschein- 
lich bei  Varro  und  Vitruv  von  ganz  anderen  Arbeiten  die 
Rede.  —  In  Glossarien  wird  plumarius  durch  TttiXoßdqiog, 
Federfärber,  übersetzt.  Freilich  ändert  auch  hier  Saum.'MSE 
das  Wort  in  \piXoßdq)og,  wo  dann  ßdnrmv  so  viel  als  variare 
überhaupt  sein  und  auch  das  Sticken  bezeichnen  soll!  Wenn 
von  einem  Buntdrucke  die  Rede  wäre ,  so  wäre  das  möglich  5 
allein  so  wenig  der  Römer  statt  acu  pingci-e  gesagt  haben 
würde  tingere  vestes,  so  wenig  Avird  ßänrtiv  diese  Bedeutung 
haben  können.  Vielmehr  scheint  das  mi'küßünriig  sehr  richtig 
zu  sein  und  mit  Hülfe  einiger  Stellen  aus  Martial  und  Pro- 
PKRZ  wird  sich  eine  Erklärung  des  plumarius  geben  lassen. 

Wenn  es  bei  Ersterem  XIl,  17.  vom  Fieber  heisst,  das 
den  Lentinus  nicht  verlassen  will,  weil  er  es  zu  gut  pflegt: 
Dormit  et  in  pluma  purpureoque  toro.  so  kann  dies  allerdings 
von  den  Federn  verstanden  werden,  mit  denen  man  in  späterer 
Zeit  die  Kissen  stopfte.  —  Nicht  wohl  wird  dieselbe  Erklä- 
rung passen  auf  das  Epigramm  XIV,  149.  mit  dem  Lemma 
Cervical: 

Tinge  caput  nardi  folio ;  cervical  olehit: 

Perdidit  unguentum  cum  coma,  pluma  tenet. 

denn  die  Salbe  konnte  doch  nur  dem  Kissenüberzuge,  der 
plaga  pulvitiaris  sich  niittheilen.  Noch  weit  unstatthafter  aber 
ist  es,  mit  Böttiokr,  Sabina  ü,  S.  52.  nach  Passeratius  und 
Burmanns  Vorgange,  was  Propert.  III,  7,  50.  vom  Paetus 
sagt:  Effultum  pluma  versicolore  caput.  von  Kissen  zu  verste- 
hen, die  mit  bunten  (docli  wohl  buntgefärbten?)  Federn  ge- 
stopft seien.  —  Zwar  bei  Petron.  c.  88.  gehört  es  zu  den 
Abgeschmacktheiten  des  Trimalchio,  I^irpurMoHe  in  den  Kis- 
sen zu  haben:  Vides  tot  culcifas?  Nidla  non  aut  conrJiylidtum 
aut  coccineum  tomentiim  habet.  Allein  das  sollte  den  Kissen 
einen  liöheren  Wertli  geben,  und  \(in  I'etkons  Schilderung 
der  einfältigen  V'erscliwendung  in  diesem  Hause  ist  übcrdiess 
nicht  immer  auf  die  Wirkliclikeit  zu  scliliessen.  —  Welchen 
Zweck  aber  könnte  es  geluilit    li.ilicn,  die  Kissen   mit   l'^cdcrn 

i'j* 


292  Dritter  Excurs  zur  zweiten  Sccne. 

von  verscliiedeiier  Farbe,  pluma  versicolorc  zu  stopfen,  was  ja 
niemand  bemerken  konnte! 

Aus  diesen  Gründen  glaube  ich,  dass  die  pluviarü  wirk- 
liche Federteppiche  fertigten,  mit  denen  man  die  pulvinos 
oder  cervicalia  überzog,  und  dasselbe  bedeuten  vermuthlich 
bei  FoLL.  X,  1,  10.  TireQcaTu  y.ai  mß-mtu  Tzno^'y.tquXaia.  Hat 
man  in  neuerer  Zeit  grosse,  sehr  dauerhafte  Tapeten  mit  aller- 
hand Emblemen  aus  lauter  bunten  Federn  zu  fertigen  ver- 
standen, wanmi  wollen  wir  nicht  dem  Alterthume  dieselbe 
Geschicklichkeit  zutrauen,  das  an  Künstlichkeit  der  Arbeit 
unsere  Zeit  in  manchen  Stücken  übertraf?  Uebrigens  spricht 
ja  Seneca,  ep.  90.  selbst  von  Kleidung  aus  Federn :  non  avium 
pliimae  in  usinn  veatis  conseruntur?  —  Dann  sind  in  den  ange- 
führten Stellen  keine  Widersprüche  mehr  und  plumarius ^  zu- 
gleich ;77flop«f/oc,  (von  plumo ;  von  plumore  würde  es  2^himator 
heissen)  ist  der,  welcher  in  Federn  arbeitet,  wie  lanarius  der 
in  Wolle,  argeiitarius  der  Silberarbeiter  u.  s.  w. 

[So  unzweifelhaft  Becker  bewiesen  hat,  dass  phimatae 
vestes  Stofi'e  mit  Goldstickerei  und  ■plumarii  die  Verfertiger 
von  Federteppichen  bedeuten,  so  vmsicher  ist  die  Anwendung 
dieser  Stoffe  auf  Kissenüberzüge;  wenigstens  lässt  es  sich  - 
ganz  abgesehen  davon,  dass  eine  derartige  Arbeit  sich  gerade 
am  wenigsten  für  Kissen  eignen  würde ,  um  darauf  zu  sitzen 
oder  zu  liegen  —  nicht  aus  den  angegebenen  Stellen  darthun, 
wie  bereits  Hertzberg  in  der  mehr  erwähnten  Kecension  S. 
2296.  bemerkt  hat.  Bei  Mart.  XIV,  149.  ht  pluma  tenet.  ganz 
einfach  von  den  inneren  Federn  des  Kissens  zu  verstehen, 
welche  bei  dem  dünnen  Ueberzug  das  Salböl  sehr  leicht  an- 
ziehen und  den  Geruch  nicht  so  leicht  wieder  von  sich  lassen. 
Die  Worte  des  Prof,  aber  versicolore  pluma.  können  entweder 
als  Metonymie  angesehen  werden  und  würden  s.  v.  a.  der  bunte 
Ueberzug  eines  Federkissen  bedeuten  (so  wie  hei  tori  picti 
Verg.  Aen.  I,  708.  und  toro  purpureo  Ovid.  Heroid.  V,  88. 
auch  nur  die  Farbe  des  Ueberzugs  oder  Umwurfs  berücksich- 
tigt ist,  nicht  des  torus  selbst),  oder  mau  kann  Avirkliche  bunte 
Federn  annehmen,   mit   denen   das    Kissen  gestopft   ist   und 


Das  Hausgeräthe.  2t'o 

welche  durch  die  dünnen  üeberzüg'e  hindurchschimmern,  wel- 
cher Erklärung  Hertzberg  den  Vorzug  giebt,  indem  er  auf 
Cic.  Verr.  V,  11.  verAveist:  pulvinus  perlucidiis  Melittmsis,  rosa 
farctus.  —  Hofmann,  Eecens.  d.  Gallus  S.  784.  vertheidigt 
die  frühere  Ansicht,  dass  pluiinivii  die  Verfertiger  der  j)luma- 
tae  vestes  gCAvesen,  indem  er  die  oben  angeführten  Stellen 
des  Varro  und  Vitruv  anders  erklärt.] 

Von  den  Decken,  welche  über  die  lecti  gebreitet  wurden, 
sirayula,  sind  durchaus  zu  unterscheiden  die  toralia.  Es  ist 
kaum  zu  begreifen,  wie  Heind.  zu  Ilor.  Sat.  II,  4,  84. 

Et  Tyrias  dare  circuin  illota  toralia  vestes. 
mit  Verweisung  auf  epist.  I,  5,  21.  sagen  konnte:  ,,In  beiden 
Stellen  ist  offenbar  toral,  toralia  etwas  sogleich  in  die  Augen 
Fallendes ,  also  ein  Ueberzug  oder  eine  Decke  der  von  pur- 
purnen Stoffen  umgebenen  Kissen  (fori)  der  Sophas."  [Diese 
Ansicht  war  früher  die  allgemeine,  s.  z.  B.  Turneb.  Adv.  1, 24. 
Chimentell.  c.  31.  CiACCON.  de  triclin.  p.  16.  mit  Ursin.  app. 
p.  230.  u.  a.]  Die  Stelle  Petron.s  c.  40.  ist  allein  hinreichend, 
diess  zu  widerlegen.  Dort  soll  eben  das  Hauptgericht,  der 
Eber,  aufgetragen  werden ,  und  daher  lässt  Trimalchio  dem 
Triclinium  plötzlich  ein  auf  die  Jagd  sich  beziehendes  Aeus- 
sei'cs  geben,  wie  denn  auch  die  Jagdhunde  hereingelassen 
werden.  —  donec  advenerunt  ministri  ac  toralia  proposuerimt 
toris,  in  quihus  retia  erant  picta  subsessoresque  cum  venahidis  et 
totus  venationis  apparatus.  Man  bedenke ,  dass  sämmtliche 
Gäste  auf  den  lectis  liegen,  und  die  Sklaven  des  Wirths  ohne 
Weiteres  toralia  projjonunt ,  so  wird  niemand  darunter  über 
die  Lager  zu  breitende  Decken  verstehen  können.  Vielmehr 
sind  es  Behänge,  mit  denen  der  lectus  von  dem  torus  an  bis 
zum  Fussboden  bekleidet  wird,  propo?iu?itur,  und  daher  sagt 
auch  HüRAZ  circum  Tyrias  vestes  (purpureum  toruin)  dare 
illota  toralia.  So  hat  es  auch  Casaubonu.s  zu  Lamprid.  Hcliog. 
19.,  den  Heindorf  selbst  anführt,  al)er  nicht  wohlverstanden 
zu  halten  scheint,  gemeint:  „In  apparatu  lectorum  vno[-\).tifi(na 
sunt  et  fni^^thiiiaTu  ac  nnii^iXiiiiata.  -  Torale  est  rorr  7Ti:ni(ih^na- 
zoii'   recleque  in    (Jlossario    vertilur   nfiiinXivov."     Dann   unter- 


294  Dritter  P",  xcurs  zur  zweiten  Scene. 

scheidet  er  „stragula ,  quibus  tori  steniebcmtur  et  toralia^  quoe 
ctrcumiicieba7itur."  —  Daher  heisst  es  bei  Paull.  Dig.  XXXIII, 

10,  5.  pr.  De  tapetis  qiiaeri  potest,  quibus  subsellia  catltedraria 
insterni  solent^  utriim  in  veste  sint,  sicut  stragula,  an  in  supel- 
lectile,  sicut  toralia,  qnae  proprie  stragulorum  non  sunt.  [Diese 
Erklärung  wird  vollkommen  bestätigt  durch  Varro  L.  L.  V, 
167.  cuntra  Latinum  toral,  quod  ante  torum.  Weniger  klar 
ist  das  Fragment  bei  j^on.  I,  35.  wo  unter  toral  vielleicht  der 
Vorhang  der  lectica  verstanden  wird.  Oder  man  muss  anneh- 
men, dass  toral  auch  im  weiteren  Sinne  in  der  Bedeutung  von 
stragulum  gebravicht  worden  sei.  Namentlich  wurden  die  to- 
ralia bei  den  lectis  triclin.  angewandt.  Orell.  2270.  aus  den 
act.  fratr.  Arval.  c.  32.  discuutbentes  toralibus  segmenlatis.  d.  i. 
gemustert.] 

Man  unterschied  nämlich  lertus  cubicularis  und  tricliniaris 
[s.  noch  den  zweiten  Exe.  zur  neunten  Scene],  Lampr. Hei.  20. 
Varro  L.  L.  VIII,  32.  quod  si  esset  analogia  petenda  supel- 
lectili,  omnes  lectos  haberemus  doini  ad  unam  formam  et  aut  cum 
fulcro  aut  sine  eo,  nee  cum  ad  tricliniarem  gi-aduw,  item  ad  cu- 
bicularem.  Demnach  wäre  der  tricliniaris  höher  gewesen  als 
der  cubicularis,  da  doch  von  diesem  immer  scandere,  asce?idere, 
descendere  gesagt  wird.  S.  Broukh.  zu  Tib.  I,  2,  19.  OviD. 
Fast.  II,  349 — 354.  Auch  Serv.  zu  Verg.  Aen.  IV,  685.  sagt: 
quia  lecti  antiquorum'alti  erant  et  gradibus  ascendebantur.  Lucan. 

11,  356.  gradibusque  acclivis  eburnis  Stat  tor'us.  [Varro  L.  L. 
V,  168.  Qua  simplici  scansione  scandehant  in  lectum  non  altum, 
scabellum,  in  altiorem,  scamnum.  Duplicata  scansio  gradus  di- 
citur.^  Diese  gradus  scheinen  die  oft  erwähnten /«<Zcra  zu  sein, 
nämlich  pedum.  [Oder /jJcra  sind  wohl  richtiger  die  alsFüsse 
dienenden  mit  Shinxen,  Greifen  und  anderen  Thierfiguren  ver- 
zierten starken  Unterlagen ,  im  Gegensatz  zu  den  zierlicheren 
runden  pedibus.  Wenigstens  sagt  Hygin.  Fab.  274.  Antiqui 
nostris  in  lectis  tricUniaribus  in  fulcris  capita  asinorum  vite  alli- 
gata  habuerunt.  und  Isidor.  XIX,  26.  fulcra  sunt  ornamenta 
lectorum,  dicta  quod  in  iis  fidcimur  i.  e.  sustinemur  vel  quod  to- 
ros  fulciant.    Plin.  h.  n.  XXXIV,  2.  unterscheidet  pedes  und 


Das  Hausgeräthe.  295 

fulcra:  Antiquissima  aeris  gloria  Deliaco  fuit  —  et  ideo  cura 
ojßcinis  tricUniorum  pedibus  fulcrisque^  Die  Hauptstellen  sind : 
Prof.  H,  10,  21  fg. 

Nee  mihi  tunc  fidcro  sternatur  lectus  ebiivno; 
Nee  Sit  in  Attatico  mors  viea  nixa  toro. 
IV,  7,  3. 

Cynthia  namque  meo  visa  est  incmnhere  fulcro. 
luv.  VI,  22.  sacri  genium  contemnere  fulcri. 
XI,  95  fg. 

Qualis  m  Oceani  fluctu  testndo  nataret 
Ciarum  Troiugenis  factura  ac  nobile  fidcnim. 
vgl.  Verg.  Aen.  VI,  603.  Suet.  Claud.  32. 

Der  lectus  cubicularis  hatte  übrigens  oft,  zumal  wenn  er 
für  zwei  Personen  bestimmt  war,  auf  der  einen  Seite  eine 
Lehne  (wie  unsei'e  Sophas),  phäeiis,  welcher  Name  auch  zur 
Bezeichnung  der  ganzen  Seite  dient,  während  die  offene  Seite, 
wo  man  aufstieg,  sponda  hiess.  Isidor.  XX,  11.  sjyonda  exte- 
rior  pars  lecti,  pliäeus  interior.  Dasselbe  ist  bei  OviD.  Am.  III, 
14,  '^2.  prior  irüeriorque  torus.  S.  Salmas.  zu  Mart.  III,  91,9. 
Suet.  Caes.  49.  Scip.  Afr.  bei  Gell.  VD,  12.  [Auf  den  Ab- 
bildungen herrscht  grosse  Mannigfaltigkeit  der  Formen,  ruck- 
sichtlich der  Höhe  der  Füsse,  und  rücksichtlich  der  Lehnen; 
zuweilen  sind  sie  unseren  Sophas  und  Causeusen  (mit  hohen 
Seitenlehnen  am  Kopfende)  ganz  ähnlich.] 

AVas  die  S(j])has  zum  Studiren  betrifft,  so  bemerkte 
schon  Böttiger  Sab.  I,  S.  35.,  dass  den  Alten  Schreibtische, 
vor  denen  sie  auf  Stühlen  sitzend  studirt  hätten,  etwas  Frem- 
des waren.  Man  meditirte,  man  las,  man  schrieb  liegend  auf 
dem  let-tus  oder  lectns  liieubratorins,  aiicli  lectica  lucubratoria, 
[welche  in  der  Hauptsache  den  anderen  lectis  gleich  waren], 
Suet.  Aug.  78.   Darum  sagt  Ovid.  Trist.  I,  11,  37. 

Non  haec  in  nostris^  ut  quondam,  scribinius  hurtis^ 

Nee  co?isuete  meuin  lectule  corpus  hahes. 

und  Seneca,  epist.  72.    duaedam  su7it,  quae  possis  et  m  cisio 

scribere;  quaedam  lectum  et  otium  et  secretum  desiderant.   vgl. 

Peks.  I,  52.  quidquid  lectis  scribitur  in  citreis.    —   Der  liabitus 


296  Dritter  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

studentis  wie  sich  I'lin.  ep.  V,  5.  ausdrückt,  war  ohne  Zweifel 
der  Art,  dass  man  fast  wie  im  Triclinium  sich  etwas  auf  deu 
linken  Arm  stützte  und  das  rechte  Bein  etwas  hinaufzog,  um 
darauf  das  Buch  zu  legen,  oder  zu  schreiben.  Indessen  kann 
wohl  auch  an  der  Lehne  des  lectulus  (pluteus)  eine  Vorrich- 
tung zum  Schreiben  gewesen  sein,  und  vielleicht  meint  das 
(/  Persius,  wenn  er  I,  1^6.  von  einem  Dichter,  der  sich  seine 
Gedichte  nicht  eben  sauer  werden  lasse,  sagt: 

Nee  pluteum  caedit,  nee  demorsos  napü  unguea. 
vgl.  luv.  II,  7.  [und  SlDON.  Ap.  II,  9.  grammatieales  plutei.  — 
Sehr  unsicher  ist,  ob  das  in  einer  Handschrift  des  Vergil  be- 
findliche Gemälde,  welches  Vergil  an  einem  Stehpult  arbeitend 
darstellt,  wirklich  dem  vierten  Jahrhundert  angehört,  wie  be- 
hauptet worden  ist,  s.  Visconti,  iconograph.  Kom.  Tom.  I. 

Noch  sind  zwei  aus  Griechenland  herübergekommene 
Namen  zu  erwähnen,  seimpodium  und  gvabatus ,  welche  in 
Griechenland  ganz  dasselbe  bedeutet  haben  mögen,  nämlich 
ein  niedriges  schmales  Lager,  s.  die  im  Charikles  III,  S.  69. 
citirten  Stellen.  Seimpodium  kommt  nämlich  von  axifmu  her 
und  heisst  also  ein  zusammengekauerter  niedriger  lectus.  In 
Rom  aber  machte  man  anfangs  iusufern  einen  Unterschied, 
als  man  den  Namen  grabatus  auf  die  lecti  der  Armen  über- 
trug, welche  au  sich  niedriger  waren  als  die  der  üeichen, 
während  man  die  neumodischen  niedrigen  Lager  der  Vorneh- 
men seimpodium  nannte.  Die  Aermlichkeit  der  grabati  geht 
klar  hervor  aus  dem  Zusammenhang  bei  Cic.  de  div.  II,  63. 
non  modo  lectos ,  i^erum  etiain  grabatos.  Sen.  ep.  18.  werden 
sie  in  Vei-binduug  mit  modieas  eenas,  pauperum  cellas.  er- 
wähnt, ep.  20.  [Appul.  Met.  I,  p.  112.  114.  Elm.]  Auch  dien- 
ten sie  in  den  Wirthshäusern  der  Bequemlichkeit  der  ankom- 
menden Reisenden,  Petkon.  52.  [Ebenso  Appul.  Met.  I. 
p.  107.  grubatulus  alioqid  breviculus  et  uno  pede  mittilus  ac  pu- 
trid., unter  welchem  sich  Aristomeues  versteckt.]  Die  scimpodia 
dagegen  werden  nur  bei  Reichen  genannt,  wo  sie  vorzüglich 
in  Ki-ankheitsfallen  angewandt  wurden,  z.  B.  Gell.  XIX,  1 0. 
Dio  Cass.  LXXVI,  13.  erzählt  auch,  dass  sich  Sept.  Severus 


Das  Hausgeräthe.  297 

als  Kranker  in  dem  scimpociium  habe  tragen  lassen.  Dieses 
hatten  jedoch  früher  schon  Augustus  und  Tiberiiis  gethan. 
Der  bezeichnete  Unterschied  hörte  aber  später  auf  und  man 
nannte  die  kostbaren  Seimpodien  nun  ebenfalls  Grabatus, 
55.  B.  ÖCAEV.  Dig.  XXXIII,  7,  20.  §  8.  grabalns  argnito  in- 
aurato  tectits.  Sehr  niedrig  waren  auch  die  sugenannten  Puni- 
cani  lecti,  welche  Lsid.  XX,  11.  nennt.] 
Stühle. 
Stühle  wurden  bei  den  Kömern  weniger  gebraucht  als 
bei  uns  und  sind  nur  etAva  für  Besuchende  erfordeilich  [z.  B. 
Gell.  II,  2.  Sen.  de  dem.  I,  9.],  Aviewohl  man  dann  auch  die 
exedras  hatte.  Man  unterscheidet  sella  und  catliedra  und  eignet 
letztere  besonders  den  Frauen  zu  5  doch  kann  man  keineswegs 
sagen ,  dass  die  sella  die  einfache  Form  unserer  Stühle ,  nur 
etwa  mit  etwas  mehr  zurückgebogener  Lehne  gehabt  und  dass 
catliedra  einen  Armstuhl  bedeutet  habe ;  denn  es  lässt  sich  da- 
gegen erinnern,  dass  gerade  die  sellae  gestatoriae  Armstühle 
waren  und  dagegen  Frauen  öfter  auf  jenen  einfachen  Stühlen 
sitzend  vorkommen.  Ueberhaupt  bezeichnet  sella  wohl  jeden 
Stuhl,  von  der  sella  quotidiani  quaestus  des  Handwerkers  an 
(Cic.  in  Cat.  IV,  8.  s.  Mu.s.  Borb.  IV,  t.  50.)  bis  zur  sella  cu- 
rulis.  Die  cathedra  gehört  auch  mit  darunter  und  dass  dieser 
besonders  bei  Dichtern  übliche  Ausdruck  am  häutigsten  in 
Bezug  auf  Frauen  vorkommt,  erklärt  sich  daraus,  dass  diese 
in  der  Kegel  nicht  lagen,  sondern  sassen.  [Allerdings  waren 
sella  und  sedile  (mit  den  Deminutiven  sediculum  und  sedecida, 
Paul.  Diac.  p.  336  M.  Cic.  ad  Att.  IV,  10.)  die  allgemeinsten 
Ausdrücke  für  jeden  Stuhl,  obgleich  sedile  ursprünglich  nur 
den  eigentlichen  Sitz  oder  das  Sitzpolster  bezeichnet.  Ein 
alterthüinlicher  Name  war  seliquaslncm.  Fest.  p.  340  M. 
Varro  L.  L.  V.  128.  Ab  sedendo  appellatae  sedes,  sedile,  so- 
liwn,  sellae^  seliquastrurn  —  subsellium  —  biseUium.  —  Die 
allgemeine  Bedeutung  von  sella  zeigt  die  oben  erwähnte  An- 
wendung in  den  Tabernen  der  Handwerker  und  der  Tonsoren, 
Dio.IX,  2,  11.  pr.,  ferner  an  den  Hausthüren  der  Buhleriuucn 
(Plaut.  Poen.  I,  2,  56.    Sio.n.  de  ben.  I,  'J.),  in  den  Bädern 


298  Drittel-  Exe  Urs  zur  zweiten  Scene. 

(s.  den  ersten  Excur.s  z.  siebenten  Scene),  sodann  in  den  Lcln-- 
zimmern  (Cic.  ad  Fam.  IX,  18.  S.  66  fg.),  und  auf  dem  Tri- 
bunal des  riclitenden  Magistrats  (ähnlich  der  sella  curulis  und 
der  sella  imperatoria,  Spart.  Sev.  1.  wie  sie  schon  Cäsar  hatte 
und  zwar  aureu  nach  einem  Scons.  bei  Cic.  Phil.  II,  34.  Suet. 
Caes.  76.  Cic.  Verr.  II,  38.  de  sella  ac  tribunali  pronuntiat. 
ebenso  V,  59.  Suet.  Claud.  23.  und  Plin.  ep.  II,  11.  sellis 
consulum.),  ebenso  wie  im  Lager  für  die  Feldherrn,  Suet. 
Galb.  18.  castrenseiii  sellam;  abgesehen  davon,  dass  sella  auch 
Tragsessel  und  noch  ein  anderes  unästhetisches  Hausgeräthe 
bezeichnet  (eigentlich  sella  familiarica  genannt).  S.  noch  Cod. 
Th.  XV,  13.  de  usu  sellarum  in  dem  allgemeinsten  Sinn.  Auch 
sedile,  obgleich  selten  vorkommend,  hat  eine  ganz  allgemeine 
Bedeutung.  So  finden  wir  ausser  den  sedilihus  ligtuüs  bei  Suet. 
Oct.  43.  ein  sedile  regiiua.  bei  Spart.  Hadr.  23.  vgl.  Cels. 
VIII,  10.  Als  Marmorbank  wird  sedile  bei  Plin.  ep.  V,  6,  4(.). 
gebraucht  und  mehrmals  bei  Dichtern,  s.  die  Lexica. 

Eine  besondere  Gattung  von  Stühlen  hiess  aber  solium, 
welche  wir  uns  stets  als  einen  höheren  thronähnlichen  Ehren- 
sitz denken  müssen.  Ihn  nahm  vor  Alters  der  Hausvater  ein, 
wenn  er  als  Patronus  seinen  Clienteu  den  gewünschten  Kath 
ertheilte.  Cic.  de  leg.  I,  3.  viore  patrio  sedens  in  solio  consu- 
lentibus  responderem.  de  or.  II,  55.  in  rutis  et  caesis  solium  pa- 
ternum  recepisse.  Solche  solia  wurden  den  Göttern  in  den 
Tempeln  geweihet,  so  sol.  Iuris,  Suet.  Cal.  57.  Oct.  70.  or.  de 
har.  resp.  27.  Auch  wird  der  königliche  Thronsessel  sehr  oft 
solium  genannt,  Serv.  zu  Verg.  Aen.  1,510.  iti  quo  reges  sede- 
hant.  und  zu  VII,  169.  In  diesem  Sinne  mehrmals  bei  Vergil. 
und  OviD.  Cic.  de  fin.  II,  21.  ornatu  regali,  in  solio  sedens. 
S.  noch  Isidor.  XX,  11.  und  Fest.  h.  v.  p.  298  M.  Wahr- 
scheinlich waren  die  prachtvollen  oft  goldfarbigen  Throne  der 
Götter,  wie  des  Mars  und  der  Venus ,  des  Bacchus ,  der  Ceres 
u.  s.  w.,  welche  sich  auf  pompejanischen  Wandgemälden  fin- 
den, römische  solia  oder  denselben  wenigstens  ähnlich,  z.  B. 
Mus.  BoRB.  VIII,  20.  VI,  53.  34.  Pitt.  d'Herc.  I.  t.  29.  Sie 
haben  geradestehende  Kück  -  und  Armlehnen,  ebensolche  Füsse 


Das  Hausger äthe.  299 

von  der  zierlichsten  Form  und  kleine  Fussbcänkchen.  Bunte 
Kissen  fehlen  ebensoAvenig  als  im  Kücken  ein  weiter  Ueber- 
Avurf,  Avelcher  in  Falten  an  beiden  Seiten  der  Eiicklehne  her- 
abfällt. Chimentell.  de  honore  biseil.  c.  18. 

Die  cathedra  dagegen   dient  nicht  Avie  das  solium  dem 
Prunke  und  der  Repräsentation,  sondern  der  Bequemlichkeit-, 
darum  hat  sie  nicht  die   steifen  Verhältnisse  und  die  grade- 
stehende Lehne  des  solium,  sondern  gefällige  dem  Körper  sich 
anschmiegende  Formen ,  also  schräg  ablaufende  Kücklehnen, 
in  denen  es  sich  behaglich  ruhcte,  etAva  Avie  der  Stuhl  in  Ant. 
d'Herc.  IV,  97.,  dessen  Rücklehne  hoch  ist  und  nach  oben 
immer  breiter  A\'ird ,  um  den  Kopf  nach  beiden  Seiten  hin  gut 
anlehnen  zu  können.  Aehnlicli  im  Mus.  Borb.  IV.  t.  18.  stets 
jedoch   ohne  Armlehnen.     Dass  diese  Bestimmungen   richtig 
sind,  ergiebt  sich  aus  folgenden  Stellen:  luv.  VI,  90  fg. 
fainam  conternserat  olim, 
Cuius  apud  molles  minima  est  iactura  cathedra. 
Martial.  III,  63.  sagt  zu  dem  Aveichlichen  Cotilus: 
Intcr  femineas  tota  qui  luce  cathedras 
Desidet. 
und  zu  Candidus  XII,  i58. 

Hunc  qiii  femineis  noctesque  diesque  cathedris  etc. 
luv.  IX,  52.  strata  positus   longaque   cathedra,    (also   sie  ist 
Aveich  gepolstert  und  lang).  Dass  sie  mit  einem  stragulum  be- 
deckt Avar,  sehen  Avir  auch  aus  Mart.  XII,  18. 
Ignota  est  toga.  sed  datur  petenti 
Rupta  proxima  vcstis  e  cathedra. 
Dieser  Bequemlichkeit  Avegen  Avird  die  cathedra  vorzüglich  in 
Verbindung  mit  Frauen  erAvähnt,  z.  B.  Mart.  IX,  99.  Phaedr. 

III,  8,  4.  HüR.  Sat.  I,  10,  90  fg. 

Demetri  teque  Tigelli 
Discipidarura  inter  iubeo  jüorare  cathedras. 
Die  Frauen  pflegten  sogar  darauf  ruhend  zu  schreiben,  Prop. 

IV,  5,  37  fg. 

Siipplex  die  sedet.  posita  tu  scribe  cathedra 
Quidlibet. 


300  Dritter  Exciirs  zur  zweiten  Scene. 

Doch  war  der  Gcbrunch  dieser  Armsessel  nicht  auf  dii;  Fraiieii 
beschränkt,  sondern  dieselben  wurden  auch  Männern  bei  ße- 
sucheu  angeboten,  z.  B.  bei  Sen.  de  cleru.  I,  9.  lässt  August 
dem  Cinna  eine  cathedra  setzen  und  Plinius  hatte  sowohl  in 
seinem  Laurentinum  dergleichen,  ep.  II,  17.  lectum  et  diias 
cathedras  capit  (cubiculum),  als  in  der  Stadt,  VIII,  21.  positus 
ernte  lectos  cathedris  amicos  coUocavi,  (nämlich  um  ihnen  vor- 
zulesen). —  Dass  man  aber  die  Sessel  der  Lehrer  cathedras 
nannte,  hatte  seinen  Grund  nicht  in  deren  Bequemliclikeit, 
sondern  darin,  dass,  da  cathedra  ohne  liückkdnae  undenkbar 
war,  man  nur  an  Lehnstühle  denken  konnte.  luv.  VII,  203. 

Poenitidt  maltos  vatiae  sterilisqua  cathedrae. 
Mart.  I,  77.  PiiiLüSTR.  soph.  II,  2.  SiDON.  ep.  VII,  9.  Eine 
besondere  Art  von  cathedra,  welche  aus  Weiden  geflochten 
waren,  erwähnt  Plin.  XVI,  37,  68.  Ueber  die  cathedra  xergl. 
LiPSii  Elect.  I,  19.  Chimentell.  de  hon.  bisell.  c.  23.  Böt- 
TiGER,  Sabina  I,  S.  35  fg.  Dittrioii,  de  cath.  feminarum  liom. 
Lips.  1836.  (nur  citirt  in  Pauly  IV,  S.  844.) 

Die  anderen  Stühle  ausser  dem  solium  (d.  i.  steifer  Staats- 
sessel mit  Kück-  und  Armlehne)  und  der  cathedra  (d.  i.  wirk- 
licher Kuhesessel  mit  einer  gepolsterten  Rücklehne,  die  sich 
sogleich  an  den  Sitz  anschliesst,  sanft  hintergebogen,  aber 
ohne  Armlehne)  hatten  keine  besonderen  Namen  oder  haben 
sie  uns  wenigstens  nicht  hinterlassen,  sondern  sie  trugen  den 
allgemeinen  Namen  sella ,  welcher  wie  unser  Stuhl  von  allen 
Sorten  gesagt  werden  konnte.  Ihre  überaus  grosse  Mannigfal- 
tigkeit und  Anmuth  erkennen  wir  nur  aus  den  pompejanischen 
Wandgemälden,  welche  uns  viele  Formen  vor  die  Augen  füh- 
ren, deren  Aehnlichkeit  mit  den  modernsten  oft  wahrhaft  über- 
raschend ist.  Was  zunächst  die  Füsse  betrifft,  so  sind  dieselben 
entweder  geradeauslaufend,  meist  zierlich  gedrechselt  (Zahn, 
schönste  Ornam.  III,  Taf.  58.  93.),  oder  anmuthig  geschweift; 
auch  hatten  manche  Sessel  kreuzweis  gestellte  Füsse  (säge- 
bockähnlich),  wie  im  Mus.  Borb.  VII.  t.  3.  Noch  grösser  Avar 
die  Verschiedenheit  in  Beziehung  auf  die  Lehnen.  Viele  Stühle 
hatten  gar  keine  Lehne,  wie  unsere  Tabourets  u.  Klappstühle, 


Das  Hausgeräthe.  301 

z.  B.  im  Mus.  BoRB.  VII.  t.  53.  IX,  18.  Ant.  d'Hekc.  II,  124. 
in,  133.  Zahn,  schönste  Ornam.  111,  Taf.  92.  100.  (sogar  die 
der  Kaiser  sind  oft  ohne  dieselbe,  Mus.  Borb.  IV.  t.  37.),  an- 
dere eine  sehr  niedrige,  wie  Mus.  Borb.  VIII.  5.,  noch  andere 
eine;  hochragende  und  zwar  theils  vorwärts  gebogen,  theils 
nach  hinten  geneigt.  Meist  aber  ist  sie  halbrund  (darum  auch 
arcus  genannt,  Tac.  Ann.  XV,  57.),  um  den  Kücken  gleichsam 
zu  umfassen  und  weitgespannt,  z.  B.  Mus.  Borb.  XIII,  21,  3G., 
selten  gitterartig  gearbeitet,  wie  Mus.  Borb.  XII,  3.  Auf  den 
»Ritzen  liegen  Polster  oder  Kissen,  welche  beweglich  zu  sein 
scheinen  und  desshalb  mit  breitem  und  schmalem  Band  be- 
festigt wurden,  wie  man  auf  den  beiden  zuletzt  genannten 
Bildern,  aber  auch  auf  anderen  ganz  deutlich  sieht.  Vergl. 
Zahn,  a.  a.  O.  IH,  Taf.  58.  93.  Die  Gestelle  aller  Stühle 
waren  von  Holz  (oft  kostbar  plattirt  und  eingelegt  mit  Elfen- 
bein u.  s.  w.)  oder  von  Metall  gerade  Avie  die  lecti.  Vgl.  über- 
haupt CiiiMENTELL.  marmor  I*isanum  de  hon.  bisellii.  Bo- 
non.  16G6. 

Bänke  {scaiima  und  subsdlia,  Varro  L.  L.  V,  168.  Isid. 
XX,  11.)  wurden  von  dem  vornehmen  Römer  im  Hause  wohl 
gar  nicht  gebraucht,  ausser  in  den  Bäd(!rn  oder  wo  sie  vor 
dem  lectus  standen,  um  das  Besteigen  des  Lagers  zu  erleich- 
tern. IsiDOR.  und  Varro.  Eine  besondere  Art  sind  die  suh- 
sellia  cai/iedraria ,  bequemere  Bänke  mit  Lehnen,  welche 
Paull.  Dig.  XXXUl,  10,  5.  nennt,  nebst  tapetis  zum  Be- 
decken der  Polster.  Das  sind  die  tegumenta  subselliorinn  bei 
Ulp.  Dig.  XXXIV,  2,  25.  §  1.  Auch  in  den  öffentlichen  Bä- 
dern fehlten  .sie  nicht,  Paull.  rec.  sent.  111,  G,  65.  und  in 
I'ompeji  haben  sie  sich  gut  erhalten,  s.  den  ersten  Excurs  zur 
siebenten  Scene.  Im  Mus.  Borb.  IV.  t.  47.  t.  A.  sind  hölzerne 
Bänke  abgebildet,  von  denen  die  eine  sehr  zi<'rliche  Füsse  hat. 
Auf  den  häuligen  Gebrauch  der  lüüike  im  öffentlichen  Leben, 
namentlich  bei  Gericht  und  im  Theater  hinzuweisen,  würde 
übertiüssig  sein.  Chimkntkll.  c.  21.  22.  iScabrlla  (voh  scain- 
miiii  (^uiNCT.  [,  4,  12.)  liiessen  die  kleinen  Fussbänke,  welche 
sich  oft  vor  den  Sesseln  hef;uiden,  (d)enso  niedrige  lange  Fuss- 


302  Dritter  E  x  c  u  r  s  zur  zweiten  S  c  e  n  e. 

polster,  IsiDOR.  1.  1. ,  aucli  hypodia^  Paull.  III,  6,  65.  Chimen- 
TELL.  c.  29.   Zahn,  schönste  Ornam.  HI,  Taf.  58.  92.] 

Tische. 
In  keinem  Stücke  des  sämmtlichen  Hausgeräthes  scheint 
ein  grösserer  Aufwand  Statt  gefunden  zu  haben,  als  in  den 
Tischen,  und  man  würde,  wenn  nicht  die  ernstesten,  glaub- 
würdigsten Schriftsteller  uns  die  bestimmtesten  Nachrichten 
darüber  gäben,  die  ungeheuere  Verschwendung  kaum  für 
möglich  halten  können.  Vorzüglich  kostbar  waren  die  mono- 
podia  oder  orbes  und  ahaci.  Die  mo7iopodia,  welche  nach  Liy. 
XXXIX,  6.  und  Plin.  h.  n.  XXXIV,  3,  8.  mit  dem  übrigen 
Luxus  aus  Asien  nach  Eom  kamen,  waren  Säulentische  und 
hiessen  orhes,  nicht  weil  sie  überhaupt  rund,  sondern  weil  sie 
als  massive  Scheiben  vom  Stamm  seinem  ganzen  Durchmesser 
nach  geschnitten  waren.  Vor  allen  anderen  Holzarten  war 
dazu  das  Holz  des  citrus  beliebt,  \inensa  citrea,  Cic.  Verr.  IV, 
17.  Petron.  119.  Mart.X,  80.  98.],  worunter  jedoch  keines- 
wegs der  Citronenbaum  zu  vei-stehen  ist,  Avie  Mazois,  Pal.  d. 
Sc.  S.  231.  u.  A.  sagen.  Vielmehr  war  es  die  Thuia  cypressio- 
des^  &via,  {^vor  [Lebensbaum],  wie  sich  aus  Plin.  XIII,  16. 
ergiebt,  der  weiterhin  den  eigentlichen  citrus  ausdrücklich  da- 
von unterscheidet.  Vergl.  Billerbeck,  Flora  class.  S.  234. 
[Lenz,  Botanik  der  alten  Griechen  u.  Römer.  Gotha  1859,  S. 
362  ff.]  Dieser  Baum  fand  sich  besonders  in  Mauretanien  (da- 
her: secti  Atlantide  silva  orbes.  Luc.  X,  144.  [IX,  426  ff.] 
Mart.  XIV,  89.  [IX,  22,  5.]  vgl.  überhaupt  auch  die  Erklärer 
zu  Petr.  119.  S.  723.)  von  bedeutender  Stärke,  wie  sie  der 
Citronenbaum  nie  erreicht.  Plinius  führt  c.  15.  Scheiben  von 
fast  vier  Fuss  Durchmesser  an,  die  in  einer  Dicke  von  fast 
'/o  Fuss  vom  Stamme  geschnitten  waren.  Sie  erhielten  nicht 
wie  andere  Tische  mehrere  Füsse,  sondern  Avurden  von  einer 
elfenbeinernen  Säule  getragen  (rnc'cTTS^ai  sXsqxivruTzoSeg ,  Luc. 
Gall.  l4.)  und  hiessen  daher  monopodia.  Liv.  XXXIX,  6. 
[luv.  XI,  122. 

latos  nisi  sustinet  orbes 
Grande  ebur  et  magno  sublimis  pardus  hiatu. 


Das  Haus  geräthe.  303 

Mart.  II,  43,  9. 

Tu  Libycos  Indis  suspendis  dentibus  orbes; 
Fidcitur  testa  fagina  mensa  mihi. 
Da  die  Thiiia  selbst  in  den  Wäldern  des  Atlas  selten  so  stark 
gefunden  wurde,  dass  eine  Scheibe  von  ibrem  Stamm  einen 
leidlichen  Tisch  abgeben  konnte,  so  waren  sie  ungeheuer 
theuer.  [Sen.  de  ben.  VII,  9.  mensas  et  aestimatum  Ugmnn 
senatoris  censu.  luv.  I,  137  fg.  Tertull.  de  pall.  5.]  Plinius 
erzählt ,  dass  selbst  Cicero  einen  damals  noch  vorhandenen 
mit  1,000,000  Sesterzen  [50,000  Thaler  oder  ganz  genau 
57,500  Thlr.]  bezahlt  habe:  Exstat  hodie  M.  Ciceronis  in  iUa 
paupertate ,  et  qiiod  magis  mirum  est,  illo  aevo  emta  sestertium 
decies  centejiis  millibus.  und  führt  noch  bedeutendere  Beispiele 
an:  Interüt  nuper  incendio  a  Cethegis  descendens,  sestertium 
quatuordecies  centenis  millibus  permiitnta,  latifundii  taxatione., 
si  quis  praedia  tanti  hiercari  malit.  [70,000  Thaler  richtiger 
fast  80,000  Thlr.]  (Ich  bemerke  hierbei,  dass  ich  bei  der 
Reduction  der  römischen  Münze  durchaus  Letronne  in  seinen 
Considerations  generales  sur  Tevaluation  de  monnoies  grec- 
ques  et  romaines.  Par.  3  817.  folge,  und  darum  die  Summen  in 
Francs  angebe.  Auf  kleinere  Differenzen  kommt  es  für  solchen 
Zweck  nicht  an ,  und  so  macht  es  denn  auch  keinen  grossen 
Unterschied,  wenn  man  5  Sest.  auf  den  Franc,  18  auf  den 
Thaler,  10  auf  den  Gulden  rlu'iu.  rechnet.  Nach  dieser  unge- 
fähren Berechnung  geben  also  z.  B.  4(»0O  Sest.  800  Francs 
(eigentlich  818  Fr.  33  cent.)  oder  2222/9  Thaler  oder  400 
Guhh^n  rhciu.  [  In  der  neueren  Ausgabe  ist  die  Reduction 
nach  Thalern  und  8gr.  vorgezogen  und  zwar  der  Sesterz  zu 
IV2  ^K^-\  —  Anderwärts  hndcii  sich  die  auffallendsten  lie- 
ductionen.  So  giebt  WiiEsikmanx,  S.  "J(i].  den  l*reis  von 
Cicero's  Tisch  auf  1)3,000  Tlilr.  an  und  Br>rri(iEK,  Sab.  11, 
S.  32.  auf  80  IMund  Stcl.!  Dafür  wäre  nun  wohl  kein  laii- 
fundiiini  zu  kaufen  gi^wcscn.  Für  die  genauere  Berechnung 
ist  am  Sddusse  des  ersten  Tlieiles  die  Reductionstafel  [nach 
M0MM8E.N  der  Denar  oder  4  Sesterzen  zu  6^  4  Sgr.]  beigefügt 
worden).  —   Am  k<istl)arsten  waren  die  nahe  von  dei-  Wurzel 


304  Drittel'  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

weggeschnittenen  Scheiben,  nicht  nur  Aveil  der  Baum  dort  den 
grössten  Umfang  hatte,  sondern  auch  weil  er  als  Maser  ver- 
schiedenartig gezeichnet  war.  Plinius  führt  an:  tigrinas,  pan- 
therinas^  undatim  crispas,  pavonum  caudae  ocidos  iinitantesj 
apiatas  mensas.  Vgl.  Petron.  1.  1.  Sen.  1.  1.  —  Die  Tische 
waren  aber  theils  zu  kostbar,  theils  aucli  nicht  gross  genug 
für  den  Gebrauch  bei  der  Mahlzeit,  obgleich  sie  auch  dazu 
dienten,  wie  man  schon  aus  Mart.  IX,  60,  9.  sieht-,  darum 
wurden  grössere  von  gewöhnlichem  Holze  gefertigt  und  mit 
dem  Holze  jenes  citrus  fournirt,  und  selbst  Tiber  hatte  nach 
Plinius  nur  einen  solchen,  operimento  laviinae  vestitam.  Vgl. 
XVI,  42,  84.  Quae  in  laminas  secantur,  quorumque  operimento 
vesfintur  alia  materies^  praecipua  sunt  citrwn,  terebinthus  etc. 

Der  Kostbai-keit  wegen  wurden  die  citreae,  um  sie  vor 
jeder  Beschädigung  zu  bewahren,  mit  Tüchern  aus  dickem, 
zottigem  Leinenzeuge,  gausape  bedeckt,  Mart.  XIV,  138.  mit 
dem  Lemma  Gausapa  villosa: 

Nohilius  villosa  tegant  tibi  lintea  citnim; 
Orbibus  in  nostris  circulus  esse  potest. 
So  standen  sie  auch  in  den  Läden  der  Verkäufer.  Mart.  IX, 
59,  7.  mensas  et  ojjertos  exuit  orbes.  Diese  Gausape  war  nicht 
selten  purpurfarbig.  [Varro  ed.  Müller  fragm.  19.  p.  269.] 
S.  Heind.  und  WuESTEM.  zu  Hör.  Sat.  H,  8,  11.  Sie  diente 
auch  zum  Abwischen.  [Hör.  a.  a.  O.  Lucil.  bei  Priscian  IX, 
p.  870.] 

Die  kleinen  Tische  dagegen,  deren  man  sich  bediente, 
um  entweder  beim  Mahle  oder  auch  nur  zur  Schau  das  kost- 
bare Geschirr  auszustellen  {exponere  argentum)^  hiessen  abaci. 
Dieses  Wort  griechisch  bedeutet  überhaupt  eine  Platte  oder 
■Tafel,  gewöhnlich  aber  mit  dem  Nebenbegriffe,  dass  ein  er- 
höhter Kand  sie  umgiebt.  [Diese  sind  die  kostbaren  coronae 
mensarum  bei  ULP.Dig.XXXIV,2,19.  §  14.  Faber,  Semestr. 
III,  25.]  Daher  hiess  die  Rechentafel,  das  Würfelbret  abacus, 
und  so  auch  die  glatten  viereckigen  Felder  in  dem  künstlichen 
Marmorputze  (teetorium)  der  Wände.  Vitr.  VII,  3,  10.  Die 
Bestimmung  der  abaci  als  Tische  ergiebt  sicli  klar  aus  Cic. 


Das  Hausgeräthe.  305 

Verr.  IV,  16.  ab  hoc  abaci  vasa  omnia,  ut  exposita  fuerant,  ah- 
stulit.  25.  cum  aliquot  abacorum  faceret  vasa  aurea.  Plin. 
XXXVII,  2,  6.  vasa  ex  auro  et  gemmis  abacorum  novem.  vgl. 
Petr.  73.  Tbl.  I,  S.  187.  [Sidox.  Apoll.  XVn,  7.]  —  Sie 
waren  gewöhnlicli  von  Marmor,  auch  künstlichem,  s.  S.  251., 
zuweilen  von  Silber  (Petr.  a.  a.  0.),  Gold  oder  anderem  kost- 
baren Material,  namentlich  die  Platten,  und  gewöhnlich  von 
viereckiger  Form.  —  Unter  die  abacos  gehören  auch  die  men- 
sae  Delphicae  ex  maniwre.  Crc.  Verr.  IV,  59.  und  Marx.  XII, 
67.  (wo  ein  abaciis  gemeint  wird) 

Aurum  atque  argci'tum  non  simplex  Delphica  portat. 
Ebenso  [Schol.  zu  luv.  III,  204.  Schol.  Acr.  zu  Hör.  Sat. 
I,  6,  116.  PoLL.X, 81.  p.  421  Bekk]  und  die  delcfing  tmcns^a 
bei  LuciAN.  Lexiph.  7.  Indessen  ist  es  zweifelhaft,  ob  sich  der 
Xame  auf  das  Material  oder  die  Form  bezieht.  In  Pompeji 
sind  mehrfach  marmorne  Tiscbgestelle  in  der  Regel  ohne 
Platte  gefunden  worden.  An  den  im  Mus.  Borb.  III.  t.  59. 
VII.  t.  28.  mitgetheilten  aus  Lunesischem  Marmor  verfertigten 
sieht  man  je  zwei  von  einander  abgewendete  tragende  Greife, 
während  der  Raum  zwischen  ihnen  mit  Blumen,  Ranken,  Del- 
phinen und  äbnlichen  Gegenständen  in  Relief  geschmückt  ist. 
S.  noch  Mus.  Borb.  I,  48.  III.  t.  30.  IV.  t.  56.  [IX.  t.  43. 
Eoux  und  Barr6  Hercul.  VI.  t.  88.]  Man  glaubt  mit  Wahr- 
scheinlichkeit,  auf  sie  den  schon  von  Cic.  ad  Att.  VII,  23. 
und  anderwärts  vorkommenden  Namen  trapezophora  (vergl. 
Paull.  Dig.  XXXIII,  10,  3.  Iunü.  ad  Poll.  X,  69.)  beziehen 
zu  können  und  betrachtet  sie  eben  als  Delphicas.  Vielleicht 
trugen  diese  Gestelle  Platten  von  höherem  Werth,  wie  etwa 
von  kostbarem  Holze,  [vergoldete  und  andere  werthvolle  Plat- 
ten, Paull.  Dig.  XXXIII,  10,  3.  §  3.  Ulf.  Dig.  XXXIII, 
7,  12.  §  43.  Alf.  Dig.  XXXIV,  2,  28.  Marx.  III,  31. 

Sustentatque  tuas  aurea  mensa  dapes. 
Doch  hatte  man  auch  kleine  kostbare  Tische,  um  daran  zu 
speisen,  so  besass  Seneca  500  TQi'TToSug  x^Snimv  ivXov  f'hqraWi- 
7io8ag  imw^i  x«)  öftuiov.;. 

In  der  einfachen  Haushaltung  des  weniger  Bemittelten 

Broker,  Gallus.   :<.  Aufl.  II.  20 


306  Dritter  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

gab  es  natürlich  bescheidenere  Tische.  Diese  ruhten  meistens 
auf  drei  oder  vier  Füssen,  Hör.  sat.  I,  3,  13.  {mensa  tripes) 
und  hatten  eine  viereckige  Platte,  welche  Form  ursprünglich 
die  regelmässige  und  alleinige  war.  Yakro  L.  L.  V,  118. 
Mensam  escariam  cillibam  appellabant.  ea  erat  quadrata  ut 
etiam  nunc  in  castris  est.  —  Postea  rotunda  facta.  Paul.  p. 
77  M.  Escariae  mensae  quadratae  vocantur,  in  quibus  homines 
epidantur.  —  Der  Stoff"  war  Buchenholz,  Mart.  II,  43,  9.  oder 
wo  schon  eine  bessere  Einrichtung  war,  Ahorn,  acer,  ein  auch 
bei  den  Griechen  besonders  geschätztes  Holz  {a(f)trdap,vog)^ 
vgl.  Charikles  I,  S.  247.  Hör.  Sat.  II,  8,  10  fg. 

His  ubi  sublatis  puer  alte  cinctus  acernam 
Gausape  purpureo  mensam  pertersit. 
Mart.  XIV,  90.  Mensa  acerna.    Dieses  Holz  heisst  bei  Plin. 
h.  n.  XVI,  26.   operum  elegantia  ac  subtilitate  citro  secimdus. 
Auch  gab  es  viele  fournirte  Tische  (Plin.  XVI,  42,  84.  s.  oben) 
und  Tische  mit  Marmorplatten,   Hör.  Sat.  I,  6,  116.    lapis 
albus.  In  den  Tabernen  waren  die  Tische  (so  die  mensae  lania- 
riae,  Suet.  Claud.  15.)  u.  a.  oft  gemauert,  s.  S.  236.  Die  pom- 
pejanischen  Wandgemälde  zeigen  mannigfaltige  Tische,  unter 
anderen  auch  mit  geschwungenen  Rehfüsseu  u.  s.  w.  Vgl.  im 
Allgemeinen  Ciaccon.  de  triclin.  mit  Ursin.  append.  an  vielen 
Orten.  Pauly,  Eealencykl.  IV,  S.  1812  fg. 
Spiegel. 

Ausser  den  Wandspiegeln,  s.  S.  258  fg.,  gab  es  auch  be- 
wegliche Spiegel  von  verschiedener  Grösse  und  mannigfaltiger 
Form,  welche  namentlich  der  Damentoilette  dienten.  Ulp.  Dig. 
XXXIV,  2,  19.  §  8.  quod  (speculum)  mulier  mundi  causa  ha- 
buit.  Am  häufigsten  waren  sie  von  ovaler  oder  runder  Gestalt 
und  wurden  von  den  Sklavinnen  der  Herrin  vorgehalten  {teuere, 
porrigere).  Prof.  IV,  7,  76.  Ovid.  Am.  II,  215.  luv.  II,  99.] 

Das  Material  derselben  war  in  der  Regel  Metall ,  früher 
eine  Composition  aus  Zinn  und  Kupfer;  bei  steigendem  Luxus 
wurden  die  silbernen  sehr  gewöhnlich.  Plin.  XXXIII,  9. 
optima  apud  maiores  fuerant  Brundisina^  stanno  et  aere  mixtis. 
Praelata  sunt  argentea.    Indessen  erhielt  auch  das  Silber,  das 


Das  Hausgeräthe.  307 

man  sonst  nur  rein  dazu  verarbeitet  hatte,  oft  einen  starken 
Zusatz  von  anderem  Metalle.  Plix.  a.  a.  0.  Laminas  duci  et 
specula  fieri  non  nisi  ex  optimo  passe  creditura  fuernt.  Icl  quo- 
qiie  tarn  fremde  corrumpitiir.  Allein  nicht  nur  von  der  Reinheit 
des  Metalls ,  sondern  auch  von  der  Stärke  der  Platte  hing  die 
^'orzüglichkeit  des  Sjjiegels  ab,  weil  solche  das  Bild  kräftiger 
zurückwerfen  sollten.  Vitr.  VII,  o,  9.  Queniadmodum  enhu 
speculum  argenteunt  teiiu'i  lamella  ductum  incertas  et  sine  viri- 
bus habet  remissiones  spleiidoris  ^  quod  autem  e  solida  tempera- 
tiira  fiierit  factum  recipiens  in  se  firmis  viribus  politionem  ful- 
gentes  in  aspectu  certasque  considerantihus  imagines  reddit,  sie 
etc.  Danach  wird  daher  das  zti  berichtigen  sein ,  was  Beck- 
mann, Beitr.  zur  Gesch.  d.  Erfind.  III,  S.  478.  von  dem  dünnen 
Silberbleche  sagt.  Wie  stimmte  auch  damit  die  Angabe  Senec. 
Quaest.  nat.  I,  17.  überein:  lam  libertinorurn  virguncidis  in 
unum  speculum  non  sujfficit  illa  dos,  quam  dedit  senatus  pro 
Scipione.  [Die  hintere  Seite  der  Handspiegel  bestand  eben- 
falls aus  Metall,  welches  gewöhnlich  cälirt  war.  Viele  der- 
selben haben  sich  erhalten  und  zwar  meist  von  griechischer 
oder  etrurischer  Arbeit.  Auch  hat  man  bronzene  Kästchen 
gefunden,  in  denen  die  Spiegel  lagen.  S.  Muellek,  Archäol. 
von  Welcker,  S.  188  fg.  418.  Gerhard,  etr.  Spiegel.  Berlin 
1845.  und  zweite  Abtheilung  das.  1859.  aus  den  Abhandl.  der 
Königl.  Akad.  der  Wisscnsch.  Rathgeber,  über  125  mystische 
Spiegel.  Gotha  1855.  Dennis,  die  Städte  und  Begräbnissplätze 
Etruriens.  Leipz.  1852,  I,  S.  XL III  f.  Mus.Borb.IX,  14.  u.  im 
Allgemeinen  BöTTrtiEU,  Sabina,  am  Ende  der  zweiten  Scene. 
Wie  der  Spiegel  vorgehalten  wurde ,  sieht  man  auf  mehreren 
Vasen  und  Wandgemälden,  Tischbein,  Vas.  1. 1. 10.  Zahn,  die 
schönsten  Ornani.  II,  l.i.  die  Toilette  eines  Hermaphroditen. 
Drcifüssc. 
Audi  diese  könnte  man  zum  Hausgeräthe  rechnen,  inso- 
fern sie  zur  Aussclimiickung  der  Paläste  der  Grossen  dienten, 
denn  die  anderen  Anwendungen  derselben  in  den  Tem})eln 
und  so  weiter  gehören  nicht  hierher.  Ueber  die  Dreifüsse  in 
der  Küche  s.  bei  dem  Kiichengeräthe.]    Unter  den  pompejani- 

20* 


308  Dritter  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

sehen  Gemälden  im  Mus.  Borb.  befinden  sich  zwei,  welche 
kostbare  Dreifüsse  vorstellen.  Sie  sind  je  mit  sieben  Statuen 
verziert,  den  Kindern  der  Niobe ,  so  dass  der  eine  die  Söhne, 
der  andere  die  Töchter  zeigt.  Je  drei  Figuren  stehen  oder 
knien  an  den  Füssen  des  Dreifusses ;  die  übrigen  vier  befinden 
sich  in  kniender  Stellung  auf  den  stockwerkartig  die  Füsse 
verbindenden  Keifen,  tom.  YI.  t.  13.  14.  [Vgl.  Mus.  Borb.  IX, 
13.  Koux  und  Barre,  Hercul.  VI,  90.  Einen  wunderschönen 
bronzenen  Dreifuss  giebt  Zahx,  schönste  Ornam.  III,  Taf  38. 
Vorhänge. 

lieber  den  Gebrauch  derselben  im  Theater,  in  Atrien 
und  Säulenhallen,  sowie  zum  Behängen  der  Thüren  ist  bereits 
gesprochen  worden,  Thl.  I,  S.  83.  II,  S.  260  f.  Man  scheint 
sich  solcher  Vorhänge  oder  Teppiche  auch  bedient  zu  haben, 
um  die  Wände  u.  Decken  tapetenartig  zu  bekleiden.  Wueste- 
MANKS  Erklärung  der  horazischen  suspensa  aulaea  s.  S.  212. 
Die  Grammatiker  sprechen  nur  im  Allgemeinen  von  solchen 
Behängen.  Porph.  zu  Hör.  Sat.  11,  8,  54.  duia  consuetudo 
apud  anüquos  fuit^  ut  aulaea  sub  cavieras  ienderent,  ut  si  quid 
pulveris  caderetj  ab  ipsis  exciperetur.  Das  Letztere  hat  er  aber 
irrthümlich  hierher  gezogen ,  denn  von  Staub  kann  doch  nur 
bei  den  S.  287.  erwähnten  horizontalen  Decken  die  Kede  sein. 
Serv.  zu  Verg.  Aen.  I,  701.  ideo  etiam  in  domibus  tendebaniur 
aulaea,  ut  imitatio  tentoriorum  fieret  —  unde  et  in  thalamis  hoc 
fieri  hodieque  conspicimus.  Auf  Wandgemälden  sieht  man  der- 
gleichen nicht  selten  und  allemal  geschmackvoll  drapirt,  wie 
auch  auf  der  Lampe  bei  Passer,  lue.  fict.  HI,  37.  —  Ein  ganz 
besonders  feiner  schleierartiger  Vorhang  war  das  conopium, 
eigentlich  Mückennetz ,  dessen  sich  nur  weichliche  Menschen 
bedienten.  Hör.  epod.  9,  16.  Juv.  VI,  80.  und  Schob  Prof. 
III,  9,  45.  culicare  conop. 

Schränke  und  Kisten. 

Schränke  (armaria,  Isidor.  XV,  5.)  und  Kisten  (capsae, 
arcae  Varro  L.  L.  V,  128.),  dienten  zum  Verschluss  des  Gel- 
des und  anderer  Kostbarkeiten,  der  Kleider,  der  Bücher,  der 
Speisen  u.  s.  w.  Paull.  Dig.  XXXHI,  10,  3.  §  1.  2.  sunt  qui 


DasrHausgerUthe.  309 

rede  piitant,  capsas  et  armaria,  si  librorum  mit  vesthim  auf 
armamentorum  gratia  parata  sint,  7ion  esse  in  supeUectUe  etc. 
Das  CTegentheil  aber  Paull.  rec.  sent.  III,  6,  67.  Ueber  die 
Bücherschränke  s.  den  ersten  Excurs  zur  folgenden  Scene. 
Schränke  für  Kostbarkeiten  erwähnt  Cic.  \).  Cael.  21.  Tune 
aurum  ex  armario  tuo  promere  ausa  es?  p.  Clu.  64.  cum  esset 
in  aedibus  armarium,  in  quo  sciret  esse  nummorum  aUquantum 
et  auri,  noctu  armarii  fundum  exsecuit.  Petrox.  29.  grande 
armaiium  in  angido  vidi  etc.  Plaut.  Ej)id.  II,  3,  3  fg.  Auch 
Kleider-  (s.  obenj  und  andere  Schränke  kommen  vor,  Cato 
R.  E.  11.  armarium  promptuarium.  Plaut.  Capt.  IV,  4,  10. 
Ueber  die  Wandschränkchen,  in  denen  sich  die  imagines  be- 
fanden, ist  Thl.  I,  S.  35.  gesprochen  worden.  Buchenholz  war 
dazu  sehr  gewöhnlich.  Plix.  h.  n.  XVI,  84. 

Die  Laden  oder  Kisten  dienten  gerade  wie  die  Schränke 
zu  allerlei  Gebrauch  {circa  vestiaria  Cato  K.  R.  11.  vgl. 
SuET.  Cal.  59.),  am  häufigsten  kommen  sie  aber  als  Geld- 
kasten vor,  deren  Platz  gewöhnlich  im  Atrium  war,  s.  oben 
8.  205.  Diese  waren  entweder  ganz  von  Metall  {ano  oi8t]nov, 
App.  h.  c.  IV,  44.),  oder  nur  von  Holz,  aber  mit  Metall  be- 
schlagen, verziert  und  verschlossen,  daher  ferrata  arca  bei 
luv.  XI,  26.  Ulp.  Dig.  XXXII,  1,  52.  §  9.  et  armariis  et  lo- 
culis  claustra  et  claves  cedunt.  In  Wiesbaden  und  Mainz  sieht 
man  zahlreiche  Beschläge  und  Handhaben  für  solche  Kisten. 
Die  Grösse  derselben  ist  daraus  zu  schliessen,  dass  der  pro- 
scribirte  Junius  oder  Vinius  in  den  Geldkasten  seines  Freige- 
lassenen mehrere  Tage  versteckt  wurde  und  dadurch  dem 
Tode  entging,  App.  1.  1.  vgl.  Dio  Cass.  XL VII,  7.  Suet.  Oct. 
27.  In  Pompeji  hat  man  mehrere  dergl.  gefunden,  wenigstens 
hatten  sich  die  Beschläge  und  Verzierungen,  criistae,  letztere 
von  getriebener  Arbeit,  erhalten.  Die  Beschreibung  eines 
solchen  interessanten  Fundes  im  Hause  der  mit  Figuren  ver- 
zierten Kapitaler  giebt  Avellino,  descr.  di  una  casa  p.  10. 
45  ff.  S.  noch  dessen  bullet.  Xapolet.  N.  21.  (II,  4.)  und  N.  36. 
(HI,  1.)  Ueber  die  im  Hause  der  Dioskuren  gefundenen  beiden 
Kisten,  welche  Veranlassung  gaben,  dem  Hause  den  Xamen 


310  JJ  r  i  1 1  e  r  E  x  c  u  r  s  zur  zweiten  S  c  e  n  e. 

das  des  Quästor  zu  geben,  berichtet  die  Relaz  degli  scavi  im 
Mus.  BoRB.  V,  p.  7.  ZuMPT,  über  die  bauliche  Einrichtung 
S.  17  fg.  —  Diese  Geldkasten  Avaren  so  gewöhnlich,  dass  man 
jede  Baarzahlung  ex  arca  solvere  nannte.  Doxat.  zu  Ter.  Ad. 
II,  4,  13.  und  zu  Phorm.  V,  8,  29.  Pauly,  liealencykl.  I, 
S.  71G.  Die  Aufsicht  darüber  führte  der  atricnsis  (S.  118.)  und 
in  grossen  Häusern  vielleicht  besondere  arcarii,  Scaev.  Dig. 
XL,  5,  41.  §  17.  Stic/ms  arcar'ius  probante  doinino  nomiiia 
fecit  etc.,  welche  Plaut.  Aul.  III,  5,  45.  arcularii  nennt. 
Orelli  Henzen  2890.  servus  arcarius  im  kaiserlichen  Hause, 
2348.  5474.  6301.  Dass  man  die  arcas  und  armaria  zuweilen 
versiegelte,  ist  Thl.  I,  S.  160.  bemerkt  worden. 

Oft  werden  kleinere  Kästchen  [cistellae,  loculi),  Körbchen 
{canistra  Varro  L.  L.  V,  120.)  inid  andere  derartige  Behälter 
erwähnt,  Isidor.  XX,  9.  Die  Körbchen  waren  rund  oder  vier- 
eckig und  von  verschiedenem  Stoff,  oft  sehr  kostbar.  Cio.  ad 
Att.  VI,  1.  splendidissimis  canistris.  Mus.  Borb.  VIII,  18. 

Kleine  häusliche  Geräthschaf ten  und  allerlei 
Ge.fässe. 
Wir  schicken  die  allgemeine  Bemerkung  voraus,  dass  es 
eine  sehr  verbreitct(»  Sitte  war,  diese  Gegenstände,  namentlich 
wenn  sie  aus  Metall  oder  Thon  bestanden,  mit  einer  Inschrift 
zu  versehen  {rasa  literata).  Wie  dieses  bei  den  Backsteinen 
und  Ziegeln  ganz  gewöhnlich  geschah  (S.  180),  ebenso  häufig 
war  es  bei  Lampen  (s.  den  vierten  Excurs) ,  Trinkgefässen 
(s.  den  dritten  Excurs  zur  neunten  Scene),  Wagen,  Gewichten 
und  Mörsern  (s.  unten  I.),  Sonnenuhren  (s.  den  fünften  Excurs) 
u.  s.  w.  Die  Inschriften  enthielten  theils  den  Namen  des  Fabri- 
kanten (vorzüglich  bei  Thon-  und  Mctallgefassen  und  durch 
einen  Stempel  bewirkt),  theils  den  des  Besitzers,  theils  allerlei 
Sinnsprüche  (bei  Trinkgefässen) ,  abgesehen  von  den  einge- 
kratzten sogen.  Graffiten.  S.  Fröhner,  inscriptiones  ten-ae 
coctae  vasorum.  Gotting.  1858.  Mommsen,  inscrij^t.  Neapol. 
6303  ff.  und  in  Archäol.  Anzeiger  1858,  N.  16  f  S.  221  ff. 
RiTSCHL,  de  fictil.  lit.  Lat.  Bonn.  1853. 


Das  Hausgeräthe.  311 

I.  Verschiedene  Geräthe  zu  allgemeinem  Gebrauch. 

Deren  Zahl  ist  sehr  beschränkt,  weil  die  bedeutendsten 
in  den  folgenden  Abtheilungen  enthalten  sind.  Hier  bleiben 
nur  übrig  die  Mörser  aus  Stein  und  Metall,  oft  mit  Ausguss 
versehen,  viereckig  und  rund  {pila  zum  gröberen  Stossen  mit 
der  Keule  püum,  mortarium  zum  feineren  Zerreiben  Isidop. 
IV,  11.,  Nox.  XV,  3-,  oft  bei  Script,  rei  rust.  und  Plin.  s.  For- 
CELLiNi  u.  MoMMSEN,  iuscr.  Neap.  6303.)  und  bronzene  Schnell- 
wagen ißtatera)^  siehe  Mus.  Borb.  I,  56.  VIII,  16.  Roux  und 
Barre  VT,  96.  Overreck,  Pomp.  S.  316  f  Die  runde  Wag- 
schale hängt  vermittelst  4  Ketten  an  dem  "Wagbalken,  der  zu- 
weilen in  einer  schönen  Bogenstellung  schwebt  z.  B.  bei  Nico- 
LiNi,  Pomp.  Vol.  II,  fasc.  12.  Das  zum  Fortrücken  eingerich- 
tete Gewicht  ist  einfach  oder  sinnreich  verziert  (so  mit  dem 
Brustbild  einer  Gottheit)  oder  in  seltsame  Form  gekleidet  (als 
Schwein,  als  Kopf  und  dergl.)  Archäol.  Anzeig.  1859,  X.  122. 
Auch  haben  Wagen  und  Gewichte  Inschriften,  Mommsen,  inscr. 
Xeap.  6303  (mit  Aichungsangaben),  Orelli  Henzen  4342  ö". 
7316  ff.  In  Darmstadt  steht  an  einem  Gewicht  Albinus  fecit 
und  vorher  SALVIS  DD  XX.  Daselbst  sowie  in  Mainz  und 
Wiesbaden  giebt  es  mehrere  Mörser,  an  beiden  letzten  Orten 
aber  zahlreiche  Aexte,  Schaufeln,  Sägen,  Ketten,  Fleisch- 
hakcn,  Bohrer,  Zangen,  Meissel,  Messer,  Scheeren,  auch  öko- 
nomische Instrumente,  wie  Pflüge,  Schafscheeren,  meistens 
den  unserigen  ganz  gleich ,  dazu  eine  Masse  von  bronzenen 
Fragmenten  u.  s.  w.     S.  the  arch.  journ.  1850,  p.  411. 

II.   Küchengeräthe  (coquinatorium  instrumentum^ 
Uli«.  Dig.  XXXIV,  2,  19.  §  12.) 

Ij  Eigentliche  Kochgeschirre  hiessen  cocida,  Paul. 
DiAC.  h.  v.  p.  39  M.  rasa  coquiuaria^  I.sidor.  XX,  8.,  oder 
vasa  ad  coquendum  ,  Ulp.  1.  1.  Plix.  h.  n.  XXXIII,  49,  14<). 
vnsa  coquin.  er  anji'nto  (natürlich  selten,  dagegen  von  Erz 
häufigj.  a)  Von  eigenth  ünil  icher  Form.  Dahin  gehört 
indiarium  (so  genannt  wegen  seiner  Aehnlichkeit  mit  den 
Meilensteinen,  Pai.lau.  V,8.  altwu  et  angiistwn,  Colum.IX,  4.) 
ein  hohes,   schlankes,   säulenförmiges  Gefäss  von  Metall,  um 


312  Dritter  Exciirs  zur  zweiten  Scene. 

schnell  darin  Wassei*  zum  Kochen  zu  bringen,  Ath.  III,  p.  98. 
C  ed.  Casaub.  fiih  tö  eig  &eQf^ov  vdatog  y.areQyaoiav  •/M.zuGy.tva- 
^ö^ievov,  mvoXh^r^Ta  ovofjiä^ovrsg.  Hexzex  ,  in  Rheinisch.  Mus. 
für  Philol.  1853.  IX,  S.  29  f.  Eine  besonders  künstliche 
Einrichtung  dieses  Gefasses  beschreibt  Sen.  nat.  quaest.  III,, 
24.  Dass  es  auch  silberne  gegeben  hat,  sagt  Ulp.  Dig. 
XXXIV,  2,  19.  §  12.  —  Eine  griechische  Kochniaschine 
war  authepsa,  vermuthlich  mit  einem  Untersatz  für  die  Koh- 
len versehen.  Sie  waren  oft  sehi-  kostbar,  wie  Cic.  p.  Rose. 
Am.  46.  erwähnt  {ut,  qui  praetereunies  —  audiela7it,  fun- 
duvi  venire  arbiträr entur)  Lampr.  Hei.  18.  Böttiger,  Sab, 
II,  S.  29.  vergleicht  die  modernen  Theemaschinen  damit. 
b)  Die  Form  unserer  Kessel  hatte  das  ahenum  (ver- 
kleinert ahenulum,  Paul.  Diac.  h.  v.  p.  28  M. ,  so  genannt 
von  dem  Stoffe),  welches  weit  und  bauchig  war,  Paul.  Dig, 
XXXIII,  7,  18.  §  3.  quod  supra  fociim  pendet.  hie  aqua  ad 
potandum  calcfit.  Serv.  zu  Yerg.  Aen.  VI,  218.  Dass  dieser 
Kessel  auch  zum  Kochen  der  Speisen  diente ,  sehen  wir  aus 
TiTiNN.  bei  Xon.  I,  68.  Cocus  magtius  aenuin,  quando  fervit^ 
paula  confidat  trua.  Petrox.  74.  gallus  allatus  est,  quem  Tri- 
malchio  iussit,  ut  aeno  coctus  fieret.  luv.  XI,  81.  Desgl.  für 
Färber,  Ovid.  Fast.  III,  822.  s.  Forcell.  Dass  das  ahenum 
ein  kleines  Casserol  mit  langem  Griff  gewesen  sei,  wie  Avel- 
LiNO,  descr.  di  una  casa  p.  63.  annimmt,  ist  unwahrscheinlich. 
Auch  lebes,  eigentlich  Becken,  ist,  Avenn  es  als  Kochgeschirr 
diente,  Isid.  XX,  8.  Poll.  X,  95.,  kesseiförmig  zu  denken^ 
doch  nicht  sehr  tief.  Von  allgemeinem  Gebrauch  war  die  cor- 
tina,  ein  halbkreisförmiger  Kessel  (davon  cortina  theatri  siehe 
Forcell.  h.  v.),  dessen  sich  namentlich  die  Färber  bedienten, 
Plix.  h.  n.  XXXV,  6,  25.  XXXVI,  26,  65  (zum  Kochen), 
Cat.  R.  R.  66.  S.  auch  Plix.  XV,  6,  6.  und  Plaut.  Poen.  V, 
5,  11  fg.  c)  Eigentliche  Kochtöpfe.  Cacabus  (von  Me- 
tall und  von  Thon,  Col.  XII,  41.  46.,  sogar  von  Silber,  Ulf, 
1.  1.  Lampr.  Heliog.  19.)  war  ein  Topf  zum  Kochen  der  Spei- 
sen, Varro  L.  L.  V,  127.  vas  ubi  coquebant  cibum.  Paull. 
Dig.  XXXIII,  7,  18.  §  3.  puhne7itarium  coquiiur.     Dasselbe 


Da  s  Hausgeräth  e.  313 

liiess  olla,  früher  aida  genannt,  Paul.  Diac.  h.  v.  p.  23.  Isid. 
XX,  8.  NoN.  XY,  1.  nennt  sie  capacissimum  vas.  und  Varro 
ebend.  observare  ollam  pultis  ne  adurcäur.  Die  sonstigen  An- 
Avendungen  der  olla  s.  Forcell.  Auch  sciitra  ist  ein  Kochge- 
schirr, Cato  r.  r.  157.  Plaut.  Pers.  I,  3,  8  ff.  (vielleicht  die 
griechische  yitna.)  Cucuma  ein  grosser  Kochtopf,  Petrox.  135. 
cucuinam  ingentemfoco  apposuit.  Macr.  Dig.  XL VIII,  8,  1.  §  3. 
Lasanum  bei  Hör.  Sat.  I,  6,  109.  ist  von  Seebode,  Scholicn 
zu  Horatius  I,  S.  19  ff.  und  Ussing  de  nom.  vas.  p.  98.  mit 
Recht  als  Kochgeschirr  angenommen  worden-,  denn  nur  diess 
passt  für  den  sordidus  praetor  (nämlich  damit  er  nicht  einzu- 
kehren braucht).  Ein  bronzener  Topf  mit  Deckel  und  schönem 
Henkel  ist  abgebildet  Mu.s.  Borb.  IX,  56.  ähnlich  XII,  58. 
und  ein  anderer  nebst  dem  Dreifuss  darunter,  Roux  u.  Barre, 
Herc.  VI,  53.  d)  In  Form  unserer  Pfannen.  Sartago 
wäre  nach  Isid.  1.  1.  a  strepitu  soni  vocata^  qucuido  in  ea  ardet 
oleum,  eine  offene  Pfanne,  denn  man  wird  das  zum  Schmelzen 
der  Speisen  nöthige  Oel  nicht  in  einem  Topf  sieden.  Plix. 
h.  n.  XVI,  11,  22.  ÜLP.  1.  1.  von  Silber.  Flach  war  auch  die 
pcüina  (eigentlich  Schüssel) ,  in  Avelcher  einige  Speisen  ge- 
kocht wurden.  Plaut.  Pseud.  III,  2,  51. 

Ubi  omnes  patinae  fervont,  omnis  aperio. 
Apic.  III,  2.  IV,  2.  —  Der  Gebrauch  der  Deckel  {testurn  und 
testu)  war  sehr  gewöhnlich.   Ovid.  Fast.  VI,  509. 

Steint  calices,  minor  inde  fahas  olus  alter  habelantj 
Et  fumant  testn  preimus  uterqiie  suo. 
Cato  K.  P.  74.  75.  76.  84.  Plix.  XXXIII,  7,  26.  sub  aereo 
teste.  Abbildungen  von  Kochgeschirren  zeigt  das  Mus.  Borb. 
III,  63.  V,  44.  XII,  59;  auf  letzter  Tafel  ist  ein  unten  abge- 
rundetes C'asserol  mit  einem  langen  zangenähnlichen  das  Ge- 
fäss  umschliessenden  aber  nach  Belieben  davon  abzulösenden 
Griffe  dargestellt.  Einige  bronzene  Töpfe  beschreibt  Eixfeld, 
über  einige  im  Königreich  Hannover  gefundene  röm.  Bronze- 
arbeiten in  der  Sammlung  des  bist.  Vereins.  Hannover  1856. 
(über  olla,  trulla  S.  1  —  59).  Andere  enthalten  die  rheinischen 
Museen,  ja  sogar  in  Böhmen  und  Mecklenburg  fand  man  einen 


314  Dritter  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

Krug  und  eine  Casserole  mit  flachem  Boden  und  langem  Griff, 
s.  MoMMSEN,  Arcliäol.  Anzeiger  1858,  N.  116  f.  S.  222  f. 

2)  Andere  Geräthscliaften  der  Küche  waren:  Drei- 
füsse,  tripedes,  zum  Tragen  der  Töpfe  (nach  Ussing,  p.  98. 
wären  lasana  auch  zum  Untersetzen  angewandt  worden,  was 
aus  den  betreffenden  Stellen  keineswegs  hervorgeht),  kleine 
Handmühlen  wie  unsere  Kaffeemühlen  (Petr.  74.  inola  biixea 
Ijiper  trivit.),  Bratspiesse  {veru,  Varuo,  L.  L.  V,  127.),  Roste 
{craticula  zum  Braten,  Marx.  XIV,  221. 

Parva  tibi  ciirva  craticula  siidet  ofella: 
Spumnis  in  longa  cuspide  fumat  aper.)^ 
Durchschläge  (colum,  deren  man  im  Mus.  Borb.  u.  im  Mainzer 
Museimi  findet,  auch  gab  es  solche  ans  Weiden  geflochten,  Col. 
XII,  19.),  Trichter  {infundibula  und  infidlhula,  Cat.  R.  R.  10. 
11.  13.  Col.  III,  18.  angusto  ore.  auch  von  Glas  s.  Mus.  Borb. 
V,  15.  Roux  und  Barre,  Herc.  VI,  78.  desgleichen  im  Wies- 
badener Museum)  ,  Siebe  {cribrum  ,  vorzüglich  für  das  Mehl, 
Pers.  III,  112.  cribro  deciissafarina,  Isidor.  XX,  8.  Verschie- 
dene Arten  erwähnt  Plix.  h.  n.  XVIII,  11,  28.  s.  Forcell.), 
Löffel  und  Schöpfkellen  (die  grösseren  Messen  Iniae ,  Paul. 
DiAC.  v.  antroare  p.  9  M.  Truam  quoque  vocant,  quo  permovent 
coquentcs  exta.  Titinx.  bei  Non.XIX,  18.  s.  oben  bei  ahenum. 
Die  kleineren  hiessen  tridlae.  Paul.  Diac.  p.  31  M.  Dacrionem 
dicebant  genus  vasis  loiigioris  manubrU.  Hoc  alii  truUam  appel- 
lant.  Apic.  IV,  2.  Cato  R.  R.  13.  nennt  tridlas  aheneas  und 
ligneas.  Varro  L.  L.  V,  118.  trulla  a  similitudine  truae^  quae 
quod  rriagna  et  haec  pusilla,  ut  troula^  trulla;  hinc  Graeci  tqv/j- 
Xr^v.  Trua  qua  e  culina  in  lavatrinain  aqtiam/undunf,  trua  quod 
travolat  ea  aqua.  Hier  scheint  trua  in  einem  weiteren  Sinn 
gebraucht  zu  sein.  Ueber  trulla  als  Weinschale  s.  den  dritten 
Excurs  zur  neunten  Scene.  Vgl.  noch  Avellixo,  descr.  di  una 
casa  p.  65  fg.  Berxd,  Jahrb.  d.  Vereins  der  Alterthumsf.  im 
Rheinland.  I,  S.  76  ff.  über  einen  in  Hagenow  im  Mecklen- 
burgischen gefundenen  Schöpf kelleugriff) ,  Kohlenschaufeln 
(von  HoR.  Sat.  I,  5,  36.  gQnaiWwi  prunaeque  batiUum,  s.  Hein- 
dorf, WuESTEMAxx  Und  DuEXTZER  ZU  d.  St.,  sowie  Casaub. 


Das  Hausgerät  he.  315 

zu  Script,  bist.  Aug.  p.  224.  Eine  schöne  auf  fünf  kleinen 
Füssen  ruhende  Schaufel  ist  im  Mus.  Borb.  X,  64.  abgebildet. 
Ebendaselbst  findet  man  auch  zwei  kleine  Feuerböcke  von 
Bronze,  mit  sauberer  Verzierung.  Ueber  prima  und  carho  s. 
IsiD.  XIX,  6.)  Der  Backtrog  hiess  mactra;  doch  ist  die  Lesart 
bei  Petrox.  Fragm.  Traj.  74.  unsicher. 

3)  Wassergefässe  der  Küche.  Das  Unentbehrlichste 
war  die  uma  (ht/dria),  unserem  Eimer  zu  vergleichen,  welche 
ebensowohl  zum  Holen  (Varro  L.  L.  V,  126.  in  aqua  hau- 
rienda)  als  zum  Aufbewahren  des  Wassers  diente.  Für  den 
ersten  Gebrauch  war  sie  mit  zwei  beweglichen  Handhaben 
versehen,  welche  herabsanken,  Avenn  das  Gefäss  hingesetzt 
wurde.  Die  Form  war  sehr  mannigfaltig,  denn  es  gab  auch 
umae  ohne  Henkel,  wenn  sie  nämlich  nur  zum  Aufbewahren 
des  "Wassers  bestimmt  waren,  andere  dagegen  hatten  des  Tra- 
gens wegen  ausser  zwei  grossen  Henkeln  noch  zwei  kleine 
Griffe,  welche  unten  nicht  weit  vom  Fusse  angebracht  waren, 
z.  B.  Mus.  BoRB.  VH,  31.  vergL  VI,  31.  VIH,  15.  III,  14. 
Roux  und  Barre,  VI,  71.  74.  Letroxne  obs.  p.  10.  54.  Ger- 
hard, Berlins  antike  Denkmäler  S.  350  fg.  Der  Stoff  war 
Thon,  Holz  und  Metall.  Eine  bronzene  mit  sehr  elegantem 
Band  findet  sich  Mus.  B(^rb.  XI,  44.  Thiersch,  Abhandl.  d. 
Bair.  Akad.  München  IV,  Taf.  I,  N.  1 2.  und  silberne  erwähnt 
Cic.  Verr.  II,  19.  liydrias  argeitteas.  Zuweilen  hatten  sie  In- 
schriften, z.  B.  den  Xamen  des  Herrn.  Plaut.  Bud.  II,  5,  21. 

Kam  haec  (urna)  literata^st.  eapse  cantat  quoia  sit. 
Man  trug  dieselben  auf  dem  Kopf,  Prop.  IV,  4,  16. 

Uvgabat  medium  ßclilis  urna  caput. 
oder  auf  der  Schulter  IV,  11,  27. 

I/i/'eli.r  Immeros  urgeat  nrna  )nens. 
"Wer  Gefässe  und  überhaupt  Laston  auf  dem  Kopfe  trug,  legte 
des  Drucks  wegen  etwas  unter.  I'aul.  Diac.  p.  16.  Arcuhun 
appcllabayit  circulum,  quem  capiti  imponehant  ad  svstitienda 
commodius  vasa,  quae  ad  sacra  publica  capite  portabantur.  und 
jj.  45.  Caesticillus  appellatur  circuhis,  quem  superponit  capiti, 
qui  aliquid  est  hiturus  in  capite.  und  Mlei.leu  zu  d.  St.  Minek- 


316  Dritter  Excurs  ziir  zweiten  Scene. 

vixr,  sul  cercine  etc.  in  bullet.  delF  inst.  1843.  p.  119 — 123. 
Auch  schüttete  man  die  Eimei-  geradezu  in  den  Kessel  aus. 
Plaut.  Pseud.  I,  2,  24. 

Tu  qui  urnam  Imbes,  aquam  ingere,  face  plenum  ahenum 

sit  cito. 
Darum  wird  von  den  Schöpfgefässen  der  Danaideu  oft  urna 
gebraucht,  obwohl  diese  eigentlich  urnulae  heissen  sollten. 
Varro  bei  Xon.  XV,  8.  Item  ex  aere,  ut  urnulae  äquales.  Die 
Wassereimer  hatten  einen  besonderen  Platz  in  der  Küche,  auf 
dem  sogenannten  urnarium,  Varro  L.  L.  V,  126.  genus  mensae 
et  quadratae  vasoii/m  vocatuin  urnarium ^  quod  urnas  cum  aqua 
positas  ibi  potisainium  habebant  in  culina.  Ab  eo  efiamnunc  ante 
balineum  locus  ubi poni  solebat,  urnarium  vocatur.  Varro  bei 
Non.  XV,  10.  —  Andere  Schöpfgefässe  waren  urceus  (etwas 
kleiner  als  urna)  wn^urceolus.  Paull.  Dig.  XXXIII,  7,  18. 
§  3.  urcei  quoque  quibus  aqua  iii  ahenum  infunditur.  Cat.  R.  R. 
10.  urcei  aquarii,  lo.  ßctiles,  Mart.  XIV,  106.  Urceus ßctilis. 
Hie  tibi  donatur  panda  ruber  urceus  ansa. 
Stoicus  hoc  gelidam  Fronto  petebat  aquam. 
(Demnach  nur  mit  einem  Henkel  versehen.)  Cat.  13.  urceus 
aheneus.  Diese  dienten  auch  zur  Mischung  der  Getränke. 
Mart.  XIV,  105.  Ein  anderes  Avar  nanns.  Paul.  Diac.  p.  176. 
Nanum  Graeci  vas  aquarium  dicunt  /uonile  et  concavum,  qutd 
vulgo  voccmt  situlum  barbatum.  Aehnlich  Varro  L.  L.  V,  119. 
Sitvlus  oder  situla  ist  wie  urna  unserm  Eimer  zu  vergleichen. 
In  Verbindung  mit  dem  Brunnen  wird  sit.  genannt.  Plaut. 
Amph.  II,  2,  39  f.  Epigr.  in  Anth.  lat.  I,  p.  493.  Burm.  und 
Paull.  Dig.  XVIII,  1,  40.  §  G.  Cat.  R.  R.  11.  situlum  aqua- 
rium. Ebenso  Vitruv.  X,  9.  Ferrea  catena  liabens  situlos  pen- 
clentes  aereos.  Non.  XV,  36.  stellt  situlus  der  craterra  gleich. 
Endlich  matella  und  matellio  zum  Wasserschöpfen,  sowohl  in 
der  Küche  gebraucht,  als  bei  Tische  behufs  der  Mischung  des 
Weins.  Plaut,  b.  Non.  XV,  2.  Ne  tu  postules  matellam  unam, 
tibi  aquae  infundi  in  caput.  Varro  L.  L.  V,  119.  matellio  a 
matula  dictiis,  qui  posteaquam  longius  a  ßgura  matulae  discessd, 
ab  aqua  aqualis  dictus.  Paul.  v.  matellio  p.  126  M.   Cato  R. R. 


Das  Hausgerät  he.  317 

10  f.  nennt  beide  Gefässe  neben  einander.  —  Einen  speziel- 
leren Zweck  hatte  futis,  Varuo  1.  1.  vas  aquarhon  futim^  qiiod 
in  tridinio  allatam  aquam  infundebant.  Camella  scheint  nur 
Milchgeföss  gewesen  zu  sein,  Ovid.  Fast.  IV,  779.,  ebenso 
imdctra  zum  Melken  dienend,  Yerg.  ecl.  III,  30.  Hör.  epod. 
16,  40.  CoT.LM.  Vn,  8. 

III.  Gefässe  für  Flüssigkeiten. 
Diese  werden  mit  dem  allgemeinen  Namen  vasa  umfasst 
(Paull.  rec.  sent.  III,  G,  8G.  ea  omnia  continentnv  quae  capa- 
citati  alicui  parati  sunt  etc.),  welches  \yort  sogar  in  noch  wei- 
terem Sinne  als  Geräthe  überhaupt  gebraucht  wird.  Ulp.  Dig. 
XXXIV,  2,  19.  §  10.  si  vasa  sint  legata^  non  solum  ea  conti- 
nentur,  quae  aliquid  iti  se  recipiant  edendi  hibendique  causa  pa- 
ratum^  sed  et  quae  aliquid  sustineant  et  ideo  scutellas  vel  pru- 
mulsidaria  conti^ieri.  —  nam  vasoniiu  appellatio  generalis  est, 
dicimus  enim  vasa  vinaria  et  navalia.  Ulp.  Dig.  XXXIII,  7, 
8  pr.  begreift  unter  vasa  sogar  aratra,  ligo7ies,  sarculi  u.  dergl. 
Plaut.  Auh  I,  2,  17  f.  Die  Untersuchung  darüber  ist  sehr 
schwierig  und  es  würde  ein  vergebliches  Bemühen  sein,  jedem 
uns  überlieferten  Namen  eine  bestimmte  Form,  oder  den  uns 
erhaltenen  zahllosen  Vasen  bestinmite  Namen  zuAveisen  zu 
wollen.  Die  Mannigfaltigkeit  der  Geffisse  ist  nämlich  unend- 
lich gross,  nach  Form,  Grösse,  Gebrauch,  Stoff,  Arbeit,  Alter 
u.  s.  w. ,  so  dass  es  bei  vielen  sogar  misslich  ist,  die  Bestim- 
mung derselben  nachzuweisen.  Es  sollen  daher  hier  nur  die 
allgemeinsten  Umrisse,  namentlich  in  Beziehung  auf  Stoff  und 
Arbeit,  sowie  auf  die  verschiedene  Bestimmung  derselben  ge- 
geben werden.  Die  Hauptquellen  über  diesen  Gegenstand 
sind:  Varro,  Festus,  Macrob.  (Sat.  V,  21),  Nonius  Mar- 

CELLUS  XIV.,  ISIDORUS  XX,  4  ff.,    POLL.  X.    Gxevi^  TU  y.(iT '  (V- 

y.i'av  '/nr'imfiu  etc.),  Athen.  XI.,  welche  aber  selten  mit  den  an- 
gegebenen Namensverzeichnissen  genaue  Beschreibungen  ver- 
binden. Von  neueren  Schriften  sind  zu  nennen:  Panofka, 
recherches  sur  Ics  vdritables  noms  des  vases  grecs.  Paris  1829. 
und  Bemerkungen  im  Bullet,  dell'  inst.  1832.  p.  02  fl'.  Ger- 
hard, sulle  forme  dei  va^i  greci  in  Annali  dell'  inst,  di  c.  arcli. 


318  Dritter  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

Rom  1836.  VIII,  j).  147 — 159.  und  in  dem  rapporto  Volcent. 
p.  1 2  flF.  Letroxxe  ,  observat.  philol.  et  archeol.  sur  les  noms 
des  vases  grecs.  Paris  1833.  und  Supplement  1838.  (Journal 
des  Sav.  1833  u.  1837.  Nov.  Dec.  1838.  Jan.).  De  Luynes, 
description  de  quelques  vases  peints.  Paris  1840  (über  crater, 
cylix,  ampliora,  lecytbus  u.  a.),  mit  der  ßec.  v.  Welcker  in 
Annali  delV  inst.  1840,  p.  247  —  262.  Ussinc4  ,  de  nominibus 
vasorum  Graec.  Havniae.  1844.  0.  Müller,  Archäol.  von 
Weleker,  S.  409  fip.  Thiersch,  in  Abhandl.  der  Königl.  Bair. 
Akad.  in  München.  1847,  IV,  S.  26  —  94.  Krause,  Angeio- 
logie,  Halle  1854.  Abbildungen  der  gefundenen  vasa  bieten 
DE  Rossi,  raccolta  di  vasi  diversi.  Rom  1713.  Piranesi,  vasi, 
candelabri  etc.  Rom  1778.  Moses,  collection  of  antiq.  vases  etc. 
Lond.  1814,  Gerhard,  Thiersch,  Krause  u.  andere  der  Ge- 
nannten. Alle  diese  Schriften  haben  zwar  zunächst  nur  die 
griechischen  Vasen  im  Auge,  allein  da  der  Ursprung  sehr 
vieler  römischen  Gefässe  griechisch  ist,  abgesehen  von  den 
gröberen  nur  für  das  Bedürfniss  geschaffenen,  so  muss  man 
bei  dieser  Frage  immer  auf  Griechenland  zurückgehen.  Mit 
der  griechischen  Kunst  kamen  theilweise  auch  griechische 
Namen  mit  nach  Italien  herüber  und  die  auf  den  Werken  an- 
gebrachten griechischen  Sujets  zeigen  noch  in  der  späteren 
Zeit  die  ursprüngliche  Heimath  z.  B.  die  scyphi  Homerici  wie 
sie  Nero  hatte.  Suet.  Ner.  47.  s.  Bd.  I,  S.  22. 

Was  Stoff  und  Arbeit  der  vasa  betrifft,  so  hatte  man  sie 
1)  von  Thon,  fictilia^  IsiD.  XX,  4.,  vasa  terrena,  Plin.  h.  n. 
XXXV,  46.  und  zwar  sowohl  von  der  einfachsten  Töpferarbeit 
Mart.  XIV,  114.  s.  unten  u.  rubra  parapsis.  XI,  27,  5.  Cu- 
mana  suppellex.  Horat.  Sat.  I,  6,  118.;  als  auch  von  hohem 
Werth,  nämlich  der  Grösse  und  künstlichen  Arbeit  wegen 
(propter  tenuitatem ,  Plin.  1.  1.,  d.  h.  wegen  der  Dünnheit  der 
Wände,  die  uns  die  grösste  Bewunderung  abnöthigt;  darum 
kann  man  die  römischen  Gefasse  an  ihrer  grossen  Leichtigkeit 
erkennen),  s.  Ruperti  z.  luv.  IV,  131.  Plin.  1.  1.  quo7iiam  eo 
pervenit  luxuria,  ut  etiam  fictilia  pluris  constent  quam  murrina. 
Manche  kleine   Gefässe  für  Oel,   Salben  u.  s.  w.  sind  an  der 


Das  Hausgerät  he.  319 

unteren  Hälfte  künstlich  rauh,  damit  man  sie  nicht  fallen  las- 
sen kann,  Avas  bei  glatten  leicht  möglich  wäre  (im  Mainzer  u. 
Darmstädter  Museum  zahlreich).  Die  Kunst  des  Töjjfers  und 
Thonbildners  blühte  schon  frühzeitig  in  Italien  und  zwar  vor- 
züglich in  Etrurien  (Mart.  XIV,  98.  Vasa  Arretbia.  Lantus 
erat  Tuscis  Porsena  fictiUhus.  Roulez,  melanges  de  philol. 
Brux.  1842.  III,  Xr.  G.)  und  Unteritalien,  namentlich  in  Cam- 
panien  (Hör.  a.  a.  0.),  wo  Cumae  und  Surrentiun  sich  auszeich- 
neten. Mart.  XIV,  114.   Patella  Cmnana. 

Ilanc  tibi  Cumanae  rubicimdam  pulvere  testae. 
XIV,  102.  Calices  Surrentini. 

Sed  Surrentinae  leve  toreuma  rotae. 
XIV,  108.  Calices  Saguntini., 

doch  gab  es  auch  schon  zu  Numa  s  Zeiten  eine  Töpferzunft  in 
Kom,  Plix.  1.  1.  Im  Norden  nennt  Plin.  Pollentia  und  Mutina. 
Auch  mögen  attische  Töpfer  nach  Italien  übergesiedelt  sein, 
um  in  der  neuen  Heimath  nach  den  alten  Typen  zu  arbeiten. 
So  ist  die  einfache  Annahme  von  Gerhard,  Lenormant, 
O.SA.NX  und  Krause,  Angeiol.  S.  190  ff.,  während  Kramer, 
Thiersch  u.  A.  behaupten,  dass  die  in  Italien  gefundenen  be- 
malten attischen  Vasen  nur  aus  Attika  stammen  könnten  und 
durch  den  Handel  herübergebracht  worden  seien.  Man  arbei- 
tete in  den  genannten  Orten  die  verschiedensten  Greräthschaften 
und  Geschirre,  die  sich  eben  so  durch  ihre  Festigkeit,  Färbung, 
Leichtigkeit  und  Glasur  als  durch  ihre  geschmackvollen  und 
gefälligen  Formen  von  den  heutigen  Töpferarbeiten  vortheil- 
haft  auszeichnen.  Vorzüglich  anmuthig  sind  die  rothen  Ge- 
fässe  aus  der  von  uns  sogen,  terra  sigillata,  von  unverwüst- 
lichem Glanz,  welche  Mart.  XIV,  106.  urceus fictilis  nennt: 

Ilic  tibi  donatus  panda  ruher  urceus  ansa. 
u.  XIV,  114.  s.  oben.  Wahre  Schätze  dieser  Art  enthalten  die 
Älusccn  in  Berlin,  Mainz,  Wiesbaden,  Darmstadt  u.  s.w. 
Xamentlich  sind  die  Verzierungen  der  kunstvoll  angefügten 
Henkel  und  der  Känder  zu  rühmen.  Bewundcrnswerth  model- 
lirt  ist  das  Fragment  eines  aus  terra  sigillata  gemachten  Gc- 
fäs.srandes,  welches    Hr.  Dr.  Linde   in  Trier    besitzt    und    die 


320  Dritter  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

anmuthigste  Gruppirung  von  Blumen  und  Früchten  zeigt,  die 
sicli  in  kleinen  Bouquets  wiederholen,  ebenso  lieblich  als  ein- 
fach von  sich  durchschneidenden  Halbkreisen  eingerahmt. 
Auch  muss  man  bedenken,  dass  die  meisten  uns  ei'haltenen 
Ueberreste  aus  kleinen  Städten  und  den  Häusern  von  beschei- 
denen Bürgern  oder  Soldaten  herrühren.  Brennöfen  (fornax) 
hat  man  mehrmals  gefunden  z.  E.  in  Pompeji,  sowie  in  Rotten- 
burg; aber  in  Rheinzabern  und  in  Oria  (in  Campanien)  sogar 
Töpferwerkstätten,  mit  vielen  Gefässen  1828.  s.  Bulletino  dell' 
inst,  di  c.  a.  1834,  p.  56.  In  Eheinzabern  (auch  in  Mainz?) 
blüht  das  antike  Töj)fergeschäft  bis  auf  den  heutigen  Tag  in 
unerfreulicher  Weise  fort,  Becker,  d.  Meroving.  Kirchhof  zu 
la  Chapelle  St.  Eloi,  Frankf.  1855.  v.  Hefner,  Münchner  ge- 
lehrte Anzeigen  1855,  N.  17  f.  1860,  N.  21—24.  S.  überhaupt 
UssiNG  a.  a.  0.  0.  Müller,  Arch.  v.  Welcker,  S.  41.  420  ff. 
Pauly,  Realencyk.  HI,  S.  472  f.  Hausmann,  de  confectione 
vasorum  anticp  fictilium.  Gotting.  1823.  Minervini,  descr.  di 
alcuni  vasi  fittili  antichi.  Napoli  1846.  Overbeck,  Pompeji, 
S.  259.  320  f.  Krause,  Angeiol.  S.  129—207  (die  antike 
Kerameutik  überhaupt).  —  Ueber  die  Terracottalampen  siehe 
den  folgenden  Excurs.] 

2)  Sehr  zahlreich  waren  auch  die  vasa  von  Metall. 
[Die  silbernen  und  goldenen  Geschirre,  die  gegen  das  Ende 
der  Republik  überhand  nahmen,  denn  A'orher  herrschte  grosse 
Einfachheit,  und  P.  Cornel.  Rufinus  wurde  497  aus  dem  Senat 
gestossen,  Aveil  er  10  Pfund  Silbergeräth  besass.  Gell.  XVH, 
21.  Krause,  Angeiol.  S.  72  ff.]  waren  entweder  jmra  (sine 
ullo  opere  artificis),  Plin.  ep.  IH,  1.  luv.  IX,  141.  Mart.  IV, 
38.  auch  levia,  luv.  XIV,  62.  oder  caelata^  aspera,  toreumata. 
Letztere  mochten  nicht  immer  von  der  Hand  des  Künstlers 
sein,  dessen  Namen  sie  trugen,  s.  Tbl.  I,  S.  24.  40.;  genug  sie 
erhielten  durch  den  Namen  mehr  noch  als  durch  die  Arbeit 
ihren  Werth.  [Die  griechische  zoQSvrtxij  entspricht  ganz  der 
römischen  caelatura,  und  wird  nur  von  der  erhabenen  Arbeit 
in  Metall  gesagt,  wie  auch  Quinct.  II,  21.  ausdrücklich  aus- 
spricht. Plin.  h.  n.  XXXIH,  oft.  Isidor.  XX,  4.  Caelata  vasa 


Das  Ha  US  gerät  he.  321 

slgnis  eminentibus  hjtiis  extrave  expresais  a  caelo  quocl  est  genus 
ferramenti,  quod  vidgo  cilionem  vocant.  Vor  Alters  hiesseu  die 
cälirten  Gefösse  ancaesa ,  Paul,  Diac.  p.  20  M.  quod  circiim- 
caedendo  tcdiafiunt.  S.  Garatoxi  zu  Cic.  Verr.  IV,  23.  Beckeü, 
in  Pauly  Realencykl.  II,  S.  41  ff.  Müller,  Arch.  v.  Welcker, 
S.  432  ff.  Dieser  Schmuck  war  entweder  mit  dem  Gefass,  an 
welcliem  er  sich  befand,  aus  dem  Ganzen  gearbeitet  (d.  h.  ge- 
trieben oder  gegossen  und  dann  cälirt) ,  von  welcher  Art  die 
mit  Laubgewiuden  verzierten  Schüsseln  und  Becher  waren 
{Innces  pampinatae^  patinae  hederatae,  discus  corynibiatusj  Treb. 
PoLL.  Claud.  17.)  oder,  die  Cälatur  befand  sich  auf  einem  be- 
sonderen Metallstück  und  wurde  erst  nach  ihrer  Vollendung 
mit  dem  Gefäss  verbunden.  Dazu  nahm  man  Blei  als  Binde- 
mittel, L'LP.  Dig.  XXXIV,  2, 19.  §  3.  4.  Paull.  Dig.  VI,  1,  23. 
§  5.  Solche  Reliefplatten  hiessen  sigilla,  Cic.  Verr.  IV,  22. 
und  wurden  entweder  emhlemata  oder  crustae  genannt.  Verr. 
IV,  23.  Die  er.steren  waren  massive  Stücke  mit  erhabener  Ar- 
beit, welche  in  das  Gefäss  fest  eingesetzt  wurden.  (Darum 
wurde  von  den  jMosaikbildern  der  Ausdruck  gebraucht  emhlema 
vermiculatwn,  s.  oben  S.  247.)  So  sagt  Ulp.  Dig.  XXXIV,  2, 
19.  §  5.  emhlemata  aurea  (in  argento).  §  6.  aurea  emhlemata 
quae  in  apsidibus  argenteis  sint.  ebenso  Paull.  ib.  32.  §  1.  imd 
rec.  sent.  III,  6,  89.  Vasis  argenteis  legatis  emhlemata  qiioque 
ex  auro  infixa  legato  cedunt.  Orelli  Hexzen  5905.  emhlem. 
aurea  auf  einer  silbernen  phiala.  Solche  emhlemata  meint 
Sek.  ep.  5.  argentum  in  quod  solidi  auri  caelatura  descenderit. 
Plix.  h.  n.  XXXIII,  55.  erwähnt  als  jyhialae  emhlema  Ulysses 
uiul  Diomcdes,  das  Palhidium  raubend.  Vergl.  Tj!er.  Poll. 
Tit.  in  XXX  tyr.  32.  u.  s.  w.  Die  crustae  dagegen  bezeichnen 
dem  Sinne  dieses  Wortes  gemäss  fals  dünne  Decke  überhaupt, 
z.  B.  die  Marmorplatte  zur  Wandbekleidung,  die  Schuppen 
der  Fische  etc.)  dünne  PLittcn  und  Streifen  mit  und  ohne  cä- 
lirte  Arbeit,  Avclche  nicht  sowohl  eingelegt,  als  darauf-  und 
herumgelegt  wurden.  So  z.  B.  wird  man  einen  iim  das  Gefäss 
herumgelegten  Kranz  von  getriebener  Arbeit  nur  crusta  aber 
nicht  emhlema  genannt  haben.     Die  crutita  war  dünn  M"ie  eine 

Becker,  Galluä.   3.  Aiirt.  II.  ■_.  1 


322  Dritter  E  x  c  u  r  s  zur  zweiten  S  c  e  n  e. 

Fournüre,  das  emblcma  war  compakt  und  massiv.  Solche 
Streifen  meint  Paull.  Dig.  XXXIV,  2,  32.  §  1.  cymbia  argen- 
tea  criistis  aureis  illigafa,  während  es  bei  emblem.  infixa  heisst. 
Paul.  p.  53  M.  Crustariae  taberjiae  a  vasis  potorüs  crustatis 
dictae.  Mit  Recht  glaubt  Becker  a.  a.  0.  S.  347.  dass  Cic. 
Verr.  IE,  24.  diesen  Unterschied  im  Sinne  gehabt  habe:  ita 
Seite  i?i  aureis  poculis  illigabat  (nämlich  crustas),  ita  apte  in 
scyphis  aureis  includebat  (nämlich  emblemata).  S.  Salmas.  ad 
Solin.  j).  736.  Ernesti  clavis  Cic.  v.  crusta.  —  Tiberius  ver- 
bot den  Ausdruck  emblema  als  unlateinisch,  Suet.  Tib.  71. 
Dio  Cass.  LVII,  51.  allein  er  blieb  natürlich  im  Gebrauch. 
Martial.  III,  41. 

Inserta  phialae  Alentoris  manu  ducta 

Lacerta  vivit,  et  timctur  argentum. 
—  Vasa  aurea  werden  zwar  auch  erwähnt  (Tac.  Ann.  II,  33. 
Ulp.  Dig.  XXXIV,  2,  27.  §  4.),  aber  die  argentea  waren  natür- 
lich weit  häufiger.  Zu  Pompeji  fand  man  mehr  als  100,  grossen 
Theils  herrlich  ciselirt,  s.  Quaranta,  di  quattordici  vasi  d'ar- 
gento  dissott.  in  Pomp.  Napol.  1837.  Mus.Borb.  X,  14.  XI,45. 
XIII,  49.  u.  a.  AvELLiNO,  bull.  Nap.  X.  7.  Zahn,  schönste 
Ornam.  III,  Taf.  28.  (mit  wundervoll  getriebenen  1835  in 
Herkulanum  gefundenen  Vasen  und  Bechern,  von  denen  eine 
Homers  Apotheose  darstellt).  Wieseler,  in  Annali  dell'  inst, 
di  corr.  arch.  1852.  XXIV,  S.  216 — 230.  über  eine  silberne 
Vase  von  Vienna.  Einen  reichen  Fund  machte  man  in  der 
Norman  die  (aus  dem  Tempel  des  Mercur  in  Canetum),  le  Pre- 
VOST,  mem.  sur  la  collect,  de  vases  antiques  trouves  en  Mars 
1830  a  Berthouville ,  in  den  mem.  de  la  soc.  des  antiquaires 
de  Normandie.  1831  bis  1833.  Caen.  I,  p.  75—168.  Andere 
s.  Müller,  Arch.  S.  435.  Krause,  Angeiol.  S.  88 — 100  (goldne 
und  silberne  vasa).  Thiersch,  in  Abh.  der  K.  Bair.  Akad.  in 
München  V,  S.  105—140.] 

Die  von  Martial  mehrfach  erwähnten  chrysendeta  wer- 
den von  Ursinus,  Append.  ad  Ciacc.  de  tricl.  p.  366.  Turneb. 
Adv.  XIV,  3.  Salm,  ad  Vopisc.  Saturn,  p.  729.  unrichtig  für 
Trinkgeschirre  erklärt.    Es  waren  vielmehr  flache  Geschirre 


Das  Hausgerät  he.  323 

zum  Auftragen  der  Speisen;  wenigstens  werden  sie  in  keiner 
andern  Beziehung  von  Martial  genannt.  II,  43,  11. 

Immodici  tibi  flava  tegant  chrysendeta  mulli. 
Ders.  XIV,  97.  Lances  chrysendetae. 

Grandia  ne  viola  parvo  chrysendeta  mullo. 
vgl.  VI,  94.  —  DA-  Xame  selbst,  und  die  Bezeichnung  flava 
lassen  vermuthen,  dass  es  Silbergeschirre  mit  goldenem  Rande 
waren,  vielleicht  auch  mit  eingelegter  goldener  Arbeit,  von 
denen  oben  gesprochen  worden  ist. 

Sehr  gesucht  waren  die  vasa  von  korinthischem  Erze, 
s.  Bd.  I,  S.  39.  [Am  zahlreichsten  waren  natürlich  die  bron- 
zenen Geschirre,  von  denen  das  Museum  Borb.  im  Saale  der 
Bronzen  eine  grosse  -Masse  enthält.  Trotz  des  geringeren 
Stoffes  zeigen  auch  diese  fast  durchgängig  graziöse  Verhält- 
nisse und  herrliche  Ciselur.  Selten  tindet  man  jjlumpe  oder 
bizarre  und  manirirte  Formen  und  die  Verzierungen  sind 
meist  ungemein  lieblich,  namentlich  die  der  Henkel.  Die 
deutschen  Museen  haben  prächtige  Exemplare  aufzuweisen 
und  ausserdem  eine  Masse  von  Henkeln,  z.  B.  in  Mainz  und 
Wiesbaden ,  siehe  auch  Jahrb.  des  Vereins  v.  Alterthumsf.  im 
Eheinland  VI,  S.  193  ff.] 

3)  Gemmengefässe. 
Man  darf  zwar  durchaus  nicht  glauben ,  dass  überall,  wo 
Gefässe  von  Amethyst  etc.  vorzüglich  von  Dichtern  genannt 
werden,  wirkliche  Edelsteine  zu  verstehen  seien;  indessen  gab 
es  dergleichen  auch,  natürlich,  aber  nur  kleine,  z.  B.  Becher. 
Man  denke  nur  an  das  sogenannte  [in  Braunschweig  ver- 
schwundene] Mantuanische  Gefäss  [von  Onyx].  Montfauc, 
Ant.  expl.  tom.  II,  p.  181.  Böttiger,  kl.  Schriften  H,  S.  306  fg. 
[Müller,  Arch.  v.  Welcker,  S.  359.  443.  Cic.  Verr.  IV,  27. 
Erat  etiarn  vas  vinariurn-^  ex  uua  gemma  pergra)idi,  truUa  exca- 
vata,  mnnubrio  aureo.   Proi*.  III,  3,  26. 

Nee  bihit  c  gemma  divite  nostra  sitis. 
Verg.  Georg.  II,  506. 

Ut  gemma  bihat  et  Harrano  indormiat  ostro. 
Appul.  Met.  II,  )).  123  Elm.  gemmas  formatas  in  pocida.    Na- 

21* 


324  Dritter  Excurs  zur  zweiten  Sceue. 

mentlich  müssen  kleine  Onyxgefässe  für  Salben  und  Oele  häufig 
gewesen  sein,  so  dass  onyx  so  viel  als  Salbengefäss  überhaupt 
hiess.  HoR.  od.  IV,  12,  17.  Nardi  parviis  onyx  eliciet  cadum. 
Prof.  III,  8,  22.  murreus  onyx.  II,  10,  30.  plenus  onyx.  Marx. 
VII,  94.  XI,  50. 

Profertur  Cosmi  nunc  mihi  siccus  onyx. 
Der  Putoria  von  Lycbnis  (d.  i.  eine  Art  von  Rubin  oder  Kar- 
funkel) gedenkt  Plin.  b.  n.  XXXVII,  30,  104.] 

Weit  häufiger  waren  die  mit  Edelsteinen  besetzten,  gem- 
mis  distincta,  Cio.  1.  1.,  oder  aus  vielen  in  Gold  gefassten  Ca- 
meen  zusammengesetzten,  XiOoy.6lXrjTa,  %QVGoy.6lhita.  Appian. 
Mitbr.  115.,  deren  namentlich  bei  späteren  Dichtern  sehr  häufig 
Erwähnung  geschieht.  [Plin.  XXXIII,  2.  turha  gemmarum  po- 
tamus  et  smaragdis  teximus  ccdices.  XXXVH,  6.  vasa  ex  auro 
et  gemmis  und  genimata  jjotoria.  Marx.  XTV,  109.  ccdices  gern- 
mati.  luv.  X,  26  fg.  V,  43.  AusQx.  e^jigr.  8. 

Fercula  gemmatis  cum  poneret  horrida  vasis. 
Ulf.  Dig.  XXXIV,  2,  19.  §  13.  Cedent  igitur  gemmae  phicdis 
vel  lancihus,  inclusae  auro  argentove,  ähnlich  §  20.  Paull.  rec. 
s.  in,  6,  88.  Von  den  Gemmen  und  deren  Bearbeitung  han- 
deln Pauly,  Eealencykl.  III,  S.  673 — 691.  Müller,  Arcli. 
v.  Welcher  S.  168.  244 fg.  438—145.  Eine  Hauptrolle  spielten 
Onyx  und  Sardonyx  imd  manche  schöne  Exemplare  haben  sich 
davon  erhalten.  Onyxschalen  s.  Mus.  Borbon.  XII,  47.  Gar- 
GiULO,  intorno  la  tazza  di  pietra  Sardun,  Orient.  Xeap.  1835. 
Thiersch,  in  Abb.  der  K.  Bair.  Akad.  in  München  1837,  11, 
S.  65 — 106  (Berliner  Schale).  In  der  Pariser  Bibliothek  be- 
findet sich  ein  grosser  Becher  von  Sardonyx  und  in  Wien  eine 
wundervolle  Achatschale  s.  Krause,  Angeiol.  S.  14  ff.  Der 
Sardonyx  hat  seinen  Namen  von  sarda  und  onyx.  Der  erste 
Stein,  Sarder  oder  Karniol  von  dunkler  rother  Farbe,  ziemlich 
gewöhnlich,  von  Sardes  so  genannt  war  bei  den  Römern  als 
Ringstein  sehr  beliebt,  Plin.  h.  n.  XXXVII,  31,  105  f.  Onyx 
war  dunkel  mit  weissen  Streifen  oder  Adern  durchzogen 
(Plix.  h.  n.  XXXVII,  24,  90  f.  variasque  cum  lacteis  zonis  ha- 
bere venas.)  und  hatte   manche  Varietäten.      Sardonyx  hiess 


Das  Hausgeräthe.  325 

ein  aus  mehreren  Lagen  oder  Schichten  bestehender  edler 
Stein  und  die  Aufeinanderfolge  der  Farben  war  sehr  verschie- 
den, Plin.  h.  n.  XXXVII,  23,  8ß  ff.  Martial.  IV,  61.  Isidok. 
XVI,  8.  sardonyx  ex  duum  nominum  socieiate  vocata  est.  Est 
enim  ex  onychis  candove  et  sardo.  Coiistat  autem  tribiis  colorihiis 
cett.  Xoch  mehr  als  zu  Gefässen  wandte  man  diese  Steine  zu 
Siegelringen  und  grossen  Kameen  an  (^Iart.  II,  29.  sardony- 
chata  raanus.  XI,  37.  Plin.  a.  a.  O.),  von  denen  sich  in  Wien, 
Paris,  Petersburg  kostbare  Exemplare  finden,  BöTTrcfEK,  kl. 
Schriften  II,  S.  131—151.  Krause,  Pyrgoteles,  Halle  1856. 
S.  244 — 276.  465  ff.  üeber  die  Steine  siehe  ferner  Köhler, 
Untersuchungen  über  Sard,  Onyx  und  Sardonyx  der  Alten, 
Götting.  1801.  u.  kl.  Abli.  z.  Gemmenkunde,  in  gesammelten 
Schriften  v.  Stephani,  Petersburg  1851,  IV.  Dagegen  Brück- 
mann, Abh.  V.  d.  Edelsteinen  S.  28  ff.  246  ff.  und  Beiträge 
dazu  S.  279.  und  vorher  v.  Veltheim,  über  die  Onyxgebirge 
des  Ktesias,  Helmstadt  17'.»7.  u.  Sanujil.  v.  Aufsätzen,  Heimst. 
1800,  n,  S.  203—263. 

4)  Bernsteingefässe  gab  es  ebenfalls  nur  in  kleinen 
Verhältnissen.  Mart.  IV,  32.  De  ape  electro  iitclusa. 
Et  leitet  et  lucet  Phaetliontide  condita  gutta, 
üt  videatur  apis  nectare  clausa  suo. 
Auch  Avurden  Metallgefässe  mit  Bernstein  verziert,   Paull. 
Dig.  XXXIV,  2,  32.  §  5.  vasis  electrinis  legatls  nihil  Interesse, 
quantuhi  ea  vasa,^de  quibus  quaeritur,  argenti  aut  electri  ha- 
heant,  sed  utruin  argentum  electro  an  electruia  argento  cedat? 
Mart.  VIII,  51. 

Vera  minus  jlavo  radiant  electra  metallo, 
Et  niveum  felix  pustula  vincit  ebur. 
Darauf  bezieht  sich  luv.  V,  37  fg.  XIV,  307.  S.  I,  S.  23. 
Müller,  Arch.  v.  Welcker  S.  438.  Tölken,  Leitfaden  für  die 
Sammlung  antiker  Metallarbeiten  im  Mus.  zu  Berlin,  S.  43, 
N.  398.  Krause  ,  Pyrgoteles  S.  9ü  ff.  —  Seltener  scheint 
Elfenbein  zu  Gefässen  oder  deren  Verzierung  angewandt 
worden  zu  sein,  .siehe  Mart.  1.  1.  XIV,  78.  Orell.  3838. 
pyxidem  eborearn^ 


326  Dritter  Excurs  zur  zweiten  8cene. 

5)    Gefässe  von  Glas. 
Die  künstlichen  Glasarbeiten,  welclie  besonders  Alexan- 
drien  lieferte,  scheinen  alle  Geschicklichkeit  unserer  englischen 
und  böhmischen  Glasschleifer  [vüriarü  genannt,  Grell.  4299.] 
in  Schatten  zu  stellen.  [Mart.  XII,  74. 

Cu7n  tibi  Niliacus  portet  crystalla  cataplus. 
i)ic.  p.  Rah.  14.  wird  der  Transport  der  Glaswaaren  von  Alexan- 
drien  nach  Italien  erwähnt.  Treb.  Poll.  Claud.  17.  calices 
Aegyptios  operisque  diversi.  —  Vop.  Tac.  11.  vitreorum  diver- 
sitate  et  operositate  vehementer  delectatus  est.  S.  oben  S.  265.] 
Man  wusste  zuvörderst  so  gut  als  wir ,  dem  Glase  jede  belie- 
bige Farbe  zu  geben  und  die  Edelsteine  geschickt  nachzu- 
ahmen [sogen.  Glaspasten].  Thl.  I,  S.  25.  [Krause,  Pyrgo- 
teles  S.  100.  219  flf.  Angeiol.  S.  37  ff.  Nöggerath  über  die 
Kunst,  Gemmen  zu  fäi'ben  in  den  Jahrb.  d.  Vereins  v.  Alter- 
thumsf.  im  Rheinland,  Bonn  1847,  X,  S.  82.  1846.  IX,  S.  25  ff.] 
Plin.  XXXVI,  26,  67.  sagt:  Fit  et  albuia  (milchweiss?)  et 
onurrimnil  aut  hyacinthos  sapphirosque  imitatum,  et  omnihus  aliis 
coloribus.  vgl.  XXXVII,  7,  26.  6,  22.  [Isid.  XVI,  15.  Strab. 
XVI,  p.  758.  ed.  Paris.  1620.],  und  dergleichen  farbige  Gläser 
sind  auch  wohl  oft  zu  verstehen,  wenn  von  gemmis  die  Rede 
ist;  z.  B.  die  amethystini  trientes.  Mart.  X,  49.  Hierher  ge- 
hören auch  die  in  verschiedenen  Farben  spielenden,  alassontes 
[aus  Aegypten].  Vopisc.  Saturn.  8.  Calices  tibi  alassontes  ver- 
sicolores  transmisi.,  vielleicht  Opalglas  oder  etwas  ähnliches. 
Vgl.  Beckmann,  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Erfind.  I,  S.  373  ff.  [Schulz, 
anforina  di  vetro  con  bassirilievi,  in  Annali  dell  inst.  XI.  1839. 
p.  98.  sucht  darin  eine  Nachahmung  der  Murra.  Die  Selten- 
heit dieser  Becher  ergiebt  sich  daraus,  dass  Hadrian  befahl, 
sie  nur  bei  ausserordentlichen  Gelegenheiten  zu  brauchen.]  Am 
geschätztesten  waren  jedoch  die  crystallina,  von  ganz  reinem, 
weissem  und  durchsichtigem  Glase.  [Plin.  h.  n.  XXXVII,  10, 
29.  calices  crystallinos.  Appul.  II,  p.  123Elm.  hie  vitrum  fabre 
sigillatum  (cälii't,  s.  untcnj,  ibi  crystallum  impimctum,  argeiitum 
alibi  darum  et  aitrum  fulgurans  et  succinwn  mire  cavatum  in 
lapiides,  ut  bibas.  Cai'it.  Ver.  10.]  Plin.  Maximus  tarnen  honos 


Das  Hausgerät  he.  327 

in  candido  translucentibus ,  rjuam  proxi>na  crystalli  similitudine. 
[LsiD.  XVI,  15.]  An  Krystallglas  also  [nicht  an  Bergkrystall, 
sogen,  wegen  seiner  Aehuliclikeit  mit  dem  Eis]  hat  man  [mei- 
stens] zu  denken,  wenn  crystallina  oder  crystalla  (Mart.  IX, 
23.  [XIV,  111.]  XII,  74.)  genannt  werden,  und  Avenn  es  IX, 
6<),  13.  heisst:  turhata  brevi  crystalliiia  vitro,  so  ist  eben  ein 
unreines,  etwa  grünliches  Stück  oder  Stelle  zu  verstehen,  wie 
I,  54,  6.  Aretinae  violant  crystallina  testae.  Krause,  Pyrgotel. 
S.  89.  Angeiol.  S.  31  ff.  Ausserdem  verstand  man  auch  das 
Glas  in  verschiedenfarbigen  Lagen  übereinander  zu  breiten, 
und  dieses  wurde  dann  wie  der  Onyx  als  Cameo  geschnitten. 
Plix.  XXXVI,  26,  66.  \Kx  massis  rursus  funditur  in  officinis 
tingiturque.]  aliud  flatu  ßguratiir,  aliud  torno  teritur^i  aliud  ar- 
genti  modo  caelatur.  Der  Art  ist  die  berühmte  Barberinische 
oder  Port land- Vase  [aus  dem  Clrabe  des  Sev.  Alexander], 
die  lange  Zeit  für  ächten  Sardonyx  galt.     S.  Wixckelm.  "W. 

III,  S.  45.  mit  den  Anm.  d.  Herausg.  S.  296  fg.,  wo  ähnliche 
"Werke  angeführt  werden.  [Venuti,  spiegazione  dei  bassir. 
neir  urna  sepolcr.  d'Aless.  Sev.  Koma  1756.  Müllers  Arch. 
V.  Welcker  S.  446.]    Abgebildet  mit  den  Reliefs  Mus.  Capit. 

IV.  tab.  1 — 4.  Darum  werden  auch  so  häufig  sardonyches  veri 
genannt.  Mart.  IV,  61,6.  IX,  60,  19.  Vgl.  auch  Beckmann, 
Beitr.  z.  Gesch.  der  Erfind.  III,  S.  536  ff.  [Xoch  schöner  als 
die  I'ortlandvase  ist  die  1837  in  einem  Grabe  zu  Pumpeji  ge- 
fundene cälirte  Glasvase  mit  blauen  und  weissen  Basreliefs, 
trefflich  abgebildet  von  Zahn,  Ornamente  aller  klass.  K.  E. 
t.  53.  scliönste  Ornam.  II,  t.  77.  und  gcscliildcrt  von  Schulz 
a.  a.  0.  S.  84 — 100.  wo  auch  von  der  antiken  Glasarbeit  über- 
haupt und  von  dem  technischen  Verfahren  gesprochen  wird. 
S.  auch  I\[us.  BoRB.  XI,  28.  29.  Overbeck,  Pompeji  S.  433  f. 
Buonauotti,  obll.  sopra  alcuni  frammenti  di  vasi  ant.  di  vetro. 
Fior.  1716.  Müllers  Arch.  von  Welcker  S.  445  ff.  Boch- 
Buschmann,  in  den  publicatiuns  de  la  societe  —  monum.  bist. 
Luxemburg.  1850  f.  (über  die  antike  Glasfabrikation  über- 
haupt;]. Sehr  schön  ist  auch  das  Thl.  I,  S.  25.  beschriebene 
Gcfäss,  welches  gegen  da-^  Jalir  1725   im  Xavaresischen  ge- 


328  Dritter  Excurs  zur  zweiten  Seene. 

funden  wurde,  und  sich  zur  Zeit  der  Fea'seheu  Lebersetzuiig 
der  Wiuckelmann'schen  Gesch.  d.  K.  in  der  Sammlung'  des 
D.  Carlo  de' Marchesi  Trivulsi  in  Mailand  befand.  S. 
Meyer  z.  Winck.  W.  III,  S.  293  fg.  und  d.  Abbildung  in  der 
wirklichen  Grösse  Taf.  I.A.  —  Solche  Gefässe  wurden  dia- 
treta  genannt  [d.  h.  durchbrochen,  mit  Glasnetz  überzogen, 
nämlich  nicht  angelöthet,  sondern  mit  dem  Drehrad  gearbeitet, 
Jahrb.  d.  Vereins  v.  Alterthumsf.  im  Eheinland,  V,  S.  377 — 
382.  XVI,  2.  Supplem.  S.  123  f.].  Mart.  XII,  70,  9.  Ulp. 
Dig.  IX,  2,  27.  §  29.  Si  caUcern  diatretum  faciendum  dedisti, 
siqiddem  imperit/a  fregit^  damni  hduria  tenehitur  etc.  Dagegen 
hat  toreuma  (Mart.  XI,  11.  lepidi  torcumata  Nili.  [XIV,  94. 
audacis  plebeia  torewnata  intri.^  und  öfter.)  eine  Aveitere  Bedeu- 
tung, und  kann  besonders  auf  die  caelata  bezogen  werden.  Von 
diesen  künstlichen  Arbeiten  sagt  mit  Eecht  Mart.  XIV,  115. 

Adspicis  'mgenium  Nili,  quibus  addere  plura 
Dum  ciipit,  ah!  quoiies  perdidit  auctor  opus. 
[Paul.  Diac.  j).  115  M.  Lesbium  genus  vasis  caelati  a  Lesbiis 
inventum.   und  diese  waren  von  purpurfarbigem  Glase,  Ath. 
XI.  p.  486.    Dass  man  aber  eigentlich  bei  dem  Glase  nicht 
von  Cäliren  reden  dürfe,  ist  nach  Quixct.  I,  21.  bemerkt  wor- 
den. Man  müsste  bei  Holz,  Elfenbein,  Glas,  Marmor  scidptura 
sagen.  S.  noch  d.  ersten  Excurs  zur  siebenten  Seene.] 
6.    Vasa  murrina. 
Dass  die  Alten  über  die  Substanz  ([qy  vasa  murrina  [Avelche 
zuerst  Pompeius  aus  dem  Schatz  des  Mithridates  mit  nachßom 
brachte,  Plin.  h.  n.  XIII,  7,  23.]  selbst  nicht  im  Klaren  ge- 
wesen sind,  das  erkennt  man  deutlich  an  der  Unbestimmtheit, 
mit  welcher  sie  sich  darüber  ausdrücken ;  denn  die  einzige,  viel 
benutzte  Stelle  aus  Prop.  IV,  5,  26. 

Seu  quae  palmiferae  mittunt  venalia  Thebae, 
]\Iurreaque  in  Parthis  pocula  cocta  focis. 
abgerechnet,  lindet  sich  keine  zweite,   die  nicht  mehr  einen 
negativen  als   positiven  Gebrauch  gestattete.     Daher   hat   es 
denn  auch  unter  den  Antiquaren  jederzeit  sehr  verschiedene 
Meinungen  über  den  Stoff,  aus  Avelchem  diese  Geschirre  ge- 


Das  Hausgerät  he.  329 

fertigt  gewesen,  gegeben.  Viele  haben  die  murra  für  uatür- 
licheu  Stein  erklärt  [z.  B.  für  einen  Dendrachat,  Onyx,  Sar- 
donyx  u.  a.].  So  Christ,  De  murrkinis  veterian.  LijJS.  1743. 
Laxjuixais,  Lettre  a  M.  Miliin.  Paris  1808.  (gegen  Bossi, 
Observ.  snr  le  vase  que  Ton  cünservoit  a  Genes  sous  le  nom 
de  Sacro-Catino  etc.  Tur.  1807.  welcher  meint,  es  sei  Glas 
gewesen:  une  espece  de  verre.)  namentlich  für  chinesischen 
Speckstein:  von  Veltheim,  lieber  die  Yasa  Murrina.  Heimst. 
1791.  [und  in  seinen  vermischten  antiq.  Aufs.  I,  S.  191  ff.] 
Dagegen  hat  neben  manchen  anderen  Einfällen,  die  haupt- 
sächlich auf  Properz  sich  stützende  Meinung  bedeutende  Ver- 
theidiger  gefunden,  dass  es  chinesisches  Porcellan  gewesen  sei. 
Dahin  gehören  ausser  den  älteren  [wie  die  beiden  Scaliger 
und  Salmasiüs]:  Mariette,  Traite  des  jjierres  grav^es  I,  p. 
218.  Böttiger,  Morgenblatt.  1810.  13.  Apr.  [und  kl.  Schriften 
II,  S.  152 — 158.]  (zum  Theil),  vorzüglich  aber  E.OLOFF,  Ueber 
die  ]\Iurrinischen  Gefässe  der  Alten,  im  Museum  der  Alter- 
thumswissensch.  II,  S.  519 — 572.  mit  Buttmanns  Aimierk. 
Und  diese  Ansicht  scheint  in  der  That  die  einzig  annehmbare 
zu  sein,  und  stimmt  mit  der  Gesammtheit  der  Stellen  am  besten 
überein,  wenn  mau  nur  nicht  vergisst,  dass  die  Alten  selbst 
nicht  recht  wissen  mochten,  Avas  für  eine  Masse  es  sei.  Eine 
nicht  unbedeutende  Unterstützung  erhält  sie  überdiess,  wenn 
es  wahr  ist,  was  Gell,  Pompciana.  N.  F.  I,  S.  99.  angiebt: 
dass  das  Porcellan  bis  in  die  Mitte  des  sechszehnten  Jahrhun- 
derts Mirrha  di  Smyrna  geheissen  habe.  [Wichtiger  als  die 
Stellen  des  Prop.  und  Mart.  IV,  86.  XIV,  113.  ist  Plin.  h.  n. 
XXXVII,  2,  8.  Oriens  inurrina  miitit.  Iiivenhoitiir  enim  ihi  in 
jüuribus  locis  ncc  insignihus  Parthici  regni,  praecipue  tarnen  in 
Carmauia.  Ilumorem  j)i<^fci}it  suh  terra  calore  densari.  Amjjlitu- 
cline  nusquam  jyarvos  excech.mt  ahacos,  crassitudine  raro  quanta 
dictum  est  vasi  potorio  etc.  und  XXXIII,  2,  5.  murrina  et  cristal- 
lina  ex  eadem  terra  ej/hdiinus,  qidbus  jyrctiinn  faceret  ipsa  fra- 
gilitas.  Daraus  geht  hervor,  dass  Plinius  nicht  an  ein  künst- 
liches Fabrikat  dachte.  Unter  den  Mineralien  aber  jtasst 
keines  besser  zu    Plinius' Beschreilnuig,  als  der  Flussspatli, 


330  Dritter  Escurs  zur  zweiten  Scene. 

aus  welchem  in  England  ganz  ähnliche  Gefässe  gemacht  wer- 
den. Er  ist  weich,  zerbrechlich,  matt  glänzend  u.  s.  w.,  ganz 
wie  Plin.  angiebt.  Diese  Ansicht  ist  jetzt  die  herrschende  und 
von  Abel-Eemusat,  Koziere,  Corsi,  Creuzer,  v.  Leonhard, 
HüLLMANx  u.  A.  ausgesprochen  worden.  S.  v.  Minutoli  und 
Klaprotpi,  über  antike  Glasmos.  Berlin  1817.  v.  Minutoli, 
über  d.  Anfertigung  und  Xutzanwend.  d.  färb.  Gläser  bei  den 
Alten.  Berlin  1836.  Thiersch,  in  d.  Abh.  der  K.  Bair.  Akad. 
der  Wissensch.  1835.  I,  S.  439—509.  Schulz,  in  Annali  dell' 
inst.  XL  1839.  p.  97  ff.  Walz,  in  Pauly  Kealencykl.  V,  S. 
253 ff.  Krause,  Angeiol.  S.  22 — 31.  Lenz,  Mineralogie  der 
alten  Griech.  u.  Römer.  Gotha  1861,  S.  160.  S.  auch  Sciimie- 
der,  über  die  Murrina.  Brieg  1830.  —  Die  römisch.  Juristen 
erklärten,  dass  die  murrina  (obgleich  von  sehr  hohem  Werthe, 
Plin.  XXXVII,  2,  7.)  nicht  unter  die  Gemmen  zu  zählen 
seien,  wohl  aber  gehören  sie  zu  der  supellex,  s.  oben  S.  282.] 
Es  gab  ächte  und  unächte  Murrina,  letztere  vermuthlich  aus 
einer  ähnlichen  Glasmasse-,  wie  denn  Plin.  XXXVI,  26,  67. 
wo  er  die  verschiedenen  Glasflüsse  aufzählt,  auch  sagt:  Fit  et 
album  et  murrinum  etc.  [Wahrscheinlich  bezieht  sich  auf  diese 
Nachahmung  die  oben  citirte  Stelle  des  Properz.  S.  v.  Minu- 
toli, Thiersch,  Walz  S.  258  ff. 

In  Beziehung  auf  die  verschiedene  Bestimmung  der  Ge- 
fässe unterscheiden  wir  folgende  Hauptarten: 

1)  Vasa  zum  Aufbewahren  von  Flüssigkeiten  in 
Kellern,  Kammern,  Tabernen,  theilweise  auch  zum  Transpor- 
tiren sind  a)  grössere:  doli,  cadi,  amphorae,  lagenae,  welche, 
da  sie  vorzugsweise  Wein  enthielten,  in  dem  vierten  Excurs 
z.  neunten  Scene  näher  besprochen  werden  sollen,  b)  kleinere 
Gefasse  zur  Aufbewahrung,  jedoch  gewöhnlich  nur  auf  kurze 
Zeit,  indem  der  Inhalt  bald  benutzt  wurde.  Hierher  gehört 
die  ampulla  (ßofißvlo^- ,  X/j-AvOog,  hjXvüiov)  von  kurzer  gedrun- 
gener Gestalt,  ganz  ähnlich  unsern  kurzen  Flaschen,  welche 
einen  engen  Hals  haben  (etwa  wie  Bulle).  Plin.  ep.  IV,  30. 
Quod  m  amiJulUs  ceterisque  generis  eiusdem  videmus  accidere, 
quibus  710)1  /lians,  nee  statim  patens  exitus.     War  sie  zum  An- 


Das  Haus  gerät lie.  331 

hängen  bestimmt,  so  Latte  sie  einen  Henkel.  Voss  zu  Mal. 
II,  6.  Darin  bewahrte  man  Oel  (zum  Baden),  Appul.  Flor.  II, 
9.  p.  346  Elm.  fahricatum  sibimet  ampidlam  quoque  oleariain 
quam  gestabat  leiiticidari  forma  (linsenförmig) ,  tereti  ambitu, 
pressula  rotunditate.  Mart.  ITT,  82,  26.  Cic.  de  Fin.  IV,  12., 
Essig  (Plix.  h.  n.  XX,  14,  54.  amjndla  vitrea  aceti)  und  Wein. 
Ja  man  trank  sogar  aus  der  Flasche,  Mart.  VI,  35. 
At  tu  multa  diu  dicis,  vitreisque  tepentem 
AmpuUis  prjtas  semisuphnis  aquam. 
SuET.  Dom.  21.  Namentlich  geschah  dieses  auf  der  Keise, 
Plaut.  Merc.  V,  2,  86.  vgl.  Pers.  I,  3,  43.  Zu  diesem  Behufe 
hatte  man  auch  Lederflascheu,  scorteae  artipidlae,  Fest.  v.  ru- 
bidus  p.  262  M.  Col.  VIII,  2.  ampidlaceo  corio.  In  den  Museen 
sieht  man  gläserne  Feldflaschen,  die  den  unsrigen  ganz  gleich 
sind  und  von  den  Soldaten  gebraucht  wurden  z.  B.  in  Wies- 
baden. Abbildungen  verschiedenartiger  gläserner  u.  thönerner 
ampullae  (denn  der  Hals  war  bald  kürzer,  bald  etwas  länger 
und  die  Grösse  sehr  mannigfaltig)  giebt  Avellino,  descr.  di 
una  casa,  Tab.  X.  und  dazu  p.  70  fg.  8.  Ussing  S.  73  f. 
Schöne  Originale  besitzen  die  Museen  von  Mainz,  Dax-mstadt, 
Wiesbaden  u.  s.  w. 

Einen  beschränkteren  Gebrauch  hatte  cdabastrum,  welches 
nur  Salben  und  Oel  in  sich  aufnahm  (vas  unguentarium  DiG. 
XXXIV,  2,  2611.  §  10).  Dieses  Gefäss  war  cylinderförmig, 
nach  oben  aber  abnehmend  und  stets  ohne  Henkel,  Plix.  h.  n. 
IX,  35,  56.  elenchos  appellant  fastigata  longitudine,  alabastro- 
rum  figura  in  pleniorem  orbem  desineiites.  und  XXI,  4,  10. 
wendet  er  diese  Aehnlichkeit  bei  Beschreibung  der  geschlos- 
senen Kosenkelche  an,  quo  (cortice)  mox  inlumescente  et  in  vi- 
rides  alabastros  fastigato,  daher  graciles  alabastri  gen.  Orelli 
4832.  Es  bestand  aus  Onj-x  (darum  auch  schlechtweg  onyx 
genannt,  s.  oben  S.  324.),  Alabaster  und  anderen  Steinarten, 
auch  aus  Glas.  Nach  der  Ansicht  Mehrerer  ist  der  Name  von 
«  und  ?.«,5;/  abzuleiten,  wegen  des  mangelnden  Henkels  (so 
Creuzer,  deutsche  Schriften  2.  Abtli.  III,  S.  28  ff',  u.  Ahekex, 
Mittelitalien  S.  269.    nach  Val(  ki;x.    SlIioI.   zu   Luc.   ev.  p. 


332  Dritter  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

162  fg.);  Andere  glauLen,  dass  das  Getass  von  dem  Material, 
aus  dem  es  gewöhulicli  v^erfertigt  worden  sei ,  den  Namen  er- 
halten habe,  so  Ussing  S.  70  fg.  Umgekehrt  0.  Mijller, 
Arch.  V.  Welcker  S.  410.,  dass  der  Stein  erst  von  dem  Gefässe 
den  Namen  empfangen  habe.  Die  Bestimmung  dieser  Gefässe 
erhellt  aus  Cic.  b.  Non.  XV,  17.  quibus  etiam  alabastcr  plenus 
ungucnti  putere  videatur.  Mart.  XI,  8.  Quod  Cosmi  redolent 
alabastra.  Plin.  h.  n.  XIII,  2,  3.  Unguenta  opthne  servantur 
in  alabastris,  und  XXXVI,  5,  12.  hunc  aliqui  lapidem  cdabas- 
tritem  vocant,  quem  cavant  ad  vasa  uugiieiitaria,  quoniam  optime 
servare  incorruj)ta  dicitur.  Mau  pflegte  die  alabastra  in  Riemen 
zu  tragen  und  hatte  besondere  Gestelle  für  sie  {dXa^aoroih'^xij), 
s.  Creuzer  a.  a.  0.  und  Gerhard,  Berlins  antike  Bildwerke 
S.  367.  mit  N.  42.  43.  Krause,  Angeiol.  S.  11  f  —  Zu  Salben 
brauchte  man  die  muschelähnliche  conc/ta,  Hör.  od.  II,  7,  23. 
funde  capacibus  unguenta  de  conchis.  und  um  Oel  zu  schöpfen, 
Cato  r.  r.  66.  13.,  auch  für  Mehl  Cato  r.  r.  156.  —  Ueber  die 
fälschlich  sogenannten  Lacrimatorien,  s.  den  Excurs  zur 
zwölften  Scene. 

2)  Vasa  zum  Schöpfen,  Ausgiessen  und  Austheileu. 
Ueber  dieWassergefässe  urna^  urceus,  nanus,  situlus,  nia- 
tella  und  matellio  s.  oben  S.  315  fgg.;  zum  Wein  gehörten: 
gtittus,  shnpidum,  epicliysis,  cgathus.  Varro  L.  L.  V,  124.  Qui 
vinum  dabant  iit  minutatun  funderent ,  a  guttis  guttum  appella- 
runt.  qid  sumebant  minutatim,  o  sumendo  simpulwn  nominarunt. 
In  huiusce  locum  in  conviviis  e  Graecia  successit  epichysis  et  cya- 
thus ;  in  sacrißciis  remansit  guttus  et  simpidum.  Wahrscheinlich 
Avaren  giUtus  und  die  griechische  epichysis  (Plaut.  Kud.  V,  2, 
32.)  kleine  Kannen  mit  engem  Halse  (Hör.  Sat.  1,6,118.  cum 
patera  guttus  d.  h.  Kanne  mit  darunter  befindlicher  Schaale. 
S.  Heindorf  zu  d.  St.  guttus  faginus  bei  Plin.  h.  n.  XVI,  73. 
guttus  corneus  bei  Mart.  XIV,  52.),  simpidum  und  cyathus 
aber  eine  besondere  Art  von  Weinschöpfern,  s.  d.  dritten  Exe. 
z.  neunten  Scene.  Dass  gutti  nicht  ebenfalls  Schöpfkellen  ähn- 
lich waren,  ergiebt  sich  daraus,  dass  sie  auch  zum  Ausschütten 
der  Salben  und  Gele  dienten.    S.  in  der  Anekdote  bei  Gell. 


Das  Hausgeräthe.  333 

XVII,  8.  guttum  Samium  ore  tenus  imprudeiis  inanem,  tanquam 
si  inesset  oleum  affert.  So  wird  guttus  in  den  Bädern  genannt 
luv.  m,  263.  XI,  158.  ScHOL.  zu  111,263.  p.  llOCram.  Gut- 
turnium  ist  gleichfalls  eine  Kanne  mit  engem  Halse  Paul.  p. 
98  M.  gutt.  vas^  ex  quo  aqua  in  manus  daiur  ab  eo,  quod  propter 
oris  angustias  guttatiiii  fluat.  Dasselbe  heisst  Paul.  p.  51.  cutur- 
nium,  welches  aber  auf  die  Ojjfer  bezogen  wird.  Bei  Opfern 
wurde  auch  das  slmpuvium  gebraucht,  welches  Varro  bei  Xon. 
XV,  12  modus  matidae  nennt.  Es  war  von  Holz  oder  Thon, 
s.  Moser  zu  Cic.  de  rep.  VI,  2.  p.  459  fg.  Eine  ähnliche  Kanne 
zum  Ausgiessen  des  Wassers  über  das  Waschbecken  hiess  ma- 
nalis.  Varro  bei  Xon.  XV,  32.  urceolwn  aquae  manalem  voca- 
mus,  quod  eo  aqua  in  trulleum  effundatur.  —  Die  uns  in  grosser 
Zahl  erhaltenen  Kannen  ^As, .  guttus  ^  matelUo,  situlus  etc.  zu 
unterscheiden,  ist  unmöglich.  Das  allen  Gemeinsame  ist  Hen- 
kel und  Mündung,  aber  beides  zeigt  eine  uiabeschreibliche  Ab- 
wechslung. Bald  erheljt  sich  der  Henkel  hoch  über  das  Gefäss 
in  weitem  Schwung,  bald  schliesst  er  sich  knapp  und  dürftig 
an,  bald  ist  der  enge  Hals  huch,  bald  kurz  (der  Ampulla  ähn- 
lich), bald  ist  der  Schnabel  weit  vorwärts  gebogen  und  über- 
hängend, bald  kaum  hervortretend  u.  s.  w.  Wahrhaft  wunder- 
voll sind  die  niedrigen  Kannen  im  Mus.  Borb.II,  47.  XII,  59. 
Xni,  43.,  einfachere  dagegen  IV,  43.  V,  15.  VI,  29.  X,  32., 
jedoch  mit  sehr  schönen  Henkeln.  Hoch  sind  die  Kannen  M. 
B.  XII,  55.  XIU,  46.  Einfache  urcei  finden  sich  M.  B.  VH, 
13.  VIII,  15.  XIII,  27.  43.  der  Henkel  aber  herrlich.  Ein 
Glas  über  die  Kanne  gestülpt  sielit  man  M.  B.  VIII,  26.  ähn- 
lich im  Darmstädter  Museum. 

3)  Trinkgeschirre,  nämlich  Becher  und  Mischkrüge, 
s.  den  dritten  Excurs  zur  neunten  Scene. 

4)  Kochgefässe,  s.  oben  S.  311  ff. 

5)  Tafelgeschirre,  nämlich  Schüssel,  Schalen  u.  s.  w. 
s.  den  dritten  Excurs  zur  neunten  Scene. 

6)  Waschgefässe.  Eins  der  grössten  hiess  nassitema. 
Fest.  p.  169.  est  genus  vasis  aquarii  ansati  et  patentis ,  quäle 
est  quo  equi  perfundi  solent.  wo  mehrere  Fragmente  des  Plaut. 


334  Dritter  E  x  c  u  r  s  zur  zweiten  S  c  e  n  e. 

und  Cato  citirt  werden.  Varro  K.  E.  I,  22.  ex  aere.  Plaut. 
Stich,  n,  2,  27.  Gross  war  auch  lahrum^  welches  jedoch  jede 
grosse  Wanne  im  weitern  Sinne  bedeutete  fvon  Marmor,  Thon, 
Metall,  CoL.  XII,  15,  50.),  Avie  für  Wein,  Oel  u.  s.  w.  Cat. 
R.  R.  13.  Als  Badewanne  aber  steht  labrum  Plix.  ep.  V,  6. 
OviD.  Fast.  IV,  76.  Cic.  ad  Fam.  XIV,  20.  ebenso  wie  so- 
lium,  s.  den  Excurs  zur  siebenten  Scene.  Pelvis  war  nach  Xon. 
XV,  4.  Sinus  aquarius,  in  quo  varla  perluuntur  ^  also  wahr- 
scheinlich ein  grosser  Spülkunip  oder  Waschbecken.  luv.  HI, 
277.  jyatulas  erwidere  pelves.  Auch  diente  jjelvis  zu  Fuss- 
bädern,  Varro  L.  L.  V,  119.  Ussing  p.  118  ff.  Praefericuluia 
nennt  Fest,  und  Paul.  p.  248  fg.  eine  pelvis  zu  religiösem 
Gebrauch.  Aehnlich  war  aquiminariwn ,  welches  sogar  mit 
zum  Speisegeschirre  gerechnet  wurde,  nämlich  als  Spülkump, 
s.  Pomp.  Dig.  XXXW,  2,  21.  §  2.  wo  ein  silbernes  genannt 
wird.  Ulp.  ebendaselbst  19.  §  12.  propter  escam  paratur^  oder 
sollte  es  des  Händewaschens  wegen  zum  Tafelgeschirre  ge- 
zählt worden  sein?  Paull.  Dig.  XXXIII,  10,  3  pr.  und  §  3 
nennt  die  silbernen  aquiminalia  neben  den  pelves.  Ferner 
waren  poluhrum  und  tndleura  Waschbecken.  Beide  Worte 
werden  als  identisch  bezeichnet  von  Xon.  XV,  11.  Paul.  Di ac. 
aber  p.  247.  hält  polubrum  für  so  viel  als  pelvis.  Der  Unter- 
schied war  jedenfalls  gering,  nur  dass  pelvis  etwas  grösser 
war.  S.  Müller  zu  Fest.  p.  396  fg.  Xon.  XV,  32.  trulleum, 
quo  manus  perluuntur.  Varro  L.  L.  V,  118.  s.  oben  S.  314. 
Auch  malluvium  wird  ebenfalls  als  Waschbecken  für  die  Hände 
erklärt,  Paul,  und  Fest.  p.  160.  161  M.  Endlich  rechnet 
Serv.  zu  Verg.  Aen.  LH,  466.  und  V,  266.  lebes  zu  derselben 
Gattung.  Abbildungen  von  solchen  Becken  s.  Avellino,  descr. 
di  una  casa,  t.  IX,  n.  9.  und  p.  68  fg.  Antich.  di  Ercol.  IIL 
t.  36.  (ein  praefericulum)  und  Mus.  Borb.  X,  35.  an  welchen 
beiden  letzten  sich  ein  kleiner  gekrümmter  Griff  befindet.  S. 
im  Allgem.  Ussing  p.  114  ff". 

7)  Pruukge  fasse,  wie  sie  in  den  Zeiten  der  Kaiser  die 
Säulenhallen,  Säle  und  Bäder  schmückten,  ohne  einem  prak- 
tischen   Zweck    zu    dienen.     Dahin   gehören   namentlich    die 


Das  Haiis gerät li  e.  335 

grossen  Marmor  -  und  Alabastervasen,  welche  jetzt  die  Zierden 
mehrerer  Museen  sind,  Krause,  Angeiol.  S.  439  f.  Auch  die 
kostbaren  Gefässe  von  edlen  Metallen  und  Edelsteinen  hatten 
sehr  häufig  keine  andere  Bestimmung,  als  die  luxuriösen  Bau- 
M-erke  auch  entsprechend  auszustatten,  s.  Thl.  I,  S.  23  f. 
Die  Opfer-  und  Libationsgefässe  bleiben  von  unseren  Unter- 
suchungenausgeschlossen, wie  capedo  und  ca25eduncula.  Schale, 
cuturnium,  simpuvium  und  praefericulum,  s.  oben. 

Werkzeuge  zum  Reinigen. 
Die  Werkzeuge,  deren  man  sich  bediente  um  den  Fuss- 
boden,  die  Wände,  Decken  und  Mobilien  zu  reinigen,  waren 
scopae,  Besen  von  Keisern  der  wilden  Myrte,  oocymyrsine^ 
ruscus  aculeata  Lixx. ,  oder  der  Tamariske,  tamarix  Gal- 
Ika.  Plin.  XXin,  9,  83.  XYI,  26,  45.  [Mart.  XW,  82.  s. 
Thl.  I,  .S.  190.  Cato  K.  K.  152.  scopae  virgeae  Plut.  bei  Ath. 
XV,  p.  ü65  b.  Philyll.  das.  IX.  p.  408  e.]  und  Schwämme, 
spongiae.  [Mart.  XIV,  144. 

Haec  tibi  sorte  datur  tergejidis  spongia  metisis 
Utilis,  expresso  cum  levis  imbre  turnet.^ 
Unter  ihnen  wurden  zwar  auch  die  punischen  oder  afrikani- 
schen und  die  rhodischen  geschätzt,  aber  die  weichsten  kamen 
von  der  lykischen  Stadt  Antiphellos.  Plin.  h.  n.  IX,  45,  69. 
XXXI,  11  extr.  Sie  wurden  an  einem  bald  längeren,  bald 
kürzeren  Stabe   befestigt  und   hiessen   dann  penicidi.     Dass 
unter  letzteren  Schwämme,   nicht  aber  Bürsten  oder  Borst- 
M'ische  zu  verstehen  sind,  erhellt  unzweideutig  aus  Stellen, 
wie  Ter.  Eun.  IV,  7,  7. 
Thr.   Quid,  ignave?  peniculon  pugnare ,  qid  istum  huc  portes, 

cogitas  ? 
Sa.  Kgori?  Imperatoris  virtutem  noveram  et  vim  militum: 

Sine  sanguine  hoc  non  posse  fieri ;  qui  abstergereni  vubiera? 
[Pal'L.  Diac.  p.  208.  pejiiculi  spongiae  longae  propter  similitu- 
dinetn  caudarum  oppellatae.]  Das  ist  die  infelix  damnatae 
spongia  virgae,  Mart.  X.\1,  48.,  dasselbe  wohl  auch  die  arundo 
Plaut.  Stich.  II,  2,  23.  Auch  zur  Reinigung  des  Schuhwerks 
wurden  sie  gebraucht.   Plaut.  MenaechuL  II,  3,  40.  Quis  istest 


33ß      Dritter  Excurs  zur  zweiten  Scene.   Das  Hausgeräthe. 

penicidusf  Qui  extergentur  haxeae?  vgl.  II,  2,  12.  [Fest.  v. 
penem  p.  230  M.  penicuU,  quibus  calciamenta  tergentur,  quod 
e  codis  extremis  faciehant  ajitiqui,  qui  tergerent  ca.]  Ob  man 
indessen  nicht  auch  ähnliche  Werkzeuge  von  Borsten  hatte, 
kann  zweifelhaft  scheinen.  Wenigstens  Hesse  sich  diess  aus  der 
Bedeutung  des  zweiten  Deminutivs ,  penicillus  schliessen,  und 
wenn  man  Maurerpinsel  fertigte,  Plin.  XXVIII,  17,  71.  warum 
sollte  man  nicht  auch  Borstwische  gemacht  haben?  Freilich 
wurden  auch  penicilli  aus  Schwämmen  gefertigt.  Plin.  IX,  45, 
66.  [Ferner  hatte  man  zum  Abfegen  der  Spinneweben  lange 
Eulen  und  besondere  Leitern  zum  Reinigen  der  Decken.  Ulp. 
Dig.  XXXIII,  7, 12.  §  22.  Item  perticae,  quibus  araneae  deter- 
gantur^  item  spongiae^  quibus  columnae,  pavimenta^  podia  exter- 
gantur,  scalae,  quae  ad  lacunaria  admoveantur^  instrurnenti  sunt, 
quid  mundiorem  domum  reddunt.  Die  Besen  sind  bereits  Thl. 
I,  S.  190.  erwähnt.] 

Die  Stellen,  aus  welchen  die  Schilderung  der  Geschäftig- 
keit der  Sklaven  im  Säubern  des  Hauses  (Thl.  I,  S.  20  f.)  ent- 
lehnt ist,  finden  sich:    Plaut.  Asin.  II,  4,  18. 

lussin,  sceleste,  ab  ianua  hoc  stercus  hinc  auferrif 
lussin  columnis  deicier  operas  araneorum  ? 
lussine  in  splendorem  dari  has  bullas  foribus  nostris? 
Ders.  Stich.  II,  2,  23. 

Munditias  volo  fieri:  ecferte  huc  scopas  simulque  harundinem, 
Ut  operaiii  omnem  araneorum  perdam  et  texturam  i?iprobam. 
Deiciamque  eorum  omnis  telas. 
[Ders.  Pseud.  I,  2,  28  ff. 

Tibi  lioc  p)raecipio,    id    niteant  aedes.     Habes  quod  facias: 

propera,  abi  intro. 
Tu  esto  lectisterniator,  tu  argentum  eluito,  itidem  exstruito. 
Haec,  quam  ego  a  foro  revortar,  facite  ut  offendam  parata, 
Vorsa  sparsa  tersa  struta  lauta  structaque  omnia  ut  sint.] 
und  vorzüglich  Iuvex.  XIV,  60  ff. 

Verre  pavimentum:  nitidas  ostende  columnas: 

Arida  cum  tota  descendat  aranea  tela : 

Hie  leve  argentum,  rasa  aspera  tergeat  alter. 


VIERTER  EXCURS  ZUR  ZWEITEN  SCENE. 


DIE    BELELX'HTUNG. 

Zu  den  ünvollkommenheiten  der  häuslichen  Einrichtung, 
bei  denen  unsere  Zeit  sich  sehr  übel  befinden  würde,  gehörte 
der  durchgängige  Gebrauch  der  Oellampen ,  die  eben  sowohl 
dem  prächtigsten  Palaste  als  dem  bescheidenen  Zimmer  des 
weniger  Bemittelten  zur  Erleuchtung  dienten.  Hätte  man  im 
Alterthume  sich  bereits  durch  Glascylinder ,  in  denen  der 
Qualm,  fuligo,  verzehrt  wird,  gegen  die  unvermeidliche  Un- 
sauberkeit  zu  schützen  gewusst,  so  dürfte  man  sich  weniger 
darüber  wundern,  dass  das  Oel  neben  Talg  und  Wachs  und 
selbst  vorzugsweise  sich  als  allgemeines  Erleuchtungsmittel 
behauptete;  allein  A'on  solcher  Erfindung  war  man  sehr  fern, 
und  alle  Eleganz  der  kunstreichsten  Lampen  aus  Bronze  oder 
edlem  Metalle  konnte  nicht  hindern,  dass  der  Schmuck  der 
Decken  vom  Rauche  geschwärzt  und  der  Athem  durch  den 
Dampf  belästigt  wurde.  Allerdings  war  es  das  Material,  worauf 
die  Natur  des  Landes  die  Bewohner  selbst  angewiesen  zu 
haben  schien;  allein  die  Wohlfeilheit  würde  für  den  ver- 
schwenderischen Sinn  der  Reichen  kein  hinreichender  Grund 
gewesen  sein,  die  Unbequemlichkeit  zu  tragen,  und  man  niuss 
daher  eher  annelimen,  dass  man  in  der  Fertigung  der  Talg- 
und  Wachslichter  noch  nicht  erfahren  genug  gewesen  sei,  um 
durch  sie  eine  genügende  Beleuchtung  zu  erlangen,  und  so 
finden  wir,  anders  als  bei  uns,  dass  die  candela  dem  Aermeren 
diente  und  hingegen  die  liicerna,  die  dampfende  Oellampe,  in 
Palaste  des  Reichen  brannte. 

Bp.ckf.r.  Gallus.  3.  Aufl.  11.  22 


338  Vierter  Excurs  zur  zweiteu  Scene. 

Den  ganzen  BeleuchtungsapjDarat  nennt  Appul.  Met.  IV, 
p.  281  Oud.  [151  Elm.].  Taedis,  lucernis^  cereis,sehaceis  et  cae- 
teris  noctumi  luminis  instrinncntis  darcscunt  tenebrae.  Darunter 
gehören  die  taedae,  eigentlich  Kienspäne,  nicht  zur  gewöhn- 
lichen Hausbeleuchtung  und  es  bleiben  nur  lucer nae  und 
canddae^  Avelche  letztere  theils  cereae,  theils  sehaceae  sind. 
[Schulz,  in  bullet.  delT  instit.  di  corr.  archeol.  1841,  p.  115.] 
Sie  waren  nach  mehr  als  einem  Zeugnisse  in  der  alten  Zeit 
allein  üblich  fbei  den  Griechen  werden  sie  nie  erAvähnt,  siehe 
Charikles  I,  S.  279  fg.j  ixnd  die  Lampe  war  eine  spätere  Er- 
findung. So  giebt  Varro  an  L.  L.  V,  119.  Candelabrum  a 
candela;  ex  his  enhn  funicidi  ardentes  figehaidur.  Lucerna  post 
inventa,  quae  dicta  a  luce,  aut  quod  id  vocant  Graeci  ).vyvov. 
Eben  so  sagt  er  auch  von  der  alten  Zeit  in  einem  Fragmente 
de  vita  pop.  Kom.  bei  Serv.  zu  Verg.  Aen.  I,  727.  facihus 
mit  candela  simplici,  aut  ex  funiculo  facta  cera  vestita;  quibus 
ea  ßgebant^  appellabant  funalia.  [So  wird  bei  C.  Duilius  fii- 
nalis  cereus  genannt,  Val.  Max.  III,  6,  4.  vgl.  Cic.  de  sen.  13.] 
Damit  stimmt  überein  Mart.  XIV,  43.  Candelabruvi  Co- 
rlnthium. 

Noviina  candelae  nobis  antiqua  dederunt: 
Non  norat  parcos  uncta  lucema  patrea. 
und  auch  Athenaeus  sagt  XV,  700.  iw  naXaiov  6'  tvni^^iu 
Ivp-og.  qjXoyi  ö'  oi  nalatoi  rtji;  m  8a8o^'  y.ai  täv  äXXcov  tvkcov 
ffQMVTO.  Man  nahm  zur  candela  statt  des  Dochtes  das  Mark 
einer  Binsenart,  der  einheimischen  papyrus,  scirpus.  Plin. 
XVI,  37,  70.  scirpi  fragiles  palustresque  —  e  quibus  detracto 
cortice  candelae  luminibus  et  funeribus  serviuid.  Anthol.  Pal. 
VI,  249. 

Aafinada  'Aijooyi'raira,  Kqotov  zv<f,tjQea  Ivpoi, 
oxoiro)  y.ui  Xenri]  acftyyvfit'njv  naniujc). 
Vielleicht  ist  auch  unter  den  von  Vakro  genannten  fwdcuUs 
nichts  anderes  zu  verstehen.  Vgl.  Salm.  Exercitt.  ad  Sol.  p. 
705.  —  Diese  Binsen  wurden  mit  Talg  oder  Wachs  über- 
zogen, indessen  waren  Talglichter,  sebaceae,  bei  Amm.  Marc. 
XVIII,  6.  fax  sebalis^  wohl  nur  für  den  gemeinsten  Gebrauch. 


Die  Beleuchtung.  331* 

Dass  es  aber  aucli  in  früherer  Zeit  neben  den  cereis  noch 
andere  candelae  gab,  folgt  schon  aus  den  oben  angeführten 
Worten  Varro's  und  Martial  hat  unter  den  Apophoreten 
zwei  verschiedene  Epigramme  mit  den  Ueberschriften  Ccm- 
dela  imd  Cereus:  40. 

Ancillam  tibi  sors  dedit  lucernae, 
Tutas  quae  v'ujil  exigit  tenebras. 
und  42. 

Hie  tibi  noctumos  praestabit  cereus  ignes. 
Subducta  est  puero  namque  lucerna  tuo. 
In  beiden  scheint  übrigens  der  Sinn  zu  liegen,  dass  die  can- 
dela  wie  der  cereus  für  geringer  galten,  als  die  lucerna.  Deut- 
licher   erhellt   dies  aus   Iuvex.  III,  287.,    wo   Umbricius   im 
Gegensatze  zu  der  aeiiea  lampas  des  Reichen  von  sich  sagt: 
—  quellt  hma  sole.t  deducere  vel  breve  lumen 
Candelae,  cuius  dispenso  et  temper o  filum. 
und  aus  Plinius  XXXIV,  3,  6.,  wo  er  von  den  unmässigeu 
Preisen  der  Candelaber  spricht,  die  doch  ihren  Namen  von 
einer  so  gemeinen  Sache  hätten:   Nee  pudet  tribunorum  milita- 
rium  salariis  emere,  cum  ipsum  nomen  a  candelarurn  linniiie  iin- 
positian  appareat.   Indessen  finden  sich  die  Wachskerzen  auch 
neben  den  Lampen,  wo  Pracht  und  Aufwand  geschildert  wer- 
den und  Verw.  Aen.  I,  727.  sagt  vom  Palaste  der  Dido: 
--  depende7it  lyclmi  hiquearibus  aureis 
Incensi  et  i^octeia  ßanimis  funalia  vincunt. 
Es  ergiebt  sich  hieraus  nicht  hinreichend,  dass  es  keines- 
weges  gegründet  ist,  wenn   Böttiger,  Amalthea  III,  S.  168. 
sagt:     „Das    klassische    Alterthum   kennt   nur    Fackeln    und 
Lampen.     Der  Beleuchtungsluxus   der  Neuern   von  dem  Ge- 
brauch der  Wachslichter  an  bis  herab  zur  neuesten  Oelgasbe- 
leuchtung  war  schon  bei  der  ganzen  Bau-  und  Lebensweise 
der  Alten   unmöglich."      Die  cerei.,  deren  Gebrauch  bei   den 
nächtlichen  Comissationen  auch    bei  Skxeca,  epist.    J22.  er- 
wähnt wird,   und  ülterhaupt  die  candelae  waren  denn  doch  in 
keinem  Falle  Fackeln  und  die  Candelaber  waren  ursprünglich 
zum  Aufstecken  dcrsclljon  eingericlitct.    Schon  der  Name  selbst 

22* 


340  Vierter  Ex  cur  s  zur  zweiten  Scene. 

zeigt,  dass  der  Candelaber  eigentlich  nicht  Träger  einer  Lampe, 
sondern  einer  Kerze  war.  Serv.  zu  Verg.  a.  a.  O.  Nonnulli 
apud  iietcres  candelahra  dicta  trodunt,  quae  in  capitibus  uncinos 
haberent,  quibus  affigi  solebat  vel  candelo,  vel  funes  pice  delibuti, 
quae  interdum  e.rant  minora ,  id  gestari  manu  et  praefcrri  magi- 
stratibus  a  cena  possent.  [Aehnlich  Paul.  Diac.  p.  46  M.  h.  v. 
und  V.  cicindela  p.  42.  und  Isidor.  XX,  10.]  Doxat.  zu  Ter. 
Andr.  I,  1,  88.  (funusj  quod  a  funalibus  dictum  est,  i.  e.  uncis 
vel  cujieis  caiiddabrot^m ,  quibus  delibuti  funes  pice  vel  cera  in- 
figuntur.  So  lieset  Salm.  Exercitt.  ad  Sol.  p.  266.  [Die  Can- 
delaber für  Lichter  hiessen  auch  funalia  im  weiteren  Sinne 
(im  engeren  Sinne  nur  Leuchter).  Isidor.  XX,  10.  funalia 
candelahra  apud  veteres  exstantes  stimulos  habuerunt  aduncos, 
quibus  funicuU  cera  vel  ladusmodi  alimento  lumiids  obliti  fige- 
bantur.  Idem  itaque  et  stimuli  praeacuti  funalia  dicebantur. 
Bei  OviD.  Met.  XII,  246  fg. 

—  et  primus  ab  aede 
Lampadibus  densum  rapuit  funale  coruscis. 
scheint  funale  sogar  als  Lampenträger  gebraucht  zu  sein.] 
Die  von  Servius  erwähnten  Handcandelaber  zum  Vorleuchten 
waren  vermuthlich  von  derselben  Art,  wie  die  Lychnuchen 
bei  den  Lampadedromien ,  wo  durch  einen  Teller,  über  dem 
die  Kerze  stand,  der  doppelte  Zweck  erreicht  wurde,  die  Hand 
vor  dem  Herabträufeln  des  heissen  Wachses  und  die  Flamme 
vor  dem  Luftzuge  zu  schützen.  Siehe  z.  B.  die  Glaspaste  bei 
Bröndstedt,  Keisen  und  Unters,  in  Griechenl.  II.  Vign.  36. 
und  die  Erkl.  S.  290.  Vgl.  MtJLLER,  Panathenaica.  p.  59. 
Auch  auf  einer  Münze  von  Araphipolis,  Mionnet  descr.  suppl. 
Tom.  III.  pl.  8,  n.  1.  wo  für  die  Hand  ein  lauger  Henkel  da  ist. 
Lampen,  lucernae,  sind  noch  in  grosser  Menge  vorhanden 
und  von  den  verschiedensten  Formen,  doch  stets  ganz  niedrig 
und  gewöhnlich  ohne  Fuss.  Sie  gehören  nebst  den  Cande- 
laberu  durch  die  Zierlichkeit  der  Form  und  die  Embleme,  die 
sie  schmücken,  zu  den  interessantesten  Anticaglieii  uud  haben 
daher  wohl  die  Berücksichtigung  verdient,  die  ihnen  in  Museen 
und  besonderen  Werken  zu  Theil  worden  ist.  Die  bedeutendste 


DieBeleuchtung.  34 1 

sie  betreffende  Literatur  ist:  [Liceti  de  lue.  autiq.  recouditis. 
Udin.  1632.]  Bertoli,  Lucernae  sepulcrales.  [cum  observat. 
Bellorii  Rom.  1691.  1729.  und  in  Gronov.  the.s.  XII.  Begeri 
vet.  lue.  sepulcr.  Berol.  1702.  Lugd.  Bat.  1728.  (Bearbeitung- 
des  Werkes  von  Bertolus  und  Belloriusj].  Passeri,  Lucernae 
fictiles.  3  Bände.  Pisaur.  1739.  Axtichita  d'Ercolano.  tom. 
VIII.  [PiRANESi,  antif[.  dHerc.  Tom.  VI.  Paris  1806.]  Museo 
Borbon.  n,  13.  IV,  14.  58.  VI,  30.  47.  VII,  15.  32.  Vm,  31. 
[XIIT,  56.]  MiLLiN,  Monum.  ined.  11.  p.  160  ff.  Böttiger,  die 
Silenuslampen.  Amaltli.  III,  S.  168  ff.  [Kleine  Schriften  III, 
S.  307  —  321.  die  Neujalirslampe ;  Avie  man  sie  auch  zu  Ge- 
schenken brauchte,  s.  Avell.  bull.  Xap.  X.  35.  eine  Lampe 
mit  der  Inschrift:  anniiv}  noimiii  faustmn  feliceni  mihi,  oder: 
amiü  novo  faustum  felix  tibi,  in  Jahrbuch,  d.  Vereins  v.  Alter- 
thumsf.  im  Kheinland.  Bonn  1855,  XXH,  S.  36  ff.  —  Andere 
Lampen  mit  Inschriften  s.  Mommsex,  corp.  inscr.  Xeap.  6305, 
X.  11.  13.  6308.  X.  1—38.  —  O.  Mueller,  Arch.  v.  Welcker, 
S.  417  fg.  Avellixo,  Bullet.  Xap.  X.  35.  Kexxer,  die  ant. 
Thonlampen  des  K.  K.  Cabinets  und  der  Ambrasersammlung. 
Wien  1858.  Overbeck,  Pompeji.  S.  299  ff.  Pauly,  Eealenc. 
IV,  S.  1161  ff.] 

Wenn,  wie  oft  geschieht,  lucernae  cubiculares ,  balneares, 
tricliniares ,  sepulcrales  unterschieden  werden,  so  kann  diese 
Distinktion  bloss  dem  verschiedenen  Gebrauche  gelten  und 
höchstens  kann  man  annehmen,  dass  die  tricUniares  eleganter 
waren  als  die  bahieares  und  mehr  Dochte  hatten  als  die  cubi- 
culares.  Letztere  .verden  zwar  überhaupt  zur  Erleuchtung  der 
Wohnzimmer  gedient  haben  •,  sie  waren  aber  auch  die  eigent- 
lichen Xachtlaiiipeu,  deren  Gebrauch  zwar  nicht  allgemein, 
aber  doch  wenigstens  nicht  ungewöhnlich  war.  Mart.X,  38,  7. 

0  quae  proelia,  qiias  utrinque  pugnas 

Felix  lectulus  et  lucerna  vidit. 
und  XIV,  39.  Lucerna  cubicularis. 

Dulcis  conscia  lectuli  lucerna, 

Claidquid  vis  facias  licet,  tacebo. 
Vgl.  XI,  101,  5.  —  Die  sepulcrales  haben  ihren  Xamen  nur, 


342  Vierter  Exeurs  zur  zweiten  Sceiie. 

weil  sie  häufig  in  Gräbern  gefunden  worden  sind;  sie  waren 
aber,  wie  Böttiger  bemerkt,  keineswegs  für  diesen  Zweck 
gearbeitet,  sondern  wurden  den  Verstorbenen  nur  als  gewöhn- 
liche Lampen  mitgegeben.  [Diese  Bemerkung  ist  jedoch  etwas 
zu  beschränken ;  denn  wenn  auch  in  den  Gräbern  Lampen  auf- 
gestellt wurden,  welche  ebensogut  dem  gewöhnlichen  Gebrauch 
dienen  konnten,  so  gab  es  doch  besondere  Lampen,  deren  Ver- 
ziei'ungen  und  Inschriften  auf  eine  ausschliessliche  Anwendung 
in  den  Gräbern  hindeuten.  In  welchem  Haushalte  hätte  man 
wohl  Lampen  gebraucht  mit  den  Inschriften :  sit  tibi  terra  levis 
anima  dulcis.  und  Diis  Manibus.  Passer.  III,  49.  46.  oder  mit 
Emblemen,  die  nur  dem  Tod  gehören,  Avie  z.  B.  die  Lampe 
bei  Passer.  III,  51.  und  Bellor.  II,  16.  ein  Eepositorium  mit 
lauter  Gefössen  enthält,  welche  bei  Leichenbegängnissen  ge- 
braucht wurden.  —  Solche  Lucernen  2)flegten  die  Angehörigen 
den  Todten  auf  das  Grab  oder  in  das  Grabgewölbe  zu  setzen 
und  zwar  sowohl  freiwillig,  als  testamentarischer  Bestimmung 
zufolge  und  an  gewissen  Tagen.  So  legirte  Maevia,  Modest. 
Dig.  XL,  4,  44.  ut  mofiumento  meo  alteriiis  mensibus  lucernam 
accendant  et  sollennia  mortis  peragant.  Suet.  Oct.  98.  huius 
Masgabae  —  tumulum  quum  e  triclinio  animadvertisset  magna 
turba  midtisque  luminibus  frequentari.  S.  Petrox.  3.  und  die 
Inschriften  in  Pauly,  S.  1164.] 

Die  meisten  der  noch  vorhandenen  Lampen  sind  von  terra 
cotta,  [darum  auch  testa  genannt,  Verg.  Georg.  I,  391.  ver- 
schieden von  Farbe,  Grösse  und  Erdcomposition]  viele  jedoch 
auch  von  Bronze;  erwähnt  werden  indessen  auch  lucemae 
aureae,  argenteae,  vitreae  [z.  B.  Passer.  II.  t.  83.]  und  selbst 
mormorne  kommen  vor.  Die  erstgenannten  sind  in  der  Regel 
von  länglich  runder  Form,  flach  und  ohne  Fuss.  Auf  der 
oberen  Fläche  des  Oelbehälters ,  wo  sich  die  Oeflfnung  zum 
Eingiessen  des  Oels  befindet,  haben  sie  häufig  Bildwerke  in 
Relief,  meistens  mythologische  Gegenstände  [oft  Thiere,  wie 
Elephanteu,  Löwen,  Adler,  Pfauen,  Affen,  Rosse,  Wölfinnen 
mit  Romulus  und  Remus,  Hasen,  Delphine,  oder  Gladiatoren- 
kämpfe, Trophäen,  Blumen,  Kränze,  Masken,  auch  neckische 


Die  Beleuchtung.  343 

Embleme  0.  Pa.sskr.  III,  20  %.  ein  Bildhauer  bei  der  Arbeit 
s.  Jahrb.  d.  Vereins  v.  Alterthumsf.  im  Eheinland.  Bonn  1844, 
IV,  S.  189  ff.],  deren  Styl  oft  weit  besser  ist,  als  man  an 
solchem  aus  einfachen  Töjjferwerkstätten  für  den  alltäglichen 
Gebrauch  hervorgegangenen  Geräthe  erwarten  sollte.  [Die 
Formen  machten  besondere  ßgtdi  sigillatores ,  Orell.  4191. 
von  denen  sie  die  Töpfer  kauften.  Auf  dem  Boden  steht  oft 
der  eingestempelte  Name  des  Töpfers  oder  ein  Zeichen  der 
Werkstatt,  z.  B.  ein  Kranz,  ein  halber  Mond  u.  a.  Auch  findet 
man  den  Xamen  des  Patrons  oder  Kaisers  darauf.  Passer.  I, 
p.  X  fg.  Pauly,  S.  1163.  —  Eine  besondere  Lampe  in  Form 
eines  menschlichen  Fusses  s.  Mus.  Bore.  VI,  .30.  Die  deut- 
schen Museen  sind  reich  aii  den  verschiedensten  Lampeufor- 
men,  von  der  grossen  Prachtlampe  herab  bis  zu  den  kleinsten 
von  winzigen  Proportionen,  die  wohl  nur  in  den  Gräbern  ge- 
bi'aucht  wurden,  denn  für  den  häuslichen  Gebrauch  Avären  sie 
höchst  unpraktisch.]  Sie  sind  bald  für  einen  Docht  einge- 
richtet, monontyxos,  monolychnis  (dilychnis,  Petr.  30.),  bald 
für  mehrere,  daher  dimyxi,  trimyx'i^  polymyxi.  [lue.  hilyclmes, 
Orell.  3678.  Poll,  II,  72.  X,  115.  Anthol.  Pal.  XII,  199.] 
Mart.  XIV,  41.  Lucerna  polymyxos. 

Illustrem  cum  tota  rneis  convivia  flammis 
Totque  geram  myxas,  una  luceriia  vocor. 
Sie  scheinen  haujjtsächlich,  worauf  auch  die  AVorte  Martials 
hinweisen,  in  den  Triklinien  oder  sonst  zur  Erleuchtung  grös- 
serer Räume  gebraucht  worden  zu  sein.  Die  Zahl  der  Flammen 
war  zuweilen  sehr  bedeutend.    So  finden  sich  in  den  Antich. 
diErcol.VUI.  t.  14 — 16.  [Piraxesi,  antiq.  VI.  t.  8.  Passer. 
III,  51.  79.]  kranzförmige  Lampen  zu  neun  und  zwölf  Dochten 
und  t.  13.  eine  vierte  in  Form  eines  Kahns  zu  vierzehn  Doch- 
te)i  und  andere   mögen  noch    mehr  Flammen  gehabt  haben. 
Dann  war  deini  ein  Candelaber,  der  eine  solche  Lucerna  trug, 
zur  Erleuchtung  des  Tricliniums  vollkommen  hinreichend  und 
darum  sagt  Iuven.  von  dem  Zustande  der  Trunkenheit  VI,  305. 
(J,num  bihitiir  ronclia,  quuni  tarn  vertighie  tectinn 
AmbvUd  et  getnmis  exsuvgit  mensa  hiceruis. 


344 


Vierter  Excurs  zur  zweiten  Scene. 


und  in  gleichem  Sinne  Petr.  63.   Et  sane  iaht  luceniae  mihi 
phtres  videbantur  ardere. 

Die  bronzenen  Lampen  haben,  wie  sich  erwarten  lässt, 
noch  mehr  Zierlichkeit  und  sind  grösstentheils  von  den  ge- 
schmackvollsten Formen  [zuweilen  mit  launigen  Figuren 
schalkhaft  verziert.]  Dahin  gehört  die  hier  abgebildete  di- 
myxos,  auf  deren  Deckel  ein  geflügelter  Knabe  mit  einer 
Gans  gruppirt  ist.  Antich.  d'Erc.  t.  91.  Mus.  Borb.  IV.  t. 
14.  und  die  dreiflammige,  auf  welcher  ein  Tänzer  mit  phrygi- 
scher  Mütze  steht.    Ant.  d'Erc.  t.  29.  Mus.  Borb.  IV,  t.  58. 


und  eine  der  schönsten  mit  stehendem  Silen.  Mus.  Borb.  L 
t.  10.  [Sehr  nett  ist  die  in  den  Jahrb.  des  Vereins  von  Alter- 
thumsf  im  Rheinland,  Bonn  4860,  XXIX  u.  XXX,  S.  142  ö'. 
mitgetheilte  Lampe ,  mit  Fischen  und  einem  Oehr ,  das  aus 
einem  kleinen  Fisch  gebildet  wird.  Sie  war  zum  Tragen,  zum 
Hinstellen  und  zum  Aufhängen  eingerichtet.] 

Zu  Dochten  wurde  theils  Hanf  cannabis,  theils  Flachs 
oder  Werg  davon  genommen.  Plin.  XIX,  1,  3.  Quod  proxi- 
muni  cortici  fuit^  stuppa  appellatur  deterioris  Uni,  lucernarum 
fere  luntinibus  aptior.  oder  auch  die  Blätter  einer  Art  y^^r^ascw»/, 


Die  Beleuchtung.  345 

welche  desshalb  cfloiÄOt;  Xv/vlxig  hiess.  Diosc.  IV,  106.  taitii 
(fsXofiig  rj  y.a}.ovfitvii  Xv/^virig  —  sig  iXlv^via  /("/ö'//iJ;.  Plin.  XXV, 
10,  74.  Tertia  lychnitis  vocatur,  ab  aliis  thryaUis  foliis  ternis 
aut,  cum  plumuum,  quaternis,  crassis  pinguibusque,  ad  luceriia- 
rum  lumina  aptis.  —  In  Stabiae  will  man  eine  Lampe  mit 
noch  erhaltenem  Dochte  gefunden  haben.  Sie  ist  mit  dem- 
selben auf  Taf.  52.  der  Antich.  d'Erc.  abgebildet  und  der 
Erklärer  giebt  sich  viel  Mühe,  den  Verdacht  einer  Ttäuwchung 
abzuwenden. 

Da  die  Oeffnung  zum  Eingiessen  des  Oels  klein  war,  so 
hatte  man  besondere  schiffartige  dünnhalsige  Gefässe,  die  vorn, 
wo  sie  sehr  spitz  zuliefen,  ebenfalls  nur  eine  kleine  Oeffnung 
hatten,  durch  die  man  das  Oel  in  die  Lampe  goss.  S.  Antich. 
i/Erc.  t.  13.  14.  [Roux  und  Barke,  Herc.  VI,  70.  Ein  paar 
höchst  zierliche  Kännchen  der  Art  von  terra  sigillata  sieht 
man  in  den  Museen  zu  Wiesbaden  und  Mainz.]   —  Auch  zum 


V 


l'utzen  des  Dochts  hatte  man  besondere  Instrumente,  die  nicht 
selten  an  Kettchen  an  der  Lamjje  selbst  hängen.  Ein  solches 
ist  liier  abgebildet.  Die  Spitze  brauchte  man  wahrscheinlich, 
um  die  Svlnmiyijo,  putres  fu/ir/i ,  vom  Dochte  zu  entfernen  und 
den  Haken,  um  den  Docht  weiter  hervorzuziehen.  Auch  kleine 
Zangen  dienten  dazu,  die  in  Pompeji  in  grosser  Zahl  und  in 
allen  Häusern  gefunden  worden  sind.  S.  Antich.  d  Erc  t.  52. 
Wcini  auf  der  Jjam])c  eine  Figur  steht,  oder  diese  als  Cande- 
laber  dient,  sc»  hält  sie  zuweilen  die  Kette  mit  dem  Instru- 
mente in  der  Hand.  Antkh.  t.  28.  f.ü.  Mus.  Borb.  IV.  t.  58. 
VII.  t.  15. 

Die  Lamjjcii  wurd(!ii  tlu-ils  auf  einen  Träger,  Candelaher 
[oft  in  der  Eorm  (;ines  kleinen  Dreifusses,  unsern  Untersetzern 
vergleichbar,  zuweilen  von  höchst  vollendeter  Arbeit] ,  gesetzt 
(Antich.  t.  51».  02.  Mus.  Bonn.  VI,  t.  80.  IX,13.  s.oben  S.3U8.), 


346  V'iorter  Ex  eins  zur  zweiten  Scene. 

oder  sio  hingen  an  Ketten,  \  on  der  Decke  herab.  Veuu.  Aen. 
I,  727.  dependent  lychni  laqucarihus  aurein.  Petr.  30.  etiam 
lucei-na  bilychnis  de  camera  pcjtdthat.  Endlich  wurden  auch 
Candelaber  gefertigt,  an  deren  mehrfache  Aeste  Lampen  g'e- 
hängt  werden  konnten  und  welche  man  für  diesen  Zweck  nun 
auch  höher  machte.  Die  in  den  verschütteten  Städten  gefunde- 
nen sind  von  sehr  verschiedener  Höhe;  von  einem  neapol. Palm 
bis  über  sechs  Palm  und,  wie  angeführt  wird,  selbst  über  sieben 
Palm.  Es  versteht  sich,  dass  diese  nicht  bestimmt  sein  konnten, 
auf  einen  Tisch  gesetzt  zu  werden.  Sie  standen  jedenfalls  auf 
dem  Boden  und  hatten  auch  so,  zumal  im  Verhältnisse  zu  den 
Tischen  und  Soplias  immer  eine  ansehnliche  Höhe.  Daher  bei 
Ai'PUL.  Met.  II.  p.  117  Oud.  lucerna  de  sjjecula  candelabri. 

In  dem  Hause  des  Aermeren  waren  sie  von  Holz,  und 
deren  geschieht  einige  Male  Erwähnung.  Cic;.  ad  Quint.  fr. 
ni,  7.  Haec  sciibebam  ante  lucein  ad  lyclumchum  Ugneolum. 
Mart.  XIV,  44.    Candelabrum  ligncuni. 

Esse  vides  lignwn:  servas  nisi  luinhia,Jiat 
De  candelabro  magna  lucerna  tibi. 
So  auch  in  einer  taberna  divcrsoria  bei  Petr.  95.  Ewnolpus 
contumeliae  impatiens  ropit  ligueum  candelabrum.  [Caecil.  bei 
Non.  HI,  74.]  Vgl.  Athen.  XV,  p.  700.  ^vXoh'Xvüvyüv  Öt  fit'fi- 
vi^rai  "A).et,ig  y.ai  %ic/a  tovtm  6f.ioiur  ^aii  to)  naQu  OeoTTUfxnqi  oßs- 
hay.DKviHi).  Dagegen  fanden  sich  in  den  Tempeln  und  wohl 
auch  in  Palästen  an  solchen  Orten,  wo  sie  unverrückt  stehen 
blieben,  marmorne  mit  lieliefs  geschmückte  Candelaber,  M. 
Pio-Clem.  IV,  1,  5.  V,  1,  3.  [VII,  37  ff.  Mus.  Borb.  I,  54. 
Müuchener  Glyptothek  Nr.  172  fg.  175  fg.]  und  als  Weihge- 
schenke für  die  Götter  wurden  sie  wohl  auch  aus  edlem  Metall 
oder  gar  Edelsteinen  gefertigt,  wie  der,  welchen  Antiochus 
für  den  Tempel  des  Jupiter  (Japitolinus  bestinuut  hatte.  Cic. 
Verr.  IV,  '2S.  Allein  gewöhnlich  waren  sie  von  Bronze  [Cic. 
Verr.  IV,  26.]  und  ihr  häutiger  Gebrauch,  so  wie  der  Fleiss, 
den  man  auf  ihre  Verzierung  verwandte ,  erhoben  ihre  Fabri- 
kation zu  einem  bedeutenden  Zweige  der  antiken  Erzarbeit. 

Der  eigentliche  Candelaber,  auch  lychnuchus  —  denn  die 


Die  Beleuchtung 


347 


Lampadarien  in  Form  von 
Statuen  oder  Bäumen,  an 
welchen  die  Lampen  hän- 
gen, sind  spätere  Ausartun- 
gen —  der  eigentliche  Can- 
delaber  besteht  aus  drei  oder 
auch  vier  .Stücken  :  1 )  dem 
Fusse,  2)  dem  Schafte,  3)  d. 
Discus  oder  Teller.  — ■  Der 
dünne  rohrähnliche  und 
gewöhnlich  fein  canelirte 
Schaft  ruht  in  der  Eegel 
auf  drei  zierlichen  Thier- 
füssen,  über  Avelchen  sich 
häufig  einiger  Blätter- 
schmuck  findet.  Der  Schaft 
endigt  sich  fast  durchgän- 
gig in  ein  Cajiitäl ,  auf 
dem  eine  Art  Vase  sitzt, 
die  von  dem  zum  Tragen 
der  Lampe  bestimmten 
Teller  bedeckt  wird.  Zu- 
weilen findet  sich  auch 
über  dem  Capital  ein  Kopf 
oder  eine  Figur,  auf  wel- 
cher der  Teller  ruht,  wie 
diess  bei  dem  schönen  hier 
abgebildeten  und  Thl.  I, 
Seite  137.  beschriebenen 
Candelaber  der  Fall  ist. 
Aus  Mus.  BouB.  IV.  t.  57. 
Dieser  Teller,  so  wie  der  vasenartige  Aufsatz,  ist  stets  mit 
dem  zierlichsten  Schmucke  in  meistens  sehr  flachem  Relief 
verziert.  Vorzüglich  schön  ist  in  dieser  Art  der,  wo  Greife 
einen  Stier  und  einen  Hirsch  zerreissen.  Mus.  Borb.  III. 
t.  61.    [Vgl.  auch  Stkpmani,  d'une  base  de  candel.  in  Annali 


348  Vierter  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

deir  inst.  IV  (XIX)  1847,  S.  '285  ff.]  Vor  anderen  berühmt 
durch  die  Vorzüglichkeit  der  Arbeit  waren  die  Candelaber, 
welche  Aegina  und  Tarent  lieferten,  doch  zeichneten  sich  die 
beiden  Werkstätten  in  kunstvoller  Fertigung  verschiedener 
Theile  aus.  Plin.  XXXIV,  3,  6.  Pncatim  Aegina  candelabm- 
ruin  superßcicm  dumtaxat  elaboravit,  sicut  Tarentum  scapos.  In 
his  ergo  iuncta  cummendatio  officlnarum  est.  Vgl.  Ottfr.  Muel- 
LER,  Aeginet.  p.  80.  Die  Herausgeber  der  Antich.  d'Erc. 
getrauen  sich  darnach  zu  bestimmen,  welche  Candelaber  grie- 
chischer, welche  grossgriechischer  Arbeit  seien.  Viele  haben 
nämlich  ausser  dem  oberen  Teller,  auf  welchem  die  Lampe 
stand,  noch  einen  zweiten  unmittelbar  über  dem  Fusse,  und 
allerdings  sind  diese  besonders  schön  verziert.  Ausserdem 
hatte  mau  auch  sogenannte  korinthische,  die  zu  hohen  Preisen 
gekauft  wurden.  Mart.  XIV,  43.  Candelabrum  Corintlduni. 
Plinius  leugnet  indessen  ihre  Aechtheit:  Sed  cum  esse  nulla 
Corintliia  candelahra  cotistet,  nomen  Id  praecipue  in  his  celebra- 
tur,  quoniam  Mummii  victoria  Corinthum  quidem  diruit,  sed  coin- 
pluribus  Achaiae  oppidis  simul  aera  dispersit. 

Man  hatte  auch  Candelaber,  deren  Einrichtung  gestattete^ 
den  Teller  mit  der  Lampe  höher  oder  niedriger  zu  stellen.  An 
ihnen  war  nämlich  der  Schaft  hohl;  in  diesen  passte  ein  Stab, 
der  den  Teller  trug  und  mehrere  Löcher  hatte,  durch  welche 
ein  am  Schafte  hängender  Bolzen  gesteckt  werden  konnte.  So 
liess  er  sich  nach  Gefallen  heraufschieben  oder  senken,  indem 
der  durch  eine  der  Oeffnungen  gesteckte  Bolzen  ihn ,  so  weit 
er  jedesmal  hinaufgeschoben  war,  über  dem  Rande  des  eigent- 
lichen Schaftes  hielt.  Der  Art  ist  der  auf  Taf.  70.  derAxTitH. 
abgebildete.  Noch  künstlicher  sieht  man  einen  derselben  Art 
auf  Taf.  71.  Mus.  Borb.  VI.  t.  61.  Er  ist  besonders  desshalb 
merkwürdig,  weil  die  drei  Thierfüsse  mittels  an  ihnen  befind- 
licher Scharniere  zusammengelegt  Averdeu  können.  Es  scheint, 
er  war  zum  Behufe  der  lieise  so  gefertigt.  Er  hat  übrigens 
das  seltene  Maass  von  di-ei  Palm  und  fünf  Zoll,  Avährend  die 
meisten  über  fünf  Palm  hoch  sind,  aber  er  konnte  ja  eben  ver- 
längert werden. 


Die  Beleuch  tuug.  349 

Ausser  diesen  eigentlichen  Candelabern  von  der  gebräuch- 
lichsten Form  hatte  man  aber  vielerlei  andere,  so  dass  z.  B. 
der  einfache  Schaft  zur  Statue  geworden  ist,  welche  eine 
Fackel  trägt,  aus  welcher  die  Lampe  brennt,  Mus.  Borb.  VII. 
t.  15.  oder  über  der  sich  zwei  Arme  mit  Tellern  erheben.  IV. 
t.  59.  VII.  t.  30.  [ähnlich  XIII,  14.  wo  die  Statue  den  unteren 
Theil  des  Schafts  bildet.]  oder  zur  Säule,  auf  der  ein  Mohren- 
kopf als  Lampe  dient.  VII.  t.  15.  —  Noch  öfter  aber  kommen 
die  vor,  welche  man  auch  ihrer  grösseren  Verschiedenheit  von 
den  eigentlichen  Candelabern  wegen  Lampadarien  zu  nennen 
pflegt.  Es  sind  theils  Baumstämme,  an  deren  Zweigen  Lampen 
an  Ketten  hängen,  theils  auf  einer  Basis  stehende  Säulen,  von 
deren  Capital  ebenfalls  mehrere  Lampen  heraljhängen.  Mus. 
Borb.  II.  t.  \o.  VIII.  t.  31.  Antich.  d'Erc.  t.  65— 08.  Antiq. 
d'Herc.  vi,  29.  30.  Indessen  sind  diese  baumähnlichen  oder 
korallenartigen  Candelaber,  es  mögen  ihre  Zweige  Teller  tra- 
gen oder  an  ihnen  die  Lampen  hängen,  nicht  mit  den  Lych- 
nuchen  zu  verwechseln,  welche  Plix.  XXXIV,  3,  8.  nennt. 
riacuere  et  lychnuchi  pensiles  in  delubris  aut  arhorum-  modo 
mala  fercnthim  lucentes^  qualis  est  m  temjdo  ApoUinis  Palatini. 
Plinius  will  offenbar  etwas  Ungewöhnliches,  nur  hie  und  da  in 
Tempeln  ^'orkommcndes  angeben  und  die  lychnuchi  pensiles 
mögen  unseren  Kronleuchtern  verglichen  werden.  Der  iin 
Tempel  Apolls  aber  Avar  ein  besonderes  Kunstwerk  aus  Ale- 
xanders Zeit.  Etwas  Aehulichos  kann  der  von  Athenaeus 
XV,  p.  700.  erwähnte  gewesen  sein.  Evcpooüor  8'  fV  i(7roniy.oig 
vTTouvijfiaai  /liovmiüv  cpi^m  rar  ncoTeQor  Siy.fh'ds-  zvQarrov  Taoav- 
iiKH^  i/'s'  th  novtavsiuv  avai}Hvai  ).vyittuv  dvidfitroi'  xai'eir  roaov- 
rnvi;  }.vyvovg,  oaog  ö  täv  /jimmr  hanv  aQi\}(ihg  ei\'  rbr  niavrm'. 
[Sehr  schön  und  gross  ist  auch  der  von  Abeken  beschriebene 
lampadario  di  Coiiona,  im  Annal.  dell'  inst.  XIV',  (1842) 
p.  53 — 62.  Vgl.  Osserv.  sopra  un  etrusco  lampad.  di  bronzo. 
Mcmtepulc.  1842.]  — 

Die  Lampen  konnten  übrigens  schwerlich  so  viel  Oel 
fassen,  dass  sie  fortdauernd  liätten  brennen  können,  wenn  das 
Gelag  tii'f  in  die  Nacht  dauerte;   daher  geschah  es  denn  auch. 


350     Vierter  Excurs  zur  zweiten  Scene.   Die  Beleuchtung. 

dass  frisches  Oel  zugegossen  wurde.  Petr.  22.  lam  et  tricli- 
niarchus  experrectus  lucernis  occidentibus  oleum  infuderat.  An 
einer  anderen  Stelle  wird  gar  wohlriocliendes  Salböl  zuge- 
gossen: c.  70.  Hinc  ex  eodem  iinguento  in  vinarium  atque  lucer- 
nam  liquatiim  est  infusian,  eine  Verschwendung,  die  auch  ander- 
wärts erwähnt  wird.  So  Avird  bei  Martial  X,  38,  9.  die  lucerna, 
welche  der  Brautnacht  des  Calenus  leuchtete:  nhnhris  ebria 
Nicerotianis  genannt. 

[Die  Laternen. 
IsiD.  XX,  10.   Laterna  dicta ,   quod  lucem  interius  habeat 
clausam.     Etenim  ex  vitro  ^   intus  recluso  liimine,  ut  venti  flatus 
adire  /ton  possit  et  ad  praebendum  luinen  facile  iibique  circum- 
feratxir.  Mart.  XIV,  61. 

Dxix  laterna  viae  clausis  feror  aurea  flammis^ 
Et  tuta  est  gremio  jjarva  lucerna  meo. 
Noch  älter  sind  die  Erwähnungen  bei  Plaut.  Aul.  III,  6,  30. 
laterna  Pimica.  Das  viereckige  oder  cylinderförmige  Gestell 
der  Laterne  Avar  geAvöhnlich  Bronze  und  als  Schirm  diente 
Glas,  siehe  Isid.  1.  1.  oder  dünn  geschnittenes  Hörn,  Plaut. 
Amph.  I,  1,  185. 

Volcanum  in  cornu  conclusum  geris. 
d.  i.  Vulkan  im  Gef'ängniss.    Ath.  XV,  p.  699.  -Asoarirov  (fwg- 
cpoQOv  Iv^vov  aslag.  Mart.  XIV,  61.  laterna  cornea.  oder  geölte 
Leinwand,  Plaut.  Bacch.  Ill,  3,  42. 

Fit  magister  quasi  lucerna  uncto  expretus  linteo. 
Cic.  ad  Att.  IV,3.  linea  laterna,  wo  jedoch  dieLesart  unsicher 
ist.  Empedocl.  V.  309  ed.  St.  leic/i:7T7Jot\  a^oQyul  d.  i.  A^on  Lin- 
nen oder  Byssus.  Abbildungen  der  in  Herculanum  und  Pom- 
peji gefundenen  bronzenen  Laternen  s.  Ant.  d'Herc.  VI,  27. 
Vin,  56  fg.  Koux  u.  Barre,  VI.  t.  62.  Mus.  Borb.  D.  Over- 
BECK,  Pompeji  S.  317  f.  S.  Pauly,  Eealencykl.  IV,  S.  797  fg. 
Ueber  die  Sklaven  als  Laternenträger  s.  S.  113.] 


FÜNFTER  EXCURS  ZUR  ZWEITEN  SCENE. 


DIE    UHREN. 

Bei  aller  Pracht  der  Einrichtung  und  der  raf'finirtesten 
Sorge  für  alle  Annehmlichkeiten  des  Lebens,  entbehrte  man 
doch  im  Alterthume  manche  Bequemlichkeit,  die  die  neuere 
Zeit  kaum  mehr  als  besondere  AVohlthat  zu  beachten  gewöhnt 
ist.  Was  uns  unentbehrliches  Geräth  scheint,  was  der  Unbe- 
mittelte mit  Leichtigkeit  sich  verschafft  und  der  Aermste  selbst 
ungern  in  seiner  Wohnung  vermisst,  eine  Uhr,  um  die  Ue- 
schät'te  des  Tages  nach  einem  bestimmten  Zeitmaasse  zu  i'egeln, 
das  kannte  man  fast  fünfhundert  Jahre  lang  in  Rom  gar  nicht, 
und  auch  in  späterer  Zeit  nur  in  grosser  Unvollkomnicnheit. 

Ursprünglich  gab  es  gar  keine  Stundeneintheilung  in 
Rom,  sondern  man  bestimmte  nach  der  unsicheren  Schätzung 
des  Standes  der  Sonne  den  Mittag  und  einige  andere  Ab- 
schnitte. Varro  L.  L.  vi,  99.  Cosconius  in  actionibus  scribit: 
praetorem  acceiisum  solitum  esse  iubere,  übt  ei  videbatur  horam 
esse  tertiam,  inclamare  horam  esse  teriiam,  itemque  meridien}  et 
horam  nonam.  VI,  4.  5.  Plin.  h.  n.  VII,  60.  XII  tabuUs  ortus 
tantum  et  occasus  nominantur,  post  aliquot  annos  adiectus  est 
meridies,  accenso  Consulum  id  pronuntianle  — ,  sed  hoc  serenis 
tantum  diebus  usque  ad  primum  Punicum  bellum.  Darauf  folgte 
eine  sehr  unbequeme  Einthciluiig  des  Tages.  Zwar  nahm  man 
auch  von  Mitternacht  zu  Mitternacht  24  Stunden  an  und  dieses 
war  der  bürgerliche  Tag,  Varro  bei  Macrob.  I,  ^j.  ('ex.sorin. 
d.  n.  23;  bei  der  Stundeneintheilung  selbst  aberlag  der  natür- 
liche Tag  zu   Grunde,   indem  man    die  eigentliche  'J'agcszeit 


352  Fünfter  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

zwischen  dem  scliwankenden  Auf  -  und  Untergange  der  8oniie 
in  12  Stunden  tlieilte  und  die  übrige  Zeit  der  Nacht  zuwies. 
Da  man  für  diese  kein  Mittel  zur  Unterscheidung  einzelner 
Abschnitte  hatte,  als  etwa  den  Stand  der  Gestirne  und  die  zu- 
nehmende oder  abnehmende  Dunkelheit,  so  fand  für  sie  eine 
Stundeneintheilung  erst  Statt,  nachdem  die  Wasseruhren  üb- 
licher worden  waren  und  auch  dann  blieb  noch  die  frühere 
Rechnung,  welche  vom  Ki-iegsdienste  ausgehend  die  Nacht  in 
vier  Vigilien  theilte,  sehr  in  Gebrauch.  Im  bürgerlichen 
Leben  aber  unterschied  man  der  Abschnitte  mehr-,  man  nahm 
deren  acht  an,  welche  Macrobius  Sat.  I,  3.  nennt,  und  die 
sich  im  Wesentlichen  ebenso  bei  Oensorinus  de  die  nat.  24. 
finden.  Sie  heissen  nach  Ersterem  von  Sonnenuntergang  (sol 
occasus  suprema  tempestas  esto.  XII  tab.)  vespera  (crepuscuhü)}), 
prima  fax  (lum'mibus  accensis  [oder  ad  {suh)  lumina.  prima 
HoR.  ep.  II,  2,  98.  sat.  II,  7,  33.]),  concubia  (nox  [fum  itum 
est  ciihitum] ) ,  intempest.a  (nox  \^qua  niliil  agi  tempestiviim  est.] ). 
[Appul.  Met.  H,  p.  115  Elm.  cum  ecce  crepuaculum  et  nox  pro- 
vecta,  et  nox  altior  et  deinde  concubia  altior  et  iam  nox  intem- 
pesta.]  Dann  von  Mitternacht  bis  zu  Sonnenaufgang:  mediae 
noctis  incUnatio  (de  media  nocte),  gallicinium,  conticinium,  dilu- 
cidum.  [S.  auch  Varro  L.  L.  VI,  6.  7.  Isidor.  V,  31.  Dissen, 
de  partibus  noctis  et  diei  ex  divisionibus  veterum  in  Kleine 
Schriften  S.  130  ff.]  Indessen  theilte  man  auch  die  Nacht 
schon  zu  (Ucero's  Zeit  in  zwölf  Stunden;  p.  Kose.  A.  7.  cum 
horam  primam  noctis  occisus  esset,  j^rinio  diluculo  nuntius  hie 
Ameriam  venit;  decem  horis  noctumis  sex  et  L  milia  passuum 
cisiis  pervolavit.  Daraus  entstand  natürlich  der  Uebelstand, 
dass  die  Stunden  des  Tages  und  der  Nacht  nur  in  den  Aequi- 
noctien  sich  gleich  waren,  und  überhaupt  das  ganze  Jahr  über 
schwankten,  so  dass  z.  B.  die  elfte  Tagesstunde  nach  unserer 
Eintheilung  im  Wintersolstitium  2  Uhr  58',  dagegen  im  Som- 
mersolstitium  5  Uhr  2'  begann.  Es  hat  daher  auch  die  Ver- 
gleichung  der  römischen  Stunden  mit  den  unsrigen  einige 
Schwierigkeit,  indem  man  die  jedesmalige  Dauer  des  natür- 
lichen Tages  für  die  Polhöhe  Roms  kennen  muss,  um  sie  genau 


Die  Uhren.  353 

zu  berechnen.  Zur  ungefähren  Reduktion  reicht  indessen  die 
in  Idelers  Lehrbuch  der  Chronologie  und  im  Handbuche 
Thl.  11.  gegebene  Tafel  aus,  „welche  die  Länge  des  römischen 
Tages  in  unseren  gleichförmigen  Stunden  für  die  acht  Haupt- 
punkte der  Sonnenbahn  im  Jahre  45  v.  Chr. ,  dem  ersten  des 
von  Julius  Cäsar  geordneten  Kalenders  angiebt." 

Tag  des  Jahres.  Dauer  des  Tages. 

23  December  8  St.  45  Min. 

6  Februar  <)  —  50  — 

23  März  12  — 

9  Mai  14  —  10  — 

25  Juni  15  —     6  — 

10  August  14  —  10  — 

25  September  12  — 

9  November  9  —  50  — 

Der  leichteren  Uebersicht  wegen  füge  ich  noch  die  Ver- 
gleichung  der  römischen  Tagesstunden  mit  den  unsrigen  in 
den  beiden  Solstitien  hinzu,  wo  die  Differenz  am  grössten  ist, 
während  in  den  einzigen  Aequinoctien  unsere  Stunden  mit 
den  römischen  zusammenfallen.  Es  beginnt  also  nach  unserer 
Kechnungsweise : 


im 

Sommer 

im  Winter 

Iste  St 

.  4  Uhr  27  Min. 

7  Uhr 

33  Min. 

2 

— 

5 

— 

42' 

30" 

8 

— 

1 7'  30" 

3 

— 

6 

— 

58' 

9 

— 

2' 

4 

— 

8 

— 

13' 

30" 

9 

— 

46'  30" 

5 

-— 

9 

— 

29' 

10 

— 

31' 

P. 

— 

10 

— 

44' 

30" 

11 

— 

15'  30" 

7 

12 

— 

12 

— 

8 

— 

1 

— 

15' 

30" 

12 

— 

44'  30" 

9 

— 

2 

31' 

1 

— 

29' 

10 

— 

3 

— 

46' 

30" 

2 

— 

13'  30" 

11 

— 

5 

— 

2' 

2 

— 

58' 

12 

.._ 

6 

— 

17' 

30" 

3 

— 

42'  30" 

Ende  d. 

T. 

7 

— 

33' 

4 

— 

27' 

Hkckkk.  Oallus.   3.  AiiÜ.  II.  23 


354  Fünfter  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

Diese  Stundeneintheilung  erhielt  sich  sehr  hinge,  und  nur 
auf  Kaiendarien  der  spätesten  Zeit  findet  sich  die  Länge  der 
Nacht  und  des  Tages  in  den  verschiedeneu  Monaten  nach 
Aequinoctialstuuden  angegeben.  Der  Art  ist  das  Calendarium 
rusticum  Farnesianum,  das  sich  in  Graev.  thes.  antiq.  Eom. 
Vni.  mit  Orsini's  Erläuterungen,  und  im  Mus.Borb.II.  t.  44. 
findet.  Es  enthält  indessen  noch  keine  Andeutung  eines  christ- 
lichen Zeitalters,  wie  es  bei  dem  Wiener  der  Fall  ist,  das  man 
in  die  Zeit  des  Constantius  setzt.  Bei  Graev.  S.  97ff.  Ideler, 
Handb.  der  Chron.  II,  S.  139  fg.  —  Eine  schwer  zu  beant- 
wortende Frage  ist:  ob  bei  Angabe  der  Stunden,  wie  hoi^a 
sexfo,  nona^  decima,  die  laufende,  oder  die  bereits  verflossene 
Stunde  gemeint  wird,  (s.  Salmas.  zu  Vopisc.  Florian.  6.  p. 
634.  Exerc.  ad  Solin.  p.  636  ff.)  so  dass  z.  B.  /lorä  nonä  nicht 
die  Aequinoctialstunde  von  zwei  bis  drei  bezeichnete,  sondern 
so  viel  wäre,  als:  um  drei  Uhr.  —  Allerdings  werden  auf  an- 
tiken Sonnenuhren  die  Stunden  durch  elf  Linien  abgetheilt, 
denen  keine  Zahlen  beigesetzt  sind,  [s.  unten.  —  Dass  aber 
doch  zuweilen  Zeichen  eingegi'aben  waren,  sehen  wir  aus 
Varro  L.  L.  vi,  4.  meridies  ab  eo,  quod  medhis  dieSj  D  antiqui, 
non  R  in  hoc  dicebant,  ut  Praeneste  mcisum  in  solario  vidi^ 
Fiel  nun  der  Schatten  des  Zeigers  auf  die  erste  Linie,  so  war 
die  erste  Stunde  bereits  vorüber,  und  horä  primä  wäre  zu 
Ende  der  ersten  und  zu  Anfange  der  zweiten.  [So  bezeichnet 
Pers.  III,  4.  qifinta  dum  lirtea  tangitur  unibra.  das  Ende  der 
fünften  Stunde  oder  elf  Uhr  nach  unserer  Zeit.]  Wenn  hin- 
gegen es  bei  Marx.  IV,  8.  heisst: 

Prima  salutantes  atque  altera  continet  liora, 
Exercet  raucos  tertia  causidicoa. 

In  quintam  varios  extendit  Roma  labores; 
Sexta  quies  lassis,  septimaßtiis  erit. 

Sufficit  in  nonam  nitidis  octava  palaestris ; 

Imperat  exstructos  frangere  noiia  toros. 

so  sind  offenbar  jedesmal  die  laufenden  Stunden  gemeint,  und 

da  nona  die  gewöhnliche  Stunde  der  cena  ist,  so  kann  horä 

nonä  cenare,  wenn  es  mit  Martial  übereinstimmen  soll,  nur 


Die  Uhren.  355 

lieissen:  mit  Beginn  der  neunten  Stunde.  Dasselbe  scheint 
aus  dem  auch  von  Anderen  schon  angeführten  Epigramme  zu 
folgen.  Anthol.  Pal.  X,  43. 

"Ei  MQca  jioid^oig  iy.ar(OTurui ,  ui  8t  fi^z'  avrag 
rgdfiinaai  Seixvvfisvai  ZHQJ  Xtyovai  ßQoroig. 
denn  die  Zahlzeichen  d  —  c'  würden  auf  die  ersten  sechs  Stun- 
den fallen,  und  ;'  die  ganze  siebente  bezeichnen. 

Nach  Plinius  VII,  60.  hatte  man  zu  Rom  bis  in  das  elfte 
Jahr  vor  dem  Kriege  mit  Pyrrhus ,  etwa  460  n.  Gr.  d.  St., 
keine  Sonnenuhr,  obgleich  deren  Gebrauch  in  Griechenland 
bereits  durch  Anaximander  oder  dessen  Schüler  Anaximenes 
(um  500  vor  Chr.)  bekannt  war.  S.  Ideler,  Lehrb.  S.  97  fg. 
L.  Papirius  Cursor  stellte  die  erste  am  Tempel  des  Quirinus 
auf,  wie  Plin.  nach  Fab.  Vestalis  berichtet.  Varro  hingegen 
[ebenso  Censorix.  de  d.  nat.  23.]  setzt  die  Einführung  dieses 
Zeitmessers  um  30  Jahre  später  an,  und  lässt  den  M.  Valerius 
Messala  die  erste  bei  der  Einnahme  von  Catina  erbeutete 
Sonnenuhr  im  J.  d.  St.  491.  nach  Rom  bringen.  Ganz  irrig 
ist  es  daher,  wenn  Meierotto,  Sitten  und  Lebensart  d.  Römer 
I,  207,  aus  dem  Fragmente  der  Plautinischen  Böotia  oder  Bis 
compressa,  wo  der  Parasit  sagt: 

Ut  illum  dii  perdant,  primus  qui  horas  repperit, 
Quique  adeo  primua  statuit  hie  Solarium.  — 
Nam  me  puero  i^efus  liic  erat  solarium  etc. 
(er  meint  den  Magen)    schliesst,    das    erste    aolariian   sei   in 
Plautus'  Kindheit  nach  Rom  gekommen.    Das  wäre  etwa  die 
Zeit  des  zweiten  punisclien  Krieges.    Aber  musste  denn  Plau- 
tus gerade  seine  Jugend  im  Sinne  haben,  um  diesen  Witz  zu 
machen ! 

[Die  genannte  aus  Siiilien  nacli  Rom  gebrachte  Sonnen- 
ulu-  hatte  aber  einen  gro.ssen  Uebelstand-,  denn  wie  Plin.  sagt 
und  wie  sich  von  selbst  versteht:  nee  congruehant  ad  horas  eins 
lineae;  paruerunt  tarnen  eis  annis  undccentum.  donce  Q.  Mur- 
cius  Philippus,  qui  cum  L.  Paullo  fuit  censor,  diligeyitius  ordi- 
natuni  iuxta  posuit.  Censorin.  23.]  Diese  ersten  Sonnenuhren 
waren  offenbar  von  dt^r  Art,  welche  die  Griechen  nöXog  nennen. 

23' 


356  Fünfter  Excurs  zur  zweiten  Scene. 

Die  älteste  Art,  den  yvMfAMi;  führte  man  desshalb  nicht  ein, 
weil  man  die  von  den  Griechen  schon  längst  vervollkommnete 
Einrichtung  gleich  kennen  lernte,  s.  Charikles  I,  S.  360  ff.  In- 
dessen gab  es  einen  solchen  Gnomou  auch  in  Kom,  der  von 
August  im  Marsfeld  errichtete  116  Fuss  hohe  Obelisk  mit  der 
Inschrift:  Soli  donian  <Zec?/7,  jetzt  auf  monte  Citorio.  Plin.  h.  n. 
XXXVI,  10.  beschreibt  denselben  genau:  ad  deprehendendas 
solis  umbras  dierninque  ac  nocthim  ita  inagnitiulincs,  strato  lopide 
ad  raagnltudinein  obelisci,  cui  par ßeret  umbra  bruinae  conftctae 
die-  sexta  Itora,  paulatimque  per  r'egulas ,  quae  sunt  ex  aere  in- 
vlusae  (das  sind  Metalllinien  in  dem  Steinboden  zum  Messen 
der  Schattenlängej,  singuHs  diebiis  decresceret  ac  ruraiis  auges- 
ceret.  [Einen  Commentar  zu  d.  St.  schrieb  Ostertag,  über 
den  ehemals  zu  Rom  auf  dem  Marsfeld  gestandenen  gnomo- 
nischen  Prachtkegel.  Regeusbing  1785.  S.  auch  Becker,  röm. 
Alterth.  I,  S.  638  fg.]  —  Die  Sonnenuhren,  horologia  solaria 
oder  sciotherica  [und  solaria  schlechtweg,  Varro  L.  L.  VI,  4.] 
wurden  späterhin  sehr  allgemein  nnd  von  sehr  verschiedener 
Form  gefertigt.  Vgl.  Vitr.IX,9  (8j.  [Isid.  XX,  13.]  Ernesti, 
de  solariis.  und  in  der  clav.  Pitture  d'Ercol.  III.  Prefaz.  und 
p.  337  ff.  Martini,  Abhandl.  von  den  Sonnenuhren  der  Alten. 
Leij)z.  1777.  van  Beeck  Calkoen,  Diss.  math. —  ant.  de  horo- 
logiis  vet.  sciothericis.  Amst.  1797.  Wuestmann,  Pal.  d.  Sc.  S. 
150  fg.  Mus.  BoRB.  VII.  Frontisp.  [Pauly,  Realencykl.  III, 
S.  1483 — 1495.  Salmasius,  excerc.  Plin.  ad  Solinum.  Trai.  ad 
Rh.  1689.  I,  p.  445  ff.  519  ff.  Peter,  di  un  antico  orologio 
recentemente  trovato.  Roma  1815.  Roulez,  in  melanges  de 
philol.  Bruxell.  1846.  Fase.  V,  Nr.  9.  S.  9  f.  Delambre  bist, 
de  l'astronomie  ancienne.  Tom.  II,  p.  511  ff.  und  die  Schriften 
von  Sallier  und  Piale,  welche  Avellino,  descr.  di  una  casa 
p.  60.  nennt.  Wöpcke,  disp.  arch.  math.  circa  solaria  vete- 
rum.  Berol.  1846.  (mathematisch).  Dubois,  histoire  et  trait^ 
de  l'horlogerie  ancienne  et  moderne.  Paris  1850.  Quaranta, 
l'orologio  a  sole  di  Beroso  scoperto  in  Pomp.  Napoli  1854. 
Garrucci  e  Minervini,  bullet,  archeol.  Napol.  Nuova  seria, 
Ann.  III.  Nr.  55.  64.   (mit  schönen  Zierrathen  umgeben  und 


Die  Uhren.  357 

sechs  Stundenlinien).  Fiorelli,  monumenta  epigr.  Pomp.  I, 
S.  XXVI.  —  Auch  auf  Inschriften  kommen  horologia  mehr- 
fach vor,  Orelli  Henzek  2032.  3298  f.  3892.  4517.]  Da  der 
Öcliatten  des  senkrecht  auf  der  horizontalen  Fläche  stehenden 
•Zeigers  (gnomon)  die  jedesmaligen  bald  kürzeren  bald  län- 
geren zwölf  Stunden  des  natürlichen  Tages  angeben  sollte,  so 
fand  eine  dreifache  Eintheilung  Statt.  Yitr.IX,  8,(7).  Omnivm 
aiitem  figuraruiit  descriptionumque  eantm  effectxis  Ufius,  uti  dies 
aeqn'moctialiii  hnmialisque  itemque  solstitialis  in  duodecim  partes 
aequaliter  sit  divisus. 

[Von  den  zahlreichen  Arten  der  Sonnenuhren,  welche 
ViTRuv.IX,  9.  aufzählt,  haben  sich  Avenigstens  zwei  Gattungen 
erhalten,  nämlich  die  sphärisch  ausgehöhlten  halbkugelför- 
migen und  die  auf  einer  ebenen  Fläche  eingehauenen.  Sie 
sind  von  Marmor,  gewöhnlichem  Stein  oder  Erz,  und  die 
Linien  zeigen  nicht  selten  Spuren  der  ehemaligen  rothen  Fär- 
bung. Die  erste  fand  man  1741  bei  Tusculum,  beschi-ieben 
von  Zazzeri,  sopra  una  villa  scoperta  sul  dorso  del  Tusculo. 
Venez.  1746.  u.  Martini,  S.  49  ff.  Bald  darauf  wurden  einige 
bei  Castel  nuovo,  noch  mehrex-e  bei  Tibur  und  die  meisten  in 
PomjK'ji  ausgegraben.  Antich.  d'Ercol.  III,  prefaz.  p.  V. 
beschreibt  c;ine  in  Herculanum  1755  gefundene.  Mommsen, 
inscr.  Neap.  n.  G305.  12.  Diese  gehört  zu  der  Classe  der  viato- 
ria  pensilia  (auf  der  Reise  mitzunehmen),  ist  von  Metall  und 
stellt  einen  Schinken  vor,  auf  welchem  7  horizontale  und  7 
verticale  Linien  sich  durchkreuzen,  so  dass  30  ungleiche  Qua- 
drate gebildet  werden.  An  der  unteren  Seite  befinden  sich  die 
Anfangsbuchstaben  der  zwölf  Monate,  je  zwei  unter  einander. 
Das  Schwänzchen  des  Schinkens  dient  als  Giiumon.  Wöpcke, 
S.  24  f.  Kossi  inid  Settei.e  im  Bullet,  dell'  inst.  1838,  p. 
97  — 109.  über  eine  Uhr  in  Tibur  mit  der  Inschrift  T.  Heren- 
mus III  vir  i.  d.  re^Ytituit).  Avellino,  descr.  di  una  casa  p. 
29.  32.  6«».  giebt  die  Abbildung  von  zwei  Sonnenuhren,  welche 
im  Hause  der  mit  Figuren  verzierten  Capitäle  entdeckt  wor- 
den war  und  von  denen  die  eine  auf  folgendcir  Seite  wieder- 
holt wild. 


358  Fünfter  Excurs  zur  zweiten  Sceue. 

Die  Stinulenlinien  sind  auf  allen  in  ähnlicher  Weise  ein- 
gegraben und  fast  immer  von  den  Segmenten  zweier  Kreise 
begränzt.  Die  Mittagslinie  /»,  welche  zuAveilen  länger,  zuweilen 
kürzer  ist,  wird  von  einer  anderen  Linie  durchschnitten,  die 
von  Osten  nacli  Westen  geht  und  welche  dazu  dient,  in  Ver- 
bindung mit  den  Stundenlinien  Kreuzungen  hervorzubringen, 
in  deren  KreuzjjiTnkte  der  Schatten  des  Gnomon  g  zu  be- 
stimmten Stnndenzeiten  fallen  muss.     Auf  der  Fijrur  sind  die 


MrOtig. 


JiBOemtuht. 


Kreuzpunkte  mit  den  Stunden  in  moderner  Weis^  bezeichnet 
und  die  entsprechenden  römischen  Stunden  sind  am  Ende  der 
Linien  angegeben.  Li  der  ersten  und  in  der  zwölften  Stunde 
(zwischen  6 — 7  und  5 — 6)  fällt  der  Schatten  zwischen  den 
Kreis  und  Punkt  7  oder  5.  —  Eine  einzige  in  Deutschland 
gefundene  (bei  Kanstadt  1843)  ist  beschrieben  in  den  Jahr- 
büchern des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  im  Rheinlande. 
Borm  1844.  IV,  S.  90  ff.    Ueber  die  in  Berlin   aufbewahrten 


Die  Uhren.  359 

Uhren  und  die  auf  Monumenten  daselbst  abgebildeten  s.  bei 
WöPCKE,  S.  27.  38  ff.  Vgl.  Pauly,  Eealencykl.  S.  1488  fg. 
Wer  in  mathematisch -astronomischer  Hinsicht  Aufklärung 
sucht,  findet  in  den  gen.  Schriften  von  Martini,  v.  Beeck, 
Delambke,  Wöpcke  u.  a.  vielfache  Belehrung.] 

Bei  trüben  Tagen  blieb  man  indessen  in  derselben  Unge- 
wissheit  über  die  Tageszeit,  bis  man  den  Gebrauch  der  Wasser- 
uhren kennen  lernte,  durch  welche  dem  Uebelstande  einiger- 
massen  abgeholfen  wurde.  Diese  Uhren,  auch  von  den  Griechen 
angenommen ,  welche  sie  schon  in  Aristophanes'  Zeit  bei  ge- 
richtlichen Verhandlungen  brauchten,  hiessen  clepsydrae  und 
hatten  Aehnlichkeit  mit  unseren  Sanduhren,  indem  das  in 
einem  Gefässe  enthaltene  Wasser  allmählig  verlief.  Ihre 
Form  x(oÖ£»a  iuv/.og,  tj&fwg)  s.  Charikles  I,  S.  364  ff.  Doch 
werden  sie  auch  geradezu  soloria  genannt,  Cic.  de  nat.  d.  II,  34. 
Solarium  vel  description  vel  ex  aqua.  [Cexsorix.  23.  P.  Com. 
Naaica  censor  ex  aqua  fecit  horarium ,  quod  et  ipsum  ex  con- 
suetudiiie  noscendi  a  sole  lioras  Solarium  coeptwn  vocari^  sowie 
bei  den  Griechen  die  clepsydra  auch  yvcü^ojv  genannt  wird. 
Ath.  U,  p.  42  B.  Die  clepsydrae ,  von  denen  Aristoteles 
spricht,  waren  nicht  durchsichtig,  wie  überhaupt  damals  der 
Gebrauch  des  Glases  noch  beschränkt  war.  Späterhin  ist  es 
unzweifelhaft,  dass  man  dazu  dieses  geeignetste  Material  nahm. 
[Appul.  Met.  III,  p.  130  Elm.  ad  dicendi  spatium  vasculo  quo- 
dam  in  lucejn  coli  (d.  i.  Durchschlag)  graciliter  ßstulato  ac  per 
hoc  guttaüm  defluo  infusa  aqua.^  Die  erste  Wasseruhr  stellte 
nach  Plinius  a.  a.  0.  Scipio  Nasica  im  Jahre  595  d.  St.  öffent- 
lich auf.  Es  ist  indessen  neuerlich  (Ideler,  Lehrb.  S.  258.)  in 
Zweifel  gestellt  worden,  dass  diese  Wasseruhr  eine  blosse  clep- 
sydra gewesen  sei,  da  sie  von  Plinius  horologium,  von  Cen- 
SORIN.  1.  1.  horarium  genannt  werde.  Vielmehr  sei  zu  ver. 
muthen,  dass  es  eine  wirkliche  Uhr  von  der  Erfindung  des' 
Ktesibios  gewesen.  Daraus  würde  nun  ferner  folgen,  dass  der 
erfinderische  Mechaniker  nicht,  wie  Athenaeus  IV,  p.  174. 
angiebt,  unter  Ptolemäus  Euergetes  II.  sondern  vielleicht 
sclujn  unter  dem  ersten,  also  fast  hundert  Jalire  früher,  gelebt 


360  Fünfter  Excurs  zur  zweiten  Sceue. 

habe,  da  der  zweite  erst  608  d.  tit.  zur  ßegierung  gekommen 
sei.  Letztere  Vermuthung,  welche  vielleicht  durch  dieselbe, 
vermuthlich  aber  nur  auf  Irrthum  heruhende  Angabe  in  Beck- 
manns Beitr.  zur  Gresch.  der  Erfind.  I,  S.  284.  veranlasst  ist, 
scheint  ganz  unnöthig;  denn  Ptolemäus  VII.  herrschte  schon 
in  Cyrenaica  seit  583  d.  St.  und  kam  niu-  in  Aegypten  erst 
später  auf  den  Thron,  und  auch  dann  konnte  Ktesibios  sehr 
gut  in  sein  Zeitalter  gehören  und  doch  595  schon  seine  Wasser- 
uhr bekannt  sein.  Ueberhaupt  aber  scheint  aus  den  Namen 
horologiwn  und  liorarium,  die  doch  überhaupt  nur  Stunden- 
messer bedeuten,  gar  nicht  so  viel  gefolgert  werden  zu  können. 
Plinius  will  offenbar  sagen,  dass  man  bis  dahin  gänzlich  auf 
die  Sonnenuhi-en  beschränkt  gewesen  sei  und  keinerlei  Wasser- 
uhr gehabt  habe.  Seine  Worte  sind:  Etiamtum  tarnen  nuhilo 
incertae  fiiere  horae  usque  ad  proximwn  lustrum.  Tunc  Scipio 
Nasica  collega  Laenatis  primus  aqua  divisit  /loras  aeque  noctiwn 
ac  dierum^  idqiie  horologiwa  sub  tecto  dicavit  anno  Urbis  DXCV. 
—  Nun  war  es  aber  gewiss  nicht  eine  einzelne  clepsydra,  die 
etAva  den  Verlauf  einer  Stunde  anzeigte-,  aber  warum  konnte 
es  nicht  eine  Zusammenstellung  mehrerer  von  verschiedenem 
Maasse,  oder  ein  grösseres  Gefäss  sein,  an  dem  gewisse  Merk- 
male den  Ablauf  der  einzelnen  Stunden  erkennen  Hessen? 
Und  letzteres  scheint  wirklich  Sidon.  Apoll,  in  der  von  Ide- 
ler angeführten  Stelle  ep.  II,  9.  nuntius  iMr  spatia  clepsydrae 
horarum  incrementa  servans.  zu  meinen.  Dass  übrigens  die 
clepsydrae  den  Römern  erst  unter  Pompejus  bekannt  worden 
wären,  wie  von  Beckmann  behaviptet  wird,  davon  findet  sich 
in  dem  Dialog  de  causis  corruptae  eloquentiae  k-eiue  Spur ;  sie 
sind  nicht  einmal  genannt,  und  es  wird  nur  gesagt,  dass  die 
Redner  durch  ihn  in  der  Zeit  beschränkt  worden  seien,  c.  38. 
Primus  tertio  consulatu  Cn.  Pompeius  adstrinxit,  impotmitque 
veluti  frenos  eloquentiae.  Desshalb  wurden  ihnen  allerdings 
clepsydrae  gegeben,  die  namentlich  in  später  Zeit  oft  erwähnt 
werden.  Plin.  ep.  11,  11.  sagt:  dixi  horis  paene  quinque.  nam 
XII  clepsydris ,  quas  spatiosissimas  acceperam  (sie  waren  also 
verschieden),  sunt  additae  IV.    Andere  lesen :  nam  XX  cleps. 


Die  Uhren.  361 

und  das  stimmt  freilich  mit  den  horis  quinque  besser  zusammen; 
denn  dann  würde  auf  die  clepsydra  der  fünfte  Theil  einer 
Stunde  kommen,  so  da>s  XXIV  clepa.  allerdings  j^ae?/«  kor.  V 
ausmachten.  Vgl.  Mart.VI,  35.  VIII,  7.  [Laur.  Lyd.  de  mag. 
II,  16.  Draudius,  de  clepsydris.  Giess.  1732.  Burchardi,  de 
ratione  temporis  ad  perorandum  in  iud.  publ.  apud  Rom  Kil. 
1829.]  Natürlich  wurden  diese  solaria  und  clepsydrae  auch  in 
Privathäusem  gewöhnlich.  [Cic.  ad  Farn.  XYI,  8.  schreibt  an 
Tiro  nach  Tusculum :  horologium  et  librus  mittam.  Ulp.  Dig. 
XXXm,  7,  12.  §  23.  horologio  aereo,  quod  non  est  affixum 
(zum  Hausgeräth  gerechnet),  welche  Art  aber  seltener  war. 
Oeffentlich  aber  wurden  nur  Sonnenuhren  aufgestellt,  z.  B.  bei 
Tempeln,  in  Basiliken,  auf  gi'ossen  Plätzen,  sogar  bei  Grab- 
monumenten u.  s.  w.  Orell.  2032.  3298.  4536.  3299.  Horo- 
logium cum  suo  aedißcio  et  signis  omnibu^  et  clatris  C  Blaesius 

et  eo  amplius  ad  id  horologium  administrandum  servm 

(servum  oder  servandum?)  HS.  etc.  Censorin.23.  apudaedem 
Quirini,  in  Capitoliu,  ad  aedem  Dianae.  Varro  L.  L.  VI,  4. 
quod  (solar.)  Cornelius  in  basilica  Aemilia  et  lulia  adumhravit. 
Laur.  Lyd.  de  mag.  III,  35.]  Neben  ihnen  hatte  man  wohl 
aucli  hie  und  da  hydraulische  Uhren  des  Ktesibios,  wiewohl 
diese  für  die  römische  Eintheilung  des  Tages  schwerlich  passen 
konnten.  Indessen  hat  Weinbrenxer,  Entwürfe,  Heft  11.  T.  7, 
S.  15  ff.  einen  Mechanismus  ersonnen,  durch  den  es  möglich 
gewesen  sein  suU,  die  schwankenden  Stunden  anzuzeigen. 
Aber  alle  diese  Vorrichtungen  hatten  weniger  Zuveidässigkeit, 
als  jetzt  eine  gemeine  hölzerne  Wanduhr.  [Die  durch  Räder- 
werk getriebenen  Wasseruhren,  welche  Vitruv.  IX,  9,  2  ff . 
beschreibt  (siehe  Pauly  Realencykl.  III,  S.  1491  f.)  waren 
jedenfalls  Cicero  bekannt,  da  er  de  nat.  deor.  II,  38.  schreibt: 
an  quuui  ynachinatione  quadam  moveri  aliquid  videmus,  ut  sp/iae- 
ram  (d.  i.  ein  Planetariuni),  ut  horas  (Andeutung  der  Wasser- 
uhr), ut  alia  pernnilta,  non  duhitanms,  quin  illa  opero.  sint  ra- 
tiimis.  S.  Wuestemann,  Rec.  des  Gallus  S.  150.] 

Um  ohne  eigen«'  Mühe  stets  die  Stunde  zu  wissen,  hatte 
man  besondere  Sklaven,  welche  auf  Solarium   und  clepsydra 


362  Fünfter  Excuis  zur  zweiten  Scene.   Die  Uhren. 

achteten  und  jedesmal  die  verflossene  Stunde  meldeten.  Mart. 
Vni,  67. 

Horas  quinque  puer  nondurn  tibi  nunciai,  et  tu 
lam  conviva  mihi,  Caeciliane,  veuis, 
luvEX.  X.  216. 

—  clamore  opus  est,  ut  sentiat  aiiris, 
Quem  dicat  venisse  puer,  quot  nunciet  horas. 
Der  abgeschmackte  Trimalchio  hatte  im  Triclinium  selbst  ein 
horologium  und  dabei  einen  buccinator^  um  jedesmal  den  Ab- 
lauf der  Stunden  anzugeben.  Petron.  26. 


EXCURSE  ZUR  DRITTEN  SCENE. 


STUDIEN    UND    BRIEFE. 


ERSTER    EXCURS. 


DIE    BIBLIOTHEK. 


°^^ 


Wenn  wii-  im  Hause  eines  wissenschaftlich  gebildeten 
RöTucrs  und  geistreichen  Dichters  eine  zahlreiche  Bibliothek 
antreft'en,  s(j  werden  wir  das  natürlich  hnden,  inid  würden  im 
Gegentheile  sie  vermissen;  aber  mit  Unrecht  "würden  wir  von 
dem  Vorhandensein  einer  kostbaren  Büchersammlung  auf  den 
wissenschaftlichen  Sinn  des  Besitzers  schliessen.  Was  in  frü- 
herer Zeit  nur  Bedürfniss  einzelner  durch  die  "Wissenschaft 
gebild<'t<'r  und  ihr  befreundeter  Männer  war,  das  wurde  nach 
und  nach  Mode-  und  Luxusartikel.  Man  mochte  noch  so  un-  ; 
wissend  sein,  so  wollte  man  doch  gelehrt  scheinen,  und  es  ge-  J. 


3G4  Erster  Excurs  zur  dritten  Scene. 

hörte  zum  guten  Tone,  im  eigenen  Hause  eine  reiche  Biblio- 
thek zu  besitzen,  wenn  man  auch  nie  einen  griechischen  Dich- 
ter, nie  einen  Philosophen  in  die  Hand  nahm,  vielleicht  nicht 
einmal  dazu  kam,  die  Titel  der  Rollen  durchzulesen,  und 
höchstens  an  der  Nettigkeit  der  äusseren  Form  sein  Wohlge- 
fallen hatte.  Sexeca  de  tranq.  an.  9.  tadelt  ernst  die  Sucht, 
eine  Unzahl  von  Büchern  aufzuhäufen  in  Bibliotheken,  quu- 
nun  dominus  vix  tota  vita  sua  indices  perlegif.  Er  spottet  über 
die,  quibus  voluminum  suonim  fro7ites  muxhne  placent  titultque^ 
und  sagt  endlich:  iam  enim  inter  halnearia  et  thermas  bibl'io- 
theca  quoque  ut  necessariwn  domiis  or)iame7ituin  expolitur.  Igno- 
scerem  plane  ^  d  e  studiovum  uimia  cupidine  oriretur:  nunc  isla 
exquisita  et  cum  imaginibus  suis  descripta  sacroriim  opera  inge- 
niorum  in  speciem  et  cultuia  parietum  comparantur.  Sah  sich 
doch  LuciAN  veranlasst  in  einer  eigenen  Schrift:  IIqo^  dnal- 
dtvtor  HCii  noXXä  ^ißXi'a  corovfiepov  diese  Thorheit  scharf  zu 
geissein,  und  gewiss  treffend  ruft  er  dem  Gegenstande  seines 
Spottes  die  Sprüchwörter  zu:  nldtiy.o^  ö  ni&i^y.oq  y.uv  ynmea  e'/ji 
orfi^o/M,  und :  oiug  ).vq((^  u/mvh^'  y.ircor  ra  mru.  Vgl.  ]Mart.  V, 
51.  —  Anderen  Gebrauch  machten  fi-eilich  Cicero,  Atticus, 
Horaz  (Ejnst.  I,  18,  109.),  der  ältere  wie  der  jüngere  Plinius 
[und  von  den  Späteren  Serenus  Sammonicus,  welcher  an 
62,000  Bücher  besass,  Cap.  Gord.  18.]  von  ihren  Bibliotheken 
und  dasselbe  dürfen  wir  von  Gallus  voraussetzen.  Dass  aber 
schon  in  der  damaligen  Zeit  eine  Bibliothek  ein  nothwen- 
diges  Ameublement  war ,  zeigt  auch  Vitruv,  der  von  ihr  wie 
von  anderen  Theilen  des  Hauses  handelt,  und  Trimalchio 
i-ühmt  sich  sogar  bei  Petkox.  48.  drei  Bibliotheken  zu  haben. 
Nach  ViTRUVS  Vorschrift  sollte  sie  nach  Morgen  liegen, 
aus  doppeltem  Grunde :  VI,  7.  (Sehn.  4.)  Cubicida  et  bibliothe- 
cae  ad  orientem  spectare  debent;  usus  enim  matutinum  postulat 
lumen:  item  in  bibliotliecis  libri  non  putrescent.  lieber  ihre  wei- 
tere Einrichtung  vermögen  wir  um  so  besser  zu  urtheilen,  als 
die  Ausgrabungen  in  Herculanum  bekanntlich  zu  einer  alten 
Bibliothek  mit  ihren  Rollen  geführt  haben.  Dieses  Zimmer 
hatte  ring.s  an  den  Wänden  Schränke,  nicht  viel  über  Mannes 


Die  Bibliothek.  365 

Länge  hoch,  in  denen  die  Kollen  lagen.  Ebenso  theilte  eine 
andere  Reihe  Schränke  in  der  Mitte  des  Zimmers  dasselbe  in 
zwei  Theile ,  so  dass  niu-  auf  den  Seiten  Gänge  blieben.  Es 
diente  demnach  lediglich  zur  Aufbewahrung  der  Bücher,  nicht 
wohl  zum  Gebrauch  an  Ort  und  Stelle.  Da  ein  kleiner  Raum 
eine  bedeutende  Anzahl  Rollen  fassen  konnte,  so  scheinen  die 
alten  Bibliotheken  überhaupt  nicht  sehr  geräumig  gewesen  zu 
sein.  Die  in  Herculanum  1752  entdeckte  war  so  klein,  dass 
man  mit  ausgestreckten  Armen  fast  von  einer  Wand  zur  an- 
dern reichen  konnte.  S.  Wixckei.m.  Anm.  zur  Gesch.  der 
Bank.  W.  I,  S.  401.  Briefe  an  Bianconi  I.  und  Brühl  W.  H, 
S.  227  fg.  [Philos.  transact.  1752.  p.  71  ff.  1754.  p.  634  ff. 
und  ff.  Jahrg.  Diss.  isagogicae  ad  Herculan.  volum.  explana- 
tionem.  Neap.  1797.]  Martorelli,  de  regia  theca  calamai-ia 
I,  p.  XL.  [de  Iorio,  ofticina  de'  Papiri.  Xapol.  1825.  Boot, 
notice  sur  les  manuscripts  trouves  ä  Hercul.  Amst.  1841. 
Blanca,  varietä  ne'  volum.  Ercolani.  Nap.  1847.] 

Mit  den  Ergebnissen  dieses  Funds  stimmen  sehr  gut  die 
gelegentlichen  Nachrichten  alter  Schriftsteller  überein.  Auch 
ViTR.  Vn.  Praef.  7.  sagt  vom  Aristophanes,  der  die  Plagiate 
nachweisen  wollte:  e  certis  annariis  bißnita  volumina  eduxit. 
VoPisc.Tacit.  8.  habet  hihUothcca  Ulpia  in  arinario  sexto  lihrum 
elephantinuni  etc.  und  so  heisst  es  auch  bei  Plin.  PC,  17.  Parieti 
(cubiculi)  in  hibUoÜiecue  speciein  annarium  insertum  est,  quod 
non  legendos  libroa,  sed  lectitandos  capit.  Hier  war  es  also  ein 
"Wandschrank.  [Auch  Sidon.  Apoll,  ep.  11,  9.  nennt  armar. 
biblioth.  und  vorzüglich  Ulp.  Dig.  XXXII,  1,  52.  §  3  7.]  Ob 
diese  Schränke  Tlüiren  gehabt,  und  verschlossen  worden  sind, 
wie  andere ,  in  denen  man  Gold  und  dergl.  aufbewahrte,  mag 
ich  niclit  behaupten.  Sexeca  tranq.  9.  nennt  überhaupt  nicht 
ariiiaria,  sondern  tecto  tenus  exstruda  loculamenta ,  was  auch 
von  blossen  offenen  Repositorien  verstanden  werden  kann. 
Irrig  aber  ist  es ,  wenn  angegel)en  wird,  diese  armaria  wären 
auch  ncrinia  genannt  worden.  S.  über  die  letztere)!  den  folgen- 
den Excurs.  Hingegen  wird  dafür  von  Iuven.  111,  219.  der 
Ausdruck  Jhriiii  gebrauclit,  der  sonst  wohl  auch  nur  beweg- 


3(36  Erster  Excurs  zur  dritten  Sceiie. 

liehe  Behälter  bedeutet.  Bei  Martial  heissen  sie  sehr  be- 
zeichnend nidi.  I,  118,  15.  De  primo  dabit  alterove  nido  rasuni 
pumice  — -  Martialem.  VII,  17,  5. 

Hos  nido  licet  inseras  vel  imo, 
Septem  quos  tibi  niittimus  libellos. 
und   allerdings   lag   der   Vergleich   mit   einem    Columbarium 
nahe. 

Seit  Asinius  Pollio  [?]  in  der  öflFentlichen  von  ihm  dedi- 
cirten  Bibliothek  die  Portraits  bei-iihmter  Männer  in  Gemälden 
oder  Büsten  aufgestellt  hatte,  fing  man  an,  diess  auch  in  Privat- 
bibliotheken nachzuahmen.  Plin.  XXXV,  2.  Suet.  Tib.  70. 
Ein  interessanter  Beleg  dazu  findet  sich  bei  Mart.  IX,  wo  im 
ersten  Epigramme  der  Dichter  dem  Avitus  die  Inschrift  unter 
sein  Bild  sendet,  dem  dieser  einen  Platz  in  seiner  Bibliothek 
schenken  wollte.  Dann  heisst  es  in  einer  epistola  ad  Tura- 
nium:  Epiyrumma.  quod  extra  ordinem  paginavum  est,  ad  Ster- 
tinium,  clarissirauin  virum,  scripsimus,  qui  iynagineiii  nieam  po- 
nere.  in  bibliotheca  sua  voluit.  So  auch  in  der  Bibliothek, 
welche  Hadriau  in  Athen  anlegte.  Paus.  I,  18,  9.  (oiy.^ftuT«.) 
ayakfiaai  x£xo(T^rjfA.ti>a  y.c.i  •jnuqaig'  y.araxenca  Ö  sg  uvra  SißXia. 
—  Und  nicht  nur  die  Portraits  der  Zeitgenossen  wollte  man 
aufstellen,  sondern,  wie  Plinil'S  sagt:  quin  imrao  etiani,  quae 
no7i  sunt,  finguntiir  pariuntque  desideria  7ion  traditos  vidtus^ 
sicnt  in  Homero  evenit.  [S.  übrigens  Thl.  I,  S.  50.]  Ausserdem 
fanden  auch  Statuen,  z.  B.  der  Musen,  Cic.  ad  Fam.  VII,  23. 
dort  ihren  Platz,  oder  es  führte  auch  wohl  gleichsam  den  Vor- 
sitz in  solcher  gelehrten  Versammlung  die  hohe  Göttin  der 
Weisheit  und  schaffenden  geistigen  Kraft,  deren  Statue  oder 
Büste,  media  Minerva,  Iuvex.  III,  219.  dem  Orte  eine  höhere 
Weihe  gab. 

Für  die  Zwecke  der  Bibliothek,  nicht  nur  zu  ihrer  Beauf- 
sichtigung, sondern  um  sie  zu  vermehren  und  für  die  Nettig- 
keit des  Aeusseren  zu  sorgen,  hatte  man  eigene  Sklaven,  die 
zu  der  grösseren  Klasse  der  Ubrarii  gehörten.  Der  Name  be- 
zeichnet überhaupt  alle  die,  welche  zum  Schreiben  gebraucht 
werden,  daher  sie  auch  schlechthin  scribne  genannt  werden. 


Die  Bibliothek.  367 

Als  solche  sind  sie  jedoch  zu  unterscheiden  von  den  sanbis 
publicis  und  von  den  bibliopolis,  die  zwar  mit  den  librariis  der 
Bibliothek  eine  Beschäftigung  hatten,  bei  denen  indessen  der 
Begriflf  des  Verkaufs  der  abgeschriebenen  Bücher  für  ihre 
Rechnung  hinzukommt.  Vgl.  S.  126.  und  die  dort  citirten 
Schi'iften  von  Eschenbach  und  Ernesti.  Unter  den  Schrei- 
bern, die  der  Privatmann  sich  hielt,  unterscheidet  man:  Ubrarii 
a  studiis,  s.  I,  S.  52.,  ab  epistolis  und  a  bibüotheca  [vgl.  Orelli 
Henzex  6445].  Ob  indessen  die  Verbindung  der  beiden  Na- 
men: librarius  a  bibliotheca  sich  sollte  nachweisen  lassen,  ist 
mir  zweifelhaft.  Auf  Inschriften  heisst  es  sonst :  librarius  et  a 
bibliotheca ,  und  Letzterer  wird  dann  wohl  der  gewesen  sein, 
welcher  die  Aufsicht  über  das  Ganze  hatte,  wozu  man  natür- 
lich einen  librarius  nahm.  Die  librarii  aber,  welche  für  die 
Bibliotheken  abschrieben,  wurden,  wiewohl  erst  spät,  auch 
antiquarii  genannt.  Cod.  Theod.  IV, 8,2.  Antiquiores  ad  bib'io- 
thecae  Codices  comjjonendos ,  vel  pro  vetustate  reparandos  qua- 
tuor  Graecos  et  tres  Latinos  scribendi  peritos  legi  iubemus.  [Im 
I]dict.  DiocLET.  de  pret.  erscheint  librarius  sive  antiquarius 
als  Schreibelehrer  nach  dem  notarius,  der  wahrscheinlich  in 
der  Stenographie  unterrichtete.  Der  Abschi-eiber  von  Büchern 
heisst  daselbst  nur  scriptor  und  der  von  Urkunden  tabelUo. 
MoMMSEN,  Berichte  über  d.  Verhandl.  d.  Königl.  Gesellschaft 
d.  Wissensch.  zu  Leipzig  1851,  S.  19.  21.  72.  74.]  Die  Er- 
klärung indessen,  welche  I.siü.  Orig.  VI,  14.  giebt:  Librarii 
iideiii  et  antiquarii  vocantur:  sed  librarii  sunt,  qui  et  ?iova  et  ve- 
tera  scribunt,  antiquarii ,  qui  tanlummodo  vetera,  unde  et  nomen 
sumserunt.  möchte  schwerlich  als  die  Avahre  gelten  können. 
Richtiger  scheint  es  anzunelnneu,  dass,  als  die  alte  römische 
Schrift  anfing  in  die  Cursi\schrift  überzugehen,  man  die, 
welche  alte  ansehnliclie  Uneialschrift  beibehielten,  antiquarios 
mit  eben  dem  iiechte  nannte,  mit  welchem  man  den  Schrift- 
stellern, welche  absichtlich  aniiqiia  et  rccoialita  verba  wählten 
(SuET.  Aug.  86.)  diesen  Namen  gab.  S.  Gurlitt,  Archäolog. 
Sclir.  S.  7.  Daher  erklären  auch  die  Glossen  das  Wort  durch 
doj^uioyoi'.qog  und  xn).hy(>äq'o.,'.  [Die  libraria  bei  Gruter.  594,  o. 


368        Erster  Excurs  zur  dritten  Scene.    Die  Bibliothek. 

ist  nicht  ganz  sicher  und  sonst  ist  lihraria  s.  v.  a,  lanipendia, 
ScHOL.  zu  luv.  VI,  475  ff.  Orelli  4212.  Das  verächtliche 
Deminutiv  Uhrarlolus  s.  Cic.  ad  Att.  IV,  4.  s.  v.  a.  unbedeu- 
tender Sklave,  der  bei  den  Büchern  angewendet  wird  (siehe 
Exe.  2.)  p.  Balb.  6.  vgl.  de  leg.  I,  2.] 

Die  librarii  waren  aber  nicht  bloss  Abschreiber,  sondern 
zugleich  auch  Buchbinder,  wenn  man  auf  die  Bollen  diesen 
Ausdruck  übertragen  darf.  Ueber  diese  Geschäfte  s.  den  fol- 
genden Excurs. 

Literatur:  LiPSii,  de  bibliothecis  syntagma.  Opp.  tom.III. 
LoMEiER,  de  bibliothecis.  (in  antiquarischer  Hinsicht  sehr  un- 
bedeutend). [G^RAUD,  sur  les  livres  dans  l'antiquite,  particu- 
li^rement  chez  les  Komains.  Paris  1840.  chap.  10.  des  biblio- 
theques.] 


ZWEITER  EXCURS  ZUR  DRITTEN  SCENE. 


DIE    BÜCHER. 

Von  der  äusseren  Gestalt  der  Bücher  bei  den  Alten  hat 
Schwarz  in  seinen  gelehrten  Dissertationen  de  ornamentis 
librorum  apud  veteres  usitatis.  freilich  mit  Beimischung  man- 
ches Entbehrlichen  ausführlieh  gehandelt.  Es  bleibt  indessen 
auch  nach  dieser  sehr  Heissig  geführten  Untersuchung  noch 
manches  zu  berichtigen  und  zu  erklären,  worüber  zum  Theil 
die  in  Herculanum  aufgefundenen  Rollen  Aufschluss  geben. 
Ueber  einiges  habe  ich  zu  Tib.  III,  1.  gesprochen.  S.  meine 
Elegeia  Romana  p.  242  ff.  [S.  noch  Cirillo,  monogr,  du  pa- 
pyrus.  Parma  1796.  Dlreau  de  la  Malle,  m^m.  sur  le 
papyrus  et  la  fabrication  du  papier  chez  les  anciens  in  mem. 
de  l'acad.  des  inscript.  XIX,  1,  S.  140  ff.  Peignot,  essai  bist, 
sur  la  relure  des  livres  et  sur  l'etat  de  la  librairie  chez  les  an- 
ciens. Dijon  et  Paris  1834.  Geraud,  essai  sur  les  livres  etc. 
und  Boot,  notice  etc.  p.  30  —  41.  s.  im  voi-igen  Exe.  Pauly, 
Realencykl.  IV,  S.  1040  ff.  Krause,  Geschichte  d.  Erziehung, 
Unterrichts  und  Bildung  bei  Griechen,  Etruriern  und  Römern. 
Halle  1851,  S.  418 — 428  über  das  Schreibmaterial.  Winckel- 
MANN,  Unterhalt,  aus  der  alten  AVclt  für  Garten-  und  Blumen- 
freunde. Gotha  1854,  S.  17 — 33.  Chabas,  etude  sur  le  papy- 
rus in  revue  archeol.  1858.  XV,  S.  1  ff.] 

Der  Stoff,  auf  welchen  die  Bücher  geschrieben  wurden, 
war  in  der  Regel  das  feinste  Bast  (liber,  die  einzelnen  Häute 
pliilyrae)  des  ägyptischen  Papyrus,  den  man  zu  Augusts  Zeit 
durch  Zurichtung  mit  Bleiche  (ablutio)  so  zu  vervollkomuiuen 

Bkckek,  CJallus.    3.  Aufl.  H.  24 


370  Zweiter  Exciirs  zur  dritten  Sccne. 

wusstc,  dass  der  vorzüglich-^te  der  frülieren  Zeit  (hieratka)  nur 
als  dritte  Qualitcät  galt,  während  den  ersten  Hang  der  nach 
August  benannte  einnahm,  und  die  nächste  Sorte  der  Livia 
Xamen  führte.  Es  gab  in  Kom  davon  verschiedene  l'abriken. 
Plix.  XIII,  12,  23.  sagt,  nachdem  er  von  obigen  Sorten  ge- 
sprochen: Proximinn  (nomen)  amphitheatrican  dafiim  fuerat  a 
confecturae  loco.  Exccplt  lianc  Romae  Fannii  sagax  ofßcina, 
tenuatamque  curiosa  iiiterpolatione  priucipalcm  fecit  e  pleheia 
et  noiaen  ei  dedit.  Quae  7ion  esset  ita  reeurcda,  in  siio  mansit 
amplnthecdrica.  Er  führt  überhaupt  acht  Sorten  an,  deren  ge- 
ringste, die  emporetica ,  zum  Schreiben  untauglich  Avar  und 
nur  zur  Verpackung  gebraucht  wurde,  woher  es  eben  den 
Xamen  hatte  (a  mey^ccdoribus  cognominatci).  [Ueber  die  Stelle 
de-i  Plin.  s.  Guillaxdini,  comment.  in  Plin.  de  pajD.  capita. 
zum  erstenmal  Ven.  1572.  Salmas.  zu  Vop.  Firm.  5.  Moxt- 
FAUCOx,  sur  la  plante  apjiellee  Papyrus,  in  d.  mem.  de  Tacad. 
des  iuscriijt.  et  b.  1.  IX,  p.  302  fg.  Caylus,  ebendas.  XXVI, 
p.  267 — 320.  Vgl.  ferner  im  Allgemeinen  Wehes,  v.  Papier. 
Halle  1789.  Böttiger,  kleine  Schriften  III,  S.  365  —  385. 
Tychsex,  de  chartae  jiapyr.  in  Eur.  per  med.  aev.  usu,  in 
comm.  soc.  scient.  Gotting.  IV,  comm.  1.  Krause,  in  Ersch 
und  Gruber  Encykl.III,  11,  S. 231— 247.  Pauly,  Kealencykl. 
V,  S.  1154  ff.  Boot,  notice,  p.  9 — 24.  (wo  er  p.  15  ff.  behaup- 
tet, dass  man  nur  in  Aegypten  Papier  fabricirt  habe,  Avelches 
dann  in  Kom  bloss  umgearbeitet  Avorden  sei;  als  ob  man  den 
Pajjyrus  nicht  vielmehr  roh  nach  Italien  ausgeführt  hätte  pa- 
pyrum  ad  Chartas  paratum  Ulp.  Dig.  XXXII,  1,  52.  §  6.). 
Plix.  h.  n.  XUI,  12,  23.  erwähnt  die  römische  Fabrik  des 
Fannius  s.  oben.  vgl.  26.  Vergl.  den  interessanten  Brief  des 
Cassiod.  var.  XI,  38.  und  Isid.  VI,  10.  wo  sieben  Papier- 
sorten aufgezählt  werden.  Der  Xame  derselben  ist  theils  ent- 
lehnt dem  Vaterland  oder  dem  Ort  der  Fabrikation  {Aegyp- 
tiaca,  Niliaca,  ampJutheatrica),  theils  Personen  {Cornelia,  Livia, 
Augusta),  oder  bezeichnet  den  Gebrauch  (hieratica,  emporetica). 
—  Das  Ausfuhrverbot  des  Papyrus  durch  König  Ptolemaeus 
war  ohne  Zweifel  nur  vorübergehend,  Plix.  h.  n.  XIII,  11,21. 


Die  Büclier.  371 

Als  Haupttugendeu  des  Papiers  galten:  temiita.s.  densifas,  can- 
dor,  laevor;  als  Hauptfehler,  welche  durch  Umarbeiten  ent- 
fernt wurden:  scabritia,  humor,  lentigo,  taeiüa.] 

Die  schmalen  Streifen  dieses  Papiers  —  au  den  Hercu- 
lanischen  Rollen  etwa  sechs  Finger  breit  —  wurden  [auf 
darunterliegenden  Bretern  mit  Nilwasser  oder  Kleister]  zu- 
sammengeleimt, so  dass  einer  über  dem  anderen  ein  bis  zwei 
Finger  breit  lag,  [und  darüber  breitete  man  eine  Querlage, 
wie  bei  einem  Gewebe.  Plin.  a.  a.  0.  Wuestemann,  S.  25. 
Der  Name  dieser  Streifen  war]  paginae,  schedae,  was  wenig- 
stens bei  Marx.  IV,  89. 

Ohe  iain  satis  est,  ohe  libelle, 

Iqvi  pervenimiis  usqiie  ad  umbilicos. 

Tu  prucedere  adlmc  et  ire  quaeris, 

JXec  summa  potes  in  scheda  teneri. 
nicht  ein  einzelnes  Blatt,  wie  bei  Cic.  Att.  I,  20.  sondern  (Xqw 
letzten  Streifen  der  Rolle  bedeutet.  —  Die  Breite  oder  Höhe 
(latitudo  bei  Plix.)  der  Rollen  (volumina)  und  natürlich  auch 
ihre  Länge  waren  verschieden.  Die  Herculauischen  sind  in 
der  Regel  einen  neapolitan.  Palm  breit,  aber  auch  schmäler, 
[nämlich  zwischen  (j  und  i)  Zoll.  Plix.  giebt  die  Breite  von 
G — 13  Zoll  an.  Die  besten  Sorten  hatten  13",  die  hieratische 
1 1",  das  Fannische  Papier  10",  das  amphitheatrische  9",  das 
emporetisclie  G".  Diess  hing  ganz  von  der  Breite  der  Streifen 
ab,  die  man  aus  den  bastähulichen  unter  der  Rinde  des  schilf- 
artigen oft  hohen  Papyrusstammes  befindlichen  Häuten  {phi- 
lyrae)  schnitt  und  nach  Willkür  schmäler  oder  breiter  liess. 
Die  innersten  Iläutchen  brauchte  man  zu  dem  feinsten,  die 
äussersten  zu  dem  gröbsten  Pa[»ier,  nachdem  man  sie  mit  einer 
Xadel  (acus)  gelöst  und  abgewickelt  hatte.  Siehe  Ritschl,  die 
alexandrin.  Bibliotliek.  Breslau  1838.  S.  124  fg.  Wuestem., 
S.  24  ff.  Lexz,  Botanik  d.  alten  Griechen  und  Römer.  Gotha 
1859,  S.  271  —  279.  —  Die  1821  gefundene  ägyptische  Pa- 
pyrusrolle mit  dem  Fragment  der  Ilias,  677  Hexameter  enthal- 
tend, ist  8  Fuss  lang  und  10  Zoll  breit.  Ueber  dieAngabe  der 
Zeilenzahl  am  Ende   der  Werke  oder  auf  dem  Titel  (Sticho- 

24* 


372  Zweiter  Ex  cur  s  zur  dritten  Scene. 

metrie)  s.  Eitschls  erwähnte  treffliche  Schrift  S.  91 — 136. 
Ebendaselbst  ist  der  Unterschied  der  ßißXia  knXä  und  äfiixra 
(volum.  simplicia  und  digesta)  im  Gegensatz  zu  ßißXi'a  av/nixima 
(commixta)  gründlich  behandelt,  S.  22 — 28.  und  corollarium 
disput.  de  biblioth.  Alex.  Bonn.  1840.  p.  34  —  41.  obgleich 
noch  nicht  alle  Zweifel  beseitigt  sind.  Am  einfachsten  würde 
man  unter  uTiXä  einzelne  Papyrusstreifen  oder  Bücherrollen 
verstehen,  die  nur  aus  einem  Blatte  bestehen,  allein  avfifuxra 
würde  dazu  nicht  gut  j^assen.  Siehe  auch  Bernhardi,  Berlin. 
Jahrbücher  1838.  S.  829  ff.  Preller  in  Pauly,  Eealencykl. 
IV,  S.  1042.]  S.  WiNCKELM.  Br.  an  Bianconi  W.  II.  S.  227  ff. 
[Guilandini,  comm.  in  Plin.  de  pap.  p.  180  ff.  Boot,  notice 
p.  30 — 41.  les  volumes  des  anciens.  Ueber  die  Papyrusrolle 
mit  einer  Rede  des  Hyperides,  Avelche  Harris  in  Aegypten 
fand,  s.  Sauppe,  Philologus  1848.  III,  2,  S.  610  ff.  und  in  der 
Ausgabe  von  Schneidewin.  Göttingen  1853,  Vorrede  S.  8.11.] 

Neben  dem  Papyrus  war  das  üblichste  Material,  seit  der 
Erfindung  des  Eumenes  von  Pergamus,  Pergament,  memhrana 
(Pergamena).  Plin.  XIII,  11,  21.  [Hör.  Sat.  II,  3,  2.  Mart. 
XIV,  7.  Diese  Pergamentbogen  wurden  gefalzt  und  nach  Art 
unserer  Bücher  in  kleinerem  oder  grösserem  Format  geheftet, 
darum  sagt  Ulp.  Dig.  XXXII,  1,  52.  §  5.  membranae  nondum 
consutae.  Mabillon,  de  re  diplom.  I,  S.  8.]  Es  hatte  indessen 
einen  viel  beschränkteren  Gebrauch,  da  es  vermuthlich  viel 
höher  zu  stehen  kam.  Wenn  ausserdem  auch  Schriften  auf 
Leder  (Ulp.  1.  1.  52.  pr.)  oder  Leinwand  (s.  Salm,  zu  Vopisc. 
Aurel.  8.  S.  439.  vgl.  Marc.  Capell.  II,  35.)  oder  gar  Seide 
(Symmach.  IV.  ep.  34.)  erwähnt  werden,  so  gehört  das  ent- 
weder zu  den  Un Vollkommenheiten  früherer,  oder  den  Sonder- 
barkeiten der  sjjäteren  Zeit,  oder  es  sind  nicht  Bücher  gemeint. 
[Vgl.  IsiD.  VI,  12.] 

Die  Dinte,  mit  welcher  man  schrieb,  atraviejitum  libra- 
rium,  war  eine  Art  Tusche,  aus  Russ  [und  Gummi]  bereitet. 
Plin.  XXXV,  6,  25.  Fit  enim  et  fuligine  plurihus  modis,  resina 
vel  pice  exustis.  Propter  quod  officinas  etiam  aedificavere,  fu- 
mum  eum  non  emittentes;  laudatissimum  eodem  modo  fit  e  taedis. 


Die  Bücher.  373 

Adultercttur  fornacum  balincarnmque  fidigine^  quo  ad  Volumina 
scrihenda  iduntur.  Sunt  qui  et  vini  faecem  siccatam  excoquant 
etc.  Ders.  XXVII,  7,  28.  Atramentum  lihrarhnn  ex  diluto  eins 
(absinthii)  temperatum  Uteras  a  musculis  tuetur.  [Vitr.  VII,  10. 
DioscoR.  de  niat.  met.  V,  181  f.  Isidor.  XIX,  17.]  —  Damit 
stimmt  sehr  wohl  überein,  was  "Wixckelmann  a.  a.  0.  S.  236. 
von  den  Herculanischen  Handschriften  sagt.  „Die  Herculani- 
schen  Handschriften  sind  mit  einer  Art  von  schwarzer  Farbe, 
beinahe  wie  die  chinesische  Tusche,  geschrieben,  die  mehr 
Körper  hat,  als  die  gewöhnliche  Dinte.  AVenn  man  die  Schrift 
gegen  das  Licht  ansieht,  so  sieht  solche  wirklich  etwas  erhaben 
aus,  und  die  Dinte ,  die  man  noch  in  einem  der  Schreibzeuge 
gefunden  hat,  ist  davon  ein  sicherer  Beweis."  Dass  man  aber 
auch  mit  dem  Safte  der  Sepia  schrieb,  scheint  aus  Pers.  III, 
12  ff.  geschlossen  werden  zu  müssen,  wenn  auch  der  Schol. 
es  leugnet.  Es  heisst  dort: 

Tunc  querimw,  crassus  calamo  quod pendeat  Juanor, 
Nigra  quod  infusa  vanescat  sepia  lympha; 
Dilutas  querimur  geminet  quod  fistula  guttas. 
Da  auch  Ausox.  IV,  76.  die  Buchstaben  notas  furvae  sepiae 
nennt,  so  scheint  das  Wort  doch  wohl  in  der  eigentlichen  Be- 
deutung gebraucht  zu  sein.  [Aehnlich  AusoN.  ep.  VII,  54.  — 
Davy,  philos.  transact.  1821.  p.  191.  198.  205.]    Eine  künst- 
liche sympathetische  Dinte ,  welche  die  Schrift  nur  bei  einer 
gewissen  Behandlung  dem  in  das  CTcheimniss  Eingeweihten 
zeigen  sollte,  scheinen  die  Alten  nicht  gekannt  zu  haben.  Da- 
gegen war   ihnen   für  solchen   Zweck  der   Gebrauch  einiger 
natürlicher  Substanzen,   wie  der  Milch  oder  eines  saftenden 
Leinstengels  nicht  fremd.  Daher  räth  Ovid.  art.  III,  627  ff. 
Tuta  quoque  est,  fallitque  oculos  e  lade  recenti 

Litera:  carbo)iis  pidvere  lange :  leges. 
Fallet  et  hiimididi  quae  fiel  acumine  lini^ 
Eiferet  occullas  pura  tabella  notas. 
Mehr  darüber  s.  in  Be(  kmanx,  Beitr.  zur  Gesch.   der  Erf.  II, 
S.  295.  [Pauly,  Kealencykl.  I,  S.  919ff.  Namur,  bibliographie 
paleogr.  dijil.   Mibliol.   gener.  Liege  1838,  I,  4.  3.   S.  25  f  — 


,^74  Zweiter  Excurs  zur  dritten  Sceiie. 

Zwei  sein-  scliön  gearbeitete  antike  Dintenfasser  aus  Bronze 
mit  reicher  Silberverzierung,  etAva  zwei  Zoll  liocli,  beschreibt 
AvELLixo,  Bullet.  Napol.  N.  16.  tav.  7.  Sie  sind  rund  und 
hängen  aneinander,  indem  das  eine  für  rothe  und  das  andere 
für  schwarze  Dinte  bestimmt  war.  Andere  waren  höher  und 
schlanker,  mit  Henkeln  zum  Tragen  versehen ,  Avell.  eben- 
daselbst,  Mus.  BoRB.  I,  12.] 

Statt  der  bei  uns  gebräuchlichen  Federn  bediente  man 
sich  eines  auf  dieselbe  Weise  mit  dem  scalprum  librarium  (Tac. 
Ann.  V,  8.  Suet.  Vit.  2.)  zugeschnittenen  Rohrs,  das  am  besten 
Aegypten,  Gnidus  und  der  Anaitische  See  lieferten.  Plin.  XVI, 
36,  64.  Chartisque  serviunt  calami^  Aegyptii  maxime,  cognatioiie 
quadam  papyri.  Prohatiores  tarnen  Gnidii  et  qui  in  Asia  circa 
Anaiticuin  lacum  nascuntur.  Nostratibus  fungosior suhest  natura 
etc.  [Appul.  Met.  I.  praef.  papyrun^  Aegyptia  argutia  Nilotici 
calaini  insc7'iptam.]  Mart.  XIV,  38.  Fasces  calamorum, 
Dat  chartis  hahiles  calamos  Memjjhitica  tellus: 

Texantur  reliqua  tecta  palude  tibi. 
[Ausox.  epist.  VII,  48  ff. 

Fac  campum.,  repUccs  Miisa  j^ajjyrium, 

Nee  iam  ßssipedis  per  calami  vias 

Grassetur  Gnidiae  sulcus  arundinis, 

Pingens  aridulae  siibdita  paginae, 

Cadmi  filioas  atricoloribus. 
HoR.  epist.  II,  1,  113. 

Sole  vigil  calamum  et  cliartas  et  scrinia  posco. 
Cic.  ad  Qu.  fr.  II,  15.  b.  Calurno  et  atramento  temperato,  chorta 
etiam  dentata  res  agetur.  —  sed  hoc  facio  semper,  ut  quicunqne 
calamus  in  manus  meas  venerit,  eo  sie  utar  tanquam  bono^  Auf 
einem  in  Herculauum  gefundenen  Wandgemälde  sieht  man 
einen  solchen  calamus  über  einem  Dintenfasse  liegen.  S.Mus. 
BoRB.  I.  tav.  12.  WiN-CKELM.  W.  II.  Taf  III.  Gell,  Pom- 
jjeiana.  1835.  II,  p.  187.  und  die  vorstehende  Copie.  Auch 
versteinert  hat  man  dergleichen  aufgefunden.  Siehe  ebeudas. 
S.  236  fg.  [Philos.  transact.  1758.  p.  620.]  und  Martorelli, 
De  reffia  theca  calamaria. 


Die  Bücher.  375 

Die  Schrift  war,  wenigstens  häufig,  in  Culumneu  abge- 
theilt  [4 — 6  Zoll  breit] ,  und  zwischen  denselben  vermuthlich 
mit  rother  Farbe,  minlwn,  Linien  gezogen.  In  den  Herciilaui- 
schen  Rollen  erscheinen  diese  Linien  weiss,  was  sich  leicht  aus 
der  übrigen  Beschaffenheit  erklärt.  S.  Wixckelm.  S.  118.  233. 
—  Der  Titel  des  Buchs  befand  sich  sowohl  zu  Anfange,  als 
am  Ende. 

Li  der  Kegel  Avurde  nur  die  eine  Seite  der  charta  be- 
schrieben, wie  auch  die  Herculanischen  Rollen  zeigen,  und 
darum  sagt  Iuvex.  I,  5.  von  einer  über  die  Gebühr  langen 
Tragödie: 

suvimi  plena  iam  marghie  libri 

Scriptus  et  in  tergo,  necdum  finitus  Orestes. 
Vielleicht  geschah  es  indessen  auch  aus  übertriebener  Spar- 
samkeit, und  als  ein  Beispiel  der  Art  kann  gelten,  was  ]\Iar- 
TiAL  sagt,  Vni,  62. 

Scribit  m  aversa  Ficens  epigrammata  charta., 
Et  dolef,  averso  quod  facit  illa  cleo. 
Man  pflegte  nämlich  zu  werthlosen  Schreibereien,  wie  z.  B.  zu 
den  Uebungen  der  Kinder  beim  Unterrichte  kein  neues,  son- 
dern bei'eits  auf  einer  Seite  beschriebenes  Papier  zu  nehmen. 
Die  von  Poui'Hyrio  darauf  bezogene  Stelle  des  Horaz  Epist. 
I,  20,  17  fg.  ist  offenbar  ganz  anders  zu  verstehen;  wohl  aber 
sagt  es  mit  deutlichen  Worten  Marx.  IV,  86.,  wo  er  sein  Buch 
an  Apollinaris  weiset: 

Si  dainnaverit,  ad  Salariorwn 
Curras  scrinia  protinus  Ucebit., 
Inversa  piieris  arande  charta. 
Sonst  enthielten  solche  opistographa  (Plix.  ep.  III,  5.)    [Ulp. 
Dig.  XXXVII,  11,4.    Chartae  appellatio  et  ad  novavi  charta)n 
refertur  et  ad  deletitiam.     Proinde  et   si  in  opistographa  quis 
testatus  sit,  hinc  pcti  potest  botwrum  jjossessio.]  gewöhnlich  bloss 
Bemerkungen,  Entwürfe,  Sammlungen   oder  auch  Aufsätze, 
die  erst  ins  lieiue  geschrieben  werden  sollten.   War  aber  vicl- 
leiclit  der  Inhalt  eines  Buchs  ohne  Werth,  so  wischte  man  auch 
die  ganz(;  Schrift  wieder  weg,   und  beschrieb  das  Papier  uodi 


376  Zweiter  E  x  e  u  r  s  zur  dritten  S  c  e  n  e. 

einmal,  das  dann  palinipsestus  genannt  wurde.  Cic.  Fam.  VII, 
18.  Nam  quod  in  palimpsesto ,  laudo  equidem  parsimoniam.  sed 
miror,  quid  in  illa  chartula  fuerit^  quod  delere  malueris,  quam 
haec  non  scribere;  rnsi  forte  tuas  formulas.  Non  enim  puto,  te 
meas  epistolas  delere,  ut  reponas  tuas.  Vgl.  Catull.  XXII,  5. 
Darum  will  Mart.  IV,  10.  seinem  Buche  einen  Schwamm  mit- 
geben; denn 

Non  possunt  nostros  multae^  Fausti?ie,  liturae 
Emendare  iocos;  una  litura  potest. 
Hingegen  wurde  gewöhnlich  das  Buch  auf  der  Rückseite  ge- 
färbt, indem  man  es  entweder  mit  cedrus  oder  Safranfarbe  be- 
strich. Luc.  TtQog  ciTzaid.  16,  t.  III,  p.  113.  xat  äXsi'q^Eig  zm  nQoxm 
xai  TTJ  'AiS(i(o.  Das  ist  bei  Pers.  III,  10.  positis  bicolor  mem- 
brana  capillis.  [wenn  nicht,  wie  Hertzberg,  Reo.  des  Gallus 
annimmt ,  ein  bunter  Umschlag  um  das  aus  Papier  bestehende 
Buch  zu  verstehen  ist,  wodurch  das  Bild  des  verzogenen  und 
in  allen  Dingen  reich  ausgestatteten  Junkers  vervollständigt 
würde],  und  luv.  VII,  23.  croceae  membrana  tabellae.  Was 
auch  unter  cedrus  zu  verstehen  sein  möge,  (bei  Plin.  XIII,  13, 
86.  werden  libri  citrati  genannt.  Vgl.  auch  Billerb.  Flora 
class.  p.  199.)  so  viel  ist  gewiss,  dass  das  Buch  gegen  Motten 
und  Würmer  geschützt,  und  auf  der  Rückseite  dadurch  gelb 
gefärbt  wurde.  [Vitr.  II,  9,  13.  erklärt  die  Anwendung  dieses 
Präservativs  ganz  deutlich:  ex  cedro  oleum  —  nascitur,  quo 
reliquae  res  unctae,  uti  etiam  libri,  a  tineis  et  a  carie  non  lae- 
du7itur.  Mart.  III,  2.  cedro  perimctus.  V,  6.  cedro  decorata. 
Hertzberg,  Rec.  X.  288.  verweist  noch  auf  Hör.  art.  poet. 
331  fg.  carmina  linenda  cedro.  und  Pers.  I,  42.  et  cedro  digna 
locutus.]   OviD.  Trist.  III,  1,  13. 

Quod  neque  sum  cedro  flavus  nee  purnice  levis: 
Erubui  domino  cultior  esse  meo. 
War  nun  das  Buch  völlig  zu  Ende  geschrieben,  so  wurde  dann 
erst  vermuthlich  am  letzten  Blatte  oder  Streifen  der  Stab  oder 
die  Röhre  befestigt,  um  welche  es  gewickelt  werden  sollte. 
[PoRPH.  zu  Hör.  epod.  18,  8.  in  fine  libri  umbilici  ex  ligno  aut 
osse  fieri  solebant.].    Diese  Röhren,   welche   an  den  Hercula- 


Die  Bücher.  377 

nischen  Kollen  sichtbar  sind,  standen  auf  keiner  Seite  über 
die  Rolle  hinaus,  sondern  ihre  Enden  lagen  in  der  Fläche  der 
Cylinderbasis.  Sie  werden  für  das  gehalten,  was  die  Alten 
timbilicus  nannten,  s.  Winckelm.  II,  S.  231.  Mitsch.  zu  Her. 
Epod.  XIV,  8.  lind  allerdings  können  Kedensarten,  Mie  ad 
umbilicion  adducere ,  Hör.  a.  a.  0.  und  iam  pervenbnus  iisqiie 
ad  umbilicos.  daraiif  führen;  auch  wäre  der  Ausdruck  für  die 
beiden  Höhlungen  in  der  Mitte  der  Scheibe  nicht  eben  unpas- 
send. Wenn  man  aber  darauf  achtet,  dass  Martial  in  der 
Aufzählung  der  einzelnen  Stücke,  welche  zum  ganzen  Ornate 
des  Buchs  gehören,  jederzeit  nur  die  umbilicos  nennt,  nie  aber 
die  cornua  erwähnt,  die  wiederum  jedesmal  von  Tibull  und 
OviD  genannt  werden,  denen  freilich  das  Wort  umbilicus  nicht 
passte  (s.  die  Stellen  weiter  unten),  so  muss  man  sich  über- 
zeugt halten,  dass  die  beiden  Namen  völlig  gleichbedeutend 
sind.  Ueberdiess  nennt  Mart.  III,  2.  die  umbilicos  pictos ;  das 
können  also  nicht  die  Höhlungen  der  Kühre  sein.  Ebenso 
sagt  aber  Tibull:  pingantur  cornua.  Höchstens  könnte  man 
annehmen,  der  erstere  Ausdruck  habe  eine  weitere  Bedeutung, 
und  bezeichne  die  Oeflfnungen  mit  den  darauf  befindlichen 
Knöpfen,  und  dafür  Hesse  sich  als  Bestätigung  anführen  Mart. 
V,  6,  15. 

Quoe  cedro  decorata  purpuraque 

Niyris  pagina  crevit  unibilicis. 
denn  schwarze  Knöjjfe  auf  ebenfalls  schwarzem  Schnitte  las- 
sen sich  nicht  wohl  denken.    Die  cornua  nennt  ^Fartial  nur 
einmal  XI,  107.  wo  cccpUcitus  usque  ad  sua  cornva  über,  gerade 
so  viel  ist,  als  IV,  90.   Iam  pervenimus  usque  ad  umbilicos. 

Es  wurde  nämlich  durch  das  Rohr  ein  Stäbchen  gesteckt, 
das  gleichsam  dem  (Zylinder  zur  Axe  diente,  und  an  beiden 
etwas  über  die  Fläche  herausstehenden  Enden  desselben  wur- 
den elfenbeinerne,  goldene  oder  gemalte  Knöpfe  befestigt. 
Diese  Knöpfe  sind  eben  die  cornva  oder  umbilici.  Vergl.  Fea 
zur  ang.  St.  Winck.  S.  3iJG  fg.  —  Das  Stäbchen  selbst  hiess 
in  der  späteren  Gräcität  xoiTrtxJor. 

Vorher  aber  wurden  die  Bases  der  Rolle  oben  und  unten 


378  Zweiter  Excurs  zur  dritten  Scene. 

sorgfaltig  beschnitten,  mit  Bimsstein  geglättet,  und  scliWtarz 
gefärbt.  [Isid.  VI,  12.  Circumcidi  Ubros  Siciliae  primipn  incre- 
bruit,  neun  initio  pmmcabunfur.]  Das  sind  dann  die  geminae 
frontes  [Mart.  I,  67.  fro7is  pumicata.  118.  rasiim  immice.  YIII, 
72.  Catüll.  XXII,  8.],  in  deren  Mitte  sich  die  umhiUci  oder 
cornua  belinden.  Bemerkenswerth  ist  es  indessen,  dass  auf 
Gemälden  aus  Hcrculanum  und  Pompeji  von  solchen  Knöpfen 
in  der  Regel  nichts  zu  sehen  ist,  und  dass  auch  an  den  Hercu- 
lanischen  Manuscripten  sich  keine  Spur  davon  gefunden  hat. 
S.  Gell,  Pompeiana  1835.  II,  p.  187.  und  unsere  Abbildung. 
[Fuss,  de  umbilicis,  coi-nibus  et  frontibus  in  vett.  libris,  im 
Museum  des  rheinwestphälischen  Schulmännervereins  IS-IG. 
Bd.  IV,  S.  70 — 78.  glaubt  ein  neues  Licht  über  diese  Dinge 
zu  verbreiten,  allein  seine  Ansicht  ist  von  der  des  Voss, 
Schwarz  und  Becker  durchaus  nicht  verschieden.] 

Um  die  Eolle  sicherer  vor  Beschädigung  zu  bewahren, 
Avurde  sie  dann  in  ein  Pergament  gewickelt ,  das  äusserlich 
mit  Purpur  oder  auch  mit  dem  schönen  Gelb  des  hdum ,  lutea 
(genista  tinctoria  Liini.  s.  Billerb.  Flor.  cl.  S.  181.  nach  Voss 
zu  Virg.  Ecl.  IV,  44.  und  Büttig.  Aldobr.  Hochz.  S.  34.  re- 
seda  luteola  Linn.)  gefärbt  war.  Diese  Hülle  (keine  capsa) 
wurde  von  den  Griechen  Äg/^/()«  schlechthin,  und  ebenso  bei 
den  Römern  membrana  genannt.  Martial  braucht  dafür  X, 
93.  purpurea  toga.  [III,  2.  Et  te  purpmra  delicata  velet.  VIII, 
72.  miirice  cultus.  I,  67. 

Nee  iimbUlcis  cultus  ntque  membrana.^ 
Etwas  anderes  ist  auch  nicht  gemeint,  wenn  Mart.  XI,  1. 
sagt:  cultus  sindone  non  quotidiana.  An  eine  purpurfarbige 
Leinwand  ist  nicht  zu  denken,  sondern  sindon  steht  für  p««'- 
pureus  amictus  überhaupt.  —  Solche  Hülsen,  aus  denen  die 
Rollen  genommen  sind,  sieht  man  auf  unserer  Vignette. 

Endlich  kam  noch  der  Titel,  titulus,  index,  hinzu,  der  auf 
einem  schmalen  Streifen  Papyrus  oder  Pergament  mit  hoch- 
rotlier  Farbe,  cocciim  oder  minium,  geschrieben  wurde.  [3Iart. 
XII,  3.  ciuid  titulum  jyoscisf  Plix.  ep.  V,  11.  titulum.  Sex.  de 
tranq.  an.  9.  indices.  Cic.  ad  Att.  IV,  4.  5.  oiU-v^iov.;  s.  unten.] 


Die  Bücher.  379 

"Wo  aber  dieser  Titel  sich  Ijefundeii  habe,  ist  -wenig-er  leicht  zu 
sagen.  An  einen  Zettel,  der  wie  auf  den  Herculanischen  Ge- 
mälden (s.  Gell  a.  a.  0.  und  oben)  an  der  EoUe  gehangen  habe, 
darf  man  nicht  mit  AVixckelmanx  denken;  denn  auf  die  gleich 
anzuführende  Stelle  Tibulls  passt  diess  gar  nicht.  Wie  sollten 
dann  simwia  fastlgla  luid  iiraetexere  ihre  Erklärung  finden? 
Es  scheint  vielmehr  doch  das  Uichtigste  zu  sein,  mit  Schwarz 
anzunehmen,  er  habe  sich  oben  auf  der  liolle  befunden.  [Ovid. 
ex  Ponto  IV,  13,  7.  ut  chartae  t'dulum  de  fronte  reveUa.s]. 

Dass  die  Rollen  gebunden  gewesen,  leugnet  Wix(  kelm. 
geradehin,  S.  242  fg.  Wenigstens  war  an  den  Herculanischen 
keine  Spur  zu  entdecken.  Nun  sagt  zwar  allerdings  Maut. 
XIV,  37.   Scrinium. 

Constrictos  nisi  das  inilü  libellos^ 
Adiiiittam  tineas  tniccsquc  hlattas. 
allein  abgesehen  davon,  dass  Andere  lesen  constructos  [Schnei- 
DEWix  aber  selectos^  durch  welche  Aenderung  alle  Differenzen 
aufhören],  ist  auch  nicht  wohl  zu  begreifen,  wie  das  constrln- 
g''re  gegen  die  tineas  und  blattas  schützen  konnte.  Es  wird 
also  diese  eine  Stelle  keinen  .sicheren  Beweis  abgeben.  [Hertz- 
berg, Rec.  des  Gall.  N.  288.  erklärt  constrictos  als  2ilaiiiit.  Es 
sei  nämlich  durch  gleichzeitige  Anwendung  von  Leimtränkung 
undCompression  des  Papiers,  welches  man  in  seine  Baststreifen 
aufgelöst  und  von  Neuem  zusammengeleimt  habe,  eine  grös- 
sere Glätte  und  Dauer  beAvirkt  Avorden.  Dieses  geschah  aller- 
dings mit  dem  aus  Aegypten  gekommenen  Papier,  welches 
umgearbeitet  werden  musste,  wie  aus  Plin.  klar  hervorgeht. 
Es  ist  jedoch  unwahrscheinlich,  dass  constringerc  die  technische 
Benennung  für  dieses  ganze  Verfahren  gewesen  sei.  Das  Zu- 
sammenziehen oder  Verbinden  der  einzelnen  Streifen ,  in  wel- 
chem Sinne  Hertzberg  coustringere  genommen  hat,  ist  gerade 
der  unbedeutendste  und  keineswegs  regelmässige  Akt;  die 
-  Hauptsache  ist  vielmehr  das  Leimen  überhaupt  und  dieses  liegt 
nicht  in  dem  Wort  co7xstringere.  Auch  in  der  von  Hertzberg 
angeführten  Stelle  Cicero's,  de  or  1,  42.  qnne  (ars)  rem  disso- 
lutain  dirnlsaniijue  congluli/iaref  et  ratione  quadani  eo)istri)igerrl. 


380  Z  w  e  i  t  e  !•  E  X  c  u  r  s  zur  dritten  S  c  e  n  e. 

heisst  constringere  nicht  planiren,  sondern  nur  zusammenleimen. 
Ueberhaupt  kann  auf  dieses  Gleichniss  kein  grosser  AVertli  ge- 
legt werden,  da  constringere  nur  eine  rhetorische  der  Gleich- 
mässigkeit  halber  hinzugefügte  Floskel  ist.  Sodann  beruft  sich 
Hertzberg  auf  Plin.  XIII,  12,  26.  Postea  malleo  tenuatur,  et 
iteruni  ghitino  percurritur  iterumque  constricta  erugatur  atque 
extendiiur  malleo.  Krause  übersetzte  coiistringere :  „nachdem 
das  Papier  sich  zusammengezogen  hat,  wird  es  entfaltet,  ge- 
glättet und  mit  dem  Hammer  bearbeitet,"  was  unmöglich  ist, 
denn  das  Particip  constricta  müsste  wenigstens  heissen:  „nach- 
dem es  zusammengezogen  worden  ist",  und  diess  gäbe  keinen 
annehmbaren  Sinn.  Hertzberg  muss  übersetzen:  nachdem 
man  es  mit  Leim  zusammengeklebt  hat;  allein  dann  wäre  es 
nur  ein  Nebenmoment,  von  dem  das  Ganze  nicht  genannt 
worden  sein  kann.  Ich  glaube  nicht,  dass  constringere  eine 
technische  Bedeutung  hat,  sondern  übersetze  bei  Plin.  ge- 
presst,  entsprechend  dem  von  ihm  bei  der  ersten  Zuberei- 
tung erwähnten:  premitur  deinde  prelis.  Demnach  würde  Plin. 
sagen:  das  Papier  wird  bei  der  Umarbeitung  geleimt,  mit  dem 
Hammer  geschlagen,  dann  abermals  geleimt,  gepresst  und  end- 
lich nochmals  mit  dem  Hammer  geschlagen.  So  ist  constrictos 
bei  Martial  auch  nicht  technisch;  ja  es  kann  hier  schon  dess- 
wegen  nicht  planirt  heissen,  weil  man  gar  keine  anderen  als 
planirte  Rollen  hatte,  denn  alles  Schreibjjapier  wurde  ja  schon 
bei  der  ersten  Zubereitung  geleimt.  Es  müsste  heissen:  zum 
zweitenmal  planiren,  was  doch  unmöglich  in  constrictos  liegt. 
Wahrscheinlich  heisst  constrictos  bei  Martial  nichts  als  fest 
zusammengewickelte  Pollen,  welche  durch  ihr  enges  Anein- 
anderschliessen  den  gefährlichen  Thierchen  den  Eingang  un- 
möglich machten  oder  doch  sehr  erschwerten.  Je  lockerer  die 
Rollen  in  dem  scrinium  standen,  um  so  leichter  konnten  die 
tineae  eindringen.  Wüstemann,  Rec.  d.  Gall.  S.  151.  erklärt 
lih.  constrictos  als  „gebundene  Bücher"  im  Gegensatz  zu  ein-^ 
zelnen  ungehefteten  Blättern,  rnemhranae  nonduvi  consutae 
Ulp.  Dig.  XXXII,  1,  52.  §  6.  was  allerdings  sehr  nahe  läge, 
wenn  nicht  die  scrinia  ganz  besonders  für  Rollen  bestimmt  ge- 


Die  Bücher  381 

wesen  wären.  Im  Wesentlichen  ist  es  ziemlich  gleichgültig,  ob 
wir  Bücher  oder  Eollen  annehmen,  denn  der  Sinn  bleibt  der- 
selbe.] —  Der  Einband  selbst,  oder  das  fertige  einzelne  Buch 
wurde  mit  dem  griechischen  Worte  tomus  genannt.  "Marx.  I, 
67.  Scriptura  quanti  constet  et  tomus  vilis. 

Ich  habe  alle  Stellen,  in  welchen  alte  Schriftsteller  von 
den  Ornamenten  der  Bücher  ausführlicher  sprechen,  aufge- 
spart, um  nach  vorausgegangener  Erklärung  des  Einzelnen  in 
ihnen  am  Schlüsse  die  beste  Uebersicht  zu  geben.  Zuerst  stehe 
hier  die  bekannte  Stelle  Tibulls  III,  1,  9  ff. 

Lutea  secl  niveum  involvat  membrana  libellum, 

Pumex  et  canas  to7ideat  ante  comas: 
Summaque  praetexat  tenuis  fastigia  chartae, 

Indicet  ut  nomen  litera  facta  meum: 
Atque  inter  geminas  p'mgayitur  cornua  frontes ; 
Sic  etenim  comtum  mittere  oportet  opus. 
Noch  kann  ich  nicht  von  der  in  der  Eleg.  Rom.  geäusserten 
Vermuthimg  abgehen,    dass  es  heissen  müsse:    tenuis  charta. 
Denn  da  von  dem  index  die  Rede  ist,  das  Buch  aber  in  eine 
membrana  gewickelt  war,  so  kann  auf  der  charta  selbst  dieser 
Titel  nicht  gewesen  sein ,  oder  die  membrana  würde  ihn  be- 
deckt haben.    Tenuis  charta  aber  wäre  der  Streifen  selbst, 
worauf  mit  minium  der  Titel  geschiüeben  war.    —    Vollstän- 
diger noch  heisst  es  bei  Ovid.  Trist.  I,  1,  5. 
Nee  te  purpureo  velent  vacciniafuco: 

Non  est  conveniens  luctibus  ille  color. 
Nee  titulus  minio,  nee  cedro  charta  notetur, 

Candida  nee  nigra  cornua  fronte  geras.  — 
Nee  fragili  geminae  poliantur  pumice  frontes, 
Hirsutus  passis  ut  videare  comis. 
und  am  übersichtlichsten  Mart.  III,  2. 

Cedro  nunc  licet  ambules  perunctus, 
Et  frontis  gemino  decens  honore 
Pictis  luxurieris  wnhilicis; 
Et  te  purpura  delieata  velet 
Et  cocco  rubeat  superbus  index. 


382  Zweiter  Excurs  zur  il ritten  Scene. 

Vcrgl.  I,  G7.   \'III,  72.  [V,  6.    Catull.  XXU. 
—  chartae  regiae,  novi  libri, 
Xovi  umbüici,  lora  rubra,  membrana 
Dlrecta  plumbo  et  pumice  omnia  aequata.] 
Endlich  liefert  auch  einen  interessanten  Beitrag  Lucian.  ngbg 
UTzai'diVTOp  7.  zira  jao  i}.7ii8a  y.at  uvrog  iymv  ei'g  za  ßißh'u  aui 
nvsh'zzsii,'  dei,  -/.ui  Öiay.uX).(<i;,  y.ai  TTeorz-onzeig  xai  uXei'qsig  zo)  y.(>6/.(p 
y.ai  zfj  xk^Vkj),  y.ai  diqiüiQug  7TfQißd).).tig ,   y.ui  uficficlovg  ivziOtig,  cog 
1^/j  ZI   (iTZülaiGcov ;    und  tisqi    zmp  im  j^iia&o)  avrövzbiv  41. 
aTzatzeg  yat)  ay.oißoig  opiotoi  ei'ai  zoig  yaXXiazoig  zovzoig  ßißh'oig,  oov 
yiwaui  i^((p  at  ofiCfuhji,  noQqvoü  ö'  iy.zuoOtr  t^  ÖiqOiQa. 

Diese  Ausstattung  der  Bücher  besorgten  nun  eben  auch 
die  librarii.  Cic.  Att.  IV,  4.  Perbelle  feceris,  si  ad  7ios  vener is. 
ojfendes  desigiiationem  Tyrannionis  mirificaui  in  libroriim  rneo- 
rum  bibliot/iecam,  quoriun  reliqidae  multo  meliores  sunt,  quam 
putaras.  Etiam  vellem  mihi  mittas  de  tuis  librariolis  duos  ali- 
quos,  quibus  Tyrannio  utatur  glutinatoribus ,  ad  caetera  admi- 
nistris;  iisque  imperes,  ut  surnant  membranulain ,  ex  qua  indices 
fiant;  quos  vos  Graeci,  ut  opinor,  Gt).Xvßovg  appellatis.  [In  dem 
folgenden  Briefe,  wo  Cic.  schreibt:  bibliothecam  meam  tut  pin- 
xerunt  constructione  et  sillybis.  conjicirt  Hertzberg  a.  a.  O. 
constrictione ,  was  von  Orelli  gebilligt  wird.  Da  jedoch  die 
technische  Bedeutung  des  constringere  zu  verwerfen  ist,  fällt 
auch  diese  Aenderung.  Constructione  bedeutet  das  Ordnen, 
Zusammenstellen  und  Zusammenkleben  sowohl  der  neuge- 
schriebenen Bücher,  welche  noch  aus  einzelnen  Papierstreifen 
bestanden,  als  auch  der  älteren  volumina,  welche  durch  den 
langen  Gebrauch  schadhaft  geworden  und  theilweise  zerrissen 
waren.  Dieses  besorgten  die  in  dem  vorigen  Brief  erbetenen 
glutinatores  (auch  genannt  Orelli  Hexzen  2925.4198.6445.), 
deren  Thätigkeit  nicht  sowohl  in  dem  Planiren  als  in  dem  Zu- 
sammenkleben zu  suchen  ist,  und  so  erwähnt  Cic.  in  beiden 
Briefen  zwei  Dinge:  constructio  (Zusammenleimen  der  Eollen) 
und  Anhängen  der  indices, 'womit  das  pingere  verbunden  ist, 
als  Färben  des  Rückens,  der  Schale  u.  s.  w.  Dass  man  aber 
wirklich  Bücher  auf  einzelne  Blätter  schrieb  und  ei  st  nachher 


Die  B  ü  c  li  e  r.  383 

zusanimeuk'imte,  sieht  man  aus  der  überliaiipt  nicht  uninteres- 
santen .Stelle  Ulpiaxs,  Dig.  XXXII,  1,  5*2.  §  6.  8ed  jjerscripti 
libri  nondum  malleati  vel  ornati  continebunlur  (d.  h.  fallen  unter 
den  Begriff  des  "Worts  libri),  joroinde  et  nondum  conglutmati 
vel  emendati  contlnehuntur,  sed  et  memhranae  nondum  consutae 
contJ[ 

Zum  Schlüsse  darf  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  es  auch 
üblich  wurde,  das  Bildniss  des  Schriftstellers  auf  das  erste 
Blatt  malen  zu  lassen.  Senec.  de  tranq.  an.  9.  nunc  ista  exqui- 
sita  et  cum  imaginihus  suis  descrlpta  sacrorum  opera  ingeniorum 
hl  speciem  et  cultum  parietum  comparantur.  Xoch  deutlicher 
Marx.  XIV,  186.    Virgilius  in  membrana. 

Quam  brevis  immensum  cepit  membrana  Maronem! 
Ipsius  vultus  prima  tahclla  gerit. 
So  dürfte  man  also  vielleicht  annehmen,  dass  die  Malereien 
im  Vaticanischen  Yirgil  und  Tcrenz  Xachahmungen  älterer, 
oder  wenigstens  alter  Sitte  seien!  —  Führt  doch  Plixius 
griechische  botanische  Werke  an,  in  denen  die  Pflanzen  abge- 
bildet waren.  XXV,  2,  4.  Praeter  hos  Graeci  auctores  medi- 
cinae  jyrodidere,  quos  suis  locis  diximus.  Ex  his  Cratevas,  Dio- 
ni/sius,  Metrodorus  ratiune  biandissima,  sed  qua  nihil  ^j«e/?e 
aliud,  quani  rei  difficultas  iideUigatur.  Pinxere  namque  efßgies 
herbarum^  atque  ita  subscripsere  eß'ectus.  —  Die  Malereien 
jener  Handschriften  s.  bei  d'Acixcoukt,  Histoire  de  l'art  par 
les  monumens  depuis  sa  decadcnce.  tom.  VI. 

Auf  unserer  Abbildung  sind  nach  Gell,  Pomp.  II,  p.  187. 
verschiedene  von  antiken  Gemälden  entlehnte,  das  Bücher- 
wesen betreffende  Gegenstände  zusammengestellt.  Die  Ge- 
mälde selbst  s.  zum  Theil  im  Mus.  Borb.  I.  t.  12.  Darauf  be- 
findet sich  auch  ein  geöffnetes  scrinium  oder  Bücherbehälter. 
Es  gab  nämlich  grössere  oder  kleinere  Cylinder ,  gewisscr- 
massen  runde  Schachteln,  jenachdem  sie  bestimmt  waren,  eine 
oder  mehrere  Rollen  aufzunehmen,  in  der  Regel  wohl  von  Holz, 
schon  der  Leichtigkeit  wegen;  wie  denn  Plin.  XVI,  43,  84. 
von  der  Buche  sagt:  Eadem  sectilibus  laminis  in  tenui  ßexilis, 
capsisque  ac  scriniis  sola  utilis.     AVenn   Plimus    caj>sae  und 


384  Zweiter  Excuis  zur  dritten  Scene.    Die  Bücher. 

scrinia  unterscheidet,  so  versteht  er  vielleicht  unter  letzteren 
die  grösseren  für  mehrere  Rollen  bestimmten,  s.  Böttiger, 
Sab.  I,  S.  102.  Mart.  I,  3.  Scrinia  da  magnis;  me  manus  una 
capit.  oder  es  geschieht,  weil  man  in  den  Scrinien  nur  Bücher, 
Briefe  und  andere  Schriften  verwahrte ,  in  den  Kapseln  aber 
auch  andere  Dinge.  Plin.  XV,  17.  18.  Mart.  XI,  8.  [IV,  33. 
Plena  lahoratis  habeas  cum  scrinia  lihris.  Alexanders  kostbares 
scrinium  erwähnt  Plix.  VII,  30.]  —  Ueber  ihre  Form  kann 
um  so  weniger  ein  Zweifel  sein,  als  sie  sich  nicht  selten  neben 
römischen  mit  der  Toga  bekleideten  Statuen  finden.  S.  Augu- 
steum  III.  Taf  97.  99.  [Suet.  gramm.  9.  Statua  eius  Beneventi 
ostenditur  -—  hahitu  sedentis  ac  palliativ  appositis  diiobus  scriniis. 
Auf  einem  pompejanischen  Wandgemälde  wird  Clio  in  einer 
Kolle  lesend  dargestellt.  Sie  wickelt,  was  sie  gelesen  hat,  auf 
die  andere  Seite,  so  dass  sie  scheinbar  zwei  ßolleu  in  der  Hand 
hat,  denn  man  hatte  bei  dem  Lesen  stets  nur  eine  Columne 
aufgerollt.  Neben  ihr  steht  ein  rundes  scrinium.  Koux  und 
Barre,  Herc.  3.  Serie  Taf  3.]  Man  Hess  sich  das  Scrinium, 
wenn  man  bei  öflentlichen  Verhandlungen  Schriften  nöthig 
hatte,  durch  einen  Sklaven  nachtragen,  und  auch  vornehme 
Knaben  wurden  von  einem  capsarius  in  die  Schule  begleitet. 
Siehe  oben  Seite  134.  [Auf  Reisen  nahm  man  die  Bücher  in 
solchen  Behältern  mit.  Catull.  LXVIII,  33.  36. 

Nam  quod  scriptoruvi  non  magyia  est  copia  apud  me  — 
Huc  una  ex  multis  Capsula  me  sequitur.] 
Sonst  stand  es  wohl  am  natürlichsten  neben  dem  lectus  im  cu- 
biculum.  Plin.  ep.  V,  5.   Visus  est  sibi  per  Jiocturnam  quietem 
iacere  in  lectulo  suo,  compositus  in  habitum  studentis,  habere  ante 
se  scrinium^  ita  ut  solebat.  —  Uebrigens  lässt  es  sich  leicht  den- 
ken, dass,  zumal  wenn  man  wichtige  Schriften  darin  bewahrte 
obgleich  man  eigene  custodes  scriniorum  hatte,  sie  dennoch  ver- 
siegelt wurden,  und  mit  klaren  Worten  sagt  es  Marti al  I,  66. 
Secreta  quaere  carmina  et  rüdes  curas^ 
Quas  novit  unus  scrinioque  signatas 
Custodit  ipse  virginis  pater  chartae. 


DRITTER  EXCURS  ZUR  DRITTEN  SCENE. 


DIE  BÜCHERVERKAUFER. 

Es  war  natürlich,  dass  sobald  ein  stärkeres  Verlangen 
nacli  in-  und  ausländischer  Literatur  sich  zeigte,  und  der  Ge- 
bildete oder  Bildung  Affektirende  den  Besitz  einer  Bibliothek 
im  eigenen  Hause  als  unerlässlich  betrachtete,  sich  auch  Leute 
fanden,  welche  die  Befriedigung  des  Bedüx-fnisses  zu  ihrem 
Gewerbe  machten.  "Wenn  Cicero  adQuint.  Fr. III,  4.  schreibt: 
De  bibliotheca  tua  Graeca  svpple7ida,  liby'is  comimitandis,  Latinis 
comparandis  vcdde  velim  isfa  co?ißci.  —  Sed  ego  mihi  ipsi  isla 
per  quem  agam  non  habebo.  neque  enim  venalia  sunt,  quae  qid- 
dem  placcant  etc.  so  kann  dabei  nicht  wohl  an  etwas  anderes, 
als  an  eigentlichen  Handel  mit  Büchern  gedacht  werden.  So 
spricht  derselbe  auch  von  den  bei  den  librariis  verkäuflichen 
Abschriften  der  Gesetze.  Leg.  III,  20.  a  librariis  petimus ;  pu- 
blicis  literis  consigncttam  memoriam  publicam  rndlam  habeuius. 
und  erwähnt  Philipp.  II,  9.  eine  taberiia  libraria,  in  welche 
sich  Clodius  flüchtete.  —  Von  grösserer  Bedeutung  war  der 
Buchhandel  bereits  unter  August,  und  Horaz  nennt  uns  selbst 
die  Brüder  Sosii,  bei  denen  seine  Gedichte  verkäuflich  waren. 
Epist.  I,  20,  1  f 

Vertumniim  Janionque,  Über,  spectare  videris, 
Scilicet  iit  i^rostes  Sosiorum  pumice  ■»lundus. 
Art.  poet.  345.  Ilic  meret  aera  über  Sosiis  (nämlich,  qiii  mist  uit 
utile  dulci).    [Unter  den  ersten  Kaisern  aber  entwickelte  sich 
dieser  Handel  zur  höclisten  Blütlie  und  manche  librarii  rinden 
sich  bei  den  alten  Schriftstellern    und   auf  Inschriften ,   z.  B. 

Becker,  Gallus.  3.  .\ufl.  II.  2.0 


380  Dritter  Excurs  zur  dritten  Scene. 

Tryphon  der  Verleger  Martials  und  Qniuctilians,  !Makt.IV,  72. 
XIII,  3.  QuixCT.  inst,  jjraef.,  Doms  bei  Sen.  de  ben.  VII,  6. 
Secimdus  Valerianus  Atrectus  bei  ]\Iartial.  I,  2.  113.  117. 
Gell.  V,  4.  XVIII,  4.  Plin.  ep.  V,  11.  u.  s.  w.  s.  Schmidt, 
Geschichte  der  Denk-  und  Glaubensfreiheit  im  ersten  Jahr- 
hundert der  Kaiser.  Berlin  1847.  S.  123.  Schmitz,  de  biblio- 
polis  Rom.  Saarbrücken  1857.]  Diese  librarii  [waren  Freige- 
lassene (Mart.  I,  2.),  welche ,  so  lang  ihr  Geschäft  klein  war, 
die  Bücher  selbst  abschrieben,  wovon  sie  ihren  Namen  er- 
hielten, dann  aber]  hielten  sie  sich  auch  Schreiber,  zu  grös- 
serer und  schnellerer  Vervielfältigung  der  Exemplare.  [Diese 
Schreiber  waren  theils  Sklaven  der  Buchhändler,  theils  Frei- 
gelassene, Avelche  für  Lohn  arbeiteten.  Dass  gewöhnlich  meh- 
rere gleichzeitig  dasselbe  diktirt  bekamen,  ist  sehr  Avahrschein- 
lich,  Schmidt,  S.  130  ff.  —  Auch  die  vornehmen  Römer  hatten 
unter  ihren  Sklaven  lihrarli  (S.  125.  366  fg.),  Avelche  die  Werke 
ihrer  Herren  und  anderer  Schriftsteller  abschrieben,  so  z.  B. 
Pomponius  Atticus,  Nep.  Att.  13.  puerl  literatissimi,  anagnostae 
opfimi  etplurbiü  librarii.  Cic.  ad  Att.  IV,  4.  5.  8.  XII,  6.  XVI,  6. 
Er  machte  sogar  ein  Geschäft  daraus  und  verkaufte  viele 
Werke  Cicero's ,  gleichsam  als  dessen  Verleger.  Cic.  ad  Att. 
XII,  12.  Ligarianam  praeclare  vendidisti.  posthac  quidquid 
scripsero,  tibi  p)>'(i^conium  dcferam.  Bald  darauf  schreibt  Cic, 
nachdem  er  auf  einen  Fehler  in  der  genannten  Rede  aufmerk- 
sam gemacht  worden  war,  XII,  44.  da  igitur.,  quaeso^  negotium 
Pharnaci,  Antaeo,  Salvio^  ut  id  nomen  (das  fehlerhaft  geschrie- 
bene AVort)  ex  Omnibus  libris  tollatur.  was  sich  natürlich  nur 
auf  die  Exemplare  bezog,  Avelche  Atticus  noch  auf  dem  Lager 
hatte.  S.  noch  ad  Att.  II,  2.  Schmidt,  S.  120  fif.  —  Dass  aber 
den  Schreibern  oft  diktirt  wurde,  zeigt  auch  die  Notiz  bei 
Plix.  ep.  IV,  7.,  wo  Regulas  die  Lebensbeschreibung  seines 
Sohnes  in  exemplaria  transcriptum  mille  per  totam  Italiam  pro- 
vinciam  dimisit.  Avelche  ungeheuere  Zahl  sonst  kaum  zu  er- 
klären wäre.]  Nun  hiessen  die  librarii  auch  bibliojjolae,  Mart. 
IV,  71.  XIII,  3.  [Plin.  ep.  IX,  11.  Orell.  4154.]  Poll.  VII, 
33.  ßißXmr  kÜtdiIoi,  ßißhoxÜTriiloi.  Luc.  7i()og  aTzatö.  1.  4.  24. 


Die  Bü  eil  er  Verkäufer.  387 

Ihr  Geschäft  scheint  meistens  rein  kaufmännisch  betrachtet 
worden  zu  sein;  daher  denn  auch  mehr  auf  das  Fördern  der 
Arbeit,  als  auf  Correktheit  gesehen  wurde,  [wenn  sie  auch  das 
Gegentheil  versicherten,  z.  B.  Gell.  V,  4.]  Damit  rechtfertigt 
sich  Marti AL  II,  8. 

Si  qua  videhuntur  r.liartis  tibi,  lector,  in  istis 
Sive  ohscura  nimis  sive  Lafina  parum^ 

Non  vieus  est  error;  nocuit  lihrarius  Ulis, 
Dum  properat  versus  annianerare  tibi. 
Daher  sah  denn  auch  der  Schriftsteller,   aus  Gefällig-keit  für 
Freunde,   die   Abschrift   wieder   durch,   und   verbesserte   die 
Fehler.    Marx.   VII,   11.    Cogis   me   calamo   manuque  nostra 
emendare  meos  Ubellos.  und  ep.  17. 

Hos  nido  licet  inseras  vel  imo, 
Septem  qiios  tibi  mittimiis  Ubellos, 
Auctoris  calamo  sui  notatos. 
Haec  Ulis  pretium  facit  litura. 

[Cic.  ad  Att.  XVI,  6.  eas  ego  —  perspiciam ,  corrigam.  tum 
denique  edentur.]  Die  librarii  oder  bibliopolae  hatten  ihre 
Läden,  tabernas,  zu  Martials  Zeit  vorzüglich  um  das  Argiletum. 
I,  4.  117.  [nahe  bei  dem  Tempel  des  Janus,  Horat.  ep.  I, 
20,  1.  s.  oben.  vgl.  Becker,  röm.  Alterth.  I,  S.  256.  und  die 
Bemerkungen  dagegen  von  Mommsex  in  Annali  dell'  inst. 
XVI,  p.  311  ff.]  doch  auch  anderwärts.  I,  2.,  namentlich  [am 
Forum  bei  der  Curie,  A.sc.  zu  Cic.  p.  Mil.  arg.  p.  34.]  im  Vicus 
Sandalarius.  Gell.  XVIII,  4.  In  Sandalario  forte  apiid  libra- 
rios  fuimus.  Galen,  de  libr.  suis.  t.  IV,  p.  361.  f'v  yuQ  reo  Sav- 
Öahaoai)  y.ai^^  6  6'^  nhsiara  tav  iv  'Pmf^rj  ßißhoTKoXeioov  iat)v  x.  z.X. 
[in  den  Sigillariis,  Gell.  V,  4.  II,  3.  vergl.  Süet.  Xer.  28. 
Schmitz,  S.  5.]  Dort  hingen  an  den  Tliüren,  oder  wenn  die 
taberna  an  einer  porticus  war,  an  den  davorstehenden  Säulen 
die  Titel  der  verkäuflichen  Bücher  aus.  So  beschreibt  Mart. 
I,  117.  den  Ort,  wo  seine  Epigramme  zu  kaufen  seien: 
Argi  nenipe  soles  subire  letum  : 
Contra  Caesaris  est  forum  taberna, 

25* 


388  Dritter  Excurs  zur  dritten  Scene. 

Scriptis  postibus  hinc  et  itide  totis, 
Omnes  ut  cito  perlegas  poetas. 
und  darauf  bezieht  sich  Hör.  Art.  poet.  372.  mediocribus  esse 
poetis  7ion  homines,  non  du,  non  concessere  columnae.  und  deut- 
licher Sat.  I,  4,  71. 

Nidla  tahema  ineos  habeat,  neque  pila  libellos. 
wo  man  Heindorfs  Anmerkungen  nachsehe.  Vgl.  auch  Sen. 
ep.  33.    [Die  Fächer  der  Taberne  hiessen  nidi,  s.  S.  366.  und 
die  Werke  lagen  gebunden  darin,  Mart.  I,  118.  rasum  pumice 
purpuraque  cultum.  YYH,  61. 

Nee  wnbilicis  quod  decorus  et  cedro 

Spargor  per  omnes  Roma  quas  tenet  gentes.] 
Der  Preis,  zu  dem  die  Bücher  verkauft  wurden,   muss 
im  Grunde  immer  massig  erscheinen,   zumal  da  der  äussere 
Schmuck  denn  doch  auch  in  Anschlag  zu  bringen  ist.  Mart. 
sagt  I,  117.  der  Buchhändler  (dabit) 

Denariis  tibi  quinque  Martialem. 
also  [etwa  1  Thaler  oder  etwas  höher]  und  doch  enthält  dieses 
erste  Buch  119  zum  Theil  ziemlich  lange  Epigramme.     Noch 
niedriger  stellt  er  den  Preis  ep.  66.  [von  9^ — 15  Sgr.],  wo  er 
einem  plagiarius  zuruft: 

Erras,  meorum  für  avare  librorum^ 

Fieri  poetain  posse  qui  putas  tanti. 

Scriptura  quanti  constet  et  tomus  vilis, 

No7i  sex  paratur  aut  decem  sopkos  ninnmis. 
und  die  Xenien  [welche  einen  heutigen  Druckbogen  füllen] 
soll  Tryphon  gar  für  2  Sest.  [oder  3  Sgr.]  verkaufen  können. 
S.  Xin,  3.  Freilich  sagt  er  auch  von  seinen  Gedichten  II,  1. 
haec  una  peragit  Ubrarius  liora  [ohne  welche  Schnelligkeit 
dieser  enorm  niedrige  Preis  nicht  möglich  wäre,  vgl.  II,  8. 
SiDON.  Apoll.  V,  15.] ,  und  so  mochte  wohl  manchmal  der 
Einband  mehr  kosten  als  das  Buch  selbst.  [Schmidt,  S.  135if. 
Mit  Recht  bemerkt  Schmitz  S.  7  ff'.,  welcher  übrigens  die  römi- 
schen Preisse  für  nicht  so  gar  gering  erklärt,  dass  Format, 
äussere  Ausstattung,  Correktheit  u.  s.  w.  auf  die  Preissbestim- 


Die  Bücherverkäufer  389 

mung  Einfluss  geübt  haben,  wie  Marx.  I,  117.  klar  zeigt,  vgl. 
auch  I,  2.   VII,  17.] 

Xicht  uninteressant  ist  die  Frage,  in  welchem  Verhält- 
nisse man  sich  den  Buchhändler  zum  Schriftsteller  zu  denken 
habe?  Gewöhnlich  ist  man  geneigt  anzunehmen,  es  sei  den 
alten  Schriftstellern  nur  um  die  Ehre  zu  thiin  gewesen,  und 
ein  Honorar  sei  von  ihnen  für  die  Schriften  nicht  verlangt 
Avorden.  Allein  wenn  das  auch  im  Allgemeinen  und  nament- 
lich für  die  frühere  Zeit  [sowie  rücksichtlich  begüterter  Schrift- 
steller und  Dichter]  als  Avahr  gelten  mag,  so  ist  es  doch  keinem 
Zweifel  unterworfen,  dass  in  anderen  Fällen  die  Schriftsteller 
von  ihren  Werken  einen  realen  Gewinn  zogen.  Ich  denke  da- 
bei nicht  an  das  pavpertas  impulit  audax  ut  versus  facerem. 
denn  damals  veröffentlichte  Hohaz  noch  keine  Sammlung* 
seiner,  nur  für  Freunde  bestimmten  Gedichte,  die  ihm  jedoch, 
wie  er  hoffte,  bei  Mächtigeren  eine  Empfehlung  werden  sollten. 
S.  Sat.  I,  4,  71  ff.  —  Wenn  indessen  Plautus,  Terenz  u.  A. 
ihre  Comödien  an  die  Aedileu  verkauften  [Gell.  III,  o.  luv. 
VII,  87.  Suet.  Ter.  2.],  so  wird  es  auch  nichts  Auffallendes 
sein,  wenn  andere  Schriftsteller  für  ihre  Arbeiten  ein  Honorar 
nahmen.  So  wurde  dem  älteren  Plinius,  allerdings  von  einem 
Privatmanne,  für  seine  Commentarii  electorum  die  Summe  von 
400,00<>  Sest.  (20,000  Thaler)  geboten.  Plix.  e]?.  III,  5.  Das 
war  freilich  kein  Buchhändler  [der  mit  den  genannten  Samm- 
lungen spekuliren,  sondernder  sie  selbst  benutzen  wollte],  aber 
dass  auch  zwischen  diesen  und  den  Schriftstellern  dergleichen 
Geschäfte  Statt  fanden,  darauf  deutet  Martial  mehrmals  hin, 
z.  B.  wenn  er  die ,  Avelclie  seine  Gedichte  geschenkt  oder  ge- 
liehen haben  wollten,  anweiset  sie  bei  dem  Buchhändler  zu 
kaufen.  IV,  72. 

Ejcigis,  ut  donem  nostros  tibi,  Quincte,  Ubellos: 

Non  habeo,  sed  habet  bibliopola  Tryphon. 
„Aes  dabo  pro  nugis  et  emam  tua  carmina  samisf 

Non,  inquis,  faciain  tarn  fatue."    Nee  ego. 
Vergl.  I,  118.    wo  der  Dichter   sehr  launig  es  ablehnt,    sie 
zu   verleihen;    am    deutlichsten  aber  geht  es  hervor  aus  XI, 


390  Dritter  Excurs  zur  dritten  Scene. 

108.  wo    er   erklärt   das   Buch   zu  schliessen,   weil   er    Geld 
brauche. 

Quanivis  tarn  longo  poteras  satui'  esse  llbello, 

Lector^  adhuc  a  nie  disticha  pauca  peiis. 
Sed  Lupus  usuram  piierique  diaria  poscunt. 

Lector^  salve.  Taces  dissimulasque?  Vale. 
AVeun  er  daher  anderwärts  die  Beschäftigung  des  Dichters  als 
brodlos  bezeichnet,  XIY,  219.  nidlos  referentla  nummos  car- 
mina.  vgl.  I,  77.  so  gilt  das  nur  von  dem  kärglichen  Erwerbe, 
anderen  einträglichen  Gewerben  gegenüber  [  —  denn  das 
Honorar  für  die  vierzehn  Bücher  seiner  Epigramme  war,  wenn 
es  auch  noch  so  glänzend  gewesen  sein  mag,  doch  viel  zu  ge- 
ring, um  eine  Reihe  von  Jahren,  während  welcher  er  die  Epi- 
gramme schrieb,  davon  zu  leben  — ]  und  V,  16.  wo  es  aller- 
dings heisst: 

Ät  nunc  conviva  est  commissatorque  Uhellus, 

Et  tantum  gratis  pag'ina  nostra  placet. 
will  er  nur  sagen,  dass  die,  welche  an  seinen  Gedichten  sich 
erfreuten,  nicht,  Avie  zu  Vergils  Zeiten  es  gewesen  sei,  ihn  da- 
für belohnten,  gerade  wie  er  XI,  3.  klagt,  dass  es  ihm  nichts 
nütze,  wenn  seine  Epigramme  in  Gallien  und  Britannien  ge- 
lesen würden;  denn:  nescit  saccidus  ista  meus.  Das  schliesst 
aber  nicht  aus,  dass  er  durch  irgend  einen  Vertrag  mit  dem 
Buchhändler  einen  Gewinn  gehabt  haben  könne,  und  es  wäre 
in  der  That  unbegreiflich,  wie  Martial,  dem  es  seiner  eigenen 
Aussage  nach  stets  an  Geld  fehlte,  ohne  allen  Vortheil  hätte 
zusehen  sollen,  wie  Tryphon,  oder  Secundus,  oder  Pollius  mit 
seinen  Gedichten  gute  Geschäfte  machten,  denn  manche  Bücher 
mochten  sehr  einträgliche  Artikel  sein-,  s.  Hör.  Art.  poet.  345. 
Mart.  XIV,  194.  [XIII,  3.  VI,  61. 

Meque  sinus  omtiis,  me  manus  omnis  habet.] 
und  für  die  späte  Zeit  den  von  Schöttgen  in  der  wenig  gründ- 
lichen Abhandlung  De  librariis  et  bibliopolis  antiquorum.  Lips. 
4  710.  und  in  Poleni  suppl.  thes.  Gr.  t  III.  [deutsch:  Historie 
derer  Buchhändler.  Nürnberg  1722.]  angeführten  Sulpic. 
Sever.  Dial.  I,  23.    [Endlich  verweist  Schmidt  S.  138  ff.  auf 


D  ie  Bücherverkäufer.  391 

Sen.  de  ben.  VII,  6.,  welcher  das  Vorkommen  des  Honorars 
bestätige.  Es  wird  nämlich  bei  dem  Gegensatz  des  Verfassers 
und  Verlegers  Letzterer  emptor  genannt,  er  ist  also  erst  durch 
Kauf  in  den  Besitz  des  Buchs  gekommen.  Vgl.  noch  Böttiger, 
kleine  Schriften,  III,  S.  305.  Manso,  vermischte  Abhandlungen 
und  Aufsätze.  Breslau  1821.  S.  274—283.]  Ein  gutes  Theil 
wanderte  freilich  auch  wohl  als  Makulatur  in  die  Cauponen 
und  zu  Verkäufern  gesalzener  Fische,  von  denen  wiederum 
die  Schulkinder  ihren  Bedarf  holten.  S.  Mart.  IV,  86.  III,  2. 
XIII,  1 .  und  besonders  VI,  60,  7. 

Quam  midti  tineas  pascimt  hlattasque  diserfi, 
Et  redhnunt  soll  cannina  docta  coqui. 
Uebrigens  gab  es  Buchhändler  nicht  bloss  in  Rom  oder 
Griechenland  und  wo  sonst  griechische  Bildung  zu  Hause  war, 
sondern  die  römische  Literatur  verbreitete  sich  auch  über  die 
weniger  civilisirten  Provinzen.  Darum  sagt  Horaz  Art.  poet. 
345.  von  einem  guten  Buche:  Irans  mar e  ciu^et.  und  daher 
wird  Martial  in  Gallien  [Spanion]  und  Britannien  gelesen.  [VII, 
88.  VHI,  61.  X,  104.  IX,  100.  XI,  3.  XII,  3.]  So  auch  Plin, 
Epist.  IX,  11.  BihViopolas  Lugduni  esse  non  ptäabam^  ac  tanto 
lubentius  ex  literis  tiiis  coc/novi  venditari  libellos  meos.  [Sidon. 
Apoll,  ep.  IX,  7.  vgl.  Hör.  ep.  I,  20,  13.  —  Die  Tabernen 
der  Buchhändler  dienten  der  gebildeten  Welt  als  Versamm- 
Inngsplatz,  wo  man  sowohl  las  als  mannigfaltige  Unterhaltung 
pflegte,  Gef.l.  XVIII,  4.  in  multorum  hominum  coetu.  XIII, 30. 
V,  4.  S.  überhaupt  den  interessanten  Abschnitt  in  Schmidt, 
Gesch.  u.  s.  w.  Cap.  5.  der  literarische  Verkehr  und  der  Buch- 
handel, S.  109 — 155.  und  die  erwähnte  Schrift  von  Schmitz, 
de  bibliopolis.] 


VIERTER  EXCURS  ZUR  DRITTEN  SCENE. 


DER    BRIEF. 


Wenn  der  vornehme  Römer  sich  selbst  bei  seinen  Studien 
fremder  Hände  bediente,  um  gelegentlich  etwas  aufzuzeichnen 
[Cic.  ad  div.  XVI,  21.  s.  Bd.  I,  S.  60.],  so  geschah  diess  noch 
weit  mehr  beim  Briefwechsel,  der  trotz  aller  Hindernisse, 
welche  der  Mangel  öffentlicher  Versendungsanstalteu  in  den 
Weg  legte,  ziemlich  lebhaft  gewesen  zu  sein  scheint.  Man 
hatte  eigene  Sklaven  oder  Freigelassene ,  ah  epistolis ,  die  zu 
der  Klasse  der  librarii  gehören  [Orell.  inscr.  1641.],  und  auch 
ad  manwn ,  a  manu ,  amanuenses  hiessen.  [Orelli  Henzen, 
6651.]  2874.  lucundus  Domitiae  Bibuli  librarius  ad  inanum. 
Orelli  unterscheidet  zwar:  librarius^  idemque  ad  manum,al\Qh\ 
der  amanuensis  heisst  eben  auch  librarius.  Cic.  de  orat.  III,  60. 
ex  Licinio  —  literato  homine,  quem  servum  sibi  ille  habuit  ad  ma- 
nwn. SuET.  Xer.  44.  Cic.  Att.  IV,  16.  Epistolae  nostrae  tan- 
tum  habent  mysterionim,  ut  eas  ne  librariis  fere  committamus, 
Phil.  II,  4.  simt  enim  (literae)  librarii  manu.  Plin.  VII,  25. 
(Caesarem)  epistolas  tantarum  rerum  quaternas  pariter  librariis 
dictare  aut,  si  nihil  aliud  ageret,  septenas  (accepimus).  —  Da 
man  häufig  auch  griechische  Briefe  wechselte,  so  hatte  man 
ebensowohl  librarii  ab  epistolis  Graecis,  Orell.  2437.  als  ab 
epistolis  Latinis.  ebendas.  2997.  [Vergl.  Borghesi,  im  Annali 
deir  inst.  XVIII,  1846.  p.  323  ff.  Jahn,  specimen  epigraph. 
Kil.  1841.  p.  93.] 

Um  einen  Brief  bis  zur  Absendung  fertig  zu  machen, 
brauchte  man  fünf  Dinge ,  die  wir  sämmtlich  bei  Plautus  ge- 
nannt finden,  Bacch.  IV,  4,  64. 


Vierter  Excurs  zur  dritten  Scene.   Der  Brief.    393 

Chr.   Nunc  tu  abi  intro,  Pistoclere,  ad  Bacchidem,  atqiie 
ecfer  cito  — 

Pi.    Quidf     Chr.  Stilum,  cerarn^  tabellas,  Ibium. 
Der  Ring  kommt  später  dazu.  [Kürzer  Plaut.  Pseud.  I,  1,42. 

Pur  ceram  et  linum  literasqiie  interpretes.] 
—  Hievon  waren  zunächst  die  tabellae  wie  die  pugillares  oder 
codicilU  [codicillus  und  codex  ist  eigentlich  plurium  tabularum 
contextus,  Sex.  de  brev.  vit.  13.  Isid.  VI,  13.]  dünne  Täfelchen 
von  Holz,  (die  pugillares  auch  von  Elfenbein  oder  citrus.  Mart. 
XIV,  3.  5.  auch  von  Pergament.  7.)  die  mit  Wachs  überzogen 
waren,  (Ovid.  Art.  am.  I,  437.  cera  rasis  infusa '■tabellis.)  in 
das  man  mit  dem  stilus  die  Buchstaben  eim-iss.  [Isidor.  VI,  8. 
Aixte  chartae  et  membranarum  usum,  in  dolatis  ex  ligno  codicellis 
epistolarum  colloquia  scribebantur.  Ovid.  Amor.  I,  12,  1  ff. 
Fest.  v.  tabellis  p.  359  M.  pro  chartis  utebcmtur  antiqui,  quibus 
ultra  citro,  sive  privatim  sive  publice  opus  erat^  certiores  absentes 
faciebant.  Herodian.  I,  16.]  Ihre  Grösse  war  natürlich  ver- 
schieden; zu  zierlichen  Liebesbriefen  nahm  man  sehr  kleine 
Täfclclieu,  welche  mit  einem  Namen  von  zweifelhafter  Bedeu- 
tung Vitelliani  genannt  wurden.  Marx.  XIV,  8.  u.  9:   Vitelliani. 

Quod  minimos  cernis^  initti  nos  credis  amicae. 
[ScHOL.  zu  luv.  IX,  3C).]  Der  Art  sind  die  tabellae,  welche 
auf  einem  antiken  Gemälde  Amor  dem  Polyphem  überbringt. 
S.  Mus.  BoRB.  I.  t.  2.  —  Jedoch  schrieb  mau  auch  Briefe  auf 
Papyrus.  Cic.  ad  Farn.  VII,  18.  [ad  Qu.  fr.  II,  15.  b.  Plix.  h.  u. 
XIII,  24,  79  f.  Primatum  mutavit  Claudius  Caesar^  Jiitnia  qidppe 
Augustae  tetiuitas  toleravdis  non  sufficiebat  calamis.  —  Ob  haec 
praelata  oimdbus  Claudia,  Augustae  in  epistoUs  auctoritas  relicta. 
Ulp.  Dig.  XXXm,  9,  3.  §  10.]  und  Mart.  XIV,  11.  mit  dem 
Lemma :    Ch artae  epi sto  lares. 

Seil  leviter  noto,  seu  caro  missa  sodali, 
Onines  isla  solet  citarta  vocare  suos. 

Da  bei  dem  Zusammenlegen  die  mit  AVachs  überzogenen 
Flächen  nicht  aufeinander  zu  liegen  kommen  durften,  und  auch 
durch  ein  dazwischen  gelegtes  Täfelchen  die  Schrift  breit  ge- 
drückt und  undeutlich  geworden  wäre,   so  muss  man  wolil  au- 


394  Vierter  Excurs  zur  dritten  Sceue. 

nehmen ,  dass  die  Tafeln  einen  etwas  erhabenen  Jßand  gehabt 
haben.  Diese  Vermuthung  [wird  bestätigt]  durch  ein  antikes 
Gemälde  im  Mus.  Borb.  VI.  t.  35.  wo  ein  Mädchen  den  Stilus 
und  die  Pugillares  hält,  deren  beide  Tafeln  deutlich  einen  sol- 
chen erhabenen  Eand  zeigen.  So  auch  bei  Gell  ,  Pom.  II, 
p.  187.  s.  unsere  Abbildung. 

War  nun  der  Brief  beendigt ,  so  wurden  die  tabellae  mit 
einem  Faden  Zwirn  oder  richtiger  wobl  feinem  Bindfaden,  ver- 
muthlicli  kreuzweise  zusammengebunden,  und,  wo  der  Faden 
geknüpft  war,  mit  Wachs  (s.  darüber  und  über  die  Siegelerde, 
cretida,  Cif .  Verr.  IV,  9.  Beckmaxx,  Beitr.  zur  Geschichte  der 
Erfind.  I,  S.  474  ff.)  durch  den  [voi-her  augehauchten]  Bing 
versiegelt.  [Thl.  I,  S.  G3  f.]  Plaut,  a.  a.  0.  96. 

Cedo  tu  cerwn  ac  Unura  actutum.  age  ohliga,  ohsigna  cito. 
Cic.  Catil.  III,  5.  Ac  ne  longum  sit,  Qiimtes,  tabellas  proferri 
iussimus,  quae  a  quoque  dicebantur  datae.  Primum  ostendimus 
Cethego  Signum:  cognovit.  nos  linum  mcidimus:  legimus.  erat 
scriptum  ipsius  manu.  Dieses  Siegel  mushte,  im  Falle  der  Brief 
durch  den  librarius  geschrieben  war,  die  einzige  Bürgschaft 
für  die  Aechtheit  abgeben;  daher  es  auch  gewöhnlich  vor  dem 
Oeffnen  recognoscirt,  und  durch  das  Aufechneiden  des  Fadens 
nicht  verletzt  wurde.  Auch  sonst,  sollte  man  glauben,  müsstie 
die  Handschrift  in  Wachs  und  in  Uncialschrift  schwer  zu  er- 
kennen gewesen  sein;  doch  wird  öfters  der  Beweis  daher  ent- 
nommen.   Plautus  selbst  sagt  v.  78.   7iam  propterea  te  volo 

ScriberCj  ut  pater  cognoscat  literas  quando  legat. 
so  Cic.  in  der  angef.  Stelle  und  mehrmals ,  vgl.  Ovid.  Hei'oid. 
XV,  1.  Sabin,  ep.  I,  3.  [Dass  eine  Adresse  auf  der  Aussen- 
seite  des  Briefs  gemacht  wurde,  versteht  sich  zwar  von  selbst, 
wird  aber  auch  von  Cic.  ad  Att.  VIII,  5.  des  M\  Mario,  und 
durch  ein  pompejanisches  Wandgemälde  bezeugt,  wo  ein  Brief 
deutlich  adressirt  ist:  M.  Lucretio  Flam.  Martis  Decurioni 
Pompei.  Archäol.  Zeitung  1847.  X.  2.  Overbeck,  Pompeji. 
S.  215.] 

Da  man  die  Wohlthat  öffentlicher  Posten  nicht  kannte,  so 
musste  man,  selbst  an  sehr  entfernte  Orte,  wenn  sich  nicht 


Der  Brief.  395 

vielleicht  eine  Gelegenheit  darbot,  eigene  Boten  schicken,  und 
hielt  sich  daher  besondere  tabellarios ,  die  eigentlichen  Brief- 
träger des  Privatmanns,  die  häufig  erwähnt  Averden.  S.  Cic. 
Phil.  II,  31.  ad  Farn.  XII,  12.  XIV,  22.  Yerr.  III,  79.  Auct. 
bell  Hisp.  12.  16.  18.  [Fest.  v.  tabellis  p.  359  M.  Dig.  XLI, 
1,  65  pr.  Die  Staatspost  s.  I,  S.  166.  Preller,  die  Regionen 
der  Stadt  Eom,  S.  235.  von  den  tabellariis  jjublicis.  A  de 
Yries,  de  comniercio  epistolarum  ex  iuris  principiis  aestimato. 
Amstel.  1841. 

Noch  ist  zu  erwähnen,  dass  die  oben  genannten  tahellae 
nicht  blos  zur  Correspondenz  gebraucht  wurden,  sondern  dass 
sie  als  Sclucibniaterial  überhaupt  dienten.  Man  denke  nur  an 
die  Schultafeln  inid  an  die  tabidae  testamenti  (auch  schlechtAveg 
cerae  genannt)  Reix,  röm.  Privatrecht,  S.  376.  Heixdorf  und 
Wuestemanx  zu  Hör.  Sat.  II,  5,  54.  Kleine  Täfelchen  {pug'd- 
lares,  codicilli)  wurden  namentlich  als  Notizenbuch  oder  Por- 
tefeuille angenommen,  welches  man  stets  bei  sich  trug,  um 
darin  jedes  Beliebige  zu  notiren,  Geldjiosten  einzutragen,  ein 
Concept  zu  entwerfen  u.  s.  w.  Ausox.  epigr.  146.  hipatens  pu- 
gillar,  von  dem  schnellen  Notarius  gebraucht,  und  Sex.  eji.  108. 
von  dem  Philosophenschüler.  Fs  waren  gewöhnlich  mehrere 
"Wachstafeln,  die  je  nach  der  Zahl  diplychi,  tripfychi  oder  tri- 
pliccs  (Martial  XIY,  6.)  u.  s.  f.  genannt  Avurden.  Xur  die 
inneren  Seiten  wurden  beschrieben  und  die  äussere  Schale 
war  oft  mit  Elfenbein,  Gold  oder  Silber  u.  s.  w.  verziert. 
Orell.  inscr.  3838.  ])ugillares  membranaceos  cum  ojicrculis 
eboreis.  Vor.  Tae.  8.  libi'os  elephantinos.  Ein  Griffel  (stilus, 
(jraphium)  war  daran  angebracht,  Isidor.  VI,  9.  Marx.  XIV,  21. 
dessen  man  sich  zum  Schreiben,  aber  auch  zum  Ausstreichen 
bediente,  denn  das  eine  Ende  war  spitz  zum  ersten,  das  andere 
breit  zum  zweiten  Behuf;  darum  die  Redensart  stilum  vertere, 
HoR.  Sat.  I,  10,  72,  Cic.  Verr.  IV,  41.  —  Kostbar  verziert 
waren  namentlich  die  Sehreibtafeln,  welche  die  Consuln,  Prä- 
toren und  andere  Magistrate  der  Kaiserzeit  bei  ihrem  Amts- 
antritt ihren  Freunden  zu  schenken  pflegten.  Das  Bild  des 
Gebers    und  allcrhi  Synib')h'  ])raugten  auf  der  ^'or(U'rseite. 


396     V  i  e  1- 1  e  r  E  x  c  u  r  s  zur  dritten  S  c  e  n  e.    Der  Brief. 

Symmach.  ep.  n,  81.  diptycha  —  ehurneis  pugillaribus.  V,  56. 
Vir,  76.  IX,  119.  Claud.  in  Stilich.  III,  346  flF. 

dni  (sc.  dentes)  secti  ferro  in  tabidas  anroque  micantes, 

Inscr'ipti  rutilum  caeloto  Consule  nomen 

Per  proccres  et  vulgus  eant  etc. 
Sirmond,  ad  Sidon.  Ap.ep.  VIII,  6.  Gothofr.  zu  C.Theod.  XV, 
9,  1.  Mehrere  dieser  Elfenbeindiptychen  haben  sich  erhalten, 
s.  Schwarz,  de  vetusto  quodam  dipt.  Altorf  1 742.  nnd  in  exer- 
citt.  acad.  Norib.  1783.  p.  298 — 338.  Gori,  thesaur.  vett.  dipt. 
Flor.  1759.  III  Bde.  Hagenbuch,  de  dipt.  Brixiano  1799. 
Augustin,  das  Dipt.  im  Dom  zu  Halberstadt,  in  neuen  Mit- 
theilungen des  thüring.- sächsisch.  Vereins  VII,  2.  S.  60 — 85. 
Vögelin,  das  Züricher  Diplom  des  Consul  Areobindus.  Zürich 
1857.  (Gratulationsprogramm)  und  andere  Schriften  in  Fa- 
BRicii  bibliograph.  antiquaria  p.  951  ff.  und  0.  Muellers 
Arch.  V.  Welcher  S.  437  fg.  —  Von  roheren  Wachstafeln  exi- 
stii't  nur  ein  einziges  Exemplar  aus  dem  Jahr  167  n.  Chr., 
welches  1790  in  einem  altrömischen  Bergwerk  Siebenbürgens 
gefunden  wurde.  Diese  Triptychen,  welche  die  Kopie  einer 
öffentlichen  Bekanntmachung  Seitens  der  Vorsteher  einer 
Leichenkassengesellschaft  enthalten,  sind  drei  Tafeln  von 
Tannenholz,  deren  vier  innere  Seiten  beschrieben  sind.  Siehe 
Massmann,  libell.  aurarius  s.  tabulae  ceratae  etc.  Lips.  (1840), 
HusCHKE,  in  Savigny's  Zeitschr.  für  geschichtl.  Rechtswissen- 
schaft. XII.  1845.  S.  173—219.  Orelli  Henzen  6087.] 


Leipzig,  Druck  von  Giesecke  &  Dev 


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