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r,( 1
(ii*liiiltnii in dnr iifl*(!fitlidif;n Sit/jiriK am 2. Juli 1903
|Sity.iiiiKNl»mclitf' St. XXXIV. S. 705|.
/iiiii l)riit*k iMiigiM'cirlil nu\ KlHrlii^ii Ta^i*, AiiHge^ehen ain 11. September 1903.
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• ■
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Uie Aufgabe, deren Lösung mir heutp als Akademiker wie als Freund
obliegt: zu Rudolf Virchow's ehrendem tredächtnifs zu sprechen, wird
man mit demselben Rechte eine leichte, wie eine schwere nennen können.
Leicht ist sie durch die Fülle dessen, was das reiche, nunmehr abgeschlossene
Leben des Verewigten an Werthem und Grofsem darbietet. Walirhaftig,
ein volles Menschenleben liegt, da vor uns, in das mau nach des Dichters
Wort nur hineinzugreifen braucht, um es interessant zu finden. — Schwer,
unendlich schwer wird sie, wenn es gilt. Alles in das reclite Licht zu
rucken und in die kurze Spanne der zu Gebote stehenden Zeit ein würdiges
und treffendes Charakterbild des hochbedeutenden Mannes hineinzusetzen,
wie ein Porträt von Rembrandt oder Veläzquez in seinen Rahmen.
Blicke ich auf die Fülle des sich Bietenden zurück , so gilt mit vollem
Rechte von Rudolf Virchow das Wort: »Homo sum: humani nihil a me
alienum puto°. Schou während der Studeuteuzeit beschäftigen ilin, wie die
seiner Inauguraldissertation (1 c) an gefiigten Thesen erweisen, die verschieden-
sten Fragen. Ich greife aus den acht von dem damals Zweiundzwanzigjfthrigen
aufgestellten Sätzen drei heraus: »Nisi qui liberalibus rebus favent
veram medicinae indolem non enguoscuiit« ! Wahrlich ein tieferer
(redanke als der, womit Mephistopheles den Geist der Medizin zu erfassen
vermeint! — >Animus non aegrotat- lieifst es weiter. In diesen beiden
Sätzen ist, man darf es wohl sagen, Virchow's Auffassung vom Leben
und von der Wissenschaft, der er seine Kraft vorzugsweise widmete, nieder-
gelegt; den hierin vertretenen Grundsätzen ist er bi.-* zum Tode treu ge-
blieben (2).
Aber auch auf andere, weit abliegende Wissensgebiete wirft der junge
Doctor seinen Blick, wenn er in der achten und letzten These sagt: »Pomc-
rauiae petrificata glacie primordial! disjecta -. Auch hierin liegt
I09J(,-
4 AV A L D E y E R :
etwas ungemein Charakteristisches förVirchow. Es gab kein Wissens-, kein
Lebensgebiet, welches ihn nicht lebhaft interessirt hätte (2). Wie oft habe
ich ihn auf gemeinsamen P'ufswanderungen sein Auge auf die scheinbar
unbedeutendsten Naturobjecte , die ihm am Wege entgegentraten, mitten
in voller, lebhafter, ganz andere Dinge betreffender Unterhaltung richten
sehen! Nichts entging ihm. Eine meiner ersten Begegnungen mit ihm
wurde durcli kleine Anneliden vermittelt, die er auf einem Spaziergange
im Elsafs gesammelt hatte und mit nach Strafsburg brachte, wo er sie
mir zur Bestimmung vorlegte.
Schenkte er auch dem Kleinsten und scheinbar Unbedeutendsten seine
Aufinerksamkeit , so blieb doch vor Allem die Erforschung des Menschen
in allen seinen Beziehungen unentwegt das Ziel seines Lebens. So erklart
es sich , dafs er vom Anatomen und Pathologen zum Anthropologen wurde,
und in diesem grofsen Zuge zur 3Iensclienforschung wurzelt schliefslich auch
Virchow's Beschäftigung mit der Hygieine, seine grofse Thätigkeit in
der Sorge für das Gemeinwohl, sein Interesse lur sociologische Fragen,
ja, sein Eintreten in die Arena der Politik. Von diesem Gesichtspunkte
aus kann der so vielseitige Mann, dem man nicht selten diese zersplitterte
Thätigkeit zum Vorwurfe gemacht hat, in seiner festgefügten Einheit be-
gi'iffen werden. Es war Rudolf Virchow's Natur, die in ihrer folge-
richtigen Entfaltung ihn zu allen diesen scheinbar so weit auseinander-
liegenden Bethätigungen führte. Er hätte sich selbst verleugnen müssen,
wenn er sich auf das Secirmesser und das 3Iikroskop hätte beschränken
wollen. Und wir dürfen ihm dankbar sein, dafs er so weit ausgegriflfen hati
Es konnte nicht ausbleiben, dafs bei dem Erfassen so vielfacher Gebiete
und bei der entschiedenen, ja scharfen Art, wie Virchow seinen Stand-
punkt vertheidigte und zu neuen Eroberungen vordrang, er viele und ent-
schiedene Gegner fand. Er scheute aber den Kampf um die Wissenschaft
und die hohen Güter der Menschheit nicht. Viel Feind, viel Ehrl Das
gilt so recht von ihm. Und was er aufserhalb der Studirstube Gutes
erstrebt, errungen und erstritten hat, wie er als Wohlthäter der Menschheit
begriffen wurde, das that der schier endlose Trauerzug kund, der am
9. September des vorigen Jahres die Hülle des Entschlafenen vom Berliner
Rathhause zur letzten Ruliestätte auf dem Matthäikirchhofe geleitete. —
So glaube ich den Standi)unkt gewonnen zu haben , von dem aus sich
ein wahrheitsgetreues, einheitliches Bild Rudolf Virchow's entwerfen läfst.
Gedächtnifsrede auf Rudolf Virchow. 5
Naturgemäfe stellt sich , namentlich bei der Beurtheilung des Werde-
und Lebensganges eines Gelehrten, zunächst die Frage auf, welche Ein-
flüsse auf ihn eingewirkt haben mögen? Nicht selten wird solchen äufseren
Einflüssen viel zu viel Gewicht beigemessen, und es werden Dinge aus
dem Verborgenen hervorgeholt, bei denen man sich wirklich wundem mufs,
wie sie zur Erklärung dieser oder jener Arbeits- und Studienrichtung, oder
einer ausgezeichneten Fähigkeit des Betreffenden hatten herangezogen werden
können. Begabungen und Fähigkeiten sind wie Charaktereigenschaften an-
geboren. Menschen, die sie in hervorragender Weise in ihrer ererbten
Organisation besitzen, finden und schreiten ihre eigenen Wege, und ein
solcher war Virchow. Menschen, denen sie mangeln, wird auch der
bedeutendste Lehrer und Erzieher sie nicht geben öder ersetzen können.
Immerhin aber ist nicht zu leugnen, dafs von Natur begabte Menschen durch
ihresgleichen lebhait angezogen, angeregt und auf bestimmte Forschungswege
gelenkt werden können, auf denen sie dann weiter, immer aber in ihrer
Eigenart, wandeln.
Dafs unser Virchow, der in bescheidenen bürgerlichen Verhältnissen
in der kleinen Stadt Schivelbein in Pommern aufwuchs, sich stets als
ein wohlbeanlagter, geweckter Knabe zeigte, wird von allen aus der Zeit
stammenden beglaubigten Nachrichten bezeugt (la).
Der uns erhaltene zur Abiturientenprüfung verfafste deutsche Aufeatz
über das Thema: »Ein Leben voll Arbeit und Mühe ist keine Last, son-
dern eine Wohlthat«, welches Virchow 's Lebensprogramm bis zu seinem
Todestage geworden imd geblieben ist, zeigt den Ernst und die Reife seines
Denkens in hervorragender Weise. Und als knappes, drastisches Schlufswort
ftir die Erhärtung von Virchow 's früh sich zeigender Begabung, der auch
das »Corpus sanum« entsprach, filhre ich die Worte an, welche der mit
der körperlichen Untersuchung des 1 7-f jährigen Abiturienten in Schivel-
bein behufs Aufnahme desselben in das Friedrich Wilhelms - Listitut (Ib) be-
traute Bataillonsarzt Schacks in seinem an den Director des Instituts,
Generalstabsarzt Dr. von Wiebel, eingesandten Berichte schrieb, und
welche in gekürzter Fassung lauten: »Dieser junge Mann besitzt alle An-
lagen aulser Krankheitsanlagen« (3). Buchstäblich wahr bis zum Ende
blieben diese Worte, denn nicht Krankheitsanlagen waren es, die am
5. September 1902 Virchow den Tod brachten, sondern die Folgen eines
Unfalles (le).
6 Walde yer:
Der an Leib und Seele gesunde und reich beanlagte 18 jährige Jüng-
ling bezog im Herbste 1839 als Zögling des genannten Militärärztlichen Bil-
dungs- Institutes, der jetzigen Kaiser Wilhelms -Akademie, unsere Univer-
sität, bei der er nun mit einer nur 7 jährigen Unterbrechung (1849 bis
1856), in fast allen Stufen des akademischen Lebens, als Student, Assi-
stent, Privatdocent — die aufserord entliche Professur wurde übersprun-
gen — und ordentlicher Professor, verblieben ist.
Unter den Docenten, deren Vorlesungen der junge Virchow besuchte,
waren eine ganze Anzalil bedeutender Männer, die auf ihn hätten einwirken
können: der Chemiker Eilhard Mitscherlich, der Botaniker Link, der
Anatom und Physiologe Johannes Müller, diese drei auch Mitglieder un-
serer Akademie; dann die berühmten Kliniker Johann Lukas Schönlein
und Johann Friedrich Dieffenbach. DaCs unter allen diesen einzig und
allein Johannes Müller, einer der Giganten der biologischen Naturwissen-
schaften, auf einen Kopf, wie den Rudolf VirchoAv's, Einflufs gewann, kann
nicht befremden. Johannes Müller Avar unzweifelhaft der Bedeutendste
unter allen Genannten und seine Lehraufgabe die, welclie den Neigungen
seines lernbegierigen Schülers am meisten entgegenkam; zudem umfafste sie
derzeit, Avenn wir von der speciellen Kranklieitslehre und den therapeutischen
Fächern absehen, noch die gesammte Biologie des Menschen: Anatomie,
vergleichende Anatomie, Entwicklungsgeschichte, Physiologie und auch die
pathologische Anatomie. In dieser Avurde später Virchow Johannes
MüUer's Nachfolger, der, um seinen berühmten Schüler für Berlin zurück-
zugewinnen, freiwillig auf sein Lehramt in der pathologischen Anatomie
verzichtete, obwohl er noch in voller Arbeitsßihigkeit stand und in der
genannten Disciplin selbst Bedeutendes geleistet hatte. Bei dieser um-
fassenden Lehrthätigkeit seines grofsen Meisters erhielt Virchow den ge-
sammten Unteri'icht über den normalen Menschen und noch ein Stück
darüber hinaus in das Gebiet der menschlichen Pathologie, Avie aus einem
Gusse, und das mufs bei der eigenartigen, ftir denkende Zuhörer ungemein
fesselnden Lehrweise Johannes Müller's auf den congenialen Schüler einen
tiefwirkenden Einflufs gehabt haben. Die immer mehr fortschreitende
Zersplitterung unserer Wissensgebiete in einzelne Abtlieilungen mit beson-
deren Docenten läfst eine solche EinAvirkung nicht mehr aufkommen.
Von VirchoAv selbst haben wir persönliche Zeugnisse über das, was
ihm Johannes Müller AA^ar: In der meisterhaften Gedächtnifsrede, Avelche er
Gedächtnifsrede auf Rudolf Virchow, 7
in der Aula der Universität am 24. Juli 1858 auf seinen grofsen Lehrer hielt,
heifst es: »Zu so grofsem Werke hat man mein schwaches Wort berufen.
Wäre der Wille die That, wie gerne hätte ich dann die schöne Aufgabe ge-
sucht! Denn nicht Vielen war es vergönnt, wie mir in jedem wichtigen Ab-
schnitte der eigenen Entwickelung sich an der Seite unseres Meisters zu sehen.
Seine Hand war es, die die ersten Schritte des medicinischen Lehrlings
leitete; sein Wort war es, das mir die Doctorwürde zusprach; von dieser
Stätte, von der jetzt sein kaltes Bild auf uns herniederblickt, durfte ich
in sein warmes Auge schauen , als ich , wieder unter seinem Decanat, meine
erste öffentliche Vorlesung als Privat docent hielt. Aus der grofsen Zahl
seiner Schüler war ich der einzige, der, auf seinen eigenen Vorschlag, neben
ihm im engeren Kreise der Facultät zu sitzen gerufen war, dem er einen
wichtigen Theil seines alten Gebietes freiwillig überliefs« (4). Und noch
einmal, im Jahre 1899, ergriff der Achtundsiebenzigjährige das Wort zu
Ehren seines Lehrers, als diesem in seiner Vaterstadt Coblenz ein Stand-
bild errichtet wurde: »Wir Schüler von Johannes Müller« sagte er da
(5) »haben seine Methode för die vorzüglichste gehalten. Ich weifs nichts
Bedeutungsvolleres den Schülern anzugeben, als diese Methode kennen zu
lernen und darnach zu handeln. Es war die Methode der wirklichen Beob-
achtung, der Autopsie«. Hiermit bekennt sich Virchow direct als Schüler
Müller's auf der Bahn der objectiven Naturforschung. Und diese Bahn
hat er niemals verlassen imd stets hat er sie seinen zahlreichen Schülern
als den einzig gangbaren Weg in der Biologie hingestellt.
Auch noch nach der Studentenzeit sieht sich Virchow als Schüler
Müller's an und holt dessen Rath ein. Er erzählt davon in einer An-
merkung zu seiner erwähnten Gedächtnifsrede (4), dafs er, bereits seit drei
Jahren promovirt und Assistent Froriep 's bei der pathologischen Anstalt
der Gharite, seit Kurzem, als Froriep's Nachfolger, Prosector der Charite,
sich mit der Untersuchimg derjenigen Veränderung der Milz beschäftigt
habe, die von ihm später als »Sagomilz« bezeichnet wurde. Er sei über
die Natur der betreffenden Veränderung nicht klar geworden und fahrt
nun wörtlich fort: »Ich wanderte also mit einer solchen Milz zu Müller,
um bei ihm, der die Milzstructur speciell untersucht hatte, sow^ohl Auf-
klärung über den föUiculären Ursprung der Körner, als Andeutungen über
die Natur der Verändenmg zu suchen. Müller kannte die Veränderung
nicht, er war selbst zw^eifelhaft , ob sie von den Follikeln ausginge; er
8 Waldeyer:
sagte: »das ist sehr sonderbar, das müssen Sie untersuchen!« Als ich ihm
auseinandersetzte, dafs ich das schon gcthan hätte, dafs ich aber mit dem
Resultat nicht zufrieden sei, sagte er: »dann müssen Sie weiter untersuchen,
das wird gewifs sehr interessant sein«. »Erst sieben Jahre später gelang
es mir, so berichtet Virchow weiter, die Jodreaction der Substanz zu
finden, imd sie den nachher so vielfach gefundenen Amyloidsubstanzen
anzureihen«.
Unzw^eifelhaft geht aus Allem diesen hervor, das Johannes Müller
es war, der den grofsen natürlichen Gaben Virchow 's die richtigen Wege
wies. Die damals in den Hörsälen der praktischen Medicin und in den
Kliniken zumeist vertretenen Anschauungen konnten den jungen Forscher,
der bald gewohnt wurde, au Alles das kritische Secirmesser anzulegen, in
der That nicht befriedigen. Ich glaube auch nicht, dafs Robert Froriep,
den Virchow sehr hochschätzte und ihm stete Dankbarkeit bewahrt hat,
namhaften Einflufs auf seine Ausbildung geübt hat, obwohl Virchow zwei
Jahre, von 1844 — 1846, dessen Assistent und dann, 1846, sein Nach-
folger in der Prosectur der Charite wurde. Denn Letzterer hat bald seine
eigene Methode der pathologisch -anatomischen Technik und der feineren
Untersuchungsweise ausgebildet; sie ist in der Folge für die ganze Welt
die mafsgebende geworden (6).
Von nun an wandelte unser Meister seinen eigenen Weg! Rasch
führte ihn dieser zur höchsten akademischen Stellung. Bald nach Über-
nahme der Charite -Prosectur erfolgte Virchow 's Habilitution an der hie-
sigen Universität mit der öffentlichen Antrittsrede: »de ossificatione pa-
thologica«. Wir wissen, dafs er in Folge seines freimüthigen politischen
Verhaltens, Ostern 1849, seines Amtes an der Charite enthoben wurde (7).
Doch erfolgte bald darauf, da die äi'ztlichen Vereine einhellig darauf dran-
gen, seine Wiederanstellung, allerdings auf Widerruf. Schon im Herbst
desselben Jahres finden wir aber den damals 28 jährigen, als ersten Ordi-
narius för pathologische Anatomie an einer deutschen Universität, in Würz-
burg, wo er in den sieben Jahren seiner fruchtbarsten Thätigkeit auf dem
Gebiete der normalen und pathologischen Anatomie den Grundstein seines
unvergänglichen Ruhmes legte. Bereits 1856 (9. Juni) wurde er als Ordi-
narius nach Berlin zmückberufen und hat nun als solcher volle 46 Jahre
an der hiesigen Universität in bedeutsamster und segensreichster Weise
gewirkt. Unterm 18. November 1859 trat er als ordentlicher Professor lür
Gedächtnißrede auf Rudolf Virchow. 9
pathologische Anatomie in den Lehrkörper der jetzigen Kaiser Wilhelms-
Akademie ein, und am 24. December 1860 in die Wissenschaftliche Depu-
tation för das Medicinalwesen ; am 2 2 . December 1873 ward er der Unsere !
Wenn ich nunmehr zu meiner Hauptaufgabe, der Darstellung der wissen-
schaftlichen Lebensarbeit Virchow 's übergehe, so ziemt es an dieser Stelle
insbesondere und in erster Linie auf seine Würdigung als Akademiker
Gewicht zu legen und zu zeigen, was er uns war und wie die Verbindung
mit der Akademie auch fördernd auf ihn und seine Gelehrtenarbeit ein-
gewirkt hat.
Fast ein Menschenalter hat Rudolf Virchow der Akademie der
Wissenschaften angehört. Li seiner Antrittsrede vom Leibniztage 1874,
demselben Wochentage wie heute, am 2. Juli, unter dem Vorsitze Theodor
Mommsen's, der damals seine ihr Licht weit vorauswerfende Rede über
den Werth akademischer Associationen hielt, betont Virchow, dafs er als
»Pathologe« in die Akademie aufgenommen werde. Er dankt nicht nur
für sich persönlich, sondern auch im Namen der von ihm vertretenen
Wissenschaft, der »Pathologie«. Seit fast einem Menschenalter habe man
Nichts von der Pathologie mehr in der Akademie vernommen. Er weist
damit auf einen Vortrag Johannes Müller's hin, welchen dieser in der
Akademie über den Bau der krankhaften Geschwülste, 1836, in Form eines
Auszuges aus seinem bekannten gröfseren Werke gehalten hat.
Li der Antwort du Bois-Reymond's ist von Virchow auch nur als
Pathologen die Rede; seine Arbeiten auf anthropologischem Gebiete — und
dieselben waren damals schon sehr bedeutende — werden nur gestreift.
Beide, Virchow sowohl wie du Bois-Reymond, fuhren aus, dais die
Pathologie nimmehr den Zusammenhang mit der Gesammtentwickelung der
Naturwissenschaften wiedergewonnen habe und deshalb sehr wohl in den
Rahmen der akademischen Fächer hineinpasse.
Es ging nur merkwürdiger Weise Virchow geradeso, wie 30 Jahre
früher seinem grofsen Lehrer Johannes Müller. Wie dieser hat auch
er kaum von pathologischen Dingen in der Akademie gehandelt. Wir be-
sitzen nur aus der ersten Zeit seiner Mitgliedschaft, 1875 und 1876, zwei
freilich bedeutsame Mittheilungen pathologischen Inhalts: Ȇber die Ent-
stehung von Knorpelgeschwülsten an Knochen« und über die »Bildung
von Knochencysten«. Die umfangreichere Abhandlung, welche Virchow
20 Jahre später (1896) las: »Anlage und Variation« behandelt sehr schwie-
Gedächtni/sreden. 1903, L 2
10 Waldeyer:
rige Probleme, welche der allgemeinen Biologie angehören und an der
Grenze stehen, da, wo sich Anatomie, Physiologie, Pathologie und all-
gemeine Anthropologie berühren.
Die Ursache dieser Erscheinung, dafs beide Forscher nur in verein-
zelten Fällen pathologische Fragen in der Akademie zur Sprache gebracht
haben, ist bei Beiden allerdings verschieden. Johannes Müller hat die
Pathologie überhaupt nur als Nebenfach betrieben. Die krankhaften Ge-
schwülste, über welche er ein bedeutendes, leider unvollendet gebliebenes
Werk hinterlassen hat, stehen in ihrer anatomischen Grundlage, auf deren
Erforschung Müller fast allein eingegangen war, inmitten zwischen nor-
maler und pathologischer Anatomie, und Müller war es, welcher diese
Grenzstellung zuerst aufgedeckt hat. Müller's klarer Blick erkannte je-
doch bald, dafs die Kraft eines Mannes, und sei sie auch noch so be-
deutend, schon in damaliger Zeit, nach der Begründung der Zellenlehre
durch seinen Schüler Schwann und nach den rapiden Fortschritten, welche
die Pathologie unter den Händen seines anderen Schülers Rudolf Virchow
machte, nicht mehr ausreichen würde, das wichtige Gebiet der Pathologie
in gleichem Entwickelungsschritte mit den übrigen von ihm vertretenen
biologischen Disciplinen vorwärts zu bringen. Aus dieser Einsicht erkläre
ich mir — und es wird stets ein Ruhmestitel Müller's bleiben — dafs
er auf die Zurückberufung Virchow 's nach Berlin drang imd ihm frei-
willig seine Stellung auf diesem Gebiete abtrat. Und so hatte er denn
auch frühzeitig aufgehört sich mit der Pathologie eingehender zu be-
schäftigen.
Bei Virchow kommen andere Gründe in Betracht. Er hat die Patho-
logie vollkommen beherrscht bis an sein Lebensende; davon geben zahl-
reiche Veröffentlichungen und Demonstrationen in den ärztlichen Gesell-
schaften Berlins genügenden AufschluCs; aber er hatte schon einige Jahre
zuvor, ehe er in die Akademie aufgenommen wurde, angefangen sich mit
anthropologischen Dingen zu beschäftigen und hatte hier einen, wenigstens
in Deutschland noch kaum beackerten Boden gefimden. Wie es ihm nun
gelungen ist die Pathologie von Grund aus zu reformiren, so gelang ihm
das fast müheloser noch bei der Anthropologie, für welche man ihn auf
deutschem Boden nicht nur als Reformator, sondern geradezu als wissen-
schaftlichen Begründer ansehen darf. Und wir erlebten das vorher kaum
jemals Erfahrene, dafs ein und derselbe Mann nach mehr als zwanzigjähriger
Gedärhtni/srede auf Rudolf Virdtoie.
treuer unJ fast iinübci-sehbarirr Forsclierarbeit auf dem einen Gebiete sicli
eineiu zweiten zuwendet, in dem er fortub dieselbe Arbeit leistet: ein
Balmbreeher fiir beide Wissenscliaftenl Der ^i-ofse Erfolg, den Vircliow
in der Anthropologie schnell errang, spornte ihn naturgemSfs zu weiterer
Thätiffkeit an, rifs ihn hin weiter erobernd vorzudringen, wie den Forscliungs-
reisendeu auf unbekanntem Gebiet. Von allen Seiten flofs ihm bald iIiik
Material zu, schier unerschöpflich; was Wunder, dafe er da aus dem Vollen
schöpfte und uns gab, zumal die Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte
zweifellos den übrigen in der Akademie vertretenen Disciplinen näher liegen,
als die Pathologie. Manches, was Vircliow aus patliologiseher Umralimuug
noch nach 1874 veröffentlicht hat, hätte »ehr wohl seinen Platz in den
Schriften der Akademie finden können. Aber die zahlreichen raedicini.schen
Zeitschriften, und voran seine eigenste Schöpfiuig, das Archiv für patholo-
gische Anatomie, »Vircliow's Archiv«, forderten auch ihre Rechte.
Wenden wir uns nun in eingehenderer Besprechung zu dem, was
Virehow der Akademie an wissenscliaftlichen Gaben geboten hat, so sind
dies, abgesehen von den drei schon erwähnten Arbeiten, fast sämmtlich Ver-
öffentlichungen anthropologischen, ethnologischen und urgesrhichtliehen In-
Iialts (8). Schon im Jahre nach seiner Aufnalime las er eine seiner bedeutend-
sten anatomisch-anthropologischen Abhandlungen: Ȇber einige Merkmale
niederer Menschen ras.sen am Schädel» . Damit eröffnete er eine Reihe weiterer
Mittheilungen über somatische Anthropologie wie: »Beiträge zur physischen
Anthropologie der Deutschen mit besonderer Berücksichtigung der Friesen»,
• Weitere Mittheilungen über friesische und niederländische Schädel«, »Zur
Kraniologie Ulyriens«, »Über den Schädel des jungen Gorilla«, »Über die
ethnologische Bedeutung des Os malare bipartitum«, »Über mikronesisdie
Schädel", "Alttrojanische Gräber uad Schädel«, »Über alte Schädel von Assos
und Cj-pern», »Über krankhaft veränderte Knochen alter Peruaner«, »Über
südmarokkanische Schädel», »Über ostafrikanische Schädel« und »Über grie-
chische Schädel aus alter und neuer Zeit und über einen Schädel aus Me-
nidi, der fiir den des Sophokles gehalten ist«.
Die Mehrzahl dieser Alitth eilungen bieten mit das Be.ste, was unser
Mitglied in der somatischen Anthropologie veröffentlicht hat. Vor Allem
von Bedeutung sind, wie erwähnt, die erste Abhandlung vom Jahre 1875
über die Merkmale niederer Menschenrassen, dann die Beiträge zur Anthro-
pologie der Deutschen und weitere Mittheilungen über friesische und nieder-
13
W..
läiidisdie Soliädel. Durch ili*' erste Aliliaiulluiig wurde die Aufmerksam-
keit der Fachjfenossen überhaupt erst auf die Bedeutung solcher Merkmale
am Scliädel gelenkt, wie der Stirnfortsatz der Sehläfensclmppe, das Os
Incae am Hinterhauptbein und die schmalen Nastinbeine. Der Stirnfortsatz
der Schläfenschuppe kommt weit häufiger bei nicli tarischen als bei arischen
Stämmen vor. Die vorderen temporalen Schaltknochen, die »Ossa epi-
pteriea«, sind zwar verwandte Bildungen, doch nicht dem Stimfortsatz gleich-
wert.hig. Dem Inkaknochen liegt, ein Bestehenbleiben oder eine späte OblJ-
teration der normalen Quemaht der Hinterhauptssehuppe zu Gründe; es
handelt sich also um eine Hemmun^^sbildung; besonders häufig finden wir
sie hei einzelnen altperuanischen Stämmen und demnächst bei den Malayen.
Gro&es Verdienst erwirbt sich hier Virchow durch die erste scharfe Unter-
scheidung des echten Os Incae von ähnlichen Bildungen derselben Gegend,
die früher oft verwechselt worden waren.
Die durch auffallend schmale Nasenbeine, wie beim Orang, bedingte
"Katai-rhinie- ist gleichfalls häufig hei einzelnen Malayenstämmen beobachtet
worden. Virchow macht besonders darauf auftnerksam, dals diese affen-
ähnliche (pithekoide) Form der Nasenbeine auch durch pathologische Vor-
gänge beding werden könne.
In dieselbe Abtheilung von Arbeiten gehört die Mittheilung über das
zweigetheilte Jochbein. Es wird dariu die Angabe von dem beson-
ders häufigen Vorkommen dieser bemerk enswerthen Bildung bei Ainos
und Japanern bestätigt und darauf hingewiesen, dafs Spuren dieser Zwei-
theilung sich häufig auch an den Jochbeinen anderer Rassen finden.
Diese Arbeiten haben zu vielen weiteren Untersuchungen nach der
gleichen Richtung hin Anregung gegeben; es bleibt indessen, wie überall,
Vieles zu thun übrig, um sicher festzustellen , welches Alles Merkmale niederer
Schädelformen seien und ob die von Virchow aufgestellten dauernd die
Probe bestehen werden. Wann aber wird mit einem Schlage ein grofses
Problem völlig gelöst?
Sehr werthvoll ist die in den Untersuchungen über deutsche und
friesische Seliädel begründete Erkenntnifs , dafs die Dolichocephalie kein
specifisches Merkmal altdeutscher Schädel sei. Auch wird hier zum ersten
Male die Wichtigkeit der Höhenuntersuchungeu von Schädeln und die daraus
sich ergebenden 'l'ypen, die ('hamäccphalie und Hypsicephalie, wie
Virchow die niedrige Scliädelfonn, bez. die hohe, benannt hat, dargelegt.
Gedächtni/srede auf Rudolf VircJhow. 13
In der Arbeit über den jungen Gorillaschädel ist die erste genaue
Beschreibung eines solchen jungen Anthropoidenschädels gegeben , zugleich
mit Hinweisen auf das Verhalten zu menschlichen Kinderschädeln.
In den andern genannten Abhandlungen und kürzeren Mittheilungen
begegnen wir Virchow bei einer einfacheren Arbeit, der des Beschreibens
einzelner Schädel verschiedener Völker, einer Arbeit, die man vielfach als
eine nutzlose bezeichnet hat, imd die ein Virchow, wenn sie einmal gethan
werden müfste, wohl Anderen hätte überlassen können. Nicht blofe in
den Schriften der Akademie, sondern auch an vielen anderen Orten noch
hat Virchow solche Beschreibungen geliefert, die uns Tausende von Schädeln
verschiedener Stämme kennen lernen. Es kann aber keinem Zweifel unter-
liegen, dafs solche Arbeit gethan werden mufs, falls wir überhaupt einmal
dazu kommen wollen, die anthropologische Seite der Schädelformen wissen-
schaftlich zu begreifen. In der Botanik, in der Zoologie, in der Minera-
logie, Erdkunde und Astronomie, ja in allen Wissenschaften, giebt es
ähnliche Arbeit; sie liefert die noth wendige Unterlage für die weitere und
tiefer gehende Forschung. Wenn Virchow nimmer müde ward, Schädel
auf Schädel zu messen, wie sie ihm zukamen und wie er sie sich zu-
sammensuchte, oft mit der gröfsten Mühsal, dann hatte er dabei einmal
die stille Hoffnung, durch die MassenkenntnÜs vielleicht zu einer wissen-
schaftlichen Auffassung vorzudringen, das andere Mal reizte es sicherlich
den hochinteressirten Sammler, seine Detailkenntnife zu vermehren und
seine Mefsmethoden weiter zu erproben. Frage sich doch Jeder, wie es
ihm selbst ergeht, wenn er sich einmal in ein Forschungsgebiet hinein-
gearbeitet hat. Virchow hat zum mindesten seinen Nachfolgern ein schätz-
bares Material überliefert und, was besonders betont werden mag, ihm
flössen nun, als bekannt wurde, dafs er Alles gewissenhaft selbst unter-
suchte und die Ergebnisse auch kundgab, von allen Seiten die seltensten
Objecte zu. Somit ist durch diese mühsame Arbeit des grofsen Forschers
unserer anthropologischen Sanmilung eine solche Menge von werth vollen
Schädeln zugegangen, wie sie kaum andere Sammlungen haben dürften.
— Dafe alle die genannten Arbeiten über Schädel und anderes osteologisches
Material von höherem Werthe seien, soll nicht behauptet werden; manches
mag berechtigter Kritik unterliegen und ihr nicht Stand halten.
Die übrigen der Akademie vorgelegten Arbeiten bewegen sich theiLs
auf dem Gebiete der Prähistorie, wie die »über einen neuen Bronzewagen
16
W A L D E Y E H
(lischen oder (jar vordrnvidisfheii Stämmen Indiens haben. Die Singhalesen
dagegen müTst-en jiIs eine gemischte Rasse angesehen werden. Mit beson-
derem Naehdrueke wird darauf gedrungen, dafs unverzüglich eine genaue
Specialforschung der spärliclien. aber ethnologisch so wichtigen Reste der
Weddas unternommen werden sollte. Und diese Malmung hat reiche
Frucht erbracht! (9)
In ähnlicher Weise sind die allerdings kürzer gefafsten Untersuchun-
gen über die Sakalaven und Philippinen -Völker gehalten.
Die ganz kurze nach brieflichen Mittheilungen Dr. Arnings gegebene
Vorlage über das plötzliche Verschwinden der in Form zweier Seen auf-
gestauten glühenden flüssigen Lava in den grofsen Kraterbecken des Ki-
liauea auf Hawaii, des Halemaumau- und Neuen Sees, in der Nacht vom
6, zum 7. MSrz 1886 will nur der Akademie von diesem sehr bemerkens-
werthen Ereignisse Kenntnifs geben.
Eingehender möchte ich bei den aus eigener Anschauung Virehow 's
in tbeilweisc lebendiger Schilderung gegebenen Vorträgen über die heu-
tige Troas, mit denen Ausblicke auf die Schliemann'schen Ausgrabungen
verknüpft sind, verweilen. Sie ergaben sich aus der Freundschaft Vir-
chow's mit Schliemann, dem »sclfmade Man« in des Wortes .strengster
Bedeutung, einer Freundschaft, welche der Prähistorie zum höchsten Nutzen
gereicht hat. Schliemann war von Gladstone auf Virchow als einen
der besten Urnenkenner verwiesen worden, und Vircliow's unwidersteh-
lichem Einflüsse ist es zu danken, wenn Schliemann in die richtigen
Bahnen gelenkt wurde und schliefslich der kundigen Hand Dörpfeld's
die weiteren Ausgrabungen zu Hissarlik in Oberleitung übergab. So kam
denn auch Schliemann zur wohlverdienten Anerkennung und schliefslich
unsere Museen zu Schätzen, die ihnen ftir alle Zeiten zur gröl'sten Zienle
gereichen. Und dabei wollen wir nicht vergessen, dafs bei diesen Unter-
nehmungen sich der stille Werth der Zugehörigkeit zu einer Körperschaft,
wie die Akademie es ist, zeigt. Virchow hat stets mit seinen Collegen
in der Akademie, den Historikern, Philologen, Chemikern, Botanikern,
Zoologen, Anatomen, Mineralogen und Geologen, freundliche Fühlung ge-
gehalten, indem er frei nahm und gern gab, wo er dessen bedurfte oder
Andere seine Meinung zu hören wünschten.
Sehr gern hat die Akademie auch in ihren äufseren und in ihren Ver-
■waltungs-Angelegenlieiten Virchow 's o(i zimi rechten Wege fiihi'cnden
h
GfidärJitnifi}-eiJf auf Ruthf/ Virchoic.
15
Ich verweile hier einen AuKenblu-k bei den Besprechuneren einzelner
Fiiudobjecte, um darauf hinzuweisen, wie es eine eliiirakteristische Ei>^eii-
art Vireliow's und einer seiner grofsen geistigen Vorziijre ist, dafs er bei
den lausenden sololier oft unbedeutend erscheinenden Dinge, die er im
Laufe der Zeit beschrieben hat, niemals den Zusammenhang mit allgemein
wichtigen Fragen und Gesichtspunkten verlor und Alles mit seinem wahr-
haft staunenswerthen Gedächtnisse und Orientirungs vermögen stets zusam-
menbieU. Er brachte es iiocli fertig, bis in seiJi höchstes Alter hinein
das gesammte riesengrolse anthropologische, ethnologisehe und prähistorische
Materifd neben dem pathologisclien wohlgeordnet zu überblicken und jeder-
zeit zur Verwerthung bei einer Debatte oder Niedersclirift bereit zu haben.
Unwillkiifflicb wird man dabei an die scheinbav gänzlich ungeordnete Auf-
stapelung der Broschüren und Bände in seiner grofsen Bibliothek erinnert,
in der er aber vollständig Herr und Meister war.
Die Mittlieilung über die alten Aegypter, sowie der Bericht über die
Königsmumien im Museum zu Bulaq bringen, abgesehen von einer treff-
lichen anthropologischen Beschreibung der Mumien , als wichtigstes Ergebnifs
die endgültige Feststellung einer ägyptischen Stcinzeitcultur, die noch von
Lepsius bestritten worden war und deren Nachweis auch Vircbow selbst
bis dahin noch niclit erbracht schien.
Die groise Abliandhmg über die Weddns auf Ceylon zeigt den rich-
tigen Blick, mit welchem Virchow bedeutsame ethnologisclie und anthro-
pologische Probleme aufzudecken, zu erkennen und als solche in das rechte
Licht zu setzen wulste. Dafs in dem nur noch in spärlichen Resten ei^
haltenen Wedda -Völkchen ein solches Problem vorliege, stand ihm klar vor
Augen und er setzte alle Arbeit daran, sich das nöthige litterariache und
anthropologische Material zu einer Bearbeitung zu verschaffen. Leider stan-
den ihm an letzterem nur drei Schädel zu Gebote, die ihm durch V*ei^
mittelung des derzeitigen deutschen Consuls in Colorabo. Hm. Freuden-
berg, zugegangen waren; aufserdem zur Vergleichung noch drei Singba-
lesen- und drei Tamilen -Schädel. Er benutzt aber eingehend und in streng
kritischer Weise alles in der Litterfitur, namentUcli der englischen , nieder-
gelegte Material und kommt zu dem Ergebnils, dafs die Wedda -Schädel
ungewöhnlich kleine sind und Beispiele echter Nannocephalie darbieten.
Die Wedda könnten als eine einfache Rasse angesehen werden, welche
höchst wahrscheinlich verwandtschaftliche Beziehungen zu älteren dravi-
18 Waldeyer:
in den Rahmen zu setzen. Doch kann es sich nur um Umrisse handeln,
welche die Hauptergehnisse von Virchow's Forschungen zusammenfassen
und sondern.
In dem Eingangs gegebenen Überblicke von Virchow's Lebens- und
Werdegange trat es bereits hervor, dafs wir ihn nach seinen wissenschaft-
lichen Leistungen als Anatomen, als Pathologen und als Anthropologen
einschätzen müssen. Dazu kommt eine nicht hoch genug anzuschlagende
Thätigkeit auf dem Felde der öffentlichen Gesundheitspflege, und da sich
Virchow mitten ins öffentliche Leben gestellt hat, würde das Bild ver-
blassen, wollten wir von da aus nicht auch wenigstens einen Lichtstrahl
auf dasselbe werfen.
Bei der Schilderung des Wirkens von Rudolf Virchow in der Aka-
demie mufsten wir ihn fast ausschliefslich als Anthropologen, Ethnologen
und Prähistoriker betrachten; wir wollen zunächst auf diesem Gebiete bleiben,
und hier die Schilderung ergänzen.
Das ist vor Allem durch Erwähnung der zahlreichen Erweiterungen
und Verbesserungen des anthropologischen Messungsverfahrens zu thun,
welche wir Virchow verdanken. Auf seine Anregung, zum grofsen Theile
wenigstens, ist die sogenannte Frankfurter Verständigung zur Festsetzung
einer »Horizontale« fiir Schädelmessungen angenommen worden. Wenn ich
anschliefsend hieran erwähne, dafs eine beträchtliche Anzahl der jetzt üb-
lichen anthropologischen Termini auf Virchow zurückzufiihren ist, so wird
damit die grofse Ausdehnung seiner Thätigkeit auf alle Gebiete der an-
thropologischen Disciplinen weiter in\s Licht gestellt. Er war es ferner,
dem wir den Nachweis der norddeutschen Pfahlbauten, insbesondere
bei dem jetzigen Wollin, dem alten Jumneta (Vineta), sowie ihre gründliche
Durchforschung verdanken; auch zeigte er das jüngere Alter derselben
gegenüber den gleichen Ansiedelungen des Südens und wies durch eine
genaue Untersuchung der Töpfereireste ihre Gleichaltrigkeit mit den Burg-
wallniederlassungen nach. Wir verdanken seinen Forschungen weiterhin
das P>gebnifs, dafs die sogenannten Wendenkirchhöfe bereits der vor-
slavischeu Zeit angehören.
Aufser den schon bei der Besprechung der akademischen Thätigkeit
Virchow's behandelten somatisch -anthropologischen Forschungen, liegen
noch eine groCse Reihe von sonstigen Veröffentlichungen aus diesem Gebiete
vor, von denen eine besonders hervorgehoben zu werden verdient, dns
Gedächtnifsrede auf Rudolf Virchow. 19
j^ofse Werk über die Crania Americana. Abgesehen von einer genauen
Charakteristik der bis jetzt vorgefundenen Schädeltypen liegt der Werth
des schön ausgestatteten Bandes in der gründlichen Darstellung der künst-
lichen Schädeldeformationen.
Erwähnt wurden vorhin seine Untersuchungen der alten Handel s -
wege, auf denen doch unbestreitbar die Cultur in unsere Gaue vorgedrun-
gen ist. Es war dies eine Lieblingsforschung Virchow 's: dem Bernstein-
handel, dem Feuersteinhandel ging er nach und spürte die Ilacksilberwege
auf. Durch die eingehende Beschäftigung mit der Ethnologie und der Pi*ä-
historie des Kaukasus, der Troas und Aegyptens wurde unser Mitglied auf
die Erforschimg des Ostens geföhrt, die ihm noch am Abende seines Lebens,
dank der Umsicht und Energie der von ihm instruirten und ausgesandten
jungen Forscher, eins seiner schönsten und liebsten Ruhmesblätter bringen
sollte, die Ermittelung des alten chaldischen Reiches, durch dessen
einstmalige Gelände später Xenophon mit seinen Zehntausend zum Theil
seinen Weg nehmen mufete. Virchow ruhte aber damit nicht, sondern
übernahm noch die Oberleitung einer neu entstandenen Deutschen Gesell-
schaft zur Erforschung Kleinasiens, insbesondere Anatoliens und Kappa-
dociens. Da traf ihn der Tod!
Noch dreier seiner verdienstvollsten Forschungen und Organisationen
auf anthropologisch -ethnologischem Gebiete sei gedacht: der Hausfor-
schung, der Gründung des Trachtenmuseums in Berlin und des grofsen
Unternehmens der Untersuchung der deutschen Bevölkerung in den
Schulen nach der Vertheilung der Blonden und Brünetten. Dies Werk
mufs mit verbesserten Methoden auf's Neue aufgenommen und erweitert
werden, und bezüglich des so werth vollen Trachtenmuseums kann ich an
dieser Stätte und zu dieser Stunde den Nothschrei nicht unterdrücken,
dafs man doch einmal durch Errichtung eines würdigen Heims für die so
schätzbare Sammlung die brennende Ehrenschuld den Manen Virchow's
abtragen möge.
Höher noch als der Anthropologe ragt der Anatom und Pathologe
Virchow!
Wenn ich Virchow zu den Anatomen zähle, so berechtigt mich
dazu ein Dreifaches: einmal ist seine Hauptarbeitsrichtung in der Patho-
logie die histologisch -anatomische. Zum zweiten hat er mehrere sehr werth-
voUe, zum Theil bahnbrechende normal - anatomische Untersuchungen ge-
3*
20 Waldeyer:
liefert, die zunächst zu besprechen sein werden, und endlich zeigt der
Übergang Virchow's zur Anthropologie und insbesondere seine andauernde
Beschäftigung mit der somatischen Anthropologie, wie stark seine anato-
mische Studienneigung war.
Zweierlei Einwirkungen auf den in die medicinischen Studien eintreten-
den Jünger haben offenbar mitgewirkt, den schon beim Knaben hervortre-
tenden Sinn für die Beobachtung naturwissenschaftlicher Objecte weiter zu
entwickeln und ihm eine bestimmte Richtung zu geben, das war die in
demselben Jahre, als er die Universität bezog (1839), durch Schwann
und Schieiden begründete Zellenlehre und der vorhin eingehend gewür-
digte Einflufs Johannes Müller 's, der das mit der Zellenlehre eröfl&iete
Forschungsgebiet, welches bestimmend und befruchtend auf die gesammte
Biologie einwirkte, selbst eifrig pflegte. Das erklärt auch die hauptsäch-
lichste Forschungsrichtung Virchow's in der Pathologie, die ich vorhin
als eine anatomisch - histologische bezeichnen durfte.
Virchow's Untersuchungen in den normal anatomischen Disci-
plinen, zu denen ich die Entwickelungsgeschichte rechne, betreffen
in erster Linie die Zellen und ihre Genese, dann die von unserm ver-
storbenen Mitgliede C. B. Reichert in eine Gruppe zusammengefafsten
Bindesubstanzgewebe (10), die Pigmente, Pigmentgewebe und
krystallinischen Bildungen (11), das Nervengewebe (12), dann
entwickelungsgeschichtliche Fragen (13). Hieran schliefse ich das,
was Virchow von zoologischen Objecten bearbeitet hat (14). Nur in
knappen Umrissen sei das Wiclitigste, was in den genannten Gebieten er-
worben wurde, skizzirt. Voran allen steht das in die bindende Formel
y^Omnis cellula a cellula* gefafste Ergebnifs vieljähriger Studien Virchow's
über die Entstehung der Zellen, jener Elementarorganismen, aus denen
sämmtliche organische Wesen bestehen. Schieiden und Schwann hatten
die Meinung verfochten, dafs die Zellen nach Art krystallinischer Nieder-
schläge in einem halbflüssigen, allem Lebendigen zu Grunde liegenden Bil-
dungsmateriale, welches mit dem Namen »Blastem« belegt wurde, ent-
ständen. Kein Geringerer als He nie blieb noch geraume Zeit später An-
hänger dieser Lehre: wenigstens liefs er sie neben der anderen, die Virchow
zuerst als allgemein gültig hingestellt hat, noch gelten. Allerdings hatte
schon Robert Remak (15) 1841 als Erster eine Entstehung von neuen
Zellen aus alten durch Theilung der letzteren bestimmt beobachtet und
GedädUni/sTPde auf Rudolf Virchow.
hcschriebeo, und andere Forsclier, vor Allem unser auswärtiges Mitglied.
A. von Kölliker, waren ihm mit Nachweisen aus dem Gebiete der Em-
bryologie (Furchungsprocers) gefolgt; doeli bis zur Verallgemeinerung dieser
Lehre und Übertragung derselben auf die Zellenneubildung bei völlig aus-
gebildeten Organismen war noeh ein weiter Sebritt, und es bedurfte sicher-
lich einer Fülle von Beobachtungen, um ilin thun zu lassen. Virchow hatte
uiiausgesetat in diesem Sinne geforscht, und insbesondere die pathologischen
Zellbildungen, von denen ilie ältere Lehre ganz besonders zu gelten schien,
untersucht. Vielfach waren ihm dabei Bedenken aufgestofsen , da er früher
selbst die freie Zellbildung aus Blastemen vertheidigt hatte. Man erkennt in
Verfolgung seiner Veröflentlichungen seinen abwägenden kritischen Geist,
der sieh nicht leicht entschliefst, einer Doctrin zuzustimmen , bevor er sie
nicht hinlänglich gesichert weifs. Genau so geht es Virchow hier, wie
später bei der Deseendenzlehre ; nur kam der jüngere Forscher rascher zum
Entscblufs und wagte den kühnen, folgenschweren Ausspruch, der als ein
Grundgesetz der Biologie gilt, an dem keine Zeit mehr rütteln wird (16).
Würden wir Virchow nur diese eine Verallgemeinerung einer grofsen Er-
keuntnils verdanken, die er mit knapper Klarheit und voller Überzeugung
hingestellt hat, sie würde genügen, seinen Namen für alle Zeiten in der
Geschichte der Wissenschaft zu erhalten!
Das positive Ergcbnifs seiner mannigfaltigen Untersuchungen der Binde-
substanzen ist der sichere Nachweis von Zellen in allen Gliedern derselben
als dauernder Bestandtheile. Dieser Nachweis hatte eine folgenschwere
Bedeutung, indem er die Vorbedingung fiir die eben besprochene Erkennt-
nifs der Zellengenese bildet. Virchow wurde hierbei in eine Jahre laug
sich hinziehende litterarische Fehde mit seinem ebenbürtigen Gegner Henle
verwickelt, die mit zu den reinigendsten und bemerk enswerthesten Contro-
versen in unserer anatomischen Litteratur gehört ; Virchow behielt in
der Hauptsache Recht (17). — Im Vorbeigehen sei des Nachweises gedacht,
dafs die kry stallähnlichen Dotterelemente der Fische Eiwei&bildungen sind,
femer der werthvollen Entdeckung der aus alten Blutresten im Körper
sich bildenden, von Virchow als -Ilämatoidinkrystalle« bezeichneten
Gebilde.
Die Anatomie des Nervensystems bereicherte Virchow mit zwei
Entdeckungen ei-sten Ranges , mit der Erkenntnifs , da& im gesammten
Centralnervensystem eine feine ZM'ischensubstanz vnrlianden ist. die er
22 Waldeyer:
zwar noch zur Gruppe der Bindesubstanzen rechnete, deren Eigenart er
jedoch bald erfasste und betonte, indem er sie mit einem besonderen
Namen, Neuroglia (Nervenkittsubstanz) , belegte, ferner, dafs um die ar-
teriellen Hirngefafse eine besondere Lj^nphscheide vorhanden sei, die als
der Virchow-Robin'sche Raum bezeichnet wird. Für die Anatomie,
Physiologie und Pathologie ist Beides von gleicher eminenter Wichtig-
keit (18). — Aus den entwickelungsgeschichtlichen Untersuchungen ragen
die über die Bildung der Piacent a und vor Allem die über die Ent-
wickelung des Schädelgrundes hervor. Virchow, wenngleich früher
anderer Ansicht, stellt sich in der betreflfenden späteren Placenta- Arbeit
auf die Seite derjenigen, welche annehmen, dafs die Zotten des kindlichen
Chorion nach Schwund der Wandungen der mütterlichen Geföfse in deren
Lichtung eindringen und so gewissermafsen im mütterlichen Blute schwim-
men, dem sie unmittelbar die nöthigen Ernährungsbestandtheile entnehmen.
Ich bin seiner Zeit Virchow darin entgegengetreten; die neuesten Unter-
suchungen bestätigen indessen die Richtigkeit seiner Ansicht.
Eine Fülle von Anregungen imd neuen Feststellungen giebt die Mono-
graphie über die Entwickelung des Schädelgrundes, die auch des-
halb fiii* die Beurth eilung von Virchow 's Lebensgang so wichtig ist, weil,
so scheint es mir wenigstens, die Beschäftigung mit diesem packenden
Thema, welches wiederum durch Beobachtungen über den Kretinismus
bei unserm Autor in Aufnahme gekommen war, Virchow zur Anthropo-
logie geführt hat. Diese junge Wissenschaft, mit der sein Forschen sich
fortan vermählte, liefs ihn nun nicht mehr los (19). Er betrachtet in der
zur Rede stehenden höchst beachtenswerthen Schrift das Problem von um-
fassenden Gesichtspunkten aus und stellt sich die Aufgabe der Erkenntnifs
des Zusammenhanges zwischen Schädelform, Gesichtsform und Aufbau des
Gehirns. Das Os basilare bildet den Angelpunkt der Entwicklung; Ande-
rungen der Ausbildung des Grundbeins bringen nothwendig auch Ände-
rungen in der Gesichts- und Gehirnbildung mit sich. Ich mufs es mir ver-
sagen, hier auf eine weitere Analyse des Buches einzugehen; es wird stets
zu denen gezählt werden dürfen, nn deren Inhalt man vielleicht wird
vieles abzuändern Iiaben, zu dem vieles hinzukommen mufs, welches aber
niemals veralten wird.
In der Frage nach der Existenz eines Schwanzes beim Menschen hat
Virchow mit Ecker und His klärend und abschliefsend gewirkt. Beim
Gedüchtnifsrede auf Rudolf Virchow. 23
menschlichen Embryo ist entschieden eine unbezweifelbare Schwanzanlage
vorhanden; die bei Erwachsenen nicht gar selten zu beobachtenden schwanz-
fbrmigen Anhänge der Steifsbeingegend müssen aber verschieden beurtheilt
werden. Virchow lehrte hauptsächlich zwei Formen unterscheiden, die
»weichen Schwänze«, d.h. diejenigen ohne axiales Knochenskelet, und
solche mit Wirbelrudimenten »Wirbelschwänze«.
Von zoologischen, zumeist gleichzeitig in das pathologische Gebiet
fallenden Entdeckungen sind bedeutungsvoll der Nachweis der thierischen
Natur des Echinococcus multilocularis (14a), einer äu£serst merkwürdigen
Form dieses so gefahrlichen Blasen wurmes , die man bisher für eine einfache
Gallertgeschwulst gehalten hatte, und das Auffinden der Entwicklung der ge-
schlechtsreifen Trichinen im Darm sowie die Feststellung des Einwandems
der jungen Trichinen in das Iimere der gestreiften Muskelfasern durch das
Sarkolemma hindurch (14d— g). Ich berühre nebenher die kleine Mittheilung
über Aurelia aurita (14c), welche gelegentlich eines Badeaufenthaltes in
Misdroy entstanden ist, charakteristisch genug fiir Virchow, der vom Beob-
achten und Nachforschen nicht lassen konnte.
Auch auf dem Felde der pathologischen Botanik verdanken wir Virchow
eine bedeutsame Entdeckung, die der Mycosis aspergillina der Lungen.
Um die gewaltige, bahnbrechende Thätigkeit Virchow 's auf seinem
Hauptgebiete, der Pathologie, in ihrer vollen Bedeutung zu erkennen,
brauchen wir ebenso wenig wie bei der anthropologischen Arbeit auf alle
die fast unüberblickbaren Einzelforschungen einzugehen. Wie'grofsartig die
Wirkung Virchow's auf dem Felde der Pathologie gewesen ist, läfst sieh
au einigen wenigen Schöpfungen klar ersehen: Ich meine die Entdeckung
der Amyloidsubstanz, die in der vorhin erzählten Begegnung mit
Johannes Müller zur Aufklärung der Sagomilz wurzelt (20), dann die
Entdeckung der Leukämie (21), durch welche die moderne, zu so hohen
Erfolgen lülirende Hämoi)athologie liauptsächlich in's Leben gerufen
wurde, die Untersuchungsreihe über die Erkrankungen der Blutgefäfse, die
durch die Sclilagworte Thrombose und Emboli e gekennzeichnet wird
(22), die Kritik der Rokitansky sehen Krasenlehre (23), das grofse Werk
über die krankhaften Geschwülste (24) und die Hauptschöpfung Ru-
dolf Virchow's, die Cellulari^athologie (2fi).
Sein Jugendwerk, die Untersuchung über die Gefäfskrankheiten, be-
gann unser Meister nocli als Assistent P^orieps, angeregt durch dessen
24
W A L li E Y E R
Rath. über Venenentzniidiing, Plilebitis, zu arhcitpii. Das war dfimals (liiicli
einen — nebenbei gesagt, sehr unüberlegten — Aussprucli Cruveilliier's
• La phlebite ilomine toute la pathotogie« , ein sehr viel diseutirtes Thema.
Der kaum seinen Universitätsstudien entwachsene Forscher sah bald, dafs
die bisherige Auffassung der Gef'iUsentzündungen eine völlig irrige war.
Und wie geht er nun energisch, methodisch und zielbewufst, zugleich
aber völlig selbständig vor! Erst wird das Blut nach allen Richtungen
hin , namentlich nach der Seite seiner Gerin mmgserscheinun gen durch-
forscht, dann die Gefäfse, dann kommt die genaue Beobachtung am Se-
cirtisch, und die ganze Untersuchung gipfelt in einer Experimentalfor-
schung, die immer ein Vorbild fiir die experimentelle Pathologie bleiben
wird. Der Erstling zeigt, dafs er schon ein Meister war, dafs er Schulung
und Methode besafs, aber auch den heiligen Eifer! Wiederholt hat mir
Virchow's spaterer erster Diener am pathologischen Institute, der schon
damals angestellt war, erzählt, dafs der junge Doctor bis in den grauenden
Tag hinein an seinem Arbeitstisciie gesessen habe und dafs man ihn hSufig
daran habe erinnern müssen, es sei nun endlich Zeit das Malil einzunehmen.
Was bei dieser Arbeit herausgebracht wurde, war auch der Entbehrungen
und der Nachtwachen wertli: ein ganzlicli neues Gebiet von gröfster allge-
meiner Bedeutung fiir die gesammte Pathologie wurde aufgedeckt, das der
Erabolieen. Gleichzeitig wurde das Gebiet der Thrombose erheblich ge-
klärt und der Grund zu einer richtigen Darstellung der entzündlichen Ver-
änderungen iter Gefäfse gelegt. Ich gestehe, dals mir diese Arbeit Vir-
chow's immer die liebste und interessanteste gewesen ist, in die ich gern
wieder einmal hineinblicke und es dann auch nicht bei dem blolsen Blicke
bewenden lasse.
Durch die herbe, aber sachlich wohl begründete Kritik des Roki-
tansky'.schen Handbuches beseitigte der junge Virchow mit einem
Sclilage die Gefahr, die bei dem hohen Ansehen, in welchem der grofse
Wiener Pathologe stand und auch stehen bleiben wird, der Pathologie
durch das rein speculative Gebäude der Krasenlelire, einer Tochter der
alten Humoralpathologie. drohte. Jeder krankhafte Zustand sollte nach
Rokitansky auf einer voraufgehenden krankhaften Miseliung des Blutes,
Kpäa-is, beniiien und es wurden nun rein theoretisch eine Reihe von sol-
chen verschiedenen Krasen unterschieden. Wahrlich gehörte kein geringer
Mutli dazu, als ganz junger, eben angehender Forscher einem Manne, wie
GedäcMni/srede aaj Rudolf Virchou
25
Rokitansky, entgegenzutreten, um diese Schemen ;ius der Welt zu schaffen.
Der küline, aber wohldurchda<^hte Wurf gelang voUkommen: Rokitansky
vertheidigte sein Lehrgebäude nicht, und aus der näelistcn Auflage seines
Werkes waren die Krasen verschwunden! Die grofsen Venlien.ste, welche
Rokitansky sonst sich erworben hat, sind von Vii-clmw stets bereit-
willigst anerkannt worden (23).
Das monumentale Werk über die krankhaften Geschwülste (24)
ist das ansehnlichste Werk des Meisters, die Frucht einer zwanzigjährigen
Arbeit uud einer Erfahrung auf diesem schier unül)ersehbarem Gebiete,
wie sie damals sicher Keinem zu Gebote stand; denn die zahlreichen Fälle,
auf welche sich das Werk stützt, sind nicht blofs beobachtet, sondern
nach Virchow's Art durchgearbeitet. Er hatte die Dinge nur nicht zu
Papier gebracht; das geschah erst, wie vordem bei der Cellularpathologie,
auf Grund von stenographii-ten, dann sehr sorgfältig redigirten Vorträgen.
Einzehie bislier unbekannte oder falsch gedeutete Geschwulstformen, wie
das Gliom und das Psammom, werden beschrieben, alles Andere wohl
georthiet und streng geschieden, was insbesondere seiner Zeit wold jeder
Pathologe bei dem pi-oteusartigm »Sarkom« angenehm empfunden haben
mag (25).
Das Werk ist unvollendet gelilieben, da Virchow, wieder seiner alt-
wägenden, kritischen Natur folgend, stell nicht zu einer bestimmten Aufse-
rung über die KrcbsgescbwüLste , deren Genese sehr in Frage stand, ent-
schliefsen mochte. Seine bisherige Lehre hatte Widerspruch erfahren, dessen
Berechtigung er anerkannte; er mochte jedocli seine frühere Meintuitf nicht
ohne ein »nonum prcmatur in annum« opfern.
Den Gipfelpunkt der ruhmvollen Leistungen Virchow's bildet seine
Aufstellung der Cellularpathologie als Grundlage alles pathologischen
Denkens und Förmchens (26). Sie ist nicht wie eine Minerva aus seinem
Haupte entsprungen, sondern die Frucht reifer Prüfung der bisherigen
humoralpathologischen , naturphilosophischen (vitalistischen) und neuropa-
thologischen Systeme, die in ihrer Unzulänglichkeit erkannt wurden, einer-
seits, imd der cellular- und allgemein -histologischen Forschungen Vir-
chow's andererseits. Der Ausspruch: omnis cellula a cellula, die Unter-
suchungen über die Bindesuijstanzen, über die Gefäfsentzündungen und vieles
Andere sind nur Etappen auf dem Wege zur Cellulaqmthologie, die der
vmermüdliche Wanderer bewufst durch mafs. Die Cellularpathologie stellt
Gfdäehtni/srfdm. 1903. 1. 4
26 Walde yer:
ein völlig neues System der Pathologie auf; sie besagt, dafs die wesent-
lichen krankhaften Veränderungen und Vorgänge sich nicht in den flüssigen
Theilen des Körpers (Blut, Lymplie, Gewebssaft) abspielen, auch nicht
ausschliefslich vom Nervensystem aus angeregt werden, sondern an den
seit Schwann und Seh leiden als die formalen Elementarbestandtheile
des Körpers anerkannten Gebilden, den Zellen, einsetzen und ihren Ablauf
nehmen. Damit föUt auch die naturphilosophische Vorstellung, dafs die
Krankheiten gleichsam Wesen seien, die vom erkrankenden Körper Besitz
ergriflfen, hin.
In den 40 Jahren, die seit dem Erscheinen der Geschwnlstlehre und
der Cellularpathologie verflossen sind, ist natürlich mancherlei von dem,
was Virchow aufgestellt hat, als nicht haltbar erwiesen worden, vieles
Neue ist hinzugekommen, welches eine mehr oder minder vollständige Än-
derung von Diesem und Jenem bedingte, was derzeit aufgestellt worden
war. Vor Allem sind es die Walle r- Co hnheim 'sehe Wanderungstheorie
der entzündlichen Vorgänge und die Bakteriologie, welche erstere ein Stück
der alten Humoralpathologie wieder herstellte, welche letztere u. A. die
ganze Lehre von der Tuberculose und Scrofulose umänderte und durch die
mit ihr verknüpfte Entdeckung der Toxine und Antitoxine der Humoral-
pathologie gleichfalls wieder Boden gab. In beiden Fällen hat Virchow
nach reiflicher Prüfling einer offenen Anerkennung sich nicht entzogen (28).^
Wie konnte auch der Meister, welcher die Pathogenese der Trichinose so
gut entwickelte und die Mycosis aspergillina beschrieb, die Bakterien als
Krank Iieitserreger nicht gelten la^ssen? Doch bleibt von dem Grundstocke
seiner Geschwulstlehre wie von der Cellularpatliologie so viel bestehen und
wird furder bestehen bleiben, dafs beide als weithin leuchtende Marksteine
in der Geschichte der Medicin ftir alle Zeiten erglänzen und auch ihre actuelle
Bedeutung sich dauernd erhalten werden.
Wie in der Pathologie, so ist naturgemäfs auch in dem anderen grolsen
von Virchow gepflegten Gebiete, der Anthropologie, Manches noch zu
seinen Lebzeiten anders aufgefafst worden. Gewifs: Die von ihm aufge-
stellten Mefsmethoden haben das ihrige geleistet, neue, den weiteren Ver-
tiefungen in die offenen Probleme entsprechende, müssen an ihre Stelle
treten; gewifs, unser grofscr Forscher hat sich in manchen Punkten geirrt.
^ 2. Citat HLs. S. 44 Aliri. 2.
Gedächtnifsrede auf Rudolf Virchow. 27
so wohl in der Beurtheilung der Neanderthaler Schädel; aber es gilt auch
von Virchow: ^yripdaKto d*äi€i TroWä SiSaa^KOfievosU Er hat sich, ob-
wohl nicht leicht, in manchen Punkten überzeugen lassen. Und end-
lich, wenn er in der Frage der Descendenzlehre, über welche er zu
verschiedenen Malen sich äufserte, sowie in der Auffassung des Lebens-
problems eine gewisse Unsicherheit erkennen liefs und Neigung zum Neo-
Vitalismus verrieth, kann man ihm das, der einer der besonnensten For-
scher und kritischsten Denker war, gegenüber so grofsen Problemen
verargen? Selbst in kleinen Dingen gab Virchow nur zögernd, und
immer wieder kritisch erwägend, nach ; das lag in seiner innersten Natur
begründet. Wenn man ihm von einzelnen Seiten andere Motive hat unter-
schieben wollen, wie etwa Scheu vor den letzten Consequenzen , Rücksicht-
nahme auf menschliches Gefallen oder Mifsfallen, so kann dagegen nicht
laut genug Protest erhoben werden. Rudolf Virchow hat wie Wenige
den Muth persönlicher Überzeugung und des Eintretens fiir dieselbe ge-
habt von seinem ersten selbständigen Handeln an, und er hat ihn mit In's
Grab genommen. Diese Empfindung kam mir vor Allem, als die treue
Gattin auf meine Bitte mich an das Todtenlager führte und ich zum letzten
Male auf die wie ehern festgefiigten Züge blickte, mit deren Sprache ich
im Leben so vertraut gewesen war! —
Bei der Universalität seines Geistes gelangte Virchow zu einer
Thätigkeit, die an die der grofsen Polyhistoren erinnert. Wir haben vor-
hin schon erwähnt, dafs er wiederholt zu den wissenschaftlichen Grund-
fragen der Biologie: Auffassung des Lebens, Erblichkeit, Descendenz-
lehre u. a. sich geäu&ert hat. Aber auch geschichtlichen Studien ging er
gern nach, wie seine Aufsätze zur Alterthumskunde seiner Vaterstadt, die
er schon als junger Mediciner verfafste, darthun (27). Auch seiner tüchti-
gen geographischen und sprachlichen Kenntnisse, die er öfter in fast pe-
dantischer Weise seinen Schülern gegenüber handhabte, mag hier gedacht
sein. Fand er Zeit zur Ausarbeitung, so ist sein Stil meisterlich, wie ins-
besondere seine Gedächtnifsreden auf Johannes Müller und Schönlein
erweisen.
Vielfach ist die Meinung verbreitet, dafs Virchow als akademischer
Lehrer kein Lob verdiene. Man sagt, dafs er — abgesehen von Unregel-
mäfsigkeiten, die er im Einhalten seiner Vorlesungsstunden in den letzten
Jahren oft auf sich lud — nicht selten von dem geraden, auf das Ziel
4*
28
Walde V eh:
ötenerii<len Gedaiikeiiffanjj;e abgewichen sei, um abseits Liegendes, was er
im Gange der Barstellung berührl. hatte, in epischer Breite auszuspinnen :
diese Eigenthümlichkeit trat auch bei manchen öffentlichen Vorträgen, die
er auf Cungressen und wissonsehaftlichen Versammlungen hielt, hervor.
Virchow [iflegte sich kaum jemals auf einen dieser Vorträge im Einzel-
nen vorzubereiten. Hatte er sich im Allgemeinen zurechtgelegt, was er
sagen wollte, so war er sicher, die Gedanken so in Hülle und Fülle sich
zuströmen zu finden, dafs er um das Material nicht besorgt zu sein brauchte.
Und ich erkläre mir aus diesem gleichsam spontanen Zuströmen auch das
häufige Abschweifen vom Hauptthema. Aber, merkwürdig! Virchow fend
immer wieder den richtigen Weg daliin zurück. Und so war es auch bei
den Vorlesungen. In usum Delphini waren sie freilich nicht gehalten!
Virchow's Vortragsweise war melir für Gereiftere bestimmt und diese
brachten auch reiclien Gewinn aus der Fülle des Vorgebrachten heim,
übrigens ist aus der Würzburger Zeit zu berichten, dafs Virchow's Vor-
lesungen hoch gesellätzt und stark besucht waren, so dals .sogar die Zu-
hörer vor der geöffneten Thür und unter den geöffneten Fenstern lauschten,
so gut es gehen mochte (28).
Obductionen hat Virchow in den letzten Jaliren seines Lebens nur
wenige noch selbst vorgenommen, doch liefs er sich die Ergebnisse be-
richten, sah die gewonnenen Objekte genau durch und hat bis zum Tage
seines Unfalles die Auswahl und Aufstellung der dem Museum zuzuwei-
senden Präparate stets persönlich überwacht. Überhaupt war die Sorge
lur das Pathologische Museimi eine der Haupttliätigkeiten Virchow's neben
seiner litterarischen. Damit ist aber auch eine Sammlung geschaffen worden,
wie sie nirgendswo ähnlicher Bedeutung und ähnlichen Werthes mehr voi"-
handen ist. Sie imifafste beim Tode Virchow's rund 23000 Nummern,
erstreckt sich in gleichmälsiger Weise auf alle Zweige der Pathologie und
gewinnt ihren Hauptwerth dadurch, dafs sie zum weitaus gröfsten Theile
— rund 20000 Präparate — von einem und demselben Manne, und zwar
von dem Schöpfer der gegenwärtig heri-schenden Grundsätze imd Methodik
in der Pathologie zusammengetragen, eigenhändig aufgestellt und beschriftet
worden ist. Hierzu kommt ferner, dafc ein erheblicher Theil dieser Prä-
parate von Virchow selbst in kleineren Mittlieilungen, die an leicht zu-
gängigen Stellen , wie in seinem Archiv und in den Verhandlungen der
Berliner medieinischen Gesellscliaft — abgedruckt in der allgemein ver-
Gedächtnißrede auf Rudolf Virchow. 29
breiteten »Berliner klinischen Wochenschrift« — sich finden, oder in seinem
grofsen Geschwulstwerke nach Abstammung, Befiiud und Bedeutung genau
beschrieben sind (29).
Wir gedachten bereits der gleich werth vollen Sammlung, welche Vir-»
chow der Berliner anthropologischen Gesellschaft hinterlassen hat; sie mn-
fafst bis zu 4000 Rassenschädel und Rassenskelete zum Theil der selten-
sten Ai-t (30).
Erstaunlich war endlich Virchow 's Gelehrten -Arbeit in wissen-
schaftlichen Vereinen und bei der Herausgabe fachmännischer Zeit-
schriften und Berichte. Frühe schon trat er an die Spitze der Berliner
medicinischen und anthropologischen Gesellschaft, der Deutschen anthro-
pologischen Gesellschaft, der Deutschen pathologischen Gesellschaft und
der Gesellschaft Deutscher Arzte und Naturforscher, deren Reorganisation
wesentlich ihm zu verdanken ist. Wir werden Virchow 's Bedeutimg auf
diesem Felde erst recht inne, wenn wir uns dessen erinnern, dafs er in
allen den genannten Vereinen wirklich thätig war, ja der Thätigsten einer.
Fast in jeder Sitzung der medicinischen und anthropologischen Gesellschaft
leitete er die Verhandlungen persönlich; zumeist hatte er auch etwas vor-
zutragen oder zu demonstriren bis in die letzte Zeit seines Lebens hinein.
Dabei mufs ausdrücklich seines grofsen Organisationstalentes gedacht werden,
wie sich das insbesondere bei der erwähnten Umgestaltung der Deutschen
Naturforscher- und Arzte -Versammlung gezeigt hat. Aber auch bei allen
übrigen Vereinen hat er in gleicher Weise seine Spuren for lange Dauer
hinterlassen, und wenn einmal schwierige Zwischenfälle eintraten, so wandten
sich fast unwillkürlich aller Augen zu dem ruhigen greisen Gelehrten auf
der Sella curulis mit der Zuversicht, dals er Alles in das richtige Geleise
bringen werde — und so geschah es denn auch.
Wem von uns , die derzeit mitwirken durften , werden nicht die Abende
— ja, man müfste von manchen sagen, die Nächte — in unvergefslicher
Erinnerung bleiben, in denen Virchow, fast schon ein Siebenziger, mit
jugendlicher Frische und Unermüdlichkeit die Vorbereitungen fiir den grolsen
internationalen medicinischen Congrefs ordnete, der vor 13 Jahren in Berlin
tagte? Wie oft ist sein Rath fiir derartige Veranstaltungen und Organi-
sationen nicht auch von aufserhalb in Anspruch genommen worden!
Schon seit dem Jahre 1847 ist Virchow als Begründer und Herausgeber
periodischer Zeitschriften auf den Plan getreten. Ks erschien damals der
30
Walde yer:
erste Bfinil des von ihm und B. Reinhardt unti-rnommenen »Archivs für
pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Metlicin« , welches
nach dem bald darauf erfolgten Tode Reinhardt'« von Virchow allein
bis zum i66. Bande weitergeführt wurde; noch auf dem letzten Kranken-
lager war der todmüde Mann tur sein wissen scliaftlich es Lieblingskind
thätig. Wahrlich: ein »Monuinentum aere perennius« kann man von dieser
Schöpfung sagen! Zwei Mensclienalter mediciniseher wissenschaftlicher Ai--
beit spiegeln sich aus diesen zahlreiclien Bänden wieder, gelenkt oder siclier-
lich doch beeintluTst von dem Geiste des wunderbaren Mannes, der sie
an's Licht gebracht hat. Die Spalten der ersten Bände flillte Virchow
fast ganz allein — und wie! In kurzer Zeit wendete diese aufräumende
und schaffende, diese unerschrocken und zielbewufst vorgehende Arbeit
ihm Hunderte von Mithelfenden zu, und als der Begründer dieses Welt>
archivs aus dem Leben schied, konnte er das tröstliehe Bewufstsein mit
in sein Grab nehmen, daJs auch in Zukunft diese seine Schöpfung gesichert
bleiben werde; er hatte sie auf feste Füfse gestellt., und so stand sie, als
er sie verlassen mufste.
Als Virchow das Archiv in*s Leben treten liefe, war er 26 Jahre
alt. Prosector an der Charlte, eben im Begriffe sieh als Privatdocent an
der Universität zu habüitiren; er und Reinhardt standen ganz allein,
wenigstens hatten sie keinen »Namen» hinter sich. So hatte auch seiner
Zeit Keil seüi Archiv gegründet, welches später von Meekel, Johannes
Müller, Reichert und du Bois-Reymond weitergeftdirt wurde, so Mas
Schultze das »Archiv für mikroskopische Anatomie«, G-egenbaur sein
•Morphologisches Jahrbuch«. Vielfach pllegt man heutzutage vorsichtiger
zu sein, wenn es auch an blühenden Einzelgröndungen noch nicht fehlt.
Es erscheint sicherer, eine Reihe von Mitarbeitern zu gemeinsamer Arbeit
unter der Leitung eines oder weniger Herausgeber zu verpflichten, und wer
wollte das tadeln? Es liegt im Zuge der Zeit, da* corporative Arbeiten:
doch thun uns {üt die grofsen Fortschritte , als kräftiger, belebender Stui-ra-
hauch, die ganz auf eigenen Füfsen stehenden Männer, die Reformatoren,
Noth: hoffen wir, dafs sie auch in Zukunft unsci-m Vaterlande nicht fehlen
werden, wie wir ihrer bisher nicht ermangelten!
Im Jahre 1848 fügte Virchow mit seinem Freunde Leubuseher eine
Wochenschrift "Die medicinische Reform » hinzu, welche aber, insbeson-
dere der Errufung nach Würzburjj; wejjen. mit dem Ende ilires ersten Jahr-
Gedächtnifsrede auf Rudolf Virchow. 31
ganges schon zu erscheinen aufhörte. Die »Reform« war, wie es ihr Name
besagte, der bessernden Umgestaltung des gesammten öffentlichen, staat-
lichen, wie socialen Medicinalwesens gewidmet. Ihr wenn auch nur kurzes
Bestehen ist für die Beurtheilung der Stellung Vir chow's zum öffentlichen
Leben und für seine Charakterisirung im Ganzen von voller Wichtigkeit (31).
Zwanzig Jahre später, anläßlich des internationalen anthropologischen
Congresses in Kopenhagen und der Arzte- und Naturforscher -Versamm-
lung in Innsbruck (1869) wird wesentlich durch Virchow 's Eingreifen
die »Deutsche Anthropologische Gesellschaft« und ihr Organ, das »Correspon-
denzblatt der deutschen Gesellschaft fiir Anthropologie, Ethnologie und Ur-
geschichte« gegründet, und in derselben Weise die »Berliner Gesellschaft
für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte« mit der ihr dienenden
»Zeitschrift fiir Ethnologie«. Hier ist auch noch das kurz zuvor, haupt-
sächlich durch Alexander Ecker's imd Lindenschmit's Bemühungen
begründete »Archiv für Anthropologie« zu nennen, zu deren Herausgebern
Virchow seit 1870 (IV. Band) bis zu seinem Tode (XXVII. Band) gleich-
falls gehörte, wenn ihm auch für dieses Archiv und fiir das Correspon-
denzblatt die Hauptarbeit durch Ecker, Lindenschmit und Semper,
später von Johannes Ranke abgenommen wurde. Dagegen hat Virchow
bis zu seinem Ende fast die ganze Arbeitslast für die Zeitschrift fär Ethnologie
getragen. Es sei ferner nicht vergessen, dais er über ein halbes Jahrhundert
hinaus in hingehendster Weise seine Sorge dem grofsen medicinischen
Referat -Unternehmen, welches als Fortsetzung des »C an statt 'sehen Jahres-
berichtes« später — und mit Recht — seinen Namen trug, gewidmet hat.
Soll ich noch einmal, am Ende der Schilderung der wissenschaftlichen
Thätigkeit RudolfVirchow's, sein Bild auf diesem Hintergrunde in schar-
fen Umrissen zeichnen, so glaube ich das nicht besser thun zu können,
als mit den Worten, die ich ihm bald nach seinem Tode in einem kurzen
Nachrufe (32) Avidmete: »Wohl überlegend, dann aber muthvoU zurThat, so
finden wir ihn nach dem Wahlspruche unseres groCsen Strategen: »Erst
wägen, dann wagen!« Virchow reinigte erst überall das Feld in der
Wissenschaft, wo er es von falschen Lehren, Speculationen und altem
Ballast überwuchert fand, vorbedacht zwar, aber dann unerschrocken imd
unbeugsam , mit scharfer Kritik , unbekümmert darüber, gegen wen er sie
richten mufste, ohne Sorge för sich; er reinigte gründlich! Dann aber
baute er auch auf, und ehe er abzureifsen begann, hatte er schon die
32 W'a lde vf.r:
Kelle, den Mörtel iiml die Bau^^teine zum Unibflu in Bereitsehaft — und
was diinn der Werkmeister baute, war niemals geringwerthig , meistens
gut, oftmals für die Ewigkeit! Damit charakterisire ieh den ganzen Mann
in seinem zielhewufsten Handeln wie in seinem streng logischen Denken.
Wa.s er nicht leiden konnte, war Halbheit und Flachheit, Unüberlegtlieit
im Sprechen und Thun. alle Denkbequemlichkeit".
Wir verlassen nun den Gelehrten und Arbeiter im Dienste der Wissen-
schaft, um uns noch das schöne und erwärmende Bild vorzuf lihren , welches
Virchow in seiner socialen und staatsbürgerlichen Thätigkeit, wie als Mensch
zeigt. Wir haben schon vorhin seines Abiturientenaiifsatzes gedacht, welcher
den Ernst der Lebensauffassujig ahnen läfst, der ihn stets durchdrungen liat.
Ein beredtes Zeugnifs hiervon sowie von seiner humanen, dem Interesse
des allgemeinen Wohles zugewendeten Gesinnung giebt die merkwürdige
Schrift, welche der damals Siebenundzwanzigjährige nach der im Auftrage der
Regierung 1848 ausgeführten Reise zur Untersuchung der vom Fleckfieber
heimgesuchten Gegenden Oberschlesiens herausgegeben hat. Diese Schrift
ist nach meinem Empfinden eines der werthvoUsten Documente, welche
uns Rudolf Virchow zu seiner Charakterisirung hinterlassen hat. Wir
erblicken hier den freimüthigen Mann, der er geblieben ist bis zum Grabe,
in voller Klarheit, wir gewahren seine schon fiüh erwachten socialen In-
teressen und lernen den Scharfblick voll würdigen, mit welchem er den
Untergrund der Volksseuchen in den socialen Mängeln und Vernachlässi-
gungen erkennt. Und wie richtig hat sich ein grofser Theil dessen, was
Virchow in dieser Schrift dargethan hat, erwiesen, wie Vieles, was er
damals verlangte — u. A. ein "Gesundheitsamt« — , ist Jetzt von der
Regierung eingeflihrt worden!
Von der Zeit ab hat Virchow keine Gelegenheit mehr vorbeigehen
lassen, selbst unter den grölsten Opfern an Zeit und Mühen, im Dienste
der Humanität zu wirken. Eine ganze Menge von communalen Einrich-
tungen, die nach dieser Seite hin geschaffen sind, namentlicli in den Ge-
bieten der Hygiene und der Ausgestaltung von Krankenhäusern, verdankt
ihm ihre Entstehung; auch von a\iswärts her wurde sein Ratli für liolche
Gedihhlnifsrede auf Smiolf Virchf/w.
Dinge oft erbeten. Wie bereits angedeutet wurde, müssen wir sein Ein-
treten in die commiinale Verwaltung, wie in die Politik, in letzter Ini^tanz
aus diesem seinem einheitlichen Bestreben, -sowold <lureh Fnrsehung wie
durch Bethätigung zur Hebung des socialen Wohles der Menschheit bei-
zutragen, begreifen.
Ein ganz hervorrai^ender Zug war bei Vircliow die Achtung vor
Recht und Gesetz. Wiederholt habe ich Gelegenheit gehabt, Zeuge der
Aufserung dieser seiner Gesinnung zu sein (33). — Frei von allen chau-
vinistischen Anwandlungen liebte Virchow auti-ichtig sein weiteres imd
engeres Vaterland, sein Deutschland, sein Preul'seri. sein Pommern, seine
Mark, seine zweite Vaterstadt Berlin, seine Akademie, seine Universität
und so auch sein Heim in der stillen Strafse, wo er so lange Jahre gelebt
hat und gestorben ist (le). Und die Seinigen wissen, was sie an ihm ver-
loren haben! (34)
Vor Allem aber hing er an der wissenschaftliehen Anstalt, die er
hier gründen konnte, der ersten in Preulsen, die .seitdem vorbildlich ge-
worden ist für den grofsen Kreis der später erbauten Pathologischen In-
stitute. Es war die letzte grofse und nachhaltige Freude seines reichen
Lebens, dafs es ihm vergönnt war, noch das für die Institutssammlung
nach seinem Plane hergestellte neue Gebäude einrichten und das Museum
darin unterbringen zu können. In unserer Erinnerung stehen noch die
beiden festliclien Tage der Eröflnuug und des 80. Geburtstages Virehow's,
an welchen er sein Museum den zu seiner Beglückwünschung Herbeige-
eilten zeigen konnte. — Zum Museum führte auch sein letzter Gang hier
in Berlin! Als er nach seinem Unfall so weit wieder hergestellt war, dafs
er ausfahren und, wenn auch mit Unterstützung, gehen konnte, liefe er
sich zu dem hiesigen radiographischen Universitätsinstitute bringen und
dort trotz aller Schmerzen und allen Ungemaches eine Röntgen -Aufnahme
von seinem gebrochenen Beine machen. Dann mufste man ihn in seine
Sammlung füliren, wo er Platz nahm und sich alle dort vorhandenen Prä-
parate vorlegen liefs, die sich auf seine Verletzung bezogen und die er
nun mit dem Röntgogramm verglich, um, wie er sagte, klar zu sehen,
was ihm widerfahren sei.
Am anderen Tage verliefs er Berlin, um in Teplitz' Thermen völlige
Heilung und in Harzburg's Waldluft Stärkung für weitere Arbeit zu suchen.
Das war vergebens. Man mufste ihn ungenesen hierher in sein Heim zu-
Gedäehtni/ereJen. 1903. I. 5
34 Waldeyer:
rückbringen. Seine ihm so liebe Arbeitsstätte, die durch ihn för alle Zeiten
uns und der ganzen Welt werth und theuer geworden ist, sollte er nicht
wiedersehen. Bald schlofs er die Augen für immer!
Rudolf Virchow ist der letzte unserer Todten, deren in diesen alten,
ehrwürdigen, schlicliten Räumen, in denen er so oft unter uns weilte, gedacht
wird ; wahrlich , eines Würdigeren konnte man beim Scheiden nicht gedenken !
In das scharfe Forscherauge können wir nicht mehr blicken, nicht mehr
in die wie eines Sehers durchgeistigten Züge; die Erde hat ihr Recht ge-
nommen! Aber sein ungeachtet aller Vielseitigkeit in sich einheitlich gefegtes
Bild halten wir fest, und so mag und wird es der Nachwelt erhalten
bleiben: Ein Mann aus einem Gusse, dessen reiches Leben und Weben
sich mit aller Folgerichtigkeit aus seiner inneren Natur ergab: gesund an
Seele und Leib, scharfsehend und scharfdenkend, arbeitsfreudig und lebens-
froh, klar und wahr, recht und gerecht, im edelsten Sinne des Wortes
ein ganzer Mensch! (35)
Gedächtnifsrede (xuf Rudolf Virchow. 35
Anmerkungen und Zusätze.
la. Schivelbeinist eine an der Rega in der preufsischen Provinz Pommern an der
Bahnstrecke Stettin — Danzig, zwischen Pommerisch-Stargard und Köslin gelegene Kreisstadt
von (jetzt) etwa 6000 — 7000 Elinwohnern. Rudolf Ludwig Karl Virchow wurde daseibat
am 13. October 182 1 geboren. Sein Vater, Karl Ludwig, lebte dort als Kaufmann und
Stadtkämmerer, seine Mutter, Johanna, war eine geborene Hesse. Die Geschichte der
Familie lälst sich nicht weiter zurQck verfolgen, so dafs über die Abstammimg des Namens
nichts bekannt ist. Erwähnt mag sein, dals in Pommern ein Dorf, welches den Namen
•Virchow« führt, sich findet, und zwar 10^ SO. von Falkenburg, nahe der Grenze von
Westpreufsen und 56^ SW. von einem anderen Dorfe »Wurchow«, welches seinerseits
unmittelbar an einem See, dem »Virchow-See« gelegen ist. Letzterer liegt nordlich vom
Vilmsee, gleichfalls unweit der westpreulsischen Grenze und der westpreufsischen Stadt
Baldenburg. Der Name deutet auf slavischen Ursprung. Der Virchow-See und die
beiden Dörfer Virchow und Wurchow sind auf der VogeTschen Karte des Deutschen
Reiches und auf dem betreffenden Blatte des Deb es 'sehen Handatlas angegeben.
Rudolf Virchow besuchte die Elementarschule seiner Vaterstadt und erhielt dort von
den Predigern Privatunterricht, der ihn für das Gymnasium vorbereitete. 1835 ™^^ 134- Jahren
trat er in dasselbe (zu Köslin) ein und bestand bereits vier Jahre darauf, zu Ostern 1839,
mit iji Jahren als Erster unter acht Prüflingen das Abiturientenexamen.
Schon hierdurch, aber auch durch directe Nachrichten, vergl. Becher (111)* S. i wird
bezeugt, dafs Virchow eine ausgezeichnete Befähigung besais; namentlich that er sich in den
Sprachen hervor, nahm am hebräischen Unterrichte auf dem Gymnasium Theil, obwohl es
schon damals feststand, dals er Medicin studiren wolle, und erlernte das Italiänische ohne
Lehrer im Sommerhalbjahre 1839, in der Zwischenzeit vom Gymnasium zur Universität.
Ib. Im Herbst 1839 wurde Rudolf Virchow in das Militärmedicinische Friedrich
Wilhelms - Institut , die derzeit sogenannte »Pepini^re« aufgenommen, worin er bis 1843 blieb,
während welcher Zeit er die vorgeschriebenen Vorlesungen und inedicinisch - praktischen
Übungen, Kliniken u. A. an der Berliner Universität besuchte.
Ic. Am 23. October 1843 promovirte Virchow mit seiner Inauguraldissertation : -De
rheumate praesertim Corneae«, absolvirte dann seine medicinische Staatsprüfung als Unterarzt
der Charite (Eintritt i. April 1843) und wurde 1844 Assistent des damaligen Prosectors an der
Charite, Robert Froriep. Als Froriep kurze Zeit darauf nach Weimar übersiedelte,
wurde Virchow (11. Mai 1846) zu seinem Nachfolger ernannt, habilitirte sich am 6. No-
vember 1847 als Privatdocent an der Universität, wurde 1849 vorübergehend seiner Stelle
^ Die römischen Ziffern beziehen sich auf die Nummern des am Schlüsse folgenden Litteratur-
vei'zeichnisses.
5*
36
W A L n E V E K :
als Prosector der Chaiite eiithol)en und nahm zum Herbst 1849 die ordentliche Professur
für pathologische Anatomie in Wiirzhurg an, die erste ordentliche Professur, welche RSr
dieses Fach in Deutschland errichtet wurde. Unterm 9. Juni 1856 wurde Vircbow als
ordentlicher Professor für dasselbe Fach und als Director des Pathologischen Instituts der
Charite wieder nach Berlin zurückberufen, wo er seiu Lehramt mit dem Beginne des Winter-
semesters 1856 antrat und bis zu .seinem am 5. September 1902. i Uhr Mittags, erfolgten
Tode beliielt. Am 18. November 1859 erfolgte die Ernennung Virchow's zum ordentlichen
Professor an dem Königlichen Friedrich Wilhelms-lnsütute, an der Anstalt, als deren Zög-
ling er ]o Jahre zuvor eingetreten war. Am 34. December 1S60 wurde er Mitglied der
Wissen seh aftüciien nepuialion für das PreuTsische Medicinalwesen und am 73. December 1873
Mitglied der Königlich Prei:rsischen Akademie der Wissenschaften.
Id. Rudolf Virchow vermihltc sich am 14. August [850 mit Ferdinande Amalie
Rosalie (genannt Rose) Mayer, Tochter des angesehenen Frauenarates , Geheimen SanitSts-
rathes Dr. Karl Wilhelm Mayer zu lierlin, welcher Ehe seclis zur Zeil noch lebende
Kinder entstammen, drei Söhne und drei Töclil<?r.
|p. Rudolf Virchow besafs eine vorti-efTliche, zähe Gesundheit ohne äufserlich be-
sonders kräftig 7.U erscheinen; er war körperlieh wie geistig von ei'sta unlieber Leistungs-
fähigkeit; kaum jemals war er ernstlich krank gewesen. Der Unfall, welcher ihm mittelbar
den Tod brachte, ein linksseitiger Schenkel halsbruch dicht am Troclianter, ereignete sieh
am Abend des 4. Januar 1901, als er sich ym einer Sitzung der Gesellschaft der Erdkunde
begeben wollte . beim Absteigen von einem Pi^rdebahn wagen. Vergl. darüber We rn er
Körte (XXVI).
Der am 5. Sejitember 1903 Entschlafene wurde am 9. Septeml>er, Vormittags it Uhr,
Ti>m Berliner Rathhause aus, wo eine Trauerfeier stattfand, unter Betheiligung, man darf
wohl sajien der ganzen .Ktadt, und zahlreicher von auswärts her erechienener Abordnungen
auf dem Malthäikirchhofe zur Ruhe bestattet.
Virchow's Wobnungen in Würaburg waren belegen zuerst in der Eichhornstral'se,
später im Hause «Backmund' In der Theatei'strafse. In Berlin wohnte er nach seiner Rück-
kehr von Würzburg zunächst (1856 — 1862) am Leipziger Platz 13, dann in der Hohenzollern-
strafse t und seit October 1S64 bis zu seinem Tode in dem ihm gehörigen Hanse Schelling-
strafse 10. Er liebte die stille ruhige Strafse mit dem 1
rahmten Landwehrkanal; wenige Schritte brachten ihn voi
ädern Berlins, der Potsdamer StrafKe. deren hochragenden
heranwachsen sehen. Als vor wenigen Jahren die BSum
der Strafse zum Opfer fallen mufsten. empfand er dies
war ihm eben eine engverbnndene Heimat gewoi'der
wenn wir aus den Faculläts- und Vereinssitzungen
der Schellingstrafse war natürlich Rudolf Virchow in
seiner Zeit zu seinem 80. Geburtstage die gröfste Freude gemacht, dafs ihn bei seiner Rück-
kehr von der Feier im Pathologischen Institute am 13. Oetober 1901 die zur Schellingstrafse
gehöiige Kinderschaar vor seinem Hause mit Blumeuspenden und artigen Glückwünschen
empfing. Diese sinnige Ovation seiner Nachbarn hat ihn , so schien t-a mir nach der ^^'eise,
wie er sie mir berichtete, tiefer und herzlicher berührt als alles Andere.
2. Über zwei der im Text angezogenen Thesen sowie über die Bedeutung der damit
gethanen Aussprüche für Rudolf Virchow 's I.ebensaufFassimg hat Letzlerer sich selbst, wie
folgt, geäufsert. Er sagt in der Antwort auf die Begrüfsung. welche ihm anlafsiich seines
Bäumen einge-
, da zu einer der ersten Verkehrs-
Baumhesatz er hatte pllanzen und
i der nothwendigen N'erbreiterung
: schmerzlich; der ganze Stsdlthcil
Öfters sprach er mit mir darüber,
nach Hause wanderten. In
jedem Hause bekannt; es hat ihm
Gedächtnifsrede auf Rudolf Vtrchow. 37
fiinl'/igj ährige II Doctoijubiläums seitens der Berliner Antlirniio logischen Gesellschiift r,u Tlieil
wurde (Zeitaclirift für Ethnologie, 15. Band. Berlin 1893, S. 36off.)!
-Die letzte The-se, die über die Kisieil in Pommern, stand mit dem sonstigen Vorgange
{seil, der medicinischen Dociorpromotinu nt.) in einem ebenso losem Zusammenhange, wie
die erste, welche lnulet: -Nisi qiii liberalibiis rebus favent, verwn medicinae indoiem non
cognoscunl'. Aber beide lassen einigermafsen erkennen, dafs die Grundzilge meines Wesens
schon dnm&Is festgestellt waren. Denn ich darf diese Thesen imch jetzt noch vertlieidigen.
Die kleine Abhandlung, in der ieh die Anwendung der eben erst aufge.s teilten Gletschertbeorie
von Agassis auf meine heimische Provinz versuchte, war schon geschrieben; sie ist Manu-
skript gelllieben, aber ich habe das Vergnügen gehabt, in diesei' Gesellschaft den Gedanken
von Neuem aufzunehmen nnd etwas xu .seinem Siege beitragen zu können. In der Medicin
bin ich so weit gekommen . dnfs ich mit einiger Befriedigung nuf meine Vergangenheit zurück-
blicken kann. Auch unsere grofse medicinisciie Gesellschaft hat es sich nicht nehmen lassen,
mir bei der jetzigen Gelegenheit, unter besonderer Berufung auf Ihren Vorgang, das Diplom
eines Ehren ■ PrSsidenten zu überreichen. Aber ich darf hinzufügen, dafs, obwohl ich durch
mein ganzes Leben die Probe daRir abgelegt zu haben glaube, dafs es möglich ist, neben
einander Politik und Medicin zu treiben, ich doch unverbrüchlich daran festgehalten liabe.
der Wissenschaft ihre volle Unabhängigkeit von der Politik zu wahren.»
-Woran mir gelegen war, das war nnd ist die volle Harmonie der individuellen Ent-
Wickelung. Sie tritt bei uns Gelehrten nicht so sehr hervor in der Gröfse der eigenen wissen-
schaftlichen Lei.stung. als vielmehr in der Art, wie der Einzelne seine .Stellung unter den
Collegen und unter den Menschen Qbeiliaupt gestaltet. Eine liberale Grundstimmung er-
leichtert die Anerkennung des fremden Verdienstes, auf welcher die Unbefangentieit der
allgemeinen Schlufsfotgerungen beruht und ebenso auch die .Schätzung der kleineren Mit-
arbeiter, deren Hülfe in der roUectivnrbeit der nfiturwissen.schaftlich arbeitenden Discipliuen
nicht entbehrt werden kann. Sie fiihrt im Grofsen zu jener Toleranz, welche nelwn den
sch&rfsten Gegensätzen der Überzeugungen bestehen kann, in kleineren Verhältnissen aber
zu der Collegialitit. welche das Zusammenwirken von Menschen ganz verschiedener Über-
zeugung in derselben Genossenschaft ermöglicht.-
In diesen Worten ist Manches gesagt, was zur Charakteristik Rudolf Vircliow's ge-
hört. Aber es mufs doch bemerkt werden, dafs neben jener Toleranz, die man ihm im
Giiifsen und Ganzen nicht absprechen kann, eine ofl sarkastisch hervortretende Schärfe seines
Urtlieils stand, welche den toleranten Grundzug vielfach, namentlich für die Fernerstehenden,
verdeckte.
3. Der lietreffende, vom »3. April 1839 datirte Bericht, welcher mir von der Direclion
der Kaiser Wilhelms - Akademie in beglaubigter .'\bachrif\ Kur Verfügung gestellt wurde — ich
spreche hier dafür aufrichtigen Dank aus — macht nicht nur dem jungen, damals lyj^Jährigen
Virchow. sondern auch dem Bataillonsarzte Schacks (3. Bataillon 9. Landwehr-Regiments),
Verfasser des Berichtes, alle Khre- Der Schlufssatz lautet wörllicii; »Regsamen Temperaments,
talentvollen Geistes, ki^tigen, fest auf Vei-mehrung der Kenntnisse gerichteten Willens,
scheinen von .\nlagen nur allein die Krankheitsanlagen es zu seyn, die dem jungen Manne
g&nilich abgehen, und es läfst sich daher bey einer so ungewöhnlich gtCcklichen Geistes-
und f'örperbildung eine dereinstige unbeschränkte Brauchbarkeit des p. Virchow filr den
KGniglichen Dienst als Militiur-Chirurgus zuversichtlich erwarten*. Hr. Schacks spricht
sich in diesem Gutachten, welches an seine vorgesetzte Behörde gerichtet ist, natürlich nur
darüber aus, worüber er sich allein dienstlich zu äufsem halte, über die Brauchbarkeit
38
W A L D E V E H :
RudnlfVirchow's für den Diensi als Militär- Chirurgus, wie die damalige Bezeichnung war.
Damals konnte er noch nicht vorausschauen, wie weit der Junge Mann, dem er ein so
glänzendes Zeit gnils aussteift, über das genannte Ziel dereinst hinausgehen werde. Es scheint
last, als habe er eine Vorahnung gehabt. — Die im Texte gegebene kürzere Fassung habe
ich der Gedächtnifsrede Marchand's entlehnt (XXX).
4. Johannes Müller. Eine Gedachmifsrede, gehalten bei der Todtenfeier am
34. Juli 1858 in der Auta der Universität Berlin. Berlin 1858. 8. Aug. Hirachwald. (S. 4
und Anni. Nr. 43).
5. Johannes Müller zum Gedächtnifs. Mit einer Abbildung des Denkmals in Cobleni.
Archiv f. mikrosk. Annt. u. Entw. -Geschichte, 55. Band, Bonn 1900 (S. 111).
6. Dafs Virchnw mancherlei von R. Froriep gelernt hat, ist selbstvei'ständlich,
ebenso, dafs er als Froriep's Assistent zunächst nach dessen Weise die Obductionen vor-
zunehmen hatte. Mnn vergleiche darijber den Abschnitt: ' Patliologische Anatomie- in Lexis:
■ Die deutschen UniversitSten - Bd. II, Berlin, Ashcr 1893. Virchow schreibt daselbst (8.151):
"Erst die Bernfnng des Chirui^en Rust von Wien brachte den Gedanken zur Reife, eine
besondere patliologische Prosectur in der Charite einzurichten. Phoebiis und nach ihm
Roh. Froriep wurden mit dem neuen Amt betraut. Als Assistent des Letzteren und seit
1846 als sein Nachfolger, lernte ich die Kunst des Secirens und die Verwerthung der Be>
funde-. Man wolle aber nicht Obersehen, dafs Virchow hier aueh sagt -als sein Nach-
rniger-. Schon dies läfst auf dss im Text (S. 8) Gesagte zutnickschliefseii. Insiiesondere
aber erweist sich letzteres als zutreffend durch Virchow's Äufsemns S. t und i seines
Buchus: -Die See tions -Technik im Leichenhnuse des Charite-Kraukenhauses-. 4. Aufl. Berlin
1893. A. Hirschwald. 8.
Wenn Virchow seine •Gesammelten Werke« spSter Froriep mit sehr anerkennen-
den Worten in der Vorrede widmet imd erwKhnt, dafs ihm Froriep ein Thema zu einer
ersten selbständigen Arbeit gestellt habe, so spricht das fTir Virchow's Pietatsgeftihl , der
mit Recht einen su hervorragenden Mann, wie Froriep es war, ehrte und achtete. Aber
weder aus der Widmung und Vorrede, uoch aus der Darstellung der Arbeit selbst geht im
Geringsten hervor, dnfs Froriep, abgesehen von der Stellung des Themas, irgend einen
Ein Hufs dabei ausgefibt habe.
Es ist liier wohl auch am Platze, der Bezieliungen Virchow's zu Sch&nlein su
gedenken. Dafs der hochbedeulende Kliniker, der in demselben Jnhre. in welchem Virchow
immatricnlirt wurde, 1 839 , sein Berliner Lehramt antrat — er stand damals erst im
46. Lebensjahre — auf den begabten und strebsamen Schüler nachhaltig eingewirkt haben
mufs, ist als sicher anzunehmen, selbst wenn es uns Virchow nicht bezeugt hätte. Letz-
terer sagt (Gedlehlnifsrede auf Johann Lucas Schönlein, gehalten am 23. Januar 1865.
dem ersten Jahrestage seines Todes, in der Auln der Berliner Universität. Berlin 1865,
A. Hirschwald, Anm. ja. S.91): -Da ich meine medicinischen Studien in Berlin machte, so
habe ich aucli das Glück gehabt, den neuen Professor noch in seiner frischesten Zeit zu
hören, und ich erkenne dankbar an. dal's ich diu mächtigste Anregung von ihm erhalten
habe.- In nähere Beziehungen zu Schilnlein ist Virchow indessen nicht getreten; e«
acheint vielmehr, dafs wiederholt Gegensätze zwischen Beiden vorhanden waren. So wider-
setzte sich Seh (in lein dem Vorschlage des Slilitär-Medicinalstabes, dafs der junge \'ircho w
an seiner Klinik als technischer Assistent für chemische und mikroskopische Untersuchungen
aagestelll wei-den solle, ebenso wie später eine Zeit lang seiner Wahl zum Nachfolger
Froriep». In der Folge gestaltete sieh das Verhältnifs Beider freundlicher. Bei den von
Gedächtnifsrede auf Rudolf Virchow.
39
Vircliow aiisgefnlirlen Seclionen war Schuiilein fast stets zugegen und folgte deren Er-
gplmissen mil vollem Interesse. Weder auf die Berufung Virchow's nnch Wilrihurg,
noch auf die Rückberufunj; nach Berlin hnt Schönlein nach Virchow's eigeiiem Zeugnifs
irgend elDen Eintlufs gePibt; doch war der FacnUätsvürschlag fOr Berlin damals ein ein-
stimmig gefaister. Vergl. die oben eitirle Gedäclitnifarede Virchow's auf Sch5olein.
7. Als den Grund seiner zeitweiligen Amtsenthebung giebt Virch ow sellist (Ge-
dSchtnifsrede auf Schönlein. Anm.) sein Verhalten hei den politischen Wahleo an. —
DifsVirchow von vorn herein liberalen Anschauungen huldigte, geht aus der ersten These
seiner Doctordissertation hervor, Man wolle hierzu auch unsere .\nm. 2 vergleichen, in der
er seihst sagt, da& die These aus einem Grundzuge seines Wesens hervorgegangen sei und mit
der Dootor|)romotion nur in luseui Zusammenhange gestanden hStte. Hierzu kamen die
trüben EindrOcke. die er gerade in der politisch so bewegten und für Europa so bedeu-
tungsvollen Zeit, an der Wende der ersten Uäli^ des 19. Jahrhunderts xur zweiten, in den
vom Flecktyphus schwer heimgesuchten Gegenden Oberschlesiens erhielt. Er wnr von der
Regierung zusammen mil dem Obermedicinalrath Baie?. in die durchseuchten Gegenden
gesendet woi-den, speciell mit der für ihn gestellten Aufgabe der wissensdiaflUclien Unter-
suchung der verheerenden Krankheit. Virchow kam in seinem der Regierung erstatteten
Berichte seiner Aufgabe nach, soweit dies nach einem i4tägigen Aufenthalte an Oi-t und
Stelle, wo weitere Hülfsmittel nicht zur Hand waren, und nacli dem damaligen Stande
unserer Seuchenkenntoisse möglich war. Der Eindruck des socialen Elends aber, unter
welchem die in krassester Unwis.senheit und Uncultur demeit dahinlebende Bevölkernng
niedergedrückt war. hatte eine tiefe Spur in dem Herzen des frei denkenden von humanen
Empfindungen beseelten und das Interesse des Ganzen stets festhaltenden jungen Forschers
hinterlassen. Zweifellos haben diese Eindrücke auch auf das damalige politische Verhalten
Virchow's eingewirkt. Es geht dies u.a. aus der gteichxeitig mit dem offici eilen Berichte
an die Regierung erschienenen Schrift • Mittheilungen über die in Ober.schleaien herrschende
Typhus-Epidemie-, Berlin 1848, Georg Reimer, hervor.
8. Die genauen Citate der im Texte besprochenen Akademieschrif^en Virchow's
findet man (bis auf die letzte über das Jadeit -Flachbeil, welche nicht mehr aufgenommen
werden konnte) in A. Hnrnack's "Geschichte der Königlich Preufsisclien Akademie der
Wissenschaften zu iterlin. Berlin i900>i, im 3. Bunde S. 273 ff. unter dem Namen -Virchuw».
Ferner sind sie niitgetheiit, und zwar nach Jahrgängen geordnet, in der von Jul. Schwalbe
herausgegebenen ■ Virchow - Bibliographie, 184,;^ — 1901 -, Theil II, bearbeitet von ü. Strnuch.
9. Ich meine hier das musterhafte und hochbedeutende Werk der Herren Paul und
Fritz Sarasin: 'Ergebnisse naturwissenschatlliclier Forschungen auf Ceylon. Bd. HI: Die
Weddas von Ceylon und die sie umgebenden Vfilker; ein Versuch, die in der Phylogenie
des Menschen ruhenden REthsel der Lösung näher zu bringen. Wiesbaden 189«— 1893.
Kreidel'fi Verlag-. In der Vorrede. S. i, findet sich folgender Satu; -Wenn auch schon
vorher durch das .Studium der Litterstur. namentlich des Virchow'schen Werkes, unser
Interesse auf das Volk hingelenkt worden war, so wurde uns doch erst durch die directe
Anschauung klar, dafs hier ein Stamm von allerhöchster Bedeutung vorliege*. Im Allgemeinen
finden die Brüder Sarasin die Angaben Virchow's zutreifend; nur sind ihm einige Ver-
sehen vorgekommen. In dem Hauptpunkte, dsfs die Wedda alt- oder vordrsvidische Menschen-
formen dai-stellen, .stimmen unsere Autoren mit Virchow übei-ein, ferner damit, dafs die
Singhalesen ein fernerstehendes Mischvolk bilden. Gegen Virchow führen die Brüder
Sarasin aus, dafs die Tamilen den Weddas näher verwandt sden als die Singhalesen.
46
W.
L D E Y E R :
Auch sie, vergl. das aus der Vorrede ErwHhnte. stimmen mit Virchow bezüglich der holii-n
Bedeutung der Weddaforschung zusammen.
Endlich i[i5chte ich auch noch auf eiDen anderen Punkt der Üt>ereinstimmung von
pnncipieller Bedeutung hinweisen. Virchow äulsert sich, S. 39, in seinem Wedda-Werke
diihiD, dafs das Studium der Sprachen nur als Hülfümittel der Untersuchung verwendet
werden könne, die Linguistik vei-möge nicht die I^iitscheidung in ßassenfmgen zu gehen;
dieser Auflassung stimmen die Brüder Sarasin durchaus zu (s. a. O. 8. 555).
10,' a} Knochen- und Knorpelkörperchen. Verhdl. Wünb. phvH.-med. Gesellsch.
Bd. I. 1850.
b) Über die loterzellularsubstanz. Verhdl. phys.-med. Ges. in Würxhurg. Bd. II. 1851.
c) Die Identität von Knochen-, Knnrpel- nnd Bindegewebskörperchen, sowie über
Seil leinige webe Ebenda. S. 150 n. 9.314.
d) Cber den mejischliehen GUwkorper. Arcb. IV. 1851. S. 468 und V. S. 178. 1853.
e) Dns Doi'uiaJe Knochen wachstli um und die rachitische Störung desselben. Arch.V.
8.409. 1853.
f) Zur Streitfrage über die Bindern bs tanzen. Arch.V. .S. 409. 1853.
g) Die Bindegewebsfrage. Arch. X\^. S. t. 1859.
11. a) Über Häraatoidin und Bilifulvin. Liebigs Ann., Bd. 78. ii.WOrab. VerhdI.I. 1850.
b) Über kryslalliuische tliierische Farbstoffe. Verhdl. phys.-med. Ges., Würsbui^,
1851. Bd. II.
c) Über die Dotterjilättchen bei Fischen und Amphibien. Zeitschr. f. wi.ss. Zool-,
185». Bd. IV.
d) Cliromatophuren heim Frosch. .\rch.Vl. 133. 1854.
et Über die forensische Unlei'suehung trockener Blutllecken. Arch.XlI. S. 334. 1857.
f) Pigment und diffiwe Melanose der Arachnoides. Arch. XVI. S. 180. 1859.
12. B) Über eine im Gehirn und Rückenmark des Menschen aufgefundene Substanz mit
der chemischen Reaction der Celhilose. Arch. VI. K. 135. 1854 u. S. 366 ebend.
b) Cber das ausgebreitete A'orkommen einer dem Ncrvenmark analogen Substanz
in den thteri.scheu Geweben. .\rch.Vl. 8,562. 1854.
c) Gesammelte Abhandlungen. Frankfurt a, M. Meidinger. 1856. Anm, Nr.j,
S. 890, zu dem Wiederabdrucke des .\ufsatzes: -Über das gruiulirte Ansehen
der Wandungen der Hii-n Ventrikel- (Zeilschr. für Psychiatrie, 1846, S. 34»).
d) Über die ErwdCerung kleinerer GefKfse. Arch.Ill. 1851. S.4J7 (insbesondere
S. 44.S)-
chöw's MittheUung zn kennen — 1859 auf den
, Arch. f. Psychiatrie und Nervenkrankheiten,
Uobin kam erst — allerdings oh
betreffenden Fund. Vergl. hierzu: Fi
1873. Bd. IV.
13. a) Über den Bau der Pli
. Wnrab. Verhdl.
IV. 1853, (3 Mitthelluogen.)
b) Über SchSdelbildung. Würzb. Verhdl. Bd. VI. 1855.
c) Untersuchungen über die Entwicklung des Schädel grün des im gesunden und
krankhaften Zustande und über den Eintlnls derselben auf SchSdelform,
Gesichlsbildung und Gehirnbau. Berlin 1857. kl. Fol. 6 Tafeln.
d) Über Schwanzbildung heim Menschen. Arch. Bd.79, 1880, u. Bd.83, 1881.
' Unter der abgekilrzten Bsieichimiig: -.Kri-h.- oder bhpH -Archiv-
Leraiugegebeiie .Archii' für iialhulogiiciii; Aiialoniie-, Berlin. Georg Rei
selbst
Gediicklnifsrede auf Rudolf Virchow.
41
Arch. Xil.
mediären .Stoffwechsel
1857.
14. a) Über liie innhilociililre . uicerirende Echinokokkengesell willst (Alveotsrcolloid)
der Leber. Wüiv-b. phys.-med. Verhdl. VI. 1855.
b) Helmin thologi sehe Nutizen :
1. Zur Verbreitung der Knlozueu. Ardi. XI. S.79. 1857.
I. Die Ka.lkk5r])er der Tlniüiden. Ebend. .S. 8z.
c) Über den Bau der Ohn|iialten. Verhdl. der Karlsriilier Ver^Brnmluii^ der
deutschen Naturforscher und Ärzte. 1858. .S. 117. (Virchow tritt für die
Bedeutung der Randorgaae als Gehörorgane ein . besuLreibt die Entwicklung
der Nesjtelorgane und die MuskeUasern . die er, wie von Kölliker, als ge-
atreifte ansieht, zeigt, dafs die Nesselorgane auf Alkalien Shnlich reagiren wie
die Cilien 11. A. m.
d) Recherches aur le developpement de Trichina spiralia. Gaz. helid. Nr. 46. 1859,
e) Note sur teTrichina spiralia. Ann. des Sc natur. (soulogiques) XIII. p. 108. jSüo.
f) Über das natürliche Vorkommen der Trichinen. Arch. XXXII. S. 554, 1865
und XXXV. S. loi, 1866.
g) Die Lehre von den Trichinen. 3. Autl. 1866.
Zu den genannten, in Gruppen xu ordnenden Arbeiten normal - anatomischen Inhaltes
kommen als einzeln stehende noch hinxn:
h) Einige Bemerkungen nlifr die Circulationsvej'häi
S. 310. 1857 und
b) Über das Epithel der Gallenblase und über eil
des Fettes. Arch. Bd. XL .S. 574. 1857.
c) Über die Theilung der Zellkerne. Arch. Bd. XI. ü. 89.
d) Zur Chemie der Nebennieren. Arcli. XIL S. 481- 1857.
e) Die Gefäfse des Uterus. Verhdl. der Ges. f. GeburLsh. in Berlin. 1857.
Die unter a aufgeführte Mittheihin); bi4ngt die wichtige Entdeckung der sogenannten
Arteriolae rectae verae in der Niere, d.h. vim Arterien der Marksubstanz der Niere,
welche aus den Arteriae arcuatae, interlobulares und afferentes entspringen, also aus Arterien,
deren Blut die Gloineruli noch nicht passirt hat. Oft bestritten, hat sich doch dieser Nach-
weis Virchow's durch neuere Untersuchungen als richtig gezeigt. Vergl. u. A. Golubew,
Internat. Mo nntss ehr. f. Anat. u. Physiol-, Bd. X, 8.541, — Die Arbeit über das Epithel
der Gallenblase erbringt den Befund von cuticulnren Säumen an den Epilhelz eilen, ähnlich
wie an denen des Darnikanals. Zu d (Nebenniere) sei angeffihrt, dafs hier Virchow
(gleichzeitig mit A. Ecker) den wichtigen Nachweis von Nervenzellen im Parenchym der
Nebenniere liefert.
16. Medicinisclie Vereinsxeitung des Vereins für Heilkunde in Preufsen 1841, (Ver-
mehrung embryonaler rother Blutkörperchen durch Theilung.)
16. Der Ansspruch »omnis cellula a ceilula- (nicht «e celiula*, wie bald hier, bald
dort, s. u. A. Kölliker, Gewebelehre, 6. Aull.. S. 43, falschlich citirt wird) findet sich im
Archiv für pathologische Anatomie, Bd. 8, S. 13. 18(15. ^ heifst da: »Ich formulire die
Lehre von der pathologischen Generation, von der Neoplasie im Sinne der Cellutarpathologie
einfach: Omnis ceilula a ceilula!
Man vergleiche vor Allem zur Geschichte dieser fundamentalen Erkenntnisse die An-
gaben v. Kölliker's (Handbuch der Gewebelehre, 4. Aufl., .S. 19, 1863, und 6. Aufl..
S. 42/43, 1889; insbesondere aber: Erinnenmgen aus meinem Leben, Leipzig, Engelmann,
1899. 8, S. 197), des wolil ältesten der noch lebenden Zeugen aus dieser grofsen Zeit biologi-
Gidächtnifiredm. 1903. 1. tl
42 Waldeyer:
scher Forschung, die an die Namen Johannes Müller^s, Schleiden*s, Schwann's,
Remak*s, Reichert's, Henle's, Rudolf Virchow*s und den seinen geknöpft ist
Richtig ist ja, dafs Virchow an dem angeführten Orte die Verallgemeinerung nur für die
pathologische Zelienbildung ausspricht. Aber mau wolle nicht vergessen, dafs, wie bereits
im Texte bemerkt wurde, die pathologischen Zellbildungen vielfach als das stärkste Boll-
werk fOr die Lehre von der freien Zellenbildung, der Zellenbildung aus Blastemen, ange-
sehen wurde, femer, dafs Virchow selbst seinen Ausspruch zum guten Theile mit auf
seine normal - anatomischen Studien über die Bindesubstanzen gründete und endlich, dafs
seitdem fast widerspruchslos, von vereinzelten Ausnahmen abgesehen, der Virchow 'sehe
Satz als selbstverständlich auch für die normale Zellengenese gültig angesehen wurde. Die
Verdienste Anderer: Bergmannes, v. Bischoff's, Reichert's, Remak's und insbeson-
dere V. Kölliker's auf diesem letzteren Gebiete seien dabei ausdrücklich anerkannt
17. Es sei mir gestattet, hier aus dem mir im Manuscripte gütigst zur Einsicht über-
lassenen betreffenden Theile der • Lebenserinnerungen« unseres correspondirenden Mitgliedes,
Hrn. W. His, einen Abschnitt mit Zustimmung des Autors anzuführen:
»Ich habe das Gluck gehabt, in einer entscheidenden Periode Schüler von den beiden
Männern gewesen zu sein, die für den Ausbau der Zellenlehre am eingreifendsten gewirkt
haben, von Robert Remak und von Rudolf Virchow, und durch die mir von Letz-
terem gestellte Aufgabe, die histologische Bearbeitung der Hornhaut, bin ich in die damals
brennenden Fragen personlich mit verwickelt worden. Da darf ich denn hervorheben, dafs
im Beginn der 50er Jahre die Abstammungslehre der Zellen noch nicht im Vordergnmde
der Verhandlungen gestanden hat. Es handelte sich damals noch darum, festzustellen, dafs
Zellen und unmittelbare Zellenabkömmlinge in bestehenden Geweben allgemein nachweisbar
seien, und gerade nach der Richtimg hin hatte ja Virchow mit seiner Bindegewebslehre
einen entscheidenden Schritt gethan. Diesen Schritt konnte auch der durch manche Jahre
fortgeführte zähe Widerstand Henle's nicht rückgängig machen.«
18. Die betreffenden Arbeiten Virchow's führen die unter Nr. 12c und d dieser
Anmerkungen mitgetheilten Titel, wobei zugleich auf Robin 's Antheil an der Entdeckung
der Lymphscheiden um die Hirngefäfse hingewiesen ist. — Den Namen »Neuroglia« ge-
braucht Virchow zuerst in einer Anmerkung (der dritten) zu dem Wiederabdrucke seiner
Arbeit vom Jahre 1846 »Über das granulirte Ansehen der Wandungen der Hirnventrikel«
(Archiv für Psychiatrie S. 242) in seinen »Gesammelten Abhandlungen«, Frankfurt a. M.,
Valentin Meidinger, 8, 1856, S. 890. L. Besser irrt, wenn er in seiner Arbeit über
Neuroglia, Archiv, Bd. 86, S. 805, 1866, angiebt, dafs Virchow bereits 1846 den terminus
»Neuroglia« gebraucht habe. Wahrscheinlich liegt indessen bei Besser nur ein Druckfehler
— 1846 statt 1856 — vor. Vergl. zur Geschichte der Neuroglia: Köliiker, Gewebelehre,
4. Aufl., Leipzig 1863, und vor Allem Weigert, C, »Beiträge zur Kenntnifs der normalen
menschlichen Neuroglia«. Abhandlungen der Senekenbergischen Naturforschenden Geselischafl.
1895, Bd. XIX. Ferner: H. Held: »Über den Bau der Neuroglia und über die Wand
der Lymphgefäfse in Haut und Schleimhaut. Abhandl. der mathematisch - physikalischen
Classe der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, XXVIll.Bd., Nr. IV, Leipzig,
B. G. Teubner, 1903. — Den ersten Nachweis, dafs die Neuroglia nicht bindegewebigen
Ursprunges ist, wie seiner Zeit V i r c h o w und die meisten Autoren der nächsten Zeit nach
ihm meinten, sondern mit dem echten Nervengewebe ektodermaler Abkunft ist, führte
W. His in seinem Programm: »Häute und Höhlen des Körpers«, Basel 1865. Dann
glaube ich A. Goette nennen zu sollen. (Kntwickelungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875,
Gedäc/Unißrede auf Rudolf Virdtow.
43
Eiiigeliendere und völlig sichere Begründung lielerttT
. in s|illteren Arbeiten. Siehe Weiteres bei Wuigeri
Leopold Vofs, S. i8o und a
darauf Vignal und W. His
und Held.
Ich will nicht unterltuseD zu erwähnen, daTs Virchuw nucli die Entdeckung der
Flimniernng des Epithels der Hii'n Ventrikel (beim I^oiiiehen — s. Gesoinmelte Abhaiidl.
S, 889 Anm. a und Archiv VI. 1853^ luwischreiben ist. Kurz darauf stellte sie Fr, Leydig
in einer mit Vircho w zusammen vorgenommenen Untersuchung auch beim Menschen
( Kingerich teten) fest (1853). Uafs das b^iiithel selber ein Flimmere|iiUie] sei, wur schon
früher angeDommen worden. Jedoch nicht sicher erwiesen. Siehe R.Virchow's Alittbei-
lung in der Allgeiiieinen Zeitschrift für Psychiatrie. Bd. 3 vom Jahre 1846, S. »4». inslieson-
dere S. 347.
19. Vergl. darüber auch J. Orth: •Rudolf Virehow. Gedachtnifsrede , gehalten
in der Sitzung der Berliner ntedic inisehen UesellschaA nm 39. Octoher ipoz*. Bei-liiier
klinische Wochenschrift, 1902, Nr. 44, Sep.- Abdr. S. 17.
2U. Über amyloide Degenerationen. WilrKb. phya.-med. VerhdI.VII, 1856, ferner Archiv
XI, r88. 1857.
21. Leukämie. Wüntb. phys.-med. Verhdl, II, 1851, ferner Archiv Vll, 174, 1854.
22. Thrombose und Kmbolie, GefSfsenlzündung und septische Infection. Geeamtnelie
Allhandlungen zur wiasenscli. Medicin, Frankfurt a. M., 1856. S. 119.
23. Siehe Medicinisohe Vereinszeitnng des Vereins för Heilkunde in Preufaen. 1846,
Nr. 48 und 50 (Polemik gegen Rokitansky). — F'erner: -Hundert Jahre allgemeiner
Pathologie.- Berlin 1895. S. 25 (Anerkennung Rokitansky'«).
24. Vorlesungen über Pathologie. 1., 3. und 4. Band. Onkologie. Auch unter dein
Titel: Die kraakhatWn Geschwülste. Berlin, A. Hirschwald, 1. — 3. Band, t. Hälfte. t863
bis 1867.
25. Die Namen -Gliom* und -Psammom- werden zum ersten Male verwendet in den
betretenden Capiteln der •Onkologie-. Vergl. fTir Gliom ebenda Bd. 11, 8. 133; fQr Psammon
bezeugt dies Virehow selbst, s. Archiv, Bd. 160, S. 32 und Onkologie Bd. II, S. 106.
2'). ^'ol'lesuQgen Ober Pathologie, i. Band. Die f'ellularpathologie in ihrer Be-
gründung auf physiologische und pathologisclie Gewebelehre. Berlin. A. Hirschwald,
i. Auflage 1858; 5. und letzte 1893,
27. Zur iLrinnerung au Rudolf Virehow, Drei historische Arbeiten Virchow's
zur Ge.schichle seiner Vaterstadt .Schivell>ein. \'on Neuem herausgegeben von der Gesell-
schaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde. Mit sechs Abbildungen. Berlin.
A. Aaher & Co.. 1903. 8, 83 Seilen. Die Titelabhüdung zeigt R. Virehow in seinem
1%. Lebensjahre, als er nach Würzburg berufeij ward; sie ist von seiner Gattin als sehr
ähnlich bezeichnet worden. Die ührigen Abbildungen geben das jetzt abgerissene Geburts-
haus Virchow's und Strafsrn, Thore u. A. von Schi vel bei n , sowie eine GesammCansieht
der Stadt im 17. Ja>irhundert. aus Matthäus Merian's -Tnpographia-.
28. Ich besitze über den grofsen Erfolg, den Virehow als Lehrer in Würzhurg
hatte, einen Brief vollster Anerkennung von W. His, seinem treuen .Schüler; ferner waren
mir xur Durchsicht übergeben zwei von Letzterem nach Virchow's Vorlesungen Über all-
gemeine Pathologie und über specielle pathologische Anatomie niedergeschriebene Collegien-
faefle. Diese zeigen, dafs Virehow damal.s in wohlgeordneter Weise den ganzen StofT
beider \'orlesungen — bei der speciellen pathologischen Anatomie fehlen nur die Generationa-
Organe — klar und anschaulich zum \'urtrag gebracht liat. Ferner darf ich hier aus
44 ^^n
w.
L n E Y E R ;
W. His' .Krinneriingsblätlern.
Andere geeignet sind, Virchn
• Die treibonde Kraft de
liehen Alters R. V'i
tia eitsteh ende Abschnitte mittheilen, die besser als dies
''ü hohe Bedeutung als Lehrer zu charaktertsiren :
Facultäi (seil, in Wijraburg) ist trotz seines noch jagcnd-
gewesen. Ihn erkannten die Collegen als unbestrittenen Führe
an und um ihn haben sich auch alle strebsamen Elemente der Studentenschaft gesammelt,
Sein wachsender Ruhm zog aus immer weiteren Gebieten tüchtige .Schüler herbei. Der
Kreis der Virchow'schen SchOler hielt aber auch im täglichen Verkehr gut zusammen; wir
wursten uns unter gemeinsamer Flagge verbunden und freuten uns, inmitten einer kräftig
fortachri^itenden wisse nschaiUichen Strömung uns r.n befinden.-
Untl weiter schreibt His: »Meine Ergebnisse (es handelt sich um die Untersuchung
der Cornea) sind vielleicht nicht so ausgcFallen, wie Virchow von Anfang ab mochte er-
wartet haben. Inde8.<ien hat Virchuw zwar seine SchOler zu Arl>eiten angeregt, er hat
ihnen aber in der Art Her Bearbeitung stets vohe Freiheit gelassen. Auch hat er meines
Wissens niemals, wie dies manche Instituts vorstände thuu, deren Maniiscripte umredigin.
Ich habe es immer als einej» der schönsten Ehrentitel von Virchow angesehen, dafs aus
seinem Laboralnriuin die Arlteiten Cohnheim's über die Entzündung hervorgegangen sind,
die doch seine eigene Lehre von der Rolle der Gewebszellen eine Zeitlang völlig bei Seite
geschoben haben.«
Will man noch einen anderen competenten Zeugen aus dieser Zeit, so mag Karl
Gegenbaur genannt sein, dessen Urtheil Gber Virchow'a Bedeutung als Forscher und
Lehrer in Wftr/.burg genau zu dem eben Mitgetli eilten stimmt {s. Nr, XVII, Litt.-Verz.).
Viele Jahre noch in der späteren Berliner Zeit erhielt sieb R. Virchuw diesen Ruhm;
dies zeigen vor Allem der volle Besuch , den seine Vorlesungen über Cellularpathologie und
über Geschwulstlehre in den Kreisen der Berliner Ärzte gefunden haben, und die zahlreichen
Ärzte und Studlrenden des Auslandes aller Welt, die Virchow's wegen die Berliner
Universit&t aufsuchten. Wenn später die im Texte erwähnten Schwächen sich zeigten, ■'o
war daran zum grolsen Theile die Überlastung schuld, welche dem grofsen Gelehrten und
seinem wachsenden Ruhme sich an die Fersen heftete, und schtiefslich haben auch so fest-
gefügte Männer wie Rudolf Virchow an der Bürde des Alters zu tragen!
29. Vergl. hierzu: i, R. Virchow, Das neue Patlio logische Museum der Universität
zu Berlin. Berlin 1901. A. Hirschwald. a. 0. Israel, Das Pathologische Museum der
Königlichen Friedrich Wilhelms -Universität zu Berlin. Berliner klinische Wochenschrift,
1901, Nr. 41.
Virchow ist auch der Schöpfer der Metliode, in welcher jetzt allgemein der prak-
tische pathologisch- anatomische Unterricht gegeben wird: Sectionstechnik , demonstrative
und mikroskopisch -anatomische Übungscurse. Bis kurz vor seinem Ende hat er vor seinen
Praktikanten zu Beginn der Ußungscurse jeweils noch eine Obduction lege artis ausgeführt.
Dagegen hat er in den letzten 30 Jahren mehr und mehr die Leitung der Curse selbst, ins-
besondere der mikroskopischen, seinen Assistenten überlassen; am demonstrativen Cursus
pllegte er noch persönlich Theil zu nehmen.
Die letzte Obduction, welche ich von Virchow selbst ausfilhreo sah, war die Kaiser
Friedrich's III., r6. Juni
30. Virchow bewah
Institute, und zwar soweit ;
als ob er sich nicht von ihi
mal war es fast schwierig.
888 im Neuen Palais
Le die Rassen -Schädel
e Platz fanden, in seil
ich durch alle die;
1 Potsdam.
und -Skelete im derzeitigen Pathologischen
len beiden Arbeitszimmern auf. Es schien,
I sie immer um sich haben müsse. Manch-
SchSdel, die theilweise am Boden unier-
Gedächtnifsrede auf Rudolf VircJunc.
45
gebracht werden mufsten. Tische und Stühle dicht belegten, und durch alle die Ku.ichen-
gerüste sich einen Weg. zu ihm nn seinem einfachen Seh reih tische r.u bahnen. Im Vor-
zimmer fand rnnn dann regelmafsig seinen treuen, verständnifs vollen Zeichner, Emil Eyrich,
dessen froher Tod von Allen aufrichtig bedauert wurde, die ihn kennen gelernt hatten in
seiner schlichten und gewbsenhaften Art. Eyrich hatte durch jahrelange Beschäftigung mit
anntomischen und anthropologischen Dingen ein grofses Interesse an den eiDschlggigen Oh-
jecten gewonnen, so dafs es ihm Freude machte, sie zu zeichnen, wobei er nicht nur das
Auge des Künstlers, sondern auch des Kenners verwenden konnte, üerri habe ich diese
Gelegenheit ergriffen, des treuen Mitarbeiters ^ er war es auch mir — zu gedenkenl
M. Es wird genügen, zur Charakterisining der der »Medicinischen Reform« gestellten
Aufgabe die Titel einiger darin veröffentlichten Artikel mitzutheilen. Sie beginnt mit einem
Programm: -Was die .Medicinische Reform' will-. Es folgen: -Die öffentliche Gesund heits-
ptlege- (vier zusammengehörige Aufsätze), dann: -Der medicinische Universitäts-Untemcht-,
• Der medicinische Congreß-. -Uer Armenarzt-, -Das Militännedicinalwesen- . -Die medi-
cinische Gesetzgelwng-, -Der Staat und die Ärzte-, -Die ärztliche Prüfung-. — In dem
aus der Feder Virchow's stammenden Schlufsworte hei&t es: -Die medicinisciie Reform,
die wir gemeint haben , war eine Reform der Wiasenschaft und dei- Gesellschaft. Wir haben
ihre Principien entwickelt; sie werden sich ohne Fortbestehen dieses Oi^ans Bahn brechen.
Aber jeder Augenblick wird uns beschäftigt finden, für sie zu arbeiten, bereit, lur sie zu
kämpfen-- Und in dem einfTihrenden Programm finden wir den Satz: -Die Ai'zte sind die
natrirlichen Anwälte der Armen, und die sociale Frage fSlIt zu einem erbeblichen Theile in
ihre Jurisdiction-. — Goldene Wortei die glücklicherweise von Tag zu Tag mehr Beach-
tung finden!
32. Berliner klini.sche Wochenschrift. 1903. Nr. 37.
-S.^. Als Beispiel diene folgendes Erlehnifs: Wir waren im Jahre i8gi auf einer An-
tliropologenfahrt in Ost- und Westpreufsen begriffen und wanderten an einem schwItUieifsen
Augusttage durch den Flugsand der kurbchen Nehrung einem ziemlich entfernten anthro-
pologisch werthvollen Ziele zu. Virchow nahm den bestehenden Weg, auf dem es im
weichen Sande, unter ghlhendem Sonnenbrande sich nur beschwerhch fortkommen Uefs, und
ich blieb bei ihm. Einige Zeit waren wir so schlecht und recht hingewandert, als die zu
unserer Gesellschaft gehörigen Damen in einiger Entfernung von uns auf einer neben dem
Wege herlaufenden Dünenkette erschienen und deren Kamm entlang gingen. Der Kamtn
und der Abhang der Dunen zum Wege hin war mit Dünenhafer bepllanzt, nm den Sand zu
festigen, und es war verboten, die bepflanzten Stellen zu betreten. Als die Gesellschaft
unser mühevolles Einherstapfen bemerkte, rief die Führerin, die angesehen d.ste Haine des
Ortes, von dem wir ausgegangen waren, uns zu, wir möchten doch nach oben kommen,
da ginge man viel leichter. Virchow erwiderte, daCs maji dort nicht gelten dürfe und
forderte die Damen auf. nach unten auf den Weg zu kommen. Die FQlirerin aber meinte,
dalÄ unter den augenblicklichen Umständen man gehen könne, wo man wolle und wanderte
mit den Übrigen weiter im Dünenhafer. Virchow blieb erstaunt einen Augenblick stehen
und wiederholte dann laut und kategorisch seine Aufforderung, den verbotenen Weg zu
verlassen; aber man achtete nicht darauf. Da drehte er kurz um und sagte ärgerUch, indem
er eine nicht ganz parlamentarische Bemerkung über jene ungesetzliche Führerin hinzufügte:
>Das kann ich nicht ansehen; mir ist nichts mehr zuwider, als Mifsaehtung von Recht und
Gesetz! Kommen Sie. wir wollen umkehren! Und so geschah es; er wäre auch nicht
[ mehr einen Schritt vorwärts zu bringen gewesen. — So litt \'irchow auch niemals, dals
46
Wi
man in schwierigen FKllen bei einer der vnn ihm geleiteten Gesellschnften den Statuten
irgendwie zu nahe trat. Er nahm sie atets beim Wort und wiiFste doch auf dem geraden
Wege meist aus der Schwierigkeil herauseukommen.
34. Rudolf Virchow hat ein f;liickliches Leben als Mensch, Gatte und Vater gehabt.
Schwere Kümmernisse sind ihm ferngehUeben. Er, dtia Familienhaujil eines gesunden blühen-
den Geschlechtes schied, wie es Altersrechl ist, Kuei-st aus dem Leben, die Seinen in tiefer
Trauer, doch ohne Sorgen xurQckl ästend. Die schönen Feste der silbernen und goldenen
Hochzeit konnte er mit seiner Gattin an frohen Tagen ^begehen. Schwer war Tür die
Seinen nur die Arbeitslast, die ihnen den Gatten und Vater so selten frei liefa.
Diese Freiheit kam nur in den wenigen Herbstwochen . welche sich an den regel-
milsigen Besuch der anthropologischen Versammlungen anschlössen. Dann konnte man
Virchow im Kreise der Seinen und im Kreise dar Freunde herzlicli lehensfreudig sehen
und mit Vergnügen seiner mit attischem Sali gewürzten Unterhaltung folgen. Virchow
liebte das Leben mit dem Schönen und Erfreuenden, was es bietet; mit den Frühlichen wai'
er frnh! An Würdigungen und Ehrungen hat es Virchow nicht gefehlt Statt alles
Übrigen mögen die Worte seines Künigs. Kaiser Wilhelm U., hier PlftlK finden, die nach
Virchow's Hinscheiden an die trauernde Gattin gerichtet wurden:
• Die Kunde von dem Hinscheiden Ihres Gatten hat Mich mit aufrichtiger Tb eilnah me
erfUllt, und spreche ich Ihnen und den Ihrigen mein wärmstes Beileid zu dem schweren
Verluste aus. Möge Gott der Herr Sie in Ihrem grofsen Sclmierze trösten und der Ge-
danke Sie aufrichten , dafs den grofsen Forscher. Arzt und Lehrer, dessen Lebensarbeit der
deutsehen Medicin neue Ttahnen erschlossen, mit der ganzen gebildeten Welt sein König in
dankbarer Gesinnung betrauert. -
3JJ. Ich will es mir nicht versagen hier die schönen und treffenden Worte herzu-
setzen, mit denen unser fOrreSpOndirCndes Mitglied Hr. Von Becklinghausen seinen
Nachruf auf Rudolf Virchow (Nr.XLlI. Litt.-Verz.) schliefst, nm so mehr, als sie ganz
mit der Auffassung stimmen, eu der mich eine 36 jährige Bekanntschaft mit unsenn ge-
meinsamen dahingeschiedenen Meister und Freunde gebracht hat.
-Was war wohl-, sagt von Recklinghausen, -der liefere Grund dieses allgemeintN
Vertrauens, das man Virchow entgegenbrachte!' Ulierhaupt, worin lagen denn die starken
Wurzeln seiner Kraft? Nicht allein in den grofsen wissenschaftlichen Leistungen, nicht allein
in seinem ungewöhnlich scharfen kritischen Sinn oder in der unermüdlichen Bereitschaft in
Rath und That — meines Erachtens vertraute man ihm wegen der grofsen Überaeugungs-
treue und der ausgesprochenen Festigkeit des Glauliens an sich selbst, die bei allen seinen
Actionen so leuchtend zu Tage traten. Hilf dir selber, so hilft dir Gnlt! Das war sein
Wahlspruch. Schon die Veröffentlichungen über den schlesischen Hungertyphus atlimen
diese felsenfeste Zuversicht auf die Richtigkeit und Zuverlässigkeil des von ihm objettiv
Beobachteten; man lernt aber durnus zugleicli Virchow's Tapferkeit kennen und bewundern,
wie er keine Scheu trägt, die objeetiv erkannten Übelstande der Autorität gegenüber beim
richtigen Namen zu nennen und die Ausrottung der Wurzel des Übels zu verlangen. Wie
ein Heros vom fatalistischen Zwange, so wird Virchow durch das unerschütterliche Ver-
trauen auf die eigene Krall getrieben, bei jedem passenden Anlafs die erkannte Wahrheit
zu verkünden und heldenhaft zu vertheidigen, mit der Behanlichkeit, die kein Eimatten
kennt. Die zwingende Mnclit der Thatsache. die Virchow offenbart hat, ruft ihn immer
wieder in die Arena der Discussion; unablKssig ist er bemüht, den Gegner davon zu über-
zeugen; nichts liegt ihm ferner, als der Versuch, diesen mit glänzenden Worten zu über-
GedäcJUnifsrede auf Rudolf Virchow, 47
reden. Gerade dadurch aber bekam seine Rede den fascinirenden Einflufs auf seine Zuhörer,
namentlich auch im persönlichen Verkehr. Das habe ich oft genug an mir selbst wahr-
nehmen können. So wie Virchow hat kein anderer Lehrer oder Schriftsteller auf mich
den actuellen Eindruck gemacht, die Wirklichkeit richtig erkannt und das Wesen der Dinge,
die er besprach, erfafst zu haben. In dieser Beziehung wufste ich neben unserm Hoch-
meister des Denkens nur noch den allgewaltigen Beherrscher der Seelen: Bismarck zu
nennen, der nach meinem Empfinden wohl noch ein gröfserer Meister im Wägen des realen
und idealen Werthes der Dinge war, ebenso mächtig des geeigneten Wortes, den Nagel auf
den Kopf zu treflFen, wie unser Virchow.
Nach den hier bezeichneten Zügen des Charakters und der geistigen Anlage begreifen
wir es, dafs Virchow der Mitwelt als ein Fürst im Reiche der Gelehrten erschien; die
Nachwelt wird sein Bild übernehmen als das eines gewaltigen Sehers und Bekenners der
Wahrheit; für alle Zeiten bleiben wird er ein
Admirabile constantiae et fortitudinis exemplum.«
48 Waldeyer:
r
Litteratar.
Aufser den Schriften und Reden Rudolf Virchow's selbst, welche die beste Quelle
für seine Beurtheilung als Forscher und Gelehrter und für seine Wirksamkeit im öffentlichen
i Leben bilden, standen mir persönliche Erfahrungen, wie sie ein reger Verkehr, der seit 1879
— ich darf es wohl sagen — zu einem freundschaftlichen sich erhob , und eine Reihe Briefe
Virchow's zu Gebote. Dazu kamen authentische Nachrichten seitens der Familie Virchow's,
die mir durch dessen Sohn, Professor Dr. Hans Virchow, gütigst übermittelt wurden.
Weiterhin erhielt ich über Verschiedenes Auskunft von den HH. Geheimrath Professor Dr.
Wilhelm His (Leipzig), Professor Dr. 0. Israel (Berlin), Geheimrath Professor Dr.
J. Orth (Berlin), Professor Dr. Johannes Ranke (München) und Geheimrath Professor
Dr. Ferdinand von Richthofen (Berlin) sowie von der A. Hirsch wald'schen Buchhand-
, hu^g (Berlin). Allen Genannten spreche ich aufrichtigen Dank aus!
I Benutzt wurden ferner:
)L Andrian-Werburg, Ferd., Freiherr von, Virchow als Anthropologe. Mittheilun-
gen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. Bd. XXXIII, 1903, S. 336.
n. Bartels, M., Zum Gedächtnifs Rudolf Virchow's. Nachrichten aus dem Museum
für Deutsche Volkstrachten und Erzeugnisse des Hausgewerbes. Bd. H, Heft i, 1903.
HL Becher, W., Rudolf Virchow. Eine biographische Studie. 2.Autl. , Berlin 1894,
S. Karger.
IV. Beneke, R., Rudolf Virchow -[-. Naturwissenschaftliche Rundschau. XVIII. Jahrg.,
1903, Nr. 2, 3 und 4.
V. Berliner Arzte-Correspondenz. 1902, Nr. 37. (Todesanzeige mit kui*zer
Würdigung der Hauptverdienste Virchow *s.)
VI. Bollinger, O., Rudolf Virchow zum Gedächtnifs. Münchener medic. Wochen-
schrift. 1902, Nr. 39.
VII. Buschan, G., Rudolf Virchow. Stettiner Generalanzeiger. 1902, Nr. 211.
! VIII. Chiari, H., Gedächtnifsrede auf Rudolf Virchow. Prager medic. Wochenschrift.
XXVII. Jahrg., Nr. 43, 1902.
IX. Cohn, Hermann, Virchow's Verdienste um die Schulhygiene. Zeitschrift für
Schulgesundheitspflege. XV. Jahrg. , 1902. Verlag von Leopold Vofs , Hamburg und Leipzig.
X. Correspondenzblatt der Deutschen anthropologischen Gesellschaft. Jahrgang
XXXllI, 1902, Nr. 9. (September.) — Enthält die kurze Todesanzeige mit einem guten
Porträt Virchow*s nach Photographie, ferner das Telegramm, welches am 5. August 1902,
also 4 Wochen vor Rudolf Virchow's Tode, von der damals in Dortmund tagenden Deutschen
anthropologischen Gesellschaft an ihren Ehrenpräsidenten abgesendet wurde. Dasselbe lautet:
»Die heute eröffnete Versammlung der Deutschen anthropologischen Gesellschaft empfindet
schmerzlich die Abwesenheit ihres hochverehrten unersetzlichen Führers, welcher zweiund-
Gedächtnifsrede auf Rudolf Vircfiow. 49
dreifsig Versammlungen den Stempel seines Genius aufgedrriekt hat. In innigster Theilnalime
für die anthropologische Gesellschaft. Andrian. Waldeyer. Kanke.
XI. Correspondenzbiatt der Deutschen anthropologischen Gesellschaft, i. Jahrg.
Nr. I, Mai 1870, Braunschweig, Friedrich V'ieweg und Sohn. (Enthält die Nachrichten iiber
die Gründung der Deutschen anthropologischen Gesellschaft.)
XII. Desvernine, Dr. Carlos M., Virchow. Notas biograficas. RevLsta de la Aso-
ciacion medico - farmaccutica de la Isla de Cuba. Afio III, Num. i, Septiembre 1902.
XIII. Deutsche Medicinische Wochenschrift. Nr. 37. 1 1. Sept. 1902. (Todes-
anzeige mit gutem Porträtbild und kui*zem Nachruf.)
XIV. Drill, Dr. R., Virchow als Reactionär. »Das freie Wort.« Frankfurter Halb-
monatsschrift fiir Fortschritt auf allen Gebieten des geistigen Lebens. 2. Jahrg., Nr. 13.
5. October 1902. Frankfurt a. M., Neuer Frankfurter Verlag.
XV. Erismann, Virchow als Ilygieniker. Deutsche medicinische Wochenschrift, Fest-
nummer zu Ehren Rudolf Virchow 's. Nr. 41, 10. October 1901. (Mit Bildnifs, demselben
wie in Nr. 37 vom 11. September 1902 — s. VIII — zu den einleitenden Worten der Redaction.)
XVI. Fuentes, A. S., Rudolf Virchow. Revista de la Asociacion medico - farma-
ceutica de la Isla de Cuba. Ano II. Noviembre 1901. (Ausfiihrlichere Würdigung der
wissenschaftlichen Leistungen Virchow*s mit biogi*aphischen Notizen und zwei Bildnissen
anläfslich der Feier seines 80. Geburtstages.)
XVII. Gegenbaur, C, Erlebtes und Erstrebtes. I^ipzig 1901. W. Engelmann.
8, S. 47ff.
XVI IL Grawitz, F., Das Rudolf Virchow- Museum in Berlin. Deutsche medicinische
Wochenschrift. Festnummer zu R. Virchow's 70. Geburtstag. Nr. 42 , 13. October 1891, S. 1 1 78.
XIX. Guttmann, S., Rudolf Virchow. EI>enda S. 1187.
XX. Ileubner, J. O. L., Eröffnungsrede. Berichte über die Versammlung der Gesell-
schaft deutscher Naturforscher und Ärzte zu Karlsbad, 22. bis 26. September 1902. Leipzig,
F. C. W. Vogel, 1902.
XXI. Israel, Oskar, Zu Rudolf Virchow's achtzigstem Geburtstage. Ärztliche
Monatsschrift. 1901, Heft 10.
XXII. Derselbe, Das Pathologische Museum der Königlichen Friedrich -Wilhelms-
Universitat zu Berlin. Deutsche medicinische Wochenschrift, 1901, Nr. 41.
XXIII. Derselbe, Rudolf Virchow. 1821 — 1902. Deutsche Rundschau, 29. Jahrgang,
Heft 3, December 1902, S. 361.
XXIV. Kastan, J., Rudolf Virchow. Ein Gedenkblatt zu seinem 80. Geburtstage.
Mit Bildnifs. Der -Welt- Spiegel-. Illustrirte Halbwochenchronik des «Berliner Tageblatts«
Nr. 81, Jahrgang 1901, 10. OctoV)er.
XXV. Klebs, Edw., Rudolf X'irchow. Gedenkblätter zu seinem 70. Geburtstage,
gewidmet von einem alten Schüler. Deutsche medicinische Wochenschrift. Festnummer.
Nr. 42, 13. October 1891, S. 1165.
XXVI. Körte, W., Rudolf Virchow\s Unfall und Krankheit. Berliner klinische
Wochenschrift, 1902, Nr. 43.
XXVII. Leyden, E. v., Gedächtnifsrede auf Rudolf Virchow. In: Gedächtnilsfeier
für Carl Gerhardt und Rudolf Virchow im Verein für innere Medicin zu Berlin am 27. October
1902. Leipzig, 8, 1903, Georg Thieme.
XXVIII. Lissauer, A., Virchow als Anthropologe. Deutsche medicinische Wochen-
schrift. Festnummer zu Ehren Rudolf Virchow's. 1901, Nr. 41.
Gedächtni/sreden, 1903, L 7
50
Waldeyer:
I
XXIX. Lissaiier, A., Gedächtnifsrede auf Rudolf Virchow. In: »Gedachtnifsfeier für
Rudolf Virchow. Berlin 1902. A. Asher&Co.« (Mit Bildnifs und Ansprachen von M.Bartels
und W. Waldeyer.)
XXX. Marc h and, F., Rudolf Virchow als Pathologe. Gedächtnifsrede, gehalten
am 2i.October 1902 in der Medicinischen Gesellschaft zu Leipzig. München 1902. F.Leh-
mann. (Sep.-Abdr. aus der Münchener medicinischen Wochenschrift. 1902.)
XXXI. Medical Standard. Chicago, U. S. A. Vol. XXV, October 1902, Nr. 10:
»The death of Rudolf Virchow«. (Gutes Bildnifs; kurze Angabe der Lebensdaten und Ver-
dienste Virchow's.)
XXXII. Medicinische Reform. Berlin. Wochenschrift für sociale Medicin. Nr. 37,
13. September 1902. »Rudolf Virchow.« (Mit Bildnifs und Abdruck der Rede des Predigers
Kirmss an der Bahre Virchow's.)
XXXIII. Die goldene Rudolf Virchow-Medai He. Rechenschaftsbericht des Geschäfts-
führenden Ausschusses. Berlin 1893. (Mit Abbildung und Beschreibung der vom k. k.
Kammennedailleur Anton Scharff in Wien hergestellten goldenen Denkmünze.)
XXXIV. Neu mann, S., Virchow \s Arbeiten Ober seine Geburtsstadt Schivelbein.
Medicinische Reform. Berlin. Nr. 43, 1902
XXXV. New York Medical Journal. Vol. LXXIV, Nr. 16, October 19. 190 1,
p. 748: »The V^irchow Anniversary«. (Kurzer Hinweis auf das Lebenswerk R. Virchow's
gelegentlich seines 80. Geburtstages.)
XXXVI. Orth, J., Rudolf Virchow. Gedächtnifsrede, gehalten in der Sitzung der
Berliner medicinischen Gesellschaft am 29. October 1902. Berliner klinische Wochenschrift
1902, Nr. 44,
XXXVII. Derselbe. Gedächtnifsrede auf Rudolf Virchow, gehalten in der Gesell-
Schaft der Charite - Arzte am 6. November 1902. Ebenda 1903, Nr. 6.
XXXVIH. Pagel, J., Zu Rudolf Virchow's 80. Geburtstage. Deutsche medicinische
Presse Nr. 19, V. Jahrgang, 1902 (Virchow -Nummer). (Mit Abbildungen von Virchow's
Geburtshaus in Schivelbein, vom neuen Pathologischen Museum der Charite, 2 Porträts
Virchow 's als Achtundzwanzigjähriger und Fünfundvierzigj ähriger und 2 Photographieu :
Virchow in seinem Arbeitszimmer und im Kreise seiner derzeitigen Assistenten.)
XXXIX. Posner, C, Nachruf fiir Rudolf Virchow. Virchow's Jahresbericht der
gesammten Medicin für 1901, Bd. II, i. Abtheilung. Berlin, A. Hirsch wald. 1902.
XL. Ranke, Joh., Bericht über die II. gemeinsame Versammlung der Deutschen
und der Wiener antliropologischen Gesellschaft, zugleicli XXV. Allgemeine Versammlung
und Stiftungsfest der Deutschen anthropologischen Gesellschaft in Innsbruck vom 24. bis
28. August 1894. Correspondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethno-
logie und Ui*geschichte 1894, Nr. 9, xo, 11 und 12. (Zur Geschichte der Begründung der
Gesellschaft)
XLI. Derselbe. Das 25jährige Jubiläum der Münchener Gesellschaft für Anthro-
pologie, Ethnologie und Urgeschichte am 16. März 1895. (Zur Geschichte der Begründung
der Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Ur-
geschichte.) Sonderabdruck.
XLII. Recklinghausen, F. von, Nachruf an Rudolf Virchow, gesprochen beim
Beginn der Tagung der Deutschen pathologischen Gesellschaft in Karlsbad am 22. September
1902. Archiv fiir pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Medicin (Vir-
chow's Archiv) Bd. 171, 1903, 8.2.
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Gedächtnißrede auf Rudolf VircJum. 51
XLIII. Ribbert, H., Rudolph^ Virchow, der Schöpfer der Zellularpathologie.
Deutsche medicinische Wochenschrift. Festouminer. Nr. 41, 10. Oc tober 1901.
XLIV. Rose, A., Nekrologos on Virchow. Read before the Eastern Medical So-
ciety at the meeting October 17, 1902. »The Post-Graduate«, November 1902. In neu-
griechischer Ubersetzong erschienen in der Wochenschrift: *ZdKny^^ G<f>rjfi9pi$ 'SßSofuiStata'
Aefiij<r<rtf Kwpmf, 25 X)tcTwßpiov mi 2 Noefißptov 1902.
XLV. Schmeltz, J. D. E., Rudolf Virchow. 13. October 1821 bis 5. September 1902.
In Memoriam. Internationales Archiv för Ethnographie. Bd. XVI, 1903. (Mit dem Bildnisse
Virchow 's).
XLVL Schmidt, M. B., Worte der Erinnerung an Rudolf Virchow. Gesprochen
in der Sitzung des unterelsassischen Ärztevereins am 20. Deeember 1902. Archiv für öffent-
liche Gesundheitspflege in Elsafs- Lothringen. XXII. Band, 8. Heft, 1903.
XLVII. Schwalbe, J., Virchow- Bibliographie 1843 — 1901. Bearbeitet von W.B ex; her,
J. Pagel, J. Schwalbe, C. Strauch und Th. Weyl. Berlin 1901, 8. Georg Reimer.
(Verzeichnifs sämmtlicher gedruckter Veröffentlichungen R. Virchow 's von 1843 — 1901;
es fehlen nur wenige Titel.) 118 Seiten Text und 61 Seiten Sachregister.
XLVIII. Toi dt, K., Nachruf. Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in
Wien. Bd.XXXlII. 1903.
XLIX. Virchow, R., Artikel: »Pathologische Anatomie- in Lexis: »Die deutschen
Universitäten«, Bd. II, S. 241. Berlin 1893, 8. A. Asher & Co.
L. Derselbe, Die Eröffnung des Pathologischen Museums der Königlichen Friedrich
Wilhelms - Universität zu Berlin am 27. Juni 1899. Mit einer Ansicht und 4 Grundrissen.
Berlin 1899, 4. A. Hirschwaid.
LI. Derselbe, Das neue Pathologische Museum der Universität zu Berlin. Mit
5 Grundrissen. Berlin 1901. A. Hirsch wald.
LH. Vofs, A., Zur Erinnerung an Rudolf Virchow. Nachrichten über deutsche
Alterthumsfunde. Mit Unterstützung des Königlich Preufsischen Ministeriums der geist-
lichen U.S.W. Angelegenheiten herausgegeben von A. Vofs und dem Vorstande der Berliner
Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. 13. Jahrgang. 1902. Heft 5.
(Ergänzungsblätter zur Zeitschrift für Ethnologie.)
LIII. Waldeyer, W. und Posner, C, Bericht über die Feier von Rudolf Virchow 's
achtzigsten Geburtstag am 13. October 1901. (Als Manuscript gedruckt. Ein Exemplar
befindet sich in der Universitäts - Bibliothek zu Berlin.)
LIV. Waldeyer, W., Festrede zu R. Virchow's 80. Geburtstage, gehalten bei der
Feier im Sitzungssaale des Preufsischen Abgeordnetenhauses, 12. October 1901. National-
Zeitung, 1901, Nr. 564.
LV. Derselbe, Rudolf Virchow, Gedenkrede, gehalten bei der Trauerfeier im Rathhause
am 9. September 1902. Deutsche medicinische Wochenschrift, 1902, Nr. 38, 18. September.
LVI. Derselbe, Rudolf Virchow -[-. Berliner klinische Wochenschrift , 1902, Nr. 37.
LVII. Walsh, J., Virchow and conservative Philosopliy among German Scientists.
»The Messenger.« Monthly Magazine, vol. XXXIX, January 1903. Nr. i. New -York, The
Messenger Office, 27 — 29 West 16*^ Street.
^ Ich gebe hier den Namen in der Schreibweise wieder, wie er in der citirten Stelle gedruckt
steht. Virchow selbst schrieb stets correct •Rudolf« und es verdrofs ihn, seinen Rufnamen mit einem
•ph« geschrieben oder gedruckt zu sehen.
52 Waldeyer: Gedächinifsrede auf Rudolf Virchow.
Leicht hätte die Zahl der hier aufgezählten Drucksachen auf das Doppelte und mehr ge-
bracht werden können, wenn ich hätte die sämmtlichen medicinischen, anthropologischen und
hygieinischen Fachzeitschriften durchsuchen wollen. Ich habe aber nur das aufnehmen mögen,
welches mir zugesendet worden war, und dasjenige Berliner Druckmaterial, von welchem
ich die zuverlässigsten Nachrichten erwarten durfte. So fehlen die Nekrologe des weitaus
gröfsten Theiles der amerikanischen, der australischen, der englischen, scandinavischen,
russischen, belgischen, holländischen, französischen , japanischen und italiänischen Zeitschriften.
Für die vorliegende Gedächtnifsrede durfte ich aber auch thatsächlich Neues, durch
welches eine empfindliche Lücke hätte geschlossen werden können, nicht erwarten, und so
habe ich mich auf die wichtigsten Schriften Virchow's — dieselben sind nicht im vor-
stehenden Litteraturverzeichnisse aufgeführt — und auf die Vergleichung des hieraus und
durch persönlichen Verkehr Erfahrenem mit dem, was die hier mitgetheilte Litteratur bot,
beschränkt. Immerhin dürfte es nicht ohne Interesse sein — und sei es auch nur, um den
gewaltigen und aufserordentlichen Einflufs festzustellen, den Virchow auf die Entwickelung
der medicinischen und anthropologischen Disciplinen gewonnen hat — , dafs ein Verzeichnifs
der dahin gehörigen Veröffentlichungen zusammengebracht würde.
Berlin, gedruckt in der Reichtdruekeret.