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UNIVERSITY OF TORONTO
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Victoria University
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University of Toronto
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Freiligrath's Gedichte.
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RRARUUT
Gedichte
Terdinand Freiligratb.
Vierte, vermehrte Auflage.
Mit dem Bildnife des Verfaſſers in Stahlſtich.
Stuttgart und Tübingen.
— Berliag
1841.
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Seinen Kreunden
F. Dingelftedt, C. Matzerath,
Ph. Schifflin, F. Schücking
und
K. Simrock
widmet
dieſe vierte Auflage ſeiner Gedichte
der Verfaſſer.
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Inhalts-Perzeihniß.
Zagebuchblätter.
Seite
Moos-Thee (1526.) \ 5
Heiligenfchrein, Vögel und re Grühling 1529.) 7
MWetterleuchten in der PBfingfinacht (1831.) . 9
Die Amphitrite Mai 1532.) 4
Die Auswanderer (Sommer 1832.) . nr 14
Der Schlittfchuh=laufende Neger Sanuar 1833.) 17
an. 44 20
Die Griechin auf der Meſſe (1833.) . “ ar
Bor einem Gemalde, deſſen friiche Farben mir beim 4 Ber
trachten mein Bild zurückwarfen (1534 ) 25
Sandlieder 1 bis 6 (1833.). 27
Einem Ziehenden (1835.) N 32
„Bär ih im Bann von Mekka's —— " (1556.) 56
Reben des Negers (1836.) . 39
Nebel (1836.) 44
Roland Guli 1839.) 46
Balladen und Nomanzen.
Der Mobrenfürft 1. 2 54
Schwalbenmährhen . 58
Der Weder in der Wüſte 61
Der Blumen Rache 64
VI
Seite
„Dein; Eugen, der edle Ritter” . ou. re [[
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Die Sriechin (December 1856.) « se. 0 0 0 en 00. 4129
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Florida of Boston (28. Marz 1833) +: 2 0 ee eo 0. AM
Der. Schwertfeger von Damascıu8 . 0 ve ne nn een + Ad
Der Scyeit am Sinai im Spätjaht 1830 x. ee. ie. « 447
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Die Tanne 1. 2. ⸗ — . + * . . . * 0 ’ ’ . * * + ‘ ’ 174
Die Zodten im Meere © » cn neu a One
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Die Magier (im Dom zu Cm) EEE Tr —
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Die Bilderbibel .
Landrinette. 1. 2. - EEE
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Ein Flüchtling
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Der ausgewanderte Dichter (Bruchſtücke eined unvollendeten
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Gelegentliches.
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Der Phönix (Zur Einleitung des jweiten SFabrgangd von ® "But
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Bannerfpruch Un E. Duller Zur Eineitung des dritten Jahr—
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VIII
Seite
Ueberſetzungen aus dem Franzöſiſchen.
Alfons de Sumartine.
Der Genius in der Berborgenheit An Zean RebouD . -» . . . 531
Jeun Reboul.
Antwort auf Lamartine's Gedicht: Der Genius in der UNO 334
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Alfred de Muſſet.
Lieder und Tragmente.
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Ballade an den Mond ee ee A De A
Marceline Desbordes - Dalmore.
Der Rufer an der Rhcne » -» + 7. a ER RS
Die Nachtwache des Nesrd TERN IT
Auguste Barbier.
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Ans dem Englifchen.
Sumuel Taylor Coleridge.
Der alte Matrofe (Ein Romanzencyfud) +» - 2 + 24387
Robert Southey.
Der Inchcap-Felſen
Die Stechyalme
Churles Lamb.
Die alten befannten Geſichter
John Keats.
Sonett Als er den Homer in Chapman's Ueberſetzung kennen lernte.)
Thomas Campbell.
Der legte Menich .
Roland der Held .
Felicia Hemans.
Das beilere Land - -. . 2.2.2.
Walter Scott,
Der Pilger .
Jock von Hazeldean
Pibroch of Donald Dhu
Nora's Gelübde
Donald Eaird iſt wieder da
Wiegenlied für den Sohn eines ERS Säuptüings
Das Madchen von Isla
Der Einfall (The Foray)
Das Mädchen von Xoro
Der Zroubadour
Thomas Moore,
This world is all a lleeting show
Fallen is thy Throne h
Who is the maid (St. ie Geliebte»
The bird, let loose . we
Sound the loud timbrel Ririam' 8 Bier. ge
Now le the warrior
Oh! soon return .
1 saw the moon rise clear
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Hark; the vesper hymn is stealing
Bei der Vorüberfahrt an der Todten-Inſel — s * in
der St. renz Bad ‚un hai
Bright be thy dreams
Row gently here .
When first that smile
Peace to the slumberers
See, the dawn from heaven
When through the Piazzetta
Take hence the bowl
Farewell, Theresa! . . .
How oft, when watching stars
When the first summer bee .
Light sounds the harp
The song of war
When ’midst the gay I meet
Will you come to the bower? .
Auf eine ſchöne Dftindierin .
Robert Burns.
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Moos-Thee.
1826.
Nonum prematur in annum.
Horaz.
Sechʒehn Jahr' — und wie ein greiſer
Alter ſitz' ich, matt und krank;
Sieh', da ſenden mir der Geiſer
Und der Hekla dieſen Trank.
Auf der Inſel, die von Schlacken
Harter Lava und von Eiſe
Starrt, und den beſchneiten Nacken
Zeigt des arkt'ſchen Poles Kreiſe;
Ueber unterird'ſchen Feuern,
In nordlichterhellten Nächten,
Bei den Glut- und Waſſerſpeiern
Wuchſen dieſe bittern Flechten.
4
Aus den dampfumroilten Kegeln,
Aus der Berge fehwarzem Tiegel,
Gleich blutrothen Sagenvögeln —
Flammenzungen ihre Flügel —
Sah'n fie feurig auf zum fehwarzen
Himmel mächt’ge Steine fprühen,
Und ein Meer von heißen Harzen
Durch das Schneegefilde ziehen.
Bon den Jökuln zu den Fiorden
Durch das Dan’fche Infelland,
Breit, ein riefger Dan’brogorden,
Schlangelt fih das Flammenband.
Wolfen, Rauch und Afche wallen,
Und am Strand die Nobben winfeln,
Und die rothen Steine fallen
Nieder auf entfernten Inſeln;
Die zerriff’nen Berge zittern,
Und das Eismeer ſchäumt und braut —
Dorten wuchfen diefe bittern
Flechten, wuchs dies herbe Kraut. —
[9]
Das die Franfe Bruft gefunde,
Und fich freue neuer Kraft,
Bier’ ich traumerifh dem Munde
Shren dunkelgrünen Saft.
Feuer zudt durch meine Nerven,
Bor mir liegt das wüfte Land;
Die weitoff'nen Krater werfen
Himmelan den flüf’gen Brand.
Kühner fühl’ ih mich und ftärfer
Bei dem Lodern diefer Glut,
Und die Wildheit der Berferfer
Tobt durch mein genefend Blut.
Lavafchein und Nordlicht rörhen
Mein Gefiht; die Pulſe Ichlagen
Schneller; Edda, laß mich treten
Bor die Helden deiner Sagen!
Ha! wenn diefer Snfel Pflanzen
Mir den Lebensbeher reichen,
Mög’ ich dann in meinem ganzen
Leben diefer Inſel gleichen !
Feuer lod’re, Feuer zude
Durch mich hin mit wilden Kochen,
Selbft der Schnee, in deſſen Schmude
Einſt mein Haupt prangt, fey durchbrochen
Bon der Flamme, die von innen
Mich verzehrt; — wie roth und heiß
Hekla Steine von den Zinnen
Wirft nach der Faarder Eis;
Sp aus meinem Haupt, ihr Kerzen
Wilder Lieder, fprüh’n und wallen
Sollt ihr, und in fernen Herzen
Siedend, zifchend niederfallen!
Heiligenfchrein,
Vögel und Wandersmann.
Frühling 1829.
Hart am Pfad, in einer Blende,
Steht die Mutter mit dem Kinde;
Frommer Pilgerinnen Hande
Haben Schrein und Holzgelände
Schön bekränzt mit Laubgewinde.
Und ein Strauch der wilden Nofe,
Leif? bewegt vom lauen Winde,
Woͤlbt fih flüfternd, mit Gekoſe,
Drüber, eine fchmerzenlofe
Dornenfron’ dem heil’gen Kinde.
Sieh’! zwei Vöglein flieh’n, erfchroden
Flatternd, aus dem Bufch gefchwinde;
Tragen in den Schnäbeln Floden,
Bauten fih ein Neftchen troden,
Bei der Mutter und dem Kinde.
8
Bleibt doch! ihr mit gelben Brüften!
immer pidt des Zweiges Ninde!
Sorglos mag das Vöglein niften,
Wo fich glaubig fromme Chriften
Beugen vor dem holden Kinde.
Diefe Nofe wuchs aus Zahren;
Hier find gottgeweihte Gründe!
Bei der höchften Xieb’ Altaren
Wird die Wöglein Keiner ftören!
Kommt zurüd doch von der Linde!
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Wetterleuchten in der Pfingitnacht.
1831.
Wiu Er in lichten Flammenbränden
Bon Seiner Himmelsburg herab
Aufs Neue feinen Geift uns fenden,
Wie Er ihn Ehrifti Jüngern gab?
Woher die Glut, die flücht’ge, grelle,
Die jener Wolfe Schwarz umfliegt,
ie fih ein Mantel, weiß und belle,
Um eines Mohren Glieder fchmiegt? —
Das find des Himmels off’ne Thüren;
Das ift die Glut, die ihm entquillt!
Sein Leuchten will die Erde zieren,
Wie Glorienglanz ein Heil’genbild.
- Die Thäler all’, der Berge Spißen
Will heut’ des Geiftes Flammenfpur,
Die ganze Welt will fie umbligen,
Wie einft das Haupt der Zwölfe nur!
10
Denn morgen foll die heil’ge Feier
Des ausgegof’nen Geiftes fein!
Und dazu weiht der hehre Weiher
Die Welt mit feinen Flammen ein.
Wie jener Wetter falbe Kerzen
Am Horizonte lodernd fprüh’n,
So foll in allen Chriftenherzen
Ein heilig Geiftesfener glüh’n.
11
Die Ampbitrite.
Mai 1832.
Siehſt du vor Anker dort
Die Amphitrite liegen?
Feſtlich erglänzt der Bord,
Die rothen Wimpel fliegen.
Es bangen aufgehißt
Die Segel an den Stangen;
Der graue Meergott Füßt
Schäumend der Gattin Wangen.
Sie ift zurüdgefehrt
Aus fernen Morgenlanden,
. Hat fih im Sturm bewährt
Und Linienglut beftanden.
Der Schiffer ſteht am Maft,
Die Lenden roth umgürtet:
Er weiß nicht, welchen Gaft
Sein räumig Schiff bewirthet.
12
Das ift der junge Mai,
Der füdliche Geſelle;
Den trug das VPrachigebau
Durch die tiefblaue Welle.
Er lag in India
Am and des fchattigen, dichten
Banianenhains, und fah
Das Schiff die Anker lichten.
Da fprang er auf vom Sand,
Zu fehnüren die Sandale,
Zu ordnen das Gewand,
Und die reichen, weichen Shawle.
Da flog er hin an's Meer,
Und warf fich in dag graue,
Und raftete nicht eh’r,
Bis an des Schiffes Taue.
Mit leichten Füßen, Fed,
Vom Schiffsvolk ungefeben,
Schwang er ſich auf das Deck,
Und ließ den Landwind wehen.
Und nun die Brigg allhier
Sm Hafen angefommen,
‘ft er mit bunter Zier
Sofort an's Rand gefchwommen.
Es flattern vor ihm ber
Die Störche ala Propheten;
Ein Zaub’rer, ein Jongleur
Hat er den Strand betreten.
Nackte Baume macht er grün,
Und blumig Eahle Stätten ;
Bunte Tulpen läßt er blüh’n,
Hyacinthen und Tazetten.
Die Erde wunderbar
Schmüdt er mit farbigem Schimmer.
Danf, rüftiger Laskar!
Willkommen, lodiger Schwimmer! —
Siehſt du vor Anfer dort
Die Amphitrite liegen ?
Feftlich erglänzt der Bord,
Die rothen Wimpel fliegen.
Die Auswanderer.
Sommer 1832.
Ich kann den Blick nicht von euch wenden;
Ich muß euch anſchau'n immerdar;
Wie reicht ihr mit geſchäft'gen Händen
Dem Schiffer eure Habe dar!
Ihr Männer, die ihr von dem Nacken
Die Körbe langt, mit Brod beſchwert,
Das ihr, aus deutſchem Korn gebaden,
Geröftet habt auf deutfchem Herd;
Und ihr, im Schmud der langen Zöpfe,
Ihr Schwarzwaldmadcen, braun und fchlanf,
ie forgfam ftellt ihr Krüg’ und Töpfe
Auf der Schaluppe grüne Bank!
Das find diefelben Töpf' und Krüge,
Dft an der Heimath Born gefüllt;
Wenn am Miffouri Alles fehwiege,
Sie malten euch der Heimath Bild.
15
Des Dorfes fteingefaste Quelle,
Zu der ihr ſchoͤpfend euch gebüdt;
Des Herdes traute Feuerftelle,
Das Wandgefims, das fie gefhmüdt.
Bald zieren fie im fernen Werften
- Des leichten Bretterhaufes Wand;
Bald reicht fie müden braunen Gäften,
Bol friihen Trunfes, eure Hand.
Es trinft daraus der Ticherofefe,
Ermattet, von der Jagd beftaubt;
Nicht mehr von deutfcher Nebenlefe
Tragt ihr fie heim, mit Grün belaubt.
O fpreht! warum zogt ihr von dannen?
Das Nedarthal hat Wein und Korn;
Der Schwarzwald fteht voll finftrer Tannen,
Im Speflart Elingt des Xelplers Horn.
Wie wird es in den fremden Wäldern
Euch nad der Heimathberge Grün,
Nach Deutichlands gelben Weizenfeldern,
Nach feinen Nebenhügeln zieh'n!
16
Wie wird das Bild der alten Tage
Durch eure Traume glänzend weh’n!
Gleich einer ftillen, frommen Sage
Wird es euch vor der Seele fteh’n.
Der Bootsmann winkt! — Sieht hin in Frieden!
Gott ſchütz' euch, Mann und Weib und Greig!
Sei Freude eurer Bruft befchieden,
Und euren Feldern Neis und Mais!
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17
Der Schlittfchub:laufende Neger.
Januar 1833. |
Du, von Geftalt athletiſch,
Der oft am Gambia
Den wunderlihen Fetiſch
Bon Golde blißen ſah;
Dft unter dem Aequator
Des Panthers Blut vergoß,
Und nah dem Alligator
Mit gift’gem Pfeile ſchoß;
Dort, wo auf Pallaftpforten
Gebleichte Schädel fteh’n,
An jenen fremden Orten
Mag ich dich gerne ſeh'n.
Wo aus geborfinen Bäumen
Das gelbe Gummi quillt,
Steht du in meinen Traumen,
Ein ernftes, ſchwarzes Bild;
R Hreiligrath, Gedichte.
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18
Ein Water und ein Hüter,
Mit Perl’ und Gold geziert,
Der mittäglichen Güter,
Die da dein Land gebiert.
Dort feh? ich gern dich treiben
Das Nashorn in die Flucht;
Doch fremd wirft du mir bleiben
Auf diefer nord’fchen Bucht.
Was fliegft du auf dem Eife
Und jprichit der Kalte Hohn,
D du, der Wendekreife,
Des Südens heißer Sohn?
Du, der, bis an den Nabel
Entblößt, zu Roſſe fprang,
Und in die Kettengabel
Den Hals des Sflaven zwang?
Aus diefem bunten Schwarme,
Im rauhen Pelzgewand,
Ragſt du, verfchranft die Arme,
Gleichwie ein Nefromant,
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19
Der mit geweihtem Ninge
Der Geifter Troß befiegt,
Und auf des Greifen Schwinge
Durd die Sahara fliegt.
O fegle, wenn im Lenze
Kein Eis dein Schiff mehr halt,
ach deines Landes Grenze,
Zieh’ heim in dein Gezelt!
Golditaub auf deine Locke
Streut dort das Land Dar Fur;
Hier Ihmüdt fie Neif und Flode
Mit Silberftaube nur!
20
Meerfabel.
5. Mai 1833.
Evbbetrocken auf dem Strande
Lag die unbeholf'ne Kof;
Schwärzlich hing am Maſt das Zugnetz,
Das vom letzten Fange trof.
Taſtend prüfte ſeine Maſchen
Ein barfüßiger Geſell;
Fiſche dorrten in der Sonne
An dem hölzernen Geſtell.
Heiß und durftig fah die Düne
Auf das Meer, ein Tantalus;
Pie ein großer Silberhalbmond
Blitzte der Oceanus.
Jede Welle, gran und ſalzig,
Die fich an dem Ufer brach,
ie zum Gruße mit dem Haupte
ſtickte brandend fie, und ſprach:
21
„Am Geftade raufch’ ich gerne,
Lecke gern den harten Sand;
Bunte Mufheln, Meeresiterne
Schleud’re gern ich an das Land.
Gerne feh’ ich Heid’ und Ginfter
Wucern um die Dünen ber.
Hier vergeſſ' ich, wie fo finfter
Draußen ift das hohe Meer,
Das die Falten Stürme peitfchen,
Wo der Normann Fifche fängt,
Wo das Eismeer mit des deutfchen
Meer: Gewällern ſich vermengt.
Keine Tonn’ und feine Bafe
Schwimmt und flammt dort auf der See,
Und allnächtlich fteigt der Krake
Aus den Tiefen in die Höh'.
Eine Inſel, ftarr von Schuppen,
Rudert dort das Ungetbüm.
Aengftlih flüchten die Schaluppen,
Und der Fiicher greift zum Riem.
Aehnlich einer großen ſchwarzen
Fläche liegt er, Eampfbereit,
Und fein Rüden ift mit Warzen,
Wie mit Hügeln überftreut.
Ruhig ſchwimmt er — doch nicht lange! —
Auf dem Haupte grünes Moog,
Zifhend zudt die Meeresichlange,
Die gewalt’ge, auf ihn log.
Henn fie blutend fich umflaftern,
Wenn die rothen Kamme weh’n,
Kann man feinen fabelhaftern
Anblick auf dem Meere feh’n,
Einfam, ſchauerlich und finfter
Iſt das ferne, hohe Meer!
Gerne feh’ ich Heid’ und Ginfter
Wuchern um die Dünen her.“
Die Griecbin auf der Meſſe.
1833.
Vor deinem Zelte laß mich ſteh'n,
O Maͤdchen von der Inſel Zante!
Des Deutſchen Stirne laß umweh'n
Die Wohlgerüche der Levante!
In deine Gläſer ſind gebannt
Die Düfte von des Oſtens Lenzen;
Du bieteſt feil am Nordſeeſtrand
Natoliens Salben und Eſſenzen:
Des Roſenholzes flüchtig Oel,
Den edlen Weihrauch, runden Kornes;
Von Bagdad trug ſie das Kameel
Zum Maſtenwald des gold'nen Hornes.
Auf fernen Märkten haſt du ſie
Erhandelt von des Südens Horden,
Zu Stambul und Gaͤllipoli,
Und jest verkaufſt du fie im Norden.
24
Es funfelt dein beweglich Haus
Im Glanze der Eryftall’nen Becken;
Bunt, wie der Federfchmud des Pfau’s,
Glüh'n auf den Tifchen fremde Deden;
Und hinter ihnen wandelft du —
Heil widerfahre diefer Schwelle! —
Schlank, wie am Flufe Karaſu
Des Taurus weidende Gazelle.
Dein Turban blau, und fhwarz dein Haar;
Auf deiner Stirne ruhig Sinnen,
Siehft du im Geifte den Bazar
Smyrna’s und feine Käuferinnen?
O, traume fort! vorübergeh’n
Der Seele laß dein Zieh'n und Neifen!
Frag’ nicht, was mein Begehr; — dich feh’n
Kur will ich, und dein Kacheln preifen.
Vor einem Gemälde,
deſſen frifhe Farben mir beim nahen Betradten mein
Dild zurückwarfen.
1834.
Diefe Fluthen find das indiſche Meer,
Diefe Inſeln die Sechellen.
Bom Sturme gefchleudert hin und her,
Thürmen hoch fih Wellen auf Wellen.
Das Schiff ergibt feinem Looſe jich,
Seine Trümmer nur ſeh'n Madagasfar;
In's Boot wirft der weiße Matrofe fich,
Und der fchlanfe, farbige Laskar.
Der Bliß durchfchlängelt die fchwarze Luft,
Die Wolfen triefen von Negen,
Und ein finft'res Antlig, verfchleiert von Duft,
Schaut aus dem Gewölf mir entgegen.
Seine Augen glüh’n auf die fprißenden
Gewäſſer herab, wie zweier
Durch Nebel und Strudel blißenden
Leuchtthürme zitterndes Feuer.
26
Es fcheint eines zürnenden Geiftes Haupt;
Des Geiftes, der dem Drfane
Befiehlt, der dem Schiff feine Maften raubt,
Und in Stüde zerreißt feine Fahne,
Er fahrt auf dem Sturme — das rollende
Gewölk ift fein dDampfender Wagen;
Das Weltmeer laßt er die grollende
Windsbraut mit den Fittigen fchlagen. —
Das Haupt bin ich felbft! aus den Wolfen hervor
Zürn' ich felbft, ein riefiger Schatten!
Die Matrofen fchauen zitternd empor;
Mein Hauch zertrümmert Fregatten.
Umfonft das Fleh’n der Ertrinfenden!
Was dem Damon das Winfeln des Wurmes?
Meine Wellen über die Sinfenden!
Sch bin der Gebieter des Sturmes!
Sandlieder.
1835.
Ich meine nicht den Wüftenfand,
Den. Tummelplaß des wilden Hirfchen ;
Die Körner mein’ ih, die am Strand
Des Meeres unter mir erfnirfchen.
Denn jener ift ein weh’nder Fluch,
Der Wüfte raftlos irrende Seele.
Er legt, ein brennend Leichentuch,
Sich über Reiter und Kameele.
Der Sand des Meers ift Eühl und frifch,
Und feucht von Furchen und von Gleifen,
Ein allezeit gededter Tifch,
Auf dem die Möven Fiſche fpeifen.
28
2.
Vom Meere fahrt heran der Wind;
Die Körner weh'n, Meergrafer fchwanfen.
Auf flüht’gem Meeresfande find
Unſtät und flüchtig die Gedanken.
Wie diefer Sand vor Wind und Fluth
Sich jagt in wirbelnden Geftalten,
Sp fährt und fehweift mein irrer Muth
Und Feine Stätte kann ihn halten.
3.
O, welch’ ein wunderbarer Grund!
Sch kann fein Treiben nicht verftehen:
Er laffet Schiffe ſcheitern, und
Er läſſet fie vor Anfer gehen.
Dem Naben ift er ewig frifch,
Und dürr des Seegewürmes Zungen;
Verſchmachten läffer er den Fiſch,
Und akt die Möv' und ihre Jungen.
29
Auch hab’ ich einen Mann gefeh’n,
Der wandt’ ihm fatt und Ealt den Nüden;
Sch aber blieb im Sande jteh’n,
Und baute Schiffe mir und Brüden.
Der Dünen fhwach begraster Wall
Behindert landwärts meine Blide.
Sleichviel! rundfpahend auf dem Schwall
Der Waſſer, ſchau' ich nicht zurüde.
Sch weiß nicht, daß noch Land beiteht,
Die Wellen bier fprüh’n Schaum und Funfen!
Doch Berg und Wald und Wiefe — geht!
Das Alles ift im Meer verfunfen.
Nur diefer fchmale, gelbe Streif
Iſt übrig von der Welt geblieben.
Drauf irr' ich, wie ohn' Stab und Reif
Ein König, welchen man vertrieben.
30
Ich kann es nicht begreifen, daß
Sch einft durch Wälder bin gefchritten,
Daß ich auf Bergesgipfeln faß,
Und über Heiden bin geritten.
Sie ruh’n im Meer; — im Meere ruht
Meine Lieb’, mein Hoffen und mein Sehnen;
Und wie heran jeßt ſchießt die Fluth,
Sp fchießen mir in’d Auge Thranen.
5.
Gleich' ich dem Strome, welcher, tief
In einem Waldgebirg entſprungen,
Durch Länder und durch Reiche lief,
Und bis zum Meere vorgedrungen? —
O, thät' ich's! — Mann geworden jetzt,
Begrüßt den Braus des Meers der ſeine,
Und doch in ew'ger Jugend netzt
Sein Quell die Wurzeln heil'ger Haine.
Ob meinem Haupte zieh'n
Drei Möven, fchwer und trag.
Sch ſchaue nicht empor,
Doch kenn' ich ihren Wen.
Denn auf den Körnern, die
Sm Sonnenfcheine glüh’n,
Fließt flügelausgefpannt
Ihr Ihwarzer Schatten hin.
Und eine Feder fällt
Herab, daß diefen Tag
Sch Sand und Mövenflug
Damit befchreiben mag.
32
Einem Ziebenden.
1835.
Die See geht hoch; tritt deine Wallfahrt an!
Laß von den Raa'n
Die Segel fallen, laß die Wimpel weh’n!
Am Ufer fteh’n
Und meerwärts winfen will ich mit dem Hurt,
Bis aus den Augen dich mir tragt die Fluth.
Du fteheft finnend auf des Schiffes Stern!
Bald fenfft du fern
Sn fremden Kiesfand deines Anfers Wucht:
Sei's! — Feine Bucht,
Kein Meereseiland, Feine Küftenftatt,
Sp nicht für dich ein freundlich Grüßen hat.
Heil, wer, wie du, das weite Meer befährt!
Du haft gehört
Bon den Entdedern, die da ohne Furcht
Die See durchfurct,
Und deren Züge, Freuzend her und hin,
Ein geiftig Netz um das Gewäſſer zieh’n.
33
Du haft gehört von wüften Inſeln auch,
Alwo, das Aug’
Auf's Meer geheftet ftarr und unverwandt,
Sn fehn’ger Hand
Die hagre Wange, der Berfchlag’ne fißt,
Indeß die Welle feinen Fuß befprißt.
Das find die Helden deiner Knabenzeit; —
Die Einfamfeit
Des Tannenwalds durchzogen fie mit dir,
Bafallen fchier.
Du führteft fie, fchweißtriefend und beftaubr,
Ein dreisehnjahrig Abenteurerhaupt.
Aus Buſch und Wolfe traten jie hervor:
Du fprangit empor
Vom moofgen Stamm; da fauf’ten fie vorbei,
Ernft mit dem Blei
Die Tiefe meſſend, Flaggen ſchüttelnd; — du
Riefſt ihnen Grüße durch das Sprachrohr zu.
Kreiligrath, Gedichte 3
8
4
*
*
34
Jetzt wird dir Alles wie ein Traum erfüllt,
Auf's Neue quillt
Und fprudelt dir der alten Wunder Born;
Ein reiches Horn
Bon Abenteuern gießt mit üpp’gem Guß
Bor deine Füße feinen Ueberfluß.
Und Eins noch weiß ich, was dag wüfte Meer
Dir werth und hehr
Und herrlich macht. O, rede: weht nicht auch
Der Dichtung Hauch
Auf diefen Waſſern? fehimmern glüh’nd und friich
Nicht Liederfronen auf der Fluth Geziſch?
Was nenn’ ich dir Jedweden von der Zeit
Homers bis heut’,
Der da ein Blatt in diefe Kränze wob?
Du fennft ihr Lob,
Aus jeder Welle, die am Schiff fich bricht,
Erfteht ein Held dir, Flingt dir ein Gedicht.
Auch deutfhe Lieder! — Die auf fchatt’ger Stell’
Sm Wald, am Quell
Und Strom erwuchs, die deutfche Poeite,
Sie weilt’ auch hie!
Sie fah die Waller, Noah’3 Taube gleich,
Und fehrte heim mit manchem grünen Zweig.
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Stand Lenau nicht noch jüngit an einem Steu’r,
Und fah den Schlei'r
Die Meerfrau’n lüften? aus der Tiefe drang
Gruß und Geſang. —
Und ſchwamm nicht in des Nurifs Wellenwieg’,
Der auf den Fels Salas y Gomez ſtieg? —
Die See geht hoch; tritt deine Wallfahrt an!
Laß von den Raa'n
- Die Segel fallen, laß die Wimpel weh'n!
Am Ufer fteh’n
Will ih! — Leb’ wohl! — wie ferne fchon, wie fern! —
- Du fteheft finnend auf des Echiffes Stern.
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„Wär' ich im Bann von Mekka's Thoren.‘
1836.
Kir ih im Dann von Mekka's Thoren,
War’ ich auf Yemen's glüh'ndem Sand,
War’ ich am Sinai geboren,
Dann führt’ ein Schwert wohl diefe Hand;
Dann zöoͤg' ich wohl mit flüchl’gen Pferden
Durch Jethro's flammendes Gebiet;
Dann bielt ich wohl mit meinen Heerden
Raſt bei dem Buche, der geglüht;
Dann Abends wohl vor meinem Stamme,
In eines Zeltes luft'gem Haug,
Strömt ich der Dichtung inn’re Flamme
Sn lodernden Gefängen aus;
Dann wohl an meinen Lippen hinge
Ein ganzes Volf, ein ganzes Land;
Gleichwie mit Salomonig Ninge
Herrfcht’ ih, ein Zauberer, im Sand.
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37
Nomaden ſind ja meine Hörer,
Zu deren Geiſt die Wildniß ſpricht;
Die vor dem Samum, dem Zerſtörer,
Sich werfen auf das Angeſicht.
Die allzeit auf den Roſſen hängen,
Abſitzend nur am Wüſtenbronn:
Die mit verhängten Zügeln ſprengen
Von Aden bis zum Libanon;
Die Nachts, als nimmermüde Späber,
Bei ihrem Vieh ruh'n auf der Trift,
Und, wie vor Zeiten die Chaldaer,
Anſchau'n des Himmels gold’ne Schrift;
Die oft ein Murmeln noch vernehmen
Bon Sina’ glutgeborftnen Höh’n:
Die oft des Wüſtengeiſtes Schemen
In Säulen Rauches wandeln feh’n;
Die durch den Riß oft des Gefteines
Erfhau’n das Flammen feiner Stirn —
Ha, Männer, denen glüh’nd, wie meines,
Sn beißen Schädeln brennt das Hirn.
38
D Land der Zelte, der Gefchofle!
O Volk der Wüfte, Fühn und fchlicht!
Beduin, du felbft auf deinem Noffe
Bift ein phantaftifches Gedicht! —
Sch irr' auf mitternächt’ger Küfte;
Der Norden, ach! iſt Falt und Elng.
Ich wollt’, ich fang’ im Sand der Wüfte,
Gelehnt an eines Hengftes Bug.
Zeben des Negers.
1836.
Ein hölzern Bein, zwei Krüden,
Du armer, fchwarzer Mann,
Bon Hanfgarn Netze ſtricken,
Und feil fie bieten dann:
Das ift dein Loos! — Im Sande
Führt deine Heimath Gold,
Und, ach! im fremden Lande
Erflehſt du Kupferfold.
Beim Himmel! von dem Knaben,
Der Fed auf Straußen ritr,
Zum Greife, der, daß Gaben
Er ford’re, vor mid tritt;
40
Vom Netz, durch welches Floffen
Des Nigers der erblidt,
Zum Neke, das, zerfchoffen,
Der Snvalide ſtrickt: —
Beim Himmel! mitten inne
Neich mag das Leben fein!
Du Krauskopf, nicht entrinne!
Sei Saft mir, tritt herein!
Dein Garn mir und dein Reden!
Mein Wein hier ift für dich!
Von Sand: und Waſſeroͤden,
Bon See: und Kandfchlacht Tprich !
Da! — Palmenwälder dunfeln;
Hyän' und Löwe drau’n;
Auf Königshauptern funfeln
Gold, Perl’ und Edelftein!
Aus unerforfchten Quellen
Rauſcht ftolz der Niger her;
Mit hunderttaufend Wellen
Brauft auf das heil’ge Meer.
41
Die Peitihe tönt, die Feilel:
Noch einmal ſchau zurüd!
O brodemvoller Keifel!
DO Raum der Sflavenbrid!
Kohrfelder! Hütt' an Hütte!
Gedräng am Mühlenthor!
Es fallt mit Eraft’gem Schnitte
Der Mohr das Zuderrohr!
Wer den Plantagenhauer
Mit Macht zu führen weiß,
Der tft auch wohl fein Schauer
In rüſt'ger Fechter Kreis!
An Bord! Die Wimpel fliegen!
Vom Mars hernieder fpah’!
Jetzt gilt es, zu befriegen
Den Feind auf off’ner See!
Hut, wie das Segel reffen,
Hut, wie das entern Fann!
O grauſenvolles Treffen!
O Ringen Mann an Mann!
Zufchaut mit off'nem Nachen
Der Hai, der ihre Gruft!
Ein Blitzen und ein Krachen!
Sie fliegen in die Luft! —
O Thor! auf blut'ger Tonne
Zu ſchwimmen in's Spital!
Nun hinkt, daß er ſich ſonne,
Der Greis um's Arſenal;
Von Allem losgeriſſen,
Wofür ſein Herze ſchlug!
Verkümmern ſo zu müſſen,
Es iſt ein harter Fluch!
Da ſteht er, alte Wunder
Im Haupt! — Daß Gott erbarm:
Mit ſeinem Alltagsplunder
Umſchnattert dich der Schwarm;
Geht kühl an dir vorüber!
Was Nil und Niger hier?
Und innen brennt's, wie Fieber,
Und zuckt's, wie Wahnſinn, dir!
43
Die Hand gib, alter Krieger!
Was gilts, wir dulden gleich.
Stoß an! Cap Verd! der Niger!
Und — mein Gedankenreich!
AA
Nebel.
1836.
Der Nebel fenft ſich düfter auf das Land,
Und düfter ſchreit' ich an der Seebucht Strand
Durch das Gefild, das winterliche, Eahle,
Sieh’, auf dem glatten Waſſerſpiegel ruht
Die untergeh’nde Sonne, roth wie Blut; —
Sp lag das Haupt des Täufers in der Schale!
Und diefes Haupt ift Alles, was Ich feh’;
Sonft Nebel nur, und eine Hand breit See!
Verborgen fteh? ich da vor allem Volke.
Kein Auge, das durch diefen Schleier blidt!
Mir ift, als hatte mich der Herr entrüdt
Der Welt in einer finftern Wolfe!
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In einer Wolfe, fchwerer Wetter voll!
Mir ift, als zürn’ in ihr, wie das Geroll
Des Donners, meines Liedes Dräu'n; — als fahre,
Wie niederfährr der Bliß aus dunfler Luft,
Sp mein Gedanfe zudend durch den Duft,
Daß zündend er fich draußen offenbare!
D, laßt ihn brechen durch den grauen Flor!
O, Ichreibt dem glüh’nden Feine Wege vor!
Er ift ein Bliß! wohlan, fo laßt ihn blißen! —
Der Nebel fenft fich düfter auf das Land;
Sch aber will auf diefer Dün’ am Strand,
Aus einer Wolfe zu euch redend, fißen!
Roland.
Juli 1839.
Es war im Holz; — wir ſchritten durch die Gründe,
Wo ſich verbirgt die angeſchoſſ'ne Hinde;
Wo nur durch Blatter miederblitzt dag Licht;
Wo mit dem Horne ſich das Beil beſpricht.
Rings tiefe Stille; nur die wilde Taube
Hebt an ihr Girren über ung im Laube;
Die Quelle nur bricht murmelnd durch's Gebüfch,
Die alten Baume nur weh'n traumerifch.
Die Buche Elagt, es flüftert lei die Efche;
Fernab das Pochen einer Eifenwäfche;
Dazu mein Stab, der rauh den Feld berührt —
Das ift die Sprache, die der Bergwald führt,
Sch horcht’ auf fie mit innerlichem Schauer;
In meine Waldluft ftahl fich füße Trauer;
Es ſchlug der Fels, es fehlugen Eich’ und Tann’
Die tiefften Saiten meiner Seele an.
47
Ich dacht' an Roland und die Pyrenäen; —
O, wär' auch ich zu ſolchem Loos erſehen:
Ein kämpfend Leben, Saracenenflucht,
Und das Signalhorn in der Todesſchlucht!
Der Kampf iſt da: — keck ſteh' ich bei der Fahne;
Gezuͤckt ſeit Jahren ſchimmert Durindane;
Es draͤngt der Feind mein Lager ſpät und früh;
Mein Hüfthorn ſchlummert: meine Poeſie!
Es träumt und ſchlummert ernſt an meiner Seite;
Es ruht und ſinnt, indeß ich ſelber ſtreite.
Wild nur zu Zeiten, mit gebroch'nem Stoß
Den Kampf belebend, birſt ſein Schmettern los.
All meine Lieder — nichts, traun, als Fanfaren,
f Mich zu ermuth’gen und mich frifch zu wahren;
Blutrünft’ge Klänge, raube Melodien,
Die beim Verfchnaufen meiner Brujt entflieh’n!
Wie dürft’ ein Krieger Andres auch erfinnen? —
Die Hand an's Schwert, willft du die Schlacht gewinnen!
In deine Waffen athme deinen Zorn,
Am Gürtel feiern laß dein Silberhorn!
A8
Wer ſchon gefiegt, der fehmett’re Siegesweiſen: —
Du, we? den Schall des Eiſens auf dem Eifen!
Fanfaren? — Ser’! — Ein fe und kurz Signal
Sei dir vergönnt zu fehleudern durch das Thal!
Allein erft dann ein voll und mächtig Tönen,
Wenn du erlegt den wilden Saracenen;
Wenn du den Stolzen, fammt des Panzers Laft,
Hin auf den Boden nun gerungen haft!
In einer Schlucht, wie Nonceval und Ddiefe,
Zu deinen Füßen todt dann liegt der Niefe;
Allein du felbft auch bift zum Tode wund —
O dann dein Horn, dein Hüfthorn an den Mund!
Bei deines Blutes maligem VBerftrömen
Ein legter Ruf an Karl, den großen Dehmen!
Ein geller Schrei, der. Alles, Alles ſagt,
Was du gewollt, gerungen und gewagt!
Der es verhaucht in rafchen Athemzügen,
Was im Gefechte männlich du verfchwiegen!
Ein leßtes Beichten und ein letztes Dräu'n —
Die Signatur zu deinem ganzen Sein!
Ha, welch’ ein Dröhnen! — Nings die Felſen Elingen;
An deinem Hals die blauen Adern fpringen;
Thalein vernimmt es jeder Streitgenoß,
Bernimmt e3 zitternd, wendet kurz fein Roß.
Der Kaifer naht, e3 nah'n die Paladine —
f O Gott, dein Blut entriefelt jeder Schiene!
1 Sie ſteh'n im Kreife ftill um dich herum;
Dein Auge bricht — dein Silberhorn ift ftumm!
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Ein dumpfes Neden drauf durchrollt die Wiefe:
„Des Lebens Drang es ift ein grimmer Niefe!
Dem Ernten Ehre, der ihn treu beftand!
Legt ihn in’ Grab, fein Hüfthorn in der Hand!“
Ha, foldy’ ein Loos! — Aufſchauert leis die Eiche;
Fernab das Pochen einer Eiſenwäſche;
Vorüuͤber jagt Gewitterwolkenflucht,
Und ſchwarz und ſchwärzer wird die Felſenſchlucht.
Freeiligrath, Gedicte. 4
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Der Mobhrenfürit.
1.
Sein Heer durchwogte das Palmenthal.
Er wand um die Loden den Purpurfhanl;
Er hing um die Schultern die Lowenhaut;
Kriegeriſch klirrte der Becken Laut.
Wie Termiten wogte der wilde Schwarm.
Den goldumreiften, den ſchwarzen Arm
Schlang er um die Geliebte feſt:
„Schmücke dich, Mädchen, zum Siegesfeſt!
Sieh’, glänzende Perlen bring’ ich dir dar!
Sie fliht durch dein Fraufes, fchwarzes Haar!
Wo Perſia's Meerflurh Korallen umziſcht,
Da haben fie triefende Taucher gefiicht.
54
Sieh', Federn vom Strauße! laß ſie dich ſchmücken!
Weiß auf dein Antlitz, das dunkle, nicken!
Schmücke das Zelt! bereite das Mahl!
Fülle, befranze den Siegespofal!“
Aus dem fehimmernden, weißen Selte hervor
Tritt der fchlachtgerüftete, fürftlihe Mohr;
So tritt aus fhimmernder Wolfen Thor
Der Mond, der verfinfterte, Dunkle, hervor.
Da grüßt ihn jubelnd der Seinen Ruf,
Da grüßt ihn ftampfend der Roſſe Huf.
Ihm rollt der Neger treues Blut,
Und des Nigers räathfelhafte Fluch.
„Sp führ’ ung zum Stege, fo führ ung zur Schlacht!“
Sie ftritten vom Morgen bis tief in die Nacht.
Des Elephanten gehöhlter Zahn *
Feuerte fchmetternd die Kämpfer an,
Es fleucht der Leu, es flieh’n die Schlangen
Bor dem Raſſeln der Trommel, mit Schadeln behangen.
Hoch wehr die Fahne, verfündend Tod;
Das Gelb der Wüfte färbt fih roth. —
* Die Trompete der Neger.
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55
So tobt der Kampf im Palmenthal!
Sie aber bereitet daheim dag Mahl;
Sie füllt den Becher mit Palmenfaft,
Umwinder mit Blumen der Zeltitäbe Schaft.
Mit Perlen, die Perſia's Fluth gebar,
Durchflicht fie. das Fraufe, fchwarze Haar,
Schmüdt die Stirne mit wallenden Federn, und
Den Hals und die Arme mit Mufcheln bunt.
Sie feßt fi vor des Geliebten Zelt;
Sie laufcht, wie ferne das Kriegshorn gellt.
Der Mittag brennt und die Sonne ftidht;
Die Kränze welfen, fie achtet’s nicht.
Die Sonne finft, und der Abend fiegt;
Der Nachtthau raufcht, und der Glühwurm fliegt.
Aus dem lauen Strom blidt das Krofodill,
Als ob e3 der Kühle genießen will.
E3 regt fich der Leu und brüllt nach Raub,
Slephantenrudel durcraufchen dag Laub.
Die Giraffe fucht des Lagers Ruh),
Augen und Blumen fchließen fich zu.
Ihr Bufen fhwillt vor Angft empor;
Da naht ein flüchtiger, blutender Mohr.
„DBerloren die Hoffnung! verloren die Schlacht!
Dein Buhle gefangen, gen Werten gebracht!
An's Meer! den blanfen Menfchen verkauft!“
Da ftürzt fie zur Erde, das Haar zerrauft,
Die Perlen zerdrüdt fie mit zitternder Hand,
Birgt die glühende Wange im glühenden Sand.
Auf der Meſſe, da zieht es, da ſtürmt e3 hinan
Zum Circus, zum glatten, geebneten Plan.
Es fchmettern Trompeten, das Beden Klingt,
Dumpf wirbelt die Trommel, Bajazzo Tpringt.
Herbei, herbei! — das tobt und drangt;
Die Neiter fliegen; die Bahn durchfprengt
Der Türfenrapp’ und der Brittenfuchs;
Die Weiber zeigen den üppigen Wuchs.
97
Und an der Reitbahn verfchleiertem Thor
Steht ernft ein Frausgelodter Mohr;
Die türfifhe Trommel fchlägt er, laut,
Auf der Trommel liegt eine Zöwenhaut.
Er fieht nicht der Neiter zierlihen Schwung,
Er fieht nicht der Noffe gewagten Sprung.
Mit ftarrem, trod’nem Auge fchaut
Der Mohr auf die zottige Löwenhaut.
Er denft an den fernen, fernen Niger,
Und daß er gejagt den Löwen, den Tiger;
Und daß er geihwungen im Kampfe das Schwert,
Und daß er nimmer zum Lager gefehrt;
Und das Sie Blumen für ihn gepflüdt,
Und daß Sie das Haar mit Perlen geſchmückt —
Sein Auge ward nad; mit dumpfem Klang
Schlug er das Fell,’ daß es raflelnd zeriprang.
Schwalbenmährchen.
Auf dem ſtillen, ſchwülen Pfuhle
Tanzt die dünne Waſſerſpinn';
Unten auf kryſtall'nem Stuhle
Thront die Unkenkönigin.
Von den edelſten Metallen
Hält ein Reif ihr Haupt umzogen,
Und wie Silberglocken ſchallen
Unkenſtimmen durch die Wogen.
Denn der Lenz erſchien; die Schollen
Sind zerfloſſen; Blüthen zittern;
Dumpfe Frühlingsdonner rollen
Durch die Luft, ſchwarz'von Gewittern.
Wafferlilienfelche fließen
Auf des Teiches dunfelm Spiegel,
Und die erften Schwalben fchteßen
Drüber hin mit fchnellem Flügel.
539
Aus den zarten Schnäbeln leiſe
Tönt Gezwitfcher in die Wellen:
„Viele Grüße von der Reife
Haben wir dir zu bejtellen.
Lange waren wir in fremden
Sandbededten beißen Ländern,
Wo in weiten Kaftanhemden
Träge Turbanträger fchlendern. -
Purpurfarb’ne Wunderpflanzen
Dienten ung zu Meilenweifern;
Gelbe Mauren fah’n wir tanzen
Nackt vor ihren Leinwandhäufern.
Lechzend auf dem warmen Sattel
Saß der Araber, der leichte,
Wahrend Ziegenmilh und Dattel
Ihm aufs Pferd die Gattin reichte.
Auf die Jagd der Antilopen,
Kriegerifch, mit Spieß und Pfeile,
Zogen fchlanfe Aethiopen;
Klagend tönte Memnons Säule.
60
Aus des Niles Fluth getrunken
Haben wir, matt von der Neife;
Gruß dir, Königin der Unfen,
Bon dem füniglichen Greife.
Alles grüßt dich, Blumen, Blätter!
Doch zumeift der Grüße viele
Bringen wir von deinem Better,
Bon dem Krokodil im Nile!“
Der Wecker in der Wüſte.
Am Nilſtrom in der Wüftenei
Da fteht ein Füniglicher Leu,
Gelb, wie der Sand, auf dem er fteht,
Gelb, wie der Smum, der ihn umweht.
Ein Königsmantel, dicht und fchön,
Ummwallt des Löwen Bruft die Mahn’;
Eine Königskrone, wunderbar,
| Sträubt ſich der Stirne ftraffes Haar.
Er hebt das Haupt empor und brüllt,
Sein Brüllen tönt fo hohl, fo wild;
Die Wüftenei durchrollt es dumpf,
Die Fluth vernimmt’s in Möris Sumpf.
Dem Panther ftarrt das Nofenfell,
Erzitternd flüchtet die Gazell’;
Es laufht Kameel und Krofodill
Des Königs zürnendem Gebrüll.
.
62
Es halt zurüd vom Nilesſtrand
Und von der Pyramiden Wand;
Die Königsmumie, braun und müde,
Erwedt’s im Schooß der Pyramide,
Sie richtet fih im engen Schrein:
„Danf, Löwe, für dein zornig Drawn!
Manch lang Sahrtaufend fchlief ich fchon,
Da weckt mich deiner Stimme Ton!
D, lange Zeit hab’ ich verträumt!
Wo feid ihr, Sahre, glanzumfäumt,
Als Siegesbanner mich umflogen,
Als deine Ahnen, Leu, mich zogen?
Da ſaß ich hoch auf güld'nem Wagen ;
Die Deichfel war mit Gold befchlagen;
Bon Perlen glänzte Speich’ und Rad;
Mein war die Hundertpfortenftadt.
Und diefe Sohle, fchlaff und dürr,
Trat auf des Mohren Haargewirr,
Trat auf die gelbe Stirn der Inder,
Und auf den Naden der Wüftenfinder.
—
63
Und diefe Hand bezwang die Welt,
Die jebt. der ftarre Byſſus halt.
Mas jene HierogInphen Tagen,
Hat diefe Bruft gezeugt, getragen.
Das Grabmal, fo mich jeßt befchirmt,
Hab’ ich mit eig’ner Hand gethürmt:
Sch ſaß auf fpeerbewachtem Thron ;
Die Ziegelbrenner trieb der Krohn.
Mic fchaufelte auf fchnellem Kiel
Mein Unterthan, der breite Nil.
Der Nil, der fließt noch immer zu;
Sch Liege längft in tiefer Ruh',
Und dunfel ifr’s um mich herum!“ —
Da wird der Löwe plöglich ſtumm,
Und trüb wird auch des Todten Blick;
Er lehnt zum Schlummer fi zurüd.
64
Der Blumen Rache.
Auf des Lagers weichem Kiffen
Ruht die Jungfrau, fchlafbefangen,
Tiefgefenft die braune Wimper,
Purpur auf den heiten Wangen.
Schimmernd auf dem Binfenftuhle
Steht der Kelch, der reich geichmückte,
Und im Kelche prangen Blumen,
Duft’ge, bunte, frifchgepflüdte.
Brütend hat fih dumpfe Schwule
Durch das Käammerlein ergofen,
Denn der Sommer fcheucht die Kühle,
Und die Fenfter find verfchloffen.
Stilfe rings und tiefes Schweigen!
Plötzlich, horch! ein leifes Flüftern!
Sn den Blumen, in den Zweigen
Lifpelt es und rauſcht es’ lüftern.
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65
Aus den Blüthenkelchen fchweben
Geiftergleihe Duftgebilde;
Shre Kleider zarte Nebel,
Kronen tragen fie und Schilde.
Aus dem Purpurfchooß der Roſe
Hebt fih eine fchlanfe Frau;
Ihre Loden flattern lofe,
Perlen blisen drin, wie Thau.
Aus dem Helm des Eifenhuteg
Mit dem dunfelgrünen Laube
Tritt ein Nitter feden Muthes;
Schwert erglänzt und Pidelhaube.
Auf der Haube nidt die Feder
Bon dem filbergrauen Neiber.
Aus der Lilie fchwanft ein Mädchen;
Dünn, wie Spinnweb’, ift ihr Schleier.
Aus dem Kelch des Türfenbundes
Kommt ein Neger ftolz gezogen;
Licht auf feinem grünen Turban
Glüht des Halbmonds gold’ner Bogen.
Feeiligrath, Gedichte. 5
66
Prangend aus der Kaiferkrone
Schreitet Fühn ein Scepterträger;
Aus der blauen Sris folgen
Schwertbewaffnet feine Jäger.
Aus den Blättern der Narciſſe
Schwebt ein Knab’ mit düftern Blicken,
Tritt an’s Bett, um heiße Küffe
Auf des Mädchens Mund zu drüden.
Doh um's Lager dreh’n und ſchwingen
Sich die andern wild im Kreife;
Dreh’n und fehwingen fich, und fingen
Der Entfchlafnen diefe Weiſe:
„Mädchen, Mädchen! von der Erde
Haft du graufam uns geriffen,
Daß wir in der bunten Scherbe
Schmachten, welfen, fterben müffen!
D, wie ruhten wir fo felig
An der Erde Mutterbrüften,
Wo, durch grüne Wipfel brechend,
Sonnenftrahlen heiß ung Füßten;
67
Wo ung Lenzeslüfte fühlten, ”
Unfre fchwanfen Stengel beugend;
Wo wir Nachts als Elfen fpielten,
Unferm Blätterhaus entfteigend.
Hell umfloß ung Thau und Negen;
Jetzt umfließt ung trübe Lade;
Wir verblüh’n, doch eh’ wir fterben,
Mädchen, trifft dich unfre Nahe!“
Der Geſang verftummt; fie neigen
Sich zu der Entichlaf’nen nieder.
Mit dem alten dumpfen Schweigen
Kehrt das leife Flüftern wieder.
Welch ein Raufchen, weldh ein Naunen!
Wie des Mädchens Wangen glühen !
Wie die Geifter es anhauchen!
Wie die Düfte wallend ziehen!
Da begrüßt der Sonne Funfeln
Das Gemach; die Schemen weichen.
Auf des Lagers Kiffen ſchlummert
Kalt die lieblichfte der Leichen.
68
Eine welfe Blume felber,
Noch die Wange fanft geröther,
Ruht fie bei den welfen Schweftern —
Blumenduft hat fie getödter!
| | 69
> „Prinz Eugen, der edle Ritter.“
Jette, Poiten, Werda-Rufer!
Luſt'ge Naht am Donauufer!
Pferde fteh’n im Kreis umher
Angebunden’an den Pflöden;
An den engen Sattelböden
Hangen Karabiner fchwer.
Um das Feuer auf der Erde,
Bor den Hufen feiner Pferde
Liegt dag öftreich’fche Piket.
Auf dem Mantel liegt ein Seder;
Von den Tſchacko's weht die Feder,
Leutnant würfelt und Kornet.
Neben feinem müden Scheden
Ruht auf einer woll’nen Deden
Der Trompeter ganz allein:
„Laßt die Knöchel, laßt die Karten !
Kaiferlihe Feldftandarten
Wird ein Reiterlied erfreu’n!
70
Vor acht Tagen die Affaire
Hab’ ich, zu Nutz dem ganzen Heere,
In gehör’gen Reim gebracht;
Gelber auch gefeßt die Noten;
Drum, ihr Weißen und ihr Rothen,
Merket auf und gebet Acht!“
Und er fingt die neue Weife
Einmal, zweimal, dreimal leiſe
Denen Neitersleuten vor;
Und wie er zum legten Male 4
Endet, bricht mit einem Male
Los der volle, kräft'ge Chor:
„Prinz Eugen, der edle Ritter!“
Hei, das klang wie Ungewitter
Weit in's Türkenlager hin.
Der Trompeter thät den Schnurrbart ſtreichen,
Und ſich auf die Seite ſchleichen
zu der Marketenderin.
71
3 Der Mann im Walde.
Der Krieg hat ihn vertrieben,
Er mußte flieh’n und zieh’n.
Im Grabe ruh’n die Lieben;
Der Wald ift ihm geblieben,
Der Wald, fo fühl und grün,
Den Wald hat er fchon lange
zur Heimath ſich erwählt,
Hat in des Uferd Hange
Ein Haus fich ausgehöhlt.
Das iſt ein Haus der Häufer,
Geziert mit mander 3ier;
Es decken grüne Reiſer
Die graue Felſenthür.
Eine Streu von Blättern, gelber
Als Gold, ruht im Gemad;
Der ftolze Bergwald felber
Belaftet es als Dad.
72
D, Freude! zu bewohnen
Ein Haug von folcher Art!
Denn luſt'ge Tannenfronen
Und Buchenbäume thronen
Hoch drauf, und Moofe zart;
Und faufeln leis, und fchwanfen,
Und ſchau'n in's Quellenthal,
Und ihre Wurzelranfen
Umſtricken das Portal.
Und fchön auch ift es drinnen;
Da iſt's fo düfterhell;
Da ſchickt mit Elarem Rinnen
Die Felswand einen Quell.
Da fteht von rohen Steinen
Ein wärmender Kamin;
Da birgt der Mann in Schreinen,
Was ihm der Wald verlieh'n.
Da find mit weißem Sinter
Die Wände tapesirt;
Da hauf’t der Mann im Winter,
Wenn's draußen fchneit und friert;
u:
73
— — — ——
Und zehrt von Harm und Klagen,
Das Herze troſtesleer,
Gleichwie bei Wintertagen
Vom eig'nen Fett der Bär.
Doch wenn vom Droſſelſchlage
Zuerſt die Waldung klingt,
Und rings aus Baum und Hage
Das Volk der Knospen dringt;
Wenn frifhen Saft dem Baſte
Die Hand des Lenzes fchidt,
Und von des Nußbaums Aſte
Die ftaub’ge Blüthe nidt;
Wenn auf den nadten Zweigen
Der Fink „Gut Frühjahr!“ ruft:
Alsdann fieht man entfteigen
Den Mat der Felienfluft.
Durch Bufh und über Klippe
Wallt er und flieht das Haus,
Und grabt mit feiner Schüppe
Die jungen Bäume aus.
7A
Sammt ihren Wurzelfafern
Bringt fie der Schaufel Stich;
Seine Hand Flopft von den Zaſern
Die Erde fauberlich.
Gr fügt zu einem Bunde
Der dünnen Stämmchen Zahl,
Und geht mit fingendem Munde
Durch's ſonnenhelle Thal.
Er ſingt: „Die Bäumchen bring' ich
Dem Gärtner in der Stadt!
Dem jungen Lenze fing’ ich,
Der mich getröftet hat.
O feht! wie find die Büfche,
Die Enospenden, bethaut;
In welcher Wunderfrifche
Prangt Zweig und fehießend Kraur!
D, diefe Thauesperlen,
Dies Balfamnaf im März
Auf Eichen und auf Erlen
Iſt Balfam für dies Herz;
75
Weiß draus den Schmerz zu faugen,
Lot fein Gefchwifterfind,
Das Freudennaß der Augen;
Das riefelt ſtill und Lind!
Wie ſingt's, wie klingt's im Weiler!
Wie ſtrahlend rings, wie bunt!
Wie dampft des Köhlers Meiler!
Ihr milden Alfesheiler,
Lenz, Wald, macht mic geſund!“
So ſingt der Höhlenpförtner
Den ſchlichten Freudenreim,
Bringt, was er trägt, dem Gärtner,
Und geht in Frieden heim.
Banditenbegrabniß.
Auf blut'ger Bahre raſtet
Ein Leichnam, blaß und kalt;
Den tragen, ſchwer belaftet,
Schs Männer durch den Wald.
Sechs Männer, ſchwarz von Haare,
Bewehrt mit Blei und Stahl,
Geh’n fehweigend mit der. Bahre
Durch's düftre Fichtenthal.
Die Bahr’ find zwei Gewehre
Mit Läufen, rund und lang:
Darüber find die Quere
Selegt drei Schwerter blanf.
Auf Klingen ruht, der muthig
Einft felber fhwang das Erz;
Sein Haupt, entftellt und blutig,
Hangt rüdlings erdenwärts.
Ba an
77
Weit klafft die rothe Wunde
Am bleichen linken Schlaf,
Wo ihn zur böfen Stunde
Die Todesfugel traf.
Es tröpfelt von den Locken
Geronnen Blut und Hirn;
Vom Weh’n der Berge troden,
Umflebt es Hals und Stirn.
Das Aug’ ift blutumflofen,
Der Wange Braun entfloh’n.
Die Lippen, feſt geſchloſſen,
Umzuckt ein bitt’rer Hohn.
Die Nechte, die im Kampfe
Das Schwert mit Macht geführt,
Hält’3 noch mit ſtarrem Krampfe,
Daß fie es nicht verliert.
Es bligte Tod dem Sbirren;
Er läßt es nimmer log.
Es fchleift mit leifem Klirren
Durh Steingeröll und Moos.
Wie die, blut’ge Thranen,
Rinnt riefelnd Blut daran:
Das Schwert, fo muß man wäahnen,
Meint um den todten Mann.
Die Linfe, zugefniffen,
Hält ftarr den Gürtelihawl,
Als hatt’ er ihn ergriffen
In letzter Todesqual.
Gelöft weh'n Schnur und Like
Um fein zerhau’n Collet;
Am Gurt mit feharfer Spike
Schwebt läſſig das Stile.
So liegt der bleiche Schläger,
Der einft fo wild, fo kühn;
So tragen ihn die Trager
Im finftern Apennin;
Sp ruht er auf den Degen
Im tiefften tiefen Wald,
Fernab von Straß’ und Wegen,
Da ruft der Führer: „Halt!“
79
Da flirt die Bahre nieder,
Und muß nun Schaufel fein;
Da graben ihm die Brüder
Ein Grab tief in den Nain.
Kein Sarg macht ibm Befchwerde:
808, ledig, ſonder Drud,
Grüßt er fein Bett, die Erde,
Im Blut: und Waffenſchmuck.
Die Feier ift vollendet,
Das Grab fteht fchwarz und baar.
Mit finfterm Schweigen wendet
Sich ab die Fleine Schaar.
Sie feh’n nah den Gewehren;
Sie laden; da tönt fchrill
Ein Pfeifen! — in die Köhren
Stürzt Jeder! — Alles fill!
80
Piratenromanze.
Auf dem Decke der Gabarre
Liegt der Scheik der Chriſtenhunde,
Die erloſchene Cigarre
Von Havanna in dem Munde.
O, wohl mochte die Cigarre,
Caſtilianer, dir verglimmen,
Da du hörteſt zur Guitarre
Die holdſeligſte der Stimmen.
Angethan mit welſcher Seide
Und mit Tüchern vom Hoangho,
Tanzt Juana, deine Freude,
Mit dem Bootsmann den Fandango.
81
Auf der leichten Füße Spißen
Schwebt fie um die braunen Maſten;
Ihres Gürteld Spangen bligen,
Die mit Perlen eingefaßten.
| Shre Wange gleicht der Roſe
| Sn den Gärten von Sevilla;
Um die weißen Achfeln lofe
4 MWeht und flattert die Mantilla.
Ihre Loden hält ein grünes
Netz; die beiden kleinen Mohren
Denken nicht des Tambourines;
Alles iſt in Schau'n verloren.
Auf den Naa’n, auf den Laffeten
Sitzt die Mannfchaft, wie gebannt;
Caftagnetten und Trompeten
Statt der Lunten in der Hand. —
Die Guitarre nah dem Tanze
Neiht in Demuth ihr ein Mohr.
Glänzendes Auges die Romanze
Bon dem Cid Campeador
Freiligrath, Gedichte. 6
82
Singt fie. Horb, von den Paläften
An dem Guadalquivir
Singt fie; von den nächt'gen Feſten
Zu des Tambourins Geklirr;
Bon der golfbefpülten Zone,
Die das Fahrzeug bald erfteuert,
Wo der träge Lazzarone
Einen ew’gen Sonntag feiert.
Horh, von Koma, von Milano
Singt fie, wo Banditen ftreifen —
Gapitano, Gapitano!
Beſſer war's, dein Schwert zu fchleifen!
2.
Auf dem weiten Mittelmeere
Gilt des Mufelmanns Gefes!
Pfeilfchnell rudert die Galeere,
Sklaven braucht der Markt von Fez!
83
Bei dem buhlerifhen Tanze
Denfen fie nicht an Abdallab.
Furdtbar fhimmert Mahoms Lanze —
Dreht das Schiff! — Allah il Allan!
Eine Salve durch die Laken!
Rechte Hand am Säbelgriffe!
Nud’rer, werft die Enterhafen!
Bretter legt von Schiff zu Schiffe!
Stürzt hinein! der Säbel hade,
Bis fie die Gewehre ftreden!
Sprißt auh Blut auf eure Jade —
Roth auf Roth macht Feine Fleden! —
ce re F ue
Groß ift Allah! — Starr, voll Wunden,
Liegt der Hauptmann bei den Todten.
Die Lebend’gen Fnien gebunden
Auf dem Ded, dem blut'gen, rothen.
Wie fie Fnirfhen mit den Zähnen! —
Ha! und dort weint Juanina!
Herrin, trodne deine Thranen
Mit dem bunten Tuch aus China!
84
Sn Marokko's fand’gem Thale,
Hinter riefgem Palmenfächer,
Sn der Sonne gelbem Strahle
Schimmern des Seragliv’s Dächer.
Was tft diefer Dritthalbmafter ?
Traun, vor dir die Segel fereicht er.
Morgen um fünftaufend Piafter
Iſt des Sultans Sedel leichter.
Der Falk.
Die Fürftin zog zu Walde
Mit Jägern und Marfchalf;
Da fah fie reiten balde
Ein junger Edelfalk.
Er ſprach: „Wie Flirrt dein Bügel;
Wie glanzt Agraf’ und Treff’;
Wie loder hängt dein Zügel,
Holdfelige Prinzep!
Wie fißeft du zu Pferde
Sp Füniglih und fchlanf!
Wie weht zur grünen Erde
Dein Schleier weiß und lang!
Wie niet dein Hutgefieder
Vom flücht’gen, wilden Ritt!
Wie zieret deine Glieder
Das Enappe Sagdhabit!
86
D, Eönnt’ ich deiiien Neizen
Allzeit ein Diener feyn!
Den Neiher wollt’ ich beizen,
Herrin, für dich allein!
Sch wollte mit ihm ringen,
Dein ftarfes Kederfpiel,
Bis er, mit blut’gen Schwingen,
Zu deinen Füßen fie I”
Bezwungen von Verlangen,
Dudt er in’s Heideland;
Er laßt fich willig fangen
Von eines Pagen Hand.
Der bietet ihn der Holden
Dar, mit gebog’nem Knie;
Mit einem Ninge golden
Schmüdt den Gefang’nen fie.
Kun muß er fie begleiten;
Mit feiner krummen Klaw’
Muß er für fie beftreiten
Den Neiher, filbergran.
87
Er tragt eine Lederfappe,
Sie nimmt ihn mit aufs Pferd,
Burgberr und Edelfnappe
Halt ihn des Neides werth.
Die Schreinergefellen.
„Fürwahr, ein traurig, ein ſchaurig Thun!
Eine Leiche ſoll zwiſchen den Brettern hier ruh'n!“
„„Du Weichherz, wie, deine Thräne rinnt?
Was ſchiert dich fremder Leute Kind?““
„So ſei doch auch nur nicht gleich ſo arg,
Bedenk', es iſt ja mein erſter Sarg!“
„„Sei's erfter, fel’s letzter! da, thu' mir Beſcheid!
Und ſing' eins, und ſchaff' dir kein Herzeleid!
Zerſchneide die Bretter, und nimm den Stab,
Und hoble die knirſchenden Spane ab!
Und füge zufammen wohl Brett an Brett,
Und fchwärze fein fauber das enge Betr!
— <<
89
Und leg’ in den firnifduftenden Schrein
Die Späne, die abgefalnen, hinein!
Auf den Spänen muß ruh’n der verweglihe Staub,
Das ift ein gemeiner Schreinerglaub’.
Und trage den Sarg in's Trauerhaus!
Leich' hinein! Dedel zu! und dann iſt's aus!““
„Wohl zerichneid’ ich die Bretter, wohl nehm’ ich den Stab,
Wohl mel ich hinauf, und wohl mel’ ich herab.
Wohl hobl’ ich die rauhen Bretter glatt,
Doch mein Aug’ ift trüb, und mein Arm ift matt.
Wohl füg' ich die Bretter hin und her,
Doch mein Herz ift voll, und mein Herz ift ichwer.
D, ein traurig Thun und ein fchaurig Thun!
"Eine Leiche foll zwifchen den Brettern hier ruh'n!“
90
Barbaroffa’s erftes Erwachen.
1829.
Es lag die gold'ne Aue
Im blut'gen Frührothſchein,
Als wär' mit blut'gem Thaue
Beſprengt der gelbe Rain.
Ernſt blickte der Kyffhäuſer
Durch Nebel auf die Flur,
Als der gebannte Kaiſer
Auf aus dem Schlummer fuhr.
Er ſchaute zornesmuthig
Die Schaar der Diener an.
„Im tiefen Schlummer ruht' ich;
Wer hat mir das gethan?
Wer, trotzend meinem Grimme,
Riß jach mich in die Höh',
Und rief mit dumpfer Stimme:
Weh', Hohenſtaufe, Weh'!
9
Wer hat mit Schwertgeflimper
Geraffelt hier zur Stund?
Wer hielt mir vor die Wimper
Die Leinwand, farbenbunt?
Mer hat mir Truggeftalten
Gezeigt im wirren Traum?
Blutrothe Tücher wallten
Auf eines Marktes Naum.
Hoch ſaß ein Mann zu Throne,
Det Auge bliete Lift,
Und fah mit finfterm Hohne
Herab auf ein Gerüft;
Das ragte, ſchwarz behangen,
Aus Lanzen und Volkeshauf';
Zwei Knaben, bleich von Wangen,
Die ftanden obenauf.
Und zu der Knaben Seite,
Auf des Gerüftes Höh’n,
Sah ich, ein graus Geleite,
Den Henfer wartend fteh’n;
92
Er ftand in rother Müße,
Sm ſcharlachrothen Rod;
Sein Schwert war feine Stüße;
Bor ihm der Todesblock.
Da fchmetterten die Zinfen
Mir gellen Tönen: Mord!
Seht ihr des Königs Winfen,
Hört ihr fein herrfchend Wort?
Schnell wirft der eine Nitter
Den Handfhuh unter’s Volk;
Das murrt, wie, vom Gewitter
Erregt, ein Meereskolk.
Gr legt das Haupt, das bleiche,
Feft auf den Eichenftumpf.
Das Schwert, mit Einem Streiche,
Trennt es vom fchlanfen Rumpf.
Weit fprist des Blutes Quelle;
Der König fieht’3 und winft,
Und lächelt, als zur Stelle
Das Haupt des Zweiten finft.
93
Auf meine Wappenfcilder,
Die geborft'nen, rollt ihr Haupt.
Wer wies mir folche Bilder?
Mem hab’ ich dag erlaubt?
Wer, troßend meinem Grimme,
Riß jah mich in die Höh',
Und rief mit dumpfer Stimme:
Weh’, Hohenftaufe, Weh’!“
Die Zwerge fteh’n und zagen,
Und neigen das Gelicht.
„Ber wollte foldhes wagen?
Wir, Herre, fiber nicht!“ —
Zur felben Zeit fah Neapel
Den jungen Konradin
Auf blutbefpristem Stapel
Mit Schwabens Friedrich Enien.
Da fuhr der bärt’ge Kaifer
Zuerft empor vom Pfühl;
Sah traumend im Kyffhäuſer
Des eignen Stammes Ziel.
94
Er ſchilt und ſtarrt verwundert,
Und blinzt dann wieder ſtumm; —
Beinah' war ein Jahrhundert
Vom langen Schlaf herum.
—û— EZ nn.
2
95
Meerfahrt.
Da ſchwimm' ich allein auf dem ſtillen Meer;
Keine Welle rauſcht, es iſt eben und glatt.
Auf dem fandigen Grunde practig und hebr
Glänzt die alte verfunfene Stadt.
In alter verfchollener Mährchenzeit
Verſtieß ein König fein Töchterlein;
Da lebt’ es über den Bergen weit
Sm Walde bei fieben Zwergen Elein.
Und als es jtarb durch des Giftes Kraft,
Ihm eingeflößt von der Mutter arg,
Da legt’ es die Fleine Genoſſenſchaft
Sn einen Erpftallenen Sarg.
Da lag es in feinem weißen Kleid,
Bekränzt mit Blumen, duftend und fchön;
Da lag e3 in feiner Lieblichfeit,
Und fie fonnten es immer feh'n.
So liegft du in deinem Sarg von Kryſtall,
Du gefhmüdte Leiche, verfunfnes Sulin!
Der fpielenden Fluth durchfichtiger Schwall
Zeigt deiner Palafte Slüh’n!
Die Thürme ragen düfter empor,
Und geben fehweigend ihr Trauern fund;
Die Mauer durchbricht das gewölbte Thor,
Es fchimmern die Kirchenfenfter bunt.
Doch in der fehauerlich ftillen Pracht
Keines Menfchen Tritt, Feine Luft, Fein Spiel;
Auf Straßen und Märkten ungefchlacht
Treibt fich der Fifche Gewühl.
Sie gloßen mit glafigen Augen dumm
Sm die Fenfter und in die Thüren hinein;
Sie feh’n die Bewohner fchlafrig und ſtumm
In ihren Häufern von Stein.
Sch will hinunter! ich will ernen’n
Die verfunfne Pracht, die ertrunf’ne Luft!
Die Zauber des Todes will ich zerſtreu'n
Mit dem Odem meiner lebendigen Bruſt!
-
97
Er fül’ aufs Neue zu Kampf und Kauf
Die Säulenhallen, des Marftes Raum;
Ihr Mädchen, ſchlaget die Augen auf,
Und preifet den langen Traum!
Hinab! — Nicht rudert er fürder! Schlaf
Und reglos finfen ihm Arm und Fuß;
Leber feinem Haupte fchließt fich das Haff;
Er entbietet der Stadt feinen Gruß.
Er lebt in den Häufern der alten Zeit,
Wo die Mufchel blißt, wo der Bernftein glüht.
Unten die alte Herrlichkeit,
Dben ein Fifcherlied.
Freifigrark, Gedichte
—
98
Der Bivouac.
Ein Feu'r im Würftenfande,
Zwei Gräben, ein Verhad,
Musgfetenpyramiden —
Ein Franfenbivouac!
Das find die Grenadiere
Bon Kleberd Vorderhut.
Es fißt, daß er fie ſchüre,
Der Feldherr an der Glut.
Auf müdem Knie die Karte,
Ruh'nd in der Flamme Schein,
So ſchlummert Bonaparte
Gemach am Feuer ein.
Und mit ihm auf Laffete
Und Mantel feine Schaar;
Es nit an der Muskete
Der Schilderer fogar.
ee |
99
Schlaft zu, ihr müden Fechter!
Schlaft aus die legte Schlacht!
Es halten ſtille Wächter
Um eure Graben Wacht!
Laßt pläanfeln Murat's Neiter!
Laßt Eommen Mann und Noß!
Es wollen felt'ne Streiter
Behüten euren Troß!
Es wacht für euch ein Meder,
Der mit aus Theben ritt;
Der in der Spur der Näder
Bon Cyrus Sohne fchritt.
Ein hoher Macedone
Tritt eurer Brüftung nah’,
Der Aleranderd Krone
Beim Ammon funfeln fah.
Und ſehet; noch ein Schemen!
Ein Kämpfer auf dem Nil,
Ein Führer von Triremen,
Der unter Cäſar fiel!
100
Die einft der Welt geboten
Auf fand’gem MWürftenfeld,
Sie ſchicken Ihre Todten
Dem neuen Herrin der Welt.
Rebendig an's Geloder
Der Flamme tritt dag Grab;
Sie fhütteln Sand und Moder
Von ihren Panzern ab.
Es funfeln die uralten
Gewaffen durch die Nacht;
Es weh'n der Chlamys Falten
In alter, blut’ger Pracht.
Sie weh'n um eine Stirne,
Sn der e3 kocht und gahrt.
Der Held, als ob er zürne,
Tief athmend fahrt an's Schwert.
Er träumt: — in hundert Neichen
Erhebt fih ihm ein Thron.
Er zieht mit gold’nen Speichen
Einher, wie Ammon’s Sohn.
101
Es jauchzt ihm taufendfehlig
Der glüh’nde Orient;
Derweil die Flamme mälig
Berglimmend niederbrennt.
Die feid’ne Schnur.
1. |
Im Harem weilt der Großweſſir;
Mit Dolch und Flinte vor der Thür
Steht Wache haltend der Arnaut;
Auf eines Tigers bunter Haut
Liegt der Gebieter. — Schleierlos,
Kein Gurt umfängt den vollen Schoos,
Aus Purpurfalten glänzt wie Schnee
Ihr Fuß mit ringgeſchmückter Zeh',
Entfeſſelt rollt ihr Haupthaar hin —
Ruht ſchlummernd die Circaſſierin
An ſeiner Bruſt; vom Kaukaſus
Der Demant glänzt am Bosphorus.
Sein Auge glühtz fein Barthaar wallt
Auf die wollüftige Geftalt.
Sie träumt; fie lächelt; der Email
Der Zähne glänzt; — „Birgt dein Serail
103
Soliman, ſolch ein Weib?“ — Er ſinkt
Zu ihr hinab; brünftig umſchlingt
Er fie, berauſcht von ihrem Hauch,
Von Mofhusduft und Ambraraud.
2.
„„Ein Neitertrupp! — der Aga der
Eunuchen, Juſſuf!““ — „Bringt ihn her!” —
Sufuf, der Neger aus Dar Fur,
Reicht grinfend ihm — die feid’ne Schnur.
3.
Wie die Dafe der Samum
Berfengt, gleichwie das Opium
Betäubt, wie gift’gen Hauchs die Peft
Hinwirft, und ihren Raub nicht laßt:
So treffen des Verſchnitt'nen Worte
Den Großweflir der hoben Pforte.
Sein Mund wird blau, fein Antliß fahl;
In Stüde reißt er feinen Shawl.
104
„Daß dich des Blitzes Glut verfehrt,
D Maulbeerbaum, der du genährt
Den Wurm, der diefe Seide ſpann!
Berdorren foll die Hand dem Mann,
Der Enechtifch diefe Schnur gedreht,
Die — von Roßſchweifen einft umweht!
An Leila’3 — meine Zeit ift um!
Das Schiefal will es! — Opium!
Ha, daß mich Fein Rhodiſer Spieß
Sm Handgemenge jäh durchftieß!
Ha, daß mich nicht im gold’nen Mörfer
Zerftampfte der ſiegtrunk'ne Perfer!
Sch ward verfchont! — der Strang von Seide
War mir beftimmt!“ — er finntz der Scheide
Nimmt er den Dolch; hin fliegt die Schnur
Auf des Gemaces Teppichflur.
Leila's Gelock, lang, wallenden Falls,
Schlingt er fih um den fehn’gen Hals;
Feft knüpft er es; fie fehläft; das Erz
Stoßt er ihr abgewandt durch's Herz.
Be
— zuckt Baia entflieh'n;
Die Haare — fie erdroſſelt ihn!
Um feinen Mund fpielt gräßlich Lächeln,
Dumpf durch's Gemach fallt Beider Röcheln.
106 |
Der Tod des Führers.
„Von den Segeln tropft der Nebel,
Auf den Buchten zieht der Duft.
Zündet die Latern' am Maſte!
Grau das Waſſer, grau die Luft.
Todtenwetter! — zieht die Hüte!
Mit den Kindern kommt und Frau'n!
Betet! denn in der Kajüte
Sollt ihr einen Todten ſchau'n!“
Und die deutſchen Ackersleute
Schreiten dem aus Boſton nach,
Treten mit geſenktem Haupte
In das nied're Schiffsgemach.
Die nach einer neuen Heimath
Ferne ſteuern über's Meer,
Seh'n im Todtenhemd den Alten,
Der ſie führte bis hierher;
107
Der aus leichten Tannenbrettern
Zummerte den Hüttenfahn,
Der vom Nedar fie zum Rheine
Trug, vom Rhein zum Dcean;
Der, ein Greis, fich fhweren Herzens
Losriß vom ererbten Grund;
Der da fagte: „Laßt ung ziehen!
Laßt uns fchließen einen Bund!“
Der da ſprach: „Brecht auf nach Abend!
Abendwärts glüht Morgenroth!
Dorten laßt uns Hütten bauen,
Wo die Freiheit halt das Loth!
Dort laßt unfern Schweiß ung ſäen,
Wo Fein todtes Korn er liegt!
Dort lapt uns die Scholle wenden,
Wo die Garben holt, wer pflügt!
Laſſet unſern Herd ung tragen
In die Walder tief hinein!
Laſſet mich in den Savannen
Euren Patriarchen fein!
108
Last ung leben, wie die Hirten
Sn dem alten Teftament!
Unfrres Weges Feuerfäule
Sei das Licht, das ewig brennt!
Diefes Lichtes Schein vertrau’ ich,
Seine Führung führt ung recht!
Selig in den Enfeln ſchau' ich
Ein erftandened Geſchlecht!
Sie — ac, diefen Gliedern gönnte
Noch die Heimath wohl ein Grab!
Um der Kinder willen greif’ ich
Hoffend noch zu Gurt und Stab.
Auf darum, und folgt aus Gofen,
Der Vorangegang’nen Spur!” —
Ach, er fchauete, gleich Mofe’n,
Kanaan von ferne nur.
Auf dem Meer ift er geftorben,
Er und feine Wünfche ruh'n;
Der Erfüllung und der Taufchung
‘ft er gleich enthoben nun!
—
Rathlos die verlaſſ'ne Schaar jetzt,
Die den Greis beſtatten will.
Scheu verbergen ſich die Kinder,
Ihre Mütter weinen ſtill.
Und die Männer ſchau'n beklommen
ach den fernen Uferhöh’n,
Wo fie fürder diefen Frommen
Nicht mehr bei fih wandeln feh’n.
„Bon den Segeln tropft der Nebel,
Auf den Buchten zieht der Duft!
Betet! laßt die Seile fahren!
Gebt ihn feiner naffen Gruft!“
Thranen fließen, Wellen raufchen,
Grellen Echrei’s die Möve fliegt;
In der See ruht, der die Erde
Fünfzig Jahre lang gepflügt.
110
— — — —
Der Waſſergeuſe.
Die Nordſee hat den Todten
An's Ufer ausgeſpie'n;
Der Fiſcher ſieht ihn liegen,
Und ſchreitet von der Dün’.
Er drüdt aus feiner Schärye
Das Waffer und das Blut;
Er Lüftet ihm den Panzer,
Und nimmt ihm ab den Hut;
Den Hut mit bunten Federn,
Mit Halbmond und Agraff,
Meerfand verklebt die Umfchrift,
Das: „Lieber Türf, als Pfaff!“
Was Lüfteft du den Panzer,
Und trägſt den Mann an's Land?
Nie mehr zu Schwert und Steuer
Greift dieſes Ritters Hand.
|
|
3
111
Als er, fih nahzufhwingen,
Des Spaniers Bord gepadt,
Beim Entern hat ein Schiffsbeil
Die Kauft ihm abgehadt.
Er ftürzte jäh zurüde;
Das Meer begrüßt’ ihn dumpf.
Hier warf’s ihn aus; noch blutet
Der unverdbund’ne Stumpf.
Nach Seelands Ufern ſchwemmt' es
Den ritterlichen Leib.
An Frieslands Küfte findet
Die Hand ein blühend Weib. —
Ein Anfer, ſchwarz und roftig,
Dom Wellendunfte feucht,
Steht aufrecht dort, ein Weiler,
Wie weit die Meerfluth fteigt.
Auf den ſich lehnend, ſpäht fie,
Ob nicht ein Segel fchwillt,
Ob nicht ein Wimpel flattert, —
Recht wie der Hoffnung Bild.
Da kommt die Hand geflogen,
Als wär's zu Drud und Gruß.
Die bleichen, ſtarren Finger
Berühren ihren Fuß.
Und an der Finaer. Einem
Glänzt dunkelroth ein Stein;
In den fieht man gegraben
Die Falken und den Leu’n.
ticht raufcht fortan den Seven
Der Falken Flügelfchlag:
Dies ift die Hand des Löwen,
Der ihr zu Füßen lag;
Für deflen Stirne fürder
©ie feine Kränze fliht. —
Es fängt fhon an zu dammern;
Sch feh? ihr Antlig nicht.
Sch fehe nicht, ob dunkel
Ihr Aug’ in Thranen fchwimmt ;
Doch ſeh' ich, wie.fie zitternd
Die Hand vom Boden nimmt,
cu
men meifen Shleier
Die blut’gen Nefte hüllt,
Und heim wanft durch die Dünen, —
SER mehr der Hoffnung Bild.
#3 *
7 r
F
h
eiligrath, Gedichte.
Eine Geufenwacht.
Es war bei einem Zapfer
Im Weichbild Rotterdams,
Da becherten fie tapfer
Sn Federhut und Wamms.
Sie ritten nad Vliſſingen,
Und wollten zieh'n vor Tag;
Mit Trinken und mit Singen
Hält man ſich leichtlich wach.
Die Maas iſt zugefroren,
Von Eis glänzt jede Gracht.
Den Mantel um die Ohren
Steht vor der Thür die Wacht.
Eiszapfen, Schneegeträufel
Liebt auch kein Hell'bardier:
„Die Zapfen hol' der Teufel!
Den Zapfen lob' ich mir!“
ud
115
Doch drinnen, aufzuthauen
Den Frierer auf der Hut,
Schallt’s: „Wilhelm von Naſſauen
Bin ih, von deutfchem Blut.
Ein Prinze von Dranien
Bin ich frei unverwehrt!
Den König von Hifpanien
Hab’ ich allzeit geehrt.”
Er ftellt fih vor die Scheiben
Und fchaut in das Gemad:
Da ift ein wüftes Treiben,
Da fpricht man von der Sad’,
Für die man zieh’n und fechten,
Und Blut will laſſen gern.
Sie reden und fie rechten,
Die Enebelbärt’gen Herrn.
Gefcheuert an den Wänden
Reih'n fich die Fäſſer blanf;
Die Wirthin mit behenden
Schenfmädchen übt den Schanf.
116
hr Haar ſchmückt ftatt des Bandes
Ein Goldblech, Frieg’rifch ſchier,
Der Frauen: diefes Landes
Gewohnte Schläfenzier.
Das eilt fih — an den Tifchen
Wird oft der Krug geleert,
Da fißen die Neiter, zwifchen
Den Knien ihr gutes Schwert.
Wohl ift des Hutes Feder
Bon Pulverdampf vergilbt,
Doch Feed hat ihn ein Feder
Auf's blonde Haar geftülpt;
Und keck wird er gefchwungen,
Der Wein fprikt in die Höh’,
Bon fünfundzwanzig Zungen
Vernimmt man; —— les Gueux!“
Und wenn die Krüge tröpfeln,
Wenn jeder Kelch geleert,
Dann werden mit den Klöpfeln
Die Gläfer umgekehrt.
a —
117
Dann gibr’3 ein helles Klingen,
Dann werden Gloden draus,
Dann läuten fie mit Singen
König und Herzog aus.
Dann «greift ein jeder Reiter
Bon felbft nach feinem Schwert,
Dann fingt ein jeder Lauter,
Daß man ed weithin hört:
„Raſch, fiebenzehn Provinzen,
Stellt euh nun auf den Fuß!
Empfanget nun den Prinzen
Mit freundelihem Gruß!
Stellt euch zu fein’n Panieren,
Jeder als treuer Mann!
Thut helfen verlogiren
Duc d'Alve, den Tyrann!
Nicht um euch zu verderben,
Kommt er, dies treulich glaubt!
Er läßt euch wied’rum erben,
Was man euch hat geraubt.
118
Zu gut dem König von Spanien
Thut offenen Beiftand
Dem Prinzen von DOranien,
Als feinem Leutenant.
Sein’ Trommeln und Trompeten
Bringen euch Fein Dangier!“
„Das klebt am Tifch, wie Kletten!”
Spricht da der Helf’bardier,
Gr ruft; „Nun laßt ung jagen
Zum Grafen von Lume!
Es fängt fhon an zu tagen,
Auch leuchtet und der Schnee!“
Sie hören auf zu fchellen:
„Ruft der uns fchon zu Hauf?“ —
Sie ziehen aus den Ställen
Die No’, und fißen auf.
Es geht im fcharfen Trotte
Durch die bereifte Früh’;
Gen Süden von der Notte
Zur Schelde traben fie.
Terzinen
Die iriſche Wittwe.
Ich leſe wenig jetzt in Zeitungsblättern,
Und will mich gern, daß ich es laſſe, ſchamen.
Zuweilen nur, um das Trompetenfchmettern
Bon den Gefhwadern Mina’s zu vernehmen;
Und am Pirdus Ludwigs Sohn zu fchauen,
Wie er ihn füllt aufs Neue mit Triremen;
Um ſtill erfreut zu fegnen Deutfchlands Frauen,
Die da ihr Scherflein bringen allerorten,
Daß ihrem Sänger man ein Mal kann bauen;
Und mit dem Herold an des Klofters Pforten
Für Kaifer Franzen Einlaß zu begehren,
Gerührt zu laufchen feinen legten Worten,
Und die Gebete feines Volks zu hören;
Um — an dem Tag, wo Er und zwei Genoflen
Paris fich öffnen fahen ihren Heeren —
122
zum Nihein zu geh’n, zum Platz, wo man erfchoffen
Eilf Männer Schills; — ein ehern Monument
Wird heut enthüllt dort, wo ihr Blut gefloffen —
Um Das und And’res, was ihr jeßt fchon Fennt,
Aus minder Tröftlihem herauszufifchen,
Nehm' ich zuweilen, was man Zeitung nennt.
Sp faß ich auch, zwei Monden find es, zwifchen
Kaufherrn und Schiffern auf dem Kaffeehaufe,
Und blätterte, das Herz mir zu erfrifchen,
Um mich herum war Summen und Gebraufe,
Und laut Geruf; — fo grade lef’ ich gerne!
Bier Sprachen hör’ ich nicht auf meiner Klaufe.
Welſch, Danifh, Englifh — das erft bringt die Ferne,
Bon der ich lefe, meinem Geifte nah. —
So denn am Herd, vertrauend meinem Sterne,
Land im Papiermeer fuchend, faß ich da.
Nings auf den Tifchen Elapperten die Steine
Des Domino; — „à Point!” und drauf: „Voint a!“
Begann der Zahler drüben fein Gegreine. —
Nichts! — Umgefchlagen! — Ha, was ift dag? — Gott!
Es lauft mir falt durch Adern und Gebeine.
Täuſcht mich ein Traum? bin ich des Schreibere Spott?
Nein, es ift wahr! es hat fich zugetragen!
Ahr Tage find es kaum! ich hör’ den Trott
123
Der Neiter noch, die nach der Hütte jagen!
Hört: weil ein irifch Weib, in Wirtwennöthen,
Den Zehenten nicht zeitig abgetragen,
Ließ ihr den einz’gen Sohn ein Priefter — tödten!
Fünf Pfund! — ein Priefter! — einer Wittwe Sohn!
Die Kippe bebt mir, aber nicht zu beten,
Und die von felbit geballten Fäufte droh'n.
Ohnmahtig Zürnen! — nennt es nicht fo! — ward
Das Wort mir nicht, zu züchtigen den Frohn ?
Dies Blatt ift einzig für die Gegenwart,
Den Augenblid, fort weht es mit der Stunde;
Doch um den Dichter drangen fich geichaart
Die Enfel noch, was er mit feinem Munde
Gebrandmarft, bleibt es; mächtig dringt das Lied
Sn Ohr und Herzen, forgend, daß die Kunde
Nicht untergeht. — Don Zornesloh’ durchglüht,
Wollt’ ich das Bild mit feinen Fleinften Zügen —
Da liegt der Sohn! ftarr! blutig jedes Glied!
Der Fnie'nden Mutter greife Haare fliegen! —
Euch augenblicklich vor die Seele ftellen,
Treu, Strich für Stridb, und Feiner follte lügen.
Es war fo leiht! es war Gedicht! — doch Schellen
Des Neims zu hängen an dies Witrwenkleid —
Sch mocht’ es nicht! So meines Zornes Wellen
124
Dammt’ ich zurüd in meine Bruft bis heut’,
Und habe nicht im Liede fie ergoflen. —
Set dene’ ich wieder an das Herzeleid
Der Zitternden, der man den Sohn erfchoffen.
Zwei Monden find eg — Eurze Zeit fürwahr!
Und doch, in mir wie dammernd, wie zerfloffen
Das düſt're Bild, wie farblos ganz und gar! —
Sch fragte haftig nach dem alten Blatte:
DBerflattert war es langft, und Keiner war,
Der da bewahrt in feinem Herzen hatte
Die Schandthat des Entweihers feiner Weihen.
Da fuhr ich auf, warf zürnend auf die Latte
Den Zeitungsſtoß; faſt wollt’ eg mich gereuen,
Daß ich geſchwiegen, da noch friſch im Ohr
Mir klang der Mutter herzzerreißend Schreien.
Es iſt geſcheh'n! doch red' ich jetzt; — verlor
Sich in mir auch des erſten Eindrucks Friſche,
Doch-führ? ich das Entſetzliche euch vor,
Auf daß nicht ganz die Seit fein Bild verwifche.
Wer wehrt eg mir, daß Schatten ich befchwöre?
Wohl red’ ich nicht, wie am Gefchwornentifche
Die Wittwe fprach, berufen zum Verhöre;
Mit beffern Worten fprach fie, und mit fchlichtern.
Doch — vor der Hütte blißen die Gewehre!
125
Hört eine That, wie fie noch nicht von Dichtern
Befchrieben ward! hört eines Prieſters Schmach! —
So ſprach die Wittwe Ryan zu den Nichtern:
„Sch war auf’s Feld gegangen jenen Tag,
Unfern vom Dorf; e3 lag zu meinen Füßen.
Und da mir Die gefagt: ich komme nad,
So harrt’ ich fein. Auf einmal hört’ ich fchießen,
Und durch die Dacher fah den Dampf ich weh'n.
Da kam des Nahbars Weib mit haft’gem Grüßen;
Die fragt’ ich zitternd: habt ihr Die gefeh’n?
Sie ſagte: nein! doch drin im Dorfe wüthet
Der ſchwarze Bill, und vor den Hütten fteh’n
Dragonerhaufen, denen er gebietet.
Mit Schwert und Feuer will er zücht’gen Jeden,
Der nicht alsbald den Zehnten ihm vergütet. —
Sch Feuchte heim, entſetzt ob ſolchem Neden;
Sch felber ja noch fehuldete dem Harten.
Denn ih bin arm! — Mißwachs und Hagelichäden —
Mein Gatte todt — wohl müht in Feld und Garten
Mein Die fih ab! o Gott, er war fo gut,
Und feine Freude war es, mein zu warten!
Doch wollte fih nicht mehren unfer Gut,
Und dünn und dürftig fielen unfre Garben,
Der Mann im Chorrod drüdt ung. bis auf's Blut
|
126
Um ihn zu fatt’gen, mußten wir oft darben.
Sch war ihm fchuldig grade jetzt fünf Pfund
Und achtzehn Schillinge; — vor Chrifttag ftarben
Zwei Kühe mir: dies des. Verzuges Grund, —
Sch Fam in’s Dorf; da hielten die Soldaten,
Da, Zehnten fordernd, ritt der Mann, dep Mund —
Nicht uns! — das Wort lehrt! — Der und ſolche Thaten!
Zertrümmert war die Pforte meiner Hütte;
Sch war betäubt und wußte nicht zu rathen.
Doch trat ich naher mit verzagtem Echritte,
Und fprach fußfällig ihn um Nachſicht an.
Er aber wies mich ab, und ſchwur, er ritte
Nur mit dem Zehnten aus des Dorfes Bann;
Er — doch mein Sohn? — es fallt mir ſchwer auf's Herz!
Mas redet er nicht mit dem harten Mann?
Mein Die! — die Nachbarn deuten fcheunenwärts,
Wie ich den Namen meines Sohnes nenne.
Sch fchreit’ hinein — ihr habt von Mutterfchmerz
Wohl reden hören? — fehet, auf der Tenne
Kalt, leblog liegt er, eine Sünglingsleiche,
Vom Tod entftellt, doch kenn' ich ihn! ich Fenne
Mein eigen Blut! — o Gott! — ich Enie, ich ftreiche
Aus feiner Stirn das blonde, fehlichte Haar;
Sch nehm’ die Hand, die blafle, marmorgleiche;
127
Die Arme fteif, dag braune Antlig war
Bedeckt mit Faltem, Faltem ZTodesichweiße;
Der Mund halb offen, doch des Odems baar,
Und von den Augen ſah ih nur das Weiße;
Born aus der ade quoll das dunfle Blut.
D Gott, mein Sohn, mein einz’ger Sohn! ich reiße
Das Hemd ihm auf, Einhalt zu thun der Fluth:
Die Kugel war ihm recht durch's Herz gegangen.
Beſchützen wollend feiner Mutter Gut,
Hatt’ auf des Priefters Winf er fie empfangen. —
Da lag er leblos auf den harten Steinen,
Und Todtenbläffe lag auf feinen Wangen.
Sch weinte nicht — o Gott, ich kann nicht weinen!
Sch fah ihn an, und fah ihn an — fortiwenden
Die glüh’nden Augen konnt' ich nicht von feinen
Erftarrten Zügen — mag ich mit den Händen
Sie auch bededen, mag ich feft fie fchließen,
Doch feh’ ich ihn! — und ließet ihr mich blenden,
Sch fäh? ihn noch, wie er zu meinen Füßen
Sm Blute lag! — ich feh’ ihn Tag und Nacht,
Doch Thränen, weh’ mir! Fann ich nicht vergießen.
Schlaf? — feit dem Tage hab’ ich nur gewacht,
Und meine ftarren alten Augen glüh'n,
Zu fpringen droh’nd; doch feine fchloß ich facht
128
Mit diefer Hand; die Krieger draußen fehrien.
Alfo geſchah's, ich hab’ euch Nichts verhohlen!“ —
Sch bog mich fehürend vor in den Kamin,
Und eine Thräne ziſchte in die Kohlen.
129
Die Griebin.
December 1834.
Der König fteigt von dem Gebirge nieder,
Bon Vallifaren Eriegerifh umgeben.
Sm Thal liegt Delphi. Schwärzlich von Gefieder
Sieht einen Adler er voran fich fchweben.
D du, von Dem am Thron des Donn’rers ftammend,
Sei ihm ein Zeihen! — Mehr und mehr erheben
Die Schatten fich; im Abendrothe flammend
Die höchſten Zinfen nur auf dem Parnaffe,
Sonſt Nebelihichten rings fchon im umdammend!
Sie find in Delphi; da, vorn in der Gaffe,
Stellt eine Greifin fih dem Fürften dar.
Lang auf ibm ruh’n laßt fie das thranennafle,
Freiligratk, Gebdidte. 9
130 A Fa
Berklarte Aug’; fchneeweiß wallt ihr das Haar!
Ein Achtzigjähr’ger muß die Mutter fügen,
Denn diefes ift ihr hundertzehntes Sahr. |
Und alfo fpricht fie: „Magſt du. lange fißen,
D König, auf dem neugebauten Throne!
Mag lange Zeit auf deinen Locken bligen
Des auferftand’nen Griechenlandes Krone!
Von dir, wie würdig fie ein Fürft trägt, lerne
Der Enfel noch von meines Enkels Sohne!
Dein Volk vermehre fich, gleichwie die Kerne
Der Aepfel des Granatbaums, meiner Spende!
Bon deinem Ruhm erſchalle weit die Ferne!” —
Und Otto nimmt, was zitternd ihm die Hande
Der Greifin reichen: da bricht log der Schwarm;
Die Fadelträger fchwingen ihre Brande;
Mit Zweigen winfend, hebt fih mancher Arm;
. Die Mädchen bringen frifche Blumenfronen,
Der Aermſte fpendet — heut’ ift Keiner arm.
Die am Parnaß und am Kithäron wohnen,
Mir ihren Schwertern raffelnd ſteh'n fie de:
„Dem Erften Heil von Griechenlands Ottonen!” —
Sch hab’ es euch erzählt, wie es gefchah;
Ihr habt e3 in den Blättern felbft gelefen,
Ihr Eennt fie längft, die neue Pythia!
131
Doh mich hat Diefer Frau prophetiich Wefen,
Mich diefer Zug des Herrichers tief bewegt.
Erwacht ift Hellas! Hellas iſt genefen!
Der lange blut’ge Traum ift aus — es fchlägt
Die Augen auf, und vor ihm fteht ein Netter,
Der auf die Kettenmale Balfam legt.
Da regt Dodona’s Baum die heil’gen Blätter,
Durch Tempe zieh’'n der Opfer Wohlgerüche,
Vom Iſthmos dröhnt’s, wie Kampf und Horngefchmetter,
Und wieder tönen der Drafel Sprühe —
Hat nicht der Mund der Pythia geredet?
Und Er, der fie vernahm, der Jugendliche,
Durchzieht fein Land, vor Kurzem noch verödet,
Herven gleih. Wie, mit dem Neftoriden,
Des Sthafers, der Troja mit befehdet,
Behelmter Sohn, als fie von Pylos fchieden,
Erfcheint er mir. Er ruht auf Schlachtgefilden,
Und Heldenfchatten wachen bei dem Müden.
Er hört das Klirren von Spartanerfchilden ;
Athen fein Haus! nach der Afropolis
Tönt aus der Ferne Ludwigs Lyra! — — Gülden
Erhebt die Sonne fih; an dem Gebiß
Sieht ungeduldig man die Nenner nagen;
Sie wiehern freudig, daß die Finfternif
132
Dem Morgen weicht; fie ftampfen und fie fchlagen —
Doch fieh’, die Geißel nimmt Veififtratos.
Delphi erwacht; der Fürft befteigt den Wagen,
Staub wirbelt auf — Chaire, Telemachos!
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Der Mlerandriner.
Spring an, mein Wüftenroß aus Alerandria!
Mein Wildling! — ſolch ein Thier bewältiget Fein Schab,
Kein Emir, und was fonft in jenen
Deftliben Ländern fih in Fürftenfätteln wiegt; —
Wo donnert durch den Sand ein foldher Huf? wo fliegt
Ein folher Schweif? wo folhe Mähnen?
Wie es gefchrieben fteht, fo ift dein Wiehern: Ha!
Ausihlagend, das Gebiß verachtend, ftehft du da;
Mit deinem lofen Stirnhaar buhlet
Der Wind; dein Auge blist, und deine Flanke ſchäumt: —
Das ift der Nenner nicht, den Boileau gezäumt,
Und mit Franzofenwiß gefchulet!
136
Der trabt bedächtig durch die Bahn am Leitzaum nur;
Ein Heerftraßgraben ift die leidige Cäſur
Für diefen feinen, ſaubern Alten.
Er weiß, daß eitler Muth ihm weder ziemt noch frommt:
Sp fehnäufelt er, und hebt die Hüflein, fpringt, und kommt
An's and’re Ufer wohlbehalten.
Doc dir, mein flammend Thier, ift fie ein Felfenriß
Des Sinai; — zerbrecht, Springriemen und Gebiß! —
Du jagft hinan — da klafft die Nike!
Ein Wiehern und ein Sprung! dein Hufhaar blutet, du
Schwebſt ob der Kluft; dem Fels entlodt dein Eifenfhuh
Des Echo's Donner und des Kiefels Blitze!
Und wieder nun hinab, wühl’ auf den heißen Sand!
Borwärts, laß tummeln dich von meiner fichern Hand,
Sch bringe wieder dich zu Ehren,
Nicht achte du den Schweiß! — fie’, wenn es dämmert, len?’
Sch langfam feitwarts dich, und ftreichle dich, und trank
Dich laffig in den großen Meeren.
137
Vier Roßſchweife.
Im Eilwagen am 15. Juli 1832, x
Drei Stutenfchweife weh’n, der gold’ne Halbmond blinft;
Im Bügel hebt fi hoch, den Damascener fhwingt
Der ftolze Paiha von Aegypten.
Ein Hengitichweif, lang und ſchwarz, auf einem blanfen Spiep
Weht flatternd vor dem Zelt des Dei’s von Tripolis,
Beihüßt von feines Heers Gelübden.
Ein Mamelufentrupp, mit Waffen fehwer bepadt,
Im Gurt Piftel und Dolch, die krummen Säbel nadt,
Bewacht die taufendhaar’ge Fahne.
Der Feldherr fißt im Zelt, fein Auge glüht vor Luft;
Er lehnt fein bärtig Haupt an einer Sklavin Bruft
Auf goldbefrangter Ottomane,
138
Mir fpannt man Fein Gezelt; an meine Wange fchmiegt
Sich Fein Tſcherkeſſenkind! Fein Kanzenreiter wiegt
Für mich den Fuß im gold’nen Neife;
Kein Halbmond ward mein Kohn nach einer Perferfchlacht —
Doch vor mir, ſtaubumwölkt, auf Fliegenmord bedacht,
Weh’n lang und dicht vier Nappenfchweife.
Mir raufcht der Bospor nicht, wie Stambuls Padiſchah;
Mir bluter nicht, wie einft dem Herrn von Janina,
Der Feinde Haupt auf ſpitzen Öattern;
Kein Scheif der Wüfte bringt mir feines Landes Zoll —
Doch mir, wie jenen, fliegt vierfaches Schweifgerol!
Glückauf! zur Heimath weht fein Flattern!
139
Afrikaniſche Huldigung.
eh lege meine Stirn auf deines Thrones Stufen;
Sch führe diefes Heer von hunderttaufend Hufen,
Sch führe diefen Raub und diefen Sklaventroß,
Sch führe diefe Schaar von Ningern und von Schüßen,
Die mit dem Dolch gewandt den Bauch der Feinde ichlißen,
Zurüd, o König, vor dein Schloß!
Gewonnen ift die Schlahr! Wir waren gute Schlachter!
Der Feinde König fiel, ein fchlanfer, wilder Fechter;
Sein langer Hals war nadt, mein Säbel fchnell und fcharf.
Im Sande liegt fein Rumpf, der Tigerin zum Mahle.
Erlaube, daß ich dir auf diefer gold’nen Scale
Sein triefend Haupt verehren darf.
140
Es trieft von Dele nicht, von Narden und von Salben:
Es trieft von rothem Blut, Gebieter! deinethalben! |
Doch dir zum Salböl wird dies dunkle Dfehaggasblut. |
Sch ſalbe dich zum Herrn des Neiches, das ich raubte;
Die volle Schale leer’ ich über deinem Haupte
Auf deiner gold’nen Krone Glut.
Und jene, die gezadt und blank mit gelbem Scheine
Dies todte Haupt umblikt, jeßt ſchmücke fie das deine!
Heil, daß ich ihren Glanz auf deiner Stirne feh’! —
Führt die Gefang’nen vor! fehwingt die gewicht’gen Keulen,
Und durch Trompetenfhall und der Erfchlag’nen Heulen
Jauchzt: Heil dir, Fürft von Dahomeh!
J
141
Florida of Boston.
28. Mür; 1833.
Das Weltmeer trug dich gern; du fchwimmft am Ziel
der Reiſe.
Dies ift des Hafens Thor! — nur noch durch diefe Schleufe,
Und deinen Kupferbauch umplätichert das Baſſin!
Wie fih auf dem Verdeck die rüft’gen Lootfen drangen!
Zur Arbeit fingen fies — einfah, mit rauhen Klängen
Schallt über’s Waffer der Refrain!
Bugfprier und Maften Eahl; die Segel find mit Schnüren
Zu Bündeln eingerefft; — hier gilt es, zu bugfiren!
Die Anferwinde Enarrt, das Schiff rüdt langfam vor.
Raſch mit den Speichen dreht fich Weißer und Mulatte,
Und majertätifch zieht die fchwanfende Fregatte
| Durch das weitoff’ne Schleufenthor.
142
Bon oben Eann ich jekt auf fie hinunterfchauen;
Mit ihrem Takelwerf, mit ihren mächt’gen Tauen
Grreich’ ich fie beinah’ mit ausgeftredter Hand,
Vor mir und unter mir der Schiffer gelbe Hüte;
reufundlands Dogge heult am Eingang der Kajüte,
Und blickt umher, und will an's Land.
Auf einer Tonne fißt der Steuermann am Steuer;
Hier liegt das lange Boot, dort flammt das Küchenfeuer;
Der Schiffskoch, Mais im Korb, tritt an den Hühnerftall,
Mit voller Hand laßt er die Frucht durch's Gitter raufchen;
Die Hennen drangen fich, und piden und belaufchen
Der transatlant’fchen Körner Fall.
Und trogig über euch, ihr Meeranacoreten,
Ihr Klausner auf der See, die ihr zwar fchlecht zu beten,
Doch gur zu fluchen, und im Sturm zu läftern wißt,
Auf dem DBefaanmaft hoch feh’ ich der freien Staaten
Kothftreif’ge Flagge weh’n, wie fie der Hanfeaten,
Holländer, Danen Flaggen grüßt.
ee 143
Der weißen Sterne Schein glänzt in der blauen Feldung;
Sie bringt der alten Welt von einer neuen Meldung,
An deren grünem Strand das Schiff vorüberzog.
Sie jab den Strom des Golfs; fie ichredte den Flamingo
Den icbarlahfarbigen, al3 er von Sanct Domingo
Gen Norden zum Obio flog.
Dort, und am Erie-See, bei fleiß’gen Colonijten
Und Bibern will er ſtill an dem Geſtade nijten,
Bis wieder ihn zurüdf gen Süden treibt das Eis.
Dort ſchwebt in Zügen er um dunkler Berge Firnen;
Wie Indier ſteh'n fie da: — um ihre braunen Stirnen
Wallt brennendrotb ein Federfreis.
Dort rudern ungejtört Canada's wilde Schwäne
Auf dem Ontario, wo der Huronen Käbne
Am Ufer liegen. — Halt! verftummt ift der Refrain!
- Im Schiffe wird es till — jeßt tritt es aus der Schleuie
Beipült das ſchirmende Baſſin.
Hervor — ein Huſſaruf! und feine Planfen leiie
.
144
Der Schwertfeger von Damaseus.
Ein hoher Gaft trat heut? in meine nied’re Schmiede,
Der Fürft der Gläubigen, der tapf’re Abbaffide!
Sn mein Gewölbe fehritt der bartige Kalif!
Sein glänzendes Gefolg fah man mein Haus umringen;
Er aber wählte fich die feharffte meiner Klingen
Mit diamantbefegtem Griff.
Die Waffe ließ er fich an feinen Gürtel binden,
Und fprengte faufend dann die grünen Tamarinden,
Den Sonnenfohirm des Markts, entlang mit feiner Schaar.
Der Staub des Weges flog, gefegt von Stutenbaucen;
Der Neiter Ferfe faß in den befhäumten Weichen,
Und Staunen faßte den Bazar.
145
Ich kreuzte demuthvoll auf meiner Bruft die Arme,
Und fah vor meiner Thür dem friegeriichen Schwarme
Bis an die Pforte nach, die gen Aleppo führt:
„D mächtiger Prophet, befhüge deinen Enfel,
Und gib, daß lange.noch die Starke feiner Schenfel
Sein Beduinenroß regiert!
Und du, mein frummer Stahl, leb’ wohl, aus meiner
dunfeln
Werkſtatt ziehit du hinaus! In Schlachten on: du
funfeln!
Bald Elirrft du, wo dein Blig ein Volk von Reitern lenkt!
Da ſchwärmen durch den Sand ſpießwerfende Geſchwader,
Den wilden Roſſen ſchwillt vor Kampfluſt jede Ader,
Und alle Zügel find verhängt.
Da ſiehſt du, zahllos wie der Sand, auf den fie treten,
Des Feindes Heere nah’n den Kindern des Propheten.
Durch unfre Reihen fliegt anordnend der Weflir.
Noch wartet der Kalif. — Da fchmettern die Fanfaren,
Und feine Linfe läßt den Zaum des Hengites fahren,
Und feine Rechte fährt nach dir.
Freiligrath, Gedidte. 10
146
Dann fehwelaft in Blute du, geführt von der geballten
Kalifenfauft, und dampfft, und züngelft aus den Falten
Des Aermels, der die Hand des Mächtigen bededt,
Wie in Arabien und auf den Öden, flachen
Sandftreden Soriftang aus eines Schafald Rachen
Die biutgetränfte Zunge ledt.
Dann zudft du himmelan, wie eine rothe Flamme,
Bei deren Lodern Nachts ein Dichter feinem Stamme
Bon Genien und Feen erzählt am rothen Meer.
Und diefe Flamme, die den Orient entzündet,
Und bald im Dceident des Oftens Macht verfünder —
Ans meiner Eſe ſtammt ſie her!“
147
Der Scheif am Sinai
im Spütjahr 1830.
Tragt mich vor's Zelt hinaus ſammt meiner Ottomane
Sch will ihn ſelber ſeh'n! — Heut’ kam die Karavane
Aus Afrika, fagt ihr, und mit ihr das Gerücht?
Tragt mich vor’s Zelt hinaus! wie an den Waſſerbächen
Sich die Gazelle legt, will ich an feinem Sprechen
Mich legen, wenn er Wahrheit fpricht.“
Der Scheif faß vor dem Zelt, und alfo ſprach der Mohre:
„„Auf Algiers Thürmen weht, o Greis! die Tricolore,
Auf feinen Zinnen raufht die Seide von yon;
Durch feine Gaffen dröhnt früh Morgens die Neveille,
Das Roß geht nah dem Takt des Liedes von Marfeille —
Die Franfen famen von Toulon.
148
Gen Süden rüdt das Heer in blißender Kolonne ;
Auf ihre Waffen flammt der Barbaresfen Sonne,
Tunefer Sand umweht der Pferde Mahnenhaar.
Mit ihren Weibern flieh’n die Enirfchenden Kabylen;
Der Atlas nimmt fie auf, und mit dem Fuß voll Schwielen
Klimmt durch's Gebirg’ der Dromedar.
Die Mauren ftellen fich; vom Streit gleich einer Eſſe
Glüht ſchwül das Defile, Dampf wirbelt durch die Päſſe;
Der Leu verläßt den Neft des halbzerriff’nen Reh's.
Er muß fih für die Nacht ein ander Wild erjagen. —
Allah! — Feu! En avant! — Keck bis zum Gipfel fchlagen
Sich durch die Aventuriers.
Der Berg trägt eine Kron’ von blanfen Bajonetten;
Zu ihren Füßen liegt das Land mit feinen Städten
Vom Atlas bis an's Meer, von Tunis bis nah Fe.
Die Neiter fißen ab; ihr Arm ruht auf den Croupen;
Ihr Auge fchweift umher; aus grünen Myrtengruppen
Schau’n dünn und ſchlank die Minarets.
149
Die Mandel blüht im Thal; mit fpisen, dunfeln Blättern
Troßt auf dem Fahlen Fels die Aloe den Wettern;
Gefegnet ift das Land des Bey's von Tittery.
Dort glänzt das Meer; dorthin liegt Franfreih. Mit
den bunten
Kriegsfahnen buhlt der Wind. Am Sündloh glüh'n die
Lunten;
Die Salve kracht — ſo grüßen ſie!““
„Sie ſind es!“ ruft der Scheik — „ich focht an ihrer Seite!
O Pyramidenſchlacht! o, Tag des Ruhms, der Beute!
Roth, wie dein Turban, war im Nile jede Furt. —
Allein ihr Sultan? ſprich!“ er faßt des Mohren Rechte;
„Sein Wuchs, ſein Gang, ſein Aug'? ſah'ſt du ihn im
Gefechte?
Sein Kleid?“ — Der Mohr greift in den Gurt.
„„Ihr Sultan blieb daheim in ſeinen Burggemächern;
Ein Feldherr trotzt für ihn den Kugeln und den Köchern;
Ein Aga ſprengt für ihn des Atlas Eiſenthür.
Doch ihres Sultans Haupt fieh’ft du auf diefem blanfen
Goldſtück von zwanzig Francd. Ein Neiter von den Franfen
Gab es beim Pferdehandel mir!”
150
Der Emir nimmt das Gold, und blickt auf das Gepräge,
Db dies der Sultan fei, dem er die Wüſtenwege
Bor langen Sahren wies; allein er feufzt und fpricht:
„Das ift fein Auge nicht, das ift nicht feine Stirne!
Den Mann hier Fenn’ ich nicht! fein Haupt gleicht einer
Birne!
Der, den ich meine, tft es nicht!““
151
Um Kongo.
Sultanen, zaudert nicht! es gilt ein Feſt zu feiern!
Berauſcht mit Palmwein euch aus halben Straußeneiern!
Schmückt euch, wie jenen Tag, an dem des Harems Thor
Sich vor euch öffnete! entfaltet eure beſten
Gewande! kleidet euch, wie ſonſt bei hoben Feſten!
Ein großes Glück ſteht euch bevor!
Die Menge draußen jauchzt, und die Batuken ſchallen,
Vom vollen Nacken laßt den falt'gen Scharlach wallen!
Hängt die Korallen um, aus denen Feuer ſprüht!
Die rothe Erde nehmt, die Wangen zu beſtreichen!
Laßt euer Angeſicht dem Morgenhimmel gleichen,
Wenn er in dunkler Röthe glüht!
152
Singt euer froh’ftes Lied! Tanzt durch die Palaftthüren
Sn das Gewühl hinaus! zum Strome laßt euch führen,
Wo um den König fich gelagert hat das Heer.
Er ift zurücdgefehrt aus feinen Wüftenfchlachten,
Ihr feufztet oft nach ihm; — geftillt wird euer Schmachten!
Fortan verläßt er euch nicht mehr!
Ihr feid beneidenswerth! zu allen Tageszeiten
Wird er jebt bei euch fein; er braucht nicht mehr zu
ftreiten;
Das ganze Land ift fein, bis wo der Kongo quillt.
Kichts liegt ihm fürder ob, als unter euch zu weilen;
Für immer wird er jeßt mit euch das Lager theilen —
Dort liegt er auf dem Kupferfchild!
Fahrt nicht zurüd! er ift’s, der Wildefte der Dſchaggas!
Wohl gleiht fein Mantel jekt dem ftreif’gen Fell des
Duagga’s;
Blutftreifen zieren ihn! wohl ift fein Auge ftarr!
Wohl ift fein Arm gelähmt, der ung den Sieg erfochten!
Wohl fteh’n die Pulfe ftill, die einft fo feurig pochten
Bei Tamtamklang und Hufgefcharr!
153
Er bat den Sieg erfauft mit feinem eig’nen Blute;
Kein Geriot, Fein Grisgri und feine Zauberruthe
Erwedt ihn; durch dies Grab will er von binnen zieh’n
In das glüdfel’ge Land, wo die Gejtorb’nen wohnen;
Wo ftatt des Thaues Blut auf Gras und Blumenfronen
Glänzt; — Heil euch, ihr begleitet ihn!
Wohl zög’ er zürnend noch empor die finftern Brauen,
Fänd’ er im Grabe nicht die dreimal fünfzig Frauen,
Die lebend er umarmt! — wir fenden euch ihm nad!
Seht, wie fein Auge zudt! mit grünen Palmenzweigen
Bedeckt den Harrenden! tanzt, und im wirrften Neigen
Empfangt Schwertftreih und Keulenfchlag!
ee
154
Seipi».
Mate, du bift fehr reich! dein Saal ift voll von Pagen;
Zweimal zehn Meilen zieh’n am Fluſſe die Plantagen
Sich hin, wo man für dich die Baumwollftaude bau’t ;
Wo man das Zuderrohr für dich mit Meffern fchneidet,
Wo feine Kraft für dich der Kaffeebaum vergeudet,
Wo in den Raum des Schiffs man deine Ballen ftawt.
Maſſa, du bift fehr reich! wenn unter den Agaven
Der Vogt zufammenruft die Menge deiner Sklaven,
So faßt fie faum der Plaß vor deinem Steinpalaft.
Zwölf Pferde reiteft du; fünf Schiffe find dein eigen;
Sie tragen deinen Ruhm in alle Welt; es zeigen
Den Namen, den du führft, die Flaggen hoch am Maſt.
155
Maſſa, du bift fehr reich! die Tochter des Greolen,
Leicht, wie am Mondgebirg der Zebraftute Fohlen,
Dient dir; — o, welh ein Mund, o, welh ein Aug’!
welh Haar!
Sie trägt ein Kleid von Flor, gefärbt mit Cochenille;
Erröthend reicht fie dir den braunen, mit Vanille
Gewürzten Frübetranf der Cacaobohne dar.
Maſſa, du bift fehr reich! dein Jagdhund beißt Diana;
Hat je ein Hund, wie der, die Wälder von Guyana
Durchrannt und ftöbernd das Tajaſſu aufgefpürt?
Weit trägt dein Doppellauf; dem hundertfarb’gen Fittig
Des Tukans ruft er: „Halt!“ — Du fagft, er fen von
Lüttich;
Mit einem Hirfchkopf ift der braune Schaft geziert.
Maſſa, du bift fehr reich! wenn drüdend heiß aus Werften
Der ſchwüle Landwind weht, verichläfft du in Sieften
Die Glut, der reihite Mann in Paramaribo.
Halbnadt liegft du auf der Vicunnawolle Quito’;
‘ch ftehe neben dir und fcheuche die Moskito's;
Ich bin dein Lieblingsfflav; du nennft mich Scipio.
156
Maſſa, du bift fehr reich! Dongola’s Fürften äßen
Die Speifen, die dein Koch in filbernen Gefäßen
Auf deine Tafel feßt, o Herr, zur Mittagszeit.
Dein Tiſch ift voll vom Gut des Landes und der Tiefen;
Das würz’ge Schwalbenneft der fernen Lakediven
Und Selt’neres ift dir, Herr, Feine Seltenheit.
Maſſa, du bift fehr reich! wer zählte die Gerichte,
Womit man dich bedient, den Wein, die faft’gen Früchte?
Aus deiner Küche tönt den ganzen Tag Geräuſch.
Doch ein Gericht, v Herr, fehlt dir, dein Mahl zu krönen;
Kein and'res kommt ihm gleich an Wohlgeſchmack; die
Sehnen
Stärkt es; o, zürne nicht! — ich meine Menſchenfleiſch!
157
Un das Meer.
O Meer, verlieh'ſt du nicht den brennendrothen Saft,
Den heil’gen Purpur, draus man Kön’gen Mäntel fchafft,
Den Männern von Beryt und Tyrus?
D finft’res Meer, lag nicht in deiner grauen Fluth
Die dunfle Röthe, die mit königlicher Glut
Umfloß den Heldenleib de3 Cyrus?
O du, des fhwärzlihen Meergottes farb’ger Sohn,
Purpur, bededteft du nicht Aleranders Thron
Im Land der under und der Schthen? —
D Meer, dein dunfler Schooß verbirgt ein Labyrinth
Bon Wundern; — ift nicht auch die Perl’, o Meer, dein
Kind?
Gebarft du nicht ſelbſt Aphrodite'n ?
158
‘a, du bift reich! ich fah bis auf den Grund dich, Meer!
Wie dem von Sidon du die Mufchel gabit, daß er
Den Purpur auf die Wolle drüde:
Sp haft du meinem Blick dein Inn'res aufgethan,
Sp ließeft du im Geift mich deine Pracht empfah'n,
Auf daß fie meine Lieder ſchmücke.
Die alten Schäße, die auf deinem Boden ruh'n,
Die Horte, die man einft in dich verfenft, die Truh'n,
Die durch das blaue Waſſer blißen;
Die Dracden, deren Mund blutrothe Flammen fpeit,
Die, Scepter in den Klau’n, im Scharlachichuppenfkleid
Das anvertraute Sur befchüßen;
Die Schlange, deren Leib, aleichwie ein Meridian,
Die halbe Welt umfpannt, die Keines Augen fah’n,
Als meine, die mit fieben Zungen
Das Eis des Nordpols leckt (— es ſchmilzt von ihrem
Hauch,
Die Gleicherfonne fengt durch's Waſſer ihren Bauch,
Den Südpol halt ihr Schweif umfchlungen);
159
Die Städte, die dein Mund in feine Tiefe ri —
Als Wächter ſteh'n am Thor und fletichen das Gebiß
Meermänner mit blutgier’gen Bliden —);
Den Seepolppen, der mit haar’gen Armen zudt,
Den Leviathan, der den Mond dereinft verichludt,
Wenn er vom Himmel fällt in Srüden;
Das Grab Neptuns — in das, als er geftorben war,
Als ihn Fein Steuermann mehr rief in der Gefahr,
Als jeder fih an Heil’ge wandte,
An Fiichefänger auf dem See Gengzareth,
Und nicht an ihn mehr, dem der Aethiop das Fett
Bon hundert Stieren einft verbrannte —
Sein Grab, in welches ihn ertrunf’ne Nömer und
Hellenen — fie auch, die der rothaefärbte Sund
Bon Salamis verfchlang — begruben,
Sich drüber legten, und — o, weld ein Leichenftein! —
Aus ihrem eigenen verwitterten Gebein
Dem todten Gott ein Mal erhuben;
Die Flafchen, die der Ring des Salomo verfchloß,
Die feit Sahrtaufenden dein Waſſer ſchon umfloß;
Die Krüge, glafern oder irden,
In denen Geiſter find, entfeklich. von Geſtalt,
Die losgelaffen dich, v Weltmeer, wie Asphalt
Sn lichte Flammen feßen würden! —
AP Hab’ ich es gefeh’n! — du haft dich mir gezeigt,
Auf dag mein Mund von dir und deinen Wundern zeugt,
Uraltes Meer, vor meinem Sterben. '
Du reichft den Purpur mir: mein Lied ift dad Gewand,
Auf dem er glühen fol, ich tauche mit der Hand
In deine Fluth, mein Lied zu färben.
Sieh’, wie es funfelt! fieh’, fchon glänzt es purpurroth,
Schon glüht es farb’ger, als die Flagge, die das Boot
Aus China ſchmückt vor Surabaya!
Schon geht es, buntgefchuppt, in feiner Pracht einher;
Dem Goldfifch ift es gleich, dem bligenden, wenn er
Sich fonnt im Bufen von Biscaya.
v
J
J
161
Schiffbruch.
Fragment.
Wohl wünſch' ich Vieles mir; doch, wär' ich ein Matroſe,
Dann wünfcht’ ich einen Sturm und eine Waſſerhoſe
Im fernften Südimeer mir; dann wünſcht' ich, daß mein
Schiff
Der zürnenden Gewalt des Trombengeifts verfiele,
Daß, maft: und fegellos, es ſäße mit dem Kiele
Gefpießt auf ein blutrotb, thurmhoch Korallenriff.
Des Meeres Arme find die zadigen Korallen ;
Aus feiner Tiefe ftredt es fie, wie blut’ge Krallen,
Nach den belafteten DOftindienfahrern aus;
Und hat es fie gefaßt, dann halt fie es den Schlägen
Der Stürzfluth und dem Zorn des Tropenfturms entgegen,
Und reißt fie jauchzend in fein wunderbares Haus.
Freiligrath, Gedichte 11
ö EN
2 “\
162
Die Wände feines Saals — Eisberge! glänzend ftehen
An beiden Polen fie! — bedeckt es mit Trophäen:
Der Schiffe Flaggen und zerriff’ne Segel ſind's.
Ha! war’ ein Schiffer ich, dann wollt’ ich, fo verfänfe
Mein Schiff, gefchleudert auf die ſcharlachrothen Bänke
Des unbefannteften und fernften Labyrinths
Bon Südfeeinfeln, die, wie unbewegt das flache,
Saftgrüne Lotosblatt auf einem ftillen Bache
Schwimmt, auf dem Meere ruh’n; fie fhlummern auf
der Fluth,
Schilfgürtel tragen fie und Kofospalmenfronen,
Die pracht’gen Vögel, die hoch auf den Kronen wohnen,
Sind das Geftein daran, goldgelb und roth, wie Blut.
Wie Kinder ruh’n fie an der Bruft des Oceanes,
Sie lächeln durch den Sturm, die Stimme des Drfanes
Stört ihren Schlummer nicht ; des Meeres ſchäumend Naß,
Das fie mit Untergang bedroht, macht fie nicht zittern:
Sp lächelnd fehlummerte, inmitten von Gewittern,
Der Sohn des Menfcen einft auf dem Tiberias.
* Pr
— —
163
Anno Domini ........- ?
Hirt mich, Kleinglaubige! — wie vormals im Gefilde
Der Marne bei Chalons die Sünderin Brunhilde
Durch Knechte binden ließ mit ihrem grauen Haar
An einen wilden Henaft, daß an dem dichten Schweife
Er galoppirend fie durch's Franfenlager fchleife,
Der Sohn des Ehilperich, der andere Ehlotar;
Der Hengft riß wiehernd aus; die Hinterhufe ſchlugen
Das nacgefchleppte Weib: verrenft in feinen Fugen
Ward jedes Glied an ihr; um ihr entitellt Geficht
log ihr gebleichtes Haar; die fpißen Steine tranfen
Ihr Eöniglihes Blut, und fchaudernd ſah'n die Franken
Shlotars, des Zürnenden, erichredlih Strafgericht;
164
Jetzt auf ihr Antliß, das blutrünft’ge, fiel der rothen
Wachtfeuer Glut, die da vor jedem Zelte loh’ten;
Jetzt wufch mit eifgem Guß den Staub von ihrer Stirn
Ein Arm des Marneftroms; weit vorgequollen ftierte
Ihr Aug', und das Kameel, drauf man ſie Morgens führte
Durch's ganze Heer, ward jetzt beſpritzt von ihrem Hirn:
So wird dereinſt, hört mich, ihr Kalten und Verſtänd'gen,
Der Herr ein feurig Roß, das flammend in unbänd'gen
Courbetten ſchießt durch den Abgrund des Raumes hin,
Den feurigſten von den Kometen wird er ſenden,
Und wird an deſſen Schweif mit ſeines Zornes Händen
Die Erde feſſeln, die bejahrte Sünderin.
Aus ihrer Bahn, die fie ſklaviſch hat wandeln müſſen
Vom Anbeginn, wird fie durch feine Kraft geriflen;
Sie muß ihm folgen als Trabant; tief in den Raum
Schleift er fie mit fich fort; er fehnaubt, und Funfen
fprühen
Durch's Al; fein Schweif durchweht es ſtolz; denn mit
fich ziehen
Die Erde darf er — Gott verhängte feinen Zaum.
165
Wer halt den Raſenden? — die Sonne tritt zurüde,
Und fteht zuleßt fo fern, daß fie nicht Eines Blicke
Mehr fihtbar ift; dann wird es Falt und finfter fein,
Und jezumweilen nur, wenn fie den Grenzen neuer,
Entfernter Sonnen nah'n, wird, wie des Lagers Feuer
Dem Antliß der Brunhild, fo diefer Sonnen Schein
Dem zudendeg Geficht der Erde, der halbtodten,
Ein fladernd, gräßlich Licht zumwerfen; im blutrorben
Gewande ſteht alsdann der Himmel; fiedend zifcht
Die See. Vorüber fchießt der Wilde, von der Hiße
Gejagt. Nacht folgt aufs Neu dem momentanen Blike;
Schwarz wird die Erde, gleich der Kohle, die erlifcht,
Und bebt vor Käkte; bis, wenn lange Zeit verronnen,
Sie wieder deine Glur fühlt, mildefte der Sonnen,
Einft ihre Mutter du! Bei deinem erften Strahl
Zudt fie vor Luft; das Eis zerfchmilzt, die Quellen rinnen
Wie Freudentbränen; doc zum andern Mal von binnen
Meipt fie das Flammenroß, und neu wird ihre Qual.
166
Doch endlich wird geleert fein deines Zornes Schale,
D Herr! — du winfft! — fie brennt! fie glüht zum
| erften Male
In eig’nem Licht, doch ift e3 eines Dochtes Brand,
Der fih durch Glüh'n verzehrt. Die Schöpfung fieht mir
Staunen
Das Sterben einer Welt; alsdann hört man Pofaunen,
Und die Wagfchale fehwebt in des Weltrichters Hand.
\
Ein Flammengürtel blißt und wallt von Pol zu Pole;
Die Berge ftürzen fich mit Zifchen in die Soole
Des Meer3; bis an den Mond weht Lohe, Schaum und
Rauch,
Und — doch, dann will ich mich empor im Grabe richten,
Und will, wenn ich es kann, dies Lied zu Ende dichten —
Sch zitt’re; mit der Hand beded ich Stirn’ und Aug’.
167
Henry.
Ein öd' und trüb' Gemach; der Abendſonne Schein
Bricht durch's vergilbte Glas der Fenſter fahl herein;
Matt durch die matten Scheiben bricht er.
Ein Feldbett und ein Tiſch; ein Seſſel auch; und hier
Ein Sarg — was zitterſt du? ſei ſtark, und folge mir!
Laß ung betrachten zwei Gefichter.
Sieh’ auf dem Tiſch dies Bild! — ein Mädchen! — o
wie hold!
Dies Auge! diefer Mund! und diefer Koden Gold!
D, diefer Liebreiz, diefe Milde!
Ein himmelblaues Band umfängt den fchlanfen Leib;
Die jungfräulihe Bruft...... Liebt mich einmal ein Weib,
D Gott, fo gleich’ es dieſem Bilde!
168
Nun aber wende dich! Sieh’ da den Todtenfchrein!
Ein Füngling ruht in ihm; — aus weißen Laken drau'n
Die ftarren, gramzerriff’nen Züge. |
Ein tiefer, ftiler Schmerz umzudt den bleihen Mund;
Doch gab den innern Sturm nie diefe Kippe fund —
Er wollte, daß ſie ewig fchwiege.
Zurück das Leichentuh! — Siehft du in feiner Hand
Den blut'gen Dolh? — Sei Mann! entferne das Ge
wand! —
Sein Herz die Scheide diefes Dolches!
Einmal betrachte noch dies lachelnde Geſicht,
Und dann dies fchmerzliche! — Nun fomm! doch frage nicht:
Um folch’ ein Angeficht, o Gott, warum ein folches?
Dermifchte Gedichte.
Im Walde.
Geh ich einſam durch den Wald,
Durch den grünen, düſtern,
Keines Menſchen Stimme ſchallt,
Nur die Bäume flüſtern!
O, wie wird mein Herz ſo weit,
Wie ſo hell mein Sinn!
Maͤhrchen aus der Kinderzeit
Treten vor mich bin.
Fa, ein Zauberwald it hier!
Was hier lebt und wacht,
Stein und Blume, Baum und Thier,
Alles ift verbert.
Die auf dürren Laubes Gold
Sich hier fonnt und finnt,
Diefe Natter, Frausgerollt,
Iſt ein Königskind.
172
Dort, in jenen dunfeln Teich,
Der die Hindin tranft,
Iſt ihre Palaft, Hoch und reich,
Tief hinabgefenft.
Den Herrn König, fein Gemahl,
Und das Burggefinde, |
Und die Nitter allzumal
Halten jene Gründe;
Und der Habicht, der am Nand
Des Gehölzes fehwebt,
Iſt der Zaub’rer, deffen Hand
Diefen Zauber webt.
O, wüßt ich die Formel nun,
Sp den Zauber löſ't:
Gleich in meinen Armen ruh'n
Sollte fie erlöft,
Bon der Schlangenhülle frei,
Mir der Krone blank,
In den Augen füße Scheu,
Auf den Lippen Dank. '
173
Aus dem Teiche wunderlich
Stiege das alte Schloß;
An's Geftade drangte fich
Ritterlicher Troß.
Und die alte Königin
Und der König, beide,
Unter ſamm'tnem Baldachin
Säßen ſie; der Bäume Grün
Zitterte vor Freude.
Und der Habicht, jetzt gewiegt
Von Gewölk und Winden,
Sollte machtlos und beſiegt
Sich im Staube winden. —
Waldesruhe, Waldesluſt,
Bunte Mährchenträume,
D, wie labt ihr meine Bruſt,
Lockt ihr meine Neime!
Die Tanne
(
1
Auf des Berges höchſter Spitze
Steht die Tanne, ſchlank und grün;
Durch der Felswand tiefſte Ritze
Läßt ſie ihre Wurzeln zieh'n;
Nach den höchſten Wolkenbällen
Läßt fie ihre Wipfel ſchweifen,
Als ob ſie die vogelſchnellen
Mit den Armen wollte greifen.
Ja, der Wolken vielgeſtalt'ge
Streifen, flatternd und zerriſſen,
Sind der Edeltann gewalt’ge,
Regenſchwang're Nadelkiſſen.
175
Tief in ihren Wurzelfnollen,
In den falerigen, braunen,
Winzig Elein, und reich an tollen
Launen, wohnen die Alraunen,
Die des Berges Grund befahren
Dhne Eimer, ohne Leitern,
Und in feinen wunderbaren
Schachten die Metalle lautern.
Wirr läßt fie hinunterhangen
Ihre Wurzeln in’s Gewölbe;
Diamanten fieht fie prangen,
Und des Goldes Glut, die gelbe.
Aber oben mit den dunfeln
Herten fieht fie ichön’res Leben;
Sieht durch Laub die Sonne funfeln,
Und belaufcht des Geiftes Weben,
Der in diefen ftillen Bergen
Regiment und Ordnung balt,
Und mit feinen Elugen Zwergen
Alles leitet und bejtellt,
Dft zur Zeit der Sonnenwenden
Nächtlich ihr vorüberfauf't,
Fine Wildfhur um die Lenden,
Cine Kiefer in der Kauft.
Sie vernimmt mit leifen Ohren,
ie die Vögel fich befprechen ;
Keine Sylbe geht verloren
Des Gemurmels in den Bächen.
Dffen liegt vor ihr der ſtille
Haushalt da der wilden Thiere.
Welcher Friede, welche Fülle
In dem ſchattigen Reviere!
Menſchen fern; — nur Rothwildſtapfen
Auf dem moosbewachſ'nen Boden! —
O, wohl magſt du deine Zapfen
Freudig ſchütteln in die Loden!
O, wohl magſt du gelben Harzes
Duft'ge Tropfen niederſprengen,
Und dein ſtraffes, grünlichſchwarzes
Haar mit Morgenthau behängen!
177
O, wohl magft du Llieblich wehen!
O, wohl magft du troßig raufchen!
Einfam auf des Berges Höhen
Stark und immergrün zu ſtehen —
Tanne, könnt' ich mit dir taufchen!
Inmitten der Fregatte
Hebt fih der ftarfe Maft,
Mit Segel, Flagg' und Matte;
Ihn beugt der Fahre Laft.
Der ihaumbededten Welle
Klagt zürnend er fein Leid:
„Was hilft mir num dies belle,
Dies weiße Segelkleid?
- Was helfen mir die Fahnen,
Die fhwanfen Leiterftride ?
Ein ftarfes inn’res Mahnen
Zieht mich zum Forft zurücke.
Kreiligrach, Gedichte 12
178
Sm meinen jungen Sahren
Hat man mich umgehauen;
Das Meer follt’ ich befahren,
Und fremde Länder fchauen.
Sch habe die See befahren;
Meerkfön’ge fah ich thronen;
Mir fehwarzen und blonden Haaren
Sah ich die Nationen.
Isländiſch Moos im Norden
Grüßt' ich auf Felfenfpalten;
Mit Palmen auf füdlihen Borden
Hab Zwieſprach ich gehalten.
Doch nach dem Heimatberge
Zieht mich ein ftarfer Zug,
Wo ich in's Neich der Zwerge
Die haarigen Wurzeln fchlug.
O ftilleg Leben im Walde!
D grüne Einfamfeit!
O blumenreiche Halde!
Wie weit feid ihr, wie weit!”
—
179
Die Todten im Meere.
Tief unter grüner Meereswell',
Auf Muſchelbank und Kies,
Da ſchlummert mancher Schiffsgeſell,
Der friſch vom Lande ſtieß.
Die See riß ſein gebrechlich Boot
Hinab auf ihren Grund;
Im Sturme fand er frühen Tod,
Und war doch ſo geſund.
Tief unter grüner Meereswog',
Auf Kies und Muſchelbank,
Da ſchlummert mancher And're noch,
Der nicht im Sturm ertrank.
Er ward in enger Koje kalt,
Kam nie zurück zum Port.
Man hat ihn auf ein Brett gefchnallt,
Und warf ihn über Bord.
180
a. a
Fin großes Grab ift Meeres Grund,
Ein Kirchhof Meeres Spiegel;
Die Wellen, fehwellend all und rund,
Das find die Grabeshügel.
O, könnte man dort unten fein,
War’ Meeresflurh verronnen:
Man fah’ der Schlafer lange Neih’n,
Säh' von Polypen ihr Gebein,
- Das bleiche, roth umfponnen.
Man fah’ ihr Kiffen: weiches Moos,
Und Sand und Meereslinfen;
Man fäh’, wie fie mit Zähnen bloß
In's Fifchgewimmel grinfen.
Man fah’, wie ihren Knochenarm
Der Sägefifch polirt;
Wie fie der Meeresfrauen Schwarm
Mit felt'nen Gaben ziert.
Die eine falbt, die andre flicht
Ihr Haar, das lang begaffte,
Und ſchminkt ihr beinern Angeficht
Mit Purpurfchnedenfafte.
| % 181
Die eine fingt ein traurig Lied,
Die fommt mit Mufchelfhnüren.
Man fäh’ die todte Schaar umglüht
Bon wunderbaren Zieren;
Sah’ Hand und Knöcel fchön umglänzt
Von gelben Berniteinfchnallen;
Der nadte Schädel war’ befränzt
Mir frönenden Korallen.
Und theure Perlen, rein und weiß,
Das wären ihre Augen.
Man fah’ der Tiefe bunt Geſchmeiß
Ihr Beinmark gierig faugen.
Man fähe jeden fchlanfen Mait,
Den einft die Fluth getragen,
Den jeßt ein Meeresfels umfaßt,
Einen Todten überragen;
Sab’ ihn, benagt von Fiih und Wurm,
Gewurzelt feſt in Torfe;
Der Schläfer meint, es ſei der Thurm
Von feinem Heimathdorfe. —
182 *
Ja, unter grüner Meereswell',
Bei Perlen ſilberfarb,
Da liegt manch rüſtiger Geſell,
Der in den Wellen ſtarb.
Er ſchlummert fern von Haus und Hof;
Keine Blume ziert ſein Grab,
Und feine Freundesthräne troff
Auf fein Geficht hinab.
Er ſchlummert ſüß; umdüftert auch
Sein Grab fein Rosmarin,
Umfänfelt’s auch Fein Nofenftrauch,
Keiner Trauerweide Grün,
Was thut's? — Und daß fein Angeficht
Kein Thränenregen fchlug,
Den Todten im Meere kümmert's nicht!
Er ift ja naß genug!
183
Geiſterſchau.
Gleichwie an des Ades Thor
Wagend ſich Odyſſeus ſetzte,
Die Geſtorbenen beſchwor,
Und mit Widderblut ſie letzte;
Daß für das erſehnte Naß
Jeder ſeinen Spruch ihm gebe,
Daß zumal Teireſias
Ihm der Zukunft Schleier hebe:
Sp auch oft an dem Geſtad
Meines Erebos, des Meeres,
Sitz' ih, der Laertiad’
Eines luft’gen Todtenheeres.
Aber nicht durch Blut und Wein,
Ird'ſchen Stoff, bin ich ihr Meifter.
Kraft des Willens find fie mein:
Nur der Geift beſchwört die Getfter!
184 TATEN
Aus des Geiftes Tiefen quillt,
Was das Aug’ als Geifter fchanet;
Aus mir felber, fühn und wild,
Steigt empor, davor mir grauet.
Siehe, roth vom eignen Blur,
Kommen fie herangezogen,
Seelen derer, fo die Fluth
In das Todtenreich gezogen;
Kön’ge, denen aus der Hand
Sie das gold’ne Scepter fpülte;
Madchen, denen fie entbrannt
In den todten Neizen wühlte;
Schiffer, denen hundert Jahr
Bellen ſchon den Schädel neßen —
ende dich, du düſt're Schaar,
Denn es faſſet mich Entfeßen!
Beh’! was hab’ ich euch geftört,
Schlumm’rer auf dem Grund der Meere!
Weh’, wo ift des Griechen Schwert,
Daß ich eurem Zürnen wehre!
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2 ee
Die Magier.
(Im Dom zu Cöln.)
Wie wenn Phiolen, die der Meifter,
Bannworte murmelnd, wohl verpicht,
Mit Feder Hand ein junger, dreifter
Lehrling der Zauberfunft zerbricht;
Urplöglich füllt das wunderliche
Gemach ein leichter, blauer Rauch,
arkotifch fteigen Wohlgerüche
Aus der geborftinen Flaiche Bauch;
Und wie die Menge der zerftreuten
Duftfloden fih zufammenballt,
Sp werden fie zu des befreiten
Flementargeifts Kichtgeftalt;
Zum Dank, daß er zerbrach das Siegel,
Das feinen Kerfer lange Zeit
Schloß, will erd Jenem feine Flügel
Leih'n, und der Erde Herrlichkeit
186
— a
Ihm zeigen: — fo aus diefen Düften
Des Weihrauchs, die der Kirche Chor
Durchzieh’n, tritt riefig, um die Hüften
Den Gurt, ein Genius hervor.
Sandalen trägt er an den Sohlen;
Es ift ein Geift der Wüſtenei.
Im Weihrauch fehlief er; diefer Kohlen
Glut machte den Gebund’nen frei.
Aus langen Neihen ernfter Beter
Trägt dahin er mich durch die Luft,
Wo nicht Ein Haus, wo ganz der Xether
Durhwallt wird von des Weihrauchs Duft.
Ihr heil’gen, königlichen Dreie,
Grzeigt er diefe Gnade mir,
ie ließ’ er euch, einft Yemens treue
Stammführer, in den Mauern hier ?
Er pocht an euer Grabgewölbe,
Und weckt vom langen Schlaf euch auf,
Salbt euer Haar, und drüdt die gelbe
Pracht gold’ner Diademe drauf.
187
2
Ihr wandelt wieder durch die Lande,
Die gläubig einftens ihr durchirrt;
Die Roſſe harren noch im Sande,
Gezäumt, gefattelt und gefchirrt.
Ihr bindet los fie von den Baumen,
Und tretet in die Bügelihuh’,
Und führt an rotben Korduanzaumen
Dem Abend die Kameele zu.
hr fammelt Weihrauch, Gold und Myrrben,
Und häuft — die Weihnacht ift nicht weit! —
In tiefen, funfelnden Gefchirren
Der Gabenfülle Koftbarfeit.
Ihr folgt dem Scheine des Kometen
Auf's Neue nach Serufalem;
Die Prophezeiung des Propheten
Seht ihr erfüllt zu Bethlehem.
188
” ebo.
1830.
Auf Jordan's grünen Borden,
Da weilte Jakob's Samen;
Da feierten die Horden,
Die von Mizraim famen;
Da lagerten die Schaaren,
Da hielt der Heerzug Raſt,
Seit langen, langen Jahren
Der ſandigen Wüſte Ggf.
Da legten ihre Steden
Die Wand’rer aus den Händen,
Und fpreizten weiche Deden,
Entgürtend ihre Lenden.
Und auf den Deden reinlich,
Da lagen, buntgefchaart,
Die Männer, fchlanf und braunlich,
Mir ſchwarzgelocktem Bart.
Pr
> ⸗
189
Da waren ihre Hütten
Bon Leinen aufgeitellt,
Und in der Zelte Mitten
Hob ſich des Stiftes Zelt.
Da ihüßten grüne Sträuche
Sie vor der Glut der Sonnen;
Da füllten fie die Schläuche
Am fühlen Wailerbronnen.
Da falbten fie die Leiber,
Die ftaubigen, mit Dele;
Da ftriegelten die Treiber
Die dampfenden Rameele;
Da rubte wiederfäuend
Im Grafe Heerd’ an Heerde;
Da flogen wild und fcheuend
Die langgeichweiften Pferde.
Da freuten fih die Müden
Und boben fromm die Hände,
Das ihnen bald beichieden
Der langen Wallfahrt Ende;
190
Da fchärften fie die Schneide
Des Schwerts mit Fräfr’ger Hand,
Zu Fämpfen um grüne Weide
a ar ————
In ihrer Vater Land,
Das ihrer fchien zu warten
Am andern Bord des Flufles,
Ein lachender Gottesgarten,
Ein Land des Weberfluffes.
Auf ihren Wüſtenzügen
Sah’n fie es oft im Geiſt —
Jetzt ſeh'n ſie's vor ſich liegen,
Das Land, wo Milch und Honig fleußt.
Im Thal ruh'n die Nomaden
Und jauchzen: Canaan! —
Ihr Haupt auf ſteilen Pfaden
Klimmt das Gebirg hinan. |
Schneeweiße Loden fließen
Yuf feine Schultern dicht;
Zwei gold’ne Strahlen fchießen
Aus Mofis Haupte licht.
an *
—
— *
—
Und wie er nun die Höhe,
Die fchauende, erreicht,
Und, daß er Alles febe,
Sich zitternd vorwärts beugt:
Da glanzen ihm die Auen,
Bon taufend Freuden voll,
Die er nur fehnend fchauen,
Doch nicht betreten Toll.
Da dehnen fih die Flächen,
Wo Korn und Traube reift;
Da ift mit weißen Bächen
Das grüne Land geftreift;
Da ſchwärmen Bienenförbe,
Da wiehert Pfluggeipann ;
Da funfelt Juda’s Erbe
Bon Berfeba gen Dan.
#
„Sch babe dich geſehen!
Sept ift der Tod mir recht!
Säufelnd, mit leifem Wehen,
Herr! hole deinen Knecht!” —
Da naht auf lichter Wolfe
Der Herr des Berges Rüden,
Dem müden Pilgervolfe
Den Führer zu entrüden. —
Auf einem Berge fterben,
Wohl muß das Föftlich- fein!
Wo fih die Wolfen färben
Im Morgenfonnenfchein.
Tief unten der Welt Gewimmel,
Forft, Flur und Stromeglauf,
Und oben thut der Himmel
Die gold’nen Pforten auf.
Die Bilderbibel.
Du Freund aus Kindertagen,
Du brauner Foliant,
Dft für mich aufgefchlagen
Bon meiner Lieben Hand;
Du, deffen Bildergaben
Mich Schauenden ergößten,
Den fpielvergefl’nen Knaben
Nach Morgenland verfekten:
Du ſchobſt für mich die Niegel
Bon ferner Zone Pforten,
Ein Eleiner, reiner Spiegel
Don dem, was funfelt dorten!
Dir Danf! durch dich begrüßte
Mein Aug’ eine fremde Welt,
Sah Palm', Kameel und Wüſte,
Und Hirt und Hirtenzelt.
Freiligratd, Gedichte. 13
194
Du bradteft fie mir näher,
Die Weifen und die Helden,
Wovon begeifterte Seber
Sm Buch der Bücher melden;
Die Mädchen, ſchön und brautlich,
Sp ihre Worte fchildern,
Sch fah fie ale deutlich
In deinen feinen Bildern.
Der Patriarchen Leben,
Die Einfalt ihrer Sitte,
Wie Engel fie umfchweben
Auf jedem ihrer Schritte;
Ihr Zieh'n und NHeerdentränfen,
Das hab’ ich oft gefeh’n,
Konnt’ ich mit ftillem Denfen
Bor deinen Blättern fteh’n.
Mir ift, als lägft du prangend
Dort auf dem Stuhle wieder,
Als beugt’ ich mich verlangend
Zu deinen Bildern nieder;
195
Als ftände, was vor Sahren
Mein Auge ftaunend ſah,
In frifhen, wunderbaren,
Erneuten Farben da;
Als äh’ ich in grotesfen,
Berworrenen Geftalten
Auf's Neue die Moresfen,
Die bunten, mannicfalten,
Die jedes Bild umfaßten,
Bald Blumen, bald Gezweig,
Und zu dem Bilde paßten,
An finniger Deutung reich;
Als trat’ ich, wie vor Zeiten,
Zur Mutter bittend hin,
Daß fie mir follte deuten
Sedweden Bildes Sinn.
Als lehrte zu jedem Bilde
Sie Sprüche mid und Lieder,
als ſchaute fanft und milde
Der Vater auf ung nieder.
O Zeit, du bift vergangen!
Ein Mährchen fcheinft du mir!
Der Bilderbibel Prangen,
Das gläub’ge Aug’ dafür,
Die theuren Eltern beide,
Der ftillfgufried’ne Sinn,
Der Kindheit Luft und Freude —
Alles dahin, dahin!
J
197
Landrinette.
1824.
Noch Knabe war ich, als Trompetenklang
Früh Morgens einſt zu meinen Ohren drang —
Hinaus, hinaus, das ſind Huſaren!
Kommt! Um die Ecke! Dort hat es geſchallt!
Fort auf den Markt! — Da ſah'n wir freilich bald,
Daß die Trompeter keine Krieger waren.
Beritt'ne zwar, phantaſtiſch angethan!
Zuerſt ein Neger mit geſtickter Fahn'!
Darnach ein Mädchen, ſteh'nd auf ſtolzem Pferde!
Sechs, ſieben Jahr' alt! Mit der kleinen Hand
Den Braunen zügelnd! Schimmernd im Gewand
Der Amoretten! Lächelnd von Geberde!
198
Dann Frau'n und Männer, fißend hoch zu Noß!
Weh'n feid’ner Mantel! Nitterlih Gefchoß!
Horn, Trommel, Federn und Barette!
Und, o, der Nenner und Gefchirre Pracht! —
Doch dachten wir bei Tag und auch bei Wacht
Zumeift nur an die Amorette. —
Bereiter waren's! Andern Tags erhob
Sich fchon ihr Zelt, und wälzte fich ihr Lob
Bon Mund zu Munde dur) die Straßen.
Mas Curtius! Was Verba gar auf Mi!
Was Döyffee! Wir dachten nur an Gie,
Bis endlich wir im Circus faßen!
Da fah’n wir denn, das wir bisher gekannt
Aus Büchern nur, der Wunder altes Land!
Bei'm Himmel, dieſer Rennbahn Räume
Umfaßten es: Helmzierden, Hermelin,
Speerſchwinger, Türken, ſchwarzer Augen Glüh'n,
Wiehernde Rappen und verhängte Zäume!
2
— ——
199
Und über Allem fie, die Fleine Fee
Des über Nacht erftand’nen Mährchens! — Seh’
Sch fie nicht heute noch, jeßt fächelnd
Ihr ſchnaubend Thier, jekt mit holdfel’gem Gruß
Die Bahn durchſprengend, jeßt den Eleinen Fuß
Der Kreide bietend, immer lächelnd!
Wir zahlten dreizehn, höchitens vierzehn Jahr';
Die Kleine fieben! — Bei den Göttern, war
E83 zu verwundern, wenn wir gerne
Das Aug’ erhoben zu der wilden Brut,
Mit Kennermiene fagten: „Die wird gut!“
Und fcheu fie grüßten aus der Ferne? —
Du Meteor aus unfrer Knabenzeit,
Es war ung wahrlich fein geringes Leid,
Als du nun fchiedeft, Kandrinettel —
Und, o, der Thränen erft, als alle Welt
Bald d’rauf erzählte, daß in Bielefeld
Das Halschen fie gebrochen hätte!
2.
1835.
Kennt ihr die Xeere, kennt den Efel ihr? —
Verdroſſen durch die Gaffen gingen wir;
Das Wort ließiich die Andern führen.
Bei Gott, ed war ein wichtiges Geſpräch:
Sie unterhielten fih den ganzen Weg
Bon Dirnen und von Staatspapieren.
Auf einer Ede d'rauf ward Halt gemacht.
Es war noch früh. „Was treibt ihr diefe Naht?“ —
Gegähne durch die ganze Gruppe.
„Jun denn! Theater, Safe, Karouſſel?“ —
„„Pah, feh’n wir lieber noch die Kenebel!.
Baptift ift da mit feiner Truppe!” —
201
So ging e3 denn zur Bude Loiffer’s; —
Wie fprudelte, ein übervoll Gefäß,
Tom Schaum des Volks der luft’ge Kaften!
Trompetentufh! Die Pforte rhut fich auf!
Staub, Hufgeftampf, ein ganzer Neiterhauf!
Entblößte Säbel, weh’nde Quaften!
Sechs Türken und fehs Amazonen! — Ha,
Sieh’ den Piqueur der Neiter! Genen da!
Den Schnurrbart mit den prallen Schenfeln!
Das ift Baptiftel Sieh’, wie den Gaul er hept!
Sieh’, mit den üpp’gen Neiterinnen jekt
Beginnt er frifh ein luftig Plänkeln!
Und wer führt die? Doc nicht die Kenebel?
„Die,“ fagt man, „hat ein lüfterner Gefell
Beihwapt, daß fie mit ihm entrinne.
Sei's, bald von felber trifft fie wieder ein!” —
Wer aber mag die Amazone fein? —
„Nun, wer denn anders, als die Hinne?“ —
202
Was, Hinne?.... Teufel, doch diefelbe nicht,
BIER ..,. Und wie Schuppen fiel’3 mir vom Geficht!
’S war Minna Hinne! Landrinette!
Zur pract’gen Roſ' erfchloß die Knospe fich;
Das Kind ward Weib, und einer Venus glich
Heut? jenes Tages Amorette!
O, feltfam Treffen nach fo langer Zeit!
Damals ein Städtchen tief im Lande — heut’
Die Weltftadt dicht am Meeresftrande !
Elf Fahre, Mädchen, find feitdem entfloh’n!
Du ftrahlft und blühft — ich aber ftehe fchon
An meiner fpat’ften Jugend Rande!
Du haft feitdem geritten und geſchwärmt; —
Du Wilde, fprich, haft du dich auch geharmt 2
Haft du gelitten und gejammert?
O, fprich, floh diefes füße Kacheln nie?
Haft du, wie Mignon, eines Meifters Kniee,
Stillweinend, niemals denn umflammert? —
203
Sch? — Einerleit — Friſch, Mädchen, zieh’ dein Schwert!
Borwärts! Las faufen durch die Bahn dein Pferd!
Laß fliegen feines Schaumes Floden!
Lab weh'n dein Kleid! Laß pochen deine Bruft!
Halt! Sp, nun ordne, deines Siegs bewußt,
Dir lähelnd deine ſchwarzen Loden!
Mich aber lab, o fehöne Neiterin,
Düfter und ernft, wie ich e3 meiftens bin,
Berfhräanften Armes vor dir ftehen!
Elf Sabre flohen — dir, mein Kind, wie mir!
Komm’, laffe mich mit trübem Lächeln dir
In dein verzehrend Auge fehen!
204
Das Hufarenpferd.
Vor mir ſtand der muth'ge Rapp,
Der zum Kampfe wohl geſchirrte;
Nagte ſchier die Zügel ab,
Schlug das Pflaſter, daß es klirrte.
Funken flogen, und ich ſprach:
„Dieſes Pflaſter, Rapp, iſt ſteinern;
Aber kommen wird der Tag,
Wo dir eines droͤhnt, das beinern:
Auf dem Schlachtfeld Stirn an Stirn
Derer, welche ſie erſchlugen!
dur gewiehert! Blut und Hirn
Sind der Mörtel feiner Fugen!
Und als Funfenfaat entfprüh’n
Ihm der Sterbenden Gedanken!
Ihre legten! fengend glüh’n
Sie um Schenfel dir und Flanfen!
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— Werden alle dich verklagen!
3... Viper kigwanbend wirſt du ſie
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Mit dir fort im Hufhaar tragen!”
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206
Heinrich der Seefahrer. |
1833.
Prachtig, noch in Trümmern hehr,
Mit Moskee und Marmorbade,
Wie ein Maͤhrchenpalaſt der
Sultanin Scheherezade,
Schriften über dem Portal,
Steht die Mohrenburg Alhambra.
In dem Kloſter Eskurial
Blitzt Demant und duftet Ambra.
Trotzig, wie ein Wüſtenleu,
Aus dem Meer, ein Felſenaltar,
In die gelbe Berberei
Wachſam ſchauend, ragt Gibraltar. —
207
Was fie bauten, was fie bau'n
Sn den beiden Königreichen,
Die der Sierren Kämme fchau’n
Muß dem Thurm des Prinzen weichen.
Bei dem Vorgebirg Vincent
Steht ein Thurm mit Marmorfchigellen.
Eine belle Fadel brennt
Dort, den Erdball zu erhellen.
Karten, Rollen mancherlei,
Sammt Boufolen und Quadranten,
In der ftilen Bücherei
Liegen dort um den Sinfanten.
In den Hallen Belem’s tönt
Lied und Flüftern holder Damen;
Doch der Sohn des Königs lehnt
Ernit am hohen Fenfterrahmen.
Ueber das bewegte Meer
Scweifen läßt er feine Blide,
Und nach Ländern, die nur Er
Schaut, den Völkern eine Brüde
Schlagen will er. Seine Hand
Stredt er aus nach Negerkronen;
Schiffe hat er ausgefandt,
Zu entdeden fremde Zonen.
An dem Lauf des Senegal,
Zwifchen Berbern und Giraffen,
Zeigen Krieger Portugals
Ihre Waffen und Agraffen.
Zu Lisboa prangt das Gut
Neberwund’ner, reicher Mohren.
Aus der Fühn durchfreuzten Fluth
Tauchen fehimmernd die Azoren.
Milden Himmels, reih an Holz,
Zeigt den Sciffern fih Madera;
Heinrichs Wimpel flaitern ftolz
Auf der Rhede von Terzera.
Nachtlich tritt an feinen Pfühl,
Fremd gefchmüdt, die Aventure,
Daß fie bunter Traume Spiel
Seinem Geift vorüberführe.
209
Blumen, die in Indien blüh’n,
Streut fie lächelnd auf den Schläfer;
Leuchtend durch die Kammer zieh'n
Laͤßt fie Senegambiens Käfer.
Südlich vom Drei: Spiken-Cap,
Wo die Datteln und die Mandeln
Wachſen, und der Baobab,
Laßt fie den Geliebten wandeln.
Elephanten vor ihm knie'n
Laßt fie, auf dem Nüden Thürme;
Und vor Diaz führt fie ihn
Nah dem Vorgebirg der Stürme.
An des Verfermeeres Saum
Ruht er aus auf Goa's Molo. —
Glich dein Reifen folhem Traum,
Sohn Venetia’s, Marko Polo?
Freiligratk. Gedichte 14
210
Dies Gninen? dies das Cap?
Indien dies, das Ziel der Neife?
Auch um mich mit goldnem Stab
Ziehft du deine Zauberkreife,
Aventure? fendeft mir
Deinen Greifen, breit von Schwinge,
Daß im Traum das Fabelthier
Mich nach Maährchenländern bringe?
Keichft mir Kronen und Geftein
Bon Kalifen und von Khanen?
Dringft mit mir in Wälder ein
Boll von ranfenden Lianen ?
Sorgft, daß man zur Tigerjagd
Glephanten für mich fhirre?
Führſt mich lächelnd durch die Pracht
Der Dafen in der Dürre?
211
Zeigft mit triefendem Gebiß
Mir den Panther unter Myrthen?
Diefes ift der Felfenriß,
Ko zum Flug fih Geifter gürten?
Dies ift des Propheten Gruft?
Hier im Fels, von Gactusblüthen
Purpurn, ift die finſt're Kluft,
Wo das Einhorn Zaub’rer hüten?
Diefe Knaben, wie der Lenz
Blühbend, Kronen in den Händen,
Sind des reichen Orients
Genien? — 0, hör’ auf, zu blenden!
Laß auf And’re, nicht auf mich,
Deines Hornes Fülle ftrrömen,
Die, verftändiger, als ich,
Wählend, deine Gaben nehmen!
Sieh’, der Schiffer kehrt mit Gold
Aus des Südens heißen Zonen;
Edle Würzen find der Sold,
Die den Fühnen Zug belohnen.
212 N
Thiere, die fein Aug? gefeh’n, |
Bögel, die am Südmeer niften, |
Pflanzen, die am Indus ſteh'n,
Legt der Forſcher in die Kiften.
Und der Weife, zieht er aus
In des Dftens glüh’nde Striche,
Trägt als Beute fih nah Haus
Fremder Lehre tiefe Sprüche.
Sch, aus Ländern, wo des Fichte
Aufgang, aus den buntgeftidten
Türfenzelten, bringe Nichts,
Als die Bilder des Erblidten;
Die ich, friſch und farbenreich,
Mit des Liedes bunten Netzen
Feſſ'le; — doch kommt Solches gleich
Sener Männer beffern Schäßen ?
Was find Lieder, deren Saum
Fremde Neime wire umranfen,
Wie an einem Tropenbaum
Lianenblumen üppig fchwanfen?
213
La vida es sueno.
N glaub’, ich bin der Perferfhan,
Der, untertaudhend mit dem Haupte,
Sefchichten, welche nie geihah’n,
Nun plöglic zu erleben glaubte.
Was ich mein Leben nenne, faum
Glaub’ ich, daB es mein rechtes Leben;
Ein wunderlicher Kufentraum
Iſt es, und ich bin Sultan eben.
Was mir begegnet, Gut und Bös,
Was fünnt’ es anders fein, als Traumen ?
Wann taud’ ich auf aus dem Gefäß
In meines Marmorichlofes Naumen?
Don Balfam dufter das Gemad;
Die Krieger harren an den Thüren;
Und lächelnd, daß ich wieder wach,
Meld’ ich mein Traumen den Wefliren.
214
— — — —
Daß ſie nicht eher mich geweckt,
Sie ſollen es mir nicht entgelten;
Hat manches Bild mich auch geſchreckt,
Doch würd' es unrecht ſein, zu ſchelten.
Denn manches auch hat mich gelabt,
Wie Sonnenlicht auf Wolkenſäumen,
Und manchen Traum hab' ich gehabt,
Den ich allzeit hätt' mögen träumen.
Und auch die andern — weiß ich doch,
Es iſt ja Träumen nur und Tauchen;
Mir bleibet meine Krone noch,
Was ſollt' ich da zu zagen brauchen. —
So ſchreib' mit Kreide lächelnd ich
Des Spaniers Wort auf meine Thüre,
Und ſumm': o, wecke Keiner mich,
Ihr Kämmerer und ihr Weſſire!
215
Ein Flüchtling.
In einem meiner Träume ſah
Auf ſchweißbedecktem Roſſe
Einen Reiter ich, wie toll verfolgt
Von ſeiner Feinde Troſſe.
An feinem Speer das Fahnlein war
Zerriffen, voller Löcher;
Doch ftraff war feine Senne noch,
Und voll noch war fein Köcher.
Und Fed im fchärfiten Tagen noch
Rückwärts im Sattel wandt’ er
Und warf er fih, und manchen Pfeil
In's Herz der Feinde fandt? er.
Da ftürste der aufs Mähnenhaar,
Der fanf aufs Kreuz dem Pferde,
Der andre mit dem Haupte gar
Schlug nachgefchleift die Erde.
216
Wohl ritt der Neiter nun im Schritt,
Zog aus die Stahlhandfchuhe,
Doch dacht’ er, als er weiter ritr:
„Der Teufel hol’ die Ruhe!
Und fold ein Reiten, zahm und facht,
Als wär’ mein Gaul ein blinder!
Berfolger, die ich fhlug, erwacht!“ —
Sp er, und ich nicht minder:
„O Kieb’, v Grimm! o Schmerz, o Luft!
Laßt braufen eure Wogen !’ —
Sch habe leider lange fchon
Die Handſchuh' ausgezogen.
217
Borgefübhl.
Min felber oft im Geift hab’ ich gefeh’n,
Erträumtem Glüde raftlos jagend nad;
Unftet und düfter fchweift’ ich auf den Seen —
Sch weiß e3 nicht, was mir begegnen mag!
Doch allemal, wenn träumend fo zu fchau’n
In Fünft’ge Zeiten ich mich unterfing,
Erfaßte mich ein innerliches Grau'n,
Und meine Thranen floffen, wie ich ging.
Denn wo ich auch gelegt mein Fahrzeug an,
ie rings ih auch, was Glück man nennt, gefhaut:
Ich Fam zurüd, ein müder alter Mann,
Mein Bart verwildert und mein Haar ergraut.
Wer grüßte mih? Wer nahm mir ab den Stab?
Weh', nicht mehr fand ich, die ich einft verließ!
Wo feid ihr? kommt! ich Fehrte! — Gott, ihr Grab
War Alles, was ein nen Gefchlecht mir wies!
218
Dann ftarb ich ſelbſt; — ich fah mich auf der Bahr),
Doch ſchaut' ich Keinen, Elagend um mein Loos.
Mein Sterbehemd war rein und weiß, doch war
Es nicht das Hemd der Waſchfrau Chamiſſo's.
219
Fieber.
Nur Waſſer! — o, das kühlt! — die Fraße
Fallt nachgerade mir zur Laft!
Das Maul des Kerls, und feine Glaße
Sind mir bis in den Tod verhaßt!
Jetzt an den Puls, jekt eine Prife —
Fort mit der Hand, armfel’ger Tropf!
‘a murre, Fafler! Krife, Krifel —
Du Narr, das Glas dir an den Kopf!
Endlih! der Zaub’rer ift bezwungen!
Mein dreifter Wurf hat ihn gebannt.
Dem Waͤchtervolk bin ich entfprungen! —
O, welh ein Schweben! welch ein Land!
Der Wald von Duft durchzogen! golden —
Die Sonne badet fih — der Strom!
Das Feld voll taufendfarb’ger Dolden!
Der Himmel ein fapphirner Dom!
220
Wie kühl iſt's unter diefen Baumen!
Ach, ich bin matt! wie naß mein Haar! —
Zu trinken! — Ha, Pokale fchaumen,
Und Mädchen reichen fie mir dar!
Ach! Laßt mich fchlummern! — fie befränzen
Die Stirne mir; der Schönften Arm
Umfängt mich; — ift das Schwerterglängen? —
Zurück, ohnmächt'ger Söldnerfhwarm!
Wer will in meiner Luſt mich ſtören?
Ich grinſ' ihn an, ich ſprech' ihm Hohn.
Und dieſe Klinge ſoll ihn lehren,
Wen er geweckt mit ſeinem Droh'n.
Erſchallt, Trompeten! fliegt, Standarten!
Helmſchweife, flattert! Mörſer, kracht!
Auf ihren Schadeln wetzt die Scharten
Der Schwerter aus! vorwärts! zur Schlacht!
O feht, wie riefelt aus den Wunden
Das Blut! wie fprißt es himmelan!
Die Streiter alle find verfchwunden,
Ein Blutmeer überfhwenmt den Plan.
221
Wild brauft es! helft, das ich entrinne!
Bor meinem Aug’ ſchwimmt's purpurroth.
Die Fluth ergreift mich; — mitten inne
Auf einer Infel fteht der Tod.
Zu feinen Füßen fpeit die Welle
Mih aus; — lab ab, laß ab! — das Thor
Des Himmels dort, hier das der Hölle!
Aus jedem zudt ein Arm hervor.
Er wirft mich mit verruchtem Lachen
Den Armen zu — fie paden mich!
Des Himmel3 Engel und die Drachen
Der Hölle ftreiten fihb um mid.
O Gott, o Gott! — wie fie mich reden!
Shr glaubt wohl, daß ihr Eifen dehnt! —
Hierhin und dorthin! — Flammen leden,
Und unter mir gefpenftifch gähnt
Das ew’ge Nichts! — wohin entrinn’ ich?
Sie laffen los, fie ftürzen jach
Mich in den Abgrund — ha, wo bin ich?
Ber euch? feid ihr es? o, bleibt wach.
222
O, geht nicht fort! — da kommt er wieder!
Seht ihr ihn nicht? es ift der Tod!
Er beugt fich grinfend zu mir nieder;
O, fteht mir bei in diefer Noth! —
Zurück! — was legft du mir die Kohle
Auf's Haupt? — ein Loch zu brennen? fprich!
Daß meine Seel’ der Teufel hole,
Wenn fie hHinausfährt? — wahre dich!“
Wahnfinnig fprang er auf vom Lager,
Pochend die Bruft, die Fauft ‚geballt,
Die Augen rolfend, fchlaff und hager
Die halbbefleidete Geſtalt.
Wirr um die bleichen Schläfen hingen
Die Haare; brennend, braunlich rot)
Das Antliß. „Tod, nun laß ung ringen!” —
Gr fanf zufammen — er war todt!
223
Zwei Feldberrngraber.
1
Hier unter dieſem Steine
Zur Seite des Portals,
Verweſen die Gebeine
Des tapfern Generals.
Er ift im Kampf gefallen,
Zerſchoſſen und zerfeßt;
Sn diefes Domes Hallen
Hat man ihn beigefeßt.
Hier hat man ihm erhoben
Ein prächtig Monument,
Daß Jedermann die Proben
Bon feinem Muthe Eennt.
224
Es ift ein eh’rner Leue,
Mit Eraufer Maähne, fahl;
Der liegt und wacht mit Treue
Auf dem Piedeftal.
Und unten ift zu lefen,
Gehauen in den Stein,
Wie groß der Mann gewefen,
Den diefes Grab fchließt ein;
Wie mehr, ald das Gekritzel
Der Feder, galt fein Schwert;
Die Schlachten und Scharmüßel,
Wo er das Feld gefehrt;z
Wie fortlebt im Gefange,
Was feine Fauft gethan. —
Das deutet auch die Schlange
Am Fuß des Denfmals an.
Sie liegt, zu einem Runde
Gerollt, den glatten Schweif
Hinangefrümmt zum Munde:
Ein deutungsvoller Reif!
225
Wohl mag's dir nicht behagen
Hier in der Kirch’, o Held!
Ein wurmzerfreßner Schragen
Dein Feldbett und dein Zelt.
Statt Predigt, Singen, Beten,
Geläut und Glodenfchlag,
Bernahmft du gern Trompeten? —
Wart' bis zum jüngften Tag!
Bei diefen Ichlanfen Bäumen,
Im feuchten Pifangichatten,
Magſt du anjeßo träumen,
O Kühnfter der Maratten!
Im wilden Vorwärtstraben
Biſt du vom Henaft geichoflen ;
Hier haben dich begraben
Die flüchtigen Genoſſen.
Freitigeath, Gedichte 15
226
|
Es ift an diefer Stelle |
Einſam und fchauerlich; |
Hier ringelr, bunt von Felle,
Die Abgottsihlange fich.
Sie wälzt fih auf dem Grunde,
Und zifcht, den glatten Schweif
Gefrummt zum gift’gen Munde:
Ein deutungsvoller Reif!
Ein Leu tritt aus den Büfchen
Sm Schmud der gelben Mähne;
Flieht nicht der Feindin Ziſchen
Und ihre ſpitzen Zähne.
Auf's Grab legt ſich der Wilde;
Starr liegt er auf den Sproſſen,
Nicht ungleich einem Bilde,
Aus braunem Erz gegoſſen.
Es nähern ſich vom Hügel
Zwei Reiter, gelb von Haut;
Sie richten ſich im Bügel,
Der eine ſpricht halblaut:
Laß deinen Falben fliegen,
Und knirſchend murmle: Race!”
4 * A
HE —
UOTE D) veydamı 1.
- MM er ech A PT7
228
Hudubon.
1833.
Mann der Walder, der Savannen !
Neben rother Indier Speer,
An des Miffifippi Tannen
Lehnteft du dein Jagdgewehr;
Keichteft Sndianergreifen
Deine Pfeife, deinen Krug;
Sahft der Wandertaube Neifen
Und des Adlers ftillen Flug;
Lähmteſt ihren fchnellen Flügel
Mit der Kugel, mit dem Schrot;
Auf der großen Flüffe Spiegel
Durch die Wildnig ſchwamm dein Boot ;
229
Kühn durchflogft du der Savanna
Gräfer, im geftredten Trab;
Beer’ und Wildpret war das Manna,
So dir Gott zur Speife gab;
In den Wäldern, in der Dede,
Die der Thoren Ruhm: Eultur,
Noch nicht überzog mit Fehde,
Freuteft du dich der Natur.
Du noch konnteſt es! — die Stunde
Kommt — nicht fern mehr ıft die Zeit! —
Wo das Land von Baffin’s Sunde
Bis Cap Horn ein ander Kleid
Tragen wird! — Sieh’ da; — du reiche,
MWaldige Columbia,
Liegſt du nicht gleich einer Eiche
Auf dem Planiglobe da?
Aus des Südens Falten Meeren
Machst der mächt’ge Stamm hervor;
Sclängelnd zieh’n die Eordilleren —
Epheu! — fih an ihm empor.
230
Hoch im Norden in die Breite
Seht er, wenig mehr belaubt;
An den Vol rührt das befchneite,
Eisbehang’ne, ftarre Haupt.
Hirfche ruh’n in feinem Schatten,
An Geflügel ift er reich,
Und der Indier Hangematten
Schweben nieder vom ©ezweig.
Grün und üppig prangt der Starke;
Doch bald fteht er ohne Bier;
Denn an feiner Blätter Marfe
Zehrt der Wanderranpe Gier.
Nadoweſſier, Tichippamaer,
Heult den Kriegsruf, werft den Speer!
Schüttelt ab die — Europäer!
Schüttelt ab das Naupenheer!
Seit in eure Hirfchfellhütten
Trar des Meeres Fluger Sohn,
Iſt die Neinheit eurer Sitten,
Iſt das Glück von euch gefloh’n.
231
Weh', dab ihr ihn nicht verfcheuchter,
Da er Land von euch erfleht!
Weh’, daß ihr ihm arglos reichter
Das geſchmückte Kalumer!
Nieder brennt er eure wilden
Wälder, nimmt von euch Tribut,
Spült von euren Lederichilden
Der erichlag’nen Feinde Blut;
Sauſ't einher auf Eifenbahnen,
Wo getobt der Rothen Kampf;
Bunt von Wimpeln und von Fahnen,
Theilt fein Schiff den Strom durd Dampf.
Kahl und nüchtern jede Stätte!
Wo Manitto’s hehrer Hauch
Durch des Urwalds Dickicht wehrte,
Zieht der Hammerwerfe Raud.
Euer Wild wird ausgerotret,
Sieh gemacht wird euer Leib,
Euer großer Geift verfpottet,
Und gefchänder euer Leib.
232
Bietet Troß, ihr Tättowirten,
Eurer Feindin, der Eultur!
Knüpft die Stirnhaut von ffalpirten
Weißen an des Gürteld Schnur!
Zürnend ihren Miffionairen
Aus den Händen fchlagt das Buch;
Denn fie wollen euch befehren,
Zahm, gefittet machen, Flug!
eh’, zu ſpät! was hilft euch Säbel,
Tomahawk und Kanzenfchaft? —
Alles glatt und faſhionable!
Doch wo — Tiefe, Frifche, Kraft?
YUmmonium.
„Fremdling, laß deine Stute graſen!
O, zieh' nicht weiter dieſe Nacht!
Dies iſt die grünſte der Oaſen;
Im gelben Sandmeer glänzt ihr Raſen,
Gleichwie inmitten von Topaſen
Ein grüner, funkelnder Smaragd!“
Er ſprach: „Gern will ich mich entgürten!“
Und nahm dem Pferde das Gebiß.
Er jeßte fih zu feinen Wirthen;
Des Würtengeiers Flügel fhwirrten
An ihm vorüber nach den Sprten,
Zu ruh'n in der Ventapolise.
234
Die Lieder und die Cymbeln Flangen ;
Die Mappe lag auf feinen Knien.
Die Roſſe mit den blanfen Stangen,
Die finftern Neiter mit den langen
Gewanden, und den bart’gen Wangen,
Die Zelte — fremd ergriff es ihn.
Mit farb’gen Stiften fchuf er glühend
Ein Bildniß diefer Wüftenraft.
Die Dromedare lagen Fnieend
Am Duell; des Wirthes Töchter, blühend
Und fchlanf, bald nahend und bald fliehend,
Umtanzten fingend ihren Gaſt.
„Fremdling, laß deine Stute grafen!
O, zieh? nicht weiter diefe Wacht!
Dies ift die grünfte der Dafen;
Im gelben Sandmeer glanzt ihr Nafen,
Gleichwie inmitten von Topafen
Ein grüner, funfelnder Smaragd!“
—
235
Die Steppe.
Fragment.
Sie dehnt fih aus von Meer zu Meere;
Wer fie durchritten hat, den grauf't.
Sie liegt vor Gott in ihrer Leere,
Wie eine leere Bettlerfauft.
Die Ströme, die fie jach durchrinnen;
Die ausgefahr’nen Gleiſe, drinnen
Des Coloniften Nad fih wand;
Die Spur, in der die Büffel traben: —
Das find, vom Himmel felbit gegraben,
Die Furchen diefer Rieſenhand.
236
Meine Stoffe.
Ihr ſagt: „Was drückſt du wiederum
Den Turban auf die ſchwarzen Haare?
Was hängſt du wieder ernſt und ſtumm
Im weid'nen Korb am Dromedare?
Du haſt ſo manchmal ſchon dein Zelt
Sn Ammons Flächen aufgeſchlagen,
Daß es uns länger nicht gefällt,
Dir ſeine Pfähle nachzutragen.
Du wandelſt, wie ein Mann, der träumt!
Sieh', weh'nder Sand füllt deinen Köcher;
Der Taumelmohn des Oſtens ſchäumt
In deines Liedes gold'nem Becher!
O, geuß ihn aus! — Dann aber fpah’
Und lechz' umher mit regen Sinnen,
Db- feine Bronnen in der Nah’,
Daraus du fchöpfen mögeft, rinnen!
237
Sei wach den Stimmen deiner Zeit!
Horch auf in deines Volfes Grenzen!
Die eig’ne Luft, das eig’ne Leid
Wo ung in deinem Kelch Eredenzen!
Laß tönend deiner Zähren Naß
An die metall’'ne Wölbung Flopfen,
Und über ihr verbluten laß
Dein Herz fih bis zum leßten Tropfen!
Wovon dein Kelch auch ſchäumt, mit Gier
Wol’n feine Gaben wir empfangen!
Mit durfi’gen Lippen wollen wir
An feinen blut’gen Näanden bangen!
Nur heute noch den Orient
Vertaufche mit des Abends Landen;
Die Sonne ftiht, die Wüfte brennt!
D, laffe nicht dein Lied verfanden!“
D, könnt’ ich folgen eurem Rath!
Doch düfter durch verfengte Halme
Wal ich der Wüfte dürren Pfad; —
Wächst in der Wüſte nicht die Palme?
238
Löwenritt.
Wandelt er nach der Lagune, in dem hohen Schilf zu liegen.
Wo Gazellen und Giraffen trinken, kauert er im Rohre;
Sycomore.
Abends, wenn die hellen Feuer glüh'n im Hortentotten
fraale, |
Wenn des jähen QTafelberges bunte, wechfelnde Signale
richt mehr glänzen, wenn der Kaffer einfam ſchweift
durch die Karroo, |
Wenn im Bufch die Antilope ſchlummert, und am Strom
das Gnu:
ee) -
239
Sieh’, dann fchreitet majeitätifh durch die Wüſte die
Giraffe,
Daß mit der Lagune trüben Fluthen fie die heiße, fchlaffe
Zunge fühle; lechzend eilt fie durch der Wüfte nadte
Streden,
Knieend fchlürft fie langen Halſes aus dem fchlammge-
füllten Beden.
Plöglich regt e3 fih im Rohre; mit Gebrüll auf ihren
Naden
Springt der Löwe; welch ein Neitpferd! ſah man reichere
Schabraden
Sn den Marftalllammern einer Föniglichen Hofburg liegen,
Als das bunte Fell des Nenners, den der Thiere Fürft
beftiegen ?
Sn die Muskeln des Genides fchlägt er gierig feine Zähne;
Um den Bug des Niefenpferdes weht des Neiters gelbe
Maähne.
Mit dem dumpfen Schrei des Schmerzes fpringt es auf
| und flieht gepeinigt;
Sieh’, wie Schnelle des Kameeles e3 mit Vardelhaut
vereinigt.
240
Sieh’, die mondbeftrahlte Flache ſchlägt es mit den leichten
Füßen!
Starr aus ihrer Höhlung treten feine Augen; riefelnd
fließen
An dem braungeflecten Halfe nieder fchwarzen Blutes
Tropfen,
Und das Herz des flücht’gen Thieres hört die ftille Wüſte
| flopfen.
Gleich der Wolfe, deren Leuchten Iſrael im Lande Yemen -
Führte, wie ein Geift der Wüfte, wie ein fahler, luft’ger I]
Scemen,
Eine fandgeformte Trombe in der Wüfte fand’gem Meer,
MWirbelt eine gelbe Säule Sandes hinter ihnen ber.
Ihrem Zuge folgt der Geier; Erächzend fehwirrt er durch !
die Lüfte;
Shrer Spur folgt die Hyäne, die Entweiherin der Grüfte;
Folgt der Panther, der des Gaplands Hürden rauberifch
verheette;
Blut und Schweiß bezeichnen ihres Königs graufenvolle
Fährte.
241
Zagend auf lebend’gem Throne feh’n fie den Gebieter fißen,
Und mit ſcharfer Klaue feines Sißes bunte Polfter rigen.
Kaftlos, bis die Kraft ihr ſchwindet, muß ihn die Giraffe
fragen;
Gegen einen foldhen Neiter hilft Fein Bäumen und Fein
Schlagen.
Taumelnd an der Wüſte Saume ftürzt fie hin, und
röchelt leife.
Todt, bededt mit Staub und Schaume, wird das Roß
des Neiters Speife.
Ueber Madagaskar, fern im Oſten, fiehbt man Frühlicht
glänzen; —
So durchſprengt der Thiere König nächtlich feines Neiches
Grenzen.
Freiligrarh, Gedichte. 16
242
Geficht des Neifenden.
Mitten in der Wüfte war es, wo wir Nachts am Boden
ruhten;
Meine Beduinen ſchliefen bei den abgezäumten Stuten.
In der Ferne lag das Mondlicht auf der Nilgebirge
Jochen;
Kings im Flugſand umgekomm'ner Dromedare weiß:
Knochen.
Schlaflos lag ih; ſtatt des Pfühles diente mir mein |
leichter Sattel,
Dem ich unterfchob den Beutel mit der dürren Frucht
der Dattel.
Meinen Kaftan ausgebreitet hatt’ ich über Bruft und
Süße;
Neben mir mein bloßer Säbel, mein Gewehr und meine
Spieße.
243
Tiefe Stille; nur zuweilen Fniftert das geſunk'ne Feuer;
Kur zuweilen Ereifcht verfpatet ein vom Horjt verirrter
Geier;
Nur zuweilen ftampft im Schlafe eins der angebund’nen
Roſſe;
Nur zuweilen fährt ein Reiter träumend nach dem Wurf—
geſchoſſe.
Da auf einmal bebt die Erde; auf den Mondſchein folgen
trüber
Dämm'rung Schatten; Wüſtenthiere jagen aufgeſchreckt
vorüber.
Schnaubend bäumen ſich die Pferde; unſer Führer greift
zur Fahne;
Sie entſinkt ihm, und er murmelt: Herr, die Geiſter—
faravane! —
Ja, ſie kommt! vor den Kameelen ſchweben die geſpenſt'—
ſchen Treiber;
Ueppig in den hoben Sätteln lehnen ſchleierloſe Weiber;
Neben ihnen wandeln Mädchen, Krüge tragend, wie
Rebekka
Einſt am Brunnen; Reiter folgen — ſauſend ſprengen
ſie nach Mekka.
244
Mehr noch! — nimmt der Zug Fein Ende? — immer mehr!
wer Eann fie zahlen?
Weh', auch die zerfireuten Knochen werden wieder zu
Kameelen,
Und der braune Sand, der wirbelnd fich erhebt in dun—
keln Maſſen,
Wandelt ſich zu braunen Männern, die der Thiere Zügel 7
faffen. J
Denn dies iſt die Nacht, wo Alle, die das Sandmeer
ſchon verſchlungen,
Deren ſturmverwehte Aſche heut’ vielleicht an unſern
| Zungen
Klebte, deren mürbe Schädel unfrer Nofe Huf zertreten,
Sich erheben und fich fhaaren, in der heil’gen Stadt zu 7
beten. |
Immer mehr! — noch find die Letzten nicht an ung vor:
beigezogen,
Und fchon kommen dort die Erften fchlaffen Zaums zurüd:
geflogen. |
Von dem grünen Vorgebirge nach der Babelmandeb-Enge
Sauften fie, eh’ noch mein Neitpferd löfen Eonnte feine
Stränge.
245
Haltet aus! die Roſſe ichlagen! jeder Mann zu feinem
Pferde!
Zittert nicht, wie vor dem Löwen die verirrte Widderheerde!
Laßt fie immer euch berühren mit den wallenden Talaren!
Rufet: Allan! — und vorüber zieh’n fie mit den Drome—
daren.
Harret, bis im Morgenwinde eure Turbanfedern flattern!
Morgenwind und Morgenröthe werden ihnen zu Beſtattern.
Mit dem Tage wieder Aſche werden diefe näct’gen
Zieher! —
Seht, er dammert fchon! ermuth’gend grüßt ihn meines
Thiers Gewieher.
246
Unter den Palmen.
Mahnen flattern durch die Büſche; tief im Walde tobt
der Kampf.
Hörſt du aus dem Palmendickicht das Gebrüll und das
Geſtampf?
Steige mit mir auf den Teekbaum! Leiſe! daß des Köchers
Klingen
Sie nicht auffchredt! Sieh’ den Tiger mit dem Leoparden
ringen!
Um den Leichnam eines Weißen, den der Tiger überfiel,
Als er fchlief auf dteſes Abhangs Icharlachfarb’gem Blu—
menpfühl,
Um den Fremden, feit drei Monden unfrer Zelte ftillen
Bürger,
Der nach Pflanzen ging und Kafern, ftreiten die gefched-
ten Würger.
Beh’, Fein Pfeil mehr kann ihn retten! fchon gefchlofen
ift fein Aug’!
Koth fein Schlaf, gleihwie die Blume auf dem Fadel-
diſtelſtrauch!
Die Vertiefung auf dem Hügel, drin er liegt, gleicht einer
Schale,
Bol von Blut, und feine Wange trägt des Tigers Klauen—
male.
Wehe, wie wird deine Mutter um dich Flagen, weißer
Mann! —
Geifernd fliegt der Leoparde den gereizten Tiger an;
Aber deſſen linfe Tage ruht auf des Erwürgten Leibe,
Und die rechte hebt er drobend, daß den Gegner er ver:
treibe.
Siehe, welch ein Sprung! — der Springer hat des Todten
Arm gefaßt;
Zerrend flieht er, doch der And’re läßt nicht von der
blut’gen Laſt.
Ningend, ungeftüm fih padend, fteh'n fie auf den Hinter:
pranfen,
Aufrecht zwifhen fih den ftarren, mit emporgerafften
Blanfen.
248
Da — o fieh’, was über ihnen fich herablaßt aus dem
Baum,
Grünlich fchillernd, off’nen Nachens, an den Zähnen gift’:
gen Schaum! —
Kiefenfchlange, Feinen Einz’gen laffeft du den Naub zer:
reißen!
Du umſtrickſt fie, du zermalmft fie — Tiger, Leoparden,
Weißen!
DT 2:52
März; 1836.
Sei gegrüßt, o ſüdlich Fahrzeug, ſei gegrüßt mir hoch
im Norden!
Bärt'ge Männer, fremd gekleidet, ſteh'n auf deinen hohen
Borden.
Und der Sprache, die ſie reden, goldgeſchrieb'ne Zeichen
melden
Ueber den Kajütenluken mir den Namen eines Helden;
Jenes Dulders, welchen lange Sturm und Götterzorn
verſchlugen,
Bis ihn im Faakenſchiffe heim zuletzt die Wogen trugen.
Bartge Männer, fchlanfe Nud’rer, feid denn ihr auch
nicht Fäafen?
Holz von Corfu diefer Maftbaum! Lein von Scheria dies
Laken!
250
Diefes Segel fah von ferne Neriton’s belaubte Gipfel;
Naufchten, waldige Zakynthos, ihm nicht Fahrwind deine
Wipfel?
Sahen es, gefchaart am Ufer, ſchimmern nicht die Loto—
fagen ?
Wer, an diefen Maft gebunden, hörte die Sirenen Elagen ?
Klar in meiner Seele wieder laßt, wag ich von jenem alten
Srrenden Odyſſeus hörte, diefer neue fich geftalten.
Doch nicht will ih in Homeros reihe Welt mich jekt
verfenfen,
licht des Dulders Fahrten folgen, oder etwa Dies be: |
denken:
Wie, da längſt der Griechen Schriftthum mir verſchließt
ein dreifach Siegel,
Heut ein Griechiſch Wort ich wieder las — auf eines
Schiffes Spiegel;
u
251
Wie mir, ah! das Buch des Wiſſens dunfel blieb auf
vielen Blättern,
Aber wie das Buch des Lebens vor mir liegt mit farb’gen
Lettern;
Dies, und was daran ſich knüpfet, will ich jetzo nicht
erwägen;
Denn die Brigg erfchallt von Liedern, und die Fluth von
Ruderſchlägen,
Die mir ſagen: mache dieſen Inſelfürſten dir zum Boten! —
Wohl, Odyſſeus, ſei mein Bote! ſei geſandt an einen
Todten!
Aber ſuch' ihn nicht, wie Jener, an des Schattenreiches
Pforten!
Schraͤgen Maſts vorüberſauſe jenen ſchauerlichen Orten!
Wo Trinakrias Geſtade ſich erheben aus der Welle,
Dort, nicht fern von den Kyklopen, iſt am Ufer eine Stelle
252
Dort, von Blumen leis umflüftert und von immergrünen
Zweigen,
Wird ein frifhes Grab, Odyſſeus, deinen Wimpeln bald
fich zeigen!
Diefem — hört es, ihr im Taumwerf, braune, troßige
Sefihter! —
Diefem gelten meine Grüße: in ihm ruht ein deutfcher
Dichter!
Ruht ein Dichter, dem, wie Wen’gen, Dichterfeu’r im
Herzen brannte.
Wehe, daß mit feinem Volke hadernd, er fich von ihm wandte!
Weh' — doch nein, in deinem Grabe fhlumm’re jeko du
in Frieden!
Seiner Mufe legte Boten, feid ibm Wächter, Abbaffiden!
Und in’s Klirren eurer Schwerter, Abbas Friegerifche Söhne,
Laſſet Theofritos Hirten mifchen ihrer Flöten Töne!
253
Daß er füß und ruhig ſchlumm're, dem dies frühe Grab
geworden!
Diefes ferne! Tief im Süden fchwieg, deß Lied erfüllt
den Norden.
Laute Trauer bei der Botichaft hat das Deutiche Land
durchzittert.
Einer Aeolsharfe glih es, die ein Windſtoß jäh er:
ſchüttert.
Und wie ſonſt auch man gerichtet, Alles jetzt wich dieſem
Einen:
Seinem Irren zu vergeben, ſein Verſtummen zu be—
weinen.
Wüßt' er es! und, o vernahm' er über's Meer auch meine
Klagen!
Fangt fie auf, ihr falt’gen Segel, gen Sicilien fie zu
tragen !
Dort am Ufer laßt fie tönen; meldet euch mit leifem
NRaufchen!
Der Verbannte dem Berbannten: gern wird euch der
Todte lauſchen!
254
Bläht euch denn! mir aber meldet, wenn ihr fehrt, vom
| Wert gefräufelt,
Ob, als ew'ge Krom’, ein Lorbeer über diefem Grabe
fäufelt!
Eil', Odyſſeus! Aufgewunden deine Anker! frifch von
hinnen!
Fliege, big du ſchimmern fieheft Syrafufa’s gold’ne Zinnen!
259
Drei Strophen.
-
Vernehmt ein wildes, kurzes Lied! im Raume vor der
Sonne ſteht
Ein Cherub; ſchweigend ſtaunt er an das All; ſein
Schweigen iſt Gebet.
Die ew'ge Sonn' iſt ſein Altar; ihr Glüh'n iſt Opfer—
flammengold!
Die Sterne ſind der Roſenkranz, der durch die Hand des
Engels rollt.
Wie aus der Hand des betenden Rechtgläub'gen die
Koralle fällt,
So fällt aus dieſes Cherubs Hand in's Bodenloſe Welt
auf Welt.
Sie rollen ſeit Jahrtauſenden auf ihrer diamant'nen
Schnur:
Die fliegenden Korallen ſind's vom Uranus bis zum
Merkur.
356
Wie fich der ew’gen Lampe Schein in Nofenfranzforallen
bricht,
Sp ſtrahlt der Weltforallenfranz in des Altars, der
Sonne, Kit;
Bis, Hütens und Gebetes fatt, der ernfte Cherub ſich
empört:
Weit von fich fchleudert er den Kranz; der Sonnentempel
ift zerjiört.
257
Leviatban.
Du zertrenneft das Meer durch deine Kraft, und
zerbrichht die Köpfe der Drachen im Waſſer.
Du zerfchlageft die Köpfe der Wallfifche, und gibit
fie zur Speife dem Volk in der Einöde.
Pſalm 7A.
An einem Tag im frühen Herbſt ging ich entlang den
Meeresitrand,
Das Haupt entblößt, den Blick gefenft, die Lieder Davids
| in der Hand.
Die Eee ging hoch, die Brandung fchwoll, der frifche
Wind aus Dften pfiff,
Am Horizont nah Werten flog mit weißem Segelwerk ein
Schiff.
Und als ich in dem Liederbuch des Koͤnigs über Iſrael,
Bald um mich fchauend, blatternd bald, gefommen war
bis an die Stel,
Die über diefem Lied ihr left, da naheten dem öden Strand
Die grauen Segel eingerefft, drei Fiicherboote, wohl-
beinannt.
Freiligratk, Gedichte. 17
258
Und hinter ihnen, aus der Fluth, der weißen, tauchend
fchwarzlichgrau,
Schwamm rieſengroß ein Ungethüm; ſie ſchleppten es an
einem Tau.
Die Brandung grollt; laut kracht der Maſt, den Anker
wirft der Harpunier —
Am Ufer auf dem Trock'nen ruh'n die Fiſcherboote ſammt
dem Thier!
Und jetzt in Zügen auf den Ruf der Gatten und der
Brüder naht
Der Dede Volk, dad jubelnde, aus feinen Hütten am Geftad.
Sie feh’n den Sohn des Oceans, den Keib vom Eifen
aufgeſchlitzt;
Zerſchmettert ſehen ſie das Haupt, das fortan keine
Strahlen ſpritzt.
Vor wenig Jahren erſt gebar den Triefenden der kalte Pol;
Ein Neuling noch, verirrt' er ſich zu dieſer ſeichten Küſte
wohl.
Untief' und Bank verſperrten ihm den Rückweg in das
hohe Meer;
Des jungen Rieſen Kopf zerbrach der Herr durch eines
Fiſchers Speer. —
259
Und Gene tanzten jauchzend um den Blutenden; mir aber
war, 2 {
Als gloßt’ er halbgeſchloſſ'nen Aug’s verachtlih auf die
rohe Schaar.
Mir war, als raufchte zürnend mir fein purpurroth ver-
riefelnd Blut;
Als murrt’ er röchelnd in den Sturm: „DO miferable
Menfchenbrut!
D Zwerge, die den Niefen ihr beswungen habt durch
fchnöde Lift!
O Zappler auf dem Trod’nen ihr, die mein Gebiet ihr
meiden müßt!
Schwählinge, die das Meer ihre nur in hohlem Door
befahren könnt,
Dem jämmerlichen Schaltbier gleich, das nie fich von der
Mufchel trennt!
D kahler Strand, o nmüchterner! o kahl und müchtern
Treiben drauf!
D nüchtern Volk! wie bebten fie, da fie vernahmen mein
Gefchnauf!
260
Wie troftlos auf der Dün’ ihr Dorf mit feinen dumpfen
Hütten fteht!
Und — bift du beffer denn, als fie, der du mich fterben
fiehft, Poet?
Sch wollt, ich wäre, wo das Meer, und wo die Welt ein
Ende nimmt;
Wo Frachend in der Finfterniß der Eispalaft des Winters
fhwimmt.
Sch wollt, ein Schwertfifch werte dort am Eis fein Schwert,
und ftieße mir
Das jäh gezuckte durch die Bruſt; fo ftürb’ ich wenigfteng
nicht hier!“
Es war ein Tag im frühen Herbft; die See ging hoch,
der Oſtwind pfiff,
Am Horizont nah Weften flog mit weißem Segelwerf ein
Schiff.
ch aber wandte meinen Schritt; ich warf mich nieder
auf die Dün'.
Der Herr zerbrach des Wallfiſchs Haupt, und gab dem
Volk der Dede ihn.
Mirage.
Mein Auge muftert unruhvoll des Hafens wimpelreich
Revier,
Doch deines richtet lächelnd ſich auf meines Hutes Feder—
zier:
„Bon deinen Wüften hör’ ich gern in einer meerumrauſch—
ten Jacht;
Ein Bild aus dem Gebiete drum, das diefen Schmud
hervorgebracht!“
Wohlan! ich lege meine Stirn in’s Hohle meiner rechten
Hand!
Die Wimper fällt, die Schläfe fliegt — fieh’ da, der Dede
glüh’nder Sand!
Die Lagerpläße grüßen dich des Volks, dem ich entfproffen
bin;
In ihrer brand’gen Wittwentraht tritt die Sahara vor
dich hin,
262
Wer trabte durch das Köwenland? von Klau'n und Hufen
zeugt der Kies,
Tombuktu's Karavanenzug! — am Horizonte blikt der
Spieß!
Die Banner weh'n, im Staube fehwimmt des Emirs
purpurn Ehrenfleid.
Und des Kameeles Haupt entragt dem Knäu'l mit ernfter
Stattlichkeit.
Sie reiten im gedrangten Troß, wo fich vermengen Sand
und Luft;
Sieh’ da, verfchlungen hat fie fehon der Ferne fehwefel-
farb’ner Duft!
Allein verfolgen ohne Müh' Fannft du der Flücht’gen breite
Spur:
Was fie verloren, Mal an Mal durchfchimmert e3 die
Körnerflur.
Das erfte — wie zum Meilenftein daliegt’s! ein todtes
Dromedar!
Auf dem Geftürzten, federlos die Halfe, fikt ein Geier:
paar;
263
Sie zieh'n das lang entbehrte Mahl dem pracht’gen Turban
drüben vor,
Den in des Nittes wilder Haft ein junger Araber verlor,
Und nun: Schabradenftoff umfliegt der Tamariske dorn’-
gen Straud;
Daneben, ftaubig und geleert, ein jäh geborſt'ner Waſſer—
ſchlauch; —
Wer ift es, der den Klaffenden wahnfinn’gen Blicks mit
Füßen tritt?
Es ift der dunfelhaar’ge Scheif des Landes Biledulgerid.
Die Nachhut fchließend, fiel fein Roß; er blieb zurüd, er
ward verfprengt.
Verlechzend hat fein Lieblingsweib an feinen Gürtel fi
gehängt.
Wie bligte jüngft ihr Auge noch, als er fie vor fich hob
auf’s Pferd!
Nun fchleift er durch die Wüfte fie, wie man am Gurte
fchleift ein Schwert.
Der heiße Sand, den Näctens nur der zottige Schweif
des Löwen fchlägt,
Er wird vom fluthenden Gelod der Regungslofen nun gefegt;
264.
Er fängt fih in der Haare Schwall, er fengt der Kippe
würzgen hau;
Mit feinen Kiefeln röthet er die Knöchel der erfchöpften
Fran.
Und auch der Emir wankt; — das Blut in feinen Pulfen
guillt und Focht,
Sein Auge ſtrotzt, und feiner Stirn: blau fchimmerndes
Geäder pocht.
Mit einem letzten brennenden Kuß erweckt er die Fezza—
nerin,
Und plötzlich dann mit wildem Fluch in's Unwirthbare
ſtürzt er hin.
Sie aber ſieht ſich wundernd um. — Ha, was iſt das? —
„Du ſchläfſt, Gemahl?
Der Himmel, der von Ekze ſchien — ſieh' da, er kleidet
ſich in Stahl!
Wo blieb der Wüſte lodernd Gelb? — wohin ich fchaue,
blendend Licht!
Es ift ein Schimmern, wie des Meers, das ſich an A:
giers Küfte bricht!
265
Es bligt und brander, wie ein Strom; es ledt herüber
feucht und kühl!
Ein riefger Spiegel funfelt es: — wach’ auf, es ift viel:
leicht der Nil!
Doch nein, wir zogen füdwärts ja; — fo ift es wohl der
Senegal?
Wie, oder wär’ es gar das Meer mit feiner Waifer
ſprüh'ndem Schwall?
Gleichviel! 's ift Waller jal Wach’ auf! Am Boden fchon
liegt mein Gewand,
Wach’ auf, o Herr, und laß ung zieh’n, und löfchen unfrer
Leiber Brand!
Ein frifher Trunf, ein ftarkend Bad, und uns durchfiedet
neue Kraft!
Die Veſte drüben, hochgethürmt, befchließe bald die Wan—
derichaft!
Um ihre grauen Thore fliegt ſcharlach'ner Fahnen troßig
Weh'n;
Von Lanzen ſtarrt ihr ſchart'ger Rand, und ihre Mitte
von Moskeen;
266
Auf ihrer Ahede tummelt fich hochmaft’ger Schiffe ftolze
| Reih',
Und jene Pilger füllen ihr Bazar und Karavanſerai.
Geliebter, meine Zunge lechzt! wach’ auf, ſchon naht die
Dammerung!” —
Noch einmal hob er feinen Blick; dann fagt’ er dumpf:
„die Spiegelung!
Ein Blendwerf, ärger als der Smum! bögart’ger Geifter
Zeitvertreib” —
Gr fchwieg — dad Meteor verfehwand — auf feine Leiche
ſank das Weib!
Sm Hafen von Venedig fo von feiner Heimat fprach der
Mohr;
Des Feldherrn Nede ftrömte füß in Desdemonens gierig
Dhr.
Auf fuhr fie, als das Fahrzeug nun an's Ufer ftieß mit
jähem Stoß —
Er führte fehweigend zum Palaft das einz’ge Kind Bra-
bantio's.
— ve
Die Schiffe.
In der Lenznacht an dem Hafen bin ich auf und abge—
gangen;
Träumend flüſterten die Segel an den ſchwarzen Segel—
ſtangen.
Schlummernd lagen die Korvetten, ſchlummernd lagen die
Fregatten;
Bugſpriet nur und Fockmaſt hoͤrt' ich ſich beſprechen noch
im Schatten.
Und in ihre leiten Neden fcholl das Murmeln der Figuren.
Seht ihr fie? — vorn auf den Schiffen! — Thetis und
die Dioskuren!
Robin Hood, und — o der Paarung! — läcelnd neben
ihm Frau Venus!
Dort im Lotoskranz der Indus, und im Scilffranz bier
der Rhenus!
268°
Götter waren's und Herven! fchlanfe Weiber! bärt’ge
Greife!
(Jedes Schiff hat feinen Namen, und es ift der Schiffer
Weiſe,
Daß das Bildniß des Erlauchten, der des Fahrzeugs Hort
und Pathe,
Wohlgemeißelt, unterm Bugſpriet ſie befeſtigen zum
Staate.)
Dies die Rufer, deren Stimmen jetzo, wo die Kiele
ſchliefen,
Durch das Dämmerlicht der Mainacht leiſe ſich bei Na—
men riefen; |
Raufchend fprang empor die Welle, fo der Murmler Fuß
benebte,
Und auf eines Ankers Trümmer war’s, daß laufchend ich
mich feßte.
Weptun.
Siehft du das Blut, o Rhein,
Das meine Füße röthet?
Vom Opfer iſt's, das ein
Aethiope mir getödter!
Es war in Afrifa;
Wir lagen vor der Brandung.
Kein nordifh Auge fah
Den Ort vor unfrer Landung.
Es war beim Flieh’n der Nacht;
Laut ward's in der Schebede.
Der Morgenruf der Wacht
Erſcholl auf dem Verdede.
Des Zebra’s bunte Zucht
Erging fih am Geftade;
Das Quagga ſchritt zur Bucht,
Daß es die Schenkel bade.
Da fam vom Bergeshang
Ein Greis, ein Xethiope;
Zu feiner Nechten fprang
Die zahme Antilope.
Durhbohrt von feinem Speer
Sah id alsbald fie fallen.
Er fagte: „Laß, o Meer,
Mein Opfer dir gefallen!“
270
Das Blut rann auf den Sand,
Die Fluth hat es verfchlungen,
Und ift zu meinem Stand
Damit emporgefprungen.
Wie lang ich auch den Ort
Seitdem verlaffen habe,
Doch fpülte fie nicht fort
Des Schwarzen Scharlachgabe.
Den ganzen Winter ſchnob
Der Nord durch meine Stengen.
Wann wird der Aethiop
Auf's Neue Blut mir fprengen?
Baffin.
Ein purpurn Opfer, bald ſchon wohl
Wird rauchend über’n Sand es rollen,
Wenn irgend eine Bucht am Pol
Mich eineift mit gewalt’gen Schollen.
271
Ein rauh Gebiet! die See voll Eis!
Gefror’ner Schnee das Kleid der Erde!
Gefenft die Schaufeln des Geweih’s,
Grabt fih ihr Mahl die Nennthierheerde.
Und fieh’! aus eines Nennthiers Haut
Hat am Geſtade fich der Lappe
Ein fegelfürmig Haus gebaut,
Bedeckt mir weißer Flodenfappe.
Draus wandelt er mit feftem Schritt,
Und wählt ein Thier fich ohne Fehle.
Er läßt es knien; — ein rafher Schnitt! —
Ein Blurjtrahl fieder aus der Kehle.
Er wühlt fih zifchend in den Schnee,
Und bahnt fich dunfelrothe Gleiſe;
Doch nicht gelangt er bis zur See;
Kalt weht der Nord — er wird zu Eiſe.
272
— —
Rhenus.
Nicht von Guinea bin ich kommen r
Nicht nach dem Eismeer fteht mein Sinn.
Den deutfchen Strom herabgefhwommen
Nur fomm’ ich, deffen Bild ich bin.
Nicht, wenn im Fluffe man fich fpiegeln
Die Traube fieht, vom Herbft gebräunt:
Es war die Zeit, wenn auf den Hügeln
Der Rebſtock feine Zähren weint.
Der Lenz durchfchritt den weiten Garten,
Den Gott gepflanzt am Nheinesftrand;
Gr fhaute lächelnd von den Warten
Der grauen Burgen durch das Land.
Vorüber flogen Nömerpforte,
Borüber Burg, Abtei und Dom;
Verſunk'ne Waffen, gold’ne Horte
Erglänzten funfelnd tief im Strom.
273
D, wel ein Fahren, welh ein Schwimmen!
In's Flurhgebraus die Lurlei fang.
Am Ufer fcholl von freud’gen Stimmen
Ein Lied: „Es Elingt ein heller Klang!“
Mit meinen Neben, meinen Sagen,
In eurem bunten Kreife bier,
Dom Innern an das Meer getragen,
Wie fremd, wie fremd erichein’ ich mir!
Che Arab.
Laß braufit deiner Sagen Quell;
D, lab mic hören dein Gedicht!
Hier ftört das heifre Nachtgebell
Des Schafals den Erzähler nicht!
Komm, laß uns üben freud’gen Tauſch!
Wenn deine Quelle mich gelekt,
Dann will ich, daß in glüh’nden Rauſch
Scheherezade dich verfekt!
Breiligrarb, Gedichte. 15
274.
Sp taufhten, als das Abendland,
Bordem in blanfer Waffen Schmud,
Gen Morgen zog, beim Stilleftand
Der Waffen, Nitter und Seldichuf.
Sie lagen an des Wachtfeu'rs Glut;
Sm bunten Turban hier der Schedh,
Der Nitter dort im Eifenhut
Und in des Panzers güld’nem Blech.
Der laue Wind der Wüfte fahrt
Durch Beider fchwarz und gelb Gelod;
Das Wüftenroß, des Niheines Pferd
Steh’n friedlich an demfelben Pflod.
Und die noch geftern feindlih Bahn
Sich hieben in des Kampfes Reih'n,
Das Kreuzfchwert und der Ataghan,
Sie liegen heut? auf Einem Stein.
Die Lanze lehnt fih an den Speer —
Sp Fürsten denen auf der Wacht
Arabiih Mährchen, deutihe Mähr’
Die Eine kurze Friedensnact.
275
Des Deutfhen Sage war dem Licht
Des Mondes diefer Mainacht gleich ;
Des Emirs einem Truggeficht
Der Wüfte, blendend, ſchimmerreich.
Gladiator.
Und wem die meine? — Diefes Schiff,
Das zweite fchon, auf dem ich fahre.
Im Südmeer ein Korallenriff
Ward vorig Jahr des erften Bahre.
Ein Fahrzeug von Archangels Werft
Schwamm dort zur Seite mir, die Xena;
Doch nur für mich fand ich gefchärft
. Den Klippendolh der Schanmarena.
Sie ließ er ziehen ihren Kauf,
Und eine Palmenbucht erreichen;
Mir aber rip er meuchlings auf
Des Bauchs metallbefhlag’ne Eichen.
276
Arg hauft im Tafelwerk der Sturm;
Das Steuer dröhnt, die Maften fchwanfen,
Der Fechter krümmt fich wie ein Wurm —
Jäh berftend, löfen fich die Planfen.
Und untergeht in weißer Fur’,
Was geftern froh noch Flaggen hißte.
Des Schiffes Bild nur fehlägt fich durch,
Gefpült von feinem Schaugerüfte.
Frifch kämpf' ich mit der Wellen Schwarm —
Gern muß der Gladiator ringen! —
Da plößlich einen weichen Arm
Fühl' ich erzitternd mich umfchlingen.
Bleich aus der Schwarze naffen Haars
Schaut mich ein Antliß an mit Zagen.
Des Schiffers holde Tochter war's; —
Halt? feft! fei ſtark! ich will dich tragen!
Und feft verframpft fih Hand in Hand;
Drei Tage lang trag’ ich die Bleiche.
Am vierten endlich feh’ ich Land,
Doch feh’ ich's nur für eine Leiche.
Die Brandung wirft ung an’s Geftad,
Alwo, die Schweiter zu empfahen,
Durch's Palmenholz auf blum’gem Pfad
Des Eilands Ichlanfe Töchter nahen.
Leis raufcht das Meer, die Taube girrt;
Sie haben weinend fie beftatter.
Von einem alten Brodbaum wird
Des fremden Mädchens Gruft befchattet.
Die Xena lag am Ufer fchon,
Ganz, nur ihr Bild des Sturmes Beute!
Sch ziere jekt ihr Gallion,
Und fehne ruh'los mich in’s Weite!
Indianer.
Und ich im Waſſer fpiegle mein Geficht
Und meines Haares dunfelbraune Stränge,
Zu fchau’n, ob Flammen meiner Stirne nicht
Verfengt der Federn feuerroth Gepränge.
278.
Mandarin.
Und ich auch fpiegle tief mich in der Fluth,
In der fich fpiegeln Segel, Raa'n und Maften,
Auf daß ich ſeh', ob unverfehrt von Glut
Mein gelb Gewand und meiner Mütze Quaften.
Andianer,
Denn als ich jüngft von deinem Hafen fchied,
D Stadt Newyork, da ftandeft du in Flammen:
Von Funfen ward die fhwarze Nacht durchfprüht,
Ein Glutmeer war’s, in dem wir Schiffe fhwammen,
Mandarin.
Denn als ich jüngft, o Canton, dich verließ,
Da brannteft du, da fchnobft du Rauch und Funken,
Erſchreckt von deinen glüh’nden Ufern ftieß
Die bunte Menge deiner taufend Junken.
——
279
Indianer.
Wohl ift ein Waldbrand grimm und fürchterlich,
Wenn er fkalpirt der Berge laub’ge Stirnen;
Nichts halt ihn auf; er wälzt durch Ströme fich,
Berkohlt den Wald, verglaf’t der Felswand Firnen.
Mandarin.
Und, beim Gonfuz, ein Schaufpiel, groß und hehr,
Gewährt dem Aug’ die Feier der Laternen.
Da wird die Stadt zu einem Strahlenmeer,
Die Straßen find Jantſekiangs von Sternen,
Indianer.
Doch mehr als Waldbrand war in jener Nacht
Der Brand Newyorks, die höchften Dächer fchürzen
Mit Flammen ſich, Gewölb’ und Giebel kracht,
Die Häufer taumeln und die Thürme ftürzen.
280
Mandarin.
Und welch Laternenfeft an Glanze kam
Dem Brande gleich der dreizehn Handelshäufer? *
Als er durch Boten das Gerücht vernahm,
Zerriß zu Pefing fein Gewand der Kaifer.
Indianer.
Als meinen farb’gen Kedernfranz beftaubt
‘ Die weh’nde Afche, 309 ich fort in Trauer.
Mandarin.
Und Cantons Afche freuten auf ihr Haupt
Die Wachter auf der großen Mauer.
An dem Hafen in der Mainacht bin ich auf und abge—
gangen,
Bis des Morgens frifcher Ddem Fühlte meine heißen Wangen.
* Das Europaifche Viertel Cantons.
Lied ſchallen,
1 übertm Waſſer ſcholl dag Lied — *
⸗ectigallen.
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282
Der ausgewanderte Dichter.
Bruchſtücke eines unvollendeten Cyklus.
Die Tanne fall? ich, drauf die Adler horften;
Sie Fracht zu Boden, Schnee vom Haupte fehüttelnd.
Sch wohne fürder einfam in den Korften,
Die Menſchen fliehend und die Führen rüttelnd.
Sch habe nicht, da ich mein Haupt hinlege;
Bon Feinem Herde bin ich dort gefchieden.
Mein erfted Haus, mit Hammer und mit Säge,
Bau’ ich mir felber bei den Atlantiden,
Kunftlos und rauh; — vom Felfen reif’ ich Karren
Und ander Kraut, daß ich die Fugen ftopfe;
Die moofge Rinde laß ich an den Sparren;
Dumpf durch die Schlucht dröhnt meiner Art Geflopfe.
283
Ein leifes Weh’n ſpielt mit den dürren Blättern —
Geift diefer Wälder, fei mit meiner Hütte,
Das fie Orkan und Bliße nicht zerfchmettern,
Daß fie der Schnee des Berges nicht verfchütte!
Daß ihr Gebälf fein feindlih Beil zerhaue,
Daß lange Zeit die Sonn’ ihr Dach vergülde,
Daß fie nicht gleich fei diefer Spur der Klaue
Des Elennthieres auf dem Schneegefilde!
Sn einer ſolchen Werfftatt ift gut zimmern.
Die Waldung funkelr in des Morgens Glanze,
Die Büfche blißen und die Zweige ſchimmern,
Und jede Tann? ift eine ftarre Lanze.
Mit rief’gen Naden an den Himmel ſtemmen
Die Berge ſich; ftill, doch belebt, die Auen.
Am Strome drüben, auf den fchnee'gen Dammen,
Seh’ ich den Biber feine Hütten bauen.
284
Fern aus dem Didicht ragt's gleich Nenngeweihen,
Der Bifon büdt fih, daß den Schnee er lede;
Das Birfhuhn fehwirrt, und von der Hinde fcheuen
Fußtritten knarrt des Bodens Flodendede.
Der bunte Luchs tritt dreift aus feiner Höhle,
Der Trab des Elenns donnert durch die Führen. —
Ein neues Lied geht auf in meiner Seele;
Sch dicht’ es hämmernd — doch wer wird es hören?
Hinaus, hinaus! der Frühling ift gekommen.
Der Schnee des Winters riefelt von den Kuppen
Der Mligator ift an's Land geſchwommen,
Und fonnt am Ufer feine grünen Schuppen.
Die Fiſche Ipringen und die Vögel fchlagen;
Die Knoſpen berften und die Kräuter fehießen;
Die Wipfel al, auf denen Tauben Elagen,
Streu’n ihre Blüthen flüfternd mir zu Füßen.
285
Die Hirfche wandeln thalwarts mit den Küben;
Die Auerhähne fchütteln ihre Kämme;
Mir ihrem Hofftaat durch die Büfche ziehen
Die Königinnen wilder Bienenftämme.
Wird mir auch Honig von den Baumen traufen ?
Frifh in den Wald, umduftet mich, ihr Nanfen,
Und leget mih! — ein Weifel will ich fchweifen,
Umfchwärmt von meinem Hofftaat, den Gedanken.
Dft wand!’ ich Abends auf die fteilften Höhen,
Einfam mit meiner Lieb’ und meinem Grimme,
Zu meinen Füßen die gewalt’gen Seen —
Und dann erheb’ ich meine tiefe Stimme.
Die werthen Lieder aus den alten Tagen,
Die ich mit Freunden hundertmal gefungen,
In diefe Wälder hab’ ich fie getragen,
Drin nie zuvor ein deutiches Lied geflungen.
— mn [nun
Wie zitterte, darauf ich lag, der Gipfel,
Wie gab mir jener froh mein Singen wieder,
Wie flüfterten der alten Baume Wipfel,
Als fie vernahmen Ludwig Uhlands Lieder!
Wie ftußeten und hoben ihre Hörner
Die Hirſch' im Thal, als auf den Bergen oben
Sch Lieder drauf von Kerner und von Körner,
Bon Schwab und Arndt und Schenfendorf erhoben!
O, Ihmerzlich wohl Elang manches mir, dem Wand’rer!
Hier Heimathlieder! — Dennoch, als fie Elangen,
Stand ich ein Orpheus — mit den Liedern And’rer !
Zwar Steine nicht, doch tanzten wilde Schlangen.
Sch lag heut’ Nacht in füßen, ftillen Traumen,
Bon meiner Heimath und von meinen Kieben.
Sch wandelte bei meiner Kindheit Bäumen,
Wo ich wohl wünfchte, daß fie mich begrüben.
287
Der Todten und der Lebenden Geftalten,
Sie traten vor mid. „D, daß Keiner zürne,
Daß ich ihn ließ!” — Da jah von einer Falten
Hand fühlt’ ich leis berühret meine Stirne.
Sch fuhr empor; e3 war mein Sagdgefährte:
„Du fchliefft wohl tief, daß gar nichts du vernommen !
Komm! denn wir find den Bilons auf der Fährte,
Und durch den Winipeg find fie geſchwommen.“
Im bleichen Oſten fing es an zu tagen;
Das Stromthal dampfte, eine Nebelfufe.
Wir ritten aus, das Elennthier zu jagen;
Die Waldung hol vom Dröhnen unfrer Hufe.
Bald auch gefunden hatten wir die Heerde;
Sie barſt durch's Laub, von jäher Furcht ergriffen.
Wir machten Halt, wir zügelten die Pferde,
Wir legten an, und zwanzig Kugeln pfiffen.
288
Doc) Feines Hornes fhaufelförm’ge Krone
Berfanf, getroffen, in des Truppes Welle;
Sie fehüttelte den Naden, wie zum Hohne,
Und ftürmte fort, verdoppelnd ihre Schnelle.
Im Blattermeere war fie bald verſchwunden;
Allein des Grafes blut’ger Thau bewährte,
Daß Eine Kugel doch ihr Ziel gefunden,
Drum ging es hikig weiter auf. der Fährte.
Wir folgten ihr auf off'nen Waldespfaden;
Dann aber plößlich theilte fich die friſche: nen
Zum Strome, blutlog, ging der eine Faden,
Der and’re, blutig, fchlug ſich in die Büfche.
Ein einzig Thier nur war hier abgegangen.
Der Führer ſann und fagte drauf den Leuten:
„Folgt ihr der Hauptfpur durch das Thal der Schlangen, |
Sch will mit diefem auf der Blutfpur reiten.“
Und fo gefchah es; — mit einander fpornen
Die Roſſe wir feitabwäarts nach den Gründen ;
Gefnidte Gräfer, blutgefärbte Dornen
Sind und genug, die rechte Bahn zu finden.
289
Er fprach indeß: „Empfängt das Elenn Wuhden,
Und fühlt es nah’n den Tod in feiner Herbe,
Dann flieht e3 fcheu die Heerde der Gefunden
Und birgt im Forft fih, daß es einfam fterbe.
Sn abgeleg’nen, laubverhüllten Schluchten,
Auf einer dunfeln, moosbewachſ'nen Stätte,
Die Felienftüde jäh und wild umbuchten,
Da ſucht es blutend fich ein Sterbebette.
Siehft du den Geier über jenen Tannen?
Auf unfer Wild bald ſenkt er das Gefieder;
E3 lüfter ihn das Elenn der Savannen —
Dort, ſollſt du fehen, ſtürzt' es leblog nieder.“
Und wahr erwies fich, was er kaum gefprochen,
Wir fanden’s3 liegen, Enochig, ftarfgelender,
Die braunen Augen glanzlos und gebrochen —
Fern feinen Brüdern war es hier verendet.
In diefe Wildniß, die fein Beil gelichtet,
Die nie durchzudt der Sonne mildes Lächeln,
In diefe Wildniß hatt? es fich geflüchtet;
Sie nur vernahm des Elennthieres Nöcheln.
Freiligrath, Gedichte. 19
290
Der Füßter jeko ließ zu dreien Malen
Durch die Gebüfche feinen Sagdruf tönen; —
Ich dachte fehmerzlich meiner eig’nen Qualen:
Hier ftarb das Thier — hier rinnen meine Thränen!
Sch bin nun lange drüben wohl vergeflen;
Wer jetzt noch laufchte meinen erften Klängen?
Sch wäge finnend meine Wehr, indeffen
Gewappnet And’re in die Rennbahn fprengen.
Im Geift erbli® ich ihrer Roſſe Baumen
Und ihrer Helme Federbufchgezitter;
E3 raffelt mich aus meinen tiefften Traumen
Der Klang des Schwertes, das fie fchlagt zum Nitter.
Nehmt hin den Dank! — ich hab’ ihn abgefchworen! —
Und doch — beim Blitzen eurer Harnifchzierde
Und beim Erflirren eurer gold’nen Sporen
Erwacht in mir die alte Kampfbegierde.
291
Denn nicht verroften ließ ich meine Waffen;
Sch weiß fie rüft’ger, als vordem, zu fchwingen;
Koh einmal möcht? ih mich zufammenraffen,
Und auf dem alten Tummelplage ringen.
Mein Schwert geichliffen hab’ ich in der Dede;
Bewehrt mit Liedern, ballt ſich meine Rechte;
‘ch bin bereit zu einer Geiftesfehde —
Wie, wenn ein Schiffer mein Gartel euch brachte? —
Wohlan! zum Wettftreit meine Lenden gürt’ ich!
Shr, in den Schranfen, prüfet meine Wehre!
Sprecht zu den Nittern: „er ift ebenbürtig;
Sein Tomahawk ift würdig eurer Speere!“
Und als wir watend durch die Furt nun feßten,
Voran den Führer, den vorficht’gen Schreiter,
Da fpornte jenfeits einen fchaumbenesten,
Sangmähn’gen Rappen ein Savannenreiter.
292
Gedrung’ne Formen, Glieder wie von Erze,
Lichtblaues Jagdhemd mit fcharlach’ner Franze,
Buntfarb’ges Tüchlein um des Haares Schwärze —
Sp Fam er näher mit gefällter Lanze.
Sm Flug nur, fchien es, wollt’ er ung betrachten;
Umfonft hinüber ſandt' ich Auf und Zeichen.
Er fah mich winken, ohne drauf zu achten,
Wandte fein Noß, und trat es in die Weichen;
Flog dann hinan des Ufers jähe Treppe,
Daß Kies und Mergel dran herunter Flirrten.
Es war ein Greef, ein Beduin der Steppe; —
Glück zu! noch heute wirft du dich entgürten!
Dann wird dein Weib dir deine Kinder bringen;
Eie ftreicheln furchtlos deines Thieres Mähne;
Die Buben fagen: „Vater, laß es fpringen!“
Und zieh’n ihm dreift den Knebel durch die Zähne.
Du aber wirft an deinen Herd dich feken,
Und deine Gattin mit der Ferne Bildern
Und mit den Wundern deiner Züge legen,
Bieleiht die Jäger aud im Strome fhildern.
293
.
\
Die jekt erreichen triefend das Geftade: —
Sieh’ da die Grasbahn, die dein Noß gegangen!
Wohl find ih Hütten, folg’ ich diefem Pfade —
Doch, ach! wie dich wird Feine mich empfangen!
Sch fonne mich im letzten Abendftrahle,
Und leife fäufelt über mir die Nüfter.
Du jest, mein Leben, wandelt wohl im Saale,
Der Teppich raufcht, und ftrahlend flammt der Luſtre.
Und Alles naht fich, feiernd dich zu grüßen,
Und Alles huldigt deiner milden Schöne;
Sie legen Alles, Herrin, dir zu Füßen,
Yuf das dein Lacheln diefen Abend Fröne.
D, las e3 dringen auch in diefe Wildniß;
Send’ es herüber taufende von Meilen;
Nor meine Seele treten laß dein Bildniß;
Zudt auch mein Herz; — e3 wird ja doch nicht heilen!
Sp in des Kreifes athemlofer Stille
Mit deiner Harfe faßeft du vor Zeiten!
Das ift dein Auge! — deiner Loden Fülle
Ergießt fi) dunfel auf die lichten Saiten! —
Das iſt dein Singen! — durch die prächt'gen Räume
Glühend und innig fluthen meine Lieder! —
Im Abendwinde fchütteln fich die Baume;
Schwarz auf den Urwald fenft die Nacht fich nieder.
Allein, allein! — und fo will ich genefen ?
Allein, allein! — und das der Wildnif Segen?
Allein, allein! — o Gott, ein einzig Wefen,
Um Ddiefes Haupt an feine Bruft zu legen!
Sn meinem Dünfel hab’ ich mich vermeffen:
„Ich will fie meiden, die mein Treiben ſchelten.
Mir felbft genug, will ich dies’ Volk vergeffen;
Fahr? Hin, o Welt — im Herzen trag’ ich Welten!” —
295
Ein einzig Fahr hat meinen Stolz gebrochen;
Mein Herz ift einfam und mein Aug’ ift trübe.
Es reuet mich, was frevelnd ich gefprochen;
Dem Haß entfloh ich, aber auch'der Liebe.
Allein, allein! — und fo will ich genefen?
Allein, allein! — und das der Wildnig Segen?
Allein, allein! — o Gott, ein einzig Wefen,
Um diefes Haupt an feine Bruft zu legen!
Die Indianer fißen um die Flamme,
Und fchüren düfter fie, fchweigfame Schürer.
Da plötzlich — wohl der Xeltefte vom Stamme —
Spricht zu den Andern alfo einer ihrer:
„In Frieden ruh' er, den wir heut” begruben
Dort, wo den Urwald ſäumet die Savannah!
Nie einem Weißen, diefem gleich, erhuben
Ein Mal vom Lorenz wir zum Susquehannah!
Er war nicht, wie die Andern feiner Farbe;
Drum zu den Nothen hat er fich gefchlagen.
Sm unfern dunfeln Neih’n glich er der Garbe
Des Maiskorns, die zu Tannen man getragen.
Was mocht’ ihm fein? — mit feinen Tagdgeräthen
Stand oft er finnend unter einem Baume,
Und hört’ er rufend in dag Holz ung treten,
Sp fuhr er auf, und folgt’ ung wie im Traume.
Auch fand er einfam wohl am Strome dorten;
Dft durch die Büſche fah’n ihn die Genoſſen.
Dann war es, daß in fremder Sprahe Worten
Ihm lange Neden von den Lippen floffen.
Der Worte Feines haben wir verftanden,
Doch hörten gerne wir der Worte Schallen.
Es war ein Takt drin, wie wenn Kriegerbanden
Mit gleihem Schritt auf hartem Schneefeld wallen.
Verſtanden haben wir der Worte Feines,
Doch hat ung ſtets ‘zu hören fie verlanger.
Es war ein Klang drin, gleich den Tönen eines
Schilds, der im Wind den Aft fehlägt, dran er hanget.
297
Und um fih fchaut’ er, war er nun zu Ende,
Und ſah erſt jekt, daß Keiner ihn vernommen.
Dann drüdt’ er ftumm fein Antliß in die Hande,
Und ift zum Wigwam ftill zurüdgefommen.
In Frieden ruh' er, den wir nicht mehr fehen!
Lab eine Hütt’ auf feinem Grab uns bauen.
Sein Haupt liegt weſtwärts, denn fein leßtes Flehen
War: „Krieger, o, nach Morgen laßt mich fchauen!”
298
Der Neiter.
Er lenkte ſchweigend durch die Schlucht fein Roß;
Bleich war fein Antliß, lang und lockig floß
Ihm Bart und Haar auf Bruft und Achfel nieder.
Er ließ dem müden Thiere dag Gebif;
Er feufzte düfter durch die Finfterniß
Der Führen; „Gott, warum gabft du mir Lieder?
Sie fchliefen Jahre lang in meiner Bruft,
Wie Erz im Schacht; — Ich habe nicht gewußt,
Daß Lieder tief mir in der Seele ruhten,
eh mir, zu Öffnen ihr verborgen Thor!
Wie Fochend Herzblut' brechen fie hervor,
Unhemmbar! ach, und ich — ich muß verbluten!
Und Keiner weiß es! Alle ftellen fie 4
Sich vor mid hin, und fagen lahelnd: Sieh’!
Das ift ein luftig und ein Fraftig Springen!
Das ift ein frifher und ein tücht’ger Strahl!
Ein mäß’ger Strom kann diefer Quell einmal,
Sp Gott der Herr will, durch die Lande dringen.
Sie aber willen nicht, daß er fchon bald
Berfiegen muß, daß ebbend fchon er wallt;
Sie willen nicht, daß vor der Thür mein Sterben;
Daß mit dem Blut nur, das bis jetzt mir quoll,
Wenn in der Gruft ich einen tragen ſoll,
Ich meinen Liederpurpur mir muß färben.
Doch murr' ich nicht, ich ſage: ſehet da,
Ich bin ergeben, ich bin Seneca,
Als in die Wanne rauſchten ſeine Adern!
Die Dichtkunſt fagt zu meinem Leben: flieh!
Mein Nero, weh’ mir! ift die Poefie —
Doch will ich nicht mit meinem Schiefal badern.
300
O, hielten fie mich nur nicht am Gewand,
Und brachten, diefe Balfam und Verband,
Und die, mein Blut zu fammeln, Kelch und Schale!
O, Eönnt’ ich ftill zu Tode bluten mic,
Sleichwie, die Bruft von eines Fangers Stich
Durchbohrt, ein Hirfch in einem dunfeln Thale.
O, gönnten fie dem Sterbenden die Ruh’!
O, drüdten fie nur graufam oft nicht zu
Die Wunde mir, am Herd und auf den Gaſſen;
Und lehrten mich, daß den gewalt’gen Fluß
Berfchließen, eher noch mich tödten muß,
Als ihn, bei pochenden Schlafen, riefeln laffen.
D, ließen geh’n mid meine Wege fie,
Und fragten nicht; Sprich, was ift Poefie?
O Gott, wie oft vernahm ich fchon die Frage!
D, lächelten und lachten fie nur nicht,
Wenn traumerifch, mit glühendem Geficht
Und eine Thran’ im Aug’ ich ihnen fage:
301
Wenn man im Forft auf einen Eichbaum fteigt,
Und fih zum Siße wählt fein weit verzweigt
Und raufhend Haupt mit herbe duftendem Laube,
Und finnend dann, die Arme ftumm verfchranft,
An die Geliebte, welche fern tft, denft,
Und in das Neft fchaut einer Turteltaube;
Wenn man am Meer, von feinem Schaum beuekt ,
Sich einem Fifcher auf die Schultern ſetzt,
Und fich hinein laßt tragen in die Wellen,
Die Odyſſee legt auf fein ftruppig Haar,
Und fingt und jubelt, daß er denkt: fürwahr,
Das heiß’ ich einen närrifchen Gefellen!
Und wenn auf muth’gen Nofen man zu Dritt
Macht oder Vieren einen wilden Ritt —
Sieh’ da! die lang geſtreckten Nenner fehnauben,
‘hr beugt euch fpornend vor, ohn' Unterlaß
Weh'n euh die Mähnen in das Antliß! — das
Iſt Poefie, doch wollt ihr es nicht glauben.
Und wenn man Nachts auf langen Brüden fährt,
Und dumpf ihr Holz vom Huffchlag murren hört,
Bis das Geſpann urplößlich wieder feinen
Huf Elirrend auf das Pflafter fegt, daß glüh
Die Funfen fliegen, dann ift Poefie
Der erfte Ton des Eifens auf den Steinen.
Und Poefie auch if’3, wenn, wie ein Schwan,
Man in der Dammerung in einem Kahn
Langſam durchfurchet eines Hafens Mitte,
Und es geftattet, daß der Kahn fich fehmiegt
An irgend ein gewaltig Schiff; — fo liegt
Dft neben einem Palaft eine Hütte.
Und Poefte dann, wenn in Gummifchuh’n
Man einen Neger fieht im Tauwerk ruh’n,
Des Abends Kühle ſchwebend einzufaugen;
Er fchaufelt läſſig fih und fingt ein Lied,
Und fchaut ihr ihm in’s Angeficht, fo glüht
Euch wie ein Stern das Weiße feiner Augen.
303
Und Poeſie auch würd’ es fein, wenn jeßt
Dies ſchwarze Roß von Dänenzucht, entfeßt,
Sich bäumete auf diefer düftern Stelle,
Mich fchleuderte an diefes Felfenftüd,
Daß plöglih Nacht umflorte meinen Blick,
Und meiner Stirne dunkel Blut entquölle.
Und wenn alsdann, wenn ich zum lekten Mal,
Beichtenen von der Abendfonne Strahl,
Das matte Aug’, die müde Wimper höbe,
Das treue Thier, als Flagt’ es um mein Weh’,
Geſenkten Halfes auf mich niederfäh’,
Und warm in mein erfaltend Antlitz fchnöbe.“
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Gele gentliches.
Bei Grabbe’s Tod.
Damm'rung! — Das Lager! — Dumpf herüber ſchon
Vom Zelt des Feldherrn donnerte der Ton
Der abendlichen Lärmkanonen;
Dann Zapfenſtreich, Querpfeifen, Trommelſchlag,
Zuſammenfluthend die Muſik darnach
Von zweiundzwanzig Bataillonen.
Sie betete: „Nun danket alle Gott!“
Sie ließ nicht mehr zu Sturmſchritt und zu Trott
Die Büchſe fallen und den Zaum verhängen;
Sie rief die Krieger bittend zum Gebet,
Bon den Gezelten kam fie hergeweht
Mit vollen, feierlihen Klängen.
308
Der Mond ging auf. Mild überlief fein Strahl
Die Leinwand rings, der nadten Schwerter Stahl
Und die Mugfetenpyramiden.
Ruf durch die Notten jeßo: „Tzako ab!“
Und nun fein Laut mehr! Stille, wie im Grab —
Es war im Krieg ein tiefer Frieden.
Doch anders ging es auf des Lagers Saum
Sm Weinfchanf her; — da flog Shampagnerfchaum,
Da hielt die Bowle dampfend ung gefangen;
Da um die Wette blißten Epaulett’
Und Friedrichsd’or; da ſcholl's am Knoͤchelbrett:
„Ber halt ?” und Harfenmädchen fangen.
Zumweilen nur in diefes wüften Saals
Setöfe ftahl ein Ton fich des Chorals,
Mifchte der Mondfchein ſich dem Schein der Lichter.
Sch ſaß und fann — „Nun danfer —“ „„Qui en veut ?*“
Geklirr der Würfel — da auf einmal feh’
Aus meiner alten Heimath ich Gefichter.
309
„Bas, du?“ — „„Wer ſonſt?““ — Nun Fragen hin
und ber.
„Wie geht’3? von wannen? was denn jeßt treibt der?”
Auf hundert Fragen mußt? ih Antwort haben. —
„Wie —” „„Nun, mach’ fchnell! ih muß zu Schwarz
und Roth!““
„Sleih! nur ein Wort noh: Grabbe?“ — „„Der ift todt;
Gut’ Naht! Wir haben Freitag ihn begraben!““
Es riefelte mir Falt durh Mark und Bein!
Sie fenften ihn vergang’nen Freitag ein;
Mit Lorbeern und mit Immortellen
Den Sarg des todten Dichters Ihmüdten fie —
Der du die hundert Tage fchufft, fo früh! —
Sch fühlte Frampfhaft mir die Bruft erfchwellen.
Sch trat hinaus, ich gab der Nacht mein Haar;
Dann auf die Streu’, die mir bereitet war
In einem Kriegerzelt, warf ich mich nieder.
Mein flatternd Obdach war der Winde Spiel;
Doch darum nicht floh meinen Halmenpfühl
Der Schlaf — nicht darum bebten meine Glieder.
310
Nein, um den Todten war's, daß ich gewacht:
Sch ſah ihn neben mir die ganze Wacht
Inmitten meiner Leinwandwande.
Erzitternd auf des Hohen pracht’ge Stirn
Legt’ ich die Hand: „Du loderndes Gehirn,
Sp find jekt Afche deine Brande?
Wachtfeuer fie, an deren- fprüh’nder Glut
Der Hohenftaufen Heeresvolf geruht,
Des Corſen Volk und des Garthagers;
Jetzt mild wie Mondfchein leuchtend durch die Wacht,
Und jeßo wild zu greller Brunft entfaht —
Den Kichtern ähnlich diefes Lagers!
Sp iſt's! wie Würfelklirren und Choral,
Wie Kerzenfladern und wie Mondenftrahl
Vorhin gefäampft um diefe Hütten,
Sp wohl in diefes mächt’gen Schädel Raum,
Du jah Verftummter, wie ein wüfter Traum
Hat fich Befeindetes beftritten,
—
311
Sei's! diefen Mantel werf’ ich drüber hin!
Du warft ein Dichter! — Kennt ihr auch den Sinn
Des Wortes, ihr, die Falt ihr richtet?
Dies Haus bewohnten Don Juan und Fauft;
Der Geift, der unter diefer Stirn gehauft,
Zerbrah die Form — laßt ihn! er hat gedichtet!
Der Dichtung Flamm’ ift allezeit ein Fluch!
Wer, als ein Leuchter, durch die Welt fie trug,
Wohl laßt fie hehr den durch die Zeiten brennen;
Die Taufende, die unter'm Leinen hier
m Waffen ruh'n — was find fie neben dir ?
Wird ihrer Einen, fo wie dich, man nennen?
Doch fie verzehrt; — ich ſprech' eg aug mit Grau’n!
Sch habe dich gefannt als Süngling; braun
Und fraftig gingft dem Knaben du vorüber.
tah Jahren drauf erfchaut’ ich dih ale Mann;
Da warft du bleih, die hohe Stirne fann,
Und deine Schläfe pochten wie im Fieber.
312
Und Male brennt fie; — durch die Mitwelt geht
Einfam mit flammender Stirne der Poet;
Das Mal der Dichtung ift ein Kainsſtempel!
Es flieht und richtet nüchtern ihn die Welt!“
Und ich entfchlief zulekt; in einem Zelt
Träumt' ich von einem eingeftürzten Tempel.
313
Für Schillers Album beftimmt geweſen.
Nun kommen ſie aus aller Welt,
Die leichten Dichterboten.
Bon wannen flattert nicht ein Blatt
In's Buch des großen Todten?
Und wer jegt durch die Sierren fchweift
Und wählt fih zum Gefandten
Ein Lied, der hüllt es ein in Flor
Dom Sarge des Infanten.
Und wer durch Franfreich zieht, der tritt
Zu Dom Remy's Altare,
Und fendet einen Kranz vom Baum
Des Mädchens der Loire.
Und wer in Welfchland jeko weilt,
Schickt Lorbeern von Meffina,
Und einen frifch gehau'nen Span
Vom Haufe des Verrina.
314
Der Böhme meldet einen Gruß
Bon Friedlands Fühnen Notten.
Sn England fchrieb’ ich mir dem Blut
Der Königin der Schotten;
Und in dem Land Helvetien
Stieg’ ich zu Berg und fehriebe
Vom Grütli es zum Todtenfeft,
Wie ich den Todten liebe.
Sch bin nicht, wo der Rhein entfpringt,
Sm hohen Land des Schächen;
Sch wohne tief, wo laffig er
Verrinnt in fand’gen Flächen.
Denn diefes find am Ocean
Die abgefall’nen Lande;
Seflattert hat die Aufruhrfahn’
Auf diefem Nebelftrande.
Und diefes ift der Pfeilebund,
Und dies find die Provinzen;
In diefen Städten fehaarten fich
Die Geufen um den Prinzen.
315
Noch ſpricht aus Steinen jener Geift,
Der da manch Herz zerfreilen;
Sch hab’ heut’ Nacht bei Sturmesweh'n
Bor Alba's Thür geſeſſen.
Sch wandelte dur Thore, die
Dem Spanier fich verfchloffen ;
Ich ftand vor Thurm und Mauerwerk,
Vom Herzog einft beichoflen.
Wie hier vordem ein Volk gefämpft,
Und wie ein Fürft gefündigt,
Das hat in eh’rne Tafeln Er
Gegraben und verfündigt.
Bon diefer Mauerringe Troß
Zeugt Er mit mächt'gen Lauten;
Sie wiflen es, fie danfen’s ihm,
Dem Todten die Ergrauten.
Und jeder Stein aus Thorgemölb’,
Aus Mauern und aus Stiegen,
Ließ' freudig fich in’s Fundament
Bon Schillers Male fügen.
Mein Lied will fie vertreten: nr
Es ruh' im Mal, ein
Bon den abtrünn’gen Stätten!
317
An Schillers Album.
Teotzig iſt dieſes Land: der Nordſee trotzt' es den Boden,
Dem im Evscurial trotzte die Freiheit es ab.
Siehe, die Pfeile dies, die verbundenen! dies die Pro—
vinzen!
Dies der zottige Leu, der in der Klaue fie trägt!
Dies die Sandbanf im Meere des duftverfchleierten
Nordens,
Drauf des Gebieters im Süd flaggende Barfe verging!
Hier des Aufruhrs Herd! Hier hat die Flamme gelodert!
Die, Gewalt’ger, durch dich länger und leuchtender
ſtrahlt.
Siehe, ich ſaß heut’ Naht auf Alba's blutiger Schwelle:
Diefes Haus vordem Def von Toledo Quartier!
Diefe alten Tavernen vernahmen die Schwüre der Geufen;
Diefer Märkte Naum fah das behang'ne Schafot.
Siehe, die Thore dies, die Philipps Völkern ſich fchlofen!
Siehe, die Mauern dies, die fie vergeblich berannt!
318
Höre den Dank der Ergrauten! fie Eennen und lieben dich,
| Schiller!
Gerne zu deinem Mal fügte fich jeglicher Stein! —
Weit der Weg und feft der Mörtel! — für die Ge:
bund’nen,
Sie zu vertreten, fliegt freudig gen Süden dies Blatt!
Ruh' es, ein Stein von den Mauern der abgefallenen
Städte,
In den Quadern des Mals Def, der die Städte ver-
klärt!
“1
319
Der Phönix.
Bur Einleitung des Zweiten Jahrgangs von E. Dullers Phönir.
Am Niger, wenn von den fünfhundert
Vollendet wiederum ein Sahr,
Erhebt der Phönir fih verwundert,
Und redt der Schwingen purpurn Paar.
Er fhaut zu Thal von dem bemoof’ten
MWeltgrate, drauf fein würz’ger Horft;
Er ſchaut nah Welten und nah Dften
Durch Wüftenland und Zimmetforft.
Welch ein Gewirr zu feinen Füßen;
Da ballt der Sand fich wunderbar,
Da raufchen Wälder, Ströme fließen,
Da traben Strauß und Dromedar.
320
Da weht des Mohren Scharlachfahne,
Da fchallt des Tigers dumpf Gefchrei,
Da jagt der Sturm die Karavane,
Da jagt den Hirfch der grimme Leu.
Da ſchaut im Süden er die Horden
Des Kaffernvolfs befchwichtigt Faum;
Da, taufendzeltig, glänzt im Norden
Die Lagerftatt am Feigenbaum.
Bunt tummeln fi) die Kriegsgefchwader,
Die blut'gen Schwerter funfeln glüh; |
Und weithin fchallt’s: „Hie Abdel Kader!“
„„Hie Drleand, und Frankreich hie!““
Er aber läffet fich nicht Eümmern
Der Heere Drang und der Partei'n;
Sein Trachten ift, daß fie fein Schimmern
Mit ihrem Staube nicht entweih’n.
Still fammelt fort er in den Thalen
Gewürze fich zu feinem Brand,
Und laffet feinen Firtig ftrahlen
Ruhig durch das empörte Land.
321
Dem VPhönir möge diefer gleichen!
Auch ihm vollender fih ein Jahr.
Er fchauer in des Geiftes Neichen
Sih um, und redt der Schwingen Paar.
Er ſchaut nad Oſten und nah Weiten;
Sieh’ da — auch hier Empörung nur,
Und NRütteln an den alten Velten,
Und Waffenflang, und Ruf, und Schwur!
Nicht ift ein Fremdling er dem Ringen
Und dem Erregtfein diefer Zeit. —
Barg denn nicht Er auch mit den Schwingen
Den Funfen, der erregt den Streit? —
Fortan ihr Schimmern will er wahren ;
Sein Flug ift über den Partei’n,
Doch gilt fein Flügelfchlag den Schaaren
Des Neinen und des Nechts allein
Breiligrach, Gedichte 21
322
Sedwede Zeit hat ihre Wehen;
Ein junges Deutfchland wird erfteh'n.
Unhemmbar ift des Geiftes Wehen,
Und vorwärts Fann die Zeit nur geh’n.
Allein der Schlamm nicht der Gemeinbeit
Gebiert, was edel und was recht;
Nur aus der Wahrheit und der Neinheit
Erfteht, was fördert ein Gefchlect.
Und Solchem einzig gilt fein Streben,
Und gilt fein Trachten für und für;
Sold neuem Lenz entgegenheben,
As ein fcharlachenes Vanter,
Mag er die Flügel, mag entgittern
Auf's Neu’ die Schranken er: — Hinein!
Und müßt’ ihm auch aus Ranzenfplittern
Gethürmt der Scheiterhaufen fein!
323
Bannerfpruc.
An €. Duller.
(Bur Einleitung des dritten Jahrgangs des Phonir.)
Das Horn erfholl, der Kenner fcharrte!
So laß uns denn zu Felde zieh’n!
Auf's Neue fchwing’ ich die Standarte,
Die deine Farben laßt erglüh’n!
Und nenne Keiner mich verwegen,
Wer fo vor deiner Schaar mich fchaut:
Es wird ja ftets dem jüngften Degen
Des Banners Obhut anvertraut!
Ich laſſe meinen Ruf erklingen,
Gewappnet, Duller, wie ih bin!
Ein Neich ja gilt es zu erringen
Der Menfchheit, unf’rer Königin!
324
Ein Reich, um welches fie noch heute
Bon Thranen und von Blute trieft;
Doc deffen Throne nach dem Streite
Ein inn’res Ahnen ihr verbrieft.
Ein Reich, von dem ich oft geftammelt,
Und e3 gefehen auch im Traum.
Die Völker hatten fich verfammelt
Um einen einz’gen Lebensbaum.
Da war Fein Schelten und Fein Toben,
Und Feiner eitlen Rede Brunft:
Sch fah ein Band, das war gewoben
Aus Glaube, Freiheit, Wiffen, Kunft.
Sie brachten Alle, was fie hatten,
Bol Eintraht Einem Weihaltar;
Wie Brüder fah ich auf den Matten
Gelagert diefe große Schaar.
Und wie die Taube über Lämmern
Sich wiegt in Lüften, alfo febier
Sah milde durch der Zeiten Dammern
Die Lieb’ ich ſchweben über ihr.
325
Das ift das Reich, nah dem wir ftreben;
Und ift auh unfer Häuflein ſchwach:
Wir haben Kämpfer vor und neben,
Und immer neue wachen nad!
Die ganze Menichheit Eine Heerde —
O, nur gerungen und geglaubt!
Es frommt ihr-jede Hand breit Erde,
Die der Gemeinheit wir geraubt !
Im Kampfe nur erblüh’n uns Kranze!
Drum laß ung fein, wie der’ Kroat,
Der auf Illyriens Kriegergrenze
Dem Boden anvertraut die Saat;
Der, als ein Kriegesmann gerüftet,
Den Walzen in die Furche freut,
Und, wenn fein Schwert den Türfen lüfter,
Sclagfertig daſteht allezeit!
Der, wenn er fehrt von feinen Zügen,
Beherzt und freudig, wie er fchied,
Der Scholle dunflem Schooß entftiegen
Des jüngften Lenzes Ausfaat fiebt ;
326
Der friedlich jekt, fein Korn zu mähen,
Die Senfe ftatt des Säbels fchwingt,
Und zwifchen Ernten, Kampfen, Sien,
Sein Leben ruhelos verbringt!
Ich fühl’s an meines Herzens Pocen:
Auch uns wird reifen unfre Saat!
Es ift fein Traum, was ich gefprochen,
Und jener Völfermorgen naht!
Sch feh’ ihn leuchten durch die Sabre;
Sch glaube feſt an feine Pracht;
Sntbrennen wird der wunderbare,
Und nimmer Fehren wird die Nacht!
Wir aber reiten ihm entgegen;
Wohl ift er werth noch manden Strauß.
Wirf aus die Körner, zieh’ den Degen;
Sch breite froh das Banner aus!
Mit feften Handen will ich's halten;
Es muß und wird im Kampf befteh'n;
Die Hoffnung raufcht in feinen Falten,
Und Hoffnung laßt nicht untergeh'n!
Meberfetzungen.
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Aus dem Franzöfifchen. |
Alfons de Samartine.
Der Genius in der VBerborgenbeit.
An Jean Beboul.
Der Ddem, deffen Weh’n ertönen laßt die Seele,
Und zu Gefängen fie entflammt,
Berihmähr die ſtolze Pracht der Schlöffer und der Sale:
Das Purpur er und Gold zu feiner Wohnung wähle,
Bedarf Er’s, der vom Himmel ftammt?
Den Hirten, der auf’s Feld hinaustreibt feine Heerde,
Beichatter mit den Flügeln er;
Senft auf das Strohdach fich der Armen diefer Erde;
Auf ſchlechtem Wiegenpfühl, mir lächelnder Geberde,
Schirmt er ein berrlices Myſter.
332
Es ist das Kind Homer, das unter woll’nem Tuche
Die Sklavin trägt durch das Gewühl;
Es iſt ein junger Hirt, der unter'm Dach der Buche
Hervortritt, daß er ſcheu verirrte Ziegen ſuche,
Und der nach Jahren heißt Virgil.
Der Knabe Moſes iſt's, den Nileswogen ſchützen,
Und den die Königstochter liebt;
Den unter Tauſenden heimſucht des Sina Blitzen,
Indeß er Marmor hackt, und in des Ofens Hitzen
Die ungebrannten Ziegel ſchiebt.
Noch immer that ſich auf die Pforte dieſes Schreines:
Sp reifen zur Unfterblichkeit
Die Perl’ im Meeresfchooß, das Gold im Nik des Steines,
Der Diamant im Schacht, dem Hüter feines Scheineg,
Der Nuhm in der Verborgenheit!
Ein Phönix ift der Ruhm, ein aus fich felbft Gebor’ner,
Der alle hundert Fahre nur
Sich niederlaßt aufs Haupt Geliebter und Erfor’ner,
Mit feinen Zeichen ftirbt — ein ewig dann Verlor’ner,
Dep Wiege Keiner noch erfuhr!
333
Sp wund’re dich denn nicht, daß fich ein Sohn des Lichtes
Dein Dunfel nahm zur Nubeftatt:
Erinn’re Safobs dich, und feines Nachtgefichtes!
Das Traumen des Genie’, gern eine Stirn umflicht eg,
Die Steine nur zum Kiffen hat!
Sch felber, reich bedacht mit Dem, was DVieler Streben,
Wie gerne diefes guld’ne Soc,
Mir auferlegt vom Glüd, wie gerne wollt’ ich's geben
Für eine Stunde nur der Zeit, wo meine Neben
Und Feigen al mein Reichthum noch;
Für jener Traume Luft, die mir im Herzen fangen,
Und die fein Gold mir neu befcheert,
Die fih in’3 Purpurmeer der Abendfonne fchwangen,
Indeß mein Mütterchen mit gluthbeftrahblten Wangen
Umwandelte den engen Herd;
Indeß auf ihren Wink zum büch'nen Tiſch wir traten,
Den ihre Liebe treu gededt,
Für unfer ländlih Mahl den Herrn um Segen baten! —
Einfache Früchte nur, wie heuer fie geratben,
Und Brod, wie es der Landmann bädt.
334
Jean Webont.
Antwort auf Lamartine’s Gedicht:
Der Genius in der PVerborgenheit.
Den du genannt mit edelmüth’gem Feuer,
Kühn troßt mein Name der Vergeflenheit;
Denn alles Dunfle, das durch deine Leier
Fuhr, hülft ſich in Unfterblichkeit.
D, wenn mein Singen jemals Herzen rührte,
Wenn eine Bruft es flammend je durchglüht,
Du, Sänger, war’ft es, dem der Danf gebührte!
Mein Lied entftand aus deinem Lied!
Du bift es, du, der meine Seele gähren,
Und edlen Ehrgeiz fie durchlodern ließ;
Du bift es, du, der mich auf den Altären
Der Zukunft täglich ‚opfern hieß!
335
Du bift für mich der Engel, der die Schritte
Lenft von den Himmeln zu der Erde Thal,
Der auf den Palaft und des Dörfners Hütte
Sich niederlafet ohne Wahl.
Du nahtejt mir; der Sphären herrlich Klingen
Und wunderbares Leuchten priefeft du;
Da ichüttelte, gleich dir, ich meine Schwingen,
Und flog mit dir den Himmeln zu!
Und mich durchfloß ein ungefannt Entzüden !
Ein blendend Leuchten jtrahlte meinen Blicken,
Und Melodien umtönten mic!
Mein Geift erbub fich, ftrrablend, neu geboren;
Das AL duchichweifen wollt’ ih..... drin verloren
Würd’ id mich haben ohne dich!
Du aber fagteft: „Siehe da die Grenzen!
Berdunfeln wird fih unfrer Traume Glänzen,
Hinab! Für und nicht folh ein Glüd!
Schnell geh’n vorüber diefe reinen Klaren —
Nicht will der Herr dem Staube ſchon gewähren
Der Engel ftrablender Gefchid.
O, harren wir, bis fich die Zeit vollendet;
Bis einft der Tod dem durft’gen Geifte fpendet
Des Duelle, der ew’ge Wonne beut;
Wenn wir den Herrn im Heiligthume preifen,
Dann wird die Welt fich als der Traum erweifen,
Der Himmel als die Wirklichkeit.” —
Und als du mich zurüdgabft dem Gebiete
Des Irdiſchen, da in den Adern glühte
Ein Fieber mir, das Wichts, ac! Eühlt;
Wenn Feine Leier, die an's Herz ich drüde,
Die ein beraufchend Bild zeigt meinem Blide
Don Allem, was ich fehon gefühlt.
O Strahlen, die mein Aug’ ihr einft umaeben,
Wie, euer Glänzen follt” ich nicht erheben
In meinem neuen Dunfel hier?
Wie, mit dem fcehwachen Tönen meiner Lieder,
Gab’ ich das eure demuthvoll nicht wieder,
Des Himmels heil’ge Lieder ihr?
337
Der Engel und das Kind.
Ein Engel fand an einer Wiege;
Sein Antlis war von Strahlen hell.
Es war, als ob die eig’nen Züge
Er fhimmern fah’ in einem Quell.
„Kind, das mir gleicht,“ fo fprach der Engel,
„Fleuch auf mit mir zum ew’gen Licht!
Die Erde bietet dir nur Mängel;
Komm! deiner würdig ift fie nicht!
Auf ihr erblühft du nur zu Leide;
Selbit ihre Wonne drüdt die Bruft;
Wie Elagend, jauchzt auf ihr die Freude,
Und Seufzer hat auf ihr die Luft.
Kein Feft auf ihr, das ohne Sorgen!
Es gab noch feinen Sonnentag,
J Der Bürge ward beim nächſten Morgen
Für Sturmesweh'n und Wetterſchlag!
Greiligrach, Gedichte 22
338
Und follte je der Sram fich feßen
Auf diefe reine, ftile Brau?
Und bleichte je mit bitter'm Aetzen
Die Zahre dieſes Auges Blau?
Kein! folge mir, daß ich dich trage,
Wo brennend Sonn’ um Sonne rollt!
Der Himmel fchenft dir gern die Tage,
Die du vertrauern hier gefollt!
Laß Feine Thrane fie vergießen,
Die dich genannt ihr einzig Glück;
Laß deinen legten fie begrüßen,
Wie deinen erften Augenblick!
Laß ihre Stirn e8 nicht verfünden,
Daß bier im Haus ein Auge brach!
D fomm! Wer hingeht ohne Sünden —
Sein lester ift fein fchönfter Tag!“
Und, fhürtelnd feine weißen Schwingen,
Auf zu der Gottheit ew’gem Thron
Erhub er fih mit füßem Klingen.....
Du arme Mutter!... Todt dein Sohn!
”
339.
Sie ift Frank.
Warum von Thraͤnen iſt dein Kiffen naß? —
Mein Engel, ah! wird deine Lippe blaß,
Wird je dein füßes Auge trübe,
Nicht fürchte dann, du meines Lebens Luft,
Daß Andre dich entfremden meiner Bruft.....
'S ift mit der Seele ja, daß ich dich liebe.
D meine Taube, wenn ich Armer je
Dein dudend Köpfchen überfchatten fah’
Den Tod mit fchwärzlihem Gefieder,
Nicht fäng’ ich von Balkon dann zu Balkon,
Daß And’re lode meiner Lieder Ton;
Auf deinem Grabe feßt’ ich ſtill mich nieder,
340
Dort, naffe Augen hebend fternenwärts,
Wollt’ ich erwecken dich mit deinem Schmerz;
Und deines Geifterfluges Tönen,
Durch’s Haar der Weide zitternd in mein Ohr,
Dem füßeften Geftändniß zög' ich's vor
Bon der Gepriefenften der Schönen!
4 nr *
en c
341
Erfbeinung.
Warum das Grau'n in meine Nächte ſtreuen?
Warum dem Ernft des Sarges diefer Hohn?
Sch ließ den Priefter eine Kerze weihen,
Und für dich lefen ließ ih Meilen fchon.
Sch ließ gefchehen, was für deine Ruhe
Vorſchreibt der Kirche heilig Ritual;
Sch öffnete dem Armen meine Truhe,
Zu öffnen dir des Himmels gold’nen Saal.
Sch Elagt’ um dich! — O fprich, was kann dich qualen,
Da nie die Luft auf ihrem Pfad mich fand?
In deiner Schreine funfelnden Juwelen
Hat nie gewählt noch eines Erben Hand.
Noch fteht das Haus, dem dich der Tod entriffen,
In düftrer Trauer ernft und fchweigend da;
Noch in des Schleiers falt’gen Finfterniflen
Trägt Leid der Spiegel, der dich lächeln ſah.
342
Noch floß Fein Del auf deine Lampe wieder;
Noch liegt dein Pfühl, wie jene Nacht er lag;
koch auf’s Getäfel fenft der Staub fich nieder,
Den es beftäuben ließ dein Todestag.
Und fieh’, den Sweig auch trug man nicht von binnen,
Der dich befprengt, o du geliebtes Bıld,
Als in's Gewand der Garmeliterinnen
Wir deine Leiche weinend nun gehülft.
Und doch bei Nacht in meines Vorhangs Falten
Hör’ ich ein Naufchen, das mein Schlafen ftört;
Ein feuchter Hauch laßt meine Stirn erfalten;
Es ift ein Hauch, wie Gräbern er entfährt.
Ein Arm alsdann mit einer bleichen Kerze
Gießt auf mich aus ein trübe dammernd Licht;
Ein banges Tönen fallt mir ſchwer auf’s Herze,
Und Falter Schweiß bedeckt mein Angeficht.
Sch ſeh' dich weinen; meine Pulfe ſtocken;
Auf meine Bruft, die du, ja nur erfülfft,
Ergießen fchwer fich deine düftern Loden — Fl
2, wenn du fo kommſt, fag’ mir, was du willft!
343
Denn heilig find mir deiner Gruft Befehle;
Erfüllen gern ja will ich dein Gebot!
Genug ja drüdt, o ruhelofe Seele,
Das Leben mich — aud ohne deinen Tod!
D, diefes Schredbild, Wahrheit oder Lüge,
Gib du, o Gott, daß meine Ruh' es flieh’!
Und. meiner Traume nahtverhüllte Wiege,
Laß deinen Engel freundlich fchaufeln fie!
Der Kahn.
Sept ihr den Kahn dort in der Ferne?
Bon Purpur blißt er und von Gold,
Durch's Waſſer zieht er, gleich dem Sterne,
Der durch das Blau des Himmels rollt.
Sefchaufelt von des Zephyrs Kofen,
| Von ihren Wonnezügen matt,
Ruht dort die Liebe wohl auf Roſen
Und auf der Myrthe duft’gem Blatt.
Auf unfrer Inſel wolle landen!
Ihr Schatten ift fo füß und Fühl.....
O feht, fie hat den Ruf verftanden,
Und bald erreicht fchon ift das Ziel!
Nun ſchmückt die Stirne, windet Kränze,
Hinunter an's Geftade zieht!
Weib oder Göttin — laffet Tanze
Sie grüßen und ein Fifcherlied.
345
Eilr! fhon am Ufer fehet ichwanfen
Den Nahen! — ad, er ift zerfchellt!
Und in ihm auf den leden Planfen
Verblutet fih ein junger Held.
„Grabt mir ein Grab auf euren Borden;
Zu meinem Sarge fällt das Holz!
Schaut her! der Lohn ift mir geworden,
Den Gott beftimmt hat für den Stolz!
Gelockt von meiner Flagge Schimmer,
Flog gierig ein Pirat herbei;
Er ſchoß mein luftig Boot in Trümmer,
Und meine Bruft durchfuhr fein Blei.
Sch fterbe;... fei’s! doch ihr — Seid weife!
Wenn ihr gefahrlos reifen wollt,
So denkt an mich auf eurer Neife:
Den Purpurwimpel nicht entrolft!“
346
Alfred de Alufet.
Sieder und Sragmente
Barcelona.
Mer, der auf Barcelona’3 Gaſſe
Mein andalufifh Mädchen fah?
Wer fah fie ſteh'n auf der Terraffe?
'S ift meine Löwin, meine blaſſe
Markeſa d'Amaegui ja!
Für ſie hab' ich mich oft gehauen,
Für fie Sonette gar gemacht!
Wie oft, ein Haar nur ihrer Brauen
Durch's Weh'n des Vorhangs zu erfchauen,
Hielt ich vor ihren Fenftern Wacht!
347
Mein ift fie! mein ift diefer Wangen,
Mein diefer Lippen lechzend Glüh’n!
Mein diefes Auge, fchwarz verhangen
Bon feid’nen Wimpern! mein die langen
Haarwellen, fo ihr Hermelin!
Mein, mein ihr Hals, feh’n fie die Wände
Des Schlafgemahs in üpp’ger Ruh’!
Mein das Gewand um ihre Lende!
Mein ihre Fleinen weißen Hände,
Und mein ihr Fuß im fchwarzen Schuh!
D, wenn durch ihres Nekes Franzen
Ihr Auge bligt mit wildem Brand,
Bei allen Heiligen im ganzen
Gaftilien, man brache Lanzen,
Zu rühren nur an ihr Gewand!
Beim Eid! man muß fie feh’n im weißen
Nachtkleid, die prächtige Geftalt!
Man muß es feh'n, dies Schlagen, Beißen,
Wenn unter Küffen, grimmigen, heißen,
Sie wüthend fremde Worte lallt!
348
Und, o! wie toll ift ihre Freude,
Wenn fie am Morgen fingt und lacht!
Wenn, da juft in des Strumpfes Seide
Ihr Füßchen fchlüpft, ihr unterm Kleide
Des Leibchens ftraffer Atlas Fracht!
Auf, Page, folge meinen Pfaden!
Hinaus mit Tambouringeklirr!
Heut’ Abend will ich ferenaden,
Daß fluchen fÖllen die Alcaden
Bis an den Guadalquivir!
349
Das Lever.
O Herrin, es wird helle!
Dein Leibroß, Iſabelle,
Begrüßt dich wiehernd; — ſchau
Auf der Piqueur' und Führer
Grünfarb'gen Aermeln ihrer
Stoßfalken ſchwarze Klau'!
Sieh', Pagen und Bereiter!
Der flücht'gen Stuten Leiter,
Ein unbewamster Troß,
Das Haupt vom Buſch umflogen,
Sp fommen fie gezogen
Mit Armbruft und Gefchoß.
390
O, böre deiner ſchnellen
Windfpiel’ und Doggen Bellen!
Hoch, Pfiff und Gertenhieb!
Zur Jagd! frifch in den Bügel
Den Fuß! ergreif’ die Zügel!
Viel Glück zur Jagd, mein Lieb!
Und nun zuerft verhülle
Des ſchönen Bufens Fülle
Mit des Habites Grün!
Laß, moorumfpannt, mit feinen
Göttlichen Formen fcheinen
Ein füßes Räthſel ihn!
Mir weißer Hand zu kämmen
Dein Haar, laß uͤberſchwemmen
Das dunfelbraune dich!
Dein Haar, früh aufgebunden,
Und in den Abendftunden
Gelöft durch dich und mich!
351
Frifh auf denn, meine Wilde!
MWeithin durch das Gefilde
Tönt deines Thiers Gefcharr!
Und wie den Speer ein Knappe,
So fchwingt, in bunter Kappe,
Den Sonnenfhirm dein Narr.
Und nun noch die gefticte
Schärp' um die goldgefhmüdte
Sagdrobe wirf! gefchwind!
Und in des Mantels Falten
Wil tragen ich und halten
Dich, wie ein fchlafend Kind!
352
Madrid, du Licht von Spaniens Thalen,
In deinen tauſend Feldern ſtrahlen
Viel tauſend Augen, ſchwarz und blau.
Du weiße Stadt der Serenaden,
Viel taufend Eleine Füße baden
Sich Nachts in deines Prado’s Than!
Madrid, und Fämpfen deine Stiere,
Dann laffen taufend Händchen ihre
Buntfarb’gen feid’nen Schärpen weh'n;
Und in den fternerhellten, lauen
Lenznächten fieht man deine Frauen
Auf deinen blauen Treppen fteh’n.
—
393
Madrid, Moedrid, laß ſie ſich ſehnen!
Ich ſpotte deiner ſtolzen Schönen,
Die muthig tummeln Maul und Pferd!
Denn unter Allen weiß ich Eine;
Lab Braun’ und Blonde kommen — Keine
Iſt ihre Fingerfpige werth!
Und mich nur, wenn die Sterne feinen,
Läßt die Duenna diefer Einen
Dur ihr vergittert Fenfter! — Wer
Nah zorn’gen Bliden tragt Begehren,
Der nah’ ihr nur beim Meffehören,
Sei Bifchof oder König er!
Denn, wiflet, meine wilde Kleine
Aus Andalufien ift es! meine
Wittib mit dunfelm Flammenblid!
Sie ift ein Teufel und ein Engel!
Braun, der Drange gleih am Stengel,
Und wie ein Vogel flügg’ und quid!
Freiligeath, Gedichte 23
304
O, wenn wir zitternd Küffe en;
Wenn um mein Haupt mit füßem Naufchen
Entfeffelt ihre Loden weh’n,
Dann muß man fie mit glüh’nder Wange,
Behend und fcehnell, wie eine Schlange,
Sn meinem Arm fih winden feh’n.
Und fragt ihr, welchem Preis die fchlanfe
Erob’rung ich denn wohl verdanfe?
'S war meines Roſſes Mähnenpract;
Das Loben ihrer Sammtmantille;
Nicht zu vergeffen: — auch Vanille:
Bonbons in einer Faſchingsnacht!
Die Frau Marfifin.
Ihr kennt ihr Aug' und ihre Züge,
Ihr kennt die Andaluſierin!
Ihr wißt, daß ich im Arm ſie wiege
Vom Abend bis zum Morgen hin!
O, ſeht ſie, wenn ihr Arm, wie eines
Schwans weißer Hals, mich feſt umſchlingt;
Wenn, dicht an ihrem Haupte meines,
Die Nacht uns ſüße Träume bringt!
O, kommt! ob unſerm Neſt begegnet
Und ſchnaͤbelt euch, ihr Voͤgelein!
Durd ihren Schlummer, den Gott fegnet,
Strahl’ eurer Flügel Widerfchein!
Preis der Vergeflenheit gegeben,
Sei Alles, nur die Liebe nicht!
Die Wolluft ruft: vergeßt das Leben!
Der Vorhang ruft: vergeßt das Licht!
396
D, laß ung ruhen, Mund auf se!
Hauch’ deine Seel’ in mich hinein!
D, laß ung ruh’n fo bis zur Stunde,
Wo man ung bringt den Todtenfchrein!
Und fürchte nicht des Sternes Schimmer,
Der jetzt die Furcht der Weifen ift! *
Vielleicht, fchlägt er die Welt in Trümmer,
Daß unfern Winfel er vergißt!
Sn meiner Seele frifches Bluten
Laß rinnen deinen lichten Geift,
Wie fih in eines Gießbachs Fluthen
Der Wiefe Blumengquell ergeußt!
Denn weißt du wohl, wie viele Schmerzen
Sch litt, ah, um zu leben nur?
Siehft du in meinem wunden Herzen
Des Veberdruffes blut’ge Spur?
Gib einen Kuß mir, meine Kleine!
Mit meiner Hand in deinem Haar,
Laß mich erzählen dir beim Scheine
Der Lampe, was mein Unglück war!
* Man redete damals viel von dem Kometen von 1832,
397
Kun ſieh', . gut ich bin, mein Leben!
Daß geſtern du auf meiner Bruſt
Entſchliefſt — ich will es dir vergeben!
Und war's auch, als ich ſchwatzte juſt.
Denn, auf des Königs Wort, ſobald es
Wird dunkel in der Hauptſtadt fein,
Zieht hier im Luſtrevier des Waldes
In's Schloß die Frau Markiſin ein.
Mein Arm ſei der Geliebten Wiege
Vom Abend bis zum Morgen hin.
Ihr kennt mein Lieb, ihr kennt die Züge
Der braunen Andaluſierin! |
398
Fragment.
a ’ & a :
Ich habe dich geliebt; — und wie? — o Gott, mein Leben
Hatt’ ich in jener Zeit für dich dahin gegeben !
Du aber haft mich felbft verfcheucht von deiner Bruft,
Du felbft, zu lieben dich, benommen mir die Luft!
Du fängft mich jeßt nicht mehr in deines Lächelns Schlinge,
Auch deine Thranen jekt find überffüf’ge Dinge!
Sp, wenn der alte Saal ein Kind mit Schreden füllt,
Löſ't vom Getäfel es Helm, Harnifch oder Schild.
Mit der Trophäe dann, die zitternd es erftritten,
Sucht es fein Kammerlein mit bangen, haft’gen Schritten;
Legt das Gemwaffen ab, und hüllt beim matten Schein
Der Damm’rung furchtfam fich in feine Kiffen ein.
359
Doch, wenn der Morgen nun verfheucht der Nacht Ge:
fpenfter,
Dann funfelt das Phantom im Morgenroth am Fenfter.
Dann lacht es feiner Angft, und ruft: wie war ich blind!
Wie war ich furhtfam doch! wie war ich doch ein Kind!
360.
An die Jungfrau.
O Jungfrau, wenn ein Mann, der deine ſteilſten Wände
Erklettert hätte, nun auf deinem Gipfel ſtände:
Wohl ſchlüge ſtolz ſein Herz, wohl zitterte ſein Geiſt,
Wenn er vom ew'gen Schnee ſich trunken nun erhübe,
Wenn mächt’ge Kreiſe nun im Aether er beſchriebe,
| Dem jungen Adler gleich, der langfam ihn umkreiſ't.
Sungfrau, ich weiß ein Herz, gleich dir zum Himmel
ragend,
Gleich dir ein fledenlos und ſchimmernd Feftkfleid tragend,
Dem Ew’gen naher noch, ald du dem Himmel; kühn
Und rein! — Drum fiaune nicht, erhabenfte der Höhen,
Daß, da zum erftien Mal ich feine Firn gefehen,
Für einen Sterblihen der Ort zu hoch mir fchien.
361
An Ulrich ©.
Urich, kein Auge maß die Tiefe je der Meere,
Der älteſte Matros, der kühnſte Taucher nicht!
Auf ihrem Spiegel iſt's, daß, gleichwie feine Speere
Sin überwund’ner Schüß, die Strahlen Phöbus bricht.
So auch durchdrang fein Aug’ den Abgrund deiner Schmerzen,
Hefall'ner Engel, Mann der düftern, eifgen Ruh’!
Du tragt in deinem Haupt, du trägft in deinem Herzen
wer Welten, fchreiteft trüb an meiner Seite du.
Doch laß mich wenigfteng in deine Seele fchauen,
Bie furchtſam fih ein Kind beugt über einen See;
Du: fo gereift, ein Haupt, daB bleich vom Kuß der Frauen;
sch: faft ein Knabe noch, dich neidend um dein Weh!
362
Benedig.
Venedig, ſtolz von Blicken,
Kein Roß auf deinen Brücken!
Kein Fiſcher am Geſtad,
Kein Licht am Pfad!
Am Ufer nur voll Treue
Hebt der gewalt'ge Leue
Auf zu des Himmels Blau
Die eh'rne Klau'.
Und um ihn her in Gruppen
Fregatten und Schaluppen,
Wie Reiher, ſchwarz und weiß,
Kauernd im Kreis.
Sie ſchlummern, feucht bethauet,
Das Waſſer dampft uud brauet;
Matt ſchimmert durch die Nacht
Der Wimpel Pracht.
363
Mit fternigem Gemölfe
Bedeckt der Mond die welfe,
Faltige Lichtftirn, eh’
Sein Grab die ©ee.
©» läßt in dem Gemäuer
Bon Saint-Eroir den Schleier
Des Klofters Oberin
Ihr Haupt umzieh’n.
Der alten Schlöfer Menge,
Die ernften Säulengänge,
Die weißen Treppen hie
Der Nobili;
Und dort die bunten Schilder,
Die ftarren Marmorbilder,
Der Golf und die Lagun’
Schweigen und ruh'n.
Mit langen Hellebarden
Sieht man nur noch die Garden;
Es blist der Schwerter Stahl
Vor'm Arfenal.
364
D, jest wohl mehr als Eine
Harrt ſtill im Mondenfceine ;
Sie laufcht beforgt und bang
Des Buhlen Gang.
Wohl mehr als Eine fchmüdt fich
Zum Balle jeßo; blickt fich,
Verführeriſch angethan,
Im Spiegel an.
Auf wolluftvollen Kiffen
Dehnt ſich, indeß mit Küffen
Sie den Geliebten letzt,
Vanina jetzt.
Und bei Champagnerſchaume
Würzt in der Gondel Raume
Narciſſa bis zum Tag
Das Feſtgelag.
Und — zählet Welſchlands Städte! —
Wer in Italien hatte
Sein Körnlein Thorheit nicht?
Wer liebte nit?
ae A ET ET SEEN
Zeetzt tön auf feinem Falten,
Langweil’gen Pfühl dem alten,
Gähnenden Dogen nur
Der Schlag der Uhr.
’
⸗* *
Was kümmert uns die Stunde?
Ich zähl' auf deinem Munde
Kur Küſſe, die du gibft......
Dder vergibfi? i
Ich zahl in nacht'ger Stille
Nur deiner Reize Fülle;
Die ſüßen Thränen ich,
Ninnend um mid! |
366
Stanzen.
N); wie gern im Abendftrahle,
Tief im Thale,
Seh’ ich, einem Todtenmale
Aehnlich, Schwarzer Münfter Bau!
O, wie gern ich bei den finftern,
Hohen Münftern
Auf der Ritter Schwel im Finftern
Kreuz und Weihekeſſel ſchau'!
Helm’ ihr auf der Pyrenden
Truß’gen Höhen,
Alte Kirhen, Maufoleen,
Die Fein Wetter je zerbricht;
Mag’re Thürm’, entfleifchte Steine,
Die ihr Feine
Zeit Fennt, feid ihr die Gebeine
Staubgeword'ner Berge nicht ?
*
367
O, wie lieb' ich euch, ihr Thürme!
Wie Gewürme
Winſeln um euch her die Stürme,
Machtlos! — ihr ſteht hoch und feſt.
O, wie lieb’ ih euch, ihr Gänge!
Heil dir, enge
Stiege, deren Schooß die Klänge
Heil’ger Hymnen tönen läßt!
D, Eommt der Orkan gefahren,
Treibt zu Paaren
Wald und Feld, faßt bei den Haaren
Das Gebirg mit Zorngefchrei:
Zwei granit'ne Bäume zwifchen
Weh'nden Büſchen
Steh'n alsdann mit ihren Niſchen
Die zwei Thürme der Abtei!
O, wie gern mit ihren Schilden
Und Gebilden
Mag ich Abends ſich vergülden
Dieſer Thore Roſen ſeh'n.
Diefe grauen ri ait
Heil’gen, die, aus Stein gehauen,
Leis für die Lebend’gen flehn!
369
Sponett.
Den eriten Froft des Winters hab’ ich gerne,
Wenn unter'm Fuß des Sägers Fnarrt der Schnee,
Wenn auf die Felder Frachzend zieht die Kräh',
Und wenn der Dambirfh Neif tragt am Gehörne!
Jetzt nah Paris! — Jüngſt ehrt’ ich aus der Ferne
Sn feine Mauern! — Ernft aus ihrer Höh’
Sah’n Saul’ und Louvre, Nebel zog am Quai,
Drin glommen röthlih Fadel und Laterne.
Wie liebt’ ich diefe graue Zeit! — die Seine
Begrüßt' ich jubelnd, die in ihrem Bette
Wie eine Fürftin normandiewärts ſchwamm!
Du ja warft in Paris! — Ho, eine Thrane? —
Daß fih Ihr Herz fo bald geändert hätte,
Wie fonnt’ ich es denn willen auch, Madame?
Kreiligrach, Gedichte 24
370
- Ballade an den Mond.
Den Mond durch Nebel feheinen
Hoch über'm Thurme fieh),
ie einen
Punft über einem i!
Mond, welh ein Geift auf Pfaden
Des Dunfels führet licht
Am Faden
Profil dir und Geficht ?
Nachtaug' mit dunfelm Scheine!
Bon Cherub welch ein Duns
Durch deine
Blechmasfe fchielt nach ung?
Bift du, mit deinem rothen
Geſicht, ’ne dide Spinm,
Die pfoten-
Und armlog rollt dahin,
en
371
Bift du, faſt möcht? ich's fagen,
Die Uhr voll Noft und Ruß,
Die fchlagen
Der HM die Stunden muß?
Frug eben jekt um Kunde
Sie deine Stirn, wag Zeit
Und Stunde
Sn ihrer Ewigfeit?
Frißt dich ein Wurm, wenn enger
tun dein gefchwärzter Kreis
Und länger
Sich ausdehnt filberweiß?
er neulich Abends hatte
Ein Auge dir geraubt?
Traf Latte,
Traf Baumaft dir das Haupt?
Durch meiner Scheiben Gitter
Erfah ich deines Horns
Gezitter,
Als wäreft du voll Zorns.
372
Geh, Mond! nicht langer ſchwebe,
Dun Sterbender, einher! |
Ach, Phöbe,
Die Blonde, fiel in's Meer!
Soll ewig es fie halten? —
Du bift ihr Antliß nur;
Bol Kalten,
Tragt es des Alters Spur.
Gib ung zurück die Meine,
Die Säg’rin auf der Bürſch,
Sm Haine
Berfolgend früh den Hirſch!
Ha! unter den Platanen
Zu feh’n im Dieicht hier
Dianen,
Die Hunde neben ihr!
Das fchwarze Neh, verftöret
Die Felswand flieh'nd binan,
Es höret,
Es hört fie zitternd nah'n.
373
Nach fest der flücht’gen Beute
Durch Wald und Thalgrund heiß
Die Meute,
Seführt vom feuchten Schweiß.
Ha! Phöbe’n, Phöbus’ Schweiter,
Ertappt im Bad zu fchau’n,
Mo Neiter
Die wilden Schwäne bau’n!
Sie, die bei Nacht auf Lieder
Und Mund dem Schäfer finft,
Wie nieder
Ein Vogel leicht fih ſchwingt!
O Luna! welchen Schimmer
Und welcher Schönheit Zier
Auf immer
Verleiht dein Lieben dir!
Froh bringt, wer dir begegnet,
Dir feines Danfes Zoll,
Und fegnet
Dich, wachlend oder voll.
374
Dich liebt der Hirt, am Naine
Ausruh’nd bei frifchen Quel’n,
Weil feine
Hund Angftlich dich anbell’n.
Dich liebet auf Kauffahrer
Und Kriegsfchiff der Matrof,
Lacht Elarer
Nachthimmel feinem Floß;
Die Dirne dich, die wählig
Am Saum des Holzes zieht,
Hellkehlig
Läßt ſchallen ſie ein Lied.
Und unter deinem blauen
Aug' reget ſich das Meer; —
Zu ſchauen,
Wie an der Kett' ein Bär.
Und, regn' es oder ſchneie,
Was jede Nacht komm' ich
Auf's Neue,
Hieher zu ſetzen mich?
376
Mlarceline Desbordes- VBalmore.
Der Nufer an der Rhone.
Das Erntemädchen war gekrönt; von frifhen Kränzen
308 feftlich fih vom Dorf zur Stadt ein Blumenband.
Die Kinder trugen heut’ ihr bunteftes Gewand,
Sm Aug’ der Greife fah man Erntefreude glänzen.
Auf einmal endigte die Luſt,
Dem Srrlicht ahnlich, das, wie es entfteht, verglüht.
Ein langer Schrei fuhr Ealt, wie Eis, durch jede Bruft,
Berftummt war jedes Lied.
„Zurück, zurüd, das Kind, das fich verlief im Schwarme!
Die Mutter weint! — das Kind! — o, daß fi Gott
erbarme!
Zu dumpfem Brüten ward ihr lautes, wildes Klagen;
Für ihren bittern Schmerz hat fie nicht Worte mehr.
Hört! daß Ihr es erfennt; es fagt euch nicht, wie fehr
Es zu bejammern iſt; nur; Mutter! kann es fagen.
377
Noch Keiner, der: hier ift es! rief?
Hat e3 am Ufer denn Fein Einz’ger fpielen ſeh'n?
O Gott, die Ahone tft fo tief! —
Ein fhwaches Kind! — faum fonnt’ es geh’n! —
Zurück, zurüd, das Kind, das fich verlief im Schwarme!
Die Mutter weint! — das Kind! — o, daß fich Gott
erbarme!
Sein Aug’ ift fhwarz und fanft, es hat erſt wenig Zähne,
Selb, wie das reife Korn, ift meines Kindes Haar;
Furchtſam und fchwanfend geht’s, und mit Kornblumen war
Sein Kleid beſetzt; gewiß fteht eine helle Thräne
Sn feinem Aug’; — ihr kennt es, war’
Es nadt — oft nahm ja fchon die Armuth ſchwachen Kleinen
Ihr Kleid! — ein Engel, ohne Wehr,
Würd’ es in feiner Bloͤße weinen!
Zurück, zurüd, das Kind, das fich verlief im Schwarme!
Die Mutter weint! — das Kind! — o, daß fih Gott
erbarme!“
Der alte Rufer fchweigt; ein: bier! nur aus dem Volfe
Will er, lang wartet er; — umfonft! — die Mütter find
Wortlos; und jede drüdt feſt an die Bruft ihr Kind;
Der Schreden legt ſich trüb auf’3 Feft, wie eine Wolfe
378
Man fagt, daß mit verftohl’nem Gang,
In Lumpen eingehült, barfuß ein Bettler dorten
Schlich; unter feinem Mantel Elang
Ein leifes Wimmern zu den Worten:
„zurück, zurüd, das Kind, das fich verlief im Schwarme!
Die Mutter weint! — das Kind! — o, daß ſich Gott
erbarme!“
379
Die Nachtwache des Negers.
Die Sonn’ der Nacht erhellt der Küfte nadte Höhen;
> Herr, wie lange noch verziehen wir im Sand?
Sanft will ich tragen dich; 0, reich’ mir deine Hand!
Erwache, guter Herr! laß uns zu Menfchen gehen!
Herr! feit drei Tagen fchon- find deine Augen zu:
Schläfſt immer du?
Sieh’, der Platanenwald fiel nieder vor den Schritten
Des Sturms; das Schiff verfchwand zertrümmert in der
Fluth.
Von deiner bleichen Stirn wuſch ich das rothe Blut;
O komm! gern öffnen ung die Schwarzen ihre Hütten.
Herr! feit drei Tagen fchon find deine Augen zu:
Schlafft immer du?
380
Was du wohl traumen magft? dein Sklav' errieth eg gerne.
D, lang währt diefer Traum! weicht er, wenn es am Strand
Hell wird? drüdft du erwacht des treuen Dienerd Hand?
Fa, weden will ich dich, fobald nur flieh’n die Sterne.
Herr! feit drei Tagen ſchon find deine Augen zu:
Schlafft immer du?
Doc fehon befcheint das Licht des Morgens das Gefieder
Der Möve; lautlos trägt die See das Fifcherboot.
Komm! — dein Geficht ift Ealt! — bleich! fonft war es
doch roth!
O fprachft du! meinen Muth gab’ mir dein Sprechen wieder!
Herr! feit drei Tagen fehon find deine Augen zu:
Schlafft immer du?
a >
381
Angufte Barbier.
Niſa.
Xagıevra utv yao ad.
AUnafreon.
—
Dtolz ragt ein Fichtenbaum; und drunter, lau von Fluthen,
Smpfängt den frifhen Quell ein Beden, das die Gluten
des Sonnenftrahls nicht kennt.
Dort, feit das Morgenroth der Fichte Stamm befchienen,
ing ihre Tunifa nachläſſig auf im Grünen
in Kind von Agrigent.
Sie ruht und wiegt fich dort, nadt wie fie trat in’s Leben!
Das einz’ge Frühgewand, von dem ihr Leib umgeben,
des Waſſers dünner Flor!
Sie ruht auf Mooſe dort und auf dem feinen Sande,
Bie eine Nymphe fchier, die, ledig der Gewande,
importaucht aus dem Rohr.
382
Warum auch flöhe fie, ein Kind von vierzehn Lenzen,
Dem roth die Lippe fchwillt, dem blau die Augen glänzen,
Und deffen Zähne Schmelz?
Nach ihrer Mutter Kuß, nach Tanz und Blumenpflüden,
Was Fünnte Nifa wohl, die Kleine, mehr beglüden,
As Baden im Gehölz?
Sie fchaufelt üppig fich; der Wind des Morgens Fühlt fie;
Sie denft an's Wafler nur, und mit dem Waſſer fpielt fie;
Mit ihren Händchen fchlägt
Und faltelt fie die Fluth in taufendfacher Weife,
Wie Abends oft der Werft in ihrer Schweftern Kreife
Ihr Kleid in Falten legt.
Bald mühr fie ſchäckernd fich, die Schwalben zu ergreifen,
Die den Kryftall des Borns mit braunem Flügel ftreifen
Und hurtig dann entflieh’n.
Bald laßt ein fchwimmendes Ameischen fie entrinnen,
Läßt es den Raſenſaum des Quellbaffing gewinnen,
Und heißt es fürder zieh’n.
383
Jetzt einer Roſe Kelch entblattert fie mit Lachen;
Die Quelle wird ein Meer, das duft’ge Blätternachen
Befahren, Bord an Bord.
Da haucht ihr Münden Sturm; die Schiffe weh’n zur
Küfte;
Nur wen’ge retten fih an ihre jungen Brüſte,
Gleihwie in einen Port.
Dann laufht fie jtill und ernit auf das melod’sche Fliegen
Der Biene, die fich dreift auf ihren Honigzügen
An ihr vorüber ichwingt;
Und dann dem Krübgelang, dem lieblichen, der Grille,
Der Kleinen, deren Lied durch des Gehölzes Stille
Wie Lied des Himmels klingt.
Dann endlich ichlaft fie ein! — Auf ihren Armen liegend,
Ruht aus ihr lodig Haupt! — Halb ihwimmend und
halb fliegend,
Entrollt die blonde Fluth.
Dem Schwane gleicht fie fo, den, unterm Schilf verborgen,
Ein Mädchen ſchlummern fiebt, wenn er am frühen Morgen
In feinen Federn rubt.
384
Auf einmal fährt fie auf! — Ein Nafcheln und ein Rau: |
ichen! —
Iſt es ein Menfchenfuß? — Sie laufcht mit bangem '
Lauſchen;
Ihr Köpfchen ſinkt auf's Knie.
Roth wird ſie, wie die Frucht des welſchen Maulbeer—
baumes;
Sie biegt zuſammen ſich, und in des Wellenſchaumes
Gekräuſel zittert ſie.
Doch bald verſtummt der Lärm; und Niſa, noch erſchrocken,
Wagt es, hervorzuſpäh'n aus ihren dichten Locken
Mit feuchtem Augenlied;
Da plötzlich lacht ſie auf: — langbärtig aus den Zweigen
Schaut eines Geisbocks Haupt herab mit ernſtem Neigen,
Sieht an ſie und entflieht.
Aus dem Englifchen.
Greiligrarh, Gedichte
25
IE ven 2) Bargırinnd
Samnel Taylor Coleridge.
Der alte Matrofe.
Ein Romanzencyklus.
Facile credo, plures esse naturas inrisibiles quam visibiles in
rerum universitäte. Sed horum omnium familiam quis nobis enar-
rabit? et gradus et cognationes et discrimina et singulorum munera ?
Quid agunt? quae loca habitant? Harum rerum notitiam semper
ambiyit ingenium humanım , nungnam attigit. Juyat, interea, non
diliteor, quandoque in animo, tanquam in tabula, majoris et me-
lioris mundi imaginem contemplari: ne mens assuefacta hodiernae
vitae minutiis se contrahat nimis, et tota subsidat in pusillas cogi-
tationes. Sed veritati interea invigilandum est, modusque servandus
ut certa ab incertis, diem a nocte, distinguamus.
a T. Burner. Archaeol. Phil. p- 68.
1,
Einen alten Seemann gibt’3; der halt Ein elter Eeunzn
begegnet dreien zu
. eıner Dodzeit gelade-
Bon Dreien Einen an. veren Miu
Deren Einen am
Bas will dein glühend Aug’ von mir,
Sraubärt’ger alter Mann ? *
Macht Hochzeit doch der Bräutigam;
Nah find verwandt wir beide!
Das Feſt beginnt; verfammelt find
Die Säfte; ringsum Freude!
Er halt ihn mit der dürren Hand:
War ftattlich einft und groß
Ein Schiff — Laß los, du alter Narr !
Strads ließ die Hand er log.
air dur hal A Er hält ihn mit dem glühen Blick;
des alten feefah
us Der Hochzeitgaft fteht ſtille,
und gezwungen, feine
Gefhihte zu verneh Und horcht ihm, wie ein Fleines Kiud:
So war's des Seemanns Wille.
Sept fich auf einen Stein der Saft;
Er Fann nicht von der Stelle.
Und fo begann der alte Mann,
Der graue Schiffägefelle:
Die Anker hoch! die Barfe flog!
Frifch ging es durch die Bai,
Vorbei die Kirch’, vorbei den Berg,
Den Feuerthurm vorbei.
Der Seemann cr Die Sonn’ erhob fich aus der See;
zählt, wie das Schiff
mit gutem Winde und
fhönem Wetter für. Zur Kinfen ging fie auf.
mwärts fegelte, bis es
die Linie erreihte: Und fie fehien heil, ſenkt' in die We
Zur Rechten dann den Lauf,
—
389
Und höher, höher jeden Tag,
Bis Mittags über'm Maft —
Da tönt von Ferne das Fagott;
Vom Sik fährt auf der Gaſt.
Die Braut betritt den Hochzeitfaal ; Der Hoczeitgafl
vernimmt die Feſt⸗
muſik; aber der See—
Der Roſe gleich glüht ſie; * I in feiner
Und vor ihr geh’n mit nidendem Haupt
Die Iuft’gen Muſici.
Der Hoczeitgaft fährt auf in Haft,
Er fann nicht von der Stelle;
Und fo fprah dann der alte Mann,
Der graue Sciffsgefelle:
Da fam der Sturmwind; der war ſtart, seit dus
Und groß war feine Wuth, —
Und ſeine Schwingen trieben uns
Fern nach des Südens Fluth.
Das Bugſpriet tief, die Maſten ſchief
Wie wer, verfolgt, mit raſchem Schritt
Noch feines Feindes Schatten tritt,
Mit vorgebeugtem Haupt:
Sp auf gut Glüd ftürmte die Brid
Südwärts, vom Nord umfchnaubt.
Und Schnee und Nebel famen jekt,
Die haben’s Falt gemacht.
Und maftenhoc vorüberzog
Eis, grünlid, wie Smaragd.
a fi ; i \ 18 i
— —— Und trüben Schein durch's Eis herein
Töne, wo fein
vig Mefen zu ihanen Warf eine ſchnee'ge Spalte:
> Nichts fahen wir, niht Menfch noch Thier —
Die Treibeismauer hallte.
Das Eis war hier, das Eis war dort,
Das Eis war überall;
Es thürmte fih, und fürchterlid)
Dröhnt’ über's Meer fein Schall.
Bis ein — on Doch endlich ſchoß ein Albatros
vogel, Albatro
Keen, ur = Durch den Nebel und den Regen;
mit großer Freud' un
er empfen. Als war's ne Shriftenfeel’, fo tönt
J— Ihm unſer Gruß entgegen.
Der Vogel fraß aus unſerer Hand,
Flog auf dem Deck umher;
Das Eis zerbrach mit dumpfem Krach:
Wir ſind auf off'nem Meer!
Ban - >
391
Und ein guter Südwind thut fih auf;
Hoch folgt ung durch die Luft
Der Vogel treu, und fchwebt herbei,
Wenn der Matrofe ruft.
Auf Tau und Maft, da halt er Naft
Der wolfgen Nächte neun;
Und alle Naht durch Nebel lacht
Des Mondes weißer Schein. —
Bor böfen Geiftern fchüß’ dich Gott,
Du alter Schiffsgenog!
Was ftierft du? — mit der Armbruft mein
Schoß ich den Albatrog!
Die Sonn’ erhob ih aus der See,
Ging nun zur Necten auf.
Bon Nebeln noch verſchleiert, ſenkt
Sie links in's Meer den Lauf.
Und fiebe! der Al.
batros ermeifer ſich
als einen Vogel von
uter Vorbedeutung
und folgt dem Schiffe,
da es durch Nebel und
Treibeis mordwärts
ehrt
Der alte Seemann
todtet ungaftlih dem
frommen Vogel von
guter Vorbedentung.
Seine Genoffen er-
heben fich gegen den
alten Seemann, dar-
um, daf er den a
dringenden Vogel g
todtet hat
Aber da der Nebel
fich verzieht, rechtferti,
gen fie denfelben, alfo
feines Verbretens fin
theilhaftig machend.
he -
—
—*
Der Wind aber bleibt
günſtig; das en
teitt in den ftille
Dcean, und fegeft
nordmwärts, allzeit bis
e8 die Linie erreicht.
392
Und der gute Südwind blieb am Weh'n;
Doch nicht folgt durch die Luft
Der Vogel treu, und fchwebt herbei,
Wenn der Matrofe ruft.
Ich hatt? ein übel Ding gethan;
Das brachte nimmer Segen.
Sie fagten: Fühn erfchlugft du ihn,
Der fih den Süd ließ regen!
Sie alle fprehen: welch ein Verbrechen,
Der fih den Süd ließ regen!
Herrlih, wie Gottes eig’nes Haupt,
Ging auf die Sonn’ und lachte!
Sie fagten: Fühn erfchlugft du ihn,
Der uns den Nebel brachte!
Den Bogel traf gerechte Straf,
Der uns den Nebel brachte.
Der Wind bläſ't gut, weiß ſchäumt die Fluth;
Wir furchen rafch die Wogen.
Wir waren fiher die erften Schiffer,
Die diefe See durchzogen.
4
i 393
Der Wind laßt nach; rings bangen fchlaff a Sn win
Die Segel an den Raa'n; — 1
Nur ſprechen Alle, daß Etwas ſchalle
Doch auf dem Ocean.
Am heißen Kupferfirmament,
Hoch über'm Maſte, thront
Die blut'ge Sonn' zur Mittagszeit,
Nicht größer, als der Mond.
Wir lagen Tage, Tage lang;
Kein Lüftchen rings umher!
Wie ein gemaltes Schiff, fo träg,
Auf einem gemalten Meer.
Waſſer, Waſſer überall! —* der eat
fängt an gerächt zu
Doc jede Fuge klafft; werden.
®
Waſſer, Waller überall!
Nur was zu trinken fchafft!
Die Tiefe felbft verfaulte. — Gott
m Himmel, gib ung Muth!
Schlammthiere frabbeln zahllos rings
Auf fhlamm’ger Moderfluth.
394
Und jede Nacht fah’n wirbelnd wir
Die Todtenfeuer glüh’n;
Wie Herenöl, fo fladerte
Die Fluth blau, weiß und grün.
Eın Geift war ihnen
gefolgt; einer von den
unfihtbaren Bewoh—
nern dieſes Planeten,
en Und Manchem fagt’ im Traum der Geift,
find, und in Betreff
u he m Der und gefandt fol Weh:
der Konftantinopoli-
ee oniter Neun Faden tief verfolgt’ er und
Rath gefragt werden
fönnen. Cs ift ihrer Won jenes Landes Schnee.
eine große Zahl, und
feine Zone noch Ele-
ment if ofne einen
oder mehrere.
Und jede Zunge war verdorrt,
War troden bis zum Schlunde;
Wir konnten Al’ nicht fpreden, grad’
Als war’ ung Ruß im Munde,
möchten ger
Die Senoffen in i- Und Alt und Jung mit finfterm Blick
teganze 2 n
Schuld anf den alten Kam auf mid augegangen;
ee .
Hängen fe den todien Den Albatros, den ich erfchoß,
Seevogel um feinen
Hals. Hat man mir umgehangen.
Und lange Zeit verfloß. Verdorrt
War jeder Saum! Wie Glas
Die Augen! Lange, lange Zeit!
Die Augen all’, wie Glas!
Da bliet’ ich feitwärts — ſchau! da fab
Am Horizont ich 'was!
Zuerft war es ein Fleiner Fled;
Der ward zum Nebel bald,
Und regte und bewegte ſich,
Und wurde zur Geftalt.
Ein Fleck, ein Nebel, dann Geftalt,
Und näber kommt es ftets;
Als nedt’ eg einen Waſſergeiſt,
Sp ſchießt es und fo dreht’.
Mit trock'nem Gaum, die Lippen faum
Noch roth, fteh’n wir; fein Laut
Erfhallt — find ſtumm; bin ift der Muth!
Da biß den Arm ich, faugte Blut,
Und rief: ein Segel! ſchaut!
Der alte Matrofe
jlebet in weiter Ent-
fernung ein Zeichen
auf dem Waller.
Und als es naber
und näher fommt,
(deine e8 ibm ein
Schiff zu fen; und
um eine theure Loſung
befreit er ſeine Sere⸗
de aus den Banden
des Durftes.
396
Mit trod’nem Gaum, die Lippen Faum
Noch roth, feh’n fie mein Winfen;
En Freudentliß Vor Freude weinte Groß und Klein,
Und Alles 309 den Athem ein,
Als ob fie wollten trinfen.
bonn tan dal an Seht! rief ich, feht! es dreht nicht mehr!
Schiff fein, was ohne
tuts herr Es naht ung, bringt ung Heil!
Und ohne Fluth und ohne Wind
Schwimmt’s auf ung zu in Eil.
Des Weftens Fluth war Eine Glut;
Der Tag war bald verronnen !
Und finfend ruht auf MWeftens Fluth
Das breite Rund der Sonnen ;
Und die Geftalt ftellt zwifchen ung
Sich und das Rund der Sonnen.
Ve
aa Igeine itm nur Und ſchwarze Streifen treten ſtracks
——— Vor des Oceans gold'ne Braut;
Und glüh'nd, wie durch ein Kerkerthor,
Ihr brennend Antlitz ſchaut.
397
Ab, dacht’ ich, und mein Herz fchlug laut,
Denn näher fam es immer;
Das feine Segel, bligend hell,
Wie Mettenfädenihimmer?
Das feine Rippen, fo die Sonn’
Durchſcheint fo feuerroth?
Und ift nur jenes Weib am Bord?
fe das ein Tod? find zweie dort?
Sft ihr Gemahl der Tod?
Roth ift ihr Mund; frei her fie fchaut;
Ihr Haupthaar golden wallt;
Weis ift, wie Ausfaß, ihre Haut;
Die Nachtmahr iſt's, die Todtenbraut,
Macht Menfhenblut fo Falt!
Der Schiffsrumpf fommt, legt Bord an Bord,
Da würfelten die Zwei;
Der Würfel fiel! Gewonnen Spiel!
Spricht fie, und pfeift dabei.
Die Sonne finft, die Sterne glüh’n,
Die Naht fommt ftrads heran;
Mit leifem Flüftern über’s Meer
Scießt fort der Geifterfahn.
Und feine Rippen
gleihen Gitterftäben
vor dem Antlig der
Sonne.
Das Gefpenftermeib
und ibr Todtengeneß,
und Niemand jonit
am Bord des &felett-
Schiffes. Wie das
Schiff, fo die Mann-
i
chaft
Tod und Nacht⸗
mabr würfeln um
die Mannfhaft des
Schiffes, und fie (dıe
leg ewinnt den
alte rofen.
77
“i
\
Hein Zwielicht in den
Döfen der Sonne.
398
qui Aufgepen- det Wir horchen, ſeh'n ihn feitwärts flieh’n;
Die Furcht aug meinem Herzen fchten
Das Lebensblut zu trinfen.
Die Nacht dick, trüb der Sterne Kreis;
Des Steurers Antlig feier und weiß
Bei feiner Lamp’; — e8 finfen
Vom Segel Tropfen Thaues; fern
Im Oſten fteht der Mond; ein Stern
Schimmernd zu feiner Linken.
Erer nach dem An- Und Alle, bei des Mondes Schein,
Mit ftierem, gräßlihem Blick,
Seh’n grinfend mich und Flagend an:
Mir fluht ihr Schmerzensblick!
Bann feine Omen Viermal fünfzig Menfchen wohl,
Sie finfen leblog nieder.
Sie ftöhnen nicht, fie feufzen nicht;
Auf fteh’n fie nimmer wieder.
Aber Todten. Die Seelen flieh’n der Leiber Haft;
braut beginnt ihr
Mert an dem alten
Matrofen. Glück harrt auf fie und Graufen;
Und jede mir vorüberfchwirrt,
Wie meiner Armbruft Saufen.
Sch fürcht' dich, alter Schiffsgeſell!
Fürcht' deine dürre Hand;
Und du bift lang, und fchlanf, und braun,
Wie des Meers gerippter Sand!
Sch fürcht' dich und dein glühes Aug’!
Sch fürchte dich fo fehr! —
Fürcht’ nicht, fürcht' nicht, du Hochzeitgaft!
‘ch ftarb nicht auf dem Meer!
Allein, allein, und ganz allein
Auf weiter, weiter See!
Nicht lindert meine Todesangft
Ein Heil’ger in der Höh’!
So viele Menfchen, ſchön und ftarf!
Und feiner rührte fich:
Und taufend Thier im Moderfchlamm,
Sie lebten; und auch ich!
Sch blickte auf die faule See,
Und wandte die Augen fort!
Ich blidte auf das faule Dee:
Die Todten lagen dort!
Der Hodzeitgaft
fürchtet, dafein Gein
ju ibm redet:
Aber der alte Ma-
trofe verjichert ihn feı-
nes Leibeslebens, und
fährt fort, feine ſchreck⸗
fihe Buße zu erzählen.
Er verahtet die
Sreaturen der Wind—
ftille
*
Und iſt neidiſch, dap
fie leben, und fo Viele
liegen todt.
Aber der Fluch let
fur ihn in den Augen
der todten Männer.
400
Ich blick' empor, will beten dann;
Doch meiner Lipp' mit Stocken
Entfließt nur gottlos Flüſtern, macht
Mein Herz wie Staub ſo trocken.
Ich ſchließ' das Aug'; gleich Pulſen pocht
Des Auges Stern beim Schließen;
Des Himmels Höh', die blaue See
Thun laſtend meinen Augen weh,
Und die Todten mir zu Füßen!
Auf ihren Gliedern kalter Schweiß;
Nicht faul ward ihr Gebein.
Und immer ſah ihr Aug' mich an
Mit geiſterhaftem Schein.
Zur Hölle ſchleppen kann der Fluch,
Den eine Waiſe ſpricht;
Doch ſchreckenvoller iſt der Fluch
Auf Todter Angeſicht;
Ich ſah ihn ſieben Tage lang,
Doch ſterben konnt' ich nicht.
401
Und wiederum ging auf der Mond, —3
Zur Seit' ihm wen'ge Sterne; 1:6 sem menderaten
Er fehwebte klar und mildiglich In nn Denn "is
Durch die blaue Himmelsferne. sen it der Simmel
ihre beftimmte Ruhe-
ſtatt, ihr Vaterland und ihre eigege natürlihe Heimatb, die fie ohne Meldung beziehen, gleichwie
Herren, die man ficher erwartet, Und iſt doch eine geheime freude bei ihrer Anfunft.
Sein Strahl beſchien die fchwüle Fluth,
Als ob fie Reif bededte;
Doch, wo des Schiffes Schatten lag,
Da, vor wie nach, fo Nacht, wie Tag,
Die rothe Flamme ledte.
Und in des Schiffes Schatten fah Mensen fehr en Pr
te reaturen der
Sch große Wailerfchlangen ; großen ·
Sie fhlangeln fih in weißer Spur;
Wenn fie fih baumen, find fie nur
Mit flodigem Feu’r umhangen.
Und in des Schiffes Schatten gern
Sah ih ihr blißend Fell;
Wie Sammet fchwarz, und blau, und grün;
Sie ſchwimmen ber, fie fhwimmen bin,
Die Spur, wie Gold fo hell.
Rreiligrath, Gedichte 26
402
sr Sganten un O, glücklich ihr! wie ſchön ihr feid,
Sagt eine Zunge nie! —
Und Liebe quoll im Bufen mir,
B ne Und glücdlich pries ich fie;
Mein Heiliger erbarmte fich,
Und glücklich pries ich fie.
Br eher fänst zur Stunde Fonnt’ ich beten dann!
We Bon meinem Halfe frei
4 Fiel da der Albatros, und ſank
In's Meer, ſo ſchwer, wie Blei.
——
5;
O Schlaf, du bift fo ſüß, fo füß!
- Geliebte von Pol zu Pol!
Maria! Dir fei Preis und Dank, E
Daß Schlaf auf meine Wimpern fanf! '
Du gabft ihn mir ja wohl! J
een une Mir träumte: alle Eimer rings 1
|
mit Regen erfeiiht. Auf des Verdeckes Feld,
Sie waren Fühlen Thaues voll.
Wach werd’ ich! — Negen fällt!
403
Die Lippen naß, der Gaumen naß,
Die Kleider — wahr ift’s doch!
Sm Traume trank ich ficherlich,
Und trinfe, trinfe noch.
Sch geh’ und fühl’ die Glieder kaum,
Heb’ mich fo leicht empor!
Bin ih im Schlaf geftorben denn,
Und in der Sel’gen Chor?
Und einen Wind drauf hört? ich weh’n,
Doch ferne blieb fein Braufen;
Die Naa’n und Taue regen fich,
Die dürren Segel faufen.
Lebendig wird die obere Luft,
Und Feuerflaggen ziichen.
Sie zifchen auf und ab, voll Graus,
Und aus und ein, und ein und aus;
Die Sterne glüh’n dazwifchen.
Und näher drauf erbrauft der Wind;
Wie Binfen feufzen welf
Die Segel; Negen ftrömt herab
Aus donnerndem Gewölf.
Er hört Tone und
fiehr ſeltſame Gefichte
und Vewegungen am
Himmel und aufdem
Waffer.
404
Geborſten klafft's mit weitem Spalt,
Des Mondes finſt'rer Sitz;
Und wie ein Fluß in Thales Schooß
Vom Felſen ſtürzt, fällt zackenlos
Ein Glutſtrom, Blitz auf Blitz.
Die Leiber der Schif⸗ Nicht kommt der laute Wind an's Schiff;
re werden be⸗
ee har Doch vorwärts geht es immer;
Die todten Menfchen ſtöhnen dumpf
Bei des Blitzes fahlem Schimmer.
Sie ftöhnen, regen, heben fich,
Doch bliden, reden nicht!
Wie feltfam, Todte leben feh’n,
Selbft wär's ein Traumgeficht!
Und weiter zieht dag Schiff, bewegt
Bon Feines Windes Kraft;
Die Mannfchaft Elimmt im Tafelwerk,
Treibt, was fie fonft gefchafft,
Sie regen, gleih Mafchinen, fi;
O, ſchrecklich, ſchauderhaft!
405
Der Leib von meines Bruders Sohn,
Knie an Knie, ftand neben mir dort;
Wir zogen beid’ an Einem Geil,
Doc fagt’ er mir fein Wort. —
Sch fürcht' dich, alter Schiffsgeſell! —
Saft, ruhig immerdar!
Denn nicht VBerdammter Seele nahm
Den Körper wieder ein; nur fam
Beglüdter Geifter Schaar!
Beim Morgengrau’n finft fchlaff ihr Arm;
Den Maft umringen fie;
Und von der Todten Lippen füß
Tönt Himmelsmelodie,
Die Töne zieh’'n zur Sonn’ empor,
Die licht im Oſten flammt;
Dann kehren langfam fie zurüd,
Bald einzeln, bald gefammt.
Bald war es mir, als zwitfcherte
Die Lerhe auf dem Meer;
Dann glaubt’ ich, alle Nögelein,
Die es nur gibt, fo groß, wie Flein,
Sie fängen rings umher.
Aber nicht durch
die Seelen der Men.
fben, noch durh Dä-
monen der Erde oder
mittleren Luft, fonz
dern durch eine felige
Schaar englifher Gei-
fter,berabgefandedurd
dıe Anrufung des
Schugbeiligen.
Gehorfam der En-
gelfhaar, treibt der
einfame Geift von
Südpol das Schiff bis
an die Linie, fordert
aber doch noch Rache
406
Jetzt klingt es ſüß, wie Flötenlaut,
Jetzt, wie Orcheſterrauſchen;
Jetzt iſt es eines Engels Lied,
Dem ſelbſt die Himmel laufchen.
Es ſchweigt; doch tönt das Segelwerf
Bis Mittag faufelnd nad;
ie in dem laub’gen Sunimond
Ein grasverftedter Bad,
Der die ganze Nacht dem fchlafenden Wald
Ein Lied fingt, felbft noch wach.
Und ruhig fegelte das Schiff —
Kein Lüftchen trieb’s im Lauf —
Bis Mittag; denn getrieben ward’s,
Bewegt von unten auf.
veun Faden tief wohl unter’m Kiel
Bom Schnee: und Nebelland
Folgt uns der Geift, und treibt das Schiff
Mit unfihtbarer Hand; .
Das Schiff ſteht ftill; bis Mittag nur
Saufelt die Leinewand.
——
407
Die Sonne, lothrecht über'm Maſt,
Schaut meerwärts ohne Negung;
Doc plöglich rührt und regt fie fich
Mit zitternder Bewegung;
Schießt vorwärts, rückwärts unruhvoll
Mit zitternder Bewegung.
Dann plößlih, wie ein fcheuend Roß,
Prallt fie zur Seite wieder!
Das Blut fchoß mir in's Angeſicht;
Sn Ohnmacht fanfk ich nieder.
Sch weiß es nicht, wie lang ich dort
Gelegen ohne Leben;
Doch, ald noch Dunfel mich umzog,
Da hört’ ich in den Lüften hoc
Zwei Stimmen fich erheben.
Sagt eines Sprich, bei Ehrifti Blut,
ft dies der Schiffsgenoß?
Harmlofen Vogels Herzblut tranf
Sein graufam Pfeilgeichoß.
Die Mirdamonen
des Geifted vom Süd.
pol, die unfichtbaren
Bewohner des@lemen-
tes, nehmen Theil an
feiner Krankung; und
zwei von ihnen erjäß-
len ſich, der Eine dem
Anderen, daß eine
lange und ſchwere
Buße für den alten
Matrofen dem Geifte
vom Pol bewilligt
ift, welcher füdwärts
beimfebrt.
408
Der Geiſt im Schnee= und Nebelland
War hold dem Albatros,
Und auch der Vogel liebte den,
Der graufam ihn erfchuß.
Die and’re Stimm’ ift fanft und füß;
Wie Honigthau fo füß;
Sie fprihr: der Mann that Buße fehon,
Und büßt noch mehr gewiß!
6.
Erfie Stimme.
Doch nun fprich weiter! rede fort,
Daß deine Stimm’ ich hör’!
Wer treibt gen Norden jenes Schiff?
Was macht das blaue Meer?
weite Stimme.
Noch wie ein Sklav' vor feinem Herrn
Liegt ftill der Dcean;
Mit feinem großen Auge fieht
Schweigend den Mond er an —
409
Ob er auch wife, wohin er fließe;
Das Meer ja lenft er immer!
Sieh”, Bruder! fieh’ doch, wie dag Meer
Sp milde grüßt fein. Schimmer!
Erſte Stimme.
Doch wie eilt ohne Fluth und Wind
Das Schiff durch's blaue Meer?
Dweite Stimme.
Die Lüfte fchließen fich hinter ihm,
Sind vor ihm nimmermehr!
Fleuh, Bruder! fommen fonft zu ipat!
Fleuch! höher, höher, Lieber!
Nur träg zum Ziel ſchwimmt jener Kiel,
Wenn des Seemanns Traum vorüber! —
‘ch wurde wach; wir .fegelten ;
Nichts hemmte des Schiffes Lauf,
Die Naht war ftill, der Mond ftand hoc,
Die Todten ftanden zubauf.
Der Matrofe ıft in
eıne Verzüfung ent-
rüft gemweien; denn
die engliſche Macht
laſſet dag Schiff fchnel-
ler nordwarts treiben,
als Menfhenleben er-
teagen fonnte,
Der ubernatürliden
Bewegung gefchieher
Eınbalt; der Matroſe
erwadht, und feine
Buße beginnt von
Neuen.
Der Fluch ift end»
lich gefühnt.
410
Die lägen befler auch im Sarg,
Umſteh'n mich allzumal,
Und ſeh'n mit glaf’gem Aug’ mich an;
Drin blißt des Mondes Strahl.
Der Klub, mit dem fie ftarben, zudt
och auf dem Angeficht;
Mein Auge fah das ihre an,
Doch beten konnt' ich nicht.
Und wieder ſchaut' ich hin aufs Meer,
Auf feine Fluth, fo grün;
Und fpahete, doch fah Ich Nichts,
Als was ich fah vorhin.
Sch ftand, wie Einer, dem im Wald
Auf dunklem Pfade graut;
Der immer, immer vorwärts eilt,
Und nimmer rücdwarts fchaut;
Er weiß, ein Feind ift hinter ihm;
Sein Herz fchlägt bang und laut.
Da rauſchte Windesweh'n mich an;
Es wehte leife her;
Sch wußte nicht, woher es Fam, -
Nicht Fraufelt e8 das Meer.
411
Es hob mein Haar; wie Lenzeshauch
Umfpielt’ es meine Wangen.
Mir war fo bang; doch fühlt es mich,
Als wollt’s mich froh empfangen.
Schnell wohl, fchnell wohl flog das Schiff,
Und doch fo fanft, fo leicht!
Leiſe, leife blies der Wind —
Nur mich fein Weh’n erreicht.
| ’ y n lte Ma-
D Freudentraum! ift dies fürwahr — e ——
mathland
Des Leuchtthurms graue Wand?
Iſt dies die Kirch’, ift dies der Berg?
ft dies mein Heimathland ?
Und fchluchzend fleht? ih, als wir nun
Durchfegelten den Hafen:
O, laß mic bald erwachen, Gott!
Sonft laß mich immer fchlafen!
Hell war, wie Glas, des Hafens Bucht,
Und Flar die Fluth des glatten;
Und auf der Bucht lag Mondenichein,
Und auch des Mondes Schatten.
Die englifchen Gei-
fter verlaffen die tod»
ten Leichname.
‚ Und erideinen ın
ihren eigenen Licht.
‚geftalten.
412
Der Fels fchien hell, die Kirche hell,
Die fih auf ihm erhebt;
Der Mond befehien den MWetterhahn,
Der auf der Kirche fchwebt.
Ein fchweigend Licht umfloß die Bucht;
Da hoben fich ©eftalten:
Es waren Schatten allzumal;
Noth ihre Kleider wallten.
richt fern vom Gallione war's,
Wo ich die Schatten fab;
Da ſchaut' ich wieder auf's Verdeck —
O Gott, was ſah ich da!
Am Boden flach lag jeder Leib,
Und, bei des Kreuzes Zeichen!
Hellleuchtend ſtanden Seraphim
Rings auf den blaſſen Leichen.
Sie winken mir wohl für und für,
O, himmliſches Geſicht!
Sie leuchten weit auf's Ufer hin,
Umſtrahlt von ſüßem Licht.
—ñ— -
—
413
Sie winfen mir wohl für und für;
Sie fprehen nicht — o Luft!
Ihr Schweigen finft wie Melodie
Mir in die wunde Bruft.
Und bald vernehm’ ich Nuderfchlag ;
Horh, des Piloten Gruß!
Bon felber wendet fih mein Haupt —
Ein Boot an Schiffes Fuß!
Der Lootſe und des Lootfen Sohn,
Sie rühren fih im Boote;
Gott! welche Freude! großer Gott!
Die ftören doch nicht Todte!
Ein Dritter noch: der Siedler iſt's!
Horch, feine Stimme fchallt!
Laut fingt er feinen Lobgefang,
Den er gemacht im Wald,
Des Vogels rothes Blut wäſcht er
Bon meinen Händen bald.
414
a Siedler des Der Siedler lebt im grünen Wald,
Sm Walde dort am Meer.
Mit lauter Stimme lobt den Herrn
Sein Mund; mit Sciffern fpricht er gern,
Die ferne kommen ber.
Auf hartem Kiffen Eniet er Nachts
Am Mittag und am Morgen ; h
Das Kiffen ift ein Eichenftumpf, e
Der ganz in Moos verborgen. J
Das Boot kommt nah; fie fprechen laut: 2
Beim Himmel, wunderbar!
Wo ift der Feuerzeichen Glut,
Die hell hier leuchtend war ?
ouätert, fd dem Der Siedler fagte: feltfam, traun!
MINE, Nicht tönt mit frohem Schall
Ihr Gruß zurüd; die Planfen dürr,
Und dürr die Segel all;
Sie fcheinen Laubgerippen gleich,
Die an des Bergftroms Fall
NRunzlih um meine Klaufe weh’,
415 .
Wenn der Sturm am Braufen ift;
Wenn unterm Schnee die Waldung ächzt,
Wenn die Eul zu des Wolfes Heulen Fracdyt,
Der der. Wölfin Junge frißt.
Der Lootſe fagte: wie das Schiff
So fchredlich uns anſieht!
Sch fürdhte mich! — Frifh, rud’re zu!
Sprach froh der Eremit.
Und näher, näher fam da3 Boot;
Still war ich, ſprach fein Wort.
Das Boot fam dicht an’s Schiff heran —
Da, welh ein Ton fchallt dort!
Unter dem Waſſer rollt es dumpf; a ge $-
Donnernd durchzieht’s die Bat;
Es fommt an’s Schiff, es fpalter die Bucht;
Das Schiff geht unter, wie Blei.
Vom fürcterlihen Schall betaubt, Der, alte Waseofe
Dem Erd’ und Himmel frachen, * EEE
Trieb fhwimmend auf den Wellen ich,
Starr, zwifchen Schlaf und Waden;
Drauf, wie im Traume, fand ich mich
In des Piloten Nahen.
416
Und auf dem Strudel, wo das Schiff
Verſank, Freif’t ungeftüm
Das Boot; verklungen ift der Ton;
Der Berg nur fpricht von ihm.
Die Lippen rührt’ ich; der Pilot
Schrie auf, und fanf zurüd;
Der fromme Siedler betete,
Und hub empor den Blie.
Sch ruderte; des Lootfen Sohn —
Koch wandelt er im Wahn
Des Irrſeins — lachte, ſah mich ftier
Mit wilden Augen an;
Ha, ba! ſprach er, nun feh’ ich, wie
Der Teufel rudern kann!
Und jebt in meinem Heimathland
Berret’ ich Strandes Höh’n;
Der Siedler aus dem Nachen fteigt,
Kann kaum noch aufrecht fteh’n.
ser jalte Nerrofe Entfünd’ge mich! entfünd’ge mich!
(innen, une bie Trat ich den Siedler an;
* Der ſchlug des Kreuzes Zeichen erſt;
Was biſt du für ein Mann?
417
Da bebte Angft durch mein Gebein,
Angſt, fürdterlih und groß;
Was mir begegnet, fagt’ ich ihm,
Da ließ die Angſt mich los.
Und oft noch kehrt feit jener Zeit ——
8 zes künftges Leben
Zurück die Angſt, der Schmerz; —5
⸗ — ande zu reifen.
Eh? ich das Gräßliche gefagt, ——
Brennt in der Bruſt mein Herz.
Und wie die finſtre ſchwarze Nacht
Eil' ich landaus, landein;
Und am Geſicht kenn' ich den Mann,
Der meine Mähr' vernehmen kann:
Er muß mein Hörer fein.
Welch ein Tumult erhebt fih.dort?
Die Gäfte find dort all’!
Und, horch! im Garten fingt die Braut
Und ihre Mädchen all’!
Und, wieder horch! zum Beten ruft
Der Abendglode Schall!
Kreiligratb, Gedichte. 27
Und durch fein or
Beifpiel, Liebe und
Ehrfurht gegen alle
Dinge zu lehren, die
u gemacht hat und
418
O Hochzeitgaft, ich war allein
Auf weiter, weiter See!
Sp einfam war’s, ich fühlte Faum
Des guten Gottes Näh'!
Und füßer, glaub’, als Hochzeit iſt's,
Kann beffer mir gefallen,
Kann ich an guter Leute Hand
Zu Gottes Kirche wallen!
Kann ich zu Gottes Kirche geh’n
Zum brünftigen Gebet;
Wo Alles, Kind, und Mann, und Greig,
Wo Jüngling, Mädchen, Ihm zum Preis,
Zu Shm, dem Vater, fleht.
Leb' wohl, leb’ wohl, du Hochzeitgaft!
Doch diefes fag’ ich dir:
Der betet gut, wer Liebe hegt
Für Vogel, Menfh und Thier!
Der betet gut, wer Liebe hegt
Für Alle, groß und klein;
Gott, der ung ſchuf, der liebt ung A,
Will Allen Vater fein.
419
Der Seemann mit dem grauen Bart
Und mit dem hellen Blick,
Er gebt; und auch der Hochzeitgait
Kehrt ernft nah Haus zurüd,
Er ging, wie ein Betäubter gebt,
Als drüdten fchwere Sorgen
Sein Herz, und weifer, trauriger
Erhob er fih am Morgen.
420
Robert Southey.
Der Iincheap: Felfen.
Die Luft und die Welle regungslog;
Raſt hielten Fahrzeug und Matrose.
Die Segel feines Lüftchens Spiel,
Steif in den Waſſern lag der Kiel.
Der Inchcap-Felſen ohne Schaum ;
Die See bededt’ ihn, hörbar Faum;
So leis ihre Schwellung und ihr Fall,
Sie weckte nicht der Glocke Schall.
Es war der Abt von Aberbrothof,
Der auf den Felfen ftellte die Glod’;
Sie ſchwamm auf einer Tonne wohl,
Und warnt’ im Sturme dumpf und hohl.
421
Und barg die Fluth des Felfen Kron’,
Dann hörten die Schiffer den Warneton ;
Sie wußten: der Fels ift, wo die Glod,
Und priefen den Abt von Aberbrothof.
Die Sonne ſtrahlt' in Herrlichkeit,
Und alles Ding war fröhlich heut’.
Die Möve fchrie und nekte die Bruft,
Und ihr Gefchrei war eitel Luft.
Bon fern des Felfen Tonne fchien
Ein ſchwärz'rer Fled im Meeresgrün;
Sir Ralph, der Räuber, beichritt fein Dee,
Und warf fein Aug’ auf den fchwärzern Fled.
Er fühlte des Lenzes erheiternde Macht;
Er pfiff, er fang ob al’ der Pracht;
“ Die Freude fpanut’ ihm dag Herze weit,
Doch des Räubers Freude war Gottlofigkeit.
Die narb’ge Stirne zug er kraus:
„Ihr Burfche, feßt die Zölle aus,
Und rudert mich bis an die Glod’;
Ich ſpiel' nen Streih dem Aberbrothof.“
422
Und nieder fchwebte das Boot am Schiff;
Sie ruderten bis an das Kiff.
Sir Ralph lehnt’ aus dem Boot fich frei,
Und fchnitt die Glocke von der Boy.
Die Glocke fank mit gurgelndem Schall ;
Aufperlt und plast ein Blafenfchwall,
Sprah Sir Ralph: „Wer wieder vertraut der Glock',
Nicht preift er den Abt von Aberbrothok!“
Sir Ralph, der Räuber, fegelte fort;
Er ſchweifte durch's Meer von Port zu Port;
Und reich durch Beute nun geworden,
Wandt' er den Kiel nach Schottlands Borden.
Da braut ein Nebel trüb und dicht;
Sie feh’n die Sonne felber nicht.
Der Wind blies frifh den ganzen Tag;
Am Abend legt? er fich gemach.
Der Räuber nimmt auf dem Ded feinen Stand;
So finfter iſt's, fie feh’n Fein Land.
Spridt Sir Ralph: „Bald wird es helle fein;
Der Mond geht auf, ihr feht den Schein.“
423
Spridr ein And’rer: „Hörft du der Brandung Ton?
Mich dünft, wir find am Ufer fhon?” —
„Wo wir find, ich kann es nicht befhwören,
Doch wollt’ ich, wir fünnten die Glode hören!“
Sie hören nichts; hoch geht das Meer;
Sie treiben ohne Wind einher,
Bis mit trümmerndem Stoß aufftößt das Schiff —
„D Gott, es ift das Inchcap-Riff!“
Um Sir Ralph, den Räuber, ſteht es Ihlimm;
Er verflucht ſich ſelbſt in ſeinem Grimm;
Die Wellen ſtürzen herein mit Wuth,
Das Schiff geht unter in der Fluth.
Und als er mit dem Tode ringt,
Da hört er ein Tönen, das ſchrecklich klingt: —
Als würde vom Teufel unter den Wogen
Die Inchcap-Glocke für ihn gezogen.
Die Stechbpalme.
O Leſer, haſt du je betrachtet die
Stechpalme? — Sieh’.
Ihr glattes Laub, wie eine weiſe Hand
Es zum Gewand
Dem Baume gab, ſo ſinnig, daß daran
Des Atheiften Klugheit fcheitern Fann.
Denn unten, wie ein Zaun von Dornen, flarrt
Es fcharf und hart;
Kein weidend Vieh durch diefen fpiken Saum
Berlegt den Baum.
Doch oben, wo die Ninde nichts befahrt,
Wird ftachellos dag Laub und unbewehrt.
425
Dies ift ein Ding, wie ich’S betrachten mag ;
Gern dene ih nad
Des Baumes Weisheit; feiner Blätter Zier
Reicht willig mir
Ein Sinnbild für ein Lied, das lange Zeit
Nach mir vielleicht noch nußt und auch erfreut.
Sp, fhein’ ich draußen auch zuweilen rauh
Und herbe; fchau’
Sch finfter auch, wenn mich am ftillen: Herd
Ein Läſt'ger ftört,
Doc ftreb’ ich, daß ich Freunden, gut und treu,
Sanft, wie da3 Laub hoch auf der Stechpalm? fei.
Und heg' ich jung, wie wohl die Jugend thut,
Auch Uebermuth
Und Troß, doch ſchaff' ich, daß ich jeden Tag
Sie mindern mag:
Bis ih im hohen Alter mild von Sinn,
Gleich diefes Baumes hohen Blättern, bin.
426
Und wie, wenn alle Sommerbäume grün
Dafteh’n und blüh’n,
Die Blätter diefes einz’gen Baumes nie
Sp glüh’n, wie fie,
Doch fpat im öden Winter ung allein
Mit ihrem dunfeln Immergrün erfreu’n:
Sp auch in meinen Jugendtagen will
Sch ernft und ftill
Im Kreis der Jugend fein, die unbedacht
Des Ernftes lacht,
Auf daß mein Alter friſch und fleckenfrei,
Gleich dieſes Baumes grünem Winter, ſei.
— — —
a a —
Charles Lamb.
Die alten befannten Gefichter.
Ich hatte Geſpielen, ich hatte Gefährten
In den Tagen der Kindheit, in der fröhlichen Schulzeit
All', all' ſind ſie fort, die alten bekannten Geſichter.
Ich habe gelacht, ich habe geſchwärmt,
Spät getrunken, ſpät geſeſſen mit meinen Genoſſen;
All', all' ſind ſie fort, die alten bekannten Geſichter.
Ich habe geliebt; — wie war ſie ſchön! —
Ihre Thür’ iſt verſchloſſen; nie ſeh' ich fie wieder;
Am, al find fie fort, die alten befannten Gefichter.
Einen Freund hatt’ ich; wer hatt?’ ihn beifer?
Undanfbar verließ ich ihn plößlich; verließ ihn,
Zu denfen der alten befannten Gelichter,
428
Wie ein Geift durchfchritt ich das Thal meiner Kindheit;
Eine Wüfte fhien mir die Welt, die durchirren
Sch mußte, zu fuchen die alten Gefichter.
Mein Freund, du mehr als Bruder, o, wärft du
Geboren im Haus meines Vaters, fo Fünnten
Mir reden von den alten befannten Gefichtern;
Wie einige ftarben, mich and’re verließen,
Wie man and’re mir nahm; — ad, alle fchieden!
Ar, a find fie fort, die alten befannten Gefichter!
— — — ——
John Beats.
Sponett.
Als er den Homer in Chapman’s Üeberfetzung kennen lernte.
In gold'nen Reichen ſchweift' ich viel; nach alten
Ruchtbaren Königthumen ging mein Pfad.
Manch weſtlich Eiland ſah ich, manchen Staat,
So dem Apollo Dichter treu verwalten.
Ein weit Gebiet — drin ſollt' Homeros ſchalten,
Der Brauige — pries mir, wer es betrat;
Doch war ich feiner Heit're nie genaht,
Als bis ih Chapman hörete, den Alten.
Da war gleichwie dem Schauer mir der Sterne,
Der einen neuen plößlich fiehet fcheinen,
Sieghaft und hell empor am Himmel fteigend;
Da wie dem Cortez, ala er fah von ferne
Das ftille Meer; wild ftarreten die Seinen,
Auf einem Bergesgipfel Dariens, ichweigend.
430
Thomas Campbell.
Der letzte Menſch.
Was iſt, vergeht in Dunkelheit,
Die Sonne ſelbſt muß ſterben,
Bevor ſein Theil: Unſterblichkeit,
Dies Sterbliche mag erben.
Es kam ein Traum auf mich herab,
Der meinem Geiſte Flügel gab;
Hinab trug mich ihr Weh'n
Die Zeit; ich ward zu dem entrückt,
Der einſt der Schöpfung Tod erblickt,
Wie Adam ihr Entſteh'n.
Bleich war und grau die Erde, wie
Ein Greis; der Sonne Scheinen
Siech; — von Nationen lagen die
Skelette um den Einen.
431
Die ftarben fechtend; — roftverfehrt
Hält ihre Beinhand noch das Schwert; —
Die fraßen Hunger, Seuchen;
Die Städte leer, wie ausgefegt;
Nach Ufern, wo fein Laut fich regt,
Zieh’n Schiffe, voll von Leichen.
Doch Jener ftand, wie ein Prophet;
Sein Wort, furdtlos und Falt,
Als Fam’ ein Sturm berangewebt,
Entblätterte den Wald:
„Dein Lauf ift aus, dein Aug’ ift blind,
Du ftolze Sonn’! im Tode find
Wir Zwillinge! — Zu rollen
Hör’ auf! die Gnade ruft: big hie!
Aeonen fahft du Thranen, die
Nicht länger fliefen follen.
Ob unter dir der Menfh auch Pracht,
Und Stolz und Klugheit zeigte,
Und Künfte, denen fih die Macht
Der Elemente beugte —
432
Doch Flag? ich nicht um dich! — Zieh’ hin,
Entthronte Tagesfönigin!
Trophäen, ungezahlte
Triumphe, die da fah dein Strahl:
Ward auch durch fie nur eine Qual
Geheilt, die Menfchen qualte?‘
Liſch aus, du bleiche Trauerferz’!
Laß Nacht das A verfchletern !
Und geh’ nicht wieder auf, den Schmerz
Des Lebens zu erneuern! |
Bring’ nicht’ zurüd fein elend Spiel!
Wed’ nicht das Fleifch! hier ift dag Siel!
Genug der Folter! laß
Es ruh’n, von Siehthum graus entftellt,
Vom Schwert im Schlachtgewühl gefällt,
Wie von der Sichel Gras!
Selbſt ich bin müde, länger dich
Und deiner Glut Vergeh’n
Zu fchauen. — Qualen Zeugin, mic
Sollſt du nicht fterben feh’n!
A33
Die Lippe, die dein Grablied fpricht,
Ihr Beben, Zuden fiehft du nicht !
Siehſt blau nicht diefe Wangen!
Die Weltnaht ift mein Todtenkleid —
Die Majeftät der Dunfelheit
Soll meinen Geift empfangen.
Zu dem fehrt er zurüd, deß Hauch
Sein himmliſch Glüh'n entzündet;
Glaub’ nicht, er fterbe, weil dein Aug’,
Du Sterbende, erblindet!
Hein, er lebt fort in Seligfeit,
Die du nicht Fennft, die der verleiht,
Der uns zu löfen Fam,
Litt, ftarb, hinab zur Hölle ftieg,
Ihr als ein Held entriß den Sieg,
Dem Tod den Stachel nahm.
Stirb! — auf der Schöpfung Trümmern fteb’
Sch ftolz! ich kann nicht finfen!
Den lebten, herbſten Kelch, den je
Ein Menfch trank, muß ich trinken!
Freiligratb, Gedichte. 28
434
Geh’! fag’ der Nacht, die dich begrabr,
Du ſahſt den Lekten, der gelebt;
Dein Tod war ihm ein Spott!
Das AN zerfiel, todt war die Zeit —
Doch ihm blieb die Unfterblichkeit
Und fein Vertrau'n auf Gott!
— — —
435
Holand der Held.
Poland der Held! — Noland der Held! —
Faliche Zeitung, daß er fiel im Feld,
Schlug an des Nheines Strand;
Da erlag dein treues Herz in Pein,
O du Schönfte auf und ab am Rhein,
D du Schönfte rings im Land!
Und den Schleier nahm fie unverweilt,
Wo am Werth der Strom vorübereilt; —
D, zu rafh! — bald klirrt ein Sporn! —
Umfonft! der Schwur und die Kode fällt,
Als am Dracenfels die Trompete gellt —
Ihres Nitters luftiges Horn!
136
— m nn
O, nun bricht ihr Herz, von Gram verzehrt; —
Und war’ er geftern heimgefehrt,
Sie hätt’ ihn glühend gefüft;
Und die Reize hätten ihn al’ beglüct,
Die er nimmer, nimmer an’d Herz num drüdt —
Wenn e3 nicht im Himmel ift!
Doch der Nitter treu und der Nitter Fühn,
Gr fißt ab, er kann nicht von dannen zieh'n,
Es halt ihn mit Gewalt.
Er will athmen nur, wo ihr Athem weht, *
Wo für ihn auch auffteigt ihr Gebet,
Wenn das Hallelujah fchallt!
* „For he loved to breathe the neighbouring air.“ — Man wird
mir die Neminiscenz aus Schiller wohl verzeihen:
Sieht ein Schiff an Joppe's Strande,
Das die Segel blaht,
Schiffet heim zum theuren Lande,
Wo ihr Athem weht.
437
Noch ein Fenfter hebt fich, lanaft ergraut,
Bon dem Schlofe, das er fich gebaut,
Wo der Nhein am Werth fich bricht.
Dort, zu Mettenklang und Orgelbraus,
Sah er nieder auf der Liebiten Haus —
Denn fie felber fah er nicht.
Sie ftarb! — Er ritt in's Schlachtgefild;
Bor fein fterbend Hirn noch trat ihr Bild,
Als er fiel des Tapfern Fall;
Ihren Namen mit der legten Kraft
Nief er aus, die Blume der Nitterfchaft,
Noland zu Ronceval!
Selicin Hemans.
Das beffere Land.
Ein beffere3 Land nennft du entzüdt?
Seine Kinder, ſagſt du, find reich und beglüdt?
Mutter, wo mag fein Ufer fcheinen? j
Laß es ung fuchen und nicht mehr weinen.
Iſt's, wo im Myrthenhain raftet der Hirt,
Wo die Fenerfliege das Laub durchſchwirrt?
— Da nicht, da nicht, mein Kind!
Iſt es, wo fchlanf die Palme fteht,
Das Haupt von gefiederten Büfcheln umweht?
Auf Snfeln in ewig heitern Zonen,
Wo duftende Wälder die Blüthenfronen
Schütteln, wo Weihrauch die Staude fchwikt,
Wo der Vogel des Paradiefes blikt?
— Da nicht, da nicht, mein Kind!
439
Iſt es, wo über Gejchiebe von Gold
Braufend die Welle der Ströme rollt?
Wo feurig im tiefen Dunkel der Minen
Diamanten funfeln und rothe Rubinen?
Wo die Verle glänzt am SKorallenftrand ?
D Mutter, ift dort das beff’re Land?
— Da nicht, da nit, mein Kind!
Kein Auge fah es, mein Sohn! Fein Ohr
Bernahm feiner Stimmen jauchzenden Chor.
Seine Pracht — Fein Traumender ſah im Schlummer
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Solch Leuchten! — fern bleiben ihm Tod und Kummer !
Nie zerftört die Zeit feinen Glanz, feinen Duft;
Senfeits der Wolfen, jenfeits der Gruft
— Da its, da iſt's, mein Kind!
440
Wolter Scott.
Der Pilger.
„Barmherzigkeit! Macht auf das Thor!
Der Wind aus Norden brüllt!
Weithin von Flocken glänzt das Moor,
Bahnlos iſt das Gefild!
Kein Frevler in des Königs Jagd
Naht hauslos eurem Dad,
Obgleich ſelbſt der in ſolcher Nacht
Wohl Mitleid fordern mag!
Ein Pilger bin ich, matt und alt,
Der Gott um Gnade fleht.
Um der Jungfrau willen, öffnet bald!
Es lohnt's euch mein Gebet!
441
Vom Papſte bring’ ich Ablaß euch;
Vom heil’gen Land, fo weit,
Manch Heiligthum! — ac, öffnet gleich!
Thut's aus Barmherzigkeit!
Der Hirſch, vom trodnen Laub umhüllt,
Schmiegt fih der Hindin an;
Ein alter Mann, vom Sturm umbrüllt,
Kein Obdach finden kann!
Ihr bört des Ettricks Brauſen doch;
Mit Eiſe wird er geh'n!
Muß heute über'n Ettrick noch,
Erhört ihr nicht mein Fleh'n!
Verſchloſſen bleibt das Thor von Erz,
Verfchloffen dicht und feit;
Verſchloſſ'ner iſt des Mannes Herz,
Der hier mich winfeln läßt.
Lebt wohl, lebt wohl denn! gebe Gott,
Wenn alt und fchwach ihr feid,
Daß ihr nicht auch in folder Noth
Umfonft nah Hülfe fchreit!”
2
Der Förfter lag im warmen Flaum,
Und hörte Falt fein Fleh'n;
Oft fo ihm tönen noch im Traum
Durch des Dezembers Weh'n!
Denn ſieh'! — als blaß das Morgenroth
Durch feuchte Nebel fah,
Da lag der Pilger, ftarr und todt,
Sm Erlenbufche dal.
443
Jock von Hazeldean.
„Sprich, Fräulein, warum härmſt du dich?
Sprich, warum weinſt du laut?
Meinem jüngſten Sohn vermahl ich dich,
Ihm geb’ ich dich zur Braut!
Mein jüngfter Sohn wird dein Gemahl,
Und du, mein Kind, freift ihn!“ —
Doch ihre Thranen floffen, ach!
Um God von Hazeldean!
„Bald, Mädchen, ift dein Trotz entflob’n,
Berfiegt der Thranen Quell!
Mein Frank ift Herr von Errington,
Iſt Lord von Langley = Dale!
Er ift der Erfte fern und nah;
Gern mag das Schwert er zieh'n!“ —
Doch ihre Thränen floſſen, ad!
Um God von Hazeldean !
444
„Ich gebe dir ein gold'nes Band
Wohl in dein braunes Haar,
Und einen Falken auf die Hand,
Und einen Zelter gar!
Als Jagerfürſtin ſollſt du dann
Den Forſt mit uns durchzieh'n!“
Doch ihre Thränen floſſen, ach!
Um Jock von Hazeldean!
Die Kirche prangt im Sonntagsſtaat
Früh bei des Morgens Grau'n.
Der Prieſter wartet im Ornat,
Und edle Herrn und Frau'n.
Doch nirgendwo die Braut! man fucht
Sie überall — doch Fühn
Hat über die Granze fie entführt
Ihr Jock von Hazeldean.
a Zt Da a
445
Pihroch of Donald Dhu.
Donuil Dhu's Kriegsgefang!
Schlachtlied von Donuil!
Töne mit wilden Klang,
Wecke Clan Gonuil!
Kommt herbei, fommt herbei;
Auf zum Gefechte!
Horht auf das Feldgefchrei,
Herren und Knechte!
Meider die Schlucht, fo wild,
Fellige Bahnen!
Hört, wie die Pfeife ſchrillt!
Schaut auf die Fahnen!
Hügel-Plaid, Hochlands-Schwert,
Kommet hernieder!
Und wer fie tragt und ehrt,
Muthig und bieder!
446
Laſſet die Braut, das Weib!
Laſſet die Heerde!
Laſſet des Todten Leib
Weber der Erde!
Laſſet die Sagd, den Teich,
Barfen und Schlingen!
Bringt euer Kriegeszeug,
Tartfchen und Klingen!
Kommt, wie der Sturm fommt, wenn
Wälder erzittern!
Kommt, wie die Brandung, wenn
Flotten zerfplittern!
Schnell heran, fchnell herab, -
Schneller kommt Alle,
Hauptling und Bub’ und Knapp’,
Herr und Bafalle!
Seht, wie fie fommen! ſeht,
Wie fie fich fchaaren!
Haidfraut im Winde weht,
Feder des Haren!
447
Weg den Plaid, zieht das Schwert!
Vorwärts, ihr Leute!
Donuil Dhu's Kriegsgeſang
Töne zum Streite!
Nora's Gelübde.
Hirt, was Hochlands Nora fpricht:
„Den Sohn des Early frei’ ich nicht!
Und follten alle Menfchen fterben,
Und außer ihm und mir verderben!
Für alle Schäße, alles Geld,
Für alle Länder in der Welt,
Um die man Fühn geftritten fchon,
Freit' ich ihn nicht, des Garly Sohn!“
„Ein Mädchenſchwur,“ ſprach Callum alt,
„Iſt bald geſagt, gebrochen bald!
Das Haidkraut auf des Berges Kranz
Beginnt zu blüh'n im Purpurglanz!
Doch bald im Thal und auf den Höh'n,
Derwelft e3 bei des Froftes Weh'n.
Doch eh? fein Schimmer ganz entfloh’n,
Freit Nora gern des Early Sohn!”
—
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{
u 4 wer.
J
„Tauſcht,“ ſprach ſie, „auch den klaren See
Der Schwan mit Adlers Felſenhöh';
Rauſcht brauſend rückwärts Aweſtroms Fall,
Stürzt donnernd das Gebirg in's Thal;
Erliſcht in des Gefechtes Glut
Der leichtgeſchürzten Clane Muth;
Geſchehen all' die Wunder ſchon,
Doch frei’ ich nie des Early Sohn!”
Noch brütet an des Ufers Saum
Der Schwan in weichen Neftes Flaum;
Noch fteht der Berg auf feiner Stelle,
Und abwärts ftrömt de3 Aweftroms Welle:
Noch nimmer, Feindes Hieb und Stich
Zu meiden, wandte’ ein Schotte fich;
Doch Nora gab den füßen Lohn:
Sie hat gefreit de3 Early Sohn!
Freiligratb, Gedichte. 29
a j — RT FERN
450
Donald Eaird ift wieder da.
Chor,
Donald Caird ift wieder da!
Donald Caird ift wieder da!
Auf, erzählt es fern und nah,
Donald Caird ift wieder da!
Donald Eaird kann Lieder fingen,
Froh beim Hochlandgreigen fpringen;
Trinken, bis die Männer finfen,
Schmeicheln, bis die Weiber winfen;
Eimer binden, Keffel fliden,
Schädel fpalten auch in Stüden:
Auf, erzählt es fern und nah,
Donald Caird ift wieder da!
Donald Caird ift wieder da!
Donald Gaird ift wieder da!
Auf, erzählt e8 fern und nah,
Donald Saird ift wieder da!
451
Donald Caird kann Hafen ftriden, *
Kennt des Rothwilds Lift und Tüden;
Kann den Lachs im Bade fpießen;
Vögel aus den Lüften fchiefen;
Kann die Küftenwächter fchreden,
Und aus tiefem Schlummer weden;
Nicht für Kohn und Geldeswerth
Laßt euch ein mit Donald Gaird!
Donald Caird ift wieder da!
Donald Gaird ift wieder da!
Pfeifenklang Ihall fern und nah,
Donald Eaird ift wieder da!
Donald Caird leert feine Kanne
Schneller, als fie füllt die Hanne;
Jeder Wirth, der Schnaps verfchenft,
Weiß, wie er den Becher fchwenft;
Zrunfen ift er fe und rege,
Gehet Niemand aus dem Wege;
Hochlands Häuptling, Tieflands Laird
Müſſen weichen Donald Gaird!
* (o wire a maukin, einen Hafen vermittelt einer Drathſchlinge
fangen, in Weſtphalen: einen Hafen firiden. Technifher Wild»
diebsidiotism! —
PER TE
152
Donald Caird ift wieder da!
Donald Caird ift wieder da!
Auf, erzählt es fern und nah,
Donald Caird ift wieder da!
Schließt den Schenftifch, ſchließt die Lade,
Daß euch Donald Gaird nicht fehade!
Donald Caird halt Alles feft,
Was Allan Gregor übrig läßt;
Käfe, Wolle, Hahn und Henne,
Auch ein Schwein wohl von der Tenne,
Lumpen — D, vor Strang und Schwert
Hüte wohl dich, Donald Caird!
Donald Gaird ift wieder da!
Donald Caird ift wieder da!
Keiner fag’s dem Sherif ja,
Donald Caird ift wieder da!
Donald Caird war Faum zu retten,
Strang bedrohten ihn und Ketten;
Doch Donald Saird, mit fehlauen Tüden,
Wußt' den Galgen zu berüden;
Sieh’, e3 fiel von Fuß und Hand
Seiner Feffeln ftählern Band!
453
Wahrt die Heerden fern und nah!
Donald Caird ift wieder da!
Donald Gaird ift wieder da!
Donald Caird ift wieder da!
Keiner fag’s dem Richter ja,
Donald Caird ift wieder da!
454
Wiegenlied
für den Sohn eines ſchottiſchen Häuptlings.
Sclaf, Söhnchen! dein Vater war eiſenumhüllt
Ein Ritter! deine Mutter war lieblich und mild!
Vom Thurme ſieh' nieder: des Waldes Revier,
Die Schluchten, die Berge, ſie prangen nur dir!
O, fürchte das Horn nicht, wie laut es auch droͤhnt;
Den Wäachrern nur, die dich befchügen, es tünt;z
Sie fpannen den Bogen, ihr Schwert raucht von Blut,
Eh? feindlich ein Bube dir Leides anthut.
Schlaf, Söhncen! die Zeit kommt, wo panzerbededt
Das Horn und die Trommel vom Schlummer dich wedt,
Drum fchlafe, mein Liebling, noch darfft du's ja thun;
Als Mann mußt du Fampfen, kannſt nimmermehr ruhn!
455
Das Mädchen von Asla.
Madchen von Isla, hoch vom Riff,
Das Sturmgewölk und Meer umnachten,
Siehſt du nicht dort das kleine Schiff
Die Wuth der Wellen keck verachten?
Jetzt taucht es tief in Schaum und Dampf,
Tanzt hoch jetzt auf der Wogen Rand;
Sprich, warum wagt es ſolchen Kampf? —
Mädchen, es ſucht fein Heimathland!
Siehſt, Mädchen, du die Möve dort?
Durch Nebel glänzt ihr weißer Flügel;
Sie ſchwingt ſich durch den rauhen Nord,
Und ſucht des Ufers ſich're Hügel.
Warum durch Sturm und Wogenſchaum
Sucht ſie der Inſel Felſenſtrand,
Warum des Ufers grünen Saum? —
Mädchen, es iſt ihr Heimathland!
Doch, wie des Schiffs der wilde Sturm,
Lachſt du der Werbung, die ich bringe;
Kalt, wie des Felfen fteiler Thurm,
Wo Möv’ und Taucher fenft die Schwinge.
Sei noch fo hart, fei noch fo Kalt,
Doch, Mädchen, biet’ ich dir die Hand!
Wenn nicht dein liebend Herz, dann bald
Iſt Alan’s Grab fein Heimathland!
457
Der Einfall.
(The Foray.)
| Der legte der Stiere war heut’ unfer Mahl;
Kein Wein in der Burg mehr, als bier im Pokal!
Wohlauf! mit dem Schwert euch umgürtet! von binnen !
Gefahr ift zu wagen, und Raub zu gewinnen!
Das Auge, das jüngft noch mit lächelndem Strahl
Dem unfern begegnet, blickt trübe durch's Thal,
Hernieder vom Thurm durch die Nacht zu erſpäh'n
Das bäumende Roß und des Helmbuſches Weh'n.
Wie der Wind ſich erhebt, wie der Platzregen rauſcht!
Der Mond hinter Wolken im Nebelduft lauſcht!
So recht, ihr Genoſſen! des Thurmwarts Geſicht,
Von Dunkel befangen, eripäht uns dann nicht!
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Wie ftampfen die Noffe! hört, das ift mein Sched!
Sein Huffchlag Elingt markvoll, fein Wiehern Elingt Fee!
Wie der Bliß des Gewitterd in Sturm, und in Dampf,
Soll der Bliß feiner Mähne euch führen zum Kampf!
Die Brüde fiel nieder, fchon tönte dag Horn! —
Ein Glas noch; — und dann gebt den Roſſen die Sporn! —
Ein ehrenvoll Grab dem Gefal’nen voll Muth,
Und Heil dem, der heimfehrt zu Teviots Fluth!
Das Mädchen von Toro.
D, tief auf dem Toroſee ruhte verziehend
Die fcheidende Sonne mit purpurner Glut;
Leis raufchte der dunfelnde Wald; da lag kniend
Ein Mädchen am Ufer und weint’ in die Fluth.
„D, füßefte Jungfrau, und ihr, in den Höhen
Des Himmels, ihr Heil’gen, vernehmt meine Noth!
Erhört meine Bitte, gewähret mein Flehen!
Gebt Heinrich mir wieder, fonft gebt mir den Tod!” —
Es tönte herüber vom waldigen Hügel,
Bald ftärfer, bald fchwächer, des Kampfes Gewirr;
Da plößlih, getragen vom ſchwellenden Flügel
Des Windes, fholl Schlahtruf und Waffengeklirr.
Sie horchte, fie blickte zur Ferne, fie laufchte;
Es nahte ein Krieger; wie fhlug ihr das Herz!
Sein Schritt war fo langfam, fein Leben verraufcte;
Sein Helm war gefpalten, fein Antlitz ſprach Schmer;.
460
„O, rette dich, Mädchen! gefchlagen die Heere!
O, rette dich! todt dein Befchüger, dein Freund!
Dein Heinrich liegt Falt auf zerbrochenem Speere,
Und rafch durch die Waldungen naht fih der Feind!“ —
Kaum, ftammelnd, vollbracht? er fein ſchreckliches: „Nette!“
Verzweifelnd vernahm ihn das Mädchen. — Den Lauf
Verſenkte die Sonn' in des Toroſee's Bette,
Doch ging ſie den Beiden wohl nimmermehr auf!
Der Troubadour.
Par feiner Dame Feniter ftand
Ein Troubadour, ein Feind von Sorgen
Sang liebeglühend, ruhmentbrannt,
‘hr feinen legten guten Morgen:
„Dem Vaterlande meinen Arm,
Mein Herz weih’ ich der Liebften nur!
Für Lieb’ und Ehre frifch in’s Feld,
Sp ſchickt fih’s für den Troubadour!“
Und als er nun im eh’rnen Kleid
Hinauszog aus des Schloffes Pforte,
Da tönten, treu der holden Maid,
Noch feines Liedes lebte Worte:
„Dem Vaterlande meinen Arm,
Mein Herz weih’ ich der Liebften nur!
Für Lieb’ und Ehre frifch in’s Feld
Eil’ ich, ein tapfrer Troubadour!“
462
208 brach die Schlacht mit ihrem Dräu'n;
Da fprengt’ er vor, und ritt und rang.
Vom Noß hernieder durch die Reih'n
Ertönte laut noch fein Geſang:
„Mein Leben gern dem Vaterland,
Mein Herz weih' ich der Liebſten nur!
Für Lieb' und Ehre, Kampf und Tod,
So ziemt es ſich dem Troubadour!“
Und, ach! er fiel! — im Blutgefild
Erlag er ſeiner Feinde Degen;
Allein gelehnt auf ſeinen Schild,
Jauchzt' er dem Tode froh entgegen:
„Mein Leben gern dem Vaterland,
Mein Herz weih' ich der Liebſten nur!
Für Lieb' und Ehr' den ſchönſten Tod
Erkämpfte ſich der Troubadour!“
’
463
Thomas Moore.
This world is all a fleeting show.
Die Melt ift al’ ein flüchtig Scheinen ;
Der Freude Lächeln, füß und klar,
Der ftillen Wehmuth bitt'res Weinen,
D falfhes Thun, o falihes Meinen —
tichts, nur der Himmel noch, ift wahr!
Der Ruhm mit feinen Sonnenbliden,
Sn Dunfel bald verfehrt er ſich;
Der Schönheit Glanz, der Lieb’ Entzüden
Sind Blüthen, ach! das Grab zu Ihmüden —
Der Himmel nur glanzt ewiglich!
Und fo verfchlingt uns Well’ um Welle;
Hin zieh’n wir ohne Bahn und Spur.
Fällt oft ein Blitz auch — feine Helle
Beleuchtet eine düft’re Stelle; —
Der Himmel bringt die Ruhe nur!
Fallen is thy Throne
Kun traur' in Schweigen, Sfrael!
Gefallen ift dein Thron!
Auf deinen Zinnen lafter Staub,
Auf deinen Kindern Hohn.
Kein Frühthau mehr befeuchter
Dir Etham’s dürr Geftad,
Und Feine Wolf erleuchtet
Dir fürder deinen Pfad!
Du liebteft, Herr, Serufalem —
Dein eigen war es ganz;
zum Throne deiner Herrlichfeit
Gereichte dir fein Glanz:
Bis, zorn’gen Strahls, das Wetter
In deinen Delbaum fchlug;
Big Juda falſche Götter
In Salem’ Schreine trug.
u un Fl en Pe
465
Da fanf dein Stern, o Solyma;
Da floh dein Ruhm, wie Spreu;
Wie Haide, die der Wirbelwind
Führt durch die Wüftenet.
Schweigend und wüft die Hallen,
Wo geblißt der Mächt’gen Kleid!
Die Thürm' in’s Thal gefallen,
Die Baals Dienft entweiht !
„Run, Afur, würge!“ fprah der Herr:
„Zeuch her, du Volk von fern!
zu Boden ihre Mauern wirf,
Denn fie find nicht des Herrn!
Bis ein Gefchrei verfündet
Der Tochter Zion Qual;
Bis jammernd fie fih windet
In Hinnom’s Würgethal!“
Greiligratb, Gedichte 30
166
Who is the maid?
St. Hieronymus’ Geliebte.
Wer iſt ſie, die mein Herz begehrt,
Was läfternd auch der Leumund ſpricht?
Ward ihrer Wange Noth gewährt?
Gralänzt ihr Aug? von ird'ſchem Licht?
O nein, von mitternäht’gem Fleh'n
Sind ihre Blicke trüb und hohl,
Und wird ein Licht oft drin gefeh’n,
So Fam fein Strahl von oben wohl!
Und nicht bei denen fuch’ ich fie,
Die eitel nah’n des Ew’gen Schrein!
Die vor ihm beugen nur dag Knie,
Gefhmüdt mit Kränzen und Geftein!
Nicht füllt die Bruſt der Himmel ganz,
Die ſich mit Pracht umgeben mag;
Und fie, die, glüh’nd von ird’fhem Glanz,
Ob ihrer Schwäche Elagt, bleibt — ſchwach.
467
Nicht fo die trauernde Geftalt,
Die meine Luft, weil fie verblüht!
Ihr ganzer Neiz die Allgewalt
Des Heil’genfcheing, der fie umglüht!
Nein, folch ein Leuchten, rein und Flar,
Ward üpp’ger Schönheit nie gewährt!
Nur Ihr, die, wie auf dem Altar
Die Lampe, zitternd ſich verzehrt!
The bird, let loose.
Die Taube, fern im Orient
Heimzieh’nd mit freud’ger Haft,
Sie fenft die Schwinge nicht, fie Fennt
Kein Ruh'n und Feine Naft.
Durch Licht und Kuft, wie ftrebt fie Fühn
Nach ihres Herren Herd,
Wo nichts des Ird'ſchen hemmt ihr Flieh’n,
Wo fie Fein Schatten ftört!
So laß, o Gott, vorübergeh’n,
Was bög und unrein, mir!
So durch der Tugend rein’re Höh’n
Laß fteuern mich zu dir!
Bon Wolfen und von Sünde rein
Sei meiner Seele Flug,
Auf ihrem Pfad dein Sonnenfchein,
Und nur nach dir ihr Zug!
469
Sound the loud timhrel.
Miriam’s Sid.
Und Miriam, die Prophetin, Aaron's Schweſter,
nahm eine Pauke in ihre Hand, und alle Weiber
folgten ihr nach hinaus mit Paufen am Reigen.
Ervduß.
Wandelt mit Pauken das Schilfmeer entlang!
Der Herr hat geſiegt — unſ're Kette zerfprang.
Singt, denn des Mächtigen Stolz ift gebrochen;
Sein funfelnder Heerzug, fein Eriegrifcher Troß —
Wie eitel ihr Rühmen! — der Herr hat gefprocen,
Und unter im Schilfmeer ging Reiter und Roß.
Wandelt mit Pauken das Schilfmeer entlang,
Der Herr hat gefiegt — unfre Kette zeriprang.
Ehre dem Herrn! dem Eroberer Ehr’!
Sein Hauch unser Schwert, und fein Wort unfer Speer! —
470
Siehe, wer meldet dem harrenden Volke
Den Fall feiner Tauſende? Keiner entrann!
Der Herr fah hervor aus der feurigen Wolfe,
Und warf in die Fluthen fie, Wagen und Mann!
Wandelt mit Pauken das Schilfmeer entlang,
Der Herr hat gefiegt, unf’re Kette zerfprang.
471
Now let the warrior.
Kun ſchmückt die Roſſe bunt zum Streit,
Kun ftoßt in die Trompeten!
Denn des Dftens Volk ſoll bluten heut’,
Und vom SKirieg die Sonn’ erröthen!
Der Helm der Chriften ift der Siß
Des Siegs; aus ihren Scheiden
Zudt das Schwert, aus Weſtgewölk ein Blitz,
Verderben auf die Heiden.
O felig, wer im Kampfe fallt!
Im Himmel fortan fteht fein Zelt!
Run ſchmückt die Nofe bunt zum Streit,
Kun ftoßt in die Trompeten!
Denn des Dftens Volk foll bluten heut’, »
Und vom Krieg die Sonn’ errötben!
O!soon return.
Das Schiff zog eine Feuerfpur,
Das Segel fing den legten Blick
Der Sonne; — ſie ſprach weinend nur:
„O, tehre bald zurück!“
Wohl trieb mein Fahrzeug der Orkan
Durch manches Meer, feitdem ich fchien;
Bald fuhr der Nordwind durch die Raa'n,
Und bald der laue Süd.
Doch wenn, wo ed auch immer lag,
Das Meer beim lekten Sonnenblid
Roth flammte, hört’ ich, wie fie fprach:
„O, kehr' zurüd! kehr' bald zurück!“
Hab' je ich deiner nicht gedacht,
War jemals dir mein Geiſt nicht nah,
Dann war es mitten in der Schlacht,
Wenn der Tapfern Aug' mich ſah.
473
Doh wenn auch im Gewühl de3 Streits
Der Liebe Macht mir ferne war:
Dem Ruhm verlieh nur fie den Reiz,
Der füß macht die Gefahr!
Und bradte dann der Sieg die Ruh’,
Und flammte ftolz des Kriegers Blick,
Dann wieder war’s, als riefeft du:
„D, Fehr’ zurüd! Fehr bald zurück!“
474
2 saw the moon rise clear.
Der Mond ging Falt und hell
Ueber Schneegefilden auf;
Mein Nenntbier trabte fchnell;
Sch zeigt’ ihm nicht den Lauf.
Leichtfüßig rannt? es grad’
Durch's Holz; — wohl weiß mein Thier,
Für mich ift nur Ein Pfad —
Der Pfad, der führt zu dir.
Des Winters langer Nacht
Vergißt das Herz fo gern,
Hat der Sommer erft gebracht
Den großen gold’nen Stern,
Der niemals untergeht,
Sp ftieg meine Lieb’ für dich!
Wie die Sommerfonne ftet,
Leuchtet fie ewiglich.
»
Aa re We ne U ud
There comes a time.
Es kommt eine Zeit, eine trübe Zeit
Für ihn, der manchen Tag
Geſchwelgt in der Jugend Süßigkeit,
Der alle Blumen brach.
Wenn ſein Herz zuerſt entſagen muß
Seinen Träumen, bunt und hoch,
Dann wäre jäher Tod Genuß,
Denn was bringt das Leben noch?
Es kommt eine Zeit, eine trübe Zeit
Für ihn, der manchen Tag
Geſchwelgt in der Jugend Süßigkeit,
Der alle Blumen brad.
Sinft die Sonn’ in Afrika, dann bricht
Plöglih die Nacht berein;
Sp müßte, ftirbt der Liebe Licht,
Auch vollbracht das Leben fein;
. 476
Nicht, ein nord’fcher Tag, durch die Damm'rung trlb
Fortglimmen und verzieh'n, |
Ein Feuer, von dem nur Afche blieb,
Fin Schimmern, doch Fein Slüh’n! -
Es fommt eine Zeit, eine trübe Zeit
Für ihn, der manchen Tag
Gefchwelgt in der Jugend Süßigfeit,
Der alle Blumen brach!
Hark! the vesper hymn is
stealing.
Horch! wie über's Waſſer hallend,
Klar die Veſperhymne klingt!
Naher jetzt und näher ſchallend,
Subilate, Amen!
Ferner jest und ferner hallend,
Bis fie fanft dem Ohr verflingt,
Subilate, Amen!
Sept, wie Mondfcheinwellen, rollend
An das Ufer ftirbt fie hin;
Seßt, wie zorn’ge Brandung, grollend
Wahft die Fluth des Liedes Fühn.
Subilate, Amen!
Wieder horch! wie Wellen, rollend
An das Ufer ftirbt fie bin;
Aubilate, Amen!
478
Bei der Vorüberfahrt an der Todten⸗
Inſel (Deadman’s Island) in der
St. Lorenz:Bay.
Sept unter dem finftern Gewölk ihr dort
Das dunkle Schiff? raſch gleitet es fort.
Seine Segel find voll, doch der Wind ift ftille,
Und Fein Lüftchen weht, das die Segel fülle.
D, was trägt das fchaurige Fahrzeug ? kann
Das Grab fo ftill fein? Horch! dann und warın
Kur Todtengelaut und Leichenvögel
Und das Klappen der nebelbehangenen Segel.
Auf dem Falten Strande von Labrador
Liegt ein Wrad, die Maften zerknickt wie Rohr.
Dort, auf Bänfen von Eis, im Mondenfchein, N
Wäſcht die See der ertrunfenen Schiffer Gebein. —
=
479
Dort war das Schiff; — eine Flamme, blau
Und zitternd, fladert um Maft und Tau,
Die ihr Licht auf fo fable Gefellen wirft,
Als je nur den Thau des Kirchhofs geihlürft.
Nah der Todteninfel fauft fein Kiel!
Nach der Todteninfel! dort ift fein Ziel!
Sfelette reffen die Segel gewandt,
Nicht von diefer Welt ift am Steuer die Hand.
D, faufe vorüber! o, fegle fchnell,
Du fchredliches Schiff! bald wird es hell,
Derbirg dich dem Morgen! fein Nofenfhimmer,
Erblidt’ er dich noch, würde blaß für immer!
480
Eright be thy dreams.
Licht ſei dein Traum — mag all dein Weinen
Im Schlaf als Lächeln dir erſcheinen!
Die dir nahmen Tod und Zeit,
Die Geliebten und die Frommen,
Mögen alle lächelnd heut’ |
Sm Traume zu dir fommen!
Da mag dad Kind, das all’ dein Beten
Nicht retten Fonnte, vor dich treten;
Noch als lebt’ es — ſchön und froh!
Ganz daffelbe, frei von Sünden;
Dder, wenn verändert, fo,
Wie du es bei Gott wirft finden!
Ve u
481 |
Kow zsently here.
Leis rudern hier, mein Gondolier! die Fluth vom Ruder
fprüh’n
Sp leife laß, daß fie ung nur vernimmt, zu der wir
zieh'n!
O, könnte, wie er ſchauen kann, der Himmel reden —
traun,
Er fprähe Vieles wohl von dem, was Nachts die Sterne
ihau’n!
Kun raften hier, mein Gondolier! In's Boot die Ruder!
ſacht!
Auf zum Balkone ſchwing' ich mich, doch du hältſt unten
Wacht.
O, wollten halb ſo eifrig nur dem Himmel wir uns weih'n,
Als ſchöner Weiber Dienſte — traun, wir koͤnnten Engel
ſein!
Breiligrath, Gedichte. 31
482
When first that smile.
Bei deines Lächelns erſtem Sonnenſchein
Welch ein Geſicht hab' ich geſehen!
Jahre der Liebe, Jahre, ſtill und rein,
Ließ dieſes Lächeln mir vorübergehen!
O Gott, kein Landmann wohl, der träumend Ernten ſah
Und gold'ne Frucht mit ſüßerm Hoffen,
Als ich die Flamme dieſer Augen, da
Süß lächelnd mich ihr Strahl getroffen!
Wo nun die Stunden, die er mir verſprach?
Des Weibes Treue gleicht der Thräne,
Die bald verſiegt; fie dauert einen Tag;
Sie fchwindet, wie des Weibes Schöne!
Kurz, wie des Verfers Fleh’n, wenn er am Abend fleht,
D Liebe! fei dein Flehen immer!
Schnell vor der Schönheit ftammle dein Gebet —
Eh’ du’3 geftammelt, flieht ihr Schimmer!
483
Peace to the slumberers.
Friede den Schlummerern!
Sie liegen auf der blut'gen Flur,
Sarglos und ohne Leinen!
Der Morgenthau, der Regen nur
Sind es, die auf ſie weinen.
Weh', all ihr Muth umſonſt!
Wo ſich erhob der Eiche Kraft,
Da liegen ihre Trümmer!
Doch Herzen, einmal uns entrafft,
Sie ſchieden, ach, für immer!
Fluch euch, Eroberer!
Wir wollen liegen kalt, wie fie,
Die ſchnöd' ihr ung entriffet,
Eh’ unfer Herz der Nahe, die
Sie ung vermadt, vergiffet!
See, the dawn from heaven.
Einer zu Bom am Chriftabend gefungenen Weife untergelegt.
Siey, wie durch die Wolfen lachend Damm’rung bricht!
Die Erd’, aus Sind’ erwachend, grüßt ihr Licht!
Engel aus der Höhe fehwingen lachelnd fih, o fieh,
Niederwarts; auf fonn’ger Stirne bringen Edens Kränze fie!
Hörft du braufen ihrer Lieder mächt'ge Fluth?
Lieblich fchallt’8 hernieder, wer hier ruht!
Dort, in jener dunfeln Hütte, fchlaft der ein’ge Sohn,
Er, der aus den Himmeln Fam, — von Gottes Thron.
485
When throuzh the Piazzetta.
Wenn durch die Piazzetta
Die Abendluft weht,
Dann weißt du, Ninetta,
Wer wartend hier fteht.
Du weißt, wer troß Schleier
Und Maske dich kennt,
Wie Amor die Tenus
Am Nahtfirmament.
Ein Schifferfleid trag’ ic
Zur felbigen Zeit,
Und zitternd dir fag’ ich:
„Das Boot liegt bereit!
O, komm’ jekt, wo Lune’n
Noch Wolfen umzieh’n,
Laß durch die Lagunen,
Mein Leben, ung flieh’'n!“
486
Take hence the howl.
Die Bowle fort! und fehaume
Ste noch fo glänzend heut’!
Sie bringt mir nichts als Traume
Bon längft gefchied’ner Seit!
Sie maht mein Auge trübe,
Sie maht mein Auge na,
Sie zeigt mir todte Liebe,
Wie eines Zaub'rers Glas!
Es laßt mic jeder Tropfen
Bor todten Freunden knie'n;
Begrab'ne Herzen Flopfen,
Und bleiche Lippen glüh’n.
D, wenn mir fo die Sahre,
Die waren, fehmerzlich nahn,
Dann fchaut mich ernft der Flare
Kelch wie vol Thranen an!
187°
$ Farewell. Theresa!
Leb' wohl, Thereſe! die Wolke drüben,
Die finſter über den Mond ſich zieht,
Sie wird des Lächelnden Licht noch trüben,
Wenn über's Meer ſchon dein Buhle flieht!
Wie dieſe Wolke, ſo hab' ich lange
Beſchattet dein Herz, verdüſtert dein Thun!
Ich fand dich lächelnd, mit friſcher Wange!
Wie warſt du glücklich — o Gott, und nun?
Doch hier befrei' ich dich, ſüßes Weſen!
Wie aus ſchweren Traumen erwachſt du wohl;
Da! — ſieh' auch den Mond ſeinen Zauber löſen!
Die Wolke verzieht — Thereſe, leb' wohl!
188 Eu |
How oft, when watching stars.
Wie manchmal, wenn des Mondes Strahl
Die Berge zitternd küßt ringsum, J
Zu lauſchen einer Flöt’ im Thal, |
gehn’ ih am Erfer ftumm!
„O fomm, mein Lieb!” fagt leife flehend jeder Ton.
„O komm, mein Lieb! die Wacht ift bald entfloh'n!“
Kein, Feiner Nede Kraft,
Wie warm, wie feurig auch,
Malt glühend fo die Leidenfchaft,
Wie diefer Töne Hauch!
Dann — wahrlich, nicht von ungefähr! —
Ergreif’ auch ich die Laute — wohl
Iſt Andern fremd ihr Klang, doch Er
Kennt ihre Sprache wohl!
„Sch komme, Lieb!“ fagt leis verheißend jeder Ton;
„Sch komme! Dein, dein, bid die Nacht entfloh’n!“
489
O, ſchwach das mäht’ge Wort,
Und matt der Farben Kicht
Bei dem, was zitternd mein Afkord
Alsdann ihm malt und fpricht!
490
When the first summer hee.
Bald, wenn die Biene hier
Summt um die Roſe,
Dann, grad' wie die Loſe,
Komm’ ich zu dir!
Sie Blumen, ich Lippen, füß, duftend und glüh —
Welch’ Finden, wel’ Finden für mich und für fie!
Dann jedes Beetes Sier
Naht fie mit neuer
Begierde — doch treuer
Bleib’ ich bei dir!
Sie fammelt bei Taufenden Süßigkeit fich,
Doch Taufender Süße in Einer find’ ich.
— — — —
491
Light sounds the harp.
Sir tönt die Harfe, wenn Helden und Klingen
Ruh'n im Gezelt nach geichlagener Schlacht;
Wenn Lorbeern des Liebenden Schläfe umfchlingen,
Und Eros aus Helmbüfhen Flügel ſich macht.
Doch wenn der Fremdling Fehrt,
Gleich blißt des Helden Schwert;
Einmal noch fchwingt er es hoch in der Fauft:
Raſſelndes Roßgeſchirr,
Panzer- unh Schwertgeklirr
Sind die Muſik alsdann, die ehern ihn umbrauft.
D, dann fommt die Harfe, wenn Helden und Klingen
Ruh'n im Gezelt nach gefchlagener Schlacht;
Wenn Lorbeern des Liebenden Schläfe umfchlingen,
Und Eros aus Helmbüfchen Flügel fich macht.
Süß Flang die Harp, als der Kriegsgott umfchlingen
Vom fchwellenden Arme der Schönheit fich ließ,
Als Myrten den Goldhelm des Wilden umfingen,
Als niftende Tauben fein Harnifch ihm wies.
492
Doch wenn die Schlacht begann,
Schaute der Fühne Mann
Finfter; der Göttin entwand ſich der Held.
Huffhlag und Horn und Schwert
Iſt's, was fein Ohr begehrt,
Iſt die Mufif alsdann, die ehern dröhnt durch's Feld. h
Doch dann Fam die Harfe; nah Sieg und Frohloden
Beging er aufs New mit der Schönheit ein Feſt;
Sein Lorbeer vermifchte fich goldenen Loden,
Und fiehe, fein Goldhelm ward Tauben ein Neft.
493
The song of war.
Das Lied des Kriegs fol durch die Berge gellen,
Bis auch Fein Glied mehr übrig bleibt
Der Kette, die den Arm ung reibt;
Bis fein Despote mehr uns ftäupt,
Und Feindesmund trübt unfre Quellen.
Kein! nimmer, bis der Morgen glüht,
Sei Lufitania Ffampfesmüd,
Hör’ es, o Friede, weh'n dein Lied
Um feine Höh’n, die fonnigen, hellen!
Das Lied des Kriegs foll durch die Berge gellen,
Bis froh der Sieg einft zu uns ſpricht:
„Durch eurer Feinde Wolfe bricht
Der Freiheit Strahl, mit neuem Licht
Zu fegnen Neben euh und Quellen!”
Nein! nimmer, bis der Morgen glübht,
Sei Lufitania fampfesmüd,
Hör’ es, o Friede, weh’n dein Lied
Um feine Höh’n, die fonnigen, hellen!
494
When ’midst the gay I meet.
Glanzt in der Froben Kreis
Mir deines Lachelng Schein,
Db ich's auch fründlich feh’ und weiß,
Kaum mag ich’3 nennen mein!
Doch wenn an meiner Bruft
Dir Thran’ auf Thrane rinnt,
Dann fühl?’ ich es mit glüh’nder Luft,
Daß fie mein eigen find.
Drum al dein Lächeln gib
Der Frohen Faltem Heer.
Anlachle, die dir minder lieb:
Mir nur laß deine Fahr”!
Sn farb’gem Kacheln glüh’n
Des Jura ſchnee'ge Höh’n,
Und Kalte dennoch feffelt ihn,
Wie wir ihn glüh’n auch feh’n.
495
Einzig erwärmen Fann
Ihn oft ein Sonnenfuß;
Urplöglich fchmilzt das Lächeln dann
Und wird zum Thranengufß,
Drum all dein Lächeln gib
Der Frohen Faltem Heer;
Anlächle, die dir minder lieb:
Mir nur laß deine Zaͤhr'!
496
will you come to the bower?
Wir fommen zur Laube, fo fehattig und Fühl?
Da dienen ung Nofen voll Thaues zum Pfühl.
Willſt du, willft du, wilft du, willft du
Kommen, mein Lieb?
Da ruhft du auf Nofen wohl unter dem Strauch,
Erröthend die Wanglein, doch Lächeln im Aug’.
Willſt du, wilft du, willft du, willft du
Lächeln, mein Lieb?
Doch röther als Nofen, mein Lieb, ift dein Mund,
Und füßer als Thau ift dein Küffen zur Stund’.
Willſt du, wilft du, willft du, willſt du
Küffen, mein Lieb?
Und, o, dann der Freuden, die füßer, fürwahr,
Als Thau und als Nofen und Küffe fogar !
Willſt du, willft du, willft du, wilft du,
Willſt nicht, mein Lieb?
_
Huf eine ſchöne Dftindierin.
Wenn Jeder, die ein Sonnenkind,
In Aug' und Buſen Feuer wohnt,
Dann ſind, die ſo dich nennen, blind —
Dich ſandte nur der bleiche Mond!
Und dennoch, zündend bliebe kalt
Dies Auge, feurig, ſüß und licht?
Ihr Lippen, die ihr purpurn wallt,
Euch ziemt Diana's Siegel nicht!
O, Einen Strahl der Sonne nur,
Die deines Ganges Fluthen kocht,
Zu wandeln dich, du Lichtnatur,
In Alles, was mein Herz erpocht!
Ha — plöglich lodern dich zu ſeh'n
In deiner ganzen glüh’nden Pracht,
Und dann im DBrande zu vergeh’n,
Den ich doch felber angefacht!
Freiligrath, Gedichte 32
498
Robert Burns.
Lieder.
Nun holt mir eine Kanne Wein,
Und laßt den Becher ſein von Golde;
Denn einen Trunk noch will ich weih'n
Vor meinem Abſchied dir, o Holde!
Am Damme dorten ſchwankt das Boot,
Der Fährmann ſchilt, daß ich verziehe;
Am Baume drüben liegt das Schiff,
Und ich muß laſſen dich, Marie!
Das Banner fliegt; in langer Reih'
Sieht glänzen man die blanfen Speere;
499
Bon ferne tönt das Kampfgefchrei,
Und fchon begegnen fich die Heere. —
'S ift nicht der Sturmwind, nicht die See,
Daß ich am Ufer hier verziehe;
Auch nicht die laute Schlaht — ’8 tft nur,
Daß ich dich laſſen muß, Marie!
Die füße Dirn von Inverneß
Wird nun und nimmer wieder frob;
Ihr einz’ger Gang ift in die Meg,
Sie weint und feufzt, und fagt nur: o!
Drumofiie Moor, Drumoffie Tag,
O bitt’rer Tag, o blut’ges Moor!
Wo Falt und ftarr mein Vater lag,
Wo ich der Brüder drei verlor.
Ihr Lailach ift der blut’ge Klei,
Ihr Grab ift grün vom erften Kraut,
Der ſchmuckſte Burfche liegt dabei,
Den Mädchenaugen je geichaut.
900
Nun wehe dir, der du die Schlacht
Gewannft, und farteft blut’ge Saat!
Manch Herz haft du betrübt gemacht, ;
Das dir doch nichts zu Keide that. F
3.
O, ſäh' ich auf der Haide dort
Sm Sturme dih, im Sturme dich,
Mit meinem Mantel vor dem Sturm
Beſchützt' ich dich, beſchützt' ich dich!
D, wär’ mit feinen Stürmen dir
Das Unglüd nah, das Unglüd nah,
Dann wär? dies Herz dein Zufluchtsort;
Gern theilt’ ich ja, gern theilt' ich ja!
D, war’ ich in der Wüfte, die
Sp braun und dürr, fo braun und dürr,
zum Waradiefe würde fie,
Wärſt du bei mir, warft du bei mir!
Und war’ ein König ich, und war’
Die Erde mein, die Erde mein,
Du wärft an meiner Krone doc
Der fchönfte Stein, der fehönfte Stein.
4.
Die finft’re Nacht bricht fchnell herein,
Der Sturmwind heult; mit Regen drau’n
Die trüben Wolfen; ſchwärzlich fteh’n
Sie über diefen nadten Höh’n.
Der Jaäger wandert heim vom Moor,
Das Rebhuhn duckt fich unter's Nohr,
Und ich, das Herz von Sorgen fchwer,
Geh’ einfam hier entlang den Apr.
Der Herbft beweint fein reifend Korn,
So früh fchon von des Winters Zorn
Zerftört; am Abendhimmel fieht
Den Sturm er, wie er murrend flieht.
Kalt wird in meiner Bruft das Blut,
Gedenk' ich der bewegten Fluth,
Und das ich zieh’'n muß über Meer,
Weit, weit von deinen Ufern, Ayr!
'S ift nicht die Brandung, die dad Land
Wild zürnend Schlägt; nicht diefer Strand,
Mit Trümmern mandhes Wracks bededt;
Der Falte Sturmwind niht — was fchredt
502
Den Sohn des Elendg? — aber trägt
Mein wundes Herz nicht Feffeln? fchlägt
Es Frampfhaft nicht, und blutet fehr,
Da e3 fie bricht, dich meidend, Ayr?
a er u 2 0
Lebt wohl, ihr Schluchten und ihr Seen,
Ihr haidekrautbewachf'nen Höh’n!
Du grünes Thal, du ftiller Pfad,
Die meiner Liebe Schmerz ihr faht! —
Freund! — Feind! — lebt wohl! ich ſegn' euch glei
Meine Lieb’, mein Friede fei mit euch!
D, diefer Thränenfturz fagt mehr,
As Worte! — Lebe wohl, mein Ayr!
oO,
Einen fchlimmen Weg ging geftern ich,
Einen Weg, dem ich nicht wieder trau’ !
Zwei füße Augen trafen mich,
Zwei füße Augen, lieb und blau.
Nicht war's ihr blond und wallend Haar,
ſticht war's ihr Mund, die Roſ' im Thau,
Auch nicht ihre weiße Bruft — es war
Ihr füßes Auge, lieb und blau,
303
Ihr Aug’ hat mir dag Herz bethört,
Ihr Auge, mit der dunfeln Brau;
O, tiefre Wunden als ein Schwert,
Schlug mir dies Auge, lieb und blau! —
Geduld, mein Herz, Geduld, Geduld!
Vielleicht — doch, weh’ mir! weiſ't fie rauh
Mich ab, an meinem Tode Schuld
Iſt dann ihr Auge, lieb und blan.
6.
Wenn über'm Berg den Abenditern
Die Melferin ſieht ichweben, DO!
Wenn aus der Furche fchwanft das Roß,
Der Heimath zuzuftreben, O!
Am Bache dort, wo thaubenept
Duftreiche Birfen beben, DO!
Da treff’ ih dich am Hügel,
Mein Lieb, mein Leben, O!
In dunkler Schluht, um Mitternacht,
Hinzög’ ich ohne Beben, DO!
Umarmt’ ich dich am Ziele nur,
Mein Lieb, mein Xeben, O!
904
Und war’ die Nacht auch noch fo wild,
Doch würd’ ich vorwärts fireben, O!
Doch traf ich dich am Hügel,
Mein Lieb, mein Leben, O!
Der Jäger liebt die Morgenzeit,
Der Sagd fich zu ergeben, OD!
Der Fifcher wahlt den Mittag gern,
Sein mafhig Neb zu weben, D!
Mir Eann die graue Damm’rung nur
Das Herze freudig heben, DO!
Dann treff’ ich dich am Hügel,
Mein Lieb, mein Xeben, DO!
7.
Kun fommt der Herbft, nun kommt die Jagd,
Kun kommt des Waidwerks Freude;
Die Taube girrt, das Birkhuhn ſchwirrt,
Und röthlich prangt die Haide.
Nun ftrahlt die Flur von Garben nur,
Die lebten Früchte reifen;
Ich aber will im Felde ftill
Mit der Geliebten fchweifen. x
305
Das Nebhuhn folgt des Pflügers Bahn,
Der Kibiß liebt den Weiber.
Die Waldſchlucht lodt den Auerbabn,
Die Wolfe lockt den Reiher.
Sm Holze gern, von Menfchen fern,
Austönt der Turtel Klagen;
Zur Haſel flieht de3 Hänflings Lied,
Und flieht der Droſſel Schlagen.
Nah Neigung fo lebt jedes froh,
Und ichafft fih fein Vergnügen;
Sie zieh'n allein, fie zieh'n zu zwei'n,
Sie zieh’n einher in Zügen.
Du flüht’ge Brut, nun färbt dein Blur
Der Eiche dunkle Blatter;
Dein Flügel finft, dein Schrei verklingt
In Schuß und Horngefchmetter.
Doh Mädchen, fomm! Der Welt verglomm!
Vorüber huſcht die Schwalbe.
Der Himmel blau, die Flur im Thau!
O sieh’, wie glübt die falbe!
306
O komm, durch's Feld! — fieh’ ruh’n die Welt,
Die glückliche, die ftille! -
Und dort durch's Korn, o fieh’ den Dorn
In feiner Scharlachfülle! |
Ein füß Gefprach verkürzt den Weg;
Und ftrahlt des Mondes Schimmer,
Dann fa? ich dich, dann küſſ' ich dich,
Dann fag’ ich: Dein auf immer!
Kein Garbenjahr, Fein Herbft fürwahr
Lohnt fo ded Landmanns Streben,
Als mich zur Stund dein füßer Mund,
Mein Herz, mein einzig Leben!
Mein Kieb ift eine rothe Roy,
Die frifh am Stode glüht;
Eine rothe, rothe Roſ'! mein Lieb
ft wie ein ſüßes Lied!
307
Mein Lieb, fo ſchmuck und fchön du biſt,
So fehr auch lieb’ ich dich;
Bis daß die See verlaufen it,
Süße Dirne, lieb’ ich dich!
Bis dag die See verlaufen ift,
Und der Fels zerfchmilzt, mein Kind,
Und ftets, mein Lieb, fo lang mein Blut
In meinen Adern rinnt!
2eb’ wohl, leb’ wohl, mein einzig Lieb!
Leb' wohl auf furze Zeit!
Xeb’ wohl! ich Fehr’, und wär’ ich auch
Zehntaufend Meilen weit!
Mein Herz ift fchwer, Gott ſei's geklagt!
Mein Herz ift fchwer für Einen;
O Gott, eine lange Winternacht
Könnt’ wachen ich für Einen.
908
— — — —
O Leid, für Einen!
O Freud, für Einen!
Die ganze Welt koͤnnt' ich durchzieh'n
Für Einen!
Ihr Mächte, reiner Liebe hold,
O, lachelt mild auf Einen!
Schüßt vor Gefahr ihn! bringt gefund
Zurück mir meinen Einen!
O Leid, für Einen!
O Freud, für Einen!
Sch that? — o Gott, was that? ich nicht
Für Einen?
10.
Sohn Anderfon, mein Lieb, Sohn,
Als ich zuerft dich ſah,
Wie dunfel war dein Haar, und
Wie glatt dein Antlitz da!
Doch jest ift Fahl dein Haupt, John,
Schneeweiß dein Haar, und trüb
Dein Aug’; doch Heil und Segen dir,
Sohn Anderfon, mein Lieb!
5309
— John Anderſon, mein Lieb, John,
Bergauf ſtiegſt du mit mir;
Und manchen luſt'gen Tag, John,
Zuſammen hatten wir. |
Kun geht’ den Berg hinab, Sohn,
Doh Hand in Hand! komm, gib
Sie mir, in einem Grab’ ruh’n wir,
Sohn Anderfon, mein Lieb!
11.
Mein Herz ift im Hochland, mein Herz ift nicht bier!
Mein Herz ift im Hochland, im wald’gen Revier!
Da jag’ ich das Rothwild, da folg’ ich dem Reh,
Mein Herz ift im Hochland, wo immer ich geh’.
Mein Norden, mein Hochland, lebt wohl, ich muß zieh’n!
Du Wiege von Allem, was ftarf und was kühn!
Doch, wo ich auch wandre und wo ich auch bin,
Nach den Hügeln des Hoclands fteht allzeit mein Sinn!
910
Lebt wohl, ihr Gebirge mit Häuptern voll Schnee,
Ihr Schluchten, ihr Thaler, du ſchäumender See,
Ihr Wälder, ihr Klippen, fo grau und bemoof't,
Ihr Ströme, die zornig durch Kelfen ihr tof’r!
Mein Herz ift im Hochland, mein Herz ift nicht hier!
Mein Herz ift im Hochland, im wald’gen Revier!
Da jag’ ich das Nothwild, da folg’ ich dem Reh,
Mein Herz ift im Hochland, wo immer ich geh’!
12.
D, wär’ mein Xieb’ die rothe Roſ', ®
Die auf des Schloffes Mauer glüht ! :
D, war’ ich felbft der Tropfen Thau, h
Den man im Kelch der Roſe fieht!
An ihrer Bruft die ganze Nacht
Läg' ich, und ſchwelgt' in trunfner Luft;
Bis Morgens, wo der Tag erwacht,
Läg' ich an ihrer ſüßen Bruſt.
511
O, wär' mein Lieb ein Holderſtrauch,
Wie der, voll Blumen jeder Aſt!
O, wär’ ich ſelbſt ein Vogelein!
Auf ſeinen Zweigen hielt' ich Raſt.
Wie wollt' ich trauern, ſäh' ich ihn
Entblättern des Novembers Weh'n;
Wie ſingen, ſähe blüh'nd und grün
Ich wieder ihn im Lenze ſteh'n!
13.
Nun, wer klopft an meine Thür? —
Ich, mein Schaß! ſprach Findlay. —
Geh’ nad Haus! was treibit du hier? —
Gutes nur! fprah Findlay. —
Wie ein Näuber fchleihft du doch! —
Raub' auch gern! ſprach Findlan. —
Treibft vor Morgen Unfug noch; —
Allerdings! ſprach Findlay.
12
Ständ’ ich auf, und ließ dich ein, —
Laß mich ein! ſprach Findlay. —
Schlief ich wohl nicht wieder ein! —
Kann wohl fein! fprach Findlay. —
Wärſt du bei mir im Gemach, —
Wär’ ich's erft! ſprach Findlay,
Gingeft du wohl nicht vor Tag; —
Freilich nicht! ſprach Findlay.
Aber nimm, bleibft du die Nacht, —
Sa, ich bleib! ſprach Findlay; —
Auf dem Heimweg dich in Acht! —
Fürchte nichts! ſprach Findlay. —
Aber, was im Kammerlein —
Auch gefchieht, ſprach Findlay; —
Halt's geheim, verfchweig’ es fein! —
Ganz gewiß! fprach Findlay.
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