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Full text of "Gedichte"

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University of Toronto 


http://www.archive.org/details/gedichte00frei 








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Freiligrath's Gedichte. 








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Gedichte 


Terdinand Freiligratb. 
Vierte, vermehrte Auflage. 


Mit dem Bildnife des Verfaſſers in Stahlſtich. 





Stuttgart und Tübingen. 
— Berliag 
1841. 





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Seinen Kreunden 


F. Dingelftedt, C. Matzerath, 
Ph. Schifflin, F. Schücking 


und 


K. Simrock 
widmet 
dieſe vierte Auflage ſeiner Gedichte 


der Verfaſſer. 





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Inhalts-Perzeihniß. 


Zagebuchblätter. 

Seite 
Moos-Thee (1526.) \ 5 
Heiligenfchrein, Vögel und re Grühling 1529.) 7 
MWetterleuchten in der PBfingfinacht (1831.) . 9 
Die Amphitrite Mai 1532.) 4 
Die Auswanderer (Sommer 1832.) . nr 14 
Der Schlittfchuh=laufende Neger Sanuar 1833.) 17 
an. 44 20 
Die Griechin auf der Meſſe (1833.) . “ ar 

Bor einem Gemalde, deſſen friiche Farben mir beim 4 Ber 
trachten mein Bild zurückwarfen (1534 ) 25 
Sandlieder 1 bis 6 (1833.). 27 
Einem Ziehenden (1835.) N 32 
„Bär ih im Bann von Mekka's —— " (1556.) 56 
Reben des Negers (1836.) . 39 
Nebel (1836.) 44 
Roland Guli 1839.) 46 

Balladen und Nomanzen. 

Der Mobrenfürft 1. 2 54 
Schwalbenmährhen . 58 
Der Weder in der Wüſte 61 
Der Blumen Rache 64 


VI 


Seite 
„Dein; Eugen, der edle Ritter” . ou. re [[ 
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Die Sriechin (December 1856.)  « se. 0 0 0 en 00. 4129 


Alerandriner. 


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Bier Rogfchweife Sm Eilwagen am 15. Juli 1832.) - « « . . 437 
AfriEanifche Huldigung . «2 0 0 u» un we rele.n eu 20 ABB 
Florida of Boston (28. Marz 1833) +: 2 0 ee eo 0. AM 
Der. Schwertfeger von Damascıu8 . 0 ve ne nn een + Ad 
Der Scyeit am Sinai im Spätjaht 1830 x. ee. ie. « 447 
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Die Zodten im Meere © » cn neu a One 





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Ein Flüchtling 

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Der ausgewanderte Dichter (Bruchſtücke eined unvollendeten 
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Gelegentliches. 


Bei Grabbe's Tod . .. . BETTER ER BATL 

Für Schillers Album beftimmt — 

Sn Schillers Album... AR . 

Der Phönix (Zur Einleitung des jweiten SFabrgangd von ® "But 
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Bannerfpruch Un E. Duller Zur Eineitung des dritten Jahr— 
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VIII 


Seite 
Ueberſetzungen aus dem Franzöſiſchen. 
Alfons de Sumartine. 
Der Genius in der Berborgenheit An Zean RebouD . -» . . . 531 


Jeun Reboul. 
Antwort auf Lamartine's Gedicht: Der Genius in der UNO 334 


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Alfred de Muſſet. 


Lieder und Tragmente. 


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Ballade an den Mond ee ee A De A 


Marceline Desbordes - Dalmore. 

Der Rufer an der Rhcne » -» + 7. a ER RS 
Die Nachtwache des Nesrd TERN IT 
Auguste Barbier. 

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Ans dem Englifchen. 
Sumuel Taylor Coleridge. 
Der alte Matrofe (Ein Romanzencyfud) +» - 2 + 24387 





Robert Southey. 


Der Inchcap-Felſen 
Die Stechyalme 


Churles Lamb. 
Die alten befannten Geſichter 


John Keats. 


Sonett Als er den Homer in Chapman's Ueberſetzung kennen lernte.) 


Thomas Campbell. 
Der legte Menich . 
Roland der Held . 
Felicia Hemans. 
Das beilere Land - -. . 2.2.2. 
Walter Scott, 


Der Pilger . 

Jock von Hazeldean 
Pibroch of Donald Dhu 
Nora's Gelübde 
Donald Eaird iſt wieder da 


Wiegenlied für den Sohn eines ERS Säuptüings 


Das Madchen von Isla 
Der Einfall (The Foray) 
Das Mädchen von Xoro 
Der Zroubadour 


Thomas Moore, 


This world is all a lleeting show 

Fallen is thy Throne h 

Who is the maid (St. ie Geliebte» 
The bird, let loose . we 
Sound the loud timbrel Ririam' 8 Bier. ge 
Now le the warrior 

Oh! soon return . 

1 saw the moon rise clear 


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Hark; the vesper hymn is stealing 


Bei der Vorüberfahrt an der Todten-Inſel — s * in 


der St. renz Bad ‚un hai 
Bright be thy dreams 
Row gently here . 
When first that smile 
Peace to the slumberers 
See, the dawn from heaven 
When through the Piazzetta 
Take hence the bowl 
Farewell, Theresa! . . . 
How oft, when watching stars 
When the first summer bee . 
Light sounds the harp 
The song of war 
When ’midst the gay I meet 
Will you come to the bower? . 
Auf eine ſchöne Dftindierin . 


Robert Burns. 


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Moos-Thee. 
1826. 


Nonum prematur in annum. 


Horaz. 


Sechʒehn Jahr' — und wie ein greiſer 
Alter ſitz' ich, matt und krank; 

Sieh', da ſenden mir der Geiſer 

Und der Hekla dieſen Trank. 


Auf der Inſel, die von Schlacken 
Harter Lava und von Eiſe 

Starrt, und den beſchneiten Nacken 
Zeigt des arkt'ſchen Poles Kreiſe; 


Ueber unterird'ſchen Feuern, 

In nordlichterhellten Nächten, 
Bei den Glut- und Waſſerſpeiern 
Wuchſen dieſe bittern Flechten. 


4 


Aus den dampfumroilten Kegeln, 
Aus der Berge fehwarzem Tiegel, 
Gleich blutrothen Sagenvögeln — 
Flammenzungen ihre Flügel — 


Sah'n fie feurig auf zum fehwarzen 
Himmel mächt’ge Steine fprühen, 
Und ein Meer von heißen Harzen 
Durch das Schneegefilde ziehen. 


Bon den Jökuln zu den Fiorden 
Durch das Dan’fche Infelland, 
Breit, ein riefger Dan’brogorden, 
Schlangelt fih das Flammenband. 


Wolfen, Rauch und Afche wallen, 
Und am Strand die Nobben winfeln, 
Und die rothen Steine fallen 

Nieder auf entfernten Inſeln; 


Die zerriff’nen Berge zittern, 

Und das Eismeer ſchäumt und braut — 
Dorten wuchfen diefe bittern 

Flechten, wuchs dies herbe Kraut. — 





[9] 





Das die Franfe Bruft gefunde, 
Und fich freue neuer Kraft, 

Bier’ ich traumerifh dem Munde 
Shren dunkelgrünen Saft. 


Feuer zudt durch meine Nerven, 
Bor mir liegt das wüfte Land; 
Die weitoff'nen Krater werfen 
Himmelan den flüf’gen Brand. 


Kühner fühl’ ih mich und ftärfer 
Bei dem Lodern diefer Glut, 
Und die Wildheit der Berferfer 
Tobt durch mein genefend Blut. 


Lavafchein und Nordlicht rörhen 
Mein Gefiht; die Pulſe Ichlagen 
Schneller; Edda, laß mich treten 
Bor die Helden deiner Sagen! 


Ha! wenn diefer Snfel Pflanzen 
Mir den Lebensbeher reichen, 
Mög’ ich dann in meinem ganzen 
Leben diefer Inſel gleichen ! 


Feuer lod’re, Feuer zude 

Durch mich hin mit wilden Kochen, 
Selbft der Schnee, in deſſen Schmude 
Einſt mein Haupt prangt, fey durchbrochen 


Bon der Flamme, die von innen 
Mich verzehrt; — wie roth und heiß 
Hekla Steine von den Zinnen 

Wirft nach der Faarder Eis; 


Sp aus meinem Haupt, ihr Kerzen 
Wilder Lieder, fprüh’n und wallen 
Sollt ihr, und in fernen Herzen 
Siedend, zifchend niederfallen! 





Heiligenfchrein, 
Vögel und Wandersmann. 


Frühling 1829. 


Hart am Pfad, in einer Blende, 
Steht die Mutter mit dem Kinde; 
Frommer Pilgerinnen Hande 
Haben Schrein und Holzgelände 
Schön bekränzt mit Laubgewinde. 


Und ein Strauch der wilden Nofe, 
Leif? bewegt vom lauen Winde, 
Woͤlbt fih flüfternd, mit Gekoſe, 
Drüber, eine fchmerzenlofe 
Dornenfron’ dem heil’gen Kinde. 


Sieh’! zwei Vöglein flieh’n, erfchroden 
Flatternd, aus dem Bufch gefchwinde; 
Tragen in den Schnäbeln Floden, 
Bauten fih ein Neftchen troden, 
Bei der Mutter und dem Kinde. 


8 


Bleibt doch! ihr mit gelben Brüften! 
immer pidt des Zweiges Ninde! 
Sorglos mag das Vöglein niften, 
Wo fich glaubig fromme Chriften 
Beugen vor dem holden Kinde. 


Diefe Nofe wuchs aus Zahren; 
Hier find gottgeweihte Gründe! 
Bei der höchften Xieb’ Altaren 
Wird die Wöglein Keiner ftören! 
Kommt zurüd doch von der Linde! 


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Wetterleuchten in der Pfingitnacht. 


1831. 


Wiu Er in lichten Flammenbränden 
Bon Seiner Himmelsburg herab 

Aufs Neue feinen Geift uns fenden, 
Wie Er ihn Ehrifti Jüngern gab? 
Woher die Glut, die flücht’ge, grelle, 
Die jener Wolfe Schwarz umfliegt, 
ie fih ein Mantel, weiß und belle, 
Um eines Mohren Glieder fchmiegt? — 


Das find des Himmels off’ne Thüren; 
Das ift die Glut, die ihm entquillt! 
Sein Leuchten will die Erde zieren, 
Wie Glorienglanz ein Heil’genbild. 

- Die Thäler all’, der Berge Spißen 
Will heut’ des Geiftes Flammenfpur, 
Die ganze Welt will fie umbligen, 
Wie einft das Haupt der Zwölfe nur! 


10 


Denn morgen foll die heil’ge Feier 
Des ausgegof’nen Geiftes fein! 
Und dazu weiht der hehre Weiher 
Die Welt mit feinen Flammen ein. 
Wie jener Wetter falbe Kerzen 
Am Horizonte lodernd fprüh’n, 

So foll in allen Chriftenherzen 

Ein heilig Geiftesfener glüh’n. 


11 


Die Ampbitrite. 





Mai 1832. 


Siehſt du vor Anker dort 
Die Amphitrite liegen? 
Feſtlich erglänzt der Bord, 

Die rothen Wimpel fliegen. 


Es bangen aufgehißt 
Die Segel an den Stangen; 
Der graue Meergott Füßt 
Schäumend der Gattin Wangen. 


Sie ift zurüdgefehrt 

Aus fernen Morgenlanden, 
. Hat fih im Sturm bewährt 

Und Linienglut beftanden. 


Der Schiffer ſteht am Maft, 
Die Lenden roth umgürtet: 
Er weiß nicht, welchen Gaft 
Sein räumig Schiff bewirthet. 





12 


Das ift der junge Mai, 
Der füdliche Geſelle; 

Den trug das VPrachigebau 
Durch die tiefblaue Welle. 


Er lag in India 

Am and des fchattigen, dichten 
Banianenhains, und fah 

Das Schiff die Anker lichten. 


Da fprang er auf vom Sand, 
Zu fehnüren die Sandale, 

Zu ordnen das Gewand, 

Und die reichen, weichen Shawle. 


Da flog er hin an's Meer, 
Und warf fich in dag graue, 
Und raftete nicht eh’r, 

Bis an des Schiffes Taue. 


Mit leichten Füßen, Fed, 
Vom Schiffsvolk ungefeben, 
Schwang er ſich auf das Deck, 
Und ließ den Landwind wehen. 





Und nun die Brigg allhier 

Sm Hafen angefommen, 

‘ft er mit bunter Zier 

Sofort an's Rand gefchwommen. 


Es flattern vor ihm ber 
Die Störche ala Propheten; 
Ein Zaub’rer, ein Jongleur 
Hat er den Strand betreten. 


Nackte Baume macht er grün, 
Und blumig Eahle Stätten ; 
Bunte Tulpen läßt er blüh’n, 
Hyacinthen und Tazetten. 


Die Erde wunderbar 

Schmüdt er mit farbigem Schimmer. 
Danf, rüftiger Laskar! 

Willkommen, lodiger Schwimmer! — 


Siehſt du vor Anfer dort 
Die Amphitrite liegen ? 
Feftlich erglänzt der Bord, 
Die rothen Wimpel fliegen. 


Die Auswanderer. 
Sommer 1832. 


Ich kann den Blick nicht von euch wenden; 
Ich muß euch anſchau'n immerdar; 

Wie reicht ihr mit geſchäft'gen Händen 
Dem Schiffer eure Habe dar! 


Ihr Männer, die ihr von dem Nacken 
Die Körbe langt, mit Brod beſchwert, 
Das ihr, aus deutſchem Korn gebaden, 
Geröftet habt auf deutfchem Herd; 


Und ihr, im Schmud der langen Zöpfe, 

Ihr Schwarzwaldmadcen, braun und fchlanf, 
ie forgfam ftellt ihr Krüg’ und Töpfe 

Auf der Schaluppe grüne Bank! 


Das find diefelben Töpf' und Krüge, 
Dft an der Heimath Born gefüllt; 
Wenn am Miffouri Alles fehwiege, 
Sie malten euch der Heimath Bild. 





15 
Des Dorfes fteingefaste Quelle, 
Zu der ihr ſchoͤpfend euch gebüdt; 


Des Herdes traute Feuerftelle, 
Das Wandgefims, das fie gefhmüdt. 


Bald zieren fie im fernen Werften 
- Des leichten Bretterhaufes Wand; 
Bald reicht fie müden braunen Gäften, 
Bol friihen Trunfes, eure Hand. 


Es trinft daraus der Ticherofefe, 
Ermattet, von der Jagd beftaubt; 
Nicht mehr von deutfcher Nebenlefe 
Tragt ihr fie heim, mit Grün belaubt. 


O fpreht! warum zogt ihr von dannen? 
Das Nedarthal hat Wein und Korn; 

Der Schwarzwald fteht voll finftrer Tannen, 
Im Speflart Elingt des Xelplers Horn. 


Wie wird es in den fremden Wäldern 
Euch nad der Heimathberge Grün, 
Nach Deutichlands gelben Weizenfeldern, 
Nach feinen Nebenhügeln zieh'n! 


16 
Wie wird das Bild der alten Tage 
Durch eure Traume glänzend weh’n! 
Gleich einer ftillen, frommen Sage 
Wird es euch vor der Seele fteh’n. 


Der Bootsmann winkt! — Sieht hin in Frieden! 
Gott ſchütz' euch, Mann und Weib und Greig! 
Sei Freude eurer Bruft befchieden, 

Und euren Feldern Neis und Mais! 


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17 






Der Schlittfchub:laufende Neger. 
Januar 1833. | 


Du, von Geftalt athletiſch, 
Der oft am Gambia 

Den wunderlihen Fetiſch 
Bon Golde blißen ſah; 


Dft unter dem Aequator 
Des Panthers Blut vergoß, 
Und nah dem Alligator 
Mit gift’gem Pfeile ſchoß; 


Dort, wo auf Pallaftpforten 
Gebleichte Schädel fteh’n, 
An jenen fremden Orten 
Mag ich dich gerne ſeh'n. 


Wo aus geborfinen Bäumen 
Das gelbe Gummi quillt, 
Steht du in meinen Traumen, 
Ein ernftes, ſchwarzes Bild; 


R Hreiligrath, Gedichte. 


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18 


Ein Water und ein Hüter, 
Mit Perl’ und Gold geziert, 
Der mittäglichen Güter, 
Die da dein Land gebiert. 


Dort feh? ich gern dich treiben 
Das Nashorn in die Flucht; 
Doch fremd wirft du mir bleiben 
Auf diefer nord’fchen Bucht. 


Was fliegft du auf dem Eife 
Und jprichit der Kalte Hohn, 
D du, der Wendekreife, 
Des Südens heißer Sohn? 


Du, der, bis an den Nabel 
Entblößt, zu Roſſe fprang, 
Und in die Kettengabel 

Den Hals des Sflaven zwang? 


Aus diefem bunten Schwarme, 
Im rauhen Pelzgewand, 

Ragſt du, verfchranft die Arme, 
Gleichwie ein Nefromant, 





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19 


Der mit geweihtem Ninge 
Der Geifter Troß befiegt, 

Und auf des Greifen Schwinge 
Durd die Sahara fliegt. 


O fegle, wenn im Lenze 

Kein Eis dein Schiff mehr halt, 
ach deines Landes Grenze, 
Zieh’ heim in dein Gezelt! 


Golditaub auf deine Locke 
Streut dort das Land Dar Fur; 
Hier Ihmüdt fie Neif und Flode 
Mit Silberftaube nur! 


20 


Meerfabel. 
5. Mai 1833. 


Evbbetrocken auf dem Strande 

Lag die unbeholf'ne Kof; 

Schwärzlich hing am Maſt das Zugnetz, 
Das vom letzten Fange trof. 


Taſtend prüfte ſeine Maſchen 
Ein barfüßiger Geſell; 

Fiſche dorrten in der Sonne 
An dem hölzernen Geſtell. 


Heiß und durftig fah die Düne 
Auf das Meer, ein Tantalus; 
Pie ein großer Silberhalbmond 
Blitzte der Oceanus. 


Jede Welle, gran und ſalzig, 
Die fich an dem Ufer brach, 

ie zum Gruße mit dem Haupte 
ſtickte brandend fie, und ſprach: 


21 


„Am Geftade raufch’ ich gerne, 
Lecke gern den harten Sand; 
Bunte Mufheln, Meeresiterne 
Schleud’re gern ich an das Land. 


Gerne feh’ ich Heid’ und Ginfter 
Wucern um die Dünen ber. 
Hier vergeſſ' ich, wie fo finfter 
Draußen ift das hohe Meer, 


Das die Falten Stürme peitfchen, 
Wo der Normann Fifche fängt, 
Wo das Eismeer mit des deutfchen 
Meer: Gewällern ſich vermengt. 


Keine Tonn’ und feine Bafe 
Schwimmt und flammt dort auf der See, 
Und allnächtlich fteigt der Krake 

Aus den Tiefen in die Höh'. 


Eine Inſel, ftarr von Schuppen, 
Rudert dort das Ungetbüm. 
Aengftlih flüchten die Schaluppen, 
Und der Fiicher greift zum Riem. 








Aehnlich einer großen ſchwarzen 
Fläche liegt er, Eampfbereit, 

Und fein Rüden ift mit Warzen, 
Wie mit Hügeln überftreut. 


Ruhig ſchwimmt er — doch nicht lange! — 
Auf dem Haupte grünes Moog, 
Zifhend zudt die Meeresichlange, 

Die gewalt’ge, auf ihn log. 


Henn fie blutend fich umflaftern, 
Wenn die rothen Kamme weh’n, 
Kann man feinen fabelhaftern 
Anblick auf dem Meere feh’n, 


Einfam, ſchauerlich und finfter 
Iſt das ferne, hohe Meer! 
Gerne feh’ ich Heid’ und Ginfter 
Wuchern um die Dünen her.“ 


Die Griecbin auf der Meſſe. 
1833. 


Vor deinem Zelte laß mich ſteh'n, 
O Maͤdchen von der Inſel Zante! 
Des Deutſchen Stirne laß umweh'n 
Die Wohlgerüche der Levante! 


In deine Gläſer ſind gebannt 

Die Düfte von des Oſtens Lenzen; 
Du bieteſt feil am Nordſeeſtrand 
Natoliens Salben und Eſſenzen: 


Des Roſenholzes flüchtig Oel, 

Den edlen Weihrauch, runden Kornes; 
Von Bagdad trug ſie das Kameel 
Zum Maſtenwald des gold'nen Hornes. 


Auf fernen Märkten haſt du ſie 
Erhandelt von des Südens Horden, 
Zu Stambul und Gaͤllipoli, 

Und jest verkaufſt du fie im Norden. 





24 


Es funfelt dein beweglich Haus 

Im Glanze der Eryftall’nen Becken; 
Bunt, wie der Federfchmud des Pfau’s, 
Glüh'n auf den Tifchen fremde Deden; 


Und hinter ihnen wandelft du — 
Heil widerfahre diefer Schwelle! — 
Schlank, wie am Flufe Karaſu 
Des Taurus weidende Gazelle. 


Dein Turban blau, und fhwarz dein Haar; 
Auf deiner Stirne ruhig Sinnen, 

Siehft du im Geifte den Bazar 

Smyrna’s und feine Käuferinnen? 


O, traume fort! vorübergeh’n 

Der Seele laß dein Zieh'n und Neifen! 
Frag’ nicht, was mein Begehr; — dich feh’n 
Kur will ich, und dein Kacheln preifen. 





Vor einem Gemälde, 


deſſen frifhe Farben mir beim nahen Betradten mein 
Dild zurückwarfen. 


1834. 


Diefe Fluthen find das indiſche Meer, 
Diefe Inſeln die Sechellen. 

Bom Sturme gefchleudert hin und her, 
Thürmen hoch fih Wellen auf Wellen. 
Das Schiff ergibt feinem Looſe jich, 
Seine Trümmer nur ſeh'n Madagasfar; 
In's Boot wirft der weiße Matrofe fich, 
Und der fchlanfe, farbige Laskar. 


Der Bliß durchfchlängelt die fchwarze Luft, 
Die Wolfen triefen von Negen, 

Und ein finft'res Antlig, verfchleiert von Duft, 
Schaut aus dem Gewölf mir entgegen. 

Seine Augen glüh’n auf die fprißenden 
Gewäſſer herab, wie zweier 

Durch Nebel und Strudel blißenden 
Leuchtthürme zitterndes Feuer. 





26 
Es fcheint eines zürnenden Geiftes Haupt; 
Des Geiftes, der dem Drfane 
Befiehlt, der dem Schiff feine Maften raubt, 
Und in Stüde zerreißt feine Fahne, 
Er fahrt auf dem Sturme — das rollende 
Gewölk ift fein dDampfender Wagen; 
Das Weltmeer laßt er die grollende 
Windsbraut mit den Fittigen fchlagen. — 


Das Haupt bin ich felbft! aus den Wolfen hervor 
Zürn' ich felbft, ein riefiger Schatten! 

Die Matrofen fchauen zitternd empor; 

Mein Hauch zertrümmert Fregatten. 

Umfonft das Fleh’n der Ertrinfenden! 

Was dem Damon das Winfeln des Wurmes? 
Meine Wellen über die Sinfenden! 

Sch bin der Gebieter des Sturmes! 





Sandlieder. 


1835. 


Ich meine nicht den Wüftenfand, 
Den. Tummelplaß des wilden Hirfchen ; 
Die Körner mein’ ih, die am Strand 
Des Meeres unter mir erfnirfchen. 


Denn jener ift ein weh’nder Fluch, 
Der Wüfte raftlos irrende Seele. 
Er legt, ein brennend Leichentuch, 
Sich über Reiter und Kameele. 


Der Sand des Meers ift Eühl und frifch, 
Und feucht von Furchen und von Gleifen, 
Ein allezeit gededter Tifch, 

Auf dem die Möven Fiſche fpeifen. 


28 


2. 


Vom Meere fahrt heran der Wind; 
Die Körner weh'n, Meergrafer fchwanfen. 
Auf flüht’gem Meeresfande find 

Unſtät und flüchtig die Gedanken. 


Wie diefer Sand vor Wind und Fluth 
Sich jagt in wirbelnden Geftalten, 
Sp fährt und fehweift mein irrer Muth 
Und Feine Stätte kann ihn halten. 


3. 


O, welch’ ein wunderbarer Grund! 
Sch kann fein Treiben nicht verftehen: 
Er laffet Schiffe ſcheitern, und 

Er läſſet fie vor Anfer gehen. 


Dem Naben ift er ewig frifch, 

Und dürr des Seegewürmes Zungen; 
Verſchmachten läffer er den Fiſch, 
Und akt die Möv' und ihre Jungen. 


29 


Auch hab’ ich einen Mann gefeh’n, 

Der wandt’ ihm fatt und Ealt den Nüden; 
Sch aber blieb im Sande jteh’n, 

Und baute Schiffe mir und Brüden. 


Der Dünen fhwach begraster Wall 
Behindert landwärts meine Blide. 
Sleichviel! rundfpahend auf dem Schwall 
Der Waſſer, ſchau' ich nicht zurüde. 


Sch weiß nicht, daß noch Land beiteht, 

Die Wellen bier fprüh’n Schaum und Funfen! 
Doch Berg und Wald und Wiefe — geht! 
Das Alles ift im Meer verfunfen. 


Nur diefer fchmale, gelbe Streif 

Iſt übrig von der Welt geblieben. 
Drauf irr' ich, wie ohn' Stab und Reif 
Ein König, welchen man vertrieben. 





30 


Ich kann es nicht begreifen, daß 

Sch einft durch Wälder bin gefchritten, 
Daß ich auf Bergesgipfeln faß, 

Und über Heiden bin geritten. 


Sie ruh’n im Meer; — im Meere ruht 
Meine Lieb’, mein Hoffen und mein Sehnen; 
Und wie heran jeßt ſchießt die Fluth, 

Sp fchießen mir in’d Auge Thranen. 


5. 


Gleich' ich dem Strome, welcher, tief 
In einem Waldgebirg entſprungen, 
Durch Länder und durch Reiche lief, 
Und bis zum Meere vorgedrungen? — 


O, thät' ich's! — Mann geworden jetzt, 
Begrüßt den Braus des Meers der ſeine, 
Und doch in ew'ger Jugend netzt 

Sein Quell die Wurzeln heil'ger Haine. 





Ob meinem Haupte zieh'n 
Drei Möven, fchwer und trag. 
Sch ſchaue nicht empor, 

Doch kenn' ich ihren Wen. 
Denn auf den Körnern, die 
Sm Sonnenfcheine glüh’n, 
Fließt flügelausgefpannt 

Ihr Ihwarzer Schatten hin. 


Und eine Feder fällt 
Herab, daß diefen Tag 

Sch Sand und Mövenflug 
Damit befchreiben mag. 


32 


Einem Ziebenden. 
1835. 


Die See geht hoch; tritt deine Wallfahrt an! 
Laß von den Raa'n 

Die Segel fallen, laß die Wimpel weh’n! 

Am Ufer fteh’n 

Und meerwärts winfen will ich mit dem Hurt, 
Bis aus den Augen dich mir tragt die Fluth. 


Du fteheft finnend auf des Schiffes Stern! 
Bald fenfft du fern 

Sn fremden Kiesfand deines Anfers Wucht: 
Sei's! — Feine Bucht, 

Kein Meereseiland, Feine Küftenftatt, 

Sp nicht für dich ein freundlich Grüßen hat. 


Heil, wer, wie du, das weite Meer befährt! 
Du haft gehört 

Bon den Entdedern, die da ohne Furcht 
Die See durchfurct, 

Und deren Züge, Freuzend her und hin, 

Ein geiftig Netz um das Gewäſſer zieh’n. 


33 





Du haft gehört von wüften Inſeln auch, 
Alwo, das Aug’ 

Auf's Meer geheftet ftarr und unverwandt, 
Sn fehn’ger Hand 

Die hagre Wange, der Berfchlag’ne fißt, 
Indeß die Welle feinen Fuß befprißt. 


Das find die Helden deiner Knabenzeit; — 
Die Einfamfeit 

Des Tannenwalds durchzogen fie mit dir, 
Bafallen fchier. 

Du führteft fie, fchweißtriefend und beftaubr, 
Ein dreisehnjahrig Abenteurerhaupt. 


Aus Buſch und Wolfe traten jie hervor: 

Du fprangit empor 

Vom moofgen Stamm; da fauf’ten fie vorbei, 
Ernft mit dem Blei 

Die Tiefe meſſend, Flaggen ſchüttelnd; — du 
Riefſt ihnen Grüße durch das Sprachrohr zu. 


Kreiligrath, Gedichte 3 





8 
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* 
* 


34 


Jetzt wird dir Alles wie ein Traum erfüllt, 
Auf's Neue quillt 

Und fprudelt dir der alten Wunder Born; 
Ein reiches Horn 

Bon Abenteuern gießt mit üpp’gem Guß 
Bor deine Füße feinen Ueberfluß. 


Und Eins noch weiß ich, was dag wüfte Meer 
Dir werth und hehr 

Und herrlich macht. O, rede: weht nicht auch 
Der Dichtung Hauch 

Auf diefen Waſſern? fehimmern glüh’nd und friich 
Nicht Liederfronen auf der Fluth Geziſch? 


Was nenn’ ich dir Jedweden von der Zeit 
Homers bis heut’, 

Der da ein Blatt in diefe Kränze wob? 
Du fennft ihr Lob, 

Aus jeder Welle, die am Schiff fich bricht, 
Erfteht ein Held dir, Flingt dir ein Gedicht. 


Auch deutfhe Lieder! — Die auf fchatt’ger Stell’ 
Sm Wald, am Quell 

Und Strom erwuchs, die deutfche Poeite, 

Sie weilt’ auch hie! 

Sie fah die Waller, Noah’3 Taube gleich, 

Und fehrte heim mit manchem grünen Zweig. 


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Stand Lenau nicht noch jüngit an einem Steu’r, 
Und fah den Schlei'r 
Die Meerfrau’n lüften? aus der Tiefe drang 
Gruß und Geſang. — 

Und ſchwamm nicht in des Nurifs Wellenwieg’, 
Der auf den Fels Salas y Gomez ſtieg? — 


Die See geht hoch; tritt deine Wallfahrt an! 
Laß von den Raa'n 
- Die Segel fallen, laß die Wimpel weh'n! 
Am Ufer fteh’n 
Will ih! — Leb’ wohl! — wie ferne fchon, wie fern! — 
- Du fteheft finnend auf des Echiffes Stern. 


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„Wär' ich im Bann von Mekka's Thoren.‘ 
1836. 


Kir ih im Dann von Mekka's Thoren, 
War’ ich auf Yemen's glüh'ndem Sand, 
War’ ich am Sinai geboren, 

Dann führt’ ein Schwert wohl diefe Hand; 


Dann zöoͤg' ich wohl mit flüchl’gen Pferden 
Durch Jethro's flammendes Gebiet; 
Dann bielt ich wohl mit meinen Heerden 
Raſt bei dem Buche, der geglüht; 


Dann Abends wohl vor meinem Stamme, 
In eines Zeltes luft'gem Haug, 

Strömt ich der Dichtung inn’re Flamme 
Sn lodernden Gefängen aus; 


Dann wohl an meinen Lippen hinge 
Ein ganzes Volf, ein ganzes Land; 
Gleichwie mit Salomonig Ninge 
Herrfcht’ ih, ein Zauberer, im Sand. 


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37 


Nomaden ſind ja meine Hörer, 

Zu deren Geiſt die Wildniß ſpricht; 
Die vor dem Samum, dem Zerſtörer, 
Sich werfen auf das Angeſicht. 


Die allzeit auf den Roſſen hängen, 
Abſitzend nur am Wüſtenbronn: 
Die mit verhängten Zügeln ſprengen 
Von Aden bis zum Libanon; 


Die Nachts, als nimmermüde Späber, 
Bei ihrem Vieh ruh'n auf der Trift, 
Und, wie vor Zeiten die Chaldaer, 
Anſchau'n des Himmels gold’ne Schrift; 


Die oft ein Murmeln noch vernehmen 
Bon Sina’ glutgeborftnen Höh’n: 
Die oft des Wüſtengeiſtes Schemen 
In Säulen Rauches wandeln feh’n; 


Die durch den Riß oft des Gefteines 

Erfhau’n das Flammen feiner Stirn — 
Ha, Männer, denen glüh’nd, wie meines, 
Sn beißen Schädeln brennt das Hirn. 


38 





D Land der Zelte, der Gefchofle! 

O Volk der Wüfte, Fühn und fchlicht! 
Beduin, du felbft auf deinem Noffe 
Bift ein phantaftifches Gedicht! — 


Sch irr' auf mitternächt’ger Küfte; 

Der Norden, ach! iſt Falt und Elng. 

Ich wollt’, ich fang’ im Sand der Wüfte, 
Gelehnt an eines Hengftes Bug. 


Zeben des Negers. 
1836. 


Ein hölzern Bein, zwei Krüden, 
Du armer, fchwarzer Mann, 
Bon Hanfgarn Netze ſtricken, 
Und feil fie bieten dann: 


Das ift dein Loos! — Im Sande 
Führt deine Heimath Gold, 
Und, ach! im fremden Lande 
Erflehſt du Kupferfold. 


Beim Himmel! von dem Knaben, 
Der Fed auf Straußen ritr, 
Zum Greife, der, daß Gaben 
Er ford’re, vor mid tritt; 


40 


Vom Netz, durch welches Floffen 
Des Nigers der erblidt, 

Zum Neke, das, zerfchoffen, 
Der Snvalide ſtrickt: — 


Beim Himmel! mitten inne 
Neich mag das Leben fein! 
Du Krauskopf, nicht entrinne! 
Sei Saft mir, tritt herein! 


Dein Garn mir und dein Reden! 
Mein Wein hier ift für dich! 
Von Sand: und Waſſeroͤden, 
Bon See: und Kandfchlacht Tprich ! 


Da! — Palmenwälder dunfeln; 
Hyän' und Löwe drau’n; 

Auf Königshauptern funfeln 
Gold, Perl’ und Edelftein! 


Aus unerforfchten Quellen 
Rauſcht ftolz der Niger her; 
Mit hunderttaufend Wellen 
Brauft auf das heil’ge Meer. 





41 


Die Peitihe tönt, die Feilel: 
Noch einmal ſchau zurüd! 

O brodemvoller Keifel! 

DO Raum der Sflavenbrid! 


Kohrfelder! Hütt' an Hütte! 
Gedräng am Mühlenthor! 

Es fallt mit Eraft’gem Schnitte 
Der Mohr das Zuderrohr! 


Wer den Plantagenhauer 

Mit Macht zu führen weiß, 
Der tft auch wohl fein Schauer 
In rüſt'ger Fechter Kreis! 


An Bord! Die Wimpel fliegen! 
Vom Mars hernieder fpah’! 
Jetzt gilt es, zu befriegen 

Den Feind auf off’ner See! 


Hut, wie das Segel reffen, 
Hut, wie das entern Fann! 
O grauſenvolles Treffen! 

O Ringen Mann an Mann! 


Zufchaut mit off'nem Nachen 
Der Hai, der ihre Gruft! 
Ein Blitzen und ein Krachen! 
Sie fliegen in die Luft! — 


O Thor! auf blut'ger Tonne 
Zu ſchwimmen in's Spital! 
Nun hinkt, daß er ſich ſonne, 
Der Greis um's Arſenal; 


Von Allem losgeriſſen, 
Wofür ſein Herze ſchlug! 
Verkümmern ſo zu müſſen, 
Es iſt ein harter Fluch! 


Da ſteht er, alte Wunder 

Im Haupt! — Daß Gott erbarm: 
Mit ſeinem Alltagsplunder 
Umſchnattert dich der Schwarm; 


Geht kühl an dir vorüber! 
Was Nil und Niger hier? 
Und innen brennt's, wie Fieber, 
Und zuckt's, wie Wahnſinn, dir! 


43 


Die Hand gib, alter Krieger! 
Was gilts, wir dulden gleich. 
Stoß an! Cap Verd! der Niger! 
Und — mein Gedankenreich! 





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Nebel. 
1836. 


Der Nebel fenft ſich düfter auf das Land, 
Und düfter ſchreit' ich an der Seebucht Strand 
Durch das Gefild, das winterliche, Eahle, 
Sieh’, auf dem glatten Waſſerſpiegel ruht 

Die untergeh’nde Sonne, roth wie Blut; — 
Sp lag das Haupt des Täufers in der Schale! 


Und diefes Haupt ift Alles, was Ich feh’; 
Sonft Nebel nur, und eine Hand breit See! 
Verborgen fteh? ich da vor allem Volke. 
Kein Auge, das durch diefen Schleier blidt! 
Mir ift, als hatte mich der Herr entrüdt 
Der Welt in einer finftern Wolfe! 


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In einer Wolfe, fchwerer Wetter voll! 

Mir ift, als zürn’ in ihr, wie das Geroll 

Des Donners, meines Liedes Dräu'n; — als fahre, 
Wie niederfährr der Bliß aus dunfler Luft, 

Sp mein Gedanfe zudend durch den Duft, 

Daß zündend er fich draußen offenbare! 


D, laßt ihn brechen durch den grauen Flor! 

O, Ichreibt dem glüh’nden Feine Wege vor! 

Er ift ein Bliß! wohlan, fo laßt ihn blißen! — 
Der Nebel fenft fich düfter auf das Land; 

Sch aber will auf diefer Dün’ am Strand, 

Aus einer Wolfe zu euch redend, fißen! 


Roland. 
Juli 1839. 


Es war im Holz; — wir ſchritten durch die Gründe, 
Wo ſich verbirgt die angeſchoſſ'ne Hinde; 

Wo nur durch Blatter miederblitzt dag Licht; 

Wo mit dem Horne ſich das Beil beſpricht. 


Rings tiefe Stille; nur die wilde Taube 
Hebt an ihr Girren über ung im Laube; 
Die Quelle nur bricht murmelnd durch's Gebüfch, 
Die alten Baume nur weh'n traumerifch. 


Die Buche Elagt, es flüftert lei die Efche; 
Fernab das Pochen einer Eifenwäfche; 

Dazu mein Stab, der rauh den Feld berührt — 
Das ift die Sprache, die der Bergwald führt, 


Sch horcht’ auf fie mit innerlichem Schauer; 

In meine Waldluft ftahl fich füße Trauer; 

Es ſchlug der Fels, es fehlugen Eich’ und Tann’ 
Die tiefften Saiten meiner Seele an. 


47 


Ich dacht' an Roland und die Pyrenäen; — 
O, wär' auch ich zu ſolchem Loos erſehen: 
Ein kämpfend Leben, Saracenenflucht, 

Und das Signalhorn in der Todesſchlucht! 


Der Kampf iſt da: — keck ſteh' ich bei der Fahne; 
Gezuͤckt ſeit Jahren ſchimmert Durindane; 

Es draͤngt der Feind mein Lager ſpät und früh; 
Mein Hüfthorn ſchlummert: meine Poeſie! 


Es träumt und ſchlummert ernſt an meiner Seite; 
Es ruht und ſinnt, indeß ich ſelber ſtreite. 

Wild nur zu Zeiten, mit gebroch'nem Stoß 

Den Kampf belebend, birſt ſein Schmettern los. 


All meine Lieder — nichts, traun, als Fanfaren, 
f Mich zu ermuth’gen und mich frifch zu wahren; 

Blutrünft’ge Klänge, raube Melodien, 

Die beim Verfchnaufen meiner Brujt entflieh’n! 


Wie dürft’ ein Krieger Andres auch erfinnen? — 

Die Hand an's Schwert, willft du die Schlacht gewinnen! 
In deine Waffen athme deinen Zorn, 

Am Gürtel feiern laß dein Silberhorn! 





A8 
Wer ſchon gefiegt, der fehmett’re Siegesweiſen: — 
Du, we? den Schall des Eiſens auf dem Eifen! 
Fanfaren? — Ser’! — Ein fe und kurz Signal 
Sei dir vergönnt zu fehleudern durch das Thal! 


Allein erft dann ein voll und mächtig Tönen, 
Wenn du erlegt den wilden Saracenen; 

Wenn du den Stolzen, fammt des Panzers Laft, 
Hin auf den Boden nun gerungen haft! 


In einer Schlucht, wie Nonceval und Ddiefe, 
Zu deinen Füßen todt dann liegt der Niefe; 
Allein du felbft auch bift zum Tode wund — 
O dann dein Horn, dein Hüfthorn an den Mund! 


Bei deines Blutes maligem VBerftrömen 
Ein legter Ruf an Karl, den großen Dehmen! 
Ein geller Schrei, der. Alles, Alles ſagt, 
Was du gewollt, gerungen und gewagt! 


Der es verhaucht in rafchen Athemzügen, 
Was im Gefechte männlich du verfchwiegen! 
Ein leßtes Beichten und ein letztes Dräu'n — 
Die Signatur zu deinem ganzen Sein! 


Ha, welch’ ein Dröhnen! — Nings die Felſen Elingen; 
An deinem Hals die blauen Adern fpringen; 





Thalein vernimmt es jeder Streitgenoß, 
Bernimmt e3 zitternd, wendet kurz fein Roß. 


Der Kaifer naht, e3 nah'n die Paladine — 
f O Gott, dein Blut entriefelt jeder Schiene! 
1 Sie ſteh'n im Kreife ftill um dich herum; 
Dein Auge bricht — dein Silberhorn ift ftumm! 
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Ein dumpfes Neden drauf durchrollt die Wiefe: 
„Des Lebens Drang es ift ein grimmer Niefe! 
Dem Ernten Ehre, der ihn treu beftand! 

Legt ihn in’ Grab, fein Hüfthorn in der Hand!“ 









Ha, foldy’ ein Loos! — Aufſchauert leis die Eiche; 
Fernab das Pochen einer Eiſenwäſche; 

Vorüuͤber jagt Gewitterwolkenflucht, 

Und ſchwarz und ſchwärzer wird die Felſenſchlucht. 


Freeiligrath, Gedicte. 4 


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Halladen und Romanzen. 


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Der Mobhrenfürit. 
1. 


Sein Heer durchwogte das Palmenthal. 
Er wand um die Loden den Purpurfhanl; 
Er hing um die Schultern die Lowenhaut; 
Kriegeriſch klirrte der Becken Laut. 


Wie Termiten wogte der wilde Schwarm. 
Den goldumreiften, den ſchwarzen Arm 
Schlang er um die Geliebte feſt: 
„Schmücke dich, Mädchen, zum Siegesfeſt! 


Sieh’, glänzende Perlen bring’ ich dir dar! 
Sie fliht durch dein Fraufes, fchwarzes Haar! 
Wo Perſia's Meerflurh Korallen umziſcht, 
Da haben fie triefende Taucher gefiicht. 


54 


Sieh', Federn vom Strauße! laß ſie dich ſchmücken! 
Weiß auf dein Antlitz, das dunkle, nicken! 
Schmücke das Zelt! bereite das Mahl! 

Fülle, befranze den Siegespofal!“ 


Aus dem fehimmernden, weißen Selte hervor 
Tritt der fchlachtgerüftete, fürftlihe Mohr; 
So tritt aus fhimmernder Wolfen Thor 
Der Mond, der verfinfterte, Dunkle, hervor. 


Da grüßt ihn jubelnd der Seinen Ruf, 
Da grüßt ihn ftampfend der Roſſe Huf. 
Ihm rollt der Neger treues Blut, 
Und des Nigers räathfelhafte Fluch. 


„Sp führ’ ung zum Stege, fo führ ung zur Schlacht!“ 
Sie ftritten vom Morgen bis tief in die Nacht. 

Des Elephanten gehöhlter Zahn * 

Feuerte fchmetternd die Kämpfer an, 


Es fleucht der Leu, es flieh’n die Schlangen 
Bor dem Raſſeln der Trommel, mit Schadeln behangen. 
Hoch wehr die Fahne, verfündend Tod; 


Das Gelb der Wüfte färbt fih roth. — 
* Die Trompete der Neger. 


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55 


So tobt der Kampf im Palmenthal! 

Sie aber bereitet daheim dag Mahl; 

Sie füllt den Becher mit Palmenfaft, 
Umwinder mit Blumen der Zeltitäbe Schaft. 


Mit Perlen, die Perſia's Fluth gebar, 
Durchflicht fie. das Fraufe, fchwarze Haar, 
Schmüdt die Stirne mit wallenden Federn, und 
Den Hals und die Arme mit Mufcheln bunt. 


Sie feßt fi vor des Geliebten Zelt; 

Sie laufcht, wie ferne das Kriegshorn gellt. 
Der Mittag brennt und die Sonne ftidht; 
Die Kränze welfen, fie achtet’s nicht. 


Die Sonne finft, und der Abend fiegt; 
Der Nachtthau raufcht, und der Glühwurm fliegt. 
Aus dem lauen Strom blidt das Krofodill, 
Als ob e3 der Kühle genießen will. 


E3 regt fich der Leu und brüllt nach Raub, 
Slephantenrudel durcraufchen dag Laub. 
Die Giraffe fucht des Lagers Ruh), 

Augen und Blumen fchließen fich zu. 


Ihr Bufen fhwillt vor Angft empor; 

Da naht ein flüchtiger, blutender Mohr. 
„DBerloren die Hoffnung! verloren die Schlacht! 
Dein Buhle gefangen, gen Werten gebracht! 


An's Meer! den blanfen Menfchen verkauft!“ 
Da ftürzt fie zur Erde, das Haar zerrauft, 

Die Perlen zerdrüdt fie mit zitternder Hand, 
Birgt die glühende Wange im glühenden Sand. 


Auf der Meſſe, da zieht es, da ſtürmt e3 hinan 
Zum Circus, zum glatten, geebneten Plan. 
Es fchmettern Trompeten, das Beden Klingt, 
Dumpf wirbelt die Trommel, Bajazzo Tpringt. 


Herbei, herbei! — das tobt und drangt; 
Die Neiter fliegen; die Bahn durchfprengt 
Der Türfenrapp’ und der Brittenfuchs; 
Die Weiber zeigen den üppigen Wuchs. 





97 


Und an der Reitbahn verfchleiertem Thor 
Steht ernft ein Frausgelodter Mohr; 
Die türfifhe Trommel fchlägt er, laut, 
Auf der Trommel liegt eine Zöwenhaut. 


Er fieht nicht der Neiter zierlihen Schwung, 
Er fieht nicht der Noffe gewagten Sprung. 
Mit ftarrem, trod’nem Auge fchaut 

Der Mohr auf die zottige Löwenhaut. 


Er denft an den fernen, fernen Niger, 

Und daß er gejagt den Löwen, den Tiger; 

Und daß er geihwungen im Kampfe das Schwert, 
Und daß er nimmer zum Lager gefehrt; 


Und das Sie Blumen für ihn gepflüdt, 

Und daß Sie das Haar mit Perlen geſchmückt — 
Sein Auge ward nad; mit dumpfem Klang 
Schlug er das Fell,’ daß es raflelnd zeriprang. 


Schwalbenmährchen. 


Auf dem ſtillen, ſchwülen Pfuhle 
Tanzt die dünne Waſſerſpinn'; 
Unten auf kryſtall'nem Stuhle 
Thront die Unkenkönigin. 


Von den edelſten Metallen 

Hält ein Reif ihr Haupt umzogen, 
Und wie Silberglocken ſchallen 
Unkenſtimmen durch die Wogen. 


Denn der Lenz erſchien; die Schollen 
Sind zerfloſſen; Blüthen zittern; 
Dumpfe Frühlingsdonner rollen 

Durch die Luft, ſchwarz'von Gewittern. 


Wafferlilienfelche fließen 

Auf des Teiches dunfelm Spiegel, 
Und die erften Schwalben fchteßen 
Drüber hin mit fchnellem Flügel. 


539 


Aus den zarten Schnäbeln leiſe 
Tönt Gezwitfcher in die Wellen: 
„Viele Grüße von der Reife 


Haben wir dir zu bejtellen. 


Lange waren wir in fremden 
Sandbededten beißen Ländern, 
Wo in weiten Kaftanhemden 
Träge Turbanträger fchlendern. - 


Purpurfarb’ne Wunderpflanzen 
Dienten ung zu Meilenweifern; 
Gelbe Mauren fah’n wir tanzen 
Nackt vor ihren Leinwandhäufern. 


Lechzend auf dem warmen Sattel 
Saß der Araber, der leichte, 
Wahrend Ziegenmilh und Dattel 
Ihm aufs Pferd die Gattin reichte. 


Auf die Jagd der Antilopen, 
Kriegerifch, mit Spieß und Pfeile, 
Zogen fchlanfe Aethiopen; 

Klagend tönte Memnons Säule. 





60 
Aus des Niles Fluth getrunken 
Haben wir, matt von der Neife; 
Gruß dir, Königin der Unfen, 
Bon dem füniglichen Greife. 


Alles grüßt dich, Blumen, Blätter! 

Doch zumeift der Grüße viele 

Bringen wir von deinem Better, 
Bon dem Krokodil im Nile!“ 





Der Wecker in der Wüſte. 


Am Nilſtrom in der Wüftenei 

Da fteht ein Füniglicher Leu, 

Gelb, wie der Sand, auf dem er fteht, 
Gelb, wie der Smum, der ihn umweht. 


Ein Königsmantel, dicht und fchön, 
Ummwallt des Löwen Bruft die Mahn’; 
Eine Königskrone, wunderbar, 

| Sträubt ſich der Stirne ftraffes Haar. 


Er hebt das Haupt empor und brüllt, 
Sein Brüllen tönt fo hohl, fo wild; 

Die Wüftenei durchrollt es dumpf, 

Die Fluth vernimmt’s in Möris Sumpf. 


Dem Panther ftarrt das Nofenfell, 
Erzitternd flüchtet die Gazell’; 

Es laufht Kameel und Krofodill 
Des Königs zürnendem Gebrüll. 


. 





62 


Es halt zurüd vom Nilesſtrand 

Und von der Pyramiden Wand; 

Die Königsmumie, braun und müde, 
Erwedt’s im Schooß der Pyramide, 


Sie richtet fih im engen Schrein: 
„Danf, Löwe, für dein zornig Drawn! 
Manch lang Sahrtaufend fchlief ich fchon, 
Da weckt mich deiner Stimme Ton! 


D, lange Zeit hab’ ich verträumt! 
Wo feid ihr, Sahre, glanzumfäumt, 
Als Siegesbanner mich umflogen, 
Als deine Ahnen, Leu, mich zogen? 


Da ſaß ich hoch auf güld'nem Wagen ; 
Die Deichfel war mit Gold befchlagen; 
Bon Perlen glänzte Speich’ und Rad; 
Mein war die Hundertpfortenftadt. 


Und diefe Sohle, fchlaff und dürr, 
Trat auf des Mohren Haargewirr, 
Trat auf die gelbe Stirn der Inder, 
Und auf den Naden der Wüftenfinder. 





— 





63 


Und diefe Hand bezwang die Welt, 
Die jebt. der ftarre Byſſus halt. 
Mas jene HierogInphen Tagen, 
Hat diefe Bruft gezeugt, getragen. 


Das Grabmal, fo mich jeßt befchirmt, 
Hab’ ich mit eig’ner Hand gethürmt: 
Sch ſaß auf fpeerbewachtem Thron ; 
Die Ziegelbrenner trieb der Krohn. 


Mic fchaufelte auf fchnellem Kiel 
Mein Unterthan, der breite Nil. 
Der Nil, der fließt noch immer zu; 
Sch Liege längft in tiefer Ruh', 


Und dunfel ifr’s um mich herum!“ — 
Da wird der Löwe plöglich ſtumm, 

Und trüb wird auch des Todten Blick; 
Er lehnt zum Schlummer fi zurüd. 


64 


Der Blumen Rache. 


Auf des Lagers weichem Kiffen 
Ruht die Jungfrau, fchlafbefangen, 
Tiefgefenft die braune Wimper, 
Purpur auf den heiten Wangen. 


Schimmernd auf dem Binfenftuhle 
Steht der Kelch, der reich geichmückte, 
Und im Kelche prangen Blumen, 
Duft’ge, bunte, frifchgepflüdte. 


Brütend hat fih dumpfe Schwule 
Durch das Käammerlein ergofen, 
Denn der Sommer fcheucht die Kühle, 
Und die Fenfter find verfchloffen. 


Stilfe rings und tiefes Schweigen! 
Plötzlich, horch! ein leifes Flüftern! 
Sn den Blumen, in den Zweigen 
Lifpelt es und rauſcht es’ lüftern. 


— — * 


— — — 


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65 


Aus den Blüthenkelchen fchweben 
Geiftergleihe Duftgebilde; 

Shre Kleider zarte Nebel, 
Kronen tragen fie und Schilde. 


Aus dem Purpurfchooß der Roſe 
Hebt fih eine fchlanfe Frau; 
Ihre Loden flattern lofe, 
Perlen blisen drin, wie Thau. 


Aus dem Helm des Eifenhuteg 
Mit dem dunfelgrünen Laube 
Tritt ein Nitter feden Muthes; 
Schwert erglänzt und Pidelhaube. 


Auf der Haube nidt die Feder 

Bon dem filbergrauen Neiber. 

Aus der Lilie fchwanft ein Mädchen; 
Dünn, wie Spinnweb’, ift ihr Schleier. 


Aus dem Kelch des Türfenbundes 
Kommt ein Neger ftolz gezogen; 

Licht auf feinem grünen Turban 
Glüht des Halbmonds gold’ner Bogen. 


Feeiligrath, Gedichte. 5 





66 


Prangend aus der Kaiferkrone 
Schreitet Fühn ein Scepterträger; 
Aus der blauen Sris folgen 
Schwertbewaffnet feine Jäger. 


Aus den Blättern der Narciſſe 
Schwebt ein Knab’ mit düftern Blicken, 
Tritt an’s Bett, um heiße Küffe 

Auf des Mädchens Mund zu drüden. 


Doh um's Lager dreh’n und ſchwingen 
Sich die andern wild im Kreife; 
Dreh’n und fehwingen fich, und fingen 
Der Entfchlafnen diefe Weiſe: 


„Mädchen, Mädchen! von der Erde 
Haft du graufam uns geriffen, 
Daß wir in der bunten Scherbe 
Schmachten, welfen, fterben müffen! 


D, wie ruhten wir fo felig 

An der Erde Mutterbrüften, 

Wo, durch grüne Wipfel brechend, 
Sonnenftrahlen heiß ung Füßten; 





67 


Wo ung Lenzeslüfte fühlten, ” 
Unfre fchwanfen Stengel beugend; 
Wo wir Nachts als Elfen fpielten, 
Unferm Blätterhaus entfteigend. 


Hell umfloß ung Thau und Negen; 
Jetzt umfließt ung trübe Lade; 

Wir verblüh’n, doch eh’ wir fterben, 
Mädchen, trifft dich unfre Nahe!“ 


Der Geſang verftummt; fie neigen 
Sich zu der Entichlaf’nen nieder. 
Mit dem alten dumpfen Schweigen 
Kehrt das leife Flüftern wieder. 


Welch ein Raufchen, weldh ein Naunen! 
Wie des Mädchens Wangen glühen ! 
Wie die Geifter es anhauchen! 

Wie die Düfte wallend ziehen! 


Da begrüßt der Sonne Funfeln 
Das Gemach; die Schemen weichen. 
Auf des Lagers Kiffen ſchlummert 
Kalt die lieblichfte der Leichen. 


68 


Eine welfe Blume felber, 

Noch die Wange fanft geröther, 

Ruht fie bei den welfen Schweftern — 
Blumenduft hat fie getödter! 


| | 69 


> „Prinz Eugen, der edle Ritter.“ 


Jette, Poiten, Werda-Rufer! 
Luſt'ge Naht am Donauufer! 
Pferde fteh’n im Kreis umher 
Angebunden’an den Pflöden; 
An den engen Sattelböden 
Hangen Karabiner fchwer. 


Um das Feuer auf der Erde, 

Bor den Hufen feiner Pferde 

Liegt dag öftreich’fche Piket. 

Auf dem Mantel liegt ein Seder; 
Von den Tſchacko's weht die Feder, 
Leutnant würfelt und Kornet. 


Neben feinem müden Scheden 
Ruht auf einer woll’nen Deden 
Der Trompeter ganz allein: 

„Laßt die Knöchel, laßt die Karten ! 
Kaiferlihe Feldftandarten 

Wird ein Reiterlied erfreu’n! 





70 


Vor acht Tagen die Affaire 

Hab’ ich, zu Nutz dem ganzen Heere, 
In gehör’gen Reim gebracht; 

Gelber auch gefeßt die Noten; 
Drum, ihr Weißen und ihr Rothen, 
Merket auf und gebet Acht!“ 


Und er fingt die neue Weife 

Einmal, zweimal, dreimal leiſe 

Denen Neitersleuten vor; 
Und wie er zum legten Male 4 
Endet, bricht mit einem Male 

Los der volle, kräft'ge Chor: 


„Prinz Eugen, der edle Ritter!“ 

Hei, das klang wie Ungewitter 

Weit in's Türkenlager hin. 

Der Trompeter thät den Schnurrbart ſtreichen, 
Und ſich auf die Seite ſchleichen 

zu der Marketenderin. 





71 


3 Der Mann im Walde. 


Der Krieg hat ihn vertrieben, 
Er mußte flieh’n und zieh’n. 
Im Grabe ruh’n die Lieben; 
Der Wald ift ihm geblieben, 
Der Wald, fo fühl und grün, 


Den Wald hat er fchon lange 
zur Heimath ſich erwählt, 
Hat in des Uferd Hange 

Ein Haus fich ausgehöhlt. 


Das iſt ein Haus der Häufer, 
Geziert mit mander 3ier; 

Es decken grüne Reiſer 

Die graue Felſenthür. 


Eine Streu von Blättern, gelber 
Als Gold, ruht im Gemad; 
Der ftolze Bergwald felber 
Belaftet es als Dad. 





72 


D, Freude! zu bewohnen 

Ein Haug von folcher Art! 
Denn luſt'ge Tannenfronen 
Und Buchenbäume thronen 
Hoch drauf, und Moofe zart; 


Und faufeln leis, und fchwanfen, 
Und ſchau'n in's Quellenthal, 
Und ihre Wurzelranfen 
Umſtricken das Portal. 


Und fchön auch ift es drinnen; 
Da iſt's fo düfterhell; 

Da ſchickt mit Elarem Rinnen 
Die Felswand einen Quell. 


Da fteht von rohen Steinen 
Ein wärmender Kamin; 

Da birgt der Mann in Schreinen, 
Was ihm der Wald verlieh'n. 


Da find mit weißem Sinter 

Die Wände tapesirt; 

Da hauf’t der Mann im Winter, 
Wenn's draußen fchneit und friert; 


u: 








73 


— — — —— 


Und zehrt von Harm und Klagen, 
Das Herze troſtesleer, 

Gleichwie bei Wintertagen 

Vom eig'nen Fett der Bär. 


Doch wenn vom Droſſelſchlage 
Zuerſt die Waldung klingt, 

Und rings aus Baum und Hage 
Das Volk der Knospen dringt; 


Wenn frifhen Saft dem Baſte 
Die Hand des Lenzes fchidt, 
Und von des Nußbaums Aſte 
Die ftaub’ge Blüthe nidt; 


Wenn auf den nadten Zweigen 
Der Fink „Gut Frühjahr!“ ruft: 
Alsdann fieht man entfteigen 
Den Mat der Felienfluft. 


Durch Bufh und über Klippe 
Wallt er und flieht das Haus, 
Und grabt mit feiner Schüppe 
Die jungen Bäume aus. 


7A 


Sammt ihren Wurzelfafern 
Bringt fie der Schaufel Stich; 
Seine Hand Flopft von den Zaſern 
Die Erde fauberlich. 


Gr fügt zu einem Bunde 

Der dünnen Stämmchen Zahl, 
Und geht mit fingendem Munde 
Durch's ſonnenhelle Thal. 


Er ſingt: „Die Bäumchen bring' ich 
Dem Gärtner in der Stadt! 

Dem jungen Lenze fing’ ich, 

Der mich getröftet hat. 


O feht! wie find die Büfche, 

Die Enospenden, bethaut; 

In welcher Wunderfrifche 

Prangt Zweig und fehießend Kraur! 


D, diefe Thauesperlen, 

Dies Balfamnaf im März 
Auf Eichen und auf Erlen 
Iſt Balfam für dies Herz; 





75 
Weiß draus den Schmerz zu faugen, 
Lot fein Gefchwifterfind, 
Das Freudennaß der Augen; 
Das riefelt ſtill und Lind! 


Wie ſingt's, wie klingt's im Weiler! 
Wie ſtrahlend rings, wie bunt! 
Wie dampft des Köhlers Meiler! 
Ihr milden Alfesheiler, 

Lenz, Wald, macht mic geſund!“ 


So ſingt der Höhlenpförtner 

Den ſchlichten Freudenreim, 

Bringt, was er trägt, dem Gärtner, 
Und geht in Frieden heim. 


Banditenbegrabniß. 


Auf blut'ger Bahre raſtet 

Ein Leichnam, blaß und kalt; 

Den tragen, ſchwer belaftet, 

Schs Männer durch den Wald. 
Sechs Männer, ſchwarz von Haare, 
Bewehrt mit Blei und Stahl, 
Geh’n fehweigend mit der. Bahre 
Durch's düftre Fichtenthal. 


Die Bahr’ find zwei Gewehre 
Mit Läufen, rund und lang: 
Darüber find die Quere 

Selegt drei Schwerter blanf. 
Auf Klingen ruht, der muthig 
Einft felber fhwang das Erz; 
Sein Haupt, entftellt und blutig, 
Hangt rüdlings erdenwärts. 


Ba an 





77 


Weit klafft die rothe Wunde 
Am bleichen linken Schlaf, 
Wo ihn zur böfen Stunde 

Die Todesfugel traf. 

Es tröpfelt von den Locken 
Geronnen Blut und Hirn; 
Vom Weh’n der Berge troden, 
Umflebt es Hals und Stirn. 


Das Aug’ ift blutumflofen, 
Der Wange Braun entfloh’n. 
Die Lippen, feſt geſchloſſen, 
Umzuckt ein bitt’rer Hohn. 

Die Nechte, die im Kampfe 
Das Schwert mit Macht geführt, 
Hält’3 noch mit ſtarrem Krampfe, 
Daß fie es nicht verliert. 


Es bligte Tod dem Sbirren; 
Er läßt es nimmer log. 

Es fchleift mit leifem Klirren 
Durh Steingeröll und Moos. 


Wie die, blut’ge Thranen, 
Rinnt riefelnd Blut daran: 

Das Schwert, fo muß man wäahnen, 
Meint um den todten Mann. 


Die Linfe, zugefniffen, 

Hält ftarr den Gürtelihawl, 
Als hatt’ er ihn ergriffen 

In letzter Todesqual. 

Gelöft weh'n Schnur und Like 
Um fein zerhau’n Collet; 

Am Gurt mit feharfer Spike 
Schwebt läſſig das Stile. 


So liegt der bleiche Schläger, 
Der einft fo wild, fo kühn; 

So tragen ihn die Trager 

Im finftern Apennin; 

Sp ruht er auf den Degen 

Im tiefften tiefen Wald, 
Fernab von Straß’ und Wegen, 
Da ruft der Führer: „Halt!“ 











79 


Da flirt die Bahre nieder, 

Und muß nun Schaufel fein; 
Da graben ihm die Brüder 

Ein Grab tief in den Nain. 
Kein Sarg macht ibm Befchwerde: 
808, ledig, ſonder Drud, 

Grüßt er fein Bett, die Erde, 
Im Blut: und Waffenſchmuck. 


Die Feier ift vollendet, 

Das Grab fteht fchwarz und baar. 
Mit finfterm Schweigen wendet 
Sich ab die Fleine Schaar. 

Sie feh’n nah den Gewehren; 
Sie laden; da tönt fchrill 

Ein Pfeifen! — in die Köhren 
Stürzt Jeder! — Alles fill! 


80 


Piratenromanze. 


Auf dem Decke der Gabarre 

Liegt der Scheik der Chriſtenhunde, 
Die erloſchene Cigarre 

Von Havanna in dem Munde. 


O, wohl mochte die Cigarre, 
Caſtilianer, dir verglimmen, 
Da du hörteſt zur Guitarre 
Die holdſeligſte der Stimmen. 


Angethan mit welſcher Seide 

Und mit Tüchern vom Hoangho, 
Tanzt Juana, deine Freude, 

Mit dem Bootsmann den Fandango. 


81 


Auf der leichten Füße Spißen 

Schwebt fie um die braunen Maſten; 
Ihres Gürteld Spangen bligen, 

Die mit Perlen eingefaßten. 


| Shre Wange gleicht der Roſe 


| Sn den Gärten von Sevilla; 
Um die weißen Achfeln lofe 
4 MWeht und flattert die Mantilla. 


Ihre Loden hält ein grünes 
Netz; die beiden kleinen Mohren 
Denken nicht des Tambourines; 
Alles iſt in Schau'n verloren. 


Auf den Naa’n, auf den Laffeten 
Sitzt die Mannfchaft, wie gebannt; 
Caftagnetten und Trompeten 

Statt der Lunten in der Hand. — 


Die Guitarre nah dem Tanze 
Neiht in Demuth ihr ein Mohr. 
Glänzendes Auges die Romanze 
Bon dem Cid Campeador 


Freiligrath, Gedichte. 6 





82 


Singt fie. Horb, von den Paläften 
An dem Guadalquivir 

Singt fie; von den nächt'gen Feſten 
Zu des Tambourins Geklirr; 


Bon der golfbefpülten Zone, 
Die das Fahrzeug bald erfteuert, 
Wo der träge Lazzarone 

Einen ew’gen Sonntag feiert. 


Horh, von Koma, von Milano 
Singt fie, wo Banditen ftreifen — 
Gapitano, Gapitano! 

Beſſer war's, dein Schwert zu fchleifen! 


2. 


Auf dem weiten Mittelmeere 
Gilt des Mufelmanns Gefes! 
Pfeilfchnell rudert die Galeere, 
Sklaven braucht der Markt von Fez! 


83 


Bei dem buhlerifhen Tanze 

Denfen fie nicht an Abdallab. 
Furdtbar fhimmert Mahoms Lanze — 
Dreht das Schiff! — Allah il Allan! 


Eine Salve durch die Laken! 
Rechte Hand am Säbelgriffe! 
Nud’rer, werft die Enterhafen! 
Bretter legt von Schiff zu Schiffe! 


Stürzt hinein! der Säbel hade, 

Bis fie die Gewehre ftreden! 
Sprißt auh Blut auf eure Jade — 
Roth auf Roth macht Feine Fleden! — 


ce re  F ue 


Groß ift Allah! — Starr, voll Wunden, 
Liegt der Hauptmann bei den Todten. 
Die Lebend’gen Fnien gebunden 
Auf dem Ded, dem blut'gen, rothen. 


Wie fie Fnirfhen mit den Zähnen! — 
Ha! und dort weint Juanina! 
Herrin, trodne deine Thranen 

Mit dem bunten Tuch aus China! 





84 


Sn Marokko's fand’gem Thale, 
Hinter riefgem Palmenfächer, 
Sn der Sonne gelbem Strahle 
Schimmern des Seragliv’s Dächer. 


Was tft diefer Dritthalbmafter ? 
Traun, vor dir die Segel fereicht er. 
Morgen um fünftaufend Piafter 
Iſt des Sultans Sedel leichter. 





Der Falk. 


Die Fürftin zog zu Walde 

Mit Jägern und Marfchalf; 

Da fah fie reiten balde 

Ein junger Edelfalk. 

Er ſprach: „Wie Flirrt dein Bügel; 
Wie glanzt Agraf’ und Treff’; 
Wie loder hängt dein Zügel, 
Holdfelige Prinzep! 


Wie fißeft du zu Pferde 

Sp Füniglih und fchlanf! 
Wie weht zur grünen Erde 
Dein Schleier weiß und lang! 
Wie niet dein Hutgefieder 
Vom flücht’gen, wilden Ritt! 
Wie zieret deine Glieder 
Das Enappe Sagdhabit! 


86 





D, Eönnt’ ich deiiien Neizen 
Allzeit ein Diener feyn! 

Den Neiher wollt’ ich beizen, 
Herrin, für dich allein! 

Sch wollte mit ihm ringen, 
Dein ftarfes Kederfpiel, 

Bis er, mit blut’gen Schwingen, 
Zu deinen Füßen fie I” 


Bezwungen von Verlangen, 
Dudt er in’s Heideland; 

Er laßt fich willig fangen 
Von eines Pagen Hand. 

Der bietet ihn der Holden 
Dar, mit gebog’nem Knie; 
Mit einem Ninge golden 
Schmüdt den Gefang’nen fie. 


Kun muß er fie begleiten; 
Mit feiner krummen Klaw’ 
Muß er für fie beftreiten 
Den Neiher, filbergran. 





87 


Er tragt eine Lederfappe, 

Sie nimmt ihn mit aufs Pferd, 
Burgberr und Edelfnappe 

Halt ihn des Neides werth. 


Die Schreinergefellen. 


„Fürwahr, ein traurig, ein ſchaurig Thun! 
Eine Leiche ſoll zwiſchen den Brettern hier ruh'n!“ 


„„Du Weichherz, wie, deine Thräne rinnt? 
Was ſchiert dich fremder Leute Kind?““ 


„So ſei doch auch nur nicht gleich ſo arg, 
Bedenk', es iſt ja mein erſter Sarg!“ 


„„Sei's erfter, fel’s letzter! da, thu' mir Beſcheid! 
Und ſing' eins, und ſchaff' dir kein Herzeleid! 


Zerſchneide die Bretter, und nimm den Stab, 
Und hoble die knirſchenden Spane ab! 


Und füge zufammen wohl Brett an Brett, 
Und fchwärze fein fauber das enge Betr! 


— << 


89 


Und leg’ in den firnifduftenden Schrein 
Die Späne, die abgefalnen, hinein! 


Auf den Spänen muß ruh’n der verweglihe Staub, 
Das ift ein gemeiner Schreinerglaub’. 


Und trage den Sarg in's Trauerhaus! 
Leich' hinein! Dedel zu! und dann iſt's aus!““ 


„Wohl zerichneid’ ich die Bretter, wohl nehm’ ich den Stab, 
Wohl mel ich hinauf, und wohl mel’ ich herab. 


Wohl hobl’ ich die rauhen Bretter glatt, 
Doch mein Aug’ ift trüb, und mein Arm ift matt. 


Wohl füg' ich die Bretter hin und her, 
Doch mein Herz ift voll, und mein Herz ift ichwer. 


D, ein traurig Thun und ein fchaurig Thun! 
"Eine Leiche foll zwifchen den Brettern hier ruh'n!“ 





90 


Barbaroffa’s erftes Erwachen. 


1829. 


Es lag die gold'ne Aue 

Im blut'gen Frührothſchein, 
Als wär' mit blut'gem Thaue 
Beſprengt der gelbe Rain. 
Ernſt blickte der Kyffhäuſer 
Durch Nebel auf die Flur, 
Als der gebannte Kaiſer 

Auf aus dem Schlummer fuhr. 


Er ſchaute zornesmuthig 

Die Schaar der Diener an. 
„Im tiefen Schlummer ruht' ich; 
Wer hat mir das gethan? 
Wer, trotzend meinem Grimme, 
Riß jach mich in die Höh', 

Und rief mit dumpfer Stimme: 
Weh', Hohenſtaufe, Weh'! 





9 


Wer hat mit Schwertgeflimper 
Geraffelt hier zur Stund? 
Wer hielt mir vor die Wimper 
Die Leinwand, farbenbunt? 
Mer hat mir Truggeftalten 
Gezeigt im wirren Traum? 
Blutrothe Tücher wallten 

Auf eines Marktes Naum. 


Hoch ſaß ein Mann zu Throne, 
Det Auge bliete Lift, 

Und fah mit finfterm Hohne 
Herab auf ein Gerüft; 

Das ragte, ſchwarz behangen, 
Aus Lanzen und Volkeshauf'; 
Zwei Knaben, bleich von Wangen, 
Die ftanden obenauf. 


Und zu der Knaben Seite, 
Auf des Gerüftes Höh’n, 

Sah ich, ein graus Geleite, 
Den Henfer wartend fteh’n; 


92 


Er ftand in rother Müße, 
Sm ſcharlachrothen Rod; 
Sein Schwert war feine Stüße; 
Bor ihm der Todesblock. 


Da fchmetterten die Zinfen 
Mir gellen Tönen: Mord! 
Seht ihr des Königs Winfen, 
Hört ihr fein herrfchend Wort? 
Schnell wirft der eine Nitter 
Den Handfhuh unter’s Volk; 
Das murrt, wie, vom Gewitter 
Erregt, ein Meereskolk. 


Gr legt das Haupt, das bleiche, 
Feft auf den Eichenftumpf. 
Das Schwert, mit Einem Streiche, 
Trennt es vom fchlanfen Rumpf. 
Weit fprist des Blutes Quelle; 
Der König fieht’3 und winft, 
Und lächelt, als zur Stelle 

Das Haupt des Zweiten finft. 





93 


Auf meine Wappenfcilder, 
Die geborft'nen, rollt ihr Haupt. 
Wer wies mir folche Bilder? 
Mem hab’ ich dag erlaubt? 
Wer, troßend meinem Grimme, 
Riß jah mich in die Höh', 

Und rief mit dumpfer Stimme: 
Weh’, Hohenftaufe, Weh’!“ 


Die Zwerge fteh’n und zagen, 
Und neigen das Gelicht. 

„Ber wollte foldhes wagen? 
Wir, Herre, fiber nicht!“ — 
Zur felben Zeit fah Neapel 
Den jungen Konradin 

Auf blutbefpristem Stapel 
Mit Schwabens Friedrich Enien. 


Da fuhr der bärt’ge Kaifer 
Zuerft empor vom Pfühl; 
Sah traumend im Kyffhäuſer 
Des eignen Stammes Ziel. 


94 


Er ſchilt und ſtarrt verwundert, 
Und blinzt dann wieder ſtumm; — 
Beinah' war ein Jahrhundert 
Vom langen Schlaf herum. 


—û— EZ nn. 


2 





95 


Meerfahrt. 


Da ſchwimm' ich allein auf dem ſtillen Meer; 
Keine Welle rauſcht, es iſt eben und glatt. 
Auf dem fandigen Grunde practig und hebr 
Glänzt die alte verfunfene Stadt. 


In alter verfchollener Mährchenzeit 
Verſtieß ein König fein Töchterlein; 
Da lebt’ es über den Bergen weit 
Sm Walde bei fieben Zwergen Elein. 


Und als es jtarb durch des Giftes Kraft, 
Ihm eingeflößt von der Mutter arg, 

Da legt’ es die Fleine Genoſſenſchaft 

Sn einen Erpftallenen Sarg. 


Da lag es in feinem weißen Kleid, 
Bekränzt mit Blumen, duftend und fchön; 
Da lag e3 in feiner Lieblichfeit, 

Und fie fonnten es immer feh'n. 


So liegft du in deinem Sarg von Kryſtall, 
Du gefhmüdte Leiche, verfunfnes Sulin! 
Der fpielenden Fluth durchfichtiger Schwall 
Zeigt deiner Palafte Slüh’n! 


Die Thürme ragen düfter empor, 

Und geben fehweigend ihr Trauern fund; 
Die Mauer durchbricht das gewölbte Thor, 
Es fchimmern die Kirchenfenfter bunt. 


Doch in der fehauerlich ftillen Pracht 

Keines Menfchen Tritt, Feine Luft, Fein Spiel; 
Auf Straßen und Märkten ungefchlacht 
Treibt fich der Fifche Gewühl. 


Sie gloßen mit glafigen Augen dumm 

Sm die Fenfter und in die Thüren hinein; 
Sie feh’n die Bewohner fchlafrig und ſtumm 
In ihren Häufern von Stein. 


Sch will hinunter! ich will ernen’n 

Die verfunfne Pracht, die ertrunf’ne Luft! 
Die Zauber des Todes will ich zerſtreu'n 
Mit dem Odem meiner lebendigen Bruſt! 


- 


97 


Er fül’ aufs Neue zu Kampf und Kauf 
Die Säulenhallen, des Marftes Raum; 
Ihr Mädchen, ſchlaget die Augen auf, 
Und preifet den langen Traum! 


Hinab! — Nicht rudert er fürder! Schlaf 
Und reglos finfen ihm Arm und Fuß; 
Leber feinem Haupte fchließt fich das Haff; 
Er entbietet der Stadt feinen Gruß. 


Er lebt in den Häufern der alten Zeit, 

Wo die Mufchel blißt, wo der Bernftein glüht. 
Unten die alte Herrlichkeit, 

Dben ein Fifcherlied. 


Freifigrark, Gedichte 


— 


98 


Der Bivouac. 


Ein Feu'r im Würftenfande, 
Zwei Gräben, ein Verhad, 
Musgfetenpyramiden — 

Ein Franfenbivouac! 


Das find die Grenadiere 
Bon Kleberd Vorderhut. 
Es fißt, daß er fie ſchüre, 
Der Feldherr an der Glut. 


Auf müdem Knie die Karte, 
Ruh'nd in der Flamme Schein, 


So ſchlummert Bonaparte 


Gemach am Feuer ein. 


Und mit ihm auf Laffete 
Und Mantel feine Schaar; 
Es nit an der Muskete 
Der Schilderer fogar. 


ee | 


99 


Schlaft zu, ihr müden Fechter! 
Schlaft aus die legte Schlacht! 
Es halten ſtille Wächter 
Um eure Graben Wacht! 


Laßt pläanfeln Murat's Neiter! 
Laßt Eommen Mann und Noß! 
Es wollen felt'ne Streiter 
Behüten euren Troß! 


Es wacht für euch ein Meder, 
Der mit aus Theben ritt; 
Der in der Spur der Näder 
Bon Cyrus Sohne fchritt. 


Ein hoher Macedone 

Tritt eurer Brüftung nah’, 
Der Aleranderd Krone 
Beim Ammon funfeln fah. 


Und ſehet; noch ein Schemen! 
Ein Kämpfer auf dem Nil, 
Ein Führer von Triremen, 
Der unter Cäſar fiel! 


100 


Die einft der Welt geboten 
Auf fand’gem MWürftenfeld, 
Sie ſchicken Ihre Todten 
Dem neuen Herrin der Welt. 


Rebendig an's Geloder 

Der Flamme tritt dag Grab; 
Sie fhütteln Sand und Moder 
Von ihren Panzern ab. 


Es funfeln die uralten 
Gewaffen durch die Nacht; 

Es weh'n der Chlamys Falten 
In alter, blut’ger Pracht. 


Sie weh'n um eine Stirne, 
Sn der e3 kocht und gahrt. 
Der Held, als ob er zürne, 
Tief athmend fahrt an's Schwert. 


Er träumt: — in hundert Neichen 
Erhebt fih ihm ein Thron. 

Er zieht mit gold’nen Speichen 
Einher, wie Ammon’s Sohn. 


101 


Es jauchzt ihm taufendfehlig 
Der glüh’nde Orient; 
Derweil die Flamme mälig 
Berglimmend niederbrennt. 


Die feid’ne Schnur. 
1. | 


Im Harem weilt der Großweſſir; 
Mit Dolch und Flinte vor der Thür 
Steht Wache haltend der Arnaut; 
Auf eines Tigers bunter Haut 


Liegt der Gebieter. — Schleierlos, 
Kein Gurt umfängt den vollen Schoos, 
Aus Purpurfalten glänzt wie Schnee 
Ihr Fuß mit ringgeſchmückter Zeh', 


Entfeſſelt rollt ihr Haupthaar hin — 
Ruht ſchlummernd die Circaſſierin 
An ſeiner Bruſt; vom Kaukaſus 
Der Demant glänzt am Bosphorus. 


Sein Auge glühtz fein Barthaar wallt 
Auf die wollüftige Geftalt. 

Sie träumt; fie lächelt; der Email 

Der Zähne glänzt; — „Birgt dein Serail 


103 


Soliman, ſolch ein Weib?“ — Er ſinkt 
Zu ihr hinab; brünftig umſchlingt 

Er fie, berauſcht von ihrem Hauch, 
Von Mofhusduft und Ambraraud. 


2. 


„„Ein Neitertrupp! — der Aga der 
Eunuchen, Juſſuf!““ — „Bringt ihn her!” — 
Sufuf, der Neger aus Dar Fur, 

Reicht grinfend ihm — die feid’ne Schnur. 


3. 


Wie die Dafe der Samum 

Berfengt, gleichwie das Opium 
Betäubt, wie gift’gen Hauchs die Peft 
Hinwirft, und ihren Raub nicht laßt: 


So treffen des Verſchnitt'nen Worte 
Den Großweflir der hoben Pforte. 

Sein Mund wird blau, fein Antliß fahl; 
In Stüde reißt er feinen Shawl. 


104 


„Daß dich des Blitzes Glut verfehrt, 
D Maulbeerbaum, der du genährt 

Den Wurm, der diefe Seide ſpann! 
Berdorren foll die Hand dem Mann, 


Der Enechtifch diefe Schnur gedreht, 
Die — von Roßſchweifen einft umweht! 
An Leila’3 — meine Zeit ift um! 

Das Schiefal will es! — Opium! 


Ha, daß mich Fein Rhodiſer Spieß 

Sm Handgemenge jäh durchftieß! 

Ha, daß mich nicht im gold’nen Mörfer 
Zerftampfte der ſiegtrunk'ne Perfer! 


Sch ward verfchont! — der Strang von Seide 
War mir beftimmt!“ — er finntz der Scheide 
Nimmt er den Dolch; hin fliegt die Schnur 


Auf des Gemaces Teppichflur. 


Leila's Gelock, lang, wallenden Falls, 
Schlingt er fih um den fehn’gen Hals; 
Feft knüpft er es; fie fehläft; das Erz 
Stoßt er ihr abgewandt durch's Herz. 














Be 
— zuckt Baia entflieh'n; 
Die Haare — fie erdroſſelt ihn! 

Um feinen Mund fpielt gräßlich Lächeln, 
Dumpf durch's Gemach fallt Beider Röcheln. 








106 | 








Der Tod des Führers. 


„Von den Segeln tropft der Nebel, 
Auf den Buchten zieht der Duft. 
Zündet die Latern' am Maſte! 

Grau das Waſſer, grau die Luft. 
Todtenwetter! — zieht die Hüte! 
Mit den Kindern kommt und Frau'n! 
Betet! denn in der Kajüte 

Sollt ihr einen Todten ſchau'n!“ 


Und die deutſchen Ackersleute 
Schreiten dem aus Boſton nach, 
Treten mit geſenktem Haupte 

In das nied're Schiffsgemach. 
Die nach einer neuen Heimath 
Ferne ſteuern über's Meer, 
Seh'n im Todtenhemd den Alten, 
Der ſie führte bis hierher; 





107 


Der aus leichten Tannenbrettern 
Zummerte den Hüttenfahn, 

Der vom Nedar fie zum Rheine 
Trug, vom Rhein zum Dcean; 

Der, ein Greis, fich fhweren Herzens 
Losriß vom ererbten Grund; 

Der da fagte: „Laßt ung ziehen! 

Laßt uns fchließen einen Bund!“ 


Der da ſprach: „Brecht auf nach Abend! 
Abendwärts glüht Morgenroth! 

Dorten laßt uns Hütten bauen, 

Wo die Freiheit halt das Loth! 

Dort laßt unfern Schweiß ung ſäen, 
Wo Fein todtes Korn er liegt! 

Dort lapt uns die Scholle wenden, 

Wo die Garben holt, wer pflügt! 


Laſſet unſern Herd ung tragen 
In die Walder tief hinein! 
Laſſet mich in den Savannen 
Euren Patriarchen fein! 


108 


Last ung leben, wie die Hirten 
Sn dem alten Teftament! 
Unfrres Weges Feuerfäule 
Sei das Licht, das ewig brennt! 


Diefes Lichtes Schein vertrau’ ich, 
Seine Führung führt ung recht! 
Selig in den Enfeln ſchau' ich 

Ein erftandened Geſchlecht! 

Sie — ac, diefen Gliedern gönnte 
Noch die Heimath wohl ein Grab! 
Um der Kinder willen greif’ ich 
Hoffend noch zu Gurt und Stab. 


Auf darum, und folgt aus Gofen, 
Der Vorangegang’nen Spur!” — 
Ach, er fchauete, gleich Mofe’n, 
Kanaan von ferne nur. 

Auf dem Meer ift er geftorben, 
Er und feine Wünfche ruh'n; 

Der Erfüllung und der Taufchung 
‘ft er gleich enthoben nun! 


— 














Rathlos die verlaſſ'ne Schaar jetzt, 
Die den Greis beſtatten will. 
Scheu verbergen ſich die Kinder, 
Ihre Mütter weinen ſtill. 

Und die Männer ſchau'n beklommen 
ach den fernen Uferhöh’n, 

Wo fie fürder diefen Frommen 
Nicht mehr bei fih wandeln feh’n. 


„Bon den Segeln tropft der Nebel, 
Auf den Buchten zieht der Duft! 
Betet! laßt die Seile fahren! 

Gebt ihn feiner naffen Gruft!“ 
Thranen fließen, Wellen raufchen, 
Grellen Echrei’s die Möve fliegt; 
In der See ruht, der die Erde 
Fünfzig Jahre lang gepflügt. 


110 


— — — — 


Der Waſſergeuſe. 


Die Nordſee hat den Todten 
An's Ufer ausgeſpie'n; 

Der Fiſcher ſieht ihn liegen, 
Und ſchreitet von der Dün’. 


Er drüdt aus feiner Schärye 
Das Waffer und das Blut; 
Er Lüftet ihm den Panzer, 
Und nimmt ihm ab den Hut; 


Den Hut mit bunten Federn, 
Mit Halbmond und Agraff, 
Meerfand verklebt die Umfchrift, 
Das: „Lieber Türf, als Pfaff!“ 


Was Lüfteft du den Panzer, 
Und trägſt den Mann an's Land? 
Nie mehr zu Schwert und Steuer 
Greift dieſes Ritters Hand. 





| 
| 
3 





111 


Als er, fih nahzufhwingen, 
Des Spaniers Bord gepadt, 
Beim Entern hat ein Schiffsbeil 
Die Kauft ihm abgehadt. 


Er ftürzte jäh zurüde; 

Das Meer begrüßt’ ihn dumpf. 
Hier warf’s ihn aus; noch blutet 
Der unverdbund’ne Stumpf. 


Nach Seelands Ufern ſchwemmt' es 
Den ritterlichen Leib. 

An Frieslands Küfte findet 

Die Hand ein blühend Weib. — 


Ein Anfer, ſchwarz und roftig, 
Dom Wellendunfte feucht, 
Steht aufrecht dort, ein Weiler, 
Wie weit die Meerfluth fteigt. 


Auf den ſich lehnend, ſpäht fie, 
Ob nicht ein Segel fchwillt, 

Ob nicht ein Wimpel flattert, — 
Recht wie der Hoffnung Bild. 


Da kommt die Hand geflogen, 
Als wär's zu Drud und Gruß. 
Die bleichen, ſtarren Finger 
Berühren ihren Fuß. 


Und an der Finaer. Einem 
Glänzt dunkelroth ein Stein; 
In den fieht man gegraben 
Die Falken und den Leu’n. 


ticht raufcht fortan den Seven 
Der Falken Flügelfchlag: 

Dies ift die Hand des Löwen, 
Der ihr zu Füßen lag; 


Für deflen Stirne fürder 

©ie feine Kränze fliht. — 

Es fängt fhon an zu dammern; 
Sch feh? ihr Antlig nicht. 


Sch fehe nicht, ob dunkel 

Ihr Aug’ in Thranen fchwimmt ; 
Doch ſeh' ich, wie.fie zitternd 
Die Hand vom Boden nimmt, 








cu 


men meifen Shleier 
Die blut’gen Nefte hüllt, 
Und heim wanft durch die Dünen, — 
SER mehr der Hoffnung Bild. 


#3 * 
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eiligrath, Gedichte. 





Eine Geufenwacht. 


Es war bei einem Zapfer 
Im Weichbild Rotterdams, 
Da becherten fie tapfer 

Sn Federhut und Wamms. 
Sie ritten nad Vliſſingen, 
Und wollten zieh'n vor Tag; 
Mit Trinken und mit Singen 
Hält man ſich leichtlich wach. 


Die Maas iſt zugefroren, 
Von Eis glänzt jede Gracht. 
Den Mantel um die Ohren 


Steht vor der Thür die Wacht. 


Eiszapfen, Schneegeträufel 
Liebt auch kein Hell'bardier: 
„Die Zapfen hol' der Teufel! 
Den Zapfen lob' ich mir!“ 


ud 











115 


Doch drinnen, aufzuthauen 

Den Frierer auf der Hut, 
Schallt’s: „Wilhelm von Naſſauen 
Bin ih, von deutfchem Blut. 
Ein Prinze von Dranien 

Bin ich frei unverwehrt! 

Den König von Hifpanien 

Hab’ ich allzeit geehrt.” 


Er ftellt fih vor die Scheiben 
Und fchaut in das Gemad: 

Da ift ein wüftes Treiben, 

Da fpricht man von der Sad’, 
Für die man zieh’n und fechten, 
Und Blut will laſſen gern. 

Sie reden und fie rechten, 

Die Enebelbärt’gen Herrn. 


Gefcheuert an den Wänden 
Reih'n fich die Fäſſer blanf; 
Die Wirthin mit behenden 
Schenfmädchen übt den Schanf. 





116 


hr Haar ſchmückt ftatt des Bandes 
Ein Goldblech, Frieg’rifch ſchier, 
Der Frauen: diefes Landes 
Gewohnte Schläfenzier. 








Das eilt fih — an den Tifchen 
Wird oft der Krug geleert, 
Da fißen die Neiter, zwifchen 
Den Knien ihr gutes Schwert. 
Wohl ift des Hutes Feder 
Bon Pulverdampf vergilbt, 
Doch Feed hat ihn ein Feder 
Auf's blonde Haar geftülpt; 


Und keck wird er gefchwungen, 

Der Wein fprikt in die Höh’, 

Bon fünfundzwanzig Zungen 
Vernimmt man; —— les Gueux!“ 
Und wenn die Krüge tröpfeln, 

Wenn jeder Kelch geleert, 

Dann werden mit den Klöpfeln 

Die Gläfer umgekehrt. 


a — 





117 


Dann gibr’3 ein helles Klingen, 
Dann werden Gloden draus, 
Dann läuten fie mit Singen 
König und Herzog aus. 

Dann «greift ein jeder Reiter 
Bon felbft nach feinem Schwert, 
Dann fingt ein jeder Lauter, 
Daß man ed weithin hört: 


„Raſch, fiebenzehn Provinzen, 
Stellt euh nun auf den Fuß! 
Empfanget nun den Prinzen 
Mit freundelihem Gruß! 
Stellt euch zu fein’n Panieren, 
Jeder als treuer Mann! 

Thut helfen verlogiren 

Duc d'Alve, den Tyrann! 


Nicht um euch zu verderben, 
Kommt er, dies treulich glaubt! 
Er läßt euch wied’rum erben, 
Was man euch hat geraubt. 


118 


Zu gut dem König von Spanien 
Thut offenen Beiftand 

Dem Prinzen von DOranien, 

Als feinem Leutenant. 


Sein’ Trommeln und Trompeten 
Bringen euch Fein Dangier!“ 

„Das klebt am Tifch, wie Kletten!” 
Spricht da der Helf’bardier, 

Gr ruft; „Nun laßt ung jagen 
Zum Grafen von Lume! 

Es fängt fhon an zu tagen, 

Auch leuchtet und der Schnee!“ 


Sie hören auf zu fchellen: 

„Ruft der uns fchon zu Hauf?“ — 
Sie ziehen aus den Ställen 

Die No’, und fißen auf. 

Es geht im fcharfen Trotte 

Durch die bereifte Früh’; 

Gen Süden von der Notte 

Zur Schelde traben fie. 











Terzinen 








Die iriſche Wittwe. 


Ich leſe wenig jetzt in Zeitungsblättern, 
Und will mich gern, daß ich es laſſe, ſchamen. 
Zuweilen nur, um das Trompetenfchmettern 
Bon den Gefhwadern Mina’s zu vernehmen; 
Und am Pirdus Ludwigs Sohn zu fchauen, 
Wie er ihn füllt aufs Neue mit Triremen; 
Um ſtill erfreut zu fegnen Deutfchlands Frauen, 
Die da ihr Scherflein bringen allerorten, 
Daß ihrem Sänger man ein Mal kann bauen; 
Und mit dem Herold an des Klofters Pforten 
Für Kaifer Franzen Einlaß zu begehren, 
Gerührt zu laufchen feinen legten Worten, 
Und die Gebete feines Volks zu hören; 
Um — an dem Tag, wo Er und zwei Genoflen 
Paris fich öffnen fahen ihren Heeren — 


122 
zum Nihein zu geh’n, zum Platz, wo man erfchoffen 
Eilf Männer Schills; — ein ehern Monument 
Wird heut enthüllt dort, wo ihr Blut gefloffen — 
Um Das und And’res, was ihr jeßt fchon Fennt, 
Aus minder Tröftlihem herauszufifchen, 
Nehm' ich zuweilen, was man Zeitung nennt. 
Sp faß ich auch, zwei Monden find es, zwifchen 
Kaufherrn und Schiffern auf dem Kaffeehaufe, 
Und blätterte, das Herz mir zu erfrifchen, 
Um mich herum war Summen und Gebraufe, 
Und laut Geruf; — fo grade lef’ ich gerne! 
Bier Sprachen hör’ ich nicht auf meiner Klaufe. 
Welſch, Danifh, Englifh — das erft bringt die Ferne, 
Bon der ich lefe, meinem Geifte nah. — 
So denn am Herd, vertrauend meinem Sterne, 
Land im Papiermeer fuchend, faß ich da. 
Nings auf den Tifchen Elapperten die Steine 
Des Domino; — „à Point!” und drauf: „Voint a!“ 
Begann der Zahler drüben fein Gegreine. — 
Nichts! — Umgefchlagen! — Ha, was ift dag? — Gott! 
Es lauft mir falt durch Adern und Gebeine. 
Täuſcht mich ein Traum? bin ich des Schreibere Spott? 
Nein, es ift wahr! es hat fich zugetragen! 
Ahr Tage find es kaum! ich hör’ den Trott 











123 

Der Neiter noch, die nach der Hütte jagen! 

Hört: weil ein irifch Weib, in Wirtwennöthen, 
Den Zehenten nicht zeitig abgetragen, 

Ließ ihr den einz’gen Sohn ein Priefter — tödten! 
Fünf Pfund! — ein Priefter! — einer Wittwe Sohn! 
Die Kippe bebt mir, aber nicht zu beten, 

Und die von felbit geballten Fäufte droh'n. 
Ohnmahtig Zürnen! — nennt es nicht fo! — ward 
Das Wort mir nicht, zu züchtigen den Frohn ? 

Dies Blatt ift einzig für die Gegenwart, 

Den Augenblid, fort weht es mit der Stunde; 
Doch um den Dichter drangen fich geichaart 

Die Enfel noch, was er mit feinem Munde 
Gebrandmarft, bleibt es; mächtig dringt das Lied 
Sn Ohr und Herzen, forgend, daß die Kunde 

Nicht untergeht. — Don Zornesloh’ durchglüht, 
Wollt’ ich das Bild mit feinen Fleinften Zügen — 
Da liegt der Sohn! ftarr! blutig jedes Glied! 

Der Fnie'nden Mutter greife Haare fliegen! — 

Euch augenblicklich vor die Seele ftellen, 
Treu, Strich für Stridb, und Feiner follte lügen. 

Es war fo leiht! es war Gedicht! — doch Schellen 
Des Neims zu hängen an dies Witrwenkleid — 
Sch mocht’ es nicht! So meines Zornes Wellen 


124 


Dammt’ ich zurüd in meine Bruft bis heut’, 
Und habe nicht im Liede fie ergoflen. — 
Set dene’ ich wieder an das Herzeleid 

Der Zitternden, der man den Sohn erfchoffen. 
Zwei Monden find eg — Eurze Zeit fürwahr! 
Und doch, in mir wie dammernd, wie zerfloffen 

Das düſt're Bild, wie farblos ganz und gar! — 
Sch fragte haftig nach dem alten Blatte: 
DBerflattert war es langft, und Keiner war, 

Der da bewahrt in feinem Herzen hatte 
Die Schandthat des Entweihers feiner Weihen. 
Da fuhr ich auf, warf zürnend auf die Latte 

Den Zeitungsſtoß; faſt wollt’ eg mich gereuen, 
Daß ich geſchwiegen, da noch friſch im Ohr 
Mir klang der Mutter herzzerreißend Schreien. 

Es iſt geſcheh'n! doch red' ich jetzt; — verlor 
Sich in mir auch des erſten Eindrucks Friſche, 
Doch-führ? ich das Entſetzliche euch vor, 

Auf daß nicht ganz die Seit fein Bild verwifche. 
Wer wehrt eg mir, daß Schatten ich befchwöre? 
Wohl red’ ich nicht, wie am Gefchwornentifche 

Die Wittwe fprach, berufen zum Verhöre; 

Mit beffern Worten fprach fie, und mit fchlichtern. 
Doch — vor der Hütte blißen die Gewehre! 





125 


Hört eine That, wie fie noch nicht von Dichtern 
Befchrieben ward! hört eines Prieſters Schmach! — 
So ſprach die Wittwe Ryan zu den Nichtern: 

„Sch war auf’s Feld gegangen jenen Tag, 

Unfern vom Dorf; e3 lag zu meinen Füßen. 
Und da mir Die gefagt: ich komme nad, 

So harrt’ ich fein. Auf einmal hört’ ich fchießen, 
Und durch die Dacher fah den Dampf ich weh'n. 
Da kam des Nahbars Weib mit haft’gem Grüßen; 

Die fragt’ ich zitternd: habt ihr Die gefeh’n? 

Sie ſagte: nein! doch drin im Dorfe wüthet 
Der ſchwarze Bill, und vor den Hütten fteh’n 
Dragonerhaufen, denen er gebietet. 
Mit Schwert und Feuer will er zücht’gen Jeden, 
Der nicht alsbald den Zehnten ihm vergütet. — 
Sch Feuchte heim, entſetzt ob ſolchem Neden; 
Sch felber ja noch fehuldete dem Harten. 
Denn ih bin arm! — Mißwachs und Hagelichäden — 

Mein Gatte todt — wohl müht in Feld und Garten 

Mein Die fih ab! o Gott, er war fo gut, 
Und feine Freude war es, mein zu warten! 
Doch wollte fih nicht mehren unfer Gut, 
Und dünn und dürftig fielen unfre Garben, 
Der Mann im Chorrod drüdt ung. bis auf's Blut 


| 





126 


Um ihn zu fatt’gen, mußten wir oft darben. 

Sch war ihm fchuldig grade jetzt fünf Pfund 

Und achtzehn Schillinge; — vor Chrifttag ftarben 
Zwei Kühe mir: dies des. Verzuges Grund, — 

Sch Fam in’s Dorf; da hielten die Soldaten, 

Da, Zehnten fordernd, ritt der Mann, dep Mund — 
Nicht uns! — das Wort lehrt! — Der und ſolche Thaten! 

Zertrümmert war die Pforte meiner Hütte; 

Sch war betäubt und wußte nicht zu rathen. 
Doch trat ich naher mit verzagtem Echritte, 

Und fprach fußfällig ihn um Nachſicht an. 

Er aber wies mich ab, und ſchwur, er ritte 
Nur mit dem Zehnten aus des Dorfes Bann; 

Er — doch mein Sohn? — es fallt mir ſchwer auf's Herz! 

Mas redet er nicht mit dem harten Mann? 
Mein Die! — die Nachbarn deuten fcheunenwärts, 

Wie ich den Namen meines Sohnes nenne. 

Sch fchreit’ hinein — ihr habt von Mutterfchmerz 
Wohl reden hören? — fehet, auf der Tenne 

Kalt, leblog liegt er, eine Sünglingsleiche, 

Vom Tod entftellt, doch kenn' ich ihn! ich Fenne 
Mein eigen Blut! — o Gott! — ich Enie, ich ftreiche 

Aus feiner Stirn das blonde, fehlichte Haar; 

Sch nehm’ die Hand, die blafle, marmorgleiche; 








127 


Die Arme fteif, dag braune Antlig war 
Bedeckt mit Faltem, Faltem ZTodesichweiße; 
Der Mund halb offen, doch des Odems baar, 

Und von den Augen ſah ih nur das Weiße; 
Born aus der ade quoll das dunfle Blut. 
D Gott, mein Sohn, mein einz’ger Sohn! ich reiße 

Das Hemd ihm auf, Einhalt zu thun der Fluth: 
Die Kugel war ihm recht durch's Herz gegangen. 
Beſchützen wollend feiner Mutter Gut, 

Hatt’ auf des Priefters Winf er fie empfangen. — 
Da lag er leblos auf den harten Steinen, 

Und Todtenbläffe lag auf feinen Wangen. 

Sch weinte nicht — o Gott, ich kann nicht weinen! 
Sch fah ihn an, und fah ihn an — fortiwenden 
Die glüh’nden Augen konnt' ich nicht von feinen 

Erftarrten Zügen — mag ich mit den Händen 
Sie auch bededen, mag ich feft fie fchließen, 

Doch feh’ ich ihn! — und ließet ihr mich blenden, 

Sch fäh? ihn noch, wie er zu meinen Füßen 
Sm Blute lag! — ich feh’ ihn Tag und Nacht, 
Doch Thränen, weh’ mir! Fann ich nicht vergießen. 

Schlaf? — feit dem Tage hab’ ich nur gewacht, 

Und meine ftarren alten Augen glüh'n, 
Zu fpringen droh’nd; doch feine fchloß ich facht 





128 


Mit diefer Hand; die Krieger draußen fehrien. 
Alfo geſchah's, ich hab’ euch Nichts verhohlen!“ — 
Sch bog mich fehürend vor in den Kamin, 

Und eine Thräne ziſchte in die Kohlen. 





129 


Die Griebin. 
December 1834. 


Der König fteigt von dem Gebirge nieder, 

Bon Vallifaren Eriegerifh umgeben. 

Sm Thal liegt Delphi. Schwärzlich von Gefieder 
Sieht einen Adler er voran fich fchweben. 

D du, von Dem am Thron des Donn’rers ftammend, 

Sei ihm ein Zeihen! — Mehr und mehr erheben 
Die Schatten fich; im Abendrothe flammend 

Die höchſten Zinfen nur auf dem Parnaffe, 

Sonſt Nebelihichten rings fchon im umdammend! 
Sie find in Delphi; da, vorn in der Gaffe, 

Stellt eine Greifin fih dem Fürften dar. 

Lang auf ibm ruh’n laßt fie das thranennafle, 


Freiligratk, Gebdidte. 9 


130 A Fa 


Berklarte Aug’; fchneeweiß wallt ihr das Haar! 
Ein Achtzigjähr’ger muß die Mutter fügen, 
Denn diefes ift ihr hundertzehntes Sahr. | 

Und alfo fpricht fie: „Magſt du. lange fißen, 

D König, auf dem neugebauten Throne! 
Mag lange Zeit auf deinen Locken bligen 

Des auferftand’nen Griechenlandes Krone! 

Von dir, wie würdig fie ein Fürft trägt, lerne 
Der Enfel noch von meines Enkels Sohne! 

Dein Volk vermehre fich, gleichwie die Kerne 
Der Aepfel des Granatbaums, meiner Spende! 
Bon deinem Ruhm erſchalle weit die Ferne!” — 

Und Otto nimmt, was zitternd ihm die Hande 
Der Greifin reichen: da bricht log der Schwarm; 
Die Fadelträger fchwingen ihre Brande; 

Mit Zweigen winfend, hebt fih mancher Arm; 

. Die Mädchen bringen frifche Blumenfronen, 
Der Aermſte fpendet — heut’ ift Keiner arm. 

Die am Parnaß und am Kithäron wohnen, 

Mir ihren Schwertern raffelnd ſteh'n fie de: 

„Dem Erften Heil von Griechenlands Ottonen!” — 
Sch hab’ es euch erzählt, wie es gefchah; 

Ihr habt e3 in den Blättern felbft gelefen, 

Ihr Eennt fie längft, die neue Pythia! 











131 

Doh mich hat Diefer Frau prophetiich Wefen, 

Mich diefer Zug des Herrichers tief bewegt. 
Erwacht ift Hellas! Hellas iſt genefen! 

Der lange blut’ge Traum ift aus — es fchlägt 
Die Augen auf, und vor ihm fteht ein Netter, 
Der auf die Kettenmale Balfam legt. 

Da regt Dodona’s Baum die heil’gen Blätter, 
Durch Tempe zieh’'n der Opfer Wohlgerüche, 
Vom Iſthmos dröhnt’s, wie Kampf und Horngefchmetter, 

Und wieder tönen der Drafel Sprühe — 

Hat nicht der Mund der Pythia geredet? 
Und Er, der fie vernahm, der Jugendliche, 

Durchzieht fein Land, vor Kurzem noch verödet, 
Herven gleih. Wie, mit dem Neftoriden, 

Des Sthafers, der Troja mit befehdet, 

Behelmter Sohn, als fie von Pylos fchieden, 
Erfcheint er mir. Er ruht auf Schlachtgefilden, 
Und Heldenfchatten wachen bei dem Müden. 

Er hört das Klirren von Spartanerfchilden ; 

Athen fein Haus! nach der Afropolis 

Tönt aus der Ferne Ludwigs Lyra! — — Gülden 
Erhebt die Sonne fih; an dem Gebiß 
Sieht ungeduldig man die Nenner nagen; 

Sie wiehern freudig, daß die Finfternif 


132 





Dem Morgen weicht; fie ftampfen und fie fchlagen — 
Doch fieh’, die Geißel nimmt Veififtratos. 
Delphi erwacht; der Fürft befteigt den Wagen, 
Staub wirbelt auf — Chaire, Telemachos! 








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Der Mlerandriner. 


Spring an, mein Wüftenroß aus Alerandria! 

Mein Wildling! — ſolch ein Thier bewältiget Fein Schab, 
Kein Emir, und was fonft in jenen 

Deftliben Ländern fih in Fürftenfätteln wiegt; — 

Wo donnert durch den Sand ein foldher Huf? wo fliegt 
Ein folher Schweif? wo folhe Mähnen? 


Wie es gefchrieben fteht, fo ift dein Wiehern: Ha! 
Ausihlagend, das Gebiß verachtend, ftehft du da; 

Mit deinem lofen Stirnhaar buhlet 

Der Wind; dein Auge blist, und deine Flanke ſchäumt: — 
Das ift der Nenner nicht, den Boileau gezäumt, 

Und mit Franzofenwiß gefchulet! 


136 





Der trabt bedächtig durch die Bahn am Leitzaum nur; 
Ein Heerftraßgraben ift die leidige Cäſur 

Für diefen feinen, ſaubern Alten. 

Er weiß, daß eitler Muth ihm weder ziemt noch frommt: 
Sp fehnäufelt er, und hebt die Hüflein, fpringt, und kommt 
An's and’re Ufer wohlbehalten. 


Doc dir, mein flammend Thier, ift fie ein Felfenriß 
Des Sinai; — zerbrecht, Springriemen und Gebiß! — 
Du jagft hinan — da klafft die Nike! 

Ein Wiehern und ein Sprung! dein Hufhaar blutet, du 
Schwebſt ob der Kluft; dem Fels entlodt dein Eifenfhuh 
Des Echo's Donner und des Kiefels Blitze! 


Und wieder nun hinab, wühl’ auf den heißen Sand! 
Borwärts, laß tummeln dich von meiner fichern Hand, 
Sch bringe wieder dich zu Ehren, 

Nicht achte du den Schweiß! — fie’, wenn es dämmert, len?’ 
Sch langfam feitwarts dich, und ftreichle dich, und trank 
Dich laffig in den großen Meeren. 











137 


Vier Roßſchweife. 
Im Eilwagen am 15. Juli 1832, x 


Drei Stutenfchweife weh’n, der gold’ne Halbmond blinft; 
Im Bügel hebt fi hoch, den Damascener fhwingt 

Der ftolze Paiha von Aegypten. 

Ein Hengitichweif, lang und ſchwarz, auf einem blanfen Spiep 
Weht flatternd vor dem Zelt des Dei’s von Tripolis, 
Beihüßt von feines Heers Gelübden. 


Ein Mamelufentrupp, mit Waffen fehwer bepadt, 

Im Gurt Piftel und Dolch, die krummen Säbel nadt, 
Bewacht die taufendhaar’ge Fahne. 

Der Feldherr fißt im Zelt, fein Auge glüht vor Luft; 
Er lehnt fein bärtig Haupt an einer Sklavin Bruft 
Auf goldbefrangter Ottomane, 


138 








Mir fpannt man Fein Gezelt; an meine Wange fchmiegt 
Sich Fein Tſcherkeſſenkind! Fein Kanzenreiter wiegt 

Für mich den Fuß im gold’nen Neife; 

Kein Halbmond ward mein Kohn nach einer Perferfchlacht — 
Doch vor mir, ſtaubumwölkt, auf Fliegenmord bedacht, 
Weh’n lang und dicht vier Nappenfchweife. 


Mir raufcht der Bospor nicht, wie Stambuls Padiſchah; 
Mir bluter nicht, wie einft dem Herrn von Janina, 

Der Feinde Haupt auf ſpitzen Öattern; 

Kein Scheif der Wüfte bringt mir feines Landes Zoll — 
Doch mir, wie jenen, fliegt vierfaches Schweifgerol! 
Glückauf! zur Heimath weht fein Flattern! 





139 


Afrikaniſche Huldigung. 


eh lege meine Stirn auf deines Thrones Stufen; 

Sch führe diefes Heer von hunderttaufend Hufen, 

Sch führe diefen Raub und diefen Sklaventroß, 

Sch führe diefe Schaar von Ningern und von Schüßen, 
Die mit dem Dolch gewandt den Bauch der Feinde ichlißen, 
Zurüd, o König, vor dein Schloß! 


Gewonnen ift die Schlahr! Wir waren gute Schlachter! 
Der Feinde König fiel, ein fchlanfer, wilder Fechter; 
Sein langer Hals war nadt, mein Säbel fchnell und fcharf. 
Im Sande liegt fein Rumpf, der Tigerin zum Mahle. 
Erlaube, daß ich dir auf diefer gold’nen Scale 

Sein triefend Haupt verehren darf. 





140 


Es trieft von Dele nicht, von Narden und von Salben: 
Es trieft von rothem Blut, Gebieter! deinethalben! | 
Doch dir zum Salböl wird dies dunkle Dfehaggasblut. | 
Sch ſalbe dich zum Herrn des Neiches, das ich raubte; 
Die volle Schale leer’ ich über deinem Haupte 

Auf deiner gold’nen Krone Glut. 








Und jene, die gezadt und blank mit gelbem Scheine 
Dies todte Haupt umblikt, jeßt ſchmücke fie das deine! 
Heil, daß ich ihren Glanz auf deiner Stirne feh’! — 
Führt die Gefang’nen vor! fehwingt die gewicht’gen Keulen, 
Und durch Trompetenfhall und der Erfchlag’nen Heulen 
Jauchzt: Heil dir, Fürft von Dahomeh! 


J 


141 


Florida of Boston. 


28. Mür; 1833. 


Das Weltmeer trug dich gern; du fchwimmft am Ziel 
der Reiſe. 

Dies ift des Hafens Thor! — nur noch durch diefe Schleufe, 

Und deinen Kupferbauch umplätichert das Baſſin! 

Wie fih auf dem Verdeck die rüft’gen Lootfen drangen! 

Zur Arbeit fingen fies — einfah, mit rauhen Klängen 

Schallt über’s Waffer der Refrain! 


Bugfprier und Maften Eahl; die Segel find mit Schnüren 
Zu Bündeln eingerefft; — hier gilt es, zu bugfiren! 
Die Anferwinde Enarrt, das Schiff rüdt langfam vor. 
Raſch mit den Speichen dreht fich Weißer und Mulatte, 
Und majertätifch zieht die fchwanfende Fregatte 


| Durch das weitoff’ne Schleufenthor. 


142 


Bon oben Eann ich jekt auf fie hinunterfchauen; 
Mit ihrem Takelwerf, mit ihren mächt’gen Tauen 
Grreich’ ich fie beinah’ mit ausgeftredter Hand, 

Vor mir und unter mir der Schiffer gelbe Hüte; 
reufundlands Dogge heult am Eingang der Kajüte, 
Und blickt umher, und will an's Land. 


Auf einer Tonne fißt der Steuermann am Steuer; 

Hier liegt das lange Boot, dort flammt das Küchenfeuer; 
Der Schiffskoch, Mais im Korb, tritt an den Hühnerftall, 
Mit voller Hand laßt er die Frucht durch's Gitter raufchen; 
Die Hennen drangen fich, und piden und belaufchen 

Der transatlant’fchen Körner Fall. 


Und trogig über euch, ihr Meeranacoreten, 

Ihr Klausner auf der See, die ihr zwar fchlecht zu beten, 
Doch gur zu fluchen, und im Sturm zu läftern wißt, 
Auf dem DBefaanmaft hoch feh’ ich der freien Staaten 
Kothftreif’ge Flagge weh’n, wie fie der Hanfeaten, 
Holländer, Danen Flaggen grüßt. 








ee 143 


Der weißen Sterne Schein glänzt in der blauen Feldung; 
Sie bringt der alten Welt von einer neuen Meldung, 


An deren grünem Strand das Schiff vorüberzog. 


Sie jab den Strom des Golfs; fie ichredte den Flamingo 
Den icbarlahfarbigen, al3 er von Sanct Domingo 
Gen Norden zum Obio flog. 


Dort, und am Erie-See, bei fleiß’gen Colonijten 

Und Bibern will er ſtill an dem Geſtade nijten, 

Bis wieder ihn zurüdf gen Süden treibt das Eis. 
Dort ſchwebt in Zügen er um dunkler Berge Firnen; 
Wie Indier ſteh'n fie da: — um ihre braunen Stirnen 
Wallt brennendrotb ein Federfreis. 


Dort rudern ungejtört Canada's wilde Schwäne 
Auf dem Ontario, wo der Huronen Käbne 


Am Ufer liegen. — Halt! verftummt ift der Refrain! 
- Im Schiffe wird es till — jeßt tritt es aus der Schleuie 





Beipült das ſchirmende Baſſin. 


Hervor — ein Huſſaruf! und feine Planfen leiie 





. 


144 


Der Schwertfeger von Damaseus. 


Ein hoher Gaft trat heut? in meine nied’re Schmiede, 
Der Fürft der Gläubigen, der tapf’re Abbaffide! 

Sn mein Gewölbe fehritt der bartige Kalif! 

Sein glänzendes Gefolg fah man mein Haus umringen; 
Er aber wählte fich die feharffte meiner Klingen 

Mit diamantbefegtem Griff. 


Die Waffe ließ er fich an feinen Gürtel binden, 

Und fprengte faufend dann die grünen Tamarinden, 

Den Sonnenfohirm des Markts, entlang mit feiner Schaar. 
Der Staub des Weges flog, gefegt von Stutenbaucen; 
Der Neiter Ferfe faß in den befhäumten Weichen, 

Und Staunen faßte den Bazar. 








145 


Ich kreuzte demuthvoll auf meiner Bruft die Arme, 
Und fah vor meiner Thür dem friegeriichen Schwarme 
Bis an die Pforte nach, die gen Aleppo führt: 

„D mächtiger Prophet, befhüge deinen Enfel, 

Und gib, daß lange.noch die Starke feiner Schenfel 
Sein Beduinenroß regiert! 


Und du, mein frummer Stahl, leb’ wohl, aus meiner 
dunfeln 

Werkſtatt ziehit du hinaus! In Schlachten on: du 
funfeln! 

Bald Elirrft du, wo dein Blig ein Volk von Reitern lenkt! 

Da ſchwärmen durch den Sand ſpießwerfende Geſchwader, 

Den wilden Roſſen ſchwillt vor Kampfluſt jede Ader, 

Und alle Zügel find verhängt. 


Da ſiehſt du, zahllos wie der Sand, auf den fie treten, 
Des Feindes Heere nah’n den Kindern des Propheten. 
Durch unfre Reihen fliegt anordnend der Weflir. 

Noch wartet der Kalif. — Da fchmettern die Fanfaren, 
Und feine Linfe läßt den Zaum des Hengites fahren, 
Und feine Rechte fährt nach dir. 


Freiligrath, Gedidte. 10 


146 


Dann fehwelaft in Blute du, geführt von der geballten 
Kalifenfauft, und dampfft, und züngelft aus den Falten 
Des Aermels, der die Hand des Mächtigen bededt, 
Wie in Arabien und auf den Öden, flachen 
Sandftreden Soriftang aus eines Schafald Rachen 

Die biutgetränfte Zunge ledt. 


Dann zudft du himmelan, wie eine rothe Flamme, 
Bei deren Lodern Nachts ein Dichter feinem Stamme 
Bon Genien und Feen erzählt am rothen Meer. 

Und diefe Flamme, die den Orient entzündet, 

Und bald im Dceident des Oftens Macht verfünder — 
Ans meiner Eſe ſtammt ſie her!“ 








147 


Der Scheif am Sinai 
im Spütjahr 1830. 


Tragt mich vor's Zelt hinaus ſammt meiner Ottomane 
Sch will ihn ſelber ſeh'n! — Heut’ kam die Karavane 
Aus Afrika, fagt ihr, und mit ihr das Gerücht? 

Tragt mich vor’s Zelt hinaus! wie an den Waſſerbächen 
Sich die Gazelle legt, will ich an feinem Sprechen 
Mich legen, wenn er Wahrheit fpricht.“ 


Der Scheif faß vor dem Zelt, und alfo ſprach der Mohre: 
„„Auf Algiers Thürmen weht, o Greis! die Tricolore, 
Auf feinen Zinnen raufht die Seide von yon; 

Durch feine Gaffen dröhnt früh Morgens die Neveille, 
Das Roß geht nah dem Takt des Liedes von Marfeille — 
Die Franfen famen von Toulon. 


148 


Gen Süden rüdt das Heer in blißender Kolonne ; 

Auf ihre Waffen flammt der Barbaresfen Sonne, 
Tunefer Sand umweht der Pferde Mahnenhaar. 

Mit ihren Weibern flieh’n die Enirfchenden Kabylen; 
Der Atlas nimmt fie auf, und mit dem Fuß voll Schwielen 
Klimmt durch's Gebirg’ der Dromedar. 


Die Mauren ftellen fich; vom Streit gleich einer Eſſe 
Glüht ſchwül das Defile, Dampf wirbelt durch die Päſſe; 
Der Leu verläßt den Neft des halbzerriff’nen Reh's. 

Er muß fih für die Nacht ein ander Wild erjagen. — 
Allah! — Feu! En avant! — Keck bis zum Gipfel fchlagen 
Sich durch die Aventuriers. 


Der Berg trägt eine Kron’ von blanfen Bajonetten; 
Zu ihren Füßen liegt das Land mit feinen Städten 
Vom Atlas bis an's Meer, von Tunis bis nah Fe. 
Die Neiter fißen ab; ihr Arm ruht auf den Croupen; 
Ihr Auge fchweift umher; aus grünen Myrtengruppen 
Schau’n dünn und ſchlank die Minarets. 


149 


Die Mandel blüht im Thal; mit fpisen, dunfeln Blättern 

Troßt auf dem Fahlen Fels die Aloe den Wettern; 

Gefegnet ift das Land des Bey's von Tittery. 

Dort glänzt das Meer; dorthin liegt Franfreih. Mit 
den bunten 

Kriegsfahnen buhlt der Wind. Am Sündloh glüh'n die 
Lunten; 

Die Salve kracht — ſo grüßen ſie!““ 


„Sie ſind es!“ ruft der Scheik — „ich focht an ihrer Seite! 

O Pyramidenſchlacht! o, Tag des Ruhms, der Beute! 

Roth, wie dein Turban, war im Nile jede Furt. — 

Allein ihr Sultan? ſprich!“ er faßt des Mohren Rechte; 

„Sein Wuchs, ſein Gang, ſein Aug'? ſah'ſt du ihn im 
Gefechte? 

Sein Kleid?“ — Der Mohr greift in den Gurt. 


„„Ihr Sultan blieb daheim in ſeinen Burggemächern; 
Ein Feldherr trotzt für ihn den Kugeln und den Köchern; 
Ein Aga ſprengt für ihn des Atlas Eiſenthür. 

Doch ihres Sultans Haupt fieh’ft du auf diefem blanfen 
Goldſtück von zwanzig Francd. Ein Neiter von den Franfen 
Gab es beim Pferdehandel mir!” 


150 


Der Emir nimmt das Gold, und blickt auf das Gepräge, 

Db dies der Sultan fei, dem er die Wüſtenwege 

Bor langen Sahren wies; allein er feufzt und fpricht: 

„Das ift fein Auge nicht, das ift nicht feine Stirne! 

Den Mann hier Fenn’ ich nicht! fein Haupt gleicht einer 
Birne! 

Der, den ich meine, tft es nicht!““ 





151 


Um Kongo. 


Sultanen, zaudert nicht! es gilt ein Feſt zu feiern! 
Berauſcht mit Palmwein euch aus halben Straußeneiern! 
Schmückt euch, wie jenen Tag, an dem des Harems Thor 
Sich vor euch öffnete! entfaltet eure beſten 

Gewande! kleidet euch, wie ſonſt bei hoben Feſten! 

Ein großes Glück ſteht euch bevor! 


Die Menge draußen jauchzt, und die Batuken ſchallen, 
Vom vollen Nacken laßt den falt'gen Scharlach wallen! 
Hängt die Korallen um, aus denen Feuer ſprüht! 

Die rothe Erde nehmt, die Wangen zu beſtreichen! 
Laßt euer Angeſicht dem Morgenhimmel gleichen, 
Wenn er in dunkler Röthe glüht! 


152 
Singt euer froh’ftes Lied! Tanzt durch die Palaftthüren 
Sn das Gewühl hinaus! zum Strome laßt euch führen, 
Wo um den König fich gelagert hat das Heer. 
Er ift zurücdgefehrt aus feinen Wüftenfchlachten, 
Ihr feufztet oft nach ihm; — geftillt wird euer Schmachten! 
Fortan verläßt er euch nicht mehr! 


Ihr feid beneidenswerth! zu allen Tageszeiten 

Wird er jebt bei euch fein; er braucht nicht mehr zu 
ftreiten; 

Das ganze Land ift fein, bis wo der Kongo quillt. 

Kichts liegt ihm fürder ob, als unter euch zu weilen; 

Für immer wird er jeßt mit euch das Lager theilen — 

Dort liegt er auf dem Kupferfchild! 


Fahrt nicht zurüd! er ift’s, der Wildefte der Dſchaggas! 

Wohl gleiht fein Mantel jekt dem ftreif’gen Fell des 
Duagga’s; 

Blutftreifen zieren ihn! wohl ift fein Auge ftarr! 

Wohl ift fein Arm gelähmt, der ung den Sieg erfochten! 

Wohl fteh’n die Pulfe ftill, die einft fo feurig pochten 

Bei Tamtamklang und Hufgefcharr! 





153 





Er bat den Sieg erfauft mit feinem eig’nen Blute; 
Kein Geriot, Fein Grisgri und feine Zauberruthe 
Erwedt ihn; durch dies Grab will er von binnen zieh’n 
In das glüdfel’ge Land, wo die Gejtorb’nen wohnen; 
Wo ftatt des Thaues Blut auf Gras und Blumenfronen 
Glänzt; — Heil euch, ihr begleitet ihn! 


Wohl zög’ er zürnend noch empor die finftern Brauen, 
Fänd’ er im Grabe nicht die dreimal fünfzig Frauen, 
Die lebend er umarmt! — wir fenden euch ihm nad! 
Seht, wie fein Auge zudt! mit grünen Palmenzweigen 
Bedeckt den Harrenden! tanzt, und im wirrften Neigen 
Empfangt Schwertftreih und Keulenfchlag! 


ee 


154 


Seipi». 


Mate, du bift fehr reich! dein Saal ift voll von Pagen; 
Zweimal zehn Meilen zieh’n am Fluſſe die Plantagen 
Sich hin, wo man für dich die Baumwollftaude bau’t ; 
Wo man das Zuderrohr für dich mit Meffern fchneidet, 
Wo feine Kraft für dich der Kaffeebaum vergeudet, 

Wo in den Raum des Schiffs man deine Ballen ftawt. 


Maſſa, du bift fehr reich! wenn unter den Agaven 

Der Vogt zufammenruft die Menge deiner Sklaven, 
So faßt fie faum der Plaß vor deinem Steinpalaft. 
Zwölf Pferde reiteft du; fünf Schiffe find dein eigen; 
Sie tragen deinen Ruhm in alle Welt; es zeigen 

Den Namen, den du führft, die Flaggen hoch am Maſt. 














155 


Maſſa, du bift fehr reich! die Tochter des Greolen, 

Leicht, wie am Mondgebirg der Zebraftute Fohlen, 

Dient dir; — o, welh ein Mund, o, welh ein Aug’! 
welh Haar! 

Sie trägt ein Kleid von Flor, gefärbt mit Cochenille; 

Erröthend reicht fie dir den braunen, mit Vanille 

Gewürzten Frübetranf der Cacaobohne dar. 


Maſſa, du bift fehr reich! dein Jagdhund beißt Diana; 

Hat je ein Hund, wie der, die Wälder von Guyana 

Durchrannt und ftöbernd das Tajaſſu aufgefpürt? 

Weit trägt dein Doppellauf; dem hundertfarb’gen Fittig 

Des Tukans ruft er: „Halt!“ — Du fagft, er fen von 
Lüttich; 

Mit einem Hirfchkopf ift der braune Schaft geziert. 


Maſſa, du bift fehr reich! wenn drüdend heiß aus Werften 
Der ſchwüle Landwind weht, verichläfft du in Sieften 
Die Glut, der reihite Mann in Paramaribo. 

Halbnadt liegft du auf der Vicunnawolle Quito’; 

‘ch ftehe neben dir und fcheuche die Moskito's; 

Ich bin dein Lieblingsfflav; du nennft mich Scipio. 


156 


Maſſa, du bift fehr reich! Dongola’s Fürften äßen 

Die Speifen, die dein Koch in filbernen Gefäßen 

Auf deine Tafel feßt, o Herr, zur Mittagszeit. 

Dein Tiſch ift voll vom Gut des Landes und der Tiefen; 
Das würz’ge Schwalbenneft der fernen Lakediven 

Und Selt’neres ift dir, Herr, Feine Seltenheit. 


Maſſa, du bift fehr reich! wer zählte die Gerichte, 

Womit man dich bedient, den Wein, die faft’gen Früchte? 

Aus deiner Küche tönt den ganzen Tag Geräuſch. 

Doch ein Gericht, v Herr, fehlt dir, dein Mahl zu krönen; 

Kein and'res kommt ihm gleich an Wohlgeſchmack; die 
Sehnen 

Stärkt es; o, zürne nicht! — ich meine Menſchenfleiſch! 











157 


Un das Meer. 


O Meer, verlieh'ſt du nicht den brennendrothen Saft, 
Den heil’gen Purpur, draus man Kön’gen Mäntel fchafft, 
Den Männern von Beryt und Tyrus? 

D finft’res Meer, lag nicht in deiner grauen Fluth 

Die dunfle Röthe, die mit königlicher Glut 

Umfloß den Heldenleib de3 Cyrus? 


O du, des fhwärzlihen Meergottes farb’ger Sohn, 

Purpur, bededteft du nicht Aleranders Thron 

Im Land der under und der Schthen? — 

D Meer, dein dunfler Schooß verbirgt ein Labyrinth 

Bon Wundern; — ift nicht auch die Perl’, o Meer, dein 
Kind? 

Gebarft du nicht ſelbſt Aphrodite'n ? 


158 


‘a, du bift reich! ich fah bis auf den Grund dich, Meer! 
Wie dem von Sidon du die Mufchel gabit, daß er 

Den Purpur auf die Wolle drüde: 

Sp haft du meinem Blick dein Inn'res aufgethan, 

Sp ließeft du im Geift mich deine Pracht empfah'n, 

Auf daß fie meine Lieder ſchmücke. 


Die alten Schäße, die auf deinem Boden ruh'n, 

Die Horte, die man einft in dich verfenft, die Truh'n, 
Die durch das blaue Waſſer blißen; 

Die Dracden, deren Mund blutrothe Flammen fpeit, 
Die, Scepter in den Klau’n, im Scharlachichuppenfkleid 
Das anvertraute Sur befchüßen; 


Die Schlange, deren Leib, aleichwie ein Meridian, 

Die halbe Welt umfpannt, die Keines Augen fah’n, 

Als meine, die mit fieben Zungen 

Das Eis des Nordpols leckt (— es ſchmilzt von ihrem 
Hauch, 

Die Gleicherfonne fengt durch's Waſſer ihren Bauch, 

Den Südpol halt ihr Schweif umfchlungen); 





159 





Die Städte, die dein Mund in feine Tiefe ri — 
Als Wächter ſteh'n am Thor und fletichen das Gebiß 
Meermänner mit blutgier’gen Bliden —); 

Den Seepolppen, der mit haar’gen Armen zudt, 
Den Leviathan, der den Mond dereinft verichludt, 
Wenn er vom Himmel fällt in Srüden; 


Das Grab Neptuns — in das, als er geftorben war, 
Als ihn Fein Steuermann mehr rief in der Gefahr, 
Als jeder fih an Heil’ge wandte, 

An Fiichefänger auf dem See Gengzareth, 

Und nicht an ihn mehr, dem der Aethiop das Fett 
Bon hundert Stieren einft verbrannte — 


Sein Grab, in welches ihn ertrunf’ne Nömer und 
Hellenen — fie auch, die der rothaefärbte Sund 

Bon Salamis verfchlang — begruben, 

Sich drüber legten, und — o, weld ein Leichenftein! — 
Aus ihrem eigenen verwitterten Gebein 

Dem todten Gott ein Mal erhuben; 


Die Flafchen, die der Ring des Salomo verfchloß, 
Die feit Sahrtaufenden dein Waſſer ſchon umfloß; 
Die Krüge, glafern oder irden, 

In denen Geiſter find, entfeklich. von Geſtalt, 
Die losgelaffen dich, v Weltmeer, wie Asphalt 
Sn lichte Flammen feßen würden! — 


AP Hab’ ich es gefeh’n! — du haft dich mir gezeigt, 
Auf dag mein Mund von dir und deinen Wundern zeugt, 
Uraltes Meer, vor meinem Sterben. ' 

Du reichft den Purpur mir: mein Lied ift dad Gewand, 
Auf dem er glühen fol, ich tauche mit der Hand 

In deine Fluth, mein Lied zu färben. 


Sieh’, wie es funfelt! fieh’, fchon glänzt es purpurroth, 


Schon glüht es farb’ger, als die Flagge, die das Boot 
Aus China ſchmückt vor Surabaya! 

Schon geht es, buntgefchuppt, in feiner Pracht einher; 
Dem Goldfifch ift es gleich, dem bligenden, wenn er 
Sich fonnt im Bufen von Biscaya. 


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161 


Schiffbruch. 


Fragment. 


Wohl wünſch' ich Vieles mir; doch, wär' ich ein Matroſe, 

Dann wünfcht’ ich einen Sturm und eine Waſſerhoſe 

Im fernften Südimeer mir; dann wünſcht' ich, daß mein 
Schiff 

Der zürnenden Gewalt des Trombengeifts verfiele, 

Daß, maft: und fegellos, es ſäße mit dem Kiele 

Gefpießt auf ein blutrotb, thurmhoch Korallenriff. 


Des Meeres Arme find die zadigen Korallen ; 

Aus feiner Tiefe ftredt es fie, wie blut’ge Krallen, 
Nach den belafteten DOftindienfahrern aus; 

Und hat es fie gefaßt, dann halt fie es den Schlägen 
Der Stürzfluth und dem Zorn des Tropenfturms entgegen, 


Und reißt fie jauchzend in fein wunderbares Haus. 
Freiligrath, Gedichte 11 


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162 


Die Wände feines Saals — Eisberge! glänzend ftehen 
An beiden Polen fie! — bedeckt es mit Trophäen: 
Der Schiffe Flaggen und zerriff’ne Segel ſind's. 

Ha! war’ ein Schiffer ich, dann wollt’ ich, fo verfänfe 
Mein Schiff, gefchleudert auf die ſcharlachrothen Bänke 
Des unbefannteften und fernften Labyrinths 


Bon Südfeeinfeln, die, wie unbewegt das flache, 

Saftgrüne Lotosblatt auf einem ftillen Bache 

Schwimmt, auf dem Meere ruh’n; fie fhlummern auf 
der Fluth, 

Schilfgürtel tragen fie und Kofospalmenfronen, 

Die pracht’gen Vögel, die hoch auf den Kronen wohnen, 

Sind das Geftein daran, goldgelb und roth, wie Blut. 


Wie Kinder ruh’n fie an der Bruft des Oceanes, 

Sie lächeln durch den Sturm, die Stimme des Drfanes 
Stört ihren Schlummer nicht ; des Meeres ſchäumend Naß, 
Das fie mit Untergang bedroht, macht fie nicht zittern: 

Sp lächelnd fehlummerte, inmitten von Gewittern, 

Der Sohn des Menfcen einft auf dem Tiberias. 


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163 


Anno Domini ........- ? 


Hirt mich, Kleinglaubige! — wie vormals im Gefilde 
Der Marne bei Chalons die Sünderin Brunhilde 
Durch Knechte binden ließ mit ihrem grauen Haar 

An einen wilden Henaft, daß an dem dichten Schweife 
Er galoppirend fie durch's Franfenlager fchleife, 

Der Sohn des Ehilperich, der andere Ehlotar; 


Der Hengft riß wiehernd aus; die Hinterhufe ſchlugen 
Das nacgefchleppte Weib: verrenft in feinen Fugen 
Ward jedes Glied an ihr; um ihr entitellt Geficht 
log ihr gebleichtes Haar; die fpißen Steine tranfen 
Ihr Eöniglihes Blut, und fchaudernd ſah'n die Franken 
Shlotars, des Zürnenden, erichredlih Strafgericht; 


164 
Jetzt auf ihr Antliß, das blutrünft’ge, fiel der rothen 
Wachtfeuer Glut, die da vor jedem Zelte loh’ten; 
Jetzt wufch mit eifgem Guß den Staub von ihrer Stirn 





Ein Arm des Marneftroms; weit vorgequollen ftierte 
Ihr Aug', und das Kameel, drauf man ſie Morgens führte 





Durch's ganze Heer, ward jetzt beſpritzt von ihrem Hirn: 


So wird dereinſt, hört mich, ihr Kalten und Verſtänd'gen, 
Der Herr ein feurig Roß, das flammend in unbänd'gen 
Courbetten ſchießt durch den Abgrund des Raumes hin, 
Den feurigſten von den Kometen wird er ſenden, 

Und wird an deſſen Schweif mit ſeines Zornes Händen 
Die Erde feſſeln, die bejahrte Sünderin. 


Aus ihrer Bahn, die fie ſklaviſch hat wandeln müſſen 
Vom Anbeginn, wird fie durch feine Kraft geriflen; 

Sie muß ihm folgen als Trabant; tief in den Raum 
Schleift er fie mit fich fort; er fehnaubt, und Funfen 

fprühen 
Durch's Al; fein Schweif durchweht es ſtolz; denn mit 
fich ziehen 
Die Erde darf er — Gott verhängte feinen Zaum. 





165 





Wer halt den Raſenden? — die Sonne tritt zurüde, 
Und fteht zuleßt fo fern, daß fie nicht Eines Blicke 
Mehr fihtbar ift; dann wird es Falt und finfter fein, 
Und jezumweilen nur, wenn fie den Grenzen neuer, 
Entfernter Sonnen nah'n, wird, wie des Lagers Feuer 
Dem Antliß der Brunhild, fo diefer Sonnen Schein 


Dem zudendeg Geficht der Erde, der halbtodten, 

Ein fladernd, gräßlich Licht zumwerfen; im blutrorben 
Gewande ſteht alsdann der Himmel; fiedend zifcht 

Die See. Vorüber fchießt der Wilde, von der Hiße 
Gejagt. Nacht folgt aufs Neu dem momentanen Blike; 
Schwarz wird die Erde, gleich der Kohle, die erlifcht, 


Und bebt vor Käkte; bis, wenn lange Zeit verronnen, 
Sie wieder deine Glur fühlt, mildefte der Sonnen, 
Einft ihre Mutter du! Bei deinem erften Strahl 

Zudt fie vor Luft; das Eis zerfchmilzt, die Quellen rinnen 
Wie Freudentbränen; doc zum andern Mal von binnen 
Meipt fie das Flammenroß, und neu wird ihre Qual. 


166 


Doch endlich wird geleert fein deines Zornes Schale, 

D Herr! — du winfft! — fie brennt! fie glüht zum 
| erften Male 

In eig’nem Licht, doch ift e3 eines Dochtes Brand, 

Der fih durch Glüh'n verzehrt. Die Schöpfung fieht mir 

Staunen 
Das Sterben einer Welt; alsdann hört man Pofaunen, 
Und die Wagfchale fehwebt in des Weltrichters Hand. 


\ 


Ein Flammengürtel blißt und wallt von Pol zu Pole; 

Die Berge ftürzen fich mit Zifchen in die Soole 

Des Meer3; bis an den Mond weht Lohe, Schaum und 
Rauch, 

Und — doch, dann will ich mich empor im Grabe richten, 

Und will, wenn ich es kann, dies Lied zu Ende dichten — 

Sch zitt’re; mit der Hand beded ich Stirn’ und Aug’. 








167 


Henry. 


Ein öd' und trüb' Gemach; der Abendſonne Schein 
Bricht durch's vergilbte Glas der Fenſter fahl herein; 
Matt durch die matten Scheiben bricht er. 

Ein Feldbett und ein Tiſch; ein Seſſel auch; und hier 
Ein Sarg — was zitterſt du? ſei ſtark, und folge mir! 
Laß ung betrachten zwei Gefichter. 


Sieh’ auf dem Tiſch dies Bild! — ein Mädchen! — o 
wie hold! 

Dies Auge! diefer Mund! und diefer Koden Gold! 

D, diefer Liebreiz, diefe Milde! 

Ein himmelblaues Band umfängt den fchlanfen Leib; 

Die jungfräulihe Bruft...... Liebt mich einmal ein Weib, 

D Gott, fo gleich’ es dieſem Bilde! 


168 


Nun aber wende dich! Sieh’ da den Todtenfchrein! 

Ein Füngling ruht in ihm; — aus weißen Laken drau'n 
Die ftarren, gramzerriff’nen Züge. | 
Ein tiefer, ftiler Schmerz umzudt den bleihen Mund; 
Doch gab den innern Sturm nie diefe Kippe fund — 





Er wollte, daß ſie ewig fchwiege. 


Zurück das Leichentuh! — Siehft du in feiner Hand 

Den blut'gen Dolh? — Sei Mann! entferne das Ge 
wand! — 

Sein Herz die Scheide diefes Dolches! 

Einmal betrachte noch dies lachelnde Geſicht, 

Und dann dies fchmerzliche! — Nun fomm! doch frage nicht: 

Um folch’ ein Angeficht, o Gott, warum ein folches? 





Dermifchte Gedichte. 





Im Walde. 


Geh ich einſam durch den Wald, 
Durch den grünen, düſtern, 
Keines Menſchen Stimme ſchallt, 
Nur die Bäume flüſtern! 


O, wie wird mein Herz ſo weit, 
Wie ſo hell mein Sinn! 
Maͤhrchen aus der Kinderzeit 
Treten vor mich bin. 


Fa, ein Zauberwald it hier! 

Was hier lebt und wacht, 

Stein und Blume, Baum und Thier, 
Alles ift verbert. 


Die auf dürren Laubes Gold 
Sich hier fonnt und finnt, 
Diefe Natter, Frausgerollt, 
Iſt ein Königskind. 


172 


Dort, in jenen dunfeln Teich, 
Der die Hindin tranft, 

Iſt ihre Palaft, Hoch und reich, 
Tief hinabgefenft. 


Den Herrn König, fein Gemahl, 
Und das Burggefinde, | 

Und die Nitter allzumal 

Halten jene Gründe; 


Und der Habicht, der am Nand 
Des Gehölzes fehwebt, 

Iſt der Zaub’rer, deffen Hand 
Diefen Zauber webt. 


O, wüßt ich die Formel nun, 
Sp den Zauber löſ't: 

Gleich in meinen Armen ruh'n 
Sollte fie erlöft, 


Bon der Schlangenhülle frei, 
Mir der Krone blank, 

In den Augen füße Scheu, 
Auf den Lippen Dank. ' 





173 





Aus dem Teiche wunderlich 
Stiege das alte Schloß; 
An's Geftade drangte fich 
Ritterlicher Troß. 


Und die alte Königin 

Und der König, beide, 

Unter ſamm'tnem Baldachin 
Säßen ſie; der Bäume Grün 
Zitterte vor Freude. 


Und der Habicht, jetzt gewiegt 
Von Gewölk und Winden, 
Sollte machtlos und beſiegt 
Sich im Staube winden. — 


Waldesruhe, Waldesluſt, 
Bunte Mährchenträume, 

D, wie labt ihr meine Bruſt, 
Lockt ihr meine Neime! 


Die Tanne 


( 


1 


Auf des Berges höchſter Spitze 
Steht die Tanne, ſchlank und grün; 
Durch der Felswand tiefſte Ritze 
Läßt ſie ihre Wurzeln zieh'n; 


Nach den höchſten Wolkenbällen 
Läßt fie ihre Wipfel ſchweifen, 
Als ob ſie die vogelſchnellen 

Mit den Armen wollte greifen. 


Ja, der Wolken vielgeſtalt'ge 
Streifen, flatternd und zerriſſen, 
Sind der Edeltann gewalt’ge, 
Regenſchwang're Nadelkiſſen. 





175 


Tief in ihren Wurzelfnollen, 

In den falerigen, braunen, 
Winzig Elein, und reich an tollen 
Launen, wohnen die Alraunen, 


Die des Berges Grund befahren 
Dhne Eimer, ohne Leitern, 

Und in feinen wunderbaren 
Schachten die Metalle lautern. 


Wirr läßt fie hinunterhangen 
Ihre Wurzeln in’s Gewölbe; 
Diamanten fieht fie prangen, 
Und des Goldes Glut, die gelbe. 


Aber oben mit den dunfeln 

Herten fieht fie ichön’res Leben; 
Sieht durch Laub die Sonne funfeln, 
Und belaufcht des Geiftes Weben, 


Der in diefen ftillen Bergen 
Regiment und Ordnung balt, 
Und mit feinen Elugen Zwergen 
Alles leitet und bejtellt, 


Dft zur Zeit der Sonnenwenden 
Nächtlich ihr vorüberfauf't, 
Fine Wildfhur um die Lenden, 
Cine Kiefer in der Kauft. 


Sie vernimmt mit leifen Ohren, 
ie die Vögel fich befprechen ; 
Keine Sylbe geht verloren 

Des Gemurmels in den Bächen. 


Dffen liegt vor ihr der ſtille 
Haushalt da der wilden Thiere. 
Welcher Friede, welche Fülle 
In dem ſchattigen Reviere! 


Menſchen fern; — nur Rothwildſtapfen 
Auf dem moosbewachſ'nen Boden! — 
O, wohl magſt du deine Zapfen 
Freudig ſchütteln in die Loden! 


O, wohl magſt du gelben Harzes 
Duft'ge Tropfen niederſprengen, 
Und dein ſtraffes, grünlichſchwarzes 
Haar mit Morgenthau behängen! 





177 


O, wohl magft du Llieblich wehen! 
O, wohl magft du troßig raufchen! 
Einfam auf des Berges Höhen 
Stark und immergrün zu ſtehen — 
Tanne, könnt' ich mit dir taufchen! 


Inmitten der Fregatte 

Hebt fih der ftarfe Maft, 

Mit Segel, Flagg' und Matte; 
Ihn beugt der Fahre Laft. 


Der ihaumbededten Welle 
Klagt zürnend er fein Leid: 
„Was hilft mir num dies belle, 
Dies weiße Segelkleid? 


- Was helfen mir die Fahnen, 
Die fhwanfen Leiterftride ? 
Ein ftarfes inn’res Mahnen 
Zieht mich zum Forft zurücke. 


Kreiligrach, Gedichte 12 


178 


Sm meinen jungen Sahren 
Hat man mich umgehauen; 
Das Meer follt’ ich befahren, 
Und fremde Länder fchauen. 


Sch habe die See befahren; 
Meerkfön’ge fah ich thronen; 

Mir fehwarzen und blonden Haaren 
Sah ich die Nationen. 


Isländiſch Moos im Norden 
Grüßt' ich auf Felfenfpalten; 
Mit Palmen auf füdlihen Borden 
Hab Zwieſprach ich gehalten. 


Doch nach dem Heimatberge 
Zieht mich ein ftarfer Zug, 
Wo ich in's Neich der Zwerge 
Die haarigen Wurzeln fchlug. 


O ftilleg Leben im Walde! 

D grüne Einfamfeit! 

O blumenreiche Halde! 

Wie weit feid ihr, wie weit!” 














— 


179 


Die Todten im Meere. 


Tief unter grüner Meereswell', 
Auf Muſchelbank und Kies, 

Da ſchlummert mancher Schiffsgeſell, 
Der friſch vom Lande ſtieß. 


Die See riß ſein gebrechlich Boot 
Hinab auf ihren Grund; 
Im Sturme fand er frühen Tod, 
Und war doch ſo geſund. 


Tief unter grüner Meereswog', 

Auf Kies und Muſchelbank, 

Da ſchlummert mancher And're noch, 
Der nicht im Sturm ertrank. 


Er ward in enger Koje kalt, 

Kam nie zurück zum Port. 

Man hat ihn auf ein Brett gefchnallt, 
Und warf ihn über Bord. 


180 
a. a 


Fin großes Grab ift Meeres Grund, 
Ein Kirchhof Meeres Spiegel; 

Die Wellen, fehwellend all und rund, 
Das find die Grabeshügel. 


O, könnte man dort unten fein, 
War’ Meeresflurh verronnen: 

Man fah’ der Schlafer lange Neih’n, 
Säh' von Polypen ihr Gebein, 

- Das bleiche, roth umfponnen. 


Man fah’ ihr Kiffen: weiches Moos, 
Und Sand und Meereslinfen; 

Man fäh’, wie fie mit Zähnen bloß 
In's Fifchgewimmel grinfen. 


Man fah’, wie ihren Knochenarm 
Der Sägefifch polirt; 

Wie fie der Meeresfrauen Schwarm 
Mit felt'nen Gaben ziert. 


Die eine falbt, die andre flicht 
Ihr Haar, das lang begaffte, 
Und ſchminkt ihr beinern Angeficht 
Mit Purpurfchnedenfafte. 








| % 181 


Die eine fingt ein traurig Lied, 
Die fommt mit Mufchelfhnüren. 
Man fäh’ die todte Schaar umglüht 
Bon wunderbaren Zieren; 


Sah’ Hand und Knöcel fchön umglänzt 
Von gelben Berniteinfchnallen; 

Der nadte Schädel war’ befränzt 

Mir frönenden Korallen. 


Und theure Perlen, rein und weiß, 
Das wären ihre Augen. 

Man fah’ der Tiefe bunt Geſchmeiß 
Ihr Beinmark gierig faugen. 


Man fähe jeden fchlanfen Mait, 
Den einft die Fluth getragen, 
Den jeßt ein Meeresfels umfaßt, 
Einen Todten überragen; 


Sab’ ihn, benagt von Fiih und Wurm, 
Gewurzelt feſt in Torfe; 
Der Schläfer meint, es ſei der Thurm 


Von feinem Heimathdorfe. — 





182 * 
Ja, unter grüner Meereswell', 
Bei Perlen ſilberfarb, 
Da liegt manch rüſtiger Geſell, 
Der in den Wellen ſtarb. 


Er ſchlummert fern von Haus und Hof; 
Keine Blume ziert ſein Grab, 

Und feine Freundesthräne troff 

Auf fein Geficht hinab. 


Er ſchlummert ſüß; umdüftert auch 
Sein Grab fein Rosmarin, 
Umfänfelt’s auch Fein Nofenftrauch, 
Keiner Trauerweide Grün, 


Was thut's? — Und daß fein Angeficht 
Kein Thränenregen fchlug, 

Den Todten im Meere kümmert's nicht! 
Er ift ja naß genug! 





183 


Geiſterſchau. 


Gleichwie an des Ades Thor 
Wagend ſich Odyſſeus ſetzte, 
Die Geſtorbenen beſchwor, 
Und mit Widderblut ſie letzte; 


Daß für das erſehnte Naß 
Jeder ſeinen Spruch ihm gebe, 
Daß zumal Teireſias 

Ihm der Zukunft Schleier hebe: 


Sp auch oft an dem Geſtad 
Meines Erebos, des Meeres, 
Sitz' ih, der Laertiad’ 

Eines luft’gen Todtenheeres. 


Aber nicht durch Blut und Wein, 
Ird'ſchen Stoff, bin ich ihr Meifter. 
Kraft des Willens find fie mein: 
Nur der Geift beſchwört die Getfter! 


184 TATEN 
Aus des Geiftes Tiefen quillt, 
Was das Aug’ als Geifter fchanet; 
Aus mir felber, fühn und wild, 
Steigt empor, davor mir grauet. 


Siehe, roth vom eignen Blur, 
Kommen fie herangezogen, 
Seelen derer, fo die Fluth 

In das Todtenreich gezogen; 


Kön’ge, denen aus der Hand 
Sie das gold’ne Scepter fpülte; 
Madchen, denen fie entbrannt 
In den todten Neizen wühlte; 


Schiffer, denen hundert Jahr 
Bellen ſchon den Schädel neßen — 
ende dich, du düſt're Schaar, 
Denn es faſſet mich Entfeßen! 


Beh’! was hab’ ich euch geftört, 
Schlumm’rer auf dem Grund der Meere! 
Weh’, wo ift des Griechen Schwert, 
Daß ich eurem Zürnen wehre! 


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2 ee 


Die Magier. 
(Im Dom zu Cöln.) 


Wie wenn Phiolen, die der Meifter, 
Bannworte murmelnd, wohl verpicht, 
Mit Feder Hand ein junger, dreifter 
Lehrling der Zauberfunft zerbricht; 


Urplöglich füllt das wunderliche 
Gemach ein leichter, blauer Rauch, 
arkotifch fteigen Wohlgerüche 
Aus der geborftinen Flaiche Bauch; 


Und wie die Menge der zerftreuten 
Duftfloden fih zufammenballt, 

Sp werden fie zu des befreiten 
Flementargeifts Kichtgeftalt; 


Zum Dank, daß er zerbrach das Siegel, 


Das feinen Kerfer lange Zeit 
Schloß, will erd Jenem feine Flügel 
Leih'n, und der Erde Herrlichkeit 


186 
— a 


Ihm zeigen: — fo aus diefen Düften 
Des Weihrauchs, die der Kirche Chor 
Durchzieh’n, tritt riefig, um die Hüften 
Den Gurt, ein Genius hervor. 


Sandalen trägt er an den Sohlen; 

Es ift ein Geift der Wüſtenei. 

Im Weihrauch fehlief er; diefer Kohlen 
Glut machte den Gebund’nen frei. 


Aus langen Neihen ernfter Beter 

Trägt dahin er mich durch die Luft, 

Wo nicht Ein Haus, wo ganz der Xether 
Durhwallt wird von des Weihrauchs Duft. 


Ihr heil’gen, königlichen Dreie, 
Grzeigt er diefe Gnade mir, 

ie ließ’ er euch, einft Yemens treue 
Stammführer, in den Mauern hier ? 


Er pocht an euer Grabgewölbe, 
Und weckt vom langen Schlaf euch auf, 
Salbt euer Haar, und drüdt die gelbe 
Pracht gold’ner Diademe drauf. 








187 


2 


Ihr wandelt wieder durch die Lande, 
Die gläubig einftens ihr durchirrt; 
Die Roſſe harren noch im Sande, 
Gezäumt, gefattelt und gefchirrt. 


Ihr bindet los fie von den Baumen, 
Und tretet in die Bügelihuh’, 

Und führt an rotben Korduanzaumen 
Dem Abend die Kameele zu. 


hr fammelt Weihrauch, Gold und Myrrben, 
Und häuft — die Weihnacht ift nicht weit! — 
In tiefen, funfelnden Gefchirren 

Der Gabenfülle Koftbarfeit. 


Ihr folgt dem Scheine des Kometen 
Auf's Neue nach Serufalem; 

Die Prophezeiung des Propheten 
Seht ihr erfüllt zu Bethlehem. 


188 


” ebo. 
1830. 


Auf Jordan's grünen Borden, 
Da weilte Jakob's Samen; 
Da feierten die Horden, 

Die von Mizraim famen; 

Da lagerten die Schaaren, 
Da hielt der Heerzug Raſt, 
Seit langen, langen Jahren 
Der ſandigen Wüſte Ggf. 


Da legten ihre Steden 

Die Wand’rer aus den Händen, 
Und fpreizten weiche Deden, 
Entgürtend ihre Lenden. 

Und auf den Deden reinlich, 

Da lagen, buntgefchaart, 

Die Männer, fchlanf und braunlich, 
Mir ſchwarzgelocktem Bart. 


Pr 





> ⸗ 


189 


Da waren ihre Hütten 

Bon Leinen aufgeitellt, 

Und in der Zelte Mitten 
Hob ſich des Stiftes Zelt. 
Da ihüßten grüne Sträuche 
Sie vor der Glut der Sonnen; 
Da füllten fie die Schläuche 
Am fühlen Wailerbronnen. 


Da falbten fie die Leiber, 
Die ftaubigen, mit Dele; 

Da ftriegelten die Treiber 
Die dampfenden Rameele; 
Da rubte wiederfäuend 

Im Grafe Heerd’ an Heerde; 
Da flogen wild und fcheuend 
Die langgeichweiften Pferde. 


Da freuten fih die Müden 
Und boben fromm die Hände, 
Das ihnen bald beichieden 
Der langen Wallfahrt Ende; 


190 


Da fchärften fie die Schneide 
Des Schwerts mit Fräfr’ger Hand, 
Zu Fämpfen um grüne Weide 





a ar ———— 


In ihrer Vater Land, 


Das ihrer fchien zu warten 

Am andern Bord des Flufles, 

Ein lachender Gottesgarten, 

Ein Land des Weberfluffes. 

Auf ihren Wüſtenzügen 

Sah’n fie es oft im Geiſt — 

Jetzt ſeh'n ſie's vor ſich liegen, 

Das Land, wo Milch und Honig fleußt. 


Im Thal ruh'n die Nomaden 
Und jauchzen: Canaan! — 
Ihr Haupt auf ſteilen Pfaden 
Klimmt das Gebirg hinan. | 
Schneeweiße Loden fließen 

Yuf feine Schultern dicht; 
Zwei gold’ne Strahlen fchießen 
Aus Mofis Haupte licht. 






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— 


— * 
— 


Und wie er nun die Höhe, 
Die fchauende, erreicht, 

Und, daß er Alles febe, 

Sich zitternd vorwärts beugt: 
Da glanzen ihm die Auen, 
Bon taufend Freuden voll, 
Die er nur fehnend fchauen, 
Doch nicht betreten Toll. 


Da dehnen fih die Flächen, 
Wo Korn und Traube reift; 
Da ift mit weißen Bächen 
Das grüne Land geftreift; 
Da ſchwärmen Bienenförbe, 
Da wiehert Pfluggeipann ; 
Da funfelt Juda’s Erbe 
Bon Berfeba gen Dan. 


# 


„Sch babe dich geſehen! 

Sept ift der Tod mir recht! 
Säufelnd, mit leifem Wehen, 
Herr! hole deinen Knecht!” — 





Da naht auf lichter Wolfe 
Der Herr des Berges Rüden, 
Dem müden Pilgervolfe 

Den Führer zu entrüden. — 


Auf einem Berge fterben, 

Wohl muß das Föftlich- fein! 

Wo fih die Wolfen färben 

Im Morgenfonnenfchein. 

Tief unten der Welt Gewimmel, 
Forft, Flur und Stromeglauf, 
Und oben thut der Himmel 

Die gold’nen Pforten auf. 


Die Bilderbibel. 


Du Freund aus Kindertagen, 
Du brauner Foliant, 

Dft für mich aufgefchlagen 
Bon meiner Lieben Hand; 
Du, deffen Bildergaben 

Mich Schauenden ergößten, 
Den fpielvergefl’nen Knaben 
Nach Morgenland verfekten: 


Du ſchobſt für mich die Niegel 
Bon ferner Zone Pforten, 

Ein Eleiner, reiner Spiegel 

Don dem, was funfelt dorten! 
Dir Danf! durch dich begrüßte 
Mein Aug’ eine fremde Welt, 
Sah Palm', Kameel und Wüſte, 
Und Hirt und Hirtenzelt. 


Freiligratd, Gedichte. 13 


194 


Du bradteft fie mir näher, 

Die Weifen und die Helden, 
Wovon begeifterte Seber 

Sm Buch der Bücher melden; 
Die Mädchen, ſchön und brautlich, 
Sp ihre Worte fchildern, 

Sch fah fie ale deutlich 

In deinen feinen Bildern. 


Der Patriarchen Leben, 

Die Einfalt ihrer Sitte, 

Wie Engel fie umfchweben 

Auf jedem ihrer Schritte; 

Ihr Zieh'n und NHeerdentränfen, 
Das hab’ ich oft gefeh’n, 
Konnt’ ich mit ftillem Denfen 
Bor deinen Blättern fteh’n. 


Mir ift, als lägft du prangend 
Dort auf dem Stuhle wieder, 
Als beugt’ ich mich verlangend 
Zu deinen Bildern nieder; 











195 


Als ftände, was vor Sahren 
Mein Auge ftaunend ſah, 
In frifhen, wunderbaren, 
Erneuten Farben da; 


Als äh’ ich in grotesfen, 
Berworrenen Geftalten 

Auf's Neue die Moresfen, 
Die bunten, mannicfalten, 
Die jedes Bild umfaßten, 
Bald Blumen, bald Gezweig, 
Und zu dem Bilde paßten, 
An finniger Deutung reich; 


Als trat’ ich, wie vor Zeiten, 
Zur Mutter bittend hin, 

Daß fie mir follte deuten 
Sedweden Bildes Sinn. 

Als lehrte zu jedem Bilde 
Sie Sprüche mid und Lieder, 
als ſchaute fanft und milde 
Der Vater auf ung nieder. 


O Zeit, du bift vergangen! 

Ein Mährchen fcheinft du mir! 
Der Bilderbibel Prangen, 

Das gläub’ge Aug’ dafür, 

Die theuren Eltern beide, 

Der ftillfgufried’ne Sinn, 

Der Kindheit Luft und Freude — 
Alles dahin, dahin! 


J 





197 


Landrinette. 


1824. 


Noch Knabe war ich, als Trompetenklang 

Früh Morgens einſt zu meinen Ohren drang — 
Hinaus, hinaus, das ſind Huſaren! 

Kommt! Um die Ecke! Dort hat es geſchallt! 

Fort auf den Markt! — Da ſah'n wir freilich bald, 
Daß die Trompeter keine Krieger waren. 


Beritt'ne zwar, phantaſtiſch angethan! 

Zuerſt ein Neger mit geſtickter Fahn'! 

Darnach ein Mädchen, ſteh'nd auf ſtolzem Pferde! 
Sechs, ſieben Jahr' alt! Mit der kleinen Hand 
Den Braunen zügelnd! Schimmernd im Gewand 
Der Amoretten! Lächelnd von Geberde! 


198 


Dann Frau'n und Männer, fißend hoch zu Noß! 
Weh'n feid’ner Mantel! Nitterlih Gefchoß! 
Horn, Trommel, Federn und Barette! 

Und, o, der Nenner und Gefchirre Pracht! — 
Doch dachten wir bei Tag und auch bei Wacht 
Zumeift nur an die Amorette. — 


Bereiter waren's! Andern Tags erhob 
Sich fchon ihr Zelt, und wälzte fich ihr Lob 
Bon Mund zu Munde dur) die Straßen. 
Mas Curtius! Was Verba gar auf Mi! 
Was Döyffee! Wir dachten nur an Gie, 
Bis endlich wir im Circus faßen! 


Da fah’n wir denn, das wir bisher gekannt 
Aus Büchern nur, der Wunder altes Land! 
Bei'm Himmel, dieſer Rennbahn Räume 
Umfaßten es: Helmzierden, Hermelin, 


Speerſchwinger, Türken, ſchwarzer Augen Glüh'n, 


Wiehernde Rappen und verhängte Zäume! 

















2 


— —— 


199 


Und über Allem fie, die Fleine Fee 

Des über Nacht erftand’nen Mährchens! — Seh’ 
Sch fie nicht heute noch, jeßt fächelnd 

Ihr ſchnaubend Thier, jekt mit holdfel’gem Gruß 
Die Bahn durchſprengend, jeßt den Eleinen Fuß 
Der Kreide bietend, immer lächelnd! 


Wir zahlten dreizehn, höchitens vierzehn Jahr'; 
Die Kleine fieben! — Bei den Göttern, war 
E83 zu verwundern, wenn wir gerne 

Das Aug’ erhoben zu der wilden Brut, 

Mit Kennermiene fagten: „Die wird gut!“ 
Und fcheu fie grüßten aus der Ferne? — 


Du Meteor aus unfrer Knabenzeit, 

Es war ung wahrlich fein geringes Leid, 
Als du nun fchiedeft, Kandrinettel — 
Und, o, der Thränen erft, als alle Welt 
Bald d’rauf erzählte, daß in Bielefeld 
Das Halschen fie gebrochen hätte! 





2. 


1835. 


Kennt ihr die Xeere, kennt den Efel ihr? — 





Verdroſſen durch die Gaffen gingen wir; 
Das Wort ließiich die Andern führen. 
Bei Gott, ed war ein wichtiges Geſpräch: 
Sie unterhielten fih den ganzen Weg 
Bon Dirnen und von Staatspapieren. 


Auf einer Ede d'rauf ward Halt gemacht. 

Es war noch früh. „Was treibt ihr diefe Naht?“ — 
Gegähne durch die ganze Gruppe. 

„Jun denn! Theater, Safe, Karouſſel?“ — 

„„Pah, feh’n wir lieber noch die Kenebel!. 

Baptift ift da mit feiner Truppe!” — 








201 
So ging e3 denn zur Bude Loiffer’s; — 
Wie fprudelte, ein übervoll Gefäß, 
Tom Schaum des Volks der luft’ge Kaften! 
Trompetentufh! Die Pforte rhut fich auf! 
Staub, Hufgeftampf, ein ganzer Neiterhauf! 
Entblößte Säbel, weh’nde Quaften! 


Sechs Türken und fehs Amazonen! — Ha, 
Sieh’ den Piqueur der Neiter! Genen da! 

Den Schnurrbart mit den prallen Schenfeln! 
Das ift Baptiftel Sieh’, wie den Gaul er hept! 
Sieh’, mit den üpp’gen Neiterinnen jekt 
Beginnt er frifh ein luftig Plänkeln! 


Und wer führt die? Doc nicht die Kenebel? 
„Die,“ fagt man, „hat ein lüfterner Gefell 
Beihwapt, daß fie mit ihm entrinne. 

Sei's, bald von felber trifft fie wieder ein!” — 
Wer aber mag die Amazone fein? — 

„Nun, wer denn anders, als die Hinne?“ — 


202 


Was, Hinne?.... Teufel, doch diefelbe nicht, 





BIER ..,. Und wie Schuppen fiel’3 mir vom Geficht! 


’S war Minna Hinne! Landrinette! 

Zur pract’gen Roſ' erfchloß die Knospe fich; 
Das Kind ward Weib, und einer Venus glich 
Heut? jenes Tages Amorette! 


O, feltfam Treffen nach fo langer Zeit! 
Damals ein Städtchen tief im Lande — heut’ 
Die Weltftadt dicht am Meeresftrande ! 

Elf Fahre, Mädchen, find feitdem entfloh’n! 
Du ftrahlft und blühft — ich aber ftehe fchon 
An meiner fpat’ften Jugend Rande! 


Du haft feitdem geritten und geſchwärmt; — 
Du Wilde, fprich, haft du dich auch geharmt 2 
Haft du gelitten und gejammert? 

O, fprich, floh diefes füße Kacheln nie? 

Haft du, wie Mignon, eines Meifters Kniee, 
Stillweinend, niemals denn umflammert? — 








203 


Sch? — Einerleit — Friſch, Mädchen, zieh’ dein Schwert! 
Borwärts! Las faufen durch die Bahn dein Pferd! 

Laß fliegen feines Schaumes Floden! 

Lab weh'n dein Kleid! Laß pochen deine Bruft! 

Halt! Sp, nun ordne, deines Siegs bewußt, 

Dir lähelnd deine ſchwarzen Loden! 


Mich aber lab, o fehöne Neiterin, 

Düfter und ernft, wie ich e3 meiftens bin, 
Berfhräanften Armes vor dir ftehen! 

Elf Sabre flohen — dir, mein Kind, wie mir! 
Komm’, laffe mich mit trübem Lächeln dir 

In dein verzehrend Auge fehen! 


204 





Das Hufarenpferd. 


Vor mir ſtand der muth'ge Rapp, 
Der zum Kampfe wohl geſchirrte; 
Nagte ſchier die Zügel ab, 

Schlug das Pflaſter, daß es klirrte. 


Funken flogen, und ich ſprach: 
„Dieſes Pflaſter, Rapp, iſt ſteinern; 
Aber kommen wird der Tag, 

Wo dir eines droͤhnt, das beinern: 


Auf dem Schlachtfeld Stirn an Stirn 
Derer, welche ſie erſchlugen! 

dur gewiehert! Blut und Hirn 
Sind der Mörtel feiner Fugen! 


Und als Funfenfaat entfprüh’n 
Ihm der Sterbenden Gedanken! 
Ihre legten! fengend glüh’n 

Sie um Schenfel dir und Flanfen! 





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— Werden alle dich verklagen! 
3... Viper kigwanbend wirſt du ſie 
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Mit dir fort im Hufhaar tragen!” 


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206 





Heinrich der Seefahrer. | 


1833. 


Prachtig, noch in Trümmern hehr, 
Mit Moskee und Marmorbade, 
Wie ein Maͤhrchenpalaſt der 
Sultanin Scheherezade, 


Schriften über dem Portal, 
Steht die Mohrenburg Alhambra. 
In dem Kloſter Eskurial 

Blitzt Demant und duftet Ambra. 


Trotzig, wie ein Wüſtenleu, 

Aus dem Meer, ein Felſenaltar, 

In die gelbe Berberei 

Wachſam ſchauend, ragt Gibraltar. — 





207 


Was fie bauten, was fie bau'n 

Sn den beiden Königreichen, 

Die der Sierren Kämme fchau’n 

Muß dem Thurm des Prinzen weichen. 


Bei dem Vorgebirg Vincent 

Steht ein Thurm mit Marmorfchigellen. 
Eine belle Fadel brennt 

Dort, den Erdball zu erhellen. 


Karten, Rollen mancherlei, 

Sammt Boufolen und Quadranten, 
In der ftilen Bücherei 

Liegen dort um den Sinfanten. 


In den Hallen Belem’s tönt 

Lied und Flüftern holder Damen; 
Doch der Sohn des Königs lehnt 
Ernit am hohen Fenfterrahmen. 


Ueber das bewegte Meer 
Scweifen läßt er feine Blide, 
Und nach Ländern, die nur Er 
Schaut, den Völkern eine Brüde 


Schlagen will er. Seine Hand 
Stredt er aus nach Negerkronen; 
Schiffe hat er ausgefandt, 

Zu entdeden fremde Zonen. 


An dem Lauf des Senegal, 
Zwifchen Berbern und Giraffen, 
Zeigen Krieger Portugals 

Ihre Waffen und Agraffen. 


Zu Lisboa prangt das Gut 
Neberwund’ner, reicher Mohren. 
Aus der Fühn durchfreuzten Fluth 
Tauchen fehimmernd die Azoren. 


Milden Himmels, reih an Holz, 
Zeigt den Sciffern fih Madera; 
Heinrichs Wimpel flaitern ftolz 
Auf der Rhede von Terzera. 


Nachtlich tritt an feinen Pfühl, 
Fremd gefchmüdt, die Aventure, 
Daß fie bunter Traume Spiel 
Seinem Geift vorüberführe. 





209 





Blumen, die in Indien blüh’n, 
Streut fie lächelnd auf den Schläfer; 
Leuchtend durch die Kammer zieh'n 
Laͤßt fie Senegambiens Käfer. 


Südlich vom Drei: Spiken-Cap, 
Wo die Datteln und die Mandeln 
Wachſen, und der Baobab, 


Laßt fie den Geliebten wandeln. 


Elephanten vor ihm knie'n 

Laßt fie, auf dem Nüden Thürme; 
Und vor Diaz führt fie ihn 

Nah dem Vorgebirg der Stürme. 


An des Verfermeeres Saum 
Ruht er aus auf Goa's Molo. — 
Glich dein Reifen folhem Traum, 
Sohn Venetia’s, Marko Polo? 


Freiligratk. Gedichte 14 


210 


Dies Gninen? dies das Cap? 
Indien dies, das Ziel der Neife? 
Auch um mich mit goldnem Stab 
Ziehft du deine Zauberkreife, 


Aventure? fendeft mir 

Deinen Greifen, breit von Schwinge, 
Daß im Traum das Fabelthier 

Mich nach Maährchenländern bringe? 


Keichft mir Kronen und Geftein 
Bon Kalifen und von Khanen? 
Dringft mit mir in Wälder ein 
Boll von ranfenden Lianen ? 


Sorgft, daß man zur Tigerjagd 
Glephanten für mich fhirre? 

Führſt mich lächelnd durch die Pracht 
Der Dafen in der Dürre? 








211 


Zeigft mit triefendem Gebiß 

Mir den Panther unter Myrthen? 
Diefes ift der Felfenriß, 

Ko zum Flug fih Geifter gürten? 


Dies ift des Propheten Gruft? 
Hier im Fels, von Gactusblüthen 
Purpurn, ift die finſt're Kluft, 
Wo das Einhorn Zaub’rer hüten? 


Diefe Knaben, wie der Lenz 
Blühbend, Kronen in den Händen, 
Sind des reichen Orients 

Genien? — 0, hör’ auf, zu blenden! 


Laß auf And’re, nicht auf mich, 
Deines Hornes Fülle ftrrömen, 
Die, verftändiger, als ich, 
Wählend, deine Gaben nehmen! 


Sieh’, der Schiffer kehrt mit Gold 
Aus des Südens heißen Zonen; 
Edle Würzen find der Sold, 

Die den Fühnen Zug belohnen. 


212 N 





Thiere, die fein Aug? gefeh’n, | 
Bögel, die am Südmeer niften, | 
Pflanzen, die am Indus ſteh'n, 
Legt der Forſcher in die Kiften. 


Und der Weife, zieht er aus 
In des Dftens glüh’nde Striche, 
Trägt als Beute fih nah Haus 
Fremder Lehre tiefe Sprüche. 





Sch, aus Ländern, wo des Fichte 
Aufgang, aus den buntgeftidten 
Türfenzelten, bringe Nichts, 
Als die Bilder des Erblidten; 


Die ich, friſch und farbenreich, 

Mit des Liedes bunten Netzen 
Feſſ'le; — doch kommt Solches gleich 
Sener Männer beffern Schäßen ? 


Was find Lieder, deren Saum 
Fremde Neime wire umranfen, 
Wie an einem Tropenbaum 

Lianenblumen üppig fchwanfen? 





213 


La vida es sueno. 


N glaub’, ich bin der Perferfhan, 
Der, untertaudhend mit dem Haupte, 
Sefchichten, welche nie geihah’n, 

Nun plöglic zu erleben glaubte. 

Was ich mein Leben nenne, faum 
Glaub’ ich, daB es mein rechtes Leben; 
Ein wunderlicher Kufentraum 

Iſt es, und ich bin Sultan eben. 


Was mir begegnet, Gut und Bös, 

Was fünnt’ es anders fein, als Traumen ? 
Wann taud’ ich auf aus dem Gefäß 

In meines Marmorichlofes Naumen? 
Don Balfam dufter das Gemad; 

Die Krieger harren an den Thüren; 

Und lächelnd, daß ich wieder wach, 

Meld’ ich mein Traumen den Wefliren. 


214 


— — — — 


Daß ſie nicht eher mich geweckt, 

Sie ſollen es mir nicht entgelten; 

Hat manches Bild mich auch geſchreckt, 
Doch würd' es unrecht ſein, zu ſchelten. 
Denn manches auch hat mich gelabt, 
Wie Sonnenlicht auf Wolkenſäumen, 
Und manchen Traum hab' ich gehabt, 
Den ich allzeit hätt' mögen träumen. 


Und auch die andern — weiß ich doch, 
Es iſt ja Träumen nur und Tauchen; 
Mir bleibet meine Krone noch, 

Was ſollt' ich da zu zagen brauchen. — 
So ſchreib' mit Kreide lächelnd ich 
Des Spaniers Wort auf meine Thüre, 
Und ſumm': o, wecke Keiner mich, 
Ihr Kämmerer und ihr Weſſire! 








215 


Ein Flüchtling. 


In einem meiner Träume ſah 
Auf ſchweißbedecktem Roſſe 

Einen Reiter ich, wie toll verfolgt 
Von ſeiner Feinde Troſſe. 


An feinem Speer das Fahnlein war 
Zerriffen, voller Löcher; 

Doch ftraff war feine Senne noch, 
Und voll noch war fein Köcher. 


Und Fed im fchärfiten Tagen noch 
Rückwärts im Sattel wandt’ er 

Und warf er fih, und manchen Pfeil 
In's Herz der Feinde fandt? er. 


Da ftürste der aufs Mähnenhaar, 
Der fanf aufs Kreuz dem Pferde, 
Der andre mit dem Haupte gar 
Schlug nachgefchleift die Erde. 


216 


Wohl ritt der Neiter nun im Schritt, 
Zog aus die Stahlhandfchuhe, 

Doch dacht’ er, als er weiter ritr: 
„Der Teufel hol’ die Ruhe! 


Und fold ein Reiten, zahm und facht, 
Als wär’ mein Gaul ein blinder! 
Berfolger, die ich fhlug, erwacht!“ — 
Sp er, und ich nicht minder: 


„O Kieb’, v Grimm! o Schmerz, o Luft! 
Laßt braufen eure Wogen !’ — 

Sch habe leider lange fchon 

Die Handſchuh' ausgezogen. 








217 


Borgefübhl. 


Min felber oft im Geift hab’ ich gefeh’n, 
Erträumtem Glüde raftlos jagend nad; 

Unftet und düfter fchweift’ ich auf den Seen — 
Sch weiß e3 nicht, was mir begegnen mag! 


Doch allemal, wenn träumend fo zu fchau’n 
In Fünft’ge Zeiten ich mich unterfing, 
Erfaßte mich ein innerliches Grau'n, 

Und meine Thranen floffen, wie ich ging. 


Denn wo ich auch gelegt mein Fahrzeug an, 
ie rings ih auch, was Glück man nennt, gefhaut: 
Ich Fam zurüd, ein müder alter Mann, 

Mein Bart verwildert und mein Haar ergraut. 
Wer grüßte mih? Wer nahm mir ab den Stab? 
Weh', nicht mehr fand ich, die ich einft verließ! 

Wo feid ihr? kommt! ich Fehrte! — Gott, ihr Grab 
War Alles, was ein nen Gefchlecht mir wies! 


218 


Dann ftarb ich ſelbſt; — ich fah mich auf der Bahr), 
Doch ſchaut' ich Keinen, Elagend um mein Loos. 
Mein Sterbehemd war rein und weiß, doch war 

Es nicht das Hemd der Waſchfrau Chamiſſo's. 





219 


Fieber. 


Nur Waſſer! — o, das kühlt! — die Fraße 
Fallt nachgerade mir zur Laft! 

Das Maul des Kerls, und feine Glaße 

Sind mir bis in den Tod verhaßt! 

Jetzt an den Puls, jekt eine Prife — 

Fort mit der Hand, armfel’ger Tropf! 

‘a murre, Fafler! Krife, Krifel — 

Du Narr, das Glas dir an den Kopf! 


Endlih! der Zaub’rer ift bezwungen! 

Mein dreifter Wurf hat ihn gebannt. 
Dem Waͤchtervolk bin ich entfprungen! — 
O, welh ein Schweben! welch ein Land! 
Der Wald von Duft durchzogen! golden — 
Die Sonne badet fih — der Strom! 

Das Feld voll taufendfarb’ger Dolden! 

Der Himmel ein fapphirner Dom! 


220 


Wie kühl iſt's unter diefen Baumen! 

Ach, ich bin matt! wie naß mein Haar! — 

Zu trinken! — Ha, Pokale fchaumen, 

Und Mädchen reichen fie mir dar! 

Ach! Laßt mich fchlummern! — fie befränzen 
Die Stirne mir; der Schönften Arm 

Umfängt mich; — ift das Schwerterglängen? — 
Zurück, ohnmächt'ger Söldnerfhwarm! 


Wer will in meiner Luſt mich ſtören? 

Ich grinſ' ihn an, ich ſprech' ihm Hohn. 
Und dieſe Klinge ſoll ihn lehren, 

Wen er geweckt mit ſeinem Droh'n. 
Erſchallt, Trompeten! fliegt, Standarten! 
Helmſchweife, flattert! Mörſer, kracht! 

Auf ihren Schadeln wetzt die Scharten 

Der Schwerter aus! vorwärts! zur Schlacht! 


O feht, wie riefelt aus den Wunden 
Das Blut! wie fprißt es himmelan! 
Die Streiter alle find verfchwunden, 
Ein Blutmeer überfhwenmt den Plan. 














221 


Wild brauft es! helft, das ich entrinne! 
Bor meinem Aug’ ſchwimmt's purpurroth. 
Die Fluth ergreift mich; — mitten inne 
Auf einer Infel fteht der Tod. 


Zu feinen Füßen fpeit die Welle 

Mih aus; — lab ab, laß ab! — das Thor 
Des Himmels dort, hier das der Hölle! 
Aus jedem zudt ein Arm hervor. 

Er wirft mich mit verruchtem Lachen 

Den Armen zu — fie paden mich! 

Des Himmel3 Engel und die Drachen 

Der Hölle ftreiten fihb um mid. 


O Gott, o Gott! — wie fie mich reden! 
Shr glaubt wohl, daß ihr Eifen dehnt! — 
Hierhin und dorthin! — Flammen leden, 
Und unter mir gefpenftifch gähnt 

Das ew’ge Nichts! — wohin entrinn’ ich? 
Sie laffen los, fie ftürzen jach 

Mich in den Abgrund — ha, wo bin ich? 
Ber euch? feid ihr es? o, bleibt wach. 


222 
O, geht nicht fort! — da kommt er wieder! 
Seht ihr ihn nicht? es ift der Tod! 
Er beugt fich grinfend zu mir nieder; 
O, fteht mir bei in diefer Noth! — 
Zurück! — was legft du mir die Kohle 
Auf's Haupt? — ein Loch zu brennen? fprich! 
Daß meine Seel’ der Teufel hole, 
Wenn fie hHinausfährt? — wahre dich!“ 





Wahnfinnig fprang er auf vom Lager, 

Pochend die Bruft, die Fauft ‚geballt, 

Die Augen rolfend, fchlaff und hager 

Die halbbefleidete Geſtalt. 

Wirr um die bleichen Schläfen hingen 

Die Haare; brennend, braunlich rot) 

Das Antliß. „Tod, nun laß ung ringen!” — 
Gr fanf zufammen — er war todt! 





223 


Zwei Feldberrngraber. 
1 


Hier unter dieſem Steine 
Zur Seite des Portals, 
Verweſen die Gebeine 
Des tapfern Generals. 

Er ift im Kampf gefallen, 
Zerſchoſſen und zerfeßt; 
Sn diefes Domes Hallen 
Hat man ihn beigefeßt. 


Hier hat man ihm erhoben 
Ein prächtig Monument, 
Daß Jedermann die Proben 
Bon feinem Muthe Eennt. 


224 


Es ift ein eh’rner Leue, 

Mit Eraufer Maähne, fahl; 
Der liegt und wacht mit Treue 
Auf dem Piedeftal. 





Und unten ift zu lefen, 

Gehauen in den Stein, 

Wie groß der Mann gewefen, 
Den diefes Grab fchließt ein; 
Wie mehr, ald das Gekritzel 
Der Feder, galt fein Schwert; 
Die Schlachten und Scharmüßel, 
Wo er das Feld gefehrt;z 


Wie fortlebt im Gefange, 
Was feine Fauft gethan. — 
Das deutet auch die Schlange 
Am Fuß des Denfmals an. 
Sie liegt, zu einem Runde 
Gerollt, den glatten Schweif 
Hinangefrümmt zum Munde: 
Ein deutungsvoller Reif! 





225 





Wohl mag's dir nicht behagen 
Hier in der Kirch’, o Held! 

Ein wurmzerfreßner Schragen 
Dein Feldbett und dein Zelt. 
Statt Predigt, Singen, Beten, 
Geläut und Glodenfchlag, 
Bernahmft du gern Trompeten? — 
Wart' bis zum jüngften Tag! 


Bei diefen Ichlanfen Bäumen, 
Im feuchten Pifangichatten, 
Magſt du anjeßo träumen, 

O Kühnfter der Maratten! 
Im wilden Vorwärtstraben 
Biſt du vom Henaft geichoflen ; 
Hier haben dich begraben 

Die flüchtigen Genoſſen. 


Freitigeath, Gedichte 15 


226 


| 
Es ift an diefer Stelle | 
Einſam und fchauerlich; | 
Hier ringelr, bunt von Felle, 
Die Abgottsihlange fich. 
Sie wälzt fih auf dem Grunde, 
Und zifcht, den glatten Schweif 
Gefrummt zum gift’gen Munde: 





Ein deutungsvoller Reif! 


Ein Leu tritt aus den Büfchen 
Sm Schmud der gelben Mähne; 
Flieht nicht der Feindin Ziſchen 
Und ihre ſpitzen Zähne. 

Auf's Grab legt ſich der Wilde; 
Starr liegt er auf den Sproſſen, 
Nicht ungleich einem Bilde, 
Aus braunem Erz gegoſſen. 


Es nähern ſich vom Hügel 
Zwei Reiter, gelb von Haut; 
Sie richten ſich im Bügel, 
Der eine ſpricht halblaut: 





Laß deinen Falben fliegen, 
Und knirſchend murmle: Race!” 


4 * A 
HE — 


UOTE D) veydamı 1. 


- MM er ech A PT7 





228 





Hudubon. 
1833. 


Mann der Walder, der Savannen ! 
Neben rother Indier Speer, 

An des Miffifippi Tannen 

Lehnteft du dein Jagdgewehr; 


Keichteft Sndianergreifen 
Deine Pfeife, deinen Krug; 
Sahft der Wandertaube Neifen 
Und des Adlers ftillen Flug; 


Lähmteſt ihren fchnellen Flügel 

Mit der Kugel, mit dem Schrot; 

Auf der großen Flüffe Spiegel 

Durch die Wildnig ſchwamm dein Boot ; 





229 





Kühn durchflogft du der Savanna 
Gräfer, im geftredten Trab; 

Beer’ und Wildpret war das Manna, 
So dir Gott zur Speife gab; 


In den Wäldern, in der Dede, 
Die der Thoren Ruhm: Eultur, 
Noch nicht überzog mit Fehde, 
Freuteft du dich der Natur. 


Du noch konnteſt es! — die Stunde 
Kommt — nicht fern mehr ıft die Zeit! — 
Wo das Land von Baffin’s Sunde 

Bis Cap Horn ein ander Kleid 


Tragen wird! — Sieh’ da; — du reiche, 
MWaldige Columbia, 

Liegſt du nicht gleich einer Eiche 

Auf dem Planiglobe da? 


Aus des Südens Falten Meeren 
Machst der mächt’ge Stamm hervor; 
Sclängelnd zieh’n die Eordilleren — 
Epheu! — fih an ihm empor. 


230 
Hoch im Norden in die Breite 
Seht er, wenig mehr belaubt; 
An den Vol rührt das befchneite, 
Eisbehang’ne, ftarre Haupt. 


Hirfche ruh’n in feinem Schatten, 
An Geflügel ift er reich, 

Und der Indier Hangematten 
Schweben nieder vom ©ezweig. 


Grün und üppig prangt der Starke; 
Doch bald fteht er ohne Bier; 

Denn an feiner Blätter Marfe 
Zehrt der Wanderranpe Gier. 


Nadoweſſier, Tichippamaer, 

Heult den Kriegsruf, werft den Speer! 
Schüttelt ab die — Europäer! 
Schüttelt ab das Naupenheer! 


Seit in eure Hirfchfellhütten 
Trar des Meeres Fluger Sohn, 
Iſt die Neinheit eurer Sitten, 
Iſt das Glück von euch gefloh’n. 














231 


Weh', dab ihr ihn nicht verfcheuchter, 
Da er Land von euch erfleht! 

Weh’, daß ihr ihm arglos reichter 
Das geſchmückte Kalumer! 


Nieder brennt er eure wilden 
Wälder, nimmt von euch Tribut, 
Spült von euren Lederichilden 
Der erichlag’nen Feinde Blut; 


Sauſ't einher auf Eifenbahnen, 

Wo getobt der Rothen Kampf; 

Bunt von Wimpeln und von Fahnen, 
Theilt fein Schiff den Strom durd Dampf. 


Kahl und nüchtern jede Stätte! 
Wo Manitto’s hehrer Hauch 
Durch des Urwalds Dickicht wehrte, 
Zieht der Hammerwerfe Raud. 


Euer Wild wird ausgerotret, 
Sieh gemacht wird euer Leib, 
Euer großer Geift verfpottet, 
Und gefchänder euer Leib. 


232 


Bietet Troß, ihr Tättowirten, 
Eurer Feindin, der Eultur! 

Knüpft die Stirnhaut von ffalpirten 
Weißen an des Gürteld Schnur! 


Zürnend ihren Miffionairen 

Aus den Händen fchlagt das Buch; 
Denn fie wollen euch befehren, 
Zahm, gefittet machen, Flug! 





eh’, zu ſpät! was hilft euch Säbel, 
Tomahawk und Kanzenfchaft? — 
Alles glatt und faſhionable! 

Doch wo — Tiefe, Frifche, Kraft? 





YUmmonium. 


„Fremdling, laß deine Stute graſen! 
O, zieh' nicht weiter dieſe Nacht! 

Dies iſt die grünſte der Oaſen; 

Im gelben Sandmeer glänzt ihr Raſen, 
Gleichwie inmitten von Topaſen 

Ein grüner, funkelnder Smaragd!“ 


Er ſprach: „Gern will ich mich entgürten!“ 
Und nahm dem Pferde das Gebiß. 
Er jeßte fih zu feinen Wirthen; 
Des Würtengeiers Flügel fhwirrten 
An ihm vorüber nach den Sprten, 
Zu ruh'n in der Ventapolise. 


234 


Die Lieder und die Cymbeln Flangen ; 
Die Mappe lag auf feinen Knien. 
Die Roſſe mit den blanfen Stangen, 
Die finftern Neiter mit den langen 
Gewanden, und den bart’gen Wangen, 
Die Zelte — fremd ergriff es ihn. 


Mit farb’gen Stiften fchuf er glühend 

Ein Bildniß diefer Wüftenraft. 

Die Dromedare lagen Fnieend 

Am Duell; des Wirthes Töchter, blühend 
Und fchlanf, bald nahend und bald fliehend, 
Umtanzten fingend ihren Gaſt. 


„Fremdling, laß deine Stute grafen! 
O, zieh? nicht weiter diefe Wacht! 

Dies ift die grünfte der Dafen; 

Im gelben Sandmeer glanzt ihr Nafen, 
Gleichwie inmitten von Topafen 

Ein grüner, funfelnder Smaragd!“ 


— 











235 


Die Steppe. 


Fragment. 


Sie dehnt fih aus von Meer zu Meere; 
Wer fie durchritten hat, den grauf't. 

Sie liegt vor Gott in ihrer Leere, 

Wie eine leere Bettlerfauft. 

Die Ströme, die fie jach durchrinnen; 
Die ausgefahr’nen Gleiſe, drinnen 

Des Coloniften Nad fih wand; 

Die Spur, in der die Büffel traben: — 
Das find, vom Himmel felbit gegraben, 
Die Furchen diefer Rieſenhand. 


236 








Meine Stoffe. 


Ihr ſagt: „Was drückſt du wiederum 
Den Turban auf die ſchwarzen Haare? 
Was hängſt du wieder ernſt und ſtumm 
Im weid'nen Korb am Dromedare? 





Du haſt ſo manchmal ſchon dein Zelt 
Sn Ammons Flächen aufgeſchlagen, 
Daß es uns länger nicht gefällt, 
Dir ſeine Pfähle nachzutragen. 


Du wandelſt, wie ein Mann, der träumt! 
Sieh', weh'nder Sand füllt deinen Köcher; 
Der Taumelmohn des Oſtens ſchäumt 

In deines Liedes gold'nem Becher! 


O, geuß ihn aus! — Dann aber fpah’ 
Und lechz' umher mit regen Sinnen, 
Db- feine Bronnen in der Nah’, 
Daraus du fchöpfen mögeft, rinnen! 





237 


Sei wach den Stimmen deiner Zeit! 
Horch auf in deines Volfes Grenzen! 
Die eig’ne Luft, das eig’ne Leid 
Wo ung in deinem Kelch Eredenzen! 


Laß tönend deiner Zähren Naß 

An die metall’'ne Wölbung Flopfen, 

Und über ihr verbluten laß 

Dein Herz fih bis zum leßten Tropfen! 


Wovon dein Kelch auch ſchäumt, mit Gier 
Wol’n feine Gaben wir empfangen! 

Mit durfi’gen Lippen wollen wir 

An feinen blut’gen Näanden bangen! 


Nur heute noch den Orient 

Vertaufche mit des Abends Landen; 
Die Sonne ftiht, die Wüfte brennt! 
D, laffe nicht dein Lied verfanden!“ 


D, könnt’ ich folgen eurem Rath! 
Doch düfter durch verfengte Halme 
Wal ich der Wüfte dürren Pfad; — 
Wächst in der Wüſte nicht die Palme? 


238 





Löwenritt. 









Wandelt er nach der Lagune, in dem hohen Schilf zu liegen. 
Wo Gazellen und Giraffen trinken, kauert er im Rohre; 


Sycomore. 


Abends, wenn die hellen Feuer glüh'n im Hortentotten 
fraale, | 

Wenn des jähen QTafelberges bunte, wechfelnde Signale 

richt mehr glänzen, wenn der Kaffer einfam ſchweift 
durch die Karroo, | 

Wenn im Bufch die Antilope ſchlummert, und am Strom 
das Gnu: 


ee) - 


239 


Sieh’, dann fchreitet majeitätifh durch die Wüſte die 
Giraffe, 

Daß mit der Lagune trüben Fluthen fie die heiße, fchlaffe 

Zunge fühle; lechzend eilt fie durch der Wüfte nadte 
Streden, 

Knieend fchlürft fie langen Halſes aus dem fchlammge- 
füllten Beden. 


Plöglich regt e3 fih im Rohre; mit Gebrüll auf ihren 
Naden 

Springt der Löwe; welch ein Neitpferd! ſah man reichere 
Schabraden 

Sn den Marftalllammern einer Föniglichen Hofburg liegen, 

Als das bunte Fell des Nenners, den der Thiere Fürft 
beftiegen ? 


Sn die Muskeln des Genides fchlägt er gierig feine Zähne; 
Um den Bug des Niefenpferdes weht des Neiters gelbe 
Maähne. 
Mit dem dumpfen Schrei des Schmerzes fpringt es auf 
| und flieht gepeinigt; 
Sieh’, wie Schnelle des Kameeles e3 mit Vardelhaut 


vereinigt. 


240 


Sieh’, die mondbeftrahlte Flache ſchlägt es mit den leichten 
Füßen! 
Starr aus ihrer Höhlung treten feine Augen; riefelnd 
fließen 
An dem braungeflecten Halfe nieder fchwarzen Blutes 
Tropfen, 
Und das Herz des flücht’gen Thieres hört die ftille Wüſte 
| flopfen. 














Gleich der Wolfe, deren Leuchten Iſrael im Lande Yemen - 

Führte, wie ein Geift der Wüfte, wie ein fahler, luft’ger I] 
Scemen, 

Eine fandgeformte Trombe in der Wüfte fand’gem Meer, 

MWirbelt eine gelbe Säule Sandes hinter ihnen ber. 


Ihrem Zuge folgt der Geier; Erächzend fehwirrt er durch ! 
die Lüfte; 

Shrer Spur folgt die Hyäne, die Entweiherin der Grüfte; 

Folgt der Panther, der des Gaplands Hürden rauberifch 
verheette; 

Blut und Schweiß bezeichnen ihres Königs graufenvolle 
Fährte. 


241 


Zagend auf lebend’gem Throne feh’n fie den Gebieter fißen, 

Und mit ſcharfer Klaue feines Sißes bunte Polfter rigen. 

Kaftlos, bis die Kraft ihr ſchwindet, muß ihn die Giraffe 
fragen; 

Gegen einen foldhen Neiter hilft Fein Bäumen und Fein 
Schlagen. 


Taumelnd an der Wüſte Saume ftürzt fie hin, und 
röchelt leife. 

Todt, bededt mit Staub und Schaume, wird das Roß 
des Neiters Speife. 

Ueber Madagaskar, fern im Oſten, fiehbt man Frühlicht 
glänzen; — 

So durchſprengt der Thiere König nächtlich feines Neiches 
Grenzen. 


Freiligrarh, Gedichte. 16 


242 


Geficht des Neifenden. 


Mitten in der Wüfte war es, wo wir Nachts am Boden 
ruhten; 

Meine Beduinen ſchliefen bei den abgezäumten Stuten. 

In der Ferne lag das Mondlicht auf der Nilgebirge 
Jochen; 

Kings im Flugſand umgekomm'ner Dromedare weiß: 
Knochen. 


Schlaflos lag ih; ſtatt des Pfühles diente mir mein | 
leichter Sattel, 

Dem ich unterfchob den Beutel mit der dürren Frucht 
der Dattel. 

Meinen Kaftan ausgebreitet hatt’ ich über Bruft und 
Süße; 

Neben mir mein bloßer Säbel, mein Gewehr und meine 
Spieße. 




















243 


Tiefe Stille; nur zuweilen Fniftert das geſunk'ne Feuer; 

Kur zuweilen Ereifcht verfpatet ein vom Horjt verirrter 
Geier; 

Nur zuweilen ftampft im Schlafe eins der angebund’nen 
Roſſe; 

Nur zuweilen fährt ein Reiter träumend nach dem Wurf— 
geſchoſſe. 


Da auf einmal bebt die Erde; auf den Mondſchein folgen 
trüber 

Dämm'rung Schatten; Wüſtenthiere jagen aufgeſchreckt 
vorüber. 

Schnaubend bäumen ſich die Pferde; unſer Führer greift 
zur Fahne; 

Sie entſinkt ihm, und er murmelt: Herr, die Geiſter— 


faravane! — 


Ja, ſie kommt! vor den Kameelen ſchweben die geſpenſt'— 
ſchen Treiber; 

Ueppig in den hoben Sätteln lehnen ſchleierloſe Weiber; 

Neben ihnen wandeln Mädchen, Krüge tragend, wie 
Rebekka 

Einſt am Brunnen; Reiter folgen — ſauſend ſprengen 
ſie nach Mekka. 


244 

Mehr noch! — nimmt der Zug Fein Ende? — immer mehr! 
wer Eann fie zahlen? 

Weh', auch die zerfireuten Knochen werden wieder zu 
Kameelen, 

Und der braune Sand, der wirbelnd fich erhebt in dun— 
keln Maſſen, 

Wandelt ſich zu braunen Männern, die der Thiere Zügel 7 
faffen. J 


Denn dies iſt die Nacht, wo Alle, die das Sandmeer 
ſchon verſchlungen, 

Deren ſturmverwehte Aſche heut’ vielleicht an unſern 

| Zungen 

Klebte, deren mürbe Schädel unfrer Nofe Huf zertreten, 

Sich erheben und fich fhaaren, in der heil’gen Stadt zu 7 
beten. | 


Immer mehr! — noch find die Letzten nicht an ung vor: 
beigezogen, 

Und fchon kommen dort die Erften fchlaffen Zaums zurüd: 
geflogen. | 

Von dem grünen Vorgebirge nach der Babelmandeb-Enge 

Sauften fie, eh’ noch mein Neitpferd löfen Eonnte feine 
Stränge. 











245 





Haltet aus! die Roſſe ichlagen! jeder Mann zu feinem 
Pferde! 

Zittert nicht, wie vor dem Löwen die verirrte Widderheerde! 

Laßt fie immer euch berühren mit den wallenden Talaren! 

Rufet: Allan! — und vorüber zieh’n fie mit den Drome— 
daren. 


Harret, bis im Morgenwinde eure Turbanfedern flattern! 

Morgenwind und Morgenröthe werden ihnen zu Beſtattern. 

Mit dem Tage wieder Aſche werden diefe näct’gen 
Zieher! — 

Seht, er dammert fchon! ermuth’gend grüßt ihn meines 
Thiers Gewieher. 


246 


Unter den Palmen. 


Mahnen flattern durch die Büſche; tief im Walde tobt 
der Kampf. 

Hörſt du aus dem Palmendickicht das Gebrüll und das 
Geſtampf? 

Steige mit mir auf den Teekbaum! Leiſe! daß des Köchers 
Klingen 

Sie nicht auffchredt! Sieh’ den Tiger mit dem Leoparden 
ringen! 


Um den Leichnam eines Weißen, den der Tiger überfiel, 

Als er fchlief auf dteſes Abhangs Icharlachfarb’gem Blu— 
menpfühl, 

Um den Fremden, feit drei Monden unfrer Zelte ftillen 
Bürger, 

Der nach Pflanzen ging und Kafern, ftreiten die gefched- 
ten Würger. 








Beh’, Fein Pfeil mehr kann ihn retten! fchon gefchlofen 
ift fein Aug’! 

Koth fein Schlaf, gleihwie die Blume auf dem Fadel- 
diſtelſtrauch! 

Die Vertiefung auf dem Hügel, drin er liegt, gleicht einer 
Schale, 

Bol von Blut, und feine Wange trägt des Tigers Klauen— 
male. 


Wehe, wie wird deine Mutter um dich Flagen, weißer 
Mann! — 

Geifernd fliegt der Leoparde den gereizten Tiger an; 

Aber deſſen linfe Tage ruht auf des Erwürgten Leibe, 

Und die rechte hebt er drobend, daß den Gegner er ver: 
treibe. 


Siehe, welch ein Sprung! — der Springer hat des Todten 
Arm gefaßt; 

Zerrend flieht er, doch der And’re läßt nicht von der 
blut’gen Laſt. 

Ningend, ungeftüm fih padend, fteh'n fie auf den Hinter: 
pranfen, 

Aufrecht zwifhen fih den ftarren, mit emporgerafften 
Blanfen. 


248 


Da — o fieh’, was über ihnen fich herablaßt aus dem 
Baum, 

Grünlich fchillernd, off’nen Nachens, an den Zähnen gift’: 
gen Schaum! — 

Kiefenfchlange, Feinen Einz’gen laffeft du den Naub zer: 
reißen! 

Du umſtrickſt fie, du zermalmft fie — Tiger, Leoparden, 
Weißen! 





DT 2:52 
März; 1836. 


Sei gegrüßt, o ſüdlich Fahrzeug, ſei gegrüßt mir hoch 
im Norden! 

Bärt'ge Männer, fremd gekleidet, ſteh'n auf deinen hohen 
Borden. 


Und der Sprache, die ſie reden, goldgeſchrieb'ne Zeichen 
melden 
Ueber den Kajütenluken mir den Namen eines Helden; 


Jenes Dulders, welchen lange Sturm und Götterzorn 
verſchlugen, 
Bis ihn im Faakenſchiffe heim zuletzt die Wogen trugen. 


Bartge Männer, fchlanfe Nud’rer, feid denn ihr auch 
nicht Fäafen? 

Holz von Corfu diefer Maftbaum! Lein von Scheria dies 
Laken! 


250 


Diefes Segel fah von ferne Neriton’s belaubte Gipfel; 
Naufchten, waldige Zakynthos, ihm nicht Fahrwind deine 
Wipfel? 


Sahen es, gefchaart am Ufer, ſchimmern nicht die Loto— 
fagen ? 
Wer, an diefen Maft gebunden, hörte die Sirenen Elagen ? 


Klar in meiner Seele wieder laßt, wag ich von jenem alten 
Srrenden Odyſſeus hörte, diefer neue fich geftalten. 


Doch nicht will ih in Homeros reihe Welt mich jekt 
verfenfen, 


licht des Dulders Fahrten folgen, oder etwa Dies be: | 


denken: 


Wie, da längſt der Griechen Schriftthum mir verſchließt 
ein dreifach Siegel, 

Heut ein Griechiſch Wort ich wieder las — auf eines 
Schiffes Spiegel; 





u 











251 


Wie mir, ah! das Buch des Wiſſens dunfel blieb auf 
vielen Blättern, 

Aber wie das Buch des Lebens vor mir liegt mit farb’gen 
Lettern; 


Dies, und was daran ſich knüpfet, will ich jetzo nicht 
erwägen; 

Denn die Brigg erfchallt von Liedern, und die Fluth von 
Ruderſchlägen, 


Die mir ſagen: mache dieſen Inſelfürſten dir zum Boten! — 
Wohl, Odyſſeus, ſei mein Bote! ſei geſandt an einen 
Todten! 


Aber ſuch' ihn nicht, wie Jener, an des Schattenreiches 
Pforten! 
Schraͤgen Maſts vorüberſauſe jenen ſchauerlichen Orten! 


Wo Trinakrias Geſtade ſich erheben aus der Welle, 
Dort, nicht fern von den Kyklopen, iſt am Ufer eine Stelle 


252 


Dort, von Blumen leis umflüftert und von immergrünen 
Zweigen, 

Wird ein frifhes Grab, Odyſſeus, deinen Wimpeln bald 
fich zeigen! 


Diefem — hört es, ihr im Taumwerf, braune, troßige 
Sefihter! — 

Diefem gelten meine Grüße: in ihm ruht ein deutfcher 
Dichter! 


Ruht ein Dichter, dem, wie Wen’gen, Dichterfeu’r im 
Herzen brannte. 
Wehe, daß mit feinem Volke hadernd, er fich von ihm wandte! 


Weh' — doch nein, in deinem Grabe fhlumm’re jeko du 
in Frieden! 
Seiner Mufe legte Boten, feid ibm Wächter, Abbaffiden! 


Und in’s Klirren eurer Schwerter, Abbas Friegerifche Söhne, 
Laſſet Theofritos Hirten mifchen ihrer Flöten Töne! 





253 


Daß er füß und ruhig ſchlumm're, dem dies frühe Grab 
geworden! 

Diefes ferne! Tief im Süden fchwieg, deß Lied erfüllt 
den Norden. 


Laute Trauer bei der Botichaft hat das Deutiche Land 
durchzittert. 

Einer Aeolsharfe glih es, die ein Windſtoß jäh er: 
ſchüttert. 


Und wie ſonſt auch man gerichtet, Alles jetzt wich dieſem 
Einen: 

Seinem Irren zu vergeben, ſein Verſtummen zu be— 
weinen. 


Wüßt' er es! und, o vernahm' er über's Meer auch meine 
Klagen! 

Fangt fie auf, ihr falt’gen Segel, gen Sicilien fie zu 
tragen ! 


Dort am Ufer laßt fie tönen; meldet euch mit leifem 
NRaufchen! 

Der Verbannte dem Berbannten: gern wird euch der 
Todte lauſchen! 


254 





Bläht euch denn! mir aber meldet, wenn ihr fehrt, vom 
| Wert gefräufelt, 
Ob, als ew'ge Krom’, ein Lorbeer über diefem Grabe 
fäufelt! 


Eil', Odyſſeus! Aufgewunden deine Anker! frifch von 
hinnen! 
Fliege, big du ſchimmern fieheft Syrafufa’s gold’ne Zinnen! 





259 


Drei Strophen. 


- 


Vernehmt ein wildes, kurzes Lied! im Raume vor der 
Sonne ſteht 

Ein Cherub; ſchweigend ſtaunt er an das All; ſein 
Schweigen iſt Gebet. 

Die ew'ge Sonn' iſt ſein Altar; ihr Glüh'n iſt Opfer— 
flammengold! 

Die Sterne ſind der Roſenkranz, der durch die Hand des 
Engels rollt. 


Wie aus der Hand des betenden Rechtgläub'gen die 
Koralle fällt, 

So fällt aus dieſes Cherubs Hand in's Bodenloſe Welt 
auf Welt. 

Sie rollen ſeit Jahrtauſenden auf ihrer diamant'nen 
Schnur: 

Die fliegenden Korallen ſind's vom Uranus bis zum 
Merkur. 


356 





Wie fich der ew’gen Lampe Schein in Nofenfranzforallen 
bricht, 

Sp ſtrahlt der Weltforallenfranz in des Altars, der 
Sonne, Kit; 

Bis, Hütens und Gebetes fatt, der ernfte Cherub ſich 
empört: 

Weit von fich fchleudert er den Kranz; der Sonnentempel 
ift zerjiört. 








257 


Leviatban. 


Du zertrenneft das Meer durch deine Kraft, und 
zerbrichht die Köpfe der Drachen im Waſſer. 
Du zerfchlageft die Köpfe der Wallfifche, und gibit 

fie zur Speife dem Volk in der Einöde. 
Pſalm 7A. 


An einem Tag im frühen Herbſt ging ich entlang den 
Meeresitrand, 
Das Haupt entblößt, den Blick gefenft, die Lieder Davids 
| in der Hand. 
Die Eee ging hoch, die Brandung fchwoll, der frifche 
Wind aus Dften pfiff, 
Am Horizont nah Werten flog mit weißem Segelwerk ein 


Schiff. 


Und als ich in dem Liederbuch des Koͤnigs über Iſrael, 

Bald um mich fchauend, blatternd bald, gefommen war 
bis an die Stel, 

Die über diefem Lied ihr left, da naheten dem öden Strand 

Die grauen Segel eingerefft, drei Fiicherboote, wohl- 
beinannt. 


Freiligratk, Gedichte. 17 


258 


Und hinter ihnen, aus der Fluth, der weißen, tauchend 
fchwarzlichgrau, 

Schwamm rieſengroß ein Ungethüm; ſie ſchleppten es an 
einem Tau. 

Die Brandung grollt; laut kracht der Maſt, den Anker 
wirft der Harpunier — 

Am Ufer auf dem Trock'nen ruh'n die Fiſcherboote ſammt 
dem Thier! 


Und jetzt in Zügen auf den Ruf der Gatten und der 
Brüder naht 

Der Dede Volk, dad jubelnde, aus feinen Hütten am Geftad. 

Sie feh’n den Sohn des Oceans, den Keib vom Eifen 
aufgeſchlitzt; 

Zerſchmettert ſehen ſie das Haupt, das fortan keine 
Strahlen ſpritzt. 


Vor wenig Jahren erſt gebar den Triefenden der kalte Pol; 

Ein Neuling noch, verirrt' er ſich zu dieſer ſeichten Küſte 
wohl. 

Untief' und Bank verſperrten ihm den Rückweg in das 
hohe Meer; 

Des jungen Rieſen Kopf zerbrach der Herr durch eines 
Fiſchers Speer. — 











259 


Und Gene tanzten jauchzend um den Blutenden; mir aber 

war, 2 { 

Als gloßt’ er halbgeſchloſſ'nen Aug’s verachtlih auf die 
rohe Schaar. 

Mir war, als raufchte zürnend mir fein purpurroth ver- 
riefelnd Blut; 

Als murrt’ er röchelnd in den Sturm: „DO miferable 


Menfchenbrut! 


D Zwerge, die den Niefen ihr beswungen habt durch 
fchnöde Lift! 

O Zappler auf dem Trod’nen ihr, die mein Gebiet ihr 
meiden müßt! 

Schwählinge, die das Meer ihre nur in hohlem Door 
befahren könnt, 

Dem jämmerlichen Schaltbier gleich, das nie fich von der 
Mufchel trennt! 


D kahler Strand, o nmüchterner! o kahl und müchtern 
Treiben drauf! 

D nüchtern Volk! wie bebten fie, da fie vernahmen mein 
Gefchnauf! 


260 
Wie troftlos auf der Dün’ ihr Dorf mit feinen dumpfen 
Hütten fteht! 
Und — bift du beffer denn, als fie, der du mich fterben 
fiehft, Poet? 


Sch wollt, ich wäre, wo das Meer, und wo die Welt ein 
Ende nimmt; 

Wo Frachend in der Finfterniß der Eispalaft des Winters 
fhwimmt. 

Sch wollt, ein Schwertfifch werte dort am Eis fein Schwert, 
und ftieße mir 

Das jäh gezuckte durch die Bruſt; fo ftürb’ ich wenigfteng 
nicht hier!“ 


Es war ein Tag im frühen Herbft; die See ging hoch, 
der Oſtwind pfiff, 

Am Horizont nah Weften flog mit weißem Segelwerf ein 
Schiff. 

ch aber wandte meinen Schritt; ich warf mich nieder 
auf die Dün'. 

Der Herr zerbrach des Wallfiſchs Haupt, und gab dem 
Volk der Dede ihn. 











Mirage. 


Mein Auge muftert unruhvoll des Hafens wimpelreich 
Revier, 

Doch deines richtet lächelnd ſich auf meines Hutes Feder— 
zier: 

„Bon deinen Wüften hör’ ich gern in einer meerumrauſch— 
ten Jacht; 

Ein Bild aus dem Gebiete drum, das diefen Schmud 
hervorgebracht!“ 


Wohlan! ich lege meine Stirn in’s Hohle meiner rechten 
Hand! 

Die Wimper fällt, die Schläfe fliegt — fieh’ da, der Dede 
glüh’nder Sand! 

Die Lagerpläße grüßen dich des Volks, dem ich entfproffen 
bin; 

In ihrer brand’gen Wittwentraht tritt die Sahara vor 
dich hin, 


262 





Wer trabte durch das Köwenland? von Klau'n und Hufen 
zeugt der Kies, 

Tombuktu's Karavanenzug! — am Horizonte blikt der 
Spieß! 

Die Banner weh'n, im Staube fehwimmt des Emirs 
purpurn Ehrenfleid. 

Und des Kameeles Haupt entragt dem Knäu'l mit ernfter 
Stattlichkeit. 


Sie reiten im gedrangten Troß, wo fich vermengen Sand 
und Luft; 

Sieh’ da, verfchlungen hat fie fehon der Ferne fehwefel- 
farb’ner Duft! 

Allein verfolgen ohne Müh' Fannft du der Flücht’gen breite 
Spur: 

Was fie verloren, Mal an Mal durchfchimmert e3 die 
Körnerflur. 


Das erfte — wie zum Meilenftein daliegt’s! ein todtes 
Dromedar! 

Auf dem Geftürzten, federlos die Halfe, fikt ein Geier: 
paar; 











263 


Sie zieh'n das lang entbehrte Mahl dem pracht’gen Turban 
drüben vor, 
Den in des Nittes wilder Haft ein junger Araber verlor, 


Und nun: Schabradenftoff umfliegt der Tamariske dorn’- 
gen Straud; 

Daneben, ftaubig und geleert, ein jäh geborſt'ner Waſſer— 
ſchlauch; — 

Wer ift es, der den Klaffenden wahnfinn’gen Blicks mit 
Füßen tritt? 

Es ift der dunfelhaar’ge Scheif des Landes Biledulgerid. 


Die Nachhut fchließend, fiel fein Roß; er blieb zurüd, er 
ward verfprengt. 

Verlechzend hat fein Lieblingsweib an feinen Gürtel fi 
gehängt. 

Wie bligte jüngft ihr Auge noch, als er fie vor fich hob 
auf’s Pferd! 

Nun fchleift er durch die Wüfte fie, wie man am Gurte 
fchleift ein Schwert. 


Der heiße Sand, den Näctens nur der zottige Schweif 
des Löwen fchlägt, 
Er wird vom fluthenden Gelod der Regungslofen nun gefegt; 


264. 


Er fängt fih in der Haare Schwall, er fengt der Kippe 
würzgen hau; 

Mit feinen Kiefeln röthet er die Knöchel der erfchöpften 
Fran. 


Und auch der Emir wankt; — das Blut in feinen Pulfen 
guillt und Focht, 

Sein Auge ſtrotzt, und feiner Stirn: blau fchimmerndes 
Geäder pocht. 

Mit einem letzten brennenden Kuß erweckt er die Fezza— 
nerin, 

Und plötzlich dann mit wildem Fluch in's Unwirthbare 
ſtürzt er hin. 


Sie aber ſieht ſich wundernd um. — Ha, was iſt das? — 
„Du ſchläfſt, Gemahl? 

Der Himmel, der von Ekze ſchien — ſieh' da, er kleidet 
ſich in Stahl! 

Wo blieb der Wüſte lodernd Gelb? — wohin ich fchaue, 

blendend Licht! 

Es ift ein Schimmern, wie des Meers, das ſich an A: 

giers Küfte bricht! 








265 


Es bligt und brander, wie ein Strom; es ledt herüber 
feucht und kühl! 

Ein riefger Spiegel funfelt es: — wach’ auf, es ift viel: 
leicht der Nil! 

Doch nein, wir zogen füdwärts ja; — fo ift es wohl der 
Senegal? 

Wie, oder wär’ es gar das Meer mit feiner Waifer 
ſprüh'ndem Schwall? 


Gleichviel! 's ift Waller jal Wach’ auf! Am Boden fchon 
liegt mein Gewand, 

Wach’ auf, o Herr, und laß ung zieh’n, und löfchen unfrer 
Leiber Brand! 

Ein frifher Trunf, ein ftarkend Bad, und uns durchfiedet 
neue Kraft! 

Die Veſte drüben, hochgethürmt, befchließe bald die Wan— 
derichaft! 


Um ihre grauen Thore fliegt ſcharlach'ner Fahnen troßig 
Weh'n; 

Von Lanzen ſtarrt ihr ſchart'ger Rand, und ihre Mitte 
von Moskeen; 


266 


Auf ihrer Ahede tummelt fich hochmaft’ger Schiffe ftolze 
| Reih', 
Und jene Pilger füllen ihr Bazar und Karavanſerai. 


Geliebter, meine Zunge lechzt! wach’ auf, ſchon naht die 
Dammerung!” — 

Noch einmal hob er feinen Blick; dann fagt’ er dumpf: 
„die Spiegelung! 

Ein Blendwerf, ärger als der Smum! bögart’ger Geifter 
Zeitvertreib” — 

Gr fchwieg — dad Meteor verfehwand — auf feine Leiche 
ſank das Weib! 


Sm Hafen von Venedig fo von feiner Heimat fprach der 
Mohr; 

Des Feldherrn Nede ftrömte füß in Desdemonens gierig 
Dhr. 

Auf fuhr fie, als das Fahrzeug nun an's Ufer ftieß mit 
jähem Stoß — 

Er führte fehweigend zum Palaft das einz’ge Kind Bra- 
bantio's. 


— ve 











Die Schiffe. 


In der Lenznacht an dem Hafen bin ich auf und abge— 
gangen; 

Träumend flüſterten die Segel an den ſchwarzen Segel— 
ſtangen. 

Schlummernd lagen die Korvetten, ſchlummernd lagen die 
Fregatten; 

Bugſpriet nur und Fockmaſt hoͤrt' ich ſich beſprechen noch 
im Schatten. 


Und in ihre leiten Neden fcholl das Murmeln der Figuren. 

Seht ihr fie? — vorn auf den Schiffen! — Thetis und 
die Dioskuren! 

Robin Hood, und — o der Paarung! — läcelnd neben 
ihm Frau Venus! 

Dort im Lotoskranz der Indus, und im Scilffranz bier 
der Rhenus! 


268° 


Götter waren's und Herven! fchlanfe Weiber! bärt’ge 
Greife! 

(Jedes Schiff hat feinen Namen, und es ift der Schiffer 
Weiſe, 

Daß das Bildniß des Erlauchten, der des Fahrzeugs Hort 
und Pathe, 

Wohlgemeißelt, unterm Bugſpriet ſie befeſtigen zum 
Staate.) 


Dies die Rufer, deren Stimmen jetzo, wo die Kiele 
ſchliefen, 

Durch das Dämmerlicht der Mainacht leiſe ſich bei Na— 
men riefen; | 

Raufchend fprang empor die Welle, fo der Murmler Fuß 
benebte, 

Und auf eines Ankers Trümmer war’s, daß laufchend ich 
mich feßte. 


Weptun. 


Siehft du das Blut, o Rhein, 
Das meine Füße röthet? 

Vom Opfer iſt's, das ein 
Aethiope mir getödter! 








Es war in Afrifa; 

Wir lagen vor der Brandung. 
Kein nordifh Auge fah 

Den Ort vor unfrer Landung. 


Es war beim Flieh’n der Nacht; 
Laut ward's in der Schebede. 
Der Morgenruf der Wacht 
Erſcholl auf dem Verdede. 


Des Zebra’s bunte Zucht 
Erging fih am Geftade; 

Das Quagga ſchritt zur Bucht, 
Daß es die Schenkel bade. 


Da fam vom Bergeshang 
Ein Greis, ein Xethiope; 
Zu feiner Nechten fprang 
Die zahme Antilope. 


Durhbohrt von feinem Speer 
Sah id alsbald fie fallen. 
Er fagte: „Laß, o Meer, 
Mein Opfer dir gefallen!“ 


270 
Das Blut rann auf den Sand, 
Die Fluth hat es verfchlungen, 
Und ift zu meinem Stand 
Damit emporgefprungen. 


Wie lang ich auch den Ort 
Seitdem verlaffen habe, 

Doch fpülte fie nicht fort 
Des Schwarzen Scharlachgabe. 


Den ganzen Winter ſchnob 

Der Nord durch meine Stengen. 
Wann wird der Aethiop 

Auf's Neue Blut mir fprengen? 


Baffin. 


Ein purpurn Opfer, bald ſchon wohl 
Wird rauchend über’n Sand es rollen, 
Wenn irgend eine Bucht am Pol 
Mich eineift mit gewalt’gen Schollen. 





271 


Ein rauh Gebiet! die See voll Eis! 
Gefror’ner Schnee das Kleid der Erde! 
Gefenft die Schaufeln des Geweih’s, 
Grabt fih ihr Mahl die Nennthierheerde. 


Und fieh’! aus eines Nennthiers Haut 
Hat am Geſtade fich der Lappe 

Ein fegelfürmig Haus gebaut, 

Bedeckt mir weißer Flodenfappe. 


Draus wandelt er mit feftem Schritt, 

Und wählt ein Thier fich ohne Fehle. 

Er läßt es knien; — ein rafher Schnitt! — 
Ein Blurjtrahl fieder aus der Kehle. 


Er wühlt fih zifchend in den Schnee, 
Und bahnt fich dunfelrothe Gleiſe; 

Doch nicht gelangt er bis zur See; 
Kalt weht der Nord — er wird zu Eiſe. 


272 





— — 


Rhenus. 


Nicht von Guinea bin ich kommen r 

Nicht nach dem Eismeer fteht mein Sinn. 
Den deutfchen Strom herabgefhwommen 
Nur fomm’ ich, deffen Bild ich bin. 


Nicht, wenn im Fluffe man fich fpiegeln 
Die Traube fieht, vom Herbft gebräunt: 
Es war die Zeit, wenn auf den Hügeln 
Der Rebſtock feine Zähren weint. 


Der Lenz durchfchritt den weiten Garten, 
Den Gott gepflanzt am Nheinesftrand; 
Gr fhaute lächelnd von den Warten 

Der grauen Burgen durch das Land. 


Vorüber flogen Nömerpforte, 
Borüber Burg, Abtei und Dom; 
Verſunk'ne Waffen, gold’ne Horte 
Erglänzten funfelnd tief im Strom. 








273 


D, wel ein Fahren, welh ein Schwimmen! 
In's Flurhgebraus die Lurlei fang. 

Am Ufer fcholl von freud’gen Stimmen 

Ein Lied: „Es Elingt ein heller Klang!“ 


Mit meinen Neben, meinen Sagen, 

In eurem bunten Kreife bier, 

Dom Innern an das Meer getragen, 
Wie fremd, wie fremd erichein’ ich mir! 


Che Arab. 


Laß braufit deiner Sagen Quell; 
D, lab mic hören dein Gedicht! 
Hier ftört das heifre Nachtgebell 
Des Schafals den Erzähler nicht! 


Komm, laß uns üben freud’gen Tauſch! 
Wenn deine Quelle mich gelekt, 

Dann will ich, daß in glüh’nden Rauſch 
Scheherezade dich verfekt! 


Breiligrarb, Gedichte. 15 


274. 





Sp taufhten, als das Abendland, 
Bordem in blanfer Waffen Schmud, 
Gen Morgen zog, beim Stilleftand 
Der Waffen, Nitter und Seldichuf. 


Sie lagen an des Wachtfeu'rs Glut; 
Sm bunten Turban hier der Schedh, 
Der Nitter dort im Eifenhut 

Und in des Panzers güld’nem Blech. 


Der laue Wind der Wüfte fahrt 
Durch Beider fchwarz und gelb Gelod; 
Das Wüftenroß, des Niheines Pferd 
Steh’n friedlich an demfelben Pflod. 


Und die noch geftern feindlih Bahn 
Sich hieben in des Kampfes Reih'n, 
Das Kreuzfchwert und der Ataghan, 
Sie liegen heut? auf Einem Stein. 


Die Lanze lehnt fih an den Speer — 
Sp Fürsten denen auf der Wacht 
Arabiih Mährchen, deutihe Mähr’ 
Die Eine kurze Friedensnact. 





275 





Des Deutfhen Sage war dem Licht 
Des Mondes diefer Mainacht gleich ; 
Des Emirs einem Truggeficht 

Der Wüfte, blendend, ſchimmerreich. 


Gladiator. 


Und wem die meine? — Diefes Schiff, 
Das zweite fchon, auf dem ich fahre. 
Im Südmeer ein Korallenriff 

Ward vorig Jahr des erften Bahre. 


Ein Fahrzeug von Archangels Werft 
Schwamm dort zur Seite mir, die Xena; 
Doch nur für mich fand ich gefchärft 


. Den Klippendolh der Schanmarena. 


Sie ließ er ziehen ihren Kauf, 

Und eine Palmenbucht erreichen; 
Mir aber rip er meuchlings auf 
Des Bauchs metallbefhlag’ne Eichen. 


276 


Arg hauft im Tafelwerk der Sturm; 

Das Steuer dröhnt, die Maften fchwanfen, 
Der Fechter krümmt fich wie ein Wurm — 
Jäh berftend, löfen fich die Planfen. 





Und untergeht in weißer Fur’, 

Was geftern froh noch Flaggen hißte. 
Des Schiffes Bild nur fehlägt fich durch, 
Gefpült von feinem Schaugerüfte. 


Frifch kämpf' ich mit der Wellen Schwarm — 
Gern muß der Gladiator ringen! — 

Da plößlich einen weichen Arm 

Fühl' ich erzitternd mich umfchlingen. 


Bleich aus der Schwarze naffen Haars 
Schaut mich ein Antliß an mit Zagen. 
Des Schiffers holde Tochter war's; — 
Halt? feft! fei ſtark! ich will dich tragen! 


Und feft verframpft fih Hand in Hand; 
Drei Tage lang trag’ ich die Bleiche. 
Am vierten endlich feh’ ich Land, 

Doch feh’ ich's nur für eine Leiche. 





Die Brandung wirft ung an’s Geftad, 
Alwo, die Schweiter zu empfahen, 
Durch's Palmenholz auf blum’gem Pfad 
Des Eilands Ichlanfe Töchter nahen. 


Leis raufcht das Meer, die Taube girrt; 
Sie haben weinend fie beftatter. 

Von einem alten Brodbaum wird 

Des fremden Mädchens Gruft befchattet. 


Die Xena lag am Ufer fchon, 

Ganz, nur ihr Bild des Sturmes Beute! 
Sch ziere jekt ihr Gallion, 

Und fehne ruh'los mich in’s Weite! 


Indianer. 


Und ich im Waſſer fpiegle mein Geficht 

Und meines Haares dunfelbraune Stränge, 
Zu fchau’n, ob Flammen meiner Stirne nicht 
Verfengt der Federn feuerroth Gepränge. 


278. 


Mandarin. 


Und ich auch fpiegle tief mich in der Fluth, 

In der fich fpiegeln Segel, Raa'n und Maften, 
Auf daß ich ſeh', ob unverfehrt von Glut 

Mein gelb Gewand und meiner Mütze Quaften. 





Andianer, 


Denn als ich jüngft von deinem Hafen fchied, 

D Stadt Newyork, da ftandeft du in Flammen: 

Von Funfen ward die fhwarze Nacht durchfprüht, 
Ein Glutmeer war’s, in dem wir Schiffe fhwammen, 


Mandarin. 


Denn als ich jüngft, o Canton, dich verließ, 

Da brannteft du, da fchnobft du Rauch und Funken, 
Erſchreckt von deinen glüh’nden Ufern ftieß 

Die bunte Menge deiner taufend Junken. 


—— 


279 





Indianer. 


Wohl ift ein Waldbrand grimm und fürchterlich, 
Wenn er fkalpirt der Berge laub’ge Stirnen; 
Nichts halt ihn auf; er wälzt durch Ströme fich, 
Berkohlt den Wald, verglaf’t der Felswand Firnen. 


Mandarin. 


Und, beim Gonfuz, ein Schaufpiel, groß und hehr, 
Gewährt dem Aug’ die Feier der Laternen. 

Da wird die Stadt zu einem Strahlenmeer, 

Die Straßen find Jantſekiangs von Sternen, 


Indianer. 


Doch mehr als Waldbrand war in jener Nacht 
Der Brand Newyorks, die höchften Dächer fchürzen 
Mit Flammen ſich, Gewölb’ und Giebel kracht, 
Die Häufer taumeln und die Thürme ftürzen. 


280 


Mandarin. 


Und welch Laternenfeft an Glanze kam 

Dem Brande gleich der dreizehn Handelshäufer? * 
Als er durch Boten das Gerücht vernahm, 
Zerriß zu Pefing fein Gewand der Kaifer. 


Indianer. 


Als meinen farb’gen Kedernfranz beftaubt 
‘ Die weh’nde Afche, 309 ich fort in Trauer. 


Mandarin. 


Und Cantons Afche freuten auf ihr Haupt 
Die Wachter auf der großen Mauer. 


An dem Hafen in der Mainacht bin ich auf und abge— 
gangen, 
Bis des Morgens frifcher Ddem Fühlte meine heißen Wangen. 


* Das Europaifche Viertel Cantons. 














Lied ſchallen, 
1 übertm Waſſer ſcholl dag Lied — * 
⸗ectigallen. 


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282 





Der ausgewanderte Dichter. 
Bruchſtücke eines unvollendeten Cyklus. 


Die Tanne fall? ich, drauf die Adler horften; 

Sie Fracht zu Boden, Schnee vom Haupte fehüttelnd. 
Sch wohne fürder einfam in den Korften, 

Die Menſchen fliehend und die Führen rüttelnd. 


Sch habe nicht, da ich mein Haupt hinlege; 

Bon Feinem Herde bin ich dort gefchieden. 

Mein erfted Haus, mit Hammer und mit Säge, 
Bau’ ich mir felber bei den Atlantiden, 


Kunftlos und rauh; — vom Felfen reif’ ich Karren 
Und ander Kraut, daß ich die Fugen ftopfe; 

Die moofge Rinde laß ich an den Sparren; 

Dumpf durch die Schlucht dröhnt meiner Art Geflopfe. 








283 


Ein leifes Weh’n ſpielt mit den dürren Blättern — 
Geift diefer Wälder, fei mit meiner Hütte, 

Das fie Orkan und Bliße nicht zerfchmettern, 

Daß fie der Schnee des Berges nicht verfchütte! 


Daß ihr Gebälf fein feindlih Beil zerhaue, 
Daß lange Zeit die Sonn’ ihr Dach vergülde, 
Daß fie nicht gleich fei diefer Spur der Klaue 
Des Elennthieres auf dem Schneegefilde! 


Sn einer ſolchen Werfftatt ift gut zimmern. 
Die Waldung funkelr in des Morgens Glanze, 
Die Büfche blißen und die Zweige ſchimmern, 
Und jede Tann? ift eine ftarre Lanze. 


Mit rief’gen Naden an den Himmel ſtemmen 

Die Berge ſich; ftill, doch belebt, die Auen. 

Am Strome drüben, auf den fchnee'gen Dammen, 
Seh’ ich den Biber feine Hütten bauen. 





284 


Fern aus dem Didicht ragt's gleich Nenngeweihen, 
Der Bifon büdt fih, daß den Schnee er lede; 
Das Birfhuhn fehwirrt, und von der Hinde fcheuen 
Fußtritten knarrt des Bodens Flodendede. 


Der bunte Luchs tritt dreift aus feiner Höhle, 

Der Trab des Elenns donnert durch die Führen. — 
Ein neues Lied geht auf in meiner Seele; 

Sch dicht’ es hämmernd — doch wer wird es hören? 


Hinaus, hinaus! der Frühling ift gekommen. 
Der Schnee des Winters riefelt von den Kuppen 
Der Mligator ift an's Land geſchwommen, 

Und fonnt am Ufer feine grünen Schuppen. 


Die Fiſche Ipringen und die Vögel fchlagen; 
Die Knoſpen berften und die Kräuter fehießen; 
Die Wipfel al, auf denen Tauben Elagen, 
Streu’n ihre Blüthen flüfternd mir zu Füßen. 








285 


Die Hirfche wandeln thalwarts mit den Küben; 
Die Auerhähne fchütteln ihre Kämme; 

Mir ihrem Hofftaat durch die Büfche ziehen 
Die Königinnen wilder Bienenftämme. 


Wird mir auch Honig von den Baumen traufen ? 
Frifh in den Wald, umduftet mich, ihr Nanfen, 
Und leget mih! — ein Weifel will ich fchweifen, 
Umfchwärmt von meinem Hofftaat, den Gedanken. 


Dft wand!’ ich Abends auf die fteilften Höhen, 
Einfam mit meiner Lieb’ und meinem Grimme, 
Zu meinen Füßen die gewalt’gen Seen — 

Und dann erheb’ ich meine tiefe Stimme. 


Die werthen Lieder aus den alten Tagen, 
Die ich mit Freunden hundertmal gefungen, 
In diefe Wälder hab’ ich fie getragen, 

Drin nie zuvor ein deutiches Lied geflungen. 


— mn [nun 


Wie zitterte, darauf ich lag, der Gipfel, 
Wie gab mir jener froh mein Singen wieder, 
Wie flüfterten der alten Baume Wipfel, 

Als fie vernahmen Ludwig Uhlands Lieder! 


Wie ftußeten und hoben ihre Hörner 

Die Hirſch' im Thal, als auf den Bergen oben 
Sch Lieder drauf von Kerner und von Körner, 

Bon Schwab und Arndt und Schenfendorf erhoben! 


O, Ihmerzlich wohl Elang manches mir, dem Wand’rer! 
Hier Heimathlieder! — Dennoch, als fie Elangen, 
Stand ich ein Orpheus — mit den Liedern And’rer ! 
Zwar Steine nicht, doch tanzten wilde Schlangen. 


Sch lag heut’ Nacht in füßen, ftillen Traumen, 
Bon meiner Heimath und von meinen Kieben. 
Sch wandelte bei meiner Kindheit Bäumen, 
Wo ich wohl wünfchte, daß fie mich begrüben. 





287 


Der Todten und der Lebenden Geftalten, 

Sie traten vor mid. „D, daß Keiner zürne, 
Daß ich ihn ließ!” — Da jah von einer Falten 
Hand fühlt’ ich leis berühret meine Stirne. 


Sch fuhr empor; e3 war mein Sagdgefährte: 

„Du fchliefft wohl tief, daß gar nichts du vernommen ! 
Komm! denn wir find den Bilons auf der Fährte, 
Und durch den Winipeg find fie geſchwommen.“ 


Im bleichen Oſten fing es an zu tagen; 

Das Stromthal dampfte, eine Nebelfufe. 

Wir ritten aus, das Elennthier zu jagen; 

Die Waldung hol vom Dröhnen unfrer Hufe. 


Bald auch gefunden hatten wir die Heerde; 
Sie barſt durch's Laub, von jäher Furcht ergriffen. 
Wir machten Halt, wir zügelten die Pferde, 
Wir legten an, und zwanzig Kugeln pfiffen. 





288 


Doc) Feines Hornes fhaufelförm’ge Krone 

Berfanf, getroffen, in des Truppes Welle; 
Sie fehüttelte den Naden, wie zum Hohne, 
Und ftürmte fort, verdoppelnd ihre Schnelle. 


Im Blattermeere war fie bald verſchwunden; 
Allein des Grafes blut’ger Thau bewährte, 
Daß Eine Kugel doch ihr Ziel gefunden, 
Drum ging es hikig weiter auf. der Fährte. 


Wir folgten ihr auf off'nen Waldespfaden; 

Dann aber plößlich theilte fich die friſche: nen 
Zum Strome, blutlog, ging der eine Faden, 

Der and’re, blutig, fchlug ſich in die Büfche. 


Ein einzig Thier nur war hier abgegangen. 

Der Führer ſann und fagte drauf den Leuten: 
„Folgt ihr der Hauptfpur durch das Thal der Schlangen, | 
Sch will mit diefem auf der Blutfpur reiten.“ 


Und fo gefchah es; — mit einander fpornen 
Die Roſſe wir feitabwäarts nach den Gründen ; 
Gefnidte Gräfer, blutgefärbte Dornen 

Sind und genug, die rechte Bahn zu finden. 











289 


Er fprach indeß: „Empfängt das Elenn Wuhden, 
Und fühlt es nah’n den Tod in feiner Herbe, 
Dann flieht e3 fcheu die Heerde der Gefunden 
Und birgt im Forft fih, daß es einfam fterbe. 


Sn abgeleg’nen, laubverhüllten Schluchten, 
Auf einer dunfeln, moosbewachſ'nen Stätte, 
Die Felienftüde jäh und wild umbuchten, 
Da ſucht es blutend fich ein Sterbebette. 


Siehft du den Geier über jenen Tannen? 

Auf unfer Wild bald ſenkt er das Gefieder; 
E3 lüfter ihn das Elenn der Savannen — 
Dort, ſollſt du fehen, ſtürzt' es leblog nieder.“ 


Und wahr erwies fich, was er kaum gefprochen, 
Wir fanden’s3 liegen, Enochig, ftarfgelender, 
Die braunen Augen glanzlos und gebrochen — 
Fern feinen Brüdern war es hier verendet. 


In diefe Wildniß, die fein Beil gelichtet, 
Die nie durchzudt der Sonne mildes Lächeln, 
In diefe Wildniß hatt? es fich geflüchtet; 


Sie nur vernahm des Elennthieres Nöcheln. 
Freiligrath, Gedichte. 19 


290 


Der Füßter jeko ließ zu dreien Malen 

Durch die Gebüfche feinen Sagdruf tönen; — 

Ich dachte fehmerzlich meiner eig’nen Qualen: 

Hier ftarb das Thier — hier rinnen meine Thränen! 





Sch bin nun lange drüben wohl vergeflen; 
Wer jetzt noch laufchte meinen erften Klängen? 
Sch wäge finnend meine Wehr, indeffen 
Gewappnet And’re in die Rennbahn fprengen. 


Im Geift erbli® ich ihrer Roſſe Baumen 

Und ihrer Helme Federbufchgezitter; 

E3 raffelt mich aus meinen tiefften Traumen 

Der Klang des Schwertes, das fie fchlagt zum Nitter. 





Nehmt hin den Dank! — ich hab’ ihn abgefchworen! — 
Und doch — beim Blitzen eurer Harnifchzierde 

Und beim Erflirren eurer gold’nen Sporen 

Erwacht in mir die alte Kampfbegierde. 


291 


Denn nicht verroften ließ ich meine Waffen; 

Sch weiß fie rüft’ger, als vordem, zu fchwingen; 
Koh einmal möcht? ih mich zufammenraffen, 
Und auf dem alten Tummelplage ringen. 


Mein Schwert geichliffen hab’ ich in der Dede; 
Bewehrt mit Liedern, ballt ſich meine Rechte; 

‘ch bin bereit zu einer Geiftesfehde — 

Wie, wenn ein Schiffer mein Gartel euch brachte? — 


Wohlan! zum Wettftreit meine Lenden gürt’ ich! 
Shr, in den Schranfen, prüfet meine Wehre! 
Sprecht zu den Nittern: „er ift ebenbürtig; 
Sein Tomahawk ift würdig eurer Speere!“ 


Und als wir watend durch die Furt nun feßten, 
Voran den Führer, den vorficht’gen Schreiter, 
Da fpornte jenfeits einen fchaumbenesten, 
Sangmähn’gen Rappen ein Savannenreiter. 


292 


Gedrung’ne Formen, Glieder wie von Erze, 
Lichtblaues Jagdhemd mit fcharlach’ner Franze, 
Buntfarb’ges Tüchlein um des Haares Schwärze — 
Sp Fam er näher mit gefällter Lanze. 


Sm Flug nur, fchien es, wollt’ er ung betrachten; 
Umfonft hinüber ſandt' ich Auf und Zeichen. 

Er fah mich winken, ohne drauf zu achten, 
Wandte fein Noß, und trat es in die Weichen; 








Flog dann hinan des Ufers jähe Treppe, 

Daß Kies und Mergel dran herunter Flirrten. 

Es war ein Greef, ein Beduin der Steppe; — 
Glück zu! noch heute wirft du dich entgürten! 


Dann wird dein Weib dir deine Kinder bringen; 
Eie ftreicheln furchtlos deines Thieres Mähne; 
Die Buben fagen: „Vater, laß es fpringen!“ 
Und zieh’n ihm dreift den Knebel durch die Zähne. 


Du aber wirft an deinen Herd dich feken, 
Und deine Gattin mit der Ferne Bildern 
Und mit den Wundern deiner Züge legen, 
Bieleiht die Jäger aud im Strome fhildern. 





293 

. 

\ 

Die jekt erreichen triefend das Geftade: — 
Sieh’ da die Grasbahn, die dein Noß gegangen! 
Wohl find ih Hütten, folg’ ich diefem Pfade — 
Doch, ach! wie dich wird Feine mich empfangen! 


Sch fonne mich im letzten Abendftrahle, 

Und leife fäufelt über mir die Nüfter. 

Du jest, mein Leben, wandelt wohl im Saale, 

Der Teppich raufcht, und ftrahlend flammt der Luſtre. 


Und Alles naht fich, feiernd dich zu grüßen, 
Und Alles huldigt deiner milden Schöne; 
Sie legen Alles, Herrin, dir zu Füßen, 
Yuf das dein Lacheln diefen Abend Fröne. 


D, las e3 dringen auch in diefe Wildniß; 

Send’ es herüber taufende von Meilen; 

Nor meine Seele treten laß dein Bildniß; 

Zudt auch mein Herz; — e3 wird ja doch nicht heilen! 


Sp in des Kreifes athemlofer Stille 

Mit deiner Harfe faßeft du vor Zeiten! 

Das ift dein Auge! — deiner Loden Fülle 
Ergießt fi) dunfel auf die lichten Saiten! — 


Das iſt dein Singen! — durch die prächt'gen Räume 
Glühend und innig fluthen meine Lieder! — 

Im Abendwinde fchütteln fich die Baume; 

Schwarz auf den Urwald fenft die Nacht fich nieder. 


Allein, allein! — und fo will ich genefen ? 
Allein, allein! — und das der Wildnif Segen? 
Allein, allein! — o Gott, ein einzig Wefen, 
Um Ddiefes Haupt an feine Bruft zu legen! 


Sn meinem Dünfel hab’ ich mich vermeffen: 
„Ich will fie meiden, die mein Treiben ſchelten. 
Mir felbft genug, will ich dies’ Volk vergeffen; 





Fahr? Hin, o Welt — im Herzen trag’ ich Welten!” — 





295 





Ein einzig Fahr hat meinen Stolz gebrochen; 
Mein Herz ift einfam und mein Aug’ ift trübe. 
Es reuet mich, was frevelnd ich gefprochen; 
Dem Haß entfloh ich, aber auch'der Liebe. 


Allein, allein! — und fo will ich genefen? 
Allein, allein! — und das der Wildnig Segen? 
Allein, allein! — o Gott, ein einzig Wefen, 
Um diefes Haupt an feine Bruft zu legen! 


Die Indianer fißen um die Flamme, 

Und fchüren düfter fie, fchweigfame Schürer. 

Da plötzlich — wohl der Xeltefte vom Stamme — 
Spricht zu den Andern alfo einer ihrer: 


„In Frieden ruh' er, den wir heut” begruben 
Dort, wo den Urwald ſäumet die Savannah! 
Nie einem Weißen, diefem gleich, erhuben 
Ein Mal vom Lorenz wir zum Susquehannah! 





Er war nicht, wie die Andern feiner Farbe; 
Drum zu den Nothen hat er fich gefchlagen. 
Sm unfern dunfeln Neih’n glich er der Garbe 
Des Maiskorns, die zu Tannen man getragen. 


Was mocht’ ihm fein? — mit feinen Tagdgeräthen 
Stand oft er finnend unter einem Baume, 

Und hört’ er rufend in dag Holz ung treten, 

Sp fuhr er auf, und folgt’ ung wie im Traume. 


Auch fand er einfam wohl am Strome dorten; 
Dft durch die Büſche fah’n ihn die Genoſſen. 
Dann war es, daß in fremder Sprahe Worten 
Ihm lange Neden von den Lippen floffen. 


Der Worte Feines haben wir verftanden, 

Doch hörten gerne wir der Worte Schallen. 

Es war ein Takt drin, wie wenn Kriegerbanden 
Mit gleihem Schritt auf hartem Schneefeld wallen. 


Verſtanden haben wir der Worte Feines, 

Doch hat ung ſtets ‘zu hören fie verlanger. 

Es war ein Klang drin, gleich den Tönen eines 
Schilds, der im Wind den Aft fehlägt, dran er hanget. 








297 


Und um fih fchaut’ er, war er nun zu Ende, 
Und ſah erſt jekt, daß Keiner ihn vernommen. 
Dann drüdt’ er ftumm fein Antliß in die Hande, 
Und ift zum Wigwam ftill zurüdgefommen. 


In Frieden ruh' er, den wir nicht mehr fehen! 

Lab eine Hütt’ auf feinem Grab uns bauen. 

Sein Haupt liegt weſtwärts, denn fein leßtes Flehen 
War: „Krieger, o, nach Morgen laßt mich fchauen!” 


298 


Der Neiter. 


Er lenkte ſchweigend durch die Schlucht fein Roß; 
Bleich war fein Antliß, lang und lockig floß 

Ihm Bart und Haar auf Bruft und Achfel nieder. 
Er ließ dem müden Thiere dag Gebif; 

Er feufzte düfter durch die Finfterniß 

Der Führen; „Gott, warum gabft du mir Lieder? 


Sie fchliefen Jahre lang in meiner Bruft, 

Wie Erz im Schacht; — Ich habe nicht gewußt, 
Daß Lieder tief mir in der Seele ruhten, 

eh mir, zu Öffnen ihr verborgen Thor! 

Wie Fochend Herzblut' brechen fie hervor, 
Unhemmbar! ach, und ich — ich muß verbluten! 


Und Keiner weiß es! Alle ftellen fie 4 

Sich vor mid hin, und fagen lahelnd: Sieh’! 
Das ift ein luftig und ein Fraftig Springen! 
Das ift ein frifher und ein tücht’ger Strahl! 
Ein mäß’ger Strom kann diefer Quell einmal, 
Sp Gott der Herr will, durch die Lande dringen. 


Sie aber willen nicht, daß er fchon bald 

Berfiegen muß, daß ebbend fchon er wallt; 

Sie willen nicht, daß vor der Thür mein Sterben; 
Daß mit dem Blut nur, das bis jetzt mir quoll, 
Wenn in der Gruft ich einen tragen ſoll, 

Ich meinen Liederpurpur mir muß färben. 


Doch murr' ich nicht, ich ſage: ſehet da, 

Ich bin ergeben, ich bin Seneca, 

Als in die Wanne rauſchten ſeine Adern! 

Die Dichtkunſt fagt zu meinem Leben: flieh! 
Mein Nero, weh’ mir! ift die Poefie — 

Doch will ich nicht mit meinem Schiefal badern. 


300 
O, hielten fie mich nur nicht am Gewand, 
Und brachten, diefe Balfam und Verband, 


Und die, mein Blut zu fammeln, Kelch und Schale! 


O, Eönnt’ ich ftill zu Tode bluten mic, 
Sleichwie, die Bruft von eines Fangers Stich 
Durchbohrt, ein Hirfch in einem dunfeln Thale. 


O, gönnten fie dem Sterbenden die Ruh’! 

O, drüdten fie nur graufam oft nicht zu 

Die Wunde mir, am Herd und auf den Gaſſen; 
Und lehrten mich, daß den gewalt’gen Fluß 
Berfchließen, eher noch mich tödten muß, 

Als ihn, bei pochenden Schlafen, riefeln laffen. 


D, ließen geh’n mid meine Wege fie, 

Und fragten nicht; Sprich, was ift Poefie? 
O Gott, wie oft vernahm ich fchon die Frage! 
D, lächelten und lachten fie nur nicht, 

Wenn traumerifch, mit glühendem Geficht 
Und eine Thran’ im Aug’ ich ihnen fage: 











301 


Wenn man im Forft auf einen Eichbaum fteigt, 
Und fih zum Siße wählt fein weit verzweigt 

Und raufhend Haupt mit herbe duftendem Laube, 
Und finnend dann, die Arme ftumm verfchranft, 
An die Geliebte, welche fern tft, denft, 

Und in das Neft fchaut einer Turteltaube; 


Wenn man am Meer, von feinem Schaum beuekt , 
Sich einem Fifcher auf die Schultern ſetzt, 

Und fich hinein laßt tragen in die Wellen, 

Die Odyſſee legt auf fein ftruppig Haar, 

Und fingt und jubelt, daß er denkt: fürwahr, 

Das heiß’ ich einen närrifchen Gefellen! 


Und wenn auf muth’gen Nofen man zu Dritt 
Macht oder Vieren einen wilden Ritt — 

Sieh’ da! die lang geſtreckten Nenner fehnauben, 
‘hr beugt euch fpornend vor, ohn' Unterlaß 
Weh'n euh die Mähnen in das Antliß! — das 
Iſt Poefie, doch wollt ihr es nicht glauben. 





Und wenn man Nachts auf langen Brüden fährt, 
Und dumpf ihr Holz vom Huffchlag murren hört, 
Bis das Geſpann urplößlich wieder feinen 

Huf Elirrend auf das Pflafter fegt, daß glüh 

Die Funfen fliegen, dann ift Poefie 

Der erfte Ton des Eifens auf den Steinen. 


Und Poefie auch if’3, wenn, wie ein Schwan, 
Man in der Dammerung in einem Kahn 
Langſam durchfurchet eines Hafens Mitte, 
Und es geftattet, daß der Kahn fich fehmiegt 
An irgend ein gewaltig Schiff; — fo liegt 
Dft neben einem Palaft eine Hütte. 


Und Poefte dann, wenn in Gummifchuh’n 
Man einen Neger fieht im Tauwerk ruh’n, 
Des Abends Kühle ſchwebend einzufaugen; 
Er fchaufelt läſſig fih und fingt ein Lied, 
Und fchaut ihr ihm in’s Angeficht, fo glüht 
Euch wie ein Stern das Weiße feiner Augen. 





303 





Und Poeſie auch würd’ es fein, wenn jeßt 
Dies ſchwarze Roß von Dänenzucht, entfeßt, 
Sich bäumete auf diefer düftern Stelle, 
Mich fchleuderte an diefes Felfenftüd, 

Daß plöglih Nacht umflorte meinen Blick, 
Und meiner Stirne dunkel Blut entquölle. 


Und wenn alsdann, wenn ich zum lekten Mal, 
Beichtenen von der Abendfonne Strahl, 

Das matte Aug’, die müde Wimper höbe, 
Das treue Thier, als Flagt’ es um mein Weh’, 
Geſenkten Halfes auf mich niederfäh’, 

Und warm in mein erfaltend Antlitz fchnöbe.“ 




















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Gele gentliches. 





Bei Grabbe’s Tod. 


Damm'rung! — Das Lager! — Dumpf herüber ſchon 
Vom Zelt des Feldherrn donnerte der Ton 

Der abendlichen Lärmkanonen; 

Dann Zapfenſtreich, Querpfeifen, Trommelſchlag, 
Zuſammenfluthend die Muſik darnach 

Von zweiundzwanzig Bataillonen. 


Sie betete: „Nun danket alle Gott!“ 

Sie ließ nicht mehr zu Sturmſchritt und zu Trott 
Die Büchſe fallen und den Zaum verhängen; 

Sie rief die Krieger bittend zum Gebet, 

Bon den Gezelten kam fie hergeweht 

Mit vollen, feierlihen Klängen. 


308 


Der Mond ging auf. Mild überlief fein Strahl 
Die Leinwand rings, der nadten Schwerter Stahl 
Und die Mugfetenpyramiden. 

Ruf durch die Notten jeßo: „Tzako ab!“ 

Und nun fein Laut mehr! Stille, wie im Grab — 
Es war im Krieg ein tiefer Frieden. 








Doch anders ging es auf des Lagers Saum 

Sm Weinfchanf her; — da flog Shampagnerfchaum, 
Da hielt die Bowle dampfend ung gefangen; 

Da um die Wette blißten Epaulett’ 

Und Friedrichsd’or; da ſcholl's am Knoͤchelbrett: 
„Ber halt ?” und Harfenmädchen fangen. 


Zumweilen nur in diefes wüften Saals 

Setöfe ftahl ein Ton fich des Chorals, 

Mifchte der Mondfchein ſich dem Schein der Lichter. 

Sch ſaß und fann — „Nun danfer —“ „„Qui en veut ?*“ 
Geklirr der Würfel — da auf einmal feh’ 

Aus meiner alten Heimath ich Gefichter. 


309 
„Bas, du?“ — „„Wer ſonſt?““ — Nun Fragen hin 
und ber. 
„Wie geht’3? von wannen? was denn jeßt treibt der?” 
Auf hundert Fragen mußt? ih Antwort haben. — 
„Wie —” „„Nun, mach’ fchnell! ih muß zu Schwarz 
und Roth!““ 
„Sleih! nur ein Wort noh: Grabbe?“ — „„Der ift todt; 
Gut’ Naht! Wir haben Freitag ihn begraben!““ 


Es riefelte mir Falt durh Mark und Bein! 
Sie fenften ihn vergang’nen Freitag ein; 

Mit Lorbeern und mit Immortellen 

Den Sarg des todten Dichters Ihmüdten fie — 
Der du die hundert Tage fchufft, fo früh! — 
Sch fühlte Frampfhaft mir die Bruft erfchwellen. 


Sch trat hinaus, ich gab der Nacht mein Haar; 
Dann auf die Streu’, die mir bereitet war 

In einem Kriegerzelt, warf ich mich nieder. 
Mein flatternd Obdach war der Winde Spiel; 
Doch darum nicht floh meinen Halmenpfühl 

Der Schlaf — nicht darum bebten meine Glieder. 


310 


Nein, um den Todten war's, daß ich gewacht: 
Sch ſah ihn neben mir die ganze Wacht 
Inmitten meiner Leinwandwande. 

Erzitternd auf des Hohen pracht’ge Stirn 
Legt’ ich die Hand: „Du loderndes Gehirn, 
Sp find jekt Afche deine Brande? 














Wachtfeuer fie, an deren- fprüh’nder Glut 

Der Hohenftaufen Heeresvolf geruht, 

Des Corſen Volk und des Garthagers; 

Jetzt mild wie Mondfchein leuchtend durch die Wacht, 
Und jeßo wild zu greller Brunft entfaht — 

Den Kichtern ähnlich diefes Lagers! 


Sp iſt's! wie Würfelklirren und Choral, 
Wie Kerzenfladern und wie Mondenftrahl 
Vorhin gefäampft um diefe Hütten, 

Sp wohl in diefes mächt’gen Schädel Raum, 
Du jah Verftummter, wie ein wüfter Traum 
Hat fich Befeindetes beftritten, 


— 


311 


Sei's! diefen Mantel werf’ ich drüber hin! 

Du warft ein Dichter! — Kennt ihr auch den Sinn 
Des Wortes, ihr, die Falt ihr richtet? 

Dies Haus bewohnten Don Juan und Fauft; 

Der Geift, der unter diefer Stirn gehauft, 
Zerbrah die Form — laßt ihn! er hat gedichtet! 


Der Dichtung Flamm’ ift allezeit ein Fluch! 
Wer, als ein Leuchter, durch die Welt fie trug, 
Wohl laßt fie hehr den durch die Zeiten brennen; 
Die Taufende, die unter'm Leinen hier 

m Waffen ruh'n — was find fie neben dir ? 
Wird ihrer Einen, fo wie dich, man nennen? 


Doch fie verzehrt; — ich ſprech' eg aug mit Grau’n! 
Sch habe dich gefannt als Süngling; braun 

Und fraftig gingft dem Knaben du vorüber. 

tah Jahren drauf erfchaut’ ich dih ale Mann; 

Da warft du bleih, die hohe Stirne fann, 

Und deine Schläfe pochten wie im Fieber. 


312 
Und Male brennt fie; — durch die Mitwelt geht 
Einfam mit flammender Stirne der Poet; 
Das Mal der Dichtung ift ein Kainsſtempel! 
Es flieht und richtet nüchtern ihn die Welt!“ 
Und ich entfchlief zulekt; in einem Zelt 
Träumt' ich von einem eingeftürzten Tempel. 








313 


Für Schillers Album beftimmt geweſen. 


Nun kommen ſie aus aller Welt, 
Die leichten Dichterboten. 

Bon wannen flattert nicht ein Blatt 
In's Buch des großen Todten? 


Und wer jegt durch die Sierren fchweift 
Und wählt fih zum Gefandten 

Ein Lied, der hüllt es ein in Flor 
Dom Sarge des Infanten. 


Und wer durch Franfreich zieht, der tritt 
Zu Dom Remy's Altare, 

Und fendet einen Kranz vom Baum 
Des Mädchens der Loire. 


Und wer in Welfchland jeko weilt, 
Schickt Lorbeern von Meffina, 
Und einen frifch gehau'nen Span 
Vom Haufe des Verrina. 


314 


Der Böhme meldet einen Gruß 

Bon Friedlands Fühnen Notten. 

Sn England fchrieb’ ich mir dem Blut 
Der Königin der Schotten; 


Und in dem Land Helvetien 
Stieg’ ich zu Berg und fehriebe 
Vom Grütli es zum Todtenfeft, 
Wie ich den Todten liebe. 


Sch bin nicht, wo der Rhein entfpringt, 
Sm hohen Land des Schächen; 

Sch wohne tief, wo laffig er 

Verrinnt in fand’gen Flächen. 


Denn diefes find am Ocean 
Die abgefall’nen Lande; 
Seflattert hat die Aufruhrfahn’ 
Auf diefem Nebelftrande. 


Und diefes ift der Pfeilebund, 
Und dies find die Provinzen; 
In diefen Städten fehaarten fich 
Die Geufen um den Prinzen. 











315 
Noch ſpricht aus Steinen jener Geift, 
Der da manch Herz zerfreilen; 

Sch hab’ heut’ Nacht bei Sturmesweh'n 
Bor Alba's Thür geſeſſen. 


Sch wandelte dur Thore, die 

Dem Spanier fich verfchloffen ; 

Ich ftand vor Thurm und Mauerwerk, 
Vom Herzog einft beichoflen. 


Wie hier vordem ein Volk gefämpft, 
Und wie ein Fürft gefündigt, 

Das hat in eh’rne Tafeln Er 
Gegraben und verfündigt. 


Bon diefer Mauerringe Troß 
Zeugt Er mit mächt'gen Lauten; 
Sie wiflen es, fie danfen’s ihm, 
Dem Todten die Ergrauten. 


Und jeder Stein aus Thorgemölb’, 
Aus Mauern und aus Stiegen, 
Ließ' freudig fich in’s Fundament 
Bon Schillers Male fügen. 


Mein Lied will fie vertreten: nr 
Es ruh' im Mal, ein 


Bon den abtrünn’gen Stätten! 





317 


An Schillers Album. 


Teotzig iſt dieſes Land: der Nordſee trotzt' es den Boden, 
Dem im Evscurial trotzte die Freiheit es ab. 
Siehe, die Pfeile dies, die verbundenen! dies die Pro— 
vinzen! 
Dies der zottige Leu, der in der Klaue fie trägt! 
Dies die Sandbanf im Meere des duftverfchleierten 
Nordens, 
Drauf des Gebieters im Süd flaggende Barfe verging! 
Hier des Aufruhrs Herd! Hier hat die Flamme gelodert! 
Die, Gewalt’ger, durch dich länger und leuchtender 
ſtrahlt. 
Siehe, ich ſaß heut’ Naht auf Alba's blutiger Schwelle: 
Diefes Haus vordem Def von Toledo Quartier! 
Diefe alten Tavernen vernahmen die Schwüre der Geufen; 
Diefer Märkte Naum fah das behang'ne Schafot. 
Siehe, die Thore dies, die Philipps Völkern ſich fchlofen! 
Siehe, die Mauern dies, die fie vergeblich berannt! 


318 


Höre den Dank der Ergrauten! fie Eennen und lieben dich, 
| Schiller! 
Gerne zu deinem Mal fügte fich jeglicher Stein! — 
Weit der Weg und feft der Mörtel! — für die Ge: 
bund’nen, 
Sie zu vertreten, fliegt freudig gen Süden dies Blatt! 
Ruh' es, ein Stein von den Mauern der abgefallenen 
Städte, 
In den Quadern des Mals Def, der die Städte ver- 
klärt! 


“1 


319 





Der Phönix. 


Bur Einleitung des Zweiten Jahrgangs von E. Dullers Phönir. 


Am Niger, wenn von den fünfhundert 
Vollendet wiederum ein Sahr, 

Erhebt der Phönir fih verwundert, 
Und redt der Schwingen purpurn Paar. 
Er fhaut zu Thal von dem bemoof’ten 
MWeltgrate, drauf fein würz’ger Horft; 
Er ſchaut nah Welten und nah Dften 
Durch Wüftenland und Zimmetforft. 


Welch ein Gewirr zu feinen Füßen; 
Da ballt der Sand fich wunderbar, 
Da raufchen Wälder, Ströme fließen, 
Da traben Strauß und Dromedar. 


320 


Da weht des Mohren Scharlachfahne, 
Da fchallt des Tigers dumpf Gefchrei, 
Da jagt der Sturm die Karavane, 
Da jagt den Hirfch der grimme Leu. 


Da ſchaut im Süden er die Horden 

Des Kaffernvolfs befchwichtigt Faum; 
Da, taufendzeltig, glänzt im Norden 
Die Lagerftatt am Feigenbaum. 

Bunt tummeln fi) die Kriegsgefchwader, 
Die blut'gen Schwerter funfeln glüh; | 
Und weithin fchallt’s: „Hie Abdel Kader!“ 
„„Hie Drleand, und Frankreich hie!““ 


Er aber läffet fich nicht Eümmern 

Der Heere Drang und der Partei'n; 

Sein Trachten ift, daß fie fein Schimmern 
Mit ihrem Staube nicht entweih’n. 

Still fammelt fort er in den Thalen 
Gewürze fich zu feinem Brand, 

Und laffet feinen Firtig ftrahlen 

Ruhig durch das empörte Land. 


321 





Dem VPhönir möge diefer gleichen! 

Auch ihm vollender fih ein Jahr. 

Er fchauer in des Geiftes Neichen 

Sih um, und redt der Schwingen Paar. 
Er ſchaut nad Oſten und nah Weiten; 
Sieh’ da — auch hier Empörung nur, 
Und NRütteln an den alten Velten, 

Und Waffenflang, und Ruf, und Schwur! 


Nicht ift ein Fremdling er dem Ringen 

Und dem Erregtfein diefer Zeit. — 

Barg denn nicht Er auch mit den Schwingen 
Den Funfen, der erregt den Streit? — 
Fortan ihr Schimmern will er wahren ; 
Sein Flug ift über den Partei’n, 

Doch gilt fein Flügelfchlag den Schaaren 
Des Neinen und des Nechts allein 


Breiligrach, Gedichte 21 


322 


Sedwede Zeit hat ihre Wehen; 

Ein junges Deutfchland wird erfteh'n. 
Unhemmbar ift des Geiftes Wehen, 

Und vorwärts Fann die Zeit nur geh’n. 
Allein der Schlamm nicht der Gemeinbeit 
Gebiert, was edel und was recht; 

Nur aus der Wahrheit und der Neinheit 
Erfteht, was fördert ein Gefchlect. 


Und Solchem einzig gilt fein Streben, 
Und gilt fein Trachten für und für; 
Sold neuem Lenz entgegenheben, 

As ein fcharlachenes Vanter, 

Mag er die Flügel, mag entgittern 
Auf's Neu’ die Schranken er: — Hinein! 
Und müßt’ ihm auch aus Ranzenfplittern 
Gethürmt der Scheiterhaufen fein! 


323 





Bannerfpruc. 
An €. Duller. 
(Bur Einleitung des dritten Jahrgangs des Phonir.) 


Das Horn erfholl, der Kenner fcharrte! 
So laß uns denn zu Felde zieh’n! 
Auf's Neue fchwing’ ich die Standarte, 
Die deine Farben laßt erglüh’n! 

Und nenne Keiner mich verwegen, 

Wer fo vor deiner Schaar mich fchaut: 
Es wird ja ftets dem jüngften Degen 
Des Banners Obhut anvertraut! 


Ich laſſe meinen Ruf erklingen, 

Gewappnet, Duller, wie ih bin! 
Ein Neich ja gilt es zu erringen 
Der Menfchheit, unf’rer Königin! 


324 


Ein Reich, um welches fie noch heute 
Bon Thranen und von Blute trieft; 
Doc deffen Throne nach dem Streite 
Ein inn’res Ahnen ihr verbrieft. 


Ein Reich, von dem ich oft geftammelt, 
Und e3 gefehen auch im Traum. 

Die Völker hatten fich verfammelt 

Um einen einz’gen Lebensbaum. 

Da war Fein Schelten und Fein Toben, 
Und Feiner eitlen Rede Brunft: 

Sch fah ein Band, das war gewoben 
Aus Glaube, Freiheit, Wiffen, Kunft. 


Sie brachten Alle, was fie hatten, 
Bol Eintraht Einem Weihaltar; 
Wie Brüder fah ich auf den Matten 
Gelagert diefe große Schaar. 

Und wie die Taube über Lämmern 
Sich wiegt in Lüften, alfo febier 
Sah milde durch der Zeiten Dammern 
Die Lieb’ ich ſchweben über ihr. 


325 








Das ift das Reich, nah dem wir ftreben; 
Und ift auh unfer Häuflein ſchwach: 
Wir haben Kämpfer vor und neben, 

Und immer neue wachen nad! 

Die ganze Menichheit Eine Heerde — 
O, nur gerungen und geglaubt! 

Es frommt ihr-jede Hand breit Erde, 
Die der Gemeinheit wir geraubt ! 


Im Kampfe nur erblüh’n uns Kranze! 
Drum laß ung fein, wie der’ Kroat, 

Der auf Illyriens Kriegergrenze 

Dem Boden anvertraut die Saat; 

Der, als ein Kriegesmann gerüftet, 

Den Walzen in die Furche freut, 

Und, wenn fein Schwert den Türfen lüfter, 
Sclagfertig daſteht allezeit! 


Der, wenn er fehrt von feinen Zügen, 
Beherzt und freudig, wie er fchied, 
Der Scholle dunflem Schooß entftiegen 
Des jüngften Lenzes Ausfaat fiebt ; 


326 


Der friedlich jekt, fein Korn zu mähen, 
Die Senfe ftatt des Säbels fchwingt, 
Und zwifchen Ernten, Kampfen, Sien, 
Sein Leben ruhelos verbringt! 


Ich fühl’s an meines Herzens Pocen: 
Auch uns wird reifen unfre Saat! 

Es ift fein Traum, was ich gefprochen, 
Und jener Völfermorgen naht! 

Sch feh’ ihn leuchten durch die Sabre; 
Sch glaube feſt an feine Pracht; 
Sntbrennen wird der wunderbare, 

Und nimmer Fehren wird die Nacht! 


Wir aber reiten ihm entgegen; 


Wohl ift er werth noch manden Strauß. 


Wirf aus die Körner, zieh’ den Degen; 
Sch breite froh das Banner aus! 

Mit feften Handen will ich's halten; 
Es muß und wird im Kampf befteh'n; 


Die Hoffnung raufcht in feinen Falten, 


Und Hoffnung laßt nicht untergeh'n! 


Meberfetzungen. 


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Aus dem Franzöfifchen. | 








Alfons de Samartine. 


Der Genius in der VBerborgenbeit. 
An Jean Beboul. 


Der Ddem, deffen Weh’n ertönen laßt die Seele, 
Und zu Gefängen fie entflammt, 

Berihmähr die ſtolze Pracht der Schlöffer und der Sale: 
Das Purpur er und Gold zu feiner Wohnung wähle, 
Bedarf Er’s, der vom Himmel ftammt? 


Den Hirten, der auf’s Feld hinaustreibt feine Heerde, 
Beichatter mit den Flügeln er; 

Senft auf das Strohdach fich der Armen diefer Erde; 
Auf ſchlechtem Wiegenpfühl, mir lächelnder Geberde, 
Schirmt er ein berrlices Myſter. 


332 
Es ist das Kind Homer, das unter woll’nem Tuche 
Die Sklavin trägt durch das Gewühl; 
Es iſt ein junger Hirt, der unter'm Dach der Buche 
Hervortritt, daß er ſcheu verirrte Ziegen ſuche, 
Und der nach Jahren heißt Virgil. 


Der Knabe Moſes iſt's, den Nileswogen ſchützen, 
Und den die Königstochter liebt; 

Den unter Tauſenden heimſucht des Sina Blitzen, 
Indeß er Marmor hackt, und in des Ofens Hitzen 
Die ungebrannten Ziegel ſchiebt. 


Noch immer that ſich auf die Pforte dieſes Schreines: 
Sp reifen zur Unfterblichkeit 

Die Perl’ im Meeresfchooß, das Gold im Nik des Steines, 
Der Diamant im Schacht, dem Hüter feines Scheineg, 
Der Nuhm in der Verborgenheit! 


Ein Phönix ift der Ruhm, ein aus fich felbft Gebor’ner, 
Der alle hundert Fahre nur 

Sich niederlaßt aufs Haupt Geliebter und Erfor’ner, 
Mit feinen Zeichen ftirbt — ein ewig dann Verlor’ner, 
Dep Wiege Keiner noch erfuhr! 


333 
Sp wund’re dich denn nicht, daß fich ein Sohn des Lichtes 
Dein Dunfel nahm zur Nubeftatt: 
Erinn’re Safobs dich, und feines Nachtgefichtes! 
Das Traumen des Genie’, gern eine Stirn umflicht eg, 
Die Steine nur zum Kiffen hat! 


Sch felber, reich bedacht mit Dem, was DVieler Streben, 
Wie gerne diefes guld’ne Soc, 

Mir auferlegt vom Glüd, wie gerne wollt’ ich's geben 
Für eine Stunde nur der Zeit, wo meine Neben 

Und Feigen al mein Reichthum noch; 


Für jener Traume Luft, die mir im Herzen fangen, 
Und die fein Gold mir neu befcheert, 

Die fih in’3 Purpurmeer der Abendfonne fchwangen, 
Indeß mein Mütterchen mit gluthbeftrahblten Wangen 
Umwandelte den engen Herd; 


Indeß auf ihren Wink zum büch'nen Tiſch wir traten, 
Den ihre Liebe treu gededt, 
Für unfer ländlih Mahl den Herrn um Segen baten! — 
Einfache Früchte nur, wie heuer fie geratben, 

Und Brod, wie es der Landmann bädt. 


334 


Jean Webont. 


Antwort auf Lamartine’s Gedicht: 
Der Genius in der PVerborgenheit. 


Den du genannt mit edelmüth’gem Feuer, 
Kühn troßt mein Name der Vergeflenheit; 
Denn alles Dunfle, das durch deine Leier 
Fuhr, hülft ſich in Unfterblichkeit. 


D, wenn mein Singen jemals Herzen rührte, 
Wenn eine Bruft es flammend je durchglüht, 
Du, Sänger, war’ft es, dem der Danf gebührte! 
Mein Lied entftand aus deinem Lied! 


Du bift es, du, der meine Seele gähren, 
Und edlen Ehrgeiz fie durchlodern ließ; 
Du bift es, du, der mich auf den Altären 
Der Zukunft täglich ‚opfern hieß! 


335 
Du bift für mich der Engel, der die Schritte 
Lenft von den Himmeln zu der Erde Thal, 
Der auf den Palaft und des Dörfners Hütte 
Sich niederlafet ohne Wahl. 


Du nahtejt mir; der Sphären herrlich Klingen 
Und wunderbares Leuchten priefeft du; 

Da ichüttelte, gleich dir, ich meine Schwingen, 
Und flog mit dir den Himmeln zu! 


Und mich durchfloß ein ungefannt Entzüden ! 

Ein blendend Leuchten jtrahlte meinen Blicken, 

Und Melodien umtönten mic! 

Mein Geift erbub fich, ftrrablend, neu geboren; 

Das AL duchichweifen wollt’ ih..... drin verloren 
Würd’ id mich haben ohne dich! 


Du aber fagteft: „Siehe da die Grenzen! 
Berdunfeln wird fih unfrer Traume Glänzen, 
Hinab! Für und nicht folh ein Glüd! 

Schnell geh’n vorüber diefe reinen Klaren — 
Nicht will der Herr dem Staube ſchon gewähren 
Der Engel ftrablender Gefchid. 


O, harren wir, bis fich die Zeit vollendet; 

Bis einft der Tod dem durft’gen Geifte fpendet 
Des Duelle, der ew’ge Wonne beut; 

Wenn wir den Herrn im Heiligthume preifen, 
Dann wird die Welt fich als der Traum erweifen, 
Der Himmel als die Wirklichkeit.” — 


Und als du mich zurüdgabft dem Gebiete 
Des Irdiſchen, da in den Adern glühte 

Ein Fieber mir, das Wichts, ac! Eühlt; 
Wenn Feine Leier, die an's Herz ich drüde, 
Die ein beraufchend Bild zeigt meinem Blide 
Don Allem, was ich fehon gefühlt. 


O Strahlen, die mein Aug’ ihr einft umaeben, 
Wie, euer Glänzen follt” ich nicht erheben 
In meinem neuen Dunfel hier? 

Wie, mit dem fcehwachen Tönen meiner Lieder, 
Gab’ ich das eure demuthvoll nicht wieder, 
Des Himmels heil’ge Lieder ihr? 





337 


Der Engel und das Kind. 


Ein Engel fand an einer Wiege; 
Sein Antlis war von Strahlen hell. 
Es war, als ob die eig’nen Züge 
Er fhimmern fah’ in einem Quell. 


„Kind, das mir gleicht,“ fo fprach der Engel, 
„Fleuch auf mit mir zum ew’gen Licht! 

Die Erde bietet dir nur Mängel; 

Komm! deiner würdig ift fie nicht! 


Auf ihr erblühft du nur zu Leide; 
Selbit ihre Wonne drüdt die Bruft; 
Wie Elagend, jauchzt auf ihr die Freude, 
Und Seufzer hat auf ihr die Luft. 


Kein Feft auf ihr, das ohne Sorgen! 
Es gab noch feinen Sonnentag, 
J Der Bürge ward beim nächſten Morgen 


Für Sturmesweh'n und Wetterſchlag! 
Greiligrach, Gedichte 22 


338 


Und follte je der Sram fich feßen 
Auf diefe reine, ftile Brau? 

Und bleichte je mit bitter'm Aetzen 
Die Zahre dieſes Auges Blau? 


Kein! folge mir, daß ich dich trage, 
Wo brennend Sonn’ um Sonne rollt! 
Der Himmel fchenft dir gern die Tage, 
Die du vertrauern hier gefollt! 


Laß Feine Thrane fie vergießen, 
Die dich genannt ihr einzig Glück; 
Laß deinen legten fie begrüßen, 
Wie deinen erften Augenblick! 


Laß ihre Stirn e8 nicht verfünden, 
Daß bier im Haus ein Auge brach! 
D fomm! Wer hingeht ohne Sünden — 
Sein lester ift fein fchönfter Tag!“ 


Und, fhürtelnd feine weißen Schwingen, 
Auf zu der Gottheit ew’gem Thron 
Erhub er fih mit füßem Klingen..... 
Du arme Mutter!... Todt dein Sohn! 





” 


339. 


Sie ift Frank. 


Warum von Thraͤnen iſt dein Kiffen naß? — 
Mein Engel, ah! wird deine Lippe blaß, 
Wird je dein füßes Auge trübe, 

Nicht fürchte dann, du meines Lebens Luft, 
Daß Andre dich entfremden meiner Bruft..... 
'S ift mit der Seele ja, daß ich dich liebe. 


D meine Taube, wenn ich Armer je 

Dein dudend Köpfchen überfchatten fah’ 
Den Tod mit fchwärzlihem Gefieder, 

Nicht fäng’ ich von Balkon dann zu Balkon, 
Daß And’re lode meiner Lieder Ton; 

Auf deinem Grabe feßt’ ich ſtill mich nieder, 


340 


Dort, naffe Augen hebend fternenwärts, 
Wollt’ ich erwecken dich mit deinem Schmerz; 
Und deines Geifterfluges Tönen, 

Durch’s Haar der Weide zitternd in mein Ohr, 
Dem füßeften Geftändniß zög' ich's vor 

Bon der Gepriefenften der Schönen! 





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341 


Erfbeinung. 


Warum das Grau'n in meine Nächte ſtreuen? 
Warum dem Ernft des Sarges diefer Hohn? 
Sch ließ den Priefter eine Kerze weihen, 

Und für dich lefen ließ ih Meilen fchon. 


Sch ließ gefchehen, was für deine Ruhe 
Vorſchreibt der Kirche heilig Ritual; 

Sch öffnete dem Armen meine Truhe, 

Zu öffnen dir des Himmels gold’nen Saal. 


Sch Elagt’ um dich! — O fprich, was kann dich qualen, 
Da nie die Luft auf ihrem Pfad mich fand? 

In deiner Schreine funfelnden Juwelen 

Hat nie gewählt noch eines Erben Hand. 


Noch fteht das Haus, dem dich der Tod entriffen, 
In düftrer Trauer ernft und fchweigend da; 
Noch in des Schleiers falt’gen Finfterniflen 

Trägt Leid der Spiegel, der dich lächeln ſah. 


342 


Noch floß Fein Del auf deine Lampe wieder; 
Noch liegt dein Pfühl, wie jene Nacht er lag; 
koch auf’s Getäfel fenft der Staub fich nieder, 
Den es beftäuben ließ dein Todestag. 


Und fieh’, den Sweig auch trug man nicht von binnen, 
Der dich befprengt, o du geliebtes Bıld, 

Als in's Gewand der Garmeliterinnen 

Wir deine Leiche weinend nun gehülft. 


Und doch bei Nacht in meines Vorhangs Falten 
Hör’ ich ein Naufchen, das mein Schlafen ftört; 
Ein feuchter Hauch laßt meine Stirn erfalten; 
Es ift ein Hauch, wie Gräbern er entfährt. 


Ein Arm alsdann mit einer bleichen Kerze 
Gießt auf mich aus ein trübe dammernd Licht; 
Ein banges Tönen fallt mir ſchwer auf’s Herze, 
Und Falter Schweiß bedeckt mein Angeficht. 


Sch ſeh' dich weinen; meine Pulfe ſtocken; 

Auf meine Bruft, die du, ja nur erfülfft, 

Ergießen fchwer fich deine düftern Loden — Fl 
2, wenn du fo kommſt, fag’ mir, was du willft! 





343 


Denn heilig find mir deiner Gruft Befehle; 
Erfüllen gern ja will ich dein Gebot! 
Genug ja drüdt, o ruhelofe Seele, 

Das Leben mich — aud ohne deinen Tod! 


D, diefes Schredbild, Wahrheit oder Lüge, 
Gib du, o Gott, daß meine Ruh' es flieh’! 
Und. meiner Traume nahtverhüllte Wiege, 

Laß deinen Engel freundlich fchaufeln fie! 


Der Kahn. 


Sept ihr den Kahn dort in der Ferne? 
Bon Purpur blißt er und von Gold, 
Durch's Waſſer zieht er, gleich dem Sterne, 
Der durch das Blau des Himmels rollt. 


Sefchaufelt von des Zephyrs Kofen, 

| Von ihren Wonnezügen matt, 

Ruht dort die Liebe wohl auf Roſen 
Und auf der Myrthe duft’gem Blatt. 


Auf unfrer Inſel wolle landen! 

Ihr Schatten ift fo füß und Fühl..... 
O feht, fie hat den Ruf verftanden, 
Und bald erreicht fchon ift das Ziel! 


Nun ſchmückt die Stirne, windet Kränze, 
Hinunter an's Geftade zieht! 

Weib oder Göttin — laffet Tanze 

Sie grüßen und ein Fifcherlied. 


345 


Eilr! fhon am Ufer fehet ichwanfen 
Den Nahen! — ad, er ift zerfchellt! 
Und in ihm auf den leden Planfen 
Verblutet fih ein junger Held. 


„Grabt mir ein Grab auf euren Borden; 
Zu meinem Sarge fällt das Holz! 
Schaut her! der Lohn ift mir geworden, 
Den Gott beftimmt hat für den Stolz! 


Gelockt von meiner Flagge Schimmer, 
Flog gierig ein Pirat herbei; 

Er ſchoß mein luftig Boot in Trümmer, 
Und meine Bruft durchfuhr fein Blei. 


Sch fterbe;... fei’s! doch ihr — Seid weife! 
Wenn ihr gefahrlos reifen wollt, 

So denkt an mich auf eurer Neife: 

Den Purpurwimpel nicht entrolft!“ 


346 


Alfred de Alufet. 


Sieder und Sragmente 


Barcelona. 


Mer, der auf Barcelona’3 Gaſſe 
Mein andalufifh Mädchen fah? 
Wer fah fie ſteh'n auf der Terraffe? 
'S ift meine Löwin, meine blaſſe 
Markeſa d'Amaegui ja! 


Für ſie hab' ich mich oft gehauen, 

Für fie Sonette gar gemacht! 

Wie oft, ein Haar nur ihrer Brauen 
Durch's Weh'n des Vorhangs zu erfchauen, 
Hielt ich vor ihren Fenftern Wacht! 


347 


Mein ift fie! mein ift diefer Wangen, 
Mein diefer Lippen lechzend Glüh’n! 
Mein diefes Auge, fchwarz verhangen 
Bon feid’nen Wimpern! mein die langen 
Haarwellen, fo ihr Hermelin! 


Mein, mein ihr Hals, feh’n fie die Wände 
Des Schlafgemahs in üpp’ger Ruh’! 
Mein das Gewand um ihre Lende! 

Mein ihre Fleinen weißen Hände, 

Und mein ihr Fuß im fchwarzen Schuh! 


D, wenn durch ihres Nekes Franzen 
Ihr Auge bligt mit wildem Brand, 
Bei allen Heiligen im ganzen 
Gaftilien, man brache Lanzen, 

Zu rühren nur an ihr Gewand! 


Beim Eid! man muß fie feh’n im weißen 
Nachtkleid, die prächtige Geftalt! 

Man muß es feh'n, dies Schlagen, Beißen, 
Wenn unter Küffen, grimmigen, heißen, 
Sie wüthend fremde Worte lallt! 


348 


Und, o! wie toll ift ihre Freude, 

Wenn fie am Morgen fingt und lacht! 
Wenn, da juft in des Strumpfes Seide 
Ihr Füßchen fchlüpft, ihr unterm Kleide 
Des Leibchens ftraffer Atlas Fracht! 


Auf, Page, folge meinen Pfaden! 
Hinaus mit Tambouringeklirr! 
Heut’ Abend will ich ferenaden, 
Daß fluchen fÖllen die Alcaden 
Bis an den Guadalquivir! 


349 


Das Lever. 


O Herrin, es wird helle! 
Dein Leibroß, Iſabelle, 
Begrüßt dich wiehernd; — ſchau 
Auf der Piqueur' und Führer 
Grünfarb'gen Aermeln ihrer 
Stoßfalken ſchwarze Klau'! 


Sieh', Pagen und Bereiter! 
Der flücht'gen Stuten Leiter, 
Ein unbewamster Troß, 

Das Haupt vom Buſch umflogen, 
Sp fommen fie gezogen 

Mit Armbruft und Gefchoß. 


390 


O, böre deiner ſchnellen 
Windfpiel’ und Doggen Bellen! 
Hoch, Pfiff und Gertenhieb! 
Zur Jagd! frifch in den Bügel 
Den Fuß! ergreif’ die Zügel! 
Viel Glück zur Jagd, mein Lieb! 








Und nun zuerft verhülle 

Des ſchönen Bufens Fülle 

Mit des Habites Grün! 

Laß, moorumfpannt, mit feinen 
Göttlichen Formen fcheinen 

Ein füßes Räthſel ihn! 


Mir weißer Hand zu kämmen 
Dein Haar, laß uͤberſchwemmen 
Das dunfelbraune dich! 

Dein Haar, früh aufgebunden, 
Und in den Abendftunden 
Gelöft durch dich und mich! 


351 


Frifh auf denn, meine Wilde! 
MWeithin durch das Gefilde 
Tönt deines Thiers Gefcharr! 
Und wie den Speer ein Knappe, 
So fchwingt, in bunter Kappe, 
Den Sonnenfhirm dein Narr. 


Und nun noch die gefticte 
Schärp' um die goldgefhmüdte 
Sagdrobe wirf! gefchwind! 

Und in des Mantels Falten 
Wil tragen ich und halten 
Dich, wie ein fchlafend Kind! 


352 


Madrid, du Licht von Spaniens Thalen, 
In deinen tauſend Feldern ſtrahlen 

Viel tauſend Augen, ſchwarz und blau. 
Du weiße Stadt der Serenaden, 

Viel taufend Eleine Füße baden 

Sich Nachts in deines Prado’s Than! 


Madrid, und Fämpfen deine Stiere, 
Dann laffen taufend Händchen ihre 
Buntfarb’gen feid’nen Schärpen weh'n; 
Und in den fternerhellten, lauen 
Lenznächten fieht man deine Frauen 
Auf deinen blauen Treppen fteh’n. 


— 


393 


Madrid, Moedrid, laß ſie ſich ſehnen! 

Ich ſpotte deiner ſtolzen Schönen, 

Die muthig tummeln Maul und Pferd! 
Denn unter Allen weiß ich Eine; 

Lab Braun’ und Blonde kommen — Keine 
Iſt ihre Fingerfpige werth! 


Und mich nur, wenn die Sterne feinen, 
Läßt die Duenna diefer Einen 

Dur ihr vergittert Fenfter! — Wer 
Nah zorn’gen Bliden tragt Begehren, 
Der nah’ ihr nur beim Meffehören, 

Sei Bifchof oder König er! 


Denn, wiflet, meine wilde Kleine 

Aus Andalufien ift es! meine 

Wittib mit dunfelm Flammenblid! 
Sie ift ein Teufel und ein Engel! 
Braun, der Drange gleih am Stengel, 
Und wie ein Vogel flügg’ und quid! 


Freiligeath, Gedichte 23 


304 





O, wenn wir zitternd Küffe en; 
Wenn um mein Haupt mit füßem Naufchen 
Entfeffelt ihre Loden weh’n, 

Dann muß man fie mit glüh’nder Wange, 
Behend und fcehnell, wie eine Schlange, 

Sn meinem Arm fih winden feh’n. 


Und fragt ihr, welchem Preis die fchlanfe 
Erob’rung ich denn wohl verdanfe? 

'S war meines Roſſes Mähnenpract; 
Das Loben ihrer Sammtmantille; 

Nicht zu vergeffen: — auch Vanille: 
Bonbons in einer Faſchingsnacht! 


Die Frau Marfifin. 


Ihr kennt ihr Aug' und ihre Züge, 
Ihr kennt die Andaluſierin! 

Ihr wißt, daß ich im Arm ſie wiege 
Vom Abend bis zum Morgen hin! 


O, ſeht ſie, wenn ihr Arm, wie eines 
Schwans weißer Hals, mich feſt umſchlingt; 
Wenn, dicht an ihrem Haupte meines, 

Die Nacht uns ſüße Träume bringt! 


O, kommt! ob unſerm Neſt begegnet 

Und ſchnaͤbelt euch, ihr Voͤgelein! 

Durd ihren Schlummer, den Gott fegnet, 
Strahl’ eurer Flügel Widerfchein! 


Preis der Vergeflenheit gegeben, 

Sei Alles, nur die Liebe nicht! 

Die Wolluft ruft: vergeßt das Leben! 
Der Vorhang ruft: vergeßt das Licht! 


396 


D, laß ung ruhen, Mund auf se! 
Hauch’ deine Seel’ in mich hinein! 

D, laß ung ruh’n fo bis zur Stunde, 
Wo man ung bringt den Todtenfchrein! 


Und fürchte nicht des Sternes Schimmer, 
Der jetzt die Furcht der Weifen ift! * 
Vielleicht, fchlägt er die Welt in Trümmer, 
Daß unfern Winfel er vergißt! 


Sn meiner Seele frifches Bluten 
Laß rinnen deinen lichten Geift, 
Wie fih in eines Gießbachs Fluthen 
Der Wiefe Blumengquell ergeußt! 


Denn weißt du wohl, wie viele Schmerzen 
Sch litt, ah, um zu leben nur? 

Siehft du in meinem wunden Herzen 

Des Veberdruffes blut’ge Spur? 


Gib einen Kuß mir, meine Kleine! 
Mit meiner Hand in deinem Haar, 
Laß mich erzählen dir beim Scheine 
Der Lampe, was mein Unglück war! 


* Man redete damals viel von dem Kometen von 1832, 


397 


Kun ſieh', . gut ich bin, mein Leben! 
Daß geſtern du auf meiner Bruſt 
Entſchliefſt — ich will es dir vergeben! 
Und war's auch, als ich ſchwatzte juſt. 


Denn, auf des Königs Wort, ſobald es 
Wird dunkel in der Hauptſtadt fein, 
Zieht hier im Luſtrevier des Waldes 
In's Schloß die Frau Markiſin ein. 


Mein Arm ſei der Geliebten Wiege 
Vom Abend bis zum Morgen hin. 

Ihr kennt mein Lieb, ihr kennt die Züge 
Der braunen Andaluſierin! | 


398 


Fragment. 


a ’ & a : 
Ich habe dich geliebt; — und wie? — o Gott, mein Leben 
Hatt’ ich in jener Zeit für dich dahin gegeben ! 


Du aber haft mich felbft verfcheucht von deiner Bruft, 
Du felbft, zu lieben dich, benommen mir die Luft! 


Du fängft mich jeßt nicht mehr in deines Lächelns Schlinge, 
Auch deine Thranen jekt find überffüf’ge Dinge! 


Sp, wenn der alte Saal ein Kind mit Schreden füllt, 
Löſ't vom Getäfel es Helm, Harnifch oder Schild. 


Mit der Trophäe dann, die zitternd es erftritten, 
Sucht es fein Kammerlein mit bangen, haft’gen Schritten; 


Legt das Gemwaffen ab, und hüllt beim matten Schein 
Der Damm’rung furchtfam fich in feine Kiffen ein. 


359 


Doch, wenn der Morgen nun verfheucht der Nacht Ge: 
fpenfter, 
Dann funfelt das Phantom im Morgenroth am Fenfter. 


Dann lacht es feiner Angft, und ruft: wie war ich blind! 
Wie war ich furhtfam doch! wie war ich doch ein Kind! 


360. 


An die Jungfrau. 


O Jungfrau, wenn ein Mann, der deine ſteilſten Wände 
Erklettert hätte, nun auf deinem Gipfel ſtände: 

Wohl ſchlüge ſtolz ſein Herz, wohl zitterte ſein Geiſt, 
Wenn er vom ew'gen Schnee ſich trunken nun erhübe, 
Wenn mächt’ge Kreiſe nun im Aether er beſchriebe, 

| Dem jungen Adler gleich, der langfam ihn umkreiſ't. 


Sungfrau, ich weiß ein Herz, gleich dir zum Himmel 
ragend, 

Gleich dir ein fledenlos und ſchimmernd Feftkfleid tragend, 

Dem Ew’gen naher noch, ald du dem Himmel; kühn 

Und rein! — Drum fiaune nicht, erhabenfte der Höhen, 

Daß, da zum erftien Mal ich feine Firn gefehen, 

Für einen Sterblihen der Ort zu hoch mir fchien. 





361 


An Ulrich ©. 


Urich, kein Auge maß die Tiefe je der Meere, 

Der älteſte Matros, der kühnſte Taucher nicht! 

Auf ihrem Spiegel iſt's, daß, gleichwie feine Speere 
Sin überwund’ner Schüß, die Strahlen Phöbus bricht. 


So auch durchdrang fein Aug’ den Abgrund deiner Schmerzen, 
Hefall'ner Engel, Mann der düftern, eifgen Ruh’! 

Du tragt in deinem Haupt, du trägft in deinem Herzen 
wer Welten, fchreiteft trüb an meiner Seite du. 


Doch laß mich wenigfteng in deine Seele fchauen, 

Bie furchtſam fih ein Kind beugt über einen See; 

Du: fo gereift, ein Haupt, daB bleich vom Kuß der Frauen; 
sch: faft ein Knabe noch, dich neidend um dein Weh! 


362 


Benedig. 


Venedig, ſtolz von Blicken, 
Kein Roß auf deinen Brücken! 
Kein Fiſcher am Geſtad, 

Kein Licht am Pfad! 


Am Ufer nur voll Treue 
Hebt der gewalt'ge Leue 
Auf zu des Himmels Blau 
Die eh'rne Klau'. 


Und um ihn her in Gruppen 
Fregatten und Schaluppen, 
Wie Reiher, ſchwarz und weiß, 
Kauernd im Kreis. 


Sie ſchlummern, feucht bethauet, 
Das Waſſer dampft uud brauet; 
Matt ſchimmert durch die Nacht 
Der Wimpel Pracht. 


363 


Mit fternigem Gemölfe 
Bedeckt der Mond die welfe, 
Faltige Lichtftirn, eh’ 

Sein Grab die ©ee. 


©» läßt in dem Gemäuer 
Bon Saint-Eroir den Schleier 
Des Klofters Oberin 

Ihr Haupt umzieh’n. 


Der alten Schlöfer Menge, 
Die ernften Säulengänge, 
Die weißen Treppen hie 
Der Nobili; 


Und dort die bunten Schilder, 
Die ftarren Marmorbilder, 
Der Golf und die Lagun’ 
Schweigen und ruh'n. 


Mit langen Hellebarden 

Sieht man nur noch die Garden; 
Es blist der Schwerter Stahl 
Vor'm Arfenal. 


364 


D, jest wohl mehr als Eine 
Harrt ſtill im Mondenfceine ; 
Sie laufcht beforgt und bang 
Des Buhlen Gang. 


Wohl mehr als Eine fchmüdt fich 
Zum Balle jeßo; blickt fich, 
Verführeriſch angethan, 

Im Spiegel an. 


Auf wolluftvollen Kiffen 
Dehnt ſich, indeß mit Küffen 
Sie den Geliebten letzt, 
Vanina jetzt. 


Und bei Champagnerſchaume 
Würzt in der Gondel Raume 
Narciſſa bis zum Tag 

Das Feſtgelag. 


Und — zählet Welſchlands Städte! — 
Wer in Italien hatte 

Sein Körnlein Thorheit nicht? 

Wer liebte nit? 


ae A ET ET SEEN 












Zeetzt tön auf feinem Falten, 


Langweil’gen Pfühl dem alten, 
Gähnenden Dogen nur 


Der Schlag der Uhr. 
’ 


⸗* * 


Was kümmert uns die Stunde? 
Ich zähl' auf deinem Munde 

Kur Küſſe, die du gibft...... 
Dder vergibfi? i 


Ich zahl in nacht'ger Stille 
Nur deiner Reize Fülle; 
Die ſüßen Thränen ich, 
Ninnend um mid! | 


366 


Stanzen. 


N); wie gern im Abendftrahle, 
Tief im Thale, 

Seh’ ich, einem Todtenmale 
Aehnlich, Schwarzer Münfter Bau! 


O, wie gern ich bei den finftern, 
Hohen Münftern 

Auf der Ritter Schwel im Finftern 
Kreuz und Weihekeſſel ſchau'! 


Helm’ ihr auf der Pyrenden 
Truß’gen Höhen, 

Alte Kirhen, Maufoleen, 
Die Fein Wetter je zerbricht; 


Mag’re Thürm’, entfleifchte Steine, 
Die ihr Feine 

Zeit Fennt, feid ihr die Gebeine 
Staubgeword'ner Berge nicht ? 


* 


367 


O, wie lieb' ich euch, ihr Thürme! 
Wie Gewürme 

Winſeln um euch her die Stürme, 
Machtlos! — ihr ſteht hoch und feſt. 


O, wie lieb’ ih euch, ihr Gänge! 
Heil dir, enge 

Stiege, deren Schooß die Klänge 
Heil’ger Hymnen tönen läßt! 


D, Eommt der Orkan gefahren, 
Treibt zu Paaren 

Wald und Feld, faßt bei den Haaren 
Das Gebirg mit Zorngefchrei: 


Zwei granit'ne Bäume zwifchen 
Weh'nden Büſchen 

Steh'n alsdann mit ihren Niſchen 
Die zwei Thürme der Abtei! 


O, wie gern mit ihren Schilden 
Und Gebilden 

Mag ich Abends ſich vergülden 
Dieſer Thore Roſen ſeh'n. 


Diefe grauen ri ait 
Heil’gen, die, aus Stein gehauen, 
Leis für die Lebend’gen flehn! 





369 


Sponett. 


Den eriten Froft des Winters hab’ ich gerne, 
Wenn unter'm Fuß des Sägers Fnarrt der Schnee, 
Wenn auf die Felder Frachzend zieht die Kräh', 
Und wenn der Dambirfh Neif tragt am Gehörne! 


Jetzt nah Paris! — Jüngſt ehrt’ ich aus der Ferne 
Sn feine Mauern! — Ernft aus ihrer Höh’ 
Sah’n Saul’ und Louvre, Nebel zog am Quai, 

Drin glommen röthlih Fadel und Laterne. 


Wie liebt’ ich diefe graue Zeit! — die Seine 
Begrüßt' ich jubelnd, die in ihrem Bette 
Wie eine Fürftin normandiewärts ſchwamm! 


Du ja warft in Paris! — Ho, eine Thrane? — 


Daß fih Ihr Herz fo bald geändert hätte, 
Wie fonnt’ ich es denn willen auch, Madame? 


Kreiligrach, Gedichte 24 


370 


- Ballade an den Mond. 


Den Mond durch Nebel feheinen 
Hoch über'm Thurme fieh), 

ie einen 

Punft über einem i! 


Mond, welh ein Geift auf Pfaden 
Des Dunfels führet licht 

Am Faden 

Profil dir und Geficht ? 


Nachtaug' mit dunfelm Scheine! 
Bon Cherub welch ein Duns 
Durch deine 

Blechmasfe fchielt nach ung? 


Bift du, mit deinem rothen 
Geſicht, ’ne dide Spinm, 
Die pfoten- 

Und armlog rollt dahin, 


en 


371 


Bift du, faſt möcht? ich's fagen, 
Die Uhr voll Noft und Ruß, 
Die fchlagen 

Der HM die Stunden muß? 


Frug eben jekt um Kunde 
Sie deine Stirn, wag Zeit 
Und Stunde 

Sn ihrer Ewigfeit? 


Frißt dich ein Wurm, wenn enger 
tun dein gefchwärzter Kreis 
Und länger 

Sich ausdehnt filberweiß? 


er neulich Abends hatte 

Ein Auge dir geraubt? 

Traf Latte, 

Traf Baumaft dir das Haupt? 


Durch meiner Scheiben Gitter 
Erfah ich deines Horns 
Gezitter, 

Als wäreft du voll Zorns. 


372 


Geh, Mond! nicht langer ſchwebe, 
Dun Sterbender, einher! | 

Ach, Phöbe, 

Die Blonde, fiel in's Meer! 


Soll ewig es fie halten? — 
Du bift ihr Antliß nur; 
Bol Kalten, 

Tragt es des Alters Spur. 


Gib ung zurück die Meine, 
Die Säg’rin auf der Bürſch, 
Sm Haine 

Berfolgend früh den Hirſch! 


Ha! unter den Platanen 
Zu feh’n im Dieicht hier 
Dianen, 

Die Hunde neben ihr! 


Das fchwarze Neh, verftöret 
Die Felswand flieh'nd binan, 
Es höret, 

Es hört fie zitternd nah'n. 


373 


Nach fest der flücht’gen Beute 
Durch Wald und Thalgrund heiß 
Die Meute, 

Seführt vom feuchten Schweiß. 


Ha! Phöbe’n, Phöbus’ Schweiter, 
Ertappt im Bad zu fchau’n, 
Mo Neiter 

Die wilden Schwäne bau’n! 


Sie, die bei Nacht auf Lieder 
Und Mund dem Schäfer finft, 
Wie nieder 

Ein Vogel leicht fih ſchwingt! 


O Luna! welchen Schimmer 
Und welcher Schönheit Zier 
Auf immer 

Verleiht dein Lieben dir! 


Froh bringt, wer dir begegnet, 
Dir feines Danfes Zoll, 

Und fegnet 

Dich, wachlend oder voll. 


374 
Dich liebt der Hirt, am Naine 
Ausruh’nd bei frifchen Quel’n, 
Weil feine 
Hund Angftlich dich anbell’n. 


Dich liebet auf Kauffahrer 
Und Kriegsfchiff der Matrof, 
Lacht Elarer 

Nachthimmel feinem Floß; 


Die Dirne dich, die wählig 
Am Saum des Holzes zieht, 
Hellkehlig 

Läßt ſchallen ſie ein Lied. 


Und unter deinem blauen 
Aug' reget ſich das Meer; — 
Zu ſchauen, 

Wie an der Kett' ein Bär. 


Und, regn' es oder ſchneie, 
Was jede Nacht komm' ich 
Auf's Neue, 

Hieher zu ſetzen mich? 





376 


Mlarceline Desbordes- VBalmore. 


Der Nufer an der Rhone. 


Das Erntemädchen war gekrönt; von frifhen Kränzen 
308 feftlich fih vom Dorf zur Stadt ein Blumenband. 
Die Kinder trugen heut’ ihr bunteftes Gewand, 
Sm Aug’ der Greife fah man Erntefreude glänzen. 
Auf einmal endigte die Luſt, 
Dem Srrlicht ahnlich, das, wie es entfteht, verglüht. 
Ein langer Schrei fuhr Ealt, wie Eis, durch jede Bruft, 
Berftummt war jedes Lied. 


„Zurück, zurüd, das Kind, das fich verlief im Schwarme! 


Die Mutter weint! — das Kind! — o, daß fi Gott 
erbarme! 


Zu dumpfem Brüten ward ihr lautes, wildes Klagen; 
Für ihren bittern Schmerz hat fie nicht Worte mehr. 
Hört! daß Ihr es erfennt; es fagt euch nicht, wie fehr 
Es zu bejammern iſt; nur; Mutter! kann es fagen. 


377 


Noch Keiner, der: hier ift es! rief? 

Hat e3 am Ufer denn Fein Einz’ger fpielen ſeh'n? 

O Gott, die Ahone tft fo tief! — 

Ein fhwaches Kind! — faum fonnt’ es geh’n! — 
Zurück, zurüd, das Kind, das fich verlief im Schwarme! 
Die Mutter weint! — das Kind! — o, daß fich Gott 

erbarme! 


Sein Aug’ ift fhwarz und fanft, es hat erſt wenig Zähne, 
Selb, wie das reife Korn, ift meines Kindes Haar; 
Furchtſam und fchwanfend geht’s, und mit Kornblumen war 
Sein Kleid beſetzt; gewiß fteht eine helle Thräne 
Sn feinem Aug’; — ihr kennt es, war’ 
Es nadt — oft nahm ja fchon die Armuth ſchwachen Kleinen 
Ihr Kleid! — ein Engel, ohne Wehr, 
Würd’ es in feiner Bloͤße weinen! 
Zurück, zurüd, das Kind, das fich verlief im Schwarme! 
Die Mutter weint! — das Kind! — o, daß fih Gott 
erbarme!“ 


Der alte Rufer fchweigt; ein: bier! nur aus dem Volfe 
Will er, lang wartet er; — umfonft! — die Mütter find 
Wortlos; und jede drüdt feſt an die Bruft ihr Kind; 

Der Schreden legt ſich trüb auf’3 Feft, wie eine Wolfe 


378 





Man fagt, daß mit verftohl’nem Gang, 
In Lumpen eingehült, barfuß ein Bettler dorten 
Schlich; unter feinem Mantel Elang 
Ein leifes Wimmern zu den Worten: 
„zurück, zurüd, das Kind, das fich verlief im Schwarme! 
Die Mutter weint! — das Kind! — o, daß ſich Gott 
erbarme!“ 


379 


Die Nachtwache des Negers. 


Die Sonn’ der Nacht erhellt der Küfte nadte Höhen; 
> Herr, wie lange noch verziehen wir im Sand? 
Sanft will ich tragen dich; 0, reich’ mir deine Hand! 
Erwache, guter Herr! laß uns zu Menfchen gehen! 
Herr! feit drei Tagen fchon- find deine Augen zu: 
Schläfſt immer du? 


Sieh’, der Platanenwald fiel nieder vor den Schritten 

Des Sturms; das Schiff verfchwand zertrümmert in der 
Fluth. 

Von deiner bleichen Stirn wuſch ich das rothe Blut; 

O komm! gern öffnen ung die Schwarzen ihre Hütten. 

Herr! feit drei Tagen fchon find deine Augen zu: 

Schlafft immer du? 


380 


Was du wohl traumen magft? dein Sklav' errieth eg gerne. 
D, lang währt diefer Traum! weicht er, wenn es am Strand 
Hell wird? drüdft du erwacht des treuen Dienerd Hand? 
Fa, weden will ich dich, fobald nur flieh’n die Sterne. 
Herr! feit drei Tagen ſchon find deine Augen zu: 
Schlafft immer du? 


Doc fehon befcheint das Licht des Morgens das Gefieder 

Der Möve; lautlos trägt die See das Fifcherboot. 

Komm! — dein Geficht ift Ealt! — bleich! fonft war es 
doch roth! 

O fprachft du! meinen Muth gab’ mir dein Sprechen wieder! 

Herr! feit drei Tagen fehon find deine Augen zu: 

Schlafft immer du? 


a > 


381 


Angufte Barbier. 


Niſa. 


Xagıevra utv yao ad. 
AUnafreon. 

— 
Dtolz ragt ein Fichtenbaum; und drunter, lau von Fluthen, 
Smpfängt den frifhen Quell ein Beden, das die Gluten 
des Sonnenftrahls nicht kennt. 
Dort, feit das Morgenroth der Fichte Stamm befchienen, 
ing ihre Tunifa nachläſſig auf im Grünen 
in Kind von Agrigent. 


Sie ruht und wiegt fich dort, nadt wie fie trat in’s Leben! 
Das einz’ge Frühgewand, von dem ihr Leib umgeben, 
des Waſſers dünner Flor! 

Sie ruht auf Mooſe dort und auf dem feinen Sande, 
Bie eine Nymphe fchier, die, ledig der Gewande, 
importaucht aus dem Rohr. 


382 


Warum auch flöhe fie, ein Kind von vierzehn Lenzen, 
Dem roth die Lippe fchwillt, dem blau die Augen glänzen, 
Und deffen Zähne Schmelz? 

Nach ihrer Mutter Kuß, nach Tanz und Blumenpflüden, 
Was Fünnte Nifa wohl, die Kleine, mehr beglüden, 

As Baden im Gehölz? 


Sie fchaufelt üppig fich; der Wind des Morgens Fühlt fie; 
Sie denft an's Wafler nur, und mit dem Waſſer fpielt fie; 
Mit ihren Händchen fchlägt 

Und faltelt fie die Fluth in taufendfacher Weife, 

Wie Abends oft der Werft in ihrer Schweftern Kreife 
Ihr Kleid in Falten legt. 


Bald mühr fie ſchäckernd fich, die Schwalben zu ergreifen, 
Die den Kryftall des Borns mit braunem Flügel ftreifen 
Und hurtig dann entflieh’n. 

Bald laßt ein fchwimmendes Ameischen fie entrinnen, 
Läßt es den Raſenſaum des Quellbaffing gewinnen, 

Und heißt es fürder zieh’n. 


383 


Jetzt einer Roſe Kelch entblattert fie mit Lachen; 

Die Quelle wird ein Meer, das duft’ge Blätternachen 

Befahren, Bord an Bord. 

Da haucht ihr Münden Sturm; die Schiffe weh’n zur 
Küfte; 

Nur wen’ge retten fih an ihre jungen Brüſte, 

Gleihwie in einen Port. 


Dann laufht fie jtill und ernit auf das melod’sche Fliegen 
Der Biene, die fich dreift auf ihren Honigzügen 

An ihr vorüber ichwingt; 

Und dann dem Krübgelang, dem lieblichen, der Grille, 
Der Kleinen, deren Lied durch des Gehölzes Stille 

Wie Lied des Himmels klingt. 


Dann endlich ichlaft fie ein! — Auf ihren Armen liegend, 

Ruht aus ihr lodig Haupt! — Halb ihwimmend und 
halb fliegend, 

Entrollt die blonde Fluth. 

Dem Schwane gleicht fie fo, den, unterm Schilf verborgen, 

Ein Mädchen ſchlummern fiebt, wenn er am frühen Morgen 

In feinen Federn rubt. 


384 


Auf einmal fährt fie auf! — Ein Nafcheln und ein Rau: | 


ichen! — 


Iſt es ein Menfchenfuß? — Sie laufcht mit bangem ' 


Lauſchen; 
Ihr Köpfchen ſinkt auf's Knie. 
Roth wird ſie, wie die Frucht des welſchen Maulbeer— 
baumes; 
Sie biegt zuſammen ſich, und in des Wellenſchaumes 
Gekräuſel zittert ſie. 


Doch bald verſtummt der Lärm; und Niſa, noch erſchrocken, 
Wagt es, hervorzuſpäh'n aus ihren dichten Locken 

Mit feuchtem Augenlied; 

Da plötzlich lacht ſie auf: — langbärtig aus den Zweigen 


Schaut eines Geisbocks Haupt herab mit ernſtem Neigen, 


Sieht an ſie und entflieht. 








Aus dem Englifchen. 


Greiligrarh, Gedichte 


25 


IE ven 2) Bargırinnd 





Samnel Taylor Coleridge. 


Der alte Matrofe. 


Ein Romanzencyklus. 


Facile credo, plures esse naturas inrisibiles quam visibiles in 
rerum universitäte. Sed horum omnium familiam quis nobis enar- 
rabit? et gradus et cognationes et discrimina et singulorum munera ? 
Quid agunt? quae loca habitant? Harum rerum notitiam semper 
ambiyit ingenium humanım , nungnam attigit. Juyat, interea, non 
diliteor, quandoque in animo, tanquam in tabula, majoris et me- 
lioris mundi imaginem contemplari: ne mens assuefacta hodiernae 
vitae minutiis se contrahat nimis, et tota subsidat in pusillas cogi- 
tationes. Sed veritati interea invigilandum est, modusque servandus 
ut certa ab incertis, diem a nocte, distinguamus. 

a T. Burner. Archaeol. Phil. p- 68. 


1, 


Einen alten Seemann gibt’3; der halt Ein elter Eeunzn 


begegnet dreien zu 
. eıner Dodzeit gelade- 
Bon Dreien Einen an. veren Miu 


Deren Einen am 
Bas will dein glühend Aug’ von mir, 


Sraubärt’ger alter Mann ? * 


Macht Hochzeit doch der Bräutigam; 
Nah find verwandt wir beide! 

Das Feſt beginnt; verfammelt find 
Die Säfte; ringsum Freude! 


Er halt ihn mit der dürren Hand: 
War ftattlich einft und groß 

Ein Schiff — Laß los, du alter Narr ! 
Strads ließ die Hand er log. 


air dur hal A Er hält ihn mit dem glühen Blick; 
des alten feefah 


us Der Hochzeitgaft fteht ſtille, 
und gezwungen, feine 


Gefhihte zu verneh Und horcht ihm, wie ein Fleines Kiud: 
So war's des Seemanns Wille. 


Sept fich auf einen Stein der Saft; 
Er Fann nicht von der Stelle. 

Und fo begann der alte Mann, 

Der graue Schiffägefelle: 


Die Anker hoch! die Barfe flog! 
Frifch ging es durch die Bai, 
Vorbei die Kirch’, vorbei den Berg, 
Den Feuerthurm vorbei. 


Der Seemann cr Die Sonn’ erhob fich aus der See; 
zählt, wie das Schiff 
mit gutem Winde und 


fhönem Wetter für. Zur Kinfen ging fie auf. 


mwärts fegelte, bis es 


die Linie erreihte: Und fie fehien heil, ſenkt' in die We 
Zur Rechten dann den Lauf, 


— 


389 
Und höher, höher jeden Tag, 
Bis Mittags über'm Maft — 
Da tönt von Ferne das Fagott; 
Vom Sik fährt auf der Gaſt. 


Die Braut betritt den Hochzeitfaal ; Der Hoczeitgafl 
vernimmt die Feſt⸗ 
muſik; aber der See— 


Der Roſe gleich glüht ſie; * I in feiner 
Und vor ihr geh’n mit nidendem Haupt 
Die Iuft’gen Muſici. 


Der Hoczeitgaft fährt auf in Haft, 
Er fann nicht von der Stelle; 

Und fo fprah dann der alte Mann, 
Der graue Sciffsgefelle: 


Da fam der Sturmwind; der war ſtart, seit dus 
Und groß war feine Wuth, — 
Und ſeine Schwingen trieben uns 

Fern nach des Südens Fluth. 


Das Bugſpriet tief, die Maſten ſchief 
Wie wer, verfolgt, mit raſchem Schritt 

Noch feines Feindes Schatten tritt, 

Mit vorgebeugtem Haupt: 

Sp auf gut Glüd ftürmte die Brid 

Südwärts, vom Nord umfchnaubt. 


Und Schnee und Nebel famen jekt, 
Die haben’s Falt gemacht. 

Und maftenhoc vorüberzog 

Eis, grünlid, wie Smaragd. 


a fi ; i \ 18 i 
— —— Und trüben Schein durch's Eis herein 


Töne, wo fein 


vig Mefen zu ihanen Warf eine ſchnee'ge Spalte: 
> Nichts fahen wir, niht Menfch noch Thier — 
Die Treibeismauer hallte. 


Das Eis war hier, das Eis war dort, 
Das Eis war überall; 

Es thürmte fih, und fürchterlid) 
Dröhnt’ über's Meer fein Schall. 


Bis ein — on Doch endlich ſchoß ein Albatros 


vogel, Albatro 


Keen, ur = Durch den Nebel und den Regen; 
mit großer Freud' un 


er empfen. Als war's ne Shriftenfeel’, fo tönt 
J— Ihm unſer Gruß entgegen. 


Der Vogel fraß aus unſerer Hand, 
Flog auf dem Deck umher; 

Das Eis zerbrach mit dumpfem Krach: 
Wir ſind auf off'nem Meer! 


Ban - > 


391 


Und ein guter Südwind thut fih auf; 
Hoch folgt ung durch die Luft 

Der Vogel treu, und fchwebt herbei, 
Wenn der Matrofe ruft. 


Auf Tau und Maft, da halt er Naft 
Der wolfgen Nächte neun; 

Und alle Naht durch Nebel lacht 
Des Mondes weißer Schein. — 


Bor böfen Geiftern fchüß’ dich Gott, 

Du alter Schiffsgenog! 

Was ftierft du? — mit der Armbruft mein 
Schoß ich den Albatrog! 


Die Sonn’ erhob ih aus der See, 
Ging nun zur Necten auf. 

Bon Nebeln noch verſchleiert, ſenkt 
Sie links in's Meer den Lauf. 


Und fiebe! der Al. 
batros ermeifer ſich 
als einen Vogel von 

uter Vorbedeutung 
und folgt dem Schiffe, 
da es durch Nebel und 
Treibeis mordwärts 
ehrt 


Der alte Seemann 
todtet ungaftlih dem 
frommen Vogel von 
guter Vorbedentung. 


Seine Genoffen er- 
heben fich gegen den 
alten Seemann, dar- 
um, daf er den a 
dringenden Vogel g 
todtet hat 


Aber da der Nebel 
fich verzieht, rechtferti, 
gen fie denfelben, alfo 
feines Verbretens fin 
theilhaftig machend. 


he - 
— 
—* 


Der Wind aber bleibt 
günſtig; das en 
teitt in den ftille 

Dcean, und fegeft 
nordmwärts, allzeit bis 
e8 die Linie erreicht. 


392 


Und der gute Südwind blieb am Weh'n; 
Doch nicht folgt durch die Luft 

Der Vogel treu, und fchwebt herbei, 
Wenn der Matrofe ruft. 


Ich hatt? ein übel Ding gethan; 

Das brachte nimmer Segen. 

Sie fagten: Fühn erfchlugft du ihn, 
Der fih den Süd ließ regen! 

Sie alle fprehen: welch ein Verbrechen, 
Der fih den Süd ließ regen! 


Herrlih, wie Gottes eig’nes Haupt, 
Ging auf die Sonn’ und lachte! 
Sie fagten: Fühn erfchlugft du ihn, 
Der uns den Nebel brachte! 

Den Bogel traf gerechte Straf, 
Der uns den Nebel brachte. 


Der Wind bläſ't gut, weiß ſchäumt die Fluth; 
Wir furchen rafch die Wogen. 

Wir waren fiher die erften Schiffer, 

Die diefe See durchzogen. 


4 


i 393 


Der Wind laßt nach; rings bangen fchlaff a Sn win 
Die Segel an den Raa'n; — 1 
Nur ſprechen Alle, daß Etwas ſchalle 

Doch auf dem Ocean. 


Am heißen Kupferfirmament, 

Hoch über'm Maſte, thront 

Die blut'ge Sonn' zur Mittagszeit, 
Nicht größer, als der Mond. 


Wir lagen Tage, Tage lang; 
Kein Lüftchen rings umher! 

Wie ein gemaltes Schiff, fo träg, 
Auf einem gemalten Meer. 


Waſſer, Waſſer überall! —* der eat 
fängt an gerächt zu 
Doc jede Fuge klafft; werden. 


® 


Waſſer, Waller überall! 
Nur was zu trinken fchafft! 





Die Tiefe felbft verfaulte. — Gott 
m Himmel, gib ung Muth! 
Schlammthiere frabbeln zahllos rings 
Auf fhlamm’ger Moderfluth. 


394 


Und jede Nacht fah’n wirbelnd wir 
Die Todtenfeuer glüh’n; 

Wie Herenöl, fo fladerte 

Die Fluth blau, weiß und grün. 


Eın Geift war ihnen 
gefolgt; einer von den 
unfihtbaren Bewoh— 
nern dieſes Planeten, 


en Und Manchem fagt’ im Traum der Geift, 
find, und in Betreff 

u he m Der und gefandt fol Weh: 

der Konftantinopoli- 


ee oniter Neun Faden tief verfolgt’ er und 


Rath gefragt werden 


fönnen. Cs ift ihrer Won jenes Landes Schnee. 
eine große Zahl, und 
feine Zone noch Ele- 
ment if ofne einen 
oder mehrere. 
Und jede Zunge war verdorrt, 
War troden bis zum Schlunde; 
Wir konnten Al’ nicht fpreden, grad’ 


Als war’ ung Ruß im Munde, 





möchten ger 


Die Senoffen in i- Und Alt und Jung mit finfterm Blick 
teganze 2 n 
Schuld anf den alten Kam auf mid augegangen; 
ee . 

Hängen fe den todien Den Albatros, den ich erfchoß, 


Seevogel um feinen 


Hals. Hat man mir umgehangen. 





Und lange Zeit verfloß. Verdorrt 

War jeder Saum! Wie Glas 

Die Augen! Lange, lange Zeit! 

Die Augen all’, wie Glas! 

Da bliet’ ich feitwärts — ſchau! da fab 
Am Horizont ich 'was! 


Zuerft war es ein Fleiner Fled; 
Der ward zum Nebel bald, 
Und regte und bewegte ſich, 
Und wurde zur Geftalt. 


Ein Fleck, ein Nebel, dann Geftalt, 
Und näber kommt es ftets; 

Als nedt’ eg einen Waſſergeiſt, 

Sp ſchießt es und fo dreht’. 


Mit trock'nem Gaum, die Lippen faum 
Noch roth, fteh’n wir; fein Laut 


Erfhallt — find ſtumm; bin ift der Muth! 


Da biß den Arm ich, faugte Blut, 
Und rief: ein Segel! ſchaut! 


Der alte Matrofe 
jlebet in weiter Ent- 
fernung ein Zeichen 
auf dem Waller. 





Und als es naber 
und näher fommt, 
(deine e8 ibm ein 
Schiff zu fen; und 
um eine theure Loſung 
befreit er ſeine Sere⸗ 
de aus den Banden 
des Durftes. 


396 


Mit trod’nem Gaum, die Lippen Faum 
Noch roth, feh’n fie mein Winfen; 

En Freudentliß Vor Freude weinte Groß und Klein, 
Und Alles 309 den Athem ein, 
Als ob fie wollten trinfen. 


bonn tan dal an Seht! rief ich, feht! es dreht nicht mehr! 
Schiff fein, was ohne 
tuts herr Es naht ung, bringt ung Heil! 

Und ohne Fluth und ohne Wind 


Schwimmt’s auf ung zu in Eil. 


Des Weftens Fluth war Eine Glut; 

Der Tag war bald verronnen ! 

Und finfend ruht auf MWeftens Fluth 

Das breite Rund der Sonnen ; 

Und die Geftalt ftellt zwifchen ung 
Sich und das Rund der Sonnen. 


Ve 


aa Igeine itm nur Und ſchwarze Streifen treten ſtracks 
——— Vor des Oceans gold'ne Braut; 
Und glüh'nd, wie durch ein Kerkerthor, 
Ihr brennend Antlitz ſchaut. 


397 


Ab, dacht’ ich, und mein Herz fchlug laut, 
Denn näher fam es immer; 

Das feine Segel, bligend hell, 

Wie Mettenfädenihimmer? 


Das feine Rippen, fo die Sonn’ 
Durchſcheint fo feuerroth? 

Und ift nur jenes Weib am Bord? 
fe das ein Tod? find zweie dort? 
Sft ihr Gemahl der Tod? 


Roth ift ihr Mund; frei her fie fchaut; 
Ihr Haupthaar golden wallt; 

Weis ift, wie Ausfaß, ihre Haut; 

Die Nachtmahr iſt's, die Todtenbraut, 
Macht Menfhenblut fo Falt! 


Der Schiffsrumpf fommt, legt Bord an Bord, 


Da würfelten die Zwei; 
Der Würfel fiel! Gewonnen Spiel! 
Spricht fie, und pfeift dabei. 


Die Sonne finft, die Sterne glüh’n, 
Die Naht fommt ftrads heran; 
Mit leifem Flüftern über’s Meer 
Scießt fort der Geifterfahn. 


Und feine Rippen 
gleihen Gitterftäben 
vor dem Antlig der 
Sonne. 


Das Gefpenftermeib 
und ibr Todtengeneß, 
und Niemand jonit 
am Bord des &felett- 
Schiffes. Wie das 
Schiff, fo die Mann- 


i 
chaft 


Tod und Nacht⸗ 
mabr würfeln um 
die Mannfhaft des 
Schiffes, und fie (dıe 
leg ewinnt den 
alte rofen. 


77 


“i 
\ 


Hein Zwielicht in den 
Döfen der Sonne. 


398 


qui Aufgepen- det Wir horchen, ſeh'n ihn feitwärts flieh’n; 
Die Furcht aug meinem Herzen fchten 
Das Lebensblut zu trinfen. 
Die Nacht dick, trüb der Sterne Kreis; 
Des Steurers Antlig feier und weiß 
Bei feiner Lamp’; — e8 finfen 
Vom Segel Tropfen Thaues; fern 
Im Oſten fteht der Mond; ein Stern 


Schimmernd zu feiner Linken. 


Erer nach dem An- Und Alle, bei des Mondes Schein, 
Mit ftierem, gräßlihem Blick, 
Seh’n grinfend mich und Flagend an: 
Mir fluht ihr Schmerzensblick! 


Bann feine Omen Viermal fünfzig Menfchen wohl, 
Sie finfen leblog nieder. 
Sie ftöhnen nicht, fie feufzen nicht; 
Auf fteh’n fie nimmer wieder. 


Aber Todten. Die Seelen flieh’n der Leiber Haft; 


braut beginnt ihr 
Mert an dem alten 


Matrofen. Glück harrt auf fie und Graufen; 
Und jede mir vorüberfchwirrt, 
Wie meiner Armbruft Saufen. 


Sch fürcht' dich, alter Schiffsgeſell! 
Fürcht' deine dürre Hand; 


Und du bift lang, und fchlanf, und braun, 


Wie des Meers gerippter Sand! 


Sch fürcht' dich und dein glühes Aug’! 
Sch fürchte dich fo fehr! — 


Fürcht’ nicht, fürcht' nicht, du Hochzeitgaft! 


‘ch ftarb nicht auf dem Meer! 


Allein, allein, und ganz allein 
Auf weiter, weiter See! 
Nicht lindert meine Todesangft 
Ein Heil’ger in der Höh’! 


So viele Menfchen, ſchön und ftarf! 
Und feiner rührte fich: 

Und taufend Thier im Moderfchlamm, 
Sie lebten; und auch ich! 


Sch blickte auf die faule See, 
Und wandte die Augen fort! 
Ich blidte auf das faule Dee: 
Die Todten lagen dort! 


Der Hodzeitgaft 
fürchtet, dafein Gein 
ju ibm redet: 


Aber der alte Ma- 
trofe verjichert ihn feı- 
nes Leibeslebens, und 
fährt fort, feine ſchreck⸗ 
fihe Buße zu erzählen. 


Er verahtet die 
Sreaturen der Wind— 


ftille 
* 


Und iſt neidiſch, dap 
fie leben, und fo Viele 
liegen todt. 


Aber der Fluch let 
fur ihn in den Augen 
der todten Männer. 


400 


Ich blick' empor, will beten dann; 
Doch meiner Lipp' mit Stocken 
Entfließt nur gottlos Flüſtern, macht 
Mein Herz wie Staub ſo trocken. 


Ich ſchließ' das Aug'; gleich Pulſen pocht 
Des Auges Stern beim Schließen; 

Des Himmels Höh', die blaue See 
Thun laſtend meinen Augen weh, 

Und die Todten mir zu Füßen! 


Auf ihren Gliedern kalter Schweiß; 
Nicht faul ward ihr Gebein. 

Und immer ſah ihr Aug' mich an 
Mit geiſterhaftem Schein. 


Zur Hölle ſchleppen kann der Fluch, 
Den eine Waiſe ſpricht; 

Doch ſchreckenvoller iſt der Fluch 
Auf Todter Angeſicht; 

Ich ſah ihn ſieben Tage lang, 
Doch ſterben konnt' ich nicht. 





401 


Und wiederum ging auf der Mond, —3 
Zur Seit' ihm wen'ge Sterne; 1:6 sem menderaten 
Er fehwebte klar und mildiglich In nn Denn "is 
Durch die blaue Himmelsferne. sen it der Simmel 


ihre beftimmte Ruhe- 
ſtatt, ihr Vaterland und ihre eigege natürlihe Heimatb, die fie ohne Meldung beziehen, gleichwie 
Herren, die man ficher erwartet, Und iſt doch eine geheime freude bei ihrer Anfunft. 


Sein Strahl beſchien die fchwüle Fluth, 
Als ob fie Reif bededte; 

Doch, wo des Schiffes Schatten lag, 
Da, vor wie nach, fo Nacht, wie Tag, 
Die rothe Flamme ledte. 


Und in des Schiffes Schatten fah Mensen fehr en Pr 
te reaturen der 
Sch große Wailerfchlangen ; großen · 


Sie fhlangeln fih in weißer Spur; 
Wenn fie fih baumen, find fie nur 
Mit flodigem Feu’r umhangen. 


Und in des Schiffes Schatten gern 

Sah ih ihr blißend Fell; 

Wie Sammet fchwarz, und blau, und grün; 
Sie ſchwimmen ber, fie fhwimmen bin, 
Die Spur, wie Gold fo hell. 


Rreiligrath, Gedichte 26 


402 


sr Sganten un O, glücklich ihr! wie ſchön ihr feid, 
Sagt eine Zunge nie! — 
Und Liebe quoll im Bufen mir, 

B ne Und glücdlich pries ich fie; 


Mein Heiliger erbarmte fich, 
Und glücklich pries ich fie. 


Br eher fänst zur Stunde Fonnt’ ich beten dann! 

We Bon meinem Halfe frei 

4 Fiel da der Albatros, und ſank 
In's Meer, ſo ſchwer, wie Blei. 


—— 


5; 
O Schlaf, du bift fo ſüß, fo füß! 
- Geliebte von Pol zu Pol! 

Maria! Dir fei Preis und Dank, E 

Daß Schlaf auf meine Wimpern fanf! ' 

Du gabft ihn mir ja wohl! J 

een une Mir träumte: alle Eimer rings 1 
| 


mit Regen erfeiiht. Auf des Verdeckes Feld, 
Sie waren Fühlen Thaues voll. 
Wach werd’ ich! — Negen fällt! 





403 


Die Lippen naß, der Gaumen naß, 
Die Kleider — wahr ift’s doch! 
Sm Traume trank ich ficherlich, 
Und trinfe, trinfe noch. 


Sch geh’ und fühl’ die Glieder kaum, 
Heb’ mich fo leicht empor! 

Bin ih im Schlaf geftorben denn, 
Und in der Sel’gen Chor? 


Und einen Wind drauf hört? ich weh’n, 
Doch ferne blieb fein Braufen; 

Die Naa’n und Taue regen fich, 

Die dürren Segel faufen. 


Lebendig wird die obere Luft, 

Und Feuerflaggen ziichen. 

Sie zifchen auf und ab, voll Graus, 
Und aus und ein, und ein und aus; 
Die Sterne glüh’n dazwifchen. 


Und näher drauf erbrauft der Wind; 
Wie Binfen feufzen welf 

Die Segel; Negen ftrömt herab 

Aus donnerndem Gewölf. 


Er hört Tone und 
fiehr ſeltſame Gefichte 
und Vewegungen am 
Himmel und aufdem 
Waffer. 


404 








Geborſten klafft's mit weitem Spalt, 
Des Mondes finſt'rer Sitz; 

Und wie ein Fluß in Thales Schooß 
Vom Felſen ſtürzt, fällt zackenlos 
Ein Glutſtrom, Blitz auf Blitz. 


Die Leiber der Schif⸗ Nicht kommt der laute Wind an's Schiff; 


re werden be⸗ 
ee har Doch vorwärts geht es immer; 


Die todten Menfchen ſtöhnen dumpf 
Bei des Blitzes fahlem Schimmer. 


Sie ftöhnen, regen, heben fich, 
Doch bliden, reden nicht! 

Wie feltfam, Todte leben feh’n, 
Selbft wär's ein Traumgeficht! 


Und weiter zieht dag Schiff, bewegt 
Bon Feines Windes Kraft; 

Die Mannfchaft Elimmt im Tafelwerk, 
Treibt, was fie fonft gefchafft, 

Sie regen, gleih Mafchinen, fi; 

O, ſchrecklich, ſchauderhaft! 


405 


Der Leib von meines Bruders Sohn, 


Knie an Knie, ftand neben mir dort; 
Wir zogen beid’ an Einem Geil, 
Doc fagt’ er mir fein Wort. — 


Sch fürcht' dich, alter Schiffsgeſell! — 


Saft, ruhig immerdar! 

Denn nicht VBerdammter Seele nahm 
Den Körper wieder ein; nur fam 
Beglüdter Geifter Schaar! 


Beim Morgengrau’n finft fchlaff ihr Arm; 


Den Maft umringen fie; 
Und von der Todten Lippen füß 
Tönt Himmelsmelodie, 


Die Töne zieh’'n zur Sonn’ empor, 
Die licht im Oſten flammt; 

Dann kehren langfam fie zurüd, 
Bald einzeln, bald gefammt. 


Bald war es mir, als zwitfcherte 
Die Lerhe auf dem Meer; 

Dann glaubt’ ich, alle Nögelein, 
Die es nur gibt, fo groß, wie Flein, 
Sie fängen rings umher. 


Aber nicht durch 
die Seelen der Men. 
fben, noch durh Dä- 
monen der Erde oder 
mittleren Luft, fonz 
dern durch eine felige 
Schaar englifher Gei- 
fter,berabgefandedurd 
dıe Anrufung des 
Schugbeiligen. 


Gehorfam der En- 
gelfhaar, treibt der 
einfame Geift von 
Südpol das Schiff bis 
an die Linie, fordert 
aber doch noch Rache 


406 


Jetzt klingt es ſüß, wie Flötenlaut, 
Jetzt, wie Orcheſterrauſchen; 

Jetzt iſt es eines Engels Lied, 
Dem ſelbſt die Himmel laufchen. 


Es ſchweigt; doch tönt das Segelwerf 

Bis Mittag faufelnd nad; 

ie in dem laub’gen Sunimond 

Ein grasverftedter Bad, 

Der die ganze Nacht dem fchlafenden Wald 
Ein Lied fingt, felbft noch wach. 


Und ruhig fegelte das Schiff — 
Kein Lüftchen trieb’s im Lauf — 
Bis Mittag; denn getrieben ward’s, 
Bewegt von unten auf. 


veun Faden tief wohl unter’m Kiel 

Bom Schnee: und Nebelland 

Folgt uns der Geift, und treibt das Schiff 
Mit unfihtbarer Hand; . 

Das Schiff ſteht ftill; bis Mittag nur 
Saufelt die Leinewand. 


—— 


407 


Die Sonne, lothrecht über'm Maſt, 
Schaut meerwärts ohne Negung; 
Doc plöglich rührt und regt fie fich 
Mit zitternder Bewegung; 

Schießt vorwärts, rückwärts unruhvoll 
Mit zitternder Bewegung. 


Dann plößlih, wie ein fcheuend Roß, 
Prallt fie zur Seite wieder! 

Das Blut fchoß mir in's Angeſicht; 
Sn Ohnmacht fanfk ich nieder. 


Sch weiß es nicht, wie lang ich dort 
Gelegen ohne Leben; 

Doch, ald noch Dunfel mich umzog, 
Da hört’ ich in den Lüften hoc 
Zwei Stimmen fich erheben. 


Sagt eines Sprich, bei Ehrifti Blut, 
ft dies der Schiffsgenoß? 
Harmlofen Vogels Herzblut tranf 
Sein graufam Pfeilgeichoß. 


Die Mirdamonen 
des Geifted vom Süd. 
pol, die unfichtbaren 
Bewohner des@lemen- 
tes, nehmen Theil an 
feiner Krankung; und 
zwei von ihnen erjäß- 
len ſich, der Eine dem 
Anderen, daß eine 
lange und ſchwere 
Buße für den alten 
Matrofen dem Geifte 
vom Pol bewilligt 
ift, welcher füdwärts 
beimfebrt. 


408 


Der Geiſt im Schnee= und Nebelland 
War hold dem Albatros, 

Und auch der Vogel liebte den, 

Der graufam ihn erfchuß. 


Die and’re Stimm’ ift fanft und füß; 
Wie Honigthau fo füß; 

Sie fprihr: der Mann that Buße fehon, 
Und büßt noch mehr gewiß! 


6. 


Erfie Stimme. 


Doch nun fprich weiter! rede fort, 
Daß deine Stimm’ ich hör’! 

Wer treibt gen Norden jenes Schiff? 
Was macht das blaue Meer? 


weite Stimme. 


Noch wie ein Sklav' vor feinem Herrn 
Liegt ftill der Dcean; 

Mit feinem großen Auge fieht 
Schweigend den Mond er an — 


409 


Ob er auch wife, wohin er fließe; 

Das Meer ja lenft er immer! 

Sieh”, Bruder! fieh’ doch, wie dag Meer 
Sp milde grüßt fein. Schimmer! 


Erſte Stimme. 


Doch wie eilt ohne Fluth und Wind 
Das Schiff durch's blaue Meer? 


Dweite Stimme. 


Die Lüfte fchließen fich hinter ihm, 
Sind vor ihm nimmermehr! 


Fleuh, Bruder! fommen fonft zu ipat! 
Fleuch! höher, höher, Lieber! 

Nur träg zum Ziel ſchwimmt jener Kiel, 
Wenn des Seemanns Traum vorüber! — 


‘ch wurde wach; wir .fegelten ; 

Nichts hemmte des Schiffes Lauf, 

Die Naht war ftill, der Mond ftand hoc, 
Die Todten ftanden zubauf. 


Der Matrofe ıft in 
eıne Verzüfung ent- 
rüft gemweien; denn 
die engliſche Macht 
laſſet dag Schiff fchnel- 
ler nordwarts treiben, 
als Menfhenleben er- 
teagen fonnte, 


Der ubernatürliden 
Bewegung gefchieher 
Eınbalt; der Matroſe 
erwadht, und feine 
Buße beginnt von 
Neuen. 


Der Fluch ift end» 
lich gefühnt. 


410 


Die lägen befler auch im Sarg, 
Umſteh'n mich allzumal, 

Und ſeh'n mit glaf’gem Aug’ mich an; 
Drin blißt des Mondes Strahl. 


Der Klub, mit dem fie ftarben, zudt 
och auf dem Angeficht; 

Mein Auge fah das ihre an, 

Doch beten konnt' ich nicht. 


Und wieder ſchaut' ich hin aufs Meer, 
Auf feine Fluth, fo grün; 

Und fpahete, doch fah Ich Nichts, 

Als was ich fah vorhin. 


Sch ftand, wie Einer, dem im Wald 
Auf dunklem Pfade graut; 

Der immer, immer vorwärts eilt, 
Und nimmer rücdwarts fchaut; 

Er weiß, ein Feind ift hinter ihm; 
Sein Herz fchlägt bang und laut. 


Da rauſchte Windesweh'n mich an; 
Es wehte leife her; 

Sch wußte nicht, woher es Fam, - 
Nicht Fraufelt e8 das Meer. 





411 


Es hob mein Haar; wie Lenzeshauch 
Umfpielt’ es meine Wangen. 

Mir war fo bang; doch fühlt es mich, 
Als wollt’s mich froh empfangen. 


Schnell wohl, fchnell wohl flog das Schiff, 
Und doch fo fanft, fo leicht! 

Leiſe, leife blies der Wind — 

Nur mich fein Weh’n erreicht. 


| ’ y n lte Ma- 
D Freudentraum! ift dies fürwahr — e —— 
mathland 


Des Leuchtthurms graue Wand? 
Iſt dies die Kirch’, ift dies der Berg? 
ft dies mein Heimathland ? 


Und fchluchzend fleht? ih, als wir nun 
Durchfegelten den Hafen: 

O, laß mic bald erwachen, Gott! 
Sonft laß mich immer fchlafen! 


Hell war, wie Glas, des Hafens Bucht, 
Und Flar die Fluth des glatten; 

Und auf der Bucht lag Mondenichein, 
Und auch des Mondes Schatten. 


Die englifchen Gei- 
fter verlaffen die tod» 
ten Leichname. 


‚ Und erideinen ın 
ihren eigenen Licht. 
‚geftalten. 


412 


Der Fels fchien hell, die Kirche hell, 
Die fih auf ihm erhebt; 

Der Mond befehien den MWetterhahn, 
Der auf der Kirche fchwebt. 


Ein fchweigend Licht umfloß die Bucht; 
Da hoben fich ©eftalten: 

Es waren Schatten allzumal; 

Noth ihre Kleider wallten. 


richt fern vom Gallione war's, 

Wo ich die Schatten fab; 

Da ſchaut' ich wieder auf's Verdeck — 
O Gott, was ſah ich da! 


Am Boden flach lag jeder Leib, 
Und, bei des Kreuzes Zeichen! 
Hellleuchtend ſtanden Seraphim 
Rings auf den blaſſen Leichen. 


Sie winken mir wohl für und für, 
O, himmliſches Geſicht! 

Sie leuchten weit auf's Ufer hin, 
Umſtrahlt von ſüßem Licht. 


—ñ— - 


— 


413 


Sie winfen mir wohl für und für; 
Sie fprehen nicht — o Luft! 

Ihr Schweigen finft wie Melodie 
Mir in die wunde Bruft. 


Und bald vernehm’ ich Nuderfchlag ; 
Horh, des Piloten Gruß! 

Bon felber wendet fih mein Haupt — 
Ein Boot an Schiffes Fuß! 


Der Lootſe und des Lootfen Sohn, 
Sie rühren fih im Boote; 

Gott! welche Freude! großer Gott! 
Die ftören doch nicht Todte! 


Ein Dritter noch: der Siedler iſt's! 
Horch, feine Stimme fchallt! 

Laut fingt er feinen Lobgefang, 
Den er gemacht im Wald, 

Des Vogels rothes Blut wäſcht er 
Bon meinen Händen bald. 


414 


a Siedler des Der Siedler lebt im grünen Wald, 
Sm Walde dort am Meer. 
Mit lauter Stimme lobt den Herrn 
Sein Mund; mit Sciffern fpricht er gern, 


Die ferne kommen ber. 


Auf hartem Kiffen Eniet er Nachts 
Am Mittag und am Morgen ; h 


Das Kiffen ift ein Eichenftumpf, e 
Der ganz in Moos verborgen. J 


Das Boot kommt nah; fie fprechen laut: 2 
Beim Himmel, wunderbar! 
Wo ift der Feuerzeichen Glut, 
Die hell hier leuchtend war ? 


ouätert, fd dem Der Siedler fagte: feltfam, traun! 
MINE, Nicht tönt mit frohem Schall 
Ihr Gruß zurüd; die Planfen dürr, 
Und dürr die Segel all; 
Sie fcheinen Laubgerippen gleich, 
Die an des Bergftroms Fall 
NRunzlih um meine Klaufe weh’, 





415 . 


Wenn der Sturm am Braufen ift; 

Wenn unterm Schnee die Waldung ächzt, 
Wenn die Eul zu des Wolfes Heulen Fracdyt, 
Der der. Wölfin Junge frißt. 


Der Lootſe fagte: wie das Schiff 

So fchredlich uns anſieht! 

Sch fürdhte mich! — Frifh, rud’re zu! 
Sprach froh der Eremit. 


Und näher, näher fam da3 Boot; 

Still war ich, ſprach fein Wort. 

Das Boot fam dicht an’s Schiff heran — 
Da, welh ein Ton fchallt dort! 


Unter dem Waſſer rollt es dumpf; a ge $- 
Donnernd durchzieht’s die Bat; 

Es fommt an’s Schiff, es fpalter die Bucht; 

Das Schiff geht unter, wie Blei. 


Vom fürcterlihen Schall betaubt, Der, alte Waseofe 
Dem Erd’ und Himmel frachen, * EEE 
Trieb fhwimmend auf den Wellen ich, 

Starr, zwifchen Schlaf und Waden; 

Drauf, wie im Traume, fand ich mich 

In des Piloten Nahen. 


416 


Und auf dem Strudel, wo das Schiff 
Verſank, Freif’t ungeftüm 

Das Boot; verklungen ift der Ton; 
Der Berg nur fpricht von ihm. 


Die Lippen rührt’ ich; der Pilot 
Schrie auf, und fanf zurüd; 
Der fromme Siedler betete, 
Und hub empor den Blie. 


Sch ruderte; des Lootfen Sohn — 
Koch wandelt er im Wahn 

Des Irrſeins — lachte, ſah mich ftier 
Mit wilden Augen an; 
Ha, ba! ſprach er, nun feh’ ich, wie 
Der Teufel rudern kann! 


Und jebt in meinem Heimathland 
Berret’ ich Strandes Höh’n; 
Der Siedler aus dem Nachen fteigt, 
Kann kaum noch aufrecht fteh’n. 
ser jalte Nerrofe Entfünd’ge mich! entfünd’ge mich! 
(innen, une bie Trat ich den Siedler an; 
* Der ſchlug des Kreuzes Zeichen erſt; 
Was biſt du für ein Mann? 


417 





Da bebte Angft durch mein Gebein, 
Angſt, fürdterlih und groß; 

Was mir begegnet, fagt’ ich ihm, 
Da ließ die Angſt mich los. 


Und oft noch kehrt feit jener Zeit —— 
8 zes künftges Leben 
Zurück die Angſt, der Schmerz; —5 
⸗ — ande zu reifen. 
Eh? ich das Gräßliche gefagt, —— 


Brennt in der Bruſt mein Herz. 


Und wie die finſtre ſchwarze Nacht 
Eil' ich landaus, landein; 

Und am Geſicht kenn' ich den Mann, 
Der meine Mähr' vernehmen kann: 
Er muß mein Hörer fein. 


Welch ein Tumult erhebt fih.dort? 
Die Gäfte find dort all’! 

Und, horch! im Garten fingt die Braut 
Und ihre Mädchen all’! 

Und, wieder horch! zum Beten ruft 
Der Abendglode Schall! 


Kreiligratb, Gedichte. 27 


Und durch fein or 
Beifpiel, Liebe und 
Ehrfurht gegen alle 
Dinge zu lehren, die 
u gemacht hat und 


418 


O Hochzeitgaft, ich war allein 
Auf weiter, weiter See! 

Sp einfam war’s, ich fühlte Faum 
Des guten Gottes Näh'! 


Und füßer, glaub’, als Hochzeit iſt's, 
Kann beffer mir gefallen, 

Kann ich an guter Leute Hand 

Zu Gottes Kirche wallen! 


Kann ich zu Gottes Kirche geh’n 

Zum brünftigen Gebet; 

Wo Alles, Kind, und Mann, und Greig, 
Wo Jüngling, Mädchen, Ihm zum Preis, 
Zu Shm, dem Vater, fleht. 


Leb' wohl, leb’ wohl, du Hochzeitgaft! 
Doch diefes fag’ ich dir: 

Der betet gut, wer Liebe hegt 

Für Vogel, Menfh und Thier! 


Der betet gut, wer Liebe hegt 

Für Alle, groß und klein; 

Gott, der ung ſchuf, der liebt ung A, 
Will Allen Vater fein. 





419 





Der Seemann mit dem grauen Bart 
Und mit dem hellen Blick, 

Er gebt; und auch der Hochzeitgait 
Kehrt ernft nah Haus zurüd, 


Er ging, wie ein Betäubter gebt, 
Als drüdten fchwere Sorgen 
Sein Herz, und weifer, trauriger 
Erhob er fih am Morgen. 


420 


Robert Southey. 


Der Iincheap: Felfen. 


Die Luft und die Welle regungslog; 
Raſt hielten Fahrzeug und Matrose. 
Die Segel feines Lüftchens Spiel, 
Steif in den Waſſern lag der Kiel. 


Der Inchcap-Felſen ohne Schaum ; 
Die See bededt’ ihn, hörbar Faum; 
So leis ihre Schwellung und ihr Fall, 
Sie weckte nicht der Glocke Schall. 


Es war der Abt von Aberbrothof, 

Der auf den Felfen ftellte die Glod’; 
Sie ſchwamm auf einer Tonne wohl, 
Und warnt’ im Sturme dumpf und hohl. 





421 


Und barg die Fluth des Felfen Kron’, 
Dann hörten die Schiffer den Warneton ; 
Sie wußten: der Fels ift, wo die Glod, 
Und priefen den Abt von Aberbrothof. 


Die Sonne ſtrahlt' in Herrlichkeit, 
Und alles Ding war fröhlich heut’. 
Die Möve fchrie und nekte die Bruft, 
Und ihr Gefchrei war eitel Luft. 


Bon fern des Felfen Tonne fchien 

Ein ſchwärz'rer Fled im Meeresgrün; 

Sir Ralph, der Räuber, beichritt fein Dee, 
Und warf fein Aug’ auf den fchwärzern Fled. 


Er fühlte des Lenzes erheiternde Macht; 
Er pfiff, er fang ob al’ der Pracht; 

“ Die Freude fpanut’ ihm dag Herze weit, 
Doch des Räubers Freude war Gottlofigkeit. 


Die narb’ge Stirne zug er kraus: 

„Ihr Burfche, feßt die Zölle aus, 

Und rudert mich bis an die Glod’; 

Ich ſpiel' nen Streih dem Aberbrothof.“ 


422 





Und nieder fchwebte das Boot am Schiff; 
Sie ruderten bis an das Kiff. 

Sir Ralph lehnt’ aus dem Boot fich frei, 
Und fchnitt die Glocke von der Boy. 


Die Glocke fank mit gurgelndem Schall ; 

Aufperlt und plast ein Blafenfchwall, 

Sprah Sir Ralph: „Wer wieder vertraut der Glock', 
Nicht preift er den Abt von Aberbrothok!“ 


Sir Ralph, der Räuber, fegelte fort; 
Er ſchweifte durch's Meer von Port zu Port; 
Und reich durch Beute nun geworden, 
Wandt' er den Kiel nach Schottlands Borden. 


Da braut ein Nebel trüb und dicht; 
Sie feh’n die Sonne felber nicht. 
Der Wind blies frifh den ganzen Tag; 
Am Abend legt? er fich gemach. 


Der Räuber nimmt auf dem Ded feinen Stand; 
So finfter iſt's, fie feh’n Fein Land. 

Spridt Sir Ralph: „Bald wird es helle fein; 
Der Mond geht auf, ihr feht den Schein.“ 





423 


Spridr ein And’rer: „Hörft du der Brandung Ton? 
Mich dünft, wir find am Ufer fhon?” — 

„Wo wir find, ich kann es nicht befhwören, 

Doch wollt’ ich, wir fünnten die Glode hören!“ 


Sie hören nichts; hoch geht das Meer; 

Sie treiben ohne Wind einher, 

Bis mit trümmerndem Stoß aufftößt das Schiff — 
„D Gott, es ift das Inchcap-Riff!“ 


Um Sir Ralph, den Räuber, ſteht es Ihlimm; 
Er verflucht ſich ſelbſt in ſeinem Grimm; 

Die Wellen ſtürzen herein mit Wuth, 

Das Schiff geht unter in der Fluth. 


Und als er mit dem Tode ringt, 

Da hört er ein Tönen, das ſchrecklich klingt: — 
Als würde vom Teufel unter den Wogen 

Die Inchcap-Glocke für ihn gezogen. 








Die Stechbpalme. 


O Leſer, haſt du je betrachtet die 
Stechpalme? — Sieh’. 

Ihr glattes Laub, wie eine weiſe Hand 
Es zum Gewand 

Dem Baume gab, ſo ſinnig, daß daran 
Des Atheiften Klugheit fcheitern Fann. 


Denn unten, wie ein Zaun von Dornen, flarrt 
Es fcharf und hart; 

Kein weidend Vieh durch diefen fpiken Saum 
Berlegt den Baum. 

Doch oben, wo die Ninde nichts befahrt, 
Wird ftachellos dag Laub und unbewehrt. 





425 
Dies ift ein Ding, wie ich’S betrachten mag ; 
Gern dene ih nad 
Des Baumes Weisheit; feiner Blätter Zier 
Reicht willig mir 
Ein Sinnbild für ein Lied, das lange Zeit 
Nach mir vielleicht noch nußt und auch erfreut. 


Sp, fhein’ ich draußen auch zuweilen rauh 

Und herbe; fchau’ 

Sch finfter auch, wenn mich am ftillen: Herd 

Ein Läſt'ger ftört, 

Doc ftreb’ ich, daß ich Freunden, gut und treu, 
Sanft, wie da3 Laub hoch auf der Stechpalm? fei. 


Und heg' ich jung, wie wohl die Jugend thut, 
Auch Uebermuth 

Und Troß, doch ſchaff' ich, daß ich jeden Tag 
Sie mindern mag: 

Bis ih im hohen Alter mild von Sinn, 
Gleich diefes Baumes hohen Blättern, bin. 


426 


Und wie, wenn alle Sommerbäume grün 
Dafteh’n und blüh’n, 

Die Blätter diefes einz’gen Baumes nie 
Sp glüh’n, wie fie, 

Doch fpat im öden Winter ung allein 
Mit ihrem dunfeln Immergrün erfreu’n: 


Sp auch in meinen Jugendtagen will 

Sch ernft und ftill 

Im Kreis der Jugend fein, die unbedacht 
Des Ernftes lacht, 

Auf daß mein Alter friſch und fleckenfrei, 


Gleich dieſes Baumes grünem Winter, ſei. 


— — — 


a a — 


Charles Lamb. 


Die alten befannten Gefichter. 


Ich hatte Geſpielen, ich hatte Gefährten 
In den Tagen der Kindheit, in der fröhlichen Schulzeit 
All', all' ſind ſie fort, die alten bekannten Geſichter. 


Ich habe gelacht, ich habe geſchwärmt, 
Spät getrunken, ſpät geſeſſen mit meinen Genoſſen; 
All', all' ſind ſie fort, die alten bekannten Geſichter. 


Ich habe geliebt; — wie war ſie ſchön! — 
Ihre Thür’ iſt verſchloſſen; nie ſeh' ich fie wieder; 
Am, al find fie fort, die alten befannten Gefichter. 


Einen Freund hatt’ ich; wer hatt?’ ihn beifer? 
Undanfbar verließ ich ihn plößlich; verließ ihn, 
Zu denfen der alten befannten Gelichter, 


428 


Wie ein Geift durchfchritt ich das Thal meiner Kindheit; 
Eine Wüfte fhien mir die Welt, die durchirren 
Sch mußte, zu fuchen die alten Gefichter. 


Mein Freund, du mehr als Bruder, o, wärft du 
Geboren im Haus meines Vaters, fo Fünnten 
Mir reden von den alten befannten Gefichtern; 


Wie einige ftarben, mich and’re verließen, 


Wie man and’re mir nahm; — ad, alle fchieden! 
Ar, a find fie fort, die alten befannten Gefichter! 


— — — —— 


John Beats. 


Sponett. 


Als er den Homer in Chapman’s Üeberfetzung kennen lernte. 


In gold'nen Reichen ſchweift' ich viel; nach alten 
Ruchtbaren Königthumen ging mein Pfad. 
Manch weſtlich Eiland ſah ich, manchen Staat, 

So dem Apollo Dichter treu verwalten. 


Ein weit Gebiet — drin ſollt' Homeros ſchalten, 
Der Brauige — pries mir, wer es betrat; 
Doch war ich feiner Heit're nie genaht, 

Als bis ih Chapman hörete, den Alten. 


Da war gleichwie dem Schauer mir der Sterne, 
Der einen neuen plößlich fiehet fcheinen, 
Sieghaft und hell empor am Himmel fteigend; 


Da wie dem Cortez, ala er fah von ferne 
Das ftille Meer; wild ftarreten die Seinen, 
Auf einem Bergesgipfel Dariens, ichweigend. 


430 


Thomas Campbell. 


Der letzte Menſch. 


Was iſt, vergeht in Dunkelheit, 
Die Sonne ſelbſt muß ſterben, 

Bevor ſein Theil: Unſterblichkeit, 
Dies Sterbliche mag erben. 

Es kam ein Traum auf mich herab, 
Der meinem Geiſte Flügel gab; 
Hinab trug mich ihr Weh'n 

Die Zeit; ich ward zu dem entrückt, 
Der einſt der Schöpfung Tod erblickt, 
Wie Adam ihr Entſteh'n. 


Bleich war und grau die Erde, wie 
Ein Greis; der Sonne Scheinen 
Siech; — von Nationen lagen die 
Skelette um den Einen. 





431 


Die ftarben fechtend; — roftverfehrt 
Hält ihre Beinhand noch das Schwert; — 
Die fraßen Hunger, Seuchen; 

Die Städte leer, wie ausgefegt; 

Nach Ufern, wo fein Laut fich regt, 
Zieh’n Schiffe, voll von Leichen. 


Doch Jener ftand, wie ein Prophet; 
Sein Wort, furdtlos und Falt, 

Als Fam’ ein Sturm berangewebt, 
Entblätterte den Wald: 

„Dein Lauf ift aus, dein Aug’ ift blind, 
Du ftolze Sonn’! im Tode find 

Wir Zwillinge! — Zu rollen 

Hör’ auf! die Gnade ruft: big hie! 
Aeonen fahft du Thranen, die 

Nicht länger fliefen follen. 


Ob unter dir der Menfh auch Pracht, 
Und Stolz und Klugheit zeigte, 

Und Künfte, denen fih die Macht 
Der Elemente beugte — 


432 





Doch Flag? ich nicht um dich! — Zieh’ hin, 
Entthronte Tagesfönigin! 

Trophäen, ungezahlte 

Triumphe, die da fah dein Strahl: 

Ward auch durch fie nur eine Qual 
Geheilt, die Menfchen qualte?‘ 


Liſch aus, du bleiche Trauerferz’! 

Laß Nacht das A verfchletern ! 

Und geh’ nicht wieder auf, den Schmerz 
Des Lebens zu erneuern! | 
Bring’ nicht’ zurüd fein elend Spiel! 
Wed’ nicht das Fleifch! hier ift dag Siel! 
Genug der Folter! laß 

Es ruh’n, von Siehthum graus entftellt, 
Vom Schwert im Schlachtgewühl gefällt, 
Wie von der Sichel Gras! 


Selbſt ich bin müde, länger dich 

Und deiner Glut Vergeh’n 

Zu fchauen. — Qualen Zeugin, mic 
Sollſt du nicht fterben feh’n! 





A33 


Die Lippe, die dein Grablied fpricht, 
Ihr Beben, Zuden fiehft du nicht ! 
Siehſt blau nicht diefe Wangen! 

Die Weltnaht ift mein Todtenkleid — 
Die Majeftät der Dunfelheit 

Soll meinen Geift empfangen. 


Zu dem fehrt er zurüd, deß Hauch 
Sein himmliſch Glüh'n entzündet; 
Glaub’ nicht, er fterbe, weil dein Aug’, 
Du Sterbende, erblindet! 
Hein, er lebt fort in Seligfeit, 
Die du nicht Fennft, die der verleiht, 
Der uns zu löfen Fam, 

Litt, ftarb, hinab zur Hölle ftieg, 
Ihr als ein Held entriß den Sieg, 
Dem Tod den Stachel nahm. 


Stirb! — auf der Schöpfung Trümmern fteb’ 
Sch ftolz! ich kann nicht finfen! 

Den lebten, herbſten Kelch, den je 

Ein Menfch trank, muß ich trinken! 


Freiligratb, Gedichte. 28 


434 


Geh’! fag’ der Nacht, die dich begrabr, 
Du ſahſt den Lekten, der gelebt; 

Dein Tod war ihm ein Spott! 

Das AN zerfiel, todt war die Zeit — 
Doch ihm blieb die Unfterblichkeit 

Und fein Vertrau'n auf Gott! 


— — — 





435 


Holand der Held. 


Poland der Held! — Noland der Held! — 
Faliche Zeitung, daß er fiel im Feld, 
Schlug an des Nheines Strand; 

Da erlag dein treues Herz in Pein, 

O du Schönfte auf und ab am Rhein, 

D du Schönfte rings im Land! 


Und den Schleier nahm fie unverweilt, 
Wo am Werth der Strom vorübereilt; — 
D, zu rafh! — bald klirrt ein Sporn! — 
Umfonft! der Schwur und die Kode fällt, 
Als am Dracenfels die Trompete gellt — 
Ihres Nitters luftiges Horn! 


136 


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O, nun bricht ihr Herz, von Gram verzehrt; — 
Und war’ er geftern heimgefehrt, 

Sie hätt’ ihn glühend gefüft; 

Und die Reize hätten ihn al’ beglüct, 

Die er nimmer, nimmer an’d Herz num drüdt — 
Wenn e3 nicht im Himmel ift! 


Doch der Nitter treu und der Nitter Fühn, 

Gr fißt ab, er kann nicht von dannen zieh'n, 
Es halt ihn mit Gewalt. 

Er will athmen nur, wo ihr Athem weht, * 
Wo für ihn auch auffteigt ihr Gebet, 

Wenn das Hallelujah fchallt! 


* „For he loved to breathe the neighbouring air.“ — Man wird 


mir die Neminiscenz aus Schiller wohl verzeihen: 


Sieht ein Schiff an Joppe's Strande, 
Das die Segel blaht, 
Schiffet heim zum theuren Lande, 


Wo ihr Athem weht. 





437 


Noch ein Fenfter hebt fich, lanaft ergraut, 
Bon dem Schlofe, das er fich gebaut, 
Wo der Nhein am Werth fich bricht. 
Dort, zu Mettenklang und Orgelbraus, 
Sah er nieder auf der Liebiten Haus — 
Denn fie felber fah er nicht. 


Sie ftarb! — Er ritt in's Schlachtgefild; 
Bor fein fterbend Hirn noch trat ihr Bild, 
Als er fiel des Tapfern Fall; 

Ihren Namen mit der legten Kraft 

Nief er aus, die Blume der Nitterfchaft, 
Noland zu Ronceval! 


Selicin Hemans. 


Das beffere Land. 


Ein beffere3 Land nennft du entzüdt? 
Seine Kinder, ſagſt du, find reich und beglüdt? 
Mutter, wo mag fein Ufer fcheinen? j 
Laß es ung fuchen und nicht mehr weinen. 
Iſt's, wo im Myrthenhain raftet der Hirt, 
Wo die Fenerfliege das Laub durchſchwirrt? 

— Da nicht, da nicht, mein Kind! 


Iſt es, wo fchlanf die Palme fteht, 
Das Haupt von gefiederten Büfcheln umweht? 
Auf Snfeln in ewig heitern Zonen, 
Wo duftende Wälder die Blüthenfronen 
Schütteln, wo Weihrauch die Staude fchwikt, 
Wo der Vogel des Paradiefes blikt? 

— Da nicht, da nicht, mein Kind! 





439 


Iſt es, wo über Gejchiebe von Gold 


Braufend die Welle der Ströme rollt? 
Wo feurig im tiefen Dunkel der Minen 


Diamanten funfeln und rothe Rubinen? 


Wo die Verle glänzt am SKorallenftrand ? 
D Mutter, ift dort das beff’re Land? 
— Da nicht, da nit, mein Kind! 


Kein Auge fah es, mein Sohn! Fein Ohr 
Bernahm feiner Stimmen jauchzenden Chor. 


Seine Pracht — Fein Traumender ſah im Schlummer 


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Solch Leuchten! — fern bleiben ihm Tod und Kummer ! 
Nie zerftört die Zeit feinen Glanz, feinen Duft; 
Senfeits der Wolfen, jenfeits der Gruft 

— Da its, da iſt's, mein Kind! 


440 


Wolter Scott. 


Der Pilger. 


„Barmherzigkeit! Macht auf das Thor! 
Der Wind aus Norden brüllt! 

Weithin von Flocken glänzt das Moor, 
Bahnlos iſt das Gefild! 


Kein Frevler in des Königs Jagd 
Naht hauslos eurem Dad, 
Obgleich ſelbſt der in ſolcher Nacht 
Wohl Mitleid fordern mag! 


Ein Pilger bin ich, matt und alt, 
Der Gott um Gnade fleht. 

Um der Jungfrau willen, öffnet bald! 
Es lohnt's euch mein Gebet! 





441 


Vom Papſte bring’ ich Ablaß euch; 

Vom heil’gen Land, fo weit, 

Manch Heiligthum! — ac, öffnet gleich! 
Thut's aus Barmherzigkeit! 


Der Hirſch, vom trodnen Laub umhüllt, 
Schmiegt fih der Hindin an; 

Ein alter Mann, vom Sturm umbrüllt, 
Kein Obdach finden kann! 


Ihr bört des Ettricks Brauſen doch; 
Mit Eiſe wird er geh'n! 

Muß heute über'n Ettrick noch, 
Erhört ihr nicht mein Fleh'n! 


Verſchloſſen bleibt das Thor von Erz, 
Verfchloffen dicht und feit; 
Verſchloſſ'ner iſt des Mannes Herz, 
Der hier mich winfeln läßt. 


Lebt wohl, lebt wohl denn! gebe Gott, 
Wenn alt und fchwach ihr feid, 

Daß ihr nicht auch in folder Noth 
Umfonft nah Hülfe fchreit!” 





2 


Der Förfter lag im warmen Flaum, 
Und hörte Falt fein Fleh'n; 

Oft fo ihm tönen noch im Traum 
Durch des Dezembers Weh'n! 


Denn ſieh'! — als blaß das Morgenroth 
Durch feuchte Nebel fah, 

Da lag der Pilger, ftarr und todt, 

Sm Erlenbufche dal. 





443 


Jock von Hazeldean. 


„Sprich, Fräulein, warum härmſt du dich? 
Sprich, warum weinſt du laut? 

Meinem jüngſten Sohn vermahl ich dich, 
Ihm geb’ ich dich zur Braut! 

Mein jüngfter Sohn wird dein Gemahl, 
Und du, mein Kind, freift ihn!“ — 

Doch ihre Thranen floffen, ach! 

Um God von Hazeldean! 


„Bald, Mädchen, ift dein Trotz entflob’n, 
Berfiegt der Thranen Quell! 

Mein Frank ift Herr von Errington, 

Iſt Lord von Langley = Dale! 

Er ift der Erfte fern und nah; 

Gern mag das Schwert er zieh'n!“ — 
Doch ihre Thränen floſſen, ad! 

Um God von Hazeldean ! 


444 
„Ich gebe dir ein gold'nes Band 
Wohl in dein braunes Haar, 
Und einen Falken auf die Hand, 
Und einen Zelter gar! 
Als Jagerfürſtin ſollſt du dann 
Den Forſt mit uns durchzieh'n!“ 
Doch ihre Thränen floſſen, ach! 
Um Jock von Hazeldean! 


Die Kirche prangt im Sonntagsſtaat 
Früh bei des Morgens Grau'n. 

Der Prieſter wartet im Ornat, 

Und edle Herrn und Frau'n. 

Doch nirgendwo die Braut! man fucht 
Sie überall — doch Fühn 

Hat über die Granze fie entführt 

Ihr Jock von Hazeldean. 





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445 


Pihroch of Donald Dhu. 


Donuil Dhu's Kriegsgefang! 
Schlachtlied von Donuil! 
Töne mit wilden Klang, 
Wecke Clan Gonuil! 

Kommt herbei, fommt herbei; 
Auf zum Gefechte! 

Horht auf das Feldgefchrei, 
Herren und Knechte! 


Meider die Schlucht, fo wild, 
Fellige Bahnen! 

Hört, wie die Pfeife ſchrillt! 
Schaut auf die Fahnen! 
Hügel-Plaid, Hochlands-Schwert, 
Kommet hernieder! 

Und wer fie tragt und ehrt, 
Muthig und bieder! 


446 


Laſſet die Braut, das Weib! 
Laſſet die Heerde! 

Laſſet des Todten Leib 
Weber der Erde! 

Laſſet die Sagd, den Teich, 
Barfen und Schlingen! 
Bringt euer Kriegeszeug, 
Tartfchen und Klingen! 


Kommt, wie der Sturm fommt, wenn 
Wälder erzittern! 

Kommt, wie die Brandung, wenn 
Flotten zerfplittern! 

Schnell heran, fchnell herab, - 
Schneller kommt Alle, 

Hauptling und Bub’ und Knapp’, 
Herr und Bafalle! 


Seht, wie fie fommen! ſeht, 
Wie fie fich fchaaren! 
Haidfraut im Winde weht, 
Feder des Haren! 





447 


Weg den Plaid, zieht das Schwert! 
Vorwärts, ihr Leute! 

Donuil Dhu's Kriegsgeſang 

Töne zum Streite! 


Nora's Gelübde. 


Hirt, was Hochlands Nora fpricht: 
„Den Sohn des Early frei’ ich nicht! 
Und follten alle Menfchen fterben, 

Und außer ihm und mir verderben! 
Für alle Schäße, alles Geld, 

Für alle Länder in der Welt, 

Um die man Fühn geftritten fchon, 
Freit' ich ihn nicht, des Garly Sohn!“ 


„Ein Mädchenſchwur,“ ſprach Callum alt, 
„Iſt bald geſagt, gebrochen bald! 

Das Haidkraut auf des Berges Kranz 
Beginnt zu blüh'n im Purpurglanz! 

Doch bald im Thal und auf den Höh'n, 
Derwelft e3 bei des Froftes Weh'n. 

Doch eh? fein Schimmer ganz entfloh’n, 
Freit Nora gern des Early Sohn!” 





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„Tauſcht,“ ſprach ſie, „auch den klaren See 
Der Schwan mit Adlers Felſenhöh'; 
Rauſcht brauſend rückwärts Aweſtroms Fall, 
Stürzt donnernd das Gebirg in's Thal; 
Erliſcht in des Gefechtes Glut 

Der leichtgeſchürzten Clane Muth; 
Geſchehen all' die Wunder ſchon, 

Doch frei’ ich nie des Early Sohn!” 


Noch brütet an des Ufers Saum 

Der Schwan in weichen Neftes Flaum; 
Noch fteht der Berg auf feiner Stelle, 
Und abwärts ftrömt de3 Aweftroms Welle: 
Noch nimmer, Feindes Hieb und Stich 

Zu meiden, wandte’ ein Schotte fich; 

Doch Nora gab den füßen Lohn: 

Sie hat gefreit de3 Early Sohn! 


Freiligratb, Gedichte. 29 


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450 


Donald Eaird ift wieder da. 
Chor, 


Donald Caird ift wieder da! 
Donald Caird ift wieder da! 
Auf, erzählt es fern und nah, 
Donald Caird ift wieder da! 


Donald Eaird kann Lieder fingen, 
Froh beim Hochlandgreigen fpringen; 
Trinken, bis die Männer finfen, 
Schmeicheln, bis die Weiber winfen; 
Eimer binden, Keffel fliden, 
Schädel fpalten auch in Stüden: 
Auf, erzählt es fern und nah, 
Donald Caird ift wieder da! 
Donald Caird ift wieder da! 
Donald Gaird ift wieder da! 
Auf, erzählt e8 fern und nah, 
Donald Saird ift wieder da! 





451 


Donald Caird kann Hafen ftriden, * 
Kennt des Rothwilds Lift und Tüden; 
Kann den Lachs im Bade fpießen; 
Vögel aus den Lüften fchiefen; 
Kann die Küftenwächter fchreden, 
Und aus tiefem Schlummer weden; 
Nicht für Kohn und Geldeswerth 
Laßt euch ein mit Donald Gaird! 
Donald Caird ift wieder da! 
Donald Gaird ift wieder da! 
Pfeifenklang Ihall fern und nah, 
Donald Eaird ift wieder da! 


Donald Caird leert feine Kanne 
Schneller, als fie füllt die Hanne; 
Jeder Wirth, der Schnaps verfchenft, 
Weiß, wie er den Becher fchwenft; 
Zrunfen ift er fe und rege, 

Gehet Niemand aus dem Wege; 
Hochlands Häuptling, Tieflands Laird 
Müſſen weichen Donald Gaird! 


* (o wire a maukin, einen Hafen vermittelt einer Drathſchlinge 
fangen, in Weſtphalen: einen Hafen firiden. Technifher Wild» 
diebsidiotism! — 


PER TE 


152 


Donald Caird ift wieder da! 
Donald Caird ift wieder da! 
Auf, erzählt es fern und nah, 
Donald Caird ift wieder da! 


Schließt den Schenftifch, ſchließt die Lade, 
Daß euch Donald Gaird nicht fehade! 
Donald Caird halt Alles feft, 
Was Allan Gregor übrig läßt; 
Käfe, Wolle, Hahn und Henne, 
Auch ein Schwein wohl von der Tenne, 
Lumpen — D, vor Strang und Schwert 
Hüte wohl dich, Donald Caird! 
Donald Gaird ift wieder da! 
Donald Caird ift wieder da! 
Keiner fag’s dem Sherif ja, 
Donald Caird ift wieder da! 


Donald Caird war Faum zu retten, 
Strang bedrohten ihn und Ketten; 
Doch Donald Saird, mit fehlauen Tüden, 
Wußt' den Galgen zu berüden; 

Sieh’, e3 fiel von Fuß und Hand 
Seiner Feffeln ftählern Band! 





453 


Wahrt die Heerden fern und nah! 

Donald Caird ift wieder da! 
Donald Gaird ift wieder da! 
Donald Caird ift wieder da! 
Keiner fag’s dem Richter ja, 
Donald Caird ift wieder da! 


454 


Wiegenlied 


für den Sohn eines ſchottiſchen Häuptlings. 


Sclaf, Söhnchen! dein Vater war eiſenumhüllt 
Ein Ritter! deine Mutter war lieblich und mild! 
Vom Thurme ſieh' nieder: des Waldes Revier, 

Die Schluchten, die Berge, ſie prangen nur dir! 


O, fürchte das Horn nicht, wie laut es auch droͤhnt; 
Den Wäachrern nur, die dich befchügen, es tünt;z 

Sie fpannen den Bogen, ihr Schwert raucht von Blut, 
Eh? feindlich ein Bube dir Leides anthut. 


Schlaf, Söhncen! die Zeit kommt, wo panzerbededt 

Das Horn und die Trommel vom Schlummer dich wedt, 
Drum fchlafe, mein Liebling, noch darfft du's ja thun; 
Als Mann mußt du Fampfen, kannſt nimmermehr ruhn! 





455 


Das Mädchen von Asla. 


Madchen von Isla, hoch vom Riff, 

Das Sturmgewölk und Meer umnachten, 
Siehſt du nicht dort das kleine Schiff 

Die Wuth der Wellen keck verachten? 

Jetzt taucht es tief in Schaum und Dampf, 
Tanzt hoch jetzt auf der Wogen Rand; 
Sprich, warum wagt es ſolchen Kampf? — 
Mädchen, es ſucht fein Heimathland! 


Siehſt, Mädchen, du die Möve dort? 
Durch Nebel glänzt ihr weißer Flügel; 
Sie ſchwingt ſich durch den rauhen Nord, 
Und ſucht des Ufers ſich're Hügel. 
Warum durch Sturm und Wogenſchaum 
Sucht ſie der Inſel Felſenſtrand, 

Warum des Ufers grünen Saum? — 
Mädchen, es iſt ihr Heimathland! 





Doch, wie des Schiffs der wilde Sturm, 
Lachſt du der Werbung, die ich bringe; 
Kalt, wie des Felfen fteiler Thurm, 

Wo Möv’ und Taucher fenft die Schwinge. 
Sei noch fo hart, fei noch fo Kalt, 

Doch, Mädchen, biet’ ich dir die Hand! 
Wenn nicht dein liebend Herz, dann bald 
Iſt Alan’s Grab fein Heimathland! 





457 


Der Einfall. 
(The Foray.) 


| Der legte der Stiere war heut’ unfer Mahl; 
Kein Wein in der Burg mehr, als bier im Pokal! 
Wohlauf! mit dem Schwert euch umgürtet! von binnen ! 
Gefahr ift zu wagen, und Raub zu gewinnen! 


Das Auge, das jüngft noch mit lächelndem Strahl 
Dem unfern begegnet, blickt trübe durch's Thal, 
Hernieder vom Thurm durch die Nacht zu erſpäh'n 
Das bäumende Roß und des Helmbuſches Weh'n. 


Wie der Wind ſich erhebt, wie der Platzregen rauſcht! 
Der Mond hinter Wolken im Nebelduft lauſcht! 
So recht, ihr Genoſſen! des Thurmwarts Geſicht, 


Von Dunkel befangen, eripäht uns dann nicht! 
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Wie ftampfen die Noffe! hört, das ift mein Sched! 
Sein Huffchlag Elingt markvoll, fein Wiehern Elingt Fee! 
Wie der Bliß des Gewitterd in Sturm, und in Dampf, 
Soll der Bliß feiner Mähne euch führen zum Kampf! 


Die Brüde fiel nieder, fchon tönte dag Horn! — 
Ein Glas noch; — und dann gebt den Roſſen die Sporn! — 
Ein ehrenvoll Grab dem Gefal’nen voll Muth, 
Und Heil dem, der heimfehrt zu Teviots Fluth! 





Das Mädchen von Toro. 


D, tief auf dem Toroſee ruhte verziehend 

Die fcheidende Sonne mit purpurner Glut; 

Leis raufchte der dunfelnde Wald; da lag kniend 

Ein Mädchen am Ufer und weint’ in die Fluth. 

„D, füßefte Jungfrau, und ihr, in den Höhen 

Des Himmels, ihr Heil’gen, vernehmt meine Noth! 
Erhört meine Bitte, gewähret mein Flehen! 

Gebt Heinrich mir wieder, fonft gebt mir den Tod!” — 


Es tönte herüber vom waldigen Hügel, 

Bald ftärfer, bald fchwächer, des Kampfes Gewirr; 
Da plößlih, getragen vom ſchwellenden Flügel 

Des Windes, fholl Schlahtruf und Waffengeklirr. 
Sie horchte, fie blickte zur Ferne, fie laufchte; 

Es nahte ein Krieger; wie fhlug ihr das Herz! 

Sein Schritt war fo langfam, fein Leben verraufcte; 
Sein Helm war gefpalten, fein Antlitz ſprach Schmer;. 


460 


„O, rette dich, Mädchen! gefchlagen die Heere! 
O, rette dich! todt dein Befchüger, dein Freund! 
Dein Heinrich liegt Falt auf zerbrochenem Speere, 
Und rafch durch die Waldungen naht fih der Feind!“ — 
Kaum, ftammelnd, vollbracht? er fein ſchreckliches: „Nette!“ 
Verzweifelnd vernahm ihn das Mädchen. — Den Lauf 
Verſenkte die Sonn' in des Toroſee's Bette, 

Doch ging ſie den Beiden wohl nimmermehr auf! 





Der Troubadour. 


Par feiner Dame Feniter ftand 

Ein Troubadour, ein Feind von Sorgen 

Sang liebeglühend, ruhmentbrannt, 

‘hr feinen legten guten Morgen: 
„Dem Vaterlande meinen Arm, 
Mein Herz weih’ ich der Liebften nur! 
Für Lieb’ und Ehre frifch in’s Feld, 
Sp ſchickt fih’s für den Troubadour!“ 


Und als er nun im eh’rnen Kleid 

Hinauszog aus des Schloffes Pforte, 

Da tönten, treu der holden Maid, 

Noch feines Liedes lebte Worte: 
„Dem Vaterlande meinen Arm, 
Mein Herz weih’ ich der Liebften nur! 
Für Lieb’ und Ehre frifch in’s Feld 
Eil’ ich, ein tapfrer Troubadour!“ 


462 





208 brach die Schlacht mit ihrem Dräu'n; 
Da fprengt’ er vor, und ritt und rang. 
Vom Noß hernieder durch die Reih'n 
Ertönte laut noch fein Geſang: 
„Mein Leben gern dem Vaterland, 
Mein Herz weih' ich der Liebſten nur! 
Für Lieb' und Ehre, Kampf und Tod, 
So ziemt es ſich dem Troubadour!“ 


Und, ach! er fiel! — im Blutgefild 

Erlag er ſeiner Feinde Degen; 

Allein gelehnt auf ſeinen Schild, 

Jauchzt' er dem Tode froh entgegen: 
„Mein Leben gern dem Vaterland, 
Mein Herz weih' ich der Liebſten nur! 
Für Lieb' und Ehr' den ſchönſten Tod 
Erkämpfte ſich der Troubadour!“ 


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463 


Thomas Moore. 


This world is all a fleeting show. 


Die Melt ift al’ ein flüchtig Scheinen ; 
Der Freude Lächeln, füß und klar, 

Der ftillen Wehmuth bitt'res Weinen, 

D falfhes Thun, o falihes Meinen — 
tichts, nur der Himmel noch, ift wahr! 


Der Ruhm mit feinen Sonnenbliden, 

Sn Dunfel bald verfehrt er ſich; 

Der Schönheit Glanz, der Lieb’ Entzüden 
Sind Blüthen, ach! das Grab zu Ihmüden — 
Der Himmel nur glanzt ewiglich! 


Und fo verfchlingt uns Well’ um Welle; 
Hin zieh’n wir ohne Bahn und Spur. 
Fällt oft ein Blitz auch — feine Helle 
Beleuchtet eine düft’re Stelle; — 

Der Himmel bringt die Ruhe nur! 


Fallen is thy Throne 


Kun traur' in Schweigen, Sfrael! 
Gefallen ift dein Thron! 

Auf deinen Zinnen lafter Staub, 
Auf deinen Kindern Hohn. 

Kein Frühthau mehr befeuchter 
Dir Etham’s dürr Geftad, 

Und Feine Wolf erleuchtet 

Dir fürder deinen Pfad! 


Du liebteft, Herr, Serufalem — 
Dein eigen war es ganz; 

zum Throne deiner Herrlichfeit 
Gereichte dir fein Glanz: 

Bis, zorn’gen Strahls, das Wetter 
In deinen Delbaum fchlug; 

Big Juda falſche Götter 

In Salem’ Schreine trug. 





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465 


Da fanf dein Stern, o Solyma; 
Da floh dein Ruhm, wie Spreu; 
Wie Haide, die der Wirbelwind 
Führt durch die Wüftenet. 
Schweigend und wüft die Hallen, 
Wo geblißt der Mächt’gen Kleid! 
Die Thürm' in’s Thal gefallen, 
Die Baals Dienft entweiht ! 


„Run, Afur, würge!“ fprah der Herr: 
„Zeuch her, du Volk von fern! 
zu Boden ihre Mauern wirf, 
Denn fie find nicht des Herrn! 
Bis ein Gefchrei verfündet 
Der Tochter Zion Qual; 

Bis jammernd fie fih windet 
In Hinnom’s Würgethal!“ 


Greiligratb, Gedichte 30 


166 


Who is the maid? 


St. Hieronymus’ Geliebte. 


Wer iſt ſie, die mein Herz begehrt, 
Was läfternd auch der Leumund ſpricht? 
Ward ihrer Wange Noth gewährt? 
Gralänzt ihr Aug? von ird'ſchem Licht? 
O nein, von mitternäht’gem Fleh'n 
Sind ihre Blicke trüb und hohl, 

Und wird ein Licht oft drin gefeh’n, 

So Fam fein Strahl von oben wohl! 


Und nicht bei denen fuch’ ich fie, 

Die eitel nah’n des Ew’gen Schrein! 

Die vor ihm beugen nur dag Knie, 
Gefhmüdt mit Kränzen und Geftein! 
Nicht füllt die Bruſt der Himmel ganz, 
Die ſich mit Pracht umgeben mag; 

Und fie, die, glüh’nd von ird’fhem Glanz, 
Ob ihrer Schwäche Elagt, bleibt — ſchwach. 





467 


Nicht fo die trauernde Geftalt, 

Die meine Luft, weil fie verblüht! 

Ihr ganzer Neiz die Allgewalt 

Des Heil’genfcheing, der fie umglüht! 
Nein, folch ein Leuchten, rein und Flar, 
Ward üpp’ger Schönheit nie gewährt! 
Nur Ihr, die, wie auf dem Altar 

Die Lampe, zitternd ſich verzehrt! 


The bird, let loose. 


Die Taube, fern im Orient 

Heimzieh’nd mit freud’ger Haft, 

Sie fenft die Schwinge nicht, fie Fennt 
Kein Ruh'n und Feine Naft. 

Durch Licht und Kuft, wie ftrebt fie Fühn 
Nach ihres Herren Herd, 

Wo nichts des Ird'ſchen hemmt ihr Flieh’n, 
Wo fie Fein Schatten ftört! 


So laß, o Gott, vorübergeh’n, 
Was bög und unrein, mir! 

So durch der Tugend rein’re Höh’n 
Laß fteuern mich zu dir! 

Bon Wolfen und von Sünde rein 
Sei meiner Seele Flug, 

Auf ihrem Pfad dein Sonnenfchein, 
Und nur nach dir ihr Zug! 





469 


Sound the loud timhrel. 


Miriam’s Sid. 


Und Miriam, die Prophetin, Aaron's Schweſter, 
nahm eine Pauke in ihre Hand, und alle Weiber 
folgten ihr nach hinaus mit Paufen am Reigen. 

Ervduß. 


Wandelt mit Pauken das Schilfmeer entlang! 
Der Herr hat geſiegt — unſ're Kette zerfprang. 
Singt, denn des Mächtigen Stolz ift gebrochen; 
Sein funfelnder Heerzug, fein Eriegrifcher Troß — 
Wie eitel ihr Rühmen! — der Herr hat gefprocen, 
Und unter im Schilfmeer ging Reiter und Roß. 
Wandelt mit Pauken das Schilfmeer entlang, 

Der Herr hat gefiegt — unfre Kette zeriprang. 


Ehre dem Herrn! dem Eroberer Ehr’! 
Sein Hauch unser Schwert, und fein Wort unfer Speer! — 


470 





Siehe, wer meldet dem harrenden Volke 
Den Fall feiner Tauſende? Keiner entrann! 
Der Herr fah hervor aus der feurigen Wolfe, 
Und warf in die Fluthen fie, Wagen und Mann! 
Wandelt mit Pauken das Schilfmeer entlang, 
Der Herr hat gefiegt, unf’re Kette zerfprang. 





471 


Now let the warrior. 


Kun ſchmückt die Roſſe bunt zum Streit, 
Kun ftoßt in die Trompeten! 

Denn des Dftens Volk ſoll bluten heut’, 
Und vom SKirieg die Sonn’ erröthen! 

Der Helm der Chriften ift der Siß 

Des Siegs; aus ihren Scheiden 

Zudt das Schwert, aus Weſtgewölk ein Blitz, 
Verderben auf die Heiden. 

O felig, wer im Kampfe fallt! 

Im Himmel fortan fteht fein Zelt! 

Run ſchmückt die Nofe bunt zum Streit, 
Kun ftoßt in die Trompeten! 

Denn des Dftens Volk foll bluten heut’, » 
Und vom Krieg die Sonn’ errötben! 


O!soon return. 


Das Schiff zog eine Feuerfpur, 

Das Segel fing den legten Blick 

Der Sonne; — ſie ſprach weinend nur: 
„O, tehre bald zurück!“ 

Wohl trieb mein Fahrzeug der Orkan 
Durch manches Meer, feitdem ich fchien; 
Bald fuhr der Nordwind durch die Raa'n, 
Und bald der laue Süd. 

Doch wenn, wo ed auch immer lag, 
Das Meer beim lekten Sonnenblid 
Roth flammte, hört’ ich, wie fie fprach: 
„O, kehr' zurüd! kehr' bald zurück!“ 


Hab' je ich deiner nicht gedacht, 

War jemals dir mein Geiſt nicht nah, 
Dann war es mitten in der Schlacht, 
Wenn der Tapfern Aug' mich ſah. 





473 


Doh wenn auch im Gewühl de3 Streits 
Der Liebe Macht mir ferne war: 

Dem Ruhm verlieh nur fie den Reiz, 
Der füß macht die Gefahr! 

Und bradte dann der Sieg die Ruh’, 
Und flammte ftolz des Kriegers Blick, 
Dann wieder war’s, als riefeft du: 

„D, Fehr’ zurüd! Fehr bald zurück!“ 


474 





2 saw the moon rise clear. 


Der Mond ging Falt und hell 

Ueber Schneegefilden auf; 

Mein Nenntbier trabte fchnell; 

Sch zeigt’ ihm nicht den Lauf. 
Leichtfüßig rannt? es grad’ 

Durch's Holz; — wohl weiß mein Thier, 
Für mich ift nur Ein Pfad — 

Der Pfad, der führt zu dir. 


Des Winters langer Nacht 
Vergißt das Herz fo gern, 
Hat der Sommer erft gebracht 
Den großen gold’nen Stern, 
Der niemals untergeht, 

Sp ftieg meine Lieb’ für dich! 
Wie die Sommerfonne ftet, 
Leuchtet fie ewiglich. 





» 


Aa re We ne U ud 


There comes a time. 


Es kommt eine Zeit, eine trübe Zeit 
Für ihn, der manchen Tag 
Geſchwelgt in der Jugend Süßigkeit, 
Der alle Blumen brach. 

Wenn ſein Herz zuerſt entſagen muß 
Seinen Träumen, bunt und hoch, 
Dann wäre jäher Tod Genuß, 

Denn was bringt das Leben noch? 
Es kommt eine Zeit, eine trübe Zeit 
Für ihn, der manchen Tag 
Geſchwelgt in der Jugend Süßigkeit, 
Der alle Blumen brad. 


Sinft die Sonn’ in Afrika, dann bricht 
Plöglih die Nacht berein; 

Sp müßte, ftirbt der Liebe Licht, 
Auch vollbracht das Leben fein; 


. 476 








Nicht, ein nord’fcher Tag, durch die Damm'rung trlb 
Fortglimmen und verzieh'n, | 
Ein Feuer, von dem nur Afche blieb, 
Fin Schimmern, doch Fein Slüh’n! - 
Es fommt eine Zeit, eine trübe Zeit 
Für ihn, der manchen Tag 
Gefchwelgt in der Jugend Süßigfeit, 
Der alle Blumen brach! 


Hark! the vesper hymn is 
stealing. 


Horch! wie über's Waſſer hallend, 
Klar die Veſperhymne klingt! 
Naher jetzt und näher ſchallend, 
Subilate, Amen! 

Ferner jest und ferner hallend, 
Bis fie fanft dem Ohr verflingt, 
Subilate, Amen! 


Sept, wie Mondfcheinwellen, rollend 
An das Ufer ftirbt fie hin; 

Seßt, wie zorn’ge Brandung, grollend 
Wahft die Fluth des Liedes Fühn. 
Subilate, Amen! 

Wieder horch! wie Wellen, rollend 

An das Ufer ftirbt fie bin; 

Aubilate, Amen! 


478 


Bei der Vorüberfahrt an der Todten⸗ 
Inſel (Deadman’s Island) in der 
St. Lorenz:Bay. 


Sept unter dem finftern Gewölk ihr dort 
Das dunkle Schiff? raſch gleitet es fort. 
Seine Segel find voll, doch der Wind ift ftille, 
Und Fein Lüftchen weht, das die Segel fülle. 


D, was trägt das fchaurige Fahrzeug ? kann 
Das Grab fo ftill fein? Horch! dann und warın 
Kur Todtengelaut und Leichenvögel 

Und das Klappen der nebelbehangenen Segel. 


Auf dem Falten Strande von Labrador 

Liegt ein Wrad, die Maften zerknickt wie Rohr. 
Dort, auf Bänfen von Eis, im Mondenfchein, N 
Wäſcht die See der ertrunfenen Schiffer Gebein. — 





= 


479 


Dort war das Schiff; — eine Flamme, blau 
Und zitternd, fladert um Maft und Tau, 
Die ihr Licht auf fo fable Gefellen wirft, 

Als je nur den Thau des Kirchhofs geihlürft. 


Nah der Todteninfel fauft fein Kiel! 

Nach der Todteninfel! dort ift fein Ziel! 
Sfelette reffen die Segel gewandt, 

Nicht von diefer Welt ift am Steuer die Hand. 


D, faufe vorüber! o, fegle fchnell, 

Du fchredliches Schiff! bald wird es hell, 
Derbirg dich dem Morgen! fein Nofenfhimmer, 
Erblidt’ er dich noch, würde blaß für immer! 


480 


Eright be thy dreams. 


Licht ſei dein Traum — mag all dein Weinen 
Im Schlaf als Lächeln dir erſcheinen! 

Die dir nahmen Tod und Zeit, 

Die Geliebten und die Frommen, 

Mögen alle lächelnd heut’ | 

Sm Traume zu dir fommen! 


Da mag dad Kind, das all’ dein Beten 
Nicht retten Fonnte, vor dich treten; 
Noch als lebt’ es — ſchön und froh! 
Ganz daffelbe, frei von Sünden; 

Dder, wenn verändert, fo, 

Wie du es bei Gott wirft finden! 





Ve u 


481 | 


Kow zsently here. 


Leis rudern hier, mein Gondolier! die Fluth vom Ruder 
fprüh’n 

Sp leife laß, daß fie ung nur vernimmt, zu der wir 
zieh'n! 

O, könnte, wie er ſchauen kann, der Himmel reden — 
traun, 

Er fprähe Vieles wohl von dem, was Nachts die Sterne 
ihau’n! 


Kun raften hier, mein Gondolier! In's Boot die Ruder! 
ſacht! 

Auf zum Balkone ſchwing' ich mich, doch du hältſt unten 
Wacht. 

O, wollten halb ſo eifrig nur dem Himmel wir uns weih'n, 

Als ſchöner Weiber Dienſte — traun, wir koͤnnten Engel 
ſein! 


Breiligrath, Gedichte. 31 


482 


When first that smile. 


Bei deines Lächelns erſtem Sonnenſchein 
Welch ein Geſicht hab' ich geſehen! 
Jahre der Liebe, Jahre, ſtill und rein, 





Ließ dieſes Lächeln mir vorübergehen! 

O Gott, kein Landmann wohl, der träumend Ernten ſah 
Und gold'ne Frucht mit ſüßerm Hoffen, 

Als ich die Flamme dieſer Augen, da 

Süß lächelnd mich ihr Strahl getroffen! 


Wo nun die Stunden, die er mir verſprach? 

Des Weibes Treue gleicht der Thräne, 

Die bald verſiegt; fie dauert einen Tag; 

Sie fchwindet, wie des Weibes Schöne! 

Kurz, wie des Verfers Fleh’n, wenn er am Abend fleht, 
D Liebe! fei dein Flehen immer! 

Schnell vor der Schönheit ftammle dein Gebet — 

Eh’ du’3 geftammelt, flieht ihr Schimmer! 


483 


Peace to the slumberers. 


Friede den Schlummerern! 

Sie liegen auf der blut'gen Flur, 
Sarglos und ohne Leinen! 

Der Morgenthau, der Regen nur 
Sind es, die auf ſie weinen. 


Weh', all ihr Muth umſonſt! 

Wo ſich erhob der Eiche Kraft, 
Da liegen ihre Trümmer! 

Doch Herzen, einmal uns entrafft, 
Sie ſchieden, ach, für immer! 


Fluch euch, Eroberer! 

Wir wollen liegen kalt, wie fie, 
Die ſchnöd' ihr ung entriffet, 
Eh’ unfer Herz der Nahe, die 
Sie ung vermadt, vergiffet! 


See, the dawn from heaven. 


Einer zu Bom am Chriftabend gefungenen Weife untergelegt. 







Siey, wie durch die Wolfen lachend Damm’rung bricht! 
Die Erd’, aus Sind’ erwachend, grüßt ihr Licht! 
Engel aus der Höhe fehwingen lachelnd fih, o fieh, 
Niederwarts; auf fonn’ger Stirne bringen Edens Kränze fie! 


Hörft du braufen ihrer Lieder mächt'ge Fluth? 

Lieblich fchallt’8 hernieder, wer hier ruht! 

Dort, in jener dunfeln Hütte, fchlaft der ein’ge Sohn, 
Er, der aus den Himmeln Fam, — von Gottes Thron. 


485 


When throuzh the Piazzetta. 


Wenn durch die Piazzetta 
Die Abendluft weht, 

Dann weißt du, Ninetta, 
Wer wartend hier fteht. 

Du weißt, wer troß Schleier 
Und Maske dich kennt, 

Wie Amor die Tenus 

Am Nahtfirmament. 


Ein Schifferfleid trag’ ic 
Zur felbigen Zeit, 

Und zitternd dir fag’ ich: 
„Das Boot liegt bereit! 
O, komm’ jekt, wo Lune’n 
Noch Wolfen umzieh’n, 
Laß durch die Lagunen, 
Mein Leben, ung flieh’'n!“ 


486 


Take hence the howl. 


Die Bowle fort! und fehaume 
Ste noch fo glänzend heut’! 

Sie bringt mir nichts als Traume 
Bon längft gefchied’ner Seit! 
Sie maht mein Auge trübe, 
Sie maht mein Auge na, 

Sie zeigt mir todte Liebe, 

Wie eines Zaub'rers Glas! 


Es laßt mic jeder Tropfen 

Bor todten Freunden knie'n; 
Begrab'ne Herzen Flopfen, 

Und bleiche Lippen glüh’n. 

D, wenn mir fo die Sahre, 

Die waren, fehmerzlich nahn, 
Dann fchaut mich ernft der Flare 
Kelch wie vol Thranen an! 





187° 


$ Farewell. Theresa! 
Leb' wohl, Thereſe! die Wolke drüben, 
Die finſter über den Mond ſich zieht, 

Sie wird des Lächelnden Licht noch trüben, 
Wenn über's Meer ſchon dein Buhle flieht! 


Wie dieſe Wolke, ſo hab' ich lange 
Beſchattet dein Herz, verdüſtert dein Thun! 
Ich fand dich lächelnd, mit friſcher Wange! 
Wie warſt du glücklich — o Gott, und nun? 


Doch hier befrei' ich dich, ſüßes Weſen! 

Wie aus ſchweren Traumen erwachſt du wohl; 
Da! — ſieh' auch den Mond ſeinen Zauber löſen! 
Die Wolke verzieht — Thereſe, leb' wohl! 


188 Eu | 








How oft, when watching stars. 


Wie manchmal, wenn des Mondes Strahl 
Die Berge zitternd küßt ringsum, J 
Zu lauſchen einer Flöt’ im Thal, | 
gehn’ ih am Erfer ftumm! 

„O fomm, mein Lieb!” fagt leife flehend jeder Ton. 
„O komm, mein Lieb! die Wacht ift bald entfloh'n!“ 
Kein, Feiner Nede Kraft, 

Wie warm, wie feurig auch, 

Malt glühend fo die Leidenfchaft, 

Wie diefer Töne Hauch! 


Dann — wahrlich, nicht von ungefähr! — 

Ergreif’ auch ich die Laute — wohl 

Iſt Andern fremd ihr Klang, doch Er 

Kennt ihre Sprache wohl! 

„Sch komme, Lieb!“ fagt leis verheißend jeder Ton; 
„Sch komme! Dein, dein, bid die Nacht entfloh’n!“ 





489 


O, ſchwach das mäht’ge Wort, 

Und matt der Farben Kicht 

Bei dem, was zitternd mein Afkord 
Alsdann ihm malt und fpricht! 


490 


When the first summer hee. 


Bald, wenn die Biene hier 

Summt um die Roſe, 

Dann, grad' wie die Loſe, 

Komm’ ich zu dir! 

Sie Blumen, ich Lippen, füß, duftend und glüh — 
Welch’ Finden, wel’ Finden für mich und für fie! 


Dann jedes Beetes Sier 

Naht fie mit neuer 

Begierde — doch treuer 

Bleib’ ich bei dir! 

Sie fammelt bei Taufenden Süßigkeit fich, 
Doch Taufender Süße in Einer find’ ich. 


— — — — 





491 


Light sounds the harp. 


Sir tönt die Harfe, wenn Helden und Klingen 
Ruh'n im Gezelt nach geichlagener Schlacht; 
Wenn Lorbeern des Liebenden Schläfe umfchlingen, 
Und Eros aus Helmbüfhen Flügel ſich macht. 
Doch wenn der Fremdling Fehrt, 

Gleich blißt des Helden Schwert; 

Einmal noch fchwingt er es hoch in der Fauft: 
Raſſelndes Roßgeſchirr, 

Panzer- unh Schwertgeklirr 

Sind die Muſik alsdann, die ehern ihn umbrauft. 
D, dann fommt die Harfe, wenn Helden und Klingen 
Ruh'n im Gezelt nach gefchlagener Schlacht; 

Wenn Lorbeern des Liebenden Schläfe umfchlingen, 
Und Eros aus Helmbüfchen Flügel fich macht. 


Süß Flang die Harp, als der Kriegsgott umfchlingen 
Vom fchwellenden Arme der Schönheit fich ließ, 

Als Myrten den Goldhelm des Wilden umfingen, 
Als niftende Tauben fein Harnifch ihm wies. 


492 


Doch wenn die Schlacht begann, 

Schaute der Fühne Mann 

Finfter; der Göttin entwand ſich der Held. 
Huffhlag und Horn und Schwert 

Iſt's, was fein Ohr begehrt, 

Iſt die Mufif alsdann, die ehern dröhnt durch's Feld. h 
Doch dann Fam die Harfe; nah Sieg und Frohloden 
Beging er aufs New mit der Schönheit ein Feſt; 
Sein Lorbeer vermifchte fich goldenen Loden, 

Und fiehe, fein Goldhelm ward Tauben ein Neft. 





493 


The song of war. 


Das Lied des Kriegs fol durch die Berge gellen, 
Bis auch Fein Glied mehr übrig bleibt 

Der Kette, die den Arm ung reibt; 

Bis fein Despote mehr uns ftäupt, 

Und Feindesmund trübt unfre Quellen. 

Kein! nimmer, bis der Morgen glüht, 

Sei Lufitania Ffampfesmüd, 

Hör’ es, o Friede, weh'n dein Lied 

Um feine Höh’n, die fonnigen, hellen! 


Das Lied des Kriegs foll durch die Berge gellen, 
Bis froh der Sieg einft zu uns ſpricht: 

„Durch eurer Feinde Wolfe bricht 

Der Freiheit Strahl, mit neuem Licht 

Zu fegnen Neben euh und Quellen!” 

Nein! nimmer, bis der Morgen glübht, 

Sei Lufitania fampfesmüd, 

Hör’ es, o Friede, weh’n dein Lied 

Um feine Höh’n, die fonnigen, hellen! 


494 


When ’midst the gay I meet. 


Glanzt in der Froben Kreis 

Mir deines Lachelng Schein, 

Db ich's auch fründlich feh’ und weiß, 
Kaum mag ich’3 nennen mein! 

Doch wenn an meiner Bruft 

Dir Thran’ auf Thrane rinnt, 
Dann fühl?’ ich es mit glüh’nder Luft, 
Daß fie mein eigen find. 

Drum al dein Lächeln gib 

Der Frohen Faltem Heer. 

Anlachle, die dir minder lieb: 

Mir nur laß deine Fahr”! 


Sn farb’gem Kacheln glüh’n 
Des Jura ſchnee'ge Höh’n, 
Und Kalte dennoch feffelt ihn, 
Wie wir ihn glüh’n auch feh’n. 





495 


Einzig erwärmen Fann 

Ihn oft ein Sonnenfuß; 
Urplöglich fchmilzt das Lächeln dann 
Und wird zum Thranengufß, 
Drum all dein Lächeln gib 

Der Frohen Faltem Heer; 
Anlächle, die dir minder lieb: 
Mir nur laß deine Zaͤhr'! 


496 


will you come to the bower? 


Wir fommen zur Laube, fo fehattig und Fühl? 
Da dienen ung Nofen voll Thaues zum Pfühl. 
Willſt du, willft du, wilft du, willft du 
Kommen, mein Lieb? 


Da ruhft du auf Nofen wohl unter dem Strauch, 
Erröthend die Wanglein, doch Lächeln im Aug’. 
Willſt du, wilft du, willft du, willft du 

Lächeln, mein Lieb? 


Doch röther als Nofen, mein Lieb, ift dein Mund, 
Und füßer als Thau ift dein Küffen zur Stund’. 
Willſt du, wilft du, willft du, willſt du 

Küffen, mein Lieb? 


Und, o, dann der Freuden, die füßer, fürwahr, 
Als Thau und als Nofen und Küffe fogar ! 
Willſt du, willft du, willft du, wilft du, 

Willſt nicht, mein Lieb? 


_ 





Huf eine ſchöne Dftindierin. 


Wenn Jeder, die ein Sonnenkind, 
In Aug' und Buſen Feuer wohnt, 
Dann ſind, die ſo dich nennen, blind — 
Dich ſandte nur der bleiche Mond! 


Und dennoch, zündend bliebe kalt 
Dies Auge, feurig, ſüß und licht? 
Ihr Lippen, die ihr purpurn wallt, 
Euch ziemt Diana's Siegel nicht! 


O, Einen Strahl der Sonne nur, 
Die deines Ganges Fluthen kocht, 
Zu wandeln dich, du Lichtnatur, 

In Alles, was mein Herz erpocht! 


Ha — plöglich lodern dich zu ſeh'n 
In deiner ganzen glüh’nden Pracht, 
Und dann im DBrande zu vergeh’n, 
Den ich doch felber angefacht! 


Freiligrath, Gedichte 32 


498 


Robert Burns. 


Lieder. 


Nun holt mir eine Kanne Wein, 

Und laßt den Becher ſein von Golde; 
Denn einen Trunk noch will ich weih'n 
Vor meinem Abſchied dir, o Holde! 
Am Damme dorten ſchwankt das Boot, 
Der Fährmann ſchilt, daß ich verziehe; 
Am Baume drüben liegt das Schiff, 
Und ich muß laſſen dich, Marie! 


Das Banner fliegt; in langer Reih' 
Sieht glänzen man die blanfen Speere; 





499 


Bon ferne tönt das Kampfgefchrei, 

Und fchon begegnen fich die Heere. — 

'S ift nicht der Sturmwind, nicht die See, 
Daß ich am Ufer hier verziehe; 

Auch nicht die laute Schlaht — ’8 tft nur, 
Daß ich dich laſſen muß, Marie! 


Die füße Dirn von Inverneß 

Wird nun und nimmer wieder frob; 
Ihr einz’ger Gang ift in die Meg, 

Sie weint und feufzt, und fagt nur: o! 
Drumofiie Moor, Drumoffie Tag, 

O bitt’rer Tag, o blut’ges Moor! 

Wo Falt und ftarr mein Vater lag, 

Wo ich der Brüder drei verlor. 


Ihr Lailach ift der blut’ge Klei, 

Ihr Grab ift grün vom erften Kraut, 
Der ſchmuckſte Burfche liegt dabei, 
Den Mädchenaugen je geichaut. 


900 


Nun wehe dir, der du die Schlacht 
Gewannft, und farteft blut’ge Saat! 
Manch Herz haft du betrübt gemacht, ; 
Das dir doch nichts zu Keide that. F 


3. 


O, ſäh' ich auf der Haide dort 

Sm Sturme dih, im Sturme dich, 
Mit meinem Mantel vor dem Sturm 
Beſchützt' ich dich, beſchützt' ich dich! 

D, wär’ mit feinen Stürmen dir 

Das Unglüd nah, das Unglüd nah, 
Dann wär? dies Herz dein Zufluchtsort; 
Gern theilt’ ich ja, gern theilt' ich ja! 


D, war’ ich in der Wüfte, die 

Sp braun und dürr, fo braun und dürr, 
zum Waradiefe würde fie, 

Wärſt du bei mir, warft du bei mir! 
Und war’ ein König ich, und war’ 

Die Erde mein, die Erde mein, 

Du wärft an meiner Krone doc 

Der fchönfte Stein, der fehönfte Stein. 





4. 


Die finft’re Nacht bricht fchnell herein, 
Der Sturmwind heult; mit Regen drau’n 
Die trüben Wolfen; ſchwärzlich fteh’n 

Sie über diefen nadten Höh’n. 

Der Jaäger wandert heim vom Moor, 
Das Rebhuhn duckt fich unter's Nohr, 
Und ich, das Herz von Sorgen fchwer, 
Geh’ einfam hier entlang den Apr. 


Der Herbft beweint fein reifend Korn, 

So früh fchon von des Winters Zorn 
Zerftört; am Abendhimmel fieht 

Den Sturm er, wie er murrend flieht. 
Kalt wird in meiner Bruft das Blut, 
Gedenk' ich der bewegten Fluth, 

Und das ich zieh’'n muß über Meer, 
Weit, weit von deinen Ufern, Ayr! 

'S ift nicht die Brandung, die dad Land 
Wild zürnend Schlägt; nicht diefer Strand, 
Mit Trümmern mandhes Wracks bededt; 
Der Falte Sturmwind niht — was fchredt 


502 
Den Sohn des Elendg? — aber trägt 
Mein wundes Herz nicht Feffeln? fchlägt 


Es Frampfhaft nicht, und blutet fehr, 
Da e3 fie bricht, dich meidend, Ayr? 


a er u 2 0 


Lebt wohl, ihr Schluchten und ihr Seen, 
Ihr haidekrautbewachf'nen Höh’n! 

Du grünes Thal, du ftiller Pfad, 

Die meiner Liebe Schmerz ihr faht! — 

Freund! — Feind! — lebt wohl! ich ſegn' euch glei 
Meine Lieb’, mein Friede fei mit euch! 
D, diefer Thränenfturz fagt mehr, 

As Worte! — Lebe wohl, mein Ayr! 





oO, 


Einen fchlimmen Weg ging geftern ich, 
Einen Weg, dem ich nicht wieder trau’ ! 
Zwei füße Augen trafen mich, 

Zwei füße Augen, lieb und blau. 

Nicht war's ihr blond und wallend Haar, 
ſticht war's ihr Mund, die Roſ' im Thau, 
Auch nicht ihre weiße Bruft — es war 
Ihr füßes Auge, lieb und blau, 


303 


Ihr Aug’ hat mir dag Herz bethört, 

Ihr Auge, mit der dunfeln Brau; 

O, tiefre Wunden als ein Schwert, 
Schlug mir dies Auge, lieb und blau! — 
Geduld, mein Herz, Geduld, Geduld! 
Vielleicht — doch, weh’ mir! weiſ't fie rauh 
Mich ab, an meinem Tode Schuld 

Iſt dann ihr Auge, lieb und blan. 


6. 


Wenn über'm Berg den Abenditern 

Die Melferin ſieht ichweben, DO! 

Wenn aus der Furche fchwanft das Roß, 
Der Heimath zuzuftreben, O! 

Am Bache dort, wo thaubenept 
Duftreiche Birfen beben, DO! 

Da treff’ ih dich am Hügel, 

Mein Lieb, mein Leben, O! 


In dunkler Schluht, um Mitternacht, 
Hinzög’ ich ohne Beben, DO! 

Umarmt’ ich dich am Ziele nur, 

Mein Lieb, mein Xeben, O! 


904 


Und war’ die Nacht auch noch fo wild, 
Doch würd’ ich vorwärts fireben, O! 
Doch traf ich dich am Hügel, 

Mein Lieb, mein Leben, O! 


Der Jäger liebt die Morgenzeit, 
Der Sagd fich zu ergeben, OD! 

Der Fifcher wahlt den Mittag gern, 
Sein mafhig Neb zu weben, D! 
Mir Eann die graue Damm’rung nur 
Das Herze freudig heben, DO! 

Dann treff’ ich dich am Hügel, 
Mein Lieb, mein Xeben, DO! 


7. 


Kun fommt der Herbft, nun kommt die Jagd, 
Kun kommt des Waidwerks Freude; 

Die Taube girrt, das Birkhuhn ſchwirrt, 

Und röthlich prangt die Haide. 

Nun ftrahlt die Flur von Garben nur, 

Die lebten Früchte reifen; 

Ich aber will im Felde ftill 

Mit der Geliebten fchweifen. x 





305 


Das Nebhuhn folgt des Pflügers Bahn, 
Der Kibiß liebt den Weiber. 

Die Waldſchlucht lodt den Auerbabn, 
Die Wolfe lockt den Reiher. 

Sm Holze gern, von Menfchen fern, 
Austönt der Turtel Klagen; 

Zur Haſel flieht de3 Hänflings Lied, 
Und flieht der Droſſel Schlagen. 


Nah Neigung fo lebt jedes froh, 

Und ichafft fih fein Vergnügen; 

Sie zieh'n allein, fie zieh'n zu zwei'n, 
Sie zieh’n einher in Zügen. 

Du flüht’ge Brut, nun färbt dein Blur 
Der Eiche dunkle Blatter; 

Dein Flügel finft, dein Schrei verklingt 
In Schuß und Horngefchmetter. 


Doh Mädchen, fomm! Der Welt verglomm! 
Vorüber huſcht die Schwalbe. 

Der Himmel blau, die Flur im Thau! 

O sieh’, wie glübt die falbe! 


306 


O komm, durch's Feld! — fieh’ ruh’n die Welt, 
Die glückliche, die ftille! - 

Und dort durch's Korn, o fieh’ den Dorn 

In feiner Scharlachfülle! | 


Ein füß Gefprach verkürzt den Weg; 
Und ftrahlt des Mondes Schimmer, 
Dann fa? ich dich, dann küſſ' ich dich, 
Dann fag’ ich: Dein auf immer! 
Kein Garbenjahr, Fein Herbft fürwahr 
Lohnt fo ded Landmanns Streben, 

Als mich zur Stund dein füßer Mund, 
Mein Herz, mein einzig Leben! 


Mein Kieb ift eine rothe Roy, 
Die frifh am Stode glüht; 

Eine rothe, rothe Roſ'! mein Lieb 
ft wie ein ſüßes Lied! 





307 
Mein Lieb, fo ſchmuck und fchön du biſt, 
So fehr auch lieb’ ich dich; 
Bis daß die See verlaufen it, 
Süße Dirne, lieb’ ich dich! 


Bis dag die See verlaufen ift, 

Und der Fels zerfchmilzt, mein Kind, 
Und ftets, mein Lieb, fo lang mein Blut 
In meinen Adern rinnt! 


2eb’ wohl, leb’ wohl, mein einzig Lieb! 
Leb' wohl auf furze Zeit! 
Xeb’ wohl! ich Fehr’, und wär’ ich auch 
Zehntaufend Meilen weit! 


Mein Herz ift fchwer, Gott ſei's geklagt! 
Mein Herz ift fchwer für Einen; 

O Gott, eine lange Winternacht 

Könnt’ wachen ich für Einen. 


908 


— — — — 


O Leid, für Einen! 

O Freud, für Einen! 

Die ganze Welt koͤnnt' ich durchzieh'n 
Für Einen! 


Ihr Mächte, reiner Liebe hold, 

O, lachelt mild auf Einen! 

Schüßt vor Gefahr ihn! bringt gefund 
Zurück mir meinen Einen! 

O Leid, für Einen! 

O Freud, für Einen! 

Sch that? — o Gott, was that? ich nicht 
Für Einen? 


10. 


Sohn Anderfon, mein Lieb, Sohn, 
Als ich zuerft dich ſah, 

Wie dunfel war dein Haar, und 

Wie glatt dein Antlitz da! 

Doch jest ift Fahl dein Haupt, John, 
Schneeweiß dein Haar, und trüb 
Dein Aug’; doch Heil und Segen dir, 
Sohn Anderfon, mein Lieb! 





5309 


— John Anderſon, mein Lieb, John, 
Bergauf ſtiegſt du mit mir; 
Und manchen luſt'gen Tag, John, 
Zuſammen hatten wir. | 
Kun geht’ den Berg hinab, Sohn, 
Doh Hand in Hand! komm, gib 
Sie mir, in einem Grab’ ruh’n wir, 
Sohn Anderfon, mein Lieb! 


11. 


Mein Herz ift im Hochland, mein Herz ift nicht bier! 
Mein Herz ift im Hochland, im wald’gen Revier! 

Da jag’ ich das Rothwild, da folg’ ich dem Reh, 
Mein Herz ift im Hochland, wo immer ich geh’. 


Mein Norden, mein Hochland, lebt wohl, ich muß zieh’n! 
Du Wiege von Allem, was ftarf und was kühn! 
Doch, wo ich auch wandre und wo ich auch bin, 
Nach den Hügeln des Hoclands fteht allzeit mein Sinn! 


910 
Lebt wohl, ihr Gebirge mit Häuptern voll Schnee, 
Ihr Schluchten, ihr Thaler, du ſchäumender See, 
Ihr Wälder, ihr Klippen, fo grau und bemoof't, 
Ihr Ströme, die zornig durch Kelfen ihr tof’r! 


Mein Herz ift im Hochland, mein Herz ift nicht hier! 
Mein Herz ift im Hochland, im wald’gen Revier! 
Da jag’ ich das Nothwild, da folg’ ich dem Reh, 
Mein Herz ift im Hochland, wo immer ich geh’! 


12. 


D, wär’ mein Xieb’ die rothe Roſ', ® 
Die auf des Schloffes Mauer glüht ! : 
D, war’ ich felbft der Tropfen Thau, h 
Den man im Kelch der Roſe fieht! 


An ihrer Bruft die ganze Nacht 

Läg' ich, und ſchwelgt' in trunfner Luft; 
Bis Morgens, wo der Tag erwacht, 
Läg' ich an ihrer ſüßen Bruſt. 


511 


O, wär' mein Lieb ein Holderſtrauch, 
Wie der, voll Blumen jeder Aſt! 
O, wär’ ich ſelbſt ein Vogelein! 

Auf ſeinen Zweigen hielt' ich Raſt. 


Wie wollt' ich trauern, ſäh' ich ihn 
Entblättern des Novembers Weh'n; 
Wie ſingen, ſähe blüh'nd und grün 
Ich wieder ihn im Lenze ſteh'n! 


13. 


Nun, wer klopft an meine Thür? — 
Ich, mein Schaß! ſprach Findlay. — 
Geh’ nad Haus! was treibit du hier? — 

Gutes nur! fprah Findlay. — 
Wie ein Näuber fchleihft du doch! — 
Raub' auch gern! ſprach Findlan. — 
Treibft vor Morgen Unfug noch; — 
Allerdings! ſprach Findlay. 


12 


Ständ’ ich auf, und ließ dich ein, — 
Laß mich ein! ſprach Findlay. — 
Schlief ich wohl nicht wieder ein! — 
Kann wohl fein! fprach Findlay. — 

Wärſt du bei mir im Gemach, — 
Wär’ ich's erft! ſprach Findlay, 
Gingeft du wohl nicht vor Tag; — 
Freilich nicht! ſprach Findlay. 


Aber nimm, bleibft du die Nacht, — 
Sa, ich bleib! ſprach Findlay; — 
Auf dem Heimweg dich in Acht! — 
Fürchte nichts! ſprach Findlay. — 
Aber, was im Kammerlein — 
Auch gefchieht, ſprach Findlay; — 
Halt's geheim, verfchweig’ es fein! — 
Ganz gewiß! fprach Findlay. 





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